Vom 22. August 2013
Deutscher Bundestag Drucksache 17/14600
17. Wahlperiode 22. 08. 2013
Beschlussempfehlung und Bericht
des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes*
Beschlussempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes wird zur Kenntnis genommen.
Berlin, den 22. August 2013
Der 2. Untersuchungsausschuss
Sebastian Edathy
Vorsitzender
Clemens Binninger
Berichterstatter
Dr. Eva Högl
Berichterstatterin
Stephan Stracke
Stellvertretender Vorsitzender
Hartfrid Wolff
Berichterstatter
Petra Pau
Berichterstatterin
Wolfgang Wieland
Berichterstatter
* Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 26. Januar 2012 (Bundestagsdrucksache 17/8453).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – III – Drucksache 17/14600
Geleitwort zum Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses
Als Ende 2011 die erschreckende Serie von Morden und Anschlägen der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“ bekannt wurde, löste das Ausmaß der Verbre-
chen Trauer und Betroffenheit aus. Aber auch Scham und Fassungslosigkeit, dass die
Sicherheitsbehörden der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg geplanten und
ausgeführten Verbrechen weder rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten; mehr
noch: dass Opfer und Angehörige während der Ermittlungen Verdächtigungen ausge-
setzt waren. Umso mehr sind wir uns der Verantwortung bewusst, alles mit den Mit-
teln des Rechtsstaates Mögliche zu tun, um die Ereignisse und ihre Hintergründe auf-
zuklären und sicherzustellen. Denn der Schutz von Leib und Leben und die von unse-
rer Verfassung garantierten Grundrechte haben in diesem Land Geltung für jeden, der
hier lebt, mit welcher Herkunft, mit welchem Glauben und mit welcher Orientierung
auch immer.
Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2012 einen Untersuchungsausschuss einge-
setzt. In 16 Monaten hat dieser Ausschuss einen wichtigen Beitrag zur sorgfältigen und
zügigen Aufklärung der Hintergründe und Zusammenhänge geleistet und Schlussfolge-
rungen für die zukünftige Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden gezogen.
Die gründliche, sachorientierte, überparteiliche Arbeit des Untersuchungsausschusses
unter dem Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD) ist in den Medien zurecht als ein Bei-
spiel hoher politischer Kultur und parlamentarischer Kompetenz gewürdigt worden.
Ich danke dem Vorsitzenden und allen Mitgliedern und Mitarbeitern für die geleistete
intensive Aufklärungsarbeit. Die gewonnenen Erkenntnisse und die auf dieser Grund-
lage entwickelten Reform- und Verbesserungsvorschläge sind nun Gegenstand der öf-
fentlichen Auseinandersetzung mit dem Ziel, jede Form von Extremismus oder Aus-
länderfeindlichkeit in unserem Lande entschlossen zu bekämpfen.
Prof. Dr. Norbert Lammert
Präsident des Deutschen Bundestages
Drucksache 17/14600 – IV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Demokratie in Deutschland erscheint uns heute allzu oft als schiere Selbstver-
ständlichkeit. Sie ist es nicht – ebenso wenig wie Zivilcourage. Und auch Toleranz
lässt sich leichter einfordern als leben. Was die Substanz eines lebendigen demokrati-
schen Gemeinwesens aber auszeichnet, ist die Unantastbarkeit der Überzeugung, dass
Minderheiten eigene Rechtsansprüche haben, über die Mehrheiten nicht verfügen
können. Dieser deutsche Staat, das ist die Botschaft des Untersuchungsausschusses
über seinen Abschlussbericht hinaus, hält unverrückbar und unwiderruflich an diesen
Prinzipien und Orientierungen fest, die nicht immer selbstverständlich, in der Demo-
kratie aber unverzichtbar sind.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – V – Drucksache 17/14600
Ü b e r s i c h t
Erster Teil: Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des
Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1
A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses ............................................................................. 1
B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit ..................................................................10
C. Verlauf der Untersuchung .......................................................................................................35
D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen ...................59
E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag ....................................................................68
F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung .................................................69
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................71
A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten .......................................................71
B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen
Szene ..........................................................................................................................................75
C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der
Sicherheitsbehörden in Bezug auf Rechtsextremismus ......................................................137
D. V-Leute und Gewährspersonen ............................................................................................257
E. Suche nach dem Trio .............................................................................................................313
F. Česká–Mordserie ...................................................................................................................491
G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A. ........................................639
H. Sprengstoffanschläge .............................................................................................................663
I. Überfälle ..................................................................................................................................715
J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen .........................729
K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten ..............................................743
L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem
4. November 2011 ...................................................................................................................803
Dritter Teil: Gemeinsame Bewertungen ....................................................................................829
A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten ...................................833
B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung ......................................844
C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ....................................847
D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes .......................................................853
E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse ...................................856
F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011 ................................................................858
G. Schlussfolgerungen .................................................................................................................861
H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung .................................................865
Vierter Teil: Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen .....................................................869
A. CDU/CSU-Fraktion ...............................................................................................................869
B. SPD-Fraktion ..........................................................................................................................871
C. FDP-Fraktion .........................................................................................................................901
Drucksache 17/14600 – VI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
D. Fraktion DIE LINKE .............................................................................................................983
E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..............................................................................1031
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs ...........................1043
Sechster Teil: Übersichten und Verzeichnisse.........................................................................1051
A. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................1051
B. Übersicht der Ausschussdrucksachen ................................................................................1057
C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand ..................................................1151
D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne
Beiziehungsbeschluss zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien) ...........................1299
E. Verzeichnis der Sitzungen ...................................................................................................1305
F. Anlagen .................................................................................................................................1311
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – VII – Drucksache 17/14600
I n h a l t
Erster Teil: Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des
Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1
A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses ............................................................................. 1
I. Bekanntwerden des Terror-Trios ................................................................................. 1
1. Bankraub von Eisenach und Wohnungsbrand in Zwickau ......................................... 1
2. Auffinden der Bekenner-DVD und der Česká 83 ...................................................... 1
3. Spekulationen über Verbindungen des Trios zum Verfassungsschutz ....................... 2
II. Gemeinsame Entschließung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag ................... 2
III. Diskussion über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ............................ 3
1. Bundesstaatliche Bedenken ........................................................................................ 3
2. Begleitung durch eine Bund-Länder-Expertenkommission ....................................... 4
IV. Einsetzungsantrag, Debatte und Plenarbeschluss ....................................................... 4
1. Gemeinsamer Einsetzungsantrag aller Fraktionen ..................................................... 4
2. Anträge zur Änderung der Anzahl der Ausschussmitglieder ..................................... 6
3. Plenardebatte und Einsetzung .................................................................................... 6
V. Konstituierung ............................................................................................................... 7
1. Mitglieder des Ausschusses ....................................................................................... 7
2. Bestimmung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden .................... 8
3. Benennung der Obleute und der Berichterstatter ....................................................... 8
4. Benannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen ....................................... 8
5. Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates ..................... 8
a) Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung ................................................. 8
b) Beauftragte der Mitglieder des Bundesrates ......................................................... 9
6. Ausschusssekretariat .................................................................................................10
B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit ..................................................................10
I. Ermittlungen des Generalbundesanwalts und Strafverfahren vor dem
Oberlandesgericht in München ...................................................................................10
1. Gegenseitige Rücksichtnahme ..................................................................................11
2. Regelmäßige Unterrichtung ......................................................................................12
3. Aktenzulieferung aus den laufenden Verfahren ........................................................12
a) Vor Anklageerhebung..........................................................................................12
b) Nach Anklageerhebung .......................................................................................12
4. Rücksicht auf das Strafverfahren: Fragenkreise ausgespart ......................................13
5. Übermittlung der Untersuchungsausschussprotokolle und sonstiger
Unterlagen .................................................................................................................13
II. Schäfer-Kommission .....................................................................................................14
1. Einsetzung und Auftrag .............................................................................................14
2. Ergebnisse der Ermittlungen der Schäfer-Kommission ............................................14
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages ..............................................................................................................15
III. Bund-Länder-Experten-Kommission..........................................................................15
1. Einsetzung der Bund-Länder-Kommission ...............................................................15
2. Gesetzliche Grundlage und Auftrag ..........................................................................15
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss .................................................16
a) Vorabgespräch am 8. März 2012 .........................................................................16
b) Weitere Berichterstattungen ................................................................................16
4. Ergebnis der Arbeit der BLKR ..................................................................................17
Drucksache 17/14600 – VIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
IV. Untersuchungsausschüsse in den Landtagen .............................................................17
1. Thüringen ..................................................................................................................17
a) Einsetzung und Auftrag .......................................................................................17
b) Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages .........................................................................................................22
2. Sachsen ......................................................................................................................22
3. Bayern .......................................................................................................................27
4. Diskussionen in anderen Ländern .............................................................................33
C. Verlauf der Untersuchung .......................................................................................................35
I. Gemeinsames Vorgehen, Einstimmigkeitsprinzip .....................................................35
II. Beschlüsse zum Verfahren ...........................................................................................35
1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen ............................35
2. Verzicht auf die Verlesung von Protokollen und Schriftstücken ..............................35
3. Verteilung von Verschlusssachen .............................................................................35
4. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Sitzungen ...........................................................36
5. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und
Ausschussmaterialien ................................................................................................36
6. Behandlung der Ausschussprotokolle .......................................................................38
7. Verpflichtung zur Geheimhaltung .............................................................................38
8. Fragerecht bei der Beweiserhebung ..........................................................................39
9. Behandlung von Beweisanträgen ..............................................................................39
10. Protokollierung der Ausschusssitzungen ...................................................................39
III. Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten und sonstigen Unterlagen ...............40
1. Beweisvorbereitung ...................................................................................................40
2. Aktenbeiziehung bei Behörden des Bundes ..............................................................40
a) Art und Herkunft des Beweismaterials ................................................................40
b) Akten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Verteidigung ........................................................................................................41
c) Verfügungsbefugnis des Bundes über Akten .......................................................42
d) Vorlage von Akten, die zur Freigabe zugeleitet wurden .....................................42
3. Beiziehung von Akten bei den Ländern im Wege der Amtshilfe ..............................42
a) Reichweite der Amtshilfe ....................................................................................42
b) Art der Beiziehungen ...........................................................................................43
c) Freistaat Thüringen ..............................................................................................43
4. Beiziehung von Akten beim Oberlandesgericht München ........................................43
5. Geheimschutz ............................................................................................................43
a) Nach der Geheimschutzordnung des Bundestages ..............................................44
b) „Geheimschutzstellenverfahren“ .........................................................................44
c) „Treptow-Verfahren“...........................................................................................44
d) Nachträgliche Einstufung ....................................................................................45
6. Vernichtung von Beweismaterial und Aktenschreddermoratorium ..........................45
IV. Beweiserhebung durch Anhörung von Sachverständigen und
Vernehmung von Zeugen .............................................................................................45
1. Sitzungstage ..............................................................................................................45
2. Strukturierung der Beweisaufnahme .........................................................................46
3. Sachverständigenanhörungen ....................................................................................46
4. Durchführung der Zeugenvernehmungen ..................................................................46
a) Die Zeugen ..........................................................................................................46
b) Dauer der Anhörungen und Vernehmungen ........................................................49
c) Nicht erschienene Zeugen ...................................................................................49
5. Vernehmungsgegenüberstellung ...............................................................................50
6. Schriftliche Befragung von Zeugen ..........................................................................50
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – IX – Drucksache 17/14600
a) Krankheitsbedingt ................................................................................................50
b) Offen gebliebene Fragen .....................................................................................50
c) Mangels Zeit ........................................................................................................50
7. Kommissarische Vernehmung ..................................................................................50
8. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht .............................................................50
9. Rechtlicher Beistand .................................................................................................51
10. Öffentlichkeit ............................................................................................................51
a) Ausschluss der Öffentlichkeit ..............................................................................51
b) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen .................................................51
c) Twittern aus öffentlicher Sitzung ........................................................................51
11. Einsichtsgewährung in Stenografische Protokolle vor Abschluss der
Untersuchung ............................................................................................................51
a) Mitglieder des Bundestages .................................................................................51
b) Untersuchungsausschüsse der Landtage ..............................................................51
c) Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige ...............................................51
d) Bund-Länder-Kommission ..................................................................................52
e) Bundesdatenschutzbeauftragter ...........................................................................52
f) Zeuge Luthardt ....................................................................................................52
g) Ermittlungsgruppe „Trio“ ....................................................................................52
h) Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern .................................................52
i) Wissenschaftliche Zwecke ..................................................................................52
j) OLG München .....................................................................................................52
V. Teilnahme der Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige ..........................52
VI. Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten ...................................................................52
1. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg ..................................................................52
a) Auftrag .................................................................................................................52
aa) Unterlagen des Generalbundesanwalts ..........................................................52
bb) Unterlagen des Bundeskriminalamtes und einiger
Landeskriminalämter .....................................................................................53
cc) Akten des LKA Thüringen, der Sächsischen Sicherheitsbehörden
sowie der BKA-Abteilung polizeilicher Staatsschutz ....................................54
dd) Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz .............................................54
ee) Brandenburger Operativakten ........................................................................54
b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ........................................................................54
c) Berichterstattung an den Ausschuss ....................................................................54
d) Ergebnis ...............................................................................................................55
2. Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache, Ulrich Hebenstreit ......................................55
a) Thüringer Aktenstreit ..........................................................................................55
b) Auftrag und Bestellung ........................................................................................55
c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ........................................................................57
d) Umfang des Aktenmaterials ................................................................................57
e) Freigabeverfahren ................................................................................................57
f) Aktenvorlage und Berichterstattung an den Ausschuss .......................................58
g) Tätigkeitsbericht ..................................................................................................58
D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen ...................59
I. Gedenkveranstaltung am Gendarmenmarkt .............................................................59
1. Einladung durch die Staatsspitzen und Schweigeminute ..........................................59
2. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel .........................................................59
3. Rede von Semiya Şimşek ..........................................................................................62
4. Rede von Gamze Kubaşık .........................................................................................63
5. Rede von İsmail Yozgat ............................................................................................63
II. Ombudsfrau der Bundesregierung Prof. Barbara John ...........................................63
III. Kontakte mit türkischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern ..................64
1. Besuche von Mitgliedern der Großen Türkischen Nationalversammlung ................64
2. Reisen in die Türkei ..................................................................................................64
Drucksache 17/14600 – X – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Gespräch mit dem Justizminister, Herrn Sadullah Ergin .....................................64
b) Gespräch mit dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Herrn Bekir
Bozdağ .................................................................................................................65
c) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses,
Herrn Ayhan Sefer Üstün und weiteren Ausschussmitgliedern ...........................65
d) Gespräch mit dem Vorsitzenden der deutsch-türkischen
Freundschaftsgruppe im türkischen Parlament, Herrn Akif Çağatay
Kılıç .....................................................................................................................66
e) Gespräch mit dem Stellvertretenden Außenminister, Herrn Botschafter
Naci Koru ............................................................................................................66
f) Gespräch mit dem stellvertretenden Präsidenten des Präsidiums des
Amtes für im Ausland lebende Türken und verwandte Volksgruppen,
Herrn Gürsel Dönmez ..........................................................................................66
IV. Treffen des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden mit
den Opfern des Nagelbombenanschlags in Köln ........................................................66
V. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ........................................................................67
VI. Treffen mit dem Bundespräsidenten ...........................................................................67
VII. Treffen mit dem Menschenrechtskommissar des Europarates ................................67
VIII. Einladung der Opfer zum Gespräch und zur Teilnahme an der
Plenardebatte ................................................................................................................67
E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag ....................................................................68
I. Gewährung rechtlichen Gehörs ...................................................................................68
1. Entscheidung über Gewährung rechtlichen Gehörs ..................................................68
2. Zustellung ..................................................................................................................68
3. Rückmeldungen und Stellungnahmen .......................................................................68
4. Nachträgliche Veröffentlichung von Textpassagen und von
Stellungnahmen .........................................................................................................68
II. Feststellung des Berichts ..............................................................................................68
III. Beratung im Plenum .....................................................................................................69
F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung .................................................69
I. Rückgabe von Beweismaterialien und Protokollen ...................................................69
II. Behandlung der Protokolle und Materialien ..............................................................70
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................71
A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten .......................................................71
B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen
Szene ..........................................................................................................................................75
I. Werdegang des Trios vor deren Untertauchen ..........................................................75
1. Erkenntnisse zu den Personen ...................................................................................75
a) Uwe Böhnhardt ....................................................................................................75
b) Uwe Mundlos ......................................................................................................75
c) Beate Zschäpe ......................................................................................................75
2. Strafverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ..........................................76
a) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 18. März 1991 .................76
b) Uwe Mundlos (und ein weiterer Beschuldigter): gefährliche
Körperverletzung am 6. Juni 1991 .......................................................................76
c) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 25. Juli 1991 ....................76
d) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen im November 1991 ................76
e) Uwe Böhnhardt: Fahren ohne Fahrerlaubnis 1992 ..............................................76
f) Uwe Böhnhardt (und ein Mittäter): Entwenden von Fahrzeugen 1992 ...............77
g) Uwe Böhnhardt: Erpressung und gefährliche Körperverletzung
1992/1993 ............................................................................................................77
h) Beate Zschäpe: Diebstahl im Jahr 1994 ...............................................................77
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XI – Drucksache 17/14600
i) Uwe Mundlos u. a.: Volksverhetzung im August 1994 .......................................78
j) Uwe Mundlos: Herstellen von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen im August 1994 ..........................................................................78
k) Uwe Böhnhardt: „Kreuzverbrennung“, Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen im Sommer 1995 .......................................78
l) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das
Waffengesetz im September 1995 .......................................................................79
m) Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, André Kapke: Puppentorso u. a. im
April 1996 ............................................................................................................79
n) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Holger Gerlach:
Illegaler Waffenbesitz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
im November 1996 ..............................................................................................79
o) Uwe Böhnhardt, André Kapke, Christian K.: Körperverletzung im
Dezember 1996 ....................................................................................................80
p) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke: Hausfriedensbruch bei
der Polizei u. a. im Januar 1997 ...........................................................................80
q) Uwe Böhnhardt: illegaler Waffenbesitz im April 1997 .......................................80
r) Uwe Böhnhardt, André Kapke: Körperverletzung im April 1997 .......................80
3. Sonstige polizeiliche Erkenntnisse ............................................................................81
a) Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und André Kapke: Plakatierung am
3. Mai 1995 ..........................................................................................................81
b) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Blumenbinde „Heß“ am 23.
November 1995 ...................................................................................................81
c) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke u. a.: Platzverweis am
9. März 1996 ........................................................................................................81
d) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos u. a.: Hausverbot in der
Gedenkstätte Buchenwald am 1. November 1996 ...............................................81
e) Skinhead-Konzert am 23. November 1996 ..........................................................81
f) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Anmeldung zu einer
Versammlung am 6. Januar 1997 ........................................................................81
4. Wehrpflicht von Böhnhardt und Mundlos .................................................................81
a) Uwe Böhnhardt ....................................................................................................81
b) Uwe Mundlos ......................................................................................................81
aa) Personalakte Mundlos ....................................................................................81
aaa) Erkenntnisse ........................................................................................81
bbb) Umgang mit Personalakte Mundlos nach dem 4. November
2011 ....................................................................................................84
bb) Befragung von Mundlos durch den MAD .....................................................85
aaa) Ablauf der operativen Bearbeitung von Mundlos durch den
MAD ...................................................................................................85
bbb) Gab es mehrere Befragungen von Mundlos durch den
MAD? .................................................................................................85
ccc) Gründe für die späte Befragung von Mundlos durch den
MAD ...................................................................................................86
ddd) Inhalt des Befragungsberichtes vom 8./9. März 1995 ........................86
eee) Bewertung des MAD-Befragungsberichtes: Wollte der
MAD Mundlos als Quelle anwerben?.................................................87
fff) Wer hat die Befragung von Uwe Mundlos durchgeführt? –
Erkenntnisgewinnung zum MAD-Vorgang Mundlos .........................88
ggg) Umgang mit MAD-Befragungsbericht nach dem
4. November 2011 ..............................................................................88
cc) Bewertung des Umgangs mit Uwe Mundlos bei der Bundeswehr .................90
5. Waren Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe V-Personen des
Verfassungsschutzes? ................................................................................................90
II. Entwicklung der rechtsextremistischen Szene in Thüringen in den
1990er/Anfang der 2000er Jahre .................................................................................91
1. „Anti-Antifa Ostthüringen“ und „Thüringer Heimatschutz“ .....................................91
2. „Kameradschaft Eichsfeld“ .......................................................................................95
3. Verankerung des Trios in der rechten Szene .............................................................96
Drucksache 17/14600 – XII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Ermittlungsverfahren gegen die rechtsex-tremistische Szene Thüringen ...............97
1. Soko „REX“ – EG „TEX“ ........................................................................................97
a) Gründung der Soko „REX“ 1995 ........................................................................97
b) Auflösung der Soko „REX“ im Februar 1997 – Gründung der EG
„TEX“ ..................................................................................................................97
2. Weitere Dienststellen des LKA Thüringen ...............................................................98
a) ZEX .....................................................................................................................98
b) Soko „ReGe“ .....................................................................................................100
3. Ermittlungen gegen den „Thüringer Heimatschutz“ ...............................................100
a) Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen Tino Brandt und andere
mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung .............................................................100
b) Weitere „Strukturermittlungen“.........................................................................101
4. Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen, insbesondere in
Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer
Heimatschutzes“ ......................................................................................................102
5. Gräfenthal-Verfahren ..............................................................................................102
IV. Beobachtung des „Thüringer Heimatschutzes“ durch staatliche Stellen ..............106
1. Operation „Rennsteig“ ............................................................................................106
a) Entstehung der Operation „Rennsteig“ ..............................................................106
b) Gegenstand ........................................................................................................107
c) Durchführung ....................................................................................................108
d) Beteiligung des LfV Bayern ..............................................................................109
e) Kenntnis der beteiligten Behörden über die Quellen der anderen
Behörden bei gemeinsamen Werbungsoperationen? .........................................110
f) Ergebnis der Operation „Rennsteig“..................................................................110
g) Ende der Operation „Rennsteig“ .......................................................................110
h) Bewertung der Operation „Rennsteig“ durch die beteiligten Behörden ............111
i) Kenntnisse der Amtsleitung im BfV von der Operation „Rennsteig“ ...............112
2. Anschlussoperationen..............................................................................................113
V. Die Ermittlungen im Vorfeld der Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ..............114
1. Die Briefbombenattrappen ......................................................................................114
a) Thüringer Landeszeitung ...................................................................................114
b) Stadtverwaltung Jena .........................................................................................114
c) Polizeidirektion Jena..........................................................................................115
d) Gang und Ergebnis der Ermittlungen im „Briefbomben-Verfahren“ ................115
2. Die Kofferbomben im Jenaer Stadtgebiet ...............................................................115
a) Die sog. „Stadion-Bombe“ ................................................................................115
b) Ermittlungsmaßnahmen nach Auffinden der „Stadion-Bombe“ .......................116
c) Die sog. „Theater-Bombe“ ................................................................................116
d) Übereinstimmungen zwischen „Theaterbombe“ und „Stadionbombe“ .............117
e) Ermittlungsmaßnahmen zwischen September 1997 und Januar 1998 ...............117
f) USBV am Magnus-Poser-Denkmal, Nordfriedhof ............................................117
3. Ermittlungsmaßnahmen des LKA Thüringen zu den USBV, Böhnhardt
als möglicher Täter ..................................................................................................118
a) Zuständigkeit der EG „TEX“.............................................................................118
b) Hinweise auf mögliche Täter aus dem rechten Spektrum ..................................118
c) Garage als möglicher Ort, an dem die Bomben gebaut wurden ........................118
4. Auffinden der Garagen und Planung der Durchsuchungen .....................................119
a) Observation von Böhnhardt durch das MEK des LKA Thüringen und
weitere Ermittlungsmaßnahmen im Oktober 1997 ............................................119
b) Observation von Böhnhardt durch das LfV Thüringen im
November/Dezember 1997 ................................................................................119
aa) Auftrag bzgl. der Observation des LfV Thüringen durch das LKA
Thüringen? ...................................................................................................119
bb) Erkenntnisse durch die Observation des LfV Thüringen .............................122
cc) Mitteilung der Ergebnisse der Observation an das LKA Thüringen ............123
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIII – Drucksache 17/14600
aaa) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998 ..........................123
bbb) Mündliche Vorabinformation über das Ergebnis der
Observationsmaßnahmen ..................................................................123
ccc) Einstufung des Schreibens vom 8. Januar 1998 als „VS-
Vertraulich“ ......................................................................................123
c) Planung der Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ............................................124
aa) Verarbeitung der durch die Observation durch das LfV
gewonnenen Erkenntnisse über die Garagen und Beantragung
eines Durchsuchungsbeschlusses .................................................................124
bb) Konkrete Vorbereitung der Durchsuchungen ..............................................126
aaa) Erörterung einer möglichen Festnahme der Beschuldigten,
insbesondere von Uwe Böhnhardt, im Rahmen der
Durchsuchungen und abgesprochene Vorgehensweise für
den Fall des Fundes möglicher Beweismittel ...................................126
bbb) Vorbereitung in sonstiger Hinsicht ...................................................126
ccc) Festlegung eines Termins für die
Durchsuchungsmaßnahmen ..............................................................127
ddd) Verhinderung des Leiters der EG „TEX“, Dressler, an
diesem Tag wegen einer Fortbildungsmaßnahme .............................127
5. Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ......................................................................128
a) Ablauf ................................................................................................................128
aa) Durchsuchung Garage Nr. 5, Garagenverein an der Kläranlage e.
V. .................................................................................................................128
bb) Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und Nr. 7 ................................................128
cc) Kommunikation zwischen den Durchsuchungsteams ..................................128
dd) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft ................................................129
aaa) Kontaktaufnahmeversuch durch KK F. mit Staatsanwalt
Schultz ..............................................................................................129
bbb) Kontaktaufnahme von KHK L. mit Staatsanwalt Sbick ...................129
ee) Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt den Ort verließ .....................................129
b) Mögliche Fehler bei der Durchführung der Durchsuchungen ...........................130
aa) Auflistung aller Durchsuchungsobjekte in einem
Durchsuchungsbeschluss .............................................................................130
bb) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft ................................................130
cc) Mangelhafte Vorbereitung der Durchsuchungen .........................................130
c) Verhaftung des Trios am Tag der Durchsuchungen möglich? ..........................130
aa) Vor dem Auffinden der USBV und der weiteren Beweismittel in
der Garage Nr. 5 ...........................................................................................130
bb) Nach dem Auffinden der USBV in der Garage Nr. 5 ..................................131
d) Ergebnis der Garagen-Durchsuchungen ............................................................131
aa) Beweismittel, die auf eine Täterschaft des Trios bei den
Bombenfunden und den Briefbombenattrappen schließen lassen ................131
aaa) Beweise für die Herstellung der USBVen sowie der
Briefbomben in der Garage Nr. 5 .....................................................131
bbb) Beweise für die Anwesenheit von Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe in der Garage Nr. 5 .............................132
bb) Beweismittel, die auf die Planung weiterer Straftaten schließen
lassen – Menge des aufgefundenen Sprengstoffs .........................................132
cc) Beweismittel, die für die Fahndung nach dem Trio relevant waren .............133
e) Weitere Durchsuchungsmaßnahmen und Ad-hoc-Suchmaßnahmen am
26. Januar 1998 ..................................................................................................133
6. Weitere Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Gera und des LKA
Thüringen am 26./27./28. Januar 1998 zur Festnahme der Beschuldigten
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ..........................................................................134
a) Anordnung der vorläufigen Festnahme am 26. Januar 1996 .............................134
b) Ablehnung des Erlasses von Haftbefehlen am 27. Januar 1998 ........................134
c) Beantragung und Erlass von Haftbefehlen am 28. Januar 1998 ........................135
C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der
Sicherheitsbehörden in Bezug auf Rechtsextremismus ......................................................137
I. Ausprägungen und Verbreitung von Rechtsextremismus ......................................137
Drucksache 17/14600 – XIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1. Der Begriff des Rechtsextremismus ........................................................................137
a) Amtlicher und sozialwissenschaftlicher Rechtsextremismusbegriff .................137
b) Unterscheidung zwischen Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus ...........138
2. Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland ...................138
a) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Schroeder .....................................138
b) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Stöss .............................................139
c) Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland ...........................................139
3. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten ..........................................140
a) Täterstruktur, Verortung und Art der Straftaten ................................................140
b) Grundlage der Berechnung ................................................................................141
c) Gewalteskalation Anfang der 90er Jahre ...........................................................141
d) Überblick über Anstieg bzw. Rückgang der Straf- und Gewalttaten mit
rechtsextremistischem Hintergrund in den Jahren 1994 bis 2011 .....................142
4. Überblick über rechtsextremistische Milieus ..........................................................143
a) Rechtsextreme ...................................................................................................143
b) Skinheads ...........................................................................................................143
c) Neonazis ............................................................................................................144
d) Frauen in der Szene ...........................................................................................145
5. Aktions-, Handlungs- und Organisationsformen .....................................................145
a) Einstieg in die rechtsextremistische Szene ........................................................145
b) Aktionsformen ...................................................................................................145
c) Organisationsformen .........................................................................................147
6. Strategien der militanten Rechten ...........................................................................147
a) Finanzierung ......................................................................................................147
b) Vernetzung ........................................................................................................147
c) Bewaffnung .......................................................................................................148
7. Ausstieg ...................................................................................................................148
II. Rechtsextremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb
Thüringens...................................................................................................................149
1. „Blood & Honour“ ..................................................................................................149
a) „Blood & Honour“ International .......................................................................149
b) „Blood & Honour Division Deutschland“ .........................................................150
c) „Combat 18“ als bewaffneter Arm von „Blood & Honour“ ..............................155
d) Verbindungen zwischen „Blood & Honour” und dem Trio ..............................157
e) Mögliche Auswirkungen von „Blood & Honour“ und „Combat 18“
auf die Taten des Trios ......................................................................................162
f) Verbot der „Blood & Honour Division Deutschland“ und der
Jugendorganisation „White Youth“ ...................................................................165
g) Umgang mit Nachfolgeaktivitäten von „Blood & Honour“ ..............................166
2. „Hammerskins“ .......................................................................................................174
a) Zur Struktur und den Leitgedanken der „Hammerskins“ allgemein ..................174
b) „Hammerskins“ international ............................................................................176
c) „Hammerskins“ in Deutschland ........................................................................176
d) Verbindungen zwischen den „Hammerskins“ und dem Trio .............................177
3. „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ ...........................................................................178
a) Allgemeine Informationen zur „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ ..................178
b) Verbindungen zum Trio .....................................................................................179
4. „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren
Angehörige“ ............................................................................................................179
5. „Ku-Klux-Klan“ (KKK) ..........................................................................................180
a) Zur Entstehung des „KKK international“ ..........................................................180
b) Entwicklung des „KKK“ in Deutschland ..........................................................181
c) Verbindungen zwischen dem „KKK“ und dem Trio .........................................183
aa) Kreuzverbrennung im Jahr 1995 ..................................................................183
bb) Verbindungen der Quelle Q1 und eines weiteren Thüringer
Mitglieds zum „EWK KKK“ um Achim S. .................................................184
cc) Achim S. als mutmaßliche Kontaktperson des untergetauchten
Trios? ...........................................................................................................184
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XV – Drucksache 17/14600
d) Mitgliedschaft von Polizeibeamten des Landes Baden-Württemberg
im KKK .............................................................................................................184
e) Rolle des Achim S. im „Ku-Klux-Klan“ ...........................................................186
f) V-Personen im „EWK KKK“ ............................................................................187
g) Q1 und der „KKK“ ............................................................................................188
h) Aktivitäten des Carsten Szczepanski im Zusammenhang mit dem
„KKK“ ...............................................................................................................188
i) Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden in Bezug auf den „EWK
KKK“.................................................................................................................189
aa) Maßnahme des LfV Sachsen und des BfV ..................................................189
bb) Maßnahme des LfV BW und des BfV .........................................................189
III. Rolle der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bei der Beobachtung
der rechtsextremistischen Szene bis zum 4. November 2011 ..................................190
1. Überblick über die Sicherheitsarchitektur ...............................................................190
a) Dreigliedrigkeit der Inneren Sicherheit .............................................................190
b) Trennungsgebot .................................................................................................191
c) Zuständigkeit für die Bekämpfung des Rechtsextremismus ..............................192
d) Aufsichts- und Kontrollgremien ........................................................................192
aa) Kontrolle durch Aufsichtsbehörden .............................................................192
bb) Parlamentarische Kontrolle ..........................................................................192
2. Ermittlungsbehörden ...............................................................................................193
a) Abgrenzung der Zuständigkeit von GBA und
Landesstaatsanwaltschaften ...............................................................................193
b) Abgrenzung der Aufgaben der Polizeibehörden Bund/Land .............................194
aa) Zentralstellenfunktion ..................................................................................194
bb) Strafverfolgungszuständigkeit .....................................................................194
cc) Koordinierung bei der Strafverfolgung ........................................................194
3. Verfassungsschutz ...................................................................................................195
a) Abgrenzung der Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden der
Länder und des BfV ...........................................................................................195
aa) Aufgabenverteilung ......................................................................................195
bb) Zusammenarbeit ...........................................................................................195
b) Grundsätze der V-Personen-Führung ................................................................196
aa) Allgemeines .................................................................................................196
bb) Rechtlicher Rahmen .....................................................................................196
cc) Die Fachprüfgruppe .....................................................................................197
dd) Werbung von V-Leuten ...............................................................................198
ee) Dauer der V-Mann-Führung durch dieselbe Person ....................................198
ff) Zahlungen an V-Leute .................................................................................199
gg) Zusammenarbeit „Beschaffung“ – „Auswertung“ .......................................199
hh) Straftaten von V-Personen und Teilnahme von
Verfassungsschutzmitarbeitern hieran .........................................................199
ii) Folgen für die weitere Tätigkeit als V-Mann aufgrund der
Begehung von Straftaten ..............................................................................201
jj) Verbesserungsvorschläge des Zeugen Gabaldo ...........................................201
c) Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern .....................................202
d) Organisatorische Änderung im BfV ..................................................................203
aa) Organisation der Abteilung II des BfV bis 2006 ..........................................203
bb) Zusammenlegung der Abteilungen für Rechts- und
Linksextremismus im BfV (2006) ...............................................................204
aaa) Entscheidungsprozess nach Aktenlage .............................................204
bbb) Motive für die Entscheidung nach Angaben der Zeugen
Fromm, Dr. Hanning und Dr. Schäuble ............................................205
ccc) Bewertung der Entscheidung durch die Zeugen Fromm, Dr.
Hanning und Dr. Schäuble ................................................................207
cc) Organisation der Abteilung II des BfV nach 2006 .......................................208
4. Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern und
Ermittlungsbehörden ...............................................................................................209
a) Grundsätze des Informationsflusses zwischen
Verfassungsschutzämtern und Ermittlungsbehörden .........................................209
Drucksache 17/14600 – XVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aa) Schnittstellenproblem der Behördenkooperation .........................................209
bb) Rechtliche Grundlagen der Übermittlung von Informationen durch
das BfV an Ermittlungsbehörden .................................................................210
cc) Rechtliche Grundlagen der Informationsübermittlung von
Landesverfassungsschutzbehörden an Ermittlungsbehörden .......................210
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit .............................................210
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel von Bayern
und Thüringen ...................................................................................210
dd) Übermittlung von Informationen von den Ermittlungsbehörden an
die Verfassungsschutzbehörden ...................................................................212
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit .............................................212
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel Bayerns und
Thüringens ........................................................................................212
ee) Informationelles Trennungsgebot?...............................................................212
aaa) Gutachten von Prof. Wolff................................................................212
bbb) Entscheidung des BVerfG vom 24. April 2013 zur
Antiterrordatei ..................................................................................213
ff) Quellenschutz ...............................................................................................215
b) Problematisierung der Verfassungsschutz-Quellenführung durch das
BKA – Positionspapier des BKA vom 3. Februar 1997 ....................................218
5. Militärischer Abschirmdienst (MAD) .....................................................................219
a) Aufgaben des MAD ...........................................................................................219
b) Beziehung zwischen LfV, BfV und MAD .........................................................220
6. Der Bundesnachrichtendienst ..................................................................................221
a) Aufgaben des BND ............................................................................................221
b) Aufsicht und parlamentarische Kontrolle ..........................................................221
c) Aufbau und Sitz des BND .................................................................................221
d) Grundlage und Arbeit des BND ........................................................................221
e) Zusammenarbeit mit anderen Behörden ............................................................222
7. Kooperationsformen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ............222
a) Überblick über Kooperationsformen und Gremien ...........................................222
aa) Innenministerkonferenz (IMK) ....................................................................222
bb) Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) ....................................222
cc) Gemeinsames Internetzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden
(GIZ) ............................................................................................................223
dd) Weitere Koordinierungsgremien ..................................................................223
ee) Kommunikationsdateien und-datenbanken ..................................................223
b) Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Kooperationsgremien .................224
aa) Trennungsgebot ...........................................................................................224
bb) Erfordernis einer Rechtsgrundlage zur datenschutzrechtlichen
Vereinbarkeit ...............................................................................................224
cc) Vorschläge ...................................................................................................224
IV. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch staatliche Stellen
seit Anfang der 90er Jahre .........................................................................................224
1. Einschätzung 1990 bis 2002 ....................................................................................224
a) Verfassungsschutzberichte des BfV 1990 bis 2002 ...........................................224
b) Sprechzettel für die PKK-Sitzungen am 29. April und am 27. Mai
1998 ...................................................................................................................225
c) Einschätzung durch die „Informationsgruppe Rechtsextremismus“
(IGR) .................................................................................................................226
aa) Tätigkeit der IGR .........................................................................................226
bb) Diskussion in der „Informationsgruppe Rechtsextremismus“ (IGR) ...........227
aaa) 18. IGR-Bund-/Ländertagung am 28./29. September 1999 ..............227
bbb) 19. IGR-Bund-/Ländertagung am 27./28. September 2000 ..............227
ccc) 20. IGR-Bund-/Ländertagung am 10./11. Januar 2001 .....................228
ddd) Gründe für unterschiedliche Bewertungen durch BfV und
BKA ..................................................................................................228
eee) Bewertung der Arbeit in der IGR .....................................................228
2. Einschätzung nach Verhinderung eines Anschlags durch „Kameradschaft
Süd“ 2003 ................................................................................................................229
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XVII – Drucksache 17/14600
a) Versuchter Anschlag durch „Kameradschaft Süd“ 2003 ...................................229
b) Einschätzung des BfV 2003: Gibt es eine braune RAF? ...................................229
aa) Antwortschreiben des BfV vom 14. September 2003 ..................................229
bb) Aussage des Zeugen Fritsche vor dem Untersuchungsausschuss ................230
cc) Aussage des Zeugen Fromm vor dem Untersuchungsausschuss .................230
dd) Aussagen der Zeugen Dobersalzka und Egerton vor dem
Untersuchungsausschuss ..............................................................................230
ee) Bewertung der damaligen Einschätzung durch den Zeugen Schily .............231
c) Bewertung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch
Verfassungsschutzbericht 2003 .........................................................................231
d) Arbeitstagung der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern
am 9. Oktober 2003 ...........................................................................................231
e) Einschätzung durch das BKA ............................................................................232
f) Bericht des BMI anlässlich der Münchner Vorkommnisse zur Sitzung
des Innenausschusses des Deutschen Bundestages ............................................233
g) Schlussfolgerungen der IGR ..............................................................................233
3. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21: Gefahr eines bewaffneten
Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis
2004 .........................................................................................................................234
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus in
Verfassungsschutzberichten des BfV 2005 bis 2010 ..............................................236
5. Umgang mit Rechtsextremisten in der Bundeswehr ...............................................236
a) Rolle des MAD ..................................................................................................236
b) Werden Rechtsextremisten als Quellen des MAD geführt? ..............................237
c) Situation in den 90er Jahren ..............................................................................238
d) Untersuchungsausschuss „Rechtsextremismus in der Bundeswehr“
und anschließende Änderungen im Umgang mit Rechtsextremisten ................238
e) Umgang der Bundeswehr mit Rechtsex-tremisten aus dem Umfeld des
Trios...................................................................................................................239
aa) R. M. B.........................................................................................................240
bb) M. R. D. .......................................................................................................241
cc) André Eminger .............................................................................................241
dd) D. F. .............................................................................................................243
ee) A. G. .............................................................................................................243
ff) B. G. .............................................................................................................244
gg) M. G. ............................................................................................................244
hh) J. H. ..............................................................................................................244
ii) M. H. ............................................................................................................245
jj) Dr. Claus Nordbruch ....................................................................................246
kk) M. P. .............................................................................................................247
ll) David Petereit ..............................................................................................248
mm) T. Ro. ................................................................................................249
nn) T. R. .............................................................................................................250
oo) H.-J. S. .........................................................................................................251
pp) K. S. .............................................................................................................252
qq) T. S. ..............................................................................................................252
rr) Carsten Schultze...........................................................................................253
ss) S. T. ..............................................................................................................253
tt) R. W. ............................................................................................................254
uu) J. W. .............................................................................................................254
D. V-Leute und Gewährspersonen ............................................................................................257
I. V-Mann-Werbung und -Führung des LfV Thüringen ............................................257
1. Überblick .................................................................................................................257
2. Regelungen der Werbung und Führung von V-Leuten in Thüringen in den
90er-Jahren ..............................................................................................................257
3. Arbeitsweise des LfV Thüringen hinsichtlich der V-Mann-Werbung und -
Führung ...................................................................................................................258
4. Einfluss von Straftaten auf die Eignung als V-Person? ...........................................258
Drucksache 17/14600 – XVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Informationsfluss zwischen der StA Gera und
Verfassungsschutzbehörden außerhalb der Suche nach dem Trio ..........................259
6. Die V- und Gewährspersonen des LfV Thüringen im Umfeld des Trios im
Einzelnen .................................................................................................................259
a) VM 2045 „Otto“/VM 2150 „Oskar“ (Tino Brandt) ...........................................259
aa) Zur Person ....................................................................................................259
bb) Anwerbung ...................................................................................................260
cc) Einsatzgebiet von Tino Brandt .....................................................................261
dd) Erster Abschnitt der Tätigkeit als V-Mann („2045“/„Otto“) .......................261
ee) Erste Abschaltung ........................................................................................261
ff) Reaktivierung von Tino Brandt als VM 2150/„Oskar“ ................................262
gg) Zweite Abschaltung Tino Brandts ...............................................................262
hh) Nachbetreuung Brandts ................................................................................263
ii) Bewertung des Informationsgehalts der Meldungen Brandts ......................263
jj) Geld und Sachleistungen an Tino Brandt .....................................................265
kk) Ermittlungsverfahren gegen Brandt und eventuelle
Einflussnahmen des LfV ..............................................................................265
aaa) Gräfenthal-Verfahren ........................................................................266
bbb) Bedrohung von Polizeibeamten ........................................................267
ccc) „THS“-Verfahren ..............................................................................267
ddd) Angaben des Tino Brandt gegenüber Thorsten Heise.......................268
eee) Verdacht auf Einflussnahme des LfV im Übrigen ............................268
fff) Stellungnahmen der Mitarbeiter des LfV Thüringen ........................268
ll) Kenntnis des BfV über den Klarnamen der Quelle 2045/2150 ....................269
mm) Enttarnung Brandts ...........................................................................269
b) VM 2100 („Riese“/„Hagel“)..............................................................................270
c) VM „Küche“ ......................................................................................................271
d) „Alex“ ................................................................................................................272
e) Gewährsperson „Tristan“ ..................................................................................272
f) VM „Ares“.........................................................................................................273
g) VM „Günther“? .................................................................................................273
h) Weitere mögliche V-Leute ................................................................................274
II. Erkenntnisse und V-Leute des BfV ...........................................................................274
1. Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“ .........................................................................274
2. V-Leute des BfV mit möglichen Bezügen zum Trio ...............................................274
a) V-Mann Q1 ........................................................................................................274
aa) Kontakt mit Mundlos ...................................................................................275
bb) Eintragungen in den Kontaktlisten des Mundlos .........................................276
cc) Aktivitäten von Q1 im Zusammenhang mit dem „KKK“ ............................276
dd) Einschätzung der Quelle durch das BfV ......................................................276
ee) Vergütung von Q1........................................................................................277
b) V-Mann Q2 ........................................................................................................277
c) V-Mann Q3 ........................................................................................................277
d) Rolle der Fachprüfgruppe bei der V-Mann-Führung .........................................278
e) War Ralf Wohlleben ein V-Mann? ....................................................................278
aa) Dienstliche Erklärung von Dr. Förster vom 17. September 2012 ................278
bb) Berichte des BMI vom 5. Oktober 2012 und vom 18. November
2012 .............................................................................................................279
cc) Stellungnahme des Freistaates Thüringen vom 16. Oktober 2012 ...............280
dd) Zeugenaussagen von Dr. Förster ..................................................................280
ee) Ergebnis der Überprüfung der 76er-Liste ....................................................282
3. Hinweis des italienischen Geheimdienstes AISI .....................................................282
III. V-Leute des Verfassungsschutzes Brandenburg ......................................................283
1. Der V-Mann „Piatto“ des Verfassungsschutzes Brandenburg ................................283
a) Der V-Mann „Piatto“ .........................................................................................283
b) Vorleben des V-Mannes „Piatto“ vor dessen Anwerbung .................................284
aa) Verurteilungen vor 1994 ..............................................................................284
bb) „Ku-Klux-Klan“-Verfahren des Generalbundesanwalts ..............................284
aaa) Tatverdacht .......................................................................................284
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIX – Drucksache 17/14600
bbb) Kreuzverbrennung in Halbe 1991 .....................................................284
ccc) Besitz von Sprengstoff ......................................................................284
ddd) Ausgang des Ermittlungsverfahrens des
Generalbundesanwalts ......................................................................284
cc) Mordversuch in Wendisch Rietz ..................................................................284
dd) Auswirkungen des Mordversuchs auf das Ermittlungsverfahren
des Generalbundesanwalts ...........................................................................287
c) Umstände der Verbindungsaufnahme des V-Mannes „Piatto“ zum
Verfassungsschutz Brandenburg .......................................................................287
aa) Kontaktaufnahme durch Szczepanski aus der Untersuchungshaft
heraus ...........................................................................................................287
bb) Umfang und Qualität der Quellenmeldungen ..............................................287
cc) Entlohnung des V-Mannes „Piatto“ .............................................................288
d) Mögliche Beweggründe des V-Mannes „Piatto“ für eine
Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz ...................................................288
e) Ablauf der Treffen mit „Piatto“ .........................................................................289
aa) Abholung von „Piatto“ an der JVA an den Tagen seines
Freiganges und „Verschaffung von Mobilität“ ............................................289
bb) Ausstattung mit einem Mobiltelefon ............................................................289
f) Bedenken gegen die Anwerbung innerhalb des Verfassungsschutzes
Brandenburg, Befragung einer außenstehenden Autoritätsperson durch
den Innenminister ..............................................................................................290
g) Erleichterungen bzgl. des Vollzugs der Haftstrafe/Vorzeitige
Entlassung aus der Haft .....................................................................................290
aa) Verdacht der Herstellung rechtsextremistischer Publikationen in
der JVA Brandenburg Ende 1996/Anfang 1997 – Maßnahmen
bzgl. „Piatto“ in diesem Zusammenhang .....................................................290
aaa) Der Verdacht als solcher ...................................................................290
bbb) Mögliche Beteiligung von „Piatto“ an der Herstellung der
Publikationen ....................................................................................290
ccc) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Brandenburg in
Bezug auf „Piatto“ ............................................................................291
bb) Erörterung einer möglichen Haftentlassung nach der Hälfte der
Haftzeit (gemäß § 57 Abs. 2 StGB) wegen der Aussage
Szczepanskis im sog. Dolgenbrodt-Prozess .................................................291
aaa) § 57 Abs. 2 Strafgesetzbuch .............................................................291
bbb) Aussage „Piattos“ im Dolgenbrodt-Prozess - Hintergrund ...............292
ccc) Entsprechende Zusage? ....................................................................292
cc) Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit entsprechend § 57 Abs. 1
StGB ............................................................................................................292
aaa) Voraussetzung einer Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit
gem. § 57 Abs. 1 StGB .....................................................................292
bbb) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Potsdam vom 1. Dezember 1999 ......................................................293
ccc) Mögliche Täuschung der Strafvollstreckungskammer unter
Mitwirkung des Verfassungsschutzes? .............................................293
ddd) Praktikum bei der Firma P. bereits im Jahr 1998? ............................294
h) Hinweise von „Piatto“ zum Trio/Artikel im Zine „White Supremacy“
durch eines der Mitglieder des Trios .................................................................294
i) Kontakte von Szczepanski nach Sachsen ..........................................................294
j) Weggang von Meyer-Plath Ende Oktober 1998 ................................................294
k) Enttarnung des V-Mannes „Piatto“ ...................................................................294
l) Änderung der Dienstvorschriften im Hinblick auf Vorstrafen von V-
Leuten ................................................................................................................295
2. Gruppierung „Nationalsozialistische Untergrundkämpfer Deutschlands“ ..............295
3. Toni S. .....................................................................................................................296
IV. V-Personen des Landeskriminalamts Berlin ............................................................297
1. VP 562 (Thomas Starke) .........................................................................................297
a) Persönlicher Hintergrund der VP 562 und Kontakte zu dem Trio .....................297
b) Anwerbung als V-Mann im November 2000 ....................................................298
Drucksache 17/14600 – XX – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aa) Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit der rechtsextremen
Band „Landser“ ............................................................................................298
aaa) Das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts ......................298
bbb) Ermittlungen gegen Thomas Starke durch die
Staatsanwaltschaft Dresden ..............................................................298
bb) Anwerbevorgang im Zusammenhang mit der Vernehmung am 14.
November 2000 ............................................................................................299
aaa) Anwesenheit eines Beamten des LKA Berlin bei der
Vernehmung am 14. November 2000 in Dresden .............................299
bbb) Erörterung der Anwerbung innerhalb des LKA Berlin –
mögliches Telefonat mit dem Generalbundesanwalt ........................299
cc) Bedenken gegen die Anwerbung von Thomas Starke als V-Mann ..............300
aaa) Bedenken innerhalb des LKA Berlin ................................................300
bbb) Bedenken innerhalb des LKA Sachsen .............................................300
ccc) Mitteilung von beim LKA Sachsen vorliegenden Bedenken
an den Generalbundesanwalt/Ausräumen bestehender
Bedenken durch den Generalbundesanwalt ......................................301
dd) Zustimmung respektive Weisung des Staatsschutzes? .................................301
ee) Konsequenzen der Anwerbung von Thomas Starke für das
„Landser-Verfahren“ ....................................................................................302
ff) Feuerberg-Bericht ........................................................................................302
c) Hinweis der VP 562 mit Bezug zum Trio vom 13. Februar 2002 .....................303
aa) Meldung als solche und Ablauf des Treffens ...............................................303
bb) Weitergabe der Meldung durch den VP-Führer ...........................................303
aaa) Aktenlage ..........................................................................................303
bbb) Aussage des VP-Führers vor dem Untersuchungsausschuss ............304
ccc) Aussage des Zeugen Haeberer vor dem
Untersuchungsausschuss ...................................................................304
ddd) Untersuchung durch OStA Feuerberg ...............................................304
eee) Stellungnahme des LKA Thüringen .................................................305
fff) Aktenlage in Thüringen ....................................................................305
d) Weisungslage bzgl. der Weitergabe von VP-Informationen .............................306
e) Weitere Hinweise der VP 562 bzgl. Personen, die einen Bezug zum
Trio haben ..........................................................................................................306
f) Zusammenarbeit des Landes Berlin mit dem Untersuchungsausschuss
in Zusammenhang mit der VP 562 – Feuerberg-Gutachten des Landes
Berlin .................................................................................................................306
aa) Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses und
Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-1 durch das Land Berlin ............306
aaa) Beweisbeschluss BE-1 ......................................................................306
bbb) Beweisbeschluss BE-2 ......................................................................307
bb) Kenntniserlangung von der Existenz von VP 562 innerhalb des
LKA Berlin und Weitergabe an die Polizeiführung und an den
Senator für Inneres und Sport ......................................................................308
cc) Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Generalbundesanwalt
und der VP 562 ............................................................................................308
dd) Mitteilung des Generalbundesanwalts an den
Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungsausschusses .............................309
ee) Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-2 durch das Land Berlin ...........309
g) Einsetzung des Sonderermittlers OStA Feuerberg durch den Senator
für Inneres und Sport des Landes Berlin ...........................................................310
2. Weitere V-Personen des Landeskriminalamts Berlin ..............................................310
V. Erkenntnisse zu einer V-Person aus Bayern ............................................................311
E. Suche nach dem Trio .............................................................................................................313
I. Wohnungen des Trios nach dem Untertauchen aus heutiger Sicht ........................313
II. Maßnahmen des LKA Thüringen und anderer Polizeibehörden bei der
Suche nach dem Trio ..................................................................................................314
1. Rolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Fahndung .........................................314
2. Aufgabenverteilung innerhalb des LKA Thüringen ................................................315
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXI – Drucksache 17/14600
a) Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung zwischen Januar 1998 und
August 2001.......................................................................................................315
aa) Grundsätzliche Aufgaben der Zielfahndungsabteilung ................................315
bb) Aufgabenteilung zwischen der Zielfahndungsabteilung und der EG
„TEX“ ..........................................................................................................315
cc) Auslastung der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen
während der Suche nach dem Trio ...............................................................316
dd) Versagung personeller Unterstützung der Zielfahndungsabteilung .............316
b) Formale Beauftragung der Zielfahndungsabteilung nach dem 26.
Januar 1998? ......................................................................................................317
aa) Beauftragung der Zielfahndungsabteilung mit der Suche nach dem
Trio am 29. Januar 1998 ..............................................................................317
bb) Vorliegen eines Zielfahndungsantrags? .......................................................317
aaa) Notwendigkeit eines Zielfahndungsantrags ......................................317
bbb) Nichtvorliegen eines Zielfahndungsantrags ......................................318
ccc) Möglicher Hintergrund des Nichtvorliegens eines
Zielfahndungsantrags ........................................................................319
ddd) Mögliche Folgen des Nichtvorliegens eines
Zielfahndungsantrags ........................................................................319
c) Beendigung der Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung im August 2001 ...........320
3. Fahndungsmaßnahmen unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios im
Frühjahr 1998 ..........................................................................................................320
a) Weitere Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ..................................................320
b) Absuche weiterer bekannter Anlaufstellen des Trios ........................................320
c) Fernsehsendung Kripo Live am 22. Februar 1998 .............................................320
aa) Hinweis auf Zimmer von Uwe Mundlos in Ilmenau ....................................320
bb) Hinweis auf D. F. aus Nürnberg ..................................................................320
cc) Hinweis auf Besuche in der JVA Waldheim ................................................321
dd) Hinweis auf die Gaststätte Zum Höller in Gera ...........................................321
ee) Hinweis auf die Nutzung des PKW von Ralf Wohlleben durch das
Trio ..............................................................................................................321
ff) Kurzobservationen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung .............322
d) Aufsuchen von Familienangehörigen ................................................................322
aa) 22. Februar 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe ....................................322
bb) 26. Februar 1998 – Mutter von Uwe Böhnhardt ..........................................322
cc) 18. März 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe ........................................322
aaa) Vermerk vom 19. März 1998 über das Treffen ................................322
bbb) Bitte des LfV Thüringen, nicht an Stefan A. heranzutreten ..............322
e) Telefonüberwachungsmaßnahmen ....................................................................323
f) Hinweis darauf, dass sich Personen in der Wohnung von Beate
Zschäpe aufhalten ..............................................................................................323
aa) Hinweis vom 9. März 1998 ..........................................................................323
bb) Hinweis vom 15. März 1998 ........................................................................324
g) Sonstige Fahndungsmaßnahmen in dieser Phase ...............................................324
aa) Fahndungsausschreibungen .........................................................................324
bb) Passsperre.....................................................................................................324
cc) Bankauskünfte .............................................................................................325
dd) Hinweis auf die Beerdigung des Großvaters von Uwe Böhnhardt ...............325
ee) Fahndungsmaßnahmen unter Einbeziehung der
Krankenversicherungen ...............................................................................325
ff) Hinweise auf einen Aufenthalt des Trios im Raum Köln im März
und im Mai 1998 ..........................................................................................325
gg) Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung ......................................325
4. Einsatz von Beamten des Bundeskriminalamts bei der EG „TEX“ im
Februar 1998 ...........................................................................................................326
a) Umfang der Tätigkeit.........................................................................................326
b) Situation bei der Ankunft der BKA-Beamten in Thüringen/Ablauf der
Zusammenarbeit/Kein Kontakt zur Zielfahndungsabteilung .............................326
c) Sammlung von Informationen im Rahmen der Zentralstellenfunktion
des BKA ............................................................................................................327
Drucksache 17/14600 – XXII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Unterstützung der Ermittlungen des LKA Thüringen/Keine Nennung
der Eigenschaft als BKA-Beamter bei der Abfassung von Vermerken .............327
e) Praktikum der Beamtin Beischer-Sacher beim LKA Thüringen im
Frühjahr 1997 ....................................................................................................328
5. Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Telefon- oder Adresslisten .......................328
a) Hintergrund........................................................................................................328
b) Inhalt der Adress- und Telefonliste ...................................................................328
c) Situation bei der EG „TEX“ im LKA Thüringen bei der Ankunft der
Beamten Brümmendorf und Beischer-Sacher ...................................................329
d) Auswertung des Asservats, in dem die Telefonliste enthalten war ....................329
aa) Konkrete Situation nach dem Auffinden der Liste durch KHK
Brümmendorf - Weitergabe der Telefonliste an den Leiter der EG
„TEX“, KHK Dressler? ...............................................................................329
bb) Vermerk vom 19. Februar 1998 ...................................................................330
cc) Die Abfassung des Vermerks vom 19. Februar 1998 ..................................331
dd) Übergabe des Vermerks vor Abreise am 26. Februar 1998 .........................331
ee) Benennung des Asservats (23.6 vs. 23 C) ....................................................332
ff) Weitere Asservate aus dem Pappkarton .......................................................332
e) Weitergabe der Telefonliste an die Zielfahndungsabteilung? ............................332
f) Auffinden einer weiteren Adress- und Telefonliste im Rahmen der
Ermittlungen durch das BKA nach dem 4. November 2011 .............................333
g) Unterrichtung des Untersuchungsausschusses durch das BKA in
diesem Zusammenhang .....................................................................................333
6. Briefe von Uwe Mundlos an inhaftierte Personen – Asservat 20.B.1 aus
der Garage an der Kläranlage ..................................................................................333
a) Auffindesituation ...............................................................................................333
b) Auswertung des Ordners ...................................................................................333
c) Inhalt der Briefe .................................................................................................334
d) Bewertung als mögliche Anlaufpunkte bzgl. der Flucht....................................334
e) Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu Thomas Starke und Torsten S.
haben .................................................................................................................335
7. Aufsuchen der Eltern von Uwe Mundlos durch Beamte des LKA
Thüringen und durch Mitarbeiter des LfV Thüringen im März 1998 .....................335
a) 6. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos .........................................................335
b) 18. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos – Vermerk vom 19. März
1998 ...................................................................................................................335
c) Kontakt des LfV Thüringen mit Eltern Mundlos am 11. März 1998
und Observationsmaßnahme ..............................................................................336
d) Aussagen der Zeugen zu diesem Vorgang .........................................................336
aa) Aussagen zum Besuch des LfV Thüringen bei Familie Mundlos ................336
bb) Aussagen zum Hinweis auf eine Zusammenarbiet des LfV
Thüringen mit Beate Zschäpe ......................................................................337
8. Anrufe bei Jürgen H. im März/April 1998 – Hinweise auf Aufenthalt in
Chemnitz bzw. in der Schweiz ................................................................................337
a) Anrufe im April 1998 bei Jürgen H. ..................................................................337
b) Anruf aus der Schweiz (Bereich Orbe/Yverdon) ...............................................338
c) Klärung der Identität des Anrufers und weitere Maßnahmen ............................340
9. Weitere Fahndungsmaßnahmen des LKA Thüringen zwischen März und
Dezember 1998 .......................................................................................................341
a) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen im Jahr 1998 .................................341
aa) Telefonüberwachung bei Jan Werner ...........................................................341
aaa) Hinweise auf Beteiligung von Jan Werner .......................................341
bbb) Überwachung des Festnetzanschlusses der Mutter von Jan
Werner ..............................................................................................341
ccc) Überwachung des Mobilfunkanschlusses von Jan Werner ...............342
bb) Telefonüberwachung bei Antje und Michael P., Limbach-
Oberfrohna ...................................................................................................343
cc) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen .................................................343
b) Observationsmaßnahmen ...................................................................................344
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXIII – Drucksache 17/14600
aa) Observation von Ralf Wohlleben am 22. April 1998 und im
August 1998 .................................................................................................344
aaa) 22. April 1998 ...................................................................................344
bbb) August 1998 ......................................................................................344
bb) Künstliche Nachfrage nach dem „Pogromly“-Spiel – Observation
von Jürgen H. Anfang August 1998 .............................................................344
c) Aufenthaltsermittlungen in Ungarn ...................................................................345
d) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika über Sofia .......................................345
e) Aufsuchen von Ralf Wohlleben und Juliane W. am 2. Juni 1998 .....................346
f) Weitere Ermittlungsmaßnahmen bis Ende 1998................................................346
aa) Einbruch in die Wohnung von Beate Zschäpe .............................................346
bb) Abarbeitung von Hinweisen.........................................................................347
10. Hinweise des V-Mannes Piatto bzgl. des Bestehens von Kontakten mit
Jan Werner und Antje P. – Besprechung hierzu in Brandenburg und
weitere Maßnahmen ................................................................................................347
11. Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr des Trios unter
Einschaltung von Rechtsanwälten ...........................................................................347
12. Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1999 ......................................................................347
a) Einzelne Fahndungsmaßnahmen .......................................................................347
aa) Abklärung der Anschriften von Thomas Starke, Hendrik L. und
Jan Werner in Chemnitz im April 1999 .......................................................347
bb) Hinweise im Mai 1999 bzgl. eines Aufenthalts in Rudolstadt .....................348
cc) Vernehmung von Jürgen H. in der Kaserne Mellrichstadt,
27. Mai 1999 ................................................................................................348
dd) Anschriftenüberprüfung im November 1999 in Jena ...................................349
b) Hintergründe für die geringe Fahndungsintensität in diesem Zeitraum .............349
13. Fahndungsmaßnahmen in Zusammenhang mit der Fernsehsendung Kripo
Live am 7. Mai 2000 ...............................................................................................349
a) Vorbereitung der Ausstrahlung unter Beteiligung anderer Stellen,
Hintergrund der Maßnahmen .............................................................................349
b) G 10-Maßnahmen ..............................................................................................352
c) Gewonnene Erkenntnisse ..................................................................................352
aa) Lichtbild einer Person vor dem Gebäude Bernhardstraße 11 .......................353
bb) Hinweis eines Berliner Polizeibeamten bzgl. des Aufenthalts von
Zschäpe und Mundlos in einem Biergarten in Berlin...................................354
cc) Weitere Hinweise .........................................................................................355
dd) Folgen des vor dem Wohnhaus von Mandy Struck
aufgenommenen Fotos .................................................................................355
14. Observationsmaßnahmen Ende September/Anfang Oktober 2000 in
Chemnitz .................................................................................................................355
a) Art und Umfang der Maßnahme ........................................................................355
b) Konkreter Ablauf und gewonnene Erkenntnisse ...............................................356
aa) Observation Kai S. .......................................................................................356
bb) Videoüberwachung Bernhardtstraße 11 durch das MEK Chemnitz ............356
c) Aufnahme von Beate Zschäpe während der Videoüberwachung der
Wohnung von Mandy Struck? ...........................................................................357
d) Parallele Observationsmaßnahmen des Landesamtes für
Verfassungsschutz Sachsen ...............................................................................357
e) Überprüfung von Anrufen aus Telefonzellen ....................................................358
15. Maßnahme am 23. Oktober 2000 in Chemnitz .......................................................359
a) Art und Umfang der Maßnahmen ......................................................................359
b) Hintergrund der Maßnahmen .............................................................................359
c) Bewertung der Fahndungssituation durch die Beteiligten .................................359
d) Vorbereitung der Maßnahmen am 23. Oktober 2000 ........................................360
e) Konkreter Ablauf der Maßnahmen ....................................................................360
f) Überprüfung des Anrufes aus der Telefonzelle .................................................361
g) Auswirkungen auf Maßnahmen des LfV Sachsen .............................................361
16. Weitere Fahndungsmaßnahmen im Zeitraum 2000 bis 21. August 2001 ................361
Drucksache 17/14600 – XXIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Observation in Seelze bei Hannover am 30. September/1. Oktober
2000 ...................................................................................................................361
b) Aufsuchen von Frauenärzten in Chemnitz.........................................................361
c) Hinweis auf Antreffen von Beate Zschäpe im Zug zwischen Bebra
und Eisenach im August 2000 ...........................................................................362
d) Grund dafür, dass es ansonsten nur wenige weitere Maßnahmen gab ...............362
e) Beendigung der Zielfahndung im August 2001 .................................................362
17. Fahndungsmaßnahmen August 2001 bis Juli 2003 .................................................362
a) Auswertung der bisherigen Maßnahmen nach Rückgabe der
Fahndungsakten an die EG „TEX“ ....................................................................362
b) Aufforderung zu weiteren Ermittlungen durch die
Generalstaatsanwaltschaft im Frühjahr 2002 und Reaktion hierauf. .................363
aa) Auftrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom
20. Februar 2002 und Reaktion der Staatsanwaltschaft Gera
hierauf ..........................................................................................................363
bb) Anregung von erneuten Zielfahndungsmaßnahmen durch das LKA
Thüringen im September 2002 .....................................................................363
aaa) Die Anregung vom 6. September 2002.............................................363
bbb) Die Reaktion der Staatsanwaltschaft nach der Anregung .................363
c) Intensivierung der Fahndungsmaßnahmen im Jahr 2002 ..................................364
aa) Zeitlicher Ablauf ..........................................................................................364
bb) Überprüfung von Personen ..........................................................................365
aaa) Jan Werner ........................................................................................365
bbb) Mandy Struck ...................................................................................366
ccc) Kai S. ................................................................................................367
ddd) Daniel H. ...........................................................................................367
eee) Torsten S. ..........................................................................................367
fff) Kay-Norman S. .................................................................................368
ggg) Weitere Personen ..............................................................................368
cc) Nachforschungen bei Behörden und Institutionen .......................................368
aaa) Ermittlungen bzgl. möglicher Telefonanschlüsse .............................368
bbb) Banken und Schutzgemeinschaft für allgemeine
Kreditsicherung ................................................................................368
ccc) Französische Fremdenlegion ............................................................368
ddd) Einschaltung der BKA-Verbindungs-beamten .................................369
eee) Bundeswehr ......................................................................................369
fff) MAD, BfV und BND ........................................................................369
ggg) Sonstige Stellen ................................................................................369
dd) Hinweise aus der Öffentlichkeit und deren Abarbeitung .............................369
aaa) Anonymer Anruf am 25. Juni 2002 und Observation der
Eltern von Uwe Böhnhardt zwischen dem 26. und
28. Juni 2002 .....................................................................................369
bbb) Hinweis auf Aufenthalt in Calgary/Kanada im Oktober/
November 2002 ................................................................................371
ccc) Hinweis auf Aufenthalt von Beate Zschäpe in München..................371
III. Erkenntnisse und Maßnahmen des LfV Thüringen und getroffene
Maßnahmen nach dem 26. Januar 1998 ...................................................................371
1. Aufgaben des LfV Thüringen..................................................................................371
2. Organisation des LfV Thüringen in den 1990er Jahren...........................................371
a) Informationswege im LfV Thüringen in den 1990er Jahren ..............................374
b) Rechtliche Vorgaben für die „Auswertung“ ......................................................375
c) Praxis der Auswertung in der Operation „Drilling“ ..........................................375
3. Erteilung eines eigenständigen Suchauftrags an das LfV Thüringen ......................378
4. Einschätzung der Gefährlichkeit des Trios durch das LfV Thüringen zum
Zeitpunkt des Untertauchens ...................................................................................379
5. Chronologie der Erkenntnisse des LfV Thüringen ..................................................379
6. Einzelne Maßnahmen des LfV Thüringen ..............................................................396
a) Information des BfV und der LfV über das Untertauchen –
Übersendung von Fotos des Trios .....................................................................396
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXV – Drucksache 17/14600
b) Kenntnis des LfV Thüringen von der in der Garage Nr. 5
aufgefundenen Adress- und Telefonliste ...........................................................396
c) Quellenmeldung über das Abschleppen des unfallbeschädigten
Fluchtwagens von der BAB A4 .........................................................................397
d) Observationen mit Amtshilfe des BfV...............................................................397
e) Amtshilfe durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz Berlin ...................398
f) Geldübergabe an Kapke in Coburg am 5. August 1998 ....................................399
aa) Chronologie der Schäfer-Kommission .........................................................399
aaa) 29. Juli 1998 .....................................................................................399
bbb) 12. August 1998 ................................................................................399
bb) Ergänzende Angaben des Zeugen Schrader hierzu .....................................399
cc) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika am 10. August 1998 ..................400
g) Meldungen einer Gewährsperson aus dem Umfeld von Ralf
Wohlleben .........................................................................................................400
aa) Die Meldungen als solche ............................................................................400
bb) Hinweise zur Identität der Hinweisgeberin ..................................................400
h) Hinweise des Brandenburger V-Mannes Piatto auf das Trio im
Zeitraum August bis Oktober 1998 ...................................................................401
aa) Darstellung im Schäfer-Gutachten ...............................................................401
bb) Die Meldungen des V-Mannes Piatto im Einzelnen ....................................401
aaa) Deckblattmeldung vom 19. August 1998 .........................................401
bbb) Deckblattmeldung vom 9. September 1998: .....................................401
ccc) Deckblattmeldung vom 16. September 1998 ....................................402
ddd) Deckblattmeldung vom 29. September 1998 ....................................402
eee) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998 ........................................402
cc) Besprechung in Potsdam bezüglich des weiteren Umgangs mit der
Information am 15. oder 16. September 1998 ..............................................402
aaa) Anlass und Datum der Besprechung .................................................403
bbb) Teilnahme von Vertretern des BfV an dem Gespräch ......................403
ccc) Inhalt der Besprechung .....................................................................403
dd) Weitergabe der Meldung durch Vertreter des LfV Thüringen an
das LKA Thüringen? ....................................................................................406
ee) Suchmaßnahmen im zeitlichen Zusammenhang mit den
Meldungen des V-Mannes Piatto .................................................................407
aaa) Maßnahmen des LKA Thüringen .....................................................407
bbb) Maßnahmen der LfV Thüringen und Sachsen ..................................408
ff) Weiterer Umgang des LfV Thüringen mit den Quellenmeldungen .............408
gg) Kontakt zwischen dem Mobiltelefon von Jan Werner und einem
Mobiltelefon des Landes Brandenburg ........................................................409
aaa) Zeitpunkt der Telefonverbindungen/Zeitpunkt und Inhalt
der SMS ............................................................................................409
bbb) Maßnahmen des LKA Thüringen im Hinblick auf die
festgestellten Kontakte ......................................................................410
ccc) V-Mann Carsten Szepanski des Landes Brandenburg als
Kommunikationspartner von Jan Werner .........................................410
ddd) Kurznachricht vom 25. August 1998 („Was ist mit den
Bums“) als Hinweis auf Waffenbeschaffung? ..................................410
i) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV Thüringen im Fall „Drillinge“
vom 15. Juni 1999 .............................................................................................411
j) Erkenntnisse und Quellenmeldungen zu Geldnöten des Trios und
deren Ende .........................................................................................................412
aa) Geldnöte des Trios .......................................................................................412
bb) Keine Geldsorgen mehr ...............................................................................414
k) Meldung vom 1. Februar 2000 („Dem Trio geht es gut“) .................................416
l) Observation eines Angehörigen der „Kameradschaft Jena“ in
Hannover durch das LfV-Niedersachsen in Amtshilfe für das LfV
Thüringen ..........................................................................................................416
m) Hinweis auf Jürgen H.: Meldung des MAD vom 6. Dezember 1999,
die „drei Bombenbastler“ bewegten sich auf der Stufe von
Rechtsterroristen ................................................................................................417
n) Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme bei Wohlleben ..........................................417
Drucksache 17/14600 – XXVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
o) Kontaktaufnahme des Trios zur Quelle 2045 – Observation von
Telefonzellen in Chemnitz .................................................................................418
7. Ende der Suchmaßnahmen des LfV Thüringen - Hintergründe ..............................418
8. Rückkehrverhandlungen des LfV Thüringen mit den Familien des Trios ..............419
a) Kontaktaufnahme am 11. März 1998 ................................................................419
b) Rückkehrverhandlungen zwischen Oktober 1998 und März 1999 ....................420
aa) Aussteiger-Gespräche mit der Familie Böhnhardt im Oktober und
November 1998 ............................................................................................420
bb) Mitteilung an den Rechtsanwalt im Dezember 1998, dass die
Überwachungsmaßnahmen ruhen ................................................................420
cc) Schreiben von Rechtsanwalt Eisenecker für Beate Zschäpe ........................421
dd) Gespräch zwischen den Eltern von Uwe Böhnhardt und StA
Mohrmann am 29. Februar 1999 ..................................................................421
ee) Gespräch zwischen dem Vizepräsidenten des LfV Thüringen,
Nocken, und der Staatsanwaltschaft Gera ....................................................421
ff) Ende der Rückkehrverhandlungen im März 1999 ........................................422
9. Zusammenarbeit des LfV Thüringen mit dem LKA Thüringen ..............................422
a) Ansprechpartner für das LfV Thüringen im LKA Thüringen ............................422
b) Vereinbarungen zur Zusammenarbeit ................................................................423
c) In den Akten des LKA Thüringen dokumentierte
Informationserlangung durch das LfV Thüringen .............................................424
d) In den Akten des LfV Thüringen dokumentierte
Informationsweitergabe an das LKA Thüringen ...............................................424
e) Diskrepanz der Zeugenaussagen in Bezug auf den Umfang der
Informationsweitergabe durch das LfV Thüringen an das LKA
Thüringen ..........................................................................................................426
f) Sicherheitslage im Innenministerium Thüringen ...........................................428
10. Verdacht der Unterstützung des Trios durch das LfV Thüringen ...........................428
a) Brief des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das LfV im Jahr
1999 ...................................................................................................................428
b) Vermerk des Zielfahnders Wunderlich vom 14. Februar 2001 .........................429
aa) Inhalt des Vermerks .....................................................................................429
bb) Grund für die Erstellung des Vermerks .......................................................429
cc) Hintergrund und Entstehung dieser Vermutung...........................................429
dd) Aussagen zu Gespräch und Vermerk ...........................................................429
c) Weiterverbreitung der im Vermerk niedergelegten Punkte durch den
Leiter der Zielfahndungsabteilung .....................................................................430
aa) Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera beim LKA Thüringen vom
15. November 2001 und Antwort hierauf vom 29. November 2001 ............430
bb) Eingang der mitgeteilten Erkenntnisse in den Berichtsvorgang des
Thüringischen Justizministeriums ................................................................431
d) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom 23. Oktober 2002 .............................431
e) Überprüfung der Vorwürfe in den Jahren 2001 und 2002 durch den
damaligen Präsidenten des LfV Thüringen Sippel ............................................431
11. Verdacht der logistischen Unterstützung des Trios durch die Polizei in
Thüringen ................................................................................................................432
a) Untersuchung der fehlgeschlagenen Garagendurchsuchung durch das
LfV Thüringen ...................................................................................................432
b) Konkreter Verdacht auf Geheimnisverrat und Kontakte von Thüringer
Polizeibeamten zu Rechtsextremisten in den Jahren 1999 und 2000 ................434
aa) „Fitnessstudio“ .............................................................................................434
bb) „Stan“ ..........................................................................................................434
cc) Tod auf Kreta ...............................................................................................435
dd) „Polizist 2“/„K.“ .........................................................................................435
12. Ausübung der Fachaufsicht über das LfV Thüringen .............................................436
13. Mögliche Abgabe des gesamten Falles durch das LfV Thüringen an das
LfV Sachsen ............................................................................................................437
IV. Maßnahmen des LfV Sachsen bei der Suche nach dem Trio ..................................437
1. Maßnahmen in den Jahren 1998-1999 ....................................................................437
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXVII – Drucksache 17/14600
2. Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 12“ ...................................................................440
3. Weitere Maßnahmen ...............................................................................................442
4. Benachrichtigung nach dem G 10-Gesetz ...............................................................443
5. Kontakte des LfV Sachsen zu Thomas Starke.........................................................444
6. Aktenfund im LfV Sachsen im Juni 2012 ...............................................................444
7. Bewertung der Maßnahmen des LfV Sachsen durch sächsische Stellen .................445
V. Tätigkeiten des BfV im Rahmen der Suche nach dem Trio ....................................446
1. Mitteilungen an das BfV .........................................................................................447
2. Tätigkeiten des BfV aufgrund der genannten Mitteilungen ....................................448
a) Bericht in der ND-Lage am 17. Februar 1998 ...................................................448
b) Befragung der V-Leute im Februar/März 1998 .................................................448
aa) V-Mann „Q1“ ..............................................................................................448
bb) V-Mann „Q2“ ..............................................................................................448
cc) V-Mann „Q3“ ..............................................................................................449
dd) Sonstige V-Leute .........................................................................................449
ee) Zusammenfassung der Erkenntnisse ............................................................449
c) Weitere Maßnahmen? ........................................................................................449
d) Bewertung der Maßnahmen des BfV durch die Referatsleiterin
Dobersalzka .......................................................................................................451
VI. Erkenntnisse des MAD zum untergetauchtenTrio ..................................................451
1. Überblick .................................................................................................................451
2. Einzelne Hinweise auf das Trio...............................................................................452
a) Lagen dem MAD Hinweise auf eine angeblich geplante Flucht des
Trios nach Südafrika vor? ..................................................................................452
b) Hinweise des MAD auf mögliche Kontaktpersonen des Trios aus einer
Erkenntnismitteilung des BfV vom Juli 1999 ....................................................452
c) Hinweise aus einer Befragung von Jürgen H. vom August 1999 ......................452
d) Hinweise auf den Vertrieb des Spiels „Pogromoly“ vom Dezember
1999 ...................................................................................................................453
e) Hinweise des MAD zum angeblichen „Tod der Bombenbastler auf
Kreta“ vom Dezember 1999 ..............................................................................453
f) Hinweise aus einer Befragung des Nico E. durch den MAD im April
2000 ...................................................................................................................453
g) Bericht des MAD zu einer geplanten Kampagne des „THS“ mit
Bezügen zum Trio .............................................................................................453
h) Hinweis des Tibor R. an den MAD auf Kontaktpersonen zum Trio von
Ende 2000 ..........................................................................................................453
i) Bericht des MAD mit Hinweisen zu Plänen des „THS“ und einer
möglichen Beteiligung Böhnhardts und Mundlos .............................................454
j) Hinweise aus einer Befragung des A. K. vom Oktober 2002 ............................454
3. Hat sich der MAD gezielt an der Suche nach dem Trio beteiligt? ..........................455
4. Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden .....................................455
5. Weitergabe von Hinweisen an Staatsanwaltschaften oder LKA? ...........................456
VII. Erkenntnisse des BND zum untergetauchten Trio ..................................................456
1. Beteiligung des BND an der Suche nach dem Trio im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Abtauchen .......................................................................456
2. Informationsaustausch im Verlauf der Suche nach dem Trio .................................457
3. Hinweise auf eine Flucht des Trios nach Südafrika ................................................458
4. Vorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Rechtsextremisten ......................458
a) Hinweis des italienischen Geheimdienstes aus 2003 .........................................458
b) Weitere relevante Vorfälle im Ausland .............................................................459
5. Mitglieder des Trios als V-Personen des BND? ......................................................459
VIII. Kenntnisse staatlicher Stellen in Baden-Württemberg zum Verbleib des
Trios .............................................................................................................................460
1. Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg ...........................................................460
Drucksache 17/14600 – XXVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Kontakte des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg ......................................................................................................460
aa) Michael E. ....................................................................................................460
bb) Barbara E. ....................................................................................................461
cc) Hans-Joachim S. ..........................................................................................461
b) Weitere Aufenthalte des Trios in Baden-Württemberg nach ihrem
Untertauchen......................................................................................................462
c) Kontakte des Umfeldes des Trios nach Baden-Württemberg ............................463
d) Kontakte des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Szene in
Baden-Württemberg ..........................................................................................463
aa) Sylvia F. .......................................................................................................463
bb) Hinweise auf weitere Kontaktpersonen .......................................................464
2. Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem
Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg .............464
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-
Württemberg durch das LfV Baden-Württemberg ............................................464
b) Mangelnder Zugang des LfV Baden-Württemberg zur rechten Szene
im Raum Ludwigsburg ......................................................................................466
c) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum „Thüringer
Heimatschutz“ und zum Trio .............................................................................466
d) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu den Personen der
Garagenliste und zu weiteren Kontaktpersonen des Trios aus
Ludwigsburg ......................................................................................................467
e) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten zwischen
Rechtsextremisten aus Baden-Württenberg, Thüringen und Sachsen ...............467
f) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten des Trios nach
Baden-Württemberg ..........................................................................................468
g) Hinweisgeber Günter Stengel (Vorgang Erbse) ................................................468
aa) Sachverhalt ...................................................................................................468
bb) Bewertung des Sachverhaltes durch die Zeugen Dr. Rannacher,
Schmalzl und Neumann ...............................................................................470
cc) Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses ........................................471
dd) Einsichtnahme in Haftakten .........................................................................472
3. Kenntnisse des Staatsschutzes Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem
Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg .............472
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-
Württemberg durch den Staatsschutz ................................................................472
b) Kenntnisse des LKA Baden-Württemberg zum Trio und zum
Unterstützerumfeld ............................................................................................472
c) Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu „Blood & Honour“
gewonnene Erkenntnisse ...................................................................................472
4. Zusammenarbeit zwischen LKA Baden-Württemberg und LfV Baden-
Württemberg ...........................................................................................................474
IX. Prüfung von § 129a StGB und der Zuständigkeit des GBA ....................................474
1. Rechtliche Grundlagen ............................................................................................474
2. Prüfung des § 129a StGB durch die StA Gera ........................................................475
3. Prüfung des § 129a StGB durch den GBA ..............................................................475
a) Der ARP-Vorgang .............................................................................................475
b) Die interne Evaluation des GBA .......................................................................477
4. Bewertung im Gutachten der Thüringer Kommission ............................................478
X. Weitere Tätigkeit der StA Gera nach dem Untertauchen des Trios ......................479
1. Keine Hinzuverbindung des Verfahrens wegen Auffindens von
Briefbombenattrappen .............................................................................................479
2. Mögliche verjährungsunterbrechende Maßnahmen ................................................479
a) Haftbefehlsneufassung vom 23. Juni 1998 ........................................................479
b) Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2000 .......................................................479
c) Weitere Unterbrechungsmaßnahmen .................................................................480
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXIX – Drucksache 17/14600
3. Einstellung des Verfahrens gegen das Trio wegen Verjährung zum 23.
Juni 2003 .................................................................................................................480
4. Behandlung des Verfahrens gegen die weiteren Beschuldigten ..............................482
XI. Eintritt der Vollstreckungsverjährung bzgl. Uwe Böhnhardt aus der
Verurteilung im Puppentorso-Verfahren im Jahr 2007 – Erlass eines
Vollstreckungshaftbefehls und Suchmaßnahmen ....................................................482
1. Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungsverjährung .............................................482
2. Möglichkeit eines Haftbefehls während des Strafverfahrens gemäß § 112
StPO ........................................................................................................................482
3. Möglichkeit eines Vollstreckungshaftbefehls gemäß § 457 StPO ..........................483
4. Fahndungsmaßnahmen auf Grundlage des Vollstreckungshaftbefehls nach
dem 23. Juni 2003 ...................................................................................................483
XII. Erkenntnisse staatlicher Stellen in Sachsen von 2005 bis 2008 ...............................483
1. Polizeiliche Ermittlungen zu einem Wasserschaden in der Polenzstraße 2
in Zwickau am 7. Dezember 2006...........................................................................483
2. Operation „Grubenlampe“ des LfV Sachsen ...........................................................486
3. Staatsschutz-Erkenntnisse der PD Zwickau ............................................................487
XIII. Erkenntnisse des BKA aus der Sicherstellung von Tonbändern im Jahr
2007 ..............................................................................................................................487
F. Česká–Mordserie ...................................................................................................................491
I. Überblick .....................................................................................................................491
1. Mord an Enver Şimşek am 9. September 2000 .......................................................491
2. Mord an Abdurrahim Özüdoğru am 19. Januar 2001 ..............................................491
3. Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 ......................................................491
4. Mord an Habil Kılıç am 29. August 2001 ...............................................................492
5. Mord an Mehmet Turgut 25. Februar 2004 .............................................................492
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler ...........................492
b) Problem der Identität des Opfers .......................................................................493
6. Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005....................................................................493
7. Mord an Theodoros Boulgarides 15. Juni 2005 ......................................................493
8. Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 ..........................................................494
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler ...........................494
b) Schweigemarsch in Dortmund ...........................................................................495
9. Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006..................................................................495
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler ...........................495
b) Schweigemarsch in Kassel ................................................................................496
II. Ermittlungen bis zum 4. Mord ..................................................................................496
1. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Enver Şimşek .................................496
a) Die Ermittlungen ...............................................................................................496
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes (Hinweis des
bayerischen Innenministers Dr. Beckstein) .......................................................496
2. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru ...................497
3. Ermittlungen in Hamburg nach dem Mord an Süleyman Taşköprü ........................497
a) Ermittlungsansätze ............................................................................................498
b) An den Ermittlungen beteiligte Einheiten .........................................................499
c) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes ..........................................499
4. Ermittlungen in München nach dem Mord an Habil Kılıç ......................................499
5. Ermittlungstätigkeiten des BKA und ihre rechtlichen Grundlagen .........................499
a) Zentralstelle gemäß § 2 BKAG .........................................................................500
b) § 4 BKAG Strafverfolgung ................................................................................501
aa) Eigene Ermittlungszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 1 BKAG ........................501
bb) Auftragszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 2 BKAG .........................................502
c) Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG ..............................502
Drucksache 17/14600 – XXX – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
6. Beteiligung des BKA an den Ermittlungen vor Gründung der EG „Česká“ ...........503
III. Ermittlungen ab dem vierten Mord ..........................................................................504
1. Einrichtung der Soko „Halbmond“ im Jahr 2001 ....................................................504
2. Ermittlungen in Rostock nach dem Mord an Mehmet Turgut .................................504
3. Ermittlungen aufgrund des Ermittlungsansatzes Spezialmunition ..........................505
4. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch
das BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2004 ..............................................................507
a) Entscheidungsprozess und zentrale Besprechungen nach Aktenlage ................508
aa) Arbeitsbesprechung in Rostock am 16. März 2004 .....................................508
bb) Telefonat eines Mitarbeiters des LKA Mecklenburg-Vorpommern
mit einem Mitarbeiter des BKA am 31. März 2004 .....................................508
cc) Telefonkonferenz zwischen PP Mittelfranken und Bayerischem
Staatsministerium des Innern am 14. April 2004 .........................................508
dd) Besprechung beim BKA in Wiesbaden am 20. April 2004 und
Reaktionen der Länder hierauf .....................................................................509
ee) Besprechung bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am
29. April 2004 und Schreiben des PP Mittelfranken an das
Bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellung eines
Übernahmeersuchens ...................................................................................510
ff) Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das
BKA um Übernahme ergänzender struktureller Ermittlungen unter
dem Gesichtspunkt des § 129 StGB gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG vom 15. Juni 2004 ......................................511
b) Aussagen der Zeugen.........................................................................................512
5. Beauftragung mit Strukturermittlungen unter dem Gesichtspunkt des
§ 129 StGB durch die EG „Česká“ beim BKA am 23.06.2004 ..............................514
a) Ermittlungsschwerpunkt „Organisierte Kriminalität“ .......................................515
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes der Taten ..........................516
6. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an İsmail Yaşar ...................................518
7. Ermittlungen in München nach dem Mord an Theodoros Boulgarides ...................518
IV. Ermittlungen nach dem sechsten und siebten Mord ...............................................519
1. Einrichtung der BAO „Bosporus“ und Ermittlungen bis 2006 ...............................519
a) Aufbau der BAO „Bosporus“ ............................................................................519
b) Beginn der Arbeit der BAO „Bosporus“ ...........................................................522
c) Prüfung der Zusammenhänge mit dem Kölner Nagelbombenanschlag
vom 9. Juni 2004 ...............................................................................................524
d) Prüfung einer rechtsextremen Tatmotivation vor 2006 .....................................525
e) Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzämtern vor der 2. OFA 2006 ..............526
f) München ............................................................................................................527
2. Mitarbeit des BKA in der BAO „Bosporus“ ab Juli 2005 .......................................527
a) Einbindung von Verbindungsbeamten...............................................................527
b) Öffentlichkeitsarbeit ..........................................................................................527
3. EDV-technische Vernetzung der beteiligten Dienststellen .....................................527
4. Die 1. Operative Fallanalyse Bayern vom 22. August 2005 und die
Haltung des BKA dazu ............................................................................................529
a) 1. Operative Fallanalyse vom 22. August 2005 .................................................529
b) Weitere Überlegungen .......................................................................................529
5. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Dönerstände .................................................530
a) in Nürnberg ........................................................................................................530
b) in München ........................................................................................................531
V. Ermittlungen nach den letzten beiden Morden der Česká-Serie ............................531
1. Ermittlungen in Dortmund nach dem Mord an Mehmet Kubaşık (BAO
„Kiosk“) ..................................................................................................................531
a) Die Ermittlungen ...............................................................................................531
b) Hinweise nach dem 4. November 2011 auf das Trio .........................................532
2. Ermittlungen in Kassel nach dem Mord an Halit Yozgat (MK „Café“) ..................533
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXI – Drucksache 17/14600
3. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch
das BKA im Jahr 2006 ............................................................................................534
a) Zentrale Besprechungen und Vorlagen im Vorfeld der 180. IMK am
4./5. Mai 2006....................................................................................................534
aa) Besprechung bei der BAO „Bosporus“ am 11. April 2006 ..........................534
bb) ND-Lage am 12. April 2006 ........................................................................534
cc) Strategiebesprechung vom 19. April 2006 ...................................................534
dd) Gespräch des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit den Chefs
der Landeskriminalämter Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-
Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein
vom 20. April 2006 ......................................................................................535
ee) Telefonat des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit dem
Landespolizeipräsidenten Bayerns am 21. April 2006 .................................536
ff) Gespräche des Vizepräsidenten und des Präsidenten des
Bundeskriminalamtes mit Vertretern des BMI am 20. und
21. April 2006 ..............................................................................................536
gg) Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom
26. April 2006 ..............................................................................................537
hh) Haltung der BAO „Bosporus“ im April 2006 ..............................................537
ii) Schreiben des Bundeskriminalamtes an das BMI mit der Anregung
der Übernahme zentraler Ermittlungen vom 2. Mai 2006 ............................538
jj) Ministervorlage des BMI vom 3. Mai 2006 – Erhöhung der
Belohnung ....................................................................................................540
kk) Einladung des Landespolizeipräsidenten Bayerns vom 2. Mai 2006
zu einer Erörterung am Rande der 180. IMK am 4./5. Mai 2006 .................541
b) Aussagen der Zeugen zur Meinungsbildung im Vorfeld der 180. IMK ............541
aa) Argumente des BKA für eine Übernahme der zentralen
Ermittlungen nach Aussagen der Zeugen ....................................................541
bb) Argumente der Länder gegen eine zentrale Ermittlungsführung
durch das BKA im Jahr 2006 nach Aussagen der Zeugen ...........................544
cc) Haltung Bayerns zur weiteren Ermittlungsführung in der Česká-
Mordserie im Vorfeld der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen ................545
dd) Haltung des Bundesministeriums des Innern zu einer zentralen
Ermittlungsführung durch das BKA im Vorfeld der 180. IMK nach
Aussagen der Zeugen ...................................................................................547
c) Die 180. IMK vom 4./5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen ........................549
aa) Vereinbarungen auf der IMK .......................................................................549
bb) Einrichtung einer Steuerungsgruppe ............................................................549
aaa) Entscheidungsfindung im Rahmen der 180. IMK ............................549
bbb) Bewertung der Entscheidung für eine Steuerungsgruppe
durch die Zeugen im Jahr 2006 .........................................................553
d) Gespräche im Nachgang zur IMK .....................................................................556
4. Überlegungen zu einer Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18
BKAG .....................................................................................................................556
5. Konstituierung und Arbeit der Steuerungsgruppe ...................................................557
a) Konstituierung der Steuerungsgruppe am 17./18. Mai 2006 .............................557
b) Struktur, Aufgaben, Sitzungsrhythmus ..............................................................557
c) Tätigkeit der Steuerungsgruppe .........................................................................558
6. Errichtung einer Informationssammelstelle in Nürnberg ........................................558
7. Erhöhung der Auslobungssumme und Beteiligung des BKA .................................559
8. Die zweite Operative Fallanalyse Bayern vom 9. Mai 2006, die Haltung
des BKA dazu und Schlussfolgerungen daraus .......................................................560
a) Aussagen der zweiten Operativen Fallanalyse ..................................................560
b) Bewertung der zweiten Operativen Fallanalyse durch die
Steuerungsgruppe ..............................................................................................561
c) Haltung des BKA zur zweiten Operativen Fallanalyse .....................................561
aa) Synopse des BKA vom 17. August 2006 .....................................................561
bb) Weitere Einschätzung des BKA ...................................................................563
cc) Tätigkeiten des BKA mit Blick auf die Einzeltätertheorie ...........................563
d) OFA-Methodenstreit ..........................................................................................565
Drucksache 17/14600 – XXXII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
e) Die Ermittlungskonzeption aufgrund der 2. Operativen Fallanalyse .................565
9. Die Medienstrategie ................................................................................................569
a) Möglicher rechtsextremer Hintergrund der Mordserie nicht
Gegenstand der Medienstrategie ........................................................................570
b) Bewertung der Medienstrategie durch die Steuerungsgruppe ...........................571
10. Kritik im Ausschuss an der 2. Operativen Fallanalyse und der
Medienstrategie .......................................................................................................573
11. Einflussnahme des damaligen Bayerischen Innenministers Dr. Beckstein? ...........573
12. Weitere Operative Fallanalysen ..............................................................................575
a) Die Operative Fallanalyse Hamburg .................................................................575
b) Die Operative Fallanalyse Baden-Württemberg und daran
anschließende Diskussionen ..............................................................................575
c) Die FBI-Kurzanalyse .........................................................................................577
d) Vergleichende Operative Fallanalyse Mordserie –
Nagelbombenanschlag .......................................................................................578
13. Ermittlungen nach der 2. OFA – Ermittlungsabschnitt Einzeltäter und
Spur 195 ..................................................................................................................579
a) Gewichtung der Ermittlungsschwerpunkte ........................................................579
b) Spur 195 ............................................................................................................579
aa) Beginn ..........................................................................................................579
c) Gefährderansprachen .........................................................................................580
d) Zusammenarbeit mit dem LfV Bayern ..............................................................580
aa) Informationsgewinnung der BAO „Bosporus“ beim LfV Bayern
von Juli 2006 bis Februar 2007 ....................................................................580
bb) Die Ermittlungen anhand der vom LfV Bayern übersandten Liste ..............585
e) Sonstige Ermittlungen des Unterabschnittes „Serientäter“ ................................586
f) Abschluss der Spur 195 .....................................................................................586
14. Rasterungen .............................................................................................................586
15. Weitere Ermittlungsmaßnahmen und Zusammenarbeit mit türkischen
Behörden .................................................................................................................588
a) Öffentlichkeitsarbeit ..........................................................................................588
b) Möglicher Zusammenhang der Mordserie mit der Tat in Heilbronn .................588
c) Sonstige Überlegungen zu Ermittlungsansätzen ................................................589
d) Zusammenarbeit mit türkischen Behörden ........................................................589
aa) Hinweise auf eine Täterschaft der „Türkischen Hizbullah“ .........................589
bb) Sonstige Kontakte zu türkischen Behörden .................................................590
16. Ermittlungen in Hamburg (EG „061“) und Zusammenarbeit mit BAO
„Bosporus“ ..............................................................................................................591
a) Ermittlungsstand und Ermittlungsansätze .........................................................591
b) Zusammenarbeit mit LfV Hamburg ..................................................................592
c) Einsatz eines Metaphysikers ..............................................................................593
17. Ermittlungen in Rostock (Soko „Kormoran“) und Zusammenarbeit mit
BAO „Bosporus“ .....................................................................................................593
18. Überlegungen zu einer Übernahme zentraler Ermittlungen durch das
BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2007 .....................................................................595
19. Auflösung der EG „Česká“ und Rückzug des BKA aus der
Steuerungsgruppe im Mai 2010 ..............................................................................598
20. Überlegungen im Hinblick auf die Ermittlungen in einem möglichen 10.
Mordfall ..................................................................................................................600
VI. Rückblickende Bewertung der Ermittlungen durch die Beteiligten ......................601
1. Organisation der Ermittlungen – Koordinierung der polizeilichen
Zusammenarbeit durch eine Steuerungsgruppe .......................................................601
a) Bewertung im Erfahrungsbericht des Leiters der BAO „Bosporus“ .................601
b) Bewertung durch andere Mitglieder der Steuerungsgruppe aus den
Tatortländern .....................................................................................................602
c) Bewertung durch das BKA ................................................................................603
d) Bewertung durch das BMI .................................................................................604
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXIII – Drucksache 17/14600
2. Gründe für die Nichtaufklärung der Mord-serie......................................................605
3. Einschätzung eines Handlungsbedarfs beim BKA-Gesetz ......................................607
VII. Sonderfragen zu den Ermittlungen ...........................................................................609
1. Waffenspur ..............................................................................................................609
a) Feststellung von Tatwaffe und Munition ...........................................................610
b) Ermittlungen durch das BKA ab Juni 2004 .......................................................611
c) Die Spur Česká mit verlängertem Lauf (Gutachten des BKA vom 22.
Mai 2006) ..........................................................................................................612
aa) Ergebnis des BKA-Gutachtens ....................................................................612
bb) Rechtshilfeersuchen und sonstige Ermittlungen bei der Firma
Česká Zbrojovka in Brünn ...........................................................................612
aaa) Ermittlungen zur Česká mit verlängertem Lauf ................................612
bbb) Beschwerdebrief des Bayerischen Staatsministeriums des
Innern an das tschechische Innenministerium ..................................614
cc) Ermittlungen in die Schweiz ab 2006 ..........................................................615
aaa) Hinweis von Lothar M. im Jahr 2006 ...............................................615
bbb) Ermittlungen in der Schweiz.............................................................617
ccc) BKA-Gutachten vom 11. September 2008 .......................................618
ddd) Spur Anton G. ...................................................................................618
eee) Dauer der Rechtshilfeersuchen in die Schweiz .................................619
d) Zusammenarbeit mit dem BND .........................................................................620
2. Durch die Ermittlungen ausgeräumter Verdacht gegen einen Mitarbeiter
des LfV Hessen .......................................................................................................622
a) Verdacht der Verstrickung eines Behördenmitarbeiters ....................................622
aa) Ermittlungen gegen Andreas Temme...........................................................622
bb) Kontakte des Andreas Temme zu seinen V-Personen am Tattag .................623
cc) Bemühungen der Ermittlungsbehörden zur Vernehmung der V-
Personen von Andreas Temme ....................................................................623
aaa) Rechtliche Grundlagen .....................................................................623
bbb) Nichterteilung einer Aussagegenehmigung für die
Vernehmung der von Andreas Temme geführten V-
Personen ...........................................................................................624
ccc) Gründe für die Verweigerung der Aussagegenehmigung .................630
dd) Befragung der Vertrauenspersonen durch das LfV Hessen .........................630
ee) Sonstige Ermittlungen zu den Vertrauenspersonen......................................631
b) Vernehmung des Andreas Temme im Ausschuss ..............................................631
3. Zentrale staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit? .....................................................633
a) Sammelverfahren ...............................................................................................633
b) Zuständigkeit Generalbundesanwaltschaft ........................................................634
aa) Prüfung der Voraussetzungen durch die Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth ............................................................................................634
bb) Prüfung der Voraussetzungen durch den GBA ............................................636
cc) Erkenntnisse des Ausschusses .....................................................................637
aaa) Fehlinterpretation des Tatmotivs ......................................................637
bbb) Ausreichende Tatsachengrundlage für die Prüfung? ........................637
dd) Weitere Prüfung der Übernahme des Verfahrens durch den GBA
nach neuem Hinweis ....................................................................................638
G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A. ........................................639
I. Überblick über Tatgeschehen und Ermittlungen.....................................................639
II. Operative Fallanalysen ...............................................................................................640
III. Handelte es sich um Zufallsopfer? ............................................................................641
IV. Suche nach einer unbekannten weiblichen Person (uwP) .......................................642
V. Tatverdacht gegen Angehörige der Minderheiten Sinti und Roma .......................642
VI. Zusammenarbeit mit anderen Behörden ..................................................................644
VII. Im Ausschuss beleuchtete mögliche Ermittlungspannen ........................................645
1. Späte Auswertung von blutigen Taschentüchern ....................................................645
Drucksache 17/14600 – XXXIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Zeugenaussagen von besonderem Interesse ............................................................646
a) Zeugen, die Personen mit Blutflecken an der Kleidung gesehen haben ............646
b) Zeugin, die Schüsse hörte ..................................................................................647
c) Umgang mit diesen Zeugen ...............................................................................647
3. Ringfahndung ..........................................................................................................647
a) Ablauf Ringalarmfahndung ...............................................................................647
b) Auswertung der Kontrolllisten ..........................................................................648
c) Wohnmobil-Mietvertrag ....................................................................................648
4. Auswertung des E-Mail-Kontos ..............................................................................649
5. Gutachten zum Schussverlauf .................................................................................649
6. Verspätete Auswertung von Videoaufzeichnungen ................................................649
VIII. Hinweis des Onkels von Michèle Kiesewetter ..........................................................650
IX. Angebliche Hinweise der Auskunftsperson und späteren Informantin
Krokus an das LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007 ........................................650
1. Behauptungen des Herrn Gronbach ........................................................................650
2. Umgang mit Quelleneigenschaft von Krokus durch LKA Baden-
Württemberg und LfV Baden-Württemberg ...........................................................651
3. Tätigkeit der Auskunftsperson/Informantin Krokus für das LfV Baden-
Württemberg ...........................................................................................................652
4. Hintergrundinformationen zu den von Krokus beobachteten Personen aus
rechtsextremistischen Kreisen .................................................................................653
5. Ermittlung der Krankenschwester und Bewertung ihrer Aussage ...........................655
6. Bewertung des Sachverhaltes durch das LKA und das LfV Baden-
Württemberg ...........................................................................................................655
7. Glaubwürdigkeit des Herrn Gronbach ....................................................................656
X. Mitgliedschaft des Gruppenführers von Michèle Kiesewetter im „KKK“ ............656
XI. Spekulationen zum Tathergang und hierauf veranlasste Ermittlungen ................657
1. Anfrage des stern vom 28. November 2011 und Antworten ...................................657
2. Behauptungen des stern-Artikels „Mord unter den Augen des Gesetzes“ ..............657
3. Erste Reaktionen auf die stern-Veröffentlichung ....................................................658
4. Bericht des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 25. Mai 2012 ....................659
5. Aussagen der Zeugen Mögelin und Schmalzl .........................................................659
6. Maßnahmen des BKA zur Überprüfung des Sachverhalts ......................................659
7. Ermittlungen zu einem US-amerikanischen Militärfahrzeug ..................................660
8. Prüfvorgang des Generalbundesanwaltes – „Angeblicher Aufenthalt des
M. K.“ zur Tatzeit in Deutschland ..........................................................................660
9. Welche Rolle spielte der MAD bei der Aufklärung? ..............................................661
H. Sprengstoffanschläge .............................................................................................................663
I. Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse in Köln .................................................663
1. Tatgeschehen und Ermittlungen der EG „Probst“ ...................................................663
a) Überblick über das Tatgeschehen ......................................................................663
b) Ablauf der Ermittlungen ....................................................................................663
2. Ermittlungen im Umfeld der Familie ......................................................................664
3. Ermittlungen hinsichtlich eines politischen Hintergrundes .....................................664
a) Rolle des Staatsschutzes ....................................................................................664
b) Sprengstoff und Rechtsextremismus .................................................................664
c) Rechtsextremistischer Hintergrund im Fall des Sprengfallenanschlags ............665
4. Zusammenarbeit mit anderen Behörden ..................................................................666
a) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler .........................................................666
b) Einbindung des Bundesamts für Verfassungsschutz .........................................666
5. Abfrage Tatmittelmeldedienst .................................................................................666
a) Definition und Zweck ........................................................................................666
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXV – Drucksache 17/14600
b) Meldung und Datenerfassung im Tatmittelmeldedienst ....................................667
c) Regelungen für die Speicherungen, Erfassungsfristen und
Löschvorgaben ..................................................................................................667
d) Regelungen für Zugriffsberechtigungen und Abfragemodalitäten ....................667
e) BKA – Ermittlungen im Fall des Sprengfallenanschlags ..................................668
6. Damalige Kenntnisse der Ermittler über das Trio ...................................................669
a) Fahndungsplakate nach dem Untertauchen .......................................................669
b) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler .........................................................669
c) Eintragungen im Tatmittelmeldedienst ..............................................................669
7. Einstellung und Asservatenvernichtung ..................................................................669
II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln ..................................................670
1. Tatgeschehen und erste Reaktionen ........................................................................670
a) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012 ....................................................................................................670
b) Warum entfiel in den Lagemeldungen des LKA der zunächst
enthaltene Hinweis auf einen möglichen terroristischen Anschlag? ..................671
aa) Meldungen des LKA: terroristischer Anschlag? ..........................................671
bb) Geschehen im Lagezentrum der Polizei Nordrhein-Westfalen ....................672
cc) Aussagen der Zeugen Weber, Wolf, Dr. Behrens ........................................672
c) Kontaktaufnahme des BfV mit einem Mitarbeiter des
Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen .......................................................673
aa) Lagedokumentation......................................................................................673
bb) Aussagen der Zeugen Weber, Hofmann und Dr. Möller .............................673
cc) Erkenntnisse des BfV zum Sachverhalt .......................................................674
d) Ausschluss eines rechtsextremistischen Hintergrundes kurz nach der
Tat ......................................................................................................................674
aa) Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesinnenministers
Schily ...........................................................................................................674
aaa) Öffentliche Äußerungen und Medienberichterstattung .....................674
bbb) Aussagen der Zeugen Schily und Dr. Behrens .................................675
ccc) Mögliche Wirkung von Äußerungen eines Ministers .......................676
bb) Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei am 10. Juni 2004 ........................676
cc) Pressestatement des BfV am 10. Juni 2004 .................................................677
2. Ermittlungen der Kölner Polizei und des LKA Nordrhein-Westfalen ....................677
a) Überblick über den Verlauf der Ermittlungen ...................................................677
b) Vorhandensein von Tätervideos ........................................................................678
c) Einbeziehung BKA ............................................................................................679
aa) Ablehnung des Hilfsangebots der Phänomenbereiche Staatsschutz
und Allgemeine und Organisierte Kriminalität am Tattag ...........................679
bb) Einbeziehung des BKA in anschließende Ermittlungen ..............................681
aaa) Sprechzettel des BKA für ND-Lagen ...............................................681
bbb) Aussagen der Zeugen Maurer und Schily .........................................681
ccc) Aussagen der Zeugen Weber und Dr. Behrens .................................682
d) Tatmittelmeldedienst .........................................................................................683
e) Ankerpunkt Köln ...............................................................................................684
f) Operative Fallanalysen ......................................................................................685
aa) Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli
2004 .............................................................................................................685
bb) Operative Fallanalyse des BKA vom 21. bis 25. Februar 2005 ...................686
aaa) Schlussfolgerungen aus der Fallanalyse des BKA ............................687
g) Öffentliche Äußerungen der Ermittler zur Tat...................................................688
aa) Pressetermin am 30. Juli 2004 .....................................................................688
bb) Öffentliche Äußerungen von OStA Wolf ....................................................688
cc) Öffentliche Äußerungen von KHK Weber...................................................689
h) Schwerpunkt der Ermittlungen hinsichtlich möglicher Motive der Tat .............689
aa) Aussage des Zeugen Weber .........................................................................689
bb) Aussage des Zeugen Wolf............................................................................690
cc) Aussage des Zeugen Spliethoff ....................................................................691
i) Hinweise auf einen rechtsextremistischen/ausländerfeindlichen
Hintergrund........................................................................................................691
Drucksache 17/14600 – XXXVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aa) Aussagen von Tatortzeugen .........................................................................691
bb) Flugblatt in Kölner Straßenbahn ..................................................................691
j) Konkrete Tatverdächtige mit rechtsextremistischem Hintergrund ....................692
k) Umgang mit Opfern ...........................................................................................693
l) Zivilpolizisten am Tatort ...................................................................................693
m) Einsatz Verdeckter Ermittler .............................................................................695
aa) Ziel des Einsatzes .........................................................................................695
bb) Hinweise während der verdeckten Ermittlungen auf einen
rechtsextremistischen Hintergrund des Anschlags .......................................697
n) Befragung einer Hellseherin ..............................................................................698
o) Gegenüberstellung: Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse und in
der Keupstraße ...................................................................................................698
3. Einbindung des nordrhein-westfälischen Innenministers Dr. Behrens ....................700
a) Der Anruf von Minister Dr. Behrens im Lagezentrum ......................................700
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus in
Nordrhein-Westfalen zur Tatzeit .............................................................................702
5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen ..................................703
a) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen zur
Erkenntnisgewinnung und Zusammenarbeit der Kölner Polizei mit
dem Verfassungsschutz .....................................................................................703
b) Kenntnisse des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen vom BfV
Spezial Nr. 21 ....................................................................................................705
c) Quellenmeldungen des Verfassungsschutzes ....................................................705
d) Kritik am Verfassungsschutz aus den Ermittlungsbehörden .............................705
6. Aktivitäten des BfV .................................................................................................706
a) Erste Reaktionen des BfV zur Unterstützung der Ermittlungen ........................706
b) Analyse der Tätervideos ....................................................................................706
c) Dossier des BfV zum Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004: „Combat
18“ .....................................................................................................................707
d) Sprechzettel des BfV für ND-Lage am 5. Oktober 2004 ...................................709
7. In welcher Weise war das BMI in die Ermittlungen eingebunden? ........................709
a) Erkenntnisse des BMI zum Nagelbombenanschlag ...........................................709
aa) Erstinformation des BMI durch das LKA Nordrhein-Westfalen
und darauf erfolgte Reaktionen ....................................................................709
bb) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004 .................................................710
cc) Unterrichtung des BMI durch BKA .............................................................710
dd) Ministervorlage vom 11. Juni 2004 .............................................................710
ee) Vorbereitung Ministervorlage vom 16. Juni 2004 .......................................711
b) Kontakte zwischen Bundesinnenminister a. D. Schily und dem
nordrhein-westfälischen Innenminister a. D. Dr. Behrens .................................712
c) Weitere Befassung von Bundesinnenminister Schily mit dem Vorgang ...........712
d) Erkundigungen des MAD – Aussage des Zeugen Huth ....................................712
8. Prüfung einer Verfahrensübernahme durch den GBA ............................................713
9. Einstellung des Verfahrens ......................................................................................713
I. Überfälle ..................................................................................................................................715
I. Überblick .....................................................................................................................715
II. Ermittlungsführung ....................................................................................................716
III. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen bei den Raubstraftaten ..........................717
1. Modus Operandi ......................................................................................................717
2. Fluchtmittel .............................................................................................................718
3. Waffen .....................................................................................................................718
4. Besonderheiten bei der Tatbegehung ......................................................................718
IV. Erkennen als Tatserie .................................................................................................718
V. Vermutete Tatmotive ..................................................................................................719
VI. Ermittlungsmaßnahmen ............................................................................................720
1. Allgemeine Ermittlungsmaßnahmen .......................................................................720
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXVII – Drucksache 17/14600
2. Auswertung der Bilder von Überwachungskameras ...............................................720
a) Aussehen der Täter ............................................................................................720
b) Verdacht auf Bundeswehrangehörige als Täter .................................................721
c) Linkshänder .......................................................................................................721
d) Fahrräder als Fluchtmittel ..................................................................................721
3. Hinweise aus Zeugenbefragungen ...........................................................................722
a) Phantombild .......................................................................................................722
b) Anzahl der Täter ................................................................................................722
c) Angeblicher sächsischer Dialekt der Täter ........................................................722
4. Ringalarmfahndungen .............................................................................................723
5. Funkzellenabfragen im Tatortbereich......................................................................723
6. Öffentlichkeitsfahndung ..........................................................................................723
7. Auslobung einer Belohnung ....................................................................................724
8. Veröffentlichung der Serie im LKA-Blatt Sachsen sowie im BKA-Blatt ...............725
VII. Operative Fallanalysen ...............................................................................................725
1. Landeskriminalamt Sachsen ....................................................................................725
2. Landeskriminalamt Thüringen ................................................................................726
VIII. Unerkannte Bezüge der Überfallserie zum Trio ......................................................726
1. Keine Berücksichtigung von Beschaffungskriminalität Untergetauchter
als mögliches Tatmotiv ...........................................................................................726
2. Linkshänder .............................................................................................................726
3. Flucht auf Fahrrädern ..............................................................................................727
J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen .........................729
I. Die Situation der Opfer und die Folgen rechtsextremistischer Straftaten ............729
1. Rede der Preisträgerin des Genç-Preises 2013, Tülin Özüdoğru.............................729
2. Besondere Belastungen der Opfer des NSU und ihrer Angehörigen.......................730
a) Notwendigkeit fachgerechter Ermittlungen im Opferumfeld ............................730
b) Behandlung der Betroffenen im Ermittlungsverfahren ......................................731
aa) Die Angehörigen der Mordopfer im Fokus der Ermittlungen ......................731
bb) Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Einsatz
Verdeckter Ermittler gegen Angehörige der Mordopfer ..............................731
cc) Problematische Zeugenvernehmungen ........................................................732
dd) Verdacht gegen das Umfeld der Mordopfer .................................................733
ee) Reaktionen auf Verdacht der Angehörigen, die Morde seien
rassistisch motiviert gewesen .......................................................................733
ff) Familien der Opfer der Mordserie und der Sprengstoffanschläge in
der Wahrnehmung der Ermittler ..................................................................733
c) Erfahrungen der Opfer über die Ermittlungen hinaus ........................................735
3. Mögliche Schäden der Opfer rassistischer und rechtsextremistischer Taten
und deren Angehörigen, insbesondere der Betroffenen der Taten des NSU ...........735
4. Umgang mit Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Straftaten im
Allgemeinen ............................................................................................................736
II. Möglichkeiten des Ausgleichs der entstandenen Nachteile .....................................736
1. Opferentschädigungsgesetz .....................................................................................736
2. Opferfonds für rechtsextremistische Straftaten .......................................................737
3. Weitere Möglichkeiten finanzieller Unterstützung .................................................738
a) Stiftungen der Länder ........................................................................................738
b) Spenden für Nebenkläger ..................................................................................739
III. Beratungs- und Anlaufstellen für die Opfer .............................................................739
1. „Weißer Ring“ .........................................................................................................739
2. „ezra“ ......................................................................................................................740
3. Beratungsangebot in Köln .......................................................................................740
Drucksache 17/14600 – XXXVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
IV. Schaffung von Orten des Gedenkens für die Opfer, insbesondere für die
Opfer des NSU .............................................................................................................740
K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten ..............................................743
I. Vernichtung von Akten im BfV nach dem 4. November 2011 ................................743
1. Öffentliches Bekanntwerden und Unterrichtung des
Untersuchungsausschusses ......................................................................................743
2. Kein Aktenvernichtungsstopp im BfV unmittelbar nach dem 4. November
2011 .........................................................................................................................744
3. Grundlagen der Arbeitsweise und der Datei- und Aktenführung im BfV ...............745
a) Arbeitsweise des BfV ........................................................................................745
b) Rechtsgrundlagen und Praxis der Datei- und Aktenführung zur
Auswertung und Beschaffung............................................................................746
aa) Führung von Dateien ....................................................................................746
bb) Führung von Akten ......................................................................................747
cc) G 10-Verfahren und Führung von G 10-Akten ............................................747
aaa) G 10-Verfahren .................................................................................747
bbb) Führung von G 10-Akten ..................................................................747
c) Datenlöschung und Aktenvernichtung...............................................................748
aa) Regelung zur Löschung von Daten ..............................................................748
bb) Regelungen zur Vernichtung von Akten ......................................................749
aaa) Rechtsauffassung des BfV zur Löschung von
Beschaffungsakten ............................................................................749
bbb) Rechtsauffassung des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit .........................................751
ccc) Vereinbarung mit dem BfDI .............................................................753
cc) Vernichtung von G 10-Akten .......................................................................754
d) Praxis der Aktenvernichtung im Beschaffungsbereich ......................................754
aa) Richtwert für die Aufbewahrung .................................................................754
bb) Entscheidung über die Aktenvernichtung und Anordnung ..........................755
cc) Beteiligte Stellen, Vier-Augen-Prinzip und Vernichtungsprotokoll ............756
e) Datenschutzbeauftragter im BfV .......................................................................756
4. Die Anordnung aus dem Jahre 2010 und die Aktenvernichtung im Januar
2011 .........................................................................................................................756
5. Aktenvernichtung am 11. November 2011 und „einige Tage danach“ ...................757
a) Angaben des Referatsleiters Lingen ..................................................................758
b) Ablauf der Aktenvernichtungen am 11. November 2011 und „einige
Tage danach“ .....................................................................................................758
c) Berichterstattung an die Amtsleitung/Kenntnis der Amtsleitung von
der Vernichtung .................................................................................................766
aa) Aussagen der Zeugen ...................................................................................766
bb) Aktenlage .....................................................................................................767
d) Zusammengefasstes Prüfergebnis des Sonderbeauftragten des BMI,
MinDirig Engelke ..............................................................................................770
e) Rekonstruktion der Akten ..................................................................................770
f) Auswahl der Akten durch den Referatsleiter .....................................................773
aa) Kenntnisse des Referatsleiters aus früherer dienstlicher Befassung ............773
bb) Recherche in der Forschungs- und Werbungsdatei ......................................774
cc) Nachvollziehung der Suche mit den angegebenen Suchbegriffen
über die Forschungs- und Werbungsdatei ....................................................774
dd) Informationsspeicherung in der Forschungs- und Werbungsdatei
im Falle eines Zugriffs .................................................................................774
ee) Recherche in NADIS? ..................................................................................775
g) Überprüfung möglicher Vernichtungsmotive ....................................................776
aa) Angst vor der Offenbarung nicht eingehaltener Löschungsfristen? .............776
bb) Vernichtung von Akteninhalten mit NSU-Bezug? .......................................777
aaa) Mitglieder des Trios als V-Leute oder Forschungs- und
Werbungsfälle? .................................................................................777
bbb) Kenntnisse des BfV von der Existenz des NSU? ..............................779
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXIX – Drucksache 17/14600
cc) Vernichtung von Akteninhalten, die nichts mit dem NSU zu tun
haben, aber gleichzeitig vertuscht werden sollten? ......................................781
dd) Vernichtung der Existenz der Akten als solche? ..........................................782
ee) Fazit des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke, zum
Motiv des Referatsleiters .............................................................................784
h) Zusammenwirken des Referatsleiters mit weiteren Beteiligten .........................784
aa) Überprüfung der Telefonate des Referatsleiters ...........................................785
bb) Überprüfung des internen E-Mail-Verkehrs des Referatsleiters ..................785
6. Unmittelbare Maßnahmen im BfV in Reaktion auf das Bekanntwerden
der Aktenvernichtung ..............................................................................................785
a) Information des Bundesministeriums des Innern ..............................................785
b) Rücktritt des Präsidenten Fromm ......................................................................785
c) Umsetzung des Referatsleiters Lingen und Disziplinarverfahren gegen
diesen .................................................................................................................786
d) Weitere Umsetzungen und Disziplinarverfahren ...............................................786
7. Ermittlungsverfahren ...............................................................................................787
8. Weitere Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011 ....................................787
a) Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtungen im BfV ......................................787
b) Umfang der Aktenvernichtung zwischen dem 4. November 2011 und
dem 4. Juli 2012 ................................................................................................788
c) Verlauf der Untersuchung .................................................................................788
d) Öffentliche Berichterstattung.............................................................................789
e) Ergebnis der Prüfung durch MinDirig Engelke .................................................789
f) Vernichtung von 26 Anlagenordnern aus dem G 10-Bereich ............................790
aa) Rechtsgrundlage ...........................................................................................791
bb) Querbezüge zum NSU .................................................................................791
cc) Im Ausschuss problematisierte Einzelfälle ..................................................792
aaa) AO 774 .............................................................................................792
bbb) AO 775 .............................................................................................793
dd) Zeitabstand zwischen Anordnung und Vernichtung ....................................793
ee) Vernichtung von Ordnern aus verschiedenen Maßnahmen zum
gleichen Zeitpunkt .......................................................................................794
ff) Möglichkeit der Rekonstruktion von G 10-Anlagenordnern? ......................795
g) Vernichtung von Personenakten aus dem Bereich der „Auswertung“ ...............795
aa) Rechtsgrundlage ...........................................................................................795
bb) Umfang und Rekonstruktion ........................................................................795
h) Vernichtung von Beschaffungsakten aus dem Bereich Forschung und
Werbung ............................................................................................................796
i) Vergleich der Aktenvernichtung im Bereich Rechtsextremismus zu
Vernichtungen in anderen Phänomenbereichen.................................................796
9. Empfehlungen des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke .....................797
II. Erkenntnisse über das Aktenmanagement, die Aufbewahrung und die
Löschung von Akten beim MAD ...............................................................................798
1. Aktenführung im MAD ...........................................................................................798
2. Aktenvernichtung im MAD nach dem 4. November 2011 ......................................798
3. Vernichtung der MAD-Akte Mundlos im MAD .....................................................799
III. Aktenvernichtung bei Berliner Behörden .................................................................800
1. Bekanntwerden der Aktenvernichtung ....................................................................800
2. Untersuchungen durch OStA Feuerberg hierzu.......................................................800
a) Einsetzung des Sonderermittlers Feuerberg durch den Senator für
Inneres und Sport des Landes Berlin .................................................................800
b) Akten der Gruppe „Landser“ .............................................................................800
c) Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“ ......................................................801
3. Rekonstruktion der vernichteten Akten und Information des
Untersuchungsausschusses hierüber........................................................................801
IV. Löschung von Handy-Daten durch die Bundespolizei auf Anweisung des
BKA..............................................................................................................................801
Drucksache 17/14600 – XL – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem
4. November 2011 ...................................................................................................................803
I. Maßnahmen des Bundes und der IMK .....................................................................803
1. Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutz
und zur Kooperation von Bund und Ländern ..........................................................803
a) Gemeinsames Abwehrzentrum gegen
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR) ..................................................803
b) Rechtsextremismusdatei (RED).........................................................................804
c) Polizeilicher Informations- und Analyseverbund ..............................................805
d) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand NADIS-neu ...............805
e) Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit zwischen Polizei und
Verfassungsschutz“ ...........................................................................................806
2. Maßnahmen zur besseren Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und
der Länder ...............................................................................................................806
a) Gemeinsame Datei Großschadenslagen (GED) Zwischenlösung ......................806
b) Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen PMK-rechts ...................807
c) Evaluierung des Definitionssystems PMK ........................................................807
d) Bessere Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität - rechts ................808
e) Optimierungsmöglichkeiten der kriminalpolizeilichen Meldedienste
im Zusammenhang mit der Erfassung von Spreng- und
Brandvorrichtungen (SBV) ................................................................................808
f) Waffenregister ...................................................................................................808
3. Verfassungsschutzreform ........................................................................................809
a) Maßnahmen der Binnenreform im BfV .............................................................809
aa) Bereits umgesetzte Maßnahmen des BfV ....................................................809
bb) Im Rahmen der Binnenreform des BfV angestrebte Maßnahmen ...............809
cc) Weitere Maßnahmen im BMI-internen Planungsstadium ............................810
b) Arbeitsgruppe der IMK zum Thema „Personal, Aus- und Fortbildung,
Akademie für Verfassungsschutz“ ....................................................................811
c) Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der
Gesellschaft .......................................................................................................811
d) Internetnutzung durch die Verfassungsschutzbehörden ....................................811
e) Gremienstruktur .................................................................................................812
f) Koordinierungsrichtlinie ....................................................................................812
g) Standardisierung des VP-Einsatzes ...................................................................812
h) Vorschläge der IMK zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
vom 23./24. Mai 2013........................................................................................812
4. Weitere Maßnahmen ...............................................................................................813
a) Anlaufstellen für Opfer ......................................................................................813
b) Maßnahmen beim GBA .....................................................................................813
c) Maßnahmen im Bundeshaushalt ........................................................................813
d) Präventionsmaßnahmen .....................................................................................814
e) Maßnahmen im MAD ........................................................................................814
f) Maßnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend (BMFSFJ) .......................................................................................815
g) Unterwanderung von Rockergruppierungen durch rechtsextreme
Kreise.................................................................................................................815
II. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus
vom 30. April 2013 ......................................................................................................815
1. Verfassungsschutz ...................................................................................................815
2. Trennungsgebot .......................................................................................................816
3. Verbesserung der Zusammenarbeit .........................................................................816
a) BfV ....................................................................................................................816
b) Polizeibehörden .................................................................................................816
c) Zentrale/dezentrale Ermittlungsführung ............................................................816
d) Übermittlungsvorschriften auf Landes- und Bundesebene ................................817
e) Polizeibehörden und Verfassungsschutz ...........................................................817
f) Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz ........................................................817
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLI – Drucksache 17/14600
g) Geheimschutz/Verwertbarkeit eingestufter Informationen ................................817
4. Verdeckte Informationsgewinnung .........................................................................818
5. Generalbundesanwalt ..............................................................................................818
6. Dienst- und Fachaufsicht .........................................................................................818
7. Aus- und Fortbildung ..............................................................................................819
III. Empfehlungen der Sachverständigen........................................................................819
1. Zur bestehenden Sicherheitsarchitektur ..................................................................819
a) Sicherheitsbehörden allgemein ..........................................................................819
b) Verfassungsschutz .............................................................................................819
aa) Aufgabe des Verfassungsschutzes ...............................................................819
bb) Personal und Ausbildung .............................................................................820
cc) Vertrauenspersonen ......................................................................................820
dd) Zusammenlegung einzelner Verfassungsschutzämter der Länder ...............821
ee) Informationsaustausch der Verfassungsschutzbehörden ..............................821
c) Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ........................................821
2. Gesetzesevaluierung ................................................................................................821
3. G 10-Kommission ...................................................................................................822
4. Aufsicht und Kontrolle ............................................................................................822
5. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts .........................................................822
6. Datensysteme ..........................................................................................................822
7. Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Institutionen ..................................822
a) Gründung einer Stiftung als zentrale Anlaufstelle für Opfer rechter
Gewalt ...............................................................................................................822
b) Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle .................................823
c) Gründung eines Instituts gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ..............823
d) Erweiterung der Opferberatungsstellen .............................................................824
e) Vergabe von Stipendien .....................................................................................824
8. Verbesserung der Behördenarbeit ...........................................................................824
a) Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure ......................................................824
b) Transparenz .......................................................................................................825
9. Normensetzung .......................................................................................................825
10. Polizeiarbeit.............................................................................................................826
a) Neudefinition von Straftaten .............................................................................826
b) Polizeiausbildung ..............................................................................................826
c) Migranten im Polizeidienst ................................................................................827
d) Persönliche Einstellungen Polizeibeamter und Optimierung von
Arbeitsweisen ....................................................................................................827
e) Profiling .............................................................................................................827
11. Sonstige Verbesserungsvorschläge .........................................................................827
a) Analytik .............................................................................................................827
b) Prävention ..........................................................................................................828
c) Archivierung der Dokumente ............................................................................828
d) Fachtagungen und Beratungsgremien ................................................................828
Dritter Teil: Gemeinsame Bewertungen ....................................................................................829
A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten ...................................833
I. Česká-Mordserie .........................................................................................................834
II. Polizistenmord .............................................................................................................840
III. Sprengstoffanschläge ..................................................................................................841
IV. Ermittlungen im Umfeld der Opfer ..........................................................................843
V. Mangelnde Offenheit für alternative Ermittlungsansätze ......................................843
B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung ......................................844
C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ....................................847
Drucksache 17/14600 – XLII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes .......................................................853
E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse ...................................856
F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011 ................................................................858
G. Schlussfolgerungen .................................................................................................................861
I. Empfehlungen für den Bereich der Polizei ...............................................................861
II. Empfehlungen für den Bereich der Justiz ................................................................863
III. Empfehlungen für den Bereich der Verfassungsschutzbehörden ..........................864
IV. Empfehlungen für den Bereich Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden ...........865
H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung .................................................865
Vierter Teil: Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen .....................................................869
A. CDU/CSU-Fraktion ...............................................................................................................869
B. SPD-Fraktion ..........................................................................................................................871
Einleitung ................................................................................................................................871
I. Notwendigkeit des Einzelvotums ...............................................................................872
II. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Ausschussarbeit.........................................873
1. Die Gefahren des Rechtsextremismus wurden auf allen Ebenen und über
die gesamte Zeit hinweg verkannt und verharmlost ................................................873
2. Strukturelle rassistische Vorurteile waren eine wesentliche Ursache für
die fehlende Offenheit der Ermittlungen zu den Morden und
Sprengstoffattentaten des NSU ...............................................................................877
3. Falsch verstandener Föderalismus hat sich als gravierendes Hemmnis
effektiver Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden erwiesen ...................880
a) Es hätte eine zentrale polizeiliche Ermittlungsführung mit klaren
Weisungsbefugnissen bewirkt werden müssen ..................................................881
b) Sämtliche Ermittlungen hätten in einem staatsanwaltschaftlichen
Sammelverfahren zusammengeführt werden müssen ........................................881
c) Aus Sorge vor Übernahme der Ermittlungen durch den
Generalbundesanwalt wurden dieser und die Öffentlichkeit nicht
sachgerecht informiert .......................................................................................882
4. Zusammenarbeit und Informationsaustausch haben nicht funktioniert:
Abschottung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und fehlende Eigeninitiative
haben das Handeln über weite Strecken bestimmt ..................................................882
a) Kein sachgerechter Informationsaustausch innerhalb der Polizei
Thüringens .........................................................................................................882
b) Konkurrenzdenken zwischen Verfassungsschutz und Polizei in
Thüringen sowie Dilettantismus im Thüringer LfV ..........................................883
c) Unprofessionelle Kooperation zwischen bayerischer Polizei und
Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz ...............................................883
d) Defizitäre Zusammenarbeit zwischen Thüringen und Sachsen .........................884
e) Unterlassene Informationsweitergabe durch das LKA Berlin ...........................884
f) Beeinträchtigung der Arbeit des hessischen Polizei durch das LfV
Hessen ...............................................................................................................884
g) Nur sporadische Einbeziehung des Bundesamtes für
Verfassungsschutz .............................................................................................884
5. Eine Vielzahl handwerklicher Fehler in Justiz, Polizei und
Verfassungsschutz taten ihr Übriges .......................................................................885
a) Im Bereich der Justiz .........................................................................................885
b) Im Bereich der Polizei .......................................................................................886
c) Im Bereich des Verfassungsschutzes .................................................................887
6. Die festgestellten Auswüchse beim Einsatz von V-Personen im
Verfassungsschutz müssen zu grundlegenden Reformen führen ............................888
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLIII – Drucksache 17/14600
7. Gravierende Fehler der Bundesregierung bei der Aufarbeitung der
Vorgänge nach dem 4. November 2011 wären vermeidbar gewesen......................890
III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen ....................................................................890
1. Polizei ......................................................................................................................891
2. Justiz........................................................................................................................893
3. Verfassungsschutz ...................................................................................................893
a) Grundlegende organisatorische Maßnahmen .....................................................894
b) Stärkung der Zentralstellenfunktion des BfV ....................................................894
aa) Ermöglichung eigener Tätigkeit des BfV in den Ländern bei
gewaltbezogenen Tätigkeiten und Bestrebungen .........................................894
bb) Selbsteintrittsrecht des BfV in Einzelfällen .................................................895
cc) Es muss eine gesetzliche Pflicht zum Informationsaustausch geben ...........895
c) Stärkere Öffnung gegenüber der Gesellschaft ...................................................895
d) Stärkung des Bundesdatenschutzbeauftragten ...................................................895
e) Maßnahmen zum V-Personen-Einsatz...............................................................895
aa) Gesetzliche Verankerung bundesweiter Rahmenbedingungen für
die Quellenführung neben internen bundesweiten Standards ......................896
bb) Genehmigung der V-Personen-Einsätze im Einzelfall durch die
G10-Kommission .........................................................................................896
cc) Nutzung des BfV als zentrale permanente Koordinierungsstelle .................896
4. Parlamentarische Kontrolle .....................................................................................897
5. Stärkung der Zivilgesellschaft .................................................................................897
IV. Ausblick .......................................................................................................................899
C. FDP-Fraktion .........................................................................................................................901
I. Geleitwort ....................................................................................................................901
II. Einleitung Einzelvoten FDP .......................................................................................901
III. Aktenvernichtung in den Diensten – Wir können nichts ausschließen ..................909
IV. Die Finanzierung und Gestaltung des Lebens in der Illegalität ..............................911
V. Das Waffenarsenal des Trios .....................................................................................919
VI. Der NSU im Netzwerk von „Blood & Honour“ ........................................................924
VII. Der Einsatz von V-Personen ist richtig, aber nur wenn er reformiert
wird ..............................................................................................................................935
VIII. Umgang mit den Opferfamilien .................................................................................938
IX. Baden-Württemberg ...................................................................................................939
X. BAO und Bayern .........................................................................................................945
XI. Anschläge in Köln .......................................................................................................948
XII. Weitere Stärkung des Generalbundesanwalts erforderlich ....................................952
XIII. Kein Unterlaufen des § 4 BKAG durch informelle
Innenministerkonferenz .............................................................................................954
XIV. Forderungen und Konsequenzen ...............................................................................956
XV. Anlagen ........................................................................................................................959
D. Fraktion DIE LINKE .............................................................................................................983
I. Vorbemerkung ............................................................................................................985
II. Vorwort ........................................................................................................................985
III. Einleitung ....................................................................................................................986
IV. Bewertungen im Kontext des Feststellungsteils .......................................................988
1. Die Česká-Mordserie...............................................................................................988
a) Struktureller bzw. institutioneller Rassismus und ethnisierende
Zuschreibungen bei den Ermittlungen zur Česká-Mordserie und den
Sprengstoffanschlägen in Köln ..........................................................................988
aa) Exkurs: Was verstehen wir unter strukturellem und
institutionellem Rassismus ...........................................................................989
Drucksache 17/14600 – XLIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Struktureller und institutioneller Rassismus im Kontext der
polizeilichen Ermittlungen ................................................................................990
aa) Beispiel Operative Fallanalyse Baden-Württemberg 2007 ..........................990
bb) Ethnisierende Zuschreibungen .....................................................................991
cc) Fatales Zusammenspiel: Ethnisierende Zuschreibungen und
Wahrnehmungsdefizite bei rechter Gewalt durch die Polizei ......................992
dd) Exkurs: Antiziganismus ...............................................................................993
ee) Bearbeitung der Waffenspur durch das BKA ..............................................993
c) Reibungslose Zusammenarbeit zwischen Polizei und
Verfassungsschutzbehörden in den Bereichen Organisierte
Kriminalität, „Ausländerkriminalität“, PKK und Türkische Hizbullah .............994
d) Fragwürdiger Umgang mit Informanten und V-Leuten im Bereich der
„Organisierten Kriminalität“ sowie PKK und Türkische Hizubullah
von Polizei und Verfassungsschutzämtern ........................................................995
2. Die Verantwortung der Verfassungsschutzämter im NSU-Komplex ......................995
a) Die Verantwortung des BfV ..............................................................................995
aa) Das BfV und dessen Versagen bei der Bewertung
rechtsterroristischer Aktivitäten ...................................................................995
b) Extremismusansatz und Frontstellung gegen Linke ..........................................997
c) Die Operation „Rennsteig“ ................................................................................998
d) Die V-Leute als zentrales Problem im NSU-Komplex ......................................999
aa) Das V-Leute System im LfV Thüringen vor, während und nach
dem Abtauchen des mutmaßlichen NSU-Kerntrios .....................................999
bb) V-Personen des BfV im Kontext der Suche nach dem
mutmaßlichen NSU-Kerntrio .....................................................................1000
cc) Ein V-Mann des LfV Bayern .....................................................................1001
dd) Der V-Mann „Piatto“ des LfV Brandenburg..............................................1001
ee) VP 562 des LKA Berlin .............................................................................1001
ff) Quellenschutz behinderte die polizeiliche Fahndung erheblich .................1002
e) Exkurs: Polizisten mit einer Nähe zu Neonazis ...............................................1002
f) Ergänzende Feststellungen zum Versagen des LKA Thüringen bei der
Fahndung nach dem untergetauchten Trio .......................................................1002
aa) Unvollständige Meldung zum Rohrbombenfund in der Garage Nr.
5 am 26. Januar 1998 an den Tatmittelmeldedienst des BKA –
Behinderung bei der Suche nach den Tätern des
Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln .......................................1002
bb) Erste Hinweise auf Zwickau als möglichen Aufenthaltsort der
untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ignoriert ....................1003
g) Kritikwürdiges Verhalten der Länderinnenminister und des BMI
angesichts einer Aktenlieferung aus Thüringen im Herbst 2012 .....................1003
V. Rechtliche Würdigung ..............................................................................................1003
1. Rechtsverstöße im NSU-Kontext bis zum 4.11.2011 auf unterschiedlichen
Ebenen ...................................................................................................................1003
a) Verstoß der Verfassungsschutzbehörden gegen gesetzliche
Übermittlungspflichten ....................................................................................1004
b) Strukturelle Verfassungswidrigkeit des Einsatzes von
Vertrauenspersonen .........................................................................................1004
c) Sorgfaltswidrige Führung, Anweisung und Überwachung von V-
Leuten sowie Zurechenbarkeit ihres Wissensaufkommens und
Verhaltens zum Verfassungsschutz .................................................................1005
d) Verstoß gegen wechselseitige Unterrichtungs- und
Übermittlungspflichten nach BVerfSchG und MAD-G ..................................1006
e) Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des Bundes nach Art. 84 Abs. 3
und Abs. 4 GG bei der Ausführung des
Bundesverfassungsschutzgesetzes ...................................................................1007
2. Rechtswidriger Umgang mit Akten zum Rechtsextremismus durch
Bundes- und Landesbehörden nach dem 4.11.2011 ..............................................1007
a) Rechtswidrige Aktenvernichtungen nach dem 4.11.2011 beim BfV
und Aufsichtsversäumnisse des BMI insoweit ................................................1007
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLV – Drucksache 17/14600
aa) Keine Gewissheit über fehlende NSU-Bezüge in den nach dem
4.11.2011 beim BfV vernichteten Akten und Vernichtungsmotive ...........1007
bb) Anlagenordner zu Anträgen auf G 10-Maßnahmen ...................................1008
cc) Beschaffungsakten zur Operation Rennsteig u. a. ......................................1009
b) Vernichtung von Akten beim MAD ................................................................1010
c) Vernichtung von Akten bei Berliner Behörden ...............................................1010
VI. Schlussfolgerungen und Reformvorschläge der Fraktion DIE LINKE für
eine Sicherheitsarchitektur nach der Selbstenttarnung des NSU .........................1010
1. Vorab: Die Reaktionen und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und
verantwortlichen Innenpolitiker seit dem 4.11.2011: Falsche Signale zur
falschen Zeit ..........................................................................................................1010
a) Zentrale Maßnahmen nach dem 4.11.2011 ......................................................1011
b) Alter Wein in neuen Schläuchen: Kosmetik statt Reformen bei den
Verfassungsschutzbehörden ............................................................................1014
c) Behörden und Innenpolitiker schaffen unumkehrbare Tatsachen und
relativieren damit die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses ...................1015
d) Extremismusdoktrin auch im NSU-Zusammenhang .......................................1015
2. Das bisherige Bundesamt für Verfassungsschutz abschaffen und eine
Koordinierungsstelle des Bundes plus Bundesstiftung „gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit“ aufbauen .........................................................................1016
a) Das BfV in seiner jetzigen Form weicht erheblich von den Vorgaben
des Grundgesetzes ab.......................................................................................1016
b) Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer,
rassistischer und antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen
sowie sonstiger Erscheinungsformen „gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit“ ...................................................................................1017
c) Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung
über alle Erscheinungsformen „gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit“ ...................................................................................1018
d) Den Beauftragten des Bundes für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BdfI) stärken ..................................................................1019
3. Eckpunkte zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der noch
existierenden Geheimdienste .................................................................................1019
a) Grundsatz: Geheime Politikbereiche eingrenzen – öffentliche
parlamentarische Kontrolle ausweiten .............................................................1019
b) Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) durch einen ständigen
Ausschuss für die Kontrolle der Nachrichtendienste (AKrND)
ersetzen ............................................................................................................1020
c) Informationspflicht der Bundesregierung ausweiten .......................................1020
d) Frage- und Kontrollrechte der Abgeordneten stärken .....................................1020
e) Informationsansprüche der Fachausschüsse und Informationspflichten
der Regierung ausweiten .................................................................................1020
4. Schlussfolgerungen im Bereich der Polizei ...........................................................1021
a) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle / unabhängige
Polizeibeobachtung ..........................................................................................1021
b) Erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Polizeiaus- und
Fortbildung, beim Anteil von Migrantinnen und Migranten in der
Polizei und der Polizeiforschung .....................................................................1022
aa) Aus- und Fortbildung verbessern ...............................................................1022
bb) Interkulturelle Kompetenz .........................................................................1022
cc) Polizeiforschung intensivieren ...................................................................1023
c) PMK-Rechts Erfassung reformieren und unabhängiges Monitoring
sichern .............................................................................................................1023
d) Schutz für Whistleblower ................................................................................1024
5. Zivilgesellschaft stärken, Flüchtlinge integrieren und schützen ............................1024
a) Bundesförderung verdoppeln und verstetigen .................................................1025
b) Kompetenzen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft einbeziehen ................1026
c) Extremismusklausel ersatzlos abschaffen ........................................................1026
d) Kriminalisierung antifaschistischen Engagements beenden ............................1026
Drucksache 17/14600 – XLVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
e) Flüchtlinge integrieren statt rassistischer Hetzkampagnen ..............................1026
6. Rechte von MigrantInnen stärken – Ausgrenzung beenden ..................................1028
VII. Epilog .........................................................................................................................1028
E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..............................................................................1031
I. Nach der Untersuchung besteht konkreter Handlungsbedarf ..............................1031
II. Politische Verantwortung wahrnehmen – nach Fehlleistungen
persönliche Konsequenzen ziehen ...........................................................................1031
1. Politische und persönliche Verantwortung auf Regierungsebene .........................1032
2. Gefahr des Rechtsterrorismus über Jahre unterschätzt ..........................................1032
3. Falsche Analyse ungeprüft übernommen ..............................................................1033
4. Stichwortgeber für einseitige Ermittlungen ...........................................................1033
5. Organisationsverantwortung für versagende Sicherheitsbehörden........................1034
6. Akzeptieren nicht überprüfter Behördenauskünfte ................................................1035
7. Kommunikationsblockaden zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ..............1035
III. Empfehlungen für den Bereich der Polizei und Staatsanwaltschaften ................1036
1. Gruppenbezogene Vorurteilstrukturen sichtbar machen und bekämpfen ..............1036
2. Polizeikultur weiter demokratisieren .....................................................................1036
3. Rechtsmotivierte Gewalt erkennen .......................................................................1037
4. Transparente Strategieentwicklung gegen Rechtsextremismus .............................1037
5. Polizei und Zivilgesellschaft .................................................................................1037
a) Strukturierter Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft ..........................1037
b) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle .............................................................1037
c) Stärkung der Umsetzung internationaler Vorgaben .........................................1038
IV. Verfassungsschutz: Dem Totalversagen muss der Totalumbau folgen ................1038
1. Zäsur: Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und kompletter
Neustart .................................................................................................................1038
2. Unabhängiges „Institut zur Analyse demokratie- und menschenfeindlicher
Bestrebungen“ .......................................................................................................1038
3. Eine neue „Inlandsaufklärung“ .............................................................................1038
4. Beendigung des Einsatzes von V-Leuten in der rechten Szene .............................1039
5. Externe Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit neu aufstellen ......................1039
a) Parlamentarische Kontrolle .............................................................................1039
b) G10-Kommission ............................................................................................1039
c) Unabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder .................1039
6. Klare Trennung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von
Verfassungsschutz und Polizei ..............................................................................1039
7. Informationsaustausch, Datenschutz und das Trennungsgebot .............................1039
V. Demokratieoffensive und Prävention auf allen Ebenen ........................................1040
1. Jede Bagatellisierung muss ein Ende haben. .........................................................1040
2. Aufklärung, Sensibilisierung und politische Bildung ausweiten ...........................1040
3. Förderung der Zivilgesellschaft.............................................................................1041
a) Weg mit der Extremismusklausel ....................................................................1041
b) Förderung mit Konzept und Perspektive: Stiftung
Demokratieförderung.......................................................................................1041
VI. Fazit: ..........................................................................................................................1041
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs ...........................1043
I. Barbara E. .................................................................................................................1043
II. D. F. ............................................................................................................................1043
III. Sylvia F. .....................................................................................................................1043
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLVII – Drucksache 17/14600
IV. Alexander Gronbach ................................................................................................1043
V. Andreas G. .................................................................................................................1043
VI. Henning H..................................................................................................................1044
VII. KHK J. .......................................................................................................................1044
VIII. Christian K. ...............................................................................................................1044
IX. Sven Krüger ..............................................................................................................1044
X. David Petereit ............................................................................................................1044
XI. Reinhard S. ................................................................................................................1045
XII. Hans-Joachim S. .......................................................................................................1045
XIII. Carsten Schultze .......................................................................................................1047
XIV. Achim S. .....................................................................................................................1048
XV. Kay-Norman S. .........................................................................................................1049
XVI. J. T..............................................................................................................................1050
XVII. Patrick W. ..................................................................................................................1050
XVIII. Jörg W. .................................................................................................................1050
XIX. Christian W. ..............................................................................................................1050
XX. Ralf Wohlleben ..........................................................................................................1050
Sechster Teil: Übersichten und Verzeichnisse.........................................................................1051
A. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................1051
B. Übersicht der Ausschussdrucksachen ................................................................................1057
C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand ..................................................1151
D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne
Beiziehungsbeschluss zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien) ...........................1299
E. Verzeichnis der Sitzungen ...................................................................................................1305
F. Anlagen .................................................................................................................................1311
I. Stenographische Protokolle......................................................................................1311
II. Dokumente.................................................................................................................1313
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1 – Drucksache 17/14600
Erster Teil:
Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens
A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses
I. Bekanntwerden des Terror-Trios
1. Bankraub von Eisenach und Wohnungs-
brand in Zwickau
Am 4. November 2011 überfielen gegen 9 Uhr zwei mas-
kierte Männer mit Schusswaffen eine Filiale der Sparkas-
se in Eisenach in Thüringen. Vor dem Eintreffen der
örtlichen Polizei flüchteten die beiden Männer mit einer
Beute von 71 920 Euro auf Fahrrädern. Ein Passant teilte
einem Polizeibeamten mit, ihm seien zwei männliche
Radfahrer aufgefallen, die ihre Fahrräder schnell in ein in
der Nähe geparktes Wohnmobil luden, dessen amtliches
Kennzeichen mit „V“ begann, und damit zügig davonfuh-
ren. Kurz vor 12 Uhr fiel einer Funkstreife in einem
Wohngebiet in Eisenach-Stregda ein Wohnmobil mit
diesem Kennzeichen auf. Als sich die Polizisten dem
Wohnmobil näherten, vernahmen sie aus dem Innern des
Fahrzeugs mehrere Schüsse. Um 12.07 Uhr sahen die
Polizisten im Innenraum des Wohnmobils Rauch und
Feuer und riefen die Feuerwehr.
Nach Löschen des Brandes wurden im Innern des Wohn-
mobils zwei männliche Leichen mit Schussverletzungen
am Kopf aufgefunden. Die Bekleidung der Toten ent-
sprach den Zeugenaussagen zu den Bankräubern. Durch
Abgleich von Fingerabdrücken wurde noch am selben
Tag eine Leiche als Uwe Mundlos identifiziert. Dass es
sich bei der zweiten Leiche um Uwe Böhnhardt handeln
könnte, ergab sich erst am folgenden Tag.
In dem Wohnmobil wurden mehrere Schusswaffen ge-
funden. Es stellte sich heraus, dass zwei der aufgefunde-
nen Schusswaffen die damals entwendeten Dienstwaffen
der am 25. April 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin
Michèle Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen
waren.
1
Dieses Verbrechen war bislang nicht aufgeklärt.
Zu den toten Bankräubern wurde ermittelt, dass sie Mit-
glieder des rechtsextremistischen „Thüringer Heimat-
schutzes“ und am 26. Januar 1998 nach einer Durchsu-
chung, bei der funktionstüchtige Rohrbomben mit 1,4 kg
Sprengstoff TNT gefunden wurden, gemeinsam mit einer
Frau namens Beate Zschäpe untergetaucht waren.
2
1) Schreiben des Bundeskriminalamts an das Bundesministerium
des Innern vom 8. November 2011, MAT A BMI-4/30, Bd. 4,
Bl. 144.
2) Sprechzettel für den Präsidenten des Bundeskriminalamtes für
die ND-Lange am 8. November 2011 im Bundeskanzleramt,
MAT A BMI-4/30, Bd. 4, Bl. 144.
Ebenfalls am 4. November 2011 kam es kurz nach 15 Uhr
in einem Mehrfamilienhaus in der Frühlingsstraße 26 in
Zwickau-Weißenborn in Sachsen zu einer Explosion.
Mehrere Hauswände stürzten ein. Die stehen gebliebenen
Gebäudeteile brannten. Als die Feuerwehr gegen
16.30 Uhr die Löscharbeiten abgeschlossen hatte, waren
die verbliebenen Gebäudeteile einsturzgefährdet. Bei der
Suche nach Bewohnern, die in dem Haus zu Tode ge-
kommen sein konnten, stellte sich heraus, dass die Explo-
sion absichtlich herbeigeführt worden war. Nach Zeugen-
aussagen soll kurz vor der Explosion eine Bewohnerin das
Haus verlassen haben.
Am 7. November 2011 erließ das Amtsgericht Zwickau
gegen Beate Zschäpe einen Haftbefehl. Sie sei dringend
verdächtig, das Haus in der Frühlingsstraße 26 in Brand
gesetzt zu haben.
3
Frau Zschäpe stellte sich am folgenden
Tag der Polizei in Jena und wurde festgenommen.
Am 8. November 2011 wurden in dem Brandschutt in
Zwickau die Waffen, mit denen Frau Kiesewetter erschos-
sen und ihr Kollege angeschossen wurden, sowie die ihr
bei der Tat entwendete Handschelle gefunden.
2. Auffinden der Bekenner-DVD und der
Česká 83
Am 9. November 2011 wurde in der ausgebrannten Woh-
nung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau neben anderen
Waffen eine Pistole Marke Česká 83, Kaliber 7,65 mm
mit verlängertem Lauf sichergestellt. Zwei Tage später
stellten die Ermittlungsbehörden fest, dass mit dieser
Waffe in den Jahren 2000 bis 2006 neun Geschäftsleute
mit türkischen bzw. kurdischen und griechischen Wurzeln
erschossen worden waren. Hinter dieser Mordserie war
noch wenige Monate zuvor eine „mafiöse Organisation
türkischer Nationalisten in Deutschland“ oder die „Fuß-
ball-Wettmafia“ vermutet worden. Spekuliert worden
war, dass die Morde „die Rechnung für Schulden aus
kriminellen Geschäften oder die Rache an Abtrünnigen“
gewesen sei.
4
3) Haftbefehl des Amtsgerichts Zwickau vom 7. November 2011
– 310 Js 22128/11, MAT A GBA-4/3, Vorl. Sachakte Bd. 8,
Bl. 232; am 13. November 2011 ersetzt durch den Haftbefehl
des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs – 3 BGs 6/11 –,
MAT A GBA-4/1.
4) Der Spiegel vom 22. August 2011, „Versteck in der Schweiz –
Seit elf Jahren halten die sogenannten Döner-Morde die Polizei
in Atem. Nun könnte die Serie womöglich aufgeklärt werden,
doch die Staatsanwaltschaft verprellt ihren Informanten.“; Der
Spiegel vom 21. Februar 2011, „Düstere Parallelwelt – Acht
Türken und ein Grieche wurden mit derselben Tatwaffe er-
schossen. Es gibt Hinweise, dass eine Allianz türkischer Natio-
Drucksache 17/14600 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ebenfalls in dem Schutt in der Frühlingsstraße 26 wurden
am 10. November 2011 mehrere DVD-Datenträger und
Festplatten mit Videos gefunden. In den Videos bezeich-
net sich eine Gruppierung unter dem bis dahin unbekann-
ten Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU)
„als ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz
‚Taten statt Worte’“. Mittels Ausschnitten von Fernsehbe-
richten und Zeitungsartikeln werden die neun Morde an
den türkisch- bzw. kurdisch- und griechischstämmigen
Geschäftsleuten, die zwei Sprengstoffanschläge in Köln
am 19. Januar 2001 und am 9. Juni 2004 sowie der Mord
an der Polizistin in menschenverachtender Weise darge-
stellt.
Am 11. November 2011 übernahm der Generalbundes-
anwalt beim Bundesgerichtshof die Ermittlungen gegen
Frau Zschäpe unter anderem wegen des Verdachts der
Bildung einer terroristischen Vereinigung und beauftragte
das Bundeskriminalamt mit der Wahrnehmung der krimi-
nalpolizeilichen Aufgaben.
5
In der nachfolgenden Zeit
wurden die Ermittlungen auf weitere Personen erstreckt.
Bis Februar 2012 wurden neben Beate Zschäpe fünf Per-
sonen verhaftet (siehe unten: B.I., S. 10).
3. Spekulationen über Verbindungen des
Trios zum Verfassungsschutz
Unmittelbar nach der Klärung der Identität der Mitglieder
des Trios und deren Verbindungen zum „Thüringer Hei-
matschutz“ wurden Spekulationen geäußert, Verfas-
sungsschutzbehörden könnten mit dem Trio in Verbin-
dung gestanden und ihm möglicherweise 1998 zur Flucht
verholfen haben.
6
Nach dem Bekanntwerden der unterschiedlichen Alias-
namen, unter denen Frau Zschäpe in der Öffentlichkeit
aufgetreten war, wurde gefragt, ob sie über sogenannte
„legale illegale Papiere“ – Ausweisdokumente, die für
verdeckte Ermittler von Nachrichtendiensten ausgestellt
werden – verfügte.7 Erinnert wurde daran, dass beim
Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel ein
Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungs-
schutz anwesend gewesen war.
8
Dann wurde berichtet,
nalisten, Gangster und Geheimdienstler dahinter stehen könn-
te.“; Bild am Sonntag vom 13. Dezember 2009, „Was haben die
9 Döner-Morde mit der Fußball-Wettmafia zu tun?“.
5) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom
11. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 34.
6) Stuttgarter Zeitung vom 12. November 2011, „Mischen die
Geheimdienste mit?“; Frankfurter Allgemeine vom 14. No-
vember 2011, „Getrieben vom Hass“.
7) Bild vom 14. November 2011, „Polizei findet ‚legale illegale
Papiere’ – Schwerer Verdacht gegen Verfassungsschutz“; der
Freitag vom 17. November 2011, „Amt für Verfassungsgefähr-
dung“.
8) Frankfurter Allgemeine vom 15. November 2011, „Verdächti-
ger Verfassungsschützer“; Bild vom 15. November 2011, „Ge-
heimdienst-Skandal um Killer-Nazis! – War ein Verfassungs-
Schützer bei sechs Morden ganz in der Nähe?“.
dieser habe eine rechte Gesinnung und den Spitznamen
„kleiner Adolf“ getragen.9
Vom Thüringer Innenministerium wurde nach Pressebe-
richten bestätigt, dass ein V-Mann des Thüringer Verfas-
sungsschutzes eine führende Rolle im „Thüringer Heimat-
schutz“ wahrgenommen hatte.10 Zwischen dem Trio und
dem Thüringer Verfassungsschutz soll es aber zu keiner
Zeit eine Zusammenarbeit gegeben haben.
11
Bei einer
Prüfung des Trios auf Kontakte zum Landesamt hätten
nach Auskunft des Präsidenten des Landesamtes für Ver-
fassungsschutz Thüringen Thomas Sippel aber „letzte
Zweifel nicht beseitigt“ werden können.12
II. Gemeinsame Entschließung aller Fraktio-
nen im Deutschen Bundestag
Am 22. November 2011 brachten alle Fraktionen im
Deutschen Bundestag einen gemeinsamen Entschlie-
ßungsantrag unter dem Titel „Mordserie der Neonazi-
Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden“ ein13 und
vereinbarten eine Aussprache für den gleichen Tag.
Zu Beginn der Aussprache erhoben sich alle Abgeordne-
ten von ihren Plätzen. Im Namen aller Mitglieder des
Deutschen Bundestages brachte Bundestagspräsident
Dr. Norbert Lammert seine Trauer, Betroffenheit und
Bestürzung über die „erschreckende Serie von Morden
und Anschlägen einer kriminellen neonazistischen Ban-
de“ zum Ausdruck.
„Wir sind beschämt, dass die Sicherheitsbehörden
der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg
geplanten und ausgeführten Verbrechen weder
rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten.
Den Angehörigen gelten unsere Anteilnahme und
eine besondere Bitte der Entschuldigung für man-
che Verdächtigungen von Opfern und Angehöri-
gen, die sie während der Ermittlungen vor Ort er-
leben mussten.
Wir wissen um unsere Verantwortung. Wir sind
fest entschlossen, alles mit den Mitteln des Rechts-
staates Mögliche zu tun, die Ereignisse und ihre
Hintergründe aufzuklären und sicherzustellen, dass
der Schutz von Leib und Leben und die von unse-
rer Verfassung garantierten Grundrechte in diesem
Land Geltung haben – für jeden, der hier lebt, mit
9) Frankfurter Rundschau vom 16. November 2011, „In der Welt
des ‚kleinen Adolf’“; Frankfurter Allgemeine vom 16. Novem-
ber 2011, „Verfassungsschützer hatte ‚rechte Gesinnung’“; Die
Welt vom 17. November 2011, „Im Heimatort des ‚kleinen
Adolf’“.
10) Süddeutsche Zeitung vom 10. November 2011, „Die rätselhafte
Frau Z.“.
11) Thüringer Allgemeine vom 12. November 2011, „Bundesan-
waltschaft vermutet Jenaer Rechtsextreme hinter Mordserie“.
12) der Freitag vom 17. November 2011, „Amt für Verfassungsge-
fährdung“.
13) Bundestagsdrucksache 17/7771.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14600
welcher Herkunft, mit welchem Glauben und mit
welcher Orientierung auch immer.“14
Am Ende der Aussprache wurde der eingebrachte Ent-
schließungsantrag einstimmig angenommen.
15
In der
Entschließung heißt es, der Bundestag trauere um die
Ermordeten Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Sü-
leyman Taşköprü, Habil Kılıç, Yunus Turgut, İsmail
Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit
Yozgat und Michèle Kiesewetter und fühle mit den Ange-
hörigen. Es werde erwartet, dass die Morde mit aller Kon-
sequenz zügig aufgeklärt und Zusammenhänge dieser
Mordtaten und ihr rechtsextremistisches Umfeld umfas-
send ermittelt würden. Die Strukturen der Sicherheitsbe-
hörden müssten überprüft, Rechtsextremisten müsse ent-
schieden entgegengetreten werden.
„Rechtsextreme, Rassisten und verfassungsfeindli-
che Parteien haben in unserem demokratischen
Deutschland keinen Platz.“
Deshalb müsse die Bundesregierung prüfen, ob sich aus
den Ermittlungsergebnissen Konsequenzen für ein NPD-
Verbot ergeben.
„Wir müssen gerade jetzt alle demokratischen
Gruppen stärken, die sich gegen Rechtsextremis-
mus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus
engagieren. Wir werden prüfen, wo dem Hinder-
nisse entgegenstehen. Wir brauchen eine gesell-
schaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politi-
schen Extremismus und Gewalt das Wort zu erhe-
ben. Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem
Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle
Boden entzogen werden.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.“16
III. Diskussion über die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses
Bereits Mitte November 2011 wurden Forderungen nach
der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungs-
ausschusses laut.
17
Die Bundestagsfraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legten
sich frühzeitig auf einen Untersuchungsausschuss im
Bundestag fest.
18
Die FDP-Bundestagsfraktion schlug
14) Plenarprotokoll 17/141, S. 16757 (C/D).
15) Plenarprotokoll 17/141, S. 16776 (A).
16) Bundestagsdrucksache 17/7771.
17) Ulrich Maurer, in: Frankfurter Rundschau vom 15. November
2011, „Brauner Herbst“; Hartfrid Wolff und Renate Künast, in:
SPIEGEL ONLINE vom 15. November 2011, „Nazi-Mordserie
– Aufgeregter Aufgalopp der Politik-Aufklärer“; Bundesvor-
stand von Bündnis 90/Die Grünen, Frankfurter Allgemeine vom
16. November 2011, „Unterstützung für neues NPD-
Verbotsverfahren wächst“; Hartfrid Wolff, in: die Tageszeitung
vom 16. November 2011, „Erschreckende Einblicke“; Kurt
Beck in: Berliner Morgenpost vom 20. November 2011, „Mehr
Opfer rechter Gewalt als bekannt“.
18) Bspw. Renate Künast, Plenarprotokoll 17/141, S. 16767 (C).
vor, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) solle
einen Sonderermittler bestellen.
19
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-
Bundestagsfraktion Thomas Oppermann äußerte: „Ich
will, dass der ganze Bundestag in dieser Frage einig ist.“20
Der Konsens im Bundestages über den Kampf gegen
Rechtsextremismus müsse erhalten bleiben.
21
1. Bundesstaatliche Bedenken
Der damalige Erste Parlamentarische Geschäftsführer der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion Peter Altmaier sprach sich
zunächst gegen einen Untersuchungsausschuss des Bun-
destages aus, da der Schwerpunkt der offenen Fragen die
Länder betreffe.
22
Der Vorsitzende des Bundestagsinnen-
ausschusses Wolfgang Bosbach warnte, es sei fraglich, ob
die betroffenen Länder Thüringen, Sachsen und Nieder-
sachsen einem Bundestagsgremium alle Akten zur Verfü-
gung stellen würden.
23
Auch in der SPD-
Bundestagsfraktion ging man davon aus, dass die Länder
einem Bundesgremium nicht zur Auskunft und zur Ak-
tenvorlage verpflichtet seien. Ohne Kooperation der Poli-
zei-, Justiz- und Verfassungsschutzbehörden der Länder
könne die Verantwortlichkeit für die Versäumnisse nicht
geklärt werden.
24
Ein Untersuchungsausschuss hätte nur
die Möglichkeit, „die Zuständigkeiten des Bundes zu
überprüfen“.25
Dem widersprach die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN unter Berufung auf eine Auskunft des
Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages
26
: Landes-
bedienstete müssten vor dem Bundestagsuntersuchungs-
ausschuss genauso wie Bundesbedienstete erscheinen und
aussagen. Beamte bräuchten zwar eine Aussagegenehmi-
gung ihres Dienstherrn. Diese sei jedoch zu erteilen, ohne
dass dem Dienstherrn ein Ermessen zustehe.
27
19) Neues Deutschland vom 14. Dezember 2011, „SPD weiter
gegen U-Ausschuss“.
20) Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 15. Dezember 2011,
„Politik untersucht Neonazi-Morde“.
21) Handelsblatt vom 15. Dezember 2011, „Neonazi-Morde:
Bundestag bereitet Aufarbeitung vor“.
22) Neues Deutschland vom 15. Dezember 2011, „Abgeordnete
sollen untersuchen“.
23) Financial Times Deutschland vom 25. November 2011,
„Schwarz-Gelb verhakt sich bei der Nazi-Aufklärung“.
24) Süddeutsche Zeitung vom 13. Dezember 2011, „Strittige Auf-
klärung der Mordserie“; Die Welt vom 16. November 2011,
„Auf der Suche nach einer Trauerfeier“.
25) Leipziger Volkszeitung vom 25. November 2011, „Drei Fragen
an Dieter Wiefelspütz, SPD-Innenexperte“.
26) Financial Times Deutschland vom 10. Januar 2012, „Bundestag
untersucht Naziterror“; Frankfurter Allgemeine Sonntagszei-
tung vom 8. Januar 2012, „Ausschuss soll NSU-Terror untersu-
chen“.
27) WD 3 – 3000 – 386/11.
Drucksache 17/14600 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Begleitung durch eine Bund-Länder-Exper-
tenkommission
Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD
schlugen zunächst vor, anstelle eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses eine Bund-Länder-
Expertenkommission einzurichten, die eine „Schwachstel-
lenanalyse“ erstellen sollte.28 Darauf einigten sich die
beiden Fraktionen mit Bundesinnenminister Dr. Hans-
Peter Friedrich.
29
Dem widersprachen Mitglieder der FDP-
Bundestagsfraktion sowie der Bundestagsfraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der
Abgeordnete Hartfrid Wolff erklärte, die Bund-Länder-
Kommission sei eine Sache der Regierungen und könne
eine parlamentarische Aufklärung durch einen Sonderer-
mittler des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr)
oder einen Untersuchungsausschuss nicht ersetzen.
30
Der
Abgeordnete Wolfgang Nešković wandte ein, die Aufklä-
rung dürfe nicht den verantwortlichen Sicherheitsbehör-
den überlassen werden. Die Fraktionsvorsitzende Renate
Künast wies darauf hin, dass eine Kommission weder
über Vorladungsrechte noch über Zwangsmittel verfüge.
31
Auf ihrer 193. Sitzung am 8. und 9. Dezember 2011 in
Wiesbaden beschloss die Ständige Konferenz der Innen-
minister und -senatoren der Länder (IMK) die Einsetzung
einer von Bund und Ländern paritätisch zu besetzenden
Regierungskommission:
„Die Länder unterstützen mit Nachdruck die Er-
mittlungen des Generalbundesanwaltes.
Die Innenminister und -senatoren der Länder und
der Bundesinnenminister halten es für erforderlich,
über die aktuellen Ermittlungen des GBA hinaus
zu prüfen, welche Schlussfolgerungen daraus not-
wendig erscheinen.
Die IMK bittet den BMI, eine paritätisch aus von
Bund und Ländern zu benennenden Experten be-
setzte Regierungskommission zeitnah mit dem Ziel
einzurichten, im Sinne eines Gesamtbildes die
Zusammenarbeitsformen der Sicherheitsbehörden
der Länder und des Bundes zu analysieren und zu
bewerten. Hierzu sollen in geeigneter Weise Zwi-
schenergebnisse des aktuellen Ermittlungskomple-
xes mit einbezogen werden. Durch eine schlanke
Gremienstruktur soll eine effiziente Vorgehens-
weise sichergestellt werden.
28) Handelsblatt vom 15. Dezember 2011, „Neonazi-Morde:
Bundestag bereitet Aufarbeitung vor“.
29) Süddeutsche Zeitung vom 6. Dezember 2011, „Kommission
soll Pannen aufklären“.
30) Financial Times Deutschland vom 25. November 2011,
„Schwarz-Gelb verhakt sich bei der Nazi-Aufklärung“.
31) Süddeutsche Zeitung vom 6. Dezember 2011, „Kommission
soll Pannen aufklären“.
Die Ergebnisse der Kommission sind auch der
IMK vorzulegen.“32
Mitte Januar 2012 einigten sich alle Bundestagsfraktionen
darauf, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der
von einer Bund-Länder-Kommission begleitet werden
solle.
33
IV. Einsetzungsantrag, Debatte und Plenarbe-
schluss
1. Gemeinsamer Einsetzungsantrag aller
Fraktionen
Am 24. Januar 2012 stellten die Bundestagsfraktionen
von CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN folgenden Antrag:
34
„A. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Deutsche Bundestag bekräftigt die mit den
Stimmen aller Fraktionen gefasste Entschließung
vom 22. November 2011, mit der er der Trauer um
die Opfer der Mordserie der rechtsextremistischen
Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund’
(NSU) Ausdruck gegeben und den Angehörigen
der Opfer sein Mitgefühl ausgesprochen hat.
Der Deutsche Bundestag wird im Rahmen seiner
verfassungsmäßigen Rechte alles tun, um seinen
Beitrag zu einer gründlichen und zügigen Aufklä-
rung und zu den notwendigen Schlussfolgerungen
zu leisten. Dabei geht es insbesondere auch um
Struktur und Arbeit der Sicherheits- und Ermitt-
lungsbehörden. Der Deutsche Bundestag respek-
tiert die Rechte der Landtage der Länder der Bun-
desrepublik Deutschland auf Aufklärung im Ve-
rantwortungsbereich der Länder.
Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass Bund und
Länder in einer gemeinsamen, paritätisch besetzten
Kommission von vier Experten die Aufklärung des
Sachverhaltes vorantreiben und Schlussfolgerun-
gen erarbeiten.
B. Der Deutsche Bundestag beschließt:
Es wird ein Untersuchungsausschuss gemäß Arti-
kel 44 des Grundgesetzes eingesetzt. Dem Unter-
suchungsausschuss sollen 11 ordentliche Mitglie-
der (Fraktion der CDU/CSU: 4 Mitglieder, Frakti-
on der SPD: 3 Mitglieder, Fraktion der FDP: 2
Mitglieder, Fraktion DIE LINKE.: 1 Mitglied,
Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 1 Mit-
32) Beschlussniederschrift über die 193. Sitzung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am
8./9. Dezember 2011 in Wiesbaden, Az. VI D 4.3.
33) Hamburger Abendblatt vom 19. Januar 2012, „Neonazi-Datei
stößt auf Kritik“; SPIEGEL ONLINE vom 23. Januar 2012,
„Untersuchungsausschuss – Neonazi-Aufklärer einigen sich auf
gemeinsamen Antrag“.
34) Bundestagsdrucksache 17/8453.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14600
glied) und eine entsprechende Anzahl von stellver-
tretenden Mitgliedern angehören.
I.
Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamt-
bild verschaffen zur Terrorgruppe ‚Nationalsozia-
listischer Untergrund’, ihren Mitgliedern und Ta-
ten, ihrem Umfeld und ihren Unterstützern sowie
dazu, warum aus ihren Reihen so lange unerkannt
schwerste Straftaten begangen werden konnten.
Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse
soll der Untersuchungsausschuss Schlussfolgerun-
gen für Struktur, Zusammenarbeit, Befugnisse und
Qualifizierung der Sicherheits- und Ermittlungs-
behörden und für eine effektive Bekämpfung des
Rechtsextremismus ziehen und Empfehlungen
aussprechen.
Der Untersuchungsausschuss soll dazu klären,
welche Informationen den Sicherheits- und Ermitt-
lungsbehörden vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 zu den Personen Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, zu
den sie unterstützenden Personen und Organisatio-
nen sowie zu den der Terrorgruppe ‚Nationalsozia-
listischer Untergrund’ oder ihren Mitgliedern zu-
geordneten Straftaten vorlagen oder bei sachge-
rechtem Vorgehen hätten vorliegen müssen, wie
diese Erkenntnisse jeweils in den Behörden bewer-
tet wurden, wie sie gegebenenfalls zum damaligen
Zeitpunkt sachgerecht hätten bewertet werden
müssen und welche Aktivitäten durch die Behör-
den hinsichtlich dieser Personen und Straftaten je-
weils erfolgten oder bei sachgerechtem Vorgehen
hätten erfolgen müssen.
II. Der Untersuchungsausschuss soll insbesondere
klären,
1. ob Fehler oder Versäumnisse von Bundesbe-
hörden, auch in ihrem Zusammenwirken mit
Landesbehörden, die Bildung und die Taten der
Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Unter-
grund’ sowie deren Unterstützernetzwerk be-
günstigt oder die Aufklärung und Verfolgung
der von der Terrorgruppe begangenen Strafta-
ten erschwert haben;
2. in welcher Weise Kontakte der Mitglieder der
Gruppe, die jetzt als Terrorgruppe ‚Nationalso-
zialistischer Untergrund’ bekannt ist, zu rechts-
extremen und rechtsextremistischen Personen,
Kreisen oder Organisationen dazu beigetragen
haben, ihr terroristisches Handeln vorzuberei-
ten oder zu fördern;
3. ob und welche Hinweise vorlagen auf interna-
tionale Verbindungen der Terrorgruppe ‚Natio-
nalsozialistischer Untergrund’ und ihres Um-
felds und wie mit ihnen umgegangen wurde
und sachgerecht hätte umgegangen werden
müssen;
4. welche Rolle im Zusammenhang mit der Ter-
rorgruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund’,
ihrer Unterstützer sowie ihres Umfelds der Ein-
satz von sogenannten Vertrauenspersonen (V-
Personen) spielte,
– auf welcher rechtlichen und tatsächlichen
Grundlage der Einsatz jeweils erfolgte,
– ob der Einsatz von V-Personen und dessen
Führung ausreichend kontrolliert und evalu-
iert wurden,
– ob die für Einsatz und Führung von V-
Personen geltenden Vorschriften und inner-
behördlichen Vorgaben jeweils ausreichend
und sachgerecht waren,
– ob über V-Personen die Taten der Mitglie-
der der Gruppe ‚Nationalsozialistischer Un-
tergrund’ finanziell unterstützt oder in sons-
tiger Weise begünstigt wurden;
5. ob und gegebenenfalls wodurch es der Terror-
gruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund’
beziehungsweise ihrem Unterstützerumfeld
ermöglicht oder erleichtert wurde, an Spreng-
stoff, Waffen, falsche Personalpapiere, ver-
deckte Wohnungen und Unterstützungsgelder
zu gelangen;
6. ob und gegebenenfalls wann Anhaltspunkte
vorlagen, die für eine Strafverfolgungszustän-
digkeit auf Bundesebene gemäß § 120 Absatz 1
beziehungsweise Absatz 2 des Gerichtsverfas-
sungsgesetzes gesprochen hätten, und gegebe-
nenfalls warum keine Ermittlungen eingeleitet
worden sind;
7. ob die Vernichtung von Beweismitteln, Hin-
weisen oder sonstigen Daten über die NSU-
Mitglieder und ihr Unterstützerumfeld, die für
die heutigen Ermittlungen von Bedeutung hät-
ten sein können, durch Sicherheitsbehörden
jeweils im Einklang mit den einschlägigen
Vorschriften erfolgte.
III. Der Untersuchungsausschuss soll zudem prü-
fen,
1. welche Schlussfolgerungen im Blick auf den
Rechtsextremismus für die Struktur und Orga-
nisation der Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden des Bundes, für die Zusammenarbeit
der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden auf
Bundes- und Landesebene und für die Gewin-
nung und den Austausch von Erkenntnissen der
Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des
Bundes und der Länder gezogen werden müs-
sen;
2. ob und wie bei Ermittlungsmaßnahmen Leid
für die Opfer von extremistischen Straftaten
und deren Angehörige wirksamer vermieden
werden muss und kann;
Drucksache 17/14600 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. ob und wie die Bekämpfung rechtsextremisti-
scher Gewalt in allen Bereichen (Repression,
Prävention, Sensibilisierung der verantwortli-
chen Stellen) verbessert werden muss und
kann.
IV. Der Deutsche Bundestag erwartet sich von der
Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten (§ 10 des
Untersuchungsausschussgesetzes) eine Beschleu-
nigung der Arbeit des 2. Untersuchungsausschus-
ses.
Der Deutsche Bundestag ist zuversichtlich, dass
zwischen dem 2. Untersuchungsausschuss und der
im Einvernehmen von Bund und Ländern berufe-
nen Expertenkommission Gespräche über eine
sinnvolle Kooperation geführt werden. Der Unter-
suchungsausschuss kann in seine Untersuchungen
zum Zusammenwirken von Bundes- und Landes-
behörden die Ergebnisse einbeziehen, die von zur
Aufklärung des Sachverhalts berufenen Sachver-
ständigen und Experten der Länder und von der im
Einvernehmen von Bund und Ländern berufenen
Expertenkommission erarbeitet wurden.“
2. Anträge zur Änderung der Anzahl der Aus-
schussmitglieder
Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. stellte am 25. Januar
2012 den Änderungsantrag, statt elf lediglich acht ordent-
liche Ausschussmitglieder vorzusehen. Damit hätten die
beiden den Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angehörigen Ausschuss-
mitglieder die Möglichkeit, unabhängig von den übrigen
Ausschussmitgliedern eine Beweiserhebung zu erzwin-
gen.
35
Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
beantragte am 25. Januar 2012, die Zahl der ordentlichen
Ausschussmitglieder auf 15 zu erhöhen.
36
3. Plenardebatte und Einsetzung
Am 26. Januar 2012 verhandelte der Deutsche Bundestag
über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsaus-
schusses sowie über die beiden Änderungsanträge.
Vertreter aller Fraktionen zeigten sich schockiert darüber,
dass die Terrorgruppe NSU von Behörden unerkannt und
unbehelligt über viele Jahre Verbrechen begehen konnte.
Es sei ein schwer zu ertragender Gedanke, dass sich nach
dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im
demokratischen Deutschland über zehn Jahre hinweg ein
vom rassistischen Vernichtungswillen geprägter national-
sozialistischer Terror ausbreiten konnte. Deprimierend
sei, dass die Sicherheitsbehörden diese Verbrechen nicht
hätten verhindern können. Das Vertrauen in die Sicher-
heitsbehörden sei nachhaltig beeinträchtigt.
35) Bundestagsdrucksache 17/8463.
36) Bundestagsdrucksache 17/8464.
Über diesen Befund und in der Forderung nach lückenlo-
ser Aufklärung herrsche Konsens der demokratischen
Parteien. Daher sei es wichtig, sich nicht über Verfahrens-
fragen zu zerstreiten. Der Abgeordnete Sebastian Edathy
wies darauf hin, dass der gestellte Einsetzungsantrag der
erste von 39 sei, der von allen im Bundestag vertretenen
Fraktionen gemeinsam eigebracht worden sei.
37
Uneinheitlich wurden die Möglichkeiten einer parlamen-
tarischen Untersuchung eingeschätzt.
Für die CDU/CSU-Fraktion erklärte deren damaliger
Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Peter Altmaier,
nicht zu 100 Prozent überzeugt zu sein, dass ein Untersu-
chungsausschuss das „am besten geeignete Instrument“
für die Aufklärung sei. Eine Expertenkommission von
Bund und Ländern sei besser, weil „vieles von dem, was
aufzuklären sei, die Zuständigkeit der Länder sowie die
Schnittstellen zwischen einzelnen Ländern […] berührt“.
Weil aber wenigstens zwei Fraktionen der Auffassung
seien, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei
angezeigt, habe sich seine Fraktion mit einer „Gesamtlö-
sung“ einverstanden erklärt, „die den Anliegen aller Sei-
ten in diesem Haus gerecht wird“. Nun müsse eine „ver-
nünftige Arbeitsteilung“ zwischen der Expertenkommis-
sion und dem Untersuchungsausschuss organisiert wer-
den.
38
Der Abgeordnete Thomas Oppermann erklärte für die
SPD-Fraktion, der Bundestagsuntersuchungsausschuss
habe nur begrenzte Möglichkeiten, Sachverhalte zu über-
prüfen, die im Bereich der parlamentarischen Verantwort-
lichkeit von Landesregierungen liegen. Um auch Vorgän-
ge in einzelnen Ländern untersuchen zu können, sei die
Verknüpfung von Untersuchungsausschuss und Bund-
Länder-Kommission richtig. Der Untersuchungsausschuss
solle neben der Sachverhaltsaufklärung auch als Gesetz-
gebungsenquete tätig werden und Vorschläge zur Verbes-
serung des Sicherheitssystems erarbeiten.
39
Für die FDP-Fraktion wies der Abgeordnete Hartfrid
Wolff auf die Zuständigkeit des Bundes bei der Regelung
der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden hin.
Daher habe seine Fraktion von Anfang an die Möglichkeit
eines Untersuchungsausschusses erwogen.
40
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Volker Beck, erklärte, nur
ein Untersuchungsausschuss könne Zeugen unter Wahr-
heitspflicht vorladen und zur Aussage zwingen.
41
Der
Abgeordnete Wolfgang Wieland ergänzte: Jeder Bürger
der Bundesrepublik habe vor einem Untersuchungsaus-
schuss zu erscheinen und auszusagen, und wenn er in
seiner Aussage beschränkt werde, sei das gerichtlich
überprüfbar.
42
37) Plenarprotokoll 17/155, S. 18548 (A).
38) Plenarprotokoll 17/155, S. 18539 ff.
39) Plenarprotokoll 17/155, S. 18541 f.
40) Plenarprotokoll 17/155, S. 18542 f.
41) Plenarprotokoll 17/155, S. 18544 f.
42) Plenarprotokoll 17/155, S. 18550 (B).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/14600
Der Abgeordnete Clemens Binninger erklärte, unabhängig
von einer rechtlichen Verpflichtung der Länder zur Vor-
lage von Akten erwarte er, dass sich bei der Aufklärung
der Mordserie niemand auf Zuständigkeiten zurückziehen
werde. Denn solch ein Verhalten wäre den Bürgern dieses
Landes nicht vermittelbar.
43
Dem Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele gab er recht, dass die Länder zur Vor-
lage von Akten auch verpflichtet seien.
44
Vizepräsidentin Petra Pau und der Abgeordnete Volker
Beck warben dafür, die Zahl der Mitglieder des Untersu-
chungsausschusses so zu bestimmen, dass die Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemein-
sam über ein eigenes Beweisantragsrecht verfügten.
45
Der
Abgeordnete Clemens Binninger sagte zu, auch Beweis-
anträge der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu unterstützen. „Das ma-
chen wir gemeinsam“.46 Der Abgeordnete Sebastian Eda-
thy ergänzte, auch er gehe davon aus, dass Beweisanträge
im Ausschuss im Konsens beschlossen würden.
47
Während die beiden Änderungsanträge abgelehnt wurden,
beschloss der Deutsche Bundestag den unveränderten
Einsetzungsantrag einstimmig.
48
V. Konstituierung
Unter der Leitung von Bundestagspräsident Dr. Norbert
Lammert ist der 2. Untersuchungsausschuss am 27. Januar
2012 zu seiner konstituierenden Sitzung öffentlich zu-
sammengetreten.
1. Mitglieder des Ausschusses
Die Bundestagsfraktionen benannten folgende Abgeord-
nete als Mitglieder des Ausschusses:
Fraktion der CDU/CSU
Ordentliche Mitglieder
– Clemens Binninger
– Tankred Schipanski
– Armin Schuster (ab 16. Januar 2013)
– Stephan Stracke
– Elisabeth Winkelmeier-Becker (bis 16. Januar 2013)
Stellvertretende Mitglieder
– Florian Hahn
– Frank Heinrich
– Armin Schuster (bis 16. Januar 2013)
43) Plenarprotokoll 17/155, S. 18545 f.
44) Plenarprotokoll 17/155, S. 18546 (B).
45) Plenarprotokoll 17/155, S. 18543 f.
46) Plenarprotokoll 17/155, S. 18547.
47) Plenarprotokoll 17/155, S. 18548 (A).
48) Plenarprotokoll 17/155, S. 18552 (A).
– Nadine Schön (St. Wendel)
– Elisabeth Winkelmeier-Becker (ab 16. Januar 2013)
Fraktion der SPD
Ordentliche Mitglieder
– Sebastian Edathy
– Dr. Eva Högl
– Sönke Rix
Stellvertretende Mitglieder
– Iris Gleicke
– Daniela Kolbe (Leipzig)
– Aydan Özoğuz
Fraktion der FDP
Ordentliche Mitglieder
– Serkan Tören
– Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Stellvertretende Mitglieder
– Patrick Kurth (Kyffhäuser)
– Jimmy Schulz
Fraktion DIE LINKE.
Ordentliches Mitglied
– Vizepräsidentin Petra Pau
Stellvertretendes Mitglied
– Jens Petermann
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ordentliches Mitglied
– Wolfgang Wieland
Stellvertretendes Mitglied
– Hans-Christian Ströbele
Nach der Konstituierung des Untersuchungsausschusses
hat sich die Zusammensetzung wie folgt geändert:
Die Abgeordnete Halina Wawzyniak ist durch die Frakti-
on DIE LINKE. für die Sitzungen am 31. Januar 2013,
21. Februar 2013 und 25. April 2013 als ordentliches
Mitglied benannt worden; Abgeordnete Petra Pau ist für
diese Sitzung als ordentliches Mitglied abberufen worden.
Für die Sitzungen am 3./5. Juli 2012, 28. September 2012,
25. Oktober 2012, 30. November 2012, 14. Dezember
2012, 22./28. Februar 2013, 1./15./21. März 2013,
15./25. April 2013, ist die Abgeordnete Halina
Wawzyniak als stellvertretendes Mitglied benannt worden,
Abgeordneter Steffen Bockhahn ist am 16. Mai 2013 als
stellvertretendes Mitglied benannt worden; Abgeordneter
Jens Petermann ist für diese Sitzungen als stellvertreten-
des Mitglied abberufen worden.
Drucksache 17/14600 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Bestimmung des Vorsitzenden und des
stellvertretenden Vorsitzenden
Gemäß § 6 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes
(PUAG)
49
fiel nach den Vereinbarungen im Ältestenrat
der Fraktion der SPD das Vorschlagsrecht für die Be-
stimmung des Vorsitzes des Ausschusses zu. Für die
Bestimmung des stellvertretenden Vorsitzes stand gemäß
§ 7 Abs. 1 PUAG nach den Vereinbarungen im Ältesten-
rates der Fraktion der CDU/CSU das Vorschlagsrecht zu.
Auf Vorschlag der SPD-Fraktion hat der Ausschuss den
Abgeordneten Sebastian Edathy zu seinem Vorsitzenden
und auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion den Abgeord-
neten Stephan Stracke zu seinem stellvertretenden Vorsit-
zenden bestimmt.
3. Benennung der Obleute und der Berichter-
statter
Zu ihren Obleuten haben die Fraktionen benannt:
– Fraktion der CDU/CSU: Clemens Binninger
– Fraktion der SPD: Dr. Eva Högl
– Fraktion der FDP: Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
– Fraktion DIE LINKE.: Vizepräsidentin Petra Pau
– Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wolfgang
Wieland
Der Ausschuss hat die Obleute der Fraktionen zu Berich-
terstattern gemäß § 65 der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages (GOBT)
50
benannt.
4. Benannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Fraktionen
Fraktion der CDU/CSU:
– Dr. Andreas Feser
– Claudia von Cossel
– Dr. Philipp Molsberger
– Dan Kühnau
– Esther Uleer
Fraktion der SPD:
– Christian Heyer
– Anne Hawxwell
– Albrecht von Wangenheim
– Ingo Reichelt
49) Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse
des Deutschen Bundestages vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1142), geändert durch Artikel 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5.
Mai 2004 (BGBl. I S. 718).
50) Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt
geändert laut Bekanntmachung vom 7. Mai 2012 (BGBl. I
S. 1119).
Fraktion der FDP:
– Dr. Christian Lange
– Isabella Pfaff
– Christoph von Diest
– Anika Scharlau (ab 1. September 2012)
– Linda van Renssen
– Andrea Camaj (ab 2. Juli 2012)
– Claudia Kuhlow (ab 15. Januar 2013)
Fraktion DIE LINKE.:
– Dr. Jens Lehmann
– Dr. Gerd Wiegel (ab 1. März 2012)
– Heike Kleffner (ab 7. Mai 2012)
– Helmut Schroeder
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Martina Kant
– Christian Busold
– Tilo Fuchs
– Anton Brandt (ab 8. Juni 2012)
– Karsten Lüthke (ab 11. Dezember 2012)
5. Beauftragte der Mitglieder der Bundesre-
gierung und des Bundesrates
a) Beauftragte der Mitglieder der Bundesre-
gierung
Bundeskanzleramt
– Ministerialrat Dr. Sven-Rüdiger Eiffler
– Oberregierungsrätin Nina Herrmann
– Regierungsdirektor Dr. Michael Rensmann
– Regierungsamtmann Jens Hoffmann (ab Januar
2013)
– Paul Büttgenbach (6. Februar 2012 bis
21. September 2012)
Bundesministerium des Innern
– Ministerialdirigent Dr. Hans-Georg Maaßen (bis
18. Juli 2012)
– Ministerialdirigent Hans-Georg Engelke (ab 18. Juli
2012)
– Ministerialrat Richard Reinfeld
– Kriminaloberrat Christoph Schäfer
– Oberregierungsrätin Maren Stancke (bis 31. Juli
2012)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/14600
– Oberregierungsrat Andreas Schneider (bis
30. November 2012)
– Regierungsrat Florian Hauer (ab 22. Januar 2013)
Bundesministerium der Justiz
– Ministerialdirektor Thomas Dittmann
– Ministerialrat Dr. Michael Greßmann
– Richter am Landgericht Dr. Stefan Freuding
– Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Andreas
Christeleit
– Staatsanwältin Federica Sieben (ab 1. Februar 2013
bis 10. Juni 2013)
– Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Thomas Beck
(ab 2. April 2013)
– Staatsanwalt Ingo Kaiser
– Regierungsdirektorin Susanne Bunke
– Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Guido
Zöller (8. Februar 2012 bis 31. Januar 2013)
Bundesministerium der Verteidigung
– Ministerialrat Dr. Christoph Gramm
– Ministerialrat Dr. Willibald Hermsdörfer (2. Juli
2012 bis 24. September 2012)
– Regierungsdirektor Torsten Witz (ab 21. September
2012)
– Regierungsdirektor Ulf Bednarz
– Oberstleutnant Hartwig Tombers
– Oberregierungsrat Jürgen Daude
– Hauptmann Ingo Meyer
– Hauptmann Ralf Hufmann
– Oberstleutnant Dieter Frings (ab 22. März 2013)
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend
– Birga Köhler (bis 23. Oktober 2012)
– Marc-Axel Hornfeck (ab 24. Oktober 2012)
– Constantin Stellmach (bis 4. Oktober 2012)
b) Beauftragte der Mitglieder des Bundesra-
tes
Baden-Württemberg
– Staatsanwalt Dr. Matthias Fahrner
– Kriminalrat Hartmut Keil
– Regierungsdirektor Gerd Armbruster
– Ministerialrat Andreas Mathäs
– Leitender Kriminaldirektor Martin Schatz
Bayern
– Ministerialrat Konrad Schober
– Kriminaldirektor Lothar Köhler (bis 8. Mai 2012)
– Oberregierungsrat Dr. Sebastian Rotter (ab 8. Mai
2012)
– Dr. Vincent Mayr
Berlin
– Regierungsrat Christian Sauer
– Regierungsrat Arne Herz
– Kriminaldirektor Oliver Tölle
– Leitender Senatsrat Christoph Braunbeck
Brandenburg
– Jürgen Seffern
– Dr. Jutta Jahns-Böhm
– Regierungsdirektorin Andrea Melbert
– Dr. Jörg Treffke
– Leitende Kriminaldirektorin Dr. Heike Wagner
Freie und Hansestadt Hamburg
– Dr. Andrea Berner
Hessen
– Regierungsoberrat Frederik Konstantin Schmitt
– Regierungsdirektor Arvid Steinbach (ab 1. März
2013)
Niedersachsen
– Ministerialrat Dietmar Pietsch
Nordrhein-Westfalen
– Regierungsdirektor Frank Matthias
– Carola Holzberg
Rheinland-Pfalz
– Regierungsrätin Juliane Nitzsche
Saarland
– Regierungsoberrätin Irina Stuhr
Sachsen
– Regierungsoberrat Dr. Matthias Falk
– Regierungsdirektorin Monika von Barnekow
– Ministerialrat Martin Johannes Strunden
Sachsen-Anhalt
– Ministerialrat Dr. Matthias Schuppe
– Regierungsrat Mathias Stempor (ab 2. November
2012)
Thüringen
– Regierungsdirektorin Christine Müllenbach
Drucksache 17/14600 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Ministerialdirigent Andreas Horsch
– Regierungsrat Dr. Carsten Schmidt
– Regierungsrätin Dr. Elisabeth Schellnack
– Ministerialdirigent Andreas Becker
6. Ausschusssekretariat
Leitung:
– Ministerialrat Harald Georgii
Stellvertretung:
– Regierungsdirektorin Barbara Blum
Referentinnen und Referenten:
– Regierungsdirektorin Beate Hasselbach (ab 10. April
2012)
– Regierungsdirektor Mark Krause (8. Oktober 2012
bis 31. Dezember 2012)
– Oberstaatsanwalt Dr. Hans-Joachim Lutz (ab
2. Dezember 2012)
– Staatsanwalt Johannes Jost (ab 2. Dezember 2012)
Büroleitung:
– Monika Labrenz
Erstsekretärin und Vorzimmer:
– Antje Herold (bis Juni 2012)
– Jana Schumann (ab 20. August 2012)
Zweitsekretärinnen:
– Marleen Hellmund
– Christina Sintara (ab 22. Mai 2013)
Geprüfte Rechtskandidatinnen:
– Julia von Eitzen (ab 1. April 2012)
– Alexandra Tsesis (ab 1. Juli 2012)
– Jane Engels (ab 8. April 2013)
– Theres Kirschner (ab 2. April 2013)
– Christiane Müller (ab 2. Februar 2013)
Studierende:
– Hans Rosenbaum
– Philipp Johannes Schulze (21. Mai bis 31. Oktober
2012)
– Janine Heidmeyer (ab 5. Juni 2012)
– Philipp Ehestädt (ab 21. November 2012)
– Friedrich Gröschner (ab 21. November 2012 )
Dem Ausschuss haben die Länder Bayern und Berlin
personelle Unterstützung geleistet durch Abordnung von
Oberstaatsanwalt Dr. Lutz und Staatsanwalt Jost.
B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit
I. Ermittlungen des Generalbundesanwalts
und Strafverfahren vor dem Oberlandesge-
richt in München
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof leitete
am 11. November 2011 gegen Beate Zschäpe ein Ermitt-
lungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts der
Bildung einer terroristischen Vereinigung ein
51
, das nach
und nach auf insgesamt 13 Beschuldigte – teilweise in
gesonderten Ermittlungsverfahren – erstreckt wurde.52
Am 13. November 2011 wurde Holger Gerlach festge-
nommen, unter dessen Namen das abgebrannte Wohnmo-
bil angemietet worden war. Er bekannte sich dazu, Beate
Zschäpe im Auftrag von Ralf Wohlleben einen Stoffbeutel
mit einer Waffe übergeben und Uwe Böhnhardt mit einem
51) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom
11. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 34.
52) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 22. März 2012,
MAT A GBA-4/1, Bl. 25 f.
Führerschein und einem Reisepass versorgt zu haben.
53
Am 24. November 2011 wurde André Eminger wegen des
Verdachts, Böhnhardt und Zschäpe seine Personalien und
die seiner Ehefrau zur Beantragung einer Bahncard zur
Verfügung gestellt und an der Herstellung des NSU-
Videos mitgewirkt zu haben, festgenommen.
54
Am
29. November 2011 wurde Ralf Wohlleben festgenom-
men, dem Beihilfe zum Mord in sieben Fällen durch Be-
schaffung einer Waffe vorgeworfen wurde.
55
Gegen
53) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
24. Februar 2012 – 2 BJs 8/12, MAT A GBA-4/1, Bl. 187.
54) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
23. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 75.
55) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
28. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 153; Vermerk des Generalbundesanwalts vom 22. März
2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 26.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/14600
Matthias Dienelt erging am 8. Dezember 2011
56
und
gegen Carsten Schultze am 31. Januar 2012 Haftbefehl
57
.
Das vom Generalbundesanwalt mit der Wahrnehmung der
kriminalpolizeilichen Ermittlungen beauftragte Bundes-
kriminalamt
58
richtete eine Besondere Aufbauorganisati-
on, die BAO „Trio“ ein, in der im März 2012 etwa 400
Beamte mitarbeiteten.
59
Mit Beschluss vom 28. Februar 2012 hat der Bundesge-
richtshof die Haftbeschwerde von Frau Zschäpe verwor-
fen. Diese sei dringend verdächtig, eine terroristische
Vereinigung gegründet und eine besonders schwere
Brandstiftung begangen zu haben.
60
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai
2012 den Haftbefehl gegen Holger Gerlach aufgehoben
und seine Freilassung angeordnet. Der Beschuldigte sei
weder der Beihilfe zum Mord noch der Unterstützung
einer terroristischen Vereinigung dringend verdächtig.
61
Auf Antrag des Generalbundesanwalts sind am 29. Mai
2012 Carsten Schultze und Matthias Dienelt freigelassen
worden. Carsten Schultze habe sich umfassend zum Tat-
vorwurf eingelassen und entscheidend zur Tataufklärung
beigetragen. Er habe sich glaubhaft von rechtsradikalem
Gedankengut abgewandt und seit spätestens 2001 keine
Kontakte mehr in rechtsextremistische Kreise gehabt.
Daher bestehe keine Fluchtgefahr mehr. Die gegen Matt-
hias Dienelt vorliegenden Verdachtsmomente würden die
Fortdauer der Untersuchungshaft im Lichte der Entschei-
dung des Bundesgerichtshofs zu Holger Gerlach nicht
tragen.
62
Am 14. Juni 2012 hat der 3. Strafsenat des Bundesge-
richtshofs den Haftbefehl gegen André Eminger aufgeho-
ben und seine Freilassung angeordnet. Der Beschuldigte
sei der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung
nicht dringend verdächtig. Seine Mitwirkung bei der
Herstellung des NSU-Videofilms sei nicht hinreichend
gesichert. Nicht hinreichend sicher sei auch, dass er bei
der Überlassung der Bahncards an das Trio gewusst oder
zumindest damit gerechnet habe, eine Gruppierung zu
unterstützen, deren Ziele auf die Begehung terroristischer
Anschläge gerichtet gewesen seien.
63
56) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
8. Dezember 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 271.
57) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
31. Januar 2012 – 2 BJs 9/12, MAT A GBA-4/1, Bl. 240.
58) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom
11. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 34.
59) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 22. März 2012,
MAT A GBA-4/1, Bl. 22.
60) BGH vom 28. Februar 2012 – 2 BJs 162/11-2 –, MAT A GBA-
4/1, Bl. 50.
61) Beschluss vom 25. Mai 2012 – AK 14/12.
62) Pressemitteilung des GBA vom 29. Mai 2012 – 13/2012.
63) Beschluss des 3. Strafsenats vom 14. Juni 2012 – AK 17/12.
Am 8. November 2012 hat der Generalbundesanwalt vor
dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München
Anklage erhoben gegen
– Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft an der Ermor-
dung von acht Mitbürgern türkischer und einem Mit-
bürger griechischer Herkunft, an dem Mordanschlag
auf zwei Polizeibeamte in Heilbronn sowie an den
versuchten Morden durch die Sprengstoffanschläge
des „NSU“ in der Kölner Altstadt und in Köln-
Mülheim, an 15 bewaffneten Raubüberfällen, wegen
weiteren versuchten Mordes an einer Nachbarin und
zwei Handwerkern und wegen besonders schwerer
Brandstiftung,
– Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord an neun
Mitbürgern ausländischer Herkunft durch die Be-
schaffung der Tatwaffe Česká 83 nebst Schalldämp-
fer,
– Carsten Schultze wegen Beihilfe zum Mord an neun
Mitbürgern ausländischer Herkunft durch die Be-
schaffung der Tatwaffe Česká 83 nebst Schalldämp-
fer,
– André Eminger wegen Beihilfe zum Sprengstoffan-
schlag des „NSU“ in der Kölner Altstadt sowie we-
gen Beihilfe zum Raub und wegen Unterstützung der
terroristischen Vereinigung „NSU“ in jeweils zwei
Fällen und gegen
– Holger Gerlach wegen der Unterstützung der terro-
ristischen Vereinigung „NSU“ in drei Fällen.64
Der erste Termin der Hauptverhandlung vor dem Sechs-
ten Strafsenat des Oberlandesgerichts München gegen
Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, André Eminger, Holger
Gerlach, Carsten Schultze hat am 6. Mai 2013 stattgefun-
den.
1. Gegenseitige Rücksichtnahme
Am 1. März 2012 hat sich der Vorsitzende Sebastian
Edathy mit Staatssekretär Klaus Dieter Fritsche (BMI),
Staatssekretärin Dr. Birgit Grundmann (BMJ), General-
bundesanwalt Harald Range und Präsident Heinz Fromm
(BfV) getroffen, um einen schonenden Ausgleich zwi-
schen dem Anspruch und der Erwartung der Öffentlich-
keit auf Aufklärung und Transparenz und den schützens-
werten Belangen der Sicherheits- und Strafverfolgungs-
behörden zu verabreden.
Der Vorsitzende hat darauf hingewiesen, es müsse mög-
lich sein, substantielle Vernehmungen auch in öffentlicher
Sitzung durchzuführen. Nicht vermittelbar sei, wenn
Sachverhalte, die bereits breit in den Medien erörtert
worden seien, im Ausschuss in öffentlicher Sitzung nicht
angesprochen werden dürften. Dies müsse sowohl bei der
Einstufung von Unterlagen für den Ausschuss als auch bei
64) Pressemitteilung des Generalbundesanwalts vom 8. November
2012, 32/2012; MAT A BY-15 (Tgb.-Nr. 153/13 – GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Erteilung von Aussagegenehmigungen für Bundesbe-
dienstete Berücksichtigung finden.
Für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Justiz hat Staatssekretärin Dr. Grundmann erklärt, Prob-
leme mit der Einstufung von Vorgängen seien nicht zu
erwarten. Allerdings dürften laufende Ermittlungen nicht
gefährdet werden. Der Generalbundesanwalt hat zugesagt,
er könne dem Ausschuss alle Akten, die dieser benötige,
liefern. Zur Sicherung laufender Ermittlungen könne es
gelegentlich zu Verzögerungen bei der Vorlage kommen.
Seine Behörde sowie das von ihm beauftragte Bundes-
kriminalamt verfügten über einen relevanten Aktenbe-
stand von mehreren tausend Ordnern. Mit den laufenden
Ermittlungen seien zehn Staatsanwälte befasst. Nur diese
könnten die Akten für den Untersuchungsausschuss zu-
sammenstellen. Das große Volumen der Aktenanforde-
rung werde daher für das Ermittlungsverfahren belastend
sein. Eine Präzisierung der Beweisbeschlüsse sei hilf-
reich.
Der Untersuchungsausschuss hatte am gleichen Tage
bereits beschlossen, zur Sichtung und Vorauswahl der für
die Erfüllung des Untersuchungsauftrages erforderlichen
Akten beim Generalbundesanwalt einen Ermittlungsbe-
auftragten zu bestellen (siehe hierzu: C.VI.1, S. 52). Da-
bei sollte bei der Übermittlung der Beweismittel an den
Untersuchungsausschuss insbesondere eine mögliche
Gefährdung des Strafverfahrens berücksichtigt werden.
65
2. Regelmäßige Unterrichtung
Der Generalbundesanwalt hat sich bereit erklärt, dem
Untersuchungsausschuss regelmäßig über den Stand sei-
ner Ermittlungen zu berichten.
Am 8. März 2012 hat der Generalbundesanwalt dem Aus-
schuss in einer nichtöffentlichen Beratungssitzung den
Film des NSU vorgeführt. Bundesanwalt Dr. Herbert
Diemer und der Leiter der Asservatenauswertung beim
BKA Martin Thode haben dem Ausschuss den Inhalt des
Videos, die Auffindsituation, die Verbreitung von Kopien
des Videos und seine Herstellung erläutert.
66
In der Beratungssitzung am 26. April 2012 hat das Bun-
deskriminalamt in Begleitung des Generalbundesanwalts
dem Ausschuss das Brettspiel „Pogromly“, das vom Trio
vertrieben worden sein soll, vorgelegt und erläutert.
67
EKHK Dirk Hetzel (BKA) hat den Stand der Ermittlun-
gen zu dem Spiel, insbesondere die Auffindsituation, die
Stückzahl sowie Erkenntnisse zu seiner Herstellung und
Verbreitung geschildert.
In der gleichen Sitzung hat EKHK Dirk Hetzel dem Aus-
schuss die von Überwachungskameras festgehaltenen
Bilder von den Banküberfällen vorgeführt und erläutert.
65) Protokoll-Nr. 4, S. 49 ff. i.V.m. Beweisbeschluss GBA-4.
66) Protokoll-Nr. 5, Wortprotokoll zu TOP 6, (Tgb.-Nr. 3/12 – VS-
VERTRAULICH).
67) Protokoll-Nr. 11, S. 10.
Am 28. September 2012 hat der Generalbundesanwalt die
Obleute des Ausschusses über den aktuellen Stand der
Ermittlungen unterrichtet.
3. Aktenzulieferung aus den laufenden Ver-
fahren
a) Vor Anklageerhebung
Von Erhebung der Anklage am 8. November 2012 hat der
Generalbundesanwalt dem Untersuchungsausschuss über
das Bundesministerium der Justiz Akten im Umfang von
circa 400 Stehordnern vorgelegt. Die Akten waren zu-
nächst von dem Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Bernd
von Heintschel-Heinegg gesichtet und auf Relevanz für
den Untersuchungsgegenstand geprüft worden (siehe
hierzu: C.VI.152).
b) Nach Anklageerhebung
Mit Anklageerhebung hat sich der Generalbundesanwalt
wegen § 478 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung
(StPO)
68
für die Vorlage verfahrensbefangener Akten für
nicht mehr zuständig gehalten und den Ausschuss an den
Sechsten Strafsenat des Oberlandesgerichts München
verwiesen. Im Ausschuss hingegen ist unter Hinweis auf
die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
15. November 2012
69
zu dem Verlangen auf Aktenher-
ausgabe des Untersuchungsausschusses des baden-
württembergischen Landtages „EnBW-Deal“ und ein
Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen
Bundestages
70
die Auffassung vertreten worden, die Vor-
lagepflicht der Bundesregierung aus Artikel 44 Abs. 1 GG
gehe der fachgesetzlichen Regelung in der StPO vor.
Zur Klärung dieser Frage haben sich die Obleute am
16. Januar 2013 mit der Staatssekretärin aus dem Bun-
desministerium der Justiz Dr. Grundmann und General-
bundesanwalt Range getroffen. Staatssekretärin
Dr. Grundmann hat den Obleuten mitgeteilt, der Vorsit-
zende des Sechsten Strafsenats habe soeben entschieden,
dem Untersuchungsausschuss Einsicht in die zur Vorlage
beantragten Akten zu gewähren.
71
Eine Klärung des
Streits ist hierdurch überflüssig geworden.
In der Folge hat der Generalbundesanwalt dem Ausschuss
elf Akten einschließlich der Anklageschrift vorgelegt.
72
68) Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319),
zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Juli 2013
(BGBl. I S. 2182).
69) Az.: 4a VAs 3/12.
70) Giesecke, Anspruch des parlamentarischen Untersuchungsaus-
schusses auf Herausgabe von Akten in einem laufenden Straf-
verfahren, WD 3-3000-330/12.
71) Schreiben Oberlandesgericht München vom 16. Januar 2013,
MAT A BY-14.
72) MAT A BY-14/1 ff und BY-15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/14600
4. Rücksicht auf das Strafverfahren: Fragen-
kreise ausgespart
Der Untersuchungsausschuss hat bei seiner Beweisauf-
nahme Fragenkreise bewusst ausgespart, die den Gegen-
stand des Strafverfahrens vor dem Oberlandesgericht
München betreffen. Beweismittel zu der Frage, ob die
dem Trio zugerechneten Taten tatsächlich von Mundlos,
Böhnhardt und Zschäpe begannen wurden, haben in der
Beweisaufnahme des Ausschusses nur für die Bewertung
der Arbeit der damals mit der Sachverhaltsaufklärung
betrauten Behörden eine Rolle gespielt. Verzichtet hat der
Ausschuss auch, Zeugen zu den Ereignissen am
4. November 2011 zu hören. Sowohl das Geschehen in
der Frühlingsstraße 26 in Zwickau als auch die Ereignisse
in Eisenach seien nach Auffassung der Mitglieder des
Ausschusses Gegenstand des Strafverfahrens vor dem
Oberlandesgericht München und dort zu klären.
73
5. Übermittlung der Untersuchungsaus-
schussprotokolle und sonstiger Unterla-
gen
Der Sechste Strafsenat des Oberlandesgerichts München
hat den Ausschuss im Wege der Amtshilfe ersucht, die
Protokolle über die durch den Untersuchungsausschuss
erfolgten Zeugenvernehmungen vorzulegen.
74
Ein ent-
sprechendes Ersuchen haben die Strafverteidiger der
Angeklagten Beate Zschäpe an den Ausschuss gerichtet.
75
Zunächst hat der Ausschuss entschieden, die Protokolle
erst nach Abschluss der Beweisaufnahme durch den
Untersuchungsausschuss vorzulegen.
76
Auf das Ersuchen
des Vorsitzenden des Sechsten Strafsenats
77
und der Ver-
teidiger von Frau Zschäpe
78
um frühzeitigere Übermitt-
lung hat der Ausschuss beschlossen, die Vernehmungen,
über die bereits ein endgültiges Protokoll vorliegt, förm-
lich abzuschließen und diese Protokolle bereits jetzt vor-
zulegen. Im Einzelnen hat der Ausschuss beschlossen
79
:
„Die Vernehmungen der in Anlage 9 aufgeführten
Zeugen ist gem. § 26 Abs. 2 PUAG abgeschlossen.
Dem Ersuchen des Vorsitzenden des Sechsten
Strafsenats des Oberlandesgerichts München in der
Strafsache gegen Beate Zschäpe und andere (Az: 6
St 3/12) um Vorlage der Protokolle über die durch
den Untersuchungsausschuss erfolgten Zeugenver-
nehmungen und Gewährung von Einsicht in diese
Protokolle durch die Verfahrensbeteiligten (A-
Drs. 382, 425) wird mit folgender Maßgabe statt-
gegeben:
73) Protokoll-Nr. 67, S. 7 f.
74) A-Drs. 382.
75) A-Drs. 378.
76) Protokoll-Nr. 58, S. 8 f.
77) A-Drs. 425.
78) A-Drs. 423.
79) Protokoll-Nr. 63, S. 9 f.
Vor der Vorlage der Protokolle mit einem Einstu-
fungsgrad von VS-VERTRAULICH und höher
wird den für die geheim zu haltenden Informatio-
nen zuständigen Stellen Gelegenheit zur Stellung-
nahme gegeben.“
Der Ausschuss hat nachfolgend die Zeugenvernehmungen
gemäß § 26 Abs. 2 PUAG abgeschlossen, sobald die von
den Zeugen vorgenommenen Korrekturen und Ergänzun-
gen eingegangen waren bzw. die Frist nach § 26 Abs. 2
PUAG verstrichen war. Jeweils unmittelbar nach Fertig-
stellung der endgültigen Protokolle bis zu einer Geheim-
haltungsstufe VS-NfD sind diese dem Oberlandesgericht
in digitaler Fassung zugeleitet worden.
Soweit sich die für die geheim zu haltenden Informatio-
nen zuständigen Stellen einverstanden erklärt haben, dem
Gericht die VS-VERTRAULICH und höher eingestuften
Protokolle gegebenenfalls bei Schwärzung bestimmter
Textteile vorzulegen, hat der Ausschuss die Protokolle
dem Gericht in digitaler Fassung übersandt.
Die Länder Brandenburg, Hessen und Nordrhein-
Westfalen haben keine Bedenken gegen die Vorlage er-
hoben. Der Freistaat Sachsen hat die Vorlage von
ungeschwärzten Protokollen von Auflagen abhängig ge-
macht:
80
„1. Eine Einsichtnahme der Verteidigung in das
Protokoll ist nur in der Geschäftsstelle des OLG
möglich. Das Protokoll ist dort unter den üblichen
Maßgaben zur Behandlung von VS-Material zu
verwahren. Den Verteidigern ist grundsätzlich
nicht zu gestatten, sich Ablichtungen oder Auszü-
ge aus dem Protokoll zu fertigen. Das Gericht hat
den Verteidiger zur Geheimhaltung unter Hinweis
auf die Strafbarkeit nach § 353b Abs. 2 StGB zu
verpflichten.
2. Sollte die Verteidigung das Protokoll oder Aus-
züge daraus für eine sachgerechte Verteidigung
zwingend benötigen, kann das OLG dem Verteidi-
ger die benötigten Passagen des Protokolls in Ab-
lichtung zur Verfügung stellen. Der Verteidiger
darf diese Passagen des Protokolls nur mit dem
Angeklagten, den Mitverteidigern und Sachver-
ständigen erörtern. Weitere Vervielfältigungen
sind unzulässig. Das Gericht hat ggf. die
Mitverteidiger und die Sachverständigen zur Ge-
heimhaltung unter Hinweis auf die Strafbarkeit
nach § 353 b Abs. 2 StGB zu verpflichten.
3. Sofern die Verteidigung das Protokoll oder Pas-
sagen daraus in der Hauptverhandlung verlesen
lassen will, ist zuvor eine Stellungnahme des
Deutschen Bundestages einzuholen, der sich mit
dem Sächsischen Staatsministerium des Innern ins
Einvernehmen setzt. Vorrang vor einer Verlesung
des Protokolls oder von Protokollauszügen sollte
die unmittelbare Befragung des Zeugen durch das
Gericht haben.
80) A-Drs. 504.
Drucksache 17/14600 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Kommt die Stellungnahme des Deutschen Bun-
destages zu dem Ergebnis, dass die Einführung des
Protokolls oder von Auszügen daraus in der
Hauptverhandlung aus Gründen des § 172 Nr. 1
und 2 GVG nicht möglich ist, ist die Öffentlichkeit
von der Verhandlung auszuschließen. Die anwe-
senden Personen sind gern. § 174 Abs. 3 Satz 1
GVG zur Geheimhaltung zu verpflichten.
5. Gleiches gilt bei der Verlesung der Entschei-
dungsgründe. Sollten hier geheimhaltungs-
bedürftige Passagen aus dem Protokoll zitiert wer-
den, ist ebenfalls die Öffentlichkeit auszuschließen
(§ 173 Abs. 2 GVG). Auch hier sind die anwesen-
den Personen gern. § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG zur
Geheimhaltung zu verpflichten.
6. Den Vertretern der Nebenklage ist eine Ein-
sichtnahme in das Protokoll nicht zu gestatten.“
Das Bundesministerium des Innern hat die Vorlage der
ungeschwärzten Protokolle abgelehnt. Die Kenntnisnah-
me von geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten könne
bei Vorlage nicht auf das Gericht und solche Personen,
die zum Geheimschutz verpflichtet sind, beschränkt wer-
den.
81
Der Ausschuss hat am 24. Juli 2013 beschlossen, entspre-
chend diesen Vorgaben zu verfahren.
82
Das Ersuchen des Vorsitzenden des Sechsten Strafsenats
um Vorlage einer vom Bundeskriminalamt für die Unter-
stützung der Arbeit des Ausschusses erstellten Liste mit
Personen, die zu dem möglichen Umfeld des Trios gehör-
ten (sogenannte „129er-Liste“) hat der Ausschuss abge-
lehnt. Das Gericht ist gebeten worden, sich an den Anklä-
ger in seinem Verfahren zu halten.
83
II. Schäfer-Kommission
1. Einsetzung und Auftrag
Am 23. November 2011 setzte der Innenminister des
Freistaates Thüringen als Antwort auf das Presseecho zu
Vorgängen im Landesamt für Verfassungsschutz eine
unabhängige Kommission ein, die sich mit dem Verhalten
der Thüringer Behörden und der Staatsanwaltschaften bei
der Verfolgung des „Zwickauer-Trios“ auseinandersetzten
sollte.
84
Zum Vorsitzenden der Kommission wurde der
Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof a. D. Dr.
Gerhard Schäfer bestimmt. Weitere Mitglieder der
Kommission waren der Bundesanwalt beim Bundesge-
richtshofs a. D. Volkhard Wache und der Leiter der Abtei-
lung Strafvollzug im Ministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz Rheinland-Pfalz Ministerialdirigent
81) A-Drs. 491.
82) Protokoll-Nr. 75, S. 8.
83) Protokoll-Nr. 63, S. 10.
84) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12.
Gerhard Meiborg.
85
Von Dezember 2011 bis Mai 2012
prüfte die Kommission, inwieweit die dem Trio zur Last
gelegte Gründung einer terroristischen Vereinigung durch
Unachtsamkeiten der Behörden des Freistaats Thüringen
begünstigt wurde.
86
Grundlage für die Arbeit der Schäfer-Kommission war
ein Werkvertrag zwischen dem Freistaat Thüringen und
der Kommission. Dieser beinhaltete folgenden Leistungs-
auftrag:
„Gegenstand des Vertrages ist die Erstellung eines
auf der Untersuchung aller Umstände betreffend
die Beziehung des sogenannten ‚Zwickauer Trios’
(Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe)
zu den Behörden und Staatsanwaltschaften beru-
henden Gutachtens, in dem auch eine Bewertung
der Tätigkeit dieser Behörden erfolgt. Insbesonde-
re sind die Tätigkeiten und Aktivitäten des Thürin-
ger Landesamtes für Verfassungsschutz (TLfV),
des Landeskriminalamtes (TLKA), sonstiger Poli-
zeibehörden, der Staatsanwaltschaften, der Gene-
ralstaatsanwaltschaft und deren jeweiligen Auf-
sichtsbehörden im Detail zu erfassen.“87
Die Kommission verfügte weder über hoheitliche Befug-
nisse noch war sie gegenüber Bediensteten des Freistaats
Thüringen weisungsbefugt. Sie war jedoch berechtigt, die
notwendigen Aufklärungstätigkeiten im Geschäftsbereich
des Thüringer Innenministeriums sowie bei der Thüringer
Staatsanwaltschaft durchzuführen. Insbesondere konnte
sie Akten anfordern sowie Mitarbeiter und ehemalige
Mitarbeiter befragen.
88
Die Tätigkeit erfolgte unabhängig
und weisungsfrei.
89
Der Schäfer-Kommission wurden
Räumlichkeiten in Erfurt zur Verfügung gestellt.
90
Ihr
Gutachten legte die Kommission am 14. Mai 2012 vor.
91
2. Ergebnisse der Ermittlungen der Schäfer-
Kommission
In ihrem Gutachten stellte die Kommission fest, dass den
Behörden vielfältige Fehler unterlaufen seien. Es seien
Fehler bei der Durchsuchung der Garagen am 28. Januar
1998 und bei der Zielfahndung nach dem Trio gemacht
worden. Das LKA Thüringen habe eine unstrukturierte,
„chaotische“ und lückenhafte Aktenführung. Die Zusam-
menarbeit innerhalb des LfV Thüringen, insbesondere die
Kommunikation und Informationsweitergabe sei „man-
gelhaft“. Eine effektive Zusammenarbeit zwischen dem
LfV Thüringen und dem LKA Thüringen sei nicht erfolgt.
Wichtige Quellenmeldungen, die Ermittlungsansätze
geboten hätten, seien dem LKA Thüringen nicht weiterge-
leitet worden. Zu der Zusammenarbeit zwischen der Poli-
85) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12.
86) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12.
87) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12 f.
88) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 14.
89) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 15.
90) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 15.
91) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/14600
zei und dem Verfassungsschutz stellte die Kommission
fest, dass der gegenseitige Informationsaustausch ein
wichtiges und verbesserungswürdiges Element sei, um
sich überschneidende oder unkoordinierte Maßnahmen zu
verhindern. Die Kommission schlug vor, die Übermitt-
lungspflichten des LfV Thüringen durch weitere Rege-
lungen zu erweitern und zu präzisieren sowie die Fach-
aufsicht über das LfV Thüringen zu optimieren.
92
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss des Deutschen Bundestages
Der Freistaat Thüringen hat das Gutachten der Schäfer-
Kommission dem Untersuchungsausschuss einschließlich
des eingestuften Fundstellenverzeichnisses zur Verfügung
gestellt.
93
Der Untersuchungsausschuss hat sämtliche in
dem Gutachten erwähnten Unterlagen beigezogen. Auch
die von der Schäfer-Kommission erstellten Anhörungs-
protokolle sind dem Ausschuss vorgelegt worden.
94
Der Untersuchungsausschuss hat die Mitglieder der Schä-
fer-Kommission in seiner 46. Sitzung am 13. Dezember
2012 öffentlich angehört.
95
III. Bund-Länder-Experten-Kommission
1. Einsetzung der Bund-Länder-Kommission
Am 24. November 2011 berief der Bundesminister des
Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, eine ministeriumsinter-
ne Expertenkommission zur Gesamtaufklärung der Vor-
gänge im Zusammenhang mit dem NSU ein. Mitglieder
der Expertenkommission sollten Staatssekretär a. D.
Dr. Hansjörg Geiger, der Präsident des Bundeskriminal-
amtes a. D. Dr. Ulrich Kersten und der ehemalige stell-
vertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontroll-
gremiums und frühere Abgeordnete Wolfgang Zeitelmann
sein. „Aus Respekt vor den anschließenden Überlegungen
des Deutschen Bundestages“, eine Bund-Länder-
Expertenkommission einzusetzen, wurde die vom BMI
geplante Kommission jedoch nicht tätig.
96
Auf ihrer 193. Sitzung am 8. und 9. Dezember 2011 be-
schloss die Ständige Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder (IMK) die Einsetzung einer von
Bund und Ländern paritätisch besetzten Regierungskom-
mission.
97
Am 6. Februar 2012 benannte die IMK in ei-
nem Umlaufbeschluss die Senatoren a. D. Dr. Erhart
Körting (ehemaliger Innensenator des Landes Berlin) und
92) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 262 ff.
93) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6.
94) MAT A TH-6/3.
95) A-Drs. 283-285, BB A-2, A-3, A-4; Schäfer, Wache, Meiborg,
Protokoll-Nr. 46.
96) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE vom 27. April 2012, Drs. 17/ 9463, Bl. 2.
97) Beschlussniederschrift über die 193. Sitzung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am
8./9. Dezember 2012 in Wiesbaden, TOP 43: Einrichtung einer
Expertenkommission.
Heino Vahldieck (ehemaliger Innensenator des Landes
Hamburg) als Experten;
98
am 8. Februar 2012 benannte
die Bundesregierung Bundesanwalt beim Bundesgerichts-
hof a. D. Bruno Jost und Rechtsanwalt Prof. Dr. Eckhart
Müller als Experten. Die vierköpfige „Bund-Länder-
Kommission Rechtsterrorismus“ (BLKR) konstituierte
sich am 8. Februar 2012 im Bundesministerium des In-
nern in Berlin.
Am 17. September 2012 trat Senator a. D. Erhart Körting
zur Vermeidung des Anscheins der Befangenheit aus der
BLKR aus. Hintergrund war die mögliche Tätigkeit eines
mutmaßlichen NSU-Helfers als V-Person für das Berliner
Landeskriminalamt.
99
Mit Umlaufbeschluss vom
12. Oktober 2012 benannte die IMK Staatsminister a. D.
Karl Peter Bruch als neues Mitglied der BLKR.
100
2. Gesetzliche Grundlage und Auftrag
Die Einsetzung der Bund-Länder-Expertenkommission ist
auf die Organisationshoheit der Bundesregierung nach
Artikel 65 S. 2 des Grundgesetzes und der Landesregie-
rungen entsprechend ihrer Landesverfassungen gestützt
worden.
101
Die IMK bestimmte den Arbeitsauftrag der BLKR per
Umlaufbeschluss vom 6. Februar 2012:
„Die Straftaten des rechtsterroristischen ‚National-
sozialistischen Untergrund’ (NSU) zeigen deutlich,
dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus für
die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern eine
Daueraufgabe von hoher Priorität sein muss, die
ein ebenso energisches und nachhaltiges wie koor-
diniertes Vorgehen aller Sicherheitsbehörden ge-
gen den gewaltbereiten Rechtsextremismus not-
wendig macht. Insbesondere ist es erforderlich,
dass in diesem Bereich alle notwendigen und
rechtlich zulässigen Erkenntnisse von Polizei und
Verfassungsschutz frühzeitig zusammengeführt
sowie Optimierungsmöglichkeiten der fallbezoge-
nen Zusammenarbeit geprüft werden.
Vor diesem Hintergrund soll eine Experten-
Kommission das Ziel verfolgen, im Sinne eines
Gesamtbildes die Zusammenarbeitsformen der
Sicherheitsbehörden der Länder mit den Bundes-
behörden insbesondere bei der Bekämpfung des
gewaltbereiten Extremismus zu analysieren und zu
bewerten sowie Vorschläge für eine weitere Opti-
mierung ihrer Zusammenarbeit zu unterbreiten.
Dabei werden u. a. zu betrachten sein:
98) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19.
99) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19.
100) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19.
101) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE vom 27. April 2012, Drs. 17/ 9463, Bl. 4.
Drucksache 17/14600 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– die bestehenden gesetzlichen Grundlagen für
die Verantwortlichkeiten und den Informati-
onsaustausch zwischen Bund und Ländern und
zwischen Verfassungsschutz und Polizei,
– die Funktionalität der Informations- und
Kommunikationsstrukturen,
– der Informationsaustausch in gemeinsamen
Kommunikationsplattformen,
– der grundsätzliche und der auf operative Ein-
zelfälle bezogene Informationsaustausch,
– die Thematik des Quellen- und Geheimschut-
zes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht,
– die Einrichtung gemeinsamer Auswerte- und
Analyseprojekte und
– die bestehende Abstimmung über offen und
verdeckt durchzuführende Maßnahmen der In-
formationsgewinnung.
Die Expertenkommission soll bei ihrer Arbeit in
geeigneter Weise Zwischenergebnisse des aktuel-
len Ermittlungskomplexes des GBA sowie die
sonstigen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder sowie Expertenwissen
aus Bund und Ländern mit einbeziehen.
In die Betrachtung sollen Erkenntnisse der Unter-
suchungsausschüsse des Bundes und der Länder
bzw. der eingesetzten Sonderermittler mit einbe-
zogen werden.
Ebenso einfließen sollen die Beschlüsse der IMK
zur Optimierung der Zusammenarbeit sowie die
Ergebnisse der durch die IMK eingerichteten Ar-
beitsgruppe von Polizei und Verfassungs-
schutz.“102
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss
a) Vorabgespräch am 8. März 2012
Am 8. März 2012 hat zwischen den Mitgliedern der
BLKR und dem Ausschuss ein erstes Gespräch stattge-
funden. Bei diesem Gespräch sollte u. a. festgestellt wer-
den, welches Gremium an welcher Fragestellung arbeiten
werde.
103
Verabredet werden sollte die wechselseitige
Hilfe zwischen dem Ausschuss und der BLKR sowie die
Vermeidung von Doppelarbeit der beiden Gremien.
104
Senator a. D. Heino Vahldieck hat angemerkt, dass die
Arbeit der BLKR auf den Erkenntnissen der Untersu-
chungsausschüsse, der Schäfer-Kommission, des BKA
und des GBA aufsetzen und sich vor allem mit der The-
102) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19 ff.
103) Edathy, Protokoll-Nr. 2, S. 11.
104) Edathy, Protokoll-Nr. 5, S. 38.
matik befassen werde, wo es Schwachstellen im Verhält-
nis zwischen Bund und Ländern gegeben habe und wo
sich die Sicherheitsarchitektur als ungeeignet erwiesen
habe. Nur in Einzelfällen wolle die BLKR selbst Befra-
gungen vornehmen.
105
Konsens hat zwischen der BLKR
und dem Ausschuss dahingehend bestanden, dass sich
eine gewisse Doppelarbeit nicht vermeiden lasse. Der
Abgeordnete Binninger hat vorgeschlagen, zumindest
nicht zur gleichen Zeit am selben Thema zu arbeiten,
sondern Themen zeitversetzt zu bearbeiten.
Verabredet worden ist, dass Kontakt zwischen der BLKR
und dem Ausschuss über die Sekretariate gehalten werde
und so ein Austausch der beiden Gremien stattfinden
könne. Ein erneutes Treffen sollte bei entsprechendem
Anlass vereinbart werden.
106
Der Ausschuss hat beschlos-
sen, dass dem Leiter der Geschäftsstelle der BLKR beim
BMI, MR Torsten Akmann, Zutritt zu allen Sitzungen der
Beweisaufnahme des Ausschusses gewährt wird.
107
b) Weitere Berichterstattungen
Am 14. Juni 2012 hat der Leiter der Geschäftsstelle der
BLKR, Torsten Akmann, dem Ausschuss über den Stand
der Arbeit der BLKR berichtet. Er hat u. a. von der Perso-
nalausstattung der BLKR und über die bisher geführten
Gespräche mit anderen Gremien und Behörden berichtet.
Den 1. Zwischenbericht der BLKR vom 16. Mai 2012 hat
er dem Ausschuss in dieser Sitzung vorgelegt.
108
Ihren 2. Zwischenbericht vom 27. November 2012
109
hat
die BLKR dem Untersuchungsausschuss am 7. Dezember
2012 vorgelegt und in der Beratungssitzung am
13. Dezember 2012 mündlich erläutert.
110
Die BLKR hat am 30. Januar 2013 ein weiteres Gespräch
mit dem Ausschuss vorgeschlagen. Dieses ist zunächst für
den 16. Mai 2013 angesetzt worden.
111
Aufgrund der
Erwartung der Innenminister der Länder, dass der Inhalt
dieses Gesprächs bis zu der am 24. Mai 2013 stattfinden-
den Innenministerkonferenz vertraulich bleiben müsse, ist
das Gespräch abgesagt worden, da dem Grundsatz der
Öffentlichkeit in dieser parlamentarischen Untersuchung
eine besondere Bedeutung zukomme.
112
Ein Gespräch zu
einem späteren Zeitpunkt hat nicht mehr stattgefunden.
105) Vahldieck, Protokoll-Nr. 5, S. 39.
106) Edathy, Protokoll-Nr. 5, S. 48.
107) Protokoll-Nr. 5, S. 48.
108) Zwischenbericht der Bund-Länder Expertenkommission
Rechtsterrorismus vom 16. Mai 2012, A-Drs. 167.
109) 2. Zwischenbericht der Bund-Länder Expertenkommission
Rechtsterrorismus vom 27. November 2012, MAT B BLK-2.
110) Protokoll-Nr. 45.
111) Edathy, Protokoll-Nr. 58, S. 6 f.
112) Protokoll-Nr. 71.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/14600
4. Ergebnis der Arbeit der BLKR
Ergebnis der Arbeit der BLKR ist der Abschlussbericht
vom 30. April 2013.
113
In diesem schlägt die BLKR Ver-
besserungen der Sicherheitsarchitektur vor (siehe unten:
Zweiter Teil L. II., S. 815). Sie hat betont, auch bei An-
wendung der von ihr entwickelten Vorschläge wären
weder die Straftaten des NSU schnell aufgeklärt worden,
noch hätten weitere Straftaten verhindert werden können.
Sie sei jedoch zuversichtlich, dass nach Umsetzung ihrer
Vorschläge Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt
würden.
114
IV. Untersuchungsausschüsse in den Landta-
gen
1. Thüringen
a) Einsetzung und Auftrag
Auf Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE., der
SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vom
18. Januar 2012
115
beschloss der Thüringer Landtag in
seiner 76. Sitzung am 26. Januar 2012 einstimmig, einen
Untersuchungsausschuss
„Mögliches Fehlverhalten der Thüringer Sicher-
heits- und Justizbehörden, einschließlich der zu-
ständigen Ministerien unter Einschluss der politi-
schen Leitungen, sowie der mit den Sicherheitsbe-
hörden zusammenarbeitenden Personen (so ge-
nannte menschliche Quellen) im Zusammenhang
mit Aktivitäten rechtsextremer Strukturen, insbe-
sondere des ‚Nationalsozialistischen Untergrunds’
(NSU) und des ‚Thüringer Heimatschutzes’ (THS)
und seiner Mitglieder sowie mögliche Fehler der
Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden bei der
Aufklärung und Verfolgung der dem NSU und ihm
verbundener Netzwerke zugerechneten Straftaten“
gemäß Art. 64 Abs. 1 S. 1 ThürVerf i. V. m. § 2 Abs. 1
ThürUAG und § 83 GOLT einzusetzen.
116
Wegen der politischen Diskussion über die Einsetzung
dieses Untersuchungsausschusses wird auf den Zwi-
schenbericht des Thüringer Untersuchungsausschusses
vom 7. März 2013 verwiesen.
117
113) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488.
114) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 365.
115) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/3902 vom
18. Januar 2012.
116) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/3969 vom
26. Januar 2012, zu Drucksache 5/3902, Bl. 1.
117) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/5810,
Rn. 10 ff.
Der Untersuchungsausschuss erhielt folgenden Auftrag:
118
„A. Untersuchungsgegenstand
I. Der Untersuchungsausschuss soll aufklären,
1. ob und in welchem Umfang die Gefahr der
Bildung militanter rechtsextremer Strukturen
in Thüringen durch die Landesregierung
falsch eingeschätzt wurden und somit deren
Herausbildung begünstigt wurde;
2. ob und in welchem Maße Thüringer Sicher-
heitsbehörden an Gründung und Aufbau so-
wie der Unterstützung rechtsextremer Struk-
turen in Thüringen, beispielsweise der „Anti-
Antifa Ostthüringen“ als Vorläufer des „Thü-
ringer Heimatschutzes“, durch den Einsatz
von Vertrauenspersonen (V-Personen) und
verdeckten Ermittlern beteiligt waren, diese
beförderten oder durch Unterlassen geeigneter
Maßnahmen duldeten und eingesetzte V-
Personen und verdeckte Ermittler an der
Durchführung oder Vorbereitung von Strafta-
ten sowie Aktivitäten, die sich gegen das
Grundgesetz richteten, beteiligt waren oder
diese begünstigten;
3. ob und in welchem Umfang Thüringer
Sicherheits- und Justizbehörden und die mit
ihnen zusammenarbeitenden Personen (so ge-
nannte menschliche Quellen) sowie die zu-
ständigen Ministerien die ihnen gesetzlich
übertragenen Befugnisse überschritten haben
und/oder bei dem Einsatz, beim Führen und
Beaufsichtigen von V-Personen bzw. ver-
deckten Ermittlern oder sonstigen Maßnah-
men im Zusammenhang mit der Beobachtung
rechtsextremer Strukturen und mit der Ver-
folgung und Aufklärung von durch diese be-
gangenen Straftaten gegen Rechtsvorschriften
verstoßen haben;
4. ob und inwiefern Thüringer Sicherheits- und
Justizbehörden und die mit ihnen zusammen-
arbeitenden Personen (so genannte menschli-
che Quellen) sowie die zuständigen Ministe-
rien rechtsextreme Strukturen und Personen
mangelhaft beobachtet und unzureichend
strafrechtlich oder im Rahmen der Gefahren-
abwehr gegen sie ermittelt und damit insbe-
sondere die Entstehung des ‚Nationalsozialis-
tischen Untergrunds’ ermöglicht oder begüns-
tigt haben;
5. ob und in welchem Maße unter Beachtung der
den Thüringer Sicherheits- und Justizbehör-
den tatsächlich vorliegenden Erkenntnisse
bzw. Erkenntnisse, die erlangt hätten werden
können, über Aufenthalt, Aktivitäten und
118) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/3969 vom
26. Januar 2012, zu Drucksache 5/3902, Bl. 1.
Drucksache 17/14600 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Straftaten durch Handeln oder Unterlassen
Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden
und der mit ihnen zusammenarbeitenden Per-
sonen (so genannte menschliche Quellen)
Straftaten, die dem ‚Nationalsozialistischen
Untergrund’ sowie dessen Unterstützern zu-
gerechnet werden, ermöglicht, begünstigt
oder erleichtert wurden;
6. ob und in welchem Maße durch Handeln oder
Unterlassen Thüringer Sicherheits- und Jus-
tizbehörden und mit ihnen zusammenarbei-
tender Personen (so genannte menschliche
Quellen) die Aufklärung und Verfolgung von
dem ‚Nationalsozialistischen Untergrund’
sowie dessen Unterstützern und seiner Netz-
werke zugerechneten Straftaten ver- oder be-
hindert worden ist;
7. ob alle rechtlichen und tatsächlich vorhande-
nen Möglichkeiten und Verpflichtungen zur
Aufklärung und damit Verhinderung von
Straftaten durch Thüringer Sicherheits- und
Justizbehörden in dem erforderlichen Maße
umgesetzt wurden;
8. ob und inwieweit Unzulänglichkeiten in der
Organisationsstruktur, bei der Ausübung der
den Thüringer Sicherheits- und Justizbehör-
den übertragenen Befugnisse, im Rahmen der
Dienst- und Fachaufsicht sowie im Rahmen
eines rechtlich gebotenen und zulässigen In-
formationsaustausches untereinander dazu
beigetragen haben, dass sich militante und
terroristische rechtsextreme Strukturen her-
ausbilden konnten, dass aus diesem Milieu
Straftaten begangen wurden sowie Maßnah-
men der Zielfahndung nach Mitgliedern des
‚Nationalsozialistischen Untergrundes’ er-
folglos blieben;
9. ob und in welchem Umfang Thüringer
Sicherheits- und Justizbehörden Kenntnis da-
rüber hatten, dass Sicherheitsbehörden des
Bundes und der Länder im Rahmen ihrer Tä-
tigkeit mit Mitgliedern rechtsextremer Struk-
turen in Thüringen nachrichtendienstlich zu-
sammenarbeiteten oder diese unterstützten
und wie durch Thüringer Sicherheits- und
Justizbehörden mit diesen Kenntnissen umge-
gangen wurde;
10. ob und inwieweit Unzulänglichkeiten in der
rechtlich gebotenen und zulässigen Zusam-
menarbeit zwischen Thüringer Sicherheits-
und Justizbehörden und Behörden des Bundes
und der Länder, einschließlich im Ausland,
mit dazu beigetragen haben, dass sich militan-
te und terroristische rechtsextreme Strukturen
herausbilden konnten und aus diesem Milieu
heraus Straftaten begangen wurden sowie
Maßnahmen der Zielfahndung nach Mitglie-
dern des ‚Nationalsozialistischen Untergrun-
des’ erfolglos blieben.
II. Der Untersuchungsausschuss soll gleichfalls
Schlussfolgerungen aus den Untersuchungs-
ergebnissen für zukünftige Maßnahmen zur
Stärkung der demokratischen Zivilgesell-
schaft und der Prävention von Rechtsextre-
mismus, die künftige Bekämpfung des
Rechtsextremismus, für eine verbesserte de-
mokratische und parlamentarische Kontrolle
der handelnden Behörden, für eine notwendi-
ge Neuorganisation der Sicherheitsbehörden
in Thüringen unter Beachtung bestehender
verfassungsrechtlicher Grenzen, einschließ-
lich der Änderung gesetzlicher Regelungen
und für die Verbesserung der Lage der tat-
sächlichen und potentiellen Opfer rechtsext-
remer und rassistischer Gewalt vorschlagen.
III. Zur Aufklärung des Untersuchungsgegen-
standes sind neben den zwingend einzubezie-
henden Beweismitteln auch alle Unterlagen,
Feststellungen und gewonnenen Erkenntnisse
der von der Thüringer Landesregierung ein-
gesetzten Untersuchungskommission (sog.
Schäfer-Kommission) sowie der so genannte
Gasser-Bericht hinzuzuziehen.
B. Der Thüringer Landtag erachtet nach bisher
vorliegendem Kenntnisstand auch die Beantwor-
tung folgender, sich aus dem Untersuchungsge-
genstand ergebender Fragen im Rahmen der Auf-
klärung des Untersuchungsauftrages für notwen-
dig, die der Untersuchungsausschuss in seine Ar-
beit insofern einbeziehen soll:
I. Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz
(TLfV):
1. Über welche Informationen verfügte das
TLfV über Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
durch die Beobachtung des ‚Thüringer Hei-
matschutzes’ (früher: ‚Anti-Antifa Ostthürin-
gen’) und der NPD seit dem Jahr 1994?
2. Welche Informationen wurden den Thüringer
Sicherheitsbehörden durch das führende Mit-
glied des ‚Thüringer Heimatschutzes’, Tino
Brandt, der bis zum Jahr 2001 Informant des
TLfV gewesen ist, über die drei Personen und
deren Aktivitäten zwischen 1994 und 2001
übermittelt?
3. Wann wurde der Hinweis auf Garagen in Je-
na, in denen Bombenattrappen von
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vermutet
wurden, an welche Behörden, Stellen oder
Personen weitergeleitet?
4. Wurden vor den Durchsuchungen am 26. Ja-
nuar 1998 Erkenntnisse des TLfV im Zu-
sammenhang mit den Aktivitäten des ‚Thü-
ringer Heimatschutzes’ und von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe an die Polizei und/oder
Justizbehörden weitergegeben und/oder Maß-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/14600
nahmen über das weitere Vorgehen mit diesen
abgesprochen?
5. Über welche Erkenntnisse verfügte das TLfV
über die Herkunft des am 26. Januar 1998 si-
chergestellten TNT sowie über die im Jahr
1997 in Jena aufgefundenen Sprengstoffe?
6. War das TLfV an dem Untertauchen der drei
Personen im Januar 1998 beteiligt oder in-
formiert? Wenn ja, wie und aus welchen Mo-
tiven? Wie wird dies auch rechtlich gerecht-
fertigt?
7. Gab es nach dem Untertauchen von
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Kenntnisse
oder Verdachtsmomente über tatsächliche
oder mögliche Aufenthaltsorte der Genann-
ten? Wenn ja, was wurde aufgrund solcher
Erkenntnisse oder Vermutungen im TLfV
veranlasst und inwieweit wurden solche
Kenntnisse oder Verdachtsmomente an ande-
re Behörden, Stellen oder Personen weiterge-
geben?
8. Wurden nach dem Untertauchen der Genann-
ten – unabhängig von den Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft und der Polizei – eigene
Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthalts
der genannten Personen eingeleitet und voll-
zogen? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundla-
ge beruhten diese Maßnahmen, wer hatte die-
se Maßnahmen angeordnet und welche ande-
ren Behörden, Stellen oder Personen wurden
über diese Maßnahmen in Kenntnis gesetzt?
9. Wurden Vertrauensleuten oder Gewährsper-
sonen in rechtsextremistischen Parteien oder
Kreisen Geld für die Übermittlung von In-
formationen und Hinweisen angeboten oder
gezahlt? Falls ja, welche Informationen er-
hielt das TLfV dadurch?
10. Hat das TLfV ein oder mehrere Exemplare
des so genannten Progromly-Spiels des NSU
erworben? Wenn ja, wie viele, zu welchem
Preis und zu welchem Zweck?
11. Sollte Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe oder
ihren Unterstützern ein Geldbetrag zum Er-
werb echter oder unechter Ausweisdokumente
zugeleitet werden? Wenn ja, warum sollten
die Genannten bei der Ausweisbeschaffung
unterstützt werden?
12. Über welche Kenntnis vom Aufenthalt der
drei gesuchten Personen verfügte das TLfV
zwischen 1998 und 2003?
13. Trifft es zu, dass Informationen über bzw.
Kenntnisse von Aufenthaltsorten von
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe überhaupt
nicht oder nur zeitverzögert an die Thüringer
Polizei und/oder die Justiz weitergeleitet
wurden?
14. Wurden Informationen über polizeiliche Er-
mittlungs- und Fahndungsmaßnahmen gegen
rechtsextremistische Parteien und Gruppie-
rungen an Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,
an Dritte oder Vertrauenspersonen der Ge-
nannten, insbesondere an Tino Brandt, wei-
tergegeben?
15. Bestanden seitens des TLfV nach dem Unter-
tauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschä-
pe direkt oder indirekt über Dritte Kontakt zu
einzelnen oder allen Genannten?
16. Verfügte das TLfV nach dem Untertauchen
von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über
Informationen, dass der V-Mann Tino Brandt
Kontakt zu den drei Flüchtigen hatte? Wenn
ja, ab wann waren dem TLfV diese Kontakte
bekannt, welche Maßnahmen hat es daraufhin
ergriffen und welche anderen Thüringer Be-
hörden, Stellen oder Personen wurden über
diese Kenntnisse unterrichtet?
17. Lagen dem TLfV Erkenntnisse darüber vor,
dass sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
den Strafverfolgungsbehörden stellen woll-
ten? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?
18. Hat Beate Zschäpe versucht, Kontakt mit dem
TLfV aufzunehmen und wenn ja, wann und
mit welchem Ergebnis?
19. Trifft es zu, dass das TLfV im Auftrag des
Thüringer Innenministeriums Untersuchungen
zur Informationsweitergabe durch Polizeibe-
dienstete an rechtsextremistische Parteien und
Gruppierungen vorgenommen hat?
20. Welche Mitarbeiter im TLfV waren für die in
den Fragen 1 bis 19 genannten Maßnahmen
und/oder Kontakte federführend zuständig
und inwiefern ist es dabei zu Unzulänglich-
keiten in der internen Organisation des TLfV
gekommen?
21. Inwieweit und zu welchen Zeitpunkten lagen
dem TLfV Hinweise oder Erkenntnisse über
den Geldbedarf der flüchtigen Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe sowie über Geldsamm-
lungen aus rechtsextremistischen Parteien,
Vereinigungen oder Netzwerken zur Unter-
stützung der Genannten vor? Inwieweit gab es
Überlegungen oder Aktivitäten des TLfV, den
Genannten oder Mittelspersonen Gelder zuzu-
leiten? Wenn ja, zu welchen Zeitpunkten und
zu welchem Zweck?
22. Über welche Kenntnisse verfügte das TLfV
hinsichtlich des Aufenthalts der drei gesuch-
ten Personen zwischen 2003 und 2011?
23. Inwieweit verfügte das TLfV vor dem No-
vember 2011 über Erkenntnisse oder Ver-
dachtsmomente, dass Böhnhardt, Mundlos
Drucksache 17/14600 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und/oder Zschäpe Banküberfälle und Morde
verübten?
24. Inwieweit ist es zutreffend, dass eine sich auf
ein Täterprofil stützende Anfrage in den Jah-
ren 2005/2006 der für die Aufklärung der Se-
rienmorde an Migranten gebildeten Sonder-
kommission ‚Bosporus’ an die Landesämter
für Verfassungsschutz vom TLfV unbeant-
wortet blieb, obwohl eine Übereinstimmung
von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mit
dem Täterprofil gegeben war?
25. Hat das TLfV versucht oder ist es ihm gelun-
gen, Böhnhardt, Mundlos und/oder Zschäpe
als V-Personen anzuwerben und zu führen?
Welche Erkenntnisse hat das TLfV sich da-
raus versprochen oder im Fall der Führung
dabei gewonnen? Welche Geldbeträge oder
Sachleistungen haben die Genannten, falls sie
oder Einzelne von ihnen als V-Personen ge-
führt worden sein sollten, dafür vom TLfV
erhalten?
26. Wurden – wenn ja, in welchem Zeitraum –
andere Personen aus dem Umfeld oder aus
Unterstützernetzwerken der Genannten als V-
Personen geführt? Falls ja, welche Erkennt-
nisse wurden von diesen über Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe dem TLfV übermittelt
und wie wurde damit umgegangen?
27. Lagen oder liegen dem TLfV Hinweise vor,
dass einzelne oder alle Genannten mögli-
cherweise V-Personen anderer Landesämter
für Verfassungsschutz oder des Bundesamtes
für Verfassungsschutz oder Kontaktpersonen
anderer Sicherheitsbehörden des Bundes ge-
wesen sind?
28. Nach welchen Kriterien hat das TLfV Perso-
nen ausgewählt, um sie bei den Genannten
selbst oder im Umfeld der drei Gesuchten als
V-Personen zu verorten?
29. Inwieweit und durch welche Maßnahmen
wurde vom TLfV sichergestellt, dass Füh-
rungspersonen von V-Personen keine eigene
ideologische Nähe zu rechtsextremem Ge-
dankengut besitzen?
30. Wann zum ersten Mal, in welcher Form, wie
oft in Folge und mit welchen Inhalten hat das
TLfV über seine Erkenntnisse zu den Aktivi-
täten von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,
deren Untertauchen und ihren möglichen
Aufenthaltsorten und Aktivitäten aus dem
Untergrund heraus das Thüringer Innenminis-
terium und andere Behörden, insbesondere
das Landeskriminalamt und die zuständige
Staatsanwaltschaft, in Kenntnis gesetzt?
31. Inwieweit hat das TLfV bei Maßnahmen in
Bezug auf Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
seine ihm im Thüringer Verfassungsschutzge-
setz eingeräumten Befugnisse überschritten?
32. Inwieweit war im TLfV nach dem Ausschei-
den des damaligen Präsidenten im Sommer
2000 gewährleistet, dass sämtliche Führungs-
aufgaben der Behörde weitergeführt werden
konnten und gegebenenfalls Kontakte des
TLfV über V-Personen in den NSU oder des-
sen Umfeld weiter genutzt werden konnten?
33. Inwieweit lagen dem TLfV Hinweise darauf
vor, dass Holger G. und Ralf Wohlleben nach
dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe mit diesen in Kontakt standen
und diese unterstützten? Wenn Hinweise vor-
lagen, wann wurden entsprechende Informa-
tionen an andere Thüringer Behörden oder an
Sicherheitsbehörden des Bundes und anderer
Länder weitergegeben?
34. Inwieweit sind dem TLfV Informationen über
den Verbleib von Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe oder über deren Unterstützung durch
Dritte von den Sicherheitsbehörden anderer
Länder übermittelt worden und welche Kon-
sequenzen sind daraus seitens des TLfV ge-
zogen worden?
35. In welcher Form ist das TLfV am laufenden
Ermittlungsverfahren beteiligt, hat versucht
sich selbst zu beteiligen oder hat versucht,
Einfluss darauf auszuüben?
36. Ergeben sich aus dem so genannten Gasser-
Bericht Mängel in Struktur und Arbeit des
TLfV, die Einfluss auf den Umgang mit
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe und den
zugehörigen Ermittlungen zu diesen Personen
und ihrem Umfeld gehabt haben?
37. Welche Folgen wurden aus dem so genannten
Gasser-Bericht personell und strukturell ge-
zogen?
II. Thüringer Polizei/Thüringer Landeskriminal-
amt und Thüringer Innenministerium
1. Welche Personen im Thüringer Innenministe-
rium hatten federführend Kenntnis über die
unter Nummer I Fragen 1 bis 19 genannten
Maßnahmen des TLfV und welchen Mitarbei-
tern des Thüringer Innenministeriums oblag
in den Jahren 1994 bis einschließlich 2011
federführend die Dienst- und Fachaufsicht
über das TLfV?
2. Wann zum ersten Mal, in welcher Form, wie
oft in Folge und mit welchen Inhalten hat das
TLfV über seine Erkenntnisse zu den Aktivi-
täten von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,
deren Untertauchen und ihren möglichen
Aufenthaltsorten und Aktivitäten aus dem
Untergrund heraus das Thüringer Innenminis-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/14600
terium und/oder das Landeskriminalamt in
Kenntnis gesetzt?
3. Inwieweit trifft es zu, dass in den Jahren nach
1998 ein Zugriff auf die untergetauchten
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe durch die
Polizeibehörden wiederholt daran scheiterte,
dass Adressen von vermuteten Wohnungen
zwar korrekt, aber nicht mehr aktuell gewesen
sind?
4. Trifft es zu, dass es seitens der eingesetzten
Zielfahnder eine oder mehrere Beschwerden
über (vermutete) Behinderungen bei der Er-
greifung von Böhnhardt, Mundlos und Zschä-
pe gab? Wenn ja, wie und mit welchem Er-
gebnis wurde solchen Beschwerden nachge-
gangen?
5. Trifft es zu, dass es im Jahr 2002 ein Ge-
spräch zwischen dem damaligen Innenstaats-
sekretär und dem damaligen Justizstaatssekre-
tär zu der Problematik gegeben hat, ob und
inwieweit es zur Beeinträchtigung von Fahn-
dungsmaßnahmen der Polizei nach
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gekommen
ist? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
6. Inwieweit trifft es zu, dass Zielfahnder des
Thüringer Landeskriminalamtes kurz nach
dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe diese drei Personen in Chemnitz
aufgespürt hatten, der Einsatz von Polizeibe-
amten zur Festnahme der drei Gesuchten be-
vorstand und dieser Einsatz erst im letzten
Moment abgebrochen worden ist? Wenn die-
ser Sachverhalt zutrifft: Welcher Amtsträger
in welcher Thüringer Behörde hat den Ab-
bruch des genannten Einsatzes angeordnet
und aus welchen Gründen erfolgte dies? Trifft
es zu, dass sich die am bevorstehenden Ein-
satz beteiligten Beamten über den Abbruch
beschwert haben? Falls ja, bei wem? Trifft es
zu, dass es daraufhin ein Gespräch zwischen
Vertretern des Thüringer Innenministeriums
und den betreffenden Beamten gegeben hat?
Zwischen welchen Beamten und welchen
Vertretern des Thüringer Innenministeriums
hat zu welchem Zeitpunkt ein solches Ge-
spräch stattgefunden?
7. Gab es im Thüringer Innenministerium und
im TLfV Bestrebungen, die für Rechtsextre-
mismus zuständige Abteilung im TLfV nach
dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe personell und logistisch zu ver-
stärken und Maßnahmen zur Beobachtung
rechtsextremer Parteien und Organisationen
in Thüringen durch das TLfV auszuweiten?
Aus welchen Gründen und auf wessen Ent-
scheidung wurden die genannten Maßnahmen
durchgeführt oder nicht durchgeführt?
8. In welchem Umfang wurden im Bereich der
Thüringer Polizei Akten über die Ermittlun-
gen zum Aufenthalt von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe wann und durch wen vernichtet?
III. Thüringer Staatsanwaltschaft und Thüringer
Justizministerium
1. Welche Informationen lagen der zuständigen
Staatsanwaltschaft bei der Beantragung des
Durchsuchungsbeschlusses für die drei Gara-
gen in Jena im Januar 1998 tatsächlich vor?
Warum wurde die Durchsuchung nicht mit
einer vorläufigen Ingewahrsamnahme ver-
bunden?
2. Was führte dazu, dass die rechtskräftig ge-
wordene Verurteilung des Böhnhardt zu einer
Jugendhaftstrafe im Januar 1998 noch nicht
zum Haftantritt oder zu einem Vollstre-
ckungshaftbefehl führte?
3. Aufgrund welcher Erwägungen gelangte die
Staatsanwaltschaft Gera seinerzeit zur Auf-
fassung, dass der Verdacht auf Bildung einer
terroristischen Vereinigung nach § 129a
Strafgesetzbuch im Fall der Handlungen von
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nicht erfüllt
sei?
4. Trifft es zu, dass der Generalbundesanwalt
nach Kenntnis der Landesregierung später in
einer separaten Prüfung ebenfalls diese
Rechtsauffassung vertreten hat?
5. Welche Maßnahmen wurden bis zum Eintritt
der Verjährung der Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe vorgeworfenen Straftaten von Seiten
der Thüringer Justizbehörden veranlasst, um
die Beschuldigten zu ergreifen?
6. Haben das TLfV und die Polizei die zuständi-
ge Staatsanwaltschaft über ihre Erkenntnisse
zu den Aktivitäten von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe, deren Untertauchen und ihren
möglichen Aufenthaltsorten und Aktivitäten
aus dem Untergrund informiert? Wenn ja,
wann und mit welchem Inhalt?
7. Haben die Gesuchten selbst oder über Dritte
angeboten, sich zu stellen? Wenn ja, wer hat
ein solches Angebot übermittelt, war es mit
Bedingungen verknüpft, aus welchen Grün-
den ist es nicht dazu gekommen? Gab es sei-
tens der Thüringer Justizbehörden Bestrebun-
gen oder Versuche, die Gesuchten zur Selbst-
gestellung zu bewegen? Wenn ja, in welcher
Form und mit welchem Ergebnis?
8. Trifft es zu, dass es im Jahr 2002 ein Ge-
spräch zwischen dem damaligen Innenstaats-
sekretär und dem damaligen Justizstaatssekre-
tär zu der Problematik gegeben hat, ob und
inwieweit es zur Beeinträchtigung von Fahn-
dungsmaßnahmen der Polizei nach
Drucksache 17/14600 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gekommen
ist? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
9. Welche weiteren Besprechungen hat es zwi-
schen Vertretern des Thüringer Justizministe-
riums und Vertretern des Thüringer Innenmi-
nisteriums bzw. zwischen ihnen nachgeordne-
ten Behörden (Generalstaatsanwaltschaft,
Staatsanwaltschaften, TLfV, Thüringer Lan-
deskriminalamt) nach dem Untertauchen von
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hinsichtlich
der Festnahme der genannten Personen gege-
ben?
10. Aus welchen Gründen, aufgrund welcher
Rechtsgrundlage und auf wessen Veranlas-
sung wurden Beweismittel, insbesondere
Rohrbomben oder Bauteile hiervon, sowie
Tonbänder, die im Zusammenhang mit dem
NSU und Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
stehen, im Jahr 2003 oder danach vernichtet?
11. Welche Personen im Bereich der Thüringer
Justizbehörden waren federführend an den
genannten Maßnahmen in den Jahren 1997
bis einschließlich 2011 beteiligt?“
Der Ausschuss konstituierte sich am 16. Februar 2012.
Zur Vorsitzenden bestellte der Ausschuss die Abgeordne-
te Dorothea Marx (SPD) und zur stellvertretenden Vorsit-
zenden die Abgeordnete Martina Renner (DIE
LINKE.).
119
Am 7. März 2013 hat der Ausschuss einen Zwischenbe-
richt vorgelegt.
120
Zum Zeitpunkt der nächsten Wahl in
Thüringen im Jahr 2014 soll die Arbeit des Ausschusses
beendet sein.
121
b) Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss des Deutschen Bundestages
Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages
und der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundes-
tages haben am 1. März 2012 eine gemeinsame Sitzung
durchgeführt, bei welcher die Möglichkeiten einer Koope-
ration zwischen den Ausschüssen erörtert worden sind.
122
Insbesondere ist ein gegenseitiges Teilnahmerecht an den
119) http://www.thueringer-landtag.de/landtag/gremien-und-
rechtsgrundlagen/sonstige-
gremien/untersuchungsausschuss_5_1/.
120) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/5810.
121) Protokoll über das Treffen von Mitgliedern des 2. Untersu-
chungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe natio-
nalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestages und
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus
und behördliches Handeln“ des Landtages Thüringen am
1. März 2012, Bl. 2.
122) Protokoll über das Treffen von Mitgliedern des 2. Untersu-
chungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe natio-
nalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestages und
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus
und behördliches Handeln“ des Landtages Thüringen am
1. März 2012.
Ausschusssitzungen, die Möglichkeit der gegenseitigen
Einsichtnahme in die Protokolle und ein Informationsaus-
tausch bezüglich der jeweils angeforderten Akten thema-
tisiert worden.
123
In seiner Sitzung vom 23. April 2012 hat der Untersu-
chungsausschuss des Thüringer Landtages auf der Grund-
lage eines Gutachtens der Landtagsverwaltung beschlos-
sen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss des Bundestages begrüßt werde.
124
Den Mit-
gliedern, deren Stellvertretern und den Mitarbeitern des
Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages
werde das Recht gewährt, an öffentlichen Sitzungen des
Thüringer Untersuchungsausschusses teilzunehmen. Für
nichtöffentliche und vertrauliche Sitzungen der Beweis-
aufnahme solle die Möglichkeit bestehen, ein Besuchs-
recht zur gewähren. Zutritt zu nichtöffentlichen und ver-
traulichen Beratungssitzungen könne nicht eingeräumt
werden. Dem Bundestagsuntersuchungsausschuss werde
die Möglichkeit eröffnet, die Sitzungsprotokolle des Thü-
ringer Untersuchungsausschusses in den Räumlichkeiten
des Landtages einzusehen. In Ausnahmefällen könne eine
Zusendung der Akten erfolgen. Von vertraulichen Sit-
zungsprotokollen werde lediglich ein Exemplar zur Ver-
fügung gestellt, welches nicht vervielfältigt werden dür-
fe.
125
Der Untersuchungsausschuss des Bundestages hat in
seiner Sitzung vom 10. Mai 2012 beschlossen, dem Thü-
ringer Untersuchungsausschuss die gleichen Möglichkei-
ten einzuräumen.
126
Die beiden Untersuchungsausschüsse haben sich gegen-
seitig die Protokolle über ihre Beweisaufnahmesitzungen
in digitaler Fassung zur Verfügung gestellt. Mitglieder
beider Ausschüsse haben einzelne Beweisaufnahmesit-
zungen des jeweils anderen Ausschusses besucht.
2. Sachsen
Der 3. Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landta-
ges „Neonazistische Terrornetzwerke Sachsens“ ist seit
dem 17. April 2012 tätig.
127
Seine Einsetzung wurde in
der 51. Sitzung des Sächsischen Landtages am 7. März
2012 auf dringlichen Antrag von Abgeordneten der Frak-
tionen DIE LINKE., SPD und GRÜNE gemäß Art. 54
Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen beschlos-
123) Protokoll über das Treffen von Mitgliedern des 2. Untersu-
chungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe natio-
nalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestages und
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus
und behördliches Handeln“ des Landtages Thüringen am
1. März 2012, Bl. 2 ff.
124) Schreiben des Thüringer Landtags vom 4. Mai 2012, A-Drs.
131.
125) Schreiben des Thüringer Landtags vom 4. Mai 2012, Bl. 2;
Beratungssitzung, Protokoll-Nr. 13 (nichtöffentliche Sitzung)
vom 10./11. Mai 2012, Bl. 14.
126) Beratungssitzung, Protokoll-Nr. 13 (nichtöffentliche Sitzung)
vom 10./11. Mai 2012, Bl. 14.
127) http://www.mdr.de/themen/nsu/folgen/nsu-u-
ausschuesse100_page-2_zc-ad1768d3.html.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/14600
sen.
128
Auftrag des Ausschusses ist zu ermitteln, inwie-
weit sächsische Behörden die Bildung oder das Untertau-
chen des NSU förderten bzw. welche Erkenntnisse den
sächsischen Sicherheitsbehörden zu welchen Zeitpunkten
vorlagen und wie diese verwertet wurden. Die erfolgten
Ermittlungen sollen nicht zuletzt unter rechtlichen Ge-
sichtspunkten und unter Beachtung möglicher Befugnis-
überschreitungen näher beleuchtet werden. Insbesondere
soll geprüft werden, ob die Landesbehörden durch Fehl-
verhalten und Fehlbewertungen die Aufklärung der Straf-
taten des NSU und das Auffinden des Trios erschwerten
oder die Bildung rechtsextremistischer Gruppierungen
begünstigten. Zusätzlich soll eine Darstellung von mögli-
chen Veränderungen der Sicherheitsstrukturen zur effek-
tiveren Bekämpfung rechter Gewalt sowie der Vermei-
dung von Leid für die Opfer und deren Angehörige erfol-
gen.
129
Der Untersuchungsausschuss soll untersuchen und aufklä-
ren:
„I. in Prüfung einer eventuellen Mitverantwor-
tung der Staatsregierung und der ihrer Fach-,
Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden
Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-
gen Behörden im Freistaat Sachsen die Um-
stände und Rahmenbedingungen für die Ent-
stehung und Entwicklung der als ‚Terrorzelle
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)’
bezeichneten neonazistischen Terrorgruppe,
deren personellen und organisatorischen Um-
feldes sowie etwaiger Unterstützungsnetz-
werke auf dem Territorium des Freistaates
Sachsen sowie das Ausmaß und die Folgen
des Agierens der Terrorgruppe ‚NSU’ sowie
sie unterstützender Netzwerke oder Einzel-
personen, insbesondere im Hinblick auf die
zurechenbare Begehung teils schwerster
Straftaten und sonstiger Rechtsverletzungen.
II. die Ursachen und Gründe sowie mögliche
Fehler und Versäumnisse der Staatsregierung
und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstauf-
sicht unterliegenden Sicherheits-, Justiz-,
Kommunal- und sonstigen Behörden im Frei-
staat Sachsen, die es ermöglichten oder mut-
maßlich sogar begünstigten, dass die Terror-
gruppe ‚NSU’, die ihr zuzurechnenden Unter-
stützernetzwerke und Einzelpersonen über ei-
nen so langen Zeitraum unerkannt und unge-
hindert gerade in Sachsen und von Sachsen
aus agieren und schwerste Straftaten begehen
konnten.
III. den jeweiligen Informations- und Erkenntnis-
stand der Staatsregierung und der ihrer Fach-,
Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden
Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-
128) Sächsischer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/8497.
129) http://www.mdr.de/themen/nsu/folgen/nsu-u-
ausschuesse100_page-2_zc-ad1768d3.html.
gen Behörden im Freistaat Sachsen zur Ter-
rorgruppe ‚NSU’, zu anderen mit dieser ggf.
kooperierenden neonazistischen Gruppierun-
gen, zu sie unterstützenden Personen und Or-
ganisationen sowie zu den der Terrorgruppe
‚NSU’ oder ihren Mitgliedern zuzurechnen-
den, zum Teil schwersten Straftaten und an-
deren Rechtsverletzungen sowie den diesbe-
züglichen Informations-, Erkenntnis- und Da-
tenaustausch mit den zuständigen Behörden
anderer Bundesländer oder des Bundes und
die jeweiligen Aktivitäten der zuständigen
sächsischen Sicherheits- und Justizbehörden
hinsichtlich dieser Personen, Netzwerke und
diesen zurechenbarer Straftaten, eingeschlos-
sen die kontinuierliche Unterrichtung bzw.
Inkenntnissetzung im Einzelfall der Staatsre-
gierung, deren Mitglieder bzw. der Vertreter
der zuständigen Staatsministerien hierüber
durch die jeweils handelnden Behörden.
IV. das Handeln oder mögliche Unterlassen sowie
etwaige Fehler und Versäumnisse der Staats-
regierung, deren Mitglieder bzw. der Vertre-
ter der zuständigen Staatsministerien bei der
rechtzeitigen Information, Unterrichtung oder
Übermittlung konkreter Erkenntnisse zur Ter-
rorgruppe ‚NSU’, zu anderen mit dieser ggf.
kooperierenden neonazistischen Gruppierun-
gen, zu sie unterstützenden Personen und Or-
ganisationen sowie zu den der Terrorgruppe
‚NSU’ oder ihren Mitgliedern sowie Unter-
stützern zuzurechnenden, zum Teil schwers-
ten Straftaten sowie den diesbezüglichen In-
formations-, Erkenntnis- und Datenaustausch
mit den zuständigen Behörden anderer Bun-
desländer oder des Bundes und die jeweiligen
Aktivitäten der zuständigen sächsischen
Sicherheits- und Justizbehörden hinsichtlich
dieser Personen, Netzwerke und diesen zure-
chenbarer Straftaten gegenüber dem Sächsi-
schen Landtag, insbesondere seinen zuständi-
gen Ausschüssen und besonderen parlamenta-
rischen Gremien (Parlamentarische Kontroll-
kommission [PKK], Parlamentarisches Kont-
rollgremium [PKG] und G10-Kommission
des Sächsischen Landtages).
V. etwaige konkrete Handlungen oder Unterlas-
sungen, mögliche Fehleinschätzungen,
Falschbewertungen sowie Versäumnisse der
Staatsregierung und der ihrer Fach-, Rechts-
und Dienstaufsicht unterliegenden Sicher-
heits-, Justiz-, Kommunal- und sonstigen Be-
hörden im Freistaat Sachsen, die die Bildung,
die Entwicklung und das Agieren der Terror-
gruppe ‚NSU’, der sie ggf. unterstützenden
Personen und Netzwerke sowie die Bildung,
die Entwicklung und das Agieren damit im
Zusammenhang stehender organisierter neo-
nazistischer Gruppen und Netzwerke begüns-
tigt, unterstützt oder gefördert bzw. die Auf-
Drucksache 17/14600 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
klärung, Verfolgung und Verhinderung von
diesen zurechenbaren teils schwersten Strafta-
ten und anderen Rechtsverletzungen er-
schwert oder zeitlich verschleppt haben.
VI. ggf. erforderliche Schlussfolgerungen hin-
sichtlich Struktur, Organisation, Zusammen-
arbeit, Befugnissen und Qualifizierung der
zuständigen Sicherheits-, Justiz-, Kommunal-
und sonstigen Behörden im Freistaat Sachsen
zur Einschätzung des Ausmaßes und der Ge-
fährlichkeit neonazistischer Strukturen im
Freistaat Sachsen und für eine effektive Be-
kämpfung rechter Gewalt und der sie tragen-
den Organisationen, Strukturen und Netzwer-
ke sowie mögliche diesbezügliche Empfeh-
lungen gegenüber dem Landtag und der
Staatsregierung.
Dazu sollen, bezogen jeweils auf den Zeitraum bis
zum 7. März 2012, insbesondere auch die nachfol-
gend aufgeführten Fragestellungen umfassend un-
tersucht, aufgeklärt und beantwortet werden:
1. Wann, auf welchem Weg, in welchen Zu-
sammenhängen und unter Übermittlung durch
welche Behörden und Stellen des Freistaates
Sachsen, des Bundes oder anderer Bundes-
länder erlangten die Staatsregierung und die
ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unter-
liegenden zuständigen Sicherheits-, Justiz-,
Kommunal- und sonstigen Behörden im Frei-
staat Sachsen konkrete Kenntnis davon, dass
Mitglieder der Terrorgruppe ‚NSU’ unter
Weiterführung bereits Ende der 90-er Jahre in
Thüringen unternommener schwerer Strafta-
ten nach dem bisherigen Erkenntnisstand in
den Jahren 2000 bis 2006 bundesweit zehn
Morde sowie Sprengstoff- und Brandanschlä-
ge, weitere zahlreiche Banküberfälle mit Waf-
fengewalt und andere schwere Rechtsverlet-
zungen begangen haben und dabei auf dem
Territorium des Freistaates Sachsen wohnhaft
waren bzw. von diesem aus operierten?
2. Über welche Informationen und Erkenntnisse
aufgrund eigener Aktivitäten und Maßnahmen
und/oder aufgrund der Übermittlung von In-
formationen, Hinweisen oder Mitwirkungser-
suchen durch Behörden anderer Bundeslän-
der, des Bundes oder aufgrund von Hinweisen
und Mitteilungen sonstiger Personen und Or-
ganisationen verfügten die Staatsregierung
und die ihrer Fach-, Rechts- und Dienstauf-
sicht unterliegenden zuständigen Sicherheits-,
Justiz-, Kommunal- und sonstigen Behörden
im Freistaat Sachsen zu welchem Zeitpunkt
zu den Personen Beate Zschäpe, Uwe
Böhnhardt und Uwe Mundlos sowie zu den
von diesen genutzten weiteren Identitäten
bzw. Aliasnamen, eingeschlossen die Infor-
mationen und Erkenntnisse zu den Vorgängen
und Hintergründen der Beschaffung und
Verwendung entsprechender Ausweis- und
Personaldokumente oder sonstiger Urkunden?
3. Inwieweit und in welcher Weise waren dabei
das Landesamt für Verfassungsschutz Sach-
sen (LfV Sachsen), das Landeskriminalamt
Sachsen (LKA Sachsen), der Polizeiliche
Staatschutz oder andere Behörden im Frei-
staat Sachsen, ggf. im Zusammenwirken mit
den zuständigen Behörden des Bundes oder
anderer Bundesländer, am ‚Untertauchen’
bzw. am Verbergen oder Tarnen von Beate
Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos
sowie weiterer mutmaßlicher Mitglieder und
Unterstützer der Terrorgruppe ‚NSU’ betei-
ligt, und aus welchen Motiven, mit dem Wis-
sen bzw. Zustimmung welcher vorgesetzten
Behörde oder welches die Aufsicht führenden
Staatsministeriums sowie auf welcher Recht-
grundlage und mit welcher rechtlichen Recht-
fertigung geschah dies?
4. Inwieweit, aus welchem Grund und Anlass, in
welchem Umfang, mit welchen Folgen und
mit welcher Rechtfertigung waren sächsische
Sicherheits- und Justizbehörden ggf. in die
Entstehung und den Aufbau sowie in die fi-
nanzielle, sachliche und organisatorische Un-
terstützung der Terrorgruppe ‚NSU’, deren
Mitglieder und Unterstützer sowie mit dieser
ggf. kooperierender neonazistischer und ande-
rer Strukturen, Organisationen und Vereine in
Sachsen und in anderen Bundesländern, ins-
besondere auch durch die von diesen Behör-
den geführten und genutzten sogenannten
Quellen bzw. Informationsgebern, Hinweis-
personen, Vertrauensleute, Gewährspersonen,
Auskunftspersonen oder andere Vertrauens-
personen (sog. Quellen und V-Leute) und
durch von diesen Behörden eingesetzte ver-
deckte Ermittler involviert?
5. Inwieweit wurden von Seiten des LfV Sach-
sen, des LKA Sachsen, des Polizeilichen
Staatsschutzes oder anderer Behörden in
Sachsen den von ihnen geführten sog. Quel-
len oder V-Leuten in neonazistischen und
rechten Strukturen, Organisationen, Vereinen
etc. Geldleistungen oder andere Vergünsti-
gungen seit dem Jahre 1998 generell sowie im
besonderen für die Übermittlung von Infor-
mationen und Hinweisen zu Uwe Mundlos,
Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sowie zu
anderen Mitgliedern und Unterstützern des
‚Thüringer Heimatschutzes’, später des
‚NSU’ und den mit dieser ggf. kooperieren-
den Gruppierungen, Organisationen und Ver-
einen angeboten oder gewährt, sowie welche
Informationen erhielten diese Behörden da-
durch?
6. Inwieweit und auf welcher Ministerial- oder
Behördenebene ist über die Einbeziehung des
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/14600
LfV Sachsen, des LKA Sachsen, des Polizei-
lichen Staatschutzes, des Mobilen Einsatz-
kommandos des damaligen Polizeipräsidiums
Chemnitz oder sonstiger Polizei-, Ermitt-
lungs- und Strafverfolgungsbehörden im Frei-
staat Sachsen in Maßnahmen der Zielfahn-
dung, Observation, Beobachtung und Über-
wachung bzw. in direkte und indirekte Ermitt-
lungshandlungen gegen die neonazistische
Terrorgruppe ‚NSU’ und deren Unterstützer-
umfeld entschieden worden, und in welcher
Weise wurde diese koordiniert sowie gegen-
über der Staatsregierung bzw. der für diese
die Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht verant-
wortenden Mitarbeiter der zuständigen
Staatsministerien beraten, abgesprochen und
ggf. unter Beachtung der Sachleitbefugnis der
Staatsanwaltschaft genehmigt?
7. Welche Informationen und Erkenntnisse auf-
grund welcher eigenen Maßnahmen und/oder
aufgrund von Übermittlungen und Hinweisen
durch Behörden anderer Bundesländer, des
Bundes sowie von Einzelpersonen, Organisa-
tionen und Strukturen hatten die Staatsregie-
rung und die ihrer Fach-, Rechts- und Dienst-
aufsicht unterliegenden Sicherheits-, Justiz-,
Kommunal- und sonstigen Behörden im Frei-
staat Sachsen zu welchem Zeitpunkt über et-
waige Unterstützer der Terrorgruppe ‚NSU’,
über Mitglieder der mit dieser ggf. kooperie-
renden neonazistischen Gruppierungen, über
Mitglieder und Unterstützer mit dem ‚NSU’
kooperierender weitere sonstiger Organisatio-
nen und Vereine sowie zu rechtsextremen und
rechtsextremistischen Personen, Kreisen oder
Organisationen und Vereinen, die mit der
Terrorgruppe ‚NSU’ bzw. deren Unterstüt-
zern in Verbindung standen bzw. von dieser
und ihrem Agieren Kenntnis hatten, und wie
wurden diese zur Aufklärung, Verfolgung
bzw. vorbeugenden Verhinderung von Straf-
taten sowie sonstigen Rechtsverstößen aufbe-
reitet und verwertet?
8. Welche Informationen, Erkenntnisse, Daten
und Hinweise zu den Mitgliedern der Terror-
gruppe ‚NSU’, zu deren Unterstützerumfeld,
zu diesem zurechenbaren rechtsextremisti-
schen und anderen Personen, Gruppierungen,
Organisationen und Vereinen haben die
Staatsregierung und die ihrer Fach-, Rechts-
und Dienstaufsicht unterliegenden Sicher-
heits-, Justiz-, Kommunal- und sonstigen Be-
hörden im Freistaat Sachsen zu welchen Zeit-
punkten an welche Behörden anderer Bundes-
länder oder des Bundes übermittelt oder an-
derweitig weitergegeben?
9. Welche Aktivitäten und Maßnahmen haben
die Staatsregierung und die ihrer Fach-,
Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden
Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-
gen Behörden im Freistaat Sachsen zu wel-
chen Zeitpunkten unternommen, vorbereitet
und realisiert, um die Mitglieder der Terror-
gruppe ‚NSU’ sowie deren Unterstützer aus
anderen neonazistischen Gruppierungen oder
über Mitglieder und Unterstützer mit dem
‚NSU’ kooperierender weitere sonstiger Or-
ganisationen und Vereine sowie Netzwerke
an der Planung, Vorbereitung und Durchfüh-
rung selbiger zurechenbarer teils schwerster
Straftaten zu hindern?
10. Welche Aktivitäten und Maßnahmen haben
die Staatsregierung und die ihrer Fach-,
Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden
Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-
gen Behörden im Freistaat Sachsen zu wel-
chen Zeitpunkten selbstständig, im Zusam-
menwirken oder in Abstimmung mit Behör-
den anderer Bundesländer oder des Bundes
unternommen und durchgeführt, um die allen
derzeit vorliegenden Kenntnissen nach von
den Mitgliedern der Terrorgruppe ‚NSU’ und
deren Unterstützern begangenen Straftaten
und deren Täter aufzuklären, zu ermitteln und
zu verfolgen?
11. Welche Rolle haben im Zusammenhang mit
der Terrorgruppe ‚NSU’, ihres Unterstützer-
netzwerks sowie ihres personellen und orga-
nisatorischen Umfelds seitens der zuständigen
sächsischen Behörden der Einsatz von nach-
richtendienstlichen Mitteln nach § 5 i.V.m.
§ 4 SächsVSG (Vertrauensleute, Gewährsper-
sonen, Observationen, heimliche Bild- und
Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere, Tarnkenn-
zeichen usw.), die Anwendung der in § 5a
SächsVSG geregelten besonderen Befugnisse
sowie bezogen auf beteiligte Polizei- und
Strafverfolgungsbehörden der Einsatz ver-
deckter Ermittler und sonstiger nicht offen
ermittelnder Beamter nach Maßgabe der
§§ 38, 39 SächsPolG und der Anlage D zur
RiStBV (Gemeinsame Richtlinien der Justiz-
minister/-senatoren und der Innenminister/-
senatoren des Bundes und der Länder über die
Inanspruchnahme von Informanten sowie
über den Einsatz von Vertrauenspersonen [V-
Personen] und Verdeckten Ermittlern) im
Rahmen der Strafverfolgung gespielt, auf
welcher rechtlichen und tatsächlichen Grund-
lage erfolgte dieser Einsatz jeweils und in-
wieweit wurde der Einsatz ausreichend kon-
trolliert und evaluiert?
12. In welcher Weise, in welchem Umfang und
mit welchen Folgen kam es ggf. im Umgang
mit bzw. bei der Beobachtung und Verfol-
gung der Terrorgruppe ‚NSU’, ihres Unter-
stützernetzwerks bzw. ihres sonstigen perso-
nellen und organisatorischen Umfeldes sowie
bei der Verfolgung und Aufklärung von durch
diesen Personenkreis begangener Straftaten
Drucksache 17/14600 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zu etwaigen Überschreitungen der der Staats-
regierung, den zuständigen Staatsministerien,
den jeweiligen Mitgliedern der Staatsregie-
rung sowie den Behördenleitern und Bediens-
teten der jeweils handelnden Sicherheits-, Jus-
tiz und anderen Behörden, sowie den von die-
sen eingesetzten verdeckten Ermittlern ge-
setzlich übertragenen Befugnisse sowie von
diesen durch Tun oder Unterlassen begangene
mögliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften
beim Einsatz, Führen und Beaufsichtigen von
sog. Quellen und V-Leuten?
13. Welche Erkenntnisse hatten ggf. die Staatsre-
gierung und die ihrer Fach-, Rechts- und
Dienstaufsicht unterliegenden Sicherheits-,
Justiz-, Kommunal- und sonstigen Behörden
im Freistaat Sachsen zu welchen Zeitpunkten
selbständig oder aus der Abstimmung und
dem Zusammenwirken mit Behörden anderer
Bundesländer oder des Bundes betreffs der
Beschaffung von Sprengstoffen, Waffen, fal-
schen oder illegalen echten Ausweispapieren
bzw. vergleichbaren Urkunden, verdeckten
Wohnungen sowie der Zahlung oder Entge-
gennahme von Geldmitteln durch die Terror-
gruppe ‚NSU’ zum einen, sie unterstützende
Personen, neonazistische Gruppierungen so-
wie sonstige Organisationen oder Vereine
zum anderen?
14. Welche Informationen und Erkenntnisse auf-
grund welcher eigenen Maßnahmen und/oder
aufgrund von Übermittlungen und Hinweisen
durch Behörden anderer Bundesländer, des
Bundes sowie von Einzelpersonen, Organisa-
tionen und Strukturen hatten die Staatsregie-
rung und die ihrer Fach-, Rechts-, und
Dienstaufsicht unterliegenden Sicherheits-,
Justiz-, Kommunal- und sonstige Behörden
im Freistaat Sachsen zu welchem Zeitpunkt
über Aufrufe, Anleitungen und Unterstützun-
gen zur Bildung weiterer terroristischer neo-
nazistischer Zellen ‚analog’ dem ‚NSU’ durch
neonazistische Gruppierungen, Organisatio-
nen und Vereine und deren Mitglieder und
sonstige rechtsextreme und rechtsextremisti-
sche Personen und Kreise sowie dazu, dass
aufgrund oder infolge etwaiger solcher Aufru-
fe und Anleitungen nachweislich Tötungsde-
likte, Sprengstoff- oder Brandanschläge bzw.
sonstige schwere Straftaten mit erwiesener
oder mutmaßlicher rechtsextremer Tatmotiva-
tion in Sachsen begangen wurden, und wie
wurden derartige Erkenntnisse bewertet oder
hätten sie zum damaligen Zeitpunkt sachge-
recht bewertet werden müssen?
15. Ist, und wenn ja, in welcher Weise und mit
welchen Folgen durch mögliches Handeln
oder Unterlassen sowie durch Maßnahmen
beteiligter sächsischer Behörden die Bildung,
die Straftatbegehung oder sonstiges rechts-
widriges Agieren der Terrorgruppe ‚NSU’
sowie deren möglichen Unterstützernetzwer-
ke begünstigt, ‚abgeschirmt’ oder gar geför-
dert worden?
16. Inwieweit und in welcher Art und Weise ha-
ben etwaige Aktivitäten und Maßnahmen der
gegenüber der Terrorgruppe ‚NSU’ und ihren
Unterstützernetzwerken handelnden sächsi-
schen Behörden die Aufklärung, Verfolgung
und die ggf. mögliche Verhinderung der allen
derzeit vorliegenden Kenntnissen nach von
der Terrorgruppe ‚NSU’ bzw. von deren Mit-
gliedern und Unterstützern begangenen Straf-
taten erschwert, behindert oder zeitlich ver-
schleppt?
17. Ob und inwieweit tragen die Staatsregierung
und deren Mitglieder bzw. maßgebliche Ve-
rantwortungsträger von Staatsministerien und
die ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht
unterliegenden Sicherheits-, Strafverfolgungs-
, Justiz-, und sonstigen Behörden im Freistaat
Sachsen dafür Verantwortung, dass Mitglie-
der und Unterstützer der Terrorzelle ‚NSU’
ggf. durch sächsische Behörden, insbesondere
seitens oder mit Unterstützung des LfV Sach-
sen bzw. den jeweiligen Behörden anderer
Bundesländer und des Bundes mit neuen
Identitäts-, Personal- und Ausweispapieren
sowie sonstigen Urkunden versorgt worden
sind, mithin dadurch zur Verschleierung ihrer
tatsächlichen Identität und ihrer Aufenthalts-
orte mit der Konsequenz fehlender
Ermittelbarkeit bzw. Begünstigung der Fort-
setzung der Begehung schwerster Straftaten
durch die Terrorgruppe beigetragen wurde?
18. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt lagen
der Staatsregierung und der ihrer Fach-,
Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden
Sicherheits-, Strafverfolgungs-, Justiz- und
sonstigen Behörden im Freistaat Sachsen
konkrete Anhaltspunkte und/oder Anknüp-
fungstatsachen für eine Strafverfolgungszu-
ständigkeit des Bundes bzw. auf Bundesebene
gemäß § 120 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GVG vor,
und in welcher Weise, und wem gegenüber
wurden dahingehend Maßnahmen mit wel-
chem Ergebnis eingeleitet?
19. Inwieweit und mit welchen Folgen erfolgte
möglicherweise eine Vernichtung oder Unter-
drückung von Beweismitteln, Erkenntnissen,
Informationen, Informations- und Hinweisge-
bern, Hinweisen, sonstigen Daten oder Unter-
lagen zu den Mitgliedern der Terrorgruppe
‚NSU’, deren personellem und organisatori-
schem Unterstützerumfeld sowie zu mit die-
ser Terrorgruppe ggf. kooperierender neona-
zistischer und anderer Gruppierungen, Perso-
nen, Organisationen und Vereine, die für die
Ermittlungen von Bedeutung hätten sein kön-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/14600
nen, durch sächsische Behörden, und inwie-
weit entsprach dies generell bzw. im Einzel-
fall den diesbezüglichen einschlägigen
Rechtsvorschriften?
20. Inwieweit sind durch die sächsischen Behör-
den, die mit der Beobachtung, Aufklärung,
Ermittlung oder sonstigen Untersuchung der
von der Terrorgruppe ‚NSU’ bzw. mit dieser
Terrorgruppe ggf. kooperierenden neonazisti-
schen und anderen Gruppierungen sowie
sonstigen Unterstützern begangene oder ge-
förderte Straftaten befasst waren, die nach
den einschlägigen bundes- und landesrechtli-
chen Vorschriften geltenden Unterrichtungs-
und Informationspflichten gegenüber dem
Sächsischen Landtag, insbesondere dessen
zuständigen Ausschüssen und den von diesem
gebildeten besonderen parlamentarischen
Gremien (Parlamentarische Kontrollkommis-
sion [PKK], Parlamentarisches Kontrollgre-
mium [PKG] und G10-Kommission des
Sächsischen Landtages) sowie gegenüber der
Staatsregierung oder den zuständigen Staats-
ministerien beachtet und eingehalten bzw. aus
welchen Gründen und aus welchen erkennba-
ren Ursachen heraus nicht erfüllt worden?
21. Inwieweit sind die Staatsregierung, deren
Mitglieder und die Vertreter der jeweils zu-
ständigen Staatsministerien ihrerseits in die-
sem Zusammenhang den diesbezüglich nach
Bundes- und Landesrecht bestehenden Infor-
mations- und Unterrichtungspflichten gegen-
über dem Sächsischen Landtag, den zuständi-
gen Ausschüssen des Landtages und den vom
Sächsischen Landtag gebildeten besonderen
parlamentarischen Kontrollgremien nachge-
kommen, oder aus welchen Gründen und aus
welchen erkennbaren Ursachen heraus sind
diese Unterrichtungen und Informationen un-
terblieben bzw. unterlassen worden?
22. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt ist die
seinerzeitige Parlamentarische Kontrollkom-
mission des 3. Sächsischen Landtages im
Rahmen der Unterrichtungspflichten nach
§ 17 SächsVSG von der Einbeziehung des
Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen
in die Beobachtung von Personen, die im
Verdacht der Vorbereitung bzw. des Versuchs
von Sprengstoffanschlägen und mithin terro-
ristischen, die freiheitlich-demokratische
Grundordnung gefährdenden Handlungen
standen, mit nachrichtendienstlichen Mitteln,
unterrichtet worden, bzw. aus welchen sach-
lich und rechtlich gerechtfertigten Gründen
unterblieb das, und welche Mitglieder der
Staatsregierung bzw. zuständige Vertreter von
Staatsministerien und andere maßgebliche
Behördenvertreter tragen hierfür persönlich
die Verantwortung?
23. Welche Schlussfolgerungen zur wirksamen
Bekämpfung rechter Gewalt und der sie tra-
genden Organisationen, Strukturen und
Netzwerke sowie für eine effektive Präventi-
on, Aufklärung, Verfolgung und Verhinde-
rung von Straftaten rechter Gewalt sind ggf.
in Bezug auf Struktur, Aufbau und Organisa-
tion der Sicherheits-, Strafverfolgungs- und
Justizbehörden des Freistaates Sachsen, für
deren Zusammenarbeit sowie für die Gewin-
nung und den Austausch von Erkenntnissen
und Informationen mit den zuständigen Be-
hörden anderer Bundesländer und des Bundes
zu ziehen?
24. Inwieweit sind von den jeweils handelnden
sächsischen Behörden bei der Beobachtung,
Aufklärung und Ermittlung sowie Verfolgung
von der Terrorgruppe ‚NSU’ und deren
Unterstützerumfeld zurechenbaren Straftaten
die Rechte und schützenswerten Interessen
der betroffenen Opfer bzw. deren Hinterblie-
benen berücksichtigt worden, und welche
diesbezüglichen Schlussfolgerungen zur künf-
tigen Vermeidung und Begrenzung des Lei-
des der Opfer von Straftaten rechter Gewalt
bzw. der Angehörigen der von rechter Gewalt
Betroffenen sind hieraus zu ziehen?“130
Der sächsische Untersuchungsausschuss umfasst 19 Mit-
glieder, wobei der Vorsitz durch Patrick Schreiber (CDU)
und der stellvertretende Vorsitz durch Klaus Bartl (DIE
LINKE.) übernommen wurde.
131
Ein Bericht des Sächsischen Untersuchungsausschusses
ist noch nicht vorgelegt worden.
132
3. Bayern
Die Vollversammlung des Bayerischen Landtages hat am
4. Juli 2012 gemäß Art. 25 der Bayerischen Verfassung
den Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus in Bay-
ern – NSU“ eingesetzt.133 Der Ausschuss hat den Auftrag
erhalten zu ermitteln, inwieweit eine Fehleinschätzung
bayerischer Sicherheits- und Justizbehörden bezüglich der
Beobachtung rechtsextremistischer Strukturen und Aktivi-
täten in Bayern vorlag und ob diese die Bildung der
Gruppierung NSU begünstigte. Es sollte das Vorliegen
eines Fehlverhaltens hinsichtlich der Verfahren zur Er-
mittlung der Täter der Mordanschläge des NSU in Bayern
geprüft und Möglichkeiten für die Verbesserung der Be-
kämpfung rechtsextremistischer Gruppierungen und Akti-
vitäten sowie zur Optimierung der Ermittlungsverfahren
130) Sächsischer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/8497.
131) http://www.landtag.sachsen.de/de/landtag/ausschuesse/
ausschuss.do/35.
132) http://www.mdr.de/themen/nsu/folgen/nsu-u-
ausschuesse100_page-2_zc-ad1768d3.html.
133) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150
vom 4. Juli 2012, Bl. 1,
https://www.bayern.landtag.de/de/482_9270.php.
Drucksache 17/14600 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sowie der Zusammenarbeit der Sicherheits- und Justizbe-
hörden Bayerns und des Bundes geschlussfolgert wer-
den.
134
Außerdem sollte der Umgang der Ermittler mit
Angehörigen beleuchtet werden.
135
Der Untersuchungsauftrag
136
lautete:
„A. Welche rechtsextremistischen Strukturen und
Aktivitäten sind im Zeitraum vom 01.01.1994
bis 04.07.2012 in Bayern und länderübergrei-
fend festgestellt worden und welche Maß-
nahmen haben bayerische Sicherheitsbehör-
den hiergegen mit welchen Ergebnissen er-
griffen?
1. Rechtsextremistische Aktivitäten in Bayern
im Untersuchungszeitraum
1.1. Welche Erkenntnisse über Art und Umfang
rechtsextremistischer Aktivitäten in Bayern
und über ein eventuelles Zusammenwirken
bayerischer Rechtsextremisten mit Rechtsext-
remisten in anderen Bundesländern lagen
welchen bayerischen Sicherheits- und Justiz-
behörden im Untersuchungszeitraum vor?
1.2. Wie viele und welche Strafverfahren wegen
rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher
Straftaten gab es im Untersuchungszeitraum
in Bayern, in wie vielen Fällen führten diese
Verfahren zu Verurteilungen, wie viele Ver-
fahren wurden eingestellt und aufgrund wel-
cher Kriterien wird ein rechtsextremistischer
oder fremdenfeindlicher Hintergrund ange-
nommen?
1.3. Wie wurde die Gefahr des Rechtsextremis-
mus in Bayern im Untersuchungszeitraum
seitens der Staatsregierung eingeschätzt und
welche Maßnahmen sind ergriffen worden,
um der Gefahr zu begegnen?
1.4. Welche Erkenntnisse hatten das BayLfV und
ggf. bayerische Polizeibehörden seit dem Jahr
1994 über die mutmaßlichen Täter der zwi-
schen 2000 und 2007 begangenen Mordan-
schläge bis zu deren Untertauchen im Januar
1998 und anschließend bis zur Festnahme ei-
ner mutmaßlichen Mittäterin am 08.11.2011
und über eventuelle Unterstützer und Sympa-
thisanten in Bayern?
1.5. Welche Erkenntnisse über Diskussionen in
der rechtsextremistischen Szene über die
Aufnahme des bewaffneten Kampfes und die
Herausbildung eines rechtsextremistischen
Terrorismus und die typischen Merkmale
134) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150
vom 4. Juli 2012, Bl. 1.
135) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150
vom 4. Juli 2012, Bl. 2.
136) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150
vom 4. Juli 2012, Bl. 2 ff.
rechtsterroristischer Handlungen hatten baye-
rische Sicherheits- und Justizbehörden ein-
schließlich der zuständigen Ministerien, der
Staatskanzlei und der politischen Entschei-
dungsträgerinnen und -träger vor dem Beginn
der Mordanschläge im September 2000 in
Bayern und welche diesbezüglichen Erkennt-
nisse haben sie seither und zu welchem Zeit-
punkt gewonnen?
1.6. Wie oft, bei welchen Treffen und mit welchen
Ergebnissen hat sich die Ständige Konferenz
der Innenminister (IMK) seit dem Untertau-
chen der mutmaßlichen Täter der Mordan-
schläge im Januar 1998 bis zum November
2011 mit dieser Thematik befasst?
1.7. Welche zusätzlichen und neuen Erkenntnisse
haben bayerische Sicherheitsbehörden seit
dem 04.11. 2011 über die Mitglieder des NSU
und ihre Unterstützer auf welchem Wege ge-
wonnen?
2. Wie gestaltete sich im Untersuchungszeit-
raum die Zusammenarbeit von Sicherheits-
und Justizbehörden sowie zwischen den je-
weils vorgesetzten Dienststellen bei der Be-
kämpfung von Rechtsextremismus und der
Verfolgung rechtsextremistisch motivierter
Straftaten?
2.1. Wie gestaltete sich im Einzelnen die Beach-
tung des Trennungsgebots und die Notwen-
digkeit der Zusammenarbeit zwischen den
Dienststellen der Polizei und Verfas-
sungsschutzbehörden sowie zwischen den je-
weils vorgesetzten Dienststellen?
2.2. Wie gestaltete sich im Untersuchungszeit-
raum die Zusammenarbeit zwischen dem
BayLfV und den Verfassungsschutzämtern
des Bundes und der Länder und den weiteren
Nachrichtendiensten des Bundes?
2.3. Welche Berichtspflichten obliegen dem
BayLfV gegenüber dem StMI und inwieweit
nimmt das StMI Einfluss auf die Arbeit und
Schwerpunktsetzung des BayLfV?
2.4. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwi-
schen der jeweils zuständigen Staatsanwalt-
schaft (StA) und ihren Ermittlungsbeamten?
2.5. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwi-
schen der jeweils örtlich zuständigen StA und
vorgesetzten Dienststellen?
2.6. Welche gesetzlichen Grundlagen und internen
Dienstanweisungen bestanden im Untersu-
chungszeitraum für die Abgabe von Ermitt-
lungsverfahren an den GBA und für die Zu-
ständigkeit des BKA und gab es im Zusam-
menhang mit dem Untersuchungsgegenstand
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Po-
lizeibehörden, den Staatsanwaltschaften und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/14600
dem GBA hierüber und falls ja, wegen wel-
cher Fragen?
2.7. Welche Dateien werden von welchen Sicher-
heits- und Justizbehörden im Zusammenhang
mit Rechtsextremismus bzw. rechtsextremis-
tisch motivierten Straftaten geführt?
2.8. Über welche Erkenntnisse des BfV und des
Militärischen Abschirmdienstes (MAD) über
den Aufenthalt und die Aktivitäten von Mit-
gliedern oder mutmaßlichen Unterstützern des
NSU in Bayern sind welche bayerischen
Sicherheitsbehörden wann unterrichtet wor-
den?
2.9. Welche Kenntnisse hatten bayerische Sicher-
heitsbehörden über den Hintergrund und die
Ergebnisse der Operation ‚Rennsteig’, die zu
Verbindungen von Rechtsextremisten zwi-
schen Thüringen, Bayern und Soldaten einer
bayerischen Kaserne durchgeführt wurde und
bei der der MAD eingebunden war?
B. Mordanschläge in Bayern
1. Welche Erkenntnisse haben welche bayeri-
schen Sicherheits- und Strafverfolgungsbe-
hörden sowie die jeweils vorgesetzten Dienst-
stellen und die Staatsregierung seit dem Un-
tertauchen der mutmaßlichen Täter
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe am
26.01.1998 über diese Personen erlangt und
welche Aktivitäten haben sie daraufhin ent-
wickelt?
1.1. Wann haben welche bayerischen Sicherheits-
und Strafverfolgungsbehörden von wem und
wie Kenntnis von dem Untertauchen der o. g.
Personen und von dem gegen sie gehegten
Verdacht der Vorbereitung von Sprengstoff-
anschlägen erlangt und welche Behörde hat
daraufhin welche Maßnahmen ergriffen?
1.2. Welche Erkenntnisse hatten das BayLfV und
bayerische Polizeibehörden über die Zusam-
menarbeit zwischen den Organisationen ‚Thü-
ringer Heimatschutz’ und ‚Fränkischer Hei-
matschutz’ und die in diesen Organisationen
tätigen Personen und über ihre eventuellen
Verbindungen zu den mutmaßlichen Tätern
der Mordanschläge und deren Unterstützern?
1.3. Mit welchen Mitteln hat das BayLfV ab dem
26.01.1998 Informationen über die unterge-
tauchten Personen und ggf. ihre Unterstützer
in Bayern gesammelt und welche Erkenntnis-
se konnten dadurch gewonnen werden?
1.4. Hatte das BayLfV Kontakt zu dem als ‚Quelle
2045’ bzw. ‚Quelle 2150’ des Thüringischen
Landesamts für Verfassungsschutz bezeichne-
ten V-Mannes Tino Brandt, insbesondere
während seines Aufenthalts in Bayern und
falls ja, welche Informationen hat das
BayLfV von ihm vor und nach dem
26.01.1998 insbesondere über den Verbleib
der untergetauchten Personen und ihrer
Unterstützer in Bayern erhalten?
1.5. Hatten bayerische Sicherheitsbehörden
Kenntnis von den Aktivitäten des bekennen-
den Neonazis Gerhard Ittner, der wenige Tage
vor dem ersten Mordanschlag in Nürnberg u.
a. ein Flugblatt mit dem Text ‚1. September
2000, von jetzt an wird zurückgeschossen’
verteilt hat?
1.6. Hatten bayerische Sicherheitsbehörden
Kenntnisse über die Verbindungen des Verle-
gers Peter Dehoust zu den Untergetauchten
und eventueller Geldzahlungen für und an die
Gesuchten?
1.7. Welche Informationen hatten bayerischen
Sicherheitsbehörden über die jetzt nachträg-
lich den mutmaßlichen Tätern des NSU zu-
geordneten Überfälle und die jeweilige Vor-
gehensweise der Täter?
1.8. Trifft es zu, dass das BayLfV am 06.10.2003
ein Schreiben des Thüringer Landesamts für
Verfassungsschutz an das BfV zur Vorberei-
tung einer Tagung mit dem Thema ‚Gefahr
der Entstehung weiterer terroristischer Struk-
turen in der BRD’ nachrichtlich erhalten hat
und dass in diesem Zusammenhang der Fall
der seit dem 26.01.1998 untergetauchten Per-
sonen erwähnt worden ist?
2. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen
Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
sowie ihre jeweils vorgesetzten Dienststellen
und die Staatsregierung nach dem ersten
Mordanschlag vom 09.09.2000 in Nürnberg
(Opfer: Enver Simsek) entwickelt?
2.1. Wer war bei der StA Nürnberg-Fürth zustän-
dig für die Ermittlungen zur Aufklärung des
Mordes an Enver Simsek?
2.2. Wie war die Sonderkommission (SoKo)
‚SIMSEK’ beim Polizeipräsidium Mittelfran-
ken personell besetzt?
2.3. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenaus-
wertung, Zeugenbefragung, Rasterfahndun-
gen, TKÜ, Einsatz verdeckter Ermittler etc.)
sind ergriffen worden und mit welchem Er-
gebnis?
2.4. Hat die StA über die Ermittlungen an den
GenStA berichtet und sind von dort Weisun-
gen zu den Ermittlungen erteilt oder Hinweise
gegeben worden und falls ja, mit welchem In-
halt?
2.5. Hat die SoKo ‚SIMSEK’ an das LKA und das
StMI berichtet und falls ja, wer war dort zu-
ständig und sind Weisungen zu den polizeili-
chen Ermittlungen erteilt oder Hinweise ge-
Drucksache 17/14600 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
geben worden und falls ja, mit welchem In-
halt?
2.6. Wer hatte im StMI, beim LKA, bei der SoKo
‚SIMSEK’ und bei der StA Nürnberg-Fürth
Kenntnis von der handschriftlichen Anmer-
kung ‚Bitte genau berichten. Ist ausländer-
feindlicher Hintergrund denkbar?’ des dama-
ligen StMI Dr. Beckstein am Rande eines Zei-
tungsartikels erhalten und wie haben das
StMI, die Polizeibehörden und die StA hie-
rauf reagiert und trifft es zu, dass der damali-
ge StMI Dr. Beckstein im Jahr 2006 noch
einmal eine entsprechende handschriftliche
Anmerkung auf einen Pressebericht gesetzt
hat?
2.7. Hat sich die SoKo ‚SIMSEK’ wegen der
Aufklärung des Mordes an das BayLfV ge-
wandt und falls ja, mit welchem Ansinnen
und falls nein, warum nicht?
2.8. Hat sich das BayLfV nach dem Mordanschlag
vom 09.09.2000 in Nürnberg auf eigene Initi-
ative, ohne entsprechende Anfrage der SoKo
‚SIMSEK’ um Informationen über einen
eventuellen rechtsextremistischen und/oder
ausländerfeindlichen Hintergrund des Mordes
bemüht und falls ja, auf Grund welcher Um-
stände und mit welchen Ergebnissen und wie
sind ggf. die Erkenntnisse verwertet worden?
3. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen
Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
sowie die jeweils vorgesetzten Dienststellen
und die Staatsregierung nach den Mordan-
schlägen vom 13.06.2001 in Nürnberg (Op-
fer: Abdurrahim Özüdoğru) und vom
29.08.2001 in München (Opfer: Habil Kilic)
sowie den weiteren Mordanschlägen vom
27.06.2001 in Hamburg und vom 25.02.2004
in Rostock entwickelt?
3.1. Wer war bei den Staatsanwaltschaften Nürn-
berg-Fürth und München I zuständig für die
Ermittlungen zur Aufklärung der Morde an
Abdurrahim Özüdoğru und Habil Kilic?
3.2. Wie waren die Soko ‚Schneider’ beim PP
Mittelfranken und die Mordkommission 5 der
Münchner Kriminalpolizei jeweils personell
besetzt?
3.3. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenaus-
wertung, Zeugenbefragung, Rasterfahndun-
gen, TKÜ, Einsatz verdeckter Ermittler etc.)
sind ergriffen worden und mit welchem Er-
gebnis?
3.4. Was haben die objektiven Spuren und Zeu-
genbefragungen ergeben?
3.5. Trifft es zu, dass im September 2001 in Mün-
chen eine Besprechung zwischen den in
Nürnberg und München ermittelnden Polizei-
beamten, der StA Nürnberg-Fürth, Vertretern
des BKA und des StMI stattgefunden hat und
falls ja, wer hat daran teilgenommen, welche
Inhalte wurden besprochen und welche Ab-
sprachen über die Ermittlungsmaßnahmen
sind hierbei getroffen worden?
3.6. Aus welchen Gründen wurde ab dem
01.09.2001 beim PP Mittelfranken eine neue
Soko ‚Halbmond’ geschaffen, wie kam es zu
der Namensfindung, was war ihre Aufgabe
und inwieweit sind die bisherigen Mitarbeiter
der Soko ‚SIMSEK’ und der Soko ‚Schnei-
der’ in der neuen Soko ‚Halbmond’ tätig ge-
worden?
3.7. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit
der nach dem Mordanschlag vom 27.06.2001
in Hamburg dort gebildeten Soko ‚061’ und
wer hat entschieden, dass die Soko ‚Halb-
mond’ die Arbeit der Tatortdienststellen in
Nürnberg, München und Hamburg koordi-
niert und aus welchen Gründen?
3.8. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwi-
schen den an den jeweiligen Tatorten in
Nürnberg, München und Hamburg zuständi-
gen Staatsanwaltschaften und inwieweit ha-
ben die Staatsanwaltschaften die Ermitt-
lungsmaßnahmen koordiniert?
3.9. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Einsatz ver-
deckter Ermittler, TKÜ, Rasterfahndung etc.)
sind von der Soko ‚Halbmond’ ergriffen wor-
den und welche Ergebnisse haben sie jeweils
erbracht?
3.10. Welche Konsequenzen haben die Sokoen und
die Staatsanwaltschaften gezogen, nachdem
festgestellt worden war, dass die drei Morde
in Bayern und der Mord in Hamburg mit der-
selben Tatwaffe begangen worden sind?
3.11. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden,
um die Herkunft der Tatwaffe aufzuklären?
3.12. Welche Erkenntnisse sprachen dafür, als Tä-
ter der bis dahin vier Mordanschläge eine in-
ternational agierende kriminelle Vereinigung
zu vermuten?
3.13. Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für
die Übernahme der vier Ermittlungsverfahren
durch das BKA vor und falls ja, warum sind
die Verfahren nicht abgegeben worden?
3.14. Haben nach den vier Mordanschlägen Ge-
spräche mit dem BKA und ggf. dem GBA zur
Übernahme der Ermittlungen stattgefunden
und falls ja, auf wessen Initiative, wer hat da-
ran teilgenommen und wer hat entschieden,
dass die Verfahren nicht abgegeben werden?
3.15. Lagen der Soko ‚Halbmond’ Informationen
über die jetzt nachträglich den mutmaßlichen
Tätern des NSU zugeordneten Überfälle vor?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/14600
3.16. Hat sich das BayLfV nach den drei Mordan-
schlägen in Bayern auf Personen türkischer
Herkunft auf eigene Initiative, ohne entspre-
chende Anfrage der Soko ‚Halbmond’ um In-
formationen über einen eventuellen rechtsext-
remistischen und/oder ausländerfeindlichen
Hintergrund der Morde bemüht und falls ja,
auf Grund welcher Umstände und mit wel-
chen Ergebnissen und wie sind ggf. die Er-
kenntnisse verwertet worden?
3.17. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit der
Soko ‚Halbmond’ mit dem BayLfV und ande-
ren Nachrichtendiensten?
3.18. Hatte die Soko ‚Halbmond’ Kenntnis von
dem Bombenanschlag vom 09.06.2004 in
Köln und falls ja, welche Hinweise gab es,
dass hinter den Mordanschlägen und dem
Bombenanschlag von Köln die gleichen Täter
stecken könnten und wie wurden die Hinwei-
se in den Ermittlungsverfahren wegen der
Mordanschläge verwertet?
4. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen
Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
sowie die vorgesetzten Dienststellen und die
Staatsregierung nach den Mordanschlägen
vom 09.06.2005 in Nürnberg (Opfer: Ismail
Yasar) und vom 15.06.2005 in München (Op-
fer: Theodorus Boulgarides) und den weiteren
Mordanschlägen vom 04.04.2006 in Dort-
mund, vom 06.04.2006 in Kassel und vom
25.04.2007 in Heilbronn entwickelt?
4.1. Wer war bei der StA München I zuständig für
die Ermittlungen zur Aufklärung des Mordes
an Theodorus Boulgarides?
4.2. Wie war die Soko ‚Theo’ bei der Münchner
Kriminalpolizei personell besetzt?
4.3. Wie kam es zu der Einrichtung der Besonde-
ren Aufbauorganisation (BAO) ‚Bosporus’ ab
dem 01.07.2005 beim PP Mittelfranken, wel-
che Zuständigkeiten und Befugnisse hatte sie
und wie kam es zu der Namensfindung?
4.4. Wie ist die BAO ‚Bosporus’ vorgegangen,
um die bisherigen Ermittlungen zu den fünf
Mordanschlägen in Bayern zu optimieren und
welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenaus-
wertung, Zeugenbefragung, Rasterfahndun-
gen, TKÜ; Einsatz verdeckter Ermittler etc.)
hat sie konkret ergriffen und mit welchen Er-
gebnissen?
4.5. Trifft es zu, dass alle bisherigen Erkenntnisse
der einzelnen Sonderkommissionen in ein
einheitliches Fallerfassungssystem eingege-
ben worden sind und dass hierfür ein Zeit-
aufwand von etwa einem halben Jahr erfor-
derlich war?
4.6. Trifft es zu, dass bei Europol, Interpol und
dem FBI wegen eventueller weiterer Fälle mit
ähnlicher Tatbegehung nachgefragt worden
ist und falls ja, mit welchen Ergebnissen?
4.7. Welche der für die einzelnen Tatorte zustän-
digen Staatsanwaltschaft hat nach der Ein-
richtung der BAO ‚Bosporus’ die Ermitt-
lungsverfahren übernommen, wie war sie per-
sonell besetzt?
4.8. Wie viele Dienstbesprechungen zwischen der
BAO ‚Bosporus’, dem StMI, dem BKA
und/oder den beteiligten Staatsanwaltschaften
haben seit dem Mordanschlag vom
15.06.2005 in München wann stattgefunden,
welche Inhalte und Ergebnisse hatten diese,
wer hat hierzu jeweils eingeladen und wer hat
daran teilgenommen?
4.9. Waren die Ermittlungsverfahren auch Gegen-
stand der IMK oder ihrer Arbeitskreise im
Jahr 2005 und falls ja, mit welchen genauen
Besprechungsinhalten und Ergebnissen?
4.10. Aufgrund welcher Umstände ist das Polizei-
präsidium München in der ersten Operativen
Fallanalyse (OFA) vom August 2005 zu der
Annahme gelangt, dass eine kriminelle Orga-
nisation Urheberin der Mordanschläge sein
könnte?
4.11. Wurden bayerischen Ermittlungsbehörden
darüber informiert, dass sich im Zusammen-
hang mit dem Mord an Halit Yozgat in Kassel
am 06.04.2006 ein Mitarbeiter des hessischen
Verfassungsschutzes im Nebenraum des Ta-
torts aufgehalten hatte, wenn ja wann, und
welche Schritte wurden daraufhin eingeleitet?
4.12. Wann hat die BAO ‚Bosporus’ erstmals mit
welchen Verfassungsschutzbehörden Kontakt
aufgenommen und mit welchem Ersuchen
(Informationen über die Opfer und ihr Umfeld
oder über die möglichen Täter)?
4.13. Trifft es zu, dass das BfV auf die Bitte der
BAO ‚Bosporus’ vom 17.02.2006, einen An-
sprechpartner zu benennen, nie geantwortet
hat?
4.14. Trifft es zu, dass die BAO ‚Bosporus’, nach-
dem das BayLfV lange Zeit keine Daten über
Rechtsextremisten aus dem Raum Nürnberg
geliefert hatte, auf sog. ‚Staatsschutzdaten’
zurückgegriffen hat und falls ja, nach welchen
Kriterien werden sog. ‚Staatsschutzdaten’ von
welcher Behörde auf welcher Rechtsgrundla-
ge erhoben und sind im konkreten Fall ent-
sprechende Daten ausgewertet worden und
falls ja, mit welchem Ergebnis?
4.15. Aus welchen Gründen ist im Dezember 2005
von wem eine weitere OFA in Auftrag gege-
ben worden, wann ist sie vorgelegt worden
Drucksache 17/14600 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und auf Grund welcher Umstände ist in dieser
OFA die Theorie vertreten worden, Urheber
der Mordanschläge könne auch ein ‚missi-
onsgeleiteter’ Einzeltäter mit Hass auf Aus-
länder, im speziellen auf Türken, sein?
4.16. Hat die Staatsanwaltschaft geprüft, ob bei der
Weiterverfolgung der Annahme, es könne
sich um einen Täter mit ggf. rechtsextremisti-
schem Hintergrund handeln, die Zuständig-
keit des Generalbundesanwalts (GBA) gege-
ben wäre und falls ja, mit welchem Ergebnis
und falls nein, warum nicht?
4.17. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden,
um der Vermutung nachzugehen, Urheber der
Mordanschläge könne ein ‚missionsgeleiteter‘
Einzeltäter sein?
4.18. Trifft es zu, dass auf Initiative des BKA im
März 2006 in Fürth und am 19.04.2006 in
Kassel Strategiebesprechungen stattgefunden
haben und falls ja, wer hat seitens der bayeri-
schen Sicherheits- und Justizbehörden daran
teilgenommen, welche Inhalte hatten diese
und welche Ergebnisse haben die Bespre-
chungen erbracht?
4.19. Welche Vereinbarungen zur Zuständigkeit
und zur Stoßrichtung der weiteren Ermitt-
lungsarbeit sind bei der IMK vom 04.05.2006
getroffen worden und aus welchen Erwägun-
gen?
4.20. Aus welchen Gründen ist von wem kurz nach
Vorlage der zweiten OFA eine weitere OFA
beim LKA Baden-Württemberg in Auftrag
gegeben worden, wann ist diese vorgelegt
worden und welchen Inhalt hatte sie?
4.21. Trifft es zu, dass zur Information der Öffent-
lichkeit eine Medienstrategie entwickelt wor-
den ist und falls ja, welchen Inhalt und wel-
che Zielrichtung hatte diese?
4.22. Wer war Adressat des Schreibens des US
Department of Justice/FBI aus dem Jahr
2007, wie kam es zu diesem Schreiben und
haben bayerische Sicherheits- und Justizbe-
hörden hiervon Kenntnis erhalten und inwie-
weit ist die dort vertretene Annahme eines
rassistischen Hintergrunds der Mordanschläge
überprüft worden?
4.23. Sind beim BayLfV oder einer Polizeibehörde
zu irgendeinem Zeitpunkt Dateien mit Infor-
mationen über die Mitglieder oder den Unter-
stützerkreis des NSU gelöscht worden und
falls ja, wann und auf welcher rechtlichen
Grundlage?
4.24. Wann sind die BAO ‚Bosporus‘ und die SG
aufgelöst worden und aus welchen Gründen
und wer wurde anschließend mit den weiteren
Ermittlungen betraut?
4.25. Trifft es zu, dass das Polizeipräsidium Mittel-
franken im Oktober 2011 verlangt hat, dass
auf der Homepage des BKA mit der Darstel-
lung der ungeklärten Mordfälle die Hinweise
auf Fahrräder und Phantombilder mutmaßli-
cher Täter entfernt werden und falls ja, wes-
halb?
4.26. Welchen Inhalt hatte der abschließende Be-
richt der BAO ‚Bosporus‘ von 2008?
5. Geheimdienstliche Erkenntnisse und Informa-
tion des Landtags
5.1. Ist das PKG (vormals PKK) des Landtags
vom StMI vor dem 04.11.2011 über die Mög-
lichkeit eines rechtsextremistischen oder
rechtsterroristischen Hintergrunds bzw. die
Möglichkeit eines OK-Hintergrunds der un-
geklärten fünf Mordanschläge in Bayern, der
durchgeführten Maßnahmen und eventuellen
Erkenntnissen des BayLfV hierzu informiert
worden und falls ja, wann und mit welchen
Inhalten und falls nein, warum nicht?
5.2. Sind im Laufe der Ermittlungen zu den fünf
Mordfällen in Bayern Maßnahmen im Sinne
des sog. G-10-Gesetzes durchgeführt worden
und falls ja, gegen welche Personen, und ist
der G-10-Kommission des Landtags hierüber
berichtet worden?
5.3. Haben im Laufe der Ermittlungen seit dem
Untertauchen des Trios nachrichtendienstli-
che Maßnahmen in Bayern stattgefunden, die
nicht vom BayLfV veranlasst worden sind,
wenn ja, um welche hat es sich gehandelt und
wer hat sie veranlasst?
6. Umgang mit den Angehörigen der Opfer
6.1. Trifft es zu, dass verdeckte Ermittler und/oder
V-Leute unter Legenden getarnt an die Ange-
hörigen der Opfer herangetreten sind und falls
ja, um welche Maßnahmen handelte es sich
hierbei im Einzelnen und welche Ermittlungs-
strategie lag dem zu Grunde?
6.2. War die zuständige Staatsanwaltschaft hierü-
ber informiert?
6.3. Welche Erkenntnisse haben die Ermittlungs-
behörden jeweils daraus gewonnen?
6.4. Gab es im Zusammenhang mit Maßnahmen
im Umfeld der Angehörigen Beschwerden
über diese Ermittlungsmethoden und das
Verhalten der Ermittler und falls ja, wie wur-
de diesen nachgegangen?
6.5. Auf welcher Grundlage erfolgte die Einschät-
zung des StMI, es sei ‚naheliegend, die
Drahtzieher des Verbrechens im Bereich der
organisierten Kriminalität zu suchen‘ und im
Umfeld der Opfer sei die Polizei auf eine
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/14600
‚Mauer des Schweigens‘ gestoßen (vgl. SZ
vom 26.04.2006)?
7. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen
Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
sowie die jeweils vorgesetzten Dienststellen
und die Staatsregierung seit dem 04.11.2011
bis 04.07.2012 entwickelt?
7.1. Wann sind die Ermittlungen wegen der fünf
ungeklärten Mordfälle in Bayern wieder auf-
genommen worden und sind die früheren
Sokoen bzw. BAOen wieder reaktiviert wor-
den?
7.2. Wie wurde die Zusammenarbeit zwischen den
bayerischen Sicherheits- und Strafverfol-
gungsbehörden und dem GBA und der beim
BKA neu geschaffenen BAO ‚Trio‘ neu orga-
nisiert?
7.3. Welche organisatorischen und ggf. personel-
len Veränderungen sind im BayLfV und ggf.
im StMI vorgenommen worden?
7.4. Welche Erkenntnisse hat die ab dem
19.12.2011 innerhalb des BayLfV zur Aufar-
beitung des Fallkomplexes eingerichtete Pro-
jektgruppe ‚Lageorientierte Sonderorganisati-
on NSU‘ bisher erbracht und welche Konse-
quenzen sind hieraus beim BayLfV gezogen
worden?
7.5. Welche Tätigkeiten hat die beim LKA zusätz-
lich eingerichtete KG ReTeEX Bayern bisher
entfaltet und mit welchen Ergebnissen?
7.6. Welches Ergebnis haben die Ermittlungen
über die Hersteller, Absender und Verteiler
einer comicartigen ‚Bekenner‘- DVD mit
Hinweisen auf die ungeklärten Sprengstoffan-
schläge in Köln in den Jahren 2001 und 2004,
die sog. Česká-Morde sowie den Mord an ei-
ner Polizistin in Heilbronn erbracht und gibt
es insbesondere Hinweise darauf, wer eine
dieser DVD in den Briefkasten einer Tages-
zeitung in Nürnberg eingeworfen hat?
7.7. Welche Informationen zum Untersuchungs-
gegenstand lagen der Staatsregierung zu wel-
chem Zeitpunkt vor und wie gestaltete sie ihre
Informationspolitik gegenüber dem Landtag
und der Öffentlichkeit?“137
Die Einsetzung des Ausschusses wurde mit der Intention
verbunden, den Opfern und ihren Angehörigen Respekt
zu zollen.
138
Der Ausschuss hat aus neun Mitgliedern bestanden. Zum
Vorsitzenden ist der Abgeordnete Franz Schindler (SPD)
137) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Auszug aus Drucksache
16/13150 vom 4. Juli 2012, Bl. 2 ff.
138) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150
vom 4. Juli 2012, Bl. 2.
und zum stellvertretenden Vorsitzenden der Abgeordnete
Dr. Otmar Bernhard (CSU) bestellt worden.
In einem ersten Teil hat sich der Ausschuss mit Feststel-
lungen zu extremistischen Strukturen und Aktivitäten in
Bayern sowie länderübergreifend und den hiergegen er-
griffenen Maßnahmen der bayerischen Sicherheitsbehör-
den und deren Ergebnisse im Zeitraum vom 1. Januar
1994 bis zum 4. Juli 2012 beschäftigt. In einem zweiten
Teil hat sich der Ausschuss mit den Mordanschlägen in
Bayern, die dem NSU angelastet werden, auseinanderge-
setzt.
139
Die erste konstituierende Sitzung hat am 5. Juli
2012 stattgefunden, worauf insgesamt 31 Sitzungen ge-
folgt sind. Am 9. Juli 2013 hat sich der Untersuchungs-
ausschuss zu einer Beratung und Beschlussfassung über
den Schlussbericht getroffen.
140
Zwischen dem Bayerischen Untersuchungsausschuss und
dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages
sind die Stenografischen Protokolle über die Beweisauf-
nahme ausgetauscht worden.
4. Diskussionen in anderen Ländern
In den übrigen Tatortländern Baden-Württemberg, Freie
und Hansestadt Hamburg, Hessen, Mecklenburg-
Vorpommern und Nordrhein-Westfahlen sind keine
Untersuchungsausschüsse eingesetzt worden.
Ob ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden sollte,
ist in Hessen diskutiert worden. Hier haben SPD, DIE
GRÜNEN und DIE LINKE. die Einrichtung eines Unter-
suchungsausschusses in Erwägung gezogen;
141
sie wollten
jedoch vor der Beantragung eines Landtagsuntersu-
chungsausschusses die Ergebnisse des Untersuchungsaus-
schusses des Bundestages abwarten.
142
In Mecklenburg-Vorpommern ist von verschiedenen
Initiativen die Einsetzung eines Untersuchungsausschus-
ses gefordert worden.
143
Auch die Linksfraktion hat sich
für einen Untersuchungsausschuss eingesetzt.
144
Die Grü-
nen haben die Forderung jedoch im März 2013 abge-
lehnt.
145
Der Abgeordnete Johannes Saalfeld hat argu-
mentiert, dass ein Untersuchungsausschuss die für eine
Aufdeckung von Kontakten des Trios nach Mecklenburg-
139) https://www.bayern.landtag.de/de/482_9270.php.
140) Landtagsdrucksache 16/17740.
141) Frankfurter Rundschau vom 9. Juni 2012, „Rätsel um Neonazi-
Mord“; http://www.linksfraktion-
hessen.de/cms/abgeordnete/die-abgeordneten/hermann-
schaus/pressemitteilungen-mainmenu-272/3627-nsu-morde-
fuelle-gravierender-ungereimtheiten-nur-durch-
untersuchungsausschuss-aufzuloesen.html.
142) Frankfurter Rundschau vom 9. Juni 2012, „Rätsel um Neonazi-
Mord“.
143) Die Welt vom 3. Januar 2013, „Initiativen fordern NSU-
Untersuchungsausschuss in MV“.
144) http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-
vorpommern/nsu227.html.
145) http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-
vorpommern/nsu227.html.
Drucksache 17/14600 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vorpommern notwendigen kriminalistischen Ermittlun-
gen nicht leisten könne.
146
In Baden-Württemberg hat die Fraktion DIE LINKE.
147
sowie die Jusos und die Grüne Jugend Baden-
Württemberg die Einsetzung eines Untersuchungsaus-
schusses des Landtages gefordert, um durch die Aufklä-
rung der Morde und der Rolle des baden-
württembergischen Verfassungsschutzes ein Zeichen für
die Opfer des NSU zu setzen.
148
Nicht zuletzt aufgrund
der Verbindungen einzelner Polizisten in Baden-
Württemberg zum „Ku-Klux-Klans“ sei ein Untersu-
chungsausschuss unverzichtbar.
149
146) http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-
vorpommern/nsu227.html.
147) Pressemitteilung DIE LINKE. Baden-Württemberg vom
15. Mai 2013,
http://www.die-linke-bw.de/nc/politik/presse/detail/
zurueck/presse/artikel/nsu-untersuchungsausschuss-fuer-baden-
wuerttemberg-gefordert/.
148) Bundespresseportal vom 1. Juli 2013, Grüne Jugend Baden-
Württemberg fordert NSU-Untersuchungsausschuss im Land-
tag.
149) Pressemitteilung Die Linke Baden-Württemberg vom 15. Mai
2013,
http://www.die-linke-bw.de/nc/politik/presse/detail/zurueck/
presse/artikel/nsu-untersuchungsausschuss-fuer-baden-
wuerttemberg-gefordert/.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/14600
C. Verlauf der Untersuchung
I. Gemeinsames Vorgehen, Einstimmigkeits-
prinzip
Die Obleute haben zu Beginn der Untersuchung verein-
bart, Beschlüsse über die Erhebung von Beweisen und
zum Verfahren möglichst einstimmig zu fassen. Hier-
durch werde das Gewicht des Ausschusses bei der Auf-
klärung erhöht und das Signal gegeben, dass im Bundes-
tag Konsens herrsche über die Notwendigkeit der Aufklä-
rung und der Kampf gegen den Rechtsextremismus An-
liegen aller Fraktionen sei.
Der Ausschuss hat alle 389 Beweisbeschlüsse einstimmig
gefasst. Die Reihenfolge der Vernehmung der 95 Zeugen
sowie der Anhörung von 16 Sachverständigen und sonsti-
gen Personen hat der Ausschuss einvernehmlich festge-
legt. Die Ermittlungsbeauftragten sind gemeinsam ausge-
wählt und bestellt worden. Auch die Beschlüsse zum
Verfahren sind einstimmig gefasst worden.
II. Beschlüsse zum Verfahren
1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter der Fraktionen
In seiner Sitzung am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss
gemäß § 12 Abs. 2 PUAG einstimmig beschlossen:
150
„Von den Fraktionen benannte Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter haben Zutritt zu allen Sitzungen
des Ausschusses, jedoch zu den VS-
VERTRAULICH oder höher eingestuften Sitzun-
gen nur, soweit sie die persönlichen Voraussetzun-
gen erfüllen.“
2. Verzicht auf die Verlesung von Protokollen
und Schriftstücken
Am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-
schlossen:
151
„Gemäß § 31 Abs. 2 Untersuchungsausschuss-
gesetz wird auf die Verlesung von Protokollen und
Schriftstücken verzichtet, soweit das Sekretariat
diese allen Mitgliedern des Ausschusses zugäng-
lich gemacht hat.“
3. Verteilung von Verschlusssachen
Am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss gemäß § 16 Abs. 1
PUAG einstimmig zunächst beschlossen:
152
150) Beschluss Nr. 1 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 6.
151) Beschluss Nr. 2 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 6.
„I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten
Verschlusssachen
Von den für den Ausschuss in der Geheimschutz-
stelle des Deutschen Bundestages eingehenden
VS-VERTRAULICH oder GEHEIM eingestuften
Beweismaterialien sind Ausfertigungen herzustel-
len und zwar für
1. die Fraktionen im Ausschuss je zwei,
2. das Sekretariat zugleich für den Vorsitzenden
und den stellvertretenden Vorsitzenden je eine.
Den Mitgliedern des Ausschusses sowie den von
den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern, die zum Umgang mit Verschlusssa-
chen ermächtigt und zur Geheimhaltung förmlich
verpflichtet sind, werden auf Wunsch die jeweili-
gen Exemplare ausgehändigt.
Die Mitglieder des Ausschusses und die von den
Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter bestimmen Räume, in denen der Geheim-
schutzbeauftragte des Deutschen Bundestages
Verwahrgelasse zur Aufbewahrung der Ausferti-
gung zur Verfügung stellen und unverzüglich die
gegebenenfalls weiteren notwendigen technischen
Sicherungsmaßnahmen treffen soll.
II. Verteilung der vom Untersuchungsaus-
schuss eingestuften Verschlusssachen
Für die vom 2. Untersuchungsausschuss selbst VS-
VERTRAULICH, VERTRAULICH gemäß § 2a
Geheimschutzordnung, GEHEIM, GEHEIM ge-
mäß § 2a Geheimschutzordnung oder ggf.
STRENG GEHEIM eingestuften Unterlagen und
Protokolle gilt Ziffer I. entsprechend.
III. Verteilung von ‚VS-Nur für den Dienstge-
brauch‘ eingestuften Unterlagen
‚VS-Nur für den Dienstgebrauch‘ (VS-NfD) ein-
gestufte Unterlagen werden verteilt und behandelt
gemäß Beschluss 5 zum Verfahren in Verbindung
mit der Geheimschutzordnung des Deutschen
Bundestages.“
Die Verteilung von Verschlusssachen ab einem Umfang
von 1 000 Seiten hat der Ausschuss in seiner Sitzung am
26. April 2012 einstimmig neu geregelt. Der Verfahrens-
beschluss hat hierdurch folgende Fassung erhalten:
153
I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten
Verschlusssachen
152) Beschluss Nr. 3 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 6 f.
153) Beschluss 3 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 11, S. 7, Anlage 6.
Drucksache 17/14600 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1. Von den für den Ausschuss in der Geheim-
schutzstelle des Deutschen Bundestages einge-
henden VS-VERTRAULICH oder GEHEIM
eingestuften Beweismaterialien sind Ausferti-
gungen herzustellen und zwar
- für die Fraktionen im Ausschuss je zwei,
- das Sekretariat zugleich für den Vorsitzen-
den und den stellvertretenden Vorsitzenden
je eine.
2. Ab einem Umfang von 1 000 Seiten wird pro
Fraktion nur ein Exemplar erstellt. Ab einem
Umfang von 15 000 Seiten wird ein gesonder-
tes Verfahren zwischen den Obleuten verein-
bart.
3. Den Mitgliedern des Ausschusses sowie den
von den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, die zum Umgang mit Ver-
schlusssachen ermächtigt und zur Geheimhal-
tung förmlich verpflichtet sind, werden auf
Wunsch die jeweiligen Exemplare ausgehän-
digt.
4. Die Mitglieder des Ausschusses und die von
den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter bestimmen Räume, in denen der
Geheimschutzbeauftragte des Deutschen Bun-
destages Verwahrgelasse zur Aufbewahrung
der Ausfertigung zur Verfügung stellen und
unverzüglich die gegebenenfalls weiteren not-
wendigen technischen Sicherungsmaß-nahmen
treffen soll.
II. Verteilung der vom Untersuchungsaus-
schuss eingestuften Verschlusssachen
Für die vom 2. Untersuchungsausschuss selbst VS-
VERTRAULICH, VER-TRAULICH gemäß § 2a
Geheimschutzordnung, GEHEIM, GEHEIM ge-
mäß § 2a Geheimschutzordnung oder ggf.
STRENG GEHEIM eingestuften Unterlagen und
Protokolle gilt Ziffer I. entsprechend.
III. Verteilung von ‚VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH‘ eingestuften Unter-
lagen
‚VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH‘ (VS-
NfD) eingestufte Unterlagen werden verteilt und
behandelt gemäß Beschluss 5 zum Verfahren in
Verbindung mit der Geheimschutzordnung des
Deutschen Bundestages.
4. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Sitzun-
gen
Am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-
schlossen:
154
154) Beschluss Nr. 4 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 8.
„Der Vorsitzende wird gemäß § 12 Abs. 3 Unter-
suchungsausschussgesetz dazu ermächtigt, die Öf-
fentlichkeit über die in nichtöffentlicher Sitzung
gefassten Beschlüsse des Ausschusses zu informie-
ren.
Hiervon unberührt bleibt das Recht der übrigen
Ausschussmitglieder, ihre Position hierzu öffent-
lich zu äußern.“
5. Verteilung von Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüssen und Ausschussmate-
rialien
In seiner Sitzung am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss
einstimmig zunächst beschlossen:
155
„I. Die Ausschussmaterialien werden wie folgt
bezeichnet:
- MAT A sind Antworten auf Beschlüsse
zur Beweiserhebung;
- MAT B sind Beweismaterialien, die
nicht aufgrund eines Beweisbeschlusses,
sondern aufgrund freiwilliger Zusen-
dung eingehen;
- MAT C sind Materialien, die Bezug
zum Untersuchungsauftrag haben, aber
nicht die zu untersuchenden Vorgänge
dokumentieren, wie Verwaltungsent-
scheidungen in vergleichbaren Fällen,
allgemeine Dienstanweisungen und ähn-
liches, die nicht aufgrund von Beweis-
beschlüssen eingehen.
II. Verteilung von Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-
schussmaterialien in elektronischer Form
Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und
Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und
MAT C), die nicht VS-Vertraulich oder höher ein-
gestuft sind, werden vom Sekretariat in elektroni-
scher Form übermittelt. Soweit Unterlagen dem
Ausschuss nicht in elektronischer Form zur Verfü-
gung gestellt werden, besorgt das Sekretariat die
Ablichtung in elektronischer Form.
III. Verteilung von Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-
schussmaterialien in gedruckter Form
1. Von allen Ausschussdrucksachen, Beweisbe-
schlüssen und Ausschussmaterialien (MAT A,
MAT B und MAT C) verteilt das Sekretariat
auf Wunsch je ein gedrucktes Exemplar an die
- ordentlichen und stellvertretenden Mitglie-
der,
155) Beschluss Nr. 5 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 7 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/14600
- von den Fraktionen benannten Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter,
- Beauftragten der Bundesregierung und des
Bundesrates.
2. MAT A, MAT B und MAT C mit einem Um-
fang ab 101 Seiten werden in je zwei Exempla-
ren an alle Fraktionen verteilt.
Bei besonders großem Umfang (über 1 000
Seiten) wird in der Regel von einer Verteilung
abgesehen und stattdessen ein Exemplar im
Sekretariat zur Verfügung gestellt; in Zweifels-
fällen verständigen sich der Vorsitzende und
die Obleute.
Das Anschreiben der abgebenden Stelle wird in
jedem Fall gemäß dem in Ziffer 1. beschriebe-
nen Verteiler versandt.“
In seiner Sitzung vom 26. April 2012 hat der Ausschuss
beschlossen, bei der Verteilung von der Differenzierung
nach der Größe der Unterlagen abzusehen. Der Verfah-
rensbeschluss hat folgende Fassung erhalten:
156
„I. Die Ausschussmaterialien werden wie folgt
bezeichnet:
- MAT A sind Antworten auf Beschlüsse
zur Beweiserhebung;
- MAT B sind Beweismaterialien, die
nicht aufgrund eines Beweisbeschlusses,
sondern aufgrund freiwilliger Zusen-
dung eingehen;
- MAT C sind Materialien, die Bezug
zum Untersuchungsauftrag haben, aber
nicht die zu untersuchenden Vorgänge
dokumentieren, wie Verwaltungsent-
scheidungen in vergleichbaren Fällen,
allgemeine Dienstanweisungen und ähn-
liches, die nicht aufgrund von Beweis-
beschlüssen eingehen.
II. Verteilung von Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-
schussmaterialien in elektronischer Form
1. Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und
Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und
MAT C) werden vom Sekretariat grundsätzlich
in elektronischer Form verfügbar gemacht –
und zwar
- vollständig, soweit Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüsse und Ausschussmateria-
lien (MAT A, MAT B und MAT C) nicht
VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft
sind;
- durch einen Hinweis beziehungsweise das
Übermittlungsschreiben, soweit Ausschuss-
156) Protokoll-Nr. 11, S. 7.
drucksachen, Beweisbeschlüsse und Aus-
schussmaterialien (MAT A, MAT B und
MAT C) VS-VERTRAULICH oder höher
eingestuft sind.
2. Verfügbar gemacht durch Übermittlung von
Dateien oder Datenträgern beziehungsweise
durch Zugriff auf ein gemeinsames Laufwerk
werden Ausschussdrucksachen, Beweisbe-
schlüsse und Ausschussmaterialien (MAT A,
MAT B und MAT C) für die
- ordentlichen und stellvertretenden Mitglie-
der,
- von den Fraktionen benannten Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter
- Beauftragten der Bundesregierung und des
Bundesrates.
3. Soweit Unterlagen dem Ausschuss nicht in
elektronischer Form zur Verfügung gestellt
werden, besorgt das Sekretariat die Ablichtung
in elektronischer Form.
III. Verteilung von Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-
schussmaterialien in gedruckter Form
Von allen Ausschussdrucksachen, Beweisbe-
schlüssen und Ausschussmaterialien (MAT A,
MAT B und MAT C) verteilt das Sekretariat je ein
gedrucktes Exemplar an die Fraktionen und zwar
- vollständig, soweit Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien
(MAT A, MAT B und MAT C) nicht VS-
VERTRAULICH oder höher eingestuft sind;
- einen Hinweis beziehungsweise das Übermitt-
lungsschreiben, soweit Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien
(MAT A, MAT B und MAT C) VS-
VERTRAULICH oder höher eingestuft sind.
Auf Wunsch erhält eine Fraktion von Ausschuss-
drucksachen, Beweisbeschlüssen und Ausschuss-
materialien (MAT A, MAT B und MAT C) im
Umfang von unter 1 000 Seiten ein weiteres
Exemplar.“
Abweichend von früheren Untersuchungsausschüssen
sind die Beweisbeschlüsse nicht chronologisch durch-
nummeriert worden. Je nach Adressat haben die Beweis-
beschlüsse, die an Bundesbehörden gerichtet worden sind,
eine dem Behördenkürzel entsprechende Bezeichnung
und die Beweisbeschlüsse, auf deren Grundlage die Län-
der um Amtshilfe ersucht worden sind, eine dem Länder-
kürzel entsprechende Bezeichnung erhalten. Die dem
Ausschuss aufgrund von Beweisbeschlüssen vorgelegten
Materialien haben eine mit der Bezeichnung der Beweis-
beschlüsse korrespondierende Nummerierung erhalten.
Dies hat die Zuordnung und Zusammenführung der teil-
weise sukzessive vorgelegten Beweismittel erleichtert.
Drucksache 17/14600 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Gegenüber früheren Untersuchungsausschüssen neu ge-
wesen ist die digitale Bereitstellung der Unterlagen. Das
Ausschusssekretariat hat sämtliche Materialien bis zu
einer Geheimhaltungsstufe VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH eingescannt und auf einem ge-
meinsamen Laufwerk von Sekretariat und Fraktionen, auf
welches nur das Sekretariat schreibenden Zugriff erhalten
hat, bereitgestellt. Sowohl die konkrete Bezeichnung der
Ausschussmaterialien als auch die digitalisierte Zurverfü-
gungstellung der Akten hat die Arbeit des Ausschusses
insgesamt erheblich erleichtert.
Mitarbeiter des Referates IT 1 der Bundestagsverwaltung
haben für den Ausschuss ein Suchwerkzeug entwickelt
und bereitgestellt, mit dem sich über den gesamten digita-
len Aktenbestand mit einem oder der Kombination meh-
rerer Begriffe gezielt Fundstellen in den Akten haben
finden lassen.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sowie die
von den Fraktionen benannten Mitarbeiter haben lesenden
Zugriff auf das Laufwerk erhalten. Den Beauftragten der
Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates ist
Gelegenheit gegeben worden, sich periodisch die auf dem
gemeinsamen Laufwerk zur Verfügung gestellten Unter-
lagen auf eine externe Festplatte zu kopieren.
6. Behandlung der Ausschussprotokolle
Am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-
schlossen:
157
„I. Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen
1. Die Protokolle der nichtöffentlichen Sitzungen
erhalten die ordentlichen Mitglieder des Aus-
schusses, ihre Stellvertreterinnen und Stellver-
treter sowie die Beauftragten der Bundesregie-
rung und des Bundesrates. Für die von ihr be-
nannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
hält jede Fraktion ein Exemplar. Die Übermitt-
lung erfolgt als Kopie und zusätzlich in elekt-
ronischer Form.
2. Dritte haben grundsätzlich kein Recht auf Ein-
sichtnahme in die Protokolle der nichtöffentli-
chen Sitzungen und folglich auch nicht darauf,
dass ihnen Kopien solcher Protokolle überlas-
sen werden. Eine Ausnahme besteht nur ge-
genüber Behörden, wenn der Ausschuss ent-
schieden hat, Amtshilfe zu leisten.
II. Protokolle öffentlicher Sitzungen
1. Die Protokolle der öffentlichen Sitzungen wer-
den wie unter Punkt I.1. beschrieben zugeleitet,
darüber hinaus auf Antrag auch an Behörden,
wenn der Untersuchungsausschuss entschieden
hat, Amtshilfe zu leisten.
157) Beschluss Nr. 6 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 9.
2. Dritten kann Einsicht in die Protokolle gewährt
werden, wenn sie ein ‚berechtigtes Interesse
nachweisen‘ (Richtlinien für die Behandlung
der Ausschussprotokolle gemäß § 73 Abs. 3
GO-BT in der jeweils gültigen Fassung). Das
Vorliegen eines berechtigten Interesses prüft
der Vorsitzende. Die Entscheidung über die
Gewährung von Einsicht trifft der Ausschuss.
3. Den Zeugen ist zur Prüfung der Richtigkeit der
Protokollierung das Protokoll über ihre Ver-
nehmung zuzustellen (§ 26 Abs. 1 Untersu-
chungsausschussgesetz).
III. Protokolle VS-VERTRAULICH oder höher
eingestufter Sitzungen
Ist das Protokoll über die Aussage einer Zeugin
oder eines Zeugen VS-VERTRAULICH oder hö-
her eingestuft, so ist ihr bzw. ihm Gelegenheit zu
geben, dies in der Geheimschutzstelle des Deut-
schen Bundestages einzusehen. Eine Kopie erhält
sie bzw. er nicht.“
Von der Möglichkeit, Einsicht in die Protokolle zu ge-
währen, ist mehrfach Gebrauch gemacht worden (siehe
unten: IV.11, S. 51).
7. Verpflichtung zur Geheimhaltung
Am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-
schlossen:
158
„1. Die Mitglieder des Ausschusses sind aufgrund
des Untersuchungsausschussgesetzes, der Ge-
heimschutzordnung des Deutschen Bundesta-
ges, ggf. ergänzt um Beschlüsse des 2. Unter-
suchungsausschusses in Verbindung mit
§ 353b Abs. 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch zur Ge-
heimhaltung derjenigen Tatsachen und Ein-
schätzungen verpflichtet, die ihnen durch
Übermittlung der von amtlichen Stellen als VS-
VERTRAULICH bzw. VERTRAULICH und
höher eingestuften Unterlagen bekannt werden.
Der Ausschuss wird mit Blick auf die Einstu-
fung von übermittelten Unterlagen auf die Be-
achtung der Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 17. Juni 2009 (BVerfG,
BvR 2 03/07) dringen.
2. Diese Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt
sich auch auf solche Tatsachen und Einschät-
zungen, die aufgrund von Unterlagen bekannt
werden, deren VS-Einstufung bzw. Behand-
lung als VS-VERTRAULICH oder höher so-
wie als VERTRAULICH oder höher durch den
Ausschuss selbst veranlasst oder durch den
Vorsitzenden, insbesondere unter Berücksich-
tigung der Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts vom 17. Juli 1984
158) Beschluss Nr. 7 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 11.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/14600
(BVerfGE 67, S. 100 ff.) zur Wahrung des
Schutzes von Grundrechten (Betriebs- und Ge-
schäftsgeheimnisse, Steuergeheimnisse und in-
formationelles Selbstbestimmungsrecht) vor-
genommen wird.
3. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung entfällt,
wenn und soweit die aktenführende Stelle bzw.
der Untersuchungsausschuss die Einstufung als
VS-VERTRAULICH und höher bzw. die Be-
handlung als VERTRAULICH und höher auf-
hebt.
4. Im Übrigen gilt die Geheimschutzordnung des
Deutschen Bundestages.
5. Anträge, deren Inhalt geheimhaltungsbedürftig
ist, sind in der Geheimschutzstelle des Deut-
schen Bundestages zu hinterlegen. Über die
Hinterlegung sollen die Antragsteller das Sek-
retariat unterrichten.“
8. Fragerecht bei der Beweiserhebung
Die Fraktionen sind übereingekommen, das Fragerecht in
der Beweisaufnahme im Rahmen der sogenannten „Berli-
ner Stunde“ flexibel zu handhaben. Insbesondere sollte
die Möglichkeit bestehen, mit Zustimmung des gerade
vernehmenden Abgeordneten Zwischenfragen und Nach-
fragen zu stellen. Dem Vorsitzenden sollte für die Steue-
rung und Worterteilung ein Entscheidungsspielraum zu-
gestanden werden.
Diskutiert worden ist darüber, ob diese Flexibilität in den
Verfahrensbeschluss ausdrücklich aufgenommen werden
sollte. Schließlich hat der Ausschuss am 9. Februar 2012
einstimmig beschlossen:
159
„Der Ausschuss gestaltet das Fragerecht bei der
Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen
nach § 24 Abs. 5 und § 28 Abs. 1 Untersuchungs-
ausschussgesetz auf der Grundlage der Geschäfts-
ordnung des Deutschen Bundestages und der par-
lamentarischen Praxis bei den Aussprachen im
Plenum wie folgt:
I. Die Vernehmung zur Sache wird in zwei
Abschnitte aufgeteilt:
1. Im ersten Abschnitt stellt zunächst der
Vorsitzende, nachdem der Zeugin bzw.
dem Zeugen Gelegenheit zur Stellung-
nahme gegeben wurde, weitere Fragen
zur Aufklärung und Vervollständigung
der Aussage sowie zur Erforschung des
Grundes, auf dem das Wissen der Zeu-
gen beruht.
2. Der zweite Abschnitt besteht aus ein-
zelnen Befragungsrunden entsprechend
159) Beschluss Nr. 8 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 13.
der ‚Berliner Stunde‘, die den Ausspra-
chen im Plenum zugrunde gelegt wird.
a. Bei der Reihenfolge der Fraktionen
innerhalb der Befragungsrunden sind
die Fraktionsstärke und der Grund-
satz von Rede und Gegenrede zu be-
rücksichtigen.
b. In jeder Befragungsrunde beginnt
die Fraktion der CDU/CSU. Daran
schließt sich an die Befragung durch
die Fraktion der SPD, die Fraktion
der FDP, die Fraktion DIE LINKE.
und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.
c. Für die Bemessung des Zeitanteils
der Fraktionen innerhalb der Befra-
gungsrunden wird die Verteilung der
Redezeiten im Plenum angewendet.
d. Um die Sachverhaltsaufklärung zu
fördern, kann der Vorsitzende eine
kurze Nachfrage eines Ausschuss-
mitglieds auch dann zulassen, wenn
sein Zeitkontingent erschöpft ist.
II. Anhörungen
Bei Anhörungen von Sachverständigen und
informatorischen Anhörungen wird ent-
sprechend der vorstehenden Regelungen
verfahren.“
Von der Möglichkeit, Zwischenfragen zu stellen, ist reger
Gebrauch gemacht worden.
9. Behandlung von Beweisanträgen
Am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-
schlossen:
160
„Zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Bera-
tungssitzungen sind Beweisanträge schriftlich bis
zum Freitag der Vorwoche, 12 Uhr (Eingang im
Sekretariat), einzureichen. Von dieser Frist kann
einvernehmlich abgewichen werden.“
Auf die Einhaltung der Frist ist regelmäßig verzichtet
worden, da sämtliche Beweisanträge von allen Fraktionen
gemeinsam eingebracht worden sind.
10. Protokollierung der Ausschusssitzungen
Gemäß § 11 PUAG hat der Ausschuss am 9. Februar
2012 zunächst einstimmig beschlossen:
161
„Die Protokollierung der Sitzungen des Ausschus-
ses gemäß § 11 Untersuchungsausschussgesetz
wird wie folgt durchgeführt:
160) Beschluss Nr. 9 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 15.
161) Beschluss Nr. 10 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 15.
Drucksache 17/14600 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1. Alle öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzun-
gen, die der Beweiserhebung oder sonstiger In-
formationsbeschaffung des Ausschusses die-
nen, sind stenografisch aufzunehmen.
2. Ergebnisse und wesentliche Argumente aller
Beratungssitzungen und Beratungen werden in
einem durch das Sekretariat zu fertigenden
Kurzprotokoll festgehalten. Auf Antrag von
mindestens einem Viertel seiner Mitglieder
lässt der Ausschuss von einer Beratungssitzung
ein stenografisches Protokoll fertigen – gege-
benenfalls in Form einer Abschrift der gemäß
GO-BT gefertigten Bandaufnahme.“
In seiner Sitzung am 8. März 2012 hat der Ausschuss den
Verfahrensbeschluss wie folgt neu gefasst:
162
„I. Die Protokollierung der Sitzungen des Aus-
schusses gemäß § 11 Untersuchungsaus-
schussgesetz wird wie folgt durchgeführt:
1. Alle öffentlichen und nichtöffentlichen
Sitzungen, die der Beweiserhebung oder
sonstiger Informationsbeschaffung des
Ausschusses dienen, sind stenografisch
aufzunehmen.
2. Ergebnisse und wesentliche Argumente
aller Beratungssitzungen und Beratun-
gen werden in einem durch das Sekreta-
riat zu fertigenden Kurzprotokoll fest-
gehalten. Auf Antrag von mindestens
einem Viertel seiner Mitglieder lässt der
Ausschuss von einer Beratungssitzung
ein stenografisches Protokoll fertigen –
gegebenenfalls in Form einer Abschrift
der gemäß GO-BT gefertigten Bandauf-
nahme.
II. Die vorläufigen Protokolle der Ausschuss-
sitzungen sind grundsätzlich zwei Tage vor
der nächsten Ausschusssitzung fertigzustel-
len und entsprechend dem Beschluss 6 zum
Verfahren zu verteilen.“
Der Ausschuss ist sich einig gewesen, dass in Absatz II
das Wort „grundsätzlich“ dahingehend zu verstehen sei,
dass es begründete Ausnahmen geben könne. Dies gelte
insbesondere dann, wenn zwei oder drei Sitzungswochen
aufeinander folgten.
163
III. Beweiserhebung durch Beiziehung von
Akten und sonstigen Unterlagen
1. Beweisvorbereitung
Der Ausschuss hat sich zu Beginn einen Überblick über
das verfügbare Aktenmaterial verschafft. Er hat hierzu
162) Protokoll-Nr. 5, S. 33.
163) Protokoll-Nr. 5, S. 33.
zunächst Aktenverzeichnisse und Datenpläne, Organi-
gramme sowie Übersichten und Zusammenstellungen aus
dem Exekutivbereich angefordert.
164
Beim Bundesminis-
terium des Innern hat er die für den Generalbundesanwalt
gefertigten und dem Parlamentarischen Kontrollgremium
vorgelegten Chronologien und Erkenntniszusammenstel-
lungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz beigezo-
gen.
165
2. Aktenbeiziehung bei Behörden des Bun-
des
a) Art und Herkunft des Beweismaterials
Gemäß Artikel 44 Abs. 1 des Grundgesetzes hat der Aus-
schuss beim Bundeskanzleramt sowie bei den Bundesmi-
nisterien des Innern, der Justiz und der Verteidigung Be-
weismittel beigezogen. Beim Bundeskanzleramt hat sich
die Beiziehung auch auf den Bundesnachrichtendienst,
beim Bundesministerium des Innern auch auf das Bun-
deskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungs-
schutz, beim Bundesministerium der Justiz auch auf den
Generalbundesanwalt und beim Bundesministerium der
Verteidigung auch auf das Amt für den Militärischen
Abschirmdienst bezogen. Zum einen sind sämtliche Ak-
ten, Dokumente, Dateien und sonstige sächliche Beweis-
mittel beigezogen worden, die im Untersuchungszeitraum
(1. Januar 1992 bis 8. November 2011) zum Untersu-
chungsgegenstand vorhanden waren. Zum anderen sind
auch die nachträglich entstandenen oder in behördlichen
Gewahrsam genommenen Beweismittel beigezogen wor-
den, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersuchungszeit-
raum bezogen haben.
Wegen des Umfanges der Unterlagen und zur Wahrung
der Belange der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendiens-
te und der Strafverfolgung ist in die Beiziehung der beim
Generalbundesanwalt, beim Bundeskriminalamt und beim
Bundesamt für Verfassungsschutz vorhandenen Beweis-
mittel ein Ermittlungsbeauftragter „zwischengeschaltet“
worden (siehe im Einzelnen unten: V, S. 52).
Darüber hinaus hat der Ausschuss die Bundesregierung zu
Einzelaspekten um Aktenvorlage ersucht.
Insbesondere beigezogen worden sind beim Bundesamt
für Verfassungsschutz
– die „Dienstvereinbarung Beschaffung" (DV-
Beschaffung) zum Einsatz von Vertrauenspersonen,
– eine Auflistung ausgewerteter Periodika, die dem
rechtsextremistischen Umfeld zugeordnet waren,
sowie alle Ausfertigungen derjenigen Ausgaben der
genannten Periodika, in denen die Stichworte "NSU"
bzw. "Nationalsozialistischer Untergrund" erwähnt
waren, insbesondere die Zeitschrift Der Weisse Wolf,
Ausgabe 1/2002, Nr. 18,
164) Protokoll-Nr. 3, S. 17 ff.
165) Protokoll-Nr. 2, S. 9 f.; Protokoll-Nr. 3, S. 16.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/14600
– sämtliche Unterlagen, die sich auf die im Jahr 2006
erfolgte Zusammenlegung der Abteilungen für
Rechts- und Linksextremismus im Bundesamt für
Verfassungsschutz beziehen,
– sämtliche Unterlagen zu der Frage, ob es in Deutsch-
land rechtsterroristische Strukturen gibt,
– sämtliche Unterlagen über Kontakte zu anderen
Behörden im Zusammenhang mit den Straftaten, die
dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ zugeord-
net werden,
– sämtliche Unterlagen zu der Vernichtung von Akten
im Bundesamt für Verfassungsschutz im November
2011, einschließlich aller Beschaffungsakten zur
Operation „Rennsteig“ und zum „Thüringer Heimat-
schutz“,
– Unterlagen zum „Ku-Klux-Klan“,
– sämtliche Unterlagen zur Zusammenarbeit mit dem
V-Mann des BfV Corelli,
– die Aufträge der Auswertungs- an die Beschaffungs-
einheiten zur Gewinnung von Informationen über
das abgetauchte Trio und sein Umfeld durch vom
BfV geführte Quellen (z. B. Lichtbildvorlagen o. ä.).
Beim Bundeskriminalamt sind insbesondere beigezogen
worden:
– die Akten zu dem von der Bundesanwaltschaft im
Jahr 1992 mit Bezug auf die Gründung bzw. die Ab-
sicht, einen deutschen Ableger der „White Knights
of the Ku-Klux-Klan“ zu gründen, geführten Verfah-
ren,
– die Abschriften von Tonaufzeichnungen über Ge-
spräche von Thorsten Heise und Tino Brandt,
– Unterlagen über die Aus- und Fortbildung über Poli-
zeibeamte in interkultureller Kompetenz und im
Umgang mit rechtsextremistisch motivierter Krimi-
nalität,
– sämtliche Unterlagen über die Bearbeitung eines
Telefonanrufes aus dem schweizerischen Orbe bzw.
Concise im April 1998,
– über die „Artgemeinschaft – Germanische Glau-
bensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung
e.V. (AGG)“.
Der Generalbundesanwalt ist unter anderem ersucht wor-
den um Vorlage
– der Prüfvorgänge zum Waffenfund in Jena 1998,
– einzelner Befragungsprotokolle aus dem Verfahren
des Generalbundesanwalts gegen Beate Zschäpe und
andere,
– Unterlagen zu führenden Personen von „Blood &
Honour“ und deren Nachfolgestrukturen,
– der Akten aus dem im Jahr 1992 mit Bezug auf die
Gründung bzw. die Absicht, einen deutschen Able-
ger der „White Knights of the Ku-Klux-Klan“ zu
gründen, geführten Ermittlungsverfahren.
Beim Bundesministerium der Verteidigung bzw. beim
MAD beigezogen worden sind unter anderem:
– die Operativakten zum „Thüringer Heimatschutz“
und zur Operation „Rennsteig“,
– die Unterlagen über die Wehrdienstzeit von Uwe
Mundlos und dem Umfeld des Trios, einschließlich
der Personal- und Disziplinarakten,
– Unterlagen zu dem Diebstahl und Verbleib von
Sprengstoff aus dem Munitionsdepot von
NVA/Bundeswehr nahe Großeutersdorf/Kahla in
Thüringen in den Jahren 1990 und 1991.
b) Akten aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung
Nach Artikel 45a Abs. 3 des Grundgesetzes findet „auf
dem Gebiet der Verteidigung“ Artikel 44 Abs. 1 des
Grundgesetzes, wonach der Bundestag einen Untersu-
chungsausschuss einsetzen kann oder muss, der in öffent-
licher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt,
keine Anwendung. Hieraus wird in der juristischen Litera-
tur ein Untersuchungsmonopol des Verteidigungsaus-
schusses des Bundestages für den Verteidigungsbereich
geschlossen.
Der Ausschuss hat gleichwohl Unterlagen des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung und des Amtes für den Mili-
tärischen Abschirmdienst beigezogen. Ihm ist es dabei
nicht um die Untersuchung von Aspekten der Landesver-
teidigung gegangen. Zu untersuchen waren die Erkennt-
nisse insbesondere des Militärischen Abschirmdienstes
über rechtsextremistische Entwicklungen in Deutschland
und im Besonderen über das Trio, seinen Verbleib nach
dem Abtauchen im Januar 1998 und die Bildung einer
terroristischen Vereinigung.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Beizie-
hungen von Beweismitteln Folge geleistet, allerdings
verbunden mit der Erklärung, es sei zur Vorlage nicht
verpflichtet. In dem Schreiben des Bundesministeriums
der Verteidigung vom 20. März 2012 an den Leiter des
Sekretariats heißt es:
166
„ich erlaube mir zunächst, auf folgende verfas-
sungsrechtliche Bewertung hinzuweisen, die be-
reits frühere Untersuchungsausschüsse mit Bun-
deswehrbezug beschäftigt hat:
Der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Verteidigung unterfällt aus verfassungsrechtlichen
Gründen nicht dem Untersuchungsrecht des
2. UA-17. WP Art. 45a Abs. 3 GG bestimmt, dass
Art. 44 Abs. 1 GG, der die verfassungsrechtliche
Grundlage für die Einsetzung des Untersuchungs-
ausschusses bildet, auf dem Gebiet der Verteidi-
166) MAT A BMVg-1.
Drucksache 17/14600 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gung keine Anwendung findet. Folglich ist dem
Bundestag das Recht entzogen, auf dem Gebiet der
Verteidigung einen vom Verteidigungsausschuss
unabhängigen eigenen Untersuchungsausschuss
einzurichten.
In Verteidigungsangelegenheiten hat vielmehr al-
leine der Verteidigungsausschuss das Recht und
die Pflicht, eine Angelegenheit zum Gegenstand
seiner Untersuchung zu machen und sich als
Untersuchungsausschuss zu konstituieren.
Da der Verteidigungsausschuss nicht beabsichtigt,
den auf ihn entfallenden Untersuchungsgegenstand
einer eigenen Untersuchung zu unterziehen, wird
das Bundesministerium der Verteidigung gleich-
wohl den Untersuchungsauftrag des 2. Untersu-
chungsausschusses der 17. Legislaturperiode ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht durch Übersen-
dung von Akten und Gestellung von Zeugen aus
seinem Geschäftsbereich unterstützen.“
c) Verfügungsbefugnis des Bundes über Ak-
ten
Der Ausschussvorsitzende hat am 1. März 2012 mit den
Staatssekretären des Bundeministeriums des Innern und
des Bundesministeriums der Justiz sowie mit dem Präsi-
denten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und dem
Generalbundesanwalt unter anderem die Vorlage von
vertraulichen Akten des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz an den Ausschuss besprochen. Erörtert worden ist
die Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz dem
Ausschuss Akten vorlegen dürfe, in die Unterlagen oder
Informationen der Verfassungsschutzbehörden der Länder
eingeflossen sind. Staatssekretär Klaus Dieter Fritsche
hat erklärt, die Bundesregierung habe rechtlich geprüft,
ob die Länder bei der Vorlage von solchen Akten beteiligt
werden müssten. Ergebnis dieser Prüfung sei, dass die
Informationen mit der Übermittlung Bestandteil von Bun-
desakten geworden seien und der Bund somit das Verfü-
gungsrecht besitze. Die Länder hätten bei der Vorlage
dieser Akten an den Untersuchungsausschuss daher kein
Mitspracherecht. Anders verhalte es sich jedoch bei der
Einstufung dieser Unterlagen. Dort, wo Länder Zuarbeit
geleistet hätten und es sich um eingestufte Akten handele,
seien die Länder bei der Frage einer eventuellen Herab-
stufung zu beteiligen.
167
d) Vorlage von Akten, die zur Freigabe zuge-
leitet wurden
Im März 2012 übermittelte das LfV Sachsen dem MAD
ein von diesem verfasstes Übersendungsschreiben aus
dem Jahre 1995 mit der Bitte um Freigabe an den Unter-
suchungsausschuss. Mit dem Übersendungsschreiben
hatte der MAD seinerzeit dem LfV Sachsen ein Protokoll
über die Befragung von Uwe Mundlos durch den MAD
167) Protokoll-Nr. 5, S. 35.
zugeleitet. Im März 2012 war das Protokoll selbst weder
im LfV Sachsen noch im MAD vorhanden. Am 13. März
2012 erklärte der MAD die Freigabe zur Übersendung des
MAD-Schreibens aus 1995 an den Untersuchungsaus-
schuss gegenüber Sachsen. Mitte April 2012 übersandte
Sachsen die freigegebene Unterlage an den Untersu-
chungsausschuss. Auf Nachfrage erhielt der MAD das
Befragungsprotokoll am 29. August 2012 vom BfV. Der
MAD hat am 5. September 2012 der Vorlage des Befra-
gungsprotokolls durch das BfV an den Untersuchungs-
ausschuss zugestimmt. Dem Ausschuss hat der MAD das
Protokoll nicht vorgelegt.
Da für den 11. September 2012 vom Ausschuss geplant
war, den früheren Leiter der Abteilung Rechtsextremis-
mus des MAD als Zeugen zu vernehmen, ist die Nichtvor-
lage des Protokolls über die Befragung von Mundlos im
Ausschuss auf heftige Kritik gestoßen.
168
Mit der Über-
sendung an den MAD im August 2012 sei das Protokoll
Bestandteil der Akten des MAD geworden und von die-
sem vorzulegen gewesen.
169
Der Präsident des MAD hat
gegenüber dem Ausschuss erklärt, er sei davon ausgegan-
gen, dass das Dokument dem Ausschuss nur einmal und
zwar von der Behörde, in deren Bestand das Dokument
aufgefunden wurde, vorgelegt werde, also vom Bundes-
ministerium des Innern. Rückblickend wäre es besser
gewesen, dem Ausschuss das Protokoll auch durch sein
Haus vorzulegen.
170
Der Bundesminister der Verteidigung
hat am 12. September 2012 gegenüber dem Ausschuss-
vorsitzenden erklärt, es sei unsensibel gewesen, dass eine
Unterrichtung des Untersuchungsausschusses seitens
seines Hauses unterblieben sei. Die Hausleitung, auch er
selbst, sei bereits im März 2012 über eine Vernehmung
von Mundlos durch den MAD informiert gewesen.
171
3. Beiziehung von Akten bei den Ländern im
Wege der Amtshilfe
a) Reichweite der Amtshilfe
Der Ausschuss hat für seine Beweisaufnahme umfang-
reich auf Akten der Länder zugegriffen. Zu diesem Zweck
hat der Ausschuss die Länder um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG ersucht.
Am 29. März 2012 haben der Ausschussvorsitzende, der
stellvertretende Vorsitzende und die Obleute mit dem
Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Minister Lo-
renz Caffier, und den Vorsitzenden der Arbeitskreise II
und IV der IMK die Zulieferung von Akten der Länder
und der Innenministerkonferenz besprochen. Der Vorsit-
zende der Innenministerkonferenz, Minister Caffier, hat
mitgeteilt, die Innenminister seien sich auf ihrer Sitzung
am 22. März 2012 einig gewesen, im Rahmen der Amts-
hilfe ihren Beitrag zur Aufarbeitung der Hintergründe der
168) Protokoll-Nr. 27, S. 1.
169) Protokoll-Nr. 26, S. 37.
170) Protokoll-Nr. 26, S. 37.
171) Protokoll-Nr. 28, S. 8, A-Drs. 235.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/14600
durch die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Unter-
grund“ begangenen Straftaten zu leisten.
Anfängliche Bedenken, die Länder würden dem Aus-
schuss die angeforderten Akten nicht zur Verfügung stel-
len (siehe oben: A.III.1, S. 3), haben sich nicht bestätigt.
In keinem Fall hat ein Land ein Amtshilfeersuchen unter
Hinweis auf die Grenzen der Amtshilfe abgelehnt oder
bundesstaatliche Einwände erhoben.
Über die Vorlage von aufgrund von Beweisbeschlüssen
beigezogenen Akten hinaus haben die Länder den Unter-
suchungsausschuss im Wege der Amtshilfe durch zahlrei-
che Einzelauskünfte und Recherchen unterstützt.
b) Art der Beiziehungen
Von den „Tatortländern“172 beigezogen hat der Ausschuss
die Verfahrensakten der Justiz- und Polizeibehörden zu
den dem Trio zur Last gelegten Straftaten, soweit diese
nicht in das Verfahren des Generalbundesanwalts einge-
flossen waren. Insbesondere beigezogen worden sind
Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichtshefte,
Sonderhefte, Vermerke.
Von allen Ländern sind die Akten, die polizeiliche und
nachrichtendienstliche Erkenntnisse über das Trio und
sein Umfeld enthalten, sowie über sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckte
polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen mit oder zu diesen
Personen beigezogen worden. Ebenfalls von allen Län-
dern beigezogen worden sind die internen Regelungen
über Auswahl, Einsatz und Führung von Vertrauensper-
sonen. Als am meisten betroffenes Tatortland hat Bayern
durch eine schnelle, klar strukturierte Aktenlieferung den
baldigen Beginn der Beweisaufnahme ermöglicht.
Zu den an alle Länder gerichteten Beweisbeschlüssen, mit
denen Unterlagen mit Informationen zu dem Trio, seinem
Umfeld und Kontakten angefordert worden sind, haben
die Obleute gegenüber dem Vorsitzenden der IMK in dem
Gespräch vom 29. März 2012 konkretisiert, dass neben
den Personenakten der Beschuldigten in dem Verfahren
des Generalbundesanwalts auch die Sachakten zu den
Organisationen „Anti-Antifa Ostthüringen“, „Thüringer
Heimatschutz“ und „Blood & Honour“ von Interesse sind.
„Andere rechtsextremistische Strukturen“ seien von Inte-
resse, soweit sie mit dem NSU in Kontakt standen.
Von einigen Ländern sind Akten mit Bezügen zum „Ku-
Klux-Klan“ angefordert worden. Zu einer Reihe von
Einzelpersonen und Ereignissen hat der Ausschuss die
betreffenden Länder um Aktenvorlage ersucht.
c) Freistaat Thüringen
Besonders umfangreich hat der Freistaat Thüringen dem
Untersuchungsausschuss Akten vorgelegt.
172) Baden-Württemberg, Bayern, Freie und Hansestadt Hamburg,
Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen und Thüringen.
Aufgrund von Beweisbeschluss TH-3 hat das Innenminis-
terium des Freistaats dem Ausschuss den gesamten Ak-
tenbestand des Landesamtes für Verfassungsschutz zur
Auswertung des Phänomenbereichs Rechtsextremismus
im Zeitraum 1991 bis Ende 2012 in einem Umfang von
ca. 1 500 Stehordnern zur Verfügung gestellt.
173
Zur Sich-
tung dieser Akten hat der Ausschuss die Ermittlungsbe-
auftragen Dr. Schäfer, Wache und Hebenstreit bestellt
(siehe unten: V, S. 52). Akten aus der „Beschaffung“174
des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz haben
die Mitglieder des Ausschusses in der Außenstelle des
Bundesamtes für Verfassungsschutz in Berlin-Treptow
einsehen können.
175
Die Thüringer Landespolizeidirektion hat dem Ausschuss
aufgrund von Beweisbeschluss TH-9 Verfahrensakten mit
Bezug zum „Thüringer Heimatschutz“ oder einem ver-
meintlichen Bezug im Umfang von über 800 Vorgängen
sowie weiteren 1 663 Vorgänge ohne weitere Prüfung
vorgelegt.
Das Thüringer Justizministerium hat dem Ausschuss ca.
1 200 Strafverfahrensakten zu Personen im Umfeld des
„Thüringer Heimatschutzes“ sowie eine Datenbank über
die Verfahren zur Verfügung gestellt.
176
4. Beiziehung von Akten beim Oberlandesge-
richt München
Beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München
sind die Anklageschrift vom 5. November 2012
177
sowie
eine Vielzahl von Einzeldokumenten aus den Ermitt-
lungsakten beigezogen worden, die der Ermittlungsbeauf-
tragte Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg als untersu-
chungsrelevant identifiziert hat.
178
5. Geheimschutz
Durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger
Informationen kann das Wohl des Bundes oder eines
Landes (Staatswohl) gefährdet werden.
179
Bundesregie-
rung und Bundestag sind zum Schutz des ihnen gemein-
sam anvertrauten Staatswohls gehalten, beiderseits wirk-
sam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von
Dienstgeheimnissen zu treffen.
180
Je nach der Bedeutung der Geheimhaltung von Informati-
onen für das Staatswohl sind dem Ausschuss Akten in
unterschiedlichen Verfahren vorgelegt worden.
173) MAT A TH-3/5 und MAT A TH-5/8.
174) Vorgänge über Werbung und Führung von V-Leuten.
175) MAT A TH-3/11.
176) MAT A TH-9/18 bis TH-9/25.
177) Beweisbeschluss BY-15.
178) Beweisbeschluss BY-14.
179) BVerfGE 67, 100 [134 ff.]; 124, 78 [123].
180) BVerfGE 67, 100 [136].
Drucksache 17/14600 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Nach der Geheimschutzordnung des Bun-
destages
§ 2 Abs. 2 bis 4 der Geheimschutzordnung des Deutschen
Bundestages
181
(GSO) unterscheidet vier Geheimhal-
tungsgrade für Verschlusssachen (VS):
„(2) Als STRENG GEHEIM eingestuft werden
VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Bestand
der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer
Länder gefährden würde.
(3) Als GEHEIM eingestuft werden VS, deren
Kenntnis durch Unbefugte die Sicherheit der Bun-
desrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder
gefährden, ihren Interessen oder ihrem Ansehen
schweren Schaden zufügen oder für einen fremden
Staat von großem Vorteil sein würde.
(4) Als VS-VERTRAULICH eingestuft werden
VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Interes-
sen oder dem Ansehen der Bundesrepublik
Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich
oder für einen fremden Staat von Vorteil sein
könnte.
(5) VS, die nicht unter die Geheimhaltungsgrade
STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS-
VERTRAULICH fallen, aber nicht für die Öffent-
lichkeit bestimmt sind, erhalten den Geheimhal-
tungsgrad VS-NUR FÜR DEN DIENSTGE-
BRAUCH.“
Den Geheimhaltungsgrad sowie seine etwaigen späteren
Änderungen bestimmt die herausgebende Stelle (§ 3
Abs. 2 GSO, §§ 8 f. VSA).
Über den Zugang zu Verschlusssachen und die Amtsver-
schwiegenheit bestimmt § 16 Abs. 1 PUAG:
„Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-
VERTRAULICH und höher, die der Untersu-
chungsausschuss eingestuft oder von einer anderen
herausgebenden Stelle erhalten hat, dürfen nur den
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, den
Mitgliedern des Bundesrates und der Bundesregie-
rung sowie ihren Beauftragten zugänglich gemacht
werden. Ermittlungsbeauftragten, den von ihnen
eingesetzten Hilfskräften sowie den Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen der Mitglieder des Untersu-
chungsausschusses, des Sekretariats und der Frak-
tionen im Untersuchungsausschuss dürfen sie zu-
gänglich gemacht werden, soweit diese zum Um-
gang mit Verschlusssachen ermächtigt und zur
Geheimhaltung förmlich verpflichtet sind.“
Damit dürfen andere Mitglieder des Bundestages, die
nicht Mitglied des Untersuchungsausschusses sind, ab-
weichend von § 4 Abs. 2 GSO nicht über den Inhalt von
181) Anlage 3 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in
der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I
S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 7. Mai
2012 (BGBl. I S. 1119).
Unterlagen ab VS-VERTRAULICH in Kenntnis gesetzt
werden.
Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades STRENG
GEHEIM dürfen nur in der Sitzung und längstens für
deren Dauer ausgegeben werden (§ 7 Abs. 4 GSO). An-
sonsten, insbesondere zur Vorbereitung der Beweisauf-
nahme und zur Erstellung des Berichts, können sie von
den Berechtigten in der Geheimschutzstelle des Bundes-
tages eingesehen werden.
Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade GEHEIM
und VS-VERTRAULICH können an die Berichterstatter
des Ausschusses und in besonderen Fällen anderen Mit-
gliedern des Ausschusses bis zum Abschluss der Aus-
schussberatungen über den Beratungsgegenstand, auf den
sich die VS bezieht, ausgegeben und in den dafür zulässi-
gen VS-Behältnissen aufbewahrt werden. Gemäß § 16
Abs. 1 PUAG hat der Ausschuss beschlossen
182
, von den
in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages
eingehenden VS-VERTRAULICH oder GEHEIM einge-
stuften Beweismaterialien Ausfertigungen herzustellen
und zwar für die Fraktionen im Ausschuss je zwei, für das
Sekretariat, zugleich für den Vorsitzenden und den stell-
vertretenden Vorsitzenden je eine.
b) „Geheimschutzstellenverfahren“
Einige Verschlusssachen sind dem Ausschuss mit der
Maßgabe vorgelegt worden, dass diese nur in der Ge-
heimschutzstelle des Bundestages einsehbar sind. Dies hat
insbesondere Akten betroffen, die Hinweise auf die Iden-
tität nachrichtendienstlicher Quellen enthalten.
Mit dieser Maßgabe ist dem Ausschuss auch eine vom
Bundeskriminalamt erstellte Liste mit Personen vorgelegt
worden (sogenannte „129er-Liste“). Diese Liste führt die
Personen auf, zu denen das BKA das BfV um Erkenntnis-
se abfragte. In ihr ist angegeben, inwiefern diese Personen
mit dem Trio und seinem Umfeld in Kontakt standen.
c) „Treptow-Verfahren“
Höchst sensible Vorgänge sind dem Ausschuss zur Ein-
sicht in der Außenstelle des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz in Berlin-Treptow vorgelegt worden.
Anlass war, dass im Zuge der Vernichtung von Operativ-
akten im Bundesamt für Verfassungsschutz im November
2011 zu der Operation „Rennsteig“ der Verdacht aufkam,
das Trio oder dessen Umfeld könnte unter den Quellen
des Bundesamtes für Verfassungsschutz, auf deren Akten
sich der Vernichtungsvorgang bezogen hatte, gewesen
sein.
183
Daher war es zwingend notwendig, die in den
Beschaffungsakten enthaltenen Klarnamen der Quellen
offenzulegen. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 hat Staats-
sekretär Fritsche dem Ausschuss die Einsicht in sämtliche
Werbungsakten zum „Thüringer Heimatschutz“ und zur
182) siehe oben: C.II.3, S. 100.
183) Protokoll-Nr. 26, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/14600
Operation „Rennsteig“ in ungeschwärzter Fassung einge-
räumt.
184
Die Einsichtnahme sollte in Abweichung von
Beschluss Nr. 3
185
zum Verfahren auf die Mitglieder des
Ausschusses begrenzt bleiben. Der Ausschuss hat sich
hiermit einverstanden erklärt.
186
In Bezug auf ihre Operativakten haben sich das Amt für
den Militärischen Abschirmdienst (MAD)
187
und der
Freistaat Thüringen
188
diesem Verfahren angeschlossen
und dem Ausschuss ebenfalls in der Außenstelle des BfV
in Treptow Einsicht in ungeschwärzte Akten gewährt.
d) Nachträgliche Einstufung
In Einzelfällen hat der Ausschuss ihm vorgelegte Akten
nachträglich eingestuft oder mit einem höheren Geheim-
haltungsgrad versehen.
In einigen der dem Ausschuss vorgelegten Akten haben
sich Informationen befunden, die aufgrund ihres
höchstpersönlichen Inhalts die Rechte der Betroffenen
erheblich berührten. Der Ausschuss hat am 25. Oktober
2012 beschlossen, diese Textstellen zur Wahrung der
Persönlichkeitsrechte insbesondere mit dem Verfahren
nicht in Zusammenhang stehender Dritter nach § 2a
Abs. 2 GSO mit dem Geheimhaltungsgrad VS-VER-
TRAULICH einzustufen.
189
Zum Schutz der Belange des Strafverfahrens vor dem
Oberlandesgericht München gegen Frau Zschäpe und
andere hat der Ausschussvorsitzende die dem Ausschuss
vorgelegte Anklageschrift nebst Anlagen gemäß Be-
schluss Nr. 7 zum Verfahren
190
, Ziffer 2 i. V. m. § 15
Abs. 1 Satz 2 PUAG vorläufig als GEHEIM eingestuft
und als Verschlusssache verteilen lassen.
191
6. Vernichtung von Beweismaterial und
Aktenschreddermoratorium
Am 27. Juni 2012 ist öffentlich bekannt geworden, dass
an dem Tage, an dem der Generalbundesanwalt die Er-
mittlungen gegen Beate Zschäpe wegen Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung übernahm, im Bundes-
amt für Verfassungsschutz Akten zu der Operation
„Rennsteig“ im Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“
vernichtet wurden.
Anlässlich der bekannt gewordenen Vernichtung von
Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz im Novem-
ber 2011 zu der Operation „Rennsteig“ hat der damalige
Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz am
4. Juli 2012 das BfV angewiesen, alle Vernichtungen von
184) MAT A BfV-11/1.
185) siehe oben: C.II.3, S. 100.
186) Protokoll-Nr. 21a, S. 16.
187) Protokoll-Nr. 23, S. 10.
188) Protokoll-Nr. 30, S. 14.
189) Protokoll-Nr. 35, S. 10.
190) Siehe oben: C.II.7, S. 109.
191) MAT A BY-15.
Akten einschließlich von G 10-Unterlagen aus dem Be-
reich des Rechtsextremismus einzustellen.
192
Das Bun-
desministerium des Innern hat daraufhin angeordnet, dass
im gesamten Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern entsprechend zu verfahren sei. Bis zum Ab-
schluss der Arbeit des Untersuchungsausschusses würden
sowohl im Bundesamt für Verfassungsschutz als auch im
Bundeskriminalamt Akten mit Bezügen zum Rechtsex-
tremismus nicht mehr vernichtet.
Zur Sicherung der Aktenvorlage an den Ausschuss hat der
Vorsitzende Sebastian Edathy mit Schreiben vom
19. Juli 2012 den Chef des Bundeskanzleramtes und den
Bundeminister der Verteidigung sowie alle 16 Länder
ersucht zu verfügen, dass bis zur Beendigung der Arbeit
des Untersuchungsausschusses keinerlei Akten mit Bezü-
gen zum Rechtsextremismus vernichtet werden. Außer-
dem hat er gebeten, prüfen zu lassen, inwieweit nach dem
4. November 2011 Akten zum Phänomenbereich Rechts-
extremismus vernichtet worden sind.
193
Dem Ausschuss ist mitgeteilt worden, dass im Bundesamt
für Verfassungsschutz zwischen dem 4. November 2011
und dem 4. Juli 2012 weitere 310 Akten zu dem Bereich
Rechtsextremismus vernichtet worden seien. Im Amt für
den Militärischen Abschirmdienst sind in diesem Zeit-
raum 17 Akten zum Phänomenbereich Rechtsextremis-
mus vernichtet worden. Im November 2012 hat der Aus-
schuss erfahren, dass in der Berliner Verfassungsschutz-
abteilung im Sommer 2012 Akten vernichtet worden sind,
die für die Archivierung vorgesehen waren.
Der Ausschuss ist dem Verdacht nachgegangen, ob diese
Aktenvernichtungen dem Ziel gedient haben könnten, der
Aufklärung der Hintergründe der dem NSU zugerechne-
ten Verbrechen die notwendigen Beweismittel zu entzie-
hen. Er hat sowohl zu der Aktenvernichtung im BfV als
auch zu der im MAD und in der Berliner Verfassungs-
schutzbehörde Beweis erhoben (siehe unten: Zweiter Teil,
K, S. 743 ff.).
IV. Beweiserhebung durch Anhörung von
Sachverständigen und Vernehmung von
Zeugen
1. Sitzungstage
Für die Durchführung der Beweisaufnahme hat der Aus-
schuss die Donnerstage in den Plenarsitzungswochen als
Sitzungstage des Ausschusses bestimmt. Nach Zustim-
mung der Fraktionen hat der Präsident des Deutschen
Bundestages dem Ausschuss gemäß § 60 Abs. 3 GO-BT
für diese Tage eine Dauergenehmigung erteilt.
Ab Mai 2012 hat der Ausschuss mehrfach zusätzliche
Sitzungen durchgeführt, zunächst dienstags, später frei-
tags in Plenarsitzungswochen. Seit April 2013 hat der
192) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.
193) Protokoll-Nr. 25, S. 7.
Drucksache 17/14600 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ausschuss an jedem Montag einer Sitzungswoche eine
Sondersitzung durchgeführt.
2. Strukturierung der Beweisaufnahme
In seiner ersten öffentlichen Sitzung am 8. März 2012 hat
der Ausschuss die Ombudsfrau der Bundesregierung für
die Opfer und Opferangehörigen der sog. Zwickauer
Zelle, Frau Prof. Barbara John angehört. Im Anschluss
hat er Sachverständige zu der Situation von Opfern von
Gewaltdelikten und dem Angebot an Opferberatung ge-
hört.
194
Vor der Sachverhaltsaufklärung hat sich der
Untersuchungsausschuss in zwei Sachverständigenanhö-
rungen einen Überblick über die Sicherheitsarchitektur
und den Rechtsextremismus in Deutschland verschafft.
195
Der Ausschuss ist sich einig gewesen, die Untersuchung
in vier Komplexe aufzugliedern und diese in Abstimmung
mit den Untersuchungsausschüssen der Länder und der
Bund-Länder-Expertenkommission zu behandeln. In
seiner Sitzung am 1. März 2012 hat der Ausschuss be-
schlossen:
196
„Der 2. Untersuchungsausschuss gliedert den ihm
vom Untersuchungsauftrag des Deutschen Bundes-
tages vorgegebenen Untersuchungsgegenstand in
die folgenden vier Teilkomplexe:
Komplex 1: 1. 1. 1992 bis 1997 – Rechtsradikale
Milieus in der Bundesrepublik Deutschland in den
neunziger Jahren – insbesondere in Jena, in Thü-
ringen und Sachsen, Radikalisierung von
Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, zunehmende Ver-
festigung der späteren Terrorgruppe und erste
Straftaten;
Komplex 2: 1998 bis 2003 – Ermittlungen in Sa-
chen Sprengstoffdelikte, Abtauchen des Trios,
Maßnahmen von Verfassungsschutz, Polizei und
Staatsanwaltschaften insbesondere Thüringens und
Sachsens;
Komplex 3: 2000 bis 2007 – Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen;
Komplex 4: 2008 bis 8. 11. 2011 – Ende der
Mordserie, weitere Ermittlungen;
Bei der Entscheidung über die Reihenfolge der
Bearbeitung der Teilkomplexe wird der 2. Unter-
suchungsausschuss darauf achten, Doppelarbeit
mit anderen zur Aufklärung des Sachverhalts beru-
fenen Gremien zu vermeiden. Er wird deshalb mit
Komplex 3 die Sachverhaltsaufklärung beginnen.
3. Sachverständigenanhörungen
In seiner Sitzung am 8. März 2012 hat der Ausschuss
neben der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer
194) Protokoll-Nr. 6.
195) Protokoll-Nr. 8 und 10.
196) Protokoll-Nr. 4, S. 53.
und Opferangehörigen der sog. Zwickauer Zelle, Frau
Prof. Barbara John als Sachverständige die Expertin der
Opferhilfe-Organisation „Weißer Ring“, Frau Martina
Linke, zu Fragen des Opferschutzes und der Begleitung
im Strafverfahren sowie die Mitarbeiterin der mobilen
Opferberatungsstelle „ezra“, Frau Christina Büttner ge-
hört.
197
Am 22. März 2012 hat sich der Ausschuss einen Über-
blick zum Phänomenbereich Rechtsextremismus in der
Bundesrepublik Deutschland im Untersuchungszeitraum
und zu den Ansätzen, diesen in den Bereichen Repression,
Prävention und Sensibilisierung wirksam zu bekämpfen,
verschafft. Hierzu hat der Ausschuss die Sachverständi-
gen Andrea Röpke, Prof. Dr. Richard Stöss und Prof. Dr.
Klaus Schroeder gehört.
198
In einer Sachverständigenanhörung am 8. Mai 2012 haben
Prof. Dr. Christoph Gusy, Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange
und Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff dem Ausschuss
einen Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehör-
den des Bundes und der Länder bezüglich der Aufklärung
und Bekämpfung der Bedrohung durch den Rechtsextre-
mismus sowie zur Verhinderung und Verfolgung von
Straftaten mit derartigem Hintergrund gegeben.
199
Gegen Ende der Beweisaufnahme hat der Ausschuss
Experten gebeten, den Veränderungsbedarf im Umgang
mit den Themen Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus,
Opferangelegenheiten, Prävention und Aussteigerhilfen
zu formulieren. Als Sachverständige sind am 16. Mai
2013 angehört worden der Leiter der Polizeidirektion für
Aus- und Fortbildung und Bereitschaftspolizei des Landes
Schleswig-Holstein Jürgen Funk, die Ombudsfrau für die
Opfer und Opferangehörigen Prof. Barbara John, die
Wissenschaftlerin am Centrum für angewandte Politikfor-
schung der Universität München Britta Schellenberg, der
Diplom-Kriminalist Günter Schicht sowie der Gründer
der Initiative „Exit-Deutschland – Ausstiege aus dem
Rechtsextremismus“ Bernd Wagner.200
4. Durchführung der Zeugenvernehmungen
a) Die Zeugen
Der Ausschuss hat folgende Zeugenvernehmungen
durchgeführt:
Nr. Name Datum BB
Wie ver-
nommen
1
Ltd. KD Wolfgang
Geier
26.04.2012 Z-1 öffentlich
2
KOR a. D. Klaus
Mähler
26.04.2012 Z-2 öffentlich
197) Protokoll-Nr. 6.
198) Protokoll-Nr. 8.
199) Protokoll-Nr. 10.
200) Protokoll-Nr. 72, S. 37 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/14600
Nr. Name Datum BB
Wie ver-
nommen
3
EKHK Albert
Vögeler
26.04.2012 Z-3 öffentlich
4
Ltd. OStA
Dr. Walter Kimmel
10.05.2012 Z-4 öffentlich
5
EKHK Alexander
Horn
10.05.2012 Z-5 öffentlich
6
KHK Udo Haß-
mann
10.05.2012 Z-6 öffentlich
7
KHK Manfred
Pfister
10.05.2012 Z-12 öffentlich
8
KD Christian Hop-
pe
11.05.2012 Z-8 öffentlich
9
Ltd. RD Edgar
Hegeler
24.05.2012 Z-10 öffentlich
10
Präsident a. D.
Dr. Wolfgang
Weber
24.05.2012 Z-7 öffentlich
11 KD Lothar Köhler 24.05.2012 Z-13 öffentlich
12
Ministerpräsident
a. D. Günther
Beckstein
24.05.2012 Z-9 öffentlich
13
Vizepräsident a. D.
Bernhard Falk
14.06.2012 Z-11 öffentlich
14 KOR Felix Schwarz 14.06.2012 Z-15 öffentlich
15
EKHK Jörg
Deisting
14.06.2012 Z-14 öffentlich
16
Präsident BKA Jörg
Ziercke
28.06.2012 Z-18 öffentlich
17
LKD Gerald Hoff-
mann
28.06.2012 Z-16 öffentlich
18
KHK a. D. Edgar
Mittler
03.07.2012 Z-19 öffentlich
19
KHK Markus We-
ber
03.07.2012 Z-20
öffentlich/
nichtöffent-
lich
20
OStA a. D.
Josef Rainer Wolf
03.07.2012 Z-21 öffentlich
21 KOR Bert Gricksch 03.07.2012 Z-22 öffentlich
22
Referatsleiter
Lothar Lingen
05.07.2012 Z-33
nichtöffent-
lich
23
Erster Direktor
beim BND Wolf-
gang Cremer
05.07.2012 Z-24
öffent-
lich/geheim
24
Präsident BfV
Heinz Fromm
05.07.2012 Z-25
öffentlich/
nichtöffent-
lich
25 Andreas Temme 11.09.2012 Z-34 öffentlich
26
Direktor a. D. LfV
Hessen Lutz Irr-
gang
11.09.2012 Z-17 öffentlich
27 KOR Axel Mögelin 13.09.2012 Z-27 öffentlich
28 Erster StA 13.09.2012 Z-28 öffentlich
Nr. Name Datum BB
Wie ver-
nommen
Christoph Meyer-
Manoras
29
Regierungspräsi-
dent
Johannes Schmalzl
13.09.2012 Z-29 öffentlich
30 Günter S. 13.09.2012 Z-37 öffentlich
31
MDg a. D.
Dr. Hartwig Möller
27.09.2012 Z-23 öffentlich
32 KHK Werner Jung 27.09.2012 Z-30 öffentlich
33
Dr. Dietrich H.,
Direktor beim BND
27.09.2012 Z-35 öffentlich
34
Ministerpräsident
Volker Bouffier
28.09.2012 Z-36 öffentlich
35
Staatssekretär
Klaus-Dieter Frit-
sche, BMI
18.10.2012 Z-38 öffentlich
36
LKD P. H., Verfas-
sungsschutz NRW
18.10.2012 Z-47
nichtöffent-
lich
37
MDg Hans-Georg
Engelke, BMI
18.10.2012 Z-39 öffentlich
38
Vizepräsident
Jürgen Maurer,
BKA
25.10.2012 Z-40 öffentlich
39
Landespolizeipräsi-
dent Waldemar
Kindler
25.10.2012 Z-41 öffentlich
40 EKHK Ernst Setzer 25.10.2012 Z-42 öffentlich
41
MDg Hans-Georg
Engelke, BMI
26.10.2012 Z-39
nichtöffent-
lich/
geheim
42
Oberst a. D. Dieter
Huth
08.11.2012 Z-26 öffentlich
43
Kapitän zur See
Olaf Christmann,
MAD
08.11.2012 Z-46 öffentlich
44
Minister a. D.
Dr. Fritz Behrens
22.11.2012 Z-50 öffentlich
45
Bundesanwalt
Dr. Hans-Jürgen
Förster
22.11.2012 Z-48 öffentlich
46
MAD-Präsident
a. D. Karl-Heinz
Brüsselbach
29.11.2012 Z-43 öffentlich
47
MDg Dr. Christof
Gramm, BMVg
29.11.2012 Z-45 öffentlich
48 KOK Jens Merten 29.11.2012 Z-32 öffentlich
49
Staatssekretär a. D.
Dr. August Han-
ning
30.11.2012 Z-49 öffentlich
50
OStA beim BGH
Christian Ritscher
30.11.2012 Z-52 öffentlich
51
Bundesminister
Dr. Wolfgang
14.12.2012 Z-51 öffentlich
Drucksache 17/14600 – 48 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nr. Name Datum BB
Wie ver-
nommen
Schäuble
52
OStA Gerd Michael
Schultz
17.01.2013 Z-54 öffentlich
53 KHM Mario Melzer 17.01.2013 Z-55
öffentlich/
nichtöffent-
lich
54
LfV-Vizepräsident
a. D. Peter Jörg
Nocken
17.01.2013 Z-56 öffentlich
55
KHK Sven Wun-
derlich
31.01.2013 Z-60 öffentlich
56
LKA-Präsident
a. D.
Egon Luthardt
31.01.2013 Z-58 öffentlich
57
LfV-Präsident a. D.
Thomas Sippel
31.01.2013 Z-59 öffentlich
58
OStA Ralf Mohr-
mann
31.01.2013 Z-57 öffentlich
59
LfV-Vizepräsident
a. D. Peter Jörg
Nocken
21.02.2013 Z-56 öffentlich
60
LfV-Präsident a. D.
Dr. Helmut Roewer
21.02.2013 Z-62 öffentlich
61
Friedrich Karl
Schrader
21.02.2013 Z-63 öffentlich
62 Mike Baumbach 21.02.2013 Z-61 öffentlich
63
EKHK Jürgen
Dressler
22.02.2013 Z-71 öffentlich
64
KHK Michael
Brümmendorf
22.02.2013 Z-64 öffentlich
65
KHK’in Christiane
Beischer-Sacher
22.02.2013 Z-65 öffentlich
66
N. W., LfV Thürin-
gen
28.02.2013 Z-66 öffentlich
67
R. B., LfV Thürin-
gen
28.02.2013 Z-67 öffentlich
68
R. G., LfV Bran-
denburg
28.02.2013 Z-68
nichtöffent-
lich
69
EKHK Jürgen
Dressler
01.03.2013 Z-71 öffentlich
70
KHK Michael
Brümmendorf
01.03.2013 Z-64 öffentlich
71
MDg Hans-Georg
Engelke, BMI
01.03.2013 Z-39 öffentlich
72
EKHK Wolfgang
Jehle, LKA Sach-
sen
14.03.2013 Z-72 öffentlich
73
KHK Carsten
Külbel, PD Chem-
nitz
14.03.2013
Z-73
neu
öffentlich
74
KHK Michael
Andrä, PD Süd-
westsachsen
14.03.2013 Z-74 öffentlich
Nr. Name Datum BB
Wie ver-
nommen
75
MDg’n Christine
Hammann, BMI
15.03.2013 Z-75 öffentlich
76
Bundesminister
a. D.
Otto Schily
15.03.2013 Z-76 öffentlich
77
Joachim Tüshaus,
LfV Sachsen
21.03.2013 Z-77 öffentlich
78
Dr. Olaf
Vahrenhold, LfV
Sachsen
21.03.2013 Z-78 öffentlich
79
LfV-Präsident a. D.
Reinhard Boos
21.03.2013 Z-79 öffentlich
80
LfV-Präsident
Gordian Meyer-
Plath, Sachsen
15.04.2013 Z-80 öffentlich
81 G. B., BfV 15.04.2013 Z-81
nichtöffent-
lich
82 N., BfV 16.04.2013 Z-70
kommissa-
risch
83
ORR’in Bettina
Neumann, LfV
Baden-
Württemberg
18.04.2013 Z-83 öffentlich
84
Dr. Helmut
Rannacher, LfV
Baden-
Württemberg
18.04.2013 Z-84 öffentlich
85
KD Joachim Rück,
LKA Baden-
Württemberg
18.04.2013 Z-85 öffentlich
86
EKHK’in Angelika
Baumert, BKA
18.04.2013 Z-86 öffentlich
87 KHK P. S., Berlin 22.04.2013 Z-87
nichtöffent-
lich
88
Direktor LKA a. D.
Peter-Michael
Haeberer, Berlin
22.04.2013 Z-88 öffentlich
89
Staatssekretär
Bernd Krömer,
Berlin
22.04.2013 Z-89 öffentlich
90
KHK Dirk
Spliethoff, LKA
Nordrhein-
Westfalen
25.04.2013 Z-91 öffentlich
91
PK Stefan Voß, PP
Köln
25.04.2013 Z-93 öffentlich
92
PHK Peter Bau-
meister, PP Köln
25.04.2013 Z-92 öffentlich
93
KHK Ulrich
Gundlach, BKA
25.04.2013 Z-94 öffentlich
94 RD Gabaldo, BfV 25.04.2013 Z-82
nichtöffent-
lich
95
Richard Kaldrack,
BfV
13.05.2013 Z-95
nichtöffent-
lich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/14600
Nr. Name Datum BB
Wie ver-
nommen
96
Sebastian Egerton,
BfV
13.05.2013 Z-96 öffentlich
97
Bert Kippenborck,
BfV
16.05.2013 Z-97
nichtöffent-
lich
98
Rita Dobersalzka,
BfV
16.05.2013 BfV-21 öffentlich
99
Michael Renzewitz,
BfV
16.05.2013 BfV-21
nichtöffent-
lich
100 Rainer Oettinger 24.06.2013 Z-99 öffentlich
b) Dauer der Anhörungen und Vernehmun-
gen
Sit-
zungs-
nr.
Beginn
Ende Dauer in h
geplant tatsächlich
6 14:00 14:07 17:33 3:26
8 10:00 10:07 16:03 5:56
10 10:00 10:17 13:58 3:41
12 10:00 10:28 21:23 10:55
14 10:00 10:08 22:14 12:06
15 09:00 09:07 12:22 3:15
17 08:30 08:32 22:17 13:45
19 10:00 10:02 22:02 12:00
21 10:00 10:10 20:47 10:37
22 09:00 10:43 20:57 10:14
24 09:00 09:03 23:20 14:17
27 10:00 12:05 21:47 9:42
29 10:00 11:23 0:08 12:45
31 10:00 10:02 17:56 7:54
32 12:00 12:06 17:17 5:11
34 10:00 10:40 22:15 11:35
36 10:00 10:17 22:55 12:38
37 09:00 09:06 12:53 3:47
39 10:00 10:09 21:07 10:58
41 10:00 10:47 21:14 10:27
43 10:00 10:35 21:45 11:10
44 09:00 09:12 16:46 7:34
46 13:00 13:05 16:53 3:48
47 12:00 12:07 16:13 4:06
49 10:00 10:28 21:02 10:34
51 10:00 10:35 22:25 11:50
53 10:00 10:18 22:47 12:29
54 09:00 09:05 15:47 6:42
56 10:00 10:20 20:48 10:28
57 09:00 09:27 15:24 5:57
59 10:00 10:17 18:22 8:05
60 09:00 09:02 15:16 6:14
62 10:00 10:31 20:33 10:02
64 14:00 14:15 21:45 7:30
65 09:00 12:12 21:02 8:50
66 14:00 14:12 22:38 8:26
68 10:00 10:13 21:02 10:49
70 14:00 15:04 22:03 6:59
72 10:00 11:04 21:50 10:46
74 13:15 14:23 16:15 1:52
GESAMT in Stunden: 349:20:00
Am Ende der 30. Sitzung hat der Vorsitzende Einverneh-
men darüber festgestellt, Zeugenvernehmungen möglichst
um 22.30 Uhr zu beenden.
201
c) Nicht erschienene Zeugen
Von einigen Zeugen, die sich auf ihre Ladung mit krank-
heitsbedingter Vernehmungsunfähigkeit entschuldigten,
hat der Ausschuss ein amtsärztliches Attest über die Ver-
nehmungsunfähigkeit verlangt. In zwei Fällen sind die
geladenen Zeugen auf dieses Verlangen hin vor dem
Ausschuss erschienen. Auf amtsärztliche Anordnung hat
der Ausschuss einem Zeugen Vernehmungspausen ge-
währt sowie einen Ruheraum mit Liegemöglichkeit zur
Verfügung gestellt.
Zwei geladene Zeugen sind zur Vernehmung nicht er-
schienen, weil sie nicht vernehmungsfähig waren:
– Ein Mitarbeiter des BfV, mit dem die Verfassungs-
schutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen un-
mittelbar nach dem Nagelbombenanschlag in Köln
gebeten wurde, Kontakt aufzunehmen, ist nach Aus-
kunft des BfV dauerhaft nicht vernehmungsfähig
gewesen.
202
Der Mitarbeiter hat dem Ausschuss je-
201) Protokoll-Nr. 30, S. 13.
202) MAT A BfV-14.
Drucksache 17/14600 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
doch einen Fragenkatalog schriftlich beantwortet
(siehe unten: 6.a), S. 50).
– Eine weitere Mitarbeiterin des BfV, die an der Ver-
nichtung von Akten im BfV im November 2011 be-
teiligt war, ist krankheitsbedingt nicht vom Aus-
schuss, sondern kommissarisch vom Ausschussvor-
sitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden ver-
nommen worden (siehe unten: 6.a), S. 50).
5. Vernehmungsgegenüberstellung
Wegen mangelnder Übereinstimmung der Aussagen der
Zeugen Dressler und Brümmendorf hat der Ausschuss am
22. Februar 2013 beschlossen, die beiden Zeugen gemäß
§ 24 Abs. 2 PUAG gemeinsam zu vernehmen.
203
6. Schriftliche Befragung von Zeugen
Der Ausschuss hat drei Zeugen schriftlich befragt.
a) Krankheitsbedingt
Ein Mitarbeiter des BfV, der wegen Vernehmungsunfä-
higkeit nicht vernommen werden konnte (siehe oben: 4.c),
S. 49), ist schriftlich befragt worden. Der Ausschuss hat
hierzu einen Fragenkatalog beschlossen
204
, den der Zeuge
schriftlich beantwortet hat.
205
b) Offen gebliebene Fragen
Der Sonderermittler des Bundesinnenministers zur Ak-
tenvernichtung im BfV, Ministerialdirigent Engelke, ist
am 18. und 26. Oktober 2012 als Zeuge vernommen wor-
den. Da in diesen Vernehmungen einige Fragen nicht
beantwortet werden konnten, hat sich der Ausschuss auf
einen Fragenkatalog geeinigt, der dem Zeugen zur schrift-
lichen Beantwortung übermittelt worden ist.
206
Die Fra-
gen sind mit dem am 11. Dezember 2012 vorgelegten
Ergänzungsbericht des Sonderermittlers beantwortet wor-
den.
207
c) Mangels Zeit
In der 51. Sitzung sollte Oberstaatsanwalt Mohrmann als
vierter Zeuge vernommen werden. Als erkennbar gewor-
den ist, dass der Zeuge an diesem Sitzungstag nicht mehr
würde vernommen werden können, hat sich der Aus-
schuss auf Fragen an den Zeugen zur schriftlichen Beant-
203) Protokoll-Nr. 52, S. 18.
204) Protokoll-Nr. 35, S. 7.
205) MAT A BfV-14/5.
206) Protokoll-Nr. 38, S. 7, A-Drs. 305.
207) MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr. 128/12 – GEHEIM); VS-NfD-
Fassung: MAT B BfV-2/9.
wortung geeinigt,
208
die der Zeuge mit Schreiben vom
5. März 2013 beantwortet hat.
209
7. Kommissarische Vernehmung
Nach einem ärztlichen Attest ist die an der Aktenvernich-
tung im BfV im November 2011 beteiligte Zeugin N.
dauerhaft nicht reisefähig gewesen.
Daraufhin hat der Ausschuss entsprechend § 223 StPO in
seiner Sitzung am 28. Februar 2013 beschlossen:
210
„Der 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages beauftragt die Mitglieder des Bundes-
tages Sebastian Edathy und Stephan Stracke, die
am 31. Januar 2013 beschlossene, krankheitsbe-
dingt an dem Erscheinen vor dem Untersuchungs-
ausschuss gehinderte Zeugin N. an ihrem Wohnort
zu dem in dem Beweisbeschluss Z-70 bezeichne-
ten Thema zu vernehmen.“
Die kommissarische Vernehmung der Zeugin N. ist durch
den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden
am 16. April 2013 in Köln in einem Hotel durchgeführt
worden. Die Zeugin hat zu der Vernehmung als Person
ihres Vertrauens ihre Abteilungsleiterin im BfV, Frau
Büddefeld, hinzugezogen. Der Stenografische Dienst des
Bundestages hat die Vernehmung protokolliert.
211
Im Ausschuss ist bedauert worden, dass der Eindruck
entstehen kann, eine Vorgesetzte wolle die Zeugenaussa-
ge beobachten.
212
Das wesentliche Ergebnis der kommissarischen Verneh-
mung hat der Vorsitzende zu Beginn der öffentlichen
Beweisaufnahmesitzung am 13. Mai 2013 vorgetragen
und hierdurch in die Beweisaufnahme eingeführt.
213
8. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungs-
recht
Nach § 22 Abs. 2 PUAG können Zeugen die Auskunft auf
Fragen verweigern, deren Beantwortung ihnen oder ihren
Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, einer Untersu-
chung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren aus-
gesetzt zu werden. Zu den „gesetzlich geordneten Verfah-
ren“ zählen auch Disziplinarverfahren.214
Wegen laufender disziplinarischer und möglicher straf-
rechtlicher Ermittlungen hat der Zeuge Lothar Lingen
208) Protokoll-Nr. 50, S. 12; A-Drs. 361; Protokoll-Nr. 51, S. 131.
209) MAT A Z-57/1.
210) Protokoll-Nr. 55, S. 10.
211) MAT A Z-70/4.
212) Protokoll-Nr. 65a, S. 7.
213) Protokoll-Nr. 70, S. 1 ff.
214) Glauben, in: Glauben/Brocker, PUAG, Gesetz zur Regelung
des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bun-
destages, Kommentar, 2011, § 22, Rn. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/14600
teilweise von seinem Recht auf Auskunftsverweigerung
Gebrauch gemacht.
215
9. Rechtlicher Beistand
Zeugen dürfen einen rechtlichen Beistand ihres Vertrau-
ens zu der Vernehmung hinzuziehen (§ 20 Abs. 2 PUAG).
Davon haben fünf Zeugen Gebrauch gemacht:
– Der Zeuge Lothar Lingen ist in Begleitung von
Rechtsanwalt Volker van Bökel erschienen.
– Der Zeuge R. G. hat den Rechtsanwalt Dr. Butz Pe-
ters hinzugezogen.
– Der Zeuge Gordian Meyer-Plath hat in Begleitung
von Rechtsanwalt Dr. Butz Peters ausgesagt.
– Der Zeuge Peter-Michael Haeberer hat den Rechts-
anwalt Hansgeorg Birkhoff hinzugezogen.
– Der Zeuge Rainer Oettinger ist von dem Rechtsan-
walt Thomas Oelmayer begleitet worden.
10. Öffentlichkeit
a) Ausschluss der Öffentlichkeit
Der Ausschuss hat überwiegend Beweise in öffentlicher
Sitzung erhoben.
Von 95 Zeugen sind neun Zeugen ausschließlich unter
Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen worden, um
ihre Identität nicht preiszugeben. Vier weitere Zeugen
sind teilweise nichtöffentlich vernommen worden, weil
nach dem Gegenstand der Befragung gemäß § 14 PUAG
die Öffentlichkeit auszuschließen war.
Für die Vernehmung des Zeugen Oettinger, der in seiner
aktiven Zeit als Mitarbeiter des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz operativ tätig war, hat der Beauftragte des
Landes Baden-Württemberg unter anderem den Aus-
schluss der Öffentlichkeit beantragt, um seine Identität zu
schützen und eine Gefährdung seiner Person zu vermei-
den.
216
Der Ausschuss hat diesen Antrag abgelehnt und
stattdessen durch Sichtschutzwände gewährleistet, dass
die Öffentlichkeit den Zeugen nicht hat sehen können.
217
Daraufhin ist der Zeuge unter seinem Arbeitsnamen öf-
fentlich vernommen worden.
218
b) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sit-
zungen
Nach § 13 PUAG sind Ton- und Filmaufnahmen sowie
Ton- und Bildübertragungen von der Beweiserhebung in
öffentlicher Sitzung nicht zulässig. Stimmt die anzuhö-
rende oder zu vernehmende Person zu, kann der Aus-
215) Protokoll-Nr. 24, S. 4.
216) MAT Z-99/1.
217) Protokoll-Nr. 73a, S. 6 ff.
218) Protokoll-Nr. 74.
schuss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesen-
den Mitglieder beschließen, Aufnahmen und Übertragun-
gen zuzulassen.
Einige Rundfunksender bekundeten Interesse an einer
Live-Übertragung. Der Ausschuss hat dem nicht mit der
erforderlichen Mehrheit zugestimmt.
c) Twittern aus öffentlicher Sitzung
Der Ausschuss hat beraten, ob es zugelassen werden solle
und dürfe, aus öffentlichen Sitzungen zu twittern. Der
Geschäftsordnungsausschuss hat dem Untersuchungsaus-
schuss mitgeteilt, es stehe dem Ausschuss frei, wie er
damit verfahre. Mit der Übertragung von Bild und Ton
könne das Twittern nicht gleichgesetzt werden. Nach der
Hausordnung könne Besuchern, mit Ausnahme von Jour-
nalisten, neben der Benutzung von Handys auch das Mit-
führen von Computern untersagt werden. Damit wäre das
Twittern durch Nichtjournalisten unterbunden.
Mehrheitlich ist der Ausschuss zu der Auffassung gelangt,
zunächst nicht gegen das Twittern vorzugehen. Falls
festzustellen sei, dass das Twittern durch Nichtjournalis-
ten zu einem Missbrauch führe, behalte sich der Aus-
schuss vor, darüber neu zu befinden.
219
11. Einsichtsgewährung in Stenografische
Protokolle vor Abschluss der Untersu-
chung
a) Mitglieder des Bundestages
Mitgliedern des Bundestages, die nicht Mitglieder des
Ausschusses gewesen sind, haben auf Anforderung die
Protokolle des Ausschusses zur Einsicht erhalten, soweit
diese nicht VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft
gewesen sind (§ 16 Abs. 1 PUAG).
b) Untersuchungsausschüsse der Landtage
Der Ausschuss hat den Untersuchungsausschüssen der
Landtage von Thüringen und Bayern Einsicht in die Ste-
nografischen Protokolle durch Übersendung der endgülti-
gen Protokolle gewährt, soweit diese nicht VS-
VERTRAULICH oder höher eingestuft worden sind.
220
c) Ombudsfrau für die Opfer und deren An-
gehörige
Für die Unterrichtung der Opfer der dem NSU zugerech-
neten Straftaten und deren Angehörige hat die Ombuds-
frau der Bundesregierung Prof. Barbara John Einsicht in
die Stenografischen Protokolle erhalten.
219) Protokoll-Nr. 58, S. 7 f.
220) Protokoll-Nr. 13, S. 14.
Drucksache 17/14600 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Bund-Länder-Kommission
Die Bund-Länder-Expertenkommission hat die Stenogra-
fischen Protokolle des Ausschusses bis zu einer Geheim-
haltungsstufe VS-NfD über ihre Geschäftsstelle erhalten.
Am 24. Mai 2012 hat der Ausschuss beschlossen, dass der
Kommission im Einzelfall und nach Rücksprache mit den
Behörden, die für die in den Protokollen enthaltenen Ge-
heimnisse verantwortlich sind, auch höher eingestufte
Protokolle zugänglich gemacht werden.
221
e) Bundesdatenschutzbeauftragter
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informations-
freiheit Schaar hat um Einsicht in die Protokolle über die
öffentliche Vernehmung der Zeugen Fritsche und Engelke
gebeten. Beide Zeugen hätten in ihrer Vernehmung auf
die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten Bezug
genommen. Der Ausschuss hat dies abgelehnt, da der
Bundesdatenschutzbeauftragte als Zeuge in Betracht ge-
kommen sei.
222
f) Zeuge Luthardt
Der Zeuge Luthardt hat Einsicht in das Protokoll über die
Anhörung der Schäfer-Kommission begehrt, um sich
sachgerecht auf seine Vernehmung vorbereiten zu kön-
nen. Dies hat der Ausschuss abgelehnt.
223
§ 24 PUAG
sehe vor, dass Zeugen einzeln und in Abwesenheit von
später zu hörenden Zeugen vernommen würden. Daraus
folge, dass Zeugen auch die Protokolle von anderen Zeu-
gen nicht sichten dürften. Die Schäfer-Kommission sei
zwar nicht zeugenschaftlich gehört worden, sodass § 24
PUAG dem Wortlaut nach nicht passe. Sie habe sich aber
auch zu konkreten Sachverhalten geäußert.
g) Ermittlungsgruppe „Trio“
Der Ausschuss hat in seiner Sitzung am 13. Mai 2013
beschlossen, der Ermittlungsgruppe „Trio“ beim Bundes-
kriminalamt im Wege der Amtshilfe Einsicht in das Ste-
nografische Protokoll über die Vernehmung der Zeugen
Voß und PHK Baumeister zu gewähren, um prüfen zu
können, ob sich aus den Zeugenaussagen weitere Ermitt-
lungsansätze ergeben.
224
h) Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpom-
mern
Zur Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkom-
mission des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern
hat der Direktor des Landeskriminalamtes Mecklenburg-
Vorpommern im Wege der Amtshilfe Einsicht in das
Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Deisting
221) Protokoll-Nr. 16, S. 9.
222) Protokoll-Nr. 40, S. 9.
223) Protokoll-Nr. 48, S. 16.
224) Protokoll-Nr. 69, S. 13.
erhalten. Der Ausschuss hat am 17. Januar 2013 beschlos-
sen:
225
„Im Wege einer Einzelfallentscheidung wird dem
Direktor des LKA Mecklenburg-Vorpommern
Einsicht in das Stenografische Protokoll der 19.
Sitzung vom 14. Juni 2012 gewährt.“
i) Wissenschaftliche Zwecke
Zu wissenschaftlichen Zwecken hat der Ausschuss Ein-
sicht in die Stenografischen Protokolle über die Sachver-
ständigenanhörungen und die hierzu vorgelegten schriftli-
chen Stellungnahmen der Sachverständigen gewährt.
226
j) OLG München
Zur Übersendung von Protokollen an den Sechsten Straf-
senat des Oberlandesgericht München siehe oben: B.I.5
(S. 13).
V. Teilnahme der Ombudsfrau für die Opfer
und deren Angehörige
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und
deren Angehörige Prof. Barbara John hat regelmäßig an
des Sitzungen des Ausschusses zur öffentlichen Beweis-
aufnahme teilgenommen.
VI. Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten
Nach § 10 PUAG hat der Untersuchungsausschuss jeder-
zeit das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mit-
glieder die Pflicht, zu seiner Unterstützung eine Untersu-
chung zu beschließen, die von einem oder einer Ermitt-
lungsbeauftragten durchgeführt wird.
1. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg
Am 8. März 2012 hat der Ausschuss als Ermittlungsbe-
auftragten zunächst zur Sichtung der Unterlagen des Ge-
neralbundesanwalts Prof. Dr. Bernd von Heintschel-
Heinegg bestellt.
227
Der Auftrag ist viermal erweitert
worden.
a) Auftrag
aa) Unterlagen des Generalbundesanwalts
Die Durchführung der Untersuchung durch einen Ermitt-
lungsbeauftragten und der Auftrag war bereits am 1. März
2012 beschlossen worden:
228
225) Protokoll-Nr. 48, S. 15.
226) Protokoll-Nr. 26, S. 25.
227) Protokoll-Nr. 5, S. 7.
228) Protokoll-Nr. 4, S. 49.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/14600
„1. Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersu-
chungsausschusses wird eine Untersuchung
durch einen Ermittlungsbeauftragten gemäß
§ 10 PUAG durchgeführt, um den Beweisbe-
schluss GBA-4 so zügig wie möglich umzu-
setzen.
2. Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist die
Sichtung und Vorauswahl der mit Beweisbe-
schluss GBA-4 durch den Untersuchungsaus-
schuss bereits förmlich beigezogenen Be-
weismittel hinsichtlich ihrer Bedeutung und
Erforderlichkeit für die Erfüllung des Unter-
suchungsauftrages, unabhängig davon, wo
sich die Beweismittel körperlich befinden.
3. Dabei soll der Ermittlungsbeauftragte insbe-
sondere auch den Gesichtspunkt möglicher
Gefährdungen der Zwecke des Strafverfah-
rens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Drit-
ter, insbesondere die Interessen der Angehö-
rigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick
auf die Übermittlung der Beweismittel an den
Untersuchungsausschuss berücksichtigen. Ei-
ne sachliche Auswertung der Akten ist nicht
Gegenstand des Ermittlungsauftrags.
4. Der Ermittlungsbeauftragte soll die beigezo-
genen Beweismittel möglichst rasch und Zug
um Zug nach Ermittlungs- beziehungsweise
Aktenkomplexen für den Ausschuss erschlie-
ßen.
5. Der Ermittlungsbeauftragte soll sich zunächst
durch Sichtung und informatorische Anhö-
rungen von mit der Aktenführung vertrauten
Personen einen Überblick über die beigezo-
genen Beweismittel verschaffen und im Ge-
spräch mit den Obleuten des Ausschusses er-
örtern, welche Kriterien und Schwerpunkte
hinsichtlich der Vorauswahl relevant sein sol-
len. In der Beratungssitzung vom 29. März
2012 soll er über Umfang, Systematik und
stichprobenartig erkundete Relevanz des bei-
gezogenen Materials für den Untersuchungs-
auftrag berichten.
6. Bereits während der Sichtung der Beweismit-
tel soll der Ermittlungsbeauftragte zur Be-
schleunigung des Untersuchungsverfahrens
im Einzelfall entscheiden, dass bestimmte
Beweismittel dem Ausschuss durch die her-
ausgebende Stelle unmittelbar und vorrangig
zugänglich gemacht werden sollen, ohne dass
es hierzu eines gesonderten Beschlusses des
Ausschusses bedarf.
7. Zum Abschluss seiner Tätigkeit legt der Er-
mittlungsbeauftragte dem Untersuchungsaus-
schuss eine zusammenfassende Übersicht
über die mit Beweisbeschluss GBA-4 beige-
zogenen Beweismittel vor, aus der erkennbar
wird, welche Beweismittel er bereits gegen-
über der herausgebenden Stelle als vorrangig
zu übermitteln konkretisiert hat und bei wel-
chen Beweismitteln er aus welchen Gründen
diese Notwendigkeit (vorerst) nicht gesehen
hat. Sollte die Übermittlung von Beweismit-
teln, die vom Ermittlungsbeauftragten als er-
forderlich angesehen wurden, von der heraus-
gebenden Stelle aus rechtlichen Gründen
verweigert werden, wird der Ermittlungsbe-
auftragte um eine gutachterliche Stellung-
nahme zu den von der herausgebenden Stelle
für die Nicht-Übermittlung vorgebrachten
Gründen gebeten.
8. Darüber hinaus soll der Ermittlungsbeauftrag-
te spätestens zum Abschluss seiner Tätigkeit
einen begründeten Vorschlag unterbreiten,
welche mit den im Zuständigkeitsbereich des
Generalbundesanwaltes geführten und für den
Untersuchungsauftrag relevanten Ermitt-
lungsverfahren zur Zeit oder in der Vergan-
genheit befasste Personen als Zeugen im
Untersuchungsausschuss sinnvollerweise ge-
hört werden sollten.
9. Auf die Verpflichtung des Ermittlungsbeauf-
tragten nach § 10 Abs. 3 PUAG, keine öffent-
lichen Erklärungen abzugeben, und auf das
Recht des Ermittlungsbeauftragten nach § 10
Abs. 4 PUAG, in angemessenem Umfang
Hilfskräfte einzusetzen, wird noch einmal
ausdrücklich hingewiesen.“
bb) Unterlagen des Bundeskriminalamtes und
einiger Landeskriminalämter
Am 10. Mai 2012 hat der Ausschuss den Auftrag des
Ermittlungsbeauftragten erweitert:
229
„Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist auch die
Sichtung und Vorauswahl der in dem Schreiben
des Ermittlungsbeauftragten auf A-Drs. 126 be-
zeichneten Unterlagen sowie der mit den folgen-
den Beweisbeschlüssen bereits förmlich beigezo-
genen Beweismitteln hinsichtlich ihrer Bedeutung
und Erforderlichkeit für die Erfüllung des Unter-
suchungsauftrages:
BKA-2; BW-4; BW-5; BY-4; BY-6; BY-7; NW-4;
NW-5.”
Diese Auftragserweiterung ist durch Beschluss vom 10.
Mai 2012 neu gefasst worden:
230
„Gegenstand des erteilten Ermittlungsauftrages
sind auch die Unterlagen, die vom 2. Untersu-
chungsausschuss durch Beweisbeschlüsse beim
GBA, beim BKA und bei den Polizei- und Justiz-
behörden der Länder Baden-Württemberg, Bayern,
Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und
229) Protokoll-Nr. 13, S. 13.
230) Protokoll-Nr. 16, S. 8.
Drucksache 17/14600 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nordrhein-Westfalen zur Aufklärung der Sachver-
halte beigezogen werden, die zum Komplex ‚2000
bis 2007 – Mordserie und weitere Straftaten, inten-
sive Ermittlungen‘ gemäß Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstandes gehören.“
Durch Beschluss des Ausschusses vom 28. Juni 2012 ist
der Auftrag des Ermittlungsbeauftragten vom 1. März
2012 in der Fassung vom 24. Mai 2012 bis zum 31. De-
zember 2012 verlängert worden.
231
cc) Akten des LKA Thüringen, der Sächsi-
schen Sicherheitsbehörden sowie der
BKA-Abteilung polizeilicher Staatsschutz
Am 18. Oktober 2012 hat der Ausschuss beschlossen, den
Auftrag erneut zu erweitern:
232
„Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist auch die
Sichtung
1. der dem Ausschuss durch das Innenministeri-
um des Freistaates Thüringen mit Schreiben
vom 27. September 2012 (MAT B TH-3)
übersandten Akten,
2. der in der mit MAT A BMI-1/3 vom Bun-
desministerium des Innern vorgelegten Über-
sicht aufgeführten Akten des Bundeskrimi-
nalamtes sowie
3. die vom Beweisbeschluss SN-7 umfassten po-
lizeilichen Akten, insbesondere aus dem Be-
reich des Staatsschutzes zum Phänomen-
bereich Rechtsextremismus/Rechtsterroris-
mus.“
dd) Akten des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz
Am 8. November 2012 hat der Ausschuss beschlossen:
„Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist auch die
Sichtung der Akten des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz, die mit den Beweisbeschlüssen vom
9. Februar 2012
– BfV-4 (sämtliche Beweismittel, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen und im
Organisationsbereich des Bundesamtes für
Verfassungsschutz im Untersuchungszeitraum
1.1.1992 bis 8.11.2011 vorhanden waren) und
– BfV-5 (sämtliche Beweismittel, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen und im
Organisationsbereich des Bundesamtes für
Verfassungsschutz nach dem 8.11.2011 ent-
standen oder in Gewahrsam genommen
worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf
231) Protokoll-Nr. 20, S. 9.
232) Protokoll-Nr. 33, S. 9.
den Untersuchungszeitraum 1.1.1992 bis
8.11.2011 beziehen)
beigezogen worden sind.
Die Untersuchung soll spätestens bis zu 31. März
2013 abgeschlossen werden.“
ee) Brandenburger Operativakten
Der Auftrag ist am 17. Januar 2013 um die Sichtung von
Protokollen erweitert worden, die das Land Brandenburg
aufgrund des Beweisbeschlusses BB-3 übersandt hat. Es
handelte sich hierbei unter anderem um Datenträger mit
über 2 000 im Rahmen von G 10-Maßnahmen angefalle-
nen Protokollen.
233
b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 PUAG haben Ermittlungsbeauf-
tragte das Recht, in angemessenem Umfang Hilfskräfte
einzusetzen. Die Bundestagsverwaltung hat dem Ermitt-
lungsbeauftragten zwei Referentenstellen, eine Sach-
bearbeiterstelle sowie eine Sekretärsstelle gewährt. Be-
schäftigt worden sind:
als Referenten:
– Oberregierungsrat Dr. Harald Dähne (vom März
2012 bis zum 31. August 2012),
– Oberstaatsanwalt Dr. Hans-Joachim Lutz (vom
1. April 2012 bis zum 30. November 2012)
234
,
– Oberstaatsanwalt Ralf Knispel (3. Dezember 2012
bis 31. März 2013),
– Regierungsdirektor Rolfdieter Bohm (3. Dezember
2012 bis 30. April 2013),
als Büroleiterin:
– Jutta Schneider-Schill,
als Sekretärin
– Christina Sintara.235
Oberstaatsanwalt Dr. Lutz ist dem Deutschen Bundestag
von der Bayerischen, Oberstaatsanwalt Knispel von der
Berliner Justiz und Regierungsdirektor Bohm vom Land-
tag Brandenburg abgeordnet worden.
c) Berichterstattung an den Ausschuss
Bereits in der Sitzung vom 29. März 2012 hat der Ermitt-
lungsbeauftragte Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg dem
Ausschuss einen ersten Bericht erstattet.
236
In der Folge
hat er den Ausschuss regelmäßig schriftlich und mündlich
über die Ergebnisse seiner Untersuchung unterrichtet.
233) Protokoll-Nr. 48, S. 10.
234) Ist anschließend ins Ausschusssekretariat gewechselt.
235) Ist anschließend ins Ausschusssekretariat gewechselt.
236) Protokoll-Nr. 9, S. 7 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/14600
d) Ergebnis
Mit insgesamt 50 Schreiben sind von dem Ermittlungsbe-
auftragten die untersuchungsrelevanten Akten bezeichnet
und zur Vorlage an den Ausschuss bei den aktenführen-
den Stellen angefordert worden.
Nach Sichtung von über 6 000 Stehordnern Akten hat der
Ermittlungsbeauftragte dem Ausschuss am 27. März 2013
seinen Abschlussbericht vorgelegt und damit seine her-
vorragende Arbeit dokumentiert.
237
2. Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache,
Ulrich Hebenstreit
a) Thüringer Aktenstreit
Mit Schreiben vom 27. September 2012 hat das Thüringer
Innenministerium mitgeteilt, es werde dem Untersu-
chungsausschuss 778 Ordner Akten des Thüringer Lan-
desamtes zur Verfügung stellen. Bei den Akten handele es
sich um den Aktenbestand zur Auswertung des
Phänomenbereichs Rechtsextremismus im Zeitraum 1991
bis Ende 2002 sowie zu dem Komplex „Blood & Honour“
bzw. „White Youth“ im Zeitraum 1991 bis Anfang 2012.
In einer weiteren Lieferung würden etwa 1 000 Aktenord-
ner des Phänomenbereichs Rechtsextremismus im Zeit-
raum 2003 bis 2012 übersandt. Eine inhaltliche Prüfung
der Akten sei nicht erfolgt.
238
Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der
übrigen Länder haben daraufhin Sicherheitsbedenken
gegen eine Vorlage dieser Akten an den Untersuchungs-
ausschuss angemeldet. Die Akten könnten Angaben über
von ihnen geführte Quellen enthalten. Der Freistaat Thü-
ringen ist gedrängt worden, die Aktenvorlage zu stoppen.
Daraufhin haben die Obleute am 2. Oktober 2012 be-
schlossen, die von Thüringen gelieferten Akten in der
Geheimschutzstelle des Bundestages zu belassen und eine
Einsichtnahme der Akten bis auf Weiteres zu unterbinden.
Auf Einladung des Ausschussvorsitzenden hat am
17. Oktober 2012 ein Gespräch der Obleute mit dem
Bundesminister des Innern sowie dem Vorsitzenden der
Innenministerkonferenz über den Umgang mit diesen
Akten stattgefunden. Der Vorsitzende der Innenminister-
konferenz hat darum gebeten, in den Akten
– personenbezogene Daten von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern,
– Klarpersonalien von Quellen und Zielpersonen,
– Fallbezeichnungen, quellenführende Behörden und
Organisationseinheit einschließlich Beschaffungsak-
tenzeichen,
– Hinweise auf die Intimsphäre von den in Quellen-
meldungen genannten Personen sowie
237) A-Drs. 424.
238) MAT A TH-3/5.
– erkennbare Bezüge zu ausländischen Nachrichten-
diensten
durch Schwärzungen unkenntlich zu machen. Außerdem
sollten alle sogenannten Deckblätter der Quellenmeldun-
gen entfernt werden.
239
In dem Gespräch mit dem Bundesinnenminister und dem
Vorsitzenden der Innenministerkonferenz ist zu dem
Umgang mit den Thüringer Verfassungsschutzakten ver-
einbart worden:
– Die Thüringer Akten würden weder zurückgesandt,
noch durch Verfassungsschutzbehörden des Bundes
oder der Länder geschwärzt.
– Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz werde
dem Ausschuss zu Beginn der kommenden Woche
einen Katalog mit Kriterien vorlegen, nach welchen
die Schwärzung von Akten geprüft werden solle.
– Der Untersuchungsausschuss werde für diese Akten
einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, der die Ak-
ten vorab sichte und die für den Ausschuss relevan-
ten Unterlagen zusammenstelle.
– Vertreter der Verfassungsschutzbehörden des Bun-
des und der Länder erhielten Gelegenheit, die zu-
sammengestellten Unterlagen zu lesen und Vor-
schläge für Schwärzungen zu unterbreiten.
– Über die Schwärzungen entscheide der Ermittlungs-
beauftragte. In Konfliktfällen setze sich der Aus-
schuss mit der Bundesregierung oder der betroffenen
Landesregierung auseinander.
– Mittels der elektronischen Fassung der Akten sollten
bei Bedarf geschwärtzte Stellen in den Akten nach-
träglich wieder sichtbar gemacht werden können, um
Personen identifizieren zu können, die als Zeuge in
Betracht kämen.
240
Auf Bitten des Ausschusses hat der Vorsitzende dieses
Ergebnis in einem Schreiben vom 22. Oktober 2012 an
den IMK-Vorsitzenden festgehalten. Er hat darin die
Erwartung des Ausschusses ausgedrückt, dass die Koope-
ration der Thüringer Landesregierung mit dem Deutschen
Bundestag respektiert werde und dem Freistaat Thüringen
hieraus keine Nachteile erwachsen dürften.
b) Auftrag und Bestellung
Am 26. Oktober 2012 hat der Ausschuss beschlossen:
241
„Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersu-
chungsausschusses wird für die Sichtung und Vor-
auswahl und gegebenenfalls Schwärzung der als
Materialie MAT A TH-3/5 vorgelegten Akten des
Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz
239) Schreiben des IMK-Vorsitzenden vom 19. Oktober 2012,
A-Drs. 287.
240) Protokoll-Nr. 33, S. 10 ff.
241) Protokoll-Nr. 35, S. 11.
Drucksache 17/14600 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zum Ermittlungsbeauftragten gemäß § 10 PUAG
bestellt:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a. D.
Dr. Gerhard Schäfer.
Die Untersuchung des Ermittlungsbeauftragten
soll bis zum 31. März 2013 abgeschlossen werden.
Dem Ermittlungsbeauftragten Dr. Gerhard Schäfer
werden zwei weitere Ermittlungsbeauftragte zur
Seite gestellt.
Die Ermittlungsbeauftragten werden bis zum Ab-
schluss ihrer Untersuchung durch vier Volljuristen
unterstützt.“
Der Ermittlungsauftrag und die Bestellung von Ermitt-
lungsbeauftragten ist am 8. November 2012 neu gefasst
worden:
242
„1. Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersu-
chungsausschusses wird eine Untersuchung
durch Ermittlungsbeauftragte gemäß § 10
PUAG durchgeführt, um die aufgrund der
Beweisbeschlüsse des Ausschusses vom Frei-
staat Thüringen aus dem Landesamt für Ver-
fassungsschutz beigezogenen beziehungswei-
se dem Untersuchungsausschuss zur Verfü-
gung gestellten Akten möglichst rasch und
Zug um Zug nach Ermittlungs- beziehungs-
weise Aktenkomplexen für den Ausschuss zu
erschließen.
2. Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist die
Sichtung und Vorauswahl der benannten Ak-
ten hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Erfül-
lung des Untersuchungsauftrages. Eine sach-
liche Auswertung der Akten ist nicht Gegen-
stand des Ermittlungsauftrags.
3. Dabei sollen die Ermittlungsbeauftragten ins-
besondere auch den Gesichtspunkt möglicher
Gefährdungen der Zwecke des Strafverfah-
rens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Drit-
ter, insbesondere die Interessen der Angehö-
rigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick
auf die Übermittlung der Beweismittel an den
Untersuchungsausschuss berücksichtigen.
4. Die Ermittlungsbeauftragten sollen sich zu-
nächst durch Sichtung und informatorische
Anhörungen von mit der Aktenführung ver-
trauten Personen einen Überblick über die
beigezogenen Beweismittel verschaffen und
im Gespräch mit den Obleuten des Ausschus-
ses erörtern, welche Kriterien und Schwer-
punkte hinsichtlich der Vorauswahl relevant
sein sollen.
5. Unterlagen aus Aktenbeständen, die dem
Untersuchungsausschuss ohne Vorsichtung
242) A-Drs. 306; Protokoll-Nr. 38, S. 9.
eingestuft zugänglich gemacht wurden, prü-
fen die Ermittlungsbeauftragten nicht nur auf
ihre Relevanz für die Erfüllung des Untersu-
chungsauftrags, sondern auch darauf, ob ein-
zelne Worte oder Passagen – ohne Beein-
trächtigung der Erfüllbarkeit des Untersu-
chungsauftrags – unkenntlich gemacht wer-
den müssen, insbesondere weil sie die Identi-
fizierung von Personen ermöglichen würden,
deren Identität zu schützen ist. Die dazu von
der IMK dem Untersuchungsausschuss über-
mittelten Kriterien erhalten die Ermittlungs-
beauftragten zur Kenntnis.
6. Im Rahmen dieser Prüfung geben die Ermitt-
lungsbeauftragten zu den ausgewählten Do-
kumenten der herausgebenden Stelle (dem
Nachrichtendienst des Bundes oder dem Ver-
fassungsschutz eines Landes, von dem das
Dokument ursprünglich stammt), Gelegen-
heit, Vorschläge zu machen, welche einzelnen
Worte oder Passagen unkenntlich gemacht
werden sollten. Die Entscheidung, einzelne
Worte oder Passagen unkenntlich zu machen,
treffen die Ermittlungsbeauftragten. Die
Nachrichtendienste des Bundes und die Ver-
fassungsschutzbehörden der Länder können,
falls sie es für erforderlich halten, weitere
Worte oder Passagen unkenntlich zu machen,
beim Ausschuss einen Antrag auf eine Ent-
scheidung des Ausschusses stellen.
7. Zum Abschluss ihrer Tätigkeit legen die Er-
mittlungsbeauftragten dem Untersuchungs-
ausschuss eine zusammenfassende Übersicht
vor, aus der erkennbar wird, welche Beweis-
mittel sie als für die Erfüllung des Untersu-
chungsauftrags relevant erachtet haben und
bei welchen Beweismitteln sie aus welchen
Gründen diese Notwendigkeit nicht gesehen
haben.
8. Auf die Verpflichtung der Ermittlungsbeauf-
tragten nach § 10 Abs. 3 PUAG, keine öffent-
lichen Erklärungen abzugeben, und auf das
Recht der Ermittlungsbeauftragten nach § 10
Abs. 4 PUAG, in angemessenem Umfang
Hilfskräfte einzusetzen, wird noch einmal
ausdrücklich hingewiesen.
9. Zu Ermittlungsbeauftragten werden bestellt:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
a. D. Dr. Gerhard Schäfer
Bundesanwalt a. D. Volkhard Wache
Richter am Bundesgerichtshof a. D. Ulrich
Hebenstreit
10. Die Untersuchung des Ermittlungsbeauftrag-
ten Dr. Gerhard Schäfer umfasst die dem
Ausschuss am 28. September 2012 vom In-
nenministerium des Freistaats Thüringen vor-
gelegten Akten (MAT A TH-3/5, Tgb.-Nr.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/14600
75/12 – GEHEIM) Ordner Nr. 1 bis 626. Die
Untersuchung des Ermittlungsbeauftragten
Volkhard Wache umfasst die dem Ausschuss
am 28. September 2012 vom Innenministeri-
um des Freistaats Thüringen vorgelegten Ak-
ten (MAT A TH-3/5, Tgb.-Nr. 75/12 –
GEHEIM) Ordner Nr. 627 bis 990, Ordner
Nr. Gremien 1 bis 97, Ordner Nr. Extr. 1 bis
97, Ordner Nr. GSRE 1 bis 8 sowie auf die
dem Ausschuss am 30. Oktober 2012 vom In-
nenministerium des Freistaats Thüringen vor-
gelegten Akten (MAT A TH-3/8a, Tgb.-Nr.
103/12 – GEHEIM) Ordner Nr. ARE (Aus-
wertung Rechtsextremismus aktuell) 1 bis
153. Die Untersuchung des Ermittlungsbeauf-
tragten Ulrich Hebenstreit umfasst die dem
Ausschuss am 30. Oktober 2012 vom Innen-
ministerium des Freistaats Thüringen vorge-
legten Akten (MAT A TH-3/8a, Tgb.-Nr.
103/12 – GEHEIM) Ordner Nr. GSRE 10,
Ordner Nr. 649 bis 1000 und Ordner Nr. 1001
bis 1259.“
c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Von den Ermittlungsbeauftragten beschäftigt worden
sind:
als Referenten:
– Oberregierungsrat Tim Heerhorst,
– Regierungsrat Alexander Leuxner,
– Rechtsanwältin Dr. Dominique Schimmel,
– Staatsanwalt Dr. Florian Rink,
als Büroleiterin:
– Oberamtsrätin Christa Reuther,
als Sekretärin
– Gabriele Rieger
Regierungsrat Leuxner ist von der Berliner Senatsverwal-
tung für Inneres und Sport, Staatsanwalt Dr. Rink von der
Justiz von Baden-Württemberg zum Deutschen Bundes-
tag abgeordnet worden.
d) Umfang des Aktenmaterials
Insgesamt sind 1 697 Ordner Akten zu sichten gewesen.
Die Unterlagen haben den Ermittlungsbeauftragten in
Papier in der Geheimschutzstelle zu Verfügung gestan-
den. Außerdem sind die Unterlagen in durchsuchbaren
Dateien auf vier besonders abgeschirmte Rechner aufge-
spielt worden.
Von diesen 1 697 Ordnern Akten haben die Ermittlungs-
beauftragten 220 Vorgänge in einem Umfang von 17
Ordnern für untersuchungsrelevant erachtet.
e) Freigabeverfahren
Soweit Unterlagen nicht nur Informationen aus Thüringen
enthalten haben, sind die betroffenen Länder oder der
Bund um Freigabe für eine Vorlage an den Ausschuss
ersucht worden.
Der Freistaat Bayern hat in Person des Ministerialdirigen-
ten Hubertus Andrä aus dem Bayerischen Staatsministeri-
um des Innern die zentrale Koordination der Freigabe von
Verschlusssachen übernommen.
Das Freigabeverfahren ist anfangs schleppend verlaufen,
weil einige der angesprochenen Verfassungsschutzbehör-
den nicht in der Lage gewesen sind, ihre Vorgänge an-
hand von Aktenzeichen aufzufinden. Erst nach einer
Übermittlung der freizugebenden Unterlagen haben diese
Behörden eine Bewertung vornehmen können. Größte
Schwierigkeiten hatte hierbei das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz.
Regelmäßig ist es zu Unstimmigkeiten über die Notwen-
digkeit von Schwärzungen gekommen. Insbesondere das
Bundesamt für Verfassungsschutz hat für seine Schwär-
zungsvorschläge den Maßstab einer Veröffentlichung
angelegt, ungeachtet der Tatsache, dass der Einstufungs-
grad GEHEIM bei der Vorlage an den Ausschuss erhalten
bleiben sollte. Es hat anfangs auch verkannt, dass Anga-
ben über Arbeitsweisen und Methoden des Verfassungs-
schutzes sowie die Zusammenarbeit der Verfas-
sungsschutzbehörden untereinander nicht zu Schwärzun-
gen führen durften, sondern zentraler Kern des parlamen-
tarischen Aufklärungsinteresses gewesen sind.
Der Ausschuss hat gegenüber den Verfassungsschutzbe-
hörden in seiner Sitzung vom 14. März 2013 ankündigen
müssen, ein Ersuchen um Freigabe als bewilligt zu erach-
ten, wenn es nicht innerhalb von 14 Tagen beschieden
sei.
243
In der Ausschusssitzung am 21. März 2013 hat der Er-
mittlungsbeauftragte Dr. Gerhard Schäfer die Schwierig-
keiten in dem Freigabeverfahren geschildert: Insgesamt
sei in 140 Fällen über die Koordinierungsstelle in Mün-
chen ein Freigabeersuchen eingeleitet worden. 95 Fälle
beträfen das BfV, 45 Fälle die Länder sowie den MAD.
Die Länder und der MAD hätten insgesamt schnell und
gut geantwortet. Eine Ausnahme gelte für Niedersachsen.
Niedersachsen habe fünf Wochen gebraucht, um festzu-
stellen, dass ein Schriftstück bereits vernichtet worden
sei. Mecklenburg-Vorpommern habe auf eine Anfrage
vom 4. Februar 2013 am 20. Februar 2013 mitgeteilt, dass
die Akten nicht auffindbar seien. Daraufhin sei das
Schriftstück noch einmal gemailt worden. Eine Antwort
liege bisher nicht vor.
Problematisch seien die Antworten des BfV. Die ersten
Ersuchen an die Länder seien per E-Mail unter Angabe
des Aktenzeichens und der Blattzahl herausgegangen.
Daraufhin seien viele Akten nicht gefunden worden. Sein
Team sei daraufhin Ende Februar 2013 dazu übergegan-
243) Protokoll-Nr. 58, S. 9.
Drucksache 17/14600 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen, die Akten über die Außenstelle des BfV in Treptow
einzuscannen und parallel an die Koordinierungsstelle in
Bayern und das konkret angesprochene Amt zu übersen-
den. Dies habe zu einer Beschleunigung des Verfahrens
beigetragen. Zuletzt sei auch das BfV schneller geworden.
Der vom Freistaat Bayern gestellte Koordinator, Ministe-
rialdirigent Andrä, hat schließlich dafür gesorgt, dass
keine ungenügenden Begründungen für Schwärzungen
mehr gegeben worden sind.
244
f) Aktenvorlage und Berichterstattung an
den Ausschuss
Die Ermittlungsbeauftragten haben die Obleute regelmä-
ßig über die gewonnenen Erkenntnisse auf dem Laufen-
den gehalten. Dem Ausschuss haben die Ermittlungsbe-
auftragten insgesamt 17 Ordner Unterlagen vorgelegt.
245
g) Tätigkeitsbericht
Mit Schreiben vom 23. April 2013 haben die Ermitt-
lungsbeauftragten den Ausschuss über ihre Tätigkeit
abschließend unterrichtet.
246
244) Protokoll-Nr. 61, S. 11 ff.
245) MAT A TH-3/EB01 bis TH-3/EB17.
246) A-Drs. 438.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/14600
D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen
I. Gedenkveranstaltung am Gendarmenmarkt
Um sich von der Bundesregierung über den Stand der
Ermittlungen unterrichten zu lassen, trat das Parlamenta-
rische Kontrollgremium des Bundestages am 15. Novem-
ber 2011 zu einer „informatorischen Anhörung“ zusam-
men. Gegenüber der Presse sagte der Vorsitzende des
Gremiums, Thomas Oppermann, die Bundesregierung
müsse einen „geeigneten Rahmen für eine Trauerveran-
staltung“ finden. „Die Demokratie schuldet den Opfern
Trauer. Wir dürfen die Angehörigen nicht alleine las-
sen.“247
Am 16. November 2011 sprach sich der Vorsitzende der
Türkischen Gemeinde in Deutschland Kenan Kolat für
eine Trauerfeier im Deutschen Bundestag aus. Die Ver-
wandten und Hinterbliebenen erwarteten die Solidarität
der Gesellschaft. Eine zentrale Feier sei notwendig, um
ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
248
Auch die In-
tegrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böh-
mer, sprach sich für eine nationale Trauerfeier aus.
249
Der Vorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Cem
Özdemir regte in einem Schreiben an den damaligen Bun-
despräsidenten Christian Wulff einen Staatsakt an. Es
müsse das Signal gesendet werden, dass Menschen nicht-
deutscher Herkunft „gleicher und gleichberechtigter Teil
unseres Landes sind und dass es kein ‚wir’ und ‚ihr’
gibt“.250 Dieser Forderung schlossen sich Altbundespräsi-
dent Walter Scheel und der frühere Bundesaußenminister
Hans-Dietrich Genscher in einem gemeinsamen Appell
an. Das Land müsse aufgerüttelt werden. „Ein Staatsakt
für die Opfer wäre angemessen. Die deutsche Geschichte
lehrt uns: Wehret den Anfängen.“251
1. Einladung durch die Staatsspitzen und
Schweigeminute
Nach einem Treffen des damaligen Bundespräsidenten
Christian Wulff mit Angehörigen der Mordopfer sowie
Verletzten verständigte sich der Bundespräsident mit
Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesver-
fassungsgericht auf eine gemeinsame Gedenkveranstal-
tung für die Opfer des NSU am 23. Februar 2012 im Kon-
247) Die Welt vom 16. November 2011, „Auf der Suche nach einer
Trauerfeier“.
248) Der Tagesspiegel vom 17. November 2011, „Für eine zentrale
Trauerfeier im Bundestag!“.
249) Kieler Nachrichten vom 18. November 2011, „Maria Böhmer
fordert nationale Trauerfeier“.
250) Die Welt vom 16. November 2011, „Grünen-Chef Özdemir
fordert angemessenen Staatsakt“.
251) Die Welt vom 18. November 2011, „BKA: Geheimdienste und
Polizei enger verzahnen“.
zerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin. Die Einladung
durch alle Verfassungsorgane sollte ein Zeichen des Zu-
sammenhalts und des Einstehens gegen jede Form von
Fremdenfeindlichkeit und Gewalt sein.
Eine Schülergruppe stellte zwölf Kerzen auf die Bühne –
zehn von ihnen standen für die zehn Mordopfer, eine elfte
für die unbekannten Opfer rechtsextremistischer Gewalt,
die zwölfte Kerze symbolisierte die „Hoffnung“. Die
Bundeskanzlerin hielt die zentrale Ansprache. Nach ihr
sprach zunächst die Tochter von Enver Şimşek, Frau
Semiya Şimşek. Ihr folgte die Tochter von Mehmet
Kubaşik, Frau Gamze Kubaşık. Den Schluss machte der
Vater von Halit Yozgat, Herr İsmail Yozgat.
Für zwölf Uhr mittags wurden die Bürgerinnen und Bür-
ger der Bundesrepublik Deutschland zur Teilnahme an
einer Schweigeminute aufgerufen.
2. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel
„Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident, sehr ge-
ehrter Herr Bundestagspräsident, sehr geehrter
Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren,
ganz besonders aber: liebe Familien, die Sie einen
Angehörigen verloren haben oder selbst einen An-
schlag erleben mussten,
ich danke Ihnen, dass Sie heute zu dieser Gedenk-
veranstaltung gekommen sind.
Auf dem Podest links neben mir brennen Kerzen.
Es sind Kerzen für Menschen – für Menschen, de-
ren Leben ausgelöscht wurde, ausgelöscht durch
kaltblütigen Mord.
Enver Şimşek. Er wurde 38 Jahre alt und hatte sich,
seiner Frau und seinen beiden Kindern in Nürn-
berg den Traum vom eigenen Blumenhandel er-
füllt.
Abdurrahim Özüdoğru. Er half häufiger in einer
Änderungsschneiderei in Nürnberg aus. Dort tra-
fen ihn die tödlichen Schüsse. Er wurde 49 Jahre
alt und hinterlässt eine Tochter.
Süleyman Taşköprü. Er betrieb in Hamburg einen
Gemüsemarkt. Als er im Alter von 31 Jahren starb,
war seine Tochter gerade einmal drei Jahre alt.
Habil Kılıç. Wenige Monate vor seinem gewalt-
samen Tod im Alter von 38 Jahren hatte er in
München zusammen mit seiner Frau ein Lebens-
mittelgeschäft eröffnet. Die beiden haben eine
Tochter.
Drucksache 17/14600 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Mehmet Turgut. Der 25-Jährige war gerade aus
Anatolien nach Rostock gekommen. Hoffnungen
und Träume begleiteten ihn. Er hatte keine Chan-
ce, sie zu verwirklichen.
İsmail Yaşar. Vor allem die Schulkinder der Nürn-
berger Nachbarschaft kamen häufig und gerne zum
Imbiss des Familienvaters. Er wurde 50 Jahre alt
und hinterlässt drei Kinder.
Theodoros Boulgarides. Der 41-jährige Vater von
zwei Kindern lebte in München und glaubte als
Geschäftsmann an seine Zukunft in Deutschland.
Mehmet Kubaşik. Er war mit seiner Frau nach
Deutschland gekommen, hatte mit ihr in Dortmund
einen Kiosk eröffnet und sich so eine Existenz
aufgebaut – für seine Tochter und die beiden jün-
geren Söhne. Er wurde 39 Jahre alt.
Halit Yozgat. Der 21-Jährige betrieb in seiner
Heimatstadt Kassel ein Internetcafé – bis die Mör-
der sein junges Leben auslöschten.
Michèle Kiesewetter. Die Polizistin zog für ihre
Polizeiausbildung von Thüringen nach Baden-
Württemberg. Sie war gerade einmal 22 Jahre alt,
als sie in Heilbronn in ihrem Dienstwagen ermor-
det wurde. Ihr neben ihr sitzender Kollege überleb-
te die Schüsse der Täter schwer verletzt.
Zehn brennende Kerzen – zehn ausgelöschte Le-
ben. Ihrer gedenken wir heute. Zehn Kerzen – sie
stehen für eine Mordserie in Deutschland von 2000
bis 2006, deren Täter bis 2011 und damit also über
mehr als zehn Jahre unentdeckt blieben – mitten
unter uns; beispiellos für unser Land.
Bevor wir die alles überragenden Fragen ‚Wie
konnte das geschehen?’, ‚Warum sind wir nicht
früher aufmerksam geworden?’, ‚Warum konnten
wir das nicht verhindern?’ beantworten, bitte ich
darum, dass wir schweigen. Schweigen, so wie
heute um 12 Uhr Beschäftigte im ganzen Land
schweigen werden. Gewerkschaften und Arbeitge-
ber haben das vereinbart.
Ich danke Ihnen.
Mit diesem Schweigen ehren wir die Opfer der
Mordserie einer Terrorgruppe, die ihren Kern seit
Ende der 90er Jahre in Thüringen hatte und die
sich den Namen ‚Nationalsozialistischer Unter-
grund’ gab. Wir ehren die Opfer dieser Terror-
gruppe; und wir erinnern gleichzeitig auch an die
Opfer weiterer schrecklicher Taten. Denken wir an
die Sprengstoff-Anschläge in Köln am 19. Januar
2001 und am 9. Juni 2004. Dabei wurden viele
Menschen verletzt. Einige von ihnen sind heute
unter uns. Dafür danke ich ihnen. Viele von ihnen
haben äußerliche Narben davongetragen. Wie sehr
die seelischen Wunden schmerzen, das können wir
nur ahnen.
Manchmal rütteln uns Berichte über skrupellose
rechtsextremistische Gewalttäter auf. Für einige
Tage bestimmen sie die Schlagzeilen der Nach-
richten. Manchmal bleibt auch der Name einer
Stadt als Tatort im Gedächtnis. Doch oft genug
nehmen wir solche Vorfälle eher nur als Randnotiz
wahr. Wir vergessen zu schnell – viel zu schnell.
Wir verdrängen, was mitten unter uns geschieht;
vielleicht, weil wir zu beschäftigt sind mit ande-
rem; vielleicht auch, weil wir uns ohnmächtig füh-
len gegenüber dem, was um uns geschieht.
Oder auch aus Gleichgültigkeit? Gleichgültigkeit –
sie hat eine schleichende, aber verheerende Wir-
kung. Sie treibt Risse mitten durch unsere Gesell-
schaft. Gleichgültigkeit hinterlässt auch die Opfer
ohne Namen, ohne Gesicht, ohne Geschichte.
Deshalb setzen wir hier ein Zeichen. Mit einer elf-
ten Kerze auf dem Podest. Sie haben wir entzündet
für alle bekannten wie unbekannten Opfer rechts-
extremistischer Gewalt. Auch ihnen ist diese Ge-
denkveranstaltung gewidmet. Zu jedem dieser
Menschen gehören eine Familie, Freunde und Be-
kannte. Ihr Leid, ihre Sorgen sind kaum zu ermes-
sen.
Die Menschenverachtung der rechtsextremisti-
schen Mörder ist letztlich unbegreiflich. Und doch
müssen wir versuchen zu ergründen, wie und
durch wen sie so geworden sind, wie sie geworden
sind. Wir müssen alles tun, damit nicht auch ande-
re junge Männer und Frauen zu solcher Men-
schenverachtung heranwachsen. Das sind wir den
Opfern, das sind wir ihren Angehörigen, das sind
wir uns allen schuldig.
Viele Hinterbliebene sind heute unter uns. Ich
weiß, wie schwer ihnen das gefallen ist. Sie haben
mir vorhin von ihrem großen Schmerz erzählt. Sie
haben mir erzählt, wie allein gelassen sie sich ge-
fühlt haben. Umso dankbarer bin ich, dass wir heu-
te gemeinsam hier sein können. Ich danke auch
den Angehörigen, die nachher ebenfalls das Wort
an uns richten werden: Herrn İsmail Yozgat,
Semiya Şimşek und Gamze Kubaşik.
Die meisten von ihnen blieben allein in ihrer Not.
Denn die Hintergründe der Taten lagen im Dun-
keln – viel zu lange. Das ist die bittere Wahrheit.
Nur wenige hierzulande hielten es für möglich,
dass rechtsextremistische Terroristen hinter den
Morden stehen könnten, nachdem bislang für ty-
pisch gehaltene Verhaltensmuster von Terroristen,
wie zum Beispiel Bekennerschreiben, nicht vorla-
gen. Das führte stattdessen zur Suche nach Spuren
im Mafia- und Drogenmilieu oder gar im Fami-
lienkreis der Opfer. Einige Angehörige standen
jahrelang selbst zu Unrecht unter Verdacht. Das ist
besonders beklemmend. Dafür bitte ich sie um
Verzeihung.
Nicht nur vergingen Jahre, ohne zumindest Fort-
schritte bei der Aufklärung der Taten zu erzielen.
Nein, diese Jahre müssen für Sie, liebe Angehöri-
ge, ein nicht enden wollender Albtraum gewesen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/14600
sein. In einem der Gespräche, die Altbundespräsi-
dent Wulff mit Hinterbliebenen geführt hat, fiel der
Satz – ich zitiere: ‚Wir wollten einfach nur wie
normale Menschen behandelt werden.’ Wie nor-
male Menschen – diese drei Worte zeigen ihre
ganze Verzweiflung. Wie schlimm muss es sein,
über Jahre falschen Verdächtigungen ausgesetzt zu
sein, statt trauern zu können?! Welche Qual ist es,
wenn Nachbarn und Freunde sich abwenden, wenn
sogar nächste Angehörige zweifeln?! Und wie
wird man fertig mit der Skepsis, ob die Sicher-
heitsbehörden wirklich alles Menschenmögliche
tun, um den Mord an dem Nächsten aufzuklären?!
Liebe Hinterbliebene, niemand kann Ihnen den
Ehemann, den Vater, den Sohn oder die Tochter
zurückbringen. Niemand kann die Jahre der Trauer
und der Verlassenheit auslöschen. Niemand kann
den Schmerz, den Zorn und die Zweifel ungesche-
hen machen. Aber wir alle können Ihnen heute
zeigen: Sie stehen nicht länger allein mit Ihrer
Trauer. Wir fühlen mit Ihnen. Wir trauern mit Ih-
nen.
Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-
land verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die
Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hin-
termänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerech-
ten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zustän-
digen Behörden in Bund und Ländern mit Hoch-
druck. Das ist wichtig genug, es würde aber noch
nicht reichen. Denn es geht auch darum, alles in
den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende
zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann.
Inzwischen wurde eine Bund-Länder-Kommission
zur Aufarbeitung des Rechtsterrorismus eingerich-
tet. Zudem haben im Landtag von Thüringen und
im Deutschen Bundestag Untersuchungsausschüs-
se ihre Arbeit aufgenommen. Erste Weichen für
eine bessere Zusammenarbeit zwischen Verfas-
sungsschutz und Polizei sowie zwischen den Lan-
des- und Bundesbehörden sind gestellt.
Wir tun dies, weil wir nicht hinnehmen, dass Men-
schen Hass, Verachtung und Gewalt ausgesetzt
werden. Wir tun dies, weil wir entschieden gegen
jene vorgehen, die andere wegen ihrer Herkunft,
Hautfarbe, Religion verfolgen. Überall dort, wo an
den Grundfesten der Menschlichkeit gerüttelt wird,
ist Toleranz fehl am Platz. Toleranz richtete sich
selbst zugrunde, wenn sie sich nicht vor Intoleranz
schützte.
‚Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.’ – So beginnt unser Grundge-
setz. Das war die Antwort auf zwölf Jahre Natio-
nalsozialismus in Deutschland, auf unsägliche
Menschenverachtung und Barbarei, auf den Zivili-
sationsbruch durch die Shoah. ‚Die Würde des
Menschen ist unantastbar.’ – Das ist das Funda-
ment des Zusammenlebens in unserem Land, der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung der
Bundesrepublik Deutschland.
Wann immer Menschen in unserem Land ausge-
grenzt, bedroht, verfolgt werden, verletzt das die
Fundamente dieser freiheitlich-demokratischen
Grundordnung, verletzt es die Werte unseres
Grundgesetzes. Deshalb waren die Morde der Thü-
ringer Terrorzelle auch ein Anschlag auf unser
Land. Sie sind eine Schande für unser Land.
Zu meiner Arbeit als Bundeskanzlerin gehört es,
dass ich mir Videos von Tätern, zum Beispiel bei
Geiselnahmen, gelegentlich persönlich anschaue.
Ich habe mir auch das Video angeschaut, das jetzt
im Zuge der Ermittlungen gegen die Thüringer
Terrorzelle entdeckt wurde. Es ist mit Elementen
der bekannten Zeichentrickfilmserie mit dem rosa-
roten Panther gestaltet worden. In diesem Video
prahlen seine Macher mit den Morden und ver-
höhnen die Opfer. Etwas Menschenverachtende-
res, Perfideres, Infameres – sofern es solche Stei-
gerungsformen überhaupt gibt – habe ich in meiner
Arbeit noch nicht gesehen.
Ich habe mich gefragt: Wie kommen Menschen
dazu, so etwas zu denken und zu tun? Wer oder
was prägt extremistische Täter? Wie kann es sein,
dass solche Täter immer wieder Helfershelfer und
Anhänger finden? Wie schützen wir Menschen vor
Anfeindung und Bedrohung am besten?
Wir müssen uns eingestehen, dass wir dabei zum
Teil scheitern. Wir müssen uns eingestehen, dass
manchmal gerade dort, wo die Arbeitslosigkeit
hoch und die Abwanderung stark ist, oft auch die
vertrauten Strukturen der Jugendarbeit verloren
gehen, das Freizeitangebot schwindet – und die
Feinde unserer Demokratie das zu nutzen wissen.
Es ist ein schlimmer Zustand erreicht, wenn Neo-
nazis junge Menschen mit Kameradschaftsabenden
einfangen können, weil niemand sonst sich um
diese Jugendlichen kümmert. Es darf uns nicht ru-
hen lassen, wenn eine verfassungsfeindliche und
rechtsextremistische Partei junge Familien mit
Spielen und Festen ködern kann, weil andere das
nicht bieten.
Der Staat ist hier mit seiner ganzen Kraft gefor-
dert. Doch mit staatlichen Mitteln allein lassen
sich Hass und Gewalt kaum besiegen. Die Sicher-
heitsbehörden benötigen Partner: Bürgerinnen und
Bürger, die nicht wegsehen, sondern hinsehen –
eine starke Zivilgesellschaft. Diese lässt sich nicht
verordnen. Sie beruht darauf, dass sich jeder mit-
verantwortlich für das Ganze fühlt, dass jeder sei-
nen persönlichen Beitrag zu einem friedlichen Zu-
sammenleben leistet. Zivilgesellschaft wächst in
den Familien. Bereits in frühen Jahren erlernen
Kinder die Grundlagen eines verantwortungsbe-
wussten Miteinanders. Sie wächst in Freundes-
und Bekanntenkreisen. Sie wächst in Schulen,
Vereinen und im beruflichen Umfeld.
Drucksache 17/14600 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ich sehe auch viele ermutigende Zeichen, viele
Menschen, die sich für ein friedliches Miteinander
engagieren – zum Beispiel in Dresden, wo vor we-
nigen Tagen Tausende Bürgerinnen und Bürger
des Jahrestages der Bombardierung der Stadt ge-
dachten und sich dabei die Hände reichten. Mit
dieser Geste boten sie den Neonazis Einhalt, die
dieses Gedenken missbrauchen wollten. Tagtäglich
setzen zahlreiche kleine und größere Initiativen in
unserem Land Zeichen gegen Hass und Gewalt.
Ins Leben gerufen wurden sie von couragierten,
mutigen Menschen. Einige von ihnen sitzen hier
unter uns. Ich danke Ihnen stellvertretend für viele
andere in unserem Land. Ich danke den Stiftungen,
den Medien, den Lehrern und Geistlichen, den Un-
ternehmern, den Vertretern von Verbänden und
Vereinen, die alle mit ihren Möglichkeiten für ein
gedeihliches Miteinander werben und gegen Hass
und Gewalt eintreten.
Der Kampf gegen Vorurteile, Verachtung und
Ausgrenzung muss täglich geführt werden – in El-
ternhäusern, in der Nachbarschaft, in Schulen,
Kultur- und Freizeiteinrichtungen, in religiösen
Gemeinden, in Betrieben. Überall sollten wir ein
feines Gehör und Gespür für die kleinen Bemer-
kungen, die hingeworfenen Sätze entwickeln. So
manche Bemerkung nimmt man schnell mal auf
die leichte Schulter – nach dem Motto: Der oder
die meint das doch nicht so ernst.
Doch Intoleranz und Rassismus äußern sich kei-
neswegs erst in Gewalt. Gefährlich sind nicht nur
Extremisten. Gefährlich sind auch diejenigen, die
Vorurteile schüren, die ein Klima der Verachtung
erzeugen. Wie wichtig sind daher Sensibilität und
ein waches Bewusstsein dafür, wann Ausgrenzung,
wann Abwertung beginnt. Gleichgültigkeit und
Unachtsamkeit stehen oft am Anfang eines Prozes-
ses der schleichenden Verrohung des Geistes. Aus
Worten können Taten werden.
Der irische Denker Edmund Burke hat einmal ge-
sagt – ich zitiere: ‚Für den Triumph des Bösen
reicht es, wenn die Guten nichts tun.’ Ja, Demo-
kratie lebt vom Hinsehen, vom Mitmachen. Sie
lebt davon, dass wir alle für sie einstehen, Tag für
Tag und jeder an seinem Platz. Demokratie zu le-
ben mutet uns zu, Verantwortung zu übernehmen
für ein Zusammenleben in Freiheit – und damit für
ein Leben in Vielfalt. Gelingt dies, kann Vielfalt
ihren Reichtum zum Besten aller entfalten.
Deutschland hat diese Erfahrung in seiner Ge-
schichte immer wieder gemacht. Denn es ist auch
eine Geschichte der Auswanderung und der Zu-
wanderung. So wurden Brücken in alle Welt ge-
schlagen. Seinen Wohlstand verdankt Deutschland
zu einem guten Teil seiner Weltoffenheit und sei-
ner Neugier auf andere. Wir leben hierzulande von
Verschiedenheit, von den unterschiedlichsten Le-
benswegen. Deutschland – das sind wir alle; wir
alle, die in diesem Land leben; woher auch immer
wir kommen, wie wir aussehen, woran wir glau-
ben, ob wir stark oder schwach sind, gesund oder
krank, mit oder ohne Behinderung, alt oder jung.
Wir sind ein Land, eine Gesellschaft. Auch die, die
zu uns aus vielen Ländern dieser Welt kommen,
sind nicht einfach die Zuwanderer. Auch sie sind
vielfältig und unterschiedlich. Wir alle gemeinsam
prägen das Gesicht Deutschlands, unsere Identität
in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts –
getragen von unserem Grundgesetz und seinen
Werten, unserer freiheitlich-demokratischen
Grundordnung, formuliert in unserer Sprache.
Gemeinsam verteidigen wir alle, die wir uns zu
diesen Werten bekennen, die in unserer Verfas-
sung zu Beginn festgeschriebene unantastbare
Würde des Menschen.
Das ist die Botschaft der zwölften Kerze auf dem
Podest. Sie ist das Symbol unserer gemeinsamen
Hoffnung und Zuversicht für eine gute Zukunft.
Lassen Sie uns alle gemeinsam, jeder an seinem
Platz und nach seinen Möglichkeiten, für diese
Hoffnung und diese Zuversicht leben – zum Wohle
unseres Landes und seiner Menschen.“
3. Rede von Semiya Şimşek
„Hörst du das? Die Glöckchen. Das sind die
Schäfchen, die jetzt aus den Bergen runter ins Tal
kommen. Das tun sie immer in der Nacht. Mein
Papa erzählte gerne von sich und von seinen
Träumen. Ich liebte es, ihm zuzuhören. Er saß in
dieser warmen Sommernacht in unserem Garten in
der Türkei und aß Kirschen. Ich setzte mich zu
ihm und fragte ihn: Kannst du nicht schlafen?
Doch, Semiya, sagte er, ich möchte etwas hören.
Und so lauschten wir zusammen dem Klang der
Glöckchen der Schafe. Ich spürte, wie glücklich
mein Vater in diesem Moment war.
Ein Jahr später war mein Vater tot. Am 9. Septem-
ber 2000 wurde auf meinen Vater Enver Şimşek
geschossen. Er starb zwei Tage später im Kran-
kenhaus. Der erste Mord. Wir sollten keinen weite-
ren gemeinsamen Sommer mehr haben. Von einem
Tag auf den anderen änderte sich für uns alles, für
mich alles. Das alte Leben gab es nicht mehr. Mein
Vater war tot. Er wurde nur 38 Jahre alt. Ich finde
keine Worte dafür, wie unendlich traurig wir wa-
ren. Doch in Ruhe Abschied nehmen und trauern,
das konnten wir nicht.
Die Familien, für die ich hier heute spreche, wis-
sen, wovon ich rede. Elf Jahre durften wir nicht
einmal reinen Gewissens Opfer sein.
Immer lag da die Last über unserem Leben, dass
vielleicht doch irgendwer aus meiner Familie, aus
unserer Familie verantwortlich sein könnte für den
Tod meines Vaters. Und auch den anderen Ver-
dacht gab es noch: Mein Vater ein Krimineller, ein
Drogenhändler. Können Sie erahnen, wie es sich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/14600
für meine Mutter angefühlt hat, plötzlich selbst ins
Visier der Ermittlungen genommen zu werden?
Und können Sie erahnen, wie es sich für mich als
Kind angefühlt hat, sowohl meinen toten Vater als
auch meine schon ohnehin betroffene Mutter unter
Verdacht zu sehen? Dass all diese Vorwürfe aus
der Luft gegriffen waren und völlig haltlos waren,
das wissen wir heute. Mein Vater wurde von Neo-
nazis ermordet. Soll mich diese Erkenntnis nun be-
ruhigen? Das Gegenteil ist der Fall. In diesem
Land geboren, aufgewachsen und fest verwurzelt,
habe ich mir über Integration noch nie Gedanken
gemacht. Heute stehe ich hier, trauere nicht nur um
meinen Vater und quäle mich auch mit der Frage:
Bin ich in Deutschland zu Hause? Ja klar bin ich
das. Aber wie soll ich mir dessen noch gewiss sein,
wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben
wollen. Und die zu Mördern werden, nur weil
meine Eltern aus einem fremden Land stammen?
Soll ich gehen? Nein, das kann keine Lösung sein.
Oder soll ich mich damit trösten, dass wahrschein-
lich nur Einzelne zu solchen Taten bereit sind?
Auch das kann keine Lösung sein.
In unserem Land, in meinem Land muss sich jeder
frei entfalten können. Unabhängig von Nationali-
tät, Migrationshintergrund, Hautfarbe, Religion,
Behinderung, Geschlecht oder sexueller Orientie-
rung. Lasst uns nicht die Augen verschließen und
so tun, als hätten wir dieses Ziel schon erreicht.
Meine Damen und Herren, die Politik, die Justiz,
jeder Einzelne von uns ist gefordert. Ich habe mei-
nen Vater verloren, wir haben unsere Familienan-
gehörigen verloren. Lasst uns verhindern, dass das
auch anderen Familien passiert. Wir alle gemein-
sam zusammen, nur das kann die Lösung sein.“
4. Rede von Gamze Kubaşık
„Ja, nur das kann die Lösung sein. Der türkische
Dichter Nâzım Hikmet hat ein Gedicht geschrie-
ben. Es drückte aus, wie wir alle empfinden und
wie wir gemeinsam leben wollen. Nâzım Hikmet
benutzte das Bild des Waldes und der Bäume. So
wollen wir auch leben, auf der Suche nach Einheit
in der Vielfalt. Zum Abschluss dieser Gedenkfeier
werden wir die Kerze der Hoffnung hinaustragen.
Sie steht für die Hoffnung auf eine Zukunft, die
von mehr Zusammenhalt geprägt ist.
Das Gedicht heißt ‚Leben’: Leben wie ein Baum,
einzeln und frei und brüderlich wie ein Wald. Das
ist unsere Sehnsucht.“
5. Rede von İsmail Yozgat
„Meine Damen und Herren, Exzellenzen, ich
möchte Sie alle herzlich begrüßen, vor allen Din-
gen unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ich
bin der Herr İsmail Yozgat. Mein Sohn starb in
meinen Armen am 6. April 2006 in dem Internet-
cafe, wo er erschossen wurde.
Ich möchte mich von ganzem Herzen bedanken bei
Herrn Altbundespräsident Christian Wulff. Wir
sind seine Gäste. Wir bewundern ihn, und ich
möchte mich bei allen bedanken, die diese Ge-
denkveranstaltung für uns gemeinsam ausrichten.
Und ich möchte mich herzlich bedanken bei mei-
ner Heimatstadt Kassel-Baunatal.
Ich habe Anschreiben bekommen von der Om-
budsfrau Frau Barbara John. Ich möchte mich
herzlich bei ihr bedanken. Unter anderem ist uns
materielle Entschädigung angeboten worden. Ich
möchte mich herzlich dafür bedanken, möchte aber
sagen, dass wir das nicht annehmen möchten.
Meine Familie möchte seelischen Beistand, keine
materielle Entschädigung. Wir haben anstelle des-
sen drei Wünsche:
Unser erster Wunsch ist, dass die Mörder gefasst
werden, dass die Helfershelfer und die Hintermän-
ner aufgedeckt werden. Das ist unser größter
Wunsch und unser Glaube. Und unser Vertrauen in
die deutsche Justiz ist groß.
Unser zweiter Wunsch ist, dass die Holländische
Straße – unser Sohn Halit Yozgat ist in der Hollän-
dische Straße 82 geboren worden, und er ist dort in
dem Ladengeschäft umgebracht worden – dass
diese Straße nach ihm benannt wird: Halit-Straße.
Unser dritter Wunsch ist, dass im Namen der zehn
Toten, im Angedenken an sie ein Preis ausgelobt
wird. Wir möchten gerne, unsere Familie, eine
Stiftung gründen und sämtliche Einnahmen spen-
den für Menschen, die krebskrank sind. Ich möchte
mich herzlich bedanken für die Gedenkveranstal-
tung und möchte Sie herzlich und mit höchster
Anerkennung grüßen.“
II. Ombudsfrau der Bundesregierung Prof.
Barbara John
Kontakt zu den Opfern der dem NSU zugerechneten
Straftaten und deren Angehörigen hat der Ausschuss über
die Ombudsfrau der Bundesregierung Prof. Barbara John
gehalten. Der Ausschuss hat sie am 8. März 2012 in öf-
fentlicher Sitzung angehört.
252
Frau Prof. John hat darauf hingewiesen, dass bisher nur
für die ermordete Polizeibeamtin in Heilbronn eine Ge-
denktafel errichtet worden sei. Der Vorsitzende, der stell-
vertretende Vorsitzende und die Obleute haben in einem
gemeinsamen Schreiben an die Oberbürgermeister bzw.
Bürgermeister der Städte, in denen die Morde verübt
worden seien, angeregt, Gedenktafeln für die Opfer zu
errichten.
253
252) Protokoll-Nr. 6.
253) Protokoll-Nr. 7, S. 10 f.
Drucksache 17/14600 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Kontakte mit türkischen Parlamentariern
und Regierungsmitgliedern
Wegen der großen Resonanz des Bekanntwerdens des
rechtterroristischen Hintergrundes der Mordserie in der
Türkei hat der Untersuchungsausschuss Kontakte mit
türkischen Parlamentariern und Regierungsvertretern
gehalten.
1. Besuche von Mitgliedern der Großen Tür-
kischen Nationalversammlung
Anlässlich ihrer Teilnahme an der Gedenkveranstaltung
für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt (siehe oben: I,
S. 59) haben vier Mitglieder des Ausschusses für Men-
schenrechte der Großen Nationalversammlung der Türkei
unter der Leitung von Abgeordneter Ayhan Sefer Üstün
das Gespräch mit den Mitgliedern des 2. Untersuchungs-
ausschusses gesucht. Das Gespräch fand am 22. Februar
2012 in Begleitung von Botschafter Hüseyin Avni
Karslıoğlu in Berlin statt. Weitere Teilnehmer waren die
Abgeordneten Nevzat Pakdil, Mustafa Erdem, Ecder
Özdemir.
Die Delegation hat zum Ausdruck gebracht, dass das
Bekanntwerden des rassistischen Hintergrundes der
Mordserie an überwiegend türkischstämmigen Mitbürgern
in der Türkei zu großer Entrüstung und Enttäuschung
geführt habe. Fast jeder Bürger der Türkei habe eine Be-
ziehung zu Deutschland. Die Mordserie habe den Prozess
der Integration türkischstämmiger Bürger in Deutschland
in Frage gestellt. Nun bestehe die Erwartung, dass die
Hintergründe restlos aufgeklärt würden. Auf dem Unter-
suchungsausschuss laste eine große Verantwortung. Von
der Aufklärung hänge ab, ob die Beziehungen zwischen
Deutschland und der Türkei wieder gut werden könnten.
Die Delegation hat die Mitglieder des Untersuchungsaus-
schusses gebeten, nach Abschluss der Untersuchung in
die Türkei zu kommen, um über die Ergebnisse der Un-
tersuchung zu berichten. Interesse hat die Delegation an
der Übersetzung des Abschlussberichts in die türkische
Sprache bekundet.
Im Rahmen des Gästeprogrammes der Bundesrepublik
Deutschland ist es 9. Mai 2012 zu einem zweiten Ge-
spräch der Ausschussmitglieder mit türkischen Parlamen-
tariern gekommen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer
waren die Abgeordneten Tunca Toskay, Çigdem Münev-
ver Ökten, Nazmi Gür Safak Pavey, der stellvertretende
Leiter des Amtes für Auslandstürken Dr. Gürsel Dönmez
sowie zwei türkische Journalisten.
Am 17. April 2013 sollte vor dem Oberlandesgericht
München die Hauptverhandlung in dem Verfahren gegen
Beate Zschäpe und andere beginnen. Beim Prozessauftakt
wollten Abgeordneter Ayhan Sefer Üstün und Botschafter
Hüseyin Avni Karslıoğlu anwesend sein. Wegen Mängeln
im Akkreditierungsverfahren für Journalisten ist der Be-
ginn der Hauptverhandlung auf den 6. Mai 2013 verscho-
ben worden. In diesem Zusammenhang reiste eine Dele-
gation des Auswärtigen Ausschusses der Großen Natio-
nalversammlung der Türkei nach Berlin. Am 18. April
2013 haben sich die Vorsitzenden Sebastian Edathy und
Stephan Stracke mit der türkischen Delegation getroffen.
Die Delegation und der Botschafter haben im Anschluss
die Beweisaufnahme durch den Ausschuss mitverfolgt.
254
2. Reisen in die Türkei
Ausschussvorsitzender Sebastian Edathy führte an zwei
Tagen im November 2012 erste Gespräche mit Mitglie-
dern des Türkischen Parlaments und der Türkischen Re-
gierung in Ankara.
Am 14. und 15. Februar 2013 reisten der Vorsitzende
Edathy, der stellvertretende Vorsitzende Stephan Stracke
sowie die Obleute Clemens Binninger, Hartfrid Wolff,
Vizepräsidentin Petra Pau und Wolfgang Wieland in die
türkische Hauptstadt.
a) Gespräch mit dem Justizminister, Herrn
Sadullah Ergin
Der Minister würdigte die Arbeit des Untersuchungsaus-
schusses. Sie sei für Deutschland als Demokratie sehr
wichtig. In der Türkei habe man erlebt, wie sich ein Staat
der demokratischen Kontrolle durch das Parlament ent-
ziehen könne.
Das Wichtigste an der Arbeit des Ausschusses sei, das
verloren gegangene Vertrauen in den Staat wiederherzu-
stellen. Die Arbeit des Ausschusses sei sicherlich sehr
schwierig, weil der Ausschuss nicht nur Meinungen for-
mulieren könne, sondern Beweise sammeln müsse. Im
Ergebnis könne der Ausschuss friedensstiftend wirken.
Das Ausland verfolge wachsam, wie Deutschland mit
dem Skandal umgehe. Der Minister verglich die Morde
des NSU mit den Morden an dem Journalisten Hrant Dink
am 19. Januar 2007 in Istanbul sowie an christlichen
Missionaren am 18. April 2007 in Malatya.
Die Delegation erläuterte den Auftrag des Untersu-
chungsausschusses, den Stand der gewonnenen Erkennt-
nisse und den weiteren Zeitplan. Der Ausschuss treffe alle
Entscheidungen einstimmig. Ziel des Ausschusses sei es,
durch schonungslose Aufklärung verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Die Aufklärung sei auch
den Opfern und ihren Angehörigen geschuldet.
Ein Befund sei, dass die Polizei in Deutschland nicht
mehr auf der „Höhe der Zeit“ einer Einwanderungsgesell-
schaft sei. Es gebe die Forderung, mehr türkisch-
stämmige Polizeibeamte einzustellen, um interkulturelle
Kompetenz zu fördern und Vorurteile abzubauen. Der
Ausschuss wolle Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit
der Sicherheitsarchitektur machen. Es müsse eine die
Gesellschaft betreffende Präventionskultur geschaffen
werden. Dazu gehöre neben der Verbesserung der Ausbil-
dung von Polizei und Justiz auch zivilgesellschaftliches
Engagement.
254) Protokoll-Nr. 65, S. 1.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/14600
b) Gespräch mit dem Stellvertretenden Minis-
terpräsidenten, Herrn Bekir Bozdağ
Der stellvertretende Ministerpräsident bedankte sich beim
Deutschen Bundestag und bei den Mitgliedern des Aus-
schusses für die Aufklärungsarbeit. Besonders wichtig sei,
dass alle politischen Parteien an einem Strang zögen. Er
drückte seine Wertschätzung gegenüber der Bundeskanz-
lerin aus. Ihre Regierung habe sich um die Familien ge-
kümmert.
Angesichts der vielen gemachten Fehler bei den Ermitt-
lungen frage er sich, ob dies nur Unfähigkeit oder auch
Absicht gewesen sei. Der Ausschuss müsse auch untersu-
chen, ob in den Ermittlungen die falschen Fragen gestellt
oder die Ermittlungen bewusst behindert worden seien.
Noch wichtiger als die strafrechtlichen Ermittlungen
gegen Frau Zschäpe und andere sei, dass alle politischen
Repräsentanten solche und ähnliche Taten gemeinsam
verurteilten. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
von Politik, Justiz, Medien und Organisationen klarzustel-
len, dass Migranten keine Feinde seien. Die Aufklärungs-
arbeit des Ausschusses könne einen großen Beitrag dazu
leisten, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit zu bekämp-
fen.
Er zeigte sich besonders interessiert an den Vorschlägen
des Ausschusses zur Reform der Sicherheitsbehörden in
Deutschland.
Die Delegation teilte mit, der Ausschuss habe sich durch
seine Unabhängigkeit und Geschlossenheit Autorität in
Deutschland erarbeiten können. Er gehe allen Vorwürfen
und Vermutungen nach, insbesondere dem Verdacht,
staatliche Stellen hätten die Ermittlungen behindert oder
in die falsche Richtung gelenkt. Die Ernsthaftigkeit der
Ausschussarbeit zeige sich daran, dass der Ausschuss
habe durchsetzen können, auch geheimste Unterlagen der
Sicherheitsbehörden einsehen zu können. Die Bundesre-
gierung unterstütze dieses Bemühen als Zeichen des Wil-
lens zur Aufklärung.
Der Ausschuss habe in den Ermittlungsverfahren zur
Mordserie Fehler, Unstimmigkeiten und Unzulänglichkei-
ten finden können. Für absichtsvolles Vorgehen gebe es
bislang aber keinerlei Anhaltspunkte. Bis zum Ende der
Arbeit werde der Ausschuss mit Akribie allen Hinweisen
und neuen Fragen nachgehen und am Ende seine Ergeb-
nisse mit Fakten belegen.
Neben der Aufklärungsarbeit des Bundestagsausschusses
gebe es in drei Landtagen Untersuchungen, der General-
bundesanwalt ermittle gegen Frau Zschäpe und deren
Umfeld. Außerdem gebe es eine Expertenkommission.
Schon jetzt habe die Aufklärung zu Konsequenzen ge-
führt. Einige Verfassungsschutzpräsidenten seien zurück-
getreten. Es habe Disziplinarverfahren gegen Beamte
gegeben. Es sei ein gemeinsames Zentrum der Sicher-
heitsbehörden gegen Rechtsextremismus eingerichtet
worden.
Auf der Grundlage der Aufklärung würden weitere Kon-
sequenzen zu ziehen sein. Im Ausschuss gebe es den
Willen, dass zukünftig bei schweren Straftaten zum Nach-
teil von Migranten ein rechtsextremistischer Hintergrund
geprüft werden müsse. Der Opferschutz müsse verbessert
werden. Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichten-
dienste müsse gestärkt werden. Der Ausschuss trete dafür
ein, mehr türkischstämmige Polizisten zu gewinnen. Es
müsse für türkischstämmige Mitbürger normal sein, in
den deutschen Staatsdienst zu treten, ohne dies als Verrat
an ihrer Herkunft zu sehen. Die Polizei bekomme durch
türkischstämmige Mitarbeiter eine „breitere Sicht“. Dies
helfe gegen Islamophobie.
c) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Men-
schenrechtsausschusses, Herrn Ayhan
Sefer Üstün und weiteren Ausschussmit-
gliedern
Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses lobte
die Ausschussarbeit. Nur durch eine lückenlose Untersu-
chung könne die Wiederholung der Taten verhindert wer-
den. In der Untersuchung gehe es auch um ein Wiederher-
stellen der Gerechtigkeit. Die Aufklärung sei für das An-
sehen Deutschlands in der Welt von Bedeutung. Aner-
kennend äußerte er sich auch über den Bundespräsidenten
und die Bundeskanzlerin.
In der Türkei habe man Erfahrungen mit einem „tiefen
Staat“ gemacht. Gerade weil das Ansehen deutscher Be-
hörden in der Türkei sehr hoch sei, sei es schwer zu glau-
ben, dass in den Ermittlungen zu einer solchen Mordserie
zahlreiche Versäumnisse und Pannen vorgefallen seien.
Hierauf gründe die in der Türkei gestellte Frage, ob das
Trio über eine lange Zeit im Untergrund unentdeckt zehn
Morde und 14 Banküberfälle sowie zwei Anschläge be-
gangen haben könne, ohne von staatlicher Seite unter-
stützt oder gedeckt worden zu sein. Wenn es einen sol-
chen „tiefen Staat“ gebe oder ähnliche Parallelorganisati-
onen, würden sich die Probleme wiederholen. Nur wenn
sich der Ausschuss auf diese Fragestellung einließe, kön-
ne er solche Netzwerke zerschlagen.
Er äußerte sich besorgt über das Erstarken ausländer- und
islamfeindlicher Tendenzen in Deutschland. Anhand einer
Statistik legte er dar, dass Deutschland in Europa bei
Straftaten mit einem solchen Hintergrund an der Spitze
liege. Er rief den Ausschuss auf, sich für präventive Maß-
nahmen gegen Ausländerfeindlichkeit stark zu machen.
Die Delegation erläuterte ihr Vorgehen in der bisherigen
Arbeit und ihr weiteres Vorgehen bis zum Ende der
Wahlperiode. Alle fünf Fraktionen seien in dem Aus-
schuss vertreten. Die Mitglieder des Ausschusses nähmen
die Aufklärungsarbeit gemeinsam wahr. Zunächst habe
der Ausschuss die Ermittlungen zu der Mordserie und im
Anschluss die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden
geprüft.
Festgestellt werden könne, dass die Gefährlichkeit des
gewaltbereiten Rechtsextremismus über viele Jahre hin-
weg unterschätzt worden sei. Die Bekämpfung des
Rechtsextremismus müsse als gesamtgesellschaftliche
Aufgabe wahrgenommen werden. Es müsse gefragt wer-
den, wo rechtsextremistisches Gedankengut auf fruchtba-
ren Boden falle.
Drucksache 17/14600 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine Sensibilität für einen rechtsextremistischen Hinter-
grund der Mordserie habe gefehlt. Auch Politiker hätten
nicht danach gefragt. Die Polizei habe die Öffentlichkeit
über die Mordfälle teilweise einseitig informiert. Die
Medien hätten dies noch bis ins Jahr 2011 hinein nicht
hinterfragt. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden
sei mangelhaft gewesen. Vorhandenes Wissen sei nicht
hinreichend ausgetauscht worden. Dies liege unter ande-
rem daran, dass die Morde in fünf verschiedenen Bundes-
ländern, die Banküberfälle in weiteren Bundesländern
stattgefunden hätten. Mehrere Staatsanwaltschaften seien
zuständig gewesen. Der Ausschuss erwäge vorzuschla-
gen, dass bei länderübergreifenden Straftaten zukünftig
eine Staatsanwaltschaft und eine Polizeibehörde zuständig
sein sollen.
Besonders interessiere die Frage, ob die Untergetauchten
bei einer besseren Zusammenarbeit der Behörden gefun-
den worden wären oder ob staatliche Stellen Hinweise aus
der rechtsextremistischen Szene hatten, die zur Ergreifung
des Trios hätten führen müssen.
Für einen „tiefen Staat“ oder ähnliche Organisationen
gebe es keine Anzeichen. Auch wenn der Ausschuss allen
Hinweisen und Vermutungen nachgegangen sei, gebe es
bisher keine Hinweise darauf, dass Behörden die Täter
unterstützt oder gedeckt haben.
Das Interesse an der Arbeit des Untersuchungsausschus-
ses sei in Deutschland groß.
Abgeordneter Üstün fragte danach, ob die Untersuchung
des Ausschusses zu weiteren Strafverfahren führen werde.
Die Delegation verwies darauf, dass der Generalbundes-
anwalt neben dem Strafprozess in München weitere
Strukturermittlungen zum gewaltbereiten Rechtsextre-
mismus führe.
d) Gespräch mit dem Vorsitzenden der
deutsch-türkischen Freundschaftsgruppe
im türkischen Parlament, Herrn Akif
Çağatay Kılıç
Nach Erörterung derselben Fragen wie zuvor mit den
Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses zeigte sich
Abgeordneter Kılıç überzeugt von der Ernsthaftigkeit der
Arbeit des Ausschusses. Den Mitgliedern des Ausschus-
ses sei die Aufklärung offenbar eine Herzensangelegen-
heit. Die Untersuchung mache Hoffnung auf Verbesse-
rungen. Ein Mitglied des türkischen Parlaments zitierte
das türkische Sprichwort: „Verspätete Gerechtigkeit sei
keine Gerechtigkeit“. Im Falle des NSU sei das anders.
Der Untersuchungsausschuss stelle Gerechtigkeit wieder
her. Als sein Vorsitzender sei Edathy das „positive Ge-
sicht der deutschen Demokratie“.
Die Delegation betonte, es sei die Stärke einer Demokra-
tie, Missstände aufklären und dadurch Vertrauen wieder-
herstellen zu können. Nach der Aufklärung müssten auch
Konsequenzen gezogen werden. In Deutschland, aber
auch international, müsse Rassismus bekämpft werden.
Die Sicherheitsbehörden müssten besser aufgestellt wer-
den. Mit Opfern solcher Straftaten müsse anders umge-
gangen werden.
e) Gespräch mit dem Stellvertretenden Au-
ßenminister, Herrn Botschafter Naci Koru
Der stellvertretende Außenminister erinnerte an den
Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993. Es sei un-
fassbar, dass Menschen zu Zielscheiben werden, nur weil
sie Ausländer seien. Er habe alle Angehörigen der NSU-
Mordserie besucht. Bewegt habe ihn, als ihm eine Wittwe
berichtet habe, die Polizei habe ihr gesagt, ihr Mann sei in
Drogengeschäfte verwickelt gewesen. Daraufhin sei die
Frau von Türken in Deutschland und in der Türkei ge-
mieden worden. Auch noch nach dem Auffliegen der
Mordserie im Jahr 2011 seien Türken in Deutschland
Opfer von Ausländerfeindlichkeit. In einem Call-Center
zur Meldung ausländerfeindlicher Vorfälle würden re-
gelmäßig Rechtsextremisten anrufen und ausländerfeind-
liche Parolen äußern. Es reiche nicht, Rechtsterrorismus
zu bekämpfen. Ausländerfeindlichkeit als solche müsse
angegangen werden.
Die Arbeit des Ausschusses werde in der Türkei mit gro-
ßer Aufmerksamkeit verfolgt. Die drei Millionen tür-
kischstämmigen Menschen in Deutschland hätten Fami-
lienangehörige in der Türkei. Daher rühre eine große
Dankbarkeit in der Türkei für die Arbeit des Ausschusses.
Beeindruckt zeigte er sich von der Einigkeit im Ausschuss
und dem parteiübergreifenden Vorgehen seiner Mitglie-
der.
Die Delegation zeigte sich betroffen über die Fremden-
feindlichkeit in Deutschland. Die Mordserie sei eine Zu-
spitzung des Rechtsextremismus. Das Entsetzen über die
Mordserie müsse zu einer grundsätzlichen Auseinander-
setzung mit Fremdenfeindlichkeit führen. Dies sei nach
den Anschlägen in Solingen und Mölln unterblieben.
f) Gespräch mit dem stellvertretenden Präsi-
denten des Präsidiums des Amtes für im
Ausland lebende Türken und verwandte
Volksgruppen, Herrn Gürsel Dönmez
Der stellvertretende Präsident des Amtes für im Ausland
lebende Türken und verwandte Volksgruppen betonte die
außenpolitische Bedeutung der Arbeit des Ausschusses,
insbesondere für die Beziehungen zwischen Deutschland
und der Türkei. Der Ausschuss sei ein wichtiger Reprä-
sentant Deutschlands und eine Hilfe bei der Bekämpfung
der Ausländerfeindlichkeit. Er bot dem Ausschuss die
Unterstützung seines Amtes an.
IV. Treffen des Vorsitzenden und des stellver-
tretenden Vorsitzenden mit den Opfern des
Nagelbombenanschlags in Köln
Am 31. August 2012 trafen sich der Vorsitzende Sebas-
tian Edathy und der stellvertretende Vorsitzende Stephan
Stracke in Begleitung von Prof. Barbara John mit den
Opfern des Nagelbombenanschlags im Polizeipräsidium
Köln. Weitere Teilnehmer des Treffens waren Oberbür-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/14600
germeister Jürgen Roters und Polizeipräsident Wolfgang
Albers.
Zu Beginn des Gesprächs hat Frau John die Opfer des
Anschlages ermuntert, ihre Erlebnisse, aber auch die
Folgen der Tat und ihre aktuelle Lage zu schildern.
Von einigen Opfern ist geäußert worden, früh sei der
Verdacht aufgekommen, hinter dem Anschlag müssten
Rechtsextremisten stecken. Dies sei auch gegenüber der
Polizei geäußert worden. Die Hypothesen der Polizei,
insbesondere die Vermutung, der Anschlag könne mit
Schutzgelderpressung in Verbindung stehen, sei von An-
fang an unplausibel gewesen, weil der Anschlag auf eine
große und unbestimmte Personengruppe gerichtet wesen
sei.
Die Opfer berichteten über die erlittenen körperlichen und
psychischen Verletzungen durch den Anschlag sowie über
die teilweise andauernden Folgen. Barbara John fasst
diese Wortmeldungen mit dem Satz zusammen: „Die Tat
ist die Wirklichkeit der Opfer.“
Einige Opfer berichteten, belastend sei gewesen, von der
Polizei der Mitwirkung an dem Anschlag verdächtigt zu
werden. Verletzte seien erkennungsdienstlich behandelt
worden, bevor Kontakt zu Angehörigen ermöglicht wor-
den sei. Die Mutter eines Anschlagopfers hat sich be-
schwert, sie sei nicht darüber informiert worden, dass ihr
Sohn auf der Intensivstation gelegen habe. Später habe sie
bei der Polizei anzeigen wollen, dass die Papiere ihres
Sohnes gestohlen worden seien. Da habe sie erfahren,
dass ihr Sohn Tatverdächtiger sei und seine persönlichen
Gegenstände beschlagnahmt worden seien.
Eine Person hat sich enttäuscht über mangelnde Anteil-
nahme aus der Bevölkerung gezeigt. Gelobt worden ist
das Polizeipräsidium Köln. Der Opferschutzbeauftrage im
Polizeipräsidium Kriminalhauptkommissar Werner Ada-
mek habe sich bis an seine Grenzen für die Opfer einge-
setzt und ihnen geholfen.
In Folge des Gesprächs hat der Ausschuss beim General-
bundesanwalt Protokolle über die Vernehmung der Opfer
des Nagelbombenanschlages von 2004 in Köln angefor-
dert, um dem Vorwurf nachzugehen, die Opfer seien
unsachlich vernommen worden.
255
V. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Wegen öffentlicher Äußerungen im Zusammenhang mit
den Ermittlungen im Mordfall Kiesewetter (Zweiter Teil:
G.V, S. 642) haben sich die Obleute am 12. September
2012 mit dem Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher
Sinti und Roma Romani Rose getroffen. Herr Rose hat
vorgetragen, die Minderheit der Sinti und Roma werde im
Zusammenhang mit Kriminalität häufig unter General-
verdacht gestellt. Dies sei auch im Fall Kiesewetter ge-
schehen. Damals sei geäußert worden, es gebe „eine heiße
255) Protokoll-Nr. 26, S. 25.
Spur ins Zigeunermilieu“. In einem solchen Fall erwarte
er eine öffentliche Erklärung der Behörden.
VI. Treffen mit dem Bundespräsidenten
Zur Vorbereitung seines Treffens mit den Opfern der dem
NSU zugerechneten Straftaten und ihren Angehörigen hat
der Bundespräsident die Mitglieder des Ausschusses zu
einem Gespräch eingeladen, um sich über den aktuellen
Stand der Untersuchung informieren zu lassen.
Das Gespräch hat am 29. Januar 2013 im Schloss Belle-
vue stattgefunden. Über den Inhalt des Gesprächs ist
Vertraulichkeit vereinbart worden.
VII. Treffen mit dem Menschenrechtskommis-
sar des Europarates
Am 20. Februar 2013 haben sich die Obleute mit dem
Menschenrechtskommissar des Europarates Nils Raymond
Muižnieks getroffen. Der Menschenrechtskommissar hat
sich über das Instrument „Untersuchungsausschuss“,
seine Möglichkeiten und Grenzen unterrichten lassen
sowie über die Einschätzung des Ausschusses zu rechts-
extremistischen Tendenzen in Europa.
VIII. Einladung der Opfer zum Gespräch und
zur Teilnahme an der Plenardebatte
Der Ausschuss hat die Opfer der dem NSU zugerechneten
Straftaten und ihre Angehörigen zu einem Gespräch am
Tag der Beratung dieses Berichts im Plenum des Bundes-
tages eingeladen. Eröffnet werden soll das Gespräch
durch eine Begrüßung seitens des Bundestagspräsidenten
Prof. Dr. Norbert Lammert.
Die Gäste werden eingeladen, gemeinsam mit dem Bun-
despräsidenten die Beratung im Plenum von der Ehrentri-
büne aus zu verfolgen.
Drucksache 17/14600 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag
I. Gewährung rechtlichen Gehörs
Nach § 32 Abs. 1 PUAG ist Personen, die durch die Ver-
öffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten
erheblich beeinträchtigt werden können, vor Abschluss
des Untersuchungsauftrags Gelegenheit zu geben, zu den
sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Ab-
schlussberichts innerhalb von zwei Wochen Stellung zu
nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in
einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind.
Der wesentliche Inhalt der Stellungnahmen ist in dem
Bericht wiederzugeben (§ 32 Abs. 2 PUAG). Die Rege-
lung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Darstel-
lungen in dem Bericht eines Untersuchungsausschusses,
von denen faktische Beeinträchtigungen ausgehen kön-
nen, nach Artikel 44 Abs. 4 des Grundgesetzes einer ge-
richtlichen Überprüfung entzogen sind.
256
Persönlich-
keitsrechtsverletzungen, selbst wahrheitswidrige Äuße-
rungen muss der Betroffene hinnehmen und kann keiner-
lei Ansprüche vor Gericht geltend machen.
257
1. Entscheidung über Gewährung rechtlichen
Gehörs
Zur Grundlage für die Gewährung rechtlichen Gehörs hat
der Ausschuss die Feststellungen und Bewertungen in
einem vorläufigen Entwurf eines Abschlussberichts be-
stimmt.
258
Für die Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Ausschuss
auch Personen in Betracht gezogen, deren Namen im
Bericht abgekürzt werden. Für den Ausschuss ausrei-
chend gewesen ist, dass eine Person aufgrund der Anga-
ben im Bericht identifizierbar ist.
Als erhebliche Beeinträchtigung hat der Ausschuss insbe-
sondere die Nennung einer Person im Zusammenhang mit
Straftaten sowie die Bezeichnung einer Person als Mit-
glied oder Aktivist einer rechtsextremistischen Organisa-
tion oder als Kontaktperson oder sonstiges Umfeld des
Trios gewertet. In der bloßen Wiedergabe von bereits
veröffentlichten Angaben hat der Ausschuss keine
Rechtsbeeinträchtigung gesehen.
Der Ausschuss hat eine mögliche Beeinträchtigung bei 99
im Bericht erwähnten Personen gesehen.
256) Glauben, in: Glauben/Brocker, PUAG, Gesetz zur Regelung
des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bun-
destages, Kommentar, 2011, § 32, Rn. 1 ff.; Peters, Untersu-
chungsausschussrecht, Bund und Länder, 2012, Rn. 358.
257) Peters, a.a.O., Rn. 359.
258) A-Drs. 507 und 510; Protokoll-Nr. 75, S. 5.
2. Zustellung
Den Betroffenen sind die sie betreffenden Textteile per
Post zugestellt worden. Bei im Ausland aufhältigen Per-
sonen ist die Zustellung per E-Mail erfolgt. Einer ehema-
ligen V-Person sind die Textteile in Absprache mit dem
für diese zuständigen VP-Führer ebenfalls per E-Mail
zugestellt worden. Konnten keine Kontaktdaten ermittelt
werden, ist eine öffentliche Zustellung mittels einer Ver-
öffentlichung im Bundesanzeiger erfolgt.
3. Rückmeldungen und Stellungnahmen
Rückgemeldet haben sich Betroffene teils schriftlich, teils
telefonisch, teils per E-Mail.
In einem Fall hat die Stellungnahme des Betroffenen zu
der Streichung der sie betreffenden Angaben geführt. Es
hat sich herausgestellt, dass die Person aufgrund einer
Namensgleichheit verwechselt worden ist.
Auf das Ersuchen einiger Betroffener sind diese im Be-
richt durch die (weitere) Abkürzung ihres Namens und
Änderung oder Weglassung von weiteren Angaben ano-
nymisiert worden.
Soweit sich die Betroffenen zu den im Bericht gemachten
Ausführungen geäußert haben, sind ihre Stellungnahmen
oder deren wesentlicher Inhalt im Fünften Teil dieses
Berichts wiedergegeben (siehe unten: Fünfter Teil,
S. 1043).
4. Nachträgliche Veröffentlichung von Text-
passagen und von Stellungnahmen
Passagen, zu denen rechtliches Gehör zu gewähren war,
die Frist zur Stellungnahme bei Drucklegung aber noch
nicht abgelauften ist, sind unkenntlich gemacht und wer-
den erst in der endgültigen Bundestagsdrucksache veröf-
fentlicht.
In seiner Sitzung vom 22. August 2013 hat der Ausschuss
das Sekretariat beauftragt, noch ausstehende, aber fristge-
recht eingehende Stellungnahmen in den Bericht aufzu-
nehmen.
II. Feststellung des Berichts
In seiner 76. Sitzung am 22. August 2013 hat der Aus-
schuss auf der Grundlage des Entwurfs der Berichter-
statter vom 19. August 2013 diesen Bericht einstimmig
festgestellt. Er hat gemäß § 33 PUAG beschlossen:
„1. Der Untersuchungsausschuss stellt den Be-
richt der Berichterstatter vom 19. August 2013
in der Fassung der Ausschussdrucksache 555
– Gang des Verfahrens (Erster Teil), ermittelte
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/14600
Tatsachen (Zweiter Teil), Ergebnis der Unter-
suchung (Dritter Teil) und die Stellungnahmen
aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
(Fünfter Teil) – gemäß § 33 Abs. 1 PUAG
fest.
2. Als Vierten Teil des Berichts stellt der Aus-
schuss die Ergänzenden Stellungnahmen der
Fraktionen auf den Ausschussdrucksachen
556 bis 560 fest.
3. Die noch geschwärzten Passagen in dem Be-
richt werden mit Ablauf der Frist für die Ge-
währung rechtlichen Gehörs nach § 32 PUAG
Schritt für Schritt offengelegt. Der Ausschuss
beauftragt das Ausschusssekretariat in Ab-
stimmung mit den federführend benannten
Mitarbeitern der Fraktionen mit der redaktio-
nellen Schlussbearbeitung der festgestellten,
zur Veröffentlichung als BT-Drs. bestimmten
Berichtsteile
4. Der Fünfte Teil des Berichts wird Schritt für
Schritt ergänzt um noch weitere fristgerecht
eingehende Stellungnahmen aufgrund Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs.
5. Dem Bericht werden die Stenographischen
Protokolle über die Beweisaufnahme beige-
fügt, soweit sie nicht mit einem Geheimhal-
tungsgrad versehen sind.
6. Die festgestellten Teile des Berichts werden
als Bundestagsdrucksache veröffentlicht.
7. Die festgestellten Teile des Berichts werden
dem Deutschen Bundestag mit folgender Be-
schlussempfehlung vorgelegt:
‚Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses
wird zur Kenntnis genommen.‘“
III. Beratung im Plenum
Die Verhandlung dieses Berichts im Plenum des Bundes-
tages ist für den 2. September 2013 vorgesehen. Für die
Beratung angesetzt sind 90 Minuten.
Der Bundespräsident hat mitgeteilt, dass er an der Plenar-
beratung als Zuhörer teilnehmen will. Der Ausschuss hat
die Opfer und Angehörigen der dem NSU zugerechneten
Straftaten eingeladen, die Beratung von der Ehrentribüne
des Bundestages zu verfolgen.
F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung
I. Rückgabe von Beweismaterialien und Pro-
tokollen
Der Ausschuss hat am 22. August 2013 beschlossen:
„Beschluss zum Verfahren
Rückgabe von Beweismaterialien und
Mehrausfertigungen von Protokollen
1. Nach Kenntnisnahme des Abschlussberichtes
durch das Plenum des Deutschen Bundestages
geben
– die Mitglieder des 2. Untersuchungsaus-
schusses,
– die benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter der Fraktionen und
– die Beauftragten der Bundesregierung
gegenüber dem Sekretariat eine Erklärung ab,
dass verteilte Kopien der als VS-NUR FÜR
DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuften Be-
weismaterialien sowie die davon gezogenen
weiteren Kopien, soweit dies nicht bereits er-
folgt ist, vernichtet werden.
2. Die von der Geheimregistratur des Deutschen
Bundestages an
– die Mitglieder des 2. Untersuchungsaus-
schusses,
– die benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter der Fraktionen,
– die Beauftragten der Bundesregierung,
verteilten
– Kopien der VS-VERTRAULICH oder hö-
her eingestuften Beweismaterialien,
– die Mehrausfertigungen der VS-VER-
TRAULICH oder höher eingestuften Proto-
kolle des 2. Untersuchungsausschuss
sind bis zum Ablauf der 17. Wahlperiode des
Deutschen Bundestages der Geheimregistratur
zum Zwecke der Vernichtung zuzuleiten. Den
Beauftragten der Bundesregierung wird gestat-
tet, diese Kopien und Mehrausfertigungen mit
Zustimmung des Sekretariats selbst zu vernich-
ten.“
Drucksache 17/14600 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
II. Behandlung der Protokolle und Materialien
„Beschluss vom 22. August 2013 zum Verfahren
Behandlung der Protokolle und Materialien nach
Kenntnisnahme des Abschlussberichtes durch den
Deutschen Bundestag
I. Protokolle
Der Untersuchungsausschuss empfiehlt gemäß
Ziffer II. Nr. 2 der Richtlinien gemäß § 73
Abs. 3 GO-BT:
1. Die Protokolle über die Beweisaufnahme,
soweit sie nicht VS-eingestuft sind, werden
in elektronischer Form mit dem Abschluss-
bericht veröffentlicht.
2. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH
und höher eingestufte Protokolle über Bera-
tungssitzungen und Sitzungen zur Beweis-
aufnahme durch Vernehmung von Zeugen
werden nach der Geheimschutzordnung des
Bundestages behandelt.
3. Protokolle über Beratungssitzungen werden
mit dem Vermerk „VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH“ versehen. Der Ver-
merk verliert am 31. Dezember 2017 seine
Gültigkeit. Danach können diese Protokolle
von jedem eingesehen werden, der ein be-
rechtigtes Interesse geltend machen kann.
Über das Vorliegen eines berechtigten Inte-
resses entscheidet der Präsident.
II. Beweismaterialien (MAT)
Die zu Beweiszwecken gemäß § 18 PUAG
beigezogenen und sonst zugeleiteten Materia-
lien verbleiben wegen des besonderen Sachbe-
zuges bis zum Abschluss der im Zusammen-
hang mit der Terrorgruppe NSU personenbe-
zogen geführten Ermittlungsverfahren des Ge-
neralbundesanwalts in dem Gewahrsam der
Bundestagsverwaltung.
Soweit diese Materialien digital verfügbar sind,
erfolgt die Aufbewahrung ausschließlich in
dieser Form. Dies gilt auch für VS-
VERTRAULICH und höher eingestufte Akten.
Im Übrigen werden Kopien ebenso wie die
vom 2. Untersuchungsausschuss gefertigten
Kopien vernichtet, es sei denn, die herausge-
benden Stellen widersprechen. Die Vernich-
tung ist in einem Protokoll festzuhalten.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/14600
Zweiter Teil:
Feststellungen zum Sachverhalt
A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten
Zwischen 1998 und 2011 wurden zehn Morde, zwei
Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verübt, die
nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen des Gene-
ralbundesanwalts der Gruppierung „Nationalsozialisti-
scher Untergrund“ zugerechnet werden:
Am 9. September 2000 wurde zwischen 12.45 und 14.45
Uhr auf den 38-jährigen türkischen Blumenhändler Enver
Şimşek geschossen. Die Schüsse trafen ihn durch die
geöffnete Seitentür auf der Ladefläche seines Transpor-
ters, den er hinter seinem mobilen Blumenverkaufsstand
in der Liegnitzer Straße in Nürnberg geparkt hatte und in
dem er gerade Blumen sortierte. Zwei Tage später erlag er
seinen Verletzungen.
Am 13. Juni 2001 wurde der 49-jährige türkische Staats-
angehörige Abdurrahim Özüdoğru zwischen 16.10 und
21.25 Uhr im Ladenlokal seiner Änderungsschneiderei in
der Gyulaer Straße 1 in Nürnberg getötet.
Am 27. Juni 2001 wurde zwischen 10.45 und 11.24 Uhr
mit drei Kopfschüssen der 31-jährige türkische Gemüse-
händler Süleyman Taşköprü in seinem Gemüsegeschäft in
der Schützenstraße 39 in Hamburg erschossen.
Am 29. August 2001 schossen die Täter zwischen 10.35
und 10.50 Uhr im Frischmarkt der Familie Kılıç in der
Bad-Schachener-Straße 14 in München den hinter dem
Kassentresen stehenden 38-jährigen türkischen Gemüse-
händler Habil Kılıç mit der Pistole Česká 83 seitlich in
den Kopf.
Am 25. Februar 2004 töteten die Täter zwischen 10.10
und 10.20 Uhr in dem im Neudierkower Weg 2 in Ros-
tock gelegenen Döner-Imbiss den 25-jährigen türkischen
Staatsangehörigen Mehmet (genannt Yunus) Turgut.
Am 9. Juni 2005 schossen die Täter zwischen 9.50 und
10.15 Uhr auf den 50-jährigen türkischen Staatsangehöri-
gen İsmail Yaşar in seinem Döner-Imbiss in der
Velburger Straße 3 in Nürnberg und verletzten ihn töd-
lich.
Am 15. Juni 2005 töteten die Täter zwischen 18.36 und
19 Uhr den 41-jährigen griechischen Staatsangehörigen
Theodoros Boulgarides durch drei Schüsse in den Kopf in
dem von ihm zusammen mit einem deutschen Partner
betriebenen Schlüsseldienst in der Trappentreustraße 4 in
München.
Am 4. April 2006 betraten die Täter kurz vor 12.55 Uhr
den Kiosk in der Mallinckrodtstraße 190 in Dortmund
und erschossen den Inhaber, den 39-jährigen deutschen
Staatsangehörigen türkischer Abstammung Mehmet
Kubaşık.
Am 6. April 2006 wurde gegen 17 Uhr Halit Yozgat, der
21-jährige türkischstämmige Betreiber des in der Hollän-
dischen Straße 82 in Kassel gelegenen Internet-Cafés,
erschossen.
Über diese als „Česká-Serie“ bekanntgewordenen Ver-
brechen hinaus wurden zwei Sprengstoffanschläge in
Köln verübt, bei denen mindestens 23 Personen zum Teil
schwer verletzt wurden:
Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwi-
schen dem 19. und dem 21. Dezember 2000 wurde ein in
einer Christstollendose eingebauter Sprengsatz bestehend
aus einer mit etwa einem Kilogramm Schwarzpulver
befüllten Gasdruckflasche in dem iranischen Lebensmit-
telgeschäft des iranischen Staatsangehörigen D. M. in der
Probsteigasse 44-46 im Kölner Stadtteil Altstadt-Nord
hinterlegt. Der Täter gab vor, sein vergessenes Portemon-
naie holen zu wollen, und ließ den mit anderen Waren in
einem Einkaufskorb befindlichen Sprengsatz mit dem Ziel
zurück, dass der Inhaber oder eine dort tätige Person den
Sprengsatz bei der Entsorgung des Korbes auslösen und
dabei tödliche Verletzungen erleiden würde. Der Korb
wurde zunächst in einem rückwärtigen Aufenthaltsraum
aufbewahrt. Am 19. Januar 2001 öffnete die 19-jährige
Tochter des Inhabers, M. M., gegen 7 Uhr den Deckel der
Dose, wodurch der Sprengsatz zur Detonation kam und
die junge Frau schwere Verbrennungen und multiple
Schnittverletzungen erlitt.
Am 9. Juni 2004 brachten die Täter einen in einem Mo-
torradkoffer befindlichen, aus einer mit mindestens fünf
Kilogramm Schwarzpulver gefüllten Gasflasche und
10 cm langen Nägeln als Splittermaterial bestehenden
Sprengsatz auf dem Gepäckträger eines Fahrrades an und
stellten dieses Fahrrad vor dem Friseursalon des türki-
schen Staatsangehörigen Öczan Yıldırım in der
Keupstraße 29 in Köln-Mülheim ab. Gegen 16 Uhr brach-
ten sie den Sprengsatz ferngezündet mit dem Ziel zur
Detonation, so viele Kunden und Passanten wie möglich
zu töten oder zumindest zu verletzen. Durch die Druck-
welle und die Splitterwirkung wurden insgesamt 22 Per-
sonen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Es entstand
erheblicher Sachschaden.
Schließlich fielen zwei Polizeibeamte dem NSU zum
Opfer:
Am 25. April 2007 töteten die Täter die 22-jährige Poli-
zeimeisterin Michèle Kiesewetter und verletzten ihren
Kollegen, den zur Tatzeit 24-jährigen Polizeimeister Mar-
tin A., schwer. Kurz vor 14 Uhr traten die Täter von hin-
ten an den neben dem Trafohäuschen auf der Theresien-
wiese in Heilbronn geparkten Streifenwagen heran, in
dem Michèle Kiesewetter auf der Fahrerseite und Martin
Drucksache 17/14600 – 72 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A. auf der Beifahrerseite bei geöffneten Fahrzeugtüren
Pause machten. Aus kürzester Entfernung gaben sie je-
weils von schräg hinten Kopfschüsse auf die ahnungslo-
sen Beamten ab und nahmen ihnen ihre Dienstwaffen,
drei Magazine, Handschellen, ein Reizstoffsprühgerät,
eine Taschenlampe und ein Multifunktionswerkzeug ab.
Michèle Kiesewetter starb an den Folgen des Kopfschus-
ses aus der Pistole Radom, Mod. VIS 35, Kaliber 9 mm
Luger noch am Tatort, Polizeimeister A., den eine Kugel
aus der Pistole TOZ, Modell TT 33, Kaliber 7,62 mm
Tokarew, getroffen hatte, konnte durch intensivmedizini-
sche Behandlung gerettet werden.
Neben diesen Anschlägen erfolgten 15 bewaffnete Raub-
überfälle durch zwei Täter der Gruppierung:
Am 18. Dezember 1998 gegen 18 Uhr bedrohten die Täter
im EDEKA-Markt in der Irkutsker Straße 1 in Chemnitz
die Hauptkassiererin mit einer geladenen Schusswaffe
und erbeuteten die Tageseinnahmen in Höhe von etwa
30 000 DM. Auf der Flucht zu Fuß aus dem Supermarkt
schossen sie mehrfach gezielt auf Kopf und Brust eines
etwa 16-jährigen Jugendlichen, der sie verfolgte. Der
Jugendliche brach daraufhin die Verfolgung ab.
Am 6. Oktober 1999 gegen 16.45 Uhr bedrohten die Täter
in der Postfiliale in der Barbarossastraße 71 in Chemnitz
zwei Angestellte mit Waffen, gaben aus einer Schreck-
schusspistole einen Schuss ab und forderten Geld. Eine
der Angestellten übergab ihnen 5 700 DM aus dem Kas-
senbestand.
Am 27. Oktober 1999 gegen 11.45 Uhr bedrohten sie in
der Postfiliale in der Limbacher Straße 148 in Chemnitz
zwei Angestellte mit Pistolen, überwanden den Bedientre-
sen und verlangten Geld. Sodann nahmen sie, der eine aus
der Kasse und der andere aus dem Tresor im Lagerraum,
dessen Öffnung er zuvor durch Waffenvorhalt erzwungen
hatte, etwa 62 800 DM an sich.
Am 30. November 2000 um 11.07 Uhr bedrohten sie in
der Postfiliale in der Johannes-Dick-Straße 4 in Chemnitz
zwei Angestellte mit Faustfeuerwaffen und forderten
Geld. Die Beute betrug insgesamt 38 900 DM.
Am 5. Juli 2001 um 10.15 Uhr bedrohten sie in der Postfi-
liale in der Max-Planck-Straße 1a in Zwickau zwei Ange-
stellte mit Faustfeuerwaffen und einem Reizstoffgerät und
erbeuteten 74 700 DM. Zur Durchführung der Tat be-
sprühte ein Täter einen Kunden mit Reizgas, wodurch
dieser eine Augenreizung erlitt.
Am 25. September 2002 gegen 9 Uhr bedrohten sie in der
Sparkassenfiliale in der Karl-Marx-Straße 10 in Zwickau
drei Angestellte mit einem kurzläufigen Revolver sowie
mit Reizgassprühgeräten. Zur Durchführung der Tat be-
sprühten beide Täter die drei Angestellten und drei anwe-
sende Kunden mit Reizgas und verursachten dabei jeweils
Augen- und Hautreizungen. Die Beute betrug etwa 48 600
Euro.
Am 23. September 2003 gegen 10.30 Uhr bedrohten sie in
der Sparkassenfiliale in der Paul-Bertz-Straße 14 in
Chemnitz drei Angestellte jeweils mit einer Pistole. Ein
Täter entnahm, auf dem Tresen stehend, 435 Euro aus den
Kassenschubladen. Der andere Täter schlug hinter dem
Tresen einer Angestellten die Pistole auf den Kopf und
forderte sie auf, die Tresore zu öffnen. Dem kam die
Angestellte unter Hinweis auf die Zeitschlosssicherung
nicht nach. Die Täter flüchteten daraufhin, ohne weitere
Beute zu erlangen.
Am 14. Mai 2004 um 11.41 Uhr bedrohten sie in der
Sparkassenfiliale in der Albert-Schweitzer-Straße 62 in
Chemnitz die dort tätigen drei Angestellten und eine
Kundin und verlangten die Herausgabe von Geld. Der
eine Täter, bewaffnet mit einem Revolver Alfa Proj, Kali-
ber 38 Spezial, erzwang die Öffnung des Tresors und die
Herausgabe der darin befindlichen Banknoten und Reise-
schecks. Der andere Täter bedrohte die Angestellten im
Schalterbereich mit einer Pumpgun Mossberg Maverick
88 und schlug einer Angestellten den Gewehrkolben ins
Gesicht. Die Täter entnahmen aus den Schalterkassen
weitere Banknoten und entkamen mit Bargeld in Höhe
von 33 175 Euro und Reiseschecks im Wert von
4 250 Euro.
Am 18. Mai 2004 gegen 11.30 Uhr überfielen sie die
Sparkassenfiliale in der Sandstraße 37 in Chemnitz, be-
drohten die Angestellten mit Schusswaffen und erbeuteten
73 815 Euro.
Am 22. November 2005 bedrohten sie in der Sparkassen-
filiale in der Sandstraße 37 in Chemnitz gegen 17.10 Uhr
die anwesenden drei Angestellten und einen Kunden. Der
eine Täter war mit der Pumpgun Mossberg Maverick 88
bewaffnet, die er beim Betreten der Sparkasse durchlud,
und sicherte den Kundenbereich und die Beratungszim-
mer. Der andere Täter verlangte unter Drohung mit einem
Revolver und einer Handgranatenattrappe die Herausgabe
von Geld und die Öffnung des Tresors. Nachdem der
Filialleiter auf den Zeitschlossmechanismus hingewiesen
und akustischen Alarm ausgelöst hatte, mussten die Täter
ohne Beute fliehen.
Am 5. Oktober 2006 gegen 12 Uhr bedrohte ein Täter in
der Sparkasse in der Kosmonautenstraße 2 in Zwickau die
vier Angestellten im Schalterbereich mit dem Revolver
Alfa Proj, Kaliber .38 Spezial, und verlangte die Öffnung
des Tresors. Als ein Angestellter versuchte, ihn zu über-
wältigen, schoss er diesem in den Bauch. Weil ihn die
Angestellten von der Zeitschlosssicherung unterrichtet
hatten, floh er ohne Beute.
Am 7. November 2006 um 17.38 Uhr bedrohten sie in der
Sparkassenfiliale in der Kleinen Parower Straße 51-53 in
Stralsund die dort anwesenden sieben Angestellten. Der
eine Täter schoss mit einem Schreckschussrevolver Rich-
tung Decke und hielt neben den Angestellten auch drei
Kunden mit einer weiteren Pistole in Schach. Der andere
Täter erzwang mit einem silberfarbenen Revolver be-
waffnet die Öffnung des Tresors. Aus diesem sowie aus
den Kassen entnahm er insgesamt 84 995 Euro.
Am 18. Januar 2007 gegen 17.15 Uhr überfielen sie die
Sparkassenfiliale in der Kleinen Parower Straße in Stral-
sund auf die gleiche Art und Weise. Der eine Täter feuer-
te mit einem Schreckschussrevolver in die Decke und
hielt die Angestellte und Kunden mit einer weiteren
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/14600
Schusswaffe in Schach. Der andere Täter bedrohte eine
weitere Angestellte mit einem Revolver und erzwang so
die Öffnung des Tresors. Die Beute betrug 169 970 Euro.
Am 7. September 2011 gegen 8.45 Uhr bedrohten sie in
der Sparkassenfiliale in der Goethestraße 2 in Arnstadt die
Angestellten und verlangten die Öffnung der Tür zum
Kassenbereich sowie des Tresors. Der eine Täter entnahm
dem Kassenbestand 15 000 Euro.
Der letzte Raubüberfall führte zur Aufdeckung der Täter:
Am 4. November 2011 gegen 9.10 Uhr bedrohten Uwe
Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Am Nordplatz 13
gelegenen Sparkassenfiliale in Eisenach zwei anwesende
Kunden und drei der sechs Angestellten mit Faustfeuer-
waffen und forderten Geld. Die Beute betrug insgesamt
71 915 Euro, darunter 1 000 Euro Registriergeld.
Als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach der Tat in
dem in Eisenach-Stregda in der Straße Am Schafrain
geparkten Wohnmobil, in das sie sich geflüchtet hatten,
entdeckt wurden, feuerten sie aus einer Maschinenpistole
auf die sich zu Fuß nähernden Polizeibeamten. Nach dem
ersten Schuss hatte die Waffe eine Ladehemmung; die
Beamten waren in Deckung gegangen. Daraufhin setzten
sie das Wohnmobil in Brand. Uwe Mundlos erschoss
zunächst Uwe Böhnhardt und sodann sich selbst.
Die Darstellung der Taten beruht im Wesentlichen auf
dem Anklagesatz der Anklageschrift des Generalbundes-
anwalts beim Bundesgerichtshof vom 5. November 2012
gegen Beate Zschäpe u. a.
259
Darin werden die beschrie-
benen Taten der Gruppierung „Nationalsozialistischer
Untergrund“ zugerechnet, wobei als unmittelbar Tataus-
führende Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genannt
werden, Beate Zschäpe soll bei der Vorbereitung der
Taten und der Schaffung eines sicheren Rückzugsraumes
durch Tarnung an den Taten mitgewirkt haben.
Über die Gruppierung „Nationalsozialistischer Unter-
grund“ heißt es im Anklagesatz der Anklageschrift:
„Die Angeschuldigte Zschäpe und die am 4. No-
vember 2011 verstorbenen Uwe Böhnhardt und
Uwe Mundlos kamen in der Zeit zwischen dem
26. Januar 1998 und dem 18. Dezember 1998 in
Chemnitz überein, sich auf Dauer zu einem fest
organisierten Verband zusammenzuschließen mit
dem Ziel, aus der Illegalität heraus durch Mord-
und Sprengstoffanschläge ihre nationalsozialistisch
geprägten völkisch-rassistischen Vorstellungen
von einem „Erhalt der deutschen Nation“ zu ver-
wirklichen und die Veränderung von Staat und Ge-
sellschaft in diesem Sinne zu befördern. Nachdem
die Drei, die eine langjährige persönliche Bezie-
hung verband, bereits seit 1996 ideologisch moti-
vierte, vornehmlich gegen die jüdische
Mitbevölkerung gerichtete Straftaten begangen
hatten und wegen einer drohenden Festnahme im
Zusammenhang mit dem Bau von Rohrbomben am
259) MAT A BY-15 (Tgb.Nr. 153/13 – GEHEIM), Bl. 13 ff.
26. Januar 1998 untergetaucht waren, schotteten
sie sich von ihrem früheren persönlichen Umfeld
weitestgehend ab und lebten zu dritt in konspirati-
ven Wohnungen zusammen, die sie zuletzt durch
Alarmanlagen und andere Schutzeinbauten sicher-
ten. Zur Finanzierung ihres Lebens in der Illegali-
tät und ihrer Straftaten verübte die Gruppe insge-
samt 15 bewaffnete Raubüberfälle.
Sie ersannen ein Konzept, um ihre ideologischen
Auffassungen nach dem Grundsatz ‚Taten statt
Worte‘ umzusetzen. Danach sollten zunächst Men-
schen südeuropäischer, vornehmlich türkischer
Herkunft, durch die die Gruppe nach ihren völ-
kisch-rassistischen Vorstellungen den ‚Erhalt der
deutschen Nation‘ bedroht sah, willkürlich ausge-
wählt und durch hinrichtungsgleiche Erschießun-
gen getötet werden. Durch die Verwendung ein
und derselben Schusswaffe sollten diese Taten in
der Öffentlichkeit bewusst als serienmäßige Hin-
richtungen wahrgenommen werden. Zu diesem
Zweck beschafften sich die Angeschuldigte
Zschäpe sowie Böhnhardt und Mundlos spätestens
1999 oder Anfang 2000 über die
Mitangeschuldigten W. und S. die Pistole Česká 83
mit einem Schalldämpfer. Ferner sollte durch
Sprengstoffanschläge gleichzeitig eine größere
Anzahl von Opfern getroffen werden. Dadurch
sollte die durch die Mordanschläge hervorgerufene
Verunsicherung in den Bevölkerungsteilen mit
Migrationshintergrund noch verstärkt, das Ver-
trauen in den Staat geschwächt und die ausländi-
schen Mitbürger zum Wegzug veranlasst werden.
Nach außen traten sie ausschließlich unter Tarn-
namen, Legenden und mit gefälschten Personalpa-
pieren oder Berechtigungsscheinen auf. Um sich
unentdeckt bewegen und Straftaten ausüben zu
können, waren sie damit völlig aufeinander ange-
wiesen. Deshalb und mit Blick auf das gemeinsa-
me Ziel wurden Entscheidungen und Einzelaktio-
nen ausschließlich gemeinsam getroffen und vor-
bereitet, wobei sich jeder Einzelne dem Willen der
Gesamtheit unterordnete und auch die Straftaten in
einer aufeinander abgestimmten koordinierten Ar-
beitsteilung verübt wurden, ohne dass einem der
drei eine Anführerrolle zukam. Ihr auf Dauer ange-
legtes strafbares Wirken brachten sie mit dem Satz
‚Solange sich keine grundlegenden Änderungen in
der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollzie-
hen, werden die Aktivitäten weitergeführt‘ zum
Ausdruck und stellten es unter die Maxime ‚Taten
statt Worte‘. Spätestens ab dem Jahr 2001 gaben
sie sich den Namen ‚Nationalsozialistischer Unter-
grund (NSU)‘ und traten unter dieser Bezeichnung
ab 2002 durch die Versendung eines mit politi-
schen Zielen des ‚NSU‘ gefüllten Propagandabrie-
fes an mindestens zwei rechtsextremistisch gepräg-
te politische Magazine auch nach außen auf.
Ferner verschaffte sich die Vereinigung eine Viel-
zahl von Schusswaffen und Munition. Zuletzt ver-
fügten die Angeschuldigte Zschäpe, Böhnhardt
Drucksache 17/14600 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und Mundlos über etwa 2,5 Kilogramm Schwarz-
pulver sowie ein Arsenal von 20 Schusswaffen,
darunter zwei Maschinenpistolen, und über 1 600
Patronen und andere Munitionsteile. Darüber hin-
aus konstruierten sie einen in einer Holzkiste
abgetarnten Schussapparat, der es ermöglichen
sollte, in der Öffentlichkeit und gleichwohl unbe-
merkt eine Salve von Schüssen abzugeben.
Ein Schwerpunkt ihres Lebens im Untergrund lag
in der Ausspähung von aus ihrer rechtsex-
tremistischen Sicht unerwünschten oder verhassten
politischen, religiösen und gesellschaftlichen Ein-
richtungen und Funktionsträgern sowie möglichen
Anschlagszielen. Allein aus insgesamt etwa 90.000
sichergestellten elektronischen Datensätzen ergibt
sich eine Sammlung von insgesamt 10 116 Namen
und Objekten. […]260
Eine unmittelbare Tatbekennung zu den Anschlä-
gen erfolgte zunächst nicht. Ab 2001 erstellte die
Vereinigung allerdings aus am Tatort selbst gefer-
tigten Lichtbildern sowie einschlägigen Ausschnit-
ten aus Zeitungen und Fernsehsendungen Video-
aufzeichnungen, in denen sie sich in zynischer, ih-
re Opfer verhöhnender und verunglimpfender Art
und Weise zu diesen zwölf Taten bekannten. Aus
diesen elektronischen Aufzeichnungen erstellten
sie spätestens ab Mai 2006 eine DVD, auf der die
Anschläge in Zeichentrickfilme der Comic-Serie
‚Paulchen Panther‘ eingearbeitet und dargestellt
sind und hielten sie in adressierten Briefumschlä-
gen bereit, um sie zu einem ihnen als geeignet er-
scheinenden Zeitpunkt propagandistisch geeigne-
ten Empfängern zukommen zu lassen. Mindestens
15 Exemplare dieser DVD versandte die Ange-
schuldigte Zschäpe in der Zeit zwischen dem
4. und 8. November 2011 zu Propaganda- und
Selbstbezichtigungszwecken im Sinne des ‚NSU‘
an politische, religiöse und kulturelle Einrichtun-
gen sowie an Presseunternehmen.“261
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat
Beate Zschäpe darüber hinaus auch wegen der
Inbrandsetzung des Hauses Frühlingsstraße 26 in Zwickau
angeklagt. Dort kam es am 4. November 2011 gegen
15.05 Uhr aufgrund einer Zündvorrichtung zu einer Ex-
plosion von Kraftstoff. Eine Mitbewohnerin des Hauses
konnte sich noch rechtzeitig retten.
260) Anklageschrift, MAT A BY-15 (Tgb.Nr. 153/13 – GEHEIM),
S. 11 f. (offen).
261) Anklageschrift, MAT A BY-15 (Tgb.Nr. 153/13 – GEHEIM),
S. 17 (offen).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/14600
B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen Szene
I. Werdegang des Trios vor deren Untertau-
chen
In Bezug auf den Werdegang von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe hat sich der Ausschuss von dem Grundsatz
leiten lassen, möglichst arbeitsteilig mit dem Untersu-
chungsausschuss des Thüringer Landtags zusammenzu-
wirken. Der Ausschuss hat zu diesem Komplex selbst
keine Zeugen vernommen, aber Akten ausgewertet und
die Erkenntnisse des Thüringer Untersuchungsausschus-
ses herangezogen. Vorrangig beleuchtet hat der Aus-
schuss das staatliche Handeln in Bezug auf das Trio in
den 90er Jahren. Von besonderem Interesse waren dabei
die zahlreichen Strafverfahren, die in diesen Jahren gegen
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe geführt wurden. Inten-
siv beleuchtet worden ist die Frage, ob die Strafverfol-
gungsbehörden und Gerichte in angemessener Form ge-
gen das kriminelle Treiben und das sich fortschreitende
Radikalisieren des Trios eingeschritten sind.
1. Erkenntnisse zu den Personen
a) Uwe Böhnhardt
Uwe Böhnhardt wurde am 1. Oktober 1977 in Jena gebo-
ren. Er hatte zwei ältere Brüder. Die Mutter war von Be-
ruf Lehrerin, der Vater Abteilungsleiter in einem Glas-
werk. 1988 verstarb Uwe Böhnhardts älterer Bruder.
Böhnhardt besuchte von 1984 bis 1992 die Hauptschule
in Jena. Im Jahr 1992 wurde er in ein Kinderheim in
Burgk bei Schleiz eingewiesen, welches er wegen began-
gener Straftaten nach nur zwei Wochen wieder verlassen
musste. Im April 1992, in der achten Klasse, besuchte
Böhnhardt eine Lernförderschule, von der er Anfang 1993
nach einem Einbruch in der Schule jedoch wieder verwie-
sen wurde. Er beendete seine schulische Laufbahn nach
acht Schuljahren mit dem Abschluss der 7. Klasse.
Im Zusammenhang mit zwei gegen ihn geführten Ermitt-
lungsverfahren befand sich Böhnhardt zwischen dem
5. Februar 1993 und dem 5. Mai 1993 sowie in der Zeit
vom 1. September 1993 bis 6. Dezember 1993 in Unter-
suchungshaft. Dort fiel er unter anderem wegen der
Drangsalierung eines Mithäftlings auf und wurde diszipli-
nar gemaßregelt, unter anderem durch kurzfristige Verle-
gung in den Erwachsenenvollzug. Außerdem baute er aus
dem Rohr einer Bettverstrebung, welches er mit Streich-
hölzern füllte, eine „Rohrbombe“.
Im Dezember 1993 begann Böhnhardt einen Förderlehr-
gang im Rahmen eines Berufsvorbereitungsjahres, wel-
cher bis zum Sommer 1994 andauerte. Danach absolvierte
er mit einem erfolgreichen Abschluss im Sommer 1996
eine zweijährige Lehre als Hochbaufacharbeiter. Nach der
Lehre wurde er von dem ausbildenden Betrieb übernom-
men und konnte dort bis zum Herbst 1996 arbeiten. We-
gen Arbeitsmangels wurde ihm die Kündigung ausge-
sprochen. Mit Ausnahme kurzfristiger Arbeitstätigkeiten
war Böhnhardt danach bis zum Abtauchen des Trios am
26. Januar 1998 arbeitslos. Bis zu diesem Tag lebte er bei
seinen Eltern in Jena.
262
b) Uwe Mundlos
Uwe Mundlos wurde am 11. August 1973 in Jena gebo-
ren. Sein Vater war Professor für Informatik an der Fach-
hochschule Jena, seine Mutter Verkäuferin in einem Le-
bensmittelgeschäft. Sein zwei Jahre älterer Bruder ist seit
seiner Geburt schwerbehindert. Nach Abschluss der zehn-
ten Klasse mit dem mittleren Bildungsabschluss absol-
vierte Mundlos ab dem 1. September 1990 eine Lehre als
Datenverarbeitungskaufmann, die er am 28. Februar 1994
abschloss.
Nach der Lehre leistete Mundlos vom 1. April 1994 bis
zum 31. März 1995 seinen Grundwehrdienst beim Pan-
zergrenadierbataillon 381 in Bad Frankenhausen. In der
Zeit vom 1. April 1995 bis zum 2. August 1995 war er
arbeitslos. Ab dem 3. August 1995 besuchte Mundlos das
Ilmenau-Kolleg zur Erlangung der Hochschulreife. Ab
Anfang Januar 1998 erschien er dort nicht mehr zum
Unterricht.
263
c) Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 als einziges Kind
von Annerose A. und dem rumänischen Staatsbürger
Valer B. in Jena geboren. In ihren ersten fünf Lebensjah-
ren wuchs Zschäpe vor allem bei ihren Großeltern auf.
1975 und 1978 heiratete ihre Mutter, Beate Zschäpe trug
jeweils den Nachnamen des Ehemanns ihrer Mutter. Am
1. September 1981 wurde Zschäpe eingeschult und be-
suchte von September 1984 bis Juni 1992 eine Oberschule
in Jena-Winzerla, welche sie nach der zehnten Klasse
abschloss.
Nach einer kurzen Anstellung als Malergehilfin begann
Beate Zschäpe am 1. November 1992 eine Ausbildung als
Gärtnerin für Gemüseanbau, da sie eine Ausbildung in
ihrem Wunschberuf als Kindergärtnerin nicht anfangen
konnte. Sie schloss die Lehre am 31. August 1995 ab.
262) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-
mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. BKA am 24. April
2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (28–30); Strafanzeige der
JVA Hohenleuben vom 11. März 1993, MAT A TH-1-15, Bl.
64; Aktennotiz der JVA Hohenleuben vom 24. März 1993,
MAT A TH-1-15, Bl. 87.
263) Vermerk des BKA (BAO „Trio“) vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1a, Bl. 83 ff. (84).
Drucksache 17/14600 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Danach war Zschäpe lediglich zwischen dem
16. September 1996 und dem 31. August 1997 im Rah-
men einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Stadtver-
waltung Jena als Malergehilfin beschäftigt.
264
2. Strafverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sind
bereits zu Beginn der 90er Jahre strafrechtlich in Erschei-
nung getreten. Dabei handelte es sich zunächst um Straf-
taten aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität ohne
erkennbaren rechtsextremistischen Tathintergrund. Die
erste staatsschutzrelevante Straftat beging Uwe Mundlos
im Jahr 1994. Mundlos war es auch, der bereits 1991 die
erste Gewaltstraftat begangen hatte.
a) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger
Sachen am 18. März 1991
5 Js 4830/91
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr
vorhanden.
Mit Verfügung vom 25. Februar 1992 sah die Staatsan-
waltschaft Gera von einer Verfolgung ab (§ 45 Jugendge-
richtsgesetz).
265
b) Uwe Mundlos (und ein weiterer Beschul-
digter): gefährliche Körperverletzung am
6. Juni 1991
5 Js 14891/91
Polizeidienststelle: KPI Jena
Staatsanwaltschaft Gera
Kreisgericht Jena
Auf dem Nachhauseweg nach einem Gaststättenbesuch
bemerkten und verfolgten Mundlos und Stefan H. den
späteren Geschädigten. Während Mundlos den Geschä-
digten anrempelte, ihn auf eine Wiese zog und ihm kräftig
in die Magengegend trat, schlug H. den Geschädigten mit
der Faust. Ob die Beiden den Geschädigten aufforderten,
ihnen Geld zu geben, konnte letztlich nicht geklärt wer-
den.
Das Verfahren gegen Mundlos wurde von dem Verfahren
gegen H. abgetrennt. Mundlos erhielt am 6. Mai 1992 in
der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht Jena eine
264) Personenbericht des BKA zu Beate Zschäpe vom 20. April
2012, MAT A BY-14-1a, Bl. 521 ff.
265) BZR-Auszug, MAT A TH-2/6, nicht paginiert, Dokumentensei-
te 39.
Verwarnung (Maßnahme nach dem Jugendgerichtsge-
setz).
266
c) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger
Sachen am 25. Juli 1991
5 Js 12416/91
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr
vorhanden.
Mit Verfügung vom 27. Februar 1992 sah die Staatsan-
waltschaft Gera von einer Verfolgung ab (§ 45 Jugendge-
richtsgesetz).
267
d) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger
Sachen im November 1991
5 Js 2104/91
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Kreisgericht Jena
Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr
vorhanden.
Am 28. April 1992 stellte das Kreisgericht Jena das Ver-
fahren nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes (Ermahnung;
Erbringung von Arbeitsleistungen) ein.
268
e) Uwe Böhnhardt: Fahren ohne Fahrerlaub-
nis 1992
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Kreisgericht Jena
Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr
vorhanden.
Am 16. November 1992 wurde das Verfahren gegen
Böhnhardt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch das
Kreisgericht Jena gemäß § 47 JGG vorläufig eingestellt.
Böhnhardt wurde aufgegeben, nach näherer Weisung der
Jugendgerichtshilfe Jena 20 Stunden gemeinnützige Ar-
beiten zu erbringen und das Schuljahr an der Berufsförde-
rungsschule abzuschließen.
269
Die Weisungen befolgte
Böhnhardt nicht. Das Verfahren wurde später im Hinblick
266) MAT A TH-2/20, nicht paginiert, Dokumentenseite 26 ff.
267) BZR-Auszug, MAT A TH-2/6, nicht paginiert, Dokumentensei-
te 39.
268) BZR-Auszug, MAT A TH-2/6, nicht paginiert, Dokumentensei-
te 40.
269) Urteil des Kreisgerichts Jena-Stadt – Jugendschöffengericht –
vom 5. Mai 1993, Az. 512 Js 50876/93, MAT A TH-2/27, Bl.
122 ff. (124).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/14600
auf die unter f) aufgeführte Verurteilung gemäß § 154
Abs. 2 Strafprozessordnung nach Wiederaufnahme erneut
eingestellt.
f) Uwe Böhnhardt (und ein Mittäter): Ent-
wenden von Fahrzeugen 1992
512 Js 50876/93 (Mittäter: 512 Js 53568/93)
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Kreisgericht Jena / Bezirksgericht Gera
Im Jahre 1992 entwendete Böhnhardt in mehreren Fällen
Autos und fuhr mit diesen herum. Außerdem entwendete
er verschiedene weitere Gegenstände und leistete bei
einer Hausdurchsuchung Widerstand gegen Vollstre-
ckungsbeamte.
Am 5. Mai 1993 verurteilte das Kreisgericht Jena
Böhnhardt zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn
Monaten und behielt sich die Entscheidung über die
Strafaussetzung zur Bewährung vor.
270
Hiergegen legte
sein Verteidiger Berufung ein und beantragte unter ande-
rem ein Gutachten zur Frage der Reife Böhnhardts.
271
Mit
Urteil vom 3. August 1993
272
verwarf das Bezirksgericht
Gera die Berufung Böhnhardts mit der Maßgabe, dass die
Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausge-
setzt wird. Böhnhardts Mittäter wurde am 1. Oktober
1993 vom Amtsgericht – Jugendrichter – Jena zur Zah-
lung eines Geldbetrags verurteilt.
273
Aufgrund dieses
Verfahrens befand sich Böhnhardt in der Zeit zwischen
dem 5. Februar 1993 und dem 5. Mai 1993 in Untersu-
chungshaft in der JVA Hohenleuben, aus der er mithin am
Tag seiner Verurteilung entlassen wurde.
In der Untersuchungshaft kam Böhnhardt zunächst in eine
Zelle mit Sven R., der ab Mitte der 1990er in Rudolstadt
als Aktivist des „Thüringer Heimatschutzes“ und wegen
des Organisierens von Wehrsportübungen aufgefallen
war. Am 25. März 1993 baute Böhnhardt zum wiederhol-
ten Mal mit Mitgefangenen einen Knallkörper, indem er
Streichholzköpfe, Papier und anderes Material in eine
Bettverstrebung aus Metall füllte, das Rohr erwärmte und
dann zur Detonation brachte, wodurch sich das Rohr
erheblich verbog. Böhnhardt wurde als Anstifter festge-
stellt.
274
Als Disziplinarmaßnahme wurde er ab dem
29. März 1993 nicht mehr mit jugendlichen, sondern mit
erwachsenen Untersuchungshäftlingen in einer Zelle
untergebracht.
275
Zuvor hatte Böhnhardt sich mit weiteren
Untersuchungshäftlingen, darunter Sven R., auf seiner
Zelle an der Misshandlung eines Mitgefangenen beteiligt:
Der junge Mann musste das Essen für alle kochen, er
wurde in einen Schrank gesperrt und dort mit kaltem
270) MAT A TH-2/27, nicht paginiert, PDF-Seite 14 ff.
271) MAT A TH-2/27, nicht paginiert, PDF-Seite 23 ff.
272) MAT A TH-2/27, nicht paginiert, PDF-Seite 26 ff.
273) MAT A TH-2/28, nicht paginiert, PDF-Seite 16 ff.
274) MAT A TH-15, Bl. 87.
275) MAT A TH-15, Bl. 89.
Wasser und Reinigungsmitteln übergossen; zudem wurde
eine Plastiktüte angezündet und das heiße Plastik auf den
Rücken des jungen Mannes gedrückt, wodurch dieser
Brandverletzungen erlitt.
276
Wegen dieser Misshandlun-
gen stellte zwar am 11. März 1993 der Leiter der JVA
Hohenleuben Strafanzeige gegen Böhnhardt, R. und zwei
weitere Personen
277
, doch strafrechtliche Konsequenzen
folgten im Ergebnis nicht.
g) Uwe Böhnhardt: Erpressung und gefährli-
che Körperverletzung 1992/1993
512 Js 56060/93
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Böhnhardt forderte ab Juli 1992 in mehreren Fällen unter
Androhung von Schlägen Geldzahlungen von einem 16
Jahre alten Jugendlichen. Insgesamt erlangte er so über
200 DM sowie einen Kassettenrecorder im Wert von ca.
200 DM. Am 4. August 1993, nur einen Tag nach der
Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Gera, schlug
Böhnhardt den Geschädigten mit der Faust in den Magen
und trat ihn mit seinen mit Stahlkappen versehenen Schu-
hen so in den Augenbereich, dass dieser eine Gehirner-
schütterung erlitt und fünf Tage im Krankenhaus behan-
delt werden musste.
Am 6. Dezember 1993 verurteilte das Amtsgericht – Ju-
gendschöffengericht – Jena Böhnhardt unter Einbezie-
hung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Kreisgerichts
Jena vom 5. Mai 1993 (512 Js 50876/93) wegen Erpres-
sung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewäh-
rungsstrafe von zwei Jahren.
278
Aufgrund dieses Verfah-
rens befand sich Böhnhardt in der Zeit vom 1. September
bis 6. Dezember 1993 in Untersuchungshaft.
h) Beate Zschäpe: Diebstahl im Jahr 1994
541 Js 53417/95
Polizeidienststelle: PI Jena
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Am 26. Juli 1994 entwendete Beate Zschäpe in einem
REWE-Markt in Jena eine Schachtel Marlboro.
Das Amtsgericht Jena erließ gegen Zschäpe am 8. Juni
1995 einen Strafbefehl (20 Tagessätze a 25 DM), der am
18. Juli 1995 rechtskräftig wurde.
279
Im weiteren Verlauf
wurde diese Geldstrafe in eine Arbeitsauflage umgewan-
276) MAT A TH-15, 131 ff.
277) MAT A TH-15, Bl. 64.
278) MAT A TH-2/29, nicht paginiert, PDF-Seite 14 ff.
279) MAT A TH-2/30, nicht paginiert, PDF-Seite 14 f.
Drucksache 17/14600 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
delt (120 Stunden gemeinnützige Arbeit), welche Zschäpe
auch erfüllte.
280
i) Uwe Mundlos u. a.: Volksverhetzung im
August 1994
102 Js 4365/95
Polizeidienststelle: KPI Straubing
Staatsanwaltschaft Regensburg
Zweigstelle Straubing
Am 6. August 1994 nahm Mundlos gemeinsam mit Be-
kannten aus Chemnitz an einem Treffen rechter Szenean-
gehöriger an einem Baggersee bei Straubing teil, bei dem
rechtsextremistisches Liedgut gespielt wurde.
Es folgte ein Ermittlungsverfahren gem. § 130 StGB
gegen alle Teilnehmer.
281
Das Ermittlungsverfahren gegen
Mundlos wurde mit Verfügung vom 10. März 1995 nach
§ 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
282
j) Uwe Mundlos: Herstellen von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen im
August 1994
250 Js 33343/94
Polizeidienststelle: KPI Chemnitz
Staatsanwaltschaft Chemnitz
Amtsgericht Chemnitz
Am 13. August 1994 wurde Mundlos in Chemnitz von
einer Polizeistreife kontrolliert. Dabei wurden unter ande-
rem vier Visitenkarten, versehen mit der Anschrift von
Mundlos und einem Bild von Adolf Hitler, aufgefunden.
Am 29. Juni 1995 erließ das Amtsgericht Chemnitz we-
gen des Herstellens von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen einen Strafbefehl von 20 Tagessätzen a
30 DM.
283
Gegen den Strafbefehl erhob Mundlos Ein-
spruch. Zur Hauptverhandlung am 12. Oktober 1995
erschien er nicht, so dass der Einspruch durch Urteil des
Amtsgerichts Chemnitz verworfen wurde.
284
Gegen dieses
Urteil legte Mundlos Berufung ein – allerdings verspätet.
Mit Beschluss vom 14. Februar 1996 verwarf das Amts-
gericht Chemnitz daher seine Berufung als unzulässig.
285
Da Uwe Mundlos zum Zeitpunkt der Tatbegehung
Grundwehrdienst leistete, war der gleiche Fall auch Ge-
genstand eines Verfahrens beim Truppendienstgericht
Süd in Kassel.
280) MAT A TH-2/30, nicht paginiert, PDF-Seite 16.
281) Lebenslauf Uwe Mundlos im Zusammenhang mit dem Ermitt-
lungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
28. März 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 83 ff. (85).
282) MAT A BY-2 b I, Bl. 138 ff.
283) MAT A BMVg-6/2, Bl. 49 ff.
284) MAT A BMVg-6/2, Bl. 52 ff. (VS-NfD).
285) MAT A BMVg-6/2, Bl. 57 (VS-NfD).
k) Uwe Böhnhardt: „Kreuzverbrennung“,
Verwenden von Kennzeichen verfas-
sungswidriger Organisationen im Sommer
1995
114 Js 20864/96
Polizeidienststelle: LKA Thüringen
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Im Sommer 1995 zeigten mehrere Personen bei einer
Veranstaltung in einem Waldgebiet bei Jena den „Hitler-
gruß“/„Kühnengruß“. Bei dieser Veranstaltung erfolgte
auch eine „Kreuzverbrennung“. Mit Verfügung vom
7. Mai 1996 leitete die Staatsanwaltschaft Gera ein Ver-
fahren – zunächst gegen unbekannt – wegen Verwendens
verfassungswidriger Kennzeichen (§ 86a StGB) ein.
286
Weitere Verfahren wurden zu diesem Verfahren verbun-
den, wodurch Mundlos Beschuldigter wurde, der nicht an
der ‚Kreuzverbrennung‘, aber mutmaßlich an anderen
Straftaten teilgenommen hatte. Beate Zschäpe war in
diesem Verfahren Zeugin. Ihre Vernehmung
287
zeigt, dass
sie aussagebereit war. Zu sichergestellten Bildern
288
mehrfach befragt,
289
identifizierte sie bereitwillig abgebil-
dete Personen.
290
Nach umfangreichen Ermittlungen er-
hob die Staatsanwaltschaft am 15. August 1997 Anklage
beim Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Jena.291
Mit Beschluss vom 25. Januar 2000, zweieinhalb Jahre
nach Anklageerhebung, lehnte das Amtsgericht Jena die
Eröffnung des Hauptverfahrens in Sachen „Hitler-
gruß“/„Kühnengruß“ ab,292 da der „Hitlergruß“ oder
„Kühnengruß“ nur in einem Waldgebiet unter Ausschluss
der Öffentlichkeit gezeigt worden sei. Bezüglich der wei-
teren Verfahrensteile stellte das Amtsgericht mit Be-
schluss vom selben Tage das Verfahren gegen Böhnhardt
und Mundlos (siehe unten: B.I.2.n)-q), S. 79 ff.) nach
§ 205 StPO vorläufig ein, da die Beiden bereits seit zwei
Jahren untergetaucht waren.
293
Am 24. Januar 2005 wurde
das Verfahren gegen Böhnhardt und Mundlos wegen
Eintritts der Verfolgungsverjährung endgültig einge-
stellt.
294
286) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 65.
287) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 70 ff.
288) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 84 ff.
289) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 95 ff.
290) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 104 ff.
291) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 22 ff.
292) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 161 f.
293) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 163 f.
294) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 350.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/14600
l) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Ver-
wenden von Kennzeichen verfassungswid-
riger Organisationen und Verstoß gegen
das Waffengesetz im September 1995
114 Js 1035/96
Polizeidienststelle unbekannt
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Gera
Am 10. September 1995 trug Böhnhardt in Rudolstadt
offen eine Gürtelschnalle mit der Aufschrift „Blut und
Ehre“ und einem eingeritzten Hakenkreuz. Zusammen mit
Zschäpe und anderen Tätern warf er Handzettel auf Krän-
ze mit dem Aufdruck „Deutsche lernt wieder aufrecht zu
gehen. Lieber sterben als auf Knien leben. Schluss mit
dem Holocaust oder Deutscher willst Du ewig zahlen?“.
Außerdem bewarf Zschäpe die Gedenkstätte am Platz der
Opfer des Faschismus in Rudolstadt mit rohen Eiern.
295
Bei einer am gleichen Tag bei Böhnhardt in der Richard-
Zimmermann-Straße 11 in Jena durchgeführten Woh-
nungsdurchsuchung wurde in einem Schrank im Kinder-
zimmer des Angeklagten ein zweckentfremdeter Baulaser
sichergestellt, der zum Anleuchten oder Anstrahlen eines
Zieles oder der Beleuchtung einer Zieleinrichtung dient
und auf einem bearbeiteten Laufteil einer Luftdruckwaffe
mit dem Kaliber 4,5 mm befestigt war.
Am 13. Juni 1996 wurde Böhnhardt vom Amtsgericht –
Jugendschöffengericht – Jena unter Einbeziehung des
Urteils vom 6. Dezember 1993 zu einer Freiheitsstrafe
von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
296
Hierge-
gen legte Böhnhardt Berufung ein. In der Berufungsver-
handlung am 19. Dezember 1996 wurde das Verfahren –
aus nicht näher bekannten Erwägungen – nach § 153
Absatz 2 StPO (Geringfügigkeit) eingestellt.
297
m) Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, André
Kapke: Puppentorso u. a. im April 1996
114 Js 7630/96
Polizeidienststelle: KPI Jena
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena / Landgericht Gera
Am 13. April 1996 zwischen 1 Uhr und 1.20 Uhr wurde
an der Brücke der Bundesautobahn 4, Gemarkung Buche,
Ortsteil Pösen, ein Puppentorso aufgehängt. Der Puppen-
torso war mit einem gelben Judenstern und einer Spreng-
und Brandvorrichtung versehen. Diese bestand aus zwei,
mit Elektrokabeln an den Torso angeschlossenen Kartons
sowie einem Verkehrsschild mit der Aufschrift „Vorsicht
Bombe“. Auf einem der Kartons fand sich der Abdruck
des Mittelfingers der linken Hand Böhnhardts. Bei einer
Hausdurchsuchung in diesem Verfahren im Juni 1996
295) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 45, Rn. 55.
296) MAT A TH-2/14, nicht paginiert, PDF-Seite 64 ff.
297) MAT A TH-2/14, nicht paginiert, PDF-Seite 75 ff.
wurden bei Böhnhardt mehrere CDs mit volksverhetzen-
dem Inhalt gefunden. An dem Wochenende zum 12. April
1996 hatte sich der damalige Vorsitzende des Zentralrates
der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, in Weimar aufge-
halten.
Am 21. April 1997 verurteilte das AG – Jugendschöffen-
gericht – Jena Böhnhardt in Sachen Puppentorso, CDs
und einer früheren Tat (Erpressung/gefährliche Körper-
verletzung, 512 Js 56060/93, Gesamtstrafen) zu einer
Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
298
Das
Verfahren gegen André Kapke und Beate Zschäpe war
bereits am 15. November 1996 mangels hinreichenden
Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wor-
den.
299
Böhnhardt legte Berufung ein und wurde vom LG Gera
mit Urteil vom 16. Oktober 1997 in Bezug auf den „Pup-
pentorso“ freigesprochen. Wegen des Besitzes der CDs
sowie der einbezogenen früheren Straftat wurde
Böhnhardt zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren drei
Monaten verurteilt.
300
Das Urteil wurde im Dezember
1997 rechtskräftig. Gegen den – mittlerweile unterge-
tauchten – Böhnhardt erging am 12. Mai 1998 ein Voll-
streckungshaftbefehl. Ferner erging noch im Jahre 2006
ein europäischer Haftbefehl,
301
welcher erst nach Ablauf
der Vollstreckungsverjährung mit Verfügung vom
11. Dezember 2007 aufgehoben wurde.
302
n) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate
Zschäpe, Holger Gerlach: Illegaler Waffen-
besitz und Widerstand gegen Vollstre-
ckungsbeamte im November 1996
113 Js 21167/96
Polizeidienststelle: KPI Jena
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Am 9. November 1996 wurden Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe vorläufig festgenommen, um Straftaten zu ver-
hindern. In Böhnhardts Auto, in dem zudem auch Gerlach
saß, wurden dabei unter anderem folgende Gegenstände
gefunden, die teilweise dem Waffengesetz unterfallen:
Sturmhaube, Handbeil, Schlagstock, Faustkampfmesser,
Gaspistole, Messer, Luftdruckpistole, zwei Magazine mit
15 Gaspatronen, Poster mit Wehrmachtsmotiv. Bei der
Durchsuchung leistete Böhnhardt Widerstand.
Da es nicht möglich war die einzelnen Gegenstände ein-
zelnen Tatenverdächtigen zuzuordnen, wurde das Verfah-
ren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz am
12. August 1997 eingestellt.
303
Wegen des geleisteten
298) MAT A TH-2/4, nicht paginiert, PDF-Seite 178 ff.
299) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom
15. November 1996, MAT A TH-2/4, Bl. 667 f.
300) MAT A TH-2/29, nicht paginiert, PDF-Seite 36 ff.
301) MAT A TH-2/39, Bl. 1 ff. (37).
302) MAT A TH-2/39, Bl. 24.
303) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 204 ff.
Drucksache 17/14600 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wurde gegen
Böhnhardt am gleichen Tage Anklage erhoben.
304
Das
Verfahren wurde später zu dem „Kühnen“-Gruß-
Verfahren (114 Js 20864/96) verbunden.
305
o) Uwe Böhnhardt, André Kapke, Chris-
tian K.: Körperverletzung im Dezember
1996
511 Js 14306/97
Polizeidienststelle: PI Jena
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Am 1. Dezember 1996 kam es nachts vor einer Sparkasse
in Jena zu einer Auseinandersetzung zwischen den Be-
schuldigten und zwei weiteren Personen, in deren Verlauf
Böhnhardt auf ein bereits am Boden liegendes Opfer
mehrfach eintrat.
Am 29. September 1997 erhob die Staatsanwaltschaft
Anklage wegen Körperverletzung.
306
Das Verfahren wur-
de zu dem „Kühnen-Gruß“-Verfahren (14 Js 20864/96)
verbunden.
307
p) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André
Kapke: Hausfriedensbruch bei der Polizei
u. a. im Januar 1997
114 Js 437/97
Polizeidienststelle: LKA Thüringen
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Am 4. Januar 1997 gegen 2.39 Uhr begaben sich Mundlos
und Böhnhardt widerrechtlich auf das Gelände der Poli-
zeidirektion Jena. Als sie aufgefordert wurden, sich aus-
zuweisen und dazu in ein Gebäude der Polizeidirektion
Jena zu kommen, schlug Mundlos mit beiden Armen um
sich und traf dabei einen Polizisten in Bauchhöhe. Als die
Polizeibeamten danach die Umgebung absuchten, fiel
ihnen Kapke auf, der mit seinem Fahrzeug neben der
Eingangstür der Polizeidirektion parkte. Bei einer Kon-
trolle seines Pkw konnten eine CO2-Paint-Ball Waffe
aufgefunden werden, für die Kapke keine Erlaubnis hatte.
Am 17. Juli 1997 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage
gegen Böhnhardt (Hausfriedensbruch), Mundlos (Wider-
stand gegen Vollstreckungsbeamte) und Kapke (Verstoß
gegen das Waffengesetz).
308
Auch dieses Verfahren wur-
304) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 209 ff.
305) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 222.
306) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 419 ff.
307) Christian K. hat sich im Rahmen der Gewährung rechtlichen
Gehörs zu diesem Abschnitt geäußert.
308) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 355 ff.
de zu dem „Kühnen-Gruß“-Verfahren (114 Js 20864/96)
verbunden.
309
q) Uwe Böhnhardt: illegaler Waffenbesitz im
April 1997
543 Js 24583/97
Polizeidienststelle: PI Jena
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Am 16. April 1997 führte Böhnhardt in seinem Kfz ein
Luftdruckgewehr mit Zielfernrohr mit sich, für das er
keine Erlaubnis besaß.
Am 16. Oktober 1997 erließ das Amtsgericht Jena auf
Antrag der Staatsanwaltschaft Gera einen Strafbefehl, 50
Tagessätze a 30 DM.
310
Hiergegen legte Böhnhardt Ein-
spruch ein, erschien aber zu der Hauptverhandlung am
26. Mai 1998 nicht – das Trio war bereits untergetaucht.
Die Entscheidung wurde daher rechtskräftig.
311
Gegen
Böhnhardt erging ein Vollstreckungshaftbefehl, welcher
bis 2003 Bestand hatte.
312
r) Uwe Böhnhardt, André Kapke: Körperver-
letzung im April 1997
511 Js 30539/97
Polizeidienststelle: LKA Thüringen
Staatsanwaltschaft Gera
Amtsgericht Jena
Am 19. April 1997 gegen 1 Uhr wollte das spätere Opfer
einen Bekannten des Kapke wegen Trunkenheit aus dem
Jugendclub Modul (vormals Winzerclub) verweisen.
Daraufhin mischte sich Kapke ein und versetzte dem
Opfer einen Faustschlag auf den Mund. Nunmehr schlu-
gen auch Böhnhardt und weitere Bekannte auf das Opfer
ein. Dem schon am Boden Liegenden wurden noch meh-
rere Tritte versetzt.
Am 29.09.1997 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage
wegen Körperverletzung.
313
Das Verfahren wurde zu dem
„Kühnen-Gruß“-Verfahren (14 Js 20864/96) verbunden.
309) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 369.
310) MAT A TH-2/37, Bl. 27 ff.
311) MAT A TH-2/37, Bl. 354 f.
312) MAT A TH-2/37, Bl. 58.
313) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 479 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/14600
3. Sonstige polizeiliche Erkenntnisse
a) Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und André
Kapke: Plakatierung am 3. Mai 1995
Am 3. Mai 1995 brachten Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe
und Kapke ohne Genehmigung Plakate mit dem Slogan
„8. Mai 1945 – 8. Mai 1995 Wir feiern nicht!! Schluss mit
der Befreiungslüge!“ an, unter Verstoß gegen § 45
Ordnungswidrigkeitengesetz.
314
b) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Blu-
menbinde „Heß“ am 23. November 1995
Am 23. November 1995 gaben Böhnhardt und Zschäpe in
einem Blumengeschäft eine Blumenbinde mit Schleife in
Auftrag mit der Aufschrift „In Gedenken an Rudolf Heß,
deine Jenaer Kameraden“.315
c) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André
Kapke u. a.: Platzverweis am 9. März 1996
Am 9. März 1996 erhielten Böhnhardt, Mundlos, Kapke
und weitere Personen wegen Tragens des Gau-
Abzeichens (Verwenden von Kennzeichen gemäß § 86a
StGB) und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz
einen Platzverweis; außerdem wurde ein Ermittlungsver-
fahren eingeleitet.
316
d) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos u. a.:
Hausverbot in der Gedenkstätte Buchen-
wald am 1. November 1996
Böhnhardt und Mundlos sowie sieben weitere Personen
besuchten die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald,
wobei Böhnhardt und Mundlos in uniformartiger Beklei-
dung („SA-Uniform“) auftraten. Aufgrund dieses Vorfalls
wurde Hausverbot durch die Leitung der Gedenkstätte
erlassen.
317
e) Skinhead-Konzert am 23. November 1996
Am 23. November 1996 traten Böhnhardt und Mundlos in
uniformartiger Bekleidung auf einem Skinhead-Konzert
im Studio-Live-Club in Apolda in Erscheinung.
318
314) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 44, Rn. 55.
315) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-
mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (31).
316) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 45, Rn. 55.
317) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-
mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (32).
318) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-
mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (32).
f) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Anmel-
dung zu einer Versammlung am 6. Januar
1997
Am 6. Januar 1997 überbrachte Böhnhardt eine Anmel-
dung zu einer Versammlung unter dem Motto „Für eine
schärfere Kontrolle der Polizei“. Als Veranstalter und
verantwortlicher Leiter war Mundlos aufgeführt. Die
Versammlung wurde durch eine Verbotsverfügung der
Stadt Jena untersagt.
319
4. Wehrpflicht von Böhnhardt und Mundlos
a) Uwe Böhnhardt
In Aktenvermerken des LKA Thüringen aus dem Sep-
tember 2002 ist festgehalten, dass Böhnhardt beim
Kreiswehrersatzamt Gera gemustert worden war, Unterla-
gen dazu aber nicht mehr vorlagen. Mit den Informatio-
nen aus diesen Vermerken konnte das Institut für Wehr-
medizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr
ermitteln, dass die Musterung am 17. Juni 1997 erfolgt
war und der Wehrpflichtige für tauglich befunden wurde.
In zwei daran anschließenden psychologischen EUF-
Untersuchungen (Eignungsuntersuchung und Eignungs-
feststellung) vom 9. und 16. September 1997 wurde die
Eignung von Böhnhardt verneint, Wehrdient leisten zu
können.
320
b) Uwe Mundlos
aa) Personalakte Mundlos
aaa) Erkenntnisse
Der Werdegang von Mundlos während seiner Bundes-
wehrzeit stellt sich auf der Grundlage der Bundeswehr-
personalakte wie folgt dar:
Mundlos leistete in der Zeit vom 1. April 1994 bis zum
31. März 1995 seinen Grundwehrdienst in Bad Franken-
hausen beim Panzergrenadierbataillon 381 ab.
321
Im An-
schluss an die allgemeine Grundausbildung, die er in der
Zeit vom 5. April 1994 bis zum 30. Juni 1995 absolvier-
te,
322
wurde er mit Wirkung zum 1. Juli 1994 zum Zwe-
cke der Dienstleistung zur 1. Kompanie Panzergrenadier-
bataillon 381 versetzt.
323
Vom 8. bis zum 23. August 1994
nahm er an der Spezialgrundausbildung zum Mörser-
schützen teil,
324
am 11. August 1994 erhielt er eine Kom-
mandierungsverfügung zum Kraftfahrlehrgang „Kraftfah-
319) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-
mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (33).
320) MAT A BMVg-3/8.
321) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-6, Bl. 45.
322) MAT A BMVg-6, Bl. 22.
323) MAT A BMVg-6, Bl. 21.
324) MAT A BMVg-6, Bl. 44.
Drucksache 17/14600 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rer B kurz“ bei der Fahrschulgruppe 525 in Bad Franken-
hausen. Der Kommandierungszeitraum umfasste den 15.
bis 26. August 1994.
325
Am 13. August 1994 wollte sich Mundlos in Chemnitz-
Annaberg gemeinsam mit weiteren Neonazis an einer der
zahlreichen Aktionen der Neonaziszene anlässlich des
Todestages von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß beteili-
gen und wurde mit der Gruppe durch Polizeibeamte des-
halb kontrolliert. Mundlos und rund zehn weitere Neona-
zis wurden auf der Polizeichwache Chemnitz-Süd durch-
sucht, dabei fanden die Beamten bei ihm vier auf seine
Wohnanschrift lautende Visitenkarten mit einem aufge-
druckten Bild von Adolf Hitler sowie ein Bild von Rudolf
Heß. In seiner Wohnung wurden bei einer daraufhin in
derselben Nacht durchgeführten Hausdurchsuchung unter
anderem Propagandamittel der NPD gefunden. Mundlos
wurde gemeinsam mit anderen Neonazis für 36 Stunden
in polizeilichen Unterbindungsgewahrsam genommen und
am 15. August 1994 gegen 0.15 Uhr aus dem vorläufigen
Gewahrsam entlassen.
326
Wegen des Nichterscheinens zum Dienst am 15. August
1994 in der Zeit von 6.30 bis 16.30 Uhr wurde Mundlos
am 16. August 1994 von Hauptmann L. vernommen. Bei
dieser Vernehmung schilderte Mundlos u. a., dass man bei
ihm das Bild von Rudolf Heß und eine persönliche Visi-
tenkarte mit einem Portrait des Kopfes von Adolf Hitler
sowie Flugblätter der NPD und 15 Musikkassetten von
rechtsextremistischen Bands gefunden habe.
327
Am 16.
August 1994 wurde er vorzeitig vom Kraftfahrlehrgang
abgelöst.
328
Aus dienstlichen Gründen wurde er am
19. August 1994 wieder zur 6. Kompanie Panzergrenadi-
erbataillon 381 versetzt.
329
Am 12. September 1994 gab der Disziplinarvorgesetzte,
Hauptmann P., den Vorgang wegen des Verdachts des
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Orga-
nisationen (§ 86a StGB) und der Volksverhetzung (§ 130
StGB) nach § 29 Abs. 3 WDO a. F. an die Staatsanwalt-
schaft Erfurt ab. In dem Abgabeschreiben führte Haupt-
mann P. u. a. aus:
„Die Kriminalpolizei in Chemnitz beabsichtigt,
den Fall ihrerseits an die Staatsanwaltschaft abzu-
geben. Eine Entlassung aus dem Wehrdienst ist
nicht vorgesehen, da es sich um einen Wehr-
pflichtigen handelt. Parallel zur Abgabe an die
Staatsanwaltschaft habe ich einen Antrag auf 7
Tage Disziplinararrest wegen Verstoß gegen § 8
Soldatengesetz ,Eintreten für die demokratische
Grundordnung‘ beim Truppendienstgericht Kassel
gestellt. Die Einleitung eines disziplinargerichtli-
chen Verfahrens ist nicht vorgesehen. Uwe
325) MAT A BMVg-6, Bl. 24.
326) MAT A BMVg-6, Bl. 33, 39, 54.
327) MAT A BMVg-6, Bl. 38, 39.
328) MAT A BMVg-6, Bl. 28.
329) MAT A BMVg-6, Bl. 29.
Mundlos erfüllte seinen Dienst bisher zur vollen
Zufriedenheit und fiel bisher nicht negativ auf“.330
Am gleichen Tag stellte Hauptmann P. den Antrag an das
Truppendienstgericht Kassel, einem beabsichtigten Dis-
ziplinararrest von sieben Tagen zuzustimmen. Eine hierzu
angehörte Vertrauensperson bewertete Mundlos wie folgt:
„Ich kenne den PG Mundlos nicht näher. Meines
Wissens nach hat [er] sich im dienstlichen Bereich
mit seiner Einstellung zurückgehalten. Sein Ver-
halten gegenüber den übrigen Kameraden der
Kompanie ist problemlos. PG Mundlos ist eher ein
Einzelgänger und nach meiner Einschätzung nicht
in der Lage andere mitzureißen und für seine Sa-
che zu begeistern.“331
Nach Darlegung der Tatvorwürfe heißt es in dem Antrag
an das Truppendienstgericht Kassel:
„Der Wehrbeauftragte hat sich in diesen Fall ein-
geschaltet und wird durch mich weiter unterrich-
tet.“332
Der derzeitige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundesta-
ges, Hellmut Königshaus, hat mit Schreiben vom
20. September 2012 mitgeteilt, er habe in seinem Amt
prüfen lassen, ob zu dem Vorgang noch Akten existieren
und festgestellt, dass dies nicht der Fall sei. Auch sonstige
Hinweise auf eine Befassung des Amtes mit dem in Rede
stehenden Vorkommnis seien nicht mehr vorhanden. Es
sei aber dennoch wahrscheinlich, dass der Wehrbeauftrag-
te sich seinerzeit mit dem Vorgang befasst habe. Zur
Begründung hat er ausgeführt:
„Bei den in Rede stehenden Vorwürfen gegen ei-
nen Soldaten hat nach den einschlägigen Vor-
schriften stets eine Meldung als ‚Besonderes Vor-
kommnis‘ zu erfolgen (ZDv 10/13 sowie ergän-
zende Vereinbarungen zwischen dem Bundesmi-
nisterium der Verteidigung und dem Amt des
Wehrbeauftragten), die auch der Wehrbeauftragte
erhält. Dieser greift jedes ihm durch das Bundes-
ministerium der Verteidigung gemeldete Besonde-
re Vorkommnis mit einem rechtsextremistischen
Bezug von Amts wegen auf, erbittet eine Stellung-
nahme der zuständigen Dienststelle und lässt sich
über Verlauf und Ausgang etwaiger Gerichts- oder
Disziplinarverfahren unterrichten. Die dabei ge-
wonnenen Erkenntnisse geben ihm zusammen mit
weiteren Berichten und bei Truppenbesuchen ge-
wonnenen Eindrücken die Möglichkeit, dem Deut-
schen Bundestag über etwaige rechtsradikale Ten-
denzen in der Truppe und die hieraus durch die zu-
ständigen Vorgesetzten gezogenen Konsequenzen
zu berichten. Im konkreten Fall hatte mein damals
amtierender Amtsvorgänger offenbar keinen An-
330) MAT A BMVg-6, Bl. 30, 31.
331) MAT A BMVg-6, Bl. 37.
332) MAT A BMVg-6, Bl. 32, 33.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/14600
lass, die hierzu getroffenen Maßnahmen zu bean-
standen. Der Fall wurde offenbar auch als Einzel-
fall gesehen, der keine negativen Rückschlüsse auf
die Gesamtlage zuließ.
Im Jahresbericht 1994 des Wehrbeauftragten des
Deutschen Bundestages (BT-Drs. 13/700, S. 15)
heißt es im Kapitel ‚Rechtsextremistisches Verhal-
ten der Soldaten‘: ‚Nach meiner Auffassung gibt
es keine rechtsextremistische Entwicklung der
Bundeswehr‘.“333
Mit Beschluss vom 23. September 1994 lehnte der Vor-
sitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Süd,
Kassel, den Antrag auf Zustimmung zum Disziplinarar-
rest vom 12. September 1994 ab. Zur Begründung führte
er u. a. aus:
„Es ist weder nach dem Tatvorwurf noch nach Ak-
tenlage nachgewiesen, dass der Soldat zu irgendei-
nem Zeitpunkt verfassungsfeindliches Schrift-,
Bild- oder Tongut verbreitet oder sich entspre-
chend geäußert hat. Der alleinige in privater Woh-
nung, privater Kleidung oder privaten Gegenstän-
den verborgene Besitz zu privatem Gebrauch von
radikalpolitischem, verfassungsfeindlichem Ge-
dankengut in Schrift, Bild- oder Tonform ohne –
hier nicht nachgewiesene – Verbreitung an Dritte,
erfüllt weder einen Straftatbestand noch den Tat-
bestand eines Dienstvergehens. Die NPD hat zwar
deutlich verfassungswidrige Ziele. Eine verfas-
sungswidrige Organisation i.S. §§ 86, 86a StGB ist
sie aber mangels entsprechender Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nicht. Wenn der Soldat
ein Bildnis eines der größten Verbrecher der Ge-
schichte und seines Stellvertreters verborgen bei
sich führt und durch Vereinigung mit seiner Visi-
tenkarte sich mit deren Ideologie identifiziert, ist
zwar an seinem politischen Verstand zu zweifeln,
eine Straftat oder ein Dienstvergehen begeht er da-
durch aber nicht.“334
Der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstge-
richts Süd ging aufgrund des Schreibens des Disziplinar-
vorgesetzen davon aus, dass Mundlos nur eine Visitenkar-
te mit Hitler-Bild bei sich gehabt habe.
335
Am 28. September 1994 wurde Mundlos mit Wirkung
zum 1. Oktober 1994 zum Gefreiten ernannt.
336
Die Er-
kenntnisse über die rechtsextremistische Gesinnung von
Mundlos hatten keine Auswirkungen auf die für ihn be-
stehende Möglichkeit, an Schießübungen teilzunehmen.
So weist sein Schießbuch aus, dass er am 14. und
333) Schreiben des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
vom 20. September 2012, MAT B BT-1, Bl. 2.
334) Beschluss des Truppendienstgerichtes Süd vom 23. September
1994, MAT A BMVg-6/2, Bl. 14 f.
335) Schreiben an das Truppendienstgericht vom 12. September
1994, MAT A BMVg-6/1, Bl. 17.
336) MAT A BMVg-6, Bl. 43.
15. November 1994 an verschiedenen Schießen – unter
anderem mit einem Maschinengewehr – teilnahm.337
Am 31. März 1995 beendete Mundlos seinen Grundwehr-
dienst.
338
In dem Dienstzeugnis vom 22. März 1995 wur-
de er wie folgt beurteilt:
„Gefreiter Mundlos war als Richtschütze für das
präzise Einstellen von optischen Geräten eines Ge-
fechtsfahrzeugs sowie die Koordination von Ar-
beitsabläufen verantwortlich. Als Gehilfe in der
Kompanieführungsgruppe arbeite er selbständig
und zuverlässig beim Erstellen von Schaubildern,
Statistiken und Übersichten.
Seine Führung war befriedigend.
In seiner Tätigkeit als Richtschütze und Gehilfe
des Kompanieführers hat er gute Leistungen ge-
zeigt.“339
Zum 1. April 1995 wurde Mundlos zum Obergefreiten
befördert.
340
Für den Zeitraum vom 15. Juni bis zum
31. August 1995 wurde Mundlos Mob-beordert, d. h. in
die Reserve eingeplant.
341
Über die tatsächliche Ableis-
tung einer Wehrübung liegen nach Mitteilung des BMVg
vom 9. Oktober 2012 jedoch keine Erkenntnisse vor. Ein
entsprechender Einberufungsbescheid hätte laut BMVg
nach geltenden Bestimmungen in die Personalakte aufge-
nommen werden müssen.
342
Wie bereits dargelegt worden ist, wurde Mundlos am
29. Juni 1995 mit Strafbefehl des Amtsgerichts Chemnitz
wegen Verstoßes gegen §§ 86, 86a Abs. 1, 2 und 4 StGB
zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen a 30 DM verur-
teilt.
343
Am 25. März 1996 wurde Mundlos mitgeteilt,
dass dieser Strafbefehl seit dem 13. Februar 1996 rechts-
kräftig sei.
344
Hieraufhin meldete der Rechtsberater des
Wehrbereichskommandos VII/13. Panzergrenadierdivisi-
on dem Kreiswehrersatzamt Jena am 5. August 1996 den
rechtskräftigen Strafbefehl des AG Chemnitz.
345
In einer
Aktennotiz des Kreiswehrersatzamtes Gera vom
23. Februar 1998 wurde festgehalten, dass z. Zt. bundes-
weit nach Mundlos wegen der Zugehörigkeit zur rechts-
extremistischen Szene und Mitwirkung an der Herstell-
lung von Bomben gefahndet werde. Als Verfügungspunkt
wurde in der Aktennotiz u. a. festgehalten: „Keine Mob-
Beorderung.“346
337) Schießbuch, MAT A BMVg-6, Bl. 70-77.
338) MAT A BMVg-6, Bl. 45.
339) Dienstzeugnis vom 22. März 1995, MAT A BMVg-6, Bl. 50.
340) MAT A BMVg-6, Bl. 3.
341) MAT A BMVg-6, Bl. 5.
342) Schreiben des BMVg vom 9. Oktober 2012, MAT A BMVg-
6/3, Bl. 6.
343) Siehe hierzu oben unter B. I. 2. j).
344) MAT A BMVg-6, Bl. 54 f.; MAT A BMVg-6/2, Bl. 52 f.
345) MAT A BMVg-6, Bl. 53.
346) MAT A BMVg-6, Bl. 58.
Drucksache 17/14600 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bbb) Umgang mit Personalakte Mundlos nach
dem 4. November 2011
Aufgrund von Presseanfragen des MDR und der Stuttgar-
ter Zeitung zum Wehrdienstverhältnis von Mundlos und
Böhnhardt wurde vom für die Koordinierung von Presse-
angelegenheiten zuständigen Referat WV/Z im BMVg am
12. Dezember 2011 eine Leitungsvorlage für den Staats-
sekretär im BMVg, Rüdiger Wolf, erstellt. Der pressever-
wertbaren Stellungnahme wurden Fax-Kopien aus der
Stammakte von Mundlos beigefügt,
347
die dem BMVg
auszugsweise am 7. Dezember 2011 vom Kreiswehrer-
satzamt Erfurt übermittelt worden waren.
348
Diese Unter-
lagen, bei denen es sich nach Aussage des Zeugen
Dr. Christof Gramm, dem damaligen Leiter des Auf-
sichtsreferats über den MAD, nur um einen Auszug aus
der Akte gehandelt haben soll,
349
wurden nach Rücklauf
der Leitungsvorlage im Dezember 2011 nach Angaben
des BMVg vernichtet.
350
In der Leitungsvorlage wurde
ausführlich über ein Strafverfahren und Disziplinarmaß-
nahmen gegen Mundlos berichtet.
351
In Vorbereitung einer Sondersitzung des Parlamentari-
schen Kontrollgremiums am 15. November 2011 ermittel-
te der MAD beim Bundesamt für Wehrverwaltung, dass
Mundlos vom 1. April 1994 bis 31. März 1995 Wehr-
dienst geleistet hatte. Im MAD selbst waren keine Unter-
lagen mehr zu Mundlos vorhanden.
352
Aufgrund von An-
fragen des BfV
353
und des BKA
354
an den MAD zu
Wehrdienstzeiten und Spezialausbildungen von Mundlos
stellte sich die Frage, wie mit Anfragen umgegangen
werden sollte, die sich nicht nur auf Erkenntnisse des
MAD bezogen. Am 15. Dezember 2011 entschied der
Abteilungsleiter II des MAD-Amtes, Kapitän zur See Olaf
Christmann, die Personalakte von Mundlos beim Kreis-
wehrersatzamt zur Einsichtnahme anzufordern. In einem
Schreiben an den Referatsleiter R/KS im BMVg, Dr.
Gramm, teilte Christmann mit:
„In diesem Zusammenhang hat KWEA Erfurt uns
am 15.12.2011 fernmündlich mitgeteilt, dass die
Personalakten des seinerzeit zuständigen KWEA
Gera durch das KWEA Erfurt übernommen wor-
den seien und dass dort doch noch eine ‚Restakte‘
zu Mundlos vorhanden sei.“
347) Leitungsvorlage vom 12. Dezember 2011, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 6.
348) Sendebericht vom 7. Dezember 2011, MAT A BMVg-6, Bl. 61.
349) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 63.
350) Leitungsvorlage vom 12. Dezember 2011, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 6.
351) MAT A BMVg-6/2, Bl. 101 f.
352) Zusammenfassung des MAD, MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12
- VS-VERTRAULICH), Bl. 5 (VS-NfD).
353) Anfrage vom 14. November 2011, MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr.
54/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 5.
354) Anfragen vom 5. Dezember 2011, MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr.
54/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 5 und vom 4. Januar 2012,
MAT A MAD-5, Bl. 54.
Zudem bat er Dr. Gramm in dem Schreiben um grund-
sätzliche Klärung, wie mit Anfragen zu verfahren sei, bei
denen es nicht oder nicht nur um Erkenntnisse des MAD
gehe. In dem Schreiben führte er aus:
„Häufig sind für die ermittelnden Behörden Infor-
mationen von Interesse, die an anderer Stelle in der
Bundeswehr, insbesondere bei den Wehrersatzbe-
hörden vorliegen, bei deren Bewer-
tung/Einordnung in sicherheitsmäßiger Hinsicht
der MAD aber behilflich sein kann.“355
Am 26. Januar 2012 teilte das BMVg dem MAD mit, es
bestünden keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der
MAD auch im Falle seiner Unzuständigkeit eine an ihn
gerichtete Anfrage an die dritte Behörde weiterleite und
um Beantwortung ihm gegenüber bitte.
356
Unter Bezug-
nahme auf die Anfragen des BKA vom 5. Dezember 2011
und 4. Januar 2012 bat der MAD das Kreiswehrersatzamt
Erfurt am 17. Januar 2012 um Prüfung, ob dort Unterla-
gen zu Böhnhardt und Mundlos vorhanden seien.
Am 24. Februar 2012 wurde die Personalakte zu Mundlos
durch einen Mitarbeiter des MAD beim Kreiswehrersatz-
amt Erfurt abgeholt und in das MAD-Amt verbracht. Das
BMVg hat in diesem Zusammenhang in seinem Bericht
vom 9. Oktober 2012 betont, dass die Personalakte zu
keinem Zeitpunkt zum Aktenbestand des MAD gehört
habe. Das MAD-Amt sei lediglich befugt gewesen, die
Personalakte zu Mundlos im Rahmen von Erkenntnisan-
fragen anderer Behörden beim Kreiswehrersatzamt anzu-
fordern und sie in Kurierfunktion an das BKA weiterzu-
leiten.
357
Als Grund dafür, dass dem MAD diese Kurier-
funktion übertragen worden ist, hat der Zeuge
Brüsselbach ausgeführt, dass der MAD der klassische
Ansprechpartner für die Polizei in solchen Angelegenhei-
ten sei. Das BKA und verschiedene Stellen der BAO
hätten nicht von ungefähr beim MAD angefragt. Hierbei
sei es nicht nur darum gegangen, Unterlagen zu vielen
Personen zu eruieren und zusammenzustellen, sondern
auch abzuholen und zu transportieren. Zudem sei häufig
der MAD ebenfalls inhaltlich einbezogen worden.
358
Er
selbst habe die Akte nicht auf seinem Schreibtisch gehabt.
Sie sei ihm auch nicht vorgelegt worden.
359
Die Zeitdauer von zwei Monaten, bis man sich die Akte
besorgt habe, hat der Zeuge Brüsselbach damit begründet,
dass nicht klar gewesen sei, wo sich diese Akte denn nun
befinde, welche Teile sie noch enthalte und wer die in-
formationelle Verfügungsgewalt über die Akte überneh-
men solle. Dies sei erst im Januar 2012 entschieden wor-
355) Schreiben des MAD vom 6. Januar 2012, MAT A BMVg-6/2,
Bl. 118-119.
356) Schreiben des BMVg vom 26. Januar 2012, MAT A BMVg-
6/2, Bl. 126, 127.
357) Bericht des BMVg vom 9. Oktober 2012, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 7.
358) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 16.
359) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 17.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/14600
den.
360
Der Zeuge Dr. Gramm hat hierzu erklärt, es habe
umfangreicher Gespräche mit der Abteilung WV bedurft,
um diese davon zu überzeugen, dass die Personalakten
überhaupt hätten herausgegeben werden dürfen. In diesem
Zusammenhang seien rechtliche Probleme aufgeworfen
worden, die er nicht vertiefen wolle.
361
Am 7. März 2012 wurde die Personalakte dem BKA
übergeben. Dem Generalbundesanwalt, der mit Schreiben
vom 23. August 2012 um Vorlage der Personalakte zu
Mundlos gebeten hatte, wurde diese am 31. August 2012
übermittelt. Gleichzeitig wurde um Freigabe der Perso-
nalakte zur Vorlage beim Untersuchungsausschuss gebe-
ten. Das BMVg hat hierzu erklärt, dass zuvor der Vorrang
der Ermittlungen des GBA im Vordergrund gestanden
habe.
362
Die Freigabe des GBA wurde am 12. September
2012 erteilt.
363
Auf die Frage, warum der Zeuge Brüsselbach die Akte
nicht zu einem früheren Zeitpunkt dem Untersuchungs-
ausschuss übermittelt hat, hat dieser geantwortet:
„Mea culpa. Das gehört mit zu dem, was ich ver-
sucht habe auf die Fragen des Vorsitzenden zu er-
läutern. Das Ressortprinzip war für mich das Res-
sortprinzip. Das Ministerium hatte uns unsere
Aufgaben zugeteilt und hatte sich seine Aufgaben
zugeteilt, und jeder in seiner Verantwortung war
dafür zuständig, das zu tun, was im Rahmen dieses
Auftrages zu tun war. Unabhängig davon: Selbst-
verständlich hätte ich auch auf die Idee kommen
können, diese Akte vorher, bevor wir sie zum Bun-
deskriminalamt getragen haben, zu doubeln und
sie über das Ministerium an den Ausschuss zu ge-
ben.“364
Dem Ausschuss ist die Bundeswehrpersonalakte von
Mundlos in der Beratungssitzung am 13. September 2012
übermittelt worden, nachdem der Spiegel der Abg.
Dr. Eva Högl per SMS mitgeteilt hatte, dass ihm die Per-
sonalakte vorliege.
365
Zu dem späten Zeitpunkt der Über-
mittlung an den Untersuchungsausschuss hat der Zeuge
Dr. Gramm ausgeführt:
„Den Vorwurf mangelnder Umsicht müssen wir
uns auch für die Personalakte des Uwe Mundlos
gefallen lassen.“366
360) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 30.
361) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 74.
362) Bericht des BMVg vom 9. Oktober 2012, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 7.
363) Schreiben des BMVg vom 13. September 2012, BMVg-6.
364) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 17.
365) Abg. Dr. Eva Högl, Protokoll-Nr. 43, S. 74, richtigerweise
muss es heißen: am 13. September 2012.
366) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 60.
bb) Befragung von Mundlos durch den MAD
aaa) Ablauf der operativen Bearbeitung von
Mundlos durch den MAD
Einem Datensatz aus dem früheren DV-System des MAD
„VERANDA“ ist zu entnehmen, dass am 23. August
1994 eine Meldung des Dienstvorgesetzten von Mundlos
an den MAD erfolgte, die Anlass für die operative Bear-
beitung von Mundlos durch den MAD war.
367
Im Sep-
tember und Oktober 1994 wurden Auskunftsersuchen an
das BfV, das LfV Sachsen und das LfV Sachsen-Anhalt
gerichtet. Eine erste Absicherungsberatung des Dienst-
vorgesetzten erfolgte im Oktober 1995.
368
Inhalt einer
solchen Absicherungsberatung ist nach Aussage des da-
maligen Leiters der Abteilung Rechtsextremismus beim
MAD, des Zeugen Oberst a. D. Huth üblicherweise die
Unterrichtung des Dienstvorgesetzten darüber gewesen,
dass es sich bei einer Person um einen Rechtsextremisten
handele, der nicht weiter mit Waffen und Munition um-
gehen solle.
369
Am 8./9. März 1995 – kurz vor dem Ende
seines Wehrdienstes – wurden Mundlos sowie fünf weite-
re Soldaten aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
durch Angehörige des MAD befragt.
370
Zuvor war es in
der Kyffhäuserkaserne mehrfach zu rechtsextremen Vor-
fällen gekommen; mehrere der befragten Soldaten waren
durch das Abspielen indizierter neonazistischer Musik,
Grölen rechtsextremer Parolen und dem offenen Tragen
von Wehrmachtsinsignien und Hakenkreuzen aufgefallen;
einige hatten zudem einschlägige Straftaten begangen und
machten auch in ihrer MAD-Befragung aus ihren neona-
zistischen Einstellungen keinen Hehl.
371
Laut Datenaus-
zug der DV-Anwendung „VERANDA“ wurde am 27.
Juni 1995 die Feststellung getroffen:
„VFDL. HINTERGRUND: JA“372
bbb) Gab es mehrere Befragungen von Mundlos
durch den MAD?
Im Untersuchungsausschuss ist die Frage erörtert worden,
ob es mehrere Befragungen von Mundlos durch den MAD
gegeben hat. Anlass hierfür war ein Artikel in der Berli-
ner Zeitung vom 21. November 2012 mit dem Titel
„MAD befragte Mundlos offenbar mehrfach“, demzufolge
ein Schulfreund von Mundlos im Dezember 2011 und
März 2012 entsprechende Aussagen beim BKA gemacht
habe. Allerdings hat der Freund offenbar nicht eindeutig
zuordnen können, ob die vermeintlichen Befragungen
durch den Verfassungsschutz oder den MAD erfolgt sei-
367) VERANDA-Datensatz zur ND-Op 7-0538-94.
368) MAT A BMVg-6/1, Bl. 76.
369) Huth, Protkoll-Nr. 39, S. 68.
370) MAT A BfV-4/2, Bl. 23-25.
371) MAT A BfV-4/2, Bl. 11 f.
372) VERANDA-Datensatz, BMVg-6/1, Bl. 76, „VFDL“ bedeutet:
Verfassungsfeindlich.
Drucksache 17/14600 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
en.
373
Hierzu hat sich der Zeuge Brüsselbach in seiner
Vernehmung vor dem Ausschuss wie folgt geäußert:
„Wenn es mehrere Befragungen des MAD gege-
ben haben sollte, was der Artikel ja nicht expressis
verbis behauptet, sondern der Freund sagt:
,Verfassungsschutz/MAD‘, dann spricht dafür we-
nig. Denn bei den Aussteuerungen – siehe auch in
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und zum
Bundesamt für Verfassungsschutz – wären nach
meinem Dafürhalten und meiner Logik die ande-
ren Befragungen auch aufgetaucht, auch ausge-
steuert worden und müssten sich heute zwangsläu-
fig irgendwo dort wiederfinden im Gesamtkontext.
Meine These: Nicht auszuschließen ist, dass
Mundlos auch vom Verfassungsschutz befragt
worden ist in der Zeit; nicht in einer Kaserne.“374
Auch der Zeuge Dr. Gramm hat erklärt, er gehe davon
aus, dass es nur diese eine Befragung von Mundlos gege-
ben habe. Dies hat er wie folgt begründet:
„Der Charakter der Befragung und insbesondere
des Befragungsberichts deutet darauf hin, dass es
sich hier um die erste und wohl auch um die letzte
Befragung gehandelt hat; denn der Befragungsbe-
richt beginnt – so haben mir die Experten erklärt –
mit einer ausführlichen Darstellung seiner Vita.
Das ist das, was typischerweise bei einer Erstbe-
fragung einer Verdachtsperson da reinkommt. Und
dass nach dieser Befragung eine weitere Befra-
gung stattgefunden hat, ist jedenfalls äußerst un-
wahrscheinlich […] Er wurde ja zehn Tage später
entlassen, so dass in der Tat alles dafür spricht,
dass es nur diese eine Befragung gegeben hat.“375
Der Zeuge Huth hat ebenfalls ausgeschlossen, dass es
bereits vor der Befragung einen Erstkontakt des MAD zu
Mundlos gegeben habe. Es sei vor einer Befragung nicht
möglich gewesen, Kontakte zu Personen dieser Art auf-
zubauen. Wenn mehrfach Befragungen stattgefunden
hätten, wäre ein entsprechender Verweis im Protokoll auf
eine frühere Befragung erfolgt.
376
Anhaltspunkte dafür,
dass es mehrere Befragungen von Mundlos durch den
MAD gegeben hat, haben sich auch nicht dem Datenaus-
zug der DV-Anwendung „VERANDA“ entnehmen las-
sen.
377
373) Berliner Zeitung vom 21. November 2012, „MAD befragte
Mundlos offenbar mehrfach“; dem Ausschuss liegen die Proto-
kolle bisher nicht vor, da sie Teil der Ermittlungsakten sind.
374) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 19.
375) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 99.
376) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 54-56.
377) VERANDA-Datensatz, BMVg-6/1, Bl. 76.
ccc) Gründe für die späte Befragung von
Mundlos durch den MAD
Obwohl die Meldung des Dienstvorgesetzten bereits am
23. August 1994 erfolgte, fand erst am 8./9. März 1995
eine Befragung durch den MAD statt.
378
Eine Erklärung
für die lange Zeitdauer zwischen der Meldung und der
Befragung durch den MAD hat der Zeuge Brüsselbach
nicht geben können. Er hat hierzu ausgeführt, dass diese
fraglos zu lang sei. Zur Beurteilung der Zusammenhänge
müsse man anhand der gesamten Akte nachvollziehen,
welche Kontakte es gegeben habe, ob der MAD in der
Truppe gewesen sei und mit den Vorgesetzten, dem Dis-
ziplinarvorgesetzten bzw. dem nächsthöheren Vorgesetz-
ten, oder mit anderen aus der Gruppe, aus der Stube, aus
dem Zug gesprochen habe. Dies sei nach seiner Kenntnis
auch aus anderen Akten nicht ersichtlich. Nicht erst seit
seiner Zeit, sondern seit Längerem, wahrscheinlich seit
Ende der 90er Jahre, gebe es die Weisung, die zwischen
dem MAD und dem Ministerium so abgesprochen sei,
dass verzugslos zu befragen sei.
379
Der Zeuge Huth, der am 27. Juni 1995 das Schreiben zur
Übersendung des Befragungsberichtes an die Verfas-
sungsschutzbehörden unterschrieben hatte,
380
hat die
lange Zeitspanne von der Meldung durch den Dienstvor-
gesetzten bis zur Befragung damit begründet, dass der
MAD zunächst einmal Anfragen an Verfassungsschutz-
und Polizeibehörden gestellt habe.
381
Außerdem hat er
darauf hingewiesen, dass der MAD zum 1. Oktober 1994
umgegliedert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die
Aufgaben der Dezernate der sieben MAD-Gruppen der
Abteilung II in Köln zugefallen, die zuvor eine reine
Auswerteabteilung gewesen sei. Aus sieben Dezernaten
seien vier Beschaffungsdezernate, verteilt in Nord, Süd,
West und Ost, entstanden. Es könne sein, dass das Rück-
führen von Akten der sieben MAD-Gruppen ins Amt zu
Zeitverzögerungen geführt habe, die sonst nicht eingetre-
ten wären. Er könne nicht ausschließen, dass dies auch in
diesem Fall so gewesen sei.
382
Eine solch lange Dauer bis
zur Befragung wie im Fall Mundlos sei nicht üblich ge-
wesen.
383
ddd) Inhalt des Befragungsberichtes vom
8./9. März 1995
In seiner Befragung bezeichnete Mundlos sich als „Oi-
Skin“, er gehöre jedoch keiner politischen Par-
tei/Organisation an. Ihm ginge es lediglich darum, mit
seinen „Kumpels“ loszuziehen und Spaß zu haben. Kon-
takte zu Parteien habe er nicht gehabt. Lediglich bei Kon-
zerten oder in Lokalen seien zufällig Gespräche mit NPD-
378) Siehe hierzu B. I. 4. b) bb) aaa).
379) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 35.
380) Schreiben vom 27. Juni 1995, MAT A BfV-4/2, Bl. 5 ff.
381) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 13.
382) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 14.
383) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/14600
Mitgliedern entstanden. Die NPD bezeichnete er als
„Aso-Partei“, mit deren Ideologie und politischen Zielen
er sich nicht identifizieren könne.
Er selbst sei sowieso politisch unmotiviert und nicht an
einer Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Par-
tei/Organisation interessiert. Diese seien ihm in Sachen
Asylgesetz und Ausländerpolitik zu „radikal“. Gegen
Asylbewerber, die in ihrer Heimat politisch verfolgt seien
und in Deutschland Schutz und Hilfe bekämen, habe er
nichts. Asylbewerber, die nicht politisch verfolgt seien
und nach Deutschland kämen, um sich hier auf Kosten
des Staates ein schönes Leben zu machen, solle man so-
fort wieder ausweisen. Körperliche Gewalt würde er je-
doch auch gegen solche nicht anwenden. Zum Thema
Nationalsozialismus könne er nur soviel sagen, als dass er
die in der Zeit von 1933-1945 von den Nazis begangenen
Gewalttaten in keinster Weise verharmlose. Es sei
schlimm, was damals mit den Juden passiert sei.
384
Der MAD-Befragungsbericht von Mundlos schloss mit
folgender Anmerkung:
„Zu diesem Zeitpunkt wurde Mundlos, Uwe (6)
gefragt, ob er sich vorstellen könne, ihm bekannt-
gewordene Termine für Anschläge auf Asylanten-
heime der Polizei oder den Verfassungsschutzbe-
hörden zu melden. Diese Frage wurde durch
Mundlos, Uwe (6) verneint. Er selbst würde zwar
an solchen Aktionen nicht teilnehmen, könne sich
jedoch nicht vorstellen, mit den zuständigen Be-
hörden zu kooperieren.“385
Am 27. Juni 1995 wurden die Informationen aus der
MAD-Bearbeitung von Mundlos als Verdachtsperson dem
BfV und dem LfV Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin-
gen übermittelt. In dem Übersendungsschreiben wurde
mitgeteilt, dass Mundlos und fünf weitere Personen wäh-
rend ihrer Dienstzeit bei der Bundeswehr in Bad Franken-
hausen u. a. „durch gemeinsames Hören von Skin-Musik
und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Ver-
halten aufgefallen“ seien.386
eee) Bewertung des MAD-Befragungsberichtes:
Wollte der MAD Mundlos als Quelle an-
werben?
Die während der Befragung an Mundlos gerichtete Frage,
ob er sich vorstellen könne, ihm bekanntgewordene Ter-
mine für Anschläge auf Asylbewerberheime der Polizei
oder den Verfassungsschutzbehörden zu melden, hat
Anlass zu der Frage gegeben, ob es sich hierbei um einen
Versuch des MAD gehandelt habe, Mundlos als Quelle
anzuwerben.
In der Erklärung des Bundesministeriums der Verteidi-
gung vom 12. September 2012 wird dieser Vorgang wie
folgt bewertet:
384) MAT A BfV-4/2, Bl. 23-25.
385) MAT A BfV-4/2, Bl. 25.
386) Schreiben vom 27. Juni 1995, MAT A BfV-4/2, Bl. 5 ff.
„Dies ist kein Hinweis auf eine beabsichtigte Quel-
lenwerbung. Vielmehr entspricht diese Frage im
Rahmen der Befragung von Extremisten nach
Auskunft des MAD-Amtes dem geltenden Stan-
dard der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden.
Hätte Uwe Mundlos positiv geantwortet, wäre die-
se Information allenfalls für die zivilen Verfas-
sungsschutzbehörden von Interesse gewesen und
unverzüglich an diese weitergeleitet worden. Eine
Anwerbung von Uwe Mundlos als Quelle des
MAD war – soweit heute noch feststellbar – auf-
grund seiner nur noch geringen Restdienstzeit
nicht möglich und deswegen von vorneherein zu
keiner Zeit beabsichtigt.“387
Auch das MAD-Amt hat in seiner Zusammenfassung vom
25. September 2012 betont, dass Mundlos nicht als Quelle
geworben werden sollte. Zur Begründung wird angeführt,
dass in Befragungen von Verdachtspersonen grundsätz-
lich keine Quellenwerbung erfolge. Die Entscheidung
über einen Werbungsversuch treffe ein Vorgesetzter der
Befrager auf Grundlage des Befragungsberichtes.
388
Der Zeuge Huth hat sich hierzu wie folgt geäußert:
„An der Schule für Verfassungsschutz, Lehrgruppe
Bad Ems, wurden alle Ermittler darauf hingewie-
sen, bei Befragungen im Extremismusbereich die-
se Frage zu stellen, explizit. Aus zwei Gründen.
Der eine Grund war: Wie lässt sich die Person da-
rauf ein? Weil es schon für die Bewertung: ,Ist es
ein Extremist: ja oder nein?‘ sehr wichtig ist, wie
er sich verhält. Und in den anderen Fällen war es
einfach so: Wir haben durch diese Befragung die
Möglichkeit geschaffen für andere Behörden, spä-
ter eventuell auf Personen zuzugehen. Denn wir
konnten diese Personen gar nicht nutzen; wir woll-
ten sie auch gar nicht nutzen. Aber die Fragen
wurden aus diesen zwei Gründen gestellt. Das ist
einfach so, und das war Lehre des MAD an der
Schule für Verfassungsschutz. Deswegen ist ei-
gentlich die Nichtfragestellung in einem solchen
Befragungsbericht ein Fehler, ein ermittlungstakti-
scher Fehler.“389
Der Zeuge Huth ist dazu befragt worden, warum Mundlos
auf geplante Anschläge auf Asylbewerberheime ange-
sprochen worden sei. Ihm ist in diesem Zusammenhang
vorgehalten worden, aus einer Befragung eines Bekannten
von Mundlos durch das BKA ergebe sich, dass dieser vor
1996 ein Asylbewerberheim ausgespäht habe.
390
Der
Zeuge Huth hat hierauf geantwortet, dies könne ein Zufall
sein. Er wisse nicht, ob diese Information ihnen damals
387) A-Drs. 235, S. 3.
388) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 7
(VS-NfD).
389) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 6.
390) Zeugenvernehmung Tibor R. durch das BKA am 13. Dezember
2011, MAT A GBA-4/26, Bl. 26.
Drucksache 17/14600 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bei der Befragung vorgelegen habe. Er gehe eher nicht
davon aus.
391
Der Zeuge Brüsselbach hat erklärt, er schließe aus, dass
es sich um einen Anwerbeversuch gehandelt habe. Es
sehe auch nicht danach aus, dass damit ein möglicherwei-
se erfolgender späterer Anwerbeversuch für eine Verfas-
sungsschutzbehörde hätte vorbereitet werden sollen.
392
Wenn Mundlos die Frage bejaht hätte, dann hätte man
dies mit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr und mit
diesem Bericht der betreffenden Stelle übermitteln müs-
sen, unabhängig davon, was der Verfassungsschutz damit
gemacht und um welche Verfassungsschutzbehörde es
sich gehandelt hätte.
393
Weitere Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Frage-
stellung um einen Anwerbeversuch gehandelt hat, hat der
Ausschuss nicht feststellen können.
fff) Wer hat die Befragung von Uwe Mundlos
durchgeführt? – Erkenntnisgewinnung
zum MAD-Vorgang Mundlos
Mit einem als VS-Vertraulich eingestuften Schreiben vom
6. Februar 2013 hat der MAD mitgeteilt, welche beiden
Personen Mundlos mit hoher Wahrscheinlichkeit befragt
haben. Es hat zudem mitgeteilt, dass sich beide Befrager
nicht mehr konkret an die Befragung erinnern könnten.
394
ggg) Umgang mit MAD-Befragungsbericht nach
dem 4. November 2011
Der MAD-Befragungsbericht lag im MAD zum Zeitpunkt
der Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses nicht
mehr vor. Der MAD wusste daher zu diesem Zeitpunkt
nicht mehr, dass er früher einmal Mundlos befragt hat-
te.
395
Die Frage, wann das Amt Kenntnis darüber erlangt
hat, dass es einen Kontakt des MAD mit Mundlos gab, hat
der Zeuge Brüsselbach in seiner Zeugenvernehmung wie
folgt beantwortet:
„Wir wussten schon sehr früh, nämlich im No-
vember, dass Mundlos Wehrdienst geleistet hat in
der Bundeswehr anhand der entsprechenden Datei-
en der Bundeswehr, aber mehr nicht. Natürlich ha-
be ich schon im November nachforschen lassen,
ob es eine Akte gibt oder ob irgendjemand darüber
Kenntnis hat, dass der MAD in jener Zeit Mundlos
bearbeitet hat. Diese Nachforschungen sind ergeb-
nislos verlaufen. Erst am 8. oder 10. März wurde
mir die Anfrage von Sachsen mit der Bitte um
Freigabe der Unterlage für den dortigen Untersu-
391) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 51 f.
392) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 36.
393) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 37.
394) Schreiben vom 6. Februar 2013, MAT A MAD-6/3 (Tgb.-
Nr.78/13 – VS-VERTRAULICH).
395) Erklärung des BMVg vom 12. September 2012, A-Drs. 235,
S. 2.
chungsausschuss vorgelegt, und zwar schon mit
der schon stattgefunden habenden Nachfrage sei-
tens der Abteilung II des MAD-Amtes, wo denn
der ja eigentlich das Thema betreffende Befra-
gungsbericht sich befinden könnte. Ich wusste also
zu dieser Zeit gleichzeitig anhand der Unterlage,
die mir vorgelegt wurde: Es gibt die Anfrage von
Sachsen; es gibt eine Befragung des MAD aus je-
ner Zeit zu Mundlos und vier anderen Personen,
des Rechtsextremismus verdächtigen Bun-
deswehrangehörigen. Es gab, es gibt unsere Nach-
frage: ‚Warum ist der Befragungsbericht selbst
nicht dabei?‘, und die Antwort, man könne ihn
dort nicht feststellen. – Das war mein Stand am
8. oder 10. März des Jahres.“396
Tatsächlich beantragte das LfV Sachsen am 8. März 2012
beim MAD die Freigabe eines Dokuments des MAD zur
Vorlage bei der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus sowie bei den Untersuchungsausschüssen Deut-
scher Bundestag und Sächsischer Landtag. Bei dem Do-
kument handelte es sich um das Anschreiben des MAD an
BfV, LfV Sachsen, LfV Thüringen und LfV Sachsen-
Anhalt vom 27. Juni 1995, mit dem Auszüge aus Befra-
gungsberichten zu Mundlos und fünf weiteren Soldaten an
die angeschriebenen Behörden überstellt worden waren.
Aus dem Schreiben ging hervor, dass Mundlos und fünf
weitere Soldaten bei der Bundeswehr in Bad Frankenhau-
sen „durch gemeinsames Hören von Skin-Musik und
teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten
aufgefallen“ waren. Die Auszüge aus den Befragungsbe-
richten lagen dem Schreiben nicht bei.
397
Auf telefonische
Nachfrage des MAD vom 9. März 2012 teilte das LfV
Sachsen am 12. März 2012 schriftlich mit, dass die ent-
sprechenden Befragungsberichte dort nicht mehr vorhan-
den seien.
398
Über das Freigabeersuchen des LfV Sachsen unterrichtete
der MAD das zuständige Referat Kontrolle und Steuerung
(R/KS) im BMVg am 12. März 2012:
„Das vom LfV Sachsen in den dortigen Akten auf-
gefundene Dokument des MAD aus dem Jahre
1995 […] weist nunmehr erstmals darauf hin, dass
Mundlos seinerzeit offensichtlich durch den MAD
bearbeitet worden ist, befragt wurde und dass die
zu ihm angefallenen Informationen seinerzeit an
die zuständigen Behörden übermittelt wurden.“399
Am 13. März 2012 informierte der Referatsleiter,
Dr. Gramm, durch schriftliche Vorlage den Staatssekretär
im BMVg Wolf hierüber und teilte mit, dass der Freigabe
396) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 2, 3.
397) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 6; Bl. 87-91 (VS-NfD).
398) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 6; Bl. 92 (VS-NfD).
399) Schreiben des MAD vom 12. März 2012, MAT A MAD-5
(Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 93 (VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/14600
nichts entgegen stehe. Konkret führte er in dem Schreiben
aus:
„Es ist daher möglich und wahrscheinlich, dass
sich solche Übermittlungen des MAD in den Ak-
ten anderer Sicherheitsbehörden befinden – Daten,
die zwischenzeitlich beim MAD aufgrund fehlen-
der Speicherbefugnisse gelöscht wurden und von
deren Existenz der MAD nichts weiß. Der vorlie-
gende Vorgang ist ein solcher Fall. Die
lnformationen des MAD wurden nachweisbar an
vier Verfassungsschutzbehörden übersandt.“
Der Vorgang wurde von Herrn Dr. Gramm wie folgt
bewertet:
„Zwar könnte das Übermittlungsschreiben des
MAD – wenn es in den Focus medialer Berichter-
stattung geraten sollte – Anlass zu Spekulationen
über die Rolle des MAD geben. Gleichwohl ent-
lastet es den MAD, denn es macht deutlich, dass
der MAD die rechtmäßig gewonnenen
lnformationen tatsächlich weitergegeben hat.“400
Am 13. März 2012 erklärte der MAD die Freigabe gegen-
über Sachsen.
401
Die freigegebenen Unterlagen übermit-
telte Sachsen dem 2. Untersuchungsausschuss am
13. April 2012 im Rahmen von 15 als GEHEIM einge-
stuften Ordnern zu Beweisbeschluss SN-1.
402
Eine Unterrichtung des Ausschusses über die Existenz
eines MAD-Vorganges Mundlos durch den MAD nach
Zugang des Freigabeersuchens erfolgte nicht, obwohl
Akten des MAD bereits mit Beweisbeschluss MAD-2
vom 9. Februar 2012 beigezogen worden waren. Der
Zeuge Brüsselbach hat während seiner Vernehmung ein-
geräumt, dass diese Vorgehensweise unsensibel gewesen
sei.
403
Zu den Gründen für sein Handeln hat er ausgeführt,
sie hätten sich auf den Tatbestand ‚Freigabe eines Papiers
für den sächsischen Untersuchungsausschuss‘ fokussiert.
Zudem habe er sich bereits im November/Dezember 2011
mit seinen Juristen unterhalten und das Ministerium im
Dezember 2011 gefragt. Dann habe es einen Erlass gege-
ben, demzufolge es keinen rechtlichen Titel für die Her-
beischaffung von Unterlagen des MAD, des BMVg oder
von Dritten aus jenen Jahren gebe. Er habe es daher nicht
als seine Aufgabe angesehen, nach diesen Unterlagen zu
forschen und überall nachzufragen.
404
Auch der Zeuge
Dr. Gramm hat diesen Vorgang bedauert. Er hat einge-
räumt, dass ein gezielter Hinweis des BMVg auf die Be-
fragung des Mundlos durch den MAD angebracht gewe-
sen wäre. Er hat bedauert, dies damals nicht erkannt zu
haben:
400) Vorlage vom 13. März 2012, MAT A BMVg-6/2, Bl. 221, 222.
401) Erklärung des BMVg vom 12. September 2012, S. 2.
402) Anschreiben des LfV Sachsen, eingegangen am 13. April 2012,
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 8/12 – GEHEIM) (VS-NfD); Schrei-
ben des MAD vom 27. Juni 1995, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr.
8/12 – GEHEIM), Anlage 06, ohne Seitenzahl (VS-NfD).
403) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 3.
404) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 5.
„Allerdings haben wir – da haben unsere Kritiker
recht – einen Unterschied übersehen zwischen –
sagen wir mal – ‚rechtlich richtig‘ und ‚rechtlich
richtig und umsichtig‘. Ein gezielter Hinweis von
uns an Sie auf die Befragung des Uwe Mundlos
durch den MAD wäre angebracht gewesen. Ich
bedauere, dass wir das damals nicht erkannt ha-
ben.“405
Eine Anfrage an die Verfassungsschutzbehörden in Sach-
sen-Anhalt und Thüringen sowie an das BfV, ob dort der
Bericht noch vorliege, erfolgte nach Aussage des Zeugen
Brüsselbach in seiner Amtszeit nicht.
406
Der Zeuge Christmann hat hierzu erklärt, der Sachverhalt,
der auf dem Übersendungsschreiben gestanden habe,
nämlich das Hören von rechtsextremistischer Musik, sei
so zahlreich, dass er dahinter keine brisanten Inhalte ver-
mutet habe. Er habe keine koordinierende Ermittlungsrol-
le für den MAD gesehen, da der Vorgang 1995 mehreren
Behörden [den LfV Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü-
ringen] mit der damaligen Übermittlung des MAD mitge-
teilt worden sei.
407
Der Zeuge Dr. Gramm hat eingeräumt,
dass das BMVg dies ebenfalls nicht zum Anlass genom-
men hat, noch einmal von selbst an das BfV, an Thürin-
gen oder an Sachsen-Anhalt heranzutreten. Sie seien der
Auffassung gewesen, dass dies Aufgabe des MAD oder
der Sachsen gewesen sei.
408
Nach Dienstantritt des neuen MAD-Präsidenten Birken-
heier veranlasste dieser eine Nachfrage beim BfV, dem
Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt und
dem LfV Thüringen nach dem Befragungsbericht
Mundlos,
409
die mit Schreiben des MAD vom 1. August
2012 erfolgte.
410
Auf eine parlamentarische Anfrage des
Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, welche
rechtsextremen Äußerungen, Aktivitäten bzw. Mitglied-
schaften von Mundlos und Böhnhardt während oder vor
deren Wehrdienst festgestellt worden seien,
411
wurde
diesem mitgeteilt, dass es seinerzeit eine Befragung von
Mundlos durch den MAD gegeben habe.
412
Eine Unter-
richtung des gesamten Ausschusses ist zu diesem Zeit-
punkt nicht erfolgt.
Am 29. August 2012 hat das BfV dem MAD den Befra-
gungsbericht Mundlos mit der Bitte um Freigabe für das
BKA übersandt.
413
Das BMI hat mit Schreiben vom
11. September 2012 mitgeteilt, der Bericht sei aufgrund
eines Zahlendrehers nicht der am 10. August 1995 ange-
405) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 60.
406) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 5.
407) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 90.
408) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 67.
409) Christmann, Protokoll-Nr. 43, S. 99.
410) Schreiben des MAD vom 1. August 2012, MAT A MAD-5,
(Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 104, 105 (VS-
NfD).
411) BT-Drucksache 17/10583, S. 34.
412) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 120 (VS-NfD).
413) Schreiben vom 29. August 2012, MAT A MAD-5, Bl. 121.
Drucksache 17/14600 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
legten Personenakte Mundlos, sondern einer thematisch
nicht einschlägigen Akte zugeführt worden. Er sei daher
erst am 28. August 2012 im Rahmen der sukzessiven
Durchsicht weiterer Aktenbestände im BfV aufgefunden
worden, was zur Folge gehabt habe, dass er dem Aus-
schuss nicht als Bestandteil der Personenakte Mundlos
zum Beweisbeschluss BfV-7 vorgelegt worden sei. Am
18. September 2012 übersandte auch das Innenministeri-
um Sachsen-Anhalt den dort ebenfalls noch in Kopie
vorhandenen MAD-Befragungsbericht von Mundlos und
den fünf anderen Soldaten vom März 1995.
414
Der amtie-
rende Leiter des sachsen-anhaltinischen Verfassungs-
schutzes Volker Limburg war am 13. September 2012
zurückgetreten, nachdem in einer Behörde die Kopie des
MAD-Befragungsprotokolls von Mundlos gefunden wor-
den war.
Nach Auffinden des Berichts ist der MAD mit Schreiben
vom 4. September 2012 um Freigabe gebeten worden. Die
Freigabe ist mit Schreiben vom 5. September 2012 erteilt
worden.
415
Der Befragungsbericht des MAD vom 27. Juni
1995 ist vom BMI in der 26. Sitzung des Ausschusses am
11. September 2012 vorgelegt worden.
Eine Recherche in der alten IT-Anwendung
„VERANDA“, der weitere Erkenntnisse zum MAD-
Vorgang zu entnehmen sind, ist am 19. September 2012
erfolgt.
416
Der Zeuge Brüsselbach hat ausgeführt, ihm und
den leitenden Mitarbeitern der Abteilung sei nicht be-
kannt gewesen, dass es noch Reste dieser Datei im MAD-
Amt gegeben habe. Erst im Nachhinein habe er erfahren,
dass ein findiger Mitarbeiter sich an die IT-Anwendung
erinnert habe. Die Abteilung Extremismusabwehr sei
bereits Mitte des Jahrzehnts auf die Datei EXA 21 umge-
stellt worden.
417
Nach Aussage des Zeugen Christmann
habe einer früheren Abfrage in dieser IT-Anwendung
zudem entgegen gestanden, dass die hierin enthaltenen
Datensätze aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben
anonymisiert worden seien. Eine Abfrage sei aber mit der
Archivnummer, die auf einem Dokument aus der damali-
gen Zeit vermerkt worden sei, möglich gewesen. Erst zu
einem späteren Zeitpunkt sei erkannt worden, dass die auf
dem Übersendungsschreiben des LfV Sachsen aufgeführ-
te Nummer eine alte Archivnummer sei.
418
cc) Bewertung des Umgangs mit Uwe Mundlos
bei der Bundeswehr
Mit Schreiben vom 24. September 2012 hat sich der
Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung,
Rüdiger Wolf, zu der damaligen dienstlichen Beurteilung
von Mundlos geäußert. Gemäß der Mitte der neunziger
414) MAT A ST-1/4.
415) Schreiben des BMI vom 11. September 2012, MAT A BfV-4/2,
S. 1.
416) VERANDA-Auszug vom 19. September 2012, MAT A BMVg-
6/1, Bl. 76 ff.
417) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 35.
418) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 87.
Jahre geltenden Erlasslage sei die Leistung des Soldaten
im Dienstzeugnis zusammenfassend zu bewerten gewe-
sen, wobei ein wohlwollender Maßstab anzulegen gewe-
sen sei. Nach Erkenntnis des BMVg seien in der Praxis
mehrheitlich die Noten „sehr gut“ bis „befriedigend“
vergeben worden. Die Vergabe der Note „befriedigend“
sei demnach wohl eher den Soldaten zuzuordnen, die in
der unteren Leistungshälfte angesiedelt gewesen seien.
Die zweimalige Beförderung von Mundlos hat Staatssek-
retär Wolf wie folgt gewürdigt:
„Auch wenn der damals zuständige Richter am
Truppendienstgericht Süd in seinem Beschluss
vom 23. September 1994 das Verhalten von Uwe
Mundlos nicht als Dienstvergehen gewertet hat,
lief dessen ungeachtet zum Zeitpunkt der Beförde-
rung von Uwe Mundlos zum Gefreiten bzw. zum
Obergefreiten ein inhaltsgleiches Strafverfahren.
Nach der damals geltenden Vorschriftenlage war
damit ein Beförderungshindernis gegeben und
Uwe Mundlos hätte nicht befördert werden dür-
fen.“419
Nach Aussage des Zeugen Huth sei zum damaligen Zeit-
punkt zwar das Strafverfahren, nicht aber die antidemo-
kratische Betätigung von Wehrpflichtigen ein Grund
gewesen, eine Beförderung zu versagen.
420
Festzustellen ist darüber hinaus, dass Uwe Mundlos unge-
achtet einer bereits im Oktober 1994 erfolgten Absiche-
rungsberatung
421
noch Mitte November 1994 weiter am
Maschinengewehr ausgebildet worden ist.
422
Nach einer
Erklärung hierfür befragt, hat der Zeuge Huth darauf
hingewiesen, dass Empfehlungen des MAD seinerzeit
nicht immer befolgt worden seien.
423
5. Waren Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe
V-Personen des Verfassungsschutzes?
In der Beweisaufnahme des Ausschusses sind keine tat-
sächlichen Anhaltspunkte dafür festgestellt worden, dass
Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe V-Personen des Ver-
fassungsschutzes waren oder von diesem im Rahmen
eines Werbungsvorhabens angesprochen wurden.
Der Zeuge B., BfV, hat über die im BfV vorhandenen
Dateien berichtet; in den Dateien sei das Trio nicht ver-
zeichnet gewesen.
424
Er hat darüber hinaus ausgeschlos-
sen, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe als Zielperso-
419) Schreiben vom 24. September 2012 von Staatssekretär Rüdiger
Wolf, MAT A -6/1, Bl. 3.
420) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 54 f.
421) Siehe unter B. I. 4. b) bb) aaa).
422) Siehe unter B. I. 4. b) aa) aaa).
423) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 70.
424) B., Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 41.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/14600
nen vom BfV vor dem 1. Januar 1996 bearbeitet worden
sind.
425
Die Ersterfassung des Trios in NADIS war zu folgenden
Zeitpunkten:
– Mundlos: 21. Februar 1995
– Zschäpe: 13. März 1995
– Böhnhardt: 8. Dezember 1995426
Wären Sie zuvor bereits Gegenstand eines Werbungsfalls
gewesen, dann wären sie nach Aussage des Zeugen En-
gelke zu diesem früheren Zeitpunkt bereits in NADIS
erfasst worden.
427
Darüber hinaus seien alle Ansprachen
im Bereich „Rechts“ aus dem Jahr 1995 vorhanden.428
Auch beim LfV Thüringen gab es kein „Forschungsvor-
haben Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt“.429 Allerdings hat
der Zeuge Baumbach, damals im Bereich „Forschung und
Auswertung“ im LfV Thüringen tätig, ausgesagt, dass vor
dem Untertauchen des Trios im LfV darüber gesprochen
worden sei, ob nicht jemand aus der Neonazi-Szene in
Jena als V-Person infrage komme. Zusammen mit mehre-
ren anderen Personen sei auch Beate Zschäpe genannt
worden.
Zu einem operativen Vorgang sei es allerdings nicht ge-
kommen. Auf die Frage, ob die Abstandnahme von einer
Anwerbung der Beate Zschäpe auf deren auch in den
Medien
430
thematisierten Drogenkonsum zurückzuführen
gewesen sei, antwortete der Zeuge Baumbach:
„Die Frau Zschäpe wurde dann dahin gehend fal-
len gelassen, weil in einem Gespräch mit dem
Herrn Wießner […] die Information geflossen ist,
dass sie wohl psychische Probleme hätte und des-
wegen diese Sache sehr kompliziert wäre. Und in
der Regel haben wir bei psychischen Problemen
dann von vornherein gesagt gehabt: Das tun wir
uns nicht an, das ist uns zu heikel.
Wie jetzt der Begriff auf die Drogen kommt, das
kann ich nicht sagen. Ich hatte nur vermutet ge-
habt, dass es vielleicht in die Richtung einer De-
pression geht und daraufhin irgendwelche Medi-
kamente vielleicht konsumiert werden.“431
Er gehe davon aus, dass die Überlegungen über eventuelle
psychische Probleme von Zschäpe auf die Quelle Otto
(Tino Brandt) zurückgegangen seien.
432
Der Zeuge Wießner, der damalige Vorgesetzte von Herrn
Baumbach im Bereich „Forschung und Werbung“, hat
425) B., Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 42.
426) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 27.
427) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 27 f.
428) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (GEHEIM), S. 17 f.
429) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 180.
430) z. B. Tagesspiegel-Online, 18. Januar 2013, „Wegen Drogen
keine Karriere beim Verfassungsschutz“.
431) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 178.
432) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 179.
demgegenüber ausgesagt, er könne sich an ein derartiges
Gespräch über eine eventuelle Anwerbung von Beate
Zschäpe nicht erinnern.
433
Es habe nie ernsthafte Vorha-
ben gegeben, die drei Personen anzusprechen, da sie
1996/97 beim LfV Thüringen nicht im Fokus gestanden
hätten.
434
II. Entwicklung der rechtsextremistischen
Szene in Thüringen in den 1990er/Anfang
der 2000er Jahre
Die als Sachverständige geladene Fachjournalistin Andrea
Röpke hat vor dem Untersuchungsausschuss das Umfeld,
in dem sich das Trio in den 1990er Jahren bewegte, wie
folgt beschrieben:
„[In den] 90er-Jahre[n] [...] war es eher so, dass
Pogromstimmung herrschte, dass der gesellschaft-
liche Mob von Neonazis in Gang gesetzt wurde,
dass die Stimmung sehr rassistisch, ausländer-
feindlich aufgeladen war. Die Pogromstimmung in
Hoyerswerda Anfang der 90er - so wird von vielen
angenommen - hatte auch ihren Einfluss auf die
Radikalisierung in Thüringen, auf das Umfeld des
,Thüringer Heimatschutzes‘ und der späteren
NSU-Anhänger. Es dauerte mehrere Tage. Es gab
dort Hetzszenen. Den Neonazis schlossen sich
teilweise normale Bürger – in Anführungsstrichen
– an bzw. es wurde applaudiert.“435
Der Zeuge Schrader, LfV Thüringen, hat ausgesagt, dass
prägende Ereignisse, mit denen Rechtsextremisten in der
Zeit von 1996 bis Anfang 1998 in Thüringen auf sich
aufmerksam gemacht hätten, im Wesentlichen Skin-
Konzerte sowie Aufzüge, beispielsweise zu Sommerson-
nenwendfeiern und anlässlich der Heß-Todestage, gewe-
sen seien.
436
Spektakuläre Straftaten aus der rechten Szene zu dieser
Zeit seien der an der Autobahn gefundene Puppentorso
und die Bombenattrappen gewesen. Ansonsten erinnere er
sich an „normale Straftaten“ wie Propagandadelikte und
dergleichen. Die Hauptschwerpunkte seien Jena und Saal-
feld-Rudolstadt gewesen.
437
1. „Anti-Antifa Ostthüringen“ und „Thüringer
Heimatschutz“
Insbesondere die „Anti-Antifa Ostthüringen“, später in
„Thüringer Heimatschutz“ (THS) umbenannt, spielte in
der rechtsextremen Szene Thüringens in den 1990er Jah-
ren eine besondere Rolle.
Die Sachverständige Röpke hat dargelegt:
433) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 27 f.
434) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 28.
435) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.
436) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 114.
437) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 114.
Drucksache 17/14600 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Der ,Thüringer Heimatschutz‘ propagierte politi-
schen Aktivismus und Gewaltbereitschaft. Er ver-
stand sich vor allen Dingen auch als ,Organ der
Feindbeobachtung‘. „Anti-Antifa“-Arbeit, Aus-
spähen der politischen Gegner, Observierung, war
eine der wichtigsten Sachen, vor allen Dingen
auch, eine rechte Erlebniswelt zu schaffen. In die-
sem Milieu haben sich die drei entwickelt. Die
,Sektion Jena‘ wurde sogar von Uwe Böhnhardt
und Uwe Mundlos als stellvertretende Anführer
mit angeführt, und Beate Zschäpe war Mit-
glied.“438
1992 gründete der Hamburger Neonazi Christian Worch
die „Anti-Antifa“ – vorgeblich als Reaktion auf wachsen-
de Angriffe militanter Linksextremisten.
439
Ihre Propa-
ganda richtete sich darüber hinaus aber auch gegen Insti-
tutionen des demokratischen Rechtsstaats. Die „Anti-
Antifa“ war als informeller Zusammenschluss von
Rechtsextremisten ohne formale Mitgliedschaften oder
hierarchische Strukturen organisiert. Die verschiedenen
regionalen Gruppen standen untereinander in Kontakt und
wurden von anerkannten Führungsfiguren gegründet und
angeleitet. Das LfV Thüringen bewertete diese „organisa-
tionslose“ Verflechtung als anerkanntes Muster in der
rechtsextremen Szene.
440
Immer wieder war es seit den
frühen 1990er Jahren in Thüringen und insbesondere in
Jena und Umgebung zu Funden von Sprengstoff bei Neo-
nazis gekommen bzw. zum Auffinden von Sprengsätzen.
So war in einer Unterkunft für portugiesische Wanderar-
beiter in Stadtroda 1995 ein Sprengsatz gefunden worden,
der nur durch Zufall nicht zündfähig war. Zudem wurde
bei Henning H.,
441
einem weiteren Aktivisten des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ aus Jena, im April 1997 bei einer
Hausdurchsuchung ein Rohrbombenbausatz mitsamt
Metallteilen sowie eine Deutschlandkarte mit Markierun-
gen gefunden.
442
Seit Oktober 1994 war eine Gruppierung „Anti-Antifa
Ostthüringen“ bekannt, die sich ab Mai 1995 wöchentlich
traf. Die Zahl der Beteiligten erhöhte sich in vier Jahren
von anfangs 20 bis 1998 auf über ca. 120 Personen,
schließlich bis auf 160 Personen im Jahr 2000.
443
Nach
Einschätzung des LfV Thüringen bildete diese Gruppie-
rung ein „Sammelbecken für Neonazis“ aus dem Raum
Saalfeld/Rudolstadt, Gera, Jena, Sonneberg, Weimar,
Ilmenau, Gotha, Kahla und Nordbayern.
444
438) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.
439) Christian Worch hat sich zu diesem und zu dem folgenden Satz
im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs geäußert.
440) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1998, S. 38.
441) Henning H. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs
zu diesem Abschnitt Stellung genommen.
442) Einsatzbericht Landespolizei Thüringen vom 7. Juni 2997,
MAT A TH-1/1, Bl. 33 ff. (35).
443) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 56.
444) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1998, S. 38.
Jedenfalls ab 1996 trat die „Anti-Antifa Ostthüringen“
auch unter der Bezeichnung „Thüringer Heimatschutz“
(THS) auf
445
, seit Anfang 1997 war sie „hauptsächlich“446
unter diesem Namen aktiv. 1999 bezeichnete der Verfas-
sungsschutzbericht Thüringens den „THS“ als „unstruktu-
rierten Personenzusammenschluss“.447
Im Verfassungsschutzbericht Thüringen 1996 wird Tino
Brandt als Führungsmitglied der „Anti-Antifa/THS“ be-
zeichnet.
448
Während er auch im Verfassungsschutzbe-
richt 1999 noch als Führungsfigur bezeichnet wird
449
,
erscheint sein Name in den Verfassungsschutzberichten
2000 und 2001 nicht mehr im Zusammenhang mit dem
„THS“450. Tino Brandt war zugleich Leiter der im „THS“
führenden Sektion Rudolstadt/Saalfeld und wurde 2001
als V-Mann des LfV Thüringen enttarnt.
451
Gegenüber dem BKA schilderte Tino Brandt am 26. Ja-
nuar 2012 die Entstehung und Entwicklung des „THS“:
„Der ‚Thüringer Heimatschutz’ entwickelte sich
aus dem sogenannten Mittwochsstammtisch. Wir
trafen uns damals in der Gaststätte zum Goldenen
Löwen in Rudolstadt-Schwarza. Das Ganze hat
sich nach und nach entwickelt. Zunächst war ich
fast allein, dann kamen nach und nach Kameraden
aus der unmittelbaren Umgebung und später aus
dem Gesamt-Thüringischen Raum mit Ausnahme
Mühlhausen und Nordhausen dazu. Also zuletzt
trafen sich in dieser Gaststätte bis zu 100 Leute.
Nachdem wir zunächst Aufkleber hatten machen
lassen, die unserem Zusammenschluss den Namen
‚Anti-Antifa-Ostthüringen‘ gaben, entstand, nach-
dem mehr und mehr Leute aus dem gesamten thü-
ringischen Raum zu uns stießen, das Bedürfnis,
dies in der Namensgebung zum Ausdruck kommen
zu lassen. Es entstand das Bedürfnis, diesem Zu-
sammenschluss verschiedener Kameradschaften
(der Kameradschaften Saalfeld-Rudolstadt, Jena,
Gera, Ilmenau, Sonneberg) einen Namen zu geben,
der alle repräsentiert. Und so kam ich auf die Idee,
uns den Namen „Thüringer Heimatschutz“ zu ge-
445) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1996, MAT B
TH-3, Datei: 2862-163-2012 - mT.pdf, Bl. 12 ff., 36.
446) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 29;
online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf
447) Verfassungsschutzbericht Thüringen 1999, S. 52.
448) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1996, MAT B
TH-3, Datei: 2862-163-2012 - mT.pdf, Bl. 12 ff., 36.
449) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1998, S. 52.
450) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1999, S. 56;
Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 29; on-
line abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf
451) Vgl. zur Enttarnung auch Verfassungsschutzbericht Freistaat
Thüringen 2001, S. 15; online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/14600
ben. Das war im Jahr 1995. Wir haben entspre-
chende Aufkleber drucken lassen und der Name
war allgemein akzeptiert. Es gab bei uns keine
Vereinssatzung oder Mitgliedsausweise, aber wir
haben gemeinsame Versammlungen und Schulun-
gen durchgeführt, haben Demonstrationen ange-
meldet und als ‚THS‘ an Demonstrationen teilge-
nommen. Dort trugen wir auch entsprechende
Transparente und führten bis zu 50 thüringische
Fahnen mit. Ferner betrieben wir eine Internet-
Homepage und ließen u. a. Aufkleber und Flug-
blätter sowie die ‚Neue Thüringer Zeitung‘, die
unregelmäßig erschien, drucken.
lntern war ich schon eine Führungsperson. Wir
waren aber mehrere Personen, die wichtige Ent-
scheidungen getroffen haben. Ich glaube, es waren
7-8 Personen, darunter André Kapke und der Ma-
rio Ralf B. Weil ich selbst aufgrund meiner politi-
schen Tätigkeit mit meinem Arbeitgeber keine
Probleme hatte, bin ich nach außen hin als Spre-
cher aufgetreten und wurde damit als Führungs-
person verstanden. Diesem Eindruck sind wir auch
nicht entgegengetreten.“452
Der „THS“ gliederte sich in die Sektionen bzw. Kamerad-
schaften Rudolstadt/Saalfeld, Jena, Sonneberg, Gera und
seit Juni 2000 Eisenach.
453
Er hatte erheblichen Einfluss auf die NPD, z. B. durch die
Mitarbeit in Landes- und in den Kreisverbänden: In den
zwölf Kreisverbänden in Thüringen stellte der „THS“
1999 vier Kreisvorsitzende; außerdem war er in diesem
Jahr mit sieben von zwölf Mitgliedern im NPD-
Landesvorstand Thüringen vertreten.
454
Der „THS“ propagierte auf seiner Homepage ein national-
revolutionäres Verständnis und nationales sozialistisches
Gedankengut:
„Wir sind systemkritisch und -feindlich und be-
kennen uns zum nationalen Sozialismus, zum
Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals und die
menschlich-moralische Ausbeutung durch dieses.
[…] Die Errichtung einer multikulturellen Gesell-
schaft ist eines der größten Verbrechen, was an der
Menschheit verübt wurde und wird. Das ist die
systematische Ausrottung kultureller Identitäten
und somit ganzer Völker.“455
Im Internet wurden darüber hinaus auch offen Drohungen
gegenüber politisch Andersdenkenden ausgesprochen,
wie etwa auf der Seite der Kameradschaft Gera:
„Diejenigen, die heute noch den Volksvertretern
zuarbeiten, werden wir uns merken! ...“ 456
452) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom
26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 255 f.
453) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 56.
454) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 56.
455) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.
456) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.
Dort war auch zu lesen, dass sich hier „der örtliche natio-
nalrevolutionäre Widerstand zusammengeschlossen“
habe.
457
Auf einer anderen Seite wurde eine Bildsequenz
veröffentlicht, bei der das Wort „Antifa“ zerschossen
wurde.
458
2001 war der „THS“ noch mit drei Mitgliedern im NPD-
Landesvorstand in Thüringen vertreten und stellte zwei
NPD-Kreisvorsitzende.
459
In diesem Jahr führte der Ver-
fassungsschutzbericht des Freistaats Thüringen aus:
„Nach wie vor stellte der ‚THS’ […] im Jahre 2001
das Bindeglied zwischen der freien Neonaziszene
und der NPD mit ihrer Jugendorganisation, den
JN, dar. Diese Scharnierfunktion kommt in der
Tatsache zum Ausdruck, dass führende ‚THS’-
Anhänger zugleich NPD/JN-Mitglieder sind und
innerhalb des Landesverbandes der NPD und der
JN einen nicht zu unterschätzenden Einfluss aus-
üben.“460
Darüber hinaus verwies er auf einen erweiterten Sympa-
thisantenkreis, der zu der etwa 170 Personen betragenden
Mitgliederzahl hinzugerechnet werden müsse.
461
Im Jahr 2002 trat der „THS“ als Personenzusammen-
schluss nicht mehr in Erscheinung. Laut Verfassungs-
schutzbericht des Freistaats Thüringen habe er für die
organisierte Neonaziszene stark an Bedeutung verloren.
462
Allerdings wurde die Anzahl der Mitglieder der Sektion
Eisenach, die auch unter der Bezeichnung „Nationales
und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen“ (NSAW)
agierte, in diesem Jahr auf 70 geschätzt.
463
Ab dem Jahr
2003 wurde der „THS“ in den Verfassungsschutzberich-
ten des Freistaats Thüringen nicht mehr aufgeführt.
464
457) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.
458) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.
459) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 29;
online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf
460) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 7;
online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf
461) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 7;
online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf
462) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2002, S. 36;
online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/7.pdf
463) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2002, S. 11;
online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/7.pdf
464) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2003; online
abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/abteilung2/2.
pdf
Drucksache 17/14600 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Dr. Roewer, von 1994 bis 2000 Präsident des
LfV Thüringen, hat zur Entstehung der Erkenntnisse des
LfV Thüringen ausgesagt:
„Man erfährt es dadurch, dass diese Gruppen
durch Gewalttaten auf sich aufmerksam machen.
Man erfährt es zunächst dadurch, dass ich natür-
lich auch bestrebt war, erst mal festzustellen: Wo
findet denn dieses Theater statt? Wir hatten das
Problem in Thüringen, dass sich bestimmte örtli-
che Schwerpunkte bildeten, wo es wirklich hand-
feste und sehr unangenehme Aus-
einandersetzungen zwischen jugendlichen Grup-
pen gab, deren einziges Kit jeweils in der Gruppe
war, dass sie sich als rechts oder links bezeichne-
ten. Das waren zum großen Teil Kinder, und die
schlugen dann aufeinander ein. Wir hatten wäh-
rend meiner Dienstzeit zunächst den Schwerpunkt
im Raum Altenburg. Da werden alle die Leute, die
dort leben, mit dem Kopf nicken. Und dann hatten
wir den Schwerpunkt im Raum Saal-
feld/Rudolstadt. Und dann ab dem Jahr 1997 wan-
derte der Schwerpunkt nach Jena. Warum das so
ist, weiß ich nicht. Es ist aber so.
Die Bemühungen der Behörde waren nach meiner
Anleitung darauf gerichtet, sich nicht mit diesen
Kindern auseinanderzusetzen, sondern festzustel-
len, wer die Rädelsführer hinter diesen Kindern
waren; denn die kommen ja meistens nicht von
selber auf die Idee, so aufeinander einzuschlagen,
wie es dann geschehen ist, mit vielen Verletzten
oft und einer hohen Dunkelziffer, die wir natürlich
nicht gekannt haben, weil diese Leute nicht zur Po-
lizei gegangen sind.“465
Der ,Thüringer Heimatschutz‘ war nach meiner
jetzigen Erinnerung eigentlich ein lockerer Zu-
sammenschluss, ein Name mehr, dem sich Leute
zurechneten oder nicht zurechneten. Das war kein
Verein. Es war keine Partei. […] Es war in bei
verschiedenen Jugendlichen, dass sie sagten: Wir
marschieren beim ,Thüringer Heimatschutz‘. - Das
waren Kinder. [… Einige Personen] haben […]
sich dann sozusagen selber mit Lorbeeren ge-
schmückt. Das ist ja in der rechtsextremen Szene
außerordentlich üblich, dass sich jeder Dritte da
zum Führer ernennt.“466
Auf die Frage, wo der Schwerpunkt des „THS“ gewesen
sei, hat der Zeuge Wießner angegeben:
„Der Schwerpunkt war in - - Was heißt: „in Saal-
feld“? Saalfeld hat eine Kameradschaft gehabt; Je-
na hat eine Kameradschaft gehabt; Gera hat eine
Kameradschaft gehabt; W. war in Eisenach selb-
ständig. Alles andere lief in Saalfeld-Gorndorf zu-
sammen. Und im Grunde genommen: ‚THS’, was
465) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 69.
466) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 70.
war TH- - Die, die - - Kapke - - Ich könnte Ihnen
jetzt die ganzen Kameradschaftsführer vielleicht
noch nennen: Kapke oder der in Gera oder sonst
was. Die haben gepocht auf ihre Eigenständigkeit.
Die waren sich einig bei gemeinsamen Aktionen.
Damals, wie das anfing, waren Demonstrationen.
Da waren sie sich einig: Wir nehmen da teil und
mobilisieren in unserem Umfeld.“467
Eine zentrale oder eigenständige Führung des „THS“
habe es nicht gegeben.
468
„Es war ein Begriff. Die Thüringer, wenn sie außer
Landes gegangen sind, haben sich firmiert unter
‚THS’. Aber hinter ‚THS’ waren selbstständige
Kameradschaften.“469
Über das innere Gefüge der Jenaer Szene habe man nur
wenige Kenntnisse gehabt. Der Zeuge Wießner hat ausge-
führt:
„Die Innenentwicklung der ‚Kameradschaft Jena‘
hat man, wenn man ehrlich ist, gar nicht mitbe-
kommen. Wir haben ja nur das bekommen, was
Wohlleben oder Kapke dem V-Mann erzählt ha-
ben. Vom Innenleben, wie die Struktur in Jena
war - dass sie immer gemeinsam aufgetreten sind,
ist ja unstrittig - - Aber wie das Innenleben und die
Hierarchie innen waren, kann ich Ihnen nicht sa-
gen.“470
Von November 1995 bis Ende 1997 ermittelten die Be-
hörden in Thüringen gegen zwölf Personen wegen des
Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung im
Sinne des § 129 StGB.
471
Die Rolle von Tino Brandt und
die Situation im „THS“ beschrieb ein im Rahmen des
damaligen Ermittlungsverfahrens vernommener Zeuge:
„Er [Tino Brandt] ist so eine Art Leitwolf der rech-
ten Szene in Thüringen. Mittwochs fuhr ich mit
Sonneberger Kameraden nach Saalfeld zum Mitt-
wochsstammtisch […]. Dort trafen wir uns mit an-
deren Kameradschaften, maßgeblich mit Tino
Brandt und den Saalfeldern. […] Tino Brandt teilt
dort sein Propagandamaterial Broschüre ‚Nation
Europa‘ und die Zeitung ‚Neues Thüringen‘ sowie
,Neues Franken‘ aus. Ansonsten wird ziemlich viel
Alkohol getrunken. Tino Brandt geht von Tisch zu
Tisch und fragt bei den einzelnen Kameradschaf-
ten nach, was wo los ist. Er gibt auch Anweisung
für geplante Unternehmen und was an den Wo-
chenenden abgehen soll. Das sind zum Teil rechte
Konzerte, Demos, Feste und Störfaktoren bzw.
Störaktionen. Die örtlichen Kameradschaften mel-
den dem Tino Brandt zum Beispiel wo es Proble-
467) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.
468) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.
469) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.
470) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.
471) Einzelheiten siehe B. III. 3. a).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/14600
me mit Asylanten gibt oder so und geben ihm In-
formationen. Der Tino Brandt organisiert dann die
Störaktionen. In Rudolstadt war im Sommer letz-
ten Jahres ein Multikulti-Fest. Das wollten wir stö-
ren. Brandt hat die Aktion geleitet. Die Vorberei-
tung und Absprachen dazu liefen über Handy.
Brandt sprach aber nie darüber, dass wir uns prü-
geln sollen. Er sagte mir einmal: ‚Immer am Rand
des Legalen zum Illegalen bleiben‘. […]
Freitags fanden in der Regel Schulungen statt, bei
Saalfeld, ,In der Schönen Aussicht‘. […] Vom Er-
zählen her weiß ich aber, dass dort unter der Lei-
tung von B. und Brandt sogenannte
,Rechtsschulungen‘ und ,Jungsturmbelehrungen‘
stattfinden. Bei diesen Belehrungen handelt es sich
um Umgang mit Polizei, Verhalten bei Festnah-
men, Vernehmungen und bei Demos. Es sollen
auch Filme gezeigt worden sein.“472
Von September 1998
473
bis 2001 prüfte das Thüringer
Innenministerium ein Verbot des „THS“ nach dem Ver-
einsgesetz. Das LfV Thüringen hielt in seiner Stellung-
nahme vom 7. Dezember 1998 Verbotsmaßnahmen gegen
den „THS“ nicht für zweckmäßig, da diese voraussicht-
lich zum Übertritt der Mitglieder in die NPD führen wür-
den. Daneben falle ins Gewicht, dass es keine dem „THS“
unmittelbar zuzuordnende Infrastruktur gebe, die bei
einem Verbot eingezogen werden könnte.
474
Die aufgrund eines Erlasses des Thüringer Innenministe-
riums vom 3. August 2000 geführten Vorermittlungen zur
Frage, ob beim „THS“ der Anfangsverdacht einer krimi-
nellen Vereinigung vorliege, führten bereits am 5. Sep-
tember 2000 zu einem Sachstandsbericht, wonach es sich
beim „THS“ und den mit ihm verbundenen Kamerad-
schaften um straff organisierte Vereine handele.
475
Mit
Schreiben vom 16. Januar 2001 legte das LKA Thüringen
auf die Frage des Thüringer Innenministeriums, ob es sich
beim „THS“ um einen Verein i. S. d. Vereinsgesetz han-
dele, hierzu nähere Tatsachen dar.
476
Im Februar 2001 zweifelten sowohl das LfV Thüringen
als auch das Thüringer Innenministerium erneut an einer
festen Vereinsstruktur.
477
472) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen I. S. vom 9. Juni
1996, MAT A TH-2/45, Bl. 420 ff., 421.
473) Vermerk des Thüringer Innenministeriums vom 12. September
1998, MAT B TH-3, Dateiname: MAT_B_TH-3_25-1202-
62012.pdf, Bl. 9 f.
474) MAT B TH-3, Dateiname: MAT_B_TH-3_25-1202-62012.pdf,
Bl. 24 ff., 26.
475) Sachstandsbericht des LKA Thüringen (Soko „ReGe“) vom
5. September 2000, MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-
3_25-1202-62012.pdf, Bl. 247 ff., 252; zum Vorermittlungsver-
fahren näher vgl. unten.
476) Sachstandsbericht des LKA Thüringen (Soko „ReGe“) vom
5. September 2000, MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-
3_25-1202-62012.pdf, Bl. 274 ff.
477) Schreiben des LfV Thüringen vom 14. Februar 2001, MAT B
TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 93 f.;
Vermerk des Thüringer Innenministeriums vom 16. Februar
2. „Kameradschaft Eichsfeld“
Thorsten Heise gründete 1995 an seinem niedersächsi-
schen Wohnsitz die „Kameradschaft Northeim“.478 Sie
trat im Jahr 1998 das erste Mal bei einem Aufmarsch in
Dresden in Erscheinung.
479
2002 zog Thorsten Heise nach
Fretterode/Thüringen und benannte die Kameradschaft in
„Kameradschaft Eichsfeld“ um.480 Das BKA stellte fest:
„Heise (…) propagiert stets den sogenannten ‚Na-
tionalen Widerstand‘, prangert ‚Justizwillkür ge-
gen national-bewusstes Gedankengut‘ an und un-
terstützt die ‚Anti-Antifa‘-Bewegung. Themen-
schwerpunkt scheint weiterhin die Anbindung der
Skinheads an die Neonaziszene zu sein und den
Zulauf von Jugendlichen zu dieser Szene zu stei-
gern. Hierzu nutzt Heise seine Verbindung zur
Skinhead-Musikbewegung, wobei er den Skin-
head-Gruppen ein Forum bei von ihm veranstalte-
ten Skinhead-Konzerten bietet und sie anschlie-
ßend durch CD-Veröffentlichungen noch öffent-
lich vermarktet.“481
Auf seinem Grundstück in Fretterode organisierte Thors-
ten Heise wöchentliche „Kameradschaftsabende“ mit ca.
15 Gästen.
482
Die Anzahl der Sympathisanten lag zwi-
schen 20 und 70 Personen, abhängig von der jeweiligen
Veranstaltung.
483
Neben seiner Führungsstellung in der „Kameradschaft
Eichsfeld“ hatte Heise auch eine zentrale Rolle in der
Kameradschaft „Arische Bruderschaft“, deren Treffpunkt
ebenfalls sein Wohnsitz in Fretterode war. Nach ihrem
Selbstverständnis war die „Arische Bruderschaft“ eine
übergeordnete Elite unter den Kameradschaften, bestand
aus den Führungskadern verschiedener Einzelkamerad-
schaften und unterstützte deren jeweilige Aktivitäten.
Organisatorisch verstand sie sich als feste Einheit, was
unter anderem durch das Tragen einheitlicher Bekleidung
(T-Shirts mit Aufschrift: „Die Arische Bruderschaft / Die
Jungs für’s Grobe“) auch nach außen hin zum Ausdruck
kommen sollte.
484
Zur „Ariogermanischen Kampfgemeinschaft Vandalen“
in Berlin, einer rechtsextremistischen Gruppe, die sich
2001, MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-
62012.pdf, Bl. 95 ff.
478) Vermerk des BKA vom 5. Mai 2004, MAT A BKA-2/2, Bl.
256.
479) Personagramm des BKA zu Thorsten Heise vom 24. Januar
2011, MAT A BKA-2/3, Bl. 2 ff., 6.
480) Vermerk des BKA vom 5. Mai 2004, MAT A BKA-2/2, Bl.
255.
481) Sachstandsbericht der BKA-Projektgruppe „Rechtsextremisti-
sche Kameradschaften“ von Dezember 2001, MAT A IMK-
1/5b, Bl. 886 ff., 912.
482) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2011, Bl. 55.
483) Sachstandsbericht der BKA-Projektgruppe „Rechtsextremisti-
sche Kameradschaften“ von Dezember 2001, MAT A IMK-
1/5b, Bl. 886 ff., 911.
484) Auswertebericht Niedersächsische Kameradschaften vom
6. August 2007, MAT A BKA-2/2, Bl. 401 ff.
Drucksache 17/14600 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„rockerähnliche“ Strukturen gegeben hat und zu deren
Gründungsmitgliedern der ehemalige Sänger von „Land-
ser“, Michael R., gehört, hatte Heise auch Kontakt – als
Teilnehmer einer Vandalen-Feier im September 2002
anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Gruppierung.
485
Thorsten Heise war bis zu ihrem Verbot am 24. Februar
1995 in Niedersachsen Landesvorsitzender der „Freiheit-
lichen Deutschen Arbeiterpartei“. Am 11. September
2004 trat er gemeinsam mit Thomas W. („Steiner“) und
dem aus Bad Honnef stammenden Rechtsextremisten
Ralph T. der NPD bei.
486
Durch den Eintritt in die NPD
sollten Heise, W. und T. einen Beitrag zur Schaffung einer
„Volksfront von Rechts“ leisten und als Mittler zwischen
Partei und der militanten Kameradschaftsszene auftre-
ten.
487
Nach Einschätzung des BKA aus dem Jahr 2011 zählt
Heise zu den bekanntesten Neonazis Deutschlands, gilt
als überregionaler Verbreiter von Propagandamitteln und
ist Leitfigur der rechten Szene.
488
Er hat Kontakte zu Rechtsextremisten in verschiedenen
Bundesländern.
489
Auch Mitglieder von „Blood & Ho-
nour“ sollen sich regelmäßig in seinem Umfeld bewegt
haben.
490
Thorsten Heise ist in erheblichem Maße strafrechtlich in
Erscheinung getreten. Sein Bundeszentralregisterauszug
(Stand: 2. Januar 2012)
491
enthält 13 Einträge: Seine erste
Verurteilung (Tat: Volksverhetzung) erfolgte im Jahre
1986, es folgten zahlreiche weitere Verurteilungen wegen
Staatsschutzdelikten, Körperverletzungsdelikten etc.;
zuletzt wurde Heise am 3. Juli 2007 vom LG Mühlhausen
unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung
(Gesamtstrafenbildung) wegen Volksverhetzung zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verur-
teilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde auf Bewährung
ausgesetzt (Bewährungszeit: drei Jahre sechs Monate).
3. Verankerung des Trios in der rechten Sze-
ne
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren Mitglieder der
„Kameradschaft Jena“, die später als „Sektion Jena des
THS“492 bezeichnet wurde.
485) Mail des LKA Berlin vom 4. Oktober 2002, MAT A BKA-2/2,
Bl. 165 ff.
486) BKA-Personagramm zu Heise, vom 24. September 2004, MAT
A BKA-2/2, Bl. 321 ff.
487) BfV-aktuell, 39/2004, MAT A BKA-2-2, Bl. 298 f.
488) Personagramm des BKA zu Thorsten Heise vom 24. Januar
2011, MAT A BKA-2/3, Bl. 2 f.
489) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2011, Bl. 32.
490) Vermerk des BKA vom 5. Mai 2004, MAT A BKA-2/2, Bl.
255.
491) MAT B TH-15, Bl. 3 ff.
492) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2001, S. 59 f.
Zwar bestritt der „THS“, dass die drei Personen Mitglie-
der gewesen seien:
So gaben im Februar 1998 der „THS“ und der „Nationale
Widerstand“ über das sogenannte „Nationale Info-
Telefon“ bekannt, dass sie sich von den „Terroristen“ aus
Jena distanzierten:
„Wie bundesweit durch die Medien bekannt, fand
man bei angeblichen ,Rechten‘ in Jena selbstge-
bastelte Bomben. Der ‚Nationale Widerstand‘ und
Thüringer Kameradschaften distanzieren sich in al-
ler Schärfe und haben mit den Terroristen nichts
zu tun, Terrorismus ist kein Mittel zur Bekämp-
fung des verhassten Systems.“493
Darüber hinaus stellte Tino Brandt am 22. September
2000 als Reaktion auf das Verbot der Gruppierungen
„Blood & Honour“ und „White Youth“ auf die Homepage
des „THS“ eine Pressemitteilung, in der es heißt, dass
„der Handlungswille des THS“ nie auf eine kämpferisch-
aggressive Form abgestellt habe. Weiter wurden neun
Personen genannt, die nie Mitglied des „THS“ gewesen
seien, darunter Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt. Da es
sich bei diesen vermutlich um Straftäter handele, würden
sie auch nicht als Mitglieder aufgenommen werden.
494
Diese Mitteilungen waren jedoch offenbar taktisch veran-
lasst. Tino Brandt sagte gegenüber dem BKA im Jahr
2012 aus, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zur
„Kameradschaft Jena“ gehörten. Sie seien auch bei man-
chen Führungstreffen des „THS“ gemeinsam mit André
Kapke beteiligt gewesen.
495
Zudem spricht für die Mitgliedschaft des Trios im „THS“
zum einen, dass Zschäpe am 2. Februar 1995 bei der
Stadtverwaltung Jena für die „Interessengemeinschaft
Thüringer Heimat-Schutz“ eine Demonstration anmelde-
te.
496
Sie führte auch das anschließende Kooperationsge-
spräch mit dem Rechtsamt der Stadt Jena, gemeinsam mit
Ralf Wohlleben.
497
Zum Zeitpunkt des Abtauchens des Trios im Januar 1998
waren Böhnhardt und Mundlos Stellvertreter des Sekti-
onsleiters André Kapke.
498
Zschäpe wird von der Polizei
493) Vermerk des BfV vom 20. Februar 1998, MAT A BfV-7/4
(Tgb.-Nr. 14/12 – GEHEIM), Fundstellen der Aktenauswertung
Thüringer Heimatschutz, Bl. 230 (offen).
494) MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf,
Bl. 352 f.; vgl. auch zum Datum und zur Auswertung:
Sachstandsbericht vom 28. September 2000, MAT B TH-3, Da-
teiname: 2862.00-26-1997 (Band 1) - oT.pdf, Bl. 191 f.
495) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom
26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 256.
496) Schreiben vom 2. Februar 1995, MAT B TH-3, Dateiname:
MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 479 f.
497) Vermerk vom 6. Februar 1995, MAT B TH-3, Dateiname:
MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 488 ff.
498) Schreiben des LfV Thüringen vom 3. Februar 1998, MAT A
TH-3/1 (Tgb.-Nr. 01/12 – GEHEIM), hier: Blatt 35 f. (VS-
NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/14600
im Oktober 1997 als aktives Mitglied der Sektion Jena
des „THS“ bezeichnet.499
Ein ehemaliges Mitglied der „Kameradschaft Jena“ sagte
am 21. Januar 1997 gegenüber der Polizei aus:
„Allgemein möchte ich sagen, dass ich 1995 an der
Gründung der ,KSJ‘, also ‚Kameradschaft Jena‘
beteiligt war. Wir wollten einen Verein unter
gleichgesinnten Rechten gründen. Bei der Grün-
dung waren die einschlägigen Kameraden Kapke,
Böhnhardt, Wohlleben, Gerlach, Mundlos [dieser
Name wurde gestrichen] u. a. dabei. Am Anfang
ging es noch ziemlich demokratisch zu, dann wur-
de es ziemlich parteilich streng und militärisch or-
dentlich. Ich hatte auch Stress mit Böhnhardt. Frü-
her drehte er irgendwelche Dinger und heute
macht er auf pikfein mit Uniform und so und spielt
SA-Mann. Skinheads bezeichnet er als assozial.
Auf Betreiben von Kapke, Mundlos [dieser Name
wurde gestrichen] und Böhnhardt wurde alles
straffer organisiert. Sie wollten von jedem 20,-
DM monatlich als Beitrag für die ,KSJ‘ haben, um
zu Konzerten zu fahren und Aktionen bzw. Veran-
staltungen zu finanzieren. Kapke, Böhnhardt und
Mundlos [dieser Name wurde gestrichen] stritten
sich auch um die Führungsrolle. Damals, also wa-
ren wir im harten Kern der ,KSJ‘ 5 bis 6 Mann.“500
Der Zeuge Baumbach, der im Referat Forschung und
Werbung des LfV Thüringen tätig war, hat angegeben,
ihm seien Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bereits vor
deren Abtauchen bekannt gewesen. Er hat ausgeführt:
„Sie waren ja sehr aktiv gewesen. Die Frau Zschä-
pe war relativ im Hintergrund gewesen, aber sie
war halt immer, eigentlich immer mit dabei. Ob sie
nun mit Uwe 1 oder Uwe 2 zusammen war, oder
die drei waren zusammen: Sie war eigentlich im-
mer irgendwo. Ich will jetzt nicht sagen: bei jeder
Veranstaltung, bei jedem Treffen. Aber man konn-
te damit rechnen, wenn einer von beiden auftauch-
te, dass dann vielleicht auch die Frau Zschäpe da
in der Nähe mit gewesen ist.“501
III. Ermittlungsverfahren gegen die rechtsex-
tremistische Szene Thüringen
1. Soko „REX“ – EG „TEX“
a) Gründung der Soko „REX“ 1995
Die Soko „REX“ (Sonderkommission Rechtsextremis-
mus), die dem polizeilichen Staatsschutz im LKA Thürin-
gen (Dezernat 61) zugeordnet war, wurde am 9. Novem-
499) Vermerk des LKA Thüringen vom 10. Oktober 1997, MAT A
TH-2/8, Bl. 583.
500) Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung von Tom T. vom
21. Januar 1997, MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff.
501) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.
ber 1995 im Zusammenhang mit der am gleichen Tag
erfolgten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen
zwölf Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB)
gegründet.
502
Aus dem Jahresbericht 1995 des Staats-
schutzes des LKA Thüringen geht hervor, dass die Soko
„REX“ jedenfalls im Jahr 1995 sieben Ermittlungsverfah-
ren abschließen und der Staatsanwaltschaft Gera vorlegen
konnte und dass sich zum Zeitpunkt der Berichtserstel-
lung acht weitere Ermittlungsverfahren in Bearbeitung
befanden.
503
Im Jahresbericht 1996 wurde neben dem
genannten Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen
Vereinigung in Bezug auf die „Anti-Antifa Ostthüringen“
aufgeführt, dass sich die Ermittlungen auf einen Kreis von
insgesamt 80 Tatverdächtigen wegen 43 Einzeltaten be-
ziehen, die teils allein und in unterschiedlicher Gruppen-
zusammensetzung begangen worden seien.
504
b) Auflösung der Soko „REX“ im Februar
1997 – Gründung der EG „TEX“
Am 25. Februar 1997 wurde die Soko „REX“ aufgelöst.
Die Ermittlungen im Verfahren wegen der „Stadionbom-
be“ wurden durch die neu gegründete EG „TEX“ (Ermitt-
lungsgruppe Terrorismus/Extremismus) fortgeführt.
Durch diese wurden auch die Ermittlungen wegen Bil-
dung einer kriminellen Vereinigung abgeschlossen.
505
Den Übergang zwischen der Soko „REX“ und der EG
„TEX“ hat der Zeuge Luthardt – damals amtierender
Leiter des LKA Thüringen – folgendermaßen geschildert:
„Hier muss ich auch was sagen - auch das ist da-
mals falsch rübergekommen -: Beim Landeskrimi-
nalamt gab es eine Ermittlungsgruppe TEX, hieß
die, Terrorismus-/Extremismusbekämpfung. Diese
Ermittlungsgruppe war schon existent, wo ich zum
Landeskriminalamt kam. Die ist kurz vor meinem
Erscheinen im Landeskriminalamt gegründet wor-
den. Sie war Nachfolger einer Soko, die es vorher
gegeben hat, die ihre Arbeit abgeschlossen hatte,
nämlich die hatte ein Verfahren nach § 129, krimi-
nelle Vereinigung ,Thüringer Heimatschutz‘, als
Auftrag gehabt. Das war abgeschlossen. Die zu-
geordneten Kräfte der anderen Polizeidienststellen
wurden wieder in ihre Heimatdienststellen entlas-
sen, und die Restanten, die daraus hervorgingen -
die gibt es immer bei so gewaltigen Komplexen -,
hat dann eine eigenständige Ermittlungsgruppe,
502) Schreiben des LKA Thüringen vom 5. Dezember 2012, MAT A
TH-12/3, Bl. 3 ff.; zu dem genannten Verfahren siehe Ziff. 3 in
diesem Abschnitt B.III.3.
503) Jahresbericht 1995 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-
lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-
9/1, Bl. 57.
504) Jahresbericht 1996 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-
lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-
9/1, Bl. 61.
505) Jahresbericht 1996 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-
lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-
9/1, Bl. 65.
Drucksache 17/14600 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die beim Dezernat Staatsschutz des Landeskrimi-
nalamts angesiedelt war - sieben, acht Leute waren
das -, übernommen.
Und diese Ermittlungsgruppe, weil auch immer
gesagt wird, die sind ins Nichts gefallen, die waren
nicht vorbereitet - - Die stammten aus dieser Son-
derkommission. Die sind zwei Jahre dort schon
mitgelaufen, und sie haben auch diese ganzen Er-
mittlungen im Vorfeld, nämlich mit diesem Pup-
pentorso, mit diesen Bombenattrappen am Theater
etc., Stadion, alles als Ermittlungsverfahren durch-
geführt.“506
Der Zeuge Dressler, der im Jahr 1997 zur EG „TEX“
stieß und deren Leiter wurde, hat diese Phase – auch im
Hinblick auf das Ermittlungsverfahren wegen der „Stadi-
onbombe“ – folgendermaßen beschrieben:
„Ich bin circa Mitte des Jahres 1997 von einem
anderen Arbeitsbereich in den Bereich des Staats-
schutzes umgesetzt worden und bin dort mit der
Leitung der Ermittlungsgruppe EG ‚TEX‘ beauf-
tragt worden, die zu dem Zeitpunkt aus circa drei
bis fünf Personen bestand; das wechselte perma-
nent etwas von der Stärke her. Ich habe dort die
Aufgabe vorgefunden, Ermittlungsverfahren, die
das LKA aufgrund des Polizeiaufgabengesetzes zu
bearbeiten hat, abzuarbeiten. Es handelte sich
hierbei ausschließlich um Ermittlungsverfahren
mit politisch motivierter Kriminalität. Dabei war
es schlicht egal, ob es sich um politisch motivierte
Kriminalität aus dem Linksspektrum, politisch mo-
tivierte Kriminalität im Ausländerwesen oder in
dem Rechtsbereich handelte. Den Schwerpunkt
bildete seinerzeit definitiv rechts; die anderen
Problemfelder kamen in den darauffolgenden Jah-
ren hinzu.
Als ich diese Aufgabe übernahm, wurde im Vor-
feld eine Soko aufgelöst. Teilweise waren deren
Mitarbeiter noch einige Wochen und Monate mit
im Arbeitsbereich, solange deren Abordnungen
noch aufrechterhalten wurden. Wenn die ausliefen,
verließen die Kollegen dann den Arbeitsbereich,
da sie meistens von der Landespolizei temporär
zugeordnet waren.
Wir brachten in der EG ‚TEX‘ in der Anfangspha-
se die in der Soko ‚REX‘ noch vorhandenen Ver-
fahren zum Abschluss und übernahmen teilweise
neue. In diesem Zusammenhang übernahm ich
damals das Verfahren der sogenannten Stadion-
bombe in Jena. In Jena wurde im September 96
während eines Fußballspiels eine Bombendrohung
telefonisch bei der Polizei eingegeben, und es
wurde mitgeteilt, dass im Stadion eine größere
Bombe liegen sollte. Es erfolgte daraufhin ein Ab-
suchen, in dessen Folge zunächst erst mal nichts
506) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 90.
gefunden wurde; aber Tage später wurde dann die-
se USBV-Attrappe festgestellt. Die wurde in der
Anfangsphase durch die Soko ‚REX‘ bearbeitet
und in der weiteren Folge dann von der EG ‚TEX‘
übernommen.“507
Unterschiede in der Verfahrensweise im Vergleich zur
Soko „REX“ hat der Zeuge Dressler wie folgt beschrie-
ben:
„Sie müssen sich bitte das so vorstellen: Wir haben
wirklich verfahrensorientiert gearbeitet. Im Gegen-
satz zur vorher existierenden Soko ‚REX‘ waren
wir schlicht und ergreifend auf die Abarbeitung
von Ermittlungsverfahren eingestellt und haben
das auch weitestgehend getan.“508
Gründe für die Auflösung der Soko „REX“ hat der Zeuge
Dressler nicht nennen können.
509
Die laufenden Ermitt-
lungsverfahren seien von der EG „TEX“ abgearbeitet
worden:
„Also, mit dem Auslaufen wurden die Strafverfah-
ren, die noch im Bestand waren, natürlich abgear-
beitet und entsprechend der Staatsanwaltschaft zu-
gearbeitet.“510
Die EG „TEX“, so Dressler, sei für alle Formen von
Extremismus und Terrorismus zuständig gewesen:
„Es gab keine Schwerpunktsetzung; das ist kor-
rekt. Die hieß Ermittlungsgruppe Extremis-
mus/Terrorismus, und die war zuständig für Abar-
beitung von Ermittlungsverfahren, egal welcher
extremistischen oder terroristischen Form.“511
2. Weitere Dienststellen des LKA Thüringen
Darüber hinaus existierten im LKA Thüringen weitere
Dienststellen, die sich im weiteren Sinne mit Rechtsex-
tremismus befassten. Hier sind insbesondere die ZEX und
die Soko „ReGe“ zu nennen.
a) ZEX
Bei der ZEX (Zentraleinheit zur Bekämpfung des politi-
schen Extremismus) handelte es sich um eine im Septem-
ber 1998 eingerichtete Koordinierungsstelle des LKA
Thüringen, die im Dienstgebäude des LfV Thüringen
untergebracht war.
512
In einem Erlass des Thüringer In-
nenministeriums vom 31. August 1998 sind die Details
der Einrichtung, wie etwa der genaue Zuschnitt der Zu-
507) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 2.
508) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 22.
509) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 57.
510) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 57.
511) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 59.
512) Jahresbericht 1998 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-
lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-
9/1, Bl. 73.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/14600
ständigkeit und die Personalausstattung im Einzelnen
genannt.
513
Die Aufgaben der ZEX werden im Jahresbericht 1998 des
LKA Thüringen über die Kriminalitätslage und Entwick-
lung bei Staatsschutzdelikten wie folgt umrissen:
„Aufgaben der ZEX sind:
- Informationsbeschaffung, insbesondere aus den
Bereichen der Polizeidirektionen (Kommissariate
33, ggf. Ermittlungsgruppen und Kontaktbereichs-
beamten) sowie Ordnungsbehörden über das Lan-
desverwaltungsamt Thüringen innerhalb Thürin-
gens und Anreicherung dieser Informationen mit
Erkenntnissen aus anderen Bundesländern.
- Erfassen und anschließende Bewertung der In-
formationen zusammen mit den vom TLfV ge-
wonnenen Erkenntnissen in Abstimmung mit dem
TLfV.
- Mehrfache wöchentliche Abstimmung zwischen
TLfV und der ZEX zur Bewertung der Auswer-
tungsergebnisse, welche erforderlichenfalls mit ei-
nem Entscheidungsvorschlag den Referaten 43/49
des Thüringer Innenministeriums (TIM) vorgelegt
werden, um sodann daraus resultierende polizeili-
che Maßnahmen koordiniert im Freistaat Thürin-
gen durchzuführen.“
Im Jahresbericht 1998 ist erwähnt, dass zweimal wöchent-
lich Besprechungen mit dem LfV Thüringen durchgeführt
worden seien, was sich bewährt habe. Insbesondere seien
Erkenntnisse zu beabsichtigten Skinhead-Konzerten zeit-
nah an das Innenministerium und die zuständigen Polizei-
stellen weitergeleitet worden.
514
Der Zeuge Luthardt hat bzgl. des Hintergrundes und des
Funktionierens der ZEX die folgenden Ausführungen
gemacht:
„Zum damaligen Zeitpunkt - auch das muss man
hier, denke ich, nochmals deutlich sagen - verfügte
die Thüringer Polizei und speziell das Landeskri-
minalamt nicht über die ausschlaggebenden Hin-
weise, um der drei habhaft zu werden. Heute weiß
ich, dass es Hinweise gegeben hat, aber die waren
nicht bei uns. Damals kannte ich das nicht. Ich
komme da auch noch mal zu einem Beispiel, um
das deutlicher zu machen.
Unter diesem Gesichtspunkt war das kriminalpoli-
zeiliche und kriminaltaktische Vorgehen zur dama-
ligen Zeit aus meiner Sicht sachgerecht, jedoch
aufgrund fehlender konkreter Angaben erfolglos.
Handwerkliche Fehler, wie Sie sie schon darge-
stellt haben, haben das natürlich noch erschwert.
513) Erlass des Thüringer Innenministeriums vom 31. August 1998
zur Einrichtung einer Zentraleinheit zur Bekämpfung des politi-
schen Extremismus, MAT A TH-8c, Bl. 1 ff.
514) Jahresbericht 1998 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-
lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-
9/1, Bl. 74.
Aus heutiger Sicht muss ich einräumen, dass es
Defizite im Informationsaustausch gab. Ich muss
anerkennen, dass die Kooperation der Sicherheits-
behörden untereinander nicht so funktionierte, wie
man das eigentlich von Sicherheitsbehörden erwar-
tet.
Und ich möchte da noch einen Satz dazu sagen:
Das hing sehr stark von handelnden Personen ab.
Wir haben Musterbeispiele des Zusammengehens,
der Zusammenarbeit, und wir haben Sachen, wo es
einfach nicht funktioniert hat, weil Leute nicht
miteinander konnten. Es war sehr personenabhän-
gig, zeigt aber wieder, dass es ein Führungsprob-
lem gab und letztendlich ein Fachaufsichtsprob-
lem. Auch das muss man aus heutiger Sicht, denke
ich, so deutlich sagen.
Und weil wir das zumindest ein bisschen schon er-
kannt haben, haben wir damals, 1998 schon, die
sogenannte ZEX, Zentralstelle Extremismus-
bekämpfung, eine kleine Stabsstelle im Gebäude,
aber außerhalb der Räume des Landesamtes für
Verfassungsschutz, wo zwei Kollegen des Landes-
amtes und zwei Kollegen des LKAs damals zwei-
mal in der Woche einen Informationsaustausch be-
trieben haben, genau mit dem Ziel, die Informatio-
nen besser zusammenzuführen - -
Heute kann ich einschätzen: Hervorragend hat das
funktioniert im Rahmen von Einsatzlagen, also
Skin-Konzerte, Demonstrationslagen, wenn die
Nazis da aufgerufen haben usw. Da hat das hervor-
ragend funktioniert. Leider hat es bei der Fallbear-
beitung nicht so funktioniert. Warum das so ist,
kann ich nur raten. Ich sage einfach: Wir haben
zumindest strukturell festgelegt, dass alle Informa-
tionen auf diesem Gebiet ausgetauscht werden. Al-
so, ob das auf der anderen Seite genauso war, kann
ich nicht beurteilen. Da müsste ich wissen, was
dort für Informationen konkret vorhanden waren.
Das wusste ich natürlich nicht.“515
Der Zeuge Luthardt hat klargestellt, dass es sich bei der
ZEX um eine Stabsstelle, nicht um eine Ermittlungsein-
heit gehandelt habe. Ähnliche Strukturen gebe es auch
heute noch:
„Das haben wir ja heute auch noch. Ich hatte es ja
vorhin gesagt: Wir haben ein Bindeglied zwischen
Staatsschutz, Polizei und Landesamt für Verfas-
sungsschutz geschaffen, wo Informationen ausge-
tauscht werden. Heute nennen wir das in Thürin-
gen TIAZ; beim Bund heißt es GETZ. Das ist ge-
nau dieses Instrument, das auf Landesebene 1998 -
natürlich nicht mit dieser Qualität und mit dieser
Wirksamkeit - schon eingerichtet wurde, wo re-
gelmäßig Informationen ausgetauscht werden. Wir
machen seit 1998 in Thüringen einen gemeinsa-
men Sicherheitslagebericht zwischen Landesamt
515) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 91 f.
Drucksache 17/14600 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und Landeskriminalamt über diese Zentrale. Das
ist deren Aufgabe: reine Informationszentrale zum
Informationsaustausch, zur Informationsverdich-
tung und -weitergabe.“516
b) Soko „ReGe“
Die Soko „ReGe“ war im August 2000 gegründet worden.
Ihre Aufgabe bestand darin, Initiativermittlungen zur
Aufhellung rechtsextremistischer Strukturen in Thüringen
zu führen.
517
Konkret bestand der Auftrag darin, entsprechende Struk-
turermittlungen bezüglich des „Thüringer Heimatschut-
zes“ zu führen und gemeinsam mit der Thüringer Gene-
ralstaatsanwaltschaft zu prüfen, ob eine erneute Einlei-
tung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts
der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129
StGB gegen die Mitglieder des „Thüringer Heimatschut-
zes“ oder einer anderen rechtsextremistischen Gruppie-
rung möglich ist.
518
Aus einem Schriftstück vom 16. Mai 2001 geht hervor,
dass durch die Soko „ReGe“ im Hinblick auf die Aufga-
benstellung insgesamt 156 Ermittlungsverfahren ausge-
wertet worden waren.
519
Ein zusammenfassender Bericht vom 20. April 2001
wurde der Staatsanwaltschaft Gera vorgelegt.
520
Offen-
sichtlich wurde von dort aus mitgeteilt, dass kein Anlass
bestehe, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gemäß
§ 129 StGB einzuleiten, weshalb am 21. November 2001
angeregt wurde, die Soko „ReGe“ wieder aufzulösen.521
Zuvor war durch die Leiterin möglicherweise noch ver-
sucht worden, die Soko „ReGe“ personell zu verstärken,
was sich aus einem (nicht unterzeichneten) Vermerk vom
16. Mai 2001 ergibt.
522
Am 21. Mai 2001 erfolgte zudem
ein Treffen mit dem Leiter der Soko „REX“ im LKA
Sachsen, EKHK Jehle. Ziel dieses Erfahrungsaustauschs
war es laut einem Vermerk vom 21. Mai 2001,
„bereits bewährte Strukturen, Arbeitsweisen und
Erkenntnisse der Soko ‚REX’ für die im TLKA
gebildete Soko ,Rechte Gewalt‘ (ReGe) kennen zu
lernen bzw. zu übernehmen.“523
516) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 114.
517) MAT A TH-9-2o, Bl. 366.
518) Sachstandsbericht der Soko „ReGe“ vom 21. November 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 81 (nicht unterzeichnet).
519) Schriftstück der Soko „ReGe“, datiert auf den 16. Mai 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 80.
520) Schriftstück der Soko „ReGe“, datiert auf den 16. Mai 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 80.
521) Schriftstück Soko „ReGe“ vom 21. November 2001, MAT A
TH-9/27, Bl. 81 (nicht unterzeichnet).
522) Schriftstück der Soko „ReGe“, datiert auf den 16. Mai 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 91.
523) Vermerk der Soko „ReGe“ vom 21. Mai 2001 (nicht unter-
zeichnet), MAT A TH-9/27, Bl. 85 ff. (87).
In den Akten befindet sich im Hinblick auf eine mögliche
Stärkung der Tätigkeit der Soko „ReGe“ sogar ein sieben
Seiten umfassender „Maßnahmeplan zur lntensivierung
der Arbeit der Soko „ReGe“ im Zusammenhang mit den
Strukturermittlungen zum ‚Thüringer Heimatschutz’“, der
auf den 14. Mai 2001 datiert.
524
Aus einem Protokoll vom 10. Juni 2002 ergibt sich
schließlich die Auflösung der Soko „ReGe“.525
Der Zeuge Dressler hat im Hinblick auf die Soko „ReGe“
bekundet:
„Die Soko ‚ReGe’, die entstand dann, wie gesagt,
2000, aber war auch neben uns, hatte mit uns
nichts zu tun, weil dort auch, wie vorher schon ei-
gentlich in der Soko ‚REX’, strukturelle Schwer-
punkte gesetzt waren und wir wirklich nur auf die
Abarbeitung von Ermittlungsverfahren eingestellt
waren. Mehr hätten wir auch nicht leisten kön-
nen.“526
3. Ermittlungen gegen den „Thüringer Hei-
matschutz“
a) Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen
Tino Brandt und andere mutmaßliche Mit-
glieder des „Thüringer Heimatschutzes“
wegen Bildung einer kriminellen Vereini-
gung
Am 14. November 1995 übersandte das LKA Thüringen,
Soko „REX“, der StA Gera einen Bericht über das einge-
leitete Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer krimi-
nellen Vereinigung gem. § 129 StGB gegen zunächst elf
Personen. Diese Personen sollten mutmaßliche Mitglieder
der Gruppierung „Anti-Antifa Ostthüringen“ bzw. „Thü-
ringer Heimatschutz“ sowie deren Untergruppierungen
mit der Bezeichnung „Kameradschaften“ in Jena, Gera
und Saalfeld sein. Als Anführer oder Organisatoren ver-
mutete das LKA Tino Brandt und Mario B. Bei der „Ka-
meradschaft Jena“ war als einzige Person André Kapke
aufgeführt. Ziel dieser mutmaßlichen kriminellen Verei-
nigung sei u. a. die gewaltsame Beseitigung des bestehen-
den Staatsgefüges und die Übernahme der Macht.
527
Am
23. August 1996 wurde das Verfahren auf die Person Kai
D. erweitert.
528
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren
nicht Beschuldigte in diesem Verfahren.
Der damals zuständige Staatsanwalt, der Zeuge Schultz,
hat zu diesem Verfahren ausgeführt:
524) Maßnahmeplan vom 14. Mai 2001, MAT A TH-9/27, Bl. 92 ff.
525) Protokoll zur Besprechung am 3. Juni 2002 (Entwurf, nicht
unterzeichnet), MAT A TH-9/27, Bl. 1 f.
526) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 58.
527) Bericht vom 13. November 1995, MAT A TH-2/41, Bl. 2 ff.
528) Abschlussbericht des LKA Thüringen vom 20. Oktober 1997,
MAT A TH-2/46, Bl. 653.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/14600
„Wir haben einmal ein Verfahren geführt wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen eine
Anzahl Rechtsradikaler, also überwiegend aus dem
Raum Saalfeld-Rudolstadt. Dieses Verfahren dau-
erte ungefähr zwei Jahre lang. Wir konnten am
Ende nach diversen Maßnahmen wie Beobachtun-
gen, Observationen letzten Endes keinen Beweis
dafür erbringen, keine konkreten Beweise, dass ei-
ne Vereinigung, der ,Thüringer Heimatschutz‘
oder die ‚Kameradschaft‘ oder wer auch immer,
gegründet worden wäre mit dem Zweck, Straftaten
zu begehen. Zwar haben einzelne Mitglieder oder
einzelne Leute, die wir den Vereinigungen zuord-
nen, alleine oder gemeinsam Straftaten begangen.
Aber dass diese Vereinigung jetzt zu dem Zwecke
gegründet worden war, Straftaten zu begehen, ha-
ben wir nicht feststellen können. Es gab öfter mal
Beobachtungen, dass im Wald Kriegsspiele veran-
staltet wurden oder öfter mal Treffen von Rechten
waren, aber unterm Strich hatten wir keine Perso-
nen. Zum Beispiel bei diesen Kriegsspielen im
Wald hatten wir keine Namen. Bei allen wesentli-
cheren Aktionen außer den Treffen hatten wir auch
keine Namen von Personen und auch keinen Be-
weis dafür, dass da aufgrund der Struktur der
Gruppe die Straftaten begangen wurden. Und des-
halb habe ich das Verfahren nach ungefähr zwei
Jahren einstellen müssen.“529
Einer der beiden Hauptbeschuldigten, Tino Brandt, war
zwar Vertrauensperson des LfV Thüringen. Den Ermitt-
lungsbehörden war dies jedoch nicht bekannt.
530
Der Abschlussbericht des LKA Thüringen vom 20. Okto-
ber 1997 führt unter der Überschrift: „Aktuelle Straftaten“
u. a. aus:
„Besonders erwähnenswert ist eine Straftatenserie
vom Jahreswechsel 1996/1997. Im Zeitraum vom
30.12.1996 bis 02.01.1997 wurden in insgesamt
drei Fällen Briefbombenattrappen in der Stadt Jena
abgelegt. Betroffen waren dabei die Lokalredakti-
on der TLZ, die Stadtverwaltung Jena sowie die
Polizeidirektion Jena. Im Rahmen der Ermittlun-
gen wurden insgesamt 15 Beschuldigte ermittelt.
Für eine festgestellte Speichelspur kam u. a. der
Beschuldigte Kapke in Frage. Das Verfahren wur-
de durch die Staatsanwaltschaft Gera einge-
stellt.“531
Zusammenfassend kam das LKA zu dem Ergebnis, dass
Strukturen im Sinne von § 129 StGB nicht nachgewiesen
werden konnten.
532
Die Staatsanwaltschaft Gera stellte
mit Verfügung vom 10. November 1997 das Ermittlungs-
verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Zur Begründung
führte sie – dem LKA teilweise nicht folgend – aus, dass
529) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 30.
530) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 5 f.
531) MAT A TH-2/46, Bl. 652 ff., 659.
532) MAT A TH-2/46, Bl. 663.
es sich zwar bei den überprüften Organisation um Verei-
nigungen im Sinne des § 129 StGB handeln möge; es sei
allerdings kein Nachweis zu erbringen gewesen, dass
deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist,
Straftaten zu begehen. Die Beschuldigten seien zwar im
genannten Zeitraum mehrfach – überwiegend im Bereich
von Gewalt- und Propagandadelikten – straffällig gewor-
den, ein Nachweis dafür, dass Straftaten von dieser Ver-
einigung bzw. den Vereinigungen ausgingen, sei jedoch
nicht möglich gewesen.
533
b) Weitere „Strukturermittlungen“
Mit Erlass des Thüringer Innenministeriums vom 3. Au-
gust 2000 wurde das LKA Thüringen gebeten, „Struktur-
ermittlungen“ gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ zu führen und gemeinsam mit der
Thüringer Generalstaatsanwaltschaft zu prüfen, ob die
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Ver-
dachts einer Straftat nach § 129 StGB möglich ist. Am
7. August 2000 kam es zur Bildung der Sonderkommissi-
on „Rechte Gewalt“ (ReGe). Die in einem Zeitraum von
etwa einem Jahr durchgeführten Vorermittlungen ergaben
17 Personen als führende Mitglieder und etwa 200 Perso-
nen, die in Untergruppierungen mit den Namen „Kame-
radschaft“, „Sektion“ oder „Nationaler Widerstand“ orga-
nisiert waren. Carsten Schultze und Ralf Wohlleben wer-
den im Abschlussbericht des LKA Thüringen vom
31. August 2001 als Führungspersonen des „Thüringer
Heimatschutzes“ im Bereich Jena bezeichnet. In diesem
Abschlussbericht heißt es als Fazit:
„Nach hiesiger Bewertung begründen die vorlie-
genden Erkenntnisse keinen Anfangsverdacht, ein
Ermittlungsverfahren gegen den ,Thüringer Hei-
matschutz‘ wegen der Bildung einer kriminellen
Vereinigung einzuleiten. Gewisse Indizien (Uni-
form, Glatze, Bomberjacke usw.) sprechen dafür,
dass die Einzelpersonen untereinander in Bezie-
hung stehen, dass sie sich als einheitlicher Ver-
band fühlen. Anhaltspunkte für die Unterordnung
des Willens des Einzelnen unter den Willen der
Gesamtheit sind hingegen für die Erfüllung des
Tatbestandes nicht hinreichend belegt.
Der ‚Thüringer Heimatschutz‘ ist nach jetzigem
Verständnis eine rechte politische Plattform. Do-
minierend ist gegenwärtig Patrick W. als Einzel-
person, welcher mit wechselndem Erfolg versucht,
rechte Kräfte zu bündeln.
Ein im Sinne des § 129 StGB herausragendes Er-
eignis, wie der Sprengstoffanschlag auf den Dö-
ner-Imbiss T. am 09.08.2000 in Eisenach, wird
Patrick W. durch den Angeklagten Robert H. ange-
lastet, der Beweis dazu wurde aber noch nicht ge-
führt.
Am 12.07.2001 erfolgte eine Abstimmung mit der
Staatsanwaltschaft Gera, StA P., wobei dieser in-
533) MAT A TH-2/46, nach Bl. 663.
Drucksache 17/14600 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
formierte, dass aus seiner Sicht der § 129 StGB
bisher nicht erfüllt ist. Ein schriftliches Ergebnis
wird im September 2001 vorliegen.“534
Mit Schreiben vom 1. November 2001 teilte die Staats-
anwaltschaft Gera dem LKA Thüringen mit, dass ein
Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen
Vereinigung gem. § 129 StGB nicht eingeleitet werde.
535
4. Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaf-
ten in Thüringen, insbesondere in Verfah-
ren gegen mutmaßliche Mitglieder des
„Thüringer Heimatschutzes“
Dem Ausschuss fiel auf, dass eine Vielzahl von Verfahren
gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimat-
schutzes“ (THS) eingestellt wurde. Eine 33-seitige Über-
sicht der Polizei vom 16. Januar 2001 enthält eine Auf-
stellung von Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des
„THS“ von 1993 bis 2000 wegen Delikten, die im Zu-
sammenhang mit deren rechtsextremer Gesinnung stehen.
Über den Verfahrensausgang wurde in etwa 90 Fällen die
Einstellung des Verfahrens, lediglich in vier Fällen eine
Verurteilung, in weiteren vier Fällen eine Anklage sowie
in ebenfalls vier Fällen Freispruch vermerkt. In etwa 25
Fällen fehlt die Angabe über den Verfahrensausgang.
536
Auf den Vorhalt, ob er verstehe, wenn manche Bürger
sagten, sie hätten in den 90er-Jahren den Eindruck gehabt,
dass Neonazis fast Immunität hätten, hat der damals in der
Abteilung für politische Straftaten der Staatsanwaltschaft
Gera tätige Zeuge Schultz geantwortet:
„Das kann ich nicht verstehen, weil wir jedes Ver-
fahren sehr, sehr sorgfältig bearbeitet haben, weil
wir angeklagt haben, was möglich war. […] Ich
wollte gerade den Tino Brandt unbedingt hinter
Gitter bringen. Ich habe auch Sachen zur Anklage
gebracht mit sehr wackeligem Beweisergebnis, mit
dem Ergebnis, dass das dann vor Gericht einen
Freispruch oder eine Einstellung vor Gericht gab.
Es ist so, dass die Beweislage […] bei Gewalttaten
öfter sehr schwierig ist, dass sie auch bei Propa-
gandadelikten sehr, sehr schwierig ist. Wir haben
eingesperrt, was ging. Wir haben ermittelt, was
ging. Wir haben angeklagt, was ging.“537
Der Zeuge ist auch zu einem Schreiben des Thüringer
Innenministeriums an das Thüringer Justizministerium
vom 17. Mai 1997 befragt worden. Dieses Schreiben
drückt die Sorge des Innenministeriums über die Einstel-
lungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen aus,
u. a. bei Deliktsgruppen, die typischerweise von rechts-
534) MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 197 ff., 212 f.
535) MAT B TH-3, Dateiname: 2862.00-26-1997 (Band 2) - mT.pdf,
Bl. 353 f.
536) MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf,
Bl. 283 ff.
537) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 16.
extremen Personen begangen würden.
538
Dort heißt es
unter anderem:
„Das Thüringer Innenministerium möchte der Jus-
tiz, insbesondere auch den Staatsanwaltschaften,
natürlich nicht das Recht absprechen, in geeigne-
ten Fällen einer [von einem Gericht angeregten]
Einstellung zuzustimmen. Solange jedoch in be-
stimmten Rechtsbereichen – wie hier im Bereich
‚Rechts‘ – die Zahlen der Delikte und der Gewalt-
bereitschaft […] unentwegt von Jahr zu Jahr zu-
nehmen, können wir es uns aus politischen Grün-
den in der nächsten Zeit kaum noch leisten, in sol-
chen Fällen wegen ‚Geringfügigkeit‘ einzustellen.
Denn damit werden wir auf Dauer unglaubwürdig.
Nicht vergessen werden darf dabei auch die Tatsa-
che, dass die Polizei und Verfassungsschutz bei ih-
ren Ermittlungen u. U. erhebliche Anstrengungen
unternommen haben, um in diese Szene einzudrin-
gen und entsprechende Straftaten zu ermitteln; und
wenn dann keine Sanktionen des Staates folgen,
wird dies auch noch als Schwäche (‚des Systems‘)
ausgelegt.“
Der Zeuge Schultz hat ausgesagt, dass er dieses Schreiben
nicht kenne. Das Thüringer Justizministerium habe nicht
um Erklärung, Rechtfertigung oder Ähnliches gebeten.
Darüber hinaus hat er zu diesem Schreiben ebenfalls
angegeben:
„Wir haben angeklagt, was ging. Was wir einge-
stellt haben, das mussten wir einstellen, weil ein
Tatnachweis nicht zu erbringen war, bzw. wenn
Sie ‚Einstellung‘ sagen, kommt dazu, dass es ver-
schiedene Arten der Einstellung gibt. Wenn es eine
Einstellung nach § 170 Abs. 2 Strafprozess-
ordnung ist, dann ist ein Tatnachweis nicht zu füh-
ren. Es gibt aber auch andere Einstellungen: nach
§ 153, nach § 154, nach § 153a [StPO] und, und,
und. Das läuft allgemein auch unter dem Gesichts-
punkt ‚Einstellung‘, ist aber nicht immer gleichzu-
setzen mit ‚Tatnachweis nicht zu führen‘.“539
5. Gräfenthal-Verfahren
Am 27. Januar 1996, gegen 1 Uhr, kam es in einer Gast-
stätte in Gräfenthal, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, zu
einer Schlägerei, an der eine Vielzahl junger Personen aus
dem rechten Spektrum beteiligt war. Nachdem die Staats-
anwaltschaft am 28. Juni 1996 gegen Tino Brandt und elf
weitere Angeschuldigte Anklage vor dem Amtsgericht
Rudolstadt, Jugendschöffengericht, erhoben hatte
540
,
erging am 30. September 1997 das Urteil in erster Instanz.
Zum Sachverhalt wurde hier festgestellt:
538) MAT B TH-3, Dateiname: 2131-7-1997 -mT.pdf, Bl. 2 ff.
539) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 54 f.
540) MAT A TH-2/54, Bl. 40 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/14600
„Kurz nach Mitternacht begaben sich am 27. Janu-
ar 1996 etwa gegen 0.30 Uhr die Angeklagten Tino
Brandt, […] sowie weitere Angehörige der rechts-
orientierten Szene unter Benutzung von mehreren
Personenkraftwagen von Neuhaus am Rennweg
nach Gräfenthal in das dortige Gasthaus
,Schützenhaus‘. In dieser Gaststätte fand zu die-
sem Zeitpunkt eine Discotheken- bzw. Tanzveran-
staltung statt.
Die vorgenannte Gruppe hatte sich zunächst im
Jugendclub in Neuhaus am Rennweg getroffen,
dort reifte unter der Gruppe der Entschluss, nach
Gräfenthal in das ,Schützenhaus‘ zu fahren, um
dort bei dieser Diskothekenveranstaltung, von der
bekannt war, dass diese auch von linksorientierten
Kreisen besucht wird, Spaß zu haben und gegebe-
nenfalls ,Zecken aufzuklatschen‘.
Der Angeklagte Sebastian P. trug zu diesem Zeit-
punkt ein Aluminiumrohr versteckt bei sich, wel-
ches er zuvor aus dem PKW des Zeugen Ivo S.,
mit dem der Angeklagte P. nach Gräfenthal gefah-
ren war, geholt hatte.
Nach der Ankunft vor dem ,Schützenhaus‘ in
Gräfenthal begab sich die der ,rechten Szene‘ zu-
zuordnende Gruppe in einer Stärke von ca. 15 bis
20 Personen in die Gaststätte und verteilte sich
dort. Mindestens 15 Personen dieser Gruppe, da-
runter die Angeklagten Tino Brandt, […] gingen
die dortige Treppe hinauf, gelangten in die soge-
nannte ,Bierschwemme‘ - einen von der übrigen
Gaststätte räumlich getrennten Bereich, in dem
Bier ausgeschenkt wurde, - und stellten sich an die
dortige Biertheke. Der in der Gruppe befindliche
Angeklagte Sebastian P. hatte zuvor die von ihm
mitgeführte Aluminiumstange bei der Garderobe
im Eingangsbereich versteckt.
Die 15 an der Biertheke befindlichen Angehörigen
der zuvor bezeichneten Gruppierung verlangten
nunmehr von dem am Ausschank tätigen Zeugen
Mike B., dass er ihnen Bier ausschenken sollte.
Dies wurde seitens des Zeugen B. verweigert, da
die Veranstaltung kurz vor ihrem Ende stand und
der Wirt der Gaststätte, der Zeuge Thomas W., an-
gewiesen hatte, aus diesem Grunde keine weiteren
Getränke auszuschenken.
Aufgrund der hartnäckigen Weigerung des Zeugen
B., kein Bier mehr zu verkaufen, kam es aus dieser
Gruppe von ca. 15 Personen heraus, die fast alle
bereits in einem erheblich angetrunkenen Zustand
in die Gaststätte gelangt waren und auf die Weige-
rung sehr aggressiv und gereizt reagierten, durch
ein einverständliches Zusammenwirken zu tumult-
artigen Szenen und Ausschreitungen. Infolge der
Ausschreitungen kam es durch die vorgenannten
Mitglieder dieser Gruppierung zumindest zu – von
der Gruppe gebilligten und in Kauf genommenen –
Körperverletzungen und Sachbeschädigungen,
wodurch die Sicherheit der anwesenden Gäste
massiv gefährdet wurde.
Um die Aggressivität seiner angetrunkenen Beglei-
ter weiter anzuheizen, schrie der Angeklagte Tino
Brandt bewusst der Wahrheit zuwider in die Men-
ge, dass der Zeuge B. geäußert hätte, dass ,die Re-
publikaner-Schweine kein Bier kriegen‘, wobei der
Angeklagte Brandt dies in der Absicht tat, die Ag-
gressivität der rechtsgerichteten Gruppe weiter zu
steigern bzw. diese Personen noch mehr aufzuhet-
zen. Unter dem Eindruck dieser Äußerungen des
Angeklagten Brandt, der sich der Wirkung seiner
Äußerungen auf die alkoholisierten Mitglieder der
rechtsgerichteten Gruppe durchaus bewusst war,
wurde der Zeuge B. sodann durch den o. g. Perso-
nenkreis massiv bedroht. Um ihrer Forderung nach
dem Ausschank von Bier Nachdruck zu verleihen,
wurde er von bislang unbekannt gebliebenen Per-
sonen dieser rechten Gruppe festgehalten und ge-
schubst. Unmittelbar im Rahmen dieses Gesche-
hensablaufs wurde von dem gesondert Verfolgten
Norman R., der der rechtsorientierten Gruppe an-
gehörte und zu diesem Zeitpunkt auch bereits stark
alkoholisiert war, eine leere Bierflasche auf der
Theke direkt beim Spülbecken aufgeschlagen. So-
dann drohte der gesondert Verfolgte Norman R.
dem Zeugen B., dass er, falls kein Bier ausge-
schenkt wird, alles zerschlagen würde.
Parallel zu den vorgenannten Ereignissen wurden
durch unbekannt gebliebene Mitglieder der vorge-
nannten Gruppe Aschenbecher von den Tischen
geschmissen, mit Gläsern und Bierflaschen gewor-
fen sowie Tische und Stühle umgeworfen.
Aus dem Kreis der rechtsorientierten Gruppe, die
durch ihr äußeres Erscheinungsbild (Bomberja-
cken, Springerstiefel und Kurzhaarschnitte) auch
als geschlossene Gruppe sich von den übrigen
Gästen abhob, wurde sodann der Zeuge Sven K.
von drei oder vier nicht identifizierten Mitgliedern
am Kragen festgehalten, wobei einer ihm mit dem
Kopf gegen die Augenbrauen stieß und die o. g.
unbekannten Täter ihm noch weitere Kniestöße in
die Magengegend versetzten, so dass er zu Boden
ging. Aufgrund des Kopfstoßes erlitt der Zeuge K.
eine Platzwunde.
Der Zeuge Marco F. wurde währenddessen eben-
falls von unerkannt gebliebenen Tätern, die dieser
rechten Gruppierung angehörten, an der Treppe,
die sich ca. 2 bis 3 Meter entfernt von der Bierthe-
ke befand, gegen die Wand geschlagen, wobei der
Zeuge F. danach blutete. […]
In diesem Szenario grölte und brüllte die rechtsge-
richtete Gruppe Lieder und Parolen mit sogenann-
ten ,rechten Inhalten‘, wobei in den Texten u. a.
die Begriffe ,Adolf Hitler‘, ,Sieg heil‘ und ,SA
marschiert‘ enthalten waren. Während des Ge-
schehens erklärte der Angeklagte Sebastian P. ge-
genüber dem Zeugen Andreas S. auf dessen Frage,
„was das solle“, dass „alle fallen werden“.
Drucksache 17/14600 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nachdem die Ausschreitungen in der Gaststätte
abgeklungen waren, begab sich die Mehrzahl der
Mitglieder der vorgenannten rechten Gruppierung
nach draußen vor die Gaststätte. Dort trafen sie auf
die Zeugin Nicole F. und den Zeugen Maurice P.,
der sich gerade auf dem Weg zur Gaststätte
‚Schützenhaus‘ befand, um die Zeugin Nicole F.
nach Hause zu fahren.
Die Angeklagten Angela H. und Simone O. stürz-
ten nun, nachdem sie von dem Zeugen Michael Z.
angestachelt worden waren, auf die Zeugin Nicole
F. zu, bedrängten diese, stießen sie vor sich her
und schlugen sie mit der Hand in das Gesicht bzw.
in den Halsbereich. Die Angeklagte Simone O.
sprühte unmittelbar danach der Zeugin F. mehr-
fach mit Reizgas aus ca. 20 Zentimeter Entfer-
nung, in das Gesicht, wodurch die Zeugin die Ori-
entierung verlor, ins Stolpern kam und zu Boden
fiel. Auf dem Boden liegend wurde die Zeugin F.
sodann von den Angeklagten Angela H. und Simo-
ne O. nochmals mehrfach geschlagen und mit dem
beschuhten Fuß in den Bauch- und Schienbeinbe-
reich getreten.
Dadurch erlitt die Zeugin Nicole F. erhebliche
Verletzungen, insbesondere waren die Bindehäute
der Augen aufgrund des Reizgases stark gerötet,
das linke Auge war angeschwollen, die linke
Wange und der Naseneingang waren gerötet und
am linken Oberschenkel erlitt die Zeugin ein grö-
ßeres Hämatom.
Als die aus der Gaststätte herauskommenden Mit-
glieder der rechtsorientierten Gruppierung vor dem
‚Schützenhaus‘ den Zeugen Maurice P. sahen und
ihn aufgrund seiner ,Irokesenfrisur‘ als vermeintli-
chen ,Linken‘ erkannten, wurde dieser zunächst
lautstark beschimpft und bedrängt. Der Angeklagte
Sebastian P., der zu diesem Zeitpunkt sich in ei-
nem deutlich alkoholisierten Zustand befand, be-
gab sich währenddessen zur Garderobe und holte
die dort deponierte Aluminiumstange.
Als dieser zurückkam und der Zeuge P. bereits ei-
nige Schläge von den Tätern erhalten hatte, ver-
suchte der Zeuge zu flüchten. Die Angeklagten
Sebastian P. […] verfolgten den Zeugen P. Als die
Angeklagten Sebastian P., […] den Zeugen ge-
stellt hatten, umringten sie denselben, schlugen
und traten abwechselnd, aber auch gemeinschaft-
lich handelnd, auf den Zeugen ein, der aufgrund
der Schläge und der Fußtritte zu Boden ging. Am
Boden liegend wurde auf den Zeugen weiter einge-
treten und geschlagen. Der Angeklagte Sebastian
P. benutzte hierbei das mitgeführte Aluminium-
rohr und schlug mit diesem mehrmals auf den
Zeugen P. - auch auf dessen Kopf - ein. Der Zeuge
P. erlitt hierbei schwerste Verletzungen […].
Erst als eine unbekannte Person rief, dass die Poli-
zei gerufen wurde, ließen die Angeklagten Sebas-
tian P. […] von dem Zeugen P. ab und verließen
den Tatort.“541
Sieben Personen, darunter Tino Brandt wurden zu Frei-
heits- bzw. Jugendstrafen, teilweise auf Bewährung verur-
teilt, drei Angeklagte wurden freigesprochen, gegen zwei
Angeklagte (Norman und Maik R.) wurde das Verfahren
abgetrennt. Hinsichtlich der meisten Personen wurde das
Urteil rechtskräftig, allerdings nicht gegen Tino Brandt
und zwei weitere Personen.
Zum Ablauf der Hauptverhandlung hat der Zeuge Schultz
ausgesagt:
„Details weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber, dass
das Verfahren ganz lange gedauert hat und ganz
viele Zeugen vernommen wurden. Dass Polizisten
oder irgendjemand gebeten wurde, sich kurzzufas-
sen, das habe ich nicht in Erinnerung. Ich bin dort
acht oder zehn Wochen nach Rudolstadt gefahren.
Also, das war kein kurzes Verfahren. Das war ein
umfangreiches, langes Verfahren mit umfang-
reicher Beweisaufnahme.“542
Die abgetrennten Verfahren gegen Norman und Maik R.
stellte das Amtsgericht Rudolstadt im September/Oktober
1999 ein. Das Gericht wendete mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft die Ermessensvorschriften der §§ 153
und 154 StPO an: Das Verfahren gegen Maik R. wurde
wegen geringer Schuld gem. § 153 Abs. 2 StPO einge-
stellt.
543
In dem Verfahren gegen Norman R. erfolgte eine
Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO, da er in einem ande-
ren Verfahren mittlerweile zu einem Jahr Jugendstrafe auf
Bewährung verurteilt worden war
544
und „um ein weiteres
langwieriges Strafverfahren mit äußerst ungewissem
Ausgang zu vermeiden“545. Der Leitende Oberstaatsan-
walt in Gera merkte in einem Bericht an das Thüringer
Justizministerium hierzu an:
„Insgesamt kann, hier bin ich mit Dezernent und
Abteilungsleiter einig, die Verfahrensbehandlung
durch die Gerichte meines Erachtens nicht befrie-
digen. Allein der Zeitfaktor bringt hier immer wie-
der Verfahren zum Scheitern, was gerade im
rechtsradikalen Milieu kriminalpolitisch höchst
problematisch erscheint. Der Aspekt der Verfah-
rensdauer wurde mit dem Landgerichtspräsidenten
wiederholt angesprochen.“546
541) MAT A TH-2/54, Bl. 90 ff., 106 ff.
542) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 28.
543) Beschluss des AG Rudolstadt vom 11. Oktober 1999, MAT A
TH-2/54, Bl. 160.
544) Beschluss des AG Rudolstadt vom 21. September 1999, MAT
A TH-2/54, Bl. 159.
545) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom 2. November 1999,
MAT A TH-2/54, Bl. 157 f.
546) Bericht vom 2. November 1999, MAT A TH-2/54, Bl. 157 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/14600
Nach mehrmaligen Sachstandsanfragen der Staatsanwalt-
schaft Gera und Vertröstungen des Landgerichts Gera
547
fand die Berufungshauptverhandlung gegen Tino Brandt
und die beiden weiteren Personen erst ab dem 28. Mai
2001 statt. Bei einer Person wurde die Freiheitsstrafe
nunmehr zur Bewährung ausgesetzt, da der Verurteilte
sich seit der Tat straffrei geführt hatte. Mit Urteil vom
25. Juni 2001 wurden Brandt und eine weitere Person
freigesprochen. Zur Begründung des Freispruchs von
Tino Brandt heißt es:
„Auch die Voraussetzungen einer Teilnahme in
Form der Anstiftung oder der Beihilfe lagen nach
den getroffenen Feststellungen beim Angeklagten
Brandt nicht vor. Es konnte lediglich nachgewie-
sen werden, dass der Angeklagte Brandt an der
Theke im Beisein mehrerer Personen aus der
Gruppe laut äußerte, der Wirt habe ihm gesagt, die
Republikaner-Schweine kriegen kein Bier. Mit
dieser Äußerung hatte er weder einen hinreichend
bestimmten Täter zu einer hinreichend bestimmten
Haupttat bestimmt noch hatte er hiermit einem be-
stimmten Täter zu dessen bestimmter Tat zumin-
dest psychische Beihilfe geleistet.
Dies könnte allenfalls angenommen werden, wenn
die Gruppe an der Theke die an alle gerichtete Äu-
ßerung des Angeklagten Brandt als ‚Startzeichen‘
aufgefasst und daraufhin einzelne Personen tatbe-
standliche Handlungen begangen hätten oder wenn
durch die Äußerung bei einzelnen Personen das
Gefühl, dass die Gruppe hinter ihnen stehe, ver-
stärkt worden wäre und dies ihre Handlungsbereit-
schaft erhöht hätte. Für eine solche Annahme
sprach allein, dass der Zeuge Norman R. zeitlich
unmittelbar nach der Äußerung des Angeklagten
Brandt, der in der Gruppe eine Führungsposition
innehatte, eine Bierflasche auf der Theke zerschlug
und dem Zeugen B. mit den Worten drohte, er
werde alles zerschlagen, wenn kein Bier ausge-
schenkt werde. Die zeitliche Einordnung der übri-
gen Handlungen - Drohung gegenüber dem Zeu-
gen W. bzw. Fußtritt gegen den Zeugen K. - konnte
in diesem Zusammenhang nicht aufgeklärt werden.
Gegen die Annahme, dass der Angeklagte Brandt
mit seiner Äußerung einen anderen zu einer Tat
bestimmte bzw. eine fremde Tat förderte, sprach
zunächst, dass es zu keinen weiteren Handlungen
kam. Obwohl die Personen aus der ‚rechten‘
Gruppe an der Theke in der Übermacht waren,
verhielten sie sich im weiteren Verlauf friedlich.
Darüber hinaus war schließlich nicht nachweisbar,
dass der Angeklagte Brandt die Äußerung mit dem
erforderlichen Anstifter- bzw. Gehilfenvorsatz tä-
tigte. Der Vorsatz des Teilnehmers einer Tat setzt
sowohl bei der Anstiftung als auch bei der Beihilfe
voraus, dass dem Teilnehmer der Täter und die
547) Vgl. Bericht vom 21. September 1999, MAT A TH-2/54, Bl.
155; Bericht vom 23. November 2000, MAT A TH-2/54, Bl.
171.
Tat, an der er teilnimmt, wenigstens in Umrissen
bekannt sind.
Dies war vorliegend nach den in der Berufungs-
hauptverhandlung getroffenen Feststellungen nicht
der Fall gewesen. Es war für den Angeklagten
Brandt völlig ungewiss, ob und gegebenenfalls
welche Reaktion auf seine Äußerung hin erfolgte.
Mag er auch billigend in Kauf genommen haben,
dass seine Äußerung zu aggressiven Reaktionen
von Personen aus der Gruppe führen würde, so
konnte er jedenfalls nicht damit rechnen, dass der
Zeuge Norman R. auf dem Tresen eine Flasche
zerschlug und dem Zeugen B. gegenüber sinnge-
mäß mit den Worten drohte, er werde alles zer-
schlagen, wenn kein Bier ausgeschenkt werde.
Ferner hatten die in der Berufungshauptverhand-
lung getroffenen Feststellungen nicht ergeben,
dass der Angeklagte Brandt auf eine Menschen-
menge einwirkte, um ihre Bereitschaft zu Gewalt-
tätigkeiten oder Bedrohungen zu fördern (3. Alt.).
Dem Angeklagten Brandt war auch ein aufwiegle-
rischer Landfriedensbruch nicht mit der erforderli-
chen Sicherheit nachzuweisen.
Zwar war die Äußerung des Angeklagten Brandt,
der Wirt habe ihm gesagt, die Republikaner-
Schweine kriegen kein Bier, objektiv geeignet, die
vor der Theke stehenden Personen aus der ‚rech-
ten‘ Gruppierung gegen den Wirt aufzubringen. Im
Anschluss an diese Äußerung kam es auch zu den
oben genannten tatbestandlichen Handlungen
durch den Zeugen Norman R. Es konnte jedoch
nicht bewiesen werden, dass der Angeklagte
Brandt mit der erforderlichen Absicht, die Bereit-
schaft der Menschenmenge zu Gewalttätigkeiten
und Bedrohungen zu fördern, handelte. Seiner ei-
genen Einlassung, der Einlassung des Angeklagten
W. und Zeugenaussagen war hierzu nichts zu ent-
nehmen. Es war daher weiter zu prüfen, ob eine
entsprechende Absicht aus äußeren Anhaltspunk-
ten abgeleitet werden konnte. Dafür sprach zu-
nächst, dass der Angeklagte Brandt als Wortführer
agierte und als solcher in der Gruppe offenbar
auch anerkannt wurde. Desweiteren war der Ange-
klagte Brandt nicht erheblich alkoholisiert, so dass
er die Wirkung seiner Äußerung auf die zum Teil
erheblich alkoholisierten Personen aus seiner
Gruppe abschätzen oder sogar berechnen konnte.
So musste ihm klar gewesen sein, dass der Begriff
‚Republikaner-Schweine‘, den der Zeuge B. an-
geblich gebraucht haben sollte, bei den Personen
an der Theke für Unruhe sorgen würde. Dass der
Angeklagte Brandt die Worte des Zeugen B. inso-
weit falsch wiedergab, lässt den Schluss zu, dass er
die Absicht hatte, die Personen aus seiner Gruppe
gegen den Zeugen B. aufzubringen und damit den
Druck auf den Zeugen B. zu erhöhen.
Gegen eine entsprechende Absicht des Angeklag-
ten Brandt sprachen nach Auffassung der Kammer
jedoch die gewichtigeren Argumente. So kam es
zu keiner konkreten Bedrohung oder zu körperli-
Drucksache 17/14600 – 106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen Angriffen gegenüber dem Thekenpersonal.
Weiterhin blieb es bei der eher geringfügigen
Sachbeschädigung der Theke durch den Zeugen
Norman R. Der Zeuge Norman R. wurde - wie be-
reits oben dargelegt - möglicherweise von Perso-
nen aus der eigenen Gruppe aus der ‚Bier-
schwemme‘ abgedrängt. Die weitere Drohung,
sich notfalls mit Gewalt Getränke zu holen, die -
wie bereits oben dargelegt - zeitlich nicht einge-
ordnet werden konnte, wurde im weiteren Verlauf
nicht in die Tat umgesetzt. Dabei wäre es ange-
sichts der Übermacht der Personen aus der ‚rech-
ten‘ Gruppierung für diese problemlos möglich
gewesen, die Theke zu stürmen und sich selbst mit
Bier zu versorgen.
Die Gruppe verließ im Gegenteil nach ca.
½ Stunde die Gaststätte, ohne dass es zum Aus-
schank von Bier gekommen war. Schließlich
sprach auch die Persönlichkeit des Angeklagten
gegen eine entsprechende Absicht, da er den Ein-
druck einer nicht aggressiven, eher im Hintergrund
wirkenden Person erweckte, die nicht unüberlegt
ein Risiko eingeht. Dazu passte nach Überzeugung
der Kammer die Teilnahme an einer nicht politisch
motivierten, spontanen Gewalttat nicht.
Aus diesen Gründen kam die Kammer zu dem Er-
gebnis, dass sich der Angeklagte Brandt nicht ei-
nes Landfriedensbruchs strafbar gemacht hat.“548
Die Staatsanwaltschaft Gera legte gegen das Urteil zu-
nächst Revision ein, nahm diese aber zurück, nachdem ihr
die schriftlichen Urteilsgründe mitgeteilt worden wa-
ren.
549
Zum Verdacht der Einflussnahme des Verfassungsschut-
zes auf dieses Verfahren wird auf die Ausführungen zu
Tino Brandt im Abschnitt D. I. 6.a) kk) aaa) verwiesen.
IV. Beobachtung des „Thüringer Heimat-
schutzes“ durch staatliche Stellen
1. Operation „Rennsteig“
Der Ausschuss hat sich für die Operation „Rennsteig“
zum einen wegen der Bemühungen des Verfassungs-
schutzes, den „Thüringer Heimatschutz“ aufzuklären,
interessiert, zum anderen wegen der Vernichtung von
Akten
550
, die im Zusammenhang mit dieser Operation
stehen.
a) Entstehung der Operation „Rennsteig“
Nach Angaben des Zeugen Lingen, Mitarbeiter des BfV,
sei 1996 mit der Operation „Rennsteig“ konzeptionell
548) MAT A TH-2/54, Bl. 188 ff., 249 ff.
549) Bericht vom 19. September 2001, MAT A TH-2/54, Bl. 187.
550) Dazu siehe unten.
begonnen worden. Ab 1997 sei man dann auch zusammen
mit dem MAD operativ vorgegangen, um Quellen zu
werben.
551
Am 5. Januar 1996 bat die Projekteinheit II 2 C (Unorga-
nisierte Militante, insbesondere Skinheads) im Projektbe-
reich II 2 (Neonazistische Aktivitäten) die Beschaffungs-
projekteinheit um die Werbung einer Quelle „im Bereich
der militanten rechtsextremistischen Szene im Raum
Rudolstadt/Saalfeld (Thüringen), die unter dem Namen
„Anti-Antifa Ostthüringen“ auftritt“. Begründet wurde der
Wunsch zum einen mit der Einleitung des Ermittlungsver-
fahrens im Herbst 1995 wegen Bildung einer kriminellen
Vereinigung, zum anderen mit Kontakten von führenden
Aktivisten der Gruppierung ins Ausland. Die durch eine
Quelle des LfV Thüringen (vermutlich „2045“ – Tino
Brandt) beschafften Informationen seien nicht ausrei-
chend.
552
Zum Zustandekommen der Operation „Rennsteig“ hat der
damalige Abteilungsleiter Rechtsextremismus im BfV,
der Zeuge Cremer, ausgeführt:
„Das ging zunächst einmal von Gesprächen zwi-
schen dem MAD und dem Referat aus, das zustän-
dig war für den ,Thüringer Heimatschutz‘, also das
Referat, was für gewaltbereiten Rechtsextremis-
mus zuständig war. Die Kollegen unterhielten sich,
dass der MAD Soldaten befragt und dass man auf-
grund dieser Befragung interessante Hinweise auf
mögliche Zielpersonen gewinnen kann. Und diese
Anfangsüberlegungen mündeten dann in Gesprä-
che mit der Landesbehörde Thüringen, in gemein-
same Gespräche, und dann schließlich in For-
schungs- und Werbungsoperationen, die dann in
unserem V-Mann-Führungsreferat bearbeitet wur-
den.“553
Die Überlegungen zur Beteiligung des MAD hat der Zeu-
ge Huth – damaliger Leiter der Abteilung Rechtsextre-
mismus im MAD – zusammen gefasst:
„Wir hatten sehr viele Bundeswehrangehörige oder
künftige Bundeswehrangehörige in diesem Be-
reich. […] Das ist einfach eine Frage der Alters-
struktur. Dieser neue ‚Thüringische Heimatschutz‘
setzte sich zusammen aus jungen Männern im Al-
ter von 18 bis 22 Jahren. Das ist unsere Wehr-
pflichtklientel gewesen. Von daher war die Wahr-
scheinlichkeit sehr hoch. Und es waren auch eben
[…] über die Gesamtlaufzeit des ,Thüringischen
Heimatschutzes‘ bestimmt 20 oder mehr Soldaten
mal in diesem ,Thüringer Heimatschutz‘ aufgefal-
len.“554
551) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 20 (nichtöffentlich).
552) Schreiben vom 5. Januar 1996, MAT A BfV-11 (Tgb.-Nr.
31/12 – GEHEIM), Anl. 01, Bl. 5 f.
553) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 70.
554) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/14600
„Nach meiner Erinnerung waren das Bundesamt
und Thüringen zusammen durch Besprechungen
der Auffassung, hier müsste man bündeln, weil un-
terschiedliche Verfassungsschutzbehörden hier In-
formationen hatten, und das müsste einen Namen
bekommen. Und das war ja die Operation
,Rennsteig‘ des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz und Thüringens. Wir haben als MAD, wenn
wir Informationen hatten, unter diesem Titel In-
formationen geliefert.“555
Hinzu sei gekommen, dass der „THS“ einen sehr großen
Sympathisantenkreis gehabt habe, in Spitzenzeiten 200
oder 250 Personen. In der übrigen Bundesrepublik habe
es nur kleinere Gruppen gegeben.
556
Laut einem Vermerk des BfV vom 2. September 1996
plante der MAD, 10-15 Personen zu rechtsextremisti-
schen Aktivitäten zu befragen. Da das LfV Thüringen
operatives Interesse an den zu befragenden Personen
äußerte, wurde mit dem MAD vereinbart, künftig in Ab-
sprache mit LfV/BfV vorzugehen. Es sollte eine koordi-
nierte Vorgehensweise zwischen MAD, LfV TH und BfV
erarbeitet werden.
557
Am 19. September 1996 wurde zwischen LfV TH, MAD
und BfV die koordinierte Vorgehensweise in der Operati-
on „Rennsteig“ besprochen. Das BfV skizzierte das Lage-
bild über die „Anti-Antifa-Ostthüringen“. Die Lageein-
schätzung wurde vom LfV Thüringen geteilt, während die
Vertreter des MAD die Ansicht vertraten, dass sich die
Gruppierung in Richtung Militanz und Gewaltaktionen
entwickele. Bis Ende 1996 sollten weitere sieben Ver-
dachtspersonen befragt werden.
558
Der Zeuge Lingen hat verneint, dass die Operation
„Rennsteig“ im Zusammenhang mit einer Mutmaßung
gestanden habe, dass es im Bereich des „Thüringer Hei-
matschutzes“ rechtsterroristische Bestrebungen gegeben
haben könne. Der „THS“ sei eine Kameradschaft unter
vielen, wenn auch eine sehr militante Kameradschaft
gewesen. Ansätze für Rechtsterrorismus habe man nicht
gesehen.
559
b) Gegenstand
Die von BfV, MAD und LfV Thüringen gemeinsam
durchgeführte Operation „Rennsteig“ hatte für jede der
beteiligten Behörden ein unterschiedliches Ziel:
So hat der Zeuge Cremer, von 1996 bis 2004 Abteilungs-
leiter Rechtsextremismus im BfV, ausgesagt, dass es bei
dieser Operation darum gegangen sei, in einer gemeinsa-
men Aktion von BfV, LfV Thüringen und MAD Quellen
555) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 6.
556) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.
557) Vermerk des BfV vom 2. September 1996, MAT A BfV-11,
(Tgb.-Nr. 31/12 – GEHEIM), Anl. 1 Ordner 1, Bl. 23 ff.
558) Vermerk des BfV, MAT A BfV-11, (Tgb.-Nr. 31/12 –
GEHEIM), Bl. 30 ff. (VS-VERTRAULICH).
559) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 43 (nichtöffentlich).
im Umkreis des „Thüringer Heimatschutzes“ zu gewin-
nen.
560
Der Zeuge Egerton, ebenfalls BfV, hat davon
gesprochen, dass darüber hinaus der Informationsaus-
tausch auswertungsseitig verstärkt werden sollte.
561
Demgegenüber hat der Zeuge Sippel, Präsident des LfV
Thüringen von 2000 bis 2012, die Operation generell auf
Werbungsmaßnahmen im Bereich Rechtsextremismus mit
Bezügen zur Bundeswehr bezogen:
„Für mich stellte sich das so dar, als geht es dabei
um gemeinsame Werbungsmaßnahmen vor allen
Dingen zwischen MAD und Thüringer Verfas-
sungsschutz im Bereich des Rechtsextremismus,
im Kern darum, Wehrpflichtige oder Zeitsoldaten,
die vor dem Ausscheiden ihres Dienstes, vor dem
Ablauf der Dienstzeit bei der Bundeswehr stehen,
abzuschöpfen oder für eine Zusammenarbeit mit
dem Verfassungsschutz zu gewinnen.“562
„Ich habe die Operation ,Rennsteig‘ in meiner
Amtszeit gesehen und verstanden als eine Maß-
nahme, die darauf abzielt, Bundeswehrangehörige,
die vor ihrer Entlassung stehen, abzuschöpfen, In-
formationen zu gewinnen, wenn sie aus dem
rechtsextremistischen Spektrum Thüringens ka-
men, sie zu befragen und gleichzeitig auch zu
überlegen, ob sie für eine Zusammenarbeit mit
dem Thüringer Landesamt als Quelle in Betracht
zu ziehen sind. Unter dem Gesichtspunkt habe ich
die Operation ,Rennsteig‘ verstanden. Das schließt
allerdings nicht aus, dass im Jahre 1997 die Ziel-
richtung eine ganz andere war, nämlich im Bereich
des ,Thüringer Heimatschutzes‘ Quellen zu wer-
ben, die Zugangslage zu verbessern. In meiner
Amtszeit hat das eine geringere Rolle gespielt. Der
,Thüringer Heimatschutz‘ war ja zu meiner Amts-
zeit dann schon fast in der Endphase.“563
Anders hat der Zeuge Brüsselbach, Präsident des MAD
von 2010 bis 2012, die Operation beschrieben. Er war von
1994 bis Anfang 1997 Leiter der Grundsatz- und Rechts-
abteilung des MAD-Amtes. Anschließend war er elf Jahre
im Bundesministerium der Verteidigung im Rahmen der
Dienstaufsicht über den MAD tätig, bevor er 2008 zu-
nächst als ständiger Vertreter des Amtschefs in das MAD-
Amt zurückkehrte.
564
Nach seiner Erinnerung war die
Operation „Rennsteig“ nicht eine Sammelaktion zur An-
werbung von Wehrpflichtigen, sondern eine gemeinsame
Aktion zur Sammlung von Informationen in Sachen
„Thüringer Heimatschutz“, „Kameradschaft Jena“ und
anderem.
565
560) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 65.
561) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 27.
562) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 150.
563) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 162.
564) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 8.
565) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 20.
Drucksache 17/14600 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Christmann – derzeitiger Abteilungsleiter
Rechtsextremismus im MAD – hat aus den Dokumenten
des MAD den Schluss gezogen:
„Der MAD hat nicht eine identische Zielsetzung
wie BfV und LfV Thüringen verfolgt mit der Ope-
ration ,Rennsteig‘, also das Ziel gehabt, Quellen zu
werben, […] sondern die Aufgabenerfüllung MAD
blieb tatsächlich dieselbe, nämlich aus Be-
fragungen oder aus Informationen einer Quelle, die
aber mit anderer Zielrichtung, nämlich in der Zu-
ständigkeit MAD geführt wurde, Informationen
beizutragen.“566
Dass die beteiligten Behörden unterschiedliche Aufträge
hatten, wird auch durch den Vermerk des MAD vom
10. Februar 2000 über eine Besprechung zwischen Mitar-
beitern des MAD und des LfV Thüringen am 12. Januar
2000 deutlich:
„Beide Behörden stellen den aktuellen Sachstand
dar. Hierbei wurde deutlich, dass aufgrund der un-
terschiedlichen Aufträge auch unterschiedliche
Zielsetzungen verfolgt werden. Der [geschwärzt]
informierte das LfV TH über die Weiterverpflich-
tung des [geschwärzt] und legte nochmals dar,
dass es nicht Auftrag des [geschwärzt] sei, den
,Thüringer Heimatschutz‘ (THS) aufzuklären – mit
der besonderen Zielsetzung, [geschwärzt] –, son-
dern dieser vorrangig [geschwärzt] zu Soldaten im
‚THS’ Informationen beschaffen soll. Das LfV TH
stellte dar, dass Quellen bisher auch aus operativen
Gründen nicht gezielt nach zukünftigen Soldaten
gefragt würden. Anfallende Informationen aus der
Quellenführung auf zum Wehrdienst anstehende
Personen aber auch zu aktiven Soldaten würden
selbstverständlich an den MAD weitergegeben.
Einvernehmlich wurde deshalb festgelegt, dass zu-
künftig die Zielsetzung der beteiligten Behörden
mehr berücksichtigt wird. […]
Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die bis-
herige Zusammenarbeit zwischen LfV TH, dem
MAD – aber auch mit dem BfV weiterhin in der
Operation ,Rennsteig‘ zweckmäßig und notwendig
ist. Die ,Informationspolitik‘ wird – wie abgespro-
chen – zukünftig den Bedürfnissen der jeweiligen
Behörden angepasst.“567
Mit Schreiben vom 30. Juni 2012 an das LfV Thüringen
betonte der MAD darüber hinaus:
„Nach hiesigem Kenntnisstand haben das BfV und
das LfV Thüringen bis 2003 im Rahmen eines Pro-
jektes unter der Bezeichnung ‚Operation Renn-
steig‘ Informationen über die rechtsextremistische
Szene Thüringens, insbesondere den ‚Thüringer
566) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 105.
567) MAT A MAD-4/1 (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 219 f. (VS-NfD).
Heimatschutz‘ (THS) ausgetauscht. Der MAD hat
diesbezüglich anfallende Informationen, die er im
Rahmen seiner eigenen Aufgabenerfüllung (perso-
nenbezogene Einzelfallbearbeitungen zu Bundes-
wehrangehörigen) gewonnen hat, ab 1997 eben-
falls in diesen Informationsaustausch eingebracht.
Die entsprechenden Spontanübermittlungen des
MAD an das BfV und das LfV Thüringen wurden
mit dem Betreff ,Operation Rennsteig‘ bezeichnet,
um den beteiligten Verfassungsschutzbehörden die
Zuordnung dieser Informationen zu erleichtern.
Hierzu zählten Ergebnisse aus Befragungen von
Verdachtspersonen, ab 1999 dann auch Informati-
onen einer Quelle. Hierbei war der MAD zu keiner
Zeit bestrebt, den ‚THS’ aufzuklären. Der Quellen-
einsatz des MAD diente ausschließlich dazu, In-
formationen über verfassungsfeindliche Bestre-
bungen von Bundeswehrangehörigen zu sammeln
und Extremisten in der Bundeswehr zu identifizie-
ren.“568
c) Durchführung
Am 20. März 1997 fand in München eine Dienstbespre-
chung unter der Teilnahme von Mitarbeitern des BfV,
MAD und LfV Thüringen und LfV Bayern statt. Hierbei
kam es zu folgenden Festlegungen:
– „LfV BY beobachtet den entsprechenden Stammtisch
des fränkischen Heimatschutzes verstärkt.
– Das BfV verstärkt im thüring. Heimatschutz die
Werbung.
– MAD und BfV führen verstärkt Befragungen von
involvierten Soldaten durch.
– Der MAD prüft anhand beigefügter Liste ab, wer von
den infrage kommenden Personen noch bei der Bun-
deswehr ist oder eingezogen wird.
– Das LfV BY arbeitet weitere Zielpersonen heraus,
sofern vorhanden.
– Gegenseitiger Informationsaustausch mit Koordinie-
rung BfV.
– Quellenaktivitäten von Seiten Thüringens werden in
BY unterbunden, insbesondere Kameradschaftsgrün-
dungen.
– Der bisher gebräuchliche Name ‚Anti-Antifa Ostthü-
ringen‘ wird überdacht.“569
Zwischen dem LfV Thüringen und dem BfV erfolgte im
Übrigen eine Aufteilung nach geografischen Regionen.
Das LfV Thüringen bearbeitete den Raum Jena und Ru-
568) Schreiben vom 30. Juni 2012, gezeichnet vom Zeugen Christ-
mann, MAT A TH-9/3 (Tgb.-Nr. 39/12 – GEHEIM), Anl. 02
(VS-NfD).
569) MAT A TH-9/3, (Tgb-Nr. 39/12 – GEHEIM), hier: Bl. 543 f.
(VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/14600
dolstadt und das BfV die übrigen thüringischen Regionen.
Der MAD war schließlich für all die Fälle zuständig, in
denen Soldaten betroffen waren.
570
Das LfV Bayern betei-
ligte sich nicht.
571
Entsprechend den bereits zum Gegenstand der Operation
geschilderten unterschiedlichen Auffassungen haben die
vernommenen Zeugen leicht differierende Angaben darü-
ber gemacht, ob der MAD für den Verfassungsschutz
Quellen angeworben hat:
Der Zeuge Huth, hat dies verneint:
„Das war […] nicht unsere Aufgabe, es ist auch
nicht zulässig. Wenn der MAD Quellen geworben
hat, dann deshalb, weil in einer bestimmten Orga-
nisation Soldaten mehrfach vertreten waren und
weil diese Hinweise da waren. Dann waren wir be-
fugt und berechtigt, eigene Quellen zu suchen.
Aber natürlich ist in der Zusammenarbeit mit Ver-
fassungsschutz es so, dass man sich dann ab-
stimmt. Der MAD hat nie Quellen geführt, ohne
den Verfassungsschutz darüber zu informieren. Im
Vorwege der Quelle oder des Einschaltens der
Quelle wurde der Verfassungsschutz jedes Mal
aufgesucht, persönlich, und es wurde abgespro-
chen.“572
Bei der Operation „Rennsteig“ sei es ausgeschlossen
gewesen, dass der Verfassungsschutz Quellen des MAD
übernommen und anschließend weitergeführt habe.
573
Der
MAD habe vielmehr das BfV, das LfV Thüringen und
gegebenenfalls das LfV Bayern gleichzeitig über erlangte
Erkenntnisse informiert.
574
Daneben habe es eine Reihe
von Besprechungen auf Fachebene gegeben.
575
Der Zeuge Egerton, BfV, hat demgegenüber angegeben,
dass der MAD dem BfV bei der Werbung geholfen habe,
indem man Mitarbeiter des BfV an Befragungen habe
teilnehmen lassen. Allerdings:
„Solange sie [die Quellen] Dienstzeit hatten, ver-
blieben sie nämlich beim MAD und hätten dann
möglicherweise an die zivilen Behörden übergeben
werden sollen, also LfV oder BfV, nach Beendi-
gung der Dienstzeit. […] Ich weiß jetzt nicht, ob es
einen Fall gegeben hat, wo wir mit einer Werbung
mit dem MAD zusammen erfolgreich gewesen
sind.“576
Zur Durchführung der Operation durch das LfV Thürin-
gen hat der Zeuge Wießner, damaliger Leiter des Referats
„Forschung und Werbung“ im LfV Thüringen, ausgesagt,
570) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 70.
571) Dazu unten: B.IV.1.d) am Ende.
572) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.
573) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 9.
574) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 6 f.
575) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 42.
576) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 27.
dass das Ziel in erster Linie die Ansprache von Bundes-
wehrsoldaten gewesen sei:
„Also, alle, die in der rechtsextremistischen Szene
in Thüringen waren, wurden eingezogen oder hat-
ten sich verpflichtet. Das war ein Ansatzpunkt für
diese Operation ,Rennsteig‘.577
Es seien Listen erstellt worden, wer aus der Szene schon
bei der Bundeswehr sei. Das LfV Thüringen sei dann mit
dem MAD zu den Standorten gefahren, wo gemeinsame
Befragungen durchgeführt worden seien.
„Und dann konnten wir ja die Person einschätzen:
Ist das eventuell eine Möglichkeit, ihn für eine
Mitarbeit zu gewinnen oder nicht?“578
Hierbei habe nicht das LfV gefragt, sondern nur der
MAD-Kollege.
579
Wenn eine Person, die möglicherweise für eine Anspra-
che in Betracht gekommen sei, identifiziert worden sei,
habe das LfV außerhalb der Bundeswehr – z. B. am Hei-
matort – versucht, mit dieser noch einmal in Kontakt zu
kommen. Dies habe Wießner dann persönlich übernom-
men.
580
Der Zeuge Wießner hat darüber hinaus ausgesagt, dass
von der „Kameradschaft Jena“ des „THS“ André Kapke
und Ralf Wohlleben als mögliche V-Personen wegen ihrer
Vorstrafen nicht in Frage gekommen seien. Das LfV habe
allerdings Jürgen H. angesprochen; aus dieser Ansprache
sei jedoch nichts geworden.
581
Über das innere Gefüge der
Jenaer Szene habe man nur wenige Kenntnisse erlangt.
582
Der Zugang zum „THS“ sei schwierig gewesen:
„Wir haben das versucht in Gera, in anderen Ka-
meradschaften, in Saalfeld; es hat wirklich nicht
funktioniert. Es hat funktioniert vier Wochen, und
dann wurden die Leute unzuverlässig.“583
Nach der Aussage des Zeugen Huth, MAD, sei eine Be-
fragung der Quellen nach dem Aufenthaltsort des Trios
nicht Bestandteil der Operation „Rennsteig“ gewesen.584
d) Beteiligung des LfV Bayern
Das LfV Bayern sollte ebenfalls in die Operation „Renn-
steig“ eingebunden werden, war jedoch hierzu nicht be-
reit, da es nach Aussage des Zeugen Egerton, BfV, die
Rolle von Tino Brandt als Quelle des LfV Thüringen für
577) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 38 f.
578) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 39.
579) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 39.
580) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 39.
581) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6 f.; Jürgen H. gab jedoch 1999
dem MAD einen Hinweis auf das Trio, vgl. unten: E. III. 6. m).
582) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.
583) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.
584) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 12.
Drucksache 17/14600 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den Zuständigkeitsbereich des LfV Bayern kritisch gese-
hen habe.
585
Dies wird durch einen Vermerk des BfV vom 22. Oktober
1996 bestätigt, in dem eine Besprechung zwischen BfV,
MAD und LfV Bayern thematisiert wird. Das BfV wies
hier auf überregionale Bezüge der „Anti-Antifa-
Ostthüringen“ hin und machte dringenden Forschungs-
und Werbungsbedarf geltend. Das LfV Bayern zeigte
dafür zwar Verständnis, wies aber auf Unstimmigkeiten
zwischen dem LfV Bayern und dem LfV Thüringen hin
(mangelnder Austausch der Quellenmeldungen zwischen
den Behörden). Das LfV Bayern bezeichnete Aktivitäten
eines VM in Coburg als Provokation ,da in dessen
Schlepptau viele Rechtsextremisten nach Bayern mitlau-
fen‘. Das LfV Bayern sah z. Zt. keinen Handlungsbedarf
für eigenes Tätigwerden. Zudem sei keine Zuständigkeit
des BfV gegeben. Das LfV Bayern werde künftig alle
§ 9 -Meldungen des BfV in diesem Bereich zurückwei-
sen.“586
Auch nach Einschätzung des Präsidenten des LfV Thü-
ringen a. D., Sippel, hat das Landesamt für Verfassungs-
schutz Bayern bei der Operation „Rennsteig“ keine Rolle
gespielt.
587
e) Kenntnis der beteiligten Behörden über die
Quellen der anderen Behörden bei ge-
meinsamen Werbungsoperationen?
Auf die Frage, ob das BfV bei einer solchen gemeinsamen
Werbungsoperation mit einem Landesamt wisse, welche
Quellen gleichzeitig oder parallel geführt werden, hat der
Zeuge Lingen angegeben:
„Nein, das wissen wir nicht. Es ist so, dass das
Bundesamt für Verfassungsschutz seine Operativ-
maßnahmen mit dem Land absprechen muss, um-
gekehrt aber nicht. In der Regel erfolgt das aller-
dings. Bei der gemeinten Festsetzung von Zielper-
sonen ist es so, dass man sagt: Diese oder jene Per-
son möchte man gerne anwerben. Das wird in Ge-
sprächen festgelegt. Und der weitere Verlauf der
Anwerbungsmaßnahmen des Landes ist uns nicht
bekannt. Dem Land ist aber bekannt, welchen
Sachstand die Operation des BfV hat.“588
Der Zeuge Huth hat für den MAD ebenfalls berichtet,
dass dieser dem jeweiligen LfV den Klarnamen der Quel-
le habe mitteilen müssen:
„Das ging gar nicht anders, weil sonst wäre der,
durch Auswertung und andere Dinge, ja permanent
585) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 26.
586) Vermerk des BfV vom 22. Oktober 1996, MAT A BfV-11, Anl.
1, Ordner 1 (Tgb.-Nr. 31/12 – GEHEIM), Bl. 87 (VS-
VERTRAULICH).
587) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 152.
588) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 21 (nichtöffentlich).
aufgeflogen. Die Quelle musste ja auch geschützt
werden.“589
Umgekehrt sei dem MAD aber nicht bekannt gewesen,
wen das BfV oder das LfV Thüringen angeworben hatte:
„Das war auch nicht für uns wichtig zu wissen,
weil wir mit diesen Quellennamen eh nichts hätten
anfangen können. Wenn unsere Quellen berichtet
haben, haben die Verfassungsschutzbehörden ja
die Informationen bekommen und konnten sehen,
wie sie ihre eigenen Quellen aufgeführt haben. Das
brauchten wir nicht zu wissen. Höchstens durch
Rückfragen konnte man vielleicht mal schließen:
Hier ist ein besonderes Interesse an einer Person;
vielleicht ist das die Quelle des Verfassungs-
schutzes.“590
Zur Frage, ob innerhalb der Operation auch darüber ge-
sprochen worden sei, welche Quellen die einzelnen Be-
hörden im „Thüringer Heimatschutz“ führte, hat der Zeu-
ge Nocken, LfV Thüringen, erklärt:
„Also, offiziell wurden die Quellen auch den ande-
ren Landesämtern oder dem Bundesamt nicht be-
nannt. Wenn natürlich der Auswerter in Köln auf-
grund der Meldungen, die eingehen, gewisse
Rückschlüsse ziehen kann und sagen kann: „Das
kann nur die Quelle so und so sein“, dann ist das in
Ordnung. Da wird aber nicht offiziell mitgeteilt,
wer die Quelle ist.“591
f) Ergebnis der Operation „Rennsteig“
Aus der Operation „Rennsteig“ resultierten acht erfolgrei-
che Werbungsfälle.
592
g) Ende der Operation „Rennsteig“
Der Zeuge Fromm, Präsident des BfV a. D., hat in seiner
Vernehmung auf die Frage, ob es eine Abschlussverfü-
gung zur Operation „Rennsteig“‘ gegeben habe, geant-
wortet, ihm sei berichtet worden, dass es keinen formellen
Abschluss gegeben habe.
593
Nach Angaben des Zeugen Lingen, BfV, sei die Operation
„Rennsteig“ bis 2002 gegangen und 2003 ausgelaufen.594
Er hat erläutert:
„Solche Werbungsfälle, die laufen nicht von Da-
tum A nach Datum B, sondern wenn wir 2001 ei-
nen Operativfall beginnen, dann kann der bis zur
589) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.
590) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8 f.
591) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 48.
592) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 5.
593) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 26.
594) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 20 (nichtöffentlich).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/14600
Übergabe in die V-Mann-Führung oder ans Land
durchaus auch noch länger dauern.“595
Über das Ende der Operation findet sich in den Akten
kein Vermerk oder ähnliches. Auch hatte keiner der ver-
nommenen Zeugen hieran eine Erinnerung. Der Zeuge
Huth, MAD, hat ausgeführt:
„Nein, nach meinem Kenntnisstand gab es kein of-
fizielles Ende der Operation ,Rennsteig‘. Solange
der ‚Thüringische Heimatschutz‘ stark war und
sich auch noch ausdehnte, gab es ja auch keinen
Anlass, das zu beenden.“596
Der Zeuge Lingen hat angegeben, dass es „vom Ord-
nungsgedanken“ her bei einer Operation wie „Rennsteig“
normalerweise einen Abschlussvermerk gebe.
597
Er hat
ergänzt:
„Jetzt müssen Sie aber sehen: Dabei handelt es
sich um das Bemühen, Quellen anzuwerben und
dann als V-Personen zu führen, und das […] be-
ginnt irgendwann mal mit den ersten Wer-
bungsmaßnahmen und läuft dann aber auch ir-
gendwann aus. Wenn damals der ,Thüringer Hei-
matschutz‘ nicht mehr so die Bedeutung hatte für
die Verfassungsschutzbehörden, [dann] hatten wir
die Werbungsmaßnahmen ja nicht abgebrochen,
sondern man hat sie weiterlaufen lassen in dem
Bestreben, diese Quellen dann in der Szene, die
tatsächlich physisch noch da war, die nur diesen
Namen nicht trug, unterzubringen und Informatio-
nen zu schöpfen.“598
So könne es sein, dass im Nachgang eine Quelle, die man
habe anwerben wollen, später für andere Dinge angewor-
ben werde. So lasse es sich erklären, dass vielleicht auch
im Jahre 2006 noch jemand aus der Operation „Renn-
steig“ angesprochen worden sei. Es sei zudem im BfV
Praxis, dass eine Quelle umgesteuert werde, wenn sie für
ein Beobachtungsobjekt nicht mehr in Frage komme.
599
Auch der Zeuge Egerton, BfV, hat ausgeführt:
„Einen formalen Abschluss hat es eigentlich nicht
gegeben, weil der ,Thüringer Heimatschutz‘ hat
sich ja nicht mit Beschluss aufgelöst, sondern er ist
mal irgendwann erodiert und quasi in alle Him-
melsrichtungen zerstreut worden. Das hat neben
der Enttarnung von ,2045‘, die in der Szene für
deutliche Irritationen gesorgt hat, auch damit zu
tun, dass die NPD sehr viel an Potenzial aufgeso-
gen hat. Also, die Aktion ist letztlich genauso be-
endet worden, wie der ‚THS’ verschwunden ist,
nämlich still und leise. Also, es gab kein formales
595) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 20 (nichtöffentlich).
596) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.
597) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 34 f. (nichtöffentlich).
598) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 34 (nichtöffentlich).
599) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 40 (nichtöffentlich).
Ende der Operation, soweit ich das mitbekommen
habe.“600
Der Zeuge Sippel, LfV Thüringen, hat in ähnlicher Weise
ausgeführt:
„Mir ist zumindest kein formaler Akt in Erinne-
rung, dass man sagt: Jetzt beenden wir die Opera-
tion ,Rennsteig‘. Man legt das fest, dokumentiert
das in einem Vermerk und sagt: Nun ist die ganze
Maßnahme beendet.“601
Nach Erinnerung des Zeugen Sippel lief die Operation
über 2003/2004 hinaus:
„Ich meine, das Interesse jetzt, dass der Verfas-
sungsschutz Wehrpflichtige vor dem Ausscheiden
aus der Bundeswehr gewinnt, ist ja nicht zu ir-
gendeinem Zeitpunkt beendet, dass man sagt:
,Jetzt haben wir im Prinzip alles abgearbeitet, was
abzuarbeiten ist‘, sondern diese Möglichkeiten, die
wirken ja fort, auch über 2003/2004 hinaus. Das
heißt, das Interesse des Verfassungsschutzes ging
über diesen Zeitrahmen hinaus.
Ich kann Ihnen aber konkret nicht sagen, wann es
den letzten Fall im Rahmen dieser Operation
,Rennsteig‘ gegeben hat. Aber nach meiner Erin-
nerung ging er über das Jahr 2003 und 2004 noch
hinaus.“602
Am 11. November 2011 wurden fünf Akten der Operation
„Rennsteig“ und zwei weitere Akten über V-Leute ver-
nichtet; lediglich eine V-Mann-Akte der Operation
„Rennsteig“ wurde nicht vernichtet (siehe unten: K.I.5,
S. 757 ff.).
h) Bewertung der Operation „Rennsteig“
durch die beteiligten Behörden
Nach Einschätzung des Zeugen Sippel, Präsident des LfV
Thüringen a. D., hat es sich bei der Operation „Rennsteig“
um keine zentrale Operation im Bereich des Rechtsextre-
mismus gehandelt.
603
Die Zusammenarbeit mit dem BfV
und dem MAD sei gut, konstruktiv und kooperativ gewe-
sen.
604
Zur Frage nach der Qualität der Operation „Rennsteig“
hat der Zeuge Cremer, BfV, folgende Kritik geübt:
„Es gab einen kurzen Vermerk, aus dem hervor-
geht, dass das BfV unzufrieden war, dass die Kol-
legen unzufrieden waren mit dem Ergebnis der
Operation. Es sind verhältnismäßig viele Anspra-
chen erforderlich gewesen, und die Ausbeute war
extrem schlecht. Die Quellen, die geworben wer-
den konnten, sind meines Erachtens auch nur rela-
600) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 28 (öffentlich).
601) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 150.
602) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 151.
603) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 163.
604) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 152.
Drucksache 17/14600 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tiv kurz geführt worden. Dann ergaben sich Prob-
leme im Hinblick auf die Zuverlässigkeit, den
Wahrheitsgehalt der Aussagen, sodass die dann
wieder eingestellt oder abgeschaltet werden muss-
ten.“605
Auf die Frage, ob die Operation ein Erfolg gewesen sei,
hat er geantwortet:
„Nein, es war sicherlich keine erfolgreiche Opera-
tion. Sie hat viele Ressourcen verschlungen. Wir
haben - ich weiß nicht - an die 40 oder mehr An-
sprachen durchgeführt, und letztendlich ist kaum
was, und vor allen Dingen nichts Bleibendes, dabei
rumgekommen.“606
Das habe an der Szene gelegen:
„Wir arbeiten hier im Bereich des gewaltbereiten
Rechtsextremismus. Die Leute, die wir da […] als
Quellen angeworben haben, waren zum Teil ver-
strickt in Straftaten, […] oder sie sind alle in der
Wolle gefärbte Rechtsextremisten, und da ist es
nicht verwunderlich, dass eine Zusammenarbeit -
zumindest eine längerfristige Zusammenarbeit -
nicht möglich ist.“607
Trotzdem hat der Zeuge Fritsche, von 1996 bis 2005
Vizepräsident des BfV, berichtet, die Evaluation der Ope-
ration „Rennsteig“ habe ergeben, „dass die Idee, diese
Operation durchzuführen, eine gute war.“608
Der Zeuge Egerton hat differenziert:
„Es kommt darauf an, wie man es sieht. Die Ope-
ration als solche war sinnvoll, weil wir nämlich
gesehen hatten: In Süd- und Ostthüringen gibt es
einen Schwerpunkt einer gewaltbereiten rechtsex-
tremistischen Szene, die durchaus relevante Ge-
walttaten, Gruppengewalttaten an den Tag legt und
ein großes Potenzial hat. Da mussten die Zugänge
verbessert werden, weil wir letztlich nur über eine
einzige Quelle verfügten. Insofern war die Ope-
ration als solche sinnvoll und durch die Zu-
sammenarbeit zwischen drei Behörden auch er-
folgreich. Wenn Sie darauf anspielen, ob wir unse-
re Zugangsbasis verbreitert haben, […] dann wür-
de ich sagen, war sie ein - - Na ja, ,Misserfolg‘
klingt so abschließend; aber sie war zumindest
kein Erfolg, weil die Quellen, die übrig geblieben
sind, zumindest für uns als Bundesamt, waren un-
zuverlässig, sie waren zum Teil mit schlechten
Zugängen behaftet. Also, ich hätte mir als Ausbeu-
te, von der Qualität der Quellen mehr erhofft oder
erwünscht.“609
605) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 80.
606) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 94.
607) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 81.
608) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.
609) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 27 (öffentlich).
Der Zeuge Wießner, LfV Thüringen, hat ausgesagt, dass
Aufwand und Ertrag der Operation „Rennsteig“ in keinem
Verhältnis gestanden hätten.
610
Der Zeuge Huth, MAD, hat hingegen ein positives Fazit
gezogen:
„Ich denke, diese gemeinsame Operation hat dazu
geführt, dass der Verfassungsschutzbereich Thü-
ringen wirklich bis in die kleinsten Verästelungen
wusste, was dort eventuell passiert und was passie-
ren könnte, und dass man hier auch entsprechend
gegensteuern konnte. Das war eine sehr gute Ope-
ration, die nach meinem Dafürhalten, was den
‚THS’ betrifft, auch erfolgreich war.“611
i) Kenntnisse der Amtsleitung im BfV von
der Operation „Rennsteig“
Der Präsident a. D. des BfV, Heinz Fromm, hat als Zeuge
ausgesagt, er könne sich an eine Operation „Rennsteig“
nicht erinnern und habe von dieser erst im November
2011 erfahren.
612
Er hat dies dadurch erklärt, dass sie
schon vier Jahre gelaufen sei, als er ins Amt gekommen
sei.
613
Dazu befragt, wie er es sich erkläre, dass der frühere
Präsident des BfV über diese Aktion bis zum Jahr 2011
nichts gehört habe, hat der ehemalige Leiter der für
Rechtsextremismus zuständigen Abteilung im BfV, der
Zeuge Cremer, erklärt:
„Der Präsident wird informiert über wesentliche
Operationen, wenn sie ein besonderes Risiko bein-
halten. Hierbei handelte es sich um eine routine-
mäßige Zusammenarbeit zwischen dem MAD und
den Kollegen in Thüringen zur Aufklärung einer
bestimmten Szene. Eine Unterrichtung des Präsi-
denten war da nicht geboten.“614
Der Zeuge Lingen hat demgegenüber ausgeführt:
„So was bekommt die Amtsleitung in jedem Fall
zur Kenntnis, dass es so einen Operativvorgang
gibt, dass es da Gespräche mit den Landesbehör-
den gibt, dass da Ergebnisse erzielt werden, dass
da Quellen geworben werden. Da können Sie da-
von ausgehen, dass die Amtsleitung Kenntnis hat
und die Amtsleitung gegebenenfalls auch Rück-
sprachen hält. Das ist gewohnte Praxis. Die Amts-
leitung nimmt allerdings an den Gesprächen, wie
man hier bestimmte Operationen durchführt und
nach welchen Regeln - - die bringt sich da nicht
610) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 40.
611) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 42.
612) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 5.
613) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.
614) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 84.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/14600
ein, sondern überlässt das den Fachabteilungen
bzw. den Landesbehörden.“615
Der Zeuge Fritsche, von 1996 bis 2005 Vizepräsident des
BfV, hat angegeben:
„Die [Operation] ist, glaube ich, im Frühjahr des
Jahres 96 gestartet; ich bin Vizepräsident gewor-
den im Herbst 96. Ich habe dann aber selbstver-
ständlich Kenntnis über die Operation gehabt, wo-
bei man sich das nicht so vorstellen darf, dass ich
in Operationen beteiligt bin als Vizepräsident,
sondern ich habe über die wesentlichen Erkennt-
nisse oder über die wesentlichen Ergebnisse - - bin
ich unterrichtet worden. Und diese Operation ist
geschuldet der Bewertung, die die Verfas-
sungsschutzbehörden damals gemeinsam durchge-
führt haben, nämlich dass diese Ka-
meradschaftsszene eine ganz bedeutende Struktur,
eine ganz bedeutende neue Struktur im Rechtsex-
tremismus ist und dass diese Szene aufgeklärt
werden muss.“616
Ihm sei erklärt worden,
„dass vor dem Hintergrund - ich war ja damals neu
in dem Amt - der Kameradschaften, der Bedeutung
der Kameradschaften vor allem in den neuen Län-
dern, der ,Anti-Antifa Ostthüringen‘, aus der dann
der ,Thüringer Heimatschutz‘ geworden ist, das
eine besondere Maßnahme ist, wo wir Amtshilfe
für die zuständige Landesbehörde leisten.“617
Die Zeugin Dobersalzka war in den Jahren 1998 bis 2006
zuständige Referatsleiterin im BfV für den Bereich
„Rechtsterrorismus“.618 Dieses Referat war zuständig für
die Suche nach dem untergetauchten Trio.
619
Sie hat an-
gegeben, den Operationsnamen „Rennsteig“ zu dieser
Zeit gekannt zu haben, aber mit der Operation nicht
dienstlich befasst gewesen zu sein.
620
Die Frage, ob es aus
ihrer Sicht nicht nützlich gewesen wäre, sich an einer
Operation zu beteiligen, in der militärisch ausgebildete
Personen angeworben oder ins Visier genommen würden,
hat sie verneint.
621
Sie hat weiter darauf verwiesen, dass
„Forschung und Werbung“ getrennt von der „Auswer-
tung“ gearbeitet hätten.622
2. Anschlussoperationen
Der Vizepräsident des BfV von Oktober 1996 bis No-
vember 2005, der Zeuge Fritsche, hat bekundet, dass es
nach seiner Kenntnis Anschlussoperationen gegeben
615) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 40 (nichtöffentlich).
616) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.
617) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.
618) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4.
619) Schreiben des BMI vom 16. Mai 2013, MAT A BfV-21/1.
620) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29.
621) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29.
622) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29.
habe, die teilweise andere Zielrichtungen gehabt hätten.
623
Der Grund für diese Nachfolgeoperationen habe nicht in
der Bewertung des Erfolgs oder Nichterfolgs der Operati-
on „Rennsteig“ gelegen, sondern an der Notwendigkeit,
gegen die rechtsextremistische Szene in den jeweiligen
Bereichen wiederholt etwas zu unternehmen.
624
Der ehemalige Präsident des BfV, der Zeuge Fromm, hat
in seiner Vernehmung angegeben, das BfV habe in der
Zeit von 2003 bis 2005 gemeinsam mit dem LfV Thürin-
gen eine ähnliche, wenn auch nicht so umfangreiche Ope-
ration wie die Operation „Rennsteig“ zur Aufklärung der
gewaltbereiten rechtsextremistischen Kameradschaftssze-
ne in Thüringen mit dem Namen „Zafira“ durchgeführt.625
An dieser Operation sei der MAD nicht beteiligt gewesen.
Hintergrund der Operation sei gewesen, dass in Thüringen
in den Jahren 2003 bis 2005 nach wie vor Bedarf zur
Aufklärung der rechtsextremistisch motivierten Szene
bestanden habe.
626
Der Präsident des LfV Thüringen von November 2000 bis
2012, der Zeuge Sippel, hat angegeben, er erinnere sich
nicht mehr genau, die Operation „Zafira“ könne eine
Folgemaßnahme, aber auch eine parallele Maßnahme zur
Operation „Rennsteig“ gewesen sein.627
Zur Durchführung der Operation „Zafira“ hat der Zeuge
Fromm ausgeführt, die erste Anspracheaktion habe im
Herbst 2003 stattgefunden, im Frühjahr 2004 die zweite
und Mitte 2004 eine dritte Ansprache. Zwei Personen
hätten sich insgesamt zu einer Zusammenarbeit bereiter-
klärt.
628
Nach Angaben des Zeugen Fromm seien im Rahmen
dieser Operation keine Zugänge zur Szene in Jena und
den später bekannt gewordenen NSU-Mitgliedern erlangt
worden.
629
In einem Schreiben des BfV vom 18. Juli 2012 heißt es
ergänzend, dass die Operation „Zafira“ im Gegensatz zur
Operation „Rennsteig“ nicht objektbezogen gewesen sei.
Aus der Operation „Zafira“ habe die Werbung von drei
Quellen resultiert. Unter den Zielpersonen hätten sich
keine Mitglieder des NSU und keine im Ermittlungsver-
fahren des GBA involvierten Beschuldigten befunden.
630
Eine weitere Operation, die Operation „Treibgut“ stand
nach Angaben des BfV in einem Schreiben vom 5. Okto-
ber 2012 im Kontext mit den mit anderen Landesbehör-
den durchgeführten Operationen „Normaplus“ (Berlin),
„Rasenmäher (Sachsen-Anhalt), „Panoramablick“ (Bran-
denburg) und „Obstwiese“ (Mecklenburg-Vorpommern).
Das BfV teilte weiter mit, dass die in Pressemeldungen
623) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.
624) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33 f.
625) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 47 (nichtöffentlich).
626) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 48 (nichtöffentlich).
627) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 151.
628) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 48 (nichtöffentlich).
629) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 48 (nichtöffentlich).
630) MAT B BfV-6 (Tgb.-Nr. 50/12 – GEHEIM), Anl. 01.
Drucksache 17/14600 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aufgestellte Behauptung, die Operation „Treibgut“ sei
eine Nachfolgemaßnahme der Operation „Rennsteig“
gewesen, falsch sei. Die Operation „Treibgut“ habe sich
als Werbemaßnahme gegen das gesamte rechtsextremisti-
sche Spektrum bezogen, während sich die Operation
„Rennsteig“ ausschließlich auf die Aufklärung des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ gerichtet habe.
Die Operation „Treibgut“ sei im November 2000 geneh-
migt und um den Jahreswechsel 2000/2001 beendet wor-
den.
Eine hieraus entstandene 123 Personen umfassende Liste
habe die Grundlage der späteren Zielpersonen bilden
sollen. Diese Personenliste sei mit Schreiben vom
23. November 2000 an das LfV Thüringen mit der Bitte
um Vereinbarung eines Abstimmungs- und Arbeitsge-
sprächs übersandt worden. Vor der Terminierung dieses
Gesprächs sei die Maßnahme bereits beendet worden. Die
Einstellung sei auf mündliche Weisung des damaligen
zuständigen Referatsleiters beim BfV erfolgt. Die Gründe
für die Einstellung seien diesem heute nicht mehr erinner-
lich.
Das BfV betonte, dass das Trio nicht die genannten Such-
kriterien erfüllt habe, da Böhnhardt bis zu seiner Flucht
lediglich wegen Propagandadelikten und nicht wegen
Gewaltdelikten verurteilt gewesen sei sowie Mundlos und
Zschäpe nur im Verdacht gestanden hätten, Straftaten
begangen zu haben (keine Verurteilung, somit kein „fest-
stehender Täterkreis“).631
V. Die Ermittlungen im Vorfeld der Durchsu-
chungen am 26. Januar 1998
Im Oktober 1996, im September 1997 sowie im Dezem-
ber 1997 wurden im Stadtgebiet Jena drei mit Hakenkreu-
zen bemalte Koffer aufgefunden. In zwei dieser Koffer
wurden nicht funktionierende Sprengvorrichtungen ge-
funden, der zuletzt aufgefundene Koffer war leer. Die in
diesem Zusammenhang geführten Ermittlungen mündeten
schließlich in der Durchsuchungsmaßnahme vom
26. Januar 1998.
Zudem wurden um den Jahreswechsel 1996/97 an drei
Institutionen in Jena Briefbombenattrappen versandt.
Die Ermittlungen wurden in beiden Fällen getrennt von-
einander geführt. Anlass für die spätere Durchsuchung der
Garagen am 26. Januar 1998 war lediglich das Auffinden
der Koffer, nicht jedoch die versandten Briefbombenat-
trappen.
1. Die Briefbombenattrappen
Um den Jahreswechsel 1996/97 erhielten drei Institutio-
nen in Jena Briefbombenattrappen zugesandt, und zwar
631) Schreiben BfV an das BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A
BfV-4/6, (Tgb-Nr. 124/12 – GEHEIM).
die Redaktion der Thüringer Landeszeitung, die Stadt-
verwaltung Jena und die Polizeidirektion Jena.
a) Thüringer Landeszeitung
Am 31. Dezember 1996 bemerkte eine Redaktionsange-
stellte bei der Bearbeitung der Tagespost einen nur mit
einem „P“ beschrifteten Umschlag, den sie vorsichtig an
einer Ecke öffnete und hierbei weißes Styropor, eine
Batterie und Draht wahrnahm, weshalb sie sogleich die
Polizei verständigte.
632
Am Vorabend gegen 23.25 Uhr
hatte ein Redaktionsmitarbeiter zunächst ein Klappern am
Briefkasten bemerkt und kurze Zeit später eine vermutlich
junge weibliche Person mit schwarzer Bomberjacke,
Jeans und kurzen Haaren bemerkt, die möglicherweise
zuvor etwas in den Briefkasten eingelegt hatte. In dem
Briefumschlag befand sich neben der Bombenattrappe ein
Schreiben mit folgendem Wortlaut:
„VON LÜGE UND BETRUG / HABEN WIR
GENUG / DAS WIRD DER LETZTE SCHERZ
JETZT SEIN / AB 97 HAUT ES RICHTIG /
REIN !!!“
b) Stadtverwaltung Jena
Am 2. Januar 1997 entnahm ein Mitarbeiter der Stadtver-
waltung Jena dem Nachtbriefkasten einen braunen DIN
A5-Umschlag, der nicht beschriftet war.
633
Beim Öffnen
fiel eine Batterie aus dem Umschlag. In dem Umschlag
befand sich eine Styropor-Platte mit Aussparungen, Dräh-
ten, einer braunen formbaren Masse und einer Monozelle;
die Konstruktion war nicht explosionsfähig. Der Um-
schlag enthielt zudem einen Zettel, auf dem in Block-
buchstaben handschriftlich geschrieben stand:
„MIT BOMBENSTIMMUNG IN DAS
KAMPFJAHR 97, AUGE UM AUGE, ZAHN UM
ZAHN, DIESES JAHR IST DEWES DRAN !!!“,
wobei der Buchstabe „S“ regelmäßig als Rune geschrie-
ben war.
634
Aufgrund einer Zeitfunktion am Briefkasten
konnte festgestellt werden, dass der Briefumschlag vor
dem 30. Dezember 1996, 24 Uhr, eingeworfen worden
sein muss.
635
632) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des Kriminaldauer-
dienstes der Kriminalpolizei Jena vom 31. Dezember 1996,
MAT A TH-2/17, PDF-Bl. 63 ff.
633) Hierzu und im Folgenden: Auszug aus der Neuigkeitsmeldung
der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom 2. Januar 1997, MAT
A TH-2/17, Bl. 29.
634) Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
2. Januar 1997, MAT A TH-2/17, Bl. 30 ff. (32).
635) Gesprächsprotokoll über die Zeugenvernehmung des Poststel-
lenleiters der Stadtverwaltung Jena vom 9. Januar 1997, MAT
A TH-2/17, Bl. 61 ff. (61).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/14600
c) Polizeidirektion Jena
Ebenfalls am 2. Januar 1997 ging bei der Polizeidirektion
Jena ein brauner DIN A5-Umschlag ein, der mit der An-
schrift der Polizeidirektion Jena versehen war. Er enthielt
ebenfalls eine Styropor-Platte, Drähte, eine formbare
Masse und Batterien. Auch dieser Sendung war ein hand-
geschriebener Zettel beigefügt, der folgenden Text ent-
hielt:
„MIT BOMBENSTIMMUNG IN DAS
KAMPFJAHR 97, AUGE UM AUGE, ZAHN UM
ZAHN, DIESES JAHR KOMMT BUBIS
DRAN!!!“.
Auch hier war der Buchstabe „S“ stets als Rune gezeich-
net.
636
d) Gang und Ergebnis der Ermittlungen im
„Briefbomben-Verfahren“
Aufgrund der Aussage des Mitarbeiters der Thüringer
Landeszeitung, der die weibliche Person, die vermutlich
das Schreiben eingeworfen hatte, gesehen hatte, sowie
aufgrund übereinstimmender Fußspuren im Schnee fiel
der Verdacht zunächst auf Yvonne B., eine Angehörige
der rechten Szene in Jena.
637
Auf Grundlage dieser Er-
kenntnis kam es sodann – nach Erlass entsprechender
richterlicher Beschlüsse – zu Durchsuchungsmaßnahmen
und – zum Zwecke des Vergleichs mit möglichen Spei-
chelspuren auf den Briefumschlägen – zu Blutentnahmen
bei Yvonne B., Böhnhardt, Mundlos und Kapke.
638
Beate
Zschäpe erklärte sich freiwillig zu einer Blutentnahme
bereit. Insgesamt wurde das Ermittlungsverfahren gegen
15 Beschuldigte geführt.
Im Ergebnis konnte die zunächst verdächtigte Yvonne B.
von dem Mitarbeiter der Thüringer Landeszeitung im
Rahmen einer Gegenüberstellung nicht als die Person
wiedererkannt werden, die er am Abend des
30. Dezember 1996 gesehen hatte.
639
Durch kriminaltech-
nische Untersuchungen wurde eine weitgehende Überein-
stimmung der drei Briefbombenattrappen festgestellt.
640
Während eine vergleichende Analyse der Handschriften
mit den handgeschriebenen Zetteln, die den Bombenat-
trappen beigefügt waren, nicht weiterführte, wurde festge-
stellt, dass Uwe Böhnhardt, André Kapke und Beate
Zschäpe als Verursacher der Speichelspuren an den
Briefumschlägen in Betracht kommen.
641
Die Spuren
636) Aktenvermerk der Polizeiinspektion Jena vom 2. Januar 1997,
MAT A TH-2/17, Bl. 41 f.
637) Aktenvermerk der Soko „REX“ vom 7. Januar 1997, MAT A
TH-2/17, Bl. 46 ff.
638) Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Jena für die Woh-
nungen B., Böhnhardt, Mundlos und Kapke, MAT A TH-2/17,
Bl. 85 ff.
639) Aktenvermerk der Soko „REX“ vom 29. Januar 1997, MAT A
TH-2/17, Bl. nach 106 (nicht foliert).
640) Gutachten des Landeskriminalamts Thüringen vom 20. Januar
1997, MAT A TH-2/17, Bl. 471 f. des PDF-Dokuments.
641) Abschlussbericht vom 29. Mai 1997, MAT A TH-2/17, Bl. 573
ff. des PDF-Dokuments.
waren für eine zweifelsfreie Überführung jedoch nicht
ausreichend; auch darüber hinaus waren keine Spuren
vorhanden, die eine Überführung ermöglicht hätten.
642
Das bei der Staatsanwaltschaft Gera unter dem Aktenzei-
chen 114 Js 1212/97 geführte Ermittlungsverfahren wurde
folglich mit Verfügung von Staatsanwalt Schultz vom 18.
Juni 1997 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung man-
gels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
643
In einem Vermerk vom 6. August 1998 wurde durch
KHK Dressler das Ergebnis der durchgeführten kriminal-
technischen Untersuchungen zusammengefasst.
644
Bei den
Briefbombenattrappen wurde jeweils eine Knetmasse
verwendet, die sich nicht von der im Januar 1998 in der
Garage Nr. 5 aufgefundenen Knetmasse unterschied und
die über eine sehr seltene chemische Zusammensetzung
verfügte. In der Garage Nr. 5 wurde zudem ein Styropor-
Teil aufgefunden, das einem Teil aus einer der Briefbom-
benattrappen stark ähnelte und ähnliche Bearbeitungs-
merkmale aufwies. Eine Täterschaft von Böhnhardt,
Zschäpe und Mundlos sei daher wahrscheinlich.
Eine im Jahr 2000 aufgrund der technischen Weiterent-
wicklung auf dem Gebiet der DNA-Untersuchungen er-
neut durchgeführte molekulargenetische Untersuchung
erbrachte keine neuen Ergebnisse.
645
Das aus diesem
Grunde am 29. Juni 2000 wieder aufgenommene Ermitt-
lungsverfahren
646
wurde am 10. Dezember 2000 durch
Oberstaatsanwalt Villwock von der Staatsanwaltschaft
Gera erneut eingestellt.
647
2. Die Kofferbomben im Jenaer Stadtgebiet
a) Die sog. „Stadion-Bombe“
Am Sonntag, den 6. Oktober 1996 wurde gegen
14.30 Uhr durch spielende Kinder im Ernst-Abbé-Stadion
in Jena, in einem unter den Blöcken D und E verlaufen-
den Lagergang, eine rote Holzkiste mit Hakenkreuzsym-
bolen auf der Vorder-, Rück- und Oberseite und der Auf-
schrift „Bombe“ in abgelagerten Hochsprung-Schaum-
stoffmatten aufgefunden.
648
In der Kiste befanden sich
642) Behördengutachten des LKA Thüringen vom 3. März 1997,
MAT A TH-2/17, Bl. 547 ff. des PDF-Dokuments.
643) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom
18. Juni 1997, MAT A TH-2/57, Bl. 15 f. des PDF-Dokuments.
644) Hierzu und im Folgenden: Auswertungsbericht der EG „TEX“
bzgl. der kriminaltechnischen Untersuchungen vom 6. August
1998, MAT A TH-2/17, Bl. 408 ff. des PDF-Dokuments.
645) Behördengutachten vom 9. Oktober 2000, MAT A TH-2/17, Bl.
401 des PDF-Dokuments.
646) Wiederaufnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom
29. Juni 2000, MAT A TH-2/17, Bl. 391 f. des PDF-
Dokuments.
647) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom
10. Dezember 2000, MAT A TH-2/17, Bl. 403 des PDF-
Dokuments.
648) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk der Kriminalpolizei-
inspektion Jena vom 6. Oktober 1996, (KOM B.), MAT A TH-
2/10, Bl. 1370 ff., auch MAT A TH-1/5, Bl. 31 ff.
Drucksache 17/14600 – 116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
unter anderem ein mit Kieselsteinen und Dämmwolle
gefüllter Metallkanister und ein Metallrohr; die Kiste trug
die Aufschrift „Bombe“.
Dem Fund vorausgegangen war eine während eines Fuß-
ballspiels am Abend des 30. September 1996 gegen
19.52 Uhr eingegangene telefonische Bombendrohung.
Eine männliche Person mit Thüringer Dialekt, die von der
Polizeibeamtin, die den Anruf entgegennahm, auf etwa 20
Jahre geschätzt worden war, hatte in beherrschtem und
ruhigem Ton mitgeteilt, dass sich im Stadion, gegenüber
der Tribüne Block E, in den in den Gängen liegenden
Schaumstoffmatten Sprengsätze befänden.
649
Hieraufhin
hatten vor Ort befindliche Polizeibeamte unter Einsatz
eines Sprengstoffhundes den genannten Bereich abge-
sucht, waren jedoch nicht fündig geworden.
650
Es wurde
festgestellt, dass die aufgefundene USBV
651
keinen
Sprengstoff enthielt.
Die Ermittlungen wurden am 8. Oktober 1997 durch das
LKA Thüringen, Soko „REX“, übernommen.652
Das Ermittlungsverfahren wurde bei der Staatsanwalt-
schaft Gera unter dem Aktenzeichen 114 Js 20801/96
geführt.
b) Ermittlungsmaßnahmen nach Auffinden
der „Stadion-Bombe“
Die zwischen dem Auffinden der „Stadion-Bombe“ im
Oktober 1996 und der „Theater-Bombe“ im September
1997 geführten Ermittlungsmaßnahmen fokussierten sich
bereits auf Angehörige des rechten Spektrums in Jena. Es
konnte zunächst eine Person namens René S. ermittelt
werden, der nach der Aussage eines Zeugen dem rechten
Spektrum zuzurechnen sei, weil er eine Bomberjacke und
hohe Springerstiefel trage.
653
S. hatte im September 1996
nach einer entsprechenden Verurteilung nach Jugendstraf-
recht Arbeitsstunden im Ernst-Abbé-Stadion verrichtet.
Eine am 18. Dezember 1996 durchgeführte Hausdurchsu-
chung bei S. führte nicht zum Auffinden von Beweismit-
teln.
654
Es ergaben sich bereits in diesem Zeitraum vage
Hinweise darauf, dass Uwe Böhnhardt möglicherweise
zum Täterkreis gehören könnte: In seiner im Anschluss an
die Durchsuchung durchgeführten Beschuldigtenver-
649) Vermerk des Kriminaldauerdienstes der Kriminalpolizei Jena
vom 30. September 1996, MAT A TH-2/10, Bl. 1356 ff., auch
MAT A TH-1/5, Bl. 17 ff.
650) Beamtenbericht der Polizeiinspekton Jena vom 7. Oktober
1996, MAT A TH-2/10, Bl. 1365; auch MAT A TH-1/5, Bl. 22.
651) Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung.
652) Nicht datierter Vermerk des KD Schneider bzgl. der Verfah-
rensführung durch die Soko „REX“, MAT A TH-2/10, Bl.
1378.
653) Hierzu und im Folgenden: Vernehmungsprotokoll des Platz-
wartes des Ernst-Abbé-Stadions vom 23. Oktober 1996, MAT
A TH-1/5, Bl. 320 ff.; Sachstandsbericht des PK z. A. B. vom
18. November 1996.
654) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom
18. Dezember 1996, MAT A TH-1/5, Bl. 378 ff.
nehmung hatte S. angegeben, von André Kapke im Jahr
1994 gehört zu haben, dass Böhnhardt seinerzeit in eine
Sache mit einer Bombenattrappe verwickelt gewesen
sei.
655
Am 18. Dezember 1996 waren über die Durchsuchungs-
maßnahme bei René S. hinaus im sogenannten „Kühnen-
Gruß“-Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Gera
mit dem Aktenzeichen 114 Js 20864/96 Durchsuchungen
bei Tom T., Uwe Böhnhardt, Ralf Wohlleben, Holger
Gerlach, Stefan Apel, André Kapke, Mark Rüdiger H.,
Sven Kai R., Frank L. und Alexander Ricardo F. durchge-
führt worden.
656
Aus einem in den Ermittlungsakten des
Verfahrens bzgl. der „Stadion-Bombe“ enthaltenen Proto-
kolls über Asservate lässt sich schließen, dass die Durch-
suchungsmaßnahmen bei René S. und die Durchsu-
chungsmaßnahmen bei den o. g. Beschuldigten wegen des
Verstoßes gegen § 86a StGB zeitlich koordiniert stattfan-
den.
657
c) Die sog. „Theater-Bombe“
Am 2. September 1997 gegen 16 Uhr gaben zwei Kinder
am Bühneneingang des Theaterhauses Jena einen weißen
Plastikbeutel ab.
658
Dieser enthielt einen roten Koffer, auf
dem auf der Ober- und Unterseite in einem weißen Kreis
mit einem Durchmesser von 20 cm ein Hakenkreuz mit
einem Durchmesser von 14 cm abgebildet war. Der Mit-
arbeiter des Theaters, der von den Kindern angetroffen
worden war, ging zunächst davon aus, dass es sich bei
dem Koffer um ein Requisit des Theaters handelte, wes-
halb er ihn im Flur des Bühneneingangs abstellte. Als der
Koffer am nächsten Tag durch den technischen Leiter des
Theaters geöffnet wurde, stellte dieser als Inhalt einen
bombenähnlichen Gegenstand fest und benachrichtigte
die Polizei. Die Kinder wurden ermittelt und eines der
Kinder gab an, den Koffer in einer Plastiktüte steckend
zwischen einem Papierkorb und einer Mauer auf dem
Theatervorplatz eingeklemmt vorgefunden zu haben.
659
Die in der Folgezeit geführten Ermittlungen ergaben kei-
ne Hinweise auf Zeugen, die das Ablegen des Koffers vor
dem Theater gesehen hatten.
660
Anders als die „Stadionbombe“ enthielt die „Theaterbom-
be“ genügend Sprengstoff, um sprengfähig zu sein. Der
Zeuge Dressler führte zur „Theaterbombe“ aus:
655) Vernehmungsprotokoll des S. vom 18. Dezember 1996, MAT
A TH-1/5, Bl. 418.
656) Abschlussbericht des LKA Thüringen im Verfahren 0185-
000032-96/9 vom 9. Mai 1997, MAT A TH-1/5, Bl. 155 ff.
657) Übersicht „Asservierung“ vom 18. Dezember 1996, MAT A
TH-1/5, Bl. 411 ff.
658) Einsatzbericht der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
3. September 1997, MAT A TH-2/6, Bl. 34 f.
659) Aktenvermerk über die Vernehmung der Kinder Jan und Anne
M., MAT A TH-2/6, Bl. 25 ff.
660) Vermerk Umfeldermittlungen Theaterplatz vom 4. September
1997, MAT A TH-2/6, Bl. 32.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/14600
„In dieser USBV befand sich damals ein Rohr mit
circa 10 Gramm TNT, Schwarzpulver, war spreng-
fähig, aber nicht zündfähig, da die Zündquelle
fehlte. Das stellte natürlich die Gesamtsituation
schlagartig etwas anders dar, da wir da erstmals
die Situation hatten, dass hier mit wirklichen
Sprengmitteln gearbeitet wurde. Uns allen war zu
dem Zeitpunkt natürlich bewusst, dass wir hier auf
einer anderen Qualitätsstufe waren. Dementspre-
chend haben wir uns sehr bemüht, diese Täter nun
namentlich zu machen, und haben die uns als Kri-
minalpolizei zur Verfügung stehenden Mittel dafür
benutzt.“ 661
d) Übereinstimmungen zwischen „Theater-
bombe“ und „Stadionbombe“
Bereits kurz nach dem Auffinden der Bomben wurden
zahlreiche Übereinstimmungen der USBV vom Theater-
platz mit der USBV-Attrappe, die am 6. Oktober 1996 am
Ernst-Abbé-Stadion aufgefunden wurde, festgestellt.
662
So
glichen sich beide Gegenstände in der Art und Weise der
Farbauftragungen, die Farben stimmten auch als solche
überein und die jeweils verwendeten Metallrohre hatten
die gleiche Aufschrift, die auf den selben Hersteller hin-
wies.
Das Ermittlungsverfahren wurde bei der Staatsanwalt-
schaft Gera unter dem Aktenzeichen 114 Js 37149/97
wegen Vorbereitung eines Explosions- und Sprengstoff-
verbrechens u. a. (§ 311 b StGB
663
) geführt.
e) Ermittlungsmaßnahmen zwischen Sep-
tember 1997 und Januar 1998
Der Tatverdacht bzgl. der „Theater-“ und der „Stadion-
bombe“ fiel anfangs nicht auf Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe. Vielmehr wurde zunächst eine andere Person
beschuldigt. Diese Person wurde durch das Mobile Ein-
satzkommando (MEK) des LKA Thüringen an drei Tagen
observiert.
664
Eine Wohnungsdurchsuchung am
17. September 1997 verlief ergebnislos.
665
In der an-
schließenden Vernehmung bestritt die Person die Tatbe-
teiligung – die Einlassung konnte nicht widerlegt wer-
den.
666
Die Person war in Verdacht geraten, weil die auf
dem Theatervorplatz aufgefundene USBV der Bauart
661) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 2 f.
662) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 10. September 1997,
MAT A TH-2/6, Bl. 72; entspricht MAT A TH-1/1, S. 125.
663) § 311b in der Fassung der Neubekanntmachung des Strafge-
setzbuchs vom 10. März 1987, im Rahmen des 6. Strafrechtsre-
formgesetzes vom 26. Januar 1998 (ab dem 1. April 1998) als
§ 310 StGB weitergeltend (ohne Änderung in materieller Hin-
sicht).
664) Observationsberichte über Observationen am 9., 11. und
17. September 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 298 ff.
665) Durchsuchungsbericht vom 18. September 1997, MAT A TH-
1/1, Bl. 315 ff.
666) Vernehmungsprotokoll vom 18. September 1997, MAT A TH-
1/1, Bl. 318 ff.
nach einer bei der Person zuvor aufgefundenen Bomben-
attrappe glich.
667
Zeitgleich wurden umfangreiche Ermittlungen zur Her-
kunft der beim Bau der „Stadionbombe“ und der „Thea-
terbombe“ verwendeten Materialien geführt, insbesondere
in Bezug auf die Knetmasse
668
und die Stahlrohre.
669
f) USBV am Magnus-Poser-Denkmal, Nord-
friedhof
Am 26. Dezember 1997 wurde gegen 9.15 Uhr durch
einen Friedhofsmitarbeiter neben dem Magnus-Poser-
Denkmal am Nordfriedhof Jena ein roter Koffer entdeckt,
der auf der Vorder- und Rückseite mit Hakenkreuzen auf
weißem Grund besprüht war; der Koffer war leer.
670
Bei
Magnus Poser handelt es sich um einen in Jena geborenen
Kommunisten und Widerstandskämpfer gegen das NS-
Regime.
671
Im Rahmen der aufgenommenen Ermittlungen wurden die
Alibis von Zschäpe, Holger Gerlach, Mundlos und
Böhnhardt überprüft. Beate Zschäpe machte keine Anga-
ben
672
; bei Gerlach wurde festgestellt, dass er nach Han-
nover verzogen war
673
; Mundlos wurde nicht angetrof-
fen.
674
Böhnhardt wurde bei einem zweiten Versuch am
6. Januar 1998 durch KHK Dressler angetroffen, nach-
dem er sich bei einem ersten Versuch am
27. Dezember 1997 zunächst mit dem Fahrzeug eilig
entfernt hatte
675
, und machte ebenfalls keine Angaben;
seine Mutter, die bei der Befragung anwesend war, äußer-
te jedoch ihr Unverständnis darüber, dass er nicht mitteil-
te, mit drei Personen zusammen gewesen zu sein, da er
hier ja drei Zeugen habe, woraufhin Böhnhardt die Befra-
gung abbrach.
676
Da der Koffer in seiner Aufmachung und Gestaltung der
im Ernst-Abbé-Stadion aufgefundenen Kiste und dem am
Theaterplatz aufgefundenen Koffer entsprach und eine
kriminaltechnische Auswertung ergab, dass die für den
667) Vernehmungsprotokoll vom 18. September 1997, MAT A TH-
1/1, Bl. 318 ff. (319).
668) Ordner „Spur Knetmasse”, MAT A TH-1/1, Bl. 436 ff.
669) Ordner „Spur Rohr”, MAT A TH-1/1, Bl. 455 ff.
670) Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
26. Dezember 1997, MAT A TH-1/6, S. 243 ff.
671) http://de.wikipedia.org/wiki/Magnus_Poser, aufgerufen am
30. Januar 2013.
672) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Zschäpe,
MAT A TH-1/6, Bl. 318.
673) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Gerlach,
MAT A TH-1/6, Bl. 319.
674) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Mundlos,
MAT A TH-1/6, Bl. 321.
675) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom
27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Böhnhardt,
MAT A TH-1/6, Bl. 320.
676) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 6. Januar 1998, MAT A
TH-1/6, Bl. 322.
Drucksache 17/14600 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Anstrich verwendeten Farben übereinstimmten, wurde der
Fund – trotz der Tatsache, dass der Koffer leer war –
seitens der Polizei erneut als USBV-Fund behandelt.
677
3. Ermittlungsmaßnahmen des LKA Thürin-
gen zu den USBV, Böhnhardt als mögli-
cher Täter
a) Zuständigkeit der EG „TEX“
Die Ermittlungen bzgl. der USBV-Funde in Jena wurden
durch die EG „TEX“ im LKA Thüringen geführt. Das
Recht des Landeskriminalamtes, die Ermittlungen an sich
zu ziehen, war in dieser Hinsicht sowohl nach dem Auf-
finden der „Stadionbombe“678 als auch nach dem Auffin-
den der „Theaterbombe“ ausgeübt worden. Der Zeuge
Luthardt – damaliger Leiter des LKA Thüringen – hat
hierzu geäußert:
„Ich war ja derjenige, der die Übernahme erklären
musste. Der Präsident oder der Vizepräsident - den
gab es aber nicht - ist grundsätzlich verantwortlich,
Straftaten an sich zu ziehen. Es gibt ein Polizeior-
ganisationsgesetz. Da ist geregelt: Wann ist ein
Landeskriminalamt originär zuständig, und wann
kann ein Landeskriminalamt Straftaten ziehen?
Das ist Ziehungsrecht. Wir haben das Ziehungs-
recht wahrgenommen, und ich habe das angeord-
net, dass der Fall zum Landeskriminalamt wan-
dert.
679„
b) Hinweise auf mögliche Täter aus dem
rechten Spektrum
In einem Vermerk vom 10. Oktober 1997 wurde durch die
EG „TEX“, KHK Dressler, das Ergebnis der bisherigen
Ermittlungen bzgl. der „Stadionbombe“ und der „Thea-
terbombe“ und mögliche Täter dargestellt.680 Ein Ver-
dacht auf das rechte Spektrum ergab sich dabei bereits aus
der Tatsache, dass sich Hakenkreuze auf den beiden At-
trappen befanden. Alle drei verwendeten Farben (weiß,
rot, schwarz), die Art und Weise der Gestaltung und der
Farbauftragung stimmten bei den bis dahin aufgefundenen
beiden Bombenattrappen überein. Beide USBVen enthiel-
ten ein Metallrohr mit übereinstimmender Aufschrift,
welches vom selben Hersteller stammte. Die Plastiktüte,
in der die „Theaterbombe“ aufgefunden war, stammte aus
einem Textilgeschäft, in dem Beate Zschäpe Stammkun-
677) Ergänzender Sachstandsbericht von KHK Dressler vom
12. Januar 1998, MAT A TH-2/7, Bl. 293 f. (294); entspricht
MAT A TH-1/2, Bl. 10 f.
678) Nicht datierter Vermerk des KD Schneider bzgl. der Verfah-
rensführung durch die Soko „REX“, MAT A TH-2/10, Bl.
1378.
679) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 88.
680) Hierzu und im Folgenden: Zusammenfassung der bisherigen
Ermittlungsergebnisse vom 10. Oktober 1997, MAT A TH-1/1,
Bl. 508 ff., und MAT A TH-2/6, Bl. 200 ff.
din war.
681
Die Holzkiste, in der die „Stadionbombe“
abgelegt war, und der hierbei verwendete Kanister
stammten aus dem Carl-Zeiss-Kombinat in Jena (bzw.
dessen Nachfolgebetrieben), in dem der Vater von Uwe
Böhnhardt seinerzeit tätig war. Hinzu kam, dass Uwe
Böhnhardt damals als Bauhilfsarbeiter arbeitete und bzgl.
weiterer zum Bau der USBVen verwendeten Materialien
(Rohrstücke, Granitsplit, Dämmwolle) ein Bezug zu Bau-
stellen nahe lag. Nicht zuletzt fiel auch aufgrund des im
„Puppentorso-Verfahren“ festgestellten Fingerabdrucks
Böhnhardts der Verdacht auf diesen und auf Angehörige
der „Kameradschaft Jena“. Auch die im Rahmen der
Ermittlungen wegen der Briefbomben durchgeführten
DNA-Untersuchungen führten dazu, dass von dem Täter-
kreis um Kapke, Böhnhardt und Zschäpe ausgegangen
wurde. In seiner Vernehmung hat der Zeuge Dressler die
Situation wie folgt beschrieben:
„Es gab eine Entwicklung. Wie gesagt, ich kam
Mitte 97 in diesen Arbeitsbereich. Es gab ja da ei-
ne Geschichte im Vorfeld schon, und Böhnhardt
hat ja insofern schon eine Spur hinter sich herge-
zogen. Es gab diese USBV im Stadion, wo er zu-
mindest mal Mitverdächtiger war. Dann gab es um
den Jahreswechsel 96/97 drei Briefbombenattrap-
pen, die versandt wurden an die Polizei, die Lokal-
redaktion der Thüringer Landeszeitung und, ich
glaube, das Ordnungsamt Jena, auch mit rechtem
Hintergrund. Und auch dort wurde diese Gruppe
schon um Böhnhardt, Kapke, Mundlos als Täter-
gruppe angesehen. Und wenn man all diese Dinge
aneinanderreihte und diese Beziehungen der ein-
zelnen Beweismittel noch ein bisschen berücksich-
tigte, war zumindest Böhnhardt eine Person, auf
die sich alles konzentrierte. […] Zum einen gab es
eine DNA-Mischspur an den Briefen, wo er mit
dabei war. Sein Fingerabdruck war auf der USBV
an der Puppe, die an der Autobahnbrücke hing.
Wir hatten Bauteile der USBV aus dem Bereich,
aus dem Stadion, die zum Teil aus dem früheren
Carl-Zeiss-Werk stammten. Und da ging es natür-
lich: Wer hatte Zugang? Wer kommt an solche
Gegenstände heran? Da gab es über seinen Vater
hin Optionen und Möglichkeiten. Und alle diese
Dinge zusammen führten einfach zu dem Schluss,
dass er zumindest der Dreh- und Angelpunkt ist.“
682
c) Garage als möglicher Ort, an dem die
Bomben gebaut wurden
Darüber hinaus lässt sich dem Vermerk vom
10. Oktober 1997 entnehmen, dass das LKA Thüringen
Kenntnis davon hatte, dass Böhnhardt zuvor versucht
hatte, eine Garage oder ein Gartengrundstück zu mie-
681) Niederschrift über die Durchführung einer Wahllichtbildvorlage
vom 30. September 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 187 ff.
682) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 23.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/14600
ten.
683
Aus Telefonüberwachungsmaßnahmen im Puppen-
torso-Verfahren war bekannt, dass Uwe Böhnhardt bereits
im Mai/Juni 1996 eine Garage gesucht hatte.
684
4. Auffinden der Garagen und Planung der
Durchsuchungen
a) Observation von Böhnhardt durch das
MEK des LKA Thüringen und weitere Er-
mittlungsmaßnahmen im Oktober 1997
Da bisherige, in anderen Verfahren durchgeführte Durch-
suchungsmaßnahmen bei den im Vermerk vom
10. Oktober 1997 genannten Personen aus der „Kamerad-
schaft Jena“ (André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, Mark Rüdiger H., Holger Ger-
lach, Ralf Wohlleben, Stefan Apel) nicht zum Auffinden
von Beweismitteln geführt hatten sowie vor dem soeben
unter 3.c) dargestellten Hintergrund wurde vermutet, dass
sich die Bombenwerkstatt in einem angemieteten Raum
befinden könnte, mithin möglicherweise auf einem Gar-
tengrundstück oder in einer gemieteten Garage, also an
einem Ort, der den Ermittlungsbehörden bisher nicht
bekannt war. Um diese bisher unbekannten Objekte zu
ermitteln, sollte eine Observation Böhnhardts erfolgen.
Darüber hinaus sollte eine Kontenabfrage bei Kapke,
Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und Wohlleben durchge-
führt werden, um so regelmäßige Mietzahlungen für bis-
her unbekannte Objekte zu ermitteln.
685
Die Observation
Böhnhardts wurde am 30. September 1997 durch KHK
Dressler beantragt. Das MEK führte am 9., 15. und
22. Oktober 1997 Observationen Böhnhardts durch, die
jedoch keine weiteren Erkenntnisse erbrachten.
686
Dass
lediglich an drei Tagen eine Observation stattfand, war
nach Aussage der Zeugen der Tatsache geschuldet, dass
bei der Polizei Thüringen seinerzeit nur begrenzt Res-
sourcen für den Einsatz des die Observation durchführen-
den MEKs zur Verfügung standen. Der Zeuge Dressler
hat hierzu erklärt:
„Dementsprechend haben wir bei der Staatsan-
waltschaft eine Observation beantragt für den für
uns damals Hauptverdächtigen Uwe Böhnhardt
von vier Wochen. Die wurde von der Staatsan-
waltschaft auch angeordnet, wurde aber in der
Endkonsequenz im LKA nicht umgesetzt. Ledig-
lich drei Tage konnten realisiert werden, weil die
Kapazität nicht ausgereicht hat, die uns damals zur
Verfügung stand. […] Wenn Sie in einem Land
nur bestimmte Kapazitäten haben und es andere,
schwerwiegendere Fälle gibt wie Mord, Raub - ich
weiß nicht, was zu dem Zeitpunkt auf der Tages-
683) Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungsergebnisse vom
10. Oktober 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 508 ff. und MAT A TH-
2/6, Bl. 200 ff.
684) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 34, Rn. 32 f.
685) Aktenvermerk vom 13. Oktober 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 522.
686) Observationsprotokolle des MEK Thüringen, MAT A TH-1/1,
Bl. 524 ff., 536, 539 f., 541 ff.
ordnung stand - entscheidet der Leiter der Abtei-
lung 3 bzw. der Präsident des LKA, wo diese Ob-
servationskräfte eingesetzt werden. Man ist in dem
Moment als Sachbearbeiter in der Situation, dass
man mit dem leben muss, was einem zugestanden
wird. […] Es gab ja einen Beginn dieser Maßnah-
me, dieser Vier-Wochen-Frist. Dann gab es natür-
lich die Information: Wir können heute nicht, wir
können heute nicht, wir haben eine andere Aufga-
be zugewiesen bekommen. - Das war auch mei-
nem Vorgesetzten bekannt. Nach den vier Wochen
gab es ein Ergebnis; da gab es entsprechende Ob-
servationsprotokolle, nämlich entsprechend für die
drei Tage drei Stück. Da war klar: So kommen wir
nicht weiter. - Denn ich war überzeugt davon,
wenn wir sozusagen diese dauerhafte Observation
umsetzen, dass wir zu diesem Objekt gelangen,
was für uns von Interesse war.“687
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen wurden die bei der
AOK sowie beim Sozial- und Arbeitsamt der Stadt Jena
bekannten Daten (insbesondere dort bekannte frühere
Arbeitgeber und die Bankverbindungen) von Henning
H.,
688
André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Bea-
te Zschäpe und Ralf Wohlleben ermittelt.
689
b) Observation von Böhnhardt durch das LfV
Thüringen im November/Dezember 1997
aa) Auftrag bzgl. der Observation des LfV Thü-
ringen durch das LKA Thüringen?
Ob das LfV Thüringen Böhnhardt von sich aus observier-
te oder ob dies auf Anregung der EG „TEX“ aus dem
LKA Thüringen hin erfolgte, hat der Ausschuss nicht
klären können. Die Aussagen der Beteiligten widerspre-
chen sich in dieser Hinsicht – aus den Akten lässt sich
kein entsprechender Auftrag oder dergleichen des LKA
Thüringen entnehmen. Während die Mitarbeiter des LfV
Thüringen Nocken
690
, E.
691
und Schrader
692
in ihren An-
hörungen vor der Schäfer-Kommission bekundet haben,
dass das LfV Thüringen in dieser Hinsicht aus eigener
Initiative heraus tätig geworden sei, äußerten die LKA-
Mitarbeiter Dressler,
693
N.
694
und F.
695
in ihren Anhörun-
687) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 3.
688) Henning H. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs
zu diesem Abschnitt Stellung genommen.
689) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 22. Oktober 1997, MAT
A TH-1/1, Bl. 548 f.; Mehrere Schreiben des Arbeitsamtes Jena
aus dem November und Dezember 1997, MAT A TH-1/1, Bl.
551 ff.
690) Vermerk über die Befragung des Zeugen Nocken vor der Schä-
fer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 88 ff. (91).
691) Vermerk über die Befragung des Zeugen E. vor der Schäfer-
Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 190 ff. (191); E. gab an, kei-
ne sichere Erinnerung zu haben.
692) Vermerk über die Befragung des Zeugen Schrader vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 166 ff. (171).
693) Vermerk über die Befragung des Zeugen Dressler vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 47 ff. (47).
Drucksache 17/14600 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen vor der Schäfer-Kommission, dass die Initiative hier-
zu vom LKA Thüringen ausgegangen sei.
Aus einem internen Ermittlungsbericht des Leiters der EG
„TEX“, dem Zeugen Dressler, vom 23. Februar 1998696,
ergibt sich, dass Mitarbeiter des LfV Thüringen durch die
EG „TEX“ angesprochen und um die Observation gebe-
ten worden waren, was – neben dem zeitlichen Zusam-
menhang mit der ergebnislosen Observation des LKA
Thüringen im Oktober 1997 – einen Anhaltspunkt dafür
darstellt, dass die Observation von Seiten des LKA Thü-
ringen angeregt worden war. Der Zeuge Luthardt, seiner-
zeit Leiter des LKA, hat in seiner Zeugenvernehmung vor
dem Untersuchungsausschuss bekundet, das LfV Thürin-
gen habe die Observation im Auftrag des LKA Thüringen
durchgeführt.
697
Vor dem Untersuchungsausschuss haben die vernomme-
nen Zeugen in dieser Hinsicht ihre zuvor gemachten An-
gaben bestätigt. Der Zeuge EKHK Dressler hat den Vor-
gang folgendermaßen beschrieben:
„Ich bin daraufhin im November 97, also nach
dem Ende unserer Observationsmaßnahmen und
der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Gera, dass
die Konteneinsicht wohl mehrere Monate braucht,
bis sie umgesetzt wäre, weil mir dieser Umstand
schlicht und ergreifend einfach zu lang war - im
Gepäck diese gerade frisch abgelegte USBV; der
Auffindplatz ist in Jena -, zu dem damaligen Refe-
ratsleiter für rechts, dem Herrn Schrader, zum
Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen ge-
fahren. Dem habe ich meine Ermittlungsergebnisse
zur Kenntnis gegeben, habe gesagt, dass ich der
Überzeugung bin, dass Uwe Böhnhardt einer der
Dreh- und Angelpunkte um diese abgelegten
USBVs bzw. Attrappen ist, habe um Unterstützung
ersucht und gefragt, ob er eine Möglichkeit sieht,
uns in dieser Situation observationstechnisch zu
unterstützen.“ 698
Der Zeuge Luthardt hat erklärt:
„Es wurde das Landesamt für Verfassungsschutz
dann beauftragt, die Observation in unserem Auf-
trag durchzuführen.“699
Der Zeuge Schultz – damals zuständiger Staatsanwalt –
hat ausgeführt:
694) Vermerk über die Befragung des Zeugen N. vor der Schäfer-
Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 136 f. (136).
695) Vermerk über die Befragung des Zeugen F. vor der Schäfer-
Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 107 ff. (107).
696) Vermerk des Landeskriminalamts Thüringen, EG „TEX“, zum
Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung eines Explosions-
oder Strahlungsverbrechens gem. § 311b StGB u. a., vom
23. Februar 1998, MAT A TH-1/7, Bl. 57 ff. (59).
697) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 88.
698) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 4.
699) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 88.
„Und da hat das Landeskriminalamt lange ermittelt
und ist meiner Erinnerung nach nicht entscheidend
weitergekommen und hat dann das Landesamt für
Verfassungsschutz gefragt. Das Landeskriminal-
amt ist auch mit Observationen, glaube ich, nicht
weitergekommen. Dann haben sie das Landesamt
für Verfassungsschutz gefragt oder um Observati-
on gebeten oder um Amtshilfe gebeten.“700
Allerdings wurde seitens des damaligen Leiters der EG
„TEX“, Dressler, vor der Schäfer-Kommission auch
geäußert, dass Uwe Böhnhardt und das Auffinden der
Theaterbombe bereits vor der Observationsmaßnahme
beim Landesamt für Verfassungsschutz, namentlich bei
dem Mitarbeiter Schrader, bekannt gewesen seien.
701
Dressler hat dies vor dem Untersuchungsausschuss bestä-
tigt. Auf die Frage, ob Schrader mit dem Namen
Böhnhardt etwas habe anfangen können, äußerte EKHK
Dressler:
„Er kannte ihn, sagen wir mal so.“702
Im Gegensatz hierzu stehen die Aussagen der Zeugen, die
seinerzeit dem LfV Thüringen angehörten. Der damalige
Vizepräsident des LfV Thüringen, der Zeuge Nocken, hat
bekundet:
„Ein Auftrag des Landeskriminalamtes oder eine
Bitte des Landeskriminalamtes ist mir nicht be-
wusst. Es hätte ja dann sowieso eine Bitte oder ein
Auftrag oder eine Absprache auf verhältnismäßig
hoher Ebene sein müssen. Sachbearbeiter können
ja nicht sagen: Ich setze jetzt mal eben die Obser-
vationsgruppe des Landesamtes für Verfassungs-
schutz ein. Zumindest hätte man mit mir sprechen
müssen und in dem Falle womöglich der Leiter der
Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes,
und das war nicht der Fall. Also, ich habe das so in
Erinnerung, dass wir aus eigenem Antrieb uns mit
den Personen beschäftigt haben und nicht aufgrund
eines Auftrages.“703
sowie
„Auf Sachbearbeiterebene mal eben Anruf beim
LfV, und schon springen die mit ihrer Observation
da rein, das ist hanebüchen; das gibt es nicht. Eine
schriftliche Bitte des LKA ‚Übernehmt die Obser-
vation für uns!‘ habe ich nicht gesehen. Ich bin
nach wie vor fest der Überzeugung: Es kann auch
so was gewesen sein, aber da müsste vielleicht der
LKA-Chef mit dem Herrn Roewer gesprochen ha-
ben: ‚Übernehmt ihr das für uns?‘ - Mit mir ist
nicht geredet worden, schriftlich habe ich es auch
nicht gesehen. Ich gehe mal davon aus, dass wir
700) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 13.
701) Vermerk über die Befragung des Zeugen Dressler vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 47 ff. (48).
702) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 5.
703) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/14600
aufgrund eigener Erkenntnisse zu der Überlegung
gekommen sind, dass es eigentlich nur aus diesem
Personenkreis jemand gewesen sein kann.“704
Der Zeuge Schrader hat gegenüber dem Untersuchungs-
ausschuss bekundet, dass er den Auftrag zur Suche nach
den Bombenbauern und einer möglichen Werkstatt von
dem Präsidenten des LfV Dr. Roewer erhalten habe.
„Der rief mich eines Tages zu sich, nachdem also
zunächst die Puppe an der Autobahn gefunden
wurde. Das war Ende 97. Das muss im November,
Dezember 97 gewesen sein. Kurz darauf wurden
dann zwei Bombenattrappen gefunden. Die eine
war eine bloße Attrappe, das andere war eine
zündfähige, aber nicht zündbereite Bombenattrap-
pe in Jena, und das LKA kam da nicht weiter. Ich
wurde dann hochgerufen und wurde dann gebeten
[…] die Bombenbastler und nach Möglichkeit die
Werkstatt zu suchen.“705
Dr. Roewer sei zuvor von einer Besprechung zurückge-
kommen, die vermutlich im Innenministerium Thüringen
oder im LKA Thüringen stattgefunden habe.
706
Er habe zu
ihm gesagt, offenbar käme das LKA nicht weiter.
707
Schrader hat bekundet, das Trio sei dem LfV Thüringen
zudem nicht als solches bekannt gewesen. Konkret hat er
bekundet:
„Dieses Trio hatten wir am Anfang nicht auf dem
Schirm, muss ich ganz ehrlich sagen. Das begann
im Grunde erst intensiv zu werden, nachdem ich
gebeten wurde, die Bombenleger zu suchen und
die Bombenwerkstatt zu suchen.“708
Auf Nachfrage, wie der Kreis der zu observierenden Per-
sonen bestimmt wurde, hat der Zeuge Schrader ausgesagt:
„Sie müssen sich das so vorstellen, dass wir natür-
lich auch vom LKA unterrichtet wurden über das,
was da lief. Wir waren natürlich auch interessiert
daran, zu wissen, was das LKA für Erkenntnisse
über die Bombenattrappen hatte usw. Das war ja
auch unser Thema. Und dann fielen irgendwann
diese drei Namen auch. Das heißt, die Zschäpe war
am Anfang nicht dabei. Es fielen nur die Namen
Mundlos und Böhnhardt.“709
Es seien auch noch mehr Namen gefallen, da das Ermitt-
lungsverfahren wegen der Bombenattrappe gegen mehre-
re geführt wurde.
„Es gab damals die Brüder Kapke, der große und
der kleine Kapke. Es war Wohlleben da. Aber im
Zusammenhang mit diesen Bombengeschichten
waren mehr die beiden Namen Mundlos und
704) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 26.
705) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.
706) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.
707) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.
708) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.
709) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.
Böhnhardt, und das war dann auch unser Ansatz-
punkt, wobei wir zunächst analysiert haben, wen
wir aufnehmen können. Wenn man da anfängt zu
arbeiten, muss man ja sehen, wo man anfängt. Und
wir haben dann bestimmte Leute observiert, eben
auch Böhnhardt.“710
Insgesamt seien sechs Personen, die Gegenstand des
Strafverfahrens wegen der Bombenattrappe waren, obser-
viert worden. Zur Dauer und zum Umfang dieser Obser-
vationen hat der Zeuge Schrader angegeben:
„Die sind auch ein paar Tage observiert worden,
aber das wurde dann hinterher abgebrochen.
Nachdem wir diese Feststellung getroffen hatten,
haben wir das abgebrochen, weil es im Moment
keinen Grund gab. Die haben wir erst hinterher
wieder aufgenommen, nachdem die drei unterge-
taucht waren.“711
„Wir haben uns auf Böhnhardt und Mundlos kon-
zentriert, wir haben uns auf Kapke konzentriert
und auf Wohlleben. Das waren die drei, die auch
vorher öfter bei irgendwelchen Aufmärschen auf-
gefallen waren, wobei allerdings die Ermittlungen
des LKA sich zunächst einmal gegen Böhnhardt
gerichtet hatten damals und auch Mundlos. Wir
haben also sicherheitshalber alle vier aufgenom-
men […].712
Bereits nach zwei Tagen sei es dem LfV Thüringen ge-
lungen,
„Böhnhardt und Mundlos in einer sehr konspirati-
ven Art und Weise festzustellen und zu beobach-
ten, wo sie bestimmte Dinge eingekauft haben und
dann in eine bestimmte Garage verbracht haben.
Das war die berühmte Garage Nr. 5 an der Kläran-
lage, die - - wo sie also auch sich in einer be-
stimmten Art und Weise benommen haben, als sie
in die Garage reingegangen sind, dort eine Zeit
lang drin verblieben, wieder rauskamen, die Gara-
ge verschlossen haben. Das war also eine konspi-
rative Angelegenheit für uns.“713
Der Zeuge Schrader hatte bereits vor der Schäfer-
Kommission geäußert, dass das LfV Thüringen von sich
aus tätig geworden sei, wobei er hier einräumte, dass es
möglich sein könne, dass er mit dem Leiter der EG
„TEX“ im LKA Thüringen, Dressler, telefoniert habe.714
Der Zeuge Dr. Roewer hat sich in dieser Hinsicht nicht
konkret geäußert. Er bekundete:
„Es hat 1997 ein paar nicht bestätigte Gerüchte
gegeben, dass in der rechtsextremen Szene Leute
710) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 116.
711) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 119.
712) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 116.
713) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 116.
714) Vermerk über die Befragung des Zeugen Schrader vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 166 ff. (171).
Drucksache 17/14600 – 122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mit Sprengstoff laborieren. Ich habe daraufhin
Weisung erteilt, dass die Behörde das unverzüglich
aufklärt. Es sind dann eine Reihe von Informatio-
nen zusammengetragen worden, die darauf hindeu-
teten, dass zu dem Gerücht drei Personen passen
würden: Das sind die heute bekannten Böhnhardt,
Zschäpe und Mundlos. Nachdem diese Informatio-
nen bei uns in der Behörde sozusagen vorrätig wa-
ren, sind sie unverzüglich an die Polizei abgeflos-
sen, da nach meiner Auffassung nunmehr im Wege
von Exekutivmaßnahmen zu klären war, ob das so
ist, ob es wirklich so ist, wie wir vermuteten. Und
wenn es so ist, war polizeilicher Zugriff mehr als
geboten. Damit war die Phase eins für das Landes-
amt abgeschlossen.“715
Wer die Weisung zu der Observation gegeben habe, wisse
er – Dr. Roewer – nicht mehr.716
In den Akten des LfV Thüringen ist kein Auftrag des
LKA Thüringen bzgl. einer Observation des Böhnhardt
enthalten. Die Akten zum Vorgang „Drilling“ enthalten
zunächst die Meldung des LKA Thüringen vom
5. September 1997 über das Auffinden der sog. „Theater-
Bombe“, die auch die Mitteilung enthält, dass die „Thea-
ter-Bombe“ TNT enthalte,717 sowie einen Vermerk der
Stadtverwaltung Jena.
718
Hieran angeschlossen ist ein
Ermittlungsauftrag des Mitarbeiters des LfV Thüringen,
E., vom 16. Oktober 1997 enthalten, in dem um Abklä-
rung der Personen Böhnhardt, Kapke, Mundlos und
Zschäpe gebeten wird.
719
Ein offensichtlich hieraufhin
erstellter Vermerk vom 6. November 1997 folgt so-
dann.
720
Hierauf folgt ein ebenfalls von dem Mitarbeiter
E. gezeichneter „Observationsauftrag“ bzgl. Uwe
Böhnhardt vom 14. November 1997.
721
Im Anschluss
enthalten die Akten das von dem Mitarbeiter des LfV
Thüringen A. gezeichnete Observationsprotokoll bzgl. der
Observation des Uwe Böhnhardt im Zeitraum 24. No-
vember bis 1. Dezember 1997, welches nebst Anlagen
insgesamt 16 Seiten umfasst.
722
715) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.
716) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 97.
717) Meldung des Innenministeriums Thüringen vom 5. September
1997, MAT A TH-2/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Bl. 1 f. (offen).
718) Vermerk der Stadtverwaltung Jena (Haupt- und Personalamt für
Oberbürgermeister) vom 5. September 1997, MAT A TH-2/1,
Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 3 f. (offen).
719) Ermittlungsauftrag vom 16. Oktober 1997, MAT A TH-2/1,
Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 5 (VS-NfD).
720) Vermerk über Personenerkenntnisse vom 6. November 1997,
MAT A TH-2/1, Anlage 1, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 7
ff. (VS-NfD).
721) Observationsauftrag vom 14. November 1997, MAT A TH-2/1,
Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 11 (VS-
Vertraulich).
722) Vermerk über Observation in Jena vom 2. Dezember 1997,
MAT A TH-2/1, Anlage 1, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 12
ff. (VS-Vertraulich, Skizzen VS-NfD).
bb) Erkenntnisse durch die Observation des
LfV Thüringen
Zwischen dem 24. November und dem 1. Dezember 1997
wurden durch das Landesamt für Verfassungsschutz Thü-
ringen Observationsmaßnahmen von Böhnhardt durchge-
führt.
723
Hierbei konnte am 24. November 1997 festge-
stellt werden, dass Böhnhardt gemeinsam mit Mundlos
Materialien aus seiner Wohnung in eine gegenüber der
Wohnung liegende Garage verbrachte. Hierbei handelte
es sich um die Garage Nr. 7. Die unmittelbar daneben
liegende Garage Nr. 6 gehörte dem Vater von Uwe
Böhnhardt. Am 25. November 1997 wurden Böhnhardt
und Mundlos sodann dabei beobachtet, wie sie zwei Liter
Brennspiritus und Gummiringe in verschiedenen Super-
märkten einkauften und diese Gegenstände jeweils in eine
bisher unbekannte Garage, die Garage Nr. 5 im Komplex
des „Garagenvereins an der Kläranlage e. V.“ in Jena-
Burgau, Göschwitzer Straße, verbrachten. Während sich
Böhnhardt und Mundlos während der Observation zu-
nächst wenig konspirativ verhalten hätten, so sei dies
während des Aufenthalts im Bereich der Garage Nr. 5
anders gewesen. Als Mieter der Garage konnte ein Herr
A. ermittelt werden.
Das Observationsprotokoll des LfV Thüringen umfasst
sechs Seiten zzgl. zwei Seiten mit Skizzen der Garagen-
anlage und eine acht Seiten umfassende Lichtbildmappe,
die Aufnahmen von Böhnhardt und Mundlos sowie Auf-
nahmen des Garagenkomplexes an der Kläranlage ent-
hält.
724
Auf den Aufnahmen ist die Garage Nr. 5 durch
einen nachträglich aufgezeichneten Pfeil gekennzeichnet.
Auf den Aufnahmen, die die Garagenanlage zeigen, sind
keine Personen abgebildet. Für den 25. November 1997,
mithin den zweiten Tag der Observation, verzeichnet das
Observationsprotokoll für 13.52 Uhr, dass Uwe
Böhnhardt und Uwe Mundlos den Supermarkt Kaufland
in Jena-Lobeda verlassen und zu einem Parkplatz in der
Göschwitzer Straße in Jena fahren, dort das Fahrzeug
parken, und sich zu einem Garagenkomplex am anderen
Ufer der Saale begeben. Erst um 14.18 Uhr seien beide
zurück zum Fahrzeug gekommen, um dann, nach dem
Einkauf von (vermutlich) Gummiringen im Supermarkt
Kaufland in Jena-Burgau um 14.30 Uhr wieder zurück zu
dem Parkplatz in der Göschwitzer Straße zu fahren, wo
beide die Fußgängerbrücke über die Saale überquert hät-
ten, um sich dort dann gegen 14.36 Uhr in die Garage Nr.
5 in der Garagenanlage des Garagenvereins an der Klär-
anlage zu begeben. Das Observationsprotokoll enthält
hierzu folgende Anmerkung:
„Anmerkung: Auffällig ist, daß nach dem Betreten
der Garage das Tor sofort wieder geschlossen
723) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an das
LKA Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 40 f.
724) Hierzu und im Folgenden: Vermerk über Observation in Jena
vom 2. Dezember 1997, MAT A TH-2/1, Anlage 1, (Tgb.-Nr.
09/12 - GEHEIM), Bl. 12 ff. (VS-VERTRAULICH, Skizzen
VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 123 – Drucksache 17/14600
wurde, des Weiteren besteht die Möglichkeit, mit
dem Fahrzeug zur Garage zu fahren.“
Darüber hinaus ist am Ende des Observationsprotokolls
vermerkt:
„Anmerkung: Im gesamten Observationsverlauf
verhält sich die ZP mit Ausnahme beim Betreten
der Garage in der Göschwitzer Straßen wenig kon-
spirativ oder auffällig.“
Der Zeuge Baumbach hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss bestätigt, die Eigentumsverhältnisse der Garage
abgeklärt zu haben.
725
Vor dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landta-
ges hat der Mitarbeiter A. des LfV Thüringen ausgesagt,
er habe diese Observation geleitet und sei als Einsatzleiter
selbst mit dabei gewesen. Die Anzahl der eingestezen
Observationskräfte habe geschwankt; nach A.s Erinnerung
seien es maximal zehn bis zwölf Personen gewesen.
726
Der Zeuge Wießner hat vor dem Ausschuss ausgesagt,
sein Referat sei nicht in die Observation eingebunden
gewesen. Die Observation sei über die V-Mann-Führung
gelaufen.
727
Auch sein Mitarbeiter, der Zeuge Baumbach,
sei nicht eingebunden gewesen.
728
Demgegenüber hat der Zeuge Baumbach in seiner Ver-
nehmung vor der Schäfer-Kommission mitgeteilt, er sei
bei der Observationsmaßnahme für die Abklärung der
Hintergrundinformationen zuständig gewesen, also zum
Beispiel für die Klärung, wer die Besitzer der jeweiligen
Garagen waren.
729
Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Baum-
bach angegeben, er habe tagsüber ermittelt und abends
die Observation mit verstärkt. Er hat erläutert:
„Personen, die aufgetaucht sind, jetzt abends auf-
grund der Observation, die wurden praktisch dann
von mir tagsüber abgeklärt, wurden dann - - Da
habe ich auch - - In Absprache mit der damaligen
Leitung gingen die Erkenntnisse von mir dann
gleich in den Observationsbericht, um das halt
auch zeitnah verfügbar zu machen.“730
cc) Mitteilung der Ergebnisse der Observation
an das LKA Thüringen
aaa) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Janu-
ar 1998
Spätestens mittels eines Schreibens vom 8. Januar 1998,
laut Eingangsstempel eingegangen beim LKA Thüringen
725) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 185 f.
726) MAT B TH-1/19, Bl. 113.
727) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 9.
728) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 9.
729) Baumbach, Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-
6/3, Bl. 235.
730) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 184.
am 9. Januar 1998, wurde die EG „TEX“ des LKA Thü-
ringen durch das LfV Thüringen über die Ergebnisse der
Observation in Kenntnis gesetzt.
731
Das von Vizepräsi-
dent Nocken gezeichnete Schreiben enthielt als Anlage
zwei mit der Hand angefertigte, nicht maßstabsgetreue
Skizzen, aus denen sich die Lage der Garage Nr. 5 an der
Kläranlage ergab. Darüber hinaus enthielt das Schreiben
detailliert die Personalien des Garagenmieters A. (Name,
Geburtsdatum und –ort, Anschrift), nicht jedoch die In-
formation, dass dieser Polizeibeamter ist. Zudem war die
Postfachanschrift des Garagenvereins an der Kläranlage
mitgeteilt worden. Das Schreiben enthielt die Einstufung
als VS-Vertraulich (amtlich geheimgehalten). Am
28. Januar 1998, also zwei Tage nach den Durchsu-
chungsmaßnahmen, wurde das Schreiben auf den Ver-
schlusssachengrad „Verschlusssache – Nur für den
Dienstgebrauch“ herabgestuft.
bbb) Mündliche Vorabinformation über das Er-
gebnis der Observationsmaßnahmen
Nach Aussage des Zeugen Dressler wurde das Ergebnis
der Observation jedoch bereits vorab mündlich dem LKA
Thüringen mitgeteilt. Dressler hat auf die Frage, wann er
über das Ergebnis der Observation informiert worden sei,
geäußert:
„Muss Anfang Dezember gewesen sein, mündlich,
telefonisch. Da habe ich gesagt: Das nützt mir
nichts. Ich brauche es, wie abgesprochen, in einer
verwertbaren Form.“732
ccc) Einstufung des Schreibens vom 8. Januar
1998 als „VS-Vertraulich“
Der Zeuge Dressler hat bekundet, dass er – bereits im
Rahmen der Anfrage bzgl. der Observation beim LfV
Thüringen im November 1997 – darauf gedrungen habe,
dass die erlangten Informationen in einem Strafverfahren
verwertbar sein müssten:
„Ich bin also zum Verfassungsschutz gefahren, ha-
be dem Herrn Schrader die Ermittlungsergebnisse
mitgeteilt, die wir in dem Zusammenhang haben,
und habe ihn gefragt, ob die Möglichkeit besteht,
dass uns der Verfassungsschutz an dieser Stelle
unterstützt, was aber auch nur Sinn macht, wenn
wir diese Ergebnisse anschließend offen zurückbe-
kommen, weil irgendwelche Einstufungen mir ge-
nauso wenig weiterhelfen. Das wurde mir von
Herrn Schrader zugesagt. Ich hatte zu dem Zeit-
punkt auch durchaus das Gefühl, dort auf offene
Ohren und Unterstützung zu stoßen.“733
Nachdem er – Dressler – darauf hingewiesen habe, dass
eine rein telefonische Information für ihn nicht verwertbar
731) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an das
LKA Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 40 ff.
732) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 6.
733) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 5.
Drucksache 17/14600 – 124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sei,
734
äußerte er auf den Vorhalt, dass dann etwa vier
Wochen später in der ersten Januarhälfte 1998 eine
schriftliche Mitteilung eingegangen sei:
„Da kam etwas Schriftliches. Da kam ein als […]
geheim gehaltenes Dokument an, was mich mehr
erstaunt hat, weil das genau das war, was nicht so
beantragt oder abgesprochen war.“735
Der Zeuge Nocken hat demgegenüber bekundet, dass die
Einstufung des Schreibens als „VS-Vertraulich“ üblich
gewesen sei:
„Ich hatte ja versucht, zu erklären: Als diese Bom-
ben vor dem Theater in Jena lagen, haben wir eine
nachrichtendienstliche Operation begonnen. In
dieser nachrichtendienstlichen Operation wurde
auch mit Observationen versucht festzustellen:
Wer käme als Täter denn da in Frage?
Diese nachrichtendienstliche Operation war eine
Verschlusssache; das ist richtig. Und da wir davon
ausgegangen sind, dass die - - Nein, da wir wuss-
ten, dass die Polizei auch ermächtigt ist zum Um-
gang mit Verschlusssachen, haben wir die so ein-
gestuft weitergegeben. Ja.
736„
Der Zeuge Schrader hat bekundet, er habe die Ergebnisse
der Observation Anfang Dezember 1997
737
in Form eines
Berichts zusammengefasst. Darüber hinaus habe das LfV
Thüringen die Zeichnungen angefertigt. Der Bericht und
die Zeichnungen seien dem LKA Thüringen übergeben
worden, wobei er zunächst eine Einstufung als
„GEHEIM“ vorgenommen habe.738
Die Einstufung sei aus Quellenschutzgründen erfolgt,
739
„um zunächst mal zu verschleiern, weil wir noch
nicht wussten, was wir noch zu tun hatten. Uns
kam es zunächst mal darauf an, dem LKA mitzu-
teilen, was wir entdeckt hatten.“740
Auch die eingestufte Weitergabe der Information habe
Sinn gemacht,
„die Polizei hat es ja so gehabt. Sie konnten sie ja
auch verwenden. Ob es nun eingestuft war oder
nicht, sie konnten es verwenden. Es sollte nur
nicht in die Akte rein, dass die Anwälte es nicht
734) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 6.
735) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 7.
736) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 58.
737) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 118.
738) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 117; aus den Akten ergibt sich
eine Einstufung als „VS-Vertraulich“, Observationsbericht des
LfV Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH-3/1, (Tgb.-
Nr. 9/12 – GEHEIM), Bl. 28 f. (VS-NfD).
739) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168.
740) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 117.
zur Kenntnis kriegten. Aber verwenden konnten
sie es ja. Dafür haben wir es ja rübergegeben.“741
Die Observationsmaßnahme war nach Aktenlage am
1. Dezember 1997 abgeschlossen. Die Mitteilung des
Ergebnisses der Observationsmaßnahme an das LKA
Thüringen erfolgte in einem vom damaligen Vizepräsi-
denten des LfV Thüringen, Nocken, unterzeichneten
Schreiben, erst über einen Monat später, am
8. Januar 1998.
742
Der Zeuge Schrader hat nicht erklären können, aus wel-
chem Grund die Übersendung des Berichts so lange ge-
dauert habe:
„Ich weiß nicht welchen, kann ich nicht sagen;
aber ich könnte mir schon vorstellen, dass das ei-
nen Grund gehabt hat.“743
Nach der Observation habe das LfV Thüringen zunächst
einmal keine weiteren Versuche unternommen, an zusätz-
liche Informationen zu gelangen, etwa darüber, mit wem
sich Böhnhardt und Mundlos im Anschluss getroffen
hätten oder ob weitere konspirative Einkäufe erfolgt sei-
en:
„Nein, wir haben danach zunächst mal Pause ge-
macht, um nicht aufzufallen; weil für uns war das
relativ klar, was sich dort abgespielt hatte, und nun
war es aus unserer Sicht am LKA […] die Sache
aufzuklären, einen Durchsuchungsbeschluss zu
erwirken, sich die Garagen anzusehen, zu sehen,
wem die Garagen gehörten. Wir sind davon ausge-
gangen, dass das nun in der Mache sei, und haben
nichts mehr davon gehört.“744
c) Planung der Durchsuchungen am 26. Ja-
nuar 1998
aa) Verarbeitung der durch die Observation
durch das LfV gewonnenen Erkenntnisse
über die Garagen und Beantragung eines
Durchsuchungsbeschlusses
Aus den Akten des LKA Thüringen ergibt sich, dass KHK
Dressler bereits am 5. Januar 1998 telefonische Rück-
sprache mit Staatsanwalt Schultz in Gera führte und die-
sem mitteilte, dass Erkenntnisse über „neue Objekte vor-
liegen“, welche durch die relevante Tätergruppe genutzt
würden.
745
Die Rücksendung der Ermittlungsakten wurde
durch Staatsanwalt Schultz von der Staatsanwaltschaft
Gera zugesichert. Aufgrund der neuen Erkenntnisse sollte
741) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168, in diesem Sinne auch
S. 117.
742) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH
3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 - GEHEIM), Anlage 1, Bl. 40 (VS-NfD).
743) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 167.
744) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 117.
745) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk vom 5. Januar 1998,
MAT A TH-1/2, Bl. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125 – Drucksache 17/14600
zudem zunächst auf die am 13. Oktober 1997 vereinbarte
Kontenabfrage verzichtet werden. In dem Vermerk vom
5. Januar 1998 findet sich selbst kein Hinweis auf die
Herkunft der Erkenntnisse zu den „neuen Objekten“.
Diese werden dort auch nicht näher beschrieben. Erst in
einem Vermerk vom 12. Januar 1998 werden die Garage
Nr. 5 an der Kläranlage und die Garage Nr. 7 in der Ri-
chard-Zimmermann-Straße 11 näher bezeichnet.
746
Am
selben Tag, einem Montag, wurden zwei weitere Vermer-
ke von Mitarbeitern der EG „TEX“ verfasst, aus denen
sich Ermittlungen zu den Besitzern der jeweiligen Gara-
gen entnehmen lassen. Einer dieser Vermerke beinhaltet
Ermittlungsergebnisse zur Garage Nr. 7 in der Richard-
Zimmermann-Straße
747
; der weitere Vermerk beinhaltet
Ermittlungsergebnisse zum Mieter der Garage Nr. 5 im
Garagenverein an der Kläranlage e. V.. Hierbei handele es
sich um einen Herrn A., dessen weitere Personalien ermit-
telt wurden und in dem Vermerk genannt sind.
748
Ebenfalls am 12. Januar 1998 legte KHK Dressler in
einem „ergänzenden Sachstandsbericht“ die seit dem
vorangegangenen Sachstandsbericht vom 10. Oktober
1997 neu gewonnenen Erkenntnisse nieder und regte bei
der Staatsanwaltschaft Gera einen Durchsuchungsbe-
schluss für die Garage Nr. 5 des Garagenvereins an der
Kläranlage e. V., die Garage Nr. 7 in der Richard-
Zimmermann-Straße des Mieters Lutz W. und die daneben
liegende Garage Uwe Böhnhardts an.
749
Im Hinblick auf
die Garage Nr. 5 enthält der Vermerk Ausführungen dazu,
dass Beate Zschäpe den Geburtsnamen A. trage, dass zwar
ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei dem Gara-
genmieter Klaus A. um ihren Vater handele, nicht jedoch,
dass ein anderes Verwandtschaftsverhältnis bestehe.
Hiermit wurde begründet, an den Garagenbesitzer A. nicht
weiter heranzutreten. Über den Vermieter A. lagen keine
polizeilichen Erkenntnisse vor. Ausführungen dazu, dass
A. Polizeibeamter ist, enthält der ergänzende
Sachstandsbericht nicht, ebensowenig sind Ausführungen
dazu enthalten, auf welche Weise die Erkenntnisse zu den
genannten Garagen gewonnen wurden.
Da das Schreiben des LfV Thüringen, welches ausweis-
lich des Eingangsstempels am 9. Januar 1998 beim LKA
Thüringen eingegangen war, bis zum 28. Januar 1998 als
VS-Vertraulich eingestuft war
750
, erfolgte keine Bezug-
nahme auf das Schreiben des LfV Thüringen in den von
KHK Dressler verfassten Vermerken. Der Zeuge Dressler
hat vor dem Untersuchungsausschuss bekundet, er habe
vor dem Hintergrund der Erfahrung mit dem Freispruch
Böhnhardts vom im Puppentorso-Verfahren erhobenen
746) Aktenvermerk vom 12. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 7.
747) Aktenvermerk vom 12. Januar 1998, gezeichnet von PM’in D.,
MAT A TH-1/2, Bl. 9.
748) Vermerk vom 12. Januar 1998, „Ermittlungen zum Garagen-
verein an der Kläranlage e. V.“, gezeichnet von KK F., MAT A
TH-1/2, Bl. 8.
749) Hierzu und im Folgenden: Ergänzender Sachstandsbericht und
Antrag auf Durchsuchung vom 12. Januar 1998, MAT A TH-
1/2, Bl. 10 f.
750) MAT A TH-2/8, Bl. 572.
Hauptvorwurf die Herkunft der Hinweise sauber doku-
mentieren wollen und deshalb zunächst auf ein offen
verwertbares Schreiben des LfV Thüringen gedrungen.
Als schließlich am 9. Januar 1998 zwar ein Schreiben
eingegangen war, dieses aber als VS-Vertraulich einge-
stuft war, habe er – auch vor dem Hintergrund des USBV-
Fundes am Nordfriedhof am 26. Dezember 1997 –
schließlich nicht länger warten wollen. Konkret äußerte
Dressler auf den Vorhalt, ob er sich nach Ablauf von vier
bis fünf Wochen nach dem Ende der Observation einer
weiteren Bitte um eine offizielle Mitteilung, dem darauf
erfolgten Eingang eines eingestuften Schreibens, nicht
gesagt habe „Jetzt reicht es, jetzt muss ich auf jeden Fall
tätig werden“:
„So in etwa trifft es den Sachverhalt, genau.“751
Vor dem Hintergrund des „Ergänzenden
Sachstandsberichts“ vom 12. Januar 1998752 wurde am
16. Januar 1998 durch die Staatsanwaltschaft Gera
(Staatsanwalt Schultz) beim zuständigen Ermittlungsrich-
ter des Amtsgerichts Jena ein Durchsuchungsbeschluss
für die drei genannten Garagen gemäß §§ 103, 105 StPO
beantragt
753
, der durch das Amtsgericht Jena am
19. Januar 1998 unter dem Gerichtsaktenzeichen 7 Gs
31/98 erlassen wurde.
754
In dem Durchsuchungsbeschluss
werden alle drei Garagen unter Nennung ihrer Anschrift
aufgezählt.
Der Zeuge Schultz hat hierzu bekundet:
„Und dann kam ein, ich sage mal, dürrer Vermerk,
wonach, ich glaube, der Böhnhardt und der
Mundlos beobachtet worden waren, wie sie Spiri-
tus und irgendwelche Gummiringe in eine Garage
gebracht haben, deren Existenz dem Landeskrimi-
nalamt nicht bekannt war. Und es gab in dem Zu-
sammenhang noch zwei weitere Garagen - eine
gehörte wohl dem Vater oder war angemietet vom
Vater Böhnhardt - und eine dritte Garage - die be-
fand sich nebendran. Da wollten wir natürlich, um
in den Ermittlungen weiterzukommen, doch mal in
die Garagen reingucken. […]
Dann kam das Landeskriminalamt zu mir. Dann
habe ich gesagt: Ja, gut, das versuchen wir. - Dann
habe ich beim Ermittlungsrichter in Jena einen
Durchsuchungsbeschluss für alle drei Garagen be-
antragt. Den habe ich auch erhalten.“755
751) Dressler, Protokoll-Nr. 53, S. 9.
752) Ergänzender Sachstandsbericht und Antrag auf Durchsuchung
vom 12. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 10 f.
753) Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses vom
16. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 12 f.; MAT A TH-2/7, Bl.
295 f.
754) Hierzu und im Folgenden: Beschluss des Amtsgerichts Jena
vom 19. Januar 1998, Az. 7 Gs 31/98, MAT A TH-1/2, Bl. 14f.;
MAT A TH-2/7, Bl. 297 f.
755) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 13.
Drucksache 17/14600 – 126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Konkrete Vorbereitung der Durchsuchun-
gen
Aufgrund des erlassenen Durchsuchungsbeschlusses fand
am 19. Januar 1998
756
eine Rücksprache zwischen Staats-
anwalt Schultz und den Beamten der EG „TEX“, nament-
lich KK F. und PM’in D., statt.
aaa) Erörterung einer möglichen Festnahme der
Beschuldigten, insbesondere von Uwe
Böhnhardt, im Rahmen der Durchsuchun-
gen und abgesprochene Vorgehensweise
für den Fall des Fundes möglicher Be-
weismittel
Aus einem von KK F. gefertigten Vermerk vom
12. Februar 1998 geht dabei hervor, dass eine Festnahme
der Beschuldigten „nicht in Betracht gezogen“ worden
sei. Vielmehr sei in dieser Hinsicht mit der Staatsanwalt-
schaft Rücksprache zu halten, wenn die Durchsuchungs-
maßnahmen zum Auffinden von Beweismitteln führen
würden.
757
Dies war durch den Zeugen Schultz in seiner
Anhörung vor der Schäfer-Kommission
758
und seiner
Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss bestätigt
worden. Schultz hat hierzu geäußert:
„Wir hatten noch nicht genug in der Hand, um ei-
nen dringenden Tatverdacht zu rechtfertigen, in
keiner Weise.“759
Hintergrund der in dieser Hinsicht zögerlichen Haltung
war zudem möglicherweise, dass das Schreiben des LfV
Thüringen, aus dem sich der Bezug Böhnhardts zu der
Garage Nr. 5 an der Kläranlage ergab, zu diesem Zeit-
punkt (19. Januar 1998) noch als „VS-Vertraulich“ einge-
stuft war und somit ein personeller Bezug zwischen Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und der Garage Nr. 5 an der
Kläranlage nicht dargelegt werden konnte.
760
Der Zeuge Dressler hat hierzu geäußert:
„Na, es ging schlicht und ergreifend darum, ob wir
diese Personen dann auch bei Eintreffen festneh-
men sollten. Das wurde von der Staatsanwaltschaft
sehr restriktiv gehandhabt. Das wurde ausge-
schlossen. […] Die Staatsanwaltschaft ging sehr
vorsichtig damals mit diesen Informationen um
und hat festgelegt, dass, sofern hier irgendwelche
Feststellungen getroffen sind, zunächst immer mit
756) Vermerk des Landeskriminalamts Thüringen, EG „TEX“, zum
Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung eines Explosions-
oder Strahlungsverbrechens gem. § 311b StGB u. a., vom 23.
Februar 1998 (Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998),
MAT A TH-2/7, Bl. 57 ff. (62).
757) Vermerk vom 12. Februar 1997, MAT A TH-1/7, Bl. 41 ff.
(42).
758) Vermerk über die Befragung von Staatsanwalt Schultz vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 306 ff. (313).
759) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 14.
760) Vermerk der EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, KHK Dressler,
KK F., (nicht unterzeichnet), MAT A TH-1/7, Bl. 87 ff. (92).
der Staatsanwaltschaft die weiteren Maßnahmen
abzusprechen sind. Wir haben noch versucht, ob
wir das möglicherweise über erkennungsdienstli-
che Maßnahmen abfedern könnten. Aber der da-
malige Beschuldigte Böhnhardt war unlängst zu
diesem damaligen Zeitpunkt vorher ED behandelt
worden, sodass auch diese Möglichkeit für uns zu-
nächst erst mal nicht bestand.“761
Für den Fall des Auffindens umfangreicher Beweismittel,
so war laut dem Vermerk von KHK Dressler und KK F.
vom 23. Februar 1998 mit Staatsanwalt Schultz vereinbart
worden, solle mit ihm telefonisch Rücksprache gehalten
und weitere Maßnahmen abgestimmt werden.
762
bbb) Vorbereitung in sonstiger Hinsicht
Eingegangen werden soll hier insbesondere auf die Frage,
ob mit der Möglichkeit, in den Garagen Sprengstoff zu
finden, ernsthaft gerechnet wurde und inwiefern im Vor-
feld in Erwägung gezogen wurde, dass die Garagen ver-
schlossen sein könnten.
(1) Möglichkeit des Auffindens von Spreng-
stoff
In einem weiteren Vermerk vom 9. Januar 1998, der zwar
keine Unterschrift trägt, in dem jedoch „Dressler, KHK“
als Sachbearbeiter genannt wird, wird aufgeführt, auf
welche Gegenstände bei der Durchführung der Durchsu-
chungen zu achten ist. Hierbei werden insbesondere ge-
nannt: „chemische Substanzen unbekannter Zusammen-
setzung, die geeignet erscheinen, Sprengstoffmischungen
herzustellen“ sowie „TNT oder andere Sprengmittel“.763
EKHK Dressler hat hierzu vor dem Untersuchungsaus-
schuss bekundet:
„Unser Ziel war, auch mit den Durchsuchungen
letzten Endes Vergleichsmaterialien festzustellen
und zu finden, mit denen wir diesen Leuten diese
Straftaten nachweisen können. Deswegen auch
keine USBV mit vor Ort, also, ich meine, jetzt
USBV-Einheit nicht mit vor Ort, sondern nur
Stand-by im LKA in Vorbereitung, falls wir wirk-
lich Sprengstoffe finden. Primär waren wir darauf
ausgerichtet, an diesem Tag, zu dieser Durchsu-
chung Vergleichsmaterialien und Beweismittel zu
finden, die die Täterschaft für die vorangegange-
nen drei Straftaten belegen lassen.“764
Hieraus folgt, dass letztendlich nicht mit dem Auffinden
signifikanter Mengen an Sprengmitteln gerechnet wurde,
761) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 12.
762) Vermerk der EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, KHK Dressler,
KK F., (nicht unterzeichnet), MAT A TH-1/7, Bl. 87 ff. (92).
763) Vermerk „Durchsuchung USBV-Attrappen“ vom 9. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 30.
764) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 127 – Drucksache 17/14600
ansonsten hätte es nahe gelegen, die USBV-Einheit nicht
lediglich auf Abruf im LKA (in Erfurt!) bereit zu halten,
sondern diese bereits bei den Durchsuchungsmaßnahmen
mit einzusetzen.
(2) Möglichkeit, dass die Garagen verschlos-
sen sein könnten
Ermittlungen zu der Frage, inwiefern die zu durchsuchen-
den Garagen verschlossen sein könnten, sind in den Un-
terlagen nur vereinzelt enthalten. Bei den zu dem Ver-
merk von KK F. vom 12. Januar 1998 führenden Ermitt-
lungen war lediglich im Hinblick auf die Garage Nr. 5 des
Garagenvereins an der Kläranlage e. V. festgestellt wor-
den, dass jeder Mieter einen Schlüssel zu dem Garagen-
komplex besitze und der ehrenamtliche Verwalter des
Garagenkomplexes den Zugang zum Garagenkomplex
gewährleisten könne.
765
Darüber hinaus ist den Akten
nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit, dass die Gara-
ge als solche verschlossen sein könnte, im Vorfeld der
Durchsuchungen überhaupt erörtert worden wäre oder
dass bereits ein Schlüsseldienst o. Ä. mit vor Ort anwe-
send war oder dass dies erwogen worden wäre.
Der Zeuge Dressler hat auf die Frage, ob denn die Feuer-
wehr vorab informiert war, dass eine Durchsuchung statt-
findet und eine mögliche Schlossöffnung im Raum steht,
bekundet:
„Ja. Es wird nie vorab ein Schlüsseldienst oder ei-
ne Feuerwehr informiert, dass wir eine Durchsu-
chung machen, sondern wir fragen üblicherweise:
,Welcher Ansprechpartner steht uns zur Verfü-
gung?‘, und wenn wir auf die Situation treffen,
wird der sozusagen beauftragt und angefordert.“766
Problematisch war, dass Garage Nr. 5 zusätzlich noch mit
einem Vorhängeschloss gesichert war. Diese Möglichkeit
hatte die Polizei bei der Planung der Durchsuchungsmaß-
nahmen nicht in Betracht gezogen. Im Vorfeld der Durch-
suchung wurde zwar eine Probe des Splits von den We-
gen innerhalb des Garagenkomplexes gesichert, dabei
aber nicht der Verschluss der Garage Nr. 5 in Augen-
schein genommen.
767
ccc) Festlegung eines Termins für die Durch-
suchungsmaßnahmen
Als Termin für die Durchsuchungsmaßnahmen wurde
Montag, der 26. Januar 1998, festgesetzt.
768
Ein Durchsu-
chungstermin bereits in der Vorwoche, am 21. oder
22. Januar, scheiterte an der Kräftelage im LKA Thürin-
gen. Aufgrund einer dezernatsübergreifenden Maßnahme
765) Vermerk vom 12. Januar 1998 zu Ermittlungen über den Gara-
genverein an der Kläranlage e.V., MAT A TH-1/2, Bl. 8.
766) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 15.
767) MAT A TH-1/2, Bl. 10 ff.; Dressler, Protokoll-Nr. 55, S. 44 ff.
768) Hierzu und im Folgenden: Vermerk zum Ermittlungsverfahren
vom 23. Februar 1998, MAT A TH-1/7, Bl. 57 ff. (60).
im LKA Thüringen seien Kräfte gebunden gewesen. Der
Zeuge Dressler hat hierzu ausgeführt:
„Und nachdem der Beschluss vorlag - ich weiß
nicht mehr genau, wann das war -, haben uns nur
noch operative Dinge davon abgehalten, das viel-
leicht noch zwei, drei Tage vorher zu tun. Soweit
ich mich erinnere, waren andere Maßnahmen, an-
dere Abteilungen, die das verhinderten, sodass der
26. der erstmögliche Zeitpunkt war, an dem wir
das umsetzen konnten.“ 769
ddd) Verhinderung des Leiters der EG „TEX“,
Dressler, an diesem Tag wegen einer Fort-
bildungsmaßnahme
Der Leiter der EG „TEX“, KHK Dressler, konnte am
26. Januar 1998 aufgrund einer lange geplanten Ausbil-
dungsmaßnahme im Bereich EDV nicht an den Durchsu-
chungsmaßnahmen teilnehmen. Diese wurden daher von
seinem Vertreter, KK F., geleitet. Seitens des Vorgesetz-
ten im LKA wurde darauf Wert gelegt, dass KHK Dress-
ler an der Fortbildungsveranstaltung teilnimmt. Der Zeu-
ge Dressler äußerte hierzu vor dem Untersuchungsaus-
schuss:
„Es ist ja so, dass Lehrgänge lange im Voraus ge-
plant werden in Behörden, und dieser Lehrgang
war offensichtlich schon ein Jahr vorher geplant
worden. Dieser Lehrgang ging von früh um sieben
bis 13 Uhr, und danach bin ich an die Arbeit ge-
gangen. Also, so lief das seinerzeit ab. Und der
Lehrgang ging - ich hatte es mir noch mal
rausgeschrieben - vom 19.01. bis 30.01.98.“770
Auf den Vorhalt, ob wegen der im Raume stehenden
möglichen Aushebung einer Bombenwerkstatt zur Debat-
te gestanden hätte, einen Tag lang nicht an der Fortbil-
dung teilzunehmen, äußerte der Zeuge Dressler:
„Für meinen Dezernatsleiter offensichtlich nicht;
denn der hat mich zu diesem Lehrgang ge-
schickt.“771
und fügte hinzu:
„Auch sicher in dem Vertrauen - Entschuldigung -,
dass mein Stellvertreter diese Dinge ordentlich
handhabt, und wir hatten es in den Nachmittags-
stunden der Vortage auch entsprechend ja vorbe-
reitet. Insofern kann ich es in Teilen nachvollzie-
hen, obwohl es mich natürlich nicht befriedigt
hat.“772
769) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.
770) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.
771) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.
772) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.
Drucksache 17/14600 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Durchsuchungen am 26. Januar 1998
a) Ablauf
Am Morgen des 26. Januar 1998 fand um 6 Uhr in der
Kriminalpolizeiinspektion Jena durch den Durchsu-
chungsleiter KK F. eine Einweisung der an den geplanten
Durchsuchungsmaßnahmen teilnehmenden Polizeibeam-
ten statt. Hierbei teilte ein Beamter der Kriminalpolizeiin-
spektion Jena mit, dass der Besitzer der Garage Nr. 5,
Herr A., ebenfalls Polizeibeamter in Jena sei.
773
Während
sich die für die Durchsuchungen in den Garagen Nr. 6
und 7 in der Richard-Zimmermann-Straße 11 zuständigen
Polizeibeamten bereits zum Durchsuchungsort begaben
und gegen 7 Uhr mit der Durchsuchung der Garagen
begannen, wurde seitens des Durchsuchungsleiters und
der für die Durchsuchung der Garage Nr. 5 zuständigen
Polizeibeamten in der Kriminalpolizeiinspektion Jena das
Eintreffen des Polizeibeamten A. abgewartet, der gegen
7 Uhr eintraf. Ab 6.45 Uhr waren sämtliche Garagen,
auch die Garage Nr. 5 an der Kläranlage, durch die
Schutzpolizei gesichert worden.
aa) Durchsuchung Garage Nr. 5, Garagenver-
ein an der Kläranlage e. V.
Nachdem der Besitzer der Garage Nr. 5, der Polizeibeam-
te A., gegen 7 Uhr in der Kriminalpolizeiinspektion Jena
eingetroffen war, wurde ihm der Durchsuchungsbeschluss
ausgehändigt. Er wurde kurz zum Sachverhalt befragt und
teilte mit, dass er die Garage seit Sommer 1996 an eine
weibliche Person vermietet habe.
774
A. begleitete die
Durchsuchungskräfte zur Garage Nr. 5, wo man gegen
8.15 Uhr eintraf.
775
Da Herr A. zwar für das Schloss in der
Mitte des Tores befindlichen Knebel, nicht jedoch für ein
ebenfalls angebrachtes Vorhängeschloss über einen
Schlüssel verfügte, wurde die Feuerwehr hinzugerufen,
die gegen 9 Uhr vor Ort eintraf und das Vorhängeschloss
schließlich öffnete. Die Kriminalkommissare F. und T.
stellten bei einer ersten Durchsicht ein in einem Schraub-
stock steckendes Rohrstück fest, welches am unteren
Ende zugequetscht und am oberen Ende mit einer Masse
verfüllt war, aus der zwei Drähte herausragten.
776
Es wur-
de vermutet, dass es sich hierbei um eine weitere USBV
handelt. Die Garage wurde daraufhin wieder verschlos-
sen, um Spezialkräfte des Dezernats 33 des LKA Thürin-
gen zur Sicherung des vermuteten Sprengstoffs anzufor-
dern, welche gegen 11 Uhr – aus Erfurt eingetroffen – mit
773) Hierzu und im Folgenden: Vermerk EG „TEX“ vom
23. Februar 1998, MAT A TH-2/7, Bl. 57 ff. (60).
774) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (60).
775) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungsbericht des LKA
Thüringen, EG „TEX“, vom 27. Januar 1998 über die Durchsu-
chung der Garage Nr. 5, MAT A TH-2/7, Bl. 307 ff. (308).
776) Protokoll der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten F., MAT A TH-6/3, Bl. 107 ff. (109).
ihrer Arbeit begannen. Gegen 13 Uhr war die Durchsu-
chungsmaßnahme beendet.
bb) Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und Nr. 7
Die Durchsuchungsmaßnahmen in der Richard-
Zimmermann-Straße begannen sogleich nach der Einwei-
sung um etwa 7 Uhr.
777
Zunächst wurde die Wohnung der
Familie Böhnhardt aufgesucht, wo Uwe Böhnhardt und
dessen Mutter angetroffen wurden.
778
Beiden wurde ein
Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt. Während Frau
Böhnhardt den Durchsuchungsmaßnahmen nicht bei-
wohnte, öffnete Uwe Böhnhardt zunächst noch die Gara-
ge Nr. 6 und fuhr nach der Durchsuchung seinen in der
Garage abgestellten PKW nach draußen. Die Durchsu-
chung der Garage Nr. 6 war gegen 9.30 Uhr abgeschlos-
sen. Danach erfolgte die Durchsuchung der Garage
Nr. 7.
779
Hier wurden drei Farbspraydosen sichergestellt.
cc) Kommunikation zwischen den Durchsu-
chungsteams
In einem am 23. Februar 1998 angefertigten Vermerk ist
bzgl. der Kommunikation zwischen den Durchsuchungs-
teams festgehalten:
„Die Kommunikation zwischen den Durchsu-
chungskräften bestand mittels Funk, Arbeitskanal
der PD Jena.“780
Über den tatsächlichen Umfang der Kommunikation und
die genauen Zeitpunkte erfolgter Mitteilungen, etwa im
Hinblick auf die Frage, wann und auf welche Weise ge-
nau das Auffinden der Bombenwerkstatt dem Durchsu-
chungsteam in der Richard-Zimmermann-Straße mitge-
teilt wurde, finden sich keine konkreten Hinweise in den
Akten. Der Leiter des Durchsuchungsteams in der Ri-
chard-Zimmermann-Straße, N., bekundete in seiner Be-
fragung vor der Schäfer-Kommission, er wisse nicht
mehr, ob überhaupt Funkverkehr zwischen ihm und dem
anderen Durchsuchungsleiter bestanden habe, könne es
sich aber vorstellen.
781
Der Beamte M. hat davon berich-
tet, dass es Funkverkehr gegeben habe.
782
777) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (60).
778) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungsbericht des LKA
Thüringen vom 27. Januar 1998 über die Durchsuchung der Ga-
ragen in der Richard-Zimmermann-Straße, MAT A TH-2/7, Bl.
347 ff. (348).
779) Durchsuchungsbericht des LKA Thüringen vom 27. Januar
1998 über die Durchsuchung der Garagen in der Richard-
Zimmermann-Straße, MAT A TH-2/7, Bl. 347 ff. (349).
780) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (61).
781) Protokoll der Aussage von KHK N. vor der Schäfer-
Kommission, MAT A TH-6, Bl. 136 ff. (137).
782) Protokoll der Aussage des Polizeibeamten M. vor der Schäfer-
Kommission vom 2. Januar 2012, MAT A TH-6, Bl. 35 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129 – Drucksache 17/14600
dd) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
aaa) Kontaktaufnahmeversuch durch KK F. mit
Staatsanwalt Schultz
Staatsanwalt Schultz war am 26. Januar 1998 krankheits-
bedingt dienstunfähig. Er war bereits in der Vorwoche
schwer erkrankt.
Nach Auffinden der vermuteten weiteren USBV in der
Garage Nr. 5 wurde durch Kriminalkommissar F. zwi-
schen 9.15 Uhr und 10 Uhr – offensichtlich in Unkenntnis
der Tatsache, dass dieser erkrankt war – mehrmals ver-
sucht, mit Staatsanwalt Schultz in Gera Kontakt aufzu-
nehmen.
783
Durch die Telefonvermittlung wurde mitge-
teilt, dass Staatsanwalt Schultz noch nicht im Haus sei.
bbb) Kontaktaufnahme von KHK L. mit Staats-
anwalt Sbick
Aufgrund der Tatsache, dass Kriminalkommissar F.
Staatsanwalt Schultz nicht erreichen konnte, wurde KHK
L. gegen 10.30 Uhr von KK F. gebeten, mit der Staatsan-
waltschaft Gera Kontakt aufzunehmen und das Ergebnis
der Durchsuchung bekannt zu geben.
784
KK F. konnte
daraufhin Staatsanwalt Sbick von der StA Gera erreichen,
welcher nach Kenntnisnahme vom bisherigen Ergebnis
der Durchsuchung der Garage Nr. 5 die Festnahme von
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie
– wegen Gefahr im Verzug ohne Einholung eines richter-
lichen Durchsuchungsbeschlusses – die Durchsuchung
aller dieser zugeordneter Objekte anordnete.
785
ee) Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt den Ort
verließ
Über den genauen Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt am
26. Januar 1998 die Örtlichkeit der Durchsuchung in der
Richard-Zimmermann-Straße verließ, gibt es unterschied-
liche Angaben:
In einem am 23. Februar 1998 durch KHK Dressler und
KK F. verfassten Vermerk wird ein Zeitraum zwischen
8.30 Uhr und 9 Uhr genannt
786
, wobei jedoch beide Per-
sonen nicht vor Ort in der Richard-Zimmermann-Straße
anwesend waren. Dieser Zeitraum liegt zeitlich vor dem
Auffinden der USBV in der Garage Nr. 5 nach dem Öff-
nen des Garagentores durch die Feuerwehr um ca. 9 Uhr.
In dem durch den Leiter der Durchsuchung in der Ri-
chard-Zimmermann-Straße, Kriminalhauptkommissar N.
783) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (61).
784) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von Kriminalhauptkom-
missar L. vom 26. Januar 1998, MAT A TH-2/7, Bl. 361 f.;
Protokoll der Befragungen der Schäfer-Kommission, Befragung
des Polizeibeamten F., Bl. 107 ff. (109).
785) Handschriftlicher Vermerk von Staatsanwalt Sbick (undatiert),
MAT A TH-2/15, Bl. 81 und 82, jeweils Rückseite.
786) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (60).
verfassten Vermerk ist nicht ausdrücklich erwähnt, dass
Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verließ, sondern lediglich,
dass er zu Beginn der Durchsuchung der Garage Nr. 6
noch anwesend gewesen sei, am Ende jedoch nicht mehr,
wobei das Ende der Durchsuchung von Garage Nr. 6 mit
9.30 Uhr angegeben wird.
787
Zum Zeitpunkt der Mittei-
lung von dem Fund der USBV enthält dieser Vermerk
keine Angaben.
In den Befragungen durch die Schäfer-Kommission hat
der an den Durchsuchungsmaßnahmen beteiligte Beamte
T. bekundet, dass die Information über das Auffinden der
USBV jedenfalls erst bei der Durchsuchungsgruppe in der
Richard-Zimmermann-Straße eintraf, als Uwe Böhnhardt
die Örtlichkeit bereits verlassen hatte.
788
Die Polizeibeamten N., F. und D. hatten in ihren Befra-
gungen vor der Schäfer-Kommission keine konkreten
Erinnerungen mehr an die zeitlichen Abläufe vor Ort.
789
Der Polizeibeamte M., der an der Durchsuchung in der
Richard-Zimmermann-Straße beteiligt war, hat in einer
dienstlichen Äußerung vom 29. November 2011 noch
bekundet, dass er sich am 26. Januar 1998 gewundert
habe, dass Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verlassen durf-
te, obwohl in der anderen Garage Sprengstoff aufgefun-
den worden sei
790
, was dafür spreche, dass Böhnhardt die
Örtlichkeit trotz Kenntnis von dem aufgefundenen
Sprengstoff habe verlassen dürfen. Auch in seiner Ver-
nehmung vor der Schäfer-Kommission war er sich zu-
nächst sicher, dass Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verlas-
sen habe, als man bereits Kenntnis von dem Fund der
USBV gehabt habe, dass jedoch eine Festnahme ohne
Entscheidung des zuständigen Staatsanwalts nicht habe
erfolgen sollen.
791
Am Ende seiner Vernehmung äußerte
M. dann jedoch, dass er sich nicht mehr sicher sei, ob
Böhnhardt erst nach Kenntnis von der USBV in der Ga-
rage Nr. 5 weggefahren sei.
792
Der Leiter der EG „TEX“, KHK Dressler, der an den
Durchsuchungsmaßnahmen der Garagen selbst nicht
beteiligt war, äußerte, dass er davon ausgehe, dass der
787) Durchsuchungsbericht des LKA Thüringen vom 27. Januar
1998 über die Durchsuchung der Garagen in der Richard-
Zimmermann-Straße, MAT A TH-2/7, Bl. 347 ff. (348).
788) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten T., MAT A TH-6/3, Bl. 19 ff., Bl. 19: „Und wir waren
noch nicht in der Garage drin. Und da hieß es, ob wir da noch
einen Grund haben, den Böhnhardt festzuhalten. Ich hörte das
über Funk.“
789) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten F., MAT A TH-6/3, Bl. 107 ff. (109); Befragung der Po-
lizeibeamtin D., MAT A TH-6/3, Bl. 71 ff. (72); Befragung des
Polizeibeamten N., MAT A TH-6/3, Bl. 136 f. (137).
790) Dienstliche Äußerung des Polizeibeamten M. vom
29. November 2011, MAT A TH-6/3, Bl. 41 ff. (43).
791) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten M., MAT A TH-6/3, Bl. 35 ff. (36).
792) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten M., MAT A TH-6/3, Bl. 35 ff. (40).
Drucksache 17/14600 – 130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beamte N., hätte er bereits von dem Fund der USBV
gewusst, Uwe Böhnhardt sicher festgenommen hätte.
793
b) Mögliche Fehler bei der Durchführung der
Durchsuchungen
aa) Auflistung aller Durchsuchungsobjekte in
einem Durchsuchungsbeschluss
Die Staatsanwaltschaft Gera beantragte am
16. Januar 1998 beim Amtsgericht Jena einen einzigen
Durchsuchungsbeschluss für drei Objekte, der auch in
dieser Form erlassen wurde.
794
Da die Durchsuchungen
nicht gleichzeitig stattfanden, erfuhr Uwe Böhnhardt
während der Durchsuchung seines Zimmers von der dro-
henden Durchsuchung der Garage, in der sich die Bom-
benbauwerkstatt befand.
Der Zeuge Schultz, der damals als Staatsanwalt den
Durchsuchungsbeschluss beantragt hatte, hat ausgesagt,
dass vor der Durchsuchung mit der Polizei besprochen
worden sei, alle drei Objekte zeitgleich zu durchsuchen.
795
Es sei auch heute noch üblich, dass alle Durchsuchungs-
objekte in einem einzigen Beschluss genannt werden. Er
habe sich zuletzt bei Kollegen erkundigt, die Ermittlungs-
verfahren im Zusammenhang mit organisierter Kriminali-
tät bearbeiteten. Auch das Computerformular sei entspre-
chend aufgebaut.
796
bb) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
Es war nicht sichergestellt, dass problemlos mit der
Staatsanwaltschaft kommuniziert werden konnte (siehe
oben: a), S. 128). Offensichtlich war bei den Durchsu-
chungskräften nicht bekannt, dass Staatsanwalt Schultz
bereits in der Vorwoche erkrankt war, weshalb KK F.
zunächst versucht hatte, Staatsanwalt Schultz zu errei-
chen, bevor später durch KHK L. Staatsanwalt Sbick
erreicht wurde und sogleich die Festnahme anordnete.
Bei Anwesenheit eines Staatsanwaltes bei den Durchsu-
chungsmaßnahmen, welche in Nr. 3 der Richtlinien für
das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) vorgeschrie-
ben war, die seit 1991 auch in Thüringen galt, hätte sich
dieses Problem nicht gestellt. In „bedeutsamen oder in
rechtlich oder tatsächlich schwierigen Fällen“ „soll“ der
Staatsanwalt den Sachverhalt nach dieser Vorschrift vom
ersten Zugriff an selbst aufklären.
Bzgl. einer möglichen Festnahme von Böhnhardt ist die
Frage der Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
dann relevant, wenn man die Aussage des Polizeibeamten
M. vor der Schäfer-Kommission zu Grunde legt. Dieser
793) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten D., MAT A TH-6/3, Bl. 24 ff. (30).
794) MAT A TH-2/7, Bl. 297 f.
795) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 15.
796) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 39.
hat dort bekundet, er sei sicher, dass zu einer Zeit, als
Böhnhardt noch am Durchsuchungsort in der Richard-
Zimmermann-Straße anwesend war, bekannt geworden
sei, dass die Kollegen bei der anderen Garage fündig
geworden seien. Es sei gesagt worden, dass keine Fest-
nahme erfolgen solle, weil man erst mit dem zuständigen
Staatsanwalt sprechen wollte.
797
Später hatte M. laut dem Protokoll allerdings auch mitge-
teilt, dass er sich am Ende der Befragung nicht mehr si-
cher sei, ob Böhnhardt erst nach Auffinden der Rohrbom-
ben die Örtlichkeit verlassen habe.
798
cc) Mangelhafte Vorbereitung der Durchsu-
chungen
Fehler können hier darin liegen, dass
– nicht bekannt war, dass es sich bei dem Garagenbe-
sitzer A. um einen Polizeibeamten handelte.
In diesem Fall wäre man möglicherweise trotz der
Übereinstimmung mit dem Geburtsnamen von Be-
ate Zschäpe an ihn herangetreten und hätte bereits
im Vorfeld der Durchsuchung ermittelt, dass Beate
Zschäpe die Garage Nr. 5 von ihm gemietet hatte,
was wiederum möglicherweise Auswirkungen auf
die Art und Weise der Vorbereitung der Durchsu-
chung gehabt hätte.
– nicht abgeklärt wurde, ob und, wenn ja, wie die Ga-
rage Nr. 5 verschlossen war und ggf. ein Schlüssel-
dienst oder die Feuerwehr von Anfang an mit vor Ort
gewesen war.
Man musste damit rechnen, dass die Garage Nr. 5
verschlossen ist.
– trotz der im Raume stehenden Suche nach Spreng-
stoff die entsprechende Einheit lediglich im LKA in
Erfurt in Bereitschaft stand, was einen weiteren Zeit-
verlust zur Folge hatte.
c) Verhaftung des Trios am Tag der Durchsu-
chungen möglich?
aa) Vor dem Auffinden der USBV und der wei-
teren Beweismittel in der Garage Nr. 5
Nach dem Ergebnis der Bewertung der Schäfer-
Kommission bestand vor dem Auffinden der USBV in der
Garage an der Kläranlage keine Möglichkeit für einen
Haftbefehl gegen Uwe Böhnhardt, da der hierfür gemäß
797) Protokoll der Aussage des Polizeibeamten M. vor der Schäfer-
Kommission vom 2. Januar 2012, MAT A TH-6, Bl. 35 ff. (36).
798) Protokoll der Aussage des Polizeibeamten M. vor der Schäfer-
Kommission vom 2. Januar 2012, MAT A TH-6, Bl. 35 ff. (40).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/14600
§ 112 StPO erforderliche dringende Tatverdacht nicht
vorgelegen habe.
799
Auch Staatsanwalt Schultz vertrat vor dem Untersu-
chungsausschuss des Thüringer Landtags die Ansicht, vor
der Garagendurchsuchung habe kein dringender Tatver-
dacht vorgelegen:
„Nein, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt - ein-
mal, weil wegen dieser Theaterbombe gegen ihn
bislang nur ein Anfangsverdacht bestand, da be-
stand nicht der für einen Haftbefehl notwendige
dringende Tatverdacht. Ein dringender Tatverdacht
bedeutet einen Tatverdacht allerhöchsten Grades,
der höher sein muss - zumindest für diesen Zeit-
punkt, an dem der Haftbefehl ausgestellt wird - als
ein Verdacht, den man später für die Anklage
braucht. Für die Anklage braucht man nur einen
hinreichenden Tatverdacht, für einen Haftbefehl
braucht man einen dringenden Tatverdacht. Dieser
dringende Tatverdacht war zu diesem Zeitpunkt
bei der Beweislage noch nicht gegeben.“800
bb) Nach dem Auffinden der USBV in der Ga-
rage Nr. 5
Nach dem Auffinden der USBV in der Garage an der
Kläranlage waren die Voraussetzungen eines Haftbefehls
gegen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe
gegeben. Die Anmietung der Garage durch Beate Zschäpe
und der entsprechende Bezug zu Uwe Böhnhardt, der sich
auch aus den Erkenntnissen aus der Telefonüberwachung
im Puppentorso-Verfahren ergab, sowie der aus der
Überwachungsmaßnahme des LfV Thüringen folgende
Bezug von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu der
Garage an der Kläranlage hätten einen dringenden Tat-
verdacht im Sinne von § 112 StPO begründet. Angesichts
der Höhe einer möglichen Strafe wäre der zusätzlich zum
dringenden Tatverdacht erforderliche Haftgrund der
Fluchtgefahr, insbesondere unter Berücksichtigung der
mittlerweile rechtskräftigen Jugendstrafe gegen Uwe
Böhnhardt, die im Puppentorso-Verfahren verhängt wor-
den war, gegeben gewesen. Die möglichen Gründe dafür,
weshalb es am 27. Januar 1998 nicht zur Beantragung von
Haftbefehlen durch die Staatsanwaltschaft Gera kam,
werden unten im Abschnitt B. V. 6. b) dargestellt.
d) Ergebnis der Garagen-Durchsuchungen
Die Durchsuchungsmaßnamen in der Garage Nr. 5 an der
Kläranlage führten zum Auffinden zahlreicher Beweis-
mittel, die für die Beweisführung zu den in Jena aufge-
fundenen Bomben und Bombenattrappen zielführend
waren; nicht zuletzt wurde auch eine größere Menge
Sprengstoff (ca. 1,4 kg TNT) gefunden. Darüber hinaus
wurden Gegenstände aufgefunden, die über mögliche
Kontaktpersonen des Trios in der rechten Szene Auskunft
799) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 77 f., Rn. 113-116.
800) Protokoll der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Thü-
ringer Landtages vom 3. Juli 2012, MAT B TH-1/4, Bl. 167.
geben. Das im Rahmen der Durchsuchung angefertigte
Sicherstellungsprotokoll führt insgesamt 61 Positionen
auf, die teilweise weitere Unterpositionen enthalten.
801
In
den Garagen Nr. 6 und Nr. 7 in der Richard-
Zimmermann-Straße wurden keine relevanten Beweismit-
tel aufgefunden.
802
aa) Beweismittel, die auf eine Täterschaft des
Trios bei den Bombenfunden und den
Briefbombenattrappen schließen lassen
Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Beweismittel
sowie weitere Indizien deuteten auf eine Täterschaft des
Trios bzgl. der in Jena aufgefundenen Bomben und Bom-
benattrappen sowie bzgl. der Versendung der Briefbom-
benattrappen durch das Trio hin. Es waren sowohl Indi-
zien dafür vorhanden, dass die USBVen sowie die Brief-
bomben in der Garage Nr. 5 hergestellt wurden als auch
dafür, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe in der Garage anwesend waren.
Nicht zuletzt deutete auch die Flucht des Trios nach dem
Auffinden der Garage Nr. 5 auf eine Täterschaft hin.
Durch die Staatsanwaltschaft Gera war dies entsprechend
gewertet worden. Oberstaatsanwalt Schultz hat hierzu
geäußert:
„Dass sie abgetaucht sind, werteten wir damals als
Schuldeingeständnis aller drei.“803
aaa) Beweise für die Herstellung der USBVen
sowie der Briefbomben in der Garage Nr. 5
Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Gegenstände
wurden ausführlich kriminaltechnisch untersucht, und
zwar unter anderem durch chemische, biologische und
trassologische
804
Gutachten. Die eingeholten Gutachten
sind in den Akten enthalten. Durch die EG „TEX“ wurde
eine ca. 25 Seiten umfassende Übersicht erarbeitet.
805
Exemplarisch seien die nachfolgenden Ergebnisse her-
ausgegriffen:
– Durch kriminaltechnische Untersuchungen konnte
unter anderem festgestellt werden, dass die Anstriche
der im Ernst-Abbé-Stadion und der vor dem Theater
abgestellten Holzkiste bzw. Koffer mit Farbresten der
weißen und schwarzen Farbe auf einem in der Garage
Nr. 5 aufgefundenen Bettlaken übereinstimmten.
806
801) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll bzgl. der Garage
Nr. 5 an der Kläranlage, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff.
802) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll der Garagen in
der Richard-Zimmermann-Straße, MAT A TH-1/2, Bl. 181 ff.
803) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 18.
804) Trassologie ist die Lehre von den technischen Formspuren
(beispielsweise Werkzeugspuren).
805) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,
MAT A TH-2/7, Bl. 533 ff.
806) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,
MAT A TH-2/7, Bl. 533.
Drucksache 17/14600 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– In einem roten Plastikeimer aufgefundene Farbreste
stimmten zudem mit der roten Farbe der Holzkiste
bzw. des Koffers aus dem Stadion und vom Theater-
platz überein.
807
– Auch die Zusammensetzung des Schwarzpulvers, das
in dem am Theaterplatz abgestellten Koffer enthalten
war, stimmte in der Zusammensetzung mit Substanz-
resten überein, die in einer Kunststoffschale in der
Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgefunden wur-
de.
808
Zu den Hinweisen, die auf eine Herstellung der Brief-
bomben in Garage Nr. 5 schließen lassen, wird auf die
Ausführungen oben im Abschnitt B. V. 1. d) verwiesen.
bbb) Beweise für die Anwesenheit von Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe in der Garage Nr. 5
An fünf in der Garage Nr. 5 aufgefundenen
809
Filterziga-
rettenresten konnten DNA-Spuren von Beate Zschäpe
festgestellt werden.
810
Auf zwei weiteren in der Garage Nr. 5 aufgefundenen
811
Filterzigarettenresten konnten DNA-Spuren von Uwe
Böhnhardt nachgewiesen werden.
812
Beate Zschäpe hatte die Garage Nr. 5 am 10. August 1996
von Herrn Klaus A. angemietet.
813
In seiner Vernehmung
durch die Polizei Jena am 28. Januar 1998 gab A. an, dass
Beate Zschäpe bei Abschluss des Mietvertrages in Beglei-
tung eines jungen Mannes bei ihm erschienen sei.
814
Wie bereits ausgeführt, wurde Uwe Böhnhardt am
25. November 1997 durch das LfV Thüringen observiert.
Hierbei wurde beobachtet, wie er in Begleitung von Uwe
Mundlos nach dem Kauf von Brennspiritus und Gummi-
ringen die Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgesucht
hatte, um die gekauften Gegenstände dort hinzubringen,
und sich beide hierbei konspirativ verhalten hatten.
815
Es wurden mehrere Unterlagen aufgefunden, die Uwe
Mundlos zugeordnet werden konnten, so zum Beispiel
dessen Reisepass und eine Meldebescheinigung sowie
807) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,
MAT A TH-2/7, Bl. 538.
808) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,
MAT A TH-2/7, Bl. 540.
809) Nr. 34 des Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolls der
Garage Nr. 5, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff. (148).
810) Gutachten des LKA Thüringen vom 16. März 1998, MAT A
TH-1/2, Bl. 474 ff.
811) Nr. 34 des Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolls der
Garage Nr. 5, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff. (148).
812) Gutachten des LKA Thüringen vom 16. März 1998, MAT A
TH-1/2, Bl. 474 ff.
813) Mietvertrag für eine Garage vom 10. August 1996, MAT A
TH-1/2, Bl. 101 ff.
814) Vernehmungsprotokoll mit Klaus A., MAT A TH-1/2, Bl. 97 ff.
815) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 65 f., Rn. 83.
Mundlos zuzuordnende Mietunterlagen.
816
Darüber hinaus
sind auch die beiden aufgefundenen Adress- und Telefon-
listen, auf die weiter unten einzugehen sein wird, Uwe
Mundlos zuzuordnen, da auf diesen dessen Telefonnum-
mer zu der Anschrift Max-Steenbeck-Straße 12a als „ei-
gene Telefonnummer“ aufgeführt ist.817
bb) Beweismittel, die auf die Planung weiterer
Straftaten schließen lassen – Menge des
aufgefundenen Sprengstoffs
Aus den aufgefundenen Gegenständen ließ sich schließen,
dass weitere Straftaten geplant waren. Hierauf deutet
insbesondere der Fund von zwei weiteren Rohrbomben
sowie einer größeren Menge an Sprengstoff hin. Auf den
im Rahmen der Durchsuchung angefertigten Fotoaufnah-
men ist zu erkennen, dass zwei Rohrbomben, die jeweils
TNT enthielten, aufgefunden wurden. Eine der Rohrbom-
ben enthielt zudem Metallteile, u. a. Sechskant-Muttern.
Vor dem Hintergrund der bereits aufgefundenen USBV-
Attrappen konnte darauf geschlossen werden, dass beab-
sichtigt war, diese Rohrbomben zu verwenden.
Bzgl. der Menge des in der Garage Nr. 5 an der Kläranla-
ge aufgefundenen Sprengstoffs wird häufig eine Menge
von 1.392 Gramm genannt.
818
Die Herkunft dieser Zahl
konnte aus den dem Ausschuss vorliegenden Akten nur
bedingt nachvollzogen werden.
Unter den Ziffern 1, 2, 3, 5, 8, 9, 11 und 12 des Durchsu-
chungs- und Sicherstellungsprotokolls der Garage Nr. 5
819
sind die Gegenstände aufgeführt, die Sprengstoff enthiel-
ten oder hätten enthalten können. Besonders hervorzuhe-
ben ist hier die als Ziff. 9 in dem Protokoll erwähnte „Tü-
te mit rotem Klebeband“. Diese enthielt allein 500 – 750
Gramm des Sprengstoffs TNT.
Die Auswertung dieser Gegenstände erfolgte durch das
kriminaltechnische Dezernat des LKA Thüringen. Die
Ergebnisse sind in einem Auswertungsbericht vom
19. August 1998 niedergelegt.
820
Eine Mengenbestim-
mung lässt sich diesem Auswertungsbericht nicht ent-
nehmen.
Erst neun Monate später erfolgte eine Bestimmung der
Menge des Sprengstoffs. Hintergrund war eine entspre-
chende mündliche Verfügung von Staatsanwalt Mohr-
816) Nr. 20 A. 1 und 20 A. 4 des Durchsuchungs- und Sicherstel-
lungsprotokolls, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff. (146).
817) Adress- und Telefonliste, Asservat Nr. 23.6.1, MAT A TH-1/2,
Bl. 283.
818) Z. B. Gutachten der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6, S. 72,
Rn. 99.
819) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll der Garagen in
der Richard-Zimmermann-Straße, MAT A TH-1/2, Bl. 181 ff.
820) Auswertungsbericht vom 19. August 1998, MAT A TH-1/2, Bl.
511 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/14600
mann vom 1. Dezember 1998 gegenüber EKHK Dress-
ler.
821
Die Ergebnisse der Mengenbestimmung sind in einem mit
„Ergänzung zum Auswertungsbericht“ überschriebenen
Vermerk vom 28. Dezember 1998 niedergelegt.
822
Hierin
sind folgende Mengenangaben genannt, wobei zu berück-
sichtigen ist, dass der Sprengstoff als solcher zwischen-
zeitlich vernichtet worden war und nur eine Schätzung
anhand der Raummaße erfolgte:
– Spur 1: Inhaltsstoffe unbekannt
– Spur 2: kein Sprengstoff
– Spur 3: 401,9 g TNT
– Spur 5: Inhaltsstoffe unbekannt
– Spur 8: 49,6 g TNT
– Spur 9: 500 – 750 g TNT
– Spur 11: keine Mengenbestimmung möglich
– Spur 12: 341,6 g TNT
Im Fall der Spur 9 wurde hierbei das Volumen des Be-
hältnisses mit der Masse gleichgesetzt, ohne die Dichte
des TNT zu berücksichtigen.
Addiert man die Mengen aus den Spuren 3, 8, 9 und 12,
so erhält man (wenn man bei Spur 9 500 g ansetzt) einen
Wert von 1 293,1 Gramm. Es liegt mithin nahe, dass die
zuvor erwähnte Mengenangabe von 1 392 Gramm, die
sich aus den Akten entnehmen lässt, Resultat eines Zah-
lendrehers ist. Ermittlungshandlungen, mit denen die
Herkunft des Sprengstoffs versucht wurde abzuklären,
konnte der Ausschuss nicht feststellen.
cc) Beweismittel, die für die Fahndung nach
dem Trio relevant waren
Darüber hinaus wurden in der Garage Nr. 5 an der Klär-
anlage auch Beweismittel aufgefunden, die bei der Suche
nach dem Trio nützlich waren oder bei fachgerechter
Auswertung jedenfalls hätten nützlich sein können, näm-
lich ein Ordner mit Schriftverkehr und zwei Adress- und
Telefonlisten. Hierauf wird im Abschnitt E. II. im Zu-
sammenhang mit den Suchmaßnahmen des LKA Thürin-
gen näher eingegangen. Ermittlungshandlungen zur Ab-
klärung der Herkunft des Sprengstoffs hat der Ausschuss
nicht feststellen können.
e) Weitere Durchsuchungsmaßnahmen und
Ad-hoc-Suchmaßnahmen am 26. Januar
1998
Im Anschluss an die Durchsuchungen der Garagen wur-
den am 26. Januar 1998 aufgrund der in der Garage Nr. 5
821) Telefonvermerk des Zeugen Dressler vom 1. Dezember 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 370.
822) Ergänzung zum Auswertungsbericht vom 28. Dezember 1998,
MAT A TH-1/2, Bl. 515.
aufgefundenen Beweismittel weitere Durchsuchungen
durchgeführt, die durch die Staatsanwaltschaft Gera ohne
Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses
wegen Gefahr in Verzug (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
StPO) angeordnet worden waren.
823
Zweck der Durchsu-
chungen war sowohl die Suche nach dem Trio als auch
das Auffinden weiterer Beweismittel.
Im Einzelnen wurden am Nachmittag des 26. Januar 1998
die folgenden Objekte durchsucht:
– Wohnung von Beate Zschäpe in der
Schomerusstraße.
824
Hier wurde unter anderem ein „Pogromly“-Spiel,825
ein Morgenstern, eine Armbrust mit fünf Pfeilen und
Zielfernrohr, ein Wurfstern und ein Luftgewehr mit
Zielfernrohr sichergestellt.
826
Am 11. Februar 1998
wurde darüber hinaus der Keller durchsucht. Hier
wurde ein Paket Dämmwolle sichergestellt.
827
– Zimmer von Uwe Böhnhardt in der Wohnung seiner
Eltern, zwischen 16.53 Uhr und 18.05 Uhr.
828
Hier wurden unter anderem diverse Patronen für
CO2-Waffen sichergestellt.
– Wohnung von Uwe Mundlos, zwischen 15.25 Uhr
und 16.05 Uhr.
829
Hier erschien Juliane W., die damalige Freundin von
Ralf Wohlleben, die im Besitz der Wohnungsschlüs-
sel war, und gab an, sie habe am Vortag die Woh-
nungsschlüssel von Mundlos erhalten, um in der
Wohnung fernsehen zu können. Es wurde bemerkt,
dass sich in der Wohnung kein Fernsehgerät befand.
Zudem wurde festgestellt, dass der offensichtlich
einmal in der Wohnung befindliche Computer ent-
fernt worden war.
Darüber hinaus wurden am Nachmittag des
26. Januar 1998 weitere Suchmaßnahmen durchgeführt,
830
insbesondere wurden die Wohnungen von Ralf Wohlleben
und André Kapke und des Bruders von Uwe Böhnhardt
überprüft, um mögliche Kontaktorte herum wurde nach
den Fahrzeugen von Böhnhardt und Mundlos gesucht und
823) Vermerk von KK L. vom 26. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl.
201 f.
824) Durchsuchungsbericht von KK V. vom 2. Februar 1998, MAT
A TH-1/2, Bl. 229 ff.
825) Im Hinblick hierauf wurde ein gesondertes Ermittlungsverfah-
ren eingeleitet, vgl. Vermerk vom 23. März 1998, MAT A TH-
2/7, Bl. 396.
826) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 26. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 241 ff.
827) Durchsuchungsbericht vom 11. Februar 1998, MAT A TH-1/2,
Bl. 249.
828) Durchsuchungsbericht vom 27. Januar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 371 f.
829) Durchsuchungsbericht vom 27. Januar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 364 ff.
830) Hierzu und im Folgenden: Bericht über die Maßnahmen zur
Ergreifung der Tatverdächtigen, MAT A TH-1/3, Bl. 8 f.
Drucksache 17/14600 – 134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die Gaststätte Heilsberg wurde überprüft. Auch die Eltern
von Uwe Böhnhardt wurden befragt.
6. Weitere Maßnahmen der Staatsanwalt-
schaft Gera und des LKA Thüringen am
26./27./28. Januar 1998 zur Festnahme der
Beschuldigten Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe
a) Anordnung der vorläufigen Festnahme am
26. Januar 1996
Auf Grund des Auffindens der Gegenstände in der Garage
Nr. 5 an der Kläranlage wurde durch Staatsanwalt Sbick
zunächst die vorläufige Festnahme von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe angeordnet.
831
Durch den Staats-
anwalt wurde festgelegt, dass die drei Personen bis zur
Vorlage der Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft
am nächsten Tag in Verwahrung zu nehmen seien.
b) Ablehnung des Erlasses von Haftbefehlen
am 27. Januar 1998
Am 27. Januar 1998 kam es zu einer Besprechung in den
Räumen der Staatsanwaltschaft Gera, an der Staatsanwalt
Sbick, KHK Dressler und KK F. beteiligt waren.
832
Ein
Haftbefehl wurde an diesem Tag nicht beantragt, vielmehr
lässt sich einem von Staatsanwalt Sbick am selben Tag
verfassten Vermerk entnehmen:
„Bislang konnten die Beschuldigten durch objekti-
ve Indizien nicht an die Sprengsachen gebracht
werden, obwohl ansonsten Indizien für sie als Tä-
ter sprechen.“833
Das Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998
834
,
aus dem allein ein sicherer Bezug zwischen Böhnhardt
und Mundlos und der Garage Nr. 5 an der Kläranlage
hervorging, war an diesem Tag noch als „Verschlusssache
– Vertraulich“ eingestuft. Staatsanwalt Sbick hat vor dem
Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags dazu
ausgesagt:
„Das Hauptproblem für mich war, dass, als ich den
Bericht hatte, noch vertraulich draufstand und er
für mich nicht verwertbar war. Also ich habe den
nicht runtergestuft bekommen, sondern ich habe
831) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK L. vom 26. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 201 f.; Vermerk von KOK D. und
KK F. vom 23. Februar 1998, MAT A TH-1/7, S. 87 ff. (91).
832) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK L. vom 26. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 201 f.; Vermerk von Staatsanwalt
Sbick vom 27. Januar 1998, MAT A TH-2/15, Bl. 25 (Vorder-
und Rückseite); Vermerk von KK F. vom 27. Januar 1998,
MAT A TH-2/8, Bl. 565.
833) Vermerk von Staatsanwalt Sbick vom 27. Januar 1998, MAT A
TH-2/15, Bl. 25 (Vorder- und Rückseite).
834) Schreiben des LfV Thüringen an das LKA Thüringen vom
8. Januar 1998 über operative Maßnahmen des LfV Thüringen
in Jena, MAT A TH-1/3, Bl. 40 ff.
den Bericht dann so vorgehalten bekommen, ist
zwar vom Verfassungsschutz und wenn ich ihn
nicht in die Akte hängen kann, hilft er mir
nicht.“835
In den Akten der Staatsanwaltschaft Gera ist das Schrei-
ben zwar ebenfalls enthalten, jedoch gemeinsam mit ei-
nem Anschreiben des LfV Thüringen vom
28. Januar 1998, in dem von dort aus die Herabstufung
des Schreibens auf den Verschlussgrad „VS-Nur für den
Dienstgebrauch“ mitgeteilt wird.836
Der Zeuge Dressler war jedenfalls der Ansicht, dass ein
als „VS – Vertraulich“ eingestuftes Schreiben nicht Teil
der Ermittlungsakten werden dürfe. Er äußerte hierzu vor
dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages:
„Das kann ich lhnen nicht sagen, denn es kam
dann dieses Schreiben und das war VS-
VERTRAULICH und das ist üblicherweise eine
Form, wie sie nicht in den Gerichtsakten zu finden
sein sollte.“837
Die Äußerungen des Zeugen Dressler vor dem Untersu-
chungsausschuss des Bundestages deuten ebenfalls darauf
hin, dass das Schreiben des LfV Thüringen vom
8. Januar 1998 bei der Staatsanwaltschaft Gera am
27. Januar 1998 unbekannt war. Der Zeuge Dressler hat
hierzu bekundet:
„Herr Sbick war bis dahin nicht mein Ansprech-
partner. Das war der Herr Schultz. Der Herr Sbick
war in der unglücklichen Situation - sage ich jetzt
mal -, hier als Vertretungsanwalt in dieser Situati-
on agieren zu müssen. Er hat nach seiner Rechts-
auffassung so gehandelt und hat letzten Endes die-
se Entscheidung getroffen, die ich nicht kommen-
tieren möchte. […] Nach meinem Kenntnisstand
argumentierte die Staatsanwaltschaft seinerzeit so,
ihr fehlen die personellen Bezüge; die müssen erst
durch entsprechende Untersuchungen – das war
die Sbick-Version gewesen –, durch entsprechende
Versionen untermauert werden; sprich: DNA-
Anwesenheitsnachweise – an den Zigaretten wäre
das möglich gewesen – oder Dakty-Spuren. – Aber
wenn man natürlich im Hintergrund ein Observati-
onsprotokoll hat, was schlicht und ergreifend ein-
fach belegt, von einer staatlichen Stelle: ,Die Per-
sonen wurden dort festgestellt‘, dann wird das na-
türlich alles ersetzen. So. Und das war auch der
Grund, weswegen es dann - auf wessen Druck
835) Landtag Thüringen, UA 5/1, Protokoll der Vernehmung Sbick
vom 13. Mai 2013, Bl. 286.
836) Schreiben des LfV Thüringen an das LKA Thüringen vom
8. Januar 1998 über operative Maßnahmen des LfV Thüringen
in Jena, MAT A TH-2/8, Bl. 572 ff. und Schreiben des LfV
Thüringen an das LKA Thüringen vom 28. Januar 1998, MAT
A TH-2/8, Bl. 576.
837) Dressler laut Protokoll der 11. Sitzung des Untersuchungsaus-
schusses des Thüringer Landtages vom 3. Juli 2012, MAT B
TH-1/4, Bl. 17.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 135 – Drucksache 17/14600
auch immer - zu dieser Herabstufung und letzten
Endes wohl auch Übermittlung an die StA
ging.“838
Vor dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landta-
ges äußerte Dressler hierzu:
„Am 26. wurde ja die vorläufige Festnahme von
allen dreien angeordnet und am 27. wurde das auf-
gehoben und wurde umgewandelt in eine Aufent-
haltsfeststellung. Erst am 28.01., nachdem sozusa-
gen das LfV nun seine Zustimmung gegeben hatte,
dass dieser Vermerk Verwendung finden darf,
wurden die erlassen, weil dann der Bezug, nämlich
die Beobachtung der Personen am Objekt, nach-
vollziehbar war für die Staatsanwaltschaft.“839
c) Beantragung und Erlass von Haftbefehlen
am 28. Januar 1998
Am 28. Januar 1998 wurden durch Staatsanwalt Mohr-
mann Haftbefehle gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschä-
pe beantragt
840
und am selben Tag durch das Amtsgericht
Jena erlassen.
841
An der Sachlage hatte sich im Vergleich
zum Vortag Folgendes geändert: Das Schreiben des LfV
Thüringen vom 8. Januar 1998 war nunmehr durch das
LfV Thüringen auf den Verschlussgrad „Verschlusssache
– Nur für den Dienstgebrauch“ herabgestuft worden.
Am 23. Juni 1998 wurden die Haftbefehle auf Antrag der
Staatsanwaltschaft abgeändert, ergänzt und neu gefasst.
842
Erst jetzt wurden auch der dringende Tatverdacht einer
Straftat wegen der Sprengstofffunde in der Garage sowie
der „Stadion-Bombenattrappe“ und der „Magnus-Poser-
Gedenkstätten-Bombenattrappe“ in die Haftbefehle mit
einbezogen. Zuvor bezogen sich die Haftbefehle gegen
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe lediglich auf den drin-
genden Verdacht einer Straftat wegen des Ablegens der
„Theater-Bombe“.
838) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 50 f.
839) Aussage des Zeugen Dressler vor dem Untersuchungsausschuss
des Thüringer Landtages am 20. März 2013, MAT B TH-1/20,
Bl. 7.
840) Antrag auf Erlass von Haftbefehlen vom 28. Januar 1998, MAT
A TH-2/8, Bl. 578 ff.
841) Haftbefehle des Amtsgerichts Jena vom 28. Januar 1998, MAT
A TH-2/8, Bl. 586 f. (Zschäpe), Bl. 588 f. (Mundlos), Bl. 590 f.
(Böhnhardt).
842) Haftbefehle des Amtsgerichts Jena vom 23. Juni 1998, MAT A
TH-2/8, Bl. 603 ff. (Böhnhardt), 612 ff. (Mundlos), 621 ff.
(Zschäpe).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137 – Drucksache 17/14600
C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der Sicherheitsbehörden in
Bezug auf Rechtsextremismus
I. Ausprägungen und Verbreitung von
Rechtsextremismus
1. Der Begriff des Rechtsextremismus
a) Amtlicher und sozialwissenschaftlicher
Rechtsextremismusbegriff
Um den Rechtsextremismus von 1990 bis 2011 darzustel-
len, bedarf es der Erläuterung des Begriffs „Rechtsextre-
mismus“. Eine einheitliche Definition existiert nicht, der
Begriff wird unter Wissenschaftlern intensiv diskutiert
und ist von unterschiedlichen Vorstellungen geprägt.
843
Der Sachverständige Prof. Dr. Klaus Schroeder hat darge-
legt, Kern beim Begriff Rechtsextremismus sei die biolo-
gische, völkische Aufladung des Weltbildes. Aus einer
völkisch überlegenen Gesellschaft werde eine Ungleich-
heit/Ungleichwertigkeit abgeleitet, die Individuen, Eth-
nien oder Völker insgesamt betreffe. Diese Ungleich-
heit/Ungleichwertigkeit beziehe sich dabei auch auf ge-
sellschaftliche/soziale Gruppen der eigenen Ethnie wie
z. B. Obdachlose, Behinderte, Homosexuelle, Punks,
Linke etc.
844
. Bei empirischen Untersuchungen nehme die
ausländerfeindliche Einstellung den größten Raum ein.
Das nationale Bild von Rechtsextremisten sei generell
ausländerfeindlich, antisemitisch und antiparlamenta-
risch.
845
Er hat den Rechtsextremismus wie folgt definiert:
„Als rechtsextrem bezeichne ich Personen, Grup-
pen, Parteien, die eine Ungleichwertigkeit von
Menschen und Staaten/Nationen aus biologisti-
schen oder rassistischen bzw. ethnischen Motiven
begründen, die tief verwurzelte Vorurteile insbe-
sondere gegenüber Juden hegen, pauschal Auslän-
der ablehnen, westliche Werte verteufeln, ein den
Nationalsozialismus verharmlosendes Geschichts-
bild vertreten und die parlamentarische und plura-
listische Demokratie durch eine hierarchische,
843) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 44; Dr. Schroeder, Protokoll-Nr.
8, S. 6; Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „An-
merkungen zum Rechtsextremismus in Deutschland und Ant-
worten auf die Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die
Anhörung am 22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 1.
844) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 3.
845) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 6.
Führerfixierte politische Ordnung ersetzen wol-
len.“846
Er hat hinzugefügt, dass in der sozialwissenschaftlichen
Diskussion insbesondere strittig sei, ob Gewaltbereit-
schaft konstitutiv mit dazugehöre oder nicht.
847
Der Sachverständige Prof. Dr. Stöss hat ausgeführt, dass
Rechtsextremismus synonym für völkischen Nationalis-
mus zu verstehen sei.
848
Er hat weiter erläutert, dass die
völkische Komponente auf die Herstellung, Bewahrung
oder Stärkung einer angeblich der natürlichen Ordnung
entsprechenden ethnisch homogenen Volksgemeinschaft
abziele. Während die ethnopluralistische Variante von
einer prinzipiellen Gleichwertigkeit der Völker ausgehe,
gelte in der rassistischen Variante die eigene Ethnie im
Vergleich zu anderen Völkern als höherwertig und über-
legen. Beide Varianten lehnten die „Vermischung“ von
unterschiedlichen Ethnien strikt ab, diskriminierten
„fremdenvölkische“ Menschen und forderten ihre Aus-
weisung bzw. die „Rückführung“ in ihre Herkunftsländer.
Bei der nationalistischen Komponente gehe es um die
Herstellung, Bewahrung oder Stärkung des autonomen
Nationalstaats. Außenpolitisch bedeute völkischer Natio-
nalismus Großmachtstreben und eine feindselige Haltung
gegenüber anderen Staaten und Völkern. Primäres Anlie-
gen der deutschen Rechtsextremisten sei dabei die Voll-
endung der deutschen Einheit durch Rückgewinnung der
ehemaligen Ostgebiete oder sogar die Wiederherstellung
des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 bzw.
1939. Innenpolitisch bedeute völkischer Nationalismus
die hierarchisch strukturierte und auf eine Zentralinstanz
ausgerichtete Volksgemeinschaft.
Völkischer Nationalismus negiere die universellen Frei-
heits- und Gleichheitsrechte und richte sich gegen parla-
mentarisch-pluralistische Systeme, die auf der Volkssou-
veränität und dem Mehrheitsprinzip beruhten. Rechtsex-
tremismus strebe nach politischer Macht, um die beste-
hende staatliche Ordnung im Sinne des völkischen Natio-
nalismus umzugestalten. Er ziele auf die Delegitimierung
vor allem der politischen Ordnung, indem er ihre Werte,
Verfassung, Strukturen, Institutionen und Führungsgrup-
pen systematisch abwerte und verächtlich mache.
849
846) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 3.
847) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 45.
848) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 44; Sachverständigengutachten
von Dr. Stöss vom 15. März 2012, MAT A S-2/1, S. 1.
849) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,
MAT A S-2/1, S. 1 f.
Drucksache 17/14600 – 138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Prof. Dr. Stöss hat hinzugefügt, dass bei der Definition
des Begriffs zwischen dem sozialwissenschaftlichen und
dem amtlichen Begriff der Verfassungsschutzämter unter-
schieden werden müsse. Der sozialwissenschaftliche
Begriff sei umfassender als der der staatlichen Behör-
den.
850
Dass der amtliche Begriff, der ein interner Ar-
beitsbegriff ist und von Prof. Dr. Stöss für „ganz pragma-
tisch“ gehalten wird,851 vom sozialwissenschaftlichen
Begriff unterschieden werde, habe seinen Grund in unter-
schiedlichen Fragestellungen und Erkenntnisinteressen
von Wissenschaft und Behörde.
852
Die amtliche Terminologie der Verfassungsschutzbehör-
den wird auf der Homepage des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz wie folgt dargestellt:
„Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen
verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz
konkretisierte fundamentale Gleichheit der Men-
schen richten und die universelle Geltung der
Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind
Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie
haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin
zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip
aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das
rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer
Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der
u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei
herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu
einer Ethnie, Nation oder ,Rasse‘ bestimme den
Wert eines Menschen. Offener oder immanenter
Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebun-
gen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle
Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretun-
gen treten zugunsten kollektivistischer
,volksgemeinschaftlicher‘ Konstrukte zurück (An-
tipluralismus).“853
b) Unterscheidung zwischen Rechtsextre-
mismus und Rechtsradikalismus
In Abgrenzung zum Rechtsextremismus wird der Rechts-
radikalismus gesehen. Die Sachverständigen Prof. Dr.
Schroeder und Prof. Dr. Stöss unterscheiden den Rechts-
extremismus vom Rechtsradikalismus insoweit, als dass
letzterer sich weit rechts, aber noch im Rahmen des Ver-
fassungsbogens bewege, Rechtsextremismus hingegen die
Grenze des von der Verfassung Erlaubten überschreite.
854
Auch der Verfassungsschutz definiert laut der Bundes-
zentrale für politische Bildung den Unterschied zwischen
Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus wie folgt:
850) Dr. Stöss, „Rechtsextremismus im Wandel“, S. 216.
851) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 45.
852) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 45.
853) http://www.verfassungsschutz.de.
854) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 2; Stöss, Protokoll-Nr. 8, S.
49.
„Als extremistisch werden die Bestrebungen be-
zeichnet, die gegen den Kernbestand unserer Ver-
fassung – die freiheitliche demokratische Grund-
ordnung – gerichtet sind. Über den Begriff des Ex-
tremismus besteht oft Unklarheit. Zu Unrecht wird
er häufig mit Radikalismus gleichgesetzt. So sind
z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche
Zweifel an der Struktur unserer Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund
auf verändern wollen, noch keine Extremisten.
Radikale politische Auffassungen haben in unserer
pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legiti-
men Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstel-
lungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass
er vom Verfassungsschutz beobachtet wird; jeden-
falls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer
Verfassungsordnung anerkennt.“855
Vor diesem Hintergrund unterschiedlicher Bedeutungen
der Begriffe wird in diesem Bericht von Rechtsextremis-
mus die Rede sein.
2. Entstehung und Entwicklung des Rechts-
extremismus in Deutschland
Für die Entstehung und Verbreitung des Rechtsextremis-
mus gibt es keine auch nur überwiegend akzeptierte wis-
senschaftliche Erklärung. So werden bei den verschiede-
nen Erklärungsansätzen einzelne Faktoren in den Vorder-
grund gestellt, ohne dass diese jedoch genau bestimmt
werden.
856
Mit Blick auf Deutschland sei heute unter der
Bevölkerung nur eine kleine Minderheit auszumachen,
die über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild
verfügt, wovon die höheren Anteile deutlich in den neuen
Bundesländern unter männlichen Jugendlichen zu ver-
zeichnen sind.
857
a) Darstellung des Sachverständigen Prof.
Dr. Schroeder
Vor dem Untersuchungsausschuss hat Prof. Dr. Schroe-
der zwei große Erklärungsmodelle zur Entstehung des
Rechtsextremismus vorgestellt:
Das erste Erklärungsmodell basiert auf sozioökonomi-
schen Gründen, wonach der Kapitalismus Ursache für die
Entstehung von Rechtsextremismus sei und aus der Mitte
der Gesellschaft komme. Diese sei von Abstiegsängsten
geplagt und suche deshalb einen Sündenbock, nämlich
Ausländer. Als historisches Gegenbeispiel dieses Modells
sei die DDR zu nennen, in der es auch vor der Wende
schon Rechtsextremismus gegeben hat (siehe unten). Prof.
855) http://www.bpb.de.
856) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 6.
857) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 139 – Drucksache 17/14600
Dr. Schroeder bezeichnet dieses Erklärungsmodell als
eher politisch denn als wissenschaftlich.
Das zweite Erklärungsmodell mit einem sozialisations-
theoretischen Hintergrund hält Prof. Dr. Schroeder für
überzeugender. Danach werden die Dispositionen, Ein-
stellungen und Mentalitäten, die später zum Rechtsextre-
mismus führen, schon früh ausgebildet, etwa in der Fami-
lie oder im Kindergarten etc. Gleiches wird hinsichtlich
der Gewaltbereitschaft angenommen. So sei festgestellt
worden, dass fast alle später Gewaltbereiten schon im
frühen Alter verhaltensauffällig gewesen seien, bevor ein
Zugang in die rechtsextreme Szene stattgefunden habe.
858
Prof. Dr. Schroeder hält dies jedoch nur für vage Aspekte,
die sich nicht generalisieren ließen. Denn so werde nicht
jeder Jugendliche, der in der Familie Gewalt erfahren
habe, später selbst gewalttätig. Er stellt fest, dass zwar
Rechtsextremisten überdurchschnittlich häufig zu Ge-
waltanwendung neigten, umgekehrt habe aber nur eine
Minderheit gewalttätiger Jugendlicher ein verfestigtes und
geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild.
859
Die
Entstehung des Rechtsextremismus unter jungen Men-
schen basiere auch auf fehlender Attraktivität der Demo-
kratie, der demokratischen Parteien und Jugendorganisa-
tionen. Die Jugendlichen wendeten sich von diesen in der
Folge ab und „extremistischen“ Gruppen zu.860
Prof. Dr. Schroeder hat weiter ausgeführt, dass Gewaltbe-
reitschaft und rechtsextremistische Einstellung eine Sache
des Bildungsgrades seien:
„Wir haben Schüler verschiedener Schulformen
befragt […]. Die Gewaltbereitschaft, aber auch
zumindest versatzstückmäßig die rechtsextreme
Einstellung, sinkt mit dem Bildungsgrad. Da hat
sich nichts geändert. Das heißt, unter Gymnasias-
ten, Gesamtschülern, Realschülern finden Sie rela-
tiv wenige, in Hauptschulen schon mehr, und wenn
Sie in die Berufsschulen gehen und dort die Schü-
ler des Berufsvorbereitungsjahrs fragen, dann ha-
ben Sie einen sehr hohen Anteil an gewaltbereiten
jungen Menschen, die zumindest rudimentär auch
rechtsextreme Einstellungen vertreten. Ich glaube,
dass zumindest von der sozialen Schichtung her
das zumindest subkulturell geprägte gewaltbereite
Potenzial weiterhin nicht aus der Mitte der Gesell-
schaft kommt.“
b) Darstellung des Sachverständigen Prof.
Dr. Stöss
Seit 1990 sind in Deutschland drei Entwicklungstenden-
zen des Rechtsextremismus laut Prof. Dr. Stöss besonders
hervorzuheben:
858) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 7.
859) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 7.
860) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 9.
– Zum einen sei ein dramatischer Rückgang um 60 %
des rechtsextremistischen Personenpotenzials zwi-
schen 1993 und 2010 zu verzeichnen gewesen, was
etwa 40 000 Personen ausmachte.
– Außerdem habe eine Gewichtsverlagerung von Ost
nach West stattgefunden (siehe unten).
– Als dritte Entwicklungstendenz hat Prof. Dr. Stöss
darauf hingewiesen, dass trotz der beschriebenen
quantitativen Abnahme des Personenpotenzials eine
Radikalisierung der rechtsextremen Szene stattgefun-
den habe, die mittlerweile exorbitante Ausmaße an-
genommen habe. Hierbei habe der Anteil der Perso-
nen besonders zugenommen, die aus den subkulturel-
len Milieus und dem Bereich der neonazistischen
Gruppierungen stammen von 1993 13 % auf 56 % im
Jahr 2010.
861
Prof. Dr. Stöss ist der Ansicht, dass sich die Gelegen-
heitsstrukturen und damit die Entfaltungsbedingungen vor
allem in Ostdeutschland für rechtsextremistischen Terro-
rismus verbessert hätten.
862
Prof. Dr. Schroeder hat zur allgemeinen Entwicklung des
Rechtsextremismus hervorgehoben, dass man einen Be-
deutungsverlust von Parteien und demgegenüber einen
Bedeutungsgewinn der autonomen Szene sowie der Ver-
breitung und Akzeptanz des nationalen Sozialismus im
rechtsextremistischen Milieu habe beobachten können.
863
c) Unterschiede zwischen Ost- und West-
deutschland
Nach der Wende zeigte sich, dass sich der Rechtsextre-
mismus in der DDR und der BRD nicht parallel verbreitet
und entwickelt hatte. Ursächlich hierfür hält Prof. Dr.
Schroeder, dass in der DDR die Problematik der Existenz
von Rechtsextremisten verdrängt bzw. ignoriert worden
sei. Dies habe dazu geführt, dass auch wenig Erkenntnisse
existierten, welche rechtsextremistischen Aktivitäten dort
vor der Wende herrschten:
864
„In der DDR, die offiziell entweder leugnete oder
verdrängte, dass es Ausländerfeindlichkeit und
Rechtsextremismus gab, war die Annahme ja auch,
dass sich mit der Beseitigung kapitalistischer Ver-
hältnisse solche Einstellungen nicht mehr heraus-
bilden können. Sie haben sich trotzdem herausge-
bildet. Sie sind sogar sehr verbreitet gewesen, wie
schriftlich dokumentiert wurde. Aber da ja alles
Böse aus dem Westen kam, konnte man keine sys-
temimmanenten Gründe hierfür finden.“
861) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3, 4.
862) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 5; Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8,
S. 9.
863) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 17.
864) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 8.
Drucksache 17/14600 – 140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auch der Sachverständige Wagner hat vor dem Untersu-
chungsausschuss erklärt, dass im Gemeinsamen LKA der
Neuen Bundesländer, in dem er tätig war, propagiert
wurde, dass der Rechtsextremismus nicht bedeutend und
auf einem absteigenden Ast sei. Dementsprechend sei
diesbezüglich die Analytik auch „dürftig“ gewesen.865
Prof. Dr. Stöss hat auch nach 1989 auf eine unzuverlässi-
ge Datenbasis bezüglich rechtsextremistischer Einstellun-
gen in Ost- und Westdeutschland hingewiesen, jedoch auf
zwei große Untersuchungen aus den Jahren 1994 und
1998 Bezug genommen. 1994 seien danach rechtsextre-
mistische Einstellungen in Westdeutschland weiter ver-
breitet gewesen als in Ostdeutschland, dies habe sich im
Jahr 1998 jedoch genau umgekehrt.
866
In Ostdeutschland
gebe es im Vergleich zu Westdeutschland mittlerweile
das Doppelte bis Dreifache an rechtsextremistischen Ge-
walttätern und Gewalttaten unter Berücksichtigung der
Bevölkerungszahlen.
867
So sei in Ostdeutschland der
Anteil an systemoppositionellen bzw. gewaltbereiten
Kräften von 36 % im Jahr 1993 auf 70 % im Jahr 2010
angestiegen.
868
Prof. Dr. Stöss hat jedoch auch angemerkt,
dass die Straf- und insbesondere die Gewalttaten mit
rechtsextremistischem Hintergrund in Ostdeutschland
immer schon stärker ausgeprägt gewesen seien als in
Westdeutschland, soweit man dies überblicken könne.
869
Viele westdeutsche Neonazi-Führer seien nach der Wende
in die neuen Bundesländer gegangen und hätten sich am
Aufbau von Strukturen beteiligt.
870
Dass die Neonazis ein
vergleichsweise leichtes Spiel beim Aufbau dieser Struk-
turen gehabt hätten, liege in der geringer ausgeprägten
Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
in Ostdeutschland und an der Tatsache, dass aufgrund des
Mauerfalls viele Jugendliche in den neuen Bundesländern
ohne Vorbild und ohne Orientierung dagestanden hät-
ten.
871
Als eine weitere Ursache für den o. g. Unterschied zwi-
schen den neuen und den alten Bundesländern hat Prof.
Dr. Schroeder die Tatsache gesehen, dass in der DDR die
Entnazifizierung nicht in die Familien vorgedrungen sei.
Er hat die Vermutung aufgestellt, dass in der Folge in den
neuen Bundesländern innerhalb einiger Familien ein NS-
nahes Geschichts- und Weltbild an die Nachfolgegenera-
tionen weitergetragen werde.
872
Auch hat Prof. Dr.
865) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 42.
866) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.
867) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 8.
868) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.
869) Siehe hierzu auch: Peter Sitzer, Wilhelm Heitmeyer, „Rechts-
extremistische Gewalt von Jugendlichen“, S. 4, in: „Aus Politik
und Zeitgeschichte“, 37/2007.
870) Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 18; Verfassungsschutzbericht 1990,
S. 19.
871) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 6.
872) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 42; Prof. Dr. Harald Welzer
hat das analog für Westdeutschland nachgewiesen (Lit. Welzer
u. a.: „Opa war kein Nazi“).
Schroeder erläutert, dass das Verhältnis zu Ausländern
aufgrund staatlicher Vorgaben in der DDR sehr ange-
spannt gewesen sei. Ausländer hätten als in Heimen un-
tergebrachte Vertragsarbeiter in der DDR gearbeitet. Da
sie nur eine begrenzte Zeit im Land hätten bleiben und
keine Familien hätten gründen dürfen, seien sie entspre-
chend von der „Normalbevölkerung“ isoliert und ohne
Kontakt zu dieser gewesen. Dies habe dazu geführt, dass
man Ausländern gegenüber ein spezifisches Verhalten
entwickelt habe.
873
Hierdurch bedingt würden Ostdeut-
sche und vor allem Jugendliche in einem stärkeren Maß
als Westdeutsche zu einer Toleranz gegenüber dem
rechtsextremistischen Milieu neigen, obgleich die breite
Mehrheit in Ost und West rechtsextremistische und anti-
/nichtzivile Einstellungen ablehne.
874
Die Sachverständige
Journalistin Röpke hat diese Entwicklung unter anderem
auch damit erklärt, dass alteingesessene neonazistische
Familien aus Westdeutschland sich sammelten und in die
neuen Bundesländer umsiedelten.
875
3. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und
Gewalttaten
876
a) Täterstruktur, Verortung und Art der Straf-
taten
Anfang der 90er und der folgenden Jahre lag der Schwer-
punkt rechtsextremistisch motivierter Straftaten
877
laut
Verfassungsschutzberichten vor allem im Westen
Deutschlands, vornehmlich im bevölkerungsreichsten
Bundesland Nordrhein-Westfalen.
878
Die Straftaten wur-
den im gesamten Beobachtungszeitraum überwiegend von
Jugendlichen oder jungen Erwachsenen männlichen Ge-
schlechts begangen.
879
Dabei wiesen überdurchschnittlich
viele Täter einen unterdurchschnittlichen Bildungsab-
schluss auf, waren von Arbeitslosigkeit betroffen oder in
873) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 26.
874) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 25.
875) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 41.
876) Als Grundlage für die Erfassung der Straf- und Gewalttaten
wurde als Definitionssystem der kriminalpolizeiliche Melde-
dienst „Staatsschutz“ verwendet, das laut den Verfassungs-
schutzberichten alle Straftaten erfasse, die aus einer extremisti-
schen Motivation heraus begangen wurden. Da es mehrfach zu
veränderten Erhebungsstrategien (so z. B. das sog. „PMK“
2001) kam, können die Zahlen teilweise nicht mit den Zahlen
des Vorjahres in unmittelbaren Vergleich gebracht werden.
877) Mit „Straftaten“ sind alle Gesetzesverletzungen mit rechtsext-
remistischem Bezug, einschließlich der Gewalttaten mit rechts-
extremistischem Bezug, gemeint. Gewalttaten mit rechtsextre-
mistischem Bezug, obwohl in den Straftaten mit rechtsextre-
mistischem Bezug enthalten, werden teils noch einmal geson-
dert aufgeführt. Straftaten und Gesetzesverletzungen sind syno-
nym zu verstehen.
878) Vgl. Verfassungsschutzberichte 1990 bis 2011.
879) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 75.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141 – Drucksache 17/14600
einfachen Arbeiterberufen tätig.
880
Insgesamt richteten
sich die rechtsextremistischen Gewalttaten „vor allem
gegen Fremde“, so der Verfassungsschutzbericht 1998.881
Die größte Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ma-
chen über die gesamten hier aufgezeigten Jahre die sog.
„Propagandadelikte“ aus.882
b) Grundlage der Berechnung
Grundlage der nachfolgend dargestellten Anzahl an
rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten sind die
Verfassungsschutzberichte des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz. Zwar sind die Erhebungsmethoden für die
dort angegebenen Zahlen umstritten, insbesondere hin-
sichtlich der Zahl der Todesopfer rassistisch und rechts-
extremistisch motivierter Taten kann die Notwendigkeit
der Überprüfung und Einbeziehung weiterer Fälle nicht
bestritten werden.
883
Eindeutig belegt ist aber jedenfalls,
dass es zwischen 1990 und 1993 zu einem sprunghaften
Anstieg der Straf- und Gewalttaten kam und im Jahr 2000
nochmals ein Maximum erreicht wurde.
884
c) Gewalteskalation Anfang der 90er Jahre
In der am 22. März 2012 durchgeführten Anhörung hat
die Sachverständige Röpke ausgeführt, dass Anfang der
90er Jahre Pogromstimmung in Deutschland herrschte,
der gesellschaftliche Mob von Neonazis in Gang gesetzt
wurde und die Stimmung sehr rassistisch und ausländer-
feindlich aufgeladen war.
885
Während 1990 1 380 Geset-
zesverletzungen mit rechtsextremistischem Bezug (davon
128 Gewaltdelikte) erfasst wurden,
886
stieg die Zahl 1991
um das Fünffache im Vergleich zum Vorjahr, insbesonde-
re die rechtsextremistischen Brand- und Sprengstoffan-
schläge. Von den Rechtsextremisten wurde mit den The-
men Asylbewerber und Zuwanderung Propaganda ge-
macht. 1991 und 1992 kam es zu massiven rassistischen
Ausschreitungen.
887
So wurden in Hoyerswerda (Sachsen) zwischen dem
17. und 22. September 1991 vor Asylbewerberwohnhei-
men Polizeibeamte mit Stahlkugeln beschossen und Mo-
lotowCocktails geworfen. Zum Schutz der Bewohner
mussten diese in Unterkünfte anderer Städte unterge-
bracht werden.
888
Röpke hat hierzu noch einmal erläutert,
880) Peter Sitzer, Wilhelm Heitmeyer, „Rechtsextremistische Gewalt
von Jugendlichen“, S. 5, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“,
37/2007.
881) Verfassungsschutzbericht 1998, S. 19.
882) Vgl. Verfassungsschutzberichte 1990 bis 2011.
883) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/todesopfer-
rechter-gewalt.de.
884) Peter Sitzer, Wilhelm Heitmeyer, „Rechtsextremistische Gewalt
von Jugendlichen“, S. 4, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“,
37/2007.
885) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.
886) Verfassungsschutzbericht 1990, S. 124.
887) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 76.
888) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 81.
dass die dortigen Ausschreitungen und Hetzszenen meh-
rere Tage andauerten.
889
Diesem Ereignis folgte ein lang-
fristiger Nachahmungsschub mit mehrfachen Brandan-
schlägen auf Asylbewerberheime.
890
Die o. g. Pogrom-
stimmung, die ebenfalls die rassistischen Ausschreitungen
in Hoyerswerda bestimmte, habe nach Ansicht von Röpke
auch ihren Einfluss auf die Radikalisierung des „Thürin-
ger Heimatschutzes“ und damit auch auf die späteren
NSU-Anhänger gehabt.
891
1992 stieg die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten
noch einmal erheblich um 74 % – auf 2 584.892 Dabei
kamen nach amtlichen Angaben 17 Menschen ums Le-
ben.
893
Zu einer Zuspitzung kam es zwischen dem 22. und
28. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen. Bei den rassis-
tischen Ausschreitungen waren bis zu 1 200 Gewalttäter
beteiligt, die mit Molotow-Cocktails, Leuchtraketen und
Steinen gegen ein Wohnheim, in dem sich über hundert
Menschen aufhielten, in ihrer Mehrheit frühere ausländi-
sche Vertragsarbeiter der DDR, und gegen Polizisten
vorgingen. Diese Gewalttätigen wurden von bis zu 3 000
Schaulustigen und Sympathisanten unterstützt.
894
Diese
mancherorts zu beobachtende Zustimmung der Bevölke-
rung zu den tagelangen Ausschreitungen wurde in den
Jahren 1991 und 1992 als besonders erschreckend emp-
funden.
895
Am 23. November 1992 wurden in Mölln
(Schleswig-Holstein) Brandanschläge auf zwei bewohnte
Mehrfamilienhäuser verübt, in dessen Folge eine 51-
jährige Türkin, ihre 10-jährige Enkelin und ihre 14-
jährige Nichte den Tod fanden. Mehrere Personen erlitten
zum Teil schwere Verletzungen.
896
Auch danach kam es
wie 1991 noch lange zu Nachahmungstaten.
897
1993 wurden trotz eines Rückgangs der Gewalttaten mit
rechtsextremistischem Bezug um 15 % (auf 2 323) 20
Tötungsdelikte und 3 Sprengstoffanschläge verübt. Insge-
samt wurde festgestellt:
„Das Ausmaß erwiesener oder zu vermutender
rechtsextremistischer, insbesondere fremdenfeind-
licher Gewalttaten war auch im Jahr 1993 bedroh-
lich groß.“898
So wurde am 29. Mai in Solingen ein Mehrfamilienhaus
angezündet, das von der aus der Türkei stammenden Fa-
milie Genç bewohnt war. Dabei starben zwei Frauen und
drei Kinder. Sieben weitere Personen erlitten zum Teil
889) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.
890) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 82.
891) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.
892) Verfassungsschutzbericht 1992, S. 70.
893) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 79.
894) Verfassungsschutzbericht 1992, S. 75 f.
895) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 81; Verfassungsschutzbe-
richt 1992, S. 77.
896) Verfassungsschutzbericht 1992, S. 74 f.
897) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 82.
898) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 82.
Drucksache 17/14600 – 142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schwere Verletzungen.
899
Zu diesem Ereignis und dem
Anschlag 1992 in Rostock (siehe oben) hat die Sachver-
ständige Röpke vor dem Untersuchungsausschuss berich-
tet, dass die dortigen Täter, genauso wie Kay Diesner
(siehe unten), im Gefängnis als nationale Märtyrer gefei-
ert würden und der Kontakt zur rechtsextremistischen
Szene gehalten werde.
900
d) Überblick über Anstieg bzw. Rückgang der
Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremis-
tischem Hintergrund in den Jahren 1994
bis 2011
Nach der Eskalation rechtsextremistischer Straftaten in
den Jahren 1990 bis 1993, konnte 1994 ein Rückgang von
Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ver-
zeichnet werden.
1994 ging die Zahl der rechtsextremistischen Sprengstoff-
und Brandanschläge gegenüber dem Vorjahr von 314 auf
101 zurück.
901
Der Verfassungsschutz stellte fest, dass der
Rückhalt der Bevölkerung zur rechtsextremistischen Sze-
ne, wie er teilweise in den Jahren 1991, 1992 verzeichnet
wurde, nicht mehr in vergleichbarer Art und Weise be-
stand. Dies zeigte sich beispielsweise durch zahlreiche
„Lichterketten“ als Reaktion auf den Brandanschlag in
Mölln vom 23. November 1992 (siehe oben).
902
Jedoch
stiegen 1994 die Gesetzesverletzungen mit erwiesenem
oder zu vermutendem antisemitischen Hintergrund
903
um
127 %. Empörung im In- und Ausland rief in diesem Jahr
insbesondere ein Brandanschlag auf die Synagoge in
Lübeck in der Nacht zum 25. März 1994 und Ausschrei-
tungen auf dem Gelände der Gedenkstätte in Buchenwald
am 23. Juli 1994 hervor.
904
1995 war trotz eines Rückgangs der rechtsextremistischen
Gewalttaten um 44 %
905
die Brutalität der Gewalttäter
gegen ihre Opfer weiter erschreckend.
906
Die Zahl der
Brandanschläge mit rechtsextremistischem Bezug sank in
diesem Jahr auf 45.
907
Auch wenn 1995 im Vergleich zum
Vorjahr die Straftaten mit antisemitischem Hintergrund
(von 1 366 auf 1 155) zurückgingen, wurde der zweit-
höchste Stand antisemitischer Straftaten verzeichnet.
908
In
40 Fällen kam es auch zu Schändungen jüdischer Friedhö-
899) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 85.
900) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.
901) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 82.
902) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 81.
903) „Antisemitische Straftaten“ sind auch in den aufgeführten
Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund enthalten und
werden hier wegen des besonderen Anstiegs noch einmal ge-
sondert dargestellt. Antisemitismus bezeichnet dabei alle heuti-
gen Erscheinungsformen der Judenfeindschaft, vgl.
www.bpb.de.
904) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 87.
905) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 101.
906) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 102.
907) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 97.
908) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 106.
fe und Gedenkstätten.
909
In den Folgejahren sank die Zahl
antisemitischer Straftaten wieder stetig.
Die Zahl der amtlich als rechtsextremistisch erfassten
Gewalttaten stieg 1997 wieder um 27 % an.
910
Hervorzu-
heben ist hierbei ein von dem Neonazi Kay Diesner am
19. Februar 1997 unternommener Mordversuch an einem
Buchhändler der Berliner Landesgeschäftsstelle der PDS.
Um sich einer Festnahme im Rahmen einer polizeilichen
Kontrolle seines Kraftfahrzeuges zu entziehen, ermordete
er am 23. Februar 1997 in Rosenburg (Schleswig-
Holstein) einen Polizisten und verletzte einen weiteren
schwer.
911
Die Sachverständige Röpke hat dazu ausge-
führt, dass Kay Diesner in radikalen Berliner Kamerad-
schaftsstrukturen sozialisiert worden sei und in der Szene
bis heute maßgebliche Beachtung erfahre, gar als Ikone
der Szene gelte.
912
Während die Zahl der erfassten rechtsextremistischen
Gewalttaten 1998 auf 708 sank
913
, stieg diese im Jahr
1999 wieder um 10 % an.
914
Am 23. Februar 1999 griff eine Gruppe von neonazisti-
schen Skinheads einen algerischen Staatsangehörigen in
Guben an. Beim Versuch zu fliehen trat der algerische
Staatsangehörige eine Eingangstür eines Plattenbaus ein
und verletzte sich dabei so schwer, dass er verblutete.
915
Ein Mosambikaner wurde am 15. August 1999 in Rosen-
heim von einem rechtsextremistischen 31-jährigen Mann
im Verlauf von Streitigkeiten durch Fußtritte und Faust-
schläge derart verletzt, dass er am 29. September 1999
seinen schweren Verletzungen erlag. Der Beschuldigte
machte bei seiner Vernehmung keinen Hehl aus seiner
ausländerfeindlichen Gesinnung.
916
Zwei Sprengstoffan-
schläge, einer am 19. Dezember 1998 auf das Grab des
ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden Dr.
Heinz Galinski in Berlin und am 9. März 1999 auf die
Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehr-
macht 1941-1944“ in Saarbrücken, fanden großen Zu-
spruch unter den Neonazis.
Im Jahr 2000 kam es zu einem starken Anstieg der erfass-
ten Straftaten (um 58,9 % im Vergleich zum Vorjahr) und
der Gewalttaten (33,8 % im Vergleich zum Vorjahr) mit
rechtsextremistischem Hintergrund. Am 27. Juli 2000
wurde in Düsseldorf ein nicht aufgeklärter Bombenan-
schlag verübt, dem zahlreiche Nachahmungstaten folg-
ten.
917
Zudem kam es zu zwei vollendeten Tötungsdelik-
ten. Am 11. Juni 2000 wurde ein Mosambikaner in Des-
909) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 106.
910) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 14.
911) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 82.
912) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10; Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 11.
913) Verfassungsschutzbericht 1998, S. 24.
914) Verfassungsschutzbericht 1999, S. 18.
915) Verfassungsschutzbericht 1999, S. 19; Frank Jansen auf tages-
spiegel.de „Guben gedenkt – oder verdrängt“ vom
13. Februar 2009.
916) Verfassungsschutzbericht 1999, S. 19.
917) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 29.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 143 – Drucksache 17/14600
sau von drei Tätern im Stadtpark angegriffen. Er starb am
14. Juni an den Folgen der Tritte und Schläge, die ihm
zugefügt worden waren. In der Nacht zum 24. Juli wurde
in Ahlbeck (Mecklenburg-Vorpommern) ein Obdachloser
durch Tritte und Schläge gegen den Kopf getötet.
918
Am
20. April wurde ein Brandanschlag auf die jüdische Syna-
goge in Erfurt verübt. Auch kam es in diesem Jahr zu
zahlreichen Schändungen jüdischer Friedhofe (laut dem
Verfassungsschutzbericht 56, im Vorjahr 47).
919
Ab 2001 wurde bei der Aufzeichnung der Gewalt- und
Straftaten das Definitionssystem „PMK“ eingeführt, so-
dass ein direkter Vergleich mit den Vorjahreszahlen nicht
möglich ist.
920
2002 stiegen die rechtsextremistischen Gewalttaten zum
Vorjahr um 8,9 %, während 2003 ein geringer Rückgang
festgestellt wurde.
921
2005 stiegen die rechtsextremistischen Straftaten um
27,5 % auf 15 361 (im Vorjahr 12 051), die Gewalttaten
mit rechtsextremistischem Hintergrund um 23,5 % auf
958 (im Vorjahr 776) an.
922
Seit 1988 kam es in diesem
Jahr zum ersten Mal wieder zu Verurteilungen wegen der
Bildung einer terroristischen Vereinigung. So wurden die
Beteiligten der „Kameradschaft Süd“ um Martin Wiese
wegen des geplanten Anschlags auf die Grundsteinlegung
der jüdischen Synagoge in München verurteilt. Zudem
gab es eine Verurteilung der Mitglieder des „Freikorps
Havelland“, die 2004 angeklagt worden waren, Brandan-
schläge auf türkische und asiatische Geschäfte verübt zu
haben.
923
2006 stiegen die offiziell erfassten rechtsextremistischen
Straftaten um 14,6 %, die rechtsextremistischen Gewaltta-
ten um 9,3 %
924
, während es 2007 zu einem Rückgang der
rechtsextremistischen Straftaten um 2,4 % und einem
Rückgang der rechtsextremistischen Gewalttaten um
6,4 % kam. Von 2006 bis 2008 blieb die Anzahl der Straf-
und Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund
auf einem hohen Niveau.
925
2008 stieg die Zahl der Straf-
taten um 15,8 % (auf 19 894), die der Gewalttaten um
6,3 % (auf 1 042).
926
2010 sank die Zahl der Straftaten auf 15 905 und die der
Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund auf
762. 2011 lag die Zahl der Straftaten mit rechtsextremisti-
918) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 30.
919) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 31.
920) Verfassungsschutzbericht 2011, S. 35.
921) Verfassungsschutzbericht 2002, S. 29; Verfassungsschutzbe-
richt 2003, S. 31.
922) Verfassungsschutzbericht 2005, S. 33.
923) Verfassungsschutzbericht 2005, S. 56 f.
924) Verfassungsschutzbericht 2006, S. 23.
925) Verfassungsschutzbericht 2007, S. 47.
926) Verfassungsschutzbericht 2008, S. 35.
schem Hintergrund bei 16 142, die der Gewalttaten bei
755.
927
4. Überblick über rechtsextremistische Mili-
eus
Die rechtsextreme Szene besteht aus unterschiedlichen
Milieus. Nachfolgend wird dem Beispiel der Verfas-
sungsschutzberichte des Bundesamts gefolgt und nach
drei Personengruppen untergliedert:
a) Rechtsextreme
Rechtsextreme stellen den Oberbegriff für die Gruppie-
rungen der gewaltbereiten Rechtsextremen, den rechtsext-
remistischen Skinheads und den Neonazis dar. Zu deren
politischer und ideologischer Überzeugung sei auf den
oben erläuterten Begriff des „Rechtsextremismus“ ver-
wiesen.
Seit Hinzurechnung der Rechtsextremisten der neuen
Bundesländer im Jahr 1991
928
verringerte sich die Zahl
der Rechtsextremisten stetig. Waren es im Jahr 1994 noch
56 600
929
, so konnten im Jahr 2011 22 400 Rechtsextre-
misten verzeichnet werden.
930
Zu den Rechtsextremisten zählen auch die in den Verfas-
sungsschutzberichten genannten gewaltbereiten Rechts-
extremisten, die zu großen Teilen aus rechtsextremisti-
schen Skinheads bestehen.
931
Diese Zahl stieg hingegen in
den letzten Jahren stetig an. Waren es 1994 noch 5 400
932
gewaltbereite Rechtsextremisten, so stabilisierte sich die
Personenzahl in den letzten Jahren zwischen 9 000 und
10 000 Personen.
933
b) Skinheads
Ursprünglich hat sich die Skinhead-Bewegung in den
60er Jahren in Großbritannien entwickelt. Hierbei handel-
te es sich um eine unpolitische Jugend-Subkultur, die vor
allem spaßorientiert war und für ein besonderes Lebens-
gefühl der Arbeiterklasse stand.
934
Grundsätzlich rebellie-
ren Skinheads gegen die bürgerliche Gesellschaft und
versuchen sich von dieser durch Provokationen und einem
bewussten „Outsiderstatus“ abzugrenzen, u. a. durch
927) Vgl. http://www.statista.com, „Anzahl der Straftaten insgesamt
und der Gewalttaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hin-
tergrund in Deutschland von 2005 bis 2011“, Quelle: BKA.
928) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 75.
929) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 27.
930) Verfassungsschutzbericht 2011, S. 56.
931) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 24; Kurt Möller, Nils
Schuhmacher, „Ein- und Ausstiegsprozesse rechtsextremer
Skinheads“, S. 17, 18, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“,
37/2007.
932) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 36.
933) Verfassungsschutzbericht 2011, S. 56.
934) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-
tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 19, 20.
Drucksache 17/14600 – 144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Trinkgelage, militantes Auftreten und eine
niedrigschwellige Gewaltbereitschaft.
935
So bedeutet auch
heute die Skinhead-Bewegung an sich nicht gleichzeitig,
rechtsextremistisch eingestellt oder gewalttätig zu sein.
936
Skinheads gelten nach den Verfassungsschutzbehörden
dann als rechtsextremistisch wenn sie:
„Konzerte von rechtsextremistischen Bands besu-
chen; oder
rechtsextremistisch motivierte Straftaten begehen;
oder
Mitglieder in rechtsextremistischen Organisationen
sind. Solche Organisationen können originäre
Skinhead-Gruppierungen wie die verbotene
„Blood & Honour“ (B&H) aber auch neonazisti-
sche Kameradschaften der NPD sein.“937
Der Verfassungsschutz hat dem Umstand Rechnung ge-
tragen, dass es auch unpolitische oder links ausgerichtete
Skinheads gibt und hat in den Verfassungsschutzberichten
die Bezeichnung „subkulturell geprägte und sonstige
gewaltbereite Rechtsextremisten“ eingeführt.938 Trotzdem
sei ein beachtlicher Teil der deutschen Skinheads rechts-
extrem eingestellt.
939
In den 90er Jahren veränderte sich die Skinhead-
Bewegung zunehmend. Nach der Wende zeigte sich, dass
neonazistische Skinheads in Ostdeutschland stärker politi-
siert und brutaler, außerdem besonders nationalistisch und
rassistisch ausgerichtet waren.
940
1997 wurde festgestellt,
dass in Ostdeutschland über die Hälfte der gesamtdeut-
schen Skinhead-Szene ansässig waren, welche einen
Großteil der gewaltbereiten Rechtsextremisten ausmach-
ten.
941
Nachdem es zu einem rapiden Anstieg der Anzahl der in
der Skinhead-Szene verorteten Personen, von im Jahr
1991 gezählten 4 200 Personen
942
bis 2002 auf über
10 000 kam, ist seitdem ein stetiger leichter Rückgang zu
verzeichnen.
943
Bereits seit 1993 ließ sich eine Veränderung im Erschei-
nungsbild der Skinheads beobachten, die sich, um äußer-
lich weniger stark aufzufallen, dem äußeren Erschei-
935) http://www.bpb.de.
936) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-
tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 19.
937) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum
Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 2.
938) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-
tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 19.
939) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-
tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 23.
940) Verfassungsschutzbericht 1990, S. 38.
941) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 83.
942) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 12.
943) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum
Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 3.
nungsbild von Normalbürgern anpassten.
944
Den typi-
schen Skinhead mit Glatze, Bomberjacke und Stiefeln
fand man zunehmend weniger.
945
Auch änderte sich der
Musikgeschmack hin zu Hardcore/Hatecore und Heavy
Metal.
946
Es konnte festgestellt werden, dass sich vor allem zwi-
schen Neonazis und Skinheads eine Mischszene bildete
und die Skinheads zunehmend in den von Neonazis orga-
nisierten Kameradschaften strukturell eingebunden wa-
ren.
947
Jedoch hat der Sachverständige Prof. Dr. Schroe-
der darauf hingewiesen, dass nicht von einem einheitli-
chen Milieu ausgegangen werden kann. Bei den rechtsex-
tremistischen Skinheads lasse sich nur ein diffus rechts-
extremes Gedankengut finden, während bei den Neonazis
ein verfestigtes, am Nationalsozialismus angelehntes
Welt- und Menschenbild zu finden sei. Neonazis strebten
den Umsturz der demokratischen und pluralistischen
Gesellschaft mit einer am historischen nationalsozialisti-
schen Vorbild orientierten Ordnung an, während rechts-
extremistische Skinheads ihre rassistischen und biologis-
tischen Überzeugungen oft willkürlich gewaltsam ausleb-
ten.
948
c) Neonazis
Mit dem Begriff „Neonazismus“ werden im Rechtsextre-
mismus Personenzusammenschlüsse und Aktivitäten
charakterisiert, die sich zum Nationalsozialismus beken-
nen und die Errichtung eines Führerstaats nach dem Vor-
bild des „Dritten Reiches“ anstreben. In unterschiedlichen
Ausprägungen definiert sich dieses rechtsextremistische
Spektrum vor allem über eine inhaltliche Bezugnahme zur
NS-Ideologie.
949
Die Neonazis werden vom Niedersächsischen Innenmi-
nisterium wie folgt definiert:
„Der Neonazismus bezeichnet eine in der Traditi-
on des Nationalsozialismus stehende politische
Strömung. Neonazis streben einen nach dem Füh-
rungsprinzip ausgerichteten Staatsaufbau an, der
auf der Vorstellung einer rassistisch verstandenen
Volksgemeinschaft gründet und bei dem der Ein-
zelne seine Interessen unter Verzicht auf die im
Grundgesetz konkretisierten Individualrechte dem
Wohl der Volksgemeinschaft unterordnet. […] Je-
944) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 95.
945) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum
Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 5.
946) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum
Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 4.
947) Verfassungsschutzbericht 2002, S. 23.
948) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 5.
949) http://www.bpb.de.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145 – Drucksache 17/14600
der Neonazi ist zwar ein Rechtsextremist, aber
nicht jeder Rechtsextremist ist ein Neonazi.“950
Festzuhalten ist, dass sich von 1997 bis 2007 das Perso-
nenpotenzial der Neonazis um insgesamt 80 % auf 4 200
Personen erhöhte.
951
d) Frauen in der Szene
Zumeist heißt es, dass nur ein geringer Anteil von Frauen
in der rechtsextremistischen Szene zu verzeichnen sei.
Dieser liege bei etwa 10 %.
952
Die Sachverständige Röpke hat vor dem Untersuchungs-
ausschuss ausgeführt, dass es in den radikalen militanten
Hintergrundstrukturen aber immer schon wichtige Frauen
gegeben habe. Auch bei Problemen mit der rechtsextre-
men Szene und Veranstaltungen, die Röpke im Rahmen
ihrer journalistischen Tätigkeit aufsuchte, sei aufgefallen,
dass es häufig Frauen gewesen seien, die eine problemati-
sche Situation angestachelt und dafür gesorgt hätten, dass
Röpke und ihre Begleiter rausgeworfen worden seien.
Röpke hat angemerkt, dass sie über die Jahre hinweg ein
großes Potenzial an fanatischen Frauen entdeckt habe.
953
So habe sich die Gruppierung „Wiking-Jugend“, die sehr
militant gewesen sei, zu fast 40 % aus Frauen rekrutiert.
Auch die „HNG“ (siehe unten) sei maßgeblich von Frau-
en geführt worden.
954
So hätten beispielsweise auch zur
Kerngruppe der „Kameradschaft Süd“ zwei Frauen ge-
hört.
955
Gerade auch im Umfeld des NSU seien auffällig
viele Frauen aufgetaucht, die bewusst eine Zelle im Un-
tergrund unterstützt hätten.
956
5. Aktions-, Handlungs- und Organisations-
formen
a) Einstieg in die rechtsextremistische Szene
Der Sachverständige Prof. Dr. Stöss hat vor dem Untersu-
chungsausschuss ausgeführt, dass der Einstieg in die
rechtsextremistische Szene zumeist über zufällige Kon-
takte bzw. Gespräche mit Rechtsextremisten erfolge. Als
wichtig hat er dabei besonders die Teilnahme an rechts-
extremen Veranstaltungen, Jugendlagern, Konzerten,
Besuchen von Szenetreffpunkten, Mitgliedschaften und
kontinuierliche Mitarbeit in rechtsextremen Gruppen
hervorgehoben.
957
Prof. Dr. Stöss hat aber auch betont,
950) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-
tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 5.
951) Kurt Möller, Nils Schuhmacher, „Ein- und Ausstiegsprozesse
rechtsextremer Skinheads“, S. 17, in: „Aus Politik und Zeitge-
schichte“, 37/2007.
952) Stöss, „Rechtsextremismus im Wandel“, S. 154.
953) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 22.
954) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 17.
955) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 22.
956) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 17.
957) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.
dass die Einstiegswege noch so gut wie nicht erforscht
seien. Aus Biografien Rechtsextremer sei jedoch zu er-
kennen, dass sich an dem o. g. Set von spezifischen Ver-
haltensweisen orientiert werde und ein Erstkontakt über
eher niederschwellige Freizeitaktivitäten stattfinde.
958
Er
hat jedoch bezweifelt, dass es typische Karrieremuster
vom Einstieg in die Szene mit Ende im rechtsextremisti-
schen Terrorismus gebe.
959
Auch der Sachverständige Prof. Dr. Schroeder hat ausge-
führt, dass ein Werdegang von vielen Zufälligkeiten ab-
hängig sei, etwa in welche Szene man rutsche und in
welcher Region oder Stadt man lebe. Außerdem sei eine
entsprechende Disposition nötig (siehe oben).
960
Durch
die o. g. Kontaktanbahnungen werde im Sinne einer Ideo-
logie der Volksgemeinschaft das Gemeinschaftsgefühl
gefördert und vertieft.
961
Der zweite Schritt in die rechtsextremistische Szene sei
die Verfestigung des rechtsextremen Weltbildes. Dieses
werde beispielsweise über Musik und Gruppenerlebnisse
vermittelt. Hier erhielten die jungen Menschen zum Teil
zum ersten Mal eine Form der Anerkennung. Prof. Dr.
Schroeder hat in seinem Gutachten noch einmal betont,
dass die Bedeutung von Musik für das rechtsextreme
Milieu nicht überschätzt werden könne. Die Musik emoti-
onalisiere, fördere die Gewaltbereitschaft und diene der
Verbreitung von Feindbildern.
962
Der dritte Schritt sei der Einstieg in die permanente Ge-
waltanwendung, den Terrorismus. Hier könne man jedoch
nicht mehr von etwaigen Dispositionen ausgehen, da kein
Automatismus bestehe von einem Rechtsextremisten zu
einem Rechtsterroristen zu werden, sondern es um Einzel-
fall-Dispositionen gehe.
963
b) Aktionsformen
Prof. Dr. Stöss hat vor dem Untersuchungsausschuss über
drei verschiedene strategische Optionen von Aktionsfor-
men berichtet.
964
– Die erste sei die politische Opposition innerhalb des
Systems, welche sich aus den rechtsextremen Partei-
en, Selbsthilfeorganisationen und Glaubensgemein-
schaften zusammensetze.
965
Hier versuche der
Rechtsextremismus vor allem mit legalen Mitteln
958) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 4.
959) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 5.
960) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 7.
961) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 20.
962) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 20.
963) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 8.
964) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 2.
965) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 2.
Drucksache 17/14600 – 146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
seine Macht auszubauen und politische Entscheidun-
gen zu beeinflussen.
966
– Die zweite sei die politische Opposition gegen das
System, worunter die NPD seit 1996/97 zu fassen sei
sowie neonazistische Aktionsgruppen, Kamerad-
schaften, Netzwerke, einige Jugendorganisationen
und rechtsextreme Subkulturen. Hier bediene man
sich gegebenenfalls auch illegaler Praktiken.
967
– Die dritte sei der Kulturkampf von rechts, welche aus
Kulturorganisationen wie die Gesellschaft für freie
Publizistik, Verlage, Vertriebe und Medien beste-
he.
968
Die intellektuellen Vordenker bemühten sich,
die geistigen Grundlagen für einen erfolgreichen
Rechtsextremismus zu schaffen und die Ideologie
zeitgemäß zu formulieren, auf bestehende Stimmun-
gen zuzuschneiden und gegebenenfalls veränderten
Bedingungen anzupassen.
969
Für diese drei Optionen stehe dem Rechtsextremismus ein
Set aus spezifischen Verhaltensweisen mit unterschiedli-
chen Eskalationsstufen zur Auswahl. Letztere würden
sich nach dem Grad der ideologischen Verfestigung, nach
der Integration in rechtsextreme Organisations- und
Kommunikationszusammenhänge sowie nach der Radika-
lität der Verhaltensweisen bemessen u.v.m.
970
Zur Durchsetzung der politischen Ziele habe laut Prof.
Dr. Stöss innerhalb des Untersuchungszeitraums eine
Konzentration der Aktivitäten der rechtsextremistischen
Szene auf einzelne Kampagnen stattgefunden. So seien
insbesondere drei Kampagnen hervorzuheben:
– Die „Überfremdungskampagne“, die darauf abgezielt
habe, Ängste davor zu erzeugen oder zu verstärken,
dass die Mehrheitsgesellschaft Opfer einer unbe-
grenzten Einwanderung sei und damit ihre Identität
verliere.
– Die „Antiglobalisierungskampagne“, die eine Erwei-
terung der „Überfremdungskampagne“ dargestellt
habe, habe einen guten Resonanzboden aufgrund des
Schutzbedürfnisses gegen tatsächliche oder vermeint-
liche äußere und innere Bedrohungen (wie Abhän-
gigkeit vom Weltmarkt, Immigration, Sozialmiss-
brauch, sogenannte Ausländerkriminalität etc.) gebo-
ten.
– Die „Antiislamkampagne“, in der sich die beiden
oben genannten Kampagnen verbunden hätten, und
die durch die Anschläge am 11. September 2001 in
den USA ausgelöst worden sei. Seither entwickle
sich die Islamfeindschaft zu einer neuen Qualität des
966) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,
S. 4.
967) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,
S. 5.
968) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 2.
969) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,
S. 5.
970) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.
Rassismus. Diese Kampagne zeichne sich jedoch
auch dadurch aus, dass sie sich auf demokratische
Werte berufe und deshalb eine breite Resonanz in der
Bevölkerung finde.
971
Prof. Dr. Schroeder hat in seinem Gutachten ausgeführt,
dass seit einigen Jahren auch von einigen rechtsextremis-
tischen Gruppen Themen, inhaltliche Versatzstücke und
Aktionsformen von Linksextremen kopiert würden. So sei
zum Beispiel der sogenannte nationale „Schwarze Block“
äußerlich kaum vom linksautonomen „Schwarzen Block“
zu unterscheiden.
972
Diese Gruppen setzten vor allem auf
den „Straßenkampf“ und griffen mit verschiedenen Mit-
teln ihre politischen Kontrahenten und Vertreter der
Staatsmacht an.
Im Rahmen des von der NPD propagierten „Kampfes um
die Straße“ nahmen seit Ende der 90er Jahre Demonstra-
tionen der Nazi-Szene zu. Hierbei ging es vor allem da-
rum, in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen zu können.
973
Auch wenn ab 2002 eine gewisse Demonstrationsmüdig-
keit festzustellen war
974
, blieb die Strategie bestehen,
möglichst viele Demonstrationen zu organisieren.
975
Be-
sondere Aufmerksamkeit erhielt dabei die jährlich durch-
geführte Rudolf-Heß-Gedenkfeier,
976
welche im Jahr
2004 verboten wurde. Die Zahl der Demonstrationen
blieb nach einem Rückgang in den Jahren 2006
977
und
2007
978
hoch. Teilweise war ein massives Polizeiaufgebot
nötig, um schwere Zusammenstöße mit Gegendemonst-
ranten zu verhindern.
979
Die Sachverständige Röpke hat hierzu bemerkt, dass sich
die Neonazis bezüglich ihrer Aktionsfelder gerade um-
strukturierten. So würden Demonstrationen und Aufmär-
sche uninteressanter und hätten für viele Regionen nur
noch Symbolcharakter. Mittlerweile würden vor allem
Feste veranstaltet.
980
Als Beispiel hat Röpke allein in
Mecklenburg-Vorpommern die Veranstaltung von fünf
Kinderfesten innerhalb eines Jahres genannt. So versuche
die Szene vor allem die sog. „Erlebniswelt Rechts“ aus-
zuweiten.
981
971) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,
S. 2 ff.
972) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, S. 16.
973) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 68.
974) Verfassungsschutzbericht 2002, S. 23.
975) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 34.
976) Verfassungsschutzbericht 2003, S. 51; Verfassungsschutzbe-
richt 2004, S. 58
977) Verfassungsschutzbericht 2006, S. 59.
978) Verfassungsschutzbericht 2007, S. 54.
979) Verfassungsschutzbericht 2008, S. 66.
980) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 52.
981) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 53.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147 – Drucksache 17/14600
c) Organisationsformen
Prof. Dr. Schroeder hat in seinem Gutachten ausgeführt,
dass sich nach dem Verbot rechtsextremer Vereinigungen
in den 90er Jahren etwa seit der Jahrtausendwende die
rechtsextreme und hier speziell die Neonazi-Szene flexi-
bilisiert und modernisiert habe. So sei die Zahl von Ka-
meradschaften, die mittlerweile von „autonomen Nationa-
listen“ abgelöst oder ergänzt würden, stark angestiegen.982
Prof. Dr. Schroeder hat auch aufgezeigt, welche Organi-
sationsformen allgemein in der rechtsextremistischen
Szene zu finden seien: Er differenziert zwischen
– einer subkulturell geprägten Szene und „freien Kräf-
ten“, die nicht über ein geschlossenes rechtsextremes
Weltbild verfügen würden,
– autonomen Nationalisten und nationalen Sozialisten,
die zunehmend konspirativ in kleinen Gruppen agie-
ren würden,
– kleinen neonazistischen Gruppen und Organisationen
sowie
– den größeren Parteien wie DVU, Republikanern und
der NPD, wobei nur noch letztere eine Rolle spielen
würde.
983
6. Strategien der militanten Rechten
a) Finanzierung
Zu der Frage, wie sich die rechtsextreme Szene finanzie-
re, hat Röpke ausgeführt, dass es mittlerweile in der neo-
nazistischen Szene typisch sei, sich selbstständig zu ma-
chen, um die Finanzierung zu gewährleisten und – nicht
immer erfolgreich – Wirtschaftsstrukturen aufzubauen. So
finde man beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern
fast kein subkulturelles Milieu mehr, sondern viele Unter-
nehmer. Es gebe vor allem in Norddeutschland oder Nie-
dersachsen einige Taxi- und Fuhrunternehmen sowie
Abriss- und Bauunternehmen, die dann auch nur national
gesinnte Auszubildende einstellten und Geschäftspartner
aus diesem Bereich suchten.
984
In großen Städten gebe es
überdies Konglomerate aus Neonazis und dem Rotlicht-
milieu. Hier seien Neonazis in Security-Firmen engagiert
und als Türsteher beschäftigt. Auch gebe es Hinweise auf
Aktivitäten im Prostitutionsbereich.
982) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, S. 5.
983) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, S. 17.
984) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 46.
Mit Blick auf die Finanzierung des NSU-Trios seien auch
unter anderen Rechtsextremisten Banküberfälle kein Ein-
zelfall, um sich finanzieren zu können.
985
b) Vernetzung
Bereits 1993 gelang es der rechtsextremistischen Szene,
sich durch den Fortschritt der Informationstechnik neue
Möglichkeiten der Strukturierung und Vernetzung zu
schaffen, was eine kurzfristige Mobilisierung der Szene
und überregionalen Informationsaustausch ermöglichte.
986
Es konnte beobachtet werden, dass der Organisationsgrad
der Rechtsextremisten wuchs. So wurde gegen einige
kleinere Gruppierungen von Rechtsextremisten wegen des
Verdachts der Bildung von terroristischen oder kriminel-
len Vereinigungen ermittelt, in einem Fall auch Anklage –
gegen Mitglieder der verbotenen „Nationalen Offensive“
im Raum Witten – wegen Bildung einer kriminellen Ver-
einigung erhoben.
987
Die neonazistischen Skinheads, die
den größten Anteil der Gewalttaten verübten, bestanden
zumeist aus losen Zusammenschlüssen.
988
1994 zeichnete sich weiter ab, dass die Rechtsextremisten
die informationelle Vernetzung ausnutzten, um die nicht
vorhandene Struktur in der Szene überwinden zu kön-
nen.
989
So wurden vor allem Mailboxen und Info-
Telefone zur Kommunikation eingesetzt.
990
Der Aufbau
des „Thule Netzes“ für die Nazi-Szene wurde maßgeblich
von Kai D., einem V-Mann des LfV Bayern, vorangetrie-
ben.
2001 konnte ein starker Anstieg von rechtsradikalen
Homepages verzeichnet werden, der mit 1 300 Seiten
einen Höchststand erreichte (2000: 800; 1999: 330)
991
und
eine zunehmende Vernetzung der Neonazis in Kamerad-
schaften festgestellt werden.
992
Die Vernetzung zwischen
den Kameradschaften und der Skinhead-Szene nahm
ebenfalls weiter zu.
993
Dieses Phänomen konnte auch in
den folgenden Jahren festgestellt werden.
994
Zu Vernet-
zungen mit anderen Kameradschaften verhalfen hier ins-
besondere das Internet und die seit Jahren bestehenden
Aktionsbündnisse.
995
Auch Prof. Dr. Schroeder hat hierzu
ausgeführt, dass eine Verlinkung über das Internet zwi-
schen den Neonazis bestehe und man verfolgen könne,
wie und was sie kommunizierten.
996
Er hat erläutert, dass
bundesweit zumindest eine lose Vernetzung zwischen den
985) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 47.
986) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 147.
987) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 93.
988) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 75.
989) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 81.
990) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 158 ff.
991) Verfassungsschutzbericht 2001, S. 131.
992) Verfassungsschutzbericht 2001, S. 28.
993) Verfassungsschutzbericht 2001, S. 46.
994) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 34; Verfassungsschutzbe-
richt 2006, S. 58.
995) Verfassungsschutzbericht 2006, S. 58.
996) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 42.
Drucksache 17/14600 – 148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Rechtsextremisten bestehe, auf regionaler Ebene diese
Vernetzung jedoch dichter gestrickt sei.
997
c) Bewaffnung
1996 wurde eine vermehrte Bewaffnung der rechtsextre-
mistischen Szene festgestellt, was dadurch unterstützt
wurde, dass durch offene Grenzen, den Rückzug der rus-
sischen Streitkräfte aus Deutschland und den Krieg im
ehemaligen Jugoslawien viele illegale Waffen auf den
Markt kamen.
998
Eine konkrete Einschätzung über den
möglichen Gebrauch dieser Waffen und ihre Funktion für
die Szene findet sich nicht in den Verfassungsschutzbe-
richten.
1998 wurde wiederholt bemerkt, dass unter den Neonazis
viele „Waffenfetischisten“ zu finden seien. Diese sam-
melten Sprengstoff und Waffen und machten sich mit
deren Gebrauch vertraut, was laut Verfassungsschutzbe-
richt ein Risiko für die innere Sicherheit darstellte. So
wird in dem Verfassungsschutzbericht 1998 auch das Trio
erwähnt, welches in Jena mit vier funktionsfähigen Rohr-
bomben gefunden wurde. Es wurde festgehalten, dass
keine konkreten Anschläge beabsichtigt worden seien.
999
Eine konkrete Einschätzung über den möglichen Ge-
brauch dieser Waffen und ihre Funktion für die Szene
findet sich nicht in den Verfassungsschutzberichten dieser
Zeit.
Im Jahr 2000 konnten einige konkrete Planungen für den
Einsatz von Sprengstoff und Waffen festgestellt werden.
Diese Planungen erfolgten nicht nur durch Einzelperso-
nen, sondern auch durch Kleinstgruppen.
1000
Die „Kameradschaft Süd“ unter Martin Wiese plante für
November 2003 einen Sprengstoffanschlag anlässlich der
Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums in Mün-
chen.
2004 wurden wiederholt bei Rechtsextremisten Waffen
und Sprengstoff beschlagnahmt.
1001
Dieser Waffenbesitz
wurde zwar vor allem auf die Affinität der rechtsextremis-
tischen Szene für Waffen zurückgeführt, jedoch wurde
auch bemerkt, dass dem die Gefahr innewohnt, Waffen
und Sprengstoff spontan für schwerste Straftaten zu nut-
zen.
1002
Röpke hat außerdem berichtet, dass aus einem
internen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz
aus dem Jahr 2004 hervorgehe, dass es in diesem Jahr im
Vergleich zum Vorjahr zu einer Verdoppelung der Funde
von Waffen, Munition und Sprengstoff gekommen sei.
997) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, S. 20.
998) Verfassungsschutzbericht 1996, S. 97.
999) Verfassungsschutzbericht 1998, S. 24.
1000) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 37.
1001) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 34.
1002) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 47.
Außerdem habe es 15 Homepages im Internet mit Bom-
benbauanleitungen für Neonazis gegeben.
1003
7. Ausstieg
Der Sachverständige Wagner hat sich vor dem Untersu-
chungsausschuss zu einem möglichen Ausstieg von Per-
sonen aus der rechtsextremistischen Szene geäußert. Er
halte die Deradikalisierung für eine wichtige Methode, da
Repression nicht die entscheidende Wirkung habe. Mitt-
lerweile sei bezüglich der Repression ein Lernfeld ent-
standen, wie man sich staatlicher Beeinflussung, staatli-
cher Sanktionen, Gerichten, Gefängnissen etc. entziehen
könne.
Man müsse deshalb das Täterfeld Stück für Stück beein-
flussen und Täter „absaugen“. Seine im Jahr 2000 ge-
gründete Initiative EXIT-Deutschland versuche, in dieses
Spektrum hineinzukommen.
1004
Auf Nachfrage des Unter-
suchungsausschusses, was konkret bewirkt werden könne,
hat der Sachverständige Wagner erläutert, Mittelpunkt der
Arbeit seiner Initiative sei, ein öffentlich wahrnehmbares
Angebot für ausstiegswillige militante Neonazis zu schaf-
fen.
1005
Die Initiative mache Personen Angebote, die
rechtsextremistischen Strukturen zu verlassen.
1006
Die
Deradikalisierung betreffe dabei nicht nur die Frage des
Ausstiegs, es gehe auch um die Schaffung von System-
aufstellungen in Kommunen oder in Regionen, wo
Schwerpunkte des Rechtsextremismus existierten. Ziel sei
es, vor Ort entsprechende Kräfte zu installieren, die auf
die Mentalitäts- und Ideologiestruktur der Menschen
einwirken und sie dazu bringen könnten, über ihr Tun
nachzudenken.
1007
Zum einen könnten die Rechtsradika-
len in ihrer aktuellen Mentalitätsstruktur erkannt und
etwaige Missgefühle aufgegriffen werden. In dieser Men-
talitätsfalle könnte man die Leute, etwa durch Sozialarbei-
ter, Polizeibeamte oder Mitarbeiter des Justizvollzugs,
ansprechen und „dort abholen“.1008 Eine zweite Ebene sei
der Ideologiebruch bei Führungskadern innerhalb der
Organisationen. Dies müsse man erkennen, was durch die
Ansprache kenntnisreicher Leute verwirklicht werden
könne. Allerdings handle es sich um ein hochsensibles
und problematisches Thema, weil man nicht wisse, wel-
che Leute die Ansprache durchführen sollten.
1009
Hingewiesen hat der Sachverständige Wagner darauf,
dass die Mitglieder der rechten Szene nicht unterschätzt
werden dürften. Sowohl als Gruppe als auch als Persön-
lichkeiten stellten sie lernende und sich erweitert reprodu-
zierende Systeme dar. Die Rechtsextremisten seien weder
1003) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10,11.
1004) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.
1005) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 49.
1006) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 44.
1007) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 44.
1008) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 50.
1009) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 50.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149 – Drucksache 17/14600
kenntnisarm noch unbeleckt gegenüber weltanschaulichen
Fragen.
1010
Als sehr tragfähiges Modell habe sich laut dem Sachver-
ständigen Wagner außerdem die Hilfe für Familien, deren
Angehörige im Rechtsextremismus aktiv seien, herausge-
stellt. Dieses Konzept beinhalte spezielle, harte Anforde-
rungen um einerseits die Strafverfolgung sicherstellen zu
können und gleichzeitig ausstiegsorientiert über die Eltern
an die Täter heranzukommen. Dieses Konzept sei auf-
grund der Finanzierungspolitik des Bundes und der Län-
der jedoch wieder ins Hintertreffen geraten. Zudem gebe
es Bemühungen des Bundesfamilienministeriums, Mög-
lichkeiten zu erschließen, auch rechtsradikale Eltern an-
zusprechen und zum Ausstieg zu bewegen.
1011
II. Rechtsextremistische Milieus mit Bezügen
zum Trio außerhalb Thüringens
1. „Blood & Honour“
„Blood & Honour“ ist ein rechtsextremes Netzwerk, das
in den 80er Jahren in Großbritannien gegründet wurde,
um der neonazistischen Skinhead-Szene eine eigene
Struktur zu verleihen.
1012
Ziel war die Verbreitung der
nationalsozialistischen Weltanschauung – insbesondere
durch rechtsextremistische Musik und durch Publikatio-
nen.
1013
1994 gründete die Organisation einen Ableger in
Deutschland – die „Blood & Honour Division Deutsch-
land“.1014 Diese Gruppierung galt bereits Ende der 90er
Jahre als eine der gefährlichsten rechtsextremen Organisa-
tionen in Deutschland.
1015
Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe hatten intensive Kontakte zu „Blood & Honour“-
Mitgliedern – sowohl vor ihrer Flucht als auch später im
Untergrund. Sie wurden aus der Organisation heraus
unterstützt – zum Beispiel durch Thomas Starke, einen
führenden „Blood & Honour“-Funktionär aus Sachsen
und späteren V-Mann des LKA Berlin, der dem Trio unter
anderem den Sprengstoff besorgte, der bei der Garagen-
durchsuchung am 26. Januar 1998 gefunden wurde,
1016
und der später zu einem der wichtigsten Fluchthelfer des
Trios wurde.
1017
Mit „Combat 18“ verfügt „Blood & Honour“ über einen
„bewaffneten Arm“.1018 In zahlreichen Publikationen aus
1010) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 51.
1011) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 50.
1012) Verfassungsschutzbericht 1999 (BfV), S. 27.
1013) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1014) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1015) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 38.
1016) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 59 ff.; Welt am Sonntag vom
23. September 2012, S. 11, „Die Version des Thomas Starke.“.
1017) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 41.
1018) Röpke, „Im Untergrund, aber nicht allein“, 30. April 2012,
veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.
dem Umfeld von „Blood & Honour“ und „Combat 18“
werden Strategien zum Leben im Untergrund und zur
Durchführung militanter Aktionen beschrieben, die dem
Trio als Vorbild für seine Taten gedient haben könn-
ten.
1019
In zwei Versionen des NSU-Videos wird Musik der
Gruppe „Noie Werte“ eingespielt – eine der wichtigsten
Bands aus dem „Blood & Honour“-Spektrum.1020
Die „Blood & Honour Division Deutschland“ wurde im
September 2000 verboten.
1021
Ehemalige Mitglieder blie-
ben jedoch weiter in Kontakt – sie organisierten Konzerte,
vertrieben Musik und Propagandamaterial. Auf der inter-
nationalen Website von „Blood & Honour“ gibt es ein
Forum – die aktivsten User kommen nach wie vor aus
Deutschland.
1022
a) „Blood & Honour“ International
„Blood & Honour“ wurde 1987 in Großbritannien ge-
gründet – von Ian Stuart Donaldson, dem Sänger und
Anführer der britischen Skinhead-Band
„Skrewdriver“.1023
Donaldson hat die Bewegung nach der nationalsozialisti-
schen Parole „Blut und Ehre“ benannt. „Blut und Ehre“
war zum einen die Losung der Hitlerjugend, zum anderen
war das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der
deutschen Ehre“ eines der Nürnberger Rassegesetze von
1935.
Ziel von „Blood & Honour“ ist die Verbreitung der natio-
nalsozialistischen Ideologie, insbesondere über die Musik
verschiedener Neonazi-Bands, aber auch durch Zeitschrif-
ten – sogenannte Fanzines – und über das Internet. Auf
der Website werden Unmengen an Propagandamaterial
zum Download angeboten, unter anderem NS-Filme und
Mein Kampf als E-Book. Es gibt sogar ein eigenes „Blood
and Honour” Radio, das rund um die Uhr Hassmusik
spielt.
1024
„Blood & Honour“-Gründer Donaldson kam 1993 bei
einem Verkehrsunfall ums Leben. Seine Organisation
existiert nach wie vor und hat inzwischen in vielen Län-
dern sogenannte „Divisionen“. Die genaue Zahl der Mit-
glieder ist nicht bekannt – ein „Blood & Honour“-Forum,
das 2008 gehackt wurde, hatte zum damaligen Zeitpunkt
mehr als 30 000 Nutzer.
1025
1019) Näheres hierzu unter C.II.1.c).
1020) MAT A GBA-4/3 (DVD), Vorl. SA 10, Bl. 61.
1021) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1022) Scharfenberg, „Von Wölfen und Menschen“, veröffentlicht auf
der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“ am 5. Januar
2012.
1023) MAT A BMI-4/0037, Bl. 178.
1024) Scharfenberg, „Von Wölfen und Menschen“, veröffentlicht auf
der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“ am 5. Januar
2012.
1025) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 24.
Drucksache 17/14600 – 150 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bereits 1999 wurde auf der englischsprachigen Internet-
seite von „Blood & Honour“ ausgeführt:
„Die Blood & Honour-Bewegung muss eigentlich
nicht vorgestellt werden. Seitdem diese von unse-
rem gefallenen Helden, Ian Stuart Donaldson, ge-
gründet wurde, hat sie sich stets als führende Be-
fürworterin des Weißen Stolzes und als durchset-
zende Kraft der Weißen Macht bewährt. Heute
gibt es B&H-Gruppen in fast allen weißen Ländern
und unser Ziel ist es, diese durch mehr als einen
einfachen Namen zu vereinen. Eine Zusammenar-
beit hat in Skandinavien ausgezeichnet funktio-
niert, mit dynamischen Ortsgruppen in fast allen
nordischen Ländern. Es ist höchste Zeit, dass diese
Zusammenarbeit sich auf die ganze Welt aus-
dehnt.“1026
b) „Blood & Honour Division Deutschland“
Die „Blood & Honour Division Deutschland“ wurde 1994
in Berlin gegründet
1027
– mit dem Ziel, auch in Deutsch-
land neonazistische politische Inhalte und Musik zu ver-
breiten.
1028
In der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg
Vorwärts beschrieb sich die Organisation selbst als
„national-revolutionäre Bewegung, der Adolf Hit-
lers Ideale zugrunde liegen.“1029
In einem „Mitteilungspapier für Bewerber“ bezeichnete
sich „Blood & Honour“ als
„überparteiliche Skinheadorganisation, die es sich
zur Aufgabe gemacht hat, die nationals…sche
Weltanschauung auf dem musikalischen Sektor zu
verbreiten.“1030
„Blood & Honour“ geriet schnell ins Visier der Behörden.
1996 wurde die Organisation erstmals im Verfassungs-
schutzbericht des BfV erwähnt:
„In Deutschland trat sie 1995 in Erscheinung; sie
organisierte Skinhead-Konzerte in Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Ziel der
‚Blood & Honour‘-Bewegung (‚The Independent
Voice of Rock Against Communism‘) ist es, eine
autonome Struktur für die Skinhead-Szene – vor-
wiegend im Musikbereich – zu schaffen und über
die Musik die Szene neonazistisch zu beeinflussen.
Durch die Veranstaltung von Konzerten konnte sie
ihre Stellung innerhalb der deutschen Skinhead-
Szene wesentlich stärken.“1031
1026) http://bloodandhonour.com/germ88 - MAT A GBA-3/53a,
PDF-Bl. 61.
1027) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1028) MAT A BMI-4/0037, Bl. 179.
1029) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 47.
1030) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1031) Verfassungsschutzbericht 1996 (BfV), S. 101.
Bei den Konzerten, die „Blood & Honour“ deutschland-
weit veranstaltete, führten Musikgruppen sogenannte
„Skinhead-Musik“ auf – Liedtexte mit neonationalsozia-
listischen bzw. rassistischen und gewaltverherrlichenden
Textpassagen.
1032
„Bei diesen Konzerten treten vielfach Bands auf,
die bereits Lieder mit rassistischen und volksver-
hetzenden Texten veröffentlicht haben, zu denen
lndizierungen oder Gerichtsbeschlüsse vorliegen.
Die Konzerte werden zunehmend konspirativ or-
ganisiert und ohne Genehmigung durchgeführt.
Die Teilnehmer werden zu bestimmten Trefforten
geladen und dann kurzfristig mittels Mobiltelefon
zu dem Veranstaltungsort gelotst. Die Teilnehmer
sind sogar bereit, Anfahrten von mehreren hundert
Kilometern auf sich zu nehmen. Bei diesen Kon-
zerten treten neben deutschen Skinbands auch in
der rechten Szene renommierte Bands aus Eng-
land, Kanada und Italien auf.“1033
„Blood & Honour“ veröffentlichte auch zahlreiche Publi-
kationen.
Im Frühjahr 1997 erschien erstmals das Fanzine Blood &
Honour Division Deutschland. Das Magazin hatte eine
Auflage von 3 000 Exemplaren.
1034
Das BfV stufte es als
„offizielles Sprachrohr der Bewegung“ ein. Zu lesen
waren darin vor allem Berichte zu neonazistischen Skin-
head-Konzerten und Interviews mit neonazistischen Skin-
head-Bands, außerdem wurden Anzeigen zu Bezugsquel-
len für rechtsextremistische, teilweise illegale Musik
veröffentlicht.
1035
In Ausgabe Nr. 9 – auf dem Titelblatt mit zwei Haken-
kreuzen versehen
1036
– hieß es wörtlich:
„Unser Ziel im neuen Jahrtausend ist das Ziel und
der Traum des alten Jahrtausends: Großdeutsch-
land! Ohne Geschichtslügen, Gesinnungsterror und
rassenfremde Elemente, in den völkerrechtlich gül-
tigen Grenzen von 1914.“1037
In Ausgabe Nr. 3 wurde unter Bezugnahme auf den „Ku-
Klux-Klan“ gefordert:
„Die Patrioten von heute müssen sich auf den
größten aller Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten,
und dafür muss man geheime Strukturen schaffen
und bereit sein, sein Leben zu opfern.“1038
1032) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1033) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 61.
1034) MAT A BMI-3/2, PDF-Bl. 102 f.
1035) MAT A BMI-4/0037, Bl. 179.
1036) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1037) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1038) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 151 – Drucksache 17/14600
Über ein „Ian Stuart Memorial Konzert“ am 21. Septem-
ber 1996 in Großbritannien wurde berichtet:
„Chingford Attack begeisterte durch haßerfüllte
Gesänge gegen Ni…, J… und andere Schmarot-
zer.“1039
Am Ende der Ausgabe Nr. 3 waren Grußadressen abge-
druckt. In der Rubrik „Ausdrücklich keine Grüße an:“
hieß es:
„…alle mit dem Namen Ignaz, …!!! Wir scheissen
auf Euch!!!!“1040
Unterschrieben waren die Grußadressen mit „B&H, 88“ –
die „88“ stand für „Heil Hitler“.1041
Das Fanzine Blood & Honour Division Deutschland ver-
öffentlichte auch zahlreiche Interviews mit rechtsextre-
mistischen Bands – unter anderem mit der Gruppe „Peop-
le Haters“, die in Ausgabe Nr. 2 auf die Frage, wen sie
hassen, antworteten:
„Alle Menschen, außer weiße Nationalisten!!!“1042
Ein Mitglied der US-Band „Grinded Nig“ erklärte auf die
Frage, was er machen würde, wenn seine Schwester mit
einem Farbigen nach Hause käme, er würde seiner
Schwester den „Scheiß-Kopf abschlagen“ und „anschlie-
ßend den Ni… mit der Axt bearbeiten.“1043
Ein Mitglied der brasilianischen Gruppe „Brigada NS“
wird gefragt, ob er das brasilianische Fußball-
Nationalteam unterstütze, obwohl „verdammt viele
Schwarze“ unter den Spielern seien. Seine Antwort:
„Für uns sind das Zirkus-Artisten. Affen! …die
Fußballmannschaften sind durchsetzt von diesen
Unterm…en, …es ist einfach widerwärtig!“1044
In der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg Vorwärts
wird offen zu Gewalt aufgerufen:
„Unsere Slogans sind nicht nur beeindruckende
Aussagen von ideologischen Extremisten. Es sind
ernst gemeinte Worte und Aufrufe zu den Waffen
zu greifen. Dies ist ES, und diejenigen, die nicht
bereit sind, das ultimative Opfer zu erbringen, um
die Zukunft unseres arischen Ursprungs zu sichern,
sollen jetzt aufhören zu lesen…“1045
Und weiter:
„Nun stellt sich die Frage: Wann kommt es zum
großen Knall? Wann werden endlich genug weiße
Leute aufhören, für die jüdische, multikulturelle
1039) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 147.
1040) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 145.
1041) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 145.
1042) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1043) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 157.
1044) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 161.
1045) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
Gesellschaft zu arbeiten? Je eher es geschieht, des-
to größer sind unsere Chancen für den Endsieg.
Als Krieger des politischen Untergrunds sollten
wir Anarchie und Chaos verbreiten.
In diesem Moment sind schon Kameraden da
draußen – in Britannien und Irland, in Deutschland
und Polen, in der Slowakei und Ungarn… Und die
versuchen alles, damit unsere arische Rasse weiter
existiert. Lasst uns ihnen eine kompromisslos harte
und helfende Hand entgegenstrecken, um ihnen
Hilfe in diesem unseren gemeinsamen Kampf für
eine weißere und strahlendere Welt anzubieten –
WHATEVER IT TAKES!“1046
Autor von Der Weg Vorwärts ist Max Hammer. Bei
Hammer handelt es sich um den skandinavischen Rechts-
extremisten Erik Nilsen, einen Aktivisten der „Blood &
Honour“-Szene.1047 Im Zusammenhang mit der Einwan-
derung Farbiger schrieb Hammer in Der Weg Vorwärts:
„Wir wissen, und es ist wissenschaftlich und statis-
tisch erwiesen, daß die Flut farbiger Einwanderer –
nicht jetzt, nicht morgen, aber sehr, sehr bald – die
weißen Europäer zu einer Minderheit werden las-
sen. Mit anderen Worten, wir werden das letzte
bißchen Kontrolle, das wir noch über unsere eige-
nen Länder haben, verlieren. Das dreckige Ge-
socks wird dann über uns herrschen, während un-
sere jüdischen Regierungen im Hintergrund wie
immer die Fäden in der Hand halten. … Falls es
nicht bald einen Gegenschlag in Form einer Endlö-
sung gibt, um dieses Problem zu bewältigen, wird
die oben beschriebene dunkle Zukunft unser Ende
sein.“1048
1998 erschien unter dem Titel White Supremacy
1049
eine
eigene Publikation der „Blood & Honour-Sektion Sach-
sen“.1050 Für dieses Magazin soll Uwe Mundlos mindes-
tens einen Artikel verfasst haben.
1051
Das BfV bewertete die „Blood & Honour“-
Veröffentlichungen im Verfassungsschutzbericht 2000
wie folgt:
„Aus den Publikationen der Organisation ergab
sich eine rassistische, antisemitische, den Natio-
nalsozialismus glorifizierende Haltung. ,Blood &
Honour‘ trat für eine auf die Überhöhung der wei-
ßen Rasse gerichtete Politik ein und lehnte funda-
mentale Prinzipien der freiheitlichen demokrati-
schen Grundordnung zugunsten eines völkisch eli-
1046) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 207 ff.
1047) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 2.
1048) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 86.
1049) „Weiße Überlegenheit“.
1050) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 36, Rn. 37.
1051) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301; MAT A
BB-1, PDF-Bl. 30.
Drucksache 17/14600 – 152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tären und nationalistischen Politikverständnisses
ab.“1052
Die politischen Ziele von „Blood & Honour“ ergaben sich
aus dem „25-Punkte-Programm“ – benannt nach dem
Parteiprogramm der NSDAP. Darin hieß es unter Punkt
13:
„Die Blood & Honour Bewegung richtet sich nach
rassischen und nicht nach nationalistischen Ge-
sichtspunkten aus. Völker, die der weißen Rasse
angehören, sind als solche zu respektieren. … Die
Zusammenarbeit mit ALLEN pro-weißen Organi-
sationen und Gruppierungen weltweit ist Pflicht!
Tschechen, Ungarn und Russen bilden hierbei kei-
ne Ausnahme. Anfeindungen gegenüber Angehö-
rigen der osteuropäischen Völker sind ausdrück-
lich untersagt! Erst die Rasse, dann die Nation!
Diese Aussage ist keinesfalls mehr Grundlage für
Diskussionen!“1053
Die „Blood & Honour Division Deutschland“ war in die
Bezirksdirektionen Süddeutschland, Mitteldeutschland
und Norddeutschland unterteilt. Auf der nächsten Ebene
folgten Sektionen.
„Alle Sektionen sind zur Zusammenarbeit im
Rahmen der Division verpflichtet. Die Division ist
als eine Familie anzusehen und auch als solche zu
behandeln. Unterschiedliche Meinungen sind zu
respektieren dürfen aber nicht zu Konfrontationen
zwischen den einzelnen Sektionen oder Direktio-
nen führen.“ 1054
Sektionen waren unter anderem in Bayern, Berlin, Bran-
denburg, Süd-Brandenburg, Thüringen, Saar, Baden,
Westfalen, Franken, Süd-Hessen, Nord-Hessen, Weser-
Ems, Nordmark und Sachsen.
1055
Hauptsitz der „Division
Deutschland“ war in Berlin,1056 die Berliner Sektion hatte
innerhalb der „Division Deutschland“ die Führungsrol-
le.
1057
Auf Sektions-, Bereichs- und Bundesebene gab es regel-
mäßige Treffen. Insbesondere bei den Treffen auf Bun-
desebene wurden Entscheidungen getroffen, die für alle
„Blood & Honour“-Untergliederungen bindend waren.1058
Demokratische Entscheidungsprozesse waren im „25-
Punkte-Programm“ von „Blood & Honour“ ausdrücklich
nicht vorgesehen:
„Blood & Honour Deutschland ist KEINE Partei
oder Organisation im Sinne einer Partei. Demokra-
tie hat keine Substanz innerhalb der Divisions-
1052) Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV), S. 41.
1053) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 43.
1054) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42.
1055) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1056) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), PDF-Bl. 5.
1057) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 61.
1058) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 17.
struktur. Meinungen und Vorschläge sind einzig
über die nächsthöhere Instanz zu entrichten.“1059
Als Funktionäre von „Blood & Honour“ konnten zumin-
dest die in der Verbotsverfügung des BMI vom 12. Sep-
tember 2000 genannten Personen gewertet werden. Dies
sind Stephan Thomas L. (Divisionsleiter), Marcel D.
(Bereichsleiter Mitte), Uwe A. (Bereichsleiter Nord),
Achim P. (Bereichsleiter Süd), Dieter R., Bernd P., Sven
S., Torben K. und Mike B. – wobei Mike B. als Initiator
und Führungsperson der Jugendorganisation „White
Youth“ anzusehen war.1060
Die „Blood & Honour Division Deutschland“ hatte auch
Kontakte zur NPD. Am 26. Juli 2000 verschickte die
„Blood & Honour Sektion Weser-Ems“ eine Presseerklä-
rung über das Faxgerät des Bremer NPD-
Landesverbandes.
1061
Darin protestierte „Blood & Ho-
nour“ gegen die Auflösung eines Konzerts am 22. Juli
2000 im niedersächsischen Holvede – und drohte indirekt
mit Gewalt gegen Polizisten:
„Absolut unverständlich ist es, daß sich einige Be-
amte immer noch fragen, warum Menschen wie
Kai Diesner auf Polizisten schießen. Bei diesem
Verhalten (der Vorfall an diesem Wochenende ist
ja kein Einzelfall) sollten sie sich besser fragen,
warum die anderen dies nicht machen.“
Unterzeichnet war die Presseerklärung
„mit dem uns z. Zt. verbotenen Gruß.“1062
Damit war offensichtlich der verbotene „Hitlergruß“
gemeint.
1063
Im Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV) wurde das Kon-
zert in Holvede als Beispiel dafür genannt, dass die Poli-
zei bei der Auflösung von neonazistischen Skinhead-
Konzerten, insbesondere bei Veranstaltungen, die von
„Blood & Honour“-Mitgliedern organisiert wurden, im-
mer häufiger mit aggressiven Reaktionen sowie mit ge-
walttätigem Widerstand konfrontiert werde.
1064
Der damalige Bremer NPD-Landeschef Jörg Wrieden
erklärte gegenüber der Zeitung taz, wenn man von „nahe-
stehenden Organisationen“ gebeten werde, etwas weiter-
zuverbreiten, dann tue man das. Wrieden bestätigte „Kon-
takte auf informeller Ebene“ zwischen „Blood & Honour“
und seiner Partei.
1065
1059) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42.
1060) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 9; vgl. auch: Verbotsverfügung
des BMI vom 12. September 2000, MAT A BMI-3/0022, Bl. 1-
33.
1061) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 230.
1062) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 231.
1063) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 68.
1064) Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV), S. 45.
1065) taz Bremen vom 25. Juli 2000, S. 21, „NPD hilft Rechtsextre-
misten“ – MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 23.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153 – Drucksache 17/14600
In den Jahren 1998, 1999 und 2000 nutzte „Blood & Ho-
nour“ mehrfach NPD-Veranstaltungen für bundesweite
öffentliche Auftritte.
1066
Die Partei wurde auch im „25-Punkte-Programm“ von
„Blood & Honour“ erwähnt:
„Die NPD ist als einzig vertretbares Mittel der
Demokratie zu unterstützen.“1067
Insgesamt hatte „Blood & Honour“ in Deutschland zeit-
weise bis zu 240 Mitglieder
1068
– zum Aufnahmeverfah-
ren für neue Mitglieder hieß es Anfang 1999 in einer
englischsprachigen Publikation:
„Das bedeutet, dass nicht schlechthin jeder als
Mitglied der ,Blood & Honour‘-Familie bezeichnet
werden kann – man muss sich zunächst bei der
entsprechenden Sektion bewerben. Die ,Blood &
Honour‘-Mitgliedschaft kann nur unter Auflagen
erworben werden.“1069
Interessenten mussten laut dem „25-Punkte-Programm“
eine „Prüfphase“ durchlaufen:
„Das Eintrittsalter für Mitglieder der B&H Divisi-
on Deutschland wird auf 21 Jahre festgesetzt. […]
Die Anwärterschaft beträgt mindestens 6 Monate,
kann aber nach oben offen gestaltet werden. […]
Für Anwärter auf die Mitgliedschaft bei ‚B&H’ ist
ein Bürge zu stellen, der ebenso für Verfehlungen
seines Schützlings verantwortlich zu zeichnen ist.
Bei Vergehen des entsprechenden Anwärters ist er
aus der Sektion zu entfernen.“1070
1997 wurde in Thüringen die Jugendorganisation „White
Youth“ gegründet – mit dem Ziel, Jüngere an die „Blood
& Honour“-Bewegung heranzuführen. Der Jugendorgani-
sation gehörten nach eigenen Angaben bis zu 100 Perso-
nen an, es gab regelmäßige monatliche Treffen und eine
eigene Publikation mit dem Titel Voice of the White
Youth.
1071
Im Fanzine von „White Youth“ wird im Nach-
wort „mit einem freundlichen S… H…!“ gegrüßt.1072
„Blood & Honour“ gewann für die neonazistische Skin-
head-Subkultur immer stärker an Bedeutung. Insbesonde-
re die von „Blood & Honour“ veranstalteten Konzerte
galten in der Szene als attraktiv und zogen Teilnehmer
aus ganz Deutschland an. So gelang es „Blood & Honour“
schnell, den Einfluss auszubauen.
1073
Im Verfassungs-
schutzbericht 2000 (BfV) hieß es:
1066) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 8.
1067) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42.
1068) Verfassungsschutzbericht 1999 (BfV), S. 27.
1069) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1070) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42 f.
1071) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1072) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1073) Verfassungsschutzbericht 1999 (BfV), S. 27.
„Durch die Organisation von Skinhead-Konzerten,
die Herausgabe ihres Fanzines sowie infolge der
herausragenden Stellung ihrer Mitglieder in den
regionalen Szenen konnte sie weit über ihren Mit-
gliederbestand hinaus Einfluss auf das Milieu aus-
üben.“1074
Im Sprechzettel zur IGR-Tagung am 27. September 2000
wurde unter der Überschrift „Rechtsextremistische Skin-
head-Szene und -Musik“ ebenfalls die Bedeutung von
„Blood & Honour“ hervorgehoben:
„Innerhalb der subkulturellen und damit eher or-
ganisationsunwilligen Skinheadszene ist es der in-
ternational aktiven Skinhead-Gruppierung ,Blood
& Honour‘ seit Mitte der 90er Jahre gelungen,
szeneinterne Strukturen auch in Deutschland zu
entwickeln. ,Blood & Honour‘ vertritt ein am Na-
tionalsozialismus orientiertes, rassistisches Welt-
bild. Über die Skinhead-Musik und das von der
,Blood & Honour Division Deutschland‘ in einer
Stückzahl von über 3 000 Exemplaren aufgelegte
Fanzine nimmt ,Blood & Honour‘ – weit über die
in den Sektionen organisierten rund 200 Mitglieder
hinaus – starken Einfluss auf die Skinhead-Szene.
Im Vordergrund der Aktivitäten steht die rechtsex-
tremistische Skinhead-Musik, die auf von ,Blood
& Honour‘-Anhängern konspirativ organisierten
Konzerten verbreitet wird. Diese Veranstaltungen
gehören zu den größten Skinhead-Konzerten in
Deutschland, bei ihnen kommt es häufig zu Straf-
taten der Volksverhetzung.“1075
Auch „Blood & Honour“ selbst war die steigende Bedeu-
tung der deutschen Division bewusst. In einer englisch-
sprachigen Publikation hieß es Anfang 1999:
„Die deutsche ,Blood & Honour‘-Bewegung ist ei-
ne der größten in Europa. Eine Besonderheit be-
steht darin, dass sie über eine feste Organisations-
struktur verfügt.“1076
Wie gut organisiert die Strukturen von „Blood & Honour“
waren, zeigte sich beispielsweise an einem ausgeklügelten
Mobilisierungssystem, mit dessen Hilfe es der Organisa-
tion immer wieder gelang, den Veranstaltungsort rechts-
extremer Konzerte zu verschleiern.
1077
Dies ging soweit,
dass es genaue Anweisung gab, nach denen bei der Suche
nach geeigneten Sälen zu verfahren war:
„Das Beste ist immer, wenn der Wirt weiß, um
welche Veranstaltung es sich handelt, und wenn er
es selber anmeldet, dadurch hat die Polizei dann
keine Chance mehr, es zu verbieten. Der Konzert-
ort muss bis zum letzten Moment geheim bleiben,
außer euch darf keiner wissen, daß ihr einen Saal
gefunden habt und wo. Wenn ihr einen Saal ge-
1074) Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV), S. 40.
1075) MAT A BMI-3/2, PDF-Bl. 102 f.
1076) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1077) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 186.
Drucksache 17/14600 – 154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
funden habt, dann schreibt an unser regionales
Postfach, […] Bei erfolgreich durchgeführter Ver-
anstaltung winken dem Finder des Saals 50,- DM
pro 100 Mann (500,- DM bei 1000 Mann).“1078
Der ehemalige BND-Präsident Dr. August Hanning hat
am 22. November 2012 vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt:
„Deswegen ist mir ,Blood & Honour‘ noch in be-
sonderer Weise in Erinnerung, weil das, glaube
ich, eine der gefährlichsten Organisationen war,
die damals existierte.“1079
Im Verfassungsschutzbericht Sachsen aus dem Jahr 2001
wurde die Gruppierung als „wichtigstes und einfluss-
reichstes Netzwerk innerhalb der rechtsextremistischen
Skinhead-Szene“ bezeichnet.1080
Auch der Thüringische Verfassungsschutzbericht 1999
ließ keinen Zweifel an der Bedeutung von „Blood & Ho-
nour“ für die neonazistische Skinhead-Szene:
„In Deutschland gibt es seit 1995 eine ,Division‘
der ,Blood & Honour‘-Bewegung. Mit 150 bis 200
Anhängern gilt sie als die einflussreichste Skin-
head-Gruppierung. Die deutsche Division wiede-
rum gliedert sich in Sektionen, wobei die Berliner
hier eine führende Rolle einnehmen. In Thüringen
gibt es seit 1997 eine Sektion der ,Blood & Ho-
nour‘-Bewegung.“1081
Die Thüringer Verfassungsschützer schrieben im Bericht
des Jahres 1999 auch über die Jugendorganisation „White
Youth“:
„Einen weiteren Organisationsansatz lieferte die
Ende 1997 in Thüringen gegründete ,White
Youth‘-Bewegung. Auch deren Anhänger wollen
junge Leute organisieren und sie an ,ältere‘ Kame-
raden binden […] Angehörige der ,Blood & Ho-
nour‘-Sektion und der ,White Youth‘-Bewegung
organisierten in Thüringen gemeinsam Skinhead-
Konzerte und Partys.“1082
Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hatte
Ende der 90er Jahre mit Marcel D. einen V-Mann im
„Blood & Honour“-Netzwerk. Marcel D. war Kassenwart
der „Blood & Honour Division Deutschland“ und außer-
dem Chef der „Sektion Thüringen“. Ab Oktober 1996
arbeitete er für das Thüringer Landesamt für Verfassungs-
schutz. Marcel D. wurde dort als „Quelle 2100“ geführt,
sein Tarnname war Hagel, sein Spitzname Riese.
1083
Me-
dienberichten zufolge soll er sich fast 160mal mit Verfas-
sungsschützern getroffen haben
1084
und neben Tino
1078) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 31.
1079) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 38.
1080) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2001, S. 18.
1081) Verfassungsschutzbericht Thüringen 1999, S. 57.
1082) Verfassungsschutzbericht Thüringen 1999, S. 58.
1083) Näheres hierzu unter D.I.6.b)..
1084) Thüringer Allgemeine vom 11. September 2012, S. 3, „Verfas-
sungsschutz soll V-Leute aktiv beeinflusst haben“.
Brandt der wichtigste V-Mann des Thüringer Landesam-
tes für Verfassungsschutz in der Neonazi-Szene gewesen
sein.
1085
Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Ver-
fassungsschutz stuften Marcel D. in Befragungen als gute
Quelle ein, er habe richtige Informationen zeitnah gelie-
fert.
1086
Bei einem Neonazikonzert im November 1999
soll Marcel D. Geld für das untergetauchte Trio gesam-
melt haben.
Zum damaligen LfV-Vizepräsidenten Peter Jörg Nocken
hatte Marcel D. Medienberichten zufolge ein besonders
enges Verhältnis. Unter anderem SPIEGEL ONLINE
1087
und die Thüringer Allgemeine
1088
berichteten 2012 von
dem Verdacht, dass Nocken D. vor einer Razzia gewarnt
haben soll. Im September 2000 gab es im Zusammenhang
mit dem Verbot von „Blood & Honour“ bundesweit
Durchsuchungen
1089
– bei Marcel D. hielt sich der Erfolg
des Einsatzes in Grenzen: Die Polizisten sollen den Be-
richten zufolge eine „klinisch reine Wohnung“ vorgefun-
den haben. Ob Marcel D. tatsächlich gewarnt wurde und
– falls ja – ob diese Warnung von Nocken kam, konnte
nicht aufgeklärt werden. Nocken selbst hat dies vehement
bestritten. Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundes-
tages hat Nocken am 26. Februar 2013 gesagt:
„Ich habe keine Quelle selber geführt, keine. Ich
kenne – den Tino Brandt habe ich von Person nicht
gekannt, die anderen Quellen habe ich auch von
Person nicht gekannt. … Auch keinen Kontakt mit
denen gehabt.“1090
Nocken hatte zuvor bereits vor dem Thüringer Untersu-
chungsausschuss gesagt, er habe nie Kontakt zu Marcel
D. gehabt, er kenne den Mann nicht und habe ihn nie
gesehen.
1091
Er wisse nicht einmal, dass Marcel D. Sekti-
onschef von „Blood & Honour“ in Thüringen gewesen
sei:
„Das ist möglich, dass er das war, aber das ist mir
nicht mehr erinnerlich.“1092
Auch der damalige Präsident des Thüringer Landesamtes
für Verfassungsschutz Dr. Helmut Roewer hat ausgesagt,
keine Erinnerung an einen V-Mann namens Marcel D. zu
haben:
„Jetzt aus der Erinnerung sagt mir das nichts. Ich
kann nicht ausschließen, dass ich die Namen
1085) SPIEGEL ONLINE vom 10. September 2012, „NSU-
Untersuchungsausschuss – Wir hatten schon genug Flaschen
aus dem Westen“.
1086) MAT B TH-1/5, S. 256; MAT A TH-6/3, S. 158.
1087) SPIEGEL ONLINE vom 10. September 2012, „NSU-
Untersuchungsausschuss – Wir hatten schon genug Flaschen
aus dem Westen“.
1088) Thüringer Allgemeine vom 17. Juli 2012, S. 1, „Hochrangiger
Geheimdienstler soll heute im Landtag auspacken“.
1089) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), PDF-Bl. 43.
1090) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.
1091) MAT B TH-1/7, S. 85.
1092) MAT B TH-1/7, S. 89.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155 – Drucksache 17/14600
dienstlich zur Kenntnis genommen habe, aber in
der Erinnerung sagt mir das jetzt nichts, nein.“1093
In den Akten des Thüringer Landesamtes für Verfas-
sungsschutz finden sich kaum Hinweise auf Marcel D.
Nach einem Bericht der Thüringer Allgemeinen gibt es zu
den insgesamt 158 Treffen zwischen Marcel D. und Ver-
fassungsschutzmitarbeitern nur einen einzigen Treffbe-
richt, der eine solche Zusammenkunft dokumentiere
1094
–
laut SPIEGEL ONLINE findet sich in den Akten des Thü-
ringer Landesamtes für Verfassungsschutz überhaupt kein
solcher „Treffbericht“, lediglich allgemeine Zusammen-
fassungen seien noch auffindbar.
1095
Im Zwischenbericht
des Untersuchungsausschusses des Thüringischen Land-
tages vom 7. März 2013 heißt es dazu:
„Ungereimtheiten gibt es auch um die Akten zu
diesem V-Mann. So sind die Treffberichte bereits
kurz nach der Abschaltung des V-Mannes fast
vollständig aus der Beschaffungsakte entfernt
worden. Die Landesregierung war nicht in der La-
ge, den Verbleib der Berichte zu klären oder Aus-
kunft zu geben, wer diese Entfernung vorgenom-
men oder verantwortet hat und warum dies ge-
schah.“1096
Im Oktober 2000 wurde Marcel D. auf Initiative von
Nocken abgeschaltet – nach der Suspendierung von Dr.
Roewer leitete Nocken das Thüringer Landesamt für Ver-
fassungsschutz zu diesem Zeitpunkt kommissarisch.
Grund für die Abschaltung – so der spätere Präsident des
Thüringischen LfV Thomas Sippel vor dem Untersu-
chungsausschuss des Bundestages – sei gewesen, dass
Marcel D. Widerspruch gegen die „Blood & Honour“-
Verbotsverfügung eingelegt habe:
„Nachdem bekannt war, dass ich meinen Dienst in
Thüringen am 15. November aufnehmen werde,
hat mich Herr Nocken aufgesucht anlässlich eines
dienstlichen Termins in Köln in meinem Dienst-
zimmer in Köln und hat mir von einem Fall berich-
tet im Bereich der ,B & H‘-Szene und fragte mich,
wie er mit diesem Fall umgehen solle, ob er die
Zusammenarbeit mit diesem V-Mann beenden sol-
le. Es ging wohl darum, dass diese Quelle, die im
,B & H‘-Bereich angesiedelt war, gegen die Ver-
botsverfügung des Innenministeriums, des Bundes-
innenministeriums, Widerspruch eingelegt hat, und
ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht entscheiden
könne, weil ich ja noch Bundesbeamter sei. Aber
so, wie er mir das schildert – er hat vorgeschlagen,
ihn abzuschalten –, sei das doch ganz plausibel,
ihn abzuschalten, bat aber um Verständnis, dass
1093) MAT B TH-1/8, S. 21.
1094) Thüringer Allgemeine vom 11. September 2012, S. 3, „Verfas-
sungsschutz soll V-Leute aktiv beeinflusst haben“.
1095) SPIEGEL ONLINE vom 10. September 2012, NSU-
Untersuchungsausschuss – Wir hatten schon genug Flaschen
aus dem Westen“.
1096) Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses des Thüringi-
schen Landtags vom 7. März 2013, S. 541, Rn. 1087.
ich mich, was die Sachentscheidung anbelangt, da
zurücknehmen muss, weil ich noch Bundesbeam-
ter gewesen bin.“1097
Die damals in Thüringen verantwortlichen Verfassungs-
schützer haben heute kein allzu großes Wissen mehr über
„Blood & Honour“.
Auf die Frage, was denn „Blood & Honour“ eigentlich
sei, antwortete der damalige Vizepräsident des Thüringer
Landesamtes für Verfassungsschutz Nocken vor dem
Untersuchungsausschuss des Thüringischen Landtags:
„Das ist eine rechtsextreme Organisation, die sich
sehr an die SS-Geschichte anlehnt.“1098
Und auf Nachfrage, ob er etwas ausführlicher antworten
könne:
„Ist mir nichts weiter in Erinnerung.“1099
Die Jugendorganisation „White Youth“ kannte Nocken
überhaupt nicht.
1100
Auch Nockens Vorgesetzter, der damalige Präsident des
Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Dr.
Roewer, konnte Fragen nach „Blood & Honour“ vor dem
Untersuchungsausschuss des Thüringischen Landtags
nicht beantworten.
1101
Der Zeuge Egerton, der von 1994 bis zum Jahr 2000 im
BfV mit der subkulturellen, gewaltbereiten rechtsextre-
mistischen Szene befasst war, hat sich zur Gewaltausrich-
tung dieser Gruppierung wie folgt geäußert:
„In Großbritannien war man tatsächlich mal aktiv
auch mit terroristischen Anschlägen, also Brief-
bomben. Wenn man sich ,Blood & Honour‘ in
Deutschland anschaut als potenziellen Träger sol-
cher Strategien - - da haben wir eine Militanz-
ausrichtung oder eine Gewaltausrichtung in dieser
Hinsicht eigentlich nie festgestellt. Eher im Gegen-
teil, es gab die Diskussion, auch auf der Führungs-
ebene, wo so was angesprochen worden ist, ob die
deutsche Division sich mit solchen Schriften be-
fasst und auch entsprechende Aktivitäten an den
Tag legt. Das ist relativ einhellig verworfen wor-
den.“1102
c) „Combat 18“ als bewaffneter Arm von
„Blood & Honour“
Die Gruppe „Combat 18“ entstand 1992 in Großbritanni-
en. Das englische Wort „Combat“ bedeutet „Kampf“ oder
„Schlacht“. Die „18“ steht für den ersten („A“) und den
achten („H“) Buchstaben des Alphabets, stellvertretend
für den Namen Adolf Hitler. Die Gruppierung dokumen-
1097) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 145.
1098) MAT B TH-1/7, S. 128.
1099) MAT B TH-1/7, S. 128.
1100) MAT B TH-1/7, S. 93.
1101) MAT B TH-1/8, S. 18.
1102) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 55.
Drucksache 17/14600 – 156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tiert damit ihre Verbundenheit mit Hitler und ihre Identi-
fikation mit der Ideologie des Dritten Reiches.
1103
„Combat 18“ rekrutierte sich fast ausnahmslos aus Perso-
nen mit hoher Gewaltbereitschaft. Zu den Zielen hieß es
in einem BKA-Papier vom 16. März 2006:
„Die Ziele der britischen Gruppierung sind u. a.
die zwangsweise Rückführung sämtlicher Nicht-
Weißen in ihre Heimatländer; Zerschlagung der
IRA und Vernichtung jeder Person, welche briti-
sche Soldaten und Zivilisten tötet; Exekution aller
Schwulen, Weißen, die sich mit Farbigen abgeben;
Aufbau der Streitkräfte; Ausmerzung aller Juden
und Schaffung eines weißen Commonwealth be-
stehend aus Europa, den USA, Südafrika und
Australien. Weiterhin strebt sie an, ,Britannien‘
wirtschaftlich unabhängig zu machen und eine all-
gemeine Umerziehung und Wiedereinführung an-
ständiger Werte zur Förderung einer gesunden
weishäutigen Gesellschaft, frei von jüdischem Ein-
fluß und falschen Vorstellungen von ,Freiheit und
Demokratie‘ herbeizuführen.“1104
Nach dem Tod des „Blood & Honour“-Gründers Ian
Stuart Donaldson nahm „Combat 18“ eine bedeutende
Rolle innerhalb des rechtsextremen Netzwerks ein.
1105
Auch wenn es intern teilweise zu Machtkämpfen kam,
galt „Combat 18“ als bewaffneter Arm von „Blood &
Honour“.1106 So enthielt eines der von „Combat 18“ ver-
wendeten Logos den Schriftzug „C18 – THE OFFICIAL
ARMED WING OF Blood & Honour“, beide Organisati-
onen betrieben gemeinsame Internetseiten.
In der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg Vorwärts
hieß es zu „Combat 18“:
„Wir brauchen eine Organisation wie Combat 18,
… und wir brauchen sie nicht nur zum Schutz und
als Abwehr. C18 muß als der bewaffnete Arm der
Blood & Honour-Bewegung agieren. … Es gibt
viele Wege, Furcht und Terror unter den Feinden
zu verbreiten. Einschüchterung, Drohungen und
Schläge haben den roten Bastarden über Jahre
hinweg gut gedient. Glaubt ihr nicht, dass der
Zahltag für sie lange überfällig ist?“1107
Auf dem Album „Sounds of Racial Hatred“1108 der Grup-
pe „Hate Society“ wurde unter anderem der Titel
„B & H“ veröffentlicht. Dieses Lied enthielt folgende
Textpassagen:
„Ich glaube an B & H; Blut und Ehre, C18; Ich
glaube an B & H; Blut und Ehre, Kampf 18; Ver-
geßt nicht unsere Terrormaschine; […] ; Mit C 18
1103) MAT A SN-2/3-19, PDF-Bl. 166.
1104) MAT A SN-2/3-19, PDF-Bl. 168.
1105) MAT A SN-2/3-19, PDF-Bl. 167.
1106) Röpke, „Im Untergrund, aber nicht allein“, 30. April 2012,
veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.
1107) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 14.
1108) „Klänge rassistischen Hasses“.
wurde eine Waffe entwickelt; Gefährlich für die
Roten und anderen; Abschaum; […] ; Aber mit der
Zeit gab es viele Gerüchte; Daß C 18 nicht ein Teil
von uns ist; Aber es ist der bewaffnete Arm von
Blut und Ehre.“1109
Nach Erkenntnissen der britischen Sicherheitsbehörden
agiert „Combat 18“ konspirativ und nach dem System des
„führerlosen Widerstands“ („Leaderless Resistance“).
Erklärtes Ziel war es, „Furcht und Terror unter den Fein-
den zu verbreiten“. Kurz vor dem ersten Mord der Česká-
Serie im September 2000 wurden bereits einige andere
europäische Länder von gewalttätigen Aktionen erschüt-
tert, die zumindest teilweise dem „Combat 18“-Umfeld
zugeschrieben wurden:
„1999 verübten neonazistische Attentäter aus dem
C18-Umfeld mehrere Bombenanschläge in Eng-
land mit vielen Opfern; in Schweden gab es eine
Reihe von Banküberfällen, zwei Polizisten wurden
dabei in der Nähe von Malexander erschossen. Im
selben Jahr wurden ein Journalist und dessen acht-
jähriger Sohn bei einem Bombenanschlag auf ihr
Auto schwer verletzt. Im Oktober 1999 starb der
Gewerkschafter Björn Söderberg, kaltblütig hinge-
richtet von Neonazis.“ 1110
Britische C-18 Aktivisten, darunter der Sänger der Blood
& Honour-Band „No Remorse“ unterhielten enge Bezie-
hungen zu deutschen Neonazis.
1111
So berichtete ein C-18
Aussteiger im Dezember 2001 in einem Interview mit der
britischen Zeitschrift Searchlight u. a.:
„Wir haben zum Beispiel gemeinsam die Ausflüge
nach Deutschland gemacht. […] Man ist in den
Bus gesprungen, hat ein paar Lagen Bier mitge-
nommen, ein Paar Socken und ein Paar Hosen und
dann ging es los auf einen wilden Trip.“
Der Aussteiger berichtete außerdem, er sei Ende 1998
aufgefordert worden, nach Deutschland zu reisen, „um
dort ein paar Bomben zu bauen und sie abzuschicken”.1112
Unter gewaltbereiten Rechtsextremisten in Deutschland
genoss „Combat 18“ hohe Anerkennung.1113 Gruppierun-
gen und Einzelpersonen verwendeten die Bezeichnung
„C18“, um die eigene Gefährlichkeit zu unterstreichen,1114
der Name „Combat 18“ stand für die Verbreitung von
Angst und Schrecken sowie für die Anwendung von Ge-
1109) MAT A GBA-3/47c-3, PDF-Bl. 218.
1110) Röpke, „Im Untergrund, aber nicht allein“, 30. April 2012,
veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.
1111) Vgl. MAT A BY-1/6, Bl. 60 ff.; MAT A BfV-4/14 -
Erläuterungen (VS NfD); Nick Lowles, in: „White Riot“ – The
violent story of Combat 18, S. 113 ff., Milo Books /2001.
1112) Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54/Winter 2001/2002, S. 31
„‚Combat 18’ inside! – Nazi-Informant Darren Wells über die
Terrorgruppe ‚C-18’”, ausführlich in: Searchlight international,
Ausgabe Nr. 318/Dezember 2001, „Why I turned my back on
C18 – an exclusive interview with ex-nazi Darren Wells“, S. 5.
1113) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 35.
1114) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 39.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 157 – Drucksache 17/14600
walt.
1115
Szeneintern diente das Bekenntnis zu „Combat
18“ der persönlichen Aufwertung – man wollte damit
suggerieren, dass man einer kämpferischen Elite angehö-
re.
1116
2001 gründete sich „Combat 18 Pinneberg“. Die
Gruppe wurde durch Klemens O. (stellv. Leiter der ehem.
„Blood & Honour“-Sektion Nordmark) und Marco H.
(Mitglied der ehem. „Blood & Honour“-Sektion
Nordmark) geleitet. In einem Bericht des BKA vom
19. Juli 2004 hieß es zu „Combat 18 Pinneberg“:
„Ihr wird vorgeworfen, als Vereinigung den Han-
del mit inkriminierten Tonträgern, den Vertrieb
von Szenentextilien sowie die Erpressung von
,rechten‘ Tonträgervertrieben und Abstrafungsak-
tionen gegen Aussteiger bzw. Konkurrenten
durchgeführt zu haben. Ferner führte die Vereini-
gung Security-Dienste bei Skinheadkonzerten im
In- und Ausland durch.“1117
Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelte wegen des
Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
1118
Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurden am
28. Oktober 2003 in Schleswig-Holstein, Hamburg und
Niedersachsen insgesamt 52 Objekte durchsucht.
1119
Zu diesen Durchsuchungen erklärte der Parlamentarische
Staatssekretär beim BMI, Fritz Rudolf Körper, am
12. November 2003 auf eine Anfrage der Abgeordneten
Petra Pau:
„Im Rahmen der Exekutivmaßnahmen am 28. Ok-
tober 2003 wurden bei Beschuldigten diverse Gas-
pistolen sowie Hieb- und Stichwaffen festgestellt.
Die diesbezügliche waffenrechtliche Einordnung
dauert derzeit noch an. Bei einem der Beschuldig-
ten – es handelt sich um den Rädelsführer der
Gruppierung ‚Combat 18 Pinneberg‘ – wurde eine
so genannte scharfe Schusswaffe sichergestellt. Er
befindet sich seit dem 28. Oktober 2003 aufgrund
eines Haftbefehls des AG Flensburg vom 27. Ok-
tober 2003 wegen Mitgliedschaft in einer kriminel-
len Vereinigung im Sinne des § 129 des Strafge-
setzbuches in Untersuchungshaft.“1120
In einem vom BKA verfassten „Lagebericht zur 155.
Tagung der AG Kripo“ im Jahr 2004 hieß es zu der Grup-
pe „Combat 18 Pinneberg“:
„Ihr Ziel war die Herstellung einer funktionieren-
den Struktur für den Handel mit rechten Tonträ-
gern in Schleswig-Holstein, um u. a. rechtsextre-
mistisches Gedankengut zu verbreiten. Zu den
Mitgliedern der Gruppierung liegen einschlägige
Erkenntnisse vor, die ihre rechtsextremistische
1115) MAT A TH-3/10, Gremien, 099-32-2010, Bl. 184.
1116) MAT A BfV-4, Bl. 39.
1117) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 200.
1118) StA Flensburg, Az: 108 Js 568/02.
1119) MAT A SN-2/3-18, Bl. PDF-Bl. 51.
1120) Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 74. Sitzung
vom 12. November 2003, S. 1.
Einstellung belegten. Zwei der Tatverdächtigen
waren Funktionäre der ehemaligen ,Blood & Ho-
nour Sektion Nordmark‘. Darüber hinaus unter-
hielt ‚Combat 18 Pinneberg’ u. a. Kontakte zu
Funktionären der ehemaligen ‚Blood & Honour
Sektion Niedersachsen’, rechten Gruppierungen
aus Hildesheim/NI, Peter Borchert (ehem. Lan-
desvorsitzender der NPD in Schleswig-Holstein)
sowie ins Rotlichtmilieu und zu der Rockergruppe
‚Hells Angels’ in Kiel.“1121
Hinweise darauf, dass die Gruppierung die Absicht hatte,
Terror-Anschläge zu begehen, gab es laut dem BfV je-
doch nicht.
1122
Auch lagen nach Erkenntnissen des BfV
keine Hinweise auf engere Verbindungen zwischen
„Combat 18 Pinneberg“ und der britischen „Combat 18“-
Organisation vor – auf eine entsprechende Anfrage des
BKA zu „Combat 18“ antwortete das BfV im Jahr 2002,
„dass diese Organisation in der Bundesrepublik
nicht existent sei. Die StA Flensburg führe zwar
seit Mitte 2002 in Pinneberg ein Ermittlungsver-
fahren wegen Verstoßes gegen § 129 StGB (Bil-
dung einer kriminellen Vereinigung) gegen eine
Gruppe, die sich Combat 18 Pinneberg nennt, den-
noch ist nach Einschätzung des BfV die Combat
18 Pinneberg (früher Kameradschaft Pinneberg)
um die Aktivisten S., O. und B. kein deutscher Ab-
leger der gleichnamigen britischen Organisation
und verfolge auch nicht deren Ziele.“1123
Im März 2005 begann vor dem Landgericht Flensburg der
Prozess gegen fünf Mitglieder von „Combat 18 Pinne-
berg“. Die Anklage warf ihnen Bildung einer kriminellen
Vereinigung, Verstoß gegen das Waffengesetz und räube-
rische Erpressung vor. Das Gericht sah den Tatbestand
der Bildung einer kriminellen Vereinigung jedoch als
nicht erfüllt an. Am 25. April 2005 wurden vier der An-
geklagten zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt.
d) Verbindungen zwischen „Blood & Honour”
und dem Trio
„Die oben genannten gehören in Jena zum harten
Kern der BLOOD AND HONOUR Bewe-
gung.“1124
Die in dem Vermerk des LKA Thüringen vom
15. September 1998 „oben genannten“ waren: Uwe
Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Zwar wa-
ren die drei nach heutigen Erkenntnissen selbst keine
„Blood & Honour“-Mitglieder, sie hatten aber intensive
Kontakte zu Aktivisten des Netzwerks. Sowohl vor ihrem
Abtauchen als auch später im Untergrund wurden sie aus
dem Umfeld der Organisation massiv unterstützt.
1121) MAT A TH-3/10, Gremien, 099-32-2010, Bl. 182-184.
1122) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 39.
1123) MAT A BKA-2/46, Bl. 599.
1124) MAT A TH-1/20, PDF-Bl. 347.
Drucksache 17/14600 – 158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am 25. März 2001 berichtete die Quelle Tristan dem
Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, dass
Mundlos bereits seit 1996 intensive Kontakte zur Chem-
nitzer Skinhead-Szene gehabt habe. Insbesondere sei er
mit zwei „Blood & Honour“-Mitgliedern befreundet ge-
wesen, die er regelmäßig in Jena und Chemnitz besucht
oder bei Skinhead-Konzerten getroffen habe.
1125
Einem
Bericht der Zeitung taz zufolge war Mundlos ab 1996
regelmäßig auf solchen Konzerten,
1126
laut der Süddeut-
schen Zeitung hat Böhnhardt sogar geholfen, „Blood &
Honour“-Konzerte in Thüringen zu organisieren.1127
In der am 26. Januar 1998 in Jena durchsuchten Garage
Nr. 5 („Kläranlage“) wurde die Broschüre „Blood & Ho-
nour“, Ausgabe Nr. 2/96 sichergestellt.1128 Darin war
unter der Überschrift „Politik“ ein Artikel veröffentlicht,
in dem es unter anderem hieß:
„Vergegenwärtigen wir uns doch einmal was das
Fremdwort ,Politik‘ eigentlich bedeutet. Wenn im
Bonner Schwätzerparlament über irgendwelche
Steuern geschwafelt wird, nennt man das Politik.
[…] Man muss sich nicht jeden Tag in Uniform
schmeißen, ‚Sieg Heil‘ brüllend und Flugblätter
um sich werfend durch die Gegend ziehen. Das
nutzt natürlich unseren Gegnern. Man braucht
auch nicht in seinen eigenen vier Wänden hocken
und bei Kerzenschein auf den Umsturz warten…
Gelingt es uns, mit Phantasie und Humor, aber
auch mit der nötigen Entschlossenheit und Ernst-
haftigkeit, eine nicht angreifbare, gut vernetzte
Bewegung von unabhängig agierenden Gruppen zu
werden, so wird uns das Schicksal den Sieg nicht
versagen. Nur: Wir dürfen nicht auf einen eventu-
ell irgendwann mal auftauchenden Führer warten,
darauf das immer jemand kommt und sagt, was zu
tun ist. Nein! Jeder ist dazu aufgerufen, etwas zu
tun! LEADERLESS RESISTANCE ist die Devi-
se!“1129
Thomas Starke
1130
– „Blood & Honour“-Funktionär aus
Sachsen – sagte in seiner Vernehmung durch das BKA:
„Die Drei fanden dass schon gut, waren aber nicht
Mitglied. Sie waren bei Konzerten mal dabei, aber
es war eigentlich nicht deren Richtung.“1131
Thomas Starke stand auf zwei Telefonlisten, die am
26. Januar 1998 bei der Garagen-Durchsuchung gefunden
wurden.
1132
Er kommt aus Chemnitz, war in der dortigen
1125) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 2, Bl. 322
(VS-VERTRAULICH).
1126) taz vom 7. April 2012, S. 5, „Internationale der Nationalisten“.
1127) Süddeutsche Zeitung vom 10. Dezember 2011, S. 6, „Extreme
Verbindungen“.
1128) MAT A TH-1/2, PDF-Bl. 302.
1129) Blood & Honour Division Deutschland, Ausgabe 2/96; MAT A
BMI-3/0018, PDF-Bl. 183.
1130) Zu Thomas Starke siehe auch Abschnitt D. IV.1.
1131) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 31 f.
1132) MAT A TH-1/2, Bl. 277-283; MAT A GBA 4/34, PDF-Bl. 179,
183.
rechten Szene eine Schlüsselfigur und gehörte zu den
Anführern von „Blood & Honour“ in Sachsen.1133 Der
Beschuldigte Holger Gerlach sagte am 17. Januar 2012 in
seiner Vernehmung durch das BKA:
„Ich weiß, dass Herr S. zusammen mit einem Jan
(Anmerkung: vermutlich Jan Werner) Konzerte
für ‚Blood & Honour’ organisiert hat. Man kann
sagen, dass Herr S. die große Nummer in Chem-
nitz war, d. h. sein Wort hatte auf jeden Fall Ge-
wicht.“1134
Für das Trio war Thomas Starke eine der wichtigsten
Kontaktpersonen bei „Blood & Honour“. Verbindungen
bestanden bereits seit Mitte der 90er Jahre. Dem Untersu-
chungsausschuss liegen Briefe vor, die Starke Anfang
1995 aus der JVA Waldheim an Mundlos geschrieben
hat.
1135
Starke war auch dabei, als Böhnhardt und
Mundlos 1996 in SA-ähnlichen Uniformen im Konzentra-
tionslager Buchenwald aufmarschierten. Mit Beate
Zschäpe war er sogar kurzzeitig liiert
1136
– zu dem Ver-
hältnis äußerte sich Starke nicht nur in seiner Verneh-
mung durch das BKA, sondern im September 2012 auch
in einem Interview mit der Zeitung Welt am Sonntag:
„Es war keine richtige Beziehung, sondern eher
eine Affäre. Ich hätte mir allerdings mehr ge-
wünscht. … Fast immer hatte sie die anderen
beiden dabei. Sie hatte immer nur die beiden Uwes
im Kopf.“1137
Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hatte
bereits am 8. September 1998 einen Hinweis auf die Be-
ziehung zwischen Starke und Zschäpe – und damit auf
einen Kontakt zwischen dem Trio und „Blood & Ho-
nour“. V-Mann Marcel D. lieferte damals die Informati-
on, dass Zschäpe „zuletzt mit dem Chemnitzer „Blood &
Honour“-Mitglied Starke liiert“ gewesen sei.1138
Starke war es auch, der dem Trio den Sprengstoff besorg-
te, der am 26. Januar 1998 bei der Garagen-Durchsuchung
gefunden wurde. In seiner Vernehmung durch das BKA
sagte er dazu:
„Ja, das stimmt, ich habe ihn besorgt, und zwar
war das im Jahr 1996 oder 1997 als mich Mundlos
fragte, ob ich Sprengstoff besorgen könnte. Wozu
er das braucht, hat er mir nicht gesagt und ich habe
auch nicht gefragt.“1139
1133) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 13.
1134) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 19.
1135) Unter Anderem: MAT A GBA-4/33a, PDF-Bl. 12 ff; siehe
hierzu auch Abschnitte C.II.4 und E.II.6. im Hinblick auf die in
der Garage an der Kläranlage aufgefundenen Briefe an Uwe
Mundlos.
1136) MAT A GBA-4/1, PDF-Bl. 148.
1137) Welt am Sonntag vom 23. September 2012, S. 11, „Die Version
des Thomas Starke“.
1138) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 185, Rn. 312.
1139) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 44; Welt am Sonntag vom
23. September 2012, S. 11, „Die Version des Thomas Starke“.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159 – Drucksache 17/14600
Diese Angaben von Thomas Starke werden von dem
Beschuldigten Holger Gerlach bestätigt. Gerlach sagte
am 12. Januar 2012 in seiner Vernehmung beim BKA
aus, dass das Trio ihm gegenüber erklärt habe, den
Sprengstoff von Starke bekommen zu haben:
„Einer von den Dreien hat mir erzählt, dass der
Sprengstoff von Thomas Starke stammte. Das
wurde mir im Rahmen eines der ersten Gespräche
nach dem Untertauchen der Drei erzählt. Wann das
genau war, weiß ich nicht mehr. Ich kann nicht ge-
nau sagen, ob das bei einem Treffen in Zwickau
oder bei einem anderen Treffen war.“1140
Der Kontakt zwischen Starke und dem Trio hielt auch,
nachdem die Beziehung mit Beate Zschäpe beendet war.
Nach dem Abtauchen des Trios am 26. Januar 1998 war
Starke erste Anlaufstelle. Der Beschuldigte Gerlach gab
am 17. Januar 2012 in seiner Vernehmung durch das
BKA an:
„Zu Beginn ihrer Flucht haben sie Herrn Starke
aufgesucht. Dieser hat sie aber nicht in seiner
Wohnung aufgenommen, sondern an andere Per-
sonen weitergereicht. Bei den Personen dürfte es
sich meiner Meinung nach um Angehörige der
,Blood & Honour‘-Sektion Sachsen gehandelt ha-
ben. Das erscheint mir logisch, weil diese sich für
politische Aktivisten gehalten haben.“1141
Starke selbst räumte sowohl in seinen Vernehmungen
durch das BKA als auch im Interview mit der Zeitung
Welt am Sonntag ein, dass er derjenige war, der dem Trio
im Januar 1998 das erste Versteck besorgte.
„Die haben gesagt, dass sie Ärger mit der Polizei
haben. Eigentlich nahmen die das ganz lustig. Ich
habe ihnen angeboten, dass sie bei mir schlafen
können. Das wollten sie nicht. Deshalb habe ich
sie bei einem Freund einquartiert.“1142
Bei diesem Freund – so Starke – habe es sich um Thomas
Ro. gehandelt – ebenfalls „Blood & Honour“-Mitglied.
„Ro., Thomas hat gesagt, dass sie bei ihm eine
Nacht unterkommen könnten. […] Ro. war ,88‘
und ,B&H‘1143 […] So nach ca. zwei Wochen hat
der Ro. dann gesagt, dass die Drei bei ihm raus
müssen. Ich habe dann weitere Leute aus der Sze-
ne angesprochen, von denen ich wusste, dass sie
alleine wohnten.“ 1144
Möglicherweise war das Trio in dieser Zeit auch öfter bei
Starke selbst in der Wohnung. Ein damaliger Nachbar von
1140) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 18.
1141) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 19 f.
1142) Welt am Sonntag vom 23. September 2012, S. 11, „Die Version
des Thomas Starke“.
1143) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 34.
1144) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 41.
Starke in Chemnitz hat angegeben, er habe Mundlos 1998
dort mehrfach gesehen.
1145
Die Verbindungen zu „Blood & Honour“ ermöglichten
nicht nur den ersten Unterschlupf des Trios – sie hielten
offenbar auch in der Illegalität: Starke blieb mit dem Trio
in Kontakt. Am 20. November 1999 erhielt das Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz einen weiteren Hinweis
des V-Mannes Marcel D. Er gab an, er habe Starke am
13. November 1999 am Rande eines neonazistischen
Skinhead-Konzerts im thüringischen Schorba finanzielle
Unterstützung für das Trio angeboten. Starke habe abge-
lehnt – mit der Begründung, die Drei bräuchten kein Geld
mehr, weil sie „jobben“ würden.1146
Im entsprechenden Vermerk des Thüringer Landesamtes
für Verfassungsschutz vom 24. November 1999 hieß es,
„dass Thomas Starke, aus Dresden, ,B & H‘-
Mitglied in Sachsen, beim Skinheadkonzert am 13.
November 1999 in Schorba von dem ,B&H‘-
Sektionsführer ,Riese‘ eine finanzielle Spende für
die ,Drei‘ angeboten worden sei, worauf er spontan
geantwortet habe, dass die ,Drei‘ kein Geld mehr
brauchen würden, weil sie ,jobben‘ würden. Weite-
re Angaben seien von Starke nicht gemacht wor-
den und von ,Riese‘ keine weiteren Fragen zu den
,Drei‘ an Starke gestellt worden.1147
Am 25. Januar 2012 bestritt Starke diesen Sachverhalt in
seiner Vernehmung als Beschuldigter gegenüber dem
BKA. Er sei zwar bei diesem Konzert gewesen, ein Ge-
spräch mit diesem Inhalt habe es aber nicht gegeben:
„An das Konzert kann ich mich erinnern, weil es
das einzige Konzert war, das in Thüringen stattge-
funden hat. Der Sektionsführer war Marcel D.,
Spitzname ,Riese‘, der muss bei diesem Konzert da
gewesen sein. Das Gespräch wie oben beschrieben
hat definitiv nicht stattgefunden. Ich kann nicht
sagen, ob ich damals Kenntnis über die finanzielle
Situation des Trios hatte oder nicht. Ich bin damals
davon ausgegangen, dass das Trio Chemnitz ver-
lassen hatte, da man nichts mehr von ihm gehört
hat.“1148
Starke will zu der Zeit, zu der das Gespräch mit dem V-
Mann Marcel D. stattgefunden haben soll, schon seit fast
anderthalb Jahren keinen Kontakt mehr zum Trio gehabt
haben:
„Den letzten Kontakt zu Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe hatte ich … Das muss so im Mai/Juni ´98
gewesen sein. Kurz danach bin ich nämlich wegen
meiner Arbeit nach Dortmund gegangen. Es war
eher bis etwa Mitte Mai ´98.“1149
1145) Schäfer-Gutachten , MAT A TH-6, S. 122, Rn. 224.
1146) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 15.
1147) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 2, Bl. 254
(VS-VERTRAULICH).
1148) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 36.
1149) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 97 f.
Drucksache 17/14600 – 160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Zusammenhang mit dem durch die Staatsanwaltschaft
Dresden geführten Verfahren, das in Zusammenhang mit
der neonazistischen Band „Landser“ stand,1150 wurde am
13. November 2000 Starkes Wohnung durchsucht – bei
dieser Durchsuchung wurden unter anderem handschrift-
liche Notizen mit persönlichen Daten von Mundlos und
Zschäpe gefunden.
1151
Der Generalbundesanwalt fasst das Verhältnis zwischen
Starke und dem Trio nach aktuellen Ermittlungen folgen-
dermaßen zusammen:
„Die enge persönliche Verflechtung des Beschul-
digten mit den Mitgliedern des ,NSU‘ und deren
Unterstützerkreis wird auch dokumentiert durch
den Umstand, dass er zeitweise mit Beate Zschäpe
liiert war und sich Kontaktdaten zu Mitgliedern
des ,NSU‘ und deren mutmaßlichen Unterstützern
notiert hat. Außerdem erfordert das Liefern von
Sprengstoff und die Vermittlung einer konspirati-
ven Wohnung ein besonderes Nähe- und Vertrau-
ensverhältnis der beteiligten Personen.“1152
Neben dem Kontakt zu Starke hatte das Trio enge Ver-
bindungen zu einem weiteren führenden „Blood & Ho-
nour“-Mitglied – zu Jan Werner, dem Sektionschef der
Organisation in Sachsen.
Gegen Jan Werner lief im August 1998 im Zusammen-
hang mit einem anderen Ermittlungsverfahren eine TKÜ-
Maßnahme. Am 25. August 1998 um 19:21 Uhr sendete
Jan Werner eine SMS mit folgendem Inhalt:
„Hallo, was ist mit den Bums“
Empfänger dieser Nachricht war ein Handy, das auf das
Innenministerium des Landes Brandenburg
1153
registriert
war.
1154
Es war zu diesem Zeitpunkt an den V-Mann
Piatto des Verfassungsschutzes Brandenburg ausgegeben
worden.
1155
Mit „Bums“ waren offenbar Waffen gemeint.
Nach einem Konzert der „Blood & Honour Sektion Süd-
brandenburg“ am 5. September 1998 in Hirschfeld melde-
te die Quelle Piatto des LfV Brandenburg, Jan Werner
habe den Auftrag, die drei neonazistischen Skinheads mit
Waffen zu versorgen. Die dafür erforderlichen Gelder
habe die „Blood & Honour Sektion Sachsen“ bereitge-
stellt. In der entsprechenden Deckblattmeldung hieß es:
„Einen persönlichen Kontakt zu den drei sächsi-
schen Skinheads soll Jan Werner haben. Jan Wer-
ner soll zur Zeit den Auftrag haben, die drei Skin-
heads mit Waffen zu versorgen. Gelder für diese
1150) Zu diesem Ermittlungsverfahren siehe eingehend unten Ab-
schnitt D. IV.b)aa).
1151) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 21.
1152) MAT A GBA-4/1, Bl. 140.
1153) Mitteilung des Mobilfunkanbieters, MAT A TH-1/9, S. 272
1154) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 99, Rn 181.
1155) Zum V-Mann Piatto des Landes Brandenburg eingehend siehe
Abschnitt D. III. 1.
Beschaffungsmaßnahme soll die ,Blood & Honour
Sektion Sachsen‘ bereitgestellt haben. Die Gelder
stammen aus Einnahmen aus Konzerten und dem
CD-Verkauf.“
Nach der Entgegennahme der Waffen – noch vor der
beabsichtigten Flucht nach Südafrika – soll das Trio einen
weiteren Überfall planen, um mit dem Geld sofort
Deutschland verlassen zu können.“1156
Diese Information gab das Brandenburger Innenministe-
rium am 9. September 1998 sowohl an das thüringische
als auch an das sächsische Landesamt für Verfassungs-
schutz weiter.
1157
Offenbar verliefen die Bemühungen des Jan Werner zu-
mindest anfangs nicht sonderlich erfolgreich. Nach einem
Skinhead-Konzert am 26. September 1998 in Munzig
meldete eine Quelle des LfV Brandenburg, dass sie am
Rande dieses Konzerts erfahren habe,
„dass Jan Werner bei seinen Versuchen, die drei
flüchtigen Neonazis aus Thüringen mit Waffen zu
versorgen, noch nicht erfolgreich war und die Ver-
suche fortsetzt.
1158
Diese Information gab das Brandenburger Innenministe-
rium am 2. Oktober 1998 an das Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz weiter.
1159
Am 10. Oktober 1998 erfuhr eine Quelle des LfV Bran-
denburg am Rande eines „Blood & Honour“-Treffens in
Sachsen von Jan Werner persönlich,
„dass dieser noch immer auf der Suche nach Waf-
fen für die drei flüchtigen thüringischen Neonazis
ist.“1160
Diese Information gab das Brandenburger Innenministe-
rium am 14. Oktober 1998 an das Thüringer Landesamt
für Verfassungsschutz weiter.
1161
Aus den Quellenmeldungen ergibt sich nur, dass Jan
Werner versucht hat, Waffen zu besorgen – nicht aber,
dass diese Versuche am Ende auch erfolgreich waren. Der
Generalbundesanwalt schließt dies nach aktuellen Ermitt-
lungen aber auch nicht aus:
„Aufgrund des Umstandes, dass die Gruppierung
um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe
Mundlos in der Folgezeit bis zum 4. November
2011 nach den bisherigen Ermittlungen tatsächlich
1156) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 3, Bl. 50
(VS-VERTRAULICH).
1157) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 3, Bl. 47
(VS-VERTRAULICH).
1158) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 133
(VS-VERTRAULICH).
1159) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 132
(VS-VERTRAULICH).
1160) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 135
f. (VS-VERTRAULICH).
1161) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 135
(VS-VERTRAULICH).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 161 – Drucksache 17/14600
über einen großen Fundus an Schusswaffen ver-
fügte, nachdem in der Frühlingsstraße 26 in Zwi-
ckau und in dem Wohnmobil in Eisenach insge-
samt 20 Schusswaffen unterschiedlicher Bauart si-
chergestellt wurden, bestehen begründete Anhalts-
punkte dafür, dass die aus den Erkenntnisberichten
offensichtlich hervorgehenden Bemühungen des
Beschuldigten Werner tatsächlich von Erfolg ge-
tragen waren und er der Gruppierung eine oder
mehrere Schusswaffen zur Verfügung stellen
konnte.
[…]
Indem die Gruppierung um Beate Zschäpe, Uwe
Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Zeit nach dem
September 1998 Raubüberfälle auf Banken verüb-
te, wie es dem Bemühen des Beschuldigten Wer-
ner um Beschaffung von Waffen zugrunde lag, be-
stehen daher zureichende tatsächliche Anhalts-
punkte dafür, dass mit einer vom Beschuldigten
Werner beschafften Schusswaffe ein oder mehrere
Banküberfälle von der Gruppierung begangen
wurden.“1162
Nach Erkenntnissen des LfV Sachsen kontaktierte Jan
Werner die Flüchtigen möglicherweise am 7. Mai 2000
persönlich in Berlin.
1163
An diesem Tag hat sich Jan Wer-
ner dort aufgehalten. Am selben Tag will ein Polizist auch
Mundlos und Zschäpe in Berlin gesehen haben – in einem
Biergarten, gemeinsam mit zwei weiteren Erwachsenen
und zwei Kindern. Bei diesen beiden anderen Erwachse-
nen könnte es sich um Jan Werner und um eine Bekannte
des Jan Werner gehandelt haben. Die Frau lebte damals in
Berlin, hatte mindestens zwei Kinder, gehörte der ein-
schlägigen Szene an und wurde am 7. Mai 2000 mehrfach
von Jan Werner angerufen.
1164
Das LKA Berlin erhielt am 13. Februar 2002 einen Hin-
weis darauf, dass Jan Werner auch zu dieser Zeit noch in
Kontakt mit dem Trio stand:
„Jan Werner soll zur Zeit zu drei Personen aus
Thüringen, die per Haftbefehl gesucht werden,
Kontakt haben. Die VP kann diese nicht nament-
lich benennen, erklärt aber, dass diese wegen Waf-
fen- und Sprengstoffbesitz gesucht werden.“1165
Der Hinweis stammte von der Quelle „VP 562“.1166 Quel-
le „VP 562“ ist inzwischen enttarnt: es handelte sich um
Thomas Starke, den das LKA Berlin in dem in Zusam-
menhang mit der Neonazi-Band „Landser“ geführten
Verfahren als V-Person angeworben hatte.
1167
Eine Wei-
tergabe dieses Hinweises zum damaligen Zeitpunkt an
1162) MAT A GBA-4/1, PDF-Bl. 135.
1163) Siehe hierzu auch die eingehende Darstellung der Fahndungs-
maßnahmen rund um die Ausstrahlung der Sendung Kripo Live
am 7. Mai 2000 unter E.II.13.
1164) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, 175, 176, Rn. 301.
1165) MAT A SN-7/15a, Bl. 52.
1166) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, S. 42.
1167) Zum V-Mann Thomas Starke siehe eingehend unter D. IV.1).
andere Behörden – insbesondere an Thüringen oder Sach-
sen – ist nicht dokumentiert und konnte auch nicht festge-
stellt werden.
1168
Der Generalbundesanwalt fasst das Verhältnis zwischen
Werner und dem Trio nach aktuellen Ermittlungen fol-
gendermaßen zusammen:
„Die enge Anbindung des Beschuldigten Werner
an die Gruppierung um Beate Zschäpe, Uwe
Böhnhardt und Uwe Mundlos wird zum einen
durch die Qualität der bereits erwähnten Unterstüt-
zungshandlung in Form des Bemühens um die Be-
schaffung von Schusswaffen belegt. Es ist auf-
grund kriminalistischer Erfahrung bei lebensnaher
Auslegung des Sachverhalts davon auszugehen,
dass mit einer solchen Aufgabe für die Gruppie-
rung nur eine Person beauftragt wird, die ein be-
sonderes Vertrauen der Mitglieder genießt und
über deren Loyalität sich die Mitglieder zuvor in
hinreichendem Maße vergewissert haben. Außen-
stehende Personen, bei denen ein nicht zu kalkulie-
rendes Risiko der Weitergabe dieser Informationen
an Dritte bestanden hätte, wäre für die damals be-
reits im Untergrund befindlichen Mitglieder der
Gruppierung eine nicht zu kalkulierende und tole-
rierende Gefahr der Entdeckung und Enttarnung
gewesen. Der Verdacht, dass die enge Anbindung
auch noch einen längeren Zeitraum nach den Be-
mühungen um die Beschaffung von Schusswaffen
bestand, wird durch die Erkenntnisse des Landes-
amtes für Verfassungsschutz Sachsen aus der Mit-
te des Jahres 2000 belegt, nach denen der Beschul-
digte Werner in telefonischem Kontakt zu weiteren
Personen aus dem Umfeld der Gruppierung ge-
standen haben soll. Dabei soll der Beschuldigte
Versorgungsfahrten für die Gruppierung organi-
siert und dabei von den drei Flüchtigen angefor-
derte persönliche Gegenstände an diese übergeben
haben.“1169
Die „Blood & Honour Sektion Sachsen“, deren Chef Jan
Werner war, gab mit White Supremacy ein eigenes Fan-
zine heraus. In Ausgabe Nr. 1/98 dieser Publikation ver-
fasste ein Mitglied des Trios einen Artikel. Darin heißt es
unter anderem:
„Doch sollte sich jeder im klaren sein, dass mit
Konzerten allein keine Schlacht zu gewinnen ist.
Konzerte sind und bleiben ein reines Freizeitver-
gnügen und haben mit dem Kampf nur soviel zu
tun, dass sie für uns das stärkende Mittel sind,
welches uns die Kraft für den weiteren Weg gibt.
[…]
Lassen wir aber die nationalen Parteien in … (un-
leserlich), so ist dies ein verdeckter Schulter-
schluss mit dem roten und dem antideutschen
1168) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, S. 42; siehe hierzu unter
D.IV.1.b)ff).
1169) MAT A GBA-4/1, Bl. 127.
Drucksache 17/14600 – 162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Pack. Denn diese Subjekte wollen unser Volk und
unser Land, mit all seinen Bestrebungen am Boden
liegen sehen, was ihr mit Euerem passiven Verhal-
ten unterstützt. Also denkt immer daran: Wer nicht
bereit ist sich aktiv am Kampf und der Bewegung
zu beteiligen, der unterstützt passiv alles was sich
gegen unser Volk und unser Land und unsere Be-
wegung richtet!!!“1170
Der Autor blieb anonym.
1171
Medienberichten zufolge soll
der Artikel von Uwe Mundlos stammen.
1172
Auch die
Quelle Piatto (Carsten Szczepanski) berichtete, dass „ein
Mitglied des sächsischen Skinhead-Trios“ den Artikel auf
S. 26 der Publikation White Supremacy verfasst habe.
1173
Enge Kontakte zwischen dem Trio und „Blood & Ho-
nour“-Mitgliedern meldete der V-Mann Tino Brandt. Als
„Quelle 2045“ beim Thüringer Landesamt für Verfas-
sungsschutz berichtete er am 1. Februar 2000, dass ein
Chemnitzer „Blood & Honour“-Mitglied am Rande einer
NPD-Veranstaltung mitgeteilt habe, dem Trio gehe es gut.
Bei dem „Blood & Honour“-Mitglied soll es sich um
Andreas G. gehandelt haben.
1174
In der entsprechenden
Deckblattmeldung des Thüringer Landesamtes für Ver-
fassungsschutz heißt es:
„Während einer Schulungspause unterhielten sich
zwanglos Ralf Wohlleben, X.
1175
und Quelle als X.
von einem Chemnitzer ‚B&H’-Mann (…) ange-
sprochen worden sei (…). Der namentlich nicht
bekannte Chemnitzer habe dann gesagt, dass sie
sich keine Gedanken machen brauchten, den ,Drei‘
gehe es gut. Daraufhin sei er sofort von Ralf Wohl-
leben verärgert unterbrochen worden, dass dies
hier keinen etwas anginge und er mit seinen Äuße-
rungen noch Zoff bekommen würde.“1176
Das Trio war unter den „Blood & Honour“-Anhängern
bekannt – und wurde unterstützt. Der ehemalige Vize-
Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungs-
schutz Nocken hat vor dem Untersuchungsausschuss des
Thüringischen Landtags ausgesagt:
„Ich weiß nur, dass die Blood-&-Honour-Leute bei
ihren Konzerten mal wohl aufgerufen haben, ir-
1170) White Supremacy 1/98, S. 26; MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12
GEHEIM), Anl. 2, Bl. 268 (offen).
1171) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301; MAT A
BB-1, PDF-Bl. 30.
1172) Süddeutsche Zeitung vom 10. Dezember 2011, S. 6, „Extreme
Verbindungen“.
1173) Meldungen des V-Mannes Piatto, Nr. 124/98 vom 19. August
1998, MAT A BB-1, S. 25 ff. (30) und Nr. 142/98 vom
16. September 1998, MAT A BB-1, S. 38 ff. (42) – eingehend
zu dem V-Mann Piatto siehe unter D.III.1. und zu seiner Rolle
bei der Suche nach dem Trio unter E.II.10.
1174) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301.
1175) Name im Dokument ausgeschrieben.
1176) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 2, Bl. 278
(VS-VERTRAULICH).
gendwen, als die schon im Untergrund waren, ir-
gendwelche Spenden zu sammeln.“1177
SPIEGEL ONLINE berichtet unter Berufung auf einen
„Szenekenner“, dass es noch im Jahr 2008 eine geheime
„Blood & Honour“-Veranstaltung gegeben habe, bei der
für das Trio gesammelt worden sei.
1178
Das Trio nutzte „Blood & Honour“-Musik für das NSU-
Video. In zwei Versionen des Videos wird Musik der aus
Baden-Württemberg stammenden Nazi-Band „Noie Wer-
te“ um den Sänger und Rechtsanwalt Stefan H. verwendet
– in einer Version wird das Lied „Kraft für Deutschland“
eingespielt, in einer zweiten Version der Song „Am Puls
der Zeit“.1179 Für die Sachverständige Röpke ist dies ein
Signal der NSU-Leute an die eigene Szene
1180
– „Noie
Werte“ war nach ihren Angaben eine der wichtigsten
Bands im „Blood & Honour“-Spektrum:
„Noie Werte kann man eigentlich als Anfangs-
struktur von ,Blood & Honour‘ in Deutschland be-
zeichnen. Zumindest ist es eine Anfangs-
umfeldstruktur von ‚Blood & Honour’.“1181
Einige „Noie Werte“-Mitglieder führten „German-British
Friendship“ – dabei handelte es sich um ein Plattenlabel
und einen Musikversand. „German British Friendship“
trug ab Mitte der 90er Jahre maßgeblich zur Ausbreitung
des „Blood & Honour“-Netzwerks von Großbritannien
nach Deutschland bei.
1182
e) Mögliche Auswirkungen von „Blood &
Honour“ und „Combat 18“ auf die Taten
des Trios
Im Umfeld von „Blood & Honour“ und „Combat 18“
kursierten zahlreiche Strategiepapiere – beispielsweise
mit Handlungsanweisungen zum Leben im Untergrund
und zur Durchführung militanter Aktionen. Diese Strate-
gien sind unter anderem in der „Blood & Honour“-
Broschüre Der Weg Vorwärts, im Feldhandbuch und in
der „Combat 18“-Publikation Der politische Soldat veröf-
fentlicht. Diese Veröffentlichungen stehen auf der inter-
nationalen Homepage von „Blood & Honour“ zum
Download bereit. Die Inhalte zeigen erhebliche Parallelen
sowohl zu den Taten des Trios als auch zum Leben des
Trios im Untergrund auf.
So heißt es in der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg
Vorwärts:
„Unsere revolutionäre Bewegung sollte sich darauf
konzentrieren, politische Soldaten zu rekrutieren,
die bereit sind, auch wirklich zu kämpfen. …
1177) MAT B TH-1/7, S. 130.
1178) SPIEGEL ONLINE vom 3. Dezember 2011, „Szenekontakte
der Terrorzelle: Blut, Ehre, Hass“.
1179) MAT A GBA-4/3 (DVD), Vorl. SA 10, Bl. 61.
1180) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 64 f.
1181) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 64.
1182) MAT A GBA-4/3 (DVD), Vorl. SA 10, Bl. 62.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 163 – Drucksache 17/14600
Diese Anwärter mögen bereit sein, für ihre Über-
zeugung zu sterben, aber sie sind sicherlich keine
verrückten Selbstmordkandidaten.“1183
Die Publikation Der Weg Vorwärts diente dem Bundes-
minister des Innern zur Begründung der Verbotsverfü-
gung der „Blood & Honour Division Deutschland“.1184
Der Autor – der skandinavische Rechtsextremist Max
Hammer (Erik Nilsen)
1185
– veröffentlichte im Jahr 2000
auch das Field Manual
1186
. Hammer selbst sieht dieses
Buch als „Betriebshandbuch für den B&H-Kämpfer“. Im
Vorwort schrieb er:
„Unsere Hauptpriorität liegt mit Sicherheit darin,
ZU HANDELN und zu wissen, WIE gehandelt
werden muss. Und WANN gehandelt werden
muss, nämlich JETZT.“1187
Hammer wirbt für die Strategie des „führerlosen Wider-
stands“ (Leaderless Resistance), einer hierarchiefreien,
zellenorientierten Handlungsweise zur Durchführung von
militanten Aktionen:
1188
„In Skandinavien – insbesondere in Schweden und
Dänemark – gibt es gegenwärtig gut organisierte
NS-Bewegungen, die wissen, worauf es ankommt.
Sie sind bereit, legal zu arbeiten, wenn die
,Demokratie‘ sie nur lässt. Sie sind aber ebenso be-
reit, ihren modus operandi zu ändern, wenn es kei-
ne andere Möglichkeit gibt. Einheit bedeutet Stär-
ke, und eine Bewegung starker Einzelkämpfer
multipliziert, vorausgesetzt, dass sie gut organisiert
ist, diese Stärke mit der Zahl ihrer Mitglieder. Auf
der anderen Seite arbeiten einige Kameraden am
besten auf eigene Faust. Ihre Aktionen sind so an-
gelegt, dass sie eine absolute Anonymität erfor-
dern. Keine Organisation könnte die Verantwor-
tung dafür übernehmen, ohne dass sie ihren lega-
len Status für immer verlieren würde. […] Diese
einsamen weißen Wölfe gilt es zu respektieren,
und man muss sie in Ruhe gewähren lassen, um
die schlimmsten Feinde unserer Rasse zur Strecke
zu bringen. Auch wenn diese Leute keine Hilfe
oder Unterstützung erwarten, so verdienen sie
doch Anerkennung und Verständnis.“1189
Und weiter:
„Wenn jemand tatsächlich den riskanten Weg des
aktiven bewaffneten Widerstands wählt, sollte er
jeglichen Kontakt zu denen meiden, die den lega-
len Widerstand gewählt haben, damit er die tägli-
1183) MAT A SN-2/3-33, Bl. 8.
1184) Weiteres zum Verbot unter C.II.1.f).
1185) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 2.
1186) Feldhandbuch.
1187) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 373.
1188) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 2.
1189) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 423 f.
che politische Arbeit nicht gefährdet und diese mit
dem Stempel des Terrorismus versehen wird.“ 1190
Hammer schildert beispielhaft Aktivitäten des sogenann-
ten „Lasermannes“ in Schweden. Beim „Lasermann“
handelt es sich um den schwedischen Rechtsextremisten
John W.A. Ausonius. Aktuelle Recherchen des BfV führ-
ten im Zusammenhang mit dem „Lasermann“ zu folgen-
den Ergebnissen:
„John W.A. Ausonius, geb. 12. Juli 1953 in Stock-
holm als Wolfgang Alexander Zaugg (benannte
sich zunächst in John W.A. Stannerman und an-
schließend in John W.A. Ausonius um), Sohn eines
nach Schweden ausgewanderten Schweizers und
einer nach Schweden ausgewanderten Deutschen,
verübte von August 1991 bis Januar 1992 in
Stockholm und Uppsala (Schweden) zehn frem-
denfeindliche Mordanschläge auf insgesamt elf
Personen, zunächst mittels eines Gewehrs mit La-
servorrichtung (was in der Presse zu der Namens-
gebung ,Laser Mann‘ führte), später mit einem
Revolver. Eine Person kam bei den Anschlägen
ums Leben, die übrigen wurden z. T. schwer ver-
letzt. Ausonius verübte die Anschläge aus Frem-
denhass. Zu seinen Opfern hatte er zuvor keinerlei
persönliche Beziehungen. […] Ausonius wurde
nach einem Bankraub am 12. Juni 1992 gefasst
und 1994 wegen Mordes zu lebenslanger Frei-
heitsstrafe verurteilt. Erst im Jahr 2000 bekannte er
sich zu seinen Taten. Im gleichen Zeitraum, in
dem die Morde passierten, hatte ein Bankräuber 18
Banken in Stockholm überfallen und war nach je-
dem Überfall mit einem Fahrrad geflüchtet. Ver-
mutlich handelte es sich dabei um Ausonius
(Ausonius bekannte sich im Jahr 2000 nicht nur zu
den Anschlägen, sondern auch zu 20 Banküberfäl-
len).“1191
Der Weg Vorwärts und das Feldhandbuch waren auch
den deutschen Sicherheitsbehörden frühzeitig bekannt,
wurden vom BfV im Jahr 2002 zunächst jedoch als nicht
relevant für die deutsche Szene angesehen. Dies lässt sich
aus dem Protokoll einer Besprechung zwischen BfV und
BKA am 20. November 2002 entnehmen:
„Das BfV bewertet die beiden Strategiepapiere
,The way forward‘ und ,Field Manual‘ als die Pri-
vatmeinung eines ‚Blood&Honour’ Aktivisten in
Schweden, vermutlich Eric Nielsen, alias Eric
Blücher. Ihre Wirkung auf die deutsche
‚Blood&Honour’ Bewegung ist nach Auffassung
des BfV nicht gegeben.“1192
Das BKA sah dies damals anders:
„Durch Uz wurde dem BfV erklärt, dass nach der-
zeitiger Einschätzung eine Fernwirkung der Stra-
1190) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 579.
1191) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 3 f.
1192) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 605.
Drucksache 17/14600 – 164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tegiepapiere auf die deutsche ‚Blood&Honour’
Bewegung nicht auszuschließen sei.“1193
Im Januar 2012 sah das BfV Parallelen zwischen den in
den genannten Publikationen veröffentlichten Handlungs-
anweisungen und den Taten des Trios – insbesondere in
folgenden Punkten:
– Mordanschläge auf Menschen mit Migrationshinter-
grund – ohne einen persönlichen Bezug zu diesen
Personen gehabt zu haben;
– Banküberfälle zur Eigenfinanzierung;
– Flucht mit dem Fahrrad;
– Leben mit falschen Identitäten;
– Fluchtpunkt Südafrika (wenn auch vom NSU-Umfeld
nur geplant);
– Mietfahrzeug.
Im Ergebnis stellte das BfV fest:
„Es besteht die Möglichkeit, dass die Jenaer
Rechtsextremisten durch die im Jahr 2000 veröf-
fentlichte Publikation ,Field Manual‘ Kenntnis von
den durch Ausonius verübten Anschlägen auf Aus-
länder erhalten haben und dessen Vorgehensweise
als ,Blaupause‘ für die Taten des ,Trios‘ diente.
Zudem bestanden zwischen der deutschen und
skandinavischen ,Blood & Honour‘-Bewegung
insbesondere Ende der 1990er Jahre und zu Beginn
des neuen Jahrtausends Kontakte, durch die das
,Trio‘ möglicherweise über die Vorgehensweise
und Taten des Ausonius informiert war.“1194
Genaue Handlungsanleitungen für das Leben im Unter-
grund und für die Durchführung von Anschlägen fanden
sich auch in Publikationen von „Combat 18“. Darin wur-
de all denjenigen der Kampf angekündigt, die als „Gefahr
für die weiße Rasse“ angesehen wurden oder in Oppositi-
on zum Nationalsozialismus standen.
„Der Kampf soll von Einzelkämpfern (,lone wol-
fes‘) oder in Form eines führerlosen Widerstandes
(,leaderless resistance‘) geführt werden.“1195
Im „Combat 18“-Handbuch Der politische Soldat hieß es
sinngemäß:
„Die Taktik des ,einsamen Wolfs‘ ist bei weitem
der beste Ansatz. Du bist niemandem gegenüber
verantwortlich für den erfolgreichen Abschluss
Deines Plans und Deine persönliche Sicherheit
liegt allein in Deinen Händen. Wenn Dein Plan –
aus welchen Gründen auch immer scheitert – dann
musst Du nur Dir selbst Vorwürfe machen. Wenn
Dein Plan Erfolg hat, wird Dein Mut für Dich
sprechen.
1193) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 605.
1194) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 5.
1195) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 39.
Die einzige Alternative zur Taktik des ‚einsamen
Wolfs‘ besteht darin, eine aktive Zelle von Kame-
raden zu bilden, in der Informationen und Verant-
wortlichkeiten geteilt werden. Der Erfolg einer
Zelle ist abhängig von der Qualität der einzelnen
Mitglieder dieser Zelle und von dem absoluten
Vertrauen, das zwischen den Mitgliedern bestehen
muss.
Wenn Du glaubst, dass Du in einer Position bist, in
der Du eine aktive Zelle bilden kannst, musst Du
Dir absolut sicher sein, dass die Mitglieder, die Du
für diese Zelle rekrutieren willst, vertrauenswürdig
sind und die nötige Einsatzbereitschaft mitbringen.
Womit auch immer das ZOG
1196
die Mitglieder der
Zelle bedroht – seien es Drohungen, Einschüchte-
rungsversuche oder große Mengen Bargeld für In-
formationen – Du musst Dir sicher sein, dass die
Mitglieder Deiner Zelle dem Druck standhalten.
Nur dann, wenn Du ehrlich sagen kannst, dass Du
den von Dir gewählten Mitgliedern vertraust wie
Dir selbst, nur dann solltest Du darüber nachden-
ken, eine aktive Zelle zu bilden.“1197
Das Buch Der politische Soldat ist ebenfalls auf den ein-
schlägigen Internetseiten abrufbar, auch heute noch.
In der „Combat 18“-Publikation „Stormer – Die Deutsche
Fassung Nr. 1“ ungefähr aus dem Jahr 2002, die damals
auch das BfV ausgewertet hat, heißt es:
„Immer wieder wird in der nationalen Bewegung
der ‚militante Kurs‘ diskutiert. Oft ist von ‚gewalt-
samen Aktionen gegen den Staat die Rede‘ die
dann schon sehr ‚terroristische Züge‘ annehmen
können. Wer würde sich nicht gern einmal den ein
oder anderen Richter, Staatsanwalt oder Politiker
vorknöpfen? In die Luft sprengen, erschießen usw.
[…]
Eine persönliche Einschätzung der momentanen
Situation, lässt nur den Eindruck zu, das ein ‚mili-
tantes und bewaffnetes Vorgehen‘ gegen diesen
Staat und seine Vasallen keinerlei Erfolgsaussich-
ten hätte. […]
Dennoch braucht man nicht untätig zuzuschauen.
Die Zeit für Aktionen ist längst gekommen. Aller-
dings greift man nicht ZOG direkt an! Gegner und
Volksfeinde gibt es genug. […] Nicht mehr die
Staatsanwälte, Richter oder Systempolitiker sind
das Ziel. Antifas, Drogendealer, ausländische Zu-
hälter und Kriminelle, sowie der ein oder andere
Kleinunternehmer der vorwiegend billige auslän-
dische Arbeitskräfte beschäftig, werden oder soll-
ten von nun an ins Visier genommen werden. Der
Vorteil wäre auch, das niemand darum heulen
1196) ZOG = Zionist Occupied Government = „Zionistisch besetzte
Regierung“.
1197) Übersetzung aus „The National Socialist Political Soldiers
Handbook“.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165 – Drucksache 17/14600
würde wenn es ab und an mal einen
Zuhälterkanacken oder Dealer treffen würde. Auch
der Fahndungsdruck durch ZOG wäre nicht sehr
groß.“1198
Nach dem Nagelbombenanschlag in der Kölner
Keupstraße am 9. Juni 2004 erstellte das BfV ein Dossier,
in dem es unter anderem untersuchte, ob es Verbindungen
zwischen dieser Tat und Aktivitäten und Konzepten von
„Combat 18“ gab.1199 Insbesondere wurden Parallelen
zwischen dem Anschlag in Köln und mehreren Nagel-
bombenanschlägen in London geprüft, bei denen im April
1999 insgesamt drei Menschen getötet und mehr als hun-
dert Menschen verletzt wurden. Bei den Opfern handelte
es sich überwiegend um Migranten und Migrantinnen
britisch-pakistanischer Herkunft und um Homosexuelle.
Die Anschläge in London wurden zunächst „Combat 18“
zugerechnet. Bei dem Täter handelte es sich um einen
britischen Neonazi, der u. a. in einer Abspaltung von
„Combat 18“ organisiert war.1200 Sein Ziel war nach eige-
ner Aussage der „Beginn eines Rassekrieges“.1201
Seine Taten fanden bei „Combat 18“ aber zumindest
Beachtung: In der zweiten Ausgabe der Publikation
Stormer wurde dazu aufgefordert, Copeland’s „heroische
Taten“ nachzuahmen.1202 Dazu war unter der Überschrift
„How to build a Dave Copeland Special“ eine detaillierte
Anleitung zum Nachbau des von Copeland verwendeten
Nagelbombentyps veröffentlicht.
1203
Ob das Trio Kenntnis von dieser Publikation und den
darin veröffentlichten Texten im Zusammenhang mit den
Anschlägen in London hatte, ist unklar. Ein Vergleich
zwischen der im Stormer veröffentlichten Bombenbauan-
leitung und dem in Köln verwendeten Sprengsatz ergab
laut dem BfV nur „unwesentliche Übereinstimmungen“:
„Zusammenfassend ist zu bemerken, dass bei der
Zusammensetzung der Kölner Bombe, insbesonde-
re in Bezug auf deren Zündung, von einem gewis-
sen technischen Verständnis des Täters auszuge-
hen ist. Im Vergleich dazu weist die Copeland-
Bombe einen weitaus schlichteren Aufbau auf, der
auch von Personen mit weniger ausgeprägten
technischen Fertigkeiten nachvollzogen werden
kann.“1204
Das BfV ging im Juli 2004 ohnehin davon aus, dass die
„Combat 18“-Publikationen in der deutschen Szene zu-
mindest nicht allgemein verbreitet waren:
„Die an C18 orientierten Publikationen ,Stormer‘
(deutsche Fassung) und ,Totenkopf-Magazin‘ pro-
1198) Stormer Nr. 1 (Die Deutsche Fassung), „Whatever it Takes“,
Teil 1; Schreibfehler im Original.
1199) Vgl. dazu auch H.II.6.c).
1200) MAT A BfV-4, Bl. 36 f., Antifaschistisches Infoblatt Nr. 51/
S. 60 f.
1201) MAT A BfV-4, Bl. 36 f.
1202) MAT A BfV-4, Bl. 37.
1203) MAT A BfV-4, Bl. 45.
1204) MAT A BfV-4, Bl. 38.
pagierten das Prinzip des ,leaderless resistance‘.
Im ,Totenkopf-Magazin‘ wurde zudem eine deut-
sche Übersetzung der englischen Ausarbeitung
,practical Revolution – Guidelines For White
Survival‘ veröffentlicht. Darin werden – in relativ
allgemeiner Form – die Bildung von kleinen Zel-
len zu maximal vier Personen, eine Bewaffnung,
Geldbeschaffung sowie sichere Verstecke und eine
Ausbildung gefordert. Die genannten Publikatio-
nen sind bislang in der deutschen rechtsextremisti-
schen Szene nicht allgemein verbreitet.“1205
Zu der Frage, inwieweit die in den genannten Publikatio-
nen beschrieben Handlungsweisen dem Trio als Vorbild
gedient haben könnten, hat Klaus-Dieter Fritsche, BfV-
Vize-Präsident von 1996 bis 2005, am 18. Oktober 2012
vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Ich weiß natürlich nicht, weil ich nicht, weil wir
alle nicht in die Köpfe vor allem von Frau Zschäpe
hineinschauen können und Frau Zschäpe sich auch
entsprechend noch nicht geäußert hat, ob solche
Materialien bei dem Entschluss, diese Morde zu
begehen, eine Rolle gespielt haben. Dazu haben
wir keine Erkenntnisse gehabt.“1206
f) Verbot der „Blood & Honour Division
Deutschland“ und der Jugendorganisation
„White Youth“
Fast zeitgleich mit dem ersten Mord der Česká-Serie im
September 2000 wurden die „Blood & Honour Division
Deutschland“ und die Jugendorganisation „White Youth“
verboten. Am 12. September 2000 erging die Verbotsver-
fügung des Bundesinnenministeriums
1207
– drei Tage
zuvor, am 9. September 2000, war der aus dem hessischen
Schlüchtern stammende türkische Blumenhändler Enver
Şimşek getötet worden.
1208
Zum „Blood & Honour“-Verbot hat der damalige Bun-
desinnenminister Otto Schily am 15. März 2013 vor dem
Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Blood & Honour, […], war eine Organisation, die
in massiver Weise nazistische und antisemitische
und rechtsextremistische Propaganda betrieben
hat. Wir haben dieses Verbotsverfahren vor diesem
Hintergrund für geboten gehalten, auch um ein
Zeichen zu setzen.“1209
Rechtsgrundlage für das Verbot war § 3 VereinsG. Die
wesentlichen Punkte der Verbotsverfügung waren:
1210
1205) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 50.
1206) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 35.
1207) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1208) MAT A GBA-4/1, PDF-Bl. 144.
1209) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 64.
1210) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
Drucksache 17/14600 – 166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Die „Blood & Honour Division Deutschland“ und die
„White Youth“ richten sich gegen die verfassungs-
mäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerver-
ständigung.
– Die „Blood & Honour Division Deutschland“ und die
„White Youth“ sind verboten. Sie werden aufgelöst.
– Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die „Blood
& Honour Division Deutschland“ und die „White
Youth“ zu bilden oder bestehende Organisationen als
Ersatzorganisationen fortzuführen.
Begründet wurde das Verbot unter anderem damit, dass
„Blood & Honour“ in Programm, Vorstellungswelt und
Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem National-
sozialismus aufweise. Die Organisation bekenne sich zu
Hitler und zu anderen führenden Nationalsozialisten und
strebe eine Überwindung der verfassungsmäßigen Ord-
nung an. Gleiches gelte für die Jugendorganisation „Whi-
te Youth“, denn diese habe das Ziel, junge Menschen an
die „Blood & Honour“-Bewegung und damit auch an
deren Ziele heranzuführen.
1211
Die Verfügung vom 12. September 2000 war an neun
Personen adressiert – darunter auch Marcel D., damals
noch V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfas-
sungsschutz. Sie wurde am 14. September 2000 vollzo-
gen.
1212
Im Zusammenhang mit dem Vollzug wurden am selben
Tag bundesweit Exekutivmaßnahmen durchgeführt. Es
gab Durchsuchungen bei insgesamt 37 führenden „Blood
& Honour“-Mitgliedern,1213 auch bei Marcel D.1214 Im
Rahmen dieser Durchsuchungen wurden Ton- und Bild-
träger, Propagandamaterialien, schriftliche Unterlagen der
Organisation, Bekleidungsgegenstände, Aufnäher, Com-
puter, Fanzines und weitere Gegenstände sichergestellt –
unter anderem Kassetten und CDs mit Titeln wie „Solda-
tenlieder Waffen SS“ und „Blue Eyed Devils Holocaust
2000“, mehrere Reichskriegsflaggen, ein T-Shirt mit der
Aufschrift „Hitler European Tour 1939-1945“ und diverse
„Blood & Honour“-Veröffentlichungen.1215
Gegen das Verbot wurde Widerspruch eingelegt, der
jedoch zurückgewiesen wurde. Daraufhin klagten zwei
„Blood & Honour“-Funktionäre gegen das Verbot – einer
von ihnen war Marcel D., was für das LfV Thüringen
Anlass war, ihn als Quelle abzuschalten. Das Bundesver-
waltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. Juni
2001 ab,
1216
seitdem ist das Verbot bestandskräftig. In der
entsprechenden Pressemitteilung des Bundesverwaltungs-
gerichtes hieß es:
1211) Zusammenfassende Darstellung der Ausführungen in der
Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000: MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1212) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.
1213) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), Bl. 32 ff.
1214) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), Bl. 42-52.
1215) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), Bl. 32 ff.
1216) BVerwG, 6. Senat, 6 A 1/01, Urteil vom 13. Juni 2001.
„Gegen das Verbot hatten zwei führende Mitglie-
der dieser Organisationen im eigenen Namen Kla-
ge erhoben. Da grundsätzlich nur eine Vereinigung
selbst gegen ihr Verbot klagen kann, wurde die
Klage im März 2001 mit dem Ziel umgestellt, dass
,Blood & Honour Division Deutschland‘ und
,White Youth‘ Kläger sein sollen. Das Bundes-
verwaltungsgericht, hat entschieden, dass diese
Umstellung als Klageänderung zu beurteilen ist
und nicht zu einer zulässigen Klage geführt hat.
Die Klage der verbotenen Organisationen ist näm-
lich verspätet. Die einmonatige Klagefrist gegen
die Verbotsverfügung war bei der Klageänderung
im März 2001 verstrichen.“1217
Inzwischen ist „Blood & Honour“ nicht nur in Deutsch-
land verboten, sondern seit 2010 auch in Spanien
1218
und
seit 2012 in Russland.
1219
In Ungarn hat das Budapester
Stadtgericht am 28. Oktober 2005 das Verbot der ungari-
schen Gruppierung „Ver es Becsület“ („Blut und Ehre“)
bestätigt.
1220
g) Umgang mit Nachfolgeaktivitäten von
„Blood & Honour“
Nach dem Verbot von „Blood & Honour“ informierte das
„Aktionsbüro Norddeutschland“ in einer Mitteilung
„‘Blood & Honour‘ verboten!“ rechte Aktivisten wie
folgt:
„Vorsicht Staatsfalle!! Kameradengruppen, die
sich vor dem Verbot unter dem Begriff ‚Blood and
Honour‘ organisiert hatten (z. B. als ‚Sektion‘,
‚Kameradschaft’ o.ä.), sollten sich jetzt auf keinen
Fall in der gleichen Zusammensetzung einen neu-
en Gruppennamen geben – das würde vom Staat
als ‚Fortführung‘ des verbotenen Vereins ‚Blood
and Honour‘ gewertet und kann mit mehrjährigen
Haftstrafen geahndet werden!
Wir raten allen betroffenen Kameraden/-gruppen:
Arbeitet überhaupt nicht mehr unter gruppenspezi-
fischen Namen! Verzichtet auf irgendwelche grup-
penspezifischen Abzeichen! Sammelt Euch und
arbeitet anonym, als freie Aktivisten. Feste Struk-
turen sind für den Staat viel zu leicht greifbar und
können verboten werden. Aber wie will der Staat
verbieten, was keinen Namen und keine Strukturen
hat? Organisieren könnt ihr Euch auch ohne Orga-
nisation. Die Vernetzung des politischen Wider-
standes findet auf informeller Ebene statt, nicht auf
struktureller. Um die Kräfte des Widerstandes auf
eine immer breiter werdende Basis zu stellen, be-
1217) MAT B TH-3/Übergabe Bundestag 28.09.2012 Nr.
51932/Übergabe Landtag 24.08.2012/1202-7-2011 Band 1,
PDF-Bl. 81.
1218) MAT A BMI-5/0058, PDF-Bl. 14.
1219) Rianovosti vom 29. Mai 2012, „Russian Supreme Court Bans
Blood & Honour“.
1220) MAT A BMI-5/0058, PDF-Bl. 19.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 167 – Drucksache 17/14600
darf es schon lange nicht mehr der ‚hochoffiziel-
len‘ Zusammenarbeit dieser oder jener Partei, son-
dern einer flächendeckenden Kommunikation! Ein
konstruktiver Informationsfluß zwischen den ver-
schiedensten unabhängigen Kameraden/-gruppen
schafft eine echte Vernetzung auf informeller Ebe-
ne. Eine Ebene, auf der alle staatlichen Verbotsin-
strumente wirkungslos sind!“1221
Das BKA ging bereits am 12. Oktober 2000 – also gut
einen Monat nach dem Verbot – davon aus, dass „Blood
& Honour“ versuchen würde, in Deutschland aktiv zu
bleiben:
„Nach dem Verbot der Organisationen dürfte auch
weiterhin versucht werden, Skinhead-Musik zu
vertreiben und propagandistisch insbesondere auch
im Internet in Erscheinung zu treten. Es ist auch
davon auszugehen, dass es weiter Versuche geben
wird, Konzerte konspirativ vorzubereiten und
durchzuführen. Beim polizeilichen Einschreiten
ist, insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol-
konsum, mit situativer Gewalt zu rechnen. Darüber
hinaus könnte das Verbot in der rechten Szene eine
Trotzreaktion unter dem Motto ,Jetzt erst recht!‘
nach sich ziehen.“1222
In der Tat: Auch wenn sich auf Bundesebene laut den
Verfassungsschutzberichten keine organisatorischen
Strukturen mehr feststellen ließen, pflegten ehemalige
„Blood & Honour“-Aktivisten zumindest auf regionaler
Ebene weiter enge Kontakte.
1223
So wurde eine Vielzahl von Aktivitäten festgestellt, die
den Anfangsverdacht der Fortführung der verbotenen
Vereinigung begründeten.
1224
Auf die Frage, ob neben einem Verbot nicht noch weitere
Maßnahmen erforderlich seien, hat der damalige Bundes-
innenminister Otto Schily vor dem Ausschuss ausgesagt:
„Es ist ein Vollzug natürlich erforderlich, und auch
die weitere Beobachtung ist erforderlich von de-
nen, die sich vielleicht in die Illegalität zurückzie-
hen. Aber Sie wissen ja auch, weil Sie das NPD-
Verbotsverfahren hier angesprochen haben, es ist
immer ein Argument: Na ja, was passiert denn
beim Verbot, die Leute sind ja nach wie vor da,
und dann sind sie in der Illegalität, und da kann
man sie nicht mehr so gut beobachten. – Das halte
ich für kein tragendes Argument. Das ist meine
Überzeugung.“1225
1221) Aktuelle Infos vom Aktionsbündnis Norddeutschland, „Blood
& Honour” verboten!,
http://www.widerstand.com/termine/buero.htm, Ausdruck vom
18. September 2000, MAT A SN-1/12 b, Bl. 321, 322.
1222) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 62.
1223) Verfassungsschutzbericht 2005 (BfV), S. 60.
1224) MAT A SN-2/3/44, Bl. 4.
1225) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 65.
Am 25. November 2000 fand in Annaburg/Sachsen-
Anhalt ein Konzert unter dem Motto „Hallo Otto, trotz
Verbot sind wir nicht tot“ statt. Mit „Otto“ war der dama-
lige Bundesinnenminister Schily gemeint. Zu diesem
Konzert waren ca. 1 000 Angehörige der rechten Szene
aus ganz Deutschland und aus der Schweiz angereist. Die
Veranstaltung wurde durch die Polizei aufgelöst. Im Be-
richt des LKA Sachsen-Anhalt hieß es:
„Bei der Tatortaufnahme wurde am Eingang zum
Kino- und Kultursaal eine aufgesprühte
,Lebensrune‘; rechts und links davon die Buchsta-
ben ,B‘ und ,H‘ und darunter ,Hallo Otto, trotz
Verbot sind wir nicht tot‘ festgestellt. Aufgrund
dessen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen
Verdachts der Fortführung einer verbotenen Ver-
einigung eingeleitet. […] Im Rahmen der Tatortar-
beit wurden mehrere vorbereitete Brandflaschen,
eine Reizgasgranate, Abschussbecher für Leucht-
körper, diverse Steinhaufen sowie eine Zufahrts-
sperre aufgefunden. Zudem belegen Reste eines
vermutlichen Banners und die Aussage mehrerer
Teilnehmer, dass im Saal eine ,Hakenkreuzfahne‘
und die ,Blood & Honour‘-Fahne gehangen ha-
ben.“1226
Die Beamten stellten fest, dass sowohl Besucher als auch
Organisationshelfer des Konzerts zum Teil enge Verbin-
dungen zur „Blood & Honour Division Deutschland“
hatten. Auch zeigten sich organisatorische Strukturen, die
darauf gerichtet waren, den Veranstaltungsort geheim zu
halten. So wurde bekannt, dass
„über SMS zu einem ,B&H‘-Konzert eingeladen
wurde; Mitteilungen zum Konzertort über Tele-
fonketten getätigt wurden; Wegbeschreibungen an
Teilnehmer an einem Treffpunkt nahe der Auto-
bahnabfahrt A9/Coswig verteilt wurden.
1227
Neben dem Konzert in Annaburg gab es weitere Veran-
staltungen, bei denen ehemalige „Blood & Honour“-
Mitglieder organisatorisch eingebunden oder verantwort-
lich waren. Im Protokoll der 22. Bund-/Ländertagung der
IGR vom 11./12. September 2002 hieß es zur Organisati-
onsstruktur:
„Nach den bisherigen Ermittlungen lasse sich fest-
stellen, dass es neben einer Führungsebene Ver-
antwortliche für die finanziellen Belange und für
Auslandskonzerte unter Beteiligung des verbote-
nen Vereins gebe. Die Konzerttermingestaltung
obliege lediglich zwei bis drei Personen, die die
Führungsebene einbeziehen, die Konzertaufrufe
erfolgten über SMS und E-Mails im Schneeball-
system. Vier Stunden vor den Konzerten würden
Info-Telefone geschaltet und Großtreffpunkte be-
kanntgegeben. Dort gebe es dann eine Karte mit
Treffort oder die Interessierten würden im Konvoi
von den Veranstaltern zum Zielort gelotst. Am ei-
1226) MAT A SN-2/3-33, Bl. 11 f.
1227) MAT A SN-2/3-33, Bl. 12.
Drucksache 17/14600 – 168 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gentlichen Veranstaltungsort gebe es Einlasskon-
trollen und einen Security-Dienst. Pro Besucher
müssten 10 – 15 € entrichtet werden; das Geld
werde verteilt bzw. fließe in die Reste der früheren
Bundeskasse der verbotenen Organisation.“
So fanden beispielsweise auch Konzerte im niedersächsi-
schen Kaarßen-Laave am 23. September 2000 und im
niedersächsischen Tostedt am 29. September 2001
statt.
1228
Zum Konzert in Tostedt stellte das BfV fest:
„Folgende offene Erkenntnisse deuten darauf hin,
dass das Konzert eine ‚B & H’-Veranstaltung war:
Die Kasse am Eingang war mit in der Szene be-
kannten Personen besetzt, die als ehemalige
Brandenburger ‚B & H’-Mitglieder erkannt wur-
den. In der Anfahrtsskizze, die verteilt wurde, wird
die Veranstaltung als ,Ian Stuart Memorial‘ dekla-
riert.“1229
Zu den genannten Konzerten sowie grundsätzlich zu Er-
kenntnissen über mögliche Nachfolgeaktivitäten von
„Blood & Honour“ erfolgte im August 2002 eine Anfrage
des ZDF-Politmagazins Frontal 21 an das BMI. In einem
Antwortentwurf des BMI hieß es zunächst:
„Ehemalige ‚B & H’-Mitglieder organisierten meh-
rere Konzerte. Diese sind jedoch nicht schon des-
halb als ‚B & H’-Konzerte und damit als Nachfol-
geaktivitäten der verbotenen Organisation zu wer-
ten. Letzteres trifft auf die Konzerte am 23. Sep-
tember 2000 in Kaarßen-Laave (Niedersachsen),
am 25. November 2000 in Annaburg (Sachsen-
Anhalt) und am 29. September 2001 in Tostedt
(Niedersachsen) zu, bei denen frühere ‚B & H’-
Strukturen in der Organisation zum Tragen ka-
men.“1230
Der Verfasser dieses Entwurfs ging davon aus, dass es
sich bei den Konzerten in Kaarßen-Laave, in Annaburg
und in Tostedt um „B & H“-Konzerte und somit um
Nachfolgeaktivitäten der verbotenen Organisation handel-
te. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des BfV, die in
Ausgabe 18/2002 des BfV aktuell zusammengefasst wur-
den:
„Öffentliche, eindeutig als ,Blood & Honour‘-
Nachfolgeaktivitäten zu wertende Aktionen waren
seit dem Verbot nur noch in wenigen Fällen zu be-
obachten. Hierzu zählten vor allem die beiden (of-
fen als ,Blood & Honour‘-Veranstaltungen dekla-
rierten) Skinhead-Konzerte am 21. September
2000 in Kaarßen-Laave (Niedersachsen) und am
25. November 2000 in Annaburg (Sachsen-
Anhalt). […] Die letzte Veranstaltung, die einen
Zusammenhang mit der verbotenen Organisation
erkennen ließ, war ein Skinhead-Konzert am
29. September 2001 in Tostedt (Niedersachen).
1228) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 93.
1229) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 108.
1230) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 259.
Hier hatte das BfV Informationen gewonnen, die
auf ein enges und arbeitsteiliges Zusammenwirken
ehemaliger ,Blood & Honour‘-Mitglieder aus ver-
schiedenen früheren Sektionen hindeuteten.“1231
In der Antwort des BMI an Frontal 21 vom 2. September
2002 wurden die genannten Konzerte ausdrücklich nicht
als „Nachfolgeaktivitäten“ von „Blood & Honour“ be-
zeichnet. In dem Schreiben hieß es stattdessen:
„Ehemalige ‚B & H’-Mitglieder organisierten meh-
rere Konzerte. Diese sind jedoch nicht schon des-
halb als ‚B & H’-Konzerte und damit als Nachfol-
geaktivitäten der verbotenen Organisation zu wer-
ten. Jedoch kamen bei Konzerten am 23. Septem-
ber 2000 in Kaarßen-Laave (Niedersachsen), am
25. November 2000 in Annaburg (Sachsen-Anhalt)
und am 29. September 2001 in Tostedt (Nieder-
sachsen) frühere ‚B & H’-Strukturen in der Organi-
sation zum Tragen. An der Aufklärung der konspi-
rativen Vorbereitungsaktivitäten für diese Konzer-
te war auch das BfV beteiligt. Hierdurch konnten
polizeiliche Maßnahmen ergriffen werden. Auf-
grund der Konzerte in Annaburg und Tostedt hat
die Staatsanwaltschaft Halle gegen früher führende
‚B & H’-Aktivisten ein Ermittlungsverfahren we-
gen des Verdachts des Verstoßes gegen ein Verei-
nigungsverbot (§ 85 StGB) eingeleitet.“1232
In der entsprechenden Pressemeldung zum Frontal 21-
Bericht hieß es dann:
„Das Bundesinnenministerium hingegen wertet die
Auswirkungen des ,Blood and Honour‘-Verbotes
als durchweg positiv. Die bundesweiten Strukturen
von ,Blood and Honour‘ seien entweder zerschla-
gen oder handlungsunfähig.“1233
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwalt-
schaft Halle führte das LKA Sachsen-Anhalt am 25. April
2002 Exekutivmaßnahmen gegen 32 Personen durch.
Bundesweit wurden 43 Objekte durchsucht:
1234
„Bei den Durchsuchungen konnten zahlreiche be-
weiserhebliche Gegenstände, insbesondere mehre-
re dutzend PC-Anlagen und Handys, ‚Blood and
Honour’ Bezugsgegenstände wie Zeitschriften, ca.
1200 CDs, T-Shirts, Cover und zahlreiche Kriegs-
waffen, Waffen (Karabiner, MP-Teile, Revolver,
pp.) sowie diverses Schriftmaterial (Notizbücher,
Kalender, Kontounterlagen) aufgefunden und be-
schlagnahmt werden.“1235
Das LKA Sachsen-Anhalt hatte dem BKA gestattet, BMI
und GBA vorab über diese Durchsuchungen zu informie-
ren. Das LfV Sachsen-Anhalt und das BfV sollten aus
„ermittlungstaktischen Gründen“ nicht über die Maßnah-
1231) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 111 (VS-NfD).
1232) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 231.
1233) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 113.
1234) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 279.
1235) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 100.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 169 – Drucksache 17/14600
men unterrichtet werden. Nach Ansicht des im BfV zu-
ständigen Gruppenleiters Baldus fürchtete das LKA Sach-
sen-Anhalt, dass die Verfassungsschützer ihre Quellen
über die bevorstehenden Exekutivmaßnahmen informie-
ren könnten
1236
Das LKA Sachsen-Anhalt kam im Zuge der Ermittlungen
zu dem Ergebnis, dass es noch immer ein Zusammenge-
hörigkeitsgefühl ehemaliger „Blood & Honour“-
Aktivisten gebe – diese würden gemeinsam wirken und
arbeitsteilig handeln:
„Das Eintreten für die Ziele von ‚B & H’ wird auch
dadurch sichtbar, dass insbesondere der Kontakt zu
europäischen ‚B & H’-Divisionen bzw. deren
mutmaßlichen Führungspersonen aufrechterhalten
wird sowie für deren Konzerte geworben und teil-
genommen wird.“1237
Die Ermittlungen führten am 12. März 2008 unter ande-
rem zur Verurteilung von fünf Personen durch das Land-
gericht Halle wegen der Unterstützung des organisatori-
schen Zusammenhalts einer unanfechtbar verbotenen
Vereinigung. Im Urteil hieß es unter anderem:
„Nachdem das Verbot der Organisation aufgrund
der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13. Juni 2001 unanfechtbar war, unterstützten
die Angeklagten durch die nachstehend festgestell-
ten, tateinheitlich begangenen Einzelhandlungen
den trotz des Verbots noch vorhandenen bzw. fort-
bestehenden organisatorischen Zusammenhalt der
,Blood & Honour Division Deutschland‘, indem
sie die bis zum Verbot u. a. verfolgten Ziele der
,B & H‘, die die Angeklagten kannten und für sich
billigten, nämlich die Weiterverbreitung des NS-
Gedankenguts unter jungen Leuten vor allem
durch Skinheadkonzerte mitorganisierten.“1238
Das Gericht sah es unter anderem als erwiesen an, dass
sich die Angeklagten arbeitsteilig an der Organisation des
Konzertes im niedersächsischen Tostedt beteiligt hat-
ten.
1239
Bis zum 1. November 2011 wurden dem BKA insgesamt
113 Sachverhalte bekannt, die einen Bezug zu „Blood &
Honour“ aufwiesen. Dabei handelte es sich überwiegend
um Verstöße gegen das StGB und das VereinsG, die im
Zusammenhang mit dem Verbot der Organisation stan-
den, sowie um Mitteilungen zum Konzertgeschehen.
1240
Das BKA kam zu folgendem Ergebnis:
„Nach bisherigen Feststellungen liegt eher der
Verdacht nahe, dass es noch einen Fortbestand von
1236) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 80.
1237) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 51.
1238) LG Halle, 8. Große Strafkammer, 28a KLs 1/2006.
1239) MAT B TH-3\TLKA_B&H_006-6012-10-2012-
17867_2012\B&H_
sonst._Unterlagen_93_EG_5_0313_09834_B&H_Urteil, PDF-
Bl. 23 ff.
1240) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 97.
Teilorganisationen oder den Zusammenschluss
von mehreren Sektionen zu einem funktionieren-
den Ganzen gibt, die die Ziele der ‚Blood & Ho-
nour’-Bewegung weiterverfolgen. Die Auswertung
ergab, dass eine Vielzahl der Sektionsleiter und
deren Stellvertreter weiterhin in dem für die ‚Blood
& Honour’ typischen Betätigungsfeld, dem Kon-
zertgeschehen, involviert sind.“1241
Auch die Bundesregierung erkannte die Kontakte zwi-
schen ehemaligen „Blood & Honour“-Funktionären – sah
darin jedoch keine Fortführung der verbotenen Organisa-
tion auf Bundesebene. In der Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der PDS-
Fraktion hieß es am 30. Mai 2002, Organisationsstruktu-
ren gebe es lediglich regional:
„Seit dem Verbot der Gruppierung im September
2000 sind keine konkreten Erkenntnisse bekannt
geworden, die auf bundesweit angelegte Fortfüh-
rungsbestrebungen der Skinhead-Organisation
,Blood & Honour‘ (B & H) bzw. ihrer Jugendor-
ganisation ‚White Youth’ hinweisen. Eine Füh-
rungsstruktur, die mit der früheren Divisionsfüh-
rung vergleichbar wäre, existiert nach hiesigen Er-
kenntnissen auf Bundesebene weiterhin ebenso
wenig wie eine auf der Ebene der früheren so ge-
nannten Bezirksdirektionen. Allerdings wurden
Erkenntnisse über ein Zusammenwirken von Akti-
visten verschiedener früherer ‚B & H’-Sektionen
bekannt. Auf dieser Ebene liegen einzelne Hinwei-
se auf Aktivitäten ehemaliger ‚B & H’-Mitglieder
bzw. auf Organisationstrukturen vor, die auf Be-
mühungen um die Aufrechterhaltung oder Wieder-
herstellung der früheren Handlungsfähigkeit und
die öffentliche Präsenz von ‚B & H’ hindeuten.
Zudem bestehen frühere persönliche Verbindun-
gen ehemaliger ‚B & H’-Mitglieder zum Teil
fort.“1242
Und weiter:
„Der Großteil der früheren Mitglieder und Funkti-
onäre hat sich mit dem ‚B & H’-Verbot abgefun-
den. Die zunächst bekundete Absicht, ‚B & H’ als
Organisation bundesweit weiter zu führen, ist nicht
umgesetzt worden. Insofern sind durch ehemalige
‚B & H’-Mitglieder keine bundesweiten Alternativ-
strukturen aufgebaut worden. Sofern regionale
Strukturen bestehen, gründen sich diese auf per-
sönliche Beziehungen, die bereits vor dem Verbot
bestanden.“1243
Auch dem BfV lagen 2003 Hinweise vor, nach denen
einige Personen auf regionaler Ebene versuchten, „Blood
& Honour“-Strukturen neu zu errichten. Im Ergebnispro-
tokoll der 23. IGR-Bund-/Ländertagung am 15./16. Okto-
ber 2003 hieß es dazu:
1241) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 113.
1242) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 103.
1243) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 104.
Drucksache 17/14600 – 170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Um sich zur ,Blood & Honour‘-Bewegung zu be-
kennen und dies durch das Tragen von Kleidungs-
stücken mit ,Blood & Honour‘-Aufdruck zu mani-
festieren, wirken Personen aus Hessen und Thü-
ringen bei der Produktion von T-Shirts und Sweat-
Shirts mit dem Aufdruck des Logos von ,Blood &
Honour‘ und dem Zusatz ,Deutschland‘ bzw. den
alten Sektionsbezeichnungen ,Süd-Hessen‘,
,Thüringen‘ und ,Franken‘ zusammen.“1244
2003 konnten bei 41 ehemaligen „Blood & Honour“-
Funktionären Aktivitäten festgestellt werden.
1245
In Süd-
westdeutschland organisierten ehemalige „Blood & Ho-
nour“-Mitglieder neonazistische Skinhead-Konzerte und
Veranstaltungen. 2003 stellten die Behörden Tonträger
mit dem Titel „Blood & Honour Deutschland – Trotz
Verbot nicht tot“ sicher.1246
Der Zeuge Egerton hat ausgeführt, dass das BfV ab
2003/2004 wieder die Neugründung von Strukturen in
Süd- und Westdeutschland gesehen habe. Allerdings seien
Personen in Erscheinung getreten, die der verbotenen
Division vorher nicht angehört hätten.
1247
Im Juni 2003 gab es im Zusammenhang mit den Ermitt-
lungen wegen des Verdachts der Fortführung von „Blood
& Honour“ eine Dienstbesprechung zwischen dem Staats-
anwalt beim BGH Ritscher und KHK N. vom BKA.
Thema war insbesondere die Frage einer Übernahme der
Ermittlungen durch den GBA. Staatsanwalt Ritscher lehn-
te dies ab:
„Eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zur
Verfolgung dieser Tat ist, wie ich KHK N. erläu-
tert habe, derzeit jedoch nicht gegeben, da die ge-
mäß § 74a Abs. 2 GVG erforderliche besondere
Bedeutung, die eine Übernahme des Verfahrens in
die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundes-
anwalts ermöglichte, vor allem aufgrund der nur
regionalen Ausdehnung der möglicherweise fort-
geführten Vereinigung nicht besteht.“1248
Vom 29. bis zum 31. Oktober 2004 fand unter dem Motto
„10 Jahre Division Deutschland“ eine Jubiläumsfeier für
die deutsche „Blood & Honour“-Vereinigung statt.1249
Am 23. Dezember 2004 wandte sich das BfV an den
GBA – und regte eine erneute Prüfung an:
„Aus Sicht des BfV haben sich die Anhaltspunkte
für einen Verstoß gegen das Vereinigungsverbot
jedoch verdichtet. Darüber hinaus besteht die Ge-
fahr, dass aufgrund der Vielzahl der Verfahren
wertvolle Erkenntnisse über personelle und organi-
satorische Verbindungen und damit über eine
überregionale Struktur von ehemaligen Aktivisten
1244) MAT A BMI-3/14, PDF-Bl. 19.
1245) B&H_01-04-00196; F._Jens_08041978_Band2, Bl. 23.
1246) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 43.
1247) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 40.
1248) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 154.
1249) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 222.
der verbotenen Vereinigung nicht entsprechend
gewichtet werden können. Nach Auffassung des
BfV ist die Federführung einer Strafverfolgungs-
behörde wünschenswert.“1250
Allerdings war auch das BfV der Ansicht, dass es Struktu-
ren lediglich im Bereich der früheren „Blood & Honour“-
Sektionen gebe, also auf regionaler Ebene. Auf Bundes-
ebene sei dies auszuschließen:
„Auch mehr als vier Jahre nach dem Verbot der
neonazistischen Skinhead-Organisation ‚Blood &
Honour’ in Deutschland gehen von einer Reihe
früherer ‚B & H’-Aktivisten sowie von neu zur
Szene hinzugekommenen Rechtsextremisten Akti-
vitäten aus, die in ihrer Gesamtheit als Bestrebun-
gen gewertet werden müssen, die alten Organisati-
onsstrukturen und Handlungsformen der verbote-
nen Vereinigung aufrechtzuerhalten oder wieder-
zubeleben. […] Aktuell liegen den Verfas-
sungsschutzbehörden Hinweise darauf vor, dass
sich im regionalen Bereich auf der Ebene der frü-
heren Sektionen Strukturen verfestigt oder neu ge-
bildet haben. […] Demgegenüber kann eine bun-
desweite Steuerung analog zur früheren Divisions-
leitung allem Anschein nach ausgeschlossen wer-
den.“1251
„Auch wenn allem Anschein nach keine Hierar-
chie- und Weisungsstrukturen auf einer höheren
Ebene als derjenigen der Sektionen existieren, geht
das BfV mittlerweile von überregionalen Nachfol-
gebestrebungen aus.“1252
Neben dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
Halle liefen inzwischen weitere Verfahren gegen ehema-
lige „Blood & Honour“-Funktionäre und neue Aktivisten
wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen
Vereinigung gemäß § 85 StGB.
1253
Am 24. Februar 2005 fand beim BKA ein Informations-
austausch zu „Blood & Honour“ statt – dabei wurde er-
neut eine Übernahme der Ermittlungen durch den GBA
angeregt. Der Staatsanwalt beim BGH Ritscher schrieb in
einem Vermerk:
„Die Vertreter der drei beteiligten Staatsanwalt-
schaften, Oberstaatsanwalt Schmengler, Staatsan-
walt Bogs und Staatsanwältin Niesen, äußerten
übereinstimmend ihre Auffassung, dass allein eine
Übernahme sämtlicher Verfahren durch den Gene-
ralbundesanwalt eine sachgerechte Strafverfolgung
gewährleisten könne. Zur Begründung wurde im
wesentlichen auf das überregionale Tätigwerden
der Vereinigung, insbesondere von Hartwin K.
hingewiesen. Entgegenstehenden rechtlichen Ge-
sichtspunkten insbesondere aus § 74a Abs. 2 GVG,
1250) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 209.
1251) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 243 f.
1252) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 255 f.
1253) Vgl. Übersicht: MAT A GBA-53a, PDF-Bl. 216 ff. und PDF-
Bl. 253 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171 – Drucksache 17/14600
zeigten sich die beteiligten Ermittlungsbeamten
wenig aufgeschlossen. […] Ich habe den beteilig-
ten Vertretern der Staatsanwaltschaften mitgeteilt,
dass nach der gegenwärtigen Sachlage eine Über-
nahme der Verfahren durch den Generalbundes-
anwalt nicht möglich sei, da es bei vorläufiger
Bewertung der Umstände an einer besonderen Be-
deutung des Falles gemäß § 74a Abs. 2 GVG feh-
le.“ 1254
Am 16. Juni 2005 stellte das LKA Thüringen bei einer
Fahrzeugkontrolle einen Karton mit zahlreichen T-Shirts
sicher. Die meisten dieser T-Shirts waren auf der Vorder-
seite mit dem Schriftzug „Blood & Honour/C18 – Sup-
port your local section“ bedruckt, auf der Rückseite mit
dem Schriftzug „Blood & Honour“ is our voice, Combat
18 is our choice“. Zwei weitere T-Shirts hatten den Auf-
druck „Wer A sagt“ (Vorderseite), „muss auch dolf sa-
gen“ (Rückseite). Ein weiteres T-Shirt war auf der Rück-
seite mit dem Schriftzug „Buchenwald statt Disneyland“
bedruckt.
1255
Am 30. August 2005 regte erstmals auch das BMI gegen-
über dem BMJ eine Übernahme der Ermittlungen durch
den GBA an. Die Zeugin Christine Hammann, damals
Referatsleiterin P II 5 im BMI (Nationale Angelegenhei-
ten der Bekämpfung von Terrorismus und politisch moti-
vierter Kriminalität), hat dazu am 15. März 2013 vor dem
Untersuchungsausschuss ausgesagt:
„Es trifft zu, dass wir in den Jahren nach dem Ver-
bot aus verschiedenen Ländern Meldungen, Ver-
dachtsmeldungen, bekommen haben, die auf eine
Fortführung der Tätigkeit von ‚Blood & Honour’
hindeuteten. […] Die Ermittlungsverfahren taten
sich im Grunde schwer, jedes für sich darzulegen,
dass es Teil eines strukturierten Wiederaufbaus der
Organisation war. Vor dem Hintergrund hatten wir
im BMI 2005 uns an den BMJ gewandt mit der
Bitte, zu prüfen, ob der GBA im Auftrag BMJ die
Übernahme solcher Verfahren erwägen könn-
te.“1256
In dem entsprechenden von der Zeugin Hammann ver-
fassten Schreiben hieß es damals:
„Aufgrund der bundesweiten zu verzeichnenden
Aktivitäten möglicher ‚Blood & Honour’ Struktu-
ren wird vor dem Hintergrund der Verbotsverfü-
gung des BMI die Prüfung der Übernahme geeig-
neter ‚Blood & Honour’ Verfahren durch den GBA
angeregt.“1257
Der GBA lehnte eine Übernahme der Ermittlungen am
20. September 2005 ab. Zur Begründung hieß es, es spre-
che nichts dafür,
1254) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 232 f.
1255) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 307.
1256) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 7.
1257) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 390.
„dass der verbotenen Vereinigung ,Blood & Ho-
nour Division Deutschland‘ vergleichbare Organi-
sationsstrukturen wieder aufgebaut wurden oder
auch nur angestrebt werden. Sofern überhaupt von
Personenzusammenschlüssen gesprochen werden
kann, bleiben diese gegenwärtig auf persönliche
Kontakte innerhalb einzelner Regionen im süd-
deutschen Raum beschränkt.“
Insbesondere aufgrund dieser Tatsache sei keine „beson-
dere Bedeutung“ des Falles gegeben. Die Verfolgung von
Straftaten nach § 85 StGB unterfalle gemäß § 74a Abs. 1
Nr. 2, Abs. 2 GVG jedoch nur dann der Zuständigkeit des
GBA, wenn eine solche „besondere Bedeutung“ vorlie-
ge.
1258
Das BMJ teilte diese Auffassung.
1259
Ende 2005 liefen bei den Staatsanwaltschaften Karlsruhe,
Frankfurt am Main, Koblenz, München I, Gera und Dres-
den Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das
Vereinigungsverbot. Am 14. Dezember 2005 wandte sich
die Staatsanwaltschaft Karlsruhe an den GBA – und regte
eine Übernahme der Ermittlungen durch den GBA an:
„Gerade die Erkenntnisse der beteiligten Staatsan-
waltschaften in der Gesamtschau belegen, dass die
verbotene Organisation weitergeführt wird. Die
Führung von zahlreichen Einzelverfahren, mit dem
jeweiligen Ziel des Tatnachweises der Fortführung
einer ,Blood & Honour‘-Nachfolgeorganisation,
birgt gerade unter diesen Umständen die Gefahr,
dass nicht jeder Staatsanwaltschaft sämtliche Er-
kenntnisquellen und Erkenntnisse zur Verfügung
stehen, um diese in die jeweiligen Ermittlungen
einzubeziehen. Die Darstellung und der Nachweis
der Fortführung einer Folgeorganisation mit bun-
desweiten Strukturen erscheint unter diesen Um-
ständen als nahezu ausgeschlossen.“1260
Der GBA lehnte eine Übernahme der Ermittlungen am
10. Januar 2006 ab. Auch von anderen beteiligten Staats-
anwaltschaften liegen dem Untersuchungsausschuss An-
fragen an den GBA vor, in denen eine Übernahme der
Ermittlungen durch den GBA angeregt wurde:
– Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft München vom
21. Dezember 2005
1261
– Ablehnung des GBA vom
20. Januar 2006;
1262
– Anfrage der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main
vom 12. Januar 2006;
1263
– Anfrage der Staatsanwaltschaft Koblenz vom
23. Januar 2006
1264
– Ablehnung des GBA vom
13. Februar 2006;
1265
1258) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl 406 ff.
1259) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl 405.
1260) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 21.
1261) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 81 ff.
1262) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 191 ff.
1263) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 198 ff.
1264) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 288 ff.
Drucksache 17/14600 – 172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera vom
25. Januar 2006
1266
– Ablehnung des GBA vom
28. Februar 2006.
1267
Der GBA begründete seine ablehnende Haltung in allen
Fällen damit, dass dem Fall die für eine Übernahme er-
forderliche „besondere Bedeutung“ fehle.1268 In dem
Schreiben an die Staatsanwaltschaft Gera definierte der
GBA die „besondere Bedeutung“ folgendermaßen:
„Besondere Bedeutung meint deshalb nicht nur,
dass dem Fall eine höhere Bedeutung als einer an-
deren Strafsache zukommt. Vielmehr ist dieser
Begriff im Kontext der §§ 74a, 120 GVG (Zustän-
digkeitsverteilung für ,kleine‘ und ,große‘ Staats-
schutzsachen) zu sehen. Hieraus folgt, dass der
Fall gerade als Staatsschutzangelegenheit von be-
sonderer Bedeutung sein muss. Es muss sich um
staatsschutzgefährdende Delikte von erheblichem
Gewicht handeln, wobei zur Beurteilung eine Ge-
samtwürdigung der Umstände und Auswirkungen
der Tat unter besonderer Berücksichtigung ihres
Angriffs auf das jeweils betroffene Rechtsgut des
Gesamtstaats angezeigt ist.“1269
Am 7. März 2006 wurden in mehreren Bundesländern
zeitgleich Exekutivmaßnahmen gegen ehemalige Funkti-
onäre und gegen neue Aktivisten der „Blood & Honour
Division Deutschland“ durchgeführt. Die Koordination
lag beim BKA. Insgesamt wurden mehr als 120 Objekte
durchsucht – dabei wurden zahlreiche Beweismittel si-
chergestellt, insbesondere Computer, Handys, Fanzines,
T-Shirts mit „Blood & Honour“-Aufdruck, Plakate, diver-
se Abzeichen sowie eine Vielzahl von Tonträgern – aber
auch Waffen: so wurden in Bayern eine funktionsfähige
Handgranate und zwei ebenfalls funktionsfähige Faust-
feuerwaffen gefunden.
1270
In einer Mitteilung des BMI an
das BKA hieß es am 9. März 2006:
„Aus dem Abschlussbericht vom 8. März 2006
geht hervor, dass aufgrund der Vielzahl der erho-
benen Beweismittel im Rahmen der bundesweit
durchgeführten Exekutivmaßnahmen am 7. März
2006 die Verdachtslage der Fortführung der im
Jahr 2000 durch den BMI verbotenen Vereinigung
,Blood & Honour‘ weiter verdichtet werden konn-
te. Nach Grobsichtung der Asservate haben sich
ferner weitere Hinweise auf überregionale Verbin-
dung sowie internationale Kontakte ergeben.“1271
Die Durchsuchungsaktion war die umfangreichste Exeku-
tivmaßnahme seit dem Verbot von „Blood & Honour“.1272
1265) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 294 ff.
1266) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 302 ff.
1267) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 347 ff.
1268) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 74 ff.
1269) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 349.
1270) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 187.
1271) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 16.
1272) MAT A GBA-3/57, (Tgb.-Nr. 85/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 4 (offen verwertbar).
Das BfV ging inzwischen davon aus, dass auf regionaler
Ebene nicht nur „Blood & Honour“-Strukturen existier-
ten, sondern dass sich sogar wieder Sektionen gebildet
hatten:
„Derzeit geht das BfV davon aus, dass ‚B & H’-
Sektionen in Baden-Württemberg, Franken, Bay-
ern, Hessen, der Pfalz und in Thüringen existieren.
Der aktuelle Mitgliederbestand dürfte sich auf ins-
gesamt rund 50 Personen belaufen. Der von den
jetzigen Durchsuchungsmaßnahmen betroffene
Personenkreis setzt sich zum Teil aus diesem Mit-
gliederbestand, aber auch aus anderen Szeneakti-
visten zusammen, bei denen das BfV einen Bezug
zu ‚B & H’ verneint.“1273
Das BKA ging im wöchentlichen Lagebericht vom
10. März 2006 sogar noch weiter – und sprach von
„bundesweiten Strukturen“:
„Die in den derzeitigen Ermittlungsverfahren
erkennbaren überregionalen Bezüge und verfah-
rensübergreifenden Kontakte der Tatverdächti-
gen konkretisieren den Verdacht, dass weiterhin
bundesweite Strukturen der verbotenen Vereini-
gung existieren.“1274
Vor diesem Hintergrund wandte sich das BMI am 15. Juni
2006 erneut an das BMJ:
„Nach alledem scheint es angezeigt, die Möglich-
keit einer Übernahme durch den GBA auf der
Grundlage dieser neuen Erkenntnisse erneut zu
prüfen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie gegen-
über dem GBA auf eine dahingehende Prüfung
hinwirken und mir deren Ergebnis mitteilen könn-
ten.“1275
Der GBA prüfte erneut – und lehnte am 31. Juli 2006 ein
zweites Mal ab. Mit der Begründung, dass dem Fall nach
wie vor die für eine Übernahme durch den GBA erforder-
liche „besondere Bedeutung“ fehle:
„Ob die Kontakte, die die Beschuldigten nach den
bisherigen Ermittlungen möglicherweise auch über
Ländergrenzen hinweg pflegten, eine überregiona-
le Organisationsstruktur belegen, oder ob diese
Kontakte nicht vielmehr dem bloßen Austausch
von Informationen […] dienen, ist nicht abschlie-
ßend geklärt, kann hier aber dahinstehen. Selbst
wenn einzelne Beschuldigte gegen ein bundesweit
ausgesprochenes Vereinigungsverbot nunmehr
überregional verstießen, führt dies nicht zwangs-
läufig dazu, dass dem Fall eine solche Bedeutung
zukäme, dass das Verfahren nunmehr abweichend
von der gesetzlichen Regel des § 74a Abs. 1 GVG
nun in Bundeszuständigkeit geführt und letztlich
1273) MAT A GBA-3/57, (Tgb.-Nr. 85/13, Bl. 3 VS-
VERTRAULICH).
1274) MAT A BMI-4/3007, PDF-Bl. 10.
1275) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 38.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 173 – Drucksache 17/14600
durch ein Oberlandesgericht abgeurteilt werden
müsste.
Neben dem Organisationsgrad einer verbotenen,
aber weitergeführten Vereinigung ist für die Be-
deutung des Falles maßgebend, ob und gegebenen-
falls in welchem Umfang diese Vereinigungen Tä-
tigkeiten ausübt, die sie aus der Masse vergleich-
barer Vereinigungen heraushebt. Zu dieser Frage
konnten weiterführende Erkenntnisse aber auch
durch die Exekutivmaßnahmen vom 7. März 2006
(noch) nicht gewonnen werden.
[…]
Es wurden […] im Wesentlichen nur Computer,
Tonträger, T-Shirts, Transparente sowie Fotoalben
beschlagnahmt. Hinweise darauf, dass die Be-
schuldigten über die bereits seit längerem bekann-
ten – für sich genommen überwiegend legalen –
Aktivitäten (Organisation von Konzerten, Vertrieb
von Bild- und Tonaufnahmen dieser Konzerte so-
wie von T-Shirts und sonstigen Gegenständen mit
,Blood & Honour‘-Bezug) andere, bedeutsame,
gegebenenfalls auch strafbare, Tätigkeiten entfaltet
hätten, haben sich nicht ergeben. Bei den federfüh-
rend von der Staatsanwaltschaft München I betrie-
benen Exekutivmaßnahmen in Bayern wurden
zwar unter anderem eine funktionsfähige Hand-
granate, eine Pistole und eine durchbohrte
Schreckschusswaffe aufgefunden und beschlag-
nahmt; dass diese Gegenstände zu einer möglichen
Fortführung von ,Blood & Honour‘ in Bezug ste-
hen, ist indes nicht erkennbar.“1276
Das BMJ teilte diese Auffassung.
1277
Nach den Durchsuchungen im Jahr 2006 gingen die Ver-
suche ehemaliger „Blood & Honour“-Aktivisten, die
früheren Strukturen aufrecht zu erhalten und auf dem Feld
der neonazistischen Skinhead-Musikszene aktiv zu blei-
ben, nach Einschätzung der Behörden deutlich zurück.
1278
Im Oktober 2007 fand im BKA in Meckenheim eine Ar-
beitstagung zum Thema „Fortführung der verbotenen
B&H-Division Deutschland“ statt:
„Im Rahmen der Tagung wurden die Auswerteer-
gebnisse zu den anlässlich der bundesweiten
Durchsuchungsmaßnahmen im März 2006 sicher-
gestellten Asservate sowie die aktuellen Sachstän-
de in den jeweiligen Ermittlungsverfahren disku-
tiert. Es wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der
Durchsuchungsmaßnahmen in Baden-
Württemberg, Bayern und Hessen regionale
‚B & H’-Strukturen zu verzeichnen waren. In na-
hezu allen Bundesländern hatten bekannte Funkti-
onäre der Vereinigung ‚B & H’-typische Aktivitä-
ten (z. B. Organisation und Durchführung von Mu-
1276) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 40 ff.
1277) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 39.
1278) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 174.
sikveranstaltungen, Produktion und Vertrieb von
Tonträgern, Textilien, Merchandisingartikeln
usw.) entfaltet.“1279
Insgesamt liefen zu diesem Zeitpunkt Ermittlungsverfah-
ren gegen mehr als hundert Beschuldigte. Das BKA sah
die Erfolgsaussichten skeptisch:
„Fraglich ist, ob es angesichts der Beweislage in
den Strafverfahren zu Anklageerhebungen kom-
men wird. Die Länge und die unterschiedliche
Verfahrens- und Ermittlungsdauer sowie der Ver-
zicht auf eine zentrale staatsanwaltschaftliche Er-
mittlungsführung könnten sich als nicht vorteilhaft
erweisen.“1280
Im August 2008 gelang es einer „Daten-Antifa“, die Zu-
gangs-Codes zum „Blood & Honour“-Netzwerk in den
USA zu knacken.
1281
Mehr als 30 000 Datensätze wurden
kopiert und im Internet zum Download bereitgestellt.
1282
Darunter waren auch ca. 800 Datensätze mit Deutschland-
Bezug.
1283
Das BKA sicherte diese Daten und wertete sie
aus:
„Das gehackte Forum dient deutschsprachigen
Nutzern zum persönlichen Austausch mit Gleich-
gesinnten. Sie bilden dabei keine erkennbaren fes-
ten und dauerhaften Strukturen. Hinweise auf
Strukturen, die auf einen Fortbestand der in
Deutschland verbotenen rechtsextremistischen
Bewegung ‚B&H-Division Deutschland‘ und ihrer
Jugendorganisation ‚White Youth‘ hindeuten,
wurden nicht festgestellt.“1284
Im Jahr 2008 erschien der Sampler „Blood & Honour –
Voices of Solidarity 2“, der volksverhetzende Liedtexte
von deutschen rechtsextremistischen Musikgruppen ent-
hält, die den Holocaust leugnen und den Nationalsozia-
lismus verherrlichen – unter anderem war darauf das Lied
„Führer Adolf“ der Gruppe „Sonderkommando
Dirlewanger“ veröffentlicht, in dem es unter anderem
hieß:
„Die guten Nürnberger Gesetze, ach wie brauchen
wir sie jetzt, wo man Millionen Parasiten über un-
sere Grenzen lässt. Die Antifa will uns aufhalten,
auch unser Club hat schon gebrannt, Roland Frei-
sler spricht das Urteil: Wir stellen Euch Pack an
die Wand.“1285
In den Verfassungsschutzberichten des BfV wurde ab
2007 über keine größeren Aktivitäten aus den Reihen von
„Blood & Honour“ mehr berichtet.
1279) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 188.
1280) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 201 f.
1281) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 188.
1282) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 24.
1283) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 82 f.
1284) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 116.
1285) Verfassungsschutzbericht 2008 (BfV), S. 111.
Drucksache 17/14600 – 174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dennoch wird bis heute auf der Internationalen Home-
page der Gruppierung unter der Rubrik „Kontakte“ auch
„Blood & Honour Deutschland“ aufgeführt – mit dem
Hinweis, dass der Name in Deutschland verboten sei, und
dass die deutsche Abteilung deshalb über „B & H Great
Britain“ kontaktiert werden müsse.1286
Auf der Seite wird auch ein Forum betrieben, in dem
offenbar vor allem deutsche User aktiv sind. Eine Repor-
terin des Magazins Stern schrieb dazu im Januar 2012 in
einem Artikel mit dem Titel „Von Wölfen und Men-
schen“:
„Die englischsprachige ‚Blood & Honour‘-
Website bietet 14 450 Mitgliedern ein umfassen-
des Forum mit 75 Unterforen, 13 davon in deut-
scher Sprache. Mindestens 1 373 User stammen
aus Deutschland, sie tragen krude Namen wie
‚88DeutschesReich88‘, ‚Waffen SS‘, ‚Dr. Goeb-
bels‘, ‚türkenjäger‘, ‚auschwitzforniggers‘ oder
‚WeiSSe Wut‘. Die Profilbilder zeigen Hitler oder
Rudolf Heß, Hakenkreuze oder SS-Runen. Typi-
sche Szenecodes, wie ‚88‘ für ‚Heil Hitler‘ oder
‚14‘ für die ‚14 Words‘ fehlen in kaum einem Fo-
rumsbeitrag, genauso wenig wie der obligatorische
‚deutsche GruSS‘ als Standardfloskel. Die Anzahl
der deutschen User könnte sogar noch höher lie-
gen, die Angabe einer Nationalität ist freiwillig. Im
Jahr 2008 machten Hacker über 30 000 Datensätze
aus dem ‚Blood & Honour‘ Forum öffentlich und
stellten fest, dass deutsche Nutzer mit Abstand am
aktivsten waren.“1287
2. „Hammerskins“
a) Zur Struktur und den Leitgedanken der
„Hammerskins“ allgemein
Die „Hammerskins“ sind eine neonazistische Vereini-
gung, die das Ziel hat, eine „Hammerskin-Nation“ zu
gründen, welche aus allen weißen Skinheads bestehen
soll.
1288
1986 wurden die „Hammerskins“ in den USA (Texas)1289
gegründet, wobei es mittlerweile viele Ableger in ver-
schiedenen Ländern der Welt gibt.
1290
Das Motto der
„Hammerskins“ lautet:
„Hammerskins forever, forever Hammerskins“1291
1286) Vgl.:
http://www.bloodandhonourworldwide.co.uk/home1.html.
1287) Scharfenberg, „Von Wölfen und Menschen“, veröffentlicht auf
der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“ am 5. Januar
2012.
1288) Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, Bl. 123.
1289) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
1290) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.
1291) http://www.antifa-bremen.org/enemy/hammerskins-und-das-
chapter-bremen.html.
Ihre Ideologie ist ausgerichtet auf Vorstellungen über
Rassismus und Antisemitismus.
1292
Auch ist teilweise eine
neonationalsozialistische Prägung zu erkennen.
1293
Ihr
Leitmotto sind die sogenannten „14 words“ des US-
Terroristen David Lane:
1294
„Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die
Zukunft für die weißen Kinder sichern.“
Zu betonen sei, so die Sachverständige Röpke, außerdem
die starke Gewaltbereitschaft der „Hammerskins“ vor
allem gegen politische Gegner und Migranten, wobei sich
die „Hammerskins“ hauptsächlich durch ihre Erfahrungen
aus dem Gefängnis hervortun und sich damit Respekt
verschaffen.
1295
Teilweise werden sie als
„eine der gefährlichsten Neonazi-Organisationen
überhaupt“1296
beschrieben. Waffen, Sprengstoff und Sprengsätze besor-
gen sich die „Hammerskins“ ohne Probleme.
Seit dem Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000
breiten sich die „Hammerskins“ vor allem im Musik- und
Konzertbereich der rechtsextremen Rockszene aus.
1297
Die ursprüngliche Konkurrenz um die Vorherrschaft in
der Nazi-Skinszene der beiden Gruppierungen wurde
offiziell für beendet erklärt.
1298
Im August 1999 fand
sogar ein „United“-Treffen statt, welches die Gemein-
samkeiten der Gruppierungen unterstreichen und eine
Zusammenarbeit fördern sollte.
1299
Insofern bilden die
„Hammerskins“ eine Art Nachfolgeorganisation der
„Blood & Honour“.1300
Grundsätzlich verfügen die „Hammerskins“ jedoch nicht
über so starke Strukturen wie beispielsweise „Blood &
Honour“.1301 Um eine gesteigerte Gefahr der
Angreifbarkeit zu vermindern, sind sie nach dem Prinzip
der „Leaderless Resistance“ strukturiert, was bedeutet,
dass eine übergeordnete Führung entfällt
1302
und sich
stattdessen einzelne Gruppierungen gründen, die autonom
planen und handeln.
1303
Charakteristisch für die „Ham-
merskins“ ist, dass sie sich als Elite der Nazi-Skinszene
mit politisch-weltanschaulichem Anspruch verstehen.
1304
1292) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.
1293) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 84.
1294) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
1295) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 13.
1296) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.
1297) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 24, 33
1298) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 33.
1299) http://www.blog.schattenbericht.de/2011/12/nur-eine-gang-
von-vielen
1300) Dossier Thomas „Ace” G.: führender Neonazi und „NSU“-
Helfer, MAT A SN-7/2a, Bl. 4.
1301) Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, Bl. 123.
1302) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 13.
1303) www.antifa-bremen.org, „Hammerskins und das Chapter
Bremen“.
1304) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 175 – Drucksache 17/14600
„Sie streben die Umwandlung der eher unverbind-
lich-subkulturellen Nazi-Skin-Szene in eine diszi-
plinierte politische Kaderorganisation an.“1305
Jeder, der sich ihnen anschließen möchte, muss einen
besonderen Auswahlprozess durchlaufen. So ist erforder-
lich, dass eine Probezeit durchlaufen wird sowie eine
Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene seit mehreren
Jahren besteht.
1306
Dies hat zur Folge, dass die Mitglieder
der „Hammerskins“ oft ältere Personen sind, die nicht
selten bereits als Führungspersonen anerkannt sind.
1307
Neben körperlicher und psychischer Belastbarkeit sind
auch der Verzicht auf Drogen und die volle Kontrolle
über Alkoholgenuss Voraussetzungen für eine Aufnah-
me.
1308
Ausschlaggebend ist auch „Reinrassigkeit“ sowie
Kameradschaftlichkeit.
1309
Eine Aufnahme erfolgt nur auf
Empfehlung.
1310
„Aber nicht jeder kann Hammerskin werden. Hier-
für bedarf es einer Reihe an Proben und Bedin-
gungen. Aber wer einmal zu dieser verschworenen
Bruderschaft dazugehört, der kann verdammt stolz
auf sich sein. Es ist wirklich nicht einfach Ham-
merskin zu werden. […] Die Hammerskins sind
eine Gemeinschaft der Elite.“1311
Die Anerkennung als Anwärter („Prospector of the Nati-
on“) sowie die einstimmige Ernennung als Mitglied er-
folgt auf europäischer Ebene auf dem sogenannten
„EOM“, dem „European Officers Meeting“.1312
Ein einflussreiches Mitglied der „Hammerskins“ aus dem
Bereich Sachsen äußerte sich in einer Veröffentlichung
zur Bedeutung in den Kreis der „Hammerskins“ aufge-
nommen worden zu sein:
„HS bedeutet für mich persönlich Bruderschaft
und zu einer verschworenen Gemeinde elitärer NS
zu gehören, die bereit sind, durch Taten etwas zu
verändern. Es ist für mich der höchste Ausdruck
einer Gemeinschaft und des Kampfes für unsere
R…e. HS vereint weiße Nationen und baut eine
eigene Nation aller!“1313
Als Symbol haben die „Hammerskins“ zwei gekreuzte
Zimmermannshämmer, die für die Kraft der „weißen
Arbeiterklasse“ stehen.1314
1305) MAT A BND-5a, Bl. 181.
1306) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.
1307) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 3 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).
1308) http://www.antifa-bremen.org, „Hammerskins und das Chapter
Bremen“.
1309) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1997, Bl. 15.
1310) Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2005, Bl. 73.
1311) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1997, Bl. 15, aus: Bericht
über „Hammerskins“ in Stormfront 88 Nr. 4.
1312) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 103.
1313) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2001, Bl. 18.
1314) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.
„Soll heißen, zu der Rasse gehören, die durch die
Arbeit der Hand und nicht durch die Macht des
Geldes oder das Ausbeuten der Arbeitskraft.“1315
Außerdem ist ein Ärmelband Erkennungszeichen, sowie
ein graues T-Shirt für Anwärter und ein schwarzes für
Mitglieder.
1316
Jedes Mitglied zahlt einen monatlichen Beitrag, welcher
der Europakasse zufließt und beispielsweise dazu dient,
inhaftierte „Hammerskins“ oder auch andere Mitglieder in
bestimmten Situationen zu unterstützen (beispielsweise
durch Kreditgewährung oder Übernahme von Anwalts-
1317
oder Flugkosten
1318
.
1319
Im Jahr 2001 betrug der Bei-
trag 20 DM pro Person,
1320
wobei die Kasse einen Betrag
im unteren fünfstelligen Bereich aufwies.
1321
Die Einzah-
lung erfolgt auf den Europatreffen.
1322
Unterstützt werden beispielsweise die Schweizer „Ham-
merskins“ von dem Netzwerk „Crew 38“.1323 Hierbei
steht die Zahl 3 für den Buchstaben C (crossed) und die
Zahl 8 für den Buchstaben H („Hammerskins“).1324 Ur-
sprünglich steht die Bezeichnung „Crew 38“ für ein Be-
kleidungslabel, wobei die Gewinne anteilig in die jeweili-
ge Chapterkasse und in die Europakasse fließen soll-
ten.
1325
Außerdem gilt das Tragen von T-Shirts mit dem
Aufdruck „Crew 38“ als Zeichen dafür, dass es sich um
einen offiziellen „Hammerskins“-Anwärter handelt.1326
Regelmäßig finden überregionale Koordinierungstreffen
statt.
1327
Man unterscheidet zwischen Treffen auf nationa-
ler Ebene, die als „National Officers Meeting“ („NOM“)
bezeichnet werden und dem bereits erwähnten „European
Officers Meeting“ („EOM“) auf europäischer Ebene.1328
1315) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 3 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).
1316) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket
12.4 (1), Bl. 85 (VS-VERTRAULICH).
1317) MAT A MAD-2/8, (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.3,
Bl. 231 (VS-VERTRAULICH).
1318) BfV Erkenntnisaustausch mit MAD, MAT A MAD-2/8, (Tgb.-
Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-
VERTRAULICH).
1319) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket
12.1, Bl. 82 (VS-VETRAULICH).
1320) MAD, Übermittlung von Quelleninformationen, MAT A MAD-
2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.1, Bl. 82, Paket
12.4, Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-VETRAULICH).
1321) BfV Erkenntnisaustausch mit dem MAD, MAT A MAD-2/8
(Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-
VERTRAULICH).
1322) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket
12.1, Bl. 82 (VS-VETRAULICH).
1323) http://www.hammerskins.ch/crew38.html.
1324) http://www.hammerskins.ch/crew38.html.
1325) BfV Erkenntnisaustausch mit dem MAD, MAT A MAD-2/8
(Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-
VERTRAULICH).
1326) Treffbericht vom 28. März 2002, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr.
215/13 GEHEIM), Paket 12.3, Bl. 262 (VS-
VERTRAULICH).
1327) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.
1328) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.
Drucksache 17/14600 – 176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sogar ein weltweites Treffen ist einmal im Jahr angesetzt,
man spricht vom „World Officers Meeting“
(„WOM“).1329 Es werden jeweils Vollmitglieder der ein-
zelnen Chapter entsendet.
1330
Des Weiteren organisieren die „Hammerskins“ verschie-
dene Skin-Konzerte.
1331
Bands wie „Hetzjagd“, „Deutsch
Stolz Treue“ und „Frontalkraft“ werden zu den „Ham-
merskins“ gerechnet.1332 Nicht selten finden Konzerte
statt, die unter der Beteiligung der NPD zustande ge-
kommen sind.
1333
Gegenüber anderen Gruppierungen schotten sich die
Mitglieder der „Hammerskins“ grundsätzlich ab, aller-
dings wird teilweise auch an Festen anderer Skinhead-
Gruppen teilgenommen.
1334
b) „Hammerskins“ international
Seit den 90er Jahren sind die „Hammerskins“ weltweit in
vielen verschiedenen Ländern vertreten, wobei sie sich
auf Landesebene in Divisionen unterteilen.
1335
Beispielsweise existieren Gruppierungen in den USA,
Kanada, Europa (Großbritannien, Irland, Niederlande,
Griechenland, Frankreich, Portugal, Italien, Schweiz,
Polen, Tschechische Republik), Australien und Neusee-
land.
1336
Am stärksten sind die „Hammerskins“ in den USA vertre-
ten.
1337
Hier gelten sie auch als besonders gewaltbereit vor
allem gegen Dunkelhäutige, Latinos und Homosexuel-
le.
1338
„Die US-Bürgerrechtsorganisation Anti-
Defamation League hält die ‚Hammerskins’ für die
gewalttätigste und am besten organisierte Skin-
head-Organisation der USA.“1339
Insbesondere wird auf den Besitz der „Hammerskins“ von
Waffen aufmerksam gemacht.
1340
So erschoss ein Mit-
glied im August 2012 sechs Menschen in einem Sikh-
Tempel in Wisconsin.
1341
Auch gegen Verräter wird massiv vorgegangen. Bei-
spielsweise soll der Chef der „Hammerskins“ Niederlande
1329) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.
1330) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.
1331) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.
1332) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
1333) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
1334) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.
1335) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 84.
1336) MAT A BND-5a, Bl 182.
1337) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.172/13 GEHEIM), Bl. 2 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).
1338) MAT A BND-5a, Bl. 181.
1339) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.
1340) MAT A BND-5a, Bl 181.
1341) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
für das FBI bzw. die Polizei gearbeitet haben,
1342
was zur
Folge hatte, dass gegen diese eine überregionale, gewalt-
same Aktion unter Teilnahme der „Hammerskins“ USA
stattfinden sollte.
1343
Als besonders aktiv gelten auch die Schweizer „Hammer-
skins“, die viele – auch internationale – Treffen durchfüh-
ren.
1344
c) „Hammerskins“ in Deutschland
Seit 1991 sind die „Hammerskins“ auch in Deutschland
bekannt.
1345
Mirko H. gründete 1993 in Sebnitz den säch-
sischen Teil der „Hammerskins“ als eine der ersten
„Hammerskin“-Gruppierungen in Deutschland.1346
Auf regionaler Ebene liegt eine Gliederung in „Chapter“
vor.
1347
Am einflussreichsten sind die Chapter Westmark (Rhein-
land-Pfalz, Südhessen, Saarland)
1348
, Bremen, Bayern und
Sachsen.
1349
Allerdings hat das Chapter Berlin eine Art
Führungsposition inne.
1350
Aber auch in Mecklenburg-
Vorpommern und Norddeutschland sind die „Hammer-
skins“ mittlerweile vertreten.1351 Ebenso sind Sektionen in
Brandenburg, Thüringen, Baden-Württemberg und
Schleswig-Holstein bekannt.
1352
Das Chapter Bremen
stellt eines der ältesten deutschen Chapter dar.
1353
Laut Presseverlautbarungen soll aus einem internen Be-
richt des BKA
1354
hervorgehen, dass die Mitgliedschaft
von 193 Personen bei den „Hammerskins“ in Deutschland
bekannt sei.
1355
Hiervon hat etwa die Hälfte Straftaten wie
Volksverhetzung oder Gewaltdelikte begangen.
1356
Es ist
jedoch schwierig, die Mitglieder zu erkennen, da diese ihr
Symbol nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur bei inter-
nen Treffen sichtbar tragen.
1357
Dies dient vor allem dem
1342) MAD, BfV/LfV, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13
GEHEIM), Paket 12.3, Bl. 204 (VS-VERTRAULICH).
1343) MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.3,
Bl. 235 (VS-VERTRAULICH).
1344) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1998, Bl. 15.
1345) http://www.verfassungsschutz.hessen.de/irj/LfV_Internet?cid
=8bd3b01e1ebadb0d4fbd2bcebbf2d46e
1346) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen S. vom 7. August
2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 248 ff. (249) (PDF).
1347) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 84.
1348) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
1349) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.
1350) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 5 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).
1351) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 13.
1352) MAT A BND-5a, Bl. 182.
1353) http://www.antifa-bremen.org, „Hammerskins und das Chapter
Bremen“.
1354) Der interne Bericht des BKA liegt dem UA nicht vor.
1355) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“; Zeit-online
vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-Neonazis“.
1356) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 177 – Drucksache 17/14600
Zweck, Ermittlungen gegen die „Hammerskins“ wegen
der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu verhin-
dern.
1358
Es wird als Verräter bezeichnet, wer Informatio-
nen über die „Hammerskins“ weitergibt.1359
Einer der wohl bekanntesten „Hammerskins“ in Deutsch-
land ist Sven Krüger aus Jamel, südlich von Schwerin,
1360
der im August 2011 wegen unerlaubten Waffenbesitzes
und gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Haftstrafe von vier
Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. Sven Krüger
gilt als Führungsperson der „Hammerskins“ in Mecklen-
burg-Vorpommern, unterhielt ein Kommunalmandat der
Partei und war von 2010 bis 2011 Beisitzer im Landes-
vorstand der NPD.
1361
Die „Hammerskins“ veröffentlichten zwischen 1992 und
1998
1362
unter Mirko H. die Fanzine Hass Attacke.
1363
Hass Attacke gilt als einflussreichstes Sprachrohr der
deutschen „Hammerskins“.1364 Offizielle „Hammerskins“-
Fanzine ist das aus Berlin stammende Fanzine Wehrt
euch.
1365
Am 18. Juli 2002 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen
„Hammerskins“-Mitglieder wegen des Verdachts der
Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die Staats-
anwaltschaft Dresden eingeleitet.
1366
Diesbezüglich wur-
den am 16. Juli 2002 über 40 Wohnungsdurchsuchungen
bei Mitgliedern in sieben verschiedenen Bundesländern
durchgeführt, bei welchen unter anderem CDs, Waffen
und Munition, Hard- und Software, Dokumente und T-
Shirts beschlagnahmt wurden.
1367
Noch in den Jahren
2003 und 2004 fanden diese Ermittlungen in den jährli-
chen Verfassungsschutzberichten Sachsens Erwäh-
nung.
1368
Sie wurden jedoch wieder eingestellt.
1369
Grund-
sätzlich könnte eine Beurteilung als kriminelle Vereini-
gung lediglich aufgrund der Vorstrafen verschiedener
Mitglieder erfolgen, da den „Hammerskins“ als Gruppe
1357) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.
1358) Dossier Thomas „Ace” G.: führender Neonazi und „NSU“-
Helfer, MAT A SN-7/2a, Bl. 4.
1359) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.
1360) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 24.
1361) Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Er-
folgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens, Stand:
9. November 2012, S. 123.
1362) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 85.
1363) http://gamma.noblogs.org/archives/1221.
1364) MAT B TH-3/Übergabe Bundestag 28.09.2012_Nr.
51932/Übergabe Landtag 31.08.2012/2101-13-2012 (Band 1)
einschl. 338 a+b mT, „Rechtsextremistische Skinhead-
Musikvertriebe in Deutschland“, Bl. 44.
1365) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.172/13 GEHEIM), Bl. 5 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).
1366) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2002, Bl. 16.
1367) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2002, Bl 16.
1368) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2003, Bl. 19; Verfassungs-
schutzbericht Sachsen 2004, Bl. 23.
1369) Dossier Thomas „Ace” G.: führender Neonazi und „NSU“-
Helfer, MAT A SN-7/2a, Bl. 4.
keine derartigen Rechtsverstöße nachzuweisen sind.
1370
Problematisch bei einer Verbotsverhängung auf Bundes-
ebene ist zusätzlich, dass es eine starke regionale und
eigenständige Organisation der Chapter zu verzeichnen
gibt, was bedeutet, dass jedes einzelne Bundesland ein
Verbot verhängen müsste.
1371
In Sachsen fanden die „Hammerskins“ im Jahr 1996
erstmalig Erwähnung im Verfassungsschutzbericht.
1372
1999 wurden sie als Beobachtungsobjekt in die „Über-
sicht rechtsextreme Bestrebungen“ aufgenommen.1373 Im
selben Jahr wurde den sächsischen „Hammerskins“ trotz
guter Verbindungen der Mitglieder in andere Bundeslän-
der allerdings eine nur untergeordnete Bedeutung auf-
grund geringer Mitgliederzahl und geringem Einfluss
zugewiesen.
1374
Bereits im Jahr 2002 erwähnte der Ver-
fassungsschutz in seinem jährlichen Bericht ausdrücklich
bezüglich der „Hammerskins“, dass deren Bedeutung für
Sachsen abgenommen habe.
1375
d) Verbindungen zwischen den „Hammer-
skins“ und dem Trio
Ermittlungen im Umfeld des NSU ergaben, dass es nicht
nur enge Verbindungen des Trios oder deren Kontaktper-
sonen zu „Blood & Honour“, sondern auch zu den
„Hammerskins“ gab.1376 So stammt beispielsweise der
„Döner-Killer-Song“ von einem Sänger und einem Pro-
duzenten, die sich im Umfeld der „Hammerskins“ beweg-
ten. Die Produktionsfirma hatte ihren Sitz in Chem-
nitz.
1377
Hinweisen zufolge hatten sie Kontakte zu Unter-
stützern des NSU.
1378
Beispielsweise war ein Firmenpart-
ner des Produzenten des Songs ein enger Bekannter von
Mundlos.
1379
Auch der Gründer der sächsischen „Hammerskins“ Mirko
H. stand zumindest mit Kontaktpersonen des Trios in
Verbindung. Wegen der Beteiligung unter anderem an der
Herstellung der „Landser“-CD „Ran an den Feind“ verur-
teilte das Landgericht Dresden Mirko H. am 19. Dezem-
ber 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah-
ren.
1380
Im Rahmen seines Gewerbes schleuste dieser
tausende legaler und illegaler CDs durch ganz Europa und
1370) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket
12.1, Bl. 75 (VS-VERTRAULICH).
1371) Skinhead-Broschüre, Skinheads Bayern 2002, MAT A BY-
5/1e, Bl. 89 f.
1372) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1996, Bl. 14 f.
1373) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.172/13 GEHEIM), Bl. 2 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).
1374) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1999, Bl. 19.
1375) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2002, Bl. 15.
1376) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.
1377) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.
1378) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.
1379) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 36.
1380) Urteil des LG Dresden vom 19. Dezember 2001, MAT A GBA-
3/47a-35, Bl. 465 ff.
Drucksache 17/14600 – 178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
war unter anderem an der Erstellung deutscher Nazirock-
CDs beteiligt.
1381
So erfolgte auch die Herstellung der „
“-CD „Ran an den Feind“ unter seiner Beteiligung.1382
Mirko H. hatte von Jan Werner den Auftrag erhalten, das
Cover und das Booklet fertig zu stellen und das Pressen
der CDs zu übernehmen.
1383
Weiterhin hatte Thomas G. („Ace“) seinen engen Kontakt
zu André Kapke und Ralf Wohlleben über die „Hammer-
skins Nations“.1384 Im Jahr 2005 wurde ein neonazisti-
sches Hatecore-Forum gehackt, wodurch ein von Thomas
G. genutztes Passwort offengelegt wurde: der Name von
Mandy Struck.
1385
Mandy Struck stammt aus Erlabrunn
bei Johanngeorgenstadt im Erzgebirgskreis in Sachsen
und hat Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe 1998 in Chem-
nitz dabei unterstützt, unerkannt zu bleiben
1386
und nach
eigenen Angaben möglicherweise den Kontakt zwischen
dem Trio und André Eminger vermittelt.
1387
Mit Thomas
G. stand sie während seiner Haft in Briefkontakt und war
mit ihm nach seiner Entlassung 2004 kurz befreundet.
1388
„Blood & Honour“ und die „Hammerskins“ beschreibt sie
als wegen Konzertorganisation und Geld zerstritten.
1389
Nach Medienberichten hatte auch Malte R.
1390
, der als
Anführer des „Hammerskin Chapter Westmark“ für das
Europa-Treffen im Odenwald verantwortlich war, Kon-
takte zu Personen im Umfeld des Trios und zum „Thürin-
ger Heimatschutz“.1391
Als Hinweis auf eine Verbindung zwischen den
„Hammerkins“ und dem Trio muss auch ein Anruf aus
Concise im Kanton Waadt in der Schweiz an eine Kon-
taktperson in Jena angesehen werden, bei dem mutmaß-
lich Mundlos Unterstützungsleistungen in Auftrag gab.
1392
Auffällig ist hierbei, dass am selben Tag – ebenfalls in
1381) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Starke vom
14. Januar 2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 272 ff. (274)
(PDF); Berliner Zeitung, Artikel vom 03. November 2003, „Die
erstaunliche Nazikarriere des V-Manns Mirko H.“.
1382) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Starke vom
14. Januar 2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 272 ff. (274)
(PDF).
1383) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen S. vom 31. Juli
2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 245 ff. (246) (PDF).
1384) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 32.
1385) http://www.blog.schattenbericht.de/2011/12/nur-eine-gang-
von-vielen.
1386) Mandy Struck, Vernehmung am 15. Dezember 2011, MAT A
BY-14/1-1 PDF-Bl. 148 ff. (152 f.).
1387) Mandy Struck, Vernehmung am 15. Dezember 2011, MAT A
BY-14/1-1 PDF-Bl. 148 ff. (165).
1388) Mandy Struck, Vernehmung am 30. Dezember 2011, MAT A
GBA-16a, PDF-Bl. 59 ff. (65 ff.).
1389) Mandy Struck, Vernehmung am 30. Dezember 2011, MAT A
GBA-16a, PDF-Bl. 59 ff. (66).
1390) http://gamma.noblogs.org/archives/1221.
1391) Zeit-online vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-Neonazis“.
1392) Fax des beauftragten Verbindungsbeamten Gundlach, MAT A
TH-1/20, Bl. 58; LKA TH, Erkenntnisse TKÜ Maßnahmen,
MAT A TH-1/15, Bl. 140 f.
Concise – ein „Hammerskins“-Konzert mit 300 Teilneh-
mern (auch aus Deutschland) stattfand.
1393
Auch Thomas R., dessen Anschrift sich auf den in der
Garage in Jena am 26. Januar 1998 sichergestellten Tele-
fonlisten des Mundlos befindet, war nach dem Verbot von
„Blood & Honour“ bei den „Hammerskins“ aktiv.“
Weiterhin liegen gute Verbindungen der „Hammerskins“
zum „Ku-Klux-Klan“ und „WAR“ („Weißer Arischer
Widerstand“1394) vor,1395 sowie Kontakte der sächsischen
„Hammerskins“ zu „Combat 18“.
3. „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“
a) Allgemeine Informationen zur „Weißen
Bruderschaft Erzgebirge“
Die Kameradschaft „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“
(WBE) war nur kurze Zeit aktiver Teil der Neonazi-Szene
in Sachsen. Sie wurde im Jahr 2000 in Lauter in Sachsen
gegründet
1396
und löste sich bereits Ende 2001 aufgrund
von internen Streitigkeiten wieder auf.
1397
Mitte 2000
hatte die „WBE“ etwa 19 Mitglieder.1398 Die „WBE“
gelangte durch eine Veröffentlichung ins Visier der Be-
hörden.
1399
Im Fokus der Kameradschaft lag die Unter-
stützung bereits bestehender rechtsextremistischer Grup-
pierungen, nicht aber mit diesen in Konkurrenz zu tre-
ten.
1400
Die Formulierungen zu ihren Zielen:
„Die Reinheit der wundervollsten Rasse.“1401
und
„White Pride heißt unsere Religion“1402
galten dabei als Leitgedanken.
Sie selbst bezeichneten sich als
„Die Pro Weiße Organisation im Erzgebirge“
und gingen somit einer stark rassistischen Grundeinstel-
lung nach.
1403
Hierbei verfolgten sie den Gedanken der
„14 Worte“ als Anleitung zum Handeln:1404
1393) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 69, 76.
1394) MAT A BND-5a, Bl. 127.
1395) MAT A BND-5a, Bl. 181.
1396) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8.
1397) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 41.
1398) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 39.
1399) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, Bl. 46.
1400) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2001, Bl. 23 f.
1401) SPIEGEL ONLINE vom 22. September 2012, „NSU-
Ermittlungen: Das Kreuz mit den Neonazis“.
1402) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 39.
1403) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8 f.
1404) Andrä, Protokoll-Nr. 59, Bl. 90.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 179 – Drucksache 17/14600
„Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die
Zukunft für die weißen Kinder sichern.“
Das Erkennungszeichen waren zwei gekreuzte Hämmer
mit einem Adler, in dem sich eine weiße Faust befand.
1405
Die „WBE“ veröffentlichte im Jahr ihrer Gründung einen
Rundbrief, der in Heften mit dem Titel „The Aryan Law
& Order“ insgesamt zweimal erschien und die rassistische
Einstellung der Organisation deutlich zum Ausdruck
brachte.
1406
Ebenso verhielt es sich mit einem in dem
Skinhead-Fanzine Foier Frei Nr. 13 veröffentlichtem
Aktivisten-Interview.
1407
Bereits seit Entstehung der „WBE“ oder kurz danach war
diese Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen.
1408
Im Jahr 2006 soll es noch einige Treffen der gescheiterten
Kameradschaft in der sogenannten „Nazi-WG“ in der
Allendestraße 122 in Zwickau gegeben haben.
1409
Hier
entstanden in den beiden folgenden Jahren die „Nationa-
len Sozialisten Zwickau“.1410
b) Verbindungen zum Trio
Mitglieder der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ waren
Maik E., André Eminger und Matthias D.
1411
André
Eminger ist heute Angeklagter, Matthias D. Beschuldigter
im Verfahren gegen die Terrorgruppe NSU. Unter dem
Namen beider wurden Wohnungen gemietet, die das Trio
genutzt hat. Maik E., André Eminger und Matthias D.
wurden auch der Neonazi-Gruppierung „Brigade Ost“ in
Sachsen zugeordnet.
1412
Am 29. Juli 2000 fand eine Ver-
anstaltung (Konditionsmarsch mit ca. 20 Teilnehmern in
Johanngeorgenstadt)
1413
statt, auf welcher außerdem
Thomas Starke und Andreas G. als Teilnehmer anwesend
gewesen sein sollen.
1414
Auch Jan Werner soll zu diesem
Treffen angereist sein.
1415
Zwischen der „Weißen Bruder-
schaft Erzgebirge“ und dem „Blood & Honour“-Netzwerk
bestanden auch sonst enge Verflechtungen.
1405) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 41.
1406) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8 f.
1407) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8 f.
1408) Boos, Protokoll-Nr. 62, Bl. 118.
1409) Auszug gamma Nr. 193, 2/2012, Der „nationalsozialistische
Untergrund“ und seine Helfer – konspirative Kameraden, MAT
A GBA-4/19, Bl. 432.
1410) Auszug gamma Nr. 193, 2/2012, Der „nationalsozialistische
Untergrund“ und seine Helfer – konspirative Kameraden, MAT
A GBA-4/19, Bl. 432.
1411) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge, MAT A SN-7/2d, Bl. 39 f.
1412) SPIEGEL ONLINE vom 22. September 2012, „NSU-
Ermittlungen: Das Kreuz mit den Neonazis“.
1413) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 41.
1414) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 40.
1415) Boos, Protokoll-Nr. 62, Bl. 118.
4. „Hilfsorganisation für nationale politische
Gefangene und deren Angehörige“
Seit 1994 hatte Mundlos Kontakt zu inhaftierten Personen
aus der rechtextremistischen Szene gehalten. Die Intensi-
tät dieser Kontakte zeigen die Briefe von und an Mundlos,
die bei der Durchsuchung am 26. Januar 1998 gefunden
wurden
1416
: 65 Briefe an und 26 Briefe von Mundlos aus
der Zeit vom 16. Februar 1994
1417
bis zum 24. April
1997.
1418
Hauptbriefpartner sind Thomas Starke und Tors-
ten S., die beide damals in der JVA Waldheim eine Haft-
strafe verbüßten. Die Briefe mischen Persönliches und
Politisches: So schreibt Mundlos bereits Ende 1995, ange-
sichts der zahlreichen Spitzel bleibe nur, den Kampf in
kleinen autonomen Gruppen fortzusetzen.
1419
Thomas
Starke, von 1994 bis 1996 in der JVA Waldheim in Haft,
gibt in seinen aktuellen Vernehmungen an, dort von
Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe auch besucht worden
zu sein.
1420
„Gefangenenbetreuung“ dieser Art hatte bis zu ihrem
Verbot am 21. September 2011 die 1979 gegründete
„Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und
deren Angehörige e.V.“ betrieben. Unter dem Motto
„drinnen wie draußen eine Front“ war die „HNG“ ein
wichtiges Bindeglied zwischen den rechtsextremistischen
Parteien und den sogenannten „freien Kameradschaften“.
Sie verfolgte das Ziel, die rechtsextremistische Szene in
Deutschland organisationübergreifend zu stärken und auf
deren Radikalisierung hinzuwirken.
1421
Aus dem Umfeld
des Trios engagierte sich Mandy Struck für die Ziele der
„HNG“ – sie pflegte eine Briefpartnerschaft mit dem in
der JVA Straubing einsitzenden Richard L.
1422
und hat ihn
dort auch besucht.
1423
Die langjährige „HNG”-
Bundesvorsitzende Ursula Müller ist auf der Telefonliste
von Mundlos vermerkt.
1424
Aus der Zeit danach hat der
Ausschuss in den umfangreichen Akten zur „HNG“ keine
Beziehung zum Trio gefunden.
1425
Da Jan Werner wäh-
rend seiner Haft in der JVA Moabit in Briefkontakt zu
Maik E. und André Eminger stand
1426
, hat der Ausschuss
zur Prüfung entsprechender Kontakte zu wenigen Perso-
nen Haftakten erbeten und erhalten:
1416) MAT A GBA-11/1.
1417) MAT A GBA-11/1, Bl. 8.
1418) MAT A GBA-11/1, Bl. 236.
1419) MAT A GBA-11/1, Bl. 180.
1420) MAT A GBA-4/30, Bl. 27.
1421) MAT A BMI-10/1a, Bl. 183 ff.
1422) Mandy Struck, Vernehmung am 15. Dezember 2011, MAT A
BY-14/1-1, Bl. 148 ff. (163).
1423) Mandy Struck, Vernehmung am 14. März 2012, MAT A BY-
14/1-1, Bl. 208 ff., (217).
1424) MAT A TH-1/2, Bl. 283 f.
1425) MAT A BMI-10/1a bis MAT A BMI-10/1j und MAT A BMI-
11/1a bis MAT A BMI-11/1j.
1426) MAT A BE-3/13, Bl. 100, Bl. 163, Bl. 213.
Drucksache 17/14600 – 180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Markus F.: Gefangenenpersonalakte nicht mehr ver-
fügbar, da Haft (Mai 1998 bis Juni 2002) länger zu-
rückliegend
1427
– Mirko H.: Haft in JVA Dresden1428 und JVA Baut-
zen
1429
, in den Unterlagen zu Besuchen und Kontak-
ten kein Hinweis auf das Trio oder auf Personen aus
dessen näherem Umfeld
– Kai S.: in der Haftzeit1430 keine Kontakte in die
rechtsextreme Szene
5. „Ku-Klux-Klan“ (KKK)
Der Ermittlungsbericht zum Mordfall Kiesewetter weist
darauf hin, dass der Gruppenführer der ermordeten Poli-
zistin mehrere Jahre zuvor kurzzeitig Mitglied im „Ku-
Klux-Klan“ (KKK) war. 1431 Der Ausschuss hat deshalb
untersucht, ob belegbare Kontakte zwischen dieser Grup-
pierung und dem Trio bestanden haben. Zur Präsenz von
V-Personen in der betreffenden „KKK“-Gruppe hat die
Stuttgarter Zeitung in einem Artikel vom 27. Mai 2013
gefragt:
„Ist der ‚KKK’ von Hall in Wahrheit ein Honigtopf
gewesen, als Köder aufgestellt von baden-
württembergischen Sicherheitsstrategen, um näher
an die rechte Szene heranzukommen?“1432
Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses, ob der
„KKK“ als eine Art „Testballon“ gedient habe, hat die
Zeugin Neumann, damalige Referatsleiterin „Rechtsex-
tremismus“ im LfV Baden-Württemberg, geantwortet,
dass dieser Eindruck täusche und hat die Vermutung nicht
bestätigen können.
1433
a) Zur Entstehung des „KKK international“
Der „KKK“ wurde in Amerika in den Wirren des Bürger-
kriegs 1865 in der Kleinstadt Pulaski/TE gegründet. Ziel
war es, die traditionelle Lebensweise, insbesondere die
Rassentrennung, in den Südstaaten zu erhalten.
1434
Erster
Gründer war Nathan Bedford Forrest, der den Klan nach
wenigen Jahren auflöste, weil dieser zu gewalttätig wur-
de.
1435
1427) MAT A SN-17.
1428) MAT A SN-18f Teil 2, MAT A SN 18g bis 18k, MAT A SN-
18l bis 18m Teil 1.
1429) MAT A SN-18l bis 18m Teil 2.
1430) MAT A BY-18.
1431) Ermittlungsbericht vom 20. Juli 2012, MAT A GBA-4/19, Bl.
55; ausführlich hierzu unter C.II.5.d) und G.X.
1432) Stuttgarter-Zeitung.de vom 27. Mai 2013, „Schlechte Nachrich-
ten aus Krokusland“.
1433) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 23.
1434) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (52).
1435) „History of the KKK“, MAT A BW-10/2, Bl. 463.
1915 kam es zu einer Neugründung des „KKK“ in den
USA, der sich seitdem „Knights of the Ku Klux Klan“
nennt. Nachdem er Anfang der 20er seine größte Mitglie-
derzahl mit circa drei Millionen Anhängern
1436
erreichte,
verlor er Ende der 20er Jahre wieder an Bedeutung.
1437
1954 erhielt er erneuten Zulauf, als die Rassentrennung in
den Schulen aufgehoben wurde. Der „KKK“ ist seit der
Neugründung im Jahr 1915 keine einheitliche Organisati-
on mehr, sondern besteht vielmehr aus kleinen, voneinan-
der unabhängigen Gruppierungen, die später auch in
Deutschland jeweils eigenständige Ableger bildeten.
1438
Der „KKK“ ist antisemitisch ausgerichtet, steht für ein
„freies, weißes, gesundes“ Amerika und die Vorherrschaft
der weißen Rasse und bedient sich dabei pseudoreligiöser
Rituale.
1439
Bekanntestes Ritual ist die sog. „Kreuzver-
brennung/-erleuchtung“ der maskierten Kapuzenmänner
im Blickfeld des Opfers, welche als letzte Warnung an
den „schwarzen Mann“ gemeint ist, dem danach der
Strick oder eine andere Art der Tötung droht.
1440
Der
„KKK“ ist für seinen blutigen Terror bekannt, zu dem
Hetzjagden, Lynchjustiz und Fememorde gehören.
1441
Im
Jahr 1992 wurde festgehalten, dass sich trotz der Zersplit-
terung einzelne Mitglieder und örtliche Gruppen des
„KKK“ wiederholt an schwersten Straftaten gegen farbige
US-Bürger und Minderheiten beteiligten, worunter
Sprengstoffanschläge und Morde sowie Schießereien und
Brandstiftungen zählten.
1442
Während in den 80er Jahren
in den USA noch über 10 000 Personen Mitglieder beim
„KKK“ waren1443, erschien 2006 ein Mitgliederbestand
von ca. 5 000 Personen als realistisch.
1444
1436) Zusammenfassender Vermerk des BfV an den MAD vom
11. Mai 1999, MAT A BfV-15, Bl. 184.
1437) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (26).
1438) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (52, 53).
1439) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“ MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).
1440) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Mai 1995 gegen Cars-
ten Szczepanski (Az.: 25 Ks 39/94 (26 Js 270/92)), MAT A BB-
9/1e, Band I, Bl. 12 ff. (15).
1441) Aus Verfassungsschutz aktuell 3/92 des LfV Baden-
Württemberg, Rechtsextremismus, MAT A GBA-10a, Bl. 567
ff. (568).
1442) Schlussbericht des BKA vom 4. August 1992, MAT A GBA -
10c, Bl. 236.
1443) Zusammenfassender Vermerk des BfV an den MAD vom
11. Mai 1999, MAT A BfV-15, Bl. 185.
1444) http://archive.adl.org, „About the Ku Klux Klan“;
http://www.politische-bildung-brandenburg.de, „Ku Klux
Klan”.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 181 – Drucksache 17/14600
b) Entwicklung des „KKK“ in Deutschland
Anfang der 20er Jahre gab es in Deutschland einen Able-
ger des amerikanischen „KKK“ unter dem Namen „Der
deutsche Orden des feurigen Kreuzes“, der aber im Zuge
des Nationalsozialismus nicht geduldet und dann beendet
wurde.
1445
In der Presse wurde außerdem spekuliert, dass
in den 60er Jahren der „KKK“ in Deutschland ca. 2 000
Mitglieder hatte und es vor allem auf amerikanischen
Stützpunkten zu Kreuzverbrennungen gekommen sei.
München sei damals die Hochburg des „KKK“ in
Deutschland gewesen.
1446
1980 wurde der nächste Versuch des „KKK“ bekannt, auf
deutschem Boden Fuß zu fassen: Im Raum Bitburg-
Wittlich wurde durch Angehörige der US-
Stationierungskräfte unter Mitwirkung deutscher Gesin-
nungsgenossen eine Untergruppe der „Knights of the Ku-
Klux-Klan“ des Donald (Don) Black (Alabama/USA)
gegründet.
1447
Als der Gründer der Gruppierung im Jahr
1991 in die USA zurückversetzt wurde, verebbten die
Aktivitäten.
1448
Im selben Jahr (1991) kam es zu einer
Neugründung einer Gruppierung des „KKK“.1449 Hierfür
hatten sich viele Einzelaktivisten, insbesondere Skin-
heads, als Mitglieder beworben.
1450
Der BND hielt bezüg-
lich eines in Berlin gegründeten Ablegers im Jahr 2002
fest:
„Der Berliner Clan zeichnete sich vor allem durch
Gewalt gegen Schwarze aus und fiel wiederholt
durch das Legen von Rohrbomben auf.“1451
Der Anführer („Imperial Dragon“) des Ablegers „White
Knights of the Ku Klux Klan“ in Amerika, Dennis W.
Mahon, reiste 1991 durch Deutschland.
1452
Seine Reise
war eine geheime Propagandatour mit dem Ziel, die in
1445) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).
1446) Lutz Bucklitsch, in: Politik & Zeitgeschehen „European White
Knights of the Ku Klux Klan – Realm of Germany“,
http://hajofunke.wordpress.com, vom 26. Februar 2013; MAT
A GBA-10t, Bl. 85.
1447) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).
1448) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).
1449) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).
1450) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (372).
1451) Aktuelle Kurzfassungen wichtigster rechtsradikaler US-
Gruppen mit intern. Ausrichtung unter „INTN-ORG“ (Stand
2002), MAT A BND-5a, Bl. 334 ff. (362).
1452) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).
diesen Jahren herrschende Ausländerfeindlichkeit zu
nutzen, um in Deutschland Fuß zu fassen. RTL-Explosiv
berichtete über eine angebliche Gründungsveranstaltung
eines Ablegers des „KKK“ in Königs Wusterhausen in
Brandenburg, an der auch D. Mahon teilnahm, bei der es
u. a. zu einer Kreuzverbrennung kam. Unter Anwesenheit
von 20 bis 50 Mitgliedern wurden Hakenkreuzfahnen
gezeigt und verfassungsfeindliche Lieder gesungen.
1453
Anwesend waren vor allem Mitglieder des Berliner Able-
gers des „KKK“ unter Führung von Carsten Szczepanski.
Nicht klar ist, ob die Veranstaltung für die Presse ledig-
lich inszeniert war, um Aufmerksamkeit zu erlangen, wie
es vom BND angenommen wurde.
1454
Auch gab es in diesem Jahr Hinweise neben dem Berliner
Ableger um Carsten Szczepanski auf Ableger des „KKK“
in Elmshorn und Herford.
1455
Ermittlungsverfahren des
GBA im Jahr 1993 bezüglich dieser beiden Ableger gem.
§ 129a StGB wurden gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels
hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
1456
Vereinzelt gab es nach den soeben genannten Gescheh-
nissen in den folgenden Jahren Hinweise, dass deutsche
Rechtsextremisten „KKK“-typische Symbole und Hand-
lungen benutzten oder Propagandamaterial des amerikani-
schen „KKK“ in Umlauf brachten.1457
Im Jahr 1998 wurde eine Internetseite bekannt, die sich
als Homepage der deutschen Sektion des „KKK“ ausgab
(EWK KKK). Diese Homepage war jedoch nur kurzzeitig
im Internet abrufbar.
1458
Die Zeugin Neumann hat hierzu
vor dem Untersuchungsausschuss angemerkt, dass es
bezüglich dieser Internetseiten Vernehmungen, Observie-
rungen und Durchsuchungen gegeben habe, an deren
Ende die Erkenntnis stand, dass es sich bundesweit um
eine Gruppe von 20 Personen handelte, die mit dem
„EWK KKK“ in Verbindung gebracht werden konnten.
Jedoch habe es sich dabei um keine einheitliche Struktur
gehandelt, sondern vielmehr um Einzelpersonen, die
1453) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).; Zwischen-
bericht Ermittlungen vom 21. Januar 1992 gegen Mahon und
Carsten S., MAT A GBA-10a, Bl. 331 ff. (335).
1454) Aktuelle Kurzfassungen wichtigster rechtsradikaler US-
Gruppen mit intern. Ausrichtung unter „INTN-ORG“ (Stand
2002), MAT A BND-5a, Bl. 334 ff. (362).
1455) Aktuelle Kurzfassungen wichtigster rechtsradikaler US-
Gruppen mit intern. Ausrichtung unter „INTN-ORG“ (Stand
2002), MAT A BND-5a, Bl. 334 ff. (362).
1456) Einstellungsverfahren bzgl. des Teilkomplexes Herford/ Biele-
feld vom 25. Mai 1993 durch den GBA, MAT A GBA-10h, Bl.
100 ff.; Teilabtrennung- und einstellung des Ermittlungsverfah-
rens gegen Carsten S. u. a. vom 25. September 1992 durch den
GBA, MAT A GBA-10n, Bl. 92 ff; vgl. hierzu ausführlich un-
ter D. III. 1. b) bb).
1457) Zusammenfassender Bericht des BfV vom 24 März 1999, MAT
A BW-10/1, Bl. 13 ff. (15).
1458) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).
Drucksache 17/14600 – 182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kontakt zu dem Leiter des Klans, Achim S., in Baden-
Württemberg hätten aufnehmen wollen.
1459
Am 1. Oktober 2000 wurde der „European White Knights
of the Ku-Klux-Klan – Realm of Germany“ (EWK KKK)
durch Achim S. offiziell gegründet. Die ca. 20 Mitglieder
kamen aus unterschiedlichen Bundesländern und waren
über das Internet oder durch direkte Ansprachen gewor-
ben worden.
1460
Im Jahre 2001 wurde der „EWK KKK“
von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der
Länder zum Beobachtungsobjekt erhoben. Zuvor waren
die Gruppen des „KKK“ als rechtsextremistischer Ver-
dachts- bzw. Prüffall behandelt worden.
1461
Insgesamt hält
der Bericht des LfV Baden-Württemberg vom
9. März 2012 fest, dass der „EWK KKK“ versucht habe,
rassistisches Gedankengut zu verbreiten, um eine gesell-
schaftliche Ordnung zu errichten, die dem Gleichheits-
grundsatz des Grundgesetzes sowie dem darin garantier-
ten Persönlichkeitsrecht widerspreche.
1462
Diese Einschätzung wird auch durch eine Veröffentli-
chung des „EWK KKK“ bestätigt:
„Das Hauptaugenmerk unserer Bemühungen liegt
zwar auf der Erhaltung der weißen Rasse in einem
weißen Europa, dennoch stehen wir selbstver-
ständlich patriotisch zu unserem jeweiligen Vater-
land. Wir achten Kultur und Geschichte anderer
Völker, nehmen aber das Recht auf Wahrung der
eigenen internationalen Identität.
Wir glauben weder an die Mehr- oder Minderwer-
tigkeit bestimmter Rassen, sehen aber keinerlei
Veranlassung uns im Rahmen der Neuen Weltord-
nung in einem Schmelztiegel der Kulturen aufzu-
lösen.
Kann ich Mitglied werden bei den EWK? […] Wir
lehnen Bewerber ab, die nicht weißer Hautfarbe
sind oder jüdische Vorfahren besitzen.
Die European White Knights stehen für den Erhalt
der Völker der Welt sowie Völkerverständigung,
lehnen aber Rassenvermischung strikt ab!“1463
Der Zeuge Thomas R. gab in seiner Zeugenvernehmung
vom 13. März 2013 gegenüber dem BKA an, dass er auch
Mitglied im „EWK KKK“ gewesen sei. Zum Zeitpunkt
seines Eintritts in die Gruppierung habe der Klan schon
bestanden. Den Kontakt zu Achim S. habe er über einen
1459) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 21.
1460) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28).
1461) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).
1462) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (374, 375).
1463) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (374, 375).
„IRC-Chat“ namens „Holocaust“ erhalten. Daraufhin sei
Thomas R. mehrmals zu Achim S. nach Schwäbisch Hall
gefahren. Bei diesen Besuchen hätten Treffen des Klans
in der Wohnung des Achim S. stattgefunden.
1464
In der
Wiener Neustadt sei er in der Folgezeit neben drei oder
vier anderen Personen als offizielles Mitglied des Klans
aufgenommen worden. Dieses Aufnahmeritual habe in
der Wohnung einer Person namens Geralf, der innerhalb
des Klans im Rang eines „Imperial Wizard“ stand, statt-
gefunden.
1465
Thomas R. sei als „Kleagle“ dafür zuständig
gewesen, Mitglieder anzuwerben, die ihm von Achim S.
zuvor vermittelt worden seien. Dies hätte bei den Perso-
nen Sven M., Martin E. und Michael S. zum Erfolg, d. h.
zu einer Aufnahme in den Klan geführt.
Thomas R. berichtete von weiteren Aufnahmetreffen im
Raum Nürnberg und in einer Burgruine in Schwäbisch
Hall. Bei dem Treffen in der Burgruine habe es auch eine
Kreuzverbrennung nach amerikanischem Vorbild gege-
ben.
1466
Nach Ansicht von Thomas R. habe sich der Klan
aufgelöst, nachdem Achim S. Klangelder veruntreut habe
und verschwunden sei.
1467
Im Bericht des LKA Baden-Württemberg vom
9. März 2012 wurde ebenfalls vermerkt, dass der „EWK
KKK“ aufgrund interner Meinungsverschiedenheiten
auseinanderbrach und seine Aktivitäten zum Erliegen
kamen. So konnten seit Ende 2003 keine Aktivitäten des
„EWK KKK“ mehr in Baden-Württemberg festgestellt
werden.
1468
Ursache dafür war auch eine konzertierte
Anspracheaktion mehrerer Verfassungsschutzämter bei
Klanmitgliedern im August 2002, die zu Unruhen inner-
halb des Klans führte.
1469
Am 5. November 2003 wurde vom LfV Sachsen ver-
merkt, dass die bisherige Homepage des „EWK KKK“
um Achim S. unter der ursprünglichen URL nicht mehr
erreichbar sei, jedoch eine neue Homepage von einem
Denis Leyn aus Petal, USA eingerichtet worden sei.
1470
Nach einem Gespräch mit dem Domain-Betreiber dieser
Internetseite und dem Hinweis auf den rechtsextremisti-
schen Hintergrund der Homepage am 28. Januar 2004,
wurde die Homepage vom Domain-Betreiber umgehend
abgestellt.
1471
In den letzten Monaten soll es jedoch wieder Hinweise
auf deutsche Ableger des „KKK“ gegeben haben. So
1464) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch
das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (27).
1465) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch
das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (29).
1466) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch
das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (39).
1467) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch
das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (37).
1468) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (375).
1469) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (374), so auch Neumann, Proto-
koll-Nr. 65, S. 22; weitere Ausführungen hierzu unter C.II.5.i).
1470) Vermerk vom 24. November 2003, MAT A SN-1/12, Bl. 14.
1471) Vermerk vom 29. Januar 2004, MAT A SN-1/12, Bl. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183 – Drucksache 17/14600
berichtete die Süddeutsche Zeitung am 24. Oktober 2012
über eine Kreuzverbrennung, die im Februar 2011 stattge-
funden haben soll. Auch gebe es im Internet Spuren von
vier „KKK“-Gruppen aus Deutschland.1472 Einen Inter-
netauftritt eines „KKK“-Ablegers aus Nordrhein-
Westfalen gebe es seit Juli 2011. Bei diesem seien keine
besonderen Aktivitäten festzustellen. Die Gruppe bestün-
de aus unter zehn Mitgliedern, von denen einige jedoch
bereits als Rechtsextremisten einschlägig bekannt sei-
en.
1473
Im Mai 2013 wurde zudem bekannt, dass auch im
Raum Schwäbisch-Hall ein Ableger des „KKK“ gegrün-
det worden sei. Hierbei scheine es sich um eine Sektion
von weniger als zehn Mitgliedern zu handeln.
1474
c) Verbindungen zwischen dem „KKK“ und
dem Trio
Der Untersuchungsausschuss hat näher beleuchtet, in-
wieweit es zwischen den unterschiedlichen Vorkommnis-
sen um deutsche Ableger des „KKK“ und dem Trio Ver-
bindungen gibt.
aa) Kreuzverbrennung im Jahr 1995
Im Sommer 1995 trafen sich neben Beate Zschäpe und
Uwe Böhnhardt 20 bis 30 Personen in einem Waldstück
in Oßmaritz bei Jena. Bei diesem Treffen wurden eine
Kreuzverbrennung, ein typisches Ritual des „KKK“,
durchgeführt sowie der Hitler- und der sogenannte
Kühnengruß gezeigt.
1475
Der Einleitung des Verfahrens lag der Zufallsfund von
durch Beate Zschäpe erstellten Fotos zugrunde. Die Fotos
wurden bei ihr anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung
am 10. September 1995 gefunden.
1476
Diese Durchsu-
chung stand im Zusammenhang mit dem Verdacht gegen
Beate Zschäpe wegen Verwendens von NS-Kennzeichen
gem. § 86a StGB während eines Treffens von Rechtsex-
tremisten am 10. September 1995 am Platz der Opfer des
Faschismus in Rudolstadt.
1477
Auf den sichergestellten
Fotos waren Personen, die den Hitler- und den sogenann-
ten Kühnengruß entboten, sowie ein brennendes Kreuz zu
erkennen. Zu den gefundenen Fotos gab sie am Tag der
Sicherstellung an:
„Die angesprochenen Bilder habe ich selbst aufge-
nommen. Der Zeitpunkt der Aufnahmen lag nicht
sehr lange vor der Filmentwicklung zurück. Ei-
1472) Süddeutsche.de, vom 24. Oktober 2012 „Die Maske der Rassis-
ten“.
1473) DIE WELT Online, vom 1 Februar 2013, „Der Ku-Klux-Klan
existiert auch in NRW“.
1474) DIE WELT online, vom 5. Mai 2013 „Ku-Klux-Klan wieder im
Südwesten aktiv“; Stuttgarter-Zeitung.de, vom 4. Mai 201 „Ku-
Klux-Klan in Baden-Württemberg wieder aktiv“.
1475) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Gera vom
15. August 1997 MAT A TH-2/33, Bl. 579 ff.
1476) Sicherstellungsprotokoll vom 10. September 1995, MAT A
TH-2/31, Bl. 11 ff.
1477) Beschuldigtenvernehmung von Beate Zschäpe am
12. Oktober 1995, MAT A TH-2/31, Bl. 6 ff.
gentlich wollte ich nur das brennende Kreuz auf-
nehmen; dass die Personen beim Entbieten des
Hitlergrußes aufgenommen wurden, war reiner Zu-
fall.
Die ganze Sache fand oberhalb von Winzerla im
Waldgebiet statt. Dort waren ca. 15 Fahrzeuge mit
Personen der rechten Szene angereist, wobei es
sich etwa zur Hälfte um Personen, welche sich in
der Gaststätte Weinberg in Saalfeld treffen, han-
delte.“1478
Beate Zschäpe war im Verfahren, das im Zusammenhang
mit der Kreuzverbrennung geführt wurde, Zeugin, ver-
mutlich weil sie selbst auf den Fotos nicht beim Zeigen
des Hitler- bzw. Kühnengrußes zu erkennen war.
Als Zeugin gab sie am 28. Juni und insbesondere am
5. August 1996 Auskunft über die auf den Fotos abgebil-
deten Personen. Allerdings strich sie die Angabe „mit
Kühnengruß“ im Protokoll bei den von ihr benannten
Personen durch.
1479
Der Zeuge Melzer hat die Aussagebereitschaft von Beate
Zschäpe dahingehend erklärt, sie habe „mit einer an den
Tag gelegten Bauernschläue“ angegeben, dass die auf den
Fotos aufgenommene Kreuzverbrennung in Tschechien
stattgefunden habe und die Handlung deshalb nicht straf-
bar gewesen sein könne.
1480
Tatsächlich hat Beate Zschä-
pe in der Vernehmung vom 5. August 1996 ausgesagt:
„Die Feiern mit den brennenden Kreuzen waren
einmal in der Tschechei und das andere mal möch-
te ich nicht sagen, wo das war.“1481
Zschäpe hatte jedoch bereits bei der ersten Vernehmung
vom 10. September 1995 als Ort der Kreuzverbrennung
Jena-Winzerla bezeichnet.
1482
Im Übrigen konnte anhand der Vernehmungen der Be-
schuldigten Tom T.
1483
und Kai F.
1484
ermittelt werden,
dass die Fotos aus Jena und nicht aus Tschechien stamm-
ten. Dazu führte der Beschuldigte Tom T. konkret aus:
„Ergänzend muss ich sagen, dass Kreuzverbren-
nungen nur im Wald um Jena stattfanden, also
speziell bei der Fliegerscheune. Das Kreuzver-
1478) Beschuldigtenvernehmung (in dem Verfahren wegen des
Vorfalls vom 10. September 1995) von Beate Zschäpe am
12. Oktober 1995, MAT A TH-2/31, Bl. 6 ff. (9)
1479) Zeugenvernehmung von Beate Zschäpe, vom 28. Juni 1996,
MAT A TH-2/31, Bl. 24 f.; Zeugenvernehmung von Beate
Zschäpe vom 5. August 1996, MAT A TH-2/31, Bl. 50 ff.
1480) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 91.
1481) Zeugenvernehmung von Beate Zschäpe vom 5. August 1996,
MAT A TH-2/31, Bl. 50 ff., 52.
1482) Siehe oben in diesem Abschnitt.
1483) Beschuldigtenvernehmung von Tom T. vom 21. Januar 1997,
MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff. (176, 177).
1484) Beschuldigtenvernehmung von Kai F. vom 14. Mai 1997, MAT
A TH-2/32, Bl. 560 ff. (561).
Drucksache 17/14600 – 184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
brennen war Geigel und Nachgemache vom ,Ku
Klux Klan’.“1485
Die Staatsanwaltschaft Gera erhob am 15. August 1997
Anklage gegen Uwe Böhnhardt sowie sieben weitere
Personen, darunter André Kapke, Ralf Wohlleben und
Holger Gerlach, wegen Verwendens von Kennzeichen
einer nationalsozialistischen Organisation.
1486
Die Eröffnung des Verfahrens wurde am 25. Januar 2000,
also zweieinhalb Jahre nach Erhebung der Anklage, vom
Amtsgericht Jena mit der Begründung abgelehnt, dass die
Kreuzverbrennung selbst keine strafbare Handlung dar-
stelle und der Hitler- bzw. Kühnengruß unter Ausschluss
der Öffentlichkeit gezeigt worden und somit ebenfalls
nicht strafbar sei. So heißt es in der Begründung des
Nichteröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts Jena:
„Das Merkmal des öffentlichen Verwendens wird
von der Rechtsprechung nicht bejaht, wenn das
Kennzeichen lediglich von durch persönliche Be-
ziehung verbundene Personen bzw. Personenkreise
wahrgenommen werden kann und nicht nach au-
ßen dringt. So lag es hier.“1487
bb) Verbindungen der Quelle Q1 und eines
weiteren Thüringer Mitglieds zum „EWK
KKK“ um Achim S.
In Bezug auf das Trio hat der Untersuchungsausschuss
neben der Tatsache, dass der Gruppenführer der ermorde-
ten Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter zeitweilig Mit-
glied im „EWK KKK“ war1488, außerdem festgestellt,
dass die Quelle Q1 des BfV, die in einer Kontaktliste des
Mundlos aufgeführt war
1489, Kontakt zum „KKK“ hatte.
Zugleich gab sie Informationen als V-Mann über den
„EWK KKK“ an den Verfassungsschutz weiter. Außer-
dem hatte Q1 im Jahr 1995, einige Jahre vor dem Unter-
tauchen des Trios unmittelbar Kontakt zu Uwe
Mundlos.
1490
Zudem gab es auch ein Thüringer Mitglied im „EWK
KKK“ namens René H., der aus Eisenach stammte1491 und
bei „Blood & Honour“ aktiv war.
cc) Achim S. als mutmaßliche Kontaktperson
des untergetauchten Trios?
Ein im Rahmen der Suchoperation „Terzett“ nach dem
untergetauchten Trio gefertigter Vermerk des LfV Sach-
1485) Beschuldigtenvernehmung von Tom T. vom 21. Januar 1997,
MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff. (176, 177).
1486) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Gera vom
15. August 1997 MAT A TH-2/33, Bl. 579 ff.
1487) Beschluss des AG Jena (Az. 114 Js 20864/96 2 Ls jug) vom
25. Januar 2000, MAT A TH-2/33, Bl. 688 f. (689).
1488) Näheres hierzu unter C.II.5.d) und G.X.
1489) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.
1490) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.
1491) Vermerk des LfV BW vom 9. März 2012, MAT A BW-11/4,
Bl. 202 ff. (208).
sen vom 7. März 2000 enthält eine „Zusammenstellung
möglicher Kontaktpersonen“ aus der rechtsextremisti-
schen Skinhead-Szene.
1492
Als einzige Person außerhalb
von Sachsen wird Achim S. genannt. Da zu diesem Ver-
merk keine weiteren Informationen in den Akten zu fin-
den sind, hat der Ausschuss Fragen an die Länder Baden-
Württemberg und Sachsen gerichtet. Das Innenministeri-
um Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 18. Juli
2013 („Zwischenbericht“)
1493
geantwortet, dass dieser
Vermerk damals nicht beim LfV Baden-Württemberg
eingegangen sei. Erkenntnisse zu dem in dem Vermerk
genannten Fall „Terzett“ sowie Erkenntnisse zu den wei-
teren auf der Liste genannten Personen mit Wohnsitz
außerhalb Baden-Württembergs hinsichtlich etwaiger
Bezüge zum NSU lägen beim LfV Baden-Württemberg
nicht vor. Eine abschließende Auswertung der Akten
stehe noch aus. Mit Schreiben vom 22. Juli 2013
1494
hat
das LfV Sachsen den Ausschuss darüber informiert, dass
sich der im Rahmen der Operation „Terzett“ verfasste
Vermerk nicht auf mögliche Kontaktpersonen des Trios
bezogen habe. Vielmehr handele es sich um Kontaktper-
sonen von Andreas G., der Zielperson einer am 9. März
2000 eingeleiteten Observationsmaßnahme war. Hinter-
grund für die Observation seien Erkenntnisse des LfV
Thüringen gewesen, wonach G. berichtet habe, „dass es
den dreien gut gehe.“ Die Liste habe als Handreichung für
die Observationskräfte der Observation des G. dienen
sollen. Damit sollte die Identifizierung von Kontaktperso-
nen des Zielobjekts erleichtert werden. Achim S. sei dem
LfV Sachsen damals aufgrund eines Ermittlungsverfah-
rens aus dem Jahre 1993 wegen Hausfriedensbruchs und
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Orga-
nisationen in Chemnitz bekannt gewesen. Dies ergebe
sich auch aus einem Schreiben des LfV Baden-
Württemberg vom 18. Juli 1994 an das LfV Sachsen.
d) Mitgliedschaft von Polizeibeamten des
Landes Baden-Württemberg im KKK
Der Ausschuss hat sich damit befasst, ob es Verbindun-
gen des „KKK“ zur Polizei in Baden-Württemberg gab.
Ausgangspunkt dieser Prüfung war die Feststellung, dass
der am Tattag verantwortliche Gruppenführer der ermor-
deten Polizistin Michèle Kiesewetter
1495
sowie ein weite-
rer Polizist aus Baden-Württemberg zeitweilig Mitglied
im „KKK“ waren.
Timo H. wurde ebenso wie ein weiterer Polizeibeamter,
Jörg W., Ende 2001 über den Bruder eines Mitgliedes im
Klan, der Polizeibeamter war, als Mitglied des „EWK
KKK“ geworben. Beide waren Vollmitglieder. Jörg W.
1492) MAT A SN-1/12a, S. 30.
1493) Schreiben des baden-württembergischen Innenministeriums
vom 18. Juli 2013, MAT B BW-1.
1494) Übersendungsschreiben des LfV Sachsen vom 22. Juli 2013,
MAT B SN-3, (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 1 ff. (VS-NfD).
1495) Siehe hierzu weiteres auch Näheres hierzu unter C.II.5.d) und
G.X.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185 – Drucksache 17/14600
trat im Mai/Juni 2002, Timo H. im August/September
2002 wieder aus dem „EWK KKK“ aus. Das LfV Baden-
Württemberg hat mitgeteilt, weitere Mitgliedschaften von
Polizeibeamten seien ihm nicht bekannt.
1496
Wie einem Bericht des Innenministeriums Baden-
Württemberg vom 20. August 2012 zu entnehmen ist,
welcher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden
ist, informierte das LfV Baden-Württemberg das Landes-
polizeipräsidium bereits am 3. Juni 2002 in einem persön-
lichen Gespräch über die Mitgliedschaft beider Polizeibe-
amter im „EWK KKK“. Im Mai 2004 bat das Innenminis-
terium Baden-Württemberg das Bereitschaftspolizeipräsi-
dium und die Landespolizeidirektion Stuttgart, diszipli-
narrechtliche Ermittlungen zu veranlassen.
1497
In den
Einlassungen legte der Rechtsvertreter von Timo H. dar,
dass es sich um eine vorübergehende Fehlorientierung
gehandelt habe. Da die beteiligten Personen bei den Tref-
fen sehr zuvorkommend und nett miteinander umgegan-
gen seien und auch viel über die Bibel und das Christen-
tum gesprochen worden sei, habe er der Organisation
primär christliche Ansätze unterstellt.
1498
Auch der
Rechtsvertreter des zweiten betroffenen Beamten legte
dar, dass der „KKK“ eine Art „Kirchenersatz“ für seinen
Mandanten dargestellt habe, er selbst aber nie auf rechts-
extremem oder rassistischem Boden gestanden habe.
1499
Die Tatsache, dass Timo H. Mitglied des „KKK“ gewesen
sei, erfuhr der Einsatzführer Andreas R. im Jahr 2005 von
einem Ermittler, als er als dessen Vorgesetzter um eine
Stellungnahme gebeten wurde.
1500
Die Prüfung disziplina-
rischer Maßnahmen gegen Timo H. wurde am 11. April
2005 mit einer Zurechtweisung im Sinne von § 6 Abs. 2
LDO beendet.
1501
Gegen den zweiten Beamten, Jörg W.,
erging eine Rüge. Der Bericht des Innenministeriums
Baden-Württemberg vom 20. August 2012 stellte fest,
eine Entfernung dieses Beamten aus dem Dienst sei nicht
mehr möglich gewesen. Weshalb gegen ihn jedoch nicht
unverzüglich eine Disziplinarverfügung mit einer anderen
Maßnahme oder ein förmliches Disziplinarverfahren
erlassen bzw. durchgeführt worden sei, lasse sich nicht
mehr aufklären. Im Fall des zweiten Beamten, Timo H.,
seien die Erkenntnisse erstmals im September 2002
vorhaltbar gewesen. Damals hätte bei unverzüglichem
Tätigwerden auch die Entlassung aus dem Dienst wegen
1496) Bericht des LfV BW vom 9. März 2012, MAT A GBA-4/19,
Bl. 369 ff, Bl. 379.
1497) Bericht des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
20. August 2012, „Kontakte von zwei baden-
württembergischen Polizeibeamten zum European White
Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)“,
http://www.innenministerium.baden-
wuerttemberg.de/fm7/2028/Bericht_KKK.pdf.
1498) Schreiben vom 1. September 2004, MAT A GBA-4/19, Bl. 393
ff.
1499) Schreiben vom 2. November 2004, MAT A BW-6, Bl. 1152 ff.
1500) Opferumfeldermittlungen – Maßnahme 321 vom 20. März
2012, GBA-4/19, Bl. 353.
1501) MAT A GBA-4/19, Bl. 396 ff.
mangelnder Bewährung geprüft werden können. Beide
Beamte seien weiterhin im Polizeidienst.
1502
Der Untersuchungsausschuss hat die Frage erörtert, ob es
neben Timo H. und Jörg W. noch weitere Polizeibeamte
im „KKK“ gegeben hat. Aus einem Bericht des LfV Ba-
den-Württemberg vom 9. März 2012 geht hervor, dass
diesem keine weiteren Mitgliedschaften von Polizeibeam-
ten im „KKK“ bekannt seien,1503 drei weitere Polizeibe-
amte jedoch Kontakt zum „EWK KKK“ gehabt hätten.
Allerdings erteilte das BfV nur bezüglich Timo H. und
Jörg W. die Freigabe zu einem Personalgespräch,
1504
da
die Erkenntnisse bezüglich der anderen weder vorhaltbar
noch belegbar gewesen seien.
1505
Die Zeugin Neumann hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss auf Nachfrage nicht genau beziffern können, wie
viele Polizeibeamte am „KKK“ interessiert waren.1506 Der
Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 Präsident
des LfV Baden-Württemberg war, hat dazu erklärt, dass
es sich wohl um drei Personen gehandelt habe, die zu-
mindest Kontakte zum „EWK KKK“ hatten. Dieser Ver-
dacht habe sich im Verlauf der Ermittlungen jedoch nicht
erhärtet.
1507
Auch Achim S. selbst habe mehrfach erwähnt,
dass es nur zwei Polizeibeamte im „EWK KKK“ gebe,
und er mit diesen auch sehr schnell unzufrieden gewesen
sei, da diese sich nicht mehr gemeldet hätten und kein
Interesse mehr am „EWK KKK“ zeigten.1508 Im Juli 2002
führte Achim S. aus, dass er keine weiteren Polizeibeam-
ten aufnehmen wolle, da er fürchte, dass damit Spitzel die
Organisation unterwandern könnten.
1509
Es spreche des-
halb aus Sicht des Zeugen Dr. Rannacher nichts dafür,
dass mehr als zwei Polizeibeamte Mitglieder des „EWK
KKK“ gewesen seien.1510
In einem Artikel der taz vom 9. Februar 2013 wurde be-
richtet, dass Achim S. in einem Abschöpfungsgespräch
den Verfassungsschutz wissen ließ, dass zehn bis zwanzig
Stuttgarter Polizisten am Klan interessiert gewesen sei-
1502) Bericht des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
20. August 2012, „Kontakte von zwei baden-
württembergischen Polizeibeamten zum European White
Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)“,
http://www.innenministerium.baden-
wuerttemberg.de/fm7/2028/Bericht_KKK.pdf.
1503) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (379).
1504) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (23).
1505) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (16).
1506) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 17-18.
1507) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 50.
1508) Dr.Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 50.
1509) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 GEHEIM), Bl. 2302,
2303 (VS-VERTRAULICH).
1510) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 53.
Drucksache 17/14600 – 186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
en.
1511
Dazu hat der Zeuge Dr. Rannacher vor dem Unter-
suchungsausschuss ausgeführt:
„Es gab einen […] Hinweis […] des BfV, dass es
angeblich im Stuttgarter Bereich eine Einheit gebe,
wo es eine Art Stammtisch von einigen Beamten
gebe, die sehr radikal seien. Das ist aber auch nie
in irgendeiner Weise verifiziert worden. Es gab
keinerlei Bestätigungen in diese Richtung.“1512
Im September 2002 wurde dem LfV Baden-Württemberg
bekannt, dass es einen Hinweisgeber geben müsse, der
Achim S. mit vertraulichen Informationen, zunächst per E-
Mail, dann über ein „Chat-Gespräch“ versorgt hatte.1513
Aufgrund des Chatgesprächs hätten Rückschlüsse auf
einen „Spitzel“ gezogen werden können, da der Hinweis-
geber Achim S. in dem Gespräch vor einem solchen in den
eigenen Reihen warnte. In einem Schreiben vom
14. Oktober 2012 führte der ehemalige Präsident des LfV
Baden-Württemberg, Dr. Rannacher, zu diesem Sachver-
halt aus, der V-Mann habe über einen beachtlichen Zu-
gang zur rechtsextremen Szene verfügt. Die Informatio-
nen zum „EWK KKK“ seien dagegen lediglich Rander-
kenntnisse gewesen.
1514
Die Zeugin Neumann hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss am 18. April 2013 ausgesagt, dass zunächst nicht
klar gewesen sei, aus welchem Bereich der Hinweisgeber
stamme, da eine Vielzahl von Personen mit dem Gesamt-
komplex „KKK“ innerhalb des LfV Baden-Württemberg
beschäftigt gewesen seien.
1515
Ab September bis Ende
2002 wurden aufwendige Aufklärungsmaßnahmen auf
Grundlage des o. g. Chatprotokolls durchgeführt, um den
Hinweisgeber ausfindig zu machen. Da im Chat-Gespräch
auch Informationen preisgegeben wurden, die man zuvor
aus der G 10-Maßnahme gegen Achim S. erhalten hatte,
musste der entsprechende Chatpartner in dieser Stelle
tätig gewesen sein.
1516
Im Verlauf der Ermittlungen erhärtete sich der Verdacht
auf einen bestimmten Beamten aus dem LfV. Laut Aus-
sage des Zeugen Dr. Rannacher reichte die Erkenntnisba-
sis jedoch nicht aus, um offiziell ein Straf- oder Diszipli-
narverfahren einzuleiten.
1517
Es wurde daher die Sicher-
heitslösung gewählt, den Beamten mit dem Vorwurf zu
konfrontieren. Grund dafür war auch die mögliche Quel-
lengefährdung bei Einleitung eines Disziplinarverfah-
1511) taz online, MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 GEHEIM), Bl.
1668 (VS-VERTRAULICH).
1512) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 59.
1513) Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem Euro-
pean White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom
24. Oktober 2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff (12, 20).
1514) MAT A BW-11/3, Bl. 56 ff. (56, 57).
1515) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 20.
1516) Schreiben Dr. Rannacher an Bube vom 15. Oktober 2012,
MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (12); Dr. Rannacher, Protokoll-Nr.
65, S. 64.
1517) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 64
rens.
1518
Die Konfrontation fand im Rahmen eines Perso-
nalgesprächs im Februar 2003 statt.
1519
Dem Beamten
wurde mit sofortiger Wirkung die Ermächtigung zum
Umgang mit Verschlusssachen entzogen und Hausverbot
erteilt. Der Beamte gab bei dem Gespräch nicht zu, die
ihm vorgeworfene Handlung begangen zu haben, bestritt
sie aber auch nicht. Mit seiner Abordnung zum Regie-
rungspräsidium Stuttgart war er einverstanden.
1520
Dem
Regierungspräsidium Stuttgart wurde mitgeteilt, dass die
Abordnung aufgrund eines Sicherheitsvorkommnisses
erfolgte. Details wurden hierzu nicht erläutert.
1521
e) Rolle des Achim S. im „Ku-Klux-Klan“
Achim S. gehörte nach eigenen Angaben seit ca. 1990 der
rechtsextremistischen Szene an und wurde in der Presse
als ehemaliger V-Mann des LfV Baden-Württemberg
bezeichnet.
1522
Diesem Verdacht hat Achim S. in einem
Interview mit der Bild widersprochen.
1523
Vom Untersu-
chungsausschuss ist die Rolle von Achim S. als Gründer
und Leiter des „EWK KKK“ näher beleuchtet worden.
1994 wurde von Achim S. eine Skinhead-Band unter dem
Namen „Wolfsrudel“ gegründet. 1997 fand er neue
Bandmitglieder und gründete die Band „Höllenhunde“,
welche 1999 aufgelöst wurde. Anschließend gründete er
die Band „Celtic Moon“. Die Band „Wolfsrudel“ bestand
daneben als Soloprojekt weiter. Zwischen 1998 und 2000
trat Achim S. bei zahlreichen Veranstaltungen im gesam-
ten Bundesgebiet auf, u. a. bei Veranstaltungen der NPD
und den „Jungen Nationaldemokraten“.1524
Achim S. gehörte nach eigenen Angaben zwischen 1998
und 2000 den „International Knights of the Ku Klux
Klan“ an. Er verließ diese im Jahr 2000, gründete am
1. Oktober 2000 die „European White Knights of the Ku
Klux Klan“1525 und agierte dort unter dem Pseudonym
1518) Schreiben Dr. Rannacher an Bube vom 15. Oktober 2012,
MAT A BW-11/3, Bl. 56 ff. (57, 58); Stellungnahme zum
Schreiben des LfV vom 29. Oktober 2012 durch einen Mitar-
beiter des LfV, MAT A BW-11/3, Bl. 68 f. (68).
1519) Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem Euro-
pean White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom
24. Oktober 2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (12); Vermerk
über das Personalgespräch mit dem Hinweisgeber: MAT A
BW-11/3, Bl. 53 f.
1520) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 64; Sicherheitsproblem
2002 beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-
Württemberg im Zusammenhang mit dem European White
Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom 24. Oktober
2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (12).
1521) Aktenvermerk vom 15. Oktober 2012 eines Mitarbeiters des
LfV an Bube, MAT A BW-11/3, Bl. 110 ff. (111).
1522) taz.de, vom 20. Februar 2013 „ Die Reue des Rassisten-Chefs“
oder Stuttgarter-Zeitung-de, vom 27. Mai 2013 „Mit Rassisten
unter einer Decke“.
1523) Bild.de vom 4. November 2012 „Die Beichte der Kapuze“.
1524) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A BW-11/4, Bl. 202 ff. (207).
1525) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 187 – Drucksache 17/14600
„Ryan Davis“.1526 Achim S. wurde kurz danach in den
USA auf einer sog. „Rallye“ zum Klan-Führer („Grand-
Dragon“) ernannt.1527
Am 14. Oktober 2000 wurde die Wohnung von Achim S.
aufgrund eines Ermittlungsverfahrens durchsucht. Dabei
wurden zahlreiche Tonträger, sowie Material, welches die
Mitgliedschaft beim „KKK“ belegte, beschlagnahmt.1528
Mit Urteil vom 15. Dezember 2000 wurde er wegen Ver-
wendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisa-
tionen (§ 86a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB), gemeinschaftli-
cher Volksverhetzung (§§ 130 Abs. 2 Nr. 1 a, b, d, Abs. 4;
25 Abs. 2 StGB) und gemeinschaftlicher Verbreitung
einer Schrift nach dem Gesetz über die Verbreitung ju-
gendgefährdender Schriften (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 6
GjSM, § 25 Abs. 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von
fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.
1529
Im Jahr 2001 wurde der „EWK KKK“ zum Beobach-
tungsobjekt des Verfassungsschutzes erhoben. In der
Folgezeit wurden Observationsmaßnahmen, besonders bei
einer sog. „Jahresrallye“ des „EWK KKK“ am
12./13. Juli 2002 vorgenommen. Zwischen dem 4. Juli
2002 und dem 27. Juli 2002 fand eine G 10-Maßnahme
gegen Achim S. statt.
1530
Am 31. August 2002 folgte eine
Anspracheaktion mehrerer Verfassungsschutzämter bei
Mitgliedern und Sympathisanten des „EWK KKK“.1531
Nachdem sich der Klan-Anführer Achim S., augenschein-
lich vor allem aufgrund familiärer Probleme
1532
, nach der
Anspracheaktion zunächst vom „EWK KKK“ zurückge-
zogen hatte, wurde er Ende 2002 offiziell, auch aufgrund
anderweitiger Verfehlungen, aus dem „EWK KKK“ aus-
geschlossen. Die Klanstrukturen in Baden-Württemberg
wurden durch Gerald P., der zunächst die Ämter von
Achim S. übernommen hatte, im Frühjahr 2003 aufgelöst,
obwohl noch einige Personen dem „KKK“ in der Folge
zugerechnet werden konnten.
1533
Trotzdem vermerkte das
LfV Baden-Württemberg, dass seit Ende 2003 keine Ak-
tivitäten des „EWK KKK“ mehr festgestellt werden konn-
ten.
1534
1526) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A BW-11/4, Bl. 202 ff. (207).
1527) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28).
1528) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A BW-11/4, Bl. 202 ff. (207) .
1529) Urteil des AG Ellwangen vom 15. Dezember 2000 (Az.
1 Ls 11 Js 6877/99 hw), MAT A BW-10/1, Bl. 146 ff.
1530) Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem Euro-
pean White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom
24. Oktober 2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (20).
1531) Vgl. ausführlich unter C.II.5.h).
1532) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 2731 ff.
1533) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 2783 ff. (2786).
1534) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28, 29).
f) V-Personen im „EWK KKK“
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob im „KKK“
V-Leute aktiv waren.
Der Ausschuss hat festgestellt, dass das LfV Baden-
Württemberg ab Mitte der 90er Jahre eine V-Person ge-
führt hatte, die aus einem NPD-Kreisverband und einer
Skinhead-Szene berichtete.
1535
In einem Bericht vermerk-
te das LfV Baden-Württemberg, dass die V-Person in
ihrer Zeit als Quelle nachrichtenehrlich, jedoch nicht
zuverlässig gewesen sei.
1536
Über den Internetchat „Combat 18“ teilte die V-Person
mit, dass sie Mitglied im „KKK“ sei. Gegenüber ihrem V-
Mann-Führer hatte diese Mitgliedschaft jedoch nie zuvor
eine Erwähnung gefunden. Als die V-Person anschließend
damit konfrontiert wurde, bestritt sie die Aktivitäten und
leugnete die Mitgliedschaft im KKK. Durch eine Polizei-
Mail im September 2000 im Nachgang zu einer
Gefährderansprache wurde die Mitgliedschaft jedoch
bestätigt. Da auch ihre Kontakte im Skinhead-Bereich und
im Bereich der NPD kontinuierlich abnahmen, wurde die
V-Person wegen Unzuverlässigkeit im November 2000
abgeschaltet.
1537
Nach ihrer Abschaltung nahm das BfV erstmalig im
Sommer 2002 im Rahmen der Gefährderansprache
1538
Kontakt zu der V-Person auf. Eine erneute Kontaktauf-
nahme zum LfV Baden-Württemberg erfolgte auf Initiati-
ve der ehemaligen V-Person Mitte 2003, woraufhin ein
Treffen mit ihr und einem Mitarbeiter des LfV stattfand.
Die ehemalige V-Person hatte angekündigt, umfangreiche
Informationen zum „KKK“ offenbaren zu wollen und
suchte dafür einen adäquaten Ansprechpartner.
1539
Der
Zeuge Dr. Rannacher hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss ausgeführt, dass das BfV an einem solchen Ge-
spräch ausgesprochen interessiert gewesen sei.
1540
Die
ehemalige V-Person des LfV Baden-Württemberg über-
gab anlässlich dieser Gespräche u. a. einige Unterlagen,
die Einblick in die Denkstrukturen des „EWK KKK“
boten und gab Namen von aktiven und ehemaligen Mit-
gliedern preis. Auch ging es in den Gesprächen um einen
anonymen Hinweisgeber aus den Reihen des LfV Baden-
Württemberg sowie um die Zugehörigkeit zweier Polizei-
beamter zum „EWK KKK“ bzw. um Interessensbekun-
dungen mehrerer Polizeibeamter an dieser Organisation.
Ein Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg wies beim
letzten Gespräch die ehemalige V-Person darauf hin, dass
es keinen Anlass für eine weitere Kontaktaufnahme ge-
1535) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 4929 ff. (4929).
1536) MAT A BW-10/4 (Tgb.-Nr.144/13 – GEHEIM).
1537) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 4929 ff. (4230).
1538) vgl. ausführlich unter C.II.5.h).
1539) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr.143/13 – VS-VERTRAULICH) Bl.
1662 ff., 1667 ff.
1540) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 52.
Drucksache 17/14600 – 188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
be.
1541
Im Herbst 2012 meldete sich die ehemalige V-
Person via E-Mail beim LfV Baden-Württemberg und bat
darin um Kontaktaufnahme. Auf Weisung der Präsidentin
wurde dies unterlassen.
1542
g) Q1 und der „KKK“
Der Zeuge G. B. hat vor dem Untersuchungsausschuss
erläutert, wie es zum Einsatz von Q1 im Bereich des
„KKK“ gekommen sei. Nach Rücksprache und auf aus-
drückliches Drängen der V-Mann-Führung sei Q1 dann in
diesem Bereich angesetzt worden.
1543
Er berichtete in der
Folgezeit ab Ende der 1990er oder Anfang der 2000er
Jahre mehrfach und intensiv über den „KKK“ in Deutsch-
land. Dies war möglich, da er in engem Kontakt zu maß-
geblichen Kreisen in Deutschland stand.
1544
Eine Er-
kenntnisanfrage des BKA beantwortete das LfV im
Sommer 2012. Darin teilte es mit, Kontakte zu anderen
Mitgliedern des „EWK KKK“ seien nicht belegbar. Den
Verfassungsschutzbehörden lagen Anfang der 2000er
Jahre Informationen über Mitglieder des „KKK“ vor,
insbesondere auch aus dem Kreis von Polizeibeamten aus
Baden-Württemberg, über den Aufbau und Strukturen des
„KKK“ in Deutschland, die Verbindungen zu den USA,
über Publikationen sowie über Veranstaltungen der rassis-
tischen Vereinigung.
1545
Festzustellen bleibt auch, dass sich Q1 auf einer Kontakt-
liste von Mundlos befand.
1546
h) Aktivitäten des Carsten Szczepanski im
Zusammenhang mit dem „KKK“
Carsten Szczepanski gab in der Rolle als V-Mann in ins-
gesamt fünf Gesprächen im Jahr 1998 Hinweise zum
Trio.
1547
Auch er stand im Zusammenhang mit „KKK“-
Aktivitäten:
Im September/Oktober 1991 wurden Flugblätter des
„KKK“ sowie die Zeitschrift Das Feuerkreuz des „KKK“
in Berlin verteilt. Im Oktober 1991 berichtete der Fern-
sehsender RTL in der Sendung Explosiv über ein im Vor-
monat stattgefundenes Treffen von „KKK“-Anhängern.
Dort fand eine Kreuzverbrennung statt, Hakenkreuzfah-
nen wurden gezeigt und der „Hitlergruß“ entboten. Unter
Beteiligung des amerikanischen Klanangehörigen Mahon
wurde diese Veranstaltung durch Carsten Szczepanski in
Halbe, Landkreis Königs Wusterhausen, organisiert. Auf-
grund dieses Sachverhalts wurde am 30. Oktober 1991 ein
Ermittlungsverfahren durch die Polizei in Königs Wuster-
1541) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr.143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1662 ff., 1667 ff.
1542) MAT A BW-10/4 (Tgb.-Nr. 144/13 – GEHEIM).
1543) G.B., Protokoll-Nr. 64, Bl. 14, 15 (GEHEIM).
1544) G.B., Protokoll-Nr. 64, S. 15 (GEHEIM).
1545) Vermerk des BfV vom 12. Februar 2001, hierzu MAT A BfV-
4/10 Bd. I (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 35-45
1546) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.
1547) Siehe unter E.III.6.h)bb) und D.III.1.k).
hausen eingeleitet, das später an den Generalbundesan-
walt abgegeben wurde.
1548
Im Dezember 1991 wurde in Berlin eine von Carsten
Szczepanski angemietete Wohnung in einem verwahrlos-
ten Zustand durch die Vermieter aufgefunden. Die hinzu-
gezogene Polizei fand in der Wohnung vier Rohrbomben-
körper, chemische Substanzen und Flugblätter des
„KKK“.
Das Verfahren des GBA nach § 129a StGB richtete sich
gegen Carsten Szczepanski, Mahon und 33 weitere Be-
schuldigte wegen des Verdachts der Gründung bzw. Mit-
gliedschaft oder Unterstützung einer Teilorganisation des
amerikanischen „KKK“, wurde jedoch am 1. September
1992 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels eines hinrei-
chenden Tatverdachts eingestellt und aufgrund der damit
entfallenen Zuständigkeit des GBA an die Staatsanwalt-
schaft Berlin zur Verfolgung der verbliebenen strafrecht-
lichen Vorwürfe abgegeben.
1549
Übrig blieben am Ende bzgl. Carsten Szczepanski die
Tatvorwürfe Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz (weil er
Nitro-Methan in seinem Besitz hatte), ggf. Vorbereitung
eines Sprengstoffverbrechens, Verstöße gegen § 86a
StGB wegen Zeigen des Hitlergrußes und Zeigen einer
Hakenkreuzfahne, zwei Vergehen nach § 131 StGB we-
gen Herstellung und Verbreitung zweier Ausgaben der
Zeitschrift Feuerkreuz und Urkundendelikte wegen des
Besitzes von fremden Reisepässen.
1550
Der GBA stellte in seiner Einstellungsbegründung fol-
gendes fest:
„Es ist davon auszugehen, dass Mitglieder des
KKK auch Katalogstraftaten im Sinne des
§ 129 a StGB begehen, dies jedoch nicht auf alle
Zweige des Klans zutrifft. Es muss deshalb zwi-
schen ihnen unterschieden werden, weil nach dem
Ergebnis der Ermittlungen verschiedene Klans in
Deutschland Fuß gefasst bzw. zu fassen versucht
haben, von denen einige die Anwendung von Ge-
walt ausdrücklich ablehnen und das Vereinsleben
auf harmlose Rituale beschränkt haben, so dass ih-
re etwaigen Teilorganisationen auf deutschem Bo-
den den Tatbestand des § 129 a StGB nur dann er-
füllen könnten, wenn sie eigene, weitergehende
Ziele verfolgten. Da die deutschen KKK-Gruppen
untereinander nicht verbunden sind – es bestehen
nur einige persönliche Kontakte zwischen den
Mitgliedern – und auch keine gemeinsame Dach-
organisation haben, müssen sie jeweils einzeln
überprüft werden (AZ.: 2 BJs 12/92-2).“1551
1548) Schlussbericht des BKA vom 4. August 1992, MAT A GBA-
10c, Bl. 212 ff. (214).
1549) Teilabtrennung und -einstellung des GBA vom 1. September
1992, MAT A GBA-10e, Bl. 222 ff. (222, 229).
1550) Teilabtrennung und -einstellung des GBA vom 1. September
1992, MAT A GBA-10e, Bl. 222 ff.
1551) Teilabtrennung und -einstellung des GBA vom 1. September
1992, MAT A GBA-10e, Bl. 222 ff. (223).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189 – Drucksache 17/14600
Dabei hatten bis zur Einstellung des Ermittlungsverfah-
rens nach § 129a StGB drei der Beschuldigten vollendete
oder versuchte Tötungsdelikte aus rechtsextremen Moti-
ven begangen und befanden sich – bis auf Carsten
Szczepanski – deshalb in Untersuchungshaft, als der Ge-
neralbundesanwalt das Ermittlungsverfahren einstellte:
Stefan S., Carsten Szczepanski und Norman Z.
1552
Stefan
S. misshandelte am 18. März 1992 mit einem weiteren
Naziskinhead den 53-jährigen Seemann Gustav
Schneeclaus in Buxtehude so schwer, dass er an den Fol-
gen der Verletzungen starb. Zuvor hatte Schneeclaus
Hitler als „großen Verbrecher“ bezeichnet. Die Bundes-
regierung erkennt Gustav Schneeclaus als Opfer rechter
Gewalt an.
1553
Stefan S. und sein Mittäter wurden wegen
Totschlags zu Haftstrafen von sechs bzw. acht Jahren
verurteilt. Carsten Szczepanski war der Anführer, als am
9. Mai 1992 eine Gruppe von einem Dutzend Naziskins
den nigerianischen Lehrer und Asylbewerber Steve E. in
einer Diskothek in Wendisch Rietz (Brandenburg) unter
„Ku Klux Klan“-Rufen lebensgefährlich misshandelte.
Norman Z. schlug am 29. August 1992 nachts in Berlin-
Charlottenburg mit einem Baseballschläger auf den woh-
nungslosen Kunstmaler Günther Schwannecke und einen
weiteren Obdachlosen ein und fügte Schwannecke dabei
einen tödlichen Schädelbruch zu. Norman Z. wurde we-
gen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren
Haft verurteilt. Die Bundesregierung nennt Schwannecke
1993 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage
als Todesopfer rechter Gewalt.
1554
Mit Urteil vom 13. Februar 1995 wurde Carsten
Szczepanski vom Landgericht Frankfurt/Oder zu acht
Jahren Haft wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft
an einem nigerianischen Staatsbürger verurteilt. Bei der
am 8. Mai 1992 verübten Tat, an der sieben weitere Per-
sonen beteiligt waren und einige dem Tatgeschehen folg-
ten wurden „Ku Klux Klan“-Rufe im Chor getätigt. Diese
Rufe sollten als Tötungsaufforderung gelten und die
Gruppe anstacheln. In dem Urteil des Landgerichts wur-
den beschlagnahmte Materialien zum „KKK“ zitiert, die
aus dem Besitz des Carsten Szczepanski stammen und
teilweise von diesem verfasst wurden.
1555
Beispielsweise
wird aus der von Carsten Szczepanski verfassten rassisti-
schen Druckschrift Feuerkreuz wie folgt zitiert:
„- Ku Klux Klan –
das war die letzte Warnung, danach gibt es den
Strick, sie kommen immer bei Nacht, sie lieben es
Menschen zu quälen, ihr Haß gilt allen Farbigen
und jüdischen Amerikanern. Die Kapuzenmänner
1552) MAT A GBA-10e, Bl. 63.
1553) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-
09/todesopfer-rechte-gewalt/seite-4.
1554) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-
09/todesopfer-rechte-gewalt/seite-4.
1555) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, MAT A
BB-9/1g, Bl. 15 ff.
träumen von einer reinen arischen Nation. Die Ge-
sellschaft der Mörder ist weiß.“1556
Auch heißt es in dem Urteil zu der Einstellung von Cars-
ten Szczepanski:
„In der erhofften Tötung des Steve E. erblickte der
Angeklagte überdies die Verwirklichung der von
ihm tief verinnerlichten Ziele des ‚Ku-Klux-Klans’
und die Gelegenheit, diese Methoden exemplarisch
zu vollziehen.“1557
i) Maßnahmen der Verfassungsschutzbehör-
den in Bezug auf den „EWK KKK“
aa) Maßnahme des LfV Sachsen und des BfV
Ab Mitte des Jahres 2001
1558
wurde das Mitglied des
„EWK KKK“ Martin E. vom Landesverfassungsschutz
Sachsen näher beleuchtet und observiert.
1559
Auch eine
Erkenntnisanfrage zu seiner Mutter und dessen Lebensge-
fährten wurde vorgenommen.
1560
bb) Maßnahme des LfV BW und des BfV
Am 31. August 2002 fand eine konzertierte
Anspracheaktion der Mitglieder des „EWK KKK“ durch
das BfV und einiger Landesbehörden für Verfassungs-
schutz statt. Ziel war es, eine Verunsicherung der Szene
zu bewirken.
1561
Hierzu fand am 22. August 2002 eine Besprechung im
BfV statt, bei der beschlossen wurde, die Mitglie-
der/Sympathisanten des „EWK KKK“ um Achim S., de-
ren Fahrzeuge in der Nähe einer „KKK“-Veranstaltung
am 12./13. Juli 2002 festgestellt worden waren, gezielt
anzusprechen. Primäre Zielsetzung der Anspracheaktion
war die Informationsgewinnung. Die Sympathisan-
ten/Mitglieder sollten außerdem auf die Risiken ihrer
Mitarbeit beim „KKK“ hingewiesen und darüber infor-
miert werden, dass der „KKK“ in den USA eine zutiefst
rassistische Organisation sei, die auch vor schwersten
Straftaten nicht zurückschrecke. Es sollte erreicht werden,
dass diese Personen in der Folge möglichst aus eigenem
Antrieb Abstand vom „EWK KKK“ nehmen würden.1562
Die Anspracheaktion fand wie geplant durch Mitarbeiter
1556) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, MAT A
BB-9/1g, Bl. 15 ff. (77).
1557) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, MAT A
BB-9/1g, Bl. 15 ff. (97).
1558) Gesprächsnotiz vom 13. September 2001, MAT A SN-12/1,
Bl. 82.
1559) Ermittlungsbericht vom 29. April 2002, MAT A SN-12/1,
Bl. 36.
1560) Erkenntnisse zum Lebensgefährten der Mutter des Martin E.,
MAT A SN-12/1, Bl. 41.
1561) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (23).
1562) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 2401 f.
Drucksache 17/14600 – 190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Landesverfassungsschutzbehörden am 31. August
2002 in fünf Bundesländern gleichzeitig statt.
1563
Der BfV vermerkte am 26. September 2002 zur
Anspracheaktion, dass die Aktion die Zielpersonen über-
rascht getroffen und verunsichert hätte. Es sei davon aus-
zugehen, dass einige Mitglieder ihren Verbleib im „EWK
KKK“ kritisch überdenken würden. Außerdem wurde den
Landesverfassungsschutzämtern anheim gestellt, zur
weiteren Informationsgewinnung die Zielpersonen gege-
benenfalls nochmals zu kontaktieren.
1564
Die Zeugin Neumann hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss ausgeführt, dass die Anspracheaktion ein Erfolg
gewesen sei, da bezüglich des „EWK KKK“ seit Ende
2002/Anfang 2003 keine Erkenntnisse mehr angefallen
seien. Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses,
warum eine solch gezielte Beendigungsaktion vorge-
nommen wurde, obwohl der Klan nach vorheriger Ein-
schätzung der Zeugin Neumann noch so unterschwellig in
seinen Aktionen gewesen sei, dass es keine Anknüp-
fungspunkte für ein Ermittlungsverfahren gegeben ha-
be
1565
, hat diese ausgeführt, dass man frühzeitig habe
einschreiten wollen, damit sich nicht etwas Größeres
entwickle. Dies sei aber auch der einzige Fall gewesen,
bei dem man eine derartige Anspracheaktion zur Beendi-
gung einer Gruppierung angewandt hätte. In anderen
Fällen wisse man oft nicht so frühzeitig, dass sich Struk-
turen bildeten, weshalb eine derartige Ansprache oftmals
nicht möglich sei.
1566
Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses, ob bei der
bundesweiten Anspracheaktion die beiden Polizeibeamten
ebenfalls angesprochen worden seien, konnte die Zeugin
Neumann sich nicht daran erinnern.
1567
Der Zeuge Dr.
Rannacher erklärte hierzu, dass dies nach seiner Erinne-
rung nicht geschehen sei, vermochte sich jedoch nicht
mehr an den Grund dafür zu erinnern.
1568
Der Zeuge Oet-
tinger, von 1981 bis Januar 2013 im Landesamt für Ver-
fassungsschutz Baden-Württemberg tätig, hat hierzu vor
dem Untersuchungsausschuss erklärt, dass die Adressaten
der Gefährderansprache auf Grundlage einer vorherigen
Feststellung von Kfz-Kennzeichen im Vorfeld der „Jah-
resrallye“1569 ausgewählt wurden. Die beiden Polizeibe-
amten seien bei diesem Treffen nicht zugegen gewesen.
Eine entsprechende Gefährderansprache der beiden Poli-
zeibeamten wäre mangels vorhaltbarer Beweise dement-
sprechend nicht zu rechtfertigen gewesen und sei deshalb
nicht erfolgt. Erst durch den Ankauf eines PCs vom Ver-
mieter des Achim S. im Februar 2003, auf denen Fotos der
beiden Polizeibeamten gespeichert gewesen seien, hätten
1563) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 2397.
1564) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 2397 ff. (2400).
1565) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 21, 22.
1566) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 22.
1567) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 25.
1568) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 65.
1569) Näheres hierzu unter C.II.5.i).
dem LfV BW konkrete Beweise der Mitgliedschaft im
„EWK KKK“ vorgelegen, sodass entsprechende Diszipli-
narmaßnahmen hätten eingeleitet werden können.
1570
III. Rolle der Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden bei der Beobachtung der rechts-
extremistischen Szene bis zum 4. Novem-
ber 2011
1. Überblick über die Sicherheitsarchitektur
Der Untersuchungsausschuss hat mehrere Sachverständi-
ge zur Struktur der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden
sowie ihrer Rolle bei der Beobachtung der rechtsextremis-
tischen Szene angehört
1571
und Gutachten
1572
hierzu ange-
fordert.
Die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutsch-
land lässt sich zunächst in die Bereiche der äußeren und
inneren Sicherheit untergliedern. Die äußere Sicherheit
betrifft die Verteidigung gegen äußere Angriffe und die
Sicherung des internationalen Friedens. Die innere Si-
cherheit ist dreigliedrig:
1573
Es wird zunächst aufgrund
des sogenannten Trennungsgebotes zwischen Polizeibe-
hörden und nachrichtendienstlichen Behörden unterschie-
den. Innerhalb der Polizeibehörden erfolgt eine weitere
Differenzierung nach präventiver und repressiver Tätig-
keit.
Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik
Deutschland gibt es Sicherheitsbehörden zudem auf Bun-
des- und auf Landesebene. Dabei sind die Länder primär
zuständig. Für den Bund gilt das Enumerationsprinzip.
1574
a) Dreigliedrigkeit der Inneren Sicherheit
Man unterscheidet repressive, präventiv-polizeiliche und
präventiv-nachrichtendienstliche Maßnahmen.
Die Strafverfolgung obliegt insbesondere den Staatsan-
waltschaften und Strafgerichten, aber auch der Polizei.
Die präventiv-polizeiliche Tätigkeit betrifft die Beseiti-
gung von Gefahren für polizeiliche Schutzgüter. Es geht
um die Beseitigung tatsächlich bestehender, konkreter
Gefährdungen, wobei die Aufklärung des Sachverhalts
eine wichtige Vorstufe darstellt.
Der Polizei ist im Sicherheitsgefüge mithin eine sowohl
repressive als auch präventive Aufgabe zugeschrieben.
1570) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 19 f.; Näheres zu den Diszipli-
narmaßnahmen unter C.II.5.d).
1571) Vgl. Protokoll-Nr. 10 vom 29. März 2012.
1572) Vgl. zum Folgenden insbesondere: Gusy, Gutachten für den
2. Untersuchungsausschuss der 17. WP des Deutschen Bundes-
tages zum Beweisbeschluss S-1, MAT A S-1 und Dr. Wolff,
Überblick über die Entwicklung der Architektur und Arbeits-
weise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Bundes
und der Länder, MAT A S-1/1.
1573) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 10 f.
1574) Vgl. hierzu im Einzelnen C.III.2 und C.III.3.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191 – Drucksache 17/14600
Den sowohl zur Sicherung des staatlichen Strafanspruchs
als auch zur Gefahrenabwehr erforderlichen weitgehen-
den Befugnissen der Behörden stehen wegen der Grund-
rechtsrelevanz dieser Befugnisse erhebliche rechtsstaatli-
che Sicherungen der Betroffenen gegenüber.
Demgegenüber erfolgt die präventiv-
nachrichtendienstliche Aufklärung im Vorfeld der polizei-
lichen Gefahr – im Bereich der Verdachtslagen – und
damit unabhängig vom Vorliegen konkretisierbarer An-
haltspunkte für das Bevorstehen einer Gefahrenlage oder
einer Straftat.
1575
Nachrichtendienste sind im Wesentli-
chen beschränkt auf die Sammlung von Informationen,
um Strukturen, Zusammenhänge und Entwicklungspoten-
ziale bestimmter Bestrebungen und Gruppen aufklären zu
können. Darunter fallen Bestrebungen gegen die freiheit-
lich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder gegen die
gesetzliche Amtsführung ihrer Organe.
Zusammenfassend hat der Sachverständige Prof. Dr.
Wolff erklärt:
„Die Behörde, die alles weiß – Nachrichtendienste
–, soll nicht alles dürfen, und die Behörde, die al-
les darf – Polizei – soll nicht alles wissen.“1576
Die beschriebene Aufgliederung soll den Schutz der Frei-
heitsrechte des Bürgers sichern und die Gefahrenabwehr
effektuieren, indem jeder Behörde die für sie am besten
geeigneten Aufgaben zugeordnet werden.
1577
b) Trennungsgebot
Die strukturelle Trennung der Zuständigkeiten für die
Aufklärung legaler Handlungen einerseits und für die
Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung andererseits, ist
auf das sog. Trennungsgebot zurückzuführen, welches
durch den „Polizeibrief“ der Alliierten Militärgouverneu-
re an den Parlamentarischen Rat begründet wurde.
1578
Das
Schreiben vom 14. April 1949 enthielt die Ermächtigung,
eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Errich-
tung eines Nachrichtendienstes im Grundgesetz zu veran-
kern:
„2. Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestat-
tet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von
Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bun-
desregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten.
Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse ha-
ben.”1579
1575) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Sicherheits- und Ermittlungsbehör-
den des Bundes und der Länder – Aufklärung und Bekämpfung
des Rechtsextremismus, Deutscher Bundestag, Wissenschaftli-
che Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 5.
1576) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.
1577) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.
1578) Der Wortlaut ist abgedruckt bei Dr. Gusy, Das verfassungs-
rechtliche Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichten-
diensten, ZRP 1987, S. 45.
1579) Vgl. Nehm, Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot
und die neue Sicherheitsarchitektur, NJW 2004, S. 3289 f.
Historisch wird diese Vorgabe der Alliierten auf die Er-
fahrungen mit den „Sicherheitsbehörden“ im Dritten
Reich zurückgeführt.
1580
Mit Inkrafttreten des Deutschlandvertrags vom 5. Mai
1955 und der alliierten Verzichtserklärungen kann der
„Polizeibrief” nach überwiegender Meinung heute keine
rechtliche Wirkung mehr entfalten.
1581
In der juristischen
Fachliteratur ist umstritten, ob das Trennungsgebot nun
ein Prinzip des einfachen Gesetzesrechts darstellt oder –
so die wohl herrschende Meinung – Verfassungsrang
besitzt.
1582
Als Grundlage werden zwei Normen aus dem
Grundgesetz und das Rechtsstaatsprinzip, welches sich
insbesondere aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitet, genannt.
Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG spricht von „Zentralstellen“ für
die genannten Aufgaben von Polizei und Verfassungs-
schutz, nicht von einer einzigen Zentralstelle.
1583
Auch
Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG trennt zwischen dem kriminal-
polizeilichen und den nachrichtendienstlichen Bereichen.
Das Trennungsgebot lässt sich in mehrere Ebenen unter-
gliedern
1584
:
Das organisatorische Trennungsgebot besagt, dass es zwei
getrennte Behörden für Polizei und Nachrichtendienste
geben muss. Diese dürfen nicht zusammengelegt wer-
den.
1585
Dadurch soll eine Kumulation der jeweiligen –
weitreichenden – Befugnisse in einer Hand verhindert
werden.
Auf einer weiteren Ebene steht das kompetenzielle oder
befugnisrechtliche Trennungsgebot. Es bestimmt die
Aufgabenverteilung sowie die unterschiedlichen Befug-
nisse der jeweiligen Behörden gegenüber den Bürgern.
Gleichzeitig verbietet es eine Verschiebung von Aufgaben
oder eine wechselseitige Unterstützung, die zu einer Um-
gehung dieser Bestimmungen führen würde. Polizeiliche
Befugnisse wie die Festnahme, Wohnungsdurchsuchung
oder Mittel der Gewaltanwendung dürfen die Nachrich-
tendienste daher nicht erhalten.
1586
Das personelle Trennungsgebot besagt, dass eine Person
nicht gleichzeitig für die Polizei und den Verfassungs-
schutz tätig sein darf.
Eine weitere Ebene stellt das informationelle Trennungs-
gebot dar, welches die Erhebung sowie den Austausch
von Informationen betrifft, die durch die jeweils spezifi-
schen Eingriffsbefugnisse erlangt worden sind. Diese
Fragen sind in der Fachliteratur umstritten.
1587
Das Bun-
desverfassungsgericht hat dazu im April 2013 geurteilt.
1580) Ausführlich zum Trennungsgebot: Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 9
ff. und Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 17-21.
1581) Nehm, Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot und die
neue Sicherheitsarchitektur, NJW 2004, S. 3290.
1582) BVerfG, 1 BvR 1215/07 vom 24. April 2013.
1583) Dr. Gusy, ZRP 1987, S. 45, 46 f.
1584) Vgl. zum Trennungsgebot Gusy, MAT A S-1, Bl. 9 ff.
1585) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.
1586) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.
1587) Siehe hierzu ausführlich unter C.III.3.c).
Drucksache 17/14600 – 192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Zuständigkeit für die Bekämpfung des
Rechtsextremismus
Durch die funktionale Trennung zwischen Polizei und
Nachrichtendiensten gibt es eine Vielzahl von Sicher-
heits- und Ermittlungsbehörden, die mit der Aufklärung
sowie der Bekämpfung des Rechtsextremismus befasst
sind.
Zunächst ist immer eine Zuständigkeit des Verfassungs-
schutzes gegeben, sobald sich rechtsextremistische Be-
strebungen gegen die freiheitlich demokratische Grund-
ordnung richten. Parallel hierzu wird eine polizeiliche
Zuständigkeit begründet, sobald Straftaten bevorstehen
oder begangen werden oder eine konkrete Gefahr für
polizeilich geschützte Rechtsgüter besteht. Hierbei kann
es um die Benutzung von NS-Kennzeichen gehen, aber
auch um Nötigung, Bedrohung oder Straftaten nach dem
Versammlungsgesetz.
Folglich gibt es einen breiten Bereich der Doppelzustän-
digkeit, für den Zusammenarbeits- und Unterstützungs-
pflichten gelten.
1588
Probleme können in diesem Zusam-
menhang unter anderem dadurch entstehen, dass relevante
Informationen bei verschiedenen Behörden anfallen, ohne
an einer Stelle zusammengeführt zu werden oder dadurch,
dass die beteiligten Behörden aufgrund politischer Vorga-
ben unterschiedliche Aufklärungsstrategien verfolgen und
sich gegenseitig behindern.
1589
Problematisch ist weiter-
hin, wenn die Behörden in einem konkreten Fall unter-
schiedliche Ziele verfolgen. Beispielsweise will ein Nach-
richtendienst eine bestimmte Organisation beobachten,
während die Polizei von ihr ausgehende Gefahren abweh-
ren will. Die polizeiliche Aufgabenerfüllung erfordert
häufig Aktivitäten, die nach außen hin sichtbar sind und
von den Betroffenen bemerkt werden. Dieser Umstand
kann eine Observation durch den Nachrichtendienst verei-
teln.
1590
Für die Gefahrenabwehr sowie die Strafverfolgung im
Zusammenhang mit rechtsextremistischen Straftaten sind
auf Landesebene die Landespolizeibehörden und auf
Bundesebene unter bestimmten Umständen das Bundes-
kriminalamt (BKA) sowie die Bundespolizei zuständig.
Die Sachleitungskompetenz für die Strafverfolgung liegt
bei der Staatsanwaltschaft und in bestimmten Fällen beim
Generalbundesanwalt.
Zu den Nachrichtendiensten zählen hingegen die Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder, das Bundesamt für
Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst sowie
der Militärische Abschirmdienst.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Sicher-
heitsarchitektur auf den Prinzipien der Arbeitsteilung,
Bundestaatlichkeit und Kooperation basiert.
1591
1588) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 21 f.
1589) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 41.
1590) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 21 f.
1591) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 1.
d) Aufsichts- und Kontrollgremien
aa) Kontrolle durch Aufsichtsbehörden
Für den Bund und die Länder gilt ein grundgesetzlich
vorgeschriebenes Hierarchieprinzip, nach dem die Auf-
sicht von der Stelle wahrgenommen wird, in deren Ge-
schäftsbereich eine Behörde organisiert ist. Die politische
Verantwortung gegenüber dem Parlament trägt dabei
derjenige, der im Rahmen der Aufgabenverteilung die
oberste Aufsicht hat.
1592
Das Bundesministerium des Innern übt sowohl die Fach-
als auch die Rechtsaufsicht über das BfV
1593
sowie über
das BKA aus. Auch die Bundespolizei untersteht gemäß
Art. 57 Abs. 2 S. 2 BPolG unmittelbar dem BMI und
damit dessen fachlichen und rechtlichen Weisungsrech-
ten.
Der BND ist gemäß § 1 Abs. 1 BNDG dem Geschäftsbe-
reich des Bundeskanzleramtes zuzuordnen und unterliegt
mithin dessen Fach- und Rechtsaufsicht.
Der MAD ist gemäß § 1 MADG dem Bundesministerium
der Verteidigung unterstellt und dessen Fach- und
Rechtsaufsicht unterworfen.
Der GBA ist dem Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums der Justiz untergeordnet und untersteht gemäß § 147
GVG dessen Aufsicht.
Das Recht der Aufsicht und Leitung hinsichtlich aller
staatsanwaltschaftlichen Beamten eines Landes steht der
betreffenden Landesjustizverwaltung zu. Ein General-
staatsanwalt hat die Aufsicht über alle Beamten der
Staatsanwaltschaften seines Bezirks.
Auf Landesebene sind die jeweiligen Landesinnenmini-
sterien für die Aufsicht über ihre Polizeibehörden sowie
ihre Verfassungsschutzbehörden zuständig. Dies ergibt
sich aus den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen
zum Polizei- und Verfassungsschutzrecht.
bb) Parlamentarische Kontrolle
Wie alle anderen Organe, Einrichtungen und Tätigkeits-
felder der vollziehenden Gewalt des Bundes unterliegt die
nachrichtendienstliche Tätigkeit der Kontrolle des Deut-
schen Bundestages.
1594
Nur über die parlamentarische
Kontrolle ist das Tätigwerden der Nachrichtendienste
1592) Vgl. hierzu und zum Folgenden: Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl.
43 ff., Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 60 ff.
1593) Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG.
1594) BVerfGE 124, 161 (191); Wolff, Der nachrichtendienstliche
Geheimschutz und die parlamentarische Kontrolle, JZ 2010,
S. 173 (175); Achterberg/Schulte in: v. Mangoldt/Klein/Starck,
Kommentar zum Grundgesetz Bd. 2, Art. 45d, Rn. 12; Kret-
schmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Grundgesetz
Kommentar, 12. Auflage 2011, Art. 45d, Rn. 5, 7;
Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrich-
tendienste, NVwZ 2000, S. 387 (389).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193 – Drucksache 17/14600
demokratisch legitimiert.
1595
Da die parlamentarische
Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit wegen des
notwendigen Schutzes der betroffenen Sachmaterie auf
besondere Geheimhaltung angewiesen ist, ist diese Auf-
gabe dem eigens dafür geschaffenen Parlamentarischen
Kontrollgremium zugewiesen worden.
1596
Mit der Einfü-
gung des Artikel 45d ins Grundgesetz (GG) hat dies der
Verfassungsgeber nunmehr klargestellt: Das Gremium hat
die Aufgabe der „Kontrolle der nachrichtendienstlichen
Tätigkeit des Bundes“.1597 Kontrollrahmen, Organisation
und Befugnisse des Gremiums sind im Gesetz über die
parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätig-
keit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG) gere-
gelt.
Nicht umfasst von der Kontrolle des PKGr des Bundesta-
ges sind die Verfassungsschutzbehörden der Länder.
Deren Kontrolle obliegt den Landtagen.
2. Ermittlungsbehörden
a) Abgrenzung der Zuständigkeit von GBA
und Landesstaatsanwaltschaften
Die Strafverfolgung ist nach der Kompetenzverteilung des
Grundgesetzes (Art. 30, 92 GG) grundsätzlich Ländersa-
che. Art. 96 Abs. 5 GG regelt jedoch, dass bestimmte
Strafsachen der Gerichtsbarkeit des Bundes unterlie-
gen,
1598
beispielsweise das Gebiet des Staatsschutzes (Art.
96 Abs. 5 Nr. 5 GG). Durch Bundesgesetz kann vorgese-
hen werden, dass Gerichte der Länder die Gerichtsbarkeit
des Bundes ausüben. § 120 Gerichtsverfassungsgesetz
(GVG) überträgt die Gerichtsbarkeit des Bundes auf die
Oberlandesgerichte. Die zentrale Zuständigkeit des Gene-
ralbundesanwalts beim Bundesgerichtshof wird hierdurch
nicht beeinträchtigt. Er übt das Amt des Staatsanwalts
auch vor den im ersten Rechtszug zuständigen Oberlan-
desgerichten aus (§§ 142a, 120 Abs. 1 und 2 GVG).
Primär ist die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
für die Staatsschutzdelikte wie zum Beispiel Friedens-,
Hoch- und Landesverrat, aber auch insbesondere die
Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB)
gegeben. Hier ist der Generalbundesanwalt grundsätzlich
zur Strafverfolgung berufen, es sei denn, es handelt sich
um Fälle minderer Bedeutung (§§ 120 Abs. 1, 142a Abs.
2 und 3 GVG).
§ 120 Abs. 2 GVG behandelt demgegenüber die Fallkons-
tellationen, in denen der Generalbundesanwalt das Recht
hat, mit Blick auf einen möglichen Staatsschutzbezug und
wegen der „besonderen Bedeutung“ des Falles die Ermitt-
lungen und das Strafverfahren zu übernehmen (sog. Evo-
1595) Hermes, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage,
Supplementum 2010, Art. 45d, Rn. 1.
1596) Gesetzesbegründung zu Artikel 45d GG, Drs. 16/12412, S. 4.
1597) Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom
17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1977).
1598) Voßkuhle in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum
Grundgesetz, 5. Auflage, Art. 96, Rn. 24.
kationsrecht). Gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG begründen
zum Beispiel Gewalttaten, wie Mord, Totschlag, erpresse-
rischer Menschenraub, Geiselnahme und Vorbereitung
eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens unter fol-
genden Voraussetzungen das Evokationsrecht des Gene-
ralbundesanwalts: Die Tat muss hier nach den Umständen
bestimmt und geeignet sein,
a) den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu
beeinträchtigen,
b) Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik
Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen
oder zu untergraben,
c) die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutsch-
land stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts
oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beein-
trächtigen oder
d) den Bestand oder die Sicherheit einer internationa-
len Organisation zu beeinträchtigen.
Außerdem muss eine besondere Bedeutung des Falles
vorliegen. Nur dann kann der Generalbundesanwalt seine
Zuständigkeit annehmen und den Fall an sich ziehen. Die
Rechtsprechung des BGH stellt an die Bejahung der „be-
sonderen Bedeutung“ strenge Anforderungen: Eine be-
sondere Bedeutung des Falles liegt danach nur vor, wenn
es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtsgutver-
letzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erhebli-
chem Gewicht handelt, das die Schutzgüter des Gesamt-
staates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass
ein Einschreiten des GBA und eine Aburteilung durch ein
Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist.
Dem GBA steht hierbei kein Beurteilungsspielraum zu,
seine Entscheidung über die Annahme der Zuständigkeit
ist im Falle der Anklage in vollem Umfang gerichtlich
überprüfbar.
1599
Bei der Prüfung der Zuständigkeit des Generalbundesan-
walts gilt zunächst der Maßstab des § 152 Abs. 2 StPO,
d. h. es müssen „zureichende Anhaltspunkte“ für eines der
in den Katalogen des § 120 GVG aufgeführten Delikte
vorliegen. Auf dieser Rechtsgrundlage des § 152 Abs. 2
StPO ist die aktive Ausschöpfung aller verfügbaren Er-
kenntnisquellen zulässig und geboten. In Betracht kom-
men nicht nur hausinterne Abklärungen und Erkenntnis-
anfragen an Polizei und Nachrichtendienste, sondern auch
konkrete Aufträge an das BKA. Gegebenenfalls ist auch
die (informatorische) Befragung von Personen erforder-
lich. Im Übrigen soll fallbezogen eine Information durch
die bereits ermittelnde Staatsanwaltschaft im Rahmen von
Nr. 202 RiStBV erfolgen.
1600
Nr. 202 RiStBV lautet:
1599) BGH, Beschl. vom 22. Dezember 2000, BGHSt. 46, 238, 253
(„Eggesin“). Im Ermittlungsverfahren unterliegt die Annahme
der „besonderen Bedeutung“ einer lediglich eingeschränkten
Überprüfbarkeit, vgl. Diemer, Erhebungen des Generalbundes-
anwalts zur Klärung des Anfangsverdachts im Rahmen von
ARP-Vorgängen, NStZ 2005, 666, 667 (Willkürgrenze).
1600) Vgl. Diemer, Erhebungen des Generalbundesanwalts zur Klä-
rung des Anfangsverdachts im Rahmen von ARP-Vorgängen,
NStZ 2005, 666, 667.
Drucksache 17/14600 – 194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlan-
desgerichte im ersten Rechtszug gehören
(1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer
zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten
Rechtszug gehörenden Straftat (§ 120 GVG,
Art. 7, 8 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes)
ergibt, übersendet der Staatsanwalt mit einem Be-
gleitschreiben unverzüglich dem Generalbundes-
anwalt.
(2) Das Begleitschreiben soll eine gedrängte Dar-
stellung und eine kurze rechtliche Würdigung des
Sachverhalts enthalten sowie die Umstände ange-
ben, die sonst für das Verfahren von Bedeutung
sein können. Erscheinen richterliche Maßnahmen
alsbald geboten, so ist hierauf hinzuweisen. Das
Schreiben ist dem Generalbundesanwalt über den
Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmit-
telbar bei gleichzeitiger Übersendung von Ab-
schriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten.
(3) Der Staatsanwalt hat jedoch die Amtshandlun-
gen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzuge
ist; dringende richterliche Handlungen soll er nach
Möglichkeit bei dem Ermittlungsrichter des Bun-
desgerichtshofes (§ 169 StPO) beantragen. Vor
solchen Amtshandlungen hat der Staatsanwalt,
soweit möglich, mit dem Generalbundesanwalt
Fühlung zu nehmen; Nr. 5 findet Anwendung.
(4) Die Pflicht der Behörden und Beamten des Po-
lizeidienstes, ihre Verhandlungen in Strafsachen,
die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im
ersten Rechtszug gehören, unmittelbar dem Gene-
ralbundesanwalt zu übersenden (§ 163 Abs. 2
Satz 1 StPO; § 142a Abs. 1 GVG), wird durch
Abs. 1 nicht berührt.“
b) Abgrenzung der Aufgaben der Polizeibe-
hörden Bund/Land
In der bundesstaatlichen Sicherheitsarchitektur Deutsch-
lands haben primär die Länder die Zuständigkeit, die
Sekundärzuständigkeit des Bundes ist auf die durch das
Grundgesetz zugewiesenen konkreten Aufgaben be-
grenzt.
1601
Dies ergibt sich für das Verhältnis der Landes-
kriminalämter zum Bundeskriminalamt aus § 1 Abs. 3
BKAG, wonach grundsätzlich die Länder für die
„Verfolgung sowie die Verhütung von Straftaten
und die Aufgaben der sonstigen Gefahrenabwehr“
zuständig sind. Eine Beteiligung des BKA kommt in drei
Varianten in Betracht: Im Rahmen seiner Zentralstellen-
funktion (a), aufgrund eigener oder übertragener Strafver-
folgungszuständigkeit (b) und zu Koordinierungszwecken
im Rahmen der Strafverfolgung (c).
1601) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 4.
aa) Zentralstellenfunktion
Regelungen zur Zentralstellenfunktion des BKA finden
sich in § 2 BKAG. Danach wird das BKA in Fällen von
„Straftaten mit länderübergreifender, internationa-
ler oder erheblicher Bedeutung“
unterstützend tätig. Hierzu unterhält es diverse Informati-
onssammlungen, wertet die darin enthaltenen Daten aus
und übermittelt so gewonnene Erkenntnisse an die betrof-
fenen Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der
Länder.
Das BKA unterhält ferner zur Unterstützung der Polizeien
des Bundes und der Länder bei der Gefahrenabwehr so-
wie bei der Strafverfolgung zentrale, u. a. erkennungs-
dienstliche, Einrichtungen und Sammlungen. Auf Ersu-
chen der Länder unterstützt es die Polizeien des Weiteren
bei deren Datenverarbeitung. Unter die Zentralstellen-
funktion des BKA wird darüber hinaus auch die Zustän-
digkeit für die kriminaltechnische Forschung, das Erstel-
len von Statistiken und der Bereich der Aus- und Fortbil-
dung gefasst.
bb) Strafverfolgungszuständigkeit
Das BKA nimmt in bestimmten Bereichen der internatio-
nalen und der schweren Kriminalität selbst Strafverfol-
gungsaufgaben wahr. Dabei wird es gemäß § 4 Abs. 1
BKAG entweder aufgrund eigener (originärer) Ermitt-
lungszuständigkeit oder gemäß § 4 Abs. 2 BKAG auf-
grund eines Auftrages tätig.
Die originäre Zuständigkeit besteht
– bei bestimmten schweren Straftaten mit Auslandsbe-
zug,
– bei Straftaten, die sich gegen Bundesorgane richten,
wenn von politischen Motiven auszugehen ist,
– in Fällen bestimmter international organisierter Straf-
taten,
– und wenn Schutzgüter des Bundes selbst betroffen
sind.
Darüber hinaus kann die Zuständigkeit des BKA durch
einen Auftrag des Generalbundesanwalts, durch das Ersu-
chen einer zuständigen Landesbehörde oder durch eine
Zuweisung des Bundesinnenministers ausgelöst werden.
cc) Koordinierung bei der Strafverfolgung
§ 18 BKAG regelt die Koordinierungsfunktion des BKA
für die Fälle, in denen eine Straftat den Bereich mehrerer
Länder berührt oder ein Zusammenhang mit einer anderen
Straftat in einem anderen Land besteht und daher die
einheitliche Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben
auf dem Gebiet der Strafverfolgung angezeigt ist.
Das Bundeskriminalamt weist nach Unterrichtung der
betroffenen Behörden im Einvernehmen mit einem Gene-
ralstaatsanwalt und einer obersten Landesbehörde eines
Landes diesem Land alle polizeilichen Aufgaben auf dem
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 195 – Drucksache 17/14600
Gebiet der Strafverfolgung zu, die mit dieser Straftat
zusammenhängen. Innerhalb eines Landes ist dann grund-
sätzlich das Landeskriminalamt zuständig. Die oberste
Landesbehörde kann an dessen Stelle jedoch auch eine
andere Polizeibehörde im Land für zuständig erklären.
Insgesamt normiert also nur § 4 BKAG Exekutivbefug-
nisse für das Bundeskriminalamt. Im Übrigen handelt es
sich um rein informationelle Funktionen des Amtes.
3. Verfassungsschutz
a) Abgrenzung der Aufgaben von Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder und des
BfV
Gemäß § 3 Abs. 1 BVerfSchG besteht die Aufgabe der
Verfassungsschutzämter auf Bundes- wie auf Landesebe-
ne insbesondere darin, Informationen, Nachrichten und
Unterlagen zu sammeln über
„1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche de-
mokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet
sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der
Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes
oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele
haben,
2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche
Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes
für eine fremde Macht,
3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Geset-
zes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf
gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige
Belange der Bundesrepublik Deutschland gefähr-
den,
4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Geset-
zes, die gegen den Gedanken der Völkerverständi-
gung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbe-
sondere gegen das friedliche Zusammenleben der
Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) ge-
richtet sind.“
Darüber hinaus wirken die Verfassungsschutzbehörden
gemäß § 3 Abs. 2 BVerfSchG bei Sicherheitsüberprüfun-
gen mit.
aa) Aufgabenverteilung
Die Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) und den Landesverfas-
sungsschutzämtern (LfV) ergibt sich aus § 5 BVerfSchG.
Es gilt das Enumerationsprinzip: § 5 Abs. 1 BVerfSchG
regelt die grundsätzliche Zuständigkeit der Landesbehör-
den für das Sammeln und Auswerten von Informationen,
Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. Für das BfV ist
eine Zuständigkeit dementsprechend nur in bestimmten
Fällen vorgesehen: Wenn Bestrebungen und Tätigkeiten
im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1-4 BVerfSchG
– sich ganz oder teilweise gegen den Bund richten,
– sich über den Bereich eines Landes hinaus erstrecken
oder
– auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland
berühren.
Des Weiteren ist das BfV auf Ersuchen eines LfV zustän-
dig. Grundsätzlich muss es stets im Benehmen mit der
Landesbehörde für Verfassungsschutz handeln und diese
über alle Unterlagen informieren, deren Kenntnis für das
Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich
ist.
Sofern rechtsextremistische Bestrebungen i.S.v. § 3
BVerfSchG in einem Bundesland existieren, dürfen sie
vom dortigen Landesamt für Verfassungsschutz aufge-
klärt werden. Haben sie darüber hinaus Relevanz für
mehrere Länder oder den Bund, darf auch das Bundesamt
für Verfassungsschutz tätig werden. Es erfolgt dann eine
gegenseitige Unterrichtung. So kann in einer Reihe von
Fällen eine parallele Zuständigkeit begründet sein.
1602
bb) Zusammenarbeit
In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes sind Bund
und Länder gemäß § 1 Abs. 2 und 3 BVerfSchG ver-
pflichtet, insbesondere durch gegenseitige Unterstützung
und Hilfeleistung zusammenzuarbeiten. Diese Zusam-
menarbeit geht inhaltlich über die Pflicht zur Hilfeleis-
tung hinaus, die aufgrund allgemeinen Amtshilferechts
besteht.
1603
Nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG übermitteln die
Landesbehörden für Verfassungsschutz von ihnen ge-
sammelte Informationen, Auskünfte, Nachrichten und
Unterlagen dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie
den anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz,
„soweit es für deren Aufgabenerfüllung erforder-
lich ist“.
Problematisch erscheint, dass das
Erforderlichkeitskriterium durch den Absender anders als
durch den Adressaten beurteilt werden könnte. Dem Be-
richt der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus
lässt sich eine Interpretation des § 5 Abs. 1 BVerfSchG
dahingehend entnehmen, dass die jeweiligen Landesbe-
hörden für Verfassungsschutz selbst beurteilen sollen,
welche Informationen für die Aufgabenerfüllung des BfV
notwendig sein könnten. Dies kritisiert die Kommission
insofern, als dass die Relevanz einer Information für das
Bundesamt für Verfassungsschutz aus diversen Gründen
falsch eingeschätzt werden und diesem in der Folge eine
essentielle Information entgehen könnte.
1604
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ist die Regelung des § 5 Abs. 1 BVerfSchG so auszule-
gen, dass die Verfassungsschutzbehörden anderen Verfas-
sungsschutzbehörden Informationen zur Verfügung stel-
len müssen, ohne diese vorher selbst zu bewerten, um
1602) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 15.
1603) BVerwGE 69, 53.
1604) Bericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,
A-Drs. 488, Rn. 452 ff.
Drucksache 17/14600 – 196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
einer Gesamtbewertung der ersuchenden Verfassungs-
schutzbehörde nicht vorzugreifen. Hiervon seien nur
solche Informationen ausgenommen, die mit Sicherheit
als unerheblich für die Auswertung der anderen Verfas-
sungsschutzbehörde angesehen werden könnten, wie
bedeutungslose Tatsachen oder als unrichtig erkannte
Informationen.
1605
Zur Erfüllung der Unterrichtungspflicht sind die Verfas-
sungsschutzbehörden verpflichtet, beim Bundesamt für
Verfassungsschutz gemeinsame Dateien zu führen (§ 6
Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG).
Die Informationsübermittlung in der Gegenrichtung er-
folgt indirekt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz
unterrichtet gemäß § 5 Abs. 3 BVerfSchG die Landesbe-
hörden für Verfassungsschutz über alle Unterlagen, deren
Kenntnis für das Land zum Zweck des Verfassungsschut-
zes erforderlich ist. Es übermittelt folglich nicht den In-
halt der Unterlagen, sondern informiert die Landesbehör-
den lediglich, über welche Unterlagen es verfügt.
1606
b) Grundsätze der V-Personen-Führung
Der Ausschuss hat sich mit der Führung von Vertrauens-
personen („V-Mann“) im BfV und in den Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder befasst, insbesondere im
Bereich Rechtsextremismus.
aa) Allgemeines
Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden ihre
„menschlichen Quellen“ zur Informationsgewinnung: Ein
Informant ist eine Person, die in Einzelfällen oder gele-
gentlich und unaufgefordert den Verfassungsschutzbehör-
den Informationen aus dem Umfeld eines Beobachtungs-
objektes anbietet.
1607
Ein „V-Mann“ wird dagegen vom
Verfassungsschutz „geführt“ und „gesteuert“, das heißt
dass der V-Mann beauftragt wird, bestimmte Informatio-
nen zu beschaffen. Der Verfassungsschutz muss sich
auftragsgemäßes Handeln des V-Mannes zurechnen las-
sen.
1608
Darüber hinaus nutzen die Verfassungsschutzbe-
hörden „Gewährspersonen“. Diese sind keine V-Personen
oder Informanten, sondern leisten logistische oder sonsti-
ge Hilfe
1609
, z. B. in dem sie ihre Wohnung für geheim-
dienstliche Zwecke zur Verfügung stellen. Aus einer
solchen Wohnung können z. B. verdächtige Personen
beobachtet werden.
1610
1605) BVerwGE 69, 53, Rn. 67.
1606) Vgl. zum Informationsfluss zwischen den Verfassungsschut-
zämtern auch C.III.3.c).
1607) BfV,Glossar,
http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/informant.
1608) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 39 f.
1609) DV nd-Mittel Baden-Württemberg, Stand: Dezember 1998,
Ziffer 1.2.5.
1610) http://www.verfassungsschutz-
mv.de/cms2/Verfassungsschutz_prod/Verfassungsschutz/conte
nt/de/_Service/Lexikon/H/index.jsp.
Durch ihre Anwerbung werden Vertrauensleute weder zu
Angehörigen des öffentlichen Dienstes noch zu beliehe-
nen Hoheitsträgern, denn die Lieferung von Informatio-
nen dient zwar der Aufgabenerfüllung der Nachrichten-
dienste, ist selbst aber keine hoheitliche Tätigkeit der
Vertrauensleute.
1611
Zu den Grenzen des Einsatzes von V-Leuten führt der
„Leitfaden Beschaffung“ der Schule für Verfassungs-
schutz, Stand 1/91, Folgendes aus:
„Er wird nur dort eingesetzt, wo mit anderen Mit-
teln der Erkundung mit Rücksicht auf die Erheb-
lichkeit und den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit
der das öffentliche Wohl gefährdet ist, eine ausrei-
chende Beobachtung nicht mehr sicherzustellen
ist.
Die gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes
darf nicht ins Gegenteil verkehrt werden. So dür-
fen VM nicht am Aufbau extremistischer Organi-
sationen, illegaler Kader in Betrieben, der Grün-
dung und Leitung links- und rechtsextremistischer
Terroristengruppen beteiligt sein.“1612
bb) Rechtlicher Rahmen
Der Einsatz von V-Leuten durch das BfV beruht auf
folgenden Regelungen:
Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der
Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und
über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesver-
fassungsschutzgesetz – BVerfSchG) enthält zum Einsatz
von V-Leuten in § 8 Absatz 2 BVerfSchG die Regelung,
dass V-Leute eingesetzt werden dürfen:
„Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Me-
thoden, Gegenstände und Instrumente zur heimli-
chen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz
von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Ob-
servationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarn-
papiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese
sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die
auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher
Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvor-
schrift bedarf der Zustimmung des Bundesminis-
ters des Innern, der das Parlamentarische Kontroll-
gremium unterrichtet.“
Die Verfassungsschutzgesetze der Länder enthalten eben-
falls Regelungen über die Zulässigkeit des Einsatzes von
V-Personen.1613
Die Ausgestaltung des Quelleneinsatzes (das „Wie“) ist
nicht gesetzlich ausgestaltet. In Bund und Ländern beste-
hen jedoch spezielle, als Verschlusssache eingestufte
1611) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 188.
1612) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 16.
1613) Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 1 BayVSG, Art. 6 Abs. 1 ThVSG.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197 – Drucksache 17/14600
Dienstvorschriften für die Informationsbeschaffung.
1614
Die zuständigen Abteilungs- und Behördenleitungen
sind in die Entscheidung über die Werbung und den
Einsatz von Vertrauensleuten eingebunden. Nicht vor-
gesehen ist hierbei die Einbeziehung der Gerichte, der
Aufsichtsbehörden oder der parlamentarischen Kontroll-
gremien.
1615
cc) Die Fachprüfgruppe
Die Werbung und Führung von V-Personen wird im Bun-
desamt für Verfassungsschutz von einer sogenannten
„Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und Kontrolle“
(FPG) begleitet. Sie ist der Behördenleitung direkt unter-
stellt und dient als Kontrollinstrument.
Der Leiter der Fachprüfgruppe im BfV, der Zeuge
Gabaldo, hat ausgesagt, dass neben ihm in der Fachprüf-
gruppe momentan vier Fachprüfer tätig seien. Es handele
sich dabei um einen Fachprüfer für den Bereich „Auslän-
derextremismus und Islamismus“, sowie je einen Fach-
prüfer für „Rechtsextremismus“, „Linksextremismus“ und
„Spionageabwehr“.1616 Die Fachprüfgruppe sei 1986 ins
Leben gerufen worden.
1617
Die Fachprüfgruppe habe ein uneingeschränktes Akten-
einsichtsrecht in alle Operativakten des BfV. Sie müsse
darüber hinaus seitens der Fachabteilung über jeden V-
Mann bereits in der Werbungsphase informiert werden.
Ansonsten bestehe die Pflicht zur Beteiligung bei beson-
ders risikoreichen, sicherheitsrelevanten Geschehnissen.
Darüber hinaus könne sich die Fachprüfgruppe grundsätz-
lich die Fälle aussuchen. Die Prüfungsgesichtspunkte
seien Rechtmäßigkeit des Handelns, Zweckmäßigkeit des
Handelns und unter fachlichen Gesichtspunkten, ob ope-
rativ handwerklich sauber, korrekt, entsprechend den
Standards gearbeitet wurde.
1618
Außerdem prüfe die Fachprüfgruppe die Zahlakten:
„Wir sehen, was an Prämien und Auslagen an die
V-Leute geflossen ist. Wir schließen uns dann
auch kurz mit der ‚Auswertung’ und fragen dort
nach, wie die ‚Auswertung’ die Qualität der Mel-
dungen bewertet, ob die Zahlungen auch wirklich
in dieser Höhe gerechtfertigt sind. Wir fragen na-
türlich auch immer wieder und erwarten das auch
in den Vermerken von den V-Mann-Führern, dass
sie dort reinschreiben, wie der V-Mann das Geld
verwendet. Es ist ja auch immer ein Sicherheits-
problem. Wenn ein V-Mann viel Geld in die Hän-
de bekommt und dieses Geld dann in auffälliger
Art und Weise ausgibt. […]
1614) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 193.
1615) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 194.
1616) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 2.
1617) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 8.
1618) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 6.
Die ‚Auswertung’ bewertet das Meldeaufkommen
in diesem Jahr dieses V-Manns. Und das ist auch
immer sehr aufschlussreich für uns dann, ob sich
das dann im Grunde genommen deckt mit den
Zahlungen oder ob es da eine Diskrepanz gibt;
denn wenn die Prämien beantragt werden, dann
entscheidet ja nicht die ‚Auswertung‘ darüber, ob
die Prämienhöhe gerechtfertigt ist, sondern das
bleibt dann intern im operativen Bereich. Die Vor-
gesetzten des jeweiligen V-Mann-Führers zeich-
nen das dann ab, die Prämienhöhe.“1619
Über die Prüfberichte werde der zuständige Beschaf-
fungsleiter, der Referatsleiter sowie der Sachbearbeiter
informiert. In wichtigen Fällen, in ganz besonders brisan-
ten Fällen, werde auch über den Abteilungsleiter die
Amtsleitung eingeschaltet.
1620
Im Jahr 2012 seien für das BfV verbindliche Standards
festgelegt worden, um den operativ tätigen Mitarbeitern
eine Orientierung zu geben, worauf von Beginn eines
Falles an geachtet werden solle. Wollten zukünftig opera-
tive Mitarbeiter von diesen Standards abweichen, müssten
sie den Vorgang zwingend der Fachprüfgruppe vorlegen.
Dann müsse ein Konsens erzielt werden, notfalls müsse
die Amtsleitung eine Entscheidung treffen. Die Fachprüf-
gruppe könne den Fachabteilungen keine Weisungen
erteilen. Sie könne nur Empfehlungen aussprechen, Anno-
tationen, Voten abgeben.
1621
Die neuen Standards seien entwickelt worden, weil fest-
gestellt worden sei, dass unter den V-Leuten „mehr als
nur ein paar schwarze Schafe“ seien. Darüber hinaus
seien fragwürdige Operationen durchgeführt worden.
Dass die Fachprüfgruppe dies hingenommen habe, liege
aus der Sicht des Zeugen Gabaldo an Folgendem:
„Die Fachprüfgruppe lebt von der Qualität ihrer
Mitarbeiter, der Fachprüfer. Es hat im Bereich
‚Rechtsextremismus‘ in den letzten Jahren - ich
spreche jetzt von den letzten 10, 15 Jahren - leider
eine hohe Fluktuation von Fachprüfern im rechten
Bereich gegeben. Und es ist eben erforderlich, dass
sich die Leute wirklich vernünftig einarbeiten
können über einen längeren Zeitraum, sich spezia-
lisieren können. Das war leider in der Vergangen-
heit nicht immer gewährleistet. Dann steht und
fällt das Ganze auch mit der Leitung einer Fach-
prüfgruppe; auch das ist ein wichtiger Punkt. Diese
Leitung muss konfliktfähig sein und auch -willig
sein, weil diese Tätigkeit macht keine Freude.“1622
Die Notwendigkeit der Fachprüfgruppe hat der Zeuge
Gabaldo darüber hinaus folgendermaßen begründet:
„Sie werden nie einen V-Mann-Führer hören, der
sagt: ‚Der V-Mann hat schlechte Arbeit geliefert‘,
1619) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 30 f.
1620) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 6.
1621) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 6.
1622) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 7.
Drucksache 17/14600 – 198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
weil dann würde das auf ihn zurückfallen. […] Die
Identifikation ist eben sehr hoch oft mit den V-
Leuten, auch mit der Leistung, der Arbeit der V-
Leute, weil man eben dann den V-Mann-Führer
natürlich mit ins Spiel bringt und sagt: Wenn der
V-Mann gut ist, dann ist auch der V-Mann-Führer
gut. - Dann ist das ein förderungswürdiger Beam-
ter, und dann macht der Karriere. Das sind die Ge-
dankengänge, die dahinterstehen, und deshalb
muss es irgendwo eine ‚Spaßbremse‘ geben an ir-
gendeiner Stelle.“1623
Innerhalb der Verfassungsschutzbehörden der Länder
existieren teilweise ebenfalls Fachprüfgruppen, allerdings
in anderer Form als beim BfV. Der Zeuge Gabaldo, Lei-
ter der Fachprüfgruppe im BfV, hat die Ausgestaltung in
einzelnen Bundesländern beschrieben:
„Es gibt meines Wissens in Sachsen einen Mitar-
beiter, der sich mit diesen Aufgaben beschäftigt,
einen Mitarbeiter - das müssen Sie sich vorstel-
len -, der sich damit beschäftigt. Der hat aber dann
nicht nur Fachprüfgruppenaufgaben, sondern dann
auch noch Aufgaben wohl der Innenrevision zu
bewerkstelligen. Meines Wissens gibt es auch
noch in Berlin zarte Ansätze einer solchen Fach-
prüfgruppe, aber nicht so, wie wir das im BfV
praktizieren, einfach weil das Personal dafür in
den Ländern nicht vorhanden ist. Das ist purer Lu-
xus in den Ländern.“1624
dd) Werbung von V-Leuten
Die für die Werbung zuständigen Mitarbeiter der Verfas-
sungsschutzbehörden sprechen Personen an, bei denen sie
zuvor eine grundsätzliche Eignung als V-Person festge-
stellt haben. Der Zeuge Gabaldo hat die wichtigsten
Auswahlkriterien geschildert:
„Er muss volljährig sein. […] Die Vorstrafen müs-
sen sich in Grenzen halten, heißt: Wer wegen Ver-
brechen vorbestraft ist im Sinne des § 12 Abs. 1
Strafgesetzbuch, scheidet in der Regel komplett
aus. In der Regel, ja, also wirklich in 99 Prozent
der Fälle. […] Und dann natürlich auch erhebliche
Vergehen, also wenn hier Körperverlet-
zungsdelikte am laufenden Band, gefährliche Kör-
perverletzung oder Ähnliches - - Das wäre dann
auch schon für uns ein Punkt, wo wir in der Regel
die Segel streichen.
Dann kommt hinzu: Berufsgeheimnisträger im
Sinne des § 53 Abs. 1 Strafprozessordnung sind
auch in der Regel tabu.“1625
1623) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 10.
1624) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 33.
1625) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 14.
Ein Mitarbeiter des damaligen Referats „Forschung und
Werbung“ im LfV Thüringen, Mike Baumbach, hat als
Zeuge angegeben, es sei
„wichtig in diesem Bereich, dass man auch wisse,
wie die Leute aussehen, wie sie sich verändern.“
Er sei daher auch bei Observationen von Veranstaltungen
oder Kundgebungen mitgefahren.
1626
„Man geht da nah dran, man beobachtet sie, man
ist - - ich will nicht sagen: ein Teil von ihnen ein
Stückchen weit. Aber ich muss mir auch eine Mei-
nung bilden.“1627
Der Zeuge Baumbach hat angegeben, psychische Proble-
me seien im Regelfall ein Ausschlusskriterium für eine
Anwerbung gewesen.
1628
Auch Alkoholsucht wäre ein
Ausschlusskriterium im Vorfeld einer Anwerbung gewe-
sen.
1629
Die erweiterten Ermittlungen würden mit der Anlage
eines sogenannten Forschungsbogens beginnen. Ein sol-
cher Forschungsbogen sei etwa 25 Seiten lang.
1630
Solan-
ge die Mitarbeit nicht klar sei, werde auch kein Tarnname
und kein Aktenzeichen vergeben.
1631
Der Zeuge Baumbach hat weiter angegeben, dass im LfV
Thüringen eine eigene Aktenhaltung existiert habe bezüg-
lich Personen, die infrage gekommen wären als V-Leute,
aber nicht gewollt hätten, die von vornherein nicht infrage
gekommen seien oder auch solche, die man geworben
habe.
1632
Abgelegt worden seien diesbezügliche Unterla-
gen im Bereich der „Forschung und Werbung“ in einem
Stahlschrank, zu dem er und der Referatsleiter, Herr
Wießner, Zugang gehabt habe.
1633
Diesbezügliche Er-
kenntnisse seien nicht an die ‚Auswertung‘ gegangen; es
habe sich um Erkenntnisse gehandelt, die die ‚Auswer-
tung‘ nicht unbedingt etwas angegangen hätten.1634
ee) Dauer der V-Mann-Führung durch dieselbe
Person
Der Zeuge Gabaldo hat es als Problem bezeichnet, dass
oftmals die Verbindungen zwischen einem V-Mann und
einem V-Mann-Führer oder einer V-Mann-Führerin über
zu viele Jahre andauern. Er hat dies folgendermaßen be-
gründet:
„Das Verhältnis wird zu vertraut, die professionel-
le Distanz fehlt dann, und dann erfahren die V-
Leute eben auch zu viel von den V-Mann-Führern,
1626) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.
1627) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.
1628) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 178.
1629) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 182.
1630) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 181.
1631) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 181 f.
1632) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.
1633) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 184.
1634) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 184.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 199 – Drucksache 17/14600
weil das Verhältnis eben zu vertraulich wird. Und
da haben wir ja jetzt versucht, auch Konsequenzen
zu ziehen aus diesem Umstand, und wollen eigent-
lich zukünftig, dass eine solche Verbindung spä-
testens nach fünf Jahren - - dass da ein Wechsel in
der Führung herbeigeführt werden soll.“1635
Er hat jedoch auch die bisherige Theorie beleuchtet:
„Die Verantwortlichen in dem Bereich haben ge-
sagt, dass dieses Vertrauensverhältnis - - Je enger
es ist zwischen V-Mann-Führer und dem V-Mann,
desto besser ist das Ganze, weil zu vermuten ist,
dass dann der V-Mann eben auch mehr an Infor-
mationen preisgibt. Ein V-Mann wird uns nie all
das sagen, was er weiß. Aber unser Ziel muss es
sein, möglichst an die 100 Prozent nahe ranzukom-
men. Und je enger das Verhältnis zwischen einem
V-Mann-Führer und einem V-Mann ist, desto hö-
her ist der Prozentsatz dessen, was er uns preis-
gibt.“1636
ff) Zahlungen an V-Leute
Der Zeuge Gabaldo hat ausgesagt, dass die Höhe der vom
BfV an die V-Leute gezahlten Prämien maßgeblich von
der Menge und Qualität der von der jeweiligen Quelle
gelieferten Informationen abhingen. Daneben komme es
auch auf den Schwierigkeitsgrad an, die Informationen zu
beschaffen, insbesondere die eigene Gefährdung. Deshalb
werden auch in den verschiedenen Phänomenbereichen
unterschiedliche Summen gezahlt, weil die Quellen unter-
schiedlich gefährdet seien.
1637
Die Höhe der Prämie entscheide grundsätzlich der Refe-
ratsleiter, in bestimmten Fällen sei auch die Fachprüf-
gruppe beteiligt.
1638
gg) Zusammenarbeit „Beschaffung“ – „Aus-
wertung“
Die Zusammenarbeit zwischen „Beschaffung“ und „Aus-
wertung“ stellt sich nach der Aussage des Zeugen
Gabaldo folgendermaßen dar:
Der V-Mann-Führer leitet die Meldungen über die Infor-
mationen der Quelle (versehen mit einem roten Deckblatt)
an die „Auswertung“. Die „Auswertung“ beurteilt die
Wertigkeit einer Quellenmeldung mit den Abstufungen
von 1 bis 7. Anschließend wird das Deckblatt wieder an
den V-Mann-Führer zurückgesandt, so dass dieser die
Zuverlässigkeit der Informationen erfährt.
1639
Die Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus hat zur
Arbeit der „Auswertung“ ausgeführt:
1635) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 8.
1636) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 9.
1637) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 15 f.
1638) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 39.
1639) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 30 f.
„Methodisch arbeitet die Auswertung im Grund-
satz so, dass sie z. B. offen zugängliche Er-
kenntnisquellen (Internet, Publikationen, usw.)
analysiert und gegebenenfalls Aufträge an die mit
der Informationsbeschaffung befassten Arbeitsein-
heiten (sogenannte Beschaffung) erteilt. Diese er-
heben dann die benötigten Informationen, ferti-
gen Unterlagen hierüber an und übermitteln sie an
die Auswertung. Die gewonnenen Informationen
werden dort im Hinblick auf den gesetzlichen
Auftrag der Verfassungsschutzbehörden ausge-
wertet. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden
schließlich in geeigneter Form vor allem an politische
Entscheidungsträger, Aufsichts- und andere Sicher-
heitsbehörden oder die Öffentlichkeit (z. B. Ver-
fassungsschutzberichte) weitergegeben. Soweit
sich aus der Bewertung der Informationen neue
Fragestellungen ergeben, werden weitere Informa-
tionen hierzu erhoben.“1640
In der Regel wissen die Auswerter nicht den Klarnamen
des V-Mannes. Der Zeuge Egerton hat jedoch ausgesagt,
dass ein „umtriebiger“ Auswerter, der sich für den Klar-
namen interessiert, den Klarnamen herausfinden könne.
Weiter hat er ausgeführt:
„Es ist nicht schädlich und in einigen Fällen sogar
nützlich. Denken Sie daran: Der Auswerter be-
kommt zum Beispiel einen Gefährdungs-
sachverhalt auf den Tisch, von einer anderen Stel-
le, in der eine Quelle akut bedroht ist. Kennt er den
Klarnamen nicht, kann er zum Beispiel den zu-
ständigen V-Mann-Führer auch nicht vorwarnen.
Also, ich empfand es immer als sehr sinnvoll für
mich, Quellen zu kennen. Ich habe nicht aktiv
nachgefragt, aber irgendwann sind die Namen halt
mal bekannt. Ich glaube, die Zusammenarbeit zwi-
schen ‚Auswertung‘ und ‚Beschaffung‘ wird da-
durch auch vertrauensvoller und effizienter.“1641
hh) Straftaten von V-Personen und Teilnahme
von Verfassungsschutzmitarbeitern hieran
Da sich der V-Mann auch im kriminellen Milieu bewegt,
besteht die Gefahr, dass er sich strafbar macht. Um Ver-
fassungsschutzbehörden einen Einblick in nach außen
abgeschottete terroristische, kriminelle oder verbotene
Gruppierungen zu ermöglichen, müssen die Quellen die-
sen Personenstrukturen nahe kommen. Dabei besteht vor
allem das Risiko der Verwirklichung von Organisations-
straftatbeständen, insbesondere wegen Mitgliedschaft in
oder Unterstützung von verbotenen, kriminellen oder
terroristischen Vereinigungen i. S. v. §§ 84 Abs. 2, 129,
129a, b StGB oder wegen Zuwiderhandlungen gegen
1640) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 14.
1641) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 25 f.
Drucksache 17/14600 – 200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Vereinsverbote i. S. v. § 20 Abs. 1 VereinsG oder ein
Vereinigungsverbot i. S. v. § 85 Abs. 2 StGB.
1642
Die Tätigkeit als V-Mann stellt grundsätzlich keinen
strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund dar.
1643
Einzelne
Verfassungsschutzgesetze wie beispielsweise in Branden-
burg (§ 6 Abs. 7 BbgVerfSchG) und Niedersachsen (§ 6
Abs. 3 NVerfSchG) beinhalten allerdings eine Rechtferti-
gungsnorm bei der Verwirklichung von Organisationsde-
likten beim VM-Einsatz.
Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hat zu
der Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem Vertrieb von
rechtsextremistischen Schriften ausgeführt:
„Da die Verbreitung von Kennzeichen verfas-
sungswidriger Organisationen oder volksverhet-
zender Schriften innerhalb der rechtsextremisti-
schen Szene meines Erachtens stets den Schutz-
zweck verletzt, also auch dann, wenn dies durch
einen V-Mann des Verfassungsschutzes in Verfol-
gung von ,integeren Fernzielen‘ geschieht, sind
meiner Meinung nach auch in diesen Fällen die
Tatbestände der §§ 86 Abs. 1 StGB bzw. 130
Abs. 2 StGB erfüllt. Daher darf der Verfassungs-
schutz derartige Handlungen auch nicht ‚erlauben‘,
wenn er so die Verbreitung durch ein aktives Tun
im Rechtssinn veranlasst, weil sich dessen Ange-
hörige sonst selbst der Gefahr einer strafrechtli-
chen Verfolgung aussetzen würden. Dies wäre
meines Erachtens im Fall eines Vertriebs einer
volksverhetzenden CD, die einen Mordaufruf ge-
gen bestimmte Personen zum Gegenstand hat,
auch unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Tö-
tung zu prüfen, wenn im Rahmen des vom Verfas-
sungsschutzes ‚erlaubten Vertriebes‘ ein Empfän-
ger einen derartigen Mordaufruf umsetzt. Daher
darf der Verfassungsschutz meines Erachtens ei-
nen derartigen Vertrieb allenfalls ‚dulden‘, das
heißt, ein Einschreiten im Rechtssinne unterlassen,
weil er ja bekanntlich keine Strafverfolgungsbe-
hörde ist und ihn damit grundsätzlich keine
Rechtspflicht zum Einschreiten trifft.
Falls es aber im Rahmen des Einsatzes von V-
Leuten des Verfassungsschutzes zu Straftaten nach
§ 86 a Abs. 1 und § 130 Abs. 2 StGB kommen
sollte und deren Begehung dem Erreichen des
Fernziels förderlich sein sollte, die Hintermänner
rechtsextremistischer Vertriebsnetze aufzudecken,
um diese zerschlagen zu können, ist dies bei der
Strafzumessung zu berücksichtigen. Gegebenen-
falls kommt auch die ebenfalls entsprechend an-
wendbare Vorschrift des § 86 Abs. 4 in Betracht,
wonach das Gericht von einer Bestrafung absehen
kann, wenn die Schuld gering sein sollte.“1644
1642) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-
terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 669.
1643) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-
terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 675 ff.
1644) Schreiben vom 13. August 2002, MAT A BB-13a, Bl. 53 ff.
Die anderen Generalstaatsanwälte äußerten ihre Überein-
stimmung mit dieser Rechtsauffassung.
1645
Der Zeuge Gabaldo hat die rechtlichen Rahmenbedin-
gungen als Problem bezeichnet. Für die Mitarbeiter vor
Ort, die V-Mann-Führer, aber auch die Werber und die
Vorgesetzten bestünde die Gefahr, dass sie sich strafbar
machten, wenn V-Leute in extremistischen oder gar terro-
ristischen Bereichen eingesetzt werden. Wenn aus ge-
waltorientierten Bereichen Informationen bezogen werden
sollen, sei dies nicht mit Menschen möglich, „die die
Voraussetzung der Verbeamtung auf Lebenszeit erfüllen
oder die Voraussetzung der Priesterweihe“. Diese V-
Leute seien Personen, die sich in gewaltorientierten Be-
reichen bewegen und das Vertrauen der dort tätigen Akti-
visten genießen müssten. Die V-Leute seien keine Demo-
kraten, sondern sie blieben Extremisten. Um an Informa-
tionen zu kommen, müssten sie sich zwangsläufig strafbar
machen:
„Nehmen Sie eine verbotene Organisation; wir ha-
ben einen V-Mann in einer verbotenen rechten Or-
ganisation. Der muss sich zwangsläufig in dieser
verbotenen Organisation betätigen, wenn wir In-
formationen aus dieser Organisation beziehen wol-
len, und macht sich dann schon per se gemäß § 20
Vereinsgesetz strafbar, allein durch das Sich-
Betätigen in einer verbotenen Organisation. Wie
sollen wir sonst Informationen aus dieser Organi-
sation beziehen, wenn nicht durch einen V-Mann,
der sich in dieser Organisation bewegt? Ein Au-
ßenstehender wird keine Informationen aus der
Organisation bekommen - zumindest nicht die, die
uns interessieren -, und das ist unser Problem.
Und das Haus ist bisher davon ausgegangen, dass
diese Aktivitäten, diese Organisationsdelikte, […]
gerechtfertigt sind durch den Rechtferti-
gungsgrund, der nirgendwo im Strafgesetzbuch
steht, den das Bundesamt für Verfassungsschutz
bzw. die Leitung des Hauses aber immer für sich
in Anspruch genommen hat, nämlich die Wahr-
nehmung eines Dienst- und Amtsrechtes, das eben
abgeleitet ist aus der gesetzlichen Befugnis, V-
Leute einzusetzen, die ja im Verfassungsschutzge-
setz gewährleitet wird.
Bisher sind wir davon ausgegangen. [Wir] sind
aber jetzt vor kurzem durch das Oberlandesgericht
Düsseldorf eines Besseren belehrt worden, das sich
ja mit einem Fall beschäftigt hat, mit einem V-
Mann des BND [….]. Und das Oberlandesgericht
Düsseldorf hat entschieden, dass dieser Rechtferti-
gungsgrund eben nicht anerkannt wird von den
Gerichten.
1646
Auch mittlerweile alle General-
1645) Niederschrift über die wesentlichen Ergebnisse der Arbeitsta-
gung des Generalbundesanwalts, mit den Generalstaatsanwäl-
tinnen und Generalstaatsanwälten vom 20./21. November 2002,
MAT A BB-13a, Bl. 144 ff.
1646) Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. September 2011, Az. III-5
StS 5/10, nicht veröffentlich, S. 104 (zitiert nach dem Ab-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 201 – Drucksache 17/14600
staatsanwälte, die zu diesem Rechtfertigungsgrund
befragt worden sind, haben gesagt: Wir lehnen
diesen Rechtfertigungsgrund ab. Der existiert für
uns nicht, findet keine Anerkennung. Das heißt im
Klartext, dass unsere ganzen V-Leute nach mo-
mentaner Rechtslage, die wir in verbotenen Orga-
nisationen einsetzen, sich strafbar machen, und wir
damit machen uns auch strafbar, weil wir steuern
diese V-Leute ja in diesen Organisationen.“ 1647
Zur Bewertung hat er ausgesagt:
„Das ist einfach indiskutabel, weil letztendlich die
Existenz zum Teil dann unserer Kollegen daran
hängt, nämlich der Beamtenstatus kann auch dabei
verloren gehen. Wenn hier unsere Kollegen - gera-
de, wenn es um Staatsschutzdelikte geht oder Ähn-
liches, mit hohen Strafandrohungen - dann wirk-
lich verurteilt würden, dann würde das notfalls die
Existenz dieser Kollegen bedeuten, und das führt
auch in unserem Haus mittlerweile zu einem er-
heblichen Maß an Verunsicherung bei den im ope-
rativen Bereich eingesetzten Mitarbeitern, die
wirklich Angst um ihre Existenz haben bei Aus-
übung dieses Jobs.“1648
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen sei es nicht mög-
lich, mit den bisherigen Mitteln gewaltbereite Strukturen
bzw. terroristische Strukturen aufzuklären.
1649
Deshalb
stünden derzeit Aufwand und Nutzen in einem Missver-
hältnis.
1650
Er hat jedoch die Notwendigkeit von V-Leuten
betont:
„Aber […] wir müssen natürlich dranbleiben; denn
aus den verbotenen Organisationen werden dann
andere Organisationen, und es gibt Nachfolgeor-
ganisationen. Diese Entwicklungen müssen wir na-
türlich irgendwo mitbekommen, um dann auch an-
schließend diese Nachfolgeorganisationen wieder
verbieten zu können. […] Denn die hören ja nicht
auf, zu existieren.“ 1651
ii) Folgen für die weitere Tätigkeit als V-Mann
aufgrund der Begehung von Straftaten
Begeht die V-Person nach Anwerbung eine Straftat, so
wird nach der Aussage des Zeugen Gabaldo folgender-
maßen differenziert:
„Wenn jetzt ein V-Mann während der Zu-
sammenarbeit mit uns eine Straftat begeht: […]
schlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterroris-
mus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, RdNr. 669).
1647) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 4 f.
1648) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 40.
1649) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 23; die Bund-
Länder-Kommission Rechtsterrorismus sieht dies ähnlich kri-
tisch, vgl. Abschlussbericht vom 30. April 2013, A-Drs. 488,
Rn. 673.
1650) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 32.
1651) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 4 f.
Wenn das eine Straftat war, ein Verbrechen im
Sinne des § 12 Abs. 1 [StGB], wird der V-Mann
sofort abgeschaltet. Da gibt es überhaupt keine
Diskussionen. […]
Im Bereich Vergehen, […] wenn ich da bei gefähr-
licher Körperverletzung oder Ähnlichem bin: Auch
da hört der Spaß für uns sehr schnell auf, auch da
würden wir aus heutiger Sicht eine solche Verbin-
dung einstellen.
Was schon mal vorgekommen ist, ist, dass ein V-
Mann in Untersuchungshaft gelangt ist aufgrund
seiner Tätigkeit für uns. Wir haben ihn im Prinzip
dazu gebracht, dass er diese Tätigkeit ausübt, und
infolge dieser Tätigkeit, des Sich-Betätigens bei-
spielsweise für eine verbotene Organisation, ist ein
Verfahren gegen ihn eingeleitet worden. Im
schlimmsten Fall ist er sogar in Untersuchungshaft
genommen worden. In einem solchen Fall können
wir den V-Mann natürlich nicht hängen lassen;
denn er ist ja aufgrund seiner Tätigkeit für uns in
diese Situation, in diese missliche Situation über-
haupt geraten. Aber das waren dann wirklich De-
likte, die eben nicht die Qualität eines Verbrechens
oder Ähnliches hatten, sondern das waren dann
Organisationsdelikte, und damit müssen wir leben.
Sonst, wie gesagt, können wir jetzt schon die V-
Mann-Führung direkt einstellen. Sonst können wir
unseren Job wirklich nicht mehr machen. Und
dann ist die Zusammenarbeit mit ihm dann den-
noch fortgesetzt worden anschließend.“1652
jj) Verbesserungsvorschläge des Zeugen
Gabaldo
Der Zeuge Gabaldo hat zur Frage der Zusammenarbeit
mit V-Personen ausgeführt:
„Wir müssten den Mut haben, V-Leute, die eben
nicht nur die Voraussetzung der Verbeamtung auf
Lebenszeit erfüllen, sondern eben durchaus auch
andere Eigenschaften aufweisen, mit denen zu-
sammenzuarbeiten, um im gewaltorientierten Be-
reich arbeiten zu können. Aber das, denke ich,
wird sich nicht durchsetzen lassen, auch rein poli-
tisch nicht durchsetzen lassen. Aber der Mut müss-
te dann da sein. Man muss sich dazu bekennen,
dass das eben Extremisten sind, die hier für den
Staat gegen Geld arbeiten. Wenn ich da mit der
Moralkeule komme, klar, dann kann ich damit um
mich schlagen. Aber es ist nun mal ein Fakt: Ich
werde diese Organisationen ohne V-Leute niemals
aufklären können. Und diese V-Leute haben dann
eben bestimmte Eigenschaften und bestimmte Le-
bensläufe, die sich nicht mit unseren Idealvorstel-
lungen decken. Ja, das ist so, und damit müsste ich
dann leben - notfalls. Wenn ich dazu nicht gewillt
bin, dann muss ich ganz klar sagen: Dann hat es
1652) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 37 f.
Drucksache 17/14600 – 202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
keinen Sinn, dann brauche ich dieses Instrumenta-
rium nicht mehr zwingend, und dann werde ich
eben nur noch unterrichtet über nicht gewaltorien-
tierte Bereiche.“1653
Darüber hinaus hat er vorgeschlagen:
Zunächst müsse das Personalauswahlverfahren für die
hauptamtlichen Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehör-
den optimiert werden. Momentan würden Generalisten
(Beschaffung und Auswertung) gesucht. Da aber für jede
Tätigkeit bestimmte Fähigkeiten vorhanden sein müssten,
sollten diese schon bei einem Auswahlverfahren erkannt
und berücksichtigt werden. Anschließend müsse gezielt
auf die neue Aufgabe ausgebildet werden.
1654
Auch die Organisationsformen seien zu starr:
„Wenn ich feststelle, dass wir in einem bestimm-
ten Bereich erhebliche Zugangsdefizite haben,
dann muss es möglich sein, dass wir ein Projekt
spontan bilden, in dem sich ein Auswerter, ein Be-
schaffer befindet, möglicherweise ein G10-
Vorauswerter. Für dieses Projekt steht ein Obser-
vationstrupp zur Verfügung, und die arbeiten da-
ran, in einem bestimmten Bereich jetzt einen Zu-
gang zu erschließen, arbeiten ganz eng vernetzt in
einem Großraumbüro zusammen und tauschen sich
aus, so wie eine Sonderkommission bei der Polizei
oder Ähnliches. Da sind wir oft in diesen Referats-
strukturen zu sehr noch verhaftet und zu unflexi-
bel. Da würde ich mir mehr Flexibilität wünschen
bei uns im Haus. Aber das muss ich Ihnen ganz
ehrlich sagen: Das ist völlig utopisch, völlig uto-
pisch.“1655
Im Übrigen stimme die Struktur der Sicherheitsbehörden
nicht. 16 Landesämter für Verfassungsschutz seien nicht
erforderlich. Im Sicherheitsbereich sei der Föderalismus
völlig untauglich.
1656
Der Zeuge Gabaldo hat beklagt, dass der Untersuchungs-
ausschuss „das Leben des Verfassungsschutzes nahezu
lahmgelegt“ habe:
„Seitdem dieser Ausschuss hier existiert bzw. die-
se ganze NSU-Affäre ans Tageslicht gerückt ist,
sind wir damit beschäftigt, Vorgänge aufzu-
arbeiten oder letztendlich immens an Akten einzu-
sehen, frühere Akten etc., Zusammenstellungen zu
machen.“1657
Darüber hinaus habe sich viel getan, es gebe viel Bewe-
gung und Verbesserungsvorschläge:
„Das V-Mann-Wesen ist überdacht worden - ganz
klar, selbstverständlich. Letztendlich haben wir ja
im BfV relativ früh reagiert und haben diese Stan-
1653) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 12.
1654) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 12.
1655) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 12 f.
1656) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 32 f.
1657) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 16.
dards ja dann kreiert, diese Qualitätsstandards für
die Werbung von V-Personen und auch für die
Führung von V-Personen.“1658
c) Informationsfluss zwischen Verfas-
sungsschutzämtern
§ 1 Abs. 2 und 3 BVerfSchG bestimmt, dass Bund und
Länder verpflichtet sind, in Angelegenheiten des Verfas-
sungsschutzes zusammenzuarbeiten – auch in Form von
gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung.
Nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG sammeln die Landesbehör-
den für Verfassungsschutz Informationen, Auskünfte,
Nachrichten und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufga-
ben, werten diese aus und übermitteln sie dem Bundesamt
für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Ver-
fassungsschutz, soweit es für deren Aufgabenerfüllung
erforderlich ist. Zur Erfüllung dieser Unterrichtungs-
pflicht sind die Verfassungsschutzbehörden gem. § 6
BVerfSchG verpflichtet, gemeinsame Dateien (das soge-
nannte „Nachrichtendienstliche Informationssystem“,
abgekürzt: „NADIS“) zu führen, die sie im automatisier-
ten Verfahren nutzen. Diese Dateien enthalten nur die
Daten, die zum Auffinden von Akten und der dazu not-
wendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf gem. § 5
Abs. 2 BVerfSchG in einem Lande im Benehmen mit der
Landesbehörde für Verfassungsschutz Informationen,
Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen sammeln, sofern
die weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 S. 1
BVerfSchG erfüllt sind.
Die Zusammenarbeit des BfV mit den Landesbehörden
für Verfassungsschutz im Rahmen des § 5 BVerfSchG
war bis Dezember 2012 in der Richtlinie für die Zusam-
menarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und
der Landesbehörden für Verfassungsschutz gemäß Be-
schluss der Innenminister vom 26. November 1993
(Koordinierungsrichtlinie) geregelt.
1659
Nach § 3 der Koordinierungsrichtlinie sammeln die Lan-
desbehörden für Verfassungsschutz im Zuständigkeits-
bereich ihres Landes oder in anderen Ländern im Ein-
vernehmen mit der jeweiligen Landesbehörde für Ver-
fassungsschutz Informationen, Auskünfte, Nachrichten
und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, werten
sie aus und übermitteln sie im erforderlichen Umfang
unverzüglich dem BfV und den anderen betroffenen
Ländern für Verfassungsschutz. Im Gegenzug unter-
richtet gem. § 4 Abs. 1 das BfV die Landesbehörden
für Verfassungsschutz unverzüglich im erforderlichen
Umfang über alle Unterlagen sowie die Ergebnisse
seiner Auswertung. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 weisen sich
BfV und LfV gegenseitig auf Erkenntnislücken hin. Im
1658) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 16.
1659) MAT A TH-3/6, Ordner II., Anlage 5 (Tgb.-Nr. 78/12
(GEHEIM)), Bl. 55a f. (Änderungen zum 15. Dezember
2011, VS-NfD), Bl. 56 ff. (Stand: 1. Juni 2004, VS-NfD), Bl.
66 ff. (Stand: 1. August 2003, VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203 – Drucksache 17/14600
Bereich einer anderen Landesverfassungsschutzbehör-
de darf eine Landesverfassungsschutzbehörde nur im
Einvernehmen mit dieser tätig werden (§ 10 Abs. 1
Satz 1).
Eine herausgehobene Funktion kam dem BfV bis De-
zember 2011 lediglich im Bereich der zentralen Aus-
wertung bei der Spionageabwehr (§ 6 Koordinierungs-
richtlinie) sowie bei der Beobachtung des gewaltberei-
ten islamistischen Terrorismus (§ 6a Koordinierungs-
richtlinie) zu, nicht aber im Bereich des gewaltbereiten
Rechtsextremismus.
1660
Die Schäfer-Kommission hat ausgeführt, die §§ 1 und
5 BVerfSchG verdeutlichten, dass im Rahmen der
Zusammenarbeit Abstimmungs- und Unterrichtungs-
pflichten eine wesentliche Rolle spielten. Verallgemei-
nernd sei festzuhalten,
„dass sich alle Verfassungsschutzbehörden über
alle relevanten Sachverhalte, die ihnen bekannt
werden, zu unterrichten haben. Auch die von der
örtlichen Zuständigkeit her gesehen nicht (un-
mittelbar) betroffene Behörde benötigt im Zwei-
fel Informationen, um bereits vorhandene Er-
kenntnisse zu vervollständigen oder ein Gesche-
hen sachgerecht zu beurteilen.
Die gesetzliche Einschränkung in § 5 Abs. 1
BVerfSchG ‚soweit es für deren Aufgabenerfül-
lung erforderlich ist‘ erlaubt jedoch der zu Er-
kenntnissen gekommenen Verfassungsschutzbe-
hörde unterschiedliche Übermittlungen etwa im
Verhältnis zu einer anderen Landesbehörde und
gegenüber dem BfV. Mit Rücksicht auf die Zent-
ralstellenfunktion des BfV dürfte diesem jedenfalls
– abgesehen von besonders begründeten Ausnah-
men – umfänglich zu berichten sein, da andernfalls
nicht feststellbar ist, ob Bestrebungen im Sinne des
§ 3 Abs. 1 BVerfSchG sich über den Bereich eines
Landes hinaus erstrecken und damit die Zustän-
digkeit des BfV nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG
begründen.“1661
In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass Quel-
lenschutz das notwendige Mindestmaß an Zusammen-
arbeit nicht beeinträchtigen dürfe:
„Er darf daher einer Informationsübermittlung
zwischen deutschen Sicherheitsbehörden nicht
entgegengehalten werden. Die Sicherheitsbe-
hörden sind insgesamt für den Quellenschutz
verantwortlich, nicht jede Sicherheitsbehörde al-
lein – und erst recht nicht gegeneinander.“1662
Die Zusammenarbeit mit den Landesbehörden hinsicht-
lich der V-Mann-Werbung und V-Mann-Führung wird
1660) Koordinierungsrichtlinie mit Stand: 1. Juni 2004, MAT A TH-
3/6, Ordner II., Anlage 5 (Tgb.-Nr. 78/12 – GEHEIM),
Bl. 56 ff. (VS-NfD).
1661) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 221, Rn. 388 f.
1662) Dr. Gusy, ZRP 2012, S. 230 ff.
nach der Aussage des Zeugen Gabaldo, Leiter der Fach-
prüfgruppe im BfV, in der Praxis folgendermaßen ge-
handhabt:
„Wenn wir [das BfV] V-Leute anwerben wollen in
den Ländern, dann haben wir ja immer sogenann-
tes Gastrecht, kann man sagen. Dann müssen wir
das Benehmen herstellen mit den Ländern, und wir
müssen den Ländern gegenüber die Klardaten un-
serer Zielpersonen, die wir als V-Leute anwerben
wollen, mitteilen gemäß § 5 Abs. 2 Bundesverfas-
sungsschutzgesetz. Das Benehmen muss herge-
stellt werden. Das heißt, die Länder wissen, wer
unsere V-Leute sind. Wir müssen die dann auch
über den weiteren Verlauf der Operation immer
regelmäßig unterrichten. Nur, umgekehrt müssen
die Länder das nicht.“1663
Der Zeuge Gabaldo hat darüber hinaus ausgesagt, dass
der Bund sich darum bemüht habe, eine aussagekräftige
V-Mann-Datei ins Leben zu rufen, aus der hervorgehen
sollte, wer auf welcher Zugangsebene als Quelle geführt
wird. Dadurch könne beurteilt werden, ob die Quelle
steuernden Einfluss auf Organisationen ausüben kann.
Die Bundesländer seien jedoch nicht bereit, dem BfV die
Klarnamen ihrer Quellen und deren Positionen in den
jeweiligen Beobachtungsobjekten mitzuteilen.
1664
In
Koordinierungsgesprächen teilten die LfVs allerdings
manchmal mit, wo die V-Leute tätig seien.
1665
Darüber hinaus gebe es unter dem Stichwort „strukturelle
Quellenoptimierung“ ein Abstimmungsverfahren, bei dem
quantitative Angaben über die Einsatzbereiche der V-
Leute mitgeteilt werden.
1666
d) Organisatorische Änderung im BfV
aa) Organisation der Abteilung II des BfV bis
2006
Die Abteilung II des BfV hieß zunächst „Rechtsextre-
mismus und -terrorismus“ und war von 1992 bis 1994 in
drei Projektbereiche unterteilt: Auswertung Rechtsextre-
mismus, Auswertung Rechtsterrorismus und Beschaf-
fung.
1667
Die Umstrukturierung zum 12. Dezember 1994 ergab
folgende Gliederung der Abteilung II: Neben dem Mana-
gementteam gab es die Projektbereiche „Unterstüt-
zung/Controlling“, „Neonazistische Aktivitäten“ und
„Sonstige rechtsextremistische Aktivitäten“. Im Bereich
II 2 („Neonazistische Aktivitäten“) war eine Projektein-
heit angesiedelt, die sich mit kriminellen terroristischen
Gruppen beschäftigte. Eine Trennung von „Auswertung“
1663) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 18 f.
1664) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 17.
1665) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 41.
1666) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 44.
1667) Organigramm vom 11. Juni 1992, MAT A BfV-3 (Tgb.-Nr.
02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 4 (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und „Beschaffung“ kann dem Organigramm nicht ent-
nommen werden. Allerdings fehlen in den übersandten
Unterlagen Angaben zu der Organisation unterhalb der
Projekteinheit.
1668
Die Zeugin Dobersalzka, Referatsleite-
rin beim BfV, hat ausgesagt, dass die Quellenführung und
die Auswertung jeweils in demselben Referat angesiedelt
waren.
1669
1998 kam der Projektbereich „Scientology“ hinzu. Der
Projektbereich II 2 hieß nunmehr: „Neonazistische Be-
strebungen/Gewaltbereite“.1670
Bis zum Jahr 2006 blieb diese Organisation im Wesentli-
chen – bis auf einige Änderungen – bestehen.
Die Personalstärke der Abteilung II betrug im Jahr 1992
127,75 Stellen.
1671
Sie stieg bis 1994 auf 209,75 Stellen
an
1672
, reduzierte sich dann jedoch wieder zunächst auf
185 Stellen im Jahr 1999
1673
und auf 167 Stellen im Jahr
2006
1674
.
bb) Zusammenlegung der Abteilungen für
Rechts- und Linksextremismus im BfV
(2006)
Im August 2006 wurde im BfV die Abteilung 2 (Rechts-
extremismus) mit der Abteilung 3 (Linksextremismus) zu
einer Abteilung „Deutscher Extremismus“ zusammenge-
legt.
Aus dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Organi-
grammen ergibt sich, dass vor der Zusammenlegung im
Januar 2006 insgesamt 167 Mitarbeiter in der Abteilung 2
des BfV beschäftigt waren, während es im Januar 2007
noch 135 Mitarbeiter in den Bereichen der Abteilung 2,
die sich mit Rechtsextremismus befassten, waren – was
einer Verminderung um circa 20 Prozent entspricht.
1675
Der Ausschuss hat sich mit den Hintergründen dieser
Organisationsentscheidung sowie der Frage nach deren
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des BfV im Be-
reich des Rechtsextremismus befasst.
aaa) Entscheidungsprozess nach Aktenlage
Auf Bitten des BMI legte der damalige Präsident des BfV,
Heinz Fromm, dem BMI am 19. Juni 2006 einen Bericht
1668) Organigramm vom 12. Dezember 1994, MAT A BfV-3 (Tgb.-
Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 9 (VS-NfD).
1669) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 12.
1670) Organigramm vom 5. Juli 1998, MAT A BfV-3 (Tgb.-Nr.
02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 20 (VS-NfD).
1671) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 1992, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 77 (VS-NfD).
1672) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 1994, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 79 (VS-NfD).
1673) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 1999, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 84 (VS-NfD).
1674) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 2006, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 91 (VS-NfD).
1675) MAT A BfV-3 (Tgb-Nr.02/12, VS–VERTRAULICH), Bl. 49
(VS-NfD).
über eine mögliche „Neuausrichtung des BfV zur Errei-
chung von Synergieeffekten und zum Zwecke einer wei-
teren personellen Verstärkung der Abteilungen „Islamis-
mus und islamischer Terrorismus“ vor.1676 Ende Juni
2006 fand zu dieser Thematik ein Gespräch zwischen
Staatssekretär Dr. Hanning, dem Präsidenten des BfV,
Fromm, und den drei betroffenen Abteilungsleitern Z, P
und IS im BMI statt.
1677
Der BfV-Präsident, Fromm, favorisierte eine Zusammen-
legung von Abteilung 3 (Linksextremismus) und 5 (Aus-
länderextremismus). Eine Zusammenlegung dieser Abtei-
lungen biete sich an, da in der Abteilung Ausländerextre-
mismus nahezu ausschließlich Bestrebungen mit linksex-
tremistischem Ursprung beobachtet würden. Von einer
Zusammenlegung der Abteilung 2 (Rechtsextremismus)
und der Abteilung 3 (Linksextremismus) riet BfV-
Präsident Fromm hingegen „dringend“ ab. Konkret äußer-
te er sich mit Schreiben vom 22. Juli 2006 an das BMI
wie folgt:
„Nach hiesiger Einschätzung sind fachlich vertret-
bare Alternativen zu der geplanten Zusammenle-
gung der Abteilungen 3 und 5 nicht gegeben. Ins-
besondere steht einer Zusammenlegung der Abtei-
lungen 2 (Rechtsextremismus) und 3 (Linksextre-
mismus) zu einer gemeinsamen Abteilung ‚Deut-
scher Extremismus‘ die aktuelle Entwicklung im
Beobachtungsbereich ‚Rechtsextremismus‘ entge-
gen. Die jüngsten rechtsextremistischen/fremden-
feindlichen Übergriffe auf Ausländer sowie die
medienwirksamen Aktivitäten der rechtsextremis-
tischen Szene zeigen die fortdauernde Notwendig-
keit einer intensiven Bearbeitung dieses Bereichs.
Je nach Erkenntnislage kann es ggfs. künftig er-
forderlich werden, den Personalansatz der Abtei-
lung 2 durch Umschichtungen von Mitarbeitern zu
erhöhen. Im Übrigen kann m. E. nicht ausge-
schlossen werden, dass im Fall von künftigen öf-
fentlichkeitswirksamen Ereignissen mit rechtsext-
remistischem Bezug eine Zusammenlegung der
Abteilung Rechtsextremismus mit anderen Organi-
sationseinheiten als Vernachlässigung dieser
Schwerpunktaufgabe missverstanden und als
mitursächlich für mangelhafte Aufklärung im Vor-
feld bewertet werden könnte. Hiervon möchte ich
dringend abraten.“1678
Mit weiterem Schreiben vom 14. August 2006 legte der
damalige BfV-Präsident Fromm dar, dass beide Varianten
– also die vom BfV geplante Zusammenlegung der Abtei-
1676) Schreiben Präsident Fromm an das BMI vom 19. Juni 2006,
MAT A BMI-6/1 (Tgb.-Nr. 21/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1 bis 14.
1677) Präsentation des BfV, MAT A BMI-6/1 (Tgb.-Nr. 21/12, VS-
VERTRAULICH, Auszug VS-NfD), Bl. 48, 52, 60, sowie In-
formationsvermerk Referat IS an StS Dr. Hanning vom 23. Juni
2006, MAT A BMI-6/1 (Tgb.-Nr. 21/12 – VS-VER-
TRAULICH, Auszug VS-NfD), Bl. 64 ff.
1678) Schreiben Präsident Fromm an das BMI vom
22. Juli 2006, MAT A BMI-6a, Bl. 140 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 205 – Drucksache 17/14600
lungen 3 und 5 einerseits und die vom BMI geplante
Zusammenlegung der Abteilungen 2 und 3 andererseits –
aus organisatorischer Sicht identische Synergieeffekte
erzielen würden. Diese könnten durch eine
Aufgabenpriorisierung zu Lasten des Bereichs „Deutscher
Linksextremismus“ erwirtschaftet werden, die aus Sicht
des BfV durch Reduzierung der Werbungsmaßnahmen
fachlich vertretbar sei.
1679
Das BMI folgte dem nicht. In einer Stellungnahme des
Referats IS 1 an StS Dr. Hanning vom 22. August 2006
heißt es vielmehr:
„Die vom BfV angeführten Argumente sind weit-
gehend politischer Natur und können aus
fachaufsichtlicher Sicht nicht mitgetragen wer-
den.“1680
An anderer Stelle machte das Referat P II 1 geltend, dass,
soweit sich der Bericht des BfV-Präsidenten Fromm vom
22. Juli 2006 aus politischen Gründen gegen eine Zu-
sammenlegung der Abteilungen 2 und 3 ausspreche, dies
außerhalb der Bewertungszuständigkeit des BfV liege. Im
Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass eine Zusammen-
legung der Bereiche Linksextremismus und säkularer
Ausländerextremismus politisch auch als Relativierung
des letztgenannten Phänomenbereichs missdeutet werden
könne.
1681
Mit Erlass des BMI vom 8. September 2006 wurde dem
BfV schließlich mitgeteilt, dass sich Staatsekretär
Dr. Hanning für eine Zusammenlegung der Abteilungen 2
und 3 ausgesprochen habe. Als Gründe wurden angeführt:
„Erhöhte Synergieeffekte aufgrund der größeren
Schnittmenge der Aufgabenbereiche Rechts- und
Linksextremismus im Vergleich zu einer Zusam-
menlegung mit dem Bereich Ausländerextremis-
mus;
ein ganzheitlicher Ansatz bei der Bekämpfung des
‚Deutschen Extremismus‘, insbesondere auch vor
dem Hintergrund der gestiegenen Auseinanderset-
zungen zwischen Links- und Rechtsextremisten;
auch im Bereich der Prävention, der geistig-
politischen Auseinandersetzung mit dem Extre-
mismus und dem Entgegenwirken extremistischer
Einflussnahme bzw. der Anwerbung neuer Anhä-
nger erscheint ein ganzheitlicher Ansatz erfolgver-
sprechender;
eine parallele Entwicklung zu den im BMI und im
BKA zusammengefassten Zuständigkeiten für
Links- und Rechtsextremismus.“1682
1679) Schreiben des Präsidenten Fromm an das BMI, Abteilung IS,
vom 14. August 2006, MAT A BMI-6a, Bl. 143 ff.
1680) Vorlage Referat IS 1 an StS Dr. Hanning vom 22. August 2006,
MAT A BMI-6a, Bl. 136 ff.
1681) E-Mail Referat PII1 vom 1. August 2006, MAT A BMI-6a,
Bl. 81.
1682) Erlass des Organisationsreferats Z 2 des BMI vom
8. September 2006, MAT A BMI-6b, Bl. 161 f. (VS-NfD).
bbb) Motive für die Entscheidung nach Anga-
ben der Zeugen Fromm, Dr. Hanning und
Dr. Schäuble
Der damalige BfV-Präsident, Heinz Fromm, hat vor dem
Untersuchungsausschuss als Zeuge ausgesagt, es sei Ab-
sicht gewesen, nicht die Schlagkraft zu senken, sondern
die Personalzahl im BfV durch Zusammenschieben von
Organisationseinheiten zu reduzieren.
1683
Zu der Entscheidung, die Abteilungen Links- und Rechts-
extremismus im BfV zusammenzulegen, hat sich der
damals verantwortliche Staatsekretär im BMI, der Zeuge
Dr. August Hanning, vor dem Untersuchungsausschuss
zusammenfassend wie folgt geäußert:
„Aufgrund von Haushaltskürzungen und im Hin-
blick auf die Bedrohung durch den islamistischen
Terrorismus musste im Jahr 2006 eine Entschei-
dung darüber getroffen werden, wie die Aufgaben
des Bundesamtes für Verfassungsschutz neu orga-
nisiert werden sollten. Dazu habe ich nach meiner
Erinnerung mehrere Gespräche mit den berührten
Fachabteilungen des Hauses und dem Präsidenten
des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herrn
Fromm, geführt, und ich habe die verschiedenen in
Betracht kommenden Möglichkeiten intensiv prü-
fen lassen. Im Ergebnis stellte sich die Alternative
heraus, entweder die Bereiche Rechts- und Links-
terrorismus in einer Abteilung zusammenzufas-
sen […] oder den Bereich Linksextremismus mit
dem Bereich Ausländerextremismus zusammenzu-
legen. Es gab für beide Entscheidungen durchaus
vertretbare Argumente. […]
Ich habe diese Frage dann unter Beteiligung der
Fachabteilung und Zentralabteilung in einer be-
sonderen Steuerungsgruppe noch mal intensiv prü-
fen lassen. Dabei habe ich dann die Frage gestellt,
mit welcher Lösung die größten Effizienzgewinne
zu erwarten seien. Die Prüfung kam dann zu dem
Ergebnis, dass die Synergieeffekte bei einer Zu-
sammenlegung der Abteilungen 2 und 3, das heißt
Rechts- und Linksextremismus, wohl am größten
seien.
Ein weiteres Argument war die Struktur im Bun-
deskriminalamt. Auch dort waren die
Phänomenbereiche Rechts- und Linksextremismus
in einer Gruppe innerhalb der Abteilung ST orga-
nisiert. Ich habe dann vor der abschließenden Ent-
scheidung noch mal mit Präsident Fromm darüber
gesprochen, und im Ergebnis hat er dann – und das
ist jedenfalls meine Erinnerung – auch diese Ent-
scheidung akzeptiert.
Ich möchte noch mal betonen, dass das keine
Sachentscheidung war im Hinblick auf Ressourcen
und Schwerpunkte. Wir waren gezwungen, damals
eine Revision der Abteilungen vorzunehmen, und
wir haben dann versucht, eben den Sparzwängen
1683) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 35.
Drucksache 17/14600 – 206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Rechnung tragend, hier die beste Lösung zu fin-
den. Am besten wäre natürlich gewesen, man hätte
genügend Ressourcen gehabt, um sozusagen die
beiden Abteilungen aufrechtzuerhalten. Aber das
war aus den Darlegungen, die ich eben gemacht
habe, leider nicht möglich und aufgrund der Spar-
zwänge.“1684
Danach gefragt, ob er es nicht für vertretbar gehalten
habe, dafür zu werben, die Kapazitäten, die man im Be-
reich von Analysefähigkeit und im Umgang mit extremis-
tischen Erscheinungsformen brauche, zur Verfügung
gestellt zu bekommen statt von gerade verfügbaren Mit-
teln auszugehen, hat der Zeuge Dr. Hanning geantwortet:
„das klingt sehr gut. Ich würde Sie mal einladen,
bei einem Gespräch mit Haushältern dabei zu sein.
Ich habe jetzt nicht mehr die Ehre, die zu führen.
Da weht natürlich ein etwas anderer Wind. Da
wird gesagt: Wir müssen hier eine Kürzung er-
bringen. Im Sicherheitsbereich ist schon lange
nicht mehr gekürzt worden. Bitte sorgt mal dafür,
dass Ihr Effizienzsteigerungen erreicht.“1685
Der damals verantwortliche Bundesinnenminister, der
Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble, hat ausgeführt, dass man
im Jahr 2006 – auch im Vorfeld der Fußballweltmeister-
schaft – eine besonders starke Bedrohung durch den isla-
mistischen Terrorismus empfunden habe. Auch vor dem
Hintergrund der Olympischen Spiele im Jahre 1972 habe
man alles darangesetzt, die Fußballweltmeisterschaft 2006
nicht nur zu einer heiteren Fußballweltmeisterschaft wer-
den zu lassen, sondern auch, die Sicherheit zu gewährleis-
ten, was angesichts der verschiedenen Spielorte und der
neuen Dimension für die Sicherheitslage durch Public
Viewing eine Riesenaufgabe gewesen sei. Er hat an die
fehlgeschlagenen Kofferbombenanschläge vom Juli 2006
und an die sogenannte Sauerland-Gruppe erinnert, die
gezeigt hätten, dass die Bedrohung durch den islamisti-
schen Terrorismus eine reale gewesen sei. Um die Sicher-
heitsbehörden von Bund und Ländern, Polizei und Ver-
fassungsschutzbehörden in einem Zentrum zu einer star-
ken informellen Zusammenarbeit zu bringen, habe man
das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum in Berlin einge-
richtet. Im Zuge dieser Arbeiten sei beim BfV auch eine
Abteilung zur Beobachtung des islamistischen Terroris-
mus in Berlin eingerichtet worden. Angesichts dieser
Vorgaben, auch durch Haushaltsentscheidungen, sei es
notwendig geworden, durch die Zusammenlegung anderer
Abteilungen eine Abteilung einzusparen. Die Entschei-
dung, welche Abteilungen zusammenzulegen waren, sei
im Rahmen einer Abwägung der Vor- und Nachteile
getroffen worden. Der Vorschlag, die Abteilungen für
Links- und Rechtsterrorismus zusammenzulegen, habe
ihm eingeleuchtet. Damit sei keine Minderbewertung,
geringere Gefährdungseinschätzung oder Ähnliches ver-
bunden gewesen.
1686
Er sei dem fachlichen Votum seines
1684) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3 ff.
1685) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 17
1686) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3.
Hauses
1687
und insbesondere dem Votum seines Staats-
sekretärs, dem Zeugen Dr. Hanning, gefolgt.
1688
An ein
direktes Gespräch mit Herrn Fromm in dieser Angelegen-
heit könne er sich nicht erinnern.
1689
Auf Nachfrage hat der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble
erklärt, er habe es nicht so in Erinnerung, dass die Zu-
sammenlegung der beiden Abteilungen den Grund gehabt
habe, Personal einzusparen. Man habe vielmehr eine
zusätzliche Abteilung geschaffen im Bereich des islamis-
tischen Terrorismus, und um die Zahl der Abteilungen im
BMI nicht zu erhöhen, habe man innerhalb der durch den
Haushalt vorgegebenen Begrenzungen Prioritäten setzen
müssen. Damit sei nicht verbunden gewesen, Links- oder
Rechtsextremismus als weniger gefährlich oder weniger
beobachtungswert anzusehen.
1690
Im Rahmen des vorge-
gebenen Haushalts für das BfV habe man versucht, die
Aufgaben des BfV möglichst effizient wahrzunehmen.
Zur Frage, ob Verhandlungen zur Beibehaltung beider
Abteilungen gegenüber dem BMF bzw. gegenüber den
Haushältern im Parlament angestoßen worden seien, hat
der Zeuge Dr. Schäuble ausgeführt:
„Es ist nicht so gewesen. Ich glaube auch […] es
führt in die Irre, Ihre Untersuchungen, wenn Sie
glauben würden, es sei hier eine politische Präfe-
renz je nach der parteipolitischen Zusammenset-
zung der jeweiligen Bundesregierung gewesen. Ich
bin zweimal Innenminister gewesen in zwei unter-
schiedlichen Koalitionen. Ich kann in der Wahr-
nehmung der Verantwortung für die Sicherheit un-
serer Bürger mit allen Fehlern, die wir machen,
mit allen Schwächen, die wir alle haben – Aber
dass es da Präferenzen gibt, dass man aus politi-
schen Gründen Gefahren der einen oder anderen
mehr bekämpft, das habe ich nie erlebt, und das
würde ich auch für meine Vorgänger und für mei-
ne Nachfolger insgesamt für ausgeschlossen anse-
hen. Das halte ich für völlig undenkbar.
Nein, der Punkt war: Wir waren konfrontiert, oder
wir haben es so gesehen aufgrund fachlicher Bera-
tungen und Beurteilungen – so wie sich eben poli-
tische Meinungsbildungen und Entscheidungen er-
geben –, dass wir mit einer verstärkten Bedro-
hungslage aus dem Gesamtfeld des islamistischen
Terrorismus konfrontiert wurden, zusätzlich – was
ja die Bedrohungslage auch verschärft nach der
Einschätzung aller fachlichen Behörde – im Vor-
feld und im Umfeld in der Vorbereitung auf die
Fußballweltmeisterschaft.“1691
Danach befragt, wie die im Erlass des BMI vom
8. September 2006 für die Zusammenlegung der Abtei-
lungen 2 und 3 angeführte Begründung eines „ganzheitli-
1687) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3, 7, 40.
1688) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 5.
1689) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 5.
1690) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 5.
1691) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 28.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207 – Drucksache 17/14600
chen Ansatz zur Bekämpfung des deutschen Extremis-
mus“1692 zu verstehen sei, hat der Zeuge Dr. Hanning
ausgeführt, dazu müsse man in erster Linie die Verfasser
des Papiers befragen, er könne nur versuchen, diese Aus-
sage zu interpretieren. Es gebe durchaus Querverbindun-
gen zwischen Rechts- und Linksextremisten. Das fange an
bei den Rechts- und den Linksautonomen, wo es be-
stimmte Strukturen gebe. Deutscher Extremismus sei
schon ein Grundproblem.
1693
Der Zeuge Dr. Schäuble hat
erklärt:
„Ich meine, mich zu erinnern, ich erinnere mich
ziemlich, dass wir eine prioritäre Gefahrensituati-
on, Bedrohungslage aus dem islamistischen Terro-
rismus gesehen haben.
[…]
Dann war für mich klar, dass wir bei einer be-
grenzten Kapazität für den Verfassungsschutz ver-
suchen müssen, Effizienz zu steigern, indem wir
zwei Abteilungen zusammenlegen, wenn wir eine
neue in Berlin bilden. Dann war die Abwägung:
Welche Abteilungen legt man zusammen? Da sind
dann Argumente für beide Seiten vorgetragen
worden, und ich bin dem Votum meines Hauses,
des Abteilungsleiters und Bericht des Staatssekre-
tärs, gefolgt und würde auch heute in der Rück-
schau nicht erkennen, warum die Entscheidung
nicht richtig gewesen sein soll, zumal sie auch
nicht dazu geführt hat, dass der Rechtsextremis-
mus nicht weiter durch den Verfassungsschutz
sorgfältig beobachtet wurde. Wir haben ja die Be-
obachtung des Rechtsextremismus […] nicht ein-
gestellt, sondern intensiv und erfolgreicher als in
den Jahren zuvor fortgesetzt. Aber darüber hinaus,
also diese weitergehenden - - Terroristen, mit dem
einheitlichen Extremismusbegriff in Deutschland,
das würde mich ein bisschen - - dem würde ich
nicht zu viel Gewicht beigemessen haben.“1694
ccc) Bewertung der Entscheidung durch die
Zeugen Fromm, Dr. Hanning und Dr.
Schäuble
Der damalige Präsident des BfV, der Zeuge Heinz
Fromm, hat vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt,
sein Vorschlag sei ein anderer gewesen. Als klar gewor-
den sei, in welche Richtung es gehen solle, habe er das
noch einmal sehr deutlich gemacht:
„Das halte ich für falsch, auch politisch falsch, die
Selbstständigkeit dieser Abteilungen aufzuge-
ben.“1695
Er hat weiter ausgeführt:
1692) Erlass des Organisationsreferats Z 2 des BMI vom
8. September 2006, MAT A BMI-6b, Bl. 161 f. (VS-NfD).
1693) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.
1694) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 39.
1695) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 35.
„Es sind also zwei Aspekte. Einmal: Die Schlag-
kraft, wenn ich Ihren Begriff aufgreifen darf, die
sank natürlich. Das war auch Absicht, nicht die
Schlagkraft zu senken, sondern die Personalzahl zu
reduzieren auch durch Zusammenschieben von
Organisationseinheiten, und zum anderen das Sig-
nal, das damit verbunden war, dass die Bekämp-
fung des Rechtsextremismus von ihrer Bedeutung
her sank. Das war ein klares Signal, was natürlich
nicht nur außerhalb des BfV im Verfassungs-
schutzverbund registriert worden ist, sondern auch
bei den eigenen Mitarbeitern. Insofern besteht im-
mer natürlich die Gefahr, dass man dann nicht
mehr so motiviert ist, als wenn man das Gefühl
hat, die eigene Arbeit ist von besonderer Bedeu-
tung.
Wenngleich ich von jedem erwarte, dass – egal,
für welche Aufgabe er steht – er die nach besten
Kräften zu leisten hat, auch wenn das eine Aufga-
be ist, die in der Prioritätenliste ein bisschen weiter
unten ist, ist doch Tatsache, dass, wenn ich so ein
Signal setze, natürlich auch die Motivation mögli-
cherweise beeinträchtigt wird. All das hat eine
Rolle gespielt. Und der Umstand, dass wir – ich
habe die Zahlen hier – doch deutlich von Beginn
der 2000er-Jahre bis dann zum Ende dieses Jahr-
zehnts in der Personalausstattung reduziert worden
sind, hat sicher auch etwas mit Schlagkraft am En-
de zu tun.“1696
Demgegenüber haben die Zeugen Dr. August Hanning
und Dr. Wolfgang Schäuble die damals getroffene Ent-
scheidung vor dem Untersuchungsausschuss gerechtfer-
tigt.
Auf Nachfrage, ob er es für richtig halte, dass nach der
Zusammenlegung der Abteilungen Links- und Rechtsex-
tremismus ungefähr 20 Prozent weniger Personal für den
Rechtsextremismus zuständig gewesen sei, als zuvor, hat
der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt, man müsse den Ver-
fassungsschutz insgesamt sehen. Die Bedrohung von der
islamistischen Seite sei damals sehr viel stärker gewesen
als die Bedrohung durch Rechtsextremisten. Hätte man
nicht entsprechende Vorsorge getroffen, wäre man nicht
so erfolgreich gewesen, größte Anschläge in Deutschland
zu verhindern, wie zum Beispiel den vereitelten Versuch
der Sauerland-Attentäter, die mit erheblicher krimineller
Energie vorgegangen seien und darin geschwelgt hätten,
Hunderte von Toten durch extremistische Anschläge
herbeizuführen. Aus damaliger Sicht sei es die richtige
Entscheidung gewesen, den Schwerpunkt auf den Bereich
Islamismus zu legen.
1697
Eine höhere Aufmerksamkeit der
einen Herausforderung zu widmen, heiße nicht, gegen-
über einer anderen Herausforderung die Augen zu schlie-
ßen. Begrenzte Ressourcen müssten nach Prioritäten ein-
1696) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 35 f.
1697) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 18.
Drucksache 17/14600 – 208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gesetzt werden. Die vorgenommene Priorisierung sei
damals richtig gewesen.
1698
Die Annahme, man habe den Rechtsextremismus irgend-
wie im Griff oder würde ihn schon überschauen, sei im
Nachhinein jedoch sicherlich eine falsche gewesen.
1699
Mit dem Wissen von damals habe man aber, so glaube er,
die richtige Entscheidung gefällt. Das Bedrohungsszena-
rio „Einzeltäter-Thüringen“ habe man damals nicht gese-
hen. Dass man in der Retrospektive dies anders habe
machen können, stehe außer Frage. Aber Einzeltäter zu
identifizieren sei sehr schwierig. Und die Vorstellung,
man könne durch noch mehr Personal das Problem sofort
lösen, halte er für eitel.
1700
Dr. Hanning hat weiterhin ausgeführt, dass auch eine
Entscheidung für eine Zusammenlegung der Bereiche
Linksextremismus und Ausländerextremismus aus seiner
Sicht Probleme mit sich gebracht hätte, denn Linksextre-
mismus in Deutschland sei nicht nur Ausländerextremis-
mus. Das halte er schon fast für eine Diskreditierung des
Ausländerbereichs.
1701
„Also, wenn Sie so wollen, waren alle Varianten
nicht besonders komfortabel. Sie waren eigentlich
schlecht. Eigentlich hätten wir alles aufrechterhal-
ten müssen, aber wir hatten auch unsere Haus-
haltszwänge. Ich meine, Sie müssen von den vor-
handenen Mitteln ausgehen. Sie müssen die
Knappheit verwalten, Sie müssen Prioritäten set-
zen, und Sie können das natürlich nur anhand der
bekannten Bedrohungsszenarien machen. Wenn
Sie Dinge nicht kennen – wie hier in diesem Fall
die Geschichte NSU –, dann können Sie nicht ent-
sprechend dem NSU auslegen. Sie können nur ge-
gen bekannte Bedrohungsszenarien agieren.“1702
Insgesamt sei das Bundesamt für Verfassungsschutz unter
Bundesinnenminister Dr. Schäuble nach Angaben des
Zeugen Dr. Hanning aber gestärkt worden:
1703
„Wir haben, glaube ich – ‚wir‘ heißt: Minister
Schäuble –, auf meinen Vorschlag hin die Mittel
für das Bundesamt für Verfassungsschutz erheb-
lich gesteigert. Wir haben ein besonderes Pro-
gramm aufgelegt. Wir haben zusätzliche Stellen
akquiriert. Wir haben die Abteilung Islamismus
hier gegründet in Berlin. Ich habe in einigen
Staatssekretärsrunden mit den Ländern das Thema
Verfassungsschutz thematisiert. Wir haben ge-
meinsam über Verbesserungen nachgedacht. Wir
haben eine Prüfung im Bundesamt für Verfas-
sungsschutz veranlasst, wie wir die Effizienz stei-
gern können. Ich glaube, Minister Schäuble hat
sich wie kein Minister zuvor um den Bereich Ver-
1698) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 18.
1699) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.
1700) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 29.
1701) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.
1702) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.
1703) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 18.
fassungsschutz gekümmert, und wir haben auch
beachtliche Verbesserungen dort erreicht. Also, in-
soweit ist Ihre Botschaft, wenn auch in anderer
Form, durchaus damals umgesetzt worden. Wir
haben, glaube ich, wenn ich mir die früheren In-
nenminister anschaue, in einem Bereich Verfas-
sungsschutz sehr viel mehr getan als alle früheren
Innenminister.“1704
Der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble hat dargelegt, dass er
die Entscheidung auch in der Rückschau für richtig hal-
te.
1705
Er sei dem fachlichen Votum des Ministeriums
gefolgt und das würde er auch heute, in der Rückschau
seiner Erfahrungen wieder so halten.
1706
Er sei auch nicht der Meinung, dass das BfV durch diese
Entscheidung in seiner Aufgabe der präventiven Beobach-
tung des Rechtsextremismus irgendwie geschwächt wor-
den sei. Wo immer genügend Erkenntnisse vorgelegen
hätten, um rechtlich einwandfreie Verbotsmaßnahmen
rechtsextremistischer Vereinigungen zu ergreifen, habe
man diese erfolgreich ergriffen.
1707
Die vom derzeitigen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter
Friedrich getroffene Entscheidung, die Abteilungen wie-
der zu trennen und erneut eine eigenständige Abteilung
„Rechtsextremismus“ im BfV einzurichten, hat der Zeuge
Dr. Schäuble gleichwohl nicht als einen Fehler bezeich-
net. Es sei ein Zeichen für das Funktionieren von Syste-
men, wenn man einmal getroffene Entscheidungen, die
man aus der damaligen Sicht nicht für falsch halten müs-
se, später anders trifft.
1708
cc) Organisation der Abteilung II des BfV nach
2006
Zum 1. März 2008 wurde die Referatsgruppe 2C und 2D
zusammengelegt zur Referatsgruppe 2C (Auswertung
Rechtsextremismus, Scientology Organisation). Diese
Referatsgruppe hatte sechs Referate.
1709
Bis zum Oktober
2011 blieb diese Struktur der Abteilung II erhalten.
1710
Der Personalstand blieb in dieser Zeit ungefähr gleich. Im
Januar 2011 hatte die Abteilung II 125,92 belegte Stel-
len.
1711
1704) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 17 f.
1705) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3, 39.
1706) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3, 7, 40.
1707) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 36.
1708) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 40.
1709) Organigramm vom 1. März 2008, MAT A BfV-3 (Tgb.-Nr.
02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 54 (VS-NfD).
1710) Vgl. Organigramm vom 1. Oktober 2011, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 65 (VS-NfD).
1711) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 2011, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 96 (VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209 – Drucksache 17/14600
4. Informationsfluss zwischen Verfas-
sungsschutzämtern und Ermittlungsbe-
hörden
a) Grundsätze des Informationsflusses zwi-
schen Verfassungsschutzämtern und Er-
mittlungsbehörden
aa) Schnittstellenproblem der Behördenko-
operation
Professor Dr. Gusy hat in seinem Gutachten für den
Untersuchungsausschuss zur Behördenkooperation – vor
Erlass des Urteils des BVerfG vom 24. April 2013, 1 BvR
1215/07
1712
– ausgeführt:
„Behördenkooperation ist rechtlich kein Ausnah-
mefall ‚gewöhnlicher‘ Behördenarbeit. Sie soll
letztlich dazu dienen, nicht allein den isolierten
Behördenzweck, sondern den jeweils wahrzuneh-
menden Verwaltungszweck zu fördern. Solange
die zu beteiligenden Behörden diesen Zweck mit
gemeinsamer Aufgabenstellung und kompatiblen
Mitteln wahrnehmen sollen, ist dies kein Problem.
Schnittstellenprobleme entstehen jedoch, wenn die
einzelnen Behörden mit unterschiedlichen Zielset-
zungen und unterschiedlichen Mitteln an die je-
weilige Aufgabe herangehen. Hier können sich
Unterschiede zwischen Polizei und Verfas-
sungsschutzbehörden ergeben.
Aufgabe der Polizei ist
– die Aufklärung von Straftaten, ggf. durch Ein-
leitung von Strafverfahren, nach dem Legali-
tätsprinzip: Spätestens zu diesem Zeitpunkt er-
fahren Betroffene von den getroffenen Maß-
nahmen oder
– die Abwehr von Gefahren durch eigenes Ein-
schreiten nach dem Opportunitätsprinzip: Sol-
che Maßnahmen können Betroffene bemer-
ken, müssen es aber nicht in jedem Fall. Ein
Anspruch auf Information über getroffene
Maßnahmen besteht nicht.
Demnach mündet polizeiliche Aufgabenerfül-
lung vielfach, aber nicht stets in Aktivitäten,
welche nach außen hervortreten und von Be-
troffenen bemerkt werden können. Zu solchen
Handlungen ist die Polizei im Rahmen des
Legalitätsprinzips sogar verpflichtet.
– Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Auf-
klärung von Bestrebungen, bestimmten Straf-
taten u. a. im Vorfeld. Dieser Aufklärungsauf-
trag dauert an, solange von Personen oder Or-
ganisationen überhaupt noch zukünftige Risi-
ken ausgehen können. Der Beobachtungsauf-
trag hört insbesondere mit Straftaten oder der
1712) NJW 2013, 1499 ff.; vgl. hierzu unter C.III.4.a)ee)bbb).
Realisierung von Gefahren nicht auf. Von der
(fortdauernden) Aufklärung erfahren Betrof-
fene regelmäßig nichts.
Sobald sich konkrete Gefahren im Über-
schneidungsbereich von Verfassungsschutz
und Polizei zeigen, können die Aufträge dem-
nach divergieren: Die Polizei soll Gefahren
abwehren oder Verfahren einleiten; die Ver-
fassungsschutzbehörden sollen aufklären.
Konkret bedeutet dies:
– Informiert der Verfassungsschutz die Polizei,
kann es geschehen, dass Betroffene von den
gegen sie getroffenen Aufklärungsmaßnahmen
erfahren und ggf. mit Abwehr- oder Strafver-
folgungsmaßnahmen konfrontiert sind. Da-
durch fallen sie als Beobachtungsobjekte für
die Zukunft weitgehend aus. Damit wird die
polizeiliche Aufgabe erfüllbar, diejenige des
Verfassungsschutzes aber ggf. beeinträchtigt.
Zumindest dieser Effekt kann den Verfas-
sungsschutz dazu bewegen, von einer Infor-
mation der Polizei abzusehen. Der genannte
Kollisionsfall ist bislang rechtlich nicht gere-
gelt und in Rechtsprechung und Rechtswis-
senschaft nicht bearbeitet.
– Informiert die Polizei den Verfassungsschutz,
so ist dies allein nicht geeignet, ihre Aufgabe
zu beeinträchtigen. Es können allerdings Ver-
suche der Verfassungsschutzbehörden ermög-
licht werden, potentiell Betroffene unter Hin-
weis auf eigene gesetzlich vorgesehene Auf-
gaben dem polizeilichen Zugriff zu entziehen.
Dies kann entweder unmittelbar oder mit
nachrichtendienstlichen Methoden oder auf
dem Umweg über die Einschaltung gemein-
samer Aufsichtsbehörden geschehen. Auch
dieser Fall ist gesetzlich nicht geregelt und
durch Rechtsprechung und Rechtswissen-
schaft nicht aufgearbeitet. Auch in diesem Fal-
le können mögliche negative Rückwirkungen
auf die eigene Arbeit die Polizei dazu bewe-
gen, von einer Information der Verfas-
sungsschutzbehörden abzusehen.
Das Schnittstellenproblem Kooperation lässt
sich demnach so zusammenfassen: Die
Rechtsordnung hält nicht nur positive
Incentives für die Kooperation beider Stellen
bereit. Vielmehr finden sich auch negative
Incentives, welche einer Kooperation im Ein-
zelfall entgegenstehen können. Diese folgen
weniger aus bestimmten Einzelregelungen als
vielmehr aus unterlassenen Regelungen – so-
wohl im Außen- wie auch im Innenrecht – und
den aus ihnen folgenden Prognose- und Ein-
schätzungsschwierigkeiten.“1713
1713) Gutachten vom 20. März 2012, MAT A S-1, Bl. 21 f.
Drucksache 17/14600 – 210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Rechtliche Grundlagen der Übermittlung
von Informationen durch das BfV an Er-
mittlungsbehörden
Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG ist das BfV ver-
pflichtet, den Staatsanwaltschaften und der Polizei von
sich aus die ihm bekanntgewordenen Daten zu übermit-
teln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von
Staatsschutzdelikten i. S. v. §§ 74a, 120 GVG erfor-
derlich ist.
Darüber hinaus dürfen nach § 20 Abs. 2 Satz 1
BVerfSchG die Polizeibehörden das BfV zur Verhinde-
rung von Staatsschutzdelikten um Übermittlung der er-
forderlichen Informationen ersuchen, was für das BfV
eine Übermittlungspflicht auslöst.
Ersucht im Übrigen eine Ermittlungsbehörde das BfV um
die Übermittlung von Informationen, so darf das BfV
gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG der Bitte nachkom-
men, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforder-
lich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst
für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Das BfV
hat insoweit ein Ermessen, das sich aber gegebenenfalls
zu einer Pflicht zur Informationsweitergabe reduzieren
kann.
Einschränkungen der Übermittlungspflicht enthält darüber
hinaus § 23 BVerfSchG (Übermittlungsverbote), welcher
lautet:
„Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses
Abschnitts unterbleibt, wenn
1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass
unter Berücksichtigung der Art der Informationen
und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen
des Betroffenen das Allgemeininteresse an der
Übermittlung überwiegen,
2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfor-
dern oder
3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen
entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung
gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von
Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die
nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt
unberührt.“
Der Zeuge Gabaldo, Leiter der Fachprüfgruppe im BfV,
hat darauf hingewiesen, dass in bestimmten Fällen eine
Übermittlungspflicht auch aufgrund des § 138 StGB
(Nichtanzeige geplanter Straftaten) besteht: Erhält ein
Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Kenntnis von Straf-
taten, die im Katalog des § 138 StGB aufgeführt sind, so
muss er die Polizei benachrichtigen, andernfalls macht er
sich selbst nach § 138 StGB strafbar.
1714
1714) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 5.
Bei der Überwachung der Telekommunikation und des
Postverkehrs durch Verfassungsschutzbehörden sieht § 4
Abs. 4 G10 spezielle Regelungen für die Übermittlung
von Informationen an die Polizei vor.
1715
Für den MAD gelten gem. §§ 11, 12 MADG dieselben
Regelungen wie für das BfV.
cc) Rechtliche Grundlagen der Informations-
übermittlung von Landesverfas-
sungsschutzbehörden an Ermittlungsbe-
hörden
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit
Im Falle einer länderübergreifenden Zusammenarbeit
regelt § 21 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG eine Übermittlungs-
verpflichtung der LfV an die Staatsanwaltschaften und
Polizeibehörden im gleichen Umfang wie beim BfV.
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am
Beispiel von Bayern und Thüringen
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG gilt diese soeben
genannte Verpflichtung zur Informationsübermittlung
nicht zwischen den Behörden desselben Landes.
Die Regelungen in den Ländern sind unterschiedlich
ausgestaltet. Wegen der Vielzahl der Regelungen werden
nur die rechtlichen Grundlagen in Thüringen und Bayern
dargestellt
1716
:
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayVSG darf das LfV Bayern
personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermit-
teln, wenn dies zur Aufgabenerfüllung des LfV erforder-
lich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum
Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung
oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit ein-
schließlich der Strafverfolgung benötigt. Diese Vorschrift
betrifft damit insbesondere die Informationsübermittlung
an Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Übermittlung ist in
das Ermessen des LfV gestellt. Eine Einschränkung auf
bestimmte Delikte oder Phänomenbereiche (namentlich
Staatsschutzdelikte) enthält das Gesetz ebenso wenig wie
eine Übermittlungsverpflichtung für das LfV in bestimm-
ten Fällen.
Art. 14 Abs. 1 BayVSG in der Fassung vom 1. Januar
2003 bis 31. Juli 2008 lautet:
„(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf
personenbezogene Daten an öffentliche Stellen
übermitteln, wenn das zur Erfüllung seiner Aufga-
ben nach diesem Gesetz erforderlich ist oder wenn
1715) Vgl. auch die Ausführungen im Abschlussbericht der Bund-
Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013,
A-Drs. 488, Rn. 71 ff.
1716) Hinsichtlich der Länder Brandenburg, Hessen, Niedersach-
sen und Sachsen vgl. den Abschlussbericht der Bund-
Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013,
A-Drs. 488, Rn. 101 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211 – Drucksache 17/14600
die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder
sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit ein-
schließlich der Strafverfolgung benötigt; das Lan-
desamt für Verfassungsschutz hat die Übermitt-
lung aktenkundig zu machen. Gleiches gilt, wenn
der Empfänger die personenbezogenen Daten zur
Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben be-
nötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der frei-
heitlichen demokratischen Grundordnung beizu-
tragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Si-
cherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat.
Der Empfänger darf die übermittelten Daten, so-
weit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu
dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermit-
telt wurden, es sei denn, dass das Landesamt für
Verfassungsschutz einer anderen Verwendung für
Zwecke nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt hat.
Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenbe-
zogener Daten innerhalb des Landesamts für Ver-
fassungsschutz.“
Die aktuell in Bayern geltende Vorschrift des Art. 14 Abs.
1 BayVSG ist lediglich im Wortlaut, aber nicht im Inhalt
geändert.
1717
Die Informationsübermittlung durch das Landesamt für
Verfassungsschutz ist in § 14 Abs. 1 des Thüringer Ver-
fassungsschutzgesetzes (ThürVSG) geregelt. Dieser laute-
te in der Fassung vom 6. November 1991 bis zum 27. Juni
2002:
„(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf,
soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an
andere Behörden und öffentliche Stellen personen-
bezogene Daten zur Erfüllung seiner Aufgaben
nach § 2 Abs. 1, 4 und 5 übermitteln. Zu anderen
Zwecken darf es, soweit gesetzlich nichts anderes
bestimmt ist, personenbezogene Daten nur über-
mitteln an:
1. den Bundesnachrichtendienst und den Militäri-
schen Abschirmdienst, soweit tatsächliche An-
haltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung
für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben er-
forderlich ist;
2. die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden,
wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass die Übermittlung erforderlich ist:
a) zur Verhütung oder Verfolgung der in §§ 74a
und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genann-
ten Straftaten oder sonstiger Straftaten, bei denen
aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Tatver-
dächtigen oder dessen Verbindung zu einer Orga-
nisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlie-
gen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10
Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten
Schutzgüter gerichtet sind;
1717) Im letzten Satz heißt es nunmehr statt „Übermittlung“: „Wei-
tergabe“.
b) zur Verfolgung der in § 100a Strafprozessord-
nung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten
im Rahmen der organisierten Kriminalität;
3. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend
tätig sind, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür
bestehen, dass dies zu ihrer Aufgabenerfüllung er-
forderlich ist und die Übermittlung der Abwehr ei-
ner im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr
oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Num-
mer 2 genannten Straftaten sowie von Verbrechen,
für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorlie-
gen, dient;
4. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn
tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben er-
forderlich ist und der Empfänger die Daten zum
Schutz der freiheitlich demokratischen Grundord-
nung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Si-
cherheit benötigt.“1718
Nach dem Wortlaut des § 14 ThürVSG (a. F.) lag es hier
ebenfalls (wie in Bayern) im Ermessen des Thüringer
Landesamtes für Verfassungsschutz, ob und in welchem
Umfang Informationen an die Strafverfolgungsbehörden
herausgegeben werden.
Hierin bestand eine gravierende Abweichung vom Bun-
desrecht, denn nach dem BVerfSchG sind das Bundesamt
für Verfassungsschutz (§ 20 BVerfSchG) und die Landes-
ämter für Verfassungsschutz (§ 21 Abs. 1 BVerfSchG)
verpflichtet, in bestimmten Fällen Informationen an die
Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln (siehe oben).
Die Thüringer Regelung war nach Ansicht der Schäfer-
Kommission nicht verfassungskonform. Sie kommt zu
folgendem Schluss:
„Ungeachtet seines Wortlauts ist § 14 ThürVSG
(Anm.: a. F.) dahingehend auszulegen, dass bei
dem Verdacht schwerer Straftaten, etwa bei Ver-
brechen nach §129a StGB eine Übermittlungs-
pflicht des Verfassungsschutzes anzunehmen ist.
Das Bundesverfassungsgericht führt in ständiger
Rechtsprechung aus:
‚Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die
Berücksichtigung der Belange einer funktionsfähi-
gen Strafrechtspflege, ohne die Gerechtigkeit nicht
zum Durchbruch verholfen werden kann. Es be-
steht daher die verfassungsrechtliche Pflicht des
Staates, eine funktionsfähige Strafrechtspflege zu
gewährleisten.‘ Diese Grundsätze verbieten es, die
Weitergabe von Erkenntnissen zu schwerwiegen-
den Straftaten an die Strafverfolgungsbehörden in
das Ermessen des Verfassungsschutzes zu legen.
Dem können auch nicht die Bedürfnisse des Quel-
1718) § 14 ThürVSG, gültig vom 6. November 1991 bis zum
27. Juni 2002.
Drucksache 17/14600 – 212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lenschutzes und die Funktionsfähigkeit des Verfas-
sungsschutzes entgegengehalten werden.“1719
Inzwischen ist § 14 ThürVSG dem Bundesrecht angepasst
worden. Seit dem 18. August 2012 besteht auch in Thü-
ringen eine Informationspflicht des Landesamts für Ver-
fassungsschutz gegenüber der Staatsanwaltschaft und den
Polizeibehörden (§ 14 Abs. 2 ThürVSG). Diese ist sogar
noch weitergehender als auf Bundesebene. Das LfV Thü-
ringen muss bereits dann Daten übermitteln, wenn tat-
sächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese
Übermittlung zur Verhinderung von Verbrechen dient, für
deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen.
Die in Bayern in Art. 17 BayVSG sowie in Thüringen in
§ 15 ThürVSG
1720
geregelten Übermittlungsverbote
stimmen mit den Übermittlungsverboten nach § 23
BVerfSchG überein.
dd) Übermittlung von Informationen von den
Ermittlungsbehörden an die Verfas-
sungsschutzbehörden
Übermittlungspflichten und -befugnisse existieren auch in
die umgekehrte Richtung, d. h. von den Ermittlungsbe-
hörden zu den Verfassungsschutzbehörden.
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit
Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG sind Polizei und
Staatsanwaltschaft sowohl gegenüber dem BfV als auch
gegenüber den Landesbehörden für Verfassungsschutz
verpflichtet, Informationen hinsichtlich solcher Tatsa-
chen, die den Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes
im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 u. 4 BVerfSchG betref-
fen, zu übermitteln, sofern ein Gewaltbezug besteht. Die
Bestrebungen müssen sich entweder bereits durch die
Anwendung von Gewalt, mindestens jedoch durch ent-
sprechende Vorbereitungshandlungen auszeichnen.
Hinsichtlich aller übrigen Informationen, die Bestrebun-
gen im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG betreffen, besteht
gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG eine Übermitt-
lungsbefugnis von Polizei und Staatsanwaltschaft an die
Landesbehörden für Verfassungsschutz und an das BfV.
Hierbei müssen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Aufgabener-
füllung des Verfassungsschutzes erforderlich ist. Diese
weitergehende Übermittlungsbefugnis, für die ein Ge-
waltbezug nicht erforderlich ist, ist in das Ermessen der
übermittelnden Behörde gestellt.
Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeld-
verfahren (RiStBV) des Bundes und der Länder enthalten
in Nr. 205 für den Staatsanwalt Hinweise auf die ein-
schlägigen Vorschriften des Verfassungsschutzrechts.
1719) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 202, Rn. 348, 349.
1720) Keine Änderung gegenüber der früher geltenden Fassung.
Die Regelungen des § 18 Abs. 1 und 2 BVerfSchG gelten
allerdings nicht bei der Übermittlung von Informationen
innerhalb desselben Bundeslandes.
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am
Beispiel Bayerns und Thüringens
In Bayern besteht gemäß Art. 12 Abs. 1 BayVSG eine
Übermittlungspflicht für Polizei und Staatsanwaltschaft,
sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
die Übermittlung für die dem LfV Bayern durch das
Gesetz zugewiesene Aufgabe erforderlich sein kann. Ein
die Übermittlungspflicht nach Art. 12 BayVSG ein-
schränkendes Übermittlungsverbot ist gesetzlich nicht
geregelt.
In Thüringen sieht § 12 Abs. 1 ThürVSG vor, dass Polizei
und Staatsanwaltschaft von sich aus Informationen über
bestimmte Straftaten dem LfV übermitteln.
In beiden Ländern ist das LfV gemäß Art. 13 Abs. 1
Satz 1 BayVSG, § 13 Abs. 1 ThürVSG befugt, im Rah-
men seiner Aufgabenerfüllung Übermittlungsersuchen an
Polizei und Staatsanwaltschaft zu richten, womit eine
entsprechende Übermittlungspflicht der ersuchten Behör-
de korrespondiert.
Auch in diesem Bereich gilt Nr. 205 RiStBV.
Bei besonders sensiblen Daten, nämlich solchen Informa-
tionen, welche die Ermittlungsbehörden aus Maßnahmen
erlangt haben, die nur bei dem Verdacht bestimmter Straf-
taten erhoben werden dürfen, besteht die Einschränkung
des § 477 Abs. 2 StPO. Der Verfassungsschutz darf in
diesen Fällen Auskunft über die Daten nur verlangen,
wenn die Voraussetzungen des § 18 BVerfSchG vorlie-
gen, d. h. bei Gewaltbezug.
ee) Informationelles Trennungsgebot?
aaa) Gutachten von Prof. Wolff
Prof. Wolff hat in seinem Gutachten, das er vor Erlass des
Urteils des BVerfG vom 24. April 2013, 1 BvR 1215/07,
für den Ausschuss erstattet hat, das Vorliegen eines in-
formationellen Trennungsgebotes zwischen Nachrichten-
diensten und Polizei verneint. Im Einzelnen hat er ausge-
führt:
„Die strengste Stufe des Trennungsgebotes bildet
ein Verbot der informationellen Zusammenarbeit.
Danach wäre nicht nur eine Vergleichbarkeit der
Eingriffsbefugnisse oder ein Zusammenwirken bei
Eingriffen unzulässig, sondern auch der Austausch
von Informationen, die durch jeweils spezifische
Eingriffsbefugnisse erlangt wurden. Zum Teil wird
angenommen, ein Verbot der informationellen Zu-
sammenarbeit folge aus dem Befugnis bezogenen
Trennungsgebot, da dieses ansonsten ‚weitgehend
wirkungslos‘ sei, wenn zwischen den Behörden ein
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213 – Drucksache 17/14600
unbeschränkter Datenaustausch stattfinden dürf-
te.
1721
Eine zumindest grundsätzliche Trennung der
jeweiligen Informationsbestände sei daher vonnö-
ten.
1722
Der Datenaustausch müsse auf Informatio-
nen beschränkt werden, die der Datenempfänger
mit den ihm zugestandenen Kompetenzen auch
selbst hätte erheben dürfen (‚doppelter Vorbe-
halt‘). Ein solch strenges informationelles Tren-
nungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Po-
lizei aus Organisationsrecht ist, soweit ersichtlich,
nirgends ausdrücklich geregelt. […]
c) Die Frage des informationellen Trennungsge-
bots
Demgegenüber wird man die Existenz eines in-
formationellen Trennungsgebots grundsätzlich
nicht annehmen können.
1723
Die Grenzen für den
Informationsfluss ergeben sich aus den Grundrech-
ten und nicht aus dem organisatorischen Tren-
nungsgebot. Sinn und Zweck des Trennungsgebots
ist nicht die informationelle Abschottung von
Nachrichtendiensten und Polizei. Der eigentliche
Kerngedanke des Trennungsgebots liegt in den
zwei anderen genannten Funktionen und diese ver-
langen gerade nicht nach einer informationellen
Trennung. Vielmehr liegt der Informationsaus-
tausch von den Nachrichtendiensten weggerade im
Sinn des Trennungsgebots. Die Nachrichtendienste
üben eine rein informationelle Hilfsfunktion für
andere (dann zum Handeln Berufene) aus; sie sind
– wie der Name schon sagt – ‚Nachrichten‘-
Dienst, d. h. Informationsquelle für andere.
1724
Die
Informationsweitergabe von Nachrichtendiensten
an Regierung und in verminderter Form auch an
die Polizei ist die Kehrseite und Konsequenz des
Trennungsgebotes.
1725
Soll ihre Tätigkeit als
,Nachrichten‘-Dienst nicht partiell vergebens und
sinnlos sein, sind sie darauf verwiesen, ihre Infor-
mationen an diejenigen weiterzugeben, die die er-
forderlichen Konsequenzen zu ziehen in der Lage
sind. Wenn das Grundgesetz selbst etwa einen
,Verfassungsschutz‘ vorsieht, so ist davon auszu-
gehen, dass dieser auch einen tatsächlichen Beitrag
zum Schutz der Verfassung leisten können soll.
Eine über die organisatorische und funktionale
Trennung hinausgehende völlige Abschottung der
vorhandenen Datenbestände würde die vom
Grundgesetz (und den Alliierten) ausdrücklich
vorgesehenen Nachrichtendienste in ihrer Schutz-
1721) Baumann, Vernetzte Terrorismusbekämpfung oder Trennungs-
gebot?, DVBl 2005, 798, 800.
1722) Schapper, Rechtsstaatliche Fundierung der Informationsverar-
beitung bei Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten,
DRiZ 1987, 222, 223.
1723) Vgl. nur Götz, HStR IV (Fn. 14), 2006, § 85, Rn. 40.
1724) Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung, S. 406 f.
1725) Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung, S. 411 f.
funktion für die genannten Rechtsgüter weitgehend
entwerten.
Eine Regel, dass man stets nur solche Informatio-
nen übermittelt bekommen darf, die man selbst
von Verfassungs wegen hätte erheben dürfen, lässt
sich aus der Verfassung nicht herleiten. Die Recht-
sprechung des BVerfG bestätigt dies.
1726
Auch das
Verbot der Amtshilfe verlangt kein Informations-
verbot. Eine mit dem Amtshilfeverbot bewirkte
‚Befugnisleihe‘, ist zu unterscheiden, wenn die Po-
lizei im Rahmen ihrer regulären Arbeit und für ih-
re eigenen Zwecke Informationen erhebt und diese
auch für die Nachrichtendienste relevant sind. Die
Kooperation von Behörden mit unterschiedlichen
Aufgaben und Befugnissen ist für ein funktionie-
rendes Staatswesen von essentieller Bedeutung
und auch in der Praxis gang und gäbe. Das Grund-
gesetz selbst geht im Rahmen der Gesetzgebungs-
kompetenzen erkennbar von einer Zusammenar-
beit von Bund und Ländern aus (Art. 73 Abs. 1 Nr.
10 GG). Weiter sind die normativen Anknüp-
fungspunkte für ein organisatorisches und ein
Aufgaben bezogenes Trennungsgebot im Grund-
gesetz schon gering genug. Ein informationelles
Trennungsgebot können sie nicht begründen. Eine
Umgehung des organisatorischen und funktionalen
Trennungsprinzips wird durch einen punktuellen
Informationsaustausch nicht bewirkt, da durch die
Beschränkung der Zusammenarbeit auf bestimmte
Schutzgüter der Verlust der Funktion der organisa-
torischen Trennung ausgeschlossen ist. Weiter wä-
re ein informationsrechtliches Trennungsgebot
auch nicht in der Lage, die notwendigen Maßstäbe
für die Frage der Reichweite einer ausnahmsweise
zulässigen Zusammenarbeit zu bieten.“1727
bbb) Entscheidung des BVerfG vom 24. April
2013 zur Antiterrordatei
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schließt hinge-
gen aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbe-
stimmung auf ein informationelles Trennungsprinzip.
Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten
und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht
werden; Einschränkungen der Datentrennung sind nur
ausnahmsweise zulässig. Im Rahmen der Beurteilung der
Zulässigkeit einer gemeinsamen Antiterrordatei der
Sicherheitsbehörden hat das Bundesverfassungsgericht
allgemein ausgeführt:
1726) BVerfGE 100, 313 ff. geht gerade von der Zulässigkeit der
Weitergabe von solchen Informationen des Nachrichtendienstes
an Polizeien aus, die aus einem nachrichtendienstlichen Eingriff
in Art. 10 GG gewonnen worden waren, der den Polizeien in
dieser Form nicht hätte erlaubt werden dürfen; zutreffend
Lisken/Denninger, in: dies., Handbuch, 2007, C, Rn. 120.
1727) Gutachten vom März 2012, MAT A S-1/1, S. 17 ff.; ähnlich
auch die Ausführungen im Abschlussbericht der Bund-Länder-
Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, A-Drs.
488, Rn. 23 f.
Drucksache 17/14600 – 214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Die Zusammenführung von Daten der Nachrich-
tendienste und der Polizeibehörden [hat] erhöhtes
Gewicht und unterliegt grundsätzlich verfassungs-
rechtlich engen Grenzen. Denn Polizeibehörden
und Nachrichtendienste haben deutlich voneinan-
der unterschiedene Aufgaben. Dementsprechend
unterliegen sie hinsichtlich der Offenheit ihrer
Aufgabenwahrnehmung sowie bezüglich der Da-
tenerhebung grundlegend verschiedenen Anforde-
rungen.
(aa) Den Nachrichtendiensten kommt die Aufgabe
zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefähr-
dungslagen zu betreiben. Ihr Datenzugriff dient
dabei zugleich verschiedenartigen und weit gefass-
ten Zielen wie dem Schutz vor verfassungsfeindli-
chen Bestrebungen im Inland und vor innerstaatli-
chen Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste,
dem Schutz vor gewaltbereiten Bestrebungen, die
den gesamten Bereich der ‚auswärtigen Belange‘
gefährden, oder dem Schutz vor Bestrebungen, die
gegen den Gedanken der Völkerverständigung
oder das friedliche Zusammenleben der Völker ge-
richtet sind (vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG, § 1 Abs. 2
BNDG, § 1 Abs. 1 MADG sowie § 1 Abs. 1 i. V.
m. § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 G 10). Sie haben
mannigfaltige Bestrebungen auf ihr Gefahrenpo-
tenzial hin allgemein zu beobachten und sie gerade
auch unabhängig von konkreten Gefahren in den
Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 122, 120 <145>).
Diesem vorfeldbezogenen Aufgabenspektrum ent-
sprechend haben die Nachrichtendienste weitrei-
chende Befugnisse zur Datensammlung, die weder
hinsichtlich der konkreten Tätigkeitsfelder spezi-
fisch ausdefiniert noch hinsichtlich der jeweils
einzusetzenden Mittel detailscharf ausgestaltet
sind. Für die Behörden des Verfassungsschutzes
umfassen sie Methoden und Instrumente zur heim-
lichen Informationsbeschaffung wie etwa den Ein-
satz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen,
Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen,
Tarnpapiere und Tarnkennzeichen (vgl. § 8 Abs. 2
BVerfSchG; § 6 Abs. 1 LVSG Baden-
Württemberg).
Nach § 5 G 10 darf der Bundesnachrichtendienst
zur Informationsgewinnung in bestimmten Fällen
mit dem Instrument der strategischen Überwa-
chung internationale Telekommunikationsbezie-
hungen nach bestimmten Suchbegriffen durchfil-
tern (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 ff.> zur Vor-
gängervorschrift des § 3 Abs. 1 G 10 a.F.). Unbe-
schadet der auch hier differenzierten verfassungs-
rechtlichen Anforderungen, die nicht Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens sind, spiegeln diese
Befugnisse die Weite der Aufgaben der Nachrich-
tendienste und zeichnen sich durch relativ geringe
Eingriffsschwellen aus. Überdies sammeln die
Nachrichtendienste Daten grundsätzlich geheim.
Der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung
gilt für sie nicht, und sie sind von Transparenz-
und Berichtspflichten gegenüber den Betroffenen
weithin freigestellt.
Entsprechend gering sind die Möglichkeiten indi-
viduellen Rechtsschutzes. Zum Teil werden diese
sogar ganz durch eine politische Kontrolle ersetzt
(vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG). Im Gegenzug und
zum Ausgleich zu der Weite dieser Datenerhe-
bungsbefugnisse ist die Zielrichtung der Aufklä-
rung begrenzt. Unbeschadet näherer Differenzie-
rungen zwischen den verschiedenen Diensten be-
schränkt sie sich im Wesentlichen darauf, funda-
mentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als
Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und
hierüber zu berichten, um eine politische Einschät-
zung der Sicherheitslage zu ermöglichen. Ziel ist
nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die
politische Information. So ist Aufgabe der Tätig-
keit des Bundesnachrichtendienstes nicht die Be-
kämpfung von Straftaten als solchen, sondern
übergreifend die Gewinnung von Erkenntnissen
über das Ausland, die von außen- und sicherheits-
politischer Bedeutung für die Bundesrepublik
Deutschland sind. In Form von Lageberichten,
Analysen und Berichten über Einzelerkenntnisse
soll die Bundesregierung in den Stand gesetzt wer-
den, Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und
ihnen - politisch - zu begegnen (vgl. BVerfGE
100, 313 <371>). Entsprechend zielt auch die Auf-
klärung der Verfassungsschutzbehörden nicht un-
mittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von
konkreten Straftaten oder die Vorbereitung ent-
sprechender operativer Maßnahmen. Auch hier be-
schränkt sich die Aufgabe der Dienste auf eine Be-
richtspflicht gegenüber den politisch verantwortli-
chen Staatsorganen beziehungsweise der Öffent-
lichkeit (vgl. BVerfGE 130, 151 <206>).
Dieser auf die politische Vorfeldaufklärung be-
schränkte Auftrag der Nachrichtendienste spiegelt
sich auch in einer Beschränkung ihrer Befugnisse:
Polizeiliche Befugnisse haben sie nicht, und sie
dürfen auch im Wege der Amtshilfe nicht die Poli-
zei um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst
nicht befugt sind (vgl. § 8 Abs. 3 BVerfSchG, § 2
Abs. 3 BNDG, § 4 Abs. 2 MADG, § 3 Abs. 4 des
Hessischen Gesetzes über das Landesamt für Ver-
fassungsschutz [VerfSchutzG HE]). Im Falle eines
Übermittlungsersuchens dürfen sie grundsätzlich
nur solche Daten übermitteln, die bei der ersuchten
Behörde bereits bekannt sind oder aus allgemein
zugänglichen Quellen entnommen werden können
(vgl. etwa § 17 Abs. 1 BVerfSchG - auch i. V. m.
§ 8 Abs. 3 Satz 2 BNDG und § 10 Abs. 4 MADG -
, § 8 Abs. 2 Satz 2 VerfSchutzG HE, § 19 Abs. 1
i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbVerfSchG).
(bb) Von diesem Aufgaben- und Befugnisprofil
unterscheidet sich das der Polizei- und Sicher-
heitsbehörden grundlegend. Ihnen obliegt die Ver-
hütung, Verhinderung und Verfolgung von Strafta-
ten sowie die Abwehr von sonstigen Gefahren für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ihre Auf-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 215 – Drucksache 17/14600
gaben sind geprägt von einer operativen Verant-
wortung und insbesondere der Befugnis, gegen-
über Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls
auch mit Zwang durchzusetzen. Dabei sind ihre
Aufgaben gesetzlich differenziert umgrenzt und
durch ein materiell wie verfahrensrechtlich vielfäl-
tig abgestuftes Arsenal von Handlungsbefugnissen
unterlegt. Unbeschadet gewisser Aufgaben auch
dieser Behörden schon im Vorfeld von Gefahren,
sind ihnen Befugnisse gegenüber Einzelnen grund-
sätzlich nur aus konkretem Anlass verliehen; Vo-
raussetzung ist in der Regel, dass Anhaltspunkte
für einen Tatverdacht oder eine Gefahr vorliegen.
Diesem Aufgabenprofil entsprechen auch die Da-
tenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse dieser
Behörden. Sie sind, da sie letztlich Zwangsmaß-
nahmen bis hin zu Eingriffen in die persönliche
Freiheit vorbereiten und begründen können, ge-
setzlich wesentlich enger und präziser gefasst als
diejenigen der Nachrichtendienste sowie vielfältig
voneinander abgegrenzt. Entsprechend setzen
grundsätzlich auch diese auf den Umgang mit Da-
ten bezogenen Befugnisse - bei vielfältigen Abstu-
fungen im Einzelnen - einen konkreten Anlass, et-
wa eine Gefahr oder einen Tatverdacht voraus.
Soweit der Gesetzgeber die Erhebung personenbe-
zogener Daten ausnahmsweise anlasslos vorsorg-
lich oder zur bloßen Verhütung von Gefahren oder
Straftaten erlaubt, ist dies besonders rechtferti-
gungsbedürftig und unterliegt gesteigerten verfas-
sungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE
125, 260 <318 ff., 325 ff.>).
Entsprechend handelt die Polizei grundsätzlich of-
fen und folgt auch ihr Umgang mit Daten ganz
überwiegend dem Grundsatz der Offenheit. Zwar
setzt die Aufgabenwahrnehmung der Polizeibe-
hörden in erheblichem Umfang auch Ermittlungen
voraus, die gegenüber den Betroffenen zunächst
verdeckt erfolgen. Jedoch werden damit nur be-
stimmte, durch konkrete Verdachtsmomente unter-
legte Aufklärungsmaßnahmen oder -phasen abge-
schirmt, die die prinzipielle Offenheit der polizei-
lichen Arbeit unberührt lässt. Vor allem werden
insofern die ermittelten Daten bei sich anschlie-
ßenden Maßnahmen gegenüber Einzelnen - wie
der Erhebung der Anklage oder dem Erlass einer
Polizeiverfügung - offengelegt und wird dem Be-
troffenen Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu ver-
halten. Auch die Ermittlungen selbst werden, so-
weit möglich, offen geführt. Im Strafverfahren
zeigt sich dies beispielhaft an den zahlreichen An-
hörungs-, Akteneinsichts- und Verteidigungsrech-
ten des Beschuldigten, an der offenen Durchfüh-
rung von Wohnungsdurchsuchungen (vgl. § 106
StPO), den Vorgaben für die Nutzung von vor-
sorglich gespeicherten Daten (vgl. BVerfGE 125,
260 <353>) sowie der grundsätzlich öffentlichen
und mündlichen Verhandlung am Ende des Ankla-
gevorwurfs im Strafverfahren. Der Einsatz ver-
deckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) und heimliche
Datenerhebungen mit technischen Mitteln
(§§ 100a ff. StPO) sind demgegenüber nur aus-
nahmsweise und unter bestimmten Bedingungen
zulässig.
Entsprechend unterliegt die Polizei auch im Be-
reich der Gefahrenabwehr dem Grundsatz der of-
fenen Datenerhebung (vgl. § 21 Abs. 3 BPolG;
§ 19 Abs. 1 PolG Baden-Württemberg; Art. 30
Abs. 3 BayPAG).
Die Rechtsordnung unterscheidet damit zwischen
einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die
auf eine operative Aufgabenwahrnehmung hin
ausgerichtet und durch detaillierte Rechtsgrundla-
gen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt
arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Be-
obachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politi-
schen Information und Beratung beschränkt sind
und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte
Rechtsgrundlagen stützen können. Eine Geheim-
polizei ist nicht vorgesehen.
(cc) Regelungen, die den Austausch von Daten der
Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermögli-
chen, unterliegen angesichts dieser Unterschiede
gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderun-
gen. Aus dem Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung folgt insoweit ein informatio-
nelles Trennungsprinzip.
Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichten-
diensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht
ausgetauscht werden. Einschränkungen der Daten-
trennung sind nur ausnahmsweise zulässig. Soweit
sie zur operativen Aufgabenwahrnehmung erfol-
gen, begründen sie einen besonders schweren Ein-
griff. Der Austausch von Daten zwischen den
Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein
mögliches operatives Tätigwerden muss deshalb
grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen
Interesse dienen, das den Zugriff auf Informatio-
nen unter den erleichterten Bedingungen, wie sie
den Nachrichtendiensten zu Gebot stehen, recht-
fertigt. Dies muss durch hinreichend konkrete und
qualifizierte Eingriffsschwellen auf der Grundlage
normenklarer gesetzlicher Regelungen gesichert
sein; auch die Eingriffsschwellen für die Erlan-
gung der Daten dürfen hierbei nicht unterlaufen
werden.“1728
ff) Quellenschutz
Die Übermittlung von Informationen durch Verfas-
sungsschutzbehörden an die Ermittlungsbehörden steht im
Spannungsfeld zum Quellenschutz: Die Verfas-
sungsschutzbehörden sind verpflichtet, ihre Erkenntnis-
quellen zu schützen. Dies beruht auf § 23 Nr. 2
BVerfSchG bzw. den entsprechenden Regelungen in den
1728) BVerfG, Urteil vom 24. April 2013, 1 BvR 1215/07, Rn. 115
ff., NJW 2013, 1499.
Drucksache 17/14600 – 216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Verfassungsschutzgesetzen der Länder. Danach ist die
Übermittlung von Informationen verboten, sofern „über-
wiegende Sicherheitsinteressen“ entgegenstehen. Hierun-
ter sollen nach Auffassung der Bund-Länder-Kommission
Rechtsterrorismus Gründe des Quellenschutzes, des
Schutzes operativer Maßnahmen und sonstige Geheimhal-
tungsgründe fallen. Vorrangiges Ziel des Schutzes
menschlicher Quellen sei der Schutz ihrer Identität, bei
sonstigen Quellen der Schutz der Art und Weise der
Informationsgewinnung.
1729
Die Richtlinien für den Quellenschutz in Meldungen und
Berichten der Behörden für Verfassungsschutz vom 13.
Oktober 1975 enthalten folgende Regelungen:
„1. ‚Quellenschutz‘ umfasst alle Maßnahmen, die
erforderlich und geeignet sind, eine nachrichten-
dienstliche Quelle gegen eine Enttarnung und de-
ren Folgen zu schützen. Der Quellenschutz dient
dem Schutz der Quelle und der weiteren Informa-
tionsgewinnung; er ist bei allen auf dem geheimen
Meldeweg erlangten Informationen zu beachten.
2. Bei erhöhter Gefährdung der Quelle kennzeich-
nen die Behörden für Verfassungsschutz ihre Mel-
dungen und Berichte mit dem Stempelaufdruck
‚Quellenschutz‘. Eine solche Kennzeichnung ist
nur nach sorgfältiger Prüfung der Notwendigkeit
zulässig; ggf. sind nur Teile der Meldung mit die-
sem Vermerk zu versehen. Ferner ist zu prüfen, ob
eine zeitliche Begrenzung des Quellenschutzes
möglich ist. Die Frist ist zu vermerken.
3. Unbeschadet der Berichtspflicht gegenüber der
vorgesetzten Stelle werden die mit ‚Quellenschutz‘
gekennzeichneten Meldungen weitergegeben
3.1 innerhalb der jeweiligen Behörde für Verfas-
sungsschutz uneingeschränkt,
3.2 zwischen den Verfassungsschutzbehörden nach
den Koordinierungsrichtlinien;
4. Vor jeder Weitergabe an Stellen außerhalb der
Behörden für Verfassungsschutz ist die Einwilli-
gung der herausgebenden Dienststelle einzuholen.
4.1 BND und MAD werden nach Maßgabe der
Zusammenarbeitsrichtlinien unterrichtet.
4.2 Ausländische Dienste werden unterrichtet, so-
weit dies im gemeinsamen Interesse zur Klärung
eines Sachverhalts erforderlich ist.
4.3 Andere Stellen dürfen nur inhaltlich und so un-
terrichtet werden, dass Rückschlüsse auf die Quel-
le ausgeschlossen sind.
5. Bei der Verkartung aus Meldungen, die mit
‚Quellenschutz‘ gekennzeichnet sind, ist ein ent-
sprechender Hinweis auf der Karteikarte anzubrin-
gen.
1729) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-
terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 236.
6. Die Vorschriften der Verschlusssachenanwei-
sung bleiben unberührt.“1730
Bei V-Leuten besteht aufgrund deren Grundrecht auf
Leben und körperliche Unversehrtheit eine Fürsorge-
pflicht des Staates. Da eine Identifizierung des V-Mannes
zu Verfolgungsmaßnahmen aus dem Milieu des V-
Mannes führen kann, gibt eine Verfassungsschutzbehörde
in der Regel Daten an eine Ermittlungsbehörde lediglich
beschränkt weiter, so dass die Gefahr einer Enttarnung
der Quelle minimiert ist.
1731
Der Zeuge Gabaldo, Leiter der Fachprüfgruppe im BfV,
hat auf die Erforderlichkeit einer Abwägung zwischen
§ 20 Abs. 1 und § 23 Bundesverfassungsschutzgesetz
hingewiesen. Um Leib, Leben, körperliche Integrität von
Personen, von Menschen und auch von Sachwerten höhe-
rer Art oder höherem Wert zu schützen, würden selbstver-
ständlich Informationen weitergegeben werden.
1732
Der Zeuge Nocken, Vizepräsident des LfV Thüringen
vom 1. Februar 1997 bis 26. Januar 2001, hat in seiner
Vernehmung ausgeführt:
„Ein Dienst, der das den Quellen gegebene Ver-
sprechen, niemandem deren Identität zu verraten,
nicht halten kann, ist in kürzester Zeit im nationa-
len und im internationalen Bereich arbeitsunfähig.
Häufig ist es erst der geheime Mitarbeiter, welcher
die alles entscheidende Information liefert. Ein
Nachrichtendienst muss daher alle Maßnahmen er-
greifen, die erforderlich und geeignet sind, eine
nachrichtendienstliche Quelle gegen Enttarnung
und deren Folge zu schützen. Insbesondere dürfen
solche Informationen an Stellen außerhalb der Be-
hörden für Verfassungsschutz nur mit Einwilli-
gung der quellenführenden Stellen weitergegeben
werden.
Grundlage eines solchen umfassenden Quellen-
schutzes ist das im Bereich des Verfassungsschut-
zes herrschende Opportunitätsprinzip. Eine Preis-
gabe von Informationen und ihrer Quelle vor der
Zeit vereitelt nicht nur eine erfolgreiche Aufklä-
rung oder gefährdet den Hinweisgeber, sondern
beeinträchtigt auch die in der Zukunft für die Ver-
fassungsschutzarbeit unerlässliche Quellenwer-
bung.
Insbesondere die Fürsorgepflicht des Staates ge-
genüber geheimen Mitarbeitern hindert den Ver-
fassungsschutz an der schranken- und schutzlosen
Offenlegung seiner Informationsbeziehungen, der
Preisgabe der Identität des geheimen Mitarbeiters.
So würde es einen Verstoß gegen die Fürsorge-
pflicht bedeuten, wenn der Verfassungsschutz, ei-
nem öffentlich entstandenen Druck - Verdächti-
gungen in den Medien oder in politischen Gremi-
1730) MAT B BfV-7b.
1731) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-
terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 237 ff.
1732) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 217 – Drucksache 17/14600
en - weichend, die Namen von V-Leuten unaufge-
fordert bekannt gibt. Eine solche Fürsorge- und
Schutzpflicht besteht auch im Hinblick auf die Ge-
richte fort.
Das wiederum bedeutet, dass Quellenmeldungen
grundsätzlich nicht an die Exekutive weitergege-
ben werden dürfen.“1733
„Bei Kompetenzüberschneidungen zwischen Poli-
zei und Verfassungsschutz ist im Zweifel ein mög-
liches Strafverfolgungsinteresse dem Schutz der
Quellen unterzuordnen.“1734
Die Regelungen zum Übermittlungsverbot in
§ 15 ThürVSG sind allerdings nach Auffassung der
Schäfer-Kommission vor dem Hintergrund der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Funkti-
onsfähigkeit der Strafrechtspflege zu sehen.
1735
Zwar
sieht auch die Schäfer-Kommission im Quellenschutz
ein wichtiges Anliegen jedes Nachrichtendienstes –
nicht zuletzt, um Leib und Leben der Quellen zu
schützen. Sie hebt jedoch hervor:
„Quellenschutz ist aber kein absoluter Wert,
auch wenn dies in manchen Äußerungen von
Beamten des TLfV so anklang. Auch bei der
Auslegung dieser Vorschrift gilt es, den Belan-
gen einer funktionsfähigen Strafrechtspflege ge-
recht zu werden.“1736
Der „Leitfaden des Arbeitskreises II (Innere Sicherheit)
und des Arbeitskreises IV (Verfassungsschutz) der Stän-
digen Konferenz der Innenminister und -senatoren der
Länder zur Optimierung der Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutz“ hält fest, dass in Fällen,
in denen eine umfassende Informationsweitergabe nicht
möglich sei, zu prüfen sei, inwieweit zumindest eine
Unterrichtung der Polizei möglich sei.
1737
Die Schäfer-Kommission hat in ihrem Bericht die Auffas-
sung vertreten, dass oft auch bereits eine Zusammenfas-
sung samt Auswertung genüge, so dass eine Übermittlung
des Quellenberichts im Wortlaut nicht zwingend erforder-
lich sei.
1738
Auch der ehemalige Präsident des LfV Thüringen,
Sippel, hat in seiner Vernehmung vor dem Untersu-
chungsausschuss unterstrichen, dass Quellenschutz
nicht absolut zu sehen sei und dieser nicht so weit ge-
hen dürfe, dass quellengeschützte Informationen, wenn
sie zur Aufklärung schwerer Straftaten erforderlich
seien, auch an Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungs-
behörden weitergegeben werden müssen und sich dafür
1733) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125.
1734) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.
1735) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 202, Rn 349.
1736) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 203, Rn. 351.
1737) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 203, Rn. 351.
1738) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 203, 204, Rn. 351.
auch Wege fänden, um dem Quellenschutz Rechnung
zu tragen.
1739
Der ehemalige Referatsleiter Rechtsextremismus im LfV
Thüringen, Schrader, hat als Zeuge erklärt, solange der
Personenkreis sehr klein sei, müsse die Quelle so ge-
schützt werden, dass keine Rückschlüsse auf diese Quelle
möglich seien.
1740
Es spiele keine Rolle, um welche Dinge
es da gehe, egal um welche Meldung. Solange noch ein
Rückschluss auf die Quelle möglich sei, unterliege „die
Geschichte“ dem Quellenschutz.1741 Dies gelte auch für
die Strafverfolgung. Der Quellenschutz sei wichtiger.
1742
Der Zeuge Sippel, Präsident des LfV Thüringen von 2000
bis zum 3. Juli 2012, hat auf Nachfrage vor dem Untersu-
chungsausschuss eingeräumt, ihm sei kein Fall erinner-
lich, wo eine enttarnte Quelle schwere Konsequenzen an
Leib und Leben über sich habe ergehen lassen müssen;
mit solchen Konsequenzen müsse man aber durchaus
rechnen.
1743
Aus Abschriften von Tonbändern aus dem Jahr 2007
(siehe unten: E.XIII, S. 487) lässt sich der Eindruck ge-
winnen, dass V-Leute des Verfassungsschutzes genau um
den Stellenwert des Quellenschutzes wissen und dies auch
für ihre Position nutzen. So hat z. B. Tino Brandt in ei-
nem Gespräch mit Thorsten Heise geäußert:
„Brandt: So, und, also äh, dass Thüringer VS und
Polizei (unverständlich) aktiv selten zusammenar-
beiten. Die werden nie ne Quelle, äh, der Polizei
offenlegen. Machen die prinzipiell nicht.
Brandt: Das, das äh heißt viele Sachen haben ein-
fach auch nur deswegen funktioniert, weil man
wusste wie äh, der Dienst funktioniert. Der Dienst
hat eigentlich ein ganz wichtiges Motto, das heißt
Quellenschutz.“1744
Der Quellenschutz gilt im Übrigen auch für V-Leute,
denen die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermitt-
lungsverfahrens Vertraulichkeit zusichert und die von
Polizeibehörden geführt werden, so dass auch diese Be-
hörden bei der Weitergabe von Informationen, die durch
den Einsatz von V-Leuten gewonnen wurden, vorsichtig
sein müssen.
1745
1739) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 161.
1740) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.
1741) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.
1742) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.
1743) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 159,160.
1744) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, S. 24-25; zu den Bändern im Einzelnen unter
E.XIII.
1745) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-
terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 243 f.
Drucksache 17/14600 – 218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Problematisierung der Verfassungsschutz-
Quellenführung durch das BKA – Positi-
onspapier des BKA vom 3. Februar 1997
Das BKA problematisierte in einer internen Vorlage aus
September 1996 Schwierigkeiten im Zusammenhang mit
der Quellenführung des Verfassungsschutzes im Bereich
des Rechtsextremismus: Einige Aktionen der rechtsex-
tremistischen Szene seien so maßgeblich, teilweise aus-
schließlich von Quellen des Verfassungsschutzes organi-
siert, dass fraglich sei, ob diese Aktionen ohne deren
Beteiligung stattgefunden hätten. Einige konkrete Fälle
werden genannt. Es wurde angeregt, die Problematik mit
dem Präsidenten des BfV zu erörtern. Das BMI geht auf-
grund der Aktenlage davon aus, dass dies am 27. Novem-
ber 1996 geschehen ist. Ergebnis dieses Gespräches war,
dass der Themenkomplex „Zusammenarbeit zwischen
BfV und BKA“ auf der Arbeitsebene erörtert werden
solle. Zur Vorbereitung dieses Gespräches erstellte das
BKA das Positionspapier vom 3. Februar 1997 und über-
sandte es dem BfV.
1746
In dem Positionspapier wird als dessen Ausgangspunkt
angeführt, dass aus Sicht des BKA Quellenaktivitäten
verantwortlich seien für die (damals) zunehmende Diver-
genz zwischen Verfassungsschutz und exekutiven Maß-
nahmen. In insgesamt zehn Thesen, erläutert durch kon-
krete Fallbeispiele, setzte sich das BKA kritisch mit der
Quellenführung des BfV auseinander, wobei nach eigenen
Angaben
„bewusst teilweise überzogene Formulierungen“
benutzt worden seien.
Neben der These, dass Quellen unter dem Schutz des
Verfassungsschutzes maßgeblich in führenden Positionen
an der Vorbereitung von Aktionen mitwirkten, die ohne
die Quellen ggf. nicht in dieser Form bzw. Größenord-
nung stattgefunden hätten, umfassen die Thesen zusam-
mengefasst den Vorwurf, dass die Verfassungsschutzbe-
hörden zum einen ihre Quellen – mehrheitlich überzeugte
Rechtsextremisten – in erheblichem Maße finanziell un-
terstützten, vor Exekutivmaßnahmen schützten, warnten
und über Umgehungsmöglichkeiten informierten und zum
anderen keine, unzureichende oder verspätete Informatio-
nen an die Polizei weitergäben.
1747
Die damals vertretenen Thesen lauten im Einzelnen:
„These 1: Vertrauenspersonen (VP)/Quellen des
Verfassungsschutzes (VS) wirken maßgeblich in
führenden/exponierten Positionen an der Vorberei-
tung von Veranstaltungen/Versammlungen/Aktio-
nen mit. Es besteht die Gefahr, dass Quellen sich
gegenseitig zu größeren Aktionen anstacheln. So-
mit erscheint es fraglich, ob bestimmte Aktionen
1746) Bericht des BMI zum Positionspapier des BKA mit Stand:
14. Dezember 2012, MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 –
GEHEIM), Anl. 02 (VS-NfD).
1747) Bericht des BMI zum Positionspapier des BKA mit Stand:
14. Dezember 2012, MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 –
GEHEIM), Anl. 02 (VS-NfD).
ohne die innovativen Aktivitäten dieser Quellen
überhaupt in der späteren Form stattgefunden hät-
ten! Auch ist der ‚Brandstifter-Effekt‘ nicht unwe-
sentlich, da statistisch nachweisbar insbesondere
nach sog. ‚Gedenktagen‘ ein Ansteigen z. B. anti-
semitischer Straftaten zu verzeichnen ist. […]
These 2: Aus Quellenschutzgründen werden War-
nungen an die Exekutive/Schutzpolizei erst so spät
weitergeleitet, dass Aktionen nicht mehr verhin-
dert werden können. […]
These 3: Da Quellen i. d. R. gut über die aktuellen
technischen Möglichkeiten der Exekutive infor-
miert sind, z. B. im Rahmen der Telekommunika-
tionsüberwachung (TKÜ), liegt die Vermutung
nahe, dass entsprechende Kenntnisse vom VS
vermittelt werden. […] Es bestehen konkrete An-
haltspunkte, dass dadurch Maßnahmen der Straf-
verfolgungsbehörden vereitelt oder unterlaufen
werden. […]
These 4: […] Erst durch Übernahme recht hoher
Telefongebühren, Reisekosten und Bereitstellung
entsprechender Technik ist die Mehrzahl der Quel-
len überhaupt sowohl finanziell als auch materiell
in der Lage, Kontakte zu knüpfen und aufrecht zu
erhalten. […]
These 5: Die Exekutive [gemeint ist wohl: die Po-
lizei] ist über Person und Tätigkeit von Quellen in
der Regel nicht unterrichtet. Es besteht die Gefahr,
dass die Zusammenarbeit zwischen Quelle und VS
im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen aufge-
deckt wird und somit ggfs. die VS-Maßnahme ins
Leere läuft oder Ermittlungsverfahren aufgrund
falscher Quellenmeldungen eingeleitet werden.
[…]
These 6: Wird der VS über die Durchführung von
Exekutivmaßnahmen informiert, werden die Quel-
len oft vorher gewarnt. Es war festzustellen, dass
diese Warnung innerhalb der Szene ‚an gute Ka-
meraden‘ weitergegeben wird. […]
These 7: Wird der VS über ein bereits laufendes
Ermittlungsverfahren oder die Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens gegen eine Quelle oder die-
ser nahestehenden Person informiert, so zieht der
VS seine Quelle zu deren Schutz zurück. Der
Quellenführer gibt Anweisungen zum Verhalten
gegenüber der Exekutive. Es besteht die Gefahr,
dass Ermittlungs- und Beweisansätze vernichtet
und strafprozessuale Maßnahmen verhindert wer-
den. […]
These 8: Der VS versucht, durch die Presse oder
eigenes Verhalten enttarnte Quellen dadurch zu
schützen, dass er eine Zusammenarbeit leugnet
oder verschleiert. Bei laufenden Ermittlungsver-
fahren besteht die Gefahr, dass dadurch sowohl der
VS als auch die Exekutive bzw. deren jeweilige
Tätigkeit von den Medien in der Öffentlichkeit als
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219 – Drucksache 17/14600
nicht rechtsstaatlich handelnd diffamiert werden.
[…]
These 9: Quellen des VS, die im Rahmen von Er-
mittlungsverfahren als Straftäter festgestellt wur-
den, werden weder angeklagt noch verurteilt und
unterliegen somit auch für die Szene erkennbar
keinem Verfolgungsdruck. Es besteht die Gefahr,
dass diese gerade dadurch im kameradenkreis der
Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden verdäch-
tigt werden. […]
These 10: Die Mehrzahl der Quellen sind nach
dem Ergebnis der Ermittlungen überzeugte
Rechtsextremisten. Bei diesen entsteht der Ein-
druck, unter dem Schutz des VS im Sinne ihrer
Ideologie ungestraft handeln zu können und die
Exekutive nicht ernst nehmen zu müssen. […]“1748
Über die weitere Behandlung dieses Positionspapiers
heißt es in dem Bericht des BMI vom 14. Dezember
2012:
„Nach Eingang dieses Positionspapiers im BfV im
Februar 1997 hat der damalige Präsident des BfV
[…] verfügt, dass in dem vereinbarten Gespräch
auf Arbeitsebene mit dem BKA zuerst klargestellt
werden müsse, dass BfV keine Strafverfolgungs-
oder –verhinderungsbehörde sei. Danach seien die
weitgehend naiven oder zum Teil diskriminieren-
den Vorstellungen zurückzuweisen.
Laut einem BKA-internen Vermerk aus März 1997
betreffend den ‚aktuellen Sachstand zum Positi-
onspapier‘ wurde das Thema auf Abteilungsleiter-
ebene am Rande der IGR-Sitzung im Februar 1997
zwischen dem BfV und BKA besprochen und sei-
en weitere Gespräche auf Gruppenleiterebene an-
gestrebt. (Informationen zu Inhalt und Ergebnis
solcher Gespräche enthalten die vorliegenden Un-
terlagen nicht.) […]
Mit Datum ‚April 1997‘ findet sich in den BfV-
Akten der Entwurf eines Schreibens an das BMI,
das eine Unterrichtung über das Positionspapier
des BKA und eine Stellungnahme des BfV zu die-
sem enthält. Zudem ist ihm ein Entwurf eines
Antwortschreibens des BfV an das BKA beigefügt.
In seiner umfangreichen Stellungnahme weist das
BfV die implizit in dem Positionspapier erhobenen
Vorwürfe zurück, indem es jeder einzelnen These
des BKA widerspricht und eine Gegenposition
vertritt. Zunächst sei das BKA von falschen
Grundlagen ausgegangen, die Thesen des BKA be-
ruhten insbesondere auf einer Fehleinschätzung
der Einwirkungsmöglichkeiten auf Verfassungs-
schutzquellen. Diese befänden sich nicht wie vom
BKA angenommen in so maßgeblichen Schlüssel-
positionen, dass sie den Ablauf von Aktionen der
rechten Szene wesentlich steuern oder beeinflussen
könnten. Überdies setze der Verfassungsschutz
1748) MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 – GEHEIM), Anl. 01.
seine Quellen zur Beobachtung, nicht aber zur
Steuerung rechtsextremistischer Bestrebungen ein.
Es sei davon auszugehen, dass Quellen auch ohne
ihren Quellenstatus die gleichen Aktivitäten entwi-
ckelt hätten. Schließlich würde der Verfassungs-
schutz seine Quellen auch nicht in der vom BKA
behaupteten Form informieren, (finanziell) unter-
stützen, warnen oder gar vor Straftaten schützen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Stellungnahme tat-
sächlich versandt worden ist, sind nicht erkennbar.
[…]
In einem BfV-internen Vermerk vom 22. Mai
1997 wird zu einem sog. Präsidentengespräch am
20. Mai 1997 festgehalten, dass nach einem Aus-
tausch der gegenseitigen Positionen die Amtslei-
tungen darüber übereinkamen, dass die jeweiligen
Standpunkte deutlich herausgearbeitet worden sei-
en. […]
Eine schriftliche Einbeziehung des BMI hat nicht
stattgefunden.“1749
5. Militärischer Abschirmdienst (MAD)
a) Aufgaben des MAD
Der Militärische Abschirmdienst ist Teil der Streitkräfte-
basis (SKB) der Bundeswehr und einer der drei Nachrich-
tendienste auf Bundesebene. Während das Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) für die Inlands- und der Bun-
desnachrichtendienst (BND) für die Auslandsaufklärung
zuständig sind, befasst sich der MAD mit Angelegenhei-
ten, die die Bundeswehr betreffen. Er nimmt für den Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
(BMVg) die Aufgaben einer Verfassungsschutzbehörde
wahr. Sein Auftrag ist es, zum Erhalt der militärischen
Sicherheit und der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr
beizutragen. Er nimmt auch an deren Auslandseinsätzen
teil. Im Rahmen dieser Einsatzabschirmung umfasst die
Abschirmung von Bundesangehörigen sämtliche Aktivitä-
ten, die die Sicherheit der Truppe gefährden.
Grundlage seiner Arbeit ist das Gesetz über den Militäri-
schen Abschirmdienst (MADG)
1750
. Danach besteht seine
Kernaufgabe in der Informationssammlung und -auswer-
tung zu Zwecken der Spionage-/Sabotageabwehr und der
Extremismus-/Terrorismusabwehr, soweit sich diese Be-
strebungen gegen den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Verteidigung richten oder von Personen aus-
gehen, die diesem Geschäftsbereich angehören (§ 1
Abs. 1 MADG). Nach § 1 Abs. 3 MADG i.V.m. dem
Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) wirkt der MAD
auch an Sicherheitsüberprüfungen mit (personeller Ge-
1749) Bericht des BMI zum Positionspapier des BKA mit Stand:
14. Dezember 2012, MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 –
GEHEIM), Anl. 02 (VS-NfD).
1750) Gesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2954), zuletzt
geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011
(BGBl. I S. 2576).
Drucksache 17/14600 – 220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
heim- und Sabotageschutz). Im Rahmen des materiellen
Geheimschutzes berät er bei technischen Sicherungsmaß-
nahmen zum Schutz von Anlagen und Objekten.
Der MAD gliedert sich in fünf Abteilungen, darunter die
Abteilung II „Extremismus-/Terrorismus-/Spionage- und
Sabotageabwehr“. Sie ist für die Sammlung und Auswer-
tung sämtlicher Informationen zuständig, die von Perso-
nen des Geschäftsbereichs des BMVg ausgehen oder sich
gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen des
BMVg richten.
1751
Die Verfassungsschutzbehörden des
Bundes und der Länder beobachten verfassungsfeindliche
Entwicklungen und Organisationen oder Gruppierungen,
die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung wenden. Der MAD nimmt diese Verfas-
sungsschutzaufgaben wahr gegenüber Personen, die dem
Geschäftsbereich des BMVg angehören oder in ihm tätig
sind. Im Einzelfall übt er Verfassungsschutzaufgaben
auch gegenüber Ehegatten und Lebenspartnern von Bun-
deswehrangehörigen und im Benehmen mit der zuständi-
gen Verfassungsschutzbehörde auch gegenüber Personen
aus, die mit Bundeswehrangehörigen zusammenarbeiten
(§ 2 MADG). Er klärt den Einzelfall durch Faktensamm-
lung zu Personen auf, wenn tatsächliche Anhaltspunkte
für entsprechende Bestrebungen von Bundeswehrangehö-
rigen vorliegen. Hierzu können nachrichtendienstliche
Methoden und Mittel eingesetzt werden, wie zum Beispiel
menschliche Quellen oder die Observation (§ 4 MADG
i.V.m. § 8 BVerfSchG).
In der Praxis bedeutet dies, dass der Aufgabenbereich
Extremismus- und Terrorismusabwehr Extremisten in der
Bundeswehr identifiziert, diese beobachtet und dazu bei-
trägt, deren Bestrebungen gegen die Bundeswehr zu un-
terbinden. Dabei arbeitet er mit Dienststellenleitern und
Disziplinarvorgesetzten anlassbezogen zusammen und
berät sie darüber hinaus in allgemeinen Fragen der
Extremismusabwehr und unterrichtet die Leitung des
BMVg sowie die militärische Führung der Bundeswehr
über die Lage im Bereich des Extremismus/Terrorismus.
Nach § 3 MADG arbeitet der MAD eng mit den Verfas-
sungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zusam-
men.
Die zweite gesetzliche Aufgabe des Aufgabenbereichs ist
das Führen und Bewerten der „Abschirmlage“ im Bereich
der Extremismus-/Terrorismusabwehr als Beitrag zur
Beurteilung der militärischen Sicherheitslage. Dies bein-
haltet die Auswertung von Informationen über entspre-
chende Bestrebungen bzw. Aktivitäten, die sich von au-
ßen gegen den Geschäftsbereich des BMVg richten (§ 1
Abs. 2 MADG). Hierfür steht ihm nicht die Befugnis zu,
personenbezogene Daten zu erheben (§ 4 Abs. 1 Satz 2
MADG).
1751) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Sicherheits- und Ermittlungsbehör-
den des Bundes und der Länder – Aufklärung und Bekämpfung
des Rechtsextremismus, Deutscher Bundestag, Wissenschaftli-
che Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 5.
b) Beziehung zwischen LfV, BfV und MAD
Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben arbeitet der MAD
eng mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und
der Länder zusammen. So holt er in Verdachtsfällen bei
allen ihm zur Verfügung stehenden Quellen (insbesondere
Verfassungsschutzämtern und Polizeibehörden) Informa-
tionen ein.
Seit Dezember 2004 ist der MAD mit Angehörigen der
Abteilung II (siehe oben) in das Gemeinsame Terroris-
musabwehrzentrum (GTAZ) eingebunden und arbeitet
hier zusammen mit den Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder daran, die internationale Terrorismusbe-
kämpfung zu verbessern. Am benachbarten Gemeinsamen
Internetzentrum (GIZ) ist der MAD seit 2007, am Ge-
meinsamen Abwehrzentrum Rechts (GAR) seit Ende
2011 beteiligt.
Der MAD unterstützt die Arbeit des BfV und der LfV.
Dabei bilden von diesen beobachtete extremistische Or-
ganisationen für die Arbeit des MAD „lediglich“ den
Aktionsrahmen. Zwar fallen zu solchen Organisationen
im Rahmen der Tätigkeit des MAD ebenfalls Informatio-
nen im sogenannten ,,Sach- und Ermittlungszusammen-
hang“ an, die der MAD an die zuständige Verfassungs-
schutzbehörde aussteuert. Auf den Bewertungen von
Verfassungsschutzbehörden ,,aufsetzend“, versucht der
MAD jedoch – wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass
sich Angehörige des Geschäftsbereiches in extremisti-
schen Organisationen oder gegen die Bundeswehr enga-
gieren – jeden einzelnen Soldaten und seine Kontakte zu
extremistischen Funktionären und Gewalttätern zu identi-
fizieren.
1752
Da der MAD grundsätzlich keine Informationen über
Personen sammeln darf, die der Bundeswehr noch nicht
oder nicht mehr angehören, ist seine Zuständigkeit zeit-
lich begrenzt. Er kommuniziert daher in diesen Fällen mit
den vor oder nach ihm zuständigen Behörden. Die Zeugen
Huth und Dr. Gramm haben vor dem Untersuchungsaus-
schuss erläutert, dass man zu Zeiten der Wehrpflicht mit
dem „Bitte um Beteiligung“-Verfahren (BuB) versucht
habe, zu verhindern, dass bestimmte extremistisch einge-
stellte Personen zur Bundeswehr kommen. Dabei habe der
MAD die zivilen Verfassungsschutzämter um Informatio-
nen im Vorfeld der Einberufung gebeten.
1753
Auch im
umgekehrten Fall, wenn verdächtige Personen die Bun-
deswehr verließen, würden, so der Zeuge Christmann,
gesammelte Erkenntnisse an die zivilen Behörden über-
mittelt.
1754
Nach Aussage des Zeugen Brüsselbach, hat der MAD
auch dann, wenn von ihm geführte Quellen aus der Bun-
1752) Hintergrundinformation zur Sprechzettelempfehlung für den
Generalinspekteur der Bundeswehr zur Sitzung des Verteidi-
gungsausschusses am 30. November 2011, MAT A BMVg-4,
Bl. 51 f. (VS-NfD).
1753) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 40; Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43,
S. 78. Näheres zum Umgang mit Rechtsextremisten in der
Bundeswehr unter C. IV. 5.
1754) Christmann, Protokoll-Nr. 26, S. 41.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221 – Drucksache 17/14600
deswehr ausschieden, in bestimmten Fällen Kontakt mit
den dann zuständigen Behörden aufgenommen.
1755
Häufi-
ger seien in dieser Konstellation jedoch die zivilen Ver-
fassungsschutzbehörden von sich aus an den MAD mit
der Bitte herangetreten, diese zu fragen, ob Quellen des
MAD nicht nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr
für sie als Quelle weiterarbeiten wollten.
1756
Auch in
diesen Fällen treffe den MAD eine „Fürsorge- und Nach-
sorgepflicht“, sodass dieser in der Regel Kontakt mit der
neuen Verfassungsschutzbehörde und mit deren Einver-
ständnis auch zu der Quelle halte.
1757
6. Der Bundesnachrichtendienst
a) Aufgaben des BND
Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist neben BfV und
MAD einer der drei Nachrichtendienste des Bundes und
zuständig für die Auslandsaufklärung. In § 1 Abs. 2
Satz 1 BNDG
1758
wird seine Aufgabe wie folgt definiert:
„Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Ge-
winnung von Erkenntnissen über das Ausland, die
von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung
für die Bundesrepublik Deutschland sind, die er-
forderlichen Informationen und wertet sie aus.“
Dabei gibt die Bundesregierung die Aufklärungsschwer-
punkte in einem Auftragsprofil vor.
1759
Der BND unter-
stützt die Bundesregierung bei deren sicherheits- und
außenpolitischen Entscheidungen und die Bundeswehr bei
ihren Auslandseinsätzen. Außerdem arbeitet er auch im
Krisenstab des Auswärtigen Amtes mit.
b) Aufsicht und parlamentarische Kontrolle
Der Bundesnachrichtendienst unterliegt der Dienst- und
Fachaufsicht des Bundeskanzleramtes. Seine Arbeit wird
auch vom Parlamentarischen Kontrollgremium und der
G 10-Kommission kontrolliert. Außerdem prüft der Bun-
desbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,
ob der BND bei seiner Arbeit die datenschutzrechtlichen
Vorschriften einhält.
1760
c) Aufbau und Sitz des BND
Der Bundesnachrichtendienst gliedert sich derzeit in
zwölf Fachabteilungen, eine weitere Abteilung zur Ab-
wehr von Cyberspionage ist geplant. An der Spitze des
1755) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 27.
1756) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 27.
1757) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 28.
1758) Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20. Dezember
1998 (BGBl. I, S. 2954, 2979), zuletzt geändert durch Art. 3
des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2576).
1759) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Aufgaben/aufgaben
_node.html.
1760) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Gesetzliche_ Kon-
trolle/gesetzliche_kontrolle_node.html.
Aufbaus steht der Präsident des Bundesnachrichtendiens-
tes, dem drei Vizepräsidenten unterstehen.
Seinen Hauptsitz hat der BND zurzeit noch in Pullach
(Bayern), eine neue Zentrale in Berlin wird gerade ge-
baut.
1761
Darüber hinaus existieren weitere – zum Teil
getarnte – Dienststellen im In- und Ausland.
d) Grundlage und Arbeit des BND
Grundlage für die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes
ist seit 1990 das Gesetz über den Bundesnachrichten-
dienst (BNDG). Dort sind Organisation, Aufgaben und
Befugnisse des BND geregelt. Insbesondere ermächtigt
das BNDG den BND, zur Erfüllung seiner Aufgaben
Daten zu erheben, zu speichern und zu nutzen. Gemäß § 2
Abs. 3 BNDG stehen dem BND keine polizeilichen bzw.
Weisungsbefugnisse zu; ebenso wenig darf er die Polizei
im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu
denen er selbst nicht befugt ist. Maßgeblich sind ferner
das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fern-
meldegeheimnisses (G 10-Gesetz), das Gesetz über die
parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätig-
keit des Bundes (PKGr-Gesetz) sowie das Gesetz über die
Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüber-
prüfungen des Bundes (SÜG).
In der Praxis versorgt der Bundesnachrichtendienst die
Bundesregierung, Ministerien, Behörden und auch die
Bundeswehr umfassend mit belastbaren Informatio-
nen.
1762
Er informiert dabei sowohl über wichtige politi-
sche, wirtschaftliche sowie technische Entwicklungen und
militärische Fragestellungen, als auch über abstrakte oder
konkrete Bedrohungen für die Sicherheit der Bundesre-
publik.
1763
Dabei bedient er sich verschiedener Methoden,
um Informationen zu gewinnen, und setzt auch nachrich-
tendienstliche Mittel ein. Diese gliedern sich in vier Auf-
klärungsarten: Die Informationsgewinnung mittels
menschlicher Quellen (HUMINT)
1764
, die technische
Beschaffung über das Ausfiltern der weltweiten Daten-
ströme (SIGINT)
1765
, die Informationsgewinnung durch
Satelliten und Luftbilder (IMINT)
1766
sowie die systema-
tische und gezielte Beschaffung von frei verfügbaren
Informationen (OSINT).
1767
1761) http://www.bnd.bund.de/DE/Einblicke/Standorte/Standorte
_node.html.
1762) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Aufgaben/aufgaben
_node.html.
1763) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Aufgaben/aufgaben
_node.html.
1764)
http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsgewi
nnung/ HUMINT/humint_node.html.
1765)
http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsgewi
nnung/ SIGINT/sigint_node.html.
1766)
http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsgewi
nnung/ MINT/imint_node.html.
1767) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsge
winnung/ OSINT/osint_node.html.
Drucksache 17/14600 – 222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Abhängig vom Abnehmer der Informationen werden
diese unterschiedlich aufbereitet, etwa als Spitzen-, Re-
gel-, Krisen- oder Kooperationsbericht.
e) Zusammenarbeit mit anderen Behörden
Neben dem Informationsaustausch mit anderen nationalen
Nachrichtendiensten, ist die Zusammenarbeit mit den
Inlandsbehörden besonders in den Bereichen Terrorismus
und Organisierte Kriminalität von großer Bedeutung.
Dabei koordiniert der Chef des Bundeskanzleramtes die
Zusammenarbeit des BND mit dem BfV und dem MAD
sowie die Kooperation dieser drei Nachrichtendienste mit
anderen Behörden und Dienststellen.
1768
7. Kooperationsformen der Sicherheitsbe-
hörden des Bundes und der Länder
Der vom Untersuchungsausschuss geladene Sachverstän-
dige Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange hat Steuerung, Koor-
dination und den Austausch von Daten als die „zentrale“
Herausforderung der Sicherheitsbehörden beschrieben.
1769
Zu ihrer Bewältigung existieren verschiedene Zentren und
Plattformen.
1770
Allen gemeinsam ist die räumliche und
personelle Nähe der Amtsträger. Auch die Bündelung von
Fachwissen und die Möglichkeit eines schnellen Aus-
tauschs sind charakteristische Merkmale der Einrichtun-
gen, die ein effektives Vorgehen ermöglichen sollen. Eine
feste Struktur besitzen die Zentren und Plattformen je-
doch nicht.
1771
Die strategische und lageorientierte Zu-
sammenarbeit erfolgt daher nahezu gesetzesfrei.
1772
a) Überblick über Kooperationsformen und
Gremien
Um die Koordination der einzelnen Sicherheitsbehörden
zu gewährleisten, existieren zahlreiche gemeinsame Koo-
perationsformen sowie verschiedene Datenbanken.
aa) Innenministerkonferenz (IMK)
Die „Ständige Konferenz der Innenminister und –sena-
toren der Länder“, auch Innenministerkonferenz (IMK)
genannt, besteht seit dem Jahr 1954. Die IMK stellt eine
Zusammenarbeitsform im Bereich der Innenpolitik dar.
Sie hat sechs ständige Arbeitskreise gebildet, die die Sit-
zungsthemen vorbereiten. Insbesondere sind hier der
Arbeitskreis II (AK II) und der Arbeitskreis IV (AK IV)
zu nennen.
1768) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Kooperationen/
Kooperationen_node.html.
1769) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 6.
1770) Ein Überblick über zahlreiche Kooperationsgremien findet sich
in der Anlage des Sachverständigengutachtens von Dr. Gusy,
MAT A S-1, Anlage 2.
1771) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 25 f.
1772) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 23.
Der AK II setzt sich mit Themen aus den Bereichen Öf-
fentliche Sicherheit und Ordnung auseinander, wobei die
Gefahrenabwehr, Polizeiangelegenheiten und Terroris-
musabwehr den Hauptarbeitsbereich darstellen. Im AK II
sind die Leiter der Polizeiabteilungen der Landesinnen-
ministerien, der Präsident des BKA, der Abteilungsleiter
Öffentliche Sicherheit des BMI und der Präsident der
Deutschen Hochschule für Polizei vertreten. Entscheidun-
gen erfolgen durch Beschlussfassung.
1773
Der AK II ist
weiter untergliedert in Arbeitsgemeinschaften. Von Inte-
resse ist hier die Arbeitsgemeinschaft Kriminalpolizei
(AG Kripo), die sich aus den Leitern der Landeskriminal-
ämter zusammensetzt. Daneben gibt es noch den Unter-
ausschuss „Recht und Verwaltung“ (RV), den Unteraus-
schuss „Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“
(UA FEK) sowie die Vorschriften-Kommission (VK).
Der AK IV ist organisatorisch wie der AK II aufgebaut
und beschäftigt sich mit Themen des Verfassungsschut-
zes.
1774
Von den Abwehrzentren unterscheiden sich die Arbeits-
kreise erheblich. Die Arbeitskreise kommen punktuell
zusammen, sie bilden keine permanente Einrichtung, ihre
Themenfelder sind deutlich abstrakter, das Gebiet der
Zusammenarbeit deutlich breiter und die beteiligten Per-
sonen üblicherweise in Leitungsfunktionen tätig. Die
Arbeitskreise sind anders als die Abwehrzentren in Aus-
richtung nicht daraufhin angelegt, operative Aktionen zu
unterstützen.
1775
bb) Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum
(GTAZ)
Das GTAZ ist eine 2004 in Berlin eingerichtete Koordi-
nierungsstelle von Sicherheitsbehörden der Länder und
des Bundes, welche dazu dienen soll, die operative Arbeit
zur internationalen Terrorismusbekämpfung zu verbes-
sern.
1776
Ihr Aufgabenfeld ist auf die Bekämpfung des
islamistischen Terrorismus beschränkt.
Gegenwärtig sind 40 Behörden am Gemeinsamen Terro-
rismusabwehrzentrum beteiligt: Neben dem Bundesamt
für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt auch
die Verfassungsschutzbehörden der Länder und die Lan-
deskriminalämter sowie der Generalbundesanwalt, die
Bundespolizei, das Zollkriminalamt, das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge, der Bundesnachrichtendienst
und der Militärische Abschirmdienst.
Die GTAZ ist selbst keine Behörde und hat keine eigenen
Befugnisse. Vielmehr entnehmen die beteiligten Behör-
den ihre Kompetenzen und Befugnisse ihren jeweiligen
Rechtsgrundlagen. Es existiert ferner keine gemeinsame
1773) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30.
1774) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30.
1775) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30.
1776) Vgl. hierzu und zum Folgenden:
http://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-
islamismus-und-islamistischer-terrorismus/gemeinsames-
terrorismusabwehrzentrum-gtaz.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 223 – Drucksache 17/14600
Datei des GTAZ, jedoch wurden zwei Informationssys-
teme eingerichtet, die nunmehr den zentralen Bestandteil
des Kooperationsgremiums bilden: Eine polizeiliche und
eine nachrichtendienstliche Informations- und Analyse-
stelle: PIAS und NIAS. Mitglieder beider Stellen arbeiten
in verschiedenen Arbeitsgruppen eng zusammen. Diese
Arbeit vollzieht sich in täglichen Lagebesprechungen,
operativem Informationsaustausch, Absprachen über
Ressourcenbündelungen, Fallauswertungen, Strukturana-
lysen und Gefährdungsbewertungen sowie Kompetenzab-
sprachen. Durch die Kooperation sollen unter anderem die
Kommunikationswege und damit der Austausch vorhan-
dener Informationen verbessert, die Früherkennung mög-
licher Bedrohungen erleichtert und operative Maßnahmen
besser abgestimmt werden.
Der Sachverständige Dr. Wolff hat in seinem Gutachten
dargelegt, dass eine Befragung von Funktionsträgern, die
mit dem GTAZ in Berührung kamen, ein uneingeschränkt
positives Bild des Kooperationsgremiums ergeben ha-
be.
1777
cc) Gemeinsames Internetzentrum der deut-
schen Sicherheitsbehörden (GIZ)
Nach dem Vorbild des GTAZ wurde Anfang 2007 das
Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) gegründet. Ziel die-
ses Zentrums ist die Bündelung der Ressourcen im Be-
reich der Internetauswertung zum islamistischen Terro-
rismus.
1778
Im GIZ sind Vertreter des Bundesamts für
Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts, des Bun-
desnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdiens-
tes sowie des Generalbundesanwalts tätig. Es sind mithin
ausschließlich Bundesbehörden beteiligt. Dennoch erfolgt
ein ständiger Austausch mit den Länderbehörden. Die
Aufgabe des GIZ besteht insbesondere darin, islamisti-
sche Websites, einschlägige Newsgroups, Foren und
Chatrooms zu beobachten und deren Informationsgehalt
auszuwerten. Dabei wird ausschließlich das offene, frei
zugängliche Internet überwacht. Es wird ein Bericht über
die Ergebnisse der Recherche verfasst und den Koopera-
tionspartnern zur Verfügung gestellt.
1779
dd) Weitere Koordinierungsgremien
Weitere Koordinierungsgremien mit Bezug zum Rechts-
extremismus sind die Kommission Staatsschutz (K ST),
die Bund-Länder-Arbeitsgruppe PMK-rechts, die Koordi-
nierungsgruppe Politisch motivierte Kriminalität-rechts
(KG PMK-rechts), die Amtsleitertagung der Verfas-
sungsschutzbehörden (ALT), die Arbeitsgemeinschaft der
Leiter der Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminal-
amt (AG Kripo), die Arbeitsgruppe Operativer Informati-
onsaustausch Rechtsextremismus (AG OIREX) und die
1777) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 27.
1778) http://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-
islamismus-und-islamistischer-terrorismus/gemeinsames-
internetzentrum-giz.
1779) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 28 f.
Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung
rechtsextremistischer/-terroristischer Gewaltakte
(IGR).
1780
Hervorzuheben ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe PMK-
rechts (BLAG PMK-rechts), die im Februar 2009 einge-
richtet wurde.
1781
Diese ist für die Überprüfung, Fort-
schreibung und Aktualisierung des Berichts zum polizei-
lichen „Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der PMK-
rechts – VS-NfD –“ zuständig und stellt diesbezüglich
Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Bekämp-
fung der PMK-rechts vor. In der BLAG sind das BKA,
die Landeskriminalämter der Länder Bayern, Branden-
burg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und
Sachsen-Anhalt sowie der Generalbundesanwalt vertre-
ten. Sie untersteht der K ST und trifft sich auf der Ebene
der Sachbearbeiter.
1782
Die KG PMK-rechts stellt eine Weiterentwicklung der
Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung
rechtsextremistischer/-terroristischer, insbesondere frem-
denfeindlicher Gewaltakte (IGR) dar, die in einem späte-
ren Teil dieses Berichts näher erläutert wird.
1783
In diesem
Sinne soll die KG PMK-rechts alle Personen der rechten
Szene – sowohl aus dem Bereich Extremismus als auch
aus dem Bereich Terrorismus – erfassen und strukturelle
sowie personenbezogene Bekämpfungsansätze darle-
gen.
1784
Die ALT ist für die Abstimmung der Verfassungsschutz-
behörden des Bundes und der Länder z. B. bezüglich der
Extremismusbekämpfung zuständig, berät übergeordnete
Instanzen und setzt politische Vorgaben um.
1785
Hervorzuheben ist weiterhin die AG Kripo, die im Be-
reich der Kriminalitätsbekämpfung für die Koordination
zwischen den Polizeien von Bund und Ländern zuständig
ist und ebenfalls übergeordnete Instanzen berät oder poli-
tische Vorgaben im polizeilichen Bereich umsetzt.
1786
ee) Kommunikationsdateien und-datenbanken
Neben zahlreichen Gremien existiert auch eine Vielzahl
von Kommunikationsdateien und –datenbanken der
Sicherheitsbehörden.
1787
Ein Überblick findet sich als
Anlage zum Gutachten von Prof. Dr. Gusy, der als Sach-
1780) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30 f.
1781) BT-Drs. 17/8535 vom 2. Februar 2012, S. 13
1782) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-
schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 42.
1783) Siehe hierzu ausführlich unter Punkt C.IV.1.c)aa).
1784) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-
schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 42 f., vgl. auch
BT-Drs. 17/7902, S. 14 f.
1785) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-
schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 41.
1786) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-
schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 42.
1787) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 19.
Drucksache 17/14600 – 224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
verständiger vor dem Untersuchungsausschuss angehört
worden ist.
1788
b) Rechtliche Probleme im Zusammenhang
mit Kooperationsgremien
Die Kooperationsgremien werfen aufgrund ihrer Zusam-
mensetzung, aber auch wegen der Grundrechtsrelevanz
ihres Handelns juristische Fragen auf.
aa) Trennungsgebot
Die Kooperation zwischen Polizeibehörden und nachrich-
tendienstlichen Behörden könnte rechtliche Probleme
hinsichtlich der Einhaltung des Trennungsgebotes hervor-
rufen.
Das organisatorische Trennungsgebot gebietet die Unab-
hängigkeit von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden,
auch wenn sie sich funktional annähern.
1789
Die Befugnis-
se dürfen sich nicht überschneiden, die Behörden nicht
zusammengelegt werden.
1790
Diese wird durch verschie-
dene Kooperationsformen relativiert. Die mitwirkenden
Institutionen sind jedoch als gleichberechtigte Partner
verbunden. Außerdem werden lediglich Vertreter der
Behörden tätig, was nicht als Zusammenschluss der Be-
hörden gesehen werden kann. Weiterhin besteht die Ko-
operation vorwiegend im Austausch von Informationen.
Gerade diese Informationsweitergabe ist Auftrag des
Nachrichtendienstes.
1791
Darüber hinaus erfolgt keine
organisatorische Eingliederung. Ein Verstoß gegen das
organisatorische Trennungsgebot wird hierin daher nicht
gesehen.
1792
In kompetenzieller Hinsicht sei kein Verstoß gegen das
Trennungsgebot anzunehmen, da die Behörden im Rah-
men der Kooperationszentren lediglich gemeinsame Ab-
sprachen treffen.
1793
Zum informationellen Trennungsgebot hat das Bundes-
verfassungsgericht am 24. April 2013 geurteilt (siehe
oben unter 4.a)ee)bbb)).
1794
bb) Erfordernis einer Rechtsgrundlage zur
datenschutzrechtlichen Vereinbarkeit
Da die Zusammenarbeit in den Zentren eine Weitergabe
personenbezogener Daten erfordert, könnte § 4 Bundesda-
tenschutzgesetz (BDSG) oder entsprechende Regeln der
Landesdatenschutzgesetze eingreifen. In jedem Fall ver-
langt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
eine Rechtfertigung in Gestalt einer Rechtsgrundlage.
1788) Dr. Gusy, MAT A S-1, Anlage 2.
1789) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 4.
1790) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.
1791) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.
1792) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 31 f.
1793) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 32.
1794) BVerfG, 1 BvR 1215/07 vom 24. April 2013.
Erfasst sind hiervon auch mündliche Übermittlungen.
Grundsätzlich können sich die beteiligten Behörden auf
die jeweils für sie geltenden entsprechenden Rechtsgrund-
lagen stützen. Diese umfassen jedoch unter Umständen
keine derart enge Zusammenarbeit, weshalb vertreten
wird, es bedürfe einer eigenen Rechtsgrundlage für die
Informationsübermittlung im Rahmen der Behördenko-
operation.
1795
Ein organisatorischer oder verfahrensrechtlicher Aus-
gleich für die Gefahr des rechtsgrundlosen Austauschs
von personenbezogenen Daten durch entsprechend spezi-
elle rechtliche Grundlagen fehle. Hier könne an einen
Datenschutzbeauftragten für Kooperationsgremien ge-
dacht werden. Zu beachten sei andererseits auch, dass der
Informationsaustausch vorrangig strategische, seltener
personenbezogene Daten erfasse.
1796
cc) Vorschläge
Wegen des Fehlens von rechtlichen Grundlagen bzw. von
verfahrensrechtlichen oder organisatorischen Absicherun-
gen
1797
hat der Sachverständige Prof. Dr. Lange Regelun-
gen für Aufsichts- und Kontrollzuständigkeiten gefor-
dert.
1798
Auch der Sachverständige Prof. Dr. Wolff forder-
te Sicherungsmechanismen, die der Gefahr der Verlet-
zung von Regelungen des Datenschutzes vorbeugen.
1799
Von Prof. Dr. Wolff wird die Arbeit der Kooperations-
gremien überwiegend als positiv bewertet,
1800
Prof.
Dr. Gusy vertritt hingegen, dass ihre Leistungsfähigkeit
und Effektivität als gering einzuschätzen sei.
1801
IV. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterro-
rismus durch staatliche Stellen seit Anfang
der 90er Jahre
1. Einschätzung 1990 bis 2002
a) Verfassungsschutzberichte des BfV 1990
bis 2002
Wie aus den Verfassungsschutzberichten des BfV von
1990 bis 2002 zu ersehen ist, schätzte das BfV die Gefahr
des Rechtsterrorismus in diesen Jahren als eher gering
ein. So stellte der Verfassungsschutzbericht 1992 fest,
dass 1992 zwar gegen einige kleinere Gruppierungen
wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen
oder kriminellen Vereinigung ermittelt worden sei. Die
weitaus überwiegende Zahl der militanten Rechtsextre-
misten gehöre jedoch keiner festgefügten militanten Or-
1795) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 34.
1796) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 35.
1797) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 36.
1798) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 4.
1799) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.
1800) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 25 f.
1801) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225 – Drucksache 17/14600
ganisation an, sondern finde sich in losen Gruppierungen
auf lokaler bzw. regionaler Ebene zusammen.
1802
Struktu-
rierte Gruppen wie beispielsweise die „Wehrsportgruppe
Hoffmann“, die Mitte der 80er Jahre das Lagebild des
Rechtsterrorismus prägten, seien laut Verfassungsschutz-
bericht 1994 in diesem Jahr die Ausnahme.
1803
Im Verfassungsschutzbericht von 1995 stellte das BfV
fest:
„Auf Dauer angelegte strukturierte Gruppen, die
zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele schwere
Straftaten wie Brand- und Sprengstoffanschläge
oder Tötungsdelikte begehen, existierten 1995
nicht. Rechtsextremistisch motivierte Gewalt […]
wurde von Einzeltätern oder zumeist spontan ent-
standenen Gruppen ausgeübt und nicht von rechts-
terroristischen Organisationen.“1804
Im Verfassungsschutzbericht 1996 wurde eine Distanzie-
rung der meisten Rechtsextremisten von terroristischer
Gewalt als Mittel der Politik festgestellt. Gründe hierfür
sah das BfV in der politischen Stabilität Deutschlands, der
ablehnenden Haltung der großen Mehrheit der Bevölke-
rung gegenüber dem Rechtsextremismus und rechtsex-
tremistischer Gewalt sowie der Schwäche des gewaltbe-
reiten rechtsextremistischen Lagers. Zudem befürchte die
rechtsextremistische Szene staatliche Gegenmaßnahmen,
die ihren politischen Handlungsspielraum weiter ein-
schränke. Das BfV stellte das Fehlen einer für den be-
waffneten Kampf notwendigen Unterstützerszene sowie
einer Strategiedebatte zur gewaltsamen Systemüberwin-
dung fest.
1805
Die Verfassungsschutzberichte von 1997 und 1998 stell-
ten übereinstimmend fest, dass es zur Zeit keine rechtster-
roristischen Gruppen in Deutschland gebe.
1806
Im Verfas-
sungsschutzbericht 1998 wurde ausgeführt:
„Zur Zeit gibt es in Deutschland keine rechtsterro-
ristischen Organisationen oder Strukturen. Zum
einen mangelt es hierfür an einer auf die aktuelle
Situation in Deutschland bezogenen Strategie zur
gewaltsamen Überwindung des Systems, zum an-
deren fehlen geeignete Führungspersonen und fi-
nanzielle Mittel. Auch fehlen Unterstützerszene
und logistische Voraussetzungen, die für einen
wirkungsvollen, aus dem Untergrund heraus ge-
führten Kampf unabdingbar sind.“1807
Konträr zu der hier getroffenen Einschätzung steht die
Aussage des ehemaligen Präsidenten des BfV, Heinz
Fromm, der im Ausschuss folgende Sicht vertreten hat:
„Die Erfahrungen aus den 80er, aber dann vor al-
lem auch aus den 90er Jahren waren, dass es aus
1802) Verfassungsschutzbericht BfV 1992, S. 81.
1803) Verfassungsschutzbericht BfV 1994, S. 93.
1804) Verfassungsschutzbericht BfV 1995, 113.
1805) Verfassungsschutzbericht BfV 1996, 97, 98.
1806) Verfassungsschutzberichte BfV 1997, S. 81, BfV 1998, S. 24.
1807) Verfassungsschutzbericht BfV 1998, S. 24.
dem Bereich der rechtsextremistischen Szene Ter-
roranschläge gegeben hat, die nicht immer Perso-
nenschäden verursacht haben, die aber eindeutig
terroristische Züge trugen. Denken Sie an den An-
schlag auf die Wehrmachtsausstellung in Saarbrü-
cken im Jahr 1999. Denken Sie an den Spreng-
stoffanschlag auf das Grab des früheren Vorsit-
zenden des Zentralrats der Juden, Galinski, hier in
Berlin. Denken Sie an den Mordanschlag von Kay
Diesner auf einen Buchhändler hier in Berlin. Die
Reihe könnte noch fortgesetzt werden.“1808
Auch zu Beginn des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhun-
derts sah das BfV keine Anhaltspunkte für handlungsfä-
hige terroristische Strukturen und kein Konzept für einen
zielgerichteten bewaffneten Kampf. Gleichwohl bestehe
weiterhin die Gefahr, dass Einzelne oder Kleinstgruppen
auch schwere Anschläge begingen.
1809
Der Verfassungs-
schutzbericht von 2002 gelangte zudem zu dem Ergebnis,
dass militante Rechtsextremisten Terrorismus ablehnten,
da dieser nur „das System“ stärke und im Volk auf Un-
verständnis treffe. Zudem seien sie sich des hohen Entde-
ckungsrisikos bewusst.
1810
b) Sprechzettel für die PKK-Sitzungen am
29. April und am 27. Mai 1998
In Vorbereitung der am 29. April und am 27. Mai 1998
stattfindenden Sitzungen der Parlamentarischen Kontroll-
kommission wurde vom BfV ein Sprechzettel zu dem
Thema „Entwicklung rechtsextremistischer Gewalttaten
in 1997 – mögliche terroristische Ansätze?“ erstellt. Hie-
rin wurden mehrere Vorfälle beschrieben, bei denen die
Polizei im Rahmen von Durchsuchungen bei Rechtsex-
tremisten sowohl Waffen als auch Sprengstoffvorrichtun-
gen beschlagnahmt hatte. Bei einem der aufgeführten
Vorfälle handelte es sich um die Wohnungs- und Gara-
gendurchsuchung des Trios Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe, die am 26. Januar 1998 in Jena stattgefunden
hatte. In beiden Sprechzetteln wurde hierzu wortgleich
ausgeführt:
„Am 26. Januar 1998 durchsuchte die Polizei nach
Hinweisen der Verfassungsschutzbehörde Thürin-
gen in Jena die Wohnungen der Mitglieder des
‚Thüringer Heimatschutzes‘ (THS) Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe so-
wie eine von diesen genutzte Garage. Es bestand
der Verdacht, daß die drei Personen an der Herstel-
lung mehrerer selbstgefertigter, überwiegend nicht
zündfähiger Sprengkörper bzw. Bombenattrappen
beteiligt waren, die zwischen Oktober 1996 und
Dezember 1997 im Raum Jena aufgefunden wur-
den. In der Garage stellte die Polizei u. a. vier
funktionsfähige Rohrbomben sicher. Gegen die
1808) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 51.
1809) BMI, Verfassungsschutzbericht 2001, S. 43.
1810) BMI, Verfassungsschutzbericht 2002, S. 37.
Drucksache 17/14600 – 226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
drei Tatverdächtigen erging Haftbefehl. Sie sind
derzeit flüchtig.“1811
Das BfV führte in seiner Stellungnahme aus, dass sich aus
den Beispielfällen keine Hinweise auf eine terroristische
Bedrohung ableiten ließen:
„Bei den genannten Beispielfällen zeigt sich nur
insoweit eine neue Qualität rechtsextremistischer
Bedrohung, als bei Durchsuchungen vermehrt
selbstgebaute und funktionsfähige Sprengkörper
aufgefunden wurden. Hieraus lassen sich aber kei-
ne Hinweise auf eine konkrete terroristische Be-
drohung (Stichwort: ‚Braune RAF‘) ableiten. Die
Täter hatten in keinem Fall den Entschluss gefasst,
einen Anschlag zu begehen. Die Bomben in Thü-
ringen dienten der bloßen Drohung, ohne dass ein
darüber hinausgehendes Ziel erkennbar geworden
wäre. Die Täter folgten nach bisherigen Erkennt-
nissen – hinsichtlich der Vorgehensweise und
Zielauswahl – auch keiner terroristischen Konzep-
tion.
[…]
Derzeit gibt es in Deutschland keine rechtsterroris-
tischen Organisationen oder Strukturen. Zum einen
mangelt es hierfür an geeigneten Führungsperso-
nen, logistischen Voraussetzungen und finanziel-
len Mitteln. Zum anderen fehlt die Unterstützer-
Szene, die für einen nachhaltigen, aus der Illegali-
tät heraus geführten bewaffneten Kampf unab-
dingbar ist. Auch eine Strategiedebatte zur gewalt-
samen Systemüberwindung findet im rechtsextre-
mistischen Lager – wenn überhaupt – nur in gerin-
gem Umfang statt, so existiert keine ausformulierte
Theorie, die Gewalttaten zur Durchsetzung politi-
scher Ziele fordert und zugleich legitimiert“1812
Allerdings sah das BfV ein Potenzial gewaltbereiter
Rechtsextremisten, die in emotionalen Stresssituationen
auch ohne langfristige Planung und intellektuelle Konzep-
te Waffen einsetzen könnten. Es gebe daher alle Hinweise
auf Waffenbesitz in der rechtsextremistischen Szene
grundsätzlich an die Strafverfolgungsbehörden ab.
1813
Die Zeugin Dobersalzka, die von Anfang 1998 bis Okto-
ber 2006 als Referatsleiterin im BfV mit dem Thema
Rechtsextremismus befasst war, hat ausgesagt, dass die in
dem Sprechzettel verwendete Formulierung „Derzeit gibt
es in Deutschland keine rechtsterroristischen Organisatio-
nen“ ungewöhnlich gewesen sei. Normalerweise sei die
Formulierung verwendet worden, es seien keine rechtster-
roristischen Organisationen erkennbar. Die Notwendig-
1811) Sprechzettel für PKK-Sitzung am 29. April 1998, MAT A
BMI-4/59, Bl. 124, 125; Sprechzettel für PKK-Sitzung am
27. Mai 1998, MAT A BMI-4/53, Bl. 213 ff
1812) Sprechzettel für PKK-Sitzung am 29. April 1998, MAT A
BMI-4/59, Bl. 124, 125; Sprechzettel für PKK-Sitzung am
27. Mai 1998, MAT A BMI-4/53, Bl. 213 ff
1813) Sprechzettel für PKK-Sitzung am 29. April 1998, MAT A
BMI-4/59, Bl. 125; Sprechzettel für PKK-Sitzung am 27. Mai
1998, MAT A BMI-4/53, Bl. 215, 216.
keit für diese Formulierung habe sich bereits daraus erge-
ben, dass es definitorische Unterschiede für den Begriff
des Rechtsterrorismus in der Zusammenarbeit von Ver-
fassungsschutz sowie Polizei und Generalbundesanwalt
ergeben hätten.
1814
Sie hätten im BfV den Begriff Rechts-
terrorismus nie so definiert, wie es der Begriff der terro-
ristischen Vereinigung nahelege und wie auch von der
Polizei oder vom GBA als Maßstab genommen werde,
sondern das BfV habe nach den Ansätzen gesucht.
1815
c) Einschätzung durch die „Informations-
gruppe Rechtsextremismus“ (IGR)
aa) Tätigkeit der IGR
Ende 1992 beschlossen die Innenminister des Bundes und
der Länder, eine „Informationsgruppe zur Beobachtung
und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer,
insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte“ (Informati-
onsgruppe Rechtsextremismus – IGR) zu gründen. Mit-
glieder der IGR waren der Generalbundesanwalt, das
Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungs-
schutz und die Landesbehörden von Justiz, Polizei und
Verfassungsschutz. Die Geschäftsführung oblag dem
BfV. Aufgaben der IGR waren u. a.:
– konzeptionelle Grundfragen der Zusammenarbeit,
– einheitliche Erfassungskriterien und Begriffsbestim-
mungen des gewalttätigen Rechtsextremismus,
– Intensivierung des Erkenntnisaustausches zwischen
Verfassungsschutz, Polizei und Justiz,
– Analysen zur Sicherheitslage,
– Beobachtungs- und Bekämpfungsinstrumentarien,
– regionale personen- und sachbezogene Beobach-
tungs- und Bekämpfungsschwerpunkte,
– taktische und operative Fragen,
– Bündelung der Bekämpfungsressourcen,
– Fortschreibung bestehender und Entwicklung neuer
Beobachtungs- und Bekämpfungskonzepte.
Im Rahmen von IGR-Sitzungen wurden u. a. folgende
Themen und Sachverhalte erörtert:
– Absprachen im Vorfeld und Nachgang von Exeku-
tivmaßnahmen,
– Durchführung gemeinsamer Bewertungen von Sach-
verhalten und Ermittlungskomplexen,
– Bedeutsame Demonstrationen, bei denen die Sicher-
heitsbehörden Abstimmungsbedarf sahen,
1814) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 15, 17.
1815) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 227 – Drucksache 17/14600
– Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten sowie
Erörterung etwaiger Maßnahmen der Sicherheitsbe-
hörden hierauf,
– Fragen der Zusammenarbeit zwischen den Sicher-
heitsbehörden – insbesondere im Hinblick auf eine
Verbesserung und Optimierung der Kooperation,
– Zusammenarbeit im Vorfeld von sportlichen Großer-
eignissen,
– Juristische Entwicklungen mit Relevanz für die
Sicherheitsbehörden,
– Vorträge von Gastreferenten im Rahmen der IGR-
Sitzungen zur Vorstellung von Projekten (z. B. ein
Vortrag von „Jugendschutz.net“).1816
Die Sitzungen der IGR wurden in unregelmäßigen Ab-
ständen in der Regel ein- bis zweimal jährlich durchge-
führt. Die letzte IGR-Sitzung fand im Jahr 2007 statt.
1817
bb) Diskussion in der „Informationsgruppe
Rechtsextremismus“ (IGR)
Während der Tagungen der „Informationsgruppe zur
Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-
terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewalt-
akte“1818 (IGR Bund-/Ländertagungen) wurden Lagebil-
der Rechtsextremismus/-terrorismus aus Sicht des Bun-
deskriminalamts und des Bundesamts für Verfassungs-
schutz aufgezeigt und erörtert.
aaa) 18. IGR-Bund-/Ländertagung am
28./29. September 1999
In einem „Aktuellen Lagebild Rechtsextremismus“, das
für die IGR-Bund-/Ländertagung am 28./29. September
1999 erstellt wurde, führte das BfV aus, dass es derzeit
keine rechtsextremistische Organisation gebe, die zur
Durchsetzung ihrer politischen Ziele schwere Straftaten
begehe oder terroristische Aktionen plane. Eine „Braune
Armee Fraktion“ existiere nicht. Für einen planmäßigen,
auf Dauer angelegten terroristischen Kampf zur Durchset-
zung politischer Ziele fehle die breite Akzeptanz in der
neonazistischen Szene und damit das notwendige Unter-
stützerumfeld für einen aus der Illegalität heraus geführ-
ten Kampf. Außerdem fehle es an Logistik und einem
Konzept, wonach mit bestimmten Angriffen bestimmte
politische Ziele erreicht werden sollten. Das BfV stellte
allerdings fest, dass auch gewalttätige Einzeltäter ein
unkalkulierbares Risiko für die innere Sicherheit darstell-
1816) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/10278, Abteilungen,
Gremien und Dateien deutscher Sicherheitsbehörden für den
Kampf gegen Rechtsextremismus, BT-Drs. 17/10465, S. 6
1817) Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom 23.
November 2011 auf eine Frage der Abg. VP'n Petra Pau (DIE
LINKE.), S. 14, 15; eine Aufstellung der Sitzungen im Zeit-
raum von 1995 bis 2007 ist der BT-Drs. 17/10465, S. 5 zu ent-
nehmen.
1818) Näheres zur dieser Informationsgruppe unter C.IV.1.c)aa).
ten. Da einige Personen in der rechtsextremistischen Sze-
ne über Schusswaffen und Sprengstoff verfügten, bestehe
ein erhebliches Gefahrenpotential, das sich in kaum
vorhersehbarer Weise realisieren könne.
1819
bbb) 19. IGR-Bund-/Ländertagung am
27./28. September 2000
Zu einer veränderten Einschätzung gelangte das BfV in
dem Lagebild, welches es bei der IGR-Bund-
/Ländertagung am 27./28. September 2000 vorlegte. Das
BfV wies darauf hin, dass sich Waffen- und Sprengstoff-
funde bei Rechtsextremisten seit November 1999 gemehrt
hatten. Es stellte fest, dass diese Waffen zum Zweck von
Angriffen auf den politischen Gegner beschafft worden
seien und sah in den Funden sichtbare Zeichen der gestie-
genen Gefährlichkeit militanter rechtsextremistischer
Bestrebungen. Unter Zugrundelegung einer weitgefassten
Definition des Terrorismus gelangte das BfV zu der Auf-
fassung, dass sich hierin Ansätze für eine terroristische
Bedrohung zeigten. Außerdem stellte es fest, dass sich
Stimmen gehäuft hätten, die Gewalt als Mittel zur Durch-
setzung politischer Ziele befürworteten. In diesem Zu-
sammenhang verwies es auf die neonazistische Publikati-
on Hamburger Sturm, die am 10. August 2000 von der
Hamburger Behörde für Inneres verboten worden war.
Als Auslöser der gewaltbejahenden Diskussion sah das
BfV u. a. die positiven Reaktionen der Szene auf die
ungeklärt gebliebenen Sprengstoffanschläge am 19. De-
zember 1998 in Berlin auf das Grab des ehemaligen Vor-
sitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Ga-
linski und am 9. März 1999 in Saarbrücken auf die Aus-
stellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht
1941 bis 1944“ an.1820
Zu einer hiervon abweichenden Bewertung der Situation
gelangte das BKA in seinem Lagebild. Demnach lautete
das Resümee einer Arbeitstagung des BKA mit in den
Ländern für die Bekämpfung des Rechtsextremismus/-
terrorismus zuständigen Sachbearbeitern, dass es einen
Rückgang von Straftaten um ca. 10 % und eine insgesamt
stabile Lage gebe. Sie sei gekennzeichnet durch das Feh-
len terroristischer Strukturen, das Fehlen einer zentralen
Steuerung von Straftaten und das Fehlen von Führungs-
persönlichkeiten.
1821
Das BKA stellte fest:
„Es liegen derzeit keine Erkenntnisse über die
Existenz terroristischer Strukturen, das Entstehen
einer ‚Braune Armee Fraktion‘ vor. Bei den ge-
genwärtig feststellbaren Gewalttaten handelt es
sich nicht um organisierte, geplante und arbeitstei-
lig oder mit dem Ziel der Systemüberwindung be-
gangene Straftaten.“1822
1819) BfV, Sprechzettel zur Tagung der IGR am 29./30. September
1999, MAT A BMI-3/12, Bl. 26, 27 (VS-NfD).
1820) BfV, Sprechzettel zur Tagung der IGR am 27. September 2000,
MAT A BMI-3/2, Bl. 93, 94 (VS-NfD).
1821) Lagebild Rechtsextremismus/-terrorismus aus Sicht des Bun-
deskriminalamtes, MAT A BMI-3/2, Bl. 88 (VS-NfD).
1822) MAT A BMI-3/2, Bl. 91 (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auf die Erörterungen in der IGR hat der Zeuge Cremer,
der von 1996 bis 2004 Leiter der Abteilung Rechtsextre-
mismus im BfV war, zur Beantwortung der Frage Bezug
genommen, ob das BfV das Entstehen rechtsterroristi-
scher Strukturen falsch eingeschätzt habe, und ausgeführt:
„In der Sitzung der Bund-Länder-Sitzung der IGR
– Informationsgruppe zur Beobachtung und Be-
kämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer,
insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte –
vom 27. bzw. 28. September 2000 hat das BfV auf
die Gefahr der Bildung von Ansätzen für rechtster-
roristische Bestrebungen hingewiesen. […] Auf
die von solchen Personen ausgehende Gefahr, auch
von Einzelpersonen ausgehende Gefahr, wie bei-
spielsweise auf den Attentäter Fuchs in Österreich
oder auch den Unabomber in den USA, wurde
ausdrücklich hingewiesen. Die Polizeibehörden
und der Generalbundesanwalt verwiesen demge-
genüber auf die Tatbestandsmerkmale des § 129a
und warnten vor der drohenden Be-
griffsverwirrung, wenn der Terrorismusbegriff des
§ 129a durch die Verfassungsschutzbehörden aus-
geweitet würde. Dieser Argumentation, dieser
nachvollziehbaren Argumentation haben wir uns
dann im Folgenden auch in unserer Berichterstat-
tung angeschlossen […] Auf den IGR-Tagungen
der Jahre 1999, 2000 und 2001 wurde immer wie-
der auf die Gefahr insbesondere von Sprengstoff-
anschlägen durch Einzelpersonen und Kleingrup-
pen deutlich hingewiesen.“1823
Nach Auskunft des Zeugen Cremer wurde bei der 19.
IGR-Bund-/Ländertagung am 27./28. September 2000 die
Frage diskutiert, wie der Terrorismusbegriff zu definieren
sei. Der Vertreter des BfV wies darauf hin, dass die seit
Jahren von den Verfassungsschutzbehörden benutzte
Definition des Terrorismus weder eine zielgerichtete
Vereinigung von mindestens drei Personen noch ein
Agieren aus dem Untergrund mit entsprechender Logistik
und Unterstützerszene zwingend voraussetze. Vor diesem
Hintergrund sah das BfV durchaus Ansätze für einen
Rechtsterrorismus in der jüngeren Entwicklung. Demge-
genüber sprachen sich die Vertreter der Landeskriminal-
ämter und des Generalbundesanwalts gegen eine Auswei-
tung der Definition des Rechtsterrorismus aus. Gerade
auch wegen der Wirkung in der Öffentlichkeit müsse sich
diese am Begriff der terroristischen Vereinigung im Sinne
des § 129a StGB orientieren, um Abgrenzungsprobleme
zu vermeiden. Als Ergebnis der Diskussion stellten die
Vertreter der IGR schließlich übereinstimmend fest, dass
derzeit kein Rechtsterrorismus in Deutschland feststellbar
sei.
1824
1823) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 67.
1824) Ergebnisprotokoll über 19. Bund-/Ländertagung IGR,
27./28. September 2000, MAT A BMI -3/2, Bl. 77-78 (VS-
NfD).
ccc) 20. IGR-Bund-/Ländertagung am
10./11. Januar 2001
Zu ähnlichen Einschätzungen gelangten BfV und BKA
bei der 20. IGR-Bund-Ländertagung am 10./11. Januar
2001. In dem Lagebild, welches das BKA vorlegte, stellte
es die anhaltende Relevanz dieses Kriminalitätsbereiches
sowie eine weiterhin bestehende Gewaltbereitschaft in
nicht unerheblichem Maße fest. Es konstatierte aber auch,
dass es derzeit keine Erkenntnisse über die Existenz terro-
ristischer Strukturen gebe.
1825
Das BfV hielt die steigende
Zahl von Gewalttaten für besorgniserregend. Seit einein-
halb Jahren gebe es zunehmend Stimmen, die Gewalt als
Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele befürworteten.
Auch hätten sich im Jahr 2000 Waffen- und Sprengstoff-
funde bei Rechtsextremisten gehäuft. Bisher habe es aber
an der Absicht und in aller Regel auch an der Fähigkeit
gefehlt, diese gezielt zu Anschlägen einzusetzen. Es kön-
ne aber nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Grup-
pierungen oder Einzelpersonen Anschläge planten und
ausführten.
1826
ddd) Gründe für unterschiedliche Bewertungen
durch BfV und BKA
Als Grund für eine unterschiedliche Einschätzung der
rechten Gewalt durch BKA und BfV hat der Zeuge
Fromm genannt, dass es aufgrund der unterschiedlichen
Kompetenzen eine unterschiedliche Wahrnehmung gebe.
Die Polizei konzentriere sich auf Einzelvorgänge, auf
Fallkomplexe, auf Organisationsdelikte und terroristische
Vereinigungen. Beim Verfassungsschutz sei der Blick
dagegen stärker auf Strömungen, auf Strategien, auf die
Bewertung dieser Strömungen und auf die Schlussfolge-
rungen, die sich daraus für mögliches militantes Verhalten
ergäben, gerichtet. Im Kontext mit der IGR könne er dies
aber nicht belegen.
1827
eee) Bewertung der Arbeit in der IGR
Die Arbeit in der IGR hat der Zeuge Ziercke kritisch
bewertet. In der IGR habe ein Informationsaustausch über
die Lage stattgefunden. Man habe die Lage beurteilt, sich
die Konzepte angeschaut und diese in den 90er Jahren
weiterentwickelt. Dies habe aber nicht ausgereicht. Er
sehe das große Versagen darin, dass man in den 90er Jah-
ren nicht etwas geschaffen habe, wie es heute der Fall
sei.
1828
Dem entgegen hat der Zeuge Cremer sich lobend über die
Zusammenarbeit in der IGR geäußert. Die IGR als In-
strument von Polizei und Verfassungsschutz des Bundes
und der Länder sei damals ein durchaus erfolgreiches
Instrument gewesen. Insbesondere habe die Kooperation
zwischen BfV und BKA dazu beigetragen, dass hier in
1825) Sprechzettel BKA, MAT A BMI-3/2, Bl. 151-154.
1826) Lagebild BfV, MAT A BMI-3/2, Bl. 155-158 (VS-NfD).
1827) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 53.
1828) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 78.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229 – Drucksache 17/14600
vielen Sitzungen – etwa fünf oder mehr Sitzungen pro
Jahr – das Verständnis füreinander deutlich gewachsen
sei.
1829
Der Zeuge Ritscher, der nach eigenen Angaben als für
rechtsterroristische Straftaten zuständiger OStA beim
BGH mehr als einmal an IGR-Tagungen teilgenommen
hat, hat in ihnen ebenfalls einen wertvollen Austausch
gesehen.
1830
2. Einschätzung nach Verhinderung eines
Anschlags durch „Kameradschaft Süd“
2003
a) Versuchter Anschlag durch „Kamerad-
schaft Süd“ 2003
Im Dezember 2001 wurde auf Initiative des Neonazis
Norman B. die „Kameradschaft Süd“ gegründet. Sie stell-
te den wichtigsten Personenzusammenschluss von Neo-
nazis im Raum München dar und fungierte als Dachver-
band für Stammtischrunden und neonazistische Skinhead-
Kameradschaften. Ab März 2002 übernahm Martin Wiese
die Leitung der „Kameradschaft Süd“. Am 18. und
28. August 2003 sowie am 9. September 2003 wurden bei
Hausdurchsuchungen von Mitgliedern der „Kamerad-
schaft Süd“ Sprengstoff, Handgranaten, Munition, Waf-
fen, Sturmhauben und schriftliche Unterlagen sicherge-
stellt. Die Ermittlungen ergaben, dass Wiese und weitere
Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ einen Anschlag für
den 9. November 2003 auf die Grundsteinlegung für ein
jüdisches Gemeindezentrum in München geplant
1831
und
später andere Anschlagsziele im München erörtert hat-
ten.
1832
In der sich anschließenden öffentlichen Diskussi-
on prägte der damalige bayerische Innenminister Dr.
Günther Beckstein das Schlagwort „Braune RAF“.1833 Am
4. Mai 2005 verurteilte der 6. Strafsenat des Bayerischen
Obersten Landesgerichts Martin Wiese und drei weitere
Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ zu mehrjährigen
Freiheitsstrafen.
1834
b) Einschätzung des BfV 2003: Gibt es eine
braune RAF?
aa) Antwortschreiben des BfV vom 14. Sep-
tember 2003
Nach dem vereitelten Sprengstoffanschlag durch Mitglie-
der der „Kameradschaft Süd“ 2003 stellte sich die Frage,
1829) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 68.
1830) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 100.
1831) MAT A BKA-3a, Bl. 1-6 (VS-NfD).
1832) BMI, Verfassungsschutzbericht 2003, S. 25
1833) Die Zeit vom 18. September 2003, „Die Sprengköpfe“; Frank-
furter Allgemeine Zeitung vom 16. September 2003,
„Beckstein: Schily unprofessionell“.
1834) MAT A BMI-4/58 (Tgb.-Nr. 26/12 – GEHEIM), Bl. 100 (of-
fen).
ob die im Verfassungsschutzbericht des BfV von 2002
getroffene Feststellung, wonach es keine rechtsterroristi-
schen Gruppierungen und keine Bestrebungen zum Auf-
bau eines zielgerichteten „bewaffneten Kampfes“ ge-
be,
1835
aufrechterhalten werden könne. Der Unterabtei-
lungsleiter P II im BMI Ministerialdirigent Gerhard
Schindler legte dem BfV einen Fragenkatalog vor, in dem
u. a. gefragt wurde, ob BfV und BKA die Lage falsch
eingeschätzt hätten. Zudem bat er um eine Bewertung der
öffentlichen Warnung des damaligen bayrischen Innen-
ministers Dr. Beckstein vor einer völlig neuen Dimension
rechtsextremistischer Gewalt, einer Art „brauner RAF“.
In seinem Antwortschreiben vom 14. September 2003
antwortete der damalige Vizepräsident des Bundesamtes
für Verfassungsschutz Klaus-Dieter Fritsche, es bedürfe
weiterer Detailerkenntnisse aus dem Verfahren gegen die
„Kameradschaft Süd“, um zu beurteilen, ob die Feststel-
lung aus dem Verfassungsschutzbericht 2002, es gebe
keine rechtsterroristischen Gruppierungen und Bestrebun-
gen zum Aufbau eines zielgerichteten bewaffneten Kamp-
fes, aufrecht erhalten werden könne.
Zu der Frage, ob es eine braune RAF gebe führte Fritsche
in dem Schreiben aus:
„Bei einem Vergleich mit der RAF muss zumin-
dest das wesentliche Merkmal dieser terroristi-
schen Bestrebungen berücksichtigt werden. Die
RAF führte ihren bewaffneten Kampf aus der Ille-
galität heraus. Das heißt, die Gruppe lebte unter
falscher Identität, ausgestattet mit falschen Perso-
naldokumenten und Fahrzeugdubletten in konspi-
rativen Wohnungen. Dies erforderte ein hohes
Know-how und ein Sympathisantenumfeld, das
bereit war, den bewaffneten Kampf aus der Illega-
lität zu unterstützen. Zur Finanzierung dieses
Kampfes wurden Raubüberfälle begangen.
Absichten, einen Kampf aus der Illegalität heraus
mit den damit verbundenen Umständen zu führen,
sind in der rechten Szene nicht erkennbar. Es gibt
derzeit auch keine Anhaltspunkte, dass eine solche
Gruppe ein Umfeld finden würde, das ihr einen
solchen Kampf ermöglicht. Die gewaltbejahenden
Äußerungen in der rechten Szene sind in letzter
Zeit seltener geworden. Kritische Äußerungen
auch zu den jüngst bekannt gewordenen Ereignis-
sen in der ‚Kameradschaft SÜD‘ deuten eher da-
rauf hin, dass es ein solches potentielles Unterstüt-
zungsfeld nicht gibt. Auch lebten die Mitglieder
der ‚Kameradschaft SÜD‘ nicht in der Illegalität.
Nach dem bisherigen Kenntnisstand des BfV gibt
es auch keine Hinweise, dass die Gruppe über ein
entsprechendes Know-how, finanzielle Mittel oder
ein Unterstützerumfeld für einen solchen Kampf
verfügte.
In der Presse wird angeführt, dass es im Rechtsex-
tremismus sehr wohl ein potentielles Unterstützer-
feld gebe. Hierzu wird auf drei Bombenbauer aus
1835) BMI, Verfassungsschutzbericht 2002, S. 37.
Drucksache 17/14600 – 230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Thüringen verwiesen, die seit mehreren Jahren
‚abgetaucht‘ seien und dabei sicherlich die Unter-
stützung Dritter erhalten hätten. Dem ist entgegen-
zuhalten, dass diese Personen auf der Flucht sind
und – soweit erkennbar – seither keine Gewalttaten
begangen haben. Deren Unterstützung ist daher
nicht zu vergleichen mit der für einen bewaffneten
Kampf aus der Illegalität.“1836
bb) Aussage des Zeugen Fritsche vor dem
Untersuchungsausschuss
Der Zeuge Fritsche hat in seiner Vernehmung vor dem
Untersuchungsausschuss deutlich gemacht, dass er zu
dem damaligen Zeitpunkt inhaltlich zu der in dem Schrei-
ben enthaltenen Aussage gestanden habe. Das Schreiben
sei zwar von den Fachabteilungen erstellt worden. Er
habe es als Vizepräsident aber nicht nur in einer Kurier-
funktion unterschrieben, sondern habe die Aussage da-
mals auch für plausibel gehalten. Nach den Kenntnissen,
die er aus Besprechungen zu Rechtsextremismus und
Rechtsterrorismus bzw. Gewaltbereitschaft von Rechts-
extremisten gewonnen habe, habe er das, was seine Mit-
arbeiter aufgeschrieben hätten, für richtig gehalten und
das Schreiben aus diesem Grund unterschrieben.
1837
Zum
damaligen Zeitpunkt sei die einhellige Bewertung der
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder
sowie auch der Polizeibehörden gewesen, dass die Zer-
schlagung der „Kameradschaft Süd“ im Herbst 2003
einen erheblichen Abschreckungseffekt in der Szene
hinterlassen habe. Niemand habe sich zu diesem Zeit-
punkt vorstellen können, dass eine Terrorgruppe namens
NSU bereits vier Menschen mit Migrationshintergrund
kaltblütig umgebracht habe.
1838
Zudem hat der Zeuge Fritsche, heute beamteter Staatssek-
retär im Bundesinnenministerium, zum Ausdruck ge-
bracht, dass er die Vergleichbarkeit des NSU und der
RAF auch heute noch für nicht abschließend geklärt halte.
Bei der RAF habe es sich um eine andere Organisations-
form gehandelt, innerhalb derer es eine Hierarchie gege-
ben habe. Zudem seien wesentlich mehr Personen betei-
ligt gewesen. Im Moment wisse man noch nicht, wie viel
Unterstützer des NSU tatsächlich Kenntnis von den Taten
des NSU gehabt hätten. Dies sei Teil des Ermittlungsver-
fahrens. Die damalige Bewertung sei gewesen, dass von
der Organisationsform, die das Unterstützerumfeld der
RAF gehabt habe, im rechtsterroristischen Bereich nichts
bekannt sei.
1839
1836) MAT A BMI-4/58 (Tgb.-Nr. 26/12 – GEHEIM), Bl. 26-23
(offen).
1837) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 14.
1838) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 9.
1839) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 32.
cc) Aussage des Zeugen Fromm vor dem
Untersuchungsausschuss
Der Zeuge Fromm hat erklärt, der Blick sei bei der dama-
ligen Einschätzung zu eng gewesen. Man hätte andere
Möglichkeiten ins Auge fassen müssen. Man habe be-
stimmte Merkmale wie Illegalität und Unterstützerumfeld
nicht für möglich gehalten. Aus heutiger Sicht habe man
zumindest eine unvollständige Analyse gehabt.
1840
Zudem
hat er erklärt:
„Die Verfassungsschutzberichte des Bundes über
all die Jahre weisen ganz eindeutig aus, dass die
Gefahr gesehen wurde, dass sich kleine, kleinste
Gruppen auch dazu entschließen könnten, schwere
Terroranschläge zu verüben, dass es aber in der
Neonaziszene insgesamt – nicht aus pazifistischen
Gründen, sondern aus taktischen Gründen – keinen
Trend gibt, den bewaffneten Kampf aufzunehmen.
Aber die Gefahr – das hat sich ja auch realisiert in
dem Fall der ‚Kameradschaft Süd‘ –, dass es ter-
roristische Anschläge geben könnte aus der Neo-
naziszene heraus, die ist schon gesehen worden.
Was nicht gesehen worden ist, ist, dass es eine sol-
che offenbar abgeschottete illegale Zelle gab, die
das verübt. Und die Schlussfolgerung daraus war:
Wenn es, wie in dem Fall der ‚Kameradschaft Süd‘
zu einem Anschlagsvorhaben von nicht in der Ille-
galität lebenden Leuten kommt, werden wir das
mitkriegen. […] Was nicht gesehen worden ist, ist
dass es Illegale gibt, die Zellen bilden und dann
ohne Umfeld, was man immer als Voraussetzung
angesehen hat, oder ohne erkennbares Umfeld sol-
che Straftaten verüben.“1841
dd) Aussagen der Zeugen Dobersalzka und
Egerton vor dem Untersuchungsaus-
schuss
Die Zeugin Dobersalzka, die als Referatsleiterin von 1998
bis 2006 im BfV mit dem Thema Rechtsextremismus
befasst war, hat sich zu der Fragestellung „Gibt es eine
braune RAF?“ wie folgt geäußert:
„[…] ich möchte aber an der Stelle die Gelegen-
heit wahrnehmen und auf dieses leidige Thema zu
sprechen kommen: Gab es eine braune RAF? Das
steckt ja so ein bisschen auch dahinter. Es hat uns -
- Diese Fragestellung: ‚Gibt es eine braune RAF?‘,
die hat mich persönlich immer furchtbar verärgert.
Und ich kann Ihnen auch sagen, warum. Das war
gar nicht unser Ansatz, zu fragen: ‚Sind die
Rechtsextremisten das, was die RAF früher war?‘,
sondern wir haben die Bedrohungslage für die Op-
fer gesehen, beispielsweise hier Anfang der 90er-
Jahre diese pogromartigen Ausschreitungen. Mir
persönlich ist das, ehrlich gesagt, von der Bewer-
tung her - - oder nicht mir persönlich, sondern aus
1840) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 10.
1841) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 50.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231 – Drucksache 17/14600
Opfersicht ist es von der Bewertung her völlig
egal, ob eine Tat aus strukturierten, langfristig ge-
planten Operationen hervorgeht oder von pogrom-
artigen Ausschreitungen. Und ich finde sogar, dass
die Bedrohungslage für die Opfer bei pogromarti-
gen Ausschreitungen, so wie wir sie Anfang der
90er-Jahre besonders hatten, wesentlich größer ist,
weil […].“1842
Der Zeuge Egerton, der von 1994 bis zum Jahr 2000 im
BfV mit der subkulturellen, gewaltbereiten rechtsextre-
mistischen Szene befasst war, hat die vom BfV vorge-
nommene Einschätzung, ob es eine braune RAF gebe, wie
folgt erklärt:
„Die Frage war: Gibt es eine braune RAF? Und
der Ausgangspunkt war: Hat das BfV Strukturen
erkannt, die RAF-ähnlich sind, also zum Beispiel
Kommandoebene mit Unterstützerumfeld, mögli-
cherweise auch militant, was also auch Anschläge
begeht? Und diese Strukturierung hat das BfV
nicht erkannt. Es hat sie auch in Form des Trios
nicht gegeben. Das war ja auch keine Kaderorga-
nisation mit Unterstützerumfeld.“1843
ee) Bewertung der damaligen Einschätzung
durch den Zeugen Schily
Der Zeuge Schily hat sich zu der damals vorgenommenen
Einschätzung durch den Vizepräsidenten des BfV Frit-
sche wie folgt geäußert:
„Mein Eindruck ist: Es war eine Fehleinschätzung
dieses Gefahrenpotenzials. Diese Gruppen - so
eben auch diese Kleingruppe, die hier genannt
wird - hat man eigentlich - glaube ich nach alle-
dem, was ich da nachvollziehen kann - immer
mehr so gesehen, dass die mehr ‚harmlosere Din-
ge‘ machen, dass sie mal irgendwie eine Bomben-
attrappe oder scheußliche Nazi- und antisemitische
Propaganda machen oder mal einen Brandanschlag
machen. Aber dass diese Gruppe in der Lage ist,
Kapitalverbrechen zu begehen, das hat man nicht
gesehen.“1844
Die Frage, ob die Gefahr des Rechtsextremismus nach
dem 11. September 2001 unterschätzt worden sei, hat er
verneint. Sie sei aber nicht so hoch eingeschätzt worden
wie die des islamistischen Terrorismus. Er glaube nicht,
dass der Rechtsextremismus in seiner Bedrohung von den
Sicherheitsbehörden unterschätzt worden sei. Es sei nur
das Ausmaß der Bedrohung nicht erkannt worden.
1845
1842) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 17.
1843) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 34.
1844) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 72.
1845) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 72, 73.
c) Bewertung der Gefahr des Rechtsterroris-
mus durch Verfassungsschutzbericht 2003
Auch nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch
den Generalbundesanwalt wegen Bildung einer terroristi-
schen Vereinigung gegen die „Kameradschaft Süd“ wurde
die Bewertung vorangegangener Verfassungsschutzbe-
richte nicht grundlegend revidiert. So sah das BfV im
Verfassungsschutzbericht 2003 keine Anhaltspunkte für
terroristische Absichten anderer Rechtsextremisten. Auf
die bekannt gewordenen Anschlagspläne habe die rechts-
extremistische Szene überwiegend ablehnend reagiert.
1846
Der Verfassungsschutzbericht 2003 stellte fest:
„Die rechtsextremistische Szene in Deutschland
zeigte sich für terroristische Strategien wenig emp-
fänglich. Innerhalb der rechtsextremistischen Sze-
ne war keine intensiv geführte Gewaltdiskussion
festzustellen. Nur wenige Äußerungen sprachen
sich für die systematische Anwendung von Gewalt
aus. Ein Klima, das die Entstehung terroristischer
Strukturen begünstigen würde, bestand nicht.
Gleichwohl übt nach wie vor das Konzept des
‚leaderless resistance‘ eine gewisse Faszination auf
Rechtsextremisten aus. Die Vorstellung, als Teil
einer größeren Bewegung einen gemeinsamen
großen ‚Krieg gegen das System‘ zu führen, könn-
te bei einigen rechtsextremistischen Einzelperso-
nen oder Kleinstgruppen die Bereitschaft schüren,
schwerste Straftaten zu begehen.“1847
d) Arbeitstagung der Verfassungsschutzbe-
hörden von Bund und Ländern am 9. Ok-
tober 2003
Auf einer Arbeitstagung der Verfassungsschutzbehörden
von Bund und Ländern, die am 9. Oktober 2003 in Köln
stattfand, wurde vor dem Hintergrund des verhinderten
Sprengstoffanschlags durch Mitglieder der „Kamerad-
schaft Süd“ erörtert, ob sich daraus Hinweise auf ähnliche
Gruppierungen ableiten ließen, von denen eine Gefahr der
Entstehung terroristischer Strukturen im Rechtsextremis-
mus in Deutschland ausgehe.
1848
Die Zeugin Dobersalzka,
die als Referatsleiterin im BfV im Zeitraum von 1998 bis
2006 für Rechtsextremismus zuständig war, hat ausge-
führt, man sei nach dem Bekanntwerden des Falls Wiese
sehr alarmiert gewesen und habe diese Tagung kurzfristig
einberufen. Im Vorfeld dieser Tagung habe man einen
Fragenkatalog an alle LfV versandt, in dem nach An-
haltspunkten für weitere ähnliche Gruppen gefragt wor-
den sei:
„Wir hatten uns bestimmte Kriterien überlegt, die
ich jetzt nicht mehr alle parat habe, und haben die-
se Kriterien abgefragt. Also: Gibt es bei euch Per-
1846) BMI, Verfassungsschutzbericht 2003, S. 25.
1847) BMI, Verfassungsschutzbericht 2003, S. 41.
1848) Ergebnisprotokoll der Arbeitstagung der Verfassungsschutzbe-
hörden vom 10. Oktober 2003, MAT A BMI-4/43, Bl. 55-61
(VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sonen, die Waffen beschaffen wollen? Gibt es bei
euch eine Gewaltdiskussion? - Es waren mehrere
ähnliche Kriterien, wie sie jetzt für die RED ver-
wendet werden. Und auf diese Abfrage haben wir
von allen LfV eine schriftliche Antwort bekom-
men. Diese Fälle sind alle zusammengefasst wor-
den.“1849
Den Fragenkatalog beantwortete das Thüringer Landes-
amt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 6. Oktober
2003. Zu der Frage nach Anhaltspunkten für Waffen-
bzw. Sprengstoffbesitz führte es aus, zwar sei eine erheb-
liche Zahl von Personen im Zusammenhang mit dem
Besitz von Waffen im Datenbestand des Thüringer Lan-
desamtes für Verfassungsschutz vorhanden. Dabei hande-
le es sich jedoch nicht um aktuelle Fälle. Eine Entwick-
lung hin zum Terrorismus sei in diesen Fällen nicht er-
kennbar. In Bezug auf Sprengstoff sei die Situation in
Thüringen vergleichbar. Hier habe es in der Vergangen-
heit gewisse Aktivitäten hinsichtlich der Durchführung
von Anschlägen bzw. der angestrebten Beschaffung von
Sprengmitteln gegeben. Anhaltspunkte hätten aber nicht
verifiziert werden können bzw. hätten sich im Nachhinein
als falsch erwiesen. Mit Blick auf die potenzielle Gefähr-
lichkeit von Sprengstoffen wurden fünf dem Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz bekannt gewordene
Fälle dargestellt. Neben drei Fällen, die sich im Jahr 2000
ereignet hatten – hierunter u. a. ein Sprengstoffanschlag
auf einen Döner-Imbiss in Eisenach durch Danny P. und
Robert H. am 10. August 2000 – und einem Ereignis aus
dem Jahr 1997 fanden auch Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe Erwähnung:
1850
„26.01.1998, Durchsuchung bei Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Im Rahmen der
Exekutivmaßnahmen wurden u. a. diverse pyro-
technische Gegenstände, chemische Substanzen,
Kabel, Rohrstücke und vorbereitete Rohrbomben
sowie diverses Schriftgut aufgefunden. Die betrof-
fenen Personen sind aufgrund der Maßnahmen
‚abgetaucht‘. Das staatsanwaltliche Ermittlungs-
verfahren ist zwischenzeitlich eingestellt worden.
Der Aufenthalt dieser Personen ist nach wie vor
unbekannt.“1851
Als Ergebnis der Arbeitstagung wurde festgestellt, dass
Anzeichen für Anschlagsplanungen von Rechtsextremis-
ten zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich seien. Auch
gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich innerhalb
von Gruppierungen konspirativ arbeitende Zirkel gebildet
hätten.
1852
Die Verfassungsschutzbehörden gelangten zu
folgender Bewertung:
1849) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 19.
1850) Schreiben des TLfV vom 6. Oktober 2003, MAT A TH-3/6,
Ordner 4 (Tgb.-Nr. 78/12 – GEHEIM), Bl. 23-26 (offen).
1851) Schreiben des TLfV vom 6. Oktober 2003, MAT A TH-3/6,
Ordner 4 (Tgb.-Nr. 78/12 – GEHEIM), Bl. 26 (offen).
1852) Ergebnisprotokoll der Arbeitstagung der Verfassungsschutzbe-
hörden vom 10. Oktober 2003, MAT A BMI-4/43, Bl. 55-61
(VS-NfD).
„Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung terroris-
tischer Bestrebungen ist ein Gewalt bejahendes
Klima in der rechtsextremistischen Szene. Die
Gewaltbereitschaft in der Neonazi- und
Skinheadszene ist sicherlich hoch. Dies kommt in
den Vorstrafen auch vieler Kameradschaftsange-
höriger wegen Körperverletzung zum Ausdruck.
Hierbei handelt es sich jedoch um die Bereitschaft
zu spontaner Gewalt, nicht jedoch zu geplanten
terroristischen Aktionen. Die Bejahung von Ge-
walt als Mittel zur Erreichung politischer Ziele ist
nach wie vor nicht erkennbar. Anders als in den
Jahren 1999/2000 wird derzeit keine intensive
Gewalt bejahende Diskussion geführt. Die bisheri-
gen Reaktionen der rechtsextremistischen Szene
lassen kaum Zustimmung zu beabsichtigten terro-
ristischen Aktionen des Wiese erkennen.“1853
Festgehalten wurde, dass die Verfassungsschutzbehörden
die Beobachtung insbesondere der Gruppierungen, bei
denen militante Aktionen möglich erschienen, verstärken
sollten. Konkrete Gefährdungshinweise sollten unverzüg-
lich der Polizei übermittelt werden. Das Ergebnisproto-
koll wurde vom BKA voll inhaltlich mitgetragen.
1854
e) Einschätzung durch das BKA
Das BKA, ebenfalls durch das BMI nach seiner Einschät-
zung befragt, verneinte in seinem Schreiben vom
14. September 2003 gleichfalls die Existenz einer „Brau-
nen RAF“. Eine solche würde eine über Jahre gewachsene
festgefügte rechtsterroristische Organisation voraussetzen.
Nach übereinstimmender Bewertung von BfV und BKA
seien in den zurückliegenden Jahren keine Anzeichen
erkennbar, welche die Gründung oder die Existenz einer
auf planmäßige Begehung schwerster Straftaten ausge-
richteten dauerhaften Organisation belegten. Das BKA
empfahl daher, den Begriff „Braune RAF“ zu vermeiden,
was aber nichts an der Gefährlichkeit sich kurzfristig
zusammenschließender gewaltbereiter Täter ändere.
Hinsichtlich der Frage, ob die rechte Szene unter Kontrol-
le der Sicherheitsbehörden sei, verwies das BKA darauf,
dass sich aus den vorliegenden Erkenntnissen keine Hin-
weise auf terroristische Strukturen ableiten ließen. Wenn-
gleich es einräumte, dass den Sicherheitsbehörden nicht
alle Entwicklungen in der rechten Szene bekannt würden,
verwies es auf die Verfassungsschutzdienststellen, die in
großem Umfang verdeckte Aufklärung betrieben. Seit
2000 habe es einzelne vollendete oder vorbereitete
Sprengstoffanschläge auf jüdische Friedhöfe, Asylbewer-
berunterkünfte und Geschäfte ausländischer Mitbürger
gegeben. Diese hätten aber nach Art und Weise ihrer
Ausführung bzw. Vorbereitung nicht die im Fall Wiese
deutlich werdende Dimension gezeigt. Die Rahmenbedin-
gungen für den erforderlichen rechtzeitigen und kontinu-
1853) MAT A BMI-4/43, Bl. 59 (VS-NfD).
1854) MAT A BMI-4/43, Bl. 60, 61.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 233 – Drucksache 17/14600
ierlichen Erkenntnisaustausch der Sicherheitsbehörden
hielt das BKA für ausreichend.
1855
In einer Pressemeldung vom 27. Dezember 2004 mit der
Überschrift „BKA sieht keine Terrorgefahr von Rechts-
extremisten“ ließ der Präsident des Bundeskriminalamtes
Jörg Ziercke mitteilen:
„Das Bundeskriminalamt sieht derzeit keine Ter-
rorgefahr von Rechts. Die Kameradschaft Süd um
den in München angeklagten Neonazi Martin Wie-
se, die einen Bombenanschlag auf das Jüdische
Gemeindezentrum geplant haben soll, betrachtet
BKA-Präsident Jörg Ziercke gegenwärtig als Ein-
zelfall: Wir haben keine Erkenntnisse, dass es ak-
tuell rechtsterroristische Strukturen in Deutschland
gibt, sagte er der Nachrichtenagentur AP. Doch
trotz der aufwendigen Ermittlungen gegen den in-
ternationalen Terrorismus haben die deutschen
Sicherheitsbehörden auch die hiesige Neonazi-
Szene genau im Visier: Die Bekämpfung des
Rechtsextremismus wird auch angesichts der Ge-
fahr durch den islamistischen Terrorismus nicht
vernachlässigt, betonte Ziercke: Wir und auch der
Verfassungsschutz beobachten die Szene sehr ge-
nau. Vor dem Hintergrund der Wahlerfolge rechter
Parteien bei den Landtagswahlen in Sachsen und
Brandenburg sagte Ziercke: Aufmerksam müssen
wir sein, was den Bereich Rechtsextremismus an-
geht, was sich im Bereich der NPD entwickelt,
dass bisher ungebundene Rechtsextremisten sich
nun dort parteipolitisch engagieren. Das muss alle
mit hoher Sorge erfüllen. Derzeit lasse sich be-
obachten, dass der Rechtsextremismus oft nicht
mehr in Springerstiefeln daher komme, sondern
versuche, sich einen legalen Anstrich zu geben.
Dies sei offenbar der Versuch, sich als integrierter
Bestandteil der Gesellschaft darzustellen.“1856
Der Zeuge Ziercke hat hierzu ausgesagt, die Gefähr-
dungsanalyse werde als Produkt einer gemeinsamen Erör-
terung von BfV, BND und BKA getroffen. Hierbei habe
man sich auch auf das BfV gestützt. Die Einschätzung des
Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sei in erster
Linie Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
denn in dieser Szene seien Verfassungsschützer und nicht
die Polizei aufgestellt. Die Polizei versuche, die bei ihr
aufgelaufenen Straftaten mit den Meinungen des Verfas-
sungsschutzes in Einklang zu bringen. Die Meinung, die
das Bundesamt für Verfassungsschutz 2004 vertreten
habe, habe das Bundeskriminalamt so übernommen.
1857
1855) Schreiben des BKA vom 14.09.2003 an das BMI, MAT A
BMI-4/58 (Tgb.-Nr. 26/12 – GEHEIM), Bl. 24 - 30 (VS-NfD).
1856) MAT A BMI-4/53, Bl. 42.
1857) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 25.
f) Bericht des BMI anlässlich der Münchner
Vorkommnisse zur Sitzung des Innenaus-
schusses des Deutschen Bundestages
Am 22. Oktober 2003 legte das BMI dem Innenausschuss
des Deutschen Bundestages einen Bericht über die aktuel-
len Gefahren des Rechtsterrorismus anlässlich der
Münchner Vorkommnisse vor. Es gelangte hierin zu dem
Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte für bestehende
terroristische Strukturen innerhalb der rechtsextremisti-
schen Szene gebe. Auch stehe derzeit nach Einschätzung
des Verfassungsschutzes die Begehung schwerster Straf-
taten nicht zur Diskussion. Es könne aber nicht ausge-
schlossen werden, dass Einzelpersonen oder Kleingrup-
pen den Fall „Wiese/Kameradschaft Süd“ zum Anlass von
Anschlägen nähmen, um zu zeigen, dass die Szene in der
Lage sei, solche Taten wie die jetzt vereitelte zu begehen.
Es gebe eine hohe Affinität der Szene zu Waffen. Als
Ausblick wurde in dem Bericht festgestellt:
„Das Münchner Ermittlungsverfahren gegen Mar-
tin Wiese u. a. belegt, dass wir trotz beachtlicher
Erfolge im Kampf gegen den Rechtsextremismus
jederzeit mit exzessiven Gewaltanwendungen
durch rechte Extremisten rechnen müssen. Auch
die rückläufige Entwicklung der Fallzahlen poli-
tisch motivierter Kriminalität – rechts – bieten in-
sofern keinen Anlass für eine Entwarnung. Die
Bedeutung der Bekämpfung des internationalen is-
lamistischen Terrorismus darf nicht zur Nachläs-
sigkeit im Kampf gegen den menschenverachten-
den Rechtsextremismus im eigenen Land führen.
Vielmehr sollten Instrumente, die sich im Kampf
gegen den islamistischen Terrorismus als erfolg-
reich erwiesen haben, auch bei der Bekämpfung
des gewaltbereiten Rechtsextremismus genutzt
werden.“1858
Der Bundesinnenminister habe das BKA gebeten, ein
„operatives Informations- und Analyseboard Kamerad-
schaften“ auf Bundesebene unter Federführung des BKA
einzurichten. Ziel sei es, die Gewaltorientierung sowie
überregionale und internationale Vernetzungen rechtsex-
tremistischer Kameradschaften zu erkennen und zu analy-
sieren.
1859
g) Schlussfolgerungen der IGR
Auf seiner 23. Bund-/Ländertagung am 15./16. Oktober
2003 befasste sich die IGR mit dem wegen der Münchner
Vorkommnisse eingeleiteten Verfahren des GBA wegen
des Verdachts der Bildung und Unterstützung einer terro-
ristischen Vereinigung u. a. gegen Wiese. Die Bewertung
der IGR entsprach fast wörtlich den bei der Arbeitstagung
der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern
getroffenen Feststellungen. Die IGR hielt ebenfalls die
verstärkte Beobachtung von Gruppierungen, bei denen
militante Aktionen möglich erschienen für geboten. Kon-
1858) MAT A BMI-4/44, Bl. 30.
1859) MAT A BMI-4/44, Bl. 3-31.
Drucksache 17/14600 – 234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
krete Gefährdungshinweise sollten unverzüglich der Poli-
zei übermittelt werden.
1860
Mit Blick auf diese überein-
stimmende Analyse wurde auf die Einrichtung einer ge-
sonderten IGR-Arbeitsgruppe, die eine weitere Analyse
und Bekämpfungsstrategien entwickelt, verzichtet.
1861
3. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21:
Gefahr eines bewaffneten Kampfes deut-
scher Rechtsextremisten – Entwicklungen
von 1997 bis 2004
In einem Bericht BfV Spezial Nr. 21 vom Juli 2004
1862
stellte das BfV Sachverhalte aus den Jahren 1997 bis
2004 dar, aus denen sich die Gefahr eines bewaffneten
Kampfes von deutschen Rechtsextremisten bis hin zur
Bildung rechtsterroristischer Strukturen ergeben könnte.
Hierbei handelte es sich um Einzelfalldarstellungen wie
beispielsweise den Fall des Kay Diesner, der am 19. Feb-
ruar 1997 einen Buchhändler niedergeschossen und einen
Polizisten ermordet hatte, den Sprengstoffanschlag auf
das Galinski-Grab in Berlin am 19. Dezember 1998 oder
den Sprengstoffanschlag auf die „Wehrmachtsausstel-
lung“ in Saarbrücken. Ausführlich wurden hierin auch die
Rohrbombenfunde in Jena behandelt. In dem Bericht
führte das BfV aus:
„Rohrbombenfunde in Jena
1997 lagen Anhaltspunkte dafür vor, dass drei
Mitglieder des neonazistischen ‚Thüringer Hei-
matschutzes‘ (THS) im Raum Jena Rohrbomben-
anschläge vorbereiteten.
Nach Hinweisen der LfV Thüringen durchsuchte
die Polizei am 26. Januar 1998 in Jena die Wohn-
objekte von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und
Beate Zschäpe sowie eine von diesen genutzte Ga-
rage. In der Garage stellte die Polizei vier funkti-
onsfähige Rohrbomben sicher. Gegen die drei Tat-
verdächtigen erging Haftbefehl. Die Beschuldigten
flüchteten daraufhin.
Im Zeitraum zwischen April 1996 und Dezember
1997 waren im Raum Jena selbstgefertigte
Sprengkörper bzw. Bombenattrappen aufgefunden
worden. In einem der Fälle verurteilte das Landge-
richt Gera Böhnhardt in der Berufungsinstanz am
16. Oktober 1997 zu einer Jugendstrafe von zwei
Jahren und drei Monaten, die er noch nicht antre-
ten musste. Böhnhardt hatte im April 1996 zwei
Bombenattrappen an einer Autobahnbrücke bei Je-
na an einem Puppentorso befestigt, der die Auf-
schrift ‚Jude‘ trug. Während des laufenden Verfah-
rens gegen Böhnhardt und auch noch nach seiner
Verurteilung hatten sich weitere damit zusammen-
1860) Anlage 3 zum Ergebnisprotokoll der 23. Bund-/Ländertagung,
MAT A BMI-3/14, Bl. 18-21.
1861) Ergebnisprotokoll der 23. Bund-/Ländertagung, MAT A BMI-
3/14, Bl. 10.
1862) MAT A BKA-2/46, Bl. 2-49 (VS-NfD); Der Text ist bis auf die
Quellenmeldungen identisch mit dem BfV Spezial Nr. 19.
hängende Vorfälle ereignet. So fanden am 3. Sep-
tember 1997 zwei Kinder auf dem Theatervorplatz
in Jena einen rot angemalten Koffer, auf dem sich
zwei Hakenkreuze im weißen Kreis befanden. Im
Koffer wurde eine Unkonventionelle Spreng- und
Brandvorrichtung (USBV) sichergestellt, die mit
ca. zehn Gramm TNT gefüllt, jedoch bereits am 6.
Oktober 1996 im Jenaer ‚Ernst-Abbe-Stadion‘ si-
chergestellt worden war. Am 26. Dezember
1997 wurde auf einem Friedhof in Jena wiederum
ein rot angestrichener, mit zwei Hakenkreuzen
versehener Koffer festgestellt.
Es ist zu vermuten, dass die Flüchtigen auch an
diesen betreffenden Vorfällen beteiligt waren.
Hinweise dafür, dass mittels der sichergestellten
Rohrbomben konkrete tatsächliche Anschläge ge-
plant waren liegen nicht vor. Auch haben sich kei-
ne Anhaltspunkte für weitere militante Aktivitäten
der Flüchtigen ergeben.
Im Juni 2003 hat die Staatsanwaltschaft Gera das
Ermittlungsverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe wegen Eintritts der Verfolgungsver-
jährung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.“1863
Der Zeuge Kippenborck, der von Ende 1999 bis 2006 als
Sachbearbeiter in dem für Rechtsterrorismus zuständigen
Referat im BfV tätig war, hat ausgesagt, er habe den Bei-
trag zu den Jenaer Bombenbastlern zu dem Bericht beige-
steuert. Der wesentliche Grund dafür, diese Gruppe dort
aufzunehmen, sei vermutlich gewesen, dass es dem Trio
gelungen sei, für einen längeren Zeitraum abzutauchen.
Zu der Zeit, als die Broschüre entstanden sei, sei der Fall
nicht mehr aktiv bearbeitet worden. Vor Aufnahme dieser
Passage in das BfV Spezial habe er nicht mehr mit den
Thüringer Kollegen darüber gesprochen.
1864
Die Frage,
wie man zu der Einschätzung habe kommen können, es
gebe keine Anhaltspunkte für weitere militante Aktivitä-
ten des Trios, obwohl sich das Trio einer Quellenmeldung
des LfV Brandenburg zufolge habe bewaffnen wollen, hat
der Zeuge nicht beantworten können.
1865
Der Bericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die meisten
Rechtsextremisten zumindest aus taktischen Erwägungen
terroristische Anschläge und die Bildung terroristischer
Gruppen ablehnten. Sie hätten die Befürchtung, dass
derartige Planungen den Sicherheitsbehörden nicht ver-
borgen bleiben und verstärkte Strafverfolgungsmaßnah-
men nach sich ziehen würden. Einzelne Akteure hätten
allerdings 1999 öfter und aggressiver als in den Vorjahren
szeneintern eine gewaltorientiertere Strategie zur Durch-
setzung politischer Ziele gefordert.
Das BfV wies auf die Popularität des Konzepts eines
„Leaderless Resistance“ (führerloser Widerstand) hin.
Hierbei handele es sich um eine Anfang der 90er Jahre
1863) Bericht BfV Spezial Nr. 21 vom Juli 2004, MAT A BKA-2/46,
Bl. 17-18 (VS-NfD).
1864) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 6.
1865) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 43, 44.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 235 – Drucksache 17/14600
von dem US-amerikanischen Rechtsextremisten Louis
Beam formulierte Strategie, der zufolge geheime Wider-
standszellen auf gemeinsamer ideologischer Basis den
Staat bekämpften, ohne dass es eine einheitliche Führung
oder eine organisatorische Verbindung untereinander
gebe. Zudem führte das BfV aus, dass die britische neo-
nazistische Gruppierung „Combat 18“ („C18“) zuneh-
mend Bedeutung gewinne. Programmatisch habe „C18“
Ende der 90er Jahre den Aufbau eines nationalsozialisti-
schen Staates angestrebt, in dem „weiße Arier“ auf eige-
nem Land frei von multikulturellen Einflüssen leben und
arbeiten könnten. Zur Verwirklichung dieses Ziels habe
sie einen gewalttätigen Untergrundkampf propagiert.
Feinde seien alle Nicht-Weißen, Juden, Kommunisten und
„Rassenschänder“. Seit Ende 2002 habe es wiederholt
Gewaltaufrufe von Rechtsextremisten gegeben, bei denen
Verbindungen zu „C18“ hergestellt worden seien. So sei
im Totenkopf-Magazin eine deutsche Übersetzung der
englischen Ausarbeitung „Practical Revolution –
Guidelines For White Survival“ veröffentlicht worden.
Darin würden die Bildung kleiner Zellen zu maximal vier
Personen, eine Bewaffnung, Geldbeschaffung sowie si-
chere Verstecke und Ausbildung gefordert.
Das BfV bewertete die Aufrufe zum bewaffneten Kampf
als Aktionen von Einzelpersonen ohne organisatorischen
Hintergrund. Diese Ideen würden jedoch auf ein Potenzial
gewaltbereiter Rechtsextremisten treffen, die für die Idee,
einer starken, kampfbereiten Elite anzugehören, durchaus
empfänglich sei. Im Ergebnis stellte das BfV fest:
„Derzeit sind in Deutschland keine rechtsterroristi-
schen Organisationen und Strukturen erkennbar.
[…]
Für einen planmäßigen Kampf aus der Illegalität
heraus, wie ihn auf linksextremistischer Seite die
‚Rote Armee Fraktion‘ (RAF) und die ‚Bewegung
2. Juni‘ praktizierten, mangelt es an einer auf die
aktuelle Situation in Deutschland bezogenen Stra-
tegie zur gewaltsamen Überwindung des ‚Sys-
tems‘. Es fehlen geeignete Führungspersonen, Lo-
gistik und finanzielle Mittel. Ungeachtet der Tat-
sache, das es den ‚Bombenbastlern von Jena‘ jah-
relang gelungen war, sich ihrer Verhaftung zu ent-
ziehen, gibt es keine wirkungsvolle Unterstützer-
szene, um einen nachhaltigen Kampf aus dem Un-
tergrund heraus führen zu können.
Möglich ist derzeit allenfalls ein von
Kleinstgruppen oder Einzelpersonen (lone wulf)
geführter ‚Feierabendterrorismus‘. Daraus ergeben
sich zum einen Grenzen in methodischer Hinsicht.
Brand- oder Sprengstoffanschläge, auch mit Brief-
bomben sind solchen Tätern eher möglich als
komplexe Tatabläufe wie Entführungen oder das
Errichten eines technisch aufwändigen Hinter-
halts.“1866
1866) MAT A BKA-2/46, Bl. 48.
Die Zeugin Dobersalzka, die von Anfang 1998 bis Okto-
ber 2006 als Referatsleiterin im BfV für Rechtsextremis-
mus zuständig war, hat ausgesagt, die Formulierung,
„derzeit sind in Deutschland keine rechtsterroristischen
Organisationen und Strukturen erkennbar“ sei gewählt
worden, weil es definitorische Unterschiede zwischen
Verfassungsschutz, Polizei und Generalbundesanwalt
gegeben habe. Wenn das BfV dargelegt hätte, es gebe in
Deutschland Rechtsterrorismus, dann hätte es dies mit
keinem Einzelfall belegen können. Zudem hat sie erklärt:
„Die Fälle, die wir an die Polizei weitergegeben
haben, sind gerade nicht nach § 129 a verfolgt und
abgeurteilt worden, sondern sie sind in der Regel
eingestellt worden. Das galt auch für Fälle, in de-
nen Waffen sichergestellt wurden. Da sind relativ
kleine Verurteilungen rausgekommen, oder es
hieß: Die Gruppe, die Sie uns gemeldet haben, will
zwar Anschläge begehen und befasst sich mit
Bombenbau und trifft sich regelmäßig, aber tut uns
leid, BfV, die sind nicht strukturiert genug. - Das
hat man uns gesagt. Verstehen Sie, was ich mei-
ne?“1867
Auf die Frage, wie es zu erklären sei, dass die im BfV
Spezial enthaltene Formulierung „es fehlen geeignete
Führungspersonen, Logistik und finanzielle Mittel“ fast
wortgleich bereits im Sprechzettel für die PKK-Sitzung
für den 27. Mai 1998 enthalten sei und ob es in sechs
Jahren keine weiteren Erkenntnisse gegeben habe, hat die
Zeugin erklärt:
„Das, was für uns erkennbar war, hat sich in dem
Zeitpunkt ja auch nicht geändert. Wir haben An-
sätze gesehen [….]
Wir haben nicht diese Strukturen gesehen. Und ob
diese Strukturen in dieser Form im aktuellen Fall
vorhanden waren, das wird die Hauptverhandlung
erweisen. Das ist ja auch eine Kleingruppe gewe-
sen nach dem, was man bisher weiß. Also, so
falsch war die Einschätzung nicht.“1868
Die Frage, wie man mit Blick auf die im BfV Spezial
zuvor beschriebene Strategie zu „Combat 18“ zu einer
widersprüchlichen Schlussfolgerung habe kommen kön-
nen, hat sie wie folgt beantwortet:
„,Combat 18‘ und das, was da beschrieben wurde,
das waren Konzepte. Das waren nicht bestehende
Strukturen. Wir haben darauf hingewiesen, und
das hat sich in den Fällen - - Es gab mehrere Fälle,
die gerade Anfang - - also Ende 98 bis 2001 in
dem Zeitraum waren, die wir als gefährlich ange-
sehen haben, wo wir gesagt haben: Das könnten
Ansätze für so was sein.“1869
1867) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 17.
1868) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 16.
1869) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 16.
Drucksache 17/14600 – 236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterro-
rismus in Verfassungsschutzberichten des
BfV 2005 bis 2010
Der Verfassungsschutzbericht des BfV aus dem Jahr 2005
stellte fest, dass erstmals seit dem Jahr 1998 wieder Urtei-
le gegen Mitglieder rechtsextremistischer Gruppierungen
wegen des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen
Vereinigung ergangen seien. In diesem Zusammenhang
wird auf die Verurteilung von elf Jugendlichen bzw. Her-
anwachsenden durch das Brandenburgische Oberlandes-
gericht zu teils mehrjährigen Jugendstrafen verwiesen.
Die Beteiligten hatten sich nach den Feststellungen des
Gerichts unter der Bezeichnung „Freikorps“ bzw. „Frei-
korps Havelland“ organisiert, um mit systematisch ge-
planten Brandanschlägen ausländische Imbissbetreiber
einzuschüchtern und zur Aufgabe ihres Geschäfts zu
nötigen. Auffallend sei, dass die noch sehr jungen Betei-
ligten nicht in anderen rechtsextremistischen Organisatio-
nen aktiv gewesen seien oder sich politisch betätigten. Im
Weiteren verwies das BfV auf die Verurteilung von acht
Angehörigen der „Kameradschaft Süd“ durch das Bayeri-
sche Oberste Landesgericht.
1870
Über diese genannten
Verurteilungen hinaus schätzte das BfV die Gefahr des
Rechtsterrorismus als eher gering ein. So führte es aus:
„Der überwiegende Teil der rechtsextremistischen
Szene lehnt aus taktischen Gründen Gewaltanwen-
dung zur Systemüberwindung ab. Eine terroristi-
sche Vereinigung gilt als allzu leicht zu enttarnen,
ein Terroranschlag als wenig erfolgversprechend.
Darüber hinaus befürchtet man, terroristische Ak-
tivitäten könnten verstärkte Kontroll- und Fahn-
dungsmaßnahmen auslösen und so den eigenen
Handlungsspielraum weiter beschränken.“1871
In den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2006 bis
2010 stellte das BfV fest, dass keine rechtsterroristischen
Strukturen erkennbar seien.
1872
5. Umgang mit Rechtsextremisten in der
Bundeswehr
a) Rolle des MAD
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
wie die Bundeswehr mit rechtsextremistisch eingestellten
Bundeswehrangehörigen umgegangen ist. Die Prüfung
möglicher extremistischer Bestrebungen einer Person
obliegt dem MAD. Dienstrechtliche Befugnisse hat der
MAD dagegen nicht.
1873
Das Meldeverfahren innerhalb der Bundeswehr bei Vor-
liegen besonderer Vorkommnisse ist in der Zentralen
1870) Näheres zu dem Vorgang unter C.IV.2.
1871) Verfassungsschutzbericht BfV 2005, S. 56, 57.
1872) Verfassungsschutzberichte BfV 2006, S. 53; BfV 2007, S. 56;
BfV 2008, S. 60; BfV 2009, S. 63; BfV 2010, S. 57.
1873) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 34.
Dienstvorschrift (ZDv) 10/13 „Besondere Vorkommnis-
se“ geregelt. Zu melden sind dem Amt für den Militäri-
schen Abschirmdienst (MAD) und dem Bundesministeri-
um der Verteidigung (BMVg) nach Nr. 206 Vorkomm-
nisse, bei denen Anzeichen für Bestrebungen vorliegen,
die
– gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,
– gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes
oder eines Landes,
– gegen den Gedanken der Völkerverständigung und
– insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben
der Völker
gerichtet sind.
1874
Die Rolle des MAD hat der Zeuge Huth, von 2000 bis
2010 Leiter der Abteilung Extremismus-
/Terrorismusabwehr im MAD, in seiner Vernehmung wie
folgt beschrieben:
Wesentliche Aufgabe der Extremismusabwehr des MAD
sei die Beobachtung einzelner extremismusverdächtiger
Bundeswehrangehöriger. Dabei setze der MAD die
Dienstvorgesetzten der Verdachtspersonen bei Beginn
einer Operation in Kenntnis. Im Zuge personenbezogener
Operationen würden erforderlichenfalls nachrichten-
dienstliche Mittel wie menschliche Quellen oder Observa-
tionen eingesetzt.
1875
Es würden alle denkbaren Quellen
wie Verfassungsschutz- und Polizeibehörden angeschrie-
ben, um Informationen zu einer Verdachtsperson zu er-
langen. Wenn genügend Material vorhanden sei, werde
eine möglichst zeitnahe Befragung durchgeführt. Das
Ergreifen abwehrender Maßnahmen obliege nicht dem
MAD, sondern der Truppe.
1876
Über das Ergebnis der
MAD-Ermittlungen würden die Dienstvorgesetzten ab-
schließend unterrichtet.
1877
Ob eine Befragung so substan-
ziell sei, dass die Verfassungsschutzbehörden unterrichtet
würden, obliege der Entscheidung der Auswertung des
MAD.
1878
Nach Angaben des Zeugen Brüsselbach, der vom 1. April
2008 bis zum 31. Januar 2010 Direktor beim MAD und
vom 1. Februar 2010 bis Juni 2012 Präsident des Amtes
für den Militärischen Abschirmdienst war,
1879
werde
lange bevor die personalbearbeitende Dienststelle schrift-
lich über die vorwerfbaren Sachverhalte unterrichtet wer-
de und eine Entscheidung treffen könne, der Dienst- und
Disziplinarvorgesetzte bei der ersten Unterrichtung vom
MAD dazu angehalten, dass der unter Verdacht Stehende
keine Spezialausbildung, keine Sprengstoffausbildung
und keine Beförderung mehr erhalte. Wenn sich der Ver-
1874) Deutscher Bundeswehrkalender 2010/I mit auszugsweisem
Abdruck der ZDv 10/13.
1875) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 2.
1876) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 3, 5, 13.
1877) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 2.
1878) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 5.
1879) MAT A MAD-1, Anlage 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 237 – Drucksache 17/14600
dacht im Hinblick auf eine rechtsextremistische Betäti-
gung bestätigt habe, erhalte die betreffende Person das
zusätzliche Ettikett „erkannter Extremist“, was bedeute,
dass es bestätigte Informationen gebe, wonach sich je-
mand extremistisch betätige. Zugang zu Verschlusssachen
erhalte jemand nur nach einer Sicherheitsprüfung durch
den MAD. Wenn sich erst nach einer Ermächtigung zum
Umgang mit Verschlusssachen höher als NfD herausstel-
le, dass jemand ein Extremist sei, werde ihm der Sicher-
heitsbescheid rückwirkend wieder entzogen.
1880
Der
MAD selbst entscheide weder über die Erteilung eines
Sicherheitsbescheides noch über die Beförderung oder
Nichtbeförderung. Die Entscheidung über die Erteilung
eines Sicherheitsbescheides obliege den Geheimschutzbe-
auftragten der Streitkräfte bzw. der Wehrverwaltung.
Über die Beförderung oder Nichtbeförderung entscheide
die personalbearbeitende Dienststelle.
1881
Grundsätzlich darf der MAD keine Informationen zu
Personen sammeln, die der Bundeswehr noch nicht ange-
hören. Zu Zeiten der Wehrpflicht habe man dieses Prob-
lem nach Aussagen der Zeugen Huth und Dr. Gramm mit
Hilfe des sogenannten „Bitte um Beteiligung“ (BuB)-
Verfahrens gelöst und damit im Vorfeld verhindert, dass
bestimmte extremistisch eingestellte Personen zur Bun-
deswehr kommen. Dieses Verfahren haben die Zeugen
wie folgt beschrieben: Mangels eigener Zuständigkeit
habe der MAD die zivilen Verfassungsschutzämter um
entsprechende Informationen im Vorfeld gebeten. Die
zuständigen Kreiswehrersatzämter seien angeschrieben
und gebeten worden, die bevorstehende Einberufung
mitzuteilen. Anschließend habe überprüft werden können,
ob es Hinderungsgründe wie beispielsweise „gewaltberei-
ter Rechtsextremist“ oder „Führungsperson“ gegeben
habe. Dann habe dafür gesorgt werden können, dass die
Person nicht einberufen werde.
1882
Der Bundeswehr ist zwar schon im Bewerberstadium eine
Verfassungstreueprüfung möglich.
1883
Der Verfassungs-
treueprüfung sind jedoch rechtliche Grenzen gesetzt. So
darf keine anlasslos, pauschale Anfrage bezüglich Bewer-
berinnen und Bewerbern bei Verfassungsschutzbehörden
stattfinden. Dem stehen die Grundsätze der Bundesregie-
rung vom 17. Januar 1979, die auf einem grundlegenden
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beruhen, entge-
gen.
1884
Die Entscheidung verlangt für Anfragen an die
Verfassungsschutzbehörden die Geltung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit und verbietet eine routinemäßige
Durchführung von Anfragen. Die Prüfung muss einzel-
fallbezogen sein und Anfragen dürfen nur dann erfolgen,
wenn tatsächlich Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
Bewerberin oder der Bewerber die Voraussetzungen für
die Einstellung oder Übernahme in den öffentlichen
1880) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 49.
1881) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 51.
1882) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 40; Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43,
S. 78
1883) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 36.
1884) Beschluss des BVerfG vom 22. Mai 1975, Az.: 2 BvL 13/73.
Dienst nicht erfüllt. Auch die Zweckbindung der §§ 18
Abs. 3 und 19 Abs. 1 BVerfSchG schließt die verdachts-
unabhängige Erhebung, Übermittlung und Nutzung sen-
sibler Bewerberdaten zu Einstellungszwecken nicht
ein.
1885
Der Zeuge Dr. Gramm hat darauf hingewiesen, dass er
das MAD-Gesetz für lückenhaft halte, da es keine Mög-
lichkeit vorsehe, für Bewerber bei der Bundeswehr eine
NADIS-Abfrage
1886
durchzuführen:
„Die Bundeswehr ist nach wie vor ein – überspitzt
formuliert – interessanter Arbeitgeber für Extre-
misten jeglicher Couleur. Wo lernt man sonst den
Umgang mit Waffen, mit Sprengstoffen und mit
ähnlichen Materialien? Aus diesem Grund ist die
Prävention natürlich besonders wichtig. Es kommt
in Zukunft noch mehr darauf an, sicherzustellen,
dass nicht die Falschen zu den Streitkräften kom-
men. Wir glauben, dass da alle Instrumente, die
dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, genutzt
werden sollten. Ein Instrument, was es sonst gibt,
was hier aber aufgrund mangelnder Zuständigkeit
des MAD ins Leere geht – übrigens auch eine an-
dere Stelle der Bundeswehr kann das wohl nicht –,
ist die NADIS-Abfrage.“1887
Zudem hat der Zeuge Dr. Gramm darauf hingewiesen,
dass nicht in allen Fällen gesetzliche Übermittlungspflich-
ten für den MAD vorhanden seien. Diese Lücke des Ge-
setzes werde durch Weisungen aus dem Jahr 1997 ge-
schlossen.
1888
Die interne Weisung vom 28. Oktober 1997 wurde durch
eine weitere Weisung vom 24. November 2010 dahin
gehend ergänzt, dass die Unterrichtung der Disziplinar-
vorgesetzten schriftlich und so früh wie möglich zu erfol-
gen hat. In einem weiteren internen Erlass vom 21. De-
zember 1998 wurden die Möglichkeiten, gegen Extremis-
ten und Verdachtspersonen in der Bundeswehr vorzuge-
hen, dargestellt und Prüfungspflichten im bisherigen Um-
gang mit Datenübermittlungen des MAD verdeutlicht.
1889
b) Werden Rechtsextremisten als Quellen des
MAD geführt?
Der Zeuge Huth hat ausgesagt, dass überzeugte Rechts-
extremisten nicht als Quellen des MAD geführt worden
seien:
„Ich glaube nicht, dass wir als MAD rechtsextreme
Soldaten geführt haben. Wir haben Soldaten ge-
führt als Quellen, die in irgendeiner Verbindung zu
einem rechtsextremistischen Bereich waren.
1885) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 36.
1886) Siehe Abkürzungsverzeichnis.
1887) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 68.
1888) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 84.
1889) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 34, 35.
Drucksache 17/14600 – 238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Rechtsextremismus, das ist noch etwas anderes, da
gehört Ideologie, da gehört Überzeugung dazu und
auch Handeln. Wir haben also mit Personen gear-
beitet, die beispielsweise mal ein Skin-Konzert be-
sucht haben aus Neugier oder die an ihrem Ort ir-
gendwo mal eingeladen waren und in irgendeine
Jugendgruppe reingerutscht waren. Der MAD hat
– das war bei uns wirklich Konsens und Verbot –
nie einen Funktionär angepackt, nie jemanden an-
gepackt, der in der Partei weiter oben angesiedelt
war oder in einer Gruppe. Also, wir haben, glaube
ich, Rechtsextremisten, die wir, gestempelt und
gesiegelt, als solche der Truppe übermittelt hätten,
nicht geführt. Das waren keine Rechtsextremis-
ten.“1890
Diese Aussage hat der Zeuge Brüsselbach, der von 1997
bis 2008 das für die Rechts- und Fachaufsicht des MAD
zuständige Referat im BMVg geleitet hat, bestätigt. Von
1998 bis zu seinem Ausscheiden im BMVg habe die Wei-
sung des Staatssekretärs bestanden, keine Rechtsextremis-
ten in der Bundeswehr als Quellen zu werben. Es hätten
daher nur ehemalige Angehörige von rechtsextremisti-
schen Organisationen und solche geworben werden dür-
fen, die sich glaubhaft vom Rechtsextremismus distan-
ziert und vollumfänglich zur freiheitlichen demokrati-
schen Grundordnung dieses Landes bekannt hätten.
1891
Der Zeuge Dr. Gramm hat ausgeführt, dass diese Sachla-
ge bis zum heutigen Tag bestehe. Es gebe eine klare Wei-
sung aus dem Jahr 2008, der zufolge jedenfalls für
Dienstgrade
1892
die Anwerbung von Extremisten oder
ehemaligen Extremisten als Quelle ausnahmslos unzuläs-
sig sei. Dies bedeute, dass die Möglichkeiten des Diens-
tes, überhaupt noch Quellen zu gewinnen, stark einge-
schränkt seien.
1893
c) Situation in den 90er Jahren
Nach Aussage des Zeugen Huth hat es in den 1990er
Jahren teilweise Probleme in der Zusammenarbeit mit der
„Truppe“ gegeben. So habe es dort ein Erkenntnisdefizit
gegeben, woran man einen Extremisten erkennen könne.
Bereits 1992 habe der MAD daher Maßnahmen gegen
Rechtsextremisten getroffen:
„Wir haben damals angefangen, zu informieren,
und eine Schriftenreihe entwickelt, um der Truppe
überhaupt mal mitzuteilen: Was ist denn ein
Rechtsextremist? Es gab kein Grundlagenmaterial.
Und da hat der MAD begonnen, das auf Einheits-
ebene zu verteilen, woran man so einen Extremis-
ten erkennt, dass es bestimmte Worte gibt, ‚88‘
oder ‚18‘. Wer konnte damit etwas anfangen? Das
wusste in der Truppe kein Kompaniechef oder
Zugführer. Wenn die Soldaten da irgendwas ge-
1890) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 16, 17.
1891) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 37.
1892) Soldaten oberhalb der Laufbahngruppe der Mannschaften.
1893) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 86.
macht und gesagt haben und man war nicht infor-
miert, was das eigentlich bedeutet, konnte man
auch noch nicht rückschließen: Hier habe ich ei-
nen, der möglicherweise Extremist ist.“ 1894
Nicht immer habe man die aus Sicht des MAD notwendi-
gen Maßnahmen ergriffen oder aber unverzüglich gehan-
delt. Die Gründe hierfür hat der Zeuge Huth wie folgt
beschrieben:
„Der wehrpflichtige Rechtsextremist hat ja selten
in der Truppe wirklich Propaganda gemacht. Der
wollte sein Handwerk lernen. Und deswegen ha-
ben wir auch in den Anfängen große Probleme ge-
habt, Dienstvorgesetzte zu überzeugen, dass dieser
Mensch kein guter Soldat ist – weil er handwerk-
lich ein guter Soldat war; seine Ideologie stimmte
aber nicht. Das war eben das Problem. Überzeu-
gungsarbeit musste da geleistet werden, dass der
nicht Zeitsoldat werden durfte. Nachher hatten wir
klare Regeln durch das Ministerium, wo die
Dienstvorgesetzten Dinge befolgen mussten. Aber
in den Anfängen war es für den MAD manchmal
schwierig.“1895
Wehrpflichtige aus der Truppe zu entfernen, sei in den
90er Jahren schwierig gewesen. Dies sei in der Regel
nicht erfolgt. Rechtsextremisten seien dann im Normalfall
unter Sonderaufsicht gestellt und von bestimmten Ausbil-
dungsgängen ausgenommen worden. Sie hätten keine
Spreng- und Spezialausbildungen mehr erhalten. Fast
immer sei die Bundeswehrführung aber der Anregung des
MAD gefolgt, dass jemand kein Zeitsoldat werden sol-
le.
1896
d) Untersuchungsausschuss „Rechtsextre-
mismus in der Bundeswehr“ und an-
schließende Änderungen im Umgang mit
Rechtsextremisten
Im Dezember 1997 waren verschiedene rechtsextremisti-
sche Vorfälle im Zusammenhang mit der Bundeswehr
Gegenstand der Presseberichterstattung. So berichtete
unter anderem Der Spiegel über einen Vortrag des
Rechtsterroristen Manfred Roeder am 24. Januar 1995 vor
Angehörigen des Akademiestabes der Führungsakademie
der Bundeswehr in Hamburg. Das NDR-Magazin Pano-
rama griff unentgeltliche Materiallieferungen der Bun-
deswehr an das unter anderem von Roeder gegründete
Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk auf. Der Stern
veröffentlichte einen Artikel zu rechtsextremistischen
Aktivitäten einiger Soldaten an der Luftlande-
/Lufttransportschule in Altenstadt/Schongau. Bild am
Sonntag gab die sogenannte eidesstattliche Versicherung
eines Grundwehrdienstleistenden wieder, der regelmäßig
stattfindende rechtsextremistische Vorfälle in der 5.
Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 313 im nieder-
1894) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 21.
1895) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 10.
1896) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 26.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 239 – Drucksache 17/14600
sächsischen Varel behauptete. Der Fernsehsender Pro 7
strahlte Aufzeichnungen eines in den Diensträumen der
Luftlande-/Lufttransportschule hergestellten Videos aus,
das Bundeswehrsoldaten bei der Darstellung nationalsozi-
alistischer Grußformeln und Zeichen zeigte.
1897
Zur Klärung dieser Vorfälle wurde im Januar 1998 ein
Untersuchungsausschuss eingesetzt, der nach Aussagen
des Zeugen Brüsselbach umfangreiche Änderungen im
Umgang mit Rechtsextremisten zur Folge gehabt habe.
„Ich war von 97 ff. im Ministerium für die Rechts-
und Fachaufsicht zuständig. Ich habe mitgewirkt
an der Zuarbeit des Ministeriums für den damali-
gen Untersuchungsausschuss ‚Rechtsextremisti-
sche und andere Vorfälle in der Bundeswehr‘. Ich
weiß – ich habe das im letzten oder vergangenen
Jahr noch mal gelesen – hinsichtlich des Ab-
schlussberichtes aus jener Zeit, dass der MAD in
diesem Abschlussbericht gut wegkommt, das Mi-
nisterium, die Bundeswehr nicht so gut. Das weiß
ich noch; das erinnere ich auch. In der Folge dieses
Ausschusses – jetzt habe ich nicht genau die Zeit;
wann war der Abschlussbericht, wann war der
Ausschuss zu Ende, erinnere ich nicht mehr – hat
es ja verschiedene Kommissionen gegeben, eine
Kommission geleitet von dem späteren Generalin-
spekteur General von Kirchbach, die sogenannte
Von-Kirchbach-Kommission, die umfänglichste
Maßnahmenkataloge in Sachen Rechtsextremis-
mus in der Bundeswehr, Bearbeitung, Folgen,
Maßnahmen, Verantwortung usw. festgelegt ha-
ben.
Der MAD hat seine Weisungen erhalten: Also,
Einführung von schriftlichen Informationspflichten
zu Verdachtsfällen, bestätigten Verdachtsfällen,
also erkannten Extremisten, nicht erkannten Ex-
tremisten, Unterrichtung der Inspekteure durch den
Präsidenten des MAD in regelmäßigen Abständen
über diese Phänomene, Unterrichtung der örtlichen
Vorgesetzten und Dienstellenleiter durch unsere
MAD-Stellenleiter und viele Maßnahmen mehr,
die die Truppe in eigener Verantwortung vorzu-
nehmen hatte, was die Unterrichtung, Verfolgung,
Ahndung und Berichte über das Veranlasste an das
Ministerium angeht. Also, das ganze Volumen die-
ser Papiere, die nicht bei mir, sondern nur zum
Teil in meiner Verantwortung entstanden sind, da-
nach an anderer Stelle, umfasst sicher einen halben
bis ganzen Leitz-Ordner. Deshalb muss man ein
wenig auf die Zeit achten. Ich habe den Eindruck
gewonnen in jener Zeit, dass vieles viel besser ge-
worden ist, was dann gemacht wurde, aber dass
nicht alles durchgedrungen ist, was der MAD in-
formiert, vorgeschlagen und weitergegeben
hat.“1898
1897) Bericht des Untersuchungsausschusses „Rechtsextremismus in
der Bundeswehr“, BT-Drs. 13/11005, S. 11.
1898) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 25.
In Fällen, in denen ein Kommandeur nicht entsprechend
reagiert habe, habe die klare Weisung bestanden, dieses
seitens des MAD vorzutragen. In diesen Fällen habe die
Leitung des BMVg direkt interveniert. Es sei bei den
Staatssekretären und Ministern, mit denen er zusammen-
gearbeitet habe, immer ein ständiges Thema gewesen,
dass es in Sachen Rechtsextremismus keinerlei Kompro-
missbereitschaft geben dürfe.
1899
Auch der Zeuge Huth hat dargelegt, dass sich Ende der
90er Jahre die Situation gebessert habe. Hier hätten sich
neue Regularien des Verteidigungsministeriums sehr
segensreich ausgewirkt.
1900
Nunmehr sei eindeutig und
verbindlich für die jeweiligen Dienstverhältnisse geregelt,
welche Maßnahmen durch die zuständigen Stellen zu
ergreifen seien. Insbesondere seien erkannte Extremisten
nicht als Zeitsoldaten übernommen oder aber, sofern sie
schon Zeitsoldaten gewesen seien, vorzeitig entlassen
worden. Gewalttätige Rechtsextremisten und Funktionäre
seien sogar als Wehrpflichtige gem. § 29 Wehrpflichtge-
setz vorzeitig entlassen worden, was vor Schaffung der
Erlasslage fast nie der Fall gewesen sei.
1901
e) Umgang der Bundeswehr mit Rechtsex-
tremisten aus dem Umfeld des Trios
Im Folgenden wird dargelegt, wie die Bundeswehr mit
Personen verfuhr, die Dienst in der Bundeswehr ableiste-
ten und die aufgrund verschiedenster Tatbestände auf der
vom BKA erstellten sog. „41er“-Liste bzw. einer der in
Weiterentwicklung dieser Liste vom GBA erstellten sog.
„100er“-, „129er“- oder „122er“-Liste aufgeführt sind. In
der sog. „41er“-Liste teilte das BKA dem Untersuchungs-
ausschuss die mit Stand 23. März 2012 bekannten Be-
schuldigten im Ermittlungsverfahren des Generalbundes-
anwalts im Zusammenhang mit dem NSU und das mut-
maßliche Unterstützerumfeld des NSU mit. Aufgeführt
wurden 41 Personen, darunter 13 Beschuldigte im NSU-
Verfahren.
1902
Am 5. Juli 2012 hat der Ausschuss das BMI um Mittei-
lung gebeten, welche nachrichtendienstlichen Einsätze
und verdeckte Polizeimaßnahmen gegen die Personen auf
dieser Liste durchgeführt wurden.
1903
Hieraufhin hat das
BMI dem Ausschuss am 27. September 2012 die sog.
„100er“-Liste zur Einsicht in der Geheimschutzstelle
vorgelegt. Aufgeführt worden sind Personen, zu denen
das BKA Erkenntnisse des BfV eingeholt hat.
1904
Am
18. Oktober 2012 hat das BKA zunächst intern die sog.
„129er“-Liste erstellt. Auf dieser Liste sind Personen
aufgeführt worden, die im Rahmen der Ermittlungen auf
Erkenntnisse aus dem Phänomenbereich PMK Rechts
1899) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 26.
1900) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 10.
1901) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 37.
1902) Schreiben des BMI vom 27. Februar 2012, MAT A BKA-2,
S. 1, 2.
1903) Beweisbeschluss BMI-7.
1904) Sog. „100er-Liste“, MAT A BMI-7/2 (Tgb.-Nr. 50/12 – VS-
VERTRAULICH).
Drucksache 17/14600 – 240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
überprüft worden sind, sowie Personen mit etwaigen
Bezügen zum Trio oder weitere Beschuldigte. Auf Anfor-
derung des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Bernd von
Heintschel-Heinegg hat der GBA diese Liste am 4. März
2013 dem Untersuchungsausschuss vorgelegt.
1905
Am
15. Mai 2013 wurde dem Ausschuss eine neue Liste, die
sog. „122er“-Liste, vorgelegt. Auf dieser Liste sind weite-
re 19 Personen mit nachgewiesenen Kontakten zum
Unterstützerumfeld des Trios aufgeführt. Weitere sieben
Personen sind zu Personen mit solchen Kontakten „hoch-
gestuft“ worden.1906
Nicht jede der auf einer der genannten Listen aufgeführ-
ten Personen ist für das NSU-Verfahren gleich relevant.
Vielmehr handelt es sich um Personen, die im Ermitt-
lungsverfahren des GBA – aus welchem Grund auch
immer – in Erscheinung getreten sind und dann in einem
mehrstufigen Verfahren beim Bundesamt für Verfas-
sungsschutz hinsichtlich der dort vorliegenden Erkennt-
nisse abgefragt wurden.
1907
Gemeinsam ist allen genann-
ten Personen, dass sie dem rechtsextremistischen Umfeld
des Trios zuzuordnen sind.
Am Beispiel von Personen, die für das aktuelle Verfahren
gegen die Terrorgruppe von Bedeutung sind oder für die
Radikalisierung und das „Untertauchen“ von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe von Bedeutung waren, wird im
Folgenden knapp dargestellt, wie die Bundeswehr mit
diesen rechtsextremistisch eingestellten Personen verfah-
ren ist und ob vorliegenden Erkenntnissen hierzu konse-
quent genug nachgegangen wurde.
aa) R. M. B.
R. M. B. hatte ab 1997 eine aktive Führungsrolle im
„THS“ inne und war seit 1994 in der rechtsextremen
Szene aktiv, insbesondere in der „Anti-Antifa Ostthürin-
gen“.1908 Laut Mitteilungen des LfV Thüringen und des
BfV habe seit 1995 ein Kennverhältnis zwischen B. und
dem Trio bestanden. So hätten 1995 bis Ende 1997 im
Rahmen der Aktivitäten in der „Anti-Antifa Ostthürin-
gen“ und im „THS“ gemeinsame Aktionen und Treffen
stattgefunden.
1909
Aus der Personalakte des BMVg ergibt
sich, dass B. vom 1. Juli 1996 bis zum 30. April 1997
Wehrdienst leistete.
1910
Bereits am 21. August 1996, also kurz nach Beginn seiner
Wehrdienstzeit, wurde B. konkret zu seinen Aktivitäten in
der rechtsextremistischen Szene vom MAD befragt, da
insoweit Erkenntnisse vorlagen, dass er am Rudolf-Hess-
Gedenktag in Worms teilgenommen hatte. Hierzu gab er
1905) Sog. „129er-Liste“, MAT A GBA-4/36b (Tgb.-Nr. 93/13 – VS-
VERTRAULICH).
1906) GBA-4/39 (Tgb.-Nr. 121/13 – VS-VERTRAULICH).
1907) Unterrichtung des BKA in der Obleutebesprechung vom
13. Juni 2013.
1908) Bericht des Thüringer LKA vom 27. September 2012, MAT A
TH-9/10-2b, Bl. 3 ff. (9).
1909) Ermittlungsverfahren gegen Ralf Wohlleben, BKA, BAO
„Trio“ vom 4. Juni 2012, MAT A BY-14e, Bl. 121 ff. (226).
1910) Personalakte zu R. M. B., MAT A BMVg-3a, Bl. 56, 63 ff.
an, dass die Wochenenden zu seinem Privatleben gehör-
ten, worüber er mit dem MAD nicht sprechen wolle. Mit
dem Begriff „Rechtsextremisten“ könne er nichts anfan-
gen. Er erklärte, dass er weder innerhalb noch außerhalb
der Bundeswehr in der rechtsextremen Szene aktiv sei. B.
wurde zudem konkret gefragt, ob ihm Tino Brandt be-
kannt sei, worauf er angab, ihn nur vom „Hörensagen“ zu
kennen.
1911
Dass eine Weiterleitung dieser Befragung
oder der Erkenntnisse über B.s Aktivitäten an die Dienst-
vorgesetzten B.s erfolgte, lässt sich den Akten nicht ent-
nehmen.
Vom MAD und BMVg wurden umfangreiche Erkenntnis-
se über die Aktivitäten B.s im Zusammenhang mit dem
„THS“ gesammelt.1912 So geht aus einer Akte des BMVg
hervor, dass auch B. die in der rechtsextremistischen
Szene verbreitete Ansicht vertrat, Verwendungen in der
Bundeswehr anzustreben, um die dort erhaltenen Ausbil-
dungen zu gegebener Zeit gewinnbringend für die Ziele
der Szene nutzen zu können
1913
B. beantragte bereits am 19. August 1996, seinen Wehr-
dienst um vier Monate zu verlängern.
1914
Dieser Antrag
wurde jedoch am 12. September 1996 aufgrund unter-
durchschnittlicher Leistungen B.s abgelehnt:
„Die bisher gezeigten Leistungen des Kan. B. M.
liegen unter dem Durchschnitt. Engagement, geis-
tige Flexibilität, körperliche Belastbarkeit und ein
überdurchschnittliches Leistungsbild sind notwen-
dig, um bei möglichen Kriseneinsätzen zu unter-
stützen.
Diese geforderten Merkmale sind bei Kan. B. M.
nicht im notwendigen Maße feststellbar.“ 1915
Am 12. Dezember 1996 wurde er mit Wirkung zum
1. Januar 1997 vom Gefreiten zum Obergefreiten beför-
dert.
1916
Eine von B. angestrebte Verpflichtung zum Soldaten auf
Zeit im Anschluss an seine Wehrdienstzeit erfolgte im
Ergebnis nicht. In einer ärztlichen Begutachtung vom
4. März 1997 wurde B. auf seine gesundheitliche Eignung
zum Offizier des Truppendienstes und zur Teilnahme an
einer Einzelkämpferausbildung begutachtet. Aus der
ärztlichen Begutachtung ergibt sich, dass B. bezüglich der
Teilnahme an einem Einzelkämpferlehrgang für verwen-
dungsfähig erklärt wurde. Seinem Personalstammblatt
1911) Befragung durch das MAD vom 21. August 1996, MAT A
MAD-2/6, Bl. 11 ff. (12-14).
1912) MAT A MAD-4/1, Bl. 42 (Tgb.-Nr. 26/12 - VS-
VERTRAULICH); MAT A BMVg-5/4, Ordner 1, Bl. 34 (Tgb.-
Nr. 43/12 – VS-VERTRAULICH).
1913) MAT A BMVg-5/4, Bl. 75 (Tgb.-Nr. 43/12 – VS-
VERTRAULICH).
1914) Beantragung der Wehrpflichtverlängerung vom
19. August 1996, MAT A BMVg-3a, Bl. 26.
1915) Stellungnahme des nächsten Disziplinarvorgesetzten zur ge-
wünschten Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstes vom
12. August 1996, MAT A BMVg-3a, Bl. 25.
1916) Beförderungsschreiben vom 12. Dezember 1996, MAT A
BMVg-3a, Bl. 39.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241 – Drucksache 17/14600
Soldat (PSBS) lässt sich eine solche Ausbildung jedoch
nicht entnehmen.
1917
Eine Verpflichtungserklärung zum Soldaten auf Zeit für
zwölf Jahre unterschrieb B. am 6. März 1997.
1918
Die
Bewerbung B.s wurde von seinen Vorgesetzten uneinge-
schränkt und ohne Stellungnahmen am 12. März 1997
bzw. 13. März 1997 befürwortet.
1919
So vermerkte insbe-
sondere der Vorgesetzte:
„OG B. ist ein eher zurückhaltender und stets über-
legt handelnder Wehrpflichtiger, der entgegen-
kommend, diszipliniert und kameradschaftlich sei-
nen Dienst versieht. Geistige Flexibilität, auffal-
lendes weit überdurchschnittliches Interesse am
innenpolitischen Geschehen und ein fundiertes
Grundlagenwissen im Bereich der Rechtsstruktu-
ren der Bundesrepublik Deutschland zeichnen ihn
aus.
Diese Fähigkeiten kann er gut im Rahmen seiner
Ausbildung zur Geltung bringen, so daß er sich
stets in allen Bereichen vom Durchschnitt abhebt.
Er ist zielstrebig und äußerst ehrgeizig, erfaßt Auf-
träge richtig und setzt diese umsichtig zur vollsten
Zufriedenheit seiner Vorgesetzten um.
OG B. ist körperlich voll belastbar. Motiviert, en-
gagiert und äußerst ausdauernd beteiligt er sich am
Batteriesport, sowie auf freiwilliger Basis am Er-
gänzungsprogramm der in der Ausbildung befind-
lichen Offiziersanwärter.“1920
Im Dienstzeugnis vom 30. April 1997 wurden seine Leis-
tungen mit „gut“ bewertet.1921
B. stellte im Jahr 1998 Anträge auf Zulassung zur Lauf-
bahn der Offiziere des Truppendienstes bzw. der Offiziere
der Reserve des Truppendienstes. Diese wurden mangels
Eignung am 17. August 1998 bzw. am 15. August 2000
abgelehnt. Insbesondere wurde bzgl. des letztgenannten
Antrags im Ablehnungsbescheid und im Widerspruchsbe-
scheid auf die Erkenntnisse des MAD verwiesen, wonach
B. Mitglied im „Thüringer Heimatschutz“ war.1922
Vorabinformationen des MAD zu dem rechten Hinter-
grund B.s, die spätestens im August 1996 bekannt waren,
scheinen ausweislich des VERANDA-Auszuges des
MAD erfolgt zu sein, da zweimal eine „mündliche Mittei-
lung des dienstlichen Vorgesetzten“ vermerkt wurde.
Jedoch wird, obwohl der Datensatz darauf schließen lässt,
1917) Ärztliche Mitteilung für die Personalakte vom 12. März 1997,
MAT A BMVg-3a, Bl. 41.
1918) Verpflichtungserklärung bei der Berufung in das Dienstverhält-
nis eines Soldaten auf Zeit vom 6. März 1997, MAT A BMVg-
3a, Bl. 42.
1919) Stellungnahmen der Dienstvorgesetzten, MAT A BMVg-3a,
Bl. 43 ff.
1920) Stellungnahme des Hptm. und BttrChef Rückert vom
13. März 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 44.
1921) Dienstzeugnis vom 30. April 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 51.
1922) Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 1998, 15. August 2000 und
6. Oktober 2000, MAT A BMVg-3a, Bl. 56, 63-65.
dass B.s Aktivitäten als Schulungsleiter und Führungsper-
son des „THS“ identifiziert wurden, ein „verfassungs-
feindlicher Hintergrund“ mit „nein“ vermerkt.1923 Wenn-
gleich ihm der Zugang zur Offizierslaufbahn mit Blick
auf seinen rechtsextremistischen Hintergrund verschlos-
sen blieb, konnte er seinen Wehrdienst regulär ableisten.
Nach Abschluss seines Wehrdienstes nahm B. ein Jura-
studium auf und war weiter in der rechten Szene aktiv und
veranstaltete dort u. a. Rechtsschulungen.
1924
bb) M. R. D.
M. R. D. war Mitglied der „Weißen Bruderschaft Erzge-
birge“ und seit seiner Kindheit mit André Eminger be-
freundet.
1925
Er wird verdächtigt, dem Trio nach dessen
Untertauchen zwei Wohnungen in Zwickau (Polenzstra-
ße 2 und Frühlingsstraße 26) angemietet zu haben. Die
dort angefallenen Mietzinsbeträge sollen von seinem
Konto bezahlt worden sein.
1926
D. leistete vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Oktober 1998
seinen Grundwehrdienst als Milan- und Panzerfaustschüt-
ze in der 4. Kompanie des Jägerbataillons 371 in Marien-
berg.
1927
Sein Wunsch, nach dem Grundwehrdienst frei-
willigen Wehrdienst zu leisten, wurde im Einberufungs-
bescheid zum Grundwehrdienst vom 10. November 1997
ohne Begründung abgelehnt.
1928
Am 30. Juni 1998 wurde
er mit Wirkung zum 1. Juli 1998 vom Gefreiten zum
Obergefreiten befördert.
1929
In seinem Dienstzeugnis vom
13. Oktober 1998 wurde er mit „gut“ bewertet.1930 Aus
den Akten geht nicht hervor, dass dem MAD bezüglich D.
Erkenntnisse vorgelegen hätten.
cc) André Eminger
André Eminger war Mitglied der „Weißen Bruderschaft
Erzgebirge“ und seit seiner Kindheit mit M. R. D. be-
freundet, der derzeit Beschuldigter im NSU-Verfahren
ist.
1931
1923) Anschreiben des MAD 19. November 2012, MAT A MAD-2/6,
Bl. 1; VERANDA-Auszug des MAD vom 1. August 2012,
MAT A MAD-2/6, Bl. 6.
1924) MAT A MAD-4/1, Bl. 254, 276 f. (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-
VERTRAULICH).
1925) Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Schreiben des
GBA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 22 ff. (267);
vgl. bzgl. der Bundeswehrzeit des André Eminger unter
C.IV.5.e)cc).
1926) Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Schreiben des
GBA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 22 ff. (26).
1927) Dienstzeugnis vom 13. Oktober 1998, MAT A BMVg-3a, Bl.
93.
1928) Einberufungsbescheid zum Grundwehrdienst vom
10. November 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 85.
1929) Beförderungsschreiben vom 30. Juni 1998, MAT A BMVg-3a,
Bl. 93.
1930) Dienstzeugnis vom 13. Oktober 1998, MAT A BMVg-3a, Bl.
93.
1931) Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Schreiben des
GBA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 22 ff. (267);
vgl. bzgl. M. R. D. unter C.IV.5.e)bb)
Drucksache 17/14600 – 242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
André Eminger soll im Jahre 1999 eine erste konspirative
Wohnung für das Trio zur Verfügung gestellt und Wohn-
mobile angemietet haben. Außerdem soll er dem Trio die
BahnCard von sich und seiner Frau überlassen haben. Der
Kontakt des Trios zum Ehepaar Eminger soll bis zuletzt
intensiv gewesen sein. André Eminger wurde im Novem-
ber 2011 in Brandenburg verhaftet. Der Haftbefehl wurde
Mitte Juni 2012 vom BGH aufgehoben. Am
8. November 2012 wurde vom GBA vor dem Staats-
schutzsenat des OLG München Anklage wegen Beihilfe
zum Sprengstoffanschlag des „NSU“ in der Kölner Alt-
stadt sowie wegen Beihilfe zum Raub und wegen Unter-
stützung der terroristischen Vereinigung „NSU“ in jeweils
zwei Fällen gegen André Eminger erhoben.
André Eminger leistete seinen Grundwehrdienst vom
1. November 1999 bis zum 31. August 2000 in der
4. Kompanie des Panzeraufklärungsbataillons 13
(4./PaAufklBtl 13) der Bundeswehr in Gotha, zuletzt im
Rang eines Gefreiten.
1932
Dem Wunsch André Emingers, über die gesetzlich festge-
legte Dauer des Grundwehrdienstes von zehn Monaten
hinaus einen zusätzlichen Wehrdienst von dreizehn Mo-
naten zu leisten und an besonderen Auslandsverwendun-
gen teilzunehmen
1933
, wurde wegen eines Strafverfahrens
nicht entsprochen.
1934
Aufgrund des Erscheinungsbildes André Emingers und
einer Äußerung gegenüber einem Bundeswehrangehöri-
gen am 3. November 1999 wurde André Eminger am
10. November 1999 von OLt T. vernommen und mit dem
Verdacht der rechtsextremistischen Gesinnung konfron-
tiert. Auf die Frage, ob er ein Anhänger rechtsextremen
Gedankenguts sei, antwortete er:
„Ich denke nationalsozialistisch, aber nicht nach
dem Führerprinzip. Nationalsozialismus sollte
nicht unbedingt mit Hitler verbunden werden. Ich
habe an genehmigten Demonstrationen teilge-
nommen, z. B. am 01.05.98 in Leipzig und in
Dresden gegen die Wehrmachtsausstellung.“1935
Auf die Frage, ob er seine politische Einstellung mit dem
Dritten Reich verbindet, antwortete André Eminger:
„Nein, ich stehe zur Arbeiterklasse, das 3. Reich
schadete der Arbeiterklasse. Ich gehöre und gehör-
te keiner Partei oder Vereinigung an. Ich bin Skin-
head aus der Arbeiterklasse und nicht in erster Li-
1932) Wehrdienstbescheinigung vom 14. Juni 2000, MAT A BMVg-
3a, Bl. 133.
1933) Erklärung zur Ableistung einer zusätzlichen Wehrdienstzeit von
dreizehn Monaten vom 15. Juni 1999, MAT A BMVg-3a,
Bl. 114.
1934) Entscheidung über die Heranziehung von Ungedienten zum
Wehrdienst wegen eines Strafverfahrens vom 23. August 1999,
MAT A BMVg-3a, Bl. 116.
1935) Anhörung vom 10. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.
123.
nie politisch. Ich bin zuerst Skinhead und nicht na-
tionalsozialistisch.“1936
Auf die Frage, ob er ein Rassist sei, wich André Eminger
aus. Er sei gegen „kriminelle Ausländer und Deutsche,
insbesondere gegen Drogen, sie zerstören unser Volk“. Er
sehe darin nichts Ungesetzliches.
1937
André Eminger gab an, dass er eine Tätowierung mit dem
Schriftzug „Blut und Ehre“ trage, da er die militärische
Leistung der SS bewundere. Des Weiteren ließ er sich
eine schwarz-weiß-rote Flagge tätowieren.
1938
Auch der
MAD befragte André Eminger am 6. März 2000 zu seiner
rechtsextremen Einstellung.
1939
Hier gab er an, in den
letzten Jahren einige Skinheadkonzerte besucht zu haben,
1998 an einer Demonstration gegen die Wehrmachtsaus-
stellung in Dresden sowie im Mai 1998 an einer NPD-
Veranstaltung in Leipzig teilgenommen zu haben.
1940
Zur
politischen Einstellung André Emingers wurde festgehal-
ten:
„Er sei nicht rechtsradikal, denke nur national bzw.
nationalsozialistisch. Nationalsozialismus müsse
nichts mit Hitler zu tun haben, es müsse auch kei-
ne Diktatur sein. Er stehe zu seinem Land und hät-
te auch gerne länger bei der Bundeswehr dienen
wollen, was aber nicht geklappt hätte. […]
Das III. Reich sei abgesehen von der Diktatur und
der Judenverbrennung nicht schlecht gewesen. Der
Nationalsozialismus sei eine Staatsform, die man
eigentlich auch demokratisch umsetzen könne,
momentan aber mit keiner Partei in Deutschland.
[…]
Das (jetzige) politische System lehne er ab.“1941
Im Dienstzeugnis wurde seine Führung mit durchschnitt-
lich bewertet.
1942
Dem VERANDA-Datensatz des MAD lässt sich entneh-
men, dass seine Dienstvorgesetzten am
1. Dezember 1999, 3. April 2000 und 10. August 2000
mündlich unterrichtet wurden. Auch wurde ein verfas-
sungsfeindlicher Hintergrund bejaht.
1943
Trotzdem musste
André Eminger seinen Wehrdienst weiter regulär ableis-
ten.
1936) Anhörung vom 10. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.
123.
1937) Anhörung vom 10. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.
123.
1938) MAT A BMVg-3a, Bl. 124.
1939) Befragung von André Eminger vom 6. März 2000 durch den
MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 14 ff.
1940) Befragung von André Eminger vom 6. März 2000 durch den
MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 14 ff. (15, 16).
1941) Befragung von André Eminger vom 6. März 2000 durch den
MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 14 ff. (18, 19).
1942) Dienstzeugnis vom 30. August 2000, MAT A BMVg-3a, Bl.
137.
1943) VERANDA-Auszug des MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 243 – Drucksache 17/14600
dd) D. F.
D. F.
1944
ist der Bruder von Jacqueline Wohlleben und
Schwager von Ralf Wohlleben.
1945
Von 2005 bis 2007 war
er Besitzer eines Lokals in Oberweißbach,
1946
in dem am
18. März 2006 eine Veranstaltung der rechten Szene
durch Patrick W. angemeldet wurde.
1947
Er hatte eine lose
Beziehung zu Beate Zschäpe, die nach eigenen Aussagen
nur ein paar Wochen andauerte,
1948
und kannte Mundlos
und Böhnhardt seit 1992 durch den Jugendklub
Winzerla.
1949
Außerdem kannte er den Vater der ermorde-
ten Michèle Kiesewetter, der Pächter oder Besitzer des
Gasthofes „Kräutergarten“ war.1950
F. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Juli 1994 bis
zum 30. Juni 1995 in der 2. Kompanie des Gebirgsjäger-
bataillons 231 in Bad Reichenhall.
1951
In der Zeit vom 3. November 1994 bis zum
9. November 1994 sowie vom 18. November 1994 bis
zum 2. Dezember 1994 blieb er dem Bundeswehrdienst
schuldhaft fern. F. verlor für diesen Zeitraum seine Bezü-
ge.
1952
Zusätzlich musste er eine Disziplinarbuße in Höhe
von 150 DM entrichten.
1953
Aus dem Dienstzeugnis geht hervor, dass die privaten
Probleme des Soldaten sich auf seine dienstliche Tätigkeit
übertrugen. Die Leistungen als Gebirgsjäger und die Füh-
rung wurden als mangelhaft beurteilt.
1954
F. wurde nicht
befördert.
ee) A. G.
A. G. spielte ab 2001 als Gitarrist in der Band „Noie Wer-
te“. Er stammt aus dem einstigen Netzwerk „Blood &
Honour“ in Sachsen und zog vor einigen Jahren nach
Baden-Württemberg.
1955
Zwischen 2000 und 2002 wurde
1944) D. F. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs zu
diesem, Abschnitt Stellung genommen.
1945) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff (363).
1946) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff. (365).
1947) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff. (368).
1948) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff. (370).
1949) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff. (391).
1950) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff. (369).
1951) Wehrdienstbescheinigung vom 18. Mai 1995, MAT A BMVg-
3a, Bl. 186.
1952) Schreiben vom 14. Dezember 1994, MAT A BMVg-3a, Bl.
181; Änderungsmeldung Soldaten vom 16. Dezember 1994,
MAT A BMVg-3a, Bl. 183.
1953) Schreiben vom 18. Dezember 1994, MAT A BMVg-3a, Bl.
182.
1954) Dienstzeugnis vom 20. Juni 1995, MAT A BMVg-3a, Bl. 188.
1955) Anschreiben des IM BW vom 27. August 2012, MAT A BW-
8/3, Bl. 1 ff. (3).
er vom Verfassungsschutz abgehört, weil er Zugang zum
engeren Unterstützerkreis des Trios hatte.
1956
A. G. war vom 1. Januar 1996 bis zum 30. April 1997
Angehöriger der Bundeswehr im Instandsetzungsbatail-
lon 220 in Dornstadt.
1957
Ursprünglich war seine Grund-
wehrdienstzeit auf zwölf Monate festgesetzt, aufgrund
einer Gesetzesänderung verkürzte sich diese Zeit jedoch
auf zehn Monate, weshalb G. am 2. Januar 1996 einen
entsprechenden Änderungsbescheid zum Einberufungsbe-
scheid erhielt.
1958
Am 5. September 1996 beantragte G.
den freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst für sechs Mona-
te.
1959
Die Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes wur-
de von seinen Vorgesetzten befürwortet,
1960
sodass er eine
sechsmonatige Weiterverpflichtung als Elektronikmecha-
niker einging.
1961
G. wurde am 29. November 1996 mit Wirkung zum
1. Dezember 1996 vom Gefreiten zum Obergefreiten
1962
und am 24. März 1997 mit Wirkung zum 1. April 1997
zum Hauptgefreiten
1963
befördert. Gleichwohl wurde in
G.‘s Dienstzeugnis vermerkt, dass seine Führung lediglich
„befriedigend“ war.1964 Im Fragebogen zur Mobilma-
chungsverwendung gab G. an, dass er bereit sei, sich
weiter für die Bundeswehr zu engagieren.
1965
Im September 1997 wurde ein verhängtes Strafur-
teil/Strafbefehl
1966
gegen G. vom Kreiswehrersatzamt
Chemnitz vermerkt. Die Option, den Wehrpflichtigen
„nicht zum Wehrdienst heranzuziehen“, wie auf dem
Formularblatt vorgegeben, wurde jedoch nicht gewählt.
Vielmehr wurde die andere Option bevorzugt, den Wehr-
dienstpflichtigen „weiterhin zum Wehrdienst heranzuzie-
hen“.1967
G. wurde von Seiten der Bundeswehr und des MAD nicht
als Extremist erkannt oder ist diesen nicht als solcher
1956) LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013, Bericht zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
(Stand: Januar 2013), MAT A GBA-13, Bl. 53 ff. (148).
1957) Wehrdienstbescheinigung vom 22. April 1997, MAT A BMVg-
3a, Bl. 264.
1958) Änderungsbescheid zum Einberufungsbescheid vom
2. Januar 1996, MAT A BMVg-3a, Bl. 249.
1959) Antrag und Verpflichtungserklärung vom 5. September 1996,
MAT A BMVg-3a, Bl. 259.
1960) Antrag und Verpflichtungserklärung vom 5. September 1996,
MAT A BMVg-3a, Bl. 259; Abgabenach-
richt/Zwischenbescheid vom 25. September 1996, MAT A
BMVg-3a, Bl. 261.
1961) Dienstzeugnis vom 22. April 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 265.
1962) Beförderungsbescheid vom 29. November 1996, MAT A
BMVg-3a, Bl. 262.
1963) Beförderungsbescheid vom 24. März 1997, MAT A BMVg-3a,
Bl. 263.
1964) Dienstzeugnis vom 22. April 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 265.
1965) Fragebogen zur Mobilmachungsverwendung, MAT A BMVg-
3a, Bl. 268.
1966) Aus den Akten geht nicht hervor, wegen welcher Tat ein Straf-
befehl bzw. Strafurteil ergangen ist.
1967) MAT A BMVg-3a, Bl. 274.
Drucksache 17/14600 – 244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch sein Verhalten aufgefallen. Dafür spricht auch seine
16-monatige Wehrdienstzeit und die Beförderungen.
ff) B. G.
G. war in den Jahren 1997 bis 2000 in der „Kamerad-
schaft Kassel“ aktiv, die von seinem Stiefbruder geleitet
wurde. Nach eigenen Angaben war er während seiner
Bundeswehrzeit dort nicht mehr tätig,
1968
hatte jedoch
noch Kontakt zu Personen aus der rechten Szene.
1969
Für
das LfV Hessen war er von 2001 bis Mitte 2007 als V-
Mann tätig.
1970
G. leistete vom 2. Januar 2002 bis zum 31. Oktober 2002
seinen Wehrdienst als Ladeschütze sowie als Wach- und
Sicherungssoldat in der 2. Kompanie des Panzerbatail-
lons 64.
1971
Nach einer Verkürzung des Grundwehrdienstes von zehn
auf neun Monate, welche am 1. Januar 2002 in Kraft trat,
erhielt G. am 2. Februar 2002 einen entsprechenden Än-
derungsbescheid zum Einberufungsbescheid.
1972
G. bean-
tragte daraufhin am 4. September 2002 eine Verlängerung
seiner Wehrdienstzeit um einen Monat, was ihm mit
Schreiben vom 19. September 2002 bewilligt wurde.
1973
Am 27. Juli 2002 wurde G. mit Wirkung zum 1. Juli 2002
vom Gefreiten zum Obergefreiten befördert.
1974
In seinem
Dienstzeugnis vom 19. Oktober 2002 erhielt G. die Note
„gut“.1975 Der Hauptmann Ullwig führte im Dienstzeugnis
aus:
„Seine Leistungen haben stets meine volle Aner-
kennung gefunden. Zu jeder Zeit hat er seine Auf-
gaben zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllt.
Ich bedauere diesen wertvollen Mitarbeiter zu ver-
lieren.“1976
Obwohl G. vor seiner Bundeswehrzeit in der rechten
Szene aktiv war und ab dem Jahr 2000 strafrechtlich in
Erscheinung trat, liegen in den Akten weder Erkenntnisse
des MAD noch des BMVg zu seiner rechten Gesinnung
vor.
1968) Zeugenvernehmung des B. G. vom 26. April 2012 durch das
BKA, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff. (5).
1969) Zeugenvernehmung des B. G. vom 26. April 2012 durch das
BKA, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff. (7).
1970) Zeugenvernehmung des B. G. vom 26. April 2012 durch das
BKA, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff. (7).
1971) Dienstzeugnis des B. G. vom 19. Oktober 2002, MAT A
BMVg-3a, Bl. 210, 211.
1972) Änderungsbescheid zum Einberufungsbescheid vom
2. Februar 2002, MAT A BMVg-3a, Bl. 222.
1973) Änderungsbescheid zum Einberufungsbescheid vom 19. Sep-
tember 2002, MAT A BMVg-3a, Bl. 214.
1974) Beförderungsschreiben vom 27. Juni 2002, MAT A BMVg-3a,
Bl. 217.
1975) Dienstzeugnis des B. G. vom 19. Oktober 2002, MAT A
BMVg-3a, Bl. 210, 211.
1976) Dienstzeugnis vom 19. Oktober 2002, MAT A BMVg-3a, Bl.
210, 211.
gg) M. G.
Eine Telefonnummer von M. G. ist auf der Telefonliste
von Mundlos vermerkt. M. G. gehörte der „HNG“ an und
war mit Birger D. und Ursula Müller gut bekannt. Direk-
ten Kontakt zum Trio hatte er nicht.
1977
G. leistete vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 seinen
Grundwehrdienst in der Bundeswehr und war als Flieger
in der 13. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment 2
eingesetzt.
1978
Erkenntnisse des MAD oder des BMVg zu
extremistischen Gesinnungen sind nicht ersichtlich.
hh) J. H.
J. H. war eine Kontaktperson des Trios bis 1998/99 und
enger Freund von Ralf Wohlleben. H. tätigte Kurierdiens-
te für das Trio im Auftrag von Wohlleben und wurde seit
April 1998 vom LKA TH durch TKÜ überwacht.
1979
J. H. war vom 4. Januar 1999 bis zum
19. November 1999 Grundwehrdienstleistender im Pan-
zergrenadierbataillon 352, Mellrichstadt und dort als
Richtschütze eingesetzt.
1980
Da er seinen Dienst aufgrund eigenmächtiger Abwesen-
heit erst am 23. Januar 1999 antrat, wurde seine Dienst-
zeit mit Verfügung des Befehlshabers Wehrbereich
VI/Kommandeur 1. Gebirgsdivision bis zum
19. November 1999 verlängert.
1981
Aus einem hand-
schriftlichen Vermerk des Kreiswehrersatzamtes Gera
vom 16. Juni 1999 ergibt sich, dass H. einen Antrag auf
Kriegsdienstverweigerung (KDV-Antrag) gestellt hatte
und daher der Meinung war, dem Dienst fernbleiben zu
dürfen.
1982
Am 30. Juni 1999 wurde H. mit Wirkung zum
1. Juli 1999 zum Obergefreiten befördert.
1983
Der MAD befragte im August/September 1999
1984
H. zu
seinen Kontakten in die rechte Szene und explizit zum
Trio. In dieser Befragung räumte er ein, für das Trio Ku-
rierdienste geleistet zu haben.
1985
In der
1977) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
155 ff. (175).
1978) Wehrdienstbescheinigung, MAT A BMVg-7/4, Bl. 80.
1979) Gutachten der Schäfer-Kommission, Bl. 141.
1980) Wehrdienstbescheinigung vom 17. November 1999, MAT A
BMVg-3a, Bl. 333; Dienstzeugnis vom 19. November 1999,
MAT A BMVg-3a, Bl. 335.
1981) Schreiben bzgl. des Nachdienens der Wehrpflichtzeit vom
20. Oktober 1999, MAT A BMVg-3a, Bl. 328, 329.
1982) Handschriftlicher Vermerk vom 16. Juni 1999, MAT A BMVg-
3a, Bl. 319.
1983) Beförderungsschreiben vom 30. Juni 1999, MAT A BMVg-3a,
Bl. 320.
1984) Datum des Befragungsberichts: 15. September 1999, laut
VERANDA-Eintrag Tag der Befragung möglicherweise der
24. August 1999; laut VERANDA-Eintrag erste Befragung des
H. wohl bereits am 1. Juni 1999 (liegt dem Untersuchungsaus-
schuss nicht vor), MAT A MAD-2/3, Bl. 4 ff.
1985) Näheres hierzu unter E.VI.2.c).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245 – Drucksache 17/14600
Sachverhaltsdarstellung zur Befragung wurde außerdem
vermerkt:
„Angesprochen auf Bw-Angehörige aus dem
Raum JENA äusserte VP mit süffisantem Lächeln:
Sie nenne wie schon erwähnt keine Namen. Weil
sie derzeit über wenig Freizeit verfüge, habe sie
keinen Kontakt. Sie habe auch derzeit weniger
Kontakt zur NPD, Schwerpunkt seien persönliche
Interessen. Seit der letzten Befragung hätte sie an
keiner NPD-Veranstaltung teilgenommen. Nach
der Bundeswehrzeit, wenn sie wieder mehr Zeit
habe und in der Spedition arbeite, werde dies wie-
der der Fall sein. […] Er stimme mit den Thesen
der NPD überein und werde nach der Bundes-
wehrzeit wieder aktiv werden.“1986
Weiter wurde über die Vernehmung mit H. vermerkt:
„Es bestünden Verbindungen zur ‚Kameradschaft
JENA‘ sowie freundschaftliche Verbindungen zur
‚THS‘-Kameradschaft. Er sei auch nicht bereit,
sich von diesen Gruppierungen zu distanzie-
ren.“1987
H. gab an, das Trio habe sich bereits auf der Stufe von
Rechtsterroristen bewegt. Auch er befürworte derartige
Aktionen und würde wieder klassische Unterstützerfunk-
tionen leisten.
1988
Eine entsprechende Benachrichtigung an die personalbe-
arbeitende Dienststelle durch den MAD, dass H. als Ex-
tremist bekannt sei, erfolgte laut VERANDA-Auszug des
MAD am 23. August 1999. Ein verfassungsfeindlicher
Hintergrund wurde mit „ja“ vermerkt. Im Juni 1996 wur-
de eine sog. „Absicherungsberatung“ vorgenommen.1989
Am 4. November 1999 wurde mit H. im Auftrag der per-
sonalbearbeitenden Stelle durch den Kompaniechef ein
Personalgespräch geführt. In diesem wurde ihm eröffnet,
dass er nach Erkenntnissen des MAD als Extremist er-
kannt sei. Eine disziplinare Prüfung ergebe derzeit keinen
Handlungsbedarf, eine Nichteignung für seinen Dienst-
posten liege nicht vor. Eine weitere Förderung und Beför-
derung sowie Weiterverpflichtung als FWDL oder SaZ
wurde ausgeschlossen, genauso wie eine Auslandsver-
wendung. Eine Äußerung durch H. erfolgte nicht.
1990
Im Dienstzeugnis vom 19. November 1999 wurde er
insgesamt mit „gut“ bewertet. Insbesondere wird ausge-
führt:
1986) Aussage des Befragten vom 15. September 1999/
24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff. (9, 10).
1987) Aussage des Befragten vom 15. September 1999/
24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff. (10).
1988) Aussage des Befragten vom 15. September 1999/
24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff. (11, 12); Näheres
hierzu unter E.VI.2.c).
1989) VERANDA-Auszug des MAD, MAT A MAD-2/3, Bl. 6, 7.
1990) Vermerk über ein Personalgespräch vom 4. November 1999,
MAT A BMVg-3a, Bl. 331.
„Herr Obergefreiter H. zeichnet sich durch einen
guten Leistungswillen und Einsatzbereitschaft aus.
Sein Auftreten ist von Kameradschaft geprägt und
bringt ihm die Anerkennung und den Respekt aller
ein.“1991
ii) M. H.
M. H. führte die sächsische Sektion der „Hammerskins“
an.
H. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Januar 1997
bis zum 22. August 1997 in der 3. Kompanie des Panzer-
grenadierbataillons 381, als Richtschütze in Bad Franken-
hausen und später in der 4. Kompanie des Panzergrenadi-
erbataillons 381 als Panzergrenadier.
1992
Ursprünglich war
sein Grundwehrdienst bis zum 31. Oktober 1997 ange-
setzt.
1993
H. erklärte sich zudem am 10. Oktober 1996
bereit, während der Grundwehrzeit an besonderen Aus-
landsverwendungen teilzunehmen. Eine entsprechende
Verwendung lässt sich den Akten nicht entnehmen.
1994
Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 wurde H. zum Obergefrei-
ten befördert.
1995
Am 22. August 1997 erhielt H. seine fristlose Entlassung
gem. § 29 Abs. 2 Nr. 6 des Wehrpflichtgesetzes aus dem
Bundeswehrdienst.
1996
Vorangegangen war dieser Ent-
scheidung eine in der Nacht vom 17. zum 18. August
1997 durchgeführte Polizeikontrolle seines Pkws. Bei
dieser wurden mehrere E-Mails mit NS-Inhalt sowie Fo-
tos gefunden, auf denen H. bei einem Konzert von rechts-
radikalen Skinheads in Ungarn den „Hitlergruß“ zeig-
te.
1997
Dieser Sachverhalt wurde der Bundeswehr von der Poli-
zei mitgeteilt. Daraufhin erging am 18. August 1997 ein
Beschluss des Truppendienstgerichtes Süd, 1. Kammer, in
welchem die Durchsuchung des Spindes, der privaten
Behältnisse und der Dienststube H.s angeordnet wur-
de.
1998
Aufgrund der bei der ebenfalls am 18. August 1997
durchgeführten Durchsuchung gefundenen und beschlag-
nahmten Gegenstände bestätigte sich der Verdacht, H.
1991) Dienstzeugnis vom 19. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.
335.
1992) Versetzungsverfügung vom 31. Oktober 1997, MAT A BMVg-
7/2, Bl. 23.
1993) Ärztliche Mitteilung für Personalakte vom 1. Januar 1997,
MAT A BMVg-7/2, Bl. 15.
1994) Erklärung zum freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst und zur
Bereitschaft für eine Teilnahme an besonderen Auslandsver-
wendungen, MAT A BMVg-7/2, Bl. 11 f. (12).
1995) Beförderungsschreiben vom 30. Juni 1997, MAT A BMVg-7/2,
Bl. 24.
1996) Bescheid vom 22. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 43 f.
1997) Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom
18. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 29.
1998) Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom
18. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 29.
Drucksache 17/14600 – 246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
besitze nationalsozialistische Symbole und Materialien
und pflege Kontakte in die rechtsextremistische Szene.
1999
Am 19. August 1997 wurde H. durch den Hauptmann W.
bzw. durch den Hauptmann S. vernommen.
2000
Den Vor-
wurf des Hptm. S., dass sich H. aktiv in der rechtsextre-
mistischen Szene betätige, stritt H. in der Vernehmung ab,
bestätigte aber, dass er Herausgeber der Zeitschrift Hass
Attacke sei. Jedoch würden in dieser, obwohl als Fanzine
in der Skinhead-Szene vertrieben, weder politische Moti-
vationen begründet, noch rechtsradikales Gedankengut
verbreitet.
2001
Am 20. August 1997 fand eine weitere
Vernehmung H.s durch den Hptm. S. statt.
2002
Auch wur-
de dessen Stubenkamerad Thomas H. am 19. August 1997
durch den Oberleutnant S. vernommen. Diesem seien
jedoch keine rechtsextremistischen Aktivitäten H.s aufge-
fallen.
2003
Am 19. August 1997 wurde durch den Hptm. W. eine
Kurzbeurteilung H.s abgegeben, in der er H. wie folgt
beschrieb:
„OG H. hat sich problemlos in der Kompaniefüh-
rungsgruppe der 4./PzGrenBtl 381 integriert. Sei-
nen Kameraden gegenüber verhält er sich stets
korrekt und ist ein guter Kamerad. Seine dienstli-
chen Leistungen als Kraftfahrer B sind gut und ge-
ben zu keinerlei Kritik Anlaß. In und außer Dienst
gibt er sich stets korrekt. Aufträge hat er bisher zur
vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erle-
digt. In sowie außer Dienst gab es keine Anlässe
zur Klage.“2004
Am 20. August 1997 wurde durch den Hptm. W. dem
Wehrbereichskommando VII. und 13. Panzergrenadierdi-
vision der Antrag auf Entlassung H.s gem. § 29 Abs. 1
Nr.6 WPflG gestellt.
2005
Hierin wird ausgeführt:
„Bei o. g. Soldaten wurden durch die Polizei Bil-
der sichergestellt, auf denen der Soldat u. a. auf ei-
nem Konzert der Nationalsozialistischen Skins von
Viharsarok in Ungarn beim Praktizieren des ‚Hit-
1999) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom
21. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 30.
2000) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 31; aufgrund der Un-
vollständigkeit der Personalakte an dieser Stelle, kann den Do-
kumenten nicht der Inhalt der Vernehmung mit W. entnommen
werden;
Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 35 ff.
2001) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 35 ff. (37).
2002) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
20. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 38; auch an dieser
Stelle ist die Personalakte unvollständig und der Vernehmungs-
inhalt nicht Bestandteil der Akte.
2003) Niederschrift über die Vernehmung eines Zeugen vom
19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 32.
2004) Kurzbeurteilung vom 19. August 1997, MAT A BMVg-7/2,
Bl. 34.
2005) Schreiben vom 20. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 25,
26.
lergrußes‘ zu erkennen ist. Weiterhin ist er Mither-
ausgeber und Verteiler der Zeitschrift Hass Atta-
cke, in der über Musikgruppen berichtet wird, die
eindeutig der rechtsextremen Szene zuzuordnen
sind. Weiterhin verstieß er gegen das Kriegswaf-
fenkontrollgesetz durch den illegalen Besitz von 6
Schuß Gewehrmunition, die ebenfalls durch die
Polizei sichergestellt wurden. […]
Nach Sachlage ist OG H. der rechtsextremen Sze-
ne zuzuordnen. Die Entlassung gem. § 29 Abs. 1
Nr. 6 WPflG wird beantragt und befürwortet.“2006
Daraufhin veranlasste das Wehrbereichskommando nach
§ 29 Abs. 2 Nr. 6 des (WPflG) die Entlassung H.s aus der
Bundeswehr. In seinem Entlassungsschreiben wird zur
Begründung u. a. neben den von Hptm. W. schon genann-
ten Vorwürfen aufgeführt:
„Jeder Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik
Deutschland treu zu dienen […] und für die Erhal-
tung der freiheitlichen demokratischen Grundord-
nung einzutreten […]. Nach Ihrem Verhalten sind
Sie der rechtsradikalen Szene zuzuordnen und bie-
ten keine Gewähr dafür, den genannten Pflichten
nachzukommen.
Die militärische Ordnung wäre im Falle Ihres Ver-
bleibens im Dienst ernstlich gefährdet.“2007
Darüber hinaus verlor H. nach § 30 Wehrpflichtgesetz
seinen Dienstgrad.
2008
Auch der MAD hatte zahlreiche Erkenntnisse zur Person
H., die sich nicht allein auf dessen Wehrdienstzeit be-
schränken.
2009
So gewann der MAD auch Informationen
zu H., als dieser als Leiter der „Hammerskin-Sektion“
Sachsen agierte. Hierbei wurde auch erkennbar, dass H. –
wie auch andere Führungspersonen in der rechtsextremis-
tischen Szene – eine Affinität zur Waffen- und Schieß-
ausbildung in der Bundeswehr hat.
2010
jj) Dr. Claus Nordbruch
Dr. Claus Nordbruch ist ein „rechtsgerichteter Publi-
zist“2011, der seit etwa 1986 in Südafrika lebt.2012 Er tritt
beispielsweise als Referent auf verschiedenen Veranstal-
tungen von einschlägigen Organisationen auf oder ver-
2006) Schreiben vom 20. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 25,
26.
2007) Bescheid vom 22. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 43 f.
(44).
2008) Bescheid vom 22. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 43 f.
(44).
2009) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 - GEHEIM), Bl. 18.
2010) Aktenvermerk vom 15. März 2000, MAT A MAD-2/8, Pa-
ket12.4 (VS-VERTRAULICH) (Tgb.-Nr. 215/13 - GEHEIM),
Bl. 114.
2011) Schlussbericht: Komplexverfahren „Landser“ des Generalbun-
desanwaltes beim Bundesgerichtshof vom 15. Januar 2001,
MAT A SN-2/3-14, Bl. 95.
2012) E-Mailverkehr zur BKA-Anfrage um „Amtshilfe“ bzgl. Neona-
zi-Aktivitäten in ZAF, MAT A BND-3/1a, Bl. 242.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247 – Drucksache 17/14600
fasst Artikel, die etwa in der Deutschen Stimme veröffent-
licht wurden.
2013
Auch referierte Dr. Nordbruch im Jahr
1999 vor Anhängern des „THS“.2014 Durch ihn soll eine
internationale Verbindung zu Unterstützern des NSU-
Umfelds bestanden haben.
2015
Dr. Nordbruch rief bei-
spielsweise in einem Neonazi-Fanzine zu Treffen in Afri-
ka und dem Gebrauch von Waffen auf.
2016
In Südafrika
sollen Schulungen für den militärischen Bereich für „mit-
teldeutsche Jugendliche“ stattgefunden haben.2017 André
Kapke und M. B. sollen beispielsweise im August 1998 zu
einem „Arbeitseinsatz“ zu Dr. Nordbruch nach Südafrika
gereist sein.
2018
Südafrika soll weiterhin als Fluchtort für
das Trio vorgesehen gewesen sein.
2019
Auch zu Wohlleben
hatte Dr. Nordbruch Kontakt.
2020
Dr. Nordbruch war vom 1. Juli 1982 bis zum 30. Juni
1986
2021
Angehöriger der Bundeswehr
2022
. Ursprünglich
hatte Dr. Nordbruch sich auf zwölf Jahre in der Laufbahn
der Offiziere des Truppendienstes mit Studium verpflich-
tet.
2023
Vom 19. Oktober 1982 bis zum 26. März 1983 nahm
Dr. Nordbruch an einem Offizieranwärterlehrgang teil
und absolvierte diesen mit der Offiziersprüfung.
2024
Am
18. Mai 1983 wurde er zum Fahnenjunker befördert.
2025
Vom 4. Juli 1983 bis zum 30. September 1983 war er als
Gruppenführer tätig.
2026
Am 7. Februar 1984 erfolgte die
Beförderung zum Fähnrich
2027
, am 12. November 1984
zum Oberfähnrich.
2028
Eine Neufestsetzung der Dienstzeit
auf sechs Jahre (bis zum 30. Juni 1988) erfolgte am
2013) BfV, Ausführungen zu NPD-Bezügen der Verfahrensbeteiligten
des GBA im Fall „NSU“, MAT A GBA-16a, Bl. 218.
2014) Henze, Wortprotokoll über die 5. Sitzung des Untersuchungs-
ausschusses „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des
Thüringer Landtags vom 23. April 2012, MAT B TH-1/1, Bl.
39.
2015) Vermerk vom 6. Dezember 2011, Bezüge im NSU-Komplex
zur NPD- und in das Ausland, MAT A BK-4h, Bl. 54.
2016) MAT A BKA-2/5, Bl. 115.
2017) Sachstandsbericht zu Ralf Wohlleben vom 4. Juni 2012, Nach-
richtendienstliche Erkenntnisse des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz, MAT A BY-14/1e, Bl. 155.
2018) Sachstandsbericht zu Ralf Wohlleben vom 4. Juni 2012, Nach-
richtendienstliche Erkenntnisse des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz, MAT A BY-14/1e, Bl. 155.
2019) Vermerk vom 6. Dezember 2011, Bezüge im NSU-Komplex
zur NPD- und in das Ausland, MAT A BK-4h, Bl. 54.
2020) Sprechzettel ST BAO „Trio“ vom 2. Januar 2012, MAT A
BMI-5-0076, Bl. 338 ff. (352).
2021) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 409.
2022) Ernennung durch Bundesminister der Verteidigung, MAT A
BMVg-3b, Bl. 486
2023) Zusatzfragebogen zum Bewerbungsbogen, Anlage 7, MAT A
BMVg-3b, Bl. 371.
2024) Lehrgangszeugnis, MAT A BMVg-3b, Bl. 374.
2025) Planstelleneinweisung, MAT A BMVg-3b, Bl. 527.
2026) Nachweis- und Beurteilungsvermerk über Truppenverwendung,
MAT A BMVg-3b, Bl. 381.
2027) Planstelleneinweisung, MAT A BMVg-3b, Bl. 539.
2028) Planstelleneinweisung, MAT A BMVg-3b, Bl. 545
22. August 1985.
2029
Mit Wirkung vom 1. Juli 1985 wur-
de Dr. Nordbruch zum Leutnant befördert.
2030
Durch Verfügung des Personalstammamtes der Bundes-
wehr vom 18. Dezember 1985 wurde Dr. Nordbruch dann
jedoch vom Studium der Pädagogik an der Universität der
Bundeswehr in München abgelöst. Ablösungsgrund war
der Vorwurf, in der Nacht vom 29. auf den 30. August
1985 bei einer Feier mit anderen Soldaten Schallplatten
mit Reden von Hitler, Göring und Goebbels sowie mit
Märschen und Marschliedern aus dem Dritten Reich ge-
spielt und dazu gesungen zu haben. Ferner sollen Gesprä-
che mit rassistischen und obszönen Inhalten bezüglich
jüdischer Frauen geführt worden und „Sieg Heil“-Rufe
erfolgt sein.
2031
Insofern bestand der Verdacht, dass
Dr. Nordbruch mit den „nationalsozialistischen Erschei-
nungsformen und Ansichten“ sympathisierte und damit an
einem „Charaktermangel“ leide.2032 Zusätzlich wurde die
Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft München I we-
gen des Verdachts von Straftaten nach den §§ 86a, 130
StGB abgegeben.
2033
Zum 30. Juni 1986 erfolgte der Dienstaustritt.
2034
Das Strafverfahren gegen Dr. Nordbruch wurde mit Ver-
fügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Mün-
chen I vom 15. Januar 1986 eingestellt.
2035
kk) M. P.
M. P. besuchte Jan Werner am 11. Februar 2002 in der
Untersuchungshaft. Im Jahr 1998 wollte seine Ehefrau
A. P. Beate Zschäpe nach dem Untertauchen des Trios
ihren Bundespersonalausweis zur Verfügung stellen.
2036
P. ist seit Jahren in der rechten Szene aktiv und betreibt
einen rechten Szeneladen in Aue.
2037
Zuvor betrieb P.
einen Szeneladen in Limbach. Er gründete im Jahr 1994
die rechte Szeneband „AEG“ („Auf eigene Gefahr“).2038
Zudem war er in der „Blood & Honour“-Gruppierung
Sachsen aktives Mitglied. Zu P. liegen ab 1991 bis 2008
eine Vielzahl von Eintragungen zu Staatsschutzdelikten in
Sachsen vor, häufig im Zusammenhang mit seinem Ge-
2029) Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses, MAT A
BMVg-3b, Bl. 389.
2030) Ernennung durch den Bundesminister der Verteidigung, MAT
A BMVg-3b, Bl. 552.
2031) Ablösung vom Studium, MAT A BMVg-3b, Bl. 396 f.
2032) Ablösung vom Studium, MAT A BMVg-3b, Bl. 396 f (397).
2033) Abgabe an die Staatsanwaltschaft, MAT A BMVg-3b, Bl.
560 f.
2034) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 409.
2035) Verfügung Ermittlungsverfahren u. a. gegen N., StA München,
MAT A BMVg-3b, Bl. 450 f.
2036) Rechtsextreme Bestrebungen in Königs Wusterhausen aus dem
Jahr 1998, MAT A BB-1, PDF-Bl. 34 ff. (36).
2037) Schreiben der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher-
schutz Berlin vom 19. April 2013, MAT A BE-3/11, Bl. 1;
Schreiben des LKA Thüringen vom 29. Juni 2000, MAT A TH-
1/15, Bl. 29 ff. (32).
2038) Vermerk des LKA Sachsen, MAT A SN-2/3-5, Bl. 71.
Drucksache 17/14600 – 248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
werbe.
2039
Im Jahr 1991 wurde er zudem wegen Landfrie-
densbruch verurteilt, im Jahr 1992/1993 wegen Volksver-
hetzung.
2040
P. leistete vom 1. Januar 1991 bis zum
31. Dezember 1991 seinen Grundwehrdienst zunächst im
Panzergrenadierbataillon 62 und ab dem 27. März 1991
im Verdichtungsdepot 17 in Torgau.
2041
Zuletzt hatte er
den Rang eines Gefreiten.
2042
Auffälligkeiten bezüglich extremistischer Bestrebungen
von P. sind weder in den Akten des MAD, noch des
BMVg vermerkt, obwohl P. während seiner Bundeswehr-
zeit im Jahr 1991 wegen Landfriedensbruch verurteilt
wurde.
ll) David Petereit
David Petereit ist seit den 90er Jahren Aktivist in der
neonazistischen Szene Mecklenburg-Vorpommerns.
2043
Seit 2005 ist er Mitglied der NPD.
2044
Heute ist Petereit
stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Mecklen-
burg-Vorpommern sowie Vorsitzender des NPD-
Kreisverbandes Mecklenburg-Mitte.
2045
Seitdem die NPD
wieder im Schweriner Landtag vertreten ist, ist Petereit
Mitglied der Fraktion als MdL.
2046
Bis zu deren Verbot
war er außerdem Mitglied der „Mecklenburgische Akti-
onsfront“.2047
Als Herausgeber des Fanzine Der Weisse Wolf wird er mit
der ersten öffentlichen Erwähnung des NSU in dem Vor-
wort der Ausgabe 1/2002 (Nr. 18) in Verbindung ge-
bracht.
2048
Hier erfolgte eine Danksagung an den NSU.
2049
2039) Aktenvermerk der PD Südwestsachen vom 10. Februar 2012,
MAT A SN-2/4g, Bl. 5 f. (6).
2040) Personagramm zu Jan Werner, MAT A SN-2/3-5, Bl. 56 ff.
(60).
2041) Wehrdienstbescheinigung vom 9. Dezember 1991, MAT A
BMVg-7/5, Bl. 170.
2042) Truppenausweis des M. P., MAT A BMVg-7/5, Bl. 171.
2043) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).
2044) Vermerk BKA vom 29. März 2012, MAT A BY-14/1b, Bl. 153
(155).
2045) http://www.landtag-mv.de/landtag/abgeordnete/petereit-
david.html vom 17. Juni 2013.
2046) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).
2047) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).
2048) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).
2049) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).
Weiterführende Hinweise zu Verbindungen von Petereit
zum NSU liegen nicht vor.
2050
Petereit leistete vom 1. September 1999 bis zum 31. Juli
2001 Wehrdienst
2051
bei der 1. bzw. 3. Kompanie des
Panzerflugabwehrkanonenbataillons 141.
2052
Zuletzt wur-
de er als Stabsdienstsoldat eingesetzt.
2053
Am 26. Oktober 1999 beantragte Petereit die Verlänge-
rung seines zehnmonatigen Grundwehrdienstes auf 23
Monate.
2054
Zu diesem Zeitpunkt hatte Petereit keinerlei
Eintragungen im Disziplinarbuch.
2055
Dieser Antrag auf
freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst wurde bewilligt.
2056
Am 18. November 1999 bewarb sich Petereit für die
Teilnahme am Auslandseinsatz KFOR.
2057
Auch führte Petereit im Rahmen seiner Ausbildung ver-
schiedene Schießübungen durch.
2058
Mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 erhielt er eine Be-
förderung zum Gefreiten.
2059
Die Beförderung zum Ober-
gefreiten erfolgte mit Wirkung vom 1. März 2000.
2060
Ein weiterer Antrag von Petereit für einen Auslandsein-
satz (KFOR/SFOR) erfolgte am 26. April 2000
2061
, dieser
wurde jedoch mit Schreiben vom 3. Mai 2000 unter Hin-
weis auf die erneute Berücksichtigung bei frei werdenden
Kapazitäten abgelehnt.
2062
Eine erneute Beförderung, diesmal zum Hauptgefreiten,
erfolgte mit Wirkung vom 1. Juni 2000.
2063
Nachdem Petereit die Grundwehrausbildung abgeschlos-
sen hatte, wurde er als Gehilfe im Geschäftszimmer der
Personalabteilung Panzerflugabwehrkanonenregiment 14
eingesetzt.
2064
Schließlich wurde gegen Petereit ein 5-tägiger Diszipli-
nararrest beantragt, da dieser am 8. November 2000 in der
Kaserne Mecklenburgische Schweiz, Basepohl im Frei-
2050) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (141).
2051) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 58.
2052) Versetzungs- und Kommandierungsverfügung, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 27.
2053) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-7/3, Bl. 59.
2054) Verlängerungsantrag, MAT A BMVg-7/3, Bl. 43 ff.
2055) Auszug aus dem Disziplinarbuch Teil I, MAT A BMVg-7/3,
Bl. 47.
2056) Änderung des Einberufungsbescheides, MAT A BMVg-7/3,
Bl. 48.
2057) Antrag auf Teilnahme am Auslandseinsatz Geconkfor, MAT A
BMVg-7/3, Bl. 32.
2058) Schießbuch, MAT A BMVg-7/3, Bl. 112 ff.
2059) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 31.
2060) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 50.
2061) Antrag auf Teilnahme am Auslandseinsatz KFOR/SFOR, MAT
A BMVg-7/3, Bl. 51.
2062) Ablehnung Antrag Auslandseinsatz, MAT A BMVg-7/3, Bl.
54.
2063) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 55.
2064) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-7/3, Bl. 59.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 249 – Drucksache 17/14600
zeitbüro Lieder von Frank Rennicke mit Gitarrenbeglei-
tung geübt habe.
„Ferner hat er eine Kopie des Liederbuches ‚Alle
meine Lieder von Anfang an‘ von Frank Rennicke
im militärischen Sicherheitsbereich der Kaserne
Mecklenburgische Schweiz in vorgenannter Tätig-
keit verwendet, obwohl er am 04.09.1999
2065
ak-
tenkundig belehrt wurde. Er hätte zu dem wissen
können und müssen, daß durch die geographische
Lage des Freizeitbüros direkt am Eingang der Ka-
serne KMS Soldaten von den Liedern Kenntnis er-
langen könnten, was dann auch tatsächlich bei den
Streifensoldaten geschah.“2066
In seiner Vernehmung gab Petereit seine Tätigkeiten
grundsätzlich zu.
2067
Die Tatsachen, dass einige Lieder
von Frank Rennicke indiziert sind, sowie dass er keine
politische Betätigung in der Kaserne und in Uniform
unternehmen darf, waren Petereit bekannt.
2068
Er äußerte
jedoch, dass er sich keiner Schuld bewusst sei, da das
Liederbuch seiner Ansicht nach nicht unter die am
4. September 1999 erfolgte Belehrung
2069
falle. Er habe
die Lieder extra im Freizeitbüro geübt, wo andere außer-
halb des Raumes nichts mehr hören könnten, um sich
nicht der Gefahr einer politischen Betätigung auszuset-
zen.
2070
Dass eines der Lieder die „Auschwitz-Lüge“
enthalte, habe er erst auf Nachfrage bei der Vernehmung
erkannt.
2071
Die Angelegenheit wurde am
10. November 2000 an die Staatsanwaltschaft weiterge-
geben.
2072
Der Disziplinararrestantrag wurde am 25. Januar 2001
vom Truppendienstgericht Nord abgelehnt.
2073
Begründet
wurde diese Entscheidung damit, dass man dem Soldaten
nicht nachweisen könne, exakt die Stellen gesungen und
geübt zu haben, die rechtsextremistisches Gedankengut
enthalten.
2074
Auch eine absichtliche Störung anderer
Soldaten durch seinen Gesang könne nicht bestätigt wer-
den, da er sich diesbezüglich extra in einem abgeschlos-
senen Raum aufgehalten habe.
2075
Ein Verstoß sei zwar
2065) Vgl. MAT A BMVg-7/3, 142 f.
2066) Antrag auf Disziplinararrest, MAT A BMVg-7/3, Bl. 129.
2067) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).
2068) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).
2069) Belehrung über die straf- und dienstrechtlichen Folgen des
Verwendens von Propagandamitteln rechtsradikaler Organisati-
onen im Bereich der Bundeswehr, MAT A BMVg-7/3, Bl. 142.
2070) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).
2071) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).
2072) Antrag auf Disziplinararrest, MAT A BMVg-7/3, Bl. 129 f.
2073) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff.
2074) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff.
2075) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff. (171).
objektiv gegeben, jedoch fehle es an einem subjektiven
Tatvorwurf, da Petereit unter anderem entsprechende
Dienstvorschriften nicht gekannt habe und die Belehrung
vom 4. September 1999 hierfür nicht ausreiche.
2076
Des
Weiteren fehle bezüglich der „Auschwitz-Lüge“ das
Merkmal der Öffentlichkeit sowie ein Hinweis, dass
Petereit die Judenvernichtung billige, leugne oder ver-
harmlose.
2077
Ein
„gewisses Mindestmaß an Gewicht und Evidenz
der Pflichtverletzung“2078
sei nicht gegeben, da
„dem Soldaten nicht nachgewiesen werden kann,
daß er auch antisemitische, ausländerfeindliche
oder sonst rechtsextremistische Zeilen gesungen
hat.“2079
Insofern erfolgten keine aktenkundigen Disziplinarmaß-
nahmen gegen Petereit. Die Tatsache, dass er im Rahmen
seiner Wehrdiensttätigkeit rechtsextremistisches Gedan-
kengut aufwies bzw. dass er sich bewusst mit diesem
auseinandersetzte und im Rahmen von Liedern verherr-
lichte, fand folglich letztlich keine disziplinarrechtliche
Beachtung.
Am 16. Oktober 2001 wurde Petereit stattdessen der
Einberufungsbescheid zur Alarmreserve zugestellt.
2080
Petereit bekundete sein Interesse an künftigem freiwilli-
gem Engagement als Reservist auch bezüglich von Aus-
landseinsätzen im Rahmen einer Erstbefragung mit Da-
tum vom 5. Juni 2005.
2081
Eine Beorderung erfolgte im
März 2006
2082
. Diese wurde jedoch mit Wirkung vom
21. November 2007 wieder aufgehoben.
2083
Die Aufhe-
bung erfolgte aus organisatorischen Gründen, nicht auf-
grund des vorangegangenen Vorfalls.
2084
mm) T. Ro.
T. Ro. war Mitglied bei der „Blood & Honour“-
Gruppierung und kannte das Trio in den 90er Jahren von
unterschiedlichen Veranstaltungen.
2085
Nach Untertau-
chen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe am
26. Januar 1998 quartierten diese sich circa zwei bis drei
2076) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff. (171).
2077) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff. (172).
2078) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff. (172).
2079) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff. (172).
2080) Einberufungsbescheid, MAT A BMVg-7/3, Bl. 68
2081) Erstbefragung, Dienstzeugnis, MAT A BMVg-7/3, Bl. 65.
2082) Mitteilung einer Beorderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 77.
2083) Aufhebung einer Beorderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 80.
2084) Aufhebung einer Beorderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 80.
2085) Vermerk des BKA vom 16. Mai 2012 im Ermittlungsverfahren
gegen Beate Zschäpe zum Auftrag PR vom 15. Mai 2012 zur
Zugehörigkeit des Trios zu „Blood & Honour“, MAT A GBA-
15a, Bl. 97 ff. (98).
Drucksache 17/14600 – 250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wochen in Ro.s Wohnung ein.
2086
In seiner Vernehmung
ging der Beschuldigte Starke davon aus, dass Ro. auch
nach deren Auszug weiter Kontakt zum Trio hatte.
2087
Ro.
selbst gab in seiner Vernehmung an, das Trio 2000 oder
2001 zwei- bis dreimal in Zwickau besucht zu haben.
2088
Ro. leistete vom 3. Januar 1994 bis zum
31. Dezember 1994 seinen Grundwehrdienst in der 5.
Kompanie des Pionierbataillons 701 in Gera.
2089
Seine
Allgemeine Grundausbildung absolvierte Ro. vom
3. Januar 1994 bis zum 30. März 1994 im oben genannten
Bataillon.
2090
Zudem schloss Ro. vom 5. April 1994 bis
zum 30. Juni 1994
2091
eine Spezialgrundausbildung ab,
bei der er die Lehrfächer „Gerät für den Pionierdienst“,
„Sprengen“, „Anlegen von Sperren“ und „Überwinden
von Sperren“ besuchte.2092 Ro. wurde am 1. Januar 1995
vom Gefreiten zum Hauptgefreiten befördert.
2093
Aus der Personalakte Ro.s bei der Bundeswehr ist nicht
ersichtlich, ob er während seiner Grundwehrdienstzeit
rechtsextremistisch aufgefallen ist oder als Rechtsextre-
mist eingestuft wurde. Akten des MAD zu Ro. gibt es
nicht.
nn) T. R.
T. R. ist ehemaliges Vorstandsmitglied der NPD in Thü-
ringen und war in den 90er Jahren im „THS“ aktiv.2094
Nach eigenen Angaben hat er sich vor einigen Jahren von
der rechten Szene distanziert.
2095
Beate Zschäpe und Uwe
Mundlos habe er Anfang der 90er Jahre im „Winzerclub“
in Jena kennengelernt, Uwe Böhnhardt erst im Jahr
1998.
2096
Nach Untertauchen des Trios 1998 habe er kei-
nen Kontakt mehr zu diesem gehabt und auch deren Auf-
enthaltsort nicht gekannt.
2097
2086) Personenbericht des BKA vom 20. April 2012 im Ermittlungs-
verfahren zu Beate Zschäpe, MAT A GBA-14/1a, Bl. 521 ff.
(553); Bericht des BKA vom 2. August 2012, Erkenntnisse zu
der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung Nationalsozialis-
tischer Untergrund, MAT A GBA-14/1e, Bl. 239 ff. (304).
2087) Beschuldigtenvernehmung des Thomas Starke durch das BKA
vom 25. Januar 2012, MAT A GBA-4/30, Bl. 23 ff. (43).
2088) Sachstandsbericht des BKA vom 27. März 2012 im Ermitt-
lungsverfahren zu Beate Zschäpe, MAT A GBA-14/1b, Bl. 388
ff. (395).
2089) Wehrdienstbescheinigung von November 1994, MAT A
BMVg-7/2, Bl. 143 .
2090) Lehrgangszeugnis der Allgemeinen Grundausbildung vom
22. März 1994, MAT A BMVg-7/2, Bl. 136.
2091) Datum ist aus den Akten nicht deutlich lesbar.
2092) Lehrgangszeugnis zur Spezialgrundausbildung, MAT A
BMVg-7/2, Bl. 140; Gesamtnotenüberlick, MAT A BMVg-7/2,
Bl. 141.
2093) Truppenausweis des T. Ro., MAT A BMVg-7/2, Bl. 123.
2094) Zeugenvernehmung des T. R. vom 13. Dezember 2011, MAT A
GBA-4/26, Bl. 17 ff. (19).
2095) Erkenntnisse des GBA vom 10. Dezember 2011, MAT A GBA-
4/26, Bl. 12 ff. (14).
2096) Erkenntnisse des GBA vom 10. Dezember 2011, MAT A GBA-
4/26, Bl. 12 ff. (14).
2097) Zeugenvernehmung des T. R. vom 13. Dezember 2011, MAT A
GBA-4/26, Bl. 17 ff. (20).
R. leistete von 1. März 2000 bis zum 31. Dezember 2000
seinen Grundwehrdienst bei der 2. Kompanie des Panzer-
artilleriebataillons 55 in Homberg ab.
2098
Bereits im April 1995 unterschrieb R. eine Bereitschafts-
erklärung, sich an Friedensmissionen der Vereinten Nati-
onen im Ausland beteiligen zu wollen.
2099
Eine Reaktion
auf diese Erklärung ist aus der Personalakte nicht ersicht-
lich und auch R. erklärte in einer Befragung durch den
MAD, dass er sich bei der Bundeswehr habe freiwillig
melden wollen, dies aber „nicht geklappt“ habe.2100
Während seines Grundwehrdienstes wurde R. als Richt-
kanonier an der Panzerhaubitze M 109 A36 und im Um-
gang mit Explosivstoffen speziell ausgebildet. Nach sei-
ner erfolgreichen Spezialgrundausbildung wurde R. an der
M 109 A36 als Munitions- und Ladekanonier weiterge-
bildet. Zudem nahm R. vom 4. Mai 2000 bis zum
11. Mai 2000 an einer Wachausbildung der 2. PzArt.Btl.
55 teil.
2101
Darüber hinaus absolvierte er vom
21. März 2000 bis zum 24. März 2000 eine Ausbildung
als Helfer im Sanitätsdienst.
2102
Im Laufe seines Grundwehrdienstes wurde R. am
1. September 2000 vom Gefreiten zum Obergefreiten
befördert.
2103
Über Auffälligkeiten zur Person R. in Bezug auf Rechts-
extremismus ist in der Personalakte nichts zu finden.
Jedoch fand während seiner Zeit bei der Bundeswehr eine
Befragung des MAD statt.
2104
In diesem Gespräch beant-
wortete R. sehr offen die ihm gestellten Fragen und erläu-
terte seinen Einstieg in die Szene sowie seine politischen
Einstellungen. So erklärte R. beispielsweise:
„Im 3. Reich seien nicht so viele Juden getötet
worden, wie immer behauptet werde, ob 6 oder 2
Millionen, wer wisse das schon. Schließlich sei er
nicht dabei gewesen, aber wenn 6 Millionen ver-
gast worden wären, stünden die Leute heute noch
am Ofen. Die Problematik der Ausschwitzlüge sei
ihm bekannt.
Adolf Hitler sei ein Mann, der etwas erreicht habe.
Vom Gefreiten im 1. Weltkrieg zum Reichskanzler
sei eine große Leistung. Er sei ein großer Mann
2098) Einberufung zum Grundwehrdienst vom 16. Januar 2000 und
Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,
Bl. 20, 46.
2099) Auskunft über die Bereitschaft, den Wehrdienst in Truppentei-
len abzuleisten, die für Friedensmissionen der Vereinten Natio-
nen eingesetzt werden können, MAT A BMVg-3/1, Bl. 18.
2100) Befragung von T. R. aus dem Jahr 2000, MAT A MAD-2/5,
Bl. 2.
2101) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,
Bl. 46.
2102) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,
Bl. 46.
2103) Beförderungsschreiben vom 15. August 2000, MAT A BMVg-
3/1, Bl. 41.
2104) Die Befragung datiert laut Mitteilung des BMVg vom
15. November 2000, MAT B BMVg-1, Bl. 1.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251 – Drucksache 17/14600
gewesen, sonst wären ja wohl nicht so viele hinter
ihm hergelaufen.“2105
Der MAD beschrieb R. in einer sich an die Befragung
anschließenden Beurteilung als einen offenen, freundli-
chen jungen Mann.
2106
Seine Offenheit bewertete der
MAD mit der Tatsache, dass sich R. bewusst war, bei
einem gesetzeskonformen Verhalten durch die Verfas-
sungsschutzbehörden nicht angreifbar zu sein. Grund für
die Auskunftsbereitschaft könne sein, dass er im Auftrag
der Szene versuchen sollte, Informationen über die Ar-
beitsweise des MAD zu beschaffen. Es solle aber auch die
Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sich R. in
einem Umbruch befinde und zögerlichen Kontakt zum
Ausstieg aus der Szene suche, wofür einige Dinge sprä-
chen.
2107
Weiter heißt es:
„Selbst wenn die Befrager nachbohrten und das
berechtigte Interesse an bestimmten Internas ver-
deutlichten, blieb die VP freundlich. Sie zeigte so-
gar Verständnis für die Belange des MAD und bat
darum, auch sie zu verstehen, nichts erzählen zu
können. Die VP wird als glaubwürdig beurteilt.
Insgesamt gesehen, insbesondere aufgrund ihrer
eigenen Einlassungen, ist die VP als Rechtsextre-
mist in der Bundeswehr zu sehen.
[…] Die VP ist in der Szene JENA stark verhaftet
und zählt dem Anschein nach zum engeren Kreis
des THS.“2108
Eine Weiterleitung der gewonnen Erkenntnisse durch den
MAD an die Dienstvorgesetzten von R. ist laut dem
VERANDA-Auszug am 9. August 2000 erfolgt.
2109
Nach
der Befragung wurde bezüglich R. vermerkt:
„Nach Auffassung besteht eine kleine Chance mit
der VP weiter in Kontakt zu bleiben und diese
möglicherweise an das LfV/TH übergeben zu kön-
nen.“2110
Am 19. Dezember 2000 gab es ein Treffen mit R., Vertre-
tern des MAD und Vertretern des LfV Thüringen.
2111
Beim LfV Thüringen betätigte sich R. in den Jahren von
Ende 2000 bis Mai 2001 im Anschluss tatsächlich mehr-
fach als Hinweisgeber.
2112
Am 29. Oktober 2002 wurde vom MAD der Soldat A. K.
befragt, der angab, dass R. Wehrsportübungen geleitet
habe, bei denen er seine „Rekruten“ körperlich bestrafte,
2105) Befragung von T. R., MAT A MAD-2/5, Bl. 5.
2106) Beurteilung zur Person des Befragten, MAT A MAD-2/5, Bl. 9.
2107) Beurteilung der Person des Befragten, MAT A MAD-2/5, Bl. 9,
10.
2108) Beurteilung zur Person des Befragten, MAT A MAD-2/5, Bl. 9.
2109) VERANDA-Auszug des MAD, MAT A MAD-2/5, Bl. 11.
2110) Beurteilung zur Person des Befragten, MAT A MAD-2/5,
Bl. 10.
2111) Erkenntnisse zu T. R. , MAT B BMVg-1, Bl. 1.
2112) Erkenntnisse des GBA vom 10. Dezember 2011, MAT A GBA-
4/26, Bl. 12 ff. (14).
und dass R. im Jahr 2000 an der Schändung eines jüdi-
schen Denkmals in Jena beteiligt war. Diese Erkenntnisse
finden in der Personalakte von R. keine Beachtung, da die
Befragung des Soldaten K. im Jahr 2002, also nach der
Grundwehrzeit von R., stattfand.
2113
Dem Dienstzeugnis, welches nur unvollständig vorliegt,
lässt sich eine abschließende Benotung R.s nicht entneh-
men.
2114
Seine Wehrdienstzeit konnte R. trotz der Offen-
legung seiner rechtsextremistischen Einstellung gegen-
über dem MAD regulär ableisten und sogar an einer Spe-
zialausbildung mit hochexplosiven Stoffen
2115
teilnehmen.
oo) H.-J. S.
Ein aus den Jahren 1995 bis 1997 stammender Schriftver-
kehr, der am 26. Januar 1998 in der vom Trio angemiete-
ten Garage gefunden wurde, belegt, dass H.-J. S. sowohl
Böhnhardt, Mundlos als auch Zschäpe persönlich kann-
te.
2116
In den Jahren ab 1994 sei es zu regelmäßigen ge-
genseitigen Besuchen gekommen.
2117
Auch staunte
Mundlos im Jahr 1996 in einem der Briefe, der an Thomas
Starke adressiert war, über die Waffen, die S. besitze.
2118
Nicht klar ist, ob es sich dabei um echte Waffen oder um
Deko-Waffen handelte.
2119
Gegen S. wurden 2009 wegen
Verstoßes gegen das Waffengesetz, Besitz von erlaubnis-
pflichtiger Munition und verbotenen Gegenständen i. S. d.
Waffengesetzes und wegen Volksverhetzung Verfahren
eingeleitet.
2120
S. befand sich auch auf der in der angemie-
teten Garage des Trios am 26. Januar 1998 gefundenen
Adressliste.
2121
Vom 1. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1992 leistete S. seinen
Grundwehrdienst und war zuletzt in der Nachschubkom-
panie 280 in Dornstadt eingesetzt. Dort war er für die
ordnungsgemäße Lagerung und den Transport von Muni-
tion verantwortlich.
2122
Mit Wirkung zum 1. Juni 1992
wurde S. zum Hauptgefreiten d. R. befördert.
2123
In sei-
nem Dienstzeugnis werden sowohl seine Führung als
2113) Befragung des Soldaten A. K. vom 29. Oktober 2002, MAT A
MAD-2/5, Bl. 14 ff.
2114) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,
Bl. 46.
2115) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,
Bl. 46.
2116) Vermerk des BKA vom 13. Juni 2012 zum Ermittlungsverfah-
ren gegen Thomas Starke, MAT A GBA-13, Bl. 279 ff. (280).
2117) Zeugenvernehmung von Barbara E. durch das BKA vom
24. Juli 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 329 ff. (334).
2118) Bericht zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-
Württemberg durch das LKA Baden-Württemberg (Stand: Ja-
nuar 2013), MAT A GBA-13, Bl. 282 ff. (294, 295).
2119) Zeugenvernehmung von Barbara E. durch das BKA vom
24. Juli 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 329 ff. (349).
2120) Anschreiben des IM BW vom 9. April 2013, MAT A BW-13b,
Bl. 1 ff. (8).
2121) Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 282, 283.
2122) Dienstzeugnis vom 10. Juni 1992, MAT A BMVg-7/5, Bl. 252.
2123) Beförderungsschreiben vom 16. Juni 1992, MAT A BMVg-7/5,
Bl. 247.
Drucksache 17/14600 – 252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
auch die Leistungen seiner Tätigkeit als Nachschubsoldat
mit „sehr gut“ bewertet.2124
Erkenntnisse zu rechtsextremistischen Bezügen während
oder vor seiner Wehrdienstzeit sind weder den Akten des
MAD noch des BMVg zu entnehmen. Allerdings bat der
MAD mit Schreiben vom 15. Februar 1997 um umgehen-
de, verdeckte Mitteilung, sollte der Wehrpflichtige zu
Wehrübungen einberufen werden oder sich freiwillig zum
Wehrdienst melden. Eine Begründung hierfür geht aus
dem Schreiben nicht hervor.
2125
pp) K. S.
K. S. war der Freund von Mandy Struck, was im Rahmen
von Observationsmaßnahmen zu Böhnhardt festgestellt
wurde.
2126
Als vermutliche Kontaktperson des Böhnhardt
wurde auch S. selbst im Jahr 2000 observiert.
2127
Die
Maßnahmen waren jedoch ergebnislos und wurden inso-
fern eingestellt.
2128
Bezüglich S. ergibt sich aus der Personalakte, dass dieser
vom 1. April 1995 bis zum 31. Januar 1996 Wehrdienst
leistete
2129
und zuletzt als Flugabwehrraketenbediener
Patriot in der 2. Staffel eingesetzt war.
2130
Mit Wirkung
zum 1. Oktober 1995 erfolgte eine Beförderung zum
Gefreiten,
2131
mit Wirkung zum 1. Februar 1996 zum
Obergefreiten der Reserve.
2132
Weitere Ausbildungen
erfolgten zum Soldaten der Luftwaffensicherheitsgruppe,
zum Helfer im Sanitätsdienst und zum
ABC/Selbstschutzsoldat.
2133
Während seiner Grundaus-
bildung erlernte S. das Schießen mit verschiedenen Waf-
fen.
2134
Aus einem Erkenntnisaustausch von Juli 1995 zwischen
dem MAD und dem LfV Bayern geht hervor, dass eine
Verbindung des S. zur rechtsextremistischen Skinhead-
Szene und ein gegen ihn anhängiges Verfahren nach § 86
a StGB bekannt waren.
2135
Das LfV Bayern sendete im
Rahmen dieses Erkenntnisaustauschs am 24. Juli 1995 an
den MAD eine Erkenntnisauflistung zu S., aus welcher
die Teilnahme an Skinhead-Auseinandersetzungen (u. a.
Ruhestörung und Randale), die Mitgliedschaft in einer
Skinhead-Gruppierung sowie die Verurteilung aufgrund
2124) Dienstzeugnis vom 10. Juni 1992, MAT A BMVg-7/5, Bl. 252.
2125) Schreiben des MAD vom 15. Februar 1997, MAT A BMVg-
7/5, Bl. 256.
2126) LKA TH, Anlage zu TKÜ-Maßnahmen des Dezernats
12/Zielfahndung vom 7. März 2003, MAT A TH-2/16, Bl. 327
ff. (330).
2127) Ersuchen Unterstützung des LKA TH, MAT A SN-7/9, Bl. 43,
Observationsbericht S. vom 5. Oktober 2000, Bl. 47 ff.
2128) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 142, Rn. 283.
2129) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 663.
2130) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-3b, Bl. 661.
2131) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 658.
2132) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 659.
2133) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-3b, Bl. 661
2134) Schießbuch, MAT A BMVg-3b, Bl. 621 f.
2135) Erkenntnisaustausch, MAT A MAD-2/6, Bl. 25.
des § 86 a StGB aus dem Jahr 1992 hervorgehen.
2136
Insofern lagen über S. in der Zeit seiner Ableistung des
Grundwehrdienstes Informationen darüber vor, dass er
sich in rechtsextremistischen Kreisen bewegte und auch
rechtsextremistisch motivierte Tätigkeiten durchführte.
Aus den Akten geht nicht hervor, dass diesbezüglich
Gegenmaßnahmen unternommen wurden.
qq) T. S.
T. S. wurde 2002 vom LG Berlin wegen Verwendens von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu zwei
Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. In diesem
Urteil wurde auch ausgeführt, dass S. seit Jahren in der
rechten Szene verankert sei.
2137
Eine Quelle des PP Dort-
mund gab zudem an, S. zusammen mit Mundlos am
1. April 2006, drei Tage vor dem Mord an Mehmet
Kubaşik in Dortmund, am dortigen Bahnhof gesehen zu
haben.
2138
Etwaige Kontakte zum Trio, bis auf die unbe-
stätigte Mitteilung der Quelle, sind aus den übersandten
Unterlagen nicht ersichtlich.
S. leistete seinen Grundwehrdienst vom 4. Oktober 1994
bis zum 30. September 1995 in der 5. Kompanie des Pan-
zerbataillons 373 (Heer) in Doberlug-Kirchhain.
2139
Ab
dem 1. Januar 1995 wurde S. als Militärkraftfahrer auf
dem Kampfpanzer Leopard 1A5 ausgebildet.
2140
S. wurde
einmalig am 1. April 1995 zum Gefreiten befördert.
2141
Wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erhielt er am
31. Mai 1995 eine Förmliche Anerkennung. In dieser wird
ausgeführt:
„Er hat während des Truppenübungsplatzaufent-
halts auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück vom
05.05.95 bis 26.05.95 als Panzerfahrer die beiden
anderen Kraftfahrer und Lehrgangsteilnehmer des
MFT-Zuges der 6. Kompanie mit angeleitet und
dabei ein überdurchschnittliches Verantwortungs-
bewusstsein sowie besonders hohe Einsatzbereit-
schaft gezeigt.“2142
Rechtsextremistische Erkenntnisse zu S. lagen dem
BMVg offensichtlich nicht vor. Auch in den Akten des
MAD finden sich keine Dokumente, die belegen, dass S.
dem MAD auffällig geworden sei. Jedoch richtete sich am
23. April 1997 ein Ersuchen des MAD an das Kreiswehr-
ersatzamt Cottbus, mit der Bitte auf Unterrichtung vor
„Einplanung/Einberufung des Wehrpflichtigen zu einer
2136) Erkenntnisaustausch, MAT A MAD-2/6, Bl. 26.
2137) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002,
Az. (502) 81 Js 3900/02 KLs (36/02), MAT A GBA-15c/,
Bl. 62 ff.
2138) Bericht des BKA im Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschä-
pe vom 13. Dezember 2011, MAT A GBA-15c/, Bl. 8 ff. (8).
2139) Wehrdienstbescheinigung, MAT A BMVG-3/10, Bl. 38.
2140) Dienstzeugnis vom 27. September 1995, MAT A BMVg-3/10,
Bl. 40.
2141) Beförderungsschreiben vom 31. März 1995 zum 1. April 1995,
MAT A BMVg-3/10, Bl. 34.
2142) Förmliche Anerkennung vom 31. Mai 1995, MAT A BMVg-
3/10, Bl. 35.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 253 – Drucksache 17/14600
Wehrübung“.2143 Hierbei stellt sich die Frage nach dem
Hintergrund der Unterrichtungsbitte durch das MAD.
rr) Carsten Schultze
Carsten Schultze gehörte der „Kameradschaft Jena“ an,
welche zu den Sektionen des „THS“ zählt.2144 Schultze
stand aufgrund dieser Mitgliedschaft neben Wohlleben
und Kapke mit dem Trio in enger Verbindung.
2145
Teil-
weise war Schultze sogar einzige Kontaktperson des
Trios.
2146
Beispielsweise stieg er im März 1999 in die
ehemalige Wohnung der Zschäpe ein, um Sachen für
diese zu holen
2147
und überwies im April 1999 Spenden-
gelder für die geflüchteten Drei.
2148
Am 20. Mai 1999 soll
ein NPD-Kreisverband in Jena gegründet worden sein,
dessen Vorsitz Schultze übernahm.
2149
Ab Ende 2000 beteiligte sich Schultze aus persönlichen
Gründen nicht mehr an politischen Aktivitäten, trat aus
seinen Ämtern aus und zog sich aus der rechtsextremisti-
schen Szene zurück.
2150
Er äußerte letztlich während des
Ermittlungsverfahrens, dass er für die Waffenbesorgun-
gen und -übergaben an das Trio mitverantwortlich
war.
2151
Über Schultze liegt dem Bundesverteidigungsministerium
keine Personalakte vor.
Am 29. Juni 1999 wurde vom BMVg in einem Treffbe-
richt vermerkt, dass bei einer Einberufung von Schultze
zum Grundwehrdienst zwingend die Aufnahme einer
nachrichtendienstlichen Operation im Aufgabenbereich
Extremismus-/Terrorismusabwehr erforderlich sei.
2152
Ebenfalls im Jahr 1999 lagen dem MAD Informationen
vor, dass Schultze künftig eine verstärkte Rolle im „THS“
zukommen würde.
2153
2143) Schreiben des MAD vom 23. April 1997, MAT A BMVg-3/10,
Bl. 49.
2144) Auswertevermerk zum „Thüringer Heimatschutz“ vom
20. Dezember 2011, MAT A BY-14/1a, Bl. 48 ff. (53).
2145) Auswertevermerk zum „Thüringer Heimatschutz“ vom
20. Dezember 2011, MAT A BY-14/1a, Bl. 48 ff. (65).
2146) Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, Erkenntnisse zu
den Personen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, MAT A BY-
14/1a, Bl. 67 (78 f.).
2147) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Uwe Mundlos (Anlage
A), MAT A BY-14/1a, Bl. 67 (106).
2148) Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, Erkenntnisse zu
den Personen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, MAT A BY-
14/1a, Bl. 67 (78).
2149) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Carsten Schultze, MAT
A BY-14/1a, Bl. 428 (433).
2150) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Carsten Schultze, MAT
A BY-14/1a, Bl. 428 (436).
2151) BKA; Auswertung der Angaben der Beschuldigten, MAT A
BY-14/1a, Bl. 494 f.
2152) Treffbericht, MAT A BMVg-5/4, (Tgb.-Nr. 43/12 – VS-
VERTRAULICH) Bl. 41 ff. (47).
2153) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1238.
Des Weiteren war in den Akten des MAD vermerkt, dass
Schultze zum Kreisverbandsvorsitzenden eines NPD-
Kreisverbandes in Jena gewählt wurde.
2154
Schultze erhielt nach eigenen Angaben einen Einberu-
fungsbescheid zur Ableistung des Grundwehrdienstes.
2155
Jedoch teilte das Kreiswehrersatzamt ihm kurzfristig mit,
dass von einer Einberufung Abstand genommen wer-
de.
2156
Hierüber sei Schultze sehr verärgert gewesen, da er
unbedingt für den Dienst an der Waffe habe ausgebildet
werden wollen.
2157
ss) S. T.
S. T. wurde als mutmaßlicher Aktivist des „THS“ genannt
und war in der Kameradschaft/Sektion Saalfeld-
Rudolstadt aktiv.
2158
Letztere Erkenntnis war bereits im
Jahr 1995 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen
Verdachts eines Verstoßes gegen § 129 StGB bekannt.
2159
S. T. leistete vom 1. April 1996 bis zum 31. Januar 1997
seinen Grundwehrdienst als Kraftfahrzeug- und Panzer-
schlosser, zuletzt in der 1. Kompanie des Transportbatail-
lons 133 in Erfurt.
2160
Mit Wirkung zum 1. Oktober 1996
wurde S. T. zum Obergefreiten befördert.
2161
In seinem
Dienstzeugnis wurden seine Führung mit „befriedigend“,
seine Leistungen mit „gut“ bewertet.2162
Dem VERANDA-Auszug lässt sich entnehmen, dass S. T.
durch den MAD mehrfach befragt wurde. Die Gespräche
fanden am 18. Juni 1996
2163
, am 9. Juli 1996
2164
und am
16. Januar 1997
2165
statt. Er wurde im VERANDA-
Auszug als Angehöriger und Aktivist der „Anti-Antifa
Ostthüringen“ bewertet, ein verfassungsfeindlicher Hin-
tergrund wurde bejaht. Der MAD stellte am
3. November 1997 ein Ersuchen auf Nichtheranziehung
zu Wehrübungen. Außerdem wurden das LfV Thüringen,
2154) MAT A MAD-4/1 (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 41 f.
2155) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Carsten Schultze, MAT
A BY-14/1a, Bl. 428 (435).
2156) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 769.
2157) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr.18/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1847.
2158) MAT B TH-3 2862.00-26-1997 (Band 2), PDF-Bl. 37.
2159) Bericht im Ermittlungsverfahren des LKA Thüringen vom
13. November 1995, MAT A TH-2/41, Bl. 2 ff. (4).
2160) Dienstzeugnis vom 20. Januar 1997, MAT A BMVg-3/14,
Bl. 290.
2161) Beförderungsschreiben vom 30. September 1996, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 288.
2162) Dienstzeugnis vom 20. Januar 1997, MAT A BMVg-3/14,
Bl. 290.
2163) Befragung durch den MAD vom 18. Juni 1996, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 324 ff.
2164) Befragung durch den MAD vom 9. Juli 1997, MAT A BMVg-
3/14, Bl. 337 ff.
2165) Befragung durch den MAD vom 16. Januar 1997, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 345 ff.
Drucksache 17/14600 – 254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
das LfV Bayern und das BfV über den Sachstand zu S. T.
informiert.
2166
In der Befragung des MAD vom 18. Juni 1996 wurde zu
den Ausführungen von S. T. festgehalten:
„Eine SaZ-4 Freiwilligenbewerbung (FA-Süd) sei
aus gesundheitlichen Gründen negativ beschieden
worden bzw. die Einberufung nach TH ermögliche
es der VP, die kameradschaftl./ freundschaftlichen
Kontakte im Bereich
RUDOLSTADT/SAALFELD zu pflegen/zu inten-
sivieren, daher sei der GWD bis dato ,optimal ge-
laufen‘. […]2167
Auf die Frage, wie die VP z. B. Rechtsextremisten
beurteile, die in der Bw Dienst leisten, antwortete
sie, daß hier bei der richtigen Definition des
Rechtsextremisten eine Gefährdung der Streitkräf-
te durchaus erkennbar ist, z. B. was Waffenbe-
schaffungsversuche, Beeinflussung von Soldaten
od. politische Agitation usw. betrifft. Derartige
Aktivitäten würde T., S. nicht befürworten, da sich
der größte Teil der Wehrpflichtigen aufgrund des
Alters/der Unerfahrenheit der Tragweite entspre-
chender Handlungsweisen nicht bewußt ist/die Ge-
fahren nicht erkennt.“2168
In der Befragung des MAD vom 9. Juli 1996 gab S. T. an,
dass der MAD akzeptieren müsse, dass er auch während
der Ableistung des Wehrdienstes seine Kontakte zur „An-
ti-Antifa“ und weiteren Komplexen aufrecht erhalten
werde sowie an Veranstaltungen, Treffen usw. teilnehmen
werde.
2169
Auch führte S. T. in einer weiteren Befragung
am 16. Januar 1997 durch den MAD aus, dass er sich als
politisch aktiver Nationalist verstehe und auch in Zukunft
verstehen werde, der nur ein national geprägtes Deutsch-
land akzeptieren könne:
„Denn klar ist, daß es so wie bisher nicht in dieser
Republik weitergehen kann; die Zeit wird zeigen,
welche Staatsform dann die Bürger fordern wer-
den.“
„Die Demokratie/die derzeitige Parteienlandschaft
ist doch für die Probleme verantwortlich, also
müssen diese abgeschafft werden.“2170
Trotz seiner eindeutigen rechtsextremistischen Einstel-
lung konnte S. T. seinen Wehrdienst regulär ableisten.
2166) VERANDA-Auszug, MAT A BMVg-3/14, Bl. 317.
2167) Befragung durch den MAD vom 18. Juni 1996, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 324 ff. (324).
2168) Befragung durch den MAD vom 18. Juni 1996, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 324 ff. (333).
2169) Befragung durch den MAD vom 9. Juli 1996, MAT A BMVg-
3/14, Bl. 337 ff. (342).
2170) Befragung durch den MAD vom 16. Januar 1997, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 345 ff. (346 f.).
tt) R. W.
R. W. gehörte laut dem BKA in den 90er Jahren der rech-
ten Skinheadszene in Jena an und spielte mit Tom Turner
in der Band „Vergeltung“. Anfang der 90er Jahre war er
zudem mit Uwe Mundlos befreundet, bis sich dieser stär-
ker politisch orientierte.
2171
Die Zeugin Ulrike P. erklärte
in ihrer Vernehmung vom 6. Juni 2012, dass sie sich vor
1996 in einer Clique mit Böhnhardt, Mundlos und Zschä-
pe befunden hätte, in der auch W. zugegen war.
2172
In
einem Informationsschreiben über die Anmeldung einer
Demonstration des „Thüringer Heimatschutzes“ vom
8. Februar 1995, welche von Zschäpe abgegeben wurde,
wurde W. als stellvertretender Leiter der Demonstration
aufgeführt. In diesem Informationsschreiben wurde zu-
dem erwähnt, dass W. wegen Landfriedensbruch und
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Or-
ganisationen einschlägig vorbestraft sei.
2173
W. war au-
ßerdem auf der am 26. Januar 1998 in der vom Trio an-
gemieteten Garage gefundenen Adressliste aufgeführt.
2174
W. leistete vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Oktober 1997
seinen Grundwehrdienst als Pipelinepionier in der Spezi-
alpionierkompanie 700 in Tautenhain.
2175
Am
23. Juni 1997 wurde W. mit Wirkung zum 1. Juli 1997
vom Gefreiten zum Obergefreiten befördert.
2176
Trotz der Vorbestrafung W.s wegen Landfriedensbruch
und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen und seiner Zugehörigkeit zum „THS“
bereits vor seiner Bundeswehrzeit, sind weder aus den
Akten des BMVg noch aus denen des MAD Erkenntnisse
zu W. vermerkt.
uu) J. W.
Gegen J. W. wurde am 23. Januar 2012 ein Ermittlungs-
verfahren mit dem Vorwurf der Unterstützung des NSU
als terroristischer Vereinigung ab 2002 und wegen Beihil-
fe zu besonderes schwerem Raub im Jahr 1998 eingelei-
tet.
2177
Er soll dem Trio etwa im September 1998 eine
Schusswaffe besorgt und zur Verfügung gestellt haben,
damit dieses Raubüberfalle begehen konnte.
2178
W. hatte
2171) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012 zum Ermittlungsverfah-
ren gegen Beate Zschäpe und den Ermittlungen zu den Telefon-
listen des Mundlos, MAT A GBA-4/34, Bl. 155 ff. (173).
2172) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012 zum Ermittlungsverfah-
ren gegen Beate Zschäpe und den Ermittlungen zu den Telefon-
listen des Mundlos, MAT A GBA-4/34, Bl. 155 ff. (165, 166).
2173) Information über die Anmeldung einer Demonstration in Jena
für den 11. 2. 1995 durch die „Interessengemeinschaft Thürin-
ger Heimatschutz“, MAT B TH_25-1202-62012, Bl. 481 ff.
(481, 482).
2174) Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 282, 283.
2175) Versetzungsverfügung vom 16. Juni 1997, MAT A BMVg-
7/2, Bl. 180.
2176) Beförderungsschreiben vom 23. Juni 1997, MAT A BMVg-7/2,
Bl. 181.
2177) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (123).
2178) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (124).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 255 – Drucksache 17/14600
insofern offensichtlich ein enges Vertrauensverhältnis zu
Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos.
2179
Auch ist W. mehr-
fach polizeilich in Erscheinung getreten bzw. lagen zur
Zeit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bereits
verschiedene Urteile gegen ihn vor:
W. wurde
„durch das Amtsgericht Chemnitz vom 28. No-
vember 2000 (14 Ls 230 Js 47667/98) wegen
Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verwen-
den von Kennzeichen verfassungswidriger Organi-
sationen in zwei Fällen und durch das Landgericht
Dresden vom 6. Juni 2005 (14 KLs 205 Js
6377/00) wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit
Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
und Verbreiten von Propagandamitteln verfas-
sungswidriger Organisationen“
verurteilt.
2180
„Daneben ist der Beschuldigte W. ausweislich der
Mitteilung des Landeskriminalamts Sachsen in den
Jahren 1998 bis 2005 mehrfach im Zusammenhang
mit gleichgelagerten Delikten polizeilich aufgefal-
len.“2181
Weiterhin war er Leiter der sächsischen Sektion von
„Blood & Honour“.2182
W. leistete vom 1. April 1996 bis zum 31. Januar 1997
Wehrdienst.
2183
Eingesetzt wurde er als Transportsoldat in
der 3. und 6. Kompanie des Transportbataillons 133.
2184
Während seiner Grundausbildung erfolgten verschiedene
Schießübungen.
2185
W. wurde der Status des Sicherungs-
soldaten zuerkannt.
2186
Die Beförderung zum Gefreiten
erfolgte mit Wirkung vom 1. Juli 1996
2187
, die Beförde-
rung zum Obergefreiten mit Wirkung zum
1. Oktober 1996.
2188
Am 11. Dezember 1996
2189
führte der MAD eine Befra-
gung von W. durch, in welcher dieser aussagte, dass er
„seit ca. 1993 zur Chemnitzer-Skin-Szene“
gehöre.
2190
2179) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (127 f.).
2180) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (128).
2181) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (128).
2182) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (128).
2183) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 720.
2184) Einberufungsbescheid, MAT A BMVg-3b, Bl. 705, Verset-
zungsverfügung, MAT A BMVg-3b, Bl. 721.
2185) Schießbuch, MAT A BMVg-3b, Bl. 679 ff.
2186) Lehrgangszeugnis, -nachweis, MAT A BMVg-3b, Bl. 712.
2187) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 714.
2188) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 715.
2189) Auszug VERANDA-Datensatz, MAT A MAD-2/2, Bl. 4.
2190) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9.
„Diese Zugehörigkeit sei auf seinen Freundeskreis
und seine Vorliebe für Musik – insbesondere Skin-
Musik – zurückzuführen. Dementsprechend sei
seine Zugehörigkeit zur Skin-Szene nicht politisch
motiviert.“2191
Weiterhin war dem MAD spätestens durch diese Befra-
gung bekannt, dass W. Herausgeber der Zeitschrift Foier
frei ist, worüber er auch engen Kontakt zu M. H. und
M. P. hatte.
2192
W. räumte ein, dass aufgrund eines Arti-
kels, der in diesem Fanzine erschienen ist, zum Befra-
gungszeitpunkt ein Verfahren nach § 86a StGB anhängig
war.
2193
Außerdem sei er zwar selbst kein Mitglied von
„Blood & Honour“, habe aber zumindest Verbindungen
zu Mitgliedern dieser Organisation und besuche regelmä-
ßig verschiedene Skin-Veranstaltungen.
2194
Aus dem
VERANDA-Datensatz mit Bearbeitungszeit einer nach-
richtendienstlichen Operation vom 7. Juni 1996 bis zum
16. April 1997 geht hervor, dass ein verfassungsfeindli-
cher Hintergrund des W. verneint wurde.
2195
Im selben
Auszug des VERANDA-Datensatzes wurde W. jedoch als
„aktives Mitglied der rechtsextremistischen
Skinheadszene Blood & Honour“
bezeichnet.
2196
2191) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9.
2192) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9.
2193) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9 ff.
(10).
2194) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9 ff.
(10).
2195) Auszug VERANDA-Datensatz, MAT A MAD-2/2, Bl. 4.
2196) Auszug VERANDA-Datensatz, MAT A MAD-2/2, Bl. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 257 – Drucksache 17/14600
D. V-Leute und Gewährspersonen
I. V-Mann-Werbung und -Führung des LfV
Thüringen
1. Überblick
Zum Einsatz von menschlichen Quellen im Rahmen der
Suche nach dem Trio durch das Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz stellte die Schäfer-Kommission fest:
„Das TLfV führte seinerzeit zwei V-Leute, die
nach dessen Abtauchen auch Informationen zum
Trio lieferten. Hierbei handelte es sich um die für
die Beobachtung des Trios sehr wichtige Quelle
2045/2150 [= Tino Brandt] mit den Decknamen
‚Otto‘/‚Oskar‘ und um die Quelle 2100. […]
Schließlich existierten als Informanten des TLfV
noch die Gewährspersonen Tristan und Alex sowie
Gelegenheitsinformanten, die jedoch alle eine un-
tergeordnete Rolle spielten.
Das TLfV erhielt von den vorgenannten Personen
von Februar 1998 bis Dezember 2001 zum TRIO
insgesamt etwa 47 Quellenmitteilungen, wobei der
ganz überwiegende Teil von dem V-Mann 2045/
2150 stammte.“2197
Nach Angaben des damaligen Vizepräsidenten des LfV
Thüringen, des Zeugen Nocken, waren im LfV Thüringen
in den Jahren 1997 bis 2001 sechs oder sieben, jedenfalls
aber unter zehn V-Leute im Einsatz.
2198
Ihm seien alle
Quellen des LfV sowohl mit ihren Klar- als auch in aller
Regel mit ihren Arbeitsnamen bekannt gewesen.
2199
2. Regelungen der Werbung und Führung
von V-Leuten in Thüringen in den 90er-
Jahren
Dienstvorschriften für die Anwendung nachrichtendienst-
licher Mittel gab es damals nicht. Der Zeuge Nocken hat
hierzu ausgesagt:
„So heißt es da in § 6 Abs. 2 [Thüringer Verfas-
sungsschutzgesetz] wörtlich:
Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer
vom Innenministerium zu erlassenen Dienstvor-
schrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für
die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen
regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentari-
schen Kontrollkommission zu übersenden.
2197) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 145 f.
2198) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.
2199) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 22 f.
Dies ist in der Tat nie geschehen, obwohl ich
mehrfach mit dem Fachaufsichtsreferat darüber
gesprochen und die Erarbeitung dieser Vorschrift
verlangt habe. In der praktischen Arbeit haben wir
als zuständige Beamte des Thüringer Landesamtes
in der Interimszeit die Dienstvorschrift des Bun-
desamtes zur Anwendung gebracht. Dabei gilt als
rechtlich unproblematisch die Anwerbung und
Führung zum Beispiel von Schatzmeister oder Per-
sonen mit ähnlichen Funktionen. Insbesondere
enthielten die Dienstvorschriften seinerzeit […]
kein generelles Verbot, Spitzenfunktionäre einer
Organisation zu werben oder zu führen. Das be-
deutete konkret: Zentral platzierte Quellen mit Zu-
gang zu den Entscheidungsgremien haben den
Vorteil, mithilfe weniger V-Leute ein realistisches
Bild über Ziele, Methoden, Aktivitäten und Pla-
nungen einer extremistischen Gruppe als Ganzes
zu gewinnen. Lagebilder, die auf Zugängen von V-
Leuten zu Spitzenentscheidungen basieren, sind
präziser als solche, die sich auf Informationen von
Mitläufern beschränken. Je höher ein V-Mann in
der extremistischen Gruppe angesiedelt ist, desto
wertvoller ist er für die Erfüllung des gesetzlichen
Beobachtungsauftrages.
Die erreichte hohe Hierarchiestufe muss nicht un-
bedingt zum Abbruch der Informationsbeschaf-
fung führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ei-
ne Gruppe sich nicht mehr nur im Sinne einer ver-
fassungsfeindlichen Ideologie äußert, sondern sich
aggressiv-kämpferisch radikalisiert. Die staatliche
Sicherheitsgewährpflicht steht dann einer Pflicht
zum Ausstieg aus der Informationsbeziehung, das
heißt einem gewissermaßen selbstverordneten In-
formationsverzicht, entgegen.
Alle diese Voraussetzungen waren bei der Be-
obachtung der Neonazis aus Jena voll erfüllt und
die Bearbeitung auch mit Quellen daher in allen
Ausprägungen rechtmäßig.“2200
Dieser Einschätzung hat der Zeuge Sippel, der Nachfolger
von Dr. Roewer im Amt des LfV-Präsidenten ab 2000,
teilweise widersprochen:
„Was den Sachgehalt der Aussage von Herrn No-
cken anbelangt, dass, je höher eine Quelle angesie-
delt ist in der Hierarchie, desto wertiger die Infor-
mationen sind, mag er ja richtig liegen in der Aus-
sage. Je höher eine Person angesiedelt ist in der
Hierarchie, desto mehr bekommt sie mit. Ein
Kreisverbandsmitglied, ein Mitläufer wird weniger
2200) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 128 f.
Drucksache 17/14600 – 258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erfahren über die strategischen Planungen einer
Partei als jemand, der oben im Vorstand sitzt und
selbst die Strategie mitbestimmt.
Auf der anderen Seite muss man natürlich sehen,
dass die Informationserlangung dann ihre Grenzen
findet, wenn der Verfassungsschutz Gefahr läuft,
selbst die Zielrichtung des Beobachtungsobjektes
mit zu beeinflussen und zu bestimmen, das heißt,
die Staatsfreiheit dieser Organisation - das ist ja
vom Bundesverfassungsgericht auch im Rahmen
des NPD-Verbotsverfahrens thematisiert worden -
gefährdet ist. Und insofern bin ich der Auffassung,
dass man mit Personen, die die Zielrichtung dieses
Beobachtungsobjektes entscheidend mitbestim-
men - das ist sehr weich formuliert, und das ist
auch auslegbar; das ist interpretierbar; aber ich
denke, man kann auch mit dieser Interpretierung
zu klaren Entscheidungen kommen - - dass mit
diesen Personen eine Zusammenarbeit nicht statt-
finden kann.“2201
Infolge dessen habe er bereits am 4. Dezember 2000, drei
Wochen nach seinem Amtsantritt, eine Hausverfügung
erlassen, wonach künftig keine V-Leute mehr geführt
werden durften, die die Zielsetzung des Beobachtungsob-
jekts entscheidend bestimmen.
2202
Eine Dienstvorschrift “Beschaffung“ für das Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz wurde erst zum 1. Mai
2002 in Kraft gesetzt.
2203
3. Arbeitsweise des LfV Thüringen hinsicht-
lich der V-Mann-Werbung und -Führung
Vor einer Ansprache bedarf es nach Aussage des Zeugen
Wießner, damaliger Leiter des Referats „Forschung und
Werbung“ im LfV Thüringen, einer Genehmigung durch
den Beschaffungsleiter oder den Präsidenten.
2204
Der
Werber betreut einen V-Mann nach der Anwerbung zu-
nächst etwa ein Vierteljahr und gibt ihn dann an die V-
Mann-Führung ab.
2205
Im Regelfall findet ein Übergabe-
gespräch statt, wenn eine Quelle an einen anderen Quel-
lenführer übergeht.
2206
Der ehemalige Präsident des LfV Thüringen, Dr. Roewer,
hat ausgesagt, dass er auch selbst V-Leute angeworben
und geführt habe.
2207
Er hat dargelegt:
„Also mit der Führung, das ist so eine Geschichte.
Was mich angeht, ist es so gewesen, dass über
mich Anwerbungen deswegen stattgefunden ha-
ben, weil ich bekannt genug war bei verschiedenen
2201) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 156.
2202) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 136.
2203) MAT A TH-3/6, Ordner II, Anlage 5, (Tgb.-Nr. 78/12 – Ge-
heim), Bl. 74-111 (VS-VERTRAULICH).
2204) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.
2205) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 4.
2206) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.
2207) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 93.
Veranstaltungen oder in der Öffentlichkeit, dass
Leute mich angesprochen haben.“2208
Er hat bestritten, die V-Mann-Führung deshalb übernom-
men zu haben, weil er kein Vertrauen zu seinen eigenen
V-Mann-Führern gehabt habe, und hierzu erklärt:
„Nein, das ist anders. Wenn der Kontakt mit dem
Behördenleiter zustande kommt, wird er gut daran
tun, sozusagen erst mal weiterzugucken, wie das
geht mit dieser Quelle. Es sei denn, er traut sich
nicht.“2209
Ende 1995 oder Anfang 1996 wurde im LfV Thüringen
die „Auswertung“ und „Beschaffung“ organisatorisch
zusammengeführt.
2210
So war der Zeuge Schrader von
1996 bis 1999 Referatsleiter „Beschaffung und Auswer-
tung für Rechtsextremismus“. In diesem Referat waren
drei Beschaffer, zwei Ermittler und etwa zehn Auswer-
ter.
2211
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, es sei nicht
unüblich gewesen, dass die Beschaffer erst einmal die
Akten behalten und erst, wenn bestimmte Schritte abge-
schlossen worden seien, der „Auswertung“ übergeben
hätten.
2212
Der Zeuge Wießner hat angegeben, das bis dahin von ihm
geleitete Referat „Forschung und Werbung“ sei 1998
abgeschafft worden. Mit der gesamten Reform habe sich
die Struktur des Landesamtes für Verfassungsschutz total
geändert. Danach sei jedes Referat für Forschung, Wer-
bung, V-Mann-Führung, Auswertung etc. selbst verant-
wortlich gewesen.
2213
4. Einfluss von Straftaten auf die Eignung als
V-Person?
Der Zeuge Nocken hat angegeben, wenn das LfV von
einer Straftat einer Quelle erfahre, müsse man überlegen,
ob trotz dieser Straftaten die Quelle weiter geführt oder
abgeschaltet werde.
2214
Er hat erklärt:
„Wir sagen den Quellen, sie sollen keine Straftaten
begehen. Wenn das natürlich irgendwelche Dinge
sind, die dann auftauchen, dann müssen Sie die
eben akzeptieren, diese Strafen, und dann muss
man überlegen, ob man die Quelle abschaltet.“2215
2208) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 93.
2209) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 93.
2210) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.
2211) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.
2212) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
2213) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.
2214) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.
2215) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 259 – Drucksache 17/14600
5. Informationsfluss zwischen der StA Gera
und Verfassungsschutzbehörden außer-
halb der Suche nach dem Trio
Der Ausschuss hat sich mit der Frage befasst, wie der
Informationsfluss zwischen den Ermittlungsbehörden und
dem Verfassungsschutz in Thüringen erfolgte. Im Raum
stand der Verdacht, dass der Verfassungsschutz bei den
Ermittlungsbehörden Informationen abschöpfte, diese
Informationen jedoch nutzte, um seine V-Leute vor Er-
mittlungsmaßnahmen zu schützen, seinerseits aber den
Ermittlungsbehörden nur wenige Erkenntnisse übermittel-
te.
Oberstaatsanwalt Schultz hat hierzu ausgesagt, 1996 und
1997 habe es einen regen Informationsaustausch gegeben:
„Das sah so aus, dass Mitarbeiter des Verfassungs-
schutzes und auch des MAD häufig zu uns in die
Behörde gekommen sind und Akteneinsicht ge-
nommen haben. Hinterher sage ich jetzt natürlich:
Die Informationen oder die Gespräche, die wir von
denen erhalten haben, waren wenig bis null. Es
waren also kaum brauchbare Informationen. Man
hat sich nur mal allgemein unterhalten. Umgekehrt
haben die uns natürlich eher abgeschöpft, weil die
Akteneinsicht bekommen haben und auch erfahren
haben, was sie wollten. […]
Der Mitarbeiter saß in meinem Büro, und wir ha-
ben uns unterhalten. Da haben wir uns auch mal -
ich weiß jetzt keine Details mehr - häufig über die
rechte Szene natürlich unterhalten oder auch mal
über den und über den. Beispielsweise ein Mitar-
beiter des MAD hat vielleicht mal gesagt: ‚Der
möchte zu uns in die Bundeswehr‘ oder: ‚Der
möchte vielleicht in der Bundeswehr Karriere ma-
chen; deshalb möchte ich wissen, was der hier ge-
macht hat.‘ Das habe ich gemeint mit Erfahrungs-
austausch. Es war kein Erfahrungsaustausch in
dem Sinne, dass ich Neuigkeiten erfahren habe,
eher dass der Verfassungsschutz oder der MAD
Neuigkeiten erfahren haben.“2216
Alle paar Wochen sei ein Mitarbeiter eines Verfassungs-
schutzamtes gekommen und habe Einsicht in Ermitt-
lungsakten genommen.
2217
Es habe sich meistens um
Vorgänge gehandelt, die die rechte Szene betroffen hät-
ten. Der MAD habe sich für Personen interessiert, die zur
Bundeswehr eingezogen werden sollten oder bei der Bun-
deswehr waren. Bei dem Verfassungsschutz sei es wohl
meistens mehr um Personen aus der rechten Szene gegan-
gen.
2218
Der Zeuge Nocken, damaliger Vizepräsident des LfV
Thüringen, hat ausgesagt, dass die Akteneinsicht jeweils
aufgrund eines Ermittlungsauftrages der Auswertung im
Rahmen der Informationsbeschaffung vorgenommen
2216) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 6.
2217) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 6 f.
2218) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 8.
worden sei.
2219
Der Zeuge Baumbach, ebenfalls Mitarbei-
ter des LfV, hat angegeben, er habe Einsicht in staatsan-
waltliche Ermittlungsakten genommen, allerdings nur in
abgeschlossene Verfahren.
2220
Zum Informationsfluss zwischen den Ermittlungsbehör-
den und dem LfV Thüringen hat dessen ehemaliger Präsi-
dent, der Zeuge Dr. Roewer, ausgesagt:
„dass wir - jedenfalls ich - die wöchentlichen
Zusammenkünfte der Behördenleiter dazu benutzt
haben, um sozusagen hin und her Informationsde-
fizite und auch Informationen auszutauschen, […]
also auf der Behördenleiterebene in erster Linie
Defizite zu besprechen, die dann sozusagen in die
eigene Behörde umgesetzt worden sind, damit die
handelt.
[…] Ich kann jetzt keine konkreten Fälle nennen.
Aber es hat einen größeren Ermittlungsvorgang
gegeben, den wir angestoßen haben, im Kurdenbe-
reich, wenn ich das richtig erinnere.“2221
Außerdem sei für die praktische Informationsweitergabe
an die Polizei eine eigene „Truppe“ im LfV Thüringen
installiert worden:
„Die hieß ZEX. Und das waren Kriminalpolizis-
ten - fünf an der Zahl, wenn ich es richtig in Erin-
nerung habe. Und die wurden unter der Woche
mehrfach bedient mit den Erkenntnissen, die aus
dem Amt stammten. […] Ob das zu Defiziten in
der Polizei führte, konnte ich nur dadurch sozusa-
gen überprüfen, wenn ich entsprechende Hinweise
aus der Polizei bekommen hatte.“2222
6. Die V- und Gewährspersonen des LfV Thü-
ringen im Umfeld des Trios im Einzelnen
a) VM 2045 „Otto“/VM 2150 „Oskar“ (Tino
Brandt)
aa) Zur Person
Im Verfassungsschutzbericht Thüringens von 1996 wird
Tino Brandt als Führungsmitglied der „Anti-Antifa Ost-
thüringen/THS“ genannt.2223 Der Verfassungsschutzbe-
richt Thüringens von 1999 bezeichnet den „Thüringer
Heimatschutz“ (THS) als „unstrukturierten Personenzu-
sammenschluss“. Er stehe unter der Führung Tino
Brandts, gliedere sich in vier Sektionen und habe erhebli-
chen Einfluss in der NPD.
2224
2219) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 27.
2220) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 189 ff.
2221) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 86.
2222) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 86.
2223) Verfassungsschutzbericht des Freistaates Thüringen von 1996,
MAT B TH-3, Datei: 2862-163-2012 - mT.pdf, Bl. 12 ff., 36.
2224) Verfassungsschutzbericht des Freistaates Thüringen von 1999,
S. 52 f.
Drucksache 17/14600 – 260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Brandt war auch in der NPD vernetzt: Am 24. Januar
1999 stellte er einen Aufnahmeantrag in die NPD. Kurz
darauf, am 11. Februar 1999, wurde er Beisitzer im NPD-
Kreisvorstand Saalfeld/Rudolstadt und am 3. März 1999
Beisitzer im NPD Landesvorstand sowie Landessprecher
der NPD. Am 29. April 2000 wurde Brandt stellvertreten-
der Landessprecher der NPD.
2225
Der Zeuge Wießner, Werber und zeitweiliger V-Mann-
Führer von Tino Brandt, hat ausgesagt, dass Brandt Mit-
glied der Szene und nicht gerade auf Seiten des Staates
gewesen sei.
2226
Brandt habe auch gebremst werden müs-
sen, als er nach dem stellvertretenden Vorsitz der NPD in
Thüringen gestrebt habe:
„Er war Pressesprecher. Das hat man zähneknir-
schend bis zur Amtsleitung mitgetragen. Aber das
andere hat man nicht mehr mitgetragen, wenn er,
was weiß ich, als Vorschlag des ‚THS‘ zur Über-
nahme - - dass er dann zweiter Vorsitzender der
NDP in Thüringen macht.“2227
Der Zeuge Bode, ebenfalls ehemaliger V-Mann-Führer
von Tino Brandt, hat ihn folgendermaßen charakterisiert:
„Tino Brandt war ein Rechtsextremist durch und
durch. Der hat 24 Stunden, rund um die Uhr, von
seinen Schlafenszeiten vielleicht abgesehen - - war
der Rechtsextremist. Das heißt, er war um-
fangreich vernetzt, bundesweit vernetzt, zum Teil
Kontakte ins Ausland, die zwar nicht sehr bedeu-
tend waren, aber die waren da, und er hätte sich
die auch jederzeit schaffen können. Von daher ge-
sehen: Ja, es ist immer höchst problematisch, einen
V-Mann zu führen, der praktisch auf so einer Ebe-
ne ist, weil er dann natürlich immer irgendwo
auch, ich sage einmal, Mitbestimmer - böse Zun-
gen sagen: Bestimmer - ist. Das kann man nicht
ausschließen. Allein deswegen muss man so einen
V-Mann einbremsen, weil er einem sonst als V-
Mann um die Ohren fliegt.“2228
„Der war auch schwer führbar; keine Frage. Der ist
uns zum Teil auch aus dem Ruder gelaufen, und
wir mussten ihn mäßigen und bremsen. Das ist uns
wahrscheinlich zum großen Teil gelungen. Aber es
ist uns bestimmt nicht bis ganz zum letzten Punkt
gelungen, so wie wir es gern gehabt hätten. Das ist
so in dem Geschäft. Das kann so sein.“2229
bb) Anwerbung
Der Zeuge Wießner, der Brandt im August 1994 anwarb,
hat ausgesagt, die Anwerbung Brandts sei „mit Segnung
des Präsidenten“ Dr. Roewer erfolgt. Hauptgrund der
2225) Chronologie des LfV Thüringen, MAT A TH-9/4b (Tgb.-
Nr. 40/12 – GEHEIM), P-Akte Bd. 1, Bl. 287-289.
2226) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 44.
2227) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 45.
2228) Bode, Protokoll-Nr. 65, S. 71.
2229) Bode, Protokoll-Nr. 65, S. 107.
Anwerbung sei die desolate Kenntnislage zu den soge-
nannten Heß-Aufmärschen gewesen. Es habe kaum Zu-
gänge oder nur untergeordnete Zugänge in den rechtsex-
tremistischen Bereich gegeben. Plötzlich seien in Südthü-
ringen Flugschriften einer „Anti-Antifa“ aufgetaucht. Sie
hätten dann entschieden, hier einzusteigen. Schließlich
hätten sie ermittelt, dass Brandt und eine weitere Person
hinter der Firmierung „Anti-Antifa“ standen. Nachdem
das LfV Thüringen später erfahren habe, dass die weitere
Person weggezogen sei, sei nur noch Brandt übriggeblie-
ben, weshalb er angeworben worden sei.
2230
Nach Angabe des damaligen Präsidenten des LfV Thürin-
gen, Dr. Roewer, als Zeuge vor dem Untersuchungsaus-
schuss erfolgte die Anwerbung Brandts auf seine Veran-
lassung hin. Er hat ausgesagt:
„Es ist in der Tat so, dass ich Herrn Nocken und
seine Hintersassen massiv bedrängt habe, sich nun
endlich eigene Standbeine in der rechtsextremen
Szene zu beschaffen, sprich: Quellen anzuwerben.
Das ist das ganz übliche Geschäft bei Nachrich-
tendiensten. Als ich die Behörde übernommen ha-
be, hatte die Behörde nicht eine einzige Quelle -
keine -, sodass das Informationsaufkommen auch
entsprechend war, nämlich gar keins.
Die Anwerbung von Brandt ist erfolgt nach meiner
Erinnerung nach einer längeren sogenannten For-
schungsphase. Das heißt, man beguckt sich die
möglichen Kandidaten, die für eine Anwerbung als
Agent oder V-Mann oder Quelle, wie Sie wollen,
infrage kommen. Und dann kommt sozusagen der
entscheidende Moment: Man spricht sie an. Es
geht also einer hin und macht einen Wer-
bungsversuch. Das muss nicht unbedingt einer
sein, der sagt: ‚Guten Tag, ich heiße soundso und
komme vom Landesamt für Verfassungsschutz‘,
sondern das kann auch eine Anwerbung unter Le-
gende sein. Derjenige muss das erst mal gar nicht
wissen, mit wem er es zu tun hat. Ist in vielen Fäl-
len auch vernünftig.“2231
„Ich habe die Einzelheiten der Anwerbung von
Brandt nicht mehr in Erinnerung, kann aber nur
sagen, dass er, nachdem die Anwerbung erfolgt ist,
relativ brauchbare Erkenntnisse offensichtlich in
die Behörde gebracht hat, was das Tun dieser
rechtsextremen, sehr unangenehmen, sehr schwer
zu beobachtenden Szene anging.“2232
Zum Zeitpunkt seiner Anwerbung sei Brandt „noch ein
relativ unbeschriebenes Blatt“ gewesen.2233
Der Zeuge Wießner hat darüber hinaus angegeben, er
habe Brandt entsprechend der Praxis zunächst ein Viertel-
2230) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3 f.
2231) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.
2232) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.
2233) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 65.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 261 – Drucksache 17/14600
jahr
2234
bzw. vier Monate
2235
betreut und ihn dann an die
V-Mann-Führung abgegeben.
cc) Einsatzgebiet von Tino Brandt
Nach Aussage des Zeugen Bode sei Ziel des Einsatzes der
Quelle gewesen, Erkenntnisse über die Struktur des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ sowie über dessen Personenkreis
und Aktivitäten zu gewinnen.
2236
Daneben sei er die wich-
tigste Quelle für die Suche nach dem Trio gewesen. Die
Erkenntnisse der Quelle zum Trio stammten nach Anga-
ben des Zeugen Wießner ausschließlich von Ralf Wohlle-
ben.
2237
Tino Brandt sagte gegenüber dem BKA im Jahr 2012
über seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz folgendes
aus:
„Es war eigentlich so, dass ich überwiegend über
meine tagespolitischen Aktivitäten dem Verfas-
sungsschutz berichtet habe. Dabei ging es um Zah-
len zu Demonstrationsteilnahmen, Teilnehmern an
bestimmten Treffen, Interpretationen von Äuße-
rungen, die im rechtsextremen Raum kursierten,
Prognosen zu politischen Entwicklungen, bei-
spielsweise wenn verschiedene Personen oder
Gruppierungen zur Zusammenarbeit aufeinander
trafen. […] Ich erhielt vom Verfassungsschutz
auch keine Aufträge, bestimmte Veranstaltungen
zu besuchen. Ich kann mich auch nicht erinnern,
dass ich gezielt Informationen zu einem bestimm-
ten Personenkreis sammeln sollte. Dies gilt mit
Ausnahme der Fahndungsarbeit nach Zschäpe,
Böhnhardt und Mundlos. […] Es war eher so, dass
ich jedes Mal das berichtete, was sich seit dem
letzten Treffen mit dem Verfassungsschutz in der
Szene ereignet hatte. Das war dann auch nicht so
viel, weil wir uns zum Schluss nahezu wöchentlich
trafen.“2238
dd) Erster Abschnitt der Tätigkeit als V-Mann
(„2045“/„Otto“)
Ab dem 27. Januar 1995 wurde Brandt von der V-Mann-
Führung als Mitarbeiter (Quelle 2045 Otto) geführt.
2239
Im Jahr 1995 ging die VM-Führung von F., der Brandt
zunächst übernommen hatte, an den Zeugen Bode
über.
2240
2234) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.
2235) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 42.
2236) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.
2237) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 20.
2238) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom
26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 255.
2239) Chronologie des LfV Thüringen vom 8. Mai 2001, MAT A TH-
9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 – GEHEIM), P-Akte Bd. 1, Bl. 287 ff.
2240) Vermerk vom 28. Mai 2001 über die V-Mann-Führer, MAT A
TH-9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 - Geheim), P-Akte Bd. 1, Bl. 290.
Der Zeuge Bode hat angegeben, „gefühlt von etwa 1995
bis 1998“ der für Brandt zuständige VM-Führer gewesen
zu sein.
2241
Der Zeuge Wießner hat dargelegt, er habe
Brandt aus organisatorischen Gründen
2242
im Juli oder
August 1998 wieder als V-Mann-Führer übernommen.
2243
Die erneute Übertragung der VM-Führung auf ihn sei
zum einen mit einer Strukturreform begründet worden.
2244
Zum anderen sei die „Auswertung“ mit den Berichten der
bisherigen V-Mann-Führung zum Teil unzufrieden gewe-
sen.
2245
Demgegenüber hat der Zeuge Bode ausgesagt, ihm habe
nie jemand gesagt, dass man unzufrieden sei mit seinen
Berichten.
2246
Tino Brandt sei als Quelle wieder zu Herrn
Wießner übergegangen, weil man nicht mehr den Mix
gewollt habe, dass ein V-Mann-Führer aus dem Bereich
„links“ zugleich im Bereich „rechts“ tätig sei. Er habe
auch zwischenzeitlich im Bereich „links“ mehr zu tun
gehabt und es sei ihm ganz recht gewesen, nicht mehr auf
„zwei Hochzeiten zu tanzen“.2247
An ein Übergabegespräch, welches normalerweise statt-
finde, wenn eine Quelle an einen anderen Quellenführer
übergehe, hat der Zeuge Bode sich nicht erinnern können.
Er könne ein solches aber auch nicht ausschließen. Er
müsse dazu sagen, dass sein Verhältnis zu seinem Kolle-
gen Wießner schlecht gewesen sei.
2248
Hierfür habe es
sowohl persönliche als auch dienstliche Gründe gegeben.
Zu den dienstlichen Gründen gehöre, dass nach seiner
Ansicht das ehemalige Referat „Forschung und Werbung“
sich sowohl in den Bereichen „rechts“ wie auch „links“
wenig Mühe gegeben habe, Quellen zu akquirieren.
2249
ee) Erste Abschaltung
Brandts erste Abschaltung als Quelle erfolgte auf Wei-
sung des damaligen Präsidenten des LfV Thüringen, Dr.
Roewer, im Mai 2000.
2250
Das genaue Datum war der 29. Mai 2000.
2251
Der Zeuge Dr. Roewer hat angegeben, er habe Brandt
abschalten lassen,
„weil ich der Überzeugung war, dass dieser Mann
als V-Mann in meiner Behörde nichts zu suchen
hatte. […] Mein Eindruck aus den Überwachungs-
maßnahmen, die wir gegenüber Herrn Brandt
durchgeführt haben, war der, dass er uns mit der
2241) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 92.
2242) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 4.
2243) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 43.
2244) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.
2245) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.
2246) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 90.
2247) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.
2248) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.
2249) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 79.
2250) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 38.
2251) Chronologie des LfV Thüringen vom 8. Mai 2001, MAT A TH-
9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 – GEHEIM), P-Akte Bd. 1, Bl. 287 ff.
Drucksache 17/14600 – 262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zeit aus dem Ruder gelaufen ist. Ich weiß nicht, ob
Sie sich das vorstellen können: Es ist anfangs nicht
ganz klar zu sehen, ob ein V-Mann das tut, also ob
er sozusagen hinter dem Rücken des Nachrichten-
dienstes auch andere Dinge tut, die der Nachrich-
tendienst weder gutheißt noch die ihm bekannt
sind. Im Falle des V-Manns Brandt ist dies der
Fall gewesen, und das hat mich eben veranlasst,
gegen den ausdrücklichen Wunsch der Mitarbeiter
der Extremismusabteilung ein rigoroses Ende mit
Herrn Brandt zu veranstalten. Und das ist auch
gemacht worden: Die Abschaltung ist durchgeführt
worden.“2252
Hinzu sei gekommen, dass das BfV den Verdacht geäu-
ßert habe, der V-Mann-Führer habe einen zu engen Kon-
takt zu seiner Quelle. Eine Prüfung dieses Verdachts sei
jedoch nicht erforderlich gewesen, da er sowieso fest
entschlossen gewesen sei, die Abschaltung durchzufüh-
ren. Er habe dann gleich die V-Mann-Führung ausge-
wechselt.
2253
Die Thüringer Schäfer-Kommission hat aus der Aktenlage
allerdings den Schluss gezogen, dass die Gründe der Ab-
schaltung woanders lagen, nämlich in der Übernahme des
Amtes des stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD
Thüringen sowie in einem Interview vor dem Landespar-
teitag am 29. April 2000, welches im MDR-Fernsehen
ausgestrahlt wurde.
2254
Der Zeuge Bode hat ebenfalls angegeben, dass
Dr. Roewer dem V-Mann-Führer Wießner und seiner
Quelle Tino Brandt nicht mehr getraut habe. Er habe die
ganze Verbindung in Frage gestellt. Der Zeuge Bode habe
Brandt dann im Auftrag von Dr. Roewer abschalten müs-
sen.
2255
Eine Nachbetreuung habe nicht stattfinden sollen:
„Das war aus meiner Sicht in dem Fall so, wie es
mir Herr Roewer damals vermittelt hat: erstens ge-
rechtfertigt, und zweitens hatte der Tino Brandt zu
dem Zeitpunkt sowieso noch Schulden; die haben
wir ihm großzügigerweise erlassen. Ich weiß nicht,
es war, glaube ich, ein Betrag zwischen 4 000 und
6 000 - vermute ich; ich weiß es nicht; also so ge-
fühlt - D-Mark damals. Da haben wir gesagt: ‚Das
ist Abschaltprämie genug‘, indem wir einfach sa-
gen - - Wir hätten ja objektiv keine Möglichkeit
gehabt, das Geld von ihm zurückzufordern, ohne
dass die nachrichtendienstliche Verbindung da-
durch letztendlich aufgeflogen wäre. Also, das wä-
re ja eine komische Art von Nachtreten gewesen
gegenüber einem V-Mann, den man abschaltet.
Damit hat sich das dann erledigt gehabt für uns.
Für mich war das normal, ihn abzuschalten und zu
sagen: Damit hat es sich, damit ist Schluss.“2256
2252) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 65.
2253) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 110.
2254) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 182.
2255) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 84.
2256) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 91.
Der Zeuge Dr. Roewer hat darüber hinaus geschildert,
dass der alte V-Mann-Führer allerdings noch einmal mit
Tino Brandt telefoniert habe. Er sei in eine vom LfV
geschaltete „Telefonfalle hineingelaufen“.2257
Der Zeuge Wießner hat dies aus seiner Sicht folgender-
maßen geschildert:
„Er kam an und sagte, obwohl der Treff vereinbart
war: Er wird abgeschaltet, es findet nichts mehr
statt. - Auch der Beschaffungsleiter hat gesagt:
Das geht nicht so. Wir müssen ordnungsgemäß
diese Geschichte abwickeln dann. […]
Ich bin zu dem Termin hingefahren mit Weisung
hier des Beschaffungsleiters, bin vom Termin zu-
rückgekommen, sofort einbestellt worden von
Roewer, Roewer die größten Vorwürfe gemacht.
Er hat - und das war das Allerfieseste, was ich bis-
her erlebt habe - mein Handy abhören lassen in
dieser Zeit. Der wusste genau, wann ich wie und
wo ich den Termin gemacht habe mit der Quelle,
obwohl er gesagt hat: Es gibt nichts mehr. Es wird
ab sofort die Zusammenarbeit beendet. Wenn der
in der Gosse landet, das interessiert ihn alles
nicht.“2258
ff) Reaktivierung von Tino Brandt als VM
2150/„Oskar“
Nachdem Dr. Roewer im Juni 2000 suspendiert wurde,
übernahm der Vizepräsident Nocken für kurze Zeit über-
gangsweise die Aufgaben des Präsidenten. Im Juli 2000
ließ er Tino Brandt als V-Mann reaktivieren. Dies sei
nach Angaben des Zeugen Nocken nicht nur wegen des
Vorfalls Trio, sondern auch wegen der anderen Informati-
onen der Quelle geschehen. Die Tätigkeit von Tino
Brandt als V-Mann sei dann ganz normal weitergelau-
fen.
2259
gg) Zweite Abschaltung Tino Brandts
Der Nachfolger von Dr. Roewer als Präsident des LfV
Thüringen, der Zeuge Sippel, hat dargelegt, dass er am
4. Dezember 2000 eine Verfügung erlassen habe, wonach
künftig V-Leute „weder die Zielsetzung noch die Aktivi-
täten eines Beobachtungsobjekts entscheidend bestim-
men“ dürfen.2260 Hintergrund seien für ihn die Aufregung
rund um die Enttarnung des V-Mannes Thomas D. gewe-
sen. Ihm sei daran gelegen gewesen, auszuschließen, dass
V-Leute in Führungspositionen vom LfV Thüringen ge-
führt werden. In der ihm von seinem Vizepräsidenten,
Nocken, vorgelegten Liste sei auch Brandt aufgeführt
gewesen. Er habe sich daraufhin mit seinen Mitarbeitern
besprochen und dann die Entscheidung getroffen, Brandt
2257) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 110.
2258) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 26.
2259) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 38.
2260) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 156 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 263 – Drucksache 17/14600
abzuschalten.
2261
Um die erneute Abschaltung Brandts
habe es eine kontroverse Diskussion im LfV gegeben.
Vizepräsident Nocken habe sich sehr für diesen einge-
setzt, ebenso Herr Wießner.
2262
Die Abschaltung Brandts
sei dann kurz darauf am 17. Januar 2001 erfolgt.
2263
Der Zeuge Sippel hat ausgeführt:
„Also, für mich stand die Abschaltung im Vorder-
grund, zu sagen: Wir arbeiten nicht mit einem
Rechtsextremisten zusammen, der ja nicht nur
stellvertretender Landesvorsitzender der NPD war,
sondern diese Partei ja faktisch geführt hat. - Es
gab zwar noch einen Vorsitzenden, aber das war
ein recht schwacher Mann. Und die Partei selbst ist
von Brandt geführt worden. Also, für mich stand
außer Frage, dass wir mit Tino Brandt nicht als V-
Mann zusammenarbeiten können. Und nachdem
mir berichtet worden ist, alles, was Brandt erzählt
hat, alles, was er berichtet hat, weiß auch die Poli-
zei - - ich davon ausgehen muss, nach der Enttar-
nung von Brandt ist er in der rechtsextremistischen
Szene geächtet.“2264
hh) Nachbetreuung Brandts
Der Zeuge Sippel hat angegeben, er habe eine Nachbe-
treuung Brandts, die zum Ziel haben sollte, ihn zum
Rückzug aus dem Rechtsextremismus oder der Aufgabe
seiner Führungsämter zu bewegen autorisiert. Aufträge
hätten an Brandt aber nicht mehr erteilt werden dürfen.
2265
Am 8. Mai 2001 fand der letzte Nachbetreuungstreff mit
Brandt statt.
2266
Im Rahmen der Nachbetreuung hätten
nach Angaben des Zeugen Wießner sechs Treffen stattge-
funden.
2267
Der Zeuge Sippel hat über die Nachbetreuung berichtet:
„Ja, es gab die Nachbetreuungstreffen dann bis zur
Enttarnung, und das Amt hatte danach auch noch
mit ihm Kontakt, als es um die Frage geht, ob Tino
Brandt gefährdet ist durch seine Enttarnung. Ich
kann mich erinnern, dass er uns berichtet hat, dass
ihm eine Patrone zugesandt worden ist in einem
Umschlag, also eine unmissverständliche Dro-
hung, die das darstellen sollte, und er hat sich an
uns gewandt. Wir haben damals die Polizei auch
eingeschaltet und mit der Polizei gesprochen, ob
und welche Schutzmaßnahmen für Brandt erfor-
derlich sind. Insofern gab es noch Kontakt mit
ihm. […]
2261) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 136.
2262) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144.
2263) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 137.
2264) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 159.
2265) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 137.
2266) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.
2267) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.
Ich denke, dass er alles erzählt hat, was er erzählen
konnte bis dahin, und dass er durch die Enttarnung
in dem rechtsextremistischen Spektrum natürlich
auch geächtet war, dass er geschnitten wurde, dass
er nun keinen Zugang mehr hatte.“2268
Der V-Mann-Führer Wießner vermerkte am 14. Mai 2001
über seine Treffen mit Tino Brandt im Rahmen der Nach-
betreuung:
Ziel der Nachbetreuung sei gewesen, die Quelle zum
Ausstieg aus der Szene und zum Rückzug von ihren Par-
teifunktionen sowie der Einschränkung ihrer Szene-
Aktivitäten zu bewegen. Während der Nachbetreuungs-
phase habe die Quelle alle Ausstiegsangebote immer
wieder aus persönlichen und politischen Gründen strikt
abgelehnt. Nur zum Rückzug aus Parteifunktionen und
Szene-Aktivitäten sei die Quelle bereit gewesen, die auf
Drängen des V-Mann-Führers auch nachweislich von ihr
vollzogen worden seien (Rückzug vom Amt des NPD-
Pressesprechers am 4. Februar 2001, Kündigung des Pro-
vidervertrages für den „THS“, den die Quelle auf ihren
Namen abgeschlossen hatte). Ein Rücktritt beim Parteitag
am 21. Januar 2001 als stellvertretender Landesvorsitzen-
der der NPD sei von der Quelle zwar angedacht, aber aus
politischer Überzeugung nicht vollzogen worden. In der
Nachbetreuung seien keine Aufträge an die Quelle erteilt
und keine Deckblattberichte gefertigt worden.
2269
ii) Bewertung des Informationsgehalts der
Meldungen Brandts
Tino Brandt wurde nach Angaben des Zeugen Wießner
als sehr vertrauenswürdige Quelle mit der Beurteilung
„B2“ eingestuft.2270
Der V-Mann-Führer Wießner hat angegeben, 80 bis 90
Prozent dessen, was Brandt gemeldet habe, sei zutreffend
gewesen.
2271
Die Hinweise habe man überprüfen können,
wenn sie sich auf Veranstaltungen der rechten Szene
bezogen hätten:
„Wenn er zum Beispiel einen Hinweis gibt auf ein
Konzert oder eine Veranstaltung und legt exakte
Zahlen vor, die sich nachher bestätigen - - Wenn
ich sage: Zum Tag der nationalen Jugend und so
weiter - - es kommen 500 oder - - Im Konkreten
konnte er Ihnen berichten, wie die Veranstaltung
läuft und wer zugegen ist, wer kommt usw. Das
hat er gehabt. Und das ist das, was man gegenche-
cken konnte. Ich habe gesagt: Diese 80, 90 Prozent
bezogen sich allein auf diese Veranstaltungen,
die - was weiß ich - von der NPD oder vom ‚THS‘
2268) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 158.
2269) MAT A TH-9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 - GEHEIM), P-Akte Bd. 1,
Bl. 274 f.
2270) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.
2271) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.
Drucksache 17/14600 – 264 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
oder den Kameradschaften ausgerichtet worden
sind.“2272
Er hat verneint, dass die Fälle, in denen Brandt nicht die
Wahrheit gesagt habe, das untergetauchte Trio betroffen
hätten.
2273
Er hat aber auch eingeschränkt, dass manche
Meldungen aufgrund des fehlenden weiteren Zugangs
zum „THS“ nicht kontrollierbar gewesen seien:
„Sie konnten ja nicht abklären, wenn er jetzt zum
Beispiel sich zu dem W. oder anderen eingelassen
hat: Er macht das und das und das. - Das konnten
Sie gar nicht mehr kontrollieren. Oder: Die ‚Ka-
meradschaft Gera‘ oder die ‚Kameradschaft Jena‘
hat diese Aktion gegen die Stadt vor oder so was. -
Das konnten Sie gar nicht gegenkontrollieren, weil
der zweite Mann gefehlt hat.“2274
Zudem hätten die Erkenntnisse nicht richtig ausgewertet
werden können. Sie seien vielmehr im Auswertungsrefe-
rat liegen geblieben und nicht an das BfV und die anderen
Landesämter weitergeleitet worden.
2275
Die Fälle, in denen Brandt nicht die Wahrheit gesagt
habe, seien zum Beispiel gewesen,
„dass er sich nicht ausgelassen hat über andere,
[…] über Kameradschaftsführer. Da hat er nur
herumgedruckst. Wenn Sie persönliche Informati-
onen haben wollten über bestimmte Leute, dann
hat er herumgedruckst bis zum Gehtnichtmehr,
und insbesondere aus seinem Umfeld in Saalfeld-
Rudolstadt.“2276
Auch der Zeuge Bode hat Tino Brandt als gute Quelle
2277
und die Qualität der Informationen Brandts als „hochwer-
tig“ bezeichnet,
„allerdings mit der Einschränkung, dass es an an-
deren Zugängen mangelte und zum Teil Informati-
onen nicht abgeglichen werden konnten mit ande-
ren Zugängen.“2278
Auf Vorhalt, dass den Akten häufig nur zu entnehmen sei,
in welcher Weise Veranstaltungen durchgeführt worden
seien, es aber an weitergehenden Informationen fehle, hat
der Zeuge Bode entgegnet, er könne anhand von Beispie-
len erläutern, dass auch weitergehend berichtet worden
sei:
„Zum Beispiel die berühmten ‚Heß-Gedenktage‘,
wenn die anstanden, da waren wir über die Quelle
Brandt zu der Zeit wirklich immer sehr, sehr gut
informiert über die Absichten der Thüringer Szene,
also über die Absichten des ‚THS‘. Von daher ha-
be ich mir da überhaupt nichts vorzuwerfen, dass
2272) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.
2273) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.
2274) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.
2275) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 41.
2276) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.
2277) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.
2278) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 95.
irgendwas nicht berichtet worden wäre. - Das ist
nur exemplarisch.“2279
Die Schäfer-Kommission hat keine Zweifel am Wahr-
heitsgehalt der Meldungen Brandts geäußert. Abschlie-
ßend heißt es:
„Die Kommission hat geprüft, ob die Quelle An-
lass hätte haben können, das TLfV in die Irre zu
führen, weil in der rechten Szene die V-Mann-
Tätigkeit bekannt war oder doch vermutet wurde.
Sie hat dafür keine Anhaltspunkte gefunden. Zwar
bestanden entsprechende Verdachtsmomente in
der Szene, diese waren jedoch eher vage und
stammten teilweise aus einer Zeit, die deutlich vor
der Flucht des TRIOs lag. Den Mitarbeitern des
TLfV war die mit einem solchen Gerücht verbun-
dene Gefahr bewusst. Durch taktische Vorgehens-
weise im Umgang mit ihrem V-Mann achteten sie
deshalb darauf, diesem Gerücht entgegenzuwirken.
Beeinträchtigungen des Informationsgehaltes wur-
den nicht wahrgenommen.“2280
Der Zeuge Egerton, Auswerter im BfV, hat ausgesagt,
dass er im Hinblick auf die Quelle Tino Brandt den V-
Mann-Führer, den Auswerter und den Referatsleiter als
sehr kompetent und auch als leistungsstark empfunden
habe:
„Wenn man sich anschaut, wie die Führung von
‚2045‘ im Hinblick auf das Trio erfolgt ist: Das ist
durchaus professionell, das ist kreativ gewesen,
und es war durchaus ein Ausweis einer Leistungs-
fähigkeit in diesem Bereich des Thüringer Am-
tes.“2281
Am 21. Januar 1997 gab ein Mitglied der rechten Szene in
Jena gegenüber der Polizei zu Protokoll:
„Zu Brandt muss ich sagen, haben ich und viele
andere Kameraden kein Vertrauen mehr. Brandt
arbeitet mit staatlichen Organen zusammen. Er
versucht, den Boss in der Szene zu spielen, und
dann steht der Verfassungsschutz im Konzert. […]
Von Frank L. weiß ich, dass man dem Brandt in
dieser Hinsicht nicht trauen kann. Er arbeitet mit
dem Verfassungsschutz.“2282
Tino Brandt äußerte gegenüber dem BKA im Jahr 2012:
„Sicher hat es einmal Dinge gegeben, von denen
ich versucht habe, sie nicht zu berichten. Und
wenn ich berichtet habe, war es stets wahrheitsge-
mäß. Für mich galt der Grundsatz der Quellenehr-
lichkeit, den ich ernst genommen habe. Im Übri-
gen war mir natürlich klar, dass das TLfV versu-
2279) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 95.
2280) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 184.
2281) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 24.
2282) MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 265 – Drucksache 17/14600
chen wird, meine Angaben mit nachrichtendienst-
lichen Mitteln zu überprüfen.“2283
jj) Geld und Sachleistungen an Tino Brandt
Nach den Feststellungen der Thüringer Schäfer-
Kommission zahlte das LfV Thüringen von 1995 bis 2001
insgesamt etwa 200 000 DM an Prämien und Erstattung
von Auslagen an Tino Brandt.
2284
Diese Summe hat der Zeuge Sippel als „exorbitant hoch“
bezeichnet. Deswegen habe er auch bereits zu Beginn
seiner Amtszeit für Thüringen eine Richtlinie zur Begren-
zung der Zahlungen an V-Leute erlassen.
2285
Der Zeuge Bode hat die Summe relativiert:
„Mein Gott, in der Summe mag das jetzt nach viel
klingen; aber Sie müssen die Zeiträume sehen, Sie
müssen die Hochwertigkeit der Quelle - - Die
Quelle war zweifellos hochwertig. Dieses Amt hat
sich auf dieser Quelle ein Stück weit auch ausge-
ruht, zurückgelehnt und gesagt - das sage ich jetzt
einmal; das ist jetzt meine persönliche Meinung -:
Wir brauchen keine anderen Zugänge, wir brau-
chen keine anderen Quellen. - Das Amt hat sich
wahrscheinlich immer gesagt: Das ist gut angeleg-
tes Geld. - Ich habe nie Kritik von meinen Vorge-
setzten diesbezüglich erfahren, dass es zu viel ist
oder so. Es ist ja nicht so, dass ich das Geld ausge-
geben hätte und andere hätten nicht gewusst, was
für Gelder da fließen. So ist es ja nicht.“2286
Der Zeuge Wießner hat dargelegt, dass Brandt das Geld in
bar erhalten habe. Er selbst habe das Geld ebenfalls bar
erhalten und mit Quittung weitergereicht. Der Abteilungs-
leiter „Beschaffung“, Herr Nocken, habe zuvor zustimmen
müssen.
2287
Tino Brandt sagte gegenüber dem BKA im Jahr 2012 zur
Verwendung des Geldes aus:
„Das Geld, das ich vom Verfassungsschutz be-
kommen habe, habe ich in wesentlichen Teilen für
meine politische Arbeit aufgewendet. Gleich die
erste Kohle ist beispielsweise in Aufkleber inves-
tiert worden. Im übrigen müssen Sie sich vorstel-
len, dass politische Arbeit immer eine Menge Geld
kostet. Bei mir sind erhebliche Telefonkosten an-
gefallen. Ich habe erhebliche Reisekosten gehabt,
Benzin und Hotels mussten bezahlt werden. Ich
habe auch schon Mal Geldstrafen für den André
Kapke bezahlt. Am Ende meiner Tätigkeit kann
2283) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom
26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 265.
2284) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S 182, Rn. 305.
2285) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 149.
2286) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 75.
2287) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.
ich sagen, dass es für mich persönlich ein Null-
summenspiel war.“2288
Die Angaben von Tino Brandt gegenüber der rechtsex-
tremen Szene, er habe das vom Verfassungsschutz erhal-
tene Geld in diese Szene investiert, hielt der Zeuge Wieß-
ner für eine Schutzbehauptung:
„Ich sage Ihnen ganz offen - die rechte Szene; das,
was er da gedruckt hat, diese 200 oder 300 Flyer
für den ‚THS‘ -: Der musste das sagen; denn es ist
ganz außergewöhnlich, dass einer enttarnt wird
und in seinem Umfeld wohnen bleibt. Er musste
das sagen.“2289
Der Zeuge Bode ist ebenfalls dieser Ansicht gewesen.
Allerdings:
„Natürlich können Sie nicht ausschließen, dass
Gelder, die Sie einem V-Mann, der so bis in die
Haarspitzen Rechtsextremist ist - - Dass der sein
Geld, was er bekommt, auch in Richtung Rechts-
extremismus in irgendeiner Form investiert, das ist
doch ganz klar; das liegt doch auf der Hand.“2290
Der im Januar 1998 für Brandt zuständige V-Mann-
Führer, der Zeuge Bode, hat ausgesagt, er wisse nicht
explizit, ob Tino Brandt Auslagen für Anwaltskosten
erstattet worden seien; wahrscheinlich aber ja, er vermute
dies.
2291
Dass sich eine Anwaltsrechnung von 12. Januar
1998 in den Akten befinde, erkläre er sich damit, dass
vermutlich Brandt diese mitgebracht und erstattet haben
wollte.
2292
Es sei nicht unüblich gewesen, Quellen solche
Dinge - in welcher Form auch immer - zu erstatten.
2293
Er
halte es für möglich, dass das LfV Thüringen bei Tino
Brandt mehr als eine Anwaltsrechnung übernommen
habe.
2294
kk) Ermittlungsverfahren gegen Brandt und
eventuelle Einflussnahmen des LfV
Gegen Tino Brandt, liefen von 1993 bis 2000 mindestens
13 Ermittlungsverfahren.
2295
Eine rechtskräftige Verurtei-
lung kann allerdings nicht festgestellt werden. Der Zeuge
Schultz, damals zuständiger Staatsanwalt, hat ausgesagt:
„Ich wollte gerade den Tino Brandt unbedingt hin-
ter Gitter bringen. Ich habe auch Sachen zur An-
klage gebracht mit sehr wackeligem Beweisergeb-
2288) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom
26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 254.
2289) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 14.
2290) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 79.
2291) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 92.
2292) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 93.
2293) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 93.
2294) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 93.
2295) Übersicht der Polizei vom 16. Januar 2001 (Aufstellung von
Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des THS von 1993
bis 2000 wegen Delikten, die im Zusammenhang mit deren
rechtsextremer Gesinnung stehen), MAT B TH-3, Dateiname:
MAT_B_TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 283 ff.
Drucksache 17/14600 – 266 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nis, mit dem Ergebnis, dass das dann vor Gericht
einen Freispruch oder eine Einstellung vor Gericht
gab. Es ist so, dass die Beweislage […] bei Ge-
walttaten öfter sehr schwierig ist, dass sie auch bei
Propagandadelikten sehr, sehr schwierig ist. Wir
haben eingesperrt, was ging. Wir haben ermittelt,
was ging. Wir haben angeklagt, was ging.“2296
aaa) Gräfenthal-Verfahren
In einem Verfahren wegen eines gewalttätigen Angriffs in
Gräfenthal am 27. Januar 1996 wurde Tino Brandt in
erster Instanz vom Amtsgericht Rudolstadt zu einer Frei-
heitsstrafe auf Bewährung verurteilt, in zweiter Instanz
jedoch vom Landgericht Gera freigesprochen. Der Sach-
verhalt wurde bereits oben dargestellt.
2297
In diesem Verfahren soll das LfV Thüringen versucht
haben, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Der
Zeuge Melzer, beim LKA Thüringen in der Soko „Rex“
eingesetzt gewesen, hat vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt:
„Der mit den Ermittlungen befasste Staatsanwalt
war der Herr Gerd Schultz, der Staatsanwalt
Schultz, und dieser Staatsanwalt sagte mir damals,
dass er Besuch von zwei Herren vom Landesamt
für Verfassungsschutz gehabt hätte. Diese zwei
Herren hätten ihm gesagt, dass meine Ermittlungen
wohl eher einer Hexenjagd ähneln, die ich gegen
den Tino Brandt anstelle, und der Tino Brandt wä-
re wohl nicht der Anstifter zu diesem schweren
Landfriedensbruch gewesen, und man solle doch
auf mich Einfluss nehmen und die Ermittlungen
einstellen. Ich habe mich dann mit dem Herrn
Staatsanwalt Schultz darüber unterhalten und habe
ihm das noch mal alles erörtert. Der Herr Staats-
anwalt Schultz - was ich sehr gut fand - hat sich
nicht beirren lassen, hat gesagt: Herr Melzer, wir
ermitteln weiter. - Es war aber damals schon be-
kannt, dadurch, dass wir sehr viele Informationen
aus der Szene hatten, dass der Herr Tino Brandt
Quelle des Thüringer Landesamts für Verfassungs-
schutz ist.“2298
„Und, wie gesagt, ich erinnere mich zum Beispiel
auch an die Vorbereitung der Verhandlung gegen
Brandt, Amtsgericht Rudolstadt. Da hat mich vor
der Verhandlung auch der Richter konfrontiert:
‚Herr Melzer, wissen Sie was von Todeslisten in
der rechten Szene?‘, und ich konnte ihm nur sagen:
‚Ja, passen Sie auf, ich habe davon gehört. Wir ha-
ben Hinweise.‘ – ‚Ja wer steht da drauf?‘ - Ich sa-
ge: ‚Ja, Topkandidaten sind wohl Sie, der Staats-
anwalt und meine Wenigkeit.‘ - Ja und danach
ging dieses ganze Verfahren ja ziemlich vor den
2296) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 16.
2297) Siehe hierzu oben im Abschnitt B. II. 5.
2298) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 64.
Baum. Also, der Herr Brandt ist ja dann als Anstif-
ter im Prinzip nicht verurteilt worden.“2299
Der damalige verfahrensführende Staatsanwalt, der Zeuge
Schultz, hat hingegen ausgesagt, dass der Besuch des
Verfassungsschützers in keinem besonderen Bezug zu
einem Verfahren gestanden habe, auch nicht zu
Gräfenthal. Den Besuch des Verfassungsschützers habe er
einem Polizeibeamten erzählt, der danach einmal bei ihm
gewesen sei. Er glaube, es sei Herr Melzer vom LKA
gewesen.
2300
Zum Besuch des Verfassungsschützers hat
der Zeuge Schultz ausgesagt:
„Es kam […] irgendwann […], ich vermute in den
Jahren 1996 oder 1997 - zu einer Begegnung in
meinem Büro. […] Bei einem dieser Gespräche
sagte ein Vertreter des Verfassungsschutzes sinn-
gemäß […]: Warum wollen Sie denn ausgerechnet
den Tino Brandt hinter Gitter bringen? Dann habe
ich gesagt: Ich halte ihn für den Führer der rechten
Szene. Und er hat auch schon oft Glück gehabt,
und es ist schon für ihn sehr günstig gelaufen. Na-
türlich wollen wir den Führer der rechten Szene
hier hinter Gitter bringen, so schnell wie mög-
lich. - Dann hat er weiter ganz allgemein gespro-
chen, und zwar ein paar Kriterien angesprochen,
die beispielsweise der Verfassungsschutz anlegen
würde an Mitarbeiter oder an Informanten, dass es
also jemand aus der Führungsspitze sein sollte,
dass es jemand sein sollte, der unbedingt nicht an
Gewalttaten beteiligt ist im Regelfall.
Das konnte oder sollte, weiß ich nicht, bei mir im
Hinterkopf den Verdacht nähren, dass der Tino
Brandt ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes
sein konnte. Ich wusste allerdings nicht, ob das
ernst gemeint war, was er gesagt hat, ob das nur
theoretisch gemeint war, ob er sich nur brüsten
wollte oder ob er vielleicht von einem richtigen
Mitarbeiter ablenken wollte, indem er jetzt einen
gewissen Verdacht auf Tino Brandt lenkt. Das
wusste ich alles nicht. Aber da hatte ich zum ersten
Mal so Kenntnis erhalten, nenne ich es mal, dass
der Tino Brandt mit dem Verfassungsschutz zu-
sammenarbeiten könnte.
Grundsätzlich war das, was mir dieser Mitarbeiter
gesagt hat, auf Tino Brandt zutreffend. Im Regel-
fall war er eben nicht ein Gewalttäter. [...] Meis-
tens blieb er in der Tat im Hintergrund und hat das
Ganze eher gelenkt. Und er war in der Füh-
rungshierarchie ziemlich weit oben. Das war das
erste Mal, als jemand so einen Verdacht geäußert
hat oder als mir das im Hinterkopf blieb. […]
Ich habe das nicht als Einflussnahme gesehen, eher
als Hinweis. Ich habe mich auch nicht beeinflussen
lassen; denn ich habe weiterhin Verfahren gegen
2299) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 110.
2300) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 27.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 267 – Drucksache 17/14600
Tino Brandt bearbeitet, weiterhin forciert und wei-
terhin angeklagt, wo es nur ging.“2301
Auf Nachfrage, ob man ihm nach seiner Einschätzung
versucht habe verstehen zu geben, Brandt sei ein Infor-
mant des LfV Thüringen und er solle bezüglich seiner
Ermittlungen ein bisschen zurückhaltend, sein, hat der
Zeuge Schultz geantwortet:
„Das könnte sein, ja. Also, er könnte auch das Ge-
genteil beabsichtigt haben: Er wollte mir vorma-
chen, dass der Tino Brandt Mitarbeiter des Verfas-
sungsschutzes ist, während es sicherlich ein ande-
rer war. Also, es gibt auch andere Interpretations-
möglichkeiten. Aber es war vordergründig, glaube
ich, schon darauf angelegt, ich solle eher den Tino
Brandt in Ruhe lassen, weil er Mitarbeiter des Ver-
fassungsschutzes sei.“2302
bbb) Bedrohung von Polizeibeamten
Darüber hinaus gab es am 6. November 1996 ein Ereignis
in Rudolstadt: Bei einer Fahrzeugkontrolle wurden zwei
Polizeibeamte aus einer Gruppe von ca. 15 bis 20 Perso-
nen heraus bedroht, die der rechten Szene zuzurechnen
war. Die Beamten wurden durch Sven R. aufgefordert, die
Waffen abzulegen und zu kämpfen. Aufgrund der Situati-
on musste die Fahrzeugkontrolle abgebrochen werden.
Zudem wurden die Beamten durch die Gruppe kurzzeitig
daran gehindert, in ihren Streifenwagen einzusteigen.
Dieser wurde leicht beschädigt.
2303
Auch Tino Brandt war
als Teil der Gruppe vor Ort anwesend.
Das unter dem Aktenzeichen 113 Js 19774 / 96 bei der
Staatsanwaltschaft Gera geführte Ermittlungsverfahren
wurde bzgl. Tino Brandt am 17. April 1997 gemäß § 170
Abs. 2 StPO eingestellt. Sven R. wurde am 27. Januar
1998 durch das Amtsgericht Rudolstadt wegen Landfrie-
densbruchs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
wurde.
2304
ccc) „THS“-Verfahren
Von November 1995 bis November 1997 ermittelte das
LKA Thüringen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Gera
gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimat-
schutzes“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Beschuldigter in diesem Verfahren war auch Tino Brandt.
Das Verfahren wurde bereits oben näher dargestellt.
In diesem Verfahren gingen die Ermittlungsbehörden
davon aus, dass Tino Brandt Mutmaßungen über bevor-
stehende Ermittlungsmaßnahmen anstellte. In einem
Vermerk heißt es:
2301) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 5 f.
2302) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 5.
2303) Vermerk vom 7. November 1996, MAT A TH-9/2i-Saalfeld-
136, Bl. 374.
2304) Übersicht über Justizakten Thüringen, MAT A TH-9/17-22,
Zeilen 6599 und 6601.
„Am Donnerstag, den 01.08.1996, um 09.30 Uhr,
wurde in der Staatsanwaltschaft Gera mit Herrn
OStA Schultz darüber beraten, ob für den o.a.
Fernmeldeanschluss im Hinblick auf die bevorste-
henden ‚Heßtage‘ beim zuständigen Ermittlungs-
richter beim Amtsgericht Rudolstadt die Anord-
nung zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs
gem. § 100a StPO beantragt werden kann.
Herr Schultz erklärte Unterzeichner, dass er vor
kurzem vom Landesamt für Verfassungsschutz in
Thüringen die Mitteilung erhalten habe, dass Tino
Brandt selber wörtlich äußerte:
‚Ich weiß, dass gegen mich ein Ermittlungsverfah-
ren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung
geführt wird. Ich bin deshalb sicher, dass meine
Telefongespräche alle abgehört werden. Aus die-
sem Grund verhalte ich mich bis zum Ende des
Verfahrens ruhig.‘
Diese Äußerung von Tino Brandt stamme aus ei-
ner nicht gerichtsverwertbaren Maßnahme des
Landesamtes für Verfassungsschutz. Nachdem es
seitens des LfV, den sachbearbeitenden Staats-
schutzstellen der Polizei sowie des LKA keine
konkreten Hinweise gibt, dass die Gruppierung um
Tino Brandt während der ‚Heßtage‘ irgendwelche
strafbaren Handlungen plant, hält die Staatsan-
waltschaft Gera die Überwachung des Fernmelde-
verkehrs bei Tino Brandt nicht für opportun. Auch
im Hinblick auf die Äußerung des Tino Brandt,
dass er die Überwachung seiner Telefongespräche
bereits vermutet, ist die Überwachung wenig er-
folgversprechend.
Sollten sich nachträglich weitere Hinweise erge-
hen, wird ein Antrag neuerlich geprüft.“2305
Ohne dass sich aus den Akten ein Grund für eine Aufgabe
dieser Zurückhaltung ergibt, beantragte die Staatsanwalt-
schaft Gera am 6. August 1996 die Überwachung eines
von Tino Brandt mutmaßlich genutzten Telefonanschlus-
ses.
2306
Diese Maßnahme lief vom 7. August 1996 bis
zum 15. März 1997. Der Auswertungsvermerk stellte fest,
dass Tino Brandt und seine Gesprächspartner eine „starke
Gesprächsdisziplin“ zeigten, da sie damit rechneten, ab-
gehört zu werden.
2307
Der Zeuge Schultz hat zu der angesprochenen Mitteilung
des LfV Thüringen über Tino Brandt ausgesagt, er könne
sich nicht daran erinnern.
2308
Jedoch habe ihn Tino Brandt
während einer Sitzungspause einer Hauptverhandlung auf
dieses Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Verei-
nigung angesprochen. Er habe daraufhin mit der Polizei
darüber gesprochen, woher Tino Brandt Kenntnisse über
2305) Vermerk des LKA Thüringen vom 1. August 1996, MAT A
TH-2/45, Bl. 430 f.
2306) Verfügung vom 6. August 1996, MAT A TH-2/45, Bl. 434 ff.
2307) Auswertungsvermerk vom 28. Oktober 1997, MAT A TH-2/45,
Bl. 516 ff.
2308) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 53.
Drucksache 17/14600 – 268 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dieses Verfahren haben könne. Die Sache sei dann ir-
gendwie im Sande verlaufen. Tino Brandt sei in vielen
Verfahren vernommen worden, weshalb es möglich sei,
dass er im Rahmen einer Vernehmung hierauf angespro-
chen worden sei.
2309
ddd) Angaben des Tino Brandt gegenüber
Thorsten Heise
Tino Brandt brüstete sich gegenüber Thorsten Heise in
einem von diesem am 20. Januar 2007 offenbar heimlich
aufgezeichneten Gespräch, das seine Tätigkeit für das
LfV Thüringen behandelte, darüber, dass er vor Haus-
durchsuchungen gewarnt worden sei, sodass für ihn ledig-
lich zwei Durchsuchungen durch bayerische Behörden
unerwartet geschehen seien. Das Wortprotokoll lautet
auszugsweise:
„Brandt (B): … wenn auf einmal vermehrt Haus-
durchsuchungen kommen. Gut, ist dann natürlich
schon sehr praktisch, wenn ich einen Tag vorher
weiß, dass die kommen. […]
B: lch sach mal so, dass war bis auf zwei Haus-
durchsuchungen, die der Freistaat Bayern gegen
mich veranlasst hat, äh, wo ichs nicht vorher wuss-
te, war das sonst so in Coburg, dass äh, die ham ja
(unverständlich) Computerattrappen mitgenom-
men. Die ham ja jedes Mal äh, äh, Beschlagnahme
für meinen Computer gehabt und ähm, ich hab
dann äh, Uraltcomputer da zusammengezimmert,
äh, (unverständlich) bei ner Hausdurchsuchung
nen Computerexperten extra mitgeschleppt. […]
B: (unverständlich) Schwachsinn (unverständlich)
bin dann zum Bahnhof gelatscht und hab den
Computer ins Schließfach getan und... (unver-
ständlich) oder so.“2310
„B: Äähm, man hat das auch richtig gemerkt, weil
es hieß auf einmal, riefen sie bei mir an auf Arbeit,
bei Nation Europa und äh mer können erstmal
nicht mehr bei Dir anrufen, weil Handy und Dings
ist Papi. Sach, LKA hängt drinne oder der große
Bruder hängt drinne, sprich Bundesverfassungs-
schutz.“2311
„B: So, und also das hat man regelrecht äh, ge-
merkt, also die ham gesagt, also die und die Num-
mer geht nicht, äh, hol Dir, hol Dir ne Extra-Card
oder irgendwas äh, zum kommunizieren. […]
B: Ham gesagt, hier hundert Euro, äh hundert
Mark (unverständlich) äh hier hast hundert Mark,
hol Dirs schnell. Soll Dein Bruder holen oder so
damit es nicht auf Deinen Namen Iäuft. Und ich
soll auch nicht äh damit sonst wann telefonieren
2309) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 47.
2310) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, Bl. 24.
2311) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, Bl. 25.
wegen äh der Stimmenerkennung. Server-
Stimmenerkennung läuft, also.“2312
„A [= Thorsten Heise]: Schön zu wissen, dass der
Verfassungsschutz die nationale Bewegung in
Thüringen aufgebaut hat. Das ist schon... ja... sehr
cool.
B: lch hoff ja, n bisschen was, hab ja auch ich ge-
macht, also.“2313
Der Zeuge Sippel hat es für möglich gehalten, dass Brandt
die Dinge so dargestellt hat, um gegenüber seinem Kame-
raden nicht als Verräter zu erscheinen:
„Er hat versucht, zu erklären, dass er im Prinzip
keinen Verrat begangen hat, sondern seine Verbin-
dung mit dem Verfassungsschutz dazu genutzt hat,
für die rechtsextremistische Szene auch Aufbau zu
betreiben. Das halte ich für plausibel. Aber ich
kann auch nicht ausschließen, dass das, was
Brandt H. gegenüber gesagt hat, der Wahrheit ent-
spricht.“2314
eee) Verdacht auf Einflussnahme des LfV im
Übrigen
Der Zeuge Dressler hat über eine Durchsuchung bei Tino
Brandt berichtet:
„Kollegen aus der EG „TEX“ haben eine Durchsu-
chung in Coburg seinerzeit realisiert, und üblicher-
weise findet das ja gegen 6 Uhr morgens statt. Und
wenn man dann hinkommt und jemand dann schon
sozusagen mit der Kaffeetasse in der Hand auf ei-
nen wartet, ist das nicht der übliche Zustand. Und
wenn man dann noch einen Untersuchungsgegen-
stand wie einen Rechner sucht und dann in der
ganzen Wohnung nur ein Uraltmodell ohne Fest-
platte findet, dann ist das schon sehr - - mit sehr
vielen Fragen behaftet.
Ich habe diese Situation so geschildert - - von den
Kollegen, denen das so passiert ist - und jetzt muss
ich wieder sagen: Ich weiß nicht, wo ich diese In-
formation jetzt herhabe, weil ich wirklich nicht
mehr weiß, ob ich es in der Presse gelesen habe
oder anderweitig gehört habe.“2315
fff) Stellungnahmen der Mitarbeiter des LfV
Thüringen
Der Zeuge Nocken, damaliger Vizepräsident des LfV
Thüringen, hat sich „dagegen verwahrt“, dass seitens des
LfV Thüringen versucht worden sein soll, auf die Staats-
anwaltschaft Einfluss dahingehend auszuüben, dass be-
2312) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, S. 26.
2313) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, S. 58.
2314) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 148.
2315) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 54.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 269 – Drucksache 17/14600
stimmte Verfahren beendet oder gar nicht aufgenommen
werden sollen. Er hat in diesem Zusammenhang auf eine
am Wochenende vom 24. bis zum 26. August 2012 be-
kannt gewordene Information verwiesen, dass angeblich
ein oder mehrere Polizisten die Szene gewarnt hätten.
2316
Er selbst habe Tino Brandt nicht vor Strafverfolgungs-
maßnahmen gewarnt, da er ihn überhaupt nicht gekannt
habe. Er sei sich auch sicher, dass keiner seiner Mitarbei-
ter Tino Brandt informiert habe; dies wäre dann gegen
seinen Willen und sein Wissen geschehen.
2317
Der Zeuge Wießner, LfV Thürigen, hat angegeben, dass
er Tino Brandt erst 1998 als V-Mann übernommen habe.
Er habe ihn nie gewarnt.
2318
Der Zeuge Bode, V-Mann-
Führer von Brandt von 1994 bis 1998, hat ebenfalls ver-
neint, Brandt vor Ermittlungsmaßnahmen gewarnt zu
haben. Er habe gar nicht gewusst, wann die Polizei durch-
suche. Im Übrigen habe er seine Quelle „eingestellt“:
„Gerade eine hochrangige Quelle habe ich natür-
lich immer so geführt, dass ich gesagt habe: Du
weißt, wer du bist, und du weißt, dass der Staats-
schutz dich auch auf dem Radarschirm hat. Und
die können jederzeit deine Wohnung durchsu-
chen. - Im Übrigen habe ich ihm auch Sachen ab-
genommen, die er in seinem Auto hatte oder so
[…] und der Auswertung zugeführt.“2319
Zu dem Verdacht von Warnungen der Polizei an Beschul-
digte hat der Zeuge Dr. Roewer ausgesagt:
„Für diesen Verdacht gab es zunächst erst mal den
allgemeinen Hinweis oder den allgemeinen An-
haltspunkt, dass es in der Polizei jemanden gab,
der in die rechtsextreme Szene offensichtlich Poli-
zeiinformationen weitergab, und dieser Verdacht
war sehr konkret dadurch, dass in der rechtsextre-
men Szene eine Bildfahndungsmappe über poli-
zeilich erkannte Rechtsextremisten auftauchte, und
diesem Verdacht war schon nachzugehen.“2320
Dies sei vermutlich 1998 gewesen.
2321
ll) Kenntnis des BfV über den Klarnamen der
Quelle 2045/2150
Der Zeuge Egerton, der nach eigenen Angaben die Opera-
tion „Rennsteig“ mit initiierte, hat angegeben, er habe
weit vor deren Aufdeckung von der Existenz der Quelle
„2045“ des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz
gewusst.
2322
Informell habe er auch den Klarnamen ge-
wusst:
2316) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 128.
2317) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 15.
2318) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 14.
2319) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 80 f.
2320) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.
2321) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 107.
2322) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 25.
„Das BfV wusste es nicht, aber ich wusste es, ja,
und ich glaube, einige Kollegen wussten es auch.
[…]
Wenn man allerdings ein bisschen, na ja, zwischen
den Zeilen zu lesen vermag, viele Kontakte unter-
hält, auf privater und dienstlicher Ebene, auch - ich
sage mal - die Meldungen liest, welchen Zugang
die dortigen Quellen haben, Vergleichsmeldungen
heranzieht, dann ist es eigentlich gerade bei sol-
chen hochrangigen Quellen oftmals kein großes
Problem, an den Klarnamen ranzukommen. Es gibt
eben manche Sachen, die nur einige wenige Leute
kennen können.“2323
Auch der Zeuge Renzewitz (bis 1999 Auswertung Rechts-
terrorismus im BfV) hat ausgesagt, in der „Auswertung“
des BfV habe zumindest ein Verdacht bestanden, dass
Brandt V-Mann des LfV Thüringen sei.
2324
Zum einen aus
diesem Grund aber auch wegen seiner Hochrangigkeit im
„THS“ sei er nicht als V-Mann des BfV in Betracht gezo-
gen worden.
2325
Der Zeuge Fritsche, von Oktober 1996 bis November
2005 Vizepräsident des BfV, hat angegeben, dass das BfV
die V-Mann-Tätigkeit von Tino Brandt nicht gekannt
habe. Er hat weiter ausgeführt:
„Sonst hätten wir dies im Zuge des NPD-
Verbotsverfahrens nicht als Beleg für das Aggres-
siv-Kämpferische eingeführt. Denn Sie kennen ja
die Diskussion, die nicht erst seit dem Einstel-
lungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts er-
folgte, dass eine Staatsfreiheit vorliegen muss. Das
sind ja auch die Kriterien, die in dem Einstel-
lungsbeschluss eine Rolle spielen, die für ein etwa-
iges neues NPD-Verbotsverfahren eine Rolle spie-
len, und das war nicht bekannt, obwohl die Lan-
desbehörden nach meiner Kenntnis damals alle
aufgefordert worden sind, zu den Materialien, die
in dem Verbotsantrag mit eingeführt werden, zu
erklären, dass es sich um quellenfreies Material
handelt.“2326
mm) Enttarnung Brandts
Im Mai 2001 wurde die V-Mann-Eigenschaft von Tino
Brandt in der Presse kolportiert. Der Zeuge Wießner hat
vermutet, dass ein Mitarbeiter des LfV, möglicherweise
im Auftrag des ehemaligen Präsidenten Dr. Roewer, die
Enttarnung von Tino Brandt veranlasst habe. Er hat als
Indiz genannt:
„Am Tag vor der Enttarnung ist ein OG-Leiter an-
gerufen worden, abends um 22 Uhr, und ist gefragt
worden, ob er am nächsten Tag aus dem Dienst-
ausgleich kommen kann, um eine Treffabsiche-
2323) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 25.
2324) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72, S. 21 (nichtöffentlich).
2325) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72, S. 21 (nichtöffentlich).
2326) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 60.
Drucksache 17/14600 – 270 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rung zu machen. Und üblich war zu diesem Zeit-
punkt - es war Nachsorge -, dass da kein Treff mit
Observation stattfand; war nicht notwendig. Und
dann haben andere Leute, Observanten, den Job
übernommen. Das weiß man bisher. Den Auftrag,
den ich vorhin zitiert habe, hat S. gegeben, und S.
war eng liiert mit Roewer. Das ist aus heutiger
Sicht nur eine Retourkutsche gewesen aufgrund
dieser Veröffentlichung ‚Küche‘, und dann kam
von dieser Seite: Es bebt hier alles.“2327
Bei diesem letzten Treffen mit Brandt im Mai 2001 habe
dann wohl jemand von der Thüringer Allgemeinen Zei-
tung fotografiert.
2328
Der Zeuge Sippel hat die Enttarnung ähnlich geschildert:
„Es war so, dass Tino Brandt sich mit seinem
ehemaligen V-Mann-Führer, der ihn ja dann zu be-
treuen hatte, in einer Gaststätte in Coburg getrof-
fen hat. Und dieses Treffen ist verdeckt fotogra-
fiert worden. Das heißt, es gab dann Bilder von Ti-
no Brandt und auch von dem V-Mann-Führer
Wießner, die dann in der Presse veröffentlicht
worden sind.
Die Kenntnis, dass Tino Brandt Quelle des Verfas-
sungsschutzes war, war allerdings schon vor der
Veröffentlichung in der Thüringer Allgemeinen
bekannt. […]
Herr Nocken war der Auffassung, dass Tino
Brandt verraten worden sei durch einen Mitarbei-
ter aus dem Haus oder durch Mitarbeiter aus dem
Haus. Er hat nicht gewusst, wer das gewesen sein
könnte, sondern hat vermutet, es seien Personen
aus dem Umfeld von Dr. Roewer. […]
Dem bin ich nachgegangen. Wir haben Mitarbeiter
befragt. Wir haben auch die Polizei eingeschaltet.
Ich glaube mich zu erinnern, dass wir Strafanzeige
erstattet haben wegen Geheimnisverrats. Aller-
dings wurde nicht aufgeklärt, wer wirklich dahin-
tergesteckt hat.“2329
Die Enttarnung habe die Quellenwerbung und –führung
sehr erschwert.
2330
Der Zeuge Nocken hat ausgeführt, dass mit der Enttar-
nung von Tino Brandt und der daraufhin erfolgten sofor-
tigen Beendigung der Zusammenarbeit keine Möglichkeit
mehr bestanden habe, an das Trio heranzukommen. Man
hätte eine neue Quelle anwerben und langsam dahin plat-
zieren müssen, um wieder Informationen zu bekom-
men.
2331
Er sei der festen Überzeugung, wenn das LfV
Thüringen in Ruhe hätte weiterarbeiten können – entwe-
der mit Quelle 2045 oder mit einer weiteren Quelle –,
2327) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 60 f.
2328) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 60 f.
2329) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144 f.
2330) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144.
2331) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 37.
hätte man gute Chancen gehabt, den Aufenthaltsort des
Trios zu entdecken und damit möglicherweise Schlimme-
res zu verhindern.
2332
Der Zeuge Sippel hat diese Argumentation als hypothe-
tisch bezeichnet. Dem könne man entgegenhalten, dass
auch drei Jahre mit Tino Brandt das Trio nicht gefunden
worden sei. Die Abschaltung, aber vor allem die Offenba-
rung der Zusammenarbeit in den Medien habe aber dem
LfV Thüringen die Quellenwerbung und -führung erheb-
lich erschwert, auch vor dem Hintergrund, dass ein Jahr
zuvor bereits Thomas D. enttarnt worden sei. Bei Rechts-
extremisten, mit denen man habe zusammenarbeiten wol-
len, habe die Befürchtung bestanden, enttarnt zu wer-
den.
2333
Auch nach Brandts Enttarnung habe das LfV Thüringen
noch Kontakt zu Brandt gehabt in Bezug auf die Frage,
ob dieser durch die Enttarnung gefährdet sei. Er könne
sich erinnern, dass Brandt berichtet habe, ihm sei in ei-
nem Umschlag eine Patrone zugeschickt worden. Mit der
Polizei habe man daraufhin über eventuelle Schutzmaß-
nahmen gesprochen.
2334
Nach Angaben des ehemaligen LfV-Präsidenten Sippel
hat es nach der Enttarnung Tino Brandts – mit Ausnahme
der Erteilung einer Aussagegenehmigung in einem Straf-
verfahren – keine Zusammenarbeit mehr mit Brandt ge-
geben.
2335
Dieser sei aber unmittelbar nach dem Abschal-
ten noch Zielobjekt einer G10-Maßnahme gewesen. Da-
nach sei dieser – zumindest für das LfV erkennbar – nicht
mehr in dem besonderen Maße in der rechtsextremisti-
schen Szene aktiv gewesen, dass dies eine Beobachtung
gerechtfertigt hätte.
2336
b) VM 2100 („Riese“/„Hagel“)
Marcel D. war Kassenwart der „Blood & Honour“-
Gruppierung. Nach Aussage des Zeugen Nocken sei er
„eigentlich nur mit Konzerten beschäftigt“ gewesen. Er
habe sich um die Ausrichtung irgendwelcher Musikveran-
staltungen gekümmert.
2337
Vor dem Thüringer Untersu-
chungsausschuss gab er an, die relativ hochrangige Funk-
tion der Quelle habe man akzeptieren müssen, da sonst
Informationen nicht zu erlangen gewesen seien.
2338
Bei
einer Sektion, die wie die Thüringer mehr oder weniger
unbedeutend sei, könne man das noch dulden.
2339
Vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss sagte der
Mitarbeiter des LfV, Wießner, Marcel D. sei 1995 oder
1996 geworben worden.
2340
Der Zeuge Schrader bezeich-
2332) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 129.
2333) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144.
2334) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 158.
2335) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 164.
2336) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 164 f.
2337) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 20.
2338) Nocken, LT-TH, MAT B TH-1/7, S. 89.
2339) Nocken, LT-TH, MAT B TH-1/7, S. 92.
2340) Wießner, LT-TH, MAT B TH-1/5, Bl. 61.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 271 – Drucksache 17/14600
nete ihn als eine Quelle, die an herausgehobener Position
bei „Blood & Honour“ tätig gewesen sei.2341 Er habe
Informationen geliefert, über die andere Verfassungs-
schutzämter nur gestaunt hätten.
2342
Der Zeuge Wießner hat ausgesagt, erste Hinweise zum
Trio mit Bezug zu Chemnitz und Jan Werner seien von
der Quelle 2100 gegeben worden. Er habe diese Quelle
vertretungsweise in der Hoffnung und mit dem speziellen
Auftrag geführt, dass sie Informationen zum Trio liefern
werde. Ansonsten sei die Quelle 2100 von einem Kolle-
gen im Amt geführt worden, der auch im V-Mann-Referat
beschäftigt gewesen sei. Herr Nocken sei dies nicht gewe-
sen.
2343
Zur Abschaltung der Quelle hat der Zeuge Sippel erklärt,
er sei im Oktober 2000, kurz vor seinem Wechsel ins
LfV, auf seiner früheren Arbeitsstelle beim BfV vom
Vizepräsidenten Nocken aufgesucht und um Rat gefragt
worden. Die Quelle 2100 habe gegen das Verbot von
„Blood & Honour“ durch das BMI Widerspruch einge-
legt. Herr Nocken habe den Zeugen Sippel gefragt, ob er
die Zusammenarbeit mit diesem V-Mann beenden solle.
Der Zeuge Sippel habe Herrn Nocken erklärt, dies noch
nicht entscheiden zu können, da er noch Bundesbeamter
sei, jedoch vorgeschlagen, die Quelle abzuschalten.
2344
Im Jahr 2002 sei dann die Quelle in der Szene enttarnt
worden:
„Ich glaube, das ist erfolgt durch eine § 100a-
Maßnahme der Polizei in Sachsen-Anhalt, in der
ein Gespräch zwischen der Quelle und einem V-
Mann-Führer aufgezeichnet worden ist, und durch
die Akteneinsicht des Anwalts - wenn ich das rich-
tig in Erinnerung habe - ist das dann auch der Sze-
ne bekannt geworden. Wir hatten danach auch mit
der Quelle besprochen, welche Schutzmaßnahmen
zu veranlassen sind, und diese Quelle ist vermöbelt
worden in der Szene. Das hat sie uns berichtet, und
der V-Mann-Führer hat auch damals niedergelegt,
dass sie Schrammen im Gesicht gehabt hat, ein
blaues Auge und mächtig Prügel eingesteckt hat.
Das heißt, es kann durchaus zu körperlicher Ge-
walt kommen. In dem Fall waren es Blessuren.
Aber ich denke, dass man es im Bereich des ge-
waltbereiten Rechtsextremismus auch mit Perso-
nen zu tun hat, die wir gar nicht kalkulieren kön-
nen, die in ihren Handlungen schwer einzuschät-
zen sind für uns, sodass es für mich durchaus
denkbar ist, dass es auch im Rahmen einer Enttar-
nung zu weit mehr Konsequenzen führen kann, als
dass man mit einer Tracht Prügel überzogen
wird.“2345
2341) Schrader, LT-TH, MAT B TH-1/5, Bl. 229.
2342) Schrader, LT-TH, MAT B TH-1/5, Bl. 256.
2343) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 31 f.
2344) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 145.
2345) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 160.
c) VM „Küche“
Bei dem VM mit dem Decknamen Küche handelt es sich
um den im Jahr 2000 enttarnten Thomas D. Dieser war
vom 23. Januar 1996 bis zum 22. August 1997 für das
LfV Thüringen tätig.
2346
Der Zeuge Dr. Roewer hat zum V-Mann Thomas D. Fol-
gendes ausgeführt:
„Zunächst gab es einen Selbstanbieter. […] Das
war der verurteilte Rechtsextremist D., den ich hier
deswegen auch nenne, weil er sich ja selbst ir-
gendwann mal geoutet hat als ehemalige Quelle
des Amtes, der auch ein völlig harter, also unbe-
streitbarer Rechtsextremist war, ein rechtsextremer
Straftäter zudem, der von einem Mitarbeiter von
mir, der da besonders erfahren war, abgeschöpft
wurde - unter Sprit gesetzt und abgeschöpft; das
war die Methode.“2347
Auf Nachfrage, was „unter Sprit gesetzt“ bedeute, hat der
Zeuge erklärt:
„Die sind saufen gegangen, und dann hat er ihn
abgeschöpft.“ […] Dieser Mann ist eine Weile
lang als Quelle von uns benutzt worden. Und erst,
als er deutlich anfing, die Wirklichkeit von der
Fantasie nicht mehr zu unterscheiden, haben wir
uns seiner entledigt. Sie dürfen sich dieses Ge-
schäft nicht als besonders vornehm vorstellen. Die
Selbstanbieter sind natürlich darauf aus - - Die
wollen irgendwas. Meistens wollen sie Geld. Im
Fall des gerade geschilderten D. war es so - nach
meiner jetzigen Erinnerung zumindest -: Der hatte
in der Tat ein Ziel, nämlich er glaubte, dass, wenn
er seine Kumpels verpfeift an die Verfassungs-
schutzbehörde, ihn das vor weiteren Strafverfol-
gungsmaßnahmen schützt. Der fürchtete nichts so
sehr, wie erneut einrücken zu müssen. Und bei
diesen Abschöpfmanövern ist ihm dann gesagt
worden: Es gibt ein ganz sicheres Mittel vor dem
nächsten Einrücken in den Knast: Das ist, keine
Straftaten mehr zu begehen; außerordentlich siche-
res Mittel.“2348
Nachdem in der ZDF-Sendung Kennzeichen D vom
7. Juni 2000 über eine Zusammenarbeit des LfV Thürin-
gen mit dem führenden Rechtsextremisten Thomas D. und
die Zahlungen des LfV an diesen berichtet worden war
und in die Öffentlichkeit auch Informationen und Mutma-
ßungen über die Heron-Verlagsgesellschaft mbH Erfurt
und deren Verbindungen zum LfV gelangt waren, wurde
Dr. Roewer vom Dienst suspendiert.
2349
Der im Zuge dieser Affäre vom Thüringer Innenministe-
rium beauftragte Rechtsanwalt Dr. Gasser fasste die Er-
2346) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 15.
2347) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.
2348) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.
2349) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 1.
Drucksache 17/14600 – 272 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
kenntnisse zu Thomas D. in seinem Bericht vom 23. Au-
gust 2000 zusammen.
Danach handelt es sich bei Thomas D. um einen Rechts-
extremisten, der im Spitzenbereich der Bewegung anzu-
siedeln war. Thomas D. war nach eigenen Angaben An-
fang der 90er Jahre Landesvorsitzender der NPD-
Thüringen und 1995/96 u. a. Bundesvorsitzender der
Deutsch Nationalen Partei (DNP). Er selbst bezeichnete
sich in einem Schreiben vom 18. März 1996, das dem
LfV Thüringen vorlag, als „einen der führenden Neona-
zis“ der Bundesrepublik Deutschland. Während Thomas
D. Tätigkeit für das LfV Thüringen erfolgten insgesamt
93 dokumentierte Treffen, er erhielt für seine Tätigkeit
insgesamt 21 980 DM und zusätzlich 6 800 DM an Spe-
sen (Gesamtsumme 28 780 DM).
2350
Thomas D. wandte sich am 18. Januar 1996 erstmals
fernmündlich an das Landesamt für Verfassungsschutz in
Thüringen und bat um ein Gespräch. Bei dem ersten Tref-
fen am 23. Januar 1996 gab Thomas D. an, er wolle künf-
tig zwar weiterhin als Rechtsextremist aktiv sein, die
Gesetze werde er aber beachten. Bei dem ersten Treffen
führte er ergänzend an, er plane, dem LfV alle seine Akti-
vitäten mitzuteilen und erwarte als Gegenleistung, dass er
„strafrechtlich beraten werde“.2351
Als Konsequenz aus den Vorgängen um Thomas D.
schlug Dr. Gasser vor, die operativen Mitarbeiter des LfV
Thüringen anzuweisen, künftig keine Personen der Füh-
rungsebene extremistischer Organisationen als V-Leute
mehr zu führen und dies in einer Dienstanweisung eindeu-
tig zu regeln.
2352
d) „Alex“
Alex war kein förmlich verpflichteter V-Mann. Er gab
dem LfV Thüringen 1998 lediglich einige Hinweise zum
Trio, die laut Schäfer-Gutachten allerdings nicht bedeut-
sam gewesen seien.
2353
Das LfV Thüringen teilte dem BKA mit Schreiben vom
21. März 2013 mit, dass es einen Werbungsfall Alex mit
der Zielperson Andreas R. gegeben habe. Am 7. April
1998 habe eine Ansprache stattgefunden. In der Folge sei
es zu neun „Treffs“ oder Tagesobservationen gekommen,
die letzte Maßnahme sei für den 15. September 1998
dokumentiert. Ein Grund der Beendigung habe nicht
festgestellt werden können.
2354
Andreas R. gab gegenüber dem BKA an, der eigentliche
Auftrag des LfV Thüringen habe darin bestanden, dem
LfV Einblicke in die Jugendszene zu verschaffen. Er sei
weder konkret zu Organisationsstrukturen (z. B. „THS“)
2350) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 13 f.
2351) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 13 f.
2352) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 26.
2353) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 150, 153, 155.
2354) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA vom 21. März 2013,
MAT A TH-3/14/2 (Tgb.-Nr. 198/13 - GEHEIM), S. 2 f. des
Schreibens.
und auch nicht zu einzelnen Personen oder Straftaten
befragt worden. Das Trio sei nur hinsichtlich des Trans-
ports des PKW thematisiert worden.
2355
In die Flucht des
Trios sei er in keiner Weise eingebunden gewesen. Er
habe zwar im Februar 1998 ein defektes Fahrzeug auf
Bitten des Kapke abgeholt. Er habe aber erst kurze Zeit
später erfahren, dass es das Auto des Trios gewesen
sei.
2356
Gegenüber dem LfV Thüringen hatte er allerdings
am 29. Juli 1998 noch bestritten, das Fahrzeug abge-
schleppt zu haben. Dies wertete der damalige V-Mann-
Führer Wießner als glaubhaft und vermerkte dies auf der
entsprechenden Deckblattmeldung über die Information
von Tino Brandt vom 20. Februar 1998.
2357
Aus der Zusammenstellung der Erkenntnisse des LfV
Thüringen ergibt sich, dass Andreas R. von 1992 bis 2003
immer wieder im Zusammenhang mit seiner rechtsextre-
mistischen Gesinnung auffiel. 1995 wurde er wegen be-
sonders schweren Landfriedensbruchs zu einer Freiheits-
strafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.
2358
e) Gewährsperson „Tristan“
Tristan war eine Gewährsperson, die Hinweise zum Trio
gab.
2359
Das BKA schloss aus Mitteilungen des BfV und
dem Bericht der Thüringer Schäfer-Kommission, dass es
sich bei Tristan um die Person T. R. handelt. T. R. gab
von Ende 2000 bis Mai 2001 mehrere Hinweise an das
LfV Thüringen.
2360
Am 1. Dezember 2011 meldete er sich
beim BKA und teilte mit, es sei in der rechten Szene nach
dem Untertauchen des Trios ein offenes Geheimnis gewe-
sen, dass Wohlleben und Kapke den Aufenthaltsort des
Trios kannten und sie logistisch unterstützten. Er habe
damals bei der Fernsehsendung Aktenzeichen XY-ungelöst
angerufen, als nach dem Trio gefahndet worden sei.
2361
T. R. wurde 2001 von den Ermittlungsbehörden als Sym-
pathisant der „Jenaer Kameradschaft“ angesehen.2362
2355) Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 19. März 2013,
MAT B GBA-4 (Tgb.-Nr. 91/13 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1
ff., 23.
2356) Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 19. März 2013,
MAT B GBA-4 (Tgb.-Nr. 91/13 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1
ff., 17 ff.
2357) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA vom 21. März 2013,
MAT A TH-3/14/2 (Tgb.-Nr. 198/13 - GEHEIM), S. 3 des
Schreibens.
2358) Vermerk des LfV Thüringen vom 14. Oktober 2003, MAT A
TH-3/EB12 (Tgb.-Nr. 101/13 – VS-VERTRAULICH).
2359) Vgl. oben sowie Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 177,
184.
2360) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA vom 7. Dezember
2012, MAT A GBA-13, Bl. 344.
2361) Vermerk des BKA vom 1. Dezember 2012, MAT A GBA-4/26,
Bl. 5 f.
2362) Übersicht über die Personen des Thüringer Heimatschutzes,
MAT B TH-3, Dateiname: 2862.00-26-1997 (Band 2) - mT.pdf,
Bl. 309.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 273 – Drucksache 17/14600
f) VM „Ares“
Ares war Kreisvorsitzender in der Thüringer NPD. Der
Zeuge Sippel hielt diese Position eines V-Mannes für kein
Problem:
„Denn Beobachtungsobjekt ist für uns der Landes-
verband der NPD. Man kann auch darüber nach-
sinnen, ob jemand, der im Landesvorstand ist,
auch die Führungsfunktion bestimmt, oder ob es
ein Vorsitzender sein muss oder ein Stellvertreter.
Ich glaube, das sind Fragen, die man im Einzelfall
klären muss.
Der Kreisvorsitzende [Ares], der ja sehr umstritten
war auch innerhalb seiner Partei, der auch große
Widersacher hatte innerhalb seiner Partei, war
nicht in der Lage, die Zielrichtung des Landesver-
bandes zu bestimmen.“
Er habe zwar 2008 versucht, den Landesvorsitzenden der
NPD zu stürzen, sei jedoch gescheitert, weil er die Mehr-
heit der Partei nicht hinter sich gehabt habe. Dies zeige,
dass er gerade nicht in der Lage gewesen sei, die Zielrich-
tung zu bestimmen.
2363
Die Thüringer Allgemeine Zeitung berichtete am 5. De-
zember 2012, dass Ares sich gegenüber dem MDR selbst
als ehemaliger V-Mann zu erkennen gegeben habe. Zwi-
schen 2006 und 2010 habe er regelmäßig Informationen
an das LfV Thüringen geliefert. 2007 habe er einen Spit-
zel in die Fraktion der Thüringer Linke eingeschleust, der
allerdings rasch aufgeflogen sei. Sein V-Mann-Führer sei
eingeweiht gewesen und habe ihn bestärkt.
2364
Dem Artikel zufolge stellte das LfV Thüringen den Sach-
verhalt anders dar: Ares habe sich im Mai 2006 selbst
angeboten und sei bis September 2007 als V-Mann im
Bereich Rechtsextremismus geführt worden. Die Zusam-
menarbeit sei wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit
beendet worden. Einzelne NPD-Aktionen seien durch die
Behörde weder initiiert noch unterstützt worden.
2365
g) VM „Günther“?
Nachdem der damalige LfV-Präsident Dr. Roewer im
August 2000 in den Ruhestand versetzt worden war, wur-
den in seinem Panzerschrank mehrere Quittungen aufge-
funden, welche mit Günther unterschrieben waren.
Der Ausschuss hat nicht feststellen können, ob es im LfV
Thüringen einen V-Mann Günther gab. Keiner der ver-
2363) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 172 f.
2364) thüringer-allgemeine.de, „Ehemaliger Erfurter NPD-Chef
enttarnt sich als früherer V-Mann“, Artikel vom 5. Dezember
2012.
2365) thüringer-allgemeine.de, „Ehemaliger Erfurter NPD-Chef
enttarnt sich als früherer V-Mann“, Artikel vom 5. Dezember
2012.
nommenen Zeugen hat ausgesagt, er kenne diesen V-
Mann.
2366
Der Zeuge Sippel hat ausgesagt:
„Mein damaliger Vertreter Herr Nocken […] hat
mir […] Quittungen vorgelegt, die Herr Roewer
ausgestellt hat, über Zahlungen, die an diese Per-
son gegangen sind, ein sogenannter Günther. Und
es fanden sich auch in den Akten keine Hinweise
auf die Identität dieses Günther. Es ließ sich für
mich nicht klären, wer sich hinter dieser Person
verbirgt. Und Herr Dr. Roewer hat auch in Verfah-
ren, die wir auch im Zusammenhang mit Scha-
densersatzforderungen gegen ihn anhängig ge-
macht haben, die Identität dieses Günther nicht of-
fengelegt.
Ich gehe davon aus, dass dieser Günther mit die-
sem Vorgang NSU nicht in Zusammenhang
steht.“2367
„Ich kann mir vorstellen, dass es vielleicht gar kei-
nen V-Mann ,Günther‘ gegeben hat, sondern dass
es darum ging, Gelder umzuschichten im Lan-
desamt. Der Vorwurf stand ja auch im Raum, war
auch Gegenstand eines Strafverfahrens, dass sich
dieser Sachverhalt dahinter verbirgt. Ich hatte aber
auch mit Herrn Nocken darüber gesprochen, ob er
sich vorstellen könnte, dass sich hinter ,Günther‘
jemand verbergen könnte, der mit dem Trio im Zu-
sammenhang steht, vielleicht einer von diesen
dreien, die abgetaucht sind. Herr Nocken sagte, das
könnte er mit fast hundertprozentiger Sicherheit
ausschließen; das glaubt er nicht.“2368
Der Zeuge Dr. Roewer hat auf die Frage nach dem V-
Mann Günther zunächst zurückgefragt:
„Was geht Sie das an? […] Was hat das mit dem
Thema des Untersuchungsausschusses zu tun?“2369
Schließlich hat er erklärt, es habe sich um keine Quelle
aus dem rechtsextremen Bereich gehandelt.
2370
Einen
Günther, der mit dem Thema des Untersuchungsaus-
schusses und dem gesamten Bereich Rechtsextremismus
zu tun hat, habe es in seiner Dienstzeit nicht gegeben.
2371
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, dass Dr. Roewer in
Besprechungen über Quellenmeldungen des Günther, der
im Spionagebereich eingesetzt gewesen sei, gesprochen
habe. Berichte habe der Zeuge Schrader jedoch nicht
gesehen.
2372
Er glaube, dass es einen V-Mann Günther gar
nicht gegeben habe.
2373
2366) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 24; Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 91;
Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 23.
2367) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 135.
2368) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 170.
2369) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 83 f.
2370) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 84.
2371) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 88.
2372) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 149.
2373) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 150.
Drucksache 17/14600 – 274 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
h) Weitere mögliche V-Leute
Der Zeuge Baumbach hat bekundet, nach dem Abtauchen
des Trios habe man im LfV Thüringen Überlegungen
angestellt, gezielt nach Personen zu suchen, die als V-
Personen in Frage kommen würden, um bei der Suche zu
helfen. Er könne sich aber heute nicht mehr erinnern, wer
dies konkret gewesen sei.
2374
Über Wohlleben sei zwar
geredet, er sei aber gleich ausgeschlossen worden, weil er
zu gefestigt gewesen sei.
2375
Nach Aussage des Zeugen Wießner seien von der „Kame-
radschaft Jena“ des „THS“ André Kapke und Ralf Wohl-
leben als mögliche V-Personen wegen ihrer Vorstrafen
nicht in Frage gekommen.
2376
Der Zeuge Nocken hat ausgeschlossen, dass in seiner
Dienstzeit (bis 2001) Ralf Wohlleben als V-Mann ange-
worben worden sei.
2377
Der Zeuge Wießner hat darüber hinaus ausgesagt, dass in
Jena drei Werbungsvorhaben gelaufen seien, unter ande-
rem ein Werbungsversuch von Jürgen H.
2378
Jürgen H.
sei aber gleich verraten worden:
2379
„Das lief schief. Und dann war Tristan. Nach ei-
nem Vierteljahr konnten Sie das Ding auch im
Grunde genommen beenden.“2380
Nach Angaben des Zeugen Schrader habe das LfV Thü-
ringen seinen Quellen Geld für verbindliche Hinweise
nach dem Aufenthaltsort des Trios angeboten.
2381
II. Erkenntnisse und V-Leute des BfV
1. Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“
Die Ausgabe 18 des Neonazi-Magazins Der Weisse Wolf
(Schreibweise wie im Original) aus dem Jahr 2002 enthält
auf Seite 2 unterhalb des Vorwortes eine Danksagung:
„Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen
;-) Der Kampf geht weiter…“2382
Dieses wurde im Jahr 2002 von David Petereit verant-
wortlich herausgegeben, dem heutigen MdL der NPD in
Mecklenburg-Vorpommern.
2383
Petereit hatte zuvor einen
Brief mit dem Absender „NSU“ sowie eine Geldspende
2374) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.
2375) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 179.
2376) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6 f.; Jürgen H. gab jedoch 1999
dem MAD einen Hinweis auf das Trio, siehe hierzu Abschnitt
E. III. 6. m).
2377) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.
2378) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 28.
2379) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6 f.; Jürgen H. gab jedoch 1999
dem MAD einen Hinweis auf das Trio, siehe hierzu Abschnitt
E. III. 6. m).
2380) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.
2381) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 170 f.
2382) MAT A BY-14/1b, Bl. 143.
2383) MAT A BfV-4/12 (VS-NfD).
erhalten.
2384
Einen solchen Brief fand man später auch in
der ausgebrannten Wohnung des Trios in der Frühlings-
straße.
2385
Diese Ausgabe wurde für das BfV von der Quelle Q1
beschafft.
2386
Der damals im BfV hierfür in der Projekteinheit II 2 E
(Neonazis)
2387
zuständige Auswerter, der Zeuge Egerton,
hat angegeben, er habe über einen Hinweis der BfV-
Quelle Q1 von dem Magazin erfahren und es deshalb
beschaffen lassen. Die logistische Unterstützung von Q1
für das Magazin sei ihm nicht bekannt gewesen. Die Re-
levanz dieser Passage habe er nicht gesehen, weshalb er
auch keinen konkreten Auftrag zur Ermittlung der Bedeu-
tung des Kürzels „NSU“ beispielsweise an Q1 gegeben
habe. Er hat hierzu weiter ausgeführt:
„Ich bin auch heute noch der Meinung, dass man
aufgrund dieses einzigen Satzes, der zudem noch
als ironisch gekennzeichnet worden ist, eigentlich
keine inhaltliche Relevanz hätte herauslesen kön-
nen. Ein unbestimmter Dank an eine Gruppe, die
keiner kennt, die zudem noch mit einem Smiley
versehen ist, da hätte man fast schon hellseheri-
sche Fähigkeiten benötigt.“2388
Abkürzungen und Danksagungen seien in rechtsextremis-
tischen Publikationen die Regel gewesen.
2389
Wenn bei
100 bis 150 rechtsextremistischen Publikationen pro Jahr
jede Abkürzung bei den Landesbehörden nachgefragt
worden wäre, wäre der Verfassungsschutz lahmgelegt
worden und es wären zu 100% Fehlanzeigen entstan-
den.
2390
Der Auswerter in der Projekteinheit „Rechtsterrorismus“,
der Zeuge Kippenborck, hat angegeben, dass ihm Der
Weisse Wolf allenfalls im Bereich „Gewaltdiskussion“
aufgefallen sei. Den Begriff „NSU“ habe er dort nicht
wahrgenommen.
2391
2. V-Leute des BfV mit möglichen Bezügen
zum Trio
Das BfV führte folgende V-Leute, die jedenfalls zum
Umfeld des Trios Kontakt hatten:
a) V-Mann Q1
Q1 war aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in der Lage,
im gesamten Bundesgebiet unterwegs zu sein. Der Zeuge
G. B. hat zum Werdegang von Q1 bis zu seiner Anwer-
2384) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 18.
2385) MAT A BY-14/1, Bl. 125 (pdf).
2386) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 4.
2387) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 8.
2388) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 15 f.
2389) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 66 f.
2390) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 20 f.
2391) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 3 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 275 – Drucksache 17/14600
bung als V-Mann des BfV in den 1990er Jahren berichtet,
dass er um den Zeitpunkt der Wende, also Anfang der
1990er Jahre, sein Elternhaus verlassen habe und erstmal
„ein bisschen in der Republik unterwegs gewesen“ sei.
Während dieser Zeit habe er auch Kontakt zur rechten
Szene bekommen und sei dann über verschiedene rechts-
extremistische Organisationen in Kontakt zu einer später
verbotenen neonazistischen Organisation gekommen. Der
Führer dieser Gruppe habe ihn dann sozusagen in die
Zentrale geholt. Das sei Anfang der 1990er Jahre gewe-
sen. Danach habe er sich mit dem Anführer überworfen
und habe sich schließlich an die Polizei eines Bundeslan-
des gewandt mit dem Hinweis, er könne der Polizei einige
wertvolle Informationen liefern, wenn diese ihm auch
helfen. Er sei dann von verschiedenen Sicherheitsbehör-
den in verschiedenen Bundesländern weitergereicht wor-
den und dann schließlich durch ein LfV als Informant
geworben worden. Im Folgejahr sei er dem BfV überge-
ben worden. Seit den 1990er Jahren sei also das BfV mit
der Quellenführung bedacht und habe ihn später zum V-
Mann hochgestuft.
2392
Q1 sei in den Jahren 1997/1998 zur Beobachtung der
rechtsextremistischen Internetszene eingesetzt worden.
2393
Das BfV habe die Internetaktivitäten von Q1 zunächst
nicht überwacht, da das BfV keinen Zugriff gehabt habe.
Als jedoch gegen ihn wegen der Einstellung von histori-
schen Bildern auf der Homepage ein Ermittlungsverfah-
ren eingeleitet und er auch wegen Verwendens von Kenn-
zeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt
worden sei, habe das BfV die Internetaktivitäten des Q1
so organisiert, dass nichts mehr ohne Kontrolle durch das
BfV eingestellt werden habe können.
2394
Vor einigen
Jahren sei jedoch erneut eine rechtskräftige Verurteilung
erfolgt, weil Q1 Individualrechtsgüter Dritter durch Ver-
öffentlichung von deren personenbezogenen Daten ver-
letzt habe. Diese Personen hätten Strafantrag wegen der
Verletzung des Rechts am eigenen Bild gestellt.
2395
Das BKA bezeichnete Q1 als Namensgeber und Initiator
einer neonazistischen Gruppierung.
2396
Annähernd während des gesamten Untersuchungszeit-
raums – mit einer Unterbrechung – war Q1 als V-Mann
des BfV tätig.
2397
Der Zeuge G. B. hat angegeben, dass ihm persönliche
Kontakte von Q1 zu „Combat 18“ nach England nicht
bekannt seien. Allerdings habe es über das Internet Kon-
takte gegeben, die Q1 an das BfV weitergegeben habe.
2398
2392) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 2 f.
2393) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 3.
2394) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 14.
2395) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 29.
2396) MAT A BKA-3/0002, Bl. 98 ff., 165.
2397) Vgl. Beurteilung von Q1 durch das BfV vom 13. Januar 2012
für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2011, MAT A
BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 2 ff.
2398) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 20.
Bemerkenswert an der Quelle ist, dass Q1 als einzige
Quelle des BfV zumindest einmaligen Kontakt mit einem
Mitglied des Trios hatte, sein Name auf Kontaktlisten des
Mundlos eingetragen ist, er im Auftrag des BfV Kontakt
zum Herausgeber der Fanzine Der Weisse Wolf hatte, in
dem sich im Editorial des Heftes 18 aus dem Jahr 2002
die bekannte Danksagung an den NSU findet und er auch
im Bereich „KKK“ aktiv war, zu dem möglicherweise ein
Bezug im Zusammenhang mit dem Mord und versuchten
Mord in Heilbronn am 25. April 2007 besteht.
aa) Kontakt mit Mundlos
Es sind beim BfV zwei Deckblattmeldungen vorhanden,
die auf einen persönlichen Kontakt von Q1 mit Mundlos
einige Jahre
2399
vor dem Abtauchen des Trios zurückge-
hen. Der V-Mann-Führer fasst die Mitteilung von Q1
folgendermaßen zusammen:
„Durch Kontakt zu Uwe Mundlos […] erfuhr der
VM, dass ca. 30 Personen einen Zusammenschluss
unter der Bezeichnung ,Kameradschaft Jena‘ ge-
bildet haben. Neben Mundlos, der bis Ende März
1995 seinen Grundwehrdienst in Bad Frankenhau-
sen ableistet, bekam der VM von diesem [zwei nä-
her bezeichnete Personen] als Ansprechpartner ge-
nannt. Die Kameradschaft ist nach Bekunden von
Mundlos vorwiegend in der ,Anti-Antifa‘ Arbeit
aktiv.“2400
Darüber hinaus erfuhr Q1 von Mundlos, dass demnächst
ein Skin-Konzert in Dresden stattfinden werde.
2401
Die
genauen Umstände des Zusammentreffens von Q1 und
Mundlos ergeben sich aus den Meldungen nicht. Der
Zeuge G. B., seit Ende der 1990er Jahre V-Mann-Führer
von Q1, hat vermutet, dass der Kontakt zwischen Q1 und
Mundlos in Sachsen im Bereich der Bundeswehr erfolgt
sei, da zu der damaligen Zeit beide Soldaten gewesen
seien.
2402
Nachdem Q1 ab dem 11. November 2011 allgemein zu
seinen Kontakten zum Trio kontaktiert worden war, be-
fragte ihn der V-Mann-Führer des BfV am 10. April 2012
zu den beiden Deckblattmeldungen. Q1 gab an, die Mel-
dungen seien nicht von ihm. Der seinerzeit zuständige
VM-Führer gab gegenüber dem BfV an, keine detaillierte
Erinnerung an die Berichterstattung zu haben. Das BfV
folgerte jedoch aufgrund des in der Meldung enthaltenen
Hinweises zur Ableistung des Grundwehrdienstes durch
Mundlos bis Ende März 1995, dass die Meldung von Q1
stamme.
2403
2399) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 7.
2400) Deckblattmeldung des BfV, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/12 - GEHEIM), Bd. 1, Teilband 1, Bl. 1 ff.
2401) Deckblattmeldung des BfV, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/12 - GEHEIM), Bd. 1, Teilband 1, Bl. 5 ff.
2402) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 6 f.
2403) Vermerk vom 11. April 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Bd. 1, Teilband 4, Bl. 52 ff.
Drucksache 17/14600 – 276 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Eintragungen in den Kontaktlisten des
Mundlos
Das BKA wurde aufgrund der Eintragung in der Kontakt-
liste des Mundlos auf Q1 aufmerksam. Im Frühjahr 2012
richtete das BKA eine Erkenntnisanfrage zu Q1 an das
BfV.
2404
Die Fachprüfgruppe empfahl am 27. Februar 2012, aktiv
auf das BKA zuzugehen und den V-Mann-Status zu of-
fenbaren, weil „gerade im Hinblick auf die im Zusam-
menhang mit der NSU-Aufklärung erhobenen Vorwürfe
des mangelnden Informationsaustausches zwischen den
Sicherheitsbehörden […] eine andere Vorgehensweise
nicht durchhaltbar (U-Ausschuss)“ erscheine. Außerdem
solle der Sachverhalt bei Q1 hinterfragt werden.
2405
Demgegenüber hielt es der Vizepräsident des BfV am
28. Februar 2012 für angemessen, zunächst eine dringen-
de intensive Nachbefragung des V-Mannes und zugleich
erneute Sichtung der V-Mann-Akte gemeinsam mit der
Fachprüfgruppe vorzunehmen. Anschließend und abhän-
gig von der Befragung und der Sichtung solle das BKA
informiert werden.
2406
Der damalige Präsident des BfV
schloss sich diesem Vorschlag an.
2407
Am 29. Februar teilte ein Mitarbeiter der Abteilung II
unter Hinweis auf die „Spitzenquelle im Bereich Kame-
radschaft, Musikszene etc.“ der Amtsleitung mit, dass
„eine Offenlegung der VM-Eigenschaft gegenüber BKA
und BMI […] zu einer erheblichen Gefährdung der Ver-
bindung mit unabsehbaren Folgen einerseits in Bezug auf
die […] gelieferten Informationen, andererseits in Bezug
auf seine Person (Gefährdung/Versorgungsfall)“ führen
würde, hingegen die Offenlegung keinen Erkenntnisge-
winn für das BKA erbrächte.
2408
Die Amtsleitung schloss
sich dem am 9./11. März 2012 an.
2409
Vom 12. März bis 18. April 2012 erfolgten mehrere Be-
fragungen von Q1 zu seinen Kontakten zum Trio.
2410
Am
12. Juni 2012 ermahnte ihn der V-Mann-Führer, bei der
bevorstehenden BKA-Vernehmung die Wahrheit zu sagen
und seine V-Mann-Eigenschaft zu verschweigen.
2411
Das BKA vernahm Q1 im Frühsommer 2012 als Zeugen.
Er gab an, keine Begründung dafür zu haben, warum sein
Name auf der Kontaktliste von Mundlos erscheine. Er
2404) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl.
29 ff.
2405) Vermerk vom 27. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 21.
2406) Vermerk vom 28. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 22.
2407) Vermerk vom 28. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 22.
2408) Vermerk vom 29. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 49.
2409) Vermerk vom 28. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 50.
2410) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 6,
Bl. 1159 - 1189.
2411) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 6,
Bl. 1190 ff.
verwies auf die Möglichkeit eines Kontaktes während
seiner Bundeswehrzeit bzw. auf seinen damals unterhal-
tenen Handel mit Demobändern. Er habe zu keiner Zeit
Kontakte zu einer der drei Personen gehabt. Er sei früher
in der rechten Szene aktiv gewesen, was allerdings in der
letzten Zeit stark nachgelassen habe.
2412
Das BKA hielt
die Angaben von Q1 für glaubhaft.
2413
cc) Aktivitäten von Q1 im Zusammenhang mit
dem „KKK“
Q1 stand mit Wissen und Billigung des BfV im Kontakt
zum European „White Knights of Ku-Klux-Klan“.
dd) Einschätzung der Quelle durch das BfV
Der Zeuge G. B., der Q1 seit 1999 führte, hat ihn als zu-
verlässig bezeichnet. Maßgeblich seien insbesondere
wichtige Informationen aus dem Bereich der Entwicklung
in der Kameradschaftsszene, der „Autonomen Nationalis-
ten“ und dem rechtsextremistischen Musikbereich.2414 Q1
sei eine der Spitzenquellen des BfV gewesen.
2415
Es habe
auch einige Informationen von Q1 gegeben, die an die
Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden seien
und dort zu Ermittlungsverfahren geführt hätten, z. B. im
Zusammenhang mit einer Internetplattform zur Veräuße-
rung von rechtsextremistischer Musik.
2416
Das BfV habe nie etwas unternommen, um Q1 aus straf-
prozessualen Maßnahmen herauszuhalten, obwohl es
mehrere strafrechtliche Aktivitäten gegen die Quelle
gegeben habe. Diese seien zudem für die Reputation der
Quelle im rechtsextremistischen Umfeld von Vorteil
gewesen.
2417
Q1 sei nach Auffassung des Zeugen G. B. zu keinem
Zeitpunkt Neonazi gewesen, sondern er sei vom BfV in
die neonazistische Szene geschickt worden.
2418
Der Zeuge Kaldrack – der Vertreter des V-Mann-Führers
G. B. in den 1990er Jahren, nach dem Jahr 2000 für ein
halbes Jahr und Mitte des letzten Jahrzehnts – hat sich
ähnlich geäußert.: Er habe keine Äußerung von Q1 fest-
stellen können, die ihn als typischen überzeugten Rechts-
extremisten identifiziert hätten. Er sei sicherlich, als er
Anfang der 90er-Jahre in den Westen gegangen ist, ein
Rechtsextremist gewesen, aber auch ein Suchender.
Nachdem er sich damals als Selbstanbieter erst der Polizei
und dann dem LfV angeboten hat, dürfte ein Lernprozess
eingetreten sein, was sich auch darin zeige, dass er in den
zwei Jahren, in denen er vom BfV abgeschaltet war, sich
2412) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.
2413) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.
2414) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 10.
2415) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 12.
2416) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 19.
2417) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 20.
2418) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 30.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 277 – Drucksache 17/14600
weitestgehend aus der Szene gelöst hatte. Er halte ihn
daher nicht für einen „Nazihardliner“.2419
Der Leiter der Fachprüfgruppe im BfV, der Zeuge
Gabaldo, hat sich der im Ausschuss geäußerten Bewer-
tung angeschlossen, dass der Führer des V-Mannes Q1
aufgrund seiner Nähe zu seiner Quelle diesen hinsichtlich
seiner Persönlichkeit und Wertigkeit nicht mehr richtig
beurteilen könne.
2420
Die Fachprüfgruppe habe irgend-
wann in den letzten beiden Jahren auf das zu enge Ver-
hältnis zwischen V-Mann-Führung und Q1 hingewiesen.
Es sei dann aber nichts passiert.
2421
ee) Vergütung von Q1
Der Zeuge G. B. hat angegeben, dass er die genaue Sum-
me der Vergütung von Q1 nicht wisse, es sei jedenfalls
weniger als die in der Presse veröffentlichte Summe der
angeblich gezahlten Beträge. Dies sei mehr als angemes-
sen gewesen, da die Informationen noch mehr wert gewe-
sen seien. Hinzu seien andere Unterstützungsleistungen
für die von der Quelle verauslagten Kosten gekommen,
z. B. Reisekosten.
2422
Die außergewöhnliche Höhe der
Prämie beruhe darauf, dass Q1 eine der Spitzenquellen
des BfV gewesen sei.
2423
b) V-Mann Q2
Q2 war von 1999 bis 2001 V-Person des BfV mit den
Einsatzschwerpunkten rechtsextremistische Musikszene
in Sachsen und Aufklärung eines internationalen Neona-
zinetzwerkes.
2424
Er war nach eigenem Bekunden in der
Szene breit bekannt. Der Zeuge Kaldrack, ab November
1999 V-Mann-Führer von Q2, hat ausgesagt, die Fach-
prüfgruppe habe nie bestritten, dass es sich bei Q2 um
eine Quelle gehandelt habe, die es wert sei, weitergeführt
zu werden.
2425
Der Zeuge Kaldrack hat weiter angegeben, dass er sich
nicht daran erinnern könne, Q2 Fotos des Trios vorgelegt
zu haben. Normalerweise käme ein solcher Auftrag von
der „Auswertung“. Es habe auch keinen Anlass hierfür
gegeben, weil Q2 keine Bezüge nach Jena gehabt ha-
be.
2426
c) V-Mann Q3
Q3 stammte aus Sachsen und war von 1992 bis 2002 V-
Mann des BfV.
2427
Die Vorlage der Fotos des Trios an ihn
im Februar oder März 1998 erbrachte keine Hinweise.
2428
2419) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 15.
2420) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68, S. 9.
2421) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 9.
2422) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 11.
2423) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 12.
2424) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.
2425) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 12.
2426) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5.
2427) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.
Gegenüber dem BKA gab Q3 an, das Trio nicht zu ken-
nen. Aus dem Umfeld des Trios kannte er allerdings Su-
sann und André Eminger., Thomas Starke und Jan Wer-
ner.
Zu der zeitlichen Übereinstimmung von Mietwagen-
anmietungen Mitte Juni 2001 und Ende August 2001 mit
den Morden an Abdurrahim Özüdoğru in Nürnberg und
an Habil Kiliç in München erklärte er zum einen, sich an
die Anmietung von Mitte Juni 2001 nicht erinnern zu
können, und zum anderen, dass die Anmietungen von
Ende August 2001 mit seiner damaligen Berufsausübung
zusammenhängen müssten.
2429
Eine Person gab an, sie habe Mundlos und Böhnhardt
nach deren Abtauchen in Begleitung von Q3 auf einer
Sportveranstaltung gesehen. Q3 habe diese Person ge-
fragt, ob sie Waffen besorgen könne.
2430
In einem Vermerk aus dem Jahre 2012 fasste das BfV den
Einsatz von Q3 zusammen:
„Q3 berichtete über das gesamte Spektrum der Ak-
tivitäten rechtsextremer Skinheads und war für die
Erstellung eines umfassenden und zutreffenden
Lagebildes besonders wichtig für das BfV.
Schwerpunkte seiner umfangreichen und wahr-
heitsgetreuen Berichterstattung waren einerseits
geplante und stattgefundene Skinkonzerte. …
Die Führung des äußerst erfolgreichen VM gestal-
tete sich schwierig, da dieser ein typischer Vertre-
ter der subkulturellen Skinheadszene ist.
Überwiegend aus szenetypischen Rechtsverstößen
resultieren mehrere Verurteilungen zu Geldstrafen.
… Diese – vom BfV nicht genehmigten – Delik-
te mussten im konkreten Fall hingenommen wer-
den, da ansonsten die Führung einer Quelle mit
derartig guten Zugängen wie Q3 in der
Skinheadszene nicht möglich gewesen wäre. …
Schwere Straftaten (z. B. Gewaltdelikte) sind wäh-
rend der VM-Führung nicht aufgetreten. …
Dem BfV liegen keine Hinweise vor, dass Q3 im
Zeitraum der Zusammenarbeit jemals Kontakte zu
dem Personenkreis des Trios Mundlos, Böhnhardt
und Zschäpe unterhalten hat.“2431
Q3 sei eine „wertige“ Quelle gewesen:
„Ich kann nur sagen, dass Q3 in den ersten Jahren
seiner Führung - so das Votum der Auswertung -
eigentlich die einzig wirklich relevante Quelle in
dem subkulturellen Bereich in den neuen Bundes-
ländern war. […] Die hat dazu beigetragen, dass
wir in den ersten Jahren beispielsweise durch
Lichtbildvorlagen, durch viele Konzerte und Kon-
zertteilnahmen in der Lage waren, viele spätere
2428) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5 f.
2429) MAT A GBA-4/38.
2430) MAT A GBA-4/36a (Tgb.-Nr. 169/12, 1. Eingang - GEHEIM).
2431) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/12 - GEHEIM), Ordner 6, Bl.
1284.
Drucksache 17/14600 – 278 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
‚B & H‘-Mitglieder zu identifizieren, dass wir bei-
spielsweise - ich meine, es war Mitte der 90er-
Jahre
- - hat Q3 durch seine Teilnahme fast über 30
Konzerte bundesweit abgedeckt. Er konnte be-
richten über die Führungsfiguren in der Szene, er
konnte über Zusammensetzung von Bands berich-
ten, welche Art von Texten gesungen werden, ob
es illegale Texte waren, ob es strafbare Texte wa-
ren, und so hat er eben viele Einzelinformationen
geliefert, die die Auswertung befähigt hat, in den
ersten Jahren ein Lagebild zu erstellen, was weiter
dazu führte, dass spätere Quellen - - oder dass die
Zuverlässigkeit später geworbener Quellen anhand
der von Q3 gebrachten Informationen auch über-
prüft werden konnte.
Also, nach Einschätzung der Auswertung war Q3
eine wertige Quelle, weil sie viel dazu beigetragen
hat, dass wir dunkle Flecken im Osten halt aufhel-
len konnten.“2432
Zu dem geschilderten Ermittlungsverfahren wegen des
Erwerbs zahlreicher indizierter rechtsextremistischer CDs
hat der Zeuge Kaldrack ausgesagt, dass dies ohne die
Zustimmung des BfV geschehen sei:
„Das war eigentlich ein Punkt, wo er schon mal
kurz vor der Abschaltung stand. Weil es damals
eigentlich aufgrund […] dieser Menge […] ein
Grenzfall [war]. Wir hätten eigentlich auch vorge-
habt, die gegebenenfalls vom Markt zu nehmen,
dass er die nicht vertreibt, weil es die widerliche
CD war . Aber die waren halt schon verkauft. Er
hat mir das selber gebeichtet, bevor uns das Er-
mittlungsverfahren bekannt wurde. Er ist nachher
ja auch noch verhört worden dazu im LKA einen
ganzen Tag, wenn ich mich richtig erinnere. Aber
er hatte es mir vorher schon gebeichtet, und ich
hatte meine Vorgesetzten davor schon darüber un-
terrichten können. […]
Ich habe ihn erst mal in die Stiefel gestellt. Ich ha-
be ihm eine massive Prämienkürzung durchgezo-
gen, und, wie gesagt, ich habe ihm auch gesagt:
Wenn so etwas noch mal vorkommt, dann ist Fei-
erabend. […]
Das Verfahren wurde nachher eingestellt, 2004
oder 2005. Die Haupttäter wurden verurteilt, und
da sein Tatbeitrag wohl nur ein sehr geringer war
bei der Gesamtzahl, ist sein Verfahren eingestellt
worden.“2433
Über die Dauer von zehn Jahren zahlte das BfV an Q3
durchschnittlich knapp 300 Euro pro Monat.
2434
2432) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 11.
2433) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 20 f.
2434) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 16.
d) Rolle der Fachprüfgruppe bei der V-Mann-
Führung
Als Kontrollinstrument bei der V-Mann-Führung im BfV
dient die der Behördenleitung direkt unterstehende
„Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und Kontrolle“
(FPG). Sie hat die Aufgabe, die nachrichtendienstliche
Informationsgewinnung des BfV in Bezug auf ihre sach-
gerechte Bearbeitung zu begleiten und dabei besonders
auch auf die Einhaltung gesetzlicher und dienstlicher
Vorschriften zu achten.
2435
Vor allem bei den Fragen der
Anwerbung einer Quelle, dem Umgang mit möglicher-
weise strafrechtsrelevantem Verhalten, der Bewertung
und der Abschaltung einer Quelle war die FPG bei allen
drei zuvor genannten Quellen nach den Unterlagen des
Ausschusses befasst. Sie befürwortete – bis auf die zuvor
ausdrücklich erwähnten Fragen – die Art und Weise der
Führung der Quellen Q1, Q2 und Q3. Dem Votum der
FPG zu kritischen Fragen sei weit überwiegend gefolgt
worden.
2436
e) War Ralf Wohlleben ein V-Mann?
aa) Dienstliche Erklärung von Dr. Förster vom
17. September 2012
Mit Schreiben vom 21. September 2012 unterrichtete der
Generalbundesanwalt (GBA) das Bundesministerium des
Innern (BMI) über eine dienstliche Erklärung des frühe-
ren Ministerialdirigenten im BMI Dr. Förster vom
17. September 2012.
2437
Darin nahm Dr. Hans-Jürgen
Förster Bezug auf seine frühere Tätigkeit im BMI im
Rahmen des 2003 gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens.
Dr. Förster war von Juni 2000 bis März 2006 der ständi-
ge Vertreter des Abteilungsleiters Innere Sicherheit.
2438
In
seiner Abteilung wurde das NPD-Verbotsverfahren be-
trieben.
2439
Wörtlich heißt es in der dienstlichen Erklärung
von Dr. Förster:
„Den Abteilungen ‚Innere Sicherheit‘ und ‚Verfas-
sungsrecht‘ des BMI oblag dort die Federführung
für den Antrag der Bundesregierung im NPD-
Verbotsverfahren. In diesem Verfahren vor dem
Bundesverfassungsgericht erlangte alsbald die
Frage der Anzahl gleichzeitig in Bundes- und Lan-
desvorständen der Partei eingesetzter V-Leute der
Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung
(vgl. BVerfGE 107, 339). Ich erinnere mich an ei-
ne Besprechung im BMI, in der einer Runde ein
Papier im etwa DIN A3-Format präsentiert wurde,
das in vertikaler Aufreihung nacheinander Kalen-
derjahre verzeichnete und in das untereinander ho-
rizontale (wohl farbige) Linien für einzelne V-
Leute eingetragen waren, und zwar mit Beginn
2435) MAT A BB-13a, Bl. 440.
2436) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68, S. 11.
2437) MAT A GBA-4/23, Auszug offen.
2438) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 77, 118.
2439) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 78.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 279 – Drucksache 17/14600
und Ende deren V-Mann-Tätigkeit. Aus den glei-
che (vertikal markierte) Zeiträume abdeckenden
horizontalen Strichen und deren Anzahl ergab sich
dann die Anzahl im betreffenden Vorstand gleich-
zeitig tätiger V-Leute und der genaue Zeitraum
von Gleichzeitigkeit(en). Wohl zu Beginn oder
Ende der waagerechten Striche war jeweils der
Name der V-Person angegeben, für die der Strich
stand.
Ein Kuriosum dabei war eine Namensähnlichkeit
von zwei V-Personen auf dem beschriebenen Pa-
pier, die mir allein aus diesem Grunde in Erinne-
rung geblieben sind bzw. mit der Berichterstattung
[…] wieder ins Bewusstsein kamen: Einer hieß
[…], einer […]. Weitere Personalien erinnere ich
von keinem der beiden Vorgenannten; auch nicht,
ob dort neben Nachnamen überhaupt weitere Per-
sonalien der V-Leute angegeben waren, was aber
eher nicht der Fall war.“2440
bb) Berichte des BMI vom 5. Oktober 2012 und
vom 18. November 2012
Staatssekretär Fritsche hat dem Ausschuss mit Schreiben
vom 5. Oktober 2012 einen Bericht des BMI zur „Aufklä-
rung eines Hinweises auf eine mögliche ‚V-Mann-
Eigenschaft‘ des Ralf Wohlleben“ vorgelegt.2441 Hierin hat
das BMI dargelegt, welche Maßnahmen eingeleitet wor-
den seien, um das von Dr. Förster beschriebene Doku-
ment aufzufinden. So seien einschlägige Aktenbestände
des BMI, des BfV und des BKA gesichtet sowie ausge-
wählte Mitarbeiter des BMI und des BfV zur Existenz
eines solchen Dokumentes befragt worden.
Im Datenbestand des BMI sei in keinem der gesichteten
Aktenordner das von Dr. Förster beschriebene Dokument
gefunden worden. Es seien lediglich zwei Aktenstücke
aufgefunden worden, die in optischer bzw. inhaltlicher
Hinsicht dem Hinweis von Dr. Förster nahekämen. Ein
als VS-VERTRAULICH eingestuftes Aktenstück des
BfV trage den Titel „VM des BfV in den NPD-
Vorständen von 1996 bis heute“. Diese Übersicht enthalte
in vertikaler Aufreihung aufeinanderfolgende Kalender-
jahre 1996 bis 2002 und darunter 8 horizontale farbige
Linien, denen acht Namen zugeordnet seien. Die beiden
von Dr. Förster genannten Namen kämen in dem Doku-
ment nicht vor. Ein weiteres offenes Aktenstück liste die
Mitglieder des Landesvorstandes der NPD Thüringen im
Jahr 2003 tabellarisch auf und setze diese in Bezug zu
Fundstellen in der Materialsammlung zum NPD-
Verbotsverfahren. In diesem Aktenstück kämen beide
Namen vor. Hinweise auf eine mögliche Quelleneigen-
schaft dieser Personen enthalte das Dokument aber nicht.
Ergänzend zu der Sichtung dieses Aktenbestandes habe
Dr. Förster den VS eingestuften Aktenbestand im BMI
selbst gesichtet, das Dokument aber nicht aufgefunden.
2440) MAT A GBA-4/23 (Auszug offen).
2441) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95.
Eine Sichtung des einschlägigen BfV-Aktenbestandes
habe ergeben, dass in keinem der gesichteten rund 150
Aktenordner das beschriebene Dokument aufgefunden
worden sei. Dieses Ergebnis sei durch eine ergänzende
kursorische Sichtung des BfV-Aktenbestandes durch eine
Mitarbeiterin des BMI bestätigt worden. Auch habe
Dr. Förster zehn von ihm für maßgeblich erachtete Be-
schaffungsakten des BfV gesichtet, das Dokument aber
nicht gefunden. Eine Suche im digitalen Aktenbestand des
BKA mit den Namen beider Personen sei ebenfalls ergeb-
nislos geblieben.
Außerdem sei zur Klärung der V-Mann-Eigenschaft
Wohllebens ein „Negativ-Testat“ des BfV eingeholt wor-
den. Das BfV habe am 24. September 2012 bestätigt, dass
Wohlleben weder als Quelle noch als „Forschungs- und
Werbungsfall“ geführt worden sei. In dem Bericht ist
allerdings auch auf folgenden Sachverhalt hingewiesen
worden:
„Festgestellt werden konnte lediglich, dass seitens
BfV im Jahr 1999 angedacht worden war, einen
Werbungsversuch im Hinblick auf Wohlleben ein-
zuleiten. Dies sei jedoch laut BfV nicht weiterver-
folgt worden. Aus einer handschriftlichen Notiz
eines BfV-Mitarbeiters gehe hervor, dass aufgrund
der Werbungsabsicht des BfV das LfV Thüringen
zum damaligen Zeitpunkt kontaktiert worden sei.
Dieses habe nachdrücklich von einem Werbungs-
versuch abgeraten, da eine entsprechende erste
Ansprache Wohllebens durch das LfV Thüringen
und das LKA Thüringen bereits erfolgIos verlau-
fen seien (vgl. Anlage 4). Dementsprechend sei ei-
ne Kontaktaufnahme seitens BfV zu Wohlleben zu
keinem Zeitpunkt erfolgt.“2442
Ergänzend hierzu ist folgender Sachverhalt geschildert
worden:
„Der Aktenbestand des BfV weist ein Schreiben
des Wohlleben aus dem Jahr 2004 aus, mit wel-
chem dieser dem LfV Thüringen seine Hilfe anbie-
tet. Aus dem Wortlaut des Schreibens wird deut-
lich erkennbar, dass es sich hierbei um eine offen-
kundige Provokation handelt. Der weitere Fort-
gang ist aus der BfV-Akte nicht ersichtlich.“2443
In dem Bericht wird zudem mitgeteilt:
Das BKA, die BPol sowie sämtliche LKÄ hätten bestä-
tigt, dass Wohlleben nicht als Quelle, Informant oder
Ähnliches geführt worden sei. Elf LKÄ hätten darüber
hinaus bestätigt, keine Anwerbungsversuche in Bezug auf
Wohlleben unternommen zu haben. Mit BMI-Erlass vom
26. September bzw. 4. Oktober 2012 seien BfV und BKA
bzw. BPol um Übersendung dienstlicher Erklärungen
aller VM- bzw. VP-Führer gebeten worden, die seit 1995
im Fachbereich Rechtsextremismus bzw. im
2442) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,
Bl. 7.
2443) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,
Bl. 11.
Drucksache 17/14600 – 280 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität
rechts tätig gewesen seien. Da noch nicht alle Erklärun-
gen vorlägen, werde hierzu nachberichtet.
2444
Der Bericht des BMI kommt zu folgender Schlussbewer-
tung:
„Damit könnte die Erinnerung von Herrn Dr. F.
insgesamt an bestehende Dokumente geknüpft
sein, die in dem entscheidenden Detail in seiner
Erinnerung unzutreffend verknüpft wurden: Ein
Dokument, das Wohlleben als V-Mann aufführt,
existierte und existiert nach den Feststellungen des
BMI nicht. Auch ergibt sich aus der gedankliche
Verknüpfung der vorhandenen Dokumente keine
Schlussfolgerung auf Wohlleben als V-Mann.“2445
Dem Bericht vom 5. Oktober 2012 ist ein Vermerk über
eine Befragung des Dr. Förster vom 26. September 2012
beigefügt worden. Hierin hat Dr. Förster erklärt, die Be-
sprechung im BMI sei nach der Antragsschrift der Bun-
desregierung an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
erfolgt. Auf dem Dokument habe nur der Nachname von
Wohlleben ohne Vornamen gestanden. Er habe daher
niemals behauptet, dass es sich gerade um den Beschul-
digten Ralf Wohlleben gehandelt habe.
2446
Mit Schreiben vom 18. November 2012 hat das BMI
mitgeteilt, dass die noch ausstehenden Negativ-Testate
sowie eine noch durchzuführende Befragung eines BMI-
Mitarbeiters mit negativem Ergebnis nachgeholt worden
seien.
2447
cc) Stellungnahme des Freistaates Thüringen
vom 16. Oktober 2012
Das Innenministerium des Freistaates Thüringen hat unter
Bezugnahme auf den vom BMI geschilderten Sachver-
halt, Wohlleben habe dem LfV Thüringen im Jahr 2004
seine Hilfe angeboten, am 16. Oktober 2012 eine ergän-
zende Stellungnahme abgegeben.
2448
Es hat ein Schreiben
des Thüringer LfV beigefügt, in dem dieses die Einschät-
zung des BMI teilt, dass das Schreiben von Wohlleben an
den Thüringer Verfassungschutz eine Provokation gewe-
sen sei, und mitteilt, dass es nicht zu einer Zusammenar-
beit des Thüringer LfV mit Wohlleben geführt habe. Bei
dem genannten Schreiben handele es sich um eine an
einen großen Adressatenkreis gerichtete E-Mail vom
13. Juni 2004. In seiner E-Mail beziehe sich Wohlleben
auf eine Forschungs- und Werbungsmaßnahme des LfV
Thüringen, in welcher sich ein älterer Mitarbeiter des LfV
2444) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,
Bl. 6-9.
2445) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,
Bl. 13.
2446) Anlage 7 zum Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A
BMI-5/96 (Tgb.-Nr. 94/12 - GEHEIM), Anlage 7 (offen).
2447) Schreiben des BMI vom 18. November 2012, MAT A BMI-
5/97 (Tgb.-Nr. 115/12 - GEHEIM – ohne Anlagen VS-NfD).
2448) Stellungnahme des Freistaates Thüringen vom 16. Oktober
2012, MAT A BMI-5/95.
Thüringen aus operativen Gründen als Großvater der
Zielperson ausgegeben habe.
Das Schreiben von Wohlleben hatte folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Sippel,
mit Freuden erfuhr ich dieser Tage, dass Ihre Be-
hörde nun auch einen Spezial – Service für Ar-
beitslose Nationalisten anbietet.
Das will ich mir nicht entgehen lassen, zumal ich
auch erfuhr dass das Ganze kostenlos ist.
Der Service ,Opa VS sucht Arbeit‘ scheint mir ge-
nau der richtige zu sein, um endlich wieder in der
Arbeitswelt Fuß zu fassen.
Ich bitte Sie hiermit, mir einen passenden Großva-
ter (nett, nicht über 80, humorvoll) aus Ihrem Re-
pertoire herauszusuchen.
Sie müssen wissen, dass ich das neuerliche soziale
Engagement Ihrer Behörde sehr löblich finde. Nun
endlich ist es mir auch gelungen in meinem Inne-
ren Ihrer Behörde eine Existenzberechtigung zuzu-
schreiben.
Ich versichere hiermit, dass ich Ihre kommenden
Mühen zu würdigen wissen werde.
Zum Abschluss möchte ich Sie noch bitten, mir
eventuell weitere vorhandene Dienstleistungsan-
gebote zukommen zu lassen.
Ich bedanke mich bereits im Voraus.
Mit bestem Gruß
Ralf Wohlleben“2449
dd) Zeugenaussagen von Dr. Förster
Der Zeuge Dr. Förster hat in seiner Vernehmung ausge-
führt, der Sachverhalt, an den er sich erinnere, habe im
Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren gestan-
den. Der Antrag der Bundesregierung sei am 30. Januar
2001 beim BVerfG eingegangen, die beiden anderen
Anträge von Bundestag und Bundesrat Ende März 2001.
Anfang 2002 hätten sich unendlich viele V-Mann-
Problematiken ergeben. Im Zuge einer Besprechung im
BMI habe er den Namen Wohlleben und den besagten
anderen Namen auf einem Papier gesehen:
„In dem Zusammenhang kann ich mich erinnern
an ein Papier, von dem ich meine, das es eher nicht
DIN-A4, sondern eine Nummer größer gewesen
ist, in dem angegeben sind in waagerechten Ko-
lonnen verschiedene Jahre und Daten. In diese
waagerechten Datenkolonnen sind eingetragen in
Form von waagerechten Strichen eine gewisse An-
zahl von V-Leuten – ich glaube, sogar in farbigen
Strichen; ich denke, mich zu erinnern, in farbigen
Strichen –, und die Namen dieser V-Leute waren
2449) E-Mail vom 13. Juni 2004, MAT A TH-3/7, Bl. 3.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 281 – Drucksache 17/14600
entweder am rechten oder am linken Rand dieser
Striche verzeichnet. Was ist der Sinn von diesem
Papier gewesen? Durch diese Einteilung, waage-
recht und senkrecht, konnte man sehen, inwiefern
Überschneidungen von V-Leuten stattfanden, weil
die waagerechten Striche markierten einen Beginn
der V-Mann-Tätigkeit und das Ende, was die Ver-
fassungsschützer ‚abschalten‘ nennen. In dem
Moment, wo sich farbige – glaube ich jedenfalls,
farbige – Striche überschnitten, konnte man sagen,
dass mehr als ein V-Mann in der NPD dann gewe-
sen ist. Ein solches Papier glaube ich im BMI ge-
sehen zu haben im Zuge einer Besprechung, und
ich denke, dass es kein im BMI selbst erstelltes
Papier gewesen ist.“2450
Er glaube, dass das Papier vom BfV gekommen sei, wisse
aber nicht, ob es nur V-Leute des Bundesamtes beinhaltet
habe.
2451
Zudem könne er sich nicht daran erinnern, wie
viele Namen in dem Papier aufgeführt worden seien. Er
wisse nur diese beiden bemerkenswerten Nachnamen.
2452
Eine nähere Eingrenzung des Zeitraums für die Bespre-
chung hat der Zeuge nicht vornehmen können. Er hat
erklärt, dass sie nach Eingang der Anträge beim BVerfG
stattgefunden habe.
2453
Ausdrücklich ausgeschlossen hat
der Zeuge, dass es sich bei der Besprechung, an die er
sich erinnere, um die Besprechung vom 19. Januar 2002
gehandelt habe, zu der er am 28. Januar 2002 eine Minis-
tervorlage erstellt habe. Beide Besprechungen hätten
nichts miteinander zu tun.
2454
Zudem hat der Zeuge aus-
gesagt, dass an der Besprechung der harte Kern vom BMI
und ein Mitarbeiter des BfV teilgenommen hätten.
2455
Daran, wer genau als Vertreter des BfV an der Bespre-
chung teilgenommen habe, hat sich der Zeuge nicht erin-
nert:
„Denn so ähnlich wie der harte Kern bei uns, gab
es zwei, den Abteilungsleiter Rechtsextremismus
Cremer und, ich glaube den Gruppenleiter, Jung.
Das waren unsere Hauptansprechpartner, und im
Zweifel war es so, dass einer von den beiden mit
diesem Papier in der Hand an der Besprechung
teilgenommen hat […] Ich weiß es wirklich nicht.
Aber das waren die Hauptansprechpartner.“2456
Der Zeuge Dr. Förster hat ausgesagt, er habe sich an
diesen Sachverhalt erinnert, nachdem Ralf Wohlleben
Ende November 2011 festgenommen worden sei. An-
schließend habe er geprüft, ob diese Erinnerung auch
stimme und sie auch unter juristischen Gesichtspunkten
geprüft, weil die Preisgabe dieser Erinnerung den Straf-
tatbestand des § 353b StGB erfüllen könne. Ende No-
vember 2011 sei er zu seinem für Spionagedelikte zustän-
2450) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 78.
2451) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 87.
2452) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 102.
2453) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 86.
2454) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 120.
2455) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 123.
2456) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 100.
digen Abteilungsleiter beim GBA gegangen und habe ihm
den Sachverhalt vorgetragen. Dieser wiederum habe den
Sachverhalt dem Abteilungsleiter Terrorismus vorgetra-
gen. Wenige Tage später, im Dezember 2011, habe ihn
der für das NSU-Verfahren zuständige Bundesanwalt
Dr. Diemer angesprochen:
„und zwar mit dem Bemerken – wir haben sonst
keine Berührung; wir haben uns mehr zufällig ge-
troffen, irgendwo auf dem Flur -: ‚Deine Zeugen-
vernehmung wird sich nicht vermeiden lassen‘,
oder: ‚ist unumgänglich‘, so in dem Sinne. Und
zwar war für mich deutlich der Hintergrund: Du
hast dich aber möglicherweise strafbar gemacht,
Herr Kollege. – Das war der Hintergrund für diese
Aussage, für diesen Text, den ich deswegen auch
in Erinnerung habe: ,Wir werden wohl nicht drum
herumkommen, dich zu vernehmen‘, oder: ,Du
musst dich auf eine Vernehmung einstellen‘.“2457
Dr. Diemer habe ihn weder aufgefordert, den Sachverhalt
aufzuschreiben, noch ihn zu einer Befragung eingeladen.
Ende 2011 habe er den eigentlichen Sachbearbeiter ge-
troffen, den Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Wein-
garten, dem er seine komplette Erinnerung auch noch
einmal berichtet habe. Im Frühjahr 2012 habe er Dr. Die-
mer erneut getroffen und er habe ihn gefragt, ob denn
noch mit seiner Vernehmung zu rechnen sei. Eine dritte
Begegnung mit ihm habe am 19. Juli 2012 stattgefunden.
Bei dieser dritten Begegnung habe Dr. Diemer ihn aufge-
fordert, sein Wissen aufzuschreiben.
2458
Die von ihm daraufhin erstellte dienstliche Erklärung sei
vom GBA über das BMJ nur verkürzt an das BMI weiter-
gegeben worden.
2459
Dadurch sei unter den Tisch gefallen,
dass er aufgefordert worden sei, sein Wissen aufzuschrei-
ben.
2460
Die schließlich weitergegebene Erklärung sei
durch einen ersten Absatz wie folgt zu ergänzen:
„Bei einem Zusammentreffen mit dem Kollegen
Dr. Diemer heute hatte ich nachgefragt, ob ich
noch mit meiner Vernehmung als Zeuge im oben
genannten Verfahren zu rechnen hätte. Hinter-
grund meiner Frage war, dass Dr. Diemer als Er-
mittlungsführer im NSU-Komplex mir vor gerau-
mer Zeit eine solche Vernehmung in Aussicht ge-
stellt hatte, und zwar vor dem Hintergrund meiner
Bekundung über eine mögliche V-Mann- Eigen-
schaft eines Wohlleben nach Bekanntwerden der
Verhaftung des Ralf Wohlleben. Dr. Diemer be-
antwortete meine eingangs wiedergegebene Frage
dahin, dass meine Bekundung im Ermittlungsver-
fahren aufgenommen worden sei und der frühere
Leiter des LfV Thüringen, Roewer, in eigener
Vernehmung eine V-Person Wohlleben ausge-
schlossen habe, worauf ich entgegnete, dass ich
2457) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 80.
2458) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 80-82.
2459) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 82.
2460) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 82.
Drucksache 17/14600 – 282 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht sagen könnte, dass ein Wohlleben V-Person
gerade jenes LfV gewesen sei. Dr. Diemer bat
mich dann, ich möge mein Wissen aufschreiben,
was nachfolgend geschieht.“2461
Zudem sei der Erklärung folgender abschließende Absatz
hinzuzufügen:
„Die Klarnamen von (auch ehemaligen) V-
Personen unterliegen der Geheimhaltung. Wegen
möglicher Relevanz, zumindest für das GBA-
Ermittlungsverfahren gegen Ralf Wohlleben, und
der herausragenden Bedeutung der strafrechtlichen
Aufklärung der NSU-Verbrechen überhaupt hielt
ich es für angezeigt, den oben im zweiten Absatz
wiedergegebenen Sachverhalt bei der Bundesan-
waltschaft dienstlich bekannt zu machen. Dabei
hatte ich die zusätzliche Nennung des Namens
ebenfalls abgewogen und dies aus Plausibilitäts-
gründen für meine schließlich länger zurücklie-
gende und zumal eher einen Detailumstand betref-
fende Erinnerung für unverzichtbar gehalten.“2462
Auf die Frage, warum er sich nicht als Erstes an das BMI
gewandt habe, hat der Zeuge Dr. Förster erklärt, er habe
es für zielführender gehalten, die Erinnerung an die wei-
terzugeben, die in Zukunft damit arbeiten sollten.
2463
Warum er zwischendurch keinen Kontakt mit seinen
früheren Kollegen aufgenommen habe, hat er wie folgt
begründet:
„Ich glaube, mir hätte das nicht geholfen. Ich habe
meine Erinnerung für mich geprüft, und die ist de-
finitiv. Wenn die anderen mir gesagt hätten: ,Wir
erinnern uns nicht‘, dann hätte ich das registriert,
aber damit auch nicht mehr machen können. Ich
meine, ich sehe die Menschen vor mir, die das mit
dieser Ähnlichkeit auch beschmunzelt haben.“2464
Zudem werde er sich hüten, Zeugen zu beeinflussen.
2465
Der Zeuge Dr. Förster hat während seiner Vernehmung
noch einmal als Ergebnis seiner Aktenauswertung darge-
legt, dass er das Papier weder bei seiner Suche beim BMI
noch beim BfV gefunden habe:
„Die Aufgabe war, dieses Papier – an das ich mich
erinnere, mit diesen waagerechten Kolonnen und
den möglicherweise farbigen horizontalen Strichen
für die V-Leute und mit diesen beiden Namen – zu
finden. Dieses Papier habe ich weder beim BMI
noch im BfV gefunden; aber es gab in beiden Ak-
ten ein sehr ähnliches Papier, und zwar von der
Machart: farbige Striche und diese Kolonnen, de-
finitiv DIN A4 und nicht 3, wie ich vielleicht eher
meinte, und nicht mit den Namen rechts oder links,
2461) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 83.
2462) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 83.
2463) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 85.
2464) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 97.
2465) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 98.
sondern mit acht Namen, zwei Klarnamen, einer
davon war der – -“2466
ee) Ergebnis der Überprüfung der 76er-Liste
In dem Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012 ist auf
einen Vermerk aus dem Jahr 2002 hingewiesen worden,
in dem 76 Seitenfundstellen von Namensnennungen in
einem Schriftsatzentwurf zum NPD-Verbotsverfahren
aufgeführt worden seien. Diesen Vermerk habe Dr. Förs-
ter besonders hervorgehoben. Das BMI hat dargelegt,
eine Quelleneigenschaft des Wohlleben lasse sich aus dem
Vermerk aus dem Jahr 2002 nicht herleiten. Die Auflis-
tung habe als Grundlage des BfV zum Abgleich mögli-
cher Quelleneigenschaften gedient und fuße auf bloßen
Vermutungen des BfV. Sie dokumentiere damit gerade
die fehlende Erkenntnislage des BfV hinsichtlich der
Führung von Quellen in der NPD durch die Länder. Denn
trotz Intervenierens auf höchster politischer Ebene hätten
die Länder damals nicht dazu bewogen werden können,
ihre Quellen selbst gegenüber dem BfV offenzulegen.
2467
Mit Blick auf die in dem Vermerk enthaltenen Ausfüh-
rungen, es könne sich bei den in 76 Fundstellen genannten
Personen, u. a. auch Ralf Wohlleben, um Quellen der
Verfassungsschutzbehörden handeln,
2468
ist das BMI in
der Zeugenvernehmung von Dr. Förster gebeten worden,
dem Ausschuss das Ergebnis der Überprüfung dieser
76er-Liste mitzuteilen. Mit Schreiben vom 28. November
2012 hat das BMI dargelegt, dass am 28. November 2012
vier Mitarbeitern des BMI Einsichtnahme in ein durch
BfV-Mitarbeiter überbrachtes Dokument ermöglicht wor-
den sei. Bei dem Dokument habe es sich um einen als
„GEHEIM-Quellenschutz“ eingestuften Vermerk vom
4. März 2002 mit dem Betreff „NPD-Verbot, hier: Über-
prüfung der Namenslisten der Schriftsätze der Antragstel-
ler auf nd-Verbindungen zum BfV“ gehandelt. In dem
Vermerk werde unter anderem das Ergebnis der Überprü-
fung der in Anlage 8 enthaltenen Namen mitgeteilt. Wohl-
leben sei hierin nicht als Person, zu der seitens des BfV
nach damaliger Prüfung nd-Verbindungen bestünden bzw.
bestanden hätten, genannt. Der Name Wohlleben sei in
dem gesamten Dokument nicht enthalten.
2469
3. Hinweis des italienischen Geheimdienstes
AISI
Mit Schreiben vom 24. Februar 2003 informierte der
italienische Inlandsnachrichtendienst Agenzia
Informazioni e Sicurezza Interna (AISI) das BfV darüber,
„dass bei einem internationalen neonazistischen
Treffen am 16./17. November 2002 in Waas-
2466) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 94.
2467) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,
Bl. 12.
2468) Schreiben des BMI vom 18. November 2012, MAT A BMI-
5/97 (Tgb.-Nr. 115/12 - GEHEIM), Bl. 22 (VS-NfD).
2469) Schreiben des BMI vom 28. November 2012, MAT A BMI-
5/98.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 283 – Drucksache 17/14600
munster/Belgien, an dem Führungspersonen der
italienischen Bewegungen ‚Fronte Sociale
Nazionale‘ (Nationale Soziale Front), ‚Forza
Nuova‘ (Neue Kraft) und ‚Nuovo Ordine Europeo
— N. O. E.‘ (Neue Europäische Ordnung) teilge-
nommen haben, unter den stärker in Erscheinung
tretenden Personen [zwei] mit den italienischen
Teilnehmern in Kontakt stehende deutsche Staats-
angehörige anwesend waren.“2470
Zwei Personen, Dirk P. und W., wurden darin genannt.
Dirk P. soll
„ein Bindeglied zwischen den deutschen Extremis-
ten und den italienischen Pendants [sein]. Letzterer
soll insbesondere auf ein in Deutschland existie-
rendes und von Jürgen Rieger koordiniertes Netz
neonazistischer militanter Elemente hingewiesen
haben, die mit geheimen Aktivitäten befasst
sind.“2471
Das BfV hat mit Schreiben vom 28. November 2012 die
weitere Bearbeitung dieses Hinweises folgendermaßen
geschildert:
„Zur Frage der seinerzeit im Jahr 2003 im BfV er-
folgten Bewertung dieses Hinweises und der hie-
rauf ergriffenen Maßnahmen ist festzustellen, dass
die genannten Personen vom zuständigen Fachre-
ferat im Nachrichtendienstlichen Informationssys-
tem (NADIS) abgefragt wurden. Hierbei ergab
sich für die Person W. ein Treffer, die Person P.
hingegen war zum damaligen Zeitpunkt nicht als
Rechtsextremist bekannt und somit vom System
nicht erfasst. Eine Erstspeicherung erfolgte im Jahr
2005. Warum eine Speicherung nicht schon im
Jahr 2003 erfolgte, ist hier nicht mehr nachvoll-
ziehbar. Weiterführende Bearbeitungsschritte er-
folgten nicht. Festzuhalten ist jedoch, dass sich aus
dem Schreiben des italienischen Dienstes vom
21.02.2003 keine Hinweise auf den NSU oder an-
dere identifizierbare militante Netzwerke von Ne-
onazis ergaben. Eine Verbindung von Jürgen Rie-
ger zum NSU konnte durch bisherige Ermittlungen
zum NSU-Komplex nicht bestätigt werden und
scheint aus Sicht des BfV auch äußerst unwahr-
scheinlich.“2472
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 teilte AISI mit,
dass im Nachgang zu dem o. g. internationalen Neonazi-
Treffen vom November 2002 die teilnehmenden italieni-
schen Rechtsextremisten berichtet hätten, sie hätten von
der Existenz eines Netzwerks militanter europäischer
Neonazis erfahren. Dieses bilde eine „halb im Untergrund
befindliche autonome Basis, losgelöst von offiziellen
Verbindungen zu den einschlägig bekannten Bewegun-
gen“ und sei in der Lage, mittels spontan gebildeter Zel-
len kriminellen Aktivitäten nachzugehen. Von dem deut-
2470) MAT A BMI-13, Bl. 8.
2471) MAT A BMI-13, Bl. 8.
2472) MAT A BMI-13, Bl. 2 ff.
schen Neonazi-Führer Dirk P. sei berichtet worden, es
gebe in Deutschland ein Netzwerk militanter Neonazis,
dem auch Jugendliche angehörten und die unter der Lei-
tung des damaligen stellvertretenden NPD-Vorsitzenden
Jürgen Rieger geheimen Aktivitäten nachgingen.
2473
Das BfV hat in dem Schreiben vom 28. November 2012
betont, dass das Schreiben von AISI vom 21. Februar
2003 zwar den Hinweis auf ein angeblich in Deutschland
existierendes und von Rieger koordiniertes Netz neonazis-
tischer militanter Elemente enthalte, jedoch keinen Hin-
weis auf ein derartiges europäisches Netzwerk. Der Hin-
weis auf ein internationales Netzwerk militanter europäi-
scher Neonazis sei dem BfV vielmehr erst mit erwähntem
Schreiben vom 14. Dezember 2011 bekannt geworden.
2474
III. V-Leute des Verfassungsschutzes Bran-
denburg
1. Der V-Mann „Piatto“ des Verfassungs-
schutzes Brandenburg
Der Untersuchungsausschuss hat sich ausführlich mit dem
V-Mann Piatto des Verfassungsschutzes Brandenburg
beschäftigt, insbesondere mit den Umständen seiner An-
werbung, seiner Vita, der Art und Weise seiner Führung
durch den Verfassungsschutz Brandenburg und mit den
Umständen seiner Enttarnung. Der Untersuchungsaus-
schuss hat hierzu die ehemaligen V-Mann-Führer des V-
Mannes Piatto, die Zeugen R. G. und Meyer-Plath, ver-
nommen.
2475
Der V-Mann Piatto gab im August und
September 1998 mehrere Hinweise, die das Trio, seinen
Aufenthalt und seine Kontaktpersonen betrafen. Auf die
Rolle dieser Hinweise und die nach Erlangung dieser
Hinweise ergriffenen Maßnahmen selbst wird im Ab-
schnitt E. eingegangen.
a) Der V-Mann „Piatto“
Bei dem V-Mann Piatto handelt es sich um Carsten
Szczepanski. Szczepanski wurde 1970 geboren und wuchs
in West-Berlin auf.
2476
Nach einer Ausbildung bei der
Deutschen Bundespost wurde er 1991 wegen seiner poli-
tischen Gesinnung aus dem öffentlichen Dienst entlassen.
Nachdem er durch einen Mitbewohner in den Jahren
1989/1990 mit rechtsextremem Gedankengut in Kontakt
gekommen war, zog er nach Königs Wusterhausen und
fand dort im rechtsextremistischen Milieu Aufnahme.
Jedenfalls zu Beginn des Jahres 1991 befasste sich
Szczepanski intensiv mit dem amerikanischen „Ku-Klux-
Klan“ und erstellte durch Übersetzungen von Texten des
2473) Schreiben vom 14. Dezember 2011, MAT A 7/3 (Tgb.-Nr.
13/12 - GEHEIM), Fundstellen der Aktenauswertung Ralf
Wohlleben, Bl. 378 ff., 381 (VS-NfD).
2474) MAT A BMI-13, Bl. 2 ff.
2475) Mitteilung der V-Mann-Führer der Quelle Piatto durch das
Land Brandenburg vom 11. Januar 2013, MAT A BB-8.
2476) Hierzu und im Folgenden: Urteil des Landgerichts Frank-
furt/Oder vom 13. Februar 1995, MAT A BB-9i, Bl. 5 ff.
Drucksache 17/14600 – 284 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
seinerzeit in Amerika führenden Mitglieds des „Ku-Klux-
Klanes“ die Zeitschrift Feuerkreuz, durch die er in der
rechtsradikalen Szene bundesweit bekannt wurde. Später
war er wesentlich an der Erstellung des neonazistischen
Fanzine United Skins beteiligt.
Nach seiner Enttarnung im Jahr 2000 wurde Szczepanski
in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen.
b) Vorleben des V-Mannes „Piatto“ vor des-
sen Anwerbung
aa) Verurteilungen vor 1994
Szczepanski wurde 1989 wegen öffentlichen Tragens
eines Keltenkreuzes (§ 86a StGB), im September 1993
wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in
Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und im Ok-
tober 1993 wegen Sachbeschädigung jeweils durch das
Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilt.
2477
Im letzten
Fall hatte Szczepanski einen Kleinbus der „Sozialistischen
Jugend Deutschlands – Die Falken“ in Brand gesetzt.
bb) „Ku-Klux-Klan“-Verfahren des Generalbun-
desanwalts
aaa) Tatverdacht
Im Jahr 1992 war gegen Szczepanski durch den General-
bundesanwalt wegen des Verdachts der Bildung einer
terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) ermittelt wor-
den. Szczepanski (und 33 weitere Beschuldigte) standen in
Verdacht, versucht zu haben, in der Bundesrepublik
Deutschland eine Teilorganisation des amerikanischen
„Ku-Klux-Klan“ (KKK) zu gründen.2478 Dieser Verdacht
ergab sich aus mehreren Einzelaspekten:
bbb) Kreuzverbrennung in Halbe 1991
Im Oktober 1991 berichtete der Fernsehsender RTL in der
Sendung Explosiv über ein im Vormonat stattgefundenes
Treffen von „Ku-Klux-Klan“-Anhängern unter Beteili-
gung eines US-amerikanischen Klanangehörigen in Hal-
be/Landkreis Königs Wusterhausen, bei dem ein Kreuz-
verbrennungsritual durchgeführt worden war.
2479
In dem
Fernsehbeitrag wurden die rassistischen Gewalttaten in
Hoyerswerda durch den interviewten US-amerikanischen
Klanangehörigen gutgeheißen.
Szczepanski hatte bei einer Vernehmung eingeräumt, nach
Kontaktaufnahme mit dem US-amerikanischen
2477) Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 13. Februar 1995,
MAT A BB-9i, Bl. 5 ff. (13).
2478) Vermerk von Bundesanwalt Beese vom 13. Februar 1992, MAT
A GBA-10a, Bl. 342 ff.
2479) Hierzu und im Folgenden: Mitschrift des Fernsehbeitrags in
RTL-Explosiv (Sendung vom 8. Oktober 1991) durch die Berli-
ner Polizei, MAT A GBA-10a, Bl. 329 f.
Klanangehörigen gemeinsam mit anderen die Kreuzver-
brennungszeremonie organisiert zu haben.
2480
ccc) Besitz von Sprengstoff
In einer zuvor von Szczepanski bewohnten Wohnung, die
dieser jedoch zwischenzeitlich verlassen hatte, wurden im
Dezember 1991 Rohrbombenkörper aufgefunden.
Im Zwischenbericht des BKA vom 28. April 1992 heißt
es hierzu:
„Durch Zeugenhinweis erhielt die Polizei Kenntnis
von einer Wohnung in O-1058 Berlin, Prenzlauer
Berg 17, in der Szczepanski gelebt, diese zwi-
schenzeitlich jedoch verlassen hatte. Die Wohnung
wurde am 8.12.91 durchsucht. Es konnten zahlrei-
che schriftliche Unterlagen sowie Schriftverkehr
sichergestellt werden, die den Verdacht belegten,
Szczepanski betätige sich für den ,Ku-Klux-Klan –
White Knights in Berlin‘.
Aufgefunden wurden vier Rohrbombenkörper
(Metallhülsen, ca. 5 cm Durchmesser mit aufge-
schweißtem Rohr) sowie chemische Substanzen,
die nach erstem Gutachten der polizeilichen Unter-
suchungsstelle Berlin für die Herstellung von ex-
plosivfähigen Selbstlaboraten geeignet sind.“2481
ddd) Ausgang des Ermittlungsverfahrens des
Generalbundesanwalts
Das Ermittlungsverfahren wurde bzgl. Szczepanski am
1. September 1992 an die Staatsanwaltschaft Berlin abge-
geben, nachdem die durch das Bundeskriminalamt ge-
führten Ermittlungen den Tatverdacht gemäß § 129a
Strafgesetzbuch nicht erhärtet hatten und die Zuständig-
keit des Generalbundesanwalts für die Führung der Er-
mittlungen damit entfallen war. Übrig blieben am Ende
bzgl. Szczepanski die Tatvorwürfe des Verstoßes gegen
das Sprengstoffgesetz (weil er Nitro-Methan in seinem
Besitz hatte), der Vorbereitung eines Sprengstoffverbre-
chens, Verstöße gegen § 86a Strafgesetzbuch wegen Zei-
gens des Hitlergrußes und Zeigens einer Hakenkreuzfah-
ne, zwei Vergehen nach § 131 StGB wegen Herstellung
und Verbreitung zweier Ausgaben der Zeitschrift Feuer-
kreuz und Urkundendelikte wegen des Besitzes von frem-
den Reisepässen.
2482
cc) Mordversuch in Wendisch Rietz
Die schwerwiegendste Tat von Carsten Szczepanski liegt
im Mordversuch in Wendisch Rietz, für den er zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde.
2480) Ermittlungsbericht des BKA vom 28. April 1992, MAT A
GBA-10e, Bl. 83 ff.
2481) Ermittlungsbericht des BKA vom 28. April 1992, MAT A
GBA-10e, Bl. 83 ff.
2482) Abgabevermerk des Generalbundesanwalts vom 1. September
1992, MAT A GBA-10e/, Bl. 222 ff. (225 f.).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 285 – Drucksache 17/14600
Am 8. Mai 1992 kam es in Wendisch Rietz am Südende
des Scharmützelsees (Brandenburg) dazu, dass eine
Gruppe von ca. 15 Personen, zu der auch Szczepanski
gehörte, einen nigerianischen Asylbewerber, der in Wen-
disch Rietz untergebracht war und dort die Diskothek
„Olli’s Disco“ besuchte, zunächst durch Zeigen des Hit-
lergrußes bedrängte, dann mit Gewalt aus der Diskothek
zog, ihn draußen zunächst mit einer Gaspistole bedrohte,
dann durch Schläge und Tritte so lange auf ihn eintrat, bis
dieser bewusstlos wurde, und ihn dann in das Hafenbe-
cken stieß, wo er 30 bis 40 Sekunden lang unter Wasser
lag. Der Geschädigte konnte durch andere Gäste der Dis-
kothek gerettet werden, wurde schwer verletzt und musste
intensivmedizinisch behandelt werden.
2483
In dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren hatte
die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder im Juli 1993 zu-
nächst lediglich Anklage wegen gefährlicher Körperver-
letzung vor dem Kreisgericht Fürstenwalde erhoben.
2484
Nachdem weitere Beteiligte aus der Gruppe im Dezember
1993 wegen Beihilfe zum versuchten Mord zu Jugend-
strafen zwischen drei und vier Jahren verurteilt worden
waren,
2485
wurde die Anklage gegen Szczepanski wegen
gefährlicher Körperverletzung vor dem Kreisgericht Fürs-
tenwalde im Februar 1994 zurückgenommen.
2486
Mit Verfügung vom 27. April 1994 beantragte die Staats-
anwaltschaft Frankfurt/Oder Haftbefehl gegen
Szczepanski
2487
, der am 3. Mai 1994 erlassen wurde.
2488
Am selben Tag wurde Szczepanski in Untersuchungshaft
genommen.
2489
Am 18. Oktober 1994 wurde schließlich
Anklage wegen versuchten Mordes erhoben.
2490
Gegen den Mittäter M. war bereits zwei Tage nach der
Tat, am 10. Mai 1992, Haftbefehl erlassen worden und am
10. Dezember 1992 war die Verurteilung erfolgt, eben-
falls zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren.
2491
Im Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom
13. Februar 1995, in dem Szczepanski (neben dem weite-
ren Haupttäter Kai M., der im Folgenden als Zeuge be-
2483) Bericht der Polizei Frankfurt/Oder vom 15. Mai 1992, MAT A
GBA-10b, Bl. 134 ff.
2484) Anklageschrift vom 21. Juli 1993, MAT A BB-9/1i, Bd. II, Bl.
265 ff.
2485) Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Dezember 1993,
MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 22 ff.
2486) Rücknahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder
vom 25. Februar 1994, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 5 ff.
2487) Verfügung vom 27. April 1994, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl.
58.
2488) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht Fürsten-
walde, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 70 f.
2489) Aufnahmeersuchen des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht
Fürstenwalde an die Justizvollzugsanstalt Königs Wusterhausen
vom 3. mai 1994, MAT A BB-9/1i Bd. III, Bl. 72 f.
2490) Anklageschrift und Anklagebegleitverfügung der Staatsanwalt-
schaft Frankfurt/Oder vom 18. Oktober 1994, MAT A BB-9/1i,
Bd. IV, Bl. 6 ff.
2491) Urteil des Bezirksgericht Frankfurt/Oder vom 10. Dezember
1992, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 158 ff.
zeichnet wird) als Angeklagter bezeichnet wird, heißt es
zum Tatverlauf unter anderem:
„Wenige Minuten später wurde der Nigerianer auf
der Discothekentanzfläche erneut umdrängt und
mit Äußerungen wie ,Heil Hitler‘, ‚Ausländer
raus‘ angepöbelt. Dies bemerkte der Zeuge Kai M.
und er beschloss rasch, sich an die Spitze des Trei-
bens zu stellen, um die Mitglieder der größtenteils
rechtsradikal geprägten Gruppe zu beeindrucken,
und um sich aus Geltungssucht – zumindest vorü-
bergehend – zu deren Anführer aufzuschwingen.
Er begab sich mit den Worten ‚Muss ich denn alles
allein machen‘ und zu seinem Gesprächspartner
äußernd ‚den Neger mache ich jetzt platt‘ zur
Tanzfläche. Dort nahm er Steve E. zunächst die
Mütze ab, in die er Bier zu schütten versuchte,
nahm dann sein Opfer, das sich nicht wehrte und
dem er körperlich weit überlegen war, in den
‚Schwitzkasten‘ und begann schließIich mehrfach
wuchtig gegen Kopf und Körper des so fixierten
Opfers zu schlagen.
Hierbei rief er, haßerfüllt und in der Absicht, Steve
E. zu töten, wiederholt: ‚Jetzt mach ich den Neger
platt‘.
Der Angeklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt
unmittelbar bei M. Er war, sobald er den Beginn
der Aktivitäten M.s wahrgenommen hatte, augen-
blicklich aufgestanden, hatte ein Gespräch mit der
Zeugin D., der er gerade eine Liebeserklärung
machte, abgebrochen und sich zu M. begeben, um
das Geschehene aus nächster Nähe zu verfolgen
und mitzuerleben.
Als die Ordnungskräfte die Schlägerei bemerkten,
die Musik sofort ausstellten und die Tanzfläche
voll ausleuchteten, zerrte M. das Opfer unter wei-
teren wuchtigen Schlägen und begleitet von den
ihn inzwischen anfeuernden umstehenden Grup-
penmitgliedern, unter ihnen der Angeklagte, hin-
aus in den Vorraum. Der Angeklagte hatte wie
auch alle anderen in dieser Sache bereits verurteil-
ten Gruppenmitglieder spätestens bei diesem
Rauszerren anhand seiner Äußerungen und seines
brutalen Vorgehens erkannt, daß der wuchtig ein-
schlagende M. tatsächlich den Tod des Opfers her-
beiführen wollte.
Dem vor Angst und Verzweiflung laut um Hilfe
rufenden Opfer gelang es zunächst, sich an einem
Eisengitter im Vorraum festzuhalten. Sofort dräng-
te sich der überwiegende TeiI der Gruppe, darunter
der Angeklagte, abschirmend als Traube um M.
und sein wehrloses Opfer, um zur Hilfe eilende
Gäste und insbesondere Ordner und Sicherheits-
personal der Discothek vom Eingreifen abzuhal-
ten.
Der Angeklagte Carsten Szczepanski beschloß spä-
testens jetzt, sich die Gewaltbereitschaft Kai M.s
und die angeheizte, im Kern von Rassenhaß getra-
gene Stimmung der Gruppe, aus der vereinzelt be-
Drucksache 17/14600 – 286 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
reits lautere und hemmungslosere ausländerfeind-
liche Anfeuerungen erfolgten, zunutze zu machen
und diese Situation zur Tötung des dunkelhäutigen
E. voranzutreiben.
Hierzu begann er repetitiv und rhythmisch zu ru-
fen: ‚Ku-Klux-Klan‘ und wiederholte diesen Ruf
lauter und solange bis nach und nach große Teile
der den M. umringenden Gruppe einstimmten; so-
dann steigerte er Lautstärke und Tempo des Mann-
schaftschores, der zuletzt stakkatoartig und hem-
mungslos brüllend den M. mit diesem Ruf anfeuer-
te. Kai M., immer wieder schreiend: ‚Ich bring ihn
um! Ich bring ihn um!‘, folgte in der Ausführung
seiner Schläge und Tritte dem durch den Mann-
schaftschor vorgegebenen Rhythmus. Auf einen,
ein Tötungsritual des ‚Ku-Klux-Klan‘ aufgreifen-
den, Zuruf aus der Gruppe: ‚Warum hat denn nie-
mand einen Strick? Aufhängen, das Schwein!‘
entgegnete er: ‚Ist doch egal ob ich ihn draußen
aufhänge oder ihm hier drinnen das Genick bre-
che‘ und schlug Steve E. in Tötungsabsicht mit
dem Kopf gegen das Gitter, an dem sich das Opfer
immer noch festklammerte.
Der Zeuge K., dem es in diesem Moment gelungen
war, die Traube zu durchbrechen, sprang, die To-
desgefahr für E. vor Augen, dem M. auf den Rü-
cken, wurde aber durch vier Mitgliedern der Trau-
be sofort wieder weggezerrt. M. ließ kurz vom Op-
fer ab, wandte sich über die Störung erzürnt zum
Zeugen, der ihn nunmehr mit Worten zum Ablas-
sen zu bewegen versuchte. Er zog den Zeugen mit
der linken Hand in dessen Genick packend zu sich
heran und, mit der rechten Faust drohend zu einem
Schlag ins Gesicht des Zeugen ausholend entgeg-
nete er ihm sinngemäß: ‚Ich will nichts von Dir,
ich will nur den Neger und wenn Du mir noch
einmal in die Quere kommst, dann bringe ich Dich
um.‘
Der noch immer von vier Mann umdrängte und
nunmehr verängstigte Zeuge K. wurde wieder aus
der Traube geschoben und zwar mit den Worten:
‚Laß das, wir sind in der Überzahl, das [ist] ein
Neger, das ist kein Mensch, den machen wir kalt‘;
auch den zur Hilfe herbeigeeilten Zeugen H., E.
und N. gelang es nicht, durch die Traube zu M. und
seinem Opfer vorzudringen.
Unterdessen leitete der stets inmitten der Traube
um M. befindliche Angeklagte den Chor der auf-
gehetzten Meute durch das Geschehen. Er variierte
dabei gelegentlich die textlichen Vorgaben der
Gruppe mit ‚White Power‘ und der Mannschafts-
chor folgte. Vereinzelte Gruppenmitglieder riefen
auch ‚Niggerschwein, Niggersau‘ und ähnliches,
während der Angeklagte stets sorgsam darauf ach-
tete, daß die aufgeheizte Situation fortbestand.
Sowie die anfeuernden Rufe abschwollen, peitsch-
te er das Geschehen durch weiteres Rufen wieder
an, kräftigte dabei insbesondere den ‚Ku-Klux-
Klan‘-Chor, den er, wann immer er schwächer zu
werden drohte, stets erfolgreich erneuerte. Der
Angeklagte hatte dabei die Ziele des ‚Ku-KIux-
Kian‘ für sich übernommen und war sich der Be-
deutung dieses Rufes in der konkreten Situation,
nämlich als Tötungsaufforderung an M., bewußt.
Von den ihn anfeuernden Rufen des Mannschafts-
chores beflügelt gelang es M. schließlich, so heftig
an Steve E. zu reißen, daß er das Eisengitter, an
dem sich das Opfer noch immer anklammerte, aus
der Verankerung hob, wodurch beide zu Fall ka-
men. M. rappelte sich sofort auf und tracktierte,
nunmehr gemeinsam mit mehreren, von Mann-
schaftschor aufgepeitschten Mitgliedern der Trau-
be, das inzwischen schon wie bewußtIos am Bo-
den liegende Opfer mit weiteren Tritten und Faust-
schlägen.
Unter weiterem Geschrei und Anfeuerungsrufen
zerrte M., immer noch von der Traube umringt,
den bewußtlosen oder jedenfalls schwer benom-
menen E. an den Armen wie ein Stück Fleisch
durch das Foyer in Richtung Ausgang, während
der Angeklagte dieses Geschehen jubelnd umtanz-
te.
Auf der Terrasse ließ M. sein Opfer mit dem Ge-
sicht auf den Boden fallen. Auf Zurufe der aufge-
peitschten Meute ‚Töte ihn, umbringen das
Schwein‘ und ‚Ku-Klux-Klan‘, die an Intensität
weiter zugenommen hatten, trat er mit seinem mit
Turnschuhen bekleideten Fuß dem Opfer wieder-
holt und wuchtig gegen den Kopf und sprang
mehrfach auf E.s Schädel, während der Angeklag-
te M.s Tritte und Sprünge aus etwa ein Meter Ent-
fernung verfolgte.
Spätestens jetzt hatte E. endgültig das Bewußtsein
verloren. Nach weiteren Tritten gegen den Körper
seines Opfers zerrte M. den bewußtlosen E. von
der Terrasse in Richtung Scharmützelsee. Auf die
Rufe der durch den Mannschaftschor in Verzü-
ckung geratenen Zeugin D. ‚Hat denn niemand
Benzin, einen Kanister Benzin, anstecken die Koh-
le, verbrennt das Schwein‘ hielt M. inne und such-
te sein Feuerzeug. Der Angeklagte begrüßte diese
Idee mit lautem Gelächter und als der Zeuge P.,
der vor den Konsequenzen einer Menschenver-
brennung zurückschreckte, einen Ordner zum Ein-
greifen bewegen wollte und dem Angeklagten sei-
ne Bedenken mitteilte, hielt dieser ihm die Worte
entgegen: ‚So schnell stirbt man nicht‘.
M. hatte inzwischen sein Feuerzeug hervorgeholt
und versuchte den Nebenkläger an dessen Jacke
anzuzünden, um ihn zu verbrennen. Als ihm dies
mangels Benzin mißlang, erscholl aus der in
Extase versetzten Meute der Ruf: ‚Ertränken das
Schwein‘. Der durch die Gruppe hochstimulierte
und von ihr noch immer gegen helfende Gäste ab-
gedeckte M. ließ daraufhin von den Verbren-
nungsversuchen ab, packte sein bewusstloses Op-
fer, schleppte es zum Seeufer und warf es, da es
noch röchelte, bäuchlings soweit ins Wasser, daß
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 287 – Drucksache 17/14600
nur noch die Unterschenkel und Füße über die
Wasseroberfläche ragten.“2492
Bzgl. der erlittenen Verletzungen des Geschädigten Steve
E. wird im Urteil wie folgt ausgeführt:
„Steve E. erlitt bei dem brutalen Geschehen le-
bensgefährliche Verletzungen und war extrem
unterkühIt. Er hatte ein schweres Lungenödem in-
folge einer Süßwasseraspiration, ein Schädelhirn-
trauma - Hirnkontusion rechts temporal, ein allge-
meines Hirnödem, Cephalhämatom frontal und
rechts temporal, eine Toraxprellung, ein stumpfes
Bauchtrauma, mehrere Schürf- und Prellwunden
im Bereich der Stirn, über beiden Jochbögen, am
Thorax und an beiden Rippenbögen, eine Platz-
wunde am linken äußeren Augenwinkel sowie eine
Burbusprellung erlitten. Der Notarzt musste, um
E.s Leben zu erhalten, vor Ort einen Luftröhren-
schnitt durchführen sowie eine Intubationsbeat-
mung, die wegen einer Druckumkehr und infolge
einer auf die Hirnschädigung zurückzuführenden
Verminderung der Schutzreflexe hochkritisch ver-
lief. E. schwebte noch bis zum 16.05.1992 in Le-
bensgefahr, lag längere Zeit im Koma und musste
drei Wochen auf der Intensivstation und später
zwei Wochen in der neurologischen Abteilung be-
handelt werden.
Das tieftraumatisierte Opfer ist noch heute in psy-
chologischer Behandlung und wird dies auch auf
nicht absehbare Zeit bleiben. Trotz zunehmender
Besserung leidet der Lehrer infolge des brutalen
Übergriffs noch immer unter regelmäßigen Alp-
träumen, erheblichen Konzentrationsstörungen, be-
trächtlichen Kopfschmerzen und Angstattacken in
der Öffentlichkeit.“2493
dd) Auswirkungen des Mordversuchs auf das
Ermittlungsverfahren des Generalbundes-
anwalts
Die Tatsache, dass während des Mordversuchs in Wen-
disch Rietz unter anderem durch Szczepanski mehrmals
die Hetzparolen „Ku-Klux-Klan“ angestimmt worden
waren, hatte keinen Einfluss auf das soeben unter bb)
beschriebene Ermittlungsverfahren des Generalbundes-
anwalts, obwohl dem Generalbundesanwalt diese Tat
(begangen am 8. Mai 1992) bekannt geworden war,
2494
bevor er das Ermittlungsverfahren wegen Bildung terro-
ristischer Vereinigungen gemäß § 129a StGB am
1. September 1992 einstellte: Aus einem Bericht des Ge-
neralbundesanwalts an das Bundesjustizministerium vom
29. Mai 1992 geht hervor, dass aus Sicht des Generalbun-
2492) Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 13. Februar 1995,
MAT A BB-9i, Bd. VII, Bl. 5 ff. (16 ff.)
2493) Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 13. Februar 1995,
MAT A BB-9i, Bd. VII, Bl. 4 ff. (23).
2494) Bericht des Polizeipräsidiums Frankfurt(Oder) vom 15. Mai
1992, eingegangen beim BKA am 25. Mai 1992 , MAT A
GBA-10b, Bl. 134 ff.
desanwalts kein Verdacht dafür bestünde, dass die Tat
vom 8. Mai 1992
„wegen der Zugehörigkeit der Täter zum ‚Ku-
Klux-Klan‘ und in Erfüllung des Vereinszwecks
begangen“2495
worden sei.
c) Umstände der Verbindungsaufnahme des
V-Mannes „Piatto“ zum Verfassungsschutz
Brandenburg
aa) Kontaktaufnahme durch Szczepanski aus
der Untersuchungshaft heraus
Carsten Szczepanski wandte sich von sich aus am
8. Juli 1994 aus der Untersuchungshaft, in der er wegen
der Geschehnisse in Wendisch Rietz am 8. Mai 1992 zu
diesem Zeitpunkt seit ca. zwei Monaten einsaß, in einem
Brief an die Verfassungsschutzbehörden des Landes
Brandenburg und erbat Informationen,
2496
nachdem er
sich in einem Bericht des Verfassungsschutzes erwähnt
sah.
2497
Infolge dessen kam es ab dem 2. August 1994 zu
regelmäßigen Treffen von Mitarbeitern der Beschaffungs-
abteilung der Verfassungsschutzbehörde mit Szczepanski
Auch der Zeuge R. G. suchte ihn im Gefängnis auf.
2498
bb) Umfang und Qualität der Quellenmeldun-
gen
Der Zeuge Meyer-Plath, seinerzeit Auswerter beim Ver-
fassungsschutz, hat berichtet, dass der Umfang der Er-
kenntnismöglichkeiten des Verfassungsschutzes Bran-
denburg im Jahr 1994 – also bevor Szczepanski seine
ersten Informationen weitergab – zunächst stark begrenzt
gewesen sei. Gleichzeitig sei die Bedrohungslage für Leib
und Leben von Personen, die von Rechtsextremen als
Feindbilder angesehen wurden, aber auch die Bedrohung
durch rechtsextremistische Propaganda in diesem Zeit-
raum erheblich gewesen.
2499
Die in Brandenburg vorhan-
denen Erkenntnisse seien zum größten Teil Nebenproduk-
te anderer Behörden, wie beispielsweise des BfV, des
MAD, der Polizei und des Verfassungsschutzes Berlin
gewesen. Die Verbesserung der Erkenntnismöglichkeiten
durch die Quelle Piatto im Jahr 1994 hat der Zeuge
Meyer-Plath, folgendermaßen beschrieben:
„Plastiktütenweise gelangten so Briefe, rechtsex-
tremistische Publikationen, insbesondere soge-
nannte Fanzines, auf meinen Tisch. Plötzlich er-
öffneten sich dadurch für mich und meine Kolle-
gen in der ‚Auswertung‘ Einblicke in rechtsextre-
2495) Bericht des Generalbundesanwalts an den Bundesminister der
Justiz vom 29. Mai 1992, MAT A GBA-10b, Bl. 213 ff. (215).
2496) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3.
2497) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 2.
2498) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 2.
2499) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3.
Drucksache 17/14600 – 288 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mistische Strukturen in Brandenburg, aber auch
bundesweit und international, die auf Anhieb unser
Lagebild und das anderer Verfassungsschutzbe-
hörden verbesserten. Es war ein Quanten-
sprung.“2500
Ähnlich hat dies auch der Zeuge R. G. beschrieben.
2501
Der Umfang der Informationen sei laut Meyer-Plath des-
halb so groß und die Qualität so gut gewesen, weil
Szczepanski aufgrund seiner Verurteilung wegen versuch-
ten Mordes in der rechtsextremen Szene großes Ansehen
genossen habe – weite Teile der rechtsextremen Szene
hätten es daher als ihre Pflicht angesehen, mit ihm zu
kommunizieren und ihn auf dem Laufenden zu halten.
2502
Die Tatsache, dass Szczepanski nach seiner Verlegung in
den offenen Vollzug Ende August 1997
2503
regelmäßig
Zeiten außerhalb der Justizvollzugsanstalt verbrachte,
führte laut Meyer-Plath zu einer weiteren Verbesserung
von Qualität und Quantität der gelieferten Informationen:
„In den Jahren 1997 und 1998 war der Informant
nach Bewertung der ‚Auswertung‘ noch besser
geworden. Er konnte nun dank regelmäßiger Zei-
ten außerhalb der Justizvollzugsanstalt wieder nä-
her an die Szene heran. Er war weiterhin überall
gern gesehen, jeder vertraute ihm, jeder sprach mit
ihm, er sog alles auf wie ein Schwamm und be-
richtete ausführlich, obwohl er wusste, dass seine
Informationen für die Szene in jeder Hinsicht teuer
wurden. Eine Vielzahl rechtsextremistischer Kon-
zerte konnte durch seine rechtzeitigen Informatio-
nen aufgelöst werden, zum Beispiel am 28. März
1998 in Kirchmöser, am 5. September 1998 in
Hirschfeld und am 12. September 1998 am
Krummenseer See. Jedes Mal entstand dadurch ein
erheblicher finanzieller Schaden für die Szene, ei-
nige Rechtsextremisten wurden strafrechtlich ver-
folgt.“2504
Der Zeuge R. G. hat ausgeführt, dass die Treffen etwa 14-
tägig stattgefunden hätten, als Szczepanski „Freigänger“
gewesen sei.
2505
cc) Entlohnung des V-Mannes „Piatto“
Nach Aussage des Zeugen Meyer-Plath habe Szczepanski
zwischen 1994 und 2000 insgesamt ca. 50 000 DM für
seine Informationen erhalten.
2506
In der Phase bis Oktober
1998 erhielt er 300 DM pro Treffen, je nach Wertigkeit
der Informationen.
2500) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3.
2501) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 4.
2502) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3 f.
2503) Schreiben des Leiters der JVA Brandenburg an die Staatsan-
waltschaft Frankfurt/Oder vom 10. März 1998, MAT A BB-
9/1e, Bl. 128 ff.
2504) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.
2505) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 5.
2506) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.
Befragt, ob dies nach seiner Einschätzung eine hohe oder
niedrige Entlohnung gewesen sei, hat der Zeuge Meyer-
Plath ausgeführt, dass er die Entlohnung für angemessen
erachtet habe. Einen Teil des Geldes habe Szczepanski im
Beisein von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes so-
gleich ausgegeben, beispielsweise für Videospiele oder
Fußball-Fanartikel.
2507
Darüber hinaus habe Szczepanski auch Auslagenerstatt-
ungen erhalten; dass er auch mit einem Fahrzeug ausge-
stattet worden wäre, war dem Zeugen Meyer-Plath nicht
erinnerlich.
2508
d) Mögliche Beweggründe des V-Mannes
„Piatto“ für eine Zusammenarbeit mit dem
Verfassungsschutz
Als mögliche Beweggründe für die Zusammenarbeit von
Szczepanski mit dem Verfassungsschutz wurde durch den
Zeugen Meyer-Plath genannt, dass sich Szczepanski mög-
licherweise aufgrund der Aussagen seiner Kammeraden
im Prozess bzgl. des Mordversuchs an Steve E. „verpfif-
fen“ gefühlt habe. Zudem sei es ihm jedoch „sicher“ auch
um eine Perspektive, um eine möglichst kurze Haftzeit
und um das Geld gegangen.
2509
Bzgl. der Frage, inwiefern sich Szczepanski der rechtsex-
tremen Szene letztendlich noch verbunden gefühlt hatte
oder ob er die Szene eigentlich schon hätte verlassen
wollen, jedoch vor dem Hintergrund der Informationsbe-
schaffung noch dort verblieb, hat der Zeuge Meyer-Plath
ausgeführt:
„Wo genau sozusagen diese Grenze jetzt bei
Szczepanski war - ich hatte das in meinem Ein-
gangsstatement erwähnt -, ist mir bis heute nicht
ganz klar: inwieweit er sich diesen Menschen in
irgendeiner Form auch noch verbunden fühlte,
aber trotzdem sie nach Strich und Faden verraten
hat, oder ob er sich sozusagen schon gelöst hat und
gesagt hat: Möglicherweise hilft es mir für meine
Perspektive, für eine möglichst - aus seiner Sicht -
frühzeitige Haftentlassung und auch aus materiel-
len Gründen, weiter in der Szene zu verbleiben. -
Ich werde das nicht völlig auflösen können, diese
Frage. Sie ist ein Dilemma, und sie ist irgendwo
auch, wenn Sie wollen, schizophren.“2510
Dass Szczepanski den Verfassungsschutz Brandenburg
bewusst benutzt haben könnte, um nach der Haftentlas-
sung weiter in der rechtsextremen Szene aktiv sein zu
können, hat der Zeuge Meyer-Plath nicht bestätigt:
„Nein, zu meiner Phase, also bis Oktober 1998,
hatte ich diesen Eindruck überhaupt nicht. Da-
durch, dass er so intensiv auch über die Dinge be-
richtete, die der Szene richtig wehtaten, die Logis-
2507) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 32.
2508) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 33.
2509) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.
2510) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 30 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 289 – Drucksache 17/14600
tik der Szene eben auch zu stören und zu zerstören,
hatte ich überhaupt nicht diesen Eindruck. Er
wusste, dass, wenn er Informationen weitergibt,
daraus Schaden für die Szene entsteht. Es wäre al-
so aus seiner Sicht völlig kontraproduktiv gewe-
sen.“2511
Der Zeuge R. G. hat gegenüber dem Untersuchungsaus-
schuss die Ansicht vertreten, Szczepanski habe „die ganze
Geschichte“ bereut.2512
Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass stets die Frage
im Raum gestanden habe, inwiefern
„die Bereitschaft von Carsten Szczepanski, seine
angeblichen Kameraden nach Strich und Faden zu
verraten, als Abwendung vom Rechtsextremismus,
wo er doch zu diesem Zweck äußerlich mit der
Szene verbunden bleiben musste“2513,
habe gelten können. Die in dieser Hinsicht zu treffenden
Entscheidungen seien, so Meyer-Plath, „außerhalb und
oberhalb“ seines Arbeitsbereichs getroffen worden.
e) Ablauf der Treffen mit „Piatto“
aa) Abholung von „Piatto“ an der JVA an den
Tagen seines Freiganges und „Verschaf-
fung von Mobilität“
Den Ablauf der Treffen mit Szczepanski nach dessen
Verlegung in den offenen Vollzug 1997 hat der Zeuge
Meyer-Plath wie folgt beschrieben:
„Der Ablauf war in der Regel so, dass mein Kolle-
ge G. [den] S. an der JVA oder später an seiner
Ausbildungsstelle abholte, ihn zu Behördengän-
gen, privaten Terminen oder in die Nähe von An-
gehörigen der rechtsextremistischen Szene fuhr,
um dort Informationen zu beschaffen, um ihn am
Abend wieder in die JVA zurückzubringen. Ich
stieß meistens in Restaurants zur vertieften Infor-
mationsaufnahme hinzu.
Meine Aufgabe aufgrund meines Aus-
wertungshintergrundes war es, so viel Infor-
mationen wie möglich aus dem Informanten her-
auszuholen. Der sprudelte zwar auch von sich aus,
durch gezieltes Fragen und Nachhaken konnte die
Qualität der Informationsgewinnung aber noch ge-
steigert werden. Außerdem konnte so aktuell be-
ratschlagt werden, welche Prioritäten für den
nächsten Ausgang vorlagen.“2514
Darüber hinaus hat der Zeuge Meyer-Plath die folgende
Beschreibung für den Ablauf der Trefftage verwendet:
2511) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 31.
2512) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 12.
2513) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 4.
2514) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.
„Die Mobilität war ab dem Moment, wo er die
Haftanstalt für kürzere, später ja auch für längere
Zeiten verlassen konnte, eine Herausforderung für
die Beschaffer, für G. und mich. In der Regel war
es so, dass G. ihn an der Justizvollzugsanstalt, spä-
ter dann an der Ausbildungsstätte abholte, um ihm
somit Mobilität zu verschaffen, sei es für private
Erledigungen, familiäre Dinge, aber auch um ihn
logistisch in die Lage zu versetzen: Wie komme
ich denn an diese Szenen, Strukturen, Organisatio-
nen oder Einzelpersonen heran?“2515
bb) Ausstattung mit einem Mobiltelefon
Szczepanski war durch den Verfassungsschutz Branden-
burg seit Beginn der ersten Ausgänge Mitte 1997 mit
einem Mobiltelefon ausgestattet worden.
2516
Dieses Mobiltelefon, so Meyer-Plath, habe Szczepanski
nicht mit in die Justizvollzugsanstalt hinein nehmen dür-
fen.
2517
Ob Szczepanski das Mobiltelefon stets wieder
abgegeben hatte, als er die Justizvollzugsanstalt wieder
betreten habe, ist dem Zeugen Meyer-Plath nicht mehr
erinnerlich gewesen.
2518
Folglich hat er auch nicht aus-
schließen können, dass Szczepanski das ihm durch den
Verfassungsschutz überlassene Mobiltelefon in der Jus-
tizvollzugsanstalt nutzte.
2519
Meyer-Plath hat es jedoch
auch für möglich gehalten, dass Szczepanski das Mobilte-
lefon möglicherweise bei anderen Rechtsextremen hinter-
legt habe, während er sich in der JVA befand.
2520
Mögli-
che Kontaktaufnahmen mit dem an Szczepanski ausgege-
benen Mobiltelefon könnten sich auch dadurch erklären,
das Szczepanski zuweilen mehrere Tage aus der Haft
abwesend gewesen sei.
2521
Anlässlich der durch das LKA Thüringen im Rahmen der
Suchmaßnahmen nach dem Trio geschalteten TKÜ-
Maßnahme bei Jan Werner wurde das an Szczepanski
ausgegebene Mobiltelefon als ein Mobiltelefon identifi-
ziert, das an das Innenministerium des Landes Branden-
burg ausgegeben worden war.
2522
Davon sei der Verfas-
sungsschutz Brandenburg nach Aussage des Zeugen
Meyer-Plath durch eine Kollegin des BfV unterrichtet
worden.
2523
Auf welche Weise das BfV seinerseits die
entsprechende Information erhielt, hat Meyer-Plath nicht
sagen können. Die Tatsache, dass das Mobiltelefon über-
haupt durch die Polizei insoweit identifiziert werden
konnte, als dass es an das Innenministerium Brandenburg
2515) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 24.
2516) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.
2517) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.
2518) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 26.
2519) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 27.
2520) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 27.
2521) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 44.
2522) Mitteilung des Mobilfunkbetreibers an das LKA Thüringen,
MAT A TH-1/9, Bl. 272.
2523) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 44.
Drucksache 17/14600 – 290 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ausgegeben worden war, hat Meyer-Plath als „operativen
Super-GAU“ bezeichnet.2524
f) Bedenken gegen die Anwerbung innerhalb
des Verfassungsschutzes Brandenburg,
Befragung einer außenstehenden Autori-
tätsperson durch den Innenminister
Der Zeuge Dr. Förster, der im November 1996 Leiter der
Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium Bran-
denburg wurde, hat berichtet, dass er Bedenken gegen die
Führung Szczepanskis als V-Mann hatte, nicht zuletzt
aufgrund von dessen Vorleben. Weder Staatssekretär
noch Minister seien damals darüber informiert gewesen,
dass der Verfassungsschutz Brandenburg den wegen
versuchten Mordes zu acht Jahren Haft verurteilten V-
Mann Piatto führte.
Dr. Förster habe Innenminister Alwin Ziel über Piatto
unterrichtet. Man sei zu dem Schluss gekommen, eine
außenstehende Autoritätsperson um Rat zu fragen, ob es
moralisch vertretbar sei, einen V-Mann wie Piatto zu
führen.
Wörtlich hat Dr. Förster in seiner Vernehmung ausge-
sagt:
„Ich war entsetzt, diesen V-Mann zu haben. Minis-
ter wusste davon nichts; Staatssekretär wusste da-
von nichts. Dann bin ich zum Minister gegangen
und habe ihn von diesem ,Zufallsfund‘ unterrichtet
und gesagt: So einen V-Mann darf man nicht ha-
ben. Der wird sofort abgeschaltet, sofort; versuch-
ter Mord, acht Jahre. - Auf der anderen Seite ist es
natürlich so, dass so einer auch was weiß. Was den
bei uns zu acht Jahren Freiheitsstrafe bringt, macht
den bei den anderen zum Märtyrer. Wir haben
dann folgenden Weg beschritten: Wir haben einen
Mann konsultiert – der tot ist -, Ziel und ich, zu
dem der Innenminister Ziel eine sehr enge persön-
liche Beziehung hatte. In diese Beziehung wurde
ich dann auch einbezogen bei einer Mehrzahl von
Besuchen, weil so ein Pressesprecher und Bürolei-
ter, was ich ja zunächst mal war in Brandenburg,
das geht auch nur mit einer engen persönlichen
Beziehung mit dem Minister.“2525
sowie weiter:
„Und dieser Mann hat gesagt, weil ja so eine Quel-
le euch eben auch Erkenntnisse geben kann, die
präventiv nutzbar sind, würde er die Frage ,Darf
man mit so einem überhaupt zusammenarbeiten?‘
mit ,muss man‘ beantworten. Und nach dieser sehr
bewegenden Begegnung sind wir gemeinsam, der
Minister und ich, ins Parlamentarische Kontroll-
gremium gegangen, mit der gleichen Frage.“2526
2524) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.
2525) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 133.
2526) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 134.
Um wen es sich bei der von dem Zeugen Dr. Förster
genannten Person handelt, hat der Ausschuss nicht ermit-
telt.
Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, von diesem Vor-
gang seinerzeit keine Kenntnis erlangt zu haben, sondern
dies erst aus der Presse erfahren zu haben.
2527
Die bei ihm bestehenden Bedenken seien durch den da-
maligen Abteilungsleiter Dr. Förster jedoch auch mit den
Mitarbeitern, hauptsächlich auf der Ebene der Referatslei-
ter beraten worden.
2528
Dabei sei das Unbehagen des
Abteilungsleiters bzgl. der Quelle deutlich zum Ausdruck
gekommen.
Im Hinblick auf seine eigene Person hat Meyer-Plath
bekundet, dass er in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der
Führung von Szczepanski als V-Mann auf die Expertise
der Juristen innerhalb des Verfassungsschutzes vertraut
habe.
2529
g) Erleichterungen bzgl. des Vollzugs der
Haftstrafe/Vorzeitige Entlassung aus der
Haft
aa) Verdacht der Herstellung rechtsextremisti-
scher Publikationen in der JVA Branden-
burg Ende 1996/Anfang 1997 – Maßnah-
men bzgl. „Piatto“ in diesem Zusammen-
hang
aaa) Der Verdacht als solcher
Nach dem Wechsel des Zeugen Meyer-Plath von der
Auswertungsabteilung zur Beschaffungsabteilung inner-
halb des Verfassungsschutzes Brandenburg am
19. Dezember 1996 gab es öffentliche Hinweise darauf,
dass in der JVA Brandenburg rechtsextremistische Publi-
kationen hergestellt würden.
2530
Im Rahmen der daraufhin
eingeleiteten Ermittlungen wurden durch die Justiz für
rechtsextreme Häftlinge Ausgangs- und Fernmeldesperren
verhängt und verschärfte Postkontrollen angeordnet.
Hiervon sei auch Szczepanski, der zu dieser Zeit in der
JVA Brandenburg einsaß, betroffen gewesen.
bbb) Mögliche Beteiligung von „Piatto“ an der
Herstellung der Publikationen
Im Neonazi-Fanzine Wehrpass, Ausgabe 2/1996, findet
sich auf Seite 30 die folgende Ausführung:
„United Skins Nr. 8. Was der Carsten dort hinter
Gittern vollbracht hat, grenzt schon an Zauberei.
Das Zine hat ganze 48 Seiten und ist randvoll mit
Konzert- und Sachberichten. Über die JVA Bran-
2527) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 12.
2528) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 56.
2529) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 37.
2530) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 291 – Drucksache 17/14600
denburg, in welcher er sich zurzeit befindet, ist
auch ein sehr interessanter Bericht drin.“2531
Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu bekundet, dass es sich
hierbei möglicherweise um eine Darstellung von
Szczepanski als Märtyrer durch mögliche andere Perso-
nen, die das Zine erstellt haben, gehandelt haben könne.
Die Justiz habe jedenfalls auf entsprechende Berichter-
stattung der Zeitung Junge Welt entsprechende Prüfungen
vorgenommen und „nicht festgestellt, dass die Publikatio-
nen in der Haft erstellt“ worden seien.2532 Jedoch hat der
Zeuge Meyer-Plath nicht völlig ausschließen können,
dass Szczepanski an der Erstellung von Neonazifanzines
mitwirkte.
2533
Der Zeuge R. G. hat – auf Vorhalt – hierzu keine Anga-
ben gemacht und darauf hingewiesen, dass er nicht als
Auswerter tätig gewesen sei.
2534
ccc) Maßnahmen des Verfassungsschutzes
Brandenburg in Bezug auf „Piatto“
Infolge der unter aaa) genannten Einschränkungen kam es
der Schilderung des Zeugen Meyer-Plath zu Folge zu
einer starken Einschränkung des Informationsflusses. Ab
dem 10. Januar 1997 sei es deshalb dazu gekommen, dass
die daraus resultierende Lage auf Weisung des Abtei-
lungsleiters durch den Zeugen Meyer-Plath gegenüber der
Justizvollzugsanstalt und dem Justizministerium darge-
stellt und Vorschläge für mögliche Ausnahmen für den
Häftling Szczepanski unterbreitet worden seien.
2535
Aus einem Vermerk vom 12. März 1997, den der Zeuge
Meyer-Plath selbst verfasst hat, geht Folgendes hervor:
„Wie zuvor in Gesprächen […] vereinbart, soll die
verschärfte Postkontrolle, bei der eingehende wie
ausgehende Post textlich kontrolliert wird, im Lau-
fe des März für die betroffenen Rechtsextremisten,
darunter die Quelle, aufgehoben werden. Die An-
staltsleitung sieht in den Ergebnissen der seit De-
zember laufenden verschärften Postkontrollen kei-
ne Anhaltspunkte, die eine Weiterführung rechtfer-
tigen.
Bis zum Ende der verschärften Postkontrolle ist
diese zentral bei Herrn […] angesiedelt, der diese
textlich nur pro forma durchführt.“2536
Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass es bei diesem
Gespräch um die Umsetzung einer durch das Justizminis-
terium getroffenen Entscheidung gegangen sei.
2537
2531) Vorhalt der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Pau
gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 18.
2532) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 18.
2533) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 19.
2534) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 22.
2535) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 4, 13.
2536) Vorhalt des Vorsitzenden gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-
Nr. 64, S. 14 f., aus MAT A BB-7/2, Teil 1, Vermerk vom 13.
März 1997 (Tgb-Nr. 156/13 - GEHEIM).
Bereits im Januar 1997 war in einem Vermerk niederge-
legt worden, dass seitens des Justizministeriums Bran-
denburg einem Vorschlag bzgl. der Kontrolle von
Szczepanskis Post zugestimmt worden sei. Konkret heißt
es in dem Vermerk:
„Die Vertreter des MdJBE stimmten deshalb ei-
nem Vorschlag zu, dass die Postkontrolle der
rechtsextremistischen Häftlinge von einem einzi-
gen Bediensteten der JVA durchgeführt werden
soll, der in die Zusammenarbeit eingeweiht wird.
Dieser wird dann die Post Szczepanskis ungehin-
dert ein- und ausgehen lassen.“2538
und weiter:
„Einvernehmen herrschte darüber, dass
Szczepanski seinen rechtsextremistischen Brief-
partnern nur sehr verschlüsselt mitteilen darf, dass
sie nun wieder unbesorgt Post in die JVA Bran-
denburg einrichten können. Keinesfalls will das
Ministerium Angriffsflächen für die Presse bie-
ten.“2539
Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu bekundet, dass er im
Auftrag des Abteilungsleiters gegenüber den Justizbehör-
den die Lage geschildert habe.
2540
Die Justizvertreter
hätten darum gewusst, dass Szczepanski Informationen
geliefert habe. Auf dieser Grundlage sei durch die Justiz
entschieden worden.
Ab dem 12. März 1997 sei es dann zu einer Beendigung
der unter aaa) genannten Einschränkungen gekommen.
2541
bb) Erörterung einer möglichen Haftentlas-
sung nach der Hälfte der Haftzeit (gemäß
§ 57 Abs. 2 StGB) wegen der Aussage
Szczepanskis im sog. Dolgenbrodt-
Prozess
aaa) § 57 Abs. 2 Strafgesetzbuch
§ 57 Abs. 2 StGB besagt, dass unter bestimmten Umstän-
den eine Entlassung unter Aussetzung der restlichen Frei-
heitsstrafe zur Bewährung bereits nach der Hälfte der
ausgeurteilten Haftstrafe möglich ist. Das Gesetz verlangt,
dass „die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der
verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des
Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorlie-
gen“, die die Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe
zur Bewährung rechtfertigen. Zusätzlich muss die Ausset-
2537) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 15.
2538) Vorhalt des Abgeordneten Binninger gegenüber Meyer-Plath,
Protokoll-Nr. 64, S. 16, aus MAT A BB-7/2, Teil 1, Vermerk
vom 14. Januar 1997 (Tgb-Nr. 156/13 - GEHEIM).
2539) Vorhalt des Vorsitzenden gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-
Nr. 64, S. 16, aus MAT A BB-7/2, Teil 1, Vermerk vom 14. Ja-
nuar 1997 (Tgb-Nr. 156/13 - GEHEIM).
2540) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S.
16.
2541) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.
Drucksache 17/14600 – 292 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB unter ande-
rem „unter Berücksichtig des Sicherheitsinteresses der
Allgemeinheit verantwortet werden“ können, wobei bei
der Entscheidung „insbesondere die Persönlichkeit der
verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat,
das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechts-
guts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug,
ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berück-
sichtigen“ sind, „die von der Aussetzung für sie zu erwar-
ten sind.“2542
bbb) Aussage „Piattos“ im Dolgenbrodt-
Prozess - Hintergrund
Szczepanski hatte im Jahr 1995 im Verlauf des sog.
Dolgenbrodt-Prozesses vor dem Landgericht Frank-
furt/Oder umfangreich ausgesagt. Hintergrund des Ver-
fahrens war ein Brandanschlag auf eine noch leer stehen-
de, für Asylbewerber vorgesehene Unterkunft im bran-
denburgischen Dolgenbrodt im November 1992 wenige
Tage bevor die Unterkunft bezogen werden sollte. Hier
bestand der Verdacht, dass die Täter aus der Gemein-
schaft der Bewohner des Ortes zu ihrer Tat angestiftet
worden sein könnten. Durch seine Aussage habe
Szczepanski zur Aufklärung der Taten beigetragen, wes-
halb ihm, so der Zeuge Meyer-Plath, seitens der Justiz die
Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung bereits nach
der Hälfte der Haftzeit in Aussicht gestellt worden sei.
ccc) Entsprechende Zusage?
Der Zeuge Meyer-Plath hat bzgl. einer Aussetzung der
Reststrafe zur Bewährung aufgrund der Aussage im
Dolgenbrodt-Prozess nach Ablauf der Halbstrafe bekun-
det, er habe den Akten entnommen, dass sich der Verfas-
sungsschutz in Gesprächen mit der Justiz gegen ein sol-
ches Vorgehen ausgesprochen habe, da Szczepanski hier-
durch sofort in Spitzelverdacht geraten wäre.
2543
In einem Vermerk vom 9. Februar 1996, der nach Aussa-
ge des Zeugen Meyer-Plath vom Beschaffungsreferat
stammt, heißt es hingegen:
„Schon aus diesem Grunde muss von hier aus da-
rauf geachtet werden, dass die Zusage der Staats-
anwaltschaft vom 6.9.95 hinsichtlich der Ableis-
tung einer Halbstrafe auch eingehalten wird.“2544
Ohne diese Vermerke genauer zu benennen hat der Zeuge
Meyer-Plath sodann bekundet, dem Ausschuss lägen auch
„andere Vermerke“ vor. Insbesondere im Jahr 1997 habe
der Verfassungsschutz darauf hingewiesen, dass eine
Halbstrafe sich gegenüber der Szene nicht darstellen lasse
und „absurd“ sei. Letztendlich sei dies aber eine Ent-
2542) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.
2543) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.
2544) Vorhalt des Vorsitzenden gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-
Nr. 64, S. 13.
scheidung der Justiz gewesen, die der Verfassungsschutz
nicht zu kommentieren habe.
2545
Seitens der Justiz war die Aussetzung der Reststrafe zur
Bewährung nach Ableistung der Halbstrafe auch im Hin-
blick auf die Aussage im Dolgenbrodt-Prozess jedenfalls
mit Schreiben vom 29. Januar 1998 abgelehnt worden,
2546
nachdem sich Szczepanski mit Schreiben vom
2. Januar 1998 an die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder
gewandt hatte und um Mitteilung einer möglichen Prog-
nose für den Zeitpunkt seiner Haftentlassung gebeten
hatte.
2547
Am 12. Januar 1999
2548
beantragte Szczepanski gegenüber
der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder eine Haftentlas-
sung zum 1. April 1999.
2549
Durch die Staatsanwaltschaft
wurde dieser Antrag gemäß § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO
befürwortet (wörtlich: „beantragt“).2550 Nach der mündli-
chen Anhörung durch die für die Entscheidung zuständige
Strafvollstreckungskammer, zu der es erst Ende April
1999 kam, nahm Szczepanski diesen Antrag jedoch wie-
der zurück und beantragte statt dessen die Entlassung
nach Ablauf von zwei Dritteln der Haftzeit.
2551
cc) Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit ent-
sprechend § 57 Abs. 1 StGB
aaa) Voraussetzung einer Haftentlassung nach
2/3 der Haftzeit gem. § 57 Abs. 1 StGB
Im Gegensatz zu der bereits oben erwähnten Möglichkeit
der Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung
(und damit Haftentlassung) bereits nach Vollstreckung
der Hälfte der verhängten Strafe ist diese Möglichkeit
nach Vollstreckung von zwei Dritteln der verhängten
Strafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB nicht an das Vorliegen
„besonderer Umstände“ geknüpft, die bzgl. der „Gesamt-
würdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person
und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs“ vorlie-
gen müssen.
Die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach zwei
Dritteln der Haftzeit setzt – neben der Einwilligung des
Verurteilten und der Verantwortbarkeit unter Berücksich-
tigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit – ge-
2545) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 13.
2546) Verfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder vom
29. Januar 1998, MAT A BB-9/1e, Bd. I, Bl. 110 ff.
2547) Schreiben von Szczepanski, datiert vom 2. Januar 1997 (mit
Umschlag, auf dem ein Eingangsstempel der Staatsanwaltschaft
Frankfurt/Oder vom 5. Januar 1998 aufgebracht ist), MAT A
BB-9/1e, Bd. I, Bl. 107 f.
2548) Das Datum „12. Januar 1998“ war lt. Szczepanski ein Versehen,
vgl. MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 37.
2549) Antrag des Verurteilten Szczepanski auf vorzeitige Haftentlas-
sung, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 5.
2550) Vermerk und Verfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt
(Oder) vom 19. Januar 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 13.
2551) Protokoll der mündlichen Anhörung des Verurteilten
Szczepanski am 20. April 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl.
37.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 293 – Drucksache 17/14600
mäß § 57 Abs. 1 StGB voraus, dass bei der Entscheidung
„insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person,
ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei
einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der
verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse
und die Wirkungen […], die von der Aussetzung für sie
zu erwarten sind“, berücksichtigt werden.
bbb) Beschluss der Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts Potsdam vom 1. Dezem-
ber 1999
Mit Beschluss vom 1. Dezember 1999, der am
15. Dezember 1999 rechtskräftig wurde, wurde die gegen
Szczepanski bis dahin noch nicht vollstreckte Reststrafe
zur Bewährung ausgesetzt.
2552
Mit Schreiben vom
15. Dezember 1999 wurde die JVA Brandenburg ange-
wiesen, Szczepanski sofort zu entlassen.
2553
In dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom
1. Dezember 1999 heißt es unter anderem:
„Seit dem 06.04.1999 ist er bei der Firma P. in
Limbach als Vertriebsassistent und Werbegestalter
angestellt. Die Firma P. plant im Raum Berlin eine
Zweigstelle zu eröffnen, die den Gefangenen so-
dann übernehmen wolle seit März 1999 habe er in
Königs Wusterhausen eine Wohnung. Stabile sozi-
ale Bindungen bestünden zu seinen Eltern zu sei-
ner Lebensgefährtin und weiteren Bekannten.
Von der rechten Szene habe er sich gelöst und er-
klärt, er sei dieser entwachsen.“2554
sowie:
„Er hat dem Gericht gegenüber überzeugend dar-
gestellt, dass er zu den „alten Kameraden“ keinen
Kontakt mehr habe und dass im Übrigen auch die-
se mittlerweile nachgereift seien.“2555
Hinweise darauf, dass es der Richterin der Strafvollstre-
ckungskammer bekannt war, dass die in dem Beschluss
genannte „Firma P.“ aus Limbach einen Neonazi-
Szeneladen betreibt und die geplante „Zweigstelle“ in der
Eröffnung eines weiteren Szeneladens im Raum Berlin
bestehen könnte, sind nicht aktenkundig.
2552) Hierzu und im Folgenden: Beschluss der Strafvollstreckungs-
kammer des Landgerichts Potsdam vom 1. Dezember 1999,
MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 80 ff.
2553) Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder an die JVA
Brandenburg vom 15. Dezember 1999, MAT A BB-9/1e, Bd.
II, Bl. 98.
2554) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Potsdam vom 1. Dezember 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl.
80 ff. (83).
2555) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Potsdam vom 1. Dezember 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl.
80 ff. (86).
Mit mehreren Schreiben, unter anderem vom
22. Februar 1999
2556
und 16. Juni 1999,
2557
hatte sich
Szczepanski zuvor an die Strafvollstreckungskammer
gewandt und – im Schreiben vom 22. Februar 1999 –
unter detaillierter Darlegung seiner Situation, jedoch ohne
Hinweis auf eine Tätigkeit für den Verfassungsschutz,
seine vorzeitige Haftentlassung beantragt. Im Schreiben
vom 16. Juni 1999 hatte er die zugesagte Begutachtung
im Hinblick auf eine Entlassung im August 1999 ange-
mahnt.
ccc) Mögliche Täuschung der Strafvollstre-
ckungskammer unter Mitwirkung des Ver-
fassungsschutzes?
Direkte Kontakte zwischen der Strafvollstreckungskam-
mer des Landgerichts Potsdam und dem Innenministerium
des Landes Brandenburg sind nicht aktenkundig und auch
von den Zeugen R. G. und Meyer-Plath nicht berichtet
worden.
Der Verfassungsschutz Brandenburg hatte (unter Nutzung
des insoweit korrekten Briefkopfs des Ministeriums des
Innern) im Januar 1997 bei der Staatsanwaltschaft Frank-
furt/Oder eine Abschrift des Urteils gegen Szczepanski
angefordert.
2558
Eine Person, die über Kenntnisse des
Aufbaus des Ministerium des Innern des Landes Bran-
denburg verfügt, wäre so in der Lage gewesen, anhand
des Aktenzeichens zu erkennen, dass sich der Verfas-
sungsschutz jedenfalls für Szczepanski interessiert.
Aus einem Vermerk vom 14. Juli 1999 geht hervor, dass
in einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Justizmi-
nisteriums Brandenburg durch die Mitarbeiterin angege-
ben worden sei, wer der zuständigen Strafvollstreckungs-
kammer vorstehe und deshalb Auskunft über bevorste-
hende Entlassungen geben könnte.
2559
Dass diese Infor-
mation bewusst erfragt worden wäre, legt der Vermerk
nicht nahe.
Mit Vertretern des Brandenburger Justizministeriums war
im Januar 1997 erörtert worden, inwiefern eine frühere
Haftentlassung möglich ist. In einem Vermerk vom
14. Januar 1997 heißt es hierzu:
„Der Briefkontakt des Häftlings Szczepanski zeige
deutlich, dass er sich von seinen ehemaligen Ge-
sinnungskameraden nicht distanziert habe. Das
Argument, dass er dies nur für die Sicherheitsinte-
ressen des Staates tue, wurde zwar von den Vertre-
2556) Schreiben von Szczepanski an die Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts Potsdam vom 22. Februar 1999, MAT A BB-
9/1e, Bd. II, Bl. 30.
2557) Schreiben von Szczepanski an die Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts Potsdam vom 16. Juni 1999, MAT A BB-
9/1e, Bd. II, Bl. 47.
2558) Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Branden-
burg an die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder vom 16. Januar
1997, MAT A BB-9/1e, Bd. I, Bl. 100.
2559) Vermerk des Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
vom 14. Juli 1999, MAT A BB-7/2 (Tgb.-Nr. 91/12 -
GEHEIM), Bd. 1, Reiter 1999.
Drucksache 17/14600 – 294 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tern des Ministeriums akzeptiert. Für eine vorzeiti-
ge Haftentlassung wäre dies allerdings keine ein-
schlägige Begründung, da auch das Wirken als
Verräter keine günstige Sozialprognose erlau-
be.“2560
Der Zeuge R. G. ist ebenfalls zu einem Brief von
Szczepanski an die Strafvollstreckungskammer befragt
worden. Er hat hierzu angegeben, an dem Brief nicht
beteiligt gewesen zu sein und Szczepanski in dieser Hin-
sicht auch nicht beraten zu haben.
2561
ddd) Praktikum bei der Firma P. bereits im Jahr
1998?
Der Zeuge R. G. hat die ab dem Frühjahr 1998 bestehende
Tätigkeit bei der Firma P. als „Gefälligkeitsgeschichte“
umschrieben. Michael P. und seine Frau hätten
Szczepanski einen Gefallen tun wollen, um so weitere
Freigänge erreichen zu können.
2562
Gearbeitet habe
Szczepanski dort nicht, er sei „kaum da“ gewesen.2563
h) Hinweise von „Piatto“ zum Trio/Artikel im
Zine „White Supremacy“ durch eines der
Mitglieder des Trios
Im Zeitraum August bis Oktober 1998 gab Szczepanski
Hinweise zu dem inzwischen (seit Januar 1998) unterge-
tauchten Trio. Er stand in Kontakt zu Jan Werner, der
dem Trio in dieser Zeit eine Waffe habe besorgen sollen
und zu Antje P., die sich bereit erklärt habe, der weibli-
chen Person des Trios ihren Pass zur Verfügung zu stel-
len.
Auf die in diesem Zusammenhang von Szczepanski gelie-
ferten Hinweise sowie auf die weiteren Folgen dieser
Hinweise wird unten im Abschnitt E. III.6. h) näher ein-
gegangen werden.
i) Kontakte von Szczepanski nach Sachsen
Szczepanski verfügte über eine Vielzahl von Kontakten zu
Rechtsextremisten bundesweit. Der Kontakt zu den säch-
sischen Rechtsextremisten Antje P. und Michael P. und
Jan Werner sei, so der Zeuge Meyer-Plath, bereits 1994
zu Stande gekommen, als Szczepanski von diesen Perso-
nen in der Haft unterstützt worden sei.
2564
j) Weggang von Meyer-Plath Ende Oktober
1998
Der Zeuge Meyer-Plath unterbrach Ende Oktober 1998
zunächst seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz Bran-
denburg, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer
2560) Vorhalt ggü. dem Zeugen Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 31.
2561) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 14.
2562) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 12.
2563) R. G., Protokoll-Nr. 56 (geheim-herabgestuft), S. 13.
2564) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 22.
Bundestagsabgeordneten zu arbeiten.
2565
Erst im Jahr
2001 setzte er seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz
Brandenburg als Referatsleiter „Auswertung“ fort, wes-
halb er im Hinblick auf den Zeitraum zwischen November
1998 und der Enttarnung von Szczepanski im Sommer
2000 aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen
konnte.
Eine Übergabe des V-Mannes Szczepanski als V-Mann-
Führer sei nicht erforderlich gewesen, da durch den ande-
ren V-Mann Führer, den Zeugen R. G., Kontinuität ge-
währleistet gewesen sei.
2566
k) Enttarnung des V-Mannes „Piatto“
Die Umstände der Enttarnung von Szeczepanski lassen
sich der als GEHEIM eingestuften Chronologie zur Been-
digung der Zusammenarbeit mit Piatto entnehmen.
2567
Kurz zusammengefasst lief die Enttarnung demnach fol-
gendermaßen ab:
19. Juni 2000:
Piatto wurde von einem Dritten belaset, er sei an einer
Straftat im Zusammenhang mit einer Rohrbombe betei-
ligt. Deshalb stimmt der Staatssekretär des Innenministe-
riums einer Beendigung der Zusammenarbeit mit der
Quelle Piatto zu.
Der genannte Dritte hatte am 12. Juni 2000 in einer Ver-
nehmung durch das LKA Berlin ausgesagt, Carsten
Szczepanski habe gemeinsam mit anderen Personen einen
Sprengstoffanschlag als Racheakt für die Zerstörung
seines Fahrzeuges durchführen wollen.
2568
Das Verfahren
gegen diese Person war allerdings durch einen Hinweis
von Carsten Szczepanski überhaupt erst eingeleitet wor-
den.
2569
27. Juni 2000:
Eine Gewährsperson teilt mit, dass ihr ein Polizeibeamter
bestätigt habe, dass Piatto ein Informant der Polizei sei.
Tatsächlich fand ein solches Telefonat wohl statt! Inwie-
fern dieser Polizeibeamte überhaupt mit dem Verfas-
sungsschutz Brandenburg zusammenarbeitete, war nicht
ersichtlich.
30. Juni 2000:
Beendigungserklärung bzgl. der V-Mann-Tätigkeit.
10. Juli 2000:
2565) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S.
39.
2566) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 48, 63.
2567) Hierzu und im Folgenden: Chronologie, MAT A BB-7/2b
(Tgb.-Nr. 150/13 Geheim), Ordner 2000, PDF-Bl. 165-167.
2568) Vernehmungsprotokoll vom 12. Juni 2000, MAT A BB-14d,
Bd. I, Bl. 110 ff. (117 f.).
2569) Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Potsdam an die
Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg vom 3. Juni 2013,
MAT A BB-14d, Bd. VIII, Bl. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 295 – Drucksache 17/14600
Enttarnung von Piatto durch den Spiegel-Artikel „Führer
der Meute“ – durch den Artikel ist ein klarer Rückschluss
auf die Identität von Piatto möglich. Zudem wurde be-
richtet, dass der Geschädigte des versuchten Mordes von
1992 in Wendisch Rietz noch Schmerzensgeldforderun-
gen in Höhe von ca. 50 000 DM habe.
14. Juli 2000:
Aufnahme von Piatto in ein Zeugenschutzprogramm.
Die Enttarnung von Szczepanski als V-Mann ist im Aus-
schuss nicht weiter erörtert worden.
Im Rahmen der Beweisaufnahme ist aus einem Briefver-
kehr zwischen der Parlamentarischen Kontrollkommissi-
on und dem Ministerium des Innern Brandenburgs aus
dem Jahr 2000 zitiert worden, in dem es im Zusammen-
hang mit einer Gewährsperson, die den Verdacht gehabt
habe, dass Szczepanski mit der Polizei zusammengearbei-
tet habe, heißt:
„Die Gewährsperson habe sich daraufhin telefo-
nisch an einen ihr seit Jahren persönlich bekannten
Polizeibeamten beim Polizeipräsidium Potsdam
gewandt und ihm vorgehalten, dass Szczepanski
offenkundig Spitzel der Polizei sei. Der Beamte
habe bestätigt, dass Szczepanski mit der Polizei zu-
sammenarbeite und hierfür auch Geld erhalte.“2570
Der Zeuge Meyer-Plath hat es – in diesem Zusammen-
hang befragt – für äußerst unwahrscheinlich gehalten,
dass Szczepanski neben dem Verfassungsschutz sein Wis-
sen auch anderen Bereichen angeboten habe.
2571
Am 10. Juli 2000 erschien im Nachrichtenmagazin Der
Spiegel der Artikel „Führer der Meute“.2572 In dem Artikel
wurde die Verurteilung von Szczepanski wegen versuch-
ten Mordes und die genauen Hintergründe sowie die
Verwicklung von Szczepanski im Zusammenhang mit der
Kreuzverbrennung dargestellt sowie ausgeführt, dass er
regelmäßig Informationen an den Verfassungsschutz des
Landes Brandenburg liefere.
Auf welche Weise der Spiegel von den entsprechenden
Informationen Kenntnis erlangte, ist nicht bekannt.
Am 19. November 2001 erhob die Staatsanwaltschaft
Potsdam Anklage gegen Szczepanski wegen Verstoßes
gegen das Waffengesetz. Szczepanski wurde verdächtigt,
vor dem 9. Juli 2000 ein Repetiergewehr „JG Anschütz
Nr. 9469, Cal. 22 l. r.“ an eine andere Person weitergege-
ben zu haben.
2573
Szczepanski wurde deswegen am
9. Dezember 2002 zu einer Geldstrafe von 120 Tagessät-
zen zu je 15 Euro verurteilt.
2574
Diese Verurteilung führte
2570) Vorhalt des Abgeordneten Binninger ggü. dem Zeugen Meyer-
Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 21.
2571) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 20.
2572) Der Spiegel vom 10. Juli 2000, „Führer der Meute“, S. 38 ff.
2573) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 16. Mai
2001, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 162 ff.
2574) Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 9. Dezember 2002, MAT
A BB-14b, Bd. V, Bl. 1 ff.
nicht zum Widerruf der Bewährungsentscheidung bzgl.
der Haftstrafe vom 1. Dezember 1999.
l) Änderung der Dienstvorschriften im Hin-
blick auf Vorstrafen von V-Leuten
Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass die Führung
eines V-Mannes mit Vorstrafen, wie sie bei Piatto vor-
handen gewesen seien, heute nicht mehr möglich sei.
2575
Die Dienstvorschriften für die „Beschaffung“ würden die
Führung als V-Mann verbieten, wenn die Person Körper-
verletzungsdelikte oder gravierendere Straftaten begangen
hätte. Bei den von dem Zeugen genannten Dienstvor-
schriften handelt es sich um innerhalb der Verfassungs-
schutzbehörde geltende Verwaltungsvorschriften.
Zum Hintergrund der erfolgten Neuregelung befragt, ist
der Zeuge Meyer-Plath auf das Kriterium der Vermittel-
barkeit eingegangen. Spätestens seit 2003 spiele dies eine
Rolle. Es finde ein Abwägungsprozess statt, in dem die
Frage gestellt werde:
„Sollen wir mit dieser Person sprechen, ja oder
nein? - Da heißt es, glaube ich, mehr als damals:
Vom Ende her denken. Wäre es denn vermittelbar,
wenn es bekannt würde?“2576
2. Gruppierung „Nationalsozialistische Un-
tergrundkämpfer Deutschlands“
Am 5. August 1999 ging im Innenministerium Branden-
burg eine E-Mail ein, in der als Absender eine Gruppie-
rung namens „Nationalsozialistische Untergrundkämpfer
Deutschlands“ genannt war.2577
Der Inhalt der E-Mail lautet wie folgt:
„Tach und Heil Euch,
na, Ihr Spitzenpolitiker ! Es kotzt uns so langsam
richtig an, was hier in unserem schönen Branden-
burger Land so abgeht.
Jetzt wird hier ein Bündnis nach dem anderen ge-
gründet, der Deutsche Steuerzahler bezahlt natür-
lich, aber was bringt das ganze ???
Wann begreift Ihr endlich, das in Mitteldeutsch-
land das Bekenntniss zur Nationalen Weltanschau-
ung stets wächst ? Wir lassen uns nicht knechten
Wir fordern Meinungsfreiheit, Ihr habt keine Nar-
renfreiheit ! Behandelt national gesinnte Menschen
wie jeden anderen auch, das schreibt nun mal das
völlig überalterte Grundgesetz vor, und dies auch
in Brandenburg ! Mit eurer sogenannten MEGA
Truppe, kommt Ihr Euch ja mächtig stark vor, was
?
2575) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64,
S. 11.
2576) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 52.
2577) Ausdruck einer E-Mail vom 5. August 1999, MAT A BB-10,
Bl. 4.
Drucksache 17/14600 – 296 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine Truppe von dummen Idioten ! Eure Erfolge
sind doch lächerlich, eure Verbote komplett zu-
rückzuweisen.
Laßt uns unsere Musik hören, wenn jeder Nigger
in Deutschland singen darf, werden wir wohl auch
unsere deutschen Lieder genießen dürfen, sei es zu
Hause oder auch auf Konzerten, und zwar auch in
Brandenburg ! Laßt uns marschieren und uns das
RECHTE WORT sprechen ! Und damit wir diese
Sachen durchsetzen können fordern wir die Ab-
schaffung der MEGA, und den Rücktritt des In-
nenministers, unserem Stasianhänger und Anti -
Deutschen, Herrn Alwin Ziel !
Nieder mit diesem Penner, und seinem Multikultu-
rellen Weltbild !
I Macht Brandenburg freier, macht Hohen Neuen-
dorf freier, und somit die Welt um einem Volks-
verräter ärmer !
Widerstand, wir nehmen die Waffen zur Hand, und
auf Wiedersehen Herr ZIEL !
Die Uhr tickt, und das Ultimatum läuft ! Wir ste-
hen bereit, und werden handeln !
Auf unseren Sieg und Ihre Niederlage !
Mit freundlichen Grüßen,
National Sozialistische Untergrundkämpfer
Deutschlands“2578
Auch Szczepanski wurde hierzu im August 1999 befragt,
konnte jedoch keine Angaben machen.
2579
Der Zeuge R.
G. hat sich ebenfalls nicht an eine solche Gruppierung
erinnern können.
2580
Durch die Polizei konnte der Telefonanschluss ermittelt
werden, von dem aus die E-Mail versandt worden war.
2581
Gegen den in Bayern ansässigen Inhaber des Anschlusses
wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung einge-
leitet, das durch das LKA Bayern geführt wurde.
2582
Das
Ermittlungsverfahren wurde später durch die Staatsan-
waltschaft Potsdam nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt,
da der tatsächliche Versender der E-Mail nicht ermittelt
werden konnte – bei dem Provider waren im Rahmen
einer Probenutzung rein fiktive Daten eingegeben worden
und eine Ermittlung des tatsächlichen Versenders der E-
Mail war nicht möglich.
2583
2578) Ausdruck einer E-Mail vom 5. August 1999, MAT A BB-10,
Bl. 4.
2579) Deckblattmeldung vom 11. August 1999, MAT A BB-10, Bl.
13 ff. (17).
2580) R. G., Protokoll-Nr. 56 (geheim-herabgestuft), S. 4; Protokoll
Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 17.
2581) Vermerk des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg
vom 31. August 1999, MAT A BB-10, Bl. 33 f.
2582) Fernschreiben des LKA Brandenburg, MAT A BB-10, Bl. 35 f.
2583) Verfügung des Generalbundesanwalts vom 13. März 2000,
MAT A GBA-3/56, Bl. 56 f.
Auf Anregung von Dr. Förster wurde durch den General-
bundesanwalt geprüft, ob Anlass zur Übernahme des
Ermittlungsverfahrens wegen eines möglichen Verdachts
einer Straftat nach § 129 StGB besteht, was nach entspre-
chender Prüfung verneint wurde, da sich aus der E-Mail
keine konkreten Anhaltspunkte für das tatsächliche Be-
stehen einer aus einer Mehrzahl von Personen bestehen-
den Gruppierung hätten entnehmen lassen können.
2584
3. Toni S.
Toni S. und der V-Mann Piatto kannten sich jedenfalls
seit 1998.
2585
Toni S. war von Sommer 2000 bis zu seiner
Festnahme durch die Polizei am 23. Juli 2002 V-Mann
des LfV Brandenburg.
2586
Die V-Mann-Werbung geschah
nach den Feststellungen des Landgerichts Berlin (im
Strafverfahren gegen Toni S.), indem Druck auf ihn aus-
geübt wurde:
„Dem Brandenburger Landesamt für Verfassungs-
schutz (LfV) war schon zu einem frühen Zeitpunkt
bekannt, dass der gesondert Verfolgte L., der in der
rechtsextremistischen Szene führend tätig war, ei-
nen Tonträger mit brisantem Inhalt aufgenommen
hatte und diesen veröffentlichen wollte. Im Som-
mer 2000, zu einer Zeit, als der Angeklagte [Toni
S.] und die gesondert Verfolgten B. und H. sich be-
reits über die Herstellung und den Vertrieb der CD
‚Noten des Hasses‘ geeinigt hatten, sprachen des-
halb zwei Beamte des Brandenburger Verfas-
sungsschutzes […], den Angeklagten an, um ihn
als V-Mann zu werben. Hierbei setzten sie den
Angeklagten mit dem Hinweis unter Druck, im
Weigerungsfall strafrechtliche Ermittlungen wegen
eines ihnen bekannten, von dem Angeklagten be-
gangenen Verkehrsdelikts zu veranlassen. Der An-
geklagte erklärte sich daraufhin nach kurzer Be-
denkzeit zu einer Zusammenarbeit mit dem Brand-
enburger Verfassungsschutz bereit.“2587
Die weitere Zusammenarbeit zwischen Toni S. und sei-
nem V-Mann-Führer hat das LG Cottbus im Verfahren
gegen den V-Mann-Führer folgendermaßen beschrieben:
„Der gesondert verfolgte Toni S. war in der rechts-
extremistischen Szene aktiv und unterhielt in […]
ein Geschäft zum Verkauf rechtsextremistischer
Devotionalien. Er war zudem seit Anfang 2000
Vertrauensmann des Brandenburgischen Landes-
amtes für Verfassungsschutz. Er sollte Informatio-
nen über die Produktion der CD ,Noten des Has-
ses‘ mit volksverhetzendem Inhalt von der rechts-
extremen Musikgruppe ,White Arian Rebels‘
2584) Verfügung des Generalbundesanwalts vom 27. April 2000,
MAT A GBA-3/56, Bl. 59 f.
2585) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 46.
2586) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, MAT A GBA-
3/47a-5, Bl. 76 ff., 88 ff.
2587) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, MAT A GBA-
3/47a-5, Bl. 76 ff., 88 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 297 – Drucksache 17/14600
sammeln. Um die Produktionswege des Tonträgers
zu ermitteln, genehmigte und unterstützte der
Brandenburgische Verfassungsschutz den Toni S.
bei der Produktion in dem Zeitraum 2001 bis 2002.
Es handelte sich dabei um die 2 000 Stück umfas-
sende Zweitauflage des Tonträgers. Diese sollte im
Ausland produziert und sodann in die Bundesre-
publik eingeführt und vertrieben werden.
Der Beschuldigte ist Mitarbeiter des Brandenbur-
gischen Verfassungsschutzes und war der V-
Mann-Führer des Toni S. Dementsprechend unter-
stützte er diesen - in Abstimmung und auf Wei-
sung seiner Vorgesetzten - bei der Produktion der
CD. Er gab dem Toni S. ein Gefühl der Sicherheit
vor den Strafverfolgungsbehörden. So teilte er ihm
wiederholt mit, er werde sich im Falle der Enttar-
nung für diesen bei seinen Vorgesetzten einsetzen.
Von den Vertrauensleuten sei noch niemand verur-
teilt worden.
Nach den bisherigen Ermittlungen bestehen Ver-
dachtsmomente dahingehend, dass der Beschuldig-
te von den – durch den Verfassungsschutz nicht
genehmigten – Aktivitäten des Toni S. Kenntnis
hatte und diese nicht an seine Vorgesetzten weiter-
leitete. Er ist zudem verdächtig, den Toni S. wie-
derholt aufgefordert zu haben, seine Wohn- und
Geschäftsräume von strafrechtlich relevanten De-
votionalien freizuhalten bzw. diese vorsorglich
auszulagern. Außerdem besteht nach den bisheri-
gen Erkenntnissen der Tatverdacht, dass der Be-
schuldigte dem Toni S. im Oktober 2001 einen von
strafrechtlich relevanten Inhalten bereinigten
Computer übergab, um diesen im Falle von Haus-
durchsuchungen sicherstellen zu lassen und damit
von dem eigentlichen PC des Toni S., welcher
strafrechtlich relevante Inhalte enthielt, abzulen-
ken. So kam es, dass anlässlich einer Durchsu-
chung im März 2002 in der Wohnung des Toni S.
der bereinigte Computer sichergestellt wurde, die
Strafverfolgungsbehörden aufgrund des Fehlens
von Hinweisen über die Aktivitäten des Toni S. auf
dem PC jedoch keine weiteren Erkenntnisse er-
langte. Erst eine Durchsuchung am 20./21. Juli
2002 führte zur Auffindung seines Lagers in C.
und damit zur Aufklärung des Ausmaßes der von
ihm durchgeführten Handlungen.“2588
Toni S. wurde am 11. November 2002 vom LG Berlin
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidri-
ger Organisationen, Volksverhetzung u. a. zu einer Frei-
heitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die
Verurteilung beruhte unter anderem auf dem bereits ge-
nannten Vertrieb der CD „Noten des Hasses“.2589
2588) Beschluss des LG Cottbus vom 24. Februar 2005, MAT A NW-
6f, Bl. 138 ff., 139 f.
2589) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, MAT A GBA-
3/47a-5, Bl. 76 ff.
Das gegen den V-Mann-Führer von Toni S. eingeleitete
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafverei-
telung wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Cott-
bus
2590
mit Beschluss des Landgerichts Cottbus vom
24. Februar 2005 gem. § 153 Abs. 2 StPO durch das Ge-
richt eingestellt.
2591
Toni S. verzog nach seiner Haftentlassung nach Dort-
mund.
2592
Dort soll er nach den Aussagen einer polizeili-
chen V-Person angeblich kurz vor dem Mord an Mehmet
Kubaşik am 4. April 2006 Kontakt zu Mundlos gehabt
haben.
2593
Toni S. wurde vom BKA am 14. Februar 2012
als Zeuge vernommen. Er bestritt einen Kontakt zu
Mundlos.
2594
IV. V-Personen des Landeskriminalamts Ber-
lin
Das LKA Berlin führte mehrere V-Personen in der rechts-
extremistischen Szene, die Hinweise auf Personen gaben,
die in Zusammenhang mit dem Trio standen. Untersucht
hat der Ausschuss die Rolle der VP 562 des LKA Berlin.
1. VP 562 (Thomas Starke)
a) Persönlicher Hintergrund der VP 562 und
Kontakte zu dem Trio
Der spätere V-Mann des LKA Berlin, Thomas Starke, war
bereits in der DDR für die Abteilung I der Kriminalpoli-
zei der Volkspolizei als Informant tätig.
2595
Hier lieferte er
Informationen über Personen, die heute als Hooligans
bezeichnet werden, im Zusammenhang mit Fußballspielen
in Chemnitz.
Bei der Durchsuchung der Garage Nr. 5 an der Kläranlage
am 26. Januar 1998 wurde ein Aktenordner aufgefunden,
der unter anderem Briefe von Thomas Starke an Uwe
Mundlos enthielt. Der an der Auswertung der Asservate
mitwirkende BKA-Beamte Brümmendorf wies in einem
Vermerk, der vom 19. Februar 1998 datiert,
2596
sowie in
einem weiteren handschriftlichen Vermerk
2597
auf die
2590) Antragsentwurf vom September 2004, MAT A BB-13a, Bl. 672
ff.; vgl. auch Bericht der Staatsanwaltschaft Cottbus vom
28. Dezember 2004, MAT A BB-13a, Bl. 672 ff.
2591) Beschluss des LG Cottbus vom 24. Februar 2005, MAT A NW-
6f, Bl. 138 ff.
2592) Schreiben des LKA Nordrhein-Westfalen vom 30. März 2012,
MAT A GBA-15c, Bl. 146 f.
2593) Siehe hierzu unten im Abschnitt F. V. 1. b).
2594) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Toni S. vom
4. April 2006, MAT A NW-12, (Tgb.-Nr. 99/13 – VS-
VERTRAULICH), Ordner 5, Bl. 352 ff. (offen).
2595) Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno-
logie vom 24. September 2012 an den Ausschussvorsitzenden,
MAT B BMWi-1, Bl. 1 ff. (2).
2596) Vermerk vom 19. Februar 1998 über Asservatenauswertung
Mundlos, Ass. 20. B. 1 und 23.6, MAT A TH-1/2.
2597) Handschriftlicher Vermerk, undatiert, MAT A TH-1/3, Bl. 751.
Drucksache 17/14600 – 298 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Verbindung zwischen Uwe Mundlos und Thomas Starke
hin.
2598
Auch auf der in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Adress-
und Telefonliste ist Thomas Starke, sogar unter Nennung
seiner damaligen Anschrift, aufgeführt.
2599
Im August 1998 wurde die Zielfahndungsabteilung des
LKA Thüringen auf Thomas Starke aufmerksam, da die-
ser zu den in der rechten Szene Chemnitz relevanten Per-
sonen gehörte. Es kam zu einer TKÜ-Maßnahme durch
die Zielfahndung des LKA Thüringen, die vom 4. August
bis zum 4. September 1998 andauerte,
2600
in deren Rah-
men jedoch keine Erkenntnisse bzgl. des Aufenthalts des
Trios gewonnen werden konnten.
Am 9. April 1999 wurde durch Beamte der Zielfahndung
des LKA Thüringen die Anschrift des Thomas Starke in
Chemnitz aufgesucht. Hierbei wurde festgestellt, dass
dieser zwischenzeitlich nach Dresden verzogen war. Ein
Nachbar gab jedoch an, Uwe Mundlos im Jahr zuvor (also
1998) öfter vor der Wohnung von Thomas Starke gesehen
zu haben.
2601
Am 15. April 1999 wurde Thomas Starke daraufhin von
Beamten der Zielfahndung in Dresden aufgesucht. Er gab
an, Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos zu kennen – diese
seien im Januar 1998 zuletzt bei ihm zu Hause in Chem-
nitz gewesen.
2602
Am 23. Januar 2001 wurde Thomas Starke in Dresden
von KHK Wunderlich erneut zum Verbleib des Trios
befragt. Hier gab er an, letztmalig Ende 1997 mit dem
Trio Kontakt gehabt zu haben.
2603
Aus der im Rahmen des NSU-Ermittlungsverfahrens
durch den Generalbundesanwalt angelegten Personenakte
zu Thomas Starke ergibt sich, dass Thomas Starke nach
Aussage mehrerer Zeugen der „Verantwortliche“ für das
Untertauchen des Trios Ende Januar 1998 gewesen sei.
2604
Zudem besteht der Verdacht, dass der in der Garage auf-
gefundene Sprengstoff durch Thomas Starke organisiert
wurde.
Im Rahmen der nach dem 4. November 2011 durch den
Generalbundesanwalt geführten Ermittlungen wurde
bekannt, dass Thomas Starke im Jahr 1998 im Rahmen
der Flucht Hilfe geleistet hat. Hierzu war er zum Teil
geständig. Die hierzu vorhandenen Erkenntnisse wurden
bereits oben unter C. II. 1. d) dargestellt.
2598) Zum Ganzen: siehe unten im Abschnitt E. II. 6.
2599) Telefonliste, MAT A TH-1/2, Bl. 283.
2600) Übersicht über TKÜ-Maßnahmen des LKA Thüringen, MAT A
TH-1/4, Bl. 4.
2601) Aktenvermerk von KHK I. und KOM’in L. vom 12. April 1999,
MAT A TH-1/15, Bl. 356 f.
2602) Aktenvermerk von KHK I. und KOM’in L. vom 19. April 1999,
MAT A TH-1/15, Bl. 288 f.
2603) Vermerk von KHK Wunderlich vom 23. Januar 2001, MAT A
TH-1/15, Bl. 279.
2604) Hierzu und im Folgenden: Zusammenfassung der Ermittlungen
zu Thomas Starke, MAT A BY-14/1b, Bl. 37 f.
b) Anwerbung als V-Mann im November 2000
aa) Ermittlungsverfahren in Zusammenhang
mit der rechtsextremen Band „Landser“
Im zweiten Halbjahr 2000 wurden parallel jedenfalls zwei
Ermittlungsverfahren geführt, die mit der rechtsextremen
Band „Landser“ in Zusammenhang standen, und zwar
zum einen das Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzei-
chen 2 BJs 22/00-4 des Generalbundesanwalts und zum
anderen das Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen
205 Js 63577/00 der Staatsanwaltschaft Dresden.
aaa) Das Ermittlungsverfahren des General-
bundesanwalts
Das durch den Generalbundesanwalt unter dem Aktenzei-
chen 2 BJs 22/00-4 geführte Verfahren betraf den Tat-
vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung
(§ 129 StGB) in Bezug auf die rechtsextreme Band
„Landser“, unter anderem vor dem Hintergrund der
„Landser“-CD „Ran an den Feind“.
Mit Verfügung vom 27. Juli 2000 hatte der Generalbun-
desanwalt das Verfahren gegen zunächst vier namentlich
bekannte Beschuldigte eingeleitet.
2605
Im Rahmen der
Ermittlungen wurde darüber hinaus eine namentlich noch
unbekannte Person mit der Alias-Bezeichnung Otto als
der „Zentralverteiler“ der CDs bezeichnet;2606 das Ermitt-
lungsverfahren des Generalbundesanwalts wurde darauf-
hin mit Verfügung vom 8. November 2000 auf diese
Person erweitert, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht
namentlich bekannt war.
2607
bbb) Ermittlungen gegen Thomas Starke durch
die Staatsanwaltschaft Dresden
Gleichzeitig wurde durch die Staatsanwaltschaft Dresden
unter dem Aktenzeichen 205 Js 63577/00 wegen Volks-
verhetzung (§ 130 StGB) bzw. wegen Verwendung von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a
StGB) ermittelt. Hintergrund war hier nicht der Vorwurf
der Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die
Existenz der Band „Landser“, sondern die in Zusammen-
hang mit dem Vertrieb der CDs der Band, insbesondere
der CD „Ran an den Feind“ möglicherweise begangenen
o. g. Delikte.
Hier stand Thomas Starke im Verdacht, am Vertrieb der
CD beteiligt zu sein.
Die enge Verwebung beider Ermittlungsverfahren im
Hinblick auf den Vertrieb der CDs von „Landser“ ist
hierbei offenkundig.
2605) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 27. Juli
2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 62 ff.
2606) Vermerk des LKA Berlin vom 7. November 2000, MAT A
GBA-3/47a-1, Bl. 263.
2607) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 8. November 2000,
MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 293 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 299 – Drucksache 17/14600
Im November 2000 kam es in diesem Ermittlungsverfah-
ren zunächst zu Durchsuchungsmaßnahmen und am
14. November 2000 zur Vernehmung von Thomas Starke
durch das LKA Sachsen in Dresden.
2608
Bei der Durchsuchung wurde auch ein Notizbuch von
Thomas Starke sichergestellt, in dem auf der letzten Seite
die Namen und Geburtsdaten von Beate Zschäpe und Uwe
Mundlos eingetragen waren.
2609
bb) Anwerbevorgang im Zusammenhang mit
der Vernehmung am 14. November 2000
aaa) Anwesenheit eines Beamten des LKA Ber-
lin bei der Vernehmung am 14. November
2000 in Dresden
In der Vernehmung am 14. November 2000 äußerte sich
Thomas Starke umfangreich, zum Teil auch geständig.
2610
Gleichzeitig soll Thomas Starke hierbei angegeben haben,
über die Angaben in seiner Vernehmung hinausgehende
Angaben zur rechten Szene machen zu können.
2611
Zu den Umständen der Anwerbung hat der Zeuge P. S.,
V-Mann-Führer von Thomas Starke, vor dem Untersu-
chungsausschuss angegeben, dass es im Vorfeld der An-
werbung Gespräche zwischen dem Generalbundesanwalt
und der EG „Rechts“ des LKA Berlin gegeben habe, die
im Auftrag des Generalbundesanwalts die Ermittlungen
im „Landser“-Verfahren geführt habe und dass hierbei
„der Wunsch entstanden“ sei, einen Anwerbeversuch zu
unternehmen.
2612
Die Anwerbung sei dann unmittelbar im
Anschluss an die Vernehmung im LKA Sachsen er-
folgt.
2613
Bei der Vernehmung selbst sei er, P. S., nicht
zugegen gewesen, wohl aber ein anderer Beamter des
LKA Berlin, seiner Erinnerung nach KHK T.
2614
In einer im Innenausschuss des sächsischen Landtags
durchgeführten Befragung hat der dort anwesende Vertre-
ter des LKA Sachsen, Dr. M., ausgesagt, dass Vertreter
des LKA Berlin bei der Vernehmung anwesend gewesen
seien.
2615
Im Protokoll der Sitzung des Innenausschusses
heißt es:
2608) Vernehmungsprotokoll bzgl. der Vernehmung von Thomas
Starke vom 14. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl.
331 ff.
2609) Notizbuch, sichergestellt bei Thomas Starke, MAT A SN-2/3-
15, Bl. 403 ff. (469).
2610) Vernehmungsprotokoll bzgl. der Vernehmung von Thomas
Starke vom 14. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl.
331 ff.
2611) MAT A BE-2/1, Anl. 1, (Tgb.-Nr. 67/12 Geheim), Bl. 51 ff.
2612) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 13.
2613) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 14.
2614) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 14.
2615) Hierzu und im Folgenden: Protokoll der 40. Sitzung des
Innenaussusses des Sächsischen Landtages vom 2. Oktober
2012, MAT A SN-4/23, Bl. 2 ff. (zu TOP 2).
„Am 14. November 2000 habe dann in Dresden
die Beschuldigtenvernehmung stattgefunden, an
der zwei Beamte des LKA Berlin teilgenommen
hätten. Das LKA Sachsen habe bezüglich der Be-
schuldigtenvernehmung außer der Vernehmung
keinerlei Aktenrückhalt. Es habe mehrere Ver-
nehmungspausen gegeben, in denen sich die Be-
amten des LKA Berlin offensichtlich mit Herrn
Starke
2616
unterhalten hätten. Nach der Verneh-
mung seien sie auch zusammen mit Herrn Starke
weggegangen. Den lnhalt der Gespräche der Berli-
ner Beamten mit Herrn Starke kenne das LKA
Sachsen nicht. Das LKA Sachsen habe keine akti-
ve Kenntnis aus der damaligen Zeit darüber, was
besprochen worden sei und ob die Berliner Beam-
ten Herrn Starke zur Quelle gemacht und eine ent-
sprechende Vertraulichkeit zugesagt hätten.“
Die Vernehmungsbeamten des LKA Sachsen seien be-
fragt worden, hätten sich jedoch lediglich an die Anwe-
senheit der Berliner Beamten erinnern können, ohne An-
gaben zu Gesprächsinhalten zwischen Thomas Starke und
den Berliner Beamten machen zu können.
Dass Thomas Starke dem LKA Sachsen als V-Person
angeboten worden sei, erschließe sich aus dem Akten-
rückhalt des LKA Sachsen nicht. In einer Mitteilung an
einen Journalisten
2617
2012 sei dies nur deshalb geäußert
worden, weil in einem Telefonat durch das LKA Berlin
zuvor mitgeteilt worden sei, dass das LKA Berlin seiner-
zeit Thomas Starke dem LKA Sachsen als V-Mann ange-
boten habe.
Der Zeuge Jehle, damaliger Leiter der Soko „REX“, hat
vor dem Untersuchungsausschuss geäußert, an die Ver-
nehmung am 14. November 2000 keine Erinnerung mehr
zu haben.
2618
bbb) Erörterung der Anwerbung innerhalb des
LKA Berlin – mögliches Telefonat mit dem
Generalbundesanwalt
Der damalige Leiter Polizeilicher Staatsschutz, Zeuge
Haeberer, hat im Hinblick auf den Verlauf der Ereignisse
im Zusammenhang mit der Vernehmung der VP 562 die
folgenden Angaben gemacht:
„Die spätere VP 562 ist an einem Mittwoch des
Novembers 2000 vernommen worden von der da-
mals bestehenden EG ‚Rechts‘ die sich auch mit
dem ‚Landser‘-Verfahren beschäftigte, die das
‚Landser‘-Verfahren auch geführt hat. Im An-
schluss daran kam es, so, wie es dann der spätere
VP-Führer dargelegt hat, zu einer Besprechung
gegen 16 Uhr.
2616) Name im Originalprotokoll ausgeschrieben
2617) E-Mail des Pressesprechers des LKA Sachsen an eine Journa-
listin vom 20. September 2012, MAT A SN-7/15, Bl. 31.
2618) Jehle, Protokoll Nr. 59 (öffentlich), Bl. 25.
Drucksache 17/14600 – 300 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Darauf hingewiesen, dass die Person, die betroffen
worden ist im Vertrieb, die also Beteiligter im Be-
triebsverfahren [sic!] war und damit strafrechtlich
inkriminiert, geworben werden sollte, hat er seine
Rechtsbedenken geltend gemacht und gesagt, dass
das ja wohl eigentlich nicht geht. Daraufhin ist er
darauf hingewiesen worden, dass der GBA aber
zugestimmt habe, und soweit ich jetzt weiterhin
dem Vermerk entnehmen konnte, hat es mögli-
cherweise auch ein Telefonat während des Gesprä-
ches mit dem GBA gegeben. Der Vermerk ist da
nicht sehr aussagekräftig.
Ergebnis der Besprechung an diesem Tag war,
dass alle Gesprächspartner sich einig waren, dass
man diese Person als Vertrauensperson gewinnen
sollte. An diesem Gespräch haben teilgenommen
der VP-Führer selber, der Ermittlungsgruppenlei-
ter, die Kommissariatsleiterin und der Inspektions-
leiter.“2619
Einem Vermerk des Zeugen P. S. vom 16. November
2000 kann entnommen werden, dass KHK T. sich zu-
nächst am 14. November 2000 gegen 16 Uhr telefonisch
aus Sachsen gemeldet habe und nach dortigen Ansprech-
partnern für VP-Aufgaben gefragt habe, die ihm daraufhin
durch P. S. genannt worden seien.
2620
Am 15. November
2000 habe KHK T. dann mitgeteilt, dass es durch das
LKA Sachsen abgelehnt worden sei, die Person als V-
Mann zu führen. Darauf hin habe es eine Besprechung
gegeben – der Vermerk bezeichnet hier vier Teilnehmer.
Bzgl. des Verhältnisses der beiden Ermittlungsverfahren
habe KHK T. mitgeteilt, dass „die Person nicht in das hier
geführte Ermittlungsverfahren involviert“ sei. Die durch
das LKA Sachsen geführten Ermittlungen richteten sich
gegen einen Personenkreis, der trotz bestehender Kontak-
te gesondert agiere. Durch alle Beteiligten sei daraufhin
die Führung als V-Person beschlossen worden. Der Gene-
ralbundesanwalt sei telefonisch unterrichtet worden und
wünsche die Führung der V-Person.
Mit Schreiben vom 30. November 2000 wurde sodann
durch das LKA Berlin beim Generalbundesanwalt um
Zustimmung zur Geheimhaltung der Identität von VP 562
nachgesucht.
2621
Die Vertraulichkeitszusage durch den Generalbundesan-
walt erfolgte mit Schreiben vom 18. Dezember 2000 –
ausschließlich mit Bezug auf das „Landser-
Verfahren“.2622
2619) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 16.
2620) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von P. S. vom 16. Novem-
ber 2000, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 1,
Bl. 49 f.
2621) Schreiben des LKA Berlin an den Generalbundesanwalt vom
30. November 2000, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 -
GEHEIM), Anlage 1, Bl. 4 f.
2622) MAT A BE 2/1, Anl. 1, (Tgb.-Nr. 67/12 Geheim), Bl. 6 f.
cc) Bedenken gegen die Anwerbung von
Thomas Starke als V-Mann
aaa) Bedenken innerhalb des LKA Berlin
Der Zeuge KHK P. S. hat geschildert, selbst Bedenken
gegen die Führung von Thomas Starke als V-Mann ge-
habt zu haben, weil dieser als Mittäter in Betracht ge-
kommen wäre:
„Es gab bei der Anwerbungsphase das Problem,
dass, aus meiner Sicht zumindest, die VP 562
möglicherweise in Mittäterschaft steht zu den Per-
sonen, die in dem infrage stehenden Ermittlungs-
verfahren involviert waren, und insofern ist klar
festzustellen, dass die Anwerbung sicherlich be-
denklich war.
Ich habe nicht rechtswidrig gehandelt, weil aus
meiner Sicht war er - - stand er möglicherweise in
Mittäterschaft oder kam uns, um die einfache
Form zu nehmen, als möglicher Zeuge später im
Verfahren in Betracht im Falle einer Gerichtsver-
handlung, und diese Situation ist für den Umstand,
jemanden als VP zu führen, eher fragwürdig. Aber
meine Einwände damals wurden geregelt durch die
Generalbundesanwaltschaft. Das Verfahren wurde
abgetrennt von ihm und weiter bei der StA Dres-
den geführt, und somit war eine Führung möglich,
wenn auch sicherlich kritisch zu betrachten.“2623
bbb) Bedenken innerhalb des LKA Sachsen
In einem Vermerk vom 17. November 2000 wurde durch
den Zeugen P. S. dargestellt, dass KHK K. vom LKA
Sachsen erhebliche rechtliche Bedenken bezüglich einer
Befragung des Starke und einer eventuellen vertraulichen
Behandlung dieser Daten geäußert habe, welche durch
P. S. insoweit geteilt wurden, als dass nur eine begrenzte
vertrauliche Behandlung möglich sei und „hierzu ausführ-
liche Absprachen mit der StA bzw. GBA vorzunehmen“
seien.
2624
Gegenüber dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge
P. S. geäußert, dass seitens des LKA Sachsen ebenfalls
Bedenken geäußert worden seien – man habe von dort
mitgeteilt, dass man „weiteren Gesprächen eigentlich
nicht positiv gegenüber steht“. Bei seinen Gesprächspart-
nern habe es sich, wenn er sich recht erinnere, um Herrn
Jehle und einen weiteren Polizeibeamten gehandelt.
2625
Der Zeuge Jehle hat in seiner Vernehmung bekundet, ihm
sei nicht bekannt, dass das LKA Berlin dem LKA Sach-
sen Thomas Starke als V-Mann angeboten habe.
2626
2623) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 3.
2624) Bericht des Zeugen P.S. vom 17. November 2000, MAT A BE-
2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 1, Bl. 51 ff. (51).
2625) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 19.
2626) Jehle, Protokoll Nr. 59 (öffentlich), S. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 301 – Drucksache 17/14600
ccc) Mitteilung von beim LKA Sachsen vorlie-
genden Bedenken an den Generalbundes-
anwalt/Ausräumen bestehender Bedenken
durch den Generalbundesanwalt
Die bestehenden Bedenken seien – so der Zeuge P. S. –
letztendlich jedoch durch den Generalbundesanwalt aus-
geräumt worden, weshalb die Anwerbung schließlich
durchgeführt worden sei.
2627
Zwar sei die erfolgte Anwer-
bung dem LKA Sachsen nicht mitgeteilt worden,
2628
er,
P. S., gehe aber davon aus, dass zumindest ein Mitarbeiter
des LKA Sachsen, der seinerzeit an dem „Gespräch“
beteiligt gewesen sei, auch gewusst habe, dass die An-
werbung vollzogen sei.
2629
Er, P. S., denke nicht, dass
beim Generalbundesanwalt bekannt gewesen sei, dass es
innerhalb eines anderen LKAs auch Bedenken gegen die
Anwerbung gegeben habe.
2630
Inwiefern die in Berlin bekannten Bedenken des LKA
Sachsen an den Generalbundesanwalt mitgeteilt worden
waren, ist nicht aktenkundig. Der Zeuge Haeberer hat
hierzu bekundet:
„Ob die Bedenken aus Sachsen weitergetragen
worden sind, vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß
es auch gar nicht. Das spielt auch gar keine Rolle,
wenn die Bedenken aus Berlin weitergetragen
worden sind, die ja, rechtlich gesehen, wohl die
gleichen gewesen sein dürften.“2631
Aktenkundig sei laut dem Zeugen Haeberer jedoch, dass
die in Berlin bestehenden Bedenken mitgeteilt worden
seien.
2632
Aus dem Vermerk des Zeugen P. S. vom
16. November 2000, in dem auf die schon erwähnte Be-
sprechung zur Anwerbung am 15. November 2000 einge-
gangen wird, geht hervor, dass die bestehenden Bedenken
erörtert wurden und man nach Kenntnisnahme der Risi-
ken (TKÜ-Maßnahmen durch das LKA Sachsen, mögli-
ches Zeugenschutzprogramm bei Aufdeckung) die Füh-
rung als V-Person beschlossen habe.
2633
Danach heißt es
wörtlich:
„Die Generalbundesanwaltschaft wurde telefo-
nisch unterrichtet und wünscht die Führung der
Person als V-Person im Sinne des Ermittlungsver-
fahrens, unter Berücksichtigung der geltenden
Rechtslage.“
Weitere Ausführungen bzgl. des Telefonats mit dem Ge-
neralbundesanwalt – etwa zum Umfang etwaiger zuvor
2627) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 29.
2628) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 30.
2629) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 31.
2630) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 38.
2631) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 35.
2632) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 34.
2633) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von P. S. vom 16. Novem-
ber 2000, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 1,
Bl. 49 f. (50).
erörterter Bedenken – lassen sich dem Vermerk nicht
entnehmen.
dd) Zustimmung respektive Weisung des
Staatsschutzes?
Der Zeuge P. S. hat bekundet, dass auch der damalige
Leiter der Staatsschutzabteilung des LKA Berlin,
Haeberer, der Anwerbung seinerzeit zugestimmt habe.
2634
Der Zeuge Haeberer hat hierzu ausgeführt, dass er von
dem Vorgang als solchem auf jeden Fall durch Zeichnung
eines Dienstreiseantrages am 11. Dezember 2000 Kennt-
nis erlangt habe.
2635
Er war sich sicher, dass er darüber informiert wurde, dass
eine V-Person angeworben worden war.
2636
Den Zeit-
punkt dieser Information hat Haeberer nicht nennen kön-
nen.
2637
Die bei der VP 562 vorliegende rechtliche Besonderheit
sei ihm jedoch nicht erinnerlich, deshalb gehe er davon
aus, dass er diese Besonderheit eben nicht erfahren ha-
be.
2638
Er hat ergänzt:
„Ich sage aber auch ganz freimütig: Wenn ich es
erfahren hätte, dass also hier ein solches Problem
bestanden hätte, hätte ich die Entscheidung des
GBA akzeptiert und hätte sicherlich als dem Herrn
des Verfahrens, der ja ein Prozesshindernis zu be-
seitigen hatte, nicht eingeredet.“2639
In dem durch den Berliner Oberstaatsanwalt Feuerberg
im Auftrag des Berliner Senators für Inneres und Sport,
Frank Henkel, erstatteten „Bericht über die Sonderermitt-
lungen im Geschäftsbereich des Senators für Inneres und
Sport in Berlin in Zusammenhang mit der Aufklärung der
Taten der Terrorgruppierung ,NSU‘“ (im Folgenden:
„Feuerberg-Bericht“) wird ausgeführt:
„November 2000
VP 562 wird durch einen VP-Führer des LKA Ber-
lin für Ermittlungen in der rechten Musikszene auf
Weisung von Herrn H. in Dresden angeworben
und als VP geführt.
GBA gibt Vertraulichkeitszusage für VP 562
ab.“2640
Auf entsprechenden Vorhalt hat der Zeuge Haeberer
Folgendes ausgeführt:
„Eine Weisung hätte ich hier gar nicht erteilen
können, weil die Anwerbung einer solchen Person
ist ohne Staatsanwaltschaft nicht möglich. Wenn
2634) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 28.
2635) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 17.
2636) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 20 f.
2637) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 23.
2638) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 17.
2639) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 17.
2640) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 19.
Drucksache 17/14600 – 302 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der GBA sagt: ,Nein, mache ich nicht‘, dann kön-
nen wir nicht anwerben. - Erster Punkt.
Zweiter Punkt: Ich war in dieser Diskussion um
die Anwerbung dieses Menschen nicht beteiligt.
Mehr kann ich dazu nicht sagen. Warum der Zeuge
diese Erinnerung meint zu haben, kann ich mir nur
so vorstellen, dass in aller Regel, wenn es denn da-
rum ging, entsprechende Anweisungen aus der Ab-
teilung zu bekommen, mein Name da irgendwo
drunter stand. Dann steht er aber auch drauf, wenn
ich da unterschreibe.“2641
sowie:
„Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob Herr
Feuerberg diese Weisung, anzuwerben, überhaupt
mit mir besprochen hat, weil Herr Feuerberg durf-
te mit mir über diese Akte gar nicht reden. Ich war
damals noch nicht verpflichtet. Das habe ich ihm
auch gesagt. Ich sage es einfach mal so. Er konnte
mir also den Vermerk, den ich heute kenne, ja
auch nicht so vorlesen.
Grundsätzlich, ganz klar: Nachdem es passiert
war, habe ich bestimmt nicht mehr widersprochen.
Das habe ich vorhin schon gesagt; dazu stehe ich
auch. Es gab nämlich keinen Grund, so etwas zu
tun. Aber eine Weisung habe ich nicht erteilt.“2642
Die in einem Vermerk vom 7. März 2012 erfolgte Dar-
stellung des Zeugen P. S.,
2643
die VP sei auf seine –
Haeberers – Weisung hin geworben worden, hat der Zeu-
ge Haeberer dementsprechend als „schlichtweg unrich-
tig“ zurückgewiesen.2644
ee) Konsequenzen der Anwerbung von Tho-
mas Starke für das „Landser-Verfahren“
Bereits kurz vor der Vernehmung vom
14. November 2000 hatte sich im Ermittlungsverfahren
2BJs 22/00-4 des Generalbundesanwalts herausgestellt,
dass es sich bei Thomas Starke um die bisher als Otto
bekannte Person handelte, die am 8. November 2000 als
Beschuldigter in dieses Verfahren aufgenommen worden
war.
2645
Offensichtlich vor dem Hintergrund der im Raume ste-
henden Anwerbung von Thomas Starke als V-Mann am
14. November 2000 wurde in dem durch den Generalbun-
desanwalt geführten Ermittlungsverfahren 2 BJs 22/00-4
bezüglich Thomas Starke nunmehr gemäß §§ 154 Abs. 1
2641) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 42 f.
2642) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 43.
2643) Vermerk von KHK S. vom 7. März 2012, MAT A BE-2/1
(Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 3, S. 3.
2644) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 18.
2645) Vermerk des LKA Berlin vom 11. November 2000, MAT A
GBA-3/47a, Bl. 329.
bzw. 154a Abs. 1 Strafprozessordnung von der Verfol-
gung abgesehen.
2646
In dem hierzu verfassten Vermerk des Generalbundesan-
walts heißt es:
„Aus der Niederschrift über die Vernehmung des
Thomas Starke
2647
vom 14. November 2000 in dem
Ermittlungsverfahren 205 Js 63577/0 der Staats-
anwaltschaft Dresden geht hervor, dass Starke mit
dem hier als ,unbekannt‘ alias Otto geführten Be-
schuldigten identisch ist.
Gegen Starke wird in dem o. g. Verfahren der
Staatsanwaltschaft Dresden der Vorwurf erhoben,
die neue CD der Gruppe ,Landser‘ mit dem Titel
,Ran an den Feind‘ in großer Stückzahl verkauft
und sich dadurch gemäß § 130 StGB strafbar ge-
macht zu haben. Neben diesem Vorwurf fällt die in
dem CD-Verkauf möglicherweise zugleich liegen-
de Unterstützertätigkeit im Sinne des § 129 StGB
nicht beträchtlich ins Gewicht. Aus diesem Grund
sowie aus kriminaltaktischen Erwägungen er-
scheint es geboten, bezüglich Starke in vorliegen-
dem Verfahren von der weiteren Verfolgung abzu-
sehen.“2648
Die Vernehmung von Thomas Starke durch das LKA
Sachsen ist in diesem Vermerk in den Akten des General-
bundesanwalts vorgeheftet und handschriftlich mit „Ko-
pie zur Information“ überschrieben.2649
Die Anklageerhebung vor dem Kammergericht erfolgte
am 9. September 2002 mittels einer 176 Seiten umfassen-
den Anklageschrift, hierin ist Thomas Starke als Zeuge
genannt.
2650
Das Urteil gegen die Bandmitglieder erging im Jahr 2004
und endete mit Verurteilungen zu Freiheitsstrafen. Der
Haupttäter R. wurde zu einer Freiheitstrafe von drei Jah-
ren und sechs Monaten verurteilt, die anderen beiden
Angeklagten zu Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurden.
2651
ff) Feuerberg-Bericht
Im Feuerberg-Bericht wird vor dem Hintergrund der
schon im Jahr 2000 geltenden Nr. 4 c) in Anlage D zu den
Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV)
die Ansicht vertreten, dass die bereits anfänglich bekannte
2646) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des Generalbundesanwalts
vom 15. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 370.
2647) Name im Original ausgeschrieben.
2648) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 15. November 2000,
MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 370.
2649) Vernehmungsprotokoll bzgl. der Vernehmung von Thomas
Starke vom 14. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl.
331 ff.
2650) Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 9. September
2002, MAT A GBA-3/47a-8, Bl. 16 ff.
2651) Urteil des Kammergerichts vom 22. Dezember 2003, MAT A
GBA-3/47a-8, Bl. 310 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 303 – Drucksache 17/14600
mögliche Tatbeteiligung zum Ausschluss der Anwerbung
als V-Mann hätte führen müssen.
2652
Begründet wird dies
damit, dass in der genannten Vorschrift, die sich mit der
Frage der Bindung an die Vertraulichkeitszusicherung
durch die Staatsanwaltschaft beschäftigt, geregelt ist, dass
die Vertraulichkeitszusicherung dann entfalle, wenn sich
im Nachhinein eine Tatbeteiligung der V-Person heraus-
stelle. Daher müsse eine bereits anfänglich bekannte Tat-
beteiligung erst recht zur Ablehnung führen.
c) Hinweis der VP 562 mit Bezug zum Trio
vom 13. Februar 2002
aa) Meldung als solche und Ablauf des Tref-
fens
Thomas Starke lieferte als V-Mann umfangreiche Infor-
mationen zu den Vertriebsstrukturen rechtsradikaler Mu-
sik in Sachsen, vor allem bzgl. der Szene rund um Jan
Werner.
Am 13. Februar 2002 kam es zu einer Mitteilung in Be-
zug auf das Trio, die folgenden Inhalt hatte:
„Jan Werner soll zur Zeit zu drei Personen aus
Thüringen, die per Haftbefehl gesucht werden,
Kontakt haben. Die VP kann diese nicht nament-
lich benennen. Erklärt aber, dass diese wegen Waf-
fen und Sprengstoffbesitz gesucht werden.“ 2653
Zum Ablauf des Treffens hat der Zeuge P. S. geschildert,
dass er sich mit der VP in einer Gaststätte getroffen ha-
be.
2654
Über den Inhalt der Meldung, die das Trio betraf, hat der
Zeuge P. S. vor dem Untersuchungsausschuss berichtet:
„Beim Treffen selber berichtete die VP 562 ne-
benbei, dass Jan Werner Kontakt habe, so habe sie
es von Dritten, zu drei Personen, die per Haftbe-
fehl gesucht werden, aus Thüringen.“2655
Nach dem Treffen habe es eine telefonische Rücksprache
mit der VP gegeben.
2656
Hierzu hat P. S. bekundet:
„Ich habe auf dem Rückweg meine handschriftli-
chen Notizen gelesen. Der Satz war halt dadurch
auffällig, den ich damals aufgeschrieben habe,
dass nur drei gesuchte Personen - - Damit kann
man wenig anfangen. Darum wollte ich weitere In-
formationen haben zu diesen drei Gesuchten. Da
kam halt noch der Nachsatz: wegen Sprengstoff-
und Waffendelikten gesucht.“2657
2652) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6,
Bl. 38.
2653) Schreiben des LKA Berlin an das LKA Sachsen vom 21. Sep-
tember 2012, MAT A SN-7/15a, Bl. 45.
2654) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.
2655) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 6.
2656) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.
2657) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.
Seiner Erinnerung nach sei der Hinweis auf Thüringen
bereits im Rahmen des Gesprächs erfolgt.
2658
Den Hinweis auf den Kontakt W.s mit den drei Personen
habe die VP von Dritten erlangt.
2659
Von wem genau die
Information stammte, habe P. S. ihn, so „denke“ er, ge-
fragt, er wisse aber nicht mehr, was die VP darauf gesagt
habe.
2660
Die VP habe gesagt, diese Information durch
Dritte erhalten zu haben, und „könne nicht sagen, um wen
es sich handelt, um was es sich handelt, wie die überhaupt
in angeblichem Kontakt stehen oder, oder, oder.“2661
Ob er die VP nach weiteren, ergänzenden Informationen
gefragt habe, sei nicht dokumentiert und das wisse er –
P. S. – auch nicht mehr.2662
bb) Weitergabe der Meldung durch den VP-
Führer
aaa) Aktenlage
Die oben zitierte Meldung über das Trio ist im Treffbe-
richt vom 14. Februar 2002 erwähnt, und zwar auf der
zweiten Seite des Berichts in der ersten Hälfte des dritten
von insgesamt neun Absätzen.
2663
Der Treffbericht enthält
zum ganz überwiegenden Teil Meldungen der VP aus der
Musikszene, rund um CD-Lieferungen der Gruppe
„Landser“.
Direkt nach dem genannten Treffbericht enthalten die
Akten einen Vermerk, der ebenfalls durch den Zeugen
P. S. gezeichnet wurde und vom 20. Februar 2002 da-
tiert.
2664
In diesem Vermerk sind große Teile der in dem
Treffbericht aufgeführten Meldungen enthalten, jedoch
nicht vollständig. Auch die Meldung bzgl. des Kontakts
von Jan Werner mit den drei Personen enthält der Ver-
merk nicht. Handschriftlich ist auf der ersten Seite des
Vermerks oben notiert: „Kopie f. VP-Akte 562“.
Hieran schließt sich ein weiterer Treffbericht mit der VP
562 vom 28. Februar 2002 an, in dem keine Bezüge zu
Kontakten von Jan Werner mit den drei Personen enthal-
ten sind.
2665
Auch darüber hinaus ist eine Weitergabe der Meldung
vom 13. Februar 2002, soweit sie das Trio betraf, nicht
aktenkundig.
2658) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.
2659) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 42.
2660) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 42.
2661) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 17.
2662) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 10.
2663) Hierzu und im Folgenden: Treffbericht mit VP 562 vom
14. Februar 2002, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM),
Anl. 3, Bl. 77 ff.
2664) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des Zeugen P. S. vom
20. Februar 2002, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM),
Anl. 3, Bl. 80 f.
2665) Treffbericht mit VP 562 vom 28. Februar 2002, MAT A BE-2/1
(Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 3, Bl. 80 f.
Drucksache 17/14600 – 304 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Haeberer hat zur Aktenlage bekundet:
„Dazu ist zu sagen, dass sich in der Akte selber in
der Tat kein Hinweis findet, wie und auf welchem
Wege die Information weitergegeben worden
ist.“2666
bbb) Aussage des VP-Führers vor dem Unter-
suchungsausschuss
Befragt nach dem Umgang mit der Information hat der
Zeuge P. S. bekundet:
„Ja. A) Ich habe es geschrieben, so aufgenommen;
b) Ich kann hier nicht belegen, dass ich es weiter-
geleitet habe.“2667
sowie, im weiteren Verlauf der Befragung:
„Ich sagte bereits: Es war bei dieser VP so, auch in
dem Monat von mir dokumentiert, dass wir alles
lückenlos weitergegeben haben.“2668
Zum Modus der Weitergabe von Meldungen der VP hat
der Zeuge P. S. bekundet, dass die Weitergabe stets an die
Kommissariatsleitung der EG „Rechts“ im LKA Berlin
erfolgt sei.
2669
Konkret hat er ausgeführt:
„Ja. Ich kann mich schon daran erinnern. Ich bin
auch der Überzeugung - da können wir lange da-
rüber reden -, dass ich es weitergegeben habe.
Bloß, ich kann es nicht belegen. Damit bleibt es
erst einmal bei mir. Wir haben tägliche Bespre-
chungen gehabt bzw. nicht tägliche Besprechun-
gen: Wenn wir Daten haben, haben wir eine Be-
sprechung durchgeführt. Diese Besprechungen
wurden auch dokumentiert. Die Dokumentationen
liegen nicht mehr vor; sie sind vernichtet. Wir ha-
ben nach jedem Treffen mit der K-Leitung gespro-
chen, die Daten lückenlos weitergegeben und dann
besprochen, was wie verwendet wird, ob ein Ak-
tenbericht erforderlich ist, ob ein VS-NfD-Bericht
ausreicht, die Daten schon vorhanden sind, oder,
oder, oder. Hier fehlen mir leider die Belege. Ich
hätte es zumindest handschriftlich notieren müs-
sen: ,ist bekannt‘ oder: ,mündlich weitergegeben‘.
Das habe ich nicht gemacht.“2670
Auf die daraufhin gestellte Frage, wem er seiner Erinne-
rung nach über diesen konkreten Hinweis auf drei mit
Haftbefehl gesuchte Thüringer weitergegeben habe, hat
der Zeuge P. S. bekundet:
„Ich habe nicht gesagt, dass ich diesen konkreten
Hinweis - - Wenn, war es so, dass wir nach dem
Treffen alle Dinge, neue Informationen, die ange-
2666) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 19.
2667) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 6.
2668) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.
2669) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.
2670) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.
fallen sind, besprochen haben. In dem Fall war es
EKK S. a. D. (?) und EKK T.“2671
Zudem habe es bei der Führung der VP 562 nach jeden
Treffen eine Besprechung gegeben, da aufgrund der im
Raume stehenden Tatbeteiligung der VP die Anwerbung
der VP für die Führung heikel (wörtlich: „ein heißer
Ritt“) gewesen sei.2672
ccc) Aussage des Zeugen Haeberer vor dem
Untersuchungsausschuss
Der Zeuge Haeberer hat aus eigener Anschauung keine
Angaben dazu machen können, ob die Information nach
Thüringen weitergegeben worden ist oder nicht. Wie
bereits erwähnt hat er bekundet, dass sich aus den Akten
kein entsprechender Hinweis entnehmen lasse.
2673
Durch den Zeugen ist die Möglichkeit für den V-Mann-
Führer, eine Weitergabe der Information nach Thüringen
durchzuführen, wie folgt beschrieben worden:
„Er hätte es nicht selbst tun müssen. Aber er hätte
dann, wenn er der Meinung war: ,Diese Informati-
on muss weitergegeben werden‘, es entweder über
die Ermittlungsgruppe tun können oder aber über
die zentrale Koordinierung. Das ist so geregelt
gewesen.“2674
Letztendlich sei, so Haeberer, nicht einmal eine in den
Akten enthaltene Kopie eines Vermerks, in dem Informa-
tionen einer Meldung zusammengefasst werden, ein Be-
leg dafür, dass die Information – sei es innerhalb des
LKA oder gar nach außen – weitergegeben worden sei.2675
Eine Weitergabe der Information wäre jedoch zu doku-
mentieren gewesen, wobei die Form der Dokumentation
nicht vorgeschrieben gewesen sei.
„Also erstens, es hätte dokumentiert werden müs-
sen, wenn es das Haus verlassen hat, oder doku-
mentiert werden sollen. Ich sagte ja, die Dokumen-
tation ist mangelhaft, wenn nicht gar ganz
schlecht. Es gab keine extra Formvorschrift. Sie
soll jetzt eingeführt werden; es gab sie aber jeden-
falls bis 2011 nicht.“2676
ddd) Untersuchung durch OStA Feuerberg
Der Feuerberg-Bericht enthält im Hinblick auf die mögli-
che Weitergabe der Information der VP die folgenden
Ausführungen:
„Zu den zentralen Fragen der vorliegenden Unter-
suchung gehört, diejenige, ob der VP-Hinweis
vom 13.2.2002, wonach W. drei Personen kenne,
2671) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.
2672) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.
2673) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 19.
2674) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 24.
2675) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 27.
2676) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 38.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 305 – Drucksache 17/14600
die wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes mit
Haftbefehl gesucht würden, weitergegeben wurde.
Die dazu geführten Befragungen und Recherchen
haben kein belastbares Bild ergeben: Soweit die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch zu Angaben
in der Lage waren, konnte sich jedenfalls niemand
von ihnen an eine Weitergabe über den Bereich
der Ermittlungsgruppe Rechts hinaus erinnern.
Entsprechende Aufzeichnungen oder Protokolle
von Besprechungen konnten nicht festgestellt wer-
den. Das durch die angehörten Personen vermittel-
te Bild, das durchaus den hiesigen Erfahrungswer-
ten entspricht, umfasste eine zunächst informelle
Informationsübermittlung, an deren Ende die Ent-
scheidung der Sachbearbeitung stand, welche In-
formationen in aktenverwertbarer Weise benötigt
würden. Dabei wurde zugleich erkennbar, dass das
nötige ,Rüstzeug‘, mit weitergehenden Hinweisen
kompetent umzugehen, durchaus bestand. Eine tat-
sächliche Informationsübermittlung über die Gren-
zen der Berliner Polizei hinaus konnte jedoch nur
in einem Einzelfall festgestellt werden; allerdings
nicht bei den hier in Rede stehenden Hinweisen
der VP 562. Die über die Innenministerien der
Länder Thüringen und Sachsen gesteuerten Anfra-
gen nach dem Erhalt eines entsprechenden Hin-
weises wurden durch die dortigen nachgeordneten
Sicherheitsbehörden ebenso negativ beantwortet,
wie Anfragen an andere Stellen.
Dies alles beweist nicht, dass der Hinweis nicht
weitergegeben worden ist. Denkbar wäre insbe-
sondere ein fernmündlicher Hinweis an eine
Dienststelle außerhalb Berlins, der innerhalb der
dortigen Ermittlungen berücksichtigt worden ist,
ohne ihn gesondert zu dokumentieren. Hierfür
könnte die Vernehmung durch das LKA Thüringen
sprechen, die am 13. Mai 2002 mit der einzig be-
nannten Kontaktperson Jan Werner zur Frage des
Verbleibs der gesuchten Personen ohne Erfolg
durchgeführt wurde.“2677
eee) Stellungnahme des LKA Thüringen
Das LKA Thüringen hat – nach Veröffentlichung des
Feuerberg-Berichts im Januar 2013 – zu den Feststellun-
gen im Feuerberg-Bericht bzgl. einer möglichen Weiter-
gabe der Information bzgl. möglicher Kontakte des Trios
zu Jan Werner Stellung genommen.
2678
Das LKA Thüringen ist hierin dem Eindruck entgegen
getreten, dass die Vernehmung von Jan Werner im Mai
2002 auf der Weitergabe des Hinweises aus dem Februar
2002 basiert haben könnte. Vielmehr habe diese Verneh-
mung einen gänzlich anderen Hintergrund gehabt, näm-
lich die Intensivierung der Fahndung nach dem Trio nach
2677) Feuerberg-Bericht, Zweiter Teil, Buchstabe H, MAT B BE-6,
Bl. 42 f.
2678) Hierzu und im Folgenden: Stellungnahme des LKA Thüringen
vom 28. Februar 2013, MAT B TH-13/, Bl. 2 ff.
Abschluss der Zielfahndung nach Vorlage des Zwischen-
berichts zur Aktenauswertung vom 12. März 2002.
Ausweislich der Aktenlage Ende April 2002 sei durch die
Bundesanwaltschaft darauf hingewiesen worden, dass
durch das LKA Berlin in den Jahren zuvor TKÜ-
Maßnahmen bei Jan Werner geschaltet worden seien.
Daraufhin habe der ermittelnde Beamte des LKA Thürin-
gen mit KHK T. vom LKA Berlin Kontakt aufgenommen,
um die erlangten TKÜ-Inhalte mit den Namen des Trios
abzugleichen.
Die zeitliche Nähe von Hinweis und Befragung könne
lediglich als Zufall angesehen werden und sei jedenfalls
nicht Folge eines Hinweises des LKA Berlin. Vielmehr
hätte das Vorliegen des Hinweises Observationsmaßnah-
men gegenüber Jan Werner zur Folge gehabt und gerade
keine offene Befragung: „Der mit der Auswertung beauf-
tragte Beamte hätte in jedem Fall weitergehende Ermitt-
lungshandlungen veranlasst.“, heißt es in der Stellung-
nahme des LKA Thüringen folglich weiter.
fff) Aktenlage in Thüringen
Aus den Akten des LKA Thüringen geht nicht hervor,
dass ein entsprechender Hinweis dort eingegangen ist.
Einem bereits in der Stellungnahme des LKA Thüringen
erwähnten, auf den 29. April 2002 datierten Vermerk
kann entnommen werden, dass im Hinblick auf die ge-
plante Vernehmung von Jan Werner durch KHK K. zu-
nächst telefonische Rücksprache mit OStA Siegmund vom
Generalbundesanwalt erfolgte.
2679
OStA Siegmund äußer-
te hierbei keine Bedenken gegen eine Befragung von Jan
Werner und wies zudem darauf hin, dass dem W. keinerlei
Zusagen gemacht werden könnten. Darüber hinaus wurde
in dem Gespräch mit OStA Siegmund bekannt, dass durch
das LKA Berlin im Zusammenhang mit dem genannten
Verfahren eine TKÜ-Maßnahme bzgl. Jan Werner ge-
schaltet worden war.
Im Hinblick auf diese TKÜ-Maßnahme erfolgte dann ein
Telefonat mit dem LKA Berlin, KHK T., in dem dieser
zusagte, die ihm durchgegebenen Namen der drei Be-
schuldigten als Suchbegriffe in die TÜ-Datei einzugeben
und zu überprüfen, ob diese in den Gesprächen des Jan
Werner eine Rolle spielten.
Eine Rückmeldung des LKA Berlin in dieser Hinsicht ist
nicht aktenkundig;
2680
ebensowenig, dass eine Mitteilung
im Hinblick auf den Hinweis des V-Mannes vom
13. Februar 2002 erfolgt wäre.
2679) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. (nicht unter-
zeichnet) vom 29. April 2002, mit undatiertem Zusatz über ein
Telefonat mit dem LKA Berlin, KHK T., MAT A TH-1/15, Bl.
347.
2680) Siehe hierzu auch MAT B TH-13, Schreiben des LKA Thürin-
gen, Bl. 4.
Drucksache 17/14600 – 306 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Weisungslage bzgl. der Weitergabe von
VP-Informationen
Die Weisungslage in Bezug auf V-Personen ist – samt
ihrer historischen Dimension am Ende der 90er Jahre –
durch den Zeugen Haeberer im Rahmen seiner Verneh-
mung intensiv dargestellt worden, jedoch ohne dass der
Zeuge darauf eingegangen ist, inwiefern eine Weitergabe
von Informationen einer Quelle an die zentrale VP-
Führung innerhalb des LKA im Jahr 2002 vorgeschrieben
war oder unterbleiben sollte.
2681
Auf die Frage nach der Existenz einer sog. „Haeberer-
Weisung“ hat der Zeuge Haeberer bekundet:
„Es gibt diese Weisung Haeberer nicht.“2682
Feuerberg führte hierzu aus, dass Haeberer als Staats-
schutz-Leiter darauf hingewirkt habe, dass der frühere
LKA-Leiter Voß eine Weisung erlasse, die besagt habe,
dass die Meldungen der VPen nur innerhalb der Staats-
schutzabteilung des LKA weitergegeben werden dürfen
und nicht auch an die zentrale V-Mann-Führungsstelle.
2683
Hintergrund sei gewesen, dass andere Behörden ihre
Teilnahme am gemeinsamen Informationsaustausch da-
von abhängig gemacht hätten, dass eine Weitergabe der
Informationen nur innerhalb des pol. Staatsschutzes erfol-
ge. Dieser Vorschlag sei umgesetzt worden. Dies sei mit
der Senatsverwaltung für Inneres abgestimmt gewesen.
e) Weitere Hinweise der VP 562 bzgl. Perso-
nen, die einen Bezug zum Trio haben
Die weiteren Meldungen von VP 562 mit Bezug zum Trio
bzw. mit Bezug zu Personen, die ebenfalls im Hinblick
auf das Trio bekannt wurden, sind im Folgenden aufge-
zählt. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Mel-
dungen, die Informationen zu Jan Werner und den Struk-
turen des Musikvertriebes und über die Herstellung von
CDs beinhalten.
Meldung vom 9. August 2001:
2684
„Sczepanski hat Jan Werner Waffen, genaue Ein-
grenzung nicht möglich, angeboten. Werner hat
dieses Angebot offensichtlich abgelehnt. Gerüch-
ten zur Folge hat Sczepanski diese Waffen unbe-
kannten Personen oder Gruppen im Bereich Pots-
dam angeboten.“
Meldung vom 5. September 2002:
2685
„Weiterhin kann sie Angaben zu einem Zeitungs-
bericht machen, wo über den Schimpanski2686 be-
richtet wird.“
2681) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 6 ff.
2682) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 11.
2683) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-5,
(138/13 Geheim), Bl. 53.
2684) MAT A BE-2/1, Anl. 3, (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 72 f.
2685) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 123 f.
2686) Schreibweise im Original
Meldung vom 27. August 2003:
2687
„Interessant erscheint dabei eine Person mit dem
Familiennamen S. oder S., der in Ludwigsburg
wohnhaft war. Er ist ca. 190 cm groß. Bis zum
Jahr 2001 war er dafür bekannt, mit Waffen zu
handeln. Welche Waffen genau angeboten wurden,
ist der VP nicht bekannt. Die VP wurde gebeten,
sich um diese Person zu kümmern und aktuelle In-
formationen zu Wohnanschrift, Namen, angebote-
ne Waffen usw. zu besorgen.“
Meldung vom 20. Dezember 2005:
2688
Zum Server „netzspeicher 24“:
„Die VP konnte diesbezüglich angeben, dass der
Server netzspeicher 24 von einem Ralf
WOHLLEBEN aus Jena, Jenaische Straße 25, be-
trieben wird. Er soll zu einem Netzwerk freier
Kameradschaften und der NPD gehören. […] W.
soll u. a. wegen Nötigung vorbestraft sein, da er
zusammen mit André KAPKE und anderen Jenaer
Neonazis zwei Frauen zu Aussagen über die Jenaer
Antifa-Szene gezwungen haben soll. Er soll wei-
terhin im Thüringer Heimatschutz aktiv sein.“
Eine Weitergabe der Meldung an andere Behörden ist –
soweit es die hier genannten Meldungen betrifft – ledig-
lich bzgl. der Meldung vom 20. Dezember 2005 akten-
kundig.
f) Zusammenarbeit des Landes Berlin mit
dem Untersuchungsausschuss in Zusam-
menhang mit der VP 562 – Feuerberg-
Gutachten des Landes Berlin
Im Hinblick auf die VP 562 war auch die Zusammenar-
beit des Landes Berlin mit dem Untersuchungsausschuss,
hierbei insbesondere der Zeitpunkt der Vorlage der In-
formation, dass die VP 562 existiert und dass und in wel-
chem Umfang sie bzgl. des Trios Hinweise gegeben hat,
Gegenstand der Berichterstattung, weshalb auch hierauf
eingegangen werden soll.
aa) Beweisbeschlüsse des Untersuchungs-
ausschusses und Beantwortung des Be-
weisbeschlusses BE-1 durch das Land
Berlin
aaa) Beweisbeschluss BE-1
Am 1. März 2012 hat der Untersuchungsausschuss be-
schlossen:
„Es wird Beweis erhoben […] durch
Beiziehung
2687) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 255 f.
(256).
2688) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 362 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 307 – Drucksache 17/14600
sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die in der Senatsverwal-
tung für Inneres und Sport des Landes Berlin als
der für den Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde des Landes Berlin und
insbesondere im Organisationsbereich von deren
Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also
Informationen enthalten über die Terrorgruppe
‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insbe-
sondere […] Thomas Starke, […] - also die Perso-
nen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den
Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2
bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-
2 Ermittlungen führt
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also In-
formationen enthalten über den Zeitraum vom
01.01.1992 bis zum 08.11.2011,
und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaus-
tausch von Bund und Ländern betreffen, also In-
formationen enthalten, die mit Stellen des Bundes
– hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungs-
schutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militä-
rischen Abschirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt – ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht
werden können, […]
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Senatskanzlei des Landes Berlin bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde.“2689
Die Beantwortung des Beweisbeschlusses erfolgte mittels
am 10. Mai 2012 im Sekretariat des Untersuchungsaus-
schusses eingegangenen Schreibens. Hinweise auf Tho-
mas Starke enthielt das Antwortschreiben nicht.
Ausweislich des Feuerberg-Berichts war der Beweisbe-
schluss am 12. März 2012 in der Senatskanzlei eingegan-
gen und war sodann am 17. März 2012 in der Abteilung I
der Senatsverwaltung für Inneres und Sport eingegangen,
von wo aus er an die insoweit federführende Abteilung II
(Verfassungsschutz) weitergeleitet wurde.
2690
Von dort
aus wurde die Verfügung zur Beantwortung des Beweis-
beschlusses am 3. Mai 2012 durch die Abteilungsleiterin
abgezeichnet und an die Hausleitung gesandt.
Bzgl. der Reichweite des Beweisbeschlusses BE-1, insbe-
sondere im Hinblick darauf, ob der Beweisbeschluss auch
die Mitteilung von bei der Polizei vorhandenen Informa-
2689) Beweisbeschluss BE-1 des Untersuchungsausschusses.
2690) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6,
Bl. 28 f.
tionen beinhaltet, wird im Feuerberg-Bericht festgehal-
ten:
„Nach hiesigem Verständnis waren mit BE-1 aus-
schließlich Unterlagen und Informationen des Ver-
fassungsschutzes und der Senatsverwaltung für In-
neres und Sport im Rahmen ihrer Fachaufsicht
über den Verfassungsschutz vorzulegen bzw. mit-
zuteilen. Diese Formulierungen des Beweisbe-
schlusses sind in etwa gleichlautend an andere
Bundesländer versandt worden. Nachfragen bei
anderen Bundesländern haben ergeben, dass der
erste Beweisbeschluss ganz überwiegend als ein
Beweisbeschluss aufgefasst wurde, der ausschließ-
lich die Vorlage von Akten, Unterlagen und In-
formationen der Verfassungsschutzämter betraf
und auch so umgesetzt wurde. Nach hiesiger
Kenntnis führte erst eine Nachfrage des Landes
Nordrhein-Westfahlen zur Reichweite des BE-1
zum Erlass des Beschlusses BE-2.“2691
bbb) Beweisbeschluss BE-2
Am 5. Juli 2012 hat der Untersuchungsausschuss den
Beweisbeschluss BE-2 gefasst, in dem es heißt:
„Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum ge-
samten Untersuchungsauftrag […] wird die Se-
natsverwaltung für Inneres und Sport des Landes
Berlin im Wege des Ersuchens um Amtshilfe […]
gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstli-
cher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermitt-
lungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nach-
geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung
der Art der Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-
sammenhang standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt […] berücksichtigt wur-
den.“2692
Der Beweisbeschluss ist am 9. Juli 2012 vorab per Mail
im Referat II B der Senatsverwaltung für Inneres und
Sport eingegangen.
2693
Am 12. Juli 2012 ist dann das
Übermittlungsschreiben der Senatskanzlei an die Senats-
verwaltung für Inneres und Sport erfolgt. Nachdem der
Generalbundesanwalt am 24. Juli 2012 den Ermittlungs-
beauftragten des Untersuchungsausschusses, Prof. Dr. von
Heintschel-Heinegg, in Kenntnis gesetzt hatte (siehe un-
ten: dd), S. 309), erfolgte am 26. Juli 2012 die Abstim-
mung bzgl. der Formulierung des Antwortschreibens mit
dem Generalbundesanwalt zur Vorgehensweise und zum
Inhalt der Antwort auf den Beweisbeschluss BE-2. Bereits
am 1. August 2012 hat der Generalbundesanwalt das
Antwortschreiben des LKA an den Untersuchungsaus-
2691) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 53.
2692) Beweisbeschluss BE-2.
2693) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6,
Bl. 29 f.
Drucksache 17/14600 – 308 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schuss genehmigt. Die Beantwortung des Beweisbe-
schlusses ist dann am 13. September 2012 erfolgt (siehe
unten: ee), S. 309), was im Feuerberg-Bericht unter ande-
rem mit „Krankheit und Urlaub von II B 1 und II B“ be-
gründet wird.
bb) Kenntniserlangung von der Existenz von
VP 562 innerhalb des LKA Berlin und Wei-
tergabe an die Polizeiführung und an den
Senator für Inneres und Sport
Ausweislich des Feuerberg-Berichts ergab sich der fol-
gende Ablauf:
„07.03.2012
Die BAO TRIO übersendet ein Schreiben an das
LKA Berlin, in dem um Überprüfung von 15 Na-
men gebeten wird. Das LKA Berlin sichtet noch
am selben Tag Lichtbilder. Hierbei wird die ehe-
malige VP des LKA Berlin, VP 562, erkannt.
08.03.2012
Die Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Frau
Koppers, wird über die VP 562 informiert.
09.03.2012
Die Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Frau
Koppers, informiert telefonisch den Innensenator,
Frank Henkel, über die Verbindung von VP 562,
die als VP des LKA Berlin geführt wird, im Zu-
sammenhang mit den Ermittlungen der Bundesan-
waltschaft.“2694
Der Zeuge Krömer hat diesen Ablauf in seiner Verneh-
mung bestätigt
2695
und hat angegeben, selbst „am
24. April 2012 in einer gemeinsamen Besprechung mit
Senator Henkel, der Polizeivizepräsidentin und dem Di-
rektor des Landeskriminalamts davon erfahren“ zu ha-
ben,
2696
mithin also noch vor der Beantwortung des Be-
weisbeschlusses BE-1.
cc) Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen
dem Generalbundesanwalt und der VP 562
Am 20. März 2012 fand in Karlsruhe beim Generalbun-
desanwalt ein Gespräch zwischen Vertretern des General-
bundesanwalts und Polizeivizepräsidentin Koppers sowie
weiteren Vertretern der Berliner Polizei statt, in dem über
die Existenz der VP 562 berichtet wurde.
In dem Gespräch wurde auch thematisiert, inwiefern die
Existenz der VP 562 geheimhaltungsbedürftig sei, wobei
über die genaue Reichweite der hier getroffenen Abspra-
chen unterschiedliche Darstellungen der Beteiligten exis-
tieren.
2694) Feuerberg-Bericht, MAT A BE-6, Bl. 27.
2695) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 51 f.
2696) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 55.
Auf schriftliche Anfrage hat der Generalbundesanwalt
mitgeteilt, dass es bei keinem der Kontakte mit der Berli-
ner Polizei „eine Anweisung, Aufforderung oder Bitte des
Generalbundesanwalts gegeben“ habe, „die Informationen
nicht an den Untersuchungsausschuss weiterzugeben“.2697
Die Vize-Polizeipräsidentin von Berlin, Koppers, hat
bzgl. des Treffens mit Vertretern des Generalbundesan-
walts in Karlsruhe am 20. März 2012 vor dem Innenaus-
schuss des Berliner Abgeordnetenhauses am
18. September 2013 wie folgt bekundet:
„Wie zuvor bei den beteiligten Mitarbeitern mei-
ner Behörde bestand von Anfang an auch mit den
nun beteiligten Vertretern der Bundesanwaltschaft
Einvernehmen darüber, dass der Vorgang unter
voller Ausnutzung des rechtlich zulässigen Rah-
mens gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu
gestalten sein würde. Im Verlauf des Abstim-
mungsprozesses wurde deutlich, dass alle in die
dortigen Ermittlungen eingebrachten Informatio-
nen der Polizei Berlin auch dem NSU-
Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt
werden. Vor diesem Hintergrund war im Ergebnis
der Abstimmung klar, dass die Informationen mei-
ner Behörde zunächst in geeigneter Weise an die
Bundesanwaltschaft übermittelt und erst dann von
dort dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung
gestellt werden, wenn keine Gefährdung der lau-
fenden Ermittlungen mehr zu befürchten wäre.“2698
Der Feuerberg-Bericht stellt hierzu fest:
„Dabei entziehen sich die Unterredungen, die es in
Karlsruhe gab, einer endgültigen Beurteilung, denn
deren Inhalt wird von den Beteiligten in Teilen un-
terschiedlich dargestellt. Indizien sind für beide
Sichtweisen erkennbar geworden; zwingende Be-
lege für eine bestimmte Version konnten indessen
nicht festgestellt werden. Der Unterz. hat mit den
aktiv an den Erörterungen Beteiligten gesprochen.
Auch unter Zuhilfenahme der anschließenden Kor-
respondenz bleibt letztlich zweifelhaft, ob von Sei-
ten des GBA der Wunsch erkennbar wurde, von
einer Unterrichtung des Bundestagsuntersuchungs-
ausschusses über die Tatsache des VP-Einsatzes
einstweilen abzusehen. Die Beteiligten aus der
Sphäre der Berliner Polizei haben in Ihren Darle-
gungen im Innenausschuss, in einer Presseerklä-
rung und unmittelbar gegenüber dem Unterzeich-
ner zum Ausdruck gebracht, dass dort nicht spezi-
ell von einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber
dem Untersuchungsausschuss des Bundestages,
sondern von einer Verschwiegenheitspflicht jedem
gegenüber ausgegangen wurde, was auch mit der
von allen Beteiligten bestätigten Äußerung eines
Bundesanwaltes korrespondiert, mit einer Behand-
2697) Schreiben des Generalbundesanwalts an die Abgeordnete Dr.
Högl vom 19. September 2012, Ausschussdrucksache 252.
2698) Protokoll der Sitzung des Innenausschusses des Berliner Abge-
ordnetenhauses vom 18. September 2013, MAT B BE-1, Bl. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 309 – Drucksache 17/14600
lung im Untersuchungsausschuss sei zu rech-
nen.“2699
Der Zeuge Krömer hat bekundet, das Land Berlin habe
sich an die Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Gene-
ralbundesanwalt gebunden gefühlt.
„Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich hatte ja in der
Beantwortung der Frage von Herrn Binninger be-
reits deutlich gemacht, dass wir uns in dem Span-
nungsverhältnis zwischen der Vertraulichkeitsver-
einbarung, dem Schutz der V-Person und der mög-
lichen Information des Bun- -, also dieses Aus-
schusses und auch des Berliner Abgeordnetenhau-
ses befunden haben. Und natürlich gab es dann
letztendlich den Ausschlag - - Oder nicht ‚natür-
lich‘; es gab dann letztendlich den Ausschlag, dass
wir uns an die Vertraulichkeitsvereinbarung mit
dem Generalbundesanwalt gebunden fühlten, und
deshalb erst, nachdem diese dann zu einem we-
sentlich späteren Zeitpunkt durch Informationen
des Generalbundesanwaltes an den Bundestags-
untersuchungsausschuss aufgehoben war, wir dann
auch unsererseits die entsprechenden Informatio-
nen nachgeschoben haben.“2700
Ob der Zeuge Krömer bei seiner Aussage auf den Zeit-
punkt der Mitteilung des Generalbundesanwalts an den
Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-
Heinegg am 24. Juli 2012 abstellte oder auf den Zeit-
punkt, an dem die dem Ermittlungsbeauftragten vorlie-
gende Information seitens des Ermittlungsbeauftragten
mit Einwilligung des Generalbundesanwalts an den
Untersuchungsausschuss weitergegeben wurde (am
13. September 2012 – siehe hierzu sogleich unter dd)),
bleibt unklar. Auch die Tatsache, dass bereits am 1. Au-
gust 2012 mit dem Generalbundesanwalt Einvernehmen
bzgl. des Antwortschreibens auf den Beweisbeschluss
BE-2 erzielt wurde, bleibt bei der Antwort unerwähnt.
dd) Mitteilung des Generalbundesanwalts an
den Ermittlungsbeauftragten des Untersu-
chungsausschusses
Die Existenz der VP 562 wurde dem Ermittlungsbeauf-
tragten des Untersuchungsausschusses, Prof. Dr. von
Heintschel-Heinegg, am 24. Juli 2012 durch den General-
bundesanwalt mitgeteilt, jedoch mit dem Hinweis, den
Vermerk dem Untersuchungsausschuss erst dann vorzule-
gen, wenn hierfür das Einverständnis des Generalbundes-
anwalts vorliege.
2701
Konkret heißt es hierzu im Ab-
schlussbericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von
Heintschel-Heinegg:
„Am 24. Juli 2012 informierte der Generalbundes-
anwalt den Ermittlungsbeauftragten darüber, dass
nach Auskunft des Landeskriminalamts Berlin
2699) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 64.
2700) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 56.
2701) Bericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-
Heinegg, A-Drs. 424, S. 24.
Thomas Starke dort seit dem Jahr 2000 als V-
Person geführt worden sei. Im Jahr 2002 habe die-
ser berichtet, er wisse etwas über den möglichen
Aufenthaltsort von drei Personen aus Thüringen,
die per Haftbefehl wegen eines Sprengstoffdelikts
gesucht würden.
Über Vernehmungsprotokolle von Thomas Starke
verfügte der Generalbundesanwalt nicht. Der Ge-
neralbundesanwalt erwartete, dass das Land Berlin
diese Vernehmungsprotokolle dem Ausschuss vor-
legen werde. Zu diesem Vorgang übergab der Ge-
neralbundesanwalt dem Ermittlungsbeauftragten
einen Vermerk mit dem Hinweis, diesen Vermerk
dem Untersuchungsausschuss erst dann vorzule-
gen, wenn hierfür das Einverständnis des General-
bundesanwalts vorliegt. Als in den folgenden Wo-
chen das Land Berlin zu Thomas Starke dem
Untersuchungsausschuss keine Akten vorlegte, er-
hielt der Ermittlungsbeauftragte vom Generalbun-
desanwalt am 13. September 2012 vor Beginn der
Sitzung des Untersuchungsausschusses den Hin-
weis, nunmehr den Untersuchungsausschuss über
den Sachverhalt zu informieren und den vom Ge-
neralbundesanwalt übergebenen Vermerk an den
Untersuchungsausschuss zu übergeben.“
ee) Beantwortung des Beweisbeschlusses
BE-2 durch das Land Berlin
Der Beweisbeschluss BE-2 wurde mit Schreiben vom
13. September 2012, eingegangen im Sekretariat des
Untersuchungsausschusses am selben Tag, beantwor-
tet,
2702
wobei auf die Existenz einer V-Person hingewie-
sen wurde.
Die Personen- und Einsatzakte der im Landeskriminalamt
geführten V-Person VP 562 ging – mit Schreiben von
diesem Tag – am 18. September 2012 im Sekretariat des
Untersuchungsausschusses ein.
2703
Mit Schreiben vom
5. Oktober 2012 erfolgten – in sehr geringem Umfang –
weitere Ergänzungen.
2704
Der Zeuge P. S. hat in seiner Vernehmung bekundet, er
habe die VP 562 im Sommer 2012 in Dresden aufgesucht,
um diese danach zu befragen, ob er die Vertraulichkeits-
zusicherung selbständig aufgeben würde.
2705
Es fanden zwei Gespräche statt, und zwar am
14. September 2012
2706
und am 16. September 2012.
2707
2702) MAT A BE-2 (Tgb.-Nr. 65/12 - GEHEIM).
2703) Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 18. September
2012, MAT A BE-2/1, Bl. 1 f. (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl.
1 f. (Schreiben offen).
2704) Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. Oktober
2012, MAT A BE-2/1 (Ergänzung) (Tgb.-Nr. 90/12 -
GEHEIM), Bl. 1 f. (Schreiben offen).
2705) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich) , S. 38.
2706) Protokoll vom 14. September 2012, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr.
67/12 - GEHEIM), Anl. 01, Bl. 19 f.
2707) Protokoll vom 16. September 2012, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr.
67/12 - GEHEIM), Anl. 01, Bl. 16.
Drucksache 17/14600 – 310 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Verlauf des ersten Gesprächs wurden der VP Schutz-
maßnahmen angeboten. Im Verlauf des zweiten Ge-
sprächs verweigerte die VP 562 die Aufgabe der Vertrau-
lichkeitszusicherung – vielmehr bestand sie auch weiter-
hin auf Vertraulichkeit.
Bezüglich der Frage, weshalb die Beantwortung des Be-
weisbeschlusses trotz Vorlage des mit dem Generalbun-
desanwalt abgestimmten Antwortschreibens des LKA
Berlin am 1. August 2012 erst am 13. September 2012
erfolgte, hat der Zeuge Krömer bekundet:
„Es mussten ja auch noch schwierige Fragen ge-
klärt werden, wie zum Beispiel die Frage ,Wie ist
es mit der Vertraulichkeit, mit der Behandlung
dieses eingestuften Materials? In welcher Form
soll das verschickt werden?‘ und Ähnliches mehr.
Ich finde, dass das Landeskriminalamt an dieser
Stelle gründlich und auch relativ zügig gearbeitet
hat.“2708
„Ja, und dann musste auch noch der Gesamtkom-
plex natürlich, da wir ja gelernt hatten, auch mit
der Verfassungsschutzabteilung abgestimmt wer-
den. Und als das passiert ist, am 13. September,
habe ich dann dieses Schreiben schlussgezeichnet
und habe -.“2709
„Ich glaube, dass an so einer Stelle Gründlichkeit
vor Schnelligkeit geht. Und ich kann die Abläufe
innerhalb des Landeskriminalamtes und der Abtei-
lung 2 hier nicht kritisieren. Wir befanden uns
auch noch mitten in der Ferienzeit. Und natürlich
haben ich auch und der Senator ständig darauf ge-
drängt, dass wir gerne diesen Beweisbeschluss,
der, wie gesagt, mit keiner Fristsetzung verbunden
war […].“2710
g) Einsetzung des Sonderermittlers OStA
Feuerberg durch den Senator für Inneres
und Sport des Landes Berlin
Mit Wirkung vom 1. Oktober 2012 wurde durch den
Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin, Bürger-
meister Frank Henkel, vor dem Hintergrund des auch im
Zusammenhang mit der Unterrichtung des Untersu-
chungsausschusses entstandenen Presseechos in Bezug
auf die VP 562 der Berliner OStA Feuerberg als Sonder-
ermittler eingesetzt. Der Auftrag des Sonderermittlers
bestand darin zu prüfen,
„ob bei der Auswahl und Anwerbung der fragli-
chen Vertrauensperson Thomas Starke des LKA,
bei ihrer weiteren Führung und bei der Auswer-
tung und Verarbeitung der durch sie erlangten In-
formationen alle einschlägigen rechtlichen und
fachlichen Erfordernisse beachtet wurden. Das be-
zieht sich auch auf die Frage möglicher Vorstrafen
2708) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 63 f.
2709) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 64.
2710) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 64.
der Vertrauensperson oder auf die Weitergabe re-
levanter Informationen an andere betroffene
Dienststellen. Ebenso soll er sich mit der Frage be-
fassen, ob nach Aufdeckung der NSU-Verbrechen
im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung
für Inneres und Sport Fehler gemacht wurden. Zu-
dem werden von der Arbeit Erkenntnisse erwartet,
wie das Führen von Vertrauensleuten und der Um-
gang mit dabei gewonnenen Erkenntnissen noch
verbessert werden kann“.2711
Das Ergebnis der Tätigkeit des Sonderermittlers wurde in
dem auch in diesem Abschnitt schon mehrfach zitierten
„Bericht über die Sonderermittlungen im Geschäftsbe-
reich des Senators für lnneres und Sport in Berlin im
Zusammenhang mit der Aufklärung der Taten der Terror-
gruppierung ‚NSU‘“ (hier bezeichnet als „Feuerberg-
Bericht“) niedergelegt, der der Öffentlichkeit am
14. Januar 2013 vorgestellt wurde. Dem Untersuchungs-
ausschuss lag dieser Bericht sowohl in der offenen Fas-
sung als auch in einer weiteren, detaillierteren Fassung
vor, die durch das Land Berlin als „GEHEIM“ eingestuft
worden war.
2. Weitere V-Personen des Landeskriminal-
amts Berlin
Neben der VP 562 wurden innerhalb des LKA Berlin
noch weitere V-Personen geführt, die Hinweise im Zu-
sammenhang mit bekannten Kontaktpersonen des Trios
lieferten. In dem auf den Beweisbeschluss BE-3 über-
sandten Schreiben vom 6. November 2012 heißt es hier-
zu:
„Die Stellungnahme des LKA Berlin an die Abtei-
lung II der Senatsverwaltung für Inneres und Sport
(VS-Geheim) enthält u. a. die Kriminalakte von
Jan Werner, welche beim LKA Berlin geführt
wurde. Ferner werden Auszüge aus Treffberichten
von zwei VP’en aufgeführt, die jedoch keinen er-
kennbaren NSU-Bezug haben.“2712
Der Untersuchungsausschuss hat diese Materialien ge-
prüft.
Auch weitere, durch das Land Berlin im Zusammenhang
mit V-Personen übersandte Unterlagen sind durch den
Untersuchungsausschuss geprüft worden.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2013 hat die Senatsverwal-
tung für Inneres und Sport den Sachstand zu den ergän-
zenden Mitteilungen weiterer Treffberichte erläutert. In
dem von Staatssekretär Krömer gezeichneten Schreiben,
heißt es konkret:
„(Anrede),
2711) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 9.
2712) Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des
Landes Berlin, Staatssekretär Krömer, an den Vorsitzenden des
Untersuchungsausschusses vom 6. November 2012, MAT A
BE-3/3 (Tgb.-Nr. 110/12 - GEHEIM), Bl. 1 f. (2), Schreiben als
solches VS-NfD.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 311 – Drucksache 17/14600
gerne entspreche ich Ihrer Bitte und schildere Ih-
nen den Sachstand zu den ergänzenden Mitteilun-
gen weiterer Treffberichte der VP 620. Aus meiner
Sicht haben die nunmehr aufgefundenen Treffbe-
richte keine NSU-Relevanz, dennoch handelt es
sich um eine erneute unbegreifliche Schlamperei
bei dem LKA. Es gibt für einen solchen Fehler
keine Rechtfertigung.“2713
Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass Innensenator Hen-
kel die Polizei angewiesen habe, alle VP-Akten aus dem
Phänomenbereich „Rechts“ unverzüglich in die Innen-
verwaltung zu verbringen, wo diese von einer Auswerte-
gruppe gründlich geprüft werden sollen.
Am 31. Mai 2013 hat Staatssekretär Krömer mitgeteilt,
dass die Akten (40 Ordner) in der Senatsverwaltung für
Inneres und Sport eingetroffen seien und die 14 Personen
umfassende Auswertegruppe unter Leitung einer Leiten-
den Polizeidirektorin nunmehr ihre Arbeit aufgenommen
und am 27. Mai 2013 mit der Auswertung begonnen ha-
be.
2714
V. Erkenntnisse zu einer V-Person aus Bay-
ern
Auf den am 26. Januar 1998 während der Durchsuchung
der Garage in Jena aufgefundenen beiden Telefonlisten
des Uwe Mundlos ist eine aus Bayern stammende Person
verzeichnet.
2715
Jedenfalls wurde die hier verzeichnete
Handynummer nach den Erkenntnissen des LKA Thürin-
gen im sog. „THS“-Verfahren Ende 1996/Anfang 1997
von dieser Person genutzt. Zuvor und danach war jedoch
Tino Brandt der Nutzer dieses Handys.
2716
Diese Person
war in dem Zeitraum von 1987 bis 1998 V-Person des
LfV Bayern, die zur Beobachtung der Gruppierungen
„Nationale Front“, „Deutsche Alternative“ und „Nationale
Liste“ eingesetzt wurde. Außerdem sollte sie über rechte
Mailbox-Aktivitäten (z. B. über das T.-Netz) und die
Planung und Durchführung von Heß-Märschen berichten.
Einen Auftrag zur Beobachtung des „Thüringer Heimat-
schutzes“ hatte sie nicht. Das LfV Bayern konnte keinen
direkten persönlichen Kontakt zwischen ihr und dem Trio
feststellen. Allerdings hätten sowohl diese Person als auch
Mundlos und Böhnhardt vor deren Abtauchen die Wehr-
machtsausstellung am selben Tage besucht. Nach einer
Mitteilung des LfV Bayern habe die V-Person nie über
das Trio berichtet, nach ihrer Abschaltung habe sie sich
aus der rechten Szene gelöst.
2717
2713) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des Staatssekretärs für
Inneres des Landes Berlin vom 15. Mai 2013, MAT A BE-3/17.
2714) Schreiben des Staatssekretär für Inneres des Landes Berlin vom
31. Mai 2013, MAT A BE-3/19.
2715) MAT A TH-1/11, Bl. 180, Abkürzung des Nachnamens im
Original.
2716) Vermerk des LKA Thüringen, MAT A TH-2/45, Bl. 492.
2717) Bericht des LfV Bayern an das Bayerische Staatsministerium
des Innern, MAT A BY-12 (Tgb.-Nr. 135/12 - GEHEIM), Bl.
13 ff.
Noch während ihrer Tätigkeit als V-Person für das LfV
führte der GBA ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung
einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB (Thule-
Netzwerk) gegen diese Person. Ihr wurde vorgeworfen, zu
Straftaten gegen Anhänger der Antifa-Szene aufgefordert
zu haben.
2718
In der Einstellungsverfügung des GBA zu
dem Verfahren heißt es:
„Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen erga-
ben sich nicht nur zahlreiche logistische und tech-
nische Unterstützungshandlungen […] durch X;
vielmehr steht auch fest, dass ohne die von dem
Beschuldigten X unterhaltene Mailbox eine Veröf-
fentlichung der von dem ehemals Beschuldigten Z.
erstellten Listen von ‚linken‘ Personen und Orga-
nisationen im sogenannten Thule-Netz nicht mög-
lich gewesen wäre. Desweiteren war diese Ver-
breitung im Thule-Netz die Grundvoraussetzung
für die spätere Übernahme der Daten in das Inter-
net […].
Der Beschuldigte X hat sich zum Tatvorwurf nicht
eingelassen, jedoch in anderem Zusammenhang
Andeutungen dahingehend gemacht, dass er Mit-
arbeiter des Verfassungsschutzes sei. Auf entspre-
chende Nachfrage hat der Verfassungsschutz des
Freistaates Bayern gegenüber dem Generalbundes-
anwalt mündlich bestätigt, dass diese Information
zutrifft. Allerdings sei die Mitarbeit von X im Lau-
fe des Jahres 1998 beendet worden […].
Somit ist davon auszugehen, dass X bei seinen
Unterstützungshandlungen für A. Z. entweder ge-
rechtfertigt oder zumindest einem angesichts der
Sachlage unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß
§ 17 StGB unterlegen war.
Das Ermittlungsverfahren ist daher gemäß § 170
Abs. 2 StPO einzustellen.“2719
Kontakte dieser Person nach Thüringen und insbesondere
zu Tino Brandt werden durch das „THS“-Verfahren des
LKA Thüringen aus den Jahren 1995 bis 1997 deut-
lich.
2720
Sie war ein Beschuldigter dieses Verfahrens.
Mehrere Telefonanschlüsse dieser Person und von Tino
Brandt wurden über mehrere Monate hinweg überwacht.
Hierbei wurden ihre Kontakte zu Tino Brandt und ande-
ren Personen in Thüringen deutlich, ohne dass allerdings
eine strafbare Handlung nachgewiesen werden konnte. Im
Auswertungsvermerk über die Telekommunikationsüber-
wachungsmaßnahmen werden Kontakte zu André Kapke,
Jena, genannt. Die Namen des Trios erscheinen hier aber
nicht.
2721
Ein weiterer Beleg für eine Verbindung dieser Person
nach Thüringen ist das von Thorsten Heise am 20. Januar
2007 aufgezeichnete Gespräch mit Tino Brandt (dazu
2718) Durchsuchungsprotokoll, MAT A GBA-3/58e, Bl. 41.
2719) MAT A GBA-3/58e, PDF-Bl. 478 f.
2720) Abschlussbericht des LKA Thüringen vom 30. Oktober 1997,
MAT A TH-2/46, Bl. 660 f.
2721) MAT A TH-2/45, Bl. 516 ff.
Drucksache 17/14600 – 312 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bereits oben im Abschnitt D. I. 6 a) kk) ddd)). Tino
Brandt erzählt hier, er habe jahrelang mit dieser Person zu
tun gehabt. Später habe sich herausgestellt, dass sie für
das LfV Bayern gearbeitet habe.
2722
Im weiteren Verlauf
des Gesprächs wurde sie von Tino Brandt als eine Person
bezeichnet, die mit ihm gemeinsam bei Sitzungen – zum
Beispiel zur Vorbereitung von Rudolf-Heß-Kund-
gebungen – mitgewirkt habe.2723
2722) MAT A GBA-12, Bl. 11 ff., 17.
2723) MAT A GBA-12, Bl. 11 ff., 56.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 313 – Drucksache 17/14600
E. Suche nach dem Trio
I. Wohnungen des Trios nach dem Untertau-
chen aus heutiger Sicht
Das Trio nutzte den Ermittlungen des Generalbundesan-
walts zufolge nach dem Untertauchen folgende Wohnun-
gen:
2724
Unmittelbar nach ihrem Untertauchen am 26. Januar 1998
wohnten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zunächst für
etwa zwei Wochen bei Thomas Ro. in Chemnitz, Fried-
rich-Viertel-Straße 85. Diese Bleibe hatte ihnen Thomas
Starke vermittelt.
Von etwa Februar 1998 bis August/September 1998 ver-
bargen sich die Drei in Chemnitz, Limbacher Straße 96,
bei Max-Florian B. Max-Florian B. gab gegenüber dem
BKA an, dass seine Freundin Mandy Struck das Trio im
Februar 1998 in seiner Wohnung untergebracht habe.
Von etwa September 1998 bis März 1999 hielt sich das
Trio mutmaßlich in Chemnitz, Altchemnitzer Straße 12
auf. Nach den Ermittlungen des BKA mietete Carsten R.
die Wohnung für das Trio an. Die Mietzahlungen erfolg-
ten bar bei Banken.
Aus im Brandschutt des Objekts Frühlingsstraße 26 in
Zwickau gefundenen Unterlagen geht hervor, dass André
Eminger vom 16. April 1999 bis 31. August 2000 eine
Wohnung in Chemnitz, Wolgograder Allee 76, angemie-
tet hatte. Das BKA geht davon aus, dass diese Wohnung
durch das Trio genutzt wurde. Der Mietzins wurde auch
hier durch Bareinzahlungen bei Banken beglichen.
Ebenfalls im Brandschutt des Objekts Frühlingsstraße 26
in Zwickau wurde ein Mietvertrag für eine Wohnung in
der Heisenbergstraße 6 in Zwickau gefunden. Das Miet-
verhältnis bestand vom 1. Juli 2000 bis 31. Mai 2001. Als
Mieter war hier Max-Florian B. eingetragen. Dieser gab
allerdings gegenüber dem BKA an, dass er diese Woh-
nung nicht angemietet habe. Bei dem Namen Max-
Florian B. handelte es sich um eine Aliaspersonalie von
Uwe Mundlos.
2725
Der Mietzins sowie Nebenkosten wie
Strom wurden von einem Konto, das auf den Namen
Max-Florian B. lautete, beglichen. Die Zahlungseingänge
des Kontos beruhten hauptsächlich auf Bareinzahlungen.
Von Mai 2001 bis Mai 2008 wohnte das Trio vermutlich
in Zwickau in der Polenzstraße 2. Im Brandschutt des
Gebäudes Frühlingsstraße 26 in Zwickau fand sich ein
entsprechender Mietvertrag. Das Mietverhältnis bestand
den Ermittlungen des BKA zufolge vom 1. Mai 2001 bis
2724) Personenbericht des BKA zu Beate Zschäpe vom 20. April
2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 521, 553 ff.
2725) Vermerk des BKA vom 13. Juli 2012, MAT A BY-14/1a, Bl.
41, 44 f.
1. Mai 2008. Als Mieter erscheint hier Matthias D. Dieser
überreichte dem BKA im Rahmen seiner Zeugenverneh-
mung einen Untermietvertrag, abgeschlossen mit Max-
Florian B. Vom 24. Januar 2003 bis 25. Januar 2005
erfolgten die Mietzinszahlungen vom Konto des Matthias
D. Auf diesem Konto erscheinen in dieser Zeit unregel-
mäßige Einzahlungen. Dieses Konto wurde auch für
Rückzahlungen hinsichtlich der Wohnungen Polenzstraße
2 und Frühlingsstraße 26 genutzt. Nach Januar 2005 wur-
de der Mietzins wieder durch Bareinzahlungen bei Ban-
ken für das Vermieterkonto beglichen.
2726
Seit dem Frühjahr 2008 wohnte das Trio in der Frühlings-
straße 26 in Zwickau. Der Mietvertrag über diese Woh-
nung sieht einen Mietbeginn für den 1. März 2008 vor.
Als Mieter ist in dem Mietvertrag wiederum D. eingetra-
gen. Auch hier bestand ein Untermietvertrag zwischen
Matthias D. und Max-Florian B. Das Trio nutzte diese
Wohnung den Ermittlungen des BKA zufolge bis zum
4. November 2011. An diesem Tag brannte das Haus ab.
Der Mietzins wurde durch Bareinzahlungen bei Banken
beglichen. Hinsichtlich dieser Bareinzahlungen erfolgte
eine Geldwäscheverdachtsanzeige der Deutschen Bank
vom 21. November 2011. Die Deutsche Bank wurde auf-
grund von Medienberichten auf das Trio aufmerksam und
überprüfte daraufhin das Vermieterkonto auf Bareinzah-
lungen.
2727
Zusammengefasst ergibt sich folgende Übersicht:
Zeitraum Adresse Mieter
26. Januar 1998 bis
ca. 9. Februar 1998
Chemnitz
Friedrich-Viertel-
Straße 85
Thomas Ro.
Februar 1998 bis
August/September
1998
Chemnitz
Limbacher Straße
96
Max-Florian B.
September 1998 bis
März 1999
Chemnitz
Altchemnitzer
Straße 12
Carsten R.
April 1999 bis
31. August 2000
Chemnitz
Wolgograder Allee
76
André Eminger
1. Juli 2000 bis
31. Mai 2001
Zwickau
Heisenbergstraße 6
„Max-Florian B.“
1. Mai 2001 bis
1. Mai 2008
Zwickau
Polenzstraße 2
Matthias D. bzw.
„Max-Florian B.“
1. März 2008 bis Zwickau Matthias D. bzw.
2726) Vermerk des BKA vom 14. Februar 2012, MAT A BY-14/1a,
Bl. 412 ff.
2727) Schreiben der Deutschen Bank vom 21. November 2011, MAT
A BY-14/1d, Bl. 477 ff.
Drucksache 17/14600 – 314 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. November 2011 Frühlingsstraße 26 „Max-Florian B.“
II. Maßnahmen des LKA Thüringen und ande-
rer Polizeibehörden bei der Suche nach
dem Trio
1. Rolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen
der Fahndung
Die Staatsanwaltschaft trägt gem. §§ 152, 160 StPO die
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmä-
ßigkeit, aber auch für die Gründlichkeit des Ermittlungs-
verfahrens.
2728
Da die Fahndung Teil des Ermittlungsver-
fahrens ist, gilt die Verantwortung auch für diesen Teil
des Verfahrens.
Das Schäfer-Gutachten führt im Hinblick auf die Zusam-
menarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft Gera und dem
LKA Thüringen aus:
„Die Zusammenarbeit zwischen dem TLKA und
der StA bei der Suche nach dem Trio wurde von
beiden Seiten positiv bewertet. Die von der Kom-
mission angehörten Staatsanwälte und die Beam-
ten des TLKA haben die Zusammenarbeit überein-
stimmend als gut bezeichnet.
Kritisch angemerkt wurde von einem Beamten der
StA lediglich, dass er mit der Aktenführung des
TLKA nicht einverstanden gewesen sei. Die Akten
seien in Teilen nicht zu durchblicken gewesen.
Auch der Informationsfluss zwischen der Ziel-
fahndung und der StA wurde überwiegend als po-
sitiv, zumindest aber als ausreichend bewertet.
Dies überrascht, da alle angehörten Staatsanwälte,
die in Thüringen gängige Praxis bestätigt haben,
dass Zielfahndungsakten der StA nicht vorgelegt
werden.
Einer der angehörten Beamten der Staatsanwalt-
schaft hat zur Begründung und Rechtfertigung die-
ser Praxis ausgeführt:
‚Zielfahndungsakten habe ich noch nie gesehen.
Bis heute nicht. Die Staatsanwaltschaft vertraut auf
die Ordentlichkeit der Arbeit der Zielfahndung. Es
wäre ansonsten zu viel Aufwand für uns, die kom-
plette Zielfahndungsarbeit begleiten zu müssen.‘
Diese Einschätzung ist falsch und die Praxis um-
gehend zu ändern. Selbstverständlich müssen
sämtliche Akten und Ermittlungsvorgänge der
Staatsanwaltschaft vorgelegt werden. […]
Bei den TKÜ-Maßnahmen hat sich die StA alle
Anregungen des TLKA auf Durchführung einer
TKÜ-Maßnahme zu eigen gemacht und entspre-
chende Anträge bei Gericht gestellt, obwohl nur
wenige der Anregungen ausreichend begründet
2728) Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 55. Aufl., vor § 141
GVG, Rn. 1.
und belegt waren. Erst im Oktober 2000 machten
StA und Gericht deutlich, dass die Genehmigung
weiterer TKÜ-Maßnahmen nur noch dann vertret-
bar sei, wenn sich neue konkrete Fahndungsansät-
ze ergäben.
Vom 04.02.1998 bis 02.11.2000 hat das TLKA
insgesamt 37 TKÜ-Maßnahmen angeregt, davon
sechs auf Verlängerung der Maßnahmen. Die An-
regungen waren nur soweit sie Anschlüsse des
Trios, deren Eltern und den Anschluss von Wohl-
leben betrafen, in sich schlüssig. Die übrigen An-
regungen stützten sich vornehmlich auf nicht näher
begründete Vermutungen, die von einer TKÜ-
Maßnahme Betroffenen hätten Kontakt zu den Be-
schuldigten. Woher die in den Anregungen des
TLKA dargestellten Erkenntnisse stammten, ist im
Wesentlichen nicht ersichtlich. In der Regel wurde
nur pauschal zusammengefasst: ‚es wurde be-
kannt’. Die kritiklose Übernahme der Anregungen
des TLKA überrascht umso mehr, als die StA in
die Fahndungsmaßnahmen der Zielfahndung nicht,
jedenfalls nicht ausreichend, eingebunden war.
Denn die Zielfahndungsakten lagen nicht vor.
Es ist geboten, mit den ermittelnden Beamten zu
erörtern, welche Maßnahmen der weiteren Aufklä-
rung des Sachverhalts und einer erfolgreichen
Fahndung dienen könnten, zum Beispiel ob eine
Auswertung der TKÜ-Maßnahmen und Observa-
tionen Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort der
Beschuldigten zulassen. Ob dies geschehen ist,
konnte nicht festgestellt werden. Dokumentiert
sind solche Informationen nicht. Es kann rückbli-
ckend nicht bewertet werden, ob sich die Nichtvor-
lage der Zielfahndungsakten im Ermittlungsver-
fahren gegen das Trio objektiv ausgewirkt hat.
Fest steht aber, gerade in einem derart brisanten
Verfahren, dass die StA während des Verfahrens
nicht vollumfänglich informiert war.“2729
Der damals zeitweise zuständige Staatsanwalt, der Zeuge
Schultz, hat zu diesem Vorwurf ausgesagt:
„Wir haben einiges in die Verantwortung der Poli-
zei, des Landeskriminalamtes, der Zielfahndung
gelegt, weil die ja die Fahndung durchgeführt ha-
ben. Wir waren ja da selber nicht beteiligt. Das
waren ja die Polizeibeamten, die das alles gemacht
haben und die das vor Ort gemacht haben. Deshalb
haben wir das mit denen selbstverständlich be-
sprochen. Wir haben aber zum Beispiel uns nicht
jedes Mal die ganzen sechs, acht Bände Akten vor-
legen lassen in so einem Falle, wie ich eben gesagt
habe: Wir schalten jetzt eine TÜ, oder wir haben
aus einer TÜ erfahren, dass es zu irgendeiner
Geldübergabe oder zu irgendeiner Observation
kommen soll. - Dann habe ich die strafprozessua-
len Maßnahmen getroffen bzw. habe die beim Ge-
richt beantragt. Und weil das sehr oft Eilmaßnah-
2729) MAT A TH-6, Bl. 236 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 315 – Drucksache 17/14600
men waren, habe ich mir natürlich nur den letzten
Band oder die letzten zwei Bände angeguckt und
nicht mehr den ersten Band bei Seite 1.
2730
„Selbstverständlich haben wir uns mit der Ziel-
fahndung abgestimmt. […] Man muss natürlich
aber auch sehen: Die Zielfahndung hatte auch
teilweise noch andere Fälle. Die waren personell
sehr gering besetzt, und sie konnten alle möglichen
Ermittlungen nicht entsprechend ausführen. Sie
waren nicht gut genug dazu besetzt.
Und auch bei uns ist es so: Ich hatte nicht nur die-
sen einen Fall. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt mo-
natlich vielleicht 40, 50 von diesen Fällen oder von
neuen Fällen. Ich habe auch Mordverfahren bear-
beitet, hatte im Jahr noch, was weiß ich, acht oder
zehn Morde. Man kann sich mit diesem einen Fall,
wo die drei jetzt verschwunden sind - - hat man
einfach nicht die Zeit, sich hinzusetzen. Es ist
nicht wie im Fernsehen, dass wir nur die eine Akte
haben. Wir können uns nicht ganz lange hinsetzen
und die ständig Seite für Seite durchblättern, bis
uns jetzt hier irgendwas auffällt. Dazu ist eine
Staatsanwaltschaft nicht gut genug besetzt, nicht
gut genug ausgerüstet. Das ist nicht möglich.“2731
Der Zeuge Wunderlich hat es als wesentlich erschwerend
bezeichnet, dass die Zielfahndung mit sechs verschiede-
nen Staasanwälten kommuniziert habe. Nach jedem Refe-
ratswechsel auf Seiten der Staatsanwaltschaft habe man
jedesmal von vorne beginnen müssen. Der jeweils zustän-
dige Staatsanwalt habe alle bisherigen Fahndungsschritte
ungesehen übernehmen müssen.
2732
Obwohl die Zielfahndung erhebliche Anstrengungen
unternahm, um das Trio zu finden, äußerte die Staatsan-
waltschaft Bedenken hinsichtlich der Beweislage: In
einem Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen
vom 5. Januar 2001 heißt es:
„Angemerkt sei an dieser Stelle der Einwand der
zuständigen Staatsanwaltschaft, welche zu beden-
ken gibt, dass die Beweislage in diesem Verfahren
äußerst gering und eine mögliche spätere Verurtei-
lung aller drei befragten Personen fraglich ist.“2733
2. Aufgabenverteilung innerhalb des LKA
Thüringen
a) Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung zwi-
schen Januar 1998 und August 2001
Die polizeilichen Ermittlungen im Hinblick auf die im
Stadtgebiet Jena aufgefundenen drei Koffer („Theater-
2730) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 34.
2731) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 37.
2732) Wunderlich, Protokoll-Nr. 49, S. 45.
2733) Auszug aus dem ZFK-Jahresbericht vom 5. Januar 2001, MAT
B TH-3, Dateiname: 4110-S-18-1997 TJM S.PDF, Bl. 75.
bombe“, „Stadionbombe“ und der Koffer am Nordfried-
hof), die die Durchsuchungsmaßnahmen am 26. Januar
1998 zur Folge hatten, wurden innerhalb des LKA Thü-
ringen durch die Ermittlungsgruppe Terroris-
mus/Extremismus (EG „TEX“) geführt, die seinerzeit
dem Dezernat 61 des LKA Thüringen, dem polizeilichen
Staatsschutz, zugeordnet war.
2734
Im Rahmen der Suche
nach dem Trio kam es darüber hinaus zum Tätigwerden
der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen.
aa) Grundsätzliche Aufgaben der Zielfahn-
dungsabteilung
Zielfahndungsabteilungen sind bei den Landeskriminal-
ämtern und beim Bundeskriminalamt eingerichtete Spezi-
alabteilungen, die für die intensive Fahndung nach beson-
ders gefährlichen Straftätern zuständig sind. Hierbei be-
dienen sich die in der Zielfahndung tätigen Polizeibeam-
ten in der Regel sämtlicher strafprozessualer Möglichkei-
ten zur Suche, wobei im vorliegenden Fall insbesondere
Telefonüberwachungsmaßnahmen (§ 100a StPO) zu nen-
nen sind. Die Zielfahndungsabteilungen sind hierbei von
den Ermittlungsabteilungen in den jeweiligen Landeskri-
minalämtern organisatorisch getrennt.
bb) Aufgabenteilung zwischen der Zielfahn-
dungsabteilung und der EG „TEX“
Nach Auswertung der Akten lässt sich erkennen, dass
auch während der Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung
bis August 2001 zahlreiche Fahndungsmaßnahmen durch
Beamte der EG „TEX“ durchgeführt wurden. Hierbei
handelt es sich insbesondere um die Fahndungsmaßnah-
men, die büromäßig durchgeführt werden konnten, wie
beispielsweise die Koordination der Öffentlichkeitsfahn-
dung, die Durchführung der Fahndungsausschreibungen,
etc. Andere Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die
Durchführung der Telekommunikationsüberwachungs-
maßnahmen sowie darüber hinaus die Fahndung „vor
Ort“ wurden hingegen durch die Zielfahndungsabteilung
durchgeführt. Im Rahmen der Darstellung einzelner
Fahndungsmaßnahmen wird erläutert, welche Stelle je-
weils tätig wurde.
Der in der Zielfahndung tätige Polizeibeamte Wunderlich
hat gegenüber dem Untersuchungsausschuss seine Rolle
als Zielfahnder und die Zusammenarbeit mit der EG
„TEX“ im Zusammenhang mit einer bestimmten Fahn-
dungsmaßnahme, die von ihm gemeinsam mit einer Be-
amtin der EG „TEX“ wahrgenommen wurde, wie folgt
beschrieben:
„Der Herr Dressler hatte diese Maßnahme initiiert,
war eigentlich auch mein Vorgesetzter, muss man
sagen, zu dem Zeitpunkt. Ich war ja ein Teil dieser
EG „TEX“ mit der Abklärung Operativmaßnah-
men.“2735
2734) Siehe hierzu bereits oben im Abschnitt B. III. 1. b).
2735) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 31.
Drucksache 17/14600 – 316 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Dressler hat als Leiter der EG „TEX“ die
Zusammenarbeit mit der Zielfahndungsabteilung folgen-
dermaßen beschrieben:
„Der normale Dienstbetrieb war so, dass wir natür-
lich der Fahndung all die Dinge gegeben haben,
die wir für fahndungsrelevant hielten, die für sie
sozusagen hilfreich waren. Im Gegenzug hat die
Fahndung an uns gegebenenfalls Anfragen gestellt,
wenn sie auf Informationen gestoßen sind, die sie
nicht einordnen konnten oder die anderweitig einer
Abklärung bedurften. Es gab hier bei uns die
Trennung, dass der operative Teil durch die Ziel-
fahndung komplett abgedeckt wird, und wir ma-
chen den administrativ-öffentlichen Teil, und so
sind wir an der Stelle auch verfahren.“2736
cc) Auslastung der Zielfahndungsabteilung
des LKA Thüringen während der Suche
nach dem Trio
Der Zeuge Wunderlich, der mit der Zielfahndung nach
dem Trio befasst war, hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss zu der Frage der allgemeinen Belastung der Ziel-
fahndungsabteilung des LKA Thüringen ausgeführt:
„Wir haben seit Bestehen unseres kleinen Kom-
mandos – Gründungsdatum 1994 – über 170
schwere Zielfahndungsfälle beenden können, auch
in verschiedenen Ländern. Unabhängig davon ha-
ben wir unterstützend für andere Dienststellen im
eigenen Land oder auch anderer Bundesländer
oder auch für Dienststellen im Ausland über 500
Personen lokalisiert und festnehmen lassen. […]
Wir haben seit Bestehen etwa 180, 181 Fälle über-
nommen. Davon sind 170 beendet. Das heißt also,
wir haben noch 11 offene Verfahren.“2737
Bezüglich des Zeitraums, innerhalb dessen die Zielfahn-
dungsabteilung mit der Suche nach dem Trio befasst war,
hat der Zeuge Wunderlich bekundet:
„Wir haben in dem Fahndungszeitraum nach den
drei Personen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
insgesamt weitere 47 Zielfahndungsanträge be-
kommen, wovon wir 45 auch mit Lokalisierung
und Festnahme lösen konnten. Hier handelte es
sich um Tötungsdelikte, Erpressungsdelikte, räu-
berische Delikte, also um richtig schwere Strafta-
ten mit angedrohten Freiheitsstrafen von fünf Jah-
ren und mehr, um bereits vorangegangene Delikte,
Personen mit mehreren Haftbefehlen und, wie ich
schon sagte, eine Vielzahl von Tötungsdelik-
ten.“2738
Insbesondere während der Suche nach dem sog. „Satans-
mörder Möbus“ zwischen Mitte 1999 und August 2000
2736) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 62.
2737) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 4.
2738) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 6.
sei die Suche nach dem Trio für mindestens zehn Monate
in den Hintergrund gerückt.
2739
dd) Versagung personeller Unterstützung der
Zielfahndungsabteilung
Vor dem Hintergrund nicht ausreichend vorhandener
Kenntnisse zur Struktur der rechtsextremen Szene war
von Seiten der Zielfahndung bereits in einem sehr frühen
Stadium der Suche darum gebeten worden, Beamte mit
Kenntnissen der rechtsextremen Szene innerhalb der
Zielfahndungsabteilung einzusetzen. Der Zeuge Wunder-
lich hat hierzu ausgeführt:
„Bereits von Anfang an - zum Zeitpunkt der Über-
nahme dieses Fahndungsfalles nach den drei Rech-
ten - waren wir personell eigentlich gar nicht in der
Lage, diesen Sachverhalt zu leisten. Es ist also im
Vorfeld bereits um die Zuführung von zwei Beam-
ten gebeten worden, wobei einer sogar namentlich
benannt wurde damals - der Kollege Melzer, der
wohl schon hier war -, weil er unseres Erachtens
da den meisten Hintergrund hatte in diesem Be-
reich. Diese Unterstützung ist abgelehnt wor-
den.“2740
Zum konkreten Ablauf hat Wunderlich bekundet:
„Also, die ganzen Gespräche in diese Richtung
wurden von dem Herrn I. geführt, der ja nun leider
verstorben ist, weil auch zwischen dem Herrn I.
und dem Herrn Melzer ein wesentlich noch besse-
res Verhältnis, als ich vielleicht mit ihm habe, be-
stand. Also, Herr I. hatte diesen Umstand angeregt.
Der ist auch dienstlich mehrmals vorangetrieben
worden, allerdings ergebnislos, und ein Austausch
mit dem Herrn Melzer hat insofern dann nicht un-
bedingt stattgefunden, weil er nicht zur EG ‚TEX‘,
glaube ich, gehörte zu dem Zeitpunkt. Ich glaube,
er war da schon Korruption oder woanders. […]
Nun bitte ich auch um Verständnis, dass natürlich
nicht jeder Polizist alles wissen muss. Und wer
eben nun mal nicht dazugehört, ist auch informativ
abgeschnitten. Aus heutiger Sicht muss ich sagen,
dass der damalige Dezernatsleiter, der Herr
Liphardt, vielleicht die Tragweite nicht verstanden
hat oder auch - - Ich kann es mir nicht anders er-
klären. Es ist auf jeden Fall mehrfach abgelehnt
worden. Es gab also viele Gespräche - die gingen
so über zwei, drei Wochen -, die der Herr I. ge-
führt hat, dann immer mit dem Ergebnis: Wir krie-
gen den Kollegen nicht. - Eigentlich waren ja zwei
avisiert, und Hintergrund war auch nicht, dass sie
fahndungsmäßig helfen, sondern dass sie uns in
dem Bereich Fahndungsansatz strukturell sagen,
wie die Szene draußen agiert und wie die funktio-
niert.“2741
2739) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.
2740) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 56.
2741) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 66 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 317 – Drucksache 17/14600
Der Zeuge Melzer hat in dieser Hinsicht bekundet:
„Des Weiteren hat sich das Zielfahndungskom-
mando Thüringen auch darum bemüht, dass ich
abgeordnet werde in dieses Zielfahndungskom-
mando, weil ich natürlich derjenige war, der die
am besten kannte. Also, ich hatte ja im Prinzip die
Vernehmung mit Böhnhardt gemacht, mit der
Zschäpe. Ich kannte eben - - Ich hatte den Bezug
zu den Hinweisgebern, auch wenn sie keine VPs
geworden sind, was ich ja sehr bedaure. Ich habe
ja trotzdem einen persönlichen Bezug gehabt. Ich
hätte die Leute auch wieder irgendwie animieren
können, mir irgendwelche Hinweise zu geben. Ich
kannte das gesamte Spektrum der rechten Szene.
Es war nicht möglich, dass ich dort eingesetzt
wurde. Es wurde verhindert damals seitens des
Kollegen Liphardt vom Staatsschutz und vom Kol-
legen Werner, obwohl sich der Jürgen I., ich glau-
be, mehrere Wochen darum bemüht hat. Das war
halt wirklich nicht möglich. Es wurde abgelehnt,
und das war es.“2742
Im Hinblick auf den Hintergrund der möglichen Ableh-
nung der Tätigkeit von KHM Melzer bei der Zielfahndung
hat der Zeuge Luthardt, damals kommissarischer Leiter
des LKA Thüringen, bekundet:
„Ich weiß nur, dass im Kollegenkreis, also im Füh-
rungskreis, Herr Melzer keinen guten Namen hat
im LKA. […] Er wird als der Zauberlehrling, der
aus dem Bauch alles herauszaubert und dann Luft-
blasen erzeugt - - So wird er eingeschätzt. Ich
könnte mir vorstellen, dass dann jemand in der
Hierarchieebene gesagt hat: Wir brauchen Leute,
auf die man sich verlassen kann, die funktionie-
ren.“2743
b) Formale Beauftragung der Zielfahndungs-
abteilung nach dem 26. Januar 1998?
aa) Beauftragung der Zielfahndungsabteilung
mit der Suche nach dem Trio am 29. Janu-
ar 1998
Zu unterscheiden ist zwischen der Beauftragung der Ziel-
fahndungsabteilung bei der Suche nach dem Trio einer-
seits und dem Vorliegen eines sog. Zielfahndungsantrags
andererseits.
Die Beauftragung der Zielfahndungsabteilung erfolgte
aufgrund einer Weisung von PD Luthardt.
2744
Im Gutachten der Schäfer-Kommission wird zu dieser
Frage im Abschnitt „Maßnahmen und Ergebnisse des
TLKA“ unter Hinweis auf den 29. Januar 1998 wie folgt
ausgeführt:
2742) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 87.
2743) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 106.
2744) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 90.
„Am gleichen Tag übernahm die Zielfahndung des
TLKA auf Weisung des Behördenleiters die Fahn-
dungsmaßnahmen.“2745
Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Luthardt
zur Frage der Beauftragung der Zielfahndungsabteilung
bekundet:
„Ich habe dann - das ist auch meine persönliche
Verantwortung - eine Zielfahndung angeord-
net.“2746
Im weiteren Verlauf der Befragung hat der Zeuge
Luthardt dargelegt, dass es – er denke, Ende Januar 1998
– eine schriftliche Weisung an den Leiter der Abteilung 1
im LKA Thüringen, zu der seinerzeit auch die Zielfahn-
dungsabteilung gehörte, bzgl. der Einleitung einer Ziel-
fahndung gegeben habe.
2747
Der Leiter der Abteilung 1
habe diese Weisung dann umgesetzt, so etwas erfolge
dann jedoch mündlich. Die entsprechenden Papiere seien
dazu nicht mehr vorhanden.
Der Zeuge Wunderlich, der seinerzeit in der Zielfahn-
dungsabteilung des LKA tätig war und später sogar Leiter
der Zielfahndungsabteilung wurde, hat hierzu vor dem
Untersuchungsausschuss bekundet:
„Ich habe im Zuge meiner Tätigkeit als Zielfahn-
der am 29.01.98 den Auftrag erhalten, die drei Per-
sonen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe zu suchen,
das heißt also, zu lokalisieren, zu identifizieren,
gegebenenfalls festzunehmen.“ 2748
In den Akten enthalten ist bzgl. des Beginns der Tätigkeit
der Zielfahndungsabteilung lediglich ein kurzer Vermerk
des Leiters der EG „TEX“, KHK Dressler, vom 2. Febru-
ar 1998, in dem es hierzu heißt:
„Am heutigen Tage wurden Absprachen mit Herrn
Deterding, Wunderlich und Liphardt getroffen.
Dementsprechend übernimmt das Dez. 12
2749
die
weiteren Fahndungsmaßnahmen.“2750
bb) Vorliegen eines Zielfahndungsantrags?
aaa) Notwendigkeit eines Zielfahndungsantrags
Inwiefern im Jahr 1998 für die Tätigkeit der Zielfahn-
dungsabteilung des LKA Thüringen eine wie auch immer
geartete förmliche oder nicht förmliche, mündliche oder
schriftliche Weisung bzw. ein Zielfahndungsantrag der
Leitungsebene des LKA Thüringen oder der zuständigen
Staatsanwaltschaft überhaupt erforderlich war, ist von den
2745) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 89, Rn. 150.
2746) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 90.
2747) Hierzu und im Folgenden: Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 93 f.
2748) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 2.
2749) Dezernat 12 war zu diesem Zeitpunkt die Zielfahndungsabtei-
lung des LKA Thüringen.
2750) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 2. Februar 1998, MAT
A TH-1/3, Bl. 179.
Drucksache 17/14600 – 318 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hierzu vernommenen Zeugen nicht eindeutig beantwortet
worden.
Die Strafprozessordnung sieht in dieser Hinsicht keine
besonderen Förmlichkeiten wie etwa einen Zielfahn-
dungsantrag der Staatsanwaltschaft oder der Leitungsebe-
ne für die Durchführung von Zielfahndungsmaßnahmen
vor. Eine Notwendigkeit kann sich jedoch aus polizeiin-
ternen Vorschriften ergeben.
Der Zeuge Wunderlich hat das Fehlen eines Zielfahn-
dungsantrags der Staatsanwaltschaft und das Nichtvorlie-
gen eines sog. Einleitungs-Fernschreibens bzgl. der Ziel-
fahndung in seiner Aussage vor dem Untersuchungsaus-
schuss thematisiert. Auch in einem Aktenvermerk aus
dem Oktober 2000 wird das Fehlen eines Zielfahndungs-
antrags und eines Einleitungs-Fernschreibens erwähnt.
bbb) Nichtvorliegen eines Zielfahndungsantrags
Im Ergebnis ist nicht ersichtlich, dass ein Zielfahndungs-
antrag gestellt wurde und die Zielfahndung als solche
mithin eingeleitet wurde.
In einem Vermerk von KHK Wunderlich vom 19. Okto-
ber 2003 ging dieser bereits auf den fehlenden Zielfahn-
dungsantrag ein. Wunderlich war zu diesem Zeitpunkt
nach dem Ausscheiden seines Vorgängers KHK I. Leiter
der Zielfahndungsabteilung. Wunderlich führte aus:
„Das Zielfahndungskommando des TLKA war im
Zeitraum vom 29.01.1998 bis 22.08.2001 in unter-
schiedlicher personeller Stärke sowie mit mehreren
Unterbrechungen im Fahndungszeitraum im Ab-
schnitt Ermittlung/Fahndung für die Abteilung 6
eingesetzt. Für die Fahndung nach den drei mut-
maßlichen Tätern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
und Beate Zschäpe bestand Haftbefehl wegen des
Verdachtes der Vorbereitung eines Sprengstoff-
oder Strahlungsverbrechens. Für die Fahndungs-
maßnahmen bestand kein Zielfahndungsantrag.
Die Beamten der Zielfahndung wurden lediglich
zur Ermittlung und Abarbeitung von Fahndungs-
ansätzen eingesetzt.“2751
Auch im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Untersu-
chungsausschuss ist Wunderlich auf diesen Aspekt einge-
gangen:
„Zielfahndung war es durch Auftragslage meines
Abteilungsleiters in Form der Festlegung meines
damaligen Behördenleiters. Jedoch muss ich hin-
zufügen, dass durch die Staatsanwaltschaft, die zu-
ständige Staatsanwaltschaft Gera, zum damaligen
Zeitpunkt kein originärer Zielfahndungsantrag ge-
stellt wurde. Der Grund hierfür lag auch laut Be-
gründung der Staatsanwaltschaft in der dünnen
2751) Vermerk des LKA Thüringen vom 9. Oktober 2003 zur Sitzung
des Innenausschusses Thüringen am 23. Oktober 2003, Verfas-
ser Wunderlich, MAT A TH-1/24, Bl. 166.
Beweislage und im wahrscheinlich geringen
Strafmaß.“ 2752
Auch ein Einleitungs-Fernschreiben habe es nach der
Aussage des Zeugen Wunderlich nicht gegeben. Wunder-
lich hat hierzu bekundet:
„Was hier ganz interessant ist, vielleicht den Sach-
verhalt etwas klärt: Eine Zielfahndung wird bun-
desweit immer mit Fernschreiben eingeleitet. Also,
sie wird bundesweit allen Dienststellen mitgeteilt.
[…] So ein Fernschreiben hat es einfach nie gege-
ben.“2753
Nach der Aktenlage wird die Frage des fehlenden Ziel-
fahndungsantrags erstmals Anfang Oktober 2000 proble-
matisiert. In den Akten befindet sich hierzu ein Vermerk
von KOR Liphardt vom 6. Oktober 2000, in dem es unter
anderem heißt:
„Wie durch KOR Schmidt am heutigen Tag mitge-
teilt wurde, hat der Behördenleiter entschieden,
nach den flüchtigen Tatverdächtigen Mundlos,
Böhnhardt und Zschäpe (weitere Personalien be-
kannt) eine Zielfahndung einzuleiten.“2754
Auf dem Vermerk befindet sich unter dem maschinenge-
schriebenen Text ein handschriftlicher Zusatz, in dem es
heißt:
„Hallo Peter,
zu diesem Papier gab es nachträglich Diskussio-
nen. Die Info erhielt ich vom AL 1
2755
. Später stell-
te sich heraus, dass sie aber in Bezug auf eine Ent-
scheidung des BL
2756
nicht so fest war, sondern der
BL lediglich einen Antrag durch das D 61
2757
an-
geregt hatte. Ggf. sei die StA mit ins Boot zu neh-
men. Ich habe Wolfgang noch einmal informiert.
Hintergrund ist die Reise der Zielfahnder in der
nächsten Woche nach Sachsen. Dazu will man ei-
ne saubere Rechtsgrundlage haben. Wir hätten
noch bis Mo.-Mittag Zeit. (Unterschrift unleser-
lich)“2758
Laut dem Zeugen Wunderlich könnte es sich bei dem
Verfasser des handschriftlichen Zusatzes möglicherweise
um den damaligen Abteilungsleiter der Abteilung 1 des
LKA, KOR Schmidt, handeln.
2759
Im oberen Teil des Dokuments findet sich darüber hinaus
eine handschriftliche Verfügung, offensichtlich vom
2752) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 3.
2753) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 77.
2754) Vermerk von KOR Liphardt vom 6. Oktober 2000, MAT A
TH-1/24, Bl. 64.
2755) „AL 1“ bedeutet wahrscheinlich: Abteilungsleiter 1.
2756) „BL“ bedeutet wahrscheinlich: Behördenleiter.
2757) Dezernat 61 war seinerzeit das Staatsschutzdezernat, zu dem
auch die EG „TEX“ gehörte.
2758) Handschriftlicher Zusatz auf dem Vermerk von KOR Liphardt
vom 6. Oktober 2000, MAT A TH-1/24, Bl. 64.
2759) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 84.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 319 – Drucksache 17/14600
11. Oktober 2000, überschrieben mit DL 61,
2760
in der es
heißt:
„DL 61 Durch den AL 1 wird ein Eröffnungsak-
tenvermerk für den in der Zielfahndung vorhande-
nen Vorgang gefertigt, welchen ich, rückwirkend
datiert, unterschreibe. Ein EröffnungsFS in der
BRD erfolgt nicht mehr. (Unterschrift unleserlich),
11/10“
Der Zeuge Luthardt hat in seiner Vernehmung nicht dar-
legen können, wie der Vermerk zu verstehen ist.
2761
ccc) Möglicher Hintergrund des Nichtvorliegens
eines Zielfahndungsantrags
Der Zeuge Wunderlich hat bzgl. eines möglichen Hinter-
grundes für die unterbliebene Stellung eines Zielfahn-
dungsantrags auf eine Rücksprache und entsprechende
Empfehlung des BKA hingewiesen:
„Wir haben im BKA nachgefragt, ob es sinnvoll
wäre, nach diesen Personen aufgrund des Modus
Operandi bzw. der ihnen zur Last gelegten Straftat
eine Zielfahndung einzuleiten. Der Hinweis war
der, den wir damals auch so verstanden haben: Es
ist ja lediglich eine USBV
2762
aufgefunden wor-
den, die auch nicht ganz klar einer Person zuge-
ordnet werden konnte, und es hat keine Schäden
im Vorfeld gegeben. Das heißt, es gab keinen Ein-
satz von sprengähnlichen Gegenständen, es ist also
kein wirtschaftlicher und auch kein Personenscha-
den entstanden. Somit hatte man uns empfohlen -
ich war damals übrigens nicht der Verantwortliche
im Bereich Zielfahndung - - Mein damaliger Leiter
hat in Rücksprache mit dem BKA entschieden,
diese Fahndungsmaßnahmen unterstützend zu füh-
ren.“2763
ddd) Mögliche Folgen des Nichtvorliegens eines
Zielfahndungsantrags
Der Zeuge Wunderlich hat zu der Frage, welche Folgen
das Nichtvorliegen des Zielfahndungsantrags hatte, wie
folgt ausgeführt:
„Wir haben unterteilt in ‚Zielfahndung’ und „un-
terstützende Fahndungsfälle“. Die Suche nach den
drei Rechten war für uns ein unterstützender Fahn-
dungsfall, weil wir keinen Auftrag von einer
Staatsanwaltschaft hatten. […] Wir haben unsere
eigene Dienststelle unterstützt, die Abteilung, die
mit der Durchsuchung beauftragt war, als auch
dann die Ermittlungsgruppe „TEX“, die im Prinzip
unser Know-how dafür benutzt hat, diese Personen
2760) Seinerzeit war KHK Dressler Leiter des Dezernats 61 (EG
„TEX“).
2761) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 119.
2762) USBV = Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung.
2763) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.
zu lokalisieren und festzunehmen. Wir waren ver-
antwortlich für die Fahndungsmaßnahmen. Wir
haben die Fahndungsmaßnahmen auch genauso
betrieben wie in einem Zielfahndungsfall. Da gibt
es eigentlich keine Abstriche.“2764
Als möglichen Unterschied hat der Zeuge Wunderlich
ausgeführt, dass Ermittlungsmaßnahmen im Ausland
leichter gewesen wären:
„Geändert hätte sich der Umstand, dass Auslands-
überprüfungen einfacher gewesen wären, weil wir
einen Zielfahndungsfall gehabt hätten, der im
BKA registriert ist. Ja, und die Sache wäre einfach
sauberer gewesen, muss ich jetzt mal sagen.“2765
Einschränkend hat der Zeuge Wunderlich bzgl. des Unter-
schiedes zu einem Zielfahndungsfall weiter ausgeführt:
„Das heißt, dass wir genauso arbeiten, wie wenn es
ein Zielfahndungsfall wäre. Der einzige Unter-
schied besteht darin, dass bei originären schweren
Zielfahndungsfällen dieser Sachverhalt dann viel-
leicht in die zweite Reihe rückt.“2766
Die Fahndung nach dem Trio sei in den Hintergrund ge-
treten, als die Zielfahndungsabteilung den Auftrag be-
kommen habe, die Fahndung nach dem „Satansmörder
Möbus“ durchzuführen. Hierzu hat Wunderlich ausge-
führt:
„Ich kann ein gutes Beispiel bringen, nämlich den
Satansmörder Möbus; in Thüringen war das eine
sehr bekannte Geschichte. Wir haben auch hier
den Auftrag bekommen, den Herrn Möbus zielge-
richtet und schnellstmöglich zu bekommen. In die-
sem Zusammenhang hat das die Fahndungsmaß-
nahmen nach den drei Rechten, kann man sagen,
für mindestens zehn Monate eingeschränkt, wenn
nicht sogar gestört.“2767
Allerdings, so Wunderlich weiter, wäre unter Umständen
auch in dem Fall, in dem die Suche nach dem Trio ein
originärer Zielfahndungsfall gewesen wäre, eine
Priorisierung möglich gewesen:
„Er wäre dann auch ein Zielfahndungsfall unter
vielen gewesen. Aber ich bitte um Verständnis:
Wenn wir ein Tötungsdelikt haben oder jemand als
Mörder rumsaust, wo eben weitere Straftaten be-
gangen werden können, dass da natürlich wir uns
zu dritt irgendwie auch - - Wir müssen uns arran-
gieren mit den Fällen. Das ist - - Wir sind perso-
nell im Prinzip sowieso - ohne den Fall mit den
drei Rechten - unterbesetzt gewesen, und die drei
Rechten haben wir zusätzlich auch noch mit bear-
beitet. Ich versuche, es mal so darzustellen.“2768
2764) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 4 f.
2765) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 47.
2766) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.
2767) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.
2768) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 47.
Drucksache 17/14600 – 320 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Beendigung der Tätigkeit der Zielfahn-
dungsabteilung im August 2001
Im August 2001 endete die Tätigkeit der Zielfahndungs-
abteilung im Rahmen der Suche nach dem Trio. In einem
Vermerk vom 22. August 2001 ist dargestellt, dass an
diesem Tage die Zielfahndungsunterlagen (insgesamt
sieben Aktenordner) an die EG „TEX“ übergeben wur-
den.
2769
In dem durch KHK Wunderlich erstellten
Übergabevermerk heißt es:
„Die Fahndung […] ist durch den Sachbereich
Zielfahndung personell und logistisch nicht zu rea-
lisieren, da hierfür ein Ermittlungsbereich für das
rechtsextreme Spektrum erforderlich ist.
Die bestehenden Haftbefehle rechtfertigen nicht
die Einleitung einer Zielfahndung. Zur Lokalisie-
rung und möglichen Festnahme ist eine vorausge-
hende Strukturermittlung notwendig.
Ergänzend sei bemerkt, dass in den Ermittlungen
der Zielfahndung festgestellt wurde, dass durch
das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz
parallel Ermittlungs- und Observationsmaßnahmen
durchgeführt wurden.“2770
Ab August 2001 war die EG „TEX“ alleine für die Suche
nach dem Trio zuständig.
3. Fahndungsmaßnahmen unmittelbar nach
dem Abtauchen des Trios im Frühjahr 1998
a) Weitere Durchsuchungen am 26. Januar
1998
Wie bereits dargestellt wurde
2771
, wurden im Anschluss
an die Durchsuchung der Garagen am 26. Januar 1998 auf
Anordnung von Staatsanwalt Sbick die Wohnungen von
Zschäpe, Mundlos und das Zimmer von Böhnhardt durch-
sucht. Neben der Suche nach weiteren Beweismitteln
dienten diese Durchsuchungsmaßnahmen auch dem Auf-
finden von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.
b) Absuche weiterer bekannter Anlaufstellen
des Trios
Am 30. und 31. Januar 1998 wurden durch die EG „TEX“
die dort bekannten Anschriften von Mitgliedern der
rechtsextremistischen Szene in Jena, Saalfeld und Rudol-
stadt aufgesucht und überprüft.
2772
Mit eingebunden wur-
den ebenfalls die Polizeidirektion in Coburg und die Poli-
zei in Hannover zur Überprüfung der Anschriften von
Tino Brandt und Holger Gerlach. Auch nach den PKWs
2769) Übergabevermerk vom 22. August 2001, MAT A TH-1/24, Bl.
85.
2770) Übergabevermerk vom 22. August 2001, MAT A TH-1/24, Bl.
85.
2771) Vgl. hierzu oben Abschnitt B. V. 5. e).
2772) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk von KHK Dressler
vom 3. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 77.
von Böhnhardt und Mundlos wurde Ausschau gehalten,
wobei ermittelt wurde, dass der PKW von Böhnhardt vor
dessen Wohnung abgestellt war.
c) Fernsehsendung Kripo Live am 22. Febru-
ar 1998
Bereits knapp vier Wochen nach dem Untertauchen des
Trios am 26. Januar 1998 wurden in der MDR-
Fernsehsendung Kripo Live am 22. Februar 1998 um
19.50 Uhr Fahndungsersuchen nach den drei flüchtigen
Personen ausgestrahlt.
2773
Die Sendung wurde mehrmals,
unter anderem auch im Sender Freies Berlin, wiederholt.
Im Anschluss hieran gingen zahlreiche Hinweise aus der
Bevölkerung bzgl. des Aufenthalts des Trios ein. In einem
Vermerk mit Stand 3. März 1998 werden insgesamt 28
Einzelhinweise aufgezählt.
2774
Keiner der Hinweise führte
zur Ergreifung des Trios.
Exemplarisch seien hier die folgenden Hinweise genannt:
aa) Hinweis auf Zimmer von Uwe Mundlos in
Ilmenau
Der erste Hinweis, der bereits 15 Minuten nach Ausstrah-
lung des Fahndungsaufrufs einging, betraf das Zimmer
von Uwe Mundlos in einem Wohnheim in Ilmenau. Ein
Anrufer teilte mit, dass Uwe Mundlos bereits seit einein-
halb Jahren ein Zimmer im Wohnheim des „Ilmenau
Colleg“ besitze, welches er auch besuche. Noch am sel-
ben Abend zwischen 23 Uhr und 23.50 Uhr erfolgte die
Durchsuchung dieses Zimmers durch die Beamten der
Zielfahndung Harzer, I. und Wunderlich.
2775
Auf die
Beamten wirkte das Zimmer so, als sei es fluchtartig
verlassen worden.
Im Internatszimmer waren mehrere unbekannte Anschrif-
ten aufgefunden worden. Die am 22. Februar 1998 in
diesem Zusammenhang durchgeführte Überprüfung einer
Person im Raum Kahla verlief ohne Ergebnis.
2776
bb) Hinweis auf D. F. aus Nürnberg
Am 23. Februar 1998 meldete sich eine Frau K. und teilte
mit, dass ihr Beate Zschäpe persönlich bekannt sei. Sie
wies darauf hin, dass Beate Zschäpe im Okto-
ber/November 1997 mit einem D. F.
2777
aus Nürnberg
befreundet gewesen sei und sich möglicherweise dort
2773) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des LKA Thüringen,
KHK Dressler, vom 3. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 241.
2774) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live und
Fahndungsmaßnahmen in Printmedien, Stand 3. März 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff.
2775) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungsbericht von KHK
Harzer vom 23. Februar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 255.
2776) Vermerk von KOK Wunderlich vom 24. Februar 1998, MAT A
TH-1/3, Bl. 285.
2777) D. F. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs zu
diesem Abschnitt Stellung genommen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 321 – Drucksache 17/14600
aufhalten könnte.
2778
Eine weitere Abklärung dieses Hin-
weises ist aus den Akten nicht zu entnehmen. Auch die
Schäfer-Kommission hat moniert, dass diesem Hinweis
nicht nachgegangen wurde.
2779
Im Rahmen der durch den Generalbundesanwalt nach
dem 4. November 2011 geführten Ermittlungen wurde D.
F. zu Kontakten zum Trio befragt.
2780
Er gab an, dass er
über drei bis fünf Wochen mit Beate Zschäpe eine Bezie-
hung geführt habe. Er habe sie im Winzererclub in Jena
kennengelernt, ebenso wie Böhnhardt und Mundlos. Nach
dem Abtauchen habe er keinen Kontakt mehr zu dem Trio
gehabt.
D. F. ist (über seine Schwester) mit Ralf Wohlleben ver-
schwägert
2781
und war von 1995 bis August 1998 in
Nürnberg wohnhaft.
2782
Vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007 war
D. F. Pächter eines Lokals in Oberweißbach, dem Ort, aus
dem auch Michèle Kiesewetter stammte.
2783
cc) Hinweis auf Besuche in der JVA Waldheim
Ebenfalls am 23. Februar 1998 meldete sich unter Bezug-
nahme auf die Kripo Live-Sendung der Leiter der Justiz-
vollzugsanstalt Waldheim/Sachsen und teilte unter Nen-
nung konkreter Besuchsdaten mit, dass ein Bediensteter
ihn darauf hingewiesen habe, dass Mundlos, Zschäpe und
Kay Norman S. im Jahr 1997 mehrmals Thorsten S. in der
Justizvollzugsanstalt besucht hatten.
2784
Hinweise auf Kontakte zu Thorsten S. während dessen
Haft in der JVA Waldheim waren auch bei der Durchsu-
chung der Garage aufgefunden worden.
2785
dd) Hinweis auf die Gaststätte Zum Höller in
Gera
Am 26. Februar 1998 gegen 14.48 Uhr meldete sich ano-
nym eine männliche Person und teilte mit, dass er die
gesuchten Personen, insbesondere Mundlos gemeinsam
mit weiteren Personen, darunter eine Frau, seit mehreren
Tagen in der Gaststätte Zum Höller in Gera gesehen ha-
2778) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live und
Fahndungsmaßnahmen in Printmedien, Stand 3. März 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (245).
2779) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 112, Rn. 192.
2780) Vernehmungsprotokoll D. F., MAT A BY-14/1c, Bl. 363 ff.
(370 f.).
2781) Sachakten des Generalbundesanwalts, Erkenntnisse zu D. F.,
MAT A BY-14/1b, Bl. 40 ff. (47).
2782) Sachakten des Generalbundesanwalts, Erkenntnisse zu D. F.,
MAT A BY-14/1b, Bl. 40 ff. (44).
2783) Sachakten des Generalbundesanwalts, Erkenntnisse zu D. F.,
MAT A BY-14/1b, Bl. 40 ff. (45).
2784) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand
3. März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (245).
2785) Vgl. hierzu noch unten Abschnitt E. II. 6.
be.
2786
Eine Überprüfung dieses Hinweises ist nicht ak-
tenkundig.
ee) Hinweis auf die Nutzung des PKW von Ralf
Wohlleben durch das Trio
In den Akten ist zudem ein auf den 4. April 1998 datier-
tes, mit der Ortsangabe Jena versehenes Faxschreiben
enthalten, welche in der Faxleiste die Datumsangabe
03/05/98 enthält. Das Schreiben als solches ist nicht un-
terzeichnet und an Herrn Dreßler, Soko „REX“, gerichtet.
In dem Schreiben wird Folgendes mitgeteilt:
„Sehr geehrter Herr Dreßler,
nach dem Hinweis vom 22.2. im Anschluss an die
Sendung Kripo Live (die Zeugin der Hausdurchsu-
chung von 26.1.98 in der Leipziger-Str. in Jena
und gleichzeitige Kontaktperson der ‚Bombenbast-
ler‘ betreffend), möchten wir Ihnen heute mittei-
len, dass Herr Ralf Wohlleben und seine Freundin
in engem Kontakt mit den ‚sogenannten Bomben-
bastlern‘ stehen. Insbesondere wurde der PKW
von Herrn Wohlleben (ein weißer Peugeot 205 XS)
mit großer Wahrscheinlichkeit bis vor wenigen
Tagen von den oben erwähnten Personen genutzt.
Seit ungefähr zwei Tagen steht das Fahrzeug ohne
Kennzeichen wieder hinter dem Haus Prüssing-Str.
11/Jena-Göschwitz, in dem Herr Wohlleben mit
seiner Freundin lebt.“2787
Handschriftlich ist auf dem Schreiben Folgendes hinzuge-
fügt:
„Fax d. Herrn Mundlos, meldet sich am 5.3.98,
9.20 nochmals telef. und wiederholte die o. g. An-
gabe. Info an die Zielfahndung (Paraphe) Herrn
Deterding 5.3.98 / 11.00
R – AL 3 wegen MEK, nicht 14 T. nicht möglich,
Info DL 61 (Paraphe)“
Weitere Maßnahmen in Bezug auf den PKW erfolgten
nicht, allerdings wurden die Eltern von Uwe Mundlos am
6. März 1998 durch Mitarbeiter der Zielfahndungsabtei-
lung aufgesucht, wobei auch Angaben zum PKW gemacht
wurden.
2788
Am Abend des 22. Februar 1998 hatte sich
der Vater von Uwe Mundlos im Anschluss an die Aus-
strahlung der Kripo Live-Sendung zweimal telefonisch bei
der Polizei gemeldet.
2789
Hierbei hatte er sich über die
bisherigen Maßnahmen der Polizei beschwert und ange-
kündigt, in der Folgewoche in anwaltlicher Begleitung bei
der Polizei zu erscheinen. Zudem erkundigte er sich nach
der Telefonnummer des Präsidenten des LKA.
2786) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand
3. März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (247).
2787) Hierzu und im Folgenden: Fax-Anschreiben, datiert auf den
4. April 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 297.
2788) Siehe hierzu unten unter E. II. 7. a) und b).
2789) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand 3.
März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (243 f.).
Drucksache 17/14600 – 322 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ff) Kurzobservationen aufgrund von Hinwei-
sen aus der Bevölkerung
Am 26. Februar 1998 fand zwischen 9.30 Uhr und 11.30
Uhr eine Observation im Bereich Johannesstra-
ße/Johannestor/Wagnergasse im Bereich eines dort be-
findlichen Verkaufsladens statt.
2790
Bereits am
25. Februar 1998 war zwischen 15 und 16 Uhr aufgrund
eines Hinweises einer Bürgerin eine Observationsmaß-
nahme im Bereich des Cafés Junkersand erfolgt. Beide
Maßnahmen wurden durch die Zielfahndungsabteilung
des LKA Thüringen durchgeführt.
Am 7. März 1998 erfolgte aus einer Telefonzelle in Jena-
Lobeda ein anonymer Hinweis darauf, dass sich Mundlos
und Böhnhardt auf einem Konzert im Kulturhaus Zum
Bären in Jena-Lobeda aufhalten sollen.
2791
Eine durch die
EG „TEX“ im LKA sofort durchgeführte Überprüfung
und kurze Observation verliefen ergebnislos.
d) Aufsuchen von Familienangehörigen
aa) 22. Februar 1998 – Großmutter von Beate
Zschäpe
Am 22. Februar 1998 wurde in Jena die Großmutter von
Beate Zschäpe, Frau A., durch Beamte der Zielfahndung
aufgesucht. Diese gab, ebenso wie die zufällig in der
Wohnung anwesende Mutter von Beate Zschäpe, an,
Beate Zschäpe seit dem 26. Januar 1998 nicht mehr gese-
hen zu haben.
2792
bb) 26. Februar 1998 – Mutter von Uwe
Böhnhardt
Am 26. Februar 1998 wurde die Mutter von Uwe
Böhnhardt durch die Beamten I. und Wunderlich von der
Zielfahndungsabteilung aufgesucht und zum Aufenthalt
ihres Sohnes befragt. Sie gab ebenfalls an, ihren Sohn seit
dem 26. Januar 1998 nicht mehr gesehen zu haben und
keine Angaben zum Aufenthaltsort machen zu können.
cc) 18. März 1998 – Großmutter von Beate
Zschäpe
aaa) Vermerk vom 19. März 1998 über das Tref-
fen
Am 18. März 1998 wurde durch die Beamten Wunderlich
und D. (Zielfahndung der EG „TEX“) erneut die Groß-
mutter von Beate Zschäpe in Jena aufgesucht, die jedoch
in ihrer Wohnung nicht angetroffen werden konnte.
2793
2790) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK Schirmacher vom
27. Februar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 288.
2791) Hierzu und im Folgenden: Vermerk der EG „TEX“ vom
8. März 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 303.
2792) Vermerk von KOK Wunderlich vom 24. Februar 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 285.
2793) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 315 f.
Eine Nachbarin, Frau H., erklärte, dass sie die Großmutter
von Beate Zschäpe sehr gut kenne und dass die Großmut-
ter den Aufenthaltsort von Beate Zschäpe nicht kenne. In
dem Vermerk heißt es weiter:
„Weiterhin sagte sie, dass das Verhältnis zwischen
Zschäpe, Beate und ihrem Cousin, dem [A.], Ste-
fan, […] ein sehr inniges war und wenn jemand
etwas wüsste, dann er, wobei sie nicht glaubt, dass
er den Aufenthaltsort kennt.
[…]
Auf eine Befragung […] des [A.], Stefan wurde
derzeit aufgrund entsprechender Umstände ver-
zichtet.“2794
bbb) Bitte des LfV Thüringen, nicht an Stefan A.
heranzutreten
In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
hat der Beamte der Zielfahndung, Wunderlich, berichtet,
dass man auf eine Befragung des Stefan A. trotz dieses
Hinweises bewusst verzichtet habe. Hintergrund sei eine
generelle Bitte des LfV Thüringen gewesen, nicht an
Rechtsradikale heranzutreten, um in der Szene keine
Unruhe zu stiften. Wunderlich hat hierzu bekundet:
„Andererseits möchte ich aber noch mal auf den
Hinweis verweisen, dass das LfV Thüringen uns
gebeten hat, im rechtsradikalen Milieu nicht Unru-
he zu machen. Sie hätten das wohl im Griff. […]
Ich hatte keine Erfahrungswerte mit der Zusam-
menarbeit eines Landesamtes für Verfassungs-
schutz - egal, welches Bundeslandes - oder über-
haupt mit Nachrichtendiensten. Wenn der Ein-
druck erweckt wird - ich will es mal ganz vorsich-
tig sagen -, dass man gemeinsam an einem Strang
zieht, um die drei Rechten zeitnah zu bekommen,
und man eine sogenannte Aufgabenteilung be-
spricht: ‚Also die normalen, personenbezogenen
behördlichen Fahndungsmaßnahmen oder auch
operativen Maßnahmen durch uns, aber in dem
rechtsradikalen Spektrum - da sind wir gut dabei -
lasst uns das mal machen, bringt da keine Unruhe
rein’, dann habe ich mich an diese Absprache ge-
halten.“
Zu einem möglichen Ansprechen des Stefan A. hat der
Zeuge Wunderlich bekundet:
„Die Maßnahmen haben wir abgestimmt, und wie
ich Ihnen vorhin schon sagte, wurden wir gebeten,
das Ansprechen nicht unbedingt zu machen.“2795
Auf die Frage, ob diese Bitte in Bezug auf Stefan A. ge-
äußert worden sei, hat Wunderlich bekundet:
„Ja, soweit ich mich erinnere, ist das so gewesen,
insgesamt, was Rechtsradikale betraf.“2796
2794) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 315 f.
(316).
2795) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 35.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 323 – Drucksache 17/14600
e) Telefonüberwachungsmaßnahmen
In den Akten ist eine Übersicht über die im Jahr 1998
durchgeführten Telefonüberwachungsmaßnahmen bei der
Suche nach dem Trio enthalten.
2797
Bereits ab dem 4. Februar 1998 (bis 28. Februar 1998)
kam es zu Telefonüberwachungsmaßnahmen bei den
Eltern von Uwe Böhnhardt.
2798
Hintergrund waren die
Geburtstage des Vaters von Uwe Böhnhardt am
14. Februar 1998 und der Mutter am 17. Februar 1998.
2799
Das Mobiltelefon von Uwe Böhnhardt wurde ab dem
18. Februar 1998 (bis zum 17. März 1998) überwacht.
2800
Die Überwachung des Festnetzanschlusses von Ralf
Wohlleben begann am 5. März 1998 und dauerte bis zum
25. Juli 1998 an.
2801
Der Festnetzanschluss von Jürgen H.
wurde ab dem 10. März 1998 bis zum 9. August 1998
überwacht.
2802
Ab Mai 1998 begannen weitere Telefon-
überwachungsmaßnahmen.
2803
Die Anregungen für die Überwachung der Telefonan-
schlüsse erfolgte in den Fällen der Eltern Böhnhardt und
des Ralf Wohlleben durch die EG „TEX“.2804 Die Über-
wachung des Mobiltelefons von Böhnhardt erfolgte auf-
grund von aus der Auswertung von Bankunterlagen er-
langten Erkenntnissen, die durch die im Februar 1998 im
LKA Thüringen tätige BKA-Beamtin Beischer-Sacher
erfolgt war. Beischer-Sacher hatte in einem Vermerk auf
die Existenz des Mobilfunkanschlusses hingewiesen.
2805
Der Anschluss von Jürgen H. wiederum wurde auf Anre-
gung der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen
überwacht.
2806
Hintergrund der Anregung der Überwachungsmaßnahme
bei Jürgen H. war, dass sich aus der am 5. März 1998
gestarteten Abhörmaßnahme bei Ralf Wohlleben Hinwei-
2796) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 35.
2797) Übersicht über die Maßnahmen der Telefonüberwachung, MAT
A TH-1/4, Bl. 4 f.
2798) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Festnetzanschluss
von J. und B. Böhnhardt (Deutsche Telekom AG), MAT A TH-
1/4, Bl. 9 ff.
2799) Vermerk bzgl. Anregung der Telefonüberwachung bei den
Eltern von Uwe Böhnhardt vom 3. Februar 1998, MAT A TH-
1/4, Bl. 11.
2800) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Mobilfunkan-
schluss von Uwe Böhnhardt (Mannesmann Mobilfunk GmbH),
MAT A TH-1/4, Bl. 75 ff.
2801) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Festnetzanschluss
von Ralf Wohlleben, MAT A TH-1/4, Bl. 93 ff.
2802) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Festnetzanschluss
von Jürgen H., MAT A TH-1/4, Bl. 121 ff.
2803) Siehe hierzu unten im Abschnitt E. II. 9. a).
2804) Anregung zur Beantragung einer TÜ-Maßnahme (bzgl. der
Eltern von Uwe Böhnhardt) vom 3. Februar 1998, MAT ATH
1-4/, Bl. 11 ff.; Anregung zur Beantragung einer TÜ-
Maßnahme (bzgl. Ralf Wohlleben) vom 3. März 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 95 f.
2805) Anregung zur Beantragung eine TÜ-Beschlusses (bzgl. des
Mobiltelefons von Uwe Böhnhardt) vom 18. Februar 1998,
MAT A TH-1/4, Bl. 78 f.
2806) Antrag zur Telekommunikationsüberwachung (bzgl. Jürgen
H.), MAT A TH-1/4, Bl. 123.
se darauf ergeben hätten, dass das untergetauchte Trio
über den Anschluss von Jürgen H. Kontakt zu Ralf Wohl-
leben aufnehme. In dem hierzu verfassten Vermerk heißt
es:
„Durch die bereits bestehende Telefonüberwa-
chung bei Wohlleben, Ralf, […] wurden am 06.03.,
07.03. und 08.03. drei Anrufe registriert. Es be-
steht der Verdacht, daß unsere Zielpersonen von
diesem Anschluß Kontakt zu Wohlleben aufge-
nommen haben.“2807
Der Inhalt dieser drei Anrufe ist nicht aktenkundig.
Konkrete Hinweise auf den Aufenthaltsort ergaben sich
aus den hier aufgeführten Telefonüberwachungsmaßnah-
men bis Ende März 1998 nicht.
Telefonüberwachungsmaßnahmen bei weiteren Kontakt-
personen des Trios, insbesondere bei den Eltern von Uwe
Mundlos, bei Angehörigen von Beate Zschäpe (hier wäre
möglicherweise der Cousin Stefan A. in Frage gekommen)
oder bei anderen Personen, die der EG „TEX“ als mögli-
che Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ bekannt
geworden waren, erfolgten in dieser Phase nicht.
Die Umsetzung und Auswertung der Telefonüberwa-
chungsmaßnahmen oblag der Zielfahndungsabteilung des
LKA Thüringen.
Auf entsprechende Weisung der Staatsanwaltschaft Gera
(Staatsanwalt Schultz) sollte die Löschung der Abhörbän-
der selbständig durch die Zielfahndungsabteilung des
LKA Thüringen erfolgen.
2808
f) Hinweis darauf, dass sich Personen in der
Wohnung von Beate Zschäpe aufhalten
aa) Hinweis vom 9. März 1998
Aus einem Vermerk der EG „TEX“, KHK Dressler, vom
9. März 1998 geht hervor, dass sich der Hausmeister des
Hauses, in dem sich die Wohnung von Beate Zschäpe
befand, bei der Polizei Jena gemeldet und mitgeteilt habe,
dass am vorangegangenen Wochenende eine Fahne auf
dem Balkon aufgestellt worden sei und dass entsprechen-
de Prüfungshandlungen „durch Zielfahndung im ZW mit
EG ‚TEX‘ realisiert“ würden.2809 Eine nochmalige Nach-
frage der Polizei Jena ergab, dass es auch möglich sei,
dass sich die Fahne bereits zuvor dort befunden habe,
jedoch durch starken Wind unter dem Balkonboden her-
vor geweht sei.
2810
Aus einem von KK Fahner (EG
„TEX“) gezeichneten Vermerk vom 10. März 1998 geht
2807) Antrag zur Telekommunikationsüberwachung bzgl. Jürgen H.
vom 9. März 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 123.
2808) Vermerk von KK Fahner vom 11. März 1998, MAT A TH-1/4,
Bl. 90, Auflistung von Maßnahmen der Telefonüberwachung
vom 2. Dezember 1998 (KK S.), MAT A TH-1/4, Bl. 6 ff.
2809) Vermerk vom 9. März 1998 (KHK Dressler), MAT A TH-1/3,
Bl. 306.
2810) Vermerk vom 9. März 1998 (PM’in D.), MAT A TH-1/3, Bl.
307.
Drucksache 17/14600 – 324 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hervor, dass „im Rahmen einer Fahndungsüberprüfung“
vor Ort nachgesehen wurde und dass in der Wohnung von
Beate Zschäpe eine schwarz-weiß-rote Fahne festgestellt
wurde, die unterhalb der Balkonbrüstung heraushing.
Anlässlich dieses Vorgangs seien keine Anzeichen festge-
stellt worden, dass die Wohnung von der Beschuldigten
oder anderen Personen betreten worden sei.
2811
Durch
Öffnung des Schlosses an der Wohnungstür sei überprüft
worden, ob es sich noch um das Schloss handelte, wel-
ches nach den Durchsuchungsmaßnahmen am 26. Januar
1998 auf Veranlassung der Polizei eingebaut wurde.
bb) Hinweis vom 15. März 1998
Aus einem Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion
Jena, datierend vom 15. März 1998, ergibt sich, dass sich
am 15. März 1998 gegen 23 Uhr eine Nachbarin, Frau P.,
der Wohnung von Beate Zschäpe bei der örtlichen Polizei
meldete und mitteilte, dass sie seit ca. zwei Tagen Geräu-
sche aus der Wohnung von Beate Zschäpe gehört habe,
aktuell Musik und Schritte, und zudem das Flimmern des
Fernsehers von ihrem Balkon aus gesehen habe.
2812
Ein
weiterer Nachbar bestätigte, dass auch er am Abend Ge-
räusche aus der Wohnung von Beate Zschäpe wahrge-
nommen habe.
Darauf erfolgte eine Überprüfung der Wohnung durch die
Kriminalpolizei Jena, nachdem die Feuerwehr zum Öff-
nen der Wohnungstür hinzugezogen worden war. In der
Wohnung wurde niemand angetroffen, jedoch wurde
festgestellt, dass sich im nicht in Betrieb befindlichen
Kühlschrank frische und unverdorbene Lebensmittel
befanden; eine geöffnete Packung Toastbrot war weich
und frisch. Zudem war der Briefkasten geleert worden.
Durch die Feuerwehr Jena wurde daraufhin der Schließ-
zylinder ausgetauscht. Die Schlüssel wurden dem Krimi-
naldauerdienst Jena übergeben. Eine Observation der
Wohnung erfolgte nicht.
Eine wie auch immer geartete Beteiligung von Beamten
der EG „TEX“ oder der Zielfahndungsabteilung an die-
sem Vorgang ist nicht ersichtlich.
Der Zeuge Wunderlich gab an, dieser Hinweis sei „mit
Sicherheit überprüft worden“, er könne jedoch aufgrund
des Zeitablaufs hierzu keine genaueren Angaben mehr
machen.“2813
Es ist nicht aktenkundig, dass das an diesem Tag durch
die Feuerwehr Jena ausgebaute Schloss der Wohnungstür
im Hinblick darauf überprüft wurde, ob es sich um das-
selbe Schloss handelte, welches anlässlich der Durchsu-
chungsmaßnahme am 26. Januar 1998 eingebaut worden
war und welches sich am 10. März 1998, also fünf Tage
2811) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 10. März 1998 (KK
Fahner), MAT A TH-1/3, Bl. 308.
2812) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk der Kriminalpolizei-
inspektion Jena vom 15. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 311 f.
2813) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 61.
vor dem hier beschriebenen Vorfall, noch in der Woh-
nungstür befand.
g) Sonstige Fahndungsmaßnahmen in dieser
Phase
aa) Fahndungsausschreibungen
Am 28. Januar 1998 um 18.11 Uhr wurde über Fern-
schreiben allen Landeskriminalämtern sowie dem BKA
das Fahndungsersuchen und die Bitte um Verhaftung des
Trios nebst einer kurzen Schilderung des Sachverhalts
mitgeteilt.
2814
Am 29. Januar 1998 erfolgte die Fahndungsausschreibung
in den polizeilichen Fahndungssystemen, dem SIS
(Schengener Informationssystem) und im INPOL (Infor-
mationssystem der deutschen Landespolizeien).
2815
Unter Hinweis auf eine mögliche Nutzung durch das
gesuchte Trio wurde der auf Mundlos zugelassene PKW
Ford am 30. Januar 1998 ebenfalls zur Fahndung ausge-
schrieben.
2816
Erst am 7. August 1998 erfolgte durch die Staatsanwalt-
schaft Gera das Ersuchen um internationale Fahndung zur
Festnahme zwecks Auslieferung an das Bundeskriminal-
amt.
2817
In den Formularen war durch Setzen eines Kreu-
zes in den entsprechenden Kästchen darauf hingewiesen
worden, dass die Gesuchten gewalttätig und bewaffnet
seien.
In den Akten ist darüber hinaus ein Schreiben vom
14. September 1998 enthalten, in dem die Staatsanwalt-
schaft Gera das LKA Thüringen darum bittet, die Fahn-
dung auf sämtliche Staaten der Welt auszuweiten.
2818
Die
Ersuchen vom 7. August 1998 enthalten keine Beschrän-
kungen, sondern erstrecken sich ebenfalls auf alle Länder,
weshalb das Schreiben vom 14. September 1998, was an
das LKA Thüringen, nicht aber an das BKA gerichtet ist,
keine Erweiterung bzgl. des Ersuchens vom
7. August 1998 an das BKA darstellt.
bb) Passsperre
Am 2. Februar 1998 wurde durch KHK Dressler von der
EG „TEX“ veranlasst, dass beim Einwohnermeldeamt
2814) Fernschreiben des LKA Thüringen vom 28. Januar 1998, MAT
A TH-1/2, Bl. 261.
2815) Anträge auf Ausschreibungen im INPOL und im SIS vom
29. Januar 1998 nebst Begleitpapieren, MAT A TH-1/3, Bl. 147
ff. (Böhnhardt), MAT A TH-1/3, Bl. 156 ff. (Mundlos) und
MAT A TH-1/3, Bl. 163 ff. (Zschäpe).
2816) Antrag auf Ausschreibung eines PKW zur Sachfahndung vom
30. Januar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 170 f.
2817) Ersuchen der Staatsanwaltschaft Gera um internationale Fahn-
dung zur Festnahme zwecks Auslieferung vom 7. August 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 192 ff. (Zschäpe), Bl. 196 ff. (Böhnhardt).
Bl. 202 ff. (Mundlos).
2818) Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera vom 14. September
1998, MAT A TH-1/3, Bl. 191.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 325 – Drucksache 17/14600
Jena ein Sperrvermerk für die Ausgabe von Reisepässen
an Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eingetragen wird.
2819
Mit einem weiteren Schreiben vom 1. Oktober 1998 wur-
de die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme bestätigt und
darum gebeten die Polizei zu benachrichtigen, sollte eine
der drei Personen beim Einwohnermeldeamt erschei-
nen.
2820
cc) Bankauskünfte
Am 17. Februar 1998 traten die in dieser Zeit bei der EG
„TEX“ tätigen BKA-Beamten KHK Brümmendorf und
KHK’in Beischer-Sacher an die Sparkasse Jena heran, um
die dort geführten Girokonten der drei Gesuchten zu
überprüfen.
2821
Die Überprüfung ergab als einzige Auffäl-
ligkeit, dass am 11. Februar 1998 um 16.46 Uhr vom
Girokonto des Böhnhardt ein Betrag von 1 800 DM abge-
hoben worden war.
2822
Diese Abhebung war, so wurde
ermittelt, von einem Geldautomaten in der
Wanderslebener Straße in Jena aus erfolgt. Die Auswer-
tung des Überwachungsvideos verlief ergebnislos.
2823
In der Folgezeit wurden die Umsätze der Konten von
Böhnhardt, Mundlos und Kapke seitens der Sparkasse
Jena regelmäßig an die EG „TEX“ mitgeteilt, zuletzt im
Oktober 1999.
2824
Bzgl. des Kontos von Mundlos wurden Auskünfte bei der
Deutschen Bank eingeholt, die entsprechenden Unterlagen
wurden seitens der Bank mit Schreiben vom
27. Februar 1998 übersandt.
2825
Hieraus ergaben sich
keine Anhaltspunkte bzgl. des Aufenthaltsortes.
dd) Hinweis auf die Beerdigung des Großva-
ters von Uwe Böhnhardt
Am 31. März 1998 erschien in der Thüringer Landeszei-
tung eine Todesanzeige, in der das Ableben eines Otto
Böhnhardt und der Zeitpunkt der Beerdigung bekannt
gegeben wurden.
2826
Ermittlungen ergaben, dass es sich
hierbei um den Großvater von Uwe Böhnhardt handel-
te.
2827
Daraufhin erfolgte eine polizeiliche Überwachung
2819) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 2. Februar 1998, MAT
A TH-1/3, Bl. 71.
2820) Schreiben des LKA Thüringen an das Einwohner- und Melde-
amt der Stadt Jena vom 1. Oktober 1998, MAT A TH-1/3, Bl.
74.
2821) Vermerk von KHK Brümmendorf vom 17. Februar 1998, MAT
A TH-1/3, Bl. 470 f.
2822) Hardcopy bzgl. der Kontoumsätze vom 16. Februar 1998, MAT
A TH-1/3, Bl. 482.
2823) Vermerk von KHK Dressler vom 26. Februar 1998, MAT A
TH-1/3, Bl. 698.
2824) Mitteilungen der Sparkasse Jena, MAT A TH-1/3, Bl. 533 ff.,
688 ff.
2825) Schreiben der Deutschen Bank vom 27. Februar 1998, MAT A
TH-1/3, Bl. 710 f.
2826) Anzeige aus der Thüringer Landeszeitung vom 31. März 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 321.
2827) Telefax der Polizeidirektion Jena an die EG „TEX“ vom
3. April 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 320.
der Trauerfeier. Durch zwei Beamte der Zielfahndung
wurde mitgeteilt, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
an der Beerdigung nicht teilgenommen hatten und nicht
im Umfeld gesehen wurden.
2828
ee) Fahndungsmaßnahmen unter Einbezie-
hung der Krankenversicherungen
Im Mai 1998 wurde durch die EG „TEX“ versucht, bzgl.
Beate Zschäpe über die AOK Jena sowie bzgl. Uwe
Mundlos über die Barmer Ersatzkasse mögliche Arztbe-
suche zu recherchieren. Aufgrund des Abrechnungsmodus
der gesetzlichen Krankenkassen, der arztbezogen und
nicht patientenbezogen abläuft, war eine Erlangung von
Erkenntnissen nicht möglich. Bzgl. Uwe Böhnhardt er-
folgte keine entsprechende Recherche, da dieser nach dem
Ergebnis durchgeführter Ermittlungen nach dem
31. März 1998 nicht mehr krankenversichert war.
2829
ff) Hinweise auf einen Aufenthalt des Trios im
Raum Köln im März und im Mai 1998
Am 18. März 1998 ging beim LKA Thüringen eine E-
Mail eines Hinweisgebers aus Köln ein, der angab, er sei
sich „fast sicher“, dass er Beate Zschäpe in Begleitung
von Uwe Böhnhardt am 21. Februar 1998 gegen
18.30 Uhr am Messegelände in Köln gesehen habe, wobei
sich Zschäpe über die durch den Hinweisgeber durchge-
führte Aufstellung von Halteverbotsschildern „aufgeregt“
habe.
2830
Am 11. Mai 1998 meldete sich telefonisch eine Hinweis-
geberin beim LKA Thüringen und teilte mit, dass sie am
selben Tage gegen 8.30 Uhr auf dem Weg zur Arbeit aus
einem neben ihr haltenden Fahrzeug heraus nach ihrer
Mobilfunknummer gefragt worden sei. Die Hinweisgebe-
rin gab an, dass es sich bei dem Beifahrer um Uwe
Böhnhardt gehandelt habe. Bei dem Fahrer könnte es sich
um Uwe Mundlos gehandelt haben.
2831
In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, dass die Zielfahn-
dung des LKA Thüringen oder die EG „TEX“ diese Hin-
weise weiter abgeklärt hätten.
gg) Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeits-
fahndung
Neben den Fahndungshinweisen in der Fernsehsendung
Kripo Live wurde auch mit klassischen Mitteln der Öf-
fentlichkeitsfahndung nach dem Trio gesucht. Aus der
Öffentlichkeit gingen zahlreiche Hinweise auf den Auf-
2828) Vermerk der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen vom
3. April 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 319.
2829) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 19. Mai 1998, MAT A
TH-1/3, Bl. 772.
2830) E-Mail vom 18. Mai 1998 an das LKA Thüringen, MAT A TH-
1/3, Bl. 314.
2831) Vermerk über eine Hinweisentgegennahme vom 11. Mai 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 332.
Drucksache 17/14600 – 326 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
enthalt des Trios ein - letztlich ergab sich jedoch keine
„heiße Spur“.
Am 20. Februar 1998 wurden die Fahndungshinweise auf
der Homepage des LKA Thüringen veröffentlicht.
2832
Am 16. April 1998 wurde der Fahndungsaufruf in Ausga-
be Nr. 73/98 des Bundeskriminalblatts veröffentlicht.
2833
Auf der Homepage des BKA wurde er im November
1998 veröffentlicht.
2834
In dem Aufruf wird darauf hinge-
wiesen, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt unter
Umständen im Besitz von Schusswaffen sind.
2835
In der Thüringer Landeszeitung wurde das Fahndungser-
suchen ebenfalls mehrfach veröffentlicht.
2836
Darüber
hinaus berichteten auch andere Zeitungen über die „Bom-
benbauer von Jena“.
Zur Erhöhung des Fahndungsdrucks wurde durch den
Leitenden Oberstaatsanwalt in Gera am 28. Mai 1998 für
Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, eine Be-
lohnung in Höhe von 3 000 DM ausgesetzt.
2837
4. Einsatz von Beamten des Bundeskriminal-
amts bei der EG „TEX“ im Februar 1998
a) Umfang der Tätigkeit
Im Februar 1998 waren insgesamt drei Beamte des Bun-
deskriminalamtes innerhalb des LKA Thüringen tätig. In
der achten Kalenderwoche (16. bis 20. Februar 1998)
waren KHK Brümmendorf und KHK’in Beischer-Sacher
in Thüringen tätig,
2838
in der neunten Kalenderwoche (23.
bis 27. Februar 1998) war neben KHK Brümmendorf
noch KK z. A. P. in Thüringen.
2839
Zu den Hintergründen
der Tätigkeit hat der Zeuge Brümmendorf ausgeführt:
„Es wurde ja auch durch den Kriminalpolizeili-
chen Meldedienst bekannt, dass Durchsuchungs-
maßnahmen stattgefunden hatten Ende Januar,
nachdem ja die Kofferbombe festgestellt worden
ist, die ja auch durch den Kriminalpolizeilichen
Meldedienst mitgeteilt wurde, und es war seiner-
zeit durchaus geübte Praxis der Gruppe 2, ST 2,
sich mit den Bundesländern in Verbindung zu set-
zen, bei solchen durchaus relevanten Straftaten
2832) Ausdruck von der Homepage des LKA Thüringen vom
22. Februar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 227 ff.
2833) Bundeskriminalblatt Ausgabe 73/98 vom 16. April 1998, MAT
A TH-1/3, Bl. 233.
2834) Telefax des BKA vom 24. November 1998, MAT A TH-1/19,
Bl. 27f.
2835) Textentwurf des BKA vom 24. November 1998, MAT A TH-
1/19, Bl. 28.
2836) Zeitungsberichte aus der Thüringer Landeszeitung, MAT A
TH-1/17, Bl. 93, 100.
2837) Verfügung der Staatsanwaltschaft Gera, gezeichnet und gebil-
ligt durch den Leitenden Oberstaatsanwalt, vom 28. Mai 1998,
MAT A TH-1/4, Bl. 183 f.
2838) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 95 f.
2839) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 65.
auch Unterstützung anzubieten, um einerseits na-
türlich personelle Mängel auszugleichen, die bei
den Landeskriminalämtern das eine oder andere
Mal vorlagen, aber auch dazu, Informationen für
das eigene Haus natürlich, für die Zentralstellen-
funktion, die das Bundeskriminalamt hat, ja wahr-
nehmen zu können, und zum Dritten auch - in dem
Fall war es dann auch so -, um für den General-
bundesanwalt oder im Hinblick auf die Einschal-
tung des Generalbundesanwaltes im Sinne des
129a als Organisationsdelikt Informationen zu
sammeln und weiterzutransportieren.“2840
Auch die Zeugen Zierke und Maurer haben in ihren Ver-
nehmungen bestätigt, dass BKA-Beamte in dem genann-
ten Zeitraum in Thüringen tätig waren.
2841
b) Situation bei der Ankunft der BKA-
Beamten in Thüringen/Ablauf der Zusam-
menarbeit/Kein Kontakt zur Zielfahn-
dungsabteilung
Der Zeuge Brümmendorf hat beschrieben, wie sich die
Situation innerhalb der EG „TEX“ bei der Ankunft der
BKA-Beamten darstellte:
„Die Kollegen des LKA waren sehr intensiv mit
der Bearbeitung vorwiegend der kriminaltechni-
schen Untersuchung beschäftigt. Das war mein
Eindruck. Die hatten sehr viele Untersuchungsan-
regungen an Spezialdienststellen zu schreiben. Der
Ermittlungsführer war selbst mit den Schreibtätig-
keiten beschäftigt. Die beiden anderen Kollegen,
also die Kollegin und der Kollege, hatten auch um-
fangreiche Tätigkeiten in diesem Bereich zu tun.
Zeugenvernehmungen standen seinerzeit nicht an.
Wir sind freundlich und sehr willkommen gehei-
ßen worden, zumindest von dem Herrn - - von die-
sem Untersuchungsteam, das meines Erachtens
personell zu schwach war eigentlich für diese Auf-
gabenstellung, und sind, nachdem wir unsere Plät-
ze dann uns gesucht hatten in diesen drei Büros,
die ich in Erinnerung habe, zunächst mal einge-
führt worden durch einen kurzen Vortrag des Ver-
fahrensführers, haben uns dann die Akten ge-
schnappt - so muss man sagen - und haben uns zu-
nächst mal in die Akten vertieft, Aktenstudium be-
trieben.“2842
Die Arbeitsbelastung der Beamten der EG „TEX“ sei, so
Brümmendorf weiter, sehr hoch gewesen. Zeit für Bespre-
chungen sei nicht geblieben:
„Also, aus meiner damaligen Erinnerung heraus
kann ich sagen, dass alle drei Kollegen engagiert,
aber auch immer zeitlich sehr lange - also bis in
die Abendstunden hinein, auch am Wochenende -
2840) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 65.
2841) Zierke, Protokoll-Nr. 21, S. 3.; Maurer, Protokoll Nr. 36, S. 26.
2842) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 327 – Drucksache 17/14600
gearbeitet haben und sich für uns dann im Grunde
genommen auch wenig Zeit nehmen konnten. Wir
haben unsere Aufgaben - das heißt also auch die
Kontoermittlungen - dann selbstständig durchge-
führt, haben in die Asservate reingeguckt, haben
die Aktenordner ausgewertet. Jeder hat seinen
Aufgabenbereich abgearbeitet. Es waren keine
großen zeitlichen Möglichkeiten nach meiner Er-
innerung für die drei, die eingesetzten Personen,
sich mit uns näher zu unterhalten.“2843
Ein Kontakt zur Zielfahndungsabteilung habe laut
Brümmendorf nicht bestanden:
„Also, es gab keine Gesprächsrunden, insbesonde-
re mit der Zielfahndung; die waren auch räumlich
getrennt. Ich habe also in der ganzen Zeit nie einen
Besuch dort im Thüringer - - also in den Ge-
schäftsräumen, Büroräumen festgestellt.“2844
Auch die Beamtin Beischer-Sacher hat einen Kontakt zur
Zielfahndungsabteilung verneint.
2845
c) Sammlung von Informationen im Rahmen
der Zentralstellenfunktion des BKA
Auf der Grundlage der nach der Garagendurchsuchung
von der EG „TEX“ übermittelten Informationen wurde im
BKA am 16. Februar 1998 ein erster Vermerk an den
Generalbundesanwalt erstellt, in dem der bis dahin be-
kannte Sachverhalt zwecks Prüfung eines Anfangsver-
dachts einer Straftat nach §§ 129 bzw. 129a StGB zu-
sammengefasst wurde.
2846
Daran anschließend enthält der durch die BKA-Beamten
Brümmendorf und Beischer-Sacher verfasste Vermerk für
den Generalbundesanwalt vom 17. Februar 1998 eine
Darstellung der von den Beamten vor Ort gesammelten
Informationen. Die beim BKA geführten Akten lassen
jedoch nicht erkennen, dass im Februar 1998 eine Aus-
wertung bzw. eine weitere inhaltliche Prüfung in dieser
Hinsicht vorgenommen worden wäre. Der Vermerk vom
17. Februar 1998 ist in den Akten des BKA nicht enthal-
ten.
2847
Es ist lediglich eine Weiterleitung an den Gene-
ralbundesanwalt erkennbar, wo sich der Vermerk in den
Akten des Prüfvorgangs 3 APR 32/98-2 befand.
2848
2843) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 85.
2844) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 85.
2845) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 100.
2846) MAT A GBA-2, Bl. 14-16.
2847) Geprüft wurden hier die Akten MAT A BKA-2/1 (Personener-
kenntnisse Böhnhardt), MAT A BKA-2/5 (Personenerkenntnis-
se Mundlos) und MAT A BKA-2/12 (Personenerkenntnisse
Zschäpe).
2848) Vermerk „Zusammenfassende Übersicht der bei der EG „TEX“
geführten Ermittlungsverfahren“ vom 17. Februar 1998, MAT
A GBA-2, Bl. 20 ff.
d) Unterstützung der Ermittlungen des LKA
Thüringen/Keine Nennung der Eigenschaft
als BKA-Beamter bei der Abfassung von
Vermerken
Darüber hinaus unterstützten die drei Beamten die im
Zeitraum ihrer Anwesenheit zu erfüllenden Aufgaben des
Landeskriminalamts. Hierzu gehörte die Auswertung von
in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Beweismitteln ebenso
wie die Prüfung von Fahndungsansätzen.
Aus den Akten ist dabei zu erkennen, dass im Wesentli-
chen die folgenden Maßnahmen durch die BKA-Beamten
durchgeführt wurden:
– Auswertung des Asservats Nr. 20 B. 1 des Sicherstel-
lungsprotokolls der Durchsuchung der Garage Nr. 5
(hierin waren Briefe von Uwe Mundlos an Strafge-
fangene enthalten),
2849
– Auswertung des Asservats Nr. 23.6 des Sicherstel-
lungsprotokolls der Durchsuchung der Garage Nr. 5
(hierin war die Telefonliste enthalten, mit der sich der
Untersuchungsausschuss intensiv befasst hat),
2850
– Ermittlungsmaßnahmen bei Banken,2851
– Ermittlungsmaßnahmen bei Krankenkassen und an-
deren Institutionen,
2852
– Anregung einer TKÜ-Maßnahme für das Mobiltele-
fon von Uwe Böhnhardt.
Bzgl. der letztgenannten Maßnahme hat die Zeugin
Beischer-Sacher erläutert, wie es zu dieser Anregung
konkret kam:
„Ja, das war ja - - Das hatte sich ja aus der Finanz-
ermittlung ergeben. Da hatten wir ja auf einem
Konto festgestellt, dass er von Mannesmann ir-
gendwie so ein D2-Handy hatte, auf jeden Fall ei-
ne Nummer, und da habe ich das dann ange-
regt.“2853
Mit der Auswertung der Asservate war nach Aussage der
Zeugin im Zeitraum ihres Aufenthalts in Thüringen ledig-
lich der Zeuge Brümmendorf befasst. Die Zeugin
Beischer-Sacher hat hierzu ausgesagt:
„Nein, also, Asservatenauswertung habe ich jetzt
in der Form nicht gemacht.“2854
Bei der Abfassung von Vermerken wurde durch die in
Thüringen tätigen BKA-Beamten nicht auf ihre Eigen-
schaft als BKA-Beamte hingewiesen, sodass bei der Lek-
türe der jeweils erstellten Vermerke nicht erkennbar ist,
2849) siehe noch unten unter E. II. 6.
2850) siehe noch unten unter E. II. 5.
2851) siehe hierzu bereits oben, E. I. 3. g) cc).
2852) siehe hierzu bereits oben, E. I. 3. g) ee).
2853) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 98.
2854) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 97.
Drucksache 17/14600 – 328 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dass diese von einem BKA-Beamten verfasst wurden.
2855
Der Zeuge Brümmendorf hat diesen Umstand damit er-
klärt, dass die im Schreibprogramm des LKA Thüringen
seinerzeit automatisch generierte Maske einen entspre-
chenden Dokumentenkopf vorgesehen habe.
2856
Dass hier
im Einzelfall keine entsprechende Änderung erfolgt sei,
sei ein „handwerklicher Fehler“ gewesen.2857
e) Praktikum der Beamtin Beischer-Sacher
beim LKA Thüringen im Frühjahr 1997
Bereits im Jahr 1997 hatte die Beamtin Beischer-Sacher
für vier Wochen beim LKA Thüringen hospitiert.
2858
Aus
diesem Zeitraum waren ihr bereits die Namen von Zschä-
pe, Böhnhardt und Mundlos bekannt.
2859
Hier war sie
bereits an den Ermittlungen beteiligt, die in diesem Zeit-
raum wegen der Ende September 1996 aufgefundenen
„Stadionbombe“ beim LKA Thüringen stattfanden. Auch
dem Zeugen Melzer war die Zeugin Beischer-Sacher aus
dieser Zeit bekannt.
2860
5. Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen
Telefon- oder Adresslisten
a) Hintergrund
Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen in der Garage
Nr. 5 an der Kläranlage am 26. Januar 1998 wurden –
neben den Rohrbomben und ca. 1,4 kg TNT – zahlreiche
Dokumente und andere Schriftstücke sichergestellt, da-
runter auch zwei Adress- und Telefonlisten.
Eine dieser Adress- und Telefonlisten wurde bereits im
Jahre 1998 durch den seinerzeit bei der EG „TEX“ im
LKA Thüringen tätigen BKA-Beamten Brümmendorf im
Asservat 23 C aus der Garage, einem Pappkarton, aufge-
funden und bewertet.
Darüber hinaus wurde im Jahr 2012 im Rahmen der Er-
mittlungen des Generalbundesanwalts in den seinerzeit in
der Garage Nr. 5 an der Kläranlage sichergestellten As-
servaten in dem damals als Asservat 20.A.3 bezeichneten
Asservat, einer Plastiktüte mit der Aufschrift REWE, eine
weitere Adress- und Telefonliste zu Tage gefördert, die
offensichtlich eine Fortführung der Adress- und Telefon-
liste aus dem Asservat 23 C darstellt.
b) Inhalt der Adress- und Telefonliste
Auf der Vorderseite der Adress- und Telefonliste waren
39 Telefonnummern in Computerschreibweise und 13
2855) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68, 90; Beischer-Sacher,
Protokoll-Nr. 54, S. 101.
2856) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68.
2857) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 90.
2858) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 95.
2859) Hierzu und im Folgenden: Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54,
S. 96.
2860) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 107.
Telefonnummern handschriftlich notiert.
2861
In zehn Fäl-
len sind zusätzlich Postanschriften notiert. Die Liste ist
nach den Rubriken „Ort“, „Straße“, „Name“ und
„Telefonnr.“ von links nach rechts in vier Spalten aufge-
teilt. Unter der Anschrift „Jena Winzerla“, „Max-
Steenbeck-Str 12“ sind im in Computerschreibweise aus-
gefüllten Teil in zwei Fällen in der Rubrik „Name“ die
Einträge „eigene Telefonnr. Fk“ bzw. „eigene Telefonnr.“
aufgeführt. Hierbei handelt es sich um die damalige An-
schrift der Eltern von Uwe Mundlos.
2862
Zudem ist Uwe
Mundlos selbst nicht aufgeführt, wohl aber Uwe
Böhnert
2863
und Beate Zschäpe. Damit dürfte gesichert
sein, dass Uwe Mundlos diese Adressliste verfasste. Ne-
ben Personen aus Jena und Stadtroda sind auch insgesamt
zehn Personen aus Chemnitz, unter anderem Thomas
Starke und Hendric L., vier Telefonnummern aus Lud-
wigsburg, vier Telefonnummern aus Rostock und zwei
Telefonnummern aus Nürnberg notiert. Die offensichtlich
nachträglich handschriftlich aufgeführten Nummern sind
zumeist Mobilfunknummern, zudem ist eine Nummer
ohne Vorwahl hinter dem handgeschriebenen Namen
Wohlleben notiert.
Die Adress- und Telefonliste findet sich in Band 2 der
dem Untersuchungsausschuss durch das Land Thüringen
zur Verfügung gestellten Akten zunächst auf Bl. 282,
2864
wobei die Liste durch Abrisse an Faltfalzungen in mehre-
re Teile zerfallen ist. Es befindet sich ein Asservatenauf-
kleber, auf dem unter anderem vermerkt ist: „Lfd. Nr.
Sicherst. Nachw. 23.6.1“, sowie „SB: Dressler“, über den
Fragmenten.
Auf Bl. 283 der Akten befindet sich offensichtlich eine
Kopie, wobei die Fragmente an den oberen Teil angelegt
wurden, wodurch sich sodann das Gesamtdokument
ergibt.
2865
Die Adress- und Telefonliste ist in den Akten des LKA
Thüringen darüber hinaus in Band 11 der Akten auf Bl.
180 enthalten (siehe unten: e),S. 332 bzgl. einer mögli-
chen Weitergabe an die Zielfahndungsabteilung). In den
Akten der Staatsanwaltschaft Gera findet sich diese Liste
ebenfalls.
2866
Aufgrund der Tatsache, dass die Liste als solche im Rah-
men der Fahndungsmaßnahmen des LKA Thüringen
offensichtlich keine Verwendung gefunden hatte und im
Hinblick darauf, dass neben Personen aus Jena, dem Her-
kunftsort des Trios und vor allem aus Chemnitz, dem
ersten Anlaufpunkt auf der Flucht des Trios, auch Perso-
nen aus Nürnberg und Rostock aufgeführt sind, also aus
Orten, in denen dem NSU zugerechnete Morde begangen
wurden, sowie Personen aus Ludwigsburg, die im Rah-
2861) Hierzu und im Folgenden: Telefonliste, MAT A TH-1/2, Bl.
283.
2862) exemplarisch: Vermerk vom 9. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl.
305.
2863) unrichtige Schreibweise im Original.
2864) Telefon- und Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 282.
2865) Telefon- und Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 283.
2866) Telefon- und Adressliste, MAT A TH-2/7, Bl. 412.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 329 – Drucksache 17/14600
men der Ermittlungen zum Mordfall Michèle Kiesewetter
eine Rolle spielten, hat sich der Untersuchungsausschuss
mit Fragen befasst, die die Liste betreffen. Befragt wur-
den hierzu die Zeugen Dressler und Wunderlich vom
LKA Thüringen sowie Brümmendorf und Beischer-
Sacher vom BKA. In der Sitzung des Untersuchungsaus-
schusses am 1. März 2013 kam es im Hinblick auf die
Liste dann zu einer weiteren, diesmal gemeinsamen Ver-
nehmung der Zeugen Dressler vom LKA Thüringen und
Brümmendorf vom BKA.
c) Situation bei der EG „TEX“ im LKA Thü-
ringen bei der Ankunft der Beamten
Brümmendorf und Beischer-Sacher
Die Situation in der EG „TEX“ beim Eintreffen der Be-
amten Brümmendorf und Beischer-Sacher wurde bereits
oben im Abschnitt E. II. 4. b) dargestellt.
Der Zeuge Brümmendorf hat ausgeführt, dass sich, soweit
er die Lage habe überschauen können, sämtliche Asserva-
te aus der Garage in der Dienststelle befunden hätten.
2867
d) Auswertung des Asservats, in dem die
Telefonliste enthalten war
aa) Konkrete Situation nach dem Auffinden
der Liste durch KHK Brümmendorf - Wei-
tergabe der Telefonliste an den Leiter der
EG „TEX“, KHK Dressler?
Der Zeuge Brümmendorf hat beschrieben, dass – nach der
Ankunft der BKA-Beamten im LKA Thüringen – der
dortige Verfahrensführer Dressler ihn dazu aufgefordert
habe, den Inhalt eines in einem der dortigen Räume abge-
stellten Pappkartons im Hinblick auf mögliche Fahn-
dungsansätze auszuwerten.
2868
Nachdem dann zunächst
die Asservate gesichtet und Aufkleber angebracht worden
seien,
2869
sei er nach Auffinden der Liste zugleich an
Herrn Dressler herangetreten und habe ihn auf diese hin-
gewiesen:
„Ich bin deshalb natürlich, als ich gerade diese Lis-
te gefunden habe, unmittelbar zum Herrn Dressler,
dem Verfahrensführer, gegangen und habe gesagt:
Hier, guck dir die Liste an. Die ist bei den Asser-
vaten dabei, vermutlich Mundlos zuzuordnen. Wie
können wir die verwerten? Hast du da andere In-
formationen? Hast du die Liste schon mal gese-
hen? - Das hat er verneint.“2870
sowie:
„Er hat sich die Liste angeschaut, und ich habe ge-
sagt: ‚Kennst du die Liste?‘, und er hat gesagt: Ja,
das sind die Leute um Böhnhardt, Mundlos und
2867) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 67.
2868) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68 f.
2869) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 69.
2870) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 69.
Zschäpe. Die haben wir in den letzten drei Jahren
seit 95, 96, 97 ja gut auf - - sagen wir mal, unter
Wind gehabt, haben sie mehrfach in verschiedens-
ten Ermittlungsverfahren untersucht, die Personen.
- Ich habe ihm deshalb auch vorgeschlagen, dass
ich mich mit den Asservaten - insbesondere mit
diesem Asservat, wo es um die Personennamen
geht - zurückhalte, weil ich diese Personen so de-
tailliert wie er nie kennen konnte natürlich.
Ich habe mich deshalb in meinem Asser-
vatenauswertungsvermerk, den Sie vor sich haben,
das sehen Sie ja auch, sehr bezogen auf eher
Organisationsdeliktsüberlegungen, aber auch im
Hinblick auf Strafnachweise, die also Tatbeteili-
gungen möglicherweise Dritter der ‚Kamerad-
schaft Jena‘ nachweisen; denn das ist auch eine
Bewertung, die wir direkt am 16.02. schon mitbe-
kommen haben vom Herrn Dressler, und aber
auch von Herrn F. und der Frau D., dass die Be-
schuldigten, die für die Tat Verantwortlichen, aber
auch die Unterstützer alle aus der der ‚Kamerad-
schaft Jena‘ stammen sollten.“2871
Der Zeuge Brümmendorf hat bekundet, dass er diesen
ersten Hinweis auf die Liste sogleich am 16. Februar 1998
an den Beamten Dressler weitergegeben habe.
2872
Der Zeuge Dressler hat in seiner Vernehmung am
22. Februar 2013 nicht in Abrede stellen wollen, dass ihn
der BKA-Beamte Brümmendorf auf eine Adressliste hin-
gewiesen haben könnte.
2873
Zur genauen Abklärung des Umgangs mit der sicherge-
stellten Liste hat der Untersuchungsausschuss nach der
nacheinander erfolgten Vernehmung beider Zeugen am
22. Februar 2013 am 1. März 2013 eine weitere Zeugen-
vernehmung durchgeführt, in der die Zeugen Dressler und
Brümmendorf gemeinsam vernommen wurden.
In dieser Vernehmung am 1. März hat der Zeuge Dressler
auf Vorhalt unter anderem der eben zitierten Aussagen
des Zeugen Brümmendorf ausgeführt:
„Also, zum Ersten: Ich bewundere ja dieses Erin-
nerungsvermögen des Kollegen Brümmendorf und
will es auch - - muss es erst mal so hinnehmen, da
ich ja kein besseres habe. Das habe ich auch bei
der letzten Vernehmung hier so kundgetan. Ich
kann mich an diesen Sachverhalt in der Form nicht
erinnern. Das muss ich so sagen. Das war auch der
Grund dafür, weswegen ich Herrn Brümmendorf
ungefähr 14 Tage vor unserer ersten Vernehmung
hier angerufen habe in Meckenheim und habe ihn
gefragt zu dieser Liste, da mir da jeglicher Bezug
fehlt. Herr Brümmendorf, mit dem habe ich mich
nur dahin gehend unterhalten und habe ihn gefragt:
Was war nun mit der Liste? Mir fehlt da wirklich
2871) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 70.
2872) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.
2873) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 28.
Drucksache 17/14600 – 330 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
jeder Faden. - Er hat mir gesagt, er versteht auch
nicht diese Aufregung um diese Liste, letzten En-
des wären das bundesweit bekannte Rechte gewe-
sen, die jeder kannte, wer die sind. Und so sind wir
auseinandergegangen.
Ich habe ihn nicht angerufen, um irgendwelche
Absprachen zu treffen, sondern weil ich, nachdem
das Thema sozusagen hochkam, mich wirklich
nicht daran erinnern konnte. Er hat mir daraufhin
noch einen Presseartikel per E-Mail zugesandt, wo
das Gegenstand war, oder der beinhaltete mehr
oder weniger diesen Sachverhalt mit dieser Liste.
Über diesen Punkt komme ich leider nach wie vor
nicht hinaus.“2874
bb) Vermerk vom 19. Februar 1998
Wie bereits dargestellt erfolgte die Auswertung des As-
servats, in dem die Adress- und Telefonliste enthalten
war, durch den beim LKA Thüringen kurzfristig zur Un-
terstützung eingesetzten BKA-Beamten KHK
Brümmendorf.
2875
Am 19. Februar 1998 verfasste KHK Brümmendorf einen
Vermerk, auf dem er die bis dahin vorliegenden Ergebnis-
se der Auswertung festhielt.
2876
Später wurde der Ver-
merk nochmals – unter Bezugnahme auf ein am 26. Feb-
ruar 1998 geführtes Telefonat, welches einen anderen Teil
des Vermerks betraf – ergänzt.2877 Der in den Akten des
LKA Thüringen enthaltene Vermerk enthält am unteren
Ende zwar die Zeile „gez. Brümmendorf, KHK“, ist je-
doch nicht unterzeichnet. Zudem ist auf der ersten Seite
oben handschriftlich das Zeichen „-E-“ sowie in einem
Kasten die Worte „Ass-auswert“ aufgebracht. Weiterhin
sind an einigen Stellen Unterstreichungen mit Textmarker
durchgeführt worden und am rechten Rand des Textes –
ebenfalls mit Textmarker – in mehreren Fällen Ausrufe-
zeichen bzw. Fragezeichen gesetzt.
Der Vermerk findet sich ebenfalls in den Akten der
Staatsanwaltschaft Gera.
2878
Dort findet sich ebenfalls
keine Unterschrift am Ende des Vermerks und ebensowe-
nig die handschriftlichen Zusätze, die Unterstreichungen
mit Textmarker oder eine Kennzeichnung mit „-E-“ als
Entwurf auf dem Dokument. Zudem ist ein im Vermerk
aus den LKA-Akten noch vorhandener größerer Abstand
zwischen zwei Absätzen auf Seite 3 des Vermerks zu-
sammengezogen worden. Der Zeuge Schultz hat bekun-
2874) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 7.
2875) Siehe hierzu bereits oben unter E. II. 4. d).
2876) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über
Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20.B.1 und 23.6, MAT A
TH-1/2, Bl. 277 ff.
2877) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.
2878) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über
Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20 B. 1 und 23.6, MAT A
TH-2/7, Bl. 403 ff.
det, zu der Telefonliste könne er überhaupt nichts sa-
gen.
2879
Unter Punkt 3 enthält der Vermerk Ausführungen im
Hinblick auf die „Auswertung zum Asservat 23.6 (div.
schriftl. Unterlagen und Propagandamaterial)“, wobei
unter der Unter-Überschrift 3.1 zunächst festgestellt wird,
dass das Asservat keine unmittelbaren Hinweise auf den
Tatvorwurf enthalte.
2880
Unter der weiteren Unter-
Überschrift „Auswertung im Hinblick auf Zufallsfunde“
finden sich sodann Ausführungen zur Auswertung der
Liste:
„Unter den lose in einem Papp-Karton abgelegten
Asservaten befand sich eine Liste mit ca. 35 Ad-
ressen und Telefon-Nummern; die offenbar mit PC
geschriebene Liste wurde handschriftlich ergänzt.
Die Liste dürfte Mundlos zuzuordnen sein, da in
der 9. Zeile der Liste unter der Adresse des
Mundlos, Max-Steenbeck-Str. 12a, Jena, der Ver-
merk ‚eigene Telefonnr. Fk.‘ eingetragen ist.
Wie alt diese Namensliste ist, kann nicht beurteilt
werden. Die einseitige, DIN-A4-formatige Liste
wird im weiteren als Asservat 23.6.1 bezeichnet.
Bei den Adressen dürfte es sich um Kontaktperso-
nen des Mundlos handeln. Der Eintrag ‚KSJ
0171/XXXXXX‘ weist möglicherweise darauf hin,
dass für die ‚Kameradschaft Jena‘ ein eigenes Te-
lefon bereitstand/bereitsteht.
Insoweit ist nicht auszuschließen, daß die ‚Kame-
radschaft Jena‘ im Sinne einer Organisation über
eine eigene Logistik verfügt bzw. verfügt hat und
die auf der Liste bezeichneten Namen dieser Ka-
meradschaft angehören könnten.
Weitere Hinweise auf eine mögliche Struktur der
‚Kameradschaft Jena‘ ergeben sich aus diesem As-
servat nicht.“
In Bezug auf in dem genannten Pappkarton darüber hin-
aus aufgefundene Notizzettel, auf denen Anschriften von
weiteren Personen, unter anderem aus Koblenz, Mainz-
Gonsenheim und Erolzheim notiert waren,
2881
wird im
darauffolgenden Absatz des Vermerks ausgeführt:
„Bei den weiterhin aufgefundenen Notizzetteln mit
Adressen handelt es sich zum Teil um Adressen
bekannter Personen der rechtsextremistischen,
bundesdeutschen Szene; die Adressen dürften kei-
nen unmittelbaren Bezug zu einer möglicherweise
existierenden ‚Kameradschaft Jena‘ haben und
sind nach hiesiger Bewertung für das hier geführte
Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung.“
2879) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 48.
2880) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über
Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20. B. 1 und 23.6, MAT
A TH-1/2, Bl. 277 ff. (278).
2881) Notizzettel, MAT A TH-1/2, Bl. 301 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 331 – Drucksache 17/14600
Trotz der Struktur der Absätze in dem Vermerk ist nicht
eindeutig zu erkennen, ob sich die Formulierung „ohne
Bedeutung für das hier geführte Ermittlungsverfahren“
nur auf die Notizzettel oder auch auf die Telefonliste
bezieht – insbesondere da sich der Vermerk nicht geson-
dert zur Relevanz dieser Telefonliste verhält.
cc) Die Abfassung des Vermerks vom 19. Feb-
ruar 1998
Der soeben unter bb) auszugsweise zitierte Vermerk wur-
de von KHK Brümmendorf verfasst. Zu den Umständen
der Formulierung des Vermerks sowie dazu, dass der
Vermerk nicht unterzeichnet und in den Akten des LKA
Thüringen mit einem „-E-“ versehen wurde, sowie dazu,
was im Hinblick auf die Abfassung eines Vermerks be-
sprochen wurde, hat der Zeuge Brümmendorf erklärt:
„Meine letztendliche Entscheidung bzw. Abspra-
che mit dem Herrn Dressler war so, dass ich ge-
sagt habe - ich kenne die individuellen Beziehun-
gen dieser Personen zu den drei Flüchtigen über-
haupt nicht, ich kann sie nicht beurteilen, ich ken-
ne die verwandtschaftlichen Beziehungen mögli-
cherweise nicht, die freundschaftlichen Beziehun-
gen nicht, ich kenne die Organisationsbeziehun-
gen, die diese Personen mit den drei Flüchtigen
haben, nicht, ich kenne die Arbeitsstellen der
Flüchtigen nicht und die Beziehungen dieser Per-
sonen zu diesen drei Flüchtigen nicht -: Ich werde
einen Entwurf schreiben, aber mich mit dieser Lis-
te nicht näher beschäftigen. - Deshalb ist dieser
Asservatenauswertevermerk auch einerseits ge-
kennzeichnet als Entwurf - wie Sie oben das E se-
hen; das ist meine Schrift. […]
- Ja. - Wenn Sie den Asservatenauswertevermerk
so lesen: Da sind einige Brüche drin, und es wird
überhaupt nicht auf diese Namensliste Bezug ge-
nommen, sondern es geht im Wesentlichen eigent-
lich um andere Sachverhalte, die ich hier ausge-
wertet habe. Die Absprache war - und wenn Sie
sich den Asservatenaufkleber ansehen, der, nehme
ich an, auch bei Ihnen zu sehen ist.“2882
[…]
„- und der Sachbearbeiter ist als Herr Dressler hier
eindeutig definiert.“2883
Bzgl. der weiteren Arbeitsaufteilung im Hinblick auf die
Auswertung der Liste hat der Zeuge Brümmendorf weiter
ausgeführt:
„Diese Namenslistenüberprüfung war Aufgabe des
Herrn Dressler; das war die Absprache. Ich habe
mich auf die - - einerseits auf die anderen Asserva-
te, die im Weiteren ja durchaus ausführlicher be-
handelt worden sind, zurückgezogen und habe die-
2882) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 71.
2883) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 71.
se Liste untersucht im Hinblick darauf, ob ‚Kame-
radschaft Jena‘ da eine Rolle spielt; aber die Liste
hätte einer besonderen Aufarbeitung bedurft.
Und es gab zum damaligen Ermittlungszeitpunkt
nicht die geringsten Hinweise auf eine dieser von
Ihnen bezeichneten Städte; das war aber auch die
Einschätzung vom Herrn Dressler.“2884
Im Ausschuss wurde insofern kritisiert, dass gerade ein
zur Unterstützung der Thüringer Polizei entsandter Mitar-
beiter des Bundeskriminalamtes weniger die auf der Liste
aufgeführten Mitglieder Jenaer Kameradschaften überprü-
fen, sondern sich vielmehr vorrangig mit der bundeswei-
ten Dimension der Liste hätte befassen sollen.
Die Zeugin Beischer-Sacher hatte keine konkrete Erinne-
rung mehr an die Adress- und Telefonliste bzw. an deren
Auswertung.
2885
dd) Übergabe des Vermerks vor Abreise am
26. Februar 1998
Vor der Abreise der BKA-Beamten am 26. oder 27. Feb-
ruar 1998 sei der Vermerk laut dem Zeugen Brümmendorf
dann an den Zeugen Dressler übergeben worden. Hierzu
hat der Zeuge Brümmendorf erklärt:
„Weil, wenn Sie sehen, in diesem Dokument ist
noch mal unter Bezug, Ziffer 2 ein Telefonat er-
wähnt vom 26.02.98. Der 19.02. ist also schon gar
nicht mehr aktuell gewesen. Das heißt also, ich
habe dieses Asservat oder diese Auswertung auf
den Seiten 277 bis 79 am 26.02. - kurz vor unserer
Abreise - dem Herrn Dressler als Entwurf gege-
ben, habe ihm natürlich gesagt: ‚Was macht die
Telefonliste?‘, und auch auf diese weiteren Ver-
stöße nach dem StGB hingewiesen.“2886
Auf die Frage, warum er denn nicht das Datum des Ent-
wurfs (19. Februar 1998) geändert habe, hat er erklärt:
„Da ich mir sowieso klar war, dass er das Ganze
als Entwurf bekommt, als Zulieferung, als Anre-
gung, und er ohnehin wohl die Verdächtigen oder
Straftatenanschuldigungen bzw. Verdachtslage
weitergeben muss an die Staatsanwaltschaft; dass
also dieser Asservatenauswertungsvermerk nutzen
kann. Und mir war klar, dass er natürlich auch zu
dieser Namensliste was sagen musste.“2887
Der Zeuge Dressler hat hierzu ausgeführt:
„Es gibt da natürlich ein Problem für mich; das
muss ich so sagen. Bei der Auswertung von Asser-
vaten ist es üblicherweise so, dass derjenige, der
die Asservate auswertet und eine entsprechende
Beurteilung dieser Gegenstände und Dinge vor-
2884) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 73.
2885) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 98.
2886) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.
2887) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.
Drucksache 17/14600 – 332 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nimmt, diese dann abschließend unterschreibt.
Entwürfe in Sachen Auswertungsprotokolle sind
mir insofern nicht wirklich bekannt, muss ich sa-
gen. Es hätte auch wenig Sinn gemacht, wenn wir
den Entwurf übernommen hätten und hätten den
im Anschluss noch ergänzt oder anders verändert;
denn die Feststellungen, die der Kollege
Brümmendorf in diesem Vermerk getroffen hat,
hat er ja getroffen letzten Endes, und die kann man
insofern dann nicht so einfach übernehmen, noch
bisschen was dazuschreiben und dann eine neue
Unterschrift druntersetzen. Das ist nicht üblich,
und ich denke, das macht das BKA üblicherweise
sonst auch nicht.“2888
ee) Benennung des Asservats (23.6 vs. 23 C)
Die Telefonliste wurde im Hinblick darauf, dass sie nach
Kenntnis des Zeugen Brümmendorf aus einem Asservat
mit der Bezeichnung „23.6“ stammt, als Asservat
„23.6.1“ bezeichnet. Ein Asservat mit der Bezeichnung
„23.6“ ist jedoch im Durchsuchungs- und Sicherstel-
lungsprotokoll bzgl. der Garage Nr. 5 an der Kläranlage
vom 26. Januar 1998 nicht genannt.
2889
Dort ist jedoch unter der Bezeichnung „23 C“ ein „Papp-
karton C“ aufgeführt. Dieses Asservat wird wie folgt
näher beschrieben: „diverse Papiere und lose Blätter in
Karton verpackt“. Im Hinblick darauf, dass auch im Ver-
merk vom 19. Februar 1998 ein „Papp-Karton“ genannt
wird
2890
sowie im Hinblick darauf, dass durch das BKA
nach Übernahme der Asservate nach dem 4. November
2011 sämtliche als „23.6.X“ bezeichneten Asservate in
dem Pappkarton mit der Aufschrift „23 C“ aufgefunden
wurden,
2891
ist zu vermuten, dass es sich hierbei um einen,
aus welchen Gründen auch immer, erfolgten Lesefehler
des Zeugen Brümmendorf handelt, der bei der Auswer-
tung des Inhalts des Pappkartons entstand, und letztend-
lich das Asservat „23 C.“ gemeint ist. Auch das BKA
trifft in einem Schreiben vom 28. Februar 2013 eine ent-
sprechende Feststellung bzgl. der Benennung des Asser-
vats.
2892
ff) Weitere Asservate aus dem Pappkarton
Neben der Telefonliste befanden sich in dem Pappkarton
noch weitere Schriftstücke, die zum Teil unter den Ziffern
„23.6.2“ bis „23.6.6“ feinasserviert wurden, darunter eine
Liste, auf der Kfz-Kennzeichen von Zivilfahrzeugen der
2888) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 10.
2889) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungs- und Sicherstel-
lungsprotokoll vom 26. Januar 1998 (bzgl. Garage Nr. 5 an der
Kläranlage), MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff.
2890) Vermerk vom 19. Februar 1998 über Asservatenauswertung
Mundlos, Ass. 20.B.1 und 23.6, MAT A TH-1/2, Bl. 277 ff.
(278).
2891) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-
ausschuss vom 28. Februar 2013, MAT A 2/51, Bl. 1 f.
2892) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-
ausschuss vom 28. Februar 2013, MAT A 2/51, Bl. 1 f.
Polizei Thüringen aufgeführt sind, sowie zahlreiche Auf-
kleber, Broschüren und Flugblätter mit rechtsradikalem
Inhalt, die der BKA-Beamte P. in einem Vermerk, der auf
den 25. Februar 1998 datiert, zusammengefasst hatte.
2893
Darüber hinaus wurde noch ein Notizzettel mit Adressen
vorgefunden, auf dem insgesamt fünf Personen aufgeführt
sind
2894
und der – wie bereits dargestellt – auch im Aus-
wertevermerk von KHK Brümmendorf Erwähnung fin-
det.
2895
e) Weitergabe der Telefonliste an die Ziel-
fahndungsabteilung?
In den Ermittlungsakten des LKA Thüringen ist die Liste
nicht nur im Zusammenhang mit der Auswertung der
Asservate in Band 2 enthalten, sondern zusätzlich auch in
Band 11 der Akten auf Bl. 180.
2896
Hierbei handelt es sich
um einen der insgesamt sechs Ordner, die Zielfahndungs-
unterlagen enthalten. Der Aktenband enthält zahlreiche,
bereits aus anderen Ordnern bekannte Unterlagen, Obser-
vationsberichte und Daten aus TKÜ-Maßnahmen aus
unterschiedlichen Zeiträumen.
Der Zeuge Wunderlich hat bekundet, er habe damals
keine Kenntnis von der Adress- und Telefonliste er-
langt.
2897
Er wies in seiner Vernehmung von sich aus
darauf hin, dass er die Liste im Rahmen der Vorbereitung
auf seine Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsaus-
schuss in einem der Fahndungsbände aufgefunden habe,
bekundete jedoch zusätzlich, er habe bei der Durchsicht
der Fahndungsbände festgestellt, dass die Fahndungsbän-
de nicht mehr in dem Zustand seien, in dem er sie im
August 2001 an die EG „TEX“ übergeben habe:
„Also, diese Telefonliste habe ich dort erstmalig
festgestellt, auch etwas mit Erschrecken in dem
Zusammenhang der Folgetaten und der Orte, die
dort verzeichnet sind. Es ist für mich nicht nach-
vollziehbar, wie die Liste in einem dieser Bände
auftaucht. Hinzu kommt, dass ich bei der Durch-
sicht der Fahndungsbände festgestellt habe, dass
das also nicht die Bände sind in der Form, wie wir
sie übergeben haben. Das ist für mich ein sehr
wichtiger Aspekt, bis hin, dass ich festgestellt ha-
be, dass ein Band gar nicht von uns war. Ein
Fahndungsband mit unserer Beschriftung hatte
keinen Inhalt zu unseren Unterlagen. Also, um das
vielleicht etwas plastisch zu schildern: Ich hatte
den Eindruck, als ob diese Unterlagen irgendwann
mal zusammengestellt, -geheftet wurden. Sie ent-
sprachen allerdings nicht der Qualität der Überga-
be durch uns am 22.08.01.“2898
2893) Vermerk über die Auswertung des Asservats Nr. 23.6 vom
25. Februar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 295 ff.
2894) Blatt mit Notizen, undatiert, MAT A TH-1/2, Bl. 301.
2895) siehe hierzu oben E. II. 5. d) bb).
2896) Adress- und Telefonliste, MAT A TH-1/11, Bl. 180.
2897) Hierzu und im Folgenden: Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 7.
2898) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 333 – Drucksache 17/14600
Für ein nachträgliches „Frisieren“ der Akten hat der Aus-
schuss neben der Vermutung von KHK Wunderlich aller-
dings keine Anhaltspunkte gefunden.
f) Auffinden einer weiteren Adress- und Tele-
fonliste im Rahmen der Ermittlungen
durch das BKA nach dem 4. November
2011
Im Rahmen der Ermittlungen des Generalbundesanwalts
nach dem 4. November 2011 wertete das BKA erneut die
in der Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgefundenen
Asservate aus. Die Asservate waren am 31. Januar 2012
durch das LKA Thüringen an das BKA übergeben wor-
den.
2899
Bei der Auswertung einer im Durchsuchungs- und Sicher-
stellungsprotokoll der Garage Nr. 5 an der Kläranlage als
Nr. 20 A 3 bezeichneten Plastiktüte mit der Aufschrift
REWE wurde hierbei eine weitere Adress- und Telefonlis-
te zu Tage befördert.
2900
Diese weitere Adress- und Tele-
fonliste stellt offensichtlich eine vom Verfasser im Ver-
hältnis zur ersten Liste erweiterte Version dar, da auf der
ursprünglich bekannten Liste noch handschriftlich einge-
tragene Namen auf der neu bekannt gewordenen Liste
ebenfalls in Computerschrift eingetragen wurden und
zudem weitere Namen, die auf der ursprünglich bekann-
ten Liste nicht genannt werden, zusätzlich handschriftlich
genannt werden.
2901
Auf der Rückseite der neu aufgefun-
denen Liste befinden sich zudem – in offensichtlich unter-
schiedlichen Handschriften eingetragen – weitere Namen
und Telefonnummern.
Die neu bekannt gewordene Liste war den Beamten
Brümmendorf und Dressler nicht bekannt.
2902
g) Unterrichtung des Untersuchungsaus-
schusses durch das BKA in diesem Zu-
sammenhang
Nachdem die Übergabe der Asservate aus der Garage
Nr. 5 seitens des LKA Thüringen an das BKA am 31.
Januar 2012 erfolgt war, erfolgte dort die Auswertung. In
einem Vermerk des BKA vom 6. März 2012 werden
beide Adress- und Telefonlisten aufgeführt.
2903
Der
Untersuchungsausschuss ist mit Schreiben des BKA vom
28. Februar 2013, das in der Beweisaufnahmesitzung am
1. März 2013 verteilt wurde, darüber unterrichtet worden.
An diesem Tag hatte der Ausschuss die Zeugen Dressler
und Brümmendorf geladen, um in der Beweisaufnahme-
sitzung vom 22. Februar 2013 gemachte Angaben der
Zeugen nochmals zu überprüfen. In einem Schreiben des
2899) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-
ausschusses vom 28. Februar 2013, MAT A BKA-2/51, Bl. 1 f.
2900) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-
ausschusses vom 28. Februar 2013, MAT A BKA-2/51, Bl. 1 f.
2901) Adress- und Telefonliste, MAT A BKA-2/51, Bl. 36.
2902) Dressler und Brümmendorf, Protokoll-Nr. 57, S. 3.
2903) Vermerk der BAO „Trio“ vom 6. März 2012, MAT A BKA-
2/51, Bl. 27 ff.
BKA vom 28. Januar 2013, in dem ebenfalls Bezug auf
die ursprünglich bekannte Adress- und Telefonliste ge-
nommen wird, wird die neu aufgefundene Adress- und
Telefonliste nicht erwähnt.
2904
In dem Schreiben vom 28. Januar 2013 wurde die Ar-
beitsweise der BKA-Beamten in Thüringen im Februar
1998 umfangreich erörtert. Der Zeuge Brümmendorf hat
bekundet, er habe im Zuge der Vorbereitung seiner Ver-
nehmung durch den Untersuchungsausschuss nicht mit
Vorgesetzten über die Adress- und Telefonliste oder über
weitere Notizzettel gesprochen.
2905
Informationen zu der von ihm bewerteten Telefonliste
hatte KHK Brümmendorf im BKA auch 1998 nicht wei-
tergegeben: Weder die Telefonliste selbst noch der Aus-
wertungsvermerk von KHK Brümmendorf hierzu fanden
Eingang in die Bestände des BKA. In seiner Vernehmung
hat der Zeuge Brümmendorf hierzu ausgeführt:
„Nein, ich habe überhaupt nichts mitgenommen
aus den damaligen Unterlagen.“2906
Und weiter:
„Ich sehe das ein, dass das ein Fehler war […],
dass diese Liste auch nicht mit mir den Weg ins
BKA gefunden hat und dort noch mal gecheckt
worden ist bzw. dort auch einer weiteren intensi-
ven Untersuchung hätte zugeführt werden kön-
nen.“2907
6. Briefe von Uwe Mundlos an inhaftierte
Personen – Asservat 20.B.1 aus der Gara-
ge an der Kläranlage
a) Auffindesituation
Im Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll der
Garage Nr. 5 an der Kläranlage sind unter der lfd. Nr. 20
zwei „REWE-Plastiktüten“ (A. u. B.) aufgeführt.2908 Die
Plastiktüte B enthielt ausweislich des Protokolls neben
anderen Gegenständen, wie etwa Fotos und Negativen
und einer Liste mit Kennzeichen von Polizeifahrzeugen
einen Aktenordner mit der Aufschrift „Informatik Grund-
lagen“, der im Protokoll als Asservat „20 B. 1“ aufgeführt
wird.
b) Auswertung des Ordners
Die Auswertung dieses Ordners erfolgte – ebenso wie im
Falle des Asservats „23 C“ – durch den BKA-Beamten
Brümmendorf, der hierüber den auch schon im Zusam-
2904) Schreiben des BKA an den Bundesminister des Innern, MAT B
BKA-1, Bl. 2 f.
2905) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 91.
2906) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 57, S. 21.
2907) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 57, S. 45.
2908) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungs- und Sicherstel-
lungsprotokoll vom 26. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 144
ff. (146).
Drucksache 17/14600 – 334 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
menhang mit der Auswertung des Asservats „23 C.“ ge-
nannten Vermerk anfertigte, der vom 19. Februar 1998
datiert.
2909
In dem Vermerk wird in Bezug auf den Aktenordner
zunächst festgestellt, dass dieser im Hinblick auf den
Tatvorwurf des seinerzeit einschlägigen § 311b StGB
(Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbre-
chens) „nicht von Relevanz“ sei. Im Hinblick auf den
Inhalt wird in dem Vermerk ausgeführt:
„Der Aktenordner enthält umfangreichen Schrift-
verkehr zwischen Mundlos, Uwe (Spitzname:
Elch) und Torsten S. (w. P. b.), derzeit in der JVA
Waldheim einsitzend, sowie zum einschlägig vor-
bestraften Thomas Starke (w. P. b.).“
Zudem wurde in dem Ordner eine Fotografie aufgefun-
den, die André Kapke zeigt und auf der dieser den Hitler-
gruß entbietet. In diesem Zusammenhang wird im Ver-
merk auf eine mögliche Strafbarkeit dieses Verhaltens
gemäß § 86a StGB hingewiesen.
Bzgl. des Auswertevorgangs hat der Zeuge Brümmendorf
bekundet:
„Ich habe den Aktenordner mit dem Schriftverkehr
zwischen Mundlos und Thomas Starke und ande-
ren - Torsten S. war auch dabei, in diesem Ordner
enthalten - durchgeblättert. Diese - - Der Tipp,
dass es Thomas Starke eventuell mit einer beson-
deren oder eine besondere Nähe gegeben habe, hat
sich für mich aufgetan durch die Häufigkeit des
Schriftkontaktes und durch die möglicherweise er-
kennbare emotionale Nähe der beiden. Aber es war
aus dem Bauchgefühl heraus ein Tipp. Es war -
und das bleibt es auch in meinen Augen, in meiner
Erinnerung noch - als Möglichkeit, als Tipp, aber
nicht als Tatsache, dass ich sagen kann: Da kriegen
wir Erfolg.“2910
c) Inhalt der Briefe
Die Briefe an sich, die dem Untersuchungsausschuss
vorlagen, enthalten allgemeinen Informationsaustausch
über Erlebnisse des Verfassers und geben auf diese Weise
auch Auskunft über Strukturen innerhalb der rechten
Szene. So wird beispielsweise in einem undatierten Brief
an Thomas Starke von einem Besuch des Trios an Ostern
in Ludwigsburg berichtet, wo man bei „Uschi“ und bei
„S.“ untergekommen sei.2911 Beide Personen waren unter
dieser Bezeichnung auch auf der in der Garage Nr. 5
aufgefundenen Adress- und Telefonliste aufgeführt.
2912
In
dem Brief wird auch darauf Bezug genommen, dass diese
2909) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über
Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20.B.1 und 23.6, MAT A
TH-1/2, Bl. 277 ff.
2910) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 80 f.
2911) Hierzu und im Folgenden: Brief (undatiert), überschrieben mit
„Hallo Thomas!!!“, MAT A GBA-11/1, Bl. 213 ff.
2912) Siehe hierzu oben unter E II. 5.
Personen über Waffen verfügen. Aufgrund einer Bezug-
nahme auf den dem „Puppentorso-Verfahren“ zu Grunde
liegenden Vorfall liegt es nahe, dass dieser Brief in zeitli-
cher Nähe zu Ostern 1996 verfasst wurde.
d) Bewertung als mögliche Anlaufpunkte
bzgl. der Flucht
Die Personen Thomas Starke und Torsten S. wurden
durch Brümmendorf als mögliche Fluchtpunkte des Trios
bewertet. Dies ergibt sich aus einem handschriftlichen
Vermerk des Zeugen Brümmendorf, in dem es unter ande-
rem heißt:
„1. Aus Ass. 20 B. 1- Garage 5 -
– Hinweis auf Thomas Starke
auf Thorsten S.
als mögl. Unterschlupf
– APIS / EMA“2913
Im Folgenden befasst sich der Vermerk mit Ermittlungs-
maßnahmen bei der Sparkasse und bei der Deutschen
Bank Jena.
Der Zeuge Brümmendorf hat bestätigt, dass dieser Ver-
merk von ihm stamme.
2914
Er habe diesen Vermerk am
Ende der ersten Woche seines Aufenthalts bei der EG
„TEX“ hinterlassen, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht
sicher gewesen sei, ob die BKA-Beamten in der darauf-
folgenden Woche erneut in Thüringen tätig werden wür-
den:
„Das ist meine Handschrift, ja. Dieses Schriftstück
ist eine Notiz, die ich am 20.02. hinterlassen habe,
kurz vor unserer Abreise Richtung Meckenheim.
Das ist sozusagen der Hinweis - diesen Zettel habe
ich natürlich auch dem Ermittlungsführer überge-
ben -: Guckt mal nach, APIS, EMA-
Datenabgleich.
[…]
Er hat die Liste zunächst entgegengenommen; und
es war eigentlich eine Aufgabenliste. Unter Ziffer
2 und 3 sind ja Telefonnummern notiert, weil es
war Freitag und es war nicht klar, ob wir in der da-
rauffolgenden Woche mit der gleichen Personen-
konstellation zurückkommen, habe ich, falls auch
am Wochenende oder am darauffolgenden Mon-
tag, Dienstag Telefonate erforderlich waren, diese
Liste schnell zusammengestellt und habe natürlich
unter Ziffer 1 das dem Herrn Dressler gegeben,
habe gesagt: Könnte sein. Also, es war für mich
aus dem - - Nur aus der Menge des Schriftverkehrs
ergibt sich bei mir nicht unbedingt der Verdacht,
2913) Handschriftlicher Vermerk, undatiert, MAT A TH-1/3, Bl. 751.
2914) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 81.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 335 – Drucksache 17/14600
dass es da einen Unterschlupf oder eine Bereitstel-
lung [gab].“2915
Ob es dann in der zweiten Woche seines Aufenthalts
weitere Gespräche im Hinblick auf seinen handschriftli-
chen Vermerk gegeben hat, war dem Zeugen
Brümmendorf nicht erinnerlich – er „denke aber“, dass
man darüber gesprochen habe.
2916
Unterhalten habe man
sich lediglich über das „Bauchgefühl“ des Zeugen
Brümmendorf im Hinblick auf die möglichen Fluchtpunk-
te bei Thomas Starke und Torsten S., jedoch ohne dass
weitere Maßnahmen daraufhin erfolgten.
2917
e) Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu
Thomas Starke und Torsten S. haben
Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu Thomas Starke und
Torsten S. haben, sind in zeitlicher Nähe zu dem Einsatz
der BKA-Beamten in Thüringen Ende Februar 1998 nicht
aktenkundig.
Im Zusammenhang mit der Kripo Live-Sendung im MDR
war durch den Leiter der JVA Waldheim/Sachsen am
23. Februar 1998 ebenfalls darauf hingewiesen worden,
dass Mundlos, Zschäpe und Kay Norman S., Torsten S. in
der dortigen Haft besucht hatten.
2918
Thomas Starke wird erstmals im August 1998 aktenkun-
dig.
2919
Im Rahmen der Durchführung von Ermittlungen
bzgl. von Anrufen bei Jürgen H. wurden Personen ermit-
telt, die in der rechten Szene in Chemnitz relevant sind.
Aus dem hierbei angelegten Vermerk geht nicht hervor,
dass der Zielfahndungsabteilung, die diese Ermittlungen
vornahm, die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Briefe
bekannt waren.
Ermittlungsmaßnahmen, die Torsten S. betreffen, sind erst
ab dem Jahr 2002 aktenkundig.
2920
7. Aufsuchen der Eltern von Uwe Mundlos
durch Beamte des LKA Thüringen und
durch Mitarbeiter des LfV Thüringen im
März 1998
a) 6. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos
Am 6. März 1998 wurden die Eltern von Uwe Mundlos
durch den Beamten der Zielfahndungsabteilung, Wunder-
lich, und die in der EG „TEX“ tätige Beamtin, PM’in D.,
aufgesucht. Auf dem hierzu gefertigten, von PM’in D.
2915) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 81.
2916) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 82.
2917) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 85.
2918) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand
3. März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (245).
2919) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich,
offenkundig falsch datiert mit 3. August 1997, zur Beantragung
von TKÜ-Maßnahmen, MAT A TH-1/4, Bl. 231 und Bl. 242.
2920) Siehe hierzu unten, E. II. 17. c) bb) eee).
gezeichneten Vermerk, ist KHK Dressler von der EG
„TEX“ als Sachbearbeiter genannt.2921
Die zunächst an ihrer Arbeitsstelle aufgesuchte, später in
der Wohnung weiter vernommene Mutter von Uwe
Mundlos habe sich hiernach sehr einsichtig gezeigt und
habe angegeben, seit dem 26. Januar 1998 keinen Kontakt
mehr zu ihrem Sohn gehabt zu haben und auch keine
Hinweise auf seinen Aufenthaltsort zu haben. Seitens der
Freundin von Ralf Wohlleben, Juliane W., sei sie gebeten
worden, ein Konto für ihren Sohn einzurichten und ihr die
Kreditkarte auszuhändigen. Da sie der Juliane W. jedoch
nicht traue, habe sie dies nicht getan. Der Vater von Uwe
Mundlos, der später hinzu kam, gab an, für eine Zusam-
menarbeit mit der Polizei zur Verfügung zu stehen, je-
doch nicht als Ermittler fungieren zu wollen. Er teilte
weiter mit, dass sein Sohn und Ralf Wohlleben die PKW
getauscht hätten. Die Eltern von Mundlos hätten den
PKW ihres Sohnes von Wohlleben abgeholt, der PKW des
Wohlleben, ein weißer Peugeot, habe einige Tage später
wieder vor der Haustür des Wohlleben gestanden, jedoch
ohne Kennzeichen.
Eine Überwachung des Telefonanschlusses der Eltern von
Uwe Mundlos fand im gesamten Monat März 1998 nicht
statt. Erst ab dem 18. Mai 1998 erfolgte hier eine
TKÜ.
2922
b) 18. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos –
Vermerk vom 19. März 1998
Am 18. März 1998 kam es zu einem weiteren Treffen des
Beamten der Zielfahndungsabteilung, Wunderlich, und
der Beamtin der EG „TEX“, PM´in D., mit den Eltern von
Uwe Mundlos in einem Schnellrestaurant in der Nähe der
Autobahn in Jena. Auch in diesem Fall ist auf dem hierzu
gefertigten, von PM’in D. gezeichneten Vermerk, KHK
Dressler von der EG „TEX“ als Sachbearbeiter ge-
nannt.
2923
Anlässlich des Treffens wurde durch KOK Wunderlich
zunächst mitgeteilt, dass keine Anhaltspunkte in Bezug
auf den Aufenthaltsort des Trios vorlägen. Im Anschluss
wurden zwei konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die
Eltern bei der Suche nach dem Trio behilflich sein könn-
ten. Zum einen wurde vorgeschlagen, eine Tasche mit
persönlichen Gegenständen zu packen, um durch Überga-
be an Juliane W. den Weg der Tasche verfolgen zu kön-
nen; zum anderen wurde vorgeschlagen, ein Girokonto zu
eröffnen und die Bankkarte an Juliane W. weiterzugeben,
um so festzustellen, wann, wo und durch wen Geldabhe-
bungen erfolgen würden.
Beide Vorschläge wurden durch die Eltern abgelehnt.
2921) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Dressler vom
9. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 305.
2922) Auflistung von Maßnahmen der Telefonüberwachung vom
2. Dezember 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 6 ff.
2923) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk vom 19. März 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 315 f.
Drucksache 17/14600 – 336 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Weiter heißt es in dem Vermerk über das Treffen:
„Herr Mundlos äußerte während der gesamten Un-
terredung offen sein Mißtrauen über die Zusam-
menarbeit mit der Polizei und darüber, daß seiner
Meinung nach ‚nicht mit offenen Karten gespielt
wird’, was sich größtenteils auf Veröffentlichun-
gen in der Presse begründen läßt.
Abschließend betonten beide Elternteile des
Mundlos, daß sie eine derartige Zusammenarbeit
mit der Polizei derzeit ablehnen, jedoch bei Kon-
taktaufnahmeversuchen und sonstigen Anhalts-
punkten über den Verbleib der drei Personen bzw.
des Sohnes, die Polizei verständigen werden.“2924
Während in Bd. 3 der LKA-Sachakten (MAT A TH-1/3)
eine Version des Vermerks vom 19. März 1998 enthalten
ist, in dem die Erwähnung eines Briefes durch den Vater
von Uwe Mundlos nicht angesprochen wird, und der –
trotz entsprechender Unterschriftszeile – nur von PM’in
D. und nicht von KOK Wunderlich gezeichnet wurde,
findet sich in Bd. 1 der LKA-Fahndungsauswertungsakten
(MAT A TH-1/15) eine Version desselben Vermerks, der
von KOK Wunderlich und von PM’in D. gezeichnet wur-
de, und die folgenden zusätzlichen Absatz enthält:
„Außerdem sagte Herr Mundlos, dass er den Ver-
dacht hegt, dass Leute von beiden Seiten gekauft
bzw. bezahlt werden. Er teilte mit, dass er einen
anonymen Brief erhalten hat. Dieser Brief war von
Hand geschrieben und hatte die Größe DIN A4.
Inhalt des Briefes war, dass vermutlich die Zschä-
pe, Beate, als Informantin des Verfassungsschutzes
fungierte und dafür bezahlt wurde. Weitere Anga-
ben zum Brief wollte Herr Mundlos nicht machen.
In diesem Zusammenhang erwähnte Herr
Mundlos, dass auch einigen Leuten aus der dorti-
gen Szene aufgefallen sei, dass der Cousin der
Zschäpe, Beate, der A., Stefan, trotz einer Vielzahl
von Delikten nie rechtlich zur Verantwortung ge-
zogen wurde und in angetrunkenem Zustand geäu-
ßert haben soll, dass er einen guten Draht zur Poli-
zei habe und ihm so schnell nichts passiere. Das
Verhältnis zwischen der Zschäpe und dem A. soll
nach Angaben des Mundlos sehr gut gewesen
sein.“2925
c) Kontakt des LfV Thüringen mit Eltern
Mundlos am 11. März 1998 und Observati-
onsmaßnahme
Dem Schäfer-Gutachten lässt sich entnehmen, dass am
11. März 1998, also zwischen den Treffen mit den Poli-
zeibeamten am 6. und 18. März 1998, ein Kontakt zwi-
schen Mitarbeitern des LfV Thüringen und Familie
Mundlos stattfand. Im Schäfer-Gutachten heißt es hierzu:
2924) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 315.
2925) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/15, Bl. 186.
„Zwei Beamte des LfV Thüringen suchen Familie
Mundlos zum Zwecke einer möglichen Kontaktan-
bahnung mit deren Sohn auf. Im Rahmen des Ge-
sprächs bitten sie Prof. Dr. Mundlos, Kontakt zum
LfV Thüringen nur über öffentlichen Fernsprecher
aufzunehmen.“2926
Zudem heißt es im Schäfer-Gutachten, dass der Vater von
Uwe Mundlos am 11. März 1998 durch das LfV Thürin-
gen observiert wurde.
Anlass des Besuchs des LfV Thüringen war, so lässt sich
einem „Gedächtnisprotokoll“ des LfV Thüringen-
Mitarbeiters Elsner über das Treffen mit den Eltern von
Mundlos, welches jedoch erst am 3. Juni 1998 gefertigt
wurde, entnehmen, dass der Vater von Uwe Mundlos
gegenüber dem damaligen Präsidenten des LfV Thürin-
gen, Dr. Roewer, die Angst geäußert habe, die Polizei
könne bei einer möglichen Festnahme seines Sohnes
überreagieren und von der Schusswaffe Gebrauch ma-
chen.
2927
Dem Vater von Mundlos sei daraufhin angebo-
ten worden, dass das LfV Thüringen im Falle einer mög-
lichen Gestellung den Sohn zur Polizei begleiten könne,
um so die Gefahr des Schusswaffengebrauchs abzuwen-
den. Nachdem die Mutter von Uwe Mundlos später hin-
zugestoßen war, sei dieses Angebot wiederholt worden,
jedoch auch darauf hingewiesen worden, dass man den
Kontakt möglichst durch öffentliche Fernsprecheinrich-
tungen aufnehmen solle. Der Vater des Mundlos habe
deutlich gemacht, auf dieses Hilfsangebot eingehen zu
wollen.
Durch die Polizei wurden im März 1998 keine Telefonü-
berwachungsmaßnahmen bei den Eltern von Uwe
Mundlos durchgeführt. TKÜ-Maßnahmen fanden hier erst
zwischen dem 18. und 24. Mai 1998 statt.
2928
d) Aussagen der Zeugen zu diesem Vorgang
aa) Aussagen zum Besuch des LfV Thüringen
bei Familie Mundlos
Der Zeuge Wunderlich hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss bekundet, von dem Besuch von Mitarbeitern des
LfV Thüringen bei den Eltern von Uwe Mundlos erst
anlässlich der Befragung durch Mitglieder der Schäfer-
Kommission am 15. Februar 2012 erfahren zu haben.
2929
2926) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 151, unter dem
11. Februar 1998.
2927) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 3. Juni 1998, MAT A
TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 - GEHEIM), Bl. 120f. (VS-
VERTRAULICH).
2928) Übersicht über TKÜ-Maßnahmen des LKA Thüringen im Jahr
1998, MAT A TH-1/4, Bl. 6.
2929) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 72.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 337 – Drucksache 17/14600
bb) Aussagen zum Hinweis auf eine
Zusammenarbiet des LfV Thüringen mit
Beate Zschäpe
Bzgl. der Äußerung des Vaters von Uwe Mundlos über
den Brief, in dem der Hinweis auf eine Tätigkeit von
Beate Zschäpe als Informantin enthalten gewesen sein
soll, hat der Zeuge Wunderlich vor dem Untersuchungs-
ausschuss bekundet:
„Ja, er hat also einerseits gesagt, dass er wüsste,
dass die Frau Zschäpe eine Quelle des Verfas-
sungsschutzes wäre. […] Auf Nachfrage, wie er
dazu kommt, wie er zu dieser Erkenntnis gelangt,
hat er mitgeteilt, dass er wohl einen Zettel oder ein
Blatt in seinem Briefkasten gefunden hatte, wo das
drauf vermerkt gewesen wäre. Absender, weitere
Details zu diesem Blatt Papier wollte er nicht ma-
chen. Ja, ja, wir haben auch gefragt, ob die Mög-
lichkeit besteht, dass wir dieses Blatt mal sehen
können, dass wir uns das mal anschauen können,
selbst bewerten können. Wir haben ihm auch ver-
sucht einzureden, dass da bestimmt nur einer ihn
ärgern will und steckt dort das in den Briefkasten,
um Unruhe zu stiften.
[…]
Also, wir haben ihm eigentlich versucht die Sache
auszureden, immer mit dem Hintergrund, dieses
Blatt Papier im Original mal selbst sehen zu dür-
fen. Und dem ist er nicht gefolgt und auch nicht
nachgekommen, und - -“2930
Befragt, weshalb er die Angaben des Vaters von Uwe
Mundlos für glaubhaft erachtet habe, hat der Zeuge Wun-
derlich bekundet:
„Ja, weil es keinen Anlass dafür gab, dass ein Va-
ter, der seinen Sohn sucht und ja in der weiteren
Folge sogar vermisst gemeldet hat - - Warum soll
er das erfinden? Also, das ist ja alles - - das ist ja
zu viel Details der Erfindung: Briefkasten, weißes
Blatt Papier, handgeschrieben. Das waren zu viele
Informationen. Die Information alleine, sie würde
dafür arbeiten, da kann man noch sagen: Gut, das
hat er sich ausgedacht. Aber er hat es ja in Details
beschrieben.“2931
Der Zeuge Wunderlich hat zudem bekundet, dass die
entsprechende Information an die Staatsanwaltschaft, das
LfV Thüringen und die EG „TEX“ weitergegeben wurde.
Nach dem Ergebnis befragt hat Wunderlich geäußert:
„Negativ, also alles negativ. Diese Information ist
der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden, dem LfV
und dem LKA. LKA natürlich insofern der Sach-
bearbeitung, die ja meines Erachtens sogar mit da-
bei war. Also, da war ja der Informationsfluss so-
wieso schon gegeben. Aber die Bewertung dieses
2930) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 32.
2931) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 33.
Hinweises, die konnte ich nicht vornehmen. Ich
hatte auch keine Möglichkeit, das LfV als Zeugen
zu befragen. Das geht nicht. Ich habe also nur die-
sen Hinweis geben können, dass wir folgende In-
formation erlangt haben, und habe nachgefragt, ob
es dafür Hinweise gibt oder Möglichkeiten, dass
das stimmen könnte. Das wurde verneint.“2932
Hinweise auf eine wie auch immer geartete Tätigkeit von
Beate Zschäpe für das LfV Thüringen hat der Ausschuss
nicht gewonnen.
8. Anrufe bei Jürgen H. im März/April 1998 –
Hinweise auf Aufenthalt in Chemnitz bzw.
in der Schweiz
a) Anrufe im April 1998 bei Jürgen H.
Im Rahmen der bei Jürgen H. (Festnetzanschluss) erfolg-
ten Telefonüberwachungsmaßnahmen konnten im April
1998 mehrere Anrufe aufgezeichnet werden, deren Inhalt
auf eine Hilfestellung beim Abtauchen des Trios hindeu-
teten.
2933
Die meisten Anrufe wurden aus Telefonzellen
im Bereich Chemnitz abgesetzt, ein Anruf kam aus
Concise/Kanton Waadt/Schweiz. Darüber hinaus erfolg-
ten weitere Anrufe aus Telefonzellen in Chemnitz, bei
denen keine Nachrichten hinterlassen wurden.
Die Klärung der Herkunft der Anrufe erfolgte jeweils
zeitnah. Aus von KOK Wunderlich angelegten Vermer-
ken vom jeweiligen Folgetag lässt sich jeweils bereits der
genaue Standort der Telefonzellen entnehmen.
2934
Im Einzelnen handelte es sich um die folgenden Anrufe:
1. Anruf am 17. März 1998, 18.54 Uhr, aus Chemnitz,
Telefonzelle Franz-Mehring-Straße:
Es wurde keine Nachricht hinterlassen.
2. Anruf am 11. April 1998, 17.10 Uhr, aus
Concise/Kanton Waadt/Schweiz, Rue de la Gare
2935
:
Hinterlassene Nachricht:
„Ja Jürgen, paß auf, ich hab da eine Nachricht für
den Ralf. Sag ihm bitte, er soll am Montag 14.00
Uhr an demselben Treffpunkt sein wie vor zwei
Wochen und soll aber bitte äh vorher aber noch bei
Böni’s Eltern vorbeifahren und äh Klamotten oder
sowas kaufen. Es ist ganz wichtig, er soll am Mon-
tag 14.00 Uhr sein bei dem Treffpunkt wo wir vor
2932) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 32.
2933) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom
23. Juli 1998, MAT A TH-1/15, Bl. 140 f.
2934) Vermerk von KOK Wunderlich vom 17. April 1998, Ge-
sprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A TH-1/19,
Bl. 182 und Vermerk von KOK Wunderlich vom 21. April
1998, Gesprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A
TH-1/19, Bl. 184.
2935) Zur Herkunft des Anrufs: Mitteilung des BKA-
Verbindungsbeamten Gundlach vom 16. April 1998, MAT A
TH-1/20, Bl. 58.
Drucksache 17/14600 – 338 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zwei Wochen äh auch schon waren. Alles klar.
Tschüß.“
3. Anruf am 16. April 1998, 16.43 Uhr, aus Chemnitz-
Klaffenbach, Telefonzelle Würschnitztalstraße 25
2936
:
Hinterlassene Nachricht:
„Hallo Jörg, diese Nachricht is nochmal für den
Ralf, und jetze is Sonntag, 14.00 Uhr, selbe Stelle,
und jetzt muß er aber unbedingt kommen. Das ist
ganz wichtig. Soll vorher zu Uwe’s Mutter, dort
Geld holen. Wir brauchen viel Geld und soll dort,
äh einen Videorecorder holen und Klamotten und
was weiß ich noch alles, en Haufen Zeug. Und er
muss unbedingt Sonntag, 14.00 Uhr dort sein. Es
ist ganz wichtig. Es kann jetzt keine Ausrede
nochmal kommen. Er muss unbedingt…“
4. Anruf am 20. April 1998, 20.41 Uhr, aus Chemnitz,
Telefonzelle Haydnstraße 20a
2937
:
Hinterlassene Nachricht:
„Hallo, diese Nachricht ist für Ralf. Er soll bitte
Mittwoch, 18.00 Uhr, am Treffpunkt ZWEI sein.
Er weiß schon Bescheid. Alles klar, danke.“
5. Anruf am 22. April 1998, 19.02 Uhr, aus Chemnitz,
Telefonzelle Hoffmannstraße 22:
Es wurde keine Nachricht hinterlassen.
Aus einem Vermerk vom 23. Juli 1998, in dem die Anrufe
einzeln dargestellt werden, geht Folgendes hervor:
„Durch eine Vielzahl weiterer TKÜ-Maßnahmen
wurde festgestellt, dass durch den H. nach Abhö-
ren seines Anrufbeantworters dieser den Wohlle-
ben, Ralf an einem unbekannten Ort über den Ge-
sprächsinhalt in Kenntnis setzte. Hierbei soll es in
der weiteren Folge zu Kontaktaufnahmen und
Übergaben an einem Parkplatz der BAB 4 in der
Nähe von Jena gekommen sein. Dabei erschien
vermutlich eine Person mit einem kleinen PKW,
welche in einer anderen TKÜ mit der ‚Lange’ be-
zeichnet wurde.“2938
Weitere Vermerke, etwa über mögliche Observations-
maßnahmen bei Jürgen H. oder Ralf Wohlleben in zeitli-
chem Zusammenhang mit den Anrufen oder über den
konkreten Inhalt der in dem Vermerk genannten „Vielzahl
weiterer TKÜ-Maßnahmen“ sind in den dem Untersu-
chungsausschuss vorliegenden Akten nicht enthalten,
sodass sich die genaue Herkunft der hier zitierten Er-
kenntnisse nicht klären lässt.
2936) Vermerk von KOK Wunderlich vom 17. April 1998, Ge-
sprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A TH-1/19,
Bl. 182.
2937) Vermerk von KOK Wunderlich vom 21. April 1998, Ge-
sprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A TH-1/19,
Bl. 184.
2938) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A
TH-1/15, Bl. 140 f. (141).
Aus einem Vermerk von KHK K. (EG „TEX“) vom
5. September 2002 ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt
eine erneute Auswertung der Anrufe erfolgt war.
2939
Hier-
bei wurde anhand der Anruflisten festgestellt, dass von
dem Anschluss des Jürgen H. am 11. April 1998 um
20.33 Uhr und am 16. April 1998 um 19.09 Uhr Gesprä-
che auf den Anschluss von Ralf Wohlleben geführt wur-
den. Die Inhalte dieser Gespräche waren nicht mehr er-
kennbar, da keine entsprechenden Vermerke hierüber in
den Akten aufgefunden wurden.
b) Anruf aus der Schweiz (Bereich Or-
be/Yverdon)
Bzgl. des Anrufs vom 11. April 1998 erfolgte zeitnah eine
Klärung der in diesem Zusammenhang vorhandenen
Schweizer Telefonnummer. Aus einem Telefax des LKA
Thüringen (Fernkopie Nr. 419) vom 14. April 1998 geht
hervor, dass – unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch
zwischen KHK I., dem damaligen Leiter der Zielfahn-
dungsabteilung im LKA Thüringen und dem Verbin-
dungsbeamten des BKA in der Deutschen Botschaft in
Bern, KHK Gundlach – darum gebeten wurde, geeignete
Fahndungsmaßnahmen im Bereich des angegebenen Tele-
fonanschlusses einzuleiten.
2940
Aus einem am 14. April 1998 am Nachmittag versandten
Telefax des LKA Thüringen (Fernkopie Nr. 431) an das
BKA geht unter anderem Folgendes hervor:
„Bemerkungen: Durch Maßnahmen der Telefon-
überwachung wurde festgestellt, dass über eine
Kontaktperson Bekleidungsgegenstände für eine
der gesuchten Personen an einen derzeit unbekann-
ten Ort am 13.04.98 übernommen wurden. Hierbei
rief die Kontaktperson am 11.04.98 17.10 Uhr aus
einer öffentlichen Telefonzelle im Bereich Or-
be/Yverdon (Schweiz) einen überwachten An-
schluss in Jena (Thüringen) an. […] Zur Abklä-
rung des Telefonanschlusses in der Schweiz wurde
bereits Rücksprache mit dem Verbindungsbeamten
des BKA KHK Gundlach geführt.“2941
Darüber hinaus wurde das BKA gebeten, die Fahndung
auf die Schweiz auszuweiten. Staatsanwalt Sbick von der
Staatsanwaltschaft Gera habe hierum gebeten und für den
Fall der Festnahme des Trios die Stellung eines Ersuchens
um Auslieferung zugesagt.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Faxes war mithin
bereits eine Übergabe am 13. April 1998 bekannt gewor-
den, der genaue Standort der Telefonzelle war dem Ver-
fasser des Telefaxes, dem damaligen Leiter der Zielfahn-
2939) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. (EG „TEX“)
vom 5. September 2002 über Anrufe im April 1998, MAT A
TH-1/19, Bl. 175.
2940) Fernkopie Nr. 419 des LKA Thüringen vom 14. April 1998,
MAT A TH-1/20, Bl. 345.
2941) Hierzu und im Folgenden: Fernkopie Nr. 431, undatiert, des
LKA Thüringen an das BKA, MAT A TH-1/11, Bl. 114. sowie
mit Faxabdruck vom 14. April 1998, 15.07 Uhr, MAT A BKA-
8, Bl. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 339 – Drucksache 17/14600
dungsabteilung im LKA Thüringen, KHK I., jedoch of-
fensichtlich noch nicht bekannt.
Mit Faxschreiben vom 16. April 1998 wurde durch KHK
Gundlach schließlich mitgeteilt:
„Über die Bundespolizei konnte ermittelt werden,
dass es sich bei dem Telefonanschlussinhaber, wie
bereits vorab fernmündlich mitgeteilt, tatsächlich
um eine Telefonzelle handelt. Diese befindet sich
am Bahnhof, Rue de la Gare (Bahnhofstraße), in
1426 Concise (Kanton Waadtland). Nähere Abklä-
rungen sind veranlasst.“2942
Unterlagen über die erbetenen Fahndungsmaßnahmen im
Bereich des Telefonanschlusses oder über die veranlass-
ten weiteren Abklärungen sind in den Akten, die dem
Untersuchungsausschuss vorliegen, nicht enthalten.
Aus dem Staatsschutzbericht 1998 des Eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartements der Schweiz geht hervor,
dass am 11. April 1998 in Concise ein als Geburtstagsfei-
er getarntes neonazistisches Skinhead-Konzert mit 150 bis
300 Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich, Italien,
Polen, Australien und der Schweiz stattfand.
2943
Der Zeuge Gundlach hat in seiner Vernehmung vor dem
Untersuchungsausschuss den soeben dargestellten, aus
den Akten zu entnehmenden Ablauf bestätigt, jedoch auch
dargelegt, an den Vorgang selbst zunächst keine Erinne-
rung mehr gehabt zu haben. Er hat bekundet:
„Ich habe dann festgestellt anhand der Unterlagen,
die mir zugekommen waren, dass in der Tat offen-
sichtlich ein Anruf erfolgt war aus dem Landes-
kriminalamt Thüringen. Diesem Anruf folgte of-
fenbar ein Fax, das an mich gesandt worden ist -
das Ganze hat sich wohl abgespielt am 14.04.1998
-, und in dem Fax wurde dann ein Sachverhalt
mitgeteilt und darum gebeten, dass ich eine Tele-
fonanschlussinhaberfeststellung durchführe, die
dann auch erfolgt ist. Ich habe dann - - Das ist
auch nicht mehr in meiner Erinnerung, aber ich
schließe aus dem Vorgang, den ich hier habe lesen
können, dass eine Anschlussinhaberfeststellung er-
folgt ist, und zwar handelte es sich da bei diesem
Anschluss um eine Telefonzelle. Das konnte ich
offenbar direkt mitteilen, und das wurde dann zwei
Tage später bestätigt, und bestätigt auch dadurch,
dass ich ein Fax zurückgeschickt habe an das Lan-
deskriminalamt Thüringen und das Bundeskrimi-
nalamt nachrichtlich beteiligt habe.“2944
Bzgl. des Aspekts, dass in den von den Thüringer Ermitt-
lern verfassten Dokumenten durchgängig von einem „An-
ruf aus Orbe“ die Rede war und ist, obgleich der Anruf
nach dem Ergebnis der Klärungen aus dem Ort Concise
2942) Telefax der Deutschen Botschaft in Bern an das LKA Thürin-
gen und an das BKA, MAT A TH-1/19, Bl. 179.7
2943) Staatsschutzbericht 1998 des Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartements der Schweizer Eidgenossenschaft, S. 35.
2944) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 64.
(ca. 15 km von Orbe entfernt) erfolgte, hat der Zeuge
Gundlach ausgesagt:
„Bei der Telefonnummer, die abzuklären war, war
anhand der Telefonnummer an sich schon ersicht-
lich, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um
eine Telefonzelle handelt.“2945
sowie auf den Vorhalt, dass der aus der Telefonnummer
ersichtliche Vorwahlbereich die am Neuenburger See
gelegenen Orte Concise, Yverdon und Orbe umfasse und
er sodann ermittelt habe, dass die Telefonzelle selber in
Concise stand:
„Es geht um den 024er-Bereich, und das ist der
nördliche Teil vom gesamten Waadtland und be-
trifft nicht nur drei Orte. Es sind also diverseste
Orte, die mit 024 beginnen, ja.“2946
Es erscheint daher naheliegend, dass zunächst – im Rah-
men des Telefonats zwischen KOK Gundlach und KHK I.
am oder vor dem 14. April 1998 – im Rahmen einer Vor-
einschätzung mitgeteilt worden war, dass der Anruf aus
einer Telefonzelle im Bereich Orbe/Yverdon stammen
könnte. Mit Telefax vom 16. April 1998 wurde dann der
exakte Standort mitgeteilt. Die Benutzung des Terminus
„Bereich Orbe/Yverdon“, mithin eine letztendlich wenig
exakte Angabe, spricht ebenfalls für diese Möglichkeit.
Auch nachdem mit Fax vom 16. April 1998 den Thürin-
ger Ermittlern der korrekte Herkunftsort des Anrufs,
Concise, mitgeteilt wurde, blieb dieser Umstand unbe-
rücksichtigt – es wurde weiterhin von einem Anruf aus
Orbe ausgegangen. Damit fand die Möglichkeit, einen
Zusammenhang mit dem Skinhead-Konzert vom Tage des
Anrufs zu erkennen, zu keinem Zeitpunkt Eingang in die
Thüringer Akten.
Im Hinblick auf die seitens des Zeugen Gundlach im
Telefax vom 16. April 1998 mitgeteilten „näheren Abklä-
rungen“, die durch die Bundespolizei (der Schweiz) ver-
anlasst seien, finden sich in den Akten des LKA Thürin-
gen keine weiteren Aktenbestandteile. Hierzu befragt,
konnte der Zeuge Gundlach keine weiteren Auskünfte
geben, teilte jedoch mit, dass entsprechende Meldungen
auch über den Interpol-Meldeweg nach Deutschland hät-
ten mitgeteilt werden können. Gundlach hat hierzu kon-
kret geäußert:
„Ich gehe davon aus, dass ich sofort die Bundespo-
lizei informiert habe und um weitere Abklärung
gebeten habe.“2947
Auf die Frage, ob die daraufhin eingeholten Informatio-
nen der Schweizer Polizeibehörden durch den Zeugen
Gundlach nach Deutschland weitergeleitet worden seien,
hat der Zeuge Gundlach geäußert:
„Das ist die Frage, weil ja parallel am selben Tage,
als ich die Information erhalten habe, ein Interpol-
2945) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 65.
2946) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 66.
2947) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 66.
Drucksache 17/14600 – 340 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Fernschreiben mit der Erweiterung der Fahndung
an Interpol Schweiz ergangen ist, auch mit einer
näheren Sachverhaltsdarstellung. Ich gehe da mal
davon aus, dass auch dieses Fahndungsersuchen
entsprechend in der Schweiz umgesetzt worden ist
und nähere Fahndungsmaßnahmen dann über den
üblichen Weg koordiniert worden sind. Also, die
ursprüngliche Aufgabe, die mir offenbar zustand in
dem Moment, war die schnelle Übermittlung der
Information: Um was handelt es sich bei dieser Te-
lefonnummer?“2948
sowie:
„In der Regel, wenn man bestimmte Ersuchen, die
zu keinem Ergebnis führen, an die Behörden wei-
terleitet, heißt das noch lange nicht, dass man ein
sogenanntes Nullergebnis zurückbekommt. Es ist
durchaus denkbar aufgrund dieser Sachlage, die
mir auch später zur Kenntnis gelangt ist, dass der
eigentliche Fahndungsaufruf und die eigentliche
Fahndungserweiterung in Richtung Schweiz über
Interpol gelaufen ist, dass dann sämtliche Maß-
nahmen auch über die schweizerische Interpolstel-
le koordiniert worden sind und diese Interpolstelle
dann auch entsprechend rückmeldet. Es ist eher
das Gegenteil der Fall von dem, was Sie sagen,
dass es eher wahrscheinlich ist, dass Interpol dann
eine Rückmeldung gibt, als dass ich eine Rück-
meldung bekomme und die dann weiterleite.“2949
Das am 11. April 1998 in Concise stattgefundene Skin-
head-Konzert war dem Zeugen Gundlach unbekannt.
Hierzu hat er geäußert:
„Also, von diesem Skinhead-Konzert, das sagt mir
hier gar nichts. Ich hätte dann vielleicht schon er-
wartet, dass mir so was mitgeteilt würde. Die An-
frage ging ja drei Tage später raus. Da hätten sich
vielleicht die schweizerischen Behörden dann auch
erinnern können, dass ein solches Konzert stattge-
funden hat. Mir war das offensichtlich nicht be-
kannt; sonst hätte ich das mit Sicherheit mitge-
teilt.“2950
c) Klärung der Identität des Anrufers und
weitere Maßnahmen
Die Identität des Anrufers konnte zunächst nicht geklärt
werden. In einem Vermerk vom 26. Mai 1998
2951
und in
dem schon erwähnten Vermerk vom 23. Juli 1998 ist
dieser als „noch unbekannte männliche Person“ bezeich-
net.
2952
Hieraus kann geschlossen werden, dass seitens der
Polizei davon ausgegangen wurde, dass es sich bei dem
2948) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 68.
2949) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 69.
2950) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 69.
2951) Vermerk von KOK Wunderlich zur Beantragung von TKÜ-
Maßnahmen vom 26. Mai 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 210 f.
2952) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A
TH-1/15, Bl. 140 f.
Anrufer – jedenfalls in den Fällen, in denen Nachrichten
hinterlassen wurden – in allen Fällen um dieselbe Person
handelte.
Aus dem Vermerk vom 26. Mai 1998 geht zudem hervor,
dass sich die Zielfahndungsabteilung zunächst erhoffte,
durch eine Verlängerung der TKÜ-Maßnahmen bei Wohl-
leben und Jürgen H. die Identität des Anrufers klären zu
können, weshalb zunächst die Verlängerung dieser Maß-
nahmen sowie die Überwachung der Telekommunikation
angeregt wurde.
2953
Auch am 23. Juli 1998 war die Identi-
tät des Anrufers weiter unbekannt.
2954
Aus einem Vermerk, der mit dem Datum 3. August 1997
versehen ist, geht sodann hervor, dass seitens der Ziel-
fahndungsabteilung offensichtlich Ermittlungen zur rech-
ten Szene in Chemnitz erfolgt waren.
2955
Auf welche
Weise dies erfolgte, ist nicht vermerkt. Es wurde ange-
regt, TKÜ-Maßnahmen gegen Jan Werner, Thomas Star-
ke und Hendrik L. durchzuführen. Aus dem Gesamtzu-
sammenhang des Vermerks (Aktenfundstelle, daraufhin
ergangener TKÜ-Beschluss, dargestellte Erkenntnisse)
kann geschlossen werden, dass der Vermerk tatsächlich
vom 3. August 1998 stammt. Nachdem auf Grundlage
dieses Vermerks noch am 3. August 1998 der Erlass ent-
sprechender Beschlüsse durch die Staatsanwaltschaft
Gera beantragt worden war, kann – nachdem die Maß-
nahmen begonnen wurden – aus einem Vermerk vom
11. August 1998 Folgendes entnommen werden:
„Es konnte ermittelt werden, dass der W., Jan eine
Kontaktperson zu den Gesuchten ist und Wissen
zum gegenwärtigen Verbleib der Personen haben
könnte.“2956
Auf welche Art diese Ermittlungen vorgenommen wur-
den, lässt sich dem Vermerk nicht entnehmen.
Aus einem Vermerk vom 9. September 1998 geht schließ-
lich hervor, dass Jan Werner als der Anrufer aus den
Telefonzellen im April 1998 identifiziert wurde. Wörtlich
heißt es in Bezug auf Jan Werner:
„Dieser konnte auf Grund der bestehenden TKÜ-
Maßnahmen als Anrufer aus Telefonzellen im Ap-
ril 1998 identifiziert werden.“2957
Auch diesem Vermerk lässt sich nicht entnehmen, auf
welche Weise Jan Werner als der Anrufer aus den Tele-
fonzellen identifiziert werden konnte. Eine nicht fernlie-
gende Möglichkeit besteht darin, dass ein Stimmenver-
2953) Vermerk von KOK Wunderlich zur Beantragung von TKÜ-
Maßnahmen vom 26. Mai 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 210 f.
2954) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A
TH-1/15, Bl. 140 f.
2955) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich,
datiert mit 3. August 1997, zur Beantragung von TKÜ-
Maßnahmen, MAT A TH-1/4, Bl. 231 und Bl. 242.
2956) Vermerk von KOK Wunderlich vom 11. August 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 245.
2957) Vermerk von KOK Wunderlich vom 9. September 1998, MAT
A TH-1/4, Bl. 269.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 341 – Drucksache 17/14600
gleich vorgenommen wurde. Ein entsprechendes Sachver-
ständigengutachten findet sich nicht in den Akten.
Jürgen H. wurde am 27. Mai 1999 in einer Kaserne im
bayerischen Mellrichstadt durch KOK Wunderlich be-
fragt. Dem hierzu durch KOK Wunderlich angefertigten
Vermerk ist – soweit er die Anrufe im April 1998 betrifft
– zu entnehmen, dass Uwe Böhnhardt selbst der Anrufer
gewesen sein soll. In dem Vermerk heißt es:
„Durch den Wohlleben wurde er im April 1998
gebeten, Telefonanrufe entgegenzunehmen und
Kurierfahrten durchzuführen. Dabei wurde auf
dem privaten Telefonanschluss des H. durch den
gesuchten Böhnhardt mehrere Male angerufen. In
diesen Gesprächen teilte der Böhnhardt mit, wel-
che Bekleidungsgegenstände und wieviel Geld der
Wohlleben besorgen soll. Mit diesen Informatio-
nen ging H. zu Wohlleben und teilte diese münd-
lich mit. Desweiteren wurde H. von Wohlleben be-
auftragt, diese Dinge mit seinem Privatfahrzeug an
einen weiteren Kurier nach Zwickau zu bringen.
Wohlleben gab zu verstehen, dass hierfür die A4
genutzt werden sollte, um schnell das Ziel zu er-
reichen. H. sollte darauf achten, dass ihm kein
Fahrzeug folgt. In Zwickau angekommen, kam ei-
ne für ihn unbekannte männliche Person auf ihn zu
und übernahm die mitgebrachten Sachen.“2958
Die Aussage des H. widerspricht in mehreren Aspekten
den zuvor gewonnenen Erkenntnissen der Zielfahndungs-
abteilung. So war durch die Zielfahndungsabteilung da-
von ausgegangen worden, dass Jan Werner der Anrufer
gewesen sei. Darüber hinaus ergab sich aus dem Vermerk
vom 23. Juli 1998 auch nicht, dass Jürgen H. Übergaben
in Zwickau durchgeführt hatte, sondern lediglich, dass
Übergaben auf einem nahe Jena gelegenen Parkplatz an
der Bundesautobahn 4 (BAB 4) stattfanden. Inwiefern H.
hier möglicherweise die Unwahrheit berichtet hatte bzw.
inwiefern er von Kurierfahrten berichtete, die zu einem
späteren Zeitpunkt durchgeführt worden waren, oder
inwiefern die Aussage des H. dazu führte, die bisherige
Position bzgl. des Anrufers neu zu überdenken, ist nicht
aktenkundig. Weiterhin ist nicht aktenkundig, inwiefern
auf den zu diesem Zeitpunkt (Mai 1999) neuen Hinweis
auf Zwickau eingegangen wurde oder ob dies zu weiteren
Maßnahmen führte. Dem Vermerk lässt sich auch nicht
entnehmen, dass H. zu weiteren Details der in Zwickau
erfolgten Übergaben (z. B. Identität oder jedenfalls Be-
schreibung der Person, mit der er sich traf, genaue Ört-
lichkeit, genutzte Kraftfahrzeuge, etc.) befragt wurde.
In einer durch das BKA am 28. Februar 2012 durchge-
führten Vernehmung hat Jürgen H. angegeben, dass der
Anruf vom 11. April aus Concise/Schweiz durch Uwe
2958) Vermerk von KOK Wunderlich vom 27. Mai 1999 über die
Befragung des H., Jürgen, in Mellrichstadt, MAT A TH-1/20,
Bl. 323.
Mundlos selbst erfolgt sei. Er sei sich dahingehend sicher,
er habe Mundlos an der Stimme erkannt.
2959
9. Weitere Fahndungsmaßnahmen des LKA
Thüringen zwischen März und Dezember
1998
a) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen
im Jahr 1998
aa) Telefonüberwachung bei Jan Werner
aaa) Hinweise auf Beteiligung von Jan Werner
In Bezug auf Jan Werner kam es zu zwei TKÜ-
Maßnahmen. Zwischen dem 4. August 1998 und dem
11. August 1998 wurde der Festnetzanschluss der Mutter
von Jan Werner überwacht, weil man vermutete, dass Jan
Werner auch diesen Anschluss für Telefongespräche
nutzte. Zwischen dem 4. August 1998 und dem
24. September 1998 wurde dessen Mobiltelefon über-
wacht.
Auf Jan Werner war die Zielfahndung des LKA Thürin-
gen aufmerksam geworden, weil Ermittlungen ergeben
hatten, dass er zum rechten Spektrum in Chemnitz gehöre.
Hintergrund der Telefonüberwachung bei Jan Werner
war, dass zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt war, von
wem im April 1998 mehrere Mitteilungen auf einem
Anrufbeantworter von H. hinterlassen worden waren,
wobei die Anrufe zumeist aus Telefonzellen innerhalb
von Chemnitz erfolgten (siehe hierzu oben unter 8.).
bbb) Überwachung des Festnetzanschlusses
der Mutter von Jan Werner
Aufgrund einer entsprechenden Anregung der Zielfahn-
dungsabteilung des LKA Thüringen vom
3. August 1998
2960
wurde am selben Tag durch die Staats-
anwaltschaft Gera beim Amtsgericht Jena der Erlass eines
entsprechenden Beschlusses zur Überwachung des Fest-
netzanschlusses der Mutter von Werner in Chemnitz (und
auch bzgl. der Mobilfunktelefone von Hendrik L. und
Thomas Starke) beantragt.
2961
Am 4. August 1998 wurde
der entsprechende Beschluss erlassen.
2962
Weder auf dem Anregungsvermerk der Zielfahndung
noch auf dem Antrag der Staatsanwaltschaft ist dabei
2959) Protokoll über die Vernehmung von Jürgen H. am 28. Februar
2012, MAT A BY-14/1-1, Bl. 6 ff. (22).
2960) Vermerk von KOK Wunderlich zur Anregung von TKÜ-
Maßnahmen, MAT A TH-1/4, Bl. 242.
2961) Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur Überwachung der
Telekommuikation bzgl. Hendrik L. (Mobilfunk), Thomas Star-
ke (Mobilfunk) und Jan Werner (Festnetz, Anschluss der Mut-
ter), MAT A TH-1/4, Bl. 234 f.
2962) Beschluss des Amtsgerichts Jena bzgl. der Überwachung der
Telekommunikation vom 4. August 1998, Az. 7 Gs 332/98,
MAT A TH-1/9, Bl. 141.
Drucksache 17/14600 – 342 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erwähnt, dass eine mögliche Flucht des Trios nach Südaf-
rika im Raume steht. Vielmehr wird zur Begründung
lediglich der Verdacht angeführt, der Betroffene könne
bei der Flucht behilflich sein und telefonisch Kontakt
aufnehmen. Der richterliche Beschluss vom 4. August
1998 erwähnt demgegenüber Folgendes:
„Auch liegen Hinweise vor, dass die Beschuldig-
ten sich demnächst in das Ausland, namentlich
Südafrika, absetzen werden.“2963
Durch wen der Richter über diese im Raume stehende
Möglichkeit informiert wurde, ist den Akten nicht zu
entnehmen.
Die Überwachung des Festnetzanschlusses der Mutter von
Jan Werner dauerte bis zum 11. August 1998 an. Einem
Vermerk von diesem Tag ist zu entnehmen, dass keine
Informationen erlangt werden konnten.
2964
Gleichzeitig
wird in dem Vermerk die Überwachung des Mobilfunk-
anschlusses von Jan Werner (sowie von Sigfried Sch.)
angeregt und mitgeteilt, dass am 9. August 1998 auf ei-
nem Autobahnrastplatz der BAB 4 in der Nähe von Jena
eine Übergabe bisher unbekannter Gegenstände durchge-
führt wurde. Wer bei dieser Übergabe zugegen war und
woher diese Kenntnis stammt, ist nicht erwähnt; lediglich,
dass das Treffen von einem Sigfried Sch. aus Chemnitz
organisiert worden sei.
ccc) Überwachung des Mobilfunkanschlusses
von Jan Werner
Nachdem die Überwachung des Festnetzanschlusses der
Mutter von Jan Werner fruchtlos verlaufen war, regte die
Zielfahndungsabteilung am 11. August 1998 an, nunmehr
den Mobilfunkanschluss von Jan Werner zu überwachen
(neben dem Mobilfunkanschluss von Sigfried Sch.).
2965
Aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft Gera vom
selben Tage
2966
wurde – ebenfalls am selben Tag – durch
das Amtsgericht Jena ein entsprechender Beschluss ge-
fasst, der die Überwachung der Telekommunikation für
einen Monat anordnete.
2967
Am 10. September 1998 wur-
de in einem weiteren Beschluss die TKÜ-Maßnahme bis
zum 24. September 1998 verlängert.
2968
Dem vorausge-
gangen war ein entsprechender Anregungsvermerk von
KOK Wunderlich von der Zielfahndung des LKA Thürin-
gen vom 9. September 1998, in dem neben der Verlänge-
2963) Beschluss des Amtsgerichts Jena bzgl. der Überwachung der
Telekommunikation vom 4. August 1998, Az. 7 Gs 332/98,
MAT A TH-1/9, Bl. 141.
2964) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom
11. August 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 245.
2965) Vermerk von KOK Wunderlich vom 11. August 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 245.
2966) Antrag der Staatsanwaltschaft Gera auf Erlass eines Beschlus-
ses über TKÜ-Maßnahmen vom 11. August 1998, MAT A TH-
1/4, Bl. 246 f.
2967) Beschluss des Amtsgerichts Jena, Az. 7 Gs 346/98, vom
11. August 1998 über TKÜ-Maßnahmen eines Mobilfunkan-
schlusses von Jan Werner, MAT A TH-1/4, Bl. 244.
2968) Beschluss des Amtsgerichts Jena, Az. 7. Gs 346/98, vom
10. September 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 252 f.
rung der TKÜ des Mobiltelefons von Jan Werner auch
eine TKÜ bei einer Frau A. angeregt wird, und in dem es
unter anderem heißt:
„So wurde aus dem Umfeld des Werner wie auch
der A. bekannt, dass drei rechte Personen (2 Män-
ner und 1 Frau) im Bereich Chemnitz unterge-
taucht sind und in den nächsten Tagen in das Aus-
land gebracht werden sollen. Hierzu notwendige
Ausweisdokumente seien noch in Arbeit.“2969
Ob der hier niedergelegte Hinweis auf eine Flucht ins
Ausland und mögliche Ausweisdokumente aus einer
TKÜ-Maßnahme stammt oder auf andere Weise der Ziel-
fahndung bekannt wurde, ist dem Vermerk nicht zu ent-
nehmen. Aufgrund der Benutzung des Terminus „aus dem
Umfeld“ besteht auch die Möglichkeit, dass der entspre-
chende Hinweis nicht durch TKÜ-Maßnahmen erlangt
wurde.
Aus einem weiteren Vermerk vom 15. September 1998
geht sodann hervor, dass durch die Überwachung des
Mobiltelefons von Jan Werner auch Erkenntnisse darüber
erlangt wurden, dass Jan Werner ein führender Kopf der
„Blood & Honour“-Bewegung Sachsen sei und in diesem
Zusammenhang Musikgruppen aus dem Ausland
Auftrittsmöglichkeiten in Deutschland verschaffe und
über ihn der Absatz von CDs, T-Shirts und Zeitschriften
aus dem rechten Spektrum gesteuert werde und er als
Kraftfahrer sehr mobil sei.
2970
Am 16. und 25. August 1998 wurden von dem überwach-
ten Mobiltelefon von Jan Werner insgesamt drei SMS an
ein Mobiltelefon mit der Rufnummer 0172/3922XXX
versandt.
2971
Eine Überprüfung der Rufnummer erfolgte
offenbar erst Ende November 1998: Durch eine Form-
blattmitteilung wurde durch den Mobilfunkanbieter am
26. November 1998 mitgeteilt, dass die Rufnummer
0172/3922XXX an das Ministerium des Innern des Lan-
des Brandenburg ausgegeben war.
2972
Nähere Ermittlungen hierzu, wie etwa eine Anfrage an
das Land Brandenburg sind nicht aktenkundig.
Detaillierte Ausführungen zu diesem Vorgang finden sich
im Abschnitt E. III. 6. h) in den Ausführungen zu Hinwei-
sen des V-Mannes Piatto des Verfassungsschutzes Bran-
denburg.
2969) Vermerk der Zielfahndung vom 9. September 1998, MAT A
TH-1/17, Bl. 140.
2970) Vermerk des LKA Thüringen vom 15. September 1998 über
Maßnahmen der Telefonüberwachung bei Jan Werner, MAT A
TH-1/19, Bl. 197.
2971) S-Records des Mobiltelefons von Jan Werner, MAT A TH-1/9,
Bl. 272.
2972) Mitteilung der Mannesmann Mobilfunk GmbH vom 26. No-
vember 1998, MAT A TH-1/10, Bl. 365.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 343 – Drucksache 17/14600
bb) Telefonüberwachung bei Antje und
Michael P., Limbach-Oberfrohna
Zwischen dem 8. Oktober und dem 7. November 1998
erfolgte eine TKÜ-Maßnahme bzgl. des Festnetzanschlus-
ses von Michael P. in Limbach-Oberfrohna. Darüber
hinaus wurde zwischen dem 15. Oktober und dem
15. November 1998 ein auf Michael P. eingetragener
Mobilfunkanschluss überwacht.
In einem Vermerk vom 7. Oktober 1998, durch den sei-
tens der Zielfahndung des LKA Thüringen die Beantra-
gung eines entsprechenden Beschlusses bei der Staatsan-
waltschaft angeregt wird, heißt es unter Nennung der
Namen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos:
„In Auswertung der bereits angeordneten Überwa-
chung der einzelnen Anschlüsse und umfangrei-
cher Ermittlungen wurde festgestellt, dass in der
rechten Chemnitzer Szene (BLOOD AND
HONOUR) über die gesuchten Personen gespro-
chen wurde.
Weiterhin wurde dienstlich bekannt, dass die nach-
folgend aufgeführte Person Kontakt zu o. g. Perso-
nen unterhält.
Hierbei handelt es sich um
P., Antje
[…]
Die P. ist Betreiberin eines Szeneladens in Chem-
nitz und unterhält eine Vielzahl von Kontakten in
das europäische Ausland.“2973
Unter Bezugnahme auf diesen Vermerk beantragte die
Staatsanwaltschaft Gera am 7. Oktober 1998 die Überwa-
chung des auf Michael P. eingetragenen Festnetzan-
schlusses.
2974
Der entsprechende Beschluss des Amtsge-
richts Jena erging noch am selben Tag.
2975
Ein weiterer Vermerk von KOK Wunderlich vom
14. Oktober 1998 enthält ähnliche Hinweise bzgl. Micha-
el P. Unter der Überschrift „Zielfahndung: Böhnhardt,
Mundlos, Zschäpe“ heißt es darin:
„In Auswertung der bereits angeordneten Überwa-
chung der einzelnen Anschlüsse und umfangrei-
cher Ermittlungen wurde festgestellt, dass in der
rechten Chemnitzer Szene (BLOOD AND
HONOUR) über die gesuchten Personen gespro-
chen wurde.
Weiterhin wurde dienstlich bekannt, dass die nach-
folgend aufgeführte Person Kontakt zu o. g. Perso-
nen unterhält.
2973) Vermerk von KOK Wunderlich vom 7. Oktober 1998 zur
Beantragung einer TKÜ-Maßnahme, MAT A TH-1/4, Bl. 277.
2974) Antrag der Staatsanwaltschaft Gera auf Erlass eines Beschlus-
ses zur Überwachung der Telekommunikation vom 7. Oktober
1998, MAT A TH-1/4, Bl. 275 f.
2975) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 7. Oktober 1998, Az. 7
Gs 427/98, MAT A TH-1/4, Bl. 278 f.
Hierbei handelt es sich um
P., Michael
[…]
Der P. ist der Ehemann von Antje P., welche eben-
falls Wissen über den momentanen Aufenthalt der
gesuchten Personen haben müsste.
Dienstlich wurde bekannt, dass beide Personen be-
absichtigen in der Zeit vom 23.10. bis 25.10.1998
in die Republik Ungarn zu reisen, um an einem
Rockkonzert der rechten Szene teilzunehmen.
Durch einen anonymen Hinweisgeber wurde am
12.09.1998 telefonisch mitgeteilt, dass sich zwei
der gesuchten Personen in der Republik Ungarn
aufhalten sollen.“2976
Der Anregung entsprechend beantragte die Staatsanwalt-
schaft die Überwachung des Mobilfunkanschlusses von
Michael P. am 14. Oktober 1998.
2977
Der entsprechende
Gerichtsbeschluss erging am 15. Oktober 1998.
2978
Weitere Vermerke über das Ergebnis der TKÜ-
Maßnahmen sind in den Akten nicht vorhanden. Ebenso-
wenig finden sich Anhaltspunkte für eine Einschaltung
der Behörden in Ungarn zwischen dem 23. und
25. Oktober 1998 oder zu einem anderen Zeitpunkt wäh-
rend der Überwachung dieser beiden Telefonanschlüsse.
In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, auf welche Weise
ein möglicher Kontakt zwischen dem gesuchten Trio und
Antje bzw. Michael P. „dienstlich bekannt“ wurde.
cc) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen
Neben den bereits aufgeführten TKÜ-Maßnahmen erfolg-
ten im Jahr 1998 weitere TKÜ-Maßnahmen, und zwar:
– der Eltern von Uwe Böhnhardt (Festnetzanschluss)
zwischen dem 4. Februar 1998 und dem
28. Februar 1998
– des Mobiltelefons von Uwe Böhnhardt zwischen dem
18. Februar und dem 17. März 1998
– von Ralf Wohlleben (Festnetz) zwischen dem 5. März
und dem 25. Juli 1998
– von Rayk F. zwischen dem 4. und 26. Mai 1998
– von Thomas Se. (Festnetz) zwischen dem 5. und
26. Mai 1998
– der Eltern von Uwe Mundlos zwischen dem 18. und
24. Mai 1998 – hier rechnete die EG „TEX“, KHK
2976) Vermerk von KOK Wunderlich vom 14. Oktober 1998 zur
Beantragung einer TKÜ-Maßnahme, MAT A TH-1/4, Bl. 287.
2977) Antrag der Staatsanwaltschaft Gera auf Erlass eines Beschlus-
ses zur TKÜ vom 14. Oktober 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 285 f.
2978) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 15. Oktober 1998, Az. 7
Gs 443/98, MAT A TH-1/4, Bl. 288.
Drucksache 17/14600 – 344 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dressler, mit einer Kontaktaufnahme aufgrund des
Geburtstages der Mutter von Uwe Mundlos
2979
– des REWE-Markts (Festnetz), in dem die Mutter von
Uwe Mundlos seinerzeit arbeitete, zwischen dem
18. und 24. Mai 1998
– von Conny C. (Festnetz) zwischen dem 28. Mai und
dem 10. Juni 1998
– von Hartwig B. (Festnetz) zwischen dem 28. Mai und
dem 10. Juni 1998
– von Holger Gerlach (Festnetz) zwischen dem 5. und
7. Juni 1998
– von Hendrik L. (Mobilfunk) zwischen dem 4. und
11. August 1998 die Anregung der Zielfahndung zu
dieser TKÜ erfolgte gemeinsam mit der Anregung
zur Überwachung des Anschlusses der Mutter von
Jan Werner
– von Thomas Starke (Mobilfunk) zwischen dem
4. August und dem 4. September 1998
– von Sigfried S. (Mobilfunk) zwischen dem
11. August und dem 10. September 1998
– von Angela A. zwischen dem 10. September und dem
5. Oktober 1998
Hinweise über die bei diesen Telekommunikationsüber-
wachungen gewonnenen Erkenntnisse sind nicht akten-
kundig. Die jeweiligen Verbindungsdaten (S-Records)
sind jedoch erhalten.
b) Observationsmaßnahmen
aa) Observation von Ralf Wohlleben am
22. April 1998 und im August 1998
aaa) 22. April 1998
Am 22. April 1998 wurde Ralf Wohlleben im Stadtgebiet
Jena observiert – es ergaben sich keine relevanten Er-
kenntnisse.
2980
In dem hierüber verfassten Vermerk findet
sich kein Hinweis auf den Anlass der Observation.
bbb) August 1998
Aus einem Vermerk vom 6. September 1998 ergibt sich,
dass jedenfalls am 12. August 1998 eine Observation von
Ralf Wohlleben stattfand.
2981
Dieser befand sich zu die-
sem Zeitpunkt in Hannover, von wo aus er aus einer Tele-
2979) Anregungen zur Beantragung von TKÜ-Maßnahmen bzgl. des
Anschlusses der Eltern von Uwe Mundlos und des Anschlusses
der Arbeitsstelle der Mutter von Uwe Mundlos vom 14. Mai
2000, MAT A TH-1/4, Bl. 200 f.
2980) Vermerk der Zielfahndung über Observation am 22. April 1998
im Stadtgebiet Jena, MAT A TH-1/20, Bl. 330.
2981) Hierzu und im Folgenden: Vermerk der Zielfahndungsabteilung
vom 6. September 1998, MAT A TH-1/20, Bl. 50.
fonzelle heraus telefonierte. Durch die Zielfahndungsab-
teilung wurde daher am 6. September 1998 angeregt,
rückwirkend die Verbindungsdaten der Telefonzelle zu
erheben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechender
Gerichtsbeschluss herbeigeführt wurde.
bb) Künstliche Nachfrage nach dem
„Pogromly“-Spiel – Observation von Jür-
gen H. Anfang August 1998
Zwischen dem 3. August 1998 und dem 6. August 1998
wurde Jürgen H. nahezu durchgehend observiert.
2982
Der Anlass dieser Observationsmaßnahme lässt sich indi-
rekt aus einem Vermerk vom 23. Juli 1998 rückschlie-
ßen.
2983
Eigentlicher Hintergrund dieses Vermerkes war
die Anregung, die Telefonüberwachungsmaßnahmen bei
Jürgen H. um weitere zwei Wochen zu verlängern, was
auch erfolgte.
2984
Sowohl in dem Vermerk vom 23. Juli
1998 als auch in dem daraufhin ergangenen Beschluss des
Amtsgerichts Jena wird ausgeführt, dass beabsichtigt sei,
eine „künstliche Nachfrage“ nach dem „Pogromly“-Spiel
zu veranlassen. Konkret wird in dem Vermerk ausgeführt:
„Dem Zielfahndungskommando des LKA Erfurt
wurde dienstlich bekannt, dass die drei gesuchten
Personen zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts
sowie der seit 29.01.1998 andauernden Flucht, ein
sogenanntes ‚Pogromly‘ herstellen. Dabei handelt
sich um eine rechtsradikal veränderte Version des
Gesellschaftsspiels ‚Monopoly‘. Ermittlungen ha-
ben ergeben, dass der H. die bereits hergestellten
Spiele in bisher unbekannter Größenordnung auf-
bewahrt.
Desweiteren ist beabsichtigt, in den nächsten Ta-
gen eine künstliche Nachfrage zu diesem Spiel zu
veranlassen. Hierbei verspricht sich die Zielfahn-
dung eine telefonische Kommunikation bei H. und
Erkenntnisse zum gegenwärtigen Aufenthalt der
Gesuchten.“
Auch in dem Beschluss des Amtsgerichts Jena zur Tele-
fonüberwachung ist eine ähnliche Formulierung enthalten.
Die Herkunft der Kenntnisse bzgl. des „Pogromly“-Spiels
ist nicht aktenkundig. Möglicherweise stammen diese aus
den zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Telefonüberwa-
chungsmaßnahmen. Allerdings ist auch denkbar, dass ein
entsprechender Hinweis durch das LfV Thüringen gege-
ben wurde, da im zeitlichen Zusammenhang mit der ge-
nannten Maßnahme auch dort Maßnahmen stattfanden
und Hinweise vorlagen, die das „Pogromly“-Spiel betra-
fen.
2982) Observationsberichte des Dezernats 31 des LKA Thüringen
(Mobiles Einsatzkommando, MAT A TH-1/4, Bl. 159 ff. (3.8.),
163 ff. (4.8.), 166 ff. (5.8.), 169 ff. (6.8.).
2983) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom
23. Juli 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 155.
2984) Beschluss des Amtsgerichts Jena, Az. 7 Gs 321/98, vom
27. Juli 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 156.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 345 – Drucksache 17/14600
Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung von Beate
Zschäpe am 26. Januar 1998 war ein solches „Pogromly“-
Spiel in deren Wohnung aufgefunden worden.
2985
Aus dem Gutachten der Schäfer-Kommission ergibt sich,
dass im Zeitraum vor dem 23. Juli 1998 auch beim Lan-
desamt für Verfassungsschutz Hinweise auf das
„Pogromly“-Spiel vorlagen.
So wurde das LfV Thüringen durch die Quelle 2045 (Tino
Brandt) bereits am 12. Mai 1998 darüber informiert, dass
André Kapke regelmäßig Kontakt zum Trio habe und dass
Kapke (und nicht H.!) das Spiel verkaufe. Der Erlös sei
für das Trio bestimmt.
2986
Am 12./13. Juli 1998, also ca. zwei Monate später, teilte
die Quelle 2045 in einer E-Mail dem LfV Thüringen
Weiteres zum „Pogromly“-Spiel mit. In diesem Zusam-
menhang seien Kapke, Wohlleben und H. genannt wor-
den.
2987
Zwischen dem 14. und 17. Juli 1998, also ca. 14
Tage vor der oben genannten, durch die Zielfahndungsab-
teilung des LKA Thüringen initiierte Observation H.s,
war es daraufhin zu einer Observation H.s durch das LfV
Thüringen gekommen. Anlass war auch hier der Ver-
dacht, dass sich bei H. ein Depot des „Pogromly“-Spiels
befinde.
Konkret wird in der E-Mail berichtet, dass die Quelle,
also Tino Brandt, und André Kapke, den H., der gerade
umziehe, sowohl an dessen alter als auch an dessen neuer
Anschrift aufgesucht haben. Eigentlich hätte Wohlleben
die Spiele holen sollen und es sei Kapke nicht recht gewe-
sen, dass Wohlleben die Spiele nicht geholt habe und
Brandt deshalb mitbekommen habe, bei wem Kapke die
Spiele ausgelagert habe.
2988
Am 17. Juli 1998 teilte die Gewährsperson Alex dem LfV
Thüringen mit, er glaube, das „Pogromly“-Spiel werde in
Spanien produziert und dass er eines der Spiele für das
LfV Thüringen beschaffen wolle.
2989
Am 11. August 1998, also nur wenige Tage nach dem
Ende der Observation H.s durch das LKA Thüringen am
6. August 1998, kam es schließlich zu einer Ansprache
H.s durch das LfV Thüringen zum Zwecke eines Wer-
bungsversuchs.
2990
Konkrete Anhaltspunkte, dass im Hinblick auf H. ein
Informationsaustausch zwischen LfV Thüringen und
2985) Bericht über die Durchsuchung der Wohnung von Beate Zschä-
pe am 26. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 229 ff.
2986) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 152, Hinweis vom
12. Mai 1998.
2987) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 153, Hinweis vom
12./13. Juli 1998
2988) E-Mail vom 12. Juli 1998, MAT A TH-3/1, Anl. 2 (Tgb.-Nr.
09/12 - GEHEIM), Bl. 89 (VS-VERTRAULICH).
2989) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 153, Hinweis vom
17. Juli 1998.
2990) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 154, Hinweis vom
23. Juli 1998; durch Jürgen H. wurde der Werbungsversuch bei
dessen Vernehmung in der Kaserne in Mellrichstadt am 27. Mai
1999 bestätigt, vgl. Vermerk von KOK Wunderlich vom
27. Mai 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 323 f.
LKA Thüringen stattfand, sind nicht aktenkundig, eben-
sowenig das Gegenteil.
c) Aufenthaltsermittlungen in Ungarn
Am 12. September 1998 teilte eine anonym gebliebene
Person, die angab, aus München anzurufen, mit, dass sie
das Trio am Plattensee in Ungarn im Ort Boglar gesehen
habe. Die drei Personen hätten dort für ein Jahr ein Haus
gemietet, dessen Standort näher beschrieben wurde, und
nutzten einen PKW mit Jenaer Kennzeichen.
2991
Einem
Vermerk des BKA-Verbindungsbeamten der Deutschen
Botschaft in Budapest vom 24. September 1998 ist zu
entnehmen, dass vor Ort eine Überprüfung vorgenommen
wurde.
2992
Das beschriebene Haus wurde aufgefunden.
Weder dort, noch in der Umgebung fanden sich Hinweise
auf das flüchtige Trio, wobei hier – unter Vorlage von
Lichtbildern – vor Ort Befragungen dort ansässiger Per-
sonen vorgenommen worden seien.
Der Hinweis auf den Aufenthalt in Ungarn fand zudem
Eingang in einen Vermerk vom 14. Oktober 1998, in dem
die Zielfahndung die Überwachung des Mobiltelefons von
Michael P. anregte. Hier sei dienstlich bekannt geworden,
dass Michael und Antje P. vom 23. bis 25. Oktober nach
Ungarn reisen wollten.
2993
d) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika
über Sofia
Zwischen dem 6. und 8. August 1998 erfolgten Fahn-
dungsmaßnahmen bzgl. eines Fluges von Frankfurt am
Main über Sofia nach Südafrika.
2994
Aus der Ablaufdo-
kumentation lässt sich entnehmen, dass seitens der EG
„TEX“ (nicht der Zielfahndung) umfangreiche Koordina-
tionsmaßnahmen mit dem BKA (dort zuständig: KHK
Brümmendorf), dem Verbindungsbeamten des BKA in
Sofia / Bulgarien, der Staatsanwaltschaft Gera sowie auch
dem LfV Thüringen (dort zuständig: Schrader, Wiesner)
stattfanden.
Zum Hintergrund der Maßnahme ist in der Ablaufdoku-
mentation in den Akten des LKA Thüringen Folgendes
vermerkt:
„Hintergrund:
Durch das LfV Thüringen wurde bekannt, dass die
amtsbekannten Personen Brehme und Kapke beab-
sichtigen über Bulgarien nach Südafrika zu reisen.
Es besteht der Verdacht, die mit Haftbefehl ge-
2991) Vermerk über den Eingang einer Mitteilung vom 12. September
1998, MAT A TH-1/19, Bl. 162.
2992) Hierzu und im Folgenden: Telefax der Botschaft der BRD vom
24. September 1998, MAT A TH-1/19, Bl. 165 f.
2993) Vermerk von KOK Wunderlich vom 14. Oktober 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 287; siehe hierzu bereits oben unter E. H. 4. b) bb).
2994) Hierzu und im Folgenden: Dokumentation des Ablaufs und der
Informationen bzgl. Fahndungsmaßnahmen im Zusammenhang
mit dem Hinweis auf eine Flucht nach Südafrika über Sofia,
MAT A TH-1/3, Bl. 379 ff.
Drucksache 17/14600 – 346 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
suchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe würden
in Sofia zusteigen und mit nach Südafrika flie-
gen.“2995
Aus dem Schäfer-Gutachten ergibt sich der Hinweis, dass
die Quelle 2045 (Tino Brandt) am 29. Juli 1998 dem LfV
Thüringen von einem Gespräch mit Kapke am
24. Juli 1998 berichtet habe.
2996
Hierin habe Kapke mitge-
teilt, 1 800 DM für das Trio zu benötigen, um diese end-
gültig aus Jena wegzubringen. Kapke habe Brandt gebe-
ten, seinen Arbeitgeber um ein entsprechendes Darlehen
zu bitten. Brandt äußerte die Vermutung, dass geplant sei,
das Trio nach Südafrika zu verbringen.
In den Akten des LfV Thüringen ist bzgl. des Fluges
lediglich ein Notizzettel enthalten, auf dem die Flugzeiten
handschriftlich notiert sind.
2997
Auch im LfV Thüringen ist nicht aktenkundig, woher die
Vermutung stammt, das Trio könne bei dem geplanten
Flug in Sofia zusteigen.
Durch das LfV Thüringen erfolgte zwischen dem
26. Juli 1998 und dem 6. August 1998 eine Observation
des Kapke. Hierbei wurde festgestellt, dass der Betreiber
des Verlages Nation und Europa am 4. und
5. August 1998 in Coburg aufgesucht wurde. Am
5. August 1998 sei eine Übergabe von 1 800 DM erfolgt.
Ermittlungen zufolge solle das Geld für die drei flüchti-
gen Rechtsextremen verwendet werden.
2998
Aus der Ablaufdokumentation des LKA Thüringen lässt
sich entnehmen, dass am 7. August 1998 um 12 Uhr eine
Besprechung stattfand, an der seitens des LfV Thüringen
die Mitarbeiter Schrader, Wiesner und W. teilnahmen.
Danach lägen Hinweise vor, dass die Gesuchten noch
nicht in Besitz von Pässen seien.
Letztendlich konnte das Trio auf dem Flug nicht festge-
stellt werden.
2999
Es wurde lediglich festgestellt, dass
Kapke und Brehme über Sofia nach Südafrika flogen.
Flankierend zu den Maßnahmen wurde am
7. August 1998 über das BKA bzgl. aller drei Beschuldig-
ter ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft Gera nach Bulga-
rien gesteuert, in dem darum nachgesucht wurde, die drei
2995) Nach Ansicht der Schäfer-Kommission lasse sich dieser For-
mulierung nicht entnehmen, woher der Verdacht, das Trio wol-
le in Sofia zusteigen, herrühre; vgl. Schäfer-Gutachten, MAT A
TH-6, Bl. 114, Rn. 200.
2996) Hierzu und im Folgenden: Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6,
Bl. 154, Hinweis vom 29. Juli 1998.
2997) Handschriftlicher Vermerk des LfV Thüringen, MAT A TH-
3/1, Anl. 2, (Tgb.-Nr. 09/12 - GEHEIM), zwischen Bl. 94 und
Bl. 95.
2998) Vermerk vom 10. August 1998 über mündlichen Observations-
auftrag bzgl. Kapke vom 22. Juni 1998, Observation vom
26. Juli bis 6. August 1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 -
GEHEIM), Anlage 1, Bl. 109 ff. (VS-VERTRAULICH).
2999) Mitteilung von Interpol Sofia an das BKA (Interpol Wiesba-
den), MAT A BKA-2/5, Bl. 64.
Beschuldigten vorläufig in Auslieferungshaft zu neh-
men.
3000
e) Aufsuchen von Ralf Wohlleben und Julia-
ne W. am 2. Juni 1998
Am 2. Juni 1998 wurden Ralf Wohlleben und Juliane W.,
die damalige Freundin des Wohlleben, an deren Wohnan-
schrift in Jena aufgesucht und nach dem Aufenthalt des
Trios befragt. Beide machten keine Angaben, weder zum
Aufenthalt des Trios, noch zu Strukturen der rechtsextre-
men Szene.
3001
f) Weitere Ermittlungsmaßnahmen bis Ende
1998
Den Akten lassen sich darüber hinaus die folgenden wei-
teren Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1998 entnehmen:
aa) Einbruch in die Wohnung von Beate
Zschäpe
Am 26. August 1998 wurde bei der Kriminalpolizei Jena
bekannt, dass gegen 12.20 Uhr eine männliche Person
gewaltsam in die Wohnung von Beate Zschäpe in der
Schomerusstraße 5 eingedrungen war.
3002
Die Tür war
offensichtlich eingetreten worden. Der durch Nachbarn
als ca. 23-jähriger Mann mit kurzen schwarzen Haaren
und roter Jacke beschriebene Täter konnte trotz Absuche
der Umgebung zu Fuß und im Funkstreifenwagen nicht
ergriffen werden.
3003
Die Beteiligung einer weiteren Per-
son ist nicht aktenkundig.
Im Rahmen der Ermittlungen des Generalbundesanwalts
wurde der im NSU-Prozess Angeklagte Carsten Schultze
vernommen.
3004
Er hat bzgl. des Einbruchs am
26. August 1998 angegeben, dass er telefonisch durch
Mundlos und Böhnhardt gebeten worden sei, aus der
Wohnung von Beate Zschäpe Ausweispapiere und Akten-
ordner zu holen, was er auch getan habe. Jürgen H. sei
ebenfalls beteiligt gewesen und habe „Schmiere“ gestan-
den. Darüber hinaus habe er auch eine Fahne vom Balkon
mitgenommen. Die Ausweispapiere habe er dann wei-
sungsgemäß an der Fliegerscheune in Jena vergraben, die
Aktenordner seien teilweise verbrannt, teilweise in der
Rhoda bei Rothenstein versenkt worden.
3000) Ersuchen um vorläufige Inhaftnahme, MAT A TH-2/60, Bl.
1 ff. (bzgl. Mundlos), MAT A TH-2/61, Bl. 1 ff. (bzgl. Zschä-
pe), MAT A TH-2/62, Bl. 1 ff. (bzgl. Böhnhardt).
3001) Aktenvermerk von POM’in L. und KOK Wunderlich vom
2. Juni 1998, MAT A TH-1/20, Bl. 321.
3002) Bericht der KPI Jena vom 27. August 1998, MAT A TH-1/7,
Bl. 240.
3003) Einsatzprotokoll von POM G., Polizeiinspektion Jena, MAT A
TH-1/7, Bl. 243.
3004) Sachstandsbericht zu Ralf Wohlleben der BAO „Trio“, MAT A
BY-14/1e, Bl. 181.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 347 – Drucksache 17/14600
bb) Abarbeitung von Hinweisen
Darüber hinaus wurden bis Ende 1998 weitere Hinweise,
die vereinzelt aus der Bevölkerung eingingen, abgearbei-
tet.
3005
10. Hinweise des V-Mannes Piatto bzgl. des
Bestehens von Kontakten mit Jan Werner
und Antje P. – Besprechung hierzu in
Brandenburg und weitere Maßnahmen
Im Zeitraum August bis Oktober 1998 lagen dem Verfas-
sungsschutz des Landes Brandenburg mehrere Hinweise
des dort geführten V-Mannes Piatto vor, die unter ande-
rem beinhalteten, dass Jan Werner aus Chemnitz den
Auftrag habe, Waffen für das Trio „für weitere Überfälle“
zu besorgen und dass Antje P. dem Trio ihren Pass zur
Verfügung stellen wollte.
3006
Der Vorgang wird detailliert im Abschnitt E. III. 6. h)
dargestellt.
Der Zeuge Wunderlich hat bekundet, von diesen Hinwei-
sen keine Kenntnis erhalten zu haben.
3007
Der Zeuge
Luthardt hat im Hinblick darauf, dass aus dem Schäfer-
Gutachten hervorgehe, dass er von diesem Vorgang unter-
richtet worden sei, bekundet, dass er sich hieran nicht
erinnern könne und deshalb davon ausgehe, dass er nicht
derjenige sei, der mit der Aussage im Schäfer-Gutachten
gemeint sei.
3008
11. Verhandlungen über eine mögliche Rück-
kehr des Trios unter Einschaltung von
Rechtsanwälten
Zwischen Oktober 1998 und März 1999 wurden Verhand-
lungen zwischen Rechtsanwälten des Trios und dem LfV
Thüringen über eine mögliche Rückkehr des Trios ge-
führt.
Die Vorgänge werden detailliert im Abschnitt E. III. 8. b)
dargestellt.
12. Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1999
a) Einzelne Fahndungsmaßnahmen
Im Gegensatz zu den umfangreichen Fahndungsmaßnah-
men im Jahr 1998 war die Intensität der Fahndungsmaß-
nahmen im Jahr 1999 deutlich geringer. Letztendlich
lassen die durch das LKA Thüringen (Zielfahndung und
EG „TEX“) im Jahr 1999 durchgeführten Maßnahmen
erkennen, dass in diesem Zeitraum nur eine sehr geringe
Fahndungsintensität vorlag.
3005) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 109 f.
3006) Deckblattmeldung 140/98 vom (vermutlich) 9. September
1998, MAT A BB-1, Bl. 32 ff. (36).
3007) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 21.
3008) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 109.
aa) Abklärung der Anschriften von Thomas
Starke, Hendrik L. und Jan Werner in
Chemnitz im April 1999
Am 9. April 1999 wurden durch die Beamten der Ziel-
fahndung des LKA Thüringen, I. und L., die Anschriften
von Thomas Starke, Hendrik L. und Jan Werner in
Chemnitz aufgesucht.
3009
An der Anschrift von Thomas Starke in der Heinrich-
Schütz-Straße 18 wurde festgestellt, dass die Wohnung
leer stand. Ein Nachbar erkannte Uwe Mundlos auf einer
Wahllichtbildvorlage wieder und gab an, diesen im ver-
gangenen Jahr (1998) dort mehrfach auf dem Flur, auf
dem er regelmäßig rauche, gesehen zu haben. Seit dem
Auszug von Starke sei die Wohnung jedoch leer. Letzte-
res wurde durch eine weitere Nachbarin, die die unter der
Wohnung von Starke gelegene Wohnung bewohnte, be-
stätigt. Durch die Briefträgerin wurde die neue Anschrift
von Starke in Dresden mitgeteilt.
Hendrik L. wurde ebenfalls in seiner Wohnung aufge-
sucht. Er gab an, die gesuchten Personen nicht zu kennen
und keine Angaben zu deren Aufenthalt machen zu kön-
nen.
An der Anschrift von Jan Werner wurde dieser nicht
angetroffen. Ein befragter Nachbar erkannte auf den ihm
vorgelegten Fahndungsfotos keine Person wieder.
Die am 9. April 1999 in Erfahrung gebrachte Anschrift
von Thomas Starke in Dresden wurde durch die Beamten
der Zielfahndung am 15. April 1999 aufgesucht.
3010
An der zunächst aufgesuchten Anschrift wurde in Erfah-
rung gebracht, dass Starke bei einer Frau M. gewohnt
habe, jedoch verzogen sei. Über die Hausverwaltung
konnte sodann die neue Anschrift und der Arbeitsplatz
von Frau M. in Erfahrung gebracht werden. Am Arbeits-
platz aufgesucht erkannte Frau M. keines der Mitglieder
des Trios wieder und gab an, an ihrer neuen Anschrift
nach wie vor mit Starke zusammenzuleben.
Starke wurde daraufhin an der neuen Wohnanschrift auf-
gesucht. Er erklärte, dass ihm Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe bekannt seien und dass Mundlos und Zschäpe
letztmals im Januar 1998 bei ihm zu Hause in Chemnitz
gewesen seien, anlässlich eines Besuchs bei Torsten S. in
der Haft. Er äußerte weiter, zum Aufenthalt des Trios
keine Angaben machen zu können – er habe die „politi-
sche Schiene“ verlassen und sei nunmehr eher an Musik
und Konzerten interessiert. Ggf., so Starke weiter, würde
sich das Trio bei alten „Parteifreunden“ aufhalten.
Die zunächst aufgesuchte Anschrift, die am 9. April 1999
durch die Briefträgerin in Chemnitz mitgeteilt worden
3009) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK I. und KOM’in
L., MAT A TH-1/15, Bl. 356 f.
3010) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk von KHK I. und
KOM’in L. vom 19. April 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 339 f.
Drucksache 17/14600 – 348 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
war, war auch in einer von dem Mobiltelefon von Starke
versandten SMS am 25. August 1998 genannt worden.
3011
bb) Hinweise im Mai 1999 bzgl. eines Aufent-
halts in Rudolstadt
Am 5. Mai 2000 erkannte ein aus einem anderen Anlass
in der Polizeiinspektion Eisenberg erschienener Bürger
Uwe Böhnhardt auf dort aushängenden Fahndungsbildern
wieder und teilte mit, dass er diesen das letzte Mal ca.
drei Wochen zuvor auf einer Feier in Rudol-
stadt/Schwarza gesehen habe.
3012
In der durch die Ziel-
fahndungsabteilung am darauf folgenden Tag durchge-
führten Befragung gab der Hinweisgeber darüber hinaus
an, Böhnhardt zuletzt am 27. März 1999 bei einem Kon-
zert in einer Gaststätte in Rudolstadt gesehen zu haben
und nannte weitere drei Personen namentlich, die ggf.
weitere Hinweise geben könnten.
3013
Weitere Maßnahmen
bzgl. dieses Hinweises sind nicht aktenkundig.
cc) Vernehmung von Jürgen H. in der Kaserne
Mellrichstadt, 27. Mai 1999
Am 27. Mai 1999 wurde Jürgen H. in der Kaserne in
Mellrichstadt durch die Beamten Wunderlich (Zielfahn-
dung) und Dressler (EG „TEX“) in Anwesenheit des
Kompaniechefs vernommen.
3014
H. leistete zu dieser Zeit
seinen Wehrdienst bei dem in Mellrichstadt liegenden
Panzergrenadierbatallion 352.
Im Rahmen der Befragung machte H. Angaben zu seinem
Verhältnis zu Wohlleben und Böhnhardt und zu Anrufen
im April 1998 durch Böhnhardt. Ob es sich hierbei um
die Anrufe handelt, bei denen Nachrichten auf dem An-
rufbeantworter des Jürgen H. hinterlassen wurden, ist
unklar, liegt aber aufgrund des Gesprächsinhaltes nahe. In
dem Vermerk heißt es:
„Durch den Wohlleben wurde er im April 1998
gebeten, Telefonanrufe entgegenzunehmen und
Kurierfahrten durchzuführen. Dabei wurde auf
dem privaten Telefonanschluss des H. durch den
gesuchten Böhnhardt mehrere Male angerufen. In
diesen Gesprächen teilte der Böhnhardt mit, wel-
che Bekleidungsgegenstände und wieviel Geld der
Wohlleben besorgen soll. Mit diesen Informatio-
nen ging H. zu Wohlleben und teilte diese münd-
lich mit. Desweiteren wurde H. von Wohlleben be-
auftragt, diese Dinge mit seinem Privatfahrzeug an
einen weiteren Kurier nach Zwickau zu bringen.
Wohlleben gab zu verstehen, dass hierfür die A4
3011) S-Records der Mobilfunküberwachung bei Thomas Starke,
MAT A TH-1/8, Bl. 337 ff. (402), lfd. Nummer 723.
3012) Vermerk der Polizeiinspektion Eisenberg vom 6. Mai 1999,
MAT A TH-1/3, Bl. 354.
3013) Vermerk von KOK Wunderlich und KOM‘in O. vom 6. Mai
1999, MAT A TH-1/3, Bl. 355.
3014) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom
27. Mai 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 323 f.; MAT A TH-1/15,
138 f.
benutzt werden sollte, um schnell das Ziel zu er-
reichen. H. sollte darauf achten, dass ihm kein
Fahrzeug folgt. In Zwickau angekommen, kam ei-
ne für ihn unbekannte männliche Person auf ihn zu
und übernahm die mitgebrachten Sachen.“
Zum gegenwärtigen Aufenthaltsort des Trios habe H.
keine Angaben machen können.
Darüber hinaus teilte H. mit, durch das Landesamt für
Verfassungsschutz wegen einer Zusammenarbeit ange-
sprochen worden zu sein. Nach einer Bedenkzeit habe er
eine Zusammenarbeit abgelehnt.
Am Ende des Gesprächs habe H. seine Mobilfunknummer
mitgeteilt und sich zur Zusammenarbeit bei der Fahn-
dungsmaßnahme bereiterklärt.
Wenige Minuten nach der Befragung sei ein Herr Müller
vom MAD erschienen und habe sich nach dem Grund und
dem Inhalt der vorangegangenen Befragung erkundigt.
Zuletzt wird in dem Vermerk ausgeführt:
„Aus Sicht der Zielfahndung des LKA Erfurt sind
keine weiteren Maßnahmen durch die Bundeswehr
oder den MAD erforderlich.“
In den Zeugenvernehmungen vor dem Untersuchungsaus-
schuss haben die an der Befragung beteiligten Beamten
Wunderlich und Dressler bzgl. der Befragung Angaben
gemacht.
Dressler hat geäußert, dass der MAD-Mitarbeiter „nicht
besonders glücklich“ darüber gewesen sei, dass die Be-
fragung ohne sein Wissen stattgefunden habe – als einen
„Zwischenfall größerer Art“ wollte Dressler dies jedoch
nicht wahrgenommen haben.
3015
Darüber hinaus ging
Dressler auch davon aus, dass Wunderlich den Mitarbei-
ter des MAD gebeten habe, ihn über weitere Erkenntnisse
auf dem Laufenden zu halten, konnte sich jedoch nicht
konkret an eine entsprechende Aufforderung erinnern. Im
Weiteren sei der MAD dann offensichtlich eigenständig
weiter tätig geworden.
3016
Wunderlich hat hierzu vor dem Untersuchungsausschuss
bekundet, dass der Mitarbeiter des MAD bereits während
der Befragung erschienen sei und zunächst durch die
Polizeibeamten gebeten worden sei, der Befragung nicht
zu folgen.
3017
Später habe man die hierdurch entstandene
Situation dann jedoch bereinigen können und den MAD-
Mitarbeiter gebeten, nochmals an den H. heranzutreten
und hierbei die Möglichkeiten der Bundeswehr (mögliche
Beförderungen, etc.) zu nutzen, über die die Polizei nicht
verfüge. Hintergrund sei gewesen, so Wunderlich, dass
man geahnt habe, dass H. mehr wisse, als er preisgegeben
habe. Das persönliche Gespräch mit dem MAD-
Mitarbeiter sei nicht in dem erstellten Protokoll er-
wähnt.
3018
3015) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 42.
3016) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 48.
3017) Hierzu und im Folgenden: Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 25.
3018) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 40.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 349 – Drucksache 17/14600
Auf Nachfrage hat KHK Wunderlich im Ausschuss aller-
dings eingeräumt, es könne sein, dass der Mitarbeiter des
MAD – wie es auch im Vermerk niedergelegt ist3019 – erst
dann erschienen sei, als die Befragung bereits beendet
war und sie danach noch mit H. gesprochen hätten.
3020
Eine Rückmeldung hierzu sei durch den MAD gegenüber
dem LKA Thüringen jedoch nicht erfolgt.
3021
Wunderlich
hat jedoch erklärt, er sei davon ausgegangen, dass eine
solche Mitteilung erfolgen würde, wenn entsprechende
Erkenntnisse vorlägen.
3022
Bzgl. einer späteren Kontaktaufnahme mit H. über die
erfragte Mobilfunknummer hat Dressler bekundet, eine
spätere Kontaktaufnahme habe durch Wunderlich erfol-
gen sollen. Er ging davon aus, dass in dieser Hinsicht eine
Abstimmung zwischen ihm und Wunderlich erfolgt
war.
3023
Wunderlich hat hierzu bekundet, dass Dressler in
der Folge „wohl“ einen telefonischen Kontakt mit H.
aufgebaut habe und H. hierbei mitgeteilt habe, nun doch
nicht zur Zusammenarbeit bereit zu sein.
3024
Es ist nicht aktenkundig, dass die Erkenntnisse aus einer
durch den MAD am 15. September 1999 durchgeführten
Befragung („Die drei Bombenbastler hätten sich schon
auf der Stufe von Rechtsterroristen bewegt, die mit einer
gewissen Zielsetzung eine Veränderung dieses Staates
herbeiführen wollten“) an die EG „TEX“ bzw. die Ziel-
fahndung des LKA Thüringen weitergegeben wurden.
3025
Der Zeuge Dressler hat bekundet, er habe hiervon im
Rahmen seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss
zum ersten Mal gehört.
3026
Auch der Zeuge Wunderlich
hat im Rahmen seiner Vernehmung indirekt bestätigt,
dass ihn diese Information nicht erreicht habe.
3027
dd) Anschriftenüberprüfung im November
1999 in Jena
Am 18. November 1999 wurden durch Beamte der Ziel-
fahndung die Anschriften von Böhnhardt, Mundlos,
Zschäpe, H. und Kapke in Jena sowie der Alle Weltladen
in Jena-Burgau ergebnislos überprüft.
3028
Die Überprü-
fung der Anschrift von Wohlleben ergab, dass dieser ver-
zogen ist; eine Abprüfung der neuen Anschrift sei für den
nächsten Tag vorgesehen. Bzgl. der Freundin des Wohlle-
ben, Juliane W., wurde das Friseurgeschäft in Jena-
Lobeda/West aufgesucht. Die Filialleiterin teilte mit, dass
3019) Vermerk von KHK Wunderlich vom 27. Mai 1999, MAT A
TH-1/20, Bl. 323 f.
3020) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 40.
3021) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 26.
3022) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 69.
3023) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 54.
3024) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 69.
3025) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 171.
3026) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 42.
3027) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 69.
3028) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK K. (Zielfahndung)
vom 18. November 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 310.
diese wieder bei ihren Eltern wohne, was als möglicher
Hinweis auf eine Beendigung der Beziehung zu Wohlle-
ben gewertet wurde, weshalb eine Überprüfung in der
nächsten Zeit erfolgen solle. Darüber hinaus ist in dem
Vermerk ausgeführt, dass auch alle bekannten Anschrif-
ten im Raum Chemnitz demnächst überprüft werden soll-
ten. Hierfür wurde ein möglicher Termin genannt.
Ein Herantreten an Juliane W. bzw. eine Überprüfung der
bekannten Anschriften in Chemnitz in der nachfolgenden
Zeit ist nicht aktenkundig.
b) Hintergründe für die geringe Fahndungsin-
tensität in diesem Zeitraum
Bezüglich des Zeitraums 1999/2000 hat der Zeuge Wun-
derlich angegeben, dass die Zielfahndungsabteilung hier
mit anderen Suchmaßnahmen belastet gewesen sei:
„Deshalb habe ich diesen Sachverhalt Möbus ger-
ne zum Anlass genommen, den wir im Dezember
99 bekommen haben und im August 2000 lösen
konnten. Und in diesem Zeitraum - das sind ja nun
fast zehn Monate - blieb im Prinzip fast alles ande-
re liegen - man muss das so sagen -, weil natürlich
eine gewisse Priorität da war.“3029
13. Fahndungsmaßnahmen in Zusammenhang
mit der Fernsehsendung Kripo Live am
7. Mai 2000
a) Vorbereitung der Ausstrahlung unter Be-
teiligung anderer Stellen, Hintergrund der
Maßnahmen
Am 7. Mai 2000 wurde in der MDR-Sendung Kripo Live
erneut ein Fahndungsaufruf nach dem Trio veröffentlicht.
Vorausgegangen waren umfangreiche Koordinationsmaß-
nahmen, an denen neben dem LKA Thüringen auch das
LKA Sachsen sowie die Landesämter für Verfassungs-
schutz Sachsen und Thüringen beteiligt waren.
Am 26. April 2000 fand zwischen 14 und 15 Uhr in
Chemnitz eine Besprechung statt, an der seitens des LfV
Thüringen die Herren Nocken und Wiesner, seitens des
LKA Thüringen Herr Wunderlich von der Zielfahndung
und seitens des LfV Sachsen Frau H. und Herr L. teil-
nahmen.
3030
Ausweislich des durch den Leiter des Refe-
rats 21 im sächsischen LfV, Herrn L., verfassten Ergeb-
nisprotokolls einigten sich die Beteiligten bzgl. der Sen-
dung am 7. Mai 2000 im Wesentlichen auf die später auch
realisierte Vorgehensweise unter Nennung der jeweiligen
Zuständigkeiten:
– G 10-Maßnahmen gegen mehrere Personen aus Thü-
ringen durch das LfV Thüringen;
3029) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 6.
3030) Hierzu und im Folgenden: Ergebnisprotokoll zur Besprechung
mit LfV und LKA Thüringen am 26. April 2000, MAT A SN-
7/16e, Bl. 3 f.
Drucksache 17/14600 – 350 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– TKÜ-Maßnahmen durch das LKA Thüringen;
– Observationen und G 10-Maßnahmen durch das
sächsische LfV (ggü. Andreas G., Jan Werner, Tho-
mas Starke und Kai R.);
– bzgl. des Ablaufs wurde vereinbart, dass die TKÜ-
Stellen zur Sendung live besetzt sein sollen und un-
tereinander Kontakt halten;
– ein Hinweis auf Chemnitz soll nach Auffassung des
LKA Thüringen in der Sendung nicht erfolgen;
– alle beteiligten Dienststellen sollen die gegenseitige
Erreichbarkeit sicher stellen.
In dem Ergebnisprotokoll ist zum Hintergrund der Maß-
nahmen zu diesem Zeitpunkt Folgendes vermerkt:
„Hintergrund für diese wiederholte Fahndungsaus-
strahlung sind die neuen Hinweise der letzten Wo-
chen und der aktuelle Druck aus Thüringen nach
einem Spiegel-Bericht
3031
über die ‚neuen intelli-
genten Rechten‘, wobei die seit fast zwei Jahren
verschwundenen Terzett-Mitglieder als Beispiele
genannt wurden.“
Welche Hinweise als die „neuen Hinweise der letzten
Wochen“ zu verstehen sind, wird nicht näher ausgeführt.
Bezüglich der im Vorfeld der Maßnahme im Mai 2000
erfolgten Abläufe hat der Zeuge Tüshaus die folgenden
Angaben gemacht:
„Greifbare Informationen erhielt das LfV Sachsen
erstmals wieder im Februar 2000. Erst zu diesem
Zeitpunkt hat sich das LfV Thüringen wieder ent-
schlossen, uns einzubinden. Im Februar 2000 ging
zunächst telefonisch von dort der Hinweis ein,
dass ein sächsischer Rechtsextremist im Januar
2000 auf einer NPD-Schulungsveranstaltung in
Thüringen gesagt haben soll, dass es den dreien
gut gehe. Später wurde diese Person als Andreas
P. identifiziert.
[…]
P. - Entschuldigung, G., Andreas G. - Dieser neu-
erliche und aus unserer Sicht seit Jahren erste kon-
krete Hinweis, der die Zielrichtung Chemnitz und
das Umfeld des W. bestätigte, wurde zum Anlass
umfangreicher Auswertungen und operativer
Maßnahmen zum Raum Chemnitz genommen. Im
Rahmen von vier über den März verteilten Obser-
vationen und zwei weiteren im April wurde das
persönliche Umfeld von G. und W. in Chemnitz
beleuchtet. Es bestand die Überlegung, eine dauer-
haft angelegte Observationsmaßnahme im Umfeld
des G. zu beginnen. Zu diesem Zweck wurde ver-
sucht, seine regelmäßigen Anlaufpunkte festzustel-
len.
3031) Gemeint ist wohl der Artikel „Druck von der Straße“ in der
Spiegel-Ausgabe 12/2000 (20. März 2000), S. 33.
Anfang April 2000 traf sich das LfV Sachsen mit
dem LfV Thüringen zu einem Erkenntnis-
austausch. In diesem wurde die Meldung zu G.
mündlich um weitere Erkenntnisse zu Sachsen er-
gänzt, insbesondere um den Hinweis, dass man
Kenntnis von einem Telefonat, mutmaßlich von
Böhnhardt, aus Chemnitz hatte. Bei dieser Gele-
genheit wurde vom LfV Thüringen auch die Ab-
sicht bekundet, mit weiteren technischen Überwa-
chungsmaßnahmen im Mai zu beginnen.
Hiervon wussten wir also, als wir im April 2000
auch davon erfuhren, dass die Zielfahndung im
Mai einen erneuten öffentlichen Fahndungsaufruf
beabsichtigt, um zu neuen Ansätzen zu gelangen.
Auf unsere Anregung hin wurde durch das LfV
Thüringen der Vorschlag angenommen, die ein-
zelnen Bemühungen rund um die Öffentlichkeits-
arbeit zusammenzuführen. Demnach sollten, auf
die Öffentlichkeitsfahndung abgestimmt, Maß-
nahmen des LfV Thüringen und LfV Sachsen er-
folgen. Im Rahmen von mehreren Besprechungen
mit dem LfV Thüringen und dem LKA Thüringen
wurde deshalb zur Flankierung der öffentlichen
Fahndung am 7. Mai 2000 in der Fernsehsendung
Kripo Live ein Maßnahmenpaket abgestimmt, das
Observation durch Polizei und Verfassungsschutz
Thüringens und des LfV Sachsen im zeitlichen
Umfeld der Ausstrahlung vorsah. Zugleich sollten
weitere technische Maßnahmen erfolgen, die auf
diesen Sitzungen zwischen den beteiligten Behör-
den – also LfV Sachsen, LfV Thüringen und LKA
Thüringen, Zielfahndung – abgestimmt wurden.
Über diese Maßnahmenabstimmung wurde das
LKA Sachsen durch das LfV Thüringen wegen
dessen örtlicher Zuständigkeit informiert und in
die anschließenden Observationsmaßnahmen ein-
bezogen. Dies sollte auch dem Zweck dienen, dass
im Falle notwendig werdender Polizeimaßnahmen
entsprechend Kräfte vor Ort sind; das heißt, wenn
es zu einer Feststellung der Gesuchten kommt,
dass dann auch jemand da ist, der unter Umständen
Festnahmen durchführen kann.“3032
sowie:
„Die Idee war: Wir sind zu dem Zeitpunkt dieses
öffentlichen Fahndungsaufrufes koordiniert – so-
wohl durch LfV Sachsen, Thüringen wie LKA
Thüringen – mit bestimmten technischen Maß-
nahmen dabei, um Reaktionen auf diesen öffentli-
chen Fahndungsaufruf gegebenenfalls abzugreifen.
Und zum Zweiten sind für diesen entscheidenden
Zeitraum des Öffentlichkeitsaufrufes eine ganze
Reihe von Personen observiert worden. Und das
hat man sich aufgeteilt. Das ist Gegenstand dieser
von mir auch angesprochenen Besprechung
26. April gewesen, dass man da gesagt hat: Wir
3032) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 5 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 351 – Drucksache 17/14600
haben Zielperson 1, 2, 3, 4, 5; die und die macht
das LfV Thüringen, die und die macht das LfV
Sachsen. - Und wir hatten dann von uns aus noch
das LKA Sachsen mit eingebunden. Denn genau
die Überlegung, die auch gerade schon mal eine
Rolle spielte: ‚Wenn die denn dann auftauchen,
dann nutzen uns die Observationsautos des Verfas-
sungsschutzes nicht, sondern dann brauche ich je-
mand, der die dann gegebenenfalls auch feststellt
und dingfest macht‘ - - Deshalb, so die ausdrückli-
che Begründung auch, ist im Nachgang zu dieser
Besprechung 26. April von unserer Seite aus zuge-
gangen worden auf das LKA. Der Fall ist darge-
stellt worden, das LKA ist eingebunden worden.
Das LKA hat selber eine ZP, eine Zielperson,
übernommen und war deshalb vor Ort für den Fall
der Fälle.“3033
Der Zeuge Boos hat die Vorbereitung der Maßnahmen im
Mai 2000 wie folgt geschildert:
„Der Kernpunkt der Phase vier ist allerdings eine
konzertierte Aktion aller beteiligten Sicherheitsbe-
hörden in Sachsen und Thüringen, die stattgefun-
den hat auf Anregung des LfV Sachsen, als das
LKA Thüringen den Entschluss gefasst hatte, in
der Öffentlichkeit mithilfe der Sendung Kripo live
nach den drei Flüchtigen zu fahnden. Das LfV
Sachsen hatte dort vorgeschlagen, dann sollten
sich das LKA Thüringen, das LfV Sachsen, das
LfV Thüringen und, später auch hinzugezogen, das
LKA Sachsen zusammensetzen und die Maßnah-
men gemeinsam absprechen, die man zur Beglei-
tung dieser Öffentlichkeitsfahndung macht, um das
Kontaktumfeld zu beobachten.
Es sind verschiedene Observationsmaßnahmen
verteilt worden unter den Behörden, G10-
Maßnahmen. Herausnehmen möchte ich nur die
Mandy Struck. Die ist neu ins Visier geraten, zu-
mindest sofern es das Visier des LfV Sachsen be-
trifft, weil ein Bild bekannt geworden war von ei-
ner Demonstration aus dem Jahr 1998, kurz vor
dem Untertauchen in Dresden. Dort haben Frau
Zschäpe und Mandy Struck zusammen ein Banner
getragen. Man ging also davon aus: Wenn die so
nah vor dem Untertauchen zusammen gesehen
werden, dass Kontakte da sind. – Deshalb wurde
sie mit in die Maßnahmen einbezogen – soweit mir
bekannt, deshalb. Mandy Struck wurde observiert
während der Öffentlichkeitsfahndung von dem
LKA Thüringen. Das LfV Sachsen hat sie zusam-
men mit Jan Werner und Böhnhardt, Mundlos
usw. in eine G10-Maßnahme einbezogen.“3034
Bzgl. des Aufenthalts in Chemnitz lagen den beteiligten
Behörden im April 2000 unter anderem die folgenden
Hinweise vor:
3033) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 34 f.
3034) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 92 f.
– die im April 1998 bei Jürgen H. eingegangenen
Nachrichten auf dem Anrufbeantworter im Jahr
1998
3035
,
– die Identifikation von Mundlos durch den früheren
Nachbarn von Thomas Starke in Chemnitz als dessen
mehrmaliger Besucher im Jahr 1998
3036
,
– der Hinweis darauf, dass Mundlos in dem Fanzine
White Supremacy von „Blood & Honour“ Sachsen
einen Artikel verfasst hat und dass daher ein mögli-
cher Kontakt zu Thomas Starke und Jan Werner be-
steht,
– die Äußerung von Andreas G. aus Chemnitz am
29. Januar 2000 auf einer NPD-Veranstaltung in Thü-
ringen, dass es „den Dreien“ gut gehe sowie die Re-
aktion von Wohlleben hierauf als der zu diesem Zeit-
punkt aktuellste Hinweis
3037
,
– die Hinweise, die durch den V-Mann Piatto des Ver-
fassungsschutzes Brandenburg zu Kontakten des
Trios mit Jan Werner und Antje P. im Au-
gust/September 1998 gegeben worden waren
3038
–
hier ist jedoch unklar, inwiefern dieser Hinweis bei
der Vorbereitung der Maßnahme berücksichtigt wur-
de.
In dem zur Vorbereitung der Maßnahme gestellten Antrag
auf Durchführung der G 10-Maßnahme sind diese Hin-
weise (bis auf den letztgenannten Hinweis) jedenfalls zur
Begründung des Aufenthaltes in Chemnitz genannt.
3039
Im Vorfeld der Maßnahme kam es sodann entsprechend
der Vereinbarung zum Austausch der jeweiligen Erreich-
barkeiten und weiteren Koordinierungsmaßnahmen.
3040
Es erfolgten die folgenden Maßnahmen:
– zwischen dem 6. und 8. Mai 2000 wurden fünf Per-
sonen durch fünf Observationsteams im Bereich
Chemnitz überwacht (drei Teams des LfV Sachsen,
ein Team des LKA Sachsen und ein Team des LKA
Thüringen);
3041
– es erfolgten G 10-Maßnahmen durch das sächsische
LfV gegenüber vier Personen.
3035) Siehe hierzu oben unter E. II. 8.
3036) Siehe hierzu bereits oben unter E. II. 12. a) aa).
3037) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 172 f. (Meldung vom 1.
Februar 2000).
3038) Siehe hierzu noch unter E. III. 6. h).
3039) Antrag auf Anordnung einer G 10-Maßnahme vom 28. April
2000, MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr. 07/12 - GEHEIM).
3040) Exemplarisch: Telefax des LfV Thüringen an das LfV Sachsen
und das LKA Thüringen vom 5. Mai 2000, MAT A TH-1/17,
Bl. 221 f.; Gesprächsnotiz des LfV Sachsen vom 3. Mai 2000,
MAT A SN-7/16e, Bl. 5 ff.
3041) Übersicht über die Verteilung der Einsatzkräfte und Erreichbar-
keiten, MAT A TH-1/17, Bl. 222.
Drucksache 17/14600 – 352 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) G 10-Maßnahmen
Die vom LfV Sachsen durchzuführenden G 10-
Maßnahmen gegenüber Jan Werner, Mandy Struck, And-
reas G., Thomas Starke und dem Trio wurden mit Schrei-
ben vom 28. April 2000 durch das Landesamt für Verfas-
sungsschutz beim Sächsischen Innenminister für den
Zeitraum von drei Monaten (5. Mai bis 5. August 2000)
beantragt
3042
, welche am 3. Mai 2000 durch den Innenmi-
nister angeordnet wurden. Nach Anhörung der G 10-
Kommission am 4. Mai 2000
3043
begannen die Maßnah-
men am 5. Mai 2000. Hiervon betroffen waren TKÜ-
Maßnahmen bzgl. zweier Mobilfunkanschlüsse und des
Festnetzanschlusses von Andreas G., des Festnetzan-
schlusses von Jan Werner, eines Mobilfunkanschlusses
von Thomas Starke und eines Mobilfunkanschlusses von
Mandy Struck. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren
ebenfalls als Betroffene der Maßnahme genannt. Mit
Schreiben vom 4. Mai 2000 wurde darüber hinaus eine
Erweiterung der G 10-Maßnahme auf einen Mobiltelefon-
anschluss von Jan Werner beantragt, die sodann – nach
Anhörung der G 10-Kommission am 4. Mai 2000 eben-
falls am 5. Mai 2000 angeordnet wurde.
Die Überwachung des Anschlusses von Mandy Struck
erfolgte ab dem 15. Mai 2000 durch das LKA Thürin-
gen.
3044
In dem acht Seiten umfassenden Antrag vom
28. April 2000 wird zur Begründung der Maßnahmen auf
die bisher vorliegenden Erkenntnisse zu den durch das
Trio begangenen Straftaten zurückgegriffen. Weitere neue
Erkenntnisse sind in dem Antrag nicht genannt. Bzgl. der
einzelnen Personen wird deren Verbindung zum Trio
dargestellt, wobei bzgl. der einzelnen Personen folgende
Unterstützungshandlungen dargestellt werden:
– bzgl. Andreas G. wird dessen Mitgliedschaft bei
„Blood & Honour“ Sachsen, dadurch bestehende
Kontakte zu Jan Werner und die Tatsache dargelegt,
dass er im Januar 2000 die Nachricht überbrachte,
den Dreien gehe es gut;
– bzgl. Jan Werner werden von ihm abgesetzte Tele-
fonanrufe unter konspirativer Nutzung von Telefon-
zellen genannt;
3045
– bzgl. Thomas Starke wird ebenfalls dessen Mitglied-
schaft bei „Blood & Honour“ genannt und darüber
hinaus die Tatsache, dass ein Nachbar von Thomas
3042) Hierzu und im Folgenden: Antrag des Präsidenten des sächsi-
schen LfV an den sächsischen Staatsminister des Innern auf
Durchführung von G 10-Maßnahmen vom 28. April 2000,
MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM).
3043) Schreiben des Vorsitzenden der G 10-Kommission des Sächsi-
schen Landtages an den Sächsischen Innenminister vom 4. Mai
2000, MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM), Schreiben
als solches ist VS-NfD.
3044) Antrag auf Anordnung von zwei TKÜ-Maßnahmen vom
15. Mai 2000, verfasst durch den Beamten K., MAT A TH-
1/17, Bl. 143.
3045) Hiermit sind möglicherweise die Anrufe auf dem Anrufbeant-
worter von Jürgen H. im April 1998 gemeint
Starke Uwe Mundlos als einen Besucher von Thomas
Starke identifizierte, was Thomas Starke in einer po-
lizeilichen Vernehmung bestätigt habe;
– bzgl. Mandy Struck wird ausgeführt, dass diese eine
Woche vor dem Abtauchen des Trios am
26. Januar 1998 gemeinsam mit Beate Zschäpe eine
Fahne getragen habe und dass diese gemeinsam mit
Thomas Starke eine Straftat mit rechtsextremisti-
schem Hintergrund begangen habe.
Bemerkenswert ist hier, dass bzgl. Jan Werner nicht aus-
geführt wird, dass Erkenntnisse darüber vorhanden seien,
dass dieser nach Informationen des Brandenburger V-
Mannes Piatto im August/September 1998 eine Waffe für
einen weiteren Überfall für das Trio habe organisieren
wollen.
3046
In dem Antrag wird darüber hinaus eine Bewertung der
bisher vorliegenden Erkenntnisse vorgenommen.
3047
Ins-
besondere wird dargestellt, dass in der Intensität der Straf-
tatenbegehung eine deutliche Steigerung bis hin zu
schwersten Straftaten feststellbar sei und dies darauf hin-
deute, dass ein Wille zur Fortsetzung der Straftaten beste-
he. Die Tatsache, dass bisher trotz Einsatz polizeilicher
Spezialkräfte keine Festnahme gelungen sei, sei ein An-
haltspunkt dafür, dass die Flucht möglicherweise von
vornherein geplant gewesen sei und dass diese ohne Un-
terstützung nicht möglich gewesen sei. Hieraus wird im
Ergebnis geschlossen:
„Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie
terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung
einen gemeinsamen Zweck verfolgen.“
Der Zeuge Boos hat im Hinblick auf den G 10-Antrag im
Rahmen seiner Vernehmung bekundet:
„Sie können die G-10-Maßnahme nur begründen –
und sie ist auch so begründet worden –, wenn Sie
sich mit dem befassen, wofür Sie Anhaltspunkte
haben, dass sie es tun. Und das muss ein Tun sein,
das auf Gewalt gerichtet ist, mindestens auf Ge-
walt gerichtet ist, zur Erreichung extremistischer
Ziele. Anders kriegen Sie keine G-10-Maßnahme
begründet. So ist es dann auch begründet wor-
den.“3048
c) Gewonnene Erkenntnisse
Die durchgeführten Maßnahmen führten im Ergebnis
nicht zum Auffinden des Aufenthaltsorts des Trios. Insbe-
sondere die durchgeführten G 10-Maßnahmen (TKÜ)
erbrachten keine Erkenntnisse. Folgende Erkenntnisse
konnten gewonnen werden:
3046) Siehe hierzu bereits oben unter E. II. 10. bzw. unten unter
E. III. 6. h).
3047) Antrag des Präsidenten des sächsischen LfV an den sächsischen
Staatsminister des Innern auf Durchführung von G 10-
Maßnahmen vom 28. April 2000, MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr.
07/12 - GEHEIM), Bl. 7 des Antrags.
3048) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 104.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 353 – Drucksache 17/14600
aa) Lichtbild einer Person vor dem Gebäude
Bernhardstraße 11
Bei der Observation der Zielperson Mandy Struck, die
durch das LfV Thüringen durchgeführt wurde, wurde vor
deren Wohnanschrift in der Bernhardstraße 11 am
6. Mai 2000 um 18.52 Uhr, mithin vor Ausstrahlung der
Kripo Live-Sendung, beobachtet, wie eine unbekannte
männliche Person, von der ein Foto angefertigt wurde,
gemeinsam mit Kai S., dem Freund von Mandy Struck,
das Haus verließ, und mit einem PKW davonfuhr.
3049
Die
Person war zuvor nicht beim Betreten des Hauses beo-
bachtet worden. Beide Personen verbrachten sodann von
einem anderen Ort innerhalb von Chemnitz Möbelstücke
zur Wohnanschrift von Mandy Struck und betraten das
Gebäude wieder. Danach verließen sie es jedenfalls bis
zum Abbruch der Observation um 22.30 Uhr nicht wie-
der.
Die angefertigten Fotos finden sich ebenfalls in den Ak-
ten.
3050
Aus dem Observationsbericht ergibt sich nicht, dass bzgl.
dieser Person nach deren Ansichtigwerden irgendwelche
Maßnahmen erfolgt wären, wie beispielsweise die Infor-
mation der anderen Observationsteams oder der Einsatz-
leitung. Offensichtlich gingen die die Observation durch-
führenden Personen nicht davon aus, dass es sich bei der
fotografierten Person um Böhnhardt oder Mundlos han-
deln könnte.
Ausweislich eines Schreibens des LfV Thüringen an das
LKA Thüringen vom 15. Mai 2000 fand am 10. Mai 2000
ein Gespräch im LfV Thüringen statt. Das Schreiben,
welches an den damaligen kommissarischen Leiter des
LKA Thüringen, Luthardt, gerichtet war, enthält einen
Hinweis auf die Identität des Kai S. sowie darauf, dass
bzgl. der weiteren Person keine weiteren Erkenntnisse
vorlägen.
3051
Zudem wird auf eine Ähnlichkeit von Kai S.
mit Mundlos und der anderen Person mit Böhnhardt hin-
gewiesen. Das Schreiben trägt zwar das Datum vom
15. Mai 2000, jedoch ist auf dem Schreiben oben ein
Faxaufdruck mit dem Datum des 24. Mai, 14.55 Uhr, zu
erkennen. Auch die auf dem Schreiben aufgebrachten
Marginalien datieren vom 24. und 25. Mai 2000.
In dem Schreiben wird zudem darauf hingewiesen, dass
das LfV Thüringen die Identitäten der Personen nicht
klären könne. Insoweit wurde um entsprechende Klärung
auf polizeilichem Wege gebeten.
Der Zeuge Luthardt konnte vor dem Untersuchungsaus-
schuss keine Angaben zu dem Schreiben machen. Er
kenne weder das Schreiben, noch den Unterzeichner,
3049) Observationsbericht vom 9. Mai 2000, MAT A TH-1/17, Bl.
223 ff. (226); Schreiben des LfV Thüringen an das LKA Thü-
ringen vom 15. Mai 2000, MAT A TH-1/24, Bl. 61.
3050) Lichtbild „UM 2“ (Kontaktperson zu S., Kai), MAT A TH-3/1,
(Tgb.-Nr. 09/12 - GEHEIM), Anl. 02, Bl. 309 (VS-
VERTRAULICH), sowie MAT A TH-1/17, Bl. 144.
3051) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an das
LKA Thüringen vom 15. Mai 2000, MAT A TH-1/24, Bl. 61.
noch seien die Handzeichen auf dem Schreiben von
ihm.
3052
Auch der Inhalt des Schreibens sage ihm
nichts.
3053
Aus einem durch einen Beamten der Zielfahndung gefer-
tigten Vermerk geht hervor, dass die Information, dass
Böhnhardt vor der Wohnanschrift von Mandy Struck mit
Kai S. gesehen worden sei, dort jedenfalls am
15. Mai 2000 vorlag und dass auf dieser Grundlage sofor-
tige Telekommunikationsmaßnahmen bei Kai S. und
Mandy Struck angeregt wurden.
3054
Die sodann zwischen
dem 15. Mai und 19. Juni 2000 auf den Mobiltelefonen
bei Kai S. und Mandy Struck durchgeführten TKÜ-
Maßnahmen erbrachten keine Hinweise auf den Aufent-
halt des Trios.
3055
Der Zeuge Wunderlich hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss bemängelt, dass die Kenntnis bzgl. der Fotoauf-
nahme durch das LfV Thüringen nicht sofort an das LKA
Thüringen weitergeleitet worden war:
„Aber erinnerlich ist mir der Umstand - ich glaube,
es war in Chemnitz, die Bernhardstraße 11 -, wo
ein möglicher Umzug stattgefunden haben soll.
Wir haben aber leider Gottes diese Information
erst zehn Tage später bekommen. Nun ist natürlich
jedem klar, dass ich nach zehn Tagen die Perso-
nen, die beim Umzug geholfen haben, dort nicht
mehr antreffen werde. Da wir das natürlich nicht
ausklären konnten und auch nicht ausschließen
und die gemachten Fotos mit hoher Wahrschein-
lichkeit darauf schließen ließen, dass es vielleicht
Böhnhardt ist, sind wir eben davon ausgegangen,
dass diese Information zu spät war.“3056
Bzgl. des Fotos hat der Zeuge Tüshaus bekundet:
„Im Zusammenhang mit diesem Paket wurde eine
Mandy Struck, die vom LKA Thüringen auf diesen
Vorbesprechungen ins Spiel gebracht wurde, vom
LfV Thüringen observiert. Aus dieser Observation
ergaben sich nach späterer Meldung des LfV Thü-
ringen vom 7. Juli 2000 Fotos, die die Kontaktauf-
nahmen einer Person zeigten, die dem Gesuchten
Böhnhardt ähnlich sieht. Die Fotos hat das LfV
Thüringen am 15. Mai an das LKA Thüringen ge-
sandt.“3057
Der Zeuge Boos hat bzgl. des Fotos bekundet:
„Die Öffentlichkeitsfahndung ging los, die Obser-
vationen gingen los, und während der Observation
der Mandy Struck und ihres Lebensgefährten
3052) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 121.
3053) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 122.
3054) Antrag auf Anordnung von zwei TKÜ-Maßnahmen vom
15. Mai 2000, verfasst durch den Beamten K., MAT A TH-
1/17, Bl. 143.
3055) Schreiben der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen an
die Staatsanwaltschaft Gera vom 29. Juni 2000, MAT A TH-
1/24, Bl. 146.
3056) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 53.
3057) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 6.
Drucksache 17/14600 – 354 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tauchte eine Kontaktperson auf, die man für
Böhnhardt hielt. Deshalb wurde unverzüglich das
Foto von dem LfV Thüringen an das LKA Thürin-
gen geschickt. Das LKA Thüringen hat daraufhin
auch sofort unsere Telefonüberwachungsmaßnah-
me übernommen.“3058
Die auf Grundlage eines entsprechenden Auftrags der
Zielfahndungsabteilung vom 30. Mai 2000 durchgeführte
vergleichende Untersuchung der Fotoaufnahmen durch
das Bundeskriminalamt war am 23. Juni 2000 abge-
schlossen.
3059
Im Ergebnis wurde Folgendes festgestellt:
Für einen sicheren Detailvergleich mit einem Bild von
Böhnhardt war die Bildaufnahme vom 6. Mai 2000 von
zu geringer Qualität. Es konnte daher lediglich ein allge-
meiner Vergleich durchgeführt werden, der jedoch ledig-
lich eine tendenzielle Aussage treffen kann. Hierbei ergab
sich, dass die Ähnlichkeit darauf hindeute, dass es sich
um Böhnhardt handele.
Zur Frage der Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der
Person auf dem Foto um Böhnhardt handele, hat der Zeu-
ge Boos bekundet:
„Das LKA Thüringen hat ferner das BKA gebeten,
die Identität der abgebildeten Kontaktperson fest-
zustellen. Dann hieß es danach - das war im Juli
2007, dass die abgebildete Person - ja, in unseren
Akten steht: mit 90-prozentiger Wahrscheinlich-
keit ; wir haben keine schriftliche Übermittlung;
das steht da nur als Ergebnis mündlicher Übermitt-
lung - zu 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit
Böhnhardt sei.“3060
Später, am 23. Oktober 2000, wurde Mandy Struck durch
Beamte der Zielfahndung Thüringen in Chemnitz aufge-
sucht. Sie gab hierbei an, dass es sich bei der Person auf
dem Bild um einen Daniel H. handele. Daniel H. wurde
daraufhin ebenfalls aufgesucht. Hierbei wurde festgestellt,
dass es sich nicht um Böhnhardt handelte; vielmehr wur-
de die aufgenommene Person als der Daniel H. identifi-
ziert.
3061
In einem Fernsehbericht der ARD am 14. April 2013
wurde Stefan A., der Cousin von Beate Zschäpe, zu dem
aufgenommenen Foto befragt und äußerte, dass es sich
bei der Person auf dem Foto um Uwe Böhnhardt gehan-
delt habe.
3062
3058) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 93.
3059) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des Bundeskriminalamtes
an das LKA Thüringen vom 23. Juni 2000 zum Ergebnis der
Vergleichsuntersuchung, MAT A TH-1/17, Bl. 261 f.
3060) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 93.
3061) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 23. Oktober
2000, MAT A TH-1/20, Bl. 365 f.; Vermerk über Zusammen-
fassung der Fahndungsmaßnahmen, MAT A TH-1/16, Bl. 297
f. (298).
3062) ARD-Bericht vom 14. April 2013.
bb) Hinweis eines Berliner Polizeibeamten
bzgl. des Aufenthalts von Zschäpe und
Mundlos in einem Biergarten in Berlin
Nach Ausstrahlung der Sendung Kripo Live am 7. Mai
2000 ging beim LKA Sachsen ein Hinweis eines Polizei-
beamten aus Berlin ein, der angab, das Trio am 7. Mai
2000 zwischen 13 und 14 Uhr in einem Biergarten in
Berlin-Prenzlauer Berg gesehen zu haben.
3063
Durch das
LKA Berlin, welches durch das LKA Thüringen um so-
fortige Abklärung gebeten worden war, wurde der Poli-
zeibeamte am Nachmittag des 8. Mai 2000 vernommen
und gab an, als Objektschützer der Synagoge in der
Rykestraße in einem der Synagoge gegenüber in der
Knaackstraße gelegenen Restaurant eine Personengruppe
wahrgenommen zu haben, die aus zwei Frauen, zwei
Männern und zwei Kindern bestand.
3064
Auf einer ihm
vorgelegten Wahllichtbildvorlage erkannte der Beamte
Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt wieder, wobei er
angab, sie gegen 16 Uhr nochmals in der
Imanuelkirchstraße vor dem Polizeiabschnitt 77 gesehen
zu haben. Er gab darüber hinaus an, dass die beiden Kin-
der beim Verlassen des Lokals von der anderen weibli-
chen Person an den Händen geführt wurden. Die zweite
männliche Person erkannte er nicht wieder. Die Aussage
des Polizeibeamten wurde durch die Staatsschutzabtei-
lung des LKA Berlin als glaubhaft eingeschätzt.
3065
Die ebenfalls vernommene Serviererin aus dem Restau-
rant erkannte Beate Zschäpe lediglich zu 50 Prozent wie-
der und erklärte zudem, die Personen seien erst nach 14
Uhr im Lokal erschienen.
3066
Aus einem Vermerk des LfV Sachsen geht hervor, dass
Werner ab dem 5. Mai auf einer dreitägigen Musikveran-
staltung in Berlin weilte, vermutlich auf einem Punk-
bzw. Oi!-Festival in Berlin-Treptow, das vom 5. bis
7. Mai 2000 stattfand. Werner sei hier von zwei männli-
chen und zwei weiblichen Personen begleitet worden.
3067
Aus den Akten des LfV Sachsen ist ersichtlich, dass sich
dessen Mobiltelefon am 7. Mai 2000 ebenfalls im Stadt-
bereich Berlin befand. Um 11.53 Uhr wurde es in der
Nähe des Flughafens Tempelhof aufgenommen; um 14.15
Uhr wurde es in der Nähe der Siegessäule aufgenom-
men.
3068
3063) Hierzu und im Folgenden: Fernschreiben des LKA Thüringen
an das LKA Berlin vom 7. Mai 2000, MAT A TH-1/20, Bl.
484 f.
3064) Hierzu und im Folgenden: Protokoll über die Vernehmung des
Zeugen Frank R., MAT A TH-1/20, Bl. 133 ff.
3065) Aktenvermerk des LKA Thüringen vom 15. Mai 2000, MAT A
TH-1/20, Bl. 170.
3066) Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Magdalena S.,
MAT A TH-1/20, Bl. 126.
3067) Undatierter Bericht des LfV Sachsen, MAT A SN-1/2 (Tgb.-
Nr. 08/12 - GEHEIM) (VS-VERTRAULICH).
3068) Ausschnitt aus einem Stadtplan von Berlin mit eingezeichneten
Standorten, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM), Do-
kument als solches nicht eingestuft.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 355 – Drucksache 17/14600
cc) Weitere Hinweise
Am 7. und 8. Mai 2000 gingen unter anderem zwei weite-
re Hinweise beim LKA Thüringen ein.
3069
Aus einem
Vermerk vom 9. Mai 2000 ergibt sich, dass zunächst am
7. Mai 2000 eine weibliche Mitteilerin Hinweise zum
Aufenthalt der Personen gab. Dem Vermerk lässt sich
nicht entnehmen, welchen Inhalt diese Hinweise hatten.
Weiterhin sei am 8. Mai 2000 ein Anruf eingegangen, in
dem eine Person mitteilte, Angaben nur nach Zusicherung
der ausgelobten Belohnung machen zu wollen. Um beide
Anrufer zu ermitteln, wurde durch die Staatsanwaltschaft
Gera die Herausgabe der Verbindungsdaten zu den An-
schlüssen des LKA Thüringen angeordnet.
3070
Ob ent-
sprechende Rufnummern ermittelt werden konnten, ist
unklar. Die Herkunft der in den Akten enthaltenen Über-
sicht „AM-WIN“ für den 7. Mai 2000 ist unklar – die
Übersicht enthält für die entsprechenden Zeiträume keine
weiterführenden Erkenntnisse.
3071
Insgesamt war das Hinweisaufkommen jedoch äußerst
gering. Der damalige Leiter der Soko „Rex“ in Sachsen,
der Zeuge Jehle, hat sich hierzu wie folgt geäußert:
„Einen ersten Abschluss erfuhr diese Öf-
fentlichkeitsfahndung aus sächsischer Sicht mit
dem Ergebnisfernschreiben des LKA Sachsen vom
8. Mai 2000, also am Tage nach der Sendung. Die-
ses enthält im Wesentlichen den Hinweis darauf,
dass nach Ausstrahlung der TV-Fahndung keine
Hinweise mit Sachsen-Bezug eingingen und sich
somit keine Fahndungsansätze in Sachsen ergaben.
Das bedeutet im Klartext, dass trotz einer bundes-
weiten Ausstrahlung der Fahndung kein Bürger
über verdächtige Wahrnehmungen im Raum Sach-
sen zu berichten wusste.“3072
dd) Folgen des vor dem Wohnhaus von Mandy
Struck aufgenommenen Fotos
Der Zeuge Tüshaus hat bekundet, das vor der Wohnung
von Mandy Struck aufgenommene Foto habe zur Folge
gehabt, dass das LfV Sachsen später Anstrengungen un-
ternommen habe, eine konspirative Wohnung in der
Bernhardtstraße anzumieten, was dann im September
2000 auch erfolgte. Konkret hat Tüshaus ausgesagt:
„Die vom LfV Sachsen durchgeführten techni-
schen Maßnahmen führten nicht zu einschlägigen
Erkenntnissen in Bezug auf den Verbleib, ebenso
die Observation im Umfeld des Fahndungsaufru-
fes. Einziges verwertbares Ergebnis, einzige neue
Spur war also diese Kontaktaufnahme von jeman-
dem, der Böhnhardt ähnlich sah, in Richtung
3069) Hierzu und im Folgenden: Antrag auf Herausgabe rückwirken-
der Verbindungsdaten vom 9. Mai 2000, MAT A TH-1/17, Bl.
117.
3070) Anordnung der Staatsanwaltschaft Gera vom 10. Mai 2000,
MAT A TH-1/20, Bl. 296.
3071) Übersicht „AM-WIN“, MAT A TH-1/20, Bl. 297.
3072) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 3.
Mandy Struck. Deshalb wurden in diese Richtung
weitere Observationen durchgeführt, die allerdings
keine unmittelbaren Ergebnisse hatten. Das LfV
Sachsen hat deshalb die Anmietung einer konspi-
rativen Wohnung beschlossen, um den Wohnsitz
von Mandy Struck und ihres Freundes, die Bern-
hardstraße, zu observieren. Aus früheren Observa-
tionen war der Aufenthalt des Paares, nämlich die
Bernhardstraße, bekannt geworden. Ich gehe im
Folgenden auf diese Observation besonders ein,
weil sie Gegenstand relativ intensiver Medienbe-
richterstattung war.“3073
sowie:
„Eine geeignete Wohnung wurde Ende September
angemietet und im Zeitraum zwischen 29. Sep-
tember bis zum 15. Oktober sowie zwischen dem
21. Oktober bis 25. Oktober benutzt.“3074
14. Observationsmaßnahmen Ende Septem-
ber/Anfang Oktober 2000 in Chemnitz
a) Art und Umfang der Maßnahme
Zwischen dem 29. September 2000 und dem 2. Oktober
2000 erfolgten intensive Überwachungsmaßnahmen in
Chemnitz. Hintergrund war hierbei der anstehende Ge-
burtstag von Uwe Böhnhardt am 1. Oktober sowie die
Tatsache, dass man zu diesem Zeitpunkt davon ausging,
dass das am 6. Mai 2000 vor dem Gebäude Bernhardstra-
ße 11 bei einer Überwachungsmaßnahme angefertigte
Foto Uwe Böhnhardt zeigt, weshalb man erwartete,
Böhnhardt hier anzutreffen.
Es erfolgten Observationsmaßnahmen gegenüber Kai S.
und Mandy Struck sowie aus einer eigens zu diesem
Zweck angemieteten Wohnung eine Überwachung des
Hauseingangs der Bernhardtstraße 11 mittels einer Vi-
deokamera.
Mit Schreiben vom 18. September 2000 regte KHK Wun-
derlich die Durchführung von TKÜ-Maßnahmen unter
anderem bei Kai S., Mandy Struck und den Eltern von
Uwe Böhnhardt in Jena an.
3075
Am 21. September 2000
wurden TKÜ-Maßnahmen bzgl. der Mobilfunkanschlüsse
von Mandy Struck und Kai S. bis zum Ablauf des 1. Ok-
tober 2000 angeordnet.
3076
Mehreren Aktenstücken, die von vor dem 25. September
2000 datieren, ist zu entnehmen, dass für diesen Tag vor-
mittags im Polizeipräsidium Chemnitz eine Einsatzbe-
sprechung vorgesehen war:
3073) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 6.
3074) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7 – siehe hierzu sogleich in E. II.
14.
3075) Schreiben des LKA Thüringen an die Staatsanwaltschaft Gera
vom 18. September 2000, MAT A TH-1/10, Bl. 1 f.
3076) Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 21. September 2000,
MAT A SN-7/16b, Bl. 102 f. (Mandy Struck) und Bl. 106 f.
(Kai S.).
Drucksache 17/14600 – 356 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In einem Vermerk von KHK Wunderlich vom 15. Sep-
tember 2000 wird dargelegt, dass KHK Wunderlich von
einem Referatsleiter L. aus dem LfV Sachsen kontaktiert
wurde, der darauf hinwies, dass das LfV Sachsen eine
Langzeitdokumentation des Hauses Bernhardtstraße 11 in
Chemnitz durchführen wolle, die der Strukturermittlung
im rechtsradikalen Milieu dienen solle.
3077
Anlässlich
dieses Gesprächs habe man sich auf eine Besprechung am
25. September 2000 um 10 Uhr im Polizeipräsidium
Chemnitz verständigt. Hieran werde auch der Leiter des
MEK Chemnitz teilnehmen.
Der damalige Präsident des LfV Sachsen, der Zeuge
Boos, hat hierzu bekundet:
„Das war einfach ein Telefonat des zuständigen
Referatsleiters aus dem Rechtsextremismus mit
dem LKA Thüringen: Wenn wir jetzt eine Dauer-
observation machen an dem Wohnobjekt Mandy
Struck, sind dadurch polizeitaktische Interessen
beeinträchtigt? Und die Antwort war: Nein, macht
ruhig.“3078
Weiter ist einem Fernschreiben des LKA Thüringen vom
22. September 2000 zu entnehmen, dass eine Einsatzbe-
sprechung für den 25. September 2000, 11 Uhr, geplant
sei.
3079
Diesem Fernschreiben ist als Einsatzauftrag für die
geplante Maßnahme Folgendes zu entnehmen:
– „Ermittlung des Aufenthalts des Boehnhardt
– durchgängige Observation des S.
– Ermittlung Kontaktbild
– Erstellung Bewegungsbild
– Festnahme im Zusammenwirken mit der Zielfahn-
dung des TLKA“.3080
Die Besprechung am 25. September 2000 fand unter Be-
teiligung des LfV Sachsen, des Polizeipräsidiums Chem-
nitz und der Zielfahndung des LKA Thüringen (KHK
Wunderlich und ein weiterer Mitarbeiter) statt. Die Ziel-
fahndung des LKA Thüringen bat unter anderem das
MEK des Polizeipräsidiums Chemnitz, im Falle einer
Identifizierung des Böhnhardt während der Observation,
diesen „nach eigenem Ermessen“ festzunehmen.3081.
Am 26. September 2000 wurde die Durchführung des
MEK-Einsatzes beantragt.
3082
In dem Antrag, der durch
einen Kriminaloberrat gezeichnet wurde, ist KHK Wun-
derlich als Sachbearbeiter genannt.
3077) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Wunderlich vom
15. September 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 19.
3078) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 97.
3079) Hierzu und im Folgenden: Fernschreiben des LKA Thüringen,
MAT A SN-7/16b, Bl. 20 f., 22.
3080) Fernschreiben des LKA Thüringen, MAT A SN-7/16b, Bl.
20 f., 22.
3081) Behördeninterne Mail des LfV Sachsen vom 26. September
2000, MAT A SN-1-12a, Bl. 75.
3082) Hierzu und im Folgenden: Auftrag zur Durchführung eines
MEK-Einsatzes, MAT A SN-7/16b, Bl. 23.
b) Konkreter Ablauf und gewonnene Er-
kenntnisse
aa) Observation Kai S.
Kai S. wurde zwischen dem 30. September 2000, 11.50
Uhr, und dem 1. Oktober 2000, 24 Uhr, durch das MEK
Chemnitz observiert.
3083
Hierbei wurde unter anderem
festgestellt, dass am Abend des 30. September durch Kai
S. eine Diskothek in Klingenthal aufgesucht wurde. Im
Laufe des 30. September 2000 telefonierte S. in zwei
Fällen von Telefonzellen aus, wobei sich dem Observati-
onsbericht jeweils die genaue Lage sowie die Stations-
und Standortnummern dieser Telefonzellen entnehmen
lassen.
bb) Videoüberwachung Bernhardtstraße 11
durch das MEK Chemnitz
Zwischen dem 27. September 2000, 20 Uhr, und dem
2. Oktober 2000, 8.56 Uhr, wurde das Gebäude
Bernhardtstraße 11 in Chemnitz mittels Videoaufzeich-
nung überwacht.
3084
Der Zeuge Külbel hat diesen Einsatz wie folgt beschrie-
ben:
„Erste Maßnahme: 27. September 2000, 20.00
Uhr, bis 2. Oktober 2000, 8.55 Uhr. Da wurde mit
Videotechnik in Chemnitz das Haus Bernhardstra-
ße 11 überwacht. Das geschah ohne durchgehende
personelle Besetzung. Dies war ein Auftrag des
Landeskriminalamts Thüringen, Dezernat 12, Ziel-
fahndungskommando. Ziel aufgrund des Auftrages
war es, Kai S. zu observieren. S. war eine mutmaß-
liche Kontaktperson des Böhnhardt. Die Observa-
tion des S. erfolgte, um den Böhnhardt zu lokali-
sieren und festzunehmen. Ausweislich des Video-
protokolls wurden in den fünf Tagen vom 27. Sep-
tember 2000 bis 2. Oktober 2000 348 Bewegungen
am Haus Bernhardstraße 11 festgestellt. Zum Bei-
spiel: Weibliche Person betritt oder männliche
Person verlässt. Zum S.: Der S. betrat während der
Videoaufzeichnung - laut Videoprotokoll - erst-
mals das Wohnhaus Bernhardstraße 11 am
29. September 2000 um 22.53 Uhr. Bis zum Ab-
schluss der Videoaufzeichnung am 2. Oktober
2000 um 8.56 Uhr betrat und verließ der S. das
Wohnhaus Bernhardstraße 11 insgesamt weitere
elfmal. Böhnhardt hingegen war nicht zu se-
hen.“3085
3083) Hierzu und im Folgenden: Observationsbericht des MEK
Chemnitz vom 5. Oktober 2000, MAT A TH-1/11, Bl. 312 ff.
(inhaltsgleich mit MAT A SN-7/16b, Bl. 27 ff.).
3084) Protokoll der Videoaufzeichnung des MEK Chemnitz, MAT A
TH-1/11, Bl. 326 ff; inhaltsgleich: MAT A SN-7/16b, Bl. 41 ff.
3085) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 46.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 357 – Drucksache 17/14600
Gegenüber dem Einwand, eine Videoüberwachung wäre
nicht zielführend im Hinblick auf eine mögliche Fest-
nahme, hat der Zeuge Külbel erläutert:
„Es sollten ja Hinweise und Feststellungen ge-
macht werden, um den S. als Kontaktperson zum
Böhnhardt oder Kontakte zum Böhnhardt festzu-
stellen, und das kann, wenn aus personellen oder
aus einsatztechnischen Gründen eine bemannte
Observation nicht möglich ist, mit Technik erfol-
gen.
3086
Ich kann Ihnen nur aus meinem Erfahrungsschatz
heraus darlegen, dass es häufig so war, dass, bevor
eine personelle Observation durchgeführt wird, mit
Videotechnik - - und die Bernhardstraße 11 war
die für uns vom Auftraggeber bekannt gegebene
Adresse des S.“3087
c) Aufnahme von Beate Zschäpe während der
Videoüberwachung der Wohnung von
Mandy Struck?
Im Bericht der Videoauswertung wurde unter der lfd.
Nummer 248 für den 29. September 2000, 17.19 Uhr,
festgehalten, dass sich eine weibliche und eine männliche
Person kurze Zeit im Bereich der Haustür aufhielten.
Anders als bei anderen Personen ist hier nicht notiert, dass
die Personen das Haus betreten oder verlassen hätten.
Zuvor, um 15.28 Uhr, ist festgehalten, dass Mandy Struck
das Haus (mit einem Hund) betreten hatte. Es ist nicht
festgehalten, dass Mandy Struck das Haus vor 17.19 Uhr
wieder verlassen hätte. Die von beiden Personen angefer-
tigte Videoaufnahme befindet sich bei den Akten.
3088
Das LKA Thüringen ging hier zunächst davon aus, dass
es sich bei der weiblichen Person um Beate Zschäpe han-
delt, weshalb für den Zeitraum zwischen dem 9. Oktober
2000 und dem 19. Oktober 2000 offensichtlich weitere
Fahndungsmaßnahmen geplant waren.
3089
Aus einem
Vermerk von KHK Wunderlich vom 12. Oktober 2000
ergibt sich auch, dass zwischen dem 9. und dem 12. Ok-
tober 2000 „polizeiliche Ermittlungen“ in Chemnitz
durchgeführt wurden, jedoch bleibt unklar, welche Maß-
nahmen hier konkret durchgeführt wurden.
3090
Die Einholung eines Gutachtens, wie im Falle des Fotos,
welches am 6. Mai 2000 angefertigt worden war, erfolgte
in diesem Fall nicht.
Im Januar 2012 wurde das Foto durch das BKA ausge-
wertet. Ergebnis der Auswertung war, dass es sich bei der
weiblichen Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um
3086) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 63.
3087) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 64.
3088) Videoausschnitte, MAT A TH-1/11, Bl. 352 ff.
3089) Vermerk von KHK Wunderlich vom 6. Oktober 2000, MAT A
SN-7/16b, Bl. 138 f.
3090) Vermerk von KHK Wunderlich vom 12. Oktober 2000, MAT A
TH-2/12, Bl. 167.
Beate Zschäpe handelte.
3091
Auch die Schäfer-
Kommission war nach Inaugenscheinnahme des Fotos
dieser Ansicht.
3092
d) Parallele Observationsmaßnahmen des
Landesamtes für Verfassungsschutz
Sachsen
Der Zeuge Külbel, seinerzeit Leiter des MEK Chemnitz,
hat bekundet, dass ihm nicht bekannt sei, in welcher Form
das LfV Sachsen seinerzeit in Chemnitz tätig gewesen
sei.
3093
Ihm sei lediglich aus den ihm vorliegenden Unter-
lagen bekannt, dass es in dieser Hinsicht Absprachen
gegeben hätte.
Der Zeuge Vahrenhold hat hierzu bekundet, dass es um-
fangreiche eigene Maßnahmen des LfV Sachsen gegeben
habe:
„Eine geeignete Wohnung wurde Ende September
angemietet und im Zeitraum zwischen
29. September bis zum 15. Oktober sowie zwi-
schen dem 21. Oktober bis 25. Oktober benutzt.
Diese Langzeitobservation war ausdrücklich mit
dem LKA Thüringen abgestimmt. Auf Nachfrage
zum Einsatzbeginn hat das LKA Thüringen das
LfV darüber informiert, dass man den Hinweis ha-
be, am 30. September und/oder 1. Oktober könne
es zu einem Kontakt zwischen Böhnhardt und dem
Freund der S. kommen; Böhnhardts Geburtstag
war am 1. Oktober. LKA Thüringen beabsichtigte,
in diesem Zeitraum selbst zu observieren. Das
LKA Thüringen teilte schließlich am 28. Septem-
ber einen Einsatzbeginn vom 30. September für
ein Mobiles Einsatzkommando mit, welches beim
Erkennen des Böhnhardt diesen nach eigener La-
gebeurteilung festnehmen werde. Das LfV besetzte
flankierend die konspirative Wohnung im Zeit-
raum vom 30. September bis 1. Oktober mit Mit-
arbeitern, die im Falle des Auftauchens der Ge-
suchten die vor Ort anwesenden MEK-Kräfte in-
formieren sollten. Die Erreichbarkeit des MEK
war sichergestellt, ein entsprechender Kontakt ist
auch dokumentiert.
Allerdings verlief dieser Observationszeitraum oh-
ne Ergebnisse. Nach Feststellung des LfV traten
allerdings zuvor, am 29. September, gegen
17.20 Uhr eine männliche und eine weibliche Per-
son an das Objekt heran und gingen dann wieder.
Von der die Videoaufzeichnung prüfenden Obser-
vation wurde die Sequenz in Prints gefertigt und
angemerkt, dass die Personen Ähnlichkeiten mit
Böhnhardt und Zschäpe hätten. Die Videoprints
liegen dem LKA Thüringen heute vor. Allerdings
hat eine Überprüfung durch das BKA ergeben,
3091) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 120, Rn. 216
3092) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 120, Rn. 216.
3093) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 64.
Drucksache 17/14600 – 358 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht
um die Gesuchten gehandelt hat.“3094
Auf den Vorhalt, das MEK habe von den Maßnahmen des
LfV Sachsen nichts gewusst, hat der Zeuge Tüshaus ent-
gegnet:
„Das entspricht nicht unserer Aktenlage. Also,
zum einen weist unsere Aktenlage mehrere Ge-
spräche des damaligen Referatsleiters Rechtsex-
tremismus in dem Zusammenhang mit dem Thü-
ringer LKA - das war ja Auftragsteller - - und zum
Zweiten gibt es gerade hinsichtlich dieser Obser-
vation ja den Auftrag, im Falle des Erkennens von
Zielpersonen das MEK zu unterrichten. Insofern
bestand auch eine Informationsverbindung mit
dem MEK, das vor Ort war, und soviel ich weiß,
hat auch ein konkreter Kontakt stattgefunden. Das
heißt, die wussten voneinander, dass sie da waren.
Also, das würde sich für mich jetzt nicht erschlie-
ßen, dass da jetzt der Kollege sagt, das MEK wuss-
te nicht, dass das LfV auch vor Ort war.“3095
In Bezug auf die Frage, weshalb dann eine parallele Ob-
servation stattgefunden habe, hat der Zeuge Tüshaus
geäußert:
„Es ging um den Zugriff, genau. Und in der Situa-
tion hatte das LfV letztendlich drei Möglichkeiten.
Entweder man schaltet die eigene Anlage über den
Zeitraum ab und sagt: Na ja, die sind da, dann
brauchen wir nicht. - Die zweite Möglichkeit war:
Wir lassen das Ding laufen und gucken uns am
Montag an, was am Wochenende passiert ist. - Die
dritte Möglichkeit war: Nein, wir besetzen unsere
konspirative Wohnung auch, stellen den Kontakt
her mit dem MEK, unterstützen das MEK, wenn
uns irgendwas auffällt und beobachtet wird, und
sagen denen Bescheid, damit der Zugriff realisiert
würde. - Das Dritte ist gemacht worden; aus mei-
ner Sicht auch das Vernünftigste.“3096
Der Zeuge Boos hat ebenfalls bestätigt, dass es parallel zu
den polizeilichen Observationsmaßnahmen auch solche
des LfV Sachsen gegeben habe. Boos hat hierzu bekun-
det:
„Wir haben aber darüber hinaus dann eine Dauer-
observation vorbereitet am Wohnobjekt Struck und
ihres Lebensgefährten in Chemnitz, um Erkennt-
nisse zu gewinnen: Gibt es dort Kontakte zu den
Gesuchten, oder halten sie sich sogar in der Woh-
nung auf? - Diese Dauerobservation haben wir
ausdrücklich mit dem LKA Thüringen abgespro-
chen. Wir haben die Frage gestellt, ob polizeitakti-
sche Gründe dagegen sprechen, was dort verneint
wurde. Dennoch hat die Polizei parallel auch eine
3094) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.
3095) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 32.
3096) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 33.
Observation dort durchgeführt. Diese Observation
fand dann im September/Oktober statt.“3097
Aus den Akten des LfV Sachsen ergibt sich, dass im
Rahmen der Maßnahmen „Terzett“ im LfV Sachsen be-
reits im Juli 2000 Überlegungen im Hinblick auf die An-
mietung einer konspirativen Wohnung zur Observation
der Wohnanschrift von Mandy Struck in der Bernhard-
straße 11 stattfanden.
3098
Mitte September konnte sodann
eine in der Nähe gelegene Wohnung angemietet werden,
wobei im Rahmen des Abschlusses des Mietvertrages
bekannt wurde, dass auch die Polizei im gleichen Gebäu-
de ebenfalls eine Wohnung angemietet hatte.
3099
Aus den
dem Ausschuss vorliegenden Protokollen ergibt sich, dass
die Wohnung durch Mitarbeiter des LfV Sachsen zwi-
schen dem 30. September 2000, 12 Uhr, und dem
1. Oktober 2000, 23 Uhr, besetzt war.
3100
Für den
29. September 2000 liegen mithin lediglich Videoauf-
nahmen vor. Bei den in den Akten des LfV Sachsen ent-
haltenen Videoaufnahmen handelt es sich um dieselben
Aufnahmen wie in den Akten des LKA Thüringen. Auch
in dem Observationsbericht des LfV Sachsen heißt es,
dass Ähnlichkeiten zwischen den aufgenommenen Perso-
nen und den Gesuchten „festgestellt werden“ können.
e) Überprüfung von Anrufen aus Telefonzel-
len
Am 5. Oktober 2000 erließ das Amtsgericht Jena über die
Staatsanwaltschaft Gera auf Anregung der Zielfahndung
des LKA Thüringen in Bezug auf die beiden Telefonzel-
len, aus denen Kai S. im Verlauf des 30. September 2000
Gespräche geführt hatte, Beschlüsse zur Herausgabe der
rückwirkenden Verbindungsdaten für den jeweiligen
Gesprächszeitraum.
3101
In den Akten der Staatsanwaltschaft Gera ist ein Telefax-
Sendebericht enthalten, der die Übersendung der Be-
schlüsse an das LKA Thüringen (Rufnummer
0361/3411xxx) dokumentiert.
3102
Es ist weder aktenkundig, dass in Ausführung des ergan-
genen Beschlusses eine entsprechende Anfrage an die
Deutsche Telekom gestellt worden wäre, noch ist akten-
kundig, dass eine solche Anfrage beantwortet worden
wäre.
3097) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 93.
3098) Vermerk vom 24. Juli 2000, MAT A SN-1/2, Anl. 01 (Tgb.-Nr.
08/12 - GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).
3099) Vermerk des Referats 13 des LfV Sachsen, datiert vom
13. September 2000, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 -
GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).
3100) Hierzu und im Folgenden: Observationsbericht bzgl. der Maß-
nahme Terzett 12. vom 5. Oktober 2000, MAT A SN-1/2 (Tgb.-
Nr. 08/12 - GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).
3101) Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 5. Oktober 2012, MAT
A TH-2/12, Bl. 147 (Telefonzelle in Chemnitz) und Bl. 149
(Telefonzelle in Klingenthal).
3102) Sendebericht vom 5. Oktober 2000, MAT A TH-2/12, Bl. 158.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 359 – Drucksache 17/14600
15. Maßnahme am 23. Oktober 2000 in Chem-
nitz
a) Art und Umfang der Maßnahmen
Am 23. Oktober 2000 kam es in Chemnitz erneut zu
Fahndungsmaßnahmen, insbesondere zu einer Observati-
on des Freundes von Mandy Struck, Kai S.
3103
und einem
offenen Ansprechen beider Personen.
3104
b) Hintergrund der Maßnahmen
In einem Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen
vom 13. Oktober 2000 wird der Hintergrund des geplan-
ten Einsatzes am 23. Oktober 2000 wie folgt beschrieben:
„Durch die Zielfahndung des TLKA wurden um-
fangreiche Maßnahmen zur Personenfeststellung
der o. g Gesuchten im Raum Chemnitz durchge-
führt.
Ausgangspunkt waren zwei vorliegende Videose-
quenzen vom 06.05.2000 und vom 29.09.2000, auf
denen eine männliche und eine weibliche Person
dargestellt sind, bei denen es sich mit großer
Wahrscheinlichkeit um die gesuchten Personen
Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe handelt.
Beide Personen haben sich im unmittelbarem Um-
feld der bekannten Personen Mandy Struck und
Kai S. aufgehalten. Die männliche Person hatte
nachweislich am 06.05.00 Kontakt mit Kai S.
Während der Ermittlungen der Zielfahndung in
Chemnitz wurde der Personenkreis um Mandy
Struck und Kai S. überprüft.
Es konnte festgestellt werden, daß beide Personen
der rechten Szene in Chemnitz zugeordnet werden
können.“3105
Im Hinblick auf die konkrete Planung des Ablaufs lässt
sich dem Vermerk Folgendes entnehmen:
„Es wird beabsichtigt am 23./24.10.2000 die Per-
sonen S. und S. offen anzusprechen. Um die Folge-
reaktionen beider Personen nachvollziehen zu
können, erfolgt im Zeitraum vom 23.10. -
25.10.2000 eine Observation dieser Personen. Die
Realisierung erfolgt durch das MEK Chemnitz mit
Unterstützung der Zielfahndung Sachsen und Thü-
ringen. Für die Vorbereitung und Absicherung der
Maßnahme wurde durch den Richter Hovemann
die TKÜ zu den Anschlüssen beider Personen be-
schlossen.
3103) Observationsbericht des MEK Sachsen vom 24. Oktober 2000,
MAT A SN-7/16b, Bl. 76 ff.
3104) Vermerk der Zielfahndung über Ermittlungen in Chemnitz am
23. Oktober 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 142 f.
3105) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.
Geplant ist, dass zwei Beamte der Zielfahndung
Thüringen am 23./24.10.2000 in Chemnitz die Ko-
ordination der Maßnahme übernehmen und gleich-
zeitig den Kontakt zu den Personen Struck und S.
aufnehmen.“3106
c) Bewertung der Fahndungssituation durch
die Beteiligten
Dem Vermerk lässt sich im Hinblick auf die Fahndungssi-
tuation die folgende Bewertung entnehmen:
„Für die Zielfahndung gibt es derzeitig keine wei-
teren Fahndungsansätze.
[…]
Ergeben sich aus dem Einsatz vom 23. ./24.10.00
keine weiteren Fahndungsansätze, erscheint eine
weitere Bearbeitung durch die Zielfahndung nicht
gerechtfertigt. Es müßten für diesen Fall neue um-
fangreiche Strukturermittlungen durchgeführt wer-
den, welche mit dem Personalbestand der Ziel-
fahndung nicht realisierbar sind.“3107
Seitens der Staatsanwaltschaft und durch den zuständigen
Ermittlungsrichter wurden die geplanten Maßnahmen
offensichtlich als vorläufig letzte Fahndungsmöglichkeit
gewertet. Konkret heißt es in dem Vermerk hierzu:
„Am 12.10.2000 gab es ein Gespräch zwischen der
Zielfahndung und dem zuständigen Staatsanwalt
Villwock, sowie dem zuständigen Richter
Hovemann.
[…]
Durch den zuständigen Richter Hovemann wurde
mitgeteilt, dass er keine weiteren TKÜ-
Maßnahmen in diesem Fahndungsvorgang anord-
nen wird, wenn sich keine weiteren konkreten
Fahndungsansätze begründen lassen.
Durch den zuständigen Staatsanwalt Villwock
wurde darauf verwiesen, dass die Beweislage in
diesem Strafverfahren sehr vage ist und somit der
Ausgang des Verfahrens offen. Es wurde durch
den Staatsanwalt und Richter auf die Verhältnis-
mäßigkeit der Fahndungsmaßnahmen verwie-
sen.“3108
Ebenfalls im Zeitraum zwischen den Maßnahmen Ende
September/Anfang Oktober 2000 und am 23. Oktober
2000 fand innerhalb des LKA Thüringen eine Erörterung
bzgl. der Beauftragung der Zielfahndungsabteilung statt,
die bereits oben im Abschnitt E. II. 2. b) bb) bbb) darge-
stellt wurde.
3106) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f. (141).
3107) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.
3108) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.
Drucksache 17/14600 – 360 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Vorbereitung der Maßnahmen am 23. Ok-
tober 2000
Zur Vorbereitung der Maßnahmen erfolgte am 12. Okto-
ber 2000 eine Besprechung mit dem Leiter des MEK
Chemnitz und der „Zielfahndung Sachsen“.3109
Ebenfalls am 12. Oktober 2000 waren durch den Ermitt-
lungsrichter am Amtsgericht Jena zwei Beschlüsse erlas-
sen worden, in denen TKÜ-Maßnahmen bzgl. der Mobil-
funkanschlüsse von Kai S. und Mandy Struck angeordnet
wurden.
3110
Am 16. Oktober 2000 wurde der MEK-Einsatz für den
23. Oktober 2000 durch KHK Wunderlich schriftlich in
Auftrag gegeben.
3111
e) Konkreter Ablauf der Maßnahmen
Die Observation von Kai S. erfolgte durch das MEK
Chemnitz am 23. Oktober 2000 zwischen 6.40 Uhr und
16.45 Uhr, wobei die Observation zwischen 12.40 Uhr
und 14.07 Uhr „auf Anweisung der sachbearbeitenden
Dienststelle“ unterbrochen wurde.3112
Um 12.50 Uhr wurde Kai S. dann durch vier Polizeibeam-
te, darunter KHK Wunderlich, in der Wohnung von Man-
dy Struck in der Bernhardstraße 11 aufgesucht.
3113
In
seiner Begleitung begaben sich die Polizeibeamten dann
zur Wohnung von Kai S. in der Hainstraße 96, die gegen
13.05 Uhr betreten wurde. In beiden Wohnungen wurden
keine weiteren Personen festgestellt. Dem Kai S. wurde
darüber hinaus das am 6. Mai 2000 aufgenommene Foto
von der bislang unbekannten Person gezeigt, die ihm
„beim Umzug geholfen“ hatte – hierzu machte Kai S.
keine Angaben. Er wurde sodann zur Wohnanschrift von
Mandy Struck in der Bernhardstraße 11 zurückgebracht.
Gegen 14.10 Uhr wurde schließlich Mandy Struck durch
KHK Wunderlich und KK K. von der Zielfahndung des
LKA Thüringen an ihrer Arbeitsstelle aufgesucht. Mandy
Struck identifizierte die Person auf dem Foto als Daniel
H. Nachdem zunächst noch ein Mike K. aufgrund eines
Hinweises von Mandy Struck im Hinblick auf möglichen
Waffenbesitz aufgesucht worden war, begab sich KHK
Wunderlich – nunmehr wieder in Begleitung von KK K.
und den beiden weiteren Polizeibeamten, die auch schon
beim Aufsuchen von Kai S. beteiligt waren – gegen 15.50
Uhr zur Wohnung von Daniel H., der gegen 16.20 Uhr
3109) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.
3110) Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 12. Oktober 2000, MAT
A SN-7/16b, Bl. 104 f. (Mandy Struck) und, MAT A SN-7/16b,
Bl. 108 f. (Kai S.).
3111) Auftrag zur Durchführung eines MEK-Einsatzes vom
16. Oktober 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 24.
3112) Observationsbericht des MEK Chemnitz vom 24. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 76 ff. (79).
3113) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Wunderlich und
KK K. über Ermittlungen in der Stadt Chemnitz am 23. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 142 f.
erschien. Es wurde festgestellt, dass es sich bei ihm nicht
um Böhnhardt handelte.
Nachdem um 14.07 Uhr die Observation von Kai S. vor
der Bernhardstraße 11 durch die Kräfte des MEK Chem-
nitz wieder aufgenommen worden war, wurde festgestellt,
wie dieser gegen 14.18 Uhr die Wohnung verließ und sich
mit seinem Fahrzeug zu einer nahegelegenen Telefonzelle
begab, aus der er ca. acht Minuten lang telefonierte.
3114
Im Observationsbericht ist der Standort der Telefonzelle
(Lutherstraße 20), die Standortnummer (15 M 10) und die
elfstellige Zellennummer genannt.
Sodann begab sich Kai S. zu seiner Wohnung in der Hain-
straße 96, die er nach ca. 15 Minuten mit einem Pappkar-
ton (50x50 cm) wieder verließ. Er begab sich anschlie-
ßend gegen 14.51 Uhr zu einem nahe gelegenen Garagen-
komplex, wo er einen Fassgrill aus einer Garage holte und
ca. 20 Minuten lang etwas verbrannte. Währenddessen
erschienen zwei männliche Personen am Garagenkom-
plex, denen Kai S. öffnete. Um 15.11 Uhr verließ Kai S.
den Garagenkomplex und fuhr mit seinem Fahrzeug da-
von, wobei er gegen 15.19 Uhr außer Kontrolle geriet,
nachdem er in zwei Fällen über Parkplätze gefahren war,
ohne dort zu parken. Erst um 16.35 Uhr wurde sein Fahr-
zeug beim Durchfahren der Bernhardstraße kurzzeitig
festgestellt. Um 16.45 Uhr wurde die Observation von
Kai S. „nach Rücksprache mit der sachbearbeitenden
Dienststelle“ beendet.
Der Leiter der MEK, der Zeuge Külbel, hat angegeben, er
habe es hier das einzige Mal erlebt, dass ein Observati-
onseinsatz auf Anweisung unterbrochen wurde, um die
Zielperson zu vernehmen.
3115
Er könne sich nicht daran
erinnern, dass das MEK damals über den Grund für diese
Unterbrechung informiert worden sei. Auf die Frage, ob
eine solche Information nicht hilfreich gewesen wäre, hat
der Zeuge geantwortet:
„Das MEK stellt Tatsachen fest. […] Also es gab
keine Probleme während des Einsatzverlaufes. Die
Zielperson ist nicht verloren gegangen. Es hat kei-
ne Situation gegeben, die die Observation oder den
Einsatz des MEK erschwert hat. Aus dem Grund
kann man jetzt im Nachhinein sagen, das wäre
nicht zwingend notwendig gewesen, das zu erklä-
ren. Natürlich kann man das machen.“3116
Der Ausschuss hat hinterfragt, ob das MEK hätte eingrei-
fen müssen, als die Zielperson Gegenstände verbrannt hat.
Der Zeuge Külbel hat geantwortet, es habe für das Mobile
Einsatzkommando in dieser Situation überhaupt keinen
Handlungsbedarf gegeben, dort einzuschreiten, die Sache
aufzuklären und festzustellen, was dort verbrannt wurde.
Dies sei absolut unüblich. Die Maßnahmen seien aus-
schließlich verdeckte Maßnahmen. Die Einheiten, die in
3114) Hierzu und im Folgenden: Observationsbericht des MEK
Chemnitz vom 24. Oktober 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 76 ff.
(79 ff.)
3115) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 47.
3116) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 361 – Drucksache 17/14600
dieser Form arbeiten, seien darauf angewiesen, dass die
Maßnahmen nicht erkannt werden, um das Einsatzziel,
den Einsatzerfolg, nicht zu gefährden. In einem solchen
Fall müssten andere Polizeikräfte tätig werden. Er könne
sich zwar nicht mehr an die Situation erinnern, er gehe
jedoch davon aus, dass dieses Verhalten unmittelbar an
das Zielfahndungskommando Thüringen weitergegeben
worden sei.
3117
Wenn allerdings zum Beispiel Gefahr für
Leib und Leben bestünde, also ein anstehendes Tötungs-
delikt oder eine schwere Körperverletzung, und damit die
Gefahrenabwehr über der Strafverfolgung stünde, dann
wäre die Eingriffsschwelle bei einer Observationsmaß-
nahme überschritten.
3118
Er könne keine Fehler des MEK
feststellen.
3119
f) Überprüfung des Anrufes aus der Telefon-
zelle
Auch vorliegend kann den Akten entnommen werden,
dass eine Überprüfung der Telefonzelle stattfinden sollte.
In den Akten befindet sich ein von der Staatsanwaltschaft
Gera an die Deutsche Telekom gerichtetes Schreiben, in
dem um Mitteilung der rückwirkenden Verbindungsdaten
für die genannte Telefonzelle gebeten wird.
3120
Das
Schreiben trägt im oberen Bereich einen Faxaufdruck, der
das Datum „23.10.00“ und die Uhrzeit „16:13“ sowie die
Rufnummer „00361341xxxx“ – eine Rufnummer inner-
halb des LKA Thüringen enthält. In dem Schreiben ist die
Anschrift der Telefonzelle, die Standortnummer (1510)
und – als Rufnummer der Telefonzelle – die im Observa-
tionsbericht als Zellennummer angegebene elfstellige
Nummer angegeben. Ob das Schreiben an die Deutsche
Telekom weitergeleitet wurde ist ebensowenig aktenkun-
dig wie eine wie auch immer geartete Reaktion der Tele-
kom auf dieses Schreiben.
g) Auswirkungen auf Maßnahmen des LfV
Sachsen
Im Hinblick auf die erfolgte Ansprache von Mandy Struck
hat der Zeuge Tüshaus bekundet, dass vor diesem Hinter-
grund weitere Maßnahmen des LfV Sachsen obsolet ge-
worden seien:
„In einem Vermerk des LfV vom 25. Oktober, also
zwei Tage später, wird festgehalten: Dienstlich
wurde bekannt, dass das im Auftrag- jetzt kommt
die Fallbezeichnung - formulierte Ziel der Obser-
vation - also diese technische Dauerobservation
der Bernhardstraße - nicht umsetzbar ist. Die
Maßnahme wird aus diesem Grund nicht fortge-
setzt. - Dies ist im Licht der am 23. Oktober er-
folgten Ansprache nachvollziehbar. Die Polizei hat
3117) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 52 f.
3118) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 53 f.
3119) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 59.
3120) Hierzu und im Folgenden: Schreiben der Staatsanwaltschaft
Gera an die Deutsche Telekom vom 23. Oktober 2000, MAT A
TH-1/20, Bl. 284.
zu diesem Zeitpunkt Mandy Struck befragt, ob sie
etwas von den Gesuchten wüsste, sie hat Observa-
tionsfotos vorgelegt, sodass der Betroffenen und
ihrem Freund die Maßnahmen um sie herum deut-
lich wurden. Eine weitere technische Observation
des Wohnobjekts ergab deshalb keinen Sinn.“3121
Aus dem Observationsbericht im Fall „Terzett 11“ geht
hervor, dass der genannte Garagenkomplex sowie die
Wohnung Bernhardstraße 11 durch das LfV Sachsen
zwischen dem 21. und 26. Oktober 2000 durch verdeckte
Videographie überwacht wurde. Aus dem erstellten Pro-
tokoll sind die dargestellten Maßnahmen des LKA Thü-
ringen und die sich aus dem Observationsbericht des
MEK ergebenden Handlungen von Kai S., soweit sie sich
in dem Garagenkomplex und an der Wohnung Bernhard-
straße 11 abspielten, dokumentiert.
3122
16. Weitere Fahndungsmaßnahmen im Zeit-
raum 2000 bis 21. August 2001
a) Observation in Seelze bei Hannover am
30. September/1. Oktober 2000
Zeitgleich mit den Maßnahmen in der Bernhardtstraße 11
in Chemnitz war geplant, die Eltern von Uwe Böhnhardt
anlässlich eines Besuchs auf der Weltausstellung EXPO
2000 in Hannover zu observieren. Aus einem Telefax-
Schreiben vom 29. September 2000 gehen die Details des
Auftrags des LKA Thüringen an das LKA Niedersachsen
hervor.
3123
Es wurde vermutet, dass es in Hannover zu
einem Treffen zwischen Böhnhardt, seinen Eltern und
dem zwischenzeitlich nach dort verzogenen Holger Ger-
lach kommen könnte. Aus diesem Grund wurden die
Anschlüsse der Mutter von Holger Gerlach in Hannover
und von Erhard S., einem Verwandten der Mutter von
Uwe Böhnhardt, zwischen dem 29. September 2000 und
dem 1. bzw. 2. Oktober 2000 überwacht, ohne dass sich
Erkenntnisse zum Aufenthalt des Trios ergeben hätten.
3124
Auch die Observationsmaßnahmen erbrachten keine Er-
mittlungsansätze.
3125
b) Aufsuchen von Frauenärzten in Chemnitz
Am 30. und 31. März 2000 wurden durch die Beamten
Wunderlich und O. zahlreiche Frauenärzte, deren An-
schriften zuvor über die Ärztekammer in Erfahrung ge-
bracht wurden, in Chemnitz aufgesucht und unter Vorlage
eines Bildes von Beate Zschäpe danach befragt, ob diese
3121) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.
3122) Observationsbericht im Fall „Terzett 11“, MAT A SN-1/2, Anl.
01 (Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).
3123) Telefax-Schreiben des LKA Thüringen an das LKA Niederach-
sen vom 29. September 2000, MAT A TH-1/20, Bl. 97 f.
3124) Vermerk über die Beendigung der TKÜ vom 4. Oktober 2000,
MAT A TH-1/17, Bl. 183.
3125) Vermerk über Auswertung der Fahndungsunterlagen vom
7. März 2002, MAT A TH-1/24, Bl. 2 ff. (8).
Drucksache 17/14600 – 362 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dort als Patientin in Erscheinung getreten sei.
3126
Die
Lichtbilder wurden jeweils in den Praxen belassen. Er-
kenntnisse wurden nicht erlangt.
c) Hinweis auf Antreffen von Beate Zschäpe
im Zug zwischen Bebra und Eisenach im
August 2000
Am 11. August 2000 erschien der damals 23-jährige Do-
minic G. aus einem anderen Anlass bei der Polizei in
Waltershausen, wo er auf einem Fahndungsplakat Beate
Zschäpe wiedererkannte.
3127
Er gab an, dass die Frau sich
ihm auch als „Beate“ vorgestellt habe und er diese am
7. August 2000 im InterRegio zwischen Bebra und Eise-
nach getroffen habe. Konkret habe er die Frau in einem
Zugabteil angetroffen und angesprochen. Die Frau sei –
wie er – in Eisenach aus dem Zug gestiegen und im
Bahnhof in Richtung Ausgang gelaufen. Sie habe ihm
gegenüber angegeben, in Eisenach als Friseurin zu arbei-
ten.
d) Grund dafür, dass es ansonsten nur weni-
ge weitere Maßnahmen gab
Möglicher Hintergrund für die sehr geringe Fahndungsin-
tensität nach den Maßnahmen am 23. Oktober 2000 ist,
dass in dem Gespräch zwischen KHK Wunderlich mit
dem zuständigen Staatsanwalt und dem Ermittlungsrichter
im Vorfeld der Maßnahme am 23. Oktober 2000 bekundet
worden war, dass weitere richterliche Beschlüsse bzgl.
weiterer Fahndungsmaßnahmen nicht erlassen würden.
3128
Darüber hinaus war in einem Vermerk vom 12. Oktober
2000 durch KHK Wunderlich auch dargelegt worden,
dass im Falle des Scheiterns der Maßnahme vom
23. Oktober 2000 eine weitere Tätigkeit der Zielfahn-
dungsabteilung nicht gerechtfertigt sei und umfangreiche
Strukturermittlungen im rechtsextremen Spektrum erfor-
derlich seien.
Es ist auch nicht aktenkundig, dass nach der Maßnahme
am 23. Oktober 2000 der Erlass weiterer Beschlüsse, etwa
auf Durchführung weiterer TKÜ-Maßnahmen, durch die
Zielfahndung des LKA Thüringen angeregt worden wä-
re.
3129
Auch im Jahresbericht 2000 der Zielfahndung vom
5. Januar 2000 findet sich ein entsprechender Hinweis.
Konkret heißt es hier in Bezug auf die Suche nach dem
Trio:
„Die Spezialität der Ermittlungstätigkeit hat ge-
zeigt, dass die Zielfahndung personell nicht in der
3126) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich und
KOM’in O., undatiert, MAT A TH-1/20, Bl. 354 ff.
3127) Hierzu und im Folgenden: Protokoll über die Vernehmung von
Dominic G. vom 12. August 2000, MAT A TH-1/3, Bl. 358.
3128) Siehe hierzu oben unter E. II. 15 c) mit Hinweis auf den Ver-
merk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober 2000,
MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.
3129) KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober 2000, MAT A
SN-7/16b, Bl. 140 f.
Lage ist, ein derartig verzweigtes Beziehungsge-
flecht, wie es sich in der rechten Szene darstellt,
aufzuarbeiten. Aus Sicht der Zielfahndung ist die
Lokalisierung der gesuchten Personen nur durch
eine Soko für diesen Fahndungsfall realisierbar.
Sollte es in absehbarer Zeit zu einer Vergrößerung
des Bereiches Staatsschutz im TLKA kommen,
wäre eine Übernahme der Fahndung nach dem
o. g. sinnvoll. Angemerkt sei an dieser Stelle der
Einwand der zuständigen Staatsanwaltschaft, wel-
che zu bedenken gibt, dass die Beweislage in die-
sem Verfahren äußerst gering und eine mögliche
spätere Verurteilung aller drei beteiligten Personen
fraglich ist.“3130
e) Beendigung der Zielfahndung im August
2001
Am 22. August 2001 wurde die Zielfahndung beendet.
3131
17. Fahndungsmaßnahmen August 2001 bis
Juli 2003
a) Auswertung der bisherigen Maßnahmen
nach Rückgabe der Fahndungsakten an
die EG „TEX“
Nach Beendigung der Tätigkeit der Zielfahndungsabtei-
lung im August 2001 erfolgte im Jahr 2002 eine Auswer-
tung der bisher vorliegenden Fahndungsakten durch die
nunmehr für die Suche nach dem Trio allein zuständige
EG „TEX“.3132 In dem hierbei durch KHK K. erstellten
Vermerk sind eine Vielzahl der bis zu diesem Zeitpunkt
durchgeführten Fahndungsmaßnahmen explizit erwähnt.
Unter Punkt 10 des Vermerks werden weitere Ermitt-
lungsansätze aufgezählt. Neben der Anregung einiger
Standardmaßnahmen wird unter Punkt 10.4 angeregt, bei
den Landesämtern für Verfassungsschutz Sachsen und
Thüringen anzufragen, ob die Gesuchten mit einer neuen
Identität versehen worden seien und wie dies rechtlich zu
bewerten sei. Hintergrund dieser Anregung ist mögli-
cherweise, dass bei der Aktenauswertung ein Vermerk des
Zielfahnders Wunderlich vom 13. Oktober 2000
3133
auf-
fiel, in dem – ohne Angabe eines möglichen Hintergrun-
des oder einer Begründung – festgestellt wird, dass die
Gesuchten sich möglicherweise eine neue Identität zuge-
legt haben könnten (erwähnt unter Punkt 8.4.).
Unter Punkt 10.10 des Vermerks wird zudem konstatiert,
dass eine Kontaktaufnahme mit den Eltern der Gesuchten
und mit dem Cousin von Beate Zschäpe, Stefan A., aus
3130) Jahresbericht 2000 der Zielfahndungsabteilung des LKA Thü-
ringen vom 5. Januar 2001, MAT A TH-2/59, Bl. 75.
3131) Vgl. hierzu schon oben unter E. II. 2. c).
3132) Hierzu und im Folgenden: Vermerk „Auswertung der Fahn-
dungsunterlagen“ vom 7. März 2002, MAT A TH-1/24, Bl.
2 ff.
3133) Vermerk von KHK Wunderlich vom 13. Oktober 2000, MAT A
TH-1/24, Bl. 89 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 363 – Drucksache 17/14600
taktischen Gründen nicht angebracht erscheine, ohne dass
dies näher begründet wird.
Eine Kontaktaufnahme mit Stefan A. ist auch nicht akten-
kundig.
b) Aufforderung zu weiteren Ermittlungen
durch die Generalstaatsanwaltschaft im
Frühjahr 2002 und Reaktion hierauf.
aa) Auftrag der Thüringer Generalstaatsan-
waltschaft vom 20. Februar 2002 und Reak-
tion der Staatsanwaltschaft Gera hierauf
Im Hinblick auf den Bericht vom 17. Januar 2002 war
durch die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft am
20. Februar 2002 der Auftrag an die Staatsanwaltschaft
Gera erfolgt, mit dem Leiter der Zielfahndung nochmals
„die Möglichkeiten der Durchführung einer Zielfahndung
und deren Erfolgsaussichten eingehend zu erörtern.“3134
Dies wurde auch dem Thüringer Justizministerium mitge-
teilt.
3135
Als Reaktion auf diesen Auftrag wurde am 24. Mai 2002
der am 7. März 2002 durch KHK K. erstellte Auswerte-
vermerk an die Generalstaatsanwaltschaft übersandt und
mitgeteilt, dass das LKA Thüringen den darin auf Seite 9
(Punkt 10) genannten Ermittlungsansätzen nachgehen
werde.
3136
Eine Rücksprache mit der Zielfahndung ent-
sprechend dem Auftrag ist nicht ersichtlich; ebensowenig
eine Monierung der nicht erfolgten Rücksprache durch
die Generalstaatsanwaltschaft.
bb) Anregung von erneuten Zielfahndungs-
maßnahmen durch das LKA Thüringen im
September 2002
aaa) Die Anregung vom 6. September 2002
Am 6. September 2002 kam es zu einem Gespräch bei der
Staatsanwaltschaft Jena, an dem ausweislich eines Ver-
merks von KHK Dressler vom selben Tag seitens der
Staatsanwaltschaft Gera die Staatsanwälte Schultz und
Petzel, seitens der EG „TEX“ die Beamten KHK Dressler
und KHK K. teilnahmen.
3137
Laut dem Vermerk wurde
durch die EG „TEX“ hierbei angefragt, ob seitens der
Staatsanwaltschaft die Bereitschaft bestünde, im Zusam-
menhang mit einer durch das BKA durchgeführten Ziel-
fahndung die zu erwartenden Anträge auf TKÜ-
3134) Schreiben der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft an den
Leiter der Staatsanwaltschaft Gera vom 20. Februar 2002, MAT
A TH-2/16, Bl. 311.
3135) Schreiben der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft an das
Thüringer Justizministerium vom 20. Februar 2002, MAT A
TH-2/59, Bl. 80.
3136) Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das
Thüringer Justizministerium (über die Thüringer Generalstaats-
anwaltschaft) vom 24. Mai 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 81 ff.
3137) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Dressler vom
6. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 139.
Maßnahmen, Observationen und Postkontrollen zu stellen
und sonstige Maßnahmen zu unterstützen, die von der
Einholung eines Gerichtsbeschlusses abhängig sind. Hin-
tergrund war, dass eine solche grundsätzliche Zusage
erforderlich sei, bevor eine konkrete Unterstützung durch
das BKA erfolge. Seitens beider Staatsanwälte sei über-
einstimmend zugesagt worden, in dieser Angelegenheit
Rücksprache mit den Vorgesetzten zu halten und die
Maßnahmen unter den besonderen Umständen des Falles
zu prüfen. Eine schriftliche Antwort innerhalb von zwei
Wochen sei zugesichert worden.
Eine entsprechende schriftliche Antwort ist nicht akten-
kundig.
Dem Gespräch vom 6. September 2002 war ein Gespräch
der Beamten der EG „TEX“ beim BKA am
4. September 2002 vorausgegangen. In dem Gespräch, an
dem seitens des BKA vier Beamte der Zielfahndungsab-
teilung und seitens der EG „TEX“ KHK Dressler und
KHK K. teilnahmen, wurden mögliche Unterstützungs-
maßnahmen bzgl. der Fahnung nach dem Trio durch die
Zielfahndungsabteilung des BKA erörtert.
3138
Hierbei
kamen mehrere Maßnahmen zur Sprache, wie etwa ein
kompletter Abgleich der Verfahrensakten der Polizei und
der Staatsanwaltschaft. Bzgl. möglicher Maßnahmen
wurde erörtert, dass eine mögliche Kontaktperson mit
„kompletten Überwachungsmaßnahmen“ belegt werden
könne, also mit einer längerfristigen Observation und mit
TKÜ-Maßnahmen. Zudem könne das BKA bei der Aus-
wertung der Akten unterstützend tätig werden, um ein
neues Fahndungskonzept zu erstellen.
bbb) Die Reaktion der Staatsanwaltschaft nach
der Anregung
Eine wie auch immer geartete Absprache zwischen der
Staatsanwaltschaft Gera und der Thüringer Generalstaats-
anwaltschaft in Bezug auf die Anregung der EG „TEX“
vom 6. September 2002 ist nicht aktenkundig.
In dem am 23. Oktober 2002 erstatteten Bericht des Lei-
tenden Oberstaatsanwaltes in Gera an das Thüringer In-
nenministerium (Berichtsverfasser: Staatsanwalt/GL
Schultz) wurden die Beweislage des Verfahrens sowie die
bisher durchgeführten Fahndungsmaßnahmen zunächst
zusammenfassend dargestellt und darauf hingewiesen,
dass die Maßnahmen trotz des ansonsten sehr erfolgrei-
chen Zielfahndungskommandos erfolglos geblieben seien.
Im Hinblick darauf, ob weitere Fahndungsmaßnahmen
Erfolg versprechen, heißt es:
„Es ist nicht auszuschließen, dass angesichts des
bekannten Hintergrundes – eine oder mehrere der
gesuchten Beschuldigten waren oder sind mit gro-
ßer Wahrscheinlichkeit Mitarbeiter des Thüringer
Landesamtes für Verfassungsschutz Fahn-
dungsmaßnahmen ins Leere gehen. Dafür könnte
auch sprechen, dass die Eltern der Beschuldigten,
3138) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. vom 6. Sep-
tember 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 142 f.
Drucksache 17/14600 – 364 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die in der Anfangszeit der Fahndung häufig Kon-
takt zur Polizei und zum Landeskriminalamt auf-
genommen und sich beunruhigt gezeigt hatten,
diese Kontakte nunmehr meiden, so dass sie offen-
sichtlich über den Aufenthaltsort oder zumindest
die persönliche Situation der Beschuldigten infor-
miert sind.
Weitere Fahndungsmaßnahmen wären nunmehr
nur unter Einschaltung des Bundeskriminalamtes
und mit sehr großem finanziellen und personellen
Aufwand durchzuführen. Dabei müssten u. a. Tele-
fonüberwachungs- und Observationsmaßnahmen
sowohl der Eltern als auch der Verwandten und
Bekannten aller Beschuldigten über einen längeren
Zeitraum durchgeführt werden. Diese Maßnahmen
scheinen aber angesichts der bisherigen Ergebnisse
4-jähriger Fahndung wenig Erfolg versprechend.
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Be-
weislage und der Tatsache, dass am 23.06.2003
Strafverfolgungsverjährung eintritt, beabsichtige
ich, es bei der bestehenden Fahndungsausschrei-
bung zu belassen und zuzuwarten.“3139
Als Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte ein Auftrag
der Generalstaatsanwaltschaft an die Staatsanwaltschaft
Gera, mittels dessen die Staatsanwaltschaft um Prüfung
gebeten wurde, ob TKÜ- oder Observationsmaßnahmen
ggf. stichprobenartig vorgenommen werden könnten.
3140
Wann der auf den 6. November 2002 datierende Auftrag
bei der Staatsanwaltschaft Gera einging, ist nicht akten-
kundig.
Einem von KHK Dressler am 20. November 2002 ver-
fassten Vermerk ist zu entnehmen, dass am Vortag telefo-
nisch durch Staatsanwalt Schultz mitgeteilt worden sei,
dass durch die Staatsanwaltschaft nach Rücksprache mit
der Generalstaatsanwaltschaft eine Entscheidung bzgl. der
Fahndungsangelegenheit getroffen worden sei.
3141
Unter
Berücksichtigung der Beweislage im Verfahren, der zu
erwartenden Fahndungskosten, der baldigen Verjährung
sowie der Verhältnismäßigkeit sei man zum Entschluss
gekommen, ohne konkreten neuen Fahndungsansatz die
Fahndung nicht zu intensivieren und keine umfangreiche
neue Fahndungsaktion durchzuführen, zumal erhebliche
Zweifel bestünden, unter diesen Umständen die erforder-
lichen gerichtlichen Beschlüsse zu erlangen. Sollten sich
neue konkrete Fahndungsansätze ergeben, sei man jeder-
zeit bereit, diesen zu folgen und diese zu unterstützen.
Gegenüber der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft wur-
de am 25. November 2002 unter Bezugnahme auf den
Randbericht vom 6. November 2002 berichtet, dass ver-
3139) Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das Thü-
ringer Justizministerium vom 23. Oktober 2002, MAT A TH-
2/59, Bl. 101 ff. (103).
3140) Randbericht der Generalstaatsanwaltschaft Thüringen vom
6. November 2002 zum Bericht der Staatsanwaltschaft Gera
vom 23. Oktober 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 104.
3141) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Dressler vom
20. November 2002, MAT A TH-1/24, Bl. 84.
anlasst worden sei, Kontakt mit den „jeweiligen“ BKA-
Verbindungsbeamten in den „betreffenden“ Auslandsver-
tretungen der BRD aufzunehmen, um zu klären, ob sei-
tens des Trios ggf. neue Pässe beantragt worden seien.
3142
Telefonüberwachungs-, Observations- und weitere Maß-
nahmen sollten bei begründetem Verdacht „weiter
schwerpunktmäßig durchgeführt werden.“ Berichtsverfas-
ser war auch hier Staatsanwalt/GL Schultz.
Hierzu ist zu bemerken, dass das LKA Thüringen bereits
im September 2002 an das BKA wegen einer Kontaktauf-
nahme zu BKA-Verbindungsbeamten herangetreten
war.
3143
c) Intensivierung der Fahndungsmaßnahmen
im Jahr 2002
aa) Zeitlicher Ablauf
In einem Vermerk von KHK K. von der EG „TEX“ vom
10. Januar 2003 wurden die bis zu diesem Zeitpunkt
durch die EG „TEX“ vor dem Hintergrund der erfolgten
Aktenauswertung – unabhängig von einer möglichen
Zielfahndungsübernahme durch das BKA – zahlreichen
Überprüfungsmaßnahmen bzgl. bisher bekannter Perso-
nen sowie bei verschiedenen Behörden und anderen Insti-
tutionen aufgeführt.
3144
Seitens der EG „TEX“ des LKA
Thüringen wurden die Fahndungsmaßnahmen im Jahr
2002 und 2003 im Wesentlichen von KHK K. von der EG
„TEX“ bearbeitet, was sich aus einer Vielzahl von durch
diesen angefertigten Vermerken zu einzelnen Fahn-
dungsmaßnahmen ablesen lässt.
Aus den Akten des LKA Thüringen lässt sich hierbei der
folgende Ablauf rekonstruieren:
Nachdem am 7. März 2002 die Auswertung der bisheri-
gen Fahndungsmaßnahmen erfolgt war, kam es am
12. März 2002 zunächst zu einer Kontaktaufnahme mit
dem LKA Sachsen, um dort vorhandene Erkenntnisse zu
verschiedenen Personen, die bei der Aktenauswertung als
mögliche Kontaktpersonen des Trios aufgefallen waren,
abzufragen.
3145
Konkret wurde um die Mitteilung von
Erkenntnissen über folgende Personen nachgesucht:
Hendrik L., Thomas Starke, Doris und Jan Werner, Sieg-
fried Sch., Michael und Antje P., Willy B., Katarzyna R.,
Martina F., Mandy Struck, Daniel H., Kai S. und Ronald
A. Diese Anfrage wurde am 8. April 2002 ausführlich
durch das LKA Sachsen beantwortet.
3142) Hierzu und im Folgenden: Bericht des Leitenden Oberstaatsan-
walts in Gera an das Thüringer Justizministerium vom 23. Ok-
tober 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 105 f.
3143) Vermerk vom 20. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 144,
siehe auch unter bei E. II. 18. c) cc) ddd).
3144) Hierzu und im Folgenden: Vermerk zu Überprüfungsmaßnah-
men von KHK K. vom 10. Januar 2003, MAT A TH-1/15, Bl.
6 ff.
3145) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LKA Sachsen an das
LKA Thüringen vom 8. April 2002 mit Bezug auf eine Anfrage
vom 12. März 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 205 ff. (verkehrt ge-
heftet).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 365 – Drucksache 17/14600
Der Zeuge Jehle hat hierzu geäußert:
„Im Jahr 2002: Mit Schreiben vom 12. März 2002
wandte sich das LKA Thüringen direkt an mich
und übersandte eine Auflistung der in den vergan-
genen Jahren durch Thüringer Kräfte überwachten
Telefonanschlüsse und die Namen der jeweiligen
Anschlussinhaber. Es wurde um Übermittlung von
eventuell zu diesen Personen vorliegenden Er-
kenntnissen gebeten. Dieses Ersuchen diente of-
fensichtlich dazu, gegebenenfalls neue Ansatz-
punkte für weiterführende Fahndungsmaßnahmen
zu erlangen. Diesem Wunsch des LKA Thüringen
wurde etwa zwei Wochen später entsprochen. Das
von meinem Stellvertreter bearbeitete und von mir
unterzeichnete Schreiben beinhaltet Erkenntnisse
zu den 14 angefragten Personen, soweit welche
vorlagen. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren
nicht Gegenstand dieser Anfrage, wohl aber andere
Personen, die in Sachsen als Rechtsextremisten
bekannt waren und zu denen wir die vorhandenen
Erkenntnisse mitteilten.“3146
In der Folge kam es bzgl. einiger der in dem Schreiben
aufgeführten Personen zu weiteren Ermittlungsmaßnah-
men, die im Folgenden ausführlich dargestellt werden.
Bzgl. anderer Personen wurden jedoch trotz der erfolgten
Anfrage und Erkenntnismitteilung keine weiteren Ermitt-
lungsmaßnahmen durchgeführt. Gründe hierfür sind nicht
bekannt. Konkret handelt es sich um Thomas S., Michael
und Antje P., Hendrik L. und Siegfried Sch.
Nachdem am 12. April 2002 die Beantwortung der An-
frage durch das LKA Sachsen erfolgt war, kam es am
23. April 2002 zu einer Besprechung zwischen KHK K.
von der EG „TEX“ und den Beamten Wagner und
Hickmann
3147
von der Soko „REX“ des LKA Sachsen in
der LKA-Außenstelle im Polizeipräsidium Chemnitz.
3148
Ergebnis der Besprechung war hierbei unter anderem,
Torsten S., Mandy Struck, Kai S., Daniel H. und Jan
Werner näher abzuklären bzw. an diese heranzutreten und
eine Recherche bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte in Chemnitz vorzunehmen. Seitens des Fan-
Betreuers des Chemnitzer FC, KHK Rücker, sollte ver-
sucht werden, Erkenntnisse aus diesem Spektrum zu ge-
winnen.
Wie geplant kam es dann am 7. Mai 2002 zu weiteren
Ermittlungsmaßnahmen durch die EG „TEX“ des LKA
Thüringen in Chemnitz.
3149
Hierbei wurden die Anschrif-
ten von Torsten S. und Mandy Struck aufgesucht – beide
3146) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 3 f.
3147) Die Teilnehmer ergeben sich aus dem Faxdeckblatt vom
29. April 2002 zur Übersendung des Besprechungsvermerks an
das LKA Sachsen vom 29. April 2002, MAT A TH-1/15, Bl.
309
3148) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 29. April 2002 über
die Absprache weiterer Ermittlungsschritte am 23. April 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 311.
3149) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des LKA Thüringen vom
13. Mai 2002 über Ermittlungsmaßnahmen am 7. Mai 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 271.
wurden nicht angetroffen. Jan Werner wurde aufgesucht
und befragt.
3150
Zuvor war seitens der Soko „REX“ des
LKA Sachsen eine Prüfung der Anschrift von Daniel H.
erfolgt, dieser wurde jedoch nicht angetroffen.
Weitere Vernehmungen von Mandy Struck, Kai S., Daniel
H. und Torsten S. waren für den 23. Juli 2002 angesetzt
worden, wobei keine der geladenen Personen erschien.
Parallel hierzu erfolgte die Abklärung der Personalien des
Trios bei verschiedenen öffentlichen und privaten Stellen,
was unter cc) ausführlich dargestellt wird.
Wie bereits dargestellt wurde die im September 2002 an
die Staatsanwaltschaft Gera herangetragene Anregung,
mittels Einschaltung der Zielfahndungsabteilung des
BKA die Suche nach dem Trio wieder zu intensivieren,
durch die Staatsanwaltschaft Gera nicht angenommen.
3151
Folglich kam es ab Ende 2002 bis zum Eintritt der Ver-
jährung im Juni 2003 nur noch zu vereinzelten Fahn-
dungsmaßnahmen.
bb) Überprüfung von Personen
Mit der Überprüfung der einzelner Personen wurde
schließlich im Mai 2002 begonnen. Im Einzelnen wurden
hierbei die nachfolgend genannten Maßnahmen durchge-
führt.
aaa) Jan Werner
In Bezug auf Jan Werner war durch das LKA Sachsen im
Schreiben vom 8. April 2002 bereits darauf hingewiesen
worden, dass dieser in einem vom Generalbundesanwalt
geführten Verfahren
3152
zwischenzeitlich vom Vollzug der
Untersuchungshaft verschont worden war.
3153
Am 29. April 2002 erfolgte im Hinblick auf eine geplante
Befragung des Jan Werner zum Verbleib des Trios durch
KHK K. telefonische Rücksprache mit OStA Siegmund
vom Generalbundesanwalt.
3154
OStA Siegmund äußerte
hierbei keine Bedenken gegen eine Befragung von Jan
Werner und wies zudem darauf hin, dass dem Jan Werner
keinerlei Zusagen gemacht werden könnten. Darüber
hinaus wurde in dem Gespräch mit OStA Siegmund be-
kannt, dass durch das LKA Berlin im Zusammenhang mit
3150) Siehe hierzu sogleich ausführlich unten unter E. II. 17. c) bb)
aaa).
3151) Siehe hierzu bereits unter E. II. 17. b) bb).
3152) Hierbei handelte es sich um das sog. „Landser-Verfahren“ des
Generalbundesanwalts (Az. 1 BJs 22/00-4), welches schließlich
zur Anklage vor dem Kammergericht Berlin führte; siehe hier-
zu bereits oben unter D. IV. 1. b) aa).
3153) Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom
19. März 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 361 ff.; zu diesem Ermitt-
lungsverfahren insgesamt siehe auch die Aktenbände des Gene-
ralbundesanwalts MAT A GBA-3/47a (insgesamt 75 Stehord-
ner).
3154) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. (nicht unter-
zeichnet) vom 29. April 2002, mit undatiertem Zusatz über ein
Telefonat mit dem LKA Berlin, KOK T., MAT A TH-1/15, Bl.
347.
Drucksache 17/14600 – 366 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dem genannten Verfahren eine TKÜ-Maßnahme bzgl. Jan
Werner geschaltet worden war.
Im Hinblick auf diese TKÜ-Maßnahme erfolgte dann ein
Telefonat mit dem LKA Berlin, KOK T., in dem dieser
zusagte, die ihm durchgegebenen Namen der drei Be-
schuldigten mit den Daten aus der TKÜ-Maßnahme ge-
gen Jan Werner elektronisch abzugleichen und so zu
überprüfen, ob diese in den Gesprächen von Jan Werner
eine Rolle spielten.
Eine Rückmeldung des LKA Berlin in dieser Hinsicht ist
nicht aktenkundig.
3155
Am 7. Mai 2002 wurde Jan Werner sodann durch die
Beamten des LKA Thüringen, KHK Honauer und KHK
K. und den Beamten des Polizeipräsidiums Chemnitz,
KHM H., an seiner Wohnanschrift in Chemnitz aufge-
sucht.
3156
Hierbei gab Jan Werner an, damals keinerlei
Kontakt zum Trio gehabt zu haben und jetzt zu haben.
Entsprechende Vorhalte bestritt Jan Werner. Bei den
Polizeibeamten entstand der Eindruck, dass Jan Werner
keine Informationen gegenüber der Polizei habe preisge-
ben wollen.
Konkret heißt es in dem über das Gespräch angefertigten
Vermerk:
„Der zur Zeit gegen Auflagen aus der U-Haft ent-
lassene Jan Werner wurde in der Wohnung seiner
Mutter, Doris W., U. N. L. 253, Chemnitz, ange-
troffen. Die Wohnung Ulmenstraße 39 in 09120
Chemnitz, die er seinerzeit zusammen mit seiner
Freundin bewohnte, ist seinen Angaben nach auf-
gelöst.
Jan Werner wurde Grund des Aufsuchen erklärt,
Dazu gab er an, daß er damals deswegen schon
von einem Reporter des Spiegel aufgesucht wurde
und er diesen zu Thomas S. geschickt habe. Er
selbst habe von der Fahndung nach den drei Per-
sonen von Presseberichten Kenntnis bekommen,
kenne die drei Personen jedoch nicht persönlich.
Er habe keinen persönlichen Kontakt zu den Drei-
en gehabt.
Auf den Hinweis zur Belohnung bemerkte Jan
Werner, dass er in der auf ihn zukommenden Ge-
richtsverhandlung mit 2 bis 3 Jahren Haft rechne
und zudem ca. 30 000 DM Schulden habe. Eine
Belohnung nütze ihm nichts. In Chemnitz laufe
beim polizeilichen Staatsschutz ebenfalls noch ein
Verfahren gegen ihn und andere Personen wegen
einer „Landser“-Geschichte. Hier kenne er jedoch
den Ermittlungsstand nicht.
Jan Werner ist zur Zeit arbeitslos.
3155) Siehe hierzu auch MAT B TH-13, Schreiben des LKA Thürin-
gen, Bl. 4.
3156) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk von KHK K. vom
13. Mai 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 271.
Die Ausführungen von Jan Werner werden so ein-
geschätzt, dass er nicht bereit ist sein Wissen
preiszugeben.“3157
Es ist in den Akten des LKA Thüringen kein Hinweis
darauf vorhanden, dass seitens des LKA Berlin mitgeteilt
worden wäre, dass dort Hinweise zu Kontakten von Jan
Werner mit dem Trio vorhanden waren und zwar weder in
zeitlichem Zusammenhang mit der Befragung am 7. Mai
2002 noch zu einem anderen Zeitpunkt.
3158
bbb) Mandy Struck
Mandy Struck war zunächst durch Beamte des LKA Thü-
ringen am 7. Mai 2002 an ihrer Wohnanschrift aufge-
sucht, jedoch nicht angetroffen worden.
3159
Sie war sodann für den 23. Juli 2002 zur Vernehmung
beim Polizeipräsidium Chemnitz vorgeladen worden,
wobei die Vernehmung durch KHK K. von der EG
„TEX“ durchgeführt werden sollte.3160 Ebenso wie die
anderen für diesen Tag vorgeladenen Zeugen erschien sie
nicht.
Der am 24. Juli 2002 vor der Kaserne in Bad Frankenhau-
sen durch Beamte der EG „TEX“ befragte Daniel H. gab
an, Mandy Struck sei zwischenzeitlich nach München
verzogen, jedoch nicht zu dem dort ebenfalls wohnenden
Kai S.
Nach diesem Zeitpunkt sind bis zum 23. April 2003 keine
Maßnahmen in Bezug auf Mandy Struck aktenkundig.
An diesem Tag wurde die Kriminalinspektion in Schwa-
bach um die Vernehmung der zwischenzeitlich in
Büchenbach gemeldeten Mandy Struck ersucht.
3161
Eine Vorladung scheiterte hier dann daran, dass Mandy
Struck zwischenzeitlich nach Johanngeorgenstadt verzo-
gen war. Dies wurde dem LKA Thüringen am
6. Mai 2003 durch die Polizei Schwabach mitgeteilt.
3162
Über die sodann eingeschaltete Polizeidirektion Aue
gelang schließlich am 21. Mai 2003 die Vorladung von
Mandy Struck, die jedoch erklärte, in einer polizeilichen
3157) Aktenvermerk von KHK K. vom 13. Mai 2002, MAT A TH-
1/15, Bl. 271.
3158) Siehe hierzu auch: Schreiben des LKA Thüringen vom
28. Februar 2012 (Stellungnahme zum Feuerberg-Gutachten
des Landes Berlin), MAT B TH-13 Bl. 2 ff.
3159) Aktenvermerk über Fahndungsmaßnahmen am 7. Mai 2002
vom 13. Mai 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 325.
3160) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des LKA Thüringen
vom 25. Juli 2002 über Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 322.
3161) Schreiben des LKA Thüringen an die Kriminalinspektion in
Schwabach vom 23. April 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 321.
3162) Schreiben der Polizei Schwabach an das LKA Thüringen
betreffend Mandy Struck vom 6. Mai 2003, MAT A TH-1/15,
Bl. 313.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 367 – Drucksache 17/14600
Vernehmung keine Angaben machen zu wollen, sondern
lediglich vor Gericht.
3163
In Bezug auf die daraufhin seitens des LKA Thüringen an
die Staatsanwaltschaft Gera mit Schreiben vom
4. Juni 2003 herangetragene Anregung, Mandy Struck
richterlich vernehmen zu lassen,
3164
ist keine Maßnahme
der Staatsanwaltschaft Gera mehr aktenkundig.
ccc) Kai S.
Nachdem durch die Soko „REX“ des LKA Sachsen An-
fang Mai 2002 zunächst Ermittlungen zur Wohnung von
Kai S. in der Hainstraße 96 durchgeführt worden wa-
ren,
3165
wurde auch Kai S. für den 23. Juli 2002 zur Zeu-
genvernehmung vorgeladen.
3166
Auch er erschien nicht.
Obwohl am 24. Juli 2002 durch Daniel H. mitgeteilt wur-
de, dass Kai S. mit erstem Wohnsitz in München gemel-
det sei und über das Einwohnermeldeamt Chemnitz ermit-
telt werden konnte, dass Kai S. weiterhin mit Zweitwohn-
sitz in Chemnitz gemeldet war,
3167
sind in der Folgezeit
zunächst keine weiteren Versuche aktenkundig, Kai S. zu
vernehmen.
Am 12. Mai 2003 wurde Kai S. durch Beamte des LKA
Bayern in der JVA Landsberg am Lech vernommen.
3168
Er gab an, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nicht zu
kennen.
ddd) Daniel H.
Auch bzgl. Daniel H. waren durch das LKA Sachsen mit
Schreiben vom 8. April 2002 die dort vorhandene Er-
kenntnisse mitgeteilt worden,
3169
und auch er erschien
nicht zur Vernehmung am 23. Juli 2002, zu der er geladen
worden war,
3170
meldete sich jedoch telefonisch von sei-
ner Kaserne aus und wies auf seinen Wehrdienst hin. Am
24. Juli 2002 wurde er dann vor der Kaserne in Bad Fran-
kenhausen durch Beamte des LKA Thüringen befragt. Er
gab hierbei an, dass er nichts davon mitbekommen habe,
dass drei Personen aus der rechten Szene Jena in Chem-
nitz untergetaucht seien und könne hierzu keine Angaben
machen. Neben der bereits erwähnten Angabe, dass Man-
3163) Protokoll der Vernehmung von Mandy Struck am 21. Mai 2003,
MAT A TH-1/15, Bl. 307 f.
3164) Schreiben des LKA Thüringen an die Staatsanwaltschaft Gera
vom 4. Juni 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 302.
3165) Ermittlungsbericht des LKA Sachsen vom 2. Mai 2002, MAT
A TH-1/15, Bl. 215.
3166) Ladung vom 9. Juli 2002, Mat A TH-1/15, Bl. 211.
3167) Aktenvermerk des LKA Thüringen vom 25. Juli 2002 über
Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002, MAT A TH-1/15, Bl.
322
3168) Protokoll über die Vernehmung von Kai S. am 12. Mai 2003,
MAT A TH-1/14, Bl. 69.
3169) Schreiben des LKA Sachsen an das LKA Thüringen vom
8. April 2002 mit Bezug auf eine Anfrage vom 12. März 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 205 ff. (verkehrt geheftet).
3170) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des LKA Thüringen
vom 25. Juli 2002 über Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 322.
dy Struck nach München verzogen sei, gab er an, dass er
deren Wohnung in der Bernhardstraße 11 in Chemnitz
übernommen habe, da Mandy Struck einen Nachmieter
gesucht habe.
eee) Torsten S.
Bzgl. Torsten S. wurde am 7. Mai 2002 dessen Anschrift
aufgesucht.
3171
Über den Briefträger wurde ermittelt, dass
an dieser Anschrift tatsächlich Post angenommen wird.
Sodann wurde Torsten S. für den 23. Juli 2002 zu einer
Vernehmung vorgeladen, zu der er nicht erschien; jedoch
wurde festgestellt, dass er sich zwischenzeitlich beim
Einwohnermeldeamt umgemeldet hatte.
3172
Später wurde Torsten S. dann erneut zur Vernehmung am
23. Oktober 2002 in Chemnitz vorgeladen, erschien je-
doch nicht.
3173
Eine weitere Ladung erfolgte dann durch das LKA Sach-
sen zum 8. Mai 2003,
3174
nachdem durch das LKA Thü-
ringen am 23. April 2003 eine entsprechende Aufforde-
rung erfolgt
3175
und am 24. April 2003 durch das LKA
Sachsen die Ladungsanschrift vor Ort überprüft worden
war.
3176
Auch hier erschien Torsten S. nicht zur Verneh-
mung.
3177
Hiernach erfolgte jedenfalls am 9. Mai 2003
eine Nachschau an der Wohnanschrift des Torsten S.,
wobei „über weitere Personen, die in seiner Wohnung
verkehren bzw. aufhältig sind“, nichts in Erfahrung ge-
bracht werden konnte. Ein Nachbar gab an, dass Torsten
S. sich sehr selten in der Wohnung aufhalte, das Haus früh
verlasse und erst spätabends nach Hause käme.
Der Zeuge Jehle hat sich hierzu wie folgt geäußert:
„2003: Wiederum etwa zehn Monate später, näm-
lich am 23. April 2003, ersuchte das LKA Thürin-
gen auf der vereinbarten bilateralen Schiene den
REA Chemnitz um eine Zeugenvernehmung der
Person, die im Jahre 1998 als Insasse der JVA
Waldheim mehrmals von Mundlos und Zschäpe
besucht worden war. Abgeschlossen wurde dieses
Vernehmungsersuchen mit Schreiben vom 30. Mai
2003 des REA Regionaler Ermittlungsabschnitt
Chemnitz an das LKA Thüringen, in dem mitge-
teilt wurde, dass der Zeuge der Vorladung keine
3171) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk vom 13. Mai 2002
über Ermittlungsmaßnahmen vom 7. Mai 2002, MAT A TH-
1/15, Bl. 271.
3172) Aktenvermerk des LKA Thüringen vom 25. Juli 2002 über
Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002, MAT A TH-1/15, Bl.
322.
3173) Aktenvermerk vom 23. Oktober 2002 (KHK K.), MAT A TH-
1/15, Bl. 258.
3174) Ladungsschreiben des LKA Sachsen an Torsten S. vom
28. April 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 252.
3175) Schreiben des LKA Thüringen an das LKA Sachsen vom
23. April 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 254.
3176) Vermerk der Soko „REX“ des LKA Sachsen vom 24. April
2003, MAT A TH-1/15, Bl. 251.
3177) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LKA Sachsen an das
LKA Thüringen vom 30. Mai 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 250.
Drucksache 17/14600 – 368 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Folge leistete. Weitere Ermittlungen im sozialen
Umfeld hatten ergeben, dass er oft tagelang nicht
zu Hause ist, weshalb keine Chance bestand, ihn
dort anzutreffen und zu vernehmen. Mir ist in der
Folgezeit nicht bekannt geworden, ob danach
durch die federführende Dienststelle gesetzlich
mögliche Zwangsmaßnahmen gegen diesen Zeu-
gen in die Wege geleitet wurden.“3178
fff) Kay-Norman S.
Am 15. Juli 2002 wurde über die Justizvollzugsanstalt
Waldheim, in der Torsten S. bis Ende Januar 1998 eine
Haftstrafe absaß
3179
ermittelt, dass Beate Zschäpe und
Uwe Mundlos bei ihrem Besuch bei Torsten S. am
12. Dezember 1997 von Kay-Norman S. begleitet worden
waren.
3180
Dies war bereits im Jahr 1998 durch den Leiter
der JVA mitgeteilt worden.
3181
Erst fast ein Jahr später, am 6. Juni 2003, wurde Kay-
Norman S. an seiner Wohnanschrift in Jena aufgesucht,
jedoch nicht angetroffen.
3182
Eine Vernehmung erfolgte
schließlich am 12. Juni 2003. Hierbei teilte Kay-Norman
S. unter anderem mit, dass bei dem Besuch in der JVA
Waldheim keine Äußerungen über eine mögliche bevor-
stehende Flucht oder über den Bau von Bomben oder eine
Garage gefallen seien. Einen Aufenthaltsort des Trios
kenne er nicht.
ggg) Weitere Personen
Die Überprüfung weiterer Personen erfolgte nicht mehr.
Insbesondere im Hinblick auf Antje und Michael P., Tho-
mas S. und Stefan A. ist nicht aktenkundig, aus welchen
Gründen eine solche Überprüfung nicht erfolgte.
cc) Nachforschungen bei Behörden und Insti-
tutionen
Einige der Ermittlungsmaßnahmen in diesem Zeitraum
wurden in Absprache mit dem LKA Thüringen durch die
sächsische Polizei vorgenommen. Der Zeuge Jehle hat
dies wie folgt beschrieben:
„Aus den weiteren Aktenbestandteilen aus dem
Jahr 2002 ergibt sich, dass im Folgenden eine un-
mittelbare bilaterale Zusammenarbeit zwischen
dem LKA Thüringen und dem zu meiner Organi-
sationseinheit gehörenden Regionalen Ermitt-
lungsabschnitt - oder REA - in Chemnitz stattfand.
Zwischen April und Juni 2002 führten die Mitar-
beiter dieses REA Chemnitz auf Ersuchen des
LKA Thüringen eine Reihe sogenannter Routine-
3178) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 4.
3179) Siehe hierzu bereits oben, E. II. 6.
3180) Aktenvermerk vom 15. Juli 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 263.
3181) Siehe hierzu oben im Abschnitt E. II. 3. c) cc).
3182) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk zur Auskunftsperson
S., datiert auf den 10. Juni 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 297 f.
fahndungsmaßnahmen durch, wie zum Beispiel
Anfragen und Ermittlungen beim Verband Deut-
scher Rentenversicherungsträger, Anfragen und
Ermittlungen bei der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte und Vereinbarung von Gesprächs-
terminen für Fahnder des LKA Thüringen, die ei-
genständig in Chemnitz ermittelten. Die in diesem
Zusammenhang geführten Ermittlungen führten
leider nicht zu weiteren Ansatzpunkten, die es er-
möglicht hätten, den Aufenthalt des Trios zu loka-
lisieren. Letztendlich wurden diese Negativergeb-
nisse mit Fax vom 19.06.2002 durch den Sachbe-
arbeiter des REA Chemnitz zusammengefasst und
dem LKA Thüringen übersandt.“3183
aaa) Ermittlungen bzgl. möglicher Telefonan-
schlüsse
Am 29. August 2002 wurde über die Regulierungsbehör-
de für Post und Telekommunikation überprüft, ob Zschä-
pe, Böhnhardt und Mundlos aktuell Telefonanschlüsse
unterhalten.
3184
Die jeweiligen Mitteilungen, in denen
sämtliche mögliche Provider dargestellt waren, war in
allen drei Fällen negativ.
bbb) Banken und Schutzgemeinschaft für all-
gemeine Kreditsicherung
Im Juni 2002 erfolgte eine erneute Abklärung der bereits
bekannten Bankkonten des Trios. Bzgl. Zschäpe und
Böhnhardt wurde am 10. Juni 2002 durch KHK K. von
der EG „TEX“ nochmals die Sparkasse Jena aufgesucht,
wobei sich jedoch keine neuen Erkenntnisse über einen
möglichen Aufenthaltsort ergaben.
3185
Mundlos betreffend
ergab eine mit Schreiben vom 15. Juli 2002 durch die
Deutsche Bank beantwortete Anfrage ebenfalls keine
neuen Erkenntnisse.
3186
Eine Anfrage bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine
Kreditsicherung (Schufa) ergab ebenfalls keine neuen
Erkenntnisse, wobei durch die Schufa darauf hingewiesen
wurde, dass nicht sämtliche Eröffnungen von Girokonten
automatisch erfasst würden.
3187
ccc) Französische Fremdenlegion
Auf eine über das BKA gesteuerte entsprechende Anfrage
teilte der französische Verbindungsbeamte beim BKA am
3183) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 4.
3184) Auskunftsersuchen gem. § 90 TKG vom 29. August 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 83 ff. (bzgl. Böhnhardt), mit Antwort;
MAT A TH-1/15, Bl. 191 ff. (bzgl. Mundlos), mit Antwort;
MAT A TH-1/15, Bl. 399 ff. (bzgl. Zschäpe), mit Antwort.
3185) Aktenvermerk der EG „TEX“ vom 10. Juni 2002, MAT A TH-
1/16, Bl. 19.
3186) Schreiben der Deutschen Bank an das LKA Thüringen vom
15. Juli 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 37.
3187) Vermerk über Anfrage bei der Schufa vom 6. Juni 2002, MAT
A TH-1/16, Bl. 52, und Schreiben der Schufa an das LKA Thü-
ringen vom 21. Juni 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 55.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 369 – Drucksache 17/14600
2. Januar 2013 mit, dass Böhnhardt und Mundlos bei der
französischen Fremdenlegion nicht bekannt seien.
3188
Zudem wurde durch das BKA mitgeteilt, dass ausländi-
sche weibliche Personen durch die Fremdenlegion nicht
verpflichtet werden.
3189
ddd) Einschaltung der BKA-Verbindungs-
beamten
Die EG „TEX“ wandte sich zudem an das BKA und erör-
terte, inwiefern an die BKA-Verbindungsbeamten im
Ausland herangetreten werden könnte. Seitens des BKA
wurde mitgeteilt, dass eine solche Maßnahme nur dann
Sinn ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Auf-
enthalt der Gesuchten in einem bestimmten Land vorlä-
gen; eine pauschale Information aller Verbindungsbeam-
ten sei durch das BKA noch nie erfolgt.
3190
Mit dem BKA-Verbindungsbeamten in Südafrika wurde
vor dem Hintergrund eines möglichen Aufenthalts der
Gesuchten dort und wegen möglicher Verbindungen zu
dem in Südafrika ansässigen Dr. Nordbruch Kontakt
aufgenommen.
3191
Der Verbindungsbeamte teilte darauf-
hin mit, dass Dr. Nordbruch bei der Deutschen Botschaft
in Pretoria bekannt sei.
3192
Bzgl. des Trios teilte er mit zu
beabsichtigen, die Fingerabdrücke der drei Gesuchten mit
dem Bestand des „Department of Homeland Affairs“ in
Südafrika abgleichen zu lassen.
Eine Mitteilung über das Ergebnis dieser Überprüfung ist
nicht aktenkundig.
eee) Bundeswehr
Die Wehrdienstdaten von Uwe Mundlos konnten Mitte
Juli 2002 über die Bundeswehr ermittelt werden. Neben
den Wehrdienstzeiten wurde durch die Bundeswehr mit-
geteilt, dass Mundlos bereits in seiner Bundeswehrzeit
durch seine rechtsradikale Gesinnung aufgefallen sei und
was daraufhin veranlasst wurde.
3193
Zudem wurden die
Namen von sechs weiteren Personen mitgeteilt, die sei-
nerzeit gemeinsam mit Mundlos Wehrdienst geleistet
hatten. Eine Rückfrage beim damaligen Kompaniefeld-
webel ergab keine weiterführenden Erkentnnisse. Bzgl.
Uwe Böhnhardt war zunächst mitgeteilt worden, dass
dieser Kriegsdienstverweigerer gewesen sei. Später stellte
3188) Schreiben des französischen Verbindungsbeamten vom
2. Januar 2013, MAT A TH-1/16, Bl. 147.
3189) Telefax des BKA an das LKA Thüringen vom 3. Januar 2013,
MAT A TH-1/16, Bl. 146.
3190) Vermerk vom 20. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 144.
3191) Schreiben des LKA Thüringen an den BKA-
Verbindungsbeamten in Südafrika vom 24. Oktober 2002,
MAT A TH-1/16, Bl. 120 und Bl. 121 (Ergänzung).
3192) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des Verbindungsbeamten
des BKA in Südafrika an das LKA Thüringen vom 25. Oktober
2002, MAT A TH-1/16, Bl. 118 f.
3193) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 15. Juli 2002, MAT A
TH-1/16, Bl. 167.
sich heraus, dass Böhnhardt seinerzeit ausgemustert wor-
den war.
3194
fff) MAD, BfV und BND
Das BKA war zudem mit Fax vom 20. August 2002 um
Klärung gebeten worden, ob beim MAD, beim BfV und
beim BND Erkenntnisse zum Trio vorlägen.
3195
Mit Fax
vom 17. September 2002 wurde durch das BKA mitge-
teilt, dass beim MAD und beim BND keine Erkenntnisse
bzgl. des Aufenthaltsortes vorlägen.
3196
Beim MAD lägen
lediglich Erkenntnisse bzgl. des Wehrdienstes von
Mundlos in den Jahren 1994 und 1995 in Bad Franken-
hausen vor. Bzgl. des BfV läge keine Antwort vor, man
gehe jedoch aufgrund des Zeitablaufs von Fehlanzeige
aus.
ggg) Sonstige Stellen
Rückfragen beim Bundeszentralregister, bei den Renten-
versicherungsanstalten, beim Einwohnermeldeamt Jena,
beim früheren Vermieter von Beate Zschäpe, bei der Kfz-
Zulassungsstelle Jena, bei der Führerscheinstelle in Jena,
beim Sozialamt, beim Jugendamt und beim Arbeitsamt
erfolgten und erbrachten ebenfalls keine Hinweise auf den
Aufenthaltsort.
3197
An das Auswärtige Amt wurden insgesamt 100 Fahn-
dungsblätter zur Verteilung in den Auslandsvertretungen
sowie Ausfertigungen der Haftbefehle übersandt.
3198
dd) Hinweise aus der Öffentlichkeit und deren
Abarbeitung
aaa) Anonymer Anruf am 25. Juni 2002 und
Observation der Eltern von Uwe Böhnhardt
zwischen dem 26. und 28. Juni 2002
Am 25. Juni 2002 ging bei der Polizeiinspektion Jena
gegen 2.10 Uhr über die Notrufnummer 110 ein etwa eine
Minute und 50 Sekunden langer Anruf ein.
3199
Der männ-
liche, durch den den Anruf entgegennehmenden Polizei-
beamten als ca. 30 bis 40 Jahre alt geschätzter Anrufer
gab an, Uwe Mundlos in Lobeda-Ost gesehen zu haben,
wo dieser „durch die Gegend“ laufe, entweder in Rich-
tung des Wohnortes der Familie Böhnhardt, oder er halte
3194) Vermerk vom 13. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 163.
3195) Telefax des LKA Thüringen an das BKA vom 20. August 2002,
MAT A TH-1/16, Bl. 164 f.
3196) Hierzu und im Folgenden: Telefax des BKA an das LKA
Thüringen vom 17. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 162.
3197) Vermerk vom 10. Januar 2003 über die erfolgten Überprü-
fungsmaßnahmen, MAT A TH-1/16, Bl. 6 ff.
3198) Schreiben des LKA Thüringen an das Auswärtige Amt vom
1. Oktober 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 222 und vom 10. Okto-
ber 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 227.
3199) Hierzu und im Folgenden: Vermerk der Polizeiinspektion Jena
vom 26. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 3 und Bandabschrift
des Notrufs, MAT A TH-1/18, Bl. 7.
Drucksache 17/14600 – 370 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sich bei einem Sven B. auf. Konkret hatte das Gespräch
den folgenden Inhalt:
„Anrufer: Ja, guten Tag. Suchen Sie eigentlich
noch einen Uwe Mundlos?
Polizei: Uwe Mundlos?
Anrufer: Da müssten Sie mal im Computer nach-
gucken, weil, der ist eigentlich ziemlich gefährlich
gewesen. Der ist noch mit zwei anderen zusam-
men, den habe ich vorhin gerade gesehen, dass er
bei einem Sven B. ist oder bei einem Uwe
Böhnhardt, bei den Eltern, weil, der läuft jetzt ge-
rade durch die Gegend und macht hier viele Leute
an und ich glaube, ich habe den erkannt.
Polizei: Wo denn?
Anrufer: Hier in Lobeda-Ost.
Polizei: In Lobeda-Ost?
Anrufer: In Lobeda-Ost. Entweder ist der Richtung
seinen Eltern gelaufen, Böhnhardt, Brigitte oder
Jürgen, oder er ist hier bei dem Sven B. oder B. in
der Binswanger Straße. Weil, das ist sein guter
Kumpel, ist das.
Polizei: Wie heißen Sie?
Anrufer: Kann ich nicht sagen, weil, dann bin ich
ja selber, habe ich ein Problem mit den dreien,
deswegen kann ich das nicht sagen. O.K, dann ge-
hen Sie mal dem nach.
Polizei: Das nützt mir ja nichts, ich brauche ja et-
was Näheres. Böhnhardt, Brigitte. Seine Mutter,
oder was?
Anrufer: Ja, das müsste seine Mutter sein und Jür-
gen sein Vater. Aber es kann natürlich auch sein,
dass er zu dem Sven B. in der Binswanger Straße
oder B. oder B., glaube ich war das. Weil, ich
glaube, ich habe den gesehen jetzte.
Polizei: Und wo haben Sie den gesehen?
Anrufer: Lobeda-Ost. An der zweiten Kaufhalle
und der ist Richtung ersten Kaufhalle gelau-
fen.“3200
Aus den Einsatzunterlagen der Polizeiinspektion Jena
geht hervor, dass gegen 2.37 Uhr der Polizeivollzugs-
dienst (als „PvD der PD Jena“ abgekürzt) verständigt
wurde und dass sodann durch einen Streifenwagen zwi-
schen 2.40 Uhr und 3.30 Uhr ein Einsatz in Jena-Lobeda
erfolgte.
3201
Welche Maßnahmen durch den Streifenwa-
gen genau vorgenommen wurden, ist nicht aktenkundig.
Am Mittag des 25. Juni 2002 wurden sodann durch Be-
amte der EG „TEX“ zwei in der örtlichen Umgebung
wohnhafte Personen namens „Sven B.“ bzw. „Sven B.“
3200) Bandabschrift des Notrufs, MAT A TH-1/18, Bl. 7.
3201) Mitteilung der DGL der PI Jena vom 25. Juni 2001, MAT A
TH-1/18, Bl. 4.
aufgesucht, ohne dass Hinweise auf das Trio erlangt wer-
den konnten.
3202
Über die Staatsanwaltschaft Gera wurde zudem beim
Amtsgericht Jena ein Beschluss zur Herausgabe der zu-
rückliegenden Verbindungsdaten des Notruftelefons bean-
tragt und erlassen.
3203
Der Polizeinotruf war seinerzeit an
zwei in dem Beschluss genannte Rufnummern der Polizei
Jena weitergeschaltet.
Zudem wurde durch die Staatsanwaltschaft Jena (Staats-
anwalt Petzel) wegen Gefahr in Verzug angeordnet, dass
sämtliche Mobilfunkbetreiber über Anrufe auf den beiden
weitergeschalteten Rufnummern mit Jenaer Vorwahl im
Zeitraum 25. Juni 2002, 2 Uhr bis 2.20 Uhr, Auskunft zu
erteilen haben.
3204
Eine entsprechende Anordnung bzgl. Anrufen auf der
Notrufnummer 110 ist nicht ersichtlich.
Die eingeholten Auskünfte erbrachten keine Hinweise auf
die Rufnummer, von der aus der Anruf erfolgte.
Auch die Wohnanschrift der Eltern von Uwe Böhnhardt
wurde am 26. Juni 2002 durch einen Beamten der EG
„TEX“ aufgesucht, wobei an die Familie Böhnhardt hier-
bei nicht herangetreten wurde.
3205
Der Eingang des Anrufs war zudem Anlass für die Durch-
führung von Observationsmaßnahmen gegenüber den
Eltern von Uwe Böhnhardt.
3206
Nachdem zunächst über
den Arbeitgeber des Vaters von Uwe Böhnhardt ermittelt
worden war, dass dieser zwischen dem 24. Juni und dem
12. Juli 2002 Erholungsurlaub genommen habe, wurde
die Observationsmaßnahme zwischen dem 28. Juni 2002,
20 Uhr, und dem 30. Juni 2002, 8 Uhr, vorgenommen,
sodann jedoch abgebrochen, obwohl die Maßnahme bis
zum 7. Juli 2002 beantragt war.
3207
Antragsgemäß wurde lediglich die Observation der Woh-
nung der Eltern von Uwe Böhnhardt genehmigt, nicht
aber die Observation der Eltern selbst.
3208
Dieser Hintergrund des Observationseinsatzes hatte zur
Folge, dass, nachdem am 29. Juni 2002 beobachtet wor-
den war, wie die Eltern von Uwe Böhnhardt ihr Fahrzeug
mit Gepäck beladen und nahezu alle Fenster der Woh-
nung verschlossen hatten, die Wohnung nur noch einen
Tag lang weiter beobachtet wurde.
3209
Eine weitere Ob-
3202) Vermerk von KHK K. vom 26. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl.
13.
3203) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 25. Juni 2002, Az. 7 Gs
355/02, MAT A TH-1/18, Bl. 9.
3204) Ausfertigung der Anordnung der Staatsanwaltschaft Jena vom
27. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 84.
3205) Vermerk vom 26. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 30.
3206) Anordnung der Staatsanwaltschaft Gera vom 27. Juni 2002,
MAT A TH-1/18, Bl. 35 f.
3207) Antrag auf Einsatzanordnung vom 27. Juni 2002, MAT A TH-
1/18, Bl. 40; Vermerk der EG „TEX“ vom 1. Juli 2002, MAT A
TH-1/18, Bl. 48.
3208) Einsatzbefehl Nr. 41-00/02, MAT A TH-1/18, Bl. 46.
3209) Vermerk von KHK Eimecke vom 1. Juli 2002, MAT A TH-
1/18, Bl. 48.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 371 – Drucksache 17/14600
servation der Eltern von Uwe Böhnhardt erfolgte nicht
mehr.
Am 13. August 2002 erschien auf Vorladung nunmehr
Sven B. zur Vernehmung und gab an, als Student des
Wirtschaftsingenieurwesens an der FH Jena zwar den
Vater von Uwe Mundlos namentlich zu kennen, jedoch
weiter keine Verbindungen zum Trio zu haben.
3210
bbb) Hinweis auf Aufenthalt in Calgary/Kanada
im Oktober/ November 2002
Am 1. November 2002 ging über das BKA ein Hinweis
darauf ein, dass sich Uwe Böhnhardt möglicherweise in
Kanada aufhalten könnte.
3211
Eine Person war beim Deut-
schen Club in Calgary vorstellig geworden und habe
angegeben, dass in seinem Hotelzimmer eingebrochen
worden sei und seine Papiere und sein Bargeld gestohlen
wurden.
3212
Einer Mitarbeiterin des deutschen Honorar-
konsulats und einer weiteren Person seien die Fahndungs-
fotos vorgelegt worden – diese hätten bestätigt, dass es
sich bei der Person um Böhnhardt gehandelt habe. Ge-
genüber dem Hotelmanager hatte sich die Person jedoch
als Alexander O. vorgestellt. In der Folge konnte die Per-
son tatsächlich als Alexander O. identifiziert werden, was
schließlich am 15. November 2002 durch den Verbin-
dungsbeamten des BKA an der Deutschen Botschaft in
Washington mitgeteilt wurde.
3213
ccc) Hinweis auf Aufenthalt von Beate Zschäpe
in München
Im Februar 2003 ging ein Hinweis ein, dass Beate Zschä-
pe als Serviererin in einem Café in der Türkenstraße in
München arbeite.
3214
Durch die bayerische Polizei wurden
die Inhaber des Cafés abgeklärt,
3215
der zuständige Ge-
werbebeamte
3216
, der Hinweisgeber
3217
sowie der Schicht-
leiter
3218
und der Geschäftsführer
3219
des Cafés vernom-
men. Während der Hinweisgeber darauf bestand, Beate
Zschäpe in dem Café gesehen zu haben, wurde sie weder
3210) Aktenvermerk vom 13. August 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 78.
3211) Telefax des BKA-Verbindungsbeamten der Deutschen Bot-
schaft in Washington D. C. /USA vom 1. November 2002,
MAT A TH-1/19, Bl. 57.
3212) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. vom
11. November 2002, MAT A TH-1/19, Bl. 40 f.
3213) Telefax des BKA-Verbindungsbeamten der Deutschen Bot-
schaft in Washington D. C. /USA vom 15. November 2002,
MAT A TH-1/19, Bl. 135.
3214) E-Mail vom 12. Februar 2003, MAT A TH-1/14, Bl. 16.
3215) Erkenntnismitteilung über den Hinweisgeber und das V.-Café
vom 24. Februar 2003, MAT A TH-1/14, Bl. 26.
3216) Protokoll über die Wahllichtbildvorlage bei POM H. vom
25. Februar 2003, MAT A TH-1/14, Bl. 40.
3217) Protokoll über die Vernehmung von Martin L. vom 9. Mai
2003, MAT A TH-1/14, Bl. 56.
3218) Protokoll über die Vernehmung von Armin B. vom 15. Mai
2003, MAT A TH-1/14, Bl. 60 f.
3219) Protokoll über die Vernehmung von Reza K. vom 21. Mai
2003, MAT A TH-1/14, Bl. 62 f.
vom Schichtleiter noch vom Geschäftsführer wiederer-
kannt.
III. Erkenntnisse und Maßnahmen des LfV
Thüringen und getroffene Maßnahmen
nach dem 26. Januar 1998
1. Aufgaben des LfV Thüringen
Das LfV Thüringen wurde durch das Thüringer Verfas-
sungsschutzgesetz (ThürVSG) vom 29. Oktober 1991,
verkündet am 5. November 1991, errichtet. Es untersteht
als obere Landesbehörde unmittelbar dem Thüringer
Innenministerium. Die Aufgaben des Amtes sind in
§ 2 Abs. 1 ThürVSG festgelegt. Nach dieser Vorschrift ist
Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz, den
zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erfor-
derlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die
freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand
und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen.
Zur Erfüllung dieser Aufgaben beobachtet das Landesamt
für Verfassungsschutz
„1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche de-
mokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet
sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der
Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes
oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel
haben;
2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche
Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes
für eine fremde Macht;
3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundge-
setzes, die durch Anwendung von Gewalt oder da-
rauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswär-
tige Belange der Bundesrepublik Deutschland ge-
fährden;
4. frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen
und Tätigkeiten der Aufklärung und Abwehrdiens-
te der ehemaligen DDR im Geltungsbereich dieses
Gesetzes.“
Das LfV Thüringen beobachtet in den gesetzlich festge-
legten Feldern. Voraussetzung für die Sammlung und
Auswertung von Informationen ist das Vorliegen tatsäch-
licher Anhaltspunkte.
2. Organisation des LfV Thüringen in den
1990er Jahren
In den Anfangsjahren war das LfV Thüringen in die Ab-
teilungen „Zentrale Dienste“, „Auswertung“, „Beschaf-
fung“ und „Spionageabwehr“ aufgeteilt. Die Zahl der
Mitarbeiter betrug im Jahr 1994 68, im Jahr 1995 75. Von
Drucksache 17/14600 – 372 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
April 1994 bis Juni 2000 wurde das Landesamt von
Dr. Helmut Roewer geleitet.
3220
Nachdem im Jahre 1996 verschiedene Liegenschaften
aufgegeben wurden und das Amt in der Haarbergstraße 61
in Erfurt zusammengeführt worden war, änderte der da-
malige Präsident Dr. Roewer auch die Organisationsstruk-
tur des Amtes grundlegend.
3221
Im LfV Thüringen gab es
fortan nur noch drei Abteilungen:
– Abteilung 1 „Zentralabteilung“,
– Abteilung 2 „Politischer Extremismus“ (Abteilungs-
leiter Vizepräsident Nocken), sowie
– Abteilung 3 „Nachrichtendienste“ (kommissarisch
durch Dr. Roewer wahrgenommen).
Die Abteilung 2 war neben weiteren Referaten in Links-
extremismus (Referat 21) und Rechtsextremismus (Refe-
rat 22 = Referatsleiter war der Zeuge Schrader, ab
15. Dezember 1999 Herr Schäfer) aufgeteilt, jeweils mit
den Arbeitsgebieten „Beschaffung“ und „Auswertung“.
Der Zeuge Dr. Roewer hat angegeben:
„Bei meinem Eintreffen in Thüringen gab es zwei
Abteilungen für Extremismus, nämlich eine Aus-
werte- und eine Beschaffungsabteilung. Die wur-
den - legen Sie mich jetzt nicht auf den Monat fest
oder aufs Jahr - meines Erachtens Ende 95 oder
Anfang 96 zusammengelegt und Herrn Nocken un-
terstellt. Und die beiden Nachrichtendienstzweige
der ‚Beschaffung‘ und der ‚Auswertung‘ wurden
sozusagen jeweils in den Fachbereich Rechtsex-
tremismus, Linksextremismus und Ausländerex-
tremismus unterteilt, ebenso wie es eben, in etwas
größerer Form, auch im Bundesamt für Verfas-
sungsschutz der Fall war.“3222
Zur Begründung dieser grundlegenden Änderung der
Organisationsstruktur wurde in dem Verfassungsschutz-
bericht für das Jahr 1996 angegeben, die Gliederung der
Fachabteilungen orientiere sich an den beiden unter-
schiedlichen Beobachtungsfeldern Politischer Extremis-
mus und Fremde nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Die
klassische Zweigliederung in „Beschaffung“ und „Aus-
wertung“ aufzugeben, erscheine angesichts des knappen
Personalbestands des Amtes und unter dem Gesichtspunkt
der Effektivitätssteigerung sinnvoll.
3223
Innerhalb des Amtes wurde diese – bundesweit umstritte-
ne, in einem Teil der Verfassungsschutzbehörden durch-
geführte, von anderen klar abgelehnte – Organisationsän-
derung von den aus dem nachrichtendienstlichen Bereich
stammenden Mitarbeitern teilweise als fachlicher Fehler
angesehen, weil die Bereiche „Beschaffung“ und „Aus-
3220) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 52, S. 61.
3221) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 3.
3222) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.
3223) Verfassungsschutzbericht für den Freistaat Thüringen 1996,
S. 8.
wertung“ bei Nachrichtendiensten aus Gründen der Ge-
heimhaltung streng voneinander zu trennen seien.
3224
Die Umstrukturierung hatte zur Folge, dass Referats- und
auch Abteilungsleiter jeweils für die Arbeitsgebiete „Be-
schaffung“ und „Auswertung“ in einer Person zuständig
waren. Die mit einer organisierten Trennung der Arbeits-
bereiche „Beschaffung“ und „Auswertung“ in verschie-
denen Abteilungen erstrebte gegenseitige Kontrolle sei
dadurch – so die Schäfer-Kommission – nicht mehr ge-
währleistet gewesen. Eine solche sei zwar auch bei der
damals gewählten Organisationsform denkbar, habe aber
tatsächlich nicht stattgefunden.
3225
Nach der Enttarnung des V-Mannes Küche und der Sus-
pendierung des Präsidenten Dr. Roewer Anfang Juni 2000
beauftragte das Thüringer Innenministeriums den späteren
Thüringer Innenminister, Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz
Gasser, mit einer Untersuchung von Einzelvorgängen und
deren Auswirkung auf die Funktionsweise des Landesam-
tes für Verfassungsschutz. In dem am 23. August 2000
vorgelegten Untersuchungsbericht über in den Medien
dargestellte Vorgänge in dem Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz und deren Auswirkungen auf die
Funktionsweise des Amtes (so genannter „Gasser-
Bericht“) stellte dieser unter anderem fest, dass das Orga-
nigramm des Amtes (Datum: 20. Juni 2000) in wesentli-
chen Punkten die tatsächliche Organisation nicht wieder-
gegeben habe, irreführend gewesen sei und selbst die
Referatsleiter zum Teil falsch aufgeführt worden seien.
Ein Geschäftsverteilungsplan des Amtes habe laut eines
Schreibens des Präsidenten des Amtes vom 8. März 2000
an das Thüringer Innenministerium bisher nicht exis-
tiert.
3226
Die Befragungen Dr. Gassers ergaben folgende tatsächli-
che Organisationsänderungen gegenüber dem Organi-
gramm vom 20. Juni 2000: Das Referat 14 (Observation,
Technik, Personenschutz) war aufgelöst. Die Observati-
onskräfte waren auf die beiden Fachabteilungen verteilt
und führten neben Observationsaufgaben zusätzliche
Ermittlungs- und Auswertungstätigkeiten durch. Das
Referat 22 (Rechtsextremismus – ehemals Referatsleiter
Schrader) existierte seit September 1999 nicht mehr. Die
Aufgaben des Referats wurden von dem neu gebildeten
Referat 25 (Neue Formen des Extremismus) mit über-
nommen. Im Übrigen sei die interne Aufgabenverteilung
innerhalb des Referats 25 für die Mitarbeiter unklar gewe-
sen. Einzelne Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass
innerhalb des Referats „Arbeitsgruppen“ weiterbestünden.
Derartige Arbeitsgruppen seien offenbar bei Errichtung
des Referats 25 durch mündliche Anweisung des Behör-
denleiters, Dr. Roewer, gebildet worden und hatten Be-
richte über die von ihnen bislang wahrgenommenen Auf-
gabenfelder zu erstellen, um den Referatsleiter 25 kundig
zu machen. Diese Arbeitsgruppen seien dann nicht aufge-
löst worden, sodass eine klare Aufgabenzuteilung ein-
3224) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 6.
3225) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 186, Rn 314.
3226) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 373 – Drucksache 17/14600
schließlich einer Vertretungsregelung nicht vorhanden
gewesen sei. Darüber hinaus sei auch das Referat 24 (For-
schung und Werbung) seitens des Behördenleiters Dr.
Roewer aufgelöst worden, angeblich aufgrund eines per-
sönlichen Konflikts zwischen dem Referatsleiter und dem
Behördenleiter. Es habe sich hier um ein ganz wesentli-
ches Referat gehandelt, da diesem die Werbung von Quel-
len zugekommen sei und diese Aufgabe nur von beson-
ders ausgesuchten und geschulten Spitzenkräften wahrge-
nommen werden könne. Die Aufgaben dieses Referates
waren fortan auf die einzelnen Referate der beiden Fach-
abteilungen verteilt.
3227
Der Zeuge Wießner hat vor dem Untersuchungsausschuss
angegeben, er habe das Referat Forschung und Werbung
seit seinem Wechsel vom LfV Hessen nach Thüringen im
Dezember 1993 geleitet.
3228
Das Referat sei im Jahr 1993
gegründet worden.
3229
Bis zu diesem Zeitpunkt habe diese
Aufgabe im Grunde genommen das BfV gemacht.
3230
Das
Referat habe aus ihm selbst und einem Ermittler – dem
ebenfalls vom Ausschuss gehörten Zeugen Baumbach –
bestanden.
3231
Dessen Aufgabe habe darin bestanden, zu
„ermitteln, Nachbarschaftsbefragungen, alles was
dazu gehört.“3232
In diesem Referat sei entschieden worden, wer angespro-
chen werden solle hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit
dem Verfassungsschutz.
Auch der Zeuge Wießner hat darauf verwiesen, dass sich
mit der Reform die Struktur des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz total geändert habe. Danach sei jedes Referat
für Forschung, Werbung, V-Mann-Führung etc. selbst
verantwortlich gewesen.
3233
Nach Auffassung des Zeugen
Bode habe die Unzufriedenheit mit der im Referat 24
durchgeführten Akquise – sowohl in den Bereichen rechts
wie auch links – zur Abschaffung dieses Referats ge-
führt.
3234
Ende 1995 oder Anfang 1996 wurden im LfV Thüringen
die Bereiche „Auswertung“ und „Beschaffung“ organisa-
torisch zusammengeführt.
3235
Nach Angaben des Zeugen
Schrader, der von 1996 bis 1999 Referatsleiter „Beschaf-
fung und Auswertung für Rechtsextremismus“ war3236,
habe man hierdurch einen schnellen und guten Überblick
über das Informationsaufkommen und das, was daraus
gemacht wurde, verschaffen können.
3237
3227) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 5.
3228) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3, S. 22.
3229) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.
3230) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.
3231) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.
3232) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6.
3233) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.
3234) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 79.
3235) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.
3236) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.
3237) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.
„Ich empfand das deswegen als ganz angenehm,
weil man dann zunächst die ‚Beschaffung‘ ken-
nenlernte. Man sah, was die ‚Beschaffung‘ brach-
te. Man konnte es an die ‚Auswertung‘ weiterge-
ben. Man konnte der ‚Auswertung‘ Tipps geben.
Man konnte mit der ‚Auswertung‘ besprechen, was
man machte, wie es weiterging. Von daher habe
ich das ganz gut empfunden. Ich denke mal, dass
es höchstens Probleme gegeben hätte bei der Ab-
schottung. Das ist ja ursprünglich eine Frage der
Abschottung der Behörde gewesen, und wenn ei-
ner also alles weiß, ist das natürlich immer eine
Frage der Abschottung, der mangelnden Abschot-
tung.“3238
Ohne Observationskräfte habe das Referat aus 14, 15
Mitarbeitern bestanden. Unter diesen seien drei Beschaf-
fer und zwei Ermittler beschäftigt gewesen. Die Ermittler
hätten Personen abgeglichen und bei Behörden Erkundi-
gungen eingezogen.
3239
Dr. Gasser kam zu dem Ergebnis, dass sich das LfV Thü-
ringen im Jahre 2000 „in einem labilen Zustand“ befun-
den habe und die Funktionsfähigkeit in Teilbereichen
„gestört“ gewesen sei.3240
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Schäfer-
Kommission. In seiner Vernehmung als Zeuge vor dem
Untersuchungssauschuss hat Dr. Schäfer ausgefüht:
„[…] die Organisation war desolat. Die Behörde
hat sich mit internen Schwierigkeiten aufgerieben.
Es kam dann zwischen dem Präsidenten und einem
schwachen Vizepräsidenten und zwischen dem
Präsidenten und dem Referatsleiter, [Herr Schra-
der], der gleichzeitig Personalratsvorsitzender war,
zu fürchterlichen Personalquerelen wegen der Per-
sonalpolitik des Präsidenten, der der Meinung war:
Man muss den Dienst öffnen, das Ganze global se-
hen; Historiker und Kirchengeschichtler müssen
hinein. Die müssen den Verfassungsschutz jetzt
kritisch hinterfragen. - Das hatte zur Folge, dass
die Beförderungsstellen für den gehobenen Dienst
belegt waren. Es gab einen Aufstand. Die haben
gestritten und nicht mehr gearbeitet.“3241
Auch die vom Untersuchungsausschuss gehörten Zeugen
haben sich teilweise kritisch über den Zustand des LfV
Thüringen in den 1990er Jahren geäußert und über inhalt-
liche und persönliche Differenzen berichtet. Konflikte
zwischen dem Präsidenten Dr. Roewer und dem Referats-
leiter „Rechtsextremismus“, dem Zeugen Schrader, führ-
ten schließlich zu dessen Suspendierung im Jahr 1999.
Der Zeuge Schrader hat angegeben, ihm sei nach seiner
Rückkehr aus dem Urlaub im Juni/Juli 1999, mitgeteilt
3238) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 130.
3239) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.
3240) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 5.
3241) Dr. Schäfer, Protokoll-Nr. 46, S. 15 f.
Drucksache 17/14600 – 374 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
worden, ein anderer habe das Referat „Rechtsextremis-
mus“ übernommen.
„Das war dann jemand, mit dem die Mannschaft
nicht zusammenarbeiten wollte, und dann ist das
so weitergeplätschert. Und was dann daraus ge-
worden ist, kann ich Ihnen nicht dann mehr sagen.
Jedenfalls, ich habe dann ein Rumpfreferat von
vier Leuten übernommen und bin dann drei Mona-
te später suspendiert worden.“3242
Er sei mit sieben, acht Disziplinarverfahren belegt wor-
den, die sich bis 2009 in die Länge gezogen hätten, und
dann rehabilitiert worden. Es sei auch eine finanzielle
Abgeltung erfolgt.
3243
Der Zeuge Sippel, der als Nachfolger des im Juni 2000
suspendierten Präsidenten Dr. Roewer im November
2000
3244
das Amt als Präsident des LfV Thüringen über-
nahm, hat ausgesagt, bei seinem Amtsantritt habe sich das
Amt in „keinem guten Zustand“ befunden.3245
Der Zeuge Bode hat angegeben, spätestens zum Zeitpunkt
des Konflikts zwischen Herrn Schrader und Dr. Roewer
habe im LfV Thüringen ein
„sehr, sehr übles Klima in diesem Haus insgesamt
[geherrscht]. Also, es gab dann die loyalen
Roewer-Leute. Es gab dann diejenigen, die Roewer
bekämpft haben, und es gab die Neutralen. So
kann man das mal in etwa klassifizieren. Mag sein,
dass es dazwischen auch noch Leute gab, die sich
nicht entscheiden konnten oder wollten oder was
weiß ich.“3246
Aufgrund dieser Querelen im Hause habe die Arbeit „ei-
gentlich darnieder“ gelegen.3247
Der Zeuge Dr. Roewer hat vor dem Ausschuss ausgesagt,
er bestreite nicht, dass es außerordentliche Schwierigkei-
ten in der Behörde gegeben habe.
3248
Dies liege teilweise
auch in den Mitarbeitern selbst begründet, von denen
einige das Tempo, welches er in der Behörde vorgelegt
habe, nicht ausgehalten hätten.
3249
Die Schilderungen im
Gasser-Bericht hat er „nicht nur als ehrverletzend, son-
dern auch weitestgehend unwahr“ bezeichnet.3250
a) Informationswege im LfV Thüringen in den
1990er Jahren
Der Zeuge Schrader hat erläutert, wenn ein „Beschaffer“
eine Nachricht erhalte, werte er diese aus und gebe sie
3242) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 132.
3243) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 131.
3244) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 133.
3245) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 133.
3246) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 85.
3247) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 85.
3248) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.
3249) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 89.
3250) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 89.
dann an die „Auswertung“, und dann müsse gesehen
werden:
„Ist das eine Nachricht für bestimmte Personen,
für Personenkreise, für Organisationen, für ir-
gendwas? Und die werden dann dort zu-
sammengeführt.“3251
Er hat erläutert:
„Sie müssen sich das so vorstellen: Die Nach-
richten, die beschafft werden, kommen einmal in
Form von Berichten von V-Leuten, dann aus ir-
gendwelchen Publikationen und, wenn es irgend-
welche Dinge gibt, TKÜs bzw. Postüberwachung.
Das sind die üblichen Wege. Oder wenn Berichte
von anderen Behörden kommen.“3252
Solange es „um irgendwelche normalen Informationen“,
etwa über Organisationen, über Personen, über Skin-
Konzerte oder Aufmärsche gegangen sei, sei dies die im
LfV Thüringen geübte Praxis gewesen.
3253
„Alles, was von den Beschaffern reinkam - seien
es nun V-Mann-Berichte, sei es aus anderen Quel-
len, seien es G-10-Maßnahmen - - liefen alle über
meinen Schreibtisch, und dann war es bei der
Auswertung so, dass jeder Sachbearbeiter be-
stimmte Gebiete hatte. Meistens war es nach Per-
sonengruppen sortiert. Dann habe ich dort Ver-
merke draufgemacht oder auch nicht. Wenn es nö-
tig war, wenn ich das für nötig gehalten habe, habe
ich da Vermerke draufgemacht und bin dann in der
Regel zu dem Auswerter rübergegangen oder zu
der Auswerterin und habe dann mit der bespro-
chen, was zu machen ist. Viele Dinge waren stan-
dardisierte Dinge. Dazu brauchte man nichts zu
sagen. Das waren einfach Deckblattmeldungen, die
wurden durchgelesen, und die Ämter, die davon
betroffen waren, wurden dann informiert. Da gab
es keine große Geschichte.
Da, wo aber Nachfolgedinge zu machen waren, da,
wo Personen abzuklären waren, wo Sachen abzu-
klären waren, wo was Neues war, haben wir das
besprochen und haben dann besprochen, wie wir
weiter vorzugehen hatten, und haben dann auch
notfalls der ‚Beschaffung‘ den Auftrag erteilt, oder
ich habe mit dem Beschaffer gesprochen. Ich bin
selber auch teilweise mit rausgefahren, wenn es
gewisse Dinge waren. Also, ich kannte die V-
Leute alle. Teilweise bin ich auch mit da rausge-
fahren und habe mit denen selber gesprochen, habe
denen selber Aufträge erteilt, habe auch bestimmte
Dinge nachgefragt. Aber wenn ich da war, wenn
ich nicht gerade im Urlaub oder krank war, ging
das alles über den Schreibtisch und sonst, wenn ich
nicht da war, über Herrn Wießners Schreibtisch,
3251) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 128.
3252) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 128.
3253) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 128 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 375 – Drucksache 17/14600
und dann wurde das mit der ‚Auswertung‘ bespro-
chen.
3254
Der Zeuge Bode (ehemaliger V-Mann-Führer Tino
Brandts) hat ausgesagt, über wichtige Informationen sei
ein Austausch erfolgt. Man habe sich täglich unterhalten.
Der Grundsatz „Kenntnis nur wenn nötig“ sei im LfV
Thüringen „nicht optimal gelebt“ worden. Der ganze
Beschaffungsbereich im LfV Thüringen sei ein sehr klei-
ner Bereich gewesen.
3255
b) Rechtliche Vorgaben für die „Auswertung“
Für den Arbeitsbereich „Auswertung“ existierte seinerzeit
im LfV Thüringen die vom damaligen Präsidenten des
LfV Thüringen erlassene „Dienstvorschrift für die Aus-
wertung für das Thüringer Landesamt für Verfassungs-
schutz“ (DV-A TH).3256
Die „Auswertung“ dient der Gewinnung von Erkenntnis-
sen über Bestrebungen und Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1
ThürVSG. Die Erkenntnisse werden den zuständigen
Stellen übermittelt, um diesen zu ermöglichen, rechtzeitig
die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zu diesem
Zweck werden Informationen auf tatsächliche Anhalt-
punkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen hin über-
prüft (§ 1 DV-A TH). Die DV-A TH regelt unter anderem
die Bewertung von Informationen, den Umgang mit die-
sen, auch unter Berücksichtigung des Quellenschutzes,
sowie die Aktenführung.
Die für die Aufgabenerfüllung des LfV Thüringen rele-
vanten Informationen sind von der „Auswertung“ zu
bewerten. Zunächst sind die einzelnen Mitteilungen im
Hinblick auf ihre Wertigkeit zu beurteilen (§ 3 Abs. 3, 4
DV-A TH). Quelleninformationen sind von den für die
„Auswertung“ zuständigen Mitarbeitern nach einem be-
stimmten Schema zu bewerten: (Von 1 = Die Information
ist von anderer Stelle bestätigt und damit als wahr anzu-
sehen, wenn sie in wesentlichen Einzelheiten mit Er-
kenntnissen zum selben Sachverhalt übereinstimmt und
nachweislich nicht von derselben Quelle der bereits vor-
liegenden Information oder von demselben Dritten
stammt, bis 7 = Die Information ist unwahr, wenn sie
durch andere Informationen, die mindestens mit „2“ be-
wertet sind, widerlegt wird (§ 3 Abs. 3 DV-A TH)).
Die Schäfer-Kommission hat darauf verwiesen, dass
Grundlage für eine funktionierende „Auswertung“ jedoch
sei – ohne, dass es hierfür einer Regelung bedürfe – dass
der Auswerter sämtliche Informationen kenne.
3257
Der Grad der Zuverlässigkeit der Quelle selbst wird nicht
durch die „Auswertung“, sondern durch den Führer der
Quelle, also den Beschaffer, nach den Regelungen für die
3254) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 165 f.
3255) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 76
3256) MAT A TH-3/6, Ordner II, Anlage 5, (Tgb.-Nr. 78/12
GEHEIM), Bl. 176-230 (VS-NfD).
3257) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6/1, S. 187 Rn. 317.
DV-B TH beurteilt (§ 3 Abs. 3 DV-A TH, § 12 Abs. 8
DV-B TH).
Der Bewertung der Informationen einer Quellenmeldung
ist die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Quelle auf dem
Arbeitsdeckblatt beizufügen. Dem Führer der Quelle
werden die Informationsbewertungen mitgeteilt (§ 3
Abs. 4 DV-A TH, § 3 Abs. 5 DV-A TH).
Nach Analyse und Auswertung der Nachrichten hat der
Auswerter zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche wei-
teren Informationen über den Beschaffer beizubringen
sind; entsprechende Vermerke sind in den Vorgängen
schriftlich niederzulegen (§ 5 DV-A TH).
Die Übermittlung von Informationen regelt § 6 DV-A
TH. Hierin ist unter anderem bestimmt, dass Informatio-
nen einschließlich personenbezogener Informationen
grundsätzlich schriftlich zu übermitteln sind. Bei mündli-
cher Übermittlung ist ihr wesentlicher Inhalt in einem
Aktenvermerk festzuhalten.
Schließlich ist Aufgabe des Auswerters, die gewonnenen
Erkenntnisse in einer Gesamtanalyse schriftlich darzustel-
len und entsprechende Auswertungsberichte zu fertigen
(§ 19 Abs. 1 DV-A TH).
c) Praxis der Auswertung in der Operation
„Drilling“
Die Schäfer-Kommission hat in ihrem Gutachten festge-
stellt, dass eine den oben genannten Grundsätzen entspre-
chende Auswertung im LfV Thüringen im Fall der Suche
nach dem Trio nicht erfolgt und diese mangelhaft gewe-
sen sei. Die „Auswertung“ sei allenfalls gelegentlich mit
den Informationen der „Beschaffung“ befasst worden.
Wäre dies regelmäßig geschehen, hätte die „Auswertung“
nach Auffassung der Schäfer-Kommission die Brisanz der
Meldungen im Gesamtzusammenhang erfassen und dafür
sorgen können, dass das LKA Thüringen davon Kenntnis
nimmt.
3258
Diese Aussage hat Dr. Schäfer vor dem Untersuchungs-
ausschuss noch einmal bekräftigt. Er hat ausgesagt, eine
Auswertung sei erstmals durch die von ihm geleitete
Kommission vorgenommen worden. Er hat ausgeführt:
„Diese Auswertung haben wir erstmals vorge-
nommen, als es uns mit den Meldungen irgend-
wann etwas unheimlich wurde. Die wichtigsten
Meldungen haben wir in eine zeitliche Reihenfolge
gebracht und auf einem Flipchart aufgetragen. Als
wir damit fertig waren, sind uns die Augen über-
gegangen. Da lag plötzlich alles klar vor Augen.
Wir haben das dann den Zeugen oder den Anzuhö-
renden gezeigt; die wurden bleich. Der Referatslei-
ter Schrader sagte: Um Gottes willen! Natürlich,
klar; die haben in der Zeit den Banküberfall ge-
3258) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Rn. 485, S. 264.
Drucksache 17/14600 – 376 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
macht. - Er fügte aber gleich hinzu: Zu dem Zeit-
punkt war ich nicht mehr im Dienst.“3259
Zuständig für die Auswertung zum Bereich „THS“ und
Neonazis war der inzwischen verstorbene Herr E., Referat
22 – Rechtsextremismus. Dieser habe vor der Schäfer-
Kommission angegeben, er habe vieles nur tröpfchenwei-
se erfahren, was hauptsächlich am Referatsleiter, Herrn
Schrader, gelegen habe, der eher „vor dem Schreibtisch
als hinter dem Schreibtisch“ tätig gewesen sei und des-
halb eher mit Herrn Wießner als Beschaffer zu tun gehabt
habe.
3260
Die Akte „Drilling“ zu den operativen Vorgän-
gen im Zusammenhang mit der Suche nach dem Trio
habe der Beschaffer, Herr Wießner, geführt; von Unterla-
gen aus dieser habe er nur Kenntnis erlangt, wenn er in
Vertretung gehandelt habe.
3261
Da er nicht alle Informati-
onen bekommen habe, habe er auch nicht auswerten kön-
nen. Sein Referatsleiter, Herr Schrader, habe ihm nicht
alles gegeben und auch ohne ihn Observationsaufträge
erteilt; er habe ihm dies zwar gesagt, doch das habe nichts
geändert.
3262
Einen Zusammenhang zwischen den Geld-
nöten des Trios und dem Umstand, dass sie irgendwann
kein Geld mehr brauchten, habe er nicht gesehen.
3263
Er
habe zum Trio keine Diagramme erstellt, Vergleiche
gezogen und die einzelnen Informationen nicht aufgear-
beitet.
3264
Auf Vorhalt hin habe Herr E. erklärt, er kenne die über-
wiegende Akte „Drilling“ nicht.3265
Eine Erklärung für das Vorenthalten von Informationen
habe er nicht.
3266
Informationen seien weitergegeben
worden, wenn dadurch der Quellenschutz nicht gefährdet
worden sei.
3267
Wenn er Informationen weitergegeben
habe, habe er stets
3268
bzw. in der Regel
3269
Aktennotizen
angefertigt.
Der Zeuge Nocken hat vor dem Untersuchungssauschuss
angegeben, die relevanten Informationen seien an die
Polizei weitergeleitet worden. Er bestreite nicht, dass
3259) Dr. Schäfer, Protokoll-Nr. 46, S. 8.
3260) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
193.
3261) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
193.
3262) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
193.
3263) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
195.
3264) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
195.
3265) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
197.
3266) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
197.
3267) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
192.
3268) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
192.
3269) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
193.
einzelne Meldungen nicht dokumentiert weitergegeben
worden seien. Hierzu hat er erklärt:
„Die Information der Polizei konnte aus operativen
und Quellenschutzgründen nicht dokumentiert er-
folgen. Ich bin aber sehr sicher, dass die Mitarbei-
ter der Zielfahndung des Thüringer Landeskrimi-
nalamtes in persönlichen Gesprächen sehr wohl
unterrichtet wurden.“3270
Dies mache er daran fest,
„weil wir ständig mit den Kollegen der Zielfahn-
dung zusammengesessen haben und die Informati-
onen ausgetauscht haben. Da war ich zum großen
Teil selber mit beteiligt. Aber der Referatsleiter
und die anderen Mitarbeiter aus meinem Bereich
waren ebenfalls öfter mit denen - - Die sind auch
mit uns observationsmäßig unterwegs gewesen,
die Zielfahnder.“3271
Nach Auffassung des Zeugen Nocken habe im Fall „Dril-
ling“ „aus guten Gründen“ ein besonderes Vorgehen
gewählt werden müssen. Er hat ausgeführt:
„Wenn eine Überlappung der Zuständigkeit und
eine nahezu identische Zielsetzung bei Nachrich-
tendienst oder Polizei gegeben sind, sind die übli-
chen Regeln nicht eins zu eins übertragbar, da in
derartigen Fällen das Risiko des Quellenschutzes
und des Scheiterns der Operation wesentlich höher
ist. Wenn - wie vorliegend - Polizei und Verfas-
sungsschutz in absolutem Einzelfall bei Straftaten
nach denselben Personen fahnden, müssen diese
Regeln zugunsten der operativen Sicherheit des
Verfassungsschutzes modifiziert werden.“3272
Es treffe zu, dass der „Auswertung“ nicht alle operativen
Informationen vorgelegt worden seien. Das sei aber eine
korrekte und übliche Verfahrensweise. Die Behauptung,
der Auswerter müsse alle Informationen kennen, sei
„schlicht und ergreifend falsch. Er bekommt längst
nicht ungeprüft alles, was auf dem geheimen Mel-
deweg herangeschafft wird. Er bekommt lediglich
das, was er für die Analyse benötigt.“
In der Regel kenne der Auswerter nicht einmal den Klar-
namen der Quelle.
„Gerade in brisanten Operationen, die ein erhöhtes
Risiko für die Enttarnung der Quellen bergen,
muss schon die Beschaffungseinheit die von den
Quellen gelieferten Informationen auf Plausibilität,
Wahrheitsgehalt und Seriosität prüfen, bevor sie in
die ‚Auswertung‘ gegeben werden. Das gilt insbe-
sondere, wenn die Exekutive von operativen An-
sätzen des Verfassungsschutzes weiß und dement-
sprechend Informationen erwartet. Man nennt dies
3270) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.
3271) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.
3272) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 377 – Drucksache 17/14600
operative Vorauswertung. Sie wird bei Nachrich-
tendiensten in der ganzen Welt betrieben.“3273
Es sei auch praktische Übung, dass der Quellenschutz im
Vordergrund stehe.
3274
„So veranlasste uns die besondere Situation nach
der Flucht der Neonazis, eine nachrichtendienstli-
che Operation zu beginnen, mit dem Ziel, den
Aufenthaltsort der drei Flüchtigen zu ermitteln.
Diese nachrichtendienstliche Operation verlangte
eine besonders geschützte Verfahrensweise, um
das Ziel der Operation und die dabei beteiligten
Quellen nicht zu gefährden. [….]
Auswertung wird immer in eine bestimmte Rich-
tung betrieben. Man wertet Informationen auf be-
stimmte Inhalte aus. Man muss ein Ziel haben, was
erreicht werden soll. Bei der nachrichtendienstli-
chen Bearbeitung eines Falles können und dürfen
das nie neue Ermittlungsansätze für die Polizei
sein. Vorliegend war Ziel das Entdecken des Auf-
enthaltsortes der flüchtigen Neonazis. Wir wollten
mit dieser nachrichtendienstlichen Operation die
Täter lokalisieren und von der Polizei festnehmen
lassen, so wie es ja schon am Tag der Durchsu-
chung der Garagen am 26. Januar 1998 in Jena
versucht worden war.“3275
Alle Informationen seien beim Referatsleiter „Rechtsex-
tremismus“, Schrader, zusammengelaufen.3276
„Er konnte und musste diejenigen seiner Mitarbei-
ter informieren, die Kenntnis haben sollten. So war
es möglich, dass Informationen, die auf nachrich-
tendienstlichem Weg beschafft wurden, direkt und
ohne Umweg durch Nachbefragung der Quelle,
Ermittlungen oder andere Informationen verifiziert
werden konnten, bevor sie dann zur eigentlichen
‚Auswertung‘ gingen. Erst wenn davon auszuge-
hen ist, dass eine Information als hinreichend si-
cher und bestätigt angesehen werden kann, wird
sie in die schon vorhandenen Erkenntnisse einge-
ordnet und in Sach- oder Personenakten zusam-
mengeführt.“3277
Der Zeuge Schrader hat ausgeführt, im LfV Thüringen
seien nur vier Personen über den Gesamtvorgang „Dril-
ling“ informiert gewesen.
„Es waren damals bei uns im Haus vier Leute, die
von den ganzen Vorgängen wussten. Das war der
Auswerter teilweise, das war mein Vertreter, der
Herr Wießner, das war mein Chef, der Herr No-
cken, und ich. Wir wussten von diesen Dingen,
und wir haben immer zusammen besprochen, wie
wir mit diesen Dingen umgehen. Was wir damals
3273) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.
3274) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.
3275) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.
3276) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 120.
3277) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 120.
verhindern wollten - und das war der Hauptgrund,
warum wir nicht alles an die ‚Auswertung‘ weiter-
gegeben haben -, war, dass die ‚Auswertung‘, so
wie es richtig gewesen wäre, dann sofort diese
Meldung gestreut hätte, weil uns die Quelle immer
wieder sagte: Vorsicht, sobald wir zu sehr nach-
fragen, werden die Schotten runtergelassen, und
dann erfahren wir nichts mehr. - Und daher haben
wir die Masse dieser Meldungen zunächst mal bei
der ‚Beschaffung‘ gelassen und haben gesehen,
wie wir weiterkamen, und haben dann erst sukzes-
sive, nach und nach, diese Dinge an die ‚Auswer-
tung‘ bzw. an die Ämter gegeben, die es wissen
mussten. Die Einzigen, die das fast immer mitge-
kriegt haben, war die Polizei, weil wir uns prak-
tisch jeden Tag getroffen haben.“3278
Von dem grundsätzlich geübten Verfahren in der Zusam-
menarbeit zwischen „Beschaffung“ und „Auswertung“ sei
bei der Suche nach dem Trio abgewichen worden, weil
„bei dem Trio war es ja so […] Da haben wir zu-
nächst mal die ganzen Meldungen - so viele waren
es ja im Grunde gar nicht - bei der ‚Beschaffung‘
belassen, um zu sehen, wie wir weiter vorgingen.
Wir wollten nicht so viel Staub aufwirbeln. Vor al-
len Dingen wollten wir nicht die ganzen Landes-
ämter, die nur informativ zu beteiligen waren,
noch nicht direkt informieren, um nicht so viel
Staub aufzuwirbeln, weil die Quelle ein paar Mal
gesagt hat - -„3279
Die Meldungen seien daher zunächst einmal nicht an den
Auswerter, Herrn E., weitergeleitet worden.
„Einige Dinge gingen an Herrn E., die er weiter
bearbeiten konnte, die unproblematisch waren, und
das, was problematisch war, haben wir bei uns bei
der ‚Beschaffung‘ gelassen. Die hat Herr Wießner
geführt, die Akte, und von da aus ging es dann
weiter, haben wir dann weiter besprochen, wie wir
weiter vorgehen würden.“3280
Als in diesem Sinne „problematisch“ hat er Informationen
bezeichnet,
„wo wir unmittelbar nachfragen mussten, wo wir
noch Dinge zu klären hatten. Oder zum Beispiel
hier auch diese Geschichte mit der Brandenburger
Geschichte, das haben wir also nicht der ‚Auswer-
tung‘ gegeben, sondern haben es erst beim Be-
schaffer gelassen, weil uns diese Meldungen zu
dem Zeitpunkt noch zu heiß waren. Wir mussten ja
auch gegenüber Brandenburg rechtfertigen, was
wir damit gemacht hatten.“3281
Auf die Frage, ob der Auswerter im Fall des Trios seinen
Dienstpflichten nachgekommen sei, indem er zeitgerecht
3278) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 124.
3279) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
3280) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
3281) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
Drucksache 17/14600 – 378 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sämtliche ihm von der „Beschaffung“ zur Verfügung
gestellten Informationen ausgewertet habe, hat der Zeuge
Schrader geantwortet:
„Das, was er gekriegt hat, hat er auch gemacht, ja.
Aber er hat so viel nicht gekriegt von uns. Wir ha-
ben erst mal die Akten beim Beschaffer gelassen.
So viel hat er nicht gesehen davon.“3282
Die Nichtweitergabe der Informationen an den Auswerter
im Fall des Trios hat der Zeuge Schrader auch mit Prakti-
kabilitätserwägungen begründet:
„Wir waren ständig mit Observationen, mit TKÜ-
Maßnahmen befasst, und da hätte ich jedes Mal
wieder rübergehen müssen, die Akte holen. Darum
haben wir gesagt: Wir lassen jetzt erst die Akte
beim Beschaffer, und so, wie wir bestimmte
Schritte abgeschlossen haben, geben wir sie dann
zur ‚Auswertung‘ rüber. - Das habe ich damals so
angeordnet, und wir haben das damals so für rich-
tig gehalten.“3283
Nach Einschätzung des Zeugen Schrader sei der Beschaf-
fer durch das gewählte Verfahren nicht zum verdeckten
Auswerter geworden. Es sei nicht unüblich, dass die Be-
schaffer teilweise die Akten behielten.
3284
Der Zeuge Dr. Roewer hat sich verwundert gezeigt, dass
der Referatsleiter „Rechtsextremismus“, Schrader, ange-
geben habe, bei der Suche nach dem Trio die Informatio-
nen nicht vollständig an die „Auswertung“ weitergeleitet
zu haben. Die Gründe, weshalb dieser so gehandelt habe,
sehe er im Moment nicht.
3285
Nach Ansicht des vom Ausschuss angehörten Dr. Schäfer
hätte es im Rahmen der Dienstaufsicht auffallen müssen,
dass der „Auswertung“ nicht alle Informationen zugeleitet
worden seien. Er hat ausgeführt, er sei in einer Akte auf
„ein wunderbares Lagebild eines Auswerters ge-
stoßen, 20 Seiten, toll gemacht, erstklassig, aller-
dings zu einem völlig nebensächlichen, un-
wesentlichen Thema. Da hatte der Präsident oder
Vizepräsident - ich weiß es nicht mehr genau - bei
seinem Handvermerk hinzugefügt: „sehr gute Ar-
beit“. Ich frage mich nur: Warum hat er nicht ge-
merkt, dass solche Lagebilder von anderen Aus-
wertern nicht kamen? - Das ist das Problem.“3286
3. Erteilung eines eigenständigen Suchauf-
trags an das LfV Thüringen
Der Zeuge Dr. Roewer hat dargelegt, das LfV Thüringen
habe unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios zunächst
zwei Maßnahmen ergriffen:
3282) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
3283) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
3284) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
3285) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.
3286) Dr. Schäfer, Protokoll-Nr. 46, S. 56.
„Die bei der Durchsuchung festgestellten Tatsa-
chen […] legten offen, dass es sich um eine Bom-
benbauerwerkstatt handelte. Es ging nunmehr um
die Vollstreckung mehrerer Haftbefehle, für die
das Amt keinerlei Zuständigkeit besaß. Dennoch
sind zwei voneinander unabhängige Maßnahmen
durchgeführt worden, und zwar eine Maßnahme,
die sich darauf richtete, durch eine eigenständige
Suchoperation festzustellen, wo die mutmaßlichen
Täter abgeblieben sind, und die zweite Maßnahme
war die, festzustellen, ob bei dem missglückten
Zugriff und anderen Dingen eventuell Dinge nicht
richtig gelaufen sind bzw. sogar Absicht im Spiel
gewesen ist.“3287
Auf die Frage, von wem das LfV Thüringen nach dem
26. Januar 1998 beauftragt worden sei und wie der kon-
krete Auftrag gelautet habe, hat der Zeuge Dr. Roewer
geantwortet, der Auftrag sei aus einer Leitungsbespre-
chung im Thüringer Innenministerium erfolgt. Nach dem
Abtauchen habe es mehrere Gespräche zwischen ihm,
Herrn Dr. Dewes [damaliger Thüringer Innenminister]
und Herrn Lehnert [damaliger Staatssekretär im Thüringer
Innenministerium] gegeben.
3288
Herr Dr. Dewes sei nicht
nur entsetzt, sondern erzürnt über den Vorgang gewesen
und dann sei dies so besprochen worden.
3289
Auch wenn die Suche nach Untergetauchten Sache der
Polizei sei, habe er dies für richtig gehalten.
3290
Es sei
nicht gesetzeswidrig gehandelt worden.
3291
Das LfV Thü-
ringen habe nichts anderes getan, als der Polizei zuzuar-
beiten.
3292
Der Zeuge Nocken hat auf die Frage, warum das LfV
Thüringen überhaupt nach dem Trio gesucht habe, geant-
wortet:
„Es ist richtig, dass das eine Aufgabe der Polizei
war. Da die Täter aber aus dem rechtsextremen
Milieu stammen und wir glaubten, mit unseren
Zugangsmöglichkeiten und Informationsbeschaf-
fungsmöglichkeiten dazu beitragen zu können, den
Aufenthaltsort der drei zu suchen und zu finden,
deswegen sind wir da mit eingestiegen, begleitend
und hilfsweise. Wir haben niemals die Sachleitung
dieser Geschichte übernommen oder der Fahn-
dung, sondern das ist immer in Händen der Polizei
gewesen.“3293
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt:
Nachdem sie untergetaucht waren, habe ich damals
noch Roewer gesagt - - Ich sage: ‚Herr Roewer,
Sie wissen’ - nachdem die also untergetaucht wa-
3287) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.
3288) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90, 96, 99.
3289) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 99.
3290) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.
3291) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.
3292) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.
3293) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 379 – Drucksache 17/14600
ren -, ‚dass wir für untergetauchte Straftäter nicht
zuständig sind. Das ist Sache der Polizei.’ Dann
hat er gesagt: Das spielt keine Rolle. Suchen Sie
die drei Leute.
3294
4. Einschätzung der Gefährlichkeit des Trios
durch das LfV Thüringen zum Zeitpunkt
des Untertauchens
Der damalige Präsident des LfV Thüringen, der Zeuge
Dr. Roewer, hat ausgesagt, er habe im Februar 1998 bei
einem Radiointerview darauf hingewiesen, dass das Trio
gefährlich sei, worauf das Abtauchen nach einer begange-
nen Straftat hindeute. Aufgrund dieser erkannten Gefähr-
lichkeit habe das LfV sich mit eigenem Personal und
eigenen Ideen an den Suchmaßnahmen beteiligt, obwohl
es primär zur Fahndung nicht zuständig gewesen sei.
3295
Der Zeuge Schrader, damaliger Leiter der „Auswertung
Rechtsextremismus“ im LfV, hat keine Qualifizierung der
Gefährlichkeit des Trios abgegeben. Es sei ihnen natürlich
klar gewesen, dass das Trio Bomben bauen konnte:
„Das waren also keine Spielzeugdinge mehr. So
eine Puppe, da kann man noch drüber trefflich
streiten; aber in dem Moment, wo man eine zünd-
fähige Bombe bauen kann, hört der Spaß auf. […]
Von da aus war für uns klar, dass die also nicht
mehr als spielende Kinder anzusehen waren. […]
Für uns waren das Straftäter. Das waren Straftäter,
die gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz versto-
ßen hatten.“3296
Er habe damals jedoch nicht den Eindruck gehabt, sie
seien Terroristen gewesen.
3297
Zur Begründung hat er
ausgeführt:
„Natürlich können Sie sagen: Wer Bomben baut,
ist ein Terrorist. Selbstverständlich ist das so. Nur,
wissen Sie, ich muss noch mal sagen: Wenn man
so stümperhaft an so was rangeht und die Staats-
anwaltschaft danach noch drei Tage braucht, um
Haftbefehle zu erlassen, dann kann es doch so
schlimm gar nicht gewesen sein.“3298
5. Chronologie der Erkenntnisse des LfV
Thüringen
Die nachfolgende Übersicht basiert auf der von der Schä-
fer-Kommission erstellten Chronologie über die Auswer-
tung der Akten des LfV Thüringen, deren Angaben vom
Untersuchungsausschuss anhand der ihm vorliegenden
Unterlagen überprüft worden sind. Im Rahmen des nach-
folgenden Abschnitts E. III. 6. wird auf einzelne Meldun-
gen näher eingegangen.
3294) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 156.
3295) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 75 f.
3296) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 156 f.
3297) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 135.
3298) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.
Die in der Chronologie genannten Vermerke anderer
Behörden, beispielsweise des LKA Thüringen, sind vor-
liegend aufgeführt, da sie sich in den Akten des LfV Thü-
ringen fanden.
Datum Ereignis
2.2./3.2.1998 Anforderung eines Lichtbildes betref-
fend Marko K. durch das LfV Thü-
ringen vom LfV Sachsen und Obser-
vation von K. mit dem Ziel der Fest-
stellung, ob es zu einer Kontaktauf-
nahme zwischen ihm und den Flüch-
tigen kommt.
Der Anlass für die Observation ist
nicht erkennbar. Im Ergebnis kann
eine Kontaktaufnahme zwischen K.
und den Flüchtigen nicht festgestellt
werden.
3299
3.2./4.2.1998 Schreiben des LfV Thüringen an das
BfV, alle LfVs und TIM Thüringer
Innenministerium mit einer
Sachverhaltsdarstellung zu den den
Flüchtigen vorgeworfenen Straftaten,
der Durchsuchung vom 26. Januar
1998 sowie der anschließenden
Flucht mit der Bitte um dortige Er-
kenntnismitteilung.
3300
4.2./5.2.1998 Telefonat zwischen einem Beamten
des BfV und einem Beamten des LfV
Thüringen, Inhalt nicht vermerkt,
Schreiben des LfV Thüringen an das
BfV und an alle LfV unter Beifügung
von Fotos der Gesuchten zur dortigen
Quellenvorlage.
3301
9.2.1998 Schreiben des BfV (wöchentliche
Information) an das LfV Thüringen,
u. a. zum Fall „Rohrbomben in Jena“.
(BfV aktuell Nr. 7/98)
„Obwohl ein Teil der Angehörigen
des ‚THS‘ bereits durch Gewalttaten
aufgefallen ist, liegen keine Hinweise
vor, nach denen diese Gruppe syste-
matisch Gewalt plant oder vorberei-
tet. Es ist daher – vorbehaltlich der
weiteren Ermittlungen – davon aus-
zugehen, dass die drei Tatverdächti-
gen unabhängig vom ‚THS‘ agieren.“
3302
3299) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148, Rn. 301.
3300) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148, Rn. 301.
3301) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148, Rn. 301.
3302) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148/149, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 380 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
13.2.1998 Telefonat zwischen einem Beamten
des LfV Thüringen und LfV Bayern
zu Informationen über mögliche
Kontakte von Mundlos zu Ernst T.
09. März 1998: Eingang des Ant-
wortschreibens des LfV Bayern:
Mundlos habe gute Kontakte zu Ernst
T., er könne dort untergetaucht sein.
Ernst T. ist ein landesweit bekannter
Neonazi, Gründer der „Deutsche
Bürgerwehr“ und „IHV“ (Hilfe für
politische Gefangene).
Nach Aktenlage erfolgte über diese
Information keine Mitteilung an das
LKA Thüringen.
3303
16.2.1998 Quelle 2045 informiert über den
Kontakt zwischen Kapke und Frank
S. (ab Januar 1998 NPD-
Bundesvorstandsmitglied) in Berlin,
um möglicherweise Adressen für die
Flüchtigen für einen Unterschlupf im
Ausland zu erhalten. Eine zweite
Möglichkeit sei, man wolle über S.,
der in Berlin mit Rita B. einen
Wohnmobilverleih betreibe, ein ent-
sprechendes Fahrzeug für die Flüch-
tigen besorgen. Nachdem Kapke sich
in der Folgezeit nicht mehr für Aus-
landsadressen interessiert hatte, ging
die Quelle davon aus, dass den Flüch-
tigen möglicherweise ein Wohnmobil
zur Verfügung gestellt worden sei.
Maßnahme vom
17. Februar/27. Februar 1998: Infor-
mationsaustausch zwischen dem LfV
Thüringen und dem LfV Berlin zum
Zwecke der Überprüfung des Wohn-
mobilverleihs von Rita B. und Frank
S., beide der rechten Szene zugehö-
rig.
Nach Aktennotiz des BfV vom März
1998 soll das LfV Thüringen dem
LKA Thüringen in diesem Zusam-
menhang „relevante Anlaufadressen“
übermittelt haben.
In den Akten des LKA Thüringen
findet sich keine entsprechende Do-
kumentation.
Quelle 2045 gibt im Rahmen ihrer
Mitteilung zudem an, sie vertrete die
Auffassung, nur Wohlleben und Ju-
liane W. hätten wahrscheinlich direk-
ten Kontakt zu den Flüchtigen. Diese
Informationen wurden nach Aktenla-
3303) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 149, Rn. 301.
ge nicht an das LKA Thüringen wei-
tergeleitet.
3304
16.2.1998 Fax des LKA Thüringen an das LfV
Thüringen mit der Mitteilung, bei der
Durchsuchung der Wohnung von
Mundlos am 26. Januar 1998 sei
Juliane W. mit einem Schlüssel er-
schienen und habe vorgegeben, dort
fernsehen zu wollen; tatsächlich habe
sich in der Wohnung kein TV-Gerät
befunden.
Observation von Juliane W. durch
das LfV Thüringen.
Nach Aktenlage erfolgte keine Mit-
teilung des Observationsergebnisses
an das LKA Thüringen.
Im Rahmen der Observation wurden
Kontakte von W. zu Kapke und Quel-
le 2045 beobachtet.
Nach Aktenlage erfolgt über die
Observationsergebnisse keine Mittei-
lung an das LKH Thüringen.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
3305
20.2.1998 Fernschreiben des TIM, mit dem
Betreff „Informationsaustausch in
Staatschutzsachen“; inhaltlich wird
u. a. mitgeteilt, der „THS“ und der
Nationale Widerstand distanzierten
sich von den sog. Terroristen aus
Jena.
Dieses Fernschreiben geht u. a. auch
an das BKA und an sämtliche
LKÄ.
3306
20.2.1998 Deckblattmeldung Quelle 2045:
Die Quelle habe über Kapke (= Leiter
der Sektion Jena des „THS“) erfah-
ren, dass ein „THS“-Aktivist wahr-
scheinlich am 16. Februar 1998 nach
Dresden gefahren sei, um dort den
unfallbeschädigten PKW von Wohl-
leben abzuschleppen. Mit diesem
Fahrzeug seien die auf der Flucht
befindlichen Drei offensichtlich un-
terwegs gewesen. Quelle 2045 ver-
mutete, die drei Personen hielten sich
im Raum Dresden auf oder seien dort
gewesen, da Mundlos Kontakt zur
dortigen Szene habe, die dort durch
3304) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3305) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 149, Rn. 301.
3306) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 381 – Drucksache 17/14600
die Gefangenenbetreuung, die
Mundlos machte, entstanden sei-
en.
3307
Handschriftlicher Aktenvermerk vom
20. Juli 1998: GP Alex habe glaubhaft
mitgeteilt, dass Andreas R. sich im
Februar bzw. Anfang 1998 nicht in
Sachsen/Dresden aufgehalten habe
und von ihm auch kein Fahrzeug von
der BAB A4 abgeschleppt worden
sei.
3308
24.2.1998 Allgemeine Ermittlungen des LfV
Thüringen zur Person Wohllebens
und dessen Umfeld.
3309
24.2.1998 Eingang eines umfassenden Berichts
des LKA Thüringen zu den Ermitt-
lungsverfahren gegen das Trio sowie
Übersendung der Fahndungsunterla-
gen an das LfV Thüringen.
Der Bericht wird vom LKA Thürin-
gen auch an die StA Gera und die
Generalstaatsanwaltschaft Gera über-
sandt.
3310
Anfang März
1998
Mündlicher und schriftlicher Infor-
mationsaustausch zwischen dem LfV
Thüringen und dem BND bzgl. der
Bombenwerkstatt in Jena.
BND 5. März 1998: Eigene Erkennt-
nisse liegen nicht vor.
3311
11.3.1998 Zwei Beamte des LfV Thüringen
suchen im März 1998 Familie
Mundlos zum Zweck einer möglichen
Kontaktanbahnung mit deren Sohn
auf.
Maßnahme des LfV Thüringen: Ob-
servation Prof. Mundlos am 11. März
1998.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
Am 2. Juni 1998 fragt Prof. Mundlos
telefonisch beim LfV Thüringen nach
dem dortigen Sachstand, er selbst
habe keinen Kontakt zu seinem
Sohn.
3312
3307) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3308) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3309) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 151, Rn. 301.
3310) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3311) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3312) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 151, Rn. 301.
18.3./
20.3.1998
Anfrage des LfV Thüringen beim
LfV Rheinland Pfalz bezüglich mög-
licher Kontakte von Mundlos zu
Ernst T. mit negativem Ergebnis.
3313
3.5.1998 DBM zu Quelle 2045: Die Quelle
geht davon aus, dass Kapke bei Dr.
Nordbruch in Südafrika ein Versteck
für das Trio gesucht habe.
3314
12.5.1998 Vermerk über eine Information der
Quelle 2045: Kapke habe regelmäßig
Kontakt zum Trio, er verkaufe das
Spiel „Pogromoly“ in der Szene zu
einem Preis von 100 DM, der Ver-
kaufserlös solle der finanziellen Un-
terstützung des Trios dienen. Die
Einnahmen seien aber von Kapke
unterschlagen und zweckentfremdet
worden.
Information des LKA Thüringen vom
23. Juli 1998: Aktenvermerk der
Zielfahndung, wonach „dienstlich
bekannt“ wurde, dass die Drei zum
Zwecke ihrer Finanzierung das Sze-
nespiel herstellen sollen.
Das LKA Thüringen informiert die
StA Gera entsprechend mit der Folge,
dass eine TKÜ-Maßnahme gegen
Jürgen H., der im Verdacht steht, die
Spiele aufzubewahren, verlängert
wird.
3315
2.6.1998 Schreiben des LfV Thüringen an das
BfV mit der Bitte um technische
Unterstützung in Form eines Spurfol-
getrupps für die Durchführung von
Observationen.
3316
22.6. bis
25.6.1998
Observation einer unbekannten Ziel-
person in Jena durch das LfV Thürin-
gen mit Unterstützung des BfV; die
Zielperson tritt mit Juliane W. und
Wohlleben in Verbindung.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation des LKA Thüringen.
3317
12./13.7.1998 E-Mail von Quelle 2045 vom 12. Juli
1998 an das LfV Thüringen zum
Szenespiel „Pogromly“ und dessen
3313) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 151/152, Rn. 301.
3314) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
3315) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
3316) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
3317) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 382 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
möglichen Aufbewahrungsort;
Kapke, Wohlleben und Jürgen H.
werden in diesem Zusammenhang
genannt.
3318
14.7. bis
17.7.1998
Observation von Jürgen H. durch das
LfV Thüringen wegen des Verdachts,
dass sich bei ihm ein Depot für das
Spiel befinde – es werden keine Er-
kenntnisse gewonnen.
Mitteilung der Observation an das
BfV im November 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3319
17.7.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Gewährsperson
Alex vom 14. Juli 1998: Dieser glau-
be, das Spiel „Pogromly“ werde in
Spanien hergestellt und über Szene-
angehörige in Deutschland vertrie-
ben, er werde versuchen, ein Spiel für
das LfV Thüringen zu beschaffen.
3320
23.7.1998 Aktenvermerk der Zielfahndung,
wonach „dienstlich bekannt“ wurde,
dass die Drei zum Zwecke ihrer Fi-
nanzierung das Szenespiel herstellen
sollen.
Das LKA Thüringen informiert die
StA Gera entsprechend mit der Folge,
dass eine TKÜ-Maßnahme gegen
Jürgen H., der im Verdacht steht, die
Spiele aufzubewahren, verlängert
wird.
3321
23.7.1998 Aktenvermerk des LKA Thürin-
gen/Zielfahn-dung zu einer TKÜ
betreffend Jürgen H. Dieser erhielt
u. a. im März/April 1998 drei Anrufe
aus Chemnitz, in denen mitgeteilt
wurde, man benötige viel Geld für
das Trio; zudem erhielt Jürgen H.
klare Anweisungen für Wohlleben,
der Kleidung und Geld mit Unterstüt-
zung der Eltern Böhnhardt besorgen
sollte; diese Sachen sollte Wohlleben
sodann für das Trio übergeben. Der
Anrufer teilte Jürgen H. ebenfalls
konkrete Übergabetreffpunkte für
Wohlleben mit.
3318) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.
3319) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.
3320) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.
3321) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
Maßnahme des LfV Thüringen:
Treffabsicherung am 11. August
1998, Ansprache von Jürgen H.
durch das LfV Thüringen zum Zwe-
cke eines Werbungsversuchs.
14. August - 12. Oktober 1998: G 10-
Maßnahme gegen Personen aus dem
Umfeld des Trios.
Mitteilung der Information an das
BfV im November 2011.
3322
29.7.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045: Sie
berichtet von einem Gespräch mit
Kapke vom 24. Juli 1998, in dem
Kapke mitgeteilt habe, er benötige
1 800 DM für das Trio, um sie „end-
gültig aus Jena wegzubringen“.
Kapke habe die Quelle 2045 gebeten,
mit dessen Arbeitgeber Dehoust in
Coburg zu sprechen, ob dieser einen
Kredit geben können; Wohlleben
habe bereits in der Vergangenheit
einen Kredit aufgenommen, er könne
derzeit keine Mittel zur Verfügung
stellen. Quelle 2045 vermutet, dass
eine Verbringung der Drei nach Süd-
afrika zu Dr. Nordbruch geplant sei.
Maßnahme des LfV Thüringen vom
26. Juli - 6. August 1998: Observati-
on von Kapke durch das LfV Thürin-
gen mit Unterstützung des BfV mit
Spurfolgesender.
Laut der Schäfer-Kommission bezieht
sich diese Observation auf einen
mündlichen Auftrag vom 22. August
1998, sie war somit ohnehin geplant,
die neuen Erkenntnisse zum Trio
wurden nunmehr berücksichtigt.
Observationserkenntnisse: Kapke
trifft sich mit Mario B. zwei Stunden
in einem PKW, Jürgen H. wird mit
Wohlleben und Juliane W. beobach-
tet; Kapke fährt mit Sven K. am 4./5.
August 1998 zu Dehoust nach Co-
burg, offensichtlich um das Geld für
Reisepässe zu holen; die Geldüberga-
be soll am 5. August 1998 erfolgt
sein, ohne das diese im Observati-
onsbericht näher dargestellt wird.
Ob das LKA Thüringen informiert
wurde, ist nach Aktenlage nicht er-
kennbar.
Mitteilung der Information durch das
LfV Thüringen an das BfV im No-
3322) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 383 – Drucksache 17/14600
vember 2011.
3323
30.7.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Gewährsperson
Alex: Dessen Bemühungen, ein Sze-
nespiel Porgromly für sich und seine
Kameraden zu beschaffen, sei erfolg-
los geblieben.
3324
10.8.1998 Ermittlungsergebnis des LfV Thürin-
gen zur Person Sven K.: keine beson-
deren Erkenntnisse.
3325
10.8.1998 Schreiben des Bundesgrenzschutz
Flughafen Frankfurt/Main an das LfV
Thüringen mit Übersendung der
Flugunterlagen betreffend Kapke und
Mario B. nach Südafrika.
Information des LKA Thüringen und
der StA Gera.
Nach erfolgter Information an die
StA Gera wird von dort aus unver-
züglich ein Fahndungsersuchen an
das BKA gestellt.
Mitteilung der Information an das
BfV im November 2011.
3326
11.8.1998 Vermerk eines Beamten des LfV
Thüringen zu geplanten G 10-
Maßnahmen gegen Wohlleben und
Jürgen H.mit einem Erkenntnisbe-
richt; dieser enthält eine Zusammen-
fassung der bisherigen Erkenntnisse
zu den Kontaktpersonen Wohlleben,
Kapke, Jürgen H. und Mario B. sowie
Hinweise auf Chemnitz.
Ermittlungsergebnis zu Mario B.: B.
wird als überdurchschnittlich intelli-
gent, gerissen und ruhig beschrieben;
er sei kein Gewalttyp aber radikal in
Denken und Agitation; man gehe
davon aus, dass B. von Personen im
Hintergrund finanziell unterstützt
werde.
Nach Aktenlage war nicht erkennbar,
ob und welche Erkenntnisse zu die-
sem Zeitpunkt auch dem LKA Thü-
ringen bekannt sind. In einem zu-
sammenfassenden Vermerk des LKA
Thüringen vom 31. August 1998 sind
3323) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154/155, Rn. 301.
3324) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.
3325) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.
3326) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.
diese Erkenntnisse nicht niederge-
legt.
3327
12.8.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Kapke teilt der Quelle mit, er sei am
4./5. August 1998 bei Dehoust in
Coburg gewesen und habe von die-
sem 1 500 DM erhalten, die er für
einen neuen Passfälscher benötige;
allerdings fordere dieser 1 800 DM
für die Herstellung der Pässe für das
Trio. Der ursprüngliche Passfälscher
habe sich mit den bereits zuvor über-
gebenen 1 500 DM abgesetzt, ohne
die Pässe zu liefern.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation an das LKA Thüringen.
Mitteilung dieser Information an das
BfV im November 2011.
3328
18.8.1998 Das BfV teilt Informationen über
eigene Fälle zur rechten Szene in
Thüringen mit, jedoch ohne Bezug
zum Trio.
3329
18.8.1998 Schreiben des LfV Thüringen an das
BfV, vermutlich Informationsaus-
tausch zum Fall.
3330
20.8.1998 LfV Thüringen - Vermerk über eine
Information der Quelle 2045: Die
Quelle berichtet über ein Gespräch
mit Wohlleben und Jürgen H. über
den gescheiterten Anwerbeversuch
betreffend Jürgen H. (siehe
11. August 1998).
3331
32. KW 1998 Eingang von Auszügen der Zeit-
schrift BfV aktuell Nr. 32/98 beim
LfV Thüringen; es sind u. a. Informa-
tionen zu Dr. Nordbruch enthal-
ten.
3332
2.9.1998 Quellenmitteilung der Verfassungs-
schutzbehörde Brandenburgs. Laut
Antje P. seien drei sächsische Skin-
heads (zwei Männer und eine Frau)
zur Zeit wegen verschiedener Strafta-
3327) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.
3328) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156, Rn. 301.
3329) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156, Rn. 301.
3330) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156, Rn. 301.
3331) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156/157, Rn. 301.
3332) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 384 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ten auf der Flucht vor der Polizei.
Dieser Fall sei medienbekannt. Die
Drei wollen sich angeblich innerhalb
der nächsten drei Wochen mit gelie-
henen Pässen nach Südafrika abset-
zen und dort in eine neue Identität
schlüpfen.
Maßnahme vom 7. September 1998:
Telefonate zwischen dem LfV Thü-
ringen, der VS-Behörde des „anderen
Bundeslandes“ und dem LfV Sachsen
zu Erkenntnissen über Antje P.
11./16. September 1998: Observation
der Antje P. durch das LfV Thüringen
und das LfV Sachsen.
Nach Aktenlage ist nicht dokumen-
tiert, dass diese aktuelle Information
über die Fluchtpläne des Trios sowie
die veranlasste Observation an das
LKA Thüringen mitgeteilt wurden.
Allerdings sind mutmaßliche Flucht-
pläne dem LKA Thüringen bekannt,
u. a. aus dem Umfeld von Jan Werner
und A. Die durchgeführte Observati-
on erbrachte keine neuen Erkenntnis-
se; die Observation am 16. September
1998 steht im Zusammenhang mit
Informationen Brandenburgs, die
unter dem Datum 14. September
1998 dargestellt werden.
3333
9.9.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
Informationen eines Gelegenheitsin-
formanten zu Wohlleben, Jürgen H.
und Zschäpe; keine wesentlichen
Erkenntnisse.
3334
9.9.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information von Quelle 2100:
Zschäpe sei zuletzt mit dem Chem-
nitzer B&H-Mitglied Thomas Starke
liiert gewesen; im Frühsommer seien
bei einem Konzert Spenden in Höhe
von 700 DM für das Trio gesammelt
worden.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation an das LKA Thüringen.
3335
14.9.1998 Eingang einer Quellenmitteilung der
VS-Behörde Brandenburgs: Die
Quelle teilt mit, Jan Werner (Leiter
B&H Sachsen) habe zur Zeit den
Auftrag, die Drei mit Waffen zu
3333) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157, Rn. 301.
3334) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157, Rn. 301.
3335) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157/158, Rn. 301.
versorgen. Gelder für diese Beschaf-
fungsmaßnahme solle die B&H Sek-
tion Sachsen bereitgestellt haben.
Nach der Entgegennahme der Waffen
– noch vor der beabsichtigten Flucht
nach Südafrika – solle das Trio einen
weiteren Überfall planen, um mit
dem Geld sofort Deutschland verlas-
sen zu können. Der weiblichen Per-
son der Trios werde Antje P. (Mit-
glied B&H Sachsen) ihren Pass zur
Verfügung stellen. Antje P. und Jan
Werner seien unabhängig voneinan-
der und ohne Wissen des anderen für
die Drei tätig.
Maßnahme vom 15. oder
16. September 1998: Beratung zwi-
schen dem LfV Thüringen, dem LfV
Sachsen und dem LfV eines anderen
Bundeslandes im Hinblick auf erhal-
tene Informationen; eine bereits lau-
fende Observationsmaßnahme gegen
P. durch das LfV Thüringen und das
LfV Sachsen wird am
16./17. September 1998 fortgeführt,
es ergeben sich keine Erkenntnisse.
Mitteilung dieser Beratung an das
BfV durch das LfV Sachsen im No-
vember 2011.
3336
(Weitere Schreiben der Verfassungs-
schutzbehörde Brandenburg vom
2. Oktober 1998 und 14. Oktober
1998 – siehe dort: Jan Werner sei
immer noch auf der Suche nach Waf-
fen für die Flüchtigen, bisher noch
nicht erfolgreich.)
15.9.1998 Vermerk des LKA Thüringen zu
einer TKÜ gegen Jan Werner vom
11. September bis zum 15. September
1998: Es werden allgemeine Informa-
tionen zu dessen Person dargelegt,
insbesondere, dass er ein führender
Kopf der B&H Szene in Sachsen und
in der rechten Szene auch internatio-
nal tätig sei; das Wort „Waffen“ wird
in dem Vermerk nicht erwähnt.
Der Zeitpunkt des Eingangs dieses
Vermerks beim LfV Thüringen ist
nach Aktenlage nicht erkennbar,
ebenfalls nicht, wer ihn angefordert
hat.
3337
18.9.1998 Deckblattmeldung der VS-Behörde
3336) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 158, Rn. 301.
3337) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 158/159, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 385 – Drucksache 17/14600
Brandenburgs an das LfV Thüringen
zu Jan Werner und den Flüchtigen:
Es wird u. a. mitgeteilt, ein Angehö-
riger des „sächsischen Skinhead-
Trios“ habe einen Artikel in der Sze-
ne-Zeitschrift White Supremacy ver-
fasst.
3338
28.0.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Bei einem Seminar in Coburg sei im
Gespräch mit Dr. Nordbruch das Trio
kein Thema gewesen.
3339
2.10./
14.10.1998
Zwei weitere Quellenmitteilungen der
VS-Behörde Brandenburgs, beim
LfV Thüringen jeweils eingegangen
am 6. und 15. Oktober 1998: Beide
Mitteilungen haben zum Inhalt, Jan
Werner (Leiter B&H Sachsen) sei
noch immer auf der Suche nach Waf-
fen für das Trio, er setze die Suche
fort.
15./16. Oktober 1998: Observation
von Jan Werner im Rahmen einer
Operation „Pappmaschee“ durch das
LfV Sachsen.
In den Akten des LfV Thüringen
findet diese Observation laut Schäfer-
Kommission keine Erwähnung, es ist
nicht erkennbar, ob das LfV Thürin-
gen Kenntnis von der Maßnahme hat.
Ebenfalls erfolgt nach Aktenlage
keine Information über den Inhalt der
Quellenmitteilung an das LKA Thü-
ringen.
3340
15.10.1998 Deckblattmeldung des LfV Thürin-
gen zu Quelle 2045: Kapke habe ihr
mitgeteilt, das Trio sei an sicherer
Stelle, benötige aber Geld, da sie
nicht arbeiten könnten und dadurch
große finanzielle Probleme hätten;
Kapke selbst habe derzeit keinen
Kontakt zu ihnen und wolle dies auch
nicht.
Weiterleitung der Deckblattmeldung
durch das LfV Thüringen an das BfV,
sowie an die LfV Berlin, Mecklen-
burg-Vorpommern und Sachsen am
3338) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301.
3339) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301.
3340) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159/160, Rn. 301.
4. November 1998.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation an das LKA Thüringen.
3341
16.10.1998 Schreiben des BfV an das LfV Thü-
ringen mit der Bitte um
Sachstandsmitteilung, insbesondere
zum Ergebnis operativer Maßnah-
men.
Antwortschreiben des LfV Thüringen
vom 3. November 1998: Die Einstel-
lung einer Maßnahme wird mitgeteilt,
ebenfalls die Zusammenarbeit mit
dem LfV Sachsen und Brandenburg
sowie der Erkenntnisstand, dass sich
das Trio ggf. in Sachsen aufhalte.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation des LKA Thüringen.
3342
19.10.1998 Zwei Mitarbeiter des LfV Thüringen
führen ein sog. „Aussteiger-
Gespräch“ mit der Familie
Böhnhardt; es soll eruiert werden, ob
sich ihr Sohn möglicherweise freiwil-
lig stellen würde.
Nach Aktenlage sind das LKA Thü-
ringen und die StA zu diesem Zeit-
punkt noch nicht eingebunden.
3343
26.10. bis
29.10.1998
LfV Thüringen - Observation von
Jürgen H. in Jena mit dem Ziel, des-
sen Arbeitsstelle sowie die genauen
Zeiten abzuklären, wann die Zielper-
son ihr Wohnobjekt betritt und ver-
lässt.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
3344
3.11.1998 Antwortschreiben des LfV Thüringen
auf das Schreiben des BfV vom
16. Oktober 1998: Die Einstellung
einer (Überwachungs-)Maßnahme
wird mitgeteilt, ebenfalls die Zusam-
menarbeit mit den LfV Sachsen und
Brandenburg. Es werde davon ausge-
gangen, dass sich die Flüchtigen nach
wie vor im Inland, möglicherweise in
Sachsen aufhalten.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation des LKA Thüringen.
3345
3341) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.
3342) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.
3343) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.
3344) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160/161, Rn. 301.
3345) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 386 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4.11.1998 Zweites (Aussteiger-) Gespräch des
LfV Thüringen mit den Eltern
Böhnhardts: Diese erklären sich be-
reit, mit Unterstützung eines Rechts-
anwalts in anstehende
Aussteigerverhandlungen einzustei-
gen; Bedingung sei jedoch, dass alle
Verfolgungsmaßnahmen (Beobach-
tung und TKÜ) gegen sie eingestellt
werden müssten.
In dem Gespräch wird seitens des
LfV Thüringen in Aussicht gestellt,
das LKA Thüringen und die StA
einzuschalten, um die gestellten Be-
dingungen abzusprechen. Die Kos-
tenübernahme für Vertrauensperso-
nen wird zugesagt.
3346
6.11.1998 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information eines Gelegenheits-
informanten. Dieser berichtet Allge-
meines zu Wohlleben und Kapke und
zudem, dass Wohlleben in der Szene
auf Fragen nach dem Trio stets mit
Unwissenheit reagiere.
3347
10.11.1998 Telefonat zwischen dem LfV Thürin-
gen und dem BfV zu einer G 10-
Maßnahme mit lediglich allgemeinem
Inhalt.
3348
10.11.1998 Schreiben des BfV an das LfV Thü-
ringen unter Bezugnahme auf Telefo-
nat vom 10. November 1998 zu ei-
nem zu überprüfenden Objekt Jan
Werners, welches als CD-Lager in
Betracht komme.
Information des LfV Thüringen an
die Zielfahndung, dass das Objekt als
Versteck für ein CD-Lager vermutet
wird und keine Exekutivmaßnahmen
Thüringens notwendig seien.
3349
27.11.1998 Schreiben des BfV an das LfV Thü-
ringen betreffend „USBV in Jena“
mit der Bitte um Unterrichtung über
die Zusammenarbeit mit Sachsen und
Brandenburg und weitere geplante
Maßnahmen. Es wird eine gemein-
3346) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.
3347) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.
3348) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.
3349) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.
same Besprechung angeboten.
Antwort des LfV Sachsen am
21. Dezember 1998, dass keine weite-
ren Maßnahmen geplant seien.
3350
18.12.1998 Überfall auf EDEKA-Markt in
Chemnitz.
3351
18.12.1998 Schreiben des LfV Thüringen an
Rechtsanwalt Thaut (Bevollmächtig-
ter der Eltern Böhnhardts) mit der
Zusicherung, dass bis zum Abschluss
der Verhandlungen mit der Familie
Böhnhardt keine Überwachungsmaß-
nahmen gegen diese oder ihn als
Rechtsanwalt eingeleitet oder fortge-
führt würden.
Die Schäfer-Kommission konnte
nicht ermitteln, ob zu diesem Zeit-
punkt das LKA Thüringen und die
StA eingebunden waren.
Erörterung des LfV Thüringen (No-
cken) mit der StA Gera (Mohrmann)
am 12. März 1999 (siehe dort).
3352
21.12.1998 Schreiben des LfV Sachsen an das
BfV, nachrichtlich an das LfV Thü-
ringen und das LfV Brandenburg, zu
USBV in Jena: Durch die dort durch-
geführten Maßnahmen habe sich der
Beitrag des LfV Sachsen erübrigt,
man plane keine weiteren Aktivitäten.
Es ist nicht nachvollziehbar um wel-
che Maßnahmen und um welchen
Beitrag es sich hier handelt.
3353
1999
15.1.1999 Vermerk über die Information eines
Gelegenheitsinformanten: Dieser teile
u. a. mit, über das Trio werde in der
Szene nicht gesprochen, Wohlleben
und Kapke hätten das Motto ausgege-
ben: „Keiner wisse was, keiner sage
was.“; alle Szene-Leute hielten sich
daran.
Mitteilung dieser Information an das
BfV im November 2011.
3354
3350) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161/162, Rn. 301.
3351) A-Drs. 225.
3352) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.
3353) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.
3354) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 387 – Drucksache 17/14600
28.1.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Wohlleben habe ihr am 23. Januar
1999 mitgeteilt, er plane Kontakt mit
Rechtsanwalt Dr. Eisenecker in
Goldenbow (MV) aufzunehmen für
eine anwaltliche Vertretung Zschäpes
zwecks Rückkehrverhandlungen.
Das Trio beklage immer lauter seine
finanzielle Situation, da die Geldquel-
len langsam versiegten, auch die
Familie Böhnhardt sei nicht mehr in
der Lage, sie weiterhin finanziell zu
unterstützen.
Mitteilung dieser Information an das
BfV im November 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3355
5.2.1999 Observation in Goldenbow.
3356
8.2.1999 Vermerk des LfV Thüringen zur
Observation in Goldenbow vom
8. Februar 1999 über eine Informati-
on der Quelle 2045: Wohlleben habe
ihr am 30. Januar 1999 in einem
„Vieraugen-Gespräch“ mitgeteilt, er
plane am 5. Februar 1999 nach
Goldenbow (Mecklenburg Vorpom-
mern) zu RA Dr. Eisenecker zu fah-
ren; zudem habe er die Quelle gebe-
ten, eine anrufbare Telefonzelle in
Coburg zu suchen und ihm die
Nummer mitzuteilen; über die Tele-
fonzelle wollten die Flüchtigen mit
der Quelle sprechen; Quelle 2045
habe daraufhin am 4. Februar 1999
Wohlleben eine entsprechende Ruf-
nummer übersandt.
Maßnahme am 5. Februar 1999: Ob-
servation von Wohlleben und Carsten
Schultze in Goldenbow durch das
LfV Mecklenburg Vorpommern auf
Bitte des LfV Thüringen; es werden
zwei männliche Personen in einem
PKW, zugelassen auf Wohlleben, in
Goldenbow festgestellt.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3357
3355) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162/163, Rn. 301.
3356) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.
3357) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.
5.2. bis
31.3.1999
G 10-Maßnahme gegen Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe und Telefon-
zellen in Chemnitz.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3358
8.2.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Am 6. Februar 1999 habe Wohlleben
der Quelle 2045 mitgeteilt, er sei mit
Schultze bei Rechtsanwalt Dr.
Eiseecker in Goldenbow gewesen;
am 7. Februar 1999 habe Wohlleben
Quelle 2045 mitgeteilt, dass seit den
Kontakten in der Familie Böhnhardt
zum Verfassungsschutz Wirbel um
die Drei gemacht werde, sie stünden
seitdem wieder im Blickpunkt der
Verfolgungsbehörden. Deshalb sei
für alle Beteiligten erhöhte Vorsicht
geboten, aus diesem Grund könne
sich auch der Anruf von den Dreien
für die Quelle verzögern.
Nach Einschätzung von Quelle 2045
seien für den beabsichtigen Anruf in
der Telefonzelle nur finanzielle
Gründe vorstellbar.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3359
15.2.1999 Handschriftlicher Vermerk des LfV
Thüringen über eine Information der
Quelle 2045: Wohlleben habe der
Quelle am 13. Februar 1999 mitge-
teilt, sie müsse in der kommenden
Woche am 17. oder 18. Februar 1999
mit dem besagten Anruf rechnen.
Der Anruf kam nach Aktenlage nicht
zustande.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3360
21.2.1999 Handschriftlicher Vermerk des LfV
Thüringen über eine Information der
Quelle 2045: Wohlleben habe Quelle
2045 einen neuen Anruftermin am
22. Februar 1999 mitgeteilt.
Maßnahme vom 22. Februar 1999:
Rufnummer-Abklärung zu öffentli-
chen Fernsprechern in Chemnitz.
Der Anruf kam nach Aktenlage er-
neut nicht zustande.
3358) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.
3359) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163/164, Rn. 301.
3360) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 388 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3361
22.2.1999 Von einem Münz-Fernsprecher in
Chemnitz wird „eine der bekannten
Telefonzellen in Coburg angerufen“
(G 10!).
Der Quelle 2045 wurde ein Mitschnitt
des Gesprächs vorgespielt, wobei sie
den Anrufer als Uwe Böhnhardt iden-
tifizierte.
Mitteilung dieser Information an das
BfV im November 2011.
3362
6.3.1999 Handschriftlicher Vermerk des LfV
Thüringen über eine Information der
Quelle 2045: Wohlleben habe Quelle
2045 einen neuen Anruftermin am
8. März 1999 mitgeteilt.
Maßnahme vom 8. März 1999 (sowie
6. April 1999): Observation von vier
Telefonzellen in Chemnitz durch das
LfV Thüringen; die Maßnahme er-
bringt keine Erkenntnisse.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3363
8.3.1999 Observation von vier festgelegten
Telefonzellen in Chemnitz.
3364
8.3.1999 Gesprächsnotiz von Quelle 2045 zum
Inhalt eines am 8. März 1999 stattge-
fundenen Telefonats mit Böhnhardt:
Wesentliches Thema seien die Geld-
nöte der Flüchtigen gewesen; sie
hätten bereits Pässe und suchten
einen Aufenthalt im Ausland.
Quelle 2045 sei sich sicher, dass der
Anrufer Böhnhardt gewesen sei.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3365
15.03.1999 Schreiben des LfV Thüringen an das
BfV mit der Bitte um Observations-
unterstützung nach vorheriger telefo-
nischer Rücksprache vom 12. März
1999.
3366
3361) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301.
3362) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166/167, Rn. 301.
3363) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301; S. 167, Rn.
301.
3364) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301.
3365) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164/165, Rn. 301 f.
3366) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn. 301.
15.3.1999 Gesprächsnotiz von Quelle 2045 über
ein Gespräch mit Carsten Schultze
am 13. März 1999: Schultze habe
angegeben, dass nunmehr er telefoni-
schen Kontakt zum Trio habe, da sich
Wohlleben zu beobachtet fühle.
Quelle 2045 berichtet zudem über ein
Gespräch mit Wohlleben, der angege-
ben habe, ganz guten Kontakt zu Frau
Böhnhardt zu haben und mit dieser
zusammen einmal das Trio besucht
zu haben. Daher wisse Wohlleben
auch, dass Mundlos für die Skinhead-
Szene schreibe und dieses in Sachsen
gedruckt werde. Nach Angaben von
Wohlleben werde noch immer Geld
für die Drei benötigt.
Mitteilung der Information an das
BfV im Dezember 2011.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation des LKA Thüringen.
3367
15.3. bis
21.3.1999
Observation von vier Telefonzellen
sowie den Wohnobjekten von Tho-
mas Starke, Jan Werner und A. in
Chemnitz durch das LfV Thüringen;
die Observation erbringt keine Er-
kenntnisse.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation des LKA Thüringen.
3368
16.3. bis
22.3.1999
Observation von Wohlleben in Jena
durch das BfV; die Maßnahme er-
bringt keine Erkenntnisse.
Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-
mation des LKA Thüringen.
3369
17.3.1999 bis
21.3.1999
Observationsmaßnahme des BfV in
Amtshilfe für das LfV Thüringen
gegen Schultze (ohne Erfolg).
Bemerkung der Schäfer-Kommission:
Ggf. erfolgt die Observation aufgrund
der Gesprächsnotiz der Quelle 2045
vom 15. März 1999; allerdings bat
ein Beamter des LfV Thüringen das
BfV bereits am 13. März 1999 telefo-
nisch um Unterstützung für eine
Observation.
3370
3367) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn. 301.
3368) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
3369) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
3370) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 389 – Drucksache 17/14600
19.3.1999 Fax des LfV Thüringen (Nocken) an
Rechtsanwalt Thaut, in dem mitge-
teilt wird, dass keine weiteren Ver-
handlungen in der Angelegenheit der
Familie Böhnhardt und Rückkehr des
Trios erfolgen würden.
Daraufhin übersendet RA Thaut seine
Abschlussrechnung an das LfV Thü-
ringen.
Mitteilung an das BfV im Juni 1999.
Nach Aktenlage ist nicht erkennbar,
inwieweit das LKA Thüringen und
die StA Gera zu diesem Zeitpunkt
eingebunden sind.
3371
22.3.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
mehrere Informationen der Quelle
2045:
Quelle 2045 erkennt bei einem Tele-
fonmitschnitt vom 22. Februar 1999
aus einer Telefonzelle in Chemnitz
eindeutig Böhnhardt als Anrufer
wieder. Auf einem der Quelle 2045
vorgelegten Lichtbild aus einer Ob-
servation am 19. März 1999 in
Chemnitz erkennt er Böhnhardt nicht.
(Dieser Telefonmitschnitt resultiert
aus einer G 10-Maßnahme vom 5.
Februar 1999 bis 1. März 1999 be-
treffend eine Telefonzelle in Coburg
– siehe hierzu bereits unter dem
22. Februar 1999)
Quelle 2045 berichtet weiterhin,
Wohlleben sei über eine von ihr über-
gebene Spende in Höhe von 500 DM
sehr froh gewesen, da das Trio drin-
gend Geld benötige.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3372
24.3.1999 Observation des Wohnobjekts von
Ronald A. in Chemnitz durch das LfV
Thüringen; die Maßnahme erbringt
keine Erkenntnisse.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3373
6.4.1999 Observation von vier Telefonzellen in
Chemnitz durch das LfV Thüringen
mit anschließender Überprüfung
eines Anrufers durch das LfV Sach-
sen; es werden keinen neuen Er-
3371) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
3372) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167/168, Rn. 301.
3373) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167, Rn. 301.
kenntnisse erlangt.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3374
9.4.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information von Quelle 2045:
Wohlleben bittet die Quelle, Thorsten
Heise nach sicheren Adressen für die
Flüchtigen im Ausland zu fragen, da
dieser angeblich einen großen aus-
ländischen Bekanntenkreis habe.
3375
vermutlich
Mitte April
1999
LfV Thüringen: Eingang der Kopie
eines Schreibens des BKA vom
30. März 1999, gerichtet an das LKA
Thüringen, zu einer im Büro des
Vorsitzenden des Zentralrats der
Juden in Deutschland eingegangenen
Briefbombenattrappe.
3376
(Tatmittelmeldedienst: Ähnlicher
Aufbau wie bei den Briefbombenat-
trappen zwischen dem 31. Dezember
1996 und dem 1. Januar 1997 in Je-
na.)
Vermutlich
Mai 1999
Vermerk zwischen dem LKA Thü-
ringen/Ziel-fahndung und dem LfV
Thüringen über gelöschte Telefon-
aufzeichnungen.
Nach Aktenlage ist nicht erkennbar,
um welche Aufzeichnungen es sich
handelt.
3377
6.5.1999 Vermerk der Polizeiinspektion Eisen-
berg, es gebe Hinweise, dass sich
Böhnhardt öfter in Rudols-
tadt/Schwarza aufhalten solle.
Diese Information erreicht auch das
LKA Thüringen.
3378
10.5.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Thorsten Heise habe der Quelle 2045
mitgeteilt, er sei bereit, nach Woh-
nungen für das Trio im In- und Aus-
land zu suchen.
Wohlleben habe Quelle 2045 mitge-
teilt, derzeit sei sein Kontakt zum
3374) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167, Rn. 301.
3375) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167/168, Rn. 301.
3376) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.
3377) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.
3378) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 390 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Trio abgebrochen, er habe Kamera-
den in Sachsen beauftragt, die Situa-
tion zu überprüfen;
Schultze habe Quelle 2045 mitgeteilt,
er sei im März 1998 in die Wohnung
von Beate Zschäpe eingestiegen, um
dort Sachen zu holen, sei jedoch
gestört worden.
Mitteilung dieser Information an das
BfV im November 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation an das LKA Thüringen.
3379
17.5.1999 Deckblattmeldung zu Quelle 2045:
Die Quelle teilt mit, Kapke bestreite
die ihm vorgeworfene Unterschla-
gung von Geldern für das Trio; er
habe z. B. 2 500 DM an einen Pass-
fälscher gezahlt, der das Geld ge-
nommen, aber keine Pässe geliefert
habe.
3380
26.5.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Quelle 2045 habe am 15. Mai 1999
ein vertrauliches Gespräch über die
drei Flüchtigen mit Holger Gerlach
(früheres „THS“-Mitglied), Schultze
und Wohlleben geführt, in dem Wohl-
leben mitgeteilt habe, sein Kontakt zu
den Dreien sei wiederhergestellt;
auch sei Thorsten Heise bereit, Un-
terstützung für einen Auslandaufent-
halt für die Flüchtigen zu leisten;
Wohlleben habe zudem Gerlach ge-
beten, „aus räumlichen Gründen“ in
dieser Sache Kontakt zu Thorsten
Heise aufzunehmen, um an dessen
Auslandskontakte heranzukommen.
Schultze habe Quelle 2045 mitgeteilt,
er habe letztmalig Anfang April 1999
mit einer Barüberweisung Spenden-
gelder für die Drei nach Sachsen
überwiesen.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3381
15.6.1999 Vorläufiger Abschlussvermerk des
LfV Thüringen zur USBV Jena im
Fall „Drillinge“. U. a. wird ausge-
führt, dass bereits seit 1998 Hinweise
auf einen Aufenthalt der Drei in
3379) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.
3380) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168/169, Rn. 301.
3381) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169, Rn. 301.
Chemnitz vorliegen. Zudem ist ver-
merkt, dass zwischenzeitlich beim
LfV Thüringen „eindeutige Hinwei-
se“ vorlägen, dass die Flüchtigen
nunmehr im „nördlichen Bereich der
Bundesrepublik“ untergebracht wer-
den sollen.
Information: BfV, nachrichtlich LfV
Sachsen, LfV Brandenburg, LfV
Mecklenburg Vorpommern, LfV
Niedersachsen.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3382
18.6.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Holger Gerlach habe Quelle 2045
mitgeteilt, er habe mit Thorsten Heise
über Kontaktadressen für die Drei
noch nicht gesprochen.
3383
6.8.1999 bis
6.9.1999
G 10-Maßnahme gegen Personen im
Umfeld des Trios.
3384
11.8. bis
13.8.1999
Observation von Holger Gerlach in
Hannover durch das LfV Niedersach-
sen mit dem Ziel, Feststellungen zu
einem möglichen Kontakt zu Thors-
ten Heise wegen der Wohnungssuche
für die Flüchtigen zu treffen. Im
Rahmen der Observation wurde fest-
gestellt, dass sich Wohlleben bei
Holger Gerlach aufhielt und beide in
Telefonzellen telefoniert haben. Ein
Kontakt zu Thorsten Heise wurde
nicht festgestellt.
Das LKA Thüringen wurde vom LfV
Thüringen informiert.
3385
6.9.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine „amtlich bekannt gewordene“
Information, wonach sich Böhnhardt
öfter zu Hause aufhalten solle.
Diese Information (von Mitte August
1999) stamme vom ehemaligen Prä-
sidenten des LfV Thüringen, der
diese Mitteilung aus dem Bereich der
Universität Jena erhalten haben will.
Ein zweiter gleichlautender Hinweis
soll aus dem Kollegenkreis der Frau
Böhnhardt stammen und den Mitar-
3382) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169/170, Rn. 301.
3383) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169, Rn. 301.
3384) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 170, Rn. 301.
3385) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 170, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 391 – Drucksache 17/14600
beitern des LfV Thüringen am
6. September 1999 mitgeteilt worden
sein.
Diese Information wurde laut Akten-
vermerk der Zielfahndung mitge-
teilt.
3386
29.9.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Schultze habe bei der Quelle 2045
nachgefragt, ob sie Kontakt zu Manf-
red R. habe wegen der Beschaffung
von Auslandsadressen, da sich die
Sache mit Thorsten Heise hinziehe
und bisher zu keinem Ergebnis ge-
kommen sei; es würde aber „unbe-
dingt“ ein neuer Aufenthaltsort benö-
tigt. Quelle 2045 habe den Eindruck,
dass Schultze derzeit allein Kontakt
zu dem Trio halte, allerdings könne er
sich nicht vorstellen, dass Schultze
eigenmächtig ohne Einbindung von
Wohlleben handele.
3387
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
6.10.1999 Überfall auf die Postamt-Filiale 06,
Barbarossastraße in Chemnitz-
Altendorf.
3388
27.10.1999 Überfall auf die Postamt-Filiale,
Limbacher Straße 148 in Chemnitz-
Hutholz.
3389
24.11.1999 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2100
(Riese):
Die Quelle teilte mit, Thomas Starke
aus Dresden, B&H-Mitglied in Sach-
sen, habe eine ihm angebotene finan-
zielle Spende spontan abgelehnt, da
die Drei kein Geld mehr brauchten,
weil sie „jobben“ würden.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3390
6.12.1999 Schreiben des MAD an das BfV
sowie an das LfV Thüringen (na-
mentlich VP Nocken) mit Auszügen
aus einem Befragungsbericht des
3386) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171, Rn. 301.
3387) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171, Rn. 301.
3388) A-Drs. 225.
3389) A-Drs. 225.
3390) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171, Rn. 301.
Jürgen H. vom 15. September 1999.
Jürgen H. habe mitgeteilt, er gehe
davon aus, dass sich die Drei auf-
grund des zu erwartenden Strafmaßes
nicht den Behörden stellen würden.
Szeneintern werde von einem Straf-
maß von zehn Jahren ausgegangen,
weil man ein Exempel gegen Rechts
statuieren wolle. Die drei Bomben-
bastler hätten sich schon auf der Stufe
als Rechtsterroristen bewegt, die mit
einer gewissen Zielsetzung eine Ver-
änderung des Staates herbeiführen
wollten.
Er würde jederzeit wieder als Kurier
fungieren. Er sei der einzige gewesen,
der sich bereit erklärt habe, die Ku-
rierfunktion zu übernehmen.
Bemerkung der Schäfer-Kommission:
Dieses Schreiben befand sich nicht in
den vom LfV Thüringen ursprünglich
übersandten Akten, da es seinerzeit
offensichtlich nicht zu den Akten
„Drilling“ geheftet worden ist.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
3391
Vermerk des LfV Thüringen vom
2. Februar 2012: „Das beigefügte
Aktenstück wurde im Jahr 1999 unter
einem NPD-Aktenzeichen gebucht
und abgelegt (die Aussagen des Jür-
gen H. beziehen sich überwiegend
auf die NPD). Ungeachtet des seiner-
zeit festgestellten Bezugs zu dem
Fallkomplex (‚betr. Drilling’, siehe
Aktenfeld des Schreibens (hand-
schriftliche Anmerkung)) wurde es
nicht in Kopie Bestandteil des Vor-
gangs ‚Drilling’. Bei der Bearbeitung
der Erkenntnisanfrage zu Jürgen H.
wurde es aufgefunden […]“
22.12.1999/
31.1.2000
In einem Treffbericht des MAD vom
20. Dezember 1999 wird der angebli-
che Tod der drei Flüchtigen auf Kreta
erwähnt.
Diese Information wurde dem LfV
Thüringen (22. Dezember 1999) und
dem BfV zunächst telefonisch und
dann „im Rahmen der Operation
‚Rennsteig’“ schriftlich am 30. Januar
1999 übermittelt.
(Zu „Kreta“ auch DBM zu Quelle
2045 am 6. Januar 2000 (s.u.))
Maßnahme: Rücksprachen zwischen
3391) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171/172, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 392 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dem LfV Thüringen, dem BfV und
dem MAD.
Das Ergebnis eines (laut Schäfer-
Kommission) beabsichtigten Auswer-
tungsgesprächs ist nicht aktenkundig.
Information des LKA Thüringen.
3392
2000
6.1.2000 Deckblattmeldung zu Quelle 2045:
Quelle 2045 berichtet ebenfalls, von
Mario Brehme über das Gerücht „Tod
auf Kreta“ informiert worden zu sein.
Ihr sei nicht sicher bekannt, woher
die Meldung stamme (Kameraden
von Mario Brehme, die das von Be-
reitschaftspolizisten erfahren haben
wollen).
3393
1.2.2000 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Bei einer NPD-
Schulungsveranstaltung am
29. Januar 2000 habe ein Chemnitzer
B&H-Mitglied, vermutlich Andreas
G., mitgeteilt, „den ‚Dreien’ gehe es
gut“. Er sei daraufhin sofort von
Wohlleben verärgert unterbrochen
worden, „dass dies hier keinen etwas
anginge und er mit seinen Äußerun-
gen noch Zoff bekommen würde.“
Wohlleben habe Quelle 2045 zudem
mitgeteilt, weiterhin halte allein
Carsten Schultze den Telefonkontakt
zum Trio und dies auch nur noch im
Notfall, weil er abredewidrig gegen-
über zwei Szeneaktivisten über den
Telefonkontakt gesprochen habe.
Dies gefährde die gesamte Aktion
und insbesondere ihn, Holger Ger-
lach und Thorsten Heise, weil die
Drei „in nächster Zeit weggebracht
werden sollten.“
Anmerkung des LfV Thüringen:
Telefongespräch mit Herrn L. vom
LfV Sachsen am 9. Februar 2000:
Sachsen will „operativ massiv ein-
steigen“.
Schriftliche Information des LfV
Sachsen am 23. Februar 2000.
3394
15.3.2000 Vermerk des LfV Thüringen zur
3392) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301.
3393) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301.
3394) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172/173, Rn. 301.
Hintergrundklärung Juliane W.: keine
besonderen Erkenntnisse.
3395
26.4.2000 Besprechung zwischen dem LfV
Thüringen, dem LfV Sachsen und
dem LKA Thüringen /Zielfahndung
in Chemnitz (Teilnehmer: N., W., W.,
L.).
Laut Ergebnisprotokoll des LfV
Sachsen war Hauptthema die geplan-
te Kripo-Live-Sendung am 7. Mai
2000. Hintergrund für diese wieder-
holte Fahndungsausstrahlung seien
die neuen Hinweise der letzten Wo-
chen und der aktuelle Druck in Thü-
ringen nach einem Bericht des Nach-
richtenmagazins Der Spiegel über die
„neuen intelligenten Rechten“, wobei
die verschwundenen Terzett-
Mitglieder als Beispiele genannt
werden.
Es wurde die Durchführung folgender
Maßnahmen vereinbart:
Ausstrahlung der Sendung am 7. Mai
2000,
ursprünglich (wegen Sitzung der
G 10-Kommission) ab dem 10. Mai
2000 geplante G 10-Maßnahmen
gegen Quelle 2045, Mario Brehme,
Schultze und K. sollen vorverlegt
werden. „Sollte dies nicht klappen
wird das LKA Thüringen eine kurz-
fristige Maßnahmen nur gegen den,
so vom LfV Thüringen nicht genann-
ten, Verbindungsmann vom Terzett
nach Thüringen, Carsten Schultze,
beantragen.“
Observation von Stefan und Roland
A. sowie Mandy Struck durch das
LKA Thüringen.
Observation von Andreas G., Jan
Werner, Thomas Starke und Kay R.
durch das LfV Sachsen, hierzu soll
auch ein G 10-Antrag vom LfV Sach-
sen gestellt werden.
In der Sendung soll nach Auffassung
des LKA Thüringen kein Hinweis auf
Sachsen oder Chemnitz erfolgen.
3396
3.5. bis
3.8.2000
G 10-Maßnahme gegen Personen aus
dem Umfeld des Trios.
3397
3395) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.
3396) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.
3397) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 393 – Drucksache 17/14600
4.5.2000 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2045:
Quelle 2045 berichtet, Schultze habe
am 26. April 2000 angefragt, ob sie
bereit sei, in den nächsten drei Wo-
chen ein Handy zu einem Familien-
mitglied zu bringen, da aus familiären
Gründen dringend ein Kontakt von
einem Abgetauchten zu den Eltern
gewünscht werde. Schultze könne
dies wegen seiner polizeilichen
Überwachung nicht selbst machen
und suche einen zuverlässigen Ver-
trauten, der zurzeit in Jena nicht zu
bekommen sei. Quelle 2045 habe sich
einverstanden erklärt.
Nicht verifizierbar ist ob es zu einer
Handyübergabe gekommen ist.
3398
Maßnahme: Observation der Mutter
Mundlos am 19. Mai 2000, 13:30 Uhr
– 19:15 Uhr) an ihrem 50. Geburtstag
durch das LfV Thüringen. Es werden
keine Erkenntnisse erlangt.
Mitteilung der Information an das
BfV im November 2011.
Mitteilung der Observation an das
BfV im Dezember 2011.
3399
5.5.2000 Schreiben des LfV Thüringen an das
LKA Thüringen und das LfV Sach-
sen: Es handelt sich vermutlich um
Informationen zur beabsichtigten
Observation von Mandy Struck nach
Ausstrahlung der Sendung Kripo-Live
am 7. Mai 2000.
3400
6.5 bis
7.5.2000
Observation von Mandy Struck in
Chemnitz. Während dieser Observa-
tion werden zahlreiche Fotos gefer-
tigt, die unter anderem Mandy Struck,
ihren damaligen Lebensgefährten Kai
S. sowie eine weitere – unbekannte –
männliche Person zeigen.
Auf einer Aufnahme vom 6. Mai
2000 ist Mandy Struck zu sehen, wie
sie gemeinsam mit Kai S. einen Ein-
kaufswagen zu ihrem Auto schiebt.
Eine andere Aufnahme zeigt eine
unbekannte männliche Person, die
das Haus in der Bernhardtstraße 11,
in dem Mandy Struck wohnt, verlässt.
3398) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, 174, Rn. 301.
3399) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173,174, Rn. 301.
3400) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 174, Rn. 301.
Am 6. Mai 2000 fotografieren LfV
Thüringen-Mitarbeiter diese Person.
Die Person hat nach Auffassung des
LfV Thüringen große Ähnlichkeit mit
Uwe Böhnhardt. Das LfV Thüringen
bittet das LKA Thüringen um polizei-
liche Abklärung, das LKA Thüringen
schaltet das BKA ein.
3401
10.5.2000 Gespräch im LfV Thüringen mit
einem Beamten des LKA Thüringen
über die Observationsmaßnahme am
6./7. Mai 2000.
Information des LKA Thüringen.
Nach Aktenlage ist der genaue Inhalt
des Gesprächs nicht feststellbar; ggf.
werden die im Rahmen der Observa-
tion gefertigten Bilder übergeben.
3402
15.5.2000 Schreiben des LfV Thüringen zu
einer Observationsmaßnahme in
Chemnitz am 6. Mai 2000 (hier Man-
dy Struck) im Fall „Terzett“ an das
LKA Thüringen mit folgender Bitte:
„Das LfV Thüringen weist hiermit
auf die Ähnlichkeit des S., Kay mit
Mundlos, Uwe und der unbekannten
männlichen Person mit Böhnhardt,
Uwe hin. Da das LfV Thüringen nicht
in der Lage ist, die Frage der Identitä-
ten zu klären, bitte ich um Abklärung
auf polizeilichem Wege“. Informati-
on der StA Gera.
3403
19.5.2000 Observation der Mutter von Uwe
Mundlos, die an diesem Tag Geburts-
tag hatte durch das LfV Thürin-
gen.
3404
25.5.2000 Schreiben des LfV Sachsen an das
LfV Thüringen zu Erkenntnissen aus
einer dort geschalteten G 10-
Maßnahme: Danach soll sich Jan
Werner, ein Unterstützer der Drei, am
7. Mai 2000 in Berlin aufgehalten
haben. Ein Polizist will Mundlos und
Zschäpe am selben Tag ebenfalls in
einem Biergarten in Berlin gesehen
haben (Identifizierung anhand vorge-
legter Lichtbilder) in einer Personen-
gruppe von vier Erwachsenen und
zwei Kindern. Zudem wurde festge-
3401) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 174/175, Rn. 301.
3402) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 175, Rn. 301.
3403) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 175, Rn. 301.
3404) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 394 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
stellt, dass eine in Berlin wohnhafte
persönliche Bekannte von Jan Wer-
ner mindestens zwei Kinder hatte.
Diese Bekannte gehörte ebenfalls der
einschlägigen Szene an und wurde
am 7. Mai 2000 mehrfach von Jan
Werner kontaktiert.
Nach Bewertung des LfV Sachsen
kontaktierte Werner die Flüchtigen
möglicherweise am 7. Mai 2000 in
Berlin. Unabhängig davon ging das
LfV Sachsen davon aus, dass sich die
Flüchtigen im Raum Chemnitz auf-
hielten.
Information des BfV (durch Sach-
sen).
3405
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
5.6.2000 Deckblattmeldung des LfV Sachsen
zu einer dortigen Quelle aus der
rechtsextremistischen Skinhead-
Szene in Sachsen: dieser Quelle wur-
den bereits zum zweiten Mal Bilder
der Flüchtigen vorgelegt, diese seien
ihr jedoch nicht bekannt.
3406
20.6./
21.6.2000
Persönliche Unterredung zwischen
dem damaligen Staatssekretär des
TIM Thüringer Innenministeri-
um (Brüggen) und einem Beamten
des LfV Thüringen, dass das LfV
Thüringen zu keinem Zeitpunkt Kon-
takt zum Trio gehalten und dieses
unterstützt habe. Ein entsprechendes
Schreiben sendet das LfV an das
TIM.
3407
5.7./6.7.2000 Das LfV Thüringen unterrichtet das
LfV Sachsen telefonisch über den
derzeitigen Sachstand im Fall Trio
und fragt nach weiteren Observati-
onsmöglichkeiten. Es wird zudem
mitgeteilt, die Zielfahndung des LKA
Thüringen habe die Observation in
Chemnitz eingestellt.
In einem handschriftlichen Vermerk
weist ein Beamter des LfV Thüringen
in diesem Zusammenhang darauf hin,
dass der Observationsantrag für
Sachsen präzise gestellt werden müs-
3405) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 175/176, Rn. 301.
3406) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 176, Rn. 301.
3407) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 176, Rn. 301.
se; Missverständnisse könnten nicht
geduldet werden.
3408
7.7.2000 Schreiben des LfV Thüringen an das
LfV Sachsen mit der Bitte, als Fol-
gemaßnahme eine weitere Observati-
on von Mandy Struck in Chemnitz
durchzuführen, da der begründete
Verdacht bestehe, der Lebensgefährte
von Mandy Struck habe Kontakt zu
Böhnhardt.
3409
7.8.2000 Telefonische Anforderung eines
Observationsberichts beim LfV Sach-
sen durch das LfV Thüringen.
Ein entsprechender Observationsbe-
richt befindet sich laut Schäfer-
Kommission nicht in den Akten.
3410
9.9.2000 In Nürnberg wird der 38-jährige
Enver Şimşek, Inhaber eines Blumen-
handels, mit mehreren Schüssen aus
zwei Pistolen getötet.
3411
3.11.2000 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2150:
Wohlleben teilt Mario Brehme, Kapke
und der Quelle 2150 in einem persön-
lichen Gespräch am 27. Oktober 2000
mit, er sei von einem Stern-
Journalisten auf die Flüchtigen aus
Jena angesprochen worden. Für die
Vermittlung eines Kontaktes bzw.
eines Interview-Termins sei der Jour-
nalist bereit, 50 000 bis 60 000 DM
zu zahlen. Wohlleben habe sich Be-
denkzeit erbeten.
Eine Vermittlung kommt nicht zu-
stande, da Wohlleben die Sache als zu
gefährlich für das Trio eingestuft
hat.
3412
30.11.2000 Überfall auf die Post-Filiale 50, Jo-
hannes-Dick-Straße 4 in Chem-
nitz.
3413
2001
19.1.2001 Bei der Explosion eines in einer
3408) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 176, Rn. 301.
3409) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.
3410) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.
3411) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.
3412) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.
3413) A-Drs. 225.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 395 – Drucksache 17/14600
Christstollendose eingebauten
Sprengsatzes in einem iranischen
Lebensmittelgeschäft in der Probstei-
gasse in Köln wird die 19 Jahre alte
Tochter des Besitzers schwer ver-
letzt.
3414
28.3.2001 Vermerk über eine Information der
Gewährsperson Tristan (Tibor R.):
Diese teilt mit, Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe seien ihm alle persön-
lich bekannt, nach Szene-
Informationen seien sie vermutlich in
Chemnitz untergetaucht; Mundlos
habe seit 1996 intensive Kontakte zur
Chemnitzer Skin-Szene. Die Namen
befreundeter B&H-Mitglieder werden
mitgeteilt. Mundlos und diese B&H-
Mitglieder hätten sich regelmäßig in
Jena oder Chemnitz besucht.
3415
Mitteilung dieser Information an das
BfV im Dezember 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
Handschriftlicher Vermerk eines
Beamten des LfV Thüringen (No-
cken): „Diese Information ist es wert,
einen neuen Versuch zu starten, die
‚Drillinge’ zu lokalisieren.“
10.4.2001 Vermerk des LfV Thüringen über
eine Information der Quelle 2150 (=
Oskar = Quelle 2045): Die Quelle
teilt mit, sie habe Wohlleben diskret
gefragt, ob die Drei weiter finanzielle
Unterstützung benötigten, da sie
500 DM spenden könne. Wohlleben
habe daraufhin „cool“ geantwortet,
dass die Quelle das Angebot verges-
sen solle, da nach seinen letzten In-
formation die Drei kein Geld mehr
benötigten, weil sie in der Zwischen-
zeit schon wieder „so viele Sa-
chen/Aktionen gemacht hätten“, was
die Quelle allerdings zum Eigen-
schutz nicht wissen dürfe und solle.
Auch planten Mundlos und
Böhnhardt ins Ausland (Südafrika)
zu fliehen, Zschäpe beabsichtige,
zurückzubleiben; sie werde sich nach
der Abreise der Zwei ins Ausland den
Behörden stellen.
3416
Mitteilung dieser Information an das
3414) MAT A NW-6h, S. 3
3415) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.
3416) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178, Rn. 301.
BfV im Dezember 2011.
Nach Aktenlage erfolgte keine In-
formation des LKA Thüringen.
23.5.2001 bis
22.8.2001
G 10-Maßnahme des LfV Thüringen
gegen Quelle 2045.
3417
29.5.2001 Erklärung von zwei Beamten des LfV
Thüringen (VP Nocken und Wießner),
das Trio sei weder durch das LfV
Thüringen unterstützt noch gedeckt
worden.
3418
13.6.2001 In Nürnberg wird der 48-jährige
türkische Änderungsschneider Ab-
durrahim Özüdoğru in seinen Ge-
schäftsräumen durch zwei Kopf-
schüsse getötet.
3419
27.6.2001 In Hamburg wird der 30-jährige tür-
kische Gemüsehändler Süleyman
Taşköprü in seinem Geschäft mit drei
Schüssen aus zwei verschiedenen
Waffen getötet.
3420
5.7.2001 Überfall auf die Post-Filiale, Max-
Planck-Straße 1a, in Zwickau-
Eckersbach.
3421
29.8.2001 In München wird der 38-jährige Ha-
bil Kilic, Inhaber eines Obst- und
Gemüsehandels, in seinem Geschäft
mit zwei Kopfschüssen getötet.
3422
2002
7.1.2002 Schreiben des BfV an das LfV Thü-
ringen mit Übersendung einer eige-
nen Deckblattmeldung vom
19. Dezember 2001: Die Quelle des
BfV teilt mit, Mirco E. und Quelle
2045 hätten Kontakt zur Redaktion
des Stern aufgenommen, um für ei-
nen angeblich exklusiven Beitrag
zum Möbius-Prozess ein Interview zu
geben: Gleichzeitig wolle Quelle
2045 über seine USA-Reise, finan-
ziert durch das LfV Thüringen, be-
3417) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178, Rn. 301.
3418) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178, Rn. 301.
3419) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.
3420) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.
3421) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 24. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Max-Planck-
Straße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 95 ff.
3422) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.
Drucksache 17/14600 – 396 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
richten. Das Unterfangen sei jedoch
gescheitert, da die Reporter nur an
Informationen über die noch flüchti-
gen Rohrbombentäter interessiert
gewesen seien.
3423
4.3.2002 Vermerk des Präsidenten des LfV
Thüringen (Sippel) über ein Gespräch
mit dem damaligen Staatssekretär im
TIM, wonach das LfV Thüringen die
drei Flüchtigen nicht unterstützt und
keinen von ihnen als Quelle geführt
habe.
3424
6. Einzelne Maßnahmen des LfV Thüringen
a) Information des BfV und der LfV über das
Untertauchen – Übersendung von Fotos
des Trios
Mit Schreiben vom 3. Februar 1998 informierte das Lan-
desamt für Verfassungsschutz Thüringen das BfV und
alle Landesbehörden für Verfassungsschutz über die
Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Zu-
gleich bat das Landesamt um Mitteilung von Erkenntnis-
sen zu möglichen Aufenthaltsorten des Trios. Die ange-
schriebenen Behörden wurden gebeten, sofern Erkennt-
nisse zu einem Unterschlupf im Ausland (Niederlande
oder Dänemark) vorliegen sollten, diese mitzuteilen.
3425
Aufgrund welcher Erkenntnisse der Hinweis auf das Aus-
land und insbesondere auf die Niederlande und Dänemark
erfolgte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Mit Schreiben
vom 4. Februar 1998 wurde das Thüringer Innenministe-
rium über die Informationsweiterleitung an das BfV und
die LfV informiert.
3426
Mit Telefaxschreiben vom
5. Februar 1998 wurden darüber hinaus Lichtbilder des
Trios an sämtliche Landesverfassungsschutzämter und an
das BfV übersandt.
3427
Eine Rückmeldung ist lediglich durch das LfV Berlin
ersichtlich: Hier wurde mit Schreiben vom 13. Februar
1998 mitgeteilt, dass keine Erkenntnisse vorlägen und es
wurde – offensichtlich hatte es hier eine Überschneidung
gegeben – um Übersendung von Lichtbildern gebeten.3428
Mit Schreiben vom 22. März 1998 teilte das LfV Berlin
3423) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178/179, Rn. 301.
3424) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 179, Rn. 301.
3425) Schreiben des LfV Thüringen vom 3. Februar 1998, MAT A
TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), hier: Bl. 35 f.
(VS-NfD).
3426) Schreiben des LfV Thüringen vom 4. Februar 1998, MAT A
TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), hier: Bl. 39 f.
(VS-NfD).
3427) Faxschreiben vom 5. Februar 1998, MAT A TH-3/1, Anlage
01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), hier: Bl. 43 ff. (VS-NfD).
3428) Schreiben des LfV Berlin an das LfV Thüringen vom
13. Februar 1998, MAT A TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12
– GEHEIM), Bl. 75. (VS-NfD).
mit, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe „in der
rechtsextremen und neonazistischen Szene in Berlin nicht
in Erscheinung getreten“ seien.3429 Reaktionen anderer
LfV sind nicht aktenkundig.
b) Kenntnis des LfV Thüringen von der in der
Garage Nr. 5 aufgefundenen Adress- und
Telefonliste
In den Akten des Vorgangs „Drilling“ des LfV Thüringen
ist die in der Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgefunde-
ne und im Februar 1998 durch den BKA-Beamten
Brümmendorf in einem Vermerk erwähnte Adress- und
Telefonliste nicht enthalten.
3430
In den Akten des LfV
Thüringen enthalten ist jedoch die ebenfalls bei der
Durchsuchung der Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufge-
fundene Liste mit Kfz-Kennzeichen von Zivilfahrzeugen
des LKA Thüringen, die sich im gleichen Asservat 23.C
befand und die ebenfalls in dem Vermerk von KHK
Brümmendorf erwähnt wird, in dem dieser auch die Ad-
ress- und Telefonliste erwähnt.
3431
Bei der in den Akten
des LfV Thüringen enthaltenen Liste mit Kfz-
Kennzeichen handelt es sich offensichtlich um eine Fax-
Kopie: Am oberen Rand der Liste ist der Aufdruck
„-JAN-1998 13:50 LKA Thüringen Dezernat 61“ vorhan-
den. Zudem ist auf der ersten Seite handschriftlich der
Vermerk aufgebracht worden: „sichergestellt bei
Mundlos, Uwe (…) am 26.01.98“.3432
Gegenüber dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge
Nocken bekundet, er habe von der Existenz einer solchen
Liste erst in den Tagen vor seiner Vernehmung vor dem
Untersuchungsausschuss aus der Presseberichterstattung
erfahren. Im Hinblick darauf, ob die Liste für das LfV
nützlich gewesen wäre, hat er ausgeführt:
„Ich weiß jetzt nicht, wer drauf war, aber ich könn-
te mir vorstellen, dass da natürlich Ansatzpunkte
drin gestanden haben, die uns auch weitergebracht
hätten bei der Suche.“3433
Auch der Zeuge Wießner, der Tino Brandt seit Mitte 1998
als V-Mann geführt hat, hat bekundet, dass er mit dieser
Liste etwas hätte anfangen können, wenn er sie gesehen
hätte.
3434
Er habe diese Liste aber nie gesehen. Er wunde-
re sich heute, dass so eine Liste existiert habe.
Der V-Mann-Führer Tino Brandts zum Zeitpunkt des
Abtauchens des Trios, der Zeuge Bode, hat ebenfalls
angegeben, ihm sei die Liste nur aus der Zeitung be-
3429) Schreiben des LfV Berlin an das LfV Thüringen vom 22. März
1998, MAT A TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Bl. 124. (VS-NfD).
3430) Siehe hierzu oben unter E. II. 5.
3431) Vermerk vom 19. Februar 1998, MAT A TH-1/2. Bl. 277 ff.
3432) Liste mit Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugtypen, MAT A TH-
3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 01, Bl. 126 f. (Do-
kument selbst nicht eingestuft).
3433) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 59 f.
3434) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 17.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 397 – Drucksache 17/14600
kannt.
3435
Auf Nachfrage, ob dem LfV Thüringen eine
solche Liste bei der Suche nach den Flüchtigen weiterge-
holfen hätte, hat der Zeuge ausgeführt:
„Ja, mit Sicherheit hätte das operative Maßnahmen
möglicherweise hinter sich hergezogen. Von daher
gehe ich davon aus, dass der Verfassungsschutz
nie im Besitz dieser Liste war, weil die Durchsu-
chung hat die Polizei gemacht, und die Polizei
stellt ja ihre Asservate nicht dem Verfassungs-
schutz anschließend zur Verfügung. Also, insoweit
bin ich mir ziemlich sicher, dass die nie den Ver-
fassungsschutz erreicht hat, diese Liste, jedenfalls
nicht auf dem Wege über die Durchsuchung, viel-
leicht durch Informationen über die Polizei; das
weiß ich nicht.“3436
c) Quellenmeldung über das Abschleppen
des unfallbeschädigten Fluchtwagens von
der BAB A4
Laut einer Deckblattmeldung vom 20. Februar 1998 habe
Tino Brandt von Kapke (Leiter der Sektion Jena des
„THS“) erfahren, dass ein namentlich bekannter „THS“-
Aktivist (Andreas R.)
3437
wahrscheinlich am
16. Februar 1998 nach Dresden gefahren sei, um dort den
durch einen Unfall beschädigten PKW von Wohlleben
abzuschleppen. Mit diesem Fahrzeug seien die auf der
Flucht befindlichen Drei offensichtlich unterwegs gewe-
sen. Tino Brandt habe vermutet, die drei Personen hielten
sich im Raum Dresden auf oder seien dort gewesen, da
Mundlos Kontakt zur dortigen Szene habe, die durch die
Gefangenenbetreuung, die Mundlos gemacht habe, ent-
standen seien.
3438
Bei Andreas R. handelt es sich um die Gewährsperson
Alex des LfV Thüringen, die im April 1998 erstmals an-
gesprochen worden sei.
3439
Nach einem handschriftlichen
Aktenvermerk des LfV Thüringen vom 20. Juli 1998 habe
die Gewährsperson Alex „glaubhaft“ mitgeteilt, dass R.
sich im Februar bzw. Anfang 1998 nicht in Sach-
sen/Dresden aufgehalten habe und von ihm auch kein
Fahrzeug von der BAB A4 abgeschleppt worden sei.
3440
Gegenüber dem BKA hat Andreas R. jedoch im März
2013 nunmehr angegeben, im Februar 1998 auf Bitten des
Kapke ein defektes Fahrzeug abgeholt zu haben. Er habe
3435) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 108.
3436) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 108.
3437) MAT A TH 3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 109
f. (VS-VERTRAULICH).
3438) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn 301; Deckblatt-
meldung vom 20. Februar 1998, MAT A TH 3/1, (Tgb.-Nr.
9/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 109 f. (VS-VERTRAULICH).
3439) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA, MAT A TH-3/14/2
(Tgb.-Nr. 198/13 – GEHEIM), Bl. 1 des Schreibens.
3440) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn 301; MAT A TH
3/1 (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 90 (VS-
VERTRAULICH).
aber erst kurze Zeit später erfahren, dass es das Auto des
Trios gewesen sei.
3441
Nach Aktenlage leitete das LfV Thüringen die Deck-
blattmeldung an die Verfassungsschutzbehörden in Bran-
denburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-
Vorpommern, Berlin, Sachsen und an das BfV weiter.
3442
d) Observationen mit Amtshilfe des BfV
In Einzelfällen leistete das BfV auf Bitte des LfV Thürin-
gen technische und personelle Unterstützung bei der
Durchführung von Observationen möglicher Kontaktper-
sonen der Flüchtigen. Hierbei handelte es ich um folgende
Fälle:
22. bis 25. Juni 1998:
Observation einer unbekannten Zielperson in Jena durch
das LfV Thüringen mit Unterstützung des BfV; die Ziel-
person trat mit Juliane W. und Wohlleben in Verbin-
dung.
3443
5. bis 10. Juli 1998:
Observation von André Kapke in Jena durch das LfV
Thüringen mit Unterstützung eines konventionellen Ob-
servationstrupps des BfV. Es wurde eine enge Beziehung
zwischen Kapke, Wohlleben und Juliane W. festge-
stellt.
3444
Der Zeuge Egerton, Auswerter im BfV, hat hierzu ausge-
sagt:
„Wir hatten im Jahr 1998 in Thüringen eine Ob-
servation gegen André Kapke unterstützt. Das war
aber meines Wissens auch das Einzige, was wir
tatsächlich aktiv dazu beitragen konnten. Es war
von Anfang an auch festgeschrieben, dass das LfV
Thüringen für die Suche nach diesen Dreien zu-
ständig sein sollte. Es gab also relativ früh eine
Festlegung bei uns und ich glaube auch eine Fest-
legung bei Thüringen. Von daher waren die Zu-
ständigkeiten von Anfang an relativ eindeutig ge-
klärt. Wir haben uns in dieser ersten Phase eigent-
lich nur in der Funktion einer Amtshilfe gesehen,
also nicht als zuständige und federführende Be-
hörde.“3445
„Das ist […] auf Beschaffungsebene gelaufen -,
und es gibt darüber meines Wissens auch keinen
Observationsbericht, zumindest keinen, der bei uns
mal im Rahmen der Aufarbeitung aufgetaucht wä-
re.
3441) Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 19. März 2013,
MAT B GBA-4 (Tgb.-Nr. 91/13 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1
ff., 17 ff.
3442) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 223, Rn. 395.
3443) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
3444) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.
3445) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 15.
Drucksache 17/14600 – 398 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Also, jetzt im Nachhinein weiß ich das, dass die
nämlich Kapke als Kontaktperson aufklären woll-
ten. Also, es gab damals natürlich aus dem Quel-
lenaufkommen von ‚2045‘ die Information, die
wir - tja - nur rudimentär hatten, dass Kapke Kon-
taktperson zu den drei Flüchtigen ist. Und darauf-
hin hat Thüringen unsere Observation, eigentlich
unter Umgehung der ‚Auswertung‘, also quasi
auch meiner Person und des Referates 22F dann
auch, darum gebeten, eine Observationsgruppe in
Amtshilfe zugeteilt zu bekommen, und das ist
dann auch entsprechend passiert.“3446
Das BfV stattete das Auto von Tino Brandt (Quelle 2045)
mit Verfolgertechnik aus. Der Zeuge Bode hatte als V-
Mann-Führer von Brandt diesen angewiesen, André
Kapke das Auto „unterzujubeln“:
„Unsere Hoffnung bestand darin, dass Kapke uns
zu den dreien führt, was dann letztlich nicht erfolgt
ist.“3447
26. Juli bis 6. August 1998:
Observation von André Kapke in Jena durch das LfV
Thüringen mit Unterstützung des BfV mit Spurfolgesen-
der. Observationserkenntnisse: Kapke fuhr mit Sven K.
am 4./5. August zu D. nach Coburg, offensichtlich um
Geld für Reisepässe zu holen; die Geldübergabe soll am
5. August 1998 erfolgt sein, ohne dass diese im Observa-
tionsbericht näher dargestellt wird.
3448
16. bis 22. März 1999:
Observation Wohllebens in Jena durch das BfV; die Maß-
nahme erbrachte keine Erkenntnisse.
3449
Der Zeuge
Egerton hat über den Einsatz eines Flugzeugs im Rahmen
der Observation berichtet:
„Das hört sich heute dramatisch an, war aber da-
mals den technischen Möglichkeiten geschuldet.
[…] Das war ein Flugzeug, was der Spurfolge
diente. Die Spurfolge war damals noch nicht mit
GPS ausgerichtet, sondern mit Kreuzpeilung, das
heißt, Sie brauchten zwei unterschiedliche Fix-
punkte, einen davon meist am Fahrzeug, der zwei-
te hat sich dann je nach Gegebenheit in der Luft
befunden. Es war allerdings auch eine Kreuzpei-
lung mit zwei Fahrzeugen möglich. Das ist also ein
rein technisches Detail. Im Zuge der Entwicklung
des GPS oder der Möglichkeiten, GPS-Sender ent-
sprechend zu nutzen, hat sich das Flugzeug dann
auch ad absurdum geführt.“3450
Die Observation habe dadurch zwar durchgeführt werden
können, das Trio sei jedoch nicht aufgespürt worden.
3451
3446) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 51.
3447) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 73.
3448) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154 f., Rn. 301.
3449) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
3450) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 60.
3451) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 60.
17. bis 21. März 1999:
Observation Schultzes in Jena durch das BfV; die Maß-
nahme erbrachte keine Erkenntnisse.
3452
Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf die Maßnahmen
des BfV in Thüringen ausgesagt:
„Ja, wir haben umfangreiche Observationsmaß-
nahmen gemacht, zunächst durch konventionelle
Observation mit Manpower und Fahrzeugen. Das
ist aber dann sehr schnell schiefgegangen, weil Sie
müssen sich zurückversetzen ins Jahr 98/99. Da-
mals gab es auf den Straßen von Thüringen noch
mehr Trabis und Wartburgs als BMWs und VWs
wie heute, und da die Kölner nur mit diesen gro-
ßen Fahrzeugen anrückten, war da nicht viel zu
machen. Können Sie sich ja vorstellen: Da war
dann nicht viel zu machen. […] Dadurch ist also
auch - - sind die Observationen zwei-, dreimal
schiefgegangen. Dann sind wir umgestiegen auf
Spurfolge. Spurfolge heißt also, präparieren von
Fahrzeugen, von deren Fahrzeugen. Und wir sind
dann sogar so weit gegangen, dass wir also Fahr-
zeuge präpariert haben mit Abhöreinrichtungen in-
nendrin und Spurfolgedingen und haben dann die
mithilfe des Bundes aus einem Flugzeug über
mehrere Wochen observiert. […] Wissen Sie, auch
das muss man sehen: So ein Mann wie Wohlleben
ist drüben aufgewachsen. Der kannte das. Und wer
aufpasste, konnte sogar an der Kleidung feststel-
len, ob der aus dem Westen oder aus dem Osten
kam. Das war damals so. Das muss man ganz ein-
fach sehen. Die Ossis hatten damals, wenn ich das
mal so sagen darf in Anführungsstrichen, das Geld
noch nicht. Die Kleidung war entweder ostzonale
Kleidung, oder es war billigere Kleidung. Im Wes-
ten war das anders. Also, wenn man etwas auf-
passte, konnte man da schon Gegenmaßnahmen
ergreifen.“3453
e) Amtshilfe durch die Landesbehörde für
Verfassungsschutz Berlin
Am 16. Februar 1998 informierte VM Otto das LfV Thü-
ringen über Kontakte zwischen André Kapke aus der
Führungsebene der „Kameradschaft Jena“ und Frank
Schwerdt (ab Januar 1998 NPD-
Bundesvorstandsmitglied) in Berlin, um möglicherweise
Adressen für die Flüchtigen für einen Unterschlupf im
Ausland zu erhalten. Eine zweite Möglichkeit sei, man
wolle über Schwerdt, der in Berlin mit der ebenfalls der
rechten Szene zugehörigen Rita B. einen Wohnmobilver-
leih betreibe, ein entsprechendes Fahrzeug für die Flüch-
tigen besorgen. Nachdem Kapke sich in der Folgezeit
nicht mehr für Auslandsadressen interessiert hatte, ging
3452) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
3453) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 399 – Drucksache 17/14600
die Quelle davon aus, dass den Flüchtigen möglicherwei-
se ein Wohnmobil zur Verfügung gestellt worden sei.
3454
Am 17. Februar und 27. Februar 1998 fand ein Informati-
onsaustausch zwischen dem LfV Thüringen und der Lan-
desbehörde für Verfassungsschutz Berlin statt, in dem um
Überprüfung des Wohnmobilverleihs von Rita B. und
Frank S. gebeten wurde. Die Landesbehörde für Verfas-
sungsschutz Berlin teilte dem LfV Thüringen als Ergebnis
der Überprüfung mit, dass auf dem rückwärtigen Teil des
Geländes zwei Wohnmobile ohne amtliche Kennzeichen
abgestellt seien. Dem äußeren Anschein nach seien sie
unbewohnt. Eine Überprüfung sei nicht möglich, da die
Toreinfahrt des Grundstücks verschlossen sei. Auf dem
Dokument des Thüringer Landesamtes für Verfassungs-
schutz findet sich die handschriftliche Schlussverfügung
„z.d.A.“ („zu den Akten“).3455
Nach einer Aktennotiz des BfV vom März 1998 soll das
LfV Thüringen dem LKA Thüringen in diesem Zusam-
menhang „relevante Anlaufadressen“ übermittelt ha-
ben.
3456
In den Akten des LKA Thüringen findet sich
keine entsprechende Dokumentation.
f) Geldübergabe an Kapke in Coburg am
5. August 1998
aa) Chronologie der Schäfer-Kommission
aaa) 29. Juli 1998
In der im Schäfer-Gutachten enthaltenen Chronologie ist
unter dem 29. Juli 1998 vermerkt, dass die Quelle 2045
(Tino Brandt) an diesem Tag von einem Gespräch mit
Kapke am 24. Juli 1998 berichtete.
3457
Kapke hätte mitge-
teilt, er benötige 1 800 DM für das Trio, um diese endgül-
tig aus Jena wegzubringen. Kapke habe die Quelle gebe-
ten, mit dessen Arbeitgeber Dehoust in Coburg wegen
eines Kredites zu sprechen, da Wohlleben keine Mittel zur
Verfügung stellen könne. Die Quelle vermutete, man
wolle das Trio nach Südafrika zu Dr. Nordbruch verbrin-
gen. Zwischen dem 26. Juli und dem 6. August 1998 kam
es daher, wie soeben geschildert, zu einer Observation des
Kapke durch das LfV Thüringen mit Unterstützung des
BfV, wobei hier Spurfolgesender eingesetzt wurden. Die
Observation ergab unter anderem, dass Kapke am 4. und
5. August 1998 mit Sven K. nach Coburg fuhr, offensicht-
lich um das Geld für Reisepässe zu holen. Die Geldüber-
gabe als solche soll am 5. August 1998 erfolgt sein, ohne
dass diese im Observationsbericht näher dargestellt wird.
3454) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3455) Bericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,
A-Drs. 488, S. 133, Rn. 289.
3456) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3457) Hierzu und im Folgenden: Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6,
Bl. 154 f.
bbb) 12. August 1998
Unter dem 12. August ist in der Chronologie vermerkt,
Kapke habe der Quelle 2045 (Tino Brandt) mitgeteilt,
dass er am 4. und 5. August 1998 bei Dehoust in Coburg
gewesen sei und von diesem 1 500 DM erhalten habe. Der
Passfälscher fordere jedoch 1 800 DM. Der ursprüngliche
Passfälscher habe sich mit den zuvor übergebenen
1 500 DM abgesetzt, ohne die Pässe zu liefern.
bb) Ergänzende Angaben des Zeugen
Schrader hierzu
Der Zeuge Schrader hat in seiner Vernehmung von einem
Vorgang berichtet, in dem Geld für Pässe durch das LfV
Thüringen über die Quelle Brandt weitergeleitet wurde.
Dieser Vorgang habe jedoch nach dem Aufenthalt von
Kapke in Südafrika gelegen, wobei es jedoch naheliegt,
dass Schrader den Vorgang im August 1998 meint.
Schrader hat Folgendes berichtet:
„Und dann hieß es also, die wollen versuchen, die
ins Ausland zu bringen. Klar, weil der Fahndungs-
druck sehr stark wurde, mussten sie also irgendwie
raus, und wir wussten, dass dieser Dr. Nordbruch
eine Farm hatte in Südafrika, und wir wussten
auch - das war aber dann schon Ende 98 -, dass
Kapke dort auch gewesen ist. Kapke ist auf der
Farm gewesen einige Wochen, ist dann zurückge-
kommen, und dann hat uns die Quelle berichtet,
dass er also versuchen will, Pässe zu besorgen. Er
hätte da einen Russen an der Hand. Nur die Pässe
sollten also 2 000 oder 2 500 Euro kosten, und sie
wissen nicht, wie sie an das Geld kämen. Haben
die Dehoust wohl gefragt; Dehoust hat, glaube ich,
ein paar Hundert Euro dazugegeben, aber sie ka-
men auf die Summe nicht. Und daraufhin - - […]
Ja, Entschuldigung, ja klar. Pardon! D-Mark! Wir
haben dann im Amt überlegt - Herr Nocken, Herr
Wießner und ich -, wie wir das machen, und sind
dann zu dem Ergebnis gekommen, dass wir über
die Quelle das Geld ihm zuführen, aber eben so,
dass die Quelle erklären konnte, wie sie an das
Geld rankommt, teilweise mit Dehousts Hilfe, teil-
weise mit Sammlungen usw. Den haben wir dann
langsam das Geld zusammenkratzen lassen, damit
es in der Szene glaubwürdig ist, und dann hat
Kapke dieses Geld bekommen.
Wir wussten aber auch zu dem Zeitpunkt, haben da
aber, muss ich ganz ehrlich sagen, noch nicht so
dran gedacht, dass Kapke - - Der hatte immer
Geldprobleme. Dann hat er das Geld gekriegt, und
dann haben wir gesagt: Jetzt müssen wir abwarten.
Und ich habe dann direkt über den Verbindungs-
beamten des TIM, den Herrn Walentowski, BKA,
Verbindungsbeamter, sofort das in die Wege gelei-
tet, weil das der gleiche Flugweg war, den Kapke
auch genommen hatte da runter. Daher sind wir
auf diesen Weg gekommen. Und dann auf einmal
hieß es: Ja, der Kapke hat das Geld dem Passfäl-
scher gegeben; der ist damit stiften gegangen. Und
Drucksache 17/14600 – 400 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dann kriegte aber später die Quelle raus, dass
Kapke das Geld wohl genommen hat, um seine
Schulden zu begleichen.“3458
cc) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika
am 10. August 1998
Wie bereits im Abschnitt E. II. 9. d) dargestellt, erfolgten
aufgrund der auch hier dargestellten Meldung der Quelle
vom 29. Juli 1998 zwischen dem 6. und 8. August 1998
Maßnahmen zur Überprüfung eines Fluges nach Südafri-
ka unter Mitwirkung des BKA und des LKA Thüringen.
g) Meldungen einer Gewährsperson aus dem
Umfeld von Ralf Wohlleben
aa) Die Meldungen als solche
Zwischen September 1998 und Januar 1999 gingen insge-
samt drei Meldungen einer Gewährsperson ein, die über
das persönliche Umfeld mehrerer Personen aus der
rechtsextremen Szene in Jena, hierbei insbesondere aus
dem Umfeld von Ralf Wohlleben berichtete. Aus den
Akten ergibt sich dabei nicht, dass alle drei Meldungen
von derselben Person stammen.
Die Informationen der Gewährspersonen beinhalteten
dabei keine Hinweise zum Aufenthaltsort des Trios.
Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Meldun-
gen:
– Meldung vom 9. September 1998
Informationen über Wohlleben, H. und Zschäpe
3459
Die Informationen wurden bei drei Treffen am 3.
August, 14. August und 9. September 1998 gewon-
nen. Neben Informationen zu den persönlichen Ver-
hältnissen (Einkommen, Berufstätigkeit) bzgl. Wohl-
leben und H. wurde über Beate Zschäpe mitgeteilt,
dass diese einen „neuen Liebhaber“ habe. Auf Licht-
bildern habe die Person Werner, Starke und L. aus
Chemnitz nicht identifizieren können. Zudem sei die
Person bereit, die Mutter von Uwe Mundlos auf ihrer
Arbeitsstelle zu kontaktieren.
3460
– Meldung vom 6. November 1998
Allgemeine Informationen zu Wohlleben und Kapke,
Mitteilung, dass Wohlleben in der Szene auf Fragen
nach dem Trio stets mit Unwissenheit reagiere.
3461
Aus dem Vermerk geht hervor, dass „seit ca. 14 Ta-
gen bei Besuchen in der Wohnung Wohlleben“
Unterhaltungen über den Verbleib der drei Personen
3458) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 144 f.
3459) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 157.
3460) Vermerk (undatiert) über Mitteilungen eines Informanten, MAT
A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 –GEHEIM), Anlage 2, Bl. 122 ff.
(VS-VERTRAULICH).
3461) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 161.
stattfänden, dass jedoch alle, auch Wohlleben, immer
nur mit Unwissenheit antworteten. Die Fragen wür-
den meist von Conny C. gestellt.
3462
– Meldung vom 15. Januar 1999
Es wird unter anderem mitgeteilt, dass über das Trio
in der Szene nicht gesprochen werde. Wohlleben und
Kapke hätten das Motto ausgegeben: „Keiner wisse
was, keiner sage was!“; alle Szene-Leute hielten sich
daran.
3463
bb) Hinweise zur Identität der Hinweisgeberin
Der Zeuge Wießner hat vor dem Untersuchungsausschuss
die Existenz einer „Nahbeobachterin gegen Wohlleben“,
die man auch als Gewährsperson bezeichnen könne, be-
stätigt – und damit auch, dass es sich um eine Frau han-
delte. Er hat jedoch nicht bestätigt, dass es sich bei dieser
Person auch um die Person handelt, von der die eben
genannten Meldungen stammen.
3464
Aus den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Ak-
ten ergeben sich indirekt Hinweise darauf, dass es sich bei
der von dem Zeugen Wießner genannten Nahbeobachterin
um die damalige Freundin von Ralf Wohlleben, Juliane
W., gehandelt haben könnte.
In einem Umschlag befand sich unter anderem ein hand-
geschriebenes Dokument, auf dem im unteren Bereich die
Worte
„Fall W.3465, Juliane (DN Jule)3466
Spur Chemnitz“
stehen.
3467
Darüber hinaus war in einem weiteren, im
gleichen Umschlag enthaltenen handschriftlich erstellten
Dokument unter der Angabe „Mutter Jule“ eine Telefon-
nummer und die damalige Wohnanschrift der Mutter von
Juliane W. vermerkt.
3468
Zudem waren in dem Umschlag unter anderem drei Quit-
tungen enthalten, die jeweils mit dem Namen „Wießner,
ROAR“ gezeichnet sind und in zwei Fällen Zahlungen
über 200 DM, in einem Fall eine Zahlung über 100 DM
darstellen. Als Betreff ist „Prämie an einen Informanten
im Fall Drilling“ bzw. „Gewährsperson im Fall ,Drilling‘;
3462) Vermerk vom 6. November 1998 über Mitteilungen eines
Informanten, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 145 ff. (VS-VERTRAULICH).
3463) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 162; Vermerk vom
15. Januar 1999 über Mitteilungen eines Informanten, MAT A
TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 2, Bl. 162 ff.
(VS-VERTRAULICH).
3464) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 57.
3465) Name wird im Dokument ausgeschrieben.
3466) Der Buchstabe „D“ ist nicht eindeutig zu erkennen.
3467) Vermerk vom 6. November 1998 über Mitteilungen eines
Informanten, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM),
Anlage 3, Bl. 38l.
3468) Schriftstück (undatiert), MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Anlage 3, Bl. 38.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 401 – Drucksache 17/14600
Prämie“ genannt. Als Ort ist jeweils „Jena“ bzw. „Raum
Jena“ angegeben.3469
Juliane W. hat in ihrer Vernehmung durch das BKA am
24. Januar 2012 im Hinblick auf Kontakte zum Verfas-
sungsschutz nach dem Abtauchen des Trios die folgenden
Angaben gemacht:
„Ich wurde dann in der Folge auch von zwei Män-
nern vom Verfassungsschutz auf der Arbeitsstelle
aufgesucht und auf dem Heimweg angesprochen,
die mich hinsichtlich der Drei befragten. Ich teilte
diesen bereits damals mit, dass ich nicht weiß, wo
die Drei sich aufhalten. Sie gaben mir sogar mehr-
fach Geld, damit ich mich kundig mache bzw.
rausbekomme wo sie sich aufhalten. Da ich nicht
weiterhelfen konnte hat sich der Kontakt dann er-
ledigt. Wie bereits gesagt habe ich den Ralf dahin-
gehend mehrmals angesprochen, wobei ich immer
die gleiche Antwort bekam, dass er keinen Kontakt
zu den Dreien hat und nicht weiß wo sie sind.“3470
h) Hinweise des Brandenburger V-Mannes
Piatto auf das Trio im Zeitraum August bis
Oktober 1998
Im Zeitraum August bis Oktober 1998 erhielt der Verfas-
sungsschutz Brandenburg über den V-Mann Piatto
3471
mehrere Meldungen, die einen Bezug zum Trio hatten. Im
Rahmen dieser Meldungen kam es Mitte September 1998
zu Besprechungen im Innenministerium Brandenburg, an
denen auch Mitarbeiter des LfV Thüringen und des LfV
Sachsen teilnahmen. Unklar ist, inwiefern das LfV Thü-
ringen die in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen
Informationen an das LKA Thüringen weitergab.
aa) Darstellung im Schäfer-Gutachten
Im Schäfer-Gutachten werden – wie sich der unter E. III.
5. dargestellten Chronologie entnehmen lässt – unter den
Daten 2., 14. und 18. September und 2. und 14. Oktober
1998 die einzelnen Meldungen dargestellt, die dem LfV
Thüringen durch den Verfassungsschutz Brandenburg
zugingen. Zudem wird dargestellt, dass eine Mitteilung in
Bezug auf diese Meldungen an den damaligen Präsiden-
ten des LKA erfolgt sei und dass unklar sei, weshalb
dieser die Meldung hausintern nicht weitergeleitet ha-
be.
3472
3469) Quittungen vom 14. August 1998, 18. August 1998 und
9. September 1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Anlage 3, Bl. 38t und Bl. 38u.
3470) Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Juliane W. durch
das BKA vom 24. Januar 2012, MAT A BY-14/1d, Bl. 210 ff.
(213).
3471) Allgemein zum V-Mann Piatto (Carsten Szepanski) siehe
bereits oben im Abschnitt D. III. 1.
3472) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 157 - 160.
bb) Die Meldungen des V-Mannes Piatto im
Einzelnen
Im Zeitraum August bis Oktober 1998 lieferte der V-
Mann Piatto die folgenden Meldungen, die Bezug zum
Trio hatten:
aaa) Deckblattmeldung vom 19. August 1998
Die Deckblattmeldung vom 19. August 1998 (Nr.
124/98)
3473
lautete auszugsweise:
„Laut Antje P. sind drei sächsische Skinheads
(zwei Männer und eine Frau) zur Zeit wegen ver-
schiedener Straftaten auf der Flucht. Dieser Fall
sei medienbekannt. Die drei, von denen einer ano-
nym Artikel für die Publikation White Supremacy
geschrieben habe, wollen sich angeblich innerhalb
der nächsten drei Wochen mit ‚geliehenen Pässen’
nach Südafrika absetzen und dort in neue Identitä-
ten schlüpfen.“
Das Treffen mit dem V-Mann war durch den Zeugen
Meyer-Plath gemeinsam mit dem Zeugen R. G. wahrge-
nommen worden. Der Zeuge Meyer-Plath hat in Bezug
auf das Treffen bekundet:
„Diese Informationen, Herr Vorsitzender, meine
Damen und Herren Abgeordnete, verbuchten wir
in der Meldung unter ‚Verschiedenes‘. Der Sach-
verhalt sagte uns damals gar nichts. Wir hatten das
nicht auf dem Radar.“3474,
sowie:
„Der erste Hinweis – wie ich in meinem Eingangs-
statement geschildert habe – kam mehr oder weni-
ger, nein, er kam aus heiterem Himmel für uns
beide Brandenburger Beschaffer, die diesen Hin-
weis entgegengenommen haben. Wir haben ihn
deshalb ja auch unter ‚Verschiedenes‘ eingruppiert
in der Hoffnung, dass die ‚Auswertung‘ das dann
einordnen kann. Also, er hat völlig von sich aus
über diesen Personenkreis berichtet, der ihm ja of-
fensichtlich auch nicht bekannt war. Für ihn waren
es zu Beginn ja sächsische Skinheads, die unterge-
taucht waren.“3475
bbb) Deckblattmeldung vom 9. September 1998:
Die Deckblattmeldung vom 9. September 1998
3476
(Nr.
140/98) lautete auszugsweise
3477
:
„Einen persönlichen Kontakt zu den drei Skin-
heads (siehe Deckblattmeldung vom 19.08.1998)
3473) Deckblattmeldung vom 19. August 1998, MAT A BB-1, S. 25
ff. (30).
3474) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.
3475) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 21.
3476) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.
3477) Deckblattmeldung vom 9. September 1998, MAT A BB-1, S.
32 ff. (36).
Drucksache 17/14600 – 402 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
soll Jan Werner haben. Jan Werner soll zur Zeit
den Auftrag haben, ‚die drei Skinheads mit Waffen
zu versorgen‘. Gelder für diese Beschaffungsmaß-
nahmen soll die ‚Blood & Honour‘-Sektion Sach-
sen bereitgestellt haben. Die Gelder stammen aus
Einnahmen aus Konzerten und dem CD-Verkauf.
Vor ihrer beabsichtigten Flucht nach Südafrika soll
das Trio einen weiteren Überfall nach dem Erhalt
der Waffen planen, um mit dem Geld sofort
Deutschland verlassen zu können. Der weiblichen
Person des Trios will Antje P. ihren Pass zur Ver-
fügung stellen. P. und Werner sollen unabhängig
voneinander und ohne Wissen des anderen für die
drei tätig sein.“
Auch dieses Treffen, bei dem Piatto die dieser Meldung
zu Grunde liegenden Angaben machte, nahmen die Zeu-
gen Meyer-Plath und R. G. gemeinsam wahr.
Zu der Herkunft der Informationen hat der Zeuge Meyer-
Plath bekundet:
„Herr Abgeordneter, ich habe da keine persönli-
chen Erinnerung mehr an diese Gespräche. Aber es
spricht dafür, dass er klar gesagt hat: ‚Das habe ich
einerseits von ihm‘, also von Jan Werner, und un-
abhängig davon, auch durch Gespräche mit Antje
P.‘“3478
Mit Jan Werner und Antje P. habe Carsten Szczepanski
schon lange Kontakt gehabt:
„Er hatte eine Vielzahl von Kontakten zu Rechts-
extremisten bundesweit, die ihn insbesondere auch
in der Haft unterstützt haben, und zu denen gehör-
ten schon in den Jahren 94 Rechtsextremisten aus
dem Raum Chemnitz/Limbach-Oberfrohna, insbe-
sondere auch die Personen Jan Werner, Antje P.,
Michael P.“3479
ccc) Deckblattmeldung vom 16. September
1998
Die Deckblattmeldung vom 16. September 1998 (Nr.
142/98)
3480
lautete auszugsweise:
„Ein Angehöriger des ‚Sächsischen Skinhead-
Trios‘ hat den Artikel auf Seite 26 der Publikation
‚White Supremacy‘ verfasst.“
Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass das dieser
Meldung zu Grunde liegende Treffen mit Carsten
Szepanski durch den Zeugen R. G. allein wahrgenommen
wurde.
3478) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 49.
3479) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 22.
3480) Deckblattmeldung vom 16. September 1998, MAT A BB-1, S.
38 ff. (42).
ddd) Deckblattmeldung vom 29. September
1998
Die Deckblattmeldung vom 29. September 1998 (Nr.
150/98)
3481
lautete auszugsweise:
„Am Rande des Konzerts erfuhr die Quelle, dass
Jan Werner bei seinen Versuchen, die drei flüchti-
gen Neonazis aus Thüringen mit Waffen zu ver-
sorgen, noch nicht erfolgreich war und die Suche
fortsetzt.“
eee) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998
Die Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998 (Nr.
158/98)
3482
lautete auszugsweise wie folgt:
„Gesprächsweise konnte die Quelle von Werner
erfahren, dass dieser immer noch auf der Suche
nach Waffen für die drei flüchtigen thüringischen
Neonazis ist.“
Dieser Meldung vorausgegangen war ein Treffen, was
nach Aussage des Zeugen Meyer-Plath am 9. Oktober
1998 stattfand. Den Akten sei, so der Zeuge Meyer-Plath,
bezüglich dieses Treffens Folgendes zu entnehmen:
„Die Quelle erhielt den Auftrag, die weitere Ent-
wicklung der ‚Blood & Honour‘-Spaltung zu ver-
folgen. Darüber hinaus erhielt sie erneut den Auf-
trag, Erkenntnisse zu den drei flüchtigen Thüringer
Neonazis zu beschaffen. Aus diesen beiden Grün-
den wird die Quelle am Wochenende nach Chem-
nitz und Dresden reisen.“3483
Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu weiter bekundet:
„Das war also jetzt nicht: ‚Sollte dir ein Dritter da-
von erzählen, hör nicht zu!‘, sondern: Nutze alle
Gesprächskontakte, die du hast. Wenn dann noch
mehrere dazukommen – gerne, aber natürlich auch
die, die schon vorher offensichtlich bereit gewesen
sind – aus welchen Gründen und ob wahrheitsge-
mäß oder nicht –, solche Informationen zu ge-
ben.“3484
cc) Besprechung in Potsdam bezüglich des
weiteren Umgangs mit der Information am
15. oder 16. September 1998
Am 15. oder 16. September 1998 fand im Innenministeri-
um in Potsdam im Hinblick auf die Quellenmeldung Nr.
140/98 eine Besprechung statt.
3485
Über das Gespräch
existiert ein Vermerk, der das Datum 17. September 1998
trägt und der durch einen Teilnehmer aus dem LfV Sach-
3481) Deckblattmeldung vom 29. September 1998, MAT A BB-1, S.
44 ff. (49).
3482) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998, MAT A BB-1, S. 52
ff. (56).
3483) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 7.
3484) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 49.
3485) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 158.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 403 – Drucksache 17/14600
sen angefertigt wurde.
3486
Der Vermerk vom
17. September 1998, der sich nach Aussage des Zeugen
Meyer-Plath seit dem 22. November 2011 auch in den
Akten des Verfassungsschutzes Brandenburg befände, sei
kein
„abgestimmtes Protokoll, sondern ein Vermerk ei-
nes Mitarbeiters des sächsischen Verfassungs-
schutzes. In diesem Vermerk ist festgehalten, dass
über die Frage, wie die Informationen von
Szczepanski zu den drei flüchtigen Personen an die
Thüringer Polizei übermittelt werden können, be-
raten wurde und dass darüber eine Vorgehenswei-
se abgestimmt wurde.“3487
aaa) Anlass und Datum der Besprechung
Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf den Anlass der
Besprechung geschildert:
„Wir haben zunächst diese Deckblattmeldung auf
dem Postweg bekommen – von Brandenburg, mei-
ne ich, wäre das so gewesen – und wollten dann
mit Brandenburg telefonisch klarkommen, dass
wir das weitergeben können. Das haben die
Brandenburger vehement abgelehnt. Dann haben
wir noch mit Sachsen Verbindung aufgenommen
und haben dann von uns aus vorgeschlagen, dass
wir darüber eine Besprechung führen, damit wir
diese Meldung weitergeben können, und sind dann
meines Wissens erst nach Potsdam gefahren, ha-
ben dann darüber gesprochen. Und es muss auch
bei uns in den Akten einen Vermerk geben; denn
ich weiß, ich habe damals noch einen Vermerk ge-
fertigt, etwa mit dem – – ungefähr sinngemäß, dass
also wir entgegen der Meinung der Brandenburger
trotzdem diese Meldung an die Polizei weiterge-
ben. Das muss irgendwo in den Akten stehen.“3488
Der Zeuge Tüshaus vom LfV Sachsen, der an dem Ge-
spräch selbst nicht beteiligt war, hat im Hinblick auf das
Datum des Gesprächs und auf die Tatsache, dass der
Vermerk über das Gespräch das Datum vom
17. September 1998 trage, bekundet:
„Dieses Gespräch wird in dem Vermerk mit dem
17. September datiert, was ich allerdings jetzt im
Nachhinein für unwahrscheinlich halte; der Ver-
merk selbst datiert vom 17., und die Chronologie
lässt sich eigentlich nur logisch dann erschließen,
wenn man das erste Gespräch auf den 16. legt.“3489
3486) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.
78/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 20 – 21b (Doku-
ment selbst ist VS-VERTRAULICH).
3487) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6 f.
3488) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 161 f.
3489) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8.
An der Besprechung in Potsdam nahmen vom LfV Thü-
ringen die Zeugen Nocken und Schrader teil.
3490
bbb) Teilnahme von Vertretern des BfV an dem
Gespräch
Eine Teilnahme des BfV sei nach Angaben der Zeugin
Dobersalzka wegen einer kurzfristigen Verlegung des
Besprechungsortes nicht möglich gewesen.
3491
Die Zeugin
Dobersalzka war in den Jahren 1998 bis 2006 zuständige
Referatsleiterin im BfV für den Bereich „Rechtsterroris-
mus.“3492 Dieses Referat war zuständig für die Suche nach
dem untergetauchten Trio.
3493
Die Zeugin hat ausgesagt,
dass die Besprechung zunächst in Thüringen habe statt-
finden sollen, was naheliegend gewesen sei.
3494
Sehr
kurzfristig sei die Besprechung aber nach Potsdam verlegt
worden, so dass ihre Vertreterin, die bereits auf dem Weg
nach Thüringen gewesen sei, nicht mehr habe teilnehmen
können.
3495
Wer an der Besprechung teilgenommen habe,
entziehe sich ihrer Kenntnis.
3496
Sie habe von der Bespre-
chung, obwohl es an diesem Tag zugesagt worden sei,
kein Protokoll erhalten.
3497
Auch in den dem Ausschuss
übersandten Akten des BfV findet sich kein entsprechen-
der Hinweis.
Auch der Zeuge Kippenborck (Sachbearbeiter im Referat
„Rechtsterrorismus“ des BfV) hat ausgesagt, nach seinem
Kenntnisstand habe seitens des BfV deshalb niemand an
dieser Besprechung teilgenommen, weil der Ort des Tref-
fens kurzfristig verlegt worden sei.
3498
Dass eine Sitzung
so kurzfristig verlegt werde, dass ein Vertreter des BfV
nicht mehr teilnehmen könne, sei ein ungewöhnlicher
Vorgang.
3499
ccc) Inhalt der Besprechung
In der Besprechung ging es darum, in welcher Form die
Deckblattmeldung Nr. 140/98 für die Fahndung nutzbar
gemacht werden kann.
In dem Vermerk vom 17. September 1998 heißt es hier-
zu
3500
:
3490) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 51, Schrader, Protokoll-Nr. 53;
S. 137.
3491) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).
3492) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4 (nichtöffentlich).
3493) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4 f. (nichtöffentlich);
Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 11 f.
3494) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 28 (nichtöffentlich).
3495) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).
3496) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).
3497) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).
3498) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 44 (nichtöffentlich).
3499) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 47 (nichtöffentlich).
3500) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.
78/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 20 – 21b (Doku-
ment selbst ist VS-VERTRAULICH).
Drucksache 17/14600 – 404 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Ziel der Beratung war es, Maßnahmen festzule-
gen, die den Nachrichtengeber (Quelle BB) nicht
gefährden.“
Im Hinblick auf die erfolgten Festlegungen heißt es in
dem Vermerk weiter unter anderem:
„1. IM Brandenburg ist grundsätzlich nicht bereit,
die Quellenmeldung als solches für die Polizei
freizugeben.
2. Ggf. Erstellung eines Behördenzeugnisses
durch BfV, da Unterstützung von dort zuge-
sagt.
3. LfV Thüringen informiert ohne Nennung der
Herkunft der Information das LKA Thüringen
über den Sachverhalt – Behandlung der Hin-
weise mit hoher Sensibilität wird vorausge-
setzt.“
Der Zeuge Boos hat bezüglich der Besprechung und ihres
Ergebnisses bekundet:
„Die Phase zwei beginnt mit der Meldung aus dem
LfV Brandenburg vom 14.09., dass Jan Werner
den Auftrag gehabt haben soll, Waffen zu beschaf-
fen, damit mit den Waffen weitere Überfälle be-
gangen werden können und damit die drei Flüchti-
gen aus der Beute der Überfälle dann auch nach
Südafrika fliegen könnten. Antje P., ebenfalls eine
bekannte Rechtsextremistin aus Sachsen, aus dem
‚Blood & Honour‘- und dem Jan-Werner-Umfeld,
wolle der Zschäpe einen Pass zur Verfügung stel-
len.
Diese Information ist von Brandenburg an das LfV
Sachsen, an das LfV Thüringen und auch an das
BfV gegeben worden. Sie führte dazu, dass jetzt
das LfV Sachsen sich aktiv mit einbrachte, und es
wurde eine gemeinsame Besprechung der beteilig-
ten Verfassungsschutzbehörden durchgeführt. Ziel
war es, über die Weitergabe der Information an die
Polizei zu beraten. Das war natürlich das vorran-
gigste aller Ziele, das jetzt anstand.
Dazu war es natürlich erforderlich, dass die nach-
richtengebende Stelle oder der Nachrichteneigner,
also das LfV Brandenburg, auch dafür seine Zu-
stimmung erteilt. Anderenfalls war eine Weiterga-
be nicht zulässig.
Dieses Ergebnis der Besprechung war, dass das
LfV Brandenburg einer schriftlichen Weitergabe
dieser Meldung nicht zugestimmt hat. Das LfV
Brandenburg hat aber gesagt, die Meldung kann
ohne Angabe der Herkunft der Meldung und nicht
schriftlich, also mündlich, weitergegeben werden
an das LKA Thüringen.
Das war eine Angelegenheit jetzt zwischen dem
LfV Brandenburg als nachrichtengebende Stelle,
LfV Thüringen als nachrichtenweitergebende Stel-
le und dann letztendlich zum LKA Thüringen als
empfangende Stelle. Das LfV Sachsen hatte inso-
fern keine aktive Rolle.“3501
Der Zeuge Vahrenhold hat hierzu bekundet:
„Also Brandenburg hat eine klare Linie gefahren.
Die haben gesagt: Das LfV Thüringen darf infor-
mell das LKA Thüringen informieren. - Das wurde
in Richtung Thüringen gesagt, nicht in Richtung
Sachsen. Eine schriftliche Information wurde da-
mals verweigert.“3502
Der Zeuge Schrader hat ausgeführt, der Verfassungs-
schutz Brandenburg habe die Meldung nicht freigeben
wollen:
„Wir haben ja mit den Brandenburgern einen rich-
tigen Disput gehabt, weil die Brandenburger sag-
ten: Wir geben diese Meldungen nicht frei. Wir
geben sie nicht frei.“3503
Auch die Vertreter aus dem LfV Sachsen hätten in der
Besprechung in Potsdam zunächst die Meinung vertreten,
„dass man das weitergeben muss; aber für die
stellte sich die Frage nicht, weil es hier um Thü-
ringer ging.“3504
Der Zeuge Nocken hat ebenfalls angegeben, eine förmli-
che Weiterleitung der Meldung habe die quellenführende
Dienststelle strikt untersagt.
3505
„Wir haben mehrfach das Landesamt befragt, ob
wir diese Meldung weitergeben können. Man hat
uns mehrfach gesagt, nein, das ginge nicht. Dann
ist es nicht in meiner Macht, zu sagen: Es geht
doch.“3506
Ein leitender Beamter der Brandenburger Verfassungs-
schutzbehörde, so Nocken, habe dem LfV Thüringen
„einen Maulkorb verpasst“.3507
Der Zeuge Tüshaus hat bekundet, dass zunächst noch im
Raum gestanden habe, dass durch das BfV ein Behörden-
zeugnis über die Meldung ausgestellt werde, wodurch
auch eine schriftliche Weitergabe der Meldung möglich
gewesen wäre. Später habe das LfV Brandenburg jedoch
in dieser Hinsicht sein Einverständnis verweigert. Kon-
kret hat Tüshaus bekundet:
„Eine Idee war: Wir machen das neutral; das BfV,
das die Meldung auch hat, sagt: ‚Uns ist dienstlich
bekannt geworden, dass’, und dann wird der Sach-
verhalt neutral geschildert. […] Das hätten wir
auch machen können. Dann hätten wir allerdings
natürlich eine mehr oder weniger falsche Spur ge-
legt. Ich weiß nicht, ob das so ganz korrekt gewe-
3501) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90 f.
3502) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 79 f.
3503) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 137.
3504) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 137.
3505) Nocken, Protokoll Nr. 49, S. 121.
3506) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.
3507) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 19.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 405 – Drucksache 17/14600
sen wäre. Das BfV hat, so der Vermerk, angebo-
ten, so etwas zu machen. Das ist in dem ersten Teil
über das erste Gespräch so festgehalten worden.
Im zweiten Teil, also am 21. September, habe ich
dann festgehalten: Das will das quellenführende
Land nicht mehr.“3508
Am 21. September 1998 habe es, so Tüshaus, ein vermut-
lich telefonisches weiteres Gespräch gegeben. Der hierü-
ber verfasste handschriftliche Vermerk stamme von
ihm.
3509
In dem handschriftlichen Vermerk heißt es zu der
Weitergabe der Quelleninformation:
„Brandenburg hält die Forderung nach Quellen-
schutz aufrecht, die Meldung darf nicht in einer
Weise verwertet werden, die ggf. eine Offenba-
rung nach außen nach sich zieht.“3510
Der Zeuge R. G., seinerzeit einer der V-Mann-Führer der
Quelle Piatto hat bekundet, er erinnere sich nicht an das
Treffen im Innenministerium Brandenburg:
„Null Erinnerung, und ich kann Ihnen nichts sa-
gen. Das kann da so stehen. Ich habe - - Ich kenne
diese Besprechung nicht. Ich habe daran keine Er-
innerung, und das müssen Sie mir so abnehmen.
Ich weiß es nicht.“3511
Aus dem Vermerk vom 17. September 1998 geht hervor,
dass eine Person an dem Treffen teilnahm, die den Nach-
namen von R. G. trug.
3512
Der Zeuge Meyer-Plath hat angegeben, an der Bespre-
chung nicht teilgenommen zu haben.
3513
Darüber hinaus
hat er im Hinblick auf den Vermerk, der auf den 17. Sep-
tember 1998 datiert, bekundet:
„Aus dem Vermerk vom 17.09. - ich kann die ge-
nauen Beweggründe jetzt der einzelnen handeln-
den Akteure nicht nachvollziehen; ich war nicht
dabei - geht der Geist hervor, es ginge um die Fra-
ge des Wie man diese Informationen weitergibt,
nicht des Ob. Das heißt, das war offenbar davon
geprägt, zu sagen: Wir haben eine brisante Infor-
mation, die unbedingt die Polizei erreichen muss,
wir brauchen aber einen Weg, der - und das wird
aus dem Vermerk deutlich - es möglich macht, die
Quelle weiterzuführen.“3514
Allgemein in Bezug auf die damalige Arbeitsweise hat
der Zeuge Meyer-Plath bekundet, was ihm nach Kennt-
3508) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 9 f.
3509) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 9.
3510) Handschriftlicher Zusatz zum Vermerk vom 17. September
1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr. 78/12 – GEHEIM), Ordner 1,
Anlage 4, Bl. 21 (Dokument selbst ist VS-VERTRAULICH).
3511) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 16.
3512) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.
78/12 –GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 20 f. (Dokument
selbst ist VS-VERTRAULICH).
3513) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 7.
3514) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 64.
nisnahme des aus den 17. September 1998 datierenden
Vermerks im November 2011 aufgefallen sei:
„Da sind mir sofort vier Dinge aufgefallen, die
heute Standard wären im Verfassungsschutz, die
damals offensichtlich in dieser Form nicht beachtet
wurden. Das Erste ist: Wo war das Bundesamt für
Verfassungsschutz? Immerhin ging es bei diesem
Sachverhalt um Flucht ins Ausland - eine originäre
Zuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz, wenn es um Auslandsbezüge von Extre-
misten geht. Das Zweite ist: Wo war die abge-
stimmte Protokollierung? Bei einem Sachverhalt
einer solchen Brisanz wäre es aus meiner Sicht
oder ist es heute absolut State of the Art, zu sagen:
Wir müssen ein Protokoll der gemeinsamen Vor-
gehensweise abstimmen. Was mir ebenfalls fehlt,
ist die Frage: Welche zukünftigen Meilensteine
setzen wir uns? Das, was dort verabredet ist: gu-
cken, ob es funktioniert; aber spätestens an dem
und dem Tag kommen wir wieder zusammen und
gucken, ob uns das jetzt weitergebracht hat oder
nicht. Und die vierte Frage: Spätestens bei diesem
nächsten Treffen wäre aus meiner Sicht in Form
eines Infoboards, so wie das heute gewährleistet
ist, eben auch die Einbindung der Polizei Thürin-
gens und Sachsens notwendig gewesen. Das fällt
an diesem Schriftstück auf. Man sieht daran, dass
wir 15 Jahre weiter sind im Sicherheitsverbund
Verfassungsschutz und Polizei, dass heute völlig
anders gearbeitet würde, als das damals der Fall
war. Das ist auch etwas, wenn Sie mich fragen,
Frau Vizepräsidentin: Was hätten Sie anders ge-
macht? - Spätestens bei der Frage, als ich - - Ich
weiß nicht mehr genau, warum ich an dieser Be-
sprechung nicht teilgenommen habe. Aber als ich
dann wieder in den Dienst kam - - gehe ich davon
aus, dass mich meine Kollegen unterrichtet haben,
gesagt haben: So und so, das war jetzt passiert, das
ist hier verhandelt worden, und so und so ist das
Weitergehen. Dass ich diese vier Punkte hätte an-
mahnen müssen und sagen müssen: Das kann es
aber jetzt nicht gewesen sein. Wir mögen als
Brandenburger aus dieser Veranstaltung rausge-
gangen sein mit dem Gefühl: Das läuft. - - Aber
nachzuhaken, spätestens nach ein paar Tagen und
Wochen, und zu sagen: Haben wir das jetzt im
Griff, ist das bei der Polizei so angekommen, dass
da auch gehandelt werden kann? - Das ist etwas,
was ich mir vorwerfe und mir wahrscheinlich bis
zum Lebensende vorwerfen muss. Ob es dann ge-
reicht hätte, weiß ich nicht. Aber das ist aus meiner
Sicht ein ganz entscheidender Punkt.“3515
3515) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 40.
Drucksache 17/14600 – 406 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dd) Weitergabe der Meldung durch Vertreter
des LfV Thüringen an das LKA Thüringen?
Im Hinblick auf die Weitergabe der Meldung widerspre-
chen sich die Aussagen der Zeugen aus dem LfV Thürin-
gen und aus dem LKA Thüringen.
Der Zeuge Schrader hat erklärt, dass das LfV Thüringen
mit den Ermittlern selbst nicht über diese Quellenmel-
dung bezüglich einer Bewaffnung des Trios gesprochen
habe.
3516
Die Zeugen Nocken und Schrader haben vor dem Unter-
suchungsausschuss übereinstimmend erklärt, sie hätten
die Meldung über eine Bewaffnung des Trios dem Präsi-
denten des LKA, Herrn Luthardt, zukommen lassen.
Die Zeugen Nocken und Schrader haben angegeben, sie
seien gemeinsam noch am Abend der Unterredung nach
Erfurt ins Landeskriminalamt gefahren, um Herrn
Luthardt diesen Sachverhalt vorzutragen.
3517
In einem
anderen Teil seiner Vernehmung hat der Zeuge Nocken
ausgesagt, man sei „nach der Tagung oder nach dem Tag
der Zusammenkunft“ beim LKA-Chef gewesen.3518
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt:
„Wir sind extra abends, weil wir nicht wussten,
wie wir diese Meldung anders rüberbringen soll-
ten - - Sie war uns einfach zu heiß, um sie auf der
Arbeitsebene rauszuplaudern, und darum sind wir
extra abends hingefahren zu Luthardt und haben
ihm das gesagt.
3519
Der Zeuge Nocken hat dargelegt, die von der anderen
Landesbehörde eigentlich strikt untersagte Weitergabe sei
dennoch erfolgt und zwar mündlich an den Präsidenten
des LKA in einem vertraulichen Gespräch.
3520
„Wir haben es trotzdem getan, nicht dokumentiert,
aber auf mündliche Art und Weise dem Präsiden-
ten des LKA in einem vertraulichen Gespräch - -
Richtig, wir dachten, das ist die korrekt- - die ein-
zig vernünftige Art und Weise, damit um-
zugehen.“3521
„Wir sind nach der Besprechung, meine ich, direkt
noch abends ins Landeskriminalamt gefahren und
haben den Herrn Luthardt diesen Sachverhalt vor-
getragen, haben gesagt: Wir können es dir eigent-
lich gar nicht sagen; denn Brandenburg sagt Nein,
und zwar ausdrücklich Nein. Wir tun es aber trotz-
dem.“3522
3516) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 125.
3517) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126; Nocken, Protokoll-Nr. 53,
S. 3, S. 18.
3518) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 53.
3519) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.
3520) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.
3521) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.
3522) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18.
Die Meldung sei in „geeigneter Form“ dem Präsidenten
des LKA vorgetragen worden.
3523
„In geeigneter Form“
bedeute:
„ […] wir haben es ihm mündlich vorgetragen, oh-
ne dass er einen schriftlichen Vermerk davon ge-
kriegt hat. […] Die geeignete Form ist das Münd-
liche.“3524
Der Zeuge Nocken hat die Informationsweitergabe in
diesem Fall als „unverantwortlich offen“ bezeichnet.3525
Es wäre
„eigentlich unsere Pflicht gewesen, sie für uns zu
behalten.“3526
„Es ist kein Affront gegenüber diesem Land. Aber
wenn dieses Landesamt strikt um Quellenschutz
bittet und den Quellenschutz in den Vordergrund
stellt, dann ist es sehr schwierig für uns, einfach
diesen Quellenschutz zu missachten und diese
Meldung an die Polizei weiterzugeben; denn da
wird auch die Quelle des Landesamtes extrem ge-
fährdet.“3527
Der Zeuge Schrader hat ausgeschlossen, dass bei dieser
mündlichen Unterrichtung nur der Aspekt „Antje
P./Chemnitz“ erwähnt worden und der Aspekt „Waffen“
weggefallen sei. Er hat ausgesagt:
„Nein, das kann nicht sein, weil es ja nur um diese
Waffen ging - in erster Linie.“3528
Ob auch der weitere Aspekt der Meldung – Flucht nach
Südafrika – bei dieser Unterrichtung detailliert angespro-
chen worden sei, könne er nicht sagen.
3529
Der Zeuge Nocken hat angegeben, dass sämtliche der in
der Meldung enthaltenen Informationen – geplanter Über-
fall, Warten auf Waffen sowie Pläne, sich nach Südafrika
abzusetzen – bei der Besprechung angesprochen worden
seien. Er und Herr Schrader hätten das, was bei der Be-
sprechung angesprochen worden sei, auch dem Präsiden-
ten des LKA mitgeteilt.
3530
Auf Nachfrage zum konkreten
Inhalt der Mitteilung hat er einschränkend geäußert:
„Jetzt kann ich Ihnen nicht mehr genau sagen,
welche Einzelheiten ich da gesagt habe.“3531
Auf die Frage, ob das LfV Thüringen Herrn Luthardt
untersagt habe, die Meldung bezüglich einer Bewaffnung
an die Fahndung weiterzugeben, hat der Zeuge Schrader
geantwortet:
3523) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 40.
3524) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 40.
3525) Nocken, Protokoll Nr. 49, S. 121.
3526) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.
3527) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 3.
3528) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 137.
3529) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.
3530) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 53.
3531) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 40.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 407 – Drucksache 17/14600
„Nein, das haben wir so nicht gesagt. Wir haben
Herrn Luthardt nur gesagt, er möge mit dieser In-
formation vorsichtig sein. Wir hätten das auf unse-
re Kappe genommen, das zu sagen, damit Leute,
wenn Leute an die drei rangingen, damit rechnen
müssten, dass sie im Besitz von Waffen seien, aus
Eigenschutzgründen.“3532
Auf Nachfrage, ob man Herrn Luthardt die Meldung
mitgeteilt habe mit der Bitte, dass sie nicht aktenkundig
werde, hat der Zeuge Nocken geantwortet:
„Man sagt: in geeigneter Form.- Richtig.3533
Der damalige kommissarische Leiter des LKA Thüringen,
der Zeuge Luthardt hat auf den Vorhalt, dass im Schäfer-
Gutachten dargestellt sei, dass der Präsident des LKA
seinerzeit über das Gespräch in Brandenburg persönlich
unterrichtet worden sei, bekundet:
„Erst mal: Ich habe lange überlegt. Ich habe den
Schäfer-Bericht ja auch ausführlich gelesen. Ich
kriege das nicht auf die Reihe, diese Aussage dort,
weil an so ein Gespräch hätte ich mich erinnert.
Also, ganz verkalkt bin ich noch nicht, auch wenn
ich schon etwas älter bin. Wie ich mich kenne, von
meiner Persönlichkeit, wüsste ich, wie ich reagie-
re. Und da ich nicht reagiert habe, gehe ich davon
aus, dass ich nicht gemeint bin. Es ist natürlich so:
Man hat oftmals den Namen „Präsident LKA“ -
das ist heute auch üblich -, obwohl dann vielleicht
ein Abteilungsleiter oder ein Dezernatsleiter das
gemacht hat.
Ich habe auch die Zeitabläufe mal rekon-struiert,
wo ich da war. Ich war gar nicht an-wesend, so-
dass es woanders aufgelaufen sein muss. Und ich
finde nicht, wo es aufgelaufen ist. Ich hatte ja da-
mals den Abteilungsleiter 1, später 6, Peter Wer-
ner, mit den Operativmaßnahmen beauftragt ge-
habt, weil ich nicht rumkam. Er kann sich aber
auch nicht, oder: konnte sich auch nicht erinnern
an so ein Gespräch. Das ist also äußerst schwierig,
das jetzt nachzuvollziehen. Mehr kann ich wirklich
nicht sagen. Wenn ich es wüsste, würde ich es Ih-
nen sagen.
Das andere, was Herrn Wunderlich angeht, noch
mal mit den Waffen hier, und auch Gespräch: Das
waren Vermutungen, das war ein - ich sage es mal
- Bauchgefühl. Das war eine reine präventive Sa-
che. Weil ich immer sage: Man muss auch über
solche Sachen reden, nicht, dass tatsächlich etwas
dran ist, und hinterher eskaliert die Lage. Also, da
war ich sicher sehr offen, aber es gab nichts Kon-
kretes.
Und wenn wir gewusst hätten - das sage ich auch;
auch da hätte ich eine andere Schlussfolgerung ge-
zogen -, dass Waffen eine Rolle gespielt hätten -
3532) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.
3533) Nocken, Protokoll Nr. 53, S. 18.
also, das können Sie wirklich glauben; und wenn
wir zehn andere Vorgänge in die Ecke geschmis-
sen hätten -: Da hätten wir aber - ich sage es mal -
Priorität eins, drei Sterne geschossen und hätten
das gemacht. Das wussten wir aber nicht. Deswe-
gen haben wir es auch nicht gemacht.“3534
Der damalige Leiter der Zielfahndung des LKA, der Zeu-
ge Wunderlich, hat vor dem Untersuchungsausschuss
verneint, über die Versuche des Trios, Waffen zu beschaf-
fen, unterrichtet worden zu sein. Er hat bekundet:
„Nein, weil dann wären wir auch - - Logischer
Schluss: Wir wären gar nicht mehr alleine los und
hätten Ermittlungen durchgeführt. Wir hätten ein
Spezialeinsatzkommando dabeigehabt.“3535
„Wir hatten keine Kenntnis von dem Sachstand
unseres polizeilichen Gegenübers. Das ist rich-
tig.“3536
Auch den Akten des LKA Thüringen konnte kein Hinweis
darauf entnommen werden, dass diesem die Meldung
„dienstlich bekannt“ sei.
Auf Vorhalt, dass der damalige Präsident des LKA,
Luthardt, vor dem Untersuchungsausschuss angegeben
habe, an die Unterrichtung keine Erinnerung zu haben, hat
der Zeuge Schrader erklärt:
Wenn er sich daran nicht erinnert - ich kann Ihnen
jetzt nicht sagen, warum. Ich will ihm auch gar
nichts unterstellen, aber ich bleibe dabei -„3537
Auch der Zeuge Nocken hat angegeben, er könne nicht
beurteilen, warum Herr Luthardt keine Erinnerung an die
Meldung habe.
3538
Auch in dem schon erwähnten Vermerk vom
17. September 1998 ist vermerkt, dass eine „Besprechung
mit dem Präsidenten des LKA TH“ erfolgt sei. Dieser
habe für die Umsetzung der Maßnahmen einen schriftli-
chen Bericht gefordert, „um beim Amtsrichter Beschlüsse
für TÜ und Observation zu beantragen.“3539
ee) Suchmaßnahmen im zeitlichen Zusam-
menhang mit den Meldungen des V-
Mannes Piatto
aaa) Maßnahmen des LKA Thüringen
Die im Rahmen der Fahndung nach dem Trio durchge-
führten Maßnahmen des LKA Thüringen zwischen Au-
gust und Oktober 1998 in Bezug auf Jan Werner und
3534) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 109.
3535) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 21.
3536) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 22.
3537) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.
3538) Nocken, Protokoll Nr. 53, S. 4.
3539) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.
78/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 21 (Dokument
selbst ist VS-VERTRAULICH).
Drucksache 17/14600 – 408 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Antje und Michael P. sind im Abschnitt E. II. 9. a) darge-
stellt worden.
Die gegen Jan Werner erfolgte TKÜ-Maßnahme war
bereits vor Eingang der ersten Meldung des V-Mannes
Piatto eingeleitet worden. In einem Schreiben des LKA
Thüringen an das LfV Thüringen vom 15. September
1998, in dem diese TKÜ-Maßnahme mitgeteilt wird, wird
nicht erwähnt, dass Jan Werner beauftragt wäre, Waffen
zu organisieren.
3540
Die gegen Antje und Michael P. im Oktober 1998 durch-
geführten TKÜ-Maßnahmen wurden in zeitlicher Hinsicht
erst nach Vorliegen der Informationen des Brandenburger
V-Mannes Piatto durchgeführt. Zudem ist in den Anre-
gungsvermerken stets davon die Rede, dass ein möglicher
Zusammenhang zu diesen Personen „dienstlich bekannt“
geworden sei.
3541
bbb) Maßnahmen der LfV Thüringen und Sach-
sen
Die Maßnahmen des LfV Sachsen, die in zeitlichem Be-
zug zu der Besprechung in Brandenburg stehen, werden
unter E. IV. 1. dargelegt werden.
Am 15. und 16. Oktober 1998 erfolgte eine Observation
von Jan Werner im Rahmen einer Operation „Pappma-
schee“ durch das LfV Sachsen. In den Akten des LfV
Thüringen findet diese Observation keine Erwähnung; es
ist nicht erkennbar, ob das LfV Thüringen Kenntnis von
der Maßnahme hat. Ebenfalls erfolgte nach Aktenlage
keine Information über den Inhalt der Quellenmitteilung
an das LKA Thüringen.
3542
ff) Weiterer Umgang des LfV Thüringen mit
den Quellenmeldungen
Auf die Frage, ob dem LfV Thüringen bei der Formulie-
rung in der Quellenmeldung, soweit diese richtig wieder-
gegeben sei, das Trio plane „weitere Überfälle“, der Ge-
danke gekommen sei, dass das Trio bereits zuvor – zwi-
schen Abtauchen des Trios und Aufkommen des Hinwei-
ses – Überfälle verübt habe und man diesem Gedanken
Bedeutung beigemessen habe, hat der Zeuge Nocken
ausgeführt:
„Genau das hat uns ja so stutzig gemacht. Es hieß:
weitere Überfälle. Das setzt ja voraus, es hat schon
Überfälle oder zumindest einen Überfall gegeben.
Uns war aber überhaupt nicht klar und bekannt, ob
es überhaupt einen Überfall gab. Das hat uns ja
auch so kritisch gemacht, was die Meldung als
Ganzes betrifft.“3543
Er hat ergänzt, das Wissen um Überfälle
3540) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301 (Datum:
2. Oktober/14. Oktober).
3541) Siehe hierzu oben unter E. II. 9. a) bb).
3542) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159/160, Rn. 301.
3543) Nocken, Protokoll Nr. 53, S. 54.
„hat ja die Polizei. Aber wo soll ich denn nach ei-
nem Überfall suchen? Es ist ja die Frage, wo man -
-- Das kann ja überall gewesen sein.“3544
Auf Nachfrage, ob seitens des LfV Thüringen eine allge-
meine Anfrage bei der Polizei in Thüringen oder Sachsen
durchgeführt worden sei, ob es Raub- oder Banküberfälle,
begangen durch zwei männliche Täter oder ein Trio, ge-
geben habe, hat der Zeuge Nocken ausgesagt:
„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das ge-
macht haben. Das hätte man machen können.
Ja.“3545
In Bezug auf den weiteren Umgang mit der Quellenmel-
dung hat der Zeuge Nocken angegeben:
„Da ist aber nie mehr wieder was gekommen, so-
weit ich das in meiner Erinnerung habe. Das blieb
eine Einzelmeldung des anderen Bundeslandes.
Ergänzend: Aus keinem anderen Bereich weder
des BfV - - noch die Sachsen noch wir haben ir-
gendeinen Hinweis, dass da was dran gewesen sein
könnte und was da dran gewesen - - Sie sind ja
auch schließlich nicht nach Südafrika gereist. Ei-
nen Überfall hat es vorher auch noch keinen gege-
ben. Insofern: Hätte man gesagt: ‚Einen Überfall
gab es da schon, das war nämlich der und der, und
jetzt kommt ein weiterer‘, dann wäre das vielleicht
noch ein bisschen konkreter geworden. Aber es
war für uns eine unbestätigte Meldung einer Quel-
le, die wir gar nicht beurteilen konnten und wo uns
das Land gesagt hat: Der Quellenschutz bleibt be-
stehen, egal, was kommt.“3546
Das LfV Thüringen habe
„sicherlich in Besprechungen mit dem anderen
Bundesland immer wieder mal gefragt und gehört:
Hat sich da was Neues getan?“3547
Auch bezüglich eventueller Erkundigungen bei der Poli-
zei nach dem Umgang mit der Meldung hat der Zeuge
Nocken erklärt:
„Da kann ich mich nicht dran erinnern, dass wir
mit der Polizei darüber gesprochen [haben].“3548
Bezüglich einer Nachfrage bei Herrn Luthardt hat er
bekundet:
„Den habe ich nicht mehr gefragt, was daraus ge-
worden ist.“3549
Der Zeuge Wießner hat ausgesagt, von der Besprechung
in Brandenburg sei ihm berichtet worden. Ihm sei auch
gesagt worden, die Meldung sei an die Polizei weiterge-
3544) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 54.
3545) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 54.
3546) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 40.
3547) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 41.
3548) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 40.
3549) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 41.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 409 – Drucksache 17/14600
geben worden.
3550
Ob Herr Wunderlich die Meldungen
gekannt habe, wisse er nicht.
3551
Nicht eindeutig ist auch die Aussage des Zeugen Wießner
zu der Frage, ob im LfV Thüringen die Meldung bezüg-
lich der Waffen bei Quellen nachgefragt worden sei.
Der Zeuge Wießner hatte im Rahmen der Ermittlungen
nach dem 4. November 2011 in seiner Vernehmung durch
das BKA ausgesagt, er wisse nichts von einer Meldung
bezüglich Waffen.
3552
Diese Aussage hat er vor dem Aus-
schuss damit erklärt, dass der Bericht im Referat „Rechts-
extremismus“ in der „Auswertung“ eingegangen sei und
man dort zwischen „Auswertung“ und „Beschaffung“ –
mit der der Zeuge befasst war – unterschieden worden
sei.
3553
Der Zeuge hat aber bestätigt, dass er den Bericht
paraphiert habe. Auf Vorhalt, dass man doch nur para-
phiere, wenn man eine Meldung auch zur Kenntnis neh-
me, hat der Zeuge Wießner erklärt:
„Aber, […], Sie glauben doch, dass danach gefragt
worden ist, gerade bei Waffen und Sprengstoff
oder sonst was. Da ist doch garantiert nachgefragt
worden, und wenn da ein Ergebnis gekommen wä-
re, wäre das – .“3554
Gegenüber der Quelle [Tino Brandt] sei bezüglich einer
Bewaffnung
„Hundertprozentig […] nachgefragt worden.“3555
Seine Aussage gegenüber dem BKA, er wisse nichts von
Waffenbeschaffung, hat er damit erklärt, dass er nach 13
Jahren keine Details mehr gewusst habe. Auch die Erin-
nerung an seine Paraphierung sei erst erfolgt, als ihm von
der Schäfer-Kommission das Blatt gezeigt worden sei. Er
müsse ehrlich sagen, dass er sich an den Vorgang nicht
mehr habe erinnern können.
3556
Er sei aber überzeugt:
„Wenn da Waffen, Sprengstoff etc., so was als
Meldung kam, wäre gefragt worden, und wenn ein
Ergebnis gekommen wäre, wäre das auch doku-
mentiert worden.“3557
Auf Nachfrage hat er erklärt:
„Ich kann es heute nicht mehr sagen, ob ich die
Quelle danach gefragt habe. Ich kann es wirklich
nicht.“3558
3550) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 36.
3551) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 36.
3552) Zeugenvernehmung Wießner, vom 24. Januar 2012, MAT A
BY-14-1d, S. 206.
3553) Hierzu und im Folgenden: Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.
3554) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.
3555) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.
3556) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.
3557) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.
3558) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 67.
gg) Kontakt zwischen dem Mobiltelefon von
Jan Werner und einem Mobiltelefon des
Landes Brandenburg
aaa) Zeitpunkt der Telefonverbindun-
gen/Zeitpunkt und Inhalt der SMS
Im Rahmen der durch das LKA Thüringen durchgeführ-
ten TKÜ beim Mobiltelefon von Jan Werner
3559
wurde
dem LKA Thüringen bekannt, dass zwischen dem über-
wachten Mobiltelefon von Jan Werner (Rufnummer
0172/3521XXX) und einem Mobiltelefon mit der Ruf-
nummer 0172/3922XXX zwischen dem 15. und 30. Au-
gust 1998 mehrere Gespräche stattfanden und SMS-
Kurznachrichten versandt wurden. Im Einzelnen lässt sich
aus den hierzu noch vorliegenden sogenannten S-Records
bezüglich der Kontakte Folgendes entnehmen, wobei
anzumerken ist, dass bei den SMS nicht feststellbar ist, ob
diese angenommen oder versandt wurden, und bei den
Telefongesprächen unklar ist, ob die Verbindungen über-
haupt zu Stande kamen und wie lange eine Verbindung
dauerte:
– Verbindung am 23. Juli 1998, 15.30 Uhr3560
– Verbindung am 26. Juli 1998, 19.21 Uhr3561
– Verbindung am 15. August 1998, 22.45 Uhr, abge-
hend
3562
(vom Mobiltelefon von Jan Werner)
– Verbindung am 15. August 1998, 23.11 Uhr, abge-
hend
3563
– SMS vom 16. August 1998, 2.07 Uhr3564:
„BITTE UM 8.45 UHR MICH MIT DEINER
STIMME BEL[STIGEN. JAN“
– Verbindung am 16. August 1998, 8.47 Uhr, einge-
hend
3565
(auf dem Mobiltelefon von Jan Werner)
– SMS vom 16. August 1998, 11.48 Uhr3566:
„IM US#10 STAND ETWAS ZU B.B!“
– SMS vom 16. August 1998, 11.55 Uhr:
„H[?“3567
3559) Siehe hierzu oben unter E. II. 9. a) aa)
3560) Verbindungsdatenübersicht zum Anschluss 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 162.
3561) Verbindungsdatenübersicht zum Anschluss 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 162.
3562) S-Records bzgl. der TKÜ bzgl. der Rufnummer
0172/3521XXX, MAT A TH-1/9, Bl. 200.
3563) S-Records bzgl. der TKÜ bzgl. der Rufnummer
0172/3521XXX, MAT A TH-1/9, Bl. 200.
3564) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 200.
3565) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 200.
3566) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 201.
3567) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 201.
Drucksache 17/14600 – 410 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Verbindung am 16. August 1998, 12.14 Uhr, einge-
hend
3568
– SMS vom 20. August 1998, 13.24 Uhr3569:
„IST DAS PAKET AN HENNING
UNTERWEGS? CS@“
– SMS vom 20. August 1998, 13.25 Uhr3570:
„JA!“
– SMS vom 20. August 1998, 13.30 Uhr3571:
„O.K.,DANKE! CS“
– SMS vom 20. August 1998, 13.31 Uhr3572:
„DANKE F“R DEN ANRUF AM MONTAG.“
– SMS vom 20. August 1998, 14.03 Uhr3573:
„KEINE GELEGENHEIT, DA OHNE HANDY!
BIN JETZT GERADE IM UNTERICHT! CS“
– Verbindung am 23. August 1998, 16.53 Uhr, einge-
hend
3574
– Verbindung am 25. August 1998, 19.19 Uhr, abge-
hend
3575
– SMS vom 25. August 1998, 19.21 Uhr3576:
„HALLO. WAS IST MIT DEN BUMS?“
– SMS vom 26. August 1998, 12.25 Uhr3577:
„AM SONNTAG INNERHALB DES D2
NETZES UND VON D2 ZUM FESTNETZ
KOSTENLOS TELEFONIEREN.
MANNESMANN FEIERT 5 MIO.KUNDEN“
– Verbindung am 30. August 1998, 9.45 Uhr, abge-
hend
3578
(der nachfolgende Anruf ist 40 Sekunden später ver-
zeichnet)
3568) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 201.
3569) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 234.
3570) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 234.
3571) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 235.
3572) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 235.
3573) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 235.
3574) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 252.
3575) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 272.
3576) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 272.
3577) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 278.
3578) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 313.
Aufzeichnungen des Inhalts der Gespräche sind nicht
erhalten.
bbb) Maßnahmen des LKA Thüringen im Hin-
blick auf die festgestellten Kontakte
Durch das LKA Thüringen wurde am 10. November 1998
beim Mobilfunkbetreiber um Mitteilung des Inhabers der
Mobilfunknummer 0172/3922XXX gebeten. Die Mittei-
lung erfolgte am 26. November 1998. Inhaber der seit
dem 21. November 1997 aktiven Rufnummer war das
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg.
3579
Es
ist nicht ersichtlich, dass im Hinblick hierauf weitere
Maßnahmen des LKA Thüringen erfolgt wären.
ccc) V-Mann Carsten Szepanski des Landes
Brandenburg als Kommunikationspartner
von Jan Werner
Der Zeuge Meyer-Plath hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss bestätigt, dass das Mobiltelefon mit der Rufnum-
mer 0172/3922XXX im Zeitraum der aufgezählten Kon-
takte an den V-Mann Piatto ausgegeben gewesen sei:
„Es hat sich ja später ergeben - das kann man der
Akte entnehmen -, dass bei einer TKÜ, ich glaube,
des Landeskriminalamtes Thüringen herausge-
kommen ist, dass dieses Handy, das Piatto zur
Verfügung gestellt wurde, auf das Innenministeri-
um des Landes Brandenburg angemeldet war. Das
würde man heute als operativen Super-GAU be-
zeichnen.“3580
Für Carsten Szepanski als Kommunikationspartner spricht
zusätzlich, dass einige der SMS mit dem Kürzel „CS“
enden.
ddd) Kurznachricht vom 25. August 1998 („Was
ist mit den Bums“) als Hinweis auf Waf-
fenbeschaffung?
Insbesondere vor dem Hintergrund der Deckblattmeldung
vom 9. September 1998, in der Carsten Szepanski melde-
te, Jan Werner habe den Auftrag, dem Trio Waffen zu
besorgen,
3581
könnte der Inhalt der Kurznachricht als
möglicher Hinweis auf eine Waffenbeschaffung betrach-
tet werden. Auf entsprechende Nachfrage hat der Zeuge
Meyer-Plath hierzu bekundet:
„Das ist reine Spekulation. Ich kann das Wort
‚Bums‘ jetzt im Nachgang gemeinsam mit Ihnen
versuchen zu interpretieren. Es kann eine Vielzahl
von Bedeutungen haben. Welche es konkret in die-
ser SMS hatte, kann ich Ihnen nicht sagen.“3582
3579) Mitteilung der Mannesmann Mobilfunk GmbH vom 26. No-
vember 1998, MAT A TH-1/10, Bl. 365.
3580) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.
3581) Siehe hierzu oben E. III. 6. h) bb) bbb).
3582) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 28.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 411 – Drucksache 17/14600
Nach Aussage des Zeugen Meyer-Plath dürfte die Kurz-
nachricht Carsten Szepanski nicht erreicht haben, denn
das Mobiltelefon sei zuvor ausgetauscht worden. In dieser
Hinsicht hat der Zeuge Meyer-Plath bekundet:
„Dort kann man dann weiterhin entnehmen, dass
zu diesem Zeitpunkt dieses Innenministeriums-
handy aus Gründen der Konspiration - das war ja
nun bekannt geworden, dass das problematisch ist
– abgeschaltet worden ist und ersetzt wurde durch
eines, was legendiert zugelassen war, sodass wir
davon ausgehen, dass diese SMS zum Zeitpunkt -
Sie hatten es gesagt - 19.21 Uhr bereits auf einem
toten, nicht mehr aktiven Handy gelandet ist und
auch die, falls es noch nachfolgende SMS gegeben
hat - - Es hat vorher, glaube ich, auch einen Tele-
fonversuch von Werner zu diesem Handy gegeben,
was zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aktiv war.“3583
Anders als die Schäfer-Kommission hat der Untersu-
chungsausschuss keine Anhaltspunkte dafür gefunden,
dass sich das Mobiltelefon des Innenministeriums Bran-
denburg zum Zeitpunkt der SMS am 25. August 1998 in
Chemnitz befand.
Bekannt geworden sei die Tatsache, dass eine TKÜ-
Maßnahme des LKA Thüringen gegen das Mobiltelefon
von Jan Werner erfolge, durch eine Mitteilung des BfV.
Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu bekundet:
„Ich habe bei der Vorbereitung auf den heutigen
Termin in der Aktenlage gefunden, dass dies wohl
ein Hinweis des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz war - was auf welchen Wegen, habe ich
jetzt nicht mehr erinnerlich -, und mitbekommen,
dass eine TKÜ-Maßnahme des thüringischen
LKA, meine ich, eben gegen den Betroffenen
Werner lief und in dessen Rahmen das eben so
rausgekommen war. Und darüber hat uns die Kol-
legin - ich glaube, es war eine Kollegin - des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz unterrichtet, so-
dass wir daraus den Schluss zogen: Das war jetzt
aber nicht State of the Art nachrichtendienstlicher
Legendierung von Kommunikationswegen, wes-
wegen dann am 25. ein anderes Handy zur Verfü-
gung gestellt wurde.“3584
i) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV
Thüringen im Fall „Drillinge“ vom 15. Juni
1999
Am 15. Juni 1999 verfasste der Referatsleiter „Rechtsex-
tremismus“ im LfV Thüringen, der Zeuge Schrader, einen
„Vorläufigen Abschlussvermerk im Fall ‚Drillinge’“, der
ausweislich der Akte des LfV dem BfV, sowie nachricht-
lich auch den Landesämtern Sachsen, Brandenburg,
3583) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 28.
3584) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 44.
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen übersandt wur-
de.
3585
In diesem wird u. a. ausgeführt, dass bereits seit 1998
Hinweise auf einen Aufenthalt von Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe in Chemnitz vorhanden seien. Zudem ist
vermerkt, dass zwischenzeitlich beim LfV Thüringen
„eindeutige Hinweise“ vorlägen, dass die Flüchtigen
nunmehr im „nördlichen Bereich der Bundesrepublik“
untergebracht werden sollen.
3586
Wörtlich heißt es im Vorläufigen Abschlussvermerk des
LfV Thüringen:
„Im Frühsommer des Jahrs 1998 bat dann das
TLKA erneut das TLfV um Amtshilfe bei der
Fahndung nach den drei gesuchten ‚Bombenbast-
lern’. Unter der Fallbezeichnung ‚Drillinge’ wur-
den daraufhin durch das TLfV umfangreiche Ob-
servationsmaßnahmen mit großzügiger Unterstüt-
zung des BfV durchgeführt. Im Zuge dieser Er-
mittlungen sowie der Zusammenarbeit mit der
Zielfahndung des TLKA konnte festgestellt wer-
den, dass ein bestimmter Personenkreis um den
Neonazi André Kapke aus Jena unmittelbare Ver-
bindung zu den drei Gesuchten hat. Über die Szene
wurde bekannt, dass die drei Gesuchten
monopolyartige Spiele mit dem Namen
‚Pogromly’ fertigen, die dann der Szene für je DM
100,- verkauft würden und von denen der Lebens-
unterhalt der Gesuchten u. a. bestritten werden
sollte. Über Bestellung und Aufkauf derartiger
Spiele sollte versucht werden, an den Aufenthalts-
ort der Gesuchten heranzukommen.
Wie heute bekannt ist, wurden die im Zuge des
Aufkaufs der Spiele erhaltenen Gelder neben ande-
ren Geldern von A. Kapke unterschlagen und
zweckentfremdet verwendet.
Auch im August, September und Oktober 1998
durchgeführte G 10-Maßnahmen, gegen bekannte
weitere Rechtsextremisten im Raume Jena, führten
zu keinem greifbaren Ergebnis.
Ende Oktober 1998 begannen erste Gespräche
vom TLfV ausgehend mit den Eltern des Gesuch-
ten Uwe Böhnhardt in Jena mit dem Ziel, den
Sohn Böhnhardt und/oder alle drei Gesuchten zu
einer freiwilligen Gestellung zu bewegen. Der von
den Eltern daraufhin als Vertrauensperson benann-
te Rechtsanwalt aus Gera erwies sich jedoch als
offenbar der Angelegenheit nicht gewachsen. Ob-
wohl die Eltern des Uwe Böhnhardt an einer frei-
willigen Gestellung sehr interessiert waren, gelang
es dem Rechtsanwalt nicht, die erforderliche Ver-
bindung zur Szene herzustellen, so dass nach hie-
sigem Eindruck die freiwillige Gestellung letztend-
lich durch die Verbindungsleute innerhalb der
3585) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169/170, Rn. 301.
3586) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169 f., Rn. 301
Drucksache 17/14600 – 412 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Szene zunichte gemacht wurde. Deshalb wurde mit
dem Schreiben vom 19.03.1999 dem Rechtsanwalt
das Ende der Verhandlungen mitgeteilt.
Nachdem es in der Folgezeit gelang, eine Quelle
des TLfV in die unmittelbare Nähe der Verbin-
dungsleute der Jenaer Extremistenszene zu den
Drillingen zu bringen, erfolgte in der Zeit vom 16.-
22.03.99 eine (vorerst letzte) Observationsmaßna-
me wiederum mit großzügiger Unterstützung des
BfV Köln. Leider führte auch diese Maßnahme
nicht zum gewünschten Erfolg.
Im Verlaufe des Jahres 1998 und des I. Quartals
1999 waren an den Observations- und G 10-
Maßnahmen neben dem BfV die LfV`s Sachsen,
Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern be-
teiligt. Insgesamt verdichten sich während des ge-
samten Zeitraums die Hinweise darauf, dass die
drei Flüchtlinge zunächst im Februar/März 1998
mit Hilfe sächsischer Rechtsextremisten in den
Raum Chemnitz verbracht würden. Auf Grund des
Überwachungs- und Fahndungsdruckes im Som-
mer 1998 sollte dann eine weitere Verbringung ins
Ausland (vermutlich Süd-Afrika) erfolgen. Wie
heute bekannt, scheiterte auch diese Ausreise letzt-
endlich an der Unterschlagung bestimmter Gelder
durch den Rechtsextremisten A. Kapke in Jena.
Spätestens seit März 1999 verdichten sich wieder
die Hinweise darauf, dass sich die drei Gesuchten
wiederum im Raum Chemnitz aufhalten würden.
Auch dort durchgeführte umfangreiche Observati-
onsmaßnahmen mit Unterstützung des LfV Sach-
sen, erbrachten zwar gewisse Kontaktpersonen und
mögliche Verbindungswege, führten jedoch eben-
falls nicht zur Feststellung des Aufenthaltsortes
der drei Gesuchten.
Seit April 1999 versucht nun das TLfV im Wege
der Quellenführung an das Auftragsziel heranzu-
kommen. Dies gestaltet sich deshalb besonders
schwierig, da für die Verbindung zu den drei Ge-
suchten offenbar nur ein einziger Angehöriger der
Jenaer-Szene in Frage kommt. Die Verbindung
schafft dieser auf ständig wechselnden Wegen oh-
ne Benutzung herkömmlicher Kommunikations-
mittel. Da die Quelle selbst nicht zu Jenenser-
Szene gehört, ist es um so schwieriger, in den in-
neren Logistikzirkel vorzustoßen.
Zwischenzeitlich liegen hier eindeutige Hinweise
darauf hin vor, dass die ‚Drillinge’ nunmehr im
nördlichen Bereich der Bundesrepublik unterge-
bracht werden sollen. Kontaktaufnahmen zu na-
mentlich bekannten Rechtsextremisten sind hier
bekannt. Erste Kontaktgespräche mit dem beteilig-
ten LfV haben stattgefunden. Es bleibt nunmehr
abzuwarten, wieweit es der Quelle gelingt, mög-
lichst zeitnahe Informationen auf den Aufenthalts-
ort der drei Gesuchten zu erhalten.
Zu gegebener Zeit wird das TLfV unaufgefordert
nachberichten.“3587
Nach Aktenlage erfolgte über diesen Vermerk keine In-
formation des LKA Thüringen.
j) Erkenntnisse und Quellenmeldungen zu
Geldnöten des Trios und deren Ende
aa) Geldnöte des Trios
In der ersten Zeit nach dem Abtauchen verfügte das LfV
Thüringen über eine Vielzahl von Hinweisen dahinge-
hend, dass sich das Trio in Geldnöten befand. Die einzel-
nen Hinweise stellen sich wie folgt dar:
Im März und April 1998 wurde der Festnetzanschluss von
Jürgen H. aus Telefonzellen in Chemnitz und einer Tele-
fonzelle in Concise/Schweiz angerufen. Auf dem Anruf-
beantworter wurden offensichtlich für Ralf Wohlleben
bestimmte Nachrichten hinterlassen.
3588
Ein Hinweis auf
Geldsorgen des Trios lässt sich dem Anruf vom 16. April
1998, 16.43 Uhr, entnehmen, der aus einer Telefonzelle in
Chemnitz-Klaffenbach abgesetzt wurde. In der auf dem
Anrufbeantworter hinterlassenen Nachricht heißt es unter
anderem:
„Soll vorher zu Uwe’s Mutter, dort Geld holen.
Wir brauchen viel Geld…“3589
Eine Mitteilung des LfV Thüringen über diese Anrufe ist
erst im Zusammenhang mit einem von KOK Wunderlich
(LKA Thüringen) verfassten Vermerk, der auf den
23. Juli 1998 datiert, ersichtlich.
3590
Im LfV Thüringen bestand in der Anfangszeit des Abtau-
chens des Trios der Verdacht, dass durch Verkauf des
Szene-Spiels „Pogromly“ Einnahmen für deren Lebens-
unterhalt erzielt werden sollten. In einem Vermerk des
LfV Thüringen vom 12. Mai 1998 über eine Information
der Quelle 2045 (Tino Brandt) wurde festgehalten, dass
Kapke regelmäßig Kontakt zum Trio habe und er das
Spiel „Pogromly“ in der Szene zu einem Preis von
100 DM verkaufe,
3591
wovon jeweils 50 DM für Material
und 50 DM für das Trio bestimmt gewesen seien.
3592
Der Verkaufserlös habe der finanziellen Unterstützung
des Trios dienen sollen. Die Einnahmen seien aber von
Kapke unterschlagen und zweckentfremdet worden. Am
3587) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV Thüringen vom
15. Juni 1998, MAT A TH 3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
hier: Anlage 2, Bl. 231-233.
3588) Die Anrufe wurden bereits im Abschnitt E. II. 8. a) im Einzel-
nen dargestellt.
3589) Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen vom 23. Juli
1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09-12 – GEHEIM), Anlage 02,
Bl. 58 f. (Dokument ohne Einstufung).
3590) Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen vom 23. Juli
1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09-12 – GEHEIM), Anlage 02,
Bl. 58 f. (Dokument ohne Einstufung).
3591) Schäfer-Gutachten, MAT TH-6, S. 152, Rn. 301.
3592) Schäfer-Gutachten, S. 195, Rn. 336.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 413 – Drucksache 17/14600
23. Juli 1998 erhielt das LfV Thüringen vom LKA Thü-
ringen die Information, dass „dienstlich bekannt“ gewor-
den sei, dass das Trio zum Zwecke seiner Finanzierung
das Szene-Spiel herstelle.
3593
Der Zeuge Wießner hat erklärt, Brandt, den er zu diesem
Zeitpunkt aber nicht als V-Mann geführt habe, habe für
das LfV Thüringen ein solches Spiel besorgt. Später habe
er mit Brandt über das Spiel gesprochen, und da habe
dieser
„ja eingesehen im Grunde genommen, dass mit
diesem Spiel oder mit dem Verkaufserlös dieses
Spiels überhaupt kein Lebensunterhalt … zu leis-
ten ist. Die haben sich ja vorgestellt, dass das hun-
dertfach dann … “3594
Über den Inhalt des Spiels habe man aber nicht gespro-
chen.
3595
Im Juli 1998 versuchte Kapke, Geld für Pässe für die
Flüchtigen aufzutreiben. Dieser habe ausweislich eines
Vermerks des LfV Thüringen vom 29. Juli 1998 Tino
Brandt am 24. Juli 1998 mitgeteilt, er benötige 1 800 DM
für das Trio, um sie endgültig aus Jena wegzubringen.
Kapke habe Brandt gebeten, bei seinem Arbeitgeber
Dehoust in Coburg nachzufragen, ob dieser einen Kredit
geben könne. Wohlleben habe bereits in der Vergangen-
heit einen Kredit aufgenommen, er könne derzeit keine
Mittel zur Verfügung stellen.
3596
Aus einem Vermerk des LfV Thüringen vom
9. September 1998 über eine Information der Quelle 2100
(Riese) geht hervor, dass im Frühsommer des Jahres 1998
bei Skin-Konzerten in Heilsberg Spenden für das Trio
gesammelt worden seien. Bei einem Konzert habe Kapke
Spendengelder in Höhe von 700 DM kassiert und später
dem Veranstalter mitgeteilt, dass das Geld angekommen
sei.
3597
In einer Deckblattmeldung des LfV Thüringen vom
15. Oktober 1998 zu einer Meldung Tino Brandts heißt
es, dass Kapke mitgeteilt habe, das Trio sei zwar an siche-
rer Stelle, benötige aber Geld, da sie nicht arbeiten könn-
ten und dadurch große finanzielle Probleme hätten.
3598
Diese angespannte finanzielle Lage des Trios wird auch
noch in einem Vermerk des LfV Thüringen vom
28. Januar 1999 festgehalten. Tino Brandt habe erneut
berichtet, dass schnellstmöglich etwas geschehen müsse,
weil das Trio immer lauter seine finanzielle Situation
beklage, da die Geldquellen langsam versiegten. Auch die
3593) Schäfer-Gutachten, MAT TH-6, S. 152, Rn. 301.
3594) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 54.
3595) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 54.
3596) Schäfer-Gutachten, S. 195, Rn. 336;
3597) Schäfer-Gutachten, S. 157/158, Rn. 301; MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 3, Bl. 44 f. (VS-
VERTRAULICH).
3598) Schäfer-Gutachten, S. 160, 301; MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 9/12
– GEHEIM), hier: Anlage 1, Bl. 141-143 (VS-
VERTRAULICH).
Familie Böhnhardt sei nicht mehr in der Lage, das Trio
weiterhin finanziell zu unterstützen.
3599
Aus einem Vermerk des LfV Thüringen vom 8. Februar
1999 geht hervor, dass Tino Brandt mitgeteilt habe, dass
ein sich in Planung befindlicher Anruf des Trios in einer
Telefonzelle, der wegen der Suche nach dem Trio sehr
riskant sei, nur finanzielle Gründe haben könne.
3600
In einer Notiz über ein Gespräch mit Tino Brandt vom
8. März 1999 zum Inhalt eines an diesem Tag stattgefun-
denen Telefonats mit Böhnhardt geht hervor, dass das
wesentliche Thema des Telefonats die Geldnöte der
Flüchtigen gewesen sei.
3601
Laut einer Notiz des LfV Thüringen vom 22. März 1999
über ein Gespräch mit Tino Brandt habe er von Wohlle-
ben erfahren, dass Mundlos für ein Magazin der Skin-
head-Szene schreibe, welches in Sachsen gedruckt werde.
Wohleben habe diese Information von der Mutter
Böhnhardts erhalten. Nach Angaben Wohllebens benötige
das Trio aber weiterhin Geld.
3602
In einem Vermerk des LfV Thüringen vom 22. März 1999
über mehrere Meldungen Tino Brandts heißt es unter
anderem, dieser habe berichtet, Wohlleben sei über eine
von ihm übergebene Spende in Höhe von 500 DM sehr
froh gewesen, da das Trio dringend Geld benötige.
3603
Dem LfV Thüringen lagen zudem Informationen vor, dass
Carsten Schultze mit Banküberweisungen „Spendengelder
für die Drei“ „nach Sachsen“ transferiert habe. Aus einem
Vermerk des LfV Thüringen vom 26. Mai 1999 über eine
Information Tino Brandts, die er aus einem Gespräch mit
Holger Gerlach, Carsten Schultze und Ralf Wohlleben
habe, geht hervor, dass Carsten Schultze mitgeteilt habe,
er habe letztmalig Anfang April 1999 mit einer Barüber-
weisung Spendengelder für das Trio nach Sachsen über-
wiesen. Wohlleben habe noch erklärt, dass Carsten
Schultze seine Sache gut und korrekt mache.
3604
3599) Schäfer-Gutachten, S. 162/163, Rn. 301; MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 160 f. (VS-
VERTRAULICH).
3600) Schäfer-Gutachten, S. 163/164, Rn. 301; MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 164 ff. (VS-
VERTRAULICH).
3601) Schäfer-Gutachten, S. 164/165, Rn 301 f.; zu den Anrufen in
einer Telefonzelle in Coburg siehe auch noch unten im Ab-
schnitt 6. n)
3602) Schäfer-Gutachten, TH-6, S. 165, Rn 301; MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 199. (VS-
VERTRAULICH).
3603) Schäfer-Gutachten, S. 167/168, Rn. 301; MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 194-198 (VS-
VERTRAULICH).
3604) Schäfer-Gutachten, S. 169, Rn. 301; MAT A TH-3/1 (Tgb.-
Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 226-227 (VS-
VERTRAULICH).
Drucksache 17/14600 – 414 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Keine Geldsorgen mehr
Zum Ende des Jahres 1998 sowie im Jahr 1999 wurden in
Chemnitz die ersten vier Überfälle verübt, die dem Trio
zur Last gelegt werden:
– Am 18. Dezember 1998 wurden umgerechnet ca.
15 500 Euro bei einem Überfall auf einen EDEKA-
Markt in Chemnitz erbeutet3605
– Am 6. Oktober 1999 erbeuteten die Täter umgerech-
net ca. 3 000 Euro bei einem Überfall auf eine Postfi-
liale in Chemnitz3606
– Am 27. Oktober 1999 fand ein weiterer Überfall auf
eine Chemnitzer Postfiliale statt, bei dem umgerech-
net ca. 34 500 Euro erbeutet wurden.3607
– Am 30. November 2000 kam es zu einem weiteren
Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz, bei dem die
Täter umgerechnet ca. 19 600 Euro erbeuteten.3608
Zur gleichen Zeit setzten sich die Hinweise auf Geldsor-
gen des Trios nicht fort. Aus dem November 1999 sowie
dem April 2001 liegen vielmehr Quellenmeldungen vor,
aus denen sich möglicherweise ableiten lässt, dass das
Trio keine Geldsorgen mehr hatte.
Die erste Quellenmeldung betrifft eine abgelehnte Geld-
spende. Aus einem Vermerk des LfV Thüringen vom
24. November 1999 über eine Information der Quelle
2100 (Riese) geht hervor, dass Riese mitgeteilt habe,
Thomas Starke aus Dresden, Mitglied von „B&H“ in
Sachsen, habe eine ihm angebotene finanzielle Spende für
das Trio spontan abgelehnt, da die Drei kein Geld mehr
brauchten, weil sie „jobben“ würden.3609
Der Zeuge Nocken hat zum Umgang des LfV Thüringen
mit dieser Meldung ausgeführt:
„Dies war eine Information aus zweiter Hand, also
vom Hörensagen. Die Nachricht stammte von ei-
ner anderen Person aus Sachsen, deren Zuverläs-
sigkeit nicht eingeschätzt werden konnte.“3610
Er hat darauf verwiesen, dass man sich sogar die Frage
gestellt habe, wer aus der rechten Szene als eventueller
Arbeitgeber infrage kommen könnte.
3605) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juli
2012 zum Schweren Raub im EDEKA-Markt in Chemnitz,
MAT A GBA-4/25a, Bl. 39 ff.
3606) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale
Barbarossastraße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 44 ff.
3607) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 23. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Limbacher Stra-
ße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 60 ff.
3608) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Poststelle Johannes-Dick-
Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 72 ff.
3609) Schäfer-Gutachten, S. 171, Rn. 301, vgl.: MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 254 (VS-
VERTRAULICH).
3610) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
„Eine Nachfrage bei der Quelle hat zudem erge-
ben, gemeint sei tatsächlich ein Job, eventuell eine
illegale Beschäftigung bei einem Szeneangehöri-
gen.“3611
Bereits vor dieser Meldung habe eine andere Quelle des
LfV Thüringen gemeldet, Uwe Mundlos schreibe für die
Skinhead-Szene in Sachsen Berichte, die auch dort ge-
druckt würden. Er hat in diesem Zusammenhang auf die
Quellenmeldung Tino Brandts vom 15. März 1999 ver-
wiesen.
3612
Dies sei seinerzeit der Ansatz gewesen, zu
versuchen, mögliche Arbeitsstellen der Untergetauchten
zu ermitteln.
Auf Nachfrage, wie das LfV Thüringen den Begriff „job-
ben“ interpretiert habe, hat der Zeuge Nocken ergänzt:
„da haben wir nachgefragt bei der Quelle, und die
hat gesagt: Meint eine Nebentätigkeit, meint eine
möglicherweise illegale Tätigkeit. Zusätzlich hat-
ten wir kurz davor einen Hinweis, dass einer der
drei - ich weiß jetzt nicht mehr genau, wer es war;
ich glaube, der Herr Mundlos - - dass Mundlos in
einer Szenezeitschrift Artikel verfassen würde.
Wir haben das absolut so gesehen, dass das eine
Nebentätigkeit geringer Art ist, weil das auch den
anderen Informationen entsprach, die wir hat-
ten.“3613
Laut der vom Zeugen Nocken in Bezug genommenen
Quellenmitteilung vom März 1999 hat Wohlleben nach
Angaben Brandts jedoch in dieser zugleich mitgeteilt,
dass immer noch Geld für die Drei benötigt werde.
3614
Der Zeuge Nocken hat erklärt, an keiner Stelle sei beim
LfV der Gedanke aufgekommen, einen Banküberfall in
Betracht zu ziehen. Er hat die Auffassung vertreten, auch
der Hinweisgeber Thomas Starke habe nichts von Bank-
überfällen gewusst. Dies hat er unter anderem aus Anga-
ben von Thomas Starke gegenüber der Presse gefolgert. In
einem Bericht der Welt am Sonntag vom 23. September
2012 habe Thomas Starke selbst berichtet, dass er von
Brandanschlägen und Morden nichts mitbekommen ha-
be.
3615
In diesem Zusammenhang hat er darauf verwiesen,
dass Thomas Starke nach eigenen Angaben zwischen
Mitte 1996 und April 1997 mit Beate Zschäpe liiert und
ab dem Jahr 2000 für mehr als zehn Jahre selbst Quelle
des LKA Berlin war. Daher lohne es sich, diese Informa-
tion genauer zu betrachten.
3616
Der Zeuge hat ausgeführt:
„Kurz nach der zur Debatte stehenden Meldung
wurde Thomas Starke vom LKA Berlin als VM
verpflichtet. Wenn er damals tatsächlich von
Banküberfällen der Gesuchten gewusst hätte, wäre
dies der Führungsdienststelle mit Sicherheit mitge-
3611) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
3612) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn 301.
3613) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 5.
3614) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn 301.
3615) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
3616) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 415 – Drucksache 17/14600
teilt worden. Da das aber nicht der Fall gewesen
ist, bestätigt sich die Einschätzung, dass es sich
nicht um Überfälle gehandelt haben kann, wenn
Starke vom Jobben sprach. In dem Interview mit
der Welt am Sonntag vom 23. September 2012 be-
richtet Sarke selbst, dass er von Banküberfällen,
Sprengstoffanschlägen und Morden nichts mitbe-
kommen habe. Und weiter wörtlich: ‚Ich bin da-
von ausgegangen, dass sich das Trio wenige Mo-
nate nach dem Abtauchen ins Ausland abgesetzt
haben muss’.“
Diese Einschätzung habe auch dem damaligen Er-
kenntnisstand des LfV Thüringen entsprochen. Im gesam-
ten Zeitraum nach dem Abtauchen sei ausschließlich von
Flucht ins Ausland die Rede gewesen und von der Frage,
ob man sich stellen solle. Banküberfälle oder Mordan-
schläge seien nie Thema gewesen.
3617
Der Zeuge Nocken hat die Frage aufgeworfen:
„Wenn selbst ein Szeneangehöriger, der mit Beate
Zschäpe liiert war und später jahrelang als VM
dem LKA Berlin zu Diensten war, nichts von
Banküberfällen wusste: Wie kann man dann vom
LfV Thüringen erwarten, genau diese Bewertung
zu treffen?“3618
Nach Angaben des Zeugen Nocken sei es bei einem sol-
chen Sachverhalt aus nachrichtendienstlicher Sicht nicht
„nach den Regeln der Kunst“, den von keiner weiteren
Quelle bestätigten Sachverhalt an die Exekutive weiterzu-
geben. Die Gesamtumstände der Nachricht, die bei der
Bewertung der Quellenmeldung eine Rolle gespielt hät-
ten, hätten damals zu dem Ergebnis geführt, die Meldung
nicht weiterzugeben.
3619
Das LfV Thüringen habe nach Angaben des Zeugen No-
cken auch nichts von Banküberfällen gewusst.
3620
Als
Verfassungsschutz werde man über solche üblicherweise
auch nicht informiert.
3621
Auch der Zeuge Schrader, der bis Juni 1999 zuständiger
Referatsleiter für „Rechtsextremismus“ war, hat angege-
ben:
„Die Banküberfälle spielten damals zu meiner Zeit
noch keine Rolle. Ich sage das noch einmal: Zu
meiner Zeit haben Banküberfälle keine Rolle ge-
spielt.“3622
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt:
„Ich hatte damals dann auch im Jahr 99 mit
Roewer durch den Personalrat so viel Probleme, so
3617) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
3618) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
3619) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.
3620) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.
3621) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.
3622) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 147.
dass ich mich also praktisch immer von der Ge-
schichte entfernte.“3623
Auch die Meldung vom April 2001 betrifft die Ablehnung
einer Spende an das Trio:
In einem Vermerk des LfV Thüringen vom 10. April 2001
ist dargelegt, dass Tino Brandt Wohlleben diskret gefragt
habe, ob das Trio weiter finanzielle Unterstützung benö-
tigte, da er 500 DM spenden könne. Wohlleben habe da-
raufhin „cool“ geantwortet, dass Brandt das Angebot
„vergessen solle“, da nach seiner letzten Information die
Drei kein Geld mehr benötigten, weil sie in der Zwi-
schenzeit schon wieder „so viele Sachen/Aktionen ge-
macht hätten“, was Brandt allerdings zum Eigenschutz
nicht wissen dürfe und solle.
3624
Der Zeuge Nocken hat erklärt:
„Wenn es bei der Meldung den Verdacht auf straf-
bare Handlungen - etwa Banküberfälle - gegeben
hätte, wäre dies sicher mitgeteilt worden. Auch im
weiteren Verlauf der Operation ist das nie wieder
Thema gewesen. Eine Bestätigung blieb aus.“ 3625
Der Zeuge Nocken hat darüber hinaus darauf verwiesen,
dass der weitere Inhalt der Quellenmitteilung gewesen sei,
dass Böhnhardt und Mundlos ins Ausland hätten fliehen
wollen und Zschäpe sich den Behörden stelle wolle. Dies
habe man aus Quellenschutzgründen nicht an die Polizei
weitergegeben.
„Zu diesem Zeitpunkt war eine Information an die
Polizei nach Abwägung der Interessenlage nicht
angebracht. Es hätte keine Ansatzpunkte für weite-
re polizeiliche Ermittlungen gegeben. Demgegen-
über war es sinnvoll, die Spur operativ weiter zu
verfolgen. Bei einer Weitergabe wäre dem Thürin-
ger LfV die Kontrolle über die laufende Operation
aus den Händen geglitten. Bei Kompetenzüber-
schneidungen zwischen Polizei und Verfassungs-
schutz ist im Zweifel ein mögliches Strafverfol-
gungsinteresse dem Schutz der Quelle unterzuord-
nen.“
Nach Angaben des Zeugen Nocken habe das LfV Thürin-
gen die Meldungen „Jobben“ und „Sachen und Aktionen“
aus damaliger Sicht für zu unbedeutend gehalten, um bei
einer Weitergabe der Information die noch laufende Ope-
ration des LfV Thüringen sowie die berichtende Quelle zu
gefährden. Das LfV Thüringen sei zum damaligen Zeit-
punkt noch fest davon ausgegangen,
„dass die Operation zur Entdeckung des Aufent-
haltsorts der drei Gesuchten führen würde – und ja
auch fast geführt hat.“3626
3623) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.
3624) Schäfer-Gutachten, S. 178, Rn. 301; MAT A-TH 3/1 (Tgb.-
Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 325/326 (VS-
VERTRAULICH).
3625) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.
3626) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 124.
Drucksache 17/14600 – 416 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Nocken hat es als unbestritten bezeichnet, dass
keine dokumentierte Weitergabe der Meldungen „Job-
ben“/„Die Drei machen Sachen/Aktionen“ gibt. Die In-
formation der Polizei habe aus operativen und Quellen-
schutzgründen nicht dokumentiert erfolgen können. Er sei
sich aber sehr sicher, dass die Mitarbeiter der Zielfahn-
dung des Thüringer LKA in persönlichen Gesprächen
sehr wohl unterrichtet worden seien.
3627
In Bezug auf die Banküberfälle und deren Verknüpfung
mit den Untergetauchten hat der Zeuge Nocken die Ver-
antwortlichkeit bei den Strafverfolgungsbehörden veror-
tet. Er hat ausgesagt:
„Wenn sich in einer Stadt wie Chemnitz mehrere
Banküberfälle ereignen, deren Täter unbekannt
sind, dann müsste den Strafverfolgungsbehörden
vor Ort auch in den Sinn kommen, dass Personen,
die sich im Untergrund bzw. auf der Flucht befin-
den, dringend Geld brauchen. Den sächsischen
Behörden war Anfang Oktober zum Zeitpunkt des
ersten ungeklärten Banküberfalles längst bekannt,
dass sich die Verdächtigen aus Thüringen in oder
bei Chemnitz aufhalten könnten. Warum bedarf es
da eines zusätzlichen Hinweises an die Polizei,
dass die Flüchtigen Geld brauchen, um Banküber-
fälle mit unbekannten Tätern zu prüfen?
An dieser Stelle drängen sich kriminalpolizeiliche
Ansatzpunkte auf, die hätten verfolgt werden kön-
nen.“3628
k) Meldung vom 1. Februar 2000 („Dem Trio
geht es gut“)
Unter dem 1. Februar 2000 wird im Schäfer-Gutachten
die Meldung des V-Mannes Brandt aufgeführt, in der
dieser mitteilt, dass im Rahmen einer Schulungsveranstal-
tung der NPD am 29. Januar 2000 ein Chemnitzer „Blood
& Honour“-Mitglied, vermutlich Andreas G., geäußert
habe, dass es dem Trio gut gehe.
3629
Er sei daraufhin von
Wohlleben verärgert unterbrochen worden, dass dies hier
keinen etwas anginge und er wegen seinen Äußerungen
noch „Zoff“ bekommen werde. Weiterhin hätte Wohlle-
ben mitgeteilt, dass lediglich Schultze den Kontakt zum
Trio halte, jedoch nur im Notfall, weil Schultze
abredewidrig über den Telefonkontakt gesprochen habe.
Hierdurch werde die gesamte Aktion gefährdet, weil die
drei in nächster Zeit weggebracht werden sollen. Weiter
ist im Schäfer-Gutachten vermerkt, dass das LfV Sachsen
am 9. Februar und am 23. Februar 2000 fernmündlich und
schriftlich informiert worden seien.
Aus dem in den Akten des LfV Thüringen enthaltenen
Treffvermerk ergibt sich, dass das Treffen in der Jugend-
3627) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119 f.
3628) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.
3629) Hierzu und im Folgenden: Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6,
Bl. 172 f.
herberge Froschmühle in Eisenberg stattfand.
3630
Ein
namentlich nicht bekannter „Chemnitzer B&H-Mann“
habe gegenüber einem Angehörigen der Jenaer Szene
geäußert, „den Drei‘en geht es gut“, woraufhin die Person
von Wohlleben wie im Schäfer-Gutachten dargestellt,
verärgert unterbrochen worden sei. Aus dem Treffver-
merk ergibt sich, dass der namentlich nicht bekannte
„B&H“-Mann in Begleitung eines weiteren „B&H“-
Mannes mit einem auf Jan Werner zugelassenen Fahr-
zeug erschienen waren. Brandt habe Jan Werner jedoch
nicht als eine der beiden Personen in einer Lichtbildvorla-
ge erkannt. Aus einem handschriftlich auf dem Treffver-
merk aufgebrachten weiteren Vermerk geht hervor, dass
am 9. Februar 2000 ein Telefonat mit dem LfV Sachsen
geführt wurde. Hierzu ist vermerkt:
„SN will ‚operativ massiv einsteigen’ u. die
Chemnitzer Szene aufklären“
Einer E-Mail des LfV Thüringen an das LfV Sachsen
vom 23. Februar 2002 lässt sich entnehmen, dass „der
Sprecher […] im Nachgang mittels LiBi-Vorlage als G.,
Andreas […] identifiziert“ wurde.3631
Die Maßnahmen, die das LfV Sachsen im Jahr 2000
durchführte, werden im Abschnitt E. IV. 2. im Einzelnen
dargestellt werden.
l) Observation eines Angehörigen der „Ka-
meradschaft Jena“ in Hannover durch das
LfV-Niedersachsen in Amtshilfe für das
LfV Thüringen
Vom 11. bis 13. August 1999 observierte die Landesbe-
hörde für Verfassungsschutz Niedersachsen auf Bitte des
LfV Thüringen Holger Gerlach in Hannover, da ein mög-
licher Kontakt zu Thorsten Heise wegen der Wohnungs-
suche des Trios vermutet wurde.
Im Laufe der Observation wurde auch die Anwesenheit
Wohllebens festgestellt. Gerlach und Wohlleben telefo-
nierten mehrfach aus öffentlichen Telefonzellen, obwohl
sie über Mobilfunktelefone verfügten. Ein Kontakt von
Holger Gerlach zu Thorsten Heise wurde nicht beobach-
tet. Das LfV Thüringen informierte das LKA telefonisch
über das Observationsergebnis.
3632
„H. hieß der eine, und dann gab es ja den [G.], der
von Thüringen nach Niedersachsen gezogen ist.“
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, er sei wegen dieser
Observation noch mit Herrn Wießner nach Niedersachsen
gefahren. Auf seine entsprechende Bitte hätten
3630) Hierzu und im Folgenden: Treffvermerk mit Quelle 2045 vom
1. Februar 2000, MAT A TH-3/1, Anlage 02, (Tgb.-Nr. 09/12 -
GEHEIM), Bl. 278 f. (VS-VERTRAULICH).
3631) E-Mail des LfV Thüringen vom 23. Februar 2000 an das LfV
Sachsen, MAT A TH-3/1, Anlage 02, (Tgb.-Nr. 09/12 -
GEHEIM), Bl. 286 (VS-VERTRAULICH).
3632) Bericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,
A-Drs. 488, S. 142, Rn. 319.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 417 – Drucksache 17/14600
„ … die Niedersachsen gesagt, da haben sie kei-
ne Zeit zu. Das haben sie dann ein oder zwei Tage
gemacht, und dann haben sie aufgehört.“3633
Auf Gerlach sei der Thüringer Verfassungsschutz ge-
kommen, weil dieser vor seinem Umzug nach Nieder-
sachsen Mitglied der Sektion Jena des „THS“ gewesen
sei, aber
„auch über unsere Szene. Ich kann Ihnen heute
nicht mehr genau sagen, wo das herkam. Diese
Details habe ich nicht mehr parat. Aber wir hatten
den auch auf der Pfanne. Ich bin extra noch mit
ihm nach Niedersachsen gefahren, aber die Nie-
dersachsen haben gesagt: Wir können das ein,
zwei Tage machen, dann ist Schluss“.3634
Das Argument von den Niedersachsen, die Observation
auf 48 Stunden zu begrenzen, sei gewesen, dass dort kein
Personal zur Verfügung gestanden habe.
3635
Der Zeuge Nocken hatte ausgesagt, keine Erinnerung
mehr an eine Observation in Niedersachsen zu haben.
3636
m) Hinweis auf Jürgen H.: Meldung des MAD
vom 6. Dezember 1999, die „drei Bomben-
bastler“ bewegten sich auf der Stufe von
Rechtsterroristen
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 informierte der
MAD das BfV sowie das LfV Thüringen über Ergebnisse
einer Befragung des Bundeswehrangehörigen H. vom
15. September 1999.
Jürgen H. hatte nach dem Untertauchen des Trios zu
diesem Kontakt und konnte zumindest über Mittelsmän-
ner mit den Untergetauchten kommunizieren.
3637
In der Meldung des MAD heißt es:
„Nach der Mittagspause angesprochen auf den
Komplex ‚Jenaer Bombenbastler’: H., Jürgen (1)
würde jederzeit wieder als Kurier fungieren. Dies
sehe er unter dem Kameradschaftsaspekt. Er gehe
davon aus, dass sich die in der Illegalität Lebenden
aufgrund des zu erwartenden Strafmaßes nicht den
Behörden stellen. Szeneintern werde von einem
Strafmaß von 10 Jahren ausgegangen, weil man
ein Exempel gegen rechts statuieren wolle.
Die drei Bombenbastler hätten sich schon auf der
Stufe als Rechtsterroristen bewegt, die mit einer
gewissen Zielsetzung eine Veränderung des Staa-
tes herbeiführen wollten. Auch H., Jürgen (1)
würde im Rahmen einer Revolution derartige Ak-
tionen befürworten und sich daran beteiligen, aber
3633) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.
3634) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.
3635) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.
3636) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 59.
3637) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 141, Rn 281.
nur, wenn Gewalt das einzige mögliche Mittel sei,
Zielvorstellungen zu erreichen.“3638
Die Meldung ist abgezeichnet vom Vizepräsidenten des
LfV Thüringen, Nocken. Handschriftlich ist hierauf „Dril-
ling“ notiert. In die zu diesem Komplex angelegten Ord-
nern des LfV Thüringen mit der Bezeichnung „Drilling“
wurde sie jedoch nicht eingefügt. Sie befindet sich viel-
mehr heute in einem vom LfV Thüringen so bezeichneten
„Ordner 4“, in dem nach dem 4. November 2011 Doku-
mente, die nicht in den einzelnen Fallordnern enthalten
sind und die in anderen Akten des LfV Thüringen gefun-
den wurden, aufgenommen sind.
3639
Zur Bewertung dieser Meldung durch das LfV Thüringen
hat der Zeuge Nocken ausgeführt:
„Wir […] haben gesagt: Aha, da mag sich mögli-
cherweise eine Entwicklung ergeben haben, die bei
uns noch nicht bekannt war, und dass man weiter
intensiv daran arbeiten muss, die drei irgendwo zu
lokalisieren. Also, die Intensität der Versuche, die
zu lokalisieren, hat dann zugenommen.“3640
Auf Nachfrage, ob man bei einer intensiveren Ermittlung
das LKA mit einbeziehe, hat der Zeuge Nocken ausge-
führt:
„Das kann mit einbezogen werden. Aber wenn es
diese nachrichtendienstliche Operation ist, machen
wir das zunächst einmal mit eigenen Mitteln, dass
wir zum Beispiel die Quellen noch mal ansprechen
und die Sinne schärfen: Achtet besonders drauf,
Informationen aus dem und dem und dem Bereich
zu bekommen. Das könnte das, könnte das, könnte
das sein. - Das ist einfach auch eine Zusammenar-
beit mit den Informanten, die man hat.“3641
Möglicherweise sei diese Information der Zielfahndung
nicht mitgeteilt worden.
3642
Nach Aktenlage erfolgte keine Unterrichtung des
LKA.
3643
n) Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme bei
Wohlleben
Nicht in den Akten des LfV Thüringen enthalten sind
Erkenntnisse darüber, dass Wohlleben über ein Mobiltele-
fon verfügt habe, das der Kontaktaufnahme mit dem Trio
gedient habe.
Der Zeuge Wießner hat hierzu vor dem Untersuchungs-
ausschuss bekundet:
3638) MAT A MAD-2/3, S. 11 (VS-NfD), MAT A BfV 7/1, (Tgb.-
Nr. 10/12 – GEHEIM), Bl. 190-195 (VS-NfD).
3639) MAT A TH-3/6, Ordner I, Anlage 4, (Tgb.-Nr. 78/12 –
GEHEIM), Bl. 128-132 (VS-NfD).
3640) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 143.
3641) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 42.
3642) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 42.
3643) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171/172, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 418 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Wir hatten zum Beispiel eine große Maßnahme.
Wir wussten auch über ‚2045‘, dass das Kontaktte-
lefon in der Wohnung Wohlleben in einem be-
stimmten Raum liegt. Wir haben alles versucht, zu
unternehmen, an dieses Telefon zu kommen.“3644
und, auf entsprechende Nachfrage:
„Das war das Telefon nur für das Trio. Das wuss-
ten wir auch von ihm. Und da haben wir versucht,
selbst über eine sogenannte Nahbeobachterin, die
Zugang zur Wohnung hatte - - War nicht möglich.
War nicht möglich, dranzukommen.“3645
Das LfV Thüringen habe sogar gewusst, dass das Mobil-
telefon in einem bestimmten Raum der Wohnung von
Wohlleben gelegen habe. Der Präsident des LfV habe
gewollt, dass man die SIM-Karte aus dem Mobiltelefon
heraushole oder das Handy insgesamt besorge. Andere
technische Möglichkeiten, an die Daten des Mobiltelefons
heranzukommen, habe man seinerzeit nicht genutzt.
3646
Der Zeuge Bode (V-Mann-Führer Tino Brandts) konnte
sich an eine Meldung, dass Wohlleben über ein Mobiltele-
fon zur Kontaktaufnahme mit dem Trio verfügte, nicht
erinnern.
3647
o) Kontaktaufnahme des Trios zur Quelle
2045 – Observation von Telefonzellen in
Chemnitz
Im Februar 1999 meldete die Quelle 2045 (Tino Brandt)
mehrmals, dass das Trio mit ihm über eine anrufbare
Telefonzelle in Coburg Kontakt aufnehmen wolle.
3648
Aus
der Meldung vom 8. Februar 1999 ergibt sich, dass
Brandt Wohlleben die Rufnummer einer solchen Telefon-
zelle mitgeteilt habe.
3649
Nachdem zunächst mehrere
geplante Telefonate nicht zustande gekommen waren,
kam es am 22. Februar 1999 – nachdem Wohlleben
Brandt zuvor mitgeteilt hatte, dass ein Gespräch doch
nicht zustande käme
3650
– schließlich zu einem Gespräch,
das jedoch – wohl aufgrund der vorangegangen Mittei-
lung Wohllebens – nicht von Brandt angenommen wur-
de.
3651
Brandt identifizierte den Anrufer später jedoch als
3644) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 29.
3645) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 29.
3646) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 35.
3647) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 74.
3648) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163 f., Meldungen unter
dem Datum 8. Februar 1999, 15. Februar 1999, 21. Februar
1999, 6. März 1999, S. 166 f., Meldung unter dem Datum
22. März 1999.
3649) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163 f., Meldung unter
dem Datum 8. März 1999.
3650) Handschriftlicher Zusatz vom 22. Februar 1999 zum Vermerk
betr. VM 2045 vom 8. Februar 1999, MAT A TH-3/1, Anlage
02, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 164 ff. (165a) (VS-
VERTRAULICH).
3651) Vermerk betr. VM 2045 vom 22. März 2013, MAT A TH-3/1,
Anlage 02, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 194 ff. (196) (VS-
VERTRAULICH).
Böhnhardt.
3652
Nachdem Brandt mitgeteilt hatte, dass für
den 8. März 1999 ein weiteres Gespräch geplant sei, wur-
den durch das LfV Thüringen an diesem Tag vier Tele-
fonzellen in Chemnitz observiert, ohne dass diese Maß-
nahme Anhaltspunkte auf das Trio erbracht hatte. Ein
Telefonat mit Brandt erfolgte jedoch am 8. März 1999.
Brandt war sich sicher, dass Böhnhardt der Anrufer ge-
wesen sei. Thema des Gesprächs seien die Geldnöte des
Trios gewesen.
3653
Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf diese Anrufe
lediglich ausgeführt:
„Es gab aber wohl Anrufe aus Chemnitz an be-
stimmte Telefonzellen. In Coburg gab es mal ei-
nen - erinnere ich mich - Hinweis.“3654
7. Ende der Suchmaßnahmen des LfV Thü-
ringen - Hintergründe
Aus den Akten des LfV Thüringen lässt sich entnehmen,
dass nach der Enttarnung Tino Brandts als VM des LfV
Thüringen im Mai 2001 keine weiteren Maßnahmen zur
Lokalisierung des Trios durchgeführt wurden und auch
keine weiteren Quellenmeldungen mehr eingingen. Die
letzte Meldung Brandts mit Bezug auf das Trio ist für den
10. April 2001 verzeichnet – danach sind keine weiteren
Suchmaßnahmen oder Quellenmeldungen in den Akten
des LfV Thüringen mehr verzeichnet.
Der Zeuge Nocken hat hierzu bekundet:
„Die Suche nach dem Trio war für mich abge-
schlossen in dem Moment, als die wichtigste Quel-
le, nämlich der Tino Brandt, an die Presse verraten
wurde und sozusagen die Zusammenarbeit sofort
beendet werden musste. Damit war uns der Zu-
gang zu Informationen, die irgendwo an das Trio
herankamen, verschüttet. Dann hätte man eine
neue Quelle anwerben und langsam dahin platzie-
ren müssen, um dann wieder Informationen zu be-
kommen. Damit war für mich die Wahrscheinlich-
keit, noch zum Erfolg zu kommen, sehr ge-
ring.“3655
Der Zeuge Schrader hat hierzu bekundet, dass die Enttar-
nung Brandts ein großer Rückschlag gewesen sei:
„Ich denke aber auch, um das auch ganz ehrlich zu
sagen, dass seinerzeit, nachdem ich weg war, die
Enttarnung der Quelle 2045 - - dass das auch ein
sehr großer Rückschlag war; denn danach hatte
unser Amt praktisch keine Zugänge mehr. Das
muss man sehen.“3656
3652) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166 f., Meldung unter
dem Datum 22. März 1999.
3653) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163 f., Meldung unter
dem Datum 8. März 1999.
3654) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 141.
3655) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 37.
3656) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 147.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 419 – Drucksache 17/14600
Der Zeuge Sippel hat, befragt nach weiteren Suchmaß-
nahmen nach dem Trio ab dem Jahr 2002, bekundet:
„Ich kann mich daran nicht erinnern. Wir haben
uns natürlich um das Umfeld gekümmert - aller-
dings nicht primär, um den Aufenthaltsort der drei
zu ermitteln, sondern weil es sich eben bei Kapke
und Wohlleben um sehr aktive, bis in die jüngste
Vergangenheit, Rechtsextremisten handelte. Aber
wir haben keine weiteren aktiven Suchmaßnahmen
nach diesem Trio mehr veranlasst.“3657
8. Rückkehrverhandlungen des LfV Thürin-
gen mit den Familien des Trios
a) Kontaktaufnahme am 11. März 1998
Im Abschnitt E. II. 7. c) wird bereits darauf eingegangen,
dass die Eltern von Uwe Mundlos am 11. März 1998
durch Mitarbeiter des LfV Thüringen aufgesucht wurden.
Von diesem Besuch wurde die Zielfahndung des LKA
Thüringen laut dem Zeugen Wunderlich nicht informiert.
Der Zeuge Wunderlich hat bekundet, hiervon erst anläss-
lich der Befragung durch Mitglieder der Schäfer-
Kommission am 15. Februar 2012 erfahren zu haben.
3658
Im Schäfer-Gutachten heißt es zu dem Treffen:
„Zwei Beamte des TLfV suchen im März 1998
Familie Mundlos zum Zweck einer möglichen
Kontaktanbahnung mit deren Sohn auf. Im Rah-
men des Gesprächs bitten sie Prof. Dr. Mundlos,
Kontakt zum TLfV nur über öffentliche Fernspre-
cher aufzunehmen.
Maßnahme des TLfV: Observation Prof. Mundlos
am 11.03.1998.“3659
Der Zeuge Nocken hat sich zu diesem Vorgang wie folgt
geäußert:
„Es ist folgendermaßen gewesen: dass der Herr
Dr. Roewer auf einer Veranstaltung, glaube ich, in
Jena den Vater von Mundlos getroffen hat und der
in irgendeiner Weise mit dem Herrn Roewer ver-
einbart hat, dass mal jemand zu ihm kommen sol-
le. Und daraufhin hat Herr Roewer den Angestell-
ten S. geschickt, und der hat den E. mitgenom-
men.“,3660
und:
„Ich habe mit dem Beamten E., der dabei war, dem
Auswerter, der leider Gottes mittlerweile verstor-
ben ist, darüber noch gesprochen nach dem Schä-
fer-Bericht. Er hat mir gesagt, die Familie Mundlos
habe gesagt, sie sprechen überhaupt nur mit uns,
3657) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 139.
3658) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 72.
3659) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 151.
3660) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 46.
wenn sichergestellt wird, dass von diesem Ge-
spräch und von dem Kontakt zu ihnen die Polizei
nichts mitkriegt. Sollten sie in Erfahrung bringen,
dass die Polizei irgendetwas mitkriegt, würden sie
den Kontakt sofort abbrechen. - Das war seine
Auskunft an mich.
Ich war aber bei dem Gespräch nicht dabei. Der S.
hat das geführt im Auftrag von Roewer. Der E. hat
mir das so erzählt; das ist das Einzige, was ich Ih-
nen sagen kann. Der hat mir jedenfalls eindeutig -
eindeutig - gesagt, dass das absoluter Wunsch der
Familie Mundlos war, nichts, aber auch nicht den
leisesten Hinweis der Polizei zu geben, weil sie
dann befürchten würden, dass irgendwas schief-
läuft.“3661
Der Zeuge Dr. Roewer hat zu den Hintergründen des
Gesprächs die folgenden Angaben gemacht:
„Wer von den Eltern das genau war, weiß ich nicht
mehr. Der Kontakt ist ja über mich zustande ge-
kommen, und zwar bei einem meiner Auftritte in
Jena. Da ist dieser Gesprächskontakt zustande ge-
kommen – […] - und dann durch einen Mitarbeiter
von mir fortgeführt worden.“3662
Ob es sich um einen Elternteil von Böhnhardt oder
Mundlos gehandelt habe, war dem Zeugen Dr. Roewer
nicht mehr erinnerlich.
3663
Zur Frage der Motivation der Eltern hat Dr. Roewer hin-
zugefügt:
„Also, wenn ich das gerade noch sagen darf: Mir
ist deutlich in Erinnerung eben sozusagen dieses
Auftaktgespräch; so was merkt man sich. Ich krie-
ge bloß das Gesicht jetzt nicht mehr richtig dazu.
Und in diesem Auftaktgespräch, das mit mir ge-
führt wurde, ging es darum, ob ich in der Lage sein
würde, für eine Beendigung dieses Untertauchens
zu sorgen. Und dann habe ich gesagt: Ja, dann
möchte man mir doch sagen, wo die Betreffenden
sind, und auch gefragt, warum man mich das fragt:
Wieso ich? […] Und die Antwort war: Diese El-
tern - die sich wohl kannten, vermute ich - hatten
die Befürchtung, dass die Meldung ‚Unsere Kinder
sind da und da’ mit einem polizeilichen Zugriff
enden würde, der blutig ausgehen würde. Das war
die Furcht der Eltern. Jedenfalls so ist es bei mir
angekommen. Und die Frage war, ob ich dagegen
was unternehmen könnte.“3664
Dr. Roewer hat bekundet, er habe daraufhin zugesagt, er
könne organisieren, dass eine Festnahme unblutig ablaufe.
Weitere Zusagen habe er nicht gemacht:
3661) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 46.
3662) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 72.
3663) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 72.
3664) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 72 f.
Drucksache 17/14600 – 420 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Ganz im Gegenteil. Dieser Elternteil, von dem ich
Ihnen jetzt nicht mehr sagen kann, ob er Mundlos
oder Böhnhardt hieß, war der Meinung, dass es
mithilfe des Verfassungsschutzes möglich sein
würde, ihre Kinder um die Strafverfolgung drum
herumzubringen. Da habe ich gesagt, das sei aus-
geschlossen, könnte ich ausschließen. Aber beim
freiwilligen Stellen - hier ging es ja um diesen
Sprengstoffversuch - könnte ich mir vorstellen,
dass es auf das Strafmaß irgendwelche Auswir-
kungen hat; das ja.“3665
„Sinn der Übung“, so Dr. Roewer, sei es gewesen, im
Umfeld der Eltern eine Quelle zu installieren, der die
Eltern sich dann in Bezug auf den ihnen bekannten Auf-
enthaltsort offenbaren würden. Vor seiner Entlassung sei
ihm dies, so Dr. Roewer, jedoch nicht gelungen.
3666
Die
Entlassung des Zeugen Dr. Roewer als Präsident des LfV
Thüringen erfolgte im Jahr 2000 – mehr als zwei Jahre
nach dem Gespräch mit den Eltern von Uwe Mundlos im
März 1998.
b) Rückkehrverhandlungen zwischen Okto-
ber 1998 und März 1999
Nach den ersten Gesprächen sowohl des LKA als auch
des LfV Thüringen im März 1998 mit den Eltern von Uwe
Mundlos hat das LfV Thüringen ab Oktober 1998 Rück-
kehrverhandlungen auch mit der Familie Böhnhardt ge-
führt.
aa) Aussteiger-Gespräche mit der Familie
Böhnhardt im Oktober und November 1998
Ein erstes sog. Aussteiger-Gespräch fand am 19. Oktober
1998 statt. Dabei sollte herausgefunden werden, ob sich
Böhnhardt möglicherweise freiwillig stellen würde.
3667
Ein zweites Gespräch folgte am 4. November 1998. Da-
nach erklärten sich die Eltern Böhnhardts dazu bereit,
wenn die Beobachtung und TKÜ gegen sie eingestellt
werden würde.
3668
Um diese Bedingungen abzusprechen,
hat das LfV Thüringen angekündigt, auch das LKA Thü-
ringen und die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
3669
Auch die Übernahme von Kosten für einen Rechtsanwalt
als Vertrauensperson wurde in diesem zweiten Gespräch
zugesagt.
3670
Im Hinblick auf die Gesprächsführung hat der Zeuge
Schrader ausgesagt, dass es auch deshalb schwer gewesen
sei, ein Vertrauensverhältnis zu den Eltern aufzubauen,
weil Frau Böhnhardt geäußert habe, sie sei durch einen
LKA-Beamten bedroht worden:
3665) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 73.
3666) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 73 f.
3667) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.
3668) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.
3669) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.
3670) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 151 f.
„Ich habe erst mit den Eltern mehrere Verhand-
lungsrunden - - Da war Herr Wießner mit dabei.
Das war übrigens auch so etwas, Herr Wieland;
das muss man auch mal laut sagen: Wir haben also
zwei, drei Verhandlungsrunden erst mal führen
müssen, bis die Frau Böhnhardt uns überhaupt ver-
traut hat, weil Frau Böhnhardt uns gesagt hat,
zweimal gesagt hat, sie sei von einem bestimmten
Beamten des LKA regelrecht bedroht worden. Der
hätte durchblicken lassen, dass es sein könne,
wenn sie ihren Sohn nicht preisgebe, dass er dann
irgendwann mal bei einer Fahndungsmaßnahme
erschossen würde. […] Wir haben dann mehrere
Verhandlungsrunden mit der Frau Böhnhardt ge-
macht. Dann hat die Frau Böhnhardt später - - hat
dann darauf bestanden, dass wir über einen
Rechtsanwalt gehen würden, nämlich diesen Herrn
Thaut.“3671
Bei dem von Frau Böhnhardt genannten „bestimmten
Beamten“ habe es sich um den Zielfahnder Wunderlich
gehandelt.
3672
Im Dezember 1998 stellte Rechtsanwalt Thaut dem LfV
Thüringen eine erste Rechnung in Höhe von 833,20 DM
für drei Gespräche im November 1998.
3673
Aus der Rech-
nung geht hervor, dass es zu zwei Gesprächen von jeweils
zwei Stunden in Jena gekommen war. Unter Nennung des
Datums 20. November 1998 werden zudem Kosten für
ein „Gespräch mit Behördenleiter der Staatsanwaltschaft
(eine Stunde)“ geltend gemacht.
Bereits in diesem Stadium, so der Zeuge Schrader, sei
ihm klar gewesen, dass weder die Eltern noch der Rechts-
anwalt Kontakt zu Uwe Böhnhardt gehabt hätten:
„Ich bin dann bei Herrn Thaut gewesen, alleine,
habe da mit ihm drüber verhandelt und habe dann
spätestens bei ihm gemerkt, dass keiner von denen
eine unmittelbare Verbindung zu den dreien hatte,
und damit war die Sache gestorben.“3674
bb) Mitteilung an den Rechtsanwalt im Dezem-
ber 1998, dass die Überwachungsmaß-
nahmen ruhen
Am 18. Dezember 1998 wurde dem Bevollmächtigten der
Eltern Böhnhardts, Rechtsanwalt Thaut, mitgeteilt, dass
für den Zeitraum der Verhandlungen keine Überwa-
chungsmaßnahmen gegen ihn und die Familie Böhnhardt
durchgeführt würden.
3675
Inwiefern das LKA Thüringen
und die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt bereits
eingebunden waren, ist nicht aktenkundig.
3671) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 138 f.
3672) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139.
3673) Hierzu und im Folgenden MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 –
GEHEIM), Anlage 2, Bl. 155 (VS-NfD).
3674) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139.
3675) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 421 – Drucksache 17/14600
cc) Schreiben von Rechtsanwalt Eisenecker
für Beate Zschäpe
Mit Schreiben vom 7. März 1999, eingegangen bei der
Staatsanwaltschaft Gera am 10. März 1999, meldete sich
Rechtsanwalt Eisenecker aus Goldenbow.
3676
Unter Ver-
weis auf eine dem Schreiben beiliegende Vollmachtsur-
kunde, die handschriftlich mit dem Namenszug „Beate
Zschäpe“ unter Angabe des Datums „27.02.99“ gezeich-
net ist,
3677
wird um Akteneinsicht gebeten. Zudem heißt
es in dem Schreiben:
„Desweiteren darf ich nach dem möglichen Proce-
dere anfragen.“3678
In Bezug auf die Kontaktaufnahme Zschäpes mit Rechts-
anwalt Dr. Eisenecker in Goldenbow ist Folgendes be-
kannt:
Ende Januar 1999 erreichte das LfV Thüringen eine Mel-
dung der Quelle 2045: Wohlleben habe geäußert, das Trio
klage immer lauter über seine finanzielle Situation, die
Geldquellen versiegten langsam und auch die Familie
Böhnhardt sei nicht mehr in der Lage, sie zu unterstüt-
zen.
3679
Er habe zudem angedeutet, dass André Kapke
wegen seiner permanenten polizeilichen Beobachtung seit
Mitte 1998 keinen Kontakt zum Trio habe.
3680
Außerdem
habe Wohlleben der Quelle mitgeteilt, er wolle mit RA
Dr. Eisenecker in Goldenbow (Mecklenburg-
Vorpommern) über eine anwaltliche Vertretung Zschäpes
für Rückkehrverhandlungen sprechen.
3681
Dieses Treffen
mit Dr. Eisenecker werde am 5. Februar 1999 stattfin-
den.
3682
An diesem Tag wurden Wohlleben und Carsten
Schultze in Goldenbow durch das LfV Mecklenburg-
Vorpommern auf Bitte des LfV Thüringen observiert.
3683
Dabei wurden ein älteres Pärchen und später zwei männ-
liche Personen in einem PKW, zugelassen auf Wohlleben,
festgestellt.
3684
dd) Gespräch zwischen den Eltern von Uwe
Böhnhardt und StA Mohrmann am
29. Februar 1999
In der Rechnung des Rechtsanwalts Thaut, die dieser nach
Abschluss der Angelegenheit an das LfV Thüringen stell-
te, ist als Rechnungsposten unter Nennung des (kalenda-
risch nicht existenten) 29. Februar 1999 auch eine ein-
3676) Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Eisenecker an die Staatsan-
waltschaft Gera vom 7. März 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 249.
3677) Vollmachtsurkunde für Rechtsanwalt Dr. Eisenecker vom
27. Februar 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 250.
3678) Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Eisenecker an die Staatsan-
waltschaft Gera vom 7. März 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 249.
3679) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162 f., Rn. 301.
3680) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 160 (VS-VERTRAULICH).
3681) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162 f., Rn. 301.
3682) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 160 (VS-VERTRAULICH).
3683) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.
3684) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.
stündige „Besprechung mit Böhnhardts und OStA Mohr-
mann in Gera“ vermerkt.3685
ee) Gespräch zwischen dem Vizepräsidenten
des LfV Thüringen, Nocken, und der
Staatsanwaltschaft Gera
In den Akten des LfV Thüringen befindet sich ein Ver-
merk zu einem Gespräch am 12. März 1999 zwischen
Nocken und einem für das Verfahren zuständigen Staats-
anwalt bei der Staatsanwaltschaft Gera über Vereinbarun-
gen im Fall einer freiwilligen Selbststellung des Trios,
wie eine Beschränkung der U-Haft auf zwei Wochen im
Gegenzug für ein umfassendes Geständnis der Beschul-
digten.
3686
Ein Hinweis auf dieses Gespräch ist in den
Akten der Staatsanwaltschaft nicht zu finden.
3687
Der
genannte Vermerk, der von dem Vizepräsidenten des
LfV, Nocken, gezeichnet ist, datiert vom 15. März 1999.
Über das Gespräch zwischen Nocken und dem Staatsan-
walt am 12. März 1999 heißt es in Bezug auf das „Ergeb-
nis:
„1. Herrn Rechtsanwalt Thaut wurde mitgeteilt,
dass die Drillinge für ca. zwei Wochen in
Untersuchungshaft genommen werden, um die
vollständigen Geständnisse und Aussagen
aufnehmen zu können. Thaut hat erklärt, dazu
erst die Familie und die Betroffenen befragen
zu müssen, da zunächst davon die Rede war,
den Haftbefehl gegen die Drillinge nach Ge-
stellung sofort aufzuheben.
2. Es stört das Vorhaben der Staatsanwaltschaft
nicht, wenn das LfV Thüringen die Zusage an
Rechtsanwalt Thaut und die Familie
Böhnhardt (gegen sie keine Überwachungs-
maßnahmen durchzuführen) zurücknimmt
bzw. das Ende der Verhandlungen zwischen
Rechtsanwalt Thaut und LfV Thüringen er-
klärt wird. Möglicherweise kann diese Maß-
nahme sogar die Rückkehrwilligkeit der Dril-
linge erhöhen.
3. Eine Fortführung der Verhandlungen – mögli-
cherweise mit einem anderen Rechtsanwalt –
ist nicht vorgesehen.“3688
Der Zeuge Nocken hat im Hinblick auf das Gespräch
erklärt:
„Also, ich meine - bin mir jetzt nicht mehr hun-
dertprozentig sicher -, dass für den Fall, dass keine
weiteren Straftaten als die Bombe, die da am Thea-
3685) Rechnung von Rechtsanwalt Thaut an das LfV Thüringen,
MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), An-
lage 2, Bl. 184 (VS-NfD).
3686) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 234, Rn. 428.
3687) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 234, Rn. 428 sowie
S. 122, Rn. 246.
3688) Vermerk zu Vereinbarungen mit der Staatsanwaltschaft Gera,
MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), An-
lage 2, Bl. 177 (VS-VERTRAULICH).
Drucksache 17/14600 – 422 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ter in Jena deponiert worden war - - wenn keine
weiteren Straftaten mehr dazugekommen sind und
ein volles Geständnis abgelegt würde, eine Unter-
suchungshaft von vielleicht zwei Wochen zur De-
batte stehen könnte. Also, so in dieser Art und
Weise ist dann mit der Staatsanwaltschaft da ver-
handelt worden.“3689
Der Zeuge Schrader hat diese Angaben im Wesentlichen
bestätigt:
„Nein, nein, die Absprache mit Herrn Koeppen
war folgendermaßen: Herr Koeppen hat gesagt,
wenn sich der Herr Böhnhardt stellt, erstens frei-
willig stellt, zweitens in der Zwischenzeit keine
schwerwiegenden Straftaten begangen hat und
drittens umfänglich aussagt, dann wird er den
Haftbefehl nach der Vernehmung aufheben und er
kann nach Hause, und die Verhandlung muss dann
sehen, was sich ergibt. Er hat keine Zusagen ge-
macht. Er hat nur die Zusage gemacht, dass er den
Haftbefehl, wenn er aussagt, keine strafbaren
Handlungen und sich stellt - - zunächst der Haftbe-
fehl bis zur Verhandlung ausgesetzt würde. Nur
das war die einzige Zusage.“3690
ff) Ende der Rückkehrverhandlungen im März
1999
Am 19. März 1999 teilte Rechtsanwalt Thaut dem LfV
Thüringen mit, weitere Verhandlungen würden nun nicht
mehr erfolgen.
3691
Eine Abschlusskostenrechnung folgte
am 25. März 1999.
3692
Das LfV Thüringen hatte zuvor,
am 19. März 1999, die gemachten Zusagen hinsichtlich
der Unterlassung weiterer Maßnahmen gegen die Familie
Böhnhardt zurückgenommen.
3693
Der Zeuge Nocken hat im Rahmen seiner Vernehmung
bzgl. des Scheiterns der Rückkehrverhandlungen bekun-
det:
„Die Familie Böhnhardt hat das Angebot der
Staatsanwaltschaft später abgelehnt, weil sie einen
Rechtsbeistand beigezogen hatten, der ihnen gera-
ten hat, das nicht anzunehmen.“3694
Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf eine mögliche
Kommunikation der Eltern mit Böhnhardt und Zschäpe
bekundet:
„Es ist aus meiner Sicht daran gescheitert, dass
weder die Eltern Böhnhardt - zu dem Zeitpunkt,
als wir die Verhandlungen geführt haben; später
mag das anders gewesen sein - - dass weder die El-
3689) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 28.
3690) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139.
3691) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.
3692) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 184 (VS-NfD).
3693) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 181 (VS-NfD).
3694) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 28.
tern Böhnhardt noch der Rechtsanwalt Thaut un-
mittelbar Verbindung zu den dreien hatten. Die
Verbindung lief damals nur über Wohlleben.
Kapke war damals auch schon aus dem Rennen.
Die lief nur über Wohlleben, und Wohlleben hat
diese Erkenntnisse gar nicht weitergegeben. Das
haben wir später über die Quelle erfahren.“3695
Am 23. März 1999 hält das LKA Thüringen in einem
Vermerk fest, der Leiter der Staatsanwaltschaft Gera
(Koeppen) habe mitgeteilt, weitere Verhandlungen zwi-
schen der Staatsanwaltschaft und den Rechtsanwälten des
Trios werde es nicht geben. Diesen sei jedoch mitgeteilt
worden, das Trio habe trotz einer Intensivierung der
Fahndungsmaßnahmen die Möglichkeit, sich zu stel-
len.
3696
In seiner schriftlichen Anhörung durch den Untersu-
chungsausschuss hat der Zeuge Mohrmann auf die Frage,
welche Erkenntnisse er zu der Entscheidung habe, keine
weiteren Verhandlungen über die Rückkehr des Trios zu
führen, bekundet, dass er an die damals getroffene Ent-
scheidung keine Erinnerung mehr habe:
„Ich habe nur noch ganz vage Erinnerungen über
Verhandlungen bezüglich der freiwilligen Rück-
kehr des Trios. Über Erinnerungen an eine im Jah-
re 1999 in der Staatsanwaltschaft Gera getroffene
Entscheidung, keine weiteren Verhandlungen über
eine mögliche freiwillige Rückkehr des Trios mehr
zu führen, verfüge ich nicht.“3697
Rechtsanwalt Dr. Eisenecker wurde am 29. März 1999
durch Staatsanwalt Mohrmann darüber informiert, dass
die beantragte Akteneinsicht unter Hinweis auf § 147
Abs. 2 StPO [laufende Ermittlungen] verweigert wer-
de.
3698
9. Zusammenarbeit des LfV Thüringen mit
dem LKA Thüringen
a) Ansprechpartner für das LfV Thüringen im
LKA Thüringen
Der Zeuge Schrader hat angegeben, das LfV Thüringen
sei bereits kurze Zeit nach dem Untertauchen des Trios
vom LKA Thüringen angewiesen worden, im Fall „Dril-
ling“ nicht mehr mit dem Staatsschutz, sondern nur mit
der Zielfahndung zu sprechen.
3699
Auch der Zeuge Nocken hat die Zielfahndung als einzigen
Ansprechpartner des LfV Thüringen bezeichnet. Er hat
ausgeführt:
3695) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 138.
3696) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 182 (VS-NfD).
3697) Mohrmann, MAT A Z-57-1, Bl. 2.
3698) Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera an Rechtsanwalt
Dr. Eisenecker vom 29. März 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 252.
3699) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 167.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 423 – Drucksache 17/14600
„Nachdem sich das Thüringer LfV entschlossen
hatte, aufgrund der besonders günstigen Zugangs-
lage eine Operation zur Entdeckung des Aufent-
haltsortes der Neonazis zu beginnen, wurde vom
Thüringer Landeskriminalamt die Sondereinheit
‚Zielfahndung‘ als ausschließlicher Ansprechpart-
ner für das LfV Thüringen benannt. Warum nicht
der polizeiliche Staatsschutz die Aufgabe bekom-
men hat, nach den Flüchtigen zu fahnden, ist mir
unbekannt.
3700
Auch mit der ZEX
3701
oder der EG „TEX“ habe das LfV
Thüringen nach diesem Auftrag über das Trio nicht mehr
gesprochen:
„Wenn es um normale Aufmärsche ging, wenn es
um Veranstaltungen ging, dann kriegte das die
ZEX; aber ansonsten - in diesem Fall ‚Drillinge’ -
hatten wir die Anweisung, nur mit der Zielfahn-
dung zu sprechen.“3702
Mit der Soko „REX“ beim LKA Thüringen habe das LfV
Thüringen bis zu deren Auflösung „teilweise“ im Rahmen
der freitäglichen Lagen zusammengearbeitet.
3703
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, die Kommunikation
mit dem Thüringer Landeskriminalamt sei in der Regel
von ihm oder Herrn Wießner geführt worden.
3704
b) Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
Der Zeuge Nocken hat angegeben, mit der Zielfahndung
habe man zwar nicht regelmäßig, aber häufig zusammen-
gesessen und Informationen ausgetauscht.
3705
Bei einigen
dieser Besprechungen sei er selbst dabei gewesen.
3706
Die
Besprechungen seien auch spontan einberufen worden:
„Man rief sich morgens zusammen und sagte: Wir
müssen uns noch mal unterhalten. Wie gehen wir
denn da und da - - Wie machen wir da und da wei-
ter? - So. Und dann sind die gekommen, dann hat
man gesagt: Wie ist der neueste Stand der Dinge? -
So. So ist die Zusammenarbeit gewesen.
3707
Der Zeuge Wunderlich hat in Bezug auf den Austausch
mit dem Verfassungsschutz angegeben:
„Wir hatten also einen wöchentlichen Austausch,
mindestens einmal.“3708
Zudem hat Wunderlich im Hinblick auf die Dokumentati-
on der Treffen mit dem Verfassungsschutz bekundet:
3700) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125 .
3701) Siehe hierzu die Erläuterungen im Abschnitt B. III. 2. a).
3702) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 167.
3703) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 157.
3704) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.
3705) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.
3706) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.
3707) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.
3708) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 32.
„Ja, es war für uns der erste und einzige Fall bis-
her, wo wir mit dem Verfassungsschutz zusam-
mengearbeitet haben, und interessant ist schon der
Umstand der Erstbesprechung, dass alles, was wir
da besprechen, nirgendwo dokumentiert werden
darf. Wir haben uns an diese Absprache gehalten,
weil wir uns ganz einfach versprochen haben, dass
wir dadurch Informationen bekommen, die zum
Aufenthalt der drei führen.“3709
Der Zeuge Nocken hat ebenfalls geäußert, dass eine ent-
sprechende Vereinbarung über die Dokumentation be-
standen habe:
„Dazu kam, dass das Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz aufgrund fehlender Erfah-
rungswerte bei der Zusammenarbeit mit der Ziel-
fahndung nicht wusste, wie dort mit sensiblen In-
formationen umgegangen wird.
Hätte ich damals geahnt, dass die Zusammenarbeit
mit der Zielfahndung so wie geschehen verlaufen
würde, hätte ich auf einen anderen Ansprechpart-
ner im Fall ‚Drilling’ bestanden. Insbesondere die
spätere Behauptung der Zielfahndung, das Thürin-
ger Landesamt für Verfassungsschutz hätte die
Neonazis gedeckt, geschützt oder gar als Quelle
geführt, ist so falsch wie empörend.
Unter dieser Maßgabe ist die dann eingesetzte In-
formationsweitergabe an die Polizei zu werten.
Davon ausgehend und wegen der besonderen
Geheimhaltungsnotwendigkeit der Operation wur-
de vereinbart, dass Informationen an die Zielfahn-
dung nur ohne Aktenvermerk oder anderen Rück-
halt gegeben werden könnten. Damit war die Ziel-
fahndung auch einverstanden, […].“3710
Der Zeuge Nocken hat hierzu in seiner zweiten Verneh-
mung weiter ausgeführt:
„Und wir hatten gebeten - das ist richtig dargestellt
vom Herrn Wunderlich -: Lasst das bitte nicht ak-
tenkundig werden; denn dann haben wir unsere
Probleme mit dem Quellenschutz. Ihr müsst das
einfach nur zur Kenntnis nehmen und euch so ver-
halten, dass das eben uns nicht zur Last fällt.“3711
Der Zeuge Schrader hat vor dem Untersuchungsausschuss
angegeben, der Leiter der Zielfahndung, Wunderlich,
habe bei Observationen dabei sein dürfen, aber ihm sei
gesagt worden, er dürfe nichts aufschreiben.
3712
Wunder-
lich sei „einige Male“ bei Observationen des LfV Thürin-
gen dabei gewesen. Er hat erklärt:
„Ich kann das nicht mehr genau sagen; aber ich
weiß, dass er einige Male mitgefahren ist und auch
einige Male bei Besprechungen mit dabei war, und
3709) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 23 f.
3710) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125 f.
3711) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.
3712) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168.
Drucksache 17/14600 – 424 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zwar dergestalt, dass wir uns in Jena an der Auto-
bahn getroffen haben und von dort aus dann den
Einsatz besprochen haben. - Damals waren die
Kölner da, und da war Wunderlich sehr häufig da-
bei. So, wenn er darüber keine Dings macht, dann
ist das wahrscheinlich darauf zurückzuführen, weil
wir ihn gebeten hatten, über diese Dinge keine
Niederschriften zu machen. Aber ich weiß, dass er
dabei war. […], ob jetzt nun zwölfmal oder acht-
mal, das kann ich nicht sagen, aber er ist einige
Male mit dabei gewesen.“3713
Hierauf habe sich Wunderlich eingelassen, da die Anwe-
senheit der Polizei bei Observationen des Verfassungs-
schutzes normalerweise nicht üblich sei. Der Zeuge
Schrader hat erläutert:
„Es war auch normalerweise bei uns im Haus ver-
boten, von der Polizei jemanden mitzunehmen.
Auch da habe ich mich weit aus dem Fenster raus-
gehangen. Der Einzige, der das wusste, war der
Herr Nocken. Normalerweise ist es unüblich - es
ist auch regelrecht verboten -, dass wir von der Po-
lizei bei uns in Obs.-Fahrzeugen welche mitneh-
men.“3714
Auch der Zeuge Nocken hat ausgesagt,
„Die Sachsen haben Observationsmaßnahmen ge-
fahren aufgrund der Informationen, die ausge-
tauscht wurden. Der Herr Wunderlich hat - also,
ich bin sehr sicher - einige Observationseinsätze
mit uns gefahren, was absolut außergewöhnlich ist.
Ich kann mich nicht - ich bin ja nun auch lange im
Verfassungsschutz gewesen - erinnern, dass jemals
bei uns ein Polizist im Auto saß bei der Fahndung
nach irgendwelchen Straftätern.“3715
Der Zeuge Wunderlich hat auf die Frage, wie oft er denn
in dem Zeitraum, als der Mitarbeiter Wießner noch im
LfV Thüringen tätig gewesen sei, bei Observationen an-
wesend war, erklärt:
„Ein einziges Mal.“3716
Auf den Vorhalt, dass der Zeuge Wunderlich vor dem
Ausschuss erklärt habe, er sei nur bei einer einzigen Ob-
servation dabei gewesen, hat der Zeuge Schrader erwi-
dert:
„Und wenn wir hinterher ein paarmal nachzählen,
dann sind ist es vielleicht noch drei-, vier- oder
fünfmal gewesen, nicht? Nein, nein, also, ich kann
es Ihnen nicht anders sagen; es tut mir leid.“3717
3713) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168.
3714) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.
3715) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 13.
3716) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 71.
3717) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.
Wenn Wunderlich sich heute daran nicht mehr erinnere,
könne er nicht sagen, warum dies so sei.
3718
Der Zeuge Wießner hat hierzu bekundet:
„Das ging ja so weit, dass auch Schraders Billi-
gung oder der Amtsleitung - - dass selbst der Wun-
derlich bei Treffen - ich muss das noch mal sagen:
bei Treffen - mitgefahren ist und hat Nahbeobach-
tungen Wohlleben - - saß mit im Auto und hat den
ganzen Treff mitbekommen. Der Wunderlich ist
über alle Geschichten unterrichtet worden; ist na-
türlich alles mündlich gelaufen.“3719
c) In den Akten des LKA Thüringen doku-
mentierte Informationserlangung durch
das LfV Thüringen
In den Akten des LKA Thüringen finden sich keine aus-
drücklichen Vermerke über aus Mitteilungen des LfV
Thüringen erlangte Erkenntnisse im Rahmen der Suche
nach dem Trio. Der Terminus „Es wurde dienstlich be-
kannt“ (o. Ä.) findet sich – wie im Abschnitt E. II. darge-
stellt – jedoch immer wieder in den Akten des LKA Thü-
ringen.
Auch zur gemeinsam zwischen LfV Thüringen und LKA
Thüringen durchgeführten Observation in Chemnitz am
6. und 7. Mai 2000 ist ein Informationsaustausch in den
Akten dokumentiert.
3720
d) In den Akten des LfV Thüringen dokumen-
tierte Informationsweitergabe an das LKA
Thüringen
Nach der am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen
„Dienstvorschrift für die Auswertung“ (DV-A TH) war
das LfV Thüringen zur Dokumentation verpflichtet. § 6
Abs. 2 DV-A TH bestimmt:
„Informationen einschließlich personenbezogener
Daten sind grundsätzlich schriftlich zu übermit-
teln. Bei mündlicher Übermittlung ist der wesent-
liche Inhalt unter Auflistung der im einzelnen mit-
geteilten Informationen in einem Aktenvermerk
festzuhalten.“3721
Aus den Akten sind nur wenige Fälle ersichtlich, in
denen Informationen vom LfV Thüringen an das LKA
Thüringen weitergeleitet wurden: Von nahezu 50 beim
LfV Thüringen eingegangenen Mitteilungen von V-
Leuten und Informanten zum Trio sind nur in wenigen
Fällen Hinweise auf eine Weiterleitung der Erkennt-
nisse an das LKA Thüringen in den Akten zu fin-
3718) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.
3719) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 32.
3720) Vgl. hierzu eingehend im Abschnitt E. II. 13.
3721) MAT A TH-3/6, Ordner II, Anlage 5, (Tgb.-Nr. 78/12 –
GEHEIM), Bl. 176-189 (VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 425 – Drucksache 17/14600
den.
3722
Dabei handelte es sich um folgende Meldun-
gen:
17./27. Februar 1998:
Informationsaustausch zwischen dem LfV Thüringen und
dem LfV Berlin zum Zwecke der Überprüfung des
Wohnmobilverleihs von Rita B. und Frank S., die beide
der rechten Szene angehören.
3723
Nach einer Aktennotiz des BfV von März 1998 soll das
LfV Thüringen dem LKA Thüringen in diesem Zusam-
menhang „relevante Anlaufadressen“ übermittelt haben.
In den Akten des LKA Thüringen findet sich keine ent-
sprechende Dokumentation.
3724
Zuvor hatte am 16. Februar 1998 die Quelle 2045 über
einen Kontakt zwischen Kapke und Frank S. in Berlin
informiert, um möglicherweise Adressen für die Flüchti-
gen für einen Unterschlupf im Ausland zu erhalten; eine
zweite Möglichkeit sei, man wolle über Frank S., der in
Berlin mit Rita B. einen Wohnmobilverleih betreibe, ein
entsprechendes Fahrzeug für die Flüchtigen besorgen.
3725
23. Juli 1998:
Aktenvermerk der Zielfahndung, wonach „dienstlich
bekannt“ wurde, dass die Drei zum Zwecke ihrer Fi-
nanzierung ein Szenespiel herstellen sollen.
3726
Das LKA Thüringen informiert die StA Gera entspre-
chend mit der Folge, dass eine TKÜ-Maßnahme gegen
Jürgen H., der im Verdacht steht, die Spiele aufzube-
wahren, verlängert wird.
3727
Mitteilung der Information an das BfV im Juni
1999.
3728
Über den Verkauf des Spiels hatte die Quelle 2045
bereits zuvor informiert, dies wurde in einem Vermerk
vom 12. Mai 1998 festgehalten: Kapke habe regelmä-
ßig Kontakt zum Trio; er verkaufe das Szenespiel
„Pogromoly“; der Erlös sei für das Trio.3729
26. Juli bis 6. August 1998:
Observation Kapkes in Jena durch das LfV Thüringen mit
Unterstützung des BfV mit Spurfolgesender.
3722) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 207, Rn. 358.
3723) ELKOM des LfV Berlin vom 27. Februar 1998, MAT A TH-
3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 107 (VS-NfD).
3724) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.
3725) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150; Deckblattmeldung
der Quelle 2045 (Tino Brandt) vom 16. Februar 1998, MAT A
TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 113 f. (VS-
VERTRAULICH).
3726) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 155.
3727) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 27. Juli 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 156.
3728) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.
3729) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152.
Das LfV Thüringen informiert das LKA Thüringen zu-
mindest über die mutmaßlich geplante Flucht der Drei
nach Südafrika über Sofia.
3730
Mitteilung der Information an das BfV im November
2011.
Diese Observation bezieht sich auf einen mündlichen
Auftrag vom 22. Juni 1998, sie war somit ohnehin ge-
plant; die neuen Erkenntnisse zum Trio werden nunmehr
berücksichtigt.
Observationserkenntnisse: Kapke trifft sich mit Mario
Brehme zwei Stunden in einem Pkw; Jürgen H. wird mit
Wohlleben und Juliane W. beobachtet; Kapke fährt mit
Sven K. am 4./5. August zu Dehoust nach Coburg, offen-
sichtlich um das Geld für Reisepässe zu holen; die Geld-
übergabe soll am 5. August 1998 erfolgt sein, ohne dass
diese im Observationsbericht näher dargestellt wird; ob
das LKA Thüringen über diese Einzelheiten informiert
worden ist, ist nach der Aktenlage nicht erkennbar.
3731
Hintergrund dieser Maßnahmen waren Informationen der
Quelle 2045, die in einem Vermerk vom 29. Juli 1998
festgehalten worden sind: Die Quelle berichtet von
einem Gespräch mit Kapke vom 24. Juli 1998, in dem
Kapke mitteilt, er benötige 1 800 DM für das Trio, um sie
endgültig aus Jena wegzubringen. Kapke habe die Quelle
gebeten, mit dessen Arbeitgeber Dehoust in Coburg zu
sprechen, ob dieser einen Kredit geben könne; Wohlleben
habe bereits in der Vergangenheit einen Kredit aufge-
nommen, er könne derzeit keine Mittel zur Verfügung
stellen. Die Quelle vermutet, dass ein Verbringen der Drei
nach Südafrika zu Dr. Claus Nordbruch geplant sei.
3732
14. September 1998:
Hier ist die Weitergabe der Information (Quellenmeldung
des Landes Brandenburg) an den Präsidenten des LKA
Thüringen aktenkundig.
3733
Der Untersuchungsausschuss
hat hierzu eigene Untersuchungen angestellt, die im Ab-
schnitt E. III. 6. h) dargestellt werden.
22. Dezember 1999:
Quelleninformation über den angeblichen Tod der Drei
auf Kreta.
Rücksprachen zwischen dem LfV Thüringen, dem BfV
und dem MAD.
Information des LKA Thüringen.
3730) Dokumentation des Ablaufes und der Informationen, MAT A
TH-1/3, Bl. 379.
3731) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154 f., Rn. 301; Obser-
vationsbericht bzgl. der Observation von Jürgen H. vom 3.-6.
August 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 159 ff.
3732) Siehe hierzu bereits oben unter E. III. 6. f).
3733) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 158, Rn. 301.
Drucksache 17/14600 – 426 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Das Gerücht soll von einem Beamten des LKA Thüringen
verbreitet worden sein. Das Ergebnis eines beabsichtigten
Auswertungsgesprächs ist nicht aktenkundig.
3734
Für die meisten Informationen, die beim LfV Thürin-
gen aufgelaufen sind, finden sich in den Akten keine
Hinweise auf eine Weiterleitung an das LKA Thürin-
gen – das betrifft auch die zahlreichen Hinweise auf
die immer prekärer werdenden Geldnöte des Trios, die
zwei Quellenmitteilungen von Oktober 1998, wonach
die Suche nach Waffen für das Trio fortgesetzt werde,
die wiederkehrenden Hinweise auf ihren Aufenthalt in
Chemnitz beziehungsweise Sachsen und schließlich
die Mitteilungen, dass die Flüchtigen kein Geld mehr
benötigten, weil sie „jobben“ und so viele „Sa-
chen/Aktionen“ gemacht hätten.3735
e) Diskrepanz der Zeugenaussagen in Bezug
auf den Umfang der Informationsweiterga-
be durch das LfV Thüringen an das LKA
Thüringen
In den Vernehmungen durch den Untersuchungssau-
schuss haben die Zeugen aus dem Bereich der Thürin-
ger Polizei ihre bereits vor der Schäfer-Kommission
gemachten Angaben, das LfV Thüringen habe nicht
oder nicht vollständig informiert, noch einmal bekräf-
tigt:
Der Zeuge Wunderlich hat ausgesagt:
„Nun gibt es ja diesen Kommissionsbericht [Schä-
fer-Gutachten], den ich als Basis wirklich sehr gut
finde. Dort sind ja die ganzen einzelnen Informati-
onen aufgelistet, und für mich war das schon er-
schreckend, was an Informationen da war, was im
Zuge der Zusammenführung natürlich für uns ganz
klare Fahndungsansätze gebracht hätte.“3736
Auch der damalige Präsident des LKA Thüringen,
Luthardt, hat als Zeuge ausgesagt:
„Heute weiß ich, dass wir etwa – vielleicht – ein
Drittel der Informationen bekommen haben, was
dort bekannt war. Aber damals habe ich das
nicht erkannt.“3737
Ähnlich hatte sich zuvor auch der Zeuge Melzer (LKA
Thüringen) geäußert.
3738
Der Zeuge Dressler (EG „TEX“) hat sich zu der Frage,
inwiefern der Polizei bestimmte Informationen vorla-
gen, folgendermaßen geäußert:
„Ich kann nicht für die Polizei reden. Ich weiß,
dass es mir nicht zugänglich gemacht wurde.“3739
3734) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301; vgl. zum
Ganzen oben unter E. III. 11. b) cc).
3735) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 208, Rn. 360.
3736) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 22.
3737) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 107.
3738) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 76.
Wunderlich habe sich, so Dressler, schon damals über
den spärlichen Informationsfluss beklagt.
3740
Konkret
habe sich Wunderlich laut Dressler geäußert:
„Na, dass er immer zu spät komme zu bestimmten
Informationen, oder immer kurz, ein paar Tage zu
spät sozusagen, um die Spur dann noch aufnehmen
zu können. Ich kann Ihnen jetzt kein konkretes
Beispiel nennen.“3741
Der Zeuge Wunderlich hat weiterhin vor dem Untersu-
chungsausschuss geäußert, soweit die Zielfahndung Quel-
lenmeldungen seitens des LfV Thüringen überhaupt erhal-
ten habe, seien diese aus Sachsen gekommen. Er hat aus-
gesagt:
„dieser Eindruck ist ja auch entstanden durch die
vielen Besuche, die wir in Sachsen hatten. Ich ha-
be das vorhin ja an einem Beispiel geschildert,
dass wir eben dort Informationen bekommen ha-
ben, wo wir gefragt haben: ‚Wo habt ihr das
her?‘ – ‚Wir haben das von Thüringen.‘ - Und
Thüringen hat uns eben zwei, drei Tage vorher ge-
sagt, sie haben nichts. - Das hat nicht gepasst.“3742
Auf Vorhalt dieser Aussage hat der Zeuge Schrader erwi-
dert:
„Das würde bedeuten, dass ich den Sachsen das
gesagt habe, und die Sachsen haben es dann in der
Zielfahndung gesagt, was ich ihnen vorher erzählt
habe. Also, das macht für mich keinen Sinn. […]
ich kann Ihnen das nicht anders sagen, als ich es
eben auch gesagt habe. Ich kann nicht ausschlie-
ßen, dass ich möglicherweise die eine oder andere
Meldung nicht weitergegeben habe. Aber an be-
stimmte Meldungen kann ich mich sehr genau er-
innern. Und wenn die Leute kein Erinnerungsver-
mögen mehr haben, weiß ich nicht, wie ich das er-
klären soll.“3743
Nach Aussage des Zeugen Schrader liegt der Grund für
die fehlende Information des Staatsschutzes in der An-
weisung, im Fall der Suche nach dem Trio nur mit der
Zielfahndung zu sprechen. Aus diesem Grunde habe der
Staatsschutz bereits zu einem sehr frühen Stadium keine
Informationen über das Trio mehr vom LfV Thüringen
erhalten:
3744
Der Zeuge Schrader hat hierzu erklärt:
„Die konnten gar nichts wissen, wenn sie es nicht
von ihrer Zielfahndung wussten. Und Schäfer
schreibt ja auch an irgendeiner Stelle, dass die
Zielfahndung überfordert war. Und wenn heute die
Staatsschutzleute behaupten - der Dressler oder
wie sie alle heißen -, sie hätten von uns nichts ge-
kriegt: Das stimmt. Wir waren angewiesen, mit der
3739) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 21.
3740) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 21.
3741) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 21.
3742) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 59.
3743) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 151.
3744) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 427 – Drucksache 17/14600
Zielfahndung zu reden. Und wenn der Dressler
jetzt sagt: ‚Ich habe von denen nichts gekriegt’,
dann hat er völlig recht damit, weil wir mit der
Zielfahndung gesprochen haben.“3745
Der Zeuge Nocken hat behauptet, dass die Informatio-
nen des LfV sehr wohl an die Zielfahndung weiterge-
geben worden seien, nur sei diese Weitergabe münd-
lich erfolgt und nicht in den Akten dokumentiert wor-
den:
„Die Information der Polizei konnte aus operativen
und Quellenschutzgründen nicht dokumentiert er-
folgen. Ich bin aber sehr sicher, dass die Mitarbei-
ter der Zielfahndung des Thüringer Landeskrimi-
nalamtes in persönlichen Gesprächen sehr wohl
unterrichtet wurden.“3746
Und auf Nachfrage:
„Weil wir ständig mit den Kollegen der Zielfahn-
dung zusammengesessen haben und die Informati-
onen ausgetauscht haben. Da war ich zum großen
Teil selber mit beteiligt.“3747
Und im Hinblick auf die oben erwähnte Dokumentation
der Weitergabe nur in wenigen Fällen:
„Dennoch wurden fünf Quellenmeldungen an die
Zielfahndung sogar dokumentiert weitergegeben,
eine Vielzahl weiterer Meldungen in persönlichen
Gesprächen ohne Dokumentation übermittelt.
Die Mitarbeiter der Zielfahndung haben sich in der
Zeit der Zusammenarbeit auch nie bei meinen Mit-
arbeitern oder mir selbst wegen mangelnder Er-
kenntnisweitergabe beschwert. Es ist für mich äu-
ßerst befremdlich, wenn die Schäfer-Kommission
heute bemängelt, dass keine Unterlagen über die
Informationsweitergabe vorhanden sind. Der
Grund dafür ist ja klar: Es war der Wunsch des
Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz,
dem das Thüringer Landeskriminalamt nachge-
kommen ist. Man kann also schlimmstenfalls die
fehlende Dokumentation rügen, aber niemals zu
dem Ergebnis kommen, eine Informationsweiter-
gabe habe gar nicht stattgefunden.“3748
Der Zeuge Schrader hat angegeben, zwischen dem LfV
Thüringen und der Zielfahndung sei die Formulierung
„dienstlich wurde bekannt“
abgesprochen gewesen, wenn die Zielfahndung Informa-
tionen ohne Hinweis auf das LfV Thüringen habe ver-
wenden wollen.
3749
Die Ermittlungsansätze des LKA
Thüringen, die sich die Schäfer-Kommission nicht habe
3745) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.
3746) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.
3747) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.
3748) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125 f.
3749) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 133.
erklären können, seien letztlich vom LfV Thüringen ge-
kommen.
3750
Die Zusammenarbeit mit der Zielfahndung hat der Zeuge
Nocken insgesamt kritisch bewertet. In seiner ersten Ver-
nehmung vor dem Untersuchungsausschuss hat er geäu-
ßert:
„Warum nicht der polizeiliche Staatsschutz die
Aufgabe bekommen hat, nach den Flüchtigen zu
fahnden, ist mir unbekannt. Dazu kam, dass das
Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz auf-
grund fehlender Erfahrungswerte bei der Zusam-
menarbeit mit der Zielfahndung nicht wusste, wie
dort mit sensiblen Informationen umgegangen
wird.“3751
Er hat diese Aussage in seiner zweiten Vernehmung er-
läutert:
„Es war eine neue Situation. Der Verfassungs-
schutz arbeitet in der Regel nicht mit den Ziel-
fahndungskommandos der Landeskriminalämter
oder der Polizeien zusammen, sondern in der Re-
gel mit den Staatsschutzabteilungen oder mit den
Staatsschutzbereichen.
In diesem Fall hat uns das Landeskriminalamt ge-
sagt: Wir möchten gerne - - die Fahndung durch
die Zielfahndung betrieben werden, dass die von
der Zielfahndung betrieben werden. - Da muss
man auch - - Gerade in dem nachrichtendienstli-
chen Geschäft - und das wissen vielleicht auch vie-
le von Ihnen, die hier ja lange Erfahrung haben -,
gerade in dem Geschäft der Dienste und der Poli-
zei wird vieles aufgrund von vertrauensvoller Zu-
sammenarbeit geregelt. Und wir wussten nicht:
Wie handelt die Zielfahndung Informationen, die
wir ihnen geben, und wo platzen die dann wieder
auf, wo kommen die raus, oder was wird damit
gemacht? In den Staatsschutzbereichen, da ist eine
längere Zusammenarbeit schon gang und gäbe ge-
wesen, da weiß man, dass man sich aufeinander
verlassen kann. Das heißt aber nicht, dass man sich
auf die Zielfahndung nicht verlassen kann. Ich war
eigentlich von dem Gedanken ganz angetan, dass
man sagt: ‚Okay, hier gibt es eine Sondereinheit
der Polizei, die sich ganz speziell um einzelne, mit
Haftbefehl gesuchte Personen kümmert, das muss
ja eigentlich eine höhere Qualität sein’, wusste
aber nicht: Wie behandeln die unsere vertraulichen
Informationen?“3752
Auch der Zeuge Schrader hat vor der Schäfer-
Kommission angegeben, dass „bestimmt 90 Prozent“
der Informationen weitergegeben worden seien ohne
diese zu dokumentieren.
3753
Dass die Zielfahndung,
3750) Schrader, LT-TH, MAT B TH-1/5, S. 204.
3751) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125.
3752) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 13.
3753) Schrader, Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3,
Bl. 171.
Drucksache 17/14600 – 428 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Herr Wunderlich, nicht über die Waffen informiert
worden sei, halte er für unwahrscheinlich.
3754
f) Sicherheitslage im Innenministerium
Thüringen
Nach Angaben des Zeugen Nocken hat im Thüringer
Innenministerium Ende der 90er Jahre Donnerstagsnach-
mittag eine „Sicherheitslage“ stattgefunden, an der unter
anderem stets auch Vertreter des LKA Thüringen und des
LfV Thüringen teilgenommen hätten.
3755
Bei dieser sei
der Informationsfluss zwischen den Behörden niemals
kritisiert worden.
„Auf Ebene des Landes Thüringen gab es zusätz-
lich das Instrument der sogenannten Sicherheitsla-
ge, die turnusmäßig donnerstags in den Nachmit-
tagsstunden stattfand. Teilnehmer waren hier min-
destens der Leiter oder Vertreter der Polizeiabtei-
lung des TIM, das TLKA, das Thüringer LfV, die
Leiter und Vertreter der Polizeidirektionen, die
Leiter der Aufsichtsreferate Kriminalpolizei und
Verfassungsschutz des Thüringer Innenministeri-
ums sowie betroffene Staatsanwaltschaften.
Bei dieser Lagebesprechung wurden die in den ge-
nannten Behörden vorliegenden Erkenntnisse aus-
getauscht und weitere Maßnahmen abgesprochen.
Der außerordentlich erfahrene Referatsleiter ‚Kri-
minalpolizei’ und auch der Referatsleiter ‚Verfas-
sungsschutz’ haben nicht ein einziges Mal den In-
formationsfluss zwischen den beteiligten Behörden
kritisiert oder auch nur Vorschläge zur Verbesse-
rung gemacht. Wie soll unter diesen Vorausset-
zungen ein Informationsdefizit entstanden sein?
Wie kann es bei dieser Sachlage möglich sein, die
Vorfälle um die drei Straftäter aus Jena auch nur
bruchstückhaft zu verschweigen?
Mir ist auch nicht bekannt, dass sich eine oder
mehrere Dienststellen, die Teilnehmer der Sicher-
heitslage waren, über einen mangelnden Informa-
tionsaustausch beschwert hätten. […]“3756
10. Verdacht der Unterstützung des Trios
durch das LfV Thüringen
a) Brief des Leitenden Oberstaatsanwalts in
Gera an das LfV im Jahr 1999
Oberstaatsanwalt Schultz hat ausgesagt, er habe 1999
3757
für den Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Gera einen
Brief an den Leiter des LfV Thüringen verfasst, um zu
erfahren, ob der Verfassungsschutz etwas mit dem Ver-
3754) Schrader, Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3,
Bl. 177, 182.
3755) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 127.
3756) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 127.
3757) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 52.
schwinden des Trios zu tun habe. Dieser Brief habe 20
oder 22 Fragen enthalten, die ein Mitarbeiter des Landes-
kriminalamtes ausgearbeitet habe. Man habe Auskunft
über Kenntnisse des LfV begehrt, z. B. über den mögli-
chen Aufenthaltsort der drei gesuchten Personen, deren
eventuelle Mitarbeit für das LfV Thüringen und eine
eventuelle Unterstützung des Trios durch das LfV.
3758
Hintergrund dieses Schreibens sei der Verdacht eines
Mitarbeiters des LKA, vermutlich KHK Wunderlich ge-
wesen, wonach das Trio deshalb so blitzartig unterge-
taucht und die Fahndung erfolglos sei, weil das LfV Thü-
ringen das Trio möglicherweise unterstützt habe.
3759
Die-
sen Verdacht habe er, der Zeuge Schultz, geteilt, da er
sich gewundert habe, dass Uwe Böhnhardt bei der ersten
Durchsuchung anwesend war. Er habe allerdings damals
nicht mehr in Erinnerung gehabt, dass es sich bei dem
Durchsuchungsobjekt um die Wohnung bzw. Garage
seiner Eltern handelte, weshalb seine dortige Anwesenheit
leicht zu erklären sei. Heute nehme er nicht mehr an, dass
einer von den drei Personen Informant des Verfassungs-
schutzes gewesen sei.
3760
Zur Beantwortung des Schreibens der StA Gera seien ein
oder zwei Personen der Leitungsebene des LfV erschie-
nen, wohl Herr Nocken oder Dr. Roewer.
3761
Alle Fragen
seien mit „Nein“ beantwortet worden, sie hätten keine
Kenntnis. Keiner vom Trio wäre ein Mitarbeiter usw.
3762
In den dem Ausschuss übersandten Akten befinden sich
weder dieser Brief noch ein Vermerk über ein Gespräch
mit dem LfV Thüringen. Auch die Vertreter der Thüringi-
schen Landesregierung haben angegeben, in den Akten
des LfV oder der Staatsanwaltschaft derartige Unterlagen
nicht gefunden zu haben.
3763
Von den im Ausschuss befragten Mitarbeitern des LfV
Thüringen hat lediglich der Zeuge Nocken angegeben,
dass er diesen Brief kenne, jedoch sonst keine Erinnerung
habe, weder an den Inhalt noch an eine Antwort des
LfV.
3764
Die Zeugen Sippel und Dr. Roewer haben ange-
geben, sich an einen derartigen Brief nicht erinnern zu
können.
3765
Der Zeuge Schrader hat angegeben, dass er
als damaliger Referatsleiter von einem derartigen außer-
gewöhnlichen Schreiben hätte erfahren müssen. Er kenne
es jedoch nicht.
3766
3758) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 9 ff.
3759) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 9 ff.
3760) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 53.
3761) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 12 f.
3762) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 9.
3763) Horsch und Becker, Protokoll-Nr. 49, S. 28 f.
3764) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 43.
3765) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 143; Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53,
S. 77 f.
3766) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 125.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 429 – Drucksache 17/14600
b) Vermerk des Zielfahnders Wunderlich vom
14. Februar 2001
aa) Inhalt des Vermerks
Am 14. Februar 2001 verfasste der Beamte der Zielfahn-
dungsabteilung des LKA Thüringen, KHK Wunderlich,
unter dem Betreff „Zuarbeit – Gesprächsrunde Behörden-
leiter – Präsident LFV“ einen Vermerk zur Vorbereitung
einer Gesprächsrunde des LKA-Präsidenten mit dem
Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungs-
schutz, in der er die Tatsache, dass die Fahndungsmaß-
nahmen nach dem Trio bisher erfolglos geblieben waren,
wie folgt begründete:
„Während der Fahndungsmaßnahmen wurde fest-
gestellt, dass durch das LFV Thüringen bereits vor
der Durchsuchung Maßnahmen im Bezug auf die
gesuchten Personen durchgeführt wurden.
– Die Befragung von Kontaktpersonen und Fa-
milienangehörigen führte zu dem Schluß, dass
mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der gesuch-
ten Personen als Quelle durch den Verfas-
sungsschutz geführt wurde.
– Durch Führungskräfte des LKA Erfurt wurde
mehrfach angedeutet, dass die Fahndungs-
maßnahmen des ZFK in der Vergangenheit
kurz vor dem Erfolg standen, jedoch erfolglos
bleiben mussten.
– Die durch das LfV Thüringen an hiesige
Dienststelle übermittelten Daten bzgl. der
Aufenthaltsörtlichkeiten erwiesen sich stets
zum Zeitpunkt der Überprüfungen als richtig
aber längst inaktuell.
– Die Zusammenarbeit mit dem LfV Sachsen
ergab eine unterschiedliche Informations-
übermittlung und den Verdacht, dass durch
das LfV Thüringen wichtige Fahndungsdaten
zurückgehalten wurden.“3767
bb) Grund für die Erstellung des Vermerks
Nach dem Grund für die Erstellung des Vermerks befragt
hat der Zeuge Wunderlich gegenüber dem Untersu-
chungsausschuss erläutert, dass er aufgefordert worden
sei, innerhalb kurzer Zeit einen Sprechzettel für den sei-
nerzeit amtierenden LKA-Präsidenten zu fertigen:
„Man muss vielleicht auch den Hintergrund der
Entstehung dieses Vermerks kennen. Ich bin also
aufgefordert worden – und hatte dazu auch nur
wenige Minuten Zeit; ich habe das der Kommissi-
on damals schon mitgeteilt –, in fünf Thesen – al-
so, mir war sogar die Anzahl der Thesen vorgege-
ben – ohne Begründung – auch das wurde vorge-
geben – einen Sprechzettel zu fertigen, mit dem
3767) Vermerk von KHK Wunderlich vom 14. Februar 2001, MAT A
TH-1/17, Bl. 210.
mein damals amtierender LKA-Präsident die Mög-
lichkeit hat, dem Präsidenten des LfV einige Fra-
gen zu stellen. Ich kenne nicht den Hintergrund
des Gesprächs, auch nicht den Umfang, und habe
ganz einfach hier, ja, mein Herz mal ergriffen und
habe mir gesagt: Okay, jetzt tun wir diese Version,
Hypothesen, über die wir schon lange nachdenken,
über die wir auch in unserem Bereich offen spre-
chen, mal zu Papier bringen und schauen mal, wie
es ausgeht. – Ich bin mir der Tragweite dieser Hy-
pothesen und Versionen bewusst – gar keine Frage
–, obwohl ich auch sagen will: Es ist eine Fortfüh-
rung der Hypothesen und Versionen meines Kol-
legen I. Das ist also eine gemeinsame Auffassung,
[…]“3768
cc) Hintergrund und Entstehung dieser Ver-
mutung
Wunderlich hat in seiner Anhörung durch die Schäfer-
Kommission angegeben, dass es zwei konkrete Anhalts-
punkte gegeben habe, die in dem Vermerk vom
14. Februar 2001 ihren Niederschlag gefunden hätten, und
zwar
– die Aussage des Vaters von Uwe Mundlos, er habe in
seinem Briefkasten ein DIN-A4-Schreiben vorgefun-
den, in dem mitgeteilt worden sei, dass Beate Zschä-
pe Mitarbeiterin des LfV Thüringen sei;
3769
– die Aussage des seinerzeit die Dienstgeschäfte des
Präsidenten des LKA Thüringen ausfüllenden Poli-
zeidirektors Luthardt ihm gegenüber, „wir bekämen
sie nie“.3770
dd) Aussagen zu Gespräch und Vermerk
Der damalige Präsident des LfV, der Zeuge Sippel, hat
hierzu in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-
schuss geäußert, dass er glaube, das Gespräch habe statt-
gefunden. Er habe jedoch keine Erinnerung an den Zeit-
punkt und den genauen Inhalt dieses Gesprächs.
3771
Er
könne sich allerdings nicht daran erinnern, dass das LKA
sich über mangelnde Informationen beklagt hätte. Herr
Nocken habe jedoch von sich aus erwähnt, dass alle In-
formationen übermittelt worden seien.
3772
Der Zeuge Sippel hat darüber hinaus angegeben, er habe
im Zusammenhang mit diesem Treffen innerhalb des LfV
Thüringen Gespräche geführt, mindestens mit Herrn
Wießner und Herrn Nocken. Die Aussagen seien glaub-
3768) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 44.
3769) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/15, Bl.
186 f., siehe hierzu bereits oben unter E. II. 7. b) (Besuch am
18. März 1998)
3770) Aussage des Zeugen Wunderlich vor der Schäfer-Kommission,
MAT A TH-6/3, Bl. 119.
3771) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 142.
3772) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 142.
Drucksache 17/14600 – 430 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
würdig gewesen, weshalb er sich auch darauf verlassen
habe.
3773
Der Zeuge Nocken, Vizepräsident des LfV a. D., hat zum
Vorwurf der Unterstützung des Trios nach dessen Unter-
tauchen ausgesagt:
„Ich weiß, dass der Herr Wunderlich seit 2001,
spätestens seit 2001, ständig behauptet, das Lan-
desamt für Verfassungsschutz hätte seine schüt-
zende Hand über diese Gruppe gehalten. Und das
ist absolut zurückzuweisen. In keinster Art und
Weise haben wir mit einem der drei auch nur den
geringsten Kontakt gehabt. Und er behauptet das
seit 2001. Gebetsmühlenartig erklärt er das jedem
neuen Minister, jedem neuen Staatssekretär, der
gekommen ist. [Ich] wurde […] immer wieder zi-
tiert. Auch als ich schon pensioniert war, musste
ich […] eine dienstliche Erklärung abgeben: Habt
ihr, oder habt ihr nicht? Der Herr Wunderlich hat
es nicht verkneifen können, dass er mal irgendei-
nen mit Zielfahndung Gesuchten nicht hat fest-
nehmen können. Das muss ihn getrieben ha-
ben.“3774
c) Weiterverbreitung der im Vermerk nieder-
gelegten Punkte durch den Leiter der Ziel-
fahndungsabteilung
aa) Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera beim
LKA Thüringen vom 15. November 2001
und Antwort hierauf vom
29. November 2001
Am 15. November 2001 erfolgte eine Anfrage seitens der
Staatsanwaltschaft Gera (Bearbeiter: Staatsanwalt Petzel)
an das LKA Thüringen, in der die Frage gestellt wurde,
„ob dort Anhaltspunkte für ein Tätigwerden des
Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz im
Zusammenhang mit dem Verschwinden der Be-
schuldigten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vor-
liegen.“3775
Das Schreiben führte zunächst zu interner Kommunikati-
on innerhalb des LKA Thüringen, insbesondere zu der
gerade erwähnten Rücksprache von EKHK’in Lipprandt
mit KHK Wunderlich.
3776
Die Beantwortung des Schreibens erfolgte am
29. November 2001.
3777
In einer von KHK Wunderlich
3773) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 142.
3774) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 14.
3775) Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera vom 15. November
2001, MAT A TH-1/15, Bl. 1.
3776) Handschriftlicher Vermerk vom 21. November 2001 auf einem
Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera vom 15. November
2001, MAT A TH-1/15, Bl. 1.
3777) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LKA Thüringen an
den Leiter der Staatsanwaltschaft Gera vom 29. November
2001 nebst Anlagen, MAT A TH-2/16, Bl. 344 ff.
verfassten Anlage zu diesem Schreiben wurde darauf
hingewiesen, dass im Rahmen der bisher durchgeführten
Zielfahndungsmaßnahmen mehrfach festgestellt und
schriftlich dargestellt worden sei, dass das LfV Thüringen
unter dem Synonym „Drilling“ eigene Ermittlungs- und
Observationsmaßnahmen durchgeführt habe.
3778
Als wei-
tere Anlagen wurde der die Suche nach dem Trio betref-
fende Auszug aus dem Jahresbericht 2000 der Zielfahn-
dung, der Vermerk vom 14. Februar 2001 sowie der
Übergabevermerk vom 22. August 2001, in dem die
Rückgabe der Fahndungsakten an die EG „TEX“ doku-
mentiert wird, mit übergeben.
Eine substantiierte Begründung für eine mögliche Unter-
stützung des Trios durch das LfV Thüringen ist hierin
ebensowenig enthalten wie die Nennung konkreter Fakten
für eine solche Unterstützung. Vielmehr wird lediglich
dargestellt, dass auch durch das LfV Thüringen Ermitt-
lungs- und Observationsmaßnahmen erfolgten.
In einem in den Akten des LKA Thüringen noch enthalte-
nen Antwortentwurf vom 26. November 2001, in dem als
Sachbearbeiterin EKHK’in Lipprandt, die damalige Leite-
rin der Abteilung 2, zu der seinerzeit auch die EG „TEX“
gehörte, genannt ist, war zunächst noch – wenn auch sehr
indirekt und ohne Nennung entsprechender Fakten – da-
rauf hingewiesen worden, dass zwar keine Anhaltspunkte
für ein Tätigwerden des LfV Thüringen „im
Zusamenhang mit dem Verschwinden“ des Trios vorlä-
gen, dass jedoch die Tatsache, dass die drei Beschuldigten
lange Zeit trotz intensiver Fahndung unbekannten Auf-
enthalts seien, die Vermutung nahelege, dass sie Unter-
stützung erhielten.
3779
Danach hieß es:
„Wer sie unterstützte ist hier nicht bekannt.
Eine Nachfrage Ihrerseits beim LfV Thüringen
wird angeregt.“
Zwei handschriftlichen Vermerken, die sich auf dem
Schreiben befinden, ist zu entnehmen, dass dazu aufge-
fordert wurde, konkrete Fakten zu nennen. Hierzu heißt es
in dem unten rechts aufgebrachten handschriftlichen
Vermerk:
„Wir sind Tatsachenmenschen und stellen höchs-
tens Versionen auf. Bitte konkret berichten, was
vorliegt, eingeleitet ist und was wir aus den Akten
wissen.“
Zudem wurde eine Wiedervorlage nach drei Tagen ver-
fügt.
In dem auf der linken Seite etwas weiter unten aufge-
brachten Vermerk heißt es sodann:
„Wir wissen nichts über ZA [Zusammenarbeit] des
LfV in diesem Fall; daß weiß ZF Hr. Wunderlich.
3778) Vermerk von KHK Wunderlich vom 28. November 2001
(Anlage zum Schreiben vom 29. November 2001, MAT A TH-
2/16, Bl. 345.
3779) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an die
Staatsanwaltschaft Gera vom 26. November 2001 (Entwurf),
MAT A TH-1/15, Bl. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 431 – Drucksache 17/14600
Seine Ergebnisse/Erkenntnisse schreibe ich nicht
nieder.“
Die Beantwortung des Schreibens erfolgte sodann am
29. November 2001. Die Bearbeitung des Antwortschrei-
bens erfolgte durch KHK Wunderlich.
bb) Eingang der mitgeteilten Erkenntnisse in
den Berichtsvorgang des Thüringischen
Justizministeriums
Das Schreiben vom 29. November 2001 fand sodann –
nebst sämtlichen Anlagen, unter anderem auch des Ver-
merks von KHK Wunderlich vom 14. Februar 2001 –
Eingang in einen Bericht der Staatsanwaltschaft Gera an
die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft, der am
17. Januar 2002 erstattet wurde. Zu den durch das LKA
Thüringen übersandten Unterlagen heißt es konkret:
„Aus diesen Unterlagen geht m.E. deutlich hervor,
dass sich das LfV mit den gesuchten Personen be-
fasst hat und möglicherweise noch befasst. Den-
noch beabsichtige ich nicht, mit der Bitte um
Überlassung von Erkenntnissen an das LfV heran-
zutreten, da ich mir davon keinen Erfolg verspre-
che.“3780
Dem daraufhin am 4. Februar 2002 durch die Thüringer
Generalstaatsanwalt erstatteten Bericht an das Thüringer
Justizministerium waren die vom LKA Thüringen über-
sandten Unterlagen ebenfalls beigefügt.
3781
Seitens der
Generalstaatsanwaltschaft war beabsichtigt, die „dem
Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Problematik“
im Rahmen eines Treffens mit dem Präsidenten des LfV
Thüringen zu erörtern.
Innerhalb des Thüringer Justizministeriums wurde der
Bericht der Generalstaatsanwaltschaft nebst den entspre-
chenden Anlagen schließlich am 15. Februar 2002 dem
Staatssekretär vorgelegt.
3782
In der Folge fand am 4. März 2002 ein Gespräch zwi-
schen den Staatssekretären des Innenministeriums und des
Justizministeriums statt.
3783
Den Akten des LfV Thürin-
gen lässt sich entnehmen, dass durch den Präsidenten des
LfV Thüringen, Sippel, seinerzeit aus Anlass des Ge-
sprächs an den Staatssekretär im Innenministerium be-
richtet worden war. Ein von Sippel selbst gefertigter
Vermerk enthält die Aussage, dass anlässlich der aktuel-
len Rückfrage erneut an den ehemaligen Vizepräsidenten
Nocken sowie an den ehemaligen VM-Werber Wießner
3780) Verfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts Sauter vom
17. Januar 2002, MAT A TH-2/16, Bl. 307.
3781) Hierzu und im Folgenden: Bericht der Thüringer Generalstaats-
anwaltschaft an das Thüringer Justizministerium vom 4. Febru-
ar 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 71 ff.
3782) Vermerk des Thüringer Justizministeriums vom 13. Februar
2002, gezeichnet vom Staatssekretär am 15. Februar 2002,
MAT A TH-2/59, Bl. 80.
3783) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des Präsidenten des LfV
Thüringen Sippel vom 4. März 2002, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr.
09/12 – GEHEIM), Anlage 02, Bl. 330 (VS-VERTRAULICH).
herangetreten worden war. Beide hätten angegeben, dass
keine nachrichtendienstliche Verbindung zu einem der
Mitglieder des Trios jemals bestanden habe und dass sich
auch den Akten eine solche Verbindung nicht habe ent-
nehmen lassen.
Am 31. Mai 2002 fand das geplante Treffen des Thürin-
ger Generalstaatsanwalts mit dem Präsidenten des LfV
Thüringen statt, bei dem die „im Bericht des Leiters der
Staatsanwaltschaft Gera vom 17. Januar 2002 angespro-
chene Problematik erörtert“ wurde.3784
d) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom
23. Oktober 2002
In einem von Staatsanwalt/GL Schultz am
23. Oktober 2002 verfassten Bericht im Rahmen des die
Suche nach dem Trio betreffenden Berichtsvorgangs des
Thüringer Justizministeriums wird im Zusammenhang mit
der Erörterung möglicher Erfolgsaussichten weiterer
Fahndungsmaßnahmen die Vermutung geäußert, eines
oder mehrere Mitglieder des Trios seien mit großer Wahr-
scheinlichkeit Mitarbeiter des LfV Thüringen. Konkret
heißt es:
„Es ist nicht auszuschließen, dass angesichts des
bekannten Hintergrundes – eine oder mehrere der
gesuchten Beschuldigten waren oder sind mit gro-
ßer Wahrscheinlichkeit Mitarbeiter des Thüringer
Landesamtes für Verfassungsschutz – Fahn-
dungsmaßnahmen ins Leere gehen.“3785
Weder seitens der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft
noch seitens des Thüringer Justizministers wurde auf
diese Ausführung in irgendeiner aktenkundig gewordenen
Form eingegangen. Die genannte Passage ist in den beim
Thüringer Justizministerium geführten Akten zum Teil
unterstrichen worden – durch wen, ist nicht bekannt.
e) Überprüfung der Vorwürfe in den Jahren
2001 und 2002 durch den damaligen Präsi-
denten des LfV Thüringen Sippel
Der Zeuge Sippel hat angegeben, im Mai 2001 habe ihn
der damalige Thüringer Innenminister Köckert mit dem
Verdacht konfrontiert, dass ein Mitglied des Trios Quelle
des Verfassungsschutzes sei und der Verfassungsschutz
wisse, wo die drei Abgetauchten sich aufhielten.
3786
Er
habe daraufhin getrennte Gespräche mit seinem Vertreter,
Herrn Nocken, sowie mit Herrn Wießner, der zu diesem
Zeitpunkt als V-Mann-Führer Tino Brandts aktiv gewe-
sen, aber auch in die Suchmaßnahmen eng eingebunden
gewesen sei. Beide hätten den Verdacht von sich gewie-
sen. Herr Nocken habe zusätzlich erklärt, er verstehe gar
3784) Randbericht von Oberstaatsanwalt Schwarz vom 6. Juni 2002,
MAT A TH-2/59, Bl. 100.
3785) Hierzu und im Folgenden: Bericht des Leitenden Oberstaatsan-
walts in Gera an das Thüringer Justizministerium vom
23. Oktober 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 101 ff. (103).
3786) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 137.
Drucksache 17/14600 – 432 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht, wie dieser Verdacht aufgekommen sei; die Zusam-
menarbeit mit der Polizei sei sehr eng gewesen, man habe
immer an einem Tisch gesessen und Informationen ausge-
tauscht.
3787
Im Jahr 2002 sei er noch einmal vom damaligen Staatsek-
retär im Thüringer Innenministerium, Herrn Scherer, auf
diesen Sachverhalt angesprochen worden, woraufhin er
erneut mit Herrn Wießner und Herrn Nocken gesprochen
habe, die ihm das Gleiche erzählt hätten, wie im Jahr
zuvor.
3788
11. Verdacht der logistischen Unterstützung
des Trios durch die Polizei in Thüringen
a) Untersuchung der fehlgeschlagenen Gara-
gendurchsuchung durch das LfV Thürin-
gen
Der Zeuge Dr. Roewer hat dargelegt, dass das LfV Thü-
ringen nach der missglückten Durchsuchung der Garage
und dem Abtauchen des Trios am 26. Januar 1998 mit
einer von der Extremismusabteilung unabhängigen Ar-
beitsgruppe versucht habe, herauszufinden, ob bei der
Durchsuchung der Garagen möglicherweise absichtlich
etwas schiefgelaufen sei.
3789
Diese Arbeitsgruppe sei bereits älteren Datums gewesen
und habe nach der Erinnerung des Zeugen Dr. Roewer aus
1995 oder Anfang 1996 gestammt. Sie sei auf Weisung
des - mittlerweile verstorbenen -, damaligen Staatssekre-
tärs Dr. Krämer entstanden und darauf ausgerichtet gewe-
sen,
„das Amt in Ermittlungstätigkeit zu setzen gegen-
über einer ungeahnten Vielzahl von polizeilichen
Informationspannen, die so weit gingen, dass der
Minister, der Staatssekretär und ich die Meinung
hatten, dass die Sicherheit des Landes ernsthaft ge-
fährdet sei durch den ständigen unerlaubten Infor-
mationsabfluss aus der Polizei, der dann sozusagen
in der weiteren Folge zu Exekutivpannen führ-
te.“3790
In diesen Ermittlungsvorgang seien die Vorgänge im
Zusammenhang mit der Flucht des Trios integriert wor-
den.
Die Details hierzu seien ihm nicht mehr alle erinnerlich,
aber er könne so viel sagen,
„dass für das Misslingen des Zugriffs mir je-
denfalls jetzt keinerlei Tatsachen bekannt gewor-
den sind oder jedenfalls keine Tatsachen erinner-
lich sind, die auf einen absichtlichen Fehlzugriff
hindeuten würden - so schwer er auch verständlich
war.
3787) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 138.
3788) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 138.
3789) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.
3790) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.
Diese frohe Botschaft vermag ich allerdings für
den weiteren Verlauf der Operationen nicht auf-
rechtzuerhalten, weil nach meiner deutlichen Erin-
nerung immer wieder Einzelheiten aus der Fahn-
dung nach dem Trio nach draußen gingen - wofür
es einen relativ einfachen Kontrollmechanismus
gab, nämlich den, dass es immer wieder gezielte
Presseanfragen zu Einzelheiten der Operationen
bei mir gab, die sicherlich nicht von mir gekom-
men sind.“3791
Weiter hat Dr. Roewer ausgeführt:
„Für diesen Verdacht gab es zunächst erst mal den
allgemeinen Hinweis oder den allgemeinen An-
haltspunkt, dass es in der Polizei jemanden gab,
der in die rechtsextreme Szene offensichtlich Poli-
zeiinformationen weitergab, und dieser Verdacht
war sehr konkret dadurch, dass in der rechtsextre-
men Szene eine Bildfahndungsmappe über polizei-
lich erkannte Rechtsextremisten auftauchte, und
diesem Verdacht war schon nachzugehen.“3792
Nach Auffassung des Zeugen Dr. Roewer habe die Öf-
fentlichkeit – speziell die rechtsextremistische Szene – zu
schnell vom Abtauchen des Trios erfahren, wodurch die
Ermittlungsarbeit erschwert worden sei. Auf Nachfrage
hat er erläutert:
„Fahndung und Öffentlichkeit passen in manchen
Fällen nicht zusammen. Manchmal passt es zu-
sammen, wenn man nämlich eine öffentliche
Fahndung macht, aber manchmal passt es auch
nicht. [...] In dem Anfangsstadium hat es garantiert
nicht gepasst.
3793
Nach Angaben des Zeugen Dr. Roewer hat das LfV Thü-
ringen
„auftragsgemäß illegalen Informationsabfluss aus
der Thüringer Polizei systematisiert.“3794
Hierzu habe man zunächst die Presse ausgewertet. Und
dann
„macht man sozusagen eine systematische Prüfung
und versucht, festzustellen, ob sich ein bestimmter
Typus da erkennen lässt und ob es bestimmte so-
zusagen ordentliche Schwerpunkte gibt oder ob es
sozusagen Sachzugriffsgesichtspunkte gibt, und
dann versucht man sozusagen, zu sagen: Wer kann
das sein? Das ist doch ganz normal.“ 3795
Die diesbezüglich im LfV Thüringen angelegten Akten,
habe er selbst gesehen. Wie umfangreich der Aktenbe-
3791) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.
3792) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.
3793) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 99.
3794) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 103.
3795) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 103.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 433 – Drucksache 17/14600
stand gewesen sei, ob es sich dabei um einen oder um 20
Ordner gehandelt habe, wisse er nicht mehr.
3796
Das Thüringer Innenministerium sei über die Untersu-
chung informiert gewesen.
„Soweit ich mich erinnere, ging der Auftrag von
dem damaligen Staatssekretär Dr. Krämer aus, und
die - - Es muss - sonst ergibt das in meinem Kopf
keinen Sinn - sozusagen die Fortsetzung der Maß-
nahme besprochen worden sein im Nachklapp zum
Untertauchen des Trios, mit Dewes [damaliger
Thüringer Innenminister] und/oder Lehnert [dama-
liger Staatssekretär im Thüringer Innenministeri-
um]. Aber ich kann das nur vermuten.“3797
Es sei nicht irgendwie um irgendwelche Kleinigkeiten
gegangen. Es habe in Thüringen offensichtlich ein paar
bemerkenswerte Informationspannen bei der Polizei ge-
geben, wo ganze Fahndungsmaßnahmen zerschlagen
worden seien. Bei dieser Maßnahme sei es um die Frage
gegangen,
„um es in den Verfassungsschutztext, Gesetzestext
zu gießen, ob hier sozusagen die Sicherheit des
Landes beeinträchtigt ist, ob es Leute gibt, die die
Sicherheit des Landes gefährden.“
Dafür, dass die Sicherheit des Landes Thüringen durch
das Agieren der Polizei in Thüringen gefährdet worden
sei, habe es Anhaltspunkte gegeben.
Der Zeuge Dr. Roewer hat in diesem Zusammenhang
ausgeführt:
„Sie können sich wahrscheinlich die Situation
nicht richtig vorstellen, die in einem neuen Bun-
desland kurz nach seiner Gründung in der Polizei
vorzufinden war. Die Situation war insofern au-
ßerordentlich komplex, weil dort eine Vielzahl von
oder die Masse der dann Beamte gewordenen
ehemaligen Volkspolizisten nicht nur zu Frohsinn
Anlass gab, weil es oft sehr schwer festzustellen
war, wer da wer war, weil die Möglichkeit bestan-
den hatte, die Personalakten einer Eigenbereini-
gung zu unterziehen, was in Ostdeutschland mög-
lich war, bevor die Einheit Deutschlands herge-
stellt wurde. Und auch von dieser Möglichkeit
wurde reichlich Gebrauch gemacht.“3798
Gegen den damaligen Präsidenten des LKA Thüringen,
Luthardt, der aus der Volkspolizei gekommen war, habe
sich dieser Verdacht nicht gerichtet. Der Zeuge Dr.
Roewer hat dazu erklärt:
„Herr Luthardt ist Gegenstand einer außerordent-
lich intensiven Sicherheitsüberprüfung gewesen,
die auch meinen Schreibtisch passiert hat, wenn
ich mich richtig erinnere. Diese Sicherheitsüber-
prüfung war notwendig, nicht nur weil er eine be-
3796) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 104.
3797) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 104.
3798) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 104.
stimmte Dienststellung innehaben sollte oder dann
auch innehatte, sondern weil es eine große Zahl
von außerordentlich schwierigen und entehrenden
Vorwürfen gegen ihn gab, denen das Amt dann
nachgegangen ist und die sich dann alle als haltlos
herausgestellt haben.“3799
Der Verfassungsschutz habe eigene Ermittlungen durch-
geführt und die Polizei „sicherheitshalber nicht darüber
informiert.“3800
Als Chef einer Sicherheitsbehörde habe man ein gewisses
Grundmisstrauen. Das Grundmisstrauen des Verfassungs-
schutzes in Thüringen gegenüber der Thüringer Polizei
sei „reichlich bedient“ worden.3801
Auf Nachfrage, ob dieses Grundmisstrauen dazu geführt
habe, nicht alles, was er gewusst habe, mit den Kollegen
zu teilen oder eine Informationsweitergabe in Richtung
des LKA gestoppt zu haben, hat der Zeuge Dr. Roewer
erklärt:
„Sie irren sich da grundlegend, weil das eine Frage
der Schwerpunktsetzung war. Wir wollten, dass
diese Leute festgenommen werden. Diese Zusam-
menarbeit hat stattgefunden zwischen meiner
Extremismusabteilung und den entsprechenden
Gremien des Landeskriminalamtes. Und das ande-
re war die Geschichte, dass man mit einigem Miss-
trauen geguckt hat, ob - und wenn ja, welche - In-
formationen aus dem Bereich Rechtsextremismus
oder Rechtsextremismusbekämpfung aus der Poli-
zei abfließen. Für dieses Misstrauen gab es An-
haltspunkte, und dafür war auch eine andere Ar-
beitseinheit zuständig, die von der
Extremismusabteilung völlig abgeschottet gearbei-
tet hat.“3802
Mit den Ermittlungen über die Polizei sei im LfV Thürin-
gen Oberregierungsrat K. beauftragt worden. Dieser habe
das Referat „Spionageabwehr“ geleitet und solche
Sonderaufträge mit erledigt, weil die Ermittlungen dem
Ermittlungstypus in seinem üblichen Arbeitsbereich sehr
ähnlich gewesen seien.
3803
„Bei dem lief dieser Sammelvorgang, solche Din-
ge zu sammeln, zu systematisieren und in Einzel-
fällen auch Ermittlungen zu machen.“3804
Er wisse nicht mehr, wie die Untersuchung ausgegangen
sei. Es könne sein, dass er aus dem Dienst ausgeschieden
sei, bevor die Untersuchungen abgeschlossen gewesen
seien.
3805
3799) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.
3800) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.
3801) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.
3802) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 106.
3803) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 106.
3804) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 107.
3805) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 106.
Drucksache 17/14600 – 434 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Dr. Roewer hat den Verdacht geäußert, dass
die einschlägigen Akten nach seinem Ausscheiden aus
dem Dienst vernichtet worden seien. Zur Begründung
dieses Verdachts hat er ausgeführt:
„Gegen mich ist ein Prozess geführt worden mit
allerlei außerordentlich entehrenden Vorwürfen.
Dieser Prozess ist dann eingestellt worden, und ich
hatte das hohe Vergnügen, während dieser 50 Pro-
zesstage, die ich da im Strafgericht gesessen habe,
immer wieder zu hören, dass Akten, die offensicht-
lich vorhanden waren, nicht mehr vorhanden sind,
und das fand ich irgendwie sehr bemerkenswert.
Und dann wurde das sozusagen - - Durch Zeugen-
beweis wurde jeweils das Gegenteil belegt.“3806
b) Konkreter Verdacht auf Geheimnisverrat
und Kontakte von Thüringer Polizeibeam-
ten zu Rechtsextremisten in den Jahren
1999 und 2000
Seit den Jahren 1999/2000 bestand der Verdacht, dass
Thüringer Polizeibeamte in insgesamt vier Fällen Kontak-
te zu Rechtsextremisten hatten, an Treffen von Organisa-
tionen wie dem „Thüringer Heimatschutz“ (THS) teil-
nahmen bzw. mit deren Mitgliedern sympathisierten oder
ihnen Details zu möglichen Polizeieinsätzen verrieten.
Diese Informationen erhielt das LfV Thüringen vom
MAD und vom BfV.
Der ehemalige Vizepräsident des LfV Thüringen No-
cken hat hierzu bekundet:
„Vor dem Hintergrund der am Wochenende 24. bis
26. August 2012 bekannt gewordenen Information,
dass ein oder mehrere Polizisten Warnungen ge-
genüber der Szene gemacht haben sollen, ist die
voreilige Behauptung, das sei durch Bedienstete
des LfV geschehen, von besonderem Gewicht und
macht deutlich, wie hier mit dem Ruf von Mitar-
beitern des Thüringer Landesamtes für Verfas-
sungsschutz umgegangen wurde.“3807
Seit September 2012 liegen zu diesen Vorwürfen
Untersuchungsberichte sowohl des LfV Thüringen
3808
als auch des LKA Thüringen
3809
vor.
aa) „Fitnessstudio“
Am 23. Juli 1999 übersandte der MAD dem LfV Thü-
ringen einen Hinweis: Die Rechtsextremisten Andreas
3806) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 107.
3807) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 128.
3808) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a.
3809) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b.
R., Sven R. und Sven L. seien Besucher eines Fitness-
studios. In diesem Fitnessstudio trainiere auch ein
jüngerer Polizeibeamter aus Saalfeld oder Rudolstadt
– dieser gebe den genannten Rechtsextremisten Tipps
aus seinen Tätigkeitsfeldern, die die Szene situations-
bedingt umsetzen könne.
3810
Sven L. war selbst Polizeianwärter, das Ausbildungs-
verhältnis wurde allerdings zum 26. April 1995 wegen
einer Mitgliedschaft in der „Wiking Jugend“ been-
det.
3811
Diese Information erregte im LfV Thüringen offenbar
Aufmerksamkeit, denn sie wurde farblich markiert. Ob
bzw. welche Schritte das LfV Thüringen damals un-
ternahm, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Insbeson-
dere ist nicht dokumentiert, ob das LfV Thüringen die
Information an die Polizei weiterleitete oder ob die
Polizei auf anderem Wege Kenntnis von dem Ver-
dacht erlangte.
3812
Die Identität des Polizisten ist bis
heute nicht bekannt.
3813
Zwar hat das LfV Thüringen am
21. August 2012 einen Polizeibeamten namentlich be-
nannt,
3814
die Existenz dieses Polizisten konnte aber
laut LKA Thüringen weder bestätigt noch ausge-
schlossen werden.
3815
bb) „Stan“
Das LfV Thüringen erhielt am 23. Juli 1999 noch
einen weiteren Hinweis des MAD über eine Meldung
einer Quelle: auf einer Geburtstagsfeier des Rechtsex-
tremisten Mario Brehme sei ein Polizeibeamter zu
Gast gewesen. Die Feier habe am 9. Juli 1999 im
Schrebergarten der Eltern des Mario Brehme stattge-
funden – insgesamt seien etwa 20 Personen anwesend
gewesen. Der Polizist leiste Dienst in Rudolstadt – er
sei mit dem Namen Stan angesprochen worden und
3810) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 2 f.
3811) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 4.
3812) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 2.
3813) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 3.
3814) MAT A TH-9/10a-NEU, (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM),
Anlage 1 (VS-VERTRAULICH).
3815) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 3.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 435 – Drucksache 17/14600
kenne Mario Brehme, da beide dieselbe Schule be-
sucht hätten.
3816
Auch diese Information wurde im LfV Thüringen
farblich markiert. Eine Weiterleitung an die Polizei ist
nicht dokumentiert, aus den Akten ergibt sich auch
nicht, dass das LfV Thüringen selbst in irgendeiner
Weise tätig wurde.
3817
Der Polizist ist inzwischen ermittelt worden. Er wurde
am 28. August 2012 zum Sachverhalt befragt. Er gab
an, Mario Brehme aus der Schulzeit zu kennen. Er
könne sich erinnern, dass er im Jahr 2008 (!) auf einer
Feier im Schrebergarten der Eltern des Mario Brehme
gewesen sei. Diese Feier habe er allerdings bereits
nach wenigen Minuten wieder verlassen, weil dort
auch eine rechtsgerichtete Personengruppe zu Gast
gewesen sei. Zwischen 1998 und 2000 – und somit
zum fraglichen Zeitpunkt – habe er überhaupt keinen
Kontakt zu Mario Brehme gehabt. Laut LKA Thürin-
gen beendete der Polizist seine Ausbildung im Jahr
1998. Im Anschluss wurde er in der Bereitschaftspoli-
zei eingesetzt. Dort hatte er – wenn überhaupt – nur
beschränkten Zugang zu den polizeilichen Informati-
onssystemen, so dass es das LKA Thüringen als un-
wahrscheinlich ansieht, dass er zum damaligen Zeit-
punkt überhaupt in der Lage gewesen wäre, dienstli-
che Geheimnisse zu verraten. Hinweise über Verbin-
dungen des Polizisten zur rechten Szene liegen dem
LKA Thüringen nicht vor.
3818
cc) Tod auf Kreta
Am 10. Dezember 1999 fand im Gymnasium Bad
Blankenburg ein Weihnachtsball statt. An diesem Ball
nahm auch ein ehemaliger Abiturient der Schule teil
(damals ca. 20 bis 22 Jahre alt). Dieser habe behaup-
tet, Beamter des gehobenen Dienstes beim LKA Thü-
ringen in Erfurt zu sein. Schwerpunktmäßig würde er
bei Einsätzen im Drogenmilieu und im Rahmen von
verdeckten Ermittlungen tätig sein. Der angebliche
LKA-Beamte habe geäußert, dass die „drei mutmaßli-
chen Rechtsterroristen“ („Bombenbastler“) auf Kreta
tot aufgefunden worden seien.
3819
3816) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 2 f.
3817) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 3.
3818) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 6 f.
3819) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 6 f.
Diese Information erhielt das LfV Thüringen am
22. Dezember 1999 vom MAD zunächst telefonisch.
Einem entsprechenden Vermerk ist handschriftlich
hinzugefügt, dass noch am selben Tag telefonisch
auch das LKA Thüringen informiert wurde. Aus einer
weiteren Notiz auf dem Vermerk ergibt sich, dass für
den 12. Januar 2000 eine Arbeitsbesprechung geplant
war – offenbar zwischen LKA Thüringen und LfV
Thüringen – ob diese Besprechung tatsächlich statt-
fand, ist nicht bekannt.
3820
Am 31. Januar 2000 erhielt das LfV Thüringen die
Hinweise noch einmal schriftlich vom MAD.
3821
In diesem Bericht teilte der MAD den zwischenzeit-
lich bekannt gewordenen Namen des angeblichen
LKA-Mitarbeiters mit. Dieser war zum Zeitpunkt der
angeblichen Äußerungen seit gut zwei Monaten im
Polizeivorbereitungsdienst. Im LKA Thüringen war er
zu keinem Zeitpunkt tätig. Sollte er sich tatsächlich zu
einem angeblichen Tod des Trios auf Kreta geäußert
haben, sei dies eine Falschdarstellung – er war weder
in der behaupteten Funktion tätig, noch konnte er über
entsprechende Informationen verfügen.
3822
Die Meldung vom angeblichen Tod des Trios auf Kre-
ta erreichte auch das LKA Thüringen, und zwar bereits
Anfang Januar 2000. In einem Telefax wurde durch
das Staatsschutzdezernat des LKA Thüringen über das
LKA beim BKA-Verbindungsbeamten in der Deut-
schen Botschaft in Athen darum gebeten, den Sach-
verhalt zu prüfen.
3823
Am 28. Februar 2000 erfolgte
ein Antwortfax der Deutschen Botschaft Athen: Er-
kundigungen beim Honorarkonsul in Heraklion/Kreta
hätten ergeben, dass es auf Kreta keinen Verkehrsun-
fall gegeben habe, bei dem drei Deutsche oder drei
nicht identifizierte junge Menschen ums Leben ge-
kommen seien.
3824
dd) „Polizist 2“/„K.“
1999 gab es Hinweise aus der rechten Szene, nach
denen ein Polizeibeamter Informationen zu geplanten
Polizeiaktionen an den „THS“ weitergegeben habe.
Die Hinweise stammten von einer Quelle, die sich
damals in Erprobung beim BfV befand. Kontaktperson
3820) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 3 f.
3821) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 3.
3822) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 8 ff.
3823) Fernkopie des LKA Thüringen vom 7. Januar 2000, MAT A
TH-1/19, Bl. 168 f. (verkehrt herum geheftet).
3824) Telefax des BKA-Verbindungsbeamten bei der Deutschen
Botschaft Athen, MAT A TH-1/19, Bl. 170 f.
Drucksache 17/14600 – 436 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
des Polizisten soll danach Enrico K. gewesen sein. K.
war zum damaligen Zeitpunkt Kassenwart des NPD-
Kreisverbands Saalfeld/Rudolstadt und Mitglied des
„THS“ in der Sektion Saalfeld/Rudolstadt.3825
Die befragte frühere Quelle hat am 5. Dezember 2011
angegeben, dass es damals in der rechtsextremisti-
schen Szene Saalfelds durchgängig Gerüchte gegeben
habe, nach denen Polizeibeamte aus der Region Sze-
neangehörige vor Polizeiaktionen gewarnt hätten. In
diesem Zusammenhang sei davon gesprochen worden,
dass K. eine Kontaktperson in der Polizeiinspektion
Saalfeld gehabt habe. Allerdings habe K. in der Szene
als „Aufschneider“ gegolten. Polizisten beschrieben K.
als „totalen Spinner“, der von der rechten Szene nicht
ernst genommen werde. K. habe „mit seiner großen
Klappe“ versucht, sich in der Szene „nach oben zu
arbeiten“ – dies sei ihm aber nicht gelungen. Ein im
Januar 2012 angeforderter Bundeszentralregister-
Auszug zu K. enthält insgesamt elf Einträge.
3826
Der in den Medien
3827
genannte Polizeibeamte hat am
6. Dezember 2011 eine dienstliche Erklärung zu den
Vorwürfen abgegeben. Danach habe es Kontakte zu K.
ausschließlich im Rahmen polizeilicher Maßnahmen
gegeben. Er habe gegenüber K. mehrfach freiheitsent-
ziehende Maßnahmen vollzogen – Hintergrund seien
meist keine politisch motivierten Straftaten gewesen,
sondern Gewalttätigkeiten des K. in betrunkenem Zu-
stand gegenüber seinen eigenen Eltern. In diesem
Zusammenhang sei auch er selbst von K. bedroht wor-
den.
3828
Hinweise auf eine mögliche Bevorzugung des K.
durch den Polizeibeamten ergeben sich nach Auffas-
sung des LKA Thüringen nicht.
3829
Von Kollegen, mit denen er damals zusammengearbei-
tet hat, wird der Polizeibeamte als „absolut loyaler
Polizeibeamter“ beschrieben, der keinesfalls „rechtes
Gedankengut“ vertrete. Er sei engagiert und vertrau-
enswürdig.
3830
3825) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 4.
3826) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 5 f.
3827) Vgl. unter anderem Spiegel Online vom 24. August 2012
und vom 30. August 2012.
3828) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 5.
3829) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 11.
3830) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
Das LKA Thüringen sieht keine Hinweise darauf, dass
es sich bei P2 tatsächlich um die Kontaktperson der
Rechtsextremen gehandelt hat, von der in den Deck-
blattmeldungen einer Quelle des BfV die Rede war.
3831
Dennoch hatte der Sachverhalt für den Polizisten P2
berufliche Konsequenzen. Er war am 1. März 2011
zum LfV Thüringen versetzt und dort als V-Mann-
Führer im Bereich „Rechtsextremismus“ eingesetzt
worden. Am 7. Dezember 2011 musste er diese Positi-
on wieder aufgeben. P2 wurde zur Polizeidirektion
Erfurt abgeordnet, am 7. Juni 2012 mündete diese
Abordnung in eine Versetzung.
3832
12. Ausübung der Fachaufsicht über das LfV
Thüringen
Der Zeuge Nocken hat zu dieser Thematik vor dem Unter-
suchungsausschuss ausgeführt:
„Im Thüringer Innenministerium arbeitete in der
Abteilung 2 auch das Referat Verfassungsschutz
als Fachaufsicht über das LfV Thüringen. Wäh-
rend der gesamten Operation wurde von dieser
Stelle nicht ein einziges Mal wegen der Arbeit da-
nach nachgefragt, angeregt, bemängelt oder auch
nur kommentiert. Die Zusammenarbeit mit der Po-
lizei wurde in keinster Weise kritisiert oder nur
hinterfragt. Die Fachaufsicht war aus Sicht des
Thüringer LfV nicht spürbar. Die Schäfer-
Kommission schreibt dazu lediglich auf Seite 266,
Randnummer 489: ‚Das zuständige Referat des
TIM hat Überlegungen angestellt, wie die Fach-
aufsicht über das LfV Thüringen weiter optimiert
werden kann‘.
Dieser Umstand kann allerdings als Beleg dafür
gewertet werden, dass aus Sicht des Ministeriums
an der Zusammenarbeit Verfassungsschutz/Polizei
keine Kritik notwendig war. Dies konnte wegen
der Mitarbeit in den oben genannten Gremien auch
beurteilt werden.“3833
Die Fachaufsicht sei aber insofern eingebunden gewesen,
weil bei jeder wöchentlichen Lagebesprechung darüber
gesprochen worden sei, wer was wann wo tue. Ob die
Fachaufsicht jede Besprechung mit der Staatsanwaltschaft
oder jeden Kontakt mit dem LKA mitbekommen habe,
könne er ihnen nicht sagen; aber hätte sie eigentlich haben
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 6.
3831) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 11.
3832) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 6.
3833) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 127.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 437 – Drucksache 17/14600
müssen. Gefragt, angeregt oder kritisiert worden sei aber
nie.
3834
Der Zeuge Schrader hat angegeben, er habe keine Fach-
aufsicht oder Kontrolle durch das Thüringer Innenminis-
terium wahrgenommen.
3835
Der Kontakt zum Thüringer
Innenministerium sei allein über den Präsidenten, Dr.
Roewer, gelaufen.
3836
13. Mögliche Abgabe des gesamten Falles
durch das LfV Thüringen an das LfV Sach-
sen
Der Zeuge Schrader hat berichtet, dass diskutiert worden
sei, den gesamten Fall, also die Suche nach dem Trio, an
das LfV Sachsen abzugeben. In zeitlicher Hinsicht hat
Schrader keine Einordnung vorgenommen. Das LfV
Sachsen habe dieses Ansinnen jedoch zurückgewiesen.
Schrader hat auf die Frage, ob man den Fall nicht nach
Sachsen hätte abgeben können, geantwortet:
„Das hätten wir gerne getan. … Es gab damals
mein Pendant in Sachsen. Das war der Herr - ein
bayerischer Kollege - Oberrat Sowieso. Vielleicht
fällt er mir nachher noch ein. Mit dem habe ich
x-mal gesprochen. Da sind wir ein paarmal - - Herr
Nocken war auch mal mit dabei. Wir waren in
Dresden. … Die waren personell noch dünner
dran wie wir, und der hat gesagt: Mach, was du
willst, aber lass mich außen vor. Wir haben dafür
keine Zeit und kein Personal. - Wir hätten das ger-
ne abgegeben. Wir waren ja im Grunde auch gar
nicht mehr zuständig, wenn man ehrlich ist. Das
hätten die Sachsen übernehmen müssen. Aber im-
mer dann - - Die Sachsen haben zu uns gesagt: Das
hat keinen Zweck. Dafür haben wir keine Leute.
Können wir gar nicht machen. Macht das selber. -
Und dadurch sind wir tagelang in Chemnitz gewe-
sen mit unserer Obs.-Gruppe.“3837
Die von dem Zeugen erwähnten Überlegungen sind in den
Akten des LfV Thüringen nicht belegt.
Der Zeuge Tüshaus vom sächsischen Verfassungsschutz
hat zu diesem Aspekt Folgendes bekundet:
„Was den Verfassungsschutz angeht, so ist die Si-
tuation ja folgende gewesen: dass die Anknüp-
fungspunkte, die Informationsausgangspunkte für
die Suche nach den Geflüchteten eigentlich weiter
in Thüringen waren. Die Thüringer hatten dort Er-
kenntnislagen über die Personen, die die Flucht
unterstützten, die logistisch da einiges steuerten
und die das bewegten. Diese Erkenntnisse waren
von dort. Das heißt, auch das, was um die Flucht
herum geschehen ist, war ja dann letztendlich kei-
ne rein sächsische, sondern eine gemischte säch-
3834) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 37.
3835) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 131.
3836) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 131.
3837) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 141 f.
sisch-thüringische Lage. Da wäre es sicherlich
richtiger gewesen, insgesamt das BfV im Rahmen
seiner Zentralstellenfunktion mit einzuschalten;
denn da ist sowohl die Landessicht A wie die Lan-
dessicht B - wir hatten während der ganzen Zeit
eigentlich kein aktives Informationsaufkommen -
nur eine beschränkte gewesen.“3838
Der Zeuge Boos, seinerzeit Leiter des LfV Sachsen, hat
zu diesem Aspekt bekundet:
„Also erst mal: Dass wir uns da um die Dinge auch
gekümmert haben und uns engagiert auch mit ein-
gebracht haben, das zeigen zum Beispiel die Vor-
gänge in 2000. Es war das LfV Sachsen, das hin-
gegangen ist und gesagt hat: Bitte Maßnahmen ko-
ordinieren, damit wir koordiniert das Kontaktum-
feld beobachten. - Wir selbst sind mit allem, was
wir da zu Gebote hatten an Möglichkeiten, Obser-
vationen, G 10, auch über längere Zeit reingegan-
gen. Wir waren, glaube ich, letztendlich die Ver-
fassungsschutzbehörde, die am längsten noch beo-
bachtet hat in dem Bereich mit G-10-Maßnahmen.
Das weiß ich jetzt nicht genau; aber zumindest
sind wir bis 2002 - - Insofern: Mit langen Fingern,
nicht zu eigen - den Begriff finde ich jetzt nicht - -
Aus meiner Sicht beschreibt er das nicht, was pas-
siert ist. Wir haben uns damals engagiert mit ein-
gebracht.
Wenn es allerdings darum geht, ob wir uns in der
Federführung gesehen haben: Das nicht. Wir ha-
ben uns nicht in der Federführung bei der - - ja,
nicht in der federführenden Zuständigkeit gese-
hen.“3839
IV. Maßnahmen des LfV Sachsen bei der Su-
che nach dem Trio
Unter der Bezeichnung „Terzett“ ergriff das LfV Sachsen
im Jahr 2000 insgesamt zwölf Observationsmaßnahmen,
die das Umfeld des Trios, also letztendlich die Suche nach
diesem, betrafen. Einige der hier auftretenden Kontakt-
personen waren bereits zuvor seit 1998 immer wieder –
auch in anderem Zusammenhang – das Ziel von Maß-
nahmen der Behörde.
1. Maßnahmen in den Jahren 1998-1999
Erste Hinweise darauf, dass sich das Trio in Sachsen
aufhalten könnte, erreichten das LfV Sachsen im Februar
1998. Der Zeuge Tüshaus hat vor dem Ausschuss erläu-
tert:
„Wenige Wochen später, Februar, wurde das LfV
Sachsen zunächst mündlich und dann durch einen
Bericht des LfV Thüringen über eine dort gewon-
nene Quellenmeldung in Kenntnis gesetzt, dass das
3838) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 11.
3839) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 101.
Drucksache 17/14600 – 438 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auto eines Rechtsextremisten, mit dem die drei
wohl bei der Flucht unterwegs gewesen seien, aus
Dresden abgeschleppt wurde. Die Quelle vermute-
te, dass sich die drei Gesuchten im Raum Dresden
aufhalten oder zumindest aufgehalten hätten, da
Mundlos über viele Szenekontakte nach Dresden
verfüge, die durch die Gefangenenbetreuung ent-
standen seien. Zugleich ging es in dem Bericht
auch um Kontakte nach Berlin und um das Bemü-
hen, sich ins Ausland abzusetzen. Das LfV Sach-
sen hatte keine eigenen Erkenntnisse in Bezug auf
den Aufenthalt der Gesuchten. Da schlossen sich
in der Folgezeit auch keine ergänzenden Meldun-
gen an. Heute wissen wir, dass die Vermutung der
Quelle, die Flucht der drei hätte auf Dresden ge-
zielt, unzutreffend war.“3840
Dies ist auch von dem Zeugen Boos bestätigt worden:
„Die erste konkrete Meldung haben wir dann im
Februar 98 bekommen; das war die Meldung, dass
die drei Flüchtigen mit einem Fahrzeug in den
Raum Dresden gebracht worden sein sollen. Das
Auto war verunfallt und musste deshalb zurückge-
holt werden. Die Quelle damals - es war eine
Quelle des LfV Thüringen - vermutete auch, dass
die drei Gesuchten im Raum Dresden seien, weil
der Mundlos aus der Gefangenenbetreuung Kon-
takte dorthin hatte.“3841
Maßnahmen zur Suche nach dem Trio wurden zu diesem
Zeitpunkt noch nicht ergriffen. Ab April 1998 war das
Umfeld von Zschäpe, Bönhardt und Mundlos aber Ge-
genstand verschiedener Observationen des LfV Sachsen,
die aus anderen Gründen (Musikszene um Jan Werner)
eingeleitet worden waren. Dabei handelt es sich um diese
beiden Maßnahmen:
– „Dönhoff II“ vom 23. bis zum 24. April 1998: Ziel
der Observation waren Bewegungsbilder und Foto-
grafieren von Jan Werner, Michael P. sowie Antje P.
in Wilsdruff, Limbach-Oberfrohna und Chemnitz
sowie das Ermitteln von Kontaktpersonen.
3842
– Im Rahmen der Beobachtung eines Treffens der
„Blood & Honour“-Sektion Sachsen wurde bekannt,
dass Antje P. gegenüber den anderen Teilnehmern
des Treffens angeregt habe, man solle die politische
Arbeit im Untergrund in Form von Anschlägen
durchführen. Dies sei von den Teilnehmern abgelehnt
worden.
3843
3840) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.
3841) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90.
3842) Observationsauftrag (VS-VERTRAULICH), Einsatzplan (VS-
NfD) vom 22. April 1998 und Observationsbericht (VS-
VERTRAULICH) vom 27. April 1998, MAT A SN-1/2 (Tgb.-
Nr. 08/12 - GEHEIM).
3843) Bericht über die Beobachtung der rechtsextremen
Skinheadszene am 14. Juni im Jugendclub Wilsdruff (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2, Anl. 1, (Tgb.-Nr. 08/12 -
VS-VERTRAULICH).
– „Brennessel“ am 26. Juli 1998: Bei der Observation
eines Landgasthofs in Limbach bei Wilsdruff sollten
die Teilnehmer eines Treffens der „Blood & Ho-
nour“-Sektion Sachsen festgestellt werden.3844
Erst ab September 1998 war das LfV Sachsen in die Su-
che nach dem Trio eingebunden. Der Zeuge Tüshaus hat
vor dem Ausschuss erläutert, Anlass für die Maßnahmen
sei eine Unterstützungsbitte für Observationen durch des
LfV Thüringen gewesen, nachdem dieses vom LfV Bran-
denburg neue Erkenntnisse im Bereich „Blood & Ho-
nour“ erhalten hatte.3845 Nach einer dieser Meldungen
habe der sächsische Rechtsextremist Jan Werner ver-
sucht, Waffen für die flüchtigen Rechtsextremisten zu
beschaffen.
3846
Das Trio plane einen weiteren Überfall
und die Flucht nach Südafrika, wobei sie von Jan Werner
und Antje P. – jeweils unabhängig voneinander – unter-
stützt werden sollten.
3847
Daraufhin hätten mehrere Ge-
spräche zwischen dem quellenführenden LfV Branden-
burg und den LfV Thüringen und Sachsen darüber stattge-
funden, wie die Polizei zu informieren sei.
3848
Diese fan-
den nach Aussage des Zeugen Tüshaus wohl am 16. und
21. September 1998 statt.
3849
Auch mit dem BfV habe
man sich in dieser Frage abgestimmt. Um seine Quellen
zu schützen, habe das LfV Brandenburg darauf bestanden,
dass die Information nur vertraulich, nicht jedoch schrift-
lich, an die zuständigen Fahndungsstellen weitergeleitet
werden dürfe.
3850
Der Zeuge Vahrenhold hat dazu ausge-
führt:
„Also Brandenburg hat eine klare Linie gefahren.
Die haben gesagt: Das LfV Thüringen darf infor-
mell das LKA Thüringen informieren. - Das wurde
in Richtung Thüringen gesagt, nicht in Richtung
Sachsen. Eine schriftliche Information wurde da-
mals verweigert.“3851
Vor dem Hintergrund dieser Quellenmeldung aus Bran-
denburg habe das LfV Sachsen mehrere Observations-
maßnahmen eingeleitet, die nach Aussage des Zeugen
Tüshaus dazu dienten,
„ … auf anderem Weg als durch die direkte Vor-
lage der Meldung des quellenführenden Landes
verwertbare Sachverhalte zu gewinnen und an die
Polizei zu geben. So erfolgten im September 1998
mehrere Observationen der entscheidenden Perso-
nen, teils mit Unterstützung des BfV.“3852
3844) Observationsauftrag vom 24. Juli 1998 und –bericht vom
29. Juli 1998 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM).
3845) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.
3846) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.
3847) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.
3848) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3 f.
3849) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8 f.
3850) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3 f.
3851) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 79 f.
3852) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 439 – Drucksache 17/14600
In einer Erkenntnismitteilung des LfV Sachsen an das
BfV und das BKA nach dem 4. November 2011 am
29. November 2011 ist festgehalten, Antje P. habe am
14. Juni 1998 bei einem Treffen der „Blood & Honour“-
Sektion Sachsen angeregt, die politische Arbeit im Unter-
grund in Form von Anschlägen durchzuführen.
3853
Der
Zeuge Tüshaus hat sich vor dem Ausschuss nicht mehr
darin erinnern können, ob auch diese Erkenntnis bei den
Gesprächen zwischen den LfV zu der Suche nach dem
Trio eine Rolle gespielt hat.
3854
Im Einzelnen wurden die folgenden Maßnahmen gegen
die mutmaßlichen Unterstützer des Trios und weitere
Personen aus dem „Blood & Honour“-Umfeld durchge-
führt:
– „Harmonium“ vom 11. bis zum 12. September 1998:
Ziel der Observation von Jan Werner, Antje P. und
Thomas Starke war es insbesondere, Kontaktperso-
nen aus Thüringen zu identifizieren.
3855
– „Kuhglocke“ vom 17. bis zum 22. September 1998:
Durch die Observation von Antje P. sollten Hinweise
auf den konkreten Veranstaltungsort für ein großes
Skinheadkonzert der „Blood & Honour“-Sektion
Sachsen am 26. September 1998 erlangt werden.
3856
– „Glockenspiel“ vom 25. bis zum 28. September
1998: Die Observation von Antje P. sollte ihre Kon-
takte zur Skinhead-Szene und zu „Blood & Honour“
sowie deren Intensität feststellen. Da sie einen Szene-
laden („Sonnentanzladen“ in Chemnitz) betrieb, ver-
mutete das LfV Sachsen, dass sie als Multiplikatorin
szeneinterne Informationen verbreitete.
3857
– „Pappmaschee“ vom 15. bis zum 16. Oktober 1998:
Ziel der Observation von Jan Werner und Steffi F.
waren Bewegungsbilder und das Feststellen von
Kontaktpersonen.
3858
Eine weitere Maßnahme („Odeon“ im Oktober 1998) war
geplant. Im Rahmen dieser hätten G 10-
Beschränkungsmaßnahmen gegen Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe sowie gegen Jan Werner, dessen Mutter und
Thomas Starke
3859
wegen der Mitgliedschaft beim „Thü-
3853) MAT A SN-7/2 b, S. 24.
3854) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 23 ff.
3855) Observationsauftrag vom 10. September 1998 und –bericht
vom 14. September 1998 (beides VS-VERTRAULICH), MAT
A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3856) Observationsauftrag vom 16. September 1998 und -bericht vom
28. September 1998 (beides VS-VERTRAULICH) sowie Ein-
satzplan vom 18. September 1998 (VS-NfD), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3857) Observationsauftrag vom 22. September 1998 und -bericht vom
2. Oktober 1998 (beides VS-VERTRAULICH) sowie Einsatz-
plan vom 23. September 1998 (VS-NfD), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3858) Observationsbericht vom 21. Oktober 1998 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3859) Vorschlag für eine Beschränkungsmaßnahme vom 9. Oktober
1998 (GEHEIM), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
ringer Heimatschutz“ („THS“, früher: „Anti-Antifa Ost-
thüringen“) erfolgen sollen.3860 Dazu hat der Zeuge
Tüshaus berichtet:
„Zu einer Umsetzung des eigenen Antrags für eine
Telefonüberwachung kam es nicht, da eine andere
Verfassungsschutzbehörde bereits laufende Maß-
nahmen in dieser Richtung betrieb und durch eine
Erweiterung dieser Maßnahmen der Zweck abge-
deckt wurde.“ 3861
Die oben dargestellten mit den anderen Verfas-
sungsschutzbehörden abgesprochenen Maßnahmen zur
Informationserhebung führte das LfV Sachsen auch über
das Jahr 1998 hinaus fort:
3862
– „Kuhglocke Folgemaßnahme“ vom 18. bis zum
19. März 1999: Ziel der erneuten Observation von
Antje P. war das Feststellen von Kontaktpersonen.
3863
– „Bratsche“ vom 19. bis zum 20. November 1999:
Durch die Observation von Jan Werner gelang es,
wie geplant, den Veranstaltungsort für ein geplantes
Skinhead-Konzerts der „Blood & Honour“-Sektion
Sachsen am 20. November 1999 in einer Gaststätte in
Limbach festzustellen.
3864
Die Observation wurde am
Folgetag fortgesetzt, um auch Ausweichorte bei ei-
nem eventuellen Verbot zu identifizieren; zu einer
Ersatzveranstaltung mit den angereisten Musikern
nach einer Verbotsverfügung am Nachmittag des
20. November 1999 kam es nicht.
3865
Insgesamt gewann das LfV Sachsen durch diese Maß-
nahmen keine neuen Erkenntnisse über den Aufenthaltsort
des Trios. Der Zeuge Tüshaus hat vor dem Ausschuss
resümiert:
„Die einzige neue Information zum Trio, die sich
aus sächsischer Sicht für das Jahr 1999 nachvoll-
ziehen lässt, ist der vorläufige Abschlussvermerk
des LfV Thüringen vom Juni 1999. […] In diesem
Bericht vom Juni 1999 wird unter anderem gesagt,
dass sich im Frühjahr 1999 Erkenntnisse verdichtet
hätten, nach denen sich die Gesuchten in Chemnitz
aufhielten; mittlerweile lägen aber eindeutige
Hinweise dafür vor, dass das Trio nunmehr im
nördlichen Bereich der Bundesrepublik unterge-
bracht werden solle. Der Bericht nennt weder die
Erkenntnisse, die zu der Verdichtung der Hinweise
in Bezug auf Chemnitz geführt hätten, noch, wel-
3860) Schäfer-Gutachten, S. 226, Rn. 405.
3861) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 4 und in diesem Sinne auch
S. 48 f.
3862) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 4.
3863) Observationsauftrag vom 18. März 1999 und –bericht vom
29. März 1999 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM).
3864) Observationsbericht vom 24. November 1999 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 -
GEHEIM).
3865) Vermerk vom 22. November 1999 (VS-NfD), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 440 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
che neueren Erkenntnisse auf Norddeutschland
deuten.
Aus den zwischenzeitlich zusammengeführten Er-
kenntnissen wissen wir, dass es dem LfV Thürin-
gen im Frühjahr 1999 gelungen war, Kenntnis von
einem Telefonat zu erhalten, das mutmaßlich
Böhnhardt von einer Telefonzelle in Chemnitz aus
führte. Diese Information war nicht nur eine Bestä-
tigung der bestehenden Erkenntnislage - bisher
konnten nur die Kontaktpersonen und Informati-
onsmittler der Region Chemnitz zugeordnet wer-
den -; jetzt lag ein Hinweis auch darauf vor, dass
sich die Gesuchten selbst dort aufhalten. […]
Für das Jahr 1999 weist der Schäfer-Bericht über
die vorgenannten Sachverhalte hinaus drei Mel-
dungen auf, die die Bezüge der Gesuchten nach
Sachsen bestätigen, die uns jedoch nicht berichtet
wurden: […] und schließlich als dritte Meldung
aus dem November 1999 der Hinweis oder die In-
formation, dass Thomas Starke, der gerade schon
angesprochene Vertraute von Jan Werner, eine
ihm angebotene Spende für die drei abgelehnt ha-
be, da sie kein Geld mehr brauchten, weil sie job-
ben würden. In diese gesamte Entwicklung des
Falls 1999 wurde das LfV Sachsen sachlich nicht
eingebunden. Von der Sachverhaltung her wurde
der Fall durch das LfV Thüringen als sein Fall be-
handelt.“3866
Auch der Zeuge Boos hat darauf hingewiesen, dass be-
stimmte Informationen nicht an das LfV Sachsen weiter-
geleitet worden seien:
„Es waren aber zu der Zeit - jetzt gehe ich zum
LKA Thüringen - wesentliche Informationen
schon beim LKA Thüringen aus Telefonüberwa-
chungsmaßnahmen angefallen, dass aus Telefon-
zellen in Chemnitz Telefongespräche geführt wor-
den sind mit Kontaktpersonen zu den drei Gesuch-
ten, dass aus Telefonzellen in Chemnitz Telefon-
anrufe geführt worden sind, wo es darum ging,
Gegenstände für die drei Gesuchten, persönliche
Gegenstände und Geld, soweit ich mich erinnere,
zu beschaffen.
Diese Information war nur in Thüringen. Sie ist
später wohl dadurch in Thüringen auch angerei-
chert worden, dass es sich bei dem Anrufer aus der
Chemnitzer Telefonzelle um Jan Werner, einen
bekannten Rechtsextremisten aus dem
„Blood & Honour“-Umfeld in Sachsen, handelt -
uns zu dieser Zeit nicht bekannt.“3867
Auch das Parlamentarische Kontrollgremium Sachsens
stellte in seiner nachträglichen Prüfung der Vorgänge fest,
dass das LfV Sachsen mit Informationen unterversorgt
3866) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 5.
3867) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90.
war, die nötigen Informationen aber auch nicht eingefor-
dert habe.
3868
2. Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 12“
Im Frühjahr 2000 (also über ein Jahr nach dem Hinweis
aus Brandenburg im September 1998) kam es zur ersten
der Maßnahmen, die als „Terzett“ bezeichnet werden. In
der Folge wurden im Jahr 2000 insgesamt zwölf Maß-
nahmen durchgeführt, die jeweils den Namen „Terzett“
tragen, darunter auch eine G 10-
Beschränkungsmaßnahme (Telefonüberwachung) zwi-
schen Mai und August 2000.
Auslöser der Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 6“
(März/April 2000) war der aus Thüringen übermittelte
Hinweis aus dem Januar 2000, dass Andreas G. (gehört
zum Umfeld Jan Werner in Chemnitz, ebenfalls „Musik-
szene“) in Thüringen der dortigen Quelle (Tino Brandt)
berichtet habe, „den Dreien geht es gut“.3869 In der Folge-
zeit kam es bis einschließlich April 2000 zu insgesamt
sechs Maßnahmen, von denen Andreas G. betroffen war
(„Terzett“ bis „Terzett 6). Hierbei wurde festgestellt, dass
sich Andreas G. zuweilen höchst konspirativ verhielt
(überfuhr rote Ampeln, etc.). Hinweise auf den Aufenthalt
des Trios ergaben sich jedoch nicht. Der Hinweis, dass
die Quelle des LfV Brandenburg Waffen für das Trio
besorgen wolle, wurde nicht in konkrete Maßnahmen –
wie etwa das Auswerten von Banküberfällen – umgesetzt.
Im Einzelnen wurden folgende Observationen durchge-
führt:
– „Terzett“ Februar 2000/Observation vom 9. bis zum
11. März 2000: Von den Observationsmaßnahmen
erhoffte man sich grundlegende Erkenntnisse zu Um-
fang und Struktur der militanten Skinhead- und Ka-
meradschaftsszene im Raum Chemnitz sowie Hin-
weise auf das Versteck des Trios.
3870
Als erste Ziel-
person wurde Andreas G. ausgewählt.
3871
Im Rahmen
dieser Maßnahme konnte der Kontakt G.s zu Jan
Werner bestätigt werden.
3872
– „Terzett II“ vom 21. bis zum 23. März 2000: In einer
Folgemaßnahme wurde dann neben Andreas G. auch
Kay R. observiert, der als dessen „Chauffeur“ in Er-
scheinung getreten sei.
3873
Im Observationsbericht
wird dokumentiert, Andreas G. verhalte sich „auffäl-
lig konspirativ“, er schaue sich beim Gehen öfter um
3868) MAT A SN-4/19, Bl. 12.
3869) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 5 f.
3870) Schreiben vom 7. Februar 2000 (GEHEIM), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3871) Ermittlungsauftrag vom 29. Februar 2000, Observationsauftrag
vom 2. März 2000 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-
1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3872) Observationsauftrag vom 2. März 2000 (VS-VERTRAULICH),
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3873) Observationsauftrag vom 13. März 2000 und Ergänzung vom
20. März 2000 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 441 – Drucksache 17/14600
und warte an einer Kreuzung im dunklen Seitenbe-
reich.
3874
– „Terzett III“ vom 24. März 2000: Vor seiner geplan-
ten Abreise nach England sollte ein Bewegungsbild
von Jan Werner erstellt sowie Kontaktpersonen iden-
tifiziert werden.
3875
– „Terzett IV“ vom 30. März bis zum 1. April 2000:
Da die Erkenntnisse der Maßnahmen „Terzett I und
II“ nicht ausreichend seien, wurde eine erneute Ob-
servation von Andreas G. durchgeführt.
3876
– „Terzett V“ vom 5. April bis zum 7. April 2000:
Aufgrund des in den vorigen Maßnahmen festgestell-
ten „intensiven Kontakts“ zu Andreas G., wurde Kay
R. erneut für eine Observationsmaßnahme ausge-
wählt. Ziel war es, Erkenntnisse über das „einschlä-
gige Kontaktumfeld“ von Andreas G. hinaus zu er-
halten.
3877
– „Terzett VI“ vom 18. bis zum 20. April 2000: Tho-
mas Starke wurde wegen seines Kontakts zu den
Zielpersonen der bisherigen „Terzett“-Maßnahmen
sowie zum Trio überwacht.
3878
Im Mai 2000 gab es aus Anlass der Fernsehsendung Kri-
po Live, in deren Rahmen nach dem Trio gefahndet wur-
de, konzertierte Maßnahmen der Landesämter für Verfas-
sungsschutz Thüringen und Sachsen, der Zielfahndung
des LKA Thüringen sowie der Polizei Sachsen, in deren
Rahmen es zu zwei Maßnahmen des LfV Sachsen kam:
– Maßnahme „Terzett 7“, in deren Rahmen insgesamt
sechs Zielpersonen observiert wurden (G., W., Struck,
L., S.).
3879
– G 10-Maßnahme „Terzett“, in deren Rahmen mehre-
re Telefonanschlüsse überwacht wurden, und zwar
bis Mitte August 2000 (G., W., Struck, S.).
3880
Weitere Maßnahmen folgten dann bis Juli 2000 („Terzett
8“ bis „Terzett 10“):
– „Terzett 8“ vom 2. bis zum 4. Juni 2000: Da im
Rahmen von „Terzett 7“ bekannt wurde, dass das
Trio am 7. Mai 2000 in Berlin gesehen worden sei,
3874) Observationsbericht vom 23. März 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3875) Observationsauftrag vom 20. März 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3876) Observationsauftrag vom 20. März 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3877) Observationsauftrag vom 27. März 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3878) Observationsauftrag vom 10. April 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3879) Dokument vom 28. April 2000, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr.
08/12 - GEHEIM), Dokument ist VS-NfD.
3880) siehe hierzu eingehend E. II. 13. b).
und Jan Werner sich an diesem Tag ebenfalls in Ber-
lin aufgehalten haben soll, hat das LfV Sachsen eine
Kontaktaufnahme zwischen Werner und dem Trio
nicht ausgeschlossen.
3881
Daher sollte Werner wäh-
rend seines erneuten Aufenthalts in Berlin observiert
werden.
3882
– „Terzett 9“ vom 12. bis zum 14. Juli 2000: Im Rah-
men von „Terzett 7“ wurde festgestellt, dass Kai S.
während eines Umzuges Kontakt zu Böhnhardt ge-
habt haben könnte. Daher sollte dieser observiert
werden.
3883
Außerdem wurde vermutet, dass die
Wohnung S.s Ausrichtungsort für rechtsextremisti-
sche Veranstaltungen sein könnte.
3884
– „Terzett 10“ am 22. Juli 2000: Mangels neuer Er-
kenntnisse durch die vorige Maßnahme, wurde eine
erneute Überwachung S.s durchgeführt.
3885
Eine Er-
kenntnis dieser letzten beiden Maßnahmen war, dass
sich S. hauptsächlich an der Meldeadresse seiner Le-
bensgefährtin Mandy Struck aufhalte.
3886
Diese Woh-
nung wurde dann Gegenstand einer Langzeitobserva-
tion im Rahmen der Maßnahme „Terzett 11“ (siehe
unten).
Im September/Oktober gab es dann weitere Maßnahmen,
bei denen man sich neue Erkenntnisse durch einen mögli-
chen Kontakt zwischen S. und Böhnhardt erhoffte:
– „Terzett 11“ vom 11. September bis zum 11. Oktober
2000: Da die letzten beiden kurzzeitigen Observatio-
nen nur wenig Erkenntnisse geliefert hätten, wurde
nun eine Langzeitobservation des Wohnhauses
Struck/S. in der Bernhardstraße 11 in Chemnitz
durchgeführt.
3887
Dafür wurde eigens eine gegenüber
dem Hauseingang Bernhardstraße 11 gelegene kon-
spirative Wohnung angemietet.
3888
– „Terzett 12“ vom 29. September bis zum 1. Oktober
2000: Vor dem Hintergrund einer möglichen Ge-
burtstagsfeier Böhnhardts wurden S. sowie das
Wohnhaus Struck/S. und ein Garagenkomplex mittels
einer laufenden durchgehenden Videodokumentation
erneut überwacht.
3889
Auf diesen Aufnahmen waren
3881) Observationsauftrag vom 29. Mai 2000 (VS-VERTRAULICH),
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3882) Observationsauftrag vom 29. Mai 2000 (VS-VERTRAULICH),
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3883) Observationsauftrag vom 6. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH),
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3884) Observationsauftrag vom 6. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH),
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3885) Observationsauftrag vom 17. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH),
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3886) Schreiben vom 24. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH), MAT A
SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3887) Observationsauftrag vom 14. August 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3888) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 6.
3889) Observationsauftrag vom 27. September 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 442 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
auch zwei unbekannte Personen zu sehen, bei denen
eine Ähnlichkeit mit Zschäpe und Böhnhardt festge-
stellt werden konnte.
3890
Gleichzeitig fanden auch Maßnahmen der sächsischen
Polizei statt. Diese führte eine Videoüberwachung durch,
was durch den Landespolizeipräsidenten Merbitz vor dem
Innenausschuss des Freistaates Sachsen bestätigt worden
war.
3891
Außerdem observierte die sächsische Polizei den
Freund von Mandy Struck, Kai S.
3892
Auch diese Maß-
nahmen, die bereits oben unter E. II. 14 dargestellt wur-
den, erbrachten keine konkreten Hinweise auf das flüchti-
ge Trio.
Im Vorläufigen Abschlussbericht der Parlamentarischen
Kontrollkommission des Sächsischen Landtages vom
22. Juni 2012 heißt es zu den Maßnahmen im Septem-
ber/Oktober 2000:
„lm Zeitraum vom 29.09.2000 bis zum 25.10.2000
führte das LfV Sachsen eine permanente Videoob-
servation aus einer sog. ‚Konspirativen Wohnung‘
in Chemnitz durch. Die Maßnahme geht auf den
im LfV Sachsen von Sicherheitsbehörden aus an-
deren Bundesländern eingegangenen Hinweis zu-
rück, Böhnhardt und zwei weitere mutmaßliche
Helfer würden sich in Chemnitz aus Anlass des
Geburtstags von B. treffen. Die Maßnahme blieb
ohne nennenswerten Erfolg, sieht man davon ab,
dass auf einer wenige Sekunden betragenden Vi-
deosequenz zwei Personen zu sehen sind. Die
Identität dieser Personen blieb dem LfV Sachsen
unbekannt. Aus heutiger Sicht wäre eine Observa-
tion der Wohnung durch Beamte des LfV für einen
längeren Zeitraum erforderlich gewesen. Ob diese
Art der Observation aus den vorliegenden Infor-
mationen im Jahr 2000 angezeigt war, konnte nicht
abschließend geklärt werden.“3893
Am 23. Oktober 2000 kam es zu einer offenen Ansprache
von Mandy Struck und Kai S. durch die Zielfahndung des
LKA Thüringen,
3894
in deren Rahmen beiden Personen
die am 6. Mai 2000 anlässlich der Observation angefertig-
ten Bilder einer Person, die für Uwe Böhnhardt gehalten
wurde, gezeigt wurden.
3895
Der Zeuge Tüshaus hat be-
kundet, dass vor diesem Hintergrund weitere Maßnahmen
bzgl. Mandy Struck und Kai S. obsolet geworden seien.
Tüshaus hat hierzu geäußert:
„In einem Vermerk des LfV vom 25. Oktober, also
zwei Tage später, wird festgehalten: Dienstlich
wurde bekannt, dass das im Auftrag - jetzt kommt
die Fallbezeichnung - formulierte Ziel der Obser-
3890) Observationsbericht vom 5. Oktober 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).
3891) MAT A SN-4/8, S. 6.
3892) MAT A SN-7/16b, S. 27 ff.
3893) MAT A SN-4/19, S. 9.
3894) Siehe hierzu oben E. II. 15.
3895) Siehe hierzu oben E. II. 13. c) aa).
vation - also diese technische Dauerobservation
der Bernhardstraße - nicht umsetzbar ist. Die
Maßnahme wird aus diesem Grund nicht fortge-
setzt. - Dies ist im Licht der am 23. Oktober er-
folgten Ansprache nachvollziehbar. Die Polizei hat
zu diesem Zeitpunkt Mandy Struck befragt, ob sie
etwas von den Gesuchten wüsste, sie hat Observa-
tionsfotos vorgelegt, sodass der Betroffenen und
ihrem Freund die Maßnahmen um sie herum deut-
lich wurden. Eine weitere technische Observation
des Wohnobjekts ergab deshalb keinen Sinn.“3896
3. Weitere Maßnahmen
Flankierend zu den „Terzett“-Observationen hat das LfV
Sachsen noch weitere Maßnahmen durchgeführt:
– „Gewinnung Nahbeobachter“ am 18. April 2000: Im
Rahmen der bisherigen Maßnahmen sei der „Club
M“ in Chemnitz als Treffpunkt für die Zielpersonen
bekannt geworden; aufgrund der örtlichen Gegeben-
heiten seien Observationsmaßnahmen jedoch nur be-
grenzt möglich, daher sollte versucht werden, einen
Nahbeobachter zu gewinnen.
3897
Der damalige Abtei-
lungsleiter Tüshaus weist in einem Schreiben drauf
hin, man habe festgestellt, dass sich Angehörige der
Szene gegenüber sicherheitsbehördlichen Maßnah-
men sensibel zeigten.
3898
– Der Zeuge Tüshaus hat vor dem Ausschuss von ei-
nem Informationsgespräch mit Mandy Struck im Ja-
nuar 2001 berichtet:
„Im Rahmen der Bearbeitung wurde Mandy Struck
im Januar 2001 auch vom LfV angetroffen und ein
Informationsgespräch mit ihr geführt. Dort stritt
sie allerdings ab, mehr in die Szene involviert zu
sein, und wolle sich auch aus ihr lösen. Irgendei-
nen weiter gehenden Informationsaustausch mit
dem LfV lehnte sie ab.“3899
Auf die Frage, ob man versucht habe, Mandy Struck
als V-Person zu gewinnen, hat sich der Zeuge Tüshaus
wie folgt geäußert:
„[…] man hat einfach erst mal das Gespräch ge-
sucht. Also, ich denke, alles Weitere wäre dann die
zweite Frage gewesen. Dann hätte man auch erst
klären können, wenn sie denn gesprächsbereit ge-
wesen wäre: Wie weit ist ihre Einbindung? Wie
weit hängt sie mit drin? Und davon hätte so etwas
erst abhängig gemacht werden können. Hier ging
es jetzt erst mal um ein Informationsgespräch. […]
Hier wäre in jedem Fall die Sachlage so unklar
gewesen, dass man sich das sehr, sehr gut hätte
3896) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.
3897) Schreiben vom 18. April 2000 (VS-VERTRAULICH), MAT A
SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3898) Schreiben vom 18. April 2000 (VS-VERTRAULICH), MAT A
SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).
3899) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 443 – Drucksache 17/14600
überlegen müssen, ob man da tatsächlich jetzt eine
langfristige Beziehung eingeht. Denn das ist ja nun
mal Fakt gewesen: Wir sind hier praktisch im un-
mittelbaren Umfeld von exekutiven Maßnahmen.
Und dort dann jemanden als V-Person einzufüh-
ren, würde das Verfahren - - oder passt einfach
nicht zu dem Gesamtverfahren, wenn ich mich da
dann sozusagen mit einer Quelle in den Gesamt-
komplex mit einflechte.“3900
Neue Erkenntnisse, die andere Behörden nach dem Jahr
2000 erlangten, wurden nicht immer an das LfV Sach-
sen weitergeleitet, so der Zeuge Tüshaus vor dem Aus-
schuss:
„Ausweislich der Aufbereitung oder Aufarbeitung
insbesondere des Schäfer-Berichts wissen wir heu-
te, dass im Jahr 2001, also in der späteren Zeit,
noch relevante Informationen anfielen, die aller-
dings nicht dem LfV berichtet wurden, insbeson-
dere die Meldung vom 18. März 2001, es sei in der
Szene bekannt, dass die drei in Chemnitz unterge-
taucht seien, sowie eine Erkenntnis vom April
2001, wonach ein Rechtsextremist angebotenes
Geld abgelehnt habe für die drei, da es die drei
nicht mehr benötigen; sie würden Aktionen ma-
chen, von denen der Anbieter besser nichts wissen
solle.“3901
Auf die Frage, was das LfV Sachsen aus entsprechenden
Informationen geschlossen hätte, hat der Zeuge Tüshaus
geantwortet:
„Das ist schwierig, zu spekulieren. Aus heutiger
Sicht ist man natürlich geneigt, nichts anderes zu
sagen als: Das wäre für uns der Anhaltspunkt ge-
wesen, dann doch vielleicht nicht nur darüber
nachzudenken: ‚Wo sind sie denn?‘ - das war ja
sozusagen dann doch schon in den ersten Phasen
der prägende Gedanke -, sondern noch stärker da-
rüber nachzudenken: Was machen sie denn jetzt?.
Das wäre, denke ich, eine Schlüsselfrage in dem
Fall gewesen.“3902
4. Benachrichtigung nach dem G 10-Gesetz
Im Hinblick auf die anlässlich der Kripo Live-Sendung
am 7. Mai 2000 eingeleitete G 10-Maßnahme „Terzett“,
die die Überwachung von mehreren Telefonanschlüssen
umfasste (s. o.), ergab sich im weiteren Verlauf in den
Jahren 2006 bis 2010 die Feststellung, dass das Trio noch
immer nicht auffindbar war.
Nach Abschluss von sog. G 10-Maßnahmen (Maßnah-
men, die in Artikel 10 Grundgesetz eingreifen, also insbe-
sondere Telekommunikationsüberwachung) besteht ge-
mäß § 12 G 10-Gesetz die Verpflichtung, die von der
G 10-Maßnahme betroffenen Personen darüber zu infor-
3900) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 21 f.
3901) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.
3902) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 12.
mieren, dass die G 10-Maßnahme durchgeführt wurde.
Hierdurch soll das im Grundgesetz verbürgte Recht auf
Rechtsschutz gegen alle staatlichen Eingriffe (Artikel 19
Abs. 4 GG) gewährleistet werden, denn Rechtsschutz ist
nur dann möglich, wenn der Betroffene auch weiß, dass
es überhaupt eine Maßnahme gegeben hat.
Zur Erfüllung dieser Verpflichtung wurden die Betroffe-
nen Thomas Starke, Mandy Struck, Jan Werner und And-
reas G. im Oktober 2009 über die Maßnahmen zwischen
Mai und August 2000 informiert. Gleichzeitig wurde
festgestellt, dass Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nicht
auffindbar sind, sodass eine Mitteilung nicht möglich
war.
3903
Der Zeuge Vahrenhold hat vor dem Ausschuss
erläutert:
„[…] haben wir uns dann entschieden, die G-10-
Maßnahme den Betroffenen mitzuteilen. Es gab
noch einmal eine Rundfrage unter den Verfas-
sungsschutzbehörden, ob es Erkenntnisse zum
Verbleib der drei Gesuchten gibt. Das wurde von
allen Verfassungsschutzbehörden verneint, sodass
an diese drei Personen auch die Maßnahme natür-
lich nicht mitgeteilt werden konnte, aber eben an
die anderen Personen.“3904
In der Folgezeit wurden innerhalb des Innenministeriums
Sachsen Überlegungen angestellt, wie hier weiter zu ver-
fahren ist, wobei lediglich überlegt wurde, wie im Falle
einer rechtlich bestehenden Informationsverpflichtung,
die wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen tat-
sächlich nicht erfüllt werden kann, verwaltungsrechtlich
korrekt zu verfahren ist und welche Maßnahmen zur Er-
mittlung des Aufenthaltsortes in einem solchen Fall zuläs-
sig bzw. erforderlich sind.
3905
Zu bemerken ist insbesondere, dass die Unauffindbarkeit
des Trios in den Jahren 2009 und 2010 innerhalb des LfV
bzw. des Innenministeriums Sachsen jedenfalls nach
Aktenlage nicht die Frage aufwarf, weshalb die Aufent-
haltsorte des Trios weiterhin nicht bekannt waren. Aus
den in den Akten enthaltenen Vermerken lässt sich der
Schluss ziehen, dass der Fall, dass von G 10-Maßnahmen
betroffene Personen nicht auffindbar sind, nicht alltäglich
ist, weil ansonsten keine derart intensiven Überlegungen
zum korrekten Vorgehen erforderlich gewesen wären.
3903) MAT A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM), Schreiben des
LfV Sachsen an das IM SN vom 6. Oktober 2009 (VS-NfD).
3904) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 53.
3905) Vgl. hierzu nur MAT A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 GEHEIM),
Schreiben des LfV Sachsen an das IM SN vom 18. Oktober
2010 (VS-NfD) und MAT A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 –
GEHEIM), Vermerk zur Sitzung am 3. Dezember 2010 vom
6. Dezember 2010 des Zeugen Tüshaus (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 444 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Kontakte des LfV Sachsen zu Thomas
Starke
Auch das LfV Sachsen hatte Kontakte zu dem durch das
LKA Berlin als V-Mann geführten Thomas Starke.
3906
Der Zeuge Boos hat hierzu bekundet:
„Mit dem hat es einen Kontakt gegeben, aber von
vornherein nicht mit dem Ziel, ihn als V-Mann zu
werben, sondern nur, um ein Informationsgespräch
zu führen, also nur ein einmaliger Kontakt, um In-
formationen zu bekommen, mehr nicht.“3907
Als V-Mann habe man Thomas Starke nicht gewinnen
wollen.
3908
Auch Thomas Starke habe Kontakt zum LfV
Sachsen abgelehnt. Hierzu hat der Zeuge Boos geäußert:
„Ich habe gesagt, dass es ein Kontaktgespräch mit
ihm gegeben hat und er gesagt hat: Ich möchte mit
dem LfV Sachsen keinen Kontakt haben.“3909
6. Aktenfund im LfV Sachsen im Juni 2012
Im Juni 2012 wurden in einem Mitarbeiter-Tresor im
Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen unter anderem
Akten aus dem G 10-Vorgang „Drilling“ des LfV Thürin-
gen aus dem Jahr 1998 und Unterlagen zur G 10-
Maßnahme „Terzett“ aus dem Jahr 2000 aufgefunden.
Vor dem Hintergrund hausinterner Büroumzüge hatte ein
Mitarbeiter den in seinem Dienstzimmer aufgestellten
Tresor ausgeräumt und dabei im toten Winkel eines In-
nenfaches seiner Aussage nach nicht von ihm stammende
Aktenteile, die das Trio betrafen, aufgefunden.
3910
Stahl-
schränke dieser Art finden sich in mehreren Mitarbeiter-
büros des LfV Sachsen und dienen der Verwahrung der
eingestuften Materialien, die die Mitarbeiter für ihre tägli-
che Arbeit benötigen.
Dieser Vorgang gab offiziell Anlass zum Rücktritt des
Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, dem
Zeugen Reinhard Boos. Seine Gründe hat er vor dem
Ausschuss zusammengefasst:
„Ja, gerne. Das ist ganz einfach. Ich hatte - -
Glaubwürdigkeit war in dem Fall für mich - - mir
persönlich - - Das war meine innere Stütze, meine
innere Säule, um in dieser für mich auch nicht
leichten Situation nach dem November 2011 die
Dinge dort zu machen oder meine Aufgabe dort zu
erfüllen.
Ich hatte dann eben, als ich auch mich hausintern
vergewissert hatte usw., was man halt so tut, bes-
ten Wissens und Gewissens gesagt, dass wir jetzt
alles, was wir nach - - alles, was zu berücksichti-
gen ist, berücksichtigt haben zur Aufklärung dieses
3906) Siehe hierzu oben unter D. IV. 1.
3907) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 96.
3908) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 96.
3909) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 111.
3910) Beschreibung des Fundorts mit Fotografien im Harms-Bericht,
MAT B SN-1, S. 21-24.
Sachverhalts, die Unterlagen alle gesichtet sind,
der Bericht daraus erstellt ist und wir damit eine
solide und vollständige Grundlage haben. Dafür
habe ich mein Wort gegeben, dass das so ist.
Und wenige Zeit später kommt dann - - kommen
dann Mitarbeiter des LfV und haben Unterlagen
mit NSU-Bezug, G-10-Unterlagen - ist ja be-
kannt -, die genau diese Aussage in ihrer Glaub-
würdigkeit beeinträchtigen. Und dann habe ich
schlicht und einfach gesagt: Wenn meine Glaub-
würdigkeit beeinträchtigt ist, dann sehe ich mich
nicht mehr in der Lage, in dieser Situation weiter-
zumachen, weil es nur mit Glaubwürdigkeit aus
meiner Sicht geht.“3911
In der Folgezeit wurden diese Vorkommnisse im Auftrag
des sächsischen Innenministeriums durch eine Kommissi-
on, die von der früheren Generalbundesanwältin Prof.
Monika Harms geführt wurde, untersucht. Am 20. Febru-
ar 2013 stellte die Kommission einen Bericht (im Folgen-
den: „Harms-Bericht“) vor, der unter anderem eine detail-
lierte Untersuchung der Aktenfunde in dem Tresor ent-
hält.
3912
Neben der Darstellung des Vorgangs um die Aktenfunde
enthält der Bericht eine Darstellung der Struktur des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz Sachsen und Vorschläge
für die Zukunft. Interessant ist jedoch vor allem die Dar-
stellung der Aktenfunde. Im Wesentlichen enthält der
Bericht hier die folgenden Passagen:
„Anlass für das Auffinden der Unterlagen war ein
hausinterner Umzug von Mitarbeitern des Referats
21 ‚Auswertung Rechtsextremismus, -terrorismus‘
im LfV. Der neu in dieses Zimmer eingewiesene
Mitarbeiter A räumte am 10.07.2012 mehrere sich
im obersten Fach eines Stahlschrankes befindende
Ordner des früheren Bearbeiters B aus und brachte
diese in das Zimmer des nunmehr dafür zuständi-
gen Bearbeiters C. Bei Rückkehr in sein neues Ar-
beitszimmer sah er, dass aufgrund der Entnahme
der vorher sehr dicht stehenden Aktenordner links
hinter einem Vorsprung im Stahlschrank eine Um-
laufmappe umgefallen war, die er vorher nicht ge-
sehen hatte. Auch dem bereits länger in dem Zim-
mer tätigen Mitarbeiter D war diese Akte nicht be-
kannt.
Diese aufgefundenen Unterlagen enthielten u. a.
ältere G 10-Protokolle des BfV und sind der An-
lass der Prüfung durch die Expertenkommission,
da man bis dahin davon ausgegangen war, dass
diese Unterlagen im LfV nicht mehr vorhanden
seien.“3913
Das Auffinden der Unterlagen war nicht zuletzt auch
deshalb brisant, weil am 8. Mai 2012 gegenüber der Par-
3911) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 106.
3912) Harms-Bericht, MAT B SN-1, S. 21-34.
3913) Harms-Bericht, MAT B SN-1, S. 21.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 445 – Drucksache 17/14600
lamentarischen Kontrollkommission im Sächsischen
Landtag über die NSU-Vorgänge in Bezug auf Sachsen
Bericht
3914
erstattet wurde. Bereits zur Erstellung des
Berichts war innerhalb des Landesamtes für Verfassungs-
schutz – vergeblich – nach den später aufgefundenen
G 10-Protokollen des BfV gesucht worden.
3915
Zur Relevanz des Aktenfundes für die Suche nach dem
Trio hat sich der Zeuge Boos folgendermaßen geäußert:
„In dem Bericht steht eindeutig, dass es keinerlei
Anhaltspunkte - - dass das, was dort gefunden
worden ist, also diese G-10-Protokolle - - dass da
keine Erkenntnisse drin sind, die wesentlich waren
für - - oder keine wesentlichen Erkenntnisse drin
waren, die zum Auffinden der Gesuchten geführt
hätten oder gar dazu geführt hätten, zu entdecken,
dass sie diese Straftaten begehen. Es sind Proto-
kolle, die normalerweise hätten vernichtet werden
müssen.“3916
Die aufgefundene Umlaufmappe enthielt die folgenden
Unterlagen:
– G 10-Protokolle des BfV aus dem Jahr 1998 über
eine G 10-Maßnahme gegen Jan Werner (laut dem
Harms-Bericht enthielten diese Protokolle keine
Hinweise auf das Trio).
– Dokumente, die sich auf die G 10-Maßnahme „Ter-
zett“ beziehen, und zwar im Einzelnen:
- Internes Schreiben der G 10-Stelle des LfV an
die Fachabteilung zur G 10-Maßnahme „Ter-
zett“ (Mai bis August 2000), beigeschlossene
Kopien der Anordnung des damaligen Innen-
ministers (vom 3. Mai 2000) und des dieser vo-
rausgegangenen Antrages (vom 28. April
2000).
- Kopien von zwei G 10-Anträgen des LfV Thü-
ringen vom 13. und 18. August 1998 (Herkunft
laut Harms-Kommission unklar, da keine Re-
gistrierung dieser Papiere im LfV Sachsen); In-
teressant hier: Anträge sind in vielen Passagen
wortidentisch mit dem G 10-Antrag in der
G 10-Maßnahme „Terzett“ vom 28. April
2000
3917
, der durch den Zeugen Tüshaus ge-
zeichnet und von dem Zeugen Dr. Vahrenhold
bearbeitet wurde!
– Weitere Unterlagen, die mit Zschäpe, Mundlos und
Böhnhardt in Zusammenhang stehen, nämlich:
3914) MAT A SN 1/3, (Tgb.-Nr. 23/12 – GEHEIM).
3915) Siehe zum Ganzen auch presseöffentlich: „Die Akten-Panne
und kein Ende“ in der Leipziger Volkszeitung vom 13. Juli
2012, S. 5; „Ulbig unter Druck“ in der Sächsischen Zeitung
vom 13. Juli 2012, S. 6; „Verfassungsschutz stolpert über 100
Seiten mit Abhörprotokollen“ in der Sächsischen Zeitung vom
13. Juli 2012, S. 6.
3916) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 107.
3917) Antrag G 10-Maßnahme „Terzett“ vom 28. April 2000, MAT
A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM).
- Internetausdruck vom 25. Februar 1998 mit ei-
nem Fahndungsaufruf des LKA Thüringen zu
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe (zweifach),
- zwei (vermutlich Farbkopien von) Fotos von
Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von polizei-
lichen Lichtbildern aus den Jahren 1995 und
1996, Polizeistelle Jena,
- vier Schwarzweißkopien von Fotos von Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe und weiteren Perso-
nen bei einer Demonstration,
- zwei Schwarzweißkopien von Fotos einer De-
monstration in Dresden vom Januar 1998, auf
denen Beate Zschäpe mit einer anderen weibli-
chen Person (vermutlich Mandy Struck) zu se-
hen ist,
- acht (vermutlich Farbkopien von) Fotos von
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe
und drei weiteren unbekannten männlichen
Personen.
7. Bewertung der Maßnahmen des LfV Sach-
sen durch sächsische Stellen
Nach dem 4. November 2011 kam es auch in Sachsen zu
verschiedenen Untersuchungen des Vorgehens des LfV
Sachsen bei der Suche nach dem Trio. Der Zeuge Tüshaus
hat vor dem Ausschuss eingestanden:
„An der schweren Niederlage der Sicherheits-
behörden, wie es einmal formuliert wurde, hat aber
auch das LfV Sachsen seinen Anteil. Ich habe es
bereits einleitend genannt: Wir waren nicht hartnä-
ckig genug und haben nicht tief genug gegra-
ben.“3918
Einer der Hauptkritikpunkte ist immer wieder die man-
gelnde Zusammenführung von Informationen. So hat der
Zeuge Tüshaus eingeräumt,
„dass es in der Situation und in der Konstellation
weder vom Ergebnis noch von den Voraussetzun-
gen sinnvoll war, dass das Thüringen für sich al-
leine gemacht hat, sondern meiner Auffassung
nach ist das ein Fall, der bundesweit hätte koordi-
niert werden müssen, weil er auch die verschie-
densten Aspekte über die verschiedenen Landes-
grenzen gehabt hat.“3919
„Abgesehen von der Unterrichtung des BfV - das
ist das, was mir jetzt zumindest noch akut oder
selbst auch präsent ist nach dem Gespräch über die
Meldung aus dem quellenführenden Land -, dass
ich da das BfV unterrichtet habe: ‚So und so ist der
Stand, so und so sieht die Meldung aus, so und so
ist das erste Abstimmungsergebnis, für uns erge-
ben sich daraus die und die Konsequenzen, da
3918) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8.
3919) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 15.
Drucksache 17/14600 – 446 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
müsstet ihr mit einsteigen, zum Beispiel in Bezug
auf die Observation, aber auch in Bezug auf tech-
nische Maßnahmen’, das ist der einzige Punkt, wo
ich das jetzt aktiv erleben kann. Das ist aber si-
cherlich eines der größten Defizite gewesen von
uns, dass wir nicht darauf hingewirkt haben, dass
die verschiedenen Stränge, die dort entwickelt
wurden, irgendwo mal zusammengefasst wurden.
Das ist richtig.“3920
Ähnlich hat die Situation auch der Zeuge Vahrenhold
bewertet:
„Aus meiner Sicht hat es vor allen Dingen an der
Kommunikation gelegen und am Informationsaus-
tausch. Das ist der zentrale Punkt. […]
Also, Sachsen war ja hier an der Stelle nicht feder-
führend. Ich sehe das Problem der Kommunikati-
onsmängel vor allen Dingen eben an der federfüh-
renden Stelle. Das ist erst mal die Stelle, die dafür
sorgen muss, dass sich alle in irgendeiner Weise
zusammenfinden, dass die Informationen auch da-
hin kommen, wo sie hinmüssen.“3921
Auf die Frage, was er heute anders machen würde, hat der
Zeuge Vahrenhold angegeben, er
„würde sicherstellen, dass eben, auch wenn ich
jetzt den Eindruck habe: ‚Da läuft irgendwas
schief und da werden wir vielleicht kurzgehalten
mit Informationen’ - - würde ich versuchen, si-
cherzustellen, dass die Informationen fließen, dass
die koordinierende Stelle sich auch wirklich als
koordinierende Stelle verhält und die Maßnahmen,
die dann im Informationsaustausch erforderlich
sind, dann auch tut. Das ist aus meiner Sicht ein
Mangel, der bei den Fällen, die mir aus der Ge-
genwart bekannt sind und aus der jüngeren Ver-
gangenheit bekannt sind, so nicht mehr stattfin-
det.“3922
In diese Richtung hat sich auch der Zeuge Boos geäußert:
„Und ich muss sagen: Auch das LfV Sachsen hat
an der Stelle, obwohl es nicht federführend zu-
ständig war, das mit Gewissheit nicht - - Aber
auch das LfV Sachsen hätte, sobald es dann auch
erkennen konnte oder erkannt haben sollte - erken-
nen konnte -, dass dort ein Koordinierungsdefizit
ist, sich einbringen können und müssen, um zu sa-
gen: Das muss doch mal alles auf einen Tisch ge-
legt werden, damit wir auch ein zusammenfassen-
des Erkenntnis- und Lagebild haben.“3923
Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Boos auch eingeräumt,
dass
3920) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 30.
3921) Dr. Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 61.
3922) Dr. Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 63.
3923) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90.
„das LfV hätte darauf hinwirken müssen, dass er-
kennbare Koordinationsdefizite, in wessen Zustän-
digkeit die Koordination auch immer jetzt gewesen
wäre - - Oder sagen wir es anders: dass das LfV
auf Koordinationsdefizite mehr hätte achten müs-
sen und bei erkennbaren Koordinationsdefiziten
hätte auch sagen müssen: Jetzt müssen wir uns zu-
sammensetzen und alle Informationen zusammen-
stellen.
Und wenn Sie so wollen, ist das dann auch meine
Verantwortung, dass ich darauf nicht hingewirkt
habe. Das ist richtig, ja.“3924
Im Vorläufigen Bericht des Sächsischen Staatsministeri-
ums des Innern zum Fallkomplex „Nationalsozialistischer
Untergrund“, Vorlage an den Innenausschuss des Sächsi-
schen Landtages (Stand 25. Juni 2012)
3925
heißt es hierzu:
„Es ist festzustellen, dass es bereits in der ersten
Phase – und dann mit Ausnahme einzelner Phasen
durchgehend – Defizite bei dem Zusammenwirken
der Sicherheitsbehörden gegeben hat. lnsbesondere
hat eine systematische und kontinuierliche Zu-
sammenführung der vorhandenen Erkenntnisse bei
den beteiligten Behörden nicht stattgefunden.
Dementsprechend fehlte eine durchgehende und
konsistente Koordination. Zuständig waren vor-
rangig das LKA Thüringen (als bundesweit zu-
ständige Zielfahndungsbehörde) und das LfV Thü-
ringen.“3926
In dem Vorläufigen Abschlussbericht der Parlamentari-
schen Kontrollkommission des Sächsischen Landtages
vom 22. Juni 2012 wird hierzu ausgeführt:
„Ungeachtet der vorstehenden mangelhaften in-
formellen Zusammenarbeit, ist die PKK allerdings
der Auffassung, dass das LfV Sachsen, obgleich
nur auf Ersuchen eingebunden, gerade auch die
fragmentarischen lnformationen einerseits mit
mehr Nachdruck und anderseits auch selbstständig
hätte auswerten müssen.“3927
V. Tätigkeiten des BfV im Rahmen der Suche
nach dem Trio
Der Ausschuss hat sich damit befasst, welche Maßnah-
men das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Unterstüt-
zung der Suche nach dem Trio traf und ob sie ausreichend
waren.
Bis zum Abtauchen des Trios wertete der Zeuge Egerton
in dem für die subkulturelle, gewaltbereite rechtsextre-
mistische Szene zuständigen Referat die Meldungen über
das Trio aus. Mit dem Abtauchen des Trios ging die Zu-
ständigkeit für diesen Fall, d. h. die Begleitung der Suche,
3924) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 110.
3925) MAT A SN-4/20.
3926) MAT A SN-4/20, S. 7.
3927) MAT A SN-4/19, S. 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 447 – Drucksache 17/14600
an das Terrorismusreferat über.
3928
Dort bearbeiteten den
Fall als Hauptsachbearbeiter zunächst der Zeuge
Renzewitz bis zum 31. August 1999
3929
und anschließend
bis 2006 der Zeuge Kippenborck
3930
. Referatsleiterin war
von Anfang 1998 bis Oktober 2006 die Zeugin
Dobersalzka.
3931
1. Mitteilungen an das BfV
Das BfV erhielt während der Suche nach dem Trio insbe-
sondere folgende Erkenntnisse:
– 27. Januar 1998: PD Erfurt teilte die Durchsuchung
am 26. Januar 1998 sowie das Ergebnis mit.
3932
– 3. Februar 1998: Das LfV Thüringen teilte den Sach-
verhalt ebenfalls mit und fragt Erkenntnisse an.
3933
– 10. Februar 1998: Das LfV Thüringen übersandte
Fotos des Trios.
3934
– 2. März 1998: Mitteilung vom LfV Thüringen: Laut
Quellenmeldung hatten die drei Flüchtigen einen Au-
tounfall mit dem PKW von Ralf Wohlleben. Die
Quelle gehe davon aus, dass sie von Rita B. ein
Wohnmobil erhalten hätten.
Das BfV merkte hier im März 1998 an:
„Dieser konkrete Sachverhalt wurde dem BKA
nicht mitgeteilt, da der Personenkreis, in dem die
Informationen anfielen, zu klein war. Das LfV
Thüringen hat aber dem LKA alle bekannten An-
laufadressen übermittelt. Die Anlaufstelle in Berlin
wurde ohne relevante Erkenntnisse überprüft. Wei-
tere Maßnahmen sind derzeit nicht geplant. Das
LfV Thüringen geht davon aus, dass sich die
Flüchtigen nach wie vor im Raum Jena aufhal-
ten.“3935
Der Zeuge Cremer, damaliger Abteilungsleiter Rechtsex-
tremismus im BfV, hat hierzu ausgesagt, er entnehme den
Akten, dass man die Entscheidung der Landesbehörde,
die Information nicht weiterzuleiten, akzeptiert habe.
3936
– 20. März 1998: Das LfV Thüringen übersandte eine
Abschrift des Urteils des Landgerichts Gera vom
3928) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 11.
3929) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 10.
3930) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 2.
3931) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 2.
3932) Fernschreiben von PD Erfurt vom 27. Januar 1998, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 3 f. (VS-NfD).
3933) Schreiben des LfV Thüringen vom 3. Februar 1998, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 5 f. (VS-NfD).
3934) Schreiben des LfV Thüringen vom 10. Februar 1998, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 20 ff. (VS-NfD).
3935) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 53 ff. (VS-
VERTRAULICH).
3936) Cremer, Protokoll-Nr. 24 (GEHEIM), S. 9.
16. Oktober 1997 gegen Uwe Böhnhardt („Puppen-
torso“-Verfahren).3937
– 11. September 1998: Mitteilung vom LfV Branden-
burg: Jan Werner soll den Auftrag haben, die drei
Skinheads mit Waffen zu versorgen. Gelder für diese
Beschaffungsmaßnahme soll die „Blood & Honour“-
Sektion Sachsen bereitgestellt haben. Nach der Ent-
gegennahme der Waffen – noch vor der beabsichtig-
ten Flucht nach Südafrika – soll das Trio einen weite-
ren Überfall planen, um mit dem Geld Deutschland
sofort verlassen zu können. Der weiblichen Person
will Antje P. ihren Pass zur Verfügung stellen. P. und
Werner sollen unabhängig voneinander und ohne
Wissen des anderen für die drei tätig sein.
Das BfV merkte hierzu im September 1998 an:
„Eine für den 16. September 1998 geplante ge-
meinsame Besprechung (LfV BB, SN, TH und
BfV) in Dresden wurde kurzfristig nach Potsdam
verlegt, so dass eine Teilnahme des BfV nicht
möglich war. Das BfV soll umfassend informiert
werden und an ggf. weiteren Besprechungen teil-
nehmen.“3938
– 2. Oktober 1998: Mitteilung vom LfV Brandenburg:
Am Rande eines Konzerts berichtet Jan Werner, sei-
ne Versuche zur Versorgung der drei Flüchtigen mit
Waffen seien nicht erfolgreich gewesen. Er werde die
Versuche jedoch fortsetzen.
3939
– 15. Juni 1999: Vorläufiger Abschlussvermerk des
LfV Thüringen.
3940
– 6. Dezember 1999: Mitteilung des MAD über eine
Aussage des Jürgen H.: Danach gehe Jürgen H. da-
von aus, dass sich die Flüchtigen aufgrund des zu er-
wartenden Strafmaßes nicht den Behörden stellen
würden. Szeneintern werde von einem Strafmaß von
zehn Jahren ausgegangen, weil man ein Exempel ge-
gen Rechts statuieren wolle. Die drei „Bombenbast-
ler“ hätten sich schon auf der Stufe von Rechtsterro-
risten bewegt, die mit einer gewissen Zielsetzung ei-
ne Veränderung dieses Staates herbeiführen woll-
ten.
3941
3937) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 69 ff.
(offen).
3938) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 103 ff. (VS-
VERTRAULICH).
3939) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 134 ff. (VS-
VERTRAULICH).
3940) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 162 ff.
3941) Dieses Schreiben des MAD findet sich nur in den Personenak-
ten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, MAT A BfV-7/1 (Tgb.-
Nr. 10/12 – GEHEIM), Anl. 01, Bl. 190 ff.; Anl. 02, Bl. 226 ff.,
Anl. 03, Bl. 194 ff. (jeweils VS-NfD), aber nicht in der Akte
„Rohrbombenfunde in Jena“, MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13
– GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 448 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– 21. August 2002: Erkenntnisanfrage des BKA zu
möglichen Aufenthaltsorten des Trios.
3942
– 18. September 2003: Mitteilung der StA Gera, dass
das Verfahren gegen das Trio wegen Verjährung ein-
gestellt worden sei.
2. Tätigkeiten des BfV aufgrund der genann-
ten Mitteilungen
a) Bericht in der ND-Lage am 17. Februar
1998
Die Rohrbombenfunde in Jena nahm die Abteilung 2 des
BfV zum Anlass für einen Sprechzettel für die nachrich-
tendienstliche Lage im Bundeskanzleramt (ND-Lage)
vom 17. Februar 1998. Als Bewertung des BfV wird
ausgeführt:
„Die Verfassungsschutzbehörden warnen seit An-
fang der 90-er Jahre vor der Gefahr der zuneh-
menden Bewaffnung innerhalb der rechtsextremis-
tischen Szene. […]
Zwar vertreten Rechtsextremisten die These, dass
das demokratische System eines Tages aufgrund
von wirtschaftlichen und politischen Schwierigkei-
ten zwangsläufig zusammenbrechen werde und sie
für diesen Tag ‚X‘ mit Waffen und Sprengstoffen
gerüstet sein müssten. Bislang fehlt es in der
rechtsextremistischen Szene jedoch an einer
rechtsterroristischen Ideologie. Anders als bei der
‚Bajuwarischen Befreiungsarmee’ in Österreich
oder den linksextremistischen ‚Antiimperialisti-
schen Zellen’ liegt auch den aktuellen Waffen- und
Sprengstofffunden in Jena, als auch in Berlin oder
Meerane nach bisherigen Erkenntnissen – insbe-
sondere hinsichtlich der Vorgehensweise und Ziel-
auswahl – keine rechtsterroristische Konzeption
zugrunde. Vielmehr handelt es sich um unabhän-
gig handelnde Einzelpersonen, die eher durch die
von Waffen und Sprengstoff ausgehenden Faszina-
tion als durch eine terroristische Zielsetzung moti-
viert werden.
Für das Entstehen einer ‚braunen RAF’ fehlt es ih-
nen darüber hinaus an Kampferfahrung sowie an
logistischen Voraussetzungen und dem Unterstüt-
zerumfeld, die ein Agieren im Untergrund erfor-
dert.
Vor diesem Hintergrund sieht das BfV derzeit kei-
ne konkret ‚drohende neue Qualität rechtsextre-
mistischer Gewalt’, sondern nur eine Bestätigung
seiner bisherigen Einschätzung.“3943
3942) Schreiben des BKA vom 21. August 2002, MAT A BfV-23
(Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 189 – 191 (offen).
3943) Sprechzettel für die ND-Lage am 17. Februar 1998, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 33 ff. (VS-NfD).
b) Befragung der V-Leute im Februar/März
1998
Nach dem Eingang der Lichtbilder des Trios am 10. Feb-
ruar 1998 verfügte ein Sachbearbeiter beim BfV u. a.:
„4 Fotosätze an I.2.F.12 z. Weiterleitung an VMF
V-Mann-Führer übergeben.“
Außerdem sollten die Fotos an drei ausländische Nach-
richtendienste (Niederlande, Schweden und Dänemark)
weitergeleitet werden.
3944
Konkrete Quellen werden in der
Verfügung nicht genannt. Der Zeuge Renzewitz, der zu-
ständige Auswerter in der Projekteinheit „Rechtsterroris-
mus“ von 1991 bis Ende August 1999,3945 hat ausgesagt,
dass sein Vertreter die Verfügung zur Vorlage der Licht-
bilder an die V-Leute getroffen habe.
3946
aa) V-Mann „Q1“
Q1 war mehr als ein Jahrzehnt als V-Mann des BfV bun-
desweit tätig.
3947
Es sind beim BfV zwei Deckblattmel-
dungen vorhanden, die auf einen persönlichen Kontakt
von Q1 mit Mundlos einige Jahre
3948
vor dem Abtauchen
des Trios, zurückgehen.
3949
Ob Q1 im Februar/März 1998 von seinem V-Mann-
Führer nach seinen Kenntnissen zum Trio befragt wurde,
hat der Ausschuss nicht feststellen können, da keine Un-
terlagen hierüber existieren und der als Zeuge vernomme-
ne V-Mann-Führer G. B. erst seit 1999 diese Tätigkeit
ausübte.
bb) V-Mann „Q2“
Q2 war ab Ende der 1990er Jahre V-Person des BfV in
Sachsen und sollte dort Informationen zur rechtsextremis-
tischen Musikszene sammeln.
3950
Der Zeuge Kaldrack, V-Mann-Führer von Q2, hat ausge-
sagt, dass er sich nicht daran erinnern könne, Q2 Fotos
des Trios vorgelegt zu haben. Normalerweise käme ein
solcher Auftrag von der „Auswertung“. Es habe auch
keinen Anlass hierfür gegeben, weil Q2 keine Bezüge
nach Jena gegeben habe.
3951
Da der Zeuge Kaldrack erst
nach dem Abtauchen des Trios V-Mann-Führer von Q2
war und keine schriftlichen Unterlagen über einen Vorhalt
3944) Vfg. ohne Datum (evtl. geschwärzt), MAT A BfV-22 (Tgb.-Nr.
214/13 – GEHEIM), Bl. 11.
3945) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 10.
3946) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 13 f.; vgl. auch
das Schreiben des BfV vom 27. Mai 2013, wonach die Verfü-
gung Dieter Nagode getroffen habe, MAT A BfV-22/1 (Tgb.-
Nr. 225/13 – GEHEIM).
3947) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 2 f.
3948) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 7.
3949) Deckblattmeldung des BfV, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/12 – GEHEIM), Bd. 1, Teilband 1, Bl. 1 ff., 5 ff.
3950) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.
3951) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 449 – Drucksache 17/14600
von Fotos im Februar/März 1998 existieren, kann dieser
Vorhalt nicht festgestellt werden.
cc) V-Mann „Q3“
Q3 war von 1992 bis 2002 V-Mann des BfV Sachsen.
3952
Der Zeuge Kaldrack, der damalige V-Mann-Führer von
Q3, hat ausgesagt, dass er Q3 im Auftrag der „Auswer-
tung“ im Februar oder März 1998 die Fotos des Trios
vorgelegt habe. Q3 habe gesagt, er würde sie nicht kennen
und könne auch weder mit deren Namen etwas anfangen
noch zu deren Hintergrund irgendwas sagen.
3953
Nach
Auffassung des Zeugen Kaldrack hätte Q3 Informationen
an ihn weitergegeben, wenn er etwas zum Trio hätte sa-
gen können. Er hätte nämlich eine erhebliche Sonderprä-
mie bekommen, wenn es gelungen wäre, das Trio mit
seiner Hilfe aufzuspüren.
3954
dd) Sonstige V-Leute
Der Zeuge G. B. hat angegeben, dass er den von ihm
geführten rechtsextremistischen Quellen die Fotos gezeigt
habe. Alle hätten angegeben, sie wüssten nichts über das
Trio. Auf die Frage, ob er später noch einmal nachgefragt
habe, hat der Zeuge geantwortet:
„Es sind immer wieder fortlaufend mal Befragun-
gen gewesen. Ob jetzt speziell zu Mundlos,
Böhnhardt und Zschäpe, ist mir jetzt nicht erinner-
lich. Allerdings muss man in dem Zusammenhang
ja auch sagen. Es ist ja nicht zwingend Aufgabe
der Verfassungsschutzbehörden, […] Täter, die
[…] mit Haftbefehl gesucht werden, […] unbe-
dingt ausfindig zu machen. Dass natürlich nach
solchen Personen im Rahmen der täglichen verfas-
sungsschutzrelevanten Arbeit auch recherchiert
wird, ist klar. Nur, jetzt dieser Drang […], den ich
aus Ihrer Frage so herauslese.
3955
Ob die Quellen aus dem „Thüringer Heimatschutz“, die
im Rahmen der Operation „Rennsteig“ angeworben wur-
den, im Februar/März 1998 zum Aufenthaltsort des Trios
befragt wurden, ist nicht bekannt. Der die Aktenvernich-
tung im BfV im November 2011 anordnende Referatslei-
ter, der Zeuge Lingen, hat in seiner Zeugenvernehmung
angegeben, er habe zwar von der Operation „Rennsteig“
Kenntnis gehabt, sei allerdings beruflich in diese nicht
involviert gewesen, sodass er keine Angaben darüber
machen könne, inwieweit die damals im Rahmen der
Operation „Rennsteig“ geworbenen Quellen des BfV auch
gezielt nach dem Trio befragt worden seien oder hätten
befragt werden sollen.
3956
3952) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.
3953) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5 f.
3954) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (GEHEIM), S. 2.
3955) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 27.
3956) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 41 (nichtöffentlich).
ee) Zusammenfassung der Erkenntnisse
Hinweise eines V-Mannes des BfV zum Verbleib des
Trios, aber auch „Fehlanzeigen“, sind nicht vorhanden.
Eine Rückmeldung der V-Mann-Führer an die „Auswer-
tung“ ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Daher kann
nicht festgestellt werden, ob alle V-Leute aus dem rechten
Bereich tatsächlich befragt wurden. Die Zeugin
Dobersalzka, Referatsleiterin der Projekteinheit „Rechts-
terrorismus“ von Anfang 1998 bis Oktober 2006, hat
ausgesagt, dass es keinen schriftlichen Rücklauf der V-
Mann-Führer gegeben habe. Aber:
„Wir haben ja Besprechungen durchgeführt, und
da war halt nichts.“3957
Der Zeuge Renzewitz hat ausgeführt, dass der V-Mann-
Führer üblicherweise selbstständig der „Auswertung“
melde, sofern eine Quelle eine Person auf den Lichtbil-
dern erkenne. Es könne aber auch sein, dass der Auswer-
ter bei dem V-Mann-Führer während einer Begegnung
auf dem Flur nachfrage. In der Regel gehe man allerdings
von einer Fehlanzeige aus, wenn der V-Mann-Führer
nicht von selbst etwas mitteile. Der Auswerter vertraue
darauf, dass der V-Mann-Führer den Auftrag nicht ver-
gesse.
3958
c) Weitere Maßnahmen?
Weitere Aufträge an die V-Mann-Führer, insbesondere
nach Februar 1998, haben sich nicht feststellen lassen.
Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Quelle Q1, die –
was dem BfV aufgrund der bereits am 10. August 1995
angelegten P-Akte
3959
zu Mundlos bekannt war – mindes-
tens einmal mit diesem Kontakt hatte.
Der Zeuge Renzewitz, bis Ende August 1999 der zustän-
dige Auswerter, hat angegeben, dass üblicherweise nur
anlassbezogen bei den Quellen erneut nachgefragt werde,
zum Beispiel wenn es neue Hinweise auf den Aufent-
haltsort der Gesuchten gegeben hätte.
3960
Die bei der
Durchsuchung am 26. Januar 1998 durch das LKA Thü-
ringen aufgefundenen Telefonlisten habe er nie gese-
hen.
3961
Der Zeuge Kippenborck, als Nachfolger des Zeugen
Renzewitz Auswerter von Ende 1999 bis 2006, hat ausge-
sagt, dass ihm der Kontakt von Q1 zu Mundlos
3962
wohl
nicht aufgefallen sei, obwohl er die P-Akte gelesen habe.
3957) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 7.
3958) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 13.
3959) Verfügung vom 10. August 1995, MAT A BfV-4/3 (Tgb.-Nr.
80/12 – GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, Bl. 1 ff.; die Deckblattmel-
dungen finden sich in der P-Akte, MAT A BfV-4/3 (Tgb.-Nr.
80/12 – GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, auf Bl. 66 – 68 und 4 – 6.
3960) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 17.
3961) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 25.
3962) Dazu bereits oben bei den Ausführungen zu Q1; vgl. auch die
Fundstellen in der P-Akte: Deckblattmeldung, MAT A BfV-4/3
(Tgb.-Nr. 80/12 – GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, Bl. 67 f. sowie
Deckblattmeldung, MAT A BfV-4/3 (Tgb.-Nr. 80/12 –
GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, Bl. 5 f.
Drucksache 17/14600 – 450 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Deshalb habe er auch keinen konkreten Auftrag zur Be-
fragung von Q1 erteilt.
3963
Auch hinsichtlich anderer V-
Leute habe er keinen erneuten Auftrag zum Vorhalt der
Fotos erteilt.
3964
Der Fall hätte während der Zeit, in der er
in dieser Projekteinheit tätig gewesen sei, nicht in seinem
Fokus gestanden, da es keinen „Anfasser“ oder keine
„Veranlassung“ gegeben habe, auf breiter Basis zu ermit-
teln. Der Zeuge hat sich auch an keine sonstigen konkre-
ten Tätigkeiten erinnern können.
3965
Nur bis Mitte/Ende
1998 habe das BfV aktiv nach dem Trio gesucht.
3966
Der Zeuge Kaldrack, V-Mann-Führer von Q2 und Q3, hat
bestätigt, dass es einen weiteren Auftrag, die Quellen
nach dem Trio zu befragen, seines Wissens nach nicht
gegeben habe. Dies hätte auch keinen Sinn gemacht:
„Wenn die Quelle die Leute nicht kennt und keine
Angaben dazu machen kann, dann hätte es ja aus
Sicht der ‚Auswertung‘ meiner Ansicht nach auch
wenig gebracht, mich ein Jahr später noch mal zu
befragen: Kennst du die denn jetzt? - Sie waren ja
schon untergetaucht.“3967
Der Zeuge Kippenborck hat darüber hinaus angegeben,
dass der Fall in der Einarbeitungsphase ein Thema gewe-
sen sei. Die Fallkonstellation sei diskutiert worden. Es
habe aber „wenig Anfasser“ gegeben. Er habe von der
Abteilungsleitung oder Referatsgruppenleitung auch keine
Weisung erhalten, tätig zu werden. Eigeninitiative sei
wegen Arbeitsüberlastung nicht möglich gewesen:
„Man hatte eben auch die anderen Sachen noch zu
bearbeiten, und dann war es auch zu der Zeit so:
Sie bearbeiten ja nicht nur TE-Fälle, also Terro-
rismusfälle, sondern eben auch das Tagesgeschäft.
Das heißt, das BMI möchte einen Bericht haben -
sehr aufwendig zu fertigen; da geht sehr viel Zeit
drauf. Da ist beispielsweise […] eine Sprechzettel-
vorlage für den Präsidenten zu fertigen; da geht
ebenso viel Zeit drauf. Oder aber verschiedene an-
dere Stellen sind - - Das muss jetzt nicht mal im
Bereich TE angesiedelt sein. Zum Beispiel um ei-
nen Bericht über die ‚Anti-Antifa‘ zu fertigen, geht
ebenso viel Zeit drauf. Um jetzt initiativ tätig zu
werden, sage ich mal ganz einfach, hat man auch
nur gewisse Zeitfenster. Und sich mit so etwas
auseinanderzusetzen, das auch in Form zu bringen,
dass operative Maßnahmen da vielleicht mal grei-
fen, das ist ein verdammter Aufwand.“3968
Der Zeuge Renzewitz hat den Fall jedoch als besonders
eingestuft:
„Es war ein besonderer Fall, sage ich jetzt mal,
von mehreren, der sicherlich herausragend war
3963) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 35 f.
3964) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 3.
3965) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 30 f.
3966) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 41 f.
3967) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5.
3968) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 32.
durch das Abtauchen, vielleicht weniger durch das
Auffinden der Rohrbomben, möglicherweise in der
Menge der Rohrbomben. Aber Waffenfunde, das
Auffinden von Sprengkörpern, Gewalttaten allge-
mein, das war Gegenstand unserer täglichen Ar-
beit. Insofern sind wir tagtäglich damit umgegan-
gen. Die Besonderheit war in der Tat das Abtau-
chen. Wir hatten einen Parallelfall, wo auch je-
mand offensichtlich abgetaucht war, nach dem ge-
sucht wurde.“3969
Auch die Referatsleiterin der Zeugen Kippenborck und
Renzewitz, die Zeugin Dobersalzka, hat ausgesagt, dass
das BfV das Trio als sehr gefährlich eingestuft habe.
3970
Sie hat die Maßnahmen des BfV zusammenfassend dar-
gestellt:
„Wir haben das LfV angeschrieben. Wir haben um
bessere Fotos gebeten. Wir haben die Quellenmel-
dungen danach gesichtet, ob Hinweise da drin
sind, die man verwerten kann. Ich habe der Akte
entnommen, dass der Sachbearbeiter die - - dass
uns aufgefallen war, dass eine Quellenmeldung ei-
nes anderen LfV - ich weiß jetzt nicht mehr, wel-
ches LfV - auf drei Flüchtige hingewiesen hat,
aber ein falsches Bundesland angegeben hat. Da
haben wir darauf hingewirkt, dass diese Meldung
eben auch an das zuständige LfV Thüringen ge-
schickt wurde.
Wir haben umfangreich bei Observationen unter-
stützt. Wir haben die Möglichkeit geprüft, ob wir
eigene Maßnahmen G 10 machen könnten. Das
wäre nicht möglich gewesen, weil ja entsprechen-
de Maßnahmen schon im LfV liefen. Wir haben
daraufhin das LfV gebeten, uns die Ergebnisse der
dortigen Maßnahmen mitzuteilen. Das hat das LfV
leider nicht gemacht, und zwar mit der Be-
gründung: Die Maßnahme ist inzwischen einge-
stellt. Es haben sich keine Hinweise auf Kontakte
ergeben.
Ich hätte - wenn Sie jetzt sicherlich fragen werden:
Ja, warum haben Sie denn nicht gesagt: ‚Schickt es
uns trotzdem’? - nicht die Möglichkeit gehabt, die-
se Informationen trotzdem anzufordern. Wenn mir
das Land sagt: ‚Diese Informationen waren irrele-
vant’, dann sind sie irrelevant, und dann haben die
mich nicht zu interessieren.“3971
Mit Schreiben vom 27. November 1998 bat das BfV das
LfV Thüringen um Unterrichtung über die operative Zu-
sammenarbeit mit den Landesbehörden für Verfassungs-
schutz Sachsen und Brandenburg in Bezug auf die
„USBV in Jena“ und weitere geplante Maßnahmen. In
dem Schreiben heißt es weiter, dass insbesondere mögli-
che geplante weitere Maßnahmen von Interesse seien, die,
sofern gewünscht, in einer gemeinsamen Besprechung
3969) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 20.
3970) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 7.
3971) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 24.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 451 – Drucksache 17/14600
erörtert werden könnten.
3972
Das LfV Sachsen teilte mit
Schreiben vom 21. Dezember 1998 mit, dass sich sein
Beitrag durch die „dort durchgeführte Maßnahme“ erle-
digt habe. Es seien in Sachsen keine weiteren Maßnah-
men geplant.
3973
Eine Reaktion des LfV Thüringen auf
das Schreiben des BfV vom 27. November 1998 ist nicht
feststellbar. Im März 1999 bat allerdings das LfV Thürin-
gen um Amtshilfe durch die Observationsgruppe des BfV,
die auch gewährt wurde.
3974
Ein Hinweis im Vorläufigen Abschlussvermerk des LfV
Thüringen vom 15. Juni 1999, wonach das Trio nunmehr
von Unterstützern, namentlich von der Person Thorsten
Heise, im nördlichen Bereich der Bundesrepublik unter-
gebracht werden sollte, nahm das BfV zum Anlass, weite-
re Operativmaßnahmen durchzuführen. Keine dieser
Maßnahmen ergab jedoch Hinweise auf den derzeitigen
Aufenthaltsort der Flüchtigen.
Bei Thorsten Heise handelt es sich um die Person, bei der
das BKA am 30. Oktober 2007 durchsuchte und ein Ton-
band mit der Aufzeichnung eines Gesprächs mit Tino
Brandt u. a. über das Trio fand. Schließlich ist heute be-
kannt, dass Böhnhardt von Holger Gerlach dessen Reise-
pass und Führerschein zur Verwendung als Alias-
Personalie erhielt.
3975
Die Einstellung des Verfahrens Mitte 2003 nahm der
Zeuge Kippenborck auf Weisung seiner Referatsleiterin
im September 2003 in den Wochenbericht des BfV (Kurz
notiert) auf.
3976
Die Referatsleiterin, die Zeugin
Dobersalzka, hat ausgesagt, dass sie dies veranlasst habe,
weil ihr die Einstellung unbefriedigend erschienen sei.
3977
Die Amtsleitung thematisierte die Einstellung des Verfah-
rens in der ND-Lage im Bundeskanzleramt am
23. September 2003.
3978
d) Bewertung der Maßnahmen des BfV durch
die Referatsleiterin Dobersalzka
Die Zeugin Dobersalzka hat erklärt, dass die Maßnahmen
des BfV angemessen gewesen seien, da das BfV nicht in
ein laufendes Ermittlungsverfahren der polizeilichen
Zielfahndung eingreifen könne und zudem nicht alle In-
formationen des LfV vorhanden gewesen seien:
„Das LfV hatte nach eigenem Willen die Federfüh-
rung und hat sich aus der Maßnahme auch nicht
3972) Schreiben BfV vom 27. November 1998, MAT A BfV-23
(Tgb.-Nr. 229/13 - GEHEIM), Bl. 120 (VS-NfD).
3973) Schreiben LfV SN vom 21. Dezember 1998, MAT A BfV-23
(Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 130 (VS-NfD).
3974) Schreiben des LfV Thüringen vom 15. März 1999, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 136 (VS-
VERTRAULICH), zur Amtshilfe bei der Observation vgl. oben
im Abschnitt E. III. 6. d).
3975) Vermerk des BKA vom 13. Juli 2012, MAT A BY-14/1a, Bl.
119 ff., 152 ff.
3976) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 33.
3977) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (offentlich), S. 31.
3978) Gesprächsvermerk über die ND-Lage vom 23. September 2003,
MAT A BfV-4/8 (Tgb.Nr. 80/13 – GEHEIM), Bl. 46 ff.
herausdrängen lassen. Ich hätte in diesem Fall, der
von der Polizei operativ bearbeitet wurde, der vom
LfV operativ bearbeitet wurde, von dem ich nicht
wusste, welche Ergebnisse, welche Inhalte die
TKÜ-Maßnahmen haben, von dem ich nicht wuss-
te, welche Quellenmeldungen vorlagen, von dem
ich nicht einmal wusste, wer die Quellen sind und
wer nicht und wie ich diese Quellen einzuschätzen
habe, nur blind herumstolpern können. Ich hätte
mehr Schaden anrichten können als Gutes tun.“3979
VI. Erkenntnisse des MAD zum
untergetauchtenTrio
1. Überblick
Ende der 1990er Jahre und zu Beginn der 2000er Jahre
sammelte der MAD ausgiebig Informationen zu Personen
der rechtsextremistischen Szene Thüringens. Hierbei
handelte es sich auch um Informationen zum „Thüringer
Heimatschutz“. Ziel war es, Extremisten in der Bundes-
wehr zu identifizieren.
3980
Da sich der „Thüringer Hei-
matschutz“, der nach Einschätzung des MAD in Spitzen-
zeiten 200 bis 250 Sympathisanten hatte, aus jungen
Männern im Alter von 18 bis 22 Jahren zusammensetzte,
gab es in diesem Bereich sehr viele Bundeswehrangehöri-
ge.
3981
Der MAD hat mitgeteilt, eine Quelle des MAD habe
während ihrer Inanspruchnahme als Gewährsperson im
Jahr 1999 und ihres Einsatzes als Vertrauensmann von
2000 bis 2003 dem MAD Informationen zu 52 Personen
in diesem Bereich mitgeteilt, die daraufhin als Verdachts-
personen bearbeitet worden seien. Ein direkter Kontakt
der Quelle zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, die be-
reits 1998 untertauchten, habe nicht bestanden. Zweimal
habe die Quelle Informationen zu Mundlos und
Böhnhardt geliefert, die sie von Dritten erhalten habe. In
dem einen Fall sei es um eine Aufzählung bedeutsamer
Personen im „Thüringer Heimatschutz“ gegangen, in dem
anderen Fall um den mutmaßlichen Auslandsaufenthalt
der drei untergetauchten Personen. Diese Informationen
habe der MAD an das BfV und LfV Thüringen weiterge-
leitet.
3982
Weitere Hinweise auf das Trio erlangte der MAD auch im
Rahmen von Befragungen verschiedener Verdachtsperso-
nen.
3979) Dobersalzka, Protokoll-Nr., S. 24 f.
3980) Schreiben des MAD vom 16. November 2011, MAT A MAD-3
(Tgb.-Nr. 72/12 – GEHEIM), Bl. 21, 22 (VS-NfD).
3981) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 7, 8.
3982) Schreiben des MAD vom 16. November 2011, MAT A MAD-3
(Tgb.-Nr. 72/12 – GEHEIM), Bl. 21, 22 (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 452 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Einzelne Hinweise auf das Trio
a) Lagen dem MAD Hinweise auf eine angeb-
lich geplante Flucht des Trios nach Südaf-
rika vor?
Nach Erkenntnissen des MAD verbrachte Kapke 1998
mehrere Wochen auf der in Südafrika gelegenen Farm des
Dr. Nordbruch. Dort seien der Erwerb und die Nutzung
von Schusswaffen und Sprengmitteln sehr einfach mög-
lich gewesen. Hinweise auf eine mögliche Flucht des
Trios nach Südafrika lagen dem MAD nicht vor.
3983
b) Hinweise des MAD auf mögliche Kontakt-
personen des Trios aus einer Erkenntnis-
mitteilung des BfV vom Juli 1999
Hinweise auf das Trio erhielt der MAD auch vom BfV.
So teilte das BfV dem MAD in einer Erkenntnismittei-
lung vom 20. Juli 1999 mit:
„Kapke, der seit 11. Februar 1999 NPD-Mitglied
gewesen sein soll, habe sich aus persönlichen
Gründen auch aus der ‚Kameradschaft Jena‘ des
‚THS‘ zurückgezogen. Gegenüber ‚THS‘-
Angehörigen habe er sich beklagt, dass Ralf Wohl-
leben nur noch gegen ihn hetze und Lügen über
ihn verbreite. Der Vorwurf von Wohlleben, er habe
Spendengelder für die drei Flüchtigen aus Jena
(Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe) unterschlagen,
sei unwahr. Er habe z. B. 2.500,- DM an einen
Paßfälscher gezahlt, der das Geld genommen, aber
keine Pässe geliefert habe.“3984
c) Hinweise aus einer Befragung von Jürgen
H. vom August 1999
Im August/September 1999 erfolgte eine Befragung von
Jürgen H. durch den MAD.
3985
H. hatte nach dem Unter-
tauchen des Trios zu diesem Kontakt und konnte zumin-
dest über Mittelsmänner mit den Untergetauchten kom-
munizieren. Diese Spur war nach Ansicht der Schäfer-
Kommission die richtige und wahrscheinlich die wichtigs-
te Spur, welche die Zielfahndung des LKA Thüringen
hatte, in der weiter und umfangreich hätte ermittelt wer-
den müssen.
3986
3983) Meldung des MAD, MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 –
GEHEIM), Ordner 1, Anlage 1 (VS-VERTRAULICH); Mel-
dung des MAD, MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 –
GEHEIM), Ordner 1, Anlage 1 (VS-VERTRAULICH).
3984) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 - VS-VERTRAULICH),
Unterordner 3.7, Bl. 1274 ff., 1276.
3985) Datum des Befragungsberichts: 15. September 1999, laut
VERANDA-Eintrag Tag der Befragung möglicherweise der
24. August 1999; laut VERANDA-Eintrag erste Befragung des
H. wohl bereits am 1. Juni 1999 (liegt dem Untersuchungsaus-
schuss nicht vor), MAT A MAD-2/3, Bl. 4 ff.
3986) Gutachten der Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 141,
Rn 281.
Auf Nachfrage des MAD bezüglich des Aufenthaltsorts
des Trios, erklärte die Vedachtsperson H.:
„Sie habe derzeit keine Verbindung zu den ‚Bom-
benbastlern‘ aus Jena, deren Aufenthaltsort sei ihm
nicht bekannt.“3987
Außerdem äußerte er sich wie folgt zum Trio:
„ … H.; Jürgen (1) würde jederzeit wieder als
Kurier fungieren. Dies sehe [er] unter dem Kame-
radschaftsaspekt. Er gehe davon aus, dass sich die
in Illegalität Lebenden aufgrund des zu erwarten-
den Strafmaßes nicht den Behörden stellen. Szene-
intern werde von einem Strafmaß von zehn Jahren
ausgegangen, weil man ein Exempel gegen rechts
statuieren wolle. Die drei Bombenbastler hätten
sich schon auf der Stufe als Rechtsterroristen be-
wegt, die mit einer gewissen Zielsetzung eine Ver-
änderung dieses Staates herbeiführen wollen. Auch
H., Jürgen (1) würde im Rahmen einer Revolution
derartige Aktionen befürworten und sich daran be-
teiligen, aber nur, wenn Gewalt das einzige mögli-
che Mittel sei, Zielvorstellungen zu erreichen …
Er wiederholte, er würde wieder klassische Unter-
stützerfunktionen leisten.“3988
Zu diesem Vorgang erfolgte am 6. Dezember 1999 eine
spontane Datenübermittlung des MAD an das BfV
3989
und
das LfV Thüringen.
3990
Laut Gutachten der Schäfer-
Kommission wurde das Schreiben vom LfV Thüringen
seinerzeit offensichtlich nicht zu den dort geführten Akten
„Drilling“ geheftet. Nach Aktenlage sei auch keine Unter-
richtung des LKA Thüringen hierüber erfolgt.
3991
An diesen Vorgang, bei dem gezielt vom MAD nach dem
Trio gefragt wurde, hat sich der Zeuge Huth, der damals
Leiter der „Beschaffung“ gewesen war, nicht mehr erin-
nern können.
3992
Auf Nachfrage, ob es sinnvoll gewesen
wäre, die Information auch an das LfV Bayern weiterzu-
geben, da die Befragung in Mellrichstadt in Bayern statt-
gefunden habe, hat der Zeuge Huth geantwortet:
„Man könnte so was machen und das weit streuen,
aber letztlich säßen dann zig Behörden auf ir-
gendwelchen Informationen, und keiner wüsste
was der andere hat.“3993
3987) Aussage des Befragten vom 15. September
1999/24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff., 9.
3988) Aussage des Befragten vom 15. September
1999/24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff., 11, 12.
3989) Schreiben des MAD vom 6. Dezember 1999, MAT A BfV-7/1
(Tgb.-Nr. 10/12 – GEHEIM), Bl. 191 ff. (VS-NfD).
3990) Schreiben des MAD vom 6. Dezember 1999, MAT A MAD-
2/3, Bl. 10 ff.
3991) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 171, 172.
3992) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 22.
3993) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 58.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 453 – Drucksache 17/14600
d) Hinweise auf den Vertrieb des Spiels
„Pogromoly“ vom Dezember 1999
In einem Bericht des MAD vom 10. Dezember 1999
erfolgte ein Hinweis auf den Vertrieb des Spiels
„Progromly“. In der Meldung hieß es, dass szeneintern
durch André Kapke und Tino Brandt ein „Gesellschafts-
spiel“ mit Namen „Pogromoly“ vertrieben werde. Das
Spiel sei 1998 in den Szenen für DM ca. 100,-- veräußert
worden, um die in die Illegalität abgetauchten „THS“-
Aktivisten aus Jena („Bombenbastler“) finanziell zu un-
terstützen.“3994
Diese Information wurde vom MAD am 31. Januar 2000
im Rahmen einer spontanen Datenübermittlung an das
BfV und das LfV Thüringen weitergeleitet.
3995
e) Hinweise des MAD zum angeblichen „Tod
der Bombenbastler auf Kreta“ vom De-
zember 1999
Am 31. Januar 2000 informierte der MAD das BfV und
das LfV Thüringen im Rahmen einer spontanen Daten-
übermittlung, wonach die drei „Bombenbastler“ angeblich
auf Kreta gestorben seien. Zusammenfassend hieß es in
dem Bericht:
Am 10. Dezember 1999 habe ein Weihnachtsball im
Gymnasium Bad Blankenburg stattgefunden. An diesem
Ball nahm auch ein ehemaliger Abiturient der Schule teil.
Dieser habe behauptet, Beamter des gehobenen Dienstes
beim LKA Thüringen in Erfurt zu sein. Schwerpunktmä-
ßig würde er bei Einsätzen im Drogenmilieu und im
Rahmen verdeckter Ermittlungen tätig sein. Der angebli-
che LKA-Beamte habe geäußert, dass die „drei mutmaßli-
chen Rechtterroristen („Bombenbastler“) auf Kreta tot
aufgefunden worden seien. Der Wahrheitsgehalt dieser
Information könne nicht beurteilt werden. Der Name des
angeblichen LKA-Mitarbeiters habe mittlerweile heraus-
gefunden werden können. Es sei beabsichtigt, diesen
Sachverhalt mit dem LKA persönlich zu erörtern.
3996
Über diesen Sachverhalt hatte der MAD das LfV Thürin-
gen bereits vorab telefonisch am 22. Dezember 2000
unterrichtet. Auf dem Vermerk wurde handschriftlich
festgehalten:
„251 m. d. B. den Vermerk den Unterlagen hinzu-
zufügen, die die Grundlage der Arbeitsbespre-
chung am 12.1. in Köln bilden.“3997
Ob eine solche Besprechung stattgefunden hat, ist den
Akten nicht zu entnehmen.
3998
Eine nachträgliche Recher-
3994) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 - VS-VERTRAULICH),
Unterordner 3.7, Bl. 1481.
3995) MAT A MAD-2, (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Unterordner 3.7, Bl. 1488 ff., 1510.
3996) Schreiben des MAD vom 31. Januar 2000, MAT A TH-9/10a-
NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 1.
3997) Telefonvermerk des LfV Thüringen vom 22. Dezember 1999,
MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner
1, Anlage 3 (VS-VERTRAULICH).
che des LKA Thüringen ergab, dass es sich um einen
damaligen Polizeikommissarsanwärter handelte, der zum
Zeitpunkt der angeblichen Äußerungen erst zwei Monate
im Vorbereitungsdienst und nie im LKA beschäftigt war.
Im April 2004 wurde er auf eigenen Antrag aus dem Be-
amtenverhältnis entlassen.
3999
f) Hinweise aus einer Befragung des Nico E.
durch den MAD im April 2000
Am 7. April 2000 erfolgte eine Befragung von Nico E.
durch den MAD. Nico E. gab an, auf einer Geburtstags-
feier Wohllebens habe er 1993 u. a. Kapke, Mundlos und
Böhnhardt kennengelernt. Man könne dies als seinen
Einstieg in die rechte Szene bezeichnen. In dieser Gruppe
habe er Anerkennung erhalten. Böhnhardt habe ihm eine
getragene Bomberjacke geschenkt. 1994 habe er einmal
mit Kapke, Wohlleben, Mundlos und Böhnhardt Gotcha
gespielt.
4000
Zu diesem Vorgang erfolgte am 16. Mai 2000
eine spontane Datenübermittlung des MAD an das LfV
Thüringen.
4001
g) Bericht des MAD zu einer geplanten Kam-
pagne des „THS“ mit Bezügen zum Trio
In einem Bericht des MAD wurden u. a. Ausführungen zu
einer „Internet-Kampagne“ des „THS“ gemacht. Darin
enthalten waren auch Hinweise auf das Trio. Die Kam-
pagne sei vom „THS“ als Reaktion auf das „B&H“-
Verbot ersonnen worden, um auf Umwegen etwaige poli-
zeiliche Maßnahmen gegen den „THS“ abzuwehren.
Eingebunden in diese Kapagne, so der MAD-Bericht,
seien u. a. Ralf Wohlleben sowie die drei Jenaer Bomben-
bastler.
4002
Im Rahmen der spontanen Datenübermittlung wurden
BfV und LfV Thüringen zeitnah hierüber durch den MAD
unterrichtet.
4003
h) Hinweis des Tibor R. an den MAD auf Kon-
taktpersonen zum Trio von Ende 2000
Am 1. Dezember 2011 meldete sich Tibor R. beim BKA
und gab an, persönlich mit Böhnhardt, Mundlos und
3998) Schreiben des LfV Thüringen vom 27. September 2012, MAT
A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 1 (VS-
NfD), S. 3 des Schreibens; Telefonvermerk des LfV Thüringen
vom 22. Dezember 1999, MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-
Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 3 (VS-
VERTRAULICH).
3999) Bericht des LKA Thüringen vom 27. September 2012, MAT A
TH 9/10b-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 2, S. 9,
10 des Schreibens (VS-VERTRAULICH).
4000) Auszug aus dem Befragungsbericht des MAD vom 7. April
2000, MAT A MAD-2/4, Bl. 1 ff., 4.
4001) Auszug aus dem Befragungsbericht des MAD vom 7. April
2000, MAT A MAD-2/4, Bl. 1 ff., 1.
4002) MAT A MAD-4, (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 6, Bl. 1869 ff., 1878.
4003) MAT A MAD-4, (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 6, Bl. 1908 ff., 1913.
Drucksache 17/14600 – 454 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zschäpe bekannt zu sein. Er sei in den 90er Jahren Ord-
nungsdienstleiter bei der NPD gewesen und habe zusam-
men mit Mundlos ein Asylbewerberheim in Jena ausge-
späht. Auf mehreren Konzerten in Chemnitz und Berlin
seien zu Spenden für „untergetauchte Kameraden“ und
für den „Thüringer Heimatschutz“ gesammelt worden.
Obwohl nie offen darüber gesprochen worden sei, sei
bekannt gewesen, für welche Kameraden die Spenden
eigentlich gesammelt worden seien.
4004
In einer Zeugenvernehmung am 13. Dezember 2011 gab
Tibor R. gegenüber dem BKA an, es sei nach dem Abtau-
chen des Trios ein offenes Geheimnis in der rechten Sze-
ne Thüringens gewesen, dass Wohlleben und Kapke den
Aufenthaltsort des Trios gekannt bzw. dieses logistisch
unterstützt hätten. Er selbst sei Ende 2000 während seines
Grundwehrdienstes von Mitarbeitern des MAD zum Ver-
bleib des Trios befragt worden. Bereits zu diesem Zeit-
punkt habe er auf Wohlleben und Kapke verwiesen, da
diese bestimmt mehr über die Personen wüssten. Vom
Verfassungsschutz sei auch jemand gekommen, dem er
dies auch mitgeteilt habe.
4005
Nach Einschätzung des BKA handelt es sich bei Tibor R.
um die Gewährsperson Tristan. Dieser äußerte gegenüber
dem BfV am 25. März 2001, dass er die drei flüchtigen
Personen persönlich kenne und dass sie nach Szeneinfor-
mationen vermutlich in Chemnitz untergetaucht seien.
4006
Nach Angaben des LfV Thüringen wurde R. während
seiner Grundwehrzeit zunächst durch Angehörige des
MAD befragt. Diese Befragungen hätten offenbar dazu
gedient, die Verbindungen R.s in die rechtsextremistische
Szene zu erhellen. Eine Fokussierung des Gesprächs auf
die drei Flüchtigen sei aus den gesichteten Unterlagen
nicht ersichtlich.
4007
Aus einem Befragungsbericht des MAD, der laut Mittei-
lung des Bundesministeriums der Verteidigung das Da-
tum vom 15. November 2000 trägt,
4008
geht nicht hervor,
dass R. während der Befragung nach dem Trio gefragt
wurde.
4009
Nach Mitteilung des MAD soll es am 19. De-
zember 2000 ein Treffen gegeben haben, an dem sowohl
R. als auch Vertreter des Thüringer LfV und des MAD
teilgenommen haben sollen. Ein Bericht über dieses Tref-
fen liege dem MAD nicht vor, so dass der Wahrheitsge-
halt der Angaben, nicht bewertet werden könne.
4010
Im
4004) Hinweisaufnahme des BKA vom 1. Dezember 2011, MAT A
GBA-4/26, Bl. 5 ff., 6.
4005) Zeugenvernehmung Tibor R. durch das BKA vom 13. Dezem-
ber 2011, MAT A GBA-4/26, Bl. 27 ff., 20, 26.
4006) Vermerk des BKA vom 28. August 2012, MAT A GBA 4/26,
Bl. 30 ff.; Vermerk zum Fall „Drilling“ vom 28. März 2001,
MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 322 (offen).
4007) Schreiben des LfV Thüringen vom 19. Dezember 2011, MAT
A GBA-4/26, Bl. 37.
4008) Schreiben des BMVG vom 28. Dezember 2012, MAT B
BMVg-1, Bl. 1.
4009) Befragung von Tibor R., MAT A MAD-2/5, Bl. 5.
4010) Schreiben des BMVg vom 28. Dezember 2012, MAT B
BMVg-1, Bl. 1; ein Beleg hierfür konnte in den Thüringer Ak-
ten nicht gefunden werden.
Rahmen dieses sowie eines weiteren Treffens habe R.
geäußert, die „Bombenbauer“ persönlich zu kennen. In
dieser Phase sei eine nachrichtendienstliche Zusammen-
arbeit mit R. begonnen worden, in dessen Rahmen er sich
auch mehrfach über die Personen Kapke und Wohlleben
geäußert habe.
4011
i) Bericht des MAD mit Hinweisen zu Plänen
des „THS“ und einer möglichen Beteili-
gung Böhnhardts und Mundlos
In einem Bericht des MAD von Mitte März 2001 wurde
über Planungen berichtet, die Führung innerhalb des
„THS“ neu zu organisieren. Hierzu sollte eine Führungs-
struktur mit ausgewählten Personen aufgebaut werden.
Als potenzielle Mitglieder der Elite-Führungsstruktur
wurden auch Böhnhardt und Mundlos genannt, die zu
diesem Zeitpunkt in der Illegalität lebten. Eine Integration
dieser Personen sei jedoch erst möglich, wenn diese ihr
Leben im Untergrund aufgegeben hätten.
4012
Im Zusam-
menhang mit dem Aufbau einer neuen Führungsebene
seien offensichtlich auch Maßnahmen gegen mögliche
„Verräter“ geplant worden. Dabei seien auch Maßnahmen
denkbar, die den Tod eines Menschen bewusst in Kauf
nahmen.
4013
Diese Information wurde dem BfV und dem LfV Thürin-
gen im Rahmen einer spontanen Datenübermittlung am
2. April 2001 übermittelt.
4014
j) Hinweise aus einer Befragung des A. K.
vom Oktober 2002
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 informierte der
MAD das BfV und das LfV Thüringen über eine Befra-
gung des Wehrdienstleistenden A. K. vom 29. Oktober
2002. K. hatte Kontakte zur Skinheadszene in Jena und
zur NPD. Er war enge Kontaktperson von André
Kapke,
4015
besuchte (mindestens) einmal Wohlleben und
ihm war Tibor R. bekannt.
4016
K. wurde vom MAD befragt und seine Äußerung wie
folgt zusammengefasst:
„Zu A., Stefan gab VP4017 an, dass ein Mitschüler
von A.s Bruder Kontakte zu einem der drei Tatver-
dächtigen gehabt habe, die im Verdacht stehen, an
der Herstellung mehrerer, überwiegend nicht zünd-
fähiger Sprengkörper bzw. Bombenattrappen be-
4011) Schreiben LfV Thüringen an BKA BAO „Trio“ vom 19. De-
zember 2011, MAT A GBA-4/26, Bl. 37.
4012) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 3, Bl. 31,3q..
4013) Schreiben des MAD vom 23. November 2011, MAT A MAD-3
(Tgb.-Nr. 72/12 – GEHEIM), Bl. 44 (VS-VERTRAULICH).
4014) MAT A MAD-4/1 (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 7, Bl. 2152 ff, 2156.
4015) Befragungsbericht des MAD vom 29. Oktober 2002, MAD-2/5,
Bl. 26.
4016) MAT A MAD-2/5, Bl. 27, 28.
4017) VP=Verdachtsperson.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 455 – Drucksache 17/14600
teiligt gewesen zu sein, die im Zeitraum von Sep-
tember 1996 bis Dezember 1997 im Bereich Jena
aufgefunden worden waren. K., Alexander (1) habe
A., Stefan auf den Aufenthaltsort der mit internati-
onalem Haftbefehl gesuchten Mitglieder des
‚THS‘ (Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt) angespro-
chen, der aber auch keine Informationen über den
Aufenthaltsort der Gesuchten habe.“4018
Nach Ermittlungen des LfV Thüringen aus dem Jahre
1999, dem BfV mitgeteilt im November 2011, hat Stefan
A. jedoch, anders als von K. behauptet, keine Geschwis-
ter. Nach Angaben des BfV erfolgten ausweislich der
Aktensichtung aufgrund des vagen und zeitlich undatier-
ten Hinweises keine operativen Maßnahmen.
4019
3. Hat sich der MAD gezielt an der Suche
nach dem Trio beteiligt?
Den Ausschuss hat interessiert, ob sich der MAD gezielt
an der Suche nach dem Trio beteiligte, da der MAD in
den Jahren 1999, 2000 und 2002 sehr gezielt nach den
„Bombenbastlern“ fragte. Hierdurch entstand der Ein-
druck, dass irgendjemand im MAD – und sei es im Auf-
trag einer anderen Behörde – „sehr intensiv und dauernd
hellwach dieses Trio auf dem Radar“ gehabt habe.4020
Der Zeuge Huth, der von 1996 bis 2000 Gruppenleiter
„Beschaffung“ in der Abteilung „Extremismus-
/Terrorismusabwehr“ war, hat ausgesagt, er sei als Leiter
„Beschaffung“ insoweit mit den vom MAD durchgeführ-
ten Befragungen betraut gewesen, als er alle Befragungs-
und Quellenberichte gesehen habe und für diese verant-
wortlich gewesen sei. Wenngleich er um dieses Trio ge-
wusst habe, weil hierüber in der Szene manchmal gespro-
chen worden sei, könne er sich nicht daran erinnern, dass
das Trio bei ihnen ständig Gesprächsgegenstand gewesen
sei und dass in diesem Zusammenhang Namen genannt
worden seien. Er wolle dies aber auch nicht ausschließen.
Ihm seien zwei Berichte in Erinnerung, wonach man nun
Geld für das Trio durch den Verkauf von Musik-CDs oder
sonstigen Dingen auftreibe. Ein- oder zweimal seien In-
formationen an den MAD gelangt, wonach Personen in
den Untergrund gegangen sein sollen. Dem MAD sei aber
nicht bekannt gewesen, dass es sich bei einer Person des
Trios um einen ehemaligen Soldaten gehandelt habe. Der
Spitzname „Jenaer Bombenbauer“ sei ihm kein Begriff
gewesen.
4021
Zu einem späteren Zeitpunkt der Befragung hat der Zeuge
Huth eingeräumt, dass der Beschaffungsbereich Ost und
4018) Befragungsbericht des MAD vom 29. Oktober 2002, MAD-2/5,
Bl. 24.
4019) Chronologie der Erkenntnisse und operativen Maßnahmen nach
Abtauchen der Mitglieder der terroristischen Vereinigung
„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) (1998-2001),
MAT A BfV-2/3, (Tgb.-Nr. 4/12 – GEHEIM), S. 29 (nicht
durchpaginiert).
4020) Vorhalt aus der Befragung des Zeugen Huth, Protokoll-Nr. 39,
S. 23.
4021) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 10, 11.
die Auswerter im MAD Informationen zum Trio gehabt
haben müssten und diese Sache dann auch verfolgt hätten.
Er habe hier offenbar eine Erinnerungslücke.
4022
Eine
logische Erklärung hierfür sei, dass eine andere Behörde
nach dem Aufenthaltsort des Trios nachgefragt habe.
Möglich sei, dass die Verfassungsschutzbehörden über
eine eigene Quelle Hinweise auf einen Bundeswehrange-
hörigen in einer Organisation erhalten hätten, die sie an
den MAD weitergegeben hätten. Dies sei möglicherweise
mit der Bitte verbunden worden, den Bundeswehrangehö-
rigen zum Aufenthaltsort des Trios zu befragen.
4023
Denkbar sei auch, dass auf einer Beschaffertagung über
den Fall gesprochen worden sei und die „Beschaffung“
des MAD dies umgesetzt habe.
4024
In Betracht käme aber
auch, dass eine direkte Besprechung zwischen dem Bun-
desamt für Verfassungsschutz, dem LfV Thüringen und
dem MAD stattgefunden habe.
4025
Grundsätzlich seien
aber nicht immer dieselben Personen mit dieser Angele-
genheit befasst gewesen.
4026
Der Zeuge Brüsselbach, der – mit kurzer Unterbrechung
in den Jahren 2008 bis 2010 – von 1989 bis 2010 in ver-
schiedenen Funktionen und zuletzt als dessen Präsident
im MAD tätig war, hat hierzu ausgeführt:
„Jetzt, Herr Abgeordneter, betrifft das nicht meine
Zeit im Amt, also nur das, was ich retrospektiv
jetzt nach dem 04. bzw. 08.11.2011 aus den Akten
entnommen habe. … Ob es einen Auftrag - in
Anführungszeichen - gab, kann ich nicht sagen.
Ich habe keinen Auftrag gesehen. Ich habe keine
gemeinsame Entschließung der Sicherheitsbehör-
den gesehen, nach ihnen zu suchen. Aber die gan-
zen Befragungsberichte, die ich gelesen habe, so-
fern darin die drei oder eine von diesen drei Perso-
nen vorkommen, die lesen sich für mich im Nach-
hinein so, als wenn alle Beteiligten, hier der MAD,
gefragt haben. Wenn sich Gelegenheit gab, sprich
Personen aus der Szene, aus diesem geografischen
Bereich, dann wurde danach gefragt; das war mein
Eindruck. Nicht durchgängig; aber wenn es Anlass
gab in den Befragungen - welchen Anlass auch
immer; ich kenne da die Gesamtzusammenhänge
aller Akten nicht -, dann wurde danach ge-
fragt.“4027
4. Zusammenarbeit mit anderen Verfas-
sungsschutzbehörden
Der Zeuge Huth hat ausgeführt, der MAD habe die Hin-
weise, die er erhalten habe, an die zuständige Verfas-
sungsschutzbehörde, das LfV Thüringen, und gleichzeitig
an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet.
4022) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 25, 30.
4023) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 29.
4024) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 31.
4025) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 32.
4026) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 31.
4027) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 41.
Drucksache 17/14600 – 456 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Er glaube nicht, dass es in diesem Fall eine Rückmeldung
der anderen Verfassungsschutzbehörden in dem Sinne
gegeben habe, dass ein Hinweis besonders wichtig sei
oder dass weitere Hinweise einer bestimmten Quelle
hilfreich seien. Wenn es eine solche Rückmeldung gege-
ben hätte, dann würde er sich daran erinnern. Allerdings
seien Rückfragen generell relativ selten gewesen.
4028
Es
sei nicht Aufgabe des MAD nachzuprüfen, was der Ver-
fassungsschutz mit den von ihm weitergeleiteten Informa-
tionen mache.
4029
Eine Nachfrage habe sich auch aus
Höflichkeit verboten. Er habe sich darauf verlassen müs-
sen, dass die Behörde mit seinen Informationen sachge-
recht umgehe.
4030
5. Weitergabe von Hinweisen an Staatsan-
waltschaften oder LKA?
Auf die Frage, warum die unter E. VI. 2. dargelegten
Erkenntnisse teilweise nicht an das LKA Thüringen oder
die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden
seien, hat der Zeuge Huth geantwortet, dass in der Opera-
tion „Rennsteig“ die entsprechenden Stellen BfV und
Thüringen durch den MAD informiert worden seien.
Diese hätten alle Informationen gesammelt, um sie zu
verarbeiten. Es sei dann Aufgabe der anderen Behörden
gewesen, die Informationen weiterzuleiten. Nach dem
Verständnis des MAD habe es daher keiner Einzelaktion
oder einer Unterrichtung der Staatsanwaltschaften be-
durft.
4031
VII. Erkenntnisse des BND zum untergetauch-
ten Trio
1. Beteiligung des BND an der Suche nach
dem Trio im zeitlichen Zusammenhang mit
dem Abtauchen
Den Ausschuss hat die Frage beschäftigt, inwieweit der
Bundesnachrichtendienst an der Suche nach dem Trio
unmittelbar nach dessen Abtauchen beteiligt war. Aus den
dem Ausschuss vom BND vorgelegten Akten ergibt sich
folgendes Bild:
Am 26. Januar 1998, direkt nach der Aushebung der
Bombenwerkstatt in Jena, gelangte eine Nachricht über
das Bundeskriminalamt zum BND.
4032
Darin wurde der
BND darüber informiert, dass
„ihnen [Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt] ein
Vergehen gem. § 315b [StGB] Vorbereitung eines
Explosions- und Strahlungsverbrechens zur Last
gelegt [wird].
4028) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 11, 12.
4029) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 33.
4030) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 34.
4031) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 23, 25.
4032) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
54 (VS-VERTRAULICH).
Lt. LKA u. LfV Thüringen ist die Bombenwerk-
statt eine Einzeltat der mit Haftbefehl Gesuchten u.
hat nichts mit den sonstigen Aktivitäten des ‚Thü-
ringer Heimatschutz‘ zu tun. … “4033
Das Trio befände sich auf der Flucht und fliehe vermut-
lich in die USA. Als Zwischenaufenthaltsländer kämen
Belgien, die Niederlande oder Dänemark in Betracht.
Weiter wurde darüber informiert, dass das Trio sich ver-
mutlich noch in Deutschland aufhielte und „einige Opera-
tionen und eine Observation“
liefen.
4034
In einer Sondersitzung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages zum The-
ma Rechtsextremismus vom 30. November 2011 erklärte
der Leitungsstab des BND nach der Sichtung der früher
genutzten Datenbank des BND „ZIBLEX“, bei der Nach-
richt vom 26. Januar 1998 habe es sich um die „einzige
(…) Information zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe“
gehandelt, die an den BND gerichtet worden sei.
4035
In den Akten des BND befindet sich eine Lagemeldung
des LKA Thüringen vom 27. Januar 1998. In dieser La-
gemeldung wurde darüber informiert, dass im Rahmen
eines Ermittlungsverfahrens bei der Durchsuchung der
Werkstatt
„diverse pyrotechnische Gegenstände, ein Luft-
druckgewehr, eine CO 2 Pistole, diverse chemi-
sche Substanzen, Kabel, Rohrstücke und vorberei-
tete Rohrbomben, diverse Farben, Knetmasse und
Schriftgut gefunden und sichergestellt wurden.“4036
Die Namen der drei Beschuldigten wurden in dieser La-
gemeldung nicht genannt.
Am 26. Februar 1998 erhielt der BND eine Ergänzung der
Information des LfV Thüringen vom 26. Januar 1998 über
das Verbindungsreferat „AB 50“. Danach hielten sich
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe weiterhin in Deutsch-
land auf und es liefe eine Observation. Seitens des LfV
Thüringen sei spekuliert worden, das Trio könnte Unter-
stützung aus Belgien, den Niederlanden, insbesondere von
dem führenden niederländischen Rechtsextremisten H.,
oder aus Dänemark, insbesondere von R., erhalten. Beide
Informationen wurden in die Datenbasis des BND
eingepflegt.
4037
Der BND übermittelte am 3. Juli 1998 eine Meldung zu
H. mit möglicher Adresse in den Niederlanden an das
BfV und – über die deutsche Residentur des BND in Den
4033) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
54 (VS-VERTRAULICH).
4034) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
54 (VS-VERTRAULICH).
4035) Auswertung des BND, MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr.
19/12 – GEHEIM), Bl. 45 (VS-NfD).
4036) MAT A BND-2/1, Bl. 2 f.
4037) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
45 (VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 457 – Drucksache 17/14600
Haag – an die Niederlande. Eine Reaktionen hierauf fin-
det sich in der Datenbank des BND nicht.
4038
Der damalige Präsident des LfV Thüringen Thomas
Sippel berichtete dem Innen-, Justiz- und Verfassungsaus-
schuss des Landtages Thüringen am 10. Januar 2012, dass
„eine erste Information am 3. Februar 1998 durch
das TLfV an alle Verfassungsschutzbehörden ge-
gangen sei, in der auf die Drei hingewiesen und
der Sachzusammenhang dargestellt worden sei. In
diese Informationsübermittlung sei die Aufforde-
rung eingebunden gewesen, Ermittlungen, die im
Zusammenhang zum Auffinden dieser drei Abge-
tauchten stünden, dem TLfV mitzuteilen. In diese
Aufforderung sei auf telefonischem Wege auch der
Bundesnachrichtendienst einbezogen worden.“ 4039
Am 5. März 1998 nahm der BND Kontakt zum LKA und
LfV Thüringen auf und übersandte ein Schreiben, in wel-
chem für die Übermittlung
„detaillierter Auskünfte zum Rechtsextremis-
mus/Aufhebung einer Bombenwerkstatt in Jena“
gedankt wurde. Der BND teilte in dem Schreiben mit,
dass keine eigenen Erkenntnisse des BND zu Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe vorlägen. Es bestünde jedoch
„hiesigerseits … grundsätzliches Interesse an In-
formationen über Verbindungen deutscher Rechts-
extremisten ins Ausland“.4040
Der Zeuge Dr. Hanning, Präsident a. D. des BND von
1998 bis 2005, hat auf die Frage, ob er sich in seiner
Funktion als BND-Präsident an die „Jenaer Bombenbau-
er“ erinnere, geantwortet:
„Also, als Präsident bin ich damit nicht befasst
gewesen, also … unmittelbar in meiner Verant-
wortung als Präsident des Bundesnachrichten-
dienstes, … außerhalb der ND-Lage. Es kann
sein, dass da Informationsaustausch auf der Fach-
ebene stattgefunden hat, aber das hat mich als Prä-
sident nicht erreicht . …
… Ich weiß, dass es immer einen Austausch gab
zwischen dem Bundesnachrichtendienst und den
Sicherheitsbehörden der Länder und Polizei, und
wenn da gefahndet wird, wird üblicherweise bei
allen Behörden nachgefragt, ob da Erkenntnisse
vorliegen. Das vermute ich, dass das auch in die-
sem Fall so war. Das kann ich natürlich nicht aus-
schließen. Aber in dem Sinne, dass ich als Präsi-
dent jetzt damit befasst wurde, dass das sozusagen
eine besondere Bedeutung hatte oder dass ich hätte
4038) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
45 (VS-NfD).
4039) Sippel, Nichtöffentliches Ergebnisprotokoll der 36. und 37.
Sitzung des Innen-, Justiz- und Verfassungsausschusses des
Landtages Thüringen am 10. Januar 2012, MAT A TH-5, Bl.
37.
4040) MAT A BND-2/1, Bl. 4; MAT A TH-1/7, Bl. 102.
agieren müssen als Präsident, da kann ich mich
nicht dran erinnern.“4041
Auf die Nachfrage, warum ein untergetauchtes Trio, wel-
ches wegen der Vorbereitung von gefährlichen Spreng-
stoffverbrechen gesucht werde, nicht „von besonderer
Bedeutung“ sei, hat der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt:
„Wenn das ein ausländischer Terrorist oder Agent
gewesen wäre, der die Sicherheit der Bundesre-
publik Deutschland bedroht hätte, wäre das ver-
mutlich ein wichtiger Vorgang gewesen, …
wenn das ein Vorgang ist in der Obhut der Polizei-
behörden der Länder, die hier im Inland suchen,
mit Sicherheit nicht.
Jedenfalls nicht für den Bundesnachrichten-
dienst.“4042
Der Bundesnachrichtendienst sei zuständig für Vorgänge
im Ausland.
4043
2. Informationsaustausch im Verlauf der Su-
che nach dem Trio
Am 21. August 2002 leitete das BKA im Auftrag des
LKA Thüringen eine Erkenntnisanfrage an den BND
weiter. Dabei ging es um mögliche Erkenntnisse des BND
zum Aufenthaltsort des Trios mit dem Hinweis, dass diese
mit internationalem Haftbefehl gesucht würden.
4044
Der
BND antwortete dem BKA am 2. September 2002, dem
BND lägen keine eigenen Erkenntnisse zu Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe vor.
4045
Im Juli 2004 erhielt der BND das vom BfV erstellte Heft
BfV Spezial 19, welches detaillierte Informationen über
die Rohrbombenfunde in Jena enthielt.
4046
Der Ausschuss hat den langjährigen Leiter des Referats
„Aufklärung“ bzw. „Beschaffung“ im Bereich Waffen-
handel und gegenwärtig für Waffenhandel zuständigen
Abteilungsleiter beim BND als Zeugen vernommen. Auf
die Frage, ob er in Bezug auf die Zusammenarbeit zwi-
schen dem BND und anderen Behörden Verbesserungs-
bedarf sehe, hat der Zeuge Dr. H. erklärt:
„Also, das ist eigentlich ein eingespieltes Verfah-
ren. Wie gesagt, wenn ein Ermittlungsverfahren
läuft, dann ist eigentlich für den BND bis auf die
Erkenntnisanfrage eigentlich nichts mehr zu tun.
Wir können ja nicht parallel irgendwelche Maß-
nahmen ergreifen, wenn eine polizeiliche Ermitt-
lung läuft.“4047
4041) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 10.
4042) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 10, 11.
4043) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.
4044) MAT A BND-2/1, Bl. 31 ff.
4045) MAT A BND-2/1, Bl. 27.
4046) Offene Version BfV Spezial 21 in MAT A BKA-2/46, Bl. 17 f.
4047) Dr. H., Protokoll-Nr. 31, S. 86.
Drucksache 17/14600 – 458 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes,
der Zeuge Dr. Hanning, hat ergänzt, der Auslandsnach-
richtendienst sei in der Zeit bis 2005 in die Ermittlungen
in keiner Weise eingebunden gewesen.
„Es gab Fragen und Ähnliches, aber wir haben da
keine eigenständige Rolle gespielt als Bundesnach-
richtendienst.
Ich bin ein großer Anhänger des Trennungsgebo-
tes. Die Polizei ist an das Legalitätsprinzip gebun-
den, und aus gutem Grund darf die Polizei erst er-
mitteln, wenn ein Anfangsverdacht nach der Straf-
prozessordnung vorliegt. Ich glaube, diese Model-
le, die ja in der Sache – das ist zwar besetzt, der
Begriff, aber in der Sache ist es eine geheime
Staatspolizei – das sollten wir auf keinen Fall tun.
Ich halte das für rechtstaatlich ganz bedenklich.
Ich habe auch immer große Probleme damit ge-
habt, wenn die Polizei beginnt, nachrichtendienst-
lich zu arbeiten. Nein, ich glaube, es macht sehr
viel Sinn, wenn man beide Stränge durchaus ge-
trennt lässt, aber den Informationsaustausch zwi-
schen beiden Strängen vernünftig organisiert, und
daran – das haben wir ja wohl in der Praxis erlebt
– hat es durchaus gemangelt. Aber ich glaube, da
kann man einiges verbessern.“4048
3. Hinweise auf eine Flucht des Trios nach
Südafrika
Seit Mai 1998 finden sich in den Akten deutscher Sicher-
heitsbehörden Hinweise auf eine möglicherweise bevor-
stehende Flucht des Trios nach Südafrika.
4049
Personen im
Umfeld des Trios, insbesondere Mitglieder des „Thürin-
ger Heimatschutzes“, pflegten Kontakte nach Südafrika.
Einige Bekannte des Trios unternahmen Reisen zu dem
auf einer eigenen Farm in Südafrika lebenden Rechtsex-
tremisten Dr. Claus Nordbruch. Umgekehrt hielt Dr.
Nordbruch Vorträge in Deutschland, auch beim „Thürin-
ger Heimatschutz“.4050
In den vom BND übermittelten Unterlagen finden sich
keine Anfragen anderer Behörden an den BND zu einer
geplanten Flucht des Trios nach Südafrika vor dem Be-
kanntwerden des NSU im November 2011.
4051
Der Zeuge
Dr. Hanning hat gegenüber dem Ausschuss bekundet,
ihm hätten in seiner damaligen Funktion als BND-
Präsident über die Verbindungen des Umfeldes des Trios
nach Südafrika keine Erkenntnisse vorgelegen.
4052
Nach
Auskunft des Zeugen Dieter Huth, Leiter der Abteilung
„Rechtsextremismus“ im MAD von 2000 bis 2010, sei
4048) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3.
4049) Zusammenfassend siehe Antwort MAD an BAO „Trio“ (BKA)
vom 30. Januar 2012, MAT A MAD-3, (Tgb.-Nr. 72/12 – VS-
VERTRAULICH), Bl. 380-397 (VS-VERTRAULICH); so
auch der Zeuge Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 81.
4050) MAT A BE-3/7g-1, Bl. 49.
4051) MAT A BND-3/1c, Bl. 56.
4052) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 22 f.
zumindest vom MAD diese Erkenntnis nicht an den BND
übermittelt worden. Auf die Frage, warum eine Übermitt-
lung der Information seitens des MAD an den BND nicht
stattgefunden habe, hat er erklärt, dass eine solche Infor-
mationsweitergabe nicht üblich sei:
„Auch das ist eine Sache, die für uns nicht üblich
war. Das hat nach unserem Dafürhalten das Bun-
desamt für Verfassungsschutz mit dem Bundes-
nachrichtendienst direkt gemacht.“4053
Was zu übermitteln ist, sei immer auch eine Frage der
Auslegung der Gesetze. Auf den Vorhalt, dass ein
Rechtsextremist aus Südafrika nach Deutschland zurück-
gekehrt sei, nachdem er sich dort auf einen bewaffneten
Kampf gegen die Bundesrepublik vorbereitet habe, hat
der Zeuge erwidert:
„Dann haben wir diese Information weitergeleitet
an das zuständige Landesamt und das Bundesamt
für Verfassungsschutz. Es mag sein, dass wir mit
dem BND hier Gespräche geführt haben, aber
formelle Übermittlungen, meine ich, sind mir nicht
geläufig in der Zeit.“4054
4. Vorgänge im Zusammenhang mit auslän-
dischen Rechtsextremisten
a) Hinweis des italienischen Geheimdienstes
aus 2003
In einem Schreiben des italienischen Inlandsnachrichten-
dienstes Agenzia Informazioni e Sicurezza Interna (AISI)
aus dem Jahr 2003
4055
wurde
„von einem internationalen Treffen von Neonazis
im November 2002 in Belgien [berichtet], an dem
auch deutsche Neonazis teilgenommen hätten.
Namentlich werden von AISI die Personen Udo W.
und Dirk P. genannt. Letzterer habe bei der Veran-
staltung ein von Jürgen R. angeführtes in Deutsch-
land existierendes militantes Netzwerk erwähnt,
welches mit geheimen Aktivitäten befasst sei. Das
Schreiben schloss mit der Bitte um Mitteilung
möglicher weiterer Erkenntnisse zu den aufgeführ-
ten Personen und zu möglichen Hintergrundinfor-
mationen zu dem genannten geheimen Netz-
werk.
4056
Ob der BND über den Hinweis des italienischen Nach-
richtendienstes AISI informiert wurde und Maßnahmen
eingeleitet wurden, hat der damalige BND-Präsident Dr.
Hanning als Zeuge vor dem Ausschuss nicht aufklären
können:
4053) Dieter H., Protokoll-Nr. 39, S. 24.
4054) Dieter H., Protokoll-Nr. 39, S. 24.
4055) MAT A BMI-13 S. 7 f. – Näheres unter D. II. 3.
4056) Schilderung durch das BMI vom 28. November 2012, MAT A
BMI-13, Bl. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 459 – Drucksache 17/14600
„Wenn Sie … ich sage mal jede Woche zwei,
drei dieser Meldungen bekommen, dann schätzen
Sie das natürlich auch ein bisschen anders ein. Es
gibt natürlich gerade im Terrorbereich eine Un-
menge von Hinweisen: Da hat sich eine Gruppe
gebildet, da hat sich eine Gruppe gebildet. …
Wenn Sie jetzt im Nachhinein sich das anschauen,
dann sagen Sie: Ja, warum hat man das nicht? …
Mit dem Wissen von heute, ja, natürlich. … Ist
der italienische Dienst sozusagen in diesem Punkte
verlässlich, ist er zuverlässig? … Worauf gründet
sich diese Meldung? Dann müsste man ja Residen-
ten in Rom hinschicken und fragen: Was ist denn
sozusagen der Hintergrund? …
Ich weiß jetzt nicht, wie man mit dem Vorgang
hier genau umgegangen ist. Natürlich wäre das ein
Ansatz gewesen. Ob damals schuldhaft dem nicht
nachgegangen ist oder nicht, das wage ich nicht zu
beurteilen. Das müsste man wirklich im Gesamt-
kontext der Meldung sich dann anschauen.“4057
Auf die Frage, aus welchem Grunde diesem Ansatz nicht
nachgegangen wurde, hat der Zeuge ausgeführt:
„Man müsste versuchen, die Namen rauszukrie-
gen, und man müsste vor allem noch mal die Ver-
lässlichkeit der Quelle nachfragen, klar. …
Die Gesamtbewertung, da müsste man einfach
schon mehr Informationen haben. Da müsste man
noch mal das damalige Meldungsbild haben, die
damalige Gesamtlage, die Bedrohungslage
… .“4058
b) Weitere relevante Vorfälle im Ausland
John W. A. Ausonius, bekannt als der „Laserman“, verüb-
te zwischen 1992 und 1993 in Schweden zehn fremden-
feindliche Mordanschläge, ohne die Opfer zu kennen. Im
gleichen Zeitraum überfiel Ausonius 18 Banken und
flüchtete stets mit dem Fahrrad.
4059
Das Bundesamt für
Verfassungsschutz hat am 20. September 2012 die Taten
des Schweden als mögliche Blaupause für den NSU be-
zeichnet.
Im Jahre 1995 sprengte der US-amerikanische „Oklaho-
ma-Attentäter“ Timothy McVeigh ein Bundesgebäude in
Oklahoma in die Luft und tötete dabei 168 Menschen. Im
April 1999 verübte David Copeland in London drei Na-
gelbombenanschläge. Auch diese Taten werden als
rechtsmotiviert angesehen. Copeland war zeitweise Mit-
glied der British National Party (BNP) und schloss sich
danach dem National Socialist Movement an.
Zu der Beobachtung derartiger Unternehmungen auslän-
discher Rechtsextremisten durch den BND hat der Zeuge
Dr. Hanning erklärt:
4057) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 23 f.
4058) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 23 f.
4059) Hierzu und zum Folgenden: MAT A BfV-5/1.
„Ich kann Ihnen das jetzt aus meiner Erinnerung
nicht präzise sagen; aber wir haben die Situation in
Schweden schon beobachtet. Nach meiner Erinne-
rung war es im Wesentlichen das BfV. Das Bun-
desamt für Verfassungsschutz ist ja im Berner
Club
4060
eingebunden, und die haben da eine sehr
gute Zusammenarbeit. … Und da gab es auch -
ich meine - Vorträge vom BfV gerade zu der
schwedischen Situation. … Im Grunde hätte uns
… die Situation in Schweden – und da gab es
immer gewisse Querverbindungen nach Deutsch-
land – noch stärker beunruhigen müssen.“4061
Auf die Frage, welche rechtsextremistischen Vorgänge im
Ausland durch den BND beobachtet wurden, hat der Zeu-
ge Dr. Hanning erläutert:
„Es gab immer so ein bisschen eine Arbeitsteilung,
dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich
um diese Dinge stärker gekümmert hat als wir. Wir
haben uns sehr stark um den islamistischen Be-
reich gekümmert als Bundesnachrichtendienst,
auch gerade dort, und das BfV hat auch häufiger in
den ND-Lagen vorgetragen zu diesen Querverbin-
dungen und zu den ähnlichen Problemen in ande-
ren europäischen Ländern.
… Nach 2001 war erst mal der Islamismus die
Priorität, weil erstens hatten wir die Anschläge in
Madrid und London, zweitens war die große Sor-
ge, dass auch in Deutschland ähnliche Anschläge
wie 9/11 stattfanden; wir hatten Erkenntnisse, dass
auch Europa Ziel dieser Anschläge war. Und des-
wegen haben wir das eindeutig priorisiert. Ich hat-
te aber auch nicht den Eindruck … dass das jetzt
vernachlässigt worden ist, weil ich mich durchaus
erinnere, dass das Bundesamt für Verfassungs-
schutz auch dazu [zum Rechtsextremismus] vorge-
tragen hat.“4062
Zu der Beobachtung ausländischer rechtsextremistischer
Gruppierungen wie dem „Ku-Klux-Klan“, die versuchten,
sich in Deutschland zu etablieren, hat der Zeuge Dr. Han-
ning ausgeführt:
„[Beim] Ku-Klux-Klan ist mir nicht in Erinnerung,
dass die hier in Deutschland jedenfalls seinerzeit
eine Rolle spielten, dass ich mich als BND-
Präsident hätte damit befassen müssen. Also, das
ist mir nicht mehr in Erinnerung.“4063
5. Mitglieder des Trios als V-Personen des
BND?
Spekulationen in den Medien, der BND könnte Mitglieder
des Trios als V-Personen angeworben haben, um interna-
4060) Zusammenschluss der Inlandsnachrichtendienste innerhalb der
EU, plus Norwegen und Schweiz.
4061) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 21 f, S. 30, 31.
4062) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 31.
4063) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 40.
Drucksache 17/14600 – 460 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tionale Söldnerstrukturen auf dem Balkan, zu denen
Böhnhardt und Mundlos enge Verbindungen gehabt ha-
ben sollen, aufzudecken,
4064
haben die vom Ausschuss
vernommenen Zeugen nicht bestätigt. Der Zeuge
Dr. Hanning (damaliger Referatsleiter „Auswer-
tung/Prolieferation“) hat die Frage, ob ihm dies im Rah-
men seiner beruflichen Tätigkeit beim BND bekannt
geworden sei, verneint.
4065
Der Zeuge Dr. Hanning hat
angegeben:
„Das Thema, was Sie gerade ansprechen: … ich
kann mich nicht erinnern, dass wir das als Bundes-
nachrichtendienst bearbeitet haben. Das müsste
dann eher vom Bundesamt für Verfassungsschutz
bearbeitet worden sein; denn das sind ja offenbar
erkannte Neonazis gewesen oder erkannte jeden-
falls Leute der Rechtsextremisten, die mit Sicher-
heit Spuren auch hier im Inland hinterlassen ha-
ben. Also, mir als BND-Präsident ist das damals
nicht als Problem in Erinnerung.“4066
Aufgrund der Medienberichterstattung wurde nach einer
BND-internen E-Mail eine Abfrage der Datenbank
ZIBLEX durchgeführt. Hierbei soll kein Treffer zu den in
den Medienberichten erwähnten Personen erzielt worden
sein.
4067
VIII. Kenntnisse staatlicher Stellen in Baden-
Württemberg zum Verbleib des Trios
1. Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg
Aufgrund von Zeugenaussagen sowie der Auswertung
weiterer Asservate ist festzustellen, dass sich die Mitglie-
der des NSU seit Beginn der 90er Jahre und auch während
der Zeit ihres Untertauchens wiederholt in Baden-
Württemberg aufhielten.
4068
Der Kontakt zu Personen aus
Ludwigsburg, die ab Mitte/Ende der 90er Jahre in der
rechten Szene Baden-Württembergs verkehrten, entstand
über Marcus F., der aus Chemnitz nach Baden-
Württemberg verzogen war und in Stuttgart die Berufs-
schule besuchte. Dieser Kontakt festigte sich durch ge-
meinsame Besuche bei Rechtsrockveranstaltungen.
4069
Verbindungen zum Trio und weiteren Personen aus der
rechten Szene in Sachsen und Thüringen wurden über
4064) Insbesondere in den Stuttgarter Nachrichten vom 21. Dezember
2011 „Warb der BND das Neonazi-Trio an? Thüringens Lin-
ken-Fraktionschef Ramelow über Erkenntnisse der Geheim-
dienste zur NSU – und ihre Unterstützungsleistungen“.
4065) Dr. H., Protokoll-Nr. 31, S. 90.
4066) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 32.
4067) MAT A BND-3/1c, Bl. 56.
4068) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 59.
4069) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 68.
„Mittelsmänner“ wie Markus F. und Thomas Starke auf-
gebaut und verfestigt.
4070
Die Bezugspunkte des Trios nach Baden-Württemberg
waren zum Zeitpunkt der Feststellungen des Untersu-
chungsausschusses durch die damit befassten Ermitt-
lungsbehörden allerdings noch nicht ausermittelt, so dass
die unten dargestellten Bezüge nicht abschließend darge-
stellt werden konnten. Sie sind auch in ihrer Qualität und
Quantität nicht endgültig erfasst.
4071
a) Kontakte des NSU zu Personen der Gara-
genlisten aus Baden-Württemberg
Bei den Kontaktpersonen in Ludwigsburg handelte es sich
um Michael E., Barbara E. und Hans-Joachim S. Diese
Namen finden sich auf den am 26. Januar 1998 in der
Garage in Jena aufgefundenen Telefonlisten des Uwe
Mundlos. Von Seiten der Thüringer Behörden wurden
unmittelbar nach Auffinden der Telefonlisten keine Er-
mittlungsmaßnahmen zu den dort aufgeführten Personen
durchgeführt.
4072
Erst nach dem 4. November 2011 erfolg-
te eine Auswertung der Telefonlisten
4073
sowie eine Ver-
nehmung der dort genannten Personen.
4074
aa) Michael E.
Enge Beziehungen unterhielt der NSU zu Michael E.
Dieser war Mitglied der Szene-Band „Streitmacht“.4075 In
einer Zeugenvernehmung beim BKA am 24. Juli 2012
sagte Barbara E. aus, Kontakte zwischen Michael E. und
dem Trio hätten nach ihrer Kenntnis spätestens seit 1994
bestanden. Sie habe gemeinsam mit Michael E. im Früh-
jahr 1994 in Jena oder Gera ein Konzert besucht. Über-
nachtet hätten sie bei Markus F. in Chemnitz. Bei diesem
Besuch hätten sie auch Zschäpe und Mundlos getroffen.
Später habe das Trio Michael E. besucht. Weitere gegen-
seitige Besuche hätten in der Zeit von Frühjahr 1994 bis
Dezember 2000 oder Winter/Frühjahr 2001 stattgefunden.
Die Besuche in Ludwigsburg seien häufig gewesen und
hätten am Anfang bestimmt alle vier Wochen stattgefun-
den, wobei Böhnhardt nicht so häufig dabei gewesen sei.
Hans-Joachim S., Michael E., Markus F. und Barbara E.
hätten bei ihren Besuchen in Chemnitz immer bei Enrico
4070) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 66.
4071) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff. Der Untersu-
chungsausschuss hat sich in der Beratungssitzung am 18. April
2013 noch einmal durch das BKA zu dieser Thematik berichten
lassen. Siehe Protokoll der Sitzung Nr. 65 a.
4072) Weiteres zur Auswertung der Garagenliste unter E. II. 5.
4073) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
155 ff.
4074) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4075) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., 65.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 461 – Drucksache 17/14600
R. geschlafen. Bei den gegenseitigen Besuchen habe es
sich nicht nur um Konzertbesuche gehandelt, sondern
man habe sich auch einfach so getroffen. Es sei nie darü-
ber gesprochen worden, dass das Trio gesucht werde und
auf der Flucht sei. Sie könne auch nicht sagen, ob Michael
E. dies gewusst habe.
4076
Das Bestehen freundschaftlicher Beziehungen zwischen
Michael E. und dem NSU wurde auch durch die sog.
„Mundlos-Briefe“ bestätigt. So schrieb Mundlos am
8. Februar 1995 an Thomas Starke, sie seien bei Michael
E. zu Besuch gewesen. Sie hätten ihn und weitere Perso-
nen zu Silvester eingeladen, Michael E. habe aber wegen
eines „internen Streits“ zwei Tage vorher abgesagt.4077 In
einem Brief unbekannten Datums teilte Mundlos Torsten
S. die Adresse von Michael E. mit.
4078
Zudem berichtete
er in einem Brief an Thomas Starke, der zwischen dem
14. und 19. April 1996 verfasst worden sein soll,
4079
dass
Michael E. kurz vor Ostern mit anderen Kameraden eine
Band „Streitmacht“ gegründet habe.4080 2003 starb Mi-
chael E.
4081
Nach Aussage von Barbara E. war keiner
vom Trio bei der Beerdigung anwesend.
4082
bb) Barbara E.
4083
Wie bereits soeben unter aa) dargelegt, bestätigte Barbara
E. in einer Zeugenvernehmung beim BKA am 24. Juli
2012, Kontakte zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt
gehabt zu haben. Diese seien freundschaftlicher Natur
gewesen. Ihre Kontakte zum Trio seien ausschließlich
über Michael E. gelaufen, den sie bereits seit 1986/1987
über ihren Bruder und über die „Rockfabrik“ gekannt
habe. Zschäpe habe sich als einzige nicht szenetypisch
gekleidet, was ausschlaggebend dafür gewesen sei, dass
sie sie mit nach Hause zum Übernachten habe nehmen
können. Da sie später einen anderen Partner gehabt habe,
dem der Kontakt zu dieser Szene nicht gefallen habe,
habe sie sich zurückgezogen. Ende 2000 bzw. Anfang
2001 habe sie Mundlos und Zschäpe letztmalig gesehen.
4076) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4077) Brief vom 8. Februar 1994 (vermutlich 1995), MAT A GBA-
4/33a, Bl. 16 ff, 17.
4078) Brief unbekannten Datums, MAT A GBA-4/33a, Bl. 134;
Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu Er-
kenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg vom
24. Januar 2013, MAT A GBA 13, Bl. 65.
4079) So der Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg
zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA 13, Bl. 65.
4080) Brief unbekannten Datums, MAT A GBA-4/33a, Bl. 219.
4081) Bericht zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-
Württemberg vom 14. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53
ff., 68.
4082) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff., 207.
4083) Barbara E. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs
zu den Abschnitten bb) und cc) Stellung genommen.
Diese seien definitiv mit dem Auto ohne weitere Beglei-
tung angereist.
4084
Barbara E. gab an, keine wirkliche politische Einstellung
zu haben und kein rechtes Gedankengut zu besitzen. Der
„Thüringer Heimatschutz“ und eine „Kameradschaft
Jena“ sagten ihr nichts. Die dem Trio zugerechneten
Straftaten vor deren Abtauchen seien ihr nicht bekannt
gewesen. Auch habe sie nicht gewusst, dass die beiden
auf der Flucht gewesen seien. Sie sehe fast kein Fernse-
hen und habe von der Öffentlichkeitsfahndung damals
nichts mitbekommen. Ihr sei nicht bekannt, dass das Trio
weitere Anlaufpunkte in Baden-Württemberg gehabt
habe.
4085
cc) Hans-Joachim S.
Kontakte zum Trio unterhielt nach Aussage von Barbara
E. auch Hans-Joachim S.
4086
Er kam Anfang der 1990er
Jahre in die rechte Szene nach Ludwigsburg.
4087
Laut
Aussage von Barbara E. war Hans-Joachim S. von Ende
1991 bis Oktober 1994 mit ihr liiert.
4088
Hans-Joachim S. war ebenfalls an den gegenseitigen
Besuchen mit dem Trio beteiligt.
4089
In einem Brief von
Mundlos an Thomas Starke, den er zwischen dem
14. April 1996 und 19. April 1996 verfasst haben soll,
berichtete Mundlos über seinen Kontakt zu Hans-Joachim
S. So berichtete er, Hans-Joachim S. habe zwar böse
Witze über „Ossis“ gerissen und das gute Thüringen
„Dunkeldeutschland“ genannt, aber ansonsten sei es doch
recht angenehm gewesen. Zschäpe und Böhnhardt hätten
bei Barbara E. übernachtet, er und Kay Norman S.
4090
bei
Hans-Joachim S. Zudem zeigte sich Mundlos erstaunt
über die Waffen, welche die Ludwigsburger hätten. Es sei
fast schon ein kleiner Waffenladen.
4091
Dies bezog sich
möglicherweise auf die Waffen von Hans-Joachim S.
4092
Der Kontakt zum Trio soll Mitte der 1990er Jahre geendet
haben.
4093
4084) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4085) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4086) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4087) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
167.
4088) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4089) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.
4090) Mit dem in dem Brief genannten Spitznamen ist Kay Norman S.
gemeint, siehe hierzu Schreiben des LKA Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, Bl. 53 ff., Bl. 68.
4091) Brief von Mundlos an Thomas Starke unbekannten Datums,
MAT A GBA-4/33a, Bl. 219 ff., 220.
4092) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
167.
4093) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
167.
Drucksache 17/14600 – 462 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am 27. August 2003 gab die V-Person Thomas Starke
des LKA Berlin einen Hinweis auf Hans-Joachim S.
Hierzu wurde vom LKA festgehalten:
„Interessant erscheint dabei eine Person mit dem
Familiennamen S. oder S., der in Ludwigsburg
wohnhaft war. Er ist ca. 190 cm groß. Bis zum
Jahr 2001 war er dafür bekannt, mit Waffen zu
handeln. Welche Waffen genau angeboten wurden,
ist der VP nicht bekannt. Die VP wurde gebeten,
sich um diese Person zu kümmern und aktuelle In-
formationen zu Wohnanschrift, Namen, angebote-
ne Waffen usw. zu besorgen.“4094
Für den Untersuchungsausschuss war von Interesse, ob
Hans-Joachim S., genannt „Waffen-S.“ tatsächlich Waf-
fenhändler war. Hierzu wurde in dem Bericht des LKA
Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013 ausgeführt, die
Bezeichnung „Waffen-S.“ hätte relativiert werden können.
Es handele sich nach Zeugenaussagen bloß um Dekor-
Waffen und Wichtigtuerei.
4095
Tatsächlich gab Barbara E.
in ihrer Vernehmung beim BKA an, bei Hans-Joachim S.
könne es sich niemals um einen Waffenhändler handeln.
Sie habe bei ihm zu keiner Zeit scharfe Schusswaffen
gesehen. Dazu sei er viel zu feige.
4096
Thomas Starke gab dagegen in seiner Beschuldigtenver-
nehmung an, er habe die Information, dass Hans-Joachim
S. mit Waffen gehandelt haben soll, im zweiten Halbjahr
1996 von Mundlos bekommen. Mehr Informationen habe
er nicht. Er könne nicht sagen, bis zu welcher Zeit Hans-
Joachim S. mit Waffen gehandelt haben soll.
4097
Im Jahr
2009 zeigte die Ehefrau von Hans-Joachim S. ihn nach
einem häuslichen Streit und einer Körperverletzung an.
Sie erklärte, ihr Mann sei sehr gewaltbereit und im Besitz
mehrerer Waffen. Die Wohnung wurde durchsucht und es
wurden mehrere Waffen, Deko-Waffen, Waffenutensilien
und Munition sichergestellt. 20 Patronen waren funktions-
fähig.
4098
Außerdem wurden 2009 Gegenstände, die zur
Verherrlichung des Nationalsozialismus geeignet sind, u.
a. 145 CDs mit rechtsradikalem Hintergrund, Hakenkreu-
ze, Uniformteile, Bücher, Hitlerbüsten, Fahrtenmesser mit
„Blut und Ehre“ und Hakenkreuz aufgefunden.4099 Bei
seiner Vernehmung räumte Hans-Joachim S. am 21. Ja-
nuar 2009 ein, mit seiner Ehefrau rechtsradikale Musik
gehört und in rechtsradikalen Kreisen verkehrt zu haben,
4094) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 – GEHEIM), Bl. 255 f.,
256.
4095) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA 13, Bl. 65.
4095) Bericht zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-
Württemberg vom 14. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53
ff., 68.
4096) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff., Bl. 235.
4097) Beschuldigtenvernehmung des BKA vom 5. Juni 2012, MAT A
GBA-4/30, Bl. 122 ff., 125.
4098) Schreiben der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 23. Februar
2012, MAT A GBA-13, Bl. 221.
4099) Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg, Stand:
30. März 2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 169.
von denen er sich aber mittlerweile losgesagt habe.
4100
In
diesem Verfahren wurde er wegen Verstoßes gegen das
Waffengesetz, Besitz von erlaubnispflichtiger Munition
und verbotenen Gegenständen i. S. d. Waffengesetzes und
wegen Volksverhetzung vom Amtsgericht Vaihingen zu
90 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt.
4101
b) Weitere Aufenthalte des Trios in Baden-
Württemberg nach ihrem Untertauchen
Asservatenauswertungen wie beispielsweise Bildaufnah-
men, Kontaktdaten und Stadtplänen lässt sich entnehmen,
dass das Trio nach seinem Untertauchen nicht nur die
oben genannten Kontakte zu den Personen der Garagen-
listen pflegte, sondern sich auch bei anderen Gelegenhei-
ten in Baden-Württemberg aufhielt. So wurde im Brand-
schutt der Wohnung in Zwickau, Frühlingsstraße 26 eine
CD gefunden, auf der sich insgesamt zehn Bilddateien
befanden, die am 25. Juni 2003 erstellt wurden. Den Bil-
dern ist zu entnehmen, dass sich Böhnhardt am 25. Juni
2003 zwischen 13.37 Uhr und 14.10 im Bereich der
Nordbahnhofstraße in Stuttgart u. a. vor einem Grill-
Bistro und vor einem Lebensmittelgeschäft aufhielt und
dort mehrfach fotografiert wurde. Die auf den Fotos dar-
gestellten Situationen legen nahe, dass hier zwei mögliche
spätere Anschlagsziele ausgekundschaftet wurden und
dies durch die Fotos dokumentiert wurde.
4102
Beim Abgleich mit Daten von Campingplätzen in Baden-
Württemberg wurde festgestellt, dass sich in der Zeit vom
24. bis zum 26. Juni 2003 ein Max B. und ein Ralf B. auf
dem Campingplatz „Cannstatter Wasen“ aufhielten. Da
der Zeuge Max B. angab, sich niemals auf diesem Cam-
pingplatz aufgehalten zu haben, ist davon auszugehen,
dass von Böhnhardt und Mundlos Alias-Personalien ge-
nutzt wurden. Auch eine Handschriftenvergleichsuntersu-
chung ergab, dass der sich auf dem Meldeschein des
Campingplatzes befindende Schriftzug mit hoher Wahr-
scheinlichkeit von Mundlos stammt.
Im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 in Zwickau wur-
den außerdem Stadtpläne von Heilbronn, Ludwigsburg
und Stuttgart mit Markierungen verschiedener Örtlichkei-
ten aufgefunden. Diese Pläne waren ab 2003 bis 2006 im
Handel.
4103
Die Ermittlungsgruppe „Rechts“, die am
17. November 2011 zur Aufklärung möglicher Bezüge zu
relevanten Personen und Gruppierungen aus dem NSU-
Verfahren eingerichtet wurde,
4104
gelangte zu der Bewer-
tung, dass es sich bei den Markierungen mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit um mögliche Anschlags-
4100) Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg, Stand:
30. März 2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 169.
4101) Schreiben der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 23. Februar
2012, MAT A GBA-13, Bl. 221.
4102) Ermittlungsbericht des Bundeskriminalamtes, Stand: 20. Juli
2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 34 ff, 98, 99.
4103) Ermittlungsbericht des Bundeskriminalamtes, Stand: 20. Juli
2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 34 ff, 92-97.
4104) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 55.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 463 – Drucksache 17/14600
ziele in Baden-Württemberg handelte, die ausgespäht
wurden, was mit dem Campingplatzaufenthalt und dem
Aufenthalt in der Nordbahnhofstraße in Stuttgart korres-
pondiert.
4105
c) Kontakte des Umfeldes des Trios nach
Baden-Württemberg
Festgestellt werden konnte, dass auch Personen aus dem
Umfeld des NSU Bezugspunkte nach Baden-
Württemberg hatten bzw. haben:
– Thomas R. war Mitglied des „EWK“ und Kontakt-
person zu Achim S., dem Leiter des „EWK KKK“
Deutschland
4106
und Kontaktperson zu Mundlos.
Thomas R. hatte Kontakt zu Markus F., über den das
Trio Personen aus Ludwigsburg kennenlernte.
4107
– Jan Werner, Thomas Starke und Tino Brandt hielten
sich im Zeitraum von 1998 bis 2011 zeitweilig in Ba-
den-Württemberg auf.
4108
Ungesicherten Informatio-
nen zufolge soll auch Thomas Starke in Baden-
Württemberg gewohnt haben.
4109
Während seiner Be-
schuldigtenvernehmung beim BKA sagte Starke aus,
dass der Kontakt nach Baden-Württemberg durch
Markus F. entstanden sei, der in Ludwigsburg lernte.
Er selbst sei vier Mal dort gewesen: ein Mal in Heilb-
ronn auf einer „1000-Dosen-Party“, ein Mal auf ei-
nem Konzert in Stuttgart, ein Mal auf einer Party bei
Stuttgart und ein Mal auf einer Party in Ludwigs-
burg.
4110
– Andreas G. arbeitet aktuell in Baden-Württemberg
und war Mitglied der Band „Noie Werte“. Er stammt
aus dem einstigen Netzwerk „Blood & Honour“ in
Sachsen und ist im Jahr 2002 aus Chemnitz in den
Südwesten Baden-Württembergs umgesiedelt.
4111
– Jan Werner arbeitet ebenfalls aktuell in Baden-
Württemberg.
4112
Ende Januar 2012 wurde gegen ihn
ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er den spä-
teren Gründern des NSU 1997 oder 1998 eine Waffe
besorgt haben soll.
– Ralf Wohlleben, Jan Werner, Andreas G. und Tho-
mas Starke verfügen über nachweisliche Kontakte in
4105) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 60.
4106) Näheres zum EWK KKK unter C. II. 5.
4107) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.
4108) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.
4109) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 73.
4110) Beschuldigtenvernehmung vom 5. Juni 2012, MAT A GBA-
4/30, Bl. 203 ff., 204.
4111) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62; Beschuldigtenvernehmung
Thomas Starke vom 15. Februar 2012, GBA-4/30, Bl. 69 ff.
4112) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.
die „Blood & Honour“-Szene und andere Rechts-
rock-Musikverteilernetze nach Baden-Württemberg.
4113
Wohlleben, Starke, Werner und G. hatten bereits vor dem
Untertauchen des Trios im Jahr 1998 Kontakte zum Trio.
Sie waren über manifeste und rechte Netzwerkstrukturen
miteinander verbunden. Gemeinsam ist ihnen zudem, dass
sie in der rechtsextremistischen Szene in Thüringen oder
Sachsen oder in der verbotenen kriminellen Vereinigung
„Blood & Honour“ aktiv waren und Verbindungen zu
Verteilernetzwerken von „rechter Musik“ oder „rechten
Bands“ hatten oder selbst Veranstalter oder Verteiler
waren.
4114
d) Kontakte des Trios zu weiteren Personen
aus der rechten Szene in Baden-
Württemberg
In einem Bericht vom 24. Januar 2013 teilte das LKA
Baden-Württemberg mit, dass es Kontakte des NSU oder
dessen Umfelds auch in die Regionen Heilbronn, Schwä-
bisch Hall, Rems-Murr-Kreis und Stuttgart gegeben ha-
ben soll. Auch soll sich das Trio bereits vor der Tat in
Heilbronn aufgehalten haben. Eine abschließende Bewer-
tung könne diesbezüglich jedoch zum derzeitigen Zeit-
punkt noch nicht abgegeben werden.
4115
aa) Sylvia F.
Sylvia F., geb. E.,
4116
wohnte von 1995 bis 1997 in
Erolzheim (Oberschwaben). Sie nahm zwischen 1994 und
1996 an mehreren neonazistischen Skinhead-Treffen in
Bayern und Baden-Württemberg sowie Versammlungen
der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene
und deren Angehörige e.V. (HNG) in Hessen und Rhein-
land-Pfalz teil. Bis zumindest 2007 war sie Funktionärin
der „HNG“.4117 In ihrer Zeugenvernehmung beim BKA
am 22. Januar 2013 gab sie an, sie könne keine Angaben
mehr dazu machen, seit wann sie im Vorstand der „HNG“
tätig gewesen sei. Ungefähr 2001/2002 habe sie diese
Tätigkeit aufgegeben.
4118
Die Tätigkeit für den „HNG“
habe sie ausgeübt, um etwas Gutes für Gefangene zu
tun.
4119
4113) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.
4114) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 71, 72.
4115) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70.
4116) Sylvia F. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs zu
diesem Abschnitt Stellung genommen.
4117) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
125 ff., 173.
4118) Zeugenvernehmung des BKA vom 22. Januar 2013, MAT A
GBA-18, Bl. 4 ff., 5.
4119) Zeugenvernehmung des BKA vom 22. Januar 2013, MAT A
GBA-18, Bl. 4 ff., 5.
Drucksache 17/14600 – 464 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sylvia F., geb. E., schrieb Mundlos am 11. Januar 1997
einen Brief, in dem sie sich dafür bedankte, dass Mundlos
die Unterlagen eines Norberts überarbeitet und geprüft
habe. Weiterhin führte sie aus:
„Sehr erfreulich, dass Ihr bei den leidigen Haus-
durchsuchungen vorgesorgt habt. Denn leider gibt
es einige Kameraden welche nicht so informiert
sind.“4120
Zu dem Brief befragt, gab sie in ihrer Zeugenvernehmung
beim BKA am 22. Januar 2013 an, der Inhalt des Briefes
sage ihr nichts. Sie könne sich auch nicht an eine Person
namens Uwe Mundlos erinnern. Sie habe zum damaligen
Zeitpunkt viele Kontakte gehabt.
4121
Aus einer Erkenntniszusammenstellung zur Publikation
Der Weisse Wolf geht hervor, dass Sylvia F., geb. E., in
einer Ausgabe des Weissen Wolfes im Jahr 1997 als An-
sprechpartnerin für die „Angehörigen der inhaftierten
Kameraden“ genannt wurde. In einer weiteren Ausgabe,
die vermutlich Ende 1997 erschien, wurde ein mit „Syl-
via“ unterschriebenes Grußwort abgedruckt, das vermut-
lich Sylvia F. zuzuordnen ist. Zudem wird angenommen,
dass für Ausgaben, die im Frühjahr 1998 sowie auch
Mitte/Ende 2000 erschienen, Sylvia F. und ihr Ehemann,
Maik F., die Herausgabe des Fanzines zu verantworten
hatten.
4122
bb) Hinweise auf weitere Kontaktpersonen
Als Beispiele für mögliche weitere Bezüge nach Baden-
Württemberg sind zu nennen:
– Festzustellen ist, dass in der Wohnung des Trios in
der Frühlingsstraße 26 in Zwickau ein Personalaus-
weis von Sascha J. aufgefunden wurde. Sascha J.
stammte aus Zwickau, ließ sich aber von der Stadt
Neudenau einen Personalausweis ausstellen. Bei der
Adresse handelte es sich um eine Unterkunft für Sai-
sonarbeiter bei der Fa. Kaufland. Zudem benutzte
Zschäpe 2011 ein Handy, das auf den Namen seiner
Ehefrau angemeldet war.
4123
– Von Maik S., der in Laupheim/Ulm wohnt, wurde im
Brandschutt eine Krankenversicherungskarte aufge-
funden. Er hat keine plausible Erklärung dafür. Ihm
sei diese Karte abhanden gekommen, das Trio kenne
er nicht.
4124
4120) Brief von Sylvia E. an Mundlos, MAT A GBA-13, Bl. 199.
4121) Zeugenvernehmung des BKA vom 22. Januar 2013, MAT A
GBA-18, Bl. 4 ff., 6, 7.
4122) Schreiben des BfV vom 6. Juli 2012, GBA-15a, Bl. 110 ff.
4123) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70; Gesamtvermerk zur miss-
bräuchlichen Nutzung von Aliaspersonalien durch Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe vom 13. Juli 2012, Bl. 119 ff., 158.
4124) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70.
– Zudem wurden die Kontaktdaten eines Reinhard
S.
4125
aus Geislingen/a.d. Steige in einem in der Früh-
lingsstraße 26 in Zwickau aufgefundenen Notebook
festgestellt.
4126
– In den aktuellen Ermittlungsakten zum Heilbronner
Polizistenmord findet sich der Hinweis eines Zeugen
(F. H., als Mitläufer der rechten Szene zugeordnet),
wonach es in Deutschland neben dem NSU als
„zweite radikalste Gruppe“ die „Neoschutzstaffel“
(NSS) gebe. NSU und NSS hätten sich – Datum un-
bekannt – zu einer gemeinsamen Veranstaltung in
Öhringen (Baden-Württemberg) getroffen. Der Hin-
weis konnte nicht verifiziert werden.
4127
– Am 29. Oktober 2011 erhält Beate Zschäpe eine SMS
von einem Handy, das auf einen „D. M.“ in Stuttgart
zugelassen ist. Dort wohnt eine Frau M. (* 1928), die
eine Tochter hat. Die Familie erklärt, mit dem Namen
„D. M.“ nichts anfangen zu können.4128
2. Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zum Trio, zu seinem Unterstützerumfeld
und zu Bezügen des Trios nach Baden-
Württemberg
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten
Szene in Baden-Württemberg durch das
LfV Baden-Württemberg
Der Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 Präsi-
dent des LfV Baden-Württemberg war, hat in seinem
einleitenden Statement vor dem Untersuchungsausschuss
ausgeführt, die Institution Verfassungsschutz habe als
Frühwarnsystem des demokratischen Staates in diesem
konkreten Bereich versagt. Die Verfassungsschützer
könnten nicht von dem Vorwurf freigesprochen werden,
nicht weit genug gedacht und nicht treffsicher genug
analysiert zu haben.
4129
Das Problem der Gewaltbereit-
schaft von Rechtsextremisten sei zwar nicht unterschätzt
worden, es sei aber kein Hinweis auf rechtsterroristische
Strukturen gesehen worden. Er hat hierzu ausgeführt:
„ … ich erinnere mich auch an meinen letzten Be-
richt, den ich verantworten durfte, für das Jahr
2004 -, dass wir sehr deutlich auf die Gewaltbe-
reitschaft hingewiesen haben, auf das Waffenprob-
lem hingewiesen haben. All die Dinge sind schon
genannt worden und die Gefährlichkeit. Aber der
eigentliche Schritt zum Rechtsterrorismus mit all
dem Umfeld, der ist damals von keiner Seite gezo-
4125) Reinhard S. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs
zu diesem Abschnitt Stellung genommen.
4126) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70.
4127) Ermittlungsbericht Soko „Parkplatz“ vom 30. März 2012, MAT
A GBA-4/19, Bl. 205.
4128) Vermerk des BKA zur Verkehrsdatenaushebung vom 11. Juni
2012, MAT A BY-14/1b, Bl. 516.
4129) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 40.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 465 – Drucksache 17/14600
gen worden. Wir haben gesagt: erhebliches Ge-
waltpotenzial, aber im Grunde kein Hinweis auf
rechtsterroristische Strukturen. - Das mag feinfüh-
lig klingen, und das mag man aus heutiger Sicht
auch kritisieren. Aber das war - ich sage noch
mal - im Zweifel ein Teil der Fehleinschätzungen,
dass man im Grunde dann den entscheidenden
weiteren Schritt damals zumindest nicht gegangen
ist. Aber auf die Gefahr wurde schon aufmerksam
gemacht, und es war uns auch bewusst.“4130
Der Bericht des LfV Baden-Württemberg aus dem Jahr
2004 bestätigt die Einschätzung, dass die Gewaltbereit-
schaft von Rechtsextremisten durchaus gesehen wurde.
So heißt es in diesem Bericht:
„Auch 2004 zeugten einzelne dieser Taten von ei-
ner Skrupellosigkeit, die darauf schließen lässt,
dass die jeweiligen Täter schwerste, womöglich
tödliche Verletzungen auf Seiten der Opfer fahr-
lässig oder bewusst in Kauf nahmen.“4131
Dass der Organisationsgrad der Rechtsextremisten dage-
gen unterschätzt wurde, belegt ein Auszug aus Bericht des
LfV Baden-Württemberg aus dem Jahr 2003:
„Skinheads, die für die meisten rechtsextremisti-
schen Gewalttaten im Land verantwortlich sind,
weisen in aller Regel die in dieser Definition vo-
rausgesetzte Nachhaltigkeit im Kampf für politi-
sche Ziele nicht auf, meist fehlt es bereits an einer
deutlich strukturierten und artikulierten politischen
Zielsetzung. Kennzeichen dieser Subkultur sind
zudem Unfähigkeit und mangelnder Wille zu kon-
kreter Organisierung. Geringere Intellektualität,
Desinteresse an ideologischen Fragen sowie rein
‚Spaß’-orientiertes Verhalten, beispielsweise ex-
zessiver Alkoholgenuss, und die daraus resultie-
rende Disziplinlosigkeit machen meist schon eine
kontinuierliche Mitarbeit in einer bereits vorhan-
denen Organisation schwierig bis unmöglich.
Anders stellt sich die Lage in der Neonaziszene
dar. Zwar ist auch hier der Organisationsgrad ver-
gleichsweise gering, doch liegt dies vorwiegend
daran, dass die neonazistischen Strukturen in
Deutschland in den 90er-Jahren durch zahlreiche
Organisationsverbote weitgehend zerschlagen
wurden.“4132
Der Zeuge Dr. Rannacher hat weiterhin ausgeführt, das
Problem der Skin-Szene und -Konzerte habe landesweit
bestanden. Schwerpunkte dieser Szene habe es im Groß-
raum Stuttgart gegeben, zu dem auch Ludwigsburg zu
zählen sei, sowie im Rhein-Neckar-Raum, teilweise auch
am Bodensee und im kleineren Umfang im Raum Heil-
bronn.
4130) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 55.
4131) Bericht des LfV Baden-Württemberg 2004, S. 119.
4132) Bericht des LfV Baden-Württemberg 2003, S. 146, 147.
Auch der Zeuge Schmalzl, der von August 2005 bis De-
zember 2007 Präsident des LfV Baden-Württemberg war,
hat dargelegt, dass zu seiner Amtszeit das Thema Rechts-
terrorismus in seiner Bedeutung als nachhaltig geführter
Kampf zur Durchsetzung rechtsextremistischer Ziele
mittels Anschläge von allen Sicherheitsbehörden verkannt
worden sei. Es sei lediglich für möglich gehalten worden,
dass Einzelpersonen den Fall Wiese zum Anlass nehmen
könnten, Anschläge zu verüben. Schlussfolgerung hieraus
sei eine verstärkte Beobachtung und eine Übereinkunft
gewesen, konkrete Gefährdungslagen unmittelbar an die
Polizei zu melden.
4133
Bei den Bund-Länder-Tagungen
habe das Thema Rechtsterrorismus so gut wie keine Rolle
gespielt. In Baden-Württemberg habe es keine Hinweise
auf konspirative Gruppen, innerhalb von Kameradschaf-
ten oder sonstigen Vereinigungen gegeben, die es darauf
angelegt hätten, systematisch von politischen Gegnern
Daten zu sammeln. Auch habe es keine Hinweise auf
Anschlagsplanungen, Waffen und Sprengstoff in Baden-
Württemberg gegeben. Dennoch habe man sich an der
einen oder anderen Stelle Sorgen gemacht und sei repres-
siv gegen neonazistische Organisationen vorgegangen.
Dies habe vor allem die Skinhead-Szene und die Musik-
szene betroffen.
4134
Der Zeuge Schmalzl hat weiterhin dargelegt, in Zusam-
menarbeit mit der Polizei habe man versucht präventiv zu
wirken und aufzuklären. Das LfV Baden-Württemberg
habe eine eigene Skin-Broschüre herausgebracht, die
vielen Menschen geholfen habe. Gleichzeitig sei es ge-
meinsam mit der Polizei gelungen, auch große Konzerte
mit 450 Besuchern aufzulösen. Die Praxis diesbezüglich
hat der Zeuge Schmalzl wie folgt beschrieben:
„Deswegen haben wir in guter Kooperation mit der
Polizei versucht, als erstes die Kasse und vielleicht
die Musikinstrumente zu beschlagnahmen oder die
CDs, die dort verkauft wurden. Wir sind dort bis
an die Grenzen gegangen. Wenn Konzerte unter
freiem Himmel waren, dann wurde mal ein Land-
wirt zu Hilfe gerufen, der noch schnell das Feld
gedüngt hat.
Wir waren also wirklich sehr kreativ; aber es hat
eines auch hervorgerufen: dass sich diese Szene
immer konspirativer verhalten hat. Man hat es als
Privatparty dann getarnt. Da nützt dir dann auch
die Vermieteransprache nichts, weil man gedacht
hat, es ist eine Geburtstagsparty und derglei-
chen.“4135
Der Zeuge Schmalzl hat betont, es sei richtig gewesen,
sich auf den Bereich der Skin-Musik zu konzentrieren.
Frühzeitig sei aber erkannt worden, dass sich dieser Be-
reich irgendwann ins Internet verlagern werde. Es habe
ihn daher sehr gefreut, dass die Landesregierung finanzi-
elle Mittel zum Aufbau eines Internetkompetenzzentrums
4133) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 100.
4134) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 101.
4135) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 108.
Drucksache 17/14600 – 466 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
für die Bereiche Islamismus und Rechtsextremismus zur
Verfügung gestellt habe.
4136
Der Zeuge Schmalzl hat außerdem dargelegt, dass es nach
dem „Blood&Honour“-Verbot in seiner Amtszeit in Ba-
den-Württemberg große Durchsuchungen gegeben habe.
Dies habe aber zur Folge gehabt, dass sich die Szene noch
mehr zurückgezogen habe. Es sei enorm schwer, in diese
konspirativen Strukturen vorzustoßen.
4137
Der gewaltbe-
reite Rechtsextremismus sei in Baden-Württemberg im-
mer existent gewesen. Sie seien sich aber ziemlich sicher
gewesen, im Vergleich zu anderen Ländern ordentlich
aufgestellt zu sein, um in Erfahrung bringen zu können,
wenn es eine vergleichbare terroristische Gruppe wie dem
NSU mit baden-württembergischen Wurzeln gegeben
hätte.
4138
b) Mangelnder Zugang des LfV Baden-
Württemberg zur rechten Szene im Raum
Ludwigsburg
Der Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 das
LfV Baden-Württemberg leitete, hat dargelegt, dass sich
die Zugangslage in Ludwigsburg für das LfV ausgespro-
chen schwierig gestaltete:
„Das Problem war nicht zuletzt auch - wenn ich
noch einen anderen Ort nennen kann: Ludwigs-
burg - die Zugangslage, die sich für uns teilweise
ausgesprochen schwierig gestaltet hat. Wir haben
natürlich Werbungsversuche gemacht, wobei wir
uns von vornherein im Klaren waren, dass es in
der Skinhead-Szene ausgesprochen schwierig und
problematisch vor allem auch ist, hier V-Leute zu
führen, Stichwort ‚Alkohol’, Stichwort ‚Gewaltbe-
reitschaft’. Das heißt, wir sind hier mit einer er-
heblichen Vorsicht ans Werk gegangen. Leute, wo
wir meinten, die sind nicht führbar, etwa wegen zu
großem Alkoholgenuss oder zu starker Gewaltbe-
reitschaft, sind von vornherein ausgeschaltet oder
ausgesondert worden. Wir haben auch in den von
Ihnen zitierten Räumen Versuche gemacht.
Ich bin jetzt nicht in der Lage, noch zu sagen, in-
wieweit das von Ihnen genannte Gebiet Mos-
bach/Heilbronn damals positiv abgedeckt war. Das
habe ich schlicht und einfach nicht mehr präsent.
Ich weiß nur, dass gerade der Großraum Stutt-
gart/Ludwigsburg immer ein - ja, ich will nicht sa-
gen - weißes Gebiet blieb, aber jedenfalls ausge-
sprochen schwierig - - von der VP-Führung her
dort überhaupt Informanten zu gewinnen.“4139
Die Zeugin Neumann, die von 1993 bis 2011 Referatslei-
terin für den Bereich Rechtsextremismus im LfV Baden-
Württemberg war, hat bestätigt, dass das LfV Baden-
4136) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 109.
4137) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 108.
4138) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 109.
4139) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 44.
Württemberg im Raum Ludwigsburg nicht genügend
Informationen erhalten habe. Auch in Stuttgart hätten sie
sich gewünscht, mehr Informationen zu bekommen. Dies
sei aber leider nicht der Fall gewesen.
4140
Das Problem des mangelnden Zugangs in einigen Regio-
nen hat der Zeuge Dr. Rannacher wie folgt bewertet:
„Ich muss allerdings sagen - das muss in Gottes
Namen auch akzeptiert und toleriert werden -: Auf
Teufel komm raus irgendeinen Zugang zu schaf-
fen, nur um vielleicht mehr oder weniger unzuver-
lässige Informationen zu erhalten, das kann es ja
auch nicht sein. Und ich sage Ihnen jetzt etwas,
was Sie mir vielleicht um die Ohren hauen: Wir
sind nicht allzuständig im Land. Ich bekenne mich
zu den weißen Flecken, weil ich zumindest nie den
Ehrgeiz hatte, das Land nun dicht mit einem Netz
zu überziehen, dass uns also gar nichts entgeht.
Dass das hier tragische Formen angenommen hat,
zumindest in anderen Ländern und ja dann am En-
de bei uns auch in Heilbronn, das ist die ganze
Tragik der Situation.“4141
c) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zum „Thüringer Heimatschutz“ und zum
Trio
Dem LfV Baden-Württemberg wurden seit Anfang der
90er Jahre zahlreiche Personenlisten des LfV Thüringen
übersandt, welche anlässlich einzelner Treffen und Ver-
anstaltungen angefertigt wurden. Ausführlich wurde über
den „Thüringer Heimatschutz“ berichtet. In diesem Zu-
sammenhang tauchten auch Namen der mutmaßlichen
Unterstützer des Trios auf.
4142
Zu den in den Akten ge-
nannten Personen gehörten u. a. André Kapke, Mario
Brehme, Tino Brandt, Patrick W., Carsten Schultze,
Thorsten Heise, Holger Gerlach, Frank Schwerdt und
Ralf Wohlleben
4143
also allesamt Personen, die zum Unter-
stützerkreis des Trios zu zählen sind.
4144
Der Zeuge Dr.
Rannacher hat ausgesagt, aufgrund von Besuchen eines
Liedermachers aus Baden-Württemberg, Rennicke, bei
Veranstaltungen der NPD, der JN und von Skinheads in
Thüringen, hätten dem LfV Baden-Württemberg Quellen-
berichte vorgelegen, in denen gelegentlich auch Mundlos
und Böhnhardt genannt worden seien.
Zudem lässt sich den Akten entnehmen, dass beim LfV
Baden-Württemberg am 6. Februar 1998 ein Schreiben
des Thüringer LfV einging, mit dem alle Verfas-
sungsschutzbehörden über die dem Trio zugerechneten
Straftaten, ihre Flucht nach der Garagendurchsuchung
und ihre Mitgliedschaft im „Thüringer Heimatschutz“
unterrichtet wurden. In dem Schreiben wurde gefragt, ob
4140) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 8.
4141) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 69.
4142) MAT A BW-1/1 Anlagen 1 bis 5 (Tgb.-Nr. 42/12 – GEHEIM).
4143) MAT A BW-1/3 (Tgb.-Nr. 127/13 – VS-VERTRAULICH).
4144) 41-er Liste, MAT A BKA-2, Anlage zum Übersendungsschrei-
ben vom 27. Februar 2012.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 467 – Drucksache 17/14600
es Hinweise auf einen möglichen Aufenthalt der drei
Flüchtigen gebe oder ob Hinweise darauf vorlägen, dass
diese möglicherweise Unterschlupf im Ausland suchen
würden.
4145
Der Zeuge Dr. Rannacher hat ausgesagt, nach Eingang
dieses Schreibens sei es hausintern im gesamten Referat
„Rechtsextremismus“ gestreut worden. Es sei an alle
Außenstellen, die operativ die V-Mann-Führer bündelten,
weitergegeben worden. Erweiterungen, dass es zu einem
späteren Zeitpunkt Hinweise über den Aufenthalt der drei
gegeben habe, seien ihm nicht bekannt.
4146
Die Zeugin Neumann hat ausgesagt, ihr sei der Fall si-
cherlich bekannt gewesen. Er sei mit Sicherheit bei Ta-
gungen thematisiert worden, die regelmäßig stattgefunden
hätten. Konkret könne sie sich aber nicht mehr an den Fall
erinnern. Auch habe sie in den Protokollen nichts mehr
hierzu finden können. Es habe auch keine Bezüge nach
Baden-Württemberg gegeben. Die Namen des Trios seien
ihr erst nach dem 4. November 2011 präsent gewor-
den.
4147
d) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zu den Personen der Garagenliste und zu
weiteren Kontaktpersonen des Trios aus
Ludwigsburg
Zu den Personen der Garagenliste lagen dem LfV Baden-
Württemberg folgende Erkenntnisse vor:
– Zu Sylvia F., geb. E., sollte das LfV Baden-
Württemberg im Mai 1999 im Auftrag des BfV ein
Lichtbild beschaffen, was im Ergebnis nicht möglich
war, da der Bundespersonalausweis in Bayern ausge-
stellt worden war. Die Ermittlungen erfolgten im
Rahmen einer Abklärung von Mitgliedern der „Hilfs-
organisation für nationale politische Gefangene und
deren Angehörige e.V.“.4148
– Für Michael E. lag ein Eintrag des LfV Baden-
Württemberg aufgrund seiner Teilnahme an einem
nationalen Skintreffen bei Neckarwestheim vor, das
im Zeitraum vom 9. bis zum 12. April 1993 statt-
fand.
4149
– Ein Eintrag des LfV Baden-Württemberg zu Hans-
Joachim S. bezog sich auf die Teilnahme an einem
Skinhead-Treffen in Geislingen-Binsdorf am 20. Ap-
ril 1996. Dieses Treffen fand anlässlich des 104. Ge-
burtstages von Adolf Hitler statt.
4150
Weitere Einträge
4145) Schreiben des Thüringer LfV vom 3. Februar 1998, MAT A
BW-1/3 (Tgb.-Nr. 127/13 – VS-VERTRAULICH), Bl. 1325,
1326 (offen).
4146) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 43.
4147) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 7.
4148) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
9. April 2013, MAT A BW-13a, Bl. 3.
4149) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 28. April 1993,
MAT A BW-13a, Bl. 6-11.
4150) Befragungsbericht des MAD vom 20. November 1997 und
28. Januar 1998, MAT A BW-13a, Bl. 25.
bezogen sich auf die Teilnahme von Hans-Joachim S.
an Skinhead-Treffen am 26. Januar 1996
4151
und am
7. September 1996.
4152
Die Zeugin Neumann hat ausgesagt, die Personen von der
Garagenliste, die aus Baden-Württemberg stammten,
seien ihr völlig unbekannt gewesen. Erst in der Nach-
schau habe sie festgestellt, dass es zu zweien dieser Per-
sonen, nämlich zu Hans-Joachim S. und Michael E.
Fundstellen in ihren Aktenbeständen gegeben habe. Zu
beiden Personen hätten sich drei oder vier Einträge ge-
funden, bei denen es sich um keine herausragenden Er-
eignisse gehandelt habe. Es sei um Teilnahmen an Szene-
treffen und Musikveranstaltungen gegangen, die durchaus
üblich in der Szene seien. Ihrer Einschätzung nach hande-
le es sich um „normale Mitläufer“. Auch weitere Perso-
nen aus Ludwigsburg, mit denen sich das Trio regelmäßig
getroffen habe, wie beispielsweise Torsten S. und Markus
F., seien ihr nicht bekannt.
4153
Der Zeuge Dr. Rannacher hat ausgesagt, an eine der Per-
sonen, die im Zusammenhang mit der „Ludwigsburg-
Connection“ genannt worden seien, Andreas G., könne er
sich erinnern. Das LfV Baden-Württemberg habe ver-
sucht, Andreas G. genau zu beobachten. Allerdings sei
man über Skinhead-Konzerte, die Andreas G. mitgestaltet
habe, nicht hinausgekommen. Eine Fortsetzung von
„Blood & Honour“-Aktivitäten sowie weitere Kontakte
habe man nicht erkennen können. Hier hätten Informatio-
nen auch deshalb gefehlt, weil man in diesem Raum kei-
nen ertragreichen Zugang gehabt habe.
4154
e) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zu Kontakten zwischen Rechtsextremisten
aus Baden-Württenberg, Thüringen und
Sachsen
Die Zeugin Neumann hat dargelegt, ihr seien direkte Be-
züge zwischen Rechtsextremisten aus Thüringen oder
Sachsen und Baden-Württemberg nicht bekannt gewesen.
Zwar seien durchaus Rechtsextremisten aus Sachsen und
Thüringen nach Baden-Württemberg gereist. Die Kontak-
te seien aber nach ihrer Kenntnis nicht sehr intensiv ge-
wesen. Einen Austausch zwischen den Verfas-
sungsschutzbehörden habe es gegeben, es sei aber nicht
immer möglich gewesen, die an einer Szeneveranstaltung
teilnehmenden Personen namentlich zu benennen.
4155
Daran, dass von Seiten des LfV Sachsen Reisebewegun-
gen Chemnitzer Neonazis mitgeteilt worden seien, könne
sie sich nicht erinnern. Hierzu sei in den Akten nichts
mehr auffindbar.
4156
Auch seien ihr keine Personen aus
dem „Blood & Honour“-Umfeld wie beispielsweise Jan
4151) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 30. Januar 1996,
MAT A BW-13a, Bl. 27 ff.
4152) E-Mail vom 13. September 1996, MAT A -BW-13a, Bl. 30 ff.
4153) Neumann, Protokoll-Nr. 65, 3 bis 5.
4154) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 61.
4155) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 3 bis 5.
4156) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 7.
Drucksache 17/14600 – 468 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Werner bekannt geworden, die sich beruflich oder privat
in Baden-Württemberg aufgehalten hätten.
4157
Der Zeuge Schmalzl hat ausgesagt, von Bezügen zwi-
schen Neonazigruppierungen aus Sachsen und Thüringen
zu Vertretern dieser Gruppierungen in Baden-
Württemberg habe sein Amt nur abstrakt gewusst. Es sei
eine der Lehren, die man aus dem Fall ziehen könne, dass
man viel mehr auch personenbezogen arbeiten müsse.
4158
Über Bezüge von Tino Brandt nach Baden-Württemberg
war keinem der vor dem Untersuchungsausschuss ver-
nommenen Zeugen des LfV Baden-Württemberg etwas
bekannt. So haben die Zeugen Neumann, Dr. Rannacher
und Schmalzl übereinstimmend erklärt, von Kontakten
Tino Brandts nach Baden-Württemberg hätten sie nichts
gewusst. Insbesondere hätten sie keine Kenntnis davon
erhalten, dass Tino Brandt in Baden-Württemberg ein
Haus erworben habe.
4159
Der Zeuge Dr. Rannacher hat die Frage, ob man als regi-
onales LfV vom ursprünglichen LfV informiert werde,
wenn sich Wohnsitzverlagerungen von Rechtsextremisten
ergäben, grundsätzlich bejaht. Es habe nach der Wieder-
vereinigung eine Absprache gegeben, dass bei Wohnsitz-
verlagerungen in ein anderes Bundesland eine entspre-
chende Erkenntnismitteilung weitergegeben werde, wenn
die betreffende Person von einiger Bedeutung sei. Ob dies
in den konkreten Fällen geschehen sei, könne er nicht
mehr sagen.
4160
Das vorhandene Erkenntnisdefizit hat die Zeugin Neu-
mann wie folgt bewertet:
„Die Erkenntnis hat uns einfach gefehlt über diese
Reisebewegung, über die Personen, die sich da of-
fenbar über Jahre unerkannt in der Szene Baden-
Württembergs haben bewegen können, ohne dass
wir das mitbekommen haben. Ich finde das auch
ganz schrecklich.
Die Erklärung: Tja, es sind weder Informationen
von außen an uns herangebracht worden, die da
lauten, ‚Da kommen jetzt welche’, und vor allen
Dingen haben die Informationen aus unserem ei-
genen Informationsaufkommen einfach gefehlt.
Und das liegt - davon bin ich überzeugt - einfach
daran, dass unsere Erkenntnislage oder Er-
kenntnissituation, die Zugangslage in diesem Be-
reich einfach nicht gut genug war. Anders kann ich
mir das nicht erklären. Ich will jetzt nicht sagen,
wir hätten mehr Quellen gebraucht - vielleicht
mehr, vielleicht andere, vielleicht bessere -, aber
auf jeden Fall Leute, die in diesem Bereich drin
sind, in dieser Szene, und die vielleicht dann mit-
bekommen hätten: „Da kommen welche mit Na-
men“ - oder meinetwegen auch Unbekannte - ‚aus
4157) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 7.
4158) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 118.
4159) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 8; Dr. Rannacher, Protokoll-Nr.
65, S. 70; Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 113.
4160) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 61.
Sachsen, aus Thüringen, woher auch immer’, und
uns das gemeldet hätten.“4161
Zu der Frage, woran es liegt, dass man von Quellen das
ein oder andere nicht erfahre, hat der Zeuge Dr.
Rannacher ausgeführt, man könne nie hundertprozentig
sicher sein, dass eine Quelle – selbst, wenn sie als eini-
germaßen zuverlässig eingestuft werde – alles sage. Dies
scheine im Fall des Trios der Fall gewesen zu sein.
4162
f) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zu Kontakten des Trios nach Baden-
Württemberg
Mit Schreiben vom 9. April 2013 teilte das Innenministe-
rium Baden-Württemberg mit, Hinweise zu Kontakten
des Trios zur rechtsextremen Szene und zur
„Blood & Honour“ Bewegung, hätten in den Akten des
LfV Baden-Württemberg nicht gefunden werden kön-
nen.
4163
Der Zeuge Dr. Rannacher hat ausgesagt, ihm sei nie et-
was davon bekannt geworden, dass das Trio über zwei-
einhalb Jahre nach dem Abtauchen noch Besuchskontakte
zu Personen aus Ludwigsburg hatte. Diesen Vorgang
kenne er nur aktuell aus den Medien.
4164
Der Zeuge Schmalzl, der von August 2005 bis Dezember
2007 Präsident des LfV Baden-Württemberg war, hat
ausgeführt, sie hätten in Baden-Württemberg keine Hin-
weise auf den NSU gehabt, weder vom BfV noch von den
regionalen Landesämtern in Sachsen und Thüringen.
4165
Auch seien ihm keine Personen oder Gruppierungen aus
dem Umfeld von „Blood & Honour“ und „Combat18“ in
Baden-Württemberg oder andere Gruppierungen bekannt,
die rechtsterroristische Neigungen offenbart hätten und
Ankerpunkt für den NSU hätten sein können.
4166
g) Hinweisgeber Günter Stengel (Vorgang
Erbse)
aa) Sachverhalt
Am 23. November 2011 wandte sich Günter Stengel, ein
ehemaliger Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg, an
das BKA und gab an, Erkenntnisse bezüglich der Vor-
gänge Heilbronn und Rechtsterrorismus zu haben.
4167
Gegenüber dem BKA trug er im Folgenden vor, bereits
2003 von einem Informanten Informationen u. a. zu
Mundlos und einer Organisation namens NSU erhalten zu
4161) Neumann, Protokoll-Nr. 29, S. 27.
4162) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 62.
4163) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
9. April 2013, MAT A BW-13b, Bl. 4.
4164) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 43.
4165) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 101.
4166) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 113.
4167) BAO-Erfassungsbeleg vom 23. November 2011, MAT A GBA-
4/20, Bl. 42, 43.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 469 – Drucksache 17/14600
haben. Der Kontakt sei damals über einen Pfarrer in
Flein/Heilbronn zustande gekommen. Der Informant habe
außer zu Rechtsradikalen in Thüringen auch über einen
Mossad-Agenten und einen ungeklärten Mordfall in
Stuttgart berichtet. Der Kontakt des Informanten zu
rechtsradikalen Kreisen aus Thüringen sei während einer
Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal zustan-
de gekommen und danach fortgesetzt worden. Der Infor-
mant habe zu einem späteren Zeitpunkt Mundlos in Thü-
ringen aufgesucht. Dieser sei im Gegenzug auch 2003 in
Heilbronn gewesen. Der Informant sei seinerzeit als
„nicht seriös“ eingestuft worden. Im Jahr 2005 habe sich
der Informant an den damaligen Vorsitzenden des Bun-
destagsinnenausschusses, Abg. Edathy, gewandt, was zu
einer Berichterstattung an das BfV geführt habe. Im Ver-
merk des BKA zu Herrn Stengel wurde festgehalten, dass
dieser einen sehr glaubwürdigen Eindruck gemacht ha-
be.
4168
In seiner hieraufhin durchgeführten Zeugenvernehmung
am 25. November 2011 führte Herr Stengel ergänzend
aus, sein Informant sei zwei- bis dreimal von seinen Thü-
ringer Freunden in Heilbronn besucht worden. Bis auf den
Namen Mundlos erinnere er sich aber an keinen Namen
mehr, den sein Informant genannt habe. Der Informant
habe angegeben, dass die Thüringer mit ihm in Heilbronn
eine Gruppe hätten aufbauen wollen, deren Finanzierung
über Banküberfälle erfolgen sollte. Des Weiteren habe
man auch gegen Ausländer vorgehen wollen. Konkret sei
die Rede davon gewesen, „Ausländer plattzumachen“
oder sie zu einem Wohnortwechsel zu zwingen. Die Thü-
ringer seien der Meinung gewesen, dass es an der Zeit sei,
aus der Planungsphase in die Aktionsphase einzutreten.
Sie seien an den Informanten herangetreten, um dessen
gute Ortskenntnisse in Nord-Württemberg zu nutzen.
Ergänzend erklärte Herr Stengel während der Zeugenver-
nehmung, er habe 2003 zu den vom Informanten genann-
ten drei Themen jeweils einen Bericht geschrieben. Die
Berichte seien aber nach Überprüfung durch den damali-
gen Hausjuristen im LfV Baden-Württemberg aus daten-
schutzrechtlichen Gründen und aufgrund der Vorgaben
des Verfassungsschutzgesetzes vernichtet worden. Das
Wesentliche habe er in einem drei oder vier Seiten umfas-
senden Bericht zusammengefasst, der noch beim LfV
Baden-Württemberg verwahrt sein müsse. Seines Erach-
tens müsse der Bericht in einem Ordner beim „personel-
len Geheimschutz“ abgelegt sein. Dies sei ein Ordner für
Mitteilungen von offenbar verwirrten Personen.
4169
Am 29. November 2011 wurde der Pfarrer, an den sich
der Informant seinerzeit gewandt hatte, als Zeuge ver-
nommen. Er konnte sich noch daran erinnern, dass ein
Mann sich in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2003 an
ihn gewandt hatte, meinte aber, dass nicht vom Thema
Rechtsextremismus gesprochen worden sei. Er könne
nicht ausschließen, dass der Name Mundlos gefallen sei.
4168) Vermerk des BKA vom 12. Januar 2012, MAT A GBA-4/20,
Bl. 4, 5.
4169) Zeugenvernehmung bei der Soko „Parkplatz“ vom 25. Novem-
ber 2011, MAT A GBA-4/20, Bl. 12 ff.
Das Kürzel „NSU“ habe er bis vor Kurzem nicht ge-
kannt.
4170
In einem Vermerk vom 12. Januar 2012 hielt
das BKA fest, dass eine Vernehmung des Pfarrers keine
weiterführenden Informationen oder Ermittlungsansätze
ergeben hätte. Außerdem sei O. niemals in der JVA
Bruchsal inhaftiert gewesen.
4171
In seiner Vernehmung am 2. Dezember 2011 bestätigte
der damalige Informant, Herr O., mit Herrn Stengel vom
LfV Baden-Württemberg gesprochen zu haben. Er gab
aber an, keine Erkenntnisse zu Verbindungen von Rechts-
extremisten aus dem Raum Heilbronn in die neuen Bun-
desländer zu haben. Auch habe er keine Kontakte zu
rechtsradikalen Personen aus Thüringen gehabt. Der Na-
me Mundlos sage ihm nichts. Den Begriff NSU kenne er
nur im Zusammenhang mit „Audi-NSU“. Bei dem Ge-
spräch mit Herrn Stengel sei weder der Name Mundlos
noch der Begriff NSU gefallen. Der Informant räumte
allerdings ein, unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen
zu leiden, da er während seiner Tätigkeit in der JVA Han-
nover als Tischler Möbelteile mit isozyanathaltigem
Zweikomponentenlack lackiert habe.
4172
Am 9. Dezember 2011 wandte sich das LKA Baden-
Württemberg im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zum
NSU schriftlich an das LfV Baden-Württemberg mit
Fragen zu diesem Sachverhalt.
4173
In einer Stellungnahme
vom 29. Dezember 2011 an das LKA Baden-
Württemberg teilte das LfV Baden-Württemberg mit, dass
es den von Herrn Stengel behaupteten Sachverhalt nicht
bestätigen könne. In dem als „Verschlusssache – Vertrau-
lich – amtlich geheimgehalten“ eingestuften Vermerk aus
dem Jahr 2003 über das Gespräch mit Herrn O. seien
keine Hinweise auf den „Thüringer Heimatschutz“, den
NSU, Mundlos oder andere rechtsextremistische oder
rechtsterroristische Aktivitäten im Raum Heilbronn oder
anderswo zu finden. Bei dem Informanten, Herrn O. han-
dele es sich um eine verwirrte Persönlichkeit, deren
Glaubwürdigkeit als nicht sonderlich hoch einzustufen
sei.
4174
Am 13. Januar 2012 kam es zu einem Informationsaus-
tausch zwischen Kollegen des LKA Baden-Württemberg
und des LfV Baden-Württemberg. Anlässlich dieses Ge-
spräches wurde den Kollegen der betreffende Aktenver-
merk von Herrn Stengel aus dem Jahr 2003 vorgelegt. In
einem Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zu
diesem Gespräch heißt es:
4170) Zeugenvernehmung vom 29. November 2011, MAT A GBA-
4/20, Bl. 377 ff.
4171) Vermerk des BKA vom 12. Januar 2012, MAT A GBA-4/20,
Bl. 4 ff., 5.
4172) Zeugenvernehmung vom 8. Dezember 2011, MAT A GBA-
4/20, Bl. 27 ff.
4173) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. Dezember
2011, MAT A BW-6/2, Anlage 2 (Tgb-Nr. 27/12 – VS-
VERTRAULICH) Bl. 1041(VS-NfD).
4174) Schreiben des LfV Baden-Württemberg vom 29. Dezember
2011, MAT A BW-6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 – VS-
VERTRAULICH), Bl. 1078 ff. (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 470 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Gleich zu Beginn des Treffens wurde den Kolle-
gen der betreffende Aktenvermerk vorgelegt. Sie
bestätigten nach dessen Kenntnisnahme, dass Herr
O. bei seiner Vernehmung auf Grund des Hinwei-
ses von Herrn Stengel keinerlei Angaben zur NSU
bzw. zu einer Person namens ‚Mundlos’ machen
konnte. So habe er wohl glaubhaft versichert, we-
der zur Organisation noch zu in diesem Umfeld
handelnden Personen je Kontakt gehabt zu haben.
Die Kollegen [….] betrachteten die Spur somit als
ausermittelt und erledigt.“4175
Tatsächlich enthält der Vermerk des Herrn Stengel vom
12. August 2003 keine Hinweise auf den heute von ihm
behaupteten Sachverhalt.
4176
Vielmehr befasste sich der
Vermerk mit anderen Sachverhalten, wie beispielsweise
den Kontakten des Informanten zum isrealischen Ge-
heimdienst Mossad. Abschließend führte Herr Stengel in
dem Vermerk aus:
„Herr Torsten O. hat nach Meinung von UZ. Prob-
leme bei Wahrnehmungsempfindungen und zeigt
deutlich Symptome, die auf Realitätsverlust in Be-
zug auf Geschehensabläufe hindeuten. Er mischt
offenbar Gelesenes mit z. T. Erlebtem und fügt
diese Erkenntnisse zu seiner Wahrheit zusam-
men.“4177
In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
hat der Zeuge Stengel ausgesagt, er könne sicher bezeu-
gen, dass die beiden Begriffe, der Name Mundlos und die
Organisation NSU, während des Gespräches mit dem
Informanten gefallen seien.
4178
An den NSU könne er sich
deshalb gut erinnern, weil es das alte Kennzeichen von
Neckarsulm sei.
4179
Der Name Mundlos sei ihm in Erinne-
rung geblieben, weil sie darüber einen Spaß gemacht
hätten. An fünf weitere Namen, die sein Informant ge-
nannt habe, könne er sich dagegen nicht mehr erin-
nern.
4180
Er müsse aber zugeben, dass er dem Informanten
damals nicht geglaubt habe.
4181
Er habe damals drei Be-
richte gefertigt. Einer habe sich mit der Mossad-Sache,
einer mit dem Rotlichtmilieu und einer mit dem Rechtsex-
tremismus befasst. Die Juristen im LfV Baden-
Württemberg hätten die Berichte geprüft.
4182
Sie hätten
ihm gesagt, es entspreche nicht dem Datenschutz diese
Daten zu erheben. Das LfV beobachte nur Institutionen,
die vom Innenministerium genannt worden seien, und
registriere keine Einzelpersonen. Er habe die Berichte
4175) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg vom 27. Januar
2012, MAT A BW 6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 VS-
VERTRAULICH), Bl. 1088 (VS-NfD).
4176) Vermerk vom 12. August 2003, MAT A BW-6/2, Anlage 2
(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1059, 1060.
4177) Vermerk vom 12. August 2003, MAT A BW-6/2, Anlage 2
(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1059 ff., 1060.
4178) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 75.
4179) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 80.
4180) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 83.
4181) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 75
4182) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 76.
daraufhin wieder vernichtet. Das Einzige was er habe
erreichen können, sei eine NADIS-Speicherung gewe-
sen.
4183
Der Zeuge Stengel hat weiterhin dargelegt, der Informant
sei mit seinen Behauptungen an viele andere Personen
und Institutionen, u. a. an Abgeordnete, das Justizministe-
rium, den Auswärtigen Ausschuss und das Regierungs-
präsidium, herangetreten.
4184
Außerdem habe der Infor-
mant hierzu ein Buch geschrieben, das er u. a. auch an
den damaligen Vorsitzenden des Bundestagsinnenaus-
schusses, Abg. Edathy, geschickt habe.
4185
Anhaltspunkte
dafür, dass das Buch tatsächlich existiert, hat der Aus-
schuss nicht finden können.
Der Zeuge Stengel hat ausgeführt, nach der Übersendung
des Buches an den Vorsitzenden des Bundestagsinnenaus-
schusses sei ein Kollege vom BfV, der dort Mitglied des
Leitungsstabes des Präsidenten gewesen sei, aufgrund der
NADIS-Speicherung im Jahr 2005 an ihn herangetreten
und habe ihn um Informationen zu dem Informanten
gebeten.
4186
Diese habe er ihm zur Verfügung gestellt,
was eine Rüge seines Vorgesetzten und des Präsidenten
zur Folge gehabt habe, da er es versäumt habe, den Vor-
gang zuvor juristisch von dem Hausjuristen des LfV Ba-
den-Württemberg prüfen zu lassen.
4187
Von dem Sachver-
halt seien aufgrund verschiedener Besprechungen der
damalige Referatsleiter, der Abteilungsleiter und der
damalige Präsident unterrichtet gewesen.
4188
Ein Ge-
spräch mit dem Präsidenten Schmalzl habe im Jahr 2005
stattgefunden.
4189
bb) Bewertung des Sachverhaltes durch die
Zeugen Dr. Rannacher, Schmalzl und
Neumann
Der Zeuge Dr. Rannacher hat erklärt, Herr Stengel sei ein
qualifizierter Beamter des gehobenen Dienstes mit vieler-
lei Erfahrungen gewesen. Er könne insofern dessen Be-
hauptungen nicht abschließend bewerten. Es ergäben sich
aber aus seiner Sicht eine ganze Reihe erheblicher Zwei-
fel an dem Wahrheitsgehalt dieses Sachverhaltes. Zum
einen hat er ausgeführt, dass die Person des Hinweisge-
bers nicht unproblematisch gewesen sei. Dieser sei im
Grunde genommen nicht führbar gewesen, weil er über
das Ziel hinausgeschossen sei und selbst Dinge erfunden
habe. So habe der Hinweisgeber eine Aktion angekündigt,
die sich so nicht bestätigt habe, was dazu geführt habe,
dass man nach Absprache mit dem Landeskriminalamt
die Zusammenarbeit mit dem Hinweisgeber nach wenigen
4183) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 75.
4184) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 86.
4185) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 86.
4186) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 3.
4187) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 79, 80.
4188) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 89.
4189) Stengel, Protokoll-Nr. 29 (nichtöffentlich), S. 2.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 471 – Drucksache 17/14600
Monaten aufgegeben habe.
4190
Weiterhin hat er zur Person
des Hinweisgebers ausgeführt:
„Er hat es, wie gesagt, dann immer wieder probiert
und kam mit den absonderlichsten Informationen,
die immer absonderlicher wurden. Er glaubte, den
Palme-Mord aufklären zu können. Er glaubte, den
Barschel-Mord aufklären zu können, und hat sich
mit solchen Informationen sowohl an uns als auch,
glaube ich, an eine Vielzahl, wie das ja häufig der
Fall ist, von anderen Institutionen - prominenten -
gewandt, sodass wir also jeglichen Kontakt abge-
brochen hatten.“4191
Zudem hat der Zeuge Dr. Rannacher ausführlich darge-
legt, dass die Darlegungen von Herrn Stengel, wonach er
sich mit dem Hausjuristen unterhalten habe, welcher ihm
abgeraten habe, die Hinweise in den Bericht aufzuneh-
men, vollständig der Arbeit des LfV Baden-Württemberg
widersprächen. Im Einzelnen hat er folgende Argumente
vorgetragen:
„Wenn es einen Vorgang gab, etwa so bei einer
Befragung mit verschiedenen Komponenten, etwa
hier Spionageabwehrbereich plus Rechtsextremis-
mus, dann hätte es nach uralter Tradition zwei
Möglichkeiten gegeben: Entweder der Vermerk
wird in doppelter Ausfertigung gemacht - einer
geht in die Abteilung Spionageabwehr, der andere
zum Bereich Rechtsextremismus -, oder man hätte
einen zweiten Vermerk gemacht und hätte den an
den Bereich Rechtsextremismus geschickt.
Nachdem in dem Vermerk, den er nun abgeliefert
hat damals, überhaupt nichts drinsteht, unterstelle
ich mal, dass dies damals auch nicht der Fall war;
aber ich kann es letztlich nicht mit Gewissheit sa-
gen. Wenn er nachgefragt hätte, dann hätte natür-
lich nahegelegen, nachdem es ja angeblich um
rechtsextremistische Bestrebungen hätte gehen sol-
len, im Bereich Rechtsextremismus der ‚Auswer-
tung‘ nachzufragen, und spätestens dann - ich
glaube, der Name Mundlos soll ja gefallen sein -
hätte man über eine banale NADIS-Abfrage, selbst
wenn man den Namen vielleicht nicht präsent hat-
te, erkennen können: Tatsächlich, der ist ja ge-
speichert über Thüringen; das heißt, da muss mög-
licherweise was dran sein.
Also, der Weg, den er beschritten haben will, wäre
völlig ungewöhnlich: Aber ich kann hier nicht de-
finitiv sagen: Das stimmt nicht, was er gesagt hat. -
Es wäre nur sehr ungewöhnlich und für mich des-
halb insgesamt in der Summe sehr zweifelhaft.“4192
Der Zeuge Schmalzl, der ab August 2005 Präsident des
LfV Baden-Württemberg war, hat ausgesagt, er könne
sich nicht daran erinnern, dass ein Gespräch während
4190) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 45.
4191) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 46.
4192) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 46.
seiner Amtszeit mit Herrn Stengel zu diesem Vorgang
stattgefunden habe.
4193
Herr Stengel sei krankheitshalber
auf eigenen Wunsch wegen Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzt worden.
4194
Die Zeugin Neumann, die von 1993 bis 2011 Referatslei-
terin für den Bereich „Rechtsextremismus/Auswertung“
im LfV Baden-Württemberg war, hat erklärt, sie wolle die
Angaben von Herrn Stengel nicht bewerten. Wenn er aber
die Informationen in Kombination der Begriffe
„Mundlos“, „NSU“ und „Thüringen“ gegeben hätte, dann
hätte dieser Vorgang auf ihrem Schreibtisch oder dem
ihrer Mitarbeiter landen müssen. Dann wären bei ihnen
alle Alarmglocken angegangen und sie hätten den Fall
dem LfV Thüringen zukommen lassen.
4195
cc) Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheim-
nisses
Die Stellungnahme des LfV Baden-Württemberg vom
29. Dezember 2011 an das LKA Baden-Württemberg
enthielt den Hinweis, dass sich Herr Stengel durch seine
Aussage bei der Polizei wegen der Verletzung des
Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhal-
tungspflicht nach § 353b StGB strafbar gemacht haben
könnte.
4196
Den Akten ist weiterhin zu entnehmen, dass sich das für
den personellen Geheimschutz zuständige Referat bereit
erklärte, ein Gespräch mit Herrn Stengel zu führen, um
ihn an seine Pflichten zu erinnern, wobei man die Frage,
ob dieser sich nach § 353b StGB strafbar gemacht habe,
eher verneinte. Konkret wurde in einer internen E-Mail
des Verfassungsschutzes unbekannten Datums ausgeführt:
„Gleichwohl halte ich es, wie bereits eingangs ge-
sagt, für vernünftig, ein persönliches Gespräch mit
Herrn Stengel zu führen. Vielleicht kann man ihn
auf diese Weise veranlassen, sich zunächst einmal
an unser Amt zu wenden, bevor er seine spekulati-
ven Einschätzungen an die Polizei weitergibt und
so einen erheblichen Arbeitsaufwand verur-
sacht.“4197
Kritik ist im Ausschuss daran geübt worden, dass es nicht
im Sinne eines gemeinsamen Interesses an einer Aufklä-
rung sei, auf die eventuelle strafrechtliche Verantwortung
hinzuweisen, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter des Ver-
fassungsschutzes sich nach dem 4. November 2011 an die
Polizei wende. Der Zeuge Stengel hat hierzu bei seiner
Vernehmung vor dem Ausschuss erklärt, es sei im Nach-
4193) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 104.
4194) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29 – (nichtöffentlich), S. 5.
4195) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 9.
4196) Schreiben des LfV Baden-Württemberg vom 29. Dezember
2011, MAT A BW-6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 – VS-
VVERTRAULICH), Bl. 1078 ff. (VS-NfD).
4197) MAT A BW 6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 – VS-
VERTRAULICH) Bl. 1082 (offen).
Drucksache 17/14600 – 472 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
hinein betrachtet ein Fehler gewesen, dem BKA einen
Hinweis zum NSU gegeben zu haben.
4198
dd) Einsichtnahme in Haftakten
Mit dem Ziel, offengebliebene Fragen zur Aussage des
Zeugen Stengel zu klären, hat der Ausschuss beim Jus-
tizministerium Baden-Württemberg die Haftakten des
damaligen Hinweisgebers O. durch Beweisbeschluss
angefordert. Aus diesen ergibt sich, dass O. in der Zeit
des Bestehens des NSU zwischen 1998 und 2011 in kei-
ner Justizvollzugsanstalt des Landes in Haft war
4199
– dort
also auch nicht, wie laut der Aussage des Zeugen Stengel
behauptet, von Mundlos besucht worden sein konnte.
3. Kenntnisse des Staatsschutzes Baden-
Württemberg zum Trio, zu seinem Unter-
stützerumfeld und zu Bezügen des Trios
nach Baden-Württemberg
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten
Szene in Baden-Württemberg durch den
Staatsschutz
Der Zeuge KD Rück, der vom 1. Oktober 1999 bis zum
6. Oktober 2005 Leiter der auch für Rechtsextremismus
zuständigen Inspektion „Auswertung/Information“ in der
Abteilung „Staatsschutz“ des LKA Baden-Württemberg
war,
4200
hat ausgeführt, maßgeblich sei im Großraum
Stuttgart bzw. Heilbronn/Ludwigsburg Anfang der 2000er
Jahre im Bereich des Rechtsextremismus eine Gruppie-
rung namens „Furchtlos & Treu“ gewesen. Hierbei habe
es sich um eine Organisation gehandelt, in der Personen
aktiv gewesen seien, die sich zuvor bei „Blood & Ho-
nour“ bis zu deren Verbot engagiert hätten.4201 Diese
Organisation sei insbesondere mit repressiven polizeili-
chen Mitteln bekämpft worden. Ihre Aktivitäten seien
intensiv überwacht worden. Für ein Verbot habe es seines
Wissens nie gereicht.
4202
Eine Musikband, die der Staatsschutz besonders im Blick
gehabt habe, sei die Band „Noie Werte“ gewesen. Ein
Kriterium in der Bekämpfungskonzeption in Baden-
Württemberg sei gewesen, jedes Skin-Konzert und
rechtsgerichtete Konzert möglichst zu unterbinden.
4203
Im Raum Stuttgart/Ludwigsburg habe der Staatsschutz
keinen guten Zugang der Szene über V-Personen gehabt.
Zu den Gründen hierfür hat er ausgeführt:
„Es ist immer schwierig, Personen in bestim-
mten - - oder im Umfeld zu gewinnen. Das hängt
4198) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 82.
4199) MAT A BW-18-a bis 18-h.
4200) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
9. April 2013, BW-12/1
4201) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 77.
4202) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.
4203) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.
manchmal von Unwägbarkeiten ab, wie in der
Szene grundsätzlich gedacht wird, in einer regio-
nalen Szene. Oder: Wenn eine regionale Szene re-
lativ klein oder klein ist und in sich stark verwo-
ben, ist es schwieriger, dort jemanden herauszu-
brechen, als wenn Sie viel - wie soll ich sagen? -
Laufkundschaft in diesen Gruppen haben.“4204
Eine Zusammenarbeit mit Thüringen und/oder Sachsen
bei Ermittlungsverfahren habe es nicht gegeben. Ledig-
lich bei einem Ermittlungsverfahren wegen einer Nach-
folgeorganisation von „Blood & Honour“ habe es Kon-
takte zu sechs Staatsanwaltschaften in der übrigen Repub-
lik und damit u. a. auch nach Gera gegeben.
4205
Was dort
konkret im Einzelnen passiert sei, könne er nicht sa-
gen.
4206
b) Kenntnisse des LKA Baden-Württemberg
zum Trio und zum Unterstützerumfeld
Der Zeuge KD Rück hat ausgeführt, vor dem 4. Novem-
ber 2011 habe er keine Berührungspunkte zu dem Trio
gehabt. Er sei nie mit einer Adressliste konfrontiert wor-
den, welche bei der Durchsuchung der Garage von
Böhnhardt in Thüringen gefunden worden sei.
4207
In alten Sachakten, die er zur Vorbereitung der Zeugen-
einvernahme gelesen habe, seien ihm die Namen Michael
E. und Hans-Joachim S. begegnet.
4208
Von Kontakten
zwischen Chemnitzer und Ludwigsburger Rechtsextre-
misten habe er nichts mitbekommen. Der Name Markus
F. sage ihm nichts.
4209
Auch könne er sich nicht an eine
Erkenntnisabfrage zu Rechtsextremisten erinnern, die
ihren Wohnsitz nach Baden-Württemberg verlegt hät-
ten.
4210
c) Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens
zu „Blood & Honour“ gewonnene Erkennt-
nisse
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu „Blood &
Honour“ wurden in den Jahren 2003 bis 2006 u. a. Maß-
nahmen der Telekommunikationsüberwachung durchge-
führt. In diesem Zusammenhang wurde mehreren Be-
schuldigten vorgeworfen, zumindest eine Teilorganisation
der verbotenen Vereinigung mit dem Ziel aufrechtzuer-
halten, die alte Organisation wiederzubeleben. Bei den
Recherchen zu den Beweisbeschlüssen BW-2 und BW-8,
mit denen nach Einsätzen operativer nachrichtendienstli-
cher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaß-
nahmen zu Personen der sog. „41er Liste“ gefragt worden
war, ergaben sich Bezüge von Beschuldigten aus dem
4204) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 82.
4205) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 79.
4206) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 84.
4207) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 75.
4208) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 77.
4209) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.
4210) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 473 – Drucksache 17/14600
Ermittlungsverfahren „Blood & Honour“ des LKA Ba-
den-Württemberg zu Beschuldigten aus dem Verfahren
des Generalbundesanwalts zum NSU bzw. zu Personen
der sog. „41er-Liste“.4211
So gab es folgende fünf Treffer zu Ralf Wohlleben, der
Beschuldigter im Verfahren des GBA gegen den NSU ist:
– Ralf Wohlleben war Anschlussinhaber der Rufnum-
mer 03641/211xxx, 07747 Jena, Jenaische Straße 25.
– Bei einer Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldig-
ten K. wurde eine CD aufgefunden, auf welcher in
einem Worddokument mit der Bezeichnung „e-
mailadressen“ zwei Mal der Eintrag „Kontakt@ralf-
wohlleben.de“ festgestellt wurde.
– Das LKA Baden-Württemberg wertete aufgrund des
Kontaktes des Beschuldigten André Kapke zu einem
Beschuldigten H. eines Ermittlungsverfahrens der
Polizei Ludwigshafen die Mobiltelefoneinträge des
H. aus. Hierbei wurde unter dem Namen André
Kapke die Festnetznummer 03641/211xxx von Ralf
Wohlleben sowie unter dem Namen Ralf die Handy-
nummer 0163/2475xxx, deren Anschlussinhaberin
die Ehefrau von Ralf Wohlleben war, festgestellt.
4212
Die Ehe besteht seit 2005.
4213
Eine Liste mit ermittel-
ten Anschlussinhabern enthält außerdem ebenfalls
den Eintrag Ralf Wohlleben, Jenaische Straße 25,
07745 Jena.
– ln einer E-Mail vom 9. Juni 2005 befindet sich der
Auszug eines lnternetbeitrags zu einer möglichen
Verlagerung des „Fests der Völker“ von Jena nach
Altenburg. In diesem Beitrag wird Ralf Wohlleben als
Anmelder des „Jenaer Nazifestes“ bezeichnet, der
wiederholt in Altenburg gesichtet worden sei.
– ln Protokollen der Telefonüberwachung ergaben sich
mehrere Treffer, die darauf schließen lassen, dass der
Beschuldigte H. des Verfahrens der Polizei Ludwigs-
hafen CDs und T-Shirts bei seinem Freund Ralf
Wohlleben für eine Abholung durch den Beschuldig-
ten Kapke gelagert hatte, da er selbst verhindert war.
Vermutlich kam es zumindest am 9. August 2004,
nach vorausgegangenen Telefonaten, zu einem per-
sönlichen Kontakt zwischen dem Beschuldigten
Kapke und Ralf Wohlleben.
4214
4211) Das Innenministerium Baden-Württemberg hat allerdings
darauf hingewiesen, dass eine vollständige manuelle Sichtung
polizeilicher Akten wegen des damit verbundenen personellen
und zeitlichen Aufwandes nicht möglich sei. Zudem könne
nicht ausgeschlossen werden, dass ehemals durchgeführte ver-
deckte Maßnahmen der letzten 20 Jahre aus verfahrens- bzw.
datenschutzrechtlichen Gründen bereits gelöscht seien, Bericht
des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 27. August
2012, MAT A BW-8/3, Bl. 9.
4212) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
27. Oktober 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 5.
4213) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ zu Ralf Wohlleben, MAT A
BY-14/1e, Bl. 23.
4214) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
27. Oktober 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 5, 6.
Zu Jan Werner ergaben sich in diesem Zusammenhang
folgende drei Treffer:
– In einem überwachten Telefonat im Juni 2004 zwi-
schen dem Beschuldigten Kapke und dem Beschul-
digten H. des Verfahrens der Polizei Ludwigshafen
wurde ein „Jan, der Werner aus Chemnitz“ erwähnt.
Aufgrund des lnhalts des Telefonats und den polizei-
lichen Erkenntnissen, wonach Jan Werner Betreiber
des Labels „Movement Records“ und für den Ver-
trieb von Musik-CDs mit rechtsgerichtetem Hinter-
grund verantwortlich war, geht das Innenministerium
Baden-Württemberg davon aus, dass es im Telefonat
des Beschuldigten Kapke um Jan Werner ging.
– Der Beschuldigte L. telefonierte im Mai 2005 mit
einem „Ed“ in den Vereinigten Staaten von Amerika.
In dem Telefonat wurden auch Probleme mit Jan
Werner in Bezug auf „Landser“ angesprochen.
– Der Nutzer einer Rufnummer, dessen Anschluss Jan
Werner zugeordnet wird, schrieb im September 2005
eine Kurznachricht an den Beschuldigten Kapke, in
welcher es um den Versand von CDs geht.
4215
Zudem wurden zu folgenden Personen weitere Treffer
festgestellt:
– Im Rahmen der Auswertung der Mobilfunkgerätein-
träge des Beschuldigten H. des Verfahrens der Poli-
zei Ludwigshafen durch das LKA Baden-
Württemberg konnte der Eintrag Thomas G. mit zu-
geordneter Rufnummer festgestellt werden. An-
schlussinhaber der Rufnummer war eine Frau aus
Meuselwitz, über die keine polizeilichen Erkenntnis-
se beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg vor-
liegen.
– Außerdem konnte der Eintrag Frank Schwerdt mit
zugeordneter Rufnummer festgestellt werden. An-
schlussinhaber war Frank Schwerdt aus Berlin.
– Mehrere Einträge gab es zu Thorsten Heise. Bei meh-
reren überwachten Gesprächen wurde über Thorsten
Heise gesprochen bzw. war er selbst Gesprächspart-
ner und nutzte hierbei eine auf sich registrierte Tele-
fonnummer. Bei diesen Telefonaten wurde haupt-
sächlich der Tausch von Musik-CD's der rechten
Szene bzw. Geschäfte mit diesen besprochen. Zudem
wurde Thorsten Heise als Veranstalter von Konzerten
und als Redner bei Veranstaltungen thematisiert und
als Parteifunktionär der NPD erwähnt. Bei einem Te-
lefonat im April 2005 fiel der Begriff „Raubüberfall“.
Zu diesem Gespräch liegen dem LKA keine weiteren
Erkenntnisse vor. In den Telekommunikationsüber-
wachungsmaßnahmen des Ermittlungsverfahrens gab
es eine weitere Stelle mit dem Begriff „Raubüber-
fall“. Dieses Gespräch hatte einen vom Beschuldigten
Kapke verübten Raubüberfall zum Gegenstand, bei
dem die Eintrittskasse eines getarnten Skinkonzerts
4215) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
27. Oktober 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 6.
Drucksache 17/14600 – 474 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Raubgut war. Wegen des Überfalls leitete die Staats-
anwaltschaft Frankfurt/Main ein Ermittlungsverfah-
ren gegen Kapke ein und beauftragte das hessische
LKA mit den Ermittlungen.
4216
Zu dem Ergebnis der Recherchen im Zusammenhang mit
dem Ermittlungsverfahren „Blood & Honour“ stellte das
Innenministerium Baden-Württemberg fest, es hätten sich
keine Bezüge zu begangenen Taten oder drohenden Ge-
fährdungen durch den NSU oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern ergeben. Verdeckte polizeiliche Maßnahmen im
Rahmen des Ermittlungsverfahrens „Blood & Honour“
des LKA Baden-Württemberg hätten sich nicht gezielt
gegen Personen der sog. „41er-Liste“ gerichtet. Vielmehr
seien Personen der Recherchelisten von solchen Maß-
nahmen betroffen gewesen.
4217
4. Zusammenarbeit zwischen LKA Baden-
Württemberg und LfV Baden-Württemberg
Der Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 Präsi-
dent des LfV Baden-Württemberg war, hat dargelegt, dass
die Zusammenarbeit mit dem LKA während seiner Amts-
zeit deutlich verbessert worden sei. Allerdings habe es
auch eine gewisse Konkurrenzsituation gegeben. Konkret
hat er hierzu ausgeführt:
„Beide Häuser sind nicht nur räumlich benachbart,
sondern treffen sich ja nun auch in vielen Dingen
ihres Aufgabenbereichs, und gerade das baden-
württembergische Landeskrimi- nalamt hat sehr in-
tensiv, sehr früh mit VPs und dann auch VEs gear-
beitet, was natürlich gewisse Überschneidungen
mit unserem Bereich des Verfassungsschutzes er-
geben hat. Wir haben dann logischerweise ver-
sucht, uns gegenseitig etwas abzustimmen, aller-
dings nicht - wie Sie vielleicht denken oder hof-
fen -, dass nun Klarnamen gelaufen sind, sondern
man hat natürlich gesagt - etwa, wenn das LKA
einen VE platzieren wollte -: Gibt es Probleme mit
euch? Seid ihr da vielleicht schon vertreten? - Also
eine allgemeine Abstimmung, das hat es schon ge-
geben. Tiefer ist es aber nicht gegangen. Also, es
ging natürlich nicht so weit, dass etwa wir eine
Quellenliste übergeben haben und das LKA umge-
kehrt auch. Das nicht, aber eine Abstimmung, dass
man hier nicht etwa mehrfach vertreten ist, das hat
es schon gegeben.“4218
Der Zeuge Schmalzl, der von August 2005 bis Dezember
2007 Präsident des LfV Baden-Württemberg war, hat
ausgeführt, zwischen Verfassungsschutz und Polizei habe
es eine enge Zusammenarbeit gegeben. Dies sei nicht
zuletzt darauf zurückzuführen, dass es eine gezielte Per-
sonalentwicklung und einen Personalaustausch zwischen
4216) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
27. August 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 6, 7.
4217) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
27. August 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 6, 7.
4218) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 53.
Verfassungsschutz und Polizei gegeben habe. 50 Prozent
der Mitarbeiter seien ehemalige Polizeivollzugsbeamte.
Es habe einen Verbindungsbeamten beim LKA gegeben
und es hätten gegenseitige Hospitations- und Informati-
onsbesuche stattgefunden.
4219
Der Zeuge Rück hat ergänzend ausgeführt, dass ab Spät-
herbst 2000 im Rahmen der Schwerpunktsetzung Be-
kämpfung des Rechtsextremismus wöchentliche Treffen
mit Verantwortlichen des LfV zur Intensivierung des
Informationsaustausches eingerichtet worden seien. Seit
Mai 2004 sei ein ständiger Verbindungsbeamter des LfV
in die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes
auf Sachbearbeiterebene entsandt worden. Dieser Verbin-
dungsbeamte sei ab diesem Zeitpunkt an Fach- und Füh-
rungsbesprechungen der Abteilung Staatsschutz beteiligt
gewesen.
4220
IX. Prüfung von § 129a StGB und der Zustän-
digkeit des GBA
Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage befasst, ob in
Bezug auf den Garagenfund am 26. Januar 1998 in Jena
eine Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts
beim Bundesgerichtshof in Betracht gekommen wäre.
1. Rechtliche Grundlagen
Nach §§ 142a, 120 Abs. 1 Nr. 6 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes (GVG) ist bei einem klassischen Staatsschutzde-
likt wie § 129a StGB (Bildung einer terroristischen Ver-
einigung) die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
gegeben (dazu s. o.). Die Ziele und Tätigkeiten einer
Vereinigung müssen sich auf bestimmte, in § 129a Abs. 1
StGB genannte Taten beziehen, damit von einer terroristi-
schen Vereinigung gesprochen werden kann.
Zwar war die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens
nach § 311b StGB in der damals gültigen Fassung
4221
keine Katalogtat im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB a. F.
Jedoch war die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion
gem. § 311 Abs. 1 StGB a. F., auf die sich das Delikt des
§ 311b StGB a. F. bezog, im Katalog des § 129a Abs. 1
Nr. 3 StGB a. F. enthalten. Die maßgeblichen Vorschrif-
ten lauteten:
„311b Vorbereitung eines Explosions- oder Strah-
lungsverbrechens
(1) Wer zur Vorbereitung
1. eines bestimmten Unternehmens im Sinne des
§ 310b Abs. 1 oder des § 311a Abs. 2 oder
2. einer Straftat nach § 311 Abs. 1, die durch
Sprengstoff begangen werden soll,
4219) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 101.
4220) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 73.
4221) Bekanntmachung der Neufassung des Strafgesetzbuches vom
10. März 1987, BGBl. I 1987, S. 945.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 475 – Drucksache 17/14600
Kernbrennstoffe, sonstige radioaktive Stoffe,
Sprengstoffe oder die zur Ausführung der Tat er-
forderlichen besonderen Vorrichtungen herstellt,
sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder
einem anderen überlässt, wird in den Fällen der
Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis
zu zehn Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jah-
ren bestraft.
§ 311 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion
(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernener-
gie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion
herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines an-
deren oder fremde Sachen von bedeutendem Wert
gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter ei-
nem Jahr bestraft.
§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen
(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke
oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212
oder 220a),
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den
Fällen des § 239a oder des § 239b oder
3. Straftaten nach § 305a oder gemeingefährliche
Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, 310b
Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311a Abs. 1, der
§§ 312, 315 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 316c
Abs. 1 oder des § 319 zu begehen, oder wer sich
an einer solchen Vereinigung als Mitglied betei-
ligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu
zehn Jahren bestraft.“
Im vorliegenden Fall bestand der Verdacht, dass das Trio
das aufbewahrte TNT für einen Sprengstoffanschlag,
somit für eine Tat gem. § 311 Abs. 1 StGB a. F. nutzt. Da
§ 311 Abs. 1 StGB a. F. im Katalog des § 129a Abs. 1 Nr.
3 StGB a. F. aufgeführt ist, kam grundsätzlich eine An-
wendung dieser Vorschrift in Betracht. Die Katalogtat
muss nicht bereits begangen, lediglich die Zwecke oder
die Tätigkeit der Vereinigung müssen auf die Katalogtat
gerichtet sein.
4222
Unter einer Vereinigung i. S. v. § 129a StGB ist
„die auf eine gewisse Dauer berechnete organisa-
torische Vereinigung einer Anzahl von Personen
zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens
des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit
gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich der-
art in Beziehung stehen, dass sie sich untereinan-
der als einheitlicher Verband fühlen.“4223
4222) Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 129a,
Rn. 48.
4223) BGHSt 28, 147.
2. Prüfung des § 129a StGB durch die StA
Gera
Nach Nr. 202 Abs. 1 und 2 der Richtlinien über das Straf-
und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sind Vorgänge, aus
denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Ober-
landesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Straftat
ergibt, unverzüglich durch die Staatsanwaltschaft dem
Generalbundesanwalt zu übersenden.
Der zuständige Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft
Gera, OStA Mohrmann, wurde vom LKA Thüringen am
16. Februar 1998 darauf hingewiesen, dass das BKA eine
Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 129a StGB anre-
ge.
4224
Auch im Bericht von OStA Mohrmann an den
Generalstaatsanwalt in Thüringen vom 17. Februar 1998
wird eine beabsichtigte Prüfung des § 129a StGB ange-
sprochen.
4225
Ein Vermerk über die Prüfung des § 129a
StGB oder eine Information des GBA findet sich aller-
dings nicht in der Akte. Der damals zuständige Staatsan-
walt, der Zeuge Schultz, hat angegeben, dass er hieran
keine Erinnerung mehr habe.
4226
3. Prüfung des § 129a StGB durch den GBA
a) Der ARP-Vorgang
Am 13. Februar 1998 legte der GBA aufgrund von Mel-
dungen mehrerer Medien über ein durch die Polizei in
Thüringen aufgefundenes mutmaßliches „Bombenlabor“
von Rechtsextremisten einen Prüfvorgang für ein Staats-
schutzstrafverfahren (ARP-Vorgang) an. Am gleichen
Tage unterrichtete das BKA den GBA telefonisch über
die Thüringer Geschehnisse.
4227
In der Folgezeit ließ sich der GBA durch das BKA über
die Vorgänge in Jena unterrichten:
Am 17. Februar 1998 übersandte das BKA dem GBA
einen Bericht vom 16. Februar 1998 über das Verfahren
der StA Gera gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
wegen des Verdachts der Straftaten gem. §§ 126, 311b
a. F., 86a StGB zur Prüfung eines Anfangsverdachts einer
Straftat nach §§ 129 bzw. 129a StGB. In dem Bericht
vom 16. Februar 1998 werden die in der Garage aufge-
fundenen Gegenstände beschrieben. Zu den Beschuldig-
ten heißt es:
„Die drei o. g. Beschuldigten sind Mitglieder der
‚Kameradschaft Jena’ innerhalb des sog. ‚Thürin-
ger Heimatschutz’ (THS).
Anmerkung: Laut VS-Bericht Nr. 7/98 ist der
„THS“ ein Geflecht mehrerer kaum strukturierter
Kameradschaften mit Verbindungen zu der Partei
‚Die Republikaner’ und zu der zwischenzeitlich
4224) Vermerk des LKA Thüringen vom 16. Februar 1998, MAT A
TH-2/8, Bl. 686.
4225) MAT A TH-2/15, Bl. 70 ff.
4226) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 56.
4227) MAT A GBA-2, Bl. 8 ff.
Drucksache 17/14600 – 476 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aufgelösten rechtsextremistischen Organisation
„Die Nationalen e.V.“ des Frank S. aus Berlin.
Dem sog. „THS“ gehören insgesamt ca. 100 Per-
sonen an. Böhnhardt und Mundlos sind sog. ‚stell-
vertretende Kameradschaftsführer’ der „KS Jena“.
Gegen Böhnhardt und sechs weitere Personen war
bereits am 18.12.96 nach §§ 126 und 86a StGB
sowie gegen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und
drei weitere Personen am 28.01.97 nach § 126
StGB und WaffGesetz durchsucht worden. Bei der
ersteren Durchsuchung waren neben Propaganda-
material auch Unterlagen gefunden worden, die
auf die Ausspähung von thüringischen Sicher-
heitsbehörden hinweisen. Im Januar 1997 wurde
neben Waffen auch Material sichergestellt, das zur
Herstellung von Briefbombenattrappen dienen
könnte. Anhand eines am Tatort gesicherten Fin-
gerabdrucks konnte Böhnhardt nachgewiesen wer-
den, am 13.04.1996 an einer Autobahnbrücke bei
Jena eine Puppe mit der Beschriftung ‚Jude’ auf-
gehängt und sie mit einem Elektrokabel mit zwei
auf der Brücke abgestellten Bombenattrappen ver-
bunden zu haben. Im Berufungsverfahren zu einer
am 21.04.97 erfolgten Verurteilung sei Böhnhardt
zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt
worden. Haftantrittstermin steht noch nicht fest.
Zu insgesamt fünf weiteren Sachverhalten aus den
Jahren 1996/1997 liegen Erkenntnisse vor, bei de-
nen Böhnhardt als möglicher Täter beteiligt gewe-
sen sein dürfte. So war am 06.10.1996 eine USBV
(Bombenattrappe) am ‚Ernst-Abbe-Stadion’ ge-
funden worden. Am 02.09.1997 war ein rot ange-
malter Koffer mit zwei Hakenkreuzen in weißem
Kreis auf dem Theaterplatz in Jena aufgefunden
worden, in dem sich eine Rohrbombe mit 10 gr
TNT befand, die jedoch nicht zündfähig gewesen
sei. Es wurden teilweise technische Übereinstim-
mungen mit dem Fund vom 06.10.96 festgestellt.
In der Zeit vom 30.12.1996 bis 02.01.1997 gingen
‚Briefbombenattrappen’ mit Begleitschreiben, in
denen der thüringische Innenminister und der Vor-
sitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland,
Ignatz Bubis, bedroht wurden, bei der Polizeidirek-
tion Jena, der Stadtverwaltung in Jena und der Lo-
kalredaktion der Thüringer Landeszeitung ein. […]
Neben den im Fs [Fernschreiben] des LKA Thü-
ringen angeführten sichergestellten Gegenständen
(u. a. vorbereitete Rohrbomben) sei eine Gesamt-
menge von zwei Kg TNT (gegossenes Granulat
unbekannter Herkunft) gefunden worden.
Nach dem bisher vorliegenden kriminaltechni-
schen Untersuchungsergebnis können wesentliche
Übereinstimmungen einiger verwendeter Bauteile
der Rohrbomben, wie Modellierknetmasse, Rohre,
Elektrokabel, mit Teilen aus den o.a. fünf weiteren
Straftaten nachgewiesen werden, zuletzt mit einer
am 26.12.1997 auf einem Friedhof in Jena gefun-
denen Bombenattrappe mit identischem Rohrstück.
Lt. Darstellung des Sb. [Sachbearbeiters] LKA
Thüringen sind zu keinem der vorstehenden Sach-
verhalte Bekennungen eingegangen, lediglich die
Gegenstände als solche waren durch aufgemalte
Hakenkreuze eindeutig der rechten Szene zuzu-
ordnen.
Bisher lägen keine Anhaltspunkte für eine Beteili-
gung oder auch nur Kenntnisnahme durch andere
Personen vor, alle vorliegenden Beweise deuteten
auf eine alleinige Täterschaft dieser drei Personen
als Splittergruppe. Es sei jedoch derzeit ein deutli-
cher Solidarisierungseffekt innerhalb der rechten
Szene Thüringens erkennbar. Eine Prüfung der
Sachverhalte hinsichtlich einer Tatbestandsmäßig-
keit nach den §§ 129 und 129a StGB sei bisher
weder von der Polizei noch von der Staatsanwalt-
schaft vorgenommen worden.
Laut eigener Einschätzung der Sb. LKA TH Thü-
ringen handele es sich jetzt nur noch um einen
Fahndungsfall. Die Beweislage sei nach Abschluss
der kriminaltechnischen Untersuchungen gegen
die drei Beschuldigten ausreichend. Demnach hät-
ten die bisherigen Aktionen der Beschuldigten le-
diglich ihre Gewaltbereitschaft demonstrieren sol-
len; man gehe jedoch davon aus, dass zu einem
späteren Zeitpunkt tatsächlich Anschläge hätten er-
folgen sollen. Weiter geht das LKA Thüringen
derzeit von der Annahme aus, dass die Beschuldig-
ten sich entweder nach Belgien, Niederlande oder
USA absetzen könnten. Konkrete Hinweise liegen
hierfür jedoch nicht vor. Da nach Mitteilung des
LKA Thüringen die Herkunft der ca. 2 Kg TNT
(es ist weder der Bundeswehr noch einem der
ehemaligen Ostblockländer zuzuordnen) völlig
ungeklärt ist, wird der vorstehende Sachverhalt zur
Unterrichtung und rechtlichen Würdigung hin-
sichtlich einer nicht auszuschließenden Tatbe-
standsmäßigkeit nach §§ 129 und/oder 129a StGB
vorsorglich übersandt.“4228
Mit Schreiben vom 18. Februar 1998 übersandte das BKA
einen zusammenfassenden Bericht, verfasst von KHK
Brümmendorf und KHK´in Beischer-Sacher. Zur Bewer-
tung heißt es hier:
„Die bisherigen Ermittlungen haben ergeben, dass
als führende Personen die derzeit flüchtigen
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe anzusehen sind.
Nach hiesigen Erkenntnissen sind die drei Perso-
nen lediglich in der Stadt Jena aktiv gewesen.
Hinweise auf überregionale Aktivitäten liegen
nicht vor. Die bekanntgewordenen Personenkon-
takte beziehen sich ausschließlich auf den Perso-
nenkreis der regional agierenden ‚Kameradschaft
Jena’. Unterstützungshandlungen dürften nach den
hier vorliegenden Erkenntnissen lediglich von den
Mitgliedern der ‚Kameradschaft Jena‘ geleistet
worden sein. Eine Prüfung der Einleitung eines
4228) MAT A GBA-2, Bl. 14 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 477 – Drucksache 17/14600
Ermittlungsverfahrens gem. § 129, 129a StGB
wurde von der sachbearbeitenden Dienststelle
TLKA LKA Thüringen über die zuständige
Staatsanwaltschaft an die Generalstaatsanwalt-
schaft nach Bekanntwerden der Tatzusammenhän-
ge veranlasst.
Die in Jena begangenen Straftaten können durch
Tatmittelbeweis in Zusammenhang gebracht wer-
den, so dass damit einhergehend die Täterschaft
von Mitgliedern der ‚Kameradschaft Jena’ erkenn-
bar ist; einen Hinweis auf eine Straftatenbegehung
im Namen der ‚Kameradschaft Jena’ oder des
‚Thüringer Heimatschutz’ bzw. der ‚Ostthüringer
Anti-Antifa’ ergibt sich aus hiesiger Aktenlage
und den Ermittlungen nicht.
(vgl. Ermittlungsverfahren der StA Gera gg. Mit-
glieder des ‚Thüringer Heimatschutzes’ bzw. der
ident. Organisation ‚Ostthüringer Anti-Antifa’ we-
gen Verdachts des Verstoßes gegen § 129 StGB
…)
Anhaltspunkte für weitere geplante Straftaten mit
Ausnahme der am 26.01.98 aufgefundenen vorbe-
reiteten Rohrbomben sind, insbesondere nach
Flucht der drei Hauptverdächtigen, nicht vorhan-
den. Insoweit ist die ‚Kameradschaft Jena‘ nach
den hier vorliegenden Erkenntnissen vergleichbar
mit anderen Kameradschaften z. B. den Berliner
Kameradschaften Marzahn/Treptow. Durch das
Ermittlungsverfahren der StA Gera gem. § 129
StGB gg. den ‚Thüringer Heimatschutz’ wurden
die personellen Verbindungen zu den Kamerad-
schaften Thüringens aus Gera, Jena und Saalfeld
hinreichend beleuchtet. Wenngleich die ‚Kamerad-
schaft Jena’ danach intensive Kontakte zum ‚Thü-
ringer Heimatschutz’ unterhält, so belegen die Er-
mittlungen, dass die in den unter Ziff. 1-4 darge-
stellten Straftaten, nicht so zu werten sind, dass sie
im Namen und für die „Kameradschaft Jena“ oder
im Namen und für den ‚Thüringer Heimatschutz’
durchgeführt wurden.“4229
Der Abschlussbericht des LKA Thüringen zum „THS“-
Verfahren vom 20. Oktober 1997 wurde ebenfalls beige-
fügt.
4230
Das BKA erwähnt in beiden Schreiben nicht, dass KHK
Brümmendorf und KHK´in Beischer-Sacher Mitarbeiter
des BKA waren und vor Ort das LKA Thüringen unter-
stützten (dazu s. o.). Die Zeugen Beischer-Sacher und
Brümmendorf haben ausgesagt, sie hätten den Bericht
eigens zur Information des GBA mit Blick auf die Prü-
fung einer Strafbarkeit gem. § 129a StGB und damit auf
eine mögliche Zuständigkeit des GBA verfasst.
4231
4229) MAT A GBA-2, Bl. 20 ff.
4230) MAT A GBA-2, Bl. 27 ff.
4231) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 102; Brümmendorf,
Protokoll-Nr. 54, S. 85.
Etwa ein Jahr später, am 8. Februar 1999, bat der GBA
das BKA um Mitteilung des Sachstandes.
4232
An die StA
Gera richtete der GBA keine Anfrage.
Das BKA antwortete mit Schreiben vom 9. März 1999
und teilte zur Prüfung der Zuständigkeit des GBA mit:
„Aufgrund des inhaltlichen und des personellen
Zusammenhangs der […] dargestellten Straftaten
und der möglichen Involvierung der Gruppierun-
gen ‚Thüringer Heimatschutz’ und ‚Anti-Antifa-
Ostthüringen’ bei den Straftaten, ist eine Prüfung
der Sachverhalte im Hinblick auf die Einleitung
eines Ermittlungsverfahrens gem. §§ 129/129a
StGB durch die StA Gera im Februar 98 erfolgt.
Nach Auffassung der zuständigen Staatsanwalt-
schaft handelt es sich bei den Haupttatverdächti-
gen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe um Einzeltäter, die die Straftaten weder
für, noch im Namen der beiden Gruppierungen
oder einer eigens gegründeten Gruppierung, be-
gangen haben. Nach Einschätzung der Staatsan-
waltschaft Gera dürften Böhnhardt und Mundlos
die treibenden Kräfte gewesen sein.
Die Kontakte der Haupttäter zu den Gruppierun-
gen ‚Thüringer Heimatschutz’ und ‚Anti-Antifa-
Ostthüringen’ wurden bereits im Rahmen des Er-
mittlungsverfahrens der StA Gera, Az.: 116 Js
17874/95 (ehemals: 250 Js 17874/95), im Hinblick
auf den möglichen Tatvorwurf des Verstoßes gg.
§§ 129/129a StGB, intensiv untersucht; das dies-
bezügliche Ermittlungsverfahren wurde 1997 je-
doch eingestellt, weil der Tatvorwurf nicht belegt
werden konnte.“4233
Nachdem der Sachbearbeiter beim GBA in der Folgezeit
monatlich eine Wiedervorlage verfügt hatte, ließ er am
12. August 1999 die Verfahrensakte weglegen.
4234
Bis
zum November 2011 blieb die Akte weggelegt.
Außer den genannten Passagen finden sich in der Verfah-
rensakte keine Bemühungen zur Aufklärung, ob das Trio
eine Vereinigung i. S. v. § 129a StGB (feste Gruppen-
struktur) gegründet hat. Schließlich ist kein Abschluss-
vermerk zur Prüfung der Zuständigkeit des GBA vorhan-
den.
b) Die interne Evaluation des GBA
Der interne Evaluationsbericht des GBA vom 20. Dezem-
ber 2011 kam zu dem Ergebnis, dass eine Zuständigkeit
des GBA nicht vorlag. Im Bericht heißt es zur Bewertung:
„Aus den der Bundesanwaltschaft auf Anfrage
mitgeteilten polizeilichen und staatsanwaltschaftli-
chen Erkenntnissen ergab sich kein Anfangsver-
dacht für Straftaten, die in die Verfolgungszustän-
4232) MAT A GBA-2, Bl. 76.
4233) MAT A GBA-2, Bl. 42 f.
4234) MAT A GBA-2, Bl. 84.
Drucksache 17/14600 – 478 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
digkeit der Bundesanwaltschaft fallen könnten. Ei-
ne genuin eigene Verfolgungszuständigkeit hätte
die Bundesanwaltschaft zum damaligen Zeitpunkt
lediglich bei zureichenden Hinweisen auf das Be-
stehen einer festgefügten (terroristischen) Vereini-
gung (§ 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG a.F.) mit dem Ziel
der damals im Gesetz normierten Katalogtaten
(§ 129a Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB a.F.) bejahen kön-
nen. § 311b StGB a.F. war jedoch ebenso wenig
wie § 126 StGB oder § 86a StGB Katalogtat des
§ 129a StGB a.F. Da weder Hinweise auf eine fes-
te Gruppenstruktur, noch solche auf Katalogtaten
des § 129a StGB a.F. mitgeteilt worden waren,
mussten die Ermittlungen von Gesetzes wegen
durch die örtlich zuständigen Landesstaatsanwalt-
schaften weitergeführt werden. Auch eine evokati-
ve Zuständigkeit nach § 120 Abs. 2 GVG kam
nicht in Betracht, da insbesondere § 311b StGB
a.F. keine Katalogtat des § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG
a.F. war.“4235
Der Generalbundesanwalt Range beauftragte die ehemali-
ge Vorsitzende Richterin am BGH, Prof. Dr. Rissing-van
Saan, den internen Bericht der Evaluierungsgruppe des
GBA auf Plausibilität und Schlüssigkeit zu prüfen und zu
bewerten, ob der rechtliche Rahmen bei der Beurteilung
der Zuständigkeit des GBA eingehalten wurde. Die Vor-
sitzende Richterin am BGH a. D. Prof. Dr. Rissing-van
Saan teilte in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2012
die Auffassung des Evaluationsberichts, wobei sie insbe-
sondere auf die fehlenden Voraussetzungen für die An-
nahme einer Vereinigung i. S. v. §§ 129, 129a StGB ab-
stellte:
„Dafür, dass der genannten Dreier-Gruppe gegen-
über der ‚Kameradschaft Jena’ ein ausreichendes
Maß an organisatorischer Selbstständigkeit zukam,
in der überdies verbindliche Regeln für das Han-
deln zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels gal-
ten und jeder von ihnen sich unter Zurückstellung
seiner individuellen Meinung einem übergeordne-
ten Gesamtwillen unterworfen haben könnte, fehl-
te jeder Hinweis.“4236
4. Bewertung im Gutachten der Thüringer
Kommission
Im Gutachten der Thüringer Schäfer-Kommission heißt
es:
„Dringender Tatverdacht wegen Bildung einer
kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1
StGB
Ausweislich der Akten des TLKA und des TLfV
gab es vor dem 26.01.1998 keine ausreichenden
Erkenntnisse darüber, dass sich die Mitglieder der
‚Kameradschaft Jena’ oder Böhnhardt, Mundlos
4235) MAT A GBA-2, Bl. 131; zur Annahme einer Katalogtat i. S. v.
§ 129a StGB vgl. aber oben unter a).
4236) MAT A GBA-2, Bl. 220.
und Zschäpe im genannten Sinn zur Begehung von
Straftaten im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB zu-
sammengefunden hätten. Die ‚Kameradschaft Je-
na’ stellte sich lediglich dar als ‚eine rechtsorien-
tierte Gruppierung, deren Mitglieder teilweise als
Verantwortliche für verschiedene Straftaten mit
politischer rechtsextremistischer Motivation, teil-
weise für Aktionen mit rechtsgerichtetem Hinter-
grund im Bereich Jena ermittelt wurden’. Eine da-
rüber hinausgehende Organisations- und Koordi-
nationsstruktur war nicht ersichtlich. Die von ein-
zelnen beziehungsweise mehreren Mitgliedern der
‚Kameradschaft Jena’ in wechselnder Zusammen-
setzung nachweislich durchgeführten Aktionen ab
August 1994 waren Einzeltaten, meist Verstöße
gegen die §§ 86, 86a StGB. Ebenso wenig finden
sich vor dem 26.01.1998 Anhaltspunkte dafür,
dass sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im
oben angegebenen Sinne vereinigt hätten. Sie wa-
ren lediglich aktive, miteinander befreundete Mit-
glieder der ‚Kameradschaft Jena’, die Einzeltaten
verübten beziehungsweise sich daran beteiligten.
Dringender Tatverdacht wegen Bildung einer ter-
roristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1
StGB
In diesem Sinne fiel auch die Beurteilung des Ge-
neralbundesanwaltes und des Bundesgerichtshofs
aus, wie sie in dem auf die Beschwerde der Beate
Zschäpe gegen den Haftbefehl des Ermittlungs-
richters des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2011
ergangenen Beschluss vom 28.02.2012 wiederge-
geben ist. Dieser Bewertung schließt sich die
Kommission an. Danach waren die Voraussetzun-
gen einer terroristischen Vereinigung im Sinne des
§ 129a Abs. 1 StGB erst nach der Durchsuchung
der Garagen am 26.01.1998 erfüllt.
Die Durchsuchungen nahmen Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zum Anlass, un-
ter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen,
sich zu einer eigenständigen Gruppierung zusam-
menzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen
Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Ver-
hältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hin
zu einem an der nationalsozialistischen Ideologie
ausgerichteten System unterzuordnen und dieses
Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waf-
fengewalt weiterzuverfolgen.“4237
4237) MAT A TH-6, Bl. 80 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 479 – Drucksache 17/14600
X. Weitere Tätigkeit der StA Gera nach dem
Untertauchen des Trios
1. Keine Hinzuverbindung des Verfahrens
wegen Auffindens von Briefbombenattrap-
pen
Zum Jahreswechsel 1996/1997 wurden in Jena drei Brief-
bombenattrappen eingeworfen. Die Briefe enthielten die
gleiche Knetmasse wie die Kofferbombe vor dem Theater
in Jena. Als Spurenverursacher kamen aufgrund von
DNA-Analysen Böhnhardt, Kapke und Zschäpe in Be-
tracht. Das Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwalt-
schaft Gera am 18. Juni 1997 ein,
4238
also bevor die Tat
wegen des Deponierens der Bombe vor dem Theater in
Jena geschah.
Die Polizei wies sowohl in diesem Verfahren mit Ver-
merk vom 6. August 1998
4239
als auch in dem Koffer-
bomben-Verfahren mit Telefonat vom 1. Dezember
1998
4240
auf einen möglichen Zusammenhang hin und
regte die Wiederaufnahme des Briefbomben-Verfahrens
und eine Verbindung mit dem Kofferbomben-Verfahren
an.
Eine Reaktion der Staatsanwaltschaft kann den Akten
nicht entnommen werden.
2. Mögliche verjährungsunterbrechende
Maßnahmen
a) Haftbefehlsneufassung vom 23. Juni 1998
Die Staatsanwaltschaft Gera erwirkte am 23. Juni 1998
eine Neufassung der Haftbefehle.
4241
Diese Neufassung
hatte gem. § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StGB eine Unterbre-
chung der Verjährung zur Folge.
b) Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2000
Das Amtsgericht Jena erließ am 3. Juli 2000 einen Be-
schluss zur Durchsuchung der Räume der Deutschen
Bank zur Erlangung von Kontounterlagen von Uwe
Mundlos. Der Beschluss lautet:
„In der Ermittlungssache gegen Uwe Mundlos,
geb. am 11.08.1978 in Jena, wohnh.: zuletzt Ha-
selstrauchweg 3, 07745 Jena-Cospeda, ledig,
deutsch, und sieben andere wegen des Verdachts
der Vorbereitung eines Explosions- und Spreng-
stoffverbrechens wird die Durchsuchung der Ge-
schäftsräume und anderer Räume der Deutschen
Bank 24 in Jena, Karl-Marx-Allee 4, angeordnet,
weil zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur
4238) MAT A TH-2/17, Bl. 222 ff.
4239) MAT A TH-2/17, PDF-S. 408 ff. (ab hier nicht mehr paginiert).
4240) Vermerk von OStA Mohrmann vom 1. Dezember 1998, MAT
A TH-2/8, Bl. 789.
4241) MAT A TH-2/8, Bl. 609 ff.
Auffindung von Beweismitteln, insbesondere von
Unterlagen zum Giroverkehr des Kontos […], füh-
ren wird. Die vorgefundenen Gegenstände sind in
Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise si-
cherzustellen. Für den Fall, dass sie nicht freiwillig
herausgegeben werden, wird hiermit ihre Be-
schlagnahme angeordnet (§§ 94, 98, 103, 105
StPO).
Mit der Durchsuchung und der etwaigen Be-
schlagnahme wird hiermit das LKA Thüringen be-
auftragt. Die Durchführung der Durchsuchung
mag durch die freiwillige Herausgabe der gesuch-
ten Beweismittel abgewendet werden.
Gründe:
Nach den bisherigen Ermittlungen ist der Beschul-
digte der vorbezeichneten Straftat zureichend ver-
dächtigt. Der Fortgang des Strafverfahrens ist
durch das Untertauchen des Beschuldigten ge-
hemmt. Es steht zu erwarten, dass die Auswertung
der Kontounterlagen Rückschlüsse auf den Auf-
enthalt des Beschuldigten ermöglichen wird. Für
die Ermittlungen sind die o. g. Beweismittel von
erhöhter Bedeutung, so dass die Anordnung auch
im Hinblick auf die Schwere der Tat und die Stär-
ke des Tatverdachtes erforderlich und nicht unver-
hältnismäßig ist.“4242
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Gera vom 29. Juni
2000 enthält darüber hinaus lediglich den Hinweis, dass
Uwe Mundlos das genannte Konto bei der Deutschen
Bank unterhielt. Ein Sachverhalt, der dem Beschuldigten
zur Last gelegt wurde, wird jenseits der Benennung des in
Rede stehenden Delikts hier ebenfalls nicht dargestellt.
4243
Zur Frage, ob dieser Durchsuchungsbeschluss gem. § 78c
Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ebenfalls die Verjährung unter-
brach, hat Oberstaatsanwalt Mohrmann, der damalige
Abteilungsleiter, in seinem Schreiben an den Ausschuss
ausgeführt:
„Nach dem Wortlaut des § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB
könnte der Durchsuchungs- und
Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Jena
vom 03.07.2000 eine verjährungsunterbrechende
Maßnahme gewesen sein.
Da sich der Beschluss des Amtsgerichts Jena nach
dem Rubrum und nach den Gründen nur gegen den
Beschuldigten Uwe Mundlos richtete, hätte die
Verjährungsunterbrechung gemäß § 78c Abs. 4
StGB allerdings nur gegenüber diesem Beschul-
digten und nicht gegenüber den weiteren Beschul-
digten wirken können.
Meines Erachtens dürfte dem Beschluss des Amts-
gerichts Jena vom 03.07.2000 aber keine verjäh-
rungsunterbrechende Wirkung zukommen, weil er
4242) MAT A TH-2/11, Bl. 1864.
4243) MAT A TH-2/11, Bl. 1852 f.
Drucksache 17/14600 – 480 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen
nicht erfüllt. Neben der Bezeichnung der Straftat
sind tatsächliche Angaben über den Inhalt des
Vorwurfs erforderlich, sofern sie nach dem Ermitt-
lungsergebnis ohne weiteres möglich sind und den
Zwecken der Strafverfolgung nicht zuwiderlaufen
(vgl. Meyer-Goßner, Kommentar zur Strafpro-
zessordnung, 55. Auflage, § 105 Rdnr. 5). Der Be-
schluss des Amtsgerichts Jena beschränkt sich auf
den Betreff‚ Verdacht der Vorbereitung eines Ex-
plosions- und Sprengstoffverbrechens’. Nähere tat-
sächliche Angaben zu den dem Beschuldigten zur
Last gelegten Taten fehlen vollständig, obwohl sie
möglich gewesen wären. Daher dürfte dem Be-
schluss vom 03.07.2000 aufgrund der fehlenden
tatsächlichen Konkretisierung eine verjährungsun-
terbrechende Wirkung nicht zukommen.
Hinzufügen möchte ich, dass es Aufgabe des zu-
ständigen Richters des Amtsgerichts Jena gewesen
wäre, einen inhaltlich ausreichend bestimmten Be-
schluss zu erlassen. Die Staatsanwaltschaft wäre
verpflichtet gewesen, auf den Erlass eines den
Mindestanforderungen entsprechenden Beschlus-
ses hinzuwirken. Gründe, weswegen dies seiner-
zeit nicht erfolgt ist, sind mir nicht bekannt.“4244
Hierzu ist festzustellen: Im Rubrum des Durchsuchungs-
beschlusses des Amtsgerichts ist von Uwe Mundlos „und
sieben anderen“ die Rede. Da eine Unterbrechungswir-
kung in der Regel gegen jeden bekannten Beschuldigten
eintreten soll, selbst wenn im Rubrum nur ein bestimmter
Beschuldigter aufgeführt ist,
4245
dürfte dies erst recht
gelten, wenn (wie hier) in dem Beschluss weitere – nicht
namentlich genannte – Personen aufgezählt wurden.
In der Tat gilt, dass Anordnungen, die keinerlei tatsächli-
che Anhaltspunkte über den Inhalt des Vorwurfs enthal-
ten, obwohl das nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis
ohne Weiteres möglich und für die Strafverfolgung nicht
abträglich gewesen wäre, keine verjährungsunterbrechen-
de Wirkung entfalten können.
4246
Nennen Durchsu-
chungs- und Beschlagnahmeanordnungen weder die dem
Beschuldigten zur Last liegenden Taten, noch bezeichnen
sie die beweiserheblichen Unterlagen hinreichend kon-
kret, sondern sprechen nur von den Unterlagen, die zur
Aufklärung des – nicht näher bezeichneten – Sachverhalts
dienlich sind, können sie die Verfolgungsverjährung nicht
unterbrechen.
4247
Im vorliegenden Fall wurden die den
Beschuldigten zur Last gelegten Taten ihrer
Deliktsbezeichnung nach genannt
4248
und die beweiser-
heblichen Unterlagen als Unterlagen zu einem bestimm-
4244) MAT A Z-57/1.
4245) Beck Online-Kommentar StGB, Stand: März 2013, § 78c Rn. 3;
BGH NStZ 2011, 711; OLG Hamburg wistra 1993, 272.
4246) Kühl, StGB, 27. Auflage 2011, § 78c Rn. 6.
4247) BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99, NStZ 2000,
427.
4248) Auf die zumindest vorzunehmende Bezeichnung des Straftatbe-
standes nimmt auch der BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5
StR 226/99, NStZ 2000, 427, Bezug.
ten Girokonto hinreichend konkretisiert. Dies alles steht
der Rechtsauffassung von Oberstaatsanwalt Mohrmann
entgegen, wonach der Durchsuchungsbeschluss keine
verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten konnte.
Dem Ausschuss ist zudem ein bemerkenswerter zeitlicher
Ablauf von Ereignissen aufgefallen: Am 15. September
2003 erwähnt Der Spiegel im Rahmen eines Artikels über
die Gefahr von Rechtsterrorismus in Deutschland, dass
1998 in einer Garage in Jena 1,4 kg TNT gefunden wur-
den, die Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos und Zschä-
pe seitdem erfolgos sei und die Taten zu verjähren droh-
ten.
4249
Am gleichen Tag stellt die Staatsanwaltschaft das
Verfahren ein. Am 22. September 2003 schrieb Der Spie-
gel, die Vorwürfe gegen das Trio seien seit dem 23. Juni
2003 verjährt.
4250
c) Weitere Unterbrechungsmaßnahmen
Weitere Unterbrechungsmaßnahmen erfolgten nicht.
Beispielsweise fand eine erneute Erweiterung des Haftbe-
fehls vom 23. Juni 1998 im Hinblick auf die Briefbom-
benattrappen (dazu s. o.) nicht statt. Auch weitere Durch-
suchungsbeschlüsse, z. B. hinsichtlich Personen, die im
Verdacht standen, das Trio zu unterstützen, können der
Akte nicht entnommen werden.
3. Einstellung des Verfahrens gegen das Trio
wegen Verjährung zum 23. Juni 2003
Mit Verfügung vom 15. September 2003 stellte Staatsan-
walt P. das Verfahren gegen das Trio wegen Verjährung
ein. Der Abteilungsleiter nahm hiervon Kenntnis. Es heißt
in der Verfügung:
„Die letzte verjährungsunterbrechende Handlung
erfolgte mit dem am 23.06.1998 neu gefassten
Haftbefehl vom 28.01.1998. Danach ist am
23.06.1998 Verjährung eingetreten.“4251
Weitere Ausführungen zur Verjährungsproblematik oder
den anzuwendenden Vorschriften finden sich in der Ein-
stellungsverfügung nicht. Hingegen hat das Thüringer
Justizministerium in einem Vermerk vom 19. September
2003 Überlegungen zur Verjährungsproblematik zu Pa-
pier gebracht. Es heißt hier:
„Soweit dies ohne Akteneinsicht […] beurteilt
werden kann, wurden die Ermittlungen der Staats-
anwaltschaft Gera und die in diesem Ermittlungs-
verfahren ergangenen Haftbefehle zu Recht zentral
auf die Vorschrift der Vorbereitung eines Spreng-
stoffverbrechens gemäß § 311b Abs. 1 Ziff. 2
StGB a. F. i. V. m. § 311 Abs. 1 StGB a. F. ge-
stützt. […]
4249) Der Spiegel vom 15. September 2003, „Völlig neue Dimensi-
on“.
4250) Der Spiegel vom 22. September 2003, „Ab in den Untergrund“.
4251) MAT A TH-2/11, Bl. 1915.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 481 – Drucksache 17/14600
Aufgrund der Strafandrohung des § 311b Ziff. 2, 2.
Alternative StGB a. F. („von 6 Monaten bis zu 5
Jahren“) betrug die Verjährungsfrist gemäß § 78
Abs. 3 Ziff. 4 StGB 5 Jahre. […]
Die letzte verjährungsunterbrechende Maßnahme
war der Erlass der erweiterten Haftbefehle am
23.06.1998. Weitere verjährungsunterbrechende
Maßnahmen kamen nicht in Betracht. Anlass für
weitere Beschlagnahme- oder Durchsuchungsan-
ordnungen i. S. v. § 78c Ziff. 4 StGB waren nach
Auffassung der Staatsanwaltschaft Gera nicht ge-
geben (laut Auskunft OStA S. vom 19.09.2003).
[…]
Von einem Nichteintritt der Verjährung wäre nur
dann auszugehen, falls die von der Staatsanwalt-
schaft Gera zum Gegenstand ihrer Ermittlungen
gemachten Taten entgegen bisheriger Bewertung
tatsächlich Strafgesetze mit einer Strafandrohung
von mehr als 5 Jahren Höchststrafe betreffen. So-
weit der Vorsitzende des Vereins der Strafvertei-
diger in Erfurt, Rechtsanwalt K., laut TA-Bericht
vom 18.09.2003 zu bedenken gibt, dass die Taten
auch als Verabredung zu einem Sprengstoffverbre-
chen gem. § 30 Abs. 2 StGB i. V. m. § 311 Abs. 1
StGB a. F. (dann würde die Verjährungsfrist 20
Jahre betragen, § 78 Abs. 3 Ziff. 2 StGB) gewertet
werden könnten, ist dem zu widersprechen. Eine
Verabredung i. S. des § 30 Abs. 2 StGB ist nach
der Rechtsprechung die ernstliche Einigung von
mindestens zwei Personen, an der Verwirklichung
eines bestimmten Verbrechens mitzuwirken. Die
Verabredung muss nach Wort, Zeit und Inhalt hin-
reichend konkretisiert sein. Bloße Vorbesprechun-
gen und –planungen sind noch keine Verabredung.
Vorliegend hat man zwar Vorrichtungen und
Sprengstoffe gefunden. Um zündfähige Bomben
handelte es sich jedoch nicht. Aufgrund des lü-
ckenhaft gebliebenen Ermittlungsbildes ist weder
bekannt, was mit den Sprengstoffen konkret ge-
schehen sollte, noch ob und in welcher Beteiligung
die Beschuldigten Berührung zu diesen Spreng-
stoffen hatten. Die diesbezüglichen Erkenntnisse
sind viel zu vage, als dass man sie als Verbre-
chensverabredung i. S. des § 30 Abs. 2 StGB be-
werten könnte.
Ebenfalls in der TA vom 18.09.2003 wird der Je-
naer Strafrechtsprofessor A. mit der Frage wieder-
gegeben, warum nicht wegen Bildung einer terro-
ristischen Vereinigung ermittelt wurde (dann wür-
de die Verjährungsfrist 10 Jahre betragen). Dazu
ist Folgendes zu sagen:
Die Vereinigung i. S. des § 129a StGB ist der auf
eine gewisse Dauer angelegte Zusammenschluss
von mindestens drei Personen, die bei Unterord-
nung des Willens des Einzelnen unter den Willen
der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen
und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie
sich untereinander als einheitlichen Verband füh-
len.
Konkrete Anhaltspunkte für einen derartigen Or-
ganisationsgrad lagen und liegen im vorliegenden
Fall jedoch nicht vor. Darüber hinaus setzt § 129a
StGB voraus, dass die terroristische Vereinigung
darauf gerichtet ist, mehrere selbständige Katalog-
taten (hier in Betracht kommend: Herbeiführung
einer Sprengstoffexplosion gem. § 311 StGB a. F.)
zu begehen. Ob der aufgefundene Sprengstoff
überhaupt zu einem späteren Zeitpunkt zu einer
Explosion gebracht werden sollte oder ob – z. B.
zur bloßen Verbreitung von Angst und Schrecken
– es bei nicht zündfähigen Vorrichtungen bleiben
sollte, ist nicht bekannt. Die Ermittlungen haben
jedenfalls keine Erkenntnisse erbracht, dass meh-
rere Sprengstoffexplosionen geplant waren.
Fazit:
- Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem.
§ 170 Abs. 2 StPO erscheint sachgerecht,
- die Verjährungsproblematik wäre nicht aufge-
kommen, wenn die Zielfahndung des TLKA, die
ansonsten große Erfolge aufzuweisen hat, auch
diesmal die Festnahme hätte durchführen können.
- Der Eintritt der Verjährung hätte weiter hinaus-
geschoben werden können, wenn eine weitere,
richterliche Durchsuchungsanordnung erfolgt wä-
re, für die aber laut Staatsanwaltschaft Gera kein
Anlass bestanden hatte.
- Selbst wenn aufgrund anderer rechtlicher Um-
stände die Verjährung jetzt noch nicht eingetreten
wäre, besagt dies nicht, dass damit der Weg frei
wäre für einen erfolgreichen Abschluss des Ver-
fahrens. Die grundlegenden Probleme (Dürftigkeit
des Ermittlungsergebnisses und flüchtige Tatver-
dächtige) blieben bestehen.“4252
Im Rahmen der Prüfung der §§ 30 Abs. 2, 311 Abs. 1
StGB a. F. (Verbrechensverabredung) werden in dem
Papier keine Ausführungen zu den bereits am 6. Oktober
1996, 2. September 1997 und 26. Dezember 1997 (kurz
vor der Durchsuchung) an öffentlichen Plätzen in Jena
deponierten Bomben und Bombenattrappen gemacht.
Diese Taten hätten gegebenenfalls in die Abwägung, ob
der dringende Tatverdacht einer Verbrechensverabredung
vorliegt, einfließen können.
Das Gutachten der Thüringer Schäfer-Kommission be-
wertete die Verjährungsproblematik folgendermaßen:
„Nach der Durchsuchung am 26.01.1998 mit den
Funden in der Garage Nummer 5 (Kläranlage)
wurden gegen das Trio vom Amtsgericht Jena am
28.01.1998 Haftbefehle erlassen. Diese wurden auf
Antrag der StA Gera am 23.06.1998 wegen des
dringenden Verdachts von Vergehen nach § 311 b
Abs. 1 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 6, § 86 Abs. 1 Nr. 1
in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB, § 40
Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Nr. 2
4252) MAT B TH-3, Datei: 4110-S-18-1997 TJM S, Bl. 143 ff.
Drucksache 17/14600 – 482 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
SprengstoffG, §§ 52, 53, 25 StGB, §§ 1, 105 JGG
neu gefasst.
Nach § 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB bestand eine Verjäh-
rungsfrist von fünf Jahren, weil es sich bei sämtli-
chen in den Haftbefehlen vom 28.01.1998 aufge-
führten Delikten um solche handelte, die im
Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als ei-
nem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind. Durch
die neu gefassten Haftbefehle vom 23.06.1998
wurde die Verjährung nach § 78 c Nr. 5 StGB un-
terbrochen. Die Verfolgungsverjährung trat daher
mit dem 22.6.2003 ein, da weitere Unterbre-
chungsmaßnahmen rechtlich nicht möglich waren.
Hinzuweisen ist im Übrigen darauf, dass auch bei
der Annahme einer kriminellen Vereinigung
(§ 129 StGB) sofern den Strafverfolgungsbehör-
den dazu tatsächliche Anhaltspunkte bekannt ge-
wesen wären – am 22.6.2003 Verfolgungsverjäh-
rung eingetreten wäre. Denn § 129 StGB enthält
keine höhere Strafandrohung als die in den neu ge-
fassten Haftbefehlen benannten Straftatbestände.
Anders wäre es dann gewesen, wenn die Strafver-
folgungsbehörden vom TLfV umfassend unterrich-
tet worden wären. Dann hätte möglicherweise der
Anfangsverdacht eines Verbrechens des § 129a
StGB angenommen werden können. Das Verfah-
ren hätte an den GBA abgegeben werden müssen.
Damit hätte eine Verjährungsfrist von zehn Jahren
begonnen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB).“4253
Oberstaatsanwalt Mohrmann hat gegenüber dem Aus-
schuss angegeben, dass die Einstellungsverfügung nicht
zu beanstanden sei. Verfolgungsverjährung sei eingetreten
gewesen.
4254
4. Behandlung des Verfahrens gegen die
weiteren Beschuldigten
Das Kofferbomben-Verfahren richtete sich auch gegen
Ralf Wohlleben, Henning H. und André Kapke.
4255
Es
erfolgte eine Vielzahl von Telefonüberwachungen, darun-
ter bei Ralf Wohlleben, allerdings mit Blick auf seine
mutmaßliche Stellung als Kontaktperson zum Trio.
4256
Sonstige Ermittlungshandlungen gegen die
Mitbeschuldigten zur Aufklärung, ob sie an den Taten
beteiligt waren, konnten der Akte nicht entnommen wer-
den, obwohl André Kapke als Führer der „Kameradschaft
Jena“ sowie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als seine
Stellvertreter bezeichnet wurden. Darüber hinaus kam
aufgrund von DNA-Analysen André Kapke neben Uwe
4253) MAT A TH-6, S. 234.
4254) Schreiben vom 5. März 2013, MAT A Z-57/1.
4255) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera an das Thüringer Ministe-
rium für Justiz und Europaangelegenheiten vom 13. November
1997, MAT A TH-2/15, Bl. 19 ff.
4256) Beschluss des AG Jena vom 4. März 1998, MAT A TH-2/13,
PDF-S. 131 (unpaginiert), Beschluss des AG Jena vom 28. Mai
1998, MAT A TH-2/15, Bl. 112.
Böhnhardt und Beate Zschäpe als Spurenverursacher im
Briefbombenattrappen-Verfahren in Betracht. Die Knet-
masse dieser Briefbombenattrappen stimmte jedoch mit
derjenigen überein, die bei der Kofferbombe vor dem
Theater in Jena festgestellt wurde.
4257
Ebenfalls nicht feststellbar waren Vernehmungen dieser
Personen. Schließlich wurde das Ermittlungsverfahren
gegen Kapke, Wohlleben und H. am 28. November 2003
wegen Verjährung eingestellt.
4258
XI. Eintritt der Vollstreckungsverjährung bzgl.
Uwe Böhnhardt aus der Verurteilung im
Puppentorso-Verfahren im Jahr 2007 – Er-
lass eines Vollstreckungshaftbefehls und
Suchmaßnahmen
1. Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungs-
verjährung
Bezüglich der Verurteilung Uwe Böhnhardts im sog.
„Puppentorso“-Verfahren zu einer Jugendstrafe von zwei
Jahren und drei Monaten trat zehn Jahre nach Rechtskraft
des Urteils, mithin am 10. Dezember 2007, gemäß § 79
Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 6 StGB Vollstre-
ckungsverjährung ein.
4259
Bis zu diesem Tag hätte die
Möglichkeit bestanden, ihn bei Antreffen festzunehmen
und die ausgeurteilte Strafe zu vollstrecken.
2. Möglichkeit eines Haftbefehls während des
Strafverfahrens gemäß § 112 StPO
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen, die zu
einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, sich selbst der
Strafvollstreckung stellen, nachdem sie nach Rechtskraft
des Urteils zur Vollstreckung der Strafe durch die Justiz-
vollzugsanstalt geladen werden. Wenn Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass der Verurteilte flüchten wird, kann
jedoch auch schon zuvor ein Haftbefehl gemäß § 112
StPO erlassen werden, beispielsweise mit Verkündung
des Urteils oder auch schon zuvor. Gegen Uwe Böhnhardt
war im Moment der Verurteilung im Puppentorso-
Verfahren am 16. Oktober 1997
4260
kein Haftbefehl bean-
tragt worden und das Landgericht Gera hatte auch nicht
von sich aus einen Haftbefehl erlassen, wohl vor dem
Hintergrund, dass Böhnhardt zu sämtlichen Gerichtsver-
handlungen freiwillig erschienen war. Auch bei der in
erster Instanz erfolgten Verurteilung durch das Amtsge-
richt Jena, als noch eine Jugendstrafe von drei Jahren und
4257) Vermerk des LKA Thüringen vom 10. Oktober 1997, MAT A
TH-2/6, Bl. 200 ff.
4258) MAT A TH-2/11, Bl. 1919.
4259) Zur Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Gera im Puppen-
torso-Verfahren siehe oben B. I. 2. m).
4260) Urteil des Landgerichts Gera vom 16. Oktober 1997, MAT A
TH-2/4, Bl. 830 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 483 – Drucksache 17/14600
sechs Monaten verhängt worden war,
4261
war kein Haftbe-
fehl ergangen oder beantragt worden.
3. Möglichkeit eines Vollstreckungshaftbe-
fehls gemäß § 457 StPO
Eine weitere gesetzliche Möglichkeit zum Erlass eines
Haftbefehls sieht § 457 StPO vor. Ein solcher sog. Voll-
streckungshaftbefehl kann durch die für die Vollstreckung
der Strafe zuständige Stelle erlassen werden, wenn eine
rechtskräftig verurteilte Person der Ladung zum Strafan-
tritt nicht folgt oder er ansonsten der Flucht verdächtig ist.
Vor diesem Hintergrund erging am 12. Mai 1998 zur
Vollstreckung der ausgeurteilten Strafe ein Vollstre-
ckungshaftbefehl gegen Uwe Böhnhardt,
4262
nachdem
dieser der Ladung zum Antritt der Strafe vom 18. März
1998, die ihm am 25. März durch Übergabe an seine
Mutter zugestellt worden war,
4263
nicht gefolgt war.
Der Zeuge Schultz hat im Hinblick auf die Möglichkeit
einer Festnahme des Böhnhardt vor dem 26. Januar 1998
bekundet:
„Der Böhnhardt war in diesem anderen Verfahren,
in dem er zwei Jahre und drei Monate gekriegt hat,
bislang nicht flüchtig. Die Taten, die dort abgeur-
teilt worden waren, lagen alle schon länger zurück.
Er ist zur Hauptverhandlung der ersten Instanz ins
Amtsgericht Jena gekommen. Er ist zur Beru-
fungshauptverhandlung - ich glaube, die war im
Oktober - im Landgericht Gera erschienen. Er hat-
te keine Anstalten gemacht zur Flucht. Deshalb
konnte in diesem Verfahren ein Haftbefehl nicht
ergehen. Ein Vollstreckungshaftbefehl nach § 457
der Strafprozessordnung erfordert eine Flucht. Er
lebte damals in Jena, er lebte bei seiner Familie in,
sagen wir mal, trotzdem geordneten sozialen Ver-
hältnissen. Er hatte keine Anstalten zur Flucht ge-
troffen. Ich konnte ihn also vorher nicht festneh-
men.“4264
4. Fahndungsmaßnahmen auf Grundlage des
Vollstreckungshaftbefehls nach dem
23. Juni 2003
Weder im Zeitraum nach dem 23. Juni 2003 noch zuvor
lassen sich aus den Böhnhardt betreffenden Vollstre-
ckungsakten des Puppentorso-Verfahrens intensivere
Fahndungsanstrengungen entnehmen. Am 9. Juli 2004
wurde die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Strafe
von dem ursprünglich wegen der Vollstreckung einer
Jugendstrafe zuständigen Jugendrichter gemäß § 85
Abs. 6 Jugendgerichtsgesetz auf die Staatsanwaltschaft
4261) Urteil des Amtsgerichts Jena vom 21. April 1997, MAT A TH-
2/4, Bl. 747 ff.
4262) Ladung zum Strafantritt vom 18. März 1998, MAT A TH-2/5,
Bl. 25.
4263) Postzustellungsurkunde vom 25. März 1998, MAT A TH-2/5,
Bl. 27.
4264) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 14.
Gera übertragen.
4265
Nach Eingang der Akten dort erfolg-
te die Ausschreibung zur Fahndung und im Januar 2006
erging schließlich ein Europäischer Haftbefehl.
4266
Ver-
mutlich vor dem Hintergrund fehlender Ausfertigungen
des ursprünglichen Vollstreckungshaftbefehls vom 12.
Mai 1998, die für die Durchführung der weiteren Fahn-
dung benötigt wurden, erging am 9. Februar 2006 erneut
Vollstreckungshaftbefehl gegen Böhnhardt.
4267
Nach Eintritt der Vollstreckungsverjährung wurden die
Akten schließlich mit Verfügung vom 12. Januar 2008
weggelegt.
4268
XII. Erkenntnisse staatlicher Stellen in Sach-
sen von 2005 bis 2008
1. Polizeiliche Ermittlungen zu einem Was-
serschaden in der Polenzstraße 2 in Zwi-
ckau am 7. Dezember 2006
Der Ausschuss hat sich mit einem Vorgang von Ende
2006/Anfang 2007 befasst, der zur Entdeckung des unter-
getauchten Trios hätte führen können. Das Trio wohnte zu
dieser Zeit in einer Erdgeschosswohnung in der Polenz-
straße 2 in Zwickau unter dem Namen „D.“.
Nach der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Zwi-
ckau, Az.: 223 Js 2227/07, ergibt sich folgender Sachver-
halt:
Am 7. Dezember 2006 um 17.18 Uhr zeigte Martin F. bei
dem Polizeirevier Zwickau-West an, dass an diesem Tag
eine unbekannte Person in seiner Wohnung im 1. Stock
des Gebäudes Polenzstraße 2 in Zwickau während seiner
Abwesenheit die Wasserhähne aufgedreht habe, sodass
ein Wasserschaden in der Wohnung und am Haus ent-
standen sei. Er wohne mittlerweile in der Döhnerstraße,
die alte Wohnung habe er zum 15. Dezember 2006 ge-
kündigt, sie sei jedoch noch nicht vollständig geräumt
gewesen. Er vermute, dass der 15-jährige Nachbarsjunge
Patrick K. dies verursacht habe, da außer ihm und seinen
Familienangehörigen nur die Familie K. einen Schlüssel
zur Wohnung habe.
4269
Die Polizei nahm daraufhin die Ermittlungen wegen
Sachbeschädigung auf und vernahm Patrick K. am nächs-
ten Tag als Zeugen. Er gab an:
„Am gestrigen Tag, 07.12, gegen 14:00 Uhr klin-
gelte an der Wohnungstür der Freund der Lisa, die
im Erdgeschoss wohnt. Den Namen des Freundes
kenne ich nicht. Die sagten zu mir, dass in der ge-
4265) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 9. Juli 2004, MAT A
TH-2/5, Bl. 49.
4266) Europäischer Haftbefehl vom 16. Januar 2006, MAT A TH-2/5,
Bl. 47 ff.
4267) Vollstreckungshaftbefehl vom 9. Februar 2006, MAT A TH-
2/5, Bl. 82.
4268) Verfügung vom 17. Januar 2008, MAT A TH-2/5, Bl. 104.
4269) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Martin F. vom
7. Dezember 2006, MAT A SN-9, Bl. 11 ff.
Drucksache 17/14600 – 484 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
genüberliegenden Wohnung des F. Wasser laufen
soll. Sie beauftragten mich, zu der Familie F. zu
gehen, die umgezogen war und jetzt auf der Dö-
nerstraße [Schreibweise wie im Protokoll] wohnt.
[…]
Die Lisa bat mich, doch die Familie wiederherzu-
holen oder bzw. den Schlüssel zu holen, damit wir
in der jetzt leer stehenden Wohnung mal nach-
schauen könnten. Da fiel mir ein, dass meine Mut-
ter ja eigentlich den Schlüssel der Familie F. be-
kommen hat, da wir noch selbst Sachen in der
Wohnung der F.'s haben und die dort jederzeit hät-
ten rausholen können.
Ich holte den Schlüssel, schloss auf und begab
mich in die Wohnung. Nach dem Öffnen der
Wohnung betrat ich diese zuerst und der Freund
der Lisa und sein Kollege folgten mir. Ich begab
mich in die dortige Küche und sah, dass ein Was-
serhahn voll aufgedreht war. Den Wasserhahn
drehte ich zu und damit war die Sache erledigt. Li-
sas Freund bat mich, dass ich jetzt doch den Herrn
F. herholen soll, damit er den Schaden begutachten
kann. Ich begab mich dann zu F.'s und da der Herr
F. auf Arbeit war, holte ich Frau F. her. Sie begab
sich mit in die Wohnung. Als Frau F. eintraf, be-
fanden sich ich, die Frau F., die Lisa, ihr Freund
und dessen Kollege in der Wohnung. Bis zu dieser
Zeit hatten Lisa, ihr Freund und der Kollege be-
reits schon alles aufgewischt. Sie benutzten diverse
Handtücher und Bettlaken. Für mich erschien die
Wohnung wieder halbwegs abgetrocknet.“4270
Ebenfalls am 8. Dezember 2006 wollten zwei Polizeibe-
amte den Schaden in der Wohnung der „Fam. D.“ besich-
tigen. Dies gelang ihnen jedoch nicht, „da die Familie
nicht zu Hause war“.4271
Die Polizeidirektion Südwestsachsen lud die von Patrick
K. erwähnte „Lisa D.“ vor. Da sie jedoch nicht zu ihrer
Vernehmung am 9. Januar 2007 erschien, versuchte die
Polizei erfolglos ihre Telefonnummer durch öffentliche
sowie polizeiliche Systeme zu ermitteln. Hierbei stellte
sich heraus, dass eine „Lisa D.“ nicht verzeichnet war.4272
Daraufhin erkundigte sich die Polizei beim Einwohner-
meldeamt in Zwickau. Die Auskunft ergab, dass eine Frau
„Lisa D.“ dort nicht bekannt war. In der Polenzstraße 2
war jedoch eine Person namens Matthias D. gemeldet. In
dem Vermerk heißt es weiter:
„Durch Unterzeichner wurde in der Folge das
Wohnhaus aufgesucht. Dort wurde in der Woh-
nung D. Frau Susann E., geb. […] angetroffen.
Auf Befragen hin gibt sie an, dass sie den Spitz-
namen Lise hat und daher für manche Leute als Li-
sa D. gehalten wird. Matthias D. ist ihr Bekannter,
4270) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Patrick K. vom
8. Dezember 2006, MAT A SN-9, Bl. 15 ff.
4271) Vermerk vom 8. Dezember 2006, MAT A SN-9, Bl. 20.
4272) Vermerk vom 9. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 23.
er ist aber als LKW-Fahrer beruflich unterwegs.
Frau E. wurde erklärt, dass sich eine Zeugenver-
nehmung wegen der Sachbeschädigung erforder-
lich macht. Da sie gleich vor Ort dazu nicht bereit
war, wurde mit ihr ein Termin am 11.01.2007,
06:30 Uhr, in der Dienststelle vereinbart.
4273
Am 9. Januar 2007 vernahm die Polizei außerdem den
Zeugen Martin F. erneut. Zu möglichen Zeugen befragt
nannte er:
„Die Lisa, die unter uns wohnt. Sie müsste D. hei-
ßen. Das habe ich über meinen Bruder und meine
Frau erfahren. Die Lisa hätte es ihnen erzählt. Mir
selber hat sie es nicht erzählt. Sie hatte am Tag mit
dem Wasserschaden vormittags Fußtritte bei uns in
der Wohnung gehört. Wir können es nicht gewe-
sen ein.“
Außerdem zeigte er an, dass aus der Wohnung verschie-
dene Gegenstände entwendet worden seien.
4274
Am 11. Januar 2007 um 6.35 Uhr vernahm derselbe Poli-
zeibeamte, der bereits am 9. Januar 2007 Kontakt zu „Li-
sa D. bzw. Susann E.“ hatte, diese Person. Sie gab sich
erneut als Susann E. aus und wies sich laut Protokoll
durch einen Personalausweis aus. Sie erklärte:
„Normalerweise wohne ich mit meinem Mann An-
dré Eminger in Zwickau, Dortmunder Str. 12. Wir
halten uns aber hin und wieder in der Wohnung
unseres Kumpels Mathias D. auf. Er ist Lkw-
Fahrer und im Fernverkehr tätig, daher ist er tags-
über viel unterwegs. Wir kümmern uns in seiner
Wohnung um seine Katzen. lm Haus sind mir die
Familien K. und auch F. ziemlich gut bekannt. Ich
hatte bisher aber immer den Eindruck, dass sie gut
zusammengehalten haben. Sie haben in den Som-
mermonaten viel zusammen gefeiert, und ich weiß,
dass sie gegenseitig auch die Wohnungsschlüssel
in Besitz hatten. So, wie ich es mitbekam, sind sie
gegenseitig in der Wohnung ein und aus gegangen.
Dass es irgendwelche Anfeindungen unter den
beiden Familien gab, habe ich am Anfang nicht
mitbekommen, erst nach dieser Sache mit dem
Wasserschaden.
An dem Tag, als dieser Wasserschaden passiert ist,
es müsste ein Donnerstag gewesen sein, war ich
vormittags unterwegs. Ich denke, ich habe gegen
8:00 oder 9:00 Uhr früh die Wohnung zum Ein-
kaufen verlassen und kam irgendwann am frühen
Nachmittag zurück. Als ich zurück kam, war eine
Aufregung im Haus. Als ich in die Wohnung kam,
standen bei uns im Bad Eimer. Ich sah, dass oben
von der Decke Wasser herunter tropfte. Dann ging
ich in die 1. Etage. Dort war die Wohnung der
Familie F. geöffnet. In der Wohnung waren mein
Ehemann, der Sohn der Familie K. und die Tochter
4273) Vermerk vom 9. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 24.
4274) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Martin F. vom
9. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 25 ff., 27.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 485 – Drucksache 17/14600
sowie die Freundin des jungen K. Ich kann die
Vornamen bzw. die genauen Namen nicht benen-
nen. Sie waren damit beschäftigt Wasser aufzuwi-
schen. So, wie sie es mir erzählten, war die Hälfte
schon weggewischt. Ich ging dann sofort zum
Hausmeister. […] Er wohnt zwei Eingänge weiter,
ich schätze, es ist die Polenzstr. 6. Ich sagte ihm,
was passiert ist, und er kam mit mir zurück in die
Polenzstr. 2. Seine Tochter hat uns ebenfalls be-
gleitet. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen
Frage: Aus Vernehmungen geht hervor, dass Sie
sich am Vormittag dieses 07.12.06 in Ihrer Woh-
nung aufgehalten haben. Von Ihrer Wohnung aus
hätten Sie Geräusche in der oberen Wohnung
wahrgenommen. Damit ist die Wohnung der Fami-
lie F. gemeint. Was können Sie dazu sagen?
Antwort: Das kann so nicht stimmen. Ich weiß
nicht, wer zu dieser Behauptung kommt. Ich war
an dem Vormittag in der Stadt unterwegs. Ich höre
auch das erste Mal davon. Mein Mann war jedoch
zu Hause gewesen, vielleicht kann er mehr dazu
sagen. Ich kann aber sagen, dass man Geräusche in
der oberen Wohnung sehr stark hört. Es handelt
sich um einen Altbau, der teilweise saniert ist.
Durch die Zimmerdecken hört man jegliche Ge-
räusche, damit meine ich Laufgeräusche, Musik,
teilweise auch lauter geführte Gespräche. […]
Frage: Ist Ihnen ein Schaden an Ihrer Wohnung
bzw. Ihren persönlichen Gegenständen entstanden?
Antwort: Nein, wir selber hatten an unseren per-
sönlichen Sachen keinen Schaden. Ich muss dazu
sagen, dass es bereits vorher einen Wasserschaden
gab. Aus diesem Grund haben wir Badmöbel aus
Metall, also aus wasserfesten Teilen, gekauft. Der
Schaden, der an der Wohnung entstanden ist, ist
eigentlich dem Vermieter entstanden. Dieser ist
mittlerweile behoben. Wir hatten lediglich die Un-
annehmlichkeiten. Mehr kann ich dazu nicht sa-
gen.
Ende der Vernehmung: 6:50 Uhr“4275
Am selben Tag um 6.53 Uhr, also direkt nach dieser Ver-
nehmung von „Susann E.“, vernahm derselbe Polizeibe-
amte eine Person, die sich als André Eminger bezeichnete
und freiwillig, das heißt ohne Vorladung, erschien. Diese
Person wies sich laut Protokoll durch einen Personalaus-
weis aus und erklärte:
„Zusammen mit meiner Frau wohne ich norma-
lerweise in Zwickau in der Dortmunder Str.12.
Meine Frau ist die Susann E. Hin und wieder hal-
ten wir uns in der Wohnung unseres Kumpels Ma-
thias D. auf. Unser Kumpel ist seit etwa einem
halben bis einem Dreivierteljahr Fernfahrer und
4275) Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Susann E. vom
7. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 30 ff.
daher viel unterwegs. Seit dieser Zeit sind wir auch
hin und wieder in seiner Wohnung.
An den Tag mit diesem Wasserschaden kann ich
mich noch recht gut erinnern. Ich kann jedoch das
Datum nicht mehr benennen. Ich weiß aber, dass
ich am Vormittag gegen 8:00 oder 9:00 Uhr in das
Büro meiner Firma gegangen bin. Ich selber habe
die Fa. […]. Ich beschäftige mich mit Mediendigi-
talisierung und Webdesign. Irgendwann gegen
Mittag oder kurz nach Mittag bin ich zum Mathias
in die Wohnung zurückgefahren. Ich war etwa 10
Minuten dort in der Wohnung und wollte auf Toi-
lette gehen. Dabei bemerkte ich, dass bei uns im
Bad das Wasser von der Decke lief. Damit meine
ich das Bad vom Mathias. Zu diesem Zeltpunkt
war meine Frau auch nicht da.
Ich ging sofort in die obere Wohnung und klingel-
te. Es hat aber niemand geöffnet. Durch die ge-
schlossene Wohnungstür hörte ich ein Zischen
oder Rauschen. Daraufhin klingelte ich bei den
Nachbarn der gegenüberliegenden Wohnung. Ich
kann nicht sagen, wie diese Leute heißen. Im All-
gemeinen kümmere ich mich nicht besonders um
die Hausleute. Ich bin nicht so ein geselliger Typ.
Es öffnete mir der Sohn von dieser Familie. Es ist
ein etwa 16- bis 17jähriger Jugendlicher. Ich fragte
ihn nach der Telefonnummer von den Mietern der
Nachbarwohnung oder ob er Kontakt zu diesen
hat. Daraufhin antwortete er, dass er einen Schlüs-
sel für diese Wohnung hat. Er holte den Schlüssel
und öffnete in meinem Beisein die Wohnungstür
der Nachbarwohnung. Er selber ging allein in die
Wohnung. Wir waren zu dem Zeitpunkt nur zu
zweit. Ich blieb kurz vor der Wohnung stehen.
Kurz nachdem er in die Wohnung ging, hörte ich,
wie es aufhörte zu rauschen. Dann kam seine
Freundin dazu. Auch hier kann ich nicht sagen,
wie sie heißt. Sie ging ebenfalls in die Wohnung
und ich folgte ihr. In der Wohnung sah ich, wie der
Flur, die Küche und das zweite Zimmer von links -
ich vermute, es war ein Gästezimmer – wasser-
überflutet waren. Ich kann es nicht mehr genau
einschätzen, aber ich denke, in der Kirche stand
das Wasser 1 bis 2 cm hoch. Ich ging zurück in
unsere Wohnung, ich meine die Wohnung vom
Mathias. Dort stellte ich im Bad erst einmal einen
Eimer unter die Lampe, weil es dort herunter tropf-
te. Dann nahm ich mir einen weiteren Eimer und
irgendwelche Lappen. Ich ging wieder hinauf in
die andere Wohnung. Dort haben wir dann ange-
fangen das Wasser aufzuwischen. Als ich wieder
in die obere Wohnung zurückkam, waren auch
noch andere Leute mit dort. Aber auch hier kann
ich nicht sagen, wer das gewesen ist. Ich schätze,
wir haben etwa eine halbe oder eine Dreiviertel-
stunde lang Wasser aufgewischt. Dann kam ir-
gendwann meine Frau dazu. […]
Frage: Haben Sie am Vormittag des 07.12.06, be-
vor Sie in Ihre Firma gegangen sind, in der oberen
Drucksache 17/14600 – 486 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wohnung Geräusche mitbekommen, dass sich dort
jemand aufhält?
Antwort: Nein. Ich bin direkt von meiner richtigen
Hauptwohnung Dortmunder Str. 12 aus in das Bü-
ro gefahren. Von dort aus bin ich nach dem Mittag
oder um die Mittagszeit in die Wohnung Polenzstr.
2 gefahren.
Frage: Ist an Ihren persönlichen Sachen ein Scha-
den entstanden?
Antwort: Nein, bei uns nicht. Mehr kann ich zur
Sache eigentlich nicht sagen.
Ende der Vernehmung: 7:15 Uhr“4276
Martin F. wurde am 17. Januar 2007 zu den Widersprü-
chen zwischen seiner Aussage vom 9. Januar 2007 und
derjenigen von Susann E. vernommen. In dem Protokoll
heißt es:
„In Ihrer Vernehmung vom 07.12.2006 gaben sie
an, dass ihnen Frau D. erzählte, sie hätte in Ihrer
Wohnung an dem Vormittag gehört wie jemand
die Tür aufgeschlossen und die Wohnung betreten
hat. Der richtige Name von der Frau Lisa D. ist
Susann E. Sie gab in ihrer Vernehmung an, dass
sie an dem Vormittag des 07.12.2006 nicht in der
Wohnung war. Was können Sie dazu sagen?
Antwort: Dann sagt sie die Unwahrheit. Sie hat
mir an dem 07.12.2006, als ich nach dem Wasser-
schaden im Haus war, erzählt, dass sie die Geräu-
sche gehört hat. Das war im Treppenhaus auf der
Etage wo wir gewohnt haben. Es standen noch et-
liche andere Leute im Haus die das auch gehört
haben könnten. Unser Hausmeister […] stand un-
mittelbar mit dabei. Er müsste es mitbekommen
haben wie die Frau E. mir das erzählte.“4277
Eine Vernehmung der Freundin des Patrick K., Jennifer,
findet sich nicht in der Akte. Auch der von Patrick K.
erwähnte „Kollege des Freundes von Lisa“ wurde von der
Polizei nicht ermittelt.
Auffällig bei den Vernehmungen der sich als Ehepaar E.
ausgebenden Personen waren folgende Punkte:
Während sich „André Eminger“ immer wieder korrigierte,
wenn er die Wohnung des Matthias D. als „unsere Woh-
nung“ bezeichnete, sprach „Susann E.“ durchgehend von
„unserer Wohnung“. Sie will dort auch übernachtet ha-
ben, bevor sie die Wohnung zum Einkaufen verließ und
anschließend wieder zurückkehrte. Demgegenüber sagte
„ihr Mann André Eminger“ zunächst aus, er sei von der
Arbeit in die Wohnung „zurückgefahren“; später gab er
allerdings an, er sei von seiner „Hauptwohnung“ in der
Dortmunder Straße zur Arbeit gefahren, habe also die
Nacht nicht in der Wohnung des Matthias D. verbracht.
4276) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen André Eminger
vom 7. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 34 ff.
4277) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Martin F. vom
15. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 70 f.
Schließlich sprachen beide davon, dass ihnen kein Scha-
den an ihren persönlichen Sachen entstanden sei, „Susann
E.“ erläuterte dies noch, indem sie auf die Anschaffung
von Badmöbeln aus Metall hinwies.
In der Akte finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass
die Polizei diese Widersprüche hinterfragt hätte.
Die Staatsanwaltschaft Zwickau stellte mit Verfügung
vom 27. Juli 2007 das Ermittlungsverfahren gegen Pat-
rick K. wegen Diebstahls u. a. nach § 170 Abs. 2 StPO
ein. In der Abschlussverfügung heißt es, es habe kein
Nachweis erbracht werden können, dass der Beschuldigte
sich zur Tatzeit tatsächlich in der Wohnung F. aufgehal-
ten habe.
4278
2. Operation „Grubenlampe“ des LfV Sach-
sen
Nach Aussage des Zeugen Vahrenhold, des damaligen
Präsidenten des LfV Sachsen erfolgte in dieser Zeit eine
Observation des André Eminger durch das LfV Sachsen
unter der Bezeichnung Operation „Grubenlampe“.4279
Im Operationsauftrag des LfV Sachsen vom 19. Oktober
2006 heißt es:
„Die ZP [Zielperson] war Mitglied der mittlerwei-
le inaktiven Kameradschaft ‚Weiße Bruderschaft
Erzgebirge’ und vielfacher Teilnehmer an
Skinheadkonzerten und sonstigen rechtsextremisti-
schen Szene- (typischen) Veranstaltungen, auch
überregional sowie international. Diese Aktivitäten
beschränkten sich auf einen Zeitraum zwischen
1998 und 2003.
Im Juni 2006 gelangte das BfV (Außenstelle Ber-
lin) zu der Erkenntnis, dass die ZP die Absicht ha-
ben soll, in Zwickau eine neue Kameradschaft zu
gründen.“4280
Ziel der Maßnahme war, ein Bewegungsbild von André
Eminger zu erstellen und dabei seine Kontakte zu Ange-
hörigen der rechtsextremistischen Szene sowie die Teil-
nahme an Szeneaktivitäten zu dokumentieren.
4281
Die Observation des André Eminger wurde vom 5. bis
8. Dezember 2006 durchgeführt. Am 7. Dezember 2006,
dem Tag des Wasserschadens in der Polenzstraße, begann
die Observation um 12 Uhr am Wohnort des André Emin-
ger in Zwickau, Dortmunder Straße 12, und dauerte bis
20.30 Uhr. Dem Observationsbericht zufolge verließ
André Eminger um 14.49 Uhr seine Wohnung und fuhr
4278) Verfügung der Staatsanwaltschaft Zwickau, MAT A SN-9,
Bl. 145 ff.
4279) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 71.
4280) MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).
4281) Observationsauftrag des LfV Sachsen vom 19. Oktober 2006,
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 487 – Drucksache 17/14600
mit dem PKW zur Arbeitsstelle, die er um 17.05 Uhr
wieder verließ.
4282
Die „Auswertung“ vermerkte auf dem Observationsbe-
richt, dass einschlägige, zur ZP vorliegende Informatio-
nen mittels der Observation nicht bestätigt werden konn-
ten.
4283
Den Unterlagen des LfV Sachsen zu André Eminger kann
darüber hinaus entnommen werden, dass Mitarbeiter des
LfV Sachsen mit dem Leiter des Staatssschutzes der Poli-
zeidirektion Südwestsachsen, Herrn Andrä, und dessen
Stellvertreter am 2. November 2006 einen „Erkenntnis-
austausch“ durchführten. Thema war u. a. André Eminger.
Die Polizei schätzte, dass André Eminger innerhalb der
rechtsextremistischen Szene in der Region eine herausge-
hobene Stellung innehabe. Das LfV Sachsen teilte diese
Auffassung. Die seit dem 19. Oktober 2006 beabsichtigte
Observation des André Eminger für Anfang Dezember
2006 wurde während der Besprechung vom 2. November
2006 nicht erörtert.
4284
3. Staatsschutz-Erkenntnisse der PD Zwickau
Der Zeuge Andrä war bei der für Zwickau zuständigen
Polizeidirektion Südwestsachsen von 2005 bis 2008 Lei-
ter des Dezernats Staatsschutz. Er hat ausgesagt:
„Ein paar statistische Eckdaten: Hinsichtlich der
von uns zu bearbeitenden Ermittlungsverfahren im
Phänomenbereich ‚politisch motivierte Kriminali-
tät – rechts’ hielten wir im relevanten Zeitraum im
Vergleich innerhalb Sachsens keine hervorgeho-
bene Rolle inne. Straftaten, die von gefestigten,
rechts motivierten Gruppierungen begangen wur-
den, wie das Verfahren gegen ‚Sturm 34’, waren in
diesem Zeitraum durch uns nicht zu bearbeiten.
Trotzdem war politisch motivierte Kriminalität –
rechts Bearbeitungsschwerpunkt, so zum Beispiel
im Jahre 2005 waren dies insgesamt 265 Strafta-
ten, wohingegen ganze fünf Straftaten des Phä-
nomenbereichs politisch motivierte Kriminalität –
links zu bearbeiten waren. Diese Tendenz setzte
sich über die Jahre fort. […]
In den knapp vier Jahren, die ich als Leiter dieses
Dezernates in Zwickau gearbeitet habe, sind die
drei Personen des Trios in keiner Hinsicht und
auch im Übrigen nicht durch politisch motivierte
Straftaten aufgefallen. Auch lagen uns keinerlei
Fahndungsersuchen bzw. Hinweise auf den ver-
meintlichen Wohnort Zwickau vor.
4282) Observationsbericht des LfV Sachsen vom 12. Dezember 2006,
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).
4283) Observationsbericht des LfV Sachsen vom 12. Dezember 2006,
MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).
4284) Vermerk des LfV Sachsen vom 3. November 2006, MAT A
SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03 (unpaginiert).
Warum wurden die Täter nicht gefasst? Diese Fra-
ge stellt sich sicherlich jeder Polizist, nicht nur in
Zwickau. Für einen Kriminalisten wie mich ist
diese Tatsache tatsächlich ein harter Knochen. Wie
schon erwähnt, sind diese Personen zu keinem
Zweitpunkt auf unserem Schirm aufgetaucht. Auch
lagen die meisten Taten außerhalb unseres Zustän-
digkeitsbereiches bzw. gab es keine Hinweise auf
einen Zusammenhang der durch das Trio begange-
nen Taten. So, wie sich der Sachverhalt heute dar-
stellt, obwohl das Trio in Zwickau lebte, haben
sich die Täter offensichtlich aus politischen Aktio-
nen der regionalen Szene ferngehalten.“4285
Die Organisation „Blood & Honour“ habe in Zwickau
keine Rolle gespielt.
4286
Der polizeiliche Staatsschutz habe zu keinem Zeitpunkt
Informanten in der rechten Szene geführt. In Sachsen sei
im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes das Führen
von Vertrauenspersonen bzw. Informanten „in der Form“
nicht zulässig. Ob das LfV Sachsen Vertrauenspersonen
in Zwickau geführt habe, wisse er nicht.
4287
An den Ermittlungen zur Aufklärung der Banküberfälle in
Zwickau sei der polizeiliche Staatsschutz nicht beteiligt
gewesen.
4288
XIII. Erkenntnisse des BKA aus der Sicherstel-
lung von Tonbändern im Jahr 2007
Der vom Ausschuss eingesetzte Ermittlungsbeauftragte
Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg hat im Zuge der Aus-
wertung der BKA-Akten einen Vorgang festgestellt, der
Erkenntnisse des BKA zum Trio aus den Jahren 2007 bis
2009 zum Gegenstand hat. Das BKA hat hierzu versi-
chert, dass der Ermittlungsbeauftragte dem BKA hierbei
zuvorgekommen sei; das BKA wäre auch ohne die Hin-
weise des Ermittlungsbeauftragten auf diesen Vorgang
aufmerksam geworden.
4289
Bei dem Vorgang handelt es sich um ein Ermittlungsver-
fahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen
Thorsten Heise wegen des Verdachts der Volksverhet-
zung. Am 30. Oktober 2007 durchsuchte das BKA das
Anwesen von Thorsten Heise in Thüringen. Ziel der
Durchsuchungsmaßnahme war das Auffinden von Be-
weismitteln, um Hinweise auf die Beteiligung des Thors-
ten Heise an der Produktion und dem Vertrieb strafrecht-
lich relevanter rechtsextremistischer Tonträger zu erlan-
gen. Dabei wurden im Büro u. a. drei Kassetten für ein
Diktiergerät sichergestellt.
4290
4285) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 75 ff.
4286) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 89.
4287) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 79.
4288) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 88.
4289) Germano, Protokoll-Nr. 65, S. 102 f.
4290) Vermerk des BKA vom 4. Mai 2009, MAT A BKA-2/46, Bl.
114.
Drucksache 17/14600 – 488 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Zeugin EKHK´in Baumert, BKA, hat ausgesagt, dass
sie an der Durchsuchung beteiligt gewesen sei.
4291
Die
Führung dieses Verfahrens habe sie erst im September
2008 übernommen.
4292
Ziel des Verfahrens sei es gewe-
sen, den Weg von rechtsextremen CDs nachzuverfolgen,
von der Pressung in Australien über die Lieferung nach
Dänemark und nach Deutschland. Außerdem sollten die
Verantwortlichen ermittelt werden.
4293
Als erstes seien die Zufallsfunde (2 100 CDs und Waffen)
abgearbeitet worden. Von Dezember 2007 bis Mitte 2008
seien Zeugen vernommen worden.
4294
Die sichergestellten Diktierkassetten wurden erst im Mai
2009 ausgewertet. Der Auswertungsvermerk vom 4. Mai
2009 stellt fest, dass es sich beim Inhalt der Diktierkasset-
ten Nr. 1 und Nr. 2 um Mitschnitte von Gesprächen des
Thorsten Heise mit zwei weiteren Personen handelt. Der
Hauptgesprächspartner des Thorsten Heise wurde als Tino
Brandt identifiziert. In einer Anlage zum Vermerk vom
4. Mai 2009 wurden die im Gespräch erwähnten Namen
aufgelistet. Darunter waren folgende Namen:
„Beate SCHÄFER (oder) SCHÄDLER (phon.)
Uwe (oder) Udo MUNDLOS (phon.)
Udo BÖHMER (phon.)“
Zu diesen Personen heißt es:
„(letztgenannten 3 Personen seien verschwun-
den)“4295
Der Vermerk vom 4. Mai 2009 schließt mit dem Satz:
„Eine unmittelbare Verfahrensrelevanz ist nicht er-
sichtlich.“4296
Der Ausschuss hat hinterfragt, warum die Auswertung der
Kassetten erst nach mehr als eineinhalb Jahren erfolgt ist.
Die Zeugin Baumert hat hierzu ausgesagt, dass andere
Verfahren priorisiert worden seien. Die Asservate seien
nur dann ausgewertet worden, wenn Zeit gewesen sei.
Jeder, der gerade Zeit gehabt habe, habe sich ein Asservat
genommen. Es sei hinzugekommen, dass zu dem Zeit-
punkt schon festgestanden habe, dass bei dem Verfahren
selbst wohl keine Verurteilung zu erwarten sei. Andere
Verfahren seien deshalb vorgezogen worden.
4297
Auf die
Frage, ob sie den Zeitpunkt der Auswertung angemessen
finde, hat die Zeugin geantwortet:
„Ich hätte gern mehr Leute gehabt, die das machen
könnten. Dann wäre es wahrscheinlich auch
schneller gegangen.“4298
4291) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 90.
4292) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 93.
4293) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 90.
4294) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 92.
4295) MAT A BKA-2/46, Bl. 116.
4296) MAT A BKA-2/46, Bl. 115.
4297) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 94.
4298) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 95.
Sie seien insgesamt sieben Mitarbeiter gewesen, die sich
in diesem Zeitraum mit vier Verfahren gegen Thorsten
Heise sowie vier weiteren Verfahren in diesem Zusam-
menhang beschäftigt hätten.
4299
Die Auswertung sei von
einer Auswertekraft vorgenommen worden, die lediglich
habe aufschreiben sollen, was zu hören sei, insbesondere
ob der Gegenstand des Verfahrens (CD-Produktion und
-Vertrieb) betroffen sei. Die Auswertekraft sei keine Kri-
minalistin mit Kenntnissen im Phänomenbereich rechts-
extreme Kriminalität gewesen.
4300
Der Vermerk sei nicht an das LKA Thüringen gesteuert
worden, da das Asservat nicht als wichtig angesehen
worden sei.
4301
Es sei allerdings üblich, die Namen abzu-
fragen, sie sei sich jedoch nicht sicher, ob dies damals
geschehen sei.
4302
Das nunmehr im November 2012 erstellte Wortprotokoll
der Kassetten ergab, dass das aufgezeichnete Gespräch
am 20. Januar 2007 stattgefunden hat. Darüber hinaus
wurden folgende das Trio betreffende Passagen festge-
stellt, die im Vermerk vom 4. Mai 2009 nicht enthalten
sind:
Tino Brandt äußerte, das Trio habe in der Zwischenzeit
„andere Sachen machen müssen, um sich über Wasser zu
halten“, dadurch habe es neue Verjährungsfristen gege-
ben. Das LfV Thüringen habe in Bezug auf das Trio den
„Thüringer Heimatschutz“ für den legalen Arm einer
Terrorbewegung gehalten.
4303
Weiter thematisierte Tino
Brandt eine angebliche Sammlung für das Trio. Im Mai
2001 habe Tino Brandt das letzte Mal mit ihnen telefo-
niert. Danach habe Wohlleben als einziger Kontakt zum
Trio gehabt.
4304
Angesichts dieser nur teilweisen Auswertung der Kasset-
ten hat die Zeugin Baumert eingeräumt, die Auswertung
sei damals nicht angemessen erfolgt. Sie hat dies folgen-
dermaßen erklärt:
„Aber es ist einfach an das Verfahren angegliedert
worden, weil da nichts mehr zu holen war. Es
wurde halt nur noch zugesehen, dass die Verfah-
ren, die Asservate durchkamen. Wenn also noch
irgendwas gefunden worden wäre für unser Ver-
fahren, hätten wir es natürlich ausgewertet. […]
Ich hatte mein Verfahren, das ich irgendwie abar-
beiten muss, das ich also bearbeiten muss. Und ich
hatte andere Verfahren, die halt höherwertiger wa-
ren, die also aktueller waren. Wir hatten ja im Au-
gust halt tatsächlich in Dänemark die Festnahmen
gemacht und auch die Durchsuchung. Und da sa-
ßen jetzt Leutchen ein, da lief die Rechtshilfe, die
kam auch Anfang 2009, und da mussten wir halt
4299) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 100.
4300) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 97.
4301) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 101.
4302) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 111.
4303) Vermerk vom 21. November 2012, MAT A GBA-12, Bl. 30.
4304) Vermerk vom 21. November 2012, MAT A GBA-12, Bl. 53 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 489 – Drucksache 17/14600
zusehen, dass wir diese Asservate eher ausgewertet
kriegen.“4305
Es sei in ihrem Verfahren um CDs und nicht um eine
Terrorbewegung gegangen, weshalb sie im Rahmen ihres
Verfahrens „so gearbeitet habe“.4306
Die Zeugin hat außerdem ausgesagt, sie wisse auch nicht,
warum das BKA nicht gegen Thorsten Heise wegen der
Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201
StGB ermittelt worden sei, obwohl es nahegelegen ha-
be.
4307
Zur Erklärung hat sie angegeben, dass es in dem
Ausgangsverfahren um CDs gegangen sei. Ein neues
Verfahren hätte auch nicht weitergeholfen.
4308
Es sei nicht
um ein Personenverfahren gegen Thorsten Heise gegan-
gen.
4309
Die Kassette 3 enthielt laut dem Vermerk vom 4. Mai
2009 unter anderem die Aufzeichnung eines Gesprächs
zwischen Thorsten Heise und einem Danny/Daniel in
einem PKW. Der Vermerk hält fest, dass es in diesem
Gespräch um verschwundene Eintrittsgelder für ein Kon-
zert in Höhe von ca. 20 000 DM ging. Thorsten Heise
habe diese Summe von seinem Gesprächspartner ver-
langt.
4310
Auch diese Kassette wertete das BKA im November 2012
erneut aus. Danach habe zwar das genaue Datum des
Gesprächs nicht festgestellt werden können, die wieder-
holte Thematisierung von DM-Beträgen lasse allerdings
den Schluss zu, dass das Gespräch vor der Euro-
Einführung zum 1. Januar 2002 erfolgt sei. Neben den
bereits im Vermerk vom 4. Mai 2009 genannten ver-
schwundenen Eintrittsgeldern war bei dem aufgenomme-
nen Gespräch zwischen Thorsten Heise und Danny auch
von Geld „für den Kampf“ bzw. von der Beschaffung von
Waffen die Rede. Außerdem erwähnte Thorsten Heise
Gruppen im ganzen Bundesgebiet, die sich „reichlich mit
Waffen versorgen“.4311
Thorsten Heise gab hierzu im Rahmen einer Zeugenver-
nehmung vom 13. Dezember 2012 an, lediglich eine
Drohkulisse vorgespiegelt zu haben, um Daniel zur Rück-
zahlung der entwendeten Gelder zu bewegen.
4312
4305) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 98 f.
4306) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 99.
4307) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 95.
4308) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 109 f.
4309) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 113.
4310) MAT A BKA-2/46, Bl. 114.
4311) Auswertungsvermerk des BKA vom 27. November 2012, MAT
A GBA-12, Bl. 8 ff., 10.
4312) MAT A GBA-12, Bl. 129 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 491 – Drucksache 17/14600
F. Česká–Mordserie
I. Überblick
1. Mord an Enver Şimşek am 9. September
2000
Am 9. September 2000 wurde in Nürnberg Enver Şimşek
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-
mittlungen im Januar 2002 folgendes fest:
„Der 38jährige türkische Blumenhändler Enver
Şimşek wurde am 9. September 2000, in der Zeit
zwischen 12.45 bis 14.45 Uhr, an seinem mobilen
Blumenstand in Nürnberg, Liegnitzer Straße, mit 8
Schüssen niedergestreckt. Das Opfer wurde um
15.15 Uhr, im Laderaum seines für Blumentrans-
port benutzten Lieferwagens, einem Mercedes
‚Sprinter‘ aufgefunden und verstarb zwei Tage
später im Nürnberger Süd-Klinikum, ohne das
Bewusstsein wiedererlangt zu haben. […]
Insgesamt wurden zwei Projektile Kal. 6,35 mm
(eine Hülse) und vier Projektile Kal. 7,65 mm
(fünf Hülsen) aufgefunden.
Bei der Waffe des Kal. 7,65 mm handelt es sich
um eine Selbstladepistole Česká, Modell 83, Kal.
7,65 mm Browning. Der Waffenhersteller mit Kal.
6,35 mm konnte nicht festgestellt werden.
Aufgrund der bisherigen Ermittlungen und Aus-
wertung der Spuren ist davon auszugehen, dass
Enver Şimşek von zwei bewaffneten Tätern regel-
recht hingerichtet wurde. Şimşek muss sich dabei
im Laderaum seines Transporters aufgehalten ha-
ben, während die Täter aller Wahrscheinlichkeit
nach die Schüsse von außen stehend durch die ge-
öffnete Schiebetür abgaben.
Die Familie Şimşek betreibt im hessischen
Schlüchtern einen Blumengroßhandel, dem ein
Blumenfachgeschäft angegliedert ist. Dazu gehör-
ten noch drei mobile Blumenstände, ähnlich dem
in Nürnberg, die in Hessen bzw. im nordbayeri-
schen Raum betrieben wurden. […]
Nur dem Umstand, dass sich der Verkäufer des
Standes Nürnberg […] im Urlaub befand, ist es
zuzuschreiben, dass Şimşek zur fraglichen Zeit den
Stand dort bereits das dritte Wochenende aus-
hilfsweise betreute. Eine mögliche Verwechslung
wurde geprüft und wird mit hoher Wahrschein-
lichkeit ausgeschlossen.
Şimşek wurde von seinem persönlichen Umfeld
allgemein als liebevoller Vater und streng gläubi-
ger Moslem geschildert. Kontakte zu extrem reli-
giösen und politischen Gruppierungen sind nicht
bekannt geworden.“
4313
2. Mord an Abdurrahim Özüdoğru am
19. Januar 2001
Am 13. Juni 2001 wurde in Nürnberg Abdurrahim
Özüdoğru erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizei-
lichen Ermittlungen im Januar 2002 folgendes fest:
„Am 13. Juni 2001, gegen 21.30 Uhr, wurde
Özüdoğru mit zwei Kopfschüssen in dem unmit-
telbar an seine Wohnung angrenzenden Laden-
raum tot aufgefunden. […]
Bei der verwendeten Tatwaffe handelt es sich de-
finitiv um die Česká, Modell 83, Kal. 7.65 mm
Browning, die auch beim Mord z.N. Şimşek Ver-
wendung fand. Die beiden Hülsen wurden am Tat-
ort sichergestellt.
Abdurrahim Özüdoğru lebte seit über 20 Jahren
mit seiner Familie in Nürnberg. Genauso lange
war der 49-jährige Türke als Arbeiter bei der Fir-
ma D. […] angestellt.
Bis zu ihrer Scheidung im Jahre 1998 betrieben
das Opfer und seine Ehefrau eine Änderungs-
schneiderei, die jedoch so gut wie keinen Gewinn
abgeworfen hat. Trotzdem führte das Tatopfer
nach der Trennung von seiner Frau das Schneider-
geschäft nebenberuflich fort. […]
Von seinen Arbeitskollegen und Nachbarn wird
Özüdoğru als freundlicher, hilfsbereiter Mann ge-
schildert. Wohl war Özüdoğru bis vor wenigen
Jahren noch passives Mitglied der rechtsgerichte-
ten ‚Grauen Wölfe‘, ansonsten fiel er aber weder
wegen politischem noch religiösem Extremismus
auf. Glaubt man den Zeugenaussagen, dann ver-
brachte Özüdoğru den größten Teil seiner freien
Zeit zu Hause bzw. in seiner Schneiderei.“
4314
3. Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni
2001
Am 27. Juni 2001 wurde in Hamburg Süleyman Taşköprü
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-
mittlungen Folgendes fest:
4313) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 399 f.
4314) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 400 f.
Drucksache 17/14600 – 492 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Taşköprü betrieb in Hamburg einen Gemüsela-
den, den er wenige Monate vor der Tat von seinen
Eltern übernommen hatte.
Am Mittwoch 27.06.01, gegen 10.45 Uhr schickte
Taşköprü seinen Vater zum Einkaufen von Ware
weg. Als dieser gegen 11.15 Uhr wieder zurück-
kam, fand er seinen Sohn auf dem Fußboden des
Verkaufsraumes liegend mit einer stark blutenden
Kopfverletzung vor. Der Notarzt stellte wenig spä-
ter den Tod fest.
Bei den verwendeten Projektilen und Hülsen han-
delte es sich zweimal um das Kaliber 6,35 mm und
einmal um das Kaliber 7,65 mm (Anmerkung: Die
7,65 mm Hülse wurde nicht gefunden).
Taşköprü lebte unverheiratet mit einer deutschen
Frau zusammen, mit der er auch ein gemeinsames
3jähriges Kind hatte. Über religiöse und politische
Aktivitäten ist bei Taşköprü nichts bekannt.“4315
4. Mord an Habil Kılıç am 29. August 2001
Am 29. August 2001 wurde in München Habil Kılıç er-
schossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Ermitt-
lungen im Januar 2002 Folgendes fest:
„Der Inhaber eines Frischwarengeschäftes im
Münchner Stadtteil Ramersdorf wurde am Mitt-
woch, 29. August 2001, gegen 10.50 Uhr, von ei-
nem Postzusteller in seinem Laden, hinter der
Verkaufstheke, mit einer stark blutenden Kopfver-
letzung aufgefunden. Auch hier wurde wenige Mi-
nuten später vom Notarzt der Tod festgestellt.
Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung wur-
den zwei Einschüsse im Kopf […] festgestellt. Es
ergaben sich keine Hinweise für das Vorliegen
aufgesetzter Schüsse oder Nahschüsse.
Die zwei Projektile Kaliber 7,65 mm wurden bei
der Tatortaufnahme aufgefunden. Auffallend war,
dass diesmal überhaupt keine Patronenhülsen ge-
funden werden konnten, was darauf schließen
lässt, dass vom Schützen Vorkehrungen getroffen
wurden, um die ausgeworfenen Hülsen sofort auf-
fangen zu können.
Habil Kılıç war mit einer Türkin verheiratet: Beide
lebten schon seit mehreren Jahren in Deutschland.
[…]
Ehe Kılıç und seine Frau zu Beginn des Jahres
2000 den Frischwarenmarkt als selbständiges Ge-
werbe anmeldeten, arbeitete er zunächst bei ver-
schiedenen Reinigungsfirmen und dann bei mehre-
ren Speditionen im Großraum München. Zuletzt
arbeitete Kılıç in der Großmarkthalle München.
Diese Tätigkeit behielt er auch nach der Übernah-
me des eigenen Geschäftes weiterhin bei. […]
4315) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“, Stand: Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 402.
Bei Tatausführung befand Kılıç sich alleine im La-
dengeschäft. Er muss im Augenblick der Schuss-
abgabe hinter der Verkaufstheke gestanden sein.
Um freies Schussfeld zu haben, muss der Täter um
die Theke herumgegangen sein und ohne Vorwar-
nung in die linke Gesichtshälfte des Tatopfers ge-
schossen haben.“4316
5. Mord an Mehmet Turgut 25. Februar 2004
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen
Sicht der Ermittler
Am 25. Februar 2004 wurde in Rostock Mehmet Turgut
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-
mittlungen am 30. November 2005 Folgendes fest:
„Am 25. Februar 2004, gegen 10.20, Uhr traf Herr
Haydar A., Besitzer des Döner-Standes in Ros-
tock-Dierkow an seinem Verkaufsstand ein. Zu
diesem Zeitpunkt hätte sein Mitarbeiter Turgut be-
reits den Stand betreiben sollen.
Bei Betreten des Imbissstandes fand A. den Ge-
schädigten blutend auf dem Fußboden mit den
Beinen zur Eingangstür liegend vor. A. zog da-
raufhin den Geschädigten aus dem Stand heraus.
Der Zeuge B., ein Zulieferer, sowie der Zeuge H.
alarmierten per Handy gegen 10.20 Uhr die Ret-
tungsleitstelle. Trotz sofort eingeleiteter Reanima-
tionsversuche durch den Notarzt verstarb Turgut
gegen 11.10 Uhr noch am Tatort im Rettungswa-
gen. […]
Am Fußboden des Arbeitsraumes konnten insge-
samt drei Projektile mit Kaliber 7,65 gesichert
werden (das vierte Projektil wurde bei der Obduk-
tion im Kopf der Leiche festgestellt). Des weiteren
konnte im Imbissstand eine Patronenhülse in Kali-
ber 7,65 mm sichergestellt werden. […]
Nach den derzeitigen Erkenntnissen dürfte sich
Turgut am Tattag kurz vor 10.00 Uhr zum Döner-
Imbiss-Stand begeben und diesen betriebsbereit
gemacht haben. Gegen 10.00 Uhr hat er dann den
Stand für Kunden geöffnet. Zwischen 10.10 Uhr
und 10.20 Uhr haben dann der oder die Täter den
Imbissstand durch die unversperrte Seitentüre be-
treten und Turgut vermutlich unter Vorhalt der
Schusswaffe veranlasst sich auf den Boden zu le-
gen. Dann gab/en der/die Täter vier Schüsse auf
den rechten Kopfbereich des Opfers ab, wobei es
zu zwei Durchschüssen (Hals und Nacken) und zu
einem Kopfsteckschuss kam. Ein weiteres Projek-
til verfehlte den Kopf des Opfers knapp. Das Opfer
hatte zur Tatzeit 225 € in der Hosentasche und
40,00 € in der Jackentasche. […]
4316) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 402 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 493 – Drucksache 17/14600
Der zur Tatzeit 24-jährige Mehmet Turgut wurde
in dem türkischen Dorf Kayalik Köyü, Bezirk
Elazığ/Palu geboren. Im Alter von ca. 15 Jahren
tauschte er bei einer Passantragstellung in der Tür-
kei seinen Vornamen mit dem seines Bruders Yu-
nus, um dadurch dem Militärdienst zu entgehen.
Sein Bruder Yunus leistete dann tatsächlich den
Militärdienst für Mehmet ab.
Am 30. Oktober 1994 reiste der damals minderjäh-
rige Mehmet unter dem Namen seines Bruders Yu-
nus Turgut erstmalig in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Am 10. November 1996 wurde er
wegen Verdachts des illegalen Aufenthaltes in
Hamburg festgenommen und wenige Tage später
in seine Heimat abgeschoben. Zwischen Mai und
Dezember 1998 reiste Turgut erneut nach Deutsch-
land ein und stellte am 16. Dezember 1998 in
Hamburg einen Asylantrag. Dieser wurde am 8.
Januar 1999 abgelehnt. […]
Mit Ausnahme der Abschiebungen liegen über
Turgut keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse
vor.“4317
b) Problem der Identität des Opfers
Da das Opfer bei seinem ersten Aufenthalt in Deutschland
unter den Personalien seines Bruders Yunus Turgut regis-
triert wurde, ging die Polizei zunächst von diesem Namen
aus. Im März 2004 wurde sie bereits auf den
Personalientausch aufmerksam gemacht. Am
30. Juni 2004 bestätigte der in Deutschland lebende Bru-
der diesen Sachverhalt.
4318
Die Ermittlungsbehörden be-
schlossen jedoch, das Opfer in der Akte auch weiterhin
als „Yunus Turgut“ zu führen, da viele Kontaktpersonen
das Opfer unter diesem Namen kannten.
4319
Auch die
Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom
6. November 2012 verwendet den Namen Yunus Turgut.
6. Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005
Am 9. Juni 2005 wurde in Nürnberg İsmail Yaşar er-
schossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Ermitt-
lungen am 30. November 2005 Folgendes fest:
„Am Donnerstag, 9. Juni 2005, um 10.15 Uhr, be-
zahlte der Zeuge F. beim Edeka-Markt, Velburger
Straße 3 in Nürnberg, seinen Einkauf und ging da-
nach auf direktem Weg zum ca. 100 m entfernten
Döner-Imbiss an der Scharrerstraße, um sich dort
einen Döner zu kaufen. Er betrat den Dönerstand
und fand niemanden vor. Als er sich leicht über
den Verkaufstresen beugte, sah er den Geschädig-
4317) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November
2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 380, 410 ff.
4318) Identifizierungsvermerk vom 3. Juli 2007, MAT A GBA-4/8b,
Bl. 72 ff.
4319) Protokoll der Verfahrensbesprechung vom 12. Juli 2007, MAT
A GBA-4/8b, Bl. 79 ff. und Zeuge Deisting, Protokoll Nr. 19,
S. 112.
ten Yaşar blutüberströmt in einer Blutlache am
Boden liegen und verständigte um 10.16 Uhr die
Polizei. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur
noch den Tod des Opfers feststellen. Der Geschä-
digte Yaşar wies unter anderem Schussverletzun-
gen im Kopf- und Brustbereich auf. […]
Der Tatort liegt in der Südstadt von Nürnberg, im
Bezirk St. Peter. Bei dem Dönerstand handelt es
sich um einen Container, der auf einem Parkplatz
abgestellt ist, der auch als Zufahrt an die Rückseite
des dortigen Edeka-Lebensmittelmarktes genutzt
wird. […]
Zur Tatzeit lief der Dönerdrehspieß, die Stromver-
sorgung der einzelnen Elektrogeräte war aktiviert.
Eine als Kasse dienende unversperrte Geldkassette
mit Bargeld befand sich hinter der Ladentheke.
Die Leiche von Herrn Yaşar befand sich bei Auf-
findung in Rückenlage mit dem Kopf links, vom
Kundeneingang aus gesehen. Neben dem Leich-
nam konnten zwei deformierte Projektile aufge-
funden werden, die rückwärtige Tür zum Küchen-
teil wies etwa in Kopfhöhe einen Durchschuss auf.
Am Tatort konnten keine Patronenhülsen gefunden
werden. […]
Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand haben sich
die beiden Fahrradfahrer gegen 9.40 Uhr in der
Zerzabelshofstraße, nahe der Scharrerstraße, auf-
gehalten und dort einen Stadtplan studiert. Gegen
10.00 Uhr stellten sie die Fahrräder am Stand ab,
betraten den Dönerstand und fanden Yaşar stehend
hinter dem Tresen vor. Einer der Täter schoss nun
zwei Mal in Richtung des Kopfes, wobei das erste
Projektil die rechte Gesichtshälfte streifte und
schließlich die rückwärtige Türe durchschlug. Der
zweite Schuss traf das noch stehende Opfer unter-
halb des rechten Ohres und trat unterhalb des lin-
ken Ohres wieder aus. Nachdem Yaşar rückwärts
zu Boden stürzte, wurden drei weitere Schüsse auf
den Oberkörper abgegeben.
Nach den Schüssen verbleiben die beiden Täter im
Kiosk und ducken sich ab, weil der Zeuge Dr. B.
auf dem Gehweg am Kiosk vorbeigeht und die
beiden Fahrräder am Stand bemerkt. Anschließend
verlassen beide Täter den Container, wobei ein Tä-
ter die in einer gelben Plastiktüte befindliche Waf-
fe dem Partner in den Rucksack steckt. Anschlie-
ßend steigen beide Täter auf die Fahrräder und
verlassen den Tatort.“
4320
7. Mord an Theodoros Boulgarides 15. Juni
2005
Am 15. Juni 2005 wurde in München Theodoros
Boulgarides erschossen. Zum Tatablauf stellten die poli-
4320) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November
2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 415 ff.
Drucksache 17/14600 – 494 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zeilichen Ermittlungen am 30. November 2005 Folgendes
fest:
„Am Mittwoch, 15. Juni 2005, gegen 19.05 Uhr
fand der Zeuge F. seinen Geschäftspartner blut-
überströmt am Boden liegend im Geschäftsraum
des gemeinsamen Schlüsseldienstladens vor. Der
gegen 19.11 Uhr fast zeitgleich mit einer Streife
der PI 31 eintreffende Rettungsdienst erkannte an-
hand der Auffindesituation rasch, dass der Mann
bereits tot sei. Es kam daher zu keinen wesentli-
chen Veränderungen am Leichnam. Das Opfer lag
auf dem Rücken und hatte augenscheinlich nur am
Kopf Verletzungen, die zur Bildung einer größeren
Blutlache um das Haupt herum führten. Fragliche
Einschüsse waren an der Unterseite und seitlich
am Kinn erkennbar. Rechts neben der Leiche fand
sich ein Projektil, Hülsen waren nicht zu sehen.
Das Projektil wies Kunststoffanschmelzungen
(Plastiktüte) auf. […]
Der kleine Laden Schlüsselwerk hat zur Straße hin
ein Schaufenster und eine Tür mit Glasfüllung.
Das Geschäft ist von außen gut einzusehen. Der
Kundenraum ist durch einen brusthohen Verkaufs-
tresen vom angrenzenden Arbeitsraum abgetrennt.
Links davon befindet sich ein Durchgang. Im hin-
teren Bereich des Ladens führt eine Tür zur Woh-
nung des Griechen. Die Ladeneingangstür war bei
Auffindung unversperrt. Einen weiteren Zugang
zum Geschäft gibt es theoretisch über den Haus-
eingang des Anwesens in die Wohnung des Op-
fers. Die Haustür war ins Schloss gefallen, die
Wohnungstür war versperrt. [...]
Demnach dürften der oder die Täter in der Zeit
zwischen 18.36 bis 19.00 Uhr das Geschäft betre-
ten haben. Unmittelbar danach dürfte der erste
Schuss auf das sich hinter dem Verkaufstresen ste-
hende Opfer abgegeben worden sein. Boulgarides
kippte vom Schützen aus gesehen nach links hin-
ten weg. Der Schütze trat dann vermutlich um den
Tresen herum und gab zwei weitere Schüsse auf
den Kopf des nun liegenden Opfers ab.
Nach Abgabe der tödlichen Schüsse konnte/n sich
der (oder die) Täter unerkannt vom Tatort entfer-
nen. Obwohl unmittelbar an das Anwesen zwei
griechisch geführte Gaststätten angrenzen, sich
weitere Ladengeschäfte entlang der
Trappentreustraße befinden sowie eine zu der Zeit
stets frequentierte Bushaltestelle vor dem Schlüs-
selgeschäft liegt, konnten keine Zeugen ermittelt
werden, die optische oder akustische Wahrneh-
mungen zur vermuteten Tatzeit machten.“
4321
4321) MAT A GBA-4/5b, Bl. 424 ff.
8. Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen
Sicht der Ermittler
Am 4. April 2006 wurde in Dortmund Mehmet Kubaşık
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-
mittlungen am 21. Juni 2007 Folgendes fest:
„Am Dienstag, 4. April 2006, um 12:59 Uhr, ver-
ständigte die Zeugin H. über Notruf die Einsatz-
leitstelle der Polizei Dortmund, dass eine blutüber-
strömte Person hinter dem Tresen im Kiosk,
Mallinckrodtstr. 190, läge. Die zwei Minuten spä-
ter eintreffenden Polizeibeamten fanden die männ-
liche Person hinter der Verkaufstheke, in seitlicher
Rückenlage, wobei die Beine in einer Art Kniestel-
lung angewinkelt waren, vor. Der Kopf wies in
Richtung Straßenseite.
Nach erfolglosen Reanimationsversuchen der ge-
gen 13:06 Uhr zuerst eingetroffenen Rettungssani-
täter stellte der hinzugezogene Notarzt gegen
13:10 Uhr den Tod, offensichtlich durch Kopf-
schüsse, fest. Durch weitere anwesende Zeugen
aus der Nachbarschaft konnte die Person als der
türkisch stämmige, deutsche Staatsangehörige
Mehmet Kubaşık identifiziert werden, der seit Jah-
ren den Kiosk betrieb. [...]
Zeugen, die das unmittelbare Tatgeschehen beo-
bachtet hatten, fanden sich nicht. […]
Aufgrund der am Tatort festgestellten Gesamtum-
stände ergaben sich Verdachtsmomente für einen
Tatzusammenhang mit den Serienmorden. Diese
würden am nächsten Tag durch die Untersu-
chungsergebnisse der am Tatort vorgefundenen
Munitionsteile im Vergleich beim BKA bestätigt.
[…]
Der Kiosk befindet sich im Mehrfamilienhaus
Mallinckrodtstraße 190, direkt neben einer Durch-
fahrt zu einem Garagenhinterhof. Dort befindet
sich auch die Seitenzugangstür zum Kiosk, die je-
doch nur von der Betreiberfamilie benutzt wurde.
Das gesamte Tatobjekt besteht aus insgesamt 6
Räumen, wobei der ca. 40 m² große Verkaufsraum
straßenseitig mündet. Von der Straße führt eine
Tür in den Verkaufsraum zum Thekenverkauf.
Daneben befindet sich ein Verkaufsfenster. Neben
der Zugangstür, an der Schaufensterfront, befindet
sich ein postkartengroßer Zettel mit dem Namen
und der Handy-Nr. des Mehmet Kubaşık. Im Ver-
kaufsraum ist sichtbar in einer Raumecke eine Vi-
deokamera angebracht. Eine Kabelverbindung
führt in die hinteren Räume zu einem Videorecor-
der und Fernsehgerät, welche jedoch nicht einge-
steckt ist. Die Überwachungsanlage war defekt
und vom Opfer nie in Betrieb genommen worden.
Im Kiosk werden handelsübliche Waren wie Ziga-
retten, Süßigkeiten, Alkoholika, Getränke, etc. ver-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 495 – Drucksache 17/14600
trieben. Ein Stehausschank hat nicht stattgefunden.
[...]
Mehmet Kubaşık befand sich alleine im Kiosk hin-
ter seinem Verkaufstresen.
Der oder die unbekannten Täter betraten von der
Mallinckrodtstraße den Kiosk durch die reguläre
Eingangstür zwischen 12:10 Uhr und 12:55 Uhr
(kurz vor Tatentdeckung). Durch Abgabe von vier
Schüssen aus einer Pistole, Marke Česká, Typ 83,
KaI. 7,65 mm, wurde Mehmet Kubaşık durch zwei
Kopftreffer getötet. Täter und Opfer müssen sich
frontal gegenübergestanden haben, wobei der
Schütze vor und das Opfer hinter dem Tresen vor
dem Wandregal standen. […]
Bei den Schussabgaben dürfte der Täter nur mini-
mal seine Position verändert haben. Am Tatort
wurde auf der Registrierkasse eine Patronenhülse,
KaI. 7,65 mm, Sellier & Bellot festgestellt. Wei-
terhin wurden vier Projektile, KaI. 7,65 mm,
Sellier & Bellot, aufgefunden. Die Waffe war
nachweislich mit einem Schalldämpfer versehen.
Die fehlenden drei Patronenhülsen deuten darauf
hin, dass die Schüsse wahrscheinlich aus einer
übergestülpten Plastiktüte abgegeben wurden, wo-
bei die aufgefundene Patronenhülse durch Über-
hitzung/Überschmauchung oder sonstige Gründe
aus dem Behältnis ausgetreten/heraus gefallen ist.
Der oder die Täter verließen nun, ohne weitere
Handlungen vorzunehmen, das Tatobjekt durch die
Eingangstür und entkamen unerkannt. Das Tatge-
schehen beschränkte sich wahrscheinlich nur auf
die Schussabgaben mit der konkreten Zielrichtung,
das Opfer schnellstmöglich zu töten. Hinweise auf
ein körperliches Abwehrverhal-
ten/Kampfgeschehen ergeben sich nicht. Es wurde
nichts entwendet oder geraubt.
Die Anwesenheit eines zweiten Täters kann nicht
ausgeschlossen werden. Die Tatausführung selbst
wurde nur durch eine Person ausgeführt, weil die
Schüsse zeitnah zueinander und nur aus einer Waf-
fe abgegeben wurden.“
4322
b) Schweigemarsch in Dortmund
Am 11. Juni 2006 fand in der Dortmunder Innenstadt auf
Initiative der Ehefrau des Opfers ein Schweigemarsch mit
220 Teilnehmern statt. Die Versammlung beschäftigte
sich mit der bundesweiten Mordserie an ausländischen
Geschäftsleuten. Es wurden Transparente gezeigt mit der
Aufschrift: „9 Opfer – wir wollen kein 10. Opfer – Stoppt
die Mörder“4323
4322) Vorläufiger Schlussbericht vom 21. Juni 2007, MAT A GBA-
4/7a, Bl. 45 ff.
4323) Pressemeldung des PP Dortmund vom 12. Juni 2006, MAT A
BKA.2/21, Bl. 186; E-Mail der BAO „Bosporus“ vom 13. Juni
2006, BKA-2/21, Bl. 181; Zeitungsartikel aus Westfälische
Rundschau vom 12. Juni 2006, MAT A BKA-2/21, Bl. 184.
9. Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen
Sicht der Ermittler
Am 6. April 2006 wurde in Kassel Halit Yozgat erschos-
sen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Ermittlungen
am 9. April 2006 folgendes fest:
„Am Donnerstag, den 06.04.2006, gegen 17.05
Uhr, betrat der türkische Staatsangehörige İsmail
Yozgat […] das Internet Café seines Sohnes Halit
Yozgat […] und fand diesen leblos auf dem Fuß-
boden liegend hinter seinem Schreibtisch vor.
İsmail Yozgat war mit der Absicht in das Geschäft
gekommen, seinen Sohn Halit Yozgat abzulösen,
damit dieser seinen Termin in der Abendschule
wahrnehmen konnte.
Als İsmail Yozgat seinen Sohn hinter der Theke
liegen sah, ging er zu ihm und sah Blut im Bereich
beider Ohren. Daraufhin schrie er laut, so dass ein
17jähriger Jordanier, der im Nebenraum an einem
Internetrechner surfte, zur Hilfe kam.
Während der jordanische Staatsangehörige Erste-
Hilfe-Maßnahmen durchführte, versuchte der
İsmail Yozgat zunächst, vom Café aus den Notruf
zu erreichen und lief dann in eine benachbarte
Teestube, von wo aus dann angerufen wurde. […]
Bei dem Tatort handelt es sich um das Tele-
Internet-Café des Opfers Halit Yozgat, welches
sich im Erdgeschoss des vierstöckigen Wohn- und
Geschäftshauses in der Holländische Str. 82,
34127 Kassel, befindet. Das Gebäude liegt direkt
an der Hauptstraße der Nordstadt von Kassel. In
diesem Bereich befinden sich Mehrfamilienwohn-
und Geschäftshäuser, in denen hauptsächlich Aus-
länder und darunter ein Großteil Türken leben
bzw. Kleingewerbe betreiben. Das InternetCafé
selbst besteht aus zwei Geschäftsräumen sowie
angrenzenden Toiletten und Wirtschaftsraum. Es
ist u. a. zu erreichen über den Kundeneingang Hol-
ländische Straße. Von dort aus gelangt man in den
ersten Geschäftsraum, in dem sich die Theke be-
findet, hinter der das Opfer tot aufgefunden wurde,
sowie insgesamt acht Telefonzellen. Durch eine
Durchgangstür gelangt man von diesem Raum in
den sogenannten Internetraum, in dem sich sechs
Internetplätze befinden. Von dem Internetraum aus
erreicht man über eine weitere Tür die Toiletten-
räume und den Wirtschaftsraum sowie über eine
zur Tatzeit verschlossene Tür den Hinterhof. Auf-
fällig erscheint, dass die Geschäftsräume keinen
durchsuchten Eindruck machten und das Bargeld,
welches sich in der Kasse des Internet-Cafés im
Bereich der o. a. Theke sowie in der Geldbörse des
Opfers befand, nicht entwendet wurde. […]
Die Ermittlungen ergaben, dass sich zur Tatzeit
bzw. zum Zeitpunkt des Auffindens des Opfers
durch den Vater İsmail Yozgat fünf Personen in
Drucksache 17/14600 – 496 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dem Internet Café befanden, die als Zeugen in
Frage kommen. […]
Bei dem Opfer handelt es sich um den ein-
undzwanzigjährigen in Kassel geborenen Türken
Halit Yozgat. Halit Yozgat betrieb seit Anfang
2004 selbständig das Internet-Café, aus dem er
Einnahmen erzielte, von denen er nach Zeugenaus-
sagen mit Unterstützung seines Vaters ohne finan-
zielle Probleme leben konnte.“4324
b) Schweigemarsch in Kassel
Am 6. Mai 2006 wurde auf Initiative der Familie Yozgat
ein Schweigemarsch in Kassel durchgeführt. Ziel der
Aktion war u. a., dem Misstrauen der türkischen Bevölke-
rung gegenüber der Polizei entgegenzuwirken und die
Landsleute aufzufordern, die Ermittler der Mordkommis-
sion in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Der Schweigemarsch begann mit einer Kranzniederle-
gung am Tatort und führte abschließend zum Rathaus. Es
wurden mehrere Transparente mit deutschen und türki-
schen Aufschriften mitgeführt. Die Aufschriften themati-
sierten hauptsächlich Forderungen nach einer schnellen
Aufklärung der Tötungsdelikte. Während der Abschluss-
kundgebung hielten Familienangehörige des ersten Opfers
in Nürnberg aus dem Jahr 2000 sowie der bisher letzten
beiden Opfer aus Dortmund und Kassel Redebeiträge.
Zudem gaben der Ausländerbeirat der Stadt Kassel sowie
ein Vertreter der Stadt Erklärungen ab, in denen die „poli-
tisch Verantwortlichen“ und die Polizei zur Aufklärung
der Taten aufgefordert wurden. Außerdem wurde an die
Teilnehmer appelliert, der Polizei alle Hinweise, die zur
Aufklärung der Taten beitragen können, mitzuteilen. An
der Veranstaltung nahmen etwa 1 800 Personen teil.
Nach der Demonstration wurde vom Veranstalter, dem
deutsch-türkischen Kulturverein für Yozgater e.V., Kas-
sel, Holländische Str. 47, ein Hinweistelefon geschaltet.
Hinweise gingen jedoch nicht ein.
4325
II. Ermittlungen bis zum 4. Mord
1. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord
an Enver Şimşek
a) Die Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nahm die Ermitt-
lungen auf. Die Kriminalpolizeidirektion Nürnberg richte-
te die Soko „Şimşek“ ein. Zunächst waren in dieser Soko
15 Polizeibeamte im Einsatz. Nachdem in Hessen eine
4324) Sachstandsbericht vom 9. April 2006, MAT A GBA-4/10e
(neu), Bl. 163 ff.
4325) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 9 ff., 15 f.; Sprechzettel des BKA vom
8. Mai 2006, MAT A BKA-2/22, Bl. 240 f.
Vielzahl von Ermittlungen durchzuführen waren, wurde
die Stärke auf 30 Personen aufgestockt.
4326
Durch die waffentechnischen Untersuchungen der sicher-
gestellten Projektile und Hülsen stellte die Polizei fest,
dass es sich bei den von den Tätern verwendeten Pistolen
um eine tschechische Pistole Marke Česká, Typ 83, Kali-
ber 7,65 mm, und eine weitere Pistole Kaliber 6,35 mm,
Marke und Typ unbekannt, handelte. Die Pistole, Česká
83 wurde bei allen weiteren Morden verwendet. Die Pis-
tole mit Kaliber 6,35 mm fand nur noch bei dem Mord am
dritten Opfer in Hamburg Verwendung.
Einem Zeugen waren zwei Männer an dem Lieferwagen
des Opfers aufgefallen. Ein Mann habe eine kurze Rad-
lerhose getragen, der andere Mann eine Baseballmüt-
ze.
4327
Tatortspuren wie Fingerabdrücke, Eindruckspuren, DNA,
Faserspuren und die persönlichen Gegenstände des Opfers
wurden umfangreich ausgewertet.
4328
Zu den Schwerpunkten der Ermittlungen im Mordfall
Şimşek hat der Zeuge EKHK Vögeler, der als Kriminalbe-
amter damals im Ermittlungsteam tätig war, im Ausschuss
ausgesagt:
„Die erste Fahndung verlief ergebnislos. Aber es
sind hier verschiedene Raubüberfälle geprüft wor-
den, ob hier möglicherweise ein Zusammenhang
besteht. Dem war nicht so. Es sind ja auch sehr
große Geldbeträge zurückgeblieben in der Geld-
börse und im Führerhaus des Blumenhändlers
Şimşek. Aber trotzdem haben wir die nächste Zeit
intensiv beobachtet, ob möglicherweise andere De-
likte, begangen eben durch Schusswaffen, oder
rechtsgerichtete Delikte hier zusammengehören
könnten. Also, das war von Anfang an schon ein
Ermittlungsweg. Aber Schwerpunkt definitiv war
Richtung Organisierte Kriminalität.
4329
Konkrete Ansätze, muss ich dazusagen, jetzt dann
dass hier möglicherweise rechtsextreme Personen
dahinterstehen würden, kamen in den ersten Jahren
nicht.“4330
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hin-
tergrundes (Hinweis des bayerischen In-
nenministers Dr. Beckstein)
Für einen rechtsextremistischen Hintergrund fehlte der
Polizei zu Beginn der Mordserie noch jeder Anhaltspunkt.
Auf einem Zeitungsbericht vom 12. September 2000 mit
dem Titel „Opfer erlag den Schussverletzungen“ befindet
4326) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 101.
4327) Zeugenvernehmungsprotokoll vom 16. September 2000, MAT
A GBA-4/7b, Bl. 2-4.
4328) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 24 ff.
4329) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 88 f.
4330) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 95 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 497 – Drucksache 17/14600
sich ein handschriftlicher Vermerk des damaligen Bayeri-
schen Innenministers Dr. Günther Beckstein:
„Bitte mir genau berichten. Ist ausländerfeindli-
cher Hintergrund denkbar?“ 4331
Ihm wurde daraufhin vom Sachgebiet IC 5 des Bayeri-
schen Staatsministerium des Innern mit Datum vom
5. Oktober 2000 in einem einzigen Satz mitgeteilt:
„Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Mittelfran-
ken bestehen derzeit keine Anhaltspunkte für einen
ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat.“ 4332
Der zugleich als Anlage übersandte Ermittlungsbericht
der KD Nürnberg vom 29. September 2000 enthält keine
Aussage darüber, ob ein fremdenfeindlicher Hintergrund
von der Polizei in Betracht gezogen wurde.
4333
Der Ausschuss hat nicht feststellen können, dass der
Vermerk von Innenminister Dr. Beckstein in der Folgezeit
zu konkreten Maßnahmen oder Überlegungen der Polizei
in Richtung eines ausländerfeindlichen Hintergrunds
führte. Auch hat Dr. Beckstein als Zeuge im Ausschuss
keine Maßnahmen benannt, die auf seinen Vermerk hin
zur Prüfung eines ausländerfeindlichen Hintergrunds
veranlasst wurden.
4334
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge Dr.
Beckstein im Nachgang zu seinem Vermerk noch einmal
nachgefragt hat, ob zu seiner Vermutung eines ausländer-
feindlichen Hintergrunds neue Erkenntnisse vorliegen. Er
hat sich jedoch regelmäßig über den allgemeinen Gang
der Ermittlungen unterrichten lassen.
4335
Erst im Mai 2006, also nahezu sechs Jahre nach dem
ersten Mord, hat der Zeuge Dr. Beckstein erneut auf ei-
nem Zeitungsartikel über die Mordserie vermerkt:
„Könnte bei den Türken-Morden Fremdenfeind-
lichkeit das Motiv sein?
4336
Im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags
hat Dr. Beckstein zu seinen Nachfragen an die Ermittler
Stellung genommen. Er hat betont, dass gerade der Se-
rienzusammenhang von Morden mit der gleichen Waffe
ihn veranlasst habe, bei jedem der Morde immer heftiger
nachzufragen.
4337
2. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord
an Abdurrahim Özüdoğru
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nahm auch hier
die Ermittlungen auf. Die Kriminalpolizeidirektion Nürn-
4331) MAT A BY-2/6a, Bl. 2.
4332) MAT A BY-2/6a, Bl. 25 (Unterstreichung im Original).
4333) MAT A BY-2/6a, Bl. 26 f.
4334) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 102 f.
4335) Die Berichte finden sich in MAT A BY-2/6a bis 6d.
4336) MAT A BY-2/9a, Bl. 183.
4337) Dr. Beckstein, Protokoll der 27. Sitzung des Untersuchungsaus-
schusses des bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 25 f.
(MAT B BY-6).
berg richtete die Soko „Schneider“ ein. Diese stellte die
Verwendung der gleichen Tatwaffe wie im Mordfall
Şimşek fest, was auch das BKA am 15. Juni 2001 bestä-
tigte. Ansonsten ließ sich keine Verbindung zwischen den
Mordfällen Şimşek und Özüdoğru ziehen. Eine Zeugin
beschrieb einen Streit zwischen Abdurrahim Özüdoğru
und einem unbekannten Mann zwei Tage vor der Tat.
4338
Die Ermittlungen nach diesem unbekannten Mann blieben
erfolglos.
4339
Im Übrigen wurde Hinweisen auf holländi-
sche Drogenbanden und Schutzgelderpressungen nachge-
gangen.
4340
Die Polizei wertete Tatortspuren wie Fingerabdrücke,
Blut- und DNA-Spuren, Hülsen und Projektile, Mikro-
staub sowie die persönlichen Gegenstände des Opfers
aus.
4341
Weitere konkrete Ermittlungsansätze ergaben sich aus der
Aussage der Zeugin P., die von ihrer Wohnung gegenüber
dem Tatort zwei Schüsse gehört und anschließend gese-
hen haben will, dass ein Mann die Straße überquert habe
und in einen PKW, Marke Opel, eingestiegen sei. Der
PKW mit Anhänger habe polnische Kennzeichen gehabt.
Ermittlungen in diese Richtung blieben jedoch ergebnis-
los.
4342
„Verdeckte Informationen“ wiesen auf eine mögliche
Täterschaft einer türkischen Gruppierung aus den Nieder-
landen mit Bezügen zum Drogenhandel hin.
4343
Umfang-
reiche Ermittlungen erfolgten in diese Richtung.
4344
Im
Ergebnis ergaben sich keine Hinweise auf Kontakte in die
Betäubungsmittelszene.
4345
3. Ermittlungen in Hamburg nach dem Mord
an Süleyman Taşköprü
Die Ermittlungen im Mordfall Taşköprü wurden bis 2006
von dem für Mordermittlungen zuständigen Dezernat 41
des LKA Hamburg geführt.
4346
Zuständig war die Staats-
anwaltschaft Hamburg.
4347
Am Tatort wurden keine
DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gefunden, die von dem
4338) Sachstandsbericht vom 23. Juli 2001, MAT A GBA-4/10a,
Bl. 176 ff.
4339) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 48.
4340) Sachstandsbericht vom 23. Juli 2001, MAT A GBA-4/10a,
Bl. 176 ff.
4341) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 48 ff.
4342) Sachstandsbericht vom 23. Juli 2001, MAT A GBA-4/10a,
Bl. 185.
4343) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 ff., 428 ff.
4344) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 ff., 428 ff.
4345) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai 2008, MAT
A GBA-4/2, Bl. 575.
4346) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 18.
Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 131 ff., Bl. 140.
4347) Vermerk des Präsidialstabs PSt 122 vom 13. Juni 2012, MAT A
HH-3/1, Bl. 2.
Drucksache 17/14600 – 498 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
oder den Tätern hätten stammen können.
4348
Am
31. August 2001 bestätigte der vom BKA durchgeführte
Projektilvergleich die Verwendung der gleichen Tatwaffe
wie bei den beiden Morden in Nürnberg zuvor.
4349
a) Ermittlungsansätze
In dem Sachstandsbericht des LKA 41 vom 3. September
2001 wurde auf folgende Zeugenaussagen hingewiesen:
Die über dem Geschäft des Opfers wohnhafte Zeugin D.
habe von einem verbalen Streit im fraglichen Tatzeitraum
berichtet. Sie habe angegeben, laute Stimmen, teils auf
Deutsch, teils in einer fremden Sprache sowie die Worte
„Verpiss Dich“ bzw. „Hau ab“ gehört zu haben. Der Va-
ter des Opfers habe ausgesagt, bei seiner Rückkehr zwei
männliche Personen im Alter von 25 bis höchstens 30
Jahren gesehen zu haben. Beide hätten eine hellere Haar-
farbe gehabt.
Am Tag nach der Tat habe sich die Zeugin B. bei der
Polizei gemeldet. Sie habe zwei Tage vor der Tat in dem
Laden des Opfers drei ihr unbekannte Personen, vermut-
lich Türken, angetroffen. Einer von ihnen habe sich mit
dem Opfer gestritten und geäußert: „Kümmer Dich da-
rum, sieh zu, dass Du das ranholst, wir kommen wieder“.
Auch habe eine weitere Zeugin am Sonnabend vor der Tat
drei oder vier „ihr unbekannte Südländer in dem Geschäft
in einer südländischen Sprache“ mit dem Opfer in aggres-
siver Weise streiten sehen. Ein guter Freund des Bruders
des Opfers habe auf einen Vorfall hingewiesen, der sich
vor zehn Jahren ereignet habe. Damals habe ein Freund
des Opfers einen deutschen Zuhälter erschossen.
4350
Aus den Akten ergibt sich, dass die Motivlage für den
Mord insbesondere in Drogengeschäften gesehen wurde.
Besonderes Augenmerk wurde hierbei auch auf die durch
die Zeugin B. berichtete Bedrohungssituation gelegt. In
den Sachstandsberichten wurde ausgeführt:
„Im Jahr 1997 kam es zu einer Bestrafungsaktion
des späteren Mordopfers in Form von mehreren
Beinschüssen wegen angeblicher Schulden aus
früheren Scheckbetrügereien. Die Tatsache, dass
der Schütze Mitglied einer türkischen Rauschgift-
händlerfamilie ist, aus deren Mitte vereinzelt Mit-
glieder derzeit langjährige Haftstrafen wegen ge-
werbsmäßigen Drogenhandels absitzen, lässt an
der offiziellen Motivlage der Beinschüsse zumin-
dest zweifeln.
Die Auswertung von zwei Telefonkarten des Op-
fers lässt außerdem die Verbindung zu einem im
Spätherbst d.J. am Hamburger Flughafen mit DM
590 000,-- Bargeld ausgestatteten Drogenkuriers
erkennen, welcher lt. Hintergrunderkenntnisse der
4348) Sachstandsbericht Soko „Halbmond“ Januar 2002, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 396 ff.
4349) Sachstandsbericht Soko „Halbmond“ Januar 2002, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 396 ff., Bl. 410.
4350) Sachstandsbericht des LKA Hamburg vom 3. September 2001,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 36 ff.
Hamburger Rauschgiftdienststelle für die Gebrü-
der C., angeblich ‚Barone des weichen Drogen-
marktes in Hamburg‘, arbeiten soll.“4351
In Richtung Drogengeschäfte gehende Ermittlungen wur-
den nach den beiden weiteren Morden an Mehmet Turgut
und İsmail Yaşar verstärkt. Die Ermittlungen führten zu
Murat C., der in Verdacht stand, in größere Rauschgiftge-
schäfte verstrickt zu sein.
4352
Eine Überprüfung der vom 27. Mai 2001 bis zum
27. Juni 2001 hergestellten Gesprächsverbindungen im
Taşköprü-Market blieb erfolglos. Im Rahmen von Fi-
nanzermittlungen wurden Kontounterlagen des Opfers
sowie Geschäftsunterlagen des Taşköprü-Market über-
prüft. Hieraus ergaben sich ebenfalls keinerlei neue Er-
kenntnisse.
4353
Ende 2002 wurden die Ermittlungen einge-
stellt.
4354
Aufgenommen wurden die Ermittlungen erst
wieder Mitte 2005.
4355
Aufgrund der Aussage eines Informanten des LKA vom
11. Oktober 2006 wurden die Ermittlungen gegen die
Brüder A. intensiviert, die wegen der angeblichen
Scheckbetrügereien mit dem Opfer in Streitigkeiten ver-
wickelt waren.
4356
Die Verfolgung dieser Spur führte zu
umfangreichen grenzüberschreitenden operativen Maß-
nahmen in den Niederlanden.
4357
Der Anfangsverdacht
gegen einen der Brüder bestätigte sich jedoch nicht, so-
dass das Verfahren gegen ihn am 28. Februar 2008 gem.
§ 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Ein weiterer Ver-
dacht richtete sich aufgrund eines anhand der Angaben
der Zeugin B. angefertigten Phantombildes gegen Nec-
mettin C. Auch dieses Verfahren wurde gem. § 170 Abs.
2 StPO am 18. März 2009 eingestellt.
4358
Insgesamt hat der Zeuge Schwarz die Zusammenarbeit
mit den Informanten des LKA Hamburg im Kontext der
Česká-Mordserie wie folgt bewertet:
„Unter dem Strich habe ich zu diesem Zeitpunkt
erkennen müssen, dass dies alles von vornherein
umsonst hat sein müssen, bis hin zu - jetzt benutze
ich mal meine Worte -, dass ich annahm, dass wir
von sehr vielen Leuten massiv verarscht worden
sind, fulminant, allerdings auch sehr geschickt,
4351) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“, Stand: Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 415, 442, 443; Sachstandsbericht der
Soko „Halbmond“, Stand: April 2004, MAT A GBA 8, Bl. 243,
244, 274.
4352) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:
18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 145.
4353) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:
18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 143.
4354) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 67 f., 86, 88.
4355) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 67.
4356) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:
18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 151-155.
4357) MAT A HH-5/3.
4358) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:
18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 151-155.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 499 – Drucksache 17/14600
substanziell eingebettet in Informationen, die wir
wichtig nehmen mussten.“4359
Auf Nachfrage erklärte der Zeuge Schwarz darüber hin-
aus:
„Wir haben, wie ich ausgeführt habe, sehr viele
Hinweise erhalten. Darunter waren Hinweise von
Inhaftierten, national und international, die die Tä-
ter und die Auftraggeber kennen wollten mit der
zum Teil vordergründigen Interessenlage, sich
Hafterleichterung oder Haftverkürzung oder Orts-
veränderung nach Deutschland oder Ähnliches zu
erhoffen, und andere Informationen aus kriminel-
len Kreisen, die durchaus nachvollziehbar waren
und denen wir dann auch nachgehen mussten ob-
jektiv. Wir haben ja nicht ins Leere hinein ermit-
telt, sondern mit der Staatsanwaltschaft gemein-
sam in Abstimmung mit allen Ermittlern. Das
heißt, wir haben nicht leichtfertig irgendwelche
Spuren verfolgt, die man nicht hätte ernst nehmen
müssen. Aber rückblickend betrachtet muss man
eben deutlich sagen, dass man bestimmte Hin-
weisgeber weniger ernst hätte nehmen müs-
sen.“4360
b) An den Ermittlungen beteiligte Einheiten
Aufgrund der Parallelen in der Tatausführung und den
benutzten Kalibergrößen nahm die Kriminalpolizeidirek-
tion Nürnberg, die bereits in den Mordfällen Şimşek und
Özüdoğru ermittelte, wenige Tage nach der Tat Kontakt
mit dem Morddezernat LKA 41 auf. Endgültige Klarheit
über die Waffengleichheit in den Mordfällen Taşköprü,
Şimşek und Özüdoğru wurde am 31. August 2001 durch
das Bundeskriminalamt nach durchgeführtem
Projektilvergleich gewonnen. Nach Bekanntwerden des
Mordes an Habil Kılıç bestätigte das Bundeskriminalamt
am 4. September 2001 die Waffengleichheit in allen vier
Mordfällen. Nach einer Besprechung im PP Mittelfranken
am 12. September 2001 wurde entschieden, die Sachbear-
beitung bei den Mordkommissionen Hamburg, München
und Nürnberg fortzuführen, jedoch eine Koordinierungs-
stelle mit eigener BAO bei der KD Nürnberg, die Soko
„Halbmond“ zu gründen.4361
Die Ermittlungen wurden nach Aussage des Zeugen
Schwarz für eineinhalb Jahre nach der Tat bis Ende 2002
durch das LKA 41 durchgeführt. In dieser Zeit seien fast
200 Spuren verfolgt worden. Anschließend seien die
Ermittlungen in Hamburg mit einem ungeklärten Fall
abgeschlossen worden. Ermittlungen zu der Mordserie
seien dann schwerpunktmäßig von anderen Ermittlungs-
einheiten wie beispielsweise der EG „Česká“ und der
Soko „Halbmond“ geführt worden. Er gehe davon aus,
4359) Schwarz, Protokoll Nr. 19, S. 85.
4360) Schwarz, Protokoll Nr. 19, S. 101.
4361) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“, Stand: Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 410 – 412; näheres zur Soko „Halb-
mond“ unter F.III.1.
dass in diesem Zeitraum in Hamburg gelegentlich einzel-
ne Hinweise, Spuren und Nachfragen ergänzend ermittelt
worden seien.
4362
c) Prüfung eines rechtsextremistischen Hin-
tergrundes
Der Zeuge Schwarz, der seit dem 1. Februar 2006 mit
dem Fall befasst war,
4363
hat zu der Frage, ob ein rechts-
extremistischer Hintergrund geprüft worden sei, ausge-
führt, er habe mit dem Soko-Leiter diese Frage im Vor-
wege der Vernehmung noch einmal kurz erörtert. Dieser
habe bei den Ermittlern der Mordkommission, die den
Fall 2001 bis Ende 2002 bearbeitet hätten, nachgefragt
und erfahren, dass die Frage im Sachbearbeiterkreis erör-
tert worden sei. Sie hätten die Möglichkeit zwar gesehen,
es habe hierfür aber keinerlei Anhaltspunkte gegeben.
Man habe damals nicht eine Spur identifiziert, keinen
Hinweis bekommen, der dies belegt hätte oder Ermittlun-
gen in diese Richtung hätte auslösen können.
4. Ermittlungen in München nach dem Mord
an Habil Kılıç
Die Staatsanwaltschaft München I nahm die Ermittlungen
auf. Die Ermittlungen führte zunächst eine Mordkommis-
sion (K111) des Polizeipräsidiums München.
4364
Bereits
am 29. August 2001 bestätigte das BKA die Überein-
stimmung der Tatwaffe mit den drei früheren Morden.
4365
Auch hier wertete die Polizei Tatortspuren wie Fingerab-
drücke, humanbiologische Spuren, Faserspuren, Projektile
und die persönlichen Gegenstände des Opfers aus.
4366
Zwei Zeugen gaben Hinweise auf zwei männliche Fahr-
radfahrer, ca. 20 bis 30 Jahre alt, die vom Tatort wegge-
fahren seien. Die Münchener Mordkommission konnte
diese Spur jedoch nicht erhärten.
4367
5. Ermittlungstätigkeiten des BKA und ihre
rechtlichen Grundlagen
Das BKA verfügte seit dem ersten Mord im Jahre 2000
über Informationen zu den Mordfällen und beteiligte sich
an den Ermittlungen zunächst im Rahmen seiner Zentral-
stellenfunktion nach § 2 BKAG.
4368
4362) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 85, 86. Dort hat der Zeuge seine
Aussage, der Fall habe zwischenzeitlich geruht, relativiert.
4363) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 67.
4364) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 ff., Bl. 421.
4365) Sachstandsbericht SoKo „Halbmond“ Januar 2002, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 396 ff., Bl. 411.
4366) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 69 f.
4367) Ermittlungsbericht der MK München vom 15. Mai 2002, MAT
A GBA-4/4b, Bl. 218, 221.
4368) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2.
Drucksache 17/14600 – 500 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Präsident des BKA, der Zeuge Jörg Ziercke, hat vor
dem Untersuchungsausschuss die vom BKA durchgeführ-
ten Ermittlungsmaßnahmen in Bezug auf die Česká-
Mordserie wie folgt dargestellt:
„So wurden zum Beispiel in allen neun Česká-
Fällen kriminaltechnische Untersuchungen – Tat-
munitions-, DNA-, serologische, textilkundliche
Untersuchungen und Ähnliches – für die Tatortbe-
hörden und das BKA durchgeführt. Auch wurden
bezüglich aller Straftaten – Sprengstoffanschläge,
Česká, Polizistinnenmord – durch das BKA über 1
200 Asservate untersucht. Darüber hinaus erfolg-
ten vom BKA deutschlandweit für alle Polizei-
dienststellen Einzelausschreibungen in drei Blät-
tern des Bundeskriminalamtes – sogenannte BK-
Blätter […] in den Jahren 2001, 2002 sowie in ei-
ner BK-Blatt-Sonderausgabe zur Mordserie Česká
im Jahr 2005, nach dem siebten Mord. Darauf hat-
ten alle Zugriff.
Im Rahmen der Mordermittlungen in Dortmund
und Kassel wurden gesicherte daktyloskopische
Spuren durch das BKA bearbeitet. Die Tatortgrup-
pe des BKA war zur Unterstützung der Tatortar-
beit in den Mordfällen in Nürnberg, Dortmund und
Kassel sowie zur Spurensuche an verschiedenen
Schusswaffen und anonymen Schreiben eingesetzt.
Weiterhin wurden ab 2004 arbeits- und kostenin-
tensive Ausgleichsmaßnahmen aufgrund der In-
kompatibilität der beiden eingesetzten Datenbank-
systeme EASy und der Verbundanwendung
INPOL-Fall durchgeführt. Das BKA hat ebenfalls
an der Durchführung der ersten und zweiten baye-
rischen Fallanalyse in 2005 und 2006 durch eine
Fachanalytikerin mitgewirkt.
Bezogen auf den Sprengstoffanschlag in Köln,
Keupstraße, hat das BKA bereits im Februar 2005
auf Ersuchen des PP Köln eine Fallanalyse gefer-
tigt – also noch vor den Fallanalysen in Nürn-
berg –, da man sich in Köln neue Anhaltspunkte
für die bis dahin erfolglosen Ermittlungen erhoffte,
allerdings ohne eine eindeutige Ermittlungsrich-
tung.
[…] Das BKA war am Tatort in Köln. Hierbei
handelte es sich um zwei Beamte der Tatortgruppe
für Spreng- und Branddelikte der Abteilung Zen-
trale Dienste des Bundeskriminalamtes. Das
Unterstützungsangebot des BKA wurde noch am
gleichen Tag durch das Polizeipräsidium Köln an-
genommen. Eine aktive Einbindung der Ermitt-
lungsabteilungen Schwere und Organisierte Kri-
minalität und Staatsschutz durch das PP Köln fand
trotz Angebot des BKA allerdings nicht statt […].
Gleichwohl wurden wir periodisch über den Fort-
gang der Ermittlungen informiert. Zudem unter-
stützte die BKA-Kriminaltechnik massiv bei der
Aufbereitung der bekannten Videosequenzen, auf
denen die Radfahrer zu sehen sind.
[…] Der Schwerpunkt des BKA lag im Jahr 2004
neben der Asservatenauswertung und dem Infor-
mationsaustausch mit dem Ausland auftragsgemäß
auf dem Organisationsansatz der vermuteten Or-
ganisierten Kriminalität.“4369
Zu den Aufgaben des BKA als Zentralstelle gehört insbe-
sondere auch der Informationsaustausch. In den dem
Ausschuss vorgelegten Ausgaben des Bundeskriminal-
blattes wurde über alle Taten, die heute der Terrorgruppe
NSU zugeordnet werden, jeweils zeitnah berichtet.
4370
Nach dem durch Art. 30 und 70 Grundgesetz vorgegebe-
nen föderativen Prinzip ist Polizeiarbeit grundsätzlich
Ländersache. Der Bund hat von Seiten der Gesetzgebung,
Judikative und Exekutive erst dann und ausnahmsweise
Zuständigkeiten und Befugnisse durch die Verfassung
erhalten, wenn dies im Grundgesetz explizit ausgewiesen
und in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung dem Bund
bzw. den Bundesbehörden zugewiesen ist.
4371
Die Aufgaben und Befugnisse des BKA sind im
Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) geregelt. Gemäß
§§ 1, 2 BKAG soll das Bundeskriminalamt der Zusam-
menarbeit von Bund und Ländern in kriminalpolizeilichen
Angelegenheiten dienen, wenn die Verhütung und Ver-
folgung von Straftaten mit länderübergreifender, interna-
tionaler oder erheblicher Bedeutung betroffen ist. Eine
Beteiligung des BKA an Ermittlungen ist nach dem
BKAG in drei Varianten möglich:
– Als Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe nach
§ 2 BKAG,
– als Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der
Strafverfolgung nach § 4 BKAG sowie
– durch Koordinierung bei der Strafverfolgung nach
§ 18 BKAG.
a) Zentralstelle gemäß § 2 BKAG
Die Zentralstellenaufgabe des Bundeskriminalamtes ist in
§ 2 BKAG folgendermaßen geregelt:
„(1) Das Bundeskriminalamt unterstützt als Zent-
ralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nach-
richtenwesen und für die Kriminalpolizei die Poli-
zeien des Bundes und der Länder bei der Verhü-
tung und Verfolgung von Straftaten mit länder-
übergreifender, internationaler oder erheblicher
Bedeutung.
(2) Das Bundeskriminalamt hat zur Wahrnehmung
dieser Aufgabe
1. alle hierfür erforderlichen Informationen zu
sammeln und auszuwerten,
4369) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 7.
4370) MAT A BKA-2/43, Bl.
4371) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 501 – Drucksache 17/14600
2. die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und
der Länder unverzüglich über die sie betreffenden
Informationen und die in Erfahrung gebrachten
Zusammenhänge von Straftaten zu unterrichten.
(3) Das Bundeskriminalamt unterhält als Zentral-
stelle ein polizeiliches Informationssystem nach
Maßgabe dieses Gesetzes.
(4) Das Bundeskriminalamt unterhält als Zentral-
stelle zur Unterstützung der Polizeien des Bundes
und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung
von Straftaten und der Gefahrenabwehr zentrale
Einrichtungen und Sammlungen, insbesondere
1. zentrale erkennungsdienstliche Einrichtungen
und Sammlungen sowie
2. zentrale Einrichtungen für die Fahndung nach
Personen und Sachen.
(5) Das Bundeskriminalamt kann die Länder auf
Ersuchen bei deren Datenverarbeitung unterstüt-
zen. Die Verarbeitung und Nutzung der Daten er-
folgt nach den Weisungen der Länder und gemäß
deren Vorschriften über die Datenverarbeitung im
Auftrag.
(6) Das Bundeskriminalamt hat als Zentralstelle
ferner zur Unterstützung der Polizeien des Bundes
und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung
von Straftaten
1. die erforderlichen Einrichtungen für alle Berei-
che kriminaltechnischer Untersuchungen und für
kriminaltechnische Forschung zu unterhalten und
die Zusammenarbeit der Polizei auf diesen Gebie-
ten zu koordinieren,
2. kriminalpolizeiliche Analysen und Statistiken
einschließlich der Kriminalstatistik zu erstellen
und hierfür die Entwicklung der Kriminalität zu
beobachten,
3. polizeiliche Methoden und Arbeitsweisen der
Kriminalitätsbekämpfung zu erforschen und zu
entwickeln,
4. Aus- und Fortbildungsveranstaltungen auf kri-
minalpolizeilichen Spezialgebieten durchzuführen.
(7) Das Bundeskriminalamt erstattet erkennungs-
dienstliche und kriminaltechnische Gutachten für
Strafverfahren auf Anforderungen von Polizei-
dienststellen, Staatsanwaltschaften und Gerichten.“
b) § 4 BKAG Strafverfolgung
Gemäß § 4 BKAG nimmt das BKA in bestimmten Berei-
chen der internationalen und der schweren Kriminalität
selbst Strafverfolgungsaufgaben wahr. Dabei wird es
entweder aufgrund eigener Ermittlungszuständigkeit (§ 4
Abs. 1 BKAG) oder aber aufgrund eines Auftrages (§ 4
Abs. 2 BKAG) tätig.
aa) Eigene Ermittlungszuständigkeit gemäß
§ 4 Abs. 1 BKAG
Eine originäre Ermittlungszuständigkeit des BKA besteht
gemäß § 4 Abs. 1 BKAG insbesondere bei bestimmten
international organisierten Straftaten, bei Attentaten mit
bundespolitischem Bezug oder bei bestimmten Fällen der
Computerkriminalität. Die Vorschrift lautet:
„I. Das Bundeskriminalamt nimmt die polizeili-
chen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfol-
gung wahr
1. in Fällen des international organisierten unge-
setzlichen Handels mit Waffen, Munition, Spreng-
stoffen,
Betäubungsmitteln oder Arzneimitteln und der in-
ternational organisierten Herstellung oder
Verbreitung von Falschgeld, die eine Sachaufklä-
rung im Ausland erfordern, sowie damit im Zu-
sammenhang begangener Straftaten einschließlich
der international organisierten Geldwäsche,
2. in Fällen von Straftaten, die sich gegen das Le-
ben (§§ 211, 212 des Strafgesetzbuches) oder die
Freiheit (§§ 234, 234a, 239, 239b des Strafgesetz-
buches) des Bundespräsidenten, von Mitgliedern
der Bundesregierung, des Bundestages und des
Bundesverfassungsgerichts oder der Gäste der
Verfassungsorgane des Bundes aus anderen Staa-
ten oder der Leiter und Mitglieder der bei der
Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplo-
matischen Vertretungen richten, wenn anzuneh-
men ist, dass der Täter aus politischen Motiven
gehandelt hat und die Tat bundes- oder außenpoli-
tische Belange berührt,
3. in den Fällen international organisierter Strafta-
ten
a) nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b
Abs. 1, des Strafgesetzbuches,
b) nach den §§ 105 und 106 des Strafgesetzbuches
zum Nachteil des Bundespräsidenten, eines Ver-
fassungsorgans des Bundes oder des Mitgliedes
eines Verfassungsorgans des Bundes und damit im
Zusammenhang stehender Straftaten,
4. in den Fällen der in § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2
des Strafgesetzbuches genannten Straftaten und
damit im Zusammenhang stehender Straftaten,
soweit es sich um eine Auslandstat handelt und ein
Gerichtsstand noch nicht feststeht,
5. in den Fällen von Straftaten nach § 303b des
Strafgesetzbuches, soweit tatsächliche Anhalts-
punkte dafür vorliegen, dass die Tat sich gegen
a) die innere oder äußere Sicherheit der Bundesre-
publik Deutschland oder
b) sicherheitsempfindliche Stellen von lebenswich-
tigen Einrichtungen, bei deren Ausfall oder Zerstö-
rung eine erhebliche Bedrohung für die Gesund-
Drucksache 17/14600 – 502 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
heit oder das Leben von Menschen zu befürchten
ist oder die für das Funktionieren des Gemeinwe-
sens unverzichtbar sind, richtet.
Die Staatsanwaltschaft kann im Benehmen mit
dem Bundeskriminalamt die Ermittlungen einer
anderen sonst zuständigen Polizeibehörde übertra-
gen. Die Wahrnehmung der Aufgaben nach Satz 1
Nr. 2 und 3 Buchstabe b bedarf der Zustimmung
des Bundesministeriums des Innern; bei Gefahr im
Verzuge kann das Bundeskriminalamt vor Ertei-
lung der Zustimmung tätig werden.“
BKA-Präsident Jörg Ziercke hat darauf verwiesen, dass
§ 4 BKAG eine Sonderregelung für die Strafverfolgung in
besonderen Fällen darstelle. Allein aus der Tatsache, dass
eine Straftat mehrere Länder betreffe, lasse sich noch
keine originäre Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes
zur Strafverfolgung herleiten. Das Bundeskriminalamt
habe ferner nicht das Recht, sich aus eigenem Entschluss
in die Ermittlungen einzuschalten.
4372
Auf diesen Gesichtspunkt hat auch der Zeuge Falk abge-
stellt. Er hat ausgeführt:
„Das BKA hat kein Evokationsrecht. Selbst in Fäl-
len – nur als Beispiel – der originären Zuständig-
keit des Bundeskriminalamtes nach § 4 Abs. 1
BKA-Gesetz kann eine Staatsanwaltschaft nur im
Benehmen mit dem BKA jederzeit eine andere Po-
lizeibehörde mit der Ermittlung eines Falls beauf-
tragen. Also selbst da, wo das BKA originär zu-
ständig ist, hat es gar nicht mal ausschließlich die
Entscheidungsmöglichkeit.“4373
Zusammenfassend hat der Zeuge Dr. Hanning erläutert:
„In Deutschland ist die Aufklärung von Straftaten
und die Bewahrung der inneren Sicherheit nach
dem Grundgesetz Kernaufgabe der Länder, und
der Bund hat hier nur eingeschränkte Zuständig-
keiten.“4374
bb) Auftragszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 2
BKAG
§ 4 Abs. 2 Satz 1 BKAG regelt eine Auftragszuständig-
keit des BKA. Nach dieser Vorschrift nimmt das Bundes-
kriminalamt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet
der Strafverfolgung auch dann wahr, wenn
„1. eine zuständige Landesbehörde darum ersucht
oder
2. der Bundesminister des Innern es nach Unter-
richtung der obersten Landesbehörde aus schwer-
wiegenden Gründen anordnet oder
3. der Generalbundesanwalt darum ersucht oder
einen Auftrag erteilt.“
4372) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.
4373) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 26.
4374) Dr. Hanning, Protokoll Nr. 44, S. 14.
Die für die Strafrechtspflege und die Polizei zuständigen
obersten Landesbehörden sind in diesen Fällen nach § 4
Abs. 3 BKAG unverzüglich zu benachrichtigen, ebenso
die zuständigen Landeskriminalämter sowie der General-
bundesanwalt in den Fällen, in denen er für die Führung
der Ermittlungen zuständig ist, und in den übrigen Fällen
die Generalstaatsanwälte, in deren Bezirken ein Gerichts-
stand begründet ist. Rechtsfolge der Übernahme ist, dass
das Bundeskriminalamt in eigener Zuständigkeit die poli-
zeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung
wahrnimmt. Dabei kann es den zuständigen Landeskrimi-
nalämtern Weisungen für die Zusammenarbeit erteilen
(§ 4 Abs. 4 BKAG).
Der Zeuge Ziercke hat darauf verwiesen, dass das BKA-
Gesetz keine Hinweise darauf enthalte, was schwerwie-
gende Gründe sein könnten.
4375
Eine Zuweisung des Ver-
fahrens durch den Bundesinnenminister nach § 4 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 BKAG sei eine ultima ratio des Gesetzes.
4376
Der Zeuge Hoppe hat erklärt, nach seiner Kenntnis sei in
der Bundesrepublik erst zweimal eine Zuweisung nach
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG erfolgt. Einmal im soge-
nannten Lebach-Mordfall und einmal hinsichtlich des
Computervirus mit dem Namen „I-love-you“.4377
Fälle, in denen der GBA um Übernahme ersucht oder
einen Auftrag erteilt, sind unter anderem terroristische
Straftaten.
c) Koordinierung bei der Strafverfolgung
gemäß § 18 BKAG
Bei § 18 BKAG handelt es sich nicht um einen Übergang
der Ermittlungszuständigkeit an das BKA, sondern um
eine Art Entscheidungshilfe bei Zuständigkeitskonflikten
zwischen den Ländern.
4378
Das Bundeskriminalamt ent-
scheidet hier bei länderübergreifenden Fällen, welche
Landesbehörde für die Ermittlungen zentral zuständig
sein soll. § 18 BKAG lautet:
„(1) Berührt eine Straftat den Bereich mehrerer
Länder oder besteht ein Zusammenhang mit einer
anderen Straftat in einem anderen Land und ist an-
gezeigt, dass die polizeilichen Aufgaben auf dem
Gebiet der Strafverfolgung einheitlich wahrge-
nommen werden, so unterrichtet das Bundeskrimi-
nalamt die obersten Landesbehörden und die Ge-
neralstaatsanwälte, in deren Bezirken ein Gerichts-
stand begründet ist. Das Bundeskriminalamt weist
im Einvernehmen mit einem Generalstaatsanwalt
und einer obersten Landesbehörde eines Landes
diesem Land die polizeilichen Aufgaben auf dem
Gebiet der Strafverfolgung mit der Maßgabe zu,
diese Aufgaben insgesamt wahrzunehmen.
4375) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.
4376) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5; so auch Falk, Protokoll-Nr. 19,
S. 8.
4377) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 29.
4378) Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 187. EL 2011,
§ 18 BKAG Rn. 3.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 503 – Drucksache 17/14600
(2) Zuständig für die Durchführung der einem
Land nach Absatz 1 übertragenen Aufgaben ist das
Landeskriminalamt. Die oberste Landesbehörde
kann an Stelle des Landeskriminalamtes eine ande-
re Polizeibehörde im Land für zuständig erklären.“
Der Zeuge Jörg Ziercke hat darauf hingewiesen, dass das
BKA nach dieser Vorschrift lediglich einen Abstim-
mungsprozess aufseiten der Länder anstoßen könne, wo-
bei die Abstimmung insbesondere der Generalstaatsan-
waltschaften untereinander und die Prüfung eines staats-
anwaltschaftlichen Sammelverfahrens wiederum allein
den Ländern obliege.
4379
6. Beteiligung des BKA an den Ermittlungen
vor Gründung der EG „Česká“
Der spätere Leiter des Referats, in dem die EG „Česká“
angesiedelt war, der Zeuge Hoppe, hat vor dem Untersu-
chungsausschuss dargelegt, dass das BKA seit dem ersten
Mord im Jahr 2000 über Informationen zur Mordserie
verfügte.
4380
Die EG „Česká“ wurde am 23. Juni 2004 gegründet.4381
Zuvor beteiligte sich das BKA an den Ermittlungen zur
Mordserie in seiner Zentralstellenfunktion gemäß § 2
BKAG und begleitete die Fälle dabei insbesondere im
Rahmen einer sog. Sonderauswertung „Türkische OK“
(SATOK) durch das Referat OA 12 der Abteilung Orga-
nisierte Kriminalität im BKA.
4382
Der Zeuge Vögeler hat ausgeführt, dass es nach den ersten
vier Tötungsdelikten eine Besprechung in Nürnberg mit
allen Tatortdienststellen (Hamburg und München) sowie
dem BKA gegeben habe. Bei dieser sei vereinbart wor-
den, dass die Sachbearbeitung der Tötungsdelikte weiter-
hin bei den örtlichen Dienststellen bleibe. Zur Koordinie-
rung der Ermittlungen sei dann die Soko „Halbmond“ in
Nürnberg gegründet worden.
4383
Bei dieser Besprechung
im Jahre 2001 sei das BKA beteiligt gewesen, um seine
Möglichkeiten des „Auslandsdienstverkehrs“, soweit es
notwendig gewesen sei, oder auch seine Auswertetätig-
keiten dort mit einzubringen.
4384
Nach dem fünften Mord habe es eine weitere Bespre-
chung im Jahre 2004 gegeben, an der das BKA teilge-
nommen habe, immer noch in seiner Auswertetätigkeit. In
dieser Besprechung sei das erste Signal aus Mecklenburg-
Vorpommern, dem Tatortland des fünften Mordes, ge-
4379) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 6.
4380) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2.
4381) Sachstandsbericht BKA vom 6. August 2004, BKA-2/15, Bl.
390.
4382) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.
4383) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 87; vgl. auch den Sachstandsbe-
richt der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002, MAT A GBA-
4/7a, Bl. 396 ff.
4384) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.
kommen, dass man daran denke, das BKA mit Ermittlun-
gen zu beauftragen oder zu ersuchen.
4385
Laut Protokoll der Strategiebesprechung des BKA vom
19. April 2006 fasste das BKA den Inhalt seiner Zentral-
stellenaufgabe in der Česká-Mordserie wie folgt zusam-
men:
„Informationssammlung, Zentrale Informations-
bewertung,
Informationssteuerung,
Internationale Informationserhebung,
zeit- und adressatengerechte Umsetzung von In-
formationen,
strukturierte Darstellung und Visualisierung der
Informationen,
Lagebilder/Lagefernschreiben,
Strategie- und Lagebesprechungen,
Kontrolle der gemeinsam getroffenen Entschei-
dungen.“4386
Die vom BKA bis zur Gründung der EG „Česká“ wahr-
genommenen Aufgabenschwerpunkte hat der Zeuge Falk
folgendermaßen beschrieben:
„Wir haben die nationalen und internationalen Zu-
sammenhangsstraftaten versucht zu überprüfen; es
hat sie so nicht gegeben. Wir haben für die Bun-
desländer den nationalen und den internationalen
Nachrichtenaustausch mit organisiert.
Vor allen Dingen haben wir kriminaltechnische
Untersuchungen vorgenommen an der Tatmuniti-
on. So ist ja überhaupt erst der Tatzusammenhang
festgestellt worden und festgestellt worden, dass
die Morde alle mit einer Waffe – in zwei Fällen
mit einer weiteren Waffe – begangen worden sind.
Wir haben Rechtshilfemaßnahmen im Ausland mit
umgesetzt. Wir haben den Auslandsdienstverkehr
für die Bundesländer gepflegt. Und wir haben die
Tatmunition auch europaweit abgeglichen und ver-
sucht, auf diese Weise eine Spur in die Hand zu
bekommen.“4387
Der Zeuge Hoppe hat zu den vom BKA im Rahmen sei-
ner Zentralstellenfunktion wahrgenommenen Aufgaben
die Auswertung von möglichen Zusammenhängen mit
anderen Sachverhalten mit gleichem Modus Operandi und
die Falldatenauswertung zu den festgestellten Waffen
hervorgehoben.
4388
Der Zeuge Maurer war von 2002 bis 2005 Leiter der
Abteilung Polizeilicher Staatsschutz im BKA. Auf die
4385) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.
4386) Protokoll der Strategiebesprechung im BKA vom
19. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl. 217 ff.
4387) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.
4388) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2.
Drucksache 17/14600 – 504 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Frage, ob er in dieser Eigenschaft von Nachfragen oder
Informationsersuchen zur Mordserie Kenntnis erlangt
habe, hat er angegeben, während dieser Zeit nie von der
Česká-Mordserie gehört zu haben.4389 Er vermute, dass
der gesamten damaligen Amtsleitung des BKA der Vor-
gang nicht bekannt gewesen sei.
4390
Er vermute auch, dass
bis zur Übernahme ergänzender struktureller Ermittlun-
gen durch das BKA im Jahr 2004 in der Abteilung Staats-
schutz keine Informationsüberprüfungen zur Mordserie
stattgefunden hätten.
4391
Der Zeuge Maurer hat darüber hinaus ausgeführt, zu
dieser Zeit seien im BKA – wie überall sonst in der deut-
schen Polizei – die Ressourcen in den Bereichen „rechts“
und „links“ zu Gunsten der Bekämpfung des islamisti-
schen Terrorismus zurückgefahren worden. Im Bereich
„rechts“ habe sich das BKA stark auf die Zentralstellen-
funktion festgelegt und relativ wenige eigene Ermitt-
lungsverfahren geführt.
4392
Insgesamt seien zwischen 25
und 30 Mitarbeiter in diesem Bereich tätig gewesen.
4393
III. Ermittlungen ab dem vierten Mord
1. Einrichtung der Soko „Halbmond“ im Jahr
2001
Nachdem sich über einen Projektilvergleich bestätigt
hatte, dass zwischen den beiden ersten Nürnberger Mor-
den und den Morden am 27. Juni 2001 in Hamburg an
Süleyman Taşköprü, sowie an Habil Kılıç am 29. August
2001 in München ein Tatzusammenhang besteht, wurde
beim PP Mittelfranken die Soko „Halbmond“ eingerich-
tet.
4394
Hauptermittlungsrichtung der Soko „Halbmond“ war,
einen Zusammenhang zwischen den Opfern herzustellen.
Grundannahme war, dass die Taten aus dem kriminellen
Milieu heraus verübt wurden und die Opfer in irgendeiner
Weise mit dem Milieu verstrickt waren. Nach Aussage
des Zeugen LKD Geier, der zum 1. Juli 2005 als Leiter
der BAO „Bosporus“ die Ermittlungen übernahm, hätten
hierauf auch einige, zum Teil vertraulich gegebene Hin-
weise aus türkischen Kreisen hingedeutet.
4395
Der Zeuge EKHK Vögeler, der bereits bei dem ersten
Mord zum Nachteil Enver Şimşek am 9. September 2000
polizeilicher Sachbearbeiter war, hat zu den ersten Ermitt-
lungen ausgeführt, dass es bei den ersten Delikten auf-
grund der Spurenlage und aufgrund der Ermittlungen zu
den Geschädigten durchaus gewisse Ansätze gegeben
habe, die zu konkreten Spuren im kriminellen Bereich
geführt hätten. Hier seien in den ersten Jahren sehr viele
4389) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 25.
4390) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 25.
4391) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 25.
4392) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 23 f.
4393) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 23.
4394) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 85 f..
4395) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 2.
Personen, zum Beispiel im Bereich Rauschgifthandel mit
Bezügen in die Niederlande, überprüft worden. Die
Hauptermittlungsspuren – auch aufgrund konkreter Hin-
weise – seien in Richtung Organisierte Kriminalität ge-
gangen. Auffällig seien auch verschiedene Bedrohungen
der Opfer oder Streit mit ihnen gewesen. Konkrete Be-
weise seien jedoch nicht gefunden worden. Da die Ermitt-
lungen nicht zum Erfolg geführt hätten, sei die Soko
„Halbmond“ personell wieder zurückgefahren worden.4396
Der Zeuge Vögeler hat ausgeführt, dass es nach den ersten
vier Tötungsdelikten eine Besprechung in Nürnberg mit
allen Tatortdienststellen (Hamburg und München) sowie
dem BKA gegeben habe, wobei vereinbart worden sei,
dass die Sachbearbeitung der Tötungsdelikte weiterhin bei
den örtlichen Dienststellen bleibe. Es sei dann die Soko
„Halbmond“ in Nürnberg gegründet worden zur Koordi-
nierung der Ermittlungen.
4397
2. Ermittlungen in Rostock nach dem Mord
an Mehmet Turgut
Die Staatsanwaltschaft Rostock nahm die Ermittlungen
auf. Auch hier – wie in allen Fällen – untersuchte die
Polizei zunächst umfangreich, ob es private oder geschäft-
liche Kontakte des Opfers Turgut mit den anderen Opfern
untereinander gab. Verbindungen der Opfer konnten je-
doch nicht festgestellt werden.
4398
Die Tatortaufnahme und die weiteren Ermittlungen im
Mordfall Turgut wurden bis zur Einrichtung der Sonder-
kommission „Kormoran“ durch die zeitweise personell
erweiterte örtlich und sachlich zuständige Mordkommis-
sion der Kriminalpolizeiinspektion Rostock durchgeführt.
Am 11. März 2004 bestätigte das BKA die Übereinstim-
mung der Tatwaffe und damit die Zugehörigkeit der Tat
zur Česká-Mordserie.4399
Nachdem die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im Jahr
2004 eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt hatte
4400
(dazu näher unten), führte die Staatsanwaltschaft Rostock
weiter die Ermittlungen. Am 7. September 2011 stellte die
Staatsanwaltschaft Rostock das Ermittlungsverfahren
gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, da ein Täter nicht ermittelt
werden konnte.4401
Im Rahmen der Tatortarbeit wurde festgestellt, dass neben
der Tür zu dem Verkaufscontainer mit schwarzer Farbe
ein „N“, umrahmt von einem schwarzen Kreis, gesprüht
4396) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 86 f.
4397) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 87; vgl. auch den Sachstandsbe-
richt der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002, MAT A GBA-
4/7a, Bl. 396 ff.
4398) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November
2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 380, 433.
4399) MAT A GBA-4/8a, Bl. 519.
4400) Siehe dazu näher F.VII.3.b)aa).
4401) Zwischenbericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern vom
10. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 163 ff, 183.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 505 – Drucksache 17/14600
war
4402
. Der Zeuge Deisting hat hierzu ausgeführt, dass
zumindest zum damaligen Zeitpunkt von keiner tatzeitna-
hen Aufbringung auszugehen gewesen sei, da das Zeichen
verwaschen gewesen sei. Weitere Flächen seien fast flä-
chendeckend mit Graffiti besprüht gewesen. Das aufge-
sprühte „N“ könnte auch eine Symbolik sein, die den
Linksextremen bzw. der autonomen Szene zuzuordnen
sei, weil dadurch bestimmte Freiräume wie Szenetreffs
oder andere Bereiche markiert würden.
4403
3. Ermittlungen aufgrund des Ermittlungsan-
satzes Spezialmunition
Bereits nach dem ersten Mord vom 9. September 2000
(Şimşek/Nürnberg) hat das BKA in einem Gutachten vom
14. September 2000 anhand der mikroskopisch festge-
stellten Systemspuren festgestellt, dass die Projektile mit
großer Wahrscheinlichkeit aus einer Selbstladepistole
Česká, Modell 83, Kaliber 7,65 mm Browning, verfeuert
wurden.
4404
Schon bei der zweiten Tat war bekannt, dass
diese Česká erneut verwendet wurde, und dass es sich um
eine Serie handelte.
4405
Vom BKA durchgeführte
Projektilvergleiche führten zu der Feststellung, dass auch
die nachfolgenden Morde „zweifelsfrei“ mit derselben
Waffe begangen wurden.
4406
Allein anhand dieser Tatwaffe ließ sich ein Täterkreis
zunächst nicht eingrenzen, da von diesem Typ monatlich
etwa 10 000 Pistolen hergestellt wurden.
4407
Erfolg versprechender waren die Ermittlungen zur Muni-
tion, die bei den ersten vier Taten verschossen wurde. Es
handelte sich um Munition des Herstellers Patton & Mor-
gan Metal Corporation (PMC 32 Auto), die in den USA
ihre Produktionsstätte hat und über den Generalimporteur
für den europäischen Raum Hoffmann in Mellrichstadt
importiert wurde.
4408
Die PMC-Munitionsspur war bis zum Zeitpunkt des kri-
minaltechnischen Gutachtens des BKA aus Mai 2006,
welches die Anzahl der in Betracht kommenden Česká-
Waffen durch das Erfordernis eines verlängerten Laufes
erheblich einschränkte, der konkreteste Ansatz im Rah-
men der Waffenspur.
Am 13. Mai 2004 suchten Mitarbeiter des BKA im Rah-
men der Überprüfung der legalen Vertriebswege von
Česká-Waffen und PMC-Munition eine Waffenfirma
namens Hoffmann in Mellrichstadt auf. Diese war Allein-
importeur für PMC-Munition für den europäischen
4402) Tatortuntersuchungsprotokoll vom 16. März 2004, MAT A
GBA-4/8d, Bl. 278 ff, 280, Foto: Bl. 285.
4403) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 118.
4404) MAT A GBA-4/2, Bl. 124.
4405) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.
4406) MAT A BKA-2/15, Bl. 17.
4407) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41.
4408) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 46.
Raum.
4409
Hergestellt wurde die PMC-Munition in den
USA in Lizenz für Südkorea.
4410
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei PMC-Munition des
Kalibers 7,65 mm um keine häufig verwendete Munition
handelte, wurden von dem Geschäftsführer alle Lieferun-
gen an Einzelhändler der Jahre 1998 (Beginn der EDV-
unterstützten Buchführung) bis 2000 (erster Mordfall am
9. September 2000 an Enver Şimşek) recherchiert.4411
Im Ergebnis konnte eine Liste mit 49 Waffengeschäften
in Deutschland ermittelt werden, an welche die Firma
Hoffmann PMC-Munition lieferte, sowie neun Importeure
oder Waffenfirmen im Ausland, an welche ebenfalls Mu-
nition durch die Firma Hoffmann geliefert wurde.
4412
Nach Auskunft des Verkaufsleiters der Firma Hoffmann
seien keine Munitionslieferungen dieses Typs und Her-
stellers in die Türkei erfolgt, da hierfür eine Ausfuhrge-
nehmigung hätte eingeholt werden müssen. Direktliefe-
rungen aus den USA in europäische Länder wurden aus-
geschlossen, so dass die übergebene Liste mit hoher
Wahrscheinlichkeit als abschließend betrachtet werden
konnte.
4413
Ausdrücklich hingewiesen wurden die Ermittler vom
Verkaufsleiter der Firma Hoffmann auf den Schweizer
Abnehmer Schläfli & Zbinden: diese Firma sei Hersteller
bzw. Lieferant für Schalldämpfer. Schalldämpfer seien in
der Schweiz im Unterschied zu Deutschland frei verkäuf-
lich.
4414
Daraufhin richtete das BKA an die Landeskriminalämter
der Bundesländer am 19. Mai 2004 die Abfrage, ob
– es bei den entsprechenden Händlern Diebstähle von
Waffen/Munition gab und ob ggf. Täter ermittelt
wurden,
– die Möglichkeit der Erhebung der Personalien der
Käufer der PMC-Munition bestehe (wobei von be-
sonderem Interesse türkische Staatsangehörige seien)
und
– die Möglichkeit der Ermittlung bestehe, ob den Mu-
nitionskäufern auch eine Česká-Waffe verkauft wor-
den sei.
4415
Durch die zuständigen örtlichen Dienststellen wurden alle
Einzelhändler in Deutschland aufgesucht und Einblick in
4409) Fortgeschriebener Sachstandsbericht v. 17. April 2012, MAT A
BKA-2/35a, Bl. 497 ff (506); Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 46.
4410) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl.46.
4411) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012,
BKA-2/35a, Bl. 506.
4412) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT
A BKA 2/35a, Bl. 507; Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 47.
4413) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012,
BKA-2/35a, Bl. 506 f.
4414) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA 2/35a Bl. 507.
4415) Inhaltsverzeichnis der Spurenakte 69 des BKA, MAT A-BKA-
2/35a, Bl. 84 ff. (87).
Drucksache 17/14600 – 506 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die Munitionsbücher (soweit geführt) genommen.
4416
Dabei wurden anfragegemäß sowohl die Informationen
zur PMC-Munition als auch zu Verkäufen einer Česká 83,
7,65 mm Browning erhoben.
4417
Die Überprüfungen ver-
liefen im Wesentlichen unauffällig.
4418
Am 17. Mai 2004 und in den darauffolgenden Tagen
stellte die EG „Česká“ Anfragen an Verbindungsbeam-
te
4419
des BKA im europäischen Ausland.
4420
Gebeten
wurde um Überprüfung, ob
– in den jeweiligen Ländern der Munitionsverkauf
buchführungspflichtig sei und
– ggf. die Möglichkeit der Übermittlung der Namen der
Munitionskäufer bestehe (besonderer Hinweis auf
türkische Abnehmer).
Im Gegensatz zur Anfrage an die Landeskriminalämter
wurden die Verbindungsbeamten trotz Benennung der
Mordwaffe als Česká 83, Kal. 7,65 mm nicht konkret
gebeten, zu prüfen, ob die jeweiligen ausländischen Mu-
nitionsabnehmer auch die Česká 83, 7,65 mm Browning
im Sortiment und ggf. gemeinsam mit der Munition ver-
kauft hatten.
4421
Dementsprechend enthielten die meisten
Rückläufe keine Information zu einem eventuellen Ver-
trieb von Česká-Waffen.4422
Dies galt auch für die Rückmeldung des Verbindungsbe-
amten des BKA in der Schweiz vom 24. Juni 2004. Diese
enthielt keine Information darüber, ob die Firma Schläfli
& Zbinden neben der PMC-Munition auch die Česká 83,
7,65 mm Browning im Sortiment und diese ggf. gemein-
sam mit der Munition (und/oder einem Schalldämpfer)
verkauft habe.
4423
Da die Tatwaffe Česká 83, 7,65 mm
Browning nachweislich aus der Bestellung des Anton G.
bei der Waffenfirma Schläfli & Zbinden stammte, hätte
bereits im Jahre 2004 – und nicht erst 2007 nach dem
Hinweis von Lothar M. auf den Schweizer Generalimpor-
teur für Česká-Waffen mit langem Lauf Jan Luxik und auf
die Waffenfirma Schläfli & Zbinden – eine konkrete Spur
in die Schweiz und dort zu Anton G. geführt.
4416) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT
A BKA 2/35a, Bl. 507.
4417) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT
A BKA-2/35a, Bl. 507 ff.
4418) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 497 ff. (506 f.).
4419) Es handelt sich um die Verbindungsbeamten in Lissabon, Den
Haag, Warschau, Paris, Bern, Bratislava, Prag, London und
Madrid, MAT A-BKA-2/35a, Bl. 84 ff. (85), und laut Inhalts-
verzeichnis der Spurenakte 69 des BKA, MAT A BKA-2/35a,
Bl. 84 ff., die Verbindungsbeamten des BKA in Kiew, Wien
und Skandinavien.
4420) Telefaxnachricht v. 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 204
ff;
4421) Telefaxnachricht v. 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 204
ff. (205, 206).
4422) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT
A BKA-2/35a, Bl. 507 ff; Inhaltsverzeichnis der Spurenakte 69
des BKA, MAT A BKA-2/35a, Bl. 84 ff.
4423) Schreiben der Berner Polizei an den Verbindungsbeamten des
BKA in Bern vom 24. Juni 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 209.
In den Anfragen des BKA wurde darüber hinaus insbe-
sondere auf türkische Staatsangehörige als potentielle
Abnehmer von Munition und Schalldämpfer eingegangen.
Der Verbindungsbeamte in Bern wurde zusätzlich gebeten
zu prüfen, ob in dem Zeitraum durch die Firma Schläfli &
Zbinden auch Schalldämpfer insbesondere an türkische
Staatsangehörige abgegeben wurden.
4424
So heißt es wörtlich:
„Weiterhin wurden Gemeinsamkeiten bezüglich
des Tathergangs und des persönlichen Umfelds der
Opfer ermittelt, wobei anhand des bislang gewon-
nenen Erkenntnisstandes keinerlei Bezüge der Op-
fer untereinander festgestellt wurden. Die Einzelta-
ten wurden nach Spurenlage mit eindeutiger Tö-
tungsabsicht durchgeführt und weisen Merkmale
einer ‚Hinrichtung‘ auf. Als Grund für die Tötun-
gen dürften Rauschgiftgeschäfte in Betracht kom-
men. Durch die bisherigen Ermittlungen und den
hierbei festgestellten Übereinstimmungen ergaben
sich Anhaltspunkte, dass es sich bei allen fünf Ta-
ten um Auftragsmorde, welche von einem oder
mehreren identischen Tätern begangen wurden,
gehandelt haben könnte.
Es wird um Klärung bei den zuständigen Behörden
gebeten, ob in den jeweiligen Ländern der Muniti-
onsverkauf buchführungspflichtig ist, d. h. eine
Abgabe von Munition (wie in Deutschland) nur an
Genehmigungsinhaber erfolgen darf und die Na-
men der Kunden festgehalten werden. Sollte dies
der Fall sein, sollte weiterhin geklärt werden, ob
die Namen der Munitionserwerber feststellbar sind
und mitgeteilt werden können. Von besonderem
Interesse wären dabei türkische Staatsangehöri-
ge.“4425
Die Zusatzfrage bezüglich des Schalldämpfervertriebs für
den Berner Verbindungsbeamten lautete:
„Kann dort überprüft werden, ob Schalldämpfer im
fraglichen Zeitraum insbesondere an türkische
Staatsangehörige abgegeben wurden?“4426
Da in beiden Anfragen insbesondere um Hinweise gebe-
ten wurde, ob Munition (und Schalldämpfer) an Abneh-
mer mit türkischer Staatsangehörigkeit verkauft wurden,
verengte sich die Prüfung zum Teil auf diesen Personen-
kreis. In der Antwort der Schweizer Polizei an den Ver-
bindungsbeamten des BKA – die auf den 24. Juni 2004
datiert ist und den Eingangsstempel 28. Juli 2004 trägt –
heißt es:
„Die Durchsicht der Munitionsverkaufs-Bücher
der Firma Schläfli & Zbinden in Bern zeigte, dass
in der fraglichen Zeit keine Munition des Herstel-
4424) Telefaxnachricht vom 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl.
204 ff. (205, 206).
4425) Telefaxnachricht vom 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl.
204 ff. (205, 206).
4426) Telefaxnachricht vom 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl.
204 ff. (206).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 507 – Drucksache 17/14600
lers PMC, Kaliber 7.65 mm, an türkische Staats-
angehörige verkauft wurde.“4427
Im Ausschuss wurde diskutiert,
– warum im Auftrag an die Verbindungsbeamten zwar
die Frage nach Käufern der Munition, aber nicht die
Frage enthalten war, ob diese gleichzeitig eine Česká
83 gekauft hatten,
– warum in einem derart frühen Stadium der Ermitt-
lungen nach der Munition gezielt nur nach türkischen
Staatsangehörigen gefragt wurde.
Der Zeuge Jung berichtete, die EG „Česká“ sei damals
dem Hinweis einer VP des BKA, die auch einen Zusam-
menhang zu Rauschgift hergestellt habe, auf ein in der
Türkei lebendes Brüderpaar nachgegangen.
4428
Weiter hat
er zu diesen Fragen ausgeführt:
Nicht nur nach Käufern der Munition, sondern auch nach
Käufern einer Česká 83 zu fragen,
„[…] hätte ja für mich auch bedeutet, wir müssen
über Schläfli & Zbinden alle Waffenlieferungen
innerhalb der Schweiz wiederum an andere Waf-
fenhändler nachverfolgen und wir müssen mögli-
cherweise auch viel weiter zurückgehen. Und da
haben wir einfach gesagt – aufgrund des Auf-
wands, den wir letztendlich hier in Deutschland
hatten; und mit hoher Sicherheit hätten wir ja hier
nur Schweizer unbescholtene Bürger benannt be-
kommen - lassen wir das. […]
Wir wollten ja – das habe ich ja im Ablauf auch
geschildert – letztendlich erst die Ermittlungen in
Tschechien in Richtung Česká-Produktion, um
dann konkret auch sagen zu können: Hier diese
Mengen mit diesen Nummern, die sind in die ent-
sprechenden Länder gegangen.“4429
Zudem wies der Zeuge Jung darauf hin, dass es die Mög-
lichkeit gab,
„beim BKA alle sichergestellten Česká-Pistolen zu
recherchieren. […] Wir haben diese Recherche
gemacht, haben als Stichtag 1990 genommen und
haben praktisch dann, immer aktualisiert, Anfrage
gehalten: Wo, bei wem sind solche Waffen sicher-
gestellt worden? Es war letztendlich auch diese
Hervorhebung ‚insbesondere würden uns interes-
sieren‘ ein Ergebnis dieser Auswertung. Ich habe
festgestellt, dass praktisch überproportional türki-
sche Staatsangehörige als illegale Waffenbesitzer
hier in Erscheinung getreten sind.“4430
Der Zeuge hat weiter erklärt, dass mit der Antwort des
BKA-Verbindungsbeamten Nachfrage nach allen Käufern
4427) Schreiben der Berner Polizei an den Verbindungsbeamten des
BKA in Bern vom 24. Juni 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 209.
4428) Jung, Protokoll Nr. 31, S. 47
4429) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 49, 50.
4430) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 48.
der PMC-Munition bei der Firma Schläfli & Zbinden nur
ein Teil der Fragen des BKA beantwortet worden sei.
Dass keine Rückfrage erfolgte, erläuterte er wie folgt:
„Und da die Überprüfungen der Munitionsverkäu-
fe in Deutschland praktisch ohne Ergebnis verlau-
fen sind, habe ich aufgrund der zu erwartenden
großen Liste mit Personen, mit Schweizer Staats-
angehörigen - in der Regel ohne Erkenntnisse oder
höchstwahrscheinlich ohne Erkenntnisse; sonst
hätten die nämlich keine Munition gekriegt - ge-
sagt: Dann werde ich das nicht weiterverfolgen,
weil das keinen Sinn macht.“4431
Der Zeuge Maurer hat angegeben,
„dass auch der Einschub ‚insbesondere türkischer
Käufer‘ unglücklich ist und unglücklich war; da
teile ich Ihre Auffassung. Warum ist er entstan-
den? Unter anderem deswegen entstanden, weil
genau zu dem gleichen Zeitpunkt ein Hinweis auf
einen türkischen Straftäter vorlag. Es ist nicht rich-
tig, bei einem unbekannten Täter irgendetwas aus-
zuschließen; es ist nicht richtig. Die gesamten
Hinweise, die Masse der Hinweise, die sich ja
nachvollziehen lassen und die man in den Ermitt-
lungsakten nachvollziehen kann, immer wieder in
Richtung Phänomene von Rauschgiftkriminalität,
teilweise Denunziationen, was weiß ich – Im End-
effekt hat es nicht dazu geführt, dass ein Ermitt-
lungsansatz verschüttet wurde. Zu dem Zeitpunkt
kamen wir an der Ecke sowieso noch nicht weiter,
als wir nach der PMC-Munition gesucht haben.
Aber ich gebe Ihnen zu: Selbst die Einschränkung
‚insbesondere‘ ist nicht besonders glücklich. Das
gebe ich zu, ja.“4432
Auf die Nachfrage, aus welchem Anlass an „Auftrags-
morde“ geglaubt wurde, hat der Zeuge Jung erklärt, dass
dies
„im Wesentlichen der damalige Erkenntnis-
stand“4433
gewesen sei.
4. Diskussion um die Übernahme der zentra-
len Ermittlungsführung durch das BKA
gemäß § 4 BKAG im Jahr 2004
Nach dem fünften Mord der Serie, dem Mord an Mehmet
Turgut in Rostock am 25. Februar 2004, wurde zwischen
BKA und den mit den Ermittlungen in der Mordserie
befassten Ländern die Übernahme der Gesamtermittlun-
gen durch das BKA nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG
(auf Ersuchen einer zuständigen Landesbehörde) disku-
tiert.
4431) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 80.
4432) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 57.
4433) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 53.
Drucksache 17/14600 – 508 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Entscheidungsprozess und zentrale Be-
sprechungen nach Aktenlage
Nach Aktenlage stellt sich der Entscheidungsprozess zur
Übernahme der Ermittlungen des BKA auf Ersuchen
einer zuständigen Landesbehörde wie folgt dar:
aa) Arbeitsbesprechung in Rostock am
16. März 2004
Bei der den fünften Mordfall sachbearbeitenden Dienst-
stelle in Rostock fand am 16. März 2004 eine Bespre-
chung statt, bei der auch Vertreter der Kriminalpolizeiin-
spektion (KPI) Nürnberg, des BKA und der Staatsanwalt-
schaft Rostock anwesend waren. Es wurden Parallelen
zwischen den Taten festgestellt: Verwendung der identi-
schen Tatwaffe Marke Česká, 7,65 mm Browning, die
Opfer sind türkische Staatsangehörige, gleichartige Tat-
ausführung, Tötung im Geschäft. Man ging von Auf-
tragsmorden aus, für die internationale Betäubungsmittel-
Geschäfte als Motiv gesehen wurden.
4434
Ein an dieser Besprechung für das BKA teilnehmender
Beamter vermerkte hierzu in einer Führungsinformation,
das Bayerische Innenministerium beabsichtige in Ab-
stimmung mit dem Innenministerium Mecklenburg-
Vorpommern, das BKA um Verfahrensübernahme zu
ersuchen. Die Staatsanwaltschaft Rostock habe angekün-
digt, ein Ersuchen zwecks Verfahrensübernahme über die
Generalstaatsanwaltschaft Mecklenburg-Vorpommern an
das BKA zu richten.
4435
Der Verfasser des Vermerks
votierte dafür, das angekündigte Ersuchen abzuwarten
und nach Vorliegen BKA-intern zu bewerten.
4436
Als Argument gegen eine Verfahrensübernahme wurde
dabei unter anderem angeführt, dass die bisherigen Er-
mittlungen keine Ergebnisse erbracht hätten. In dem
Vermerk heißt es:
„Problematisch bei der Ermittlungsführung ist,
dass die Soko ‚Halbmond‘ in den vier Fällen be-
reits umfangreichste Ermittlungen getätigt hat, die
nicht zu konkreten Täterhinweisen führten
[…]“4437
bb) Telefonat eines Mitarbeiters des LKA
Mecklenburg-Vorpommern mit einem Mit-
arbeiter des BKA am 31. März 2004
Auf Arbeitsebene des BKA sah man Ende März 2004
eine Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA
als nicht sachgerecht an. Dies wurde auch – zumindest –
gegenüber dem LKA Mecklenburg-Vorpommern und
4434) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-
2/15, Bl. 92 ff.
4435) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-
2/15, Bl. 94.
4436) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-
2/15, Bl. 94.
4437) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-
2/15, Bl. 94.
dem PP Mittelfranken nach Außen kommuniziert. In einer
Gesprächsnotiz vom 31. März 2004 zu einem Telefonat
mit dem LKA Mecklenburg-Vorpommern hat ein Mitar-
beiter des BKA die ablehnende Haltung des BKA festge-
halten:
„H. M. teilte mit, dass die StA Rostock in Überein-
stimmung mit LKA Mecklenburg-Vorpommern
beabsichtige, ein Ersuchen um Übernahme des
Ermittlungsverfahrens durch das BKA zu stellen.
Er verwies auf die Zusammenhänge mit Tötungs-
delikten in Nürnberg, München und Hamburg. Aus
Sicht des LKA MV sei wegen der Zusammenhän-
ge und der internationalen Bezüge eine Bearbei-
tung des Tötungsdelikts in Rostock durch das
BKA angezeigt (das EV war von der sachb. KPI
Rostock zuvor an das LKA herangetragen wor-
den). Ich habe darauf hingewiesen, dass es nicht
sachgerecht ist, das EV aus Rostock durch das
BKA bearbeiten zu lassen. Ein Mehrwert ist allen-
falls durch eine zentrale Bearbeitung der ‚Mords-
erie‘ zu erwarten. Diese muss aber nicht zwangs-
läufig durch das BKA erfolgen. Das BKA könnte
auch eine unterstützende/koordinierende Funktion
übernehmen. Zusätzlich habe ich H. M. darauf
hingewiesen, dass in jedem Falle die entsprechen-
den personellen Ressourcen zu prüfen sind.
Schließlich habe ich ihm den Vorschlag unterbrei-
tet, zunächst eine Besprechung der betroffenen
Dienststellen mit dem BKA durchzuführen.
Die Frage, inwieweit die Polizeibehörden in Bay-
ern und Hamburg bereit sind, ihre Fälle in eine
zentrale Bearbeitung zu geben, konnte H. M. nicht
beantworten.
Zusatz:
Kurze Zeit später meldete sich H. Sch., PP Mittel-
franken, und fragte an, ob es richtig sei, dass das
BKA bereit wäre, die zentralen Ermittlungen zu
übernehmen. Die Polizei in Nürnberg und in Mün-
chen sei bereit, die Fälle an das BKA abzugeben.
Ich habe H. Sch. erklärt, dass das BKA keine ent-
sprechende Zusage erteilt habe und ihm die Sicht-
weise wie oben dargestellt. Zusätzlich habe ich ihn
auf die Zuständigkeit von OA 12 hingewiesen.
Er befürwortete eine Besprechung wie vorgeschla-
gen
H. Sch. wird sich erneut telefonisch melden.“4438
cc) Telefonkonferenz zwischen PP Mittelfran-
ken und Bayerischem Staatsministerium
des Innern am 14. April 2004
Nach vorbereitenden Gesprächen zwischen dem PP Mit-
telfranken und dem Bayerischen Staatsministerium des
4438) Gesprächsnotiz BKA vom 31. März 2004, MAT A BKA-
2/15, Bl. 117.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 509 – Drucksache 17/14600
Innern fand am 14. April 2004 eine Telefonkonferenz
unter Leitung des Bayerischen Staatsministeriums des
Innern unter Beteiligung von Vertretern des PP Mittel-
franken, der KD Nürnberg und des PP München statt. Die
teilnehmenden Vertreter der Polizei vertraten den Stand-
punkt, dass in der Mordserie eine Übergabe der Sachbe-
handlung an das BKA im Sinne einer zielorientierten
Ermittlung vollzogen werden solle.
4439
Das Bayerische
Staatsministerium des Innern sei bereit, einen Antrag auf
Übernahme der Sachbehandlung zu stellen, sobald vom
BKA hierzu die Zustimmung erteilt werde.
4440
dd) Besprechung beim BKA in Wiesbaden am
20. April 2004 und Reaktionen der Länder
hierauf
Am 20. April 2004 fand eine Besprechung beim BKA in
Wiesbaden statt, in der die Frage einer zentralen Ermitt-
lungsführung durch das BKA erörtert wurde (Teilnehmer:
KPD Nürnberg, PP Mittelfranken, LKA Hamburg,
KPI Rostock, BKA).
Im Besprechungsprotokoll des BKA ist als Ergebnis fest-
gehalten, dass eine Übernahme der Ermittlungen durch
das BKA geboten sei „aufgrund:
– überörtlicher und internationaler Bezüge,
– personeller und finanzieller Ressourcen,
– Ermittlungsinfrastruktur (TÜ, Dolmetscher,
Observation, VP etc.).“4441
Einschränkend heißt es sodann:
„Vorbehaltlich der Entscheidung im BKA, die bis
Mitte der 18. Kalenderwoche 2004 erfolgen wird,
ist geplant:
– Absprache durch die KPD Nürnberg mit der
StA Nürnberg zwecks Einleitung eines Ermitt-
lungsverfahrens gemäß § 129 StGB – Bildung
krimineller Vereinigung – gegen unbekannt
und Ersuchen der Verfahrensübernahme durch
das BKA gemäß § 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1
BKAG.
– Vorlage eines Einleitungsvermerks durch das
BKA.
– Das BKA übernimmt die zentrale polizeiliche
Ermittlungsführung, Koordination und Aus-
wertung.
– Die bisherigen und möglicherweise neu hin-
zukommenden Mordverfahren verbleiben bei
4439) Kurzprotokoll zur Telefonkonferenz am 14. April 2004, MAT
A BY-2/3a, Bl. 30 f. (PDF).
4440) Kurzprotokoll zur Telefonkonferenz am 14. April 2004, MAT
A BY-2/3a, Bl. 30 (PDF); Anregungsschreiben des PP Mittel-
franken an das BayStMI vom 29. April 2004, MAT A BY-2/3a,
Bl. 35 (PDF).
4441) BKA-Protokoll der Besprechung vom 20. April 2004, MAT A
BKA-2/15, Bl. 125.
den örtlich und sachlich zuständigen Polizei-
und Justizbehörden.
– Die örtlichen Dienststellen stellen dem BKA
sämtliche relevanten Informationen und Er-
kenntnisse insbesondere in der Form von Da-
tenbanken zur Verfügung und gewährleisten
einen Informationsaustausch durch eine je-
weils zeitlich befristete Entsendung von Er-
mittlungsbeamten. Dies würde insbesondere
zu Beginn der Verfahrensübernahme durch
das BKA erforderlich sein.“4442
Im Polizeipräsidium München wurde, nachdem der Be-
sprechungsvermerk dort einging, darauf notiert:
„BKA übernimmt Ermittlungen jetzt doch
[…].“4443
Weiter heißt es:
„Geplant ist, dass die bisher erforderlichen Be-
schlüsse, gestützt auf § 129 StGB, für das BKA
vom Polizeipräsidenten Nürnberg bei deren Staats-
anwaltschaft beantragt werden. Laut Polizeipräsi-
dent Nürnberg soll sich die dortige Staatsanwalt-
schaft etwas dagegen sträuben, sodass eventuell
die Staatsanwaltschaft München einspringen müss-
te.“4444
Wie in dieser Besprechung vereinbart, führte daraufhin
der Hauptsachbearbeiter der KPD Nürnberg, (KHK Vöge-
ler), am 20. und 21. April 2004 Gespräche mit OStA Dr.
Kimmel, Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, wegen der
Eröffnung eines Verfahrens nach § 129 StGB. Ausweis-
lich eines Aktenvermerks der KPD Nürnberg vom
22. April 2004 teilte OStA Dr. Kimmel am 21. April 2004
mit, dass es derzeit zwar neue Ermittlungsansätze gebe,
diese jedoch ausschließlich in Rostock zu lokalisieren
seien, weshalb jetzt die Staatsanwaltschaft Rostock gefor-
dert sei. Aus diesem Grunde sehe er nicht die Notwendig-
keit der Eröffnung eines Verfahrens nach § 129 StGB.
4445
Auch sehe OStA Dr. Kimmel im jetzigen Stadium keinen
Anlass für ein Sammelverfahren für alle Tötungsdelikte
bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg, da die Verwendung
derselben Waffe noch kein Indiz für denselben Täter
sei.
4446
Auch die Einleitung eines Verfahrens nach § 129
StGB werde derzeit nicht beabsichtigt.
4447
4442) BKA-Protokoll der Besprechung vom 20. April 2004, MAT A
BKA-2/15, Bl. 125 f.
4443) MAT A BY-2/4e, Bl. 14.
4444) MAT A BY2-/4e, Bl. 14.
4445) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,
Bl. 34 f. (PDF-Seite).
4446) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,
Bl. 35 (PDF-Seite).
4447) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,
Bl. 36 (PDF-Seite), zum Staatsanwaltschaftlichen Sammelver-
fahren im Einzelnen siehe F.VII.3.
Drucksache 17/14600 – 510 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Verfasser des Aktenvermerks der KPD Nürnberg
folgerte daraus:
„Nachdem sich somit keine Staatsanwaltschaft be-
reit erklärt, die für die Einschaltung des BKA er-
forderlichen Voraussetzungen zu schaffen, bleibt
es beim status quo.
Die Ermittlungen der KD Nürnberg zu den hiesi-
gen Tötungsdelikten sind mit den vorhandenen
Möglichkeiten quasi beendet. Nach meiner Mei-
nung ist eine Einbindung des BKA
– aufgrund der überörtlichen und internationa-
len Bezüge
– der personellen und finanziellen Ressourcen
des BKA
– und der vorhandenen Ermittlungsinfrastruktur
dringend notwendig und absolut zielführend.
Zudem ist nach Meinung aller an der Besprechung
in Wiesbaden teilnehmen Beamten damit zu rech-
nen, dass die etwa zweieinhalb Jahre unterbroche-
ne Serie von Tötungsdelikten fortgesetzt wird.“4448
ee) Besprechung bei der Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth am 29. April 2004 und
Schreiben des PP Mittelfranken an das
Bayerische Staatsministerium des Innern
zur Stellung eines Übernahmeersuchens
Am 29. April 2004 fand bei der Staatsanwaltschaft Nürn-
berg-Fürth eine abschließende Besprechung mit Vertre-
tern des PP Mittelfrankens und des Bundeskriminalamtes
zur Erörterung einer Übernahme der Ermittlungen in der
bisherigen Tötungsserie statt.
4449
Als Ergebnis dieser Besprechung richtete das PP Mittel-
franken noch am gleichen Tage ein Schreiben an das
Bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellung
eines Übernahmeersuchens an das BKA.
4450
Nach einem
Überblick über die Ausgangssituation wird in diesem
Schreiben festgestellt:
„Für die mit den Ermittlungen befassten Fach-
dienststellen erscheint für diese bundesweite Serie
von Auftragsmorden eine international agierende
kriminelle Vereinigung verantwortlich.
4448) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,
Bl. 36 (PDF-Seite).
4449) Teilnehmer waren seitens der Staatsanwaltschaft der Behörden-
leiter, LOStA Hubmann, dessen Stellvertreter OStA Lubwitz
sowie der sachbearbeitende Staatsanwalt OStA Dr. Kimmel.
Vom PP Mittelfranken waren anwesend der stellvertretende Po-
lizeipräsident, LPD Kimmelzwinger, KOR Schl. und KHK Vö-
geler sowie vom BKA LKD R. und KD U.; vgl. BKA-Vermerk
vom 30. April 2004, BKA-2/15, Bl. 134.
4450) Anregungsschreiben des PP Mittelfranken an das BayStMI vom
29. April 2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 34 ff. (PDF).
Für die Aufklärung der Strukturen sind zentral ko-
ordinierte Ermittlungen unabdingbar. Das BKA
verfügt über adäquate personelle und finanzielle
Ressourcen, um die europaweit notwendigen
Strukturermittlungen (TÜ-Maßnahmen, Dolmet-
scher, Observationsmaßnahmen, Einsatz von VP
etc.) in der erforderlichen Dimension durchzufüh-
ren. Die in den einzelnen Mordfällen ermittelnden
Dienststellen sind dazu nicht in der Lage.“4451
Es wird weiterhin dargelegt, dass in der Besprechung am
29. April 2004 einvernehmlich vereinbart worden sei, wie
folgt zu verfahren:
„Das BKA wird durch das Bayerische Staatsminis-
terium des Innern gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 1 BKA-
Gesetz ersucht, für die unter den Aktenzeichen 109
UJs 118678/00 und 103 UJs 115193/01 bei der
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth anhängigen
Verfahren z.N. von Şimşek und z.N. Özüdoĝru er-
gänzende strukturelle Ermittlungen unter dem Ge-
sichtspunkt des § 129 StGB zu führen.
Das BKA tritt dann auf der Basis einer internen
sog. ‚Einleitungsverfügung‘ seinerseits an die
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth heran und wird
von dieser entsprechend beauftragt.
Die StA Nürnberg-Fürth steht für das BKA inso-
weit auch zentral für alle in diesem Zusammen-
hang notwendig werdenden strafprozessualen
Maßnahmen zur Verfügung.“4452
Auch ein Vermerk des BKA hält zu dieser Besprechung
fest:
„Im Ergebnis wurde zwischen den Teilnehmern
vereinbart, dass das BKA in dem Verfahren der
StA Nürnberg-Fürth wegen Verdacht des Mordes
ergänzende strukturelle Ermittlungen unter dem
Gesichtspunkt § 129 StGB übernimmt. Ziel hierbei
ist es, die Auftragnehmer und Hintermänner der
Morde zu ermitteln und festzunehmen.
Hierzu wird das Bayerische Staatsministerium des
Innern ein entsprechendes Ersuchen gemäß
§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG an das BKA richten. Da-
nach wird das BKA der StA Nürnberg Fürth einen
Einleitungsvermerk vorlegen und mit den ergän-
zenden strukturellen Ermittlungen unter dem Ge-
sichtspunkt des § 129 beauftragt.“4453
4451) Anregungsschreiben des PP Mittelfranken an das BayStMI vom
29. April 2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 35 (PDF).
4452) Anregungsschreiben des PP Mittelfranken an das BayStMI vom
29. April 2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 36 (PDF).
4453) BKA-Vermerk vom 30. April 2004, BKA-2/15, Bl. 134 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 511 – Drucksache 17/14600
ff) Ersuchen des Bayerischen Staatsministe-
riums des Innern an das BKA um Über-
nahme ergänzender struktureller Ermitt-
lungen unter dem Gesichtspunkt des § 129
StGB gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG
vom 15. Juni 2004
Auf einem Briefentwurf des Bayerischen Staatsministeri-
ums des Innern zum beabsichtigten Antrag auf Übernah-
me ergänzender struktureller Ermittlungen im Hinblick
auf § 129 StGB, der vorab dem Bayerischen Innenminis-
ter Dr. Beckstein mit der Bitte um Zustimmung vorgelegt
wurde, merkte dieser am 10. Mai 2004 handschriftlich an:
„Dies muss massiv beschleunigt werden! Wie
hoch ist die Belohnung? (100 000,- €?) Bei Son-
derkommission BY [Bayern], Hamburg, BKA +
Meck-Pom beteiligen! Neue Kommission? Ein-
bindung LfV? Bitte R! B 10/5“4454
Dr. Beckstein wurde am 12. Mai 2004 dahingehend in-
formiert, dass die zuständigen bayerischen Dienststellen
aktuell in ständigem Kontakt mit dem Bundeskriminalamt
stünden, welches laut telefonischer Auskunft bereits um-
fangreiche operative Maßnahmen – auch im Ausland –
vorbereitet habe und dringend auf die Zuweisung durch
das Bayerische Staatsministerium des Innern gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG warte, damit die formal-
rechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme des
Strukturverfahrens geschaffen wären. Es wurde angeregt,
dem – im Bereich der Arbeitsebene bereits mündlich
abgestimmten – Konzept insoweit baldmöglichst zuzu-
stimmen.
4455
Minister Dr. Beckstein vermerkte handschriftlich auf
dieser Vorlage:
„Mir Ende Sept erneut berichten!“4456
Mit Schreiben vom 3. Juni 2004 wandte sich das Bayeri-
sche Staatsministerium des Innern sodann an die Innen-
behörde Hamburg, das Innenministerium Mecklenburg-
Vorpommern und das Bayerische Staatsministerium der
Justiz mit der Bitte, die Zustimmung zu einem Antrag auf
Übernahme ergänzender struktureller Ermittlungen unter
dem Gesichtspunkt des § 129 StGB durch das BKA zu
erteilen.
4457
Dahinter stand der Verdacht der Tatortermittlungsbehör-
den, dass die Taten aus einer kriminellen Organisation
heraus begangen und gesteuert worden seien:
„Für die mit den Ermittlungen befassten Dienst-
stellen erscheint für diese bundesweite Serie von
Auftragsmorden eine international agierende kri-
4454) Entwurf des Schreiben des Bay StMI vom 3. Juni 2004, MAT
A BY-2/6a, Bl. 210.
4455) Vermerk BayStMI vom 12. Mai 2004, MAT A BY-2/6a,
Bl. 211 ff.
4456) Dr. Beckstein, handschriftlicher Vermerk auf Vermerk Bay
StMI vom 12. Mai 2004, MAT A BY-2/6a, Bl. 211.
4457) Schreiben BayStMI vom 3. Juni 2004, MAT A BY-
2/6a, Bl. 203 ff.
minelle Vereinigung verantwortlich, die sehr pro-
fessionell und konspirativ vorgeht, weshalb sich
die Ermittlungen sehr aufwändig und langwierig
gestalten.“4458
Nach Auffassung aller mit den Ermittlungen betrauter
Stellen seien zur Aufklärung der Strukturen zentral koor-
dinierte Ermittlungen unabdingbar, die vom BKA auf-
grund des Vorhandenseins adäquater personeller und
finanzieller Ressourcen durchgeführt werden sollten, um
die europaweit notwendigen Strukturermittlungen (TÜ-
Maßnahmen, Dolmetscher, Observationsmaßnahmen,
Einsatz von VP etc.) einzuleiten.
4459
Das Schreiben wurde nachrichtlich auch an das BKA
weitergeleitet. Vizepräsident Falk vermerkt handschrift-
lich hierauf:
„1. Die Übernahme der Ermittlungen durch OA ist
nicht nur sinnvoll, sondern geboten.
2. Ich bitte LS sicherzustellen, dass die Amtslei-
tung über die Haltung der Länder HH [Hamburg]
und MV [Mecklenburg-Vorpommern] informiert,
sowie über den Fortgang zu gegebener Zeit unter-
richtet wird.“4460
Bereits mit Schreiben vom 7. , 8. und 11. Juni 2004 teilten
die um Zustimmung gebetenen Behörden dem Bayeri-
schen Staatsministerium des Innern mit, dass sie keine
Einwände gegen die vorgeschlagene Verfahrensweise
erheben würden
4461
bzw. dieser ausdrücklich zustimm-
ten.
4462
Das Bayerische Staatsministerium des Innern ersuchte
daraufhin am 15. Juni 2004 das BKA gemäß § 4 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 BKAG
„für die unter den Aktenzeichen 109 UJs
118678/00 und 103 UJs 115193/01 bei der Staats-
anwaltschaft Nürnberg-Fürth anhängigen Verfah-
ren (Tötungsdelikte an Enver Şimşek und an Ab-
durrahim Özüdoğru) ergänzende strukturelle Er-
mittlungen unter dem Gesichtspunkt des
§ 129 StGB zu führen.“4463
4458) Schreiben BayStMI vom 3. Juni 2004, MAT A BY-
2/6a, Bl. 207.
4459) Schreiben BayStMI vom 3. Juni 2004, MAT A BY-
2/6a, Bl. 207 f.
4460) MAT A, BKA-2/15, Bl. 176 f.
4461) Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom
7. Juni 2004, MAT A BY-2/6a, Bl. 229; Schreiben der Behörde
für Inneres Hamburg vom 8. Juni 2004, MAT A BY-
2/6a, Bl. 230.
4462) Schreiben des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern
vom 11. Juni 2004, MAT A BY-2/6a, Bl. 231.
4463) Antrag des BayStMI auf Übernahme ergänzender Ermittlungen
im Hinblick auf § 129, MAT A BY-2/6a, Bl. 233 = MAT A
BKA-2/15 Bl. 228.
Drucksache 17/14600 – 512 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Aussagen der Zeugen
Der Ausschuss hat mehrere Zeugen dazu befragt, wie es
zu dem Antrag auf Übernahme ergänzender struktureller
Ermittlungen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB,
beschränkt auf die bis zu diesem Zeitpunkt in Nürnberg
anhängigen Verfahren, kam, und inwieweit seitens des
BKA eine Übernahme der Gesamtermittlungen abgelehnt
wurde.
Die vom Ausschuss vernommenen bayerischen Zeugen,
die mit dieser Angelegenheit befasst waren, haben über-
einstimmend ausgesagt, dass 2004 die Bereitschaft be-
standen habe, dem BKA die Gesamtermittlungen zu über-
tragen, das BKA habe dies jedoch abgelehnt.
Der spätere Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier,
hat in seiner Vernehmung dargelegt, nach dem Mord in
Rostock sei in Bayern der Wunsch entstanden, dass das
BKA das Verfahren als Ganzes übernehme.
4464
Er habe
2004 versucht, das BKA zur Übernahme des Fallkomple-
xes zu bewegen.
4465
Zur Begründung hat er ausgeführt,
dass er in solchen Fällen eine zentrale Ermittlungsführung
für die bessere halte, sei es durch das BKA oder durch
eine Länderbehörde, die allerdings dann auch, ähnlich wie
in § 4 BKAG, ein Weisungsrecht haben müsse.
4466
Das
BKA habe in der Besprechung beim BKA in Wiesbaden
im April 2004 die Übernahme der Gesamtermittlungen
jedoch abgelehnt.
4467
Auch der Zeuge Vögeler, der für die KPD Nürnberg an
der Besprechung vom 20. April 2004 in Wiesbaden teil-
nahm, hat ausgeführt, dass das BKA in dieser Bespre-
chung deutlich erklärt habe, dass es die Strukturermittlun-
gen in Richtung krimineller Vereinigung übernehmen
werde, aber nicht bereit sei, die Gesamtermittlungen zu
übernehmen. Deshalb sei ein Weg gesucht worden, eine
Staatsanwaltschaft einzubinden, um für das BKA dann
aufgrund von § 129 StGB den Weg freizumachen.
4468
Der damalige Bayerische Staatsminister des Innern, Dr.
Günther Beckstein, hat ausgesagt, im Jahr 2004 habe man
dem BKA die Übernahme des Gesamtverfahrens auf der
Arbeitsebene angeboten.
4469
Das habe man zu diesem
Zeitpunkt ganz vernünftig machen können.
4470
„2000 war der erste Mord, 2001 waren dann drei
Morde, dann war eine zeitlang Ruhe. Warum? Und
wie dann 2004 wieder ein Mord in Rostock war,
da hatten wir gesagt: Es könnte sinnvoll sein, das
ans BKA zu geben. Das BKA, da hätte es aus mei-
ner Sicht und aus unserer Sicht Sinn gemacht, weil
der zu befürchtende Datenverlust nicht besonders
groß gewesen wäre. Es hat dann eine Besprechung
4464) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26.
4465) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 21.
4466) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 21 f., 26.
4467) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 2.
4468) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 109.
4469) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 96, 107.
4470) Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 107
zwischen BKA und den Beamten bei uns gegeben
mit dem Ergebnis, dass strukturelle Ermittlungen
durch das BKA ergänzend geführt werden, aber
dass es bei der Federführung der Nürnberger Lei-
tung der SoKo bleiben sollte.“ 4471
Der Zeuge Kindler (Abteilungsleiter Öffentliche Sicher-
heit und Ordnung im Bayerischen Staatsministerium des
Innern und damit auch Bayerischer Polizeichef) hat er-
klärt, wegen der im Raum stehenden internationalen Be-
züge habe für ihn die Übernahme durch das BKA im
Frühjahr 2004 nahegelegen.
4472
Er sei daher mit seinem
damaligen Vertreter übereingekommen, dem BKA die
Ermittlungen – auch schriftlich – anzubieten.4473 Das
BKA habe dann darum gebeten, mit einem formellen
Übernahmeantrag zu warten, bis man die gemeinsame
Besprechung am 20. April 2004 in Wiesbaden durchge-
führt habe. Es reue ihn im Nachhinein, nicht auf das
schriftliche Übernahmeangebot an das BKA bestanden zu
haben.
4474
Als Ergebnis dieser Besprechung sei ihm mit-
geteilt worden, dass das BKA lediglich ergänzende struk-
turelle Ermittlungen zur Mordserie vornehmen wolle.
4475
Er sei darüber verwundert gewesen, dass das BKA nicht
übernommen habe, habe sich aber gesagt, wenn alle sich
einig seien, stelle er das Ersuchen so, wie das BKA es
wolle.
4476
Die Zeugen Hoppe und Maurer haben im Ausschuss
herausgestellt, dass das BKA eine Kernkompetenz im
Bereich der Organisierten Kriminalität habe. Nach Anga-
ben des Zeugen Hoppe habe im Jahr 2004 die Einschät-
zung vorgeherrscht, dass sich das BKA auf seine Kern-
kompetenzen, die Ermittlungen im Bereich der Organi-
sierten Kriminalität (OK), konzentrieren solle. Man habe
die Ermittlungen bei den Tatortdienststellen belassen,
weil man dort die größere Kompetenz gesehen habe und
auch nach wie vor der Schwerpunkt in Bayern gelegen
habe.
4477
Auch der Zeuge Maurer hat darauf verwiesen, dass das
BKA im Jahr 2004 von den zuständigen Landesdienststel-
len zielgerichtet um Ermittlungsunterstützung in Bezug
auf seine besonderen Kernkompetenzen gebeten worden
sei. Da die Ermittler im Jahr 2004 von einem OK-
Hintergrund der Mordfälle ausgegangen seien, sei infol-
gedessen das BKA um ergänzende OK-Ermittlungen
ersucht worden. Diesem Ersuchen sei das BKA vollum-
fänglich nachgekommen.
4478
4471 ) Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 85
4472) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 84.
4473) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 84.
4474) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 105.
4475) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 85.
4476) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 105.
4477) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 4. Der Zeuge Hoppe war bei den
Besprechungen im Jahr 2004 nicht zugegen und hat das Refe-
rat, in welchem auch die EG „Česká“ angesiedelt war, erst am
1. Januar 2006 übernommen.
4478) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 513 – Drucksache 17/14600
Auf Vorhalt, auch in den Ländern habe der Eindruck
geherrscht, dass das BKA die zentralen Ermittlungen im
Jahr 2004 abgelehnt habe, so dass es einen „komischen
Geschmack“ gehabt habe, als das BKA zu einem späteren
Zeitpunkt die Ermittlungen habe übernehmen wollen,
4479
hat der Zeuge Maurer entgegnet, nicht alle hätten dies so
aufgefasst; das formelle Ersuchen des Bayerischen
Staatsministeriums des Innern gehe von einer einver-
nehmlichen Entscheidung aus.
4480
Sowohl der damalige Vizepräsident des BKA, der Zeuge
Falk, als auch der Präsident, der Zeuge Ziercke, haben
ausgesagt, dass die Führungsebene des BKA erstmals mit
Eingang des eingeschränkten Übernahmeersuchens beim
BKA am 21. Juni 2004 mit dieser Fragestellung befasst
worden sei.
4481
Der Zeuge Falk hat bedauert, dass man
sich damals nicht im Vorfeld an ihn gewandt habe:
„Ich ziehe überhaupt nicht in Zweifel, dass es 2004
auf der Arbeitsebene Gespräche dieser Art und
auch eine solche Ablehnung von Mitarbeitern des
Bundeskriminalamtes gegeben hat. Das war so.“
4482
Der Zeuge Falk hat betont, ihm sei damals die ablehnende
Haltung des BKA auf Arbeitsebene nicht bekannt gewe-
sen.
4483
Auch der Zeuge Ziercke hat angegeben, damals
über die Vorgespräche nicht informiert worden zu sein
4484
und verwies zudem auf die Verantwortung der Justiz:
„Ich habe diese Entscheidung, wie die Bayern das
vorgeschlagen haben, getroffen. Und insoweit
hängt dahinter ja auch das ganze Thema der Justiz.
Das müssen Sie bitte da mit bewerten, dass hier
die Generalstaatsanwaltschaften sich hätten zu-
sammentun müssen, dass wir ein Sammelverfahren
hätten haben müssen. Ich habe von den Nürnber-
ger Staatsanwälten und von der bayerischen Justiz
nichts gehört, dass das beabsichtigt war. Worauf-
hin soll ich dann eine Entscheidung treffen? Also,
ich habe das Ganze ja vorhin auch so eingeschätzt,
dass ich gesagt habe: Ich habe zu keinem Zeit-
punkt einen tatsächlichen Übernahmeantrag der
Bayern bekommen, und meine Bewertung des
Ganzen ist, dass es auch tatsächlich nie beabsich-
tigt gewesen war.“ 4485
Zu der von BKA-Präsident Ziercke angesprochenen Frage
eines Sammelverfahrens hatte sich nach der Darstellung
von Protokollen der ermittelnden Polizeidienststellen die
Haltung der Staatsanwälte kurzfristig verändert: Während
ein Besprechungsprotokoll vom 14. April 2004 festhält,
4479) Protokoll der AG-Kripo vom 20. April 2006, MAT A BKA-
2/19, Bl. 276.
4480) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.
4481) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 42; Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 4;
siehe auch MAT A BKA 2/15, Bl. 228.
4482) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 3.
4483) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 3.
4484) Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 42.
4485) Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 42.
dass von Seiten der Staatsanwaltschaft keine Bedenken
gegen eine Übergabe der Sachbehandlung an das BKA
angemeldet würden,
4486
wird im Vermerk der Nürnberger
Kriminalpolizei vom 22. April 2004 kritisiert, dass sich
keine Staatsanwaltschaft bereit erkläre, die für die Ein-
schaltung des BKA erforderlichen Voraussetzungen zu
schaffen.
4487
Der Zeuge Ziercke hat betont, dass das Ersuchen des
Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom
15. Juni 2004 das einzige offizielle Ersuchen um eine
Verfahrensbeteiligung im Zeitraum von 2000 bis 2011
gewesen sei.
4488
Das Ersuchen habe sich auf ergänzende
strukturelle Ermittlungen bezogen und habe von einem
Einvernehmen auf Arbeitsebene gesprochen; dem sei das
BKA vollumfänglich nachgekommen. Nach dem damali-
gen Stand habe er dies für eine vertretbare Entscheidung
gehalten.
4489
Anderslautende Hinweise habe es weder aus
dem BKA heraus, noch von bayerischer Seite gegeben.
4490
Eine ablehnende Haltung seitens des BKA auf Fachebene
sei ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Die
gefundene Kompromisslösung habe seine Zustimmung
gefunden. Er könne sich auch in der Folge nicht erinnern,
Kenntnis darüber erlangt zu haben, dass das Bayerische
Staatsministerium des Innern im Jahr 2004 tatsächlich die
Absicht gehabt habe, die Übernahme des gesamten Ver-
fahrenskomplexes einschließlich aller Mordermittlungen
an das BKA heranzutragen.
4491
Nach seiner Bewertung sei
dies nie beabsichtigt gewesen.
4492
Auch der Zeuge Falk hat darauf abgestellt, dass die zu-
ständigen Landesbehörden ein förmliches Ersuchen hätten
stellen müssen, wenn sie eine Übernahme durch das BKA
für zwingend gehalten hätten.
4493
„Ich glaube aber, das ist nur von begrenzter Rele-
vanz. Ein formales Übernahmeersuchen aus Bay-
ern, von der zuständigen Landesbehörde, wie es im
Bundeskriminalamtgesetz heißt, hat es in dieser
Sache so nicht gegeben. Und ich denke, wenn
Landesbehörden – es war ja nicht nur Bayern be-
troffen – es wirklich ernsthaft verfolgt hätten, die
Zuständigkeit für die Ermittlungen beim Bundes-
kriminalamt zu diesem Zeitpunkt zu bündeln, dann
hätte man sich auch nach einer Ablehnung auf
Sachbearbeiterebene eben an die Amtsleitung
wenden müssen. Und ich bin mir sicher, da wäre
eine andere Entscheidung gefallen.“4494
4486) Protokoll einer Besprechung beim PP Mittelfranken vom
14.04.2004, MAT A BY-2/3a, S. 90.
4487) MAT A BY-2/3a, S. 34 f.
4488) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 6 f.
4489) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 43.
4490) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 43.
4491) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 6; siehe auch S. 43.
4492) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 42.
4493) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 33.
4494) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3; in diesem Sinne auch S. 18, S. 33,
S. 63.
Drucksache 17/14600 – 514 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Mit einer Ablehnung auf Arbeitsebene hätte man sich
nicht zufriedengegeben, wenn man es für richtig und
wichtig gehalten hätte, dass das BKA einsteigt.
4495
Der Zeuge Falk hat betont, dass er persönlich bereits 2004
eine Übernahme der Ermittlungen nicht nur für sinnvoll,
sondern für geboten gehalten habe. Das organisatorische
Konstrukt, die Ermittlungen trotz auf der Hand liegender
Überregionalität bei den Tatortbehörden zu belassen, habe
er für hochgradig risikobehaftet und zwangsläufig auf
Informations- und Bewertungsverluste angelegt angese-
hen. Nachdem er durch das Schreiben des Bayerischen
Staatsministeriums des Innern vom 3. Juni 2004 erstmals
mit der Angelegenheit befasst worden sei, habe er daher
hausintern Folgendes verfügt:
„Ich halte solche Ermittlungen – und zwar die
Übernahme durch das BKA –, nicht nur für sinn-
voll, sondern für geboten. Ich habe aber auch dazu
geschrieben: ‚Ich bitte, die Amtsleitung über die
Haltung der Länder Hamburg und Mecklenburg
Vorpommern zu unterrichten‘, weil ich zu diesem
Zeitpunkt schon Zweifel hatte, die Ermittlungen in
die Hand zu bekommen.“4496
Als er dies verfügt habe, habe er aber noch nicht gewusst,
dass auf Arbeitsebene eine andere Vereinbarung getroffen
worden sei.
4497
Der Umstand, dass das Ersuchen vom
15. Juni 2004 nur einen Teilauftrag betroffen habe, habe
an seiner persönlichen Haltung, wie an die Ermittlungen
heranzugehen sei, nichts geändert.
4498
Da die Arbeitsebe-
ne signalisierte, dass man sich gerade einvernehmlich
hierauf verständigt habe, habe er sich mit diesem Ergeb-
nis aber letztlich abgefunden.
4499
Im BKA sei man über-
eingekommen, zu versuchen, die Fälle auf dieser Basis zu
lösen, wobei man aber auch nicht damit gerechnet habe,
dass die Serie in dem Maße weitergehe, wie sie weiterge-
gangen ist.
4500
Die Entscheidung, dem BKA im Jahr 2004 lediglich die
ergänzenden strukturellen Ermittlungen zu übertragen,
bedeutete nach Auffassung des Zeugen Falk im Ergebnis
„dass jede Tatortdienststelle ihren Fall – in Anfüh-
rungszeichen – oder Fallkomplex selbstständig
weiterermittelte und die Staatsanwaltschaft Nürn-
berg neben der jeweils örtlich zuständigen Polizei
als zweiten polizeilichen Auftragnehmer – wenn
ich das so ausdrücken darf – das Bundeskriminal-
amt mit einem Ermittlungsauftrag versehen hat.
Dieser war freilich eng begrenzt und mit einer ein-
deutigen, die Ermittlungsanstrengungen des BKA
von vornherein auch bindenden Zielrichtung ver-
sehen, nämlich ergänzende strukturelle Ermittlun-
4495) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 63.
4496) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.
4497) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.
4498) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.
4499) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 18.
4500) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 18.
gen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB zu
führen.“4501
Der Zeuge Falk hat dargelegt, dass er diese Entscheidung
aus heutiger Sicht für falsch halte und hat es als Fehler
bezeichnet, sich damit abgefunden zu haben.
4502
Die Frage, ob die Pläne des damaligen Bundesinnenmi-
nisters Otto Schily, das BKA nach Berlin zu holen und die
dadurch bedingte Umbruchsituation im Amt – die zum
Rücktritt des damaligen Präsidenten Kersten führte –
Auswirkungen auf die Art der Tätigkeit oder die Ent-
scheidungsfreudigkeit des BKA im Jahr 2004 gehabt
hätten, hat der Zeuge Falk ausdrücklich verneint.
4503
Nach
dem Rücktritt des vorherigen Präsidenten Kersten habe
Präsident Ziercke am 1. April 2004 sein Amt angetreten;
zum Zeitpunkt der Entscheidung im Juni 2004 sei die
Amtsleitung des BKA wieder komplett gewesen. Hand-
lungsfähigkeit und Entscheidungsfindungsfähigkeit des
BKA seien zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt gewe-
sen.
4504
5. Beauftragung mit Strukturermittlungen
unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB
durch die EG „Česká“ beim BKA am
23.06.2004
Die EG „Česká“ nahm am 23. Juni 2004 ihre Arbeit
auf.
4505
Sie war angegliedert an das Referat „OA 41“ in
der damaligen Abteilung „Organisierte und Allgemeine
Kriminalität“.4506 Das Referat „OA 41“ war zuständig für
Ermittlungen im Bereich „Organisierte Kriminalität“,
„Rauschgiftkriminalität“ und „Bereichsspezifische Kri-
minalität“.4507 Nach einer Umstrukturierung im BKA im
Jahr 2006 wurde die EG „Česká“ an die Abteilung
„Schwere und Organisierte Kriminalität“, nun unter der
Bezeichnung „SO“ in der Gruppe „Gewalt und Schwer-
kriminalität“ im Referat „SO 15“ („Ermittlungen“) ange-
gliedert.
4508
Abweichend von dem Befund aus den Akten
hat sich der Zeuge Jung erinnert, die EG „Česká“ sei
bereits im März oder April 2004 gebildet worden.
4509
Im Jahr 2005 hatte die EG „Česká“ einen Personalbestand
von zehn Mitarbeitern (ein Teamleiter und Ermittlungs-
führer und drei Büroangestellte für den Bereich der Fi-
nanzermittlungen).
4510
Das Referat „OA 41“ bzw. „SO
4501) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 4.
4502) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.
4503) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 28.
4504) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 28 f.
4505) Sachstandsbericht BKA vom 6. August 2004, BKA-2/15,
Bl. 390.
4506) Organigramm BKA Stand November 2004, MAT A BKA-1,
Bl. 20.
4507) Organigramm BKA Stand Mai 2004, MAT A BKA-1, Bl. 20.
4508) Organigramm BKA Stand November 2006, MAT A BKA-1,
Bl. 22. Ab Januar 2006 wird das Referat im Schriftverkehr mit
„OA 41 (SO 15)“ bezeichnet, z. B. MAT A BKA-2/18.
4509) Jung, Protokoll Nr. 31, S. 52
4510) MAT A BKA-2/15, Bl. 251.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 515 – Drucksache 17/14600
15“ wurde von Januar 2006 bis Ende 2009 vom Zeugen
Hoppe geleitet.
4511
Eine erste Ermittlungskonzeption zu den Strukturermitt-
lungen legte die EG „Česká“ bereits am 28. Juni 2004
vor.
4512
Als wesentliche Ermittlungs-/Auswertungsziele
und -handlungen wurde die Aufhellung der möglichen
Täterstrukturen und deren Motive bezeichnet. Letztere
wurden in einem kriminellen Lebensumfeld der Opfer
gesucht. Darüber hinaus sah die Ermittlungskonzeption
die Identifizierung und Festnahme der Auftraggeber und
Auftragstäter, Ermittlungen zur Tatwaffe, Informations-
zusammenführung und ermittlungsbegleitende Auswer-
tung, eine Intensivierung der Auslandsermittlungen, Ver-
deckte Ermittlungen sowie umfangreiche Finanzermitt-
lungen vor. Diese wurden als erforderlich angesehen, da
die EG „Česká“ davon ausging, dass es sich mit hoher
Wahrscheinlichkeit um Auftragsmorde gehandelt habe,
die von einer Tätergruppierung mit internationalen Bezü-
gen begangen worden sei und deren Motiv im finanziellen
Bereich gesehen wurde.
4513
Die Ermittlungskonzeption
wurde bis zur Einstellung der EG „Česká“ im Mai
2010
4514
mehrfach fortgeschrieben, ohne dass sich die
Fokussierung auf den OK-Bereich änderte.
4515
a) Ermittlungsschwerpunkt „Organisierte
Kriminalität“
Der Zeuge Jung, der in der EG „Česká“ maßgeblich mit
der Verfolgung der Waffenspur befasst war, hat ausge-
sagt, aufgrund des auf strukturelle Hintergrundermittlun-
gen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB eingegrenz-
ten Auftrags sei man auch von diesen Voraussetzungen
ausgegangen.
4516
Man habe den Auftrag bekommen, auf
die bisher ins Leere gelaufenen Ermittlungen – etwa in
Bezug auf Rauschgiftkriminalität – noch einmal draufzu-
setzen und zu schauen, ob es nicht Gruppierungen gebe,
die vielleicht als Auftraggeber in Betracht kämen. An
diesen Vorgaben habe man sich bei der Ermittlungsarbeit
orientiert.
4517
Auf den spezifischen Auftrag des BKA zur Ermittlung
von Auftraggebern und Hintermännern einer Organisation
hat sich auch der Zeuge Hoppe vor dem Ausschuss beru-
fen. Aufgrund dessen habe man keine eigenen Thesen in
Bezug auf ein mögliches anderes Motiv verfolgt. Ein
solches sei zwar immer in den Köpfen gewesen, aber
nicht in die unmittelbaren Ermittlungen eingeflossen.
4518
4511) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2, 4.
4512) MAT A BKA-2/15, Bl. 231 ff.
4513) MAT A BKA-2/15, Bl. 231.
4514) MAT A BKA-2/33, Bl. 434 f.
4515) Fortschreibung der Ermittlungskonzeption vom 13. Juli 2005,
MAT A, BKA-2/16, Bl. 499 ff.; vom 2. August 2006, MAT A
BKA-2/23, Bl. 10 ff.
4516) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 54.
4517) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 54.
4518) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 21.
Auch die Zeugen Maurer, Ziercke und Falk haben darge-
legt, dass der Schwerpunkt der Ermittlungen des Bundes-
kriminalamtes zur Mordserie auf dem Bereich der Orga-
nisierten Kriminalität gelegen habe.
Nach Aussage des Zeugen Ziercke habe das BKA nur
diejenige Zuständigkeit gehabt, die mit der bayerischen
Behörde vereinbart gewesen sei, und dieser Ermittlungs-
auftrag sei auf Organisierte Kriminalität ausgerichtet
gewesen.
4519
Der Zeuge Falk hat ebenfalls erklärt, aus
dem auf ergänzende strukturelle Ermittlungen zu mögli-
chen Straftaten nach § 129 StGB begrenzten Ermittlungs-
auftrag sei gefolgt, dass das BKA als Ermittlungsbehörde
Datenerhebungen nur unter diesem Gesichtspunkt habe
vornehmen dürfen und es gehindert gewesen sei, andere
Ermittlungsfelder zu erschließen, ohne zureichende tat-
sächliche Anhaltspunkte in der Hand zu haben.
4520
Die Zeugen Maurer und Ziercke haben weiterhin ausge-
sagt, dass auch die meisten Hinweise – die sich letztlich
allesamt als Trugspuren erwiesen hätten
4521
– aus dem
OK-Bereich (Drogen, Rauschgift) gekommen seien.
4522
Nach Aussage des Zeugen Maurer habe der größte Teil
der bearbeiteten Spuren auf Hinweisen aus der Bevölke-
rung beruht.
4523
Es habe aber keine Selektion im Sinne
einer Festlegung auf mögliche Tathintergründe gege-
ben.
4524
Darüber hinaus habe das BKA nach Angaben des Zeugen
Maurer aber auch immer wieder und fortgesetzt Hinweise
auf angeblich kriminelles Verhalten aus dem Bereich der
Organisierten und der allgemeinen Kriminalität erhalten,
denen man dann nachgegangen sei,
4525
wobei sich auch
hier sämtliche Spuren als Trugspuren erwiesen hätten.
In den Akten sind auch umfangreiche Auslandsermittlun-
gen der EG „Česká“ belegt. Diese betrafen in Bezug auf
die Ermittlungen zur Herkunft der Waffe vor allem
Tschechien und die Schweiz.
4526
In Bezug auf die Her-
kunft der Opfer führte die EG „Česká“ Auslandsermitt-
lungen in der Türkei durch.
4527
Das BKA nahm auch umfangreiche Finanzermittlungen
vor. So erhielt der Wirtschaftsprüfdienst in der Abteilung
„Organisierte und Allgemeine Kriminalität“ im BKA den
Auftrag, zu den bis zu diesem Zeitpunkt sieben Getöteten
eine Auswertung der Geschäfts-, Bank und Steuerunterla-
gen vorzunehmen, mit dem Ziel, mögliche Täterstruktu-
ren und deren Motive aufzuhellen bzw. weitere Ermitt-
lungsansätze zu gewinnen. Da ein Zusammenhang zwi-
schen Tatausführung und Geschäftsbetrieb nicht ausge-
4519) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 69.
4520) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 4.
4521) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5; Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4.
4522) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5; Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 47.
4523) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 4.
4524) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 4.
4525) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 57.
4526) Siehe dazu im Einzelnen unten zur Waffenspur F.VII. 1.
4527) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 9.
Drucksache 17/14600 – 516 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schlossen wurde und mögliche Gemeinsamkeiten zwi-
schen den Getöteten herausgefunden werden sollten,
wurden zu allen Mordopfern die entsprechenden Ge-
schäfts-, Bank- und Steuerunterlagen, beginnend drei
Jahre vor dem ersten Mord (1997) eingeholt und an-
schließend ausgewertet.
4528
Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, dass sich die Mitwir-
kung des BKA an den Ermittlungen zur Mordserie nicht
auf die Verfolgung Organisierter Kriminalität beschränkt
habe. Dies sei zwar Schwerpunkt gewesen, daneben seien
im Rahmen der Abklärung aber auch die Dateien des
BKA genutzt worden – auch für die Einzeltäterhypothese,
die in den Rechtsextremismus in Nürnberg hineingehen
sollte – und man habe dazu beigetragen, alle Informatio-
nen, die man zu dem Nagelbombenanschlag in Köln ge-
habt habe,
4529
der BAO „Bosporus“ zur Verfügung zu
stellen.
4530
Auch der Zeuge Maurer hat dargelegt, dass sich das BKA
neben seinem konkreten Arbeitsauftrag in Bezug auf
Organisierte Kriminalität auch mit der Bearbeitung weite-
rer genereller Fahndungsansätze befasst habe, was allein
schon deswegen geboten gewesen sei, weil das BKA als
Zentral- und Kopfstelle des internationalen Dienstver-
kehrs auch bei diesen Fahndungsansätzen mitwirken
musste.
4531
Schlagworte hierzu seien: Mietwagen, Kredit-
karten, Homepageüberwachung, aber auch die Waffen-
spur,
4532
welche die wichtigste Spur der EG „Česká“
gewesen sei.
4533
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hin-
tergrundes der Taten
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, inwieweit das
BKA auch einen rechtsextremen Hintergrund der Mordta-
ten in seine Ermittlungen einbezogen hat.
Der Zeuge Hoppe hat angegeben, Rechtsextremismus sei
für das BKA immer ein mögliches Tatmotiv gewesen,
aber dieses sei nicht in die unmittelbaren Ermittlungen
des BKA eingeflossen. Aufgrund des spezifischen Auf-
trags des BKA, im Hinblick auf § 129 StGB die Auftrag-
geber und Hintermänner einer Organisation zu ermitteln,
habe das BKA zum rechtsextremistischen Hintergrund
keine eigenen Thesen erarbeitet und weiterverfolgt.
4534
Der Zeuge Maurer, der ab dem Jahr 2005 der für die
Strukturermittlungen zuständige Leiter der Abteilung
„Allgemeine und Organisierte Kriminalität“ im BKA war,
hat dargelegt, es habe im BKA hinsichtlich der Ermitt-
lungsrichtung keine Vorfestlegungen gegeben.
4535
Das
4528) BKA, Allgemeiner Sachstand vom 9. Januar 2006, MAT A
BKA-2/18, Bl. 24.
4529) Siehe dazu im Einzelnen unten H.II.
4530) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 63.
4531) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.
4532) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.
4533) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 6.
4534) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 21.
4535) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.
BKA habe nichts ausgeschlossen, auch nicht nach
rechts.
4536
Einen rechten Tathintergrund habe er selbst
bereits bei seiner ersten Befassung mit den Mordfällen im
Jahr 2005 vermutet.
4537
Rechtsextremismus sei als
gleichwertiger Ermittlungsansatz verfolgt worden.
4538
Im Gegensatz zu dieser Spur sei die Beweislage zum
Bereich Rechtsterrorismus
„weniger, deutlich weniger“
gewesen.
4539
Auch BKA-Präsident Jörg Ziercke hat als Zeuge ausge-
sagt, Rechtsextremismus sei im Zusammenhang mit der
Mordserie ein Thema im BKA gewesen. Er hat erklärt,
Abteilungsleiter Maurer, Vizepräsident Falk und auch
andere hätten immer wieder darüber gesprochen und sich
diese Frage gestellt. Er hat ausgeführt:
„Das Problem war nur: Die Verbindung fehlte. Wo
sind denn diese Rechtsextremisten, wenn wir das
so annehmen? Das ist doch das Problem gewesen.
Deshalb waren wir ja auf der Spur der internatio-
nalen Drogenkriminalität.
4540
Das Thema Rechtsextremismus sei auch in der ND-Lage
erörtert worden.
4541
Auf die Frage, ob von ihm selbst oder
einem Kollegen aus dem BKA persönlich jemals im Lau-
fe der Ermittlungen mit Kollegen des BfV über einen
möglichen rechtsextremen bzw. rassistischen Hintergrund
der Mordserie gesprochen worden sei, hat er erklärt, dies
sei Thema gewesen:
„Herr Fromm saß ja immer neben mir in der ND-
Lage. Er hat alle meine Vorträge und die von
Herrn Falk ja gehört. Insofern: Dies war Thema.
Auch in kleinen Runden war das Thema, selbst-
verständlich.“ 4542
Er hat diese Aussage ergänzt:
„Ohne dass wir einen Anfasser hatten, konnten wir
nichts machen.“4543
Auf die Frage, warum das BKA nicht auch öffentlich in
Richtung Rechtsextremismus argumentiert habe, hat der
Zeuge Ziercke ausgeführt:
„Natürlich haben wir das gemacht. Auch dies ist
das BK-Blatt, das in diese Richtung doch geht
letztlich, wo das dargestellt ist. Nur, diesen Schritt,
jetzt zu sagen: ‚Das ist Rechtsextremismus‘, das
4536) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.
4537) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.
4538) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.
4539) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 32.
4540) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 36.
4541) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 65 f.
4542) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.
4543) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 517 – Drucksache 17/14600
konnten wir doch nicht; das wusste doch kei-
ner.“4544
Er hat ausgeführt, dass es sich bei dem Trio um eine
klandestine, sehr abgeschottet lebende Gruppe gehandelt
habe, deren nächste Freunde, Unterstützer und Angehöri-
ge angeblich nichts von den Morden gewusst haben sol-
len. Dies sei der Punkt, an dem er fragen müsse, was dann
die Polizei, die ja auch nicht im Vorfeld tätig sei, für
Konzeptionen entwickeln könne.
4545
Er hat im Ausschuss
die Frage aufgeworfen, ob er als BKA-Präsident nur
Vermutungen habe öffentlich machen sollen
4546
und er-
klärt, dass er nicht handfeste Theorien nicht veröffentlicht
habe.
4547
Dem Zeugen Ziercke wurde vorgehalten, dass spätestens
seit dem Nagelbombenattentat am 9. Juni 2004 in Köln
greifbare Hinweise zum Rechtsradikalismus im Raum
gestanden hätten: Es habe mutmaßliche Täter mit Fahrrä-
dern gegeben, die alles andere als türkisch ausgesehen
hätten,
4548
eine Zeugin, die in Nürnberg darauf hingewie-
sen habe, dass sie hier die Täter wiedererkannt haben
könnte, eine Augenzeugin im Fall Dortmund, die aussagt
habe, die zwei Täter hätten rechtsradikales Aussehen und
es habe auch ein Flugblatt „Deutsche wehrt Euch!!!“ 4549
gegeben, das im Zusammenhang mit dem Anschlag in der
Kölner Keupstraße aufgetaucht sei.
Der Zeuge Ziercke wurde gefragt, warum die Staats-
schutzabteilung des BKA vor diesem Hintergrund der
These „Rechtsradikalismus“ nicht eigenständig nachge-
gangen sei. Der Zeuge Ziercke hat hierauf ausgesagt, die
Mitarbeiter des BKA hätten im Rahmen ihrer Anbindung
an die Ermittlungen selbstverständlich darauf hingewie-
sen, dass dieser Aspekt mit dem Verfassungsschutz ge-
prüft worden ist. Er hat weiter ausgeführt:
„[…] Ich kann ja nicht einfach vom Staatsschutz
kommen und sagen: Ich übernehme jetzt einen
Fall. - Das … [lassen] das Grundgesetz und das
BKA[G] das nicht zu […].“4550
Aber das BKA habe nicht einfach vom Staatsschutz
kommen und den Fall übernehmen können. Dies habe das
Grundgesetz und das BKAG nicht zugelassen.
4551
Auch in der BAO „Bosporus“ habe das BKA keinen für
den Rechtsextremismus zuständigen Ermittlungsbeamten
gehabt. Da das BKA für diesen Bereich keine Zuständig-
keit gehabt habe, hätte er als BKA-Präsident bei der ge-
gebenen Rechtslage die Ermittler des BKA nicht auf diese
Spur ansetzen dürfen.
4552
Informationserhebungen von
4544) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.
4545) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.
4546) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.
4547) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.
4548) Sachstandsbericht BAO „Bosporus“, Stand Mai 2008, MAT A
GBA-4/2, Bl. 598.
4549) MAT A GBA-4/2, Bl. 502.
4550) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.
4551) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.
4552) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 69.
Bundesbehörden dürften in der Regel nur in Kenntnis der
örtlich zuständigen Behörden erfolgen. Falls keine eigene
Zuständigkeit gegeben sei, dürfe auch keine Informati-
onserhebung vor Ort stattfinden.
4553
Der Zeuge Maurer hat erklärt, dass, im Gegensatz zu
Hinweisen auf Organisierte Kriminalität, Hinweise aus
dem rechten Milieu trotz massiver Öffentlichkeitsarbeit,
Öffentlichkeitsfahndung und außergewöhnlich hoher
Belohnungssumme fast gänzlich unterblieben seien. Das
Ermittlungshandeln werde sehr stark vom Hinweisauf-
kommen determiniert und nicht umgekehrt.
4554
Hinsichtlich der Einschätzung, ob eine rechtsextrem mo-
tivierte Tat begangen wurde, habe die Frage, ob ein Be-
kennerschreiben vorliege, für ihn und das BKA hingegen
zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt.
4555
Auch der
Zeuge Ziercke hat das Vorliegen eines Bekennerschrei-
bens für diese Fragestellung als nicht entscheidend be-
zeichnet.
4556
Am 19. April 2006 hat der Abteilungsleiter Maurer bei
der Strategiebesprechung im BKA zur weiteren Ermitt-
lungsführung ausweislich des Protokolls ausgeführt, dass
es zwar eine begründete Hypothese der Verbindungen zu
kriminellen Organisationen gebe, es heißt jedoch auch:
„Politische Hintergründe sind nicht auszuschlie-
ßen, ebenso wenig wie rassistisch orientierte Tä-
ter.“4557
Diese Aussage hat der Zeuge Falk als Beleg dafür ange-
führt, dass das BKA ausdrücklich den möglichen rassis-
tisch motivierten Täter in den Blick genommen habe,
4558
dies aber nur als Möglichkeit, ohne etwas in der Hand zu
haben.
4559
Auf Nachfrage, wie der Begriff der politisch motivierten
Kriminalität im BKA verstanden worden sei, hat der Zeu-
ge Falk erklärt:
„Also, der Begriff war sicher sehr pauschal ge-
wählt. […] Ich habe ja vorhin auch in meinem
Statement, glaube ich, eine solche Formulierung
mal zitiert, und wir haben in erster Linie, wenn wir
von politisch motivierter Kriminalität gesprochen
haben, hier auch an Auseinandersetzungen im ex-
tremistischen Milieu türkischer Provenienz ge-
dacht. Das hatte auch damit zu tun – das war aller-
dings eben relativ spät; ich glaube, das war sogar
erst 2007 –, dass wir dann eine konkrete Spur
‚Türkische Hizbullah‘ bearbeitet haben. Das hatte
mit Informationen zu tun, die wir aus der Türkei
erhalten hatten. Und ich bin dann irgendwann mal
4553) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.
4554) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5, 9.
4555) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 10.
4556) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 47.
4557) Protokoll der Strategiebesprechung im BKA vom
19. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl. 217 ff.
4558) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.
4559) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.
Drucksache 17/14600 – 518 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
darüber informiert worden, dass es in Personen –
ich kann gar nicht genau sagen, wer das war –, die
in irgendeiner Weise mit dem Opfer […] zu tun
hatten, da auch einen vagen Bezug geben könnte
zur TH, also zur ‚Türkischen Hizbullah‘.“4560
In den Akten finden sich im Zusammenhang mit der
Česká-Mordserie keinerlei Belege dafür, dass sich die für
den Rechtsextremismus zuständige Abteilung Polizeili-
cher Staatsschutz (ST) des BKA auch mit der Vermutung
befasste, es könne sich bei den Tätern um Rechtsextre-
misten handeln.
Dem Zeugen Falk ist vorgehalten worden, dass demge-
genüber bei der Verfolgung der – letztlich falschen – Spur
zur „Türkischen Hizbullah“ im Jahr 2007 ausweislich der
Akten sofort der Bereich Staatsschutz einbezogen wur-
de.
4561
In der Führungsinformation Nr. 3 des BKA vom
1. November 2007 heißt es:
„Im Rahmen einer DR von VP Falk im September
2007 in die Türkei wurde vereinbart, eine
‚deutsch-türkische Arbeitsgruppe Hizbullah‘ ein-
zurichten. Die Federführung seitens des BKA liegt
bei ST 32, SO15 ist … beteiligt.“4562
Nach Aussage des Zeugen Falk sei dieses Ermittlungsver-
fahren nicht Gegenstand des Česká-Komplexes gewesen.
Die für Rechtsextremismus zuständige Abteilung Staats-
schutz sei mit der Frage eines möglichen rassistisch moti-
vierten Täters nicht befasst worden, weil es sich dabei um
„eine Vermutung oder Möglichkeit ohne jeden
Hinweis, dass es tatsächlich so ist“ 4563
gehandelt habe.
Auch nach der 2. OFA vom 9. Mai 2006
4564
, in der die
OFA Bayern ausdrücklich als wahrscheinlichere Hypo-
these nunmehr die sogenannte „Einzeltäterhypothese“
ansah und eine Zugehörigkeit der Täter zur rechten Szene
vor der ersten Tat vermutete, änderte das BKA seine
Ermittlungsschwerpunkte nicht.
4565
6. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord
an İsmail Yaşar
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth übernahm die
Ermittlungen. Die Polizei wertete auch hier Tatortspuren
wie Fingerabdrücke, Schuhspuren, DNA-Spuren, Projek-
tile sowie die persönlichen Gegenstände des Opfers
aus.
4566
Am 16. Juni 2005 bestätigte das BKA, dass auch
4560) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 30.
4561) MAT A BKA-2/29, Bl. 177.
4562) MAT A BKA-2/29, Bl. 177.
4563) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.
4564) Siehe unten F.V.8.
4565) Einzelheiten siehe unten F. V. 8. c) cc).
4566) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 93 f.
dieser Mord mit der bereits mehrfach als Tatwaffe einge-
setzten Česká 83 begangen wurde.4567
Wie oben aus der Passage zum Tatablauf ersichtlich wird,
ergaben die Ermittlungen bei diesem Mord deutliche
Hinweise auf zwei männliche Fahrradfahrer als Täter.
4568
7. Ermittlungen in München nach dem Mord
an Theodoros Boulgarides
Die Staatsanwaltschaft München I nahm die Ermittlungen
auf. Die Polizei wertete auch hier Tatortspuren wie Fin-
gerabdrücke, Schuhspuren, DNA-Spuren, Projektile so-
wie eine Vielzahl von Asservaten aus.
4569
Schon einen
Tag nach der Tat, am 16. Juni 2005, bestätigte das BKA:
Auch bei diesem Mord fand die gleiche Waffe Verwen-
dung wie schon mehrfach zuvor.
4570
Ein Zeuge berichtete,
dass er kurz vor der Tat gesehen habe, wie das Opfer auf
der Straße wild gestikulierend mit einer männlichen Per-
son gesprochen habe.
4571
Eine weitere Zeugin teilte der Mordkommission in Mün-
chen mit, dass sie am 18. Juni 2005 gesehen habe, wie ein
näher bezeichnetes Auto auffällig langsam am Tatort des
Mordes zum Nachteil von Theodoros Boulgarides in
München vorbeigefahren sei. Die Polizei befragte kurz
den Halter des Fahrzeugs, Karsten R. Er gab an, einem
von ihm namentlich genannten Freund aus Neugierde den
Tatort gezeigt zu haben.
4572
Eine andere Zeugin teilte am 27. September 2006 der
BAO „Bosporus“ mit, dass sie etwa sechs bis zwölf Mo-
nate zuvor gehört habe, wie Karsten R. in Erfurt zu einer
anderen Person, mutmaßlich Mitglied einer rechtsextre-
men Organisation, sagte: „Jetzt sind es acht Morde.“4573
Im Dezember 2006 erfolgte eine erneute Überprüfung des
Hinweises vom 18. Juni 2005. Nunmehr wurde festge-
stellt, dass der Freund, dem der Tatort gezeigt wurde, dem
rechten Spektrum zuzurechnen sei.
4574
Zeugenverneh-
mungen von Karsten R. und dessen Freund erfolgten
allerdings erst am 18. April 2012. Sie gaben erneut an,
lediglich aus allgemeiner Neugier dort vorbeigefahren zu
sein.
4575
Ein Vorhalt der Wahrnehmung in Erfurt erfolgte
allerdings nicht.
4567) MAT A GBA-5, Bl. 89.
4568) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November
2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 416 ff.
4569) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 114 f.
4570) MAT A GBA-4/7a, Bl. 144.
4571) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., Bl. 118.
4572) Vermerk vom 27. Juni 2005, MAT A GBA-4/9, Bl. 26 f.
4573) Spurenblatt vom 28. September 2006, MAT A GBA-4/7a,
Bl. 446 f.
4574) Vermerk der BAO „Bosporus“ vom 21. Dezember 2006, MAT
A GBA-4/9, Bl. 24 f.
4575) Vernehmungsprotokolle, MAT A GBA-4/31, Bl. 24 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 519 – Drucksache 17/14600
IV. Ermittlungen nach dem sechsten und sieb-
ten Mord
1. Einrichtung der BAO „Bosporus“ und Er-
mittlungen bis 2006
a) Aufbau der BAO „Bosporus“
Nachdem am 9. Juni 2005 in Nürnberg und am 15. Juni
2005 in München kurz hintereinander zwei neue Česká-
Morde geschahen, rief das Polizeipräsidium Nürnberg am
1. Juli 2005 die BAO „Bosporus“ ins Leben.4576 Eine
Besondere Aufbauorganisation (BAO) richtet die Polizei
ein, wenn eine Lage durch die allgemeine Aufbauorgani-
sation nicht bewältigt werden kann. Die BAO „Bosporus“
entstand aufgrund einer Besprechung vom 17. Juni 2006
beim Bayerischen Staatsministerium des Innern. Beteiligt
waren an dieser Besprechung Mitarbeiter der Staatsan-
waltschaft München I, der Polizeipräsidien München und
Mittelfranken sowie des Bayerischen Landeskriminal-
amts. Im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern an das PP Mittelfranken vom 17. Juni 2006
heißt es über das Ergebnis dieser Besprechung:
„Die bisherigen Tatortbefundaufnahmen haben er-
geben, dass der/die Täter keinerlei wesentliche
Spuren am Tatort hinlassen, so dass somit den
Hintergrund- und Strukturermittlungen fundamen-
tale Bedeutung zukommt. Einigkeit bestand bei al-
len Beteiligten über die Notwendigkeit einer zent-
ralen Leitung einer bayernweiten Sonderkommis-
sion.
Vor dem Hintergrund der täterseitig örtlichen
Schwerpunktsetzung in Bayern sowie auch indiffe-
renter Unterstellungsfragen bezüglich des BKA
wird folgende Organisation der Sonderkommission
einvernehmlich von den Besprechungsteilnehmern
favorisiert:
Es wird eine gemeinsame Sonderkommission ge-
bildet, die auf die bestehende Sonderkommission
‚Halbmond‘ aufbaut und vom Polizeipräsidium
Mittelfranken hochrangig geleitet wird. Die Kräfte
des Polizeipräsidiums München werden in die
Sonderkommission integriert. Das Bayerische
Landeskriminalamt wird ebenfalls beteiligt und
dem Polizeipräsidium Mittelfranken hierfür unter-
stellt. Die Einbindung außerbayerischer
Polizdidienststellen (Tatorte Hamburg und Ros-
tock) soll durch die Gestellung von Verbindungs-
beamten erfolgen. Im Hinblick auf die bisherigen
und weiterhin durchzuführenden Struktrurer-
mittlungen wird eine umfängliche Beteiligung des
BKA eingefordert.“4577
4576) Schreiben des PP Mittelfranken an das BStMI vom 23. Juni
2005, MAT A BY-2/6a, Bl. 375 f.
4577) MAT A BY-2/6a, Bl. 358.
Der Name „Bosporus“ wurde nach Aussage des Zeugen
Geier, des ersten Leiters dieser BAO, nach der Gegend
gewählt, aus der die meisten Opfer stammten.
4578
Dr.
Beckstein, der damalige Innenminister Bayerns, betonte,
dass in seinen vielen Gesprächen mit türkischen Amtsträ-
gern dieser Name nie kritisiert worden sei.
4579
Unabhängig von den örtlichen Mordermittlungen in
Nürnberg und in München wurde die BAO „Bosporus“
zunächst als zentrale Koordinierungsstelle gegründet.
4580
Ab dem 1. Oktober 2005 wurde die Soko „Halbmond“
(Nürnberg) und zum 31. Oktober 2005 die Soko „Theo“
(München) in die BAO „Bosporus“ integriert.4581
Die BAO „Bosporus“ war in fünf Einsatzabschnitte un-
tergliedert:
– Zentrale Sachbearbeitung,
– Analyse, Auswertung, EASy-Anwendung,
– Ermittlungen,
– Finanzermittlungen,
– Verdeckte Infogewinnung.4582
Zum Leiter der BAO wurde LKD Geier bestimmt. Er hat
als Zeuge ausgesagt, dass bei der BAO „Bosporus“ in
Nürnberg in der größten Stärke 60 Beamte eingesetzt
worden seien. Bundesweit hätten bis zu 160 Beamte an
dem Fallkomplex gearbeitet.
4583
Die Organisation der Ermittlungen der BAO „Bosporus“
wird durch nachfolgende Organigramme dargestellt:
4578) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 11.
4579) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 117.
4580) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.
4581) Sachstandsbericht der Soko „Bosporus“ vom 30. November
2011, MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 379.
4582) Organigramm, MAT A BY-2/3d, Bl. 15.
4583) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26 f.
Drucksache 17/14600 – 520 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stand Mai 2006 MAT A BY-2/3d, Bl. 15
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 521 – Drucksache 17/14600
Stand 1. Juni 2006 MAT A BY-2/3e, Bl. 88
Drucksache 17/14600 – 522 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Stand 1. Juli 2007 MAT A BY-2/3e, Bl. 89
b) Beginn der Arbeit der BAO „Bosporus“
Der Ausschuss hat sich für den Umfang der durchgeführ-
ten Ermittlungen und die Ermittlungsrichtungen interes-
siert. Insgesamt ist festzustellen, dass die BAO „Bospo-
rus“ bis zur 2. Operativen Fallanalyse davon ausging, dass
die Täter in einer kriminellen Organisation zu suchen
seien. Zum Stand der Ermittlungen hat der Zeuge Geier
ausgeführt:
„Bei der Übernahme der Ermittlungen [zum 1. Juli
2005] fand ich folgende Ausgangslage vor: Es gab
sieben Opfer, alle männlich, sechs türkische und
ein griechischer Kleingewerbetreibender, die alle
mit der gleichen Waffe, einer Česká 83, Kali-
ber 7,65, man kann sagen: in ihren Geschäften
hingerichtet wurden. Es gab kein offensichtliches
Motiv, es gab keinerlei verwertbare Tatortspuren,
und es gab auch keine Tatbekennung in irgendeine
Richtung. Die bisherigen Ermittlungen der Son-
derkommissionen konnten ebenfalls keinerlei di-
rekte Verbindungen zwischen den Opfern herstel-
len.
Im Fortgang wurden dann von mir folgende strate-
gische Entscheidungen getroffen: Eingliederung
der beiden bestehenden Sonderkommissionen in
Nürnberg und München in die BAO ‚Bosporus‘,
was mit Ende Oktober 2005 beendet wurde, Erfas-
sung bzw. Nacherfassung aller bisherigen Fälle in
ein einheitliches Fallerfassungssystem, um elek-
tronische Datenabgleiche durchführen zu können.
Nach langwierigen Absprachen mit dem Bundes-
kriminalamt wurde sich letztendlich für das baye-
rische Fallerfassungssystem namens EASy und
nicht für INPOL-Fall entschieden. Die Nacherfas-
sung wurde durch bayerische OK-Dienststellen ge-
leistet und dauerte bis zu einem halben Jahr. Wei-
terer Punkt: Nochmalige Überarbeitung aller fünf
Altfälle durch die BAO ‚Bosporus‘ selbst und
nochmalige Kontaktaufnahme zu den Son-
derkommissionen vor Ort in Hamburg und Meck-
lenburg-Vorpommern.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 523 – Drucksache 17/14600
In Hamburg wurde auf unser Bitten der Fall von
der Mordkommission an die OK-Abteilung des
LKA übergeben. In Mecklenburg-Vorpommern
wechselte die Verantwortung von der Mordkom-
mission Rostock zum Landeskriminalamt Meck-
lenburg-Vorpommern. Im Benehmen mit dem
Bundeskriminalamt wurden alle eingehenden
Hinweise zu den Taten und möglicherweise Tat-
verdächtigen zentral bei der BAO ‚Bosporus‘ be-
wertet und, je nach Festlegung durch das BKA,
durch die BAO ‚Bosporus‘ selbst oder durch eine
Sonderkommission in Hamburg oder Mecklen-
burg-Vorpommern bearbeitet. Des Weiteren veran-
lasste ich Abfragen über Europol und Interpol, ob
im übrigen Europa, inklusive der Türkei, serienzu-
gehörige Fallkonstellationen bekannt waren, sowie
die Durchführung eines Abgleichs mit der jewei-
ligen Tatmunition. Die Abfragen verliefen im Üb-
rigen negativ.
Des Weiteren beauftragte ich die OFA Bayern –
Operative Fallanalyse – zu ihrer ersten Analyse
zum bisherigen Gesamtserienstand der sieben
Morde. Präsentation des Ergebnisses war im Au-
gust 2005 und hatte zum Ergebnis mit Schwer-
punkt die sogenannte Organisationstheorie, also
Hintergrund ist eine kriminelle Organisation; das
heißt, die Täter stammen aus einer kriminellen Or-
ganisation oder sind von ihr beauftragt worden.
Als ein weiterer Schwerpunkt wurde festgelegt,
Verbindungen zwischen den Opfern zu ermitteln.
Dabei wurden unter anderem eine gemeinsame
Herkunft aus Regionen in der Türkei, gleiche poli-
tische oder ethnische Ausrichtung, gleiche Militär-
dienstableistung sowie geschäftliche Beziehungen
bzw. gemeinsame Lieferanten – waren ja alle
Kleingewerbetreibende –. Keine dieser Überprü-
fungen führte zu einer Übereinstimmung bei allen
Opfern.
Um ein Motiv zu finden, wurden auch Fi-
nanzermittlungen mit dem Schwerpunkt, die fi-
nanzielle Situation aller Opfer zu beleuchten, um
mögliche finanzielle Beziehungen zwischen den
Opfern aufzudecken, eingeleitet. Die langwierigen
Ermittlungen führten ebenfalls zu keinem motiv-
gebenden Ansatz für die Tötungen.
Auch schon zu diesem Zeitpunkt ließ sich Kontakt
zur EG ‚Sprengstoff‘ des Polizeipräsidiums Köln
aufnehmen, die ja wegen eines Nagelbombenatten-
tats 2004 in der Kölner Keupstraße ermittelte. […]
In der ersten Phase wurden auch verdeckte Ermitt-
lungen im Opferumfeld und in bestimmten ge-
schäftlichen und kriminellen Bereichen eingeleitet.
[…]
Zum damaligen Zeitpunkt wurden auch die Ermitt-
lungen zu den Tatwaffen und der Tatmunition in-
tensiviert. Durch einen Munitionswechsel bei der
fünften Tat in Rostock konnte der Sachverständige
des BKA die Benutzung eines Schalldämpfers
nachweisen – erst nach der fünften Tat 2004. Da-
durch konnten Einschränkungen bei der infrage
kommenden Anzahl von Českás gemacht werden.
Die Überprüfung aller legal in Deutschland regis-
trierten Českás – 171 mit Stand vom 14. Novem-
ber 2007 – führte zu keiner mit einem verlängerten
Lauf, die als Tatwaffe infrage kam. Der verlänger-
te Lauf hat vorne ein Gewinde, an dem man diesen
Schalldämpfer festmachen kann. Auch schon zu
diesem Zeitpunkt wurden erste Ermittlungen und
Rechtshilfeersuchen nach Tschechien gesandt, um
bei der Herstellerfirma Ermittlungen für diese
Českás einzuleiten. […]
Es wurden auch externe Sachverständige zu Fra-
gen eingeschaltet über die Anzahl der Schützen.
Bei der ersten und bei der dritten Tat waren ja
zwei Waffen im Spiel. Wir wollten wissen: Kann
das einer alleine machen, der zwei Waffen bedient,
oder müssen das mehrere Schützen gewesen sein?
Auffällig war im Fall Nr. 7 zum Nachteil
Boulgarides in München, dass dort offensichtlich
durch eine Plastiktüte geschossen wurde. Ab dem
Fall 5 fiel uns schon bereits auf, dass offensichtlich
Maßnahmen zur Hülsenvermeidung getroffen
wurden.
Auch zu diesem Zeitpunkt fingen wir an, Funkzel-
len auszuwerten, und zwar für die beiden Tatortbe-
reiche in Nürnberg und München – für die anderen
zurückliegenden Tatorte lagen keine Verbindungs-
daten mehr vor –, sowie die Erhebung von Zah-
lungskartendaten auf der Strecke von Nürnberg
nach München für den Tatzeitraum zwischen den
beiden Taten in Nürnberg und München – Täter
könnte ja auf der Fahrt von Nürnberg nach Mün-
chen getankt haben und mit einer Karte bezahlt
haben – -
Des Weiteren erging der Auftrag, alle möglichen
externen Datenquellen zu erheben, die eine Anwe-
senheit derselben Personen an mehreren Tatorten
nachweisen konnten. Dies führte im Rahmen der
Gesamtermittlungen zu den sogenannten
32 Millionen Massendaten, die die BAO sammelte
und auswertete, und zwar auswertete im Rahmen
von unterschiedlichen Rasterungen. […]
Auch die Öffentlichkeitsarbeit wurde verstärkt,
insbesondere auch in türkischen Medien, um eben-
diese Bevölkerungsgruppe in der Türkei, aber na-
türlich auch in Deutschland, zu erreichen. Dazu
wurden die im Fall 6 zum Nachteil Yaşar in Nürn-
berg erstellten Phantombilder der Fahrradfahrer
verwendet. Zudem wurden in Nürnberg und Mün-
chen circa 900 türkische Kleingewerbetreibende
aufgesucht und teils von Beamten mit Migrations-
hintergrund in der bayerischen Polizei persönlich
aufgesucht, um eben sachdienliche Hinweise zu
Drucksache 17/14600 – 524 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
erhalten, zur Beruhigung beizutragen, aber auch
Verhaltenstipps zu geben.“4584
Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. No-
vember 2005 wurden Überlegungen zur vorstellbaren
Motivlage angestellt, wobei Ratlosigkeit vorherrschte.
Aufgeführt wurden als mögliche Motive:
Raubmord, Beziehungstaten/Ehrverletzungen, Glücks-
spiel/Spielschulden, politische/religiöse Gründe (im Hin-
blick auf die politische/religiöse Haltung der Opfer),
PKK/Schutzgeld, Einzeltäter/Psychopath, Drogen und
„Inkassobüro“.
Zum Motiv „Einzeltäter/Psychopath“ heißt es:
„Aufgrund des Umstandes, dass sich bei den Op-
fern kein konkretes Motiv ergibt, kriminelle Bezü-
ge nicht zu finden sind und Beziehungen unterei-
nander fehlen, werden auch Überlegungen zu Ein-
zeltätern mit einbezogen, die ohne Mordauftrag
Dritter aus eigenen Motiven (ähnlich den in den
USA aufgetretenen ‚Snipern‘) handeln. Dagegen
spricht, dass fast alle Opfer vor den Tatzeiten von
Personen aufgesucht wurden, die nicht zur
Stammkundschaft oder zum näheren Bekannten-
kreis der Opfer gezählt werden können. Die Besu-
che wurden von unbeteiligten Zeugen als Bedro-
hungslagen oder als Streitgespräche interpretiert.
Weiterhin liegen Aussagen vor, dass es z. B. bei
den Opfern Şimşek und Taşköprü zu Wesensver-
änderungen in den Wochen vor der Tat gekommen
war, was ebenfalls gegen diese Theorie
spricht.“
4585
c) Prüfung der Zusammenhänge mit dem
Kölner Nagelbombenanschlag vom 9. Juni
2004
Der Ausschuss hat sich damit beschäftigt, inwieweit die
Polizei einen Zusammenhang zwischen den einzelnen
Taten, die dem NSU heute zugerechnet werden, bereits
vor dessen Aufdeckung erkannt hatte und welche Schritte
hierbei unternommen wurden.
Am 21. Juni 2005 nahm der Leiter der Kölner EG
„Sprengstoff“, der Zeuge KHK Weber, Kontakt mit der
BAO „Bosporus“ auf, da die Täter auch in Nürnberg mit
Fahrrädern unterwegs gewesen seien und die jeweiligen
Phantombilder eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen. Herr
Weber bat darum, der Zeugin, die in Nürnberg die mut-
maßlichen Täter gesehen habe, die Kölner Videoaufnah-
men vorzulegen. Er übersandte den Sachstandsbericht des
PP Köln vom 30. Juni 2004.
4586
Der Zeuge Weber hat
ausgesagt, dass Kölner Beamte noch im Juni 2005 in
Nürnberg gewesen seien.
4587
Auch ein Mitglied der BAO
4584) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3 ff.
4585) MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 478 ff.
4586) Vermerk der KPD Nürnberg vom 22. Juni 2005, MAT A GBA-
4/7a, Bl. 217 f.
4587) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 56.
„Bosporus“, der Zeuge Vögeler, hat ausgesagt, dass be-
reits im Juni 2005 der Sachverhalt ausgetauscht und die
Videoaufnahmen übergeben worden seien.
4588
Am 20. Juni 2006 kam es zu einem weiteren Austausch.
An diesem Tag trafen sich zwei Mitarbeiter des PP Köln
mit sechs Vertretern der BAO „Bosporus“ in Nürnberg.
Zwei Bände Hauptakten und ein Lichtbildband des Köl-
ner Ermittlungsverfahrens gelangten nach Nürnberg. Zur
weiteren Vorgehensweise heißt es in dem Vermerk vom
21. Juni 2006:
„Nach dem Informationsaustausch wurde verein-
bart, dass die von KHK Weber auf CD übergebe-
nen Spudok-Daten des Ermittlungsverfahrens IG
Sprengstoff mit dem hier vorliegenden EASy-
Bestand verglichen werden. Im weiteren werden
die Videoaufnahmen samt Lichtbildausdrucken
entsprechenden Zeugen im Vorfahren Yaşar sowie
im Verfahren Kubaşik in Dortmund (Zeugin D.)
vorgelegt. Der Zeugin B. in Köln werden die Phan-
tombilder zum Ermittlungsverfahren Yaşar ge-
zeigt. Im Weiteren ist beabsichtigt eine verglei-
chende OFA-Analyse des Verfahrens Bombenan-
schlag Köln sowie der Tötungsserie durchzufüh-
ren.“4589
Der Datenabgleich ergab keine relevanten Treffer.
4590
Die
BAO „Bosporus“ nahm außerdem im Hinblick auf den
Einsatz eines Fernzünders bei dem Bombenanschlag in
Köln Ermittlungen in Modellbaufachgeschäften in Nürn-
berg vor.
4591
Der Versuch einer biometrischen Gesichtser-
kennung anhand der Videoaufnahmen schlug nach Aus-
sage des Zeugen Geier fehl.
4592
Die Zeugin K. aus Nürnberg, die zwei Fahrradfahrer am
Tatort wahrgenommen hatte, wurde hierzu mehrfach
vernommen. Dabei wurden ihr von den Beamten der
BAO „Bosporus“ auch die Videosequenzen vom An-
schlag in der Kölner Keupstraße gezeigt. Im Protokoll zu
dieser Zeugenvernehmung ist niedergelegt, Frau K. sei
sich „ziemlich sicher“, dass jeweils eine Person auf diesen
Sequenzen mit einem von ihr am Tatort wahrgenomme-
nen Radfahrer identisch sei.
4593
Vor dem Untersuchungs-
ausschuss des Bayerischen Landtags gab Frau K. an, ihre
damalige Aussage sei von der Polizei in dem Verneh-
mungsprotokoll nicht richtig wiedergegeben worden. In
Wahrheit habe sie beim Betrachten von Videobildern aus
Köln gesagt:
4588) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 91.
4589) MAT A GBA-4/7a, Bl. 225 f.
4590) Vermerk der BAO „Bosporus“ ohne Datum, MAT A BY-2/5b,
Bl. 20 ff.
4591) Vermerk der BAO „Bosporus“ vom 20. März 2007, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 251 f.
4592) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 4.
4593) Protokoll der Zeugenvernehmung B.K. vom 23. Mai 2006,
MAT A BY-2-5-b, Bl. 90 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 525 – Drucksache 17/14600
„Das ist einer der Männer, die ich in Nürnberg ge-
sehen habe.“4594
Über die damalige Vernehmung berichtete sie weiter:
„Dann wurde ich gefragt, woran ich das festmache.
Und dann habe ich gesagt: von der Gestalt und
dann auch mit dem Ohr. Und dann hieß es, ob ich
mir sicher bin. Und da sage ich: Da bin ich mir
ziemlich sicher. […] Ich habe gesagt: Das sind
zwei verschiedene Personen, die eine trägt lange,
die andere kurze Hosen, und ich bin mir sicher, es
sind zwei Männer, und dass die eben so aussehen
wie die Männer, die ich in Nürnberg gesehen habe.
Und dann hieß es: Ja, das ist ja eine Vermutung
von Ihnen. Und sind Sie sich da zu hundert Pro-
zent sicher? Und da habe ich gesagt: Ich bin mir da
ziemlich sicher.“4595
Der Polizeibeamte, der damals Frau K. vernahm, wurde
im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags
dazu befragt, warum der Satz nicht protokolliert wurde
„das ist einer der Männer, die ich in Nürnberg gesehen
habe“. Er bestätigte, dass Frau K. in ihrer damaligen Aus-
sage dies gesagt hat und hatte auf Nachfrage keine Erklä-
rung, warum es einen Unterschied zwischen dem Gesag-
ten und dem Protokoll gibt.
4596
Zur Frage, ob die Formu-
lierung des Protokolls Einfluss auf den Gang der Ermitt-
lungen hatte, führte der Zeuge Dr. Kimmel im Untersu-
chungsausschuss des Bayerischen Landtags aus:
„Wir waren uns insgesamt darüber im Klaren, die
Frau K. ist eine Zeugin, die sich, ob nun ziemlich
sicher - was ich vielleicht mit 80, 90%iger Sicher-
heit bewerten würde - oder absolut sicher - mit
100%iger Sicherheit bewerten würde -, dass wir
davon ausgehen müssen, für die Ermittlungen da-
von ausgehen müssen, dass wir es hier durchaus
um dieselben Täter, dass es hier um dieselben Tä-
ter oder zumindest einen selben Täter handelt. […]
Und das wiederum führte eben auch dazu, […]
dass ein Austausch von sämtlichen Spuren, von
sämtlichen Unterlagen, die vorhanden waren,
durchgeführt wurde und man dann auch entspre-
chend das abgeklärt hat. […] Es wurde also in wei-
testem Umfang hier alles das gemacht, wo wir ver-
suchten, nun irgendwelche Anhaltspunkte heraus-
zubekommen.“4597
4594) B.K., Protokoll der 26. Sitzung des Untersuchungsausschusses
des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 45. MAT B
BY-6.
4595) B.K., Protokoll der 26. Sitzung des Untersuchungsausschusses
des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 45 f. MAT B
BY-6.
4596) KHK R., Protokoll der 26. Sitzung des Untersuchungsausschus-
ses des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 73 f. MAT
B BY-6.
4597) Dr. Kimmel, Protokoll der 28. Sitzung des Untersuchungsaus-
schusses des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 192 ff.
MAT B BY-6.
Die Zeugin D. aus Dortmund konnte hingegen eine Per-
sonengleichheit der Täter aus Köln mit den von ihr gese-
henen Personen nicht feststellen. Eine Person aus den
Videoaufnahmen komme jedoch wegen der herabgezoge-
nen Mundwinkel einer der beiden von ihr beobachteten
Personen nahe.
4598
Die zunächst angedachte gemeinsame Operative Fallana-
lyse erfolgte nicht.
Am 13. August 2007 wurde diese Spur geschlossen, da
keine weiteren Ansätze bestünden, um einen Tatzusam-
menhang be- oder entkräften zu können.
4599
d) Prüfung einer rechtsextremen Tatmotivati-
on vor 2006
Der Ausschuss hat sich mit der Frage befasst, inwieweit
die Ermittler einen rechtsextremen Hintergrund der Mord-
taten in Betracht gezogen haben.
Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. No-
vember 2005 werden unter der Rubrik „politisch-religiöse
Gründe“ lediglich Überlegungen zu derartigen Beziehun-
gen der Opfer dargelegt.
4600
Ein möglicher rechtsextremer Hintergrund wurde aller-
dings vor der 2. Operativen Fallanalyse im Zusammen-
hang mit dem Vermerk des damaligen bayerischen In-
nenministers, Dr. Beckstein, vom 12. September 2000
thematisiert
4601
. Auf einem Pressebericht vom 7. Mai
2006 über die Morde vermerkte Dr. Beckstein außerdem:
„Könnte bei den Türken-Morden Fremdenfeind-
lichkeit das Motiv sein?“4602
Als Zeuge hat Dr. Beckstein hierzu ausgeführt:
„Auf diese Notiz hin teilt man mir umgehend mit,
dass Fremdenfeindlichkeit als Motiv aktueller Ge-
genstand der OFA, der Operativen Fallanalyse, ist,
und es wird gebeten, eine Zeit lang zu warten, bis
die berichten, sodass die von mir verlangte Rück-
sprache dann eine Zeit lang verschoben worden ist.
Sie hat dann im Juni stattgefunden, wo mir dann
mitgeteilt worden ist, dass neben der Organisierten
Kriminalität, der Organisationstheorie, auch die
Einzeltätertheorie kommt. Also, von daher sage
ich: Wir haben wirklich in alle Richtungen ermit-
telt.“4603
Der Zeuge Vögeler hat zur Prüfung eines rechtsextremen
Hintergrundes der Mordserie für die Zeit bis 2006 ausge-
sagt, dass in Gesprächen mit der Staatsschutzdienststelle
4598) Vermerk vom 9. Oktober 2006, MAT A BY-2/5b, Bl. 132.
4599) Spurenblatt, MAT A GBA-4/7a, Bl. 28.
4600) MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 478 ff.; siehe oben F.IV.1.b).
4601) Siehe oben, F.II.b).
4602) MAT A BY-2/9a, Bl. 183.
4603) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 80.
Drucksache 17/14600 – 526 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die Tötungsserie des Öfteren diskutiert worden sei, ein
konkreter Tatverdacht habe sich jedoch nicht ergeben.
4604
e) Zusammenarbeit mit Verfassungsschut-
zämtern vor der 2. OFA 2006
Bis zur Kontaktaufnahme mit dem LfV Bayern im Juli
2006 betrafen die Anfragen der Polizei nicht die Suche
nach einem Täter mit rechtsextremem Hintergrund. Ge-
genstand der Anfragen waren vielmehr vor allem nach-
richtendienstliche Überprüfungen der Opfer und Erkennt-
nisse aus dem kriminellen Milieu.
4605
Beispielsweise
erfolgte am 18. Juli 2005 eine Anfrage an alle Landesver-
fassungsschutzbehörden, an das BfV, den BND, den
MAD und auch ausländische Dienste zu Informationen
über die Opfer im nachrichtendienstlichen Bereich.
4606
Der Zeuge Geier hat ausgeführt, dass bereits vor der
zweiten Operativen Fallanalyse Kontakte zu den Nach-
richtendiensten aufgenommen wurde. Im September 2005
sei beispielsweise die erste Besprechung der BAO „Bos-
porus“ mit dem LfV Bayern gewesen. Damaliger Ermitt-
lungsansatz sei allerdings eine mögliche Verstrickung
eines ausländischen Geheimdienstes, einer rechten türki-
schen Organisation wie der MHP oder der PKK und links
orientierter Organisationen, wie zum Beispiel der
Devrimci Sol gewesen. Zudem seien die Dienste um Aus-
künfte zu den Opfern gebeten worden.
4607
Die BAO „Bosporus“ übersandte darüber hinaus an die
Adresse [email protected] des Bundesamtes
für Verfassungsschutz am 17. Februar 2006 unter dem
Betreff „Mordserie an 6 türkischen und 1 griechischen
Staatsangehörigen“ folgende E-Mail:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
die Besondere Aufbauorganisation ‚Bosporus‘
(BAO) bearbeitet seit dem 1. Juli 2005 die o. a.
Mordserie zentral, zusammen mit dem BKA sowie
den Polizeibehörden in Hamburg und Rostock.
Die BAO ‚Bosporus‘ wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie uns eine Ansprechpartnerin, einen Ansprech-
partner für diesen Fallkomplex benennen wür-
den.“4608
Während der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge
Geier, angegeben hat, dass eine Antwort auf diese E-Mail
nicht erfolgt sei
4609
, hat das BfV über die weitere Bearbei-
tung der Anfrage Folgendes mitgeteilt:
„Diese E-Mail wurde […] als Ausdruck mit der
handschriftlichen Verfügung ‚U an Abteilung 5‘
weitergeleitet. Nach Zeichnung durch den Abtei-
4604) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 103.
4605) Vgl. hierzu die Unterlagen in MAT A BY-6/1, Bl. 9 ff.
4606) E-Mail vom 18. Juli 2005, MAT A BY-6/1, Bl. 24; vgl. auch
Geier, Protokoll Nr. 12, S. 12.
4607) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 4.
4608) MAT A BY-6/1, Bl. 57.
4609) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 17.
lungsleiter 5 und den Referatsgruppenleiter 5A
wurde dieses Schriftstück am selben Tag an den
Referatsleiter 5A3 verfügt, der den Vorgang am
21. Februar 2006 an den Sachbearbeiter 5A35
handschriftlich weiter verfügte:
„b. bei o. g. Stelle tel. nachfragen:
- worum geht es – Sachverhalt
- Was soll ein ‚Ansprechpartner‘ im BfV?
- ‚Auskunftsersuchen‘ – förmliche – sollten
schriftlich gestellt werden!
- Es gibt auch regional zuständige LfV!?“
Am 22. Februar 2006 führte der Sachbearbeiter
5A35 ein Telefonat mit KHK H. […] von der
BAO ‚Bosporus‘. 5A35 erklärte, dass er lediglich
für das Sachgebiet ‚rechtsextremistische Türken‘
zuständig und nicht der zentrale Ansprechpartner
des BfV sei. Für den Bereich ‚rechtsextremistische
Türken‘ verfüge das BfV über keine Informationen
im Zusammenhang mit der Mordserie. Zwecks
Abgleich mit sonstigen vom BfV bearbeiteten
Phänomenbereichen möge die BAO ‚Bosporus‘
eine schriftliche Anfrage an das BfV richten.
Nach abschließender Rücksprache mit dem Refe-
ratsleiter 5A3 verfügte der Sachbearbeiter 5A35
den Vorgang am 22. Februar 2006 ‚z. d. A.‘ (‚zu
den Akten‘).“4610
Der Präsident des BfV, der Zeuge Fromm, hat hierzu
angegeben:
„Ich kann nur sagen, dass man sicher, zumal mit
dem heutigen Wissen, hier hätte auch anders rea-
gieren können auf diese sehr, wie ich fand,
unspezifizierte Anfrage, die auch noch an die fal-
sche Stelle kam. Und warum hat eigentlich nicht
die BAO dann noch mal nachgefasst? Ist ja auch
eine Frage, die man vielleicht stellen kann. […]
Man hätte möglicherweise nicht nur mit der BAO
direkt Kontakt aufnehmen sollen, sondern mögli-
cherweise auch mit dem Bayerischen Landesamt
direkt und nicht verweisen. Man hätte möglicher-
weise mit Blick auf das, was da ermittelt wird,
auch von der Hierarchie her etwas höher ansetzen
können. Man hätte durchaus auch – so wäre es ge-
schehen, wenn die Mail an die richtige Adresse
gegangen wäre – andere Abteilungen einbinden
können.
Das, was hier passiert ist, hängt damit zusammen –
das können aber Außenstehende nicht wissen –,
dass dann, wenn diese Mailadresse angeschrieben
wird, also die für Bürgeranfragen, das Referat für
Öffentlichkeitsarbeit bzw. die Abteilung 1 das
dann an eine Abteilung gibt, an eine Stelle gibt,
von der sie annehmen, die könnten sich darum
4610) Schreiben des BfV vom 4. Mai 2012, MAT B BfV-1, Bl. 2 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 527 – Drucksache 17/14600
kümmern. Wenn die offizielle behördliche Mailan-
schrift gewählt worden wäre – das ist keine Ent-
schuldigung, sondern das ist nur eine Erklärung –,
dann wäre sichergestellt gewesen, dass alle Fach-
abteilungen diese Anfrage bekommen hätten.“4611
f) München
Mit der ermittelnden Polizei in München erfolgte eben-
falls eine Zusammenarbeit und ein ständiger Informati-
onsaustausch zur Durchführung der vielfältigen Maßnah-
men.
4612
Im Oktober 2005 wurden die Sonderkommissio-
nen in München in die BAO „Bosporus“ überführt. 4613
2. Mitarbeit des BKA in der BAO „Bosporus“
ab Juli 2005
Am 1. Juli 2005 nahm die beim PP Mittelfranken einge-
richtete BAO „Bosporus“ ihre Arbeit auf, um unter ande-
rem die weiteren Ermittlungen zu koordinieren.
4614
a) Einbindung von Verbindungsbeamten
Die Verbindungsbeamten des BKA waren in die BAO
„Bosporus“ als „benachbarte Kräfte“ eingebunden. Ein
BKA-Verbindungsbeamter der EG „Česká“ war im wö-
chentlichen Wechsel vor Ort, um den aktuellen Informati-
onsaustausch zu gewährleisten und die Ermittlungen
entsprechend zu unterstützen.
4615
Die Verbindungsbeam-
ten des BKA hatten einen sofortigen Zugriff auf die not-
wendigen Dateien im BKA.
4616
Vor dem Hintergrund neu hinzukommender Aufgaben
wurde im BKA eine Personalanforderung für die EG
„Česká“ von zehn auf zwölf Einsatzkräfte erhoben.4617
Der Zeuge Deisting (LKA Mecklenburg-Vorpommern)
hat dargelegt, dass bei den Ermittlungen der BAO „Bos-
porus“ mit internationalem Bezug die Federführung im
Wesentlichen beim Bundeskriminalamt gelegen habe. Die
Ermittlungsgruppe „Česká“ des BKA habe Auskunftser-
suchen der verschiedenen Tatortdienststellen an andere
Länder bzw. an Europol und Interpol koordiniert. Ge-
meinsam mit der BAO „Bosporus“ habe die Ermittlungs-
gruppe „Česká“ die Kontakte zu einer Polizeidienststelle
in Ankara gepflegt, die bei der Ermittlungsarbeit zur
Mordserie von Seiten der Türkei Unterstützung leistete.
Ein eingesetzter Verbindungsbeamter dieser türkischen
Dienststelle habe im Rahmen von Besprechungen mit den
4611) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 27.
4612) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396, 435.
4613) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.
4614) Einzelheiten siehe oben F.IV.1.
4615) Sprechzettel BKA für die ND Lage am 5. Juli 2005, MAT A
BKA-2/16, Bl. 477.
4616) Sprechzettel BKA für die ND Lage am 5. Juli 2005, MAT A
BKA-2/16, Bl. 476 f.
4617) Personalanforderung BKA vom 6. Juli 2005, MAT A BKA-
2/15, Bl. 251.
beteiligten Dienststellen in Deutschland die einzelnen
Tatorte aufgesucht und Hinterbliebene sowie weitere
Landsleute, die Auskunft zum Tatgeschehen im weitesten
Sinne geben konnten, befragt.
4618
b) Öffentlichkeitsarbeit
Die Öffentlichkeitsarbeit nach Außen und Innen lag in der
Česká-Mordserie in der Verantwortung der BAO „Bospo-
rus“.4619 An deren Öffentlichkeitsfahndung beteiligte sich
aber auch das BKA. So waren beispielsweise BKA-
Verbindungsbeamte in die Hinweisbearbeitung vor Ort
eingebunden, als am 30. Juni 2005 auf Initiative der BAO
„Bosporus“ ein Beitrag in der Fernsehsendung Aktenzei-
chen XY ungelöst vom ZDF ausgestrahlt wurde.
4620
Der
Zeuge Ziercke hat auch darauf verwiesen, dass das BKA
im Dezember 2005 eine Sonderausgabe des Bundeskrimi-
nalblatts zur bundesweiten Mordserie
4621
erstellt habe mit
allen Bildern und allen Namen, sogar mit den Waffen und
den Fahrrädern.
4622
Die Medienstrategie war zwischen BAO „Bosporus“ und
BKA umstritten. Hierbei ging es um den Streit über „Ein-
zeltäter- und Organisationshypothese“ und dessen Aus-
wirkung auf die Fahndung nach der Waffe.
4623
Im Jahr 2005 waren die bis dahin sieben Mordfälle auch
im Internet auf einer Homepage des PP Mittelfranken zur
Information abrufbar. Diese Homepage wurde mit Unter-
stützung des BKA durch verdeckte Fahndungsmaßnah-
men überwacht, um Zugriffe von „verdächtigen Perso-
nen“ zu erkennen.4624 Die Homepageüberwachung musste
aufgrund von in Bayern bestehenden rechtlichen Beden-
ken eingestellt werden, was nach Angaben des Zeugen
Jung, der seit Mai 2004 in der EG „Česká“ mitarbeitete,
letztlich der Grund war, auch beim BKA im Jahr 2006
eine Seite einzurichten.
4625
3. EDV-technische Vernetzung der beteiligten
Dienststellen
Aus den Akten lässt sich entnehmen, dass die unter-
schiedliche EDV-Anbindung der beteiligten Polizei-
dienststellen zu Problemen führte.
4626
Während das BKA
das System INPOL-Fall betrieb, nutzte die BAO „Bospo-
4618) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 106.
4619) Sprechzettel BKA für die ND Lage am 5. Juli 2005, MAT A
BKA-2/16, Bl. 476.
4620) Sprechzettel BKA vom 1. Juli 2005, MAT A BKA-2/16,
Bl. 477.
4621) Bundeskriminalamtblatt, Nr. 249 2005 vom 27. Dezember
2005, MAT A BKA-2/43, Bl.52 ff..
4622) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.
4623) Einzelheiten siehe unten zur „Medienstrategie“ F.V.9. sowie
zur Waffenspur F.VII.1.
4624) Sprechzettel BKA vom 1. Juli 2005, MAT A BKA-2/16,
Bl. 477.
4625) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 63.
4626) Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe
am 17./18. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 513 f.
Drucksache 17/14600 – 528 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rus“ das so genannte EASy-System.4627 Hieraus ergab
sich die Frage nach der Kompatibilität (Schnittstellen-
problematik).
Der Zeuge Falk hat im Ausschuss ausgeführt, etwa zeit-
gleich mit der Einrichtung der BAO „Bosporus“ in Nürn-
berg sei an ihn herangetragen worden, dass die bayeri-
schen Kollegen statt der bundesweiten Verbundanwen-
dung INPOL-Fall, wo die Daten in solchen Fallkomple-
xen für alle Beteiligten zugänglich gebündelt werden
sollten, ein eigenes Informationssystem – EASy genannt –
nutzen würden. Das BKA habe dies von Beginn an kri-
tisch gesehen, weil eine Folge dieses eigenen Weges in
Bayern gewesen sei, dass beide Systeme parallel bedient
werden mussten und inhaltlich – das habe sich dann auch
gezeigt – auch nur partiell bedient worden seien, ohne
miteinander wirklich kompatibel zu sein.
4628
Eine Schnittstelle zwischen beiden Systemen habe es
jedenfalls am Anfang nicht gegeben; diese habe erst über
Monate hinweg entwickelt werden müssen.
4629
Auch er persönlich habe diese Vorgehensweise Bayerns
nicht für sinnvoll gehalten und entsprechende Zweifel,
zunächst hausintern, schriftlich geltend gemacht. Darüber
habe es dann auch Gespräche mit Bayern gegeben, wie-
derum sowohl auf der Arbeitsebene als auch in dem einen
oder anderen Fall auf der Leitungsebene.
4630
Der Zeuge Kindler hat hierzu im Ausschuss ausgesagt:
„2005 hat mich die BAO-Leitung gebeten, bei ei-
nem Gespräch mit der BKA-Leitung darauf hin-
zuwirken, das Fallbearbeitungssystem EASy bei-
zubehalten. Aufgrund der sehr guten Funktionali-
täten von EASy, einem Fallrecherchesystem, woll-
te die BAO ‚Bosporus‘ dieses System unbedingt
weiter nutzen.“4631
Mangels Schnittstelle zu dem vom BKA genutzten
INPOL-Fall-System mussten die bayerischen Ermittler
ihre Daten zunächst sowohl in INPOL-Fall als auch in
EASy doppelt erfassen. Diese Problematik habe er in
einem Telefonat mit dem BKA-Präsidenten Ziercke erör-
tert. Herr Ziercke habe versichert, sich dieses Themas
anzunehmen, und die BAO „Bosporus“ konnte dann da-
raufhin weiter mit EASy arbeiten.
4632
Der Zeuge Kindler hat eingeräumt, dass die Arbeit durch
die Doppelarbeit behindert und eine zusätzliche Belastung
entstanden sei.
4633
Er glaube aber nicht, dass dadurch auch
die Aufklärung des Falles behindert worden wäre.
Die unterschiedlichen Software-Systeme des BKA und
Bayerns führten zu Schwierigkeiten und Verzögerungen
4627) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 85.
4628) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.
4629) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.
4630) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.
4631) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 85.
4632) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 100.
4633) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 85.
der Ermittlungen. Der Zeuge Geier hat zur Anwendung
des bayerischen Fallerfassungssystems EASy ausgeführt,
dass sich nach langwierigen Absprachen mit dem Bun-
deskriminalamt letztendlich für das bayerische Fallerfas-
sungssystem namens EASy und nicht für INPOL-Fall ent-
schieden worden sei. Die Nacherfassung, also die manuel-
le Übertragung von einem in das andere System, sei durch
bayerische OK-Dienststellen geleistet worden und habe
bis zu einem halben Jahr gedauert.
4634
Es sei auch um die
Frage gegangen, was sich bundesweit als Fallermittlungs-
system durchsetze. Damals seien es seines Wissens zwölf
der 16 Bundesländer gewesen, die dieses System befüllt
und übernommen haben. Sie hätten dann versucht, eine
elektronische Schnittstelle aufzubauen, um bundesweit
Daten auszutauschen. Der Zeuge Geier halte das bayeri-
sche System EASy für den Sachbearbeiter für kom-
fortabler. Die Länder, die damals kein EASy zur Verfü-
gung hatten, hätten von Bayern sowohl Hardware als auch
Software sowie Schulung von der BAO zur Verfügung
gestellt bekommen. Die Beamten wären nachträglich mit
dem System zufrieden gewesen. Manches Land habe dann
auch insgesamt auf dieses System umgestellt.
4635
Im Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2007 führte LKD
Geier unter der Rubrik „EDV – EASy, Schnittstelle zu
Verbundanwendungen“ aus:
„Die Entscheidung zur gemeinsamen Nutzung der
Datenbank EASy […] wurde von Seiten des BKA
von der Schaffung einer funktionierenden Schnitt-
stelle zwischen EASy und INPOL-Fall abhängig
gemacht. Im Auftrag der BAO entwickelte die PG
EASy zusammen mit der Fa. Rola nach den tech-
nischen Vorgaben des BKA eine Schnittstelle,
über die strukturierte Daten aus EASy an die
Bund-Länder-Schnittstelle (BLS) geliefert werden
können. Diese Entwicklung war für Bayern mit er-
heblichem finanziellen und personellen Aufwand
verbunden und wurde erstmals im Sommer 2006
zur Verfügung gestellt.
Nach Kritik des BKA an der Struktur der übermit-
telten Daten wurde die Datenübertragung noch-
mals vollständig überarbeitet, obwohl die Kritik-
punkte nahezu ausschließlich auf Minderleistun-
gen der Zielanwendung und der BLS zurückzufüh-
ren waren. Letztlich konnten die unterschiedlichen
fachlichen Bewertungen hinsichtlich der Leis-
tungsfähigkeit der Schnittstelle – und auch ihrer
Nutzbarkeit für die Bereiche Organisierte Krimina-
lität, Rauschgift und Innere Sicherheit – nicht voll-
ständig ausgeräumt werden. Dennoch stimmte das
BKA mit Blick auf die notwendige bundesweite
Rechercheverfügbarkeit der Bosporusdaten der
Migration im Juni 2007 zu, allerdings explizit nur
für die INPOL-Fall-Anwendung Česká.
Empfehlung:
4634) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.
4635) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 34.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 529 – Drucksache 17/14600
Eine fachlich einwandfreie Schnittstelle – und vor
allem ihre Akzeptanz von Seiten des BKA – hat
über das gegenständliche Verfahren hinaus Bedeu-
tung für viele andere Bereiche und muss
schnellstmöglichst realisiert werden.“4636
Das BKA war mit der bayerischen Entscheidung für das
System EASy nicht zufrieden und monierte in einem
Schreiben vom 12. April 2006 gegenüber dem BMI:
„Trotz der (leicht und kostenlos) bundesweit ver-
fügbaren Verbund-Datenbank INPOL-Fall wurde
in Bayern die Entscheidung getroffen, das bayeri-
sche System RS-Case (Easy) als ‚Insellösung‘ ein-
zusetzen. Bisher ist noch keine Schnittstelle vor-
handen, die eine automatisierte Synchronisation
der Daten ermöglicht. Weiterhin ist vorgesehen,
dass die nunmehr betroffenen Länderdienststellen
einen kostenpflichtigen Anschluss an das bayeri-
sche System erhalten. Erfahrungsgemäß besteht
bei der aktuellen Situation eine große Gefahr von
Informationsverlusten. Darüber hinaus erfolgt bei
der Verwendung des bayerischen Systems kein au-
tomatischer bundesweiter Datenabgleich mit ande-
ren INPOL-Fall-Anwendungen.“4637
Der bayerische Landespolizeipräsident, der Zeuge Kind-
ler, hat bekundet:
„2005 hat mich die BAO-Leitung gebeten, bei ei-
nem Gespräch mit der BKA-Leitung darauf hin-
zuwirken, das Fallbearbeitungssystem EASy bei-
zubehalten. Aufgrund der sehr guten Funktionali-
täten von EASy, einem Fallrecherchesystem, woll-
te die BAO ‚Bosporus‘ dieses System unbedingt
weiter nutzen. Mangels Schnittstelle zu dem vom
BKA genutzten INPOL-Fall-System müssen unse-
re Ermittler ihre Daten zunächst sowohl in INPOL-
Fall als auch in EASy doppelt erfassen. Diese
Problematik habe ich in einem Telefonat mit dem
BKA-Präsidenten Ziercke erörtert. Herr Ziercke
hat mir versichert, sich dieses Themas anzuneh-
men, und die BAO ‚Bosporus‘ konnte dann da-
raufhin weiter mit EASy arbeiten.“4638
Der Zeuge Dr. Beckstein hat zur Problematik der ver-
schiedenen Softwaresysteme ausgesagt:
„Als wir EASy in Bayern entwickelt hatten, waren
wir ganz stolz, weil wir gedacht haben, das sei der
ganz große Sprung. Es hat auch viele Verbesse-
rungen gebracht. Aber es hat noch bestimmte Lü-
cken, die jedenfalls bis 2007 nicht geschlossen wa-
ren. Ob das zwischen 2007 und jetzt vollständig
befriedigend ist, kann ich nicht beurteilen.“4639
4636) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff., 72.
4637) MAT A BKA-2/19, Bl. 19.
4638) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 85.
4639) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 100.
4. Die 1. Operative Fallanalyse Bayern vom
22. August 2005 und die Haltung des BKA
dazu
Der Ausschuss hat sich mit den erstellten Operativen
Fallanalysen auseinandergesetzt, da die 2. Operative Fall-
analyse erstmals einen möglichen rechtsextremen Hinter-
grund thematisierte und hierdurch die Ermittlungsbehör-
den aus heutiger Betrachtungsweise auf dem richtigen
Weg waren.
a) 1. Operative Fallanalyse vom 22. August
2005
Im Auftrag der BAO „Bosporus“ stellte die OFA Bayern
am 22. August 2005 die Ergebnisse ihrer Fallanalyse im
Rahmen einer Power-Point-Präsentation vor.
4640
Mitwir-
kende waren fünf Polizeibeamte, darunter der als Zeuge
vernommene KHK Horn. Konsultationen erfolgten mit
Schusswaffenexperten.
4641
Aufgrund der bundesweiten
Verteilung der Serie war auch eine Vertreterin des BKA
an der ersten Analyse beteiligt. Einbezogen wurden die
bis dahin mit der Mordwaffe Česká verübten sieben Mor-
de.
Zur Aufgabe und Tätigkeit der Operativen Fallanalyse hat
der Zeuge Horn ausgeführt, dass es sich zunächst um eine
Rekonstruktion der Tathergänge gehandelt habe. Als
Grundlage dienten drei wesentliche Bereiche, nämlich die
Befunde am Tatort, die Opferhintergrundinformationen
und die Verletzungsbilder. Sie hätten anschließend ver-
sucht, das Täterverhalten zu bewerten, Motivlagen zu
erarbeiten und Aussagen zu einer möglichen Täterpersön-
lichkeit zu erstellen. Schließlich wären Ermittlungsemp-
fehlungen abzugeben. Die Tätigkeit eines Fallanalytikers
sei eine Arbeit mit Hypothesen, wobei die wahrschein-
lichste Hypothese herausgearbeitet werde.“4642
Diese (erste) Fallanalyse bewertete die Motivlage folgen-
dermaßen:
„Vermutlich keine einheitliche Motivlage, unter-
schiedliche Ausprägung der Abhängigkeit, Clus-
terbildung hinsichtlich der Tötungen.“
Dabei gingen die Fallanalytiker davon aus, dass die Mor-
de im Auftrag einer Organisation geschahen, da Anhalts-
punkte dafür vorhanden waren, dass einige der Opfer im
Vorfeld der Taten bedroht wurden oder dass es Streit gab.
Ein rechtsextremes Motiv wurde nicht erörtert.
4643
b) Weitere Überlegungen
Gegen Ende des Jahres 2005 wurde innerhalb der BAO
die bis dahin schwerpunktmäßig verfolgte „Organisati-
onstätertheorie“ zur Disposition gestellt. Im Protokoll der
4640) MAT A BKA-2/14, Bl. 63 - 79.
4641) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 59.
4642) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 45.
4643) MAT A BKA-2/14, Bl. 63 - 79.
Drucksache 17/14600 – 530 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dritten Strategiebesprechung vom 29. November 2005
heißt es:
„Brainstorming zu einer möglichen Tötungsalter-
native Sniper
H. Mähler
4644
trägt eine Zusammenfassung von
Argumenten für einen psychopathisch veranlagten
Täter Sniper vor. Gründe, die für oder wider einen
solchen Täter-Typus sprechen, werden versucht
anhand der bekannten Faktoren gegeneinander ab-
zuwägen.
Die Besprechungsteilnehmer kommen zum Ergeb-
nis, daß eine solche Möglichkeit derzeit eher als
unwahrscheinlich bewertet wird, jedoch nicht
gänzlich ausgeschlossen werden kann.
In einem ersten Schritt wird die EA Lage beauf-
tragt Erhebungen/Anfragen zu tätigen, hinsichtlich
einer möglichen, relevanten Anzahl lega-
ler/registrierter Schußwaffen des Typs Česká 83.
Parallel dazu wird die OFA Bayern beauftragt zu
überprüfen, ob ein Tätertyp Sniper grundsätzlich
als relevant eingestuft werden kann.“4645
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 übersandte die
OFA Bayern folgende ablehnende Einschätzung zu der
Sniper-Hypothese:
„Folgende objektive Faktoren, sprechen nach un-
serer Auffassung gegen die Einschätzung, dass die
sieben ausländischen Geschäftsmänner von einem
Sniper getötet wurden:
1. Für das Umfeld der Opfer wahrnehmbare Ver-
änderung der Verhaltensweisen der Opfer Şimşek
und Turgut im Vorfeld der Taten.
2. Ansprache der Opfer in den Fällen Özüdoğru,
Taşköprü, Kılıç, Yaşar und Boulgarides. Diese
beiden Punkte bedingen, dass zwischen der Per-
son, die die Tötung beschließt und den Opfern,
zumindest eine weitläufigere Beziehung besteht.
Ein Sniper tötet in aller Regel ihm völlig fremde
Opfer. Maßgeblich für einen Sniper ist lediglich
die Verfügbarkeit der Opfer in seinem Jagdgebiet.
Eine Häufung von Opferansprachen oder Verhal-
tensänderungen der Opfer, wie in den vorliegenden
Fällen, sind grundsätzlich nicht mit dem Vorgehen
eines Snipers in Einklang zu bringen.
3. Tötungsart und Ausführung:
Die Anwesenheit von vermutlich zwei Personen
am Tatort und Schussabgabe aus nächster Nähe
unter Verwendung einer Pistole stehen der Ein-
schätzung, dass hier ein Sniper agiert, ebenfalls
entgegen. Zwar gab es schon Fälle, bei denen zwei
Täter Menschen erschossen, aber Sniper schießen
4644) KOR Mähler war vom 1. Juli 2005 bis 31. März 2007 stellver-
tretender Leiter der BAO „Bosporus“.
4645) MAT A BY-2/5c, Bl. 155.
immer aus der Distanz (Heckenschütze). Gerade
den direkten Kontakt zum Opfer vermeiden sie,
dass ist ein wesentlicher Punkt für eine Klassifizie-
rung eines Täters als Sniper.
4. Die Intervalle der Tötungen in den vorliegenden
Fällen und der lange Zeitraum der Serie sind eben-
falls für einen Sniper untypisch, da er gerade in
den Medien präsent bleiben will, um dadurch die
‚Anerkennung‘ zu finden, nach dem sein gestörtes
Selbstwertgefühl verlangt. Lange Pausen, von
mehr als 2 Jahre, wie zwischen Fall 4 und 5, sind
mit dem Wesen der Tatbegehung eines Snipers da-
her nicht vereinbar.
Aus den genannten Gründen wird es seitens der
OFA Bayern als sehr unwahrscheinlich erachtet,
dass die Delikte von einem Sniper begangen wur-
den.“4646
5. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Dö-
nerstände
a) in Nürnberg
Die BAO „Bosporus“ entwickelte eine Konzeption zum
Einsatz einer Vertrauensperson, die einen Dönerstand
betreiben sollte. In der Konzeption der BAO „Bosporus“
vom 2. September 2005 zum Einsatz von Vertrauensper-
sonen und eines Verdeckten Ermittlers wird als Einsatz-
taktik die Einrichtung eines Spiegelbildes zum Döner-
Imbiss des Opfers İsmail Yaşar genannt. Zum Einsatzziel
heißt es u. a.:
„- Erkennen von ethnisch bedingten Geschäfts-
praktiken türkischer Gewerbetreibender
- Erkennen von Zwängen, denen türkische Ge-
schäftsinhaber im Zusammenhang mit der Führung
eines Gewerbes ausgesetzt sind (z. B. Gebietsab-
sprachen).
4647
Der Döner-Imbiss wurde für einen Zeitraum von über
einem Jahr betrieben, mit einem Verlust von etwa
30 000 €. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die Ge-
schäftspraktiken türkischer Personen unauffällig seien; es
sei kein Druck auf die VP ausgeübt worden.
4648
Aus dieser Vorgehensweise und aus dem Einsatzziel
(Erkennen von Zwängen und eines Motivs für die gesche-
henen Tötungsdelikte) ergibt sich, dass die Polizei eine
Bedrohung der Vertrauensperson provozieren wollte.
Schutzmaßnahmen für die Vertrauensperson ließen sich
den vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen.
4646) MAT A BY-2/4, Bl. 10 ff.
4647) MAT A BY-2/12, (Tgb.-Nr. 22/12 – GEHEIM), Anl. 1 Teil 1,
Bl. 6 ff., 7.
4648) Erfahrungsbericht vom 3. Juli 2006, MAT A BY-2/12, (Tgb.-
Nr. 22/12 – GEHEIM), Anl. 1 Teil 1, Bl. 9 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 531 – Drucksache 17/14600
b) in München
Für den Einsatz einer VP entwarf die zuständige Krimi-
naldirektion eine Führungs- und Einsatzkonzeption für die
BAO „Bosporus“ in München. Das Einsatzziel war die
Gewinnung weiterer Ermittlungsansätze. Hinzu kam
lediglich das „Erkennen von Praktiken privater türkischer
Geldverleiher“.4649
In der Niederschrift über die VP-Belehrung vor Einsatz-
beginn heißt es:
„VP wurde eingehend auf mögliche Gefährdungs-
momente besonders in Bezug auf Straftäter aus
dem ‚Türkenmilieu‘ hingewiesen und sensibili-
siert. Bei besonderen Vorkommnissen (siehe An-
lass der Maßnahme/Auftrag) und bei bevorstehen-
den Gefahrenlagen ist unverzüglich KHK […] te-
lefonisch zu verständigen. Dem Einsatz von
Schutzvorrichtungen (Videoüberwachung und
Alarmauslösung) wird zugestimmt.“4650
In einem Schreiben beklagte sich die zuständige Dienst-
stelle der Kriminalpolizei über die Unzuverlässigkeit der
noch tätigen VP im Hinblick auf die wirtschaftliche Ab-
wicklung.
4651
In einem Zwischenbericht vom 8. November 2006 wurde
ebenfalls ausgeführt, dass Zwänge oder Schutzgeldforde-
rungen nicht festgestellt wurden. Ein besonderer Vorfall
wurde erwähnt:
„Am Dienstag [geschwärzt] gegen 10.35 Uhr
alarmierte die VP [die zuständige Dienststelle] per
Handy, dass soeben ein ‚Verrückter‘ am Dönerwa-
gen war und ihn verbal bedroht habe. Die männli-
che deutsche oder österreichische Person, welche
ca. 50 bis 60 Jahre alt war, habe ihn ca. 15 Minu-
ten lang beschimpft. Bei den Beschimpfungen ging
es hauptsächlich darum, dass Türken den Deut-
schen die Geschäfte wegnehmen und sie sich sei-
ner Meinung nach unkontrolliert in Deutschland
ausbreiten. U. a. zeigte er mit dem Finger während
des Gespräches auf das von der VP angebrachte
Fahndungsplakat (neun ungeklärte Morde an türki-
schen Kleingewerbetreibenden) der Polizei und
meinte, wenn man Türken nicht so vertreiben kön-
ne, dann würden sie halt so heimgeschickt.
Bei einer anschließenden Lichtbildsuche konnte
die VP einen [geschwärzt] als Gesprächsführer er-
kennen. Die VP wurde [von der zuständigen
Dienststelle] zu diesem Vorfall als Zeuge vom Hö-
rensagen vernommen und der Vorgang der sach-
4649) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,
Bl. 69 ff.
4650) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,
Bl. 9 ff.
4651) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,
Bl. 7 f.
bearbeitenden BAO ‚Bosporus‘ München und
Nürnberg zugestellt.“4652
Im Übrigen gab es hier Probleme mit einem Warenliefe-
ranten. Eine Veranlassung der VP-Führung wurde in dem
Bericht jedoch nicht erwähnt.
4653
Der damalige bayerische Innenminister Dr. Beckstein hat
zu diesem Einsatz ausgesagt:
„Es war […] völlig in Ordnung, dass ich davon
erst jetzt aus den Medien erfahren habe. Einzelne
operative Maßnahmen verdeckter Art werden übli-
cherweise nicht in Vermerke in einem Ministerium
gegeben, wo sie über viele Schreibtische laufen.
[…]
Ich setze allerdings eines absolut voraus: Wenn es
bayerische Polizei war, waren die sich hundertpro-
zentig sicher, dass da niemand gefährdet wird, und
das liegt auch nahe – noch einmal: jetzt Zeitungs-
wissen –; denn auch nach allem, was man da ge-
dacht hat, ist es nicht etwa so gewesen, dass ir-
gendjemand einfach in den nächsten Döner geht
und dort einfach um sich schießt, sondern dass es
da vorher Schutzgelderpressung und Ähnliches
gibt. Da werden mit Sicherheit – aber da müssten
Sie Geier und die anderen fragen – ganz intensive
Schutzvorkehrungen getroffen. Die Polizei macht
das in Bayern absolut professionell.“4654
V. Ermittlungen nach den letzten beiden Mor-
den der Česká-Serie
1. Ermittlungen in Dortmund nach dem Mord
an Mehmet Kubaşık (BAO „Kiosk“)
a) Die Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Dortmund und das Polizeipräsidi-
um Dortmund nahmen die Ermittlungen auf. Aus heutiger
Sicht sind die Aussagen der Zeugin D. besonders interes-
sant. Ihr waren zwei Männer zur Tatzeit in der Nähe des
Tatorts aufgefallen, von denen einer ein Fahrrad schob.
Ungereimtheiten im Rahmen der polizeilichen Aufnahme
der Aussagen haben auch in der Zeugenbefragung vor
dem Ausschuss nicht geklärt werden können:
Im Vermerk des PP Dortmund, Zentrale Kriminalitätsbe-
kämpfung, vom 6. April 2006 heißt es über den Anruf der
Zeugin: „Dabei seien ihr ‚zwei Typen, einer mit Fahrrad‘
aufgefallen. ‚Das seien Junkies gewesen, die besoffen
waren‘. Die Person mit dem Fahrrad habe sie ‚unheim-
4652) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,
Bl. 133 ff., 136.
4653) Schreiben vom 31. Oktober 2006, MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr.
30/12 – GEHEIM), Register 1, Bl. 154.
4654) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 123 f.
Drucksache 17/14600 – 532 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lich‘ angesehen.“4655 Dieser Hinweis wurde an die Mord-
kommission weitergegeben. Zwei Polizeibeamte aus dem
Bereich „Staatsschutz“, die zur Unterstützung bei der
Aufklärung des Mordes tätig waren, fassten am 6. April
2006 die bisherigen Erkenntnisse zu den Angaben der
Zeugin zusammen: „Die Männer sollen ‚wie Rechtsradi-
kale‘ ausgesehen haben.“4656 Auf einen entsprechenden
Vorhalt habe die Zeugin dann jedoch ‚persönlich befragt‘
angegeben, dass diese Männer definitiv keinen rechtsex-
tremistischen Eindruck gemacht hätten (da sei sie wohl
falsch verstanden worden).
4657
Im Rahmen einer protokol-
lierten Zeugenvernehmung vom 7. April 2006 sagte sie
aus, die beiden Personen hätten auf sie wie „Junkies“
gewirkt. Rechtsextremistisches Erscheinungsbild wurde
nicht angesprochen.
4658
Im Vermerk vom 16. Juni 2006 über eine erneute Befra-
gung der Zeugin an diesem Tag heißt es demgegenüber
wieder:
„Vom Typ her sei der Mann ein Junkie oder ein
Nazi gewesen.“4659
Am 9. Oktober 2006 erfolgte ein erneuter Besuch bei der
Zeugin. Ihr wurden Lichtbilder und Videoaufzeichnungen
zum Nagelbombenanschlag in Köln, Keupstraße, gezeigt.
In dem Vermerk der Polizei heißt es:
„Eine Personengleichheit könne sie aber auf Grund
der unscharfen Bilder nicht herstellen. Frau D. gab
nochmals zur Personenbeschreibung des Mannes
in Dortmund an, dass sie ihn für einen Junkie bzw.
Nazi gehalten habe. Er habe einen sehr stechenden
Blick gehabt, so dass sie Angst bekam.“4660
Den Vermerken vom 16. Juni und 9. Oktober 2006 kann
nicht entnommen werden, dass näher hinterfragt worden
ist, wie sich die Zeugin das Aussehen eines „Junkies“
oder „Nazis“ vorstellt.
Der Zeuge KOR Gricksch, der Leiter der Kriminalpolizei-
inspektion Dortmund, hat zu diesen Auffälligkeiten aus-
gesagt, dass auch die von ihm kurz vor seiner Verneh-
mung im Ausschuss befragten Kollegen die Widersprüche
nicht erklären könnten.
4661
Er selbst habe ebenfalls keine
Erklärung dafür.
4662
Auch wisse er nicht, ob die Zeugin
jemals dazu befragt worden sei, mit welchen Merkmalen
sie einen Nazi oder einen Junkie identifiziere.
4663
Am 12. Juni 2006 wurde zusammen mit der Zeugin D. ein
Phantombild erstellt.
4664
Anschließend erfolgte mittels
4655) MAT A GBA-4/7b, Bl. 172.
4656) MAT A GBA-4/7b, Bl. 174.
4657) MAT A GBA-4/7b, Bl. 175.
4658) MAT A GBA-4/7b, Bl. 176 ff.
4659) MAT A GBA-4/7b, Bl. 191.
4660) Vermerk vom 9. Oktober 2006, MAT A GBA-4/7b, Bl. 194.
4661) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 100 f., 115.
4662) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 116.
4663) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 112.
4664) Vermerk vom 12. Juni 2006, MAT A GBA-4/7b, Bl. 184.
dieses Phantombildes eine Öffentlichkeitsfahndung, zu-
mal es sich im Grunde um die einzige Spur handelte.
4665
Auf Anregung des Leiters der BAO „Bosporus“ waren in
der BAO „Kiosk“ mindestens zwei Polizeibeamte aus
dem Bereich „Polizeilicher Staatsschutz“ im Einsatz. Dies
war bereits am 6./7. April 2006 der Fall.
4666
Weitere kon-
krete Maßnahmen in Richtung „Rechtsextremismus“
wurden auch nach dem Ergebnis der zweiten Operativen
Fallanalyse nicht getroffen. Der Zeuge Gricksch hat zur
Begründung ausgeführt, dass man sich auf die Spuren-
abarbeitung konzentriert habe, weil man gesagt habe:
„Wenn wir sie kriegen, dann kriegen wir sie über die
Spuren; und wenn dann Rechte dabei sind, dann gehen
wir zum Staatsschutz“. Sie hätten auch nicht aktiv die
rechte Szene „abgegrast“, weil es eben keine konkreten
Hinweise gegeben habe.
4667
Der Zeuge Gricksch hat darüber hinaus ausgesagt, dass
das LfV Nordrhein-Westfalen von der Dortmunder Poli-
zei nicht ausdrücklich nach Informationen befragt worden
sei. Er sei davon ausgegangen, dass das LfV über die
üblichen Meldewege informiert worden sei. Das LfV habe
dann gegebenenfalls von sich aus reagieren können.
4668
b) Hinweise nach dem 4. November 2011 auf
das Trio
Die polizeiliche V-Person H. hatte Ende März 2006, also
wenige Tage vor dem Mord, Informationen über einen
möglichen Waffenhandel von Toni S. geliefert. Einem
Vermerk ist zu entnehmen, dass H. nach Genehmigung
des aufgrund dieses Hinweises beantragten weiteren VP-
Einsatzes angegeben habe, in der Folgezeit sei eine Kon-
taktaufnahme zu Toni S. nicht mehr möglich gewesen.
4669
Der Treffbericht des VP-Führers KHK J. vom 6. April
2006 enthält keine Ausführungen zu einem Kontakt des
Toni S. mit einer rechtsextremen Person.
4670
Im Treffbe-
richt vom 11. April 2006 heißt es zur Aussage der VP,
unter türkischen Taxifahrern werde über den Mord an
Kubaşık erzählt, dass die Waffe in türkischen Kreisen für
Auftragsmorde verwandt und von Auftrag zu Auftrag
weitergegeben werde.
4671
Im November 2011 teilte die V-Person H. der Polizei mit,
dass sie am 1. April 2006, also drei Tage vor der Tat in
Dortmund, am dortigen Hauptbahnhof Uwe Mundlos in
Begleitung von Toni S. gesehen habe. Weiter heißt es in
dem Bericht des PP Dortmund vom 12. Dezember 2011:
4665) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 101.
4666) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 102.
4667) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 116.
4668) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 106 f., 117.
4669) Schreiben des PP Dortmund vom 6. Dezember 2011, MAT A
NW-6 f, Bl. 191 ff.
4670) MAT A NW-12, Tgb.Nr. 99/13 VS-Vertr., (Ordner 2) Reg.
Stammakte Bd. I, Ordner 1, Bl. 80 f.
4671) MAT A NW-12, Tgb.Nr. 99/13 VS-Vertr., (Ordner 2) Reg.
Stammakte Bd. I, Ordner 1, Bl. 82 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 533 – Drucksache 17/14600
„Die Person S. war der rechten Szene in Branden-
burg zuzuschreiben. Es wurde bekannt, dass S. im
Jahr 2003 hier in Dortmund Wohnsitz nahm und
zuvor als VP für den Verfassungsschutz Branden-
burg tätig war.“4672
Nachdem die VP H. in Dortmund bedroht wurde, verließ
sie mit Unterstützung des PP Dortmund die Stadt. Sie
erhielt im Mai eine weitere Drohung. Der VP-Führer
überschrieb einen Vermerk vom 9. Mai 2012 mit:
„(Ex-)VP dreht durch.“ In diesem Vermerk wird geschil-
dert, dass die VP H. am 8. Mai 2012 gegenüber dem BKA
angegeben habe, sie habe bereits 2006 Informationen an
die Polizei gegeben, dass sie den potenziellen Mörder
Mundlos drei Tage vor der Ermordung des
Kioskbetreibers in Dortmund zusammen mit einem Rech-
ten aus Dortmund mindestens eine Nacht durch Dortmund
gefahren habe. Damals hätte man aufgrund seiner Infor-
mationen Waffen sicherstellen können, jedoch sei nichts
passiert.
4673
Mit Schreiben vom 6. Juli 2012 an das PP Dortmund
bekräftigte die VP H. ihren Vorwurf, indem sie schilderte,
dass am 1. April 2006 eine Person, die sie nunmehr als
Uwe Mundlos identifiziere, Toni S. eine Schusswaffe
überreicht habe. Toni S. habe der VP die Waffe gezeigt
und erklärt, so eine Waffe könne er ihr schnell besorgen.
Diese Informationen habe die VP kurze Zeit nach dem
1. April 2006 an KHK J. weitergegeben, der sich hierfür
aber nicht interessiert habe.
4674
Diese Angaben wiederhol-
te H. im Rahmen einer Zeugenvernehmung beim
BKA.
4675
Toni S. wurde vom BKA am 14. Februar 2012 vernom-
men. Er bestritt einen Kontakt zu Mundlos.
4676
Die Staatsanwaltschaft Dortmund leitete gegen KHK J.
ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Straf-
vereitelung im Amt ein.
4677
2. Ermittlungen in Kassel nach dem Mord an
Halit Yozgat (MK „Café“)
Die Staatsanwaltschaft Kassel nahm die Ermittlungen auf.
Am 7. April 2006 wurde die Mordkommission (MK)
„Café“ eingerichtet, in welcher zunächst 35 Polizeibeamte
ermittelten.
4678
Das BKA bestätigte am 3. Mai 2006 die
Verwendung der gleichen Mordwaffe und damit die Zu-
4672) MAT A NW-6 f, Bl. 219 ff., 228.
4673) MAT A NW-12, (Tgb.Nr. 99/13 VS-Vertr.), (Ordner 2) Reg.
Stammakte Bd. I, Ordner 1, Bl. 530.
4674) MAT A GBA-15c, Bl. 152 ff.
4675) Vernehmungsprotokoll vom 26. Juli 2012, MAT A GBA-15c,
Bl. 158 ff.
4676) MAT A GBA-15c, Bl. 182 ff.
4677) Sachstandsmitteilung des PP Dortmund zum gesamten Kom-
plex vom 24. August 2012, MAT A NW-12, (Tgb.Nr. 99/13
VS-Vertr.), (Ordner 1) Reg. 5 (bezeichnet als Ordner 5), Bl.
558 ff. (offen).
4678) Pressemitteilung des PP Nordhessen vom 19. Juni 2006, MAT
A BKA-2/21, Bl. 218.
gehörigkeit auch dieser Tat zur Česká-Serie.4679 Im De-
zember 2006 waren noch sechs Beamte in der MK „Café“
beschäftigt.
4680
Mit Wirkung vom 1. Juli 2008 wurde die
MK „Café“ in die allgemeine Aufbauorganisation des PP
Nordhessen zurückgeführt.
4681
Zunächst wurden sämtliche Angehörige des Opfers sowie
Verwandte, Freunde und andere Personen im Umfeld des
Opfers befragt bzw. vernommen. Da aus anderen Ermitt-
lungen der Verdacht bestand, dass der Täter zum Auffan-
gen der Patronenhülsen die Pistole während der Schuss-
abgabe mit einer Plastiktüte umhüllt hatte, wurde der
Tatort mit einer forensischen Lichtquelle nach Teilen
einer Plastiktüte untersucht. Es wurden sämtliche zur
tatrelevanten Zeit gewonnenen Daten von Videoüberwa-
chungen an öffentlichen Plätzen, Tankstellen im Stadtge-
biet sowie Tank- und Rastanlagen auf der BAB 44 zwi-
schen Dortmund und Kassel gesichert. Außerdem wurden
sämtliche Hotels im Stadtgebiet Kassel hinsichtlich tatre-
levanter Gäste bzw. Beobachtungen überprüft. Sämtliche
Listen der Ringalarmfahndung wurden mit Blick auf
ausländische Kennzeichen und tatrelevante Autotypen
„Van“ ausgewertet. Bezüglich des Festanschlusses des
Internetcafés sowie sämtlicher in Frage kommender Mo-
bilfunkanschlüsse des Opfers Halit Yozgat wurden die
Verbindungsdaten erhoben. Über die BAO „Bosporus“
wurde eine Funkzellenauswertung im engeren und weite-
ren Bereich des Tatortes sowie im Bereich der Ausfall-
straßen von Kassel organisiert und anschließend die
Funkzellendaten in einem Zeitraum vom 4. April 2006 bis
7. April 2006 ausgewertet.
4682
Zu den Ermittlungen im rechten Bereich hat der Leiter der
MK „Café“, der Zeuge LKD Hoffmann, ausgesagt:
„Wir haben ansonsten das rechte Spektrum in Kas-
sel sehr wohl auch zum Tatzeitpunkt im Auge ge-
habt, haben da Bewertungen vorgenommen. Die
gesamte Serie, auch die Tat in Kassel, war in der
rechten Szene in Kassel kein Thema. Das heißt, es
gab niemanden, der sich damit irgendwo gebrüstet
hat, oder dass es irgendwo öffentliche Äußerungen
gab von Personen aus dem rechten Spektrum, auch
keine öffentlichen Äußerungen in irgendeiner Art
und Weise, dass die Tat gutgeheißen wurde oder
sonst irgendetwas.“4683
Sie hätten zu keinem Zeitpunkt konkrete Hinweise darauf
bekommen, dass eine rechte Gruppierung hinter diesen
Anschlägen stehe. Sie hätten daher auch keine entspre-
chenden Ermittlungen anstellen können. Auch der Vater
des Opfers habe lediglich eine dahingehende Vermutung
4679) MAT A GBA-4/7a, Bl. 144.
4680) Protokoll der Steuerungsgruppe vom 6./7. Dezember 2006,
MAT A BKA 2-25, Bl. 353 ff, 356.
4681) E-Mail vom 10. Juli 2008, MAT A HE-4, Bl. 1 f.
4682) Sachstandsbericht vom 9. April 2006, MAT A GBA-4/10e
(neu), Bl. 167 f.
4683) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 100.
Drucksache 17/14600 – 534 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
geäußert, ohne dass sich hieraus Ermittlungsansätze erge-
ben hätten.
4684
An das LfV Hessen seien nach Aussage des Zeugen
Hoffmann keine Anfragen zu einem möglichen rechten
Hintergrund gerichtet worden, da es keinen konkreten
Anhaltspunkt in diese Richtung gegeben habe. In den
vielen Gesprächen mit dem LfV sei allerdings die zweite
Operative Fallanalyse thematisiert worden, sodass sie
davon ausgegangen seien, das LfV teile von sich aus
Informationen mit, wenn sie vorhanden gewesen wären.
Konkrete Anträge auf eine Befassung des LfV Hessen
seien allerdings nicht gestellt worden.
4685
Zu den Ermittlungen des PP Nordhessen konnte der Aus-
schuss umfangreiche Akten auswerten.
4686
Diese belegen
intensive Ermittlungen – neben Beschuldigten- und Zeu-
genvernehmungen, Durchsuchungen und der Auswertung
von Daten aus beschlagnahmten Telefonen und Compu-
tern auch die Mitwirkung an den für alle Tatorte verein-
barten Ermittlungsmaßnahmen, darunter Funkzellenda-
tenauswertungen, Hotelüberprüfungen, Kreditkartenaus-
wertungen und viele mehr.
3. Diskussion um die Übernahme der zentra-
len Ermittlungsführung durch das BKA im
Jahr 2006
Am 4. April 2006 wurden Mehmet Kubaşık in Dortmund
und am 6. April 2006 Halit Yozgat in Kassel ermordet.
Das Bundeskriminalamt war nach Angaben des Zeugen
Hoppe unmittelbar am Tattag oder an den Tagen danach
an den Tatorten anwesend.
4687
Mit diesen beiden Morden war die Zahl der Todesopfer
der Česká-Mordserie auf neun angewachsen. Fünf der
Mordfälle wurden bei einer Staatsanwaltschaft bearbeitet,
vier bei einer jeweils anderen. Insgesamt waren zu diesem
Zeitpunkt sechs Polizeibehörden beteiligt. Ermittlungser-
folge gab es nicht.
Vor diesem Hintergrund sah das BKA Schwachstellen in
der bisherigen Ermittlungsführung, denen es – anders als
noch im Jahr 2004 – durch die Übernahme der Gesamt-
ermittlungen entgegenwirken wollte. Da eine originäre
Ermittlungszuständigkeit nach § 4 Abs. 1 BKAG nicht
angenommen wurde und auch ein Ersuchen des General-
bundesanwalts nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BKAG nicht
gestellt war, wurde im BKA eine Übernahme auf Ersu-
chen der Länder nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG oder
aufgrund einer Beauftragung durch den Bundesminister
des Innern nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG
4688
disku-
tiert.
4684) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 108.
4685) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 102.
4686) MAT A GBA-4/10a bis 10d /10e (neu) bis 10h (neu) / MAT A
GBA-4/11a (neu) bis 11n (neu).
4687) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.
4688) Zur Vorschrift siehe oben F.II.5.b)bb)
a) Zentrale Besprechungen und Vorlagen im
Vorfeld der 180. IMK
4689
am 4./5. Mai 2006
aa) Besprechung bei der BAO „Bosporus“ am
11. April 2006
Bereits in einer bei der BAO „Bosporus“ in Nürnberg am
11. April 2006 durchgeführten Besprechung wurde sei-
tens des BKA die Frage einer zentralen Ermittlungsfüh-
rung durch das BKA aufgeworfen.
4690
bb) ND-Lage am 12. April 2006
Ausweislich einer E-Mail an den damaligen Unterabtei-
lungsleiter P I im BMI, Dr. Förster, sprach BKA-
Präsident Ziercke in der ND-Lage vom 12. April 2006 die
Frage der Übernahme der Ermittlungen nach
§ 4 Abs. 2 BKAG durch das BKA an, allerdings nicht in
der Präsidentenrunde. StS Dr. Hanning hatte an dieser
ND-Lage ausweislich der Teilnehmerliste nicht persön-
lich teilgenommen.
4691
Dies wurde dem Unterabteilungs-
leiter P I im BMI, Dr. Förster, von einem Mitarbeiter des
BMI mitgeteilt. Zu der Übernahme der Ermittlungen
durch das BKA auf Anordnung des Bundesministers des
Innern heißt es in der E-Mail:
„Ich gehe mal davon aus, dass ein Ersuchen einer
zust. Landesbehörde (Fall des § 4 Abs. 2 Nr. 1)
nicht vorliegt; in Betracht kommt also nur der
§ 4 Abs. 2 Nr. 2. Der setzt zwar ‚nur‘ eine Unter-
richtung der (jeweiligen) obersten Landesbehörden
voraus. Es ist aber undenkbar, dass hier etwas an-
geleiert wird, ohne dass die betroffenen Länder ihr
Einverständnis zumindest signalisiert haben. Ob
das vorliegt, möchte ich mal bezweifeln, schließ-
lich haben offenbar sowohl NW [Nordrhein-
Westfalen] als auch HE [Hessen] bereits eigene
BAO eingerichtet. Lange Rede kurzer Sinn: Mit
einem Antrag des BKA, der sich nicht dazu ver-
hält, wie und ob die Länder in den Vorschlag ein-
gebunden sind, können wir nichts anfangen. Das
müssen wir gegebenenfalls auch gegenüber dem
BKA als Erwartungshaltung formulieren.“4692
cc) Strategiebesprechung vom 19. April 2006
In einer auf Initiative des BKA am 19. April 2006 durch-
geführten Strategiebesprechung, an der Mitarbeiter von
BKA, LKA Hamburg, LKA Wiesbaden, PP Nordhessen,
PP Südhessen, PP Frankfurt/Main, RKI Rüsselsheim, KPI
Rostock, LKA Rheinland-Pfalz, PP Mainz, LKA
Nordrhein-Westfalen, KD Dortmund, PP Mittelfranken,
4689) Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der
Länder (Innenministerkonferenz). An ihren halbjährlichen Tref-
fen nimmt der Bundesminister des Innern als Gast teil.
4690) Besprechungsprotokoll BAO „Bosporus“ vom 11. April 2006,
MAT A, BKA-2/18, Bl. 515.
4691) MAT A BK-3b, Bl. 8.
4692) MAT A BMI-4/30, Bl. 32.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 535 – Drucksache 17/14600
KPI Augsburg und LPD Saarbrücken teilnahmen, legte
der damalige Leiter der Abteilung „Schwere und Organi-
sierte Kriminalität (SO)“ im BKA, Jürgen Maurer, laut
Protokoll dar, dass eine einheitliche Ermittlungsführung
von großer Bedeutung sei und gab „folgende Lageein-
schätzung ab:
– Serie, die bisher neun Taten umfasst und seit
2000 läuft
– kein eindeutiger Schwerpunkt, verteilt über
die Republik
– enormer Koordinationsbedarf im Inland und
im Ausland
– mit weiteren Taten wird das öffentliche Inte-
resse ansteigen
– verschiedene Staatsanwaltschaften sind betrof-
fen
– politische Seite wird stärker Einfluss nehmen
– die Koordinationsrolle des BKA ist zu be-
leuchten
– keine wirklich heiße Spur
– begründete Hypothese: Verbindungen zu kri-
minellen Organisationen
– politische Hintergründe sind nicht auszu-
schließen, ebenso wenig wie rassistisch orien-
tierte Täter
Herr Maurer betont, dass eine einheitliche Ermitt-
lungsführung von großer Bedeutung ist. Aus die-
sem Grund wird die Abteilung über die Amtslei-
tung im BMI anregen, das BKA als ermittlungs-
führende Dienststelle zu beauftragen
(§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG).“4693
Zu dieser Strategiebesprechung hat der Zeuge Jürgen
Maurer in seiner Vernehmung ausgeführt:
„Diese Besprechung ist ein erster Zwischenpunkt
gewesen in einer Reihe von Besprechungen. Ziel
dieser Besprechungen war, den beteiligten Län-
derbehörden und den beteiligten Akteuren im
BKA klarzumachen, dass, weil wir mittlerweile
neun Morde hatten, es an der höchsten Zeit ist, in-
tensiv über ein Wiederaufsetzen, Restrukturierung
der Aktivitäten nachzudenken. Das ist jetzt eine
Besprechung, bei der ein Protokoll erstellt wurde –
sehr verkürzt. Da wurde intensiv und strittig disku-
tiert und konfliktär diskutiert. […] Natürlich ist
das auch mit der Amtsleitung diskutiert worden.
[…] Und spätestens ab Mai/Juni 2005 hat dieser
Prozess begonnen, und kulminiert hat er nach den
beiden Mordtaten im April 2006. Und da passt die-
ser Vermerk rein. Ja, das ist genau so gelaufen;
4693) Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, MAT
A BKA-2/19, Bl. 217 ff.
und das ist permanenter Diskussionstand auch im
Haus.“4694
Nach Angaben des Zeugen Hoppe ist diese Besprechung
auf seine, jedenfalls auf Initiative des Bundeskriminalam-
tes zustande gekommen, um möglichst eine einvernehm-
liche Lösung zur Übernahme des Verfahrens zentral und
in Gänze beim BKA herbeizuführen. Bei dieser Bespre-
chung habe er aber, wie auch bei der Besprechung in
Nürnberg, feststellen müssen, dass das nicht zwangsläufig
zu einer einvernehmlichen Lösung führen würde.
4695
Zu der Besprechung habe das BKA bewusst bundesweit,
und nicht nur die von den Morden betroffenen Länder
eingeladen.
4696
Es seien aber nur einige wenige zusätzlich
geladene Länder vertreten gewesen.
4697
Das BKA habe in der Strategiebesprechung vom 19. April
2006 auch festlegen wollen, wie ab sofort mit eingehen-
den Hinweisen umzugehen sei, und dass diese mit der
sogenannten Lage- und Informationssammelstelle (LISt)
zentral gesammelt, bewertet und zur Verfügung gestellt
würden.
4698
Dies sei auch an diesem Tag so vereinbart
worden und das BKA habe angefangen, die sich aus der
Vereinbarung ergebenden Maßnahmen umzusetzen.
4699
dd) Gespräch des Präsidenten des Bundes-
kriminalamtes mit den Chefs der Landes-
kriminalämter Bayern, Hamburg, Hessen,
Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-
Vorpommern und Schleswig-Holstein vom
20. April 2006
Am 20. April 2006 führte BKA-Präsident Ziercke mit den
Chefs der Landeskriminalämter Bayern, Hamburg, Hes-
sen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern
und Schleswig-Holstein ein Gespräch zum geplanten
Vorgehen des BKA. Aus einer E-Mail des BKA ergibt
sich, dass auch die Landeskriminalämter einer Übertra-
gung der Ermittlungszuständigkeit an das BKA ablehnend
gegenüber standen:
„MV [Mecklenburg-Vorpommern]: Nach dem 5.
Mord (in MV) vor etwa 1 1/2 [Jahren] gab es im
BKA eine Besprechung, in der sich das BKA ge-
gen eine Übernahme der Ermittlungen gesträubt
hat. Das BayLKA hatte sich bereit erklärt, die Er-
mittlungen zu übernehmen.
BY [Bayern]: Da das LKA nicht an der BAO
‚Bosporus‘ beteiligt ist, kann ad hoc keine Aussa-
ge getroffen werden. Die Angelegenheit müsse
aber sicherlich auf Ministeriumsebene erörtert
werden.
4694) Maurer, Protokoll-Nr. 15, S. 11 f.
4695) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.
4696) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.
4697) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.
4698) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.
4699) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.
Drucksache 17/14600 – 536 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
HH [Hamburg]: In HH ein Fall; es lief sicherlich
nicht alles optimal; BKA hatte allerdings Ermitt-
lungsführung abgelehnt, so dass es jetzt einen
‚komischen Geschmack‘ habe, wenn das BKA die
zentrale Ermittlungsführung übernähme.
NW [Nordrhein-Westfalen]: Das LKA ist nur in-
formatorisch eingebunden. Aus fachlicher Sicht ist
eine zentrale Ermittlungsführung sinnvoll, die Fra-
ge ist wo – der Schwerpunkt liegt in BY. Eine wei-
tere Frage wäre, ob durch die Übernahme des
BKA eine qualitative Verbesserung zu erwarten
sei.
HE [Hessen]: Man muss zunächst mal eine StA
finden; sinnvollerweise zentrale Ermittlungsfüh-
rung in BY;
HE (und auch BKA) könnten Spezialisten nach
BY entsenden. Bei Übernahme durch BKA werden
Effizienz-/Effektivitätsverluste durch Frust bei den
bislang tätigen Beamten befürchtet.
SH [Schleswig-Holstein]: Wurde schon ein OFA-
Ansatz gewählt? Was passiert, wenn der nächste
Mord in einem bislang noch nicht betroffenen
Bundesland passiert – die müssen dann bei Null
anfangen, insofern zentrale Ermittlungsführung
positiv.
PR [BKA-Präsident Ziercke] hat betont, dass es
nicht darum ginge, die Länder zu brüskieren – es
solle vielmehr die Koordination, insbesondere
auch die internationale, sowie die Spurenverglei-
che in den Vordergrund gestellt werden. Wenn
nicht in diesem Fall, dann frage er sich, in wel-
chem der § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG angewendet
werden soll. Er werde ein entsprechendes Schrei-
ben an den Bundesinnenminister richten. Parallel
werde er (nächste Woche) vorab mit Herrn Kindler
(BY) sprechen. Die Länder müssten sich verge-
genwärtigen, dass der öffentliche Druck mit jedem
weiteren Fall enorm zunehmen werde.“4700
ee) Telefonat des Präsidenten des Bundeskri-
minalamtes mit dem Landespolizeipräsi-
denten Bayerns am 21. April 2006
Am 21. April 2006 telefonierte der Präsident des BKA,
Jörg Ziercke, mit dem Zeugen Kindler. In einem nach
Unterrichtung durch BKA-Vizepräsident Falk von KD
Hoppe verfassten Vermerk des BKA vom 24. April 2006
heißt es:
„VP berichtet zu den von PR und VP wahrge-
nommenen Gesprächen und Telefonaten:
Telefonat PR mit Herrn Kindler Bay. Staatsminis-
terium des Innern (21.04.2006): das Thema sei
schon mit Staatsminister Beckstein erörtert wor-
4700) E-Mail BKA zur Kenntnisnahme Vizepräsi-
dent Falk vom 21. April 2012, BKA-2/19, Bl. 295 f.
den. Die Zuweisung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG
würde man eher als ‚Kriegserklärung‘ verstehen.
Gespräch sei eher unerfreulich verlaufen.“4701
Der Zeuge Ziercke hat zu diesem Telefonat angesprochen
erklärt:.
„Also, im Kern habe ich das erörtert, was in die-
sem Brief steht, den wir nachher dem Bundesin-
nenminister vorgelegt haben, worauf wir dann ja
die Übernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 [BKAG] be-
treiben wollten.“4702
Der Zeuge Kindler hat angegeben, ein solches Papier bis
heute nicht zu kennen. Darüber, dass man ihm das Papier
nicht zur Kenntnis gegeben habe, sei er sehr verwundert,
denn man hätte ihn ja auf Mängel hinweisen müssen.
4703
ff) Gespräche des Vizepräsidenten und des
Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit
Vertretern des BMI am 20. und
21. April 2006
Bereits am 20. April 2006 hatte sich der Vizepräsident des
BKA, Falk, in dieser Angelegenheit auch an das BMI
gewandt. In einem Telefonat mit dem UAL
P1, Dr. Förster, wurde vereinbart, dass das BKA einen
Bericht vorlegen werde, welcher die Besonderheiten des
Falles darzulegen und den Mehrwert einer BKA-
Bearbeitung aufzuzeigen habe. In einem nach Unterrich-
tung durch VP Falk zu diesen Gesprächen vom Zeugen
Hoppe verfassten Vermerk vom 24. April 2006 heißt es:
„Gespräch VP mit L/P I (Dr. Förster) am
20.04.2006:
§ 18 BKAG wurde einvernehmlich verworfen, ein
Sammelverfahren bei einer StA ist anzustreben
(Nr. 25 ff. RiStBV).
BKA legt bis zum Freitag (28.04.2006) einen Be-
richt vor, der die Besonderheit der Fallgestaltung,
– den Mehrwert durch die BKA-
Wahrnehmung,
– die Übernahme zum jetzigen Zeitpunkt
erklärt.
Die weitere Verfahrensweise wird dann sein:
– Vorlage StS Dr. Hanning,
– Schreiben StS Dr. Hanning an alle betroffe-
nen StS der Länder, mit der Anregung wegen
der Besonderheit des Falles etc., etc., das
BKA gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG um
Übernahme zu ersuchen,
4701) BKA Vermerk vom 24. April 2006, MAT A BKA-2/19,
Bl. 252.
4702) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.
4703) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 101; S. 102.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 537 – Drucksache 17/14600
mit dem Hinweis auf andere Möglichkeiten
und Instrumentarien.
PR ist mit dieser Linie einverstanden. Bericht
muss am Freitag fertig sein, da in der nächsten
Woche IMK ist und davon auszugehen ist, dass
Staatminister Beckstein, IM Schäuble ansprechen
wird.“4704
Auf einem in den Akten des BKA befindlichen Notizzet-
tel, in dem Stichpunkte zu diesen Gesprächen vermerkt
sind, heißt es zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKAG:
„mildeste Form der Folter“.4705
Der Zeuge Falk hat auf Vorhalt ausgesagt, diese Anmer-
kung nicht notiert zu haben.
4706
Zum Inhalt seines mit Dr.
Förster geführten Gesprächs hat er erklärt:
„Ich habe dann, nachdem im BKA der Entschluss
gefallen war, den Bundesminister um diese Beauf-
tragung zu bitten, am 20. April 2006 ein vorberei-
tendes Gespräch mit dieser Zielrichtung mit einem
Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums geführt,
mit einem Unterabteilungsleiter, mit Herrn Dr.
Förster, der sich unserer Überlegung auch nicht
verschlossen hat und mich gebeten hat, dafür zu
sorgen, dass wir einen entsprechenden Bericht –
ich glaube, er hat den Begriff ‚Anregungsschrei-
ben‘ benutzt – an das Ministerium richten.“4707
Der Zeuge Dr. Förster hat dies im Wesentlichen bestätigt.
Er habe aber nicht von „Anregung“, sondern von einer
„Kettenanregung“ gesprochen, weil das Papier dazu habe
dienen sollen, auf der bevorstehenden Innenministerkon-
ferenz mit der bayerischen Seite darüber zu sprechen, ob
das nicht Anlass sein könnte zu einer weiteren Übertra-
gung der Zuständigkeit mit einer eindeutigen Präferenz
für eine Lösung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG (auf
Ersuchen der zuständigen Landesbehörde) im Gegensatz
zu § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG. Bei letzterer treffe der
Bundesinnenminister die Anordnung, was man vielleicht
als feindliche Übernahme charakterisieren könne, die im
Bund-Länder-Verhältnis sicherlich nicht angesagt sei.
4708
Darüber hinaus hat KD Hoppe in dem Vermerk vom
24. April 2006 festgehalten, dass der damalige Staatssek-
retär im Bundesministerium des Innern, Dr. Hanning, in
einem Telefonat mit dem Präsidenten des BKA vom
21. April 2006, in dem dieser eine Vorlage des BKA an
das BMI angekündigte, die Angelegenheit „offen“ gese-
hen habe.
4709
4704) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A
BKA-2/19, Bl. 352.
4705) MAT A BKA-2/19, Bl. 356.
4706) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.
4707) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.
4708) Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 131.
4709) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A
BKA-2/19, Bl. 352.
gg) Vermerk des Bayerischen Staatsministeri-
ums des Innern vom 26. April 2006
In einem Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern vom 26. April 2006 wird umfänglich darge-
legt, unter welchen einschränkenden rechtlichen Voraus-
setzungen eine Übernahme durch das BKA nach § 4 Abs.
2 Satz 1 Nr. 2 BKAG in Betracht kommt.
4710
Danach
waren nach Auffassung des Bayerischen Staatsministeri-
ums des Innern folgende Gesichtspunkte in Bezug auf die
Mordserie zu berücksichtigen:
„besondere Schwere der Taten;
kontinuierliches Vorgehen des Täters bzw. der Tä-
ter über einen umfassenden Zeitraum;
Tatorte liegen in verschiedenen Bundesländern;
besondere Medienwirksamkeit, die vom Täter
wohl auch beabsichtigt ist;
Drohpotential für Personen, die zur Gruppe poten-
tieller Tatopfer gehören;
mutmaßlicher Auslandsbezug;
Notwendigkeit eines intensiven Informationsaus-
tausches zwischen allen beteiligten Dienststellen.“
Ob diese Aspekte allerdings ausreichend seien, um die
Annahme schwerwiegender Gründe im Sinn des § 4 Abs.
2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zu rechtfertigen, sei eine Frage der
Abwägung.
4711
hh) Haltung der BAO „Bosporus“ im April 2006
Am 27. April 2006 richtete der Leiter der BAO „Bospo-
rus“, Geier, ein Schreiben an das Bayerische Staatsminis-
terium des Innern zur Vorlage bei dem Abteilungsleiter
und Landespolizeipräsidenten Kindler mit folgendem
Vorschlag:
„Zukünftig sollte unter Beibehaltung der Ermitt-
lungszuständigkeit der jeweiligen Länder eine en-
ge Zusammenarbeit der SoKos in der Weise gesi-
chert werden, dass ein abgestimmtes und koordi-
niertes Vorgehen in dieser Fallserie durch regel-
mäßige Strategiebesprechungen stattfindet. […]
Aus Gründen einer möglichst reibungslosen und
erfolgreichen Zusammenarbeit in unseren födera-
len Strukturen sollte weder das BKA noch die
BAO ‚Bosporus‘ eine Ermittlungsführerschaft
übernehmen.“4712
4710) MAT A BY-2/9a, Bl. 168 ff.
4711) MAT A BY-2-9a, Bl. 168 ff. (169 f.).
4712) MAT A BY-2/6c, Bl. 894 ff.
Drucksache 17/14600 – 538 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ii) Schreiben des Bundeskriminalamtes an
das BMI mit der Anregung der Übernahme
zentraler Ermittlungen vom 2. Mai 2006
In einem als Ergebnis eines Gesprächs vom 20. April
2006 zwischen dem Vizepräsidenten des BKA Falk und
dem Unterabteilungsleiter „Polizeiangelegenheiten (P I)“
im BMI Dr. Förster verfassten Schreiben des BKA vom
2. Mai 2006 wurde beim BMI eine zentrale Ermittlungs-
führung durch das BKA gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
oder Nr. 2 BKAG angeregt.
4713
Das Schreiben wurde vom
Vizepräsidenten Falk in Vertretung des sich auf einer
Auslandsdienstreise befindenden Präsidenten des BKA
Ziercke
4714
unterzeichnetet.
Nach Wiedergabe des Sachverhalts und Beschreibung der
aktuellen Situation hinsichtlich der Vielzahl beteiligter
Dienststellen auf Ebene von Polizei und Justiz widmet
sich das Schreiben vor allem
– der Besonderheit des Falles,
– dem zu erzielenden Mehrwert einer zentralen Ermitt-
lungsführung durch das BKA und
– einem Alternativvorschlag für eine zentrale Aufga-
benwahrnehmung durch das BKA.
4715
Unter Punkt III. erfolgt folgende Bewertung der bisheri-
gen Aufgabenwahrnehmung:
„Die Bewertung aus dem Jahr 2004 – keine zentra-
le Ermittlungsführung durch das BKA – ist nach
der Lageänderung durch die Fortsetzung der Tatse-
rie und die Ausweitung der Tatortbehörden auf
Dortmund und Kassel (also auch auf zwei weitere
Bundesländer) nicht mehr aufrecht zu erhalten. In-
zwischen führen fünf (5) Staatsanwaltschaften und
sechs (6) Polizeibehörden in neun (9) Mordfällen
weitgehend getrennte Ermittlungen zu einem oder
mehreren gemeinsamen Tatverursacher(n).
Die bisherige Struktur der Zusammenarbeit weist
(mit jedem neuen Fall zunehmende) Problemkons-
tellationen auf:
– Von den beteiligten Dienststellen wird kein
einheitliches Ermittlungskonzept verfolgt, das
u. a. unter Berücksichtigung der Lagen vor Ort
z. B. die Prioritäten, die Intensität und die zeit-
lichen Abfolgen der zu treffenden Ermitt-
lungsmaßnahmen festlegt. So ist es bereits
durch dezentrale unabgesprochene Ermitt-
lungshandlungen zu Mehrfachbearbeitungen
(z. B. Aktenstudium, Personalabklärungen,
Auslandsermittlungen) und zu Beschwerden
von Adressaten von Informationserhebungs-
maßnahmen gekommen, die durch eine zent-
rale Ermittlungsführung hätten vermieden
werden können.
4713) MAT A BKA-2/20, Bl. 9 ff. = MAT A BMI-4/30, Bl. 90 ff.
4714) Falk, Protokoll-Nr. 19. S.6.
4715) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 9.
– Damit einhergehend liegt weder ein einheitli-
ches Fahndungskonzept vor, noch wird eine
einheitliche Öffentlichkeitsarbeit betrieben.
– Es ist nicht sichergestellt, dass Informationen
aus den bisherigen Einzeltaten vollständig an
einer Stelle zusammengeführt, umfassend
zentral ausgewertet, bewertet und effizient in
die Strukturermittlungen eingebracht werden.
– Der gebotene zeitgerechte und alle Adressaten
angemessen, berücksichtigende Austausch
von Informationen der Tatortbehörden unter-
einander und mit dem BKA ist hiesigen Er-
achtens vor dem jeweils nur spezifischen (im
ungünstigen Fall nur punktuellen) Bewer-
tungshintergrund der einzelnen Tatortbehör-
den nicht im vollem (d. h. fachlich erforderli-
chen) Umfang gewährleistet.
– Verdeckte taktische Ermittlungsmaßnahmen
im In- und Ausland können mangels Abspra-
chen der Bundesländer untereinander und mit
dem BKA nicht zentral geplant und koordi-
niert werden.
Sofern sich die Mordserie fortsetzen würde, wür-
den sich die dargestellten Problemstellungen durch
die örtliche und sachliche Zuständigkeit weiterer
Landesbehörden noch weiter verschärfen. Schon
der jetzige Zustand birgt ein hohes Risiko hinsicht-
lich des angestrebten Aufklärungserfolges, dem
neben der Gewährleistung des staatlichen Strafan-
spruchs in dieser Konstellation auch die entschei-
dende präventive Wirkung (= Beendigung der Se-
rie) zugemessen werden muss.“4716
Als die fachlich beste Lösung sah das BKA dabei eine
zentrale Ermittlungsführung durch das BKA an – entwe-
der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG (auf Ersuchen
einer zuständigen Landesbehörde) oder nach
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG (auf Anordnung des Bun-
desministers des Innern nach Unterrichtung der obersten
Landesbehörden aus schwerwiegenden Gründen).
Zur Begründung wurde angeführt, das geschilderte Ne-
beneinander von Zuständigkeiten und Aufgabenwahr-
nehmungen verschiedener Polizeidienststellen und Staats-
anwaltschaften spreche in Verbindung mit fehlenden
Ermittlungserfolgen in diesem Tatkomplex unter krimina-
listischen Gesichtspunkten ganz überwiegend für eine
einheitliche zentrale Ermittlungsführung durch das BKA
mit zu unterstellenden (bereits bestehenden) regionalen
Einsatzabschnitten der Länderdienststellen. Das BKA
könne besser als eine der beteiligten Länderpolizeien, wo
mit Ausnahme des LKA Hamburg die Ermittlungen noch
nicht einmal von den Landeskriminalämtern geführt wür-
den, folgende Aspekte gewährleisten:
„Durch die zentrale Ermittlungsführung des BKA
würden klare Kommunikationsstrukturen, ein Zu-
4716) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 15 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 539 – Drucksache 17/14600
sammenführen aller Hinweise und Spuren sowie
ihr komplexer Abgleich unter einheitlicher Per-
spektive bei gleichzeitiger Offenheit für neue, z. B.
aus einem der Einzelfälle resultierenden Aspekte,
die für den Gesamtkomplex von Bedeutung sind,
sowie ein stringentes und abgestimmtes Ermitt-
lungskonzept mit eindeutigen Über- und Unterord-
nungsverhältnissen sichergestellt. Da von einem
zusammenhängenden Tatgeschehen mit starken in-
ternationalen Bezügen (Türkei, Niederlande) aus-
zugehen ist, wäre ein koordiniertes und geschlos-
senes Auftreten gegenüber ausländischen Polizei-
und Justizbehörden gewährleistet. Klare Führungs-
strukturen und Weisungskompetenzen im Sinne
einer BAO würden das Risiko von Informations-
verlusten, Doppelarbeiten, dadurch entstehende
Ermittlungspannen minimieren, damit die Ermitt-
lungen effektivieren und die Wahrscheinlichkeit
der Tataufklärung deutlich erhöhen.“ 4717
Es folgte der Hinweis, dass es auch bei einer zentralen
Ermittlungsführung keine Erfolgsgarantie gebe.
4718
In dem Schreiben vom 2. Mai 2006 heißt es weiter, dass
vor dem Hintergrund der bislang unklaren Motivlage ein
strategisch und taktisch in sich stimmiger, breiter und
einheitlicher Ermittlungsansatz gewählt werden müsse,
der weitere Fachbereiche des BKA (z. B. die Abteilung
„Staatsschutz“) sowie andere Sicherheitsbehörden des
Bundes einbinde, da ein Staatsschutzhintergrund derzeit
nicht auszuschließen sei. Dafür seien in zeitlicher Hin-
sicht ein „langer Atem“ und im Übrigen die Bereitstellung
personeller Ressourcen erforderlich, die nicht durch das
„Tagesgeschäft“, das bei einer örtlichen Polizeidienststel-
le zwangsläufig anfalle, rückgebunden werden könne.
4719
Für Fallkonstellationen dieser Art sehe § 4 Abs. 2 BKAG
ausdrücklich – entgegen der ansonsten grundsätzlich
bestehenden Länderzuständigkeit – die Möglichkeit der
Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben auf dem Ge-
biet der Strafverfolgung durch das BKA vor. Bei in der
Regel vom Unrechtsgehalt her weniger bedeutenden Fäl-
len mit terroristischem bzw. sonstigem Staatsschutzhin-
tergrund hätten sich zentrale Ermittlungen auf Ebene der
Staatsanwaltschaft (GBA) und der Polizei (BKA) vielfach
bewährt. Es sei kaum vorstellbar, dass die Ermittlungen
noch immer dezentral geführt würden, gäbe es hier An-
haltspunkte für das Vorliegen eines politischen Tatmo-
tivs.
4720
Unabhängig davon, ob die zuständigen Landesbehörden
das BKA gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG um die
Übernahme der Ermittlungen in allen neun Fällen ersu-
chen könnten oder würden, lagen nach Auffassung des
BKA im vorliegenden Fall schwerwiegende Gründe i.S.d.
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG vor, die eine Anordnung
4717) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.
4718) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.
4719) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.
4720) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.
des Bundesministers des Innern zur Übernahme der Straf-
verfolgung durch das BKA nahelegen würden: Dieser
Tatkomplex stelle Schwerstkriminalität dar. Er umfasse
mittlerweile neun unaufgeklärte Morde, die über einen
Zeitraum von sechs Jahren in fünf Bundesländern began-
gen wurden. Dadurch, dass überwiegend türkische bzw.
türkischstämmige Opfer Ziel der/des Straftäter(s) wurden,
seien die Taten bereits jetzt geeignet, die bundes- und
außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land zu tangieren. Sowohl aus den deutschen Auslands-
vertretungen in der Türkei (Botschaft und Generalkonsu-
lat in Istanbul) als auch aus Kontakten mit der General-
sicherheitsdirektion der türkischen Polizei in Ankara sei
dem BKA bekannt, dass die Mordserie bei den türkischen
Sicherheitsbehörden und Medien – wie die Aufklärungs-
bemühungen in Deutschland auch – sehr aufmerksam
verfolgt würden.
4721
Aus Gesprächen auf Fachebene sei dem BKA inzwischen
deutlich geworden, dass derzeit mit Ersuchen aller betrof-
fenen Bundesländer an das BKA, die Strafverfolgung
zentral zu übernehmen, eher nicht zu rechnen sei. Bisher
sei es noch nicht einmal gelungen, ein staatsanwaltschaft-
liches Sammelverfahren (Nr. 25 ff. RiStBV) sicherzustel-
len, das nach Lage der Dinge am ehesten bei der Staats-
anwaltschaft Nürnberg anzusiedeln wäre. Ein solches
Sammelverfahren sei aber in jedem Fall geboten. Es sei
im Übrigen die wesentliche und geeignete Voraussetzung
für ein Ersuchen der dann federführenden Staatsanwalt-
schaft an das BKA gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG,
was eine Anordnung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG
obsolet machen würde. Eine solche Lösung sei einer An-
ordnung durch den Bundesminister unbedingt vorzuzie-
hen. Sie setze aber Einvernehmen voraus.
4722
In dem Schreiben wurde weiterhin dargelegt, dass für den
Fall, dass eine Übertragung der zentralen Ermittlungsfüh-
rung an das BKA nach den Varianten des
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BKAG nicht erfolge,
sich das BKA als Zentralstelle in Form einer Lage- und
Informationssammelstelle (LISt) im Rahmen des bisher
geführten Strukturverfahren einbringen werde. Die LISt
sei bereits anlässlich der letzten Strategiebesprechungen
aller beteiligten Dienststellen am 19. April 2006 auf Vor-
schlag des BKA vereinbart und beim BKA eingerichtet
worden.
4723
Die von der LISt wahrzunehmenden Aufgaben beschrieb
das BKA wie folgt:
– „zentrale Informationssammlung, -bewertung,
-steuerung gemäß einer gemeinsam zu erstel-
lenden, koordinierten Ermittlungs- und Öf-
fentlichkeitsstrategie,
– Erfassung und Bewertung aller zentral und
dezentral eingehenden Hinweise, Abgleich der
Inhalte mit bereits vorhandenen Informationen
4721) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17 f.
4722) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18.
4723) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.
Drucksache 17/14600 – 540 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und Dateiinhalten, Steuerung der Auswerteer-
gebnisse an die betroffenen Ermittlungsdienst-
stellen,
– Koordination und Zusammenführung der Spu-
renbearbeitung sowie Einbindung der OFA im
BKA,
– aktive und offensiv betriebene zentrale Infor-
mationserhebung auf internationaler Ebene im
Sinn der Wahrnehmung der Funktion als Na-
tionales Zentralbüro von Interpol, d. h. Durch-
führung bzw. Koordinierung des internationa-
len polizeilichen Informationsaustausches,
Vermittlung der zuständigen internationalen
Ansprechpartner unter Einbeziehung der
BKA-VBs, Informationsübermittlung an In-
landsdienststellen,
– Gewährleistung eines aktiven und strukturier-
ten Informationsaustausches auf nationaler
Ebene im Rahmen von Lage- und Einsatzbe-
sprechungen,
– Koordination der Umsetzung der gemeinsam
getroffenen Entscheidungen und damit ein-
hergehend der aus gemeinsamen Besprechun-
gen resultierenden Ermittlungshandlungen und
deren Ergebnisse.“4724
Die fachlich beste Lösung, deren Effektivität zudem noch
entscheidend von der Intensität und Aktualität der Infor-
mationsweitergabe durch die einzelnen Tatortbehörden an
das BKA und untereinander abhänge, stelle dieser Weg
allerdings nicht dar.
4725
Das BKA teilte dem BMI abschließend mit, dass eine
Erörterung des Sachverhaltes am Rande der Innenminis-
terkonferenz am 4./5. Mai 2006 in Garmisch-
Partenkirchen vorgesehen sei. Der Präsident des BKA,
Ziercke, werde teilnehmen und die beiden aufgezeigten
Alternativen in die Diskussion einbringen.
4726
Bereits mit Schreiben vom 27. April 2006 hatte Vizeprä-
sident Falk dem BMI (ebenfalls Herrn UAL P I Förster)
eine nahezu inhaltsgleiche Vorfassung dieses Schreibens
zugeleitet. Auf diesem Schreiben wurde im BMI hand-
schriftlich vermerkt:
„Herrn ALP als Eingang vorgelegt.
Auf dieser Grdl. erstellen wir für IMK die Min.-
Vorlage.“4727
4724) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.
4725) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 19.
4726) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 19.
4727) Schreiben BKA (VP Falk) vom 27. April 2006, MAT A BMI-
4/30, Bl. 63.
jj) Ministervorlage des BMI vom 3. Mai 2006 –
Erhöhung der Belohnung
Am 3. Mai 2006 fertigte das Referat „Allgemeine Ange-
legenheiten der Vebrechensbekämpfung“ im BMI eine
dreiseitige Ministervorlage mit dem Betreff:
„Mordserie ,Česká‘, hier: Initiative von Staatsmi-
nister Beckstein am Rande der IMK zur Erhöhung
der Belohnung“4728,
die Minister Dr. Schäuble über den Unterabteilungsleiter
PI., den Abteilungsleiter P. und Staatssekretär Dr. Han-
ning vorgelegt werden sollte. Als Zweck der Vorlage
wurde die Unterrichtung und Entscheidung über das wei-
tere Vorgehen im Hinblick auf eine von Staatsminister
Dr. Beckstein angekündigte Initiative am Rande der IMK
am 4./5. Mai 2006 mit dem Ziel, die Belohnung zu erhö-
hen, bezeichnet.
4729
Unter der Überschrift „Sachverhalt“ wurde angekündigt,
dass der bayerische Staatsminister Dr. Beckstein am Ran-
de der IMK seine Kollegen aus den anderen von der
Mordserie betroffenen Ländern (Hessen, Hamburg,
Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen)
und den Bundesminister des Innern auf einen Beitrag zur
Erhöhung der Belohnung für Hinweise zur Aufklärung
der Mordserie Česká von gegenwärtig 33 000 Euro auf
300 000 Euro ansprechen werde.
4730
Am 26. April 2006 sei in den Medien berichtet worden,
der bayerische Staatsminister Dr. Beckstein wolle die für
Hinweise aus der Bevölkerung ausgelobte Belohnung, die
zu diesem Zeitpunkt noch 33 000 Euro betrug, auf
300 000 Euro erhöhen. In einer Telefonschaltkonferenz
am 27. April 2006 habe das Bayerische Staatsministerium
des Innern auf Referatsebene den Innenressorts der ande-
ren betroffenen Länder und dem BMI mitgeteilt,
Dr. Beckstein habe lediglich angekündigt, er werde am
Rande der IMK bei seinen Kollegen aus den betroffenen
Ländern und dem Bundesminister des Innern für eine
Erhöhung der Belohnung auf 300 000 Euro werben.
4731
Im BKA stünden Mittel für einen Beitrag des Bundes in
Höhe von maximal 50 000 Euro bereit.
4732
Zur Vorklärung dieser Frage und der Frage einer weiteren
organisatorischen Konzentration der Ermittlungen habe
der Abteilungsleiter Polizei im Bayerischen Staatsminis-
terium des Innern seine Kollegen aus den genannten Län-
dern und dem BMI sowie den Präsidenten des BKA zu
einer Besprechung ebenfalls am Rande der IMK eingela-
den. Bayern wolle bereits hier eine Einigung über die
4728) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 111 ff.
4729) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 111.
4730) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 111.
4731) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.
4732) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 541 – Drucksache 17/14600
Höhe der Beiträge zur Erhöhung der Belohnung erzielen,
damit die Minister dies dann öffentlichkeitswirksam wäh-
rend der IMK verkünden könnten.
4733
Zum Hintergrund der Vorlage wurde die Mordserie mit
inzwischen neun Opfern kurz dargestellt. Sodann wird die
vom BKA vorgebrachte Kritik unter der Überschrift:
„Bisherige Organisation der Ermittlungen“ wie folgt
zusammengefasst:
„Eine länderübergreifende Konzentration der Er-
mittlungen auf eine Staatsanwaltschaft und eine
Polizeibehörde hat bisher nicht stattgefunden. Das
BKA ist der Auffassung, dass das bisherige Vor-
gehen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden
in den betroffenen Ländern weder ein einheitliches
Ermittlungs- bzw. Fahndungskonzept noch eine
einheitliche Öffentlichkeitsarbeit erkennen lässt.
Außerdem könnten mangels Absprachen der Län-
der untereinander und mit dem BKA verdeckte
taktische Ermittlungsmaßnahmen im In- und Aus-
land nicht zentral geplant und durchgeführt wer-
den.“4734
Einen Hinweis auf das ausführliche Schreiben des BKA
vom 2. Mai 2006 und ein Votum für die Übernahme der
Ermittlungen durch das BKA enthielt die Vorlage nicht.
Unter „Verfahrensvorschlag“ heißt es:
„BMI sollte sich an einer Erhöhung der Belohnung
mit einem Beitrag von 30 000 Euro beteiligen.“4735
Dieser Verfahrensvorschlag wurde wie folgt begründet:
– „Dadurch würde es BMI leichter fallen, bei
künftigen Ermittlungen in Sachen Česká die
Rolle des BKA zu stärken. Nach Telefonaten
zwischen BMI und IM-BY [Innenministerium
Bayern] auf AL-Ebene sowie P-BKA zeichnet
sich die Einrichtung einer gemeinsamen
‚Steuerungsgruppe‘ unter Federführung BY
und Beteiligung der anderen betroffenen Län-
der sowie des BKA ab.
– An der von BY angekündigten ‚öffentlich-
keitswirksamen‘ Präsentation der Erhöhung
der Belohnung während der IMK würde auch
BMI Teil haben.
– Ein höherer Beitrag als oben genannt erscheint
nicht angezeigt, da die Ermittlungszuständig-
keit in der Mordserie ‚Česká‘ bei den Ländern
liegt.“4736
4733) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 111 f.
4734) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 112.
4735) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.
4736) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.
kk) Einladung des Landespolizeipräsidenten
Bayerns vom 2. Mai 2006 zu einer Erörte-
rung am Rande der 180. IMK am
4./5. Mai 2006
Mit Schreiben vom 2. Mai 2006 lud der Zeuge Kindler als
Vorsitzender des Arbeitskreises II „Innere Sicherheit“ der
IMK (AK II) im Hinblick auf die bundesweite Mordserie
zu einer Erörterung am Donnerstag Vormittag am Rande
der 180. IMK am 4./5. Mai 2006 in Garmisch-
Partenkirchen ein.
4737
Die Einladung richtete sich an die
im AK II vertretenen Polizeichefs der Länder, die von der
Mordserie betroffen waren (LPD Bergmann, (Hamburg),
LPP Nedela (Wiesbaden), MDgt Niehörster (Schwerin),
MDgt Salmon (Düsseldorf)), sowie den seitens des Bun-
des im AK II vertretenden Abteilungsleiter Polizeiangele-
genheiten und Terrorismusbekämpfung im BMI, MDir
Krause, und den Präsidenten des BKA, Ziercke.
4738
Als
Gegenstand der Erörterung wurde die Erhöhung der Aus-
lobung auf 300 000 Euro und das weitere Vorgehen im
Hinblick auf die Fortführung der Ermittlungen bezeich-
net.
4739
Schwerpunktmäßig befasst sich dieses Schreiben des
Polizeipräsidenten Kindler mit der Erhöhung der Beloh-
nung und endet mit den Worten, er würde sich freuen,
wenn man sich auch zu den Modalitäten der weiteren
Ermittlungen abstimmen könne, um den Ministern einen
entsprechenden Vorschlag unterbreiten zu können.
4740
b) Aussagen der Zeugen zur Meinungsbil-
dung im Vorfeld der 180. IMK
aa) Argumente des BKA für eine Übernahme
der zentralen Ermittlungen nach Aussagen
der Zeugen
Der Zeuge Hoppe, der den Entwurf für das Anregungs-
schreiben des BKA an das BMI vom 2. Mai 2006 verfass-
te, hat den Meinungsbildungsprozess im BKA im Jahr
2006 im Vorfeld der IMK zur Frage der Ermittlungsfüh-
rung wie folgt zusammengefasst:
„Wir haben mit den Ländern in zahlreichen Be-
sprechungen noch an den Tatorten in Kassel und in
Dortmund, aber auch in Nürnberg und dann bei
uns das weitere Vorgehen besprochen und den
Ländern vorgeschlagen, dass wir das Verfahren in
Gänze übernehmen. Die Bereitschaft dazu war
nicht umfänglich vorhanden, woraufhin ich dann
auch mal die Möglichkeit des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des
BKA-Gesetzes in Erwägung gezogen habe, nach-
dem ja der Bundesminister des Innern nach Unter-
4737) MAT A BY-2/9a, Bl. 158 ff.
4738) MAT A BY-2/9a, Bl. 158.
4739) MAT A BY-2/9a, Bl. 160.
4740) MAT A BY-2/9a, Bl. 161.
Drucksache 17/14600 – 542 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
richtung der zuständigen Behörden in den Ländern
dem BKA ein Verfahren zuweisen kann.“4741
Die Zeugen Hoppe, Falk und Ziercke haben ausgesagt, im
BKA habe man den Weg über § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BKAG favorisiert.
4742
In der Regel stelle dazu die Staats-
anwaltschaft das Ersuchen an das BKA. Hierzu hätte aber
Einvernehmen auf Ebene der Polizei und der Staatsan-
waltschaften dazu vorliegen müssen, wer das Verfahren
zentral führt und ein Ersuchen an das BKA gerichtet wer-
den müssen. Dieses Einvernehmen habe man in der Stra-
tegiebesprechung am 19. April 2006 herzustellen ver-
sucht. Der Schwerpunkt sei aber immer noch in Bayern
gesehen worden und die bisher stattgefundenen Koordina-
tionsarbeiten hätten nicht konterkariert werden sollen.
4743
Da § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG wegen fehlenden Ein-
vernehmens eigentlich nicht möglich gewesen sei,
4744
sei
es die Aufgabe des Zeugen Hoppe gewesen, einen ent-
sprechenden Initiativbericht an das BMI zu starten mit
dem Vorschlag, dem BKA das Verfahren nach
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zuzuweisen.
4745
Der Zeuge Maurer hat bekräftigt, dass der Vorschlag,
dass das BKA die zentrale Ermittlungsführung überneh-
men solle, aus der Abteilung SO gekommen und im Ein-
vernehmen mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten
des BKA vorgetragen worden sei.
4746
Zu den nach dem achten und neunten Mord im Jahr 2006
aus Sicht des BKA bestehenden Schwachstellen in der
Ermittlungsführung hat dessen damaliger Vizepräsident
Falk ausgesagt:
„Es gab nach unserer Einschätzung kein einheitli-
ches Ermittlungs- und Fahndungskonzept. Es ist zu
Mehrfachbearbeitungen gekommen. Es gab keine
zentrale Koordination verdeckter taktischer Ermitt-
lungsmaßnahmen bei allen, die eben in Ermittlun-
gen drinsteckten. Es gab Probleme mit einer abge-
stimmten Öffentlichkeitsarbeit. Und vor allen Din-
gen – und das war für mich persönlich das Wesent-
liche –: Es gab eben keine gemeinsame Nutzung
einer bundesweit verfügbaren Verbunddatenbank,
in der alle Informationen waren und die eben dann
mit Analysen aus einer Sicht hätte eingesetzt wer-
den können. Und wir sahen die Gefahr, dass, so-
fern die Serie sich fortsetzen würde, diese
Schwachstellen sich noch einmal massiv verstär-
ken würden.“4747
Diesen Schwachstellen habe das BKA durch die Über-
nahme der Gesamtermittlungen entgegenwirken wollen.
4741) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.
4742) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 28, Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 8,
Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.
4743) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 28.
4744) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 29.
4745) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 29.
4746) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 48.
4747) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.
Die Organisation der zentralen Ermittlungen durch das
BKA habe man sich dergestalt vorgestellt,
„dass die Gesamtleitung beim BKA liegen würde,
mit klaren Unterstellungsverhältnissen, aber auch
ganz gewiss mit der Einbindung der bereits beste-
henden und schon über Jahre bestehenden regiona-
len Ermittlungseinheiten vor Ort und eben auch
mit den bereits eingearbeiteten Ermittlern.
Das hätten wir sicherstellen wollen durch die Ein-
richtung von Einsatzabschnitten in den Ländern.
Es gibt Beispiele dafür, dass das gut funktioniert
hat. Ich nenne die ein Jahr später durchgeführte
sogenannte EG ‚Zeit‘ – mit dem Stichwort ‚Sauer-
landgruppe‘ wissen Sie wahrscheinlich, was ich
meine – im Bereich des internationalen Terroris-
mus. Wir wollten für klarere Kommunikations-
strukturen sorgen, als sie so einfach objektiv sein
konnten. Wir wollten alle Hinweise und alle Spu-
ren an einer Stelle zusammenführen, um sie kom-
plex abzugleichen und vor allen Dingen unter ein-
heitlicher Perspektive abzugleichen. Und wir woll-
ten – auch das wichtig – ein koordiniertes und ge-
schlossenes Auftreten gegenüber ausländischen
Polizei- und Justizbehörden.
Und vor dem Hintergrund der unklaren Motivlage
wollten wir einen breiten Ermittlungsansatz wäh-
len, der andere Fachbereiche des BKA wie die Ab-
teilung Polizeilicher Staatsschutz, ohne dass wir
einen Anhaltspunkt gehabt hätten, wo es dann tat-
sächlich hinging – Und wir hätten das natürlich
mit einem angemessenen Kräfteeinsatz ge-
macht.“4748
Der Zeuge Maurer hat ausgesagt, am meisten habe das
BKA die Frage umgetrieben, was passiere, wenn der
zehnte Mord geschehe. Dies sei eines seiner wichtigsten
Argumente gewesen.
4749
Bereits in der Strategiebespre-
chung vom 19. April 2006 hatte Herr Maurer geäußert,
bei weiteren Mordfällen sei mit politischer Einflussnahme
zu rechnen.
4750
Als Zeuge hat er ausgesagt, mit dieser
Äußerung habe er seiner Hoffnung Ausdruck verliehen,
dass er davon ausgehe, dass vielleicht auch aus dem poli-
tischen Bereich im Jahre 2006 ein Druck entstehen würde,
der das BKA in die Lage versetze, massiver vorzugehen,
intensiver zu bekämpfen und Ressourcen zu designie-
ren.
4751
Im Ausschuss ist die Frage erörtert worden, inwieweit
sich aus Sicht des BKA die Situation im Jahr 2006 zu der
im Jahr 2004, als bereits einmal über eine Übernahme
diskutiert worden war, geändert hatte.
Der Zeuge Hoppe hat hierzu erklärt, dass sich nach dem
achten und neunten Mord am 4. April 2006 in Kassel und
4748) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5; siehe dazu auch S. 9 f.
4749) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 19.
4750) Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, MAT
A BKA-2/19, Bl. 217 ff.
4751) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 19.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 543 – Drucksache 17/14600
am 6. April 2006 in Dortmund eine grundlegende Ände-
rung der Bewertung ergeben habe. Es seien zwei weitere
Bundesländer – Hessen und Nordrhein-Westfalen – hin-
zugekommen und es sei nicht auszuschließen gewesen,
dass noch weitere betroffen sein würden.
4752
Man habe in
den bis zu diesem Zeitpunkt laufenden Ermittlungen fest-
gestellt, dass es an der einen oder anderen Stelle, zum
Beispiel der Datenverarbeitung, Optimierungsbedarf
geben könne. Für sich habe er die Bewertung getroffen,
dass eine echte zentrale Ermittlungsführung, die ein zent-
rales Ermittlungs-, Fahndung- und Öffentlichkeitskonzept
vorsehe, der richtige Weg sei, weshalb er seiner Amtslei-
tung vorgeschlagen habe, diesen Weg zu gehen.
4753
Auch der Zeuge Ziercke hat erklärt, dass sich 2006 die
Lage im Vergleich zu 2004 grundlegend geändert habe:
„Wir kamen als Bundeskriminalamt mit unseren
ergänzenden strukturellen OK-Ermittlungen nicht
weiter. Gleiches gilt für die zuständigen Polizeibe-
hörden der Länder. Seit 2004 waren vier weitere
Morde verübt worden. Zwei weitere Bundesländer
waren als Tatorte betroffen. Das Informationsauf-
kommen war enorm angestiegen, und damit auch
der Koordinierungsbedarf. Weitere Morde mussten
befürchtet werden. Hinzu kam, dass alle Beteilig-
ten mit diesem Sachstand unzufrieden waren.“4754
Darüber hinaus habe das BKA nach Aussage des Zeugen
Falk auch einen breiteren Ermittlungsansatz verfolgen
wollen, der im Jahr 2004 noch nicht diskutiert worden
sei.
4755
Im Jahr 2006 habe sich das BKA gesagt:
„Wir müssen einfach den Blick weiten, weil eben
das hier offenbar eine Einbahnstraße oder ein Tun-
nel ist, in dem wir uns befinden.“4756
Zu den im BKA angestellten Überlegungen zu einem
breiteren Ermittlungsansatz hat der Zeuge Falk ausge-
führt:
„Wir hatten schon den Eindruck, dass das präfe-
rierte Motiv oder der präferierte Tathintergrund –
Rauschgiftgeschäfte, Organisierte Kriminalität,
Bandenkriminalität – nicht wirklich zielführend
war, weil eben über sechs Jahre hinweg die Ermitt-
lungen keinen Durchbruch erzielt haben. Es gab
immer wieder Hinweise. Es gab auch, also fast auf
der Metaebene, Spuren, Ansätze – ich will das
ganz vorsichtig ausdrücken –, die es nicht unbe-
rechtigt haben erscheinen lassen, sich mit dem Ge-
danken zu befassen, es könnte Rauschgift im Hin-
tergrund eine Rolle spielen oder Geldwäsche und
diese Dinge, Schuldeneintreiben und so was. Aber
so richtig überzeugend hat das ja nicht zu Er-
gebnissen geführt. Und deshalb waren wir uns
4752) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.
4753) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.
4754) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 7.
4755) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.
4756) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.
2006 eigentlich im Amt gesprächsweise darüber
im Klaren – wenn ich sage: ‚wir im Amt‘, heißt
das, ich habe mich mit Herrn Maurer, dem Abtei-
lungsleiter, darüber unterhalten, oder auch mit
Herrn Hoppe -, dass hier eine größere Offenheit
hermüsste für andere Motivlagen.“4757
Der Zeuge Falk hat dargelegt, worin das BKA die
schwerwiegenden Gründe i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BKAG gesehen habe, die für eine Anordnung durch den
Bundesinnenminister Voraussetzung seien:
„Wir haben die schwerwiegenden Gründe einmal
in dem Umstand gesehen, dass es jetzt doch eine
‚beachtliche‘ – in Anführungszeichen – Serie von
Tötungsdelikten gewesen ist, die offensichtlich zu-
sammenhängen. Wir haben schwerwiegende
Gründe darin gesehen, dass wir Signale hatten,
beispielsweise aus der Türkei – über die Botschaft
kommend damals übrigens; als ich dort war, ist
mir in der Botschaft auch gesagt worden, wie sehr
besorgt türkische Stellen über diese Vorgänge hier
in Deutschland sind; und es ist mir deutlich ver-
mittelt worden von der Leitung der Generalsicher-
heitsdirektion in Ankara –, sodass wir auch durch-
aus außenpolitische Belange der Bundesrepublik
berührt gesehen haben, aber in dieser pauschalen
Form natürlich. Wir haben als schwerwiegend an-
gesehen, dass nach unserer fachlichen Auffassung
die Organisation der Ermittlungen in all den Fällen
nicht stimmig war. Ich habe das ja heute Morgen
darzulegen versucht. Wir haben es als schwerwie-
gend angesehen, dass die Informationen nicht
wirklich an einer Stelle, in einem Daten-
verarbeitungssystem zusammengeflossen sind,
ausgewertet werden konnten und rückwärts auch
wieder verwertet werden konnten. Und wir haben
es natürlich als ganz schwerwiegend angesehen,
dass die Serie sich auch über einen Zeitraum da-
mals von sechs Jahren erstreckt hat, aufwendig
ermittelt worden ist, mit hohem Personalansatz
ermittelt worden ist, aber ein Erfolg nicht eingetre-
ten ist. Das zusammengenommen war für uns aus-
reichend, zu sagen: Das sind schwerwiegende
Gründe, die es rechtfertigen, eine solche Anord-
nung anzustreben.“4758
In dieser Bewertung sei er sich mit BKA-Präsident
Ziercke einig gewesen.
4759
Der Zeuge Falk hat weiterhin bekundet, dass das BKA
das nötige Kräftepersonal zur Verfügung hätte stellen
4760
und fachlich sauber einen solchen Ermittlungsauftrag
hätte übernehmen können.
4761
Dies hat er wie folgt erläu-
tert:
4757) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.
4758) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 42, in diesem Sinne auch S. 12.
4759) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 12.
4760) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 9.
4761) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 9.
Drucksache 17/14600 – 544 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Im Bundeskriminalamt gibt es einen Polizeifüh-
rer, der für den Gesamteinsatz zuständig ist. Der
verfügt über einen personell gut ausgestatteten
Stab. Es wird eine zentrale Ermittlungseinheit im
Bundeskriminalamt organisiert, die übergreifende
Ermittlungen selber vornimmt und vor allen Din-
gen alle Ermittlungsergebnisse zusammenzieht, die
in regionalen Einsatzabschnitten erzielt werden.
Auch vor Ort sollte natürlich weiterermittelt wer-
den.
[…] Nach unserer Vorstellung – und das ist in an-
deren Fällen eben so praktiziert worden – wären
die Länderbeamten vielleicht nicht in der Anzahl,
in der das zum Zeitpunkt der Übernahme oder
Übergabe der Fall war – […] aber – in Anfüh-
rungszeichen – im Geschäft geblieben. Und auf je-
den Fall hätte es eine Übergangszeit gegeben über
Wochen, bis dann auch BKA-Beamte, die mögli-
cherweise neu in diesen Komplex eingestiegen wä-
ren, eingearbeitet gewesen wären.
Aber es war ja nicht so, dass das BKA bei null hät-
te anfangen müssen. Das kam ja noch dazu. Denn
a) hatten wir einen Teilermittlungsauftrag. Das
BKA hat über Jahre an Besprechungen teilge-
nommen, auch an Abstimmungsbesprechungen.
Die Dinge sind bis dahin ja auch einvernehmlich
so verhandelt worden und so vereinbart worden,
wie sie gelaufen sind. Das Bundeskriminalamt war
mit der Kriminaltechnik involviert. Wir waren mit
unseren Auslandskontakten involviert. Die Ver-
bindungsbeamten sind, was Tschechien anging –
Herkunft der Waffe –, was die Schweiz anging –
Herkunft der Waffe –, was die Türkei anging –
Herkunft der Opfer – […] Da war das Bundeskri-
minalamt ja involviert.“
Der Zeuge Falk hat allerdings ausdrücklich betont, dass
die zentrale Ermittlungsführung keineswegs zwingend
beim BKA hätte angesiedelt werden müssen:
„Das hätte nicht zwingend das BKA sein müssen.
Also ich bitte, mich jetzt nicht so zu verstehen. Es
hätte nicht zwingend das Bundeskriminalamt sein
müssen, das die Ermittlungen zentral führt. Aber
sie hätten zentral geführt werden müssen. Das ist
meine feste fachliche Überzeugung.“4762
Der Zeuge Ziercke hat für das Jahr 2006 ebenfalls kein
Ressourcenproblem beim BKA gesehen. Er hat darauf
verwiesen, dass das BKA Einsatzabschnitte eingerichtet
und Mitarbeiter zusätzlich zur Verfügung gestellt haben
würde, wie es dies bei großen Lagen im BKA auch ma-
che.
4763
Der damalige bayerische Staatsminister des In-
nern, Dr. Beckstein, habe mit ihm über ein vermeintliches
Ressourcenproblem auch nicht gesprochen.
4764
4762) Falk, Protokoll-Nr. 19, Bl. 10.
4763) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 52.
4764) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 52.
Auch der Zeuge Maurer hat die Einschätzung vertreten,
dass das BKA im Jahr 2006 imstande gewesen wäre,
innerhalb von drei, vier Tagen eine größere Organisation
aufzubauen, als man sie bisher in Länderpolizeien in
dieser Art gesehen habe.
4765
Der Zeuge Falk hat ausgesagt, er halte es für denkbar,
dass auch sachfremde Erwägungen bei der Entscheidung
der Länder gegen eine Übertragung der Ermittlungen auf
das BKA eine Rolle gespielt haben könnten. Auf die
Frage, welche Motive er dafür vermute, dass diese einer
Übergabe an das BKA ablehnend gegenüberstanden, hat
er die Einschätzung vertreten, dass sicherlich auch „kli-
matische Dinge“ eine Rolle gespielt hätten. Er könne sich
vorstellen, dass dies auch etwas mit Konkurrenzdenken zu
tun gehabt habe.
4766
bb) Argumente der Länder gegen eine zentrale
Ermittlungsführung durch das BKA im
Jahr 2006 nach Aussagen der Zeugen
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, welche Erwä-
gungen dafür eine Rolle spielten, dass sich die Länder –
anders als noch im Jahr 2004 – im Jahr 2006 gegen eine
zentrale Ermittlungsführung des BKA ausgesprochen
haben.
Der bayerische Polizeipräsident Kindler hat als Zeuge
ausgesagt, bei einer Besprechung im Vorfeld der 180.
IMK am 2. Mai 2006 in München hätten sich die Vertre-
ter des PP Mittelfranken dafür ausgesprochen, die Ermitt-
lungen zu behalten.
4767
Ihm sei mitgeteilt worden, dass
insbesondere der zuständige Staatsanwalt Dr. Kimmel
dies so wolle.
4768
Auch der Zeuge Dr. Beckstein hat da-
rauf verwiesen, dass die Ermittlungsführung nicht bei der
Polizei, sondern bei der Staatsanwaltschaft liege:
„Das heißt, wenn ein Staatsanwalt Kimmel gesagt
hätte: ‚Das wird so oder so gemacht‘, dann hätte er
auf jeden Fall den Innenminister ausgesto-
chen.“4769
Die hessische Polizei, die aktuell mit dem laufenden
Mordverfahren befasst gewesen sei, habe ebenfalls nicht
gewollt, dass sich die Ermittlungen änderten.
4770
Der damalige bayerische Staatsminister des Innern, Dr.
Beckstein, hat als Zeuge ausgesagt, für ihn sei entschei-
dend gewesen, dass sich die BAO „Bosporus“ gegen eine
Übertragung ausgesprochen habe:
„Wenn die Kommission und Herr Geier 2006 im
Mai gesagt hätten: ‚Wir wollen das, wir halten es
für besser, es wird abgegeben‘, dann wäre über-
haupt keine Frage gewesen, dass es dann anders
4765) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 48.
4766) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 11.
4767) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.
4768) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
4769) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 120.
4770) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 545 – Drucksache 17/14600
auch zwischen Kindler und Ziercke gelaufen wäre.
Die Kommission wollte das in Bayern behalten
und hat das für zwingend notwendig gehalten, und
zwar nicht etwa aus Behördeneitelkeit. […] Viel-
mehr hat nach dem, was mir gesagt worden ist,
[…] die Kommission es für zwingend gehalten, zu
sagen: Wechselt die Pferde nicht im Galopp!“4771
Der Zeuge Dr. Beckstein hat auf die zum damaligen Zeit-
punkt laufenden Ermittlungen in den Ländern verwiesen
und darüber hinaus in Zweifel gezogen, dass das BKA im
Jahr 2006 überhaupt in der Lage gewesen wäre, die Er-
mittlungen zu übernehmen:
„Ich hätte es im Jahr 2006, als die Ermittlungen
äußerst heiß gelaufen waren, für einen schweren
Fehler gehalten, im laufenden Galopp die Pferde
zu wechseln. Anders als Sie, […] glaube ich nicht,
dass automatisch 20 BKA-Beamte das besser be-
handelt hätten als 200 Länderbeamte. Ich glaube
nicht, dass das BKA aus dem Stand 150 oder 200
Beamte gehabt hätte. Wir haben mehrere Hundert
Leitz-Ordner an Ermittlungsunterlagen. Wenn das
jemand neu überarbeitet, ist es zwangsläufig – wir
haben darüber gestritten –, dauert es Wochen, Mo-
nate oder Jahre, bis jemand sich in die Ermittlun-
gen einarbeitet. Aber dass man in der heißesten
Phase der Mordermittlungen – das waren die Mor-
de vom April 2006 – nach einem Dreiviertelmonat
die Ermittlungen unterbricht und auf jemand ande-
ren überträgt, wäre auch aus heutiger Sicht ein
fachlich schwerer Fehler. Diese Beurteilung haben
alle Länder geteilt, und dem ist auch nicht ernst-
haft in den Besprechungen vom BKA widerspro-
chen worden.“4772
Auch der Zeuge Kindler hat dargelegt, dass eine Überga-
be der Ermittlungen im Jahr 2006 schwieriger gewesen
sei, als eine Übergabe im Jahr 2004:
„2006 waren fünf oder sechs Jahre ermittelt. Da ist
es nicht darum gegangen, dass man gesagt hat, das
BKA darf nicht die Ermittlungen übernehmen,
oder aus Eitelkeit oder sonst was, sondern es ist
darum gegangen, dass, wenn – Ich weiß nicht, wie
viele Leute insgesamt bei uns involviert waren, 70,
80, aber jetzt in den ganzen Fällen. Wenn fünf
oder sechs Jahre ermittelt wird, dann muss ich ja
hier rangehen, und da ist so viel Zeitverlust, bis ich
so diesen Stand habe. Das war die Schwierigkeit
2006.“4773
Der Zeuge Dr. Beckstein hat darüber hinaus betont, dass
man beabsichtigt habe, das BKA auch über die Steue-
rungsgruppe umfassend an den Ermittlungen zu beteili-
gen:
4771) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 95 f.
4772) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.
4773) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
„Wir waren uns darüber einig, dass das BKA um-
fassend mit zu beteiligen ist, nicht nur punktuell
die Frage ‚Česká‘ oder die Frage ‚Auskünfte aus
der Türkei‘, sondern die sollten durchaus – die wa-
ren ja auch bei den Gesprächen dabei, die zwi-
schen den Ländern und – Die waren bei allen Din-
gen eingeladen und waren jeweils dabei. Es hätte
niemand das BKA gehindert, es wäre vielleicht
auch richtig gewesen, wobei ich allerdings sage,
wenn wir gefragt hätten, wie viele Rechtsextremis-
ten oder alle Auskünfte über Rechtsextremisten in
Deutschland, hätten wir wahrscheinlich 40 000,
60 000 Antworten gekriegt.“4774
cc) Haltung Bayerns zur weiteren Ermittlungs-
führung in der Česká-Mordserie im Vorfeld
der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen
Die Zeugen Kindler und Dr. Beckstein wurden dahinge-
hend befragt, ob es im Vorfeld der 180. IMK Vorfestle-
gungen auf bayerischer Seite gegeben habe, die Ermitt-
lungen in Bayern zu behalten.
Der Zeuge Kindler hat dargelegt, er sei im Nachgang zur
Strategiebesprechung des BKA vom 19. April 2006 von
einem Mitarbeiter des PP Mittelfranken telefonisch in-
formiert worden, dass das BKA die Fälle übernehmen
wolle. Dieser Mitarbeiter habe sich aus fachlichen Grün-
den gegen eine Übernahme ausgesprochen, ebenso der
Vertreter aus Hessen, da es dort ein laufendes Mordver-
fahren gegeben habe. Auf seinen Einwand, das BKA
werde noch mit Bayern reden, sei ihm gesagt worden, die
Entscheidung zwischen BKA und BMI sei bereits gefal-
len. Er habe sich daraufhin von seinem Rechtssachgebiet
die Gesetzeslage im Zusammenhang mit der Verfahrens-
lage nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG erörtern lassen,
weil ihm kein Fall bekannt gewesen sei, in dem nach
dieser Vorschrift die Verfahrensübernahme angeordnet
wurde.
4775
In einem Gespräch mit dem bayerischen In-
nenminister Dr. Beckstein habe dieser eine Besprechung
mit BKA-Präsident Ziercke angeregt.
4776
Den Zeugen Dr. Beckstein und Kindler wurde der vom
Zeugen Hoppe angefertigte Gesprächsvermerk vom
24. April 2006 vorgehalten, in dem es heißt:
„VP berichtet zu den von PR und VP wahrge-
nommenen Gesprächen und Telefonaten:
Telefonat PR mit Herrn Kindler, Bay. Staatsminis-
terium des Innern (21.04.2006): das Thema sei
schon mit Staatsminister Beckstein erörtert wor-
den. Die Zuweisung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG
würde man eher als ,Kriegserklärung‘ verstehen.
Gespräch sei eher unerfreulich verlaufen.“4777
4774) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr.17, S. 105.
4775) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
4776) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
4777) BKA Vermerk vom 24. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl.
352.
Drucksache 17/14600 – 546 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Hoppe hat hierzu ausgesagt, das sei eine deut-
liche Positionierung aus Bayern gewesen, die er so proto-
kolliert habe.
4778
Der Zeuge Dr. Beckstein hat jedoch in seiner Verneh-
mung vor dem Ausschuss für seine Person ausgeschlos-
sen, die Begrifflichkeit „Kriegserklärung“ in diesem Zu-
sammenhang gebraucht zu haben.
4779
Dies hat der Zeuge
Kindler bestätigt.
4780
Der Zeuge Kindler hat erklärt, den Begriff „Kriegserklä-
rung“ nach seiner Erinnerung zwar nicht gebraucht zu
haben, es könne aber sein, das BKA-Präsident Ziercke
dies so empfunden habe, weil das Gespräch etwas emoti-
onal verlaufen sei.
4781
Er habe das Gespräch vor dem
Hintergrund der Gesetzeslage geführt, wonach eine An-
ordnung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG aus schwer-
wiegenden Gründen nach Unterrichtung der zuständigen
Behörden erfolgen könne. Er habe darauf hingewiesen,
dass es üblich sei, vor einer Anordnung mit den beteilig-
ten Ländern zu reden. In erster Linie sei es dabei um das
„Wie“ gegangen und nicht darum, ob das BKA überhaupt
übernehme.
4782
Er hat dies folgendermaßen erläutert:
„Also noch mal: Sozusagen die ungute Stimmung
ist gekommen über das Wie, weil wir nicht infor-
miert wurden. Und ich habe ihm dann, weil die
Soko gesagt hat: ‚Wir wollen, dass es bleibt‘, ge-
sagt: Was bringt euch das? Wörtlich! Dann hat
Herr Ziercke momentan so konkrete Gründe nicht
genannt, und dann haben wir gesagt, sie sollen den
Mehrwert prüfen. Ich habe ihm schon gesagt, dass
die Soko ‚Nürnberg‘ sagt: ‚Wir wollen das behal-
ten‘, und auch der Staatsanwalt Kimmel will das
behalten.“4783
BKA-Präsident Ziercke habe ihm entgegnet, dass über die
Übernahme noch nicht entschieden sei. Man habe verein-
bart, dass Präsident Ziercke den fachlichen Mehrwert
prüfe und die Angelegenheit zwischen den betroffenen
Ländern und dem Bund am Rande der IMK in Garmisch-
Partenkirchen erörtert werde.
4784
„Ich möchte noch mal betonen, dass bis zu diesem
Zeitpunkt keine Vorentscheidung gegeben war. Ich
habe in einem Gespräch mit Minister Beckstein in
einer Randbemerkung gesehen, dass er gesagt hat,
er will kein Rumgeeiere, sondern die Soko soll halt
sagen, was sie jetzt will.“4785
In einer Vorbesprechung zur Innenministerkonferenz vom
2. Mai 2006 habe Dr. Beckstein den Vorschlag des PP
Mittelfranken gebilligt, dass die Ermittlungen in Bayern
4778) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 9.
4779) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 85.
4780) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.
4781) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 98.
4782) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.
4783) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 97 f.
4784) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.
4785) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
bleiben sollten, aber nicht gesagt, das müsse so sein, son-
dern angeregt, noch einmal auf der IMK darüber zu re-
den.
4786
Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, er habe VP Falk aus
dem Telefonat mit Herrn Kindler seinen Eindruck weiter-
gegeben, dass die Bayern die Übernahmeabsichten als
eine Art „Kriegserklärung“ auffassen würden. Er meine
aber, dass er selbst den Begriff gebraucht habe und nicht
Herr Kindler.
4787
Konkret hat er ausgeführt:
„Ich habe dann auch noch vor der Versendung des
Schreibens an das Bundesinnenministerium zur
Übernahme nach § 4 Abs. 2 mit dem Landespoli-
zeipräsidenten von Bayern, Herrn Kindler, telefo-
niert. Ich spürte schon in diesem Gespräch, dass
eine Übernahme durch den Bund für Bayern nicht
zur Diskussion stand. Ähnlich war ja die Resonanz
auch in der AG ‚Kripo‘ und auch im AK II gewe-
sen. Das galt auch für die anderen Länder. Ich ha-
be diesen Eindruck aus dem Gespräch mit Herrn
Kindler dann an Herrn Falk mit der inzwischen
problematisierten Bemerkung weitergegeben, dass
ich den Eindruck hatte, dass die Bayern diese
Übernahmeabsichten als eine Art ‚Kriegserklä-
rung‘ verstehen würden. Ich meine, dass ich diesen
Begriff gebrauchte und nicht Herr Kindler.
4788
Zum Inhalt des mit dem bayerischen Landespolizeipräsi-
denten Kindler geführten Telefonats hat der Zeuge
Ziercke ausgeführt:
„Also, im Kern habe ich das erörtert, was in die-
sem Brief steht, den wir nachher dem Bundesin-
nenminister vorgelegt haben, worauf wir dann ja
die Übernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 [BKAG] be-
treiben wollten. Und die Reaktion darauf, die war
aus meiner Sicht klar: dass Bayern sich das so
nicht vorstellen kann. Da hat man auch keinen Ge-
genvorschlag gemacht, sondern dass hier die Maß-
nahmen seiner Meinung nach dann überdacht wer-
den müssten und man müsste das am Rande der
Innenministerkonferenz dann auch zwischen den
Ministern oder zwischen den Staatssekretären erör-
tern: Das war Gegenstand.“4789
Nach Aussage des Zeugen Ziercke wurde der Vorschlag
mit Steuerungsgruppe, Sammelstelle und informationeller
Vernetzung im Vorfeld der 180. IMK von bayerischer
Seite nicht mit dem BKA erörtert.
4790
4786) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
4787) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.
4788) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.
4789) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.
4790) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 33.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 547 – Drucksache 17/14600
dd) Haltung des Bundesministeriums des In-
nern zu einer zentralen Ermittlungsführung
durch das BKA im Vorfeld der 180. IMK
nach Aussagen der Zeugen
Der Zeuge Dr. Hanning war von November 2005 bis
Dezember 2009 Staatssekretär im Bundesministerium des
Innern. Er hat dargelegt, er sei im Vorfeld der Innenmi-
nisterkonferenz vom 4./5. Mai 2006 neben dem Telefonat
vom 21. April 2006 mit BKA-Präsident Ziercke haupt-
sächlich durch die Ministervorlage vom 3. Mai 2006 über
die Fragestellung der zentralen Ermittlungsführung unter-
richtet worden.
4791
Dr. Hanning hat ausgesagt, der Anlass für die Debatte auf
der politischen Ebene sei hauptsächlich die Frage der
Beteiligung des Bundes an der Auslobung gewesen, da
bei dieser Frage der Innenminister Dr. Schäuble zu ent-
scheiden gehabt habe.
4792
In diesem Zusammenhang sei
der Minister auch über die Schwierigkeiten und Probleme,
die sich bei den bisherigen Ermittlungen im Zusammen-
hang mit den Česká-Morden ergeben hätten, unterrichtet
worden.
4793
Das der Ministervorlage zugrundeliegende
Schreiben des BKA vom 2. Mai 2006 habe er selbst nicht
gesehen; ihm sei aber mündlich mitgeteilt worden, dass es
erhebliche Probleme gebe.
4794
Er habe die Frage der wei-
teren Ermittlungsführung im Vorfeld der IMK in Gesprä-
chen mit der Fachabteilung erörtert.
4795
Vom Ausschuss ist hinterfragt worden, weshalb die um-
fangreiche Kritik, die das BKA an der Ermittlungsführung
in den Schreiben des VP Falk vom 27. April 2006 und
vom 2. Mai 2006 vorgebracht hatte, in der Ministervorla-
ge vom 3. Mai 2006 lediglich in einem kurzen Absatz
zusammengefasst wurde. Dort heißt es:
„Eine länderübergreifende Konzentration der Er-
mittlungen auf eine Staatsanwaltschaft und eine
Polizeibehörde hat bisher nicht stattgefunden. Das
BKA ist der Auffassung, dass das bisherige Vor-
gehen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden
in den betroffenen Ländern weder ein einheitliches
Ermittlungs- bzw. Fahndungskonzept noch eine
einheitliche Öffentlichkeitsarbeit erkennen lässt.
Außerdem könnten mangels Absprachen der Län-
der untereinander und mit dem BKA verdeckte
taktische Ermittlungsmaßnahmen im In- und Aus-
land nicht zentral geplant und durchgeführt wer-
den.“4796
Der Zeuge Dr. Hanning hat dies damit begründet, dass
ein Minister möglichst kurz und präzise zu informieren
sei.
4797
Dennoch sei der betreffende Absatz
4791) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.
4792) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 12 f.
4793) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 12 f.
4794) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.
4795) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.
4796) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 112.
4797) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 45.
„in der Sprache der Ministerialverwaltung […]
schon deutlich“ 4798
gewesen. Ergänzend hat Dr. Hanning ausgeführt:
„Die hatten es in sich, die Sätze. Die sind schon
gravierend. Und wenn der Minister mit solchen
Sätzen konfrontiert wird, dann muss man was ma-
chen.“4799
Der Zeuge Dr. Hanning hat dargelegt, dass auf Länder-
ebene deutliche Signale gegen eine Zustimmung zur Fe-
derführung des BKA in der Mordserie gesendet worden
seien.
4800
Die Haltung des BMI hat er wie folgt erläutert:
„Nein, wenn Sie konfrontativ in so einem Fall - -
Wissen Sie, es ist ein Unterschied, wenn Sie einen
neuen Sachverhalt haben - meinetwegen ein Com-
puterwurm oder Ähnliches droht die Infrastruktur
des Landes zu bedrohen -, wenn Sie dann sagen:
‚Wir entscheiden jetzt, das BKA macht das zent-
ral‘, oder wenn Sie jetzt auf gewachsene Ermitt-
lungsstrukturen treffen in den Ländern. Bayern
hatte ja ermittelt. Die anderen Länder hatten ja alle
schon ermittelt. Es gab ja durchaus Gremien, wo
das alles erörtert wurde. Und wenn dann die Län-
der sagen: ‚Wir möchten weiter ermitteln‘, dann,
glaube ich, wäre es sehr unklug, jetzt konfrontativ
gegenüber den Ländern zu entscheiden: Nein, das
macht jetzt das BKA. Dann haben wir im Grunde
die weitere Frage zu beantworten: Würde es dann
wirklich besser? Ich meine, wir haben - - Der
Schwerpunkt der Ermittlungskompetenz in diesem
Lande liegt bei den Ländern, nicht beim Bundes-
kriminalamt. Also, man kann auch nicht kurz-
schlüssig sagen, in dem Augenblick, wo alles zent-
ral ermittelt wird, haben wir von vornherein si-
chergestellt, dass dann auch mit sehr viel mehr Ni-
veau und hoher Qualität und damit auch höheren
Erfolgsaussichten ermittelt wird. Das ist überhaupt
nicht der Fall, nein.“4801
Er habe den damaligen Bundesinnenminister Dr. Schäub-
le im Vorfeld der 180. IMK am 4./5. Mai 2006 über die
Angelegenheit persönlich unterrichtet. Dieser habe auch
die Ministervorlage gesehen. Man habe über die Geldfra-
ge gesprochen, die aber nicht kritisch gewesen sei.
4802
Auch über die Frage der Ermittlungsführung sei gespro-
chen worden. Nach seiner Erinnerung habe er zum Minis-
ter gesagt:
„Wir haben hier einen Fall, und es wird versucht,
den zu lösen.“4803
4798) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 46.
4799) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 46.
4800) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 13.
4801) Dr. Hanning, Protokoll Nr. 44, S. 14.
4802) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 46.
4803) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 47.
Drucksache 17/14600 – 548 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nach Angaben des Zeugen Dr. Hanning habe das BMI im
Vorfeld der IMK den fachlichen Konsens gesucht. Die
Position des Ministers sei gewesen:
„Wir würden uns sehr freuen, wenn wir das im
Konsens erreichen könnten, dass das BKA das
übernimmt. Aber gegen den Widerstand der Län-
der, das hielten wir für wenig zielführend, und
deswegen haben wir schon die Position vertreten:
Lasst uns miteinander sprechen. Können wir die
Defizite ausräumen? – Es gab ja verschiedene Al-
ternativen. Die Übernahme der zentralen Ermitt-
lungen durch das BKA war ja nur eine Variante.
Die andere Variante war, dass man sozusagen die
Koordinierung verbessert, dass man eine Steue-
rungsgruppe einrichtet […].“4804
Der Zeuge Dr. Hanning hat auf Nachfrage bestätigt, die
Behandlung des Problems zunächst auf die Abteilungslei-
tungsebene zurückverwiesen zu haben. Die Frage der
weiteren Ermittlungsführung in der Mordserie sei sicher
ein kritischer Punkt im Vorfeld der IMK gewesen.
„Und in dem Zusammenhang haben wir sicher
auch über dieses Thema – weiß ich noch – gespro-
chen, und dann war die Antwort: Ja, das ist
schwierig; ein Problem. Da gibt es Probleme zwi-
schen den Ländern. Da gibt es ein Problem zwi-
schen BKA und denen, und deswegen machen wir
diese Abteilungsleiterbesprechung am Rande der
Innenministerkonferenz. – Das war sozusagen die
Lösungsvariante, um dieses schwierige Thema
vom Tisch zu bringen.“
Der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble war von 2005 bis 2009
Bundesminister des Innern. Er hat bekundet, das einzige
Mal, dass er amtlich mit der Mordserie befasst gewesen
sei, sei im Vorfeld der 180. IMK im Mai 2006 gewe-
sen.
4805
An ihn sei – nach seiner Erinnerung von Staats-
sekretär Dr. Hanning – die Frage herangetragen worden,
ob sich der Bund an der Erhöhung der Belohnung beteili-
gen solle, um den Fahndungsdruck zu erhöhen.
4806
Die-
sem Vorschlag habe er zugestimmt, weil ihm gesagt wor-
den sei, dies würde auch bedeuten:
„dass wir damit auch die Zusammenarbeit zwi-
schen den zuständigen Behörden der Länder und
des Bundes weiter positiv beeinflussen könn-
ten.“4807
Ein Vorschlag, die zentrale Ermittlungsführung nach
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG anzuordnen, sei ihm hin-
gegen nicht unterbreitet worden.
4808
Er hat ausgeführt:
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Fra-
ge an mich herangetragen worden wäre, ob ich an-
ordnen sollte, dass das Bundeskriminalamt nach,
4804) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 14.
4805) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 24.
4806) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2; S. 10; S. 14.
4807) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.
4808) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2; S. 8.
ich glaube, § 4 Abs. 2 Satz 2 des
Bundeskriminalamtgesetzes gegen die Länder an-
ordnen solle, die Ermittlungen an sich zu ziehen.
Ich hätte einen solchen Vorschlag, der mir nicht
gemacht worden ist, wenn er mir gemacht worden
wäre, abgelehnt. Der ist mir aber nicht gemacht
worden. Aber ich hätte ihn abgelehnt. Also, ich
würde auch heute der Meinung sein, dass das nicht
meinem Verständnis von Zusammenarbeit und von
sachdienlicher Polizeiarbeit entsprechen wür-
de.“4809
Daran, die Ministervorlage vom 3. Mai 2006 im Vorfeld
der 180. IMK gesehen zu haben, hat sich der Zeuge Dr.
Schäuble nicht sicher erinnern können. Er hat aber vermu-
tet, mit Staatssekretär a. D. Dr. Hanning über diese ge-
sprochen zu haben.
4810
Auf Vorhalt der Ministervorlage vom 3. Mai 2006 hat er
erklärt, er könne dieser auch heute noch nicht entnehmen,
dass dort vorgeschlagen worden sei, die Ermittlungen auf
das BKA zu übertragen.
4811
Er hat auf die Stellungnahme
in der Ministervorlage Bezug genommen, in der es, an-
knüpfend an den Verfahrensvorschlag zur Beteiligung an
der Erhöhung der Belohnung, heißt:
„Dadurch würde es BMI leichter fallen, bei künfti-
gen Ermittlungen in Sachen ‚Česká‘ die Rolle des
BKA zu stärken. Nach Telefonaten zwischen BMI
und IM-BY auf AL-Ebene sowie P-BKA zeichnet
sich die Einrichtung einer gemeinsamen ‚Steue-
rungsgruppe‘ unter Federführung BY und Beteili-
gung der anderen betroffenen Länder sowie des
BKA ab.“4812
Nach Aussage des Zeugen Dr. Schäuble ergebe sich hie-
raus, dass er sich keineswegs nur mit der Belohnung be-
schäftigt habe, sondern,
„dass in der Vorlage auch stand: Das Problem der
mangelnden Zusammenarbeit ist gelöst wor-
den.“4813
Nachfragebedarf habe er aufgrund des Vermerks nicht
mehr gesehen, weder gegenüber Staatssekretär
Dr. Hanning noch gegenüber dem BKA-Präsidenten
Ziercke.
4814
4809) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.
4810) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 10.
4811) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 11.
4812) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.
4813) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 13.
4814) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 549 – Drucksache 17/14600
c) Die 180. IMK vom 4./5. Mai 2006 in Gar-
misch-Partenkirchen
aa) Vereinbarungen auf der IMK
Am Rande der 180. IMK wurde vereinbart, dass die Er-
mittlungen zentral durch die BAO „Bosporus“ von Bay-
ern aus geführt und koordiniert werden sollten. Dazu
sollte eine Steuerungsgruppe unter Beteiligung aller be-
troffenen Länder sowie des BKA und eine Informations-
und Sammelstelle eingerichtet werden. Zudem wurde
vereinbart, die ausgelobte Belohnung auf 300 000 Euro zu
erhöhen.
4815
In einem Schreiben des bayerischen Landespolizeipräsi-
denten Kindler an das PP Mittelfranken vom 22. Mai
2006 heißt es:
„Bezug nehmend auf […] und der am Rande der
IMK erzielten Absprachen mit den Polizeiabtei-
lungsleitern der Länder Nordrhein-Westfalen,
Hamburg, Hessen und Bayern, des BKA-
Präsidenten und des Abteilungsleiters P. im BMI
[…] bitte ich zur Intensivierung und besseren
Koordinierung der nationalen und internationalen
Ermittlungen
– unter dem Vorsitz des Leiters der BAO ‚Bos-
porus‘ (LKD Geier) eine Steuerungs- und
Koordinierungsgruppe mit den jeweiligen Lei-
tern der einzelnen Sonderkommissionen der
Bundesländer und dem BKA mit einer Ge-
schäftsstelle und
– eine Lage- und Informationsstelle (LISt)
unverzüglich einzurichten und die Einzelheiten in
Abstimmung mit den Leitern der beteiligten Er-
mittlungsdienststellen der betroffenen Länder und
BKA festzulegen.
Dabei ist die Zentralstellenzuständigkeit des BKA
nach § 2 Abs. 2 BKAG zu berücksichtigen. Für die
LISt ist zu prüfen, inwieweit ggf. die nationalen
Maßnahmen in Nürnberg und die internationalen
Maßnahmen über das BKA Wiesbaden koordiniert
werden können. Die Ermittlungen der BAO ‚Bos-
porus‘ haben oberste Priorität. […]“4816
In einer vom PP Mittelfranken verfassten Anlage zur
konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe am
29. Mai 2006 befindet sich folgender Vermerk:
„Besprechungsergebnis auf AK II-Ebene am Ran-
de der IMK in Garmisch-Partenkirchen.
1. Alle Länder bleiben für ihre Fälle primär zu-
ständig. Es gibt keine Unterstellungsverhält-
nisse.
4815) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87 f.
4816) MAT A BY-2/9g, Bl. 2890 f.
2. Das BKA/EG ‚Česká‘ wird ebenfalls nicht un-
terstellt.
3. Alle beteiligten Länder und das BKA bilden
eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe,
in der die wichtigen Entscheidungen bespro-
chen und entschieden werden.
4. Den Vorsitz dieser Gruppe übernimmt Bayern
in Person des Leiters der BAO ‚Bosporus‘.
5. Dem Leiter der Steuerungs- und Koordinie-
rungsgruppe wird eine Geschäftsstelle beige-
ordnet.
6. Zum Informationsaustausch zwischen den
Ländern und dem BKA und dem Ausland
wird eine beim BKA implementierte Lage-
und Informationsstelle (LISt) betrieben.
7. Entscheidungen werden einzig in der Steue-
rungs- und Koordinierungsgruppe getroffen.
Die Infosteuerung obliegt der LISt.“4817
bb) Einrichtung einer Steuerungsgruppe
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, wie die Ent-
scheidungsfindung auf der IMK in Bezug auf die Einrich-
tung einer Steuerungsgruppe verlief und welche Erwä-
gungen dabei maßgeblich waren.
aaa) Entscheidungsfindung im Rahmen der
180. IMK
Der damalige Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang
Schäuble, hat vor dem Ausschuss den Verlauf einer IMK
wie folgt dargestellt: Bei dieser Konferenz der Innenmi-
nister der Länder nehme der Bundesinnenminister als
Gast teil. Auch die leitenden Beamten seien anwesend.
Beim sogenannten „Kamingespräch“ seien dann die Mi-
nister unter sich. Die Vorbereitung von Polizeiangelegen-
heiten für die IMK erfolge durch den Arbeitskreis II, in
dem die Abteilungsleiter versammelt seien. Für das BMI
sei dies im Jahr 2006 der langjährig für BKA-
Angelegenheiten zuständige Abteilungsleiter Krause
gewesen; Bayern sei durch den Abteilungsleiter und Lan-
despolizeipräsidenten Kindler im Arbeitskreis II vertreten
gewesen. Die anstehenden Fragen würden auf vielen
Ebenen erörtert und Entscheidungen vorbereitet. In der
Ministerrunde würden viele Vorlagen beraten – und wenn
man als Minister Erörterungsbedarf habe, diskutiere man
insbesondere mit dem Staatssekretär oder auch mit dem
Abteilungsleiter. Er selbst habe auch viel mit Herrn
Ziercke gesprochen.
4818
4817) Vermerk PP Mittelfranken vom 29. Mai 2006, MAT A BY-
2/3d, Bl. 18.
4818) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 14.
Drucksache 17/14600 – 550 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
(1) Kamingespräch
Dem Ausschuss lagen zunächst Anhaltspunkte dafür vor,
dass die Entscheidung für eine Steuerungsgruppe auf
Ministerebene im sogenannten „Kamingespräch“ getrof-
fen wurde.
Hierzu heißt es in einem von KD Hoppe verfassten Ver-
merk über die Ergebnisse der 180. IMK:
„Im Rahmen des Kamingesprächs habe PR Ziercke
eine Mängelliste vorgetragen […].“4819
Auch in einer von KD Hoppe verfassten Führungsinfor-
mation des BKA zur konstituierenden Sitzung der Steue-
rungsgruppe wurde Bezug auf eine
„Entscheidung der IMK (Kamingespräch am
04.05.2006)“ 4820
genommen.
Der Zeuge Hoppe war bei der IMK jedoch persönlich gar
nicht anwesend und hat den Vermerk nach eigener Anga-
be aufgrund telefonischer Auskunft eines (hessischen)
Kollegen erstellt.
4821
Nach Aussage des Zeugen Dr. Beckstein, der das Kamin-
gespräch als damaliger Vorsitzender der IMK geleitet hat,
wurde das Thema entweder beim Kamin oder am Rande
des Kamingesprächs kurz angesprochen, er wisse dies
nicht mehr zuverlässig.
4822
Die Frage der weiteren Ermitt-
lungsführung sei aber kein großes Thema bei der IMK
gewesen.
4823
Auch der damalige hessische Innenminister und heutige
Ministerpräsident Volker Bouffier hat hierzu ausgesagt,
dass das Thema der Ermittlungsübernahme durch das
BKA weder beim Kamingespräch noch ansonsten offiziell
bei der IMK 2006 Thema gewesen sei. Er sei persönlich
nie mit der Frage befasst gewesen. Weder der Bundesin-
nenminister oder sonst ein Kollege, noch der BKA-
Präsident hätten ihn je dazu angesprochen. Er habe in
seinen vorbereitenden Unterlagen einen Vermerk des
Landespolizeipräsidiums mit dem Votum, dass eine Er-
mittlungsübernahme nicht notwendig sei, gehabt. Er
selbst habe hierzu nie eine Entscheidung getroffen.
4824
Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, er sei zum Kaminge-
spräch lediglich geladen gewesen, um auf die Bedrohun-
gen durch internationalen Terrorismus und das Sicher-
heitskonzept zur Fußball-WM zu berichten. In seiner
Gegenwart seien die Česká-Morde dort nicht erörtert
worden.
4825
4819) Vermerk BKA vom 9. Mai 2006, BKA, 2/20, Bl. 231.
4820) BKA-Führungsinformation Nr. 11 vom 19. Mai 2006, MAT A
BKA-2/20, Bl. 464.
4821) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 14, S. 15.
4822) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 94.
4823) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.
4824) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 48.
4825) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8, S.18.
(2) Besprechung am Rande der IMK
Als einziger der vom Ausschuss vernommenen Zeugen
hat der Landespolizeipräsident Kindler vor dem Untersu-
chungsausschuss angegeben, an einer Besprechung am
Rande der IMK mit den Polizeichefs der betroffenen
Länder zur Frage der weiteren Ermittlungsführung teilge-
nommen zu haben.
4826
Zu dieser Besprechung mit den Polizeichefs der betroffe-
nen Länder hatte der Landespolizeipräsident Kindler als
Vorsitzender des AK II ausweislich der Akten
4827
und
nach dessen Aussage vor dem Untersuchungsaus-
schuss
4828
auch den BKA-Präsidenten Ziercke und den
zuständigen Abteilungsleiter im BMI, Krause, für „Don-
nerstag Vormittag“ eingeladen; das Gespräch müsse zwi-
schen 12 und 14 Uhr stattgefunden haben, weil ab 14 Uhr
auf Innenministerkonferenzen das Kamingespräch statt-
finde.
4829
Daran, dass der – inzwischen verstorbene – damalige
Abteilungsleiter P. im BMI und Mitglied im AK II, Krau-
se, bei den Verhandlungen zugegen war, hat sich der
Zeuge Kindler sicher erinnern können.
4830
Der Zeuge Kindler hat weiterhin bekundet, dass nach
seiner Erinnerung auch BKA-Präsident Ziercke bei dem
Gespräch zur weiteren Ermittlungsführung dabei gewesen
sei, er wisse bloß nicht, ob bis zum Schluss.
4831
Der Zeuge Kindler hat ausgeführt, nach seiner Auffassung
spreche für die Anwesenheit des BKA-Präsidenten bei der
Besprechung auch ein in den Akten befindlicher Vermerk
seines Referenten, in dem dieser notiert habe:
„Ziercke hat argumentiert für BKA“4832
Dieser handschriftliche Vermerk ist datiert auf den „4.5.,
15.45 h“ und liegt dem Ausschuss ebenfalls vor.4833 Zu-
dem sei die Anwesenheit des BKA-Präsidenten der An-
lass für das Gespräch mit den Polizeichefs der betroffenen
Länder gewesen.
4834
Bei dieser Besprechung habe im Ergebnis Einvernehmen
darüber bestanden, dass die Ermittlungen zentral durch
die BAO „Bosporus“ von Bayern aus geführt und koordi-
niert und eine Steuerungsgruppe unter Beteiligung aller
betroffenen Länder sowie des BKA eingerichtet werden
solle.
4835
Dass die Ermittlungen zentral von Bayern aus
geregelt werden sollten, sei bei der Besprechung am Ran-
4826) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
4827) MAT A BY-2/9a, Bl. 158 ff.
4828) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.
4829) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87; i.d.S. auch S. 100.
4830) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 104.
4831) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87; i.d.S. auch S. 100.
4832) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 104.
4833) Handschriftlicher Vermerk, MAT A BY-2/6c, Bl. 987.
4834) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 104.
4835) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 551 – Drucksache 17/14600
de der IMK auch die Meinung des zuständigen Abtei-
lungsleiters im BMI, Herrn Krause, gewesen.
4836
Demgegenüber hat der Zeuge Ziercke ausgesagt, an Ver-
handlungen auf der Innenministerkonferenz zur weiteren
Ermittlungsführung in der Česká-Mordserie nicht teilge-
nommen zu haben:
„Auf der Innenministerkonferenz in Garmisch-
Partenkirchen im Jahr 2006 wurde ich nicht zu den
Verhandlungen zwischen dem BMI und dem baye-
rischen Innenministerium und den anderen Län-
dern zugezogen.
Der damalige Abteilungsleiter, Herr Krause, teilte
mir mündlich mit, als ich am zweiten Tag oder am
ersten Tag mittags erst ankam, dass entschieden
worden sei, unsere Kritik an der nicht vorhandenen
zentralen Führung durch eine Steuerungsgruppe
und eine zentrale Informations- und Sammelstelle
aufzufangen, in die auch das BKA gleichberechtigt
eingebunden werden soll, mit vollem Zugriff auf
die Dateien, in die eine wie in die andere Rich-
tung.“ 4837
Nach Angaben des Zeugen Kindler sei in der Bespre-
chung vereinbart worden, dass alle Besprechungsteilneh-
mer ihre Minister über das Ergebnis informieren und ihm
Rückmeldung geben sollten, falls kein Einverständnis mit
der gefundenen Lösung erzielt werde. Den bayerischen
Innenminister Dr. Beckstein habe er persönlich informiert,
dieser sei einverstanden gewesen. Von den anderen Poli-
zeichefs sei kein Veto an ihn herangetragen worden.
4838
Der Zeuge Dr. Günther Beckstein hat ausgesagt, er habe
die Behandlung des Themas bei der 180. IMK nicht als
sehr strittig in Erinnerung. Er hat ausgeführt:
„Es war nicht so, dass es einen Krach gegeben hat
--- was manchmal bei der Innenministerkonferenz
durchaus der Fall ist, sondern dass man bei der
Frage: ‚Bleibt es bei den Ländern, die betroffen
sind, oder geht es zum Bund?‘, relativ einig darü-
ber gewesen ist: Es bleibt bei den Ländern, weil
eben volle Ermittlungen gefahren worden sind;
aber die Koordination muss verstärkt werden, auch
durch die LISt; das BKA soll sich stärker einbrin-
gen. Das war etwa das, was gelaufen ist, und ich
habe nicht in Erinnerung, dass Herr Schäuble da
irgendwo massiv remonstriert hätte oder, was üb-
rigens wahrscheinlicher gewesen wäre, Herr Dr.
Hanning, der damals ja der Staatssekretär war, der
wahrscheinlich diese Fragen auch mit uns durch-
gesprochen hat. Denn ob eine derartige eher orga-
nisatorische Frage zunächst einmal trotz der neun
Morde den Bundesinnenminister beschäftigt oder
auf Staatssekretärsebene ist, weiß ich nicht. Ich
weiß aber, wir haben mit dem Schäuble irgendwo
4836) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87 und 106.
4837) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.
4838) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87 f.
dort gesprochen, aber, wie gesagt, es war klar: Es
verbleibt Federführung Bayern, Verstärkung der
Information, übrigens Verstärkung Mitarbeit
BKA.“4839
Weder BKA-Präsident Ziercke noch Bundesinnenminister
Dr. Schäuble oder Staatssekretär Dr. Hanning hätten ihn
vor Ort dahingehend angesprochen, dass es wesentlich
besser wäre, wenn das BKA die Ermittlungen übernehme:
„Das mag irgendwas gewesen sein, was so am
Rande gewesen ist; das will ich nicht bestreiten.
Dass ich mit Schäuble drüber gesprochen habe,
weiß ich. […]
Noch mal: Das Gespräch mit Schäuble habe ich
nicht als kontrovers in Erinnerung.“4840
Der damalige Staatssekretär im Bundesministerium des
Innern, der Zeuge Dr. Hanning, hat vor dem Ausschuss
hingegen bekundet, einen anderen Eindruck von der Ver-
anstaltung gehabt zu haben:
„In diesem Fall war es eben so, dass sich Bayern
vehement dagegen gewehrt hat – vehement! – und
auch der Minister in Person. Ich habe eine andere
Erinnerung an die Veranstaltung. […] Ich sage Ih-
nen, ich habe eine andere Erinnerung an die Ver-
anstaltung, und das war ja – Ich meine, es gibt ja
Flure, und es gibt bilaterale Gespräche, und da hat-
te ich schon den Eindruck, dass Bayern vehe-
ment – Das hatte was mit Nürnberg zu tun; er
kommt ja aus Nürnberg, und das war ja nun in
Nürnberg.
Also, ich glaube, es war ein Konsens mit Bayern in
dem Sinne, dass das BKA das übernehmen würde,
nicht möglich, war ausgeschlossen. Und insoweit
war, glaube ich, die Lösung, die gefunden wurde,
die relativ beste: dass man sich verständigt in der
Sache, dass man versucht, weiterzukommen. Und
insoweit, glaube ich, war das vorgezeichnet, auch
als Lösung.“4841
Ob dieser geschilderte Eindruck aus einem persönlichen
Gespräch mit Dr. Beckstein gespeist worden sei, wisse er
nicht mehr.
4842
Dr. Hanning hat weiterhin bekundet, er sei über das Er-
gebnis der Besprechung mündlich – wahrscheinlich durch
den damaligen Fachabteilungsleiter im BMI Krause –
unterrichtet worden.
4843
Er meine, diese Unterrichtung sei
gleich zu Beginn der Konferenz erfolgt. Man habe ihm
mitgeteilt, dass man sich auf Abteilungsleiterebene und
auch mit dem Bundeskriminalamt auf ein gemeinsames
weiteres Vorgehen verständigt habe. Er habe dann ge-
fragt, ob auch das Bundeskriminalamt damit einver-
4839) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 94.
4840) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 107.
4841) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49
4842) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.
4843) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 16.
Drucksache 17/14600 – 552 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
standen gewesen sei, weil es ja Kritik geäußert hätte.
4844
Ihm sei geschildert worden, dass sich die Parteien, nach-
dem die Defizite zur Sprache gekommen seien, auf Ver-
besserungen der Ermittlungsführung verständigt hätten,
womit das BKA einverstanden gewesen sei.
4845
Da nach
seinem Verständnis die Probleme durch dieses im Rah-
men der Abteilungsleiterkonferenz erzielte Einvernehmen
ausgeräumt worden seien, sei die Notwendigkeit entfal-
len, das Thema in der formellen Konferenz anzuspre-
chen.
4846
Er habe noch auf der IMK Bundesinnenminister
Dr. Schäuble dahingehend unterrichtet, dass das Thema
abgesetzt worden sei, da man sich auf der Fachebene mit
den Ländern verständigt habe und das BKA auch einver-
standen mit der Sachbehandlung sei. Man habe neue Ent-
scheidungen getroffen, die den Ermittlungen förderlich
seien.
4847
Sein Eindruck sei gewesen, dass das BKA seinerzeit nicht
mit großem Nachdruck die Zentralisierung betrieben
habe, denn sonst hätte der Präsident auch nicht zuge-
stimmt, dass man in Garmisch-Partenkirchen im Ergebnis
anders entscheide.
4848
Dem Zeugen Dr. Hanning ist im
Ausschuss der Besprechungsvermerk des BKA über das
vom VP Falk mit dem Unterabteilungsleiter Dr. Förster
im BMI geführte Telefonat vom 21. April 2006 vorgehal-
ten worden, in welchem die Erwartungshaltung des BKA
formuliert worden war, dass sich der Staatssekretär an die
Länder wende. In diesem Vermerk heißt es:
„Die weitere Verfahrensweise wird dann sein:
– Vorlage StS Dr. Hanning,
– Schreiben StS Dr. Hanning an alle betroffenen
StS der Länder, mit der Anregung wegen der
Besonderheit des Falles etc., etc., das BKA
gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG um Übernah-
me zu ersuchen,
mit dem Hinweis auf andere Möglichkeiten und
Instrumentarien.“4849
Der Zeuge Dr. Hanning hat hierzu ausgesagt, nachdem
bereits die vorgeschaltete Fachebene entschieden und ihm
erklärt habe, man habe eine vernünftige Lösung gefunden,
habe es schlechterdings keinen Sinn mehr gemacht, an-
schließend als Staatssekretär noch Briefe zu schreiben.
4850
Weitere Schritte seinerseits seien vor diesem Hintergrund
nicht erforderlich gewesen.
4851
Wenn das BKA gesagt hätte, die Probleme seien nicht
gelöst, bzw. man müsse darauf beharren, dass die Ermitt-
lungen zentral vom BKA geführt oder andere Ermitt-
4844) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3.
4845) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 16.
4846) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3.
4847) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 16.
4848) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 19.
4849) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A
BKA-2/19, Bl. 352.
4850) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 37.
4851) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 36; S. 37; S. 47; S. 50; S. 58.
lungsaktivitäten ergriffen würden, dann hätte ihn dies als
Staatssekretär erreicht, und er hätte versucht, das Problem
auf Staatssekretärsebene zu lösen. Wahrscheinlich hätten
dann in Garmisch-Partenkirchen die Minister miteinander
gesprochen.
4852
An anderer Stelle hat er ergänzt:
„Wenn das BKA selbst der Meinung ist, dass es
das macht, hätte ich das unterstützt, selbstverständ-
lich. Aber ich hätte schon dann auch gefragt: Wie
macht ihr das denn? Habt ihr auch die Ressourcen?
Denn ich habe in dem Sauerland-Fall dann erleben
müssen, dass die Ressourcen des BKA sehr be-
grenzt waren und sehr beschränkt waren.
[…] Schon damals sprach Vieles dafür. Ich meine,
die Argumente waren ja im Grunde überzeugend.
Ich hätte mich auch dafür eingesetzt.
4853
Der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble hat ausgesagt, anläss-
lich der 180. IMK aus dem zuständigen Arbeitskreis II
informiert worden zu sein, dass am Rande der Innenmi-
nisterkonferenz auf Abteilungsleiterebene vorhandene
Schwierigkeiten in der Koordination der Ermittlungen
besprochen
4854
und die Fragen der Zusammenarbeit be-
friedigend geregelt worden seien sowie, dass der Bund
sich im Rahmen dieser Zusammenarbeit auch an der er-
höhten Auslobung beteiligen solle.
4855
Diesen Vorschlag
habe er befriedigt zur Kenntnis genommen.
4856
Die bei der IMK anwesenden Zeugen sind auch befragt
worden, ob ihnen im Rahmen der IMK Mängel in der
Ermittlungsarbeit vorgetragen worden seien bzw. die vom
BKA mit Schreiben vom 2. Mai 2006 an das BMI
4857
formulierte „Mängelliste“ bekannt war, die laut eines von
KD Hoppe für das BKA erstellten Vermerks vom
9. Mai 2006 von Präsident Ziercke im Rahmen des Ka-
mingesprächs vorgetragen worden sei.
4858
Die Zeugen Dr. Beckstein und Kindler haben jegliche
Kenntnis von einer „Mängelliste“ verneint.
Auch der Zeuge Dr. Beckstein, hat ausgesagt, ihm seien
weder ein Schreiben des BKA an das BMI noch Mängel
in der Ermittlungsarbeit bekannt gewesen.
„Sechs Jahre sind eine gefährliche Zeit. Aber ich
halte es für außerordentlich unwahrscheinlich, dass
tatsächlich eine Mängelliste vorgetragen worden
ist. Ich wäre doch elektrisiert gewesen. Ich hätte
meinen Kindler kommen lassen und hätte dem den
Kopf – […] Ich hätte um Auskunft gebeten, wie er
dazu Stellung nimmt.“4859
4852) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 47.
4853) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.
4854) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 15.
4855) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 9, siehe auch S. 2.
4856) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 15.
4857) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.
4858) Vermerk BKA vom 9. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 231.
4859) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 73.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 553 – Drucksache 17/14600
BKA-Präsident Ziercke habe ihn ebenfalls nicht auf Män-
gel bei den Ermittlungen angesprochen.
4860
Der BKA-Präsident Ziercke hat ausgesagt, auf die beste-
henden Mängel bereits am 21. April 2006 in einem Tele-
fonat mit dem bayerischen Polizeipräsidenten Kindler
hingewiesen zu haben.
4861
Der Zeuge Dr. Schäuble hat ausgeführt, über die Befas-
sung im Vorfeld der IMK im Zusammenhang mit der
Ausweitung der Belohnung hinaus, könne er sich nicht
erinnern, mit Fragen der Zusammenarbeit befasst gewe-
sen zu sein.
4862
Darüber hinaus seien ihm keine Klagen
über mangelnde Zusammenarbeit erinnerlich.
4863
Sein
Gesprächspartner beim BKA sei BKA-Präsident Ziercke
gewesen. Ein Vorschlag, dem BKA die Ermittlungen
nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zuzuweisen, sei ihm
von diesem nicht vorgetragen worden.
4864
Auch der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, er habe mit Bun-
desinnenminister Dr. Schäuble nicht über die Frage einer
Zentralisierung der Ermittlungsführung gesprochen. Zu
der Zeit sei es so gewesen, dass operative Maßnahmen in
der Regel immer mit dem Staatssekretär besprochen wor-
den seien.
4865
bbb) Bewertung der Entscheidung für eine
Steuerungsgruppe durch die Zeugen im
Jahr 2006
Der Zeuge Falk hat angegeben, nachdem er im Anschluss
an die IMK telefonisch von dem zuständigen Abteilungs-
leiter im BMI, Krause, über die Entscheidung für eine
Steuerungsgruppe informiert worden sei, gegen diese
argumentiert zu haben. Er habe die gewählte Organisati-
onsform als „kriminalfachlich stümperhaft“ angesehen.
Konkret hat er ausgeführt:
„Ich habe das als Zuweisung einer Nebenrolle für
das Bundeskriminalamt, die wir da bisher ja auch
gespielt haben, verstanden und habe sofort unter
Hinweis auf die klare bundesgesetzliche Aufga-
benzuweisung an das BKA als Zentralstelle – nicht
als Ermittlungsbehörde, als Zentralstelle – dagegen
argumentiert […]. Eine befriedigende Antwort auf
meinen Widerspruch habe ich nicht bekommen.
Ich habe daraufhin Herrn Krause auch gesagt,
niemand – und ich habe das hier schon zweimal
gesagt, keine Behörde könne eine Erfolgsgarantie
geben, aber alle bekämpfenden Aufklärungsbemü-
hungen seien von Anfang an bis jetzt aus meiner
Sicht – und das wörtlich – kriminalfachlich stüm-
perhaft organisiert worden. Ich sehe das auch heu-
te noch so. Herr Krause reagierte darauf nur mit
4860) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 121.
4861) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8; MAT A BKA-2/19, Bl. 352.
4862) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2, s. auch S. 8.
4863) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2, s. auch S. 8.
4864) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 8.
4865) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 17.
der Aussage, Bayern müsse jetzt aktiv werden.
Und so ist es dann auch weitergegangen.“4866
In einem Schreiben an den Untersuchungsausschuss aus
Anlass der Berichterstattung über seine Vernehmung hat
der Zeuge Falk klargestellt, dass er seine Aussage „krimi-
nalfachlich stümperhaft“ ausschließlich auf die bis dahin
zur Aufklärung der Mordserie praktizierte, dezentralisier-
te (Organisations-) Form der Zusammenarbeit der Poli-
zeibehörden der Tatortländer und des BKA bezogen habe,
sowie – vor allem – entgegen der Initiative des BKA die
Übereinkunft der genannten Innenministerien am 4. Mai
2006, daran substantiell nichts zu ändern. Er habe es für
kriminalistisch und polizeitaktisch falsch und riskant
gehalten, auch noch nach dem neunten Mord weiter auf
die Schaffung einer zentralen polizeilichen Ermittlungs-
zuständigkeit (z. B. im BKA) zu verzichten und trotz der
in vielfacher Hinsicht außergewöhnlichen Dimension des
Aufsehens, welche die Mordserie und die langanhaltende
Erfolglosigkeit der Aufklärungsbemühungen etwa in der
Türkei hervorgerufen hatten, und trotz der im Bundeskri-
minalamt erkannten Schwachstellen an der bis dahin
gewählten Bekämpfungs- und Ermittlungsorganisation –
dezentrales, nur partiell zu koordinierendes Vorgehen in
fünf Bundesländern und im BKA – festzuhalten.4867
„Ich kritisierte gesprächsweise u. a. mit den Wor-
ten ‚kriminalfachlich stümperhaft‘ gegenüber dem
zuständigen Abteilungsleiter im BMI insbesondere
den Verzicht darauf, mit einer nach dem BKA-
Gesetz (§ 4 Abs. 2 Nr. 2) möglichen Entscheidung
seines Hauses, das BKA ‚aus schwerwiegenden
Gründen‘ mit der zentralen Ermittlungsführung zu
beauftragen und so wenigstens für eine klare poli-
zeiliche Gesamtverantwortung an einer Stelle so-
wie eine einheitliche Ermittlungsführung und In-
formationsverarbeitung bundesweit zu sorgen, in
deren Folge es auch wahrscheinlicher geworden
wäre, ein staatsanwaltliches Sammelverfahren zu
erreichen.“4868
Es habe ihm völlig fern gelegen,
„die stets engagierte, konkrete Ermittlungsarbeit
der eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Bundesländer und des BKA als ‚kriminalfach-
lich stümperhaft‘ zu bezeichnen.“4869
Dieser Bewertung seines damaligen Vizepräsidenten ist
der Präsident des BKA, Ziercke, als Zeuge vor dem
Untersuchungsausschuss ausdrücklich entgegengetreten.
Zwar sei der vom BKA unterbreitete Vorschlag nicht
angenommen worden, aber man habe einen guten, ver-
tretbaren
4870
Kompromiss gefunden
4871
, der eine wesentli-
4866) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 7, siehe auch S. 13.
4867) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,
MAT B- Z11.
4868) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,
MAT B- Z11.
4869) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,
MAT B- Z11.
4870) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 33.
Drucksache 17/14600 – 554 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
che Verbesserung dargestellt habe.
4872
In wesentlichen
Punkten habe sich das BKA durchgesetzt.
4873
Der Zeuge
Ziercke hat betont, die Praxis habe ihm Recht gegeben
und nicht Herrn Falk.
4874
„Wir haben einen Vorschlag gemacht. Dieser Vor-
schlag ist erörtert worden. Und da kommt das An-
gebot, die zentrale Steuerungskomponente durch
eine Steuerungsstelle zu ersetzen – unter Einbin-
dung des BKA, mit dem informationellen Bezug;
das ist sehr wichtig – und gleichzeitig eine Stelle
einzurichten zur Informationssammlung; das war
auch sehr wichtig; das war ja nicht in unserem
Vorschlag enthalten. Dieses hat unseren Vorschlag
zu 80, 85 Prozent – meiner Meinung nach jeden-
falls; das habe ich ihm [Falk] auch gesagt damals –
erfüllt. Und diesen Weg konnte man gehen.
Gleichzeitig – noch mal; das war wichtig –: Die
Verständigung auf 300 000 Euro und in Nürnberg
diese Einzeltätergeschichte mit großem Aufwand
zu machen, das war für mich von Bedeutung. Und
das Ergebnis hat mir Recht gegeben […].“4875
Auf die Nachfrage, womit er glaube, Recht behalten zu
haben, sagte der Zeuge:
„Ich habe mit der Aussage recht behalten, dass ich
die Konstruktion, die man jetzt gewählt hat, durch-
aus als geeignet halte, um die Mordserie mögli-
cherweise zu stoppen.“4876
Auf Nachfrage hat der Zeuge Ziercke auch erläutert, mit
welchen der im Schreiben des BKA vom 2. Mai 2006 an
das BMI
4877
aufgeführten Punkte sich das BKA nach
seiner Auffassung durchgesetzt habe:
„Es sind insgesamt fünf Punkte in der Punktation.
Der erste Punkt spricht davon, dass ein Ermitt-
lungskonzept verfolgt werden soll, Prioritäten ge-
setzt werden sollen, dass Auslandsermittlungen
stärker abgestimmt werden sollen. Ja, das kann
man so oder so bewerten. Das ist für mich nicht
das Entscheidende jetzt gewesen in diesem ersten
Punkt. Dies ist auch über eine Steuerungsgruppe
möglich gewesen. Das einheitliche Fahndungskon-
zept, das ist dann erfolgt, im Hinblick auf die
Maßnahme 300 000 Euro Auslobung, dass Fahn-
dungsmaßnahmen im Nürnberger Raum eingeleitet
worden sind, dass wir über das BKA entsprechend
auch bei der Öffentlichkeitsfahndung mitgewirkt
haben. Auch da gab es Schwierigkeiten, auch da
gab es mal unterschiedliche Auffassungen, aber im
Prinzip ist das umgesetzt worden.
4871) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 16.
4872) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 33.
4873) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 31.
4874) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 15.
4875) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 16.
4876) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, Bl. 20 f.
4877) MAT A BKA 2/20, Bl. 15 ff.
Dann: ‚Es ist nicht sichergestellt, dass In-
formationen aus den bisherigen Einzeltaten voll-
ständig an einer Stelle zusammenlaufen.‘ - All das
ist in EASy Bayern zusammengelaufen. […]
Dann: ‚Der gebotene zeitgerechte und alle Adres-
saten angemessen berücksichtigende Austausch
der Tatbehörden untereinander und mit dem BKA
ist hiesigen Erachtens - das haben meine Leute ge-
schrieben – vor dem jeweils nur spezifischen […]
Bewertungshintergrund der einzelnen Tatortbehör-
den nicht in vollem […] Umfang gewährleistet.‘
[…] Dieses ist in der Steuerungsgruppe dann nach-
folgend aus meiner Bewertung heraus – und ich
habe auch keine anderen Informationen, auch nicht
von Herrn Hoppe, bekommen – […] nicht kritisiert
worden.
‚Verdeckte taktische Ermittlungsmaßnahmen im
In- und Ausland können mangels Absprachen […]
untereinander […] nicht zentral geplant und koor-
diniert werden.‘ Das ist der Punkt, wo wir uns
stärker einbringen mussten - das ist richtig -, weil
das die Auslandsermittlungen waren. Aber diese
Auslandsermittlungen - das wissen wir heute - ha-
ben in die Irre geführt.
Also, ich bitte Sie, ich kann hieran nicht erkennen,
dass wir nicht uns in erheblichem Maße auch mit
an der Steuerungsgruppe und mit einer Sammel-
stelle mit […] (akustisch unverständlich) des BKA
und, ich sage noch mal, mit informationeller Ver-
netzung - alles war in EASy Bayern, auf alles
konnten wir zugreifen und umgekehrt auch - - dass
wir uns da nicht durchaus adäquat aufgestellt ha-
ben.“4878
Der Zeuge Ziercke hat ergänzt, er sei davon angetan ge-
wesen, dass man operativ gedacht und mit einem Riesen-
aufwand in Nürnberg der Einzeltätertheorie nachgegan-
gen sei, was für ihn Sinn gemacht habe.
4879
Dies sage er
mit seiner Erfahrung, dass Mordermittlungen vor Ort
viele Personen und Milieukenntnisse erforderten, auch
von denen, die vor Ort seien. Dies wäre bei einer Struktur,
die man im BKA gefunden hätte, letztlich über einen
Einsatzabschnitt gelaufen, über Entscheidungen, die an
zentraler Stelle hätten koordiniert werden müssen. Er hat
fortgeführt:
„Allerdings hätten dazu dann erst mal die Staats-
anwaltschaften ihr Go geben müssen. Ich glaube,
diese Komponente […] haben Sie aber aus meiner
Sicht jetzt nicht bisher so problematisiert, dass Sie
sagen: Ja, die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des
Verfahrens. - Ein Sammelverfahren einzurichten,
wäre der entscheidende Punkt gewesen. Dann hät-
ten alle genau auf dieser Schiene marschieren
müssen. Insoweit, muss ich sagen, ist das, was wir
2004, 2006 erlebten, letztlich, ja, unter polizeifö-
4878) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 31.
4879) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 555 – Drucksache 17/14600
derativen Aspekten für mich eine Kompromisslö-
sung gewesen, die ich auch letztlich mitgetragen
habe, auch gut fand - das habe ich ja auch hier ge-
sagt -; aber ich hätte mir eine 100- oder 120-Pro-
zent-Lösung natürlich vorstellen können, klar.“4880
Der Zeuge Maurer hat die gewählte Art der Ermittlungs-
führung als eine vertretbare Möglichkeit bezeichnet, die
Vorgänge zu bearbeiten. Er hat ausgesagt:
„Dass es möglich ist, Vorgänge so zu bearbeiten,
habe ich damals konzediert und konzediere ich
heute. Natürlich ist es möglich, Vorgänge so zu
bearbeiten. Es bedeutet nur: Die Gefahr von In-
formationsverlusten ist eben auch größer, und es
fehlt an der Draufsicht. Das war meine Argumen-
tationslinie zu dem Zeitpunkt. Aber auch dieses
Gespräch, das Sie anführen [Strategiebesprechung
beim BKA am 19. April 2006]
4881
war ein Ge-
spräch im Zusammenhang mit der Vorbereitung
der Herbeiführung einer Entscheidung auf höherer
Ebene, weil es für uns klar war: Auf der Sachebe-
ne haben wir unterschiedliche Auffassungen. Wo-
bei ich konzediere: Man kann beide Auffassungen
vertreten.“4882
Zu dem Zeitpunkt, als die Entscheidung für eine Steue-
rungsgruppe gefallen sei, habe er aber nicht befürchtet,
dass es in eine eklatant falsche Richtung gehe, weil er
gewusst habe, was gemacht worden sei. Er habe gewusst,
dass Ansatzpunkte, die nicht bearbeitet wurden, nicht
vorlagen.
4883
Als die Entscheidung getroffen worden sei,
habe er sie voll mittragen und umsetzen können, weil er
auch gesehen habe, dass Elemente seiner Diskussion zum
Gegenstand gemacht worden seien.
4884
Der Zeuge Dr. Hanning hat erläutert, das BMI sei an
einer einvernehmlichen Lösung interessiert gewesen, die
man gegen den erklärten Willen der Länder nicht habe
erzielen können. Er hat ausgeführt:
„Richtig ist, es geht nur einvernehmlich, […] wenn
die Länder sich sperren in diesem Fall - das war ja
so -, dann können Sie keine einvernehmliche Lö-
sung hinbekommen. Aber ich sage Ihnen - und das
habe ich schon mitbekommen -: Also in Bayern
war damals eine Stimmungslage, die sich seit 2004
sehr gewandelt hatte, sehr gewandelt hatte. Es war
die Stimmungslage die: Das sind unsere Fälle hier,
und das BKA soll sich da gefälligst heraushalten;
wenn wir das BKA brauchen, werden wir schon
das BKA fragen. - Das war so ein bisschen, was
ich am Rande mitbekommen habe, und deswegen
war ich sehr froh, dass man eine einvernehmliche
Lösung gefunden hat.“4885
4880) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51 f.
4881) Siehe oben F.V.3.cc).
4882) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 16.
4883) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 17.
4884) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 17.
4885) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44. S. 37.
Nach Auffassung des Zeugen mache es bei der Anord-
nung einer zentralen Ermittlung einen Unterschied, wenn
ein neuer Sachverhalt drohe, die Infrastruktur des Landes
zu bedrohen oder ob man – wie im vorliegenden Fall –
auf gewachsene Ermittlungsstrukturen in den Ländern
treffe. Wenn dann die Länder sagen würden: „Wir möch-
ten weiter ermitteln“, sei es sehr unklug, konfrontativ
gegenüber den Ländern zu entscheiden.
4886
Der Zeuge Dr. Schäuble hat die Auffassung vertreten,
dass der gemeinsamen Verantwortung von Bund und
Ländern für die Sicherheit des Landes und darin lebenden
Menschen am besten durch eine vertrauensvolle Zusam-
menarbeit Rechnung getragen werde. Er habe immer
darauf hingewirkt, dass solche Fragen – wie auch im
vorliegenden Fall – im Zusammenwirken entschieden
würden.
4887
Er hat dargelegt:
„Mein Verständnis von der Ordnung des Grundge-
setzes ist, dass die Polizei grundsätzlich Ländersa-
che ist, die besonderen Aufgaben der Bundespoli-
zei beiseitegelassen, dass das Bundeskriminalamt
eine ergänzende subsidiäre Aufgabe hat, die im
Bundeskriminalamtgesetz definiert ist, dass die
verantwortlichen Behörden des Bundes und der
Länder grundsätzlich auf Zusammenarbeit ange-
legt sind. Mein Verständnis ist darüber hinaus,
dass die Führung eines Ministeriums die politische
Verantwortung bedeutet, die Verantwortung für
die notwendigen Personalentscheidungen, dass
man sich aber möglichst nicht als Leiter eines Mi-
nisteriums in die einzelnen Entscheidungen der da-
für zuständigen Behörden und Instanzen einmi-
schen soll. In diesem Sinne habe ich mich nie als
oberster Polizist der Bundesrepublik Deutschland
verstanden, auch nicht in den Jahren, in denen ich
Bundesinnenminister gewesen bin. Deswegen bin
ich mit diesen schrecklichen Morden amtlich nur
sehr marginal befasst gewesen.“4888
Der Zeuge Dr. Schäuble hat ausgesagt, ihm sei nicht
erinnerlich, nach der 180. IMK Klagen über mangelnde
Zusammenarbeit gehört zu haben.
4889
Ob er selbst nachge-
fragt habe oder ob ihm dies so gesagt worden sei, könne
er nicht beantworten.
4890
Der Zeuge Schily erläuterte im Ausschuss auf die Frage,
wie er in der Situation entschieden hätte, hingegen:
„Wenn ein ähnliches Ersuchen an mich herange-
tragen worden wäre, dass das BKA in einer sol-
chen Situation hinzugezogen worden wäre, hätte
ich mich für das BKA ausgesprochen. […] Ich hat-
te da eine gewisse Durchsetzungskraft wie Sie
wissen. Aber das hatte auch seine Grenzen.“ 4891
4886) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 14.
4887) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 9.
4888) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.
4889) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 38.
4890) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 38.
4891) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 30.
Drucksache 17/14600 – 556 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auf die Nachfrage, ob er dies auch gegen den Willen des
bayerischen Innenministers Dr. Beckstein angeordnet
hätte, erklärte der Zeuge Schily:
„Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu meinem
Freund Günther Beckstein, wie Sie wissen. Ich hät-
te das sicher nicht gefährden wollen. Aber wenn
sich gute Argumente dafür ergeben hätten – es ist
schwer das jetzt im Nachhinein zu sagen. Ich will
mich da auch nicht auf ein Podest stellen. […]
Wir haben ja sehr drauf Wert gelegt, dass wir im
Kreise der Bundesinnenministerkonferenz im In-
nenverhältnis zwischen Bund und Ländern immer
zu einer Einigung gekommen sind. […] Wir haben
ja keine Kampfabstimmungen dort gehabt. Wir
haben immer einvernehmlich – Das ist übrigens
ein guter Grundsatz in der deutschen Innenpolitik,
und insofern bin ich etwas im Zweifel, ob ich das
streitig entschieden hätte.“ 4892
d) Gespräche im Nachgang zur IMK
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob es im
Nachgang zur IMK nochmals Bemühungen seitens des
BKA oder des BMI gegeben habe, noch zu einer anderen
als der Steuerungsgruppenlösung zu gelangen.
Der Zeuge Falk hat ausgeführt, er habe nach der IMK nur
noch ein Telefonat mit dem Abteilungsleiter P im BMI,
Krause, in dieser Angelegenheit geführt. Dieser habe ihn
angerufen und das Ergebnis der IMK mitgeteilt. Er habe
die Art, wie bisher gearbeitet worden sei – die gewählte
Organisationsform
4893
– als „kriminalfachlich stümper-
haft“ bezeichnet.4894 Er habe die Reaktion von Herrn
Krause so verstanden, dass dies das Ende der Diskussion
gewesen sei. Da auf der Ebene der Ministerien so ent-
schieden worden sei, habe es auch keine
Appellationsinstanz mehr gegeben.
4895
Der Zeuge Maurer hat ausgesagt, nach den ganzen Dis-
kussionen in verschiedenen Gremien im Vorfeld der IMK
habe er keine Veranlassung und keinen Spielraum mehr
gesehen, nochmals bei der Amtsleitung zu intervenieren.
Alle Argumente seien vielfach diskutiert worden und
unter Einbindung anderer Fachleute sei man zwar zu
einem andern Ergebnis gekommen, als von ihm vorge-
schlagen, mit diesem habe er aber umgehen können.
4896
4. Überlegungen zu einer Koordinierung bei
der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG
Ob bzw. inwieweit seitens des BKA auch eine Anwen-
dung des § 18 BKAG – Koordinierung bei der Strafver-
4892) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 30.
4893) Ergänzungen des Zeugen zum Protokoll, MAT B Z-11.
4894) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 13, siehe zur 2. OFA ausführlich
F.V.8.c).
4895) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 13.
4896) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 67 und 69.
folgung – im Zusammenhang mit der Mordserie in Erwä-
gung gezogen wurde, hat sich nicht abschließend klären
lassen.
Bei § 18 BKAG handelt es sich nicht um einen Übergang
der Ermittlungszuständigkeit an das BKA, sondern um
eine Art Entscheidungshilfe bei Zuständigkeitskonflikten
zwischen den Ländern.
4897
Das Bundeskriminalamt ent-
scheidet hier bei länderübergreifenden Fällen, welche
Landesbehörde für die Ermittlungen zentral zuständig
sein soll.
In einem Vermerk des BKA zu einem Gespräch von VP
Falk und dem damaligen Unterabteilungsleiter Dr. Förs-
ter im Bundesministerium des Innern vom 20. April 2006
heißt es:
„§ 18 BKAG wurde einvernehmlich verworfen,
ein Sammelverfahren bei einer StA ist anzustreben
(Nr. 25 ff. RiStBV).“4898
Auch im Protokoll der Besprechung bei der Amtsleitung
des BKA am 24. April 2006 ist festgehalten, dass das
Bundesministerium des Innern und die Amtsleitung des
BKA – zu einem Zeitpunkt, als noch keine Entscheidung
für eine Steuerungsgruppe getroffen worden war – eine
Vorgehensweise nach § 18 BKAG ablehnten und stattdes-
sen eine Betrauung durch die Länder nach § 4 Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 BKAG favorisierten, womit auch eine Zuweisung
nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zunächst zu vermei-
den sei.
4899
Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, ob sich
das BKA nach der Entscheidung für die Errichtung einer
Steuerungsgruppe noch einmal für eine Zentralisierung
der Ermittlungen bei einer Ermittlungsbehörde – sei es
auf Länderebene – eingesetzt habe. Vor dem Untersu-
chungsausschuss hat der Zeuge Bernhard Falk bekundet,
eine hierzu vom BKA ausgegangene Aktivität sei ihm
nicht bekannt.
4900
Ihm ist ein Vermerk des Leiters der
Sonderkommission in Hamburg vom 13. September 2007
zu einer Sitzung des AK II am 18. September 2007 in
Berlin vorgehalten worden, in dem es heißt:
„Eine Übernahme der Ermittlungen durch das
BKA gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG steht gegen-
wärtig nicht im Raum. Durch das BKA wurde auf
die Möglichkeit des § 18 BKAG […] hingewie-
sen.“4901
Der Zeuge Falk hat ausgeführt, er wisse nicht, wie und
auf welcher Grundlage und durch wen das Thema im
AK II zur Sprache gebracht worden sei. Nach seiner Erin-
nerung habe das BKA relativ schnell diese Möglichkeit
verworfen, weil Voraussetzung gewesen wäre, dass nicht
4897) Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 187. EL 2011,
§ 18 BKAG Rn. 3.
4898) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A
BKA-2/19, Bl. 352.
4899) MAT BKA-2/19, Bl. 320 f.
4900) Falk, Protokoll-Nr.19, S. 60.
4901) MAT A HH-5/1 d, Bl. 206.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 557 – Drucksache 17/14600
nur die betroffenen Generalstaatsanwälte in fünf Bundes-
ländern zugestimmt hätten, sondern auch die Innenminis-
ter. Und diese hätten nun gerade 2006 die Auffassung
vertreten, dass alles so bleiben sollte, wie es war. Deshalb
habe man gar keinen Raum gesehen.
4902
5. Konstituierung und Arbeit der Steue-
rungsgruppe
a) Konstituierung der Steuerungsgruppe am
17./18. Mai 2006
Entsprechend dem Ergebnis im Rahmen der Innenminis-
terkonferenz vom 4. Mai 2006 wurde unter dem Vorsitz
des Leiters der BAO „Bosporus“ (LKD Geier) eine Steue-
rungs- und Koordinierungsgruppe mit den jeweiligen
Leitern der einzelnen Sonderkommissionen der Bundes-
länder und dem BKA mit einer Geschäftsstelle eingerich-
tet. Deren konstituierende Sitzung fand am 17. und
18. Mai 2006 statt.
4903
b) Struktur, Aufgaben, Sitzungsrhythmus
Die Teilnehmer der konstituierenden Sitzung der Steue-
rungsgruppe beschlossen:
– „Implementierung einer Steuerungsgruppe un-
ter Leitung von Herrn Geier. Festlegung der
Aufgabenbereiche des Gremiums. Mitglieder
sind die Leiter der jeweiligen Tatortdienststel-
len und der EG ‚Česká‘. Namentliche Vertre-
ter der Steuerungsgruppenmitglieder werden
benannt.
– Bildung einer Geschäftsstelle beim Vorsitzen-
den der Steuerungsgruppe.
– Festlegung auf ISA (Informationssammelstel-
le) mit Sitz in Nürnberg und unmittelbarer
Anbindung an die Steuerungsgruppe.
– Abwicklung des Auslandsdienstverkehrs gem.
den gesetzlichen Vorgaben des BKA über die
EG ‚Česká‘ an die zuständigen Stellen der
Alltagsorganisation. Die Infos sind parallel
dazu der ISA zuzuleiten.
– Einbindung der Staatsanwaltschaften durch
halbjährige, bzw. quartalsmäßige Besprechun-
gen.
– Monatliches Treffen (1. Mittwoch des Mo-
nats) der Angehörigen der Steuerungsgruppe.
In dringenden Fällen wird eine Telefonkonfe-
renz erfolgen.“4904
Die Aufgaben der Steuerungsgruppe wurden in dieser
Sitzung wie folgt festgelegt:
4902) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 60.
4903) Protokoll, MAT A BY-2/3d, Bl. 1 ff.
4904) Protokoll, MAT A BY-2/3d, Bl. 5 f.
– „Strategische und taktische Ausrichtung der
Ermittlungen
– Abstimmung von Ermittlungsschnittstellen
und operativen Maßnahmen
– Grundsätzliche, rechtliche Abstimmung mit
den Staatsanwaltschaften
– Strategische Ausrichtung der Öffentlichkeits-
und Pressearbeit
– Empfehlungen zu logistischen und edv-
technischen Grundsatzangelegenheiten
– (Bundesweite) Empfehlungen zu Ermittlungs-
und Fahndungsmaßnahmen.“4905
Die Aufgaben der Geschäftsstelle der Steuerungsgruppe
wurden folgendermaßen bestimmt:
– „Erarbeitung von strategischen und ermitt-
lungstaktischen Konzepten im Auftrag der
Steuerungs- und Koordinierungsgruppe
– Vorbereitung von logistischen und EDV-
technischen Grundsatzentscheidungen
– Umsetzung der Vereinbarungen zur Öffent-
lichkeits-/Pressearbeit
– Controlling der Beschlussumsetzung
– Vorbereitung der periodischen und anlassbe-
zogenen Strategiebesprechung
– Dokumentation und Steuerung der Festlegun-
gen/Entscheidungen der Steuerungs- und
Koordinierungsgruppe
– Ansprechpartner/Bindeglied für die Sokos/EG
für strategische und ermittlungstaktische Fra-
gen
– Erarbeitung der Sachstandsberichte (monat-
lich)
– Erledigung sonstiger Berichtspflichten“4906
Die Auslandssteuerung blieb dem BKA vorbehalten und
wurde über die EG „Česká“ geleistet.4907
Die Problematik von divergierenden Meinungen wurde
innerhalb der Steuerungsgruppe folgendermaßen disku-
tiert:
„Vor dem Hintergrund der nicht einstimmigen Be-
schlussfassung zur Umsetzung des Medienkon-
zepts EZT [= Einzeltätertheorie] werden verschie-
dene, Möglichkeiten der Entscheidungsfindung
kontrovers diskutiert. Mit Blick auf die formale
Gleichrangigkeitsvereinbarung bei Einrichtung der
Steuerungsgruppe wird mehrheitlich kein Raum
4905) MAT A BY-2/3d, Bl. 19.
4906) MAT A BY-2/3d, Bl. 20.
4907) Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe
vom 17./18. Mai 2006, MAT A BY-2/3d, Bl. 3.
Drucksache 17/14600 – 558 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
für nicht einstimmige Entscheidungen gesehen, die
Bindungswirkung entfalten können. Im Ergebnis
kommt es zu keiner Vereinbarung. lm Zweifelsfall
werden die Einzelmeinungen festgestellt und fach-
liche Empfehlungen ohne Bindungswirkung for-
muliert.“
4908
c) Tätigkeit der Steuerungsgruppe
Im Rahmen der Steuerungsgruppe wurde die Einzeltäter-
theorie vielfach, die Spur 195 im Besonderen, lediglich
am 9. Januar 2008 und am 7. Oktober 2009 erörtert:
„Vom LfV gemeldete Rechtsextreme mit Bezug
Nürnberg werden überprüft; von 161 Unterspuren
sind etwa ein Drittel abgearbeitet, es stellte sich
heraus, dass Türken eher nicht als Feindbild exis-
tieren.“4909
„Derzeit werden verstärkt Restspuren abgearbeitet.
Beispielsweise werden noch rund 15 Personen, die
dem LfV im Zeitraum von 1995 - 2002 als Rechts-
extremisten bekannt waren und einen EWO-Bezug
nach Nürnberg hatten, abgearbeitet. Dabei handelt
es sich um zurückgestellte Teilspuren des ur-
sprünglichen Gesamtbestandes von 160 Perso-
nen.“4910
Ende 2009 beschloss die Steuerungsgruppe, dass sie nur
noch bei Bedarf zusammentreten werde.
4911
Im Jahr 2010
fanden noch zwei außerordentliche Sitzungen statt.
4912
Letztmalig trat die Steuerungsgruppe im Oktober 2010
zusammen.
4913
6. Errichtung einer Informationssammelstelle
in Nürnberg
Der Zeuge Kindler hat ausgesagt, dass bei der 180. IMK
auch die Entscheidung getroffen worden sei, dass eine
Informations- und Sammelstelle beim BKA habe einge-
richtet werden sollen. Aber dann hätten alle Beteiligten
gesagt, diese solle beim PP Mittelfranken angesiedelt
werden.
4914
Der Zeuge Hoppe hat ausgesagt, dass das BKA bereits in
der Strategiebesprechung vom 19. April 2006
4915
habe
4908) Protokoll der 5. Periodischen Besprechung der Steuerungs-
gruppe am 6./7. September 2006, MAT A BY-2/3d, Bl. 55 ff.,
60.
4909) Protokoll der Besprechung vom 9. Januar 2008, MAT A BY-
2/3e, Bl. 149 ff., 153.
4910) Protokoll vom 7. Oktober 2009, MAT A BY-2/3e, Bl. 351 ff.,
353.
4911) Protokoll vom 15./16. Dezember 2009, MAT A BY-2/3e, Bl.
415 ff., 422.
4912) Protokoll vom 10. Mai 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 30 ff.;
Protokoll vom 30. Oktober 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 8 ff.
4913) Protokoll vom 30. Oktober 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 8 ff.
4914) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.
4915) Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, MAT
A BKA-2/19, Bl. 217 ff.
festlegen wollen, wie nach den „neuen“ Morden ab sofort
mit eingehenden Hinweisen umzugehen sei, und dass
diese mit einer sogenannten „Lage- und Informations-
sammelstelle“ (LISt) zentral gesammelt und bewertet und
zur Verfügung gestellt würden.
4916
Dies sei auch am
19. April 2006 so vereinbart worden und das BKA habe
angefangen, die sich aus der Vereinbarung ergebenden
Maßnahmen umzusetzen.
4917
Die späteren Entscheidun-
gen hätten diese aber wieder aufgehoben.
4918
Aus einem im Nachgang zur IMK im BKA erstellten
Vermerk des BKA-Beamten Hoppe vom 9. Mai 2006
ergibt sich, dass es in Hessen einen mündlichen Erlass
gegeben habe, dass das vom BKA vorgeschlagene LISt
mit seinem Aufgabenspektrum nicht akzeptiert werde,
weil es zu sehr in Länderinteressen eingreife.
4919
Ausweislich der Akten stellte, nach Auffassung des BKA,
die Errichtung und der Betrieb der LISt eine originäre
Aufgabe des BKA nach § 2 BKAG dar. Hiergegen wurde
seitens der Länder die sich daraus ergebende Schnittstel-
lenproblematik eingewandt, sowie die Erfahrungen, die
Bayern in der Serie erlangt hatte.
4920
Die Steuerungsgrup-
pe entschied sich nach konträrer Aussprache in ihrer kon-
stituierenden Sitzung am 17./18. Mai 2006 letztlich für
eine Anbindung in Bezug auf die Inlandssteuerung an die
BAO „Bosporus“. Die Auslandssteuerung sollte hingegen
beim BKA verbleiben.
Nachdem die Entscheidung gegen eine Ermittlungsfüh-
rung des BKA und für eine Steuerungsgruppe gefallen
sei, habe nach Auskunft des Zeugen Hoppe auch diese
LISt an Bayern gehen sollen, weil dort eine Federführung
gesehen wurde und in dem Zusammenhang auch die In-
formationssammel- und Auswertungsstelle ISA eingerich-
tet werden sollte, um dort die eingehenden Hinweise und
Informationen zentral zu sammeln, zu speichern sowie zu
bewerten und die einzelnen Spuren den jeweiligen
Dienststellen zuzuweisen.
4921
Der bei der BAO „Bospo-
rus“ angesiedelten Informationssammel- und Auswer-
tungsstelle (ISA) wurden folgende Aufgaben zugewiesen:
„1. Lageerhebung, -darstellung und -steuerung
durch
– Zentrale Registrierung aller eingehender Hin-
weise
– Bewertung der durch die Tatortdienststellen
angelieferten Hinweise, Datenbankabfragen
und Infoverdichtungen
– Weiterleitung der Hinweise an die ZSB (Zent-
rale Sachbearbeitung) der jeweilig zuständi-
gen Ermittlungsdienststelle
4916) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.
4917) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.
4918) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.
4919) Vermerk BKA vom 9. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 231.
4920) Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe,
MAT A BKA-2/21, Bl. 23.
4921) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 559 – Drucksache 17/14600
– Erfassung und Darstellung von Spurenkom-
plexen
– Hinweiscontrolling
– Übersicht über Sachbeweise und Tatortspuren
– Periodische und anlassbezogene Lageberichte.
2. Aktive Erhebung von Informationen auf natio-
naler Ebene durch Auswertung polizeiinterner und
externer Publikationen incl. Medienauswertung.
3. Gewährleistung eines strukturierten, aktuellen
Informationsaustausches mit allen beteiligten Tat-
ortdienststellen/ EG ‚Česká‘ durch Steuerung von
Lageinformationen und täglichen Abgleich des In-
formationsstandes durch telefonische oder ander-
weitige Kontaktaufnahme (tägliche TK [Telefon-
konferenz], Epost/E-mail-Verteiler).“4922
Der Zeuge Ziercke hat verdeutlicht, dass er die bei der
IMK getroffene Entscheidung im Paket gesehen habe.
Entscheidend für die Informationsablaufprozesse sei ge-
wesen, dass eine informationelle Vernetzung erfolgt sei
und alle vor Ort verarbeiteten Informationen so gespei-
chert wurden, dass man von Wiesbaden oder Meckenheim
darauf habe zugreifen können. Man habe auch bezüglich
der LISt eine 80- bis 90-prozentige Lösung erreicht, wo-
mit man bei dem erheblichen Widerstand der Länder habe
zufrieden sein können.
4923
Auf die Frage, ob er mit der zentralen Informationssamm-
lung und -weitergabe durch die LISt zufrieden gewesen
sei, hat der Zeuge Ziercke geantwortet, ein Jahr lang keine
Beschwerden hierzu gehört zu haben. Er könne nicht
sagen, dass dadurch alles schiefgelaufen sei.
4924
7. Erhöhung der Auslobungssumme und
Beteiligung des BKA
Parallel zur Diskussion über eine zentrale Ermittlungsfüh-
rung durch das BKA strebte Bayern eine Erhöhung der
Belohnung an. Am 25. April 2006 richtete der Leiter des
Ministerbüros ein Telefax an Minister Dr. Beckstein.
Darin heißt es:
„[…] finden Sie anbei einen Vermerk von IC, der
die von der BAO ‚Bosporus‘ beantragte Erhöhung
auf 250.000 € im Ergebnis für rechtlich möglich,
haushaltsmäßig aber nur schwer darstellbar hält
und deswegen eine gemeinsame Finanzierung der
Auslobung durch Länder und Bund vorschlägt
[…].
Alternative 1: Ankündigung der Erhöhung der Be-
lohnung auf 250.000 € durch Bay. Polizei. Prob-
lem: Haushaltslage und Gefahr bei Übernahme
durch BKA.
4922) MAT A BY-2/3d, Bl. 21 f.
4923) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51.
4924) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51.
Alternative 2: Hr. StM kündigt gegenüber Bild-
Zeitung an auf der IMK kommende Woche, den
betreffenden Ländern und dem Bund eine gemein-
same Erhöhung auf 300.000 € vorzuschlagen.“
Am selben Tag vermerkte Minister Dr. Beckstein hand-
schriftlich auf diesem Telefax:
„Wir sollten € 300 Belohnung ausloben, die Betei-
ligung anderer Länder versuchen. Sofern BKA
(nach nächstem Mord) übernimmt – Widerruf!“
4925
Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilte mit
Schreiben vom 6. Juni 2006 an die beteiligten Mitglieder
des AK II das Ergebnis der Erörterung zur Erhöhung der
Auslobung am Rande der 180. Sitzung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
am 4./5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen sowie eines
Gesprächs zwischen Bundesinnenminister Dr. Schäuble
und Staatsminister Dr. Beckstein am 19. Mai 2006 wie
folgt mit:
4926
„Entsprechend der o. g. Absprachen ergibt sich
hinsichtlich der Erhöhung der Auslobung auf
300 000 Euro für die Aufklärung der Serie folgen-
de Berechnung, wobei die bereits bestehenden
Auslobungen unberührt bleiben:
- Anteil des Bundeskriminalamts: 50.000 Euro“4927
Es wurde um Zustimmung und Bestätigung gebeten, dass
für den Fall, dass eine rechtsverbindliche Auszahlung der
gesamten Auslobungssumme für Hinweise, die zur Auf-
klärung der gesamten Mordserie oder zur Ergreifung des
oder der Täter der gesamten Mordserie geführt hätten,
veranlasst werde, dass die anteiligen Finanzmittel zeitge-
recht zugewiesen würden.
4928
Dem Zeugen Dr. Schäuble wurde ein E-Mail des Leiters
des Grundsatzreferats der Polizeiabteilung im BMI (Refe-
rat P I 1) an den Abteilungsleiter Polizei im BMI vorge-
halten:
„Überraschend für mich, dass BKA sich jetzt doch
mit 50 000 Euro beteiligt. Meines Wissens hatte
Min das bei der IMK abgelehnt.“4929
Auf Nachfrage, wie es zu der Erhöhung der für das BKA
veranschlagten Auslobungssumme gekommen sei, hat der
Zeuge Dr. Schäuble erklärt, ihm sei in der Vorlage vom
3. Mai 2006 ein Beitrag von 30 000 Euro vorgeschlagen
worden, dem habe er zugestimmt; an eine weitere Erhö-
hung des Beitrags auf 50 000 Euro und die Umstände, wie
es dazu gekommen sei, könne er sich nicht mehr erin-
nern.
4930
4925) MAT A BY 2/6c, Bl. 863.
4926) MAT A BMI-4/30, Bl. 124.
4927) MAT A BMI-4/30, Bl. 125.
4928) MAT A BMI-4/30, Bl. 126.
4929) E-Mail vom 7. Juni 2006, MAT A BMI-4/30, Bl. 116 ff.
4930) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 34 f.
Drucksache 17/14600 – 560 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
8. Die zweite Operative Fallanalyse Bayern
vom 9. Mai 2006, die Haltung des BKA da-
zu und Schlussfolgerungen daraus
Nach den beiden Morden am 4. April 2006 in Dortmund
und am 6. April 2006 in Kassel erteilte der Leiter der
BAO „Bosporus“ der OFA Bayern den Auftrag, Alterna-
tivhypothesen zu entwickeln.
4931
a) Aussagen der zweiten Operativen Fallana-
lyse
Die OFA überarbeitete – bei einer Verstärkung um zwei
Personen – ihre bisherige Fallanalyse und stellte ihre
Ergebnisse am 9. Mai 2006 vor.
4932
Experten aus dem
Bereich Rechtsextremismus wurden nicht hinzugezo-
gen.
4933
Die „Organisationstäterhypothese“ wurde um die
Alternativhypothesen „Geheimdienst“, „Kriminalität“ und
„Einzeltäter“ ergänzt. Als wahrscheinlichere Hypothese
sah die OFA Bayern nunmehr die sogenannte „Einzeltä-
terhypothese“ an.4934
Zur Alternativhypothese „Einzeltäter“ heißt es:
„Täter verfügt über psychopathische Persönlich-
keit
Täter entwickelt ablehnende Haltung gegenüber
Türken
Täter sucht ggf. Nähe zur rechten Szene
Täter ist von der ‚Schwäche‘ enttäuscht
Täter entwickelt die Vorstellung seiner eigenen
‚Mission‘
Täter beschafft sich (falls nicht bereits vorhanden)
die Tatmittel und entwickelt diese im Verlauf der
Serie weiter
Täter verfestigt seinen Tatentschluss und behält
diesen über Jahre bei
Täter gewinnt durch die erfolgreichen Taten an
Selbstbewusstsein und ist bereit auch höhere Risi-
ken einzugehen (‚Allmachtsphantasien‘)
Täter begeht die Taten in sich verkürzendem Zeit-
intervall
Täterprofil:
Polizeiliche Vorerkenntnisse aus Staatsschutz
rechts, Waffen-/Sprengstoffdelikte, Aggressions-
delikte (z. B. Sachbeschädigung)
Zugehörigkeit zur rechten Szene vor der 1. Tat,
danach Rückzug wahrscheinlich
Fazit zum Täter:
4931) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai 2008, MAT
A BY-2/10, Bl. 85.
4932) MAT A GBA-5, Bl. 22 ff.
4933) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 59.
4934) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 52.
Ankerpunkt des Täters im südöstlichen Raum
Nürnbergs, eher Wohnort denn Arbeitsstelle
Auswahl der übrigen Tatorte im Rahmen einer (be-
ruflichen) Routinetätigkeit.“4935
Zum „Ankerpunkt Nürnberg“ hat der Fallanalytiker, der
Zeuge EKHK Horn, ausgesagt, dass Ankerpunkt nicht nur
der Wohnort sein müsse. Ankerpunkt könne ein ehemali-
ger Wohnort sein, Beschäftigungsort oder ehemaliger
Beschäftigungsort oder natürlich auch ein Raum mit sozi-
aler Bindung. Ein Grund für die Annahme des Anker-
punktes in Nürnberg sei der dortige Beginn der Serie
gewesen. Außerdem sei die Kumulation von Tatorten
(drei der fünf bayerische Tatorte in Nürnberg) und die
räumliche Nähe zueinander herausragend erschienen.
4936
Als Gründe für die im Vergleich zur ersten Fallanalyse
neue „Einzeltäterhypothese“ hat der Zeuge Horn angege-
ben, dass zwei zusätzliche Handlungsorte hinzugekom-
men seien, Dortmund und Kassel. Außerdem seien die
Opfer außerplanmäßig an den Tatorten zu diesem Zeit-
punkt gewesen. Vom Opferhintergrund habe es keine
Anzeichen gegeben, dass es dort irgendwo Verstrickun-
gen ins kriminelle Milieu gegeben hätte. Daher sei es für
die Fallanalytiker wahrscheinlich gewesen, dass die Opfer
stellvertretend ausgewählt worden seien.
4937
Die OFA sprach bereits in der Präsentation Ermittlungs-
empfehlungen u. a. im Hinblick auf die rechte Szene mit
einem Ankerpunkt in Nürnberg aus. Zu den empfohlenen
Ermittlungen in Nürnberg heißt es:
– „Ermittlungen in rechter Szene (auch über
‚Aussteiger‘): bis 2000 aktiv, danach Rückzug
wahrscheinlich; ggf. enge Verbindung zu wei-
terer Person (evtl. Mittäter dürfte in Szene
auch bekannt sein); - evtl. Forderung nach Ak-
tionen (bisherige zu ‚schwach‘); - ‚Wehr-
sportvereine bzw. –übungen‘?
– Ermittlungen in Sportschützenvereinen:
‚Combat‘ – Schießen; enge Verbindung zu
weiterer Person; türkenfeindliche Gesinnung
– Ermittlungen bzgl. Gotcha-Schießen
– Ermittlungen bzgl. Schießen außerhalb von
Schießstätten / Sprengversuchen
– Überprüfung der bisherigen Hinweise / Ab-
gleich mit Täterprofil
– Ermittlungen hinsichtlich möglicher
Arbeitstelle: Firmen mit Bezügen nach HH,
HRO [Rostock] und München, Bereich um
DO [Dortmund] und KS [Kassel]; evtl. ‚Tech-
nischer Service‘ etc.“4938
4935) MAT A BKA-2/14, Bl. 134.
4936) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 47.
4937) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 60.
4938) MAT A GBA-5, Bl. 75.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 561 – Drucksache 17/14600
b) Bewertung der zweiten Operativen Fallana-
lyse durch die Steuerungsgruppe
In der im Mai 2006 eingerichteten Steuerungsgruppe (zu
dieser s. u.) gab es zwei unterschiedliche Stimmen. Der
Leiter der BAO „Bosporus“ wollte der neuen Hypothese
gleichrangig neben der „Organisationstäterhypothese“
nachgehen, die anderen Teilnehmer präferierten die „Or-
ganisationstäterhypothese“. Im Protokoll zur konstituie-
renden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17./18. Mai
2006 heißt es:
„Neue Analyse der OFA Bayern
Die neue Analyse wurde den Mitgliedern der
Steuerungsgruppe sowohl in Papierform als auch
teilweise elektronisch zur Verfügung gestellt. Herr
Geier erläuterte die beiden Theorien (Organisati-
onstheorie und Einzeltätertheorie), die zwei Er-
mittlungsansätze unter einer großen Anzahl von
möglichen Motiven darstellen. Nach seiner Dar-
stellung bestehen beide Theorien gleichberechtigt
nebeneinander. Ergebnis dieser neuen Theorie ist
die Einbindung von Angehörigen der Staats-
schutzdienststellen. Herr Geier unterbreitete daher
den Bundesländern und dem BKA den Vorschlag,
bei der personellen Modifizierung zum 1. Juni
2006 Rechnung zu tragen. Von Seiten der anderen
Besprechungsteilnehmer erfolgte zu diesem Vor-
schlag keine eindeutige Äußerung.
Herr Hoffmann schlug eine Parallelauswertung der
OFA-Analyse Bayern durch eine bislang mit den
Fällen noch nicht befasste OFA vor. Beispielhaft
zeigt er die positiven Ergebnisse dieses Instrumen-
tariums im Bereich der Verhandlungsgruppen auf.
In der nachfolgenden Diskussion wurde unter an-
derem von Herrn M. der Vorschlag eingebracht,
die Serie nochmals durch eine länderübergreifende
OFA analysieren zu lassen. Herr Hoppe unterstützt
diesen Vorschlag ebenso wie Herr Schwarz. So-
wohl Herr M. als auch Herr Gricksch sind der
Meinung, dass es sich bei den Mitgliedern um un-
beeinflusste, jedoch gut ausgebildete und zertifi-
zierte Profiler handeln müsste.
Von Herrn Schwarz wurde die Frage erhoben, in-
wieweit der neue Ermittlungsansatz (Einzeltäter-
theorie) Relevanz für die Ermittlungen habe, ohne
dass das Ergebnis einer erneuten Analyse durch
eine OFA bestätigt bzw. negiert worden ist. Auf-
grund dieser Tatsache und dem gegebenen Zeit-
verzug bis zur Erstellung einer neuen Analyse
muss das jetzige Ergebnis als relevant betrachtet
werden.
[…] Herr Schwarz gibt zu bedenken, dass auf-
grund der Abstraktionsebene eine Einengung der
Ermittlungen stattfinden könnte, die zu erhebli-
chen Problemen führen würde. Zudem stellt sich
die Frage, inwieweit die Staatsschutzdienststellen
zum jetzigen Zeitpunkt in den Ermittlungsauftrag
involviert werden sollen. […] Da sich konkrete
Anhaltspunkte für eine politische Motivation aus
dem OFA-Ergebnis nicht zwingend ableiten las-
sen, soll bis auf weiteres im Rahmen von Darstel-
lungen nach außen auf entsprechende Hinweise
verzichtet werden. Herr Geier wies darauf hin,
dass ausschließlich konkrete Ermittlungsarbeit
Theorien bestätigen oder ausschließen lasse.
Auftrag an die Geschäftsstelle:
– Zunächst Selektion welche der im Bundesge-
biet vorhandene OFA-Dienststelle in der Lage
wäre, eine erneute Analyse der Gesamtserie zu
fertigen.“4939
Der Zeuge Geier hat angegeben, dass er in der Steue-
rungsgruppe das Ergebnis der 2. OFA ziemlich allein
befürwortet habe.
4940
Der Vertreter der Hamburger Polizei
in der Steuerungsgruppe, der Zeuge Schwarz, hat als
Zeuge seine Skepsis hinsichtlich der „Einzeltäterhypothe-
se“ dahingehend begründet, dass das Besondere am Ham-
burger Opfer gewesen sei, dass es sehr weitreichende
Kontakte zum „Who is who“ der Organisierten Kriminali-
tät in Hamburg gehabt habe. Das Netzwerk, das die BAO
dort aufgeführt habe, habe die Augen der Hamburger
Polizei aufgehen lassen und das Opfer durchaus in ein
interessantes Licht gestellt, allerdings nicht tief involviert
in die Organisierte Kriminalität. Deswegen sei es aus
ihrer Sicht auch sehr naheliegend gewesen, in diesem
Bereich eine Motivlage zu suchen. Da sich weder der
Mordkommission 2001/2002 noch der BAO „Bosporus“
zum späteren Zeitpunkt irgendwelche Anhaltspunkte für
ein politisches Motiv der Tat erschlossen, habe die „Ein-
zeltätertheorie“ für die Polizei in Hamburg fern gele-
gen.
4941
Im Übrigen sei das Meinungsbild in der Steue-
rungsgruppe so gewesen, dass die „Einzeltätertheorie“
nachrangig betrachtet und der „Organisationshypothese“
der Vorrang eingeräumt worden sei, und zwar von allen
Ermittlungseinheiten mit Ausnahme der Bayern.
4942
Der
Zeuge Schwarz hat jedoch auch betont, dass die Hambur-
ger Polizei alle von der BAO „Bosporus“ angeregten
Ermittlungsmaßnahmen, die in Richtung der „Einzeltäter-
theorie“ zu treffen gewesen seien, ohne Einschränkung
mit durchgeführt habe, in einzelnen Maßnahmen sogar
mit sehr hohem Aufwand.
4943
c) Haltung des BKA zur zweiten Operativen
Fallanalyse
aa) Synopse des BKA vom 17. August 2006
In einem Vermerk vom 17. August 2006 stellte die EG
„Česká“ des BKA die Arbeitsthesen zum „Einzeltäter mit
einem Hass auf Türken“ der 2. Operativen Fallanalyse des
4939) Protokoll der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, MAT A
BY-2/3d, Bl. 7 ff, 9 f..
4940) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 20.
4941) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 72 f.
4942) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 75 f.
4943) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 73.
Drucksache 17/14600 – 562 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
LKA Bayern dem Ansatz der „Organisationstheorie“
gegenüber.
4944
Diese Synopse diente der Vorbereitung
eines geplanten Gesprächs zwischen BKA-Präsident
Ziercke, dem bayerischen Landespolizeipräsidenten Kind-
ler und Vertretern der anderen von der Česká-Mordserie
betroffenen Bundesländer zum Fortgang der Ermittlungen
im September 2006. In tabellarischer Form wurden in der
Synopse „Ergebnisse der OFA“ und „Erkenntnisse und
Indikatoren zur Organisationstheorie“ dargestellt. Es heißt
hier:
„In der folgenden Synopse der zwei Arbeitstheo-
rien werden die Thesen, die nach der Auffassung
der OFA für einen ‚Einzeltäter‘ sprechen, mit Kri-
terien aus hiesigen Ermittlungen unter Zuhilfe-
nahme der einzelnen Mordermittlungsakten ge-
genübergestellt. […]
Weiter ist festzustellen, dass der aus persönlichen
Motiven geleitete ‚Einzeltäter‘ dazu neigen dürfte,
eine ‚Botschaft‘ zu hinterlassen oder sich in ir-
gendeiner Form mitzuteilen. In der anhaltenden
Serie über 6 Jahre hinweg hat der Täter bislang nur
die Nutzung derselben Waffe als ‚Zeichen‘ hinter-
lassen. Eine eigentlich zu erwartende weitere ‚Bot-
schaft‘ hat er nicht mitgeteilt. Gegen die Einzeltä-
terhypothese spricht außerdem, dass man aufgrund
der Verwendung von zwei Tatwaffen in den Fällen
1 und 3 mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von
zwei Tätern ausgehen muss. Dies würde eine abso-
lute Seelenverwandtschaft der Täter verlangen, die
sich dann auch noch rein zufällig zusammen ge-
funden hätten. Hier stellt sich die Frage, ob eine so
enge, intensive Verbindung über einen Zeitraum
von 6 Jahren überhaupt möglich ist.
Die Opfer zeigen unterschiedliche Erscheinungs-
bilder. Hier stellt sich zum ‚Einzeltäter‘ die Frage,
worauf genau schürt sich sein Hass? Angefangen
vom Alter bis hin zum Aussehen und Umfeld sind
die 9 Opfer grundverschieden. Wieso wählt er Per-
sonen aus, die auf den ersten Blick ,anständig‘
wirken? Hätte es nicht bessere Tatmöglichkeiten
für ihn gegeben? Zum Beispiel wurde der 9. Mord
in Anwesenheit von 4 Zeugen verübt. Warum soll-
te ein ‚Türkenhasser‘ ein so großes Risiko einge-
hen, wenn er direkt im Nachbarladen einen ande-
ren Türken in seinem Dönerstand hätte erschießen
können?“4945
Zwischen diesen Passagen werden auf zehn Seiten Ein-
wendungen gegen sechs Thesen der 2. OFA begründet.
Aussagen gegen ein möglicherweise rechtsextremes Mo-
tiv finden sich nicht.
Gegen die These 1 der OFA Bayern (eine OK-
Gruppierung habe nicht identifiziert werden können; die
Opfer seien für eine Organisation nicht bedeutend) wand-
te das BKA u. a. ein, dass gerade die bisherige kriminelle
4944) MAT A BKA-2/23, Bl. 144 – 154.
4945) MAT A BKA-2/23, Bl. 144 und 154.
„Unauffälligkeit“ der Opfer für die illegalen Tätigkeiten
einer OK-Gruppierung von Nutzen sein könnte. Als These
2 bezeichnete das BKA die Überlegung der OFA Bayern,
dass die angeblichen Bedrohungsszenarien vor der Tat
fraglich seien. Das BKA stellte hier heraus, dass Bedro-
hungslagen vor den Taten festgestellt werden könnten.
Dass die Nutzung derselben Waffe atypisch für eine OK-
Gruppierung sei (so OFA Bayern in These 3), stellte für
das BKA eine schlichte Behauptung dar. Außerdem wi-
dersprach das BKA der Feststellung der OFA Bayern, nur
für die Nürnberger Tatorte sei eine gewisse Ortskenntnis
erforderlich gewesen (These 4). Zur These 5 (zufällige
Anwesenheit der Opfer 1, 5 und 8 am Tatort) überlegte
das BKA, dass zum Beispiel zuvor eine Verabredung mit
dem Opfer stattgefunden haben könnte. Schließlich wand-
te sich das BKA gegen die Überlegung der OFA, dass der
Einzeltäter gezielt männliche Türken, die ein Kleinge-
werbe betrieben, tötete (These 6). Es stellte sich für das
BKA die Frage, „wie sich eine so hohe Treffsicherheit
‚ethnischer Türken‘ erklärt“. Der Schlüsseldienst in Mün-
chen, der Kiosk in Dortmund und das Internetcafé in
Kassel seien auf den ersten Blick nicht als „türkische
Geschäfte“ erkennbar gewesen.4946
Der Zeuge Ziercke, der diese Synopse damals zur Kennt-
nis genommen und dem Bayerischen Landespolizeipräsi-
denten Kindler zugeleitet hatte,
4947
hat bekundet, er wisse
nicht im Einzelnen, warum der Teil der Einzeltätertheorie,
der sich auf Rechtsextremismus oder Fremdenfeindlich-
keit beziehe, durch das Referat SO 15 völlig ausgeblendet
worden sei.
4948
Es könne sein, dass er selbst die Erstellung
der Gegenüberstellung veranlasst habe. Er habe wissen
wollen, was für den Einzeltäter spreche und was für Or-
ganisierte Kriminalität. Das Papier sei erstellt worden zu
einem Zeitpunkt, als es 2006 auch um die Frage gegangen
sei, wie es mit der Organisation überhaupt weitergehe,
wie die Organisation aufgebaut werde und wohin man mit
seinen Ermittlungen international gehe.
4949
Man sei in der
Türkei gewesen, auch weil von dort immer wieder der
Hinweis gekommen sei, das könne eigentlich nur von dort
kommen.
4950
Er hat weiterhin angegeben, nicht zu wissen,
ob die Gegenüberstellung verfasst worden sei, um eine
umfassende Argumentationshilfe gegen die „Einzeltäter-
hypothese“ innerhalb des BKA und der BAO „Bosporus“
zu entwickeln.
4951
Dem Zeugen Ziercke ist im Ausschuss der Inhalt einer E-
Mail von Frau T. aus dem BKA vom 8. September 2006
vorgehalten worden. In dieser heißt es:
„Die Abteilung SO wird gemäß Auftrag PR vom
07.09.06 gebeten, die von SO 15 erstellte Synopse
4946) MAT A BKA-2/23, Bl. 144 ff.
4947) Schreiben des BKA-Präsidenten Ziercke an den bayerischen
Polizeipräsidenten vom 15. September 2006, MAT A BY-2/9c,
Bl. 1099.
4948) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 62.
4949) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.
4950) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.
4951) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 563 – Drucksache 17/14600
zur Einzeltäter- und Organisationstheorie vom
17.08.06 [...] an AL P Kindler im Bayerischen IM
zu übersenden.
Das diesbezüglich von SO erstellte Anschreiben an
Herrn Kindler bitte bis zum 11.09.06, 14:00 Uhr
zur Unterschrift PR an LS 1 leiten.“4952
Auf die Frage, ob er mit dieser Gegenüberstellung der
politischen Führung in Bayern habe zeigen wollen, was er
vom neuen Ermittlungsansatz der BAO „Bosporus“ halte,
hat der Zeuge Ziercke erklärt:
„Nein, ich wollte nur dazu beitragen - - Ich kann
das erinnern - ich habe das mit Kindler ja auch
immer wieder erörtert anlässlich der AK-II-
Sitzungen oder bei den Treffen, die wir hatten -,
dass wir da mal eine Gegenüberstellung gemacht
haben und damit alle gleichermaßen, die in Ver-
antwortung waren auch letztlich - und gerade er in
Bayern ist ja in einer großen Verantwortung gewe-
sen in dieser Sache -, den Erkenntnisstand hatten,
den ich auch hatte. Ich wusste nicht, ob er das auch
alles so gegenwärtig hatte, was meine Leute mir da
aufgeschrieben hatten.“4953
Der Zeuge Maurer hat angegeben, er persönlich habe
keine Erinnerung mehr an diese Synopse. Er vermute,
dass bei der Erstellung des Papiers eine Rolle gespielt
habe, dass es nach der Entscheidung für eine Steuerungs-
gruppe bei den Mitarbeitern des BKA die Befürchtung
gegeben habe, dass dem Aspekt des BKA-Auftrages nicht
mehr ausreichend Rechnung getragen werde.
4954
bb) Weitere Einschätzung des BKA
Der Vizepräsident des BKA, Falk, sah die „Einzeltäter-
theorie“ ebenfalls kritisch.4955 Auf einen Artikel der Zeit-
schrift Die Welt vom 8. August 2006 zur Mordserie und
der Darstellung eines Täterprofils anhand der 2. OFA
notierte er handschriftlich „m. d. B. um einen Kommentar
zu dieser Kaffeesatzleserei!“.4956 Diesen Kommentar hat
der Zeuge dahingehend erläutert, dass ihm zu dem Inhalt
der OFA lediglich mündlich berichtet worden sei. Das
Ergebnis sei gewesen, dass man eine „Einzeltäterthese“
verfolge, aber ohne die Information, der Täter könne vor
2000 einen Vorlauf in der rechten Szene gehabt haben.
Die „Einzeltäterthese“ habe er schon wegen der zweiten
Waffe im ersten und dritten Mordfall für unwahrschein-
lich gehalten.
4957
Den Begriff des Einzeltäters habe er
buchstäblich genommen.
4958
Der in dem Artikel enthalte-
ne Satz, die Polizei habe jetzt erstmals eine konkrete
4952) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.
4953) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 62.
4954) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 14.
4955) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 55; Einzelheiten zur 2. OFA siehe
oben im Abschnitt F. V. 8. a).
4956) MAT A BKA 2/14 Bl. 229.
4957) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 30.
4958) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 56.
Vorstellung von dem Killer, sei falsch gewesen.
4959
Grundsätzlich habe er eine gewisse Skepsis gegenüber
„Profilings“ als Ermittlungsgrundlage entwickelt, vor
allem wenn sie faktenfrei seien. Wenn sie nicht belegbar
seien, dürften sie nicht ermittlungsleitend eingesetzt wer-
den.
4960
Der damals zuständige Abteilungsleiter des BKA, der
Zeuge Maurer, hatte jedoch nach Angaben des Zeugen
Hoppe Sympathien für die „Einzeltätertheorie“.4961 Dies
wird auch bestätigt durch eine E-Mail eines BKA-
Mitarbeiters vom 26. August 2006, mit der die Synopse
an den Leitungsstab des BKA übersandt wurde:
„Ich möchte aber in diesem Zusammenhang nicht
unerwähnt lassen, dass unser AL der ‚Einzeltäter-
theorie‘ zuneigt und diese Synopse daher ‚nur‘ die
Meinung von SO 15 wiedergibt.“4962
Der Zeuge Maurer hat im Ausschuss zu seiner damaligen
Einschätzung ausgeführt:
„Ich kann dezidiert sagen, nachdem man mir 2005
im Mai den Sachstand dargestellt hat, dass meine
Einschätzung war: Wenn sie so lange Jahre OK
ermitteln, dann ist es doch naheliegend, dass es
auch ein anderes Motiv sein kann, auch wenn wir
keine Spurenlage haben.“4963
Allerdings sei die „Einzeltäterhypothese“ missverständ-
lich in Bezug auf den Ankerpunkt Nürnberg gewesen.
Dies habe dazu geführt, dass er sich nicht sehr intensiv
mit der 2. OFA beschäftigt habe.
4964
cc) Tätigkeiten des BKA mit Blick auf die Ein-
zeltätertheorie
Der Zeuge Ziercke hat bekundet, die „Einzeltätertheorie“
unterstützt zu haben.
4965
Dies sei auch in Besprechungen
mit Herrn Kindler, dem bayerischen Landespolizeipräsi-
denten, deutlich geworden. Er habe es für einen Versuch
wert gehalten, der „Einzeltätertheorie“ in Bezug auf
Nürnberg nachzugehen.
4966
Auf Nachfrage, worin die Unterstützungsleistung des
BKA konkret bestanden habe, hat er ausgeführt:
„[…] wir haben in diesem Feld - oder ich - inso-
weit unterstützt, dass ich gesagt habe: Ja, ich finde
das gut, dass das gemacht wird, dass dieser Drive
jetzt auf Nürnberg sich bezieht, dass man diesen
rechtsextremistischen Ansatz weiterverfolgt. Ich
hätte ja sagen können - Probleme machen kön-
nen -: ‚Das sehen wir ganz anders‘ oder: ‚Wir ha-
4959) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 55.
4960) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 58.
4961) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 45.
4962) MAT A BKA-2/23.09, Bl. 143.
4963) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 9.
4964) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 29.
4965) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.
4966) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 66.
Drucksache 17/14600 – 564 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ben da Bedenken dabei, dass die Kräfte sich zer-
splittern‘. Das haben wir natürlich nicht gemacht.
Wir haben ansonsten unsere Spuren, die wir im
Bereich der Organisierten Kriminalität hatten, na-
türlich weiterverfolgt, und wir haben über die Teil-
habe in der Steuerungsgruppe mitgewirkt, diese In-
formationen, die aus diesem Bereich kamen, auch
über PIOS, BKA - das ist unser eigenes Datensys-
tem -, mit abzugleichen.“4967
Dem Zeugen Ziercke ist vorgehalten worden, aus den
Akten gehe nicht hervor, dass das BKA aktiv die Ermitt-
lungsarbeit mit Blick auf eine Verbindung zur rechten
Szene unterstützt habe. Hierzu hat der Zeuge erklärt, man
habe die Datensysteme des BKA – PIOS – zur Verfügung
gestellt, um diese Daten dort mit abzugleichen.
„Das war unser Beitrag; denn das sind ja die In-
formationen, die wir haben, polizeiliche Informati-
onsverarbeitung; die haben wir alle zur Verfügung
gestellt zum Abgleich der Daten.“4968
Bei den abzugleichenden Daten habe es sich um Perso-
neninformationen, Institutionen und Organisationen ge-
handelt. Es sei um Einwohnerdaten und um Waffenkar-
ten, Waffenscheinbesitzer und überhaupt um Waffenbe-
sitzer gegangen.
4969
Zwar seien bei den Waffenbesitzkar-
ten nicht nur Rechtsextreme überprüft worden, vielmehr
habe man die Rechtsextremisten aus diesen 25 000 her-
ausfinden müssen. Auf die Frage, ob die für Rechtsextre-
mismus zuständige Staatsschutzabteilung des BKA betei-
ligt worden sei, hat der Zeuge Ziercke geantwortet:
„Das weiß ich jetzt nicht. Aber PIOS ist bei der
Staatsschutzabteilung bei mir.“4970
Die Zeugen Hoppe und Maurer, BKA, haben erklärt, der
Ermittlungsansatz eines rechten Tathintergrundes sei vom
BKA gleichwertig neben dem auf die „Organisationstheo-
rie“ bezogenen Ansatz verfolgt worden.4971 Der Zeuge
Maurer hat ausgeführt:
„Wir haben definitiv im BKA nach diesen Bespre-
chungen IMK und der Festlegung ‚Einrichtung
Lenkungsausschuss Nürnberg‘ keine rechte Spur
verfolgt, keinen rechten Schwerpunkt gesetzt. Al-
so, den falschen Eindruck will ich hier nicht ver-
breiten. Was wir gemacht haben, ist, dass wir ei-
nen Zugang zur Verfügung gestellt haben, einen
Abprüfungszugang, Prüfungszugang für die Daten
aus Nürnberg, diese an der Datei ‚rechts‘ vorbeizu-
führen. Ob das zielführend war, sei mal eine ganz
andere Diskussion; aber das ist gemacht worden.“
Die Frage, wer jetzt diese Spur, diese Ausgangs-
hypothese am stärksten verfolgen soll, war auch
4967) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 53.
4968) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 54.
4969) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 54.
4970) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 54.
4971) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 20, 22, 37; Maurer, Protokoll-
Nr. 36, S. 5, 8, 12.
entschieden: Das sollte Nürnberg sein. Ob jetzt ein
Problem entsteht dadurch, dass man bereits in der
ersten OFA zum Ergebnis kam: Ankerpunkt Nürn-
berg, in der zweiten Einzeltäter-OFA zu dem Er-
gebnis kam: Ankerpunkt Nürnberg, dann vielleicht
zu beschränkt in seinen Überprüfungen hinsicht-
lich der Einbindung von Landesämter für Verfas-
sungsschutz ist, das konzediere ich gern. Aber da
gibt ein Punkt den anderen. Und der ist nicht da-
durch definiert, dass das bewusste Fehlentschei-
dungen sind, sondern man setzt sich auf diese Ar-
gumentationslinie, die seit Jahren entstanden
ist.“4972
Die „Einzeltätertheorie“ habe nach Aussage des Zeugen
Hoppe beim BKA zu keinen Konsequenzen geführt, weil
dieses den spezifischen Ermittlungsauftrag aus dem Jahr
2004 auch über 2006 fortgeführt habe. Dieser Auftrag
habe sich ausschließlich auf ergänzende strukturelle Er-
mittlungen im Hinblick auf § 129 StGB zur Ermittlung
der Auftraggeber und Hintermänner bezogen.
4973
Die
BAO „Bosporus“ sah dies genauso: Dem AK II der In-
nenministerkonferenz stellte die BAO „Bosporus“ am
7. September 2007 die Theorien der 1. und 2. OFA mit
folgender Bewertung vor:
„Für Bayern wurde entschieden, beide Theorien
gleichrangig zu verfolgen, bis eine eindeutige Prä-
ferenz an Fakten festgemacht werden kann. Die
anderen beteiligten Einheiten, vor allem das BKA
schon ‚qua Auftrag‘, legen ihren Schwerpunkt auf
die Organisationstheorie. Die Datenerhebungen im
Zusammenhang mit der Serientätertheorie wurden
von allen anstandslos mitgetragen.“4974
Das BKA gab das Einzeltäterprofil nicht an das BfV zur
Datenüberprüfung weiter, weil nach der Aussage des
Zeugen Hoppe, BKA, die Spur „Einzeltäter“ in der BAO
„Bosporus“ bearbeitet worden sei. Von dort habe es ge-
heißen, man gehe auf das LfV Bayern zu, um die ganzen
Hintergründe zu besprechen.
4975
Am 14. April 2010 trug BKA-Präsident Ziercke beim
Zweiten Sicherheitsgespräch zum Thema „Stand und
Perspektiven der Bekämpfung der Organisierten Krimina-
lität“ vor. Er stellte die Česká-Mordserie dabei als Bei-
spiel für einen ungelösten Fall der „Organisierten Krimi-
nalität“ vor.4976 Der Zeuge Ziercke hat dazu ausgesagt, er
könne sich nicht vorstellen, dass er, wenn er dieses Refe-
rat gehalten haben sollte, nicht auch andere Ermittlungs-
richtungen angesprochen habe, aber für den anderen
Phänomenbereich habe man keine Grafik machen kön-
nen.
4977
4972) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 15.
4973) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 35.
4974) Bericht vom 7. September 2007, MAT A BY-2/3d, Bl. 437 ff.,
439.
4975) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 38.
4976) MAT A BKA-2/33, Bl. 302 f.
4977) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 565 – Drucksache 17/14600
Der Zeuge Maurer hat betont, ein möglicher Hintergrund
der Taten hinsichtlich „Organisierter Kriminalität“ oder
„Rechtsextremismus“ habe bis zum 4. November 2011
unverändert im Raum gestanden.
4978
d) OFA-Methodenstreit
Der Zeuge Schwarz, LKA Hamburg, war aus methodi-
schen Gründen mit der 2. OFA nicht einverstanden. Er hat
ausgesagt, dass Grundlage einer jeden vergleichenden
Fallanalyse jeweils eine Einzelfallanalyse sein müsse.
Außerdem habe der Fallanalytiker der OFA Bayern, Herr
Horn, zum Beispiel in der 2. Operativen Fallanalyse fest-
gestellt, dass der oder die Täter einen sogenannten An-
kerpunkt in Nürnberg hätten. Herr Horn habe die Tatort-
lage aller Tatorte betrachtet und festgestellt, dass die
Tatorte in Nürnberg besondere Ortskenntnisse voraussetz-
ten, während die Tatorte an anderen Tatorten an
Hauptein- oder -ausfallstraßen der jeweiligen Städte gele-
gen haben sollen. Da habe er (der Zeuge Schwarz) die
Stirn gerunzelt, weil zum Beispiel nicht zuletzt auch der
Tatort in Hamburg zwar 100 oder 150 Meter von einer
Haupteinfallstraße in die Stadt im Westen liegt, von dort
aber nicht einsehbar sei und es ein purer Zufall wäre,
wenn man dort ein türkisches Gemüsegeschäft suchen
wollte. Zwei der Tatorte seien nur Eingeweihten bekannt
gewesen. Das sei ein Beispiel, warum sie dieser Hypothe-
se, dass die Täter einen Ankerpunkt, also entweder Arbeit
oder Lebensmittelpunkt, in Nürnberg haben mussten,
nicht gefolgt seien. Der Zeuge Schwarz hat weiter ausge-
führt, dass die 2. Operative Fallanalyse auch mit Blick auf
den Umfang der Fallanalyse für ihn methodisch fragwür-
dig gewesen sei. Sie erschöpfte sich in der Powerpoint-
Präsentation. Entsprechende Ausführungen, die diesem
Standard von Fallanalysen entsprechen, seien ihm nicht
bekannt.
4979
Der Leiter der bayerischen OFA, Horn, vermerkte zum
Methodenstreit am 3. August 2006:
„Aus Sicht der OFA Bayern handelt es sich bei der
vorliegenden Fallkonstellation nicht um eine klas-
sische vergleichende Fallanalyse, da der Serienzu-
sammenhang über objektive Spurenlage belegt ist.
Die OFA Hamburg vertritt hier den folgenden
Standpunkt:
Es ist bei der vorliegenden Fallkonstellation sinn-
voll bzw. erforderlich, das Instrument der Verglei-
chenden Fallanalyse zur Anwendung zu bringen,
da sich die Frage stellt, ob alle bzw. welche der bis
dato 9 Taten von demselben Schützen ausgeführt
wurden. Die Verwendung desselben Tatmittels
(Česká) ist nicht gleichzusetzen mit objektiven
Faktoren wie DNA oder tatrelevante Fingerspuren,
die eindeutig belegen, dass die 9 Taten von dem-
selben Täter verübt wurden. Demzufolge sollten
zunächst Einzelfallanalysen durchgeführt werden,
4978) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 59.
4979) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 75 ff.
welche die notwendigen Charakteristik-Tools für
eine Vergleichende Analyse bereitstellen. Zwecks
Erhaltung der inhaltlichen Unabhängigkeit und
Objektivität sollten sie von unterschiedlichen
Teams durchgeführt werden.
Es handelt sich hierbei um eine Frage der Ausle-
gung der Qualitätsstandards für Fallanalysen in
Deutschland, mit welcher Methodik dieser Fall
analytisch bearbeitet wird. Aufgrund der sehr spe-
zifischen und bisher noch nie vorgekommenen
Konstellation, nämlich dass der Tatzusammenhang
aufgrund Schusswaffe belegt, die Frage der indivi-
duellen Tatbeteiligung der Person jedoch zu be-
werten ist, wurde diese Frage in den Qualitätsstan-
dards nicht abschließend geregelt.
Der Unterzeichner hat sich als verantwortlicher
Fallanalytiker für die BAO ‚Bosporus‘ auch auf-
grund der Feststellung, dass in diesem Fall nur
sehr wenig Täterverhalten gezeigt wird, dazu ent-
schieden, einzelne Tathergangsanalysen durch ein
Team durchzuführen, da aufgrund des einge-
schränkten Täterverhaltens eine objektive Bewer-
tung auch durch ein Fallanalyseteam möglich ist.
Neben den Bewertungspunkten Opfer- und Ob-
jektauswahl, Zeit- und Ortsfaktoren wurden darauf
aufbauend die Schussmuster und das gezeigte
Schießverhalten einer Bewertung unterzogen, um
die wahrscheinlichste Hypothese zu entwickeln, ob
es sich bei dem Schützen an der 7,65 um dieselbe
Person handeln könnte. Nachdem dies bejaht wur-
de, erfolgten entsprechende Ableitungen.“4980
e) Die Ermittlungskonzeption aufgrund der
2. Operativen Fallanalyse
In der Folgezeit erarbeitete die OFA Bayern gemeinsam
mit Ermittlern der BAO „Bosporus“ die Ermittlungskon-
zeption vom 14. Juli 2006. Dort heißt es:
„3. Ermittlungskonzept ‚Einzeltäter‘
Unter dem Dachbegriff ‚Alternativhypothesen‘
wurden Ermittlungsansätze in den Bereichen ‚Ge-
heimdienst‘, ‚Kriminalität‘ und ‚Mission‘ beleuch-
tet und exemplarisch abgehandelt. Letztere Rubrik
ist Basis der abschnittsbildenden Einzeltätertheo-
rie, die in der 2. Fallanalyse BAO „Bosporus“ der
OFA Bayern inhaltlich unter ‚Missionsgeleiteter
Täter‘, begrifflich aber als ‚Einzeltäter‘ dargestellt
wird. Alternativ zur ‚Organisationstheorie‘ folgt
dieser analytische Täterermittlungsansatz einer
persönlichen, psychopathischen oder/und ideologi-
schen Motivlage, im Sinne von Rache oder Wut
gegen türkische / türkisch aussehende Opfer. Die-
ser Tätertypus fühlt sich aufgrund tatsächlichem
4980) MAT A BKA-1/13, Bl. 2 f; vgl. auch den chronologischen
Abriss zur Historie des Methodenkonflikts, MAT A BKA 2-13,
Bl. 33 f.
Drucksache 17/14600 – 566 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
oder eingebildetem Unrecht subjektiv legitimiert,
Tötungsdelikte zu begehen. Dabei richtet sich sein
Hass gegen männliche türkische / türkisch ausse-
hende Kleingewerbetreibende. Neben der in allen
Fällen benutzten Tatwaffe Česká Typ 83, Kal. 7,65
sind diese Opferkriterien in allen 9 Mordfällen
Fakt. Dabei könnte der Hass gegen türkische La-
denbesitzer sowohl in einem negativen Erlebnis
liegen, das in der Biografie des Täters zu finden
sein wird und zu einer zielgerichteten Entwicklung
eines Feindbildes geführt hat, als auch in einer aus-
länderfeindlichen Gesinnung speziell gegen Tür-
ken, die sich evtl. im Vorfeld durch die Nähe zur
rechten Szene ausgedrückt haben könnte. Neben
einem überregional agierenden Haupttäter gibt es
in drei Fällen Anhaltspunkte für einen Mittäter, da
in den Fällen 1 und 3 zwei Waffen verwendet
wurden und im Fall 6 eine Tatzeugenwahrneh-
mung vorliegt, die zwei Radfahrer unmittelbar am
Tatort beschreibt. Die Beziehung der beiden Täter
wird als eine sehr enge, von außen wahrnehmbare
angenommen, wie etwa eine enge Freundschaft
oder Familienverbund, die mit wiederkehrenden
gemeinsamen Freizeitaktivitäten einhergeht. Täter
2 weist abhängige Persönlichkeitszüge auf, orien-
tiert sich an dem vermutlich älteren Täter 1 und
dürfte eher Mitläufer denn Ideengeber sein. Ab
Fall 3 trat er erkennbar nicht mehr als Schütze auf.
Die Frage, ob der Täter ein psychisch Kranker ist,
wird zwar hinsichtlich einer Persönlichkeitsstö-
rung bejaht, eine Erkrankung aus dem psychoti-
schen Formenkreis wie Paranoia oder Schizophre-
nie jedoch ausgeschlossen. […]
Zusammenfassend kommt die OFA bei der Missi-
onstäterbetrachtung zu folgendem Ergebnis:
– Täter verfügt über psychopathische Persön-
lichkeit
– Täter entwickelt ablehnende Haltung gegen-
über Türken
– Täter sucht ggfs. Nähe zur rechten Szene (eine
denkbare These mit Ermittlungsansatz)
– Täter ist von deren ‚Schwäche‘ enttäuscht
– Täter entwickelt die Vorstellung seiner eige-
nen Mission
– Täter beschafft sich (falls nicht bereits vor-
handen) die Tatmittel und entwickelt diese im
Verlauf der Serie weiter
– Täter verfestigt seinen Tatentschluss und be-
hält diesen über Jahre bei
– Täter gewinnt durch die erfolgreichen Taten
an Selbstbewusstsein und ist bereit auch höhe-
re Risiken einzugehen (Allmachtsphantasien)
– Täter begeht die Taten in sich verkürzenden
Zeitintervallen
Diese, aus Fakten erarbeiteten Überlegungen mün-
den nunmehr in folgendes Täterprofil:
– Männlich
– Alter zum Tatzeitpunkt 2000
o Priorität 1 = 22 – 28 Jahre
o Priorität 2 = 29 – 35 Jahre
o Priorität 3 = 18 – 21 Jahre
– Geografisch analytische Ableitung
Bei einer situativen Opferauswahl stehen Tatort-
und Tatzeitauswahl im Fokus, Ziel ist die Ablei-
tung regionaler Bezüge (Ankerpunkt) des/der Täter
vor dem Hintergrund bekannter Orts- und Zeitfak-
toren.
Der Ankerpunkt des Täters wird aufgrund der
Konzentration der Tatorte im südöstlichen Raum
Nürnbergs angenommen. Für eine Rasterung kann
dabei nur auf gemeldete Wohnsitze zurückgegrif-
fen werden, obwohl Arbeitsstellen und Wohnun-
gen des sozialen Umfelds wie Primärfamilie oder
Beziehungspartner nicht auszuschließen sind. Die
Auswahl zumindest eines Teils der übrigen Tatorte
dürfte im Rahmen einer (beruflichen) Routineakti-
vität erfolgt sein.
– Polizeiliche Vorerkenntnisse müssen nicht
zwingend vorliegen, da keine Tendenz zur Be-
reicherung bei den Taten erkennbar war. Da-
her sind eher keine Eigentumsdelikte zu er-
warten. Der Täter zeigt ein hohes Maß an
Kontrolliertheit und Anpassungsfähigkeit, da-
her sind nicht unbedingt Taten mit Verlust der
Impulskontrolle zu erwarten. Bei allen Taten
wurden aus Tätersicht so viel Schüsse abge-
geben wie zur Tötung nötig waren, also kein
‚übermäßiges‘ Anwenden der Schusswaffe(n)
im Sinne von ‚Übertöten‘. Dieses Verhalten
lässt auf einen kontrollierten Hass des Täters
rückschließen. Daher sind eher keine konfron-
tativen Delikte im Vorstrafenregister zu er-
warten. Falls polizeiliche Erkenntnisse vorlie-
gen, sind sie am ehesten im Bereich Staats-
schutz (rechts), Waffen/Sprengstoffdelikte
(auch Schießen außerhalb von Schießstätten)
und evtl. Sachbeschädigungen als stellvertre-
tendes Aggressionsdelikt zu erwarten.
Die angenommene Zugehörigkeit zur rechten Sze-
ne ist im Zeitraum vor der 1. Tat (2000) und der
Rückzug nach Beginn der Serie zu erwarten. In
seiner Vorstellung waren die Aktivitäten der rech-
ten Szene zu ‚schwach‘. Daher könnten im Vorfeld
des Rückzuges durch ihn Aufforderungen zu rech-
ten Aktionen erfolgt sein, was sich bei Szenere-
cherchen widerspiegeln könnte.
– Zur Frage des Berufes ist anzunehmen, dass er
einer Beschäftigung nachgeht, insbesondere
auch, weil sich keinerlei Anzeichen für finan-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 567 – Drucksache 17/14600
zielle Bereicherungen trotz leichter Möglich-
keiten bei einigen Morden nachweisen ließen.
[…]
– Bei Betrachtung der einzelnen Tatausführun-
gen fällt eine ausgeprägte, sich
,perfektionierende‘ Schießfertigkeit auf, die
auf eine wie auch immer geartete professio-
nelle Schießausbildung rückschließen lässt.
[...]
– Erfahrungsgemäß haben eine Vielzahl der Tä-
ter, die Tötungsdelikte mit Schusswaffen be-
gehen, bereits vor der Tat eine besondere Be-
ziehung zu diesen Waffen und häufig auch ei-
ne Zugriffsmöglichkeit, auch in Form des ei-
genen legalen Waffenbesitzes oder im näheren
sozialen Umfeld. In den wenigsten Fällen
dürfte es zuerst zum Tatentschluss und erst
danach zur illegalen Beschaffung der entspre-
chenden Schusswaffe kommen. Nicht selten
verleitet der legale Waffenbesitz auch zum
Erwerb weiterer illegaler Waffen. Davon aus-
gehend werden Ermittlungen im Bereich der
legalen Waffenbesitzer für zweckmäßig erach-
tet.
Fußend auf den dargelegten analytischen Betrach-
tungen unter den bekannten Tatort-/ Tatzeitfakto-
ren, insbesondere auch hinsichtlich der nicht er-
klärbaren Tötungs-Pause zwischen Fall 4 und 5
(29. August 2001 – 25. Februar 2004), sind fol-
gende Ermittlungen i.S. Einzeltäter von der OFA
Bayern empfohlen (Anm.: Der Begriff ‚Missions-
täter‘ wird aus medialen Gründen nach Festlegung
der BAO-Leitung nicht verwendet!):
– Ermittlungen in der rechten Szene Nürnbergs,
auch hinsichtlich Aussteiger
o Der/die Täter könnten bis 2000 in der rech-
ten Szene Nürnberg aktiv gewesen sein, da-
nach erscheint ein Rückzug wahrscheinlich.
o Ggfs. enge Verbindung zu einer weiteren
Person, evtl. Mittäter, der in der Szene be-
kannt sein dürfte.
o Prüfung hinsichtlich evtl. Forderung nach
Aktionen, da die bisherigen als zu ‚schwach‘
und wirkungslos bewertet wurden.
o Wehrsportvereine bzw. -übungen;
– Ermittlungen in Schützenvereinen Nürnbergs
o Combat-Schießen
o Enge Verbindung zu weiterer Person
o Türkenfeindliche Gesinnung
o Wer besitzt Česká 7,65, Typ 83?
– Ermittlungen bzgl. Gotcha-Schießen
– Ermittlungen bzgl. Schießen außerhalb von
Schießstätten/Sprengversuchen
– Ermittlungen hinsichtlich möglicher Arbeits-
stelle
o Firmen mit Bezügen nach HH [Hamburg],
HRO [Rostock] und München, Bereich um
DO [Dortmund] und KS [Kassel]
o Evtl. ,Technischer Service’ etc.
– Die folgende Rasterung innerhalb Nürnbergs
fußt auf der Annahme:
o Ankerpunkt Nürnberg in 2000 (Beginn:
süd/östl. Raum)
o 22 bis 28 Jahre im Jahre 2000
o deutsch
o Filter: alle legalen Waffenbesitzer
– Legale Česká 7,65, Typ 83 feststellen – be-
ginnend mit Ordnungsamt Stadt Nürnberg
(Entscheid. anhand Datenmenge ob Anfrage
geografisch erweitert wird)
– Versuch der Waffensystembestimmung der
nicht identifizierten Tatwaffe 6,35, mit der
letztlich der tödliche Schuß auf Şimşek (Fall 1)
abgegeben wurde und nach Sachlage von 2
Mördern auszugehen ist, z. B. durch bundes-
weite Verteileranfrage nach sichergestellten,
aber polizeilich nicht beschossenen Pistolen
6,35 vor der ersten Tat und nach der dritten
Tat (z. B. bei Schusssuiziden oder Durchsu-
chungen)
– Schützenvereine Nürnberg, beginnend im
Südosten, angrenzenden Landgemeinden, Jä-
ger.
3. 1. Verfeinertes Täterprofil
Die Altersannahme beruht auf den Erkenntnissen
und Erfahrungswissen der OFA, dass Serienmör-
der statistisch 25-40 Jahre alt sind. […]
Geografische Ableitungen
Der Ankerpunkt des Täters ist nach Betrachtung
aller Fälle im südöstlichen Raum Nürnbergs, eher
als Wohnort, denn Arbeitsstelle anzunehmen. Die-
se Annahme begründet sich zum einen auf die Be-
gehung der Ersttat, die Tatbegehung innerhalb der
Welle 2001 sowie die Konzentration von 3 Tö-
tungsdelikten in Nürnberg, den Bewertungen aller
Tatorte mit ihrem infrastrukturellen Umfeld und
der Erreichbarkeit mit Verkehrsmitteln, der Risi-
kobereitschaft des Täters und das daraus abgeleite-
te sichere und unauffällige Bewegen in einer ihm
bekannten Umgebung und letztlich in der Beant-
wortung der Frage: ‚Wie wahrscheinlich ist es,
dass ein ortsfremder Täter zufällig an diese Tatorte
kommt?‘. Darüber hinaus ist der Tatort im Fall 6
(Yaşar) für einen Täter aus dem Organisationsthe-
orieansatz heraus ein denkbar schlechtes Tatob-
jekt, für den hier charakterisierten Einzeltäter aber
‚Thrill‘ im Sinne von Erfüllung. Dies schließt aber
Drucksache 17/14600 – 568 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht aus, dass der Ankerpunkt auch das Eltern-
haus, Schule, Exfrau usw. sein kann, weshalb bei
den EWO-Daten auch die Wegzüge ab 1990 (wur-
de aufgrund angenommen Alters des Täters so
festgelegt) einbezogen wurden.
Basis für den Ermittlungsansatz ‚Einzeltäter‘ sind
daher die als Täterprofil festgelegten Kriterien,
nämlich das Geschlecht, Alter, Geografie und Na-
tionalität, die Affinität zu Waffen und die Mobili-
tät, evtl. beruflich bedingt. Die Kenntnis-
se/Erhebungen zur rechten Szene und polizeiliche
Vorerkenntnisse flankieren den Ansatz.
7 3. 2. Umsetzung des Täterprofils in einem Stu-
fenkonzept
Die Vorgehensweise innerhalb dieses Stufenkon-
zeptes hat primär die Erhebung rasterfähiger Daten
zum Ziel, auf der Basis der Einwohnermeldedaten
Nürnbergs, legale Waffenbesitzer Nürnbergs und
Informationen aus sonstigen Datenbanken (z. B.
IGVP/BRV, Inpol, PIOS/BKA, EASy rechts, Zoll,
Bundespolizei), um über den Abgleich mit den Tä-
terprofilkriterien potentiell Tatverdächtige sichtbar
zu machen und sie daher einer Überprüfung zuzu-
führen.
Da sich die außer Frage stehende Mobilität des Tä-
ters nur begrenzt rastern lässt, werden Quellen ge-
sucht und ausgewertet, in denen der/die Täter
diesbezüglich Spuren hinterlassen haben können,
z. B. Funkzellendaten (Telekommunikationsver-
bindungsdaten), Bankdaten (Transaktionen mittels
Debit-/Kreditkarten), Daten von Autovermietern,
Daten von Übernachtungen (Hotels, Campingplät-
ze), Daten im Zusammenhang mit dem Straßen-
verkehr (Ringalarmfahndung, Radarkontrollen,
Parkverstöße, Videobänder aus Überwachungsan-
lagen im Stadtgebiet und Tankstellen, Verkehrsun-
falldaten), Daten aus Polizeidateien (Haftdateien,
Vorgangsverwaltung etc. wie bereits angespro-
chen) u. a., die teilweise bereits umgesetzt und im
Ergebnisprotokoll zum parallel stattgefundenen 1.
Analyse-Workshop vom 20.-22. Juni 2006 darge-
stellt und erläutert sind. […]
Als weitere rasterfähige Datenpools werden die le-
galen Waffenbesitzer Nürnbergs (WBK, Waffen-
schein, Ersatzbescheinigungen) und der Personen-
kreis, die legal Zugriff auf Waffen und Schall-
dämpfer haben, z. B. Jäger, Schützenvereine, er-
hoben. […]
Ermittlungskriterien für Einzelüberprüfungen
Neben den angesprochenen rasterfähigen Daten
entziehen sich mehrere tat- und täterprägende As-
pekte einer Matrixbewertung und müssen sozusa-
gen händisch durch kriminalistische Feinermitt-
lungsarbeit ‚abgeklopft‘ werden. Dies sind Fragen
beim potentiell Tatverdächtigen zum tatauslösen-
den Ereignis (Stichwort: Hass gegen Türken), ei-
ner geeigneten Person als Mittäter (zumindest bis
Fall 3), Pausen innerhalb der Serie, in der z. B. der
Bombenanschlag Köln 9. Juni 2004 liegt, Affinität
zu Waffen durch externes Militär (z. B. ehemalige
DDR-Volkspolizei, Stasi, Fremdenlegion, Ange-
höriger von US-Streitkräften mit Zugang zu
Schießmöglichkeiten etc.).
4. Sonstige Ermittlungsansätze
– Polizeiliche Beobachtung der Internethome-
pages BAO ‚Bosporus‘ bzgl. Homepagebesu-
cher, Zugriffshäufigkeit und -tiefe. […]
– Entwerfen einer Medienstrategie. […]
– Abgleich von Personen in Internetforen/-chats,
die sich negativ bzgl. Ermittlungsvolumen der
Polizei äußern (,[...] sind doch nur Türken!‘)
– Herausarbeiten örtlicher und zeitlicher fall-
verbindender, insbesondere auf die Mobilität
abzielender Komponenten, z. B. Ermittlung
und Abgleich von Veranstaltungen, Messen,
Jahrmärkten, (rechten) Rockkonzerten etc. zu
den jeweiligen Tatzeiträumen in N, M [Mün-
chen], HH [Hamburg], HRO [Rostock], DO
[Dortmund], KS [Kassel]. Gibt es rechte As-
soziationen zu den Tatorten oder/und Tatzei-
ten (analog etwa Grundsteinlegung/Eröffnung
Doku-Zentrum Nbg. o.ä.). Dienstleistungs-
komplex am Tatort Rostock: Welche Fremd-
firmen, Serviceunternehmen waren zur TZ in
TO-Nähe beschäftigt (Beschäftigte aus Nürn-
berg?).
– Massendatenerhebungen und -abgleiche, wie
im Ergebnisprotokoll vom 26. Juni 2006 zum
1. Analysten-Workshop vom 20. Juni – 22.
Juni 2006 in Nürnberg dargelegt.
– Schussversuche mit einer Česká, Typ 83, Kal.
7,65 mit Original-Schalldämpfer unter Betei-
ligung des Schußwaffengutachters, Herrn
Pfoser, der OFA und SEK München. Ziel ist,
grundsätzliche Abläufe beim Schießen durch
eine Plastiktüte mit allen spurenrelevanten
Komponenten an der Waffe, am Schützen, an
der Tüte und am Opfer möglichst getreu nach-
stellen und (gutachtlich) einschätzen zu kön-
nen.“4981
Die „Organisationstäterhypothese“ sollte nach Angaben
des Zeugen Horn gleichwohl weiterverfolgt werden, da es
auch in Fall 8 und 9 Zeugenwahrnehmungen gegeben
habe, die ein Gespräch oder ein Streitgespräch gesehen
hätten.
4982
Auf die Frage, warum die Ermittlungen zum Ankerpunkt
Nürnberg bei den Einwohnermeldedaten ansetzten, hat
der Zeuge Horn geantwortet, dass es hier um den Einsatz-
abschnitt Rasterung gegangen sei. Für die Rasterung seien
4981) MAT A BKA-2/22, Bl. 199 ff.
4982) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 53 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 569 – Drucksache 17/14600
natürlich Grundlage die Daten der dort gemeldeten Perso-
nen gewesen. Nur diese Daten seien vorhanden gewesen.
Daneben habe er empfohlen, einen eigenen Unterab-
schnitt einzurichten: Ermittlungen in der rechten Szene in
Nürnberg, auch hinsichtlich Aussteiger. Es müsse unter-
schieden werden zwischen der Datenrasterung auf der
einen Seite. Hierfür stünden nur „harte Daten“ zur Verfü-
gung. Auf der anderen Seite gebe es noch die konkrete
Ermittlung in der rechten Szene in Nürnberg.
4983
9. Die Medienstrategie
Am 12. Juni 2006 beauftragte der Leiter der BAO „Bos-
porus“, LKD Geier, die OFA Bayern ergänzend hinsicht-
lich folgender Punkte:
„1. Erstellen eines verfeinerten Täterprofils auf der
Grundlage der 2. Fallanalyse vom 9.5.06. Dazu
werden 3 Beamte der BAO i. d. Z. vom 19. bis
21.6.06 zur OFA entsandt.
2. Unterstützung bei der Erstellung einer einheitli-
chen Homepage im Internet durch das BKA und
Verlinkung aller beteiligten Tatortdienststellen auf
diese Homepage. Die Überwachung und die sich
daraus ergebende Spurenbearbeitung soll laut Be-
schluss in der 1. Strategiebesprechung durch das
BKA erfolgen.
3. Unterstützung des BKA bei der Erstellung eines
einheitlichen bundesweiten Fahndungsplakates in
Bezug auf das Layout.
4. Entwicklung einer Medienstrategie, v.a. im
Hinblick auf Fahndungsplakat, Internet-
Homepage, XY-Sendung, ,Teilveröffentlichung‘
des Täterprofils, Reaktion bei Fortsetzung der Se-
rie.
5. Vergleichende Fallanalyse zwischen Mordserie
und dem Nagelbombenattentat in Köln und sich
daraus ergebende Ermittlungshinweise.“4984
Am 12. Juli 2006 übersandte die OFA Bayern der BAO
„Bosporus“ ihre Überlegungen zur Medienstrategie.4985
Es wird hier empfohlen, die vermutete Persönlichkeit des
Täters wie folgt zu beschreiben:
„Bei dem Täter handelt es sich um eine männliche
Person, die einen geografischen Ankerpunkt im
Bereich Nürnberg hat. Unter einem Ankerpunkt
versteht man einen aktuellen oder inaktuellen ört-
lichen Bezugspunkt, den eine Person in Rahmen
ihrer Alltagsaktivitäten immer wieder aufsucht,
wie z. B. Wohnort, die Arbeitsstelle oder soziales
Umfeld. Zur Unterstützung sollten hier die Tatorte
in Nürnberg auf einer Karte, in Kombination mit
den Jahreszahlen, entsprechend visualisiert wer-
den. Es ist davon auszugehen, dass der Täter einer
4983) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 87 f.
4984) MAT A BY-2/4, Bl. 14.
4985) MAT A BY-2/5u, Bl. 106 ff.
geregelten Beschäftigung nachgeht, da er in seinen
Taten keinerlei Anzeichen für Bereicherungshand-
lungen setzt und somit kein finanzielles Bedürfnis
haben dürfte. Es ist des weiteren davon auszuge-
hen, dass er unter Umständen einen Teil der Taten
mit seiner beruflichen Aktivität koppelt. […]
Der Täter weist eine starke Nähe zu Schusswaffen
auf. Er ist erfahren im Umgang mit Schusswaffen,
wobei diese Fähigkeiten und Fertigkeiten sowohl
im beruflichen Umfeld, als auch bei Freizeitaktivi-
täten erlangt worden sein können. Die Entschei-
dung, diese Tötungsdelikte mittels einer Schuss-
waffe zu begehen ist Ausdruck seiner Affinität zu
diesem Bereich.
Nachdem diese ersten Aussagen zu den Kernberei-
chen der Persönlichkeit abgegeben wurden, sollte
eine Phase folgen, in der das Phänomen Serien-
mord etwas näher beleuchtet und die scheinbare
Normalität dieser Personen dargelegt wird. In ers-
ter Linie geht es darum, der Öffentlichkeit zu ver-
deutlichen, dass der Täter trotz der Begehung die-
ser Taten ein weitgehend angepasstes Leben füh-
ren und ansonsten unauffällig sein kann. Es ist zu
überlegen, inwieweit es sinnvoll ist, Beispiele von
anderen Serienmördern darzulegen, die häufig
verheiratet waren und mit Kindern lebten. Den so
häufig zitierten ,netten Nachbar von nebenan‘ kann
man hier als Beispiel bringen. Es ist aber denkbar,
dass die Person des Täters auf den zweiten Blick
als etwas ,anders‘ eingeschätzt wird.
Das Gros der Serienmörder ist zwischen 25 und 40
Jahre alt, daher dürfte sich unser Täter wahrschein-
lich auch in dieser Altersspanne bewegen. […]
Ein wichtiger Punkt in der Mediendarstellung
muss sein, dass der Täter nicht psychisch krank ist.
[…]
Als Brücke zur Erklärung kann dabei auch dienen,
dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszuge-
hen ist, dass der Täter vor dem September 2000
ein tatbegünstigendes/tatauslösendes Ereignis er-
lebte, das zu einer Destabilisierung seiner Persön-
lichkeit führte. Dieses Ereignis kann z. B. die
Trennung vom Lebenspartner, der Verlust eines
Arbeitsplatzes oder negative Erlebnisse am Ar-
beitsplatz oder auch finanzielle Schwierigkeiten
gewesen sein. Dieser Stressfaktor ist bei jedem Tä-
ter anders und sehr individuell ausgestaltet. Im
vorliegenden Fall ist es natürlich auch denkbar,
dass dieses Ereignis im Zusammenhang mit einem
negativen Erlebnis mit türkischen Staatsangehöri-
gen steht und zur Entwicklung dieser fremden-
feindlichen Einstellung geführt hat, welche Grund-
lage für die Auswahl der Opfer sein könnte. Eine
tiefergehende Verankerung des Täters in der rech-
ten Szene wird als eher unwahrscheinlich angese-
hen, die Persönlichkeit des handelnden Täters
dürfte im Vordergrund stehen. […]
Drucksache 17/14600 – 570 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c. Persönlichkeitselemente, die in der Strategie
vernachlässigt werden
Aufgrund der Tatsache, dass manche Elemente des
Täterprofils mit einem stärkeren Unsicherheitsfak-
tor belegt sind, werden diese im Rahmen der Me-
dienstrategie vernachlässigt. […]
Eine denkbare Nähe zur rechten Szene ist vorstell-
bar, jedoch nicht Voraussetzung für die Taten, da-
her soll dies im Beitrag auch mit entsprechend ge-
ringer Priorität platziert werden, da vermutlich die
Persönlichkeitsstruktur des Täters der ausschlag-
gebende Faktor ist und die fremdenfeindliche Ge-
sinnung lediglich als Vehikel fungiert und der Ab-
lehnung eine Richtung gibt.“4986
Erstmals wurde die Medienstrategie – mit Modifikationen
– laut der Aussage des Zeugen Geier am 3. August 2006
im Rahmen der Fernsehsendung AKTENZEICHEN XY-
ungelöst umgesetzt. Innerhalb der Steuerungsgruppe sei
in Absprache mit den beteiligten Staatsanwaltschaften
festgelegt worden, dass zu dem eigenen Fall durch die
jeweilige Soko Stellung genommen, die Gesamtserie
durch die BAO „Bosporus“ vertreten werde. Parallel zur
externen Öffentlichkeitsarbeit seien zahlreiche teils um-
fangreiche Lageberichte und Veröffentlichungen in BKA-
und LKA-Blättern sowie Auftritte sowohl im Intra- als
auch Internet vorgenommen worden. Zudem sei bundes-
weit eine Handlungsanweisung erarbeitet und verschickt
worden, die in einem möglichen zehnten Fall zur Unter-
stützung der dann zuständigen Dienststellen dienen sollte.
Ergänzend sei in einer Steuerungsgruppensitzung einver-
nehmlich beschlossen worden, Informationsveranstaltun-
gen in den bisher nicht betroffenen Bundesländern durch
Mitglieder der Steuerungsgruppe durchzuführen. Unter
anderem habe auch Kriminaldirektor Gerald Hoffmann
aus Kassel beim Landeskriminalamt in Erfurt am 3. April
2007 eine derartige Veranstaltung vor Ermittlungs-
beamten und Angehörigen der Einsatzleitstellen durchge-
führt.
4987
Die OFA Bayern entwarf auch eine Internetseite für das
BKA, auf der die Mordserie und der neue Ermittlungsan-
satz dargestellt wurden.
4988
Die so gestaltete Fahndungs-
homepage enthielt das Einzeltäterprofil, ohne allerdings
auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund hinzu-
weisen. Es heißt hier:
„Denkbar ist, dass diese Person vor Begehung der
ersten Tat im September 2000 ein Schlüsselerleb-
nis im Zusammenhang mit türkischen Staatsange-
hörigen hatte.“4989
4986) MAT A BKA-2/22, Bl. 143, 147 ff.
4987) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 10; vgl. außerdem: Zusammenstel-
lung der Maßnahmen/Erkenntnisse, MAT A BY-7/1, Bl. 6 f. Zu
den Informationsveranstaltungen s. u.
4988) Powerpoint-Präsentation vom 11. Juli 2006, MAT A BKA-
2/14, Bl. 171 f.
4989) Homepage, MAT A GBA-3/4, Bl. 11 ff., 17.
Ebenfalls erfolgte eine auf den Nürnberger Südosten
begrenzte Flugzettelaktion mit über 100 000 Flugblät-
tern.
4990
a) Möglicher rechtsextremer Hintergrund der
Mordserie nicht Gegenstand der Medien-
strategie
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, warum die
Medienstrategie absichtlich auf die Darstellung eines
möglichen rechtsextremen Hintergrundes der Mordserie
verzichtete. Im Raum stand, dass dies wegen der in
Deutschland veranstalteten Fußballweltmeisterschaft im
Sommer 2006 mit dem offiziellen Motto „Die Welt zu
Gast bei Freunden“ unterblieb, um die positive Stimmung
nicht zu beeinträchtigen.
Der Zeuge Geier hat zur Brisanz der Medienstrategie
ausgesagt:
„Allerdings war es so, dass wir uns im Rahmen
dieser Medienstrategie sehr genau überlegt haben:
Was verfolgen wir intern an der Spur gegen rechts,
und was geben wir an die Öffentlichkeit? Das im
Übrigen auch in Absprache mit unserem Ministe-
rium. Deshalb müssen Sie auch überlegen, was es
auslöst, wenn wir mit einer Theorie, mit einer Hy-
pothese an die Öffentlichkeit gehen und zum Bei-
spiel in der Öffentlichkeit sagen würden: Da gibt
es Rechtsradikale, die fahren durch Deutschland
und knallen Ausländer ab. – Auch diese Aufgabe
bzw. auch diese Möglichkeit ist von uns einzu-
schätzen, und damit ist, sage ich jetzt einmal, vor-
sichtig umzugehen. Das war eigentlich der Grund
– im Rahmen der Medienstrategie –, dass wir ge-
sagt haben: Wir machen die Ermittlungen intern;
aber wir tragen sie nicht in dieser Eindeutigkeit
nach außen.“4991
Im Bericht der BAO „Bosporus“, verfasst vom Zeugen
Geier, an das Bayerische Staatsministerium des Innern
vom 30. Mai 2006 heißt es auch:
„Da diese Aussagen, insbesondere zur möglichen
Fremdenfeindlichkeit, einige Brisanz enthält, wur-
de der Inhalt der 2. Analyse nur einem sehr be-
grenzten Personenkreis bekannt gemacht. Im
Rahmen von Medieninterviews wurde und wird
die Einzeltätertheorie nicht besonders in den Mit-
telpunkt gestellt, um in der potentiellen türkischen
,Zielgruppe‘ keine Unruhe aufkommen zu las-
sen.“4992
Einen Zusammenhang zwischen der Fußballweltmeister-
schaft in Deutschland vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 und der
Nichterwähnung eines möglichen rechtsextremen Hinter-
grundes der Mordserie hat der Zeuge Geier verneint.
4993
4990) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 11.
4991) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 23.
4992) MAT A BY-2/9a, Bl. 229, 230.
4993) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 33.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 571 – Drucksache 17/14600
Dem Protokoll der Steuerungsgruppe vom 7. Juni 2006
zufolge spielte die Fußballweltmeisterschaft im Rahmen
der Medienstrategie lediglich hinsichtlich des Zeitpunkts
der Veröffentlichung, aber nicht hinsichtlich des Inhalts
eine Rolle:
„Nach kurzem Meinungsaustausch besteht Kon-
sens, dass der Fahndungsaufruf bundesweit verteilt
und dazu die bestehende Logistik des BKA genutzt
werden sollte. Zudem müssen hinsichtlich des
Zeitpunkts Fußballweltmeisterschaft und Urlaubs-
zeit berücksichtigt werden.“
4994
In einem Bericht des PP Dortmund vom 27. Juli 2006
heißt es:
„Das Analyseergebnis ,Einzeltäter und situative
Opferauswahl‘ ist insbesondere im Hinblick auf
die zu erwartende Außenwirkung brisant. […]
Wirkungen in der Öffentlichkeit, insb. auf auslän-
dische Gäste, wurden durch die Verantwortlichen
auch schon im Mai/Juni im Hinblick auf die be-
vorstehende bzw. laufende FIFA WM 2006 bewer-
tet.“
4995
Dass diese Bewertung nicht nur einen Einfluss auf den
Zeitpunkt der Veröffentlichung der Medienstrategie,
sondern auch auf deren Inhalt hatte, kann den vorliegen-
den Akten nicht entnommen werden.
b) Bewertung der Medienstrategie durch die
Steuerungsgruppe
Mit der mehrheitlich negativen Einschätzung der 2. Ope-
rativen Fallanalyse durch die Steuerungsgruppe ging die
Ablehnung einer hierauf basierenden Medienkonzeption
einher. Im Protokoll der Besprechung der Steuerungs-
gruppe vom 6. Juli 2006 heißt es:
„L BAO [Leiter BAO] stellt mit Blick auf die
zweite OFA-Analyse und das auf deren Basis erar-
beitete Feinkonzept ,Einzeltäter‘ die Frage einer
diesbezüglichen, gezielten Öffentlichkeitsarbeit.
Einer der Vorteile der bisher rein internen Ver-
wendung des Profils ist, dass UT keine
Verdeckungsstrategie entwickeln kann. Anderer-
seits könnten mit einem veröffentlichten Profil
Hinweise gewonnen werden.
Nach Ansicht von Herrn Schwarz sind die Ergeb-
nisse der OFA nicht hinreichend abgesichert, um
als Basis des Medienkonzeptes zu dienen. Seines
Erachtens sollten sie wenigstens durch die noch
folgende Fallanalyse überprüft werden. L BAO
verweist zum einen auf einen grundsätzlichen Zu-
stimmungsvorbehalt der politischen Ebene und
zum anderen auf einen Auftrag an die OFA Bay-
ern, der Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf
die türkische Bevölkerung, auf den Täter und zur
4994) MAT A BY-2/3d, Bl. 24 ff., 29.
4995) MAT A NW-7a, S. 12 ff., 19.
mutmaßlichen Wirksamkeit einer Veröffentlichung
umfasst.
Vereinbarung:
Im Gremium werden Pro und Contra intensiv dis-
kutiert. Im Ergebnis wird eine Veröffentlichung
des Profils zum jetzigen Zeitpunkt auch wegen der
fehlenden Erkenntnisse der noch ausstehenden
OFA-Parallelauswertung einhellig abgelehnt.“4996
Nach der Präsentation der Vorschläge zur Medienstrategie
durch die OFA Bayern unternahm die BAO „Bosporus“
einen Alleingang. Laut Protokoll der Steuerungsgruppe
vom 19. Juli 2006 gab es folgende Diskussion:
„Nachdem die Verwendung der Plastiktüte bereits
in Bild und Spiegel thematisiert wurde, ist geplant,
auch den Schalldämpfereinsatz zu veröffentlichen.
L BAO hat zur Umsetzung der Medienstrategie in
Sachen Einzeltätertheorie bereits für morgen Ter-
mine mit Medienvertretern und Verantwortlichen
der Sendung Aktenzeichen XY.
Anschließend präsentiert KHK Horn die Inhalte
des Konzepts. Bei der folgenden Diskussion kriti-
sieren die TN [Teilnehmer] übereinstimmend die
Vorgehensweise, mit der eine Entscheidung der
Steuerungsgruppe faktisch vorweggenommen
wurde und machen deutlich, dass angesichts des
unstrittigen Zusammenhangs aller 9 Einzeltaten
ein bayerischer ,Alleingang‘ nicht akzeptabel wä-
re. Es wird angemerkt, dass die Vereinbarung zur
und in der Steuerungsgruppe war, derartige Ent-
scheidungen gemeinsam zu treffen.
Außerdem bestehen Bedenken, ob dadurch noch
die Gleichwertigkeit der beiden Hauptermittlungs-
richtungen beibehalten wird. Nach weiterer kont-
roverser Diskussion verweist L BAO darauf, dass
die Alternative zur Umsetzung des vorliegenden
Konzepts, nämlich lediglich abzuwarten und auf
weitere Presseveröffentlichungen und -fragen stets
nur reagieren zu können, aus seiner Sicht inakzep-
tabel ist. Auf die Frage, wer mit welchen Ein-
schränkungen/Änderungen die Umsetzung der
Medienstrategie in Sachen Einzeltäter mitträgt,
vereinbaren die TN wie folgt:
Vereinbarung:
Die Umsetzung des Medienkonzepts in Sachen
Einzeltätertheorie wird angesichts der jüngsten
Presseveröffentlichungen von allen TN mit Aus-
nahme von Herrn Schwarz akzeptiert. Sie ist inso-
weit unschädlich für die gleichrangig weiterver-
folgte Organisationstheorie. Soweit möglich soll
diese Gleichwertigkeit bei der Öffentlichkeitsar-
beit berücksichtigt und transportiert werden. Herr
Schwarz trägt für das LKA Hamburg und in Über-
einstimmung mit der StA Hamburg die Umsetzung
des vorgestellten Konzepts aus fachlichen Gründen
4996) MAT A BY-2/3d, Bl. 35.
Drucksache 17/14600 – 572 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht mit. Ferner erinnert er an die im Konzept
noch nicht berücksichtigte Prüfung der möglichen
Auswirkungen auf die türkische Bevölkerung so-
wie zur mutmaßlichen Wirksamkeit einer Veröf-
fentlichung.“4997
Die Führungsinformation des BKA fasste diese Bespre-
chung vom 19. Juli 2006 wie folgt zusammen:
„Die Diskussion zum vorab verteilten Entwurf ei-
ner Medienstrategie war zunächst von dem Unver-
ständnis aller nichtbayerischen Teilnehmer ge-
prägt, dass der Leiter der BAO ‚Bosporus‘ die
Diskussion dazu mit dem Hinweis eröffnete, über
diese sei in Bayern von ihm und der StA bereits
entschieden, am 20. Juli 2006 werde mit der Um-
setzung begonnen. Darüber hinaus habe man sich
entschieden, auch mit dem Umstand, dass ein
Schalldämpfer genutzt werde, an die Öffentlichkeit
zu gehen. Alle nichtbayerischen Beteiligten mach-
ten deutlich, dass dies nicht der rechte und verab-
redete Umgang miteinander sei.
In der Sache bestand nach langer Diskussion Ei-
nigkeit, dass die Medienstrategie zur Einzeltäter-
theorie zur Umsetzung geeignet sei und entspre-
chend angegangen werden soll. […]
Nicht thematisiert werden sollen:
– mögliche Affinität zur rechten Szene
– oder Ausführungen zu möglichen Krankheits-
bildern beim Täter.“4998
Der Zeuge Schwarz hat ausgesagt, dass die Ablehnung
der Medienstrategie deshalb erfolgt sei, weil er ein Risiko
darin gesehen habe, dass eine Festlegung auf dieses Motiv
in der Bevölkerung erfolgen könnte und dass tatsächlich
Sorge und Angst bei den Menschen, die den bisherigen
Opferkriterien entsprachen, hätte entstehen können. Au-
ßerdem habe er die Befürchtung gehabt, dass Hinweise,
die sich auf die „Organisationstheorie“ beziehen, nicht
mehr eingingen.
4999
Das BKA stellte in einem Kommentar vom 9. August
2006 seine Auffassung über die Vorgehensweise der
BAO „Bosporus“ dar:
„Die jetzt in zahlreichen Medien erscheinende
,Einzeltäterthese‘ einschließlich eines möglichen
Täterprofils ist zurückzuführen auf eine Analyse
der OFA Bayern (PP München), die Anfang Mai
2006 den ermittlungsführenden Dienststellen vor-
gestellt wurde. Diese Analyse sollte zunächst nur
als zweite Arbeitsthese alternativ zur
,Organisationstheorie‘ angesehen werden. Die Lei-
tung der BAO „Bosporus“ hat sich dann aber ent-
schieden, mit dieser These im Rahmen eines Me-
4997) MAT A BY-2/3d, Bl. 41 ff., 42.
4998) Führungsinformation des BKA vom 20. Juli 2006, MAT A
BKA-2/22, Bl. 289 f.
4999) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 94.
dienkonzepts an die Öffentlichkeit zu gehen. Ur-
sprünglich sollte darüber in der Sitzung der Steue-
rungsgruppe der BAO ‚Bosporus‘ vom 19. Juli
2006 in Kassel beraten und ein entsprechender Be-
schluss gefasst werden. In dieser Sitzung wurden
jedoch die Mitglieder der Steuerungsgruppe von
der BAO Leitung vor vollendete Tatsachen ge-
stellt, da wegen angeblicher zeitlicher Dringlich-
keit eine Kontaktaufnahme mit mehreren Medien-
vertretern bereits stattgefunden hatte.
Die derzeitigen Veröffentlichungen, insbesondere
auch die von der bayerischen Polizei bekannt ge-
gebenen Details zu Täterprofil und Tatausführung
wie die Verwendung eines Schalldämpfers und ei-
ner Plastiktüte, wurden/werden von der EG
,Česká‘ nicht mitgetragen. Nach hiesiger Auffas-
sung begründen die Erkenntnisse der bisherigen
Ermittlungen eher die ,Organisationstheorie‘.“5000
Am 19. Juli 2006 kam die Steuerungsgruppe noch über-
ein, sich bei der Medienstrategie auf die „Einzeltätertheo-
rie“ zu beschränken, da eine parallel dargestellte „Organi-
sationshypothese“ verwirren würde und diese bereits
einigen Raum in der Presse in der Vergangenheit einge-
nommen habe. Man war sich bewusst, dass die „Einzeltä-
terhypothese“ in der Öffentlichkeit die „Organisationshy-
pothese“ „zudecken“ werde, nahm dies aber in Kauf, weil
auch schon die Höhe der Belohnung und die Frage nach
der Waffe derartige Hinweise generieren könne.
5001
Im September 2006 hielt das BKA die „Einzeltätertheo-
rie“ auf der Homepage jedoch für „deutlich überrepräsen-
tiert“.5002 Der Zeuge Hoppe hat hierzu ausgesagt, dass er
vorgeschlagen habe, auf der Homepage des BKA beide
Ermittlungsstränge darzustellen, was dann auch gesche-
hen sei.
5003
Auch die Führung des BKA war kritisch. Der Vizepräsi-
dent des BKA, Falk, vermerkte auf einem Zeitungsartikel
vom 8. August 2006 über die Thesen des Herrn Horn:
„[Abteilung] SO m.d.B. um einen Kommentar zu
dieser Kaffeesatzleserei!“5004
Der Zeuge Falk hat hierzu ausgesagt:
„Ich habe das bezogen – da ist auch ein Fragezei-
chen von mir dran – vor allen Dingen auf den Satz,
dass die Polizei jetzt erstmals eine konkrete Vor-
stellung von dem Killer hätte. Das hatte sie beilei-
be nicht. Das hatte sie nicht bis zum November
2011. Wir haben uns gewundert, wie Einzelheiten
hier in die Presse kommen wie beispielsweise,
dass durch eine Plastiktüte geschossen wird. Die
5000) MAT A BKA-2/14, Bl. 231.
5001) Führungsinformation des BKA vom 20. Juli 2006, MAT A
BKA-2/22, Bl. 289 f.
5002) Protokoll der Besprechung der Steuerungsgruppe vom
6./7. September 2006, MAT A BY-2/3d, Bl. 64, 70.
5003) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 22.
5004) Vermerk vom 8. August 2006, MAT A BKA-2/23, Bl. 68.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 573 – Drucksache 17/14600
Anhaltspunkte waren tatsächlich da. Aber so was
gehörte natürlich überhaupt nicht in die Medien zu
diesem Zeitpunkt, weil das ein wichtiger Ansatz
für weitere Ermittlungen hätte sein können. Und
auch, dass der Täter einen starken Bezug zu Nürn-
berg haben würde: Dazu lagen uns keine Informa-
tionen vor. Und ich sagte ja schon, ,Einzeltäter‘
habe ich buchstäblich genommen. Das hat mich
dazu gebracht, das so zu formulieren und die Fach-
abteilung zu bitten, das zu kommentieren.“5005
10. Kritik im Ausschuss an der 2. Operativen
Fallanalyse und der Medienstrategie
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob die
2. Operative Fallanalyse zum einen wegen der Bezeich-
nung „Einzeltäter“ und der Fokussierung auf einen „An-
kerpunkt Nürnberg“, zum anderen wegen des Verschwei-
gens eines möglichen rechtsextremen Hintergrundes kri-
tisch zu sehen ist.
In der OFA heißt es:
„Täter geht vermutlich einer Beschäftigung nach
[…] Ankerpunkt des Täters im südöstlichen Raum
Nürnbergs, eher Wohnort denn Arbeitsstelle“.5006
Die Medienstrategie betont:
„Bei dem Täter handelt es sich um eine männliche
Person, die einen geografischen Ankerpunkt im
Bereich Nürnberg hat. […] Es ist davon auszuge-
hen, dass der Täter einer geregelten Beschäftigung
nachgeht“.5007
Die bisherigen Erkenntnisse (Zeugenaussagen und teil-
weise Verwendung von zwei Schusswaffen) ließen jedoch
auf mindestens zwei Täter schließen. Der Zeuge Horn hat
hierzu ausgesagt, dass die „Einzeltätertheorie“ als Ab-
grenzung zur „Organisationstheorie“ zu sehen gewesen
sei. Sowohl im Täterprofil wie in der Beschreibung der
Delikte seien sie von zwei Schützen ausgegangen.
5008
Der Zeuge Dr. Beckstein hat ausgesagt:
„Die Einzeltätertheorie hat einen großen Fehler
gehabt nach meiner Überlegung: Nämlich bei einer
der Taten, die kurz vorher passiert sind, waren
zwei Fahrradfahrer ins Blickfeld der Behörden ge-
kommen. Wir hatten in Nürnberg Öffentlichkeits-
fahndung nach zwei Fahrradfahrern – Öffentlich-
keitsfahndung nach zwei Fahrradfahrern! –, und
ich habe gesagt: ,Ihr könnt nicht gleichzeitig Öf-
fentlichkeitsfahndung nach zwei Fahrradfahrern
machen und dann von einem Einzeltäter reden.‘
Aber nachdem der Profiler immer seine Einzeltä-
tertheorie hat, ist das bis heute immer noch die
Einzeltätertheorie, obwohl man zum Teil dann in
5005) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 55.
5006) MAT A GBA-5, Bl. 65, Bl. 72.
5007) MAT A BKA-2/22, Bl. 147.
5008) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 75.
den weiteren Erläuterungen hört, dass man durch-
aus von den Einzeltätern auch auf zwei Täter
übergegangen ist.“5009
Zum Vorhalt, dass manche Medien
5010
in ihrer Berichter-
stattung über die neue Hypothese von lediglich einem
Täter sprechen, hat der Zeuge Horn erklärt:
„Wir haben ja zum Beispiel auch bei dieser Pres-
sekonferenz, die wir in München am, ich denke, es
müsste der 8. August 2006 gewesen sein, hatten,
den Medienvertretern zum Beispiel diese zwei
Phantombilder präsentiert. […] Wir haben darauf
hingewiesen, dass es zwei Personen sind. Das ist
dort auch von uns explizit reingegeben worden.
Ich kann mich noch sehr genau erinnern, wie ich
nämlich diese zwei Phantombilder an die Wand
projiziert hatte. Also, insofern ist es ja nicht so,
dass wir zum Beispiel diese Phantombilder außen-
vorgelassen haben. Und auch, was die Schützen
angeht, haben wir dieses schon auch deutlich ge-
macht.“5011
Auf die Frage, ob er nunmehr Fehler der Operativen Fall-
analyse erkennen könne, hat der Zeuge Horn erklärt, dass
sie der Beschreibung relativ nahe gekommen sei. Aber
zum Beispiel, was diesen Ankerpunkt Nürnberg angeht,
hätten sie vielleicht einen zu starken Fokus darauf gelegt,
was sich aber analytisch gesehen habe begründen lassen.
Diese Begründungen sehe er auch heute noch. Ohne Fest-
legung eines Ankerpunktes stelle sich die Frage, wo er-
mittelt worden wäre.
5012
11. Einflussnahme des damaligen Bayeri-
schen Innenministers Dr. Beckstein?
Der Ausschuss ist auch der Frage nachgegangen, ob der
damalige Bayerische Innenminister Dr. Beckstein Einfluss
auf die Medienstrategie genommen hat, um zu verhin-
dern, dass ein möglicher rechtsextremer Hintergrund
publik wird. Hintergrund dieser Überlegung des Aus-
schusses ist ein Vermerk, den LKD Geier über ein Tele-
fonat mit Kriminaldirektor Köhler (IM BY) vom 20. Juni
2006 abgefasst hat, wonach der damalige Bayerische
Innenminister Dr. Beckstein die „Einzeltätertheorie“ als
„kritisch für die Öffentlichkeit – Angst der türkischen
Bevölkerung“ bewertet habe.5013
Als Zeuge hat Herr Geier hierüber ausgesagt, dass dies
keine Vorgabe, sondern eine Bestätigung seiner eigenen
Meinung bzw. derjenigen der BAO „Bosporus“ gewesen
sei.
5014
Der Zeuge Köhler hat hierzu ausgesagt, dass er sich an
den Inhalt des Telefonats nicht mehr erinnern könne. Er
5009) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 82.
5010) Z. B. die Süddeutsche Zeitung am 7. August 2006.
5011) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 75.
5012) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 78.
5013) MAT B Z-1
5014) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 50.
Drucksache 17/14600 – 574 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
habe allerdings einen Vermerk des Zeugen Geier vom 30.
Mai 2006
5015
an die Ministeriumsspitze weitergegeben. In
diesem Vermerk sei auch der Hinweis darauf enthalten
gewesen, dass das Öffentlichwerden eines möglichen
fremdenfeindlichen Motivs in der Öffentlichkeit unter
Umständen Unruhe auslösen könnte, insbesondere in der
türkischen und türkischstämmigen Bevölkerungsgruppe,
und dass man insoweit dieser Aussage eine gewisse Bri-
sanz zumesse. Er habe Herrn Geier sicher gesagt, dass
diese Äußerung über eine gewisse Brisanz an die Haus-
spitze weitergeleitet worden sei und auch Gegenstand
einer Rücksprache am 14. Juni 2006 gewesen sei.
5016
Der Zeuge Dr. Beckstein hat hierzu ausgesagt:
„Dass ich insgesamt von Anfang an auch die Mit-
berücksichtigung von Fremdenfeindlichkeit gese-
hen habe, ist klar. Aber ich sehe überhaupt nicht,
dass ich da in irgendeiner Weise, jetzt sage ich
mal, was verhindert hätte oder verhindert haben
wollte; denn der Herr Geier wird noch Ende Mai
selber in der Nürnberger Zeitung wiederum zitiert:
,Polizei wirbt um Vertrauen bei der türkischen Be-
völkerung. Wir haben keine eindeutige Er-
mittlungsrichtung.‘
Der Pressechef des Innenministeriums hat mich
darauf hingewiesen, dass dieser Artikel Ausfluss
eines Gesprächs von Herrn Geier mit der dpa ge-
wesen ist.
Unter dem 13. Juni entsteht ein Sach-standsbericht
der Abteilung I C, in dem über die beiden neuer-
dings nebeneinander bestehenden Ermittlungsrich-
tungen ,Organisierte Kriminalität‘ und
,fremdenfeindlicher Einzeltäter‘ berichtet wird. Ich
zitiere zwei längere Passagen aus diesem Bericht:
Mit Datum vom 9. Mai 06 legte die OFA Bayern
ihre zweite Analyse vor. Darin kommen die Betei-
ligten zu einer weiteren Arbeitshypothese, die von
der BAO ,Bosporus‘ zwar ständig als eine der
möglichen Motivlagen gesehen wurde, […] nach
dem jetzt bekannt gewordenen Analyseergebnis al-
lerdings gleichrangig neben der sogenannten Or-
ganisationstheorie gesehen werden muss. Aus die-
sem Grunde wird auch das Ermittlungspersonal für
diese Ermittlungshypothese Einzeltätertheorie auf-
gestockt, weil das bisherige Personal mit den Auf-
gaben der Organisationstheorie ausgelastet ist.
Weiter unten heißt es:
Im Hinblick darauf, dass im Falle des Be-
kanntwerdens des bislang lediglich als Arbeitshy-
pothese verfolgten, bisher aber nicht mit konkreten
Beweisen belegten Ergebnisses der zweiten OFA-
Analyse vor allem unter türkischen Kleingewerbe-
treibenden Beunruhigung verursachen könnte,
wurde der Inhalt der zweiten OFA-Analyse nur ei-
5015) Siehe dazu F.V.9.
5016) Geier, Protokoll-Nr. 14, S. 57 f.
nem sehr begrenzten Personenkreis bekannt gege-
ben. Außerdem wurde die Hypothese im Rahmen
von Medieninterviews bislang nicht besonders in
den Mittelpunkt gestellt.
Also das war von der Kommission Geier seiner-
seits dem Innenministerium vorgelegt. Die sagen,
passt auf, das ist sensibel. Wohl am 14. Juni – das
ist wohl der nächste Tag – hat ein Gespräch in die-
ser Angelegenheit mit meinem Büro stattgefunden,
gemeinsam mit meinem damaligen Pressechef und
einem Vertreter der Abteilung I C. Das Gespräch
war nicht besonders strittig; sonst würde ich mich
daran erinnern. Aber auch der Pressechef hat we-
der Aufzeichnungen über das Gespräch noch ir-
gendwelche Erinnerung. Daraus schließe ich heute,
dass wir damals gesagt haben, ja, die sollen die
Medienstrategie entwickeln, allerdings sich da-
rüber klar sein, dass die Einzeltätertheorie sensibel
ist, man muss überlegen, wie man das der türki-
schen Community kommuniziert, dass man nicht
nur Hysterie und nicht Anschlusstaten provoziert.
Übrigens hat der Profiler Horn selber darauf hin-
gewiesen, dass bei der Medienstrategie darauf zu
achten ist, dass nicht Nachahmungstäter ermuntert
werden. […] Noch mal: Ich habe hier keine Wei-
sungen erteilt. Wenn ich eine Weisung erteile, ist
es so, dass die unzweifelhaft ist. Wer mich kennt,
weiß, dass ich da ziemlich deutliche Vorgaben ha-
be. […]
Die Sensibilität war deswegen angebracht, weil
man einmal deutlich machen musste, dass es um
eine Hypothese und nicht um eine Spur gegangen
ist. Die Fachleute unter Ihnen wissen: Hypothese
ist das eine, Spur ist das Nächste, heiße Spur ist
das Dritte. Hier ist es um eine Arbeitshypothese
gegangen. […]
Der zweite Punkt bei der Sensibilität war die Ge-
fahr der Verunsicherung bei der eh schon ziemlich
verängstigten türkischen Community. Ein Hoch-
schaukeln der Angst sollte verhindert werden.
Deswegen sollte nicht etwa die Information der
Öffentlichkeit unterbleiben; aber man sollte sich
überlegen, wie man das ganze Thema kommuni-
ziert. […]
Die Ausarbeitung der Medienstrategie ist im Übri-
gen nicht im Innenministerium in besonderer Wei-
se erfolgt; die wären auch gar nicht zuständig.“5017
Einen Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft
in Deutschland 2006 schloss er darüber hinaus nach seiner
Erinnerung aus.
5018
Der Zeuge Horn hat zu einer möglichen Einflussnahme
ausgesagt:
5017) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 80 f.
5018) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 82.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 575 – Drucksache 17/14600
„Dort bin ich nirgendwohin gedrängt worden. Es
war die fachliche Bewertung dahingehend, weil
wir der Meinung waren, dass das Zerstörungs-
motiv hier im Vordergrund steht; denn die Tötun-
gen zeigen uns das Zerstörungsmotiv. Diesen Tä-
tern geht es darum, andere Menschen zu zerstören.
[…] Deswegen haben wir auch von diesem missi-
onsgeleiteten Täter gesprochen. Es gab ja auch in
der Vergangenheit missionsgeleitete Täter, die
nicht Angehörige einer Gruppierung oder derglei-
chen waren, sondern für sich selber diese Mission
entdeckt haben und die dann auch umgesetzt ha-
ben. Und die Ausländerfeindlichkeit, die fremden-
feindliche Gesinnung, […] die könnte hierbei das
Vehikel sein. […] Das Motiv, das dahintersteht, ist
die Zerstörung.“ 5019
12. Weitere Operative Fallanalysen
a) Die Operative Fallanalyse Hamburg
In der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe
vom 17./18. Mai 2006 schlug der Vertreter der Hambur-
ger Polizei vor, ihren Fall separat analysieren zu lassen.
Das BKA vermerkte hierzu, dass dies von allen sonstigen
Anwesenden der Steuerungsgruppe als abwegig bewertet
und davon abgeraten worden sei.
5020
Im Auftrag des LKA Hamburg, Soko „061“, erstellten
Fallanalytiker des LKA Hamburg eine Operative Fallana-
lyse des Hamburger Mordes. In der Analyse vom 13. Juli
2006 heißt es zum Tatmotiv:
„Ist nicht ablesbar aus Tathergang und Opferbild,
jedoch ein personales Motiv ohne Möglichkeit zur
konkreten Nennung des dahinterstehenden Be-
dürfnisses.“5021
Weiter heißt es, eine Spezifität des Opfers sei nicht er-
kennbar, das Tatziel sei allein die Tötung selbst. Als Er-
mittlungshinweise werden die Recherche und der Ab-
gleich mit anderen Taten im Bundesgebiet hinsichtlich
Tathergang, der verwendeten Tatmittel, dem gewählten
Opferbild und dem engeren Tatort sowie der kontinuierli-
che Systemabgleich bezüglich der bisher unbekannten
Waffe des Kalibers 6,35 gegeben.
5022
b) Die Operative Fallanalyse Baden-
Württemberg und daran anschließende
Diskussionen
Da insbesondere das LKA Hamburg und die OFA Bayern
hinsichtlich der methodischen Ausgestaltung der anzu-
wendenden Fallanalyse divergierende Auffassungen ver-
treten hatten und dieser Punkt weder bilateral noch in der
5019) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 61.
5020) Vermerk vom 30. Mai 2006, MAT A BKA-2/14, Bl. 113.
5021) MAT A GBA-4/4b, Bl. 69 ff., 86.
5022) MAT A GBA-4/4b, Bl. 69 ff., Bl. 86 f.
Steuerungsgruppe abschließend entschieden werden
konnte, entschied die Steuerungsgruppe bereits am
18. Mai 2006 – also schon am Tage der Vorstellung der
Fallanalyse bei der Steuerungsgruppe –, dass eine neutra-
le, d. h. bisher mit dem Fall nicht befasste, OFA-Einheit
eine weitere Analyse durchführen sollte.
5023
Zum Hinter-
grund dieses Wunsches nach einer neuen Fallanalyse hat
der Zeuge Gricksch ausgesagt, seine Hoffnung sei gewe-
sen, eine Linie zu erhalten, die für alle nachvollziehbar
gewesen sei.
5024
Mit dieser neuen Fallanalyse wurde am 11. September
2006 die OFA Baden-Württemberg beauftragt. Der Auf-
trag lautete:
„Die Bedeutung des Ermittlungskomplexes macht
eine nochmalige Analyse der Gesamtserie durch
bisher nicht mit dem Fall befasste Spezialisten er-
forderlich.
Dazu soll die OFA Baden-Württemberg nochmals
den Tathergang aller neun Fälle rekonstruieren und
eine Gesamtanalyse erstellen, in der auf Basis der
Tathergangsrekonstruktionen Aussagen zu einem
,Muster‘ in der Serie, zur Anzahl der Täter und
zum Täterprofil getroffen werden. Nach Möglich-
keit sollte das Ergebnis auch eine Aussage zur
Priorisierung der Ermittlungsrichtungen und zu
Präventionsansätzen beinhalten.“5025
Die OFA Baden-Württemberg arbeitete nach der gleichen
Methode wie die OFA Bayern,
5026
ohne allerdings die
bisher erstellten Fallanalysen im Detail zu kennen.
5027
Das Ergebnis datiert vom 30. Januar 2007.
5028
Die „Ein-
zeltäterhypothese“ wurde mit folgenden Argumenten
abgelehnt:
„Gegen eine solche Theorie spricht […], dass alle
Opfer weitere Gemeinsamkeiten aufweisen, die
von außen für einen Täter ohne Opferbezug nicht
erkennbar sind und somit für solch einen Täter
kein Auswahlkriterium darstellen können:
– Geldprobleme und somit Empfänglichkeit für
risikobehaftete und gegebenenfalls illegale
Tätigkeiten, u. a. Glücksspiel.
– Undurchsichtige Lebensführung; teilweise
Hinweise auf Aktivitäten bzw. Kontakte im
Btm-Bereich, teilweise in anderen Kriminali-
tätsbereichen.
5023) Protokoll der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, MAT A
BY-2/3d, Bl. 7 ff., 9 f.; vgl. auch das Protokoll des OFA-
Treffens vom 24./25. April 2007, MAT A BKA-2/14, Bl. 410
ff., 411.
5024) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 103 f.
5025) Schreiben der BAO „Bosporus“ an das LKA Baden-
Württemberg vom 11. September 2006, MAT A BKA-2/24,
Bl. 88 f.
5026) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 49.
5027) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 54.
5028) MAT A BKA-2/14, Bl. 276-383.
Drucksache 17/14600 – 576 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Falle eines Täters, der willkürlich Opfer aus ei-
nem bestimmten Kollektiv, nämlich den türkischen
Kleingewerbetreibenden herausgreift, wären sol-
che Gemeinsamkeiten auf der Opferseite nicht zu
erwarten, dies Iässt sich nur schwer mit einem zu-
fälligen Zusammentreffen solcher Merkmale erklä-
ren.
Weitere Aspekte sprechen ebenfalls gegen einen
Täter, der aus einem inneren Antrieb heraus will-
kürlich seine Opfer auswählt:
– Zwischen den Taten liegen z. T. sehr lange
Zeitspannen, z. T. wiederum sehr kurze. […]
– Die Täter haben sich an einigen Tatorten aus-
gekannt (Ortskenntnis) und gleichzeitig haben
sie mehr oder weniger konkretes Wissen zur
Verfügbarkeit der jeweiligen Opfer gehabt.
Dies spricht gegen den Täter, der willkürlich
nach Zufallsopfern Ausschau hält.
– Mehrere Tatobjekte waren per se nicht als tür-
kische Geschäfte erkennbar, eine Auswahl der
Opfer anhand des bloßen Merkmals „türki-
scher Kleingewerbetreibender“ ist damit nicht
realisierbar. Die Tatobjekte selbst sind nicht
unter einer Kategorie zu fassen, da sie nicht
durchgehend zu einem bestimmten Geschäfts-
bereich gehören (Döner, Obst, Gemüse,
Dienstleistungen).
– Ein Opfer war Grieche (Verwechslung ausge-
schlossen, da sein Geschäft in einem Grie-
chen-Viertel lag) und zudem war auch sein
Geschäft nicht als ausländisches Geschäft er-
kennbar (nur rein deutsche Aufschrift vor dem
Geschäft).
– Bei einigen Opfern waren vor der Tat Verhal-
tensänderungen wahrnehmbar (laut Zeugen-
aussagen).“5029
Als Ergebnis wurde definiert:
„Alle neun Opfer hatten Kontakt zu einer Gruppie-
rung, die ihren Lebensunterhalt mit kriminellen
Aktivitäten bestreitet und innerhalb derer zudem
ein rigider Ehrenkodex bzw. ein rigides inneres
Gesetz besteht. Im Laufe der ,Zusammenarbeit‘
begingen die Opfer vermutlich einen Fehler, der
für die Opfer hinsichtlich seiner Bedeutung nicht
erkennbar war. Aufgrund dieser für die Täter be-
deutsamen Verletzung eines Ehrenkodex bzw.
Wertesystems wurden in der Tätergruppierung je-
weils Todesurteile gefällt und vollstreckt. Dabei
ging es vermutlich nicht (mehr) um Forderungen
irgendwelcher Art (rationaler Aspekt), sondern
letztendlich um die Sicherung oder Wiederherstel-
lung einer in der Gruppe ideell verankerten Wirk-
lichkeit, z. B. Status, Prestige, Ehre, Pflege eines
5029) MAT A BKA-2/14, Bl. 276 ff., 370 f.
bestimmten Selbstbildes usw. (irrationaler As-
pekt).“5030
Zum Täterprofil heißt es u. a.:
„Ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit
Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischspra-
chige Opfer hat, ist nicht auszuschließen, dass die
Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den
Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge
ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben.
Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Eh-
renkodex eher für eine Gruppierung im ost- bzw.
südosteuropäischen Raum (nicht europäisch west-
licher Hintergrund).“5031
Im Rahmen einer Besprechung der OFA-Dienststellen am
26./27. März 2007 wurden die Unterschiede der bayeri-
schen und der baden-württembergischen Fallanalysen
folgendermaßen festgestellt:
„a) Opferbild
Laut bayerischer Fallauffassung werden die Opfer
nach folgenden Kriterien ausgewählt:
– Ausländer
– Männer
– Türken (oder türkisches Erscheinungsbild)
– In Kleingewerbe aufhältlich
Laut baden-württembergischer Fallauffassung sind
bei der Opferauswahl folgende Punkte relevant:
– Dreh- und Angelpunkt der Kontaktaufnahme
ist das Geschäft (Geschäft spielt eine Rolle für
die Täter)
– Phänotypus ist nicht ausschlaggebend
– Verbindendes Medium der Opfer ist die Spra-
che (türkische Sprache)
– Undurchsichtige/problematische finanzielle
Situation, problematischer Umgang mit Geld
und daraus abgeleitet eine erhöhte Empfäng-
lichkeit, diese Situation auch durch risikobe-
haftete oder illegale Tätigkeiten aufzubes-
sern.“5032
Der verantwortliche Fallanalytiker der OFA Baden-
Württemberg, der Zeuge KHK Haßmann, hat ausgesagt,
dass auch ein rechtsextremistisches Motiv in die Dis-
kussion mit eingeworfen und ausführlichst diskutiert, aber
dann wieder verworfen worden sei, weil sie gesagt hätten:
Bei einer gezielten Opferauswahl sei es unwahrscheinlich,
dass Täter aus dem rechten Milieu vorher ausgiebigen
Kontakt zu den Opfern hatten.
5033
Außerdem sei zum
5030) MAT A BKA-2/14, Bl. 276 ff., 374.
5031) MAT A BKA-2/14, Bl. 276 ff., 375.
5032) Protokoll der OFA-Besprechung vom 26./27. März 2007, MAT
A BKA-2-14, Bl. 395 f.
5033) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 50.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 577 – Drucksache 17/14600
Beispiel bei der Tat in Rostock möglicherweise ein emo-
tionales, persönliches Element mit dabei gewesen, weil
die Täter diesen Dönerstand betreten und das Opfer auf-
gefordert hätten, sich hinzuknien. Bisher habe es Taten
gegeben, wo dieses emotionale Element nicht so deutlich
gewesen sei wie bei diesem Fall in Rostock. Daher habe
man nicht ausschließen können, dass möglicherweise
engere Verbindungen zwischen Täter und Opfer bestan-
den. Diese Verbindungen hätten sie nicht im rechtsextre-
mistischen Bereich gesucht, zumal es aus ihrer Sicht Ta-
torte gegeben habe, die von außen hin nicht als Geschäfte
mit ausländischen Betreibern erkennbar gewesen sei-
en.
5034
Fehler hat der Zeuge Haßmann nicht erkannt:
„Ich denke, dass wir aus unserer Sicht als OFA
Baden-Württemberg alles getan haben, was wir tun
konnten. Wir haben alle neun Fälle einzeln analy-
siert. Und wir haben alle Tatorte besichtigt. Wir
haben alle Daten erhoben, die wir konnten. Und
wir haben uns auch, ich sage mal, von außen kei-
nem Druck ausgesetzt, dass wir jetzt schnell fertig
werden mit der Analyse. Ja, ich weiß: Wir haben,
jetzt sage ich aus meiner Sicht, die Gruppierung,
denke ich, ganz gut beschrieben. Wir haben sie
einfach schlichtweg falsch verortet. Und wir haben
eine falsche Motivstruktur herausgearbeitet. Aber
das passiert beim Arbeiten mit Wahrscheinlichkei-
ten und Hypothesen. Also, deshalb mache ich mir
keinen Vorwurf.“5035
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der OFA Baden-
Württemberg erfolgte in der Steuerungsgruppe erneut eine
Diskussion über die Wertigkeit der beiden Theorien:
„Nach einer ersten Abfrage, ob oder inwieweit die
konkreten Ermittlungshinweise der OFA BW be-
reits abgedeckt sind, ergibt sich eine kontroverse
Diskussion um die Wertigkeiten der beiden Ermitt-
lungsrichtungen und die Frage, welche Ansätze
hinsichtlich der Organisationstheorie noch zu ver-
folgen sind.
Mehrheitlich werden als Hauptansatzpunkt der Or-
ganisationstheorie die Opfer gesehen und diesbe-
züglich strukturierte Abgleiche gefordert, um Ver-
bindungen zu erkennen. Auch stelle sich die Frage,
was aus den Opferfamilien und Tatobjekten ge-
worden ist.
Vereinbarung:
Alle Ermittlungseinheiten erheben und melden für
ihre Fälle die Entwicklung der Opferfamilien und
der Tatobjekte. Die Vertreter der BAO weisen da-
rauf hin, dass diese Überlegungen jedenfalls für
die bayerischen Fälle gerade in den ersten Jahren,
als nahezu ausschließlich die Organisationstheorie
verfolgt wurde, längst angestellt und abgearbeitet
5034) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 68.
5035) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 77 f.
wurden, ohne dass Gemeinsamkeiten festzustellen
waren. Ausdrücklich wird nochmals festgestellt,
dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt beide Ermitt-
lungshypothesen gleichrangig zu bewerten sind
und die Polizeiführung Fallanalysen in erster Linie
auf sich daraus ergebende Ermittlungserfordernis-
se zu prüfen hat.
Nach Einzelabfrage besteht Konsens, dass sich aus
den Ermittlungshinweisen der OFA BW keine
neuen Ermittlungsansätze für die Organisations-
theorie ergeben […]“
5036
Im Rahmen der Vorbereitungen einer OFA-Besprechung
im April 2007 sprach das BKA von „Familienstreitigkei-
ten“ der OFA.5037 Zum Hintergrund hat der Zeuge Haß-
mann ausgesagt:
„Es ist in der Tat so, als unser Ergebnis natürlich
präsentiert wurde und wir das Ergebnis der OFA
Bayern kannten, dass wir gesagt haben: Also, wir
arbeiten mit der gleichen Methodik; wir haben die
gleiche Herangehensweise; wir haben die gleichen
Akten zur Verfügung. Trotzdem kommen wir zu
unterschiedlichen Ergebnissen. Und es ist aus un-
serer Sicht heraus selbstverständlich, dass wir uns
dann mal zusammensetzen und sagen: Woran lag
es denn eigentlich? Wo waren die Knackpunkte
der Analyse? Wo könnten wir in Zukunft irgend-
wie was besser machen? Und das haben wir her-
ausgearbeitet. Aber so dramatisch, wie das jetzt
rüberkam, Familienstreit. Natürlich haben wir da-
mals gesagt: Wir halten unsere Analyse für die
plausiblere. Das Gleiche hat der Herr Horn von
seiner Analyse gesagt. Aber irgendwie müssen wir
dann wieder einen gemeinsamen Weg finden und
sagen: Also, wir müssen gucken, […] wo einfach
die Knackpunkte waren. – Und das haben wir ge-
macht.“5038
Die Spannungen wurden bei dem OFA-Treffen am
24./25. April 2007 beseitigt. Die beteiligten OFA-
Dienststellen verständigten sich auf einen Erfahrungsaus-
tausch und eine Absprache hinsichtlich der weiteren Zu-
sammenarbeit bei möglichen zukünftigen Fällen.
5039
c) Die FBI-Kurzanalyse
Im April oder Mai 2007 kam es zu einem Austausch zwi-
schen der OFA Bayern und Fallanalytikern des Federal
Bureau of Investigations (FBI), USA. In diesem Rahmen
wurde über die Česká-Mordserie diskutiert.5040 Das FBI
übermittelte anschließend aus den USA mit Schreiben
5036) Protokoll vom 14./15. März 2007, MAT A BY-2/3d, Bl. 164
ff., 168 f.
5037) Vermerk vom 24. April 2007, MAT A BKA-2/14, Bl. 402.
5038) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 68.
5039) Protokoll der Besprechung vom 24./25. April 2007, MAT A
BKA-2/14, Bl. 410 ff.
5040) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 55.
Drucksache 17/14600 – 578 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
vom 7. August 2007 seine Einschätzung vom 15. Juni
2007. Es heißt dort:
„The offender is a disciplined, mature individual
who is shooting the victims because they are of
Turkish ethnic origin or appear to be Turkish. …
The offender has a personal, deep rooted animosity
towards people of Turkish origin.
5041
Der Zeuge Maurer, damals zuständiger Abteilungsleiter
im BKA, vermerkte am 20. August 2007 zu dieser Kurz-
analyse:
„Wenig hilfreich!“5042
Der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, hat im
Rahmen einer Ergänzung zu seiner Aussage zu dieser
Analyse angegeben, dass er eine Fallanalyse durch das
FBI nie in Auftrag gegeben habe. Er hat weiter ausge-
führt:
„Herr Horn zeigte mir eine Niederschrift in Eng-
lisch, die nach meiner Meinung nicht als Analyse
einzustufen ist.
Ich schließe nicht aus, dass im Rahmen einer
Steuerungsgruppensitzung der Inhalt dieses
,Schriftstückes‘ angesprochen wurde. Da [es] aber
im Vergleich zur 2. OFA-Analyse keine wesentli-
chen Neuerungen brachte, spielte es für weitere
Entscheidungen keine entscheidende Rolle.“5043
Im Besprechungsprotokoll der Steuerungsgruppe vom
12. September 2007 heißt es zum Papier des FBI:
„Die allen vorliegende, sechsseitige ,Analyse‘ des
FBI entstand aus einem Besuch von FBI-
Analysten bei der OFA München ohne Auftrag
durch BAO oder OFA. Nach einhelliger Einschät-
zung der Steuerungsgruppe ergeben sich daraus
keine neuen Ermittlungsansätze. Das Schreiben
wird aktenmäßig bei den OFA-Analysen abge-
legt.“5044
d) Vergleichende Operative Fallanalyse
Mordserie – Nagelbombenanschlag
Die Ermittlungsempfehlungen innerhalb der zweiten OFA
Bayern vom 9. Mai 2006 regten die Prüfung eines Tatzu-
sammenhanges mit dem Nagelbombenanschlag in Köln
am 9. Juni 2004 an. Als Parallele zu den Mordtaten wurde
hier gesehen:
– Anschlag mit Nagelbombe in Straße mit eindeutig
erkennbarem Schwerpunkt türkischer Geschäfte
– Ermittlungen konnten bisher weder OK-Hintergrund,
noch sonstiges Motiv erhellen,
– Tatbegehung durch zwei Männer mit Fahrrädern,
5041) MAT A BKA-2/27, Bl. 378 ff., dort Bl. 383.
5042) MAT A BKA-2/27, Bl. 386; Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 29.
5043) Geier, Anlage 1 zum Protokoll-Nr. 12, S. 1.
5044) MAT A BY-2/3d, Bl. 448 ff., S.7.
– Tatbegehung als „Kommandoaktion“.
In diesem Zusammenhang wurde eine vergleichende
Fallanalyse vorgeschlagen.
5045
Der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, beauf-
tragte am 12. Juni 2006 die OFA Bayern nicht nur zu der
oben näher betrachteten Medienstrategie, sondern auch
zur Erstellung einer vergleichenden Fallanalyse zwischen
Mordserie und dem Nagelbombenattentat in Köln sowie
sich daraus ergebenden Ermittlungshinweisen.
5046
Eine
vergleichende Fallanalyse wurde nicht erstellt. Im Proto-
koll der Steuerungsgruppe vom 14./15. März 2007 heißt
es:
„Hierzu gilt zu sagen, dass eine Vergleichsanalyse
zwischen dem Nagelbombenattentat in Köln und
der vorliegenden Serie nicht gefertigt werden wird.
Die beteiligten OFA's kamen zu der Feststellung,
dass ,Äpfel nicht mit Birnen‘ verglichen werden
können. Es hätte sich nicht um eine gezielte Akti-
on in Richtung Einzelperson gehandelt, sondern
sei eben eine Art Globalvorstoß gegen Türken ge-
wesen.“5047
Der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, hat
hierzu ausgesagt:
„Dass es inhaltlich eine Verbindung gab, weil die
Opferseite eigentlich gleich war, das hat uns erst
darauf gebracht, da eine Verbindung zu sehen und
Kontakt aufzunehmen. Bei dieser Besprechung
war ich allerdings […] nicht dabei; aber – das sag-
ten uns damals die OFA-Vertreter – bei einer Tat,
bei der wenig Täterhandeln offensichtlich wird,
haben die unheimlich Schwierigkeiten, die Täter-
persönlichkeit zu analysieren und dann zu verglei-
chen. Also, im Wesentlichen wurde mir gesagt: Da
ist wenig zu erwarten. Aber wir haben es ja nicht
ausgeschlossen, sondern wir haben es weiterge-
führt und haben es als Möglichkeit in unseren Er-
mittlungen immer mitlaufen lassen, haben auch die
Datenabgleiche bis zur letzten Tat immer mitge-
führt.“5048
Letzteres hat der Zeuge Vögeler bestätigt. Bis weit über
2008 hinaus habe die BAO „Bosporus“ ständig mit der
Dienststelle in Köln in Verbindung gestanden. Ein Zu-
sammenhang der Taten habe aber weder bestätigt noch
entkräftet werden können.
5049
5045) MAT A BKA-2/14, Bl. 138.
5046) MAT A BY-2/4, Bl. 14.
5047) MAT A BKA-2/26, Bl. 364.
5048) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 15.
5049) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 92.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 579 – Drucksache 17/14600
13. Ermittlungen nach der 2. OFA – Ermitt-
lungsabschnitt Einzeltäter und Spur 195
Der Ausschuss hat sich mit der Frage befasst, wie die
Ermittlungen nach der zweiten Fallanalyse gewichtet
waren.
a) Gewichtung der Ermittlungsschwerpunkte
Zum 1. Juni 2006 wurde der dem Ermittlungsabschnitt 03
angegliederte Unterabschnitt 01 – Besondere Ermitt-
lungskomplexe, Einzeltäter – gebildet. Die neue Ermitt-
lungseinheit, darunter KHK Pfister, entwickelte zusam-
men mit der OFA Bayern das bereits oben näher erläuter-
te Ermittlungskonzept vom 14. Juli 2006, das der Grund-
annahme der Einzeltätertheorie folgte, wonach sich der
Hass des Täters gegen männliche türkische/türkisch aus-
sehende Kleingewerbetreibende richtete.
5050
Für den Er-
mittlungsansatz „Einzeltäter“ wurde das Täterprofil der
Operativen Fallanalyse wie folgt zusammengefasst:
– „männlich
– Alter, zum Tatzeitpunkt 2000, von 18 bis 40
Jahre alt […]
– Zugehörigkeit zur rechten Szene Nürnbergs,
evtl. Aussteiger?
– Geografische Ableitung […] Ankerpunkt
Nürnberg […]
Die Erhebungen zur ,Rechten Szene‘ sind flankie-
rend zu dem Ermittlungsansatz ,Einzeltäter‘ zu se-
hen. […]
Ergänzend dazu sollten örtliche und zeitlich fall-
verbindende, insbesondere auf die Mobilität abzie-
lende Komponenten erhoben werden, wie z. B.
rechte Musikveranstaltungen zu den jeweiligen
Tatzeiträumen in Nürnberg, München, Hamburg,
Rostock, Dortmund und Kassel. Gibt es rechte As-
soziationen zu den Tatorten oder/und Tatzeiten
analog etwa Grundsteinlegung/Eröffnung Doku-
Zentrum Nbg. o. ä.?“5051
Der Zeuge Geier hat zur Gewichtung der Theorien ausge-
sagt:
„Wissen Sie, das ist nicht ganz einfach zu sagen;
denn wir hatten auch noch Aufgabenblöcke – ich
habe es erwähnt –, die mit beiden Theorien eigent-
lich nichts zu tun hatten, und zwar zum Beispiel
die Waffenspur, dann die Spur der Massendaten,
bei der es nur um die Anwesenheit an den Tatort-
stätten ging. Aber ich sage: Die Organisationstheo-
rie wurde größtenteils durch das Bundeskriminal-
amt dargestellt.“5052
5050) MAT A BKA-2/22, Bl. 199 ff.
5051) Vermerk zum Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ von KHK Pfister
ohne Datum, MAT A GBA-4/5c, Bl. 8 f.
5052) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 27.
Insgesamt waren in der BAO „Bosporus“ in der größten
Stärke 60 Polizeibeamte eingesetzt, bundesweit arbeiteten
insgesamt bis zu 160 Beamte an dem Fallkomplex.
5053
Während der Zeuge Geier im Ausschuss von sechs Poli-
zeibeamten im Unterabschnitt 03 (Einzeltäter) gesprochen
hat,
5054
hat er im Rahmen seiner Ergänzung zum Protokoll
Folgendes mitgeteilt:
„Ich habe es zwischenzeitlich nachvollzogen, mit
Stand 07/2007 waren in diesem Bereich 9 Krimi-
nalbeamte der BAO aus Bayern eingesetzt. Der
Rest des Personals war nicht ausschließlich für die
Organisationstheorie vorgesehen, sondern es gab
personalstarke Einsatzabschnitte, die nicht auf eine
Theorie fokussiert waren, z. B. Analyse, Haupt-
sachbearbeitung etc.“5055
Der Zeuge Pfister, der vom polizeilichen Staatsschutz zur
BAO „Bosporus“ abgeordnet wurde, hat ausgesagt, dass
nach seiner Erinnerung im Einzeltäterbereich sechs Be-
amte eingesetzt gewesen seien, wobei sich allerdings nur
vier bis fünf Beamte mit der rechtsextremen Szene be-
schäftigt hätten.
5056
Der Zeuge Pfister hat darüber hinaus angegeben, dass die
Gewichtung der beiden Theorien („Organisationstheorie“
und „Einzeltätertheorie“) gleichwertig gewesen sei, aller-
dings für die „Organisationstätertheorie“ mehr Personal
zur Verfügung gestanden habe.
5057
b) Spur 195
aa) Beginn
Als Folge der 2. Operativen Fallanalyse (siehe oben,
S. 560) und des Ermittlungskonzeptes vom 14. Juli 2006
legte der Ermittlungsabschnitt 03, Unterabschnitt 01 (Se-
rientäter) der BAO „Bosporus“ am 20. Juli 2006 die Spur
195 unter der Bezeichnung „Rechtsextremisten“ an.5058
Im Rahmen dieser Spur erfolgte im Raum Nürnberg zu-
nächst eine Überprüfung von Personen, die dem rechten
Spektrum zugerechnet wurden. Im Juli/August 2006
überprüfte die BAO „Bosporus“ hierzu zwei vom PP
Mittelfranken übergebene Ordner mit staatsschutzrelevan-
ten Ereignissen/Daten von 1993 bis 2001.
5059
Außerdem
wurden mit Blick auf eine Mobilitätsüberprüfung zu-
nächst die Arbeitgeber der im polizeilichen Staatsschutz
bekannten Rechtsextremisten mit dem Wohnsitz in Nürn-
berg (Stand Juli 2007) ermittelt.
5060
5053) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26 f.
5054) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 31.
5055) Geier, Anlage 1 zum Protokoll-Nr. 12, S. 1.
5056) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 90.
5057) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 91.
5058) Spurenblatt, MAT A GBA-4/5a, Bl. 21.
5059) Vermerk vom 12. Juli 2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 104;
Vermerk vom 14. August 2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 105.
5060) Ermittlungsbericht vom 19. Juli 2007, MAT A GBA-4/5c, Bl.
110; Schreiben der BAO „Bosporus“ an die Deutsche Renten-
Drucksache 17/14600 – 580 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Gefährderansprachen
Bei neun Personen aus dem rechten Spektrum wurden in
der zweiten Jahreshälfte 2006 sogenannte
Gefährderansprachen durchgeführt, um zu erfahren, was
die rechte Szene über die Mordserie spricht.
5061
Diese
neun Personen wurden ohne Mitarbeit des LfV anhand
eigener polizeilicher Daten ermittelt.
5062
Zum Zweck der Gefährderansprachen hat der Zeuge Pfis-
ter ausgesagt, dass man sich die Nennung von Personen-
zusammenhängen erhofft habe. Es habe sein können, dass
sich mancher um Kopf und Kragen, zum Beispiel über
andere eventuell neue Personen redet.
5063
Dies sei inso-
weit aussagekräftig, dass man dann erkennen könne, ob
die Mordserie in der Szene überhaupt bekannt sei.
5064
Außerdem habe man in der rechten Szene bekannt ma-
chen wollen, dass die Polizei auch auf dieser Seite aktiv
sei.
5065
Als Ergebnis der Gefährderansprachen hielt KHK Pfister
fest, dass
– „bei keiner der angesprochenen Personen ein
Bezug zur Mordserie hergestellt werden konn-
te;
– innerhalb der rechten Szene die Meinung vor-
herrscht, dass sich die Opfer wohl selber im
kriminellen Milieu bewegt haben dürften und
einer Vergeltungs-/Rachetat zum Opfer gefal-
len sein könnten;
– eine fremdenfeindlich motivierte Straftat
[nach Auffassung der angesprochenen Perso-
nen] nicht vorliegt, da die Mordopfer für ihren
Unterhalt selber sorgten und aufgrund ihrer
Berufstätigkeit den deutschen Staat (Steuer-
zahler) nicht ausnützten.“5066
d) Zusammenarbeit mit dem LfV Bayern
Da der Ausschuss davon ausgegangen ist, dass Erkennt-
nisse über politisch motivierte Straftäter bei den Verfas-
sungsschutzbehörden vorhanden sind, war die Kooperati-
on zwischen der Polizei und dem LfV Bayern interessant.
versicherung vom 11. Juli 2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 108 f.;
Antwort der Deutschen Rentenversicherung vom 25. August
2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 129 ff.
5061) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 24.
5062) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 95.
5063) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 18.
5064) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 97.
5065) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 18.
5066) Ermittlungsbericht zu Spurennr. 195 vom 19. November 2007,
MAT A GBA-4/5c, Bl. 186.
aa) Informationsgewinnung der BAO „Bospo-
rus“ beim LfV Bayern von Juli 2006 bis
Februar 2007
Am 7. Juli 2006 fand ein sogenanntes „Arbeitsgespräch“
zwischen vier Mitarbeitern der BAO „Bosporus“ und
zwei Mitarbeitern des LfV Bayern statt. Im Vermerk der
BAO „Bosporus“ über dieses Gespräch heißt es:
„Den Mitarbeitern wurde kurz der Denkansatz der
Einzeltheorie dargelegt unter der Maßgabe, dass es
sich aufgrund der ausländischen Mordopfer mögli-
cherweise um eine Tat mit fremdenfeindlichem
Hintergrund oder noch allgemeiner gesprochen um
einen oder mehrere Täter aus der rechtsextremisti-
schen Szene handeln könnte. […]
Von den Mitarbeitern des LfV konnten keine Per-
sonen mit einem begründeten Tatverdacht belegt
und genannt werden. […]
Das Benützen von Waffen und/oder auch von
Sprengstoff würde eher auf die rechtsextremisti-
sche Terrorszene hindeuten. Als markante Perso-
nen aus diesem Bereich nannte Herr […] folgende
Namen, wobei er auch kurz die jeweilige Gruppie-
rung mit anführte. […]
Aktuell würden Personen der rechten Szene aus
dem Bereich Unterfranken vermehrt mit Waffen
auftreten bzw. festgestellt werden. Hinsichtlich
möglicher Fahndungsansätze wurden die Bezieher
bzw. Mitglieder von rechtsgerichteten Zeitschrif-
ten genannt. Diese könnte man über das LfV erhe-
ben. Als weiterer Ansprechpartner wurde auch der
MAD genannt. […]
Es wird mit den Mitarbeitern des LfV so verblie-
ben, dass man sich in einer ähnlichen Runde wie-
der zusammensetzt und gegenseitig Info's aus-
tauscht.
Anmerkung: Letztlich muss auch abgewartet wer-
den, ob die EZT-Theorie, so wie sie aktuell vor-
liegt, auch dem LfV vorgestellt wird.“
5067
Das LfV Bayern soll nach Angaben des Zeugen Dr. We-
ber, Präsident des LfV Bayern von 2005 bis 2008, bereits
zuvor die rechtsextreme Szene befragt haben.
5068
Den
Akten konnte dies nicht entnommen werden.
Die weitere Zusammenarbeit zwischen der BAO „Bospo-
rus“ und dem LfV gestaltete sich nach Aktenlage und der
Aussage der im Ausschuss vernommenen Zeugen folgen-
dermaßen:
Am 12. Juli 2006 fragte KHK Pfister beim LfV telefo-
nisch an, ob die Daten zur „IVS-Berichterstattung“5069
recherchierbar seien.
5070
Am 14. Juli 2006 erfolgte ein
5067) Vermerk vom 13. Juli 2006, MAT A BY-4, Bl. 54 ff.
5068) Weber, Protokoll-Nr. 17, S. 155.
5069) IVS = Informationsaustausch in Angelegenheiten des Verfas-
sungsschutzes.
5070) Vermerk vom 12. Juli 2006, MAT A BY-6-1, Bl. 67.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 581 – Drucksache 17/14600
Rückruf des LfV zu diesem Thema. KHK Pfister fasste
das Ergebnis dieses Telefonats in einem Vermerk wie
folgt zusammen:
„Es wird mitgeteilt, dass ohne entsprechende Per-
sonennamen eine Abfrage oder Recherche im Sys-
tem schwer durchzuführen ist. Ein zufriedenstel-
lendes Ergebnis ist nicht zu erwarten.
Mit Herrn […] wurde deshalb so verblieben, dass
er zumindest die bis zum Jahr 2000 (Beginn der
Mordserie) als rechte Szenenangehörige erkannten
und festgestellten Personen zusammenstellt und
mitteilt.
Sollte die Möglichkeit bestehen, so will Herr […]
Personenlisten erstellen und mailen. Ob dies in
Excel erledigt werden kann, konnte er nicht sagen.
Der Personenkreis wird sich auf den nordbayeri-
schen Raum beschränken und kann dann auf die
entsprechende Region oder Städte eingegrenzt
werden.“5071
Am 19. Juli 2006 sandte KHK W., BAO „Bosporus“,
folgende E-Mail an die Poststelle des LfV mit dem Be-
treff „Liste Rechtsextremisten“:
„Sehr geehrte Damen u. Herren,
bezugnehmend auf das Telefongespräch v 18. Juli
06 mit ihrem MA […] wird um Übermittlung von
Skinheads, Neonazis und NPD-Mitgliedern, die im
Zeitraum 1995 bis 2002 als Extremisten beim LfV
bekannt wurden, gebeten.“5072
Die Wünsche der BAO „Bosporus“ hat der Zeuge Pfister
in seiner Aussage vor dem Ausschuss folgendermaßen
dargestellt:
„Es ging nicht nur um den Raum Nürnberg an-
fangs, wir wollten erst mal ein Personenkontingent
bekommen […]. Wir wollten eigentlich – es klingt
jetzt ein bisschen übertrieben – sämtliche Daten,
die dem Bayerischen Landesamt für Verfassungs-
schutz bekannt sind.“5073
Der Zeuge Hegler, seit Januar 2001 Leiter der Abteilung
„Rechtsextremismus“ im LfV Bayern, hat zu den darauf-
hin erfolgten Überlegungen im LfV ausgesagt, dass er
eine Übermittlung derart umfangreicher Daten nicht für
rechtlich zulässig gehalten habe. Er habe sich bei seinem
Rechtsreferenten rückversichert. Dieser habe ebenfalls
gemeint, es sei rechtlich nicht zulässig, den gesamten
Datenbestand des LfV der BAO „Bosporus“ zur Verfü-
gung zu stellen. Dies habe er, Hegler, in einem Telefonat
einem Mitarbeiter der Soko „Bosporus“ übermittelt, der
erwidert habe, dass man sich wieder mit dem LfV in Ver-
bindung setzen werde.
5074
5071) Vermerk vom 14. Juli 2006, MAT A BY-6/1, Bl. 72.
5072) MAT A GBA-4/5c, Bl. 31.
5073) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 93 f.
5074) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 2.
Als Gründe für die rechtlichen Bedenken des LfV hat
Hegler als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss auf
Art. 14 und 17 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz
verwiesen. Danach müssen die zu übermittelnden Daten
für den mit der Anfrage verfolgten Zweck erforderlich
sein. Es seien Datensätze von circa 3 500 Personen gewe-
sen. Die BAO „Bosporus“ habe zunächst nicht nur die
Personennamen, sondern die gesamten Daten des LfV
hierzu angefordert. Für ihn habe sich die Frage gestellt,
ob noch zwei getrennte Behörden erforderlich seien, wenn
die Polizei auf den Datenbestand des LfV zugreifen kön-
ne. Ein weiteres Argument sei gewesen, dass sensible
Daten vorhanden gewesen seien, die entsprechend einge-
stuft waren und die von anderen Verfassungsschutzbehör-
den erlangt wurden. Diese Daten hätten nicht ohne weite-
res weitergeben werden dürfen.
5075
Der ehemalige Präsident des LfV, der Zeuge Dr. Weber,
hat zu der Auswahl der Daten ausgesagt:
„Die von der Polizei zunächst angedachte und mit
dem LfV erörterte, aber dann einvernehmlich ab-
gelehnte Übermittlung der Daten aller 3 500
Rechtsextremisten in Bayern – die Republikaner
waren da wohl auch abgezogen, die seinerzeit
noch beobachtet wurden – musste aus Rechtsgrün-
den, eben Art. 14 [Bayerisches Verfassungs-
schutzgesetz] und Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit, unterbleiben. Sie wäre angesichts des
Hypothesencharakters der polizeilichen Ermittlun-
gen absolut unverhältnismäßig gewesen“5076
Mit Telefonat vom 20. Juli 2006 lehnte das LfV
gegebenüber der BAO „Bosporus“ eine Datenübermitt-
lung ab. Es heißt in einem Vermerk der BAO „Bosporus“:
„Nach Rücksprache mit der hausinternen Rechts-
abteilung/Datenschutzbeauftragter ist eine Daten-
übermittlung in dem angefragten Umfang nicht
möglich.
Gründe:
– die Anfrage betrifft für den Zeitraum 1995-
2002 etwa zwischen 3000 bis 3500 personen-
bezogene Datensätze
– darunter ein bestimmter Umfang an ,sensiblen
Daten‘ (nicht offen eingestufte Erkenntnisse)
– in Einzelfällen bestünde demnach eine Ge-
fährdung hinsichtlich ,Quellenschutz‘
Für die als offen verwertbaren Unterlagen beste-
hen keine Bedenken; das LfV ist im Übrigen je-
derzeit bereit, die BAO ‚Bosporus‘ zu unterstüt-
zen.
5075) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 10 f.
5076) Weber, Protokoll-Nr. 17, S. 155 f.
Drucksache 17/14600 – 582 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Mit Herrn Hegler wurde vereinbart, in der 30. Ka-
lenderwoche erneut Kontakt mit dem Amt aufzu-
nehmen.“5077
Dieser Aktenvermerk wurde zusammen mit der genannten
E-Mail des KHK W. an das LfV vom 19. Juli 2006 inner-
halb der BAO „Bosporus“ einem ausgewählten Personen-
kreis mit folgender E-Mail vom 24. Juli 2006 zugänglich
gemacht:
„Hallo Kollegen,
unser unten stehendes Ermittlungsersuchen an das
LfV ist so nicht umsetzbar (s. AV). Um ein
brauchbares Ergebnis zu bekommen, wollen wir
unsere Fragestellung an das Täterprofil knüpfen.
Da es sich um sensible Daten des LfV handelt,
sollten wir uns vorher abstimmen. Deshalb die
Frage,
– ob grundsätzlich Einverständnis besteht, das
EZT-Täterprofil in der präzisierten Anfrage an
das LfV zu übermitteln und
– sollte als Zeitpunkt die Medienveröffentli-
chung abgewartet werden oder nicht?“5078
Nach Aktenlage und der oben zitierten Aussage des Zeu-
gen Hegler geschah zunächst nichts. Weitere Vermerke
über Gespräche zwischen der BAO „Bosporus“ finden
sich erst wieder für Dezember 2006. Der Zeuge Hegler
vom LfV Bayern hat auch ausgesagt, dass er von Juli bis
Dezember 2006 keine weiteren Anfragen der BAO „Bos-
porus“ erhalten habe. 5079 Der Zeuge Pfister, BAO „Bos-
porus“, hat jedoch ausgesagt:
„Also meines Wissens gab es immer wieder tele-
fonische Kontakte, die sich aber immer wieder nur
auf Nachfragen bezogen, ob die Daten geliefert
werden und wie sie angeliefert werden können,
weil zum Schluss hat sich dann auch wieder unsere
Analyse mit eingeschaltet, ob man dann damit
überhaupt arbeiten kann. Es ging um die Datenmit-
teilung.“5080
Es habe bestimmt Telefonate gegeben, er selbst habe
allerdings über jedes Gespräch mit dem LfV einen Ver-
merk verfasst.
5081
In einem Vermerk vom 4. Dezember 2006 über ein Ge-
spräch zwischen KHK Pfister und Herrn Hegler, LfV,
heißt es:
„Während des Gesprächs mit Herrn Hegler wurde
nochmals auf den Ermittlungsansatz EZT einge-
gangen. Als Fahndungsansatz/Hauptaugenmerk für
die Datenerhebung beim Bayer. LfV sind die
5077) Vermerk vom 20. Juli 2006, MAT A BY-6/1, Bl. 73.
5078) MAT A GBA-4/5c, Bl. 33.
5079) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 2.
5080) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 103.
5081) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 125.
,rechten‘ Szene-/Organisationsangehörigen zu
nehmen.
Zusammengefasster Gesprächsinhalt:
Herr Hegler führte aus, dass nach Erhebung der
Daten Rücksprache mit der juristischen Abteilung
im eigenen Hause genommen wurde, ob man das
Ergebnis der BAO ‚Bosporus‘ übermitteln
kann/darf.
Beim LfV kam man nach der Überprüfung zu dem
Ergebnis, dass die Daten der Polizei nicht zur Ver-
fügung gestellt werden dürfen, da
– die Anfrage nicht konkret genug war
– eine Gefährdung von ,Quellen‘ nicht ausge-
schlossen werden kann
Herrn Hegler wurde deshalb nochmals der EZT-
Ansatz mit den Erläuterungen zum Täterprofil (Al-
ter, geografische Ableitung, Zugehörig-
keit/Ausstieg rechte Szene) vorgetragen, wobei
auch der Hinweis gegeben wurde, dass die Anfra-
ge aus hiesiger Sicht ,konkret‘ und genau definiert
sei.
Herr Hegler blieb trotz vorgebrachter Bedenken
bei seiner ersten Aussage, dass die Anfrage nicht
konkret genug sei.
Letztlich wird durch die Absage die Vermutung
des Unterzeichners verstärkt, dass das Bayer. LfV
die Herausgabe von Personendaten eher deshalb
verneint, da man davor zurückschreckt, durch die
Herausgabe von Personalien auch Quellen mitzu-
teilen.
Zum Abschluss des Gesprächs konnte Herrn
Hegler das Einverständnis abgerungen werden,
zumindest die Daten der beim LfV bekannten
Skinheads mitzuteilen. Soweit noch erfasst, soll
sich der Zeitraum ebenfalls auf die Daten von
1995 bis 2002 erstrecken.
Entsprechende Daten sollen in der 50. KW vorlie-
gen und übergeben werden können.“5082
Am 14. Dezember 2006 übergab das LfV Bayern der
BAO „Bosporus“ sogenannte „Infobroschüren“ zur Skin-
head-Szene Bayerns. Die Ausgaben für die Jahre 1997,
1998, 1999/2000, 2001, 2002 und 2003 der vom LfV
Bayern erstellten, zwischen 100 und 200 Seiten umfas-
senden Darstellungen der Skinhead-Szene Bayerns und
ihrer bundesweiten Bezüge lagen auch dem Ausschuss
vor.
5083
Die Analyse berücksichtigt über 400 Personen,
dabei ist keine Person aus dem Trio und keiner der Ange-
klagten des aktuellen Verfahrens des GBA genannt. Der
damalige Vermerk des KHK Pfister zu den übergebenen
Unterlagen lautet:
5082) MAT A BY-6/1, Bl. 74 f.
5083) MAT A BY-5/1a bis 5/1f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 583 – Drucksache 17/14600
„Wie mit dem LfV vereinbart, wurden am 14. De-
zember 2006 die angeforderten Info-Broschüren
mit Personendaten zu den Skinhead-Szenen in
Bayern dem Unterzeichner ausgehändigt. Insge-
samt wurden 6 Broschüren, welche Infos zu den
Jahren 1997, 1998, 1999/2000, 2001, 2002 und
2003 beinhalten, überreicht.
Die Broschüren sind VS- Nur für den Dienstge-
brauch eingestuft!
Da die Broschüren nur in Papierform übergeben
wurden lag es aus Gründen der Effektivität nahe,
die Daten – soweit vorhanden – auch in elektroni-
scher Form zu bekommen. Hierzu wurde mit
Herrn Lothar ZEIHER, Bayer. LfV — Außenstelle
Nbg. – , ein Telefonat mit dem Ergebnis geführt,
dass er sich der Sache annehmen wird. Sollten die
Daten in elektronischer Form vorhanden sein, so
werden diese überspielt.
Einen Termin, wann die Sache erledigt sein könn-
te, konnte Herr ZEIHER nicht nennen. Er wird sich
jedenfalls persönlich der Sache annehmen und den
Unterzeichner über den Fortgang/Ausgang seiner
Bemühungen informieren.“5084
Mit Datum vom 22. Dezember 2006 verfasste KHK
Pfister folgende Gesprächsnotiz:
„Der Leiter der BAO ,Bosporus‘ wurde am
22. Dezember 06 durch Leiter Erm. EZT und Un-
terzeichner darüber in Kenntnis gesetzt, dass sei-
tens des BLfV keine Daten im Sinne der bekann-
ten Anfrage übermittelt werden.
Leiter BAO ,Bosporus‘ behält sich daraufhin vor,
nochmals beim zuständigen Leiter der Abt. 3 im
BLfV unter der Maßgabe anzurufen, doch noch re-
levante Daten zu erhalten.
Einige Minuten später wurde dem Unterzeichner
mitgeteilt, erneut eine Anfrage an das Bayer. LfV
zu senden. Vorausgegangen war das eingangs er-
wähnte Telefonat Ltr. BAO mit BLfV. Mit Datum
vom 28. Dezember 2006 wurde eine entsprechende
schriftliche Anfrage postalisch dem Bayer. LfV
übermittelt.“5085
Das vom Zeugen Pfister entworfene Schreiben der BAO
„Bosporus“ an das LfV vom 28. Dezember 2006 lautet
auszugsweise wie folgt:
„Auskunftsersuchen zur rechtextremistischen Sze-
ne im Großraum
Nürnberg (Spur-Nr. 195)
Anlage: Täterprofil (4 Blatt)
1. Sachverhalt […]
5084) Vermerk vom 14. Dezember 2006, MAT A BY-6/1, Bl. 76.
5085) MAT A BY-6/1, Bl. 77.
2. Ermittlungsansatz ,Einzeltäter aus der rechtsext-
remistischen Szene‘
Auf Grundlage der 2. Fallanalyse der Operativen
Fallanalyse Bayern wurde der Ermittlungskomplex
,Einzeltäter‘ gebildet. Alternativ zur
,Organisationstheorie‘ folgt dieser analytische Er-
mittlungsansatz einer persönlichen, psychopathi-
schen oder/und ideologischen Motivlage, im Sinne
von Rache oder Wut gegen türkische / türkisch
aussehende Opfer.
Dieser Tätertypus fühlt sich aufgrund tatsächli-
chem oder eingebildetem Unrecht subjektiv legi-
timiert, Tötungsdelikte zu begehen. Dabei richtet
sich sein Hass gegen männliche türkische/türkisch
aussehende Kleingewerbetreibende. Inhaltlich
kann hier auch von ,Missionsgeleiteter Täter‘ ge-
sprochen werden.
Zusammenfassend kommt die OFA bei der Missi-
onstäterbetrachtung zu folgendem, kurz dargestell-
tem, Täterprofil.
– Männlich
– Alter, zum Tatzeitpunkt 2000, von 18 bis 40
Jahre alt (1960 bis 1982 geboren)
– Zugehörigkeit zur rechten Szene im Bereich
Nürnberg, evtl. Aussteiger?
– Geografische Ableitung (Ankerpunkt)
Der Ankerpunkt des Täters wird aufgrund der
Konzentration der Tatorte im südöstlichen Raum
Nürnbergs angenommen. Als Fahndungsansatz
wird im vorliegenden Ermittlungsansatz ,rechte
Szene‘ der Großraum Nürnberg herangezogen.
Die Basis für den Ermittlungsansatz ,Einzeltäter‘
bilden die im Täterprofil festgelegten Kriterien –
Geschlecht, Alter, Geografie, Nationalität, Affini-
tät zu Waffen, Mobilität, evtl. beruflich bedingt.
Eine Übersicht zu dem Täterprofil liegt als Anlage
bei.
Die Erhebungen zur ,Rechten Szene‘ sind flankie-
rend zu dem Ermittlungsansatz ,Einzeltäter‘ zu se-
hen.
Ergänzend dazu sind örtliche und zeitlich fallver-
bindende, insbesondere auf die Mobilität abzielen-
de Komponenten in die Erhebung mit einzubezie-
hen.
Beispielhaft wären dies:
Rechte Musikveranstaltungen zu den jeweiligen
Tatzeiträumen. Entsprechende Erkenntnisse sollten
sich nicht nur auf die bayerischen Tatorte be-
schränken. Die Tatorte in Hamburg, Rostock,
Dortmund und Kassel wären in die Erhebung mit
einzubeziehen.
Gibt es rechte Assoziationen zu den Tatorten
und/oder Tatzeiten (etwa analog der Grundsteinle-
gung/Eröffnung Doku-Zentrum Nürnberg)?
Drucksache 17/14600 – 584 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Auskunftsersuchen
Aufgrund des dargestellten Ermittlungsansatzes
wird gebeten, die beim BLfV im Zeitraum 1995
bis 2002 bekannten Rechtsextremisten, Neonazis,
NPD-Mitglieder und Skinheads für den Großraum
Nürnberg mitzuteilen. Die Auskunft sollte sich
nicht nur auf die angeführten Geburtsjahre 1960
bis 1982 und das Geschlecht männlich beschrän-
ken.
Liegen Erkenntnisse zu örtlich und zeitlich fall-
verbindenden Ereignissen/Veranstaltungen, abzie-
lend auf die Mobilität des/der Täter, vor?“5086
Am 10. Januar 2007 bat ein Mitarbeiter des LfV die BAO
„Bosporus“ telefonisch um ein Treffen zur Besprechung
der Anfrage und des „erhofften Ergebnisses“.5087 Ein
Vermerk über eine derartige Besprechung konnte den
Akten nicht entnommen werden. Der Zeuge Hegler hat
hierzu ausgesagt:
„Wir haben das [Schreiben] unserem Rechtsrefe-
renten […] übergeben, der dann zusammen mit der
EDV in umfangreichen Recherchen diese Daten
nach dem Profiling erstellt hat und dann mit der
,Bosporus‘ immer wieder in Kontakt war, weil hier
angegeben war: ,Südosten Nürnbergs‘ und mit die-
ser regionalen Begrenzung wir keine Abgrenzung
beim Datenbestand machen konnten.
Man hat sich dann so abgesprochen, den Bereich
,zwei Postleitzahlenbereiche‘ zu nehmen. Das war
zwar dann ein bisschen umfangreicher als der
Südosten von Nürnberg; aber damit konnten wir
ein entsprechendes Programm fertigen und die Re-
cherchen machen.“5088
Der Zeuge Pfister hat zur Entstehung der eingeschränkten
Anfrage und der Auskunft ausgesagt:
„Dann hat sich das so [von Seiten des LfV] immer
wieder dargestellt, dass das so nicht machbar ist:
Das wären einerseits, nach meinem Wissen, viel-
leicht zu viele Daten – 3 000 bis 3 500 hat es ein-
mal geheißen –, das konnte man nicht einschrän-
ken, und es wäre schlecht zu recherchieren.
Letztendlich hat es geheißen, dass eben die Daten
nicht offen wären, manche Daten kann man aus
Quellenschutzgründen nicht mitteilen. Es wurde
halt so mitgeteilt, und das habe ich so auch mei-
nem BAO-Leiter gesagt, bis er sich dann auch
einmal eingeschaltet hat. Es war ja Chefsache ei-
gentlich, diese Spur, schon seit Juli 2006. Letzt-
endlich hat es eben so lange gedauert. Die Gründe
weiß ich jetzt nicht.“5089
5086) MAT A BY-6/1, Bl. 78 ff.
5087) Vermerk des KHK Pfister vom 12. Januar 2007, MAT A BY-
6/1, Bl. 82.
5088) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 3.
5089) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 93 f.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2007 beantwortete das
LfV Bayern das Schreiben der BAO „Bosporus“ vom
28. Dezember 2006 wie folgt:
„[…] zu Ihrem oben bezeichneten Auskunftsersu-
chen übermitteln wir die in Anlage beigefügten
Personenerkenntnisse. Nach telefonischer Abspra-
che zwischen Herrn […] und Ihnen wurde der Per-
sonenkreis auf Rechtsextremisten mit Wohnort der
Postleitzahlengruppen 90xxx und 91xxx begrenzt.
Es handelt sich um Personen mit Geburtsjahr 1960
– 1982 oder ohne Altersangabe.“5090
Diesem Schreiben war eine Liste mit den Namen und
Geburtsdaten (soweit vorhanden) von 682 Personen bei-
gefügt. Der Zeuge Hegler hat ausgesagt, dass nach seiner
Meinung eine umfangreichere Datenübermittlung zu den
einzelnen Personen rechtlich nicht zulässig sei.
5091
Außer-
dem sei überprüft worden, ob im zeitlichen Zusammen-
hang mit den Mordtatorten irgendwelche rechtsextremis-
tischen Veranstaltungen stattgefunden hatten. Es sei auch
geprüft worden, ob Rechtsextremisten aus Bayern an die-
sen Veranstaltungen teilgenommen haben. Es habe jedoch
keine rechtsextremistischen Veranstaltungen im zeitlichen
und räumlichen Umfeld dieser Mordtatorte gegeben. Das
LfV habe auch geprüft, ob es Handelsvertreter oder Be-
rufskraftfahrer gebe, die eventuell bundesweit unterwegs
seien und infrage kämen. Das negative Ergebnis sei der
BAO „Bosporus“ telefonisch vor der Antwort vom
27. Februar 2007 mitgeteilt worden.
5092
Dies wird durch
den Abschlussvermerk zur Spur 195 bestätigt. Hier heißt
es:
„Zudem wurden Arbeitsgespräche mit dem LfV
und dem PP Mfr./E3 geführt, wobei unter anderem
‚rechte‘ Veranstaltungen mit zeitlichem Bezug
zum Beginn der Mordserie und auch weitergehend
abgeklärt wurden. Hierbei konnten keine Erkennt-
nisse gewonnen werden.“5093
Der Zeuge Dr. Weber hat zu der fehlenden Antwort im
Schreiben des LfV auf den Komplex 2 im Schreiben der
BAO „Bosporus“ ausgesagt:
„Das konkrete Auskunftsersuchen ist in Ziffer 3
dieses Schreibens und nicht in Ziffer 2. Das ist der
Ermittlungsansatz. Das sind interne Überlegungen
der Polizei, und in Ziffer 3 kommt dann das Aus-
kunftsersuchen. […] Wir hatten eine Hypothese,
dass es möglicherweise Rechtsextremismus ist.
Wenn wir etwas gewusst hätten, dass möglicher-
weise irgendwelche Tatverdächtigen sich an ir-
gendwelchen Veranstaltungsorten befunden hätten,
dann hätte man das mit Sicherheit mitgeteilt. Aber
es ging hier der BAO ,Bosporus‘ um Datensätze,
um Namen, und nicht um Assoziationen zu Tator-
5090) MAT A GBA-4/5c, Bl. 56 f.
5091) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 52.
5092) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 38.
5093) Spurenblatt mit Druckdatum 20. November 2007, MAT A
GBA-4/5c, Bl. 22.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 585 – Drucksache 17/14600
ten usw., Doku-Zentrum. […] Das [Ziffer 2, letzter
Absatz] ist eine an sich selbst gestellte Frage. […]
Sonst kann ich nicht ermitteln, wenn ich mir nicht
selber Fragen stelle.“5094
Die übersandte Liste wurde aus dem eigenen Datenbe-
stand des LfV gewonnen. Anfragen an andere Verfas-
sungsschutzämter des Bundes oder der Länder erfolgten
nach Aussage des Zeugen Hegler nicht.
5095
Der Zeuge Pfister hat auf die Frage, ob er davon ausge-
gangen sei, dass das LfV Bayern seine Bitte um Auskunft
so verstehen würde, dass man von dort aus weitere Lan-
desämter für Verfassungsschutz kontaktiert, geantwortet:
„Zumindest in meiner letzten schriftlichen Anfrage
– das war Anfang Dezember – brachte ich ja die
Tatorte mit ins Spiel bzw. die anderen Bundeslän-
der, dass man das auch mit ins Kalkül zieht.“5096
Zwar sei in dem Schreiben vom 28. Dezember 2006 nicht
die Rede davon, dass das LfV auch bei Partnerdiensten in
den anderen 15 Bundesländern Personendaten abfragen
möge, aber normalerweise gehe er davon aus, dass man
sich dann zumindest austausche.
5097
Mit Herrn Hegler
vom LfV habe er dies aber nicht besprochen.
5098
Auch der
Zeuge Geier, der Leiter der BAO „Bosporus“, hat ausge-
sagt, dass der Ansprechpartner der bayerischen Polizei
das LfV Bayern sei und dass durch dieses innerhalb der
Dienste weitergesteuert werde.“5099
bb) Die Ermittlungen anhand der vom LfV
Bayern übersandten Liste
Die BAO „Bosporus“ glich die 682 Personen auf der vom
LfV Bayern übersandten Liste mit den Daten des Ein-
wohnermeldeamtes Nürnberg ab. Ausgeschlossen wurden
von vornherein alle Männer, die jünger als 18 und älter
als 35 Jahren waren, sowie alle Frauen. Im Ergebnis blie-
ben noch 160 Personen übrig, die einzeln überprüft wur-
den.
5100
Der Zeuge Pfister hat hierzu ausgesagt:
„Dann wurden die im Rahmen unserer Abteilung
verteilt an vier bis fünf Kollegen, und dann hatte
jeder circa 50 Spuren abzuarbeiten.“5101
„[…] und dann wurde abgeglichen: Hatten sie Ali-
bis zur Tatzeit? Je nachdem – Wenn es sich viel-
leicht hätte ergeben sollen – mir ist jetzt momentan
kein Fall bekannt –, dann wären wir ihn persönlich
angegangen. Ansonsten wurde ja mit den Daten,
die wir erhoben haben, sprich Staatsschutzdateien-
abfragen, Pkw-Anmietungen zum Beispiel, Waf-
5094) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 164 f.
5095) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 5.
5096) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 95.
5097) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 96.
5098) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 103 f.
5099) Geier, Protokoll-Nr. 14, S. 25.
5100) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 100; Geier, Protokoll Nr. 12, S. 7.
5101) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 91.
fenbesitzer, Animositäten eventuell in der polizei-
lichen Vorgangsverwaltung. Es ist halt jetzt nicht
so, dass nur die Nürnberger polizeilichen Vor-
gangsverwaltungsdateien abgefragt wurden, weil
es kann ja sein, dass einer, sage ich jetzt einmal, 95
in ein anderes Bundesland verzogen ist. Dann
wurden dort auch die polizeilichen Dateien abge-
fragt.“5102
„Wir haben unsere sämtlichen Dateien durchfors-
tet. Wir haben uns alles angeschaut, wer mit wem
zusammen war, wer mit wem unterwegs war, aus
dem Topf, den wir hatten, von den Personen, keine
weiteren Personen, nur den Personen, die wir hat-
ten. Mit denen hatten wir alles angestellt, umge-
krempelt, wie auch immer.“5103
Der Zeuge Geier hat die Fragestellungen und Ergebnisse
bei der Überprüfung der 160 Personen folgendermaßen
geschildert:
„Wer hat sich zur tatrelevanten Zeit in einer Tat-
ortstadt aufgehalten? Das war nicht der Fall. Wer
hat zu irgendeinem früheren Zeitpunkt eine rechts-
extremistische Straftat zum Beispiel zum Nachteil
eines Ausländers begangen? Wer ist in einem
Schützenverein? Wer hat in seiner früheren Vita
waffenrechtliche oder sprengstoffrechtliche Ver-
stöße? Das waren die Punkte – mehr hatte man
nicht –, um letztendlich zu verifizieren: ,Kommt
der als Täter infrage?‘, außer man geht hin und
fragt ihn: Bist du der Täter? – Wir hatten nicht
mehr. Wenn man dann hingegangen ist und hat ge-
fragt – was wir in einigen Fällen ja gemacht ha-
ben -: ,Wo waren Sie am Soundsovielten?‘, ist
entweder eine nichtssagende Antwort gekommen,
die uns auch nicht weitergebracht hat, oder es ist
gesagt worden: Das interessiert uns eigentlich gar
nicht; das berührt uns nicht; die Morde mit rechts,
da seid ihr auf der vollkommen falschen Seite ge-
wesen. – Solche Antworten sind da ge-
kommen.“5104
Die einzige Person, die auf der Liste der 682 Personen
verzeichnet ist und bei der die Ermittlungen nach dem
4. November 2011 einen Kontakt zu dem Trio feststellen
konnten, ist Mandy Struck.
5105
Sie wurde von der BAO
„Bosporus“ deshalb nicht überprüft, da sie in einem Vor-
ort von Nürnberg gemeldet war und als Frau aus dem
gewählten Raster fiel.
5106
5102) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 100 f.
5103) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 17.
5104) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 38.
5105) Personenliste, MAT A GBA-4/5c, Bl. 68.
5106) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 130.
Drucksache 17/14600 – 586 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
e) Sonstige Ermittlungen des Unterabschnit-
tes „Serientäter“
Neben der Auswertung der Ergebnisse der Medienstrate-
gie und der Massendaten wie Mietwagen- und Hotelbu-
chungen, der „zentralen Verwaltung der Waffenspur“ und
den Ermittlungen im Modellbaubereich überprüfte der
Unterabschnitt „Serientäter“ auch die Veranstaltungen in
Nürnberg zu den Tatzeiten.
5107
f) Abschluss der Spur 195
Im vorläufigen Abschlussbericht des Unterabschnittes
„Serientäter“ vom 9. Januar 2008 heißt es zur Spur 195:
„Ein in der rechten Szene Nürnberg liegender An-
lass für die Mordserie konnte unter dem Strich
nicht sichtbar gemacht werden.“5108
14. Rasterungen
Einen großen Teil der Ermittlungsarbeit nahm die Aus-
wertung der Massendaten in Anspruch. Der Zeuge Geier
hat ausgeführt:
„Nachdem die oben genannte zweite Analyse der
OFA bereits am 9. Mai 2006 bei der BAO
,Bosporus‘ erstmals im Entwurfsstadium vorge-
stellt war, erging von mir der weitere Auftrag, an
diesen neuen Abschnitt ,Serientäter‘, zusammen
mit der OFA diese Aussagen des Serientäterprofils
zu operationalisieren, was bedeutet, Datenquellen
zu erschließen, um durch Rasterungen überprüfba-
re Personengruppen zu erlangen, auf die eben die-
ses Täterprofil zutraf. […]
Im Ergebnis führte die Erschließung der täterpro-
filbezogenen Datenerhebungen, aber auch der Da-
tenquellen, die den Nachweis einer mehrfachen
tatzeitnahen Anwesenheit in mehreren Tatortstäd-
ten eben zu dieser Flut von 32 Millionen unter-
schiedlichster Daten. Diese Daten aus den unter-
schiedlichsten Quellen wurden, da auch polizei-
fremde Daten verwendet wurden, auf der Grundla-
ge eben dieser mehr als 125 Rasterfahndungsbe-
schlüsse des AG Nürnberg zunächst mal in ein
einheitliches Format gebracht, elektronisch gefil-
tert, sich daraus ergebende Verdächtige als Ermitt-
lungsspuren erfasst und im Nachgang überprüft.
Auf dieser Grundlage wurden von uns 3 500 Er-
mittlungsspuren und insgesamt 11 000 Personen
überprüft. […]
Bei den Datentöpfen […] handelte es sich um
16 Millionen Funkzellendaten aus München,
Nürnberg, Dortmund und Kassel. Wie gesagt, von
den anderen Tatortstätten waren aus bekannten
Gründen keine Daten mehr vorhanden. Wir haben
5107) Vorläufiger Schlussbericht des Unterabschnittes „Serientäter“
vom 9. Januar 2008, MAT A BY-4, Bl. 27.
5108) MAT A BY-4, Bl. 227.
13 Millionen Debit- und Kreditkartendaten, im
Wesentlichen aus den letzten vier Tatortstätten und
den Autobahnraststätten zwischen den anderen
Tatortstätten und Nürnberg. Wir gingen ja davon
aus, dass der Täter nach der Tat nach Nürnberg,
seinem Ankerpunkt, zurückkehrt. Des Weiteren
haben wir 60 000 sogenannte Verkehrsdaten – das
sind Daten aus Verkehrsüberwachung, Verkehrs-
unfallaufnahme, Auswertung von Tankstellen-
überwachungskameras etc. – gesammelt, 27 000
Daten aus Hotelübernachtungen in den Tatortstät-
ten und 1 Million Daten von Autovermietungen
während der gesamten Zeit der Serie. Bei diesen
Datensätzen handelt es sich um Daten, die erst
durch Auswertung personifiziert werden mussten
und im Wesentlichen eine häufigere Anwesenheit
an den letzten vier Tatortstätten nachweisen soll-
ten, somit also losgelöst von den beiden Haupter-
mittlungsrichtungen zu sehen sind. Im Übrigen ist
das Verhältnis von Datensicherung und -aufbe-
reitung zur tatsächlichen Auswertung im Ver-
hältnis von neun zu eins zu sehen, was bedeutet,
dass in der Regel die tatsächliche Auswertung erst
zwischen einem halben bis einem dreiviertel Jahr
später stattfinden konnte.
Im Folgenden will ich noch auf Daten verweisen,
die von vornherein auf die Gewinnung von perso-
nenbezogenen Daten im Sinne des Täterprofils ab-
gezeichnet haben. Wir haben 900 000 Haftdaten,
um die von August 2001 bis Februar 2004 andau-
ernde Serienpause erklären zu können, 21 000 Vi-
sadaten zur Einreise aus der Türkei, 300 000 Daten
aus dem bayerischen Fallbearbeitungssystem EA-
Sy, in dem der kriminalpolizeiliche Meldedienst
aus vielen Deliktsbereichen, unter anderem zum
Beispiel auch rechts motivierte Straftaten und
Straftäter abgebildet sind, zusätzlich noch
1 Million Daten aus dem Einwohnermelderegister,
von Waffenbesitzkarten und Waffenscheinen, Mit-
gliedern von Schützenvereinen in Nürnberg und
allen im Täterprofil genannten Straftaten, also
vorwiegend Waffen-/Sprengstoffdelikte, Aggressi-
onsdelikte gegen Ausländer, über einen definierten
Zeitraum aus ganz Bayern erhoben.
Wir bereits gesagt, wurden die Daten mittels über
125 richterlichen Beschlüssen gerastert, daraus
3 500 Ermittlungsspuren generiert und circa
11 000 Personen zumindest büromäßig überprüft.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, nahmen wir
frühzeitig Kontakt zu Europol auf. Im Rahmen ei-
nes Treffens am 4. und 5. Juni 2007 wurde ein um-
fangreicher Datenabgleich mit den sogenannten
Analysis Work Files, den AWF-Dateien von Euro-
pol, vereinbart. Beim Datenabgleich mit diesen
Europol-Dateien und dem Datenbestand der BAO
,Bosporus‘ wurden circa 200 Personen- und 350
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 587 – Drucksache 17/14600
Telefonnummerntreffer erzeugt. Auch diese Über-
prüfungen führten zu keiner heißen Spur.“5109
In der Rubrik „Massendaten“ heißt es in dem vorläufigen
Abschlussbericht des Unterabschnittes „Serientäter“ vom
9. Januar 2008:
„5.1. Erhebung Funkzellendaten und Überprüfung
der Kommunikationsdatenverursacher als Beweis
der Tatortanwesenheit zur/um die Tatzeit, gemäß
den Analyseergebnissen des BLKA, SG 631 und
des EA 02 der BAO ,Bosporus‘.
5.1.1. Abgleich der Funkzellendaten vom 7.-
9. Juni 2005 in Nürnberg mit 14./15. Juni 2005 in
München im engen Tatort-Bereich (Spur ,76 Bos-
porus‘ ehemals ,810 Yaşar‘)
Auftrag: Feststellung, Abklärung und ggf. Ver-
nehmung des Anschlussinhabers/-nutzers, die sich
im Funkzellenbereich aufgehalten haben. Unter
Hinweis auf die einleitend geschilderte Schnittstel-
lenproblematik, wurden die unter Organisationsge-
sichtspunkten abgearbeiteten Unterspuren ,wieder
in Bearbeitung‘ gesetzt und unter den Serientäter-
merkmalen abgeprüft.
Die 150 Unterspuren sind bis auf zwei, die bei der
EG München überprüft werden, erledigt. Eine in
strafprozessuale Maßnahmen mündende Ver-
dachtslage ergab sich nicht.
5.1.2. Abgleich der Funkzellendaten – Kreuzver-
gleich der Rufnummern in der Funkzelle zwischen
den Tatorten Nürnberg, München, Dortmund, Kas-
sel und der BAB A44 mit Einschränkung auf den
jeweiligen Tattag (Spur 370).
Auftrag: Feststellen, Abklärung und ggf. Verneh-
mung der Anschlussinhaber-/nutzer, die sich im
Funkzellenbereich aufgehalten haben. Die 117 Un-
terspuren sind entsprechend den Überprüfungskri-
terien abgearbeitet und bis auf 3 (je 1 x HH, DO,
EA Einzeltäter) erledigt. Eine in strafprozessuale
Maßnahmen mündende Verdachtslage ergab sich
nicht.
5.1.3. Abgleich der Funkzellendaten der Tatort-
städte Dortmund und Kassel plus die der A 44, be-
schränkt auf die jeweiligen Tattage, mit dem
IGWeb-Bestand Bayern (Spur 587). Die Funkzel-
lendaten der Tatortstädte Dortmund und Kassel
plus die der A 44 wurden mit dem IGWeb-Bestand
Bayern abgeglichen. Ziel war es, Funkzellen- Ein-
fachtreffer zu personalisieren. In einem zweiten
Schritt wurden die Personen mit Bezug in den
Nürnberger Südosten und Alterspriorität 1 – 3 her-
ausgefiltert. Ausgeschlossen wurden die, die min-
destens zu einer Tatzeit in Haft waren. Übrig blie-
ben 175 Personen, die unterverspurt und büromä-
ßig abgeklärt wurden.
5109) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 6-8.
Bis auf 28, die noch abschließend im EA Einzeltä-
ter überprüft werden, sind die 175 Unterspuren
entsprechend den Überprüfungsvorgaben abgear-
beitet. Auffällig war, dass einige der Handynum-
mern mit IGWeb nicht mehr personenaktuell wa-
ren, aber auch überproportional häufig polizeiin-
terne Übertragungs-/ Erhebungsfehler in IGWeb
vorlagen! Eine in Folgeermittlungen mündende
Verdachtslage ergab sich bislang nicht.
5.2. Autovermietungen (Spur 387, 388)
Diesem Überprüfungsansatz liegt die Annahme
zugrunde, dass ein Tatverdächtiger aus dem Aus-
land anreist und in der BRD einen Leihwagen zur
Tatbegehung anmietet. Es wurden 28 Leihwagen-
Anmieter, die zu allen 9 Tatzeiten ein Kfz ange-
mietet hatten (Spur 386) und 31, die zu 8 Tatzeiten
Kfz- Anmieter waren (Spur 387), unterverspurt
und abgearbeitet. Bis auf eine Überprüfung, die
noch bei der EG ,Kormoran‘ anhängig ist, ist die-
ser Komplex abgeschlossen. Ein Tatverdacht ergab
sich nicht.
5.3. Abgleich der EWO- Daten Nürnberg mit
IGWeb Mittelfranken, WBKBesitzern und Schüt-
zenvereinen (Spur 388)
In mehreren Analyseschritten wurden ab Novem-
ber 2006 aus den 501 676 Datensätzen der Ein-
wohnermelde-Datei Nürnberg, die entsprechend
dem Täterprofil eingeschränkt auf männlich, Jahr-
gang 1960 — 1982 und dadurch auf 251 783 Da-
tensätze reduziert wurden, mit den einzelnen Da-
tentöpfen abgeglichen. So ergaben sich
– 9 Dreifach-Treffer aus IGWEB + WBK +
Schützenverein und
– 122 Zweifach-Treffer aus IGWEB + WBK od.
Schützenverein, davon 73 Personen im Südos-
ten von Nürnberg.
Ziel der Filterung und damit der analytische An-
satz waren, Personen mit einer Affinität zu Waffen
aus dem Raum Nürnberg sichtbar zu machen. 82
Personen wurden unterverspurt und den Vorgaben
entsprechend abgeklärt. Ein Tatverdacht ergab sich
nicht.
5.4. Abgleich Verkehrsdaten Kassel und Dortmund
mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 398,
461)
Auftrag / Sachverhalt: Auswertung Verkehrsdaten
Kassel mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg
(Spur 398). Die 107 Unterspuren sind auftragsent-
sprechend abgearbeitet. Eine ist noch in Bearbei-
tung bei der MK ,Café‘.
Auftrag / Sachverhalt: Auswertung Verkehrsdaten
Dortmund mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg
(Spur 461). Die 30 Unterspuren sind auftragsent-
sprechend abgearbeitet. 2 sind noch in Bearbeitung
im EA Nürnberg. Eine in Folgeermittlungen mün-
Drucksache 17/14600 – 588 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dende Verdachtslage ergab sich in beiden Kom-
plexen bislang nicht.
5.5. Abgleich Hotelübernachtungsdaten
Wurden in den Tatortstädten Kassel, Dortmund,
Hamburg und Rostock erhoben und diejenigen Ho-
teleinmieter, die einen erkennbaren Bezug zum
Ballungsraum Nürnberg (PLZ 90.../91...) hatten,
hinsichtlich Tatortanwesenheit zur Tat-
zeit/Vorliegens eines Anfangsverdachtes über-
prüft.
5.5.1. Hoteldaten Kassel mit Bezug zum Ballungs-
raum Nürnberg (Spur 445)
Die 53 Unterspuren sind abgeklärt.
5.5.2 Hoteldaten Dortmund Bezug zum Ballungs-
raum Nürnberg (Spur 453)
Die 96 Unterspuren sind bis auf eine, die im EA
Einzeltäter geprüft wird, abgeklärt.
5.5.3. Hoteldaten Hamburg Bezug zum Ballungs-
raum Nürnberg (Spur 603)
Von 112 Unterspuren — sind noch 17 in Bearbei-
tung (EA Nürnberg)
5.5. April Hoteldaten Rostock mit Bezug zum Bal-
lungsraum Nürnberg (Spur 608)
Nach Datenanlieferung im Dezember 07 wurden
35 Unterspuren angelegt, die im EA Einzeltäter
überprüft und zeitnah abgeschlossen werden.
Eine weiter zu verfolgende Verdachtslage ergab
sich bei den Hotelübernachtungsdaten bislang
nicht.
5.6. Filterung von Personen die in mehreren Mas-
sendateien vorkommen (Spur 528)
Aus den Massendaten wurden mit Datum vom 23.
April 2007 diejenigen Personen herausgefiltert, die
am häufigsten in verschiedenen Datentöpfen vor-
kamen. Die beiden Info-Zoom-Gesamtlisten
,Personalien aller Töpfe mit Name, Vorname und
Geburtsdatum‘ sowie ,Personalien aller Töpfe mit
Name und Geburtsdatum‘ dienten als Grundlage.
Ergebnis des Abgleichs waren 2 Neunfach-Treffer,
3 Achtfach-Treffer, 33 Siebenfach-Treffer und 121
Sechsfach-Treffer. Darüber hinaus war die Treffer-
Anzahl nicht mehr zu bewältigen.
Die Mehrzahl der Treffer waren mathematischer
Art, d. h. bei der Einzelbetrachtung war keine kri-
minalistische Substanz hinter dem Treffer. Die
Überprüfung erbrachte in keinem Fall einen Bezug
zur Mordserie.
5.7. Abgleich der aktuellen/inaktuellen EWO-
Daten Nürnberger S/O mit den Massendatentöpfen
(Spuren 504 — 525)
Konzeptentsprechend wurde der geografische An-
satz (aktuelle/inaktuelle Einwohnermeldedaten
Nürnberger Südosten) jeweils mit einem Massen-
datentopf abgeglichen, der z. B. Waffenaffinitäts-
/Mobilitätsaspekte, Einwohnermeldedaten in Tat-
ort-Städten, Hoteleinbuchungen, Verkehrsverstöße
tatzeitnah in Tatort-Städten etc. auswies.
Es ergaben sich aus diesen Rasterungen einerseits
Treffer, die bereits durch kumulierte Rasterfra-
gen/-filter herauskamen und im Sinne eines Con-
trollings bewertet wurden, andererseits aber eine in
der Regel quantitativ so nicht abzuarbeitende Da-
tenmenge. Letztere Ergebnisse wurden durch
Alterspriorisierung, ggfs. Anlegen weiterer Filter,
reduziert und in bearbeitbare Datenbündel zusam-
mengefasst. In diese Verfahrensweise wurde die
jeweilige Tatort-Soko zur Infogewinnung und –
gewichtung mit einbezogen. Ziel war immer, in
der Gesamtschau den jeweiligen Verdachtsgrad
und damit die weitere Vorgehensweise festlegen
zu können.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich letzt-
endlich kein substanziell hochstehender Tatver-
dacht gegen einen der Überprüften herausfinden
ließ. Hinsichtlich der Bearbeitungstiefe wird auf
die jeweilige Spur verwiesen. Derzeit sind noch 21
Unterspuren im EA Einzeltäter (wieder) in Bear-
beitung. Anzumerken ist, dass noch eine Reihe von
Rasterungen machbar wären, aber nach kriminalis-
tischen Bewertung und aus Quantitätsgründen zu-
rückgestellt wurden.
5.8. Erkennen einer Opfer-/Täterbeziehung durch
Auswertung aller Anzeigen im Ballungsraumver-
fahren vom 1. Januar 1997 bis zum Serienbeginn
9. September 2000 bezüglich deutscher Opfer und
türkischer Straftäter als möglicherweise serienaus-
lösendes Moment. Der Ansatz führte letztendlich
nicht weiter.“5110
15. Weitere Ermittlungsmaßnahmen und Zu-
sammenarbeit mit türkischen Behörden
a) Öffentlichkeitsarbeit
Neben der bereits oben dargestellten Öffentlichkeitsarbeit
zur Verbreitung der „Einzeltäterhypothese“ erfolgten
weitere derartige Maßnahmen, zum Beispiel Befragungen
von Anwohnern und Spaziergängern sowie Verteilung
von etwa 100 000 Fahndungszetteln im Nürnberger Süd-
osten.
5111
b) Möglicher Zusammenhang der Mordserie
mit der Tat in Heilbronn
Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai
2008 wird erwähnt, dass u. a. ein Datenabgleich mit dem
Mordfall in Heilbronn vorgenommen wurde.
5112
Der Zeu-
5110) MAT A BY-4, Bl. 210 ff.
5111) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 11.
5112) MAT A GBA-4/2, Bl. 565.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 589 – Drucksache 17/14600
ge Geier hat dies seinem „kriminalistischen Bauchgefühl“
zugeschrieben. Um alle Möglichkeiten auszuschließen,
sei auch dies überprüft worden. Es hätte sich irgendeine
Verbindung ergeben können, was aber nicht der Fall
war.
5113
c) Sonstige Überlegungen zu Ermittlungsan-
sätzen
Im Rahmen eines Brainstormings von 19 Polizeibeamten
der BAO „Bosporus“ zu noch nicht durchgeführten Er-
mittlungen wurde als einer von 70 Punkten genannt:
„15. Erkenntnisse einholen inwieweit Fahrrad als
Fluchtmittel bei Raub und Erpressungen Verwen-
dung fand.“5114
Die anschließend herausgearbeiteten 16 möglichen Er-
mittlungsansätze enthalten nicht diese Überlegung zu den
Fahrrädern.
5115
Der Zeuge Geier hat jedoch auch ausge-
sagt, dass seines Wissens nach die polizeiliche EDV-
Software nicht die Möglichkeit biete, in einzelnen Fällen
bestimmte Tatgeschehen herauszufiltern, um sie mitei-
nander zu vergleichen.
5116
Der Zeuge Dr. Beckstein hat zu
diesem Problem ausgesagt, er halte eine Verbesserung der
EDV für erforderlich, um eine Tatmitteldatei zu erhalten.
Dort könne dann zum Beispiel nachgefragt werden, dass
zur Tat Fahrräder verwendet worden sind. Es sei immer
seine Idee gewesen, dass ein Polizei-Google vorhanden
sei und die Polizei nach den spezifischen Fragen die ge-
samten Ermittlungsunterlagen googeln könne.
5117
Ab dem 21. Juli 2008 überarbeitete die BAO „Bosporus“
den Fall Yaşar unter den Gesichtspunkten „Kontrolle des
vorliegenden Ermittlungsbestandes und Durchführung
bisher zurückgestellter oder sich neu ergebender Ansät-
ze“. Im Bericht vom 2. Dezember 2009 wurden die er-
gänzenden Ermittlungen dargestellt und vermerkt, dass
die Ermittlungen im Fall Yaşar abgeschlossen seien. Das
Augenmerk wurde erneut auf die beiden Fahrradfahrer als
mögliche Täter gerichtet, ohne dass neue Ansätze zur
Ermittlung dieser Personen festgestellt wurden.
5118
d) Zusammenarbeit mit türkischen Behörden
aa) Hinweise auf eine Täterschaft der „Türki-
schen Hizbullah“
Im Rahmen der Ermittlungen der EG „Česká“ wurden im
September 2006 im Umfeld des ersten Mordopfers der
Serie mehrere Personen festgestellt, welche der sogenann-
5113) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 19.
5114) Aktenvermerk der BAO „Bosporus“ vom 26. Oktober 2007,
MAT A BY-2/3e, Bl. 112 ff., 115.
5115) Aktenvermerk der BAO „Bosporus“ vom 26. Oktober 2007,
MAT A BY-2/3e, Bl. 119.
5116) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 21.
5117) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 84.
5118) MAT A GBA-4/5a, Bl. 45 ff.
ten „Türkischen Hizbullah“ zugerechnet wurden. Ziel
dieser Gruppierung soll die Abschaffung des gegenwärti-
gen Staatssystems der Türkischen Republik und die Er-
richtung eines „Gottesstaates“ sein. Ihr werden zwischen
Anfang der 90er Jahre und 2003 ca. 500 ideologisch-
religiös motivierte Morde sowie zahlreiche weitere Ge-
walttaten zugerechnet. Nach weiterführenden Ermittlun-
gen sah die EG „Česká“ Anhaltspunkte, dass auch fünf
weitere Opfer dieser Mordserie zumindest mittelbar über
diverse „Kennverhältnisse“ in Verbindung mit Mitglie-
dern der „Türkischen Hizbullah“ stünden.5119
Das BKA nahm Kontakt zur türkischen Polizei auf. In
dem Bericht des BKA vom 26. Juli 2007 heißt es:
„Der polizeiliche Nachrichtendienst der GSD An-
kara übergab im Rahmen der Dienstreise vom Mai
2007 eine Zusammenstellung von Erkenntnissen
zur TH [Türkische Hizbullah] sowie eine Ein-
schätzung hinsichtlich einer mutmaßlichen Täter-
schaft dieser Organisation zur Serie EG ,Česká‘.
Eine Täterschaft der TH zur Serie EG ,Česká‘ wird
als durchaus wahrscheinlich angenommen, da in
Verbindung mit den hier festgestellten Bezügen
der Opfer zur TH
– der Modus Operandi der ,Handschrift‘ der
TH entspreche, nämlich paar- bzw. teamwei-
ses Vorgehen, Exekutionscharakter, Tötung
durch gezielte Kopfschüsse
– auch die TH niemals ein Bekennerschreiben
o. ä. bei ihren Anschlägen/Tötungen hinter-
lassen habe
– das Persönlichkeitsbild der Opfer durchaus
dem entspräche, welches auch die in der Tür-
kei von der TH ermordeten Personen aufwie-
sen
In diesem Zusammenhang wurde als mögliche
Motivlage ausgeführt, dass die Opfer der Serie
,Česká‘ sich z. B. weigerten, die TH (weiter) fi-
nanziell zu unterstützen oder als ,Verräter‘ an der
Organisation exekutiert wurden.“5120
Weitere Ermittlungen schlossen sich an.
Der Zeuge Maurer hat zur „Hizbullah-Spur“ ausgeführt,
man habe über eine Kennbeziehung von zweien der Opfer
der Mordserie zu zwei in Istanbul getöteten türkischen
Personen, die von der türkischen Hizbullah ermordet
worden seien, einen manifesten Verdacht gehabt, den man
im Sinne des Česká-Verfahrens instrumentalisiert habe,
um eine Zuständigkeit des GBA zu begründen. Er hat
ausgeführt:
„Wir haben im BKA permanent überlegt, wie wir
es schaffen könnten, den GBA zuständig zu ma-
5119) Bericht des BKA, EG „Česká“ vom 26. Juli 2007, MAT A
BKA-2/27, Bl. 190 ff.
5120) Bericht des BKA, EG „Česká“ vom 26. Juli 2007, MAT A
BKA-2/27, Bl. 193.
Drucksache 17/14600 – 590 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen. Aus dem Informationsgefüge heraus gab es
überhaupt keine Information, die eine Zu-
ständigkeit ermöglicht hätte. Also sind wir auf
Folgendes verfallen, was eine gute Idee war, aber
zur gleichen Zeit in eine Trugspur geführt hat: Der
GBA wäre zuständig gewesen bei der Täterschaft
der Türkischen Hizbullah. Also haben wir das zum
Thema gemacht, um ein entsprechendes Verfahren
und mit einem entsprechenden Verfahren die Zu-
ständigkeit des GBA zu begründen.
Aus dem Česká-Verfahren selbst gab es keine
Hinweise, sondern es gab nur Hinweise, dass es
denkbar war, dass Opfer aus dem Česká-Bereich
verbunden sind mit Opfern, die durch die Türki-
sche Hizbullah in Istanbul umgebracht wurden.
Daraus haben wir versucht, eine GBA-
Zuständigkeit zu begründen. Trugspur – wissen
wir ja heute, dass es eine Trugspur war. Aber es
gab für den GBA keine Möglichkeit, Informatio-
nen zu bewerten und zu einem anderen Ergebnis
zu kommen. Wir haben es versucht. Wir haben
auch keine generieren können.“5121
bb) Sonstige Kontakte zu türkischen Behörden
Der Zeuge Geier hat über eine persönliche Kontaktauf-
nahme in der Türkei zur KOM „Ankara“ ausgeführt:
„Diese Dienststelle ist zuständig für Rauschgift-
und Organisierte Kriminalität sowie für Terrorab-
wehr und den polizeilichen Nachrichtendienst, [ei-
ne Kontaktaufnahme erfolgte] bereits im Septem-
ber 2006. Zusammen mit Angehörigen der EG
,Česká‘, des BKA und dem Leiter der Operativen
Fallanalyse Bayern wurde dort die Serie vorge-
stellt und die Zusammenarbeit mit türkischen Be-
hörden abgestimmt. Auch die Öffentlichkeitsarbeit
wurde verstärkt, insbesondere auch in türkischen
Medien, um eben diese Bevölkerungsgruppe in der
Türkei, aber natürlich auch in Deutschland, zu er-
reichen. Dazu wurden die im Fall 6 zum Nachteil
Yaşar in Nürnberg erstellten Phantombilder der
Fahrradfahrer verwendet.“5122
Im Oktober 2006 unterstützte ein türkischer Polizeibeam-
ter bei der BAO „Bosporus“ für eine Woche deren Arbeit.
Weitere ähnliche Hilfe war angedacht.
5123
Diese Unter-
stützung war Ergebnis eines Schreibens des Bayerischen
Innenministers vom 12. August 2006 an den Innenminis-
ter der Türkischen Republik mit der Bitte um Unterstüt-
zung.
5124
In dem Antwortschreiben des Innenministers der
Türkischen Republik vom 6. Oktober 2006 wird die um-
fangreiche Kooperation geschildert. Danach erfolgten
Vernehmungen von Verwandten der Mordopfer sowie
5121) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 32.
5122) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 5.
5123) Protokoll über ein Gespräch vom 30. Oktober 2006, MAT A
HH-5/2, Bl. 50 ff.
5124) MAT A BY-2/9c, Bl. 48 ff.
Ermittlungen in den Geburtsorten der Opfer und Lebens-
orten ihrer Familienangehörigen. Ermittlungen über die
Immobilien, Bankkonten und andere Besitztümer der
Mordopfer und deren Erben in der Türkei wurden abge-
lehnt, da der Grund hierfür nicht verstanden wurde.
5125
Aus einem Schreiben des damaligen türkischen Innenmi-
nisters Akzu an den bayerischen Ministerpräsidenten, Dr.
Beckstein, vom Dezember 2006 ergibt sich, dass bis zu
diesem Zeitpunkt bereits 210 offizielle Anfragen gestellt
und die in diesen Anfragen erbetenen Informationen über
390 Personen, 295 Telefonate, 85 Reisendenregister, acht
Firmen und 125 Geburtenregistrierungen und andere
benötigte Informationen beschafft und weitergeleitet
worden waren. Darüber hinaus reisten Mitarbeiter der EG
„Česká“ im Jahr 2003, im September 2004 und im Sep-
tember 2005 zu einem Informationsaustausch nach Anka-
ra in die Türkei.
5126
Während des im September 2004 in
der Türkei stattgefundenen Informationsaustausches wur-
den die deutschen Ermittler durch die Sicherheitseinheiten
der türkischen Polizei über die Ergebnisse der Nachfor-
schungen mit den Familienangehörigen der ersten fünf
Mordopfer informiert. Im September 2005 wurden bezüg-
lich der durchgeführten Ermittlungen die Ergebnisse der
Tatenanalysen und Spurenkomplexe bewertet. Weiter
wurden die neuen Ermittlungsthemen besprochen und für
die zukünftige Arbeitsphase Entscheidungen getroffen. Im
Anschluss an das Treffen vom September 2005 hat die
türkische Polizei in großem Umfang Verwandte der
Mordopfer vernommen.
5127
Im Jahr 2005 fand zudem ein
einwöchiger Aufenthalt türkischer Kollegen beim BKA in
Wiesbaden sowie ein Besuch des Vizepräsidenten Falk in
Ankara und Istanbul statt.
5128
Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai
2008 heißt es zu Ermittlungen in der Türkei:
„Zur Aufklärung des persönlichen Umfeldes und
der Vergangenheit der Opfer in ihrem Heimatland
waren Ermittlungen in der Türkei und Griechen-
land unerlässlich. Diesbezüglich bestanden im Be-
reich des polizeilichen Nachrichtenaustausches be-
reits Kontakte über den Verbindungsbeamten des
BKA mit der türkischen OK Dienststelle in Anka-
ra. Zudem wurden Rechtshilfeersuchen an die tür-
kische und griechische Justiz gestellt. Zur Ab-
stimmung und Intensivierung der Ermittlungen
fanden mit den türkischen Polizeibehörden gegen-
seitige Arbeitsbesprechungen statt. Im September
2005 besuchte der Leiter der BAO ,Bosporus‘,
LKD Geier, die OK Dienststelle in Ankara. Im
Februar 2006 fand ein Erkenntnisaustausch mit
dem Leiter der KOM Ankara, Herrn K., beim BKA
und bei der BAO ,Bosporus‘ in Nürnberg statt. Die
5125) MAT A BY-2/9c, Bl. 1336 ff.
5126) MAT A BKA-2/17, Bl. 232 ff; BKA-2/23, Bl. 19.
5127) Schreiben des türkischen Innenministers Akzu an den bayeri-
schen Ministerpräsidenten Dr. Beckstein vom 13. Dezember
2006, MAT A BY-2/9c, Bl. 1336 ff.
5128) MAT A BKA-2/23, Bl. 19; MAT A BKA-2/18, Bl. 207.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 591 – Drucksache 17/14600
KOM Ankara errichtete ein eigenes Ermittlungs-
team für die Belange der BAO ,Bosporus‘. Als
Ansprechpartner fungiert Herr KK K., der sowohl
im Oktober 2006 als auch im Februar, April und
Oktober 2007 jeweils für eine Woche bei der BAO
„Bosporus“ verweilte. Bei diesen Treffen wurden
insbesondere die in Deutschland lebenden Ange-
hörigen der Opfer aufgesucht, die Tatorte besich-
tigt und Informationen auf Ermittlungsebene aus-
getauscht. Zudem fanden Gespräche bei den kon-
sularischen Vertretungen statt. Diese ermittlungs-
unterstützenden Treffen sind auch zukünftig ge-
plant.“5129
16. Ermittlungen in Hamburg (EG „061“) und
Zusammenarbeit mit BAO „Bosporus“
Ein Sachbearbeiter der BAO „Bosporus“ in Nürnberg
stand für die Hamburger Polizei als Verbindungsbeamter
zur Verfügung.
5130
Die Ermittlungsmaßnahmen wurden
laufend abgestimmt.
5131
a) Ermittlungsstand und Ermittlungsansätze
Das LKA Hamburg hat im Rahmen einer Führungsinfor-
mation vom 20. April 2006 zum Thema „Bisherige Erfah-
rungen/Erkannte Defizite“ ausgeführt:
„Gute Zusammenarbeit mit der BAO ,Bosporus‘
(einschließlich Bereitstellung von Lagemeldungen
und Steuerung von Fahndungskonzeptionen und
Ermittlungshinweisen an die beteiligten Dienststel-
len; Anmerkung: von Seiten des BKA liegt ledig-
lich ein erster Sachstandsbericht von März 2006
vor; nächste Tätigkeit in Richtung der LKÄ waren
die Durchführung einer Telefonkonferenz und ei-
ner anschließenden Strategiebesprechung, s.o.)
Weder in der BAO noch beim BKA zufriedenstel-
lende Aktenlage als Grundlage für die hiesigen
Ermittlungstätigkeiten (Herausforderung der In-
formationsverarbeitung und Komplexität; durch
den Übergang der Ermittlungsführung an das BKA
entstünde hier ein weiterer erheblicher Verzug!)
Fehlende sofortige Information der bisher einge-
setzten Ermittlungsdienststellen nach den letzten
beiden Taten durch die Tatortdienststellen (in Un-
kenntnis der erfolgten Aufforderung von Seiten
der BAO ,Bosporus‘)
Keine koordinierte bzw. abgestimmte Pressearbeit
nach den letzten beiden Taten (mit Folgen z. B. für
Hinweisaufnahme etc.)
5129) MAT A BY-2/3 f, Bl. 243 ff., 333 f.
5130) Zwischenbericht der Soko „061“ vom 12. Dezember 2006,
MAT A HH-5/1d, Bl. 231.
5131) Führungsinformation des LKA Hamburg vom 20. April 2006,
MAT A HH-5/1d, Bl. 283.
Problematik der unterschiedlichen Datenbankan-
wendungen; Datenbestände in INPOL-Fall (BKA)
und EASy (BAO) bestehen bislang parallel neben-
einander ohne Verknüpfung; die hiesige EG ,Netz‘
erfasst in EASy und hat Leseberechtigung für
INPOL-Fall. Dies wird ebenfalls bei den neuen
Ermittlungsdienststellen (Dortmund, Kassel) in
wenigen Tagen gewährleistet sein.
Weitere grundlegende Defizite ergeben sich aus
hiesiger Sicht aus der aktuellen Organisations-
struktur (ausgerichtet in Richtung der BAO „Bos-
porus“) nicht.“5132
Nach Einrichtung der BAO „Bosporus“ Mitte 2005 habe
sich dies geändert. Durch die BAO „Bosporus“ sei der
Hamburger Fall neu betrachtet worden. Es seien auch
Ermittler in Hamburg tätig gewesen und die BAO „Bos-
porus“ habe im zweiten Halbjahr 2005 zunehmend auch
Anfragen und Ermittlungsersuchen an Hamburg gerichtet.
Diese seien zum Teil durch die damaligen Sachbearbeiter
des LKA 41 und zum Teil durch Analysten des LKA 68
erledigt worden. Die Analyse der OK-Abteilung arbeitet
organisationsübergreifend für die gesamte Hamburger
Polizei.
5133
Der Zeuge Schwarz hat weiterhin erklärt, am 27. März
2006 sei inoffiziell die EG „061“, auch EG „Netz“ ge-
nannt, in Hamburg eingerichtet worden.
5134
Als Grund
dafür, dass diese zunächst einmal geheim gehalten wor-
den sei, hat er angeführt, die BAO „Bosporus“ habe die
Durchführung von OK-Ermittlungen gewünscht und das
Umfeld des Opfers habe es geboten, verdeckte Ermittlun-
gen durchzuführen.
5135
Bezüglich der Diskussion einer bundesweiten Koordinie-
rung vertrat das LKA Hamburg die Auffassung, dass die
EG „061“ in der derzeitigen Organisationsform mit dem
bisherigen Kernauftrag, OK-Initiativermittlungen im
Umfeld des Opfers zu führen, beibehalten werden sol-
le.
5136
Am 1. Juni 2006 wurde die EG „061“ in die offen
ermittelnde Soko „061“ umgewandelt.5137 Nach Aussage
des Zeugen Schwarz hätten beide Ermittlungseinheiten
eine Personalstärke von neun Ermittlern und ihm als Ver-
antwortlichen gehabt. Die Aufgaben der Soko „061“ hat
er wie folgt beschrieben:
„Die Schwerpunkte der Hamburger Ermittlungen
richteten sich auch auf Ersuchen der bayerischen
Kollegen daher primär in Richtung
Umfeldermittlungen im Bereich der Organisierten
Kriminalität, da die bayerischen Kollegen der
5132) MAT A HH-5/1d, Bl. 285.
5133) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 66, 67.
5134) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65, 66.
5135) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 105.
5136) Vermerk des LKA vom 2. Mai 2006, MAT A HH-5/1d,
Bl. 278, 279; Näheres zu der Diskussion um die Übernahme
zentraler Ermittlungen durch das BKA 2006 unter F.V.3.
5137) Vermerk des LKA Hamburg vom 13. Dezember 2007, MAT A
HH-5/1d, Bl. 191.
Drucksache 17/14600 – 592 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BAO ,Bosporus‘ uns dargestellt haben, dass Sü-
leyman Taşköprü, unser Opfer, Kontakt hatte zu
sehr vielen namhaften Straftätern, die uns auch in
der OK-Abteilung des Hamburger LKA sehr gut
bekannt waren. Er selbst war kein OK-Täter, wie
wir das sagen würden. Ich würde ihn eher als
Kleinkriminellen beschreiben und als Randfigur.
Er versuchte aber, sich mit Freunden im Milieu,
auch in Hamburg-St. Pauli, zu etablieren.
Der Auftrag, den wir mit der BAO ‚Bosporus‘ für
unsere Ermittlungsgruppe formuliert haben, lautete
daher zunächst Aufhellung im Umfeld des Opfers,
zum einen, um weitergehende Erkenntnisse zu ge-
winnen, und zum Zweiten Unterstützung der BAO
– das erklärt sich von selbst – bei der Identifizie-
rung und Festnahme der Täter und Auftraggeber
des Tötungsdeliktes, also ausdrücklich OK-Er-
mittlungen, auch mit verdeckten Maßnahmen.“5138
Die Soko „061“ wurde zum 30. Juni 2008 in die Allge-
meine Aufbauorganisation überführt.
5139
Nach Aussage
des Zeugen Schwarz seien hierfür keine kapazitären oder
personellen Gründe maßgeblich gewesen, sondern dies sei
aufgrund des noch abzuarbeitenden Ermittlungsaufwan-
des verantwortbar gewesen.
5140
Hinsichtlich einer Prüfung eines rechtsextremistischen
Hintergrundes während des Bestehens der Soko „061“ hat
er ausgeführt, dass dies auch für diese wieder ein Thema
gewesen sei. Zu dem Zeitpunkt habe man ja gewusst, dass
es weitere Taten gegeben habe. Es sei daher augenfällig
gewesen, dass diese Serie besonders brisant sei und dass
der Umstand, dass die Opfer südländischer Herkunft
seien, ein besonders sensibler Umstand sei. Von daher sei
auch ein fremdenfeindlicher Hintergrund für die Tat in-
frage gekommen. Allerdings habe es auch zu diesem
Zeitpunkt keinerlei Hinweise darauf gegeben. Auch auf
Seiten der BAO „Bosporus“ sei zu dem Zeitpunkt, als sie
mit dem Ermittlungsersuchen an die Hamburger Ermittler
herantraten, nichts dergleichen bekannt gewesen. Nichts-
destotrotz sei die Möglichkeit eines solchen Tathinter-
grundes in den Ermittlungen berücksichtigt worden. Man
sei bereits relativ frühzeitig an den Staatsschutz und das
Landesamt für Verfassungsschutz herangetreten.
5141
Nicht
alles, was mündlich erörtert werde, finde allerdings einen
schriftlichen Niederschlag, wenn es keine Bedeutung
entfalte.
5142
Die Hamburger Polizei ist zwar der von der OFA Bayern
entwickelten „Einzeltätertheorie“ nicht gefolgt, der Zeuge
Schwarz hat jedoch erklärt, die Soko „061“ habe umfang-
reiche Ermittlungen zu diesem Ermittlungsansatz durch-
geführt, mit denen ein rechtsextremistischer Hintergrund
5138) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65, 66.
5139) Protokoll der ZSB-Besprechung vom 28. Mai 2008, MAT A
HH-5/1g, Bl. 77.
5140) Schwarz, Protokoll-Nr. 91, S. 91.
5141) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 68.
5142) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 80.
geprüft worden sei.
5143
Alle Ermittlungen der BAO „Bos-
porus“, die zur Verfolgung dieser Theorie beigetragen
hätten, seien unterstützt worden. So seien zum Beispiel
allein in Hamburg über 14 000 Daten von Übernach-
tungsgästen rund um die Tatzeit erhoben worden, um
diese mit Übernachtungsgästen an anderen Tatorten zu
den relevanten Tatzeiten vergleichen zu können. Auch
seien in größerem Umfang Einwohnerdaten erhoben wor-
den. Dahinter habe der Gedanke gestanden, dass Zuzüge
von und nach Nürnberg und zu den anderen Tatortstädten
eine Rolle spielen könnten. In Hamburg seien auch die
meisten Daten von Haftzeiten sowie Daten zu Suiziden
und Suizidversuchen erhoben worden.
5144
Im Juli 2006 sei
ein Mitarbeiter des Staatsschutzes in die Sonderkommis-
sion einbezogen worden, der insbesondere für die Daten-
arbeit zuständig gewesen sei. Dieser habe Zugang zu den
entsprechenden Dateien gehabt und habe den Erfahrungs-
hintergrund einbringen sollen.
5145
Im August 2006 ging in einer Hamburger Moschee ein
Brief mit volksverhetzendem Inhalt ein. Unter der Über-
schrift „Türken-Hasser“ enthielt das Schreiben folgenden
Text:
„Das sind wir alle!
Ihr habt euch hier eingeschlichen und bleibt Multi-
kulti und Verbrecher. Es ist doch gut, dass mal ei-
ner ein paar Türken abknallt. Ich habe mich darü-
ber gefreut. Denn langsam führen die Türken die
Spitze an für Überfälle auf Frauen und Kinder
usw.“5146
Der Zeuge Schwarz hat hierzu erklärt, ihm sei dies nicht
bekannt gewesen. Nachdem er Kenntnis hiervon erlangt
habe, habe er seinen Soko-Leiter auf diesen Hinweis
angesprochen. Dieser habe ihm dazu lediglich sagen kön-
nen, dass der Verfasser nicht habe ermittelt werden kön-
nen.
5147
b) Zusammenarbeit mit LfV Hamburg
Am 6. Juli 2006 fand eine Besprechung des Leiters der
Soko „061“ mit Vertretern von LKA 7, der für politisch
motivierte Delikte zuständigen Abteilung im LKA, und
dem LfV statt. In einem Vermerk vom 6. Juli 2006 hielt
ein Mitarbeiter der Soko „061“, Herr B. als Ergebnis
dieser Besprechung fest:
„LfV war zu einzelnen Personen unseres Interesses
nicht aussagefähig. Ggf. zurückzuführen auf man-
gelnde Vorbereitung und entsprechende vorange-
gangene Hinweise seitens LKA 7 auf mögliche
Bedarfe unsererseits. Die Serie war bei LfV nur
aus Presse bekannt. Ein bundesweiter Infoaus-
tausch der Dienste zu diesem Thema oder Einbin-
5143) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 87.
5144) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 72.
5145) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 80.
5146) Anzeige vom 17. August 2008, MAT A HH-5/2, Bl. 159.
5147) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 91.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 593 – Drucksache 17/14600
dung des LfV durch Ermittlungsdienststellen gebe
es nicht/sei ihm unbekannt.“
Zudem wurde in dem Vermerk festgehalten, dass ein
gegenseitiger Informationsaustausch vereinbart worden
sei. Das LfV habe in diesem Zusammenhang zugesagt,
selbstständig Kontakt zur Soko „061“ aufzunehmen, so-
fern Bezüge oder Informationen zu relevanten Personen
bzw. Sachverhalten vorlägen. Auch sei dem LfV die
Übermittlung von Erkenntnissen der Soko zugesagt wor-
den. Diesbezüglich heißt es in dem Vermerk:
„LfV erklärte hierzu unter Hinweis auf dessen fi-
nanzielle Mittel, dass LfV sich auch über eine
‚Übergabe‘ von Informanten pp. freut, die von der
Polizei nicht weiter ausgeschöpft werden kön-
nen.“5148
Der Zeuge Schwarz, der selbst an dieser Besprechung
nicht teilgenommen hatte, hat ausgesagt, dass die Soko
vom LfV im Folgenden keine Hinweise erhalten habe. Zu
den Hintergründen dieses Gespräches hat er ausgeführt, es
sei nicht nur um etwaige fremdenfeindliche Motive, son-
dern insgesamt um etwaige möglicherweise politische
Gründe gegangen, die für ein solches Delikt verantwort-
lich sein könnten. Denn es habe auch andere politische
Zusammenhänge gegeben, wie beispielsweise zur Arbei-
terpartei Kurdistans (PKK) und zu der Partei der Nationa-
listischen Bewegung (MHP), von denen sie im Laufe der
Ermittlungen erfahren hätten.
5149
c) Einsatz eines Metaphysikers
Im April 2008 kam es zu einem Gespräch mit einem ira-
nischen Metaphysiker, der zu diesem Zweck aus dem Iran
anreiste. Dieser sollte über ein Medium Kontakt mit dem
Mordopfer aufnehmen. Der Metaphysiker soll bei der
Befragung zu dem Ergebnis gekommen sein, dass der
Täter einen dunklen Teint, braune Augen und schwarze
Haare habe. Das Opfer habe mit einer polizeibekannten
Bande in Kontakt gestanden, die aus bis zu acht Personen
bestanden habe.
5150
Zu dem Einsatz dieses Metaphysikers
hat der Zeuge Schwarz ausgesagt:
„Zu mir kam der erste Sachbearbeiter – das ist so-
zusagen der zweite Mitarbeiter in der Sonder-
kommission – und hat mir diesen Sachverhalt vor-
getragen: Eine Perserin kennt einen Metaphysiker
und so, wie Sie es geschildert haben. Wir haben
uns beraten. In der Sonderkommission war man
der Meinung: Warum soll man das nicht versu-
chen? Ich habe gefragt: Kostet uns das was? Der
Mann ist im Iran. Gibt es ein Visumsproblem, ja,
nein? – Im Ergebnis wurde festgestellt, es entstün-
den uns keinerlei Kosten. Zu dem Zeitpunkt der
Ermittlungen war das leistbar, ohne anderes zu
vernachlässigen. Ich habe dann, weil es seine per-
5148) Vermerk vom 6. Juli 2006, MAT A HH-5/1h, Bl. 7.
5149) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 70.
5150) MAT A HH-5/2, Bl. 139-150.
sönliche Absicht war, dem Ermittler den Freiraum
gegeben, das durchzuführen.
Er hat sich dann mit dieser Frau getroffen. Ich ha-
be hinterher nur das Ergebnis abgefragt, und er
sagte mir, dass es nichts gebracht habe. Also, ich
habe diese Aktennotizen, die Sie dort eben zitie-
ren, nicht gelesen oder zur Kenntnis bekommen.
Ich habe das mit einem, ja, leichten Lächeln im
Mundwinkel dann auch zur Kenntnis genommen,
und damit war das abgeschlossen.“5151
Der Einsatz eines Metaphysikers sei aus seiner Erinne-
rung einmalig gewesen.
5152
Er sei von dem Gedanken
getragen gewesen, nichts unversucht zu lassen, um die
Fälle aufzuklären.
5153
17. Ermittlungen in Rostock (Soko „Kormo-
ran“) und Zusammenarbeit mit BAO „Bos-
porus“
Auch dem LKA Mecklenburg-Vorpommern stand ein
Sachbearbeiter der BAO „Bosporus“ als Verbindungsbe-
amter zur Verfügung.
5154
Die Zusammenarbeit der Poli-
zeibehörden führte unter anderem dazu, dass ab Januar
2006 zwei verdeckte Ermittler der BAO „Bosporus“ in
Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt wurden, um Infor-
mationen von Kontaktpersonen des Opfers Mehmet Tur-
gut zu sammeln.
5155
Darüber hinaus suchte die BAO
„Bosporus“ in den Ermittlungsakten aus Rostock nach
Ermittlungsansätzen
5156
und das BKA entwarf am
16. Februar 2006 einen Maßnahmenkatalog.
5157
Mit Wirkung vom 26. Juni 2006 wurde im Landeskrimi-
nalamt Mecklenburg-Vorpommern die Sonderkommissi-
on „Kormoran“ mit der Zielstellung eingerichtet, die
Ermittlungen im Mordfall Yunus Turgut weiterzuführen
und die polizeilichen Aufgaben des Landes Mecklenburg-
Vorpommern im Ermittlungsverbund zur Mordserie
Česká wahrzunehmen. Leiter war der Zeuge EKHK
Deisting
5158
, der zuvor beim LKA Mecklenburg-
Vorpommern im Bereich „Rauschgiftkriminalität“ gear-
beitet hatte.
5159
Der Sonderkommission wurden zeitweise
bis zu zwölf Polizeibeamte aus dem Landeskriminalamt,
aber auch aus anderen Dienststellen des Landes, darunter
ein Beamter, der in der Morduntersuchungskommission
Rostock bereits vom Tattag an in die Ermittlungen zum
Fall Turgut eingebunden war, zugeordnet.
5160
Die Son-
5151) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 79.
5152) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 80.
5153) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 89.
5154) Führungsinformation des LKA Hamburg vom 20. April 2006,
MAT A HH-5/1d, Bl. 283, 284.
5155) Bericht vom 1. Februar 2006, MAT A BKA-2/35b, Bl. 184 ff.
5156) Vermerk vom 23. August 2005, MAT A BKA-2/35b,
Bl. 113 ff.
5157) MAT A BKA-2/35b, Bl. 159 ff.
5158) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 107.
5159) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 115.
5160) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 110.
Drucksache 17/14600 – 594 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
derkommission „Kormoran“ wurde im März 2008 in die
Allgemeine Aufbauorganisation im Landeskriminalamt
Mecklenburg-Vorpommern (Abteilung Schwere Krimina-
lität) überführt. Die noch bestehenden Aufgaben wurden
von mehreren Mitarbeitern weiterbearbeitet.
5161
Das BKA (EG „Česká“) klärte in Abstimmung mit der
Soko „Kormoran“ und der Staatsanwaltschaft Rostock
eine Vielzahl von Spuren ab, insbesondere im Alten Land
und in Hamburg.
5162
Durch Angaben einer V-Person des
BKA gab es Hinweise auf Täter aus dem Rauschgiftmili-
eu.
5163
Es erfolgten umfangreiche Ermittlungen zum Be-
treiber des Döner-Standes, da eine Verwechslung der
Opfer nicht ausgeschlossen werden konnte.
5164
Darüber
hinaus ergaben sich nach Aussage des Zeugen Deisting
konkrete Hinweise auf Personenverbindungen bzw. Tat-
zusammenhänge zu Rauschgiftstraftaten.
5165
Zu den weiteren Ermittlungen aufgrund der 2. Operativen
Fallanalyse vom 9. Mai 2006 hat der Zeuge Deisting
ausgesagt, dass bei ihren Ermittlungen die in dieser Ana-
lyse entwickelte Hypothese eines ausländerfeindlichen
Hintergrundes („Einzeltäterhypothese“) den gleichen
Stellenwert wie die bis dahin ausschließlich verfolgte
„Organisationstheorie“ (Organisierte Kriminalität als
möglicher Hintergrund) gehabt habe. Im Rostocker Mord-
fall hätten sie diesen Ermittlungsansatz durch vielfältige
Öffentlichkeitsmaßnahmen, die Beteiligung an der Mas-
sendatenerhebung und -auswertung und den Informa-
tionsaustausch mit anderen Dienststellen begleitet. Zwei
Einzelspuren zu möglichen Tätern aus dem rechtsextre-
mistischen Bereich sei nachgegangen worden, jedoch
ohne Ergebnis.
5166
Weitere Hinweise auf Täter aus dem
rechten Spektrum seien nicht vorhanden gewesen.
Gleichwohl habe man den neuen Gedanken „in die ge-
samte Ermittlungsbreite“ einbezogen.5167
Nicht festgestellt werden konnte die Bearbeitung von
zwei Hinweisen des Bruders des Opfers auf einen mögli-
chen rassistischen Hintergrund der Tat. Yunus Turgut
hatte in seiner Vernehmung am 30. Juni 2004 den Ermitt-
lern zum einen davon berichtet, dass ein Mitglied der
Familie A., bei denen Mehmet Turgut gearbeitet hatte,
während der Trauerfeier für seinen ermordeten Bruder
eine SMS erhalten hatte mit dem deutschen Text:
„Ich habe einen Türken getötet und du bist
dran!“5168
Weiterhin berichtete Yunus Turgut, dass ihm der erste
Anrufer, der ihn über die Geschehnisse am 25. Februar
5161) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 111.
5162) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 110.
5163) Sachstandsbericht der EG „Česká“ vom 12. Oktober 2006,
MAT A GBA-4/4b, Bl. 33 ff.
5164) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 109.
5165) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 112.
5166) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 113 f.
5167) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 126.
5168) Protokoll über die Vernehmung von Yunus Turgut vom 30. Juni
2004, MAT A BKA-2/35b, Bl. 4.
2004 informiert habe, gesagt habe, sein Bruder sei von
„Rechtsradikalen“ verprügelt worden und liege nun im
Krankenhaus.
5169
Auf Nachfrage hat der Zeuge Deisting erklärt, dass die
Zeugen auch nach der 2. Operativen Fallanalyse nicht
explizit nach einem möglichen rechtsextremen Hinter-
grund des Mordes gefragt worden seien.
5170
Auch Abfra-
gen in den polizeilichen EDV-Systemen hinsichtlich
rechtsextremistischer Gewalttäter bzw. Gewalttäter mit
Bezug zu Rechtsextremismus hätten nicht stattgefun-
den.
5171
Die Auswirkungen des neuen Ermittlungsansatzes durch
die 2. Operative Fallanalyse hat der Zeuge Deisting au-
ßerdem dahingehend beschrieben, dass die maßgeblichen
Daten erhoben worden seien, wie zum Beispiel hinsicht-
lich Hotelbuchungen, Fähr- und Flugpassagieren sowie
Einwohnermeldedaten. Dadurch sei versucht worden,
Schnittstellen zu finden.
5172
Im Rahmen einer Besprechung zwischen der in dem
Mordfall ermittelnden Polizei und dem LfV Mecklen-
burg-Vorpommern im Jahr 2004 habe das LfV Informati-
onen übermittelt, dass Rauschgiftschulden und Rausch-
giftgeschäfte ursächlich für die Ermordung sein sollten.
Anfragen an das LfV über einen möglichen rechtsextre-
men Hintergrund des Mordes habe der Zeuge Deisting
nicht gestellt. Er sei davon ausgegangen, dass das LfV
weitere Informationen mitgeteilt hätte, wenn sie dort
vorhanden gewesen wären.
5173
Zur Öffentlichkeitsarbeit führte das LKA Mecklenburg-
Vorpommern in seinem Zwischenbericht vom 10. Januar
2012 aus:
„In den ersten Tagen nach dem Mord an Turgut
und nach Bekanntwerden des Zusammenhangs mit
der Mordserie ,Bosporus‘ wurde in örtlichen und
überörtlichen Medien, verbunden mit Aufrufen zur
Mithilfe, über die Tat berichtet.
Die an der Aufklärung der Mordserie beteiligten
Dienststellen platzierten auf den Internetseiten ih-
rer Länderpolizeien bzw. des BKA Informationen
zu den Einzeldelikten sowie zur Serie, verbunden
mit Aufrufen zur Mithilfe der Bevölkerung. […]
Per Postwurfsendung wurden Handzettel mit ent-
sprechenden Informationen und Aufrufen an die
Bevölkerung im Wohngebiet und in öffentlichen
Verkehrsmitteln verteilt. Berichte regionaler Pres-
se- und Fernsehmedien begleiteten die Maßnahme.
Aus präventiven Gründen wurden am 11. und 12.
September 2007 an türkische und griechische
Kleingewerbetreibende in Rostock und Demmin
5169) Protokoll über die Vernehmung von Yunus Turgut vom 30. Juni
2004, MAT A BKA-2/35b, Blatt 4 f.
5170) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 131.
5171) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 120.
5172) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 125.
5173) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 124.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 595 – Drucksache 17/14600
Flyer mit Informationen zur Mordserie und Ver-
haltensratschlägen verteilt, in Demmin zudem
Handzettel mit Informationen zum dortigen Auf-
enthalt Turguts Ende 2003/Anfang 2004 und Auf-
rufen zur Mitteilung von Hinweisen. Unter Zuhil-
fenahme türkischer Sprachmittler wurden Gewer-
betreibende zum Opfer Turgut und etwaigen
Kenntnissen zum Tathintergrund befragt. Die
Maßnahmen waren mit der Herausgabe einer Pres-
semitteilung v. 11. September 2007 verbunden, in
der über diese berichtet wurde. Im Rahmen der
Pressemitteilung erfolgte auch die Veröffentli-
chung des Rostocker Phantombildes 1 und zugehö-
riger Personenbeschreibung. […] Nach einer wei-
teren Pressemitteilung v. 28. November 2007 er-
folgten nochmals bundesweit Veröffentlichungen
von Informationen, insbesondere zum Aufenthalt
Turguts 2003 im Raum Bad Segeberg/Wahlstedt,
und beider Phantombilder zum Fall Turgut. Hand-
zettel wurden an öffentlichkeitswirksamen Stellen
in Bad Segeberg und Wahlstedt ausgelegt. Die
Maßnahmen wurden durch Berichterstattungen des
regionalen Fernsehens begleitet.“5174
Die genannten Internetseiten („Hauptseite“ des BKA und
alle Länderseiten) wurden vom BKA zentral über-
wacht.
5175
Im Umfeld des Opfers sind u. a. folgende Ermittlungen
durchgeführt worden:
Am 16. Februar 2005 wurde aufgrund eines Durchsu-
chungsbeschlusses des Amtsgerichts Rostock vom
29. November 2004 die Wohnung des Haydar A. durch-
sucht, in dessen Imbiss Mehmet Turgut erschossen wor-
den war. Die Ermittler vermuteten, dass Mehmet Turgut
unter Umständen Opfer einer Verwechselung geworden
sein könnte und die Schüsse Haydar A. gegolten hätten,
und beschlagnahmten Geschäftsunterlagen von Haydar A.
Zudem vermuteten sie illegale Geschäfte des Haydar A.,
ohne diese jedoch nachweisen zu können.
5176
In einem
Schreiben an die Staatsanwaltschaft Rostock vom 7. April
2005 forderte der Rechtsanwalt von Haydar A. die Rück-
gabe der beschlagnahmten Geschäftsunterlagen und die
Einstellung der Ermittlungen gegen Haydar A. Der An-
walt wies darauf hin, dass die Theorie der Ermittler, der
Mord habe Haydar A. gegolten schon alleine deshalb
nicht logisch sei, da sein
„Mandant das Lokal in der Öffentlichkeit etwa seit
neun Jahren [betreibe]. Es wäre also für einen po-
tentiellen Täter sicherlich bis zum heutigen Tage
ein leichtes, meinen Mandanten vor Ort auszuma-
chen, diesen zu identifizieren und gegenüber die-
5174) MAT A GBA-4/2, Bl. 163 ff., 180 f.
5175) 14. Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ von Ende Juli
2005, MAT A BY-2/3c, Bl. 137 ff., 141.
5176) Vermerk der StA Rostock vom 1. April 2004, MAT A GBA-
4/8b, Bl. 4 f.; Vermerk der StA Rostock vom 13. April 2004,
MAT A GBA-4/8b, Bl. 64.
sen möglicherweise irgendeine ‚Aktion‘ durchzu-
führen.“5177
Zudem sei
„die Durchsuchungssache, die mit neun Leuten
durchgeführt wurde, in höchsten Maße für meinen
Mandanten und seinen persönlichen Ruf belastend.
[…] Für das Leben meines Mandanten stellt sich
die gesamte Angelegenheit langsam als absolute
Katastrophe dar.“5178
18. Überlegungen zu einer Übernahme zentra-
ler Ermittlungen durch das BKA gemäß § 4
BKAG im Jahr 2007
BKA-intern wurde die gewählte Organisationsform auch
nach der Arbeitsaufnahme der Steuerungsgruppe kriti-
siert. Bereits im August 2006 vermerkte KD Hoppe in
einem Sprechzettel für den Präsidenten mit dem bayeri-
schen Polizeipräsidenten Kindler:
„Abschließend bleibt festzuhalten, dass nach der
Entscheidung der IMK vom Mai 2006 die abseh-
bare Schwerfälligkeit der gewählten Organisati-
onsform schon deswegen eingetreten ist, weil es
keine Unterstellungen und keine klaren Entschei-
dungs- (bzw. Befehls-) Strukturen entgegen den
Grundsätzen der Einsatzlehre gibt.“5179
Auch im Jahr 2007 hielt die Kritik an. So heißt es in ei-
nem am 26. März 2007 von KD Hoppe, der das BKA in
der Steuerungsgruppe vertrat, verfassten Sprechzettel für
den Präsidenten des BKA bezüglich einer geplanten, dann
aber nicht durchgeführten Reduzierung der BAO „Bospo-
rus“ und eines Wegfalls der Koordinierung:
„Die seit 2006 praktizierte Zusammenarbeit hat
sich nicht bewährt. Besonders deutlich wird dies
anhand der OFA-Problematik und der Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit. In der eigentlichen Ermitt-
lungszusammenarbeit fehlt es an zentraler Drauf-
sicht und Bewertung.“ 5180
Der Vermerk schließt mit folgender Bewertung:
„Die Einstellung der Koordinierungsfunktion der
Steuerungsgruppe und der ISA durch BY zum
01.07.2007 ist verfrüht, kontraproduktiv und nicht
angemessen. Es macht deutlich, dass die Mords-
erie (unabhängig vom Hypothesenstreit) nach wie
vor nicht als ein Fall angesehen wird.“5181
In einer Führungsinformation von KD Hoppe vom
30. Juni 2007 für eine Besprechung des BKA-Präsidenten
5177) MAT A GBA-4/8b, Bl. 62.
5178) MAT A GBA-4/8b, Blatt 63.
5179) Sprechzettel BKA vom 28. August 2006, MAT A BKA-2/23,
Bl. 224.
5180) Vermerk BKA zur Unterrichtung des Präsidenten vom 26. März
2006, MAT A BKA-2/26, Bl. 403 f.
5181) Vermerk BKA zur Unterrichtung des Präsidenten vom 26. März
2006, MAT A BKA-2/26, Bl. 403 f.
Drucksache 17/14600 – 596 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ziercke mit dem Bayerischen Landespolizeipräsidenten
Kindler am 4. Juli 2007 erneuerte er seine Kritik an der
Ermittlungsführung. Er legte aber auch dar, dass das BKA
nicht im Stande sei, das Verfahren zu übernehmen, und
bezeichnete eine Übernahme auch als fachlich nicht sinn-
voll:
„Sofern seitens des BayStMI eine personelle Un-
terstützung oder gar Übernahme des Verfahrens
erbeten wird, sollte dem entschieden ablehnend
entgegen getreten werden.
5182
Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass auch der
Leiter der BAO die aktuelle Organisation zwi-
schenzeitlich nicht mehr für angemessen und rich-
tig hält. Die Zusammenarbeit ist eher wie eine
Gremienarbeit organisiert. Es gibt keinen alleini-
gen Verantwortlichen, der letztlich die Zielrich-
tung vorgibt und dafür verantwortlich zeichnet. EG
,Česká‘ teilt diese Ansicht ausdrücklich. Aus hie-
siger Sicht leidet die Ermittlungsarbeit zusätzlich
unter dem Fehlen einer zentralen Draufsicht und
Bewertung. Jede beteiligte Dienststelle entscheidet
selbst über seine Schwerpunkte und die Vorge-
hensweise. Bewertungen werden oft nur in Nürn-
berg getroffen. Die EASy-Datenbank wird als
Steuerungs- und Koordinierungsmedium genutzt
und damit in dieser Funktion überschätzt.
Die Übernahme des Gesamtverfahrens ist wegen
der Verfahren in HH, HE und MV ohnehin lange
nicht mehr in die alleinige Verfügungsgewalt Bay-
erns gestellt. Sie ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt
unverhältnismäßig aufwendig und entsprechend
nicht praktikabel. Mit Entscheidung der IMK aus
dem Mai 2006 liegt die Informationshoheit (Akten
und Daten) im wesentlichen in BY. Ansonsten
sind Akten und Informationen weit gesplittet, die
verwandten Systeme nicht ohne weiteres kompati-
bel.
Die Abteilung SO ist nicht im Stande, das Ge-
samtverfahren zu übernehmen. Dies wäre auch
fachlich nicht sinnvoll. Mit den derzeit bearbeite-
ten Spurenkomplexen kommt das BKA seinem
spezifischen Auftrag mehr als angemessen nach
und ist deutlich ausgelastet.
BY hatte sich im Mai 2006 vehement gegen eine
Übernahme durch das BKA - auch unter Hinweis
auf angeblich fehlende Kompetenz bei Ermittlun-
gen in Todesfällen (Mordermittlungen) - ausge-
sprochen. Schon damals waren Argumente, dass in
dieser Serie klassische Mordermittlungen allein
nicht zum Erfolg führen können nicht gehört wor-
den. Mangels offen liegender Motive, sind die Mo-
tivermittlungen eher gemäß den für Strukturermitt-
lungen geltenden Grundsätzen zu führen.
Eine personelle Unterstützung ist prinzipiell aus
gleicher Argumentation für die eigenen Spuren-
5182) MAT A BKA 2/27, Bl. 223 ff.
komplexe aber auf die anderen bei SO geführten
Verfahren, kontraproduktiv, das die PVB hier für
eigene Aufgaben sowohl im Česká-Verfahren also
auch in anderen Verfahren fehlen würden.“5183
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, welche Moti-
ve dieser, die Übernahme der Verfahren nunmehr ableh-
nenden, Haltung des Zeugen Hoppe zugrundelagen, und
ob diese Position von der Amtsleitung geteilt wurde.
Der Zeuge Hoppe hat erläutert, es sei um Personalanfor-
derungen gegangen,
„und da wollte ich meine EG ,Česká‘ nicht entblö-
ßen, indem ich Personal von meinem spezifischen
Ermittlungsauftrag in die bayerische oder in die
Gesamtorganisation oder die einzelnen Spuren der
Bayern geben wollte.“5184
Auf Nachfrage, was sich im Vergleich zu 2006 geändert
habe, und ob nicht zum damaligen Zeitpunkt eine Über-
nahme eher noch personalintensiver gewesen wäre, ent-
gegnete der Zeuge Hoppe, eine Übernahme im Jahr 2006
wäre keine Aufgabe seines Referats, sondern eine Ge-
samtaufgabe des Amtes, zumindest eine Aufgabe der
Abteilung geworden. Es wäre eine BAO gegründet wor-
den, die vielleicht nicht so groß gewesen wäre, wie die
jetzige BAO „Trio“, aber durchaus in einer Größenord-
nung von bis zu 80, 90 Mitarbeitern.
5185
Und weiter hat er
ausgeführt:
„Ich wollte auf jeden Fall meine Česká, meine
Spuren, […] die ich aufgrund der Organisations-
theorie für interessant und wichtig hielt, nicht op-
fern der dann stattfindenden Gesamtübernahme
und habe entsprechend meinem Präsidenten emp-
fohlen […] da keinen Personalforderungen nach-
zukommen.“5186
Demgegenüber hat der Zeuge Falk auf die Frage nach
dem erneuten Sinneswandel des Bundeskriminalamtes
bezüglich der Ermittlungsführung im Jahr 2007 erklärt:
„Das kann ich Ihnen nicht sagen; das weiß ich
nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich das damals gese-
hen habe. Ich schließe das aber auch nicht aus,
dass ich es gesehen habe. Bei mir ist dieser Sin-
neswandel nicht eingetreten. Ich habe über die
ganzen Jahre die zentrale Ermittlungsführung für
sinnvoll gehalten, aber eben auch gesagt: Das hätte
nicht zwingend das BKA sein müssen. - Das ist die
eine Seite.
Ich weiß nicht, was Herrn Hoppe dazu veranlasst
hat, das so niederzulegen. Herr Hoppe konnte na-
türlich nicht für das BKA sprechen; das möchte
ich hier betonen. Herr Hoppe hatte den Blick auf
sein Referat und seine Kräftelage. Herr Hoppe hat-
5183) BKA-Führungsinformation Nr. 33 vom 30. Juni 2007, MAT A
BKA-2/28, Bl. 112 ff.
5184) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 39.
5185) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 40.
5186) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 40.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 597 – Drucksache 17/14600
te auch sicherlich noch den Blick in die übrige Ab-
teilung, zu der er gehörte, hinein, aber eben nicht
auf das, was das BKA insgesamt hätte leisten kön-
nen.
Allerdings - das muss ich natürlich dazu sagen -:
2007 kam für das Bundeskriminalamt im Bereich
der Terrorismusbekämpfung eine neue Situation
hinzu. Das war die schon mehrfach erwähnte
Sauerland-Gruppe, also diese terroristische Bedro-
hung, die uns ja auch über viele Monate mit einem
großen Kräfteansatz - und die Bundesländer übri-
gens - gebunden hat. Ob das bei Herrn Hoppe mit
dazu geführt hat, in diese Überlegung - mehr ist
das nicht, aus meiner Sicht jedenfalls - einzustei-
gen, weiß ich nicht. Es könnte sein. Wenn er eine
Kräftelage des BKA beurteilt hat, dann hat er ganz
sicher nur beurteilen können, was sich in seinem
engeren Umfeld in der Abteilung - bei aller Wert-
schätzung - abgespielt hat, aber nicht, was das
BKA insgesamt hätte leisten können oder müssen
oder wollen.“5187
Wie Präsident Ziercke auf den Vermerk vom
30. Juni 2007 reagiert habe, könne er nicht sagen.
5188
Nach Aussage des Zeugen Ziercke habe die Haltung von
Herrn Hoppe nicht der Haltung der Amtsleitung entspro-
chen; diese sei auch in keiner Weise nach außen relevant
geworden.
5189
„Bei dem späteren Gespräch mit Herrn Kindler,
das in München stattfand, wurde das Vorgehen bei
einem potenziellen zehnten Fall erörtert. Gleich-
zeitig ging es meiner Erinnerung nach auch um
personelle Unterstützung, weil Bayern Überlegun-
gen zur Personalreduzierung der BAO ,Bosporus‘
anstellte. Davon hatte ich aber Herrn Kindler abge-
raten. Bayern verzichtete dann in der Folge auch
auf einen Personalrückbau der BAO.
Ein Ersuchen zur Verfahrensübernahme wurde von
Kindler hierbei nicht vorgetragen. Ich hätte einen
solchen Antrag selbstverständlich erneut geprüft,
auch im Lichte unseres eigenen Antrages von
2006.“
Der Zeuge Ziercke hat weiterhin bekundet, es könne sein,
dass für Herrn Hoppe immer noch nicht alles so optimal
lief, wie dieser es sich vorgestellt habe. Er selbst habe aus
den von ihm geführten Gesprächen einen anderen Ein-
druck gewonnen als Herr Hoppe. Weder in Gesprächen
mit Vizepräsident Falk noch mit Landespolizeipräsident
Kindler sei ihm der Eindruck vermittelt worden, dass im
Jahr 2007 alles nicht so gelaufen sei, wie es habe laufen
sollen.
5190
5187) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 22 f.
5188) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 23.
5189) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9.
5190) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 32.
Von einer ablehnenden Haltung des BKA in Bezug auf
eine Verfahrensübernahme im Jahr 2007 hat hingegen der
Zeuge Dr. Beckstein vor dem Ausschuss berichtet:
„Ich weiß aus der Lage des Jahres 2007, wo wir in
einer Sackgasse waren mit den Ermittlungen in
Bayern und wo ich dann gesagt hatte: Wenn wir
nicht weiterkommen, dann muss ein Zweiter über-
nehmen, eine zweite Kommission neu hinschauen
lassen, gegebenenfalls unter Führung der GBA,
weil wir einfach nicht mehr weitergekommen
sind. - Dann habe ich gesagt: Dann können wir
nicht einfach das zu den Akten legen, sondern
dann muss jemand das noch mal machen. - Da hat
es Gespräche zwischen BKA und […] dem Lan-
despolizeichef Kindler gegeben, wo das BKA sich
vorher auch auf Arbeitsebene gegen eine Über-
nahme zu diesem Zeitpunkt wieder gewendet hat
mit der Begründung, sie wären kapazitätsmäßig
dafür nicht da.“5191
Zu der formellen Frage einer Übergabe sei es aber nicht
mehr gekommen.
5192
Der Zeuge Kindler hat zum Inhalt des mit BKA-Präsident
Ziercke geführten Gesprächs im Juli 2007 ausgeführt:
„Schließlich im Juli 2007 - die Spuren waren wei-
testgehend abgearbeitet - habe ich mich in meinem
Büro mit dem BKA-Präsident Ziercke und dem
Leiter der EG ,Česká‘, dem Herrn Hoppe, sowie
einem Vertreter des PP Mittelfranken über die
Überlegungen zu einer Rückführung der BAO un-
terhalten. Präsident Ziercke war grundsätzlich mit
einer künftigen Bearbeitung in der allgemeinen
Aufbauorganisation einverstanden. Jedoch waren
wir uns einig, dass eine Konzeption für einen
eventuellen zehnten Mordfall erarbeitet und im
AK II vorgestellt und erörtert werden sollte. Dies
ist dann auch am 18. September erfolgt.“5193
Bei der Sitzung des AK II der Innenministerkonferenz
(Innere Sicherheit) am 18. September 2007 wurde aus-
weislich der Akten nochmals die Frage einer Übernahme
des Verfahrens durch das BKA diskutiert. In einem Pro-
tokoll des BKA heißt es hierzu:
„Eine Übernahme des Gesamtverfahrens wird vom
BKA nicht angestrebt.“5194
Der damals zuständige Bundesinnenminister Dr. Wolf-
gang Schäuble hat bekundet, an eine Diskussion aus dem
Jahr 2007 im Zusammenhang mit einer Übertragung der
Ermittlungszuständigkeit auf das BKA keine Erinnerung
zu haben.
5195
5191) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.
5192) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.
5193) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 88.
5194) MAT A BMI-4/0030, Bl. 8 ff., dort: Bl. 12.
5195) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 20.
Drucksache 17/14600 – 598 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
19. Auflösung der EG „Česká“ und Rückzug
des BKA aus der Steuerungsgruppe im
Mai 2010
In einem Vermerk des BKA vom 18. Mai 2010 wird fest-
gehalten, dass die Ermittlungen der EG „Česká“ beim
BKA mangels Ermittlungsansätzen zum Stillstand ge-
kommen waren.
5196
Mit Schreiben vom 26. Mai 2010
teilte das BKA den beteiligten Länderdienststellen die
Auflösung der EG „Česká“ mit, die seit Ende 2009 in die
Regelorganisation zurückgeführt sei. Das BKA gewähre
weiter Unterstützung im Rahmen seiner Zentralstellen-
funktion.
5197
Bereits Ende 2009 hatte die Steuerungsgruppe beschlos-
sen, dass sie nur noch bei Bedarf zusammentreten wer-
de.
5198
Im Jahr 2010 fanden nur noch zwei außerordentli-
che Sitzungen statt.
5199
Das BKA nahm letztmalig an der
Sitzung vom 10. Mai 2010 teil und erklärte mit Schreiben
vom 27. Mai 2010, weitere Sitzungen der Steuerungs-
gruppe nicht mehr zu besuchen.
5200
Hintergrund waren
unterschiedliche Auffassungen zwischen dem BKA und
den übrigen Teilnehmern der Steuerungsgruppe hinsicht-
lich der Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Waffen-
spur.
In einer Führungsinformation vom 9. Februar 2009 be-
richtete KHK Jung (EG „Česká“) über eine nicht mit dem
BKA, der Staatanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder einer
der anderen mit der Mordserie betrauten Dienststellen
abgestimmte Weitergabe von Detailinformationen zur
Waffenspur durch die MK „Bosporus“ an die türkische
und deutsche Presse sowie an weitere deutsche Medi-
en.
5201
Zahlreiche deutsche Medien veröffentlichten da-
raufhin entsprechende Artikel, zuletzt das Magazin Der
Spiegel in der Ausgabe vom 22. August 2011 unter der
Überschrift „Versteck in der Schweiz“. In der Führungs-
information heißt es:
„Die durch die MK ,Bosporus‘ in Nürnberg zu ver-
tretende Berichterstattung mit Detailinformationen
aus Ermittlungsergebnissen in den Medien im Vor-
feld von unmittelbar bevorstehenden strafprozes-
sualen Maßnahmen in der Schweiz sind in hohem
Maße kontraproduktiv, gefährden die notwendige
Zusammenarbeit mit der Schweiz und letztlich ei-
nen möglichen Ermittlungserfolg. Es besteht die
Gefahr, dass der/die Täter von den Ermittlungser-
gebnissen erfahren, auf den schweizerischen Erst-
besitzer der Tatwaffe oder Personen in der
Weitergabekette einwirken und letztlich die Tat-
5196) Vermerk des BKA vom 18. Mai 2010, Bl. 378 ff.
5197) MAT A BKA-2/33, Bl. 415 f.
5198) Protokoll vom 15./16. Dezember 2009, MAT A BY-2/3e, Bl.
415 ff., 422.
5199) Protokoll vom 10. Mai 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 30 ff;
Protokoll vom 30. Oktober 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 8 ff.
5200) MAT A BY-2/3 f, Bl. 27 f.
5201) Führungsinformation Nr. 48 vom 9. Februar 2009, MAT A
BKA-2/32, Bl. 21 f.
waffe als einziges objektives Beweismittel entsor-
gen.“5202
Zudem wandte sich KHK Jung am gleichen Tage per E-
Mail an den zuständigen Sachbearbeiter bei der MK
„Bosporus“ und erklärte:
„Das, was der [Mitarbeiter der MK ,Bosporus‘] an
die Presse gegeben hat, ist unverantwortlich. Noch
schlimmer ist der Zeitpunkt, da die Berichte im
Vorfeld von erfolgversprechenden Maßnahmen
und Ermittlungen in die Schweiz gebracht wur-
den.
5203
Als Konsequenz führte er aus:
„Aus den genannten Gründen haben wir (die EG
,Česká‘) uns entschlossen, in Zukunft die Luxik-
Spur ohne die Einbindung der MK ,Bosporus‘ fer-
tig zu ermitteln.“
Am gleichen Tag wandte sich auch der Leiter der EG
„Česká“, Kriminaldirektor Hoppe, an den Leitenden Kri-
minaldirektor des Polizeipräsidiums Mittelfranken, um
sich über die Medienkontakte und Informationen der MK
„Bosporus“ zu beschweren. Medienkontakte in der von
der MK „Bosporus“ vorgenommenen Art seien in keiner
Weise abgesprochen oder angekündigt worden. Da die in
Rede stehenden Presseauskünfte Rückschlüsse auf durch-
zuführende oder bereits laufende Ermittlungen in der
Schweiz zuließen, seien diese „in hohem Maße kontra-
produktiv“ und geeignet, den „Ermittlungserfolg zu ge-
fährden“. Es handelte sich um einen „Spurenkomplex, der
federführend bei der EG „Česká“ bearbeitet werde.“5204
Der Zeuge Jung hat auf Nachfrage zur Frage der Kompe-
tenzschwierigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit bezüglich
der Waffenspur erklärt:
„Wir haben natürlich kritisch gesehen, dass also
jetzt hier Täterwissen schon verbreitet worden ist,
was es dann auch immer schwer macht, wenn man
Hinweisgeber da sitzen hat und nicht weiß: Ist das
jetzt Wissen, das er von Täterseite hat, oder ist es
Wissen, das er eben aus der Zeitung oder von der
BKA-Homepage – oder woher auch immer – hat?
– Aber ich habe das letztendlich nicht zu entschei-
den gehabt. Wir haben natürlich darüber gespro-
chen, und wir haben uns aber letztendlich dann ei-
ner weiteren Beurteilung enthalten.“5205
In einem Schreiben der MK „Bosporus“ vom 12. Februar
2009 an den PP Mittelfranken
5206
brachte der Unterzeich-
ner, KOR J., zum Ausdruck, dass neben den im Schreiben
von KD Hoppe erhobenen Vorwürfen zur Öffentlichkeits-
arbeit der MK „Bosporus“ auf anderem Wege noch weite-
5202) MAT A BKA-2/32, Bl. 21 f.
5203) MAT A BKA-2/32, Bl. 24.
5204) MAT A BKA-2/32, Bl. 38.
5205) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 75.
5206) MAT A BKA-2/32, Bl. 73 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 599 – Drucksache 17/14600
re Vorwürfe erhoben worden seien, welche darauf schlie-
ßen ließen,
„dass es sich um einen länger schwelenden Kon-
flikt“5207
handele. Bei diesem ginge es
„offensichtlich nicht immer um sachliche oder
fachliche Fragen, sondern zum Teil vordergründig
um emotionale Störungen, die ihre Ursache in der
Rolle des BKA bei den Ermittlungen zur Mord-
serie haben dürften“.5208
Als Reaktionen auf die Presseberichte der MK „Bospo-
rus“ sei der Waffenspezialist der MK „Bosporus“ von
einer für den 10. Februar 2009 angesetzten Besprechung
zwischen BKA, MK „Bosporus“ und der Staatsanwalt-
schaft Nürnberg-Fürth per E-Mail wieder ausgeladen
worden, und es sei seitens des BKA angekündigt worden,
dass alle zukünftigen Dienstreisen in die Schweiz ohne
die MK „Bosporus“ vorgenommen würden.
Auch in einem Telefonvermerk von KD Hoppe, BKA,
über Telefonate mit dem Leiter des Polizeipräsidiums
Mittelfranken, Mikulasch, am 19., 20. und 24. Februar
2009 wird auf Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit
zwischen dem BKA und der MK „Bosporus“ und die
Bedeutung einer Einigung hingewiesen:
„Eingedenk der Tatsache, dass unsere Ermittlun-
gen ergänzend zu den eigentlichen Mordermittlun-
gen – davon fünf Taten Bayern in der Zuständig-
keit der BAO Bosporus – stattfinden, kann man
sich dem Bedürfnis der bayerischen Kollegen in
den Fortgang der Ermittlungen der Waffenspur in
die Schweiz einbezogen zu sein, nicht ganz ver-
schließen. In der Vergangenheit wurde dies auch
so gehandhabt. Ich habe mich daher mit Herrn
Mikulasch telefonisch darüber geeinigt, dass wir
die Kollegen der BAO Bosporus wieder einbezie-
hen (insbesondere auch bei zukünftigen Maßnah-
men in der Schweiz), allerdings die Federführung
in dieser Teilspur (im Rahmen der Gesamtspur
,Waffe‘) beim BKA liege, sich dies auch in den
zukünftigen Dokumentationen (Berichte etc.) nie-
derschlagen müsse, […].“5209
Der Zeuge Falk hat zu diesem Komplex vor dem Unter-
suchungsausschuss ausgesagt:
„Es gab noch mal eine Diskussion um eine Presse-
veröffentlichung. Diese Diskussion ist vom BKA
deshalb geführt worden: Da ging es wohl um eine
Veröffentlichung, die aus Richtung der BAO
,Bosporus‘ gekommen war. Da war vom Schall-
dämpfer, glaube ich, die Rede, und es sind Ermitt-
lungseinzelheiten aus der Sicht unserer Leute be-
kannt gegeben worden, die die Ermittlungen zu-
5207) MAT A BKA-2/32, Bl. 73.
5208) MAT A BKA-2/32, Bl. 73.
5209) MAT A BKA-2/32, Bl. 82.
mindest nicht gefördert haben, nachdem sie halt in
der Öffentlichkeit waren. Diese Presseveröffentli-
chung war nicht abgesprochen, und darüber hat es
eine Diskussion gegeben; das ist mir mal gesagt
worden.“5210
Auch im Jahr 2010 gab es Probleme in der Zusammenar-
beit zwischen dem BKA und den ermittelnden Polizei-
dienststellen der betroffenen Bundesländer. Hintergrund
dieser Auseinandersetzung war eine durch die EG
„Česká“ in die Öffentlichkeit getragene Bewertung der
Waffenspur.
5211
In der Steuerungsgruppe war im Vorhi-
nein einvernehmlich beschlossen worden, dass zwar die
Möglichkeit, jedoch keine erhöhte Wahrscheinlichkeit
bestünde, dass die Tatwaffe sich unter den acht bis dato
nicht ermittelbaren Waffen aus dem Luxik-Kontingent
befinde.
5212
Ohne jegliche Absprache habe jedoch das
BKA sowohl auf der eigenen Webseite als auch im
Schweizer Fernsehen von einer „hohen Wahrscheinlich-
keit“ gesprochen. Da die MK „Bosporus“ an der gemein-
samen Bewertung der Möglichkeit festhielt, sei so ein
uneinheitliches Bild seitens der Polizei in die Öffentlich-
keit getragen worden.
5213
Die Frage der Bewertung war
insbesondere im Hinblick auf eine AKTENZEICHEN XY-
ungelöst-Sendung akut geworden, welche kurz vor der
Ausstrahlung stand (10. März 2010), weshalb die Zeit der
Abstimmung zwischen BKA und Ländervertretern in der
Steuerungsgruppe drängte. Bei einer Telefonkonferenz
am 5. März 2010 erklärten die Vertreter des BKA, dass
ihre Behördenleitung entschieden habe, die Öffentlich-
keitsfahndung durchzuführen und auch die Bewertung auf
der eigenen Internetseite nicht zu verändern.
5214
Dieser Telefonkonferenz war ein Telefonat zwischen der
Referatsleiterin SO 15, KD‘n Blockus und einem Mitar-
beiter der Kriminalpolizei Nürnberg am 26. Februar 2010
vorangegangen. Darin wurde seitens der Kripo Nürnberg
in Aussicht gestellt,
– die zuständige Staatsanwaltschaft zu kontaktieren,
damit diese dem BKA die Öffentlichkeitsfahndung
verbiete;
– den Redakteur der AKTENZEICHEN XY-ungelöst-
Sendung anzurufen, um ihn darauf vorzubereiten,
dass der Termin am 10. März 2010 voraussichtlich
entfalle;
5210) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 38.
5211) Siehe zu dem Sachverhalt den Bericht des PP Mittelfranken an
das Bayerische Staatsministerium des Innern v. 16. März 2010,
MAT A BY-2/9g, Bl. 2854 ff. sowie das Protokoll zur außeror-
dentlichen Sitzung der Steuerungsgruppe am 10. Mai 2010,
MAT A HH-5g, Bl. 1 ff.
5212) MAT A HH-5/1g, Bl. 19 f.
5213) Bericht des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministe-
rium des Innern vom 16. März 2010, MAT A BY-2/9g, Bl.
2854 ff. (2855).
5214) Bericht des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministe-
rium des Innern vom 16. März 2010, MAT A BY-2/9g, Bl.
2854 ff. (2856).
Drucksache 17/14600 – 600 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– eine Pressekonferenz durchzuführen, welche über die
unterschiedlichen Auffassungen aufklären solle.
Darauf antwortete die Referatsleiterin, KDn Blockus, dass
die Kripo Nürnberg weder die Kompetenz habe, über die
Staatsanwaltschaft dem BKA die Öffentlichkeitsfahndung
zu verbieten, noch dem Redakteur der AKTENZEICHEN
XY-ungelöst-Sendung abzusagen. Eine Pressekonferenz,
wie angedroht, könne nicht im gemeinsamen Interesse
liegen. Bei Scheitern der Einigung auf der Abteilungslei-
terebene schloss KD‘n Blockus nicht aus, es auf eine
„Eskalation bis zu den Behördenleitungen“ ankommen zu
lassen.
5215
Daraufhin wiederum brachte der Mitarbeiter
der Kriminalpolizei Nürnberg die Erwägung ins Spiel,
sich wie früher Herr Geier, an den Ministerpräsidenten zu
wenden.
Dennoch konnte „zur Schadensbegrenzung“5216 vor der
Sendung eine gemeinsame Sprachregelung gefunden
werden. Im Bericht des PP Mittelfranken an das Bayeri-
sche Staatsministerium des Innern vom 16. März 2010
wurde allerdings folgendes Fazit gezogen:
„Die Vorgehensweise des BKA gefährdet die bis-
her mühsam erarbeitete und ohnehin schwierige
Balance in der Länder- und verbandsübergreifen-
den Ermittlungsarbeit und stellt insbesondere
Notwendigkeit und Kompetenz der Steuerungs-
gruppe in Frage.“5217
Dieses Fazit ist insbesondere vor dem Hintergrund zu
sehen, dass in der Steuerungsgruppe keine Einigkeit mehr
darüber bestand, dass ihre Mitglieder in ihren Entschei-
dungen bezüglich der Vorgänge in der Steuerungsgruppe
gegenüber ihren Vorgesetzten und vorgesetzten Dienst-
stellen frei seien. Dies wurde von der erstmals teilneh-
menden Vertreterin des BKA, KD‘n Blockus, in Abrede
gestellt. Im Protokoll der Steuerungsgruppensitzung vom
10. Mai 2010 heißt es:
„Auf Nachfrage erklärte Frau Blockus, dass ein
derartiges Mandat im BKA nicht bekannt sei.
Dementsprechend sei man nur gegenüber der eige-
nen Amtsleitung weisungsgebunden. Im BKA un-
terliegt die Öffentlichkeitsarbeit dem Entschei-
dungsvorbehalt des Präsidenten.“5218
Schließlich teilte das BKA den Mitgliedern der Steue-
rungsgruppe mit Schreiben vom 27. Mai 2010 mit, künf-
tig nicht mehr an den Steuerungsgruppensitzungen und
den Besprechungen der zentralen Sachbearbeiter teilzu-
nehmen.
5219
5215) Vermerk des BKA v. 9. März 2010, MAT A BKA-2/33, Bl.
164 f.
5216) MAT A BKA-2/33, Bl. 241 ff. (243).
5217) Bericht des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministe-
rium des Innern vom 16. März 2010, MAT A BY-2/9g, Bl.
2854 ff. (2856).
5218) MAT A BY-2/3f, Bl. 35.
5219) MAT A BY-2/3f, Bl. 27 f.
Ein Informationsaustausch zwischen BKA und den
Dienststellen der Länder in der Česká-Mordserie fand
daraufhin nur noch anlassbezogen auf
Sachbearbeiterebene statt. Darüber hinausgehende Auf-
gaben wurden im BKA durch das Referat „Auswertung
Waffen- und Sprengstoffkriminalität, Gewaltkriminalität
(SO 11)“ im Rahmen der Zentralstellenfunktion wahrge-
nommen.
5220
20. Überlegungen im Hinblick auf die Ermitt-
lungen in einem möglichen 10. Mordfall
Neben den geschilderten Aufgaben führten Mitglieder der
Steuerungsgruppe Informationsveranstaltungen in den
von der Mordserie nicht betroffenen Bundesländern
durch.
5221
In Thüringen erfolgte beim Landeskriminalamt
in Erfurt am 3. April 2007 eine derartige Veranstaltung
vor Ermittlungsbeamten und Angehörigen der Einsatzleit-
stellen.
5222
Der Zeuge Hoffmann, der auf dieser Veranstal-
tung die Mordserie und die Handlungsanleitungen bei
Auftreten eines neuen Mordes vorstellte, hat ausgesagt,
dass er selbst im Landeskriminalamt in Erfurt gewesen
sei, außerdem in Magdeburg, um dort die Serie vorzustel-
len, die Kollegen zu sensibilisieren, nachgerade aufzufor-
dern, Erkenntnisse, die da sind, weiterzugeben. Von kei-
ner Seite habe er irgendeinen Hinweis bekommen, auch
nicht auf die Raubstraftaten, die von Fahrradfahrern be-
gangen worden sein sollen.
5223
Auf der Sitzung des Arbeitskreises II der Innen-
ministerkonferenz am 18. September 2007 wurde auch
über die Vorgehensweise bei Auftreten eines weiteren
Mordfalles in der Česká-Mordserie diskutiert. Durch die
Steuerungsgruppe wurden Maßnahmen festgelegt, etwa
das Festhalten an der bisherigen nationalen Zusammenar-
beitsstruktur und das Hochfahren des Personals der BAO
„Bosporus“. Daneben wurde Folgendes erklärt:
„Darüber hinaus ist gemeinsam eine Liste zu Per-
sonen erarbeitet worden, die im Falle eines weite-
ren Mordes, abgestuft nach deren strafprozessua-
len Taten, ad hoc mit entsprechenden Maßnahmen
überzogen werden sollten/können. Die Maßnah-
men staffeln sich von der einfachen Alibiüberprü-
fung bis hin zu konkreten operativen verdeckten
Maßnahmen. Auch das BKA hat dazu Personen
benannt. Allerdings bleibt festzuhalten, dass aktu-
ell bei keiner betroffenen StA ein Beschuldigter
eingetragen ist. Alle Verfahren laufen gegen Unbe-
kannt.“5224
5220) Kurzdarstellung des BKA zum Ermittlungsverlauf „Česká“
vom 11. August 2011, MAT A BKA-2/34, Bl. 172 f, Bl. 176
5221) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 10.
5222) Einladungsschreiben des LKA Thüringen vom 13. März 2007
mit Powerpoint-Präsentation, MAT B TH-3, Akte 2872-11-
2007 -mT, Bl. 0 ff.
5223) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 100.
5224) MAT A IMK-1/5 c, Seite 1761.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 601 – Drucksache 17/14600
In einer anderen Unterlage werden diese Listen mit dem
Terminus „Abpasslisten“ bezeichnet.5225
Der Zeuge Maurer hat auf Nachfrage nicht sagen können,
welche Maßnahmen das BKA damals gegen welche Per-
sonenkreise geplant hatte und ob diese Maßnahmen mit
der Amtsleitung abgestimmt wurden.
5226
Auch der Zeuge
Kindler hat ausgesagt, eine solche Liste nicht zu ken-
nen.
5227
VI. Rückblickende Bewertung der Ermittlun-
gen durch die Beteiligten
1. Organisation der Ermittlungen – Koordi-
nierung der polizeilichen Zusammenarbeit
durch eine Steuerungsgruppe
a) Bewertung im Erfahrungsbericht des Lei-
ters der BAO „Bosporus“
Der damalige Vorsitzende der Steuerungsgruppe und
Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, hat vor
dem Hintergrund seiner Erfahrungen mit dem Versuch,
komplexe Ermittlungen in einer Steuerungsgruppe zu
koordinieren
5228
, im Ausschuss betont:
„Es ist auf jeden Fall eine zentrale Ermittlungsfüh-
rung notwendig. Ich würde aber letztendlich offen
lassen, ob sie durch das BKA oder durch eine
Länderpolizei – allerdings dann mit Möglichkei-
ten, den anderen Ländern Weisungen zu erteilen –
eingerichtet werden könnte.“5229
Schon im „Erfahrungsbericht der BAO Bosporus“ aus
dem Jahr 2007 hat der Zeuge Geier die Schwierigkeiten
herausgestellt, die mit einer Steuerungsgruppe für eine
Ermittlungsführung verbunden sind: Einerseits sei ein
hoher Aufwand erforderlich und zum anderen gebe es im
Falle unterschiedlicher Auffassungen keine Möglichkeit
einer für alle verbindlichen Entscheidung. Dies kontras-
tierte der Zeuge Geier damals direkt im Anschluss aus-
drücklich mit der Feststellung, klare Hierarchie- und
Verantwortungsstrukturen seien Standardforderung aller
bundesweit geltenden Polizeidienstvorschriften.
5230
Der Zeuge Geier hat dazu in seinem Erfahrungsbericht
ausgeführt:
„Bei Tatorten in verschiedenen Bundesländern
stellt sich grundsätzlich die Frage der optimalen
Organisation. Im gegenständlichen Verfahren liegt
der Schwerpunkt mit fünf Tatorten in Bayern, eine
5225) MAT A HH-5/1a, Bl. 42 und 49.
5226) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 66 und 80.
5227) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S.103.
5228) Dazu: Vermerk des KD Hoppe vom 30. Juni 2007, MAT A
BKA-2/27.013, Bl. 211.
5229) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26.
5230) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff., 56.
zentrale Ermittlungsführung durch das BKA wurde
aus fachlichen Gründen verworfen.
Mit Fortsetzung der Serie im April 2006 in Dort-
mund und Kassel waren die Ermittlungseinheiten
von fünf Bundesländern und des BKA zu koordi-
nieren. Dazu wurde eine Steuerungsgruppe verein-
bart, die aus Leitungsbeamten der beteiligten Län-
der und des BKA besteht und die Ermittlungsstra-
tegie bestimmt. Vorsitzender der Steuerungsgrup-
pe ist der Leiter der BAO ‚Bosporus‘, alle Länder
bleiben für ihre Fälle zuständig und es gibt keine
Unterstellungsverhältnisse. Zusätzlich eingerichtet
wurden bei der BAO eine Geschäftsstelle für die
Steuerungsgruppe und eine ISA […].
Die mit dieser Regelung beabsichtigte Steuerung
und Koordination der Ermittlungen ist über perio-
dische Besprechungen und, falls nötig, enge tele-
fonische Abstimmung grundsätzlich praktikabel.
Allerdings ist damit zum einen ein hoher Aufwand
verbunden und zum anderen gibt es im Falle unter-
schiedlicher Auffassungen keine Möglichkeit einer
für alle verbindlichen Entscheidung.
Empfehlung:
Klare Hierarchie- und Verantwortungsstrukturen
sind Standardforderung aller bundesweit geltenden
Polizeidienstvorschriften. Eine dem § 4 BKAG
vergleichbare Regelung für eine zentrale polizeili-
che Ermittlungsführung durch eine Länderdienst-
stelle gibt es nicht. Abhängig von der Frage der
staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit und den
Regelungen der RiStBV sollte aber jedenfalls auf
Seiten der Polizei eine gesamtverantwortliche Lei-
tung mit den entsprechenden Kompetenzen be-
stimmt werden. In der Praxis wird zur Unterstel-
lung eigener Kräfte in den Verantwortungsbereich
eines anderen Bundeslandes regelmäßig eine Ent-
scheidung auf politischer Ebene erforderlich
sein.“5231
Neben den bereits oben genannten Überlegungen zur
Anwendung der Polizeisoftware EASy finden sich in dem
Erfahrungsbericht außerdem u. a. folgende Vorschläge
zur Vorgehensweise bei einem vergleichbaren Fall sowie
zur Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten:
– Eine dem § 4 BKAG vergleichbare Regelung für eine
zentrale polizeiliche Ermittlungsführung durch eine
Länderdienststelle fehlt. Eine gesamtverantwortliche
Leitung auf Seiten der Polizei sollte mit den entspre-
chenden Kompetenzen bestimmt werden.
– Dazu parallel sollte ein justizielles Sammelverfahren
und damit ein bundesweit zuständiger Staatsanwalt
geschaffen werden.
– Einrichtung einer landesweit einheitlichen Anwen-
dung der Spurenverwaltung.
5231) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff, 56.
Drucksache 17/14600 – 602 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Registrierung von Schusswaffen auf einer Waffen-
karte mit allen relevanten Daten zur Waffe und zum
Besitzer; Maßnahmen zur Gewährleistung der Über-
einstimmung registrierter Daten mit den tatsächlichen
Gegebenheiten (Vorlage der Waffe, Waffenbrief ana-
log zum Fahrzeugbrief). Aus kriminalpolizeilicher
Sicht sollten außerdem alle in polizeilichen Gewahr-
sam gelangten Waffen beschossen und so als potenti-
elle Tatmittel anderer Straftaten ausgeschlossen wer-
den – dazu müssten die aktuellen Vorschriften geän-
dert werden.
– Größere Einbindung von Polizeibeamten der in ei-
nem Verfahren hauptsächlich betroffenen Ethnie.
– Verlängerung der Speicherverpflichtungen.
– Einrichtung justizeigener zentraler Haftdateien für
jedes Bundesland, mit Auswertungsmöglichkeiten für
die Polizei.
– Einsatz von hauptamtlichen VP-Führern.5232
b) Bewertung durch andere Mitglieder der
Steuerungsgruppe aus den Tatortländern
Die Mitglieder der Steuerungsgruppe aus den Tatortlän-
dern haben die polizeiliche Zusammenarbeit in der Steue-
rungsgruppe durchweg positiv bewertet.
Der Vertreter der Dortmunder Polizei in der Steuerungs-
gruppe, der Zeuge Gricksch, hat folgende Bewertung
abgegeben:
„Die Zusammenarbeit war alles in allem gut. Jeder
konnte sich einbringen, und keiner musste sich da
irgendwelchen Mehrheitsvoten beugen. Wir haben
öfter kontrovers diskutiert. Es gab aber - und das
halte ich für normal - unterschiedliche Denkrich-
tungen, was die Täterlage anbetraf, und zwar eben
aus der Sicht der eigenen Fälle heraus. Ich habe
mich schwer damit getan, die Organisationstheorie
zu glauben, und andere haben sich schwer damit
getan, die Einzeltätertheorie zu glauben. Ich sage
Ihnen ganz ehrlich: Nachdem wir - darauf wurde
immer Wert gelegt - beide Richtungen gleicher-
maßen bedient haben, mit Daten, die wir erfasst
haben, um die Täter zu kriegen, war es mir letzt-
endlich gleichgültig. Ich wollte diese Täter be-
kommen.
Es ist also nie ein Streit gewesen. Es war tendenzi-
ell zu merken, dass das Bundeskriminalamt mehr
in Richtung Organisationstheorie war, und es war
eben auch ein bisschen zu merken, dass Kassel und
auch ich etwas mehr in Richtung Einzeltäter ten-
dierten. Aber wir haben unsere Arbeit gemacht,
und wir haben beide Theorien spurenmäßig kom-
plett abgearbeitet, weil jedem egal war, ob er recht
5232) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff.
hatte oder nicht. Wir wollten nur, dass dieses sinn-
lose Morden aufhört.“5233
Der Vertreter der Hamburger Polizei, der Zeuge Schwarz,
hat die Arbeit der Steuerungsgruppe rückblickend positiv
bewertet. Die Arbeit von verschiedenen Landeskriminal-
ämtern und des BKA in einem Ermittlungsverfahren ohne
eine eindeutige Leitung mit Weisungsrecht sei etwas sehr
Besonderes gewesen. Er habe das als große Chance be-
griffen und auch als Beispiel für überregionale Ermitt-
lungseinheiten. Er hat weiter ausgeführt:
„Ein wichtiger Punkt, schon bei Einrichtung der
BAO, war natürlich auch die Frage des Weisungs-
rechtes durch einen Leiter. Das wurde so nicht
vereinbart - meines Wissens auf übergeordneter
Ebene; durch wen persönlich, weiß ich nicht -,
weil die Länder eigenständig ihre Tatorte grund-
sätzlich weiter ermitteln sollten und keinem Wei-
sungsrecht einer anderen Ermittlungsbehörde un-
terliegen sollten.
Für mich hat diese Arbeit gut funktioniert. Der
zwangsläufige Konsens, der jeweils erzielt werden
musste, um sich auf die Ermittlungsrichtungen
oder wesentliche Ermittlungsschritte zu einigen,
hat nach meiner Wahrnehmung dazu geführt, dass
insbesondere keine Ermittlungsmaßnahmen ausge-
lassen wurden, dass nichts negiert wurde oder aus-
fiel, weil es eine Minderheitenmeinung war. Ei-
gentlich wurden alle Ermittlungsschritte, die fach-
lich auch sehr kompetent und gutwillig und von
hoher Qualität in der Gruppe getragen wurden,
dann auch umgesetzt.
Es hat an mehreren oder an einzelnen Stellen […]
auch Diskussionen und Situationen gegeben, wo
sozusagen nicht alle einverstanden waren. Aber
schlussendlich wurde eigentlich solidarisch alles
getragen, was in dieser BAO erörtert und entschie-
den wurde. Also, insgesamt war es für mich ein
Faktor, der zu der Qualität der Arbeit und auch zur
Vollständigkeit der Arbeit beigetragen hat, dass
wir einen Konsens jeweils erzielen mussten und
dass es nicht eine Ermittlungseinheit gab, die die
Strategie und die Ermittlungsmaßnahmen vorge-
geben hat.“5234
Ähnliches hat der Vertreter des LKA Mecklenburg-
Vorpommern, der Zeuge Deisting, ausgesagt:
„Also, man muss, glaube ich, auch dazu sagen,
dass bundesweit das wohl sehr einzigartig war, so
eine Organisationseinheit dort auf die Beine zu
stellen. Die BAO ,Bosporus‘ hat entsprechende
Einsatzabschnitte gebildet. Sie war strukturiert.
Wir auf der zentralen Sachbearbeiterebene haben
uns regelmäßig getroffen und den Erfahrungsaus-
tausch auch länderübergreifend - - mit dem Ziel,
5233) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 14.
5234) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 66.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 603 – Drucksache 17/14600
länderübergreifende Ermittlungsansätze letztend-
lich dort festzustellen. Also, ich denke, dass dort
die Organisation durchaus geeignet war, letztend-
lich hier diese Arbeit auch erfolgversprechend
weiterführen zu können.“5235
Der Vertreter der Polizei in Kassel, der Zeuge Hoffmann,
hat die Arbeit der Steuerungsgruppe ebenfalls positiv
bewertet:
„Also, aus meiner Sicht hat die Art der Arbeit, die
wir dort durchgeführt haben, die Ermittlungen
nicht behindert. Sicherlich ist es schwierig für ei-
nen Polizeiführer, wie das für den Herrn Geier als
Leiter der BAO der Fall war, damit leben zu müs-
sen, dass die Vertreter aus den Ländern, wobei wir
in der Steuerungsgruppe eine relativ hochrangige
Besetzung und auch eine qualifizierte Besetzung
hatten, das, was gemacht werden sollte, einer kri-
tisch-konstruktiven Betrachtung unterzogen haben.
Das heißt, wir haben sehr wohl über die strategi-
sche Ausrichtung unserer Ermittlungen heftigst
diskutiert. Es ist sicherlich für jemanden, der allei-
ne das Sagen hat, leichter, Entscheidungen zu tref-
fen. Ich persönlich bevorzuge eine Beratung durch
ein Gremium, durch meine Mitarbeiter, um dann
zum Ergebnis zu kommen. Das hat aus meiner
Sicht sehr gut funktioniert. Das war vielleicht nicht
immer bequem für Herrn Geier, aber es war im
Ergebnis meines Erachtens ein guter Weg. Abge-
sehen davon, selbst wenn das Bundeskriminalamt
die Ermittlungen geleitet hätte, wäre es aus meiner
Sicht opportun und notwendig gewesen, die Län-
der zumindest als Länderabschnitte, so wie es ja
jetzt bei der BAO ,Trio‘ auch passiert war, mit
einzubinden. Von daher gesehen ist es nur eine
Frage: Wer hat tatsächlich den Hut auf, Bayern
oder das BKA?“5236
c) Bewertung durch das BKA
Von den vom Ausschuss gehörten Zeugen aus dem Bun-
deskriminalamt hat allein der Zeuge Ziercke die gewählte
Organisationsform auch im Nachhinein noch positiv be-
wertet. Nach seiner Einschätzung war diese geeignet, die
Mordserie möglicherweise zu stoppen oder die Täter zu
ermitteln.
5237
Er hat ausgeführt:
„Ich war mit dieser Organisation zufrieden, ja, ab-
solut. Ich war damit zufrieden.“5238
An anderer Stelle hat er dargelegt:
„Organisationen sind Schall und Rauch im Prinzip,
wenn die Menschen, die in den Organisationen ar-
beiten, nicht mit hoher Motivation ihre Arbeit er-
ledigen. Und wenn die Länder das Gesamtvolumen
5235) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 127.
5236) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 17.
5237) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 20.
5238) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 14.
des BKA-Antrages nicht hundertprozentig über-
nehmen wollten, sondern das Angebot, eine Steue-
rungsgruppe einzurichten - unter Einbindung des
BKA, unserer Dateien im BKA, mit Zugriff auf
die EASy-Datei in Bayern -, und eine Steuerungs-
stelle eingerichtet haben, dann hat mir die Praxis
recht gegeben, und nicht Herrn Falk.“5239
Auf Nachfrage, was er mit der Praxis, die ihm recht gege-
ben habe, gemeint habe, hat er erklärt, die Dinge, die von
allen im Vorfeld der 180. IMK moniert worden seien,
seien im Nachgang zum Teil richtig umgesetzt wor-
den.
5240
Die auf der IMK getroffenen Entscheidungen in Bezug
auf die Steuerungsgruppe, die Informationsübermittlung
und die Auslobung haben nach Einschätzungen des Zeu-
gen Ziercke dazu geführt, dass es nach 2006 keinen Mord
mit rassistischem Hintergrund in der Serie mehr gegeben
habe. Hierzu hat er erklärt:
„Die Reaktion, die 2006 erfolgt ist, hat durchaus
Wirbel verursacht in der Szene. Und ich bin - das
ist meine Hypothese - davon überzeugt: Das ist mit
einer der wesentlichen Aspekte gewesen, warum
die Mordserie dann nachher, was den rassistischen
Ansatz anging, auch nicht weiter stattgefunden
hat.“5241
Sowie:
„Das heißt, wir haben eine Form gefunden […]
2006 im Konsens mit den Ländern, dass die Steue-
rungsfunktionen gebündelt worden sind, die Füh-
rungsfunktionen zentraler organisiert worden sind
und dass gleichzeitig eine Leitstelle eingerichtet
worden ist, dass 300 000 Euro ausgelobt worden
sind und dass man dem Ansatz der Fallanalyse -
Rechtsextremismus, Einzeltäter - nachgegangen
ist, mit dem Ergebnis, dass weitere Taten nicht
stattgefunden haben.“5242
Darüber hinaus hat er ausgeführt, dass, auch wenn das
BKA übernommen hätte, möglicherweise nicht die richti-
ge Ermittlungsrichtung gewählt worden wäre:
„Ich habe zum Ausdruck gebracht, dass das BKA
überwiegend auf der Spur war: Organisierte Kri-
minalität. Auch da hat uns die Wirklichkeit hinter-
her nicht recht gegeben. Wir wären in die Irre ge-
laufen möglicherweise.“5243
Der Zeuge Falk hat hingegen vor dem Untersuchungsaus-
schuss eine fachlich andere Einschätzung abgegeben. Er
hat ausgesagt, alle Aufklärungsbemühungen seien
„von Anfang an bis jetzt aus meiner Sicht -- und
das wörtlich -- kriminalfachlich stümperhaft orga-
5239) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 15.
5240) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 30.
5241) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 13, ähnlich S. 20, S. 34.
5242) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 13, ähnlich S. 20, S. 30.
5243) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 16.
Drucksache 17/14600 – 604 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nisiert worden. Ich sehe das auch heute noch
so.“5244
In einem nach seiner Vernehmung an den Untersuchungs-
ausschuss gerichteten Schreiben hat der Zeuge Falk klar-
gestellt, dass er seine Aussage „kriminalfachlich stümper-
haft“ ausschließlich auf die bis dahin zur Aufklärung der
Mordserie praktizierte, dezentralisierte (Organisations-)
Form der Zusammenarbeit bezogen habe.
5245
Auf Vorhalt dieser Aussage des Zeugen Falk hat der
Zeuge Ziercke erklärt, dass seine fachliche Einschätzung
von der seines damaligen Vizepräsidenten abweiche.
5246
Der Zeuge Falk hat es als nicht entscheidend bezeichnet,
ob die Ermittlungen dem BKA oder einem LKA übertra-
gen werden.
5247
Entscheidend sei, wer weisungsbefugt
sei.
5248
Grundsätzlich sei er aber der Überzeugung, dass
das BKA es am ehesten und mit dem längsten Atem ge-
konnt hätte. Es gebe keinen Automatismus, sondern eine
Tendenz: Je überregionaler oder internationaler ein sol-
cher Fallkomplex angelegt sei, desto mehr mache es Sinn,
sich über die Ebene der Landeskriminalämter hinaus zu
begeben.
5249
Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Hoppe, der Mitglied in
der Steuerungsgruppe war, ausgeführt, dass er noch heute
eine zentrale Ermittlungsführung in Gänze für sinnvoll
halte. Die gewählte Lösung – Steuerungsgruppe – sei aus
seiner Sicht nicht die optimalste gewesen.
5250
Man habe
aber die Steuerungsgruppensitzung und die Untergremien
wie die Sachbearbeitertagung intensiv genutzt, um die
Informationen, die es auszutauschen gegolten habe, auch
auszutauschen. Insofern habe man versucht, das aufzu-
fangen, was vielleicht mit einer einheitlichen Organisati-
on einfacher, leichter gewesen wäre, aber ohne Garantie,
dass der Fall dadurch aufgeklärt worden wäre.
5251
Der im Jahr 2006 für die Ermittlungen im BKA in der
Mordserie zuständige Abteilungsleiter, der Zeuge Mau-
rer, hat ausgesagt, er sei überzeugt davon, dass zum da-
maligen Zeitpunkt ein zentralistischer Vorgang richtig
gewesen wäre.
5252
Man habe die aufwendigere Organisa-
tionsform gewählt.
5253
Der Lenkungskreis sei schwerfällig
gewesen. In der Essenz habe dies aber nicht dazu geführt,
dass irgendeine Spur oder irgendein Ermittlungsansatz
nicht abgearbeitet worden sei.
5254
Probleme auf Arbeits-
ebene seien auch deshalb entstanden, weil das BKA mit
unterschiedlichen Personen an den Lenkungsausschusssit-
5244) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 7, siehe auch S. 13.
5245) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,
MAT B Z-11.
5246) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 15.
5247) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 17; S. 44.
5248) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 17; S. 44.
5249) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 17.
5250) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 8.
5251) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 8.
5252) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 16.
5253) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 17.
5254) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.
zungen beteiligt gewesen sei.
5255
Aus heutiger Sicht wür-
de er in einem vergleichbaren Fall jedoch vorschlagen,
eine Besondere Aufbauorganisation unter Leitung des
Bundeskriminalamtes im BKA einzurichten, wie dies bei
der Einrichtung der BAO „Trio“ im Jahr 2011 geschehen
sei.
5256
Einen Zwang zur Zentralisierung auf Bundesebene
sehe er dabei nicht. Denkbar sei auch, eine große BAO
z. B. in Nürnberg mit Einsatzabschnitten einzurichten,
unter anderem für das BKA zur Durchführung ergänzen-
der struktureller OK-Ermittlungen.
5257
d) Bewertung durch das BMI
Der damalige Bundesinnenminister, der Zeuge Dr. Wolf-
gang Schäuble, hat erklärt, selbst wenn ihm 2006 der
Vorschlag, die zentralen Ermittlungen des BKA nach
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG anzuordnen, gemacht
worden wäre, hätte er ihn abgelehnt. Auch heute noch
entspreche dies nicht seinem Verständnis von Zusammen-
arbeit und sachdienlicher Polizeiarbeit.
5258
Die bessere
Lösung als eine Zuweisung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BKAG erscheine ihm, dass sich Bund und Länder auf ein
gemeinsames Vorgehen einigten.
5259
Das Ergebnis von
Garmisch-Partenkirchen sei das richtige Ergebnis gewe-
sen.
5260
Demgegenüber hat der damalige Staatssekretär im Bun-
desministerium des Innern, der Zeuge Dr. Hanning er-
klärt, aus heutiger Sicht halte er es für vernünftig, wenn
damals eine zentrale Ermittlung durch das BKA stattge-
funden hätte.
5261
Er hat erklärt:
„Wissen Sie, das berührt so einige grundsätzliche
Fragen. Ist es wirklich besser, wenn alles zentral
ermittelt wird, oder ist es nicht klüger, es auch bei
den Ländern zu lassen, die die größten Erfahrun-
gen im Ermittlungsbereich haben? Das BKA ist im
Ermittlungsbereich nicht sehr stark, […]. Das ist
so meine Erfahrung.“5262
„Der Schwerpunkt der Ermittlungskompetenz in
diesem Lande liegt bei den Ländern, nicht beim
Bundeskriminalamt. Also, man kann auch nicht
kurzschlüssig sagen, in dem Augenblick, wo alles
zentral ermittelt wird, haben wir von vornherein
sichergestellt, dass dann auch mit sehr viel mehr
Niveau und hoher Qualität und damit auch höheren
Erfolgsaussichten ermittelt wird. Das ist überhaupt
nicht der Fall, nein.“ 5263
5255) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 18.
5256) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.
5257) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.
5258) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.
5259) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 16.
5260) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 16.
5261) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.
5262) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.
5263) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 605 – Drucksache 17/14600
„Wenn das BKA selbst der Meinung ist, dass es
das macht, hätte ich das unterstützt, selbstverständ-
lich. Aber ich hätte schon dann auch gefragt: Wie
macht ihr das denn? Habt ihr auch die Ressourcen?
Denn ich habe in dem Sauerland-Fall dann erleben
müssen, dass die Ressourcen des BKA sehr be-
grenzt waren und sehr beschränkt waren. Und ob
die das dann so besser hinbekommen hätten - ich
weiß es nicht. Im Nachhinein sprach vieles dafür,
das dem BKA zu übertragen. […] Und ideal wäre
gewesen, wenn das BKA sozusagen alle Informa-
tionen gesammelt hätte, gemeinsam bewertet hätte
und die Länderbehörden dann weiter ermittelt hät-
ten, dass man den Schwerpunkt da gemacht hätte.
Das wäre vernünftig gewesen.“5264
Als eine weitere Ursache, warum im Verlauf der Ermitt-
lungen in einzelnen Fällen vorschnelle Festlegungen
einem erfolgreichen Handeln im Wege stehen können, hat
der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt, dass dies ein typisches
Problem von Apparaten sei. Einmal gebildete Meinungen
müssten nach außen vertreten werden und Gegenmeinun-
gen würden unter den Tisch fallen:
„Also, Apparate neigen dazu, eine homogene Mei-
nung zu haben - das erwarten in gewisser Weise
Ministerien ja auch -, und Zweifelsfälle werden
dann gar nicht hochgebracht und werden dann
nicht angemessen gewürdigt und kommen dann
gar nicht zur Kenntnis der Entscheidungsträger.
Grundproblem von Apparaten, ja, lösbar, aber mit
einigem Aufwand verbunden.“5265
Um auch Gegenmeinungen zur Kenntnis der Entschei-
dungsträger zu bringen setze er im Diskussionsprozess
auf die Besetzung des „Advocatus Diaboli“.5266
2. Gründe für die Nichtaufklärung der Mord-
serie
Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, nach seiner Überzeu-
gung liege ein zentrales Versäumnis darin, dass, wie die
Schäfer-Kommission in ihrem Gutachten festgestellt
habe, die Behörden auf Bundesebene nicht über die In-
formationen zum Trio verfügt hätten, die den lokal zu-
ständigen Behörden (Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringen und Landeskriminalamt Thüringen) vorgelegen
hätten. Hierdurch sei es nicht gelungen, auf Bundesebene
eine entsprechende Lagebewertung vorzunehmen und
entsprechende Ermittlungsansätze zu generieren.
5267
Nach Auffassung des Zeugen Ziercke habe die Nichtauf-
klärung der Mordserie ihre Ursache darin, dass es der
Polizei trotz umfangreicher Arbeit nicht gelungen sei, den
richtigen Ansatz für den erfolgreichen Abschluss der
Ermittlungen zu finden. Es habe kaum verwertbare Spu-
5264) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.
5265) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 42.
5266) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 42.
5267) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4.
ren an den Tatorten gegeben; auch direkte Tatzeugen habe
es nicht gegeben und die Zeugen in Tatortnähe hätten nur
wenig belastbare Informationen gebracht. Bei den zahl-
reichen im Laufe der Jahre bei der Polizei eingegangen
Spuren habe es sich um Trugspuren gehandelt. Auch die
Rasterfahndungen hätten nicht den gewünschten Erfolg
gebracht, zumal es schwer gewesen sei, überhaupt geeig-
nete Raster an die Daten zu legen.
5268
Zudem habe es
weder eine öffentliche Bekennung,
5269
noch eine
Bekennung durch die Täter innerhalb der rechten Szene
gegeben.
5270
Aufgrund der Totallegende, die sich das Trio
gegeben habe – durch BahnCard, Kreditkarten, Gesund-
heitskarten, Ausweispapiere etc. – , wäre man bei einer
Abfrage der eigenen Systeme nie auf Böhnhardt, Mundlos
oder Zschäpe gekommen, weil immer die herausgekom-
men wären, die auf Ausweispapieren standen.
5271
Der Zeuge Falk hat als Grund für die unterbliebene Auf-
klärung der Taten vorrangig das Fehlen verbindender
Informationen bezeichnet:
„So wie ich das auch aus heutiger Sicht sehe, ha-
ben die verbindenden Informationen schlicht und
einfach gefehlt: die verbindenden Informationen
[…] zwischen Köln und den Česká-Morden, wenn
man jetzt von diesen erörterten Fahrrädern mal ab-
sieht. Es hat die Verbindung gefehlt von den
Česká-Morden zu abgetauchten Rechtsextremisten
aus dem Jahre 1998 […]. Es hat keine Informatio-
nen gegeben, die auf diese Brücke, auf diesen Brü-
ckenschlag hingedeutet hätten. Das ist für mich der
entscheidende Faktor.
Ich sehe natürlich Mängel - das habe ich ja deut-
lich gemacht - in der Aufstellung, wie der Fall
konkret angegangen worden ist von Polizei und
Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, so-
weit sie im Hintergrund beteiligt waren. Ob diese
Mängel in der Organisationsform ausschlaggebend
dafür gewesen sind, dass dieser Brückenschlag
nicht gelungen ist, kann ich nicht beurteilen. Ich
sehe das im Augenblick aber nicht. Ich meine
wirklich aus voller Überzeugung: Es haben diese
verbindenden Informationen gefehlt, die uns dahin
gelenkt hätten.“5272
Der Zeuge Ziercke hat darüber hinaus erklärt, die Archi-
tektur des Sicherheitsföderalismus habe insgesamt ver-
sagt. Man hätte sich bereits Anfang der 90er-Jahre dazu
durchringen müssen, den gewalttätigen Rechtsextremis-
mus durch Bündelung aller Kräfte von Bund und Ländern
zentral zu bekämpfen. Die Anschläge von Mölln,
Hoyerswerda, Lübeck, Solingen und Rostock hätten eine
viel intensivere Debatte zum Phänomenbereich Rechtsex-
tremismus, zur Sicherheitsarchitektur sowie zur Umset-
5268) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4 f.
5269) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4 f.
5270) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5 .
5271) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 48.
5272) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 44.
Drucksache 17/14600 – 606 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zung von organisatorischen Maßnahmen auslösen müs-
sen.
5273
Bereits damals hätte man ein Gemeinsames Abwehrzent-
rum Rechts einrichten müssen. Das, was heute gemacht
werde,
„dass wir 40 Sicherheitsbehörden […] täglich zu-
sammenführen, dass die dort in der Zeit, in der die
dort jetzt zugange sind, schon 670 Fälle gemein-
sam erörtert haben, über die Ländergrenzen hin-
weg mit den Bundesbehörden, das hat es vorher
nie gegeben in Deutschland. Das ist für mich der
zentrale Punkt. Und das ist Informationsbündelung
an einer Stelle. Das hätten wir in den 90er-Jahren
machen müssen.“5274
Auch der Zeuge Maurer hat bemängelt, dass vor der Er-
richtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechts kein
Zwang zur Kommunikation der Beteiligten bestanden
habe.
5275
Darüber hinaus hat er Probleme im Informati-
onsmanagement beklagt. Es gebe keine definierte Daten-
anwendung, die es ermögliche, dass dezentral in Vor-
gangsbearbeitungssystemen einerseits eingestellt und zum
anderen recherchiert werden könne.
5276
Der Zeuge Maurer hat ausgesagt, das BKA habe im
Rahmen des übernommenen Ermittlungsauftrages alles
getan, wobei sich aber die Frage stelle, ob dieser Ermitt-
lungsauftrag ausreichend breit gewesen sei. Er hat ausge-
führt:
„Das heißt, die Spuren, die wir bearbeitet haben im
BKA, die die Kollegen im Rahmen der ergänzen-
den strukturellen Ermittlung bearbeitet haben, sind
sauber, professionell, zutreffend bearbeitet wor-
den. Ob der Ansatz, der gewählt wurde, ausrei-
chend breit war: Da muss man drüber nachdenken,
womit das zusammenhängt, dass Polizei und
Staatsanwaltschaften sich unter Umständen zu früh
vom Gegenstand der Untersuchung her beschrän-
ken und begrenzen lassen. Die Frage muss gestellt
werden, ja.“5277
Dessen ungeachtet hat der Zeuge Maurer vor dem Aus-
schuss jedoch die Vermutung geäußert, dass auch bei
einer – von ihm ausdrücklich befürworteten – Übernahme
des Gesamtverfahrens durch das BKA der Fall nicht auf-
geklärt worden wäre.
5278
Er sei davon zutiefst überzeugt,
nachdem er die Fakten kenne, die im Wissen um die Tä-
tereigenschaft Böhnhardts, Mundlos und Zschäpes eine
Rolle spielen würden.
5279
Im Wissen um das Ergebnis der
heutigen Ermittlungen des BKA komme er zu dem Er-
gebnis:
5273) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 2.
5274) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 22.
5275) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 49.
5276) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 49.
5277) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 8.
5278) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 70.
5279) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 70 f.
„Wir wären richtig unterwegs gewesen, aber ohne
dass es uns gelungen wäre, die Personen zu fin-
den.“5280
Auf die Frage, ob man nicht bei intensiver Nachfrage bei
allen in Betracht kommenden Behörden in Bezug auf eine
radikale rechtsextremistische Ausrichtung – auch bei den
Landesämtern für Verfassungsschutz und dem BfV –, auf
das Trio hätte kommen können, hat der Zeuge Maurer
ausgeführt, dass man die Handlungsoptionen bezogen auf
die Ereignisse in den Jahren 1995, 1998 bis 2003 unab-
hängig von den Handlungsoptionen im Jahr 2006 sehen
müsse.
„Bezogen auf die Ereignisse 95, 98 bis 2003 hat es
eine Vielzahl von Optionen geben, abgetauchte
Straftäter ausfindig zu machen. Das waren aber
keine Mörder, die abgetaucht waren, sondern es
waren Personen, in deren Garage Sprengstoff ge-
funden wurde. Da gab es Optionen.“5281
Nach Angaben des Zeugen Maurer habe es im Jahr 2006
keine Optionen für das BKA mehr gegeben, nach dem
Trio zu suchen. Nach seiner Einschätzung würde das
BKA die Mordserie auch bei einer Gesamtübernahme im
Jahr 2006 nicht aufgeklärt haben,
5282
„weil nach diesen Personen ist nicht mehr gesucht
worden. Das heißt, wenn ich realistisch und seriös
das beurteile, muss ich sagen: Was waren die Op-
tionen 2006? Und da komme ich nicht von konkret
überprüfbaren Dingen, sondern von theoretisch zu
präzisierenden Hypothesen. Das heißt, wir hätten
einen Strang in 2006 auflegen können, ohne zu
wissen, nach wem wir suchen: Lass uns mal su-
chen nach Abgetauchten, aus welchen Gründen
auch immer die abgetaucht sind.
Jetzt mein nächstes Argument: Wen hätten wir de-
finiert als abgetaucht? Denjenigen, nach dem ge-
sucht wird - nicht der potenziell verschwunden ist,
getötet ist, nicht mehr da ist. Nach dem hätten wir
nie gesucht. Wir hätten immer nur nach denen ge-
sucht, nach denen auch per Haftbefehl gesucht
wurde. Das wäre aber 2006 nicht mehr der Fall
gewesen.
Was ich doch nur versuche, klarzumachen, ist, wie
systematisch Arbeit aussieht und dass es selbst ret-
rograd nicht möglich ist, zu sagen: Die wären uns
ins Visier gelaufen. - Dabei bleibe ich, dass das
nicht der Fall war. Was ich nicht sage, ist, dass es
in diesem ganzen Kontext unterschiedlicher Er-
mittlungskomplexe nicht dennoch Optionen gege-
ben hätte, erfolgreich zu sein. Aber Sie haben das
jetzt verwoben in einer Art und Weise, die uns
dann den Blick verstellt, was wir heute wissen und
was heute möglich ist und was damals gewusst
5280) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 73.
5281) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 74.
5282) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 72.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 607 – Drucksache 17/14600
wurde und was möglich war. Bis 2003 hat es viele
Optionen gegeben. Die waren nach 2003 verschüt-
tet.“5283
Als Beispiel dafür, wie das BKA vorgegangen wäre, hat
der Zeuge Maurer ausgeführt:
„Wir hätten überlegt, welche Grundhypothesen es
für eine Täterschaft, von wem auch immer, geben
könnte. Eine Option darin wäre irgendwann - ne-
ben dem reisenden Handelsvertreter, der Men-
schen umbringt - gewesen: Es könnte doch sein,
dass Straftäter, die abgetaucht sind, als Täter infra-
ge kommen. - Dann hätten wir Projekte aufgelegt,
massiv Daten erhoben, hätten versucht, diese Da-
ten zu ermitteln.“5284
In den eigenen Dateien wäre man dabei aber nach Ein-
schätzung des Zeugen Maurer nicht weitergekommen.
„Und dann hätten wir das ein Jahr durchgehalten.
Und selbst in dem Jahr wären wir noch zu keinem
Ergebnis gekommen. Warum? Wir haben im
Nachgang jetzt der Ermittlungen Erhebungen zu
den Massendaten gemacht, die erhoben wurden im
Zusammenhang mit den Ermittlungen „Bosporus“.
Da sind wir auf einen Treffer gestoßen. Wir hätten
jetzt, ohne zu wissen, nach was wir genau suchen,
ein Projekt gefahren und gesagt: Wir setzen Fahn-
dungskommandos ein; die suchen nach 100, 200
denkbaren Personen. - 2006 wäre das gewesen.
2006 wären wir niemals mehr dazu übergegangen,
einen Vorgang als abgetauchten Straftäter zu be-
trachten von Personen, wo das Verfahren seit 2003
eingestellt war. Das hätten wir nicht gemacht. Das
ist nämlich ein Schritt, der über Abtauchen eines
Straftäters geht, nach dem noch gesucht wird. Das
hätten wir nicht gemacht. Das weiß ich, dass wir
das nicht gemacht hätten, weil wir irgendwo selek-
tiert hätten. Das heißt, wir hätten sehr systematisch
in bestimmten Bereichen Erhebungen angestellt,
sehr aufwendig.
5285
Nächster Punkt, was wir gemacht hätten: Wir hät-
ten natürlich Informationserhebung betrieben, be-
zogen auf den Personenkreis, mit dem wir uns be-
schäftigt haben: Anfragen bei allen Behörden,
nicht nur München, Nürnberg, sondern alles. So.
Wären wieder Daten entstanden. Wir hätten uns
damit beschäftigt über längere Zeiträume zu einem
Zeitpunkt, wo der letzte Mord bereits geschehen
war, weil danach gab es keine Morde mehr.“5286
5283) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 74.
5284) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 71.
5285) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 71.
5286) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 71.
3. Einschätzung eines Handlungsbedarfs
beim BKA-Gesetz
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob aus Sicht
der Zeugen ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf be-
steht, die Vorschriften für die Übernahme zentraler Er-
mittlungen – sei es durch das BKA oder durch eine Län-
derpolizei – zu ändern, um die Voraussetzung zu schaf-
fen, dass mit der Mordserie vergleichbare Fälle in Zu-
kunft zeitnah und sachgerecht aufgeklärt werden können.
Der ehemalige Vizepräsident des BKA, Falk, hat die
vorhandenen gesetzlichen Regelungen als grundsätzlich
ausreichend bezeichnet
5287
und hinsichtlich der Gesetzes-
lage keinen Änderungsbedarf gesehen.
5288
Das BKA habe
eben kein Evokationsrecht, um Verfahren an sich zu zie-
hen.
5289
Es gebe gute Gründe für die geltende Kompe-
tenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Polizeian-
gelegenheiten. In der Bilanz habe man mit den vorhande-
nen Regelungen auch sehr gute Erfahrungen gemacht.
5290
Er hat ausgeführt:
„Ich glaube auch, dass das von der Gesetzeslage
her alles so geregelt ist, dass man in jedem
Fall […] zu einer sachgerechten Entscheidung
über eine solche Kompetenzfrage kommen
kann.“5291
Er hat eingeräumt, dass ein solches Ergebnis nicht immer
erzielt werde und dies folgendermaßen erklärt:
„Das Ganze ist natürlich auch auf Konsens ange-
legt. Es geht nicht, ohne dass man sich miteinander
verständigt, und zwar nicht unter dem Aspekt der
Eitelkeit oder des Konkurrenzverhaltens, sondern
eben unter sachlichen Gesichtspunkten: Wer kann
was am besten und hat dazu auch die nötigen Be-
fugnisse? Das ist natürlich die wichtige Grundla-
ge.“
In aller Regel funktioniere dies auch. Als Beispiel dafür
hat er die Terrorismusermittlungen zur Sauerland-Gruppe
angesprochen. In diesem Fall seien die Länder – anders
als bei der Česká-Mordserie – bereit gewesen, dem BKA
über Monate hinweg ihre Kräfte zu unterstellen.
5292
Der Zeuge Ziercke wurde nach seiner Beurteilung einer
Regelung für eine zentrale Ermittlungsführung des BKA
für bestimmte schwere Verbrechen – etwa gegenüber
Migranten in bestimmten Deliktsfeldern – befragt. Hie-
rauf hat er ausgeführt:
„Bei der derzeitigen Konstruktion des Föderalis-
mus kann ich mir das schwer vorstellen. Man kann
versuchen, zu Lösungen zu kommen, weil letztlich
immer die Justiz das entscheidende Wort hat. Bei
5287) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 42.
5288) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 44.
5289) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 44.
5290) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.
5291) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.
5292) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.
Drucksache 17/14600 – 608 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mehreren Taten, bei mehreren Tatorten müssen die
Generalstaatsanwaltschaften zusammenkommen.
Die müssen bereit sein - - Die müssen bereit sein,
diesen Weg mitzugehen. Das hängt auch mit dem
gesetzlichen Richter zusammen. Auch daran müs-
sen Sie dann denken. Und letztlich müsste man
dann im Bundeskriminalamt, wenn man das so
machen wollte, ja, ein Entscheidungsgremium
wahrscheinlich installieren, das sich dann mit den
Ländern darüber unterhält, ob das der richtige und
geeignete Weg ist oder nicht.“5293
Gleichwohl sei dies ein gangbarer Weg. Das BKA habe ja
auch andere Zuweisungen bekommen, etwa im Bereich
des internationalen Terrorismus oder der Drogenkrimina-
lität oder der Wirtschaftskriminalität, obwohl das BKA
dort nicht alles bearbeite und auch nicht alles an sich
ziehen könne.
5294
Der eigentliche Punkt beim An-Sich-Ziehen der Ermitt-
lungen durch das BKA sei aber:
„Ich brauche also eine Informationsbasis, dass ich
selbst in der Lage bin, so stark aufzutreten, dass
ich sage: Ich weiß es jetzt alles besser, und dann
machen wir das von [der] Bundesebene aus. […]
Das ist das Problem bei solchen Sachen, gerade bei
Mordermittlungen. Sie wissen auch […], dass man
dort die Nähe […] haben muss, zum Milieu, wenn
Sie so wollen, zur Region, dass dort unglaublich
viele Einzelspuren überprüft werden müssen, und
dann viele Alibis überprüft werden müssen. Das
können Sie zentral nicht leisten. Dann müssten Sie
über den nächsten Schritt möglicherweise nach-
denken und sagen: Das BKA muss vielleicht Au-
ßenstellen haben in den Ländern, eigene Infor-
mationserhebungen machen können.“5295
Der Zeuge Maurer hat erklärt, er halte auch eine zentrale
Gemeinsame Ermittlungsgruppe, besetzt aus Bund und
Ländern, mit klarer Weisungsbefugnis für eine Option.
5296
Das habe man auch bei der Einrichtung der BAO „Trio“
so gemacht und werde genau dies beim nächsten Mal
wieder machen.
5297
Dabei spiele es keine Rolle, ob die Führung beim BKA
oder in einem Land liege. Er hat ausgeführt:
„Der natürliche Weg ist: Zentralisierung; wenn es
auf Landesebene geschieht, das in einem Landes-
kriminalamt zu machen, wenn es auf Bundesebene
geschieht, das beim Bundeskriminalamt zu ma-
chen. Einen Zwang dazu gibt es nicht. Zentralisie-
rung ist auch dezentral herstellbar. Das heißt, es ist
auch denkbar, dass eine große BAO in Nürnberg
geführt wird mit Einsatzabschnitten, unter ande-
5293) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 23.
5294) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 23 f.
5295) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 24.
5296) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 74.
5297) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.
rem Einsatzabschnitt BKA zur Durchführung von
ergän zenden strukturellen OK-Ermittlungen.
Selbstverständlich ist das denkbar.“5298
Auf die Frage, ob er es für sinnvoll halte, wenn gesetzlich
vorgeschrieben würde, dass es zumindest eine Zentralisie-
rung der Ermittlungen geben sollte, hat der Zeuge Maurer
dargelegt:
„Ich glaube, dass die Optionen des BKA-Gesetzes
heute schon ausreichen. […] Was aber nicht aus-
reichend ist aus meiner Sicht, sind denkbare Evo-
kationsrechte für eine zentrale Staatsanwaltschaft.
Diese zentrale Staatsanwaltschaft könnte der Ge-
neralbundesanwalt sein. Dann lösen sich Folge-
probleme automatisch. Für den Generalbundesan-
walt wäre es letztlich gleichgültig, wenn er als
Staatsanwaltschaft die Sachherrschaft hat, wo ein
Vorgang zentral bearbeitet wird.
Die Formen der denkbaren Kooperationen, die
sind im BKA-Gesetz geregelt. Wir können Dinge
zusammenpacken, anregen, dass man das an uns
übergibt oder dass das an einer zentralen Stelle im
Land gemacht wird. Das ist ausreichend. Da
braucht es nicht eine gesonderte Zuständigkeit, die
dann wieder zu diskutieren wäre. Was viel wichti-
ger ist aus meiner Sicht, ist, dass es eine justizielle
Instanz gibt, die sagt: Ich kann mir so einen Vor-
gang ranziehen, ihn prüfen und dann entscheiden,
ob ich das Bundeskriminalamt beauftrage oder ein
Landeskriminalamt. - Also, das hielte ich nach den
Erfahrungen, die wir jetzt in dem Kontext gemacht
haben, für zielführender.“5299
Dem Zeugen Maurer ist vorgehalten worden, dass den
Akten zu entnehmen sei, dass der Generalbundesanwalt
lediglich über Zeitungswissen von der Mordserie infor-
miert wurde und dass in Bayern diskutiert worden sei,
dass wenn auf einen politischen Hintergrund hingewiesen
werde, der Generalbundesanwalt möglicherweise über-
nehme.
5300
Hieran hat sich die Frage angeschlossen, ob
ein Konkurrenz- und Rivalitätsdenken bei der Abgabe
von Verfahren üblich sei. Der Zeuge Maurer hat darauf-
hin ausgesagt:
„Konkurrenz ist üblich. Aber genau das Beispiel,
[…], das Sie angesprochen haben, das würde die-
ses Evokationsrecht lösen. Egal, was irgendjemand
denkt: Entweder die zu beschreibende Schwer-
punktstaatsanwaltschaft, Zentralstaatsanwaltschaft
hat eine Möglichkeit, oder der GBA hat eine Mög-
lichkeit. Dann kommt es zu diesen Diskussionen
nicht. Da geht es nicht mehr um die Frage: Sind da
Konkurrenzsituationen, die mir nicht gefallen?“5301
5298) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.
5299) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.
5300) Einzelheiten zur Frage der Übernahme durch den GBA siehe
F.VII.3.b)bb).
5301) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 609 – Drucksache 17/14600
Nach Einschätzung des Zeugen Maurer bedarf es bei
einer einheitlichen Polizeiführung auch einer einheitli-
chen staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit. In der
Česká-Mordserie sei auch deshalb zu keiner Zeit ein Vor-
schlag diskutiert worden, die BAO „Bosporus“ mit klaren
Weisungsrechten bezüglich der Gesamtermittlungen aus-
zustatten. Dazu hat er ausgeführt:
„Im Gegenteil: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg
hat gesagt: Wir übernehmen, weil wir eine Lan-
desstaatsanwaltschaft sind, fünf Fälle in Bayern,
aber wir übernehmen die anderen vier Fälle nicht. -
Vor welchem Hintergrund hätte denn eine BAO in
Nürnberg organisatorisch mit diesen Umständen in
einer Leitungsstruktur zurechtkommen sollen? So
ein Beispiel habe ich bisher noch nie gesehen, dass
es eine einheitliche Polizeiführung vielleicht gäbe,
aber dann immer noch fünf Staatsanwaltschaf-
ten.“5302
Der Zeuge Dr. Hanning hat ausgeführt, es stelle sich die
grundsätzliche Frage, ob es wirklich besser sei, wenn alles
zentral ermittelt werde, oder ob es nicht klüger sei, die
Ermittlungen auch bei den Ländern zu belassen, die die
größten Erfahrungen im Ermittlungsbereich hätten. Das
BKA sei nach seiner Erfahrung im Ermittlungsbereich
nicht sehr stark.
5303
Er hat darüber hinaus dargelegt, dass, wenn bei jedem
länderübergreifenden Vorgang eine Zuständigkeit des
BKA begründet würde, das BKA erheblich ausgebaut
werden müsste:
„Das kann das BKA in dieser Struktur nicht leis-
ten. Ich finde, in solchen Fällen müsste man über-
legen, ob das BKA dann von einer Staatsanwalt-
schaft beauftragt wird. Das geht ja in der Praxis
auch relativ problemlos. Dann hat man jedenfalls
ganz klare Zuständigkeitsabgrenzungen. Oder man
muss eben, wenn man das innerhalb der Länder
betreibt, eine klare Federführung festlegen, und da
gibt es natürlich ein Problem, und das ist das In-
formationsmanagement. […] Und ein Grundprin-
zip ist, dass derjenige, der ermittelt, der die ermitt-
lungsleitenden Entscheidungen trifft, alle Informa-
tionen haben muss, und daran fehlt es häufig. Also,
man muss im Grunde ein Management erreichen -
und dann spielt es letztlich keine entscheidende
Rolle mehr, ob es das BKA ist oder ob es dann ein
Land ist -, dass derjenige, der für die Vermittlung
verantwortlich ist - - Aber es beginnt schon damit:
Es muss einer verantwortlich sein; damit beginnt
es schon. Wer verantwortlich ist, der muss alle In-
formationen haben.“5304
Man könne sagen: „Wer die Verantwortung hat, muss das
Sagen haben und die Informationen“ und er hat fortge-
führt:
5302) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.
5303) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.
5304) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 19.
„und dann müssen die anderen auch verpflichtet
sein, die Informationen zur Verfügung zu stellen.
Und es gibt inzwischen Software, es gibt IT-
Strukturen, wo Sie das ohne Weiteres können, wo
alle Informationen eingestellt werden können, so-
dass das greifbar ist, abgreifbar ist von demjeni-
gen, der die Verantwortung trägt. So muss man das
organisieren, und das kann man auch organisie-
ren.“5305
Der Zeuge Dr. Schäuble hat auf die Frage, ob er aufgrund
seiner langjährigen Erfahrung in Bezug auf § 4 BKAG
Reformbedarf sehe, weil dieser sich in der Praxis als
„Papiertiger“ erweise, geantwortet:
„Ich kann mir die Sicherheitsarchitektur anders
vorstellen. Ich würde mir wünschen, dass die Zu-
sammenarbeit besser ist, dass sich die beteiligten
Behörden nicht in erster Linie mit Zuständigkeits-
fragen beschäftigen, sondern mit einer optimalen
Aufgabenerledigung, natürlich im Rahmen. Der
Rechtsstaat hat bestimmte Prinzipien seiner Zu-
ständigkeit.
Aber die Realität ist so, wie sie ist, und deswegen
ist es allemal so, wie unsere Lage heute ist, auch
die Rechtslage und die tatsächliche Verteilung.
[…] Eines der tragenden Prinzipien unseres
Grundgesetzes ist der kooperative Föderalismus,
nämlich dass man - - der Grundsatz bundesfreund-
lichen Verhaltens, der übrigens ein gegenseitiger
ist: der Bund gegenüber den Ländern und die Län-
der gegenüber dem Bund. […] Vor diesem Hinter-
grund könnte ich mir in der Tat vorstellen, dass
man Verbesserungen, bessere Effizienz erreichen
könnte mit Regelungen, die bessere Zusammenar-
beit ermöglichen. Aber wenn Sie das in den Zu-
ständigkeitsstreit hineinführen, haben Sie keine
Chance. Dann werden Sie das Gegenteil errei-
chen.“5306
VII. Sonderfragen zu den Ermittlungen
1. Waffenspur
Das verbindende Element zwischen den ersten neun Mor-
den von 2000 bis 2006 ist die bei allen Taten verwendete
Tatwaffe der Marke Česká 83, Kaliber 7,65 mm Brow-
ning. Erst durch die Verwendung der immer gleichen
Waffe konnte die Serie als solche erkannt werden.
5307
Nach einem kriminaltechnischen Gutachten des BKA
vom Mai 2006 konnte die Suche nach der Waffe auf eine
solche mit verlängertem Lauf eingegrenzt werden, da die
Verwendung eines Schalldämpfers nachgewiesen wurde.
Diese Spur führte erneut in die Schweiz zur Firma
Schläfli & Zbinden und schließlich zu Anton G. Am
5305) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 20.
5306) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 18.
5307) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 2.
Drucksache 17/14600 – 610 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
10. November 2011 konnte in der ausgebrannten Woh-
nung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau die Tatwaffe
Česká 83, 7,65 mm Browning mit verlängertem Lauf
aufgefunden werden.
5308
Im Abgabebericht der Staatsan-
waltschaft Nürnberg-Fürth in der Tatserie Česká vom
13. Januar 2012 heißt es, es
„steht fest, dass es sich um eine Waffe aus der Be-
stellung des Anton G. handelt. Der Nachweis be-
steht insoweit, da eine zunächst unkenntlich ge-
machte Waffennummer wieder sichtbar gemacht
werden konnte. Die Pistole mit der Nr. 034678
wurde laut Waffenbuch der Fa. Schläfli & Zbinden
am 11.04.1996 an Anton G. verkauft.“5309
Von der zweiten Tatwaffe ließ sich nur das Kaliber ermit-
teln; eine Systembestimmung – die Feststellung des Fab-
rikats und des Herstellers – war nicht möglich.5310 Erst
nach ihrem Fund im November 2011 im Bauschutt der
Frühlingsstraße 26 in Zwickau stellte sie sich als eine
umgebaute Schreckschusspistole der Marke Bruni 315
heraus.
5311
a) Feststellung von Tatwaffe und Munition
Die einzig verwertbaren Spuren an den Tatorten waren
die Geschosse sowie anfangs die Hülsen.
5312
An den auf-
gefundenen Geschossen fanden sich Individualmerkmale,
aus denen sich ergab, dass die Geschosse aus derselben
Waffe abgefeuert wurden.
5313
Vom Bundeskriminalamt
durchgeführte Projektilvergleiche führten zu der Feststel-
lung, dass die Morde „zweifelsfrei“ mit derselben Waffe
begangen wurden.
5314
Anhand der mikroskopisch festgestellten Systemspuren
wurde bereits im ersten Mordfall an Enver Şimşek am
9. September 2000 in Nürnberg aufgrund eines Gutach-
tens des BKA vom 14. September 2000 festgestellt, dass
die Projektile mit großer Wahrscheinlichkeit aus einer
Selbstladepistole Česká, Modell 83, Kaliber 7,65 mm
Browning, verfeuert wurden.
5315
Bei den Morden an Enver Şimşek am 9. September 2000
und an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 wurde zu-
sätzlich mit einer zweiten Waffe, einer umgebauten
Schreckschusspistole der Marke Bruni 315, geschossen.
5308) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der
Tatserie „Česká“ vom 13.01.2012, MAT A GBA-4/2, S. 8 ff.
(126).
5309) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der
Tatserie „Česká“ vom 13.01.2012, MAT A GBA-4/2, S. 8 ff.
(126).
5310) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41, 73.
5311) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der
Tatserie „Česká“ vom 13. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 7
ff. (123/126); Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA,
Stand 17. April 2012, MAT A BKA-2/35a, Bl. 497 ff.
5312) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.
5313) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 73.
5314) MAT A BKA-2/15, Bl. 17.
5315) MAT A GBA-4/2, Bl. 124.
Es ließ sich nur das Kaliber von 6,35 mm bestimmen.
Marke und Typ blieben unbekannt,
5316
weil keine präg-
nanten Systemspuren vorhanden waren. Der Zeuge Jung
hat dazu ausgeführt:
„Sie brauchen Systemspuren, um sagen zu können
– da ist das BKA auch europaweit führend –: Die-
se Hülse ist aus einer Česká 83 verschossen wor-
den. - Bei 6,35 gab es keine prägnanten Systempu-
ren. Ich hatte gesagt, dass unsere Kriminaltechnik
gesagt hat: Möglicherweise ist es eine rückverän-
derte Schreckschusspistole. – Und deswegen konn-
ten wir bei der Waffe nicht sagen: das und das
Fabrikat, der und der Hersteller.“5317
Die Ermittlungsmaßnahmen konzentrierten sich daher auf
die Suche nach der Česká 83, 7,56 mm Browning. Ein am
22. Mai 2006 durch das BKA erstelltes kriminaltechni-
sches Gutachten belegte, dass zumindest ab dem Mord an
Mehmet Turgut in Rostock am 25. Februar 2004, der
fünften Tat der Serie, ein Schalldämpfer verwendet wur-
de.
Der Zeuge Jung hat hierzu ausgesagt:
„Ich kann auch erklären, warum das erst […] ab
der fünften Tat möglich war. Aus dem Datum se-
hen Sie natürlich: 22. 5. 2006, das war letztendlich
nach der letzten Dublette in diesem Verfahren.
Denn ab 2004 hatte dann die Munition gewechselt.
Deswegen war es auch möglich – Deswegen auch
die Einschränkung: mindestens ab der fünften Tat
Schalldämpferverwendung. […] Es konnte dann
festgestellt werden, dass eine kleine, eine minima-
le Anhaftung immer an der gleichen Stelle an den
Geschossen festgestellt wurde. Darauf hat man ge-
schlossen, dass das Geschoss nach dem Verlassen
des Laufs irgendwo an dem Schalldämpfer an-
schlägt. Aber das war, wie gesagt, minimal. Da das
auch immer an der gleichen Stelle war, hat man
dann auch gesagt […], dass mit hoher Wahrschein-
lichkeit von einer fabrikmäßig hergestellten Waffe
plus Schalldämpfer auszugehen ist.“5318
Die Anbringung eines Schalldämpfers setzt bei einer
Česká 38 einen verlängerten Lauf voraus, auf den der
Schalldämpfer aufgeschraubt werden kann.
5319
„Voraussetzung für die Verwendung des Schall-
dämpfers an der Waffe ist, dass der Lauf verlän-
gert ist, dass der vorne aus dem Gehäuse raus-
guckt. Und da wird der Schalldämpfer aufge-
dreht.“ 5320
5316) Operative Fallanalyse BW vom 30. Januar 2007, MAT A
GBA-5, Bl. 90.
5317) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 73.
5318) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 42.
5319) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA vom 17. April
2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 497 ff. (512); Gutachten zur
Tatwaffe: MAT A GBA-4/7a, Bl.175-182. Jung, Protokoll-
Nr. 31, S. 41.
5320) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 42.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 611 – Drucksache 17/14600
Durch diese Erkenntnis verkleinerte sich die Anzahl zu
überprüfender Česká-Waffen (Herstellung von ca. 10 000
Stück pro Monat) erheblich, da das Modell Česká 83, 7,65
mm mit verlängertem Lauf durch die Firma Česká
Zbrojovka
„nie serienmäßig hergestellt wurde“.5321
Die Herstellungszahl reduzierte sich auf einzelne Sonder-
anfertigungen, sodass schlussendlich von einer Stückzahl
von 55 Česká-Waffen mit verlängertem Lauf ausgegan-
gen wurde.
5322
Die kriminaltechnische Analyse der Tatmunition durch
das BKA ergab, dass bis zur vierten Tat Munition des
Herstellers Patten & Morgan Metal Corporation aus den
USA (PMC 32Auto) verwendet wurde.
5323
Diese Muniti-
on ist in Europa selten und ergab daher einen Ermitt-
lungsansatz. Plastikspuren an der Tatmunition ermöglich-
ten die Feststellung, dass ab der vierten Tat ein Behältnis
zum Auffangen der Hülsen verwendet wurde.
5324
Ab der
fünften Tat kam Munition des tschechischen Herstellers
Sellier & Bellot zum Einsatz.
5325
Spuren an dieser Tatmu-
nition lieferten den Beleg für die Verwendung eines
Schalldämpfers, aus dem sich erneut ein Ermittlungsan-
satz ergab.
b) Ermittlungen durch das BKA ab Juni 2004
Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des
Innern vom 15. Juni 2004, also nach dem vierten Mord,
wurde das Bundeskriminalamt gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1
BKA-Gesetz ersucht, für die unter den Aktenzeichen 109
UJs 118678/00 und 103 UJs 115193/01 bei der Staatsan-
waltschaft Nürnberg-Fürth anhängigen Verfahren (Tö-
tungsdelikte an Enver Şimşek und an Abdurrahim
Özüdoğru) ergänzende strukturelle Ermittlungen unter
dem Gesichtspunkt des § 129 StGB zu führen.
5326
Das
BKA, das bis zu diesem Zeitpunkt die Fälle im Rahmen
einer Sonderauswertung „Türkische OK (SATOK)“ in
seiner Zentralstellenfunktion (§ 2 BKAG) begleitete,
nahm die Strukturermittlungen unter dem Namen Ermitt-
lungsgruppe (EG) „Česká“ am 23. Juni 2004 auf. Die
Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe gem. § 2 BKAG
sollte dabei fortgeführt werden.
5321) Aktenvermerk über die Zeugenvernehmung des Kamil R.,
Leiter Sicherheit und Interner Audit der Firma Česká Zbrojovka
vom 22. August 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl. 375.
5322) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, vom 17. April
2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 513.
5323) Operative Fallanalyse BW vom 30. Januar 2007, MAT A
GBA-5, Bl. 174; BKA EG Česká, Allgemeiner Sachstandsbe-
richt vom 9. Januar 2006, MAT A GBA-4/7a, Bl.155-173
(165).
5324) Operative Fallanalyse BW vom 30. Januar 2007, MAT A
GBA-5, Bl. 166; BKA EG Česká, Allgemeiner Sachstandsbe-
richt vom 9. Januar 2006, MAT A GBA-4/7a, Bl.155-173
(165).
5325) BAO „Bosporus”, Sachstandsbericht, Stand November 2005,
MAT A GBA-4/4a, Bl. 78 f.
5326) MAT A BKA-2/15, Bl. 228.
Im Zentrum der Ermittlungen des BKA stand die Waffen-
spur, welche die konkreteste aller Spuren war. Der heuti-
ge Vizepräsident des BKA, Jürgen Maurer, hat dazu
ausgesagt, dass
„die Waffenspur […] für das BKA nicht nur wich-
tig [war], sie war die wichtigste Spur überhaupt.
Sie sehen es unter anderem daran, dass wir den
Komplex ‚Česká‘ genannt haben. Sie sehen das
unter anderem daran, dass von den 120 Spuren, die
wir im BKA bearbeitet haben, die Spur Nummer
eins für die Waffenermittlungen vergeben wurde.
Sie sehen es daran, dass wir allein für diese Spur
20 Leitz-Ordner gefüllt haben.“5327
Bevor das BKA nach dem fünften Mord im Jahr 2004
diese Spur aufnahm, haben nach Auskunft des Zeugen
Jung weder die örtlich zuständigen Mordkommissionen
der Tatortländer Hamburg und Mecklenburg-
Vorpommern noch die Soko „Halbmond“, welche für die
Ermittlung zu den bis dato drei Morden in Bayern zustän-
dig war,
„im Hinblick auf mögliche Quellen für die Tatwaf-
fen und die Munition“
Ermittlungen durchgeführt.
5328
Die Mordkommissionen
hätten nach Aussage des Zeugen Jung lediglich
„einen Tatmunitionsabgleich in der Türkei ange-
stellt“.5329
Die Arbeit der EG „Česká“ zur Waffenspur beinhaltete
insbesondere die zentrale Informationssammlung, -steue-
rung und -bewertung, die internationale Informationser-
hebung sowie die strukturierte Darstellung und Visualisie-
rung von Informationen.
5330
Das Ziel der Ermittlungen bestand darin, über die Identi-
fizierung der Tatwaffen und etwaiger Verkaufswegfest-
stellungen sowie durch die Auswertung von entsprechen-
den Ermittlungsverfahren Hinweise auf mögliche Täter zu
erhalten, da das BKA über die entsprechenden Verfahren
und Kapazitäten verfügte.
5331
Zunächst nahm die EG
„Česká“ die Waffenspur in Unkenntnis dessen auf, dass
ein Schalldämpfer verwendet wurde und dafür ein verlän-
gerter Lauf vonnöten war.
5332
Die EG „Česká“ führte
Recherchen zur Tatwaffe in den eigenen Systemen nach
folgenden Kriterien durch:
– Diebstähle oder Verluste von Česká-Pistolen, Modell
1983 vor September 2000 (erste Tat),
5327) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 6.
5328) MAT A BKA-2/28, Bl. 49; MAT A BKA-2/30, Bl. 207 ff.
5329) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 52.
5330) Siehe die weiteren Aufgaben im Protokoll der Strategiebespre-
chung vom 19. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl. 217 ff.
(219).
5331) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA-2/35a, Bl. 497 ff.; dies hat der Zeuge Hop-
pe, Protokoll-Nr. 15, S. 19, bestätigt.
5332) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 9.
Drucksache 17/14600 – 612 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Sicherstellungen von Česká-Pistolen, Modell 83,
nach Februar 2004,
– illegale Handelsfälle mit Česká-Pistolen, Modell 83,
– sonstige Fälle, in denen Česká-Pistolen des o. a. Mo-
dells eine Rolle spielten.
Bezüglich der Tatwaffe Česká wurden im Wesentlichen
insgesamt die folgenden Spuren verfolgt:
– Überprüfung legaler Besitzer von Česká-Pistolen5333,
– Tatrekonstruktion und Schießversuche bzw. Schuss-
tests,
– Auswertung illegaler Waffenhandelsverfahren/
KP 27-Meldungen,
– Überprüfung der durch die BStU zu ermittelnden
Česká-Waffen (Unterlagen für nach dem Mauerfall
übergebene Pistolen aus der ehemaligen DDR),
– Ermittlungen bei der Firma Česká in Tschechien,
– Ermittlungen in die Schweiz (Komplex Firma Jan
Luxik),
– Ermittlungen bezüglich sogenannter rückveränderter
Schnittmodellwaffen Česká 83, 7,65 mm mit langem
Lauf,
5334
– Europaweite Tatmunitionsabgleiche.5335
In der EG „Česká“ kümmerten sich bis zu zehn Mitarbei-
ter um die Waffenspur. Hauptsächlich mit der Spur be-
fasst waren durchgehend zwei Mitarbeiter.
5336
Auf die Nachfrage, ob ein möglicher rechtsextremisti-
scher Hintergrund bei der Verfolgung der Waffenspur
eine Rolle gespielt habe, hat der Zeuge Jung ausgesagt,
dass mögliche Tatmotive, welche durch die Operativen
Fallanalysen geprüft und zu Ermittlungsthesen erhoben
wurden, für die Ermittlung der Tatwaffe keine Rolle ge-
spielt hätten.
5337
Nach seiner Auffassung hätte es sich,
selbst wenn die EG „Česká“ von einem rechtsextremisti-
schen Tathintergrund ausgegangen wäre, nicht auf die
Ermittlungen ausgewirkt.
Laut Aussage des Zeugen Jung regte dieser am 24. März
2006 bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth an, um
Rechtshilfe der Tschechischen Republik, in der die Tat-
waffe hergestellt wurde, zu ersuchen. Ziel des Rechtshil-
feersuchens sei gewesen, zu erfahren, wie viele Českás
83, 7,65 mm produziert und wohin diese geliefert wur-
den.
5338
Durch das am 10. April 2006 von der Staatsan-
waltschaft Nürnberg-Fürth gestellte Rechtshilfeersuchen
5333) Diese Spur wurde laut Aussage des Zeugen Hoppe im Wesent-
lichen als Teilspur der bayerischen Polizei geführt, Protokoll-
Nr. 15, S. 20.
5334) MAT A GBA 4/2, Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ aus
Mai 2008, Bl. 516 ff. (601 ff.).
5335) MAT A BKA 2/35a, Bl. 497 ff.
5336) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 20.
5337) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 59.
5338) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41.
konnte in Erfahrung gebracht werden, dass monatlich ca.
10 000 Pistolen der Marke Česká 83 produziert worden
seien. Dies bedeutete für die Ermittlungen der EG
„Česká“, dass von Beginn der Produktion im Jahre 1983
bis hin zum ersten Mordfall 2000, über 180 000 Stück
produziert wurden.
5339
Eine Produktionszahl dieser Grö-
ßenordnung konnte nicht als Ermittlungsansatz dienen,
weshalb sich dieser Anknüpfungspunkt zunächst als aus-
sichtslos erwies.
5340
c) Die Spur Česká mit verlängertem Lauf
(Gutachten des BKA vom 22. Mai 2006)
aa) Ergebnis des BKA-Gutachtens
Ein am 22. Mai 2006 durch das BKA erstelltes kriminal-
technisches Gutachten offenbarte, dass zumindest ab dem
Mord an Mehmet Turgut in Rostock am 25. Februar 2004
(fünfte Tat) die Tatwaffe Česká 83, Ka. 7,65 mm, mit
einem Schalldämpfer verwendet wurde. Die Anbringung
eines Schalldämpfers setzt bei diesem Waffentyp einen
verlängerten Lauf voraus, auf den der Schalldämpfer
aufgeschraubt werden kann.
5341
bb) Rechtshilfeersuchen und sonstige Ermitt-
lungen bei der Firma Česká Zbrojovka in
Brünn
aaa) Ermittlungen zur Česká mit verlängertem
Lauf
Am 3. Juni 2006 wurde laut Aussagen der Zeugen Jung
und Hoppe der Verbindungsbeamte des BKA in Prag
angeschrieben mit dem Ziel, in Zusammenarbeit mit den
tschechischen Behörden bei der Firma Česká zu erheben,
in welcher Größenordnung die Firma Česká Zbrojovka
die Česká 83, 7,65 mm mit langem Lauf produzierte, da
bis dato lediglich die Česká-Produktion ohne weitere
Einschränkung erfragt worden war.
5342
Die Anfrage an die
Firma Česká vom 10. April 2006, welche auf die Informa-
tion der Produktionszahl von Českás 83, 7,5 mm jeden
Modells abzielte,
5343
konnte dementsprechend konkreti-
siert bzw. eingeschränkt werden.
5344
Am 16. Juni 2006 antwortete die Firma Česká, dass von
1985 bis 1988 nur 28 Česká-Pistolen mit Schalldämpfer
produziert worden seien.
5345
5339) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41.
5340) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10.
5341) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 497 ff. (512); Gutachten zur
Tatwaffe: MAT A GBA-4/7a, Bl. 175-182.
5342) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 42; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10.
5343) MAT A BKA-2/35a, Bl. 213 ff.
5344) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9; Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 41;
Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 6.
5345) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 613 – Drucksache 17/14600
Da das BKA selbst im Besitz von zehn Česká-Waffen mit
verlängertem Lauf war, die aus dem ehemaligen Besitz
des Ministeriums für Staatssicherheit stammten und nach
der Wiedervereinigung von der BStU (Der Bundesbeauf-
tragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, sog.
„Gauck-Behörde“) an das BKA übergeben wurden, hatte
die EG „Česká“ die Möglichkeit, gezielt Waffennummern
bei der Firma Česká abzufragen. Hintergrund war laut
Aussage des Zeugen Hoppe, dass
„wir in der eigenen Waffensammlung Waffen des
gleichen Typs hatten, was die Firma Česká wiede-
rum nicht wusste. Wir haben aus diesen zehn Waf-
fen, die wir bei uns hatten, zwei Waffennummern
abgefragt und haben daraufhin von der Firma
Česká die Mitteilung bekommen -- das war im Juli
2006 meines Erachtens --: Ja, da gab es noch eine
weitere Lieferung von 25 Waffen; die wurden von
der PLO abgeholt. Zehn davon sind ein Geschenk
für das MfS gewesen. Und das waren die zehn
Waffen, die bei uns in der Waffensammlung lie-
gen, weil wir die nämlich nach der Wende von
dort übernommen haben.
So gesehen war die erste Aussage von der Firma
Česká nicht glaubwürdig, dass nur 28 Waffen ge-
liefert worden waren. Wir waren mittlerweile bei
28 plus 25 […].“5346
Dies hat der Zeuge Jung in seiner Vernehmung durch den
Ausschuss bestätigt.
5347
Daraufhin wurden durch Rechts-
hilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom
15. November 2006 die tschechischen Behörden um Er-
mittlungen gebeten, wie viele Pistolen Česká 83, 7,65 mm
mit langem Lauf die Firma Česká Zbrojovka tatsächlich
hergestellt und an wen verkauft habe.
5348
Ein Dreivierteljahr nach dem Rechtshilfeersuchen, am
22. und 23. August 2007, unternahmen zwei Mitarbeiter
des BKA eine Dienstreise nach Brünn und nach Prag.
Zweck der Dienstreise war die endgültige Feststellung
von Produktion und Vertrieb von Česká-Waffen mit lan-
gem Lauf und damit die Abarbeitung des ersten Rechts-
hilfeersuchens von November 2006 an die Staatsanwalt-
schaft Pilsen. Im Rahmen dieses Aufenthaltes fand eine
Vernehmung der Mitarbeiter der Firma Česká durch die
sachbearbeitende Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft
Pilsen unter Anwesenheit von Mitarbeitern der BAO
„Bosporus“ und der EG „Česká“ statt.5349 Als Ergebnis
der Dienstreise wurde festgehalten, dass seitens der Firma
Česká Zbrojovka keine verlässlichen Angaben gemacht
werden konnten. Bei der Dokumentation der hergestellten
Waffen differenzierte der Hersteller nicht nach der Länge
5346) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, Bl. 10.
5347) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 43.
5348) MAT A BKA-2/35a, Bl. 338; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10;
so auch der Zeuge Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 43, wobei er als
Datum des Rechtshilfeersuchens den 19. Oktober 2006 nennt.
5349) MAT A BY-2/2a, Bl. 120; MAT A BKA-2/28, Bl. 49.
des Laufes. Bestell- und Lieferunterlagen würden in der
Firma Česká nur zehn Jahre aufbewahrt.5350
Neben diesem Rechtshilfeersuchen regte die EG „Česká“
am 23. Juli 2007 ein ergänzendes Rechtshilfeersuchen
durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg/Fürth an die
Tschechische Republik an mit der Bitte zu ermitteln, in
welchen Mengen Schnittmodelle seitens der Firma Česká
hergestellt und wohin diese verkauft worden waren. Denn
„für Schulungs- und Darstellungszwecke werden
von den Herstellern sog. ‚Schnittmodelle‘ gefer-
tigt. Bei 10 sichergestellten Modellen steht fest,
dass diese rückverändert und dadurch wieder ge-
brauchsfähig gemacht wurden.“5351
Mit Schreiben vom 3. April 2008 übermittelte die tsche-
chische Staatsanwaltschaft auf das Rechtshilfeersuchen
eine Erklärung des Leiters für Sicherheit und interner
Audit der Firma Česká.5352 Tatsächlich seien Schnittmo-
delle angefertigt worden, er könne jedoch nicht mitteilen,
wie viele. Zwei Schnittmodelle seien zuvor in Deutsch-
land sichergestellt worden. Deren Lieferwege habe der
Leiter Sicherheit und interner Audit nachvollziehen und
benennen können.
Am 6. August 2008 wurde durch die gemeinsame Steue-
rungsgruppe der mit der Mordserie befassten Mordkom-
missionen und dem BKA festgelegt, dass die Ermittlun-
gen zu den Schnittmodellen wegen der Priorisierung der
„Luxik-Spur“ zurückgestellt werden sollten.5353 Weitere
Ergebnisse zu der Herstellung und dem Verkauf von
Schnittmodellen konnten nicht erzielt werden. Vor dem
Ausschuss hat der Zeuge Hoppe das Ergebnis des Rechts-
hilfeverfahrens so zusammen gefasst:
„Das Rechtshilfeersuchen wurde endgültig bear-
beitet erst im Jahr 2008 mit der Mitteilung: Das
kann definitiv nicht beantwortet werden, weil sie
darüber keine Buchführung führen. Sie führen nur
die Bücher über die Waffen als solche, nicht, ob
die mit einem längeren Lauf versehen wurden oder
nicht.“5354
Somit blieb es bei der nicht abgesicherten Information,
dass 55 Waffen des Modells Česká 83, 7,65 mm Brow-
ning mit langem Lauf hergestellt und in zwei Chargen
verkauft wurden.
Zum Gesamtablauf der Ermittlungen nach Tschechien
und der Bearbeitung der Rechtshilfeersuchen hat der
Zeuge Geier folgende Bewertung abgegeben:
„Dann sind wir zunächst einmal mit einem
Rechtshilfeersuchen nach Tschechien gegangen.
Da sind wir eigentlich, sage ich jetzt einmal, abge-
5350) Dienstreisebericht des BKA vom 24. August 2007, MAT A
BKA-2/28, Bl. 48.
5351) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai 2008, MAT
A GBA-4/2, Bl. 516 ff. (604).
5352) MAT A BY-2/2b, PDF-Bl. 144.
5353) MAT A BKA-2/31, Bl. 213.
5354) Hoppe, Protokoll-Nr.15, S. 10.
Drucksache 17/14600 – 614 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tropft; so muss man das tatsächlich sagen. Erst
beim zweiten Rechtshilfeersuchen der Staatsan-
waltschaft Nürnberg und durch diese sehr, sehr
engagierte Ermittlungsrichterin aus Tschechien,
die mit uns in die Firma gegangen ist und dort
einmal anständig Druck gemacht hat, haben wir
diese 55 Nummern der hergestellten Waffen auch
bekommen, die uns dann letztendlich weiter ermit-
teln ließen.“5355
bbb) Beschwerdebrief des Bayerischen Staats-
ministeriums des Innern an das tschechi-
sche Innenministerium
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen und Rechtshil-
feersuchen kam es Anfang August 2007 zu Auseinander-
setzungen zwischen der BAO „Bosporus“ und dem BKA.
Anlass war die beim Ministerium des Innern der Tsche-
chischen Republik zu Händen des Ministers Ivan Langer
eingegangene Übersetzung eines Briefentwurfes des Kri-
minaloberrates Lothar Köhler aus dem Bayerischen
Staatsministerium des Innern vom Juli 2007. Inhalt des
Schreibens war zum einen die Anfrage nach einer Ver-
mittlung eines Direktkontaktes zwischen Beamten der
BAO „Bosporus“ und der Firma Česká sowie die Nen-
nung eines konkreten Ansprechpartners für den Leiter der
BAO „Bosporus“ Geier. Zudem machte Kriminaloberrat
Köhler in dem Briefentwurf darauf aufmerksam, dass die
BAO „Bosporus“ von der tschechischen Seite „bislang
keine Informationen über die Ermittlungsergebnisse“
erhalten habe.
5356
Dieser Brief wurde dem Verbindungs-
beamten in einer Besprechung mit einem Vertreter der
tschechischen Abteilung UOOZ/V2 am 16. August 2007
in den Büroräumen des BKA vorgelegt. In dem Gespräch
wurde dargelegt, dass die tschechischen Kollegen auf-
grund des Briefes „erheblich unter Druck geraten“ seien,
da sie von ministerieller Seite zur Stellungnahme aufge-
fordert worden seien.
5357
Sowohl inhaltlich als auch formal wurde dieses Schreiben
an den Innenminister Langer von tschechischer Seite
heftig kritisiert. Der Verbindungsbeamte des BKA ver-
merkte, dass
„Form, Übermittlungsweg und Inhalt des Schrei-
bens an IM Langer […] auf tschechischer Seite zu
einer deutlich erkennbaren Trübung des Ansehens
von Teilen der deutschen Polizei geführt“
hätten. Zudem stufte er die gesamte Vorgehensweise als
„unprofessionell“ ein.5358 In seiner eigenen Bewertung
führte der Verbindungsbeamte des BKA weiter aus:
„Die Polizei in Bayern reklamiert für sich bekann-
termaßen eine große Unabhängigkeit bei der Zu-
sammenarbeit mit ausländischen Stellen, wobei sie
5355) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 41.
5356) MAT A BKA-2/28, Bl. 97 f.
5357) MAT A BKA-2/28, Bl. 93 ff.
5358) MAT A BKA-2/28, Bl. 93f.
sich im Verhältnis zu Tschechien immer wieder
auf den bestehenden Grenzvertrag beruft und die-
sen sehr extensiv auslegt. In Anerkennung der ge-
nerell hohen Leistungsfähigkeit der bayerischen
Kriminalpolizei fällt aber auf, dass z. B. die Zu-
ständigkeiten des BKA und Meldeverpflichtungen
häufig nicht beachtet oder gegenüber den tschechi-
schen Ansprechpartnern nicht erläutert werden.
Durch Einbindung in bilaterale Gremien und Be-
sprechungen versuche ich regelmäßig BKA-
Positionen zu verdeutlichen und die grundsätzlich
gute Kooperation zwischen BKA und
Länderpolizeien darzustellen und zu fördern. Die
Initiative aus dem bayerischen IM führt dazu, dass
die tschechische Seite schlecht koordinierte und
unsachliche Vorgehensweise innerhalb der deut-
schen Polizei vermuten muss.“5359
Auf dem Dienstreisebericht eines BKA-Mitarbeiters wur-
de zu dem Vorfall handschriftlich vermerkt:
„Sachverhalt in [Telefonkonferenz] am 28.08. vor-
getragen. Vorgehen der BY nicht unüblich, ähnli-
che Direktkontakte zu den türkischen Behörden
mit ‚Verstimmungscharakter‘ sind SO 15 auch be-
kannt Koll. Geier meint dann immer, dass es nicht
so schlimm sei. [Der Leiter des Referates SO15]
wird [den Sachverhalt] in der Steuerungssitzung
am 12. September ansprechen, PR sollte zumindest
für [Sondersitzung] AKII darüber informiert sein,
falls Hr. Kindler den Vorgang thematisieren soll-
te.“5360
Das genannte Schreiben an Minister Langer in der Über-
setzung der Hanns-Seidel-Stiftung vom 12. Juli 2007
wurde laut eines Vermerkes von Kriminaloberrat Köhler
vom 10. August 2007 vor folgendem Hintergrund gefer-
tigt:
„Am Rande des Treffens von Herrn Staatsminister
[Dr. Beckstein] mit dem Innenminister der Tsche-
chischen Republik, Herrn Ivan Langer, am 9. Juli
2007 in München, wurde auch die Bitte um Unter-
stützung für die BAO Bosporus angesprochen. Im
Ergebnis wurden wir [Sachgebiet IC5 im Bayeri-
schen Innenministerium] beauftragt, mit der
Hanns-Seidel-Stiftung […] die weiteren Einzelhei-
ten zu besprechen. [Dem zuständigen Mitarbeiter
der Hanns-Seidel-Stiftung] wurde am 10. bzw.
12.07.2007 per E-Mail der wesentliche Sachver-
halt mit der Bitte übermittelt, mit Unterstützung
des tschechischen Innenministers das bereits in
Tschechien befindliche Rechtshilfeersuchen zu be-
schleunigen und eine unmittelbare Beteiligung von
Ermittlungsbeamten der BAO Bosporus auf Basis
des Rechtshilfeersuchens zu ermöglichen. Ferner
wurde die Bitte ausgesprochen, einen Ansprech-
partner für Herrn LKD Geier benannt zu bekom-
men, damit weitere Einzelheiten unmittelbar abge-
5359) MAT A BKA 2/28, Bl. 93 f.
5360) MAT A BKA-2/28, Bl. 53 ff. (56).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 615 – Drucksache 17/14600
sprochen werden können. [Der zuständige Mitar-
beiter der Hanns-Seidel-Stiftung] hatte zugesagt,
die E-Mail unverzüglich zu übersetzen und an das
Büro des IM Langer zu übermitteln.“5361
Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Köhler die im Vermerk
vom 10. August 2007 niedergelegten Angaben im We-
sentlichen bekräftigt und ausgeführt:
„Also, wenn ich das richtig erinnere, war es so,
dass der Innenminister Langer hier zu einem Be-
such im Bayerischen Staatsministerium des Innern
war und dort unter anderem auch mit meinem Ab-
teilungsleiter gesprochen hat und dass mein Abtei-
lungsleiter hier auch die Mordserie mit angespro-
chen hat – vor dem Hintergrund, dass es wohl im
Bereich der Rechtshilfe mit Tschechien, Auskünfte
von der Firma Česká zu erhalten, zu gewissen
Schwierigkeiten kam. Und offenbar ist dann in der
Folge ein Brief geschrieben worden.“5362
Auf die von den BKA-Beamten bemängelte Form der
Übermittlung angesprochen, konnte der Zeuge Köhler
keine konkrete Auskunft geben:
„Also wenn, dann habe ich einen Brief im Auftrag
geschrieben, aber nicht direkt an den Herrn Minis-
ter Langer. […] Ich kann mir das nur so erklären,
dass das ein Entwurf eines Briefes war, der ins
Tschechische übersetzt werden sollte und der dann
sozusagen vonseiten des Hauses – sprich: des In-
nenministerium in Bayern – auf dem offiziellen
Weg an den Innenminister Langer weitergeleitet
werden sollte. […] Ich kann mir das nur so erklä-
ren, dass irgendwo in der ganzen Informationskette
eine Weiterleitung passiert sein muss, die in keiner
Weise beabsichtigt war. Aus eigenem Antrieb hät-
te ich auch in meiner Funktion im Innenministeri-
um nie einen solchen Brief geschrieben.“5363
cc) Ermittlungen in die Schweiz ab 2006
Neben den Ermittlungen zu Produktionszahlen und Ver-
kaufswegen durch die Firma Česká Zbrojovka in Tsche-
chien gab es ausführliche Ermittlungen in die Schweiz.
aaa) Hinweis von Lothar M. im Jahr 2006
Am 18. Juni 2006, nach den Morden an Mehmet Kubaşık
am 4. April 2006 in Dortmund und Halit Yozgat am
6. April 2006 in Kassel, erfolgte ein Anruf des deutschen
Staatsangehörigen Lothar M.
5364
beim BKA.
5365
Er gab folgende Hinweise:
5361) MAT A BY-9e, Bl. 2172 ff.
5362) Köhler, Protokoll-Nr. 17, S. 59.
5363) Köhler, Protokoll-Nr. 17, S. 59, 60.
5364) Zur Person Lothar M. siehe MAT A BKA-3 zu A-Drs. 143-neu.
5365) MAT A BKA-2/35a, Bl. 229 f.; MAT A GBA-4/8e, Bl. 69 (72).
– Vor einigen Jahren sei ein Gast in einem Lokal er-
schossen worden. Der Täter sei Kurde oder Türke
gewesen.
– Bei der Česká 83 handele es sich um eine seltene
Waffe, welche in Deutschland nur von der Firma
Frankonia importiert worden sei.
– Generalimporteur der Česká 83 für die Schweiz sei
entweder die Fa. Joray Marius oder Jan Luxik.
Da die Polizei zu diesem Zeitpunkt bereits vermutete und
öffentlich erklärte, dass der Täter eine Plastiktüte zum
Auffangen der Hülsen verwendete, gab Lothar M. noch
den Hinweis, dass der damalige tschechoslowakische
Militärgeheimdienst CS verstärkte Munition mit dem
Kaliber 7.65 mm eingesetzt habe. Ihm sei der Gedanke
gekommen, dass die Plastiktüte verhindern solle, dass
eine solche „verstärkte Munition“ gefunden würde.
In den dem Ausschuss vorliegenden Akten befinden sich
mehrere Schreiben des Lothar M., in welchen dieser allein
in den Monaten Juni bis August 2006 mehrfach auf die
Firma Luxik als Generalimporteur für die Schweiz auf-
merksam machte.
5366
Ein spezifizierter Hinweis von Lo-
thar M. erreichte die BAO „Bosporus“ am 24. Okto-
ber 2006. Darin verwies er darauf, dass es die Läufe einer
Česká 83 mit 7,65 mm mit Gewinde für Schalldämpfer
nur in der Schweiz zu kaufen gebe. Dabei bezog er sich
auf eine Anzeige der Firma Luxik im Internationalen
Waffenmagazin in der Ausgabe 8-9 aus 1993 auf Seite
499 sowie auf Anzeigen der Firma Schläfli & Zbinden
und der Firma Joray Marius, welche er seinem Schreiben
beilegte.
5367
In dem Schreiben des Lothar M. heißt es wörtlich:
„Sehr geehrter Herr H. […],
im Impressum im Internet im Fall ‚Bosporus‘ ist
eine CZ 83 cal. 7,65mm mit verlängertem Lauf mit
einem Gewinde für einen Schalldämpfer abgebil-
det u. auch ein Schalldämpfer.
Diese Läufe mit Gewinde für Schalldämpfer gab
es nur in der Schweiz zu kaufen (siehe Anzeige im
Internationalen Waffenmagazin Ausgabe 8-9 1993
Seite 499 Fa. Jan Luxik […]. Die Fa. Schläfli u.
Zbinden […] bietet in der Ausgabe 1-2 1998 auf
Seite 75 im Internationalen Waffenmagazin
Schalldämpfer und Läufe mit Gewinden für CZ-
Waffen an.
Auf Seite 4 in der Ausgabe 1-2 1998 Internationa-
len Waffenmagazin wirbt die Fa. Schläfli u. Zbin-
den ganzseitig für PMC-Munition 7,65 mm wie sie
im Internet im Impressum vom BKA beschrieben
ist. Ich glaube, die Fa. Schläfli u. Zbinden wäre
doch recht interessant für Ihre SoKo.
5366) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der
Tatserie Česká vom 13.01.2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 7 ff.
(123,124).
5367) MAT A BKA-2/35a, Bl. 229 f.; MAT A GBA-4/8e, Bl. 69 (72).
Drucksache 17/14600 – 616 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Fa. Joray Marius […] wirbt im IWM Ausgabe
1-2 1999 auf Seite 75 für Läufe u. Verschlüsse vie-
ler Kurzwaffen.
Viele Waffenteile u. Schalldämpfer sind in der
Schweiz teilweise frei verkäuflich. […]
Anbei Kopien vom Internationalen Waffenmaga-
zin verschiedener schweizer Waffenhändler. […]
Das Internationale - Waffenmagazin wurde im
Jahr 2000 von der Zeitschrift „Visier“ Wipsch 1“,
[…] übernommen. […] Chefredakteur der Zeit-
schrift „Visier“ ist der Israeli und „Mossadagent“
Dr. David Th. Schiller.
Überprüfen Sie doch einmal, ob diese schweizer
Waffenhändler zur P 26, 27 gehören. Wer zur
schweizer P 26, 27 gehört, können Sie erfahren
beim Departement für Verteidigung, Bevölke-
rungsschutz, Sport VBS oder beim SND […]. Die
schweizer P 26, 27 gehört zum All-Allied
Clandestine Committee – angegliedert dem
SHAPE – Supreme Headquarters Allied Powers
Europe – im belgischen Mons.
Seit 1996 ist die Schweiz Mitglied der Nato
Partnership for Peace (PfP) und das schweizer
Bundesparlament deligiert Vertreter in die Parla-
mentarische Versammlung der NATO (NATO
PV). Mit dem Geneva Center for the Democratic
Control of Armed Forces (DCAF) engagiert sich
die Schweiz für Ihre Armee in der Nato.
Die schweizer Organisation P 26, 27 wird erwähnt
im schweizer Sicherheitspolitikbericht 1972 Ab-
satz 426 u. 427.
Weitere schweizer Ansprechpartner für die
schweizer P 26, 27.
[Im Folgenden werden 18 Personen mit Namen,
Funktion (Ständerat, Nationalrat, Ex-
Bundesrichter) und teilweise E-Mail-Adresse ge-
nannt.]
Mein Kenntnisstand: Als ich 1986-87 auf der BW-
Bank Stuttgart gearbeitet habe und damals Minis-
ter Mayer-Vorfelder Aufsichtsratsvorsitzender
war, kannte ich schweizer Bankmanager der
Bankvereinigung Alpina in Lausanne. Viele Mit-
glieder der schweizer Bankvereinigung ,Alpina‘
sind P 26, 27 – Offiziere.“
Mit freundlichen Grüßen,
Lothar M. […]“
Auf Nachfrage hat der Zeuge Jung vom BKA erklärt, dass
er das an die BAO „Bosporus“ gerichtete Schreiben vom
24. Oktober 2006 zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis be-
kommen habe.
5368
5368) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 77.
Der Zeuge Ziercke hat zu dem Hinweis von Lothar M.
ausgeführt:
„Im Juli 20065369 wies dann ein Hinweisgeber auf
verschiedene Waffenfirmen in Deutschland und
der Schweiz hin, die das Modell Česká 83 vertrei-
ben würden. Allerdings handelte es sich hierbei
um einen allgemeinen Hinweis auf legale Waffen-
firmen. Die Spezifikation, dass auch Česká-
Waffen mit Schalldämpfern angeboten wurden,
blieb gänzlich unerwähnt.
Erst im April 2007 nahm dieser Hinweisgeber er-
neut Kontakt zum Bundeskriminalamt auf. Seine
Informationen waren diesmal konkreter. Er wies
darauf hin, dass derartige Waffen Česká mit ver-
längertem Lauf und Schalldämpfer durch einen le-
galen Waffenhandel in der Schweiz in den 90er-
Jahren zum Kauf angeboten wurden, und belegte
dies durch die Übersendung einer entsprechenden
Zeitungsannonce.“5370
Der Zeuge Hoppe hat sich in gleicher Weise wie folgt
geäußert:
„Der gleiche Hinweisgeber hat im Juni 2006 in der
Tat auch einen Hinweis abgegeben, aber ohne den
Hinweis auf die Waffe Česká 83 mit verlängertem
Lauf. Der hat den generellen Hinweis abgegeben,
dass entweder die Firma Laufen oder die Firma
Luxik der Generalimporteur für Česká in der
Schweiz sei. Bei diesem Hinweis hat er noch nicht
den Hinweis gegeben, dass es bei der Firma Luxik
auch die Česká mit einem verlängerten Lauf gibt.
[…]
Im Jahr 2007 hat er das belegt […]“5371
Wie die Zeugen Ziercke und Hoppe, datiert auch der
Zeuge Jung in seiner Aussage die Zeit des Hinweises,
welcher zu konkreten Ermittlungen geführt habe, auf
April 2007.
5372
Die Akten enthalten einen von Lothar M. handschriftlich
verfassten Brief vom 12. April 2007, der an das PP Mit-
telfranken gerichtet ist und in einem ebenfalls hand-
schriftlich adressierten Kuvert vom Absender auch dem
BKA in Ablichtung zugestellt wurde. In diesem Brief, der
am 24. April 2007 beim BKA einging, wies Lothar M. auf
das Angebot von Waffen des Modells Česká mit verlän-
gertem Lauf durch die Firma Jan Luxik als Generalimpor-
teur und auf den Waffenhändler Schläfli & Zbinden auf
Seite 499 im Internationalen Waffenmagazin Ausgabe 8-9
aus dem Jahr 1993 hin. Er bezog sich dabei auf sein
Schreiben vom 24. Oktober 2006 an die BAO „Bospo-
5369) Aus den Akten ergeben sich lediglich der telefonische Hinweis
vom 18. Juni 2006 und die schriftliche Mitteilung vom 24. Ok-
tober 2006.
5370) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9.
5371) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11.
5372) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11;
Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 43.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 617 – Drucksache 17/14600
rus“, in welchem er bereits darauf hingewiesen habe.5373
In der Passage des Schreibens vom 12. April 2007 hieß es
wörtlich:
„im Jahre 2006 habe ich Ihnen und dem BKA
Werbeanzeigen zugeschickt von schweizer Waf-
fenhändlern, die in der Waffenzeitung Internatio-
nales Waffenmagazin Werbung gemacht haben.
Dies bezog sich auf die Internetseite vom BKA
wegen der PMC-Munition 7,65mm und der Pistole
CZ 83 mit Schalldämpfer (Kaliber 7,65).“5374
Lothar M. meldete sich allein in den Jahren 2006 und
2007 mindestens 15 Mal beim BKA und der BAO „Bos-
porus“ mit immer wieder neuen Hinweisen, auch zur
Česká-Mordserie. Zudem gab er Hinweise zu verschiede-
nen ungeklärten weiteren Morden, Raubüberfällen und
Waffenhandel, in die er u. a. auch verschiedene Geheim-
dienste involviert sah.
5375
Als Motiv für seine Hinweise
nannte er stets die hohe Belohnung.
5376
Der Zeuge Hoppe hat in seiner Vernehmung vor dem
Ausschuss ausgeführt, dass es von Lothar M. „sehr viele
Hinweise“ gab,
„die in Richtung Verschwörungstheorien gingen,
militärische Verschwörungsaktionen und derglei-
chen mehr“.5377
In einem Vermerk des BKA vom 6. August 2006 an die
BAO „Bosporus“ über den geistigen Zustand von Lothar
M. heißt es, Lothar M. sei „vermutlich ein Spinner“.5378
Diese Ansicht teilte die BAO „Bosporus“.5379
Am 18. Mai 2010 teilte das BKA Lothar M. mit, dass die
über die Information bezüglich der Firma Luxik hinausge-
henden Hinweise sich nicht mit den bisherigen Ermitt-
lungsergebnissen in Einklang bringen ließen, weshalb
eine weitere Kontaktaufnahme von Herrn Lothar M. nicht
für erforderlich gehalten werde.
5380
bbb) Ermittlungen in der Schweiz
Der Zeuge Hoppe hat angegeben, dass aufgrund des Hin-
weises vom 12. April 2007 von Lothar M. auf die Anzei-
gen der Firmen Jan Luxik und Schläfli & Zbinden im
Internationalen Waffenmagazin die Ermittlungen nach
Tschechien und in die Schweiz intensiviert worden sei-
en.
5381
Durch eine Anfrage des BKA an die BKA-
Verbindungsbeamten in Prag und in der Schweiz vom
8. Mai 2007 wurden Informationen zu den neu gewonne-
5373) MAT A BKA-2/35a, Bl. 251-262.
5374) MAT A GBA-4/8e, Bl. 101-111.
5375) MAT A GBA-4/8e, Bl. 7 f.
5376) MAT A BKA-2/35a, Bl. 230.
5377) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11; siehe hierzu auch den Brief des
Lothar M. vom 12. April 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl. 252 ff.
5378) MAT A GBA-4/8e, Bl. 21.
5379) MAT A GBA-4/8e, Bl. 7 bis 205 (173).
5380) MAT A GBA-4/8e, Bl. 13.
5381) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11.
nen Erkenntnissen abgefragt.
5382
Es wurde bestätigt, dass
die Firma Jan Luxik (zeitweise) Generalimporteur für
Česká-Waffen, Typ 83, Kaliber 7,65 mm Browning ge-
wesen sei.
Am 6. Juli 2007 reisten Mitarbeiter der zuständigen Er-
mittlungsgruppen der EG „Česká“ und der BAO „Bospo-
rus“ in die Schweiz mit dem Ziel festzustellen, ob die
Schweiz, insbesondere die dort in den neunziger Jahren
ansässige Firma Luxik, als Quelle für die Tatwaffe in
Betracht komme.
5383
Im Zuge dessen führte der Mitarbei-
ter der EG „Česká“ auf der Polizeidienststelle Solothurn,
Schweiz am 2. Juli 2007 ein „informatorisches Gespräch“
mit dem Sohn des Firmeninhabers Jan Luxik.
5384
Des
Weiteren sollten alle Käufer von den in Rede stehenden
Pistolen festgestellt und wenn möglich überprüft werden,
indem in die Waffenhandelsbücher der Firmen Luxik und
Schläfli & Zbinden geschaut werden sollte.
5385
Während des Aufenthaltes konnte die Information erlangt
werden, dass 27 Waffen des Typs Česká an die Firma Jan
Luxik geliefert wurden, wovon drei Stück nach Tschechi-
en reimportiert wurden.
5386
Durch die Waffenhandelsbü-
cher konnte ermittelt werden, welche Waffennummern
die in der Schweiz verbliebenen Česká 83 der Lieferung
an Luxik hatten.
Mit den neu gewonnenen Informationen wurde daraufhin
auf Anregung der EG „Česká“ am 23. Juli 2007 ein
Rechtshilfeersuchen eingeleitet, welches von der Staats-
anwaltschaft Nürnberg-Fürth (AZ: 403 AR 232642/07)
am 7. August 2007 an die Staatsanwaltschaft Solothurn
gesandt wurde.
5387
Gegenstand des Ersuchens war die
Ermittlung der Waffenerstbesitzer in der Schweiz und der
anschließende Beschuss der aufzufindenden Waffen.
5388
Die Schweizer Behörden konnten in Bearbeitung des
Rechtshilfeersuchens feststellen, dass im Zeitraum 1990
bis Ende 1999 durch die Firma Luxik insgesamt 62 Pisto-
len des Typs Česká 83, Kaliber 7,65 mm importiert wor-
den waren.
5389
Von diesem Kontingent wiesen 27 Pistolen
einen langen Lauf auf und waren mit Schalldämpfer be-
stückt. Die Ermittlungen der Verkaufswege zeigten somit
dasselbe Ergebnis auf, dass bereits durch das „informato-
rische Gespräch“ mit dem Sohn des Firmeninhabers Jan
Luxik vom 2. Juli 2007 erzielt werden konnte. Von den 24
5382) MAT A BKA-2/35a, Bl. 266 (267).
5383) Dienstreisebericht vom 5. Juli 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl.
285-289; Vermerk vom 6. Juli 2007, BKA-2/35a, Bl. 291-292.
5384) Dienstreisebericht vom 5. Juli 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl.
285-289; Vermerk vom 6. Juli 2007, BKA-2/35a, Bl. 291-292.
5385) Dienstreisebericht vom 5. Juli 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl.
285-289; Vermerk vom 6. Juli 2007, BKA-2/35a, Bl. 291-292;
Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11.
5386) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.
5387) Rechtshilfeersuchen der StA Nürnberg-Fürth, MAT A GBA-
4/5a, Bl. 101-107; Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.
5388) Rechtshilfeersuchen der StA Nürnberg-Fürth, MAT A GBA-
4/5a, Bl. 101-107; Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.
5389) Hierzu und zum Folgenden: MAT A BKA-2/35a, Bl. 343-347;
Bericht Bundeskriminalpolizei (CH) vom 19. Dezember 2011,
MAT A GBA-4/5, Bl. 267.
Drucksache 17/14600 – 618 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
in der Schweiz verbliebenen Waffen, konnten 16 Waffen
behördlich festgestellt, zugeordnet, aufgefunden und
später umfangreichen Tests (Beschuss) unterzogen wer-
den. Acht Waffen konnten nicht ermittelt werden. Aus
den Waffenbüchern der Firma war zudem ersichtlich, dass
lediglich fünf dieser Waffen gemeinsam mit einem
Schalldämpfer an Privatkunden veräußert worden waren.
Alle weiteren Waffen waren an Einzelhändler verkauft
worden.
5390
ccc) BKA-Gutachten vom 11. September 2008
Die Kriminaltechnik des BKA stellte mit Gutachten vom
11. September 2008 durch Untersuchen der durch die
Schweiz übersendeten Munition starke Ähnlichkeiten
zwischen der sichergestellten Tatmunition und den Muni-
tionsteilen der zwischenzeitlich beschossenen 16 Waffen
aus der Schweiz-Lieferung fest. Zwar handelte es sich bei
keiner dieser Waffen um die Tatwaffe, jedoch war das
von den Waffen verursachte Spurenbild (bogenförmige
Eindruckspuren auf den Hülsenböden durch den Stoßbo-
gen des Patronenlagers) an Hülsen und Geschossen derart
spezifisch, dass in der Folge mit hoher Wahrscheinlich-
keit davon ausgegangen wurde, dass die Tatwaffe aus der
gleichen Lieferung kommen musste.
5391
Zu diesem Zeit-
punkt war der Verbleib von lediglich acht Českás 83, 7,65
mm der Luxik-Lieferung nicht aufgeklärt.
5392
Diese Er-
kenntnis hat der Zeuge Jung als
„nächsten Wendepunkt in dieser Spur, kriminalis-
tisch sehr wichtig“
beschrieben.
5393
Zwei der acht verbliebenen Waffen wurden laut Waffen-
buch der Firma Schläfli & Zbinden an den schweizeri-
schen Staatsangehörigen Anton G. verkauft. Neben Anton
G. erwarb Erwin B., welcher mit der Mordserie jedoch
nicht in Verbindung steht, eine Česká, Typ 83, 7,65 mm.
ddd) Spur Anton G.
Am 16. August 2007 erfolgte die erste Vernehmung von
Anton G. durch die Regionalpolizei Berner Oberland ohne
Anwesenheit deutscher Beamter der EG „Česká“ oder der
BAO „Bosporus“. Im Befragungsbericht der Schweizer
Polizei heißt es:
„Auftragsgemäß wird Herr G. zum Erwerb der
Waffenerwerbsscheine und dem Kauf der Waffen
befragt. Dabei erklärte er, wahrscheinlich zwei
Scheine beantragt und auch erhalten zu haben.
Anhand der getätigten Abklärungen […] seien im
Geschäft Schläfli & Zbinden auf zwei Waffener-
werbsscheine von Herrn G. zwei Pistolen verkauft
5390) MAT A BKA-2/35a, Bl. 266 (267).
5391) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA-2 Bl. 497 ff. (513).
5392) MAT A GBA-4/5a, Bl. 227 ff; Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S.10.
5393) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.
worden. Wie Herr G. erklärte, habe er sehr schwe-
re […] Erkrankungen erlitten. Durch die medika-
mentösen und operativen Behandlungen soll sein
Gedächtnis ziemlich gelitten haben.“5394
Auch in einer zweiten Befragung durch die Schweizer
Polizei am 8. Juli 2008 machte Anton G. keine weiteren
Angaben. Obwohl ihm die Höhe der in Deutschland aus-
gelobten Belohnung i.H.v. 300 000 Euro vorgehalten
wurde, wiederholte er im Wesentlichen die Aussagen aus
der ersten Vernehmung. Durch seine vielen Krankheiten
könne er sich nicht mehr an Details erinnern. Er könne
sich nach wie vor nicht erklären, wer unter seinem Namen
im Jahr 1996 zwei Waffen gekauft habe.
5395
Hierzu hat der Zeuge Hoppe ausgeführt, dass die Schwei-
zer Kollegen bereits 2007/2008 das Umfeld der Personen,
die Luxik-Waffen kauften, abgeklärt hätten. Erkenntnisse,
die die Ermittler hätten aufmerksam machen müssen,
habe es nicht gegeben.
5396
Nachdem Anton G. gegenüber den Schweizer Behörden
bestritten hatte, die Waffen jemals erhalten zu haben,
wurde er mit Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth vom 3. Februar 2009
5397
(AZ. 405 AR
230284/09) am 6. November 2009 erneut vernommen
sowie ein Durchsuchungsbeschluss vollzogen.
5398
Dabei
waren Ermittlungsbeamte von der EG „Česká“ und der
BAO „Bosporus“ anwesend. Anton G. gab an, keine Waf-
fen gekauft zu haben. Eine Erklärung für den Eintrag bei
der Firma Schläfli & Zbinden über den Kauf zweier
Česká-Waffen habe er nicht. Die Munition des Herstellers
PMC sage ihm nichts. Er könne sich nur noch daran erin-
nern, dass er Waffenerwerbsscheine erworben habe. Er
war der Meinung, dass ihm diese Waffenerwerbsscheine
abhanden gekommen seien. Eine Waffe sei ihm in jedem
Fall nicht geliefert worden, auch wenn seine (richtige)
Adresse als Lieferadresse aufgeführt sei. Manchmal sei
bei einer Paketlieferung auch nur ein Zettel vorhanden,
der auf die Anlieferung in seinem Hobbyraum verweise.
Dieser sei öffentlich zugänglich. Sein Haus werde nicht
regelmäßig abgeschlossen. Er habe ursprünglich eine
Waffe für sich und seine Frau kaufen wollen, aber dieses
Vorhaben aufgrund finanzieller Probleme aufgegeben.
Der Waffentyp Česká sage ihm nichts. Auch die Firma
Luxik sei ihm nicht bekannt.
5399
Im Dienstreisebericht des vernehmenden BKA-Beamten
über die Vernehmung vom 6. November 2009 wurde die
Aussage des Anton G. als nicht glaubhaft bewertet:
5394) Bericht und Befragungsprotokoll vom 16. August 2007, MAT
A GBA-4/5a, Bl. 246 ff.
5395) MAT A BKA-2/35a, Bl. 362 f.; Vernehmungsprotokoll vom
8. Juli 2008 und Bericht vom 28. Juli 2008, MAT A GBA 4/5a,
Bl. 254 -257.
5396) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 14.
5397) Rechtshilfeersuchen, MAT A GBA-4/5a, Bl. 184 ff.
5398) MAT A GBA-4/5a, Bl. 227 ff; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 13.
5399) Befragungsprotokoll vom 6. November 2009, MAT A GBA-
4/5a, Bl. 227 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 619 – Drucksache 17/14600
„Aufgrund der Eintragungen im Waffenhandels-
buch der Fa. Schläfli & Zbinden (CH) ist davon
auszugehen, dass beide Waffenerwerbsscheine des
Zeugen G. […] dort vorlagen. Aus denen wurden
auch die Käuferpersonalien korrekt übernommen.
Die Erklärung des Zeugen, dass ihm diese Er-
werbsscheine abhanden oder gar gestohlen worden
sein müssen, ist nicht realistisch.“5400
Im Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth
vom 13. Januar 2012 heißt es:
„Die Ermittlungen verliefen negativ, der Verbleib
der Waffen konnte nicht geklärt werden.“5401
Im Ausschuss ist thematisiert worden, warum der fehlen-
den Glaubhaftigkeit der Aussage Anton G.s nicht konse-
quenter entgegen getreten wurde, beispielsweise, warum
die Frau des Anton G. nicht befragt wurde, obwohl nach
Angaben des Anton G. die zweite Waffe für sie vorgese-
hen war. Darauf hat sich der Zeuge Jung, welcher selbst
an der Vernehmung und Hausdurchsuchung bei Anton G.
mitwirkte, wie folgt eingelassen:
„Das ist letztendlich nicht mehr geschehen. Wir
waren ja bei der Durchsuchung dabei. Wir hatten
ein Postüberweisungsbuch. Da sind letztendlich al-
le Postüberweisungen drin gewesen ab 93, und zu
unserer, ich muss sagen, Überraschung war letzt-
endlich keine Überweisung an die Firma Schläfli
& Zbinden in diesem Buch drin gewesen. Zum ei-
nen hat uns das erst mal etwas verunsichert. Wir
haben dann überlegt: ,Kann das sein? Kann tat-
sächlich diese Genehmigung auf irgendwelchen
Wegen zur Firma Schläfli & Zbinden gekommen
sein, und kann auf diese Genehmigung hin ein un-
bekannter Käufer sich diese Waffe beschafft ha-
ben?‘, haben dann aber letztendlich gesagt: Die
Wahrscheinlichkeit ist eher gering.“5402
Weiter hat der Zeuge Jung vorgetragen, dass zunächst der
Bezahlweg ermittelt werden sollte, um Anton G. konkre-
tere Vorhaltungen machen zu können. Dies sei jedoch
nicht gelungen,
„weil da 12 Jahre dazwischen waren und die Un-
terlagen sowohl bei der Firma Schläfli & Zbinden
als auch bei der Post in der Schweiz nicht mehr da
waren“.5403
Auf Nachfrage hat der Zeuge Hoppe hierzu ausgeführt:
„Er wurde vernommen. Er hat die gleiche Aussage
getroffen wie 2008, und wir haben zu dem damali-
gen Zeitpunkt keine weiteren Vorhalte gehabt. Aus
heutiger Sicht, wenn ich ihm die Waffennummer
vorhalten kann: ‚Das ist die Waffe, die du damals
bestellt hast‘, was er ja bestritten hat – er hat es ja
5400) Dienstreisebericht vom 9. November 2009, MAT A BKA-
2/35a, Bl. 442 – 444.
5401) MAT A GBA-4/2, Bl. 7 ff.
5402) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 61.
5403) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 62.
bis zuletzt, nach unseren Vernehmungen, bestrit-
ten, dass er diese Waffe bestellt hat – habe ich kei-
ne weiteren Anhaltspunkte mehr. Ich habe alle
rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich habe
ihn vernommen, und ich habe bei ihm gesucht. Ich
habe bei ihm keinerlei Hinweise gefunden, was auf
– das ist zumindest meine Kenntnis der Akte – ei-
nen rechten, ausländerfeindlichen Hintergrund
hinweisen könnte oder auch andere Umstände.“5404
Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, inwie-
weit die bei der Vernehmung anwesenden Beamten der
EG „Česká“ und der BAO „Bosporus“ darauf eingegan-
gen seien, dass Anton G. familiäre Beziehungen nach
Ostdeutschland habe. Dies sei zwar nach den Angaben
des Zeugen Jung gemacht worden, jedoch letztendlich im
Sande verlaufen.
5405
Am 11. August 2009 war Franz Schläfli durch die zu-
ständige Schweizer Polizeibehörde vernommen worden.
Auf die Frage, ob sich Anton G. über die nicht gelieferte
Waffe beschwert habe, antwortete Schläfli, wenn dies der
Fall gewesen wäre, wäre die Angelegenheit bei ihm ge-
landet. Somit müsse er dies wissen. Doch er könne sich an
keinen Vorfall erinnern. Der Versand habe immer ge-
klappt.
5406
Im Ergebnis konnte der Verbleib der laut Waffenbuch der
Firma Schläfli & Zbinden an Anton G. gelieferten Waffe
von der EG „Česká“ vor dem 4. November 2011 nicht
aufgeklärt werden.
Auch erneute Ermittlungen zu den Verkaufswegen der
Česká-Waffen mit verlängertem Lauf in den Jahren 2010
und 2011 führten zu keinen weiteren Erkenntnissen.
5407
eee) Dauer der Rechtshilfeersuchen in die
Schweiz
Im Ausschuss ist die Dauer der Auslandsermittlungen in
die Schweiz, welche hauptsächlich durch die Bearbei-
tungszeit der Rechtshilfeersuchen zustande kam, themati-
siert worden.
Am 7. August 2007 ersuchte die Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth (AZ: 403 AR 232642/07) die Staatsan-
waltschaft Kanton Solothurn in der Schweiz, den Firmen-
inhaber Jan Luxik sowie dessen Sohn und einen damalig
in der Firma beschäftigten Mitarbeiter zu vernehmen, um
Erkenntnisse zur Herkunft und zum Verbleib der bei der
Mordserie verwendeten Tatwaffe Česká 83, 7,65 mm zu
gewinnen. Darüber hinaus sollte sich die Staatsanwalt-
schaft Solothurn die Waffen vorlegen lassen und sie so-
dann beschießen. Soweit die Waffen weitergegeben wor-
5404) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 14.
5405) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 63.
5406) MAT A GBA-4/5a, Bl. 206-210.
5407) Befragungsvermerk vom 12. Mai 2011, MAT A BGA-4/5a, Bl.
285 f.
Drucksache 17/14600 – 620 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den sein sollen, wurde gebeten, die Namen der neuen
Besitzer zu benennen.
5408
Die das Rechtshilfeersuchen in der Schweiz bearbeitende
Staatsanwältin teilte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-
Fürth am 13. November 2007 telefonisch mit, die ersuch-
ten Ermittlungen seien fast vollständig bereits über die
„Polizeischiene“ in die Wege geleitet worden. Die zu-
ständige Nürnberger Staatsanwältin vereinbarte mit der
Schweizer Kollegin, dass das Ergebnis dieser bereits
angelaufenen Ermittlungen abgewartet werden solle.
Außerdem wurde erfragt, ob ein Beschuss der Waffen
tatsächlich erwünscht sei.
5409
Die Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth teilte daraufhin am 19. November 2007
telefonisch mit, dass an dem Ersuchen festgehalten wer-
de.
5410
Dies wurde durch die Schweizer Staatsanwalt-
schaft zugesagt. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth
verfügte Wiedervorlage spätestens nach sechs Monaten.
Daraufhin folgte eine erneute, nunmehr schriftliche Nach-
frage der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 20. Mai
2008 nach dem Bearbeitungsstand.
5411
Die zuständige
Schweizer Staatsanwältin reagierte mit Telefonanruf am
4. Juli 2008, in welchem sie erklärte, dass der Beschuss
nunmehr durchgeführt werden solle. Sie bat um Mittei-
lung, ob erforderlichenfalls Zwangsmittel angewendet
werden dürfen.
5412
Im Abschlussbericht der Bundeskriminalpolizei der
Schweizerischen Eidesgenossenschaft vom 16. Dezember
2011 zum Rechtshilfeersuchen vom 7. August 2007 wur-
de angegeben, dass bis zum 3. Oktober 2008 elf Waffen
beschossen und mit der Tatmunition gegenübergestellt
waren. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden noch einmal
fünf Waffen mit negativem Ergebnis überprüft. Damit
waren die 16 Česká 83 mit verlängertem Lauf, deren
Verbleib in der Schweiz festgestellt worden war, mit
negativem Ergebnis überprüft worden. Der Verbleib von
acht Waffen konnte – wie bereits ausgeführt – nicht auf-
geklärt werden.
5413
Von der Übermittlung des Rechtshilfeersuchens im Au-
gust 2007 bis zur Abarbeitung durch die Schweizer Be-
hörden Ende 2008 verging mehr als ein Jahr. Der Zeuge
Hoppe hat zu den Rückläufen auf das Rechtshilfeersuchen
in seiner Vernehmung angegeben, dass diese
„so langsam im Juli 2008 bis Ende 2008 ange-
kommen“
seien.
5414
5408) MAT A GBA-4/5a, Bl. 109.
5409) MAT A GBA-4/5a, Bl. 114.
5410) MAT A GBA-4/5a, Bl. 116.
5411) MAT A GBA-4/5a, Bl. 119.
5412) MAT A GBA-4/5a, Bl. 121-123; MAT A GBA 4/5a, Bl. 119 f.,
MAT A GBA 4/5a, Bl. 121 f.
5413) Bericht Bundeskriminalpolizei (CH) vom 16. Dezember 2011,
MAT A GBA-4/5a, Bl. 267 ff. (Bl. 269).
5414) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 13.
Am 3. Februar 2009 erging ein weiteres Rechtshilfeersu-
chen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (Az. 405 AR
230284/09) an die Schweizer Behörden für die Zeugen-
einvernahme und Vollstreckung eines Durchsuchungsbe-
schlusses bei den Schweizer Staatsangehörigen Erwin B.
und Anton G. unter Anwesenheit deutscher Ermittlungs-
beamter bei den durchzuführenden Ermittlungsmaßnah-
men.
5415
Das Rechtshilfeersuchen wurde erst am 29. Ok-
tober 2009 (Erwin B.) bzw. am 6. November 2009 (Anton
G.), also mehr als acht Monate später, umgesetzt.
Der Zeuge Ziercke hat zur Dauer der Rechtshilfeersuchen
in die Schweiz ausgeführt:
„Die verzögerte Umsetzung der Maßnahme in der
Schweiz ist begründet in dem Rücktritt und der
damit verbundenen erforderlichen Neuwahl des für
die Genehmigung des Rechtshilfeersuchen zustän-
digen Schweizer Generalstaatsanwalts. Das Ersu-
chen blieb bis dahin unbearbeitet, trotz unserer
Nachfragen.“5416
Der Zeuge Maurer hat zu der Bearbeitungszeit durch die
Schweizer Behörden Folgendes ausgeführt:
„Wir haben uns natürlich nicht zufriedengegeben,
dass das hier so lange dauerte. Wohlgemerkt, am
16.12.2008
5417
wurde dieses Rechtshilfeersuchen
angeregt, und die Schweizer haben dann letztend-
lich erst signalisiert zum 29.10.
5418
hin, dass wir
kommen können und dass dann die Maßnahmen
durchgeführt werden. Wir haben – das ist auch al-
les dokumentiert – immer wieder, insbesondere
über die Fedpol in Bern, hier hinterfragt: ‚Was ist
da los? Warum dauert das so lange?‘, haben auch
immer wieder telefonisch Kontakt gehabt. Letzt-
endlich haben wir als Erklärung bekommen: Der
zuständige Generalbundes- oder Generalstaatsan-
walt für die Gesamtschweiz ist zurückgetreten, und
es müsste erst ein neuer gewählt werden, und so-
lange ebendieser neue noch nicht eingeführt wäre,
würde hier dieses Rechtshilfeersuchen auch nicht
erledigt werden.“5419
d) Zusammenarbeit mit dem BND
Den dem Ausschuss vorliegenden Akten ist entnommen
worden, dass das BKA den Bundesnachrichtendienst
(BND) über die Mordserie informierte und um Zusam-
menarbeit bat.
5415) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der
Tatserie „Česká“ vom 13. Juni 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 123
(125).
5416) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S.10.
5417) Abweichendes Datum von dem im Abgabebericht der Staats-
anwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 13. Juni 2012, MAT A
GBA-4/2, Bl. 123 (125) genannten (3. Februar 2009) – Datum
der Anregung durch BKA.
5418) Gemeint ist November des Jahres 2009.
5419) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 45; so auch Ziercke, Protokoll-Nr.
21, S.10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 621 – Drucksache 17/14600
Am 22. März 2006 fand eine Besprechung auf Sachbear-
beiterebene zwischen Mitarbeitern des BKA, Abteilung
„Schwere und Organisierte Kriminalität (SO 15)“ und des
BND, Abteilung „Illegale Migration und internationaler
Rauschgifthandel (55D)“ statt, welche auf ein Ersuchen
des BKA vom 16. März 2006 zurückging.
5420
Ziel der
Besprechung sei gewesen, den zuständigen Mitarbeiter im
BND mit dem Fall vertraut zu machen,
„um über eine nachrichtendienstliche Einsteuerung
neue Ermittlungsansätze zu finden“.5421
Es wurde vereinbart, dass die in den vom BKA übereich-
ten Unterlagen erwähnten Personen durch den BND über-
prüft und der „Quellenbestand“ des zuständigen BND-
Mitarbeiters im Hinblick auf den Sachverhalt gesteuert
werden solle.
5422
Weiterhin findet sich der Entwurf eines Schreibens vom
6. Oktober 2006 des BKA, EG „Česká“, an den BND,
welches sich auf ein zuvor geführtes Telefonat bezog. Bei
dem Schreiben handelte es sich um eine Darstellung der
Mordserie und der Tatumstände. Inhaltlich ging es in dem
Schreiben insbesondere um die Auskunft der tschechi-
schen Behörden, dass lediglich zwei Chargen der Česká
83, 7,65 mm Browning mit werkseitig verlängertem Lauf
zur Verwendung von Schalldämpfern hergestellt wurden.
Da das BKA noch nicht die Spur in die Schweiz zur Fir-
ma Luxik und Schläfli & Zbinden verfolgte
5423
, hatte es
bis dato nicht die Information über die Lieferung der
zweiten Charge in die Schweiz an die Firma Luxik. Die
Lieferung der ersten Charge an einen libanesischen Käu-
fer war dem BKA zu diesem Zeitpunkt hingegen bekannt.
Die erforderlichen Daten wurden dem BND übermittelt
mit der Bitte, diese in deren System zu überprüfen.
Der Zeuge Hoppe hat auf Nachfrage angegeben, zur Waf-
fe habe es keinen Kontakt des BKA mit dem BND gege-
ben. Das BKA habe sich im März 2006 mit dem BND zur
Serie insgesamt ausgetauscht und gebeten, wenn er Er-
kenntnisse zur Gesamtserie bekomme, diese dem BKA
mitzuteilen.
5424
Der Zeuge Jung hat diesen Vorgang bestätigt.
5425
Aller-
dings konnte der BND zu der Frage nach Angaben des
Zeugen Jung nichts beitragen.
5426
Hierzu hat der Zeuge
Dr. Herle, damaliger Referatsleiter für Proliferation, an-
gegeben, dass die Frage des BKA aus dem Jahre 2006
nicht hinreichend präzisiert gewesen sei. Er hat erläutert:
5420) Besprechungsvermerk des BND vom 22. März 2006, MAT A
BND-2/1, Bl. 35 f.
5421) Besprechungsvermerk des BND vom 22. März 2006, MAT A
BND-2/1, Bl. 35 f. (36).
5422) Besprechungsvermerk des BND vom 22. März 2006,l MAT A
BND-2/1, Bl. 35 f. (36).
5423) Laut Zeugenaussagen von Ziercke und Hoppe sei der Hinweis
des Lothar M. erst im April 2007 erlangt worden, Protokoll-Nr.
21, S. 9 und Protokoll-Nr. 15, S. 11.
5424) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 33, 34.
5425) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 70.
5426) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 70.
„Es war keine Nummer, Registrierungsnummer,
der Waffe angegeben. Die Anfrage bezog sich le-
diglich auf die Česká und auf die Firma, auf die
tschechische Firma, die im Vertrieb eingeschaltet
war, und, ich glaube, auf irgendeinen Namen, der
angeblich – irgendein Mann aus dem Mittleren Os-
ten – mal eine Waffe davon erhalten haben sollte.
Das wurde geprüft, und wir hatten keine Erkennt-
nisse dazu.“5427
Auf die Nachfrage, ob eine Einbindung des BND in die
Verkaufswegeermittlungen in der Schweiz sinnvoll gewe-
sen wäre, hat dies der Zeuge Jung verneint:
„Es gab keinerlei Erkenntnisse, die in irgendeine
politische Richtung gezeigt haben, und wir haben
letztendlich versucht, die Herkunft bzw. den Erst-
kunden hier zu ermitteln. Da hätte uns der BND
wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen kön-
nen.“5428
Weiterhin hat sich in einem Aktenvermerk der MK „Bos-
porus“ über eine „Waffenbesprechung“ mit dem Landes-
kriminalamt München vom 30. Oktober 2008 folgende
Aussage gefunden:
„Aus der Überlegung heraus, dass Schalldämpfer
sowohl aus gewerblicher Fertigung als auch durch
unprofessionelle Hersteller (illegale Waffenbear-
beiter) in den Handel gelangen, wurde folgender
Vorschlag diskutiert:
Kontaktaufnahme mit BND zwecks Vergleichs-
muster Schalldämpfer […].“5429
Auf die konkrete Frage an den Zeugen Dr. Herle, ob der
BND bei präziseren Angaben, gerade bezogen auf die
Schweiz, in der Lage gewesen wäre, unterstützend tätig
zu werden, hat dieser ausgeführt:
„Grundsätzlich nein. Meine Abteilung beschäftigt
sich mit dem Waffenhandel unter strategischem
Aspekt, Rüstungshandel international, Im- und
Export. Mit einzelnen Waffen, die im Rahmen von
Terrorismus oder von Kriminalität gehandelt wer-
den, beschäftigen wir uns nicht. Waffenhandel de-
finiert sich bei uns erst dann, wenn eine organisier-
te Struktur oder ein Netzwerk dahintersteht.“5430
Weder aus den dem Ausschuss vom BKA und BND
übergebenen Akten noch durch die vom Ausschuss
durchgeführten Zeugenvernehmungen konnte ermittelt
werden, ob eine solche Kontaktaufnahme stattgefunden
hat.
5427) Dr. Herle, Protokoll-Nr. 31, S. 84.
5428) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 70.
5429) MAT A GBA-4/5a, Bl. 90 f. (91).
5430) Dr. Herle, Protokoll-Nr. 31, S. 84.
Drucksache 17/14600 – 622 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Durch die Ermittlungen ausgeräumter Ver-
dacht gegen einen Mitarbeiter des LfV
Hessen
a) Verdacht der Verstrickung eines Behör-
denmitarbeiters
aa) Ermittlungen gegen Andreas Temme
Nachdem ein Zeuge in seiner zweiten Vernehmung am
12. April 2006 von einer weiteren Person berichtete, die
sich am Tatort aufgehalten hatte, konnte diese am
19. April 2006 durch eine Anschlussermittlung beim
Anbieter der von 16.51 Uhr bis 17.01 Uhr besuchten Flirt-
Internetseite als Andreas Temme identifiziert werden.
5431
Die Staatsanwaltschaft Kassel leitete am 21. Juni 2006
gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts
ein, zumal neben seiner Anwesenheit am Tatort auffällig
war, dass er sich nicht bei der Polizei als Zeuge gemeldet
hatte.
5432
Bei der Durchsuchung der Wohnungen am gleichen Tag
offenbarte Temme, Mitarbeiter des LfV Hessen zu sein.
Sofort danach wurden mit Einverständnis des Direktors
des LfV, Lutz Irrgang, auch die Diensträume von Temme
durchsucht.
5433
Am 22. April 2006 informierte LfV-
Direktor Irrgang das PP Nordhessen zur Alibi-
Abgleichung über die Abwesenheiten von Temme in den
Jahren 2004 bis 2006.
5434
Bei der Durchsuchung seiner Wohnungen am 21. April
2006 wurden bei Temme neben einem Baseballschlä-
ger
5435
u. a. Unterlagen mit einem Bezug zum Dritten
Reich gefunden. In einem Vermerk der Polizei heißt es
hierzu:
„Es handelt sich im Wesentlichen um Dokumenta-
tionen aus dieser Zeit. Auffallend ist, dass diese
Schriftstücke offensichtlich mit einer manuellen
Schreibmaschine erstellt wurden. Zu erwähnen ist,
dass diese Ausarbeitungen einen Umfang betref-
fen, die über eine Referatsform oder Ausarbeitun-
gen schulischer Art weit hinausreichen. Unter an-
derem sind Auszüge aus Hitler ‚Mein Kampf‘ zi-
tiert und das verbotene Deutschlandlied wurde
handschriftlich niedergeschrieben.“5436
Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmungen wurde er
hiermit konfrontiert. Er gab an, dass er in seiner Jugend
ein Interesse am Dritten Reich gehabt und deshalb diese
5431) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 84.
5432) Verfügung vom 21. April 2006, MAT A GBA-4/10e (neu),
Bl. 308; vgl. auch die Einstellungsverfügung vom 18. Januar
2007, MAT A GBA-4/11b (neu), Bl. 509 f.
5433) Vermerk über die Durchsuchung der Diensträume vom
21. April 2006, MAT A GBA-4/11a (neu), Bl. 286 f.
5434) MAT A GBA-4/11f (neu), Bl. 78 ff.
5435) Nachweis über sichergestellte/beschlagnahmte Gegenstände,
MAT A GBA-4/11a (neu), Bl. 271.
5436) Vermerk vom 2. Mai 2006, MAT A GBA-4/11b (neu), Bl. 96.
Schriften für sich angefertigt habe. Nunmehr habe er
jedoch kein Interesse mehr.
5437
Außerdem wurde er ausgiebig befragt, ob er tatsächlich
zur Tatzeit im Internetcafé war. Er gab an, sich an diesen
Vorgang nicht erinnern zu können. Er habe sich deshalb
nicht unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Tat bei
der Polizei gemeldet, weil er der Meinung gewesen sei, er
sei einen Tag früher in dem Internetcafé gewesen. Da
habe er das Datum verwechselt. Von dem Mord habe er
nichts mitbekommen. Er habe beim Verlassen des Inter-
net-Cafés den Betreiber nicht gesehen und deshalb ein 50
Cent-Stück auf den Tresen gelegt. Außergewöhnliche
Geräusche habe er nicht gehört.
5438
Das Ermittlungsverfahren konnte nicht klären, ob Andre-
as Temme den Tatort bereits zum Tatzeitpunkt verlassen
hatte oder nicht.
5439
Die Polizei überprüfte die Alibis von Herrn Temme hin-
sichtlich der anderen acht Mordfälle in der Zeit von 2000
bis 2006. Für die Taten 1 (9. September 2000) und
6 (9. Juni 2005) lagen mögliche Alibis vor. Als Fazit
stellte die Polizei am 27. Juni 2006 fest:
„Die Ermittlungen im Umfeld von Temme und die
Auswertung sichergestellter Gegenstände (u. a.
maschinengeschriebene Abschriften von Texten
aus dem 3. Reich) ergaben vage rechtsradikale
Tendenzen Temmes, ein deutliches Motiv konnte
bei Temme bisher jedoch nicht ermittelt werden.
Es fehlen insbesondere Bezüge zu den anderen
acht Mordfällen in Nürnberg, München, Hamburg,
Rostock und Dortmund. Fraglich scheint in diesem
Zusammenhang jedoch, ob diese fehlenden Bezü-
ge zu anderen Fällen der Mordserie tatsächlich den
Tatverdacht gg. Temme im hiesigen Fall ausräu-
men. Beim derzeitigen Ermittlungsstand ist letzt-
lich auch nicht ausgeschlossen, dass Temme über
eine seiner von ihm geführten VM als Werkzeug
einer Organisation benutzt wurde.“5440
Zur Aufklärung einer möglichen Beteiligung von Andreas
Temme an dem Mord spielten daher auch die von ihm
geführten Vertrauenspersonen eine Rolle, weshalb die
Polizei versuchte, diese zu befragen (siehe unten: cc),
S. 623 und dd), S. 630). Im Übrigen erfolgte eine Tele-
kommunikationsüberwachung bei Andreas Temme.
5441
Mit Verfügung vom 18. Januar 2007 stellte die Staatsan-
waltschaft Kassel das Ermittlungsverfahren gegen Andre-
as Temme gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
5442
5437) Beschuldigtenvernehmung vom 12. Mai 2006, MAT A GBA-
4/10f (neu), Bl. 129 ff.
5438) Beschuldigtenvernehmung vom 21.04.2006, MAT A GBA-
4/10f (neu), Bl. 5 ff.
5439) Schreiben der StA Kassel vom 25. November 2011, MAT A
BMJ-4a, Bl. 47 f.
5440) Vermerk des PP Nordhessen vom 27. Juni 2006, MAT A GBA-
4/11b (neu), Bl. 143 ff.
5441) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 112 f.
5442) MAT A GBA-4/11b (neu), Bl. 509 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 623 – Drucksache 17/14600
bb) Kontakte des Andreas Temme zu seinen V-
Personen am Tattag
Im Rahmen der Ermittlungen zu den Kontakten von Herrn
Temme anhand der von ihm genutzten Telefonanschlüsse
stellte die Polizei fest, dass er am Tattag Telefonkontakte
zu zwei Quellen hatte:
Ein Telefonat wurde um 13.06 Uhr mit der Quelle aus
dem rechten Spektrum geführt. Es dauerte 17 Sekunden.
Hinsichtlich dieser Quelle bemerkte die Polizei anhand
des Terminkalenders von Andreas Temme, dass zwischen
ihr und Andreas Temme am 9. Juni 2005 (dritter Mord in
Nürnberg) und 15. Juni 2005 (zweiter Mord in München)
Telefonate geplant waren bzw. stattgefunden haben. Für
den 10. April 2006 war ein Treffen vereinbart.
5443
Außerdem wurde ein Telefonat von seinem Diensthandy
um 17.19 Uhr, also kurz nach der Tat, mit einer Quelle
aus dem islamistischen Bereich bei einer Dauer von 87
Sekunden festgestellt.
5444
Wegen der zeitlichen Nähe
dieses Telefonats zu dem Mord war diese Quelle nach
Angaben des Zeugen Hoffmann für die Polizei von be-
sonderem Interesse.
5445
Nach dem 4. November 2011 führte die Polizei einen
Abgleich der Telekommunikationsverbindungsdaten der
Quelle aus dem rechten Spektrum durch. Hierbei wurde
festgestellt, dass um 16.11 Uhr ein Telefonat zwischen
der Außenstelle des LfV Hessen in Kassel (vermutlich
von Andreas Temme) und dieser Quelle stattgefunden hat.
Nach den Angaben der Staatsanwaltschaft Kassel im
Abgabebericht vom 4. Januar 2012 sei dieser Abgleich
zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens gegen
Andreas Temme am 18. Januar 2007 noch nicht möglich
gewesen, da die Massendaten zu diesem Zeitpunkt noch
nicht zur Verfügung gestanden hätten.
5446
Außerdem traf sich Andreas Temme am 6. April 2006
etwa zwischen 12.30 Uhr und 15 Uhr mit einer anderen
Quelle aus dem islamistischen Bereich, mit der er vermut-
lich am Vormittag zwei Telefongespräche geführt hat-
te.
5447
5443) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. Januar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 216 ff., 232.
5444) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. Januar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 216 ff., 232 f.; vgl. auch Vermerk
des PP Nordhessen vom 25. Juli 2006, MAT A GBA-4/11n
(neu), PDF-S. 439 ff.
5445) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 85 f.
5446) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. Januar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 216 ff., 233.
5447) Vermerk der MK Café vom 25. Juli 2006, MAT A GBA-4/11n
(neu), Bl. 36 ff.
cc) Bemühungen der Ermittlungsbehörden zur
Vernehmung der V-Personen von Andreas
Temme
Insbesondere zur Abklärung der Alibis von Andreas
Temme bemühten sich die Ermittlungsbehörden um eine
Vernehmung der von ihm geführten V-Personen.
5448
aaa) Rechtliche Grundlagen
Das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz
Hessen (VerfSchG Hessen) regelt die Aufgaben und Be-
fugnisse des LfV Hessen. § 11 VerfSchG Hessen lautet
insgesamt:
„(1) 1Die Übermittlung ist über die §§ 9 und 10
hinaus zulässig an
1. Behörden, die ein Ersuchen nach § 2 Abs. 5
Nr. 1, 2 oder 4 an das Landesamt für Verfas-
sungsschutz gerichtet haben;
2. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur
Verfolgung der in § 100a der Strafprozessord-
nung genannten oder sonstiger Straftaten im
Rahmen der Organisierten Kriminalität;
3. Polizei- und Ordnungsbehörden, wenn dies zu
ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und
die Übermittlung der Abwehr einer im Einzel-
fall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur
Verhütung der in Nr. 2 genannten Straftaten
sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung
konkrete Hinweise vorliegen, dient;
4. andere öffentliche Stellen, wenn diese die per-
sonenbezogenen Daten zum Schutz der frei-
heitlichen demokratischen Grundordnung be-
nötigen.
2
In den Fällen des Satz 1 Nr. 3 ist das Landesamt
für Verfassungsschutz zur Übermittlung verpflich-
tet.
3
In den Fällen des Satz 1 Nr. 2 ist das Lande-
samt für Verfassungsschutz unter Beachtung von
§ 15 zur Übermittlung verpflichtet, sobald sich
nach den dort vorliegenden Erkenntnissen zurei-
chende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorlie-
gen einer verfolgbaren Straftat im Sinne des § 152
Abs. 2 der Strafprozessordnung ergeben.
(2)
1
Hält das Landesamt für Verfassungsschutz das
Ersuchen des Empfängers nicht für rechtmäßig, so
teilt es ihm dies mit.
2
Besteht der Empfänger auf
der Erfüllung des Ersuchens, so entscheidet das
Ministerium des Innern.
(3) Der Empfänger darf die ihm übermittelten per-
sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck ver-
wenden, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt
wurden.“
§ 15 VerfSchG HE regelt die Übermittlungsverbote:
5448) Gesprächsprotokoll vom 25. April 2006, MAT A GBA-4/11n
(neu), Bl. 65 ff.
Drucksache 17/14600 – 624 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses
Teils hat zu unterbleiben, wenn
1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass
unter Berücksichtigung der Art der personen-
bezogenen Daten und ihrer Erhebung die
schutzwürdigen Interessen der betroffenen
Person das Allgemeininteresse an der Über-
mittlung überwiegen,
2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies er-
fordern.“
bbb) Nichterteilung einer Aussagegenehmigung
für die Vernehmung der von Andreas
Temme geführten V-Personen
Anhand der Telekommunikationsverbindungsdaten und
Speichereinträge aus dem Diensthandy von Andreas
Temme ermittelte die Polizei die Identität und die Adres-
sen der von ihm geführten Quellen. Eine direkte Befra-
gung erfolgte nicht. Vielmehr erkundigte sich die Polizei
beim LfV Hessen nach dem Hintergrund dieser Personen.
Die Polizei ging davon aus, dass es sich mit hoher Wahr-
scheinlichkeit um Kontakte handelte, die „dienstlich ver-
anlasst“ waren und dass die Personen in einem „Verhält-
nis zum LfV Hessen standen“. Der Zeuge Hoffmann hat
ausgesagt, er und der Staatsanwalt seien davon ausgegan-
gen, dass „besondere Regelungen gelten“ und sie „nicht
einfach dazu übergehen konnten, Personen zu verneh-
men“.5449
Am 25. April 2006 fand eine erste Besprechung zwischen
den Ermittlungsbehörden und dem LfV Hessen statt, bei
dem es um Informationen zu dem Beschuldigten Temme
und seine Vertrauenspersonen ging. Das LfV teilte deren
Namen mit. Hierbei ging es der Polizei vorrangig um die
Abklärung der Alibis des Beschuldigten Temme.
5450
Eben-
falls am 25. April 2006 bat die Staatsanwaltschaft Kassel
das LfV Hessen schriftlich um Unterstützung. Es heißt in
diesem Schreiben:
„Für die weitere Erforschung des Sachverhaltes
und insbesondere die Aufklärung des Umfangs der
Beteiligung von Herrn Temme sowie auch zur Er-
mittlung entlastender Umstände, sind Auskünfte
über die berufliche Tätigkeit des Beschuldigten
dringend erforderlich. Beispielsweise sind von In-
teresse die Aufenthaltsorte von Herrn Temme zu
den Tatzeiten der vorangegangenen Tötungsdelik-
te, wobei dies neben Fahrtenbuchnachweisen, Spe-
senabrechnungen etc., auch durch Befragung der
von Herrn Temme geführten VMs erfolgen sollte.
Letzteres dient auch dazu, Erkenntnisse über Kon-
takte des Beschuldigten zu Personen zu gewinnen,
die möglicherweise als Hintermänner der Tat in
Frage kommen. Die Befragung der VMs kann aus
Sicht der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die
5449) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 97.
5450) Gesprächsprotokoll vom 25. April 2006, MAT A GBA-4/11n
(neu), Bl. 65 ff.
Geheimhaltungsinteressen im jetzigen Verfahrens-
stadium mittels des von dort für Herrn Termme
eingesetzten Quellenführers geschehen, der in Zu-
sammenarbeit mit den Beamten des PP Nordhes-
sen gezielt Fragen ‚transportieren‘ kann.
Im Einzelnen verweise ich bezüglich der sich bis
dato ergebenden Fragestellungen auf einen Fra-
genkatalog, der Ihnen durch das PP Nordhessen, K
11 – MK Café, vorgelegt werden wird.“5451
Gegenstand der beabsichtigten Befragung der Vertrau-
enspersonen war demnach nicht nur die Überprüfung der
Alibis des Beschuldigten Temme zu den Tatzeiten der
neun Morde, sondern auch mögliche Erkenntnisse über
Kontakte des Beschuldigten zu Personen, die als Hinter-
männer der Tat in Frage kamen. Die Staatsanwaltschaft
erklärte sich zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Befra-
gung durch das LfV einverstanden. Der Fragenkatalog der
MK „Café“ enthält zum Punkt „Vernehmung der VM´s“
lediglich folgende Ausführungen:
„Vernehmung der VM´s, insbesondere VM 650,
der sich am 06.04.06 mit Herrn Temme getroffen
hat sowie Abgleich zum Bericht des Herrn Temme
Hat sich Herr Temme auch am 04.04.06 mit einer
VM getroffen? Vernehmung dieser VM und Ab-
gleich mit Bericht. Erkenntnisse der VM´s? – Ggf.
Offenlegung der VM 650!“5452
Das LfV befragte einige der von Andreas Temme geführ-
ten Quellen und beantwortete die Fragen der Polizei mit
Schreiben vom 8. Mai 2006.
5453
Mit Schreiben vom
6. Juni 2006 teilte das LfV der Polizei ergänzend das
Ergebnis einer Befragung der VP aus dem islamistischen
Bereich mit, mit der sich Andreas Temme am Tattag ge-
troffen habe, wobei Ort und Umstände eines Treffens von
11 bis 13 Uhr in Kassel beschrieben werden.
5454
Der Poli-
zei genügte diese Antwort jedoch nicht. Sie beabsichtigte,
über die Staatsanwaltschaft Kassel eine Vernehmung der
VP zu beantragen, an der Mitglieder der Mordkommissi-
on zumindest teilnehmen könnten.
5455
Am 30. Juni 2006 kam es zu einer Besprechung zwischen
Mitarbeitern des Polizeipräsidiums Nordhessen, der
Staatsanwaltschaft Kassel und dem LfV Hessen. Der
Leiter des LfV Hessen, Direktor Irrgang, nahm hieran
nicht teil. In einer E-Mail des Landespolizeipräsidiums
Hessen wird als Grund für die Nichtteilnahme „fehlende
Ebenenadäquanz“ angegeben.
„Er [Herr Irrgang] sei gerne bereit, zu einem per-
sönlichen Vieraugengespräch mit Herrn PP Hen-
ning nach Kassel zu kommen, er unterhalte sich
5451) MAT A HE-4, Bl. 429 ff.
5452) MAT A GBA-4/11f (neu), Bl. 119 ff.
5453) MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 58 ff.
5454) MAT A HE-4, Bl. 103.
5455) Vermerk des PP Nordhessen vom 12. Juni 2006, MAT A HE-4,
Bl. 99 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 625 – Drucksache 17/14600
aber nicht mit einem Staatsanwalt oder Polizeibe-
diensteten.“5456
Als Zeuge hat Herr Irrgang angegeben, dass er als Diszip-
linarvorgesetzter mit einem Vollzugsbeamten nicht über
einen Bediensteten habe reden wollen, weil alles, was er
mit ihm bespreche, sofort nachteilig verwendet werden
könne. Mit dem Polizeipräsidenten hätte er jedoch jeder-
zeit geredet.
5457
Den Inhalt dieser Besprechung vom 30. Juni 2006 hat ein
Mitarbeiter des Landespolizeipräsidiums Hessen, der
allerdings nicht bei dieser Besprechung anwesend war, in
einer E-Mail wie folgt festgehalten:
„Neben dem angestrebten strategischen Ziel (Auf-
hebung der Unterstützungshaltung verschiedener
LfVH-Vorgesetzter gegenüber dem TV [Tatver-
dächtigen]) trug StA Dr. W. drei konkrete Ersu-
chen vor:
1. die Möglichkeit staatsanwaltschaftli-
cher/polizeilicher Vernehmungen mehrerer vom
TV geführter VPen,
2. Übergabe einer Ausfertigung der dienstlichen
Erklärung, die der TV dem LfVH zugeleitet hat
und
3. Einsicht in die Ergebnisse der vom LfVH
durchgeführten Sicherheitsüberprüfung des TV.
Alle drei Ersuchen wurden von Herrn H. zurück-
gewiesen. StA Dr. W. bat um Entscheidung des
Behördenleiters und kündigte für den Fall weiterer
Ablehnungen an, die Entscheidung der obersten
Dienstbehörde herbeiführen zu wollen.
Hinsichtlich der geforderten VP-Vernehmungen
bot das LfVH – wie bereits bisher – an, dass ein
Polizeibeamter legendiert als vermeintlicher LfV-
Beamter an vom LfVH durchgeführten Befragun-
gen teilnehmen könne. Ergebnisse solcher Befra-
gungen wären allerdings nicht gerichtsverwertbar,
weil es sich um unzulässige verdeckte Verneh-
mungen handeln würde.
Die den LfV-Vertretern erläuterten Verstöße des
TV gegen Sicherheitsbestimmungen wurden von
diesen heruntergespielt. Nach Auffassung von KD
Hoffmann bestand seitens der LfVH-Vertreter von
Beginn an kein Interesse an sachfördernder Ko-
operation. Äußerungen wie ,...wir haben es hier
doch nur mit einem Tötungsdelikt zu tun...‘ und
,...Stellen Sie sich vor, was ein Vertrauensentzug
für den Menschen (Temme) bedeutet...‘ machten
deutlich, dass das LfVH die eigene Geheimhal-
tung, die ,für das Wohl des Landes Hessen‘ be-
deutsam sei, über die mögliche Aufklärung der im
5456) E-Mail vom 28.06.2006, MAT A HE-4, Bl. 88.
5457) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 88.
Raum stehenden Verdachtsmomente gegen einen
LfVH-Mitarbeiter stellt.“5458
In einem Vermerk der MK „Café“ über den Inhalt dieser
Besprechung vom 30. Juni 2006 heißt es:
„Herr H. [Mitarbeiter des LfV] fragte dann, ob nur
eine VM als Alibizeuge für den 04.04. vernommen
werden soll oder ob noch mehr VMs des Herrn
Temme gehört werden sollen. Herr B. [PP Nord-
hessen] sagte daraufhin, dass alle von Herrn
Temme geführten VMs vernommen werden sollen.
[…]
Im Verlauf des Gespräches stellte Herr H. dar,
dass eine Vernehmung und der damit einherge-
hende Verlust der Quellen das größtmögliche Un-
glück für das Landesamt darstellen würde. Er
meinte, dass, wenn solche Vernehmungen geneh-
migt würden, es für einen fremden Dienst ja ein-
fach sei, den gesamten Verfassungsschutz lahm zu
legen. Man müsse nur eine Leiche in der Nähe ei-
nes VMs bzw. eines VM'Führers positionie-
ren.“5459
Ein Mitarbeiter des Landespolizeipräsidiums Hessen
betonte in einer Mail vom 4. Juli 2006, die Staatsanwalt-
schaft Kassel habe bezüglich der Vernehmung der V-
Personen gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten des
LfV betont, für den Fall der Ablehnung würden die be-
treffenden Personen ermittelt und vorgeladen. Der Ge-
heimschutzbeauftragte des LfV habe erwidert, dass man
das ruhig versuchen könne.
5460
Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 teilte das LfV der Staats-
anwaltschaft Kassel Folgendes mit:
„Die gewünschte Offenlegung der Quellen kann
im vorliegenden Sachverhalt nicht einfach erfol-
gen, da Quellen zu den geheimen Mitarbeitern des
LfV Hessen zählen. Sie bedürfen einer behördli-
chen Aussagegenehmigung.
Zudem ist die Offenlegung der Quellen gleichbe-
deutend mit ihrer Abschaltung, was eine operative
Bearbeitung des Islamismus in Nordhessen in Fra-
ge stellt. Überdies stellen sich im Anschluss daran
Versorgungsprobleme. Anders als bei der Polizei
sind geheime Mitarbeiter kein Beweismittel in
kurzfristig angelegten Kriminalfällen, sondern
über Jahre gewachsene Verbindungen.“5461
Die in diesem Schreiben weiter geäußerte Bitte um Mit-
teilung der Tatsachen, die Herrn Temme belasteten, be-
antwortete die Staatsanwaltschaft Kassel mit Schreiben
vom 10. Juli 2006 unter Hinweis darauf, dass gegen ihn
weiterhin der Anfangsverdacht der Beteiligung bestün-
5458) E-Mail vom 3. Juli 2006, MAT A HE-4, Bl. 84.
5459) Vermerk vom 3. Juli 2006, MAT A GBA-4/11e (neu), Bl. 279
ff.
5460) MAT A HE-4, Bl. 90.
5461) MAT A HE-4, Bl. 427 f.
Drucksache 17/14600 – 626 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
de.
5462
Außerdem beantragte die Staatsanwaltschaft Kas-
sel mit Schreiben vom 13. Juli 2006 beim Hessischen
Ministerium des Inneren und für Sport die Erteilung von
Aussagegenehmigungen für alle von Andreas Temme
geführten Quellen. Zur Begründung heißt es:
„Der gegen Herrn Temme bestehende Anfangsver-
dacht konnte auch durch die weiteren geführten
Ermittlungen noch nicht ausgeräumt werden. In-
soweit verweise ich auf das anliegende Schreiben
an das Landesamt für Verfassungsschutz vom
10.07.2006.
Aus hiesiger Sicht ist in Anbetracht der Bedeutung
der Mordserie und des bundesweiten Interesses je-
doch eine sorgfältige Abarbeitung der „Spur
Temme“ geboten, was eine Vernehmung der von
Herrn Temme geführten VM's durch die Polizei er-
fordert.
Die Quellen könnten geschützt werden, indem sie
wie eine VP der Polizei behandelt werden, der
Vertraulichkeit seitens der Staatsanwaltschaft zu-
gesichert wird.“ 5463
In einem Vermerk vom 24. Juli 2006 zu einer innerminis-
teriellen Besprechung vom 20. Juli 2006 wird dargelegt,
dass es bezüglich der Quellenvernehmung gute Gründe
gebe, diese zu verweigern, nämlich: Gefährdung der
Quellen, Vertrauen anderer Quellen in die Zusagen des
LfV auf Vertraulichkeit, Schwierigkeit bei der Gewin-
nung neuer Quellen, Informationsdefizit im Raum Kassel
im Bereich der islamistischen Szene, wenn Quellen aus-
fielen.
5464
Die Antwort des Hessischen Ministeriums des Inneren
und für Sport vom 25. Juli 2007 verwies die Staatsanwalt-
schaft Kassel zunächst an das LfV. Die Zuständigkeit für
die Erteilung solcher Aussagegenehmigungen liege gem.
§ 75 Abs. 2 S. 2 Hessisches Beamtengesetz bei dem Di-
rektor des LfV Hessen. Erst bei einer ablehnenden Ent-
scheidung könne das Ministerium eingeschaltet werden.
Es heißt dort außerdem:
„Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen
benötigt zur Entscheidung über einen Antrag auf
Aussagegenehmigung die Angaben des Namens
der Person, die als Zeuge vernommen werden soll,
sowie eine kurze, aber erschöpfende Darstellung
der Vorgänge über die der Zeuge vernommen wer-
den soll (vgl. Nr. 66 Abs. 3 RiStBV). Da im vor-
liegenden Fall wahrscheinlich eine Interessenab-
wägung mit den berechtigten Interessen des Lan-
desamts für Verfassungsschutz Hessen an einer er-
folgreichen Fortführung seiner Arbeit erforderlich
wird, sollte sich die Darstellung auch auf mögliche
5462) MAT A HE-4, Bl. 425 f.
5463) MAT A HE-4, Bl. 423 f.
5464) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anlage 01,
Ordner Ia, Bl. 199 ff.
Bedeutung des zu erfragenden Lebenssachverhalts
für das Ermittlungsverfahren erstrecken.“ 5465
Der Innenminister behielt sich eine Entscheidung vor,
indem er am 28. Juli 2006 vermerkte:
„Ich bitte sicher zu stellen, dass ohne meine per-
sönliche Genehmigung keinerlei Entscheidung
weder pro noch contra getroffen wird. Ich bitte
dies als strikte Weisung dem LfV weiterzuleiten.
Ansonsten einverstanden.“5466
Im Juli 2006 informierte das PP Nordhessen das hessische
Innenministerium darüber, dass der bayerische Innenmi-
nister Dr. Beckstein beabsichtige, „Herrn StM Bouffier
durch einen persönlichen Telefonkontakt zur Aufhebung
des Quellenschutzes für vom Tatverdächtigen geführte
VM zu bewegen.“5467 Diese Information wurde über den
hessischen Landespolizeipräsidenten unter Erläuterung
der Ermittlungsziele der Staatsanwaltschaft Kassel an den
Minister weitergegeben. Es heißt in dem Vermerk vom
13. Juli 2006 weiter:
„Herr Minister kündigte an, am Freitag,
14.07.2006, zusammen mit Herrn K., Abt. Z, ein
Gespräch mit Herrn Irrgang zu führen. Herr LPP
[Landespolizeipräsident] hat nicht die Absicht,
sich an diesem Gespräch zu beteiligen, er hat sich
so positioniert, dass es um einen Sachverhalt geht,
der zwischen LfVH und StA Kassel zu klären ist.
Herr LPP hat Herrn Minister erläutert, dass er bis-
her bewusst auf die Zuleitung detaillierter schrift-
licher Berichte an Herrn Minister verzichtet hat
und selbst auch keinen schriftlichen Bericht des PP
NH angefordert hat. Seine Informationen beruhen
auf der Berichterstattung durch Uz., der engen
Kontakt zur MK Café hält.“5468
Das Telefongespräch zwischen den Innenministern fand
nach Aussage von Volker Bouffier Anfang August wäh-
rend dessen Urlaubs statt. Dr. Beckstein habe ihm sinn-
gemäß erklärt, seine Beamten hätten ihn überzeugt, dass
der Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes im
Kasseler Mordfall der Täter sein müsse, die Polizei aber
nicht weiterkomme, da der Verfassungsschutz die Ver-
nehmung der Quellen nicht erlaube. Er habe daraufhin
Herrn Dr. Beckstein die Sachlage erläutert und ihm mitge-
teilt, dass eine entsprechende Entscheidung noch ausste-
he.
5469
Damit habe dieser sich zufrieden gegeben.
5470
Im Ausschuss sagte Dr. Beckstein dazu:
„Ich habe wiederholt wegen dieser Frage mit
Herrn Bouffier telefoniert. Wir hätten als Optimum
5465) MAT A GBA-4/11n (neu), pdf-S. 443 f.
5466) MAT A HE-4/1, Tgb.Nr. 27/12 geh., Anl. 01, Ordner Ia,
Bl. 336.
5467) Vermerk von S. (hessisches Innenministerium) vom 13. Juli
2006, MAT A HE-4, Bl. 74.
5468) MAT A HE-4, Bl. 74.
5469) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 9.
5470) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 46.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 627 – Drucksache 17/14600
gehabt, dass uns die Namen übermittelt werden.
Das ist aber nach Rücksprache mit dem dortigen
LfV nicht gemacht worden. Es wurde mir aber zu-
gesagt, dass die Zeugenbefragung in Absprache
mit der jeweiligen Kommission, alles, was mit
dem Temme zusammen ist, mit einer Intensität ge-
führt worden ist, dass man es ausschließen kann,
dass hier Temme oder seine Leute, mit denen er
zusammen war, in die Tat verwickelt worden sind.
Da hat es insgesamt etwas gegeben, wo ich mich
dann auch geschlagen gegeben habe, dass ein Alibi
bei einer der Tatzeiten war, wo er bei einer Konfe-
renz mit Sicherheitsbehörden war, sodass es viel-
fältige Leute aus dem Sicherheitsbereich gegeben
hat, die bezeugen konnten, dass er nicht am Tatort
gewesen sein konnte. Das bedeutet, dass also zwar
nicht die Übermittlung der Daten erfolgt ist, aber
die Überprüfung der Daten ist in einer aus meiner
Sicht ganz eindeutig zufriedenstellenden Weise er-
folgt. Ich habe auch das von der Arbeitsebene nie
anders gehört.“5471
Mit Schreiben vom 10. August 2006 konkretisierte die
Staatsanwaltschaft gegenüber dem LfV unter Bezug auf
ihren Antrag vom 13. Juli 2006 die Gründe für die Erfor-
derlichkeit der Vernehmungen. Zum einen diene die Ver-
nehmung der Vertrauenspersonen der weiteren Überprü-
fung von Alibis des Beschuldigten Temme. Weiter heißt
es:
„Zum anderen handelt es sich bei den VM um Per-
sonen, die in regelmäßigen Kontakt von Herrn
Temme standen und daher – auch wenn eine Kon-
taktaufnahme nicht zu einer Tatzeit selbst stattfand
– dazu beitragen können, ein vollständiges Bild
der Persönlichkeit von Herrn Temme zu erstellen
bzw. in der Lage sind, über relevante Auffälligkei-
ten zu berichten. […]
Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass in
den Vernehmungen staatsschutzrelevante Sachver-
halte nicht abgeklärt werden sollen.“5472
Mit Schreiben vom 15. August 2006 übersandte das LfV
dem Innenministerium einen Bericht über die Alibiüber-
prüfungen des Andreas Temme. Ziel des Berichts war eine
Information darüber, ob eine Vernehmung der Quellen
durch die Polizei eine Alibiklärung zu den Tatzeitpunkten
der Mordserie erbringen kann.
5473
Am 17. August 2006 fand beim Generalstaatsanwalt eine
Besprechung zwischen Justiz und LfV statt, bei der ver-
einbart wurde, dass die Staatsanwaltschaft Kassel dem
LfV eine Liste der zu vernehmenden Personen zur Verfü-
gung stellen werde.
5474
Einem Vermerk der MK „Café“
zufolge informierte der Leitende Oberstaatsanwalt in
5471) Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 149.
5472) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 446 f.
5473) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 450 ff.
5474) Vermerk der MK „Café“ vom 17. August 2006, MAT A GBA-
4/11g (neu), Bl. 296.
Kassel die MK „Café“ darüber, dass das LfV eine auf
außerdienstliche Angelegenheiten beschränkte Aussage-
genehmigung für die Quellen erteilen werde.
5475
In dem Vermerk über diese Besprechung vom 17. August
2006 heißt es demgegenüber, dass das LfV die Erteilung
von Aussagegenehmigungen prüfen werde. Sofern V-
Leute von der Staatsanwaltschaft vernommen werden
sollten, werde über die Vernehmungen ein Vermerk er-
stellt, in dem die V-Leute nicht namentlich benannt wür-
den. Außerdem heißt es:
„Grundlage für das vorstehende Ergebnis war die
Tatsache, dass der StA Kassel aus den bisherigen
Ermittlungen ohnehin Namen bekannt sind und die
StA das Recht hat, diese als Zeugen vernehmen zu
lassen. Es ging deshalb nur darum, wie diese Ver-
nehmungen in einer Art gestaltet werden können,
dass die Beziehungen der Zeugen zum LfV nicht
in der Ermittlungsakte später für jeden ersichtlich
sind, der berechtigt Zugang zu diesen Akten erhal-
ten kann. Dem dient die von der StA angebotenen
Art der Protokollierung.
Maßgeblich war auch die übereinstimmende Ein-
schätzung, dass sich der Gegenstand der Befra-
gung nicht auf die Tätigkeit der Zeugen für den
Verfassungsschutz erstrecken würde (weil für die
Ermittlungen ohne Belang).“5476
Mit Schreiben vom 22. August 2006 bat das LfV die
Staatsanwaltschaft Kassel, die Liste der zu hörenden
Zeugen zuzuleiten sowie zu den einzelnen Zeugen präzise
Beweisthema und Ermittlungsziel mitzuteilen. Der Minis-
ter halte sich die Entscheidung aber noch offen.
5477
Nach Aussage des Zeugen Irrgang habe das LfV mit
Datum vom 24. August 2006 ein Gutachten gegenüber
dem Innenministerium abgegeben.
5478
Ein derartiges Gut-
achten findet sich jedoch nicht in den Akten.
Mit Schreiben vom 25. August 2006 übersandte die
Staatsanwaltschaft Kassel dem LfV den Fragenkatalog
der MK „Café“. Es wird betont,
„dass keine Fragen in dienstlichem Zusammen-
hang gestellt werden sollen, es vielmehr um den
‚äußeren‘ Rahmen von Zeiten, Treffen und Er-
scheinungsbild hierbei geht.
Auch der Staatsanwaltschaft Kassel ist daran gele-
gen, Risiken auszuschließen. Vor diesem Hinter-
grund kann auch geprüft werden, die Vernehmun-
gen an einem ‚neutralen‘ Ort durchzuführen, um
eine äußerliche Zuordnung zur Polizei auszu-
5475) MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 296.
5476) Vermerk vom 17. August 2006, MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr.
27/12 – GEHEIM), Anlage 01, Ordner Ia, Bl. 362 f.
5477) Schreiben des LfV vom 22. August 2006, MAT A HE-4/1,
(Tgb.-Nr. 27/12 – GEHEIM), Anlage 01, Ordner Ia, Bl. 367 f
(VS-NfD).
5478) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 93.
Drucksache 17/14600 – 628 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schließen, was ich bisher mit dem Polizeipräsidi-
um Nordhessen noch nicht abgestimmt habe.“5479
Dieser Fragenkatalog liegt dem Ausschuss nicht vor.
Das LfV nahm in einem internen Vermerk vom 8. Sep-
tember 2006 zu dem Fragenkatalog Stellung. Zu der heute
interessanten Quelle aus dem rechtsextremen Bereich, GP
389, heißt es, dass dieser Informant bislang bei Nachfra-
gen von Seiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei
keine Rolle gespielt habe. Das Interesse der Polizei beru-
he auf der Tatsache, dass es sich um einen rechtsextremis-
tischen Zugang handelt, der vor seiner Tätigkeit für den
Verfassungsschutz auch polizeilich in Erscheinung getre-
ten sei (auch Körperverletzung); ein Zusammenhang mit
der Mordserie (Türken ohne Staatsschutz- oder kriminal-
polizeiliche Erkenntnisse) erschließe sich nicht.
5480
Mit Schreiben vom 30. August 2006 rügte das Hessische
Innenministerium gegenüber dem Hessischen Justizminis-
terium, dass der Fragenkatalog nicht als Verschlusssache
des Geheimhaltungsgrads „Geheim“ eingestuft sei. Au-
ßerdem wurde um die Sichtung der Akten durch das LfV
und eine anschließende Besprechung gebeten. Schließlich
wird ausgeführt:
„Die Annahme der Staatsanwaltschaft Kassel, der
äußere Rahmen von Zeiten, Treffen und Erschei-
nungsbild stehe nicht in dienstlichem Zusammen-
hang, erscheint so nicht zutreffend. Im Gegenteil
macht der Vermerk des PP NH [Nordhessen] deut-
lich, dass sich hier die staatsanwaltlichen Ermitt-
lungen auf den Kern der geheim zu haltenden Tä-
tigkeit des LfV Hessen richten und unabsehbare
Risiken für die öffentlichen Sicherheit in Nordhes-
sen herbei führen. Nach vorläufiger Einschätzung
werden vermutlich alle von dem in Verdacht gera-
tenen Mitarbeiter des LfV Hessen geführten Quel-
len abzuschalten sein, wodurch das regionale In-
formationsaufkommen des LfV erheblich beein-
flusst wird. Auch werden wahrscheinlich Schutz-
maßnahmen für die Quellen erforderlich, die so
weit gehen können, dass Quellen und ihre Fami-
lien umziehen müssen.“5481
Das gewünschte Gespräch fand am 12. September 2006
beim Generalstaatsanwalt statt. Der Umgang von Polizei
und Justiz mit geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen
wurde in diesem Gespräch massiv kritisiert: So war ein
Vermerk mit den Nummern der VP des Temme als Tele-
fax an das LfV gesandt worden. Aktenstücke der Staats-
anwaltschaft führten die Namen der Mitarbeiter des LfV
auf. Die Namen der von Temme geführten VP waren in
lediglich „VS-NfD“ eingestuften Unterlagen aufge-
führt.
5482
Der Zeuge Irrgang verwies auf die dem Steuer-
5479) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 455.
5480) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anl. 01, Ordner
V, Bl. 134 ff.
5481) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 462 ff.
5482) Protokoll vom 13. September 2006 der Besprechung vom
12. September 2006, MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 307.
zahler damit aufgebürdeten Kosten und die Risiken durch
einen möglichen Verlust des Zugangs zu gefährlichen
Gruppen.
5483
Im Gesprächsvermerk eines Mitarbeiters des
Hessischen Innenministeriums zum Gespräch beim Gene-
ralstaatsanwalt am 12. September 2006 heißt es:
„Gegen Herrn T. besteht nach Auskunft der StA
(nur) der einfache Verdacht der Beteiligung an der
Mordserie. Dass die gewünschten Vernehmungen
der VP zu einer Verdichtung des Verdachts beitra-
gen werden, sei unwahrscheinlich. Eher sei anzu-
nehmen, dass sie keine weiteren Erkenntnisse
brächten, so dass die Akte geschlossen werden
könne. Da die StA nicht spekulieren dürfe, müsse
sie aus ihrer Sicht auf den beabsichtigten Verneh-
mungen bestehen.
Die VP sollten nicht nach dienstlichen Vorgängen
gefragt werden, sondern danach, ob T. sie bei be-
stimmten Telefonaten und/oder Treffs auf die
Mordserie angesprochen oder ob ihnen Unge-
wöhnliches am Verhalten des T. aufgefallen sei.
[…]
Für den Fall der Erteilung von Aussagegenehmi-
gungen legt die StA Wert darauf, alle in dem An-
forderungsschreiben benannten VP zu vernehmen.
Eine Differenzierung verbiete sich, da nicht auszu-
schließen sei, dass auch nur eine der VP relevante
Angaben machen könne. […]
Uz. wies auf die überragende Bedeutung einiger
der betroffenen VP für die Beurteilung der Sicher-
heitslage hin. Außerdem bestehe neben der Gefahr
der Enttarnung noch das Problem, dass VP die Ar-
beit für das LfV einstellen könnten, wenn sie be-
merkten, dass die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit
durch das LfV nicht gewahrt werden konnte. Nach
dem letzten Bericht des LfV haben allerdings zwei
der VP früher für die Polizei gearbeitet, so dass die
Möglichkeit bestehe, dass sie von der Polizei an-
gesprochen werden könnten, ohne dass dem LfV
Vorhalte gemacht werden könnten. Aus Sicht der
StA ist aber die Vernehmung nur ausgewählter VP
nicht sinnvoll (s.o.).
GStA und StA haben zu verstehen gegeben, dass
sie – da nur ein einfacher Tatverdacht bestehe und
eine Bestätigung des Verdachts durch die Zeugen-
vernehmungen eher unwahrscheinlich sei, Ver-
ständnis dafür hätten, wenn das LfV die erbetenen
Aussagegenehmigungen aus den angesprochenen
Sicherheitsgründen für seine Arbeit nicht erteile.
LOStA W. erklärt, dass er eine solche Entschei-
dung nicht nur nicht kritisieren, sondern – falls er-
forderlich – sie gegenüber der Polizei auch vertei-
digen werde.“5484
5483) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 79.
5484) „Gesprächsvermerk Ermittlungsverfahren Dönermorde“ vom
14. September 2006, MAT B Z-33.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 629 – Drucksache 17/14600
Am 15. September 2006 gab das Innenministerium in
Absprache mit dem LfV für den Minister eine Stellung-
nahme ab, wobei vorgeschlagen wurde, die erbetenen
Aussagegenehmigungen nicht zu erteilen. Es heißt hier:
„Das LfV Hessen hat sich noch nicht abschließen
geäußert, da es der StA möglichst weit entgegen-
kommen will. Jedoch lassen die vom LfV vorge-
legten Stellungnahmen auch ohne ein abschließen-
des Votum des LfV erkennen, dass – bei allem an-
erkennenswerten guten Willen sowohl auf Seiten
der StA wie auf Seiten des LfV – die geplanten
Vernehmungen zu unabsehbaren Gefährdungen im
Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des LfV füh-
ren können. […]
Die StA möchte im Rahmen des Ermittlungsver-
fahrens Spuren weiter bearbeiten, um sicher zu
sein, dass diese als unergiebig abgeschlossen wer-
den können.
Diese Einschätzung der StA über das wahrschein-
liche Ergebnis der geplanten Zeugenvernehmun-
gen wird durch die Berichte des LfV bestätigt. Die
Kontakte des Verdächtigen mit den V-Leuten ent-
halten nichts Auffälliges; sie entsprechen der übli-
chen Arbeitsweise bei der V-Mann-Führung.
Die Vernehmungen aller von dem V-Mann-Führer
geführten Quellen kann – auch bei der kooperati-
ven Haltung der StA – zu einer erheblichen Beein-
trächtigung der künftigen Arbeit des LfV Hessen
führen. Die mit den Vernehmungen verbundenen
Risiken für die Arbeit des LfV stehen in keinem
vernünftigen Verhältnis zu den mit den Verneh-
mungen für die StA erreichbaren Fortschritten,
nämlich eine unergiebige Spur aktenmäßig ord-
nungsgemäß abzuschließen. Dieses Ziel der StA
wird auch durch eine Sperrerklärung erreicht.
Auch diese ermöglicht ihr einen ordnungsgemäßen
Abschluss dieses Teils der Ermittlungen.
Das LfV Hessen hat sich dieser Bewertung ange-
schlossen.“ 5485
Der Innenminister, Volker Bouffier, forderte am 15. Sep-
tember 2006 sein Ministerium auf, noch eine Stellung-
nahme des BfV einzuholen. Das LfV erbat daraufhin mit
Schreiben vom 19. September 2006 eine Einschätzung
des BfV unter Darlegung des Einsatzbereiches der fünf
Quellen aus dem islamistischen Bereich. Außerdem führte
das LfV aus, dass es sich gegenüber dem Innenministeri-
um gegen eine Vernehmung der V-Leute durch Polizei
und Staatsanwaltschaft ausgesprochen habe, da durch eine
Vernehmung und die Nennung in dem Ermittlungsverfah-
ren eine Enttarnung nicht ausgeschlossen werden kön-
ne.
5486
5485) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anlage 01,
Ordner 1b, Bl. 586ff. (VS-NfD).
5486) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anl. 01, Ordner
Ia, Bl. 419 ff.
Nach Aussage des Direktors des LfV, des Zeugen Irr-
gang, empfahl das Votum des BfV eine Verweigerung der
Aussagegenehmigung.
5487
Dem Schreiben des BfV vom 22. September 2006 ist zu
entnehmen, dass das BfV die Ausführungen des LfV
Hessen zur Bedeutung der Quellen und zu den gravieren-
den Auswirkungen auf das Erkenntnisaufkommen der
Verfassungsschutzbehörden bei Enttarnung der Quellen
vollumfänglich geteilt hat. Dieses Schreiben unterzeich-
nete der Abteilungsleiter 6 des BfV, der zum 1. Novem-
ber 2006 die Nachfolge von Herrn Irrgang als Leiter des
LfV Hessen antrat.
5488
Der Präsident des BfV, der Zeuge Fromm, dem der Vor-
gang damals nicht bekannt wurde, hat jedoch ausgesagt,
dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines
Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz.
5489
Stellungnahmen der Polizei fanden nicht Eingang in die
Entscheidung. Die Meinung des Landespolizeipräsidenten
im Innenministerium war, dass „es um einen Sachverhalt
geht, der zwischen LfVH und StA Kassel zu klären
ist.“5490 Entsprechend hat auch der damalige hessische
Innenminister, der Zeuge Bouffier, ausgesagt, dass Herr
Hoffmann von der Polizei nicht der richtige Ansprech-
partner gewesen sei, sondern immer die Staatsanwalt-
schaft.
5491
Schließlich lehnte der hessische Innenminister Bouffier
mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 gegenüber der
Staatsanwaltschaft Kassel die Erteilung der Aussagege-
nehmigungen ab. Das Schreiben lautet in Auszügen:
„auf Grund Ihres Schreibens und der sich daran
anschließenden Kommunikation bin ich nach Ab-
wägung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt,
dass die erbetenen Aussagegenehmigungen nicht
erteilt werden können, ohne dass dem Wohl des
Landes Hessen Nachteile bereitet und die Erfül-
lung öffentlicher Aufgaben erheblich erschwert
würden (§ 76 HBG, § 160 Abs. 4 StPO).
Die gesetzliche Aufgabenstellung des LfV erfor-
dert es, dass dieses Amt auch mit nachrichten-
dienstlichen Mitteln, insbesondere auch mit Ver-
trauensleuten und Gewährspersonen, arbeitet (§ 3
Abs. 2 LfVG). Die von Ihnen erbetenen Aussage-
genehmigungen würden die Erfüllung der Aufga-
ben des LfV Hessen in diesem Kernbereich der
nachrichtendienstlichen Tätigkeit erheblich er-
schweren. Dabei erkenne ich voll an, dass Sie be-
reit sind, durch die Art der Vernehmung und eine
Begrenzung der Fragen die berechtigten Interessen
des LfV Hessen soweit wie möglich zu wahren.
5487) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 86.
5488) Schreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für
Sport vom 30. März 2012, MAT A HE-3, Bl. 5.
5489) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 41 f.
5490) Vermerk von Herrn S. (hessisches Innenministerium) vom
13. Juli 2006, MAT A HE-4, Bl. 74.
5491) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 71.
Drucksache 17/14600 – 630 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Jedoch bitte ich um Verständnis dafür, dass die
geplanten Fragen an V-Leute über ihren V-Mann-
Führer trotz dieses guten Willens nach meiner Ein-
schätzung, die ich aus Geheimhaltungsgründen
hier nicht näher erläutern kann, zu einer Erschwe-
rung der Arbeit des LfV führen würden.“5492
Der Zeuge Irrgang hat ausgesagt, dass die Vernehmung
einer Quelle des Verfassungsschutzes von der Zustim-
mung des Ministers abhängig sei.
5493
Durch die Verpflich-
tungserklärung genieße die Quelle den besonderen Schutz
des Dienstes. Eine Rechtsgrundlage hierfür konnte er
jedoch nicht angeben.
5494
Der Hessische Innenminister,
der Zeuge Bouffier, hat auf die §§ 75 und 76 des Hessi-
schen Beamtengesetzes und § 37 Abs. 3 Satz 4 des Be-
amtenstatusgesetzes verwiesen.
5495
ccc) Gründe für die Verweigerung der Aussa-
gegenehmigung
Der Ausschuss hat sich mit der Frage auseinandergesetzt,
ob die Verweigerung der Aussagegenehmigung nachvoll-
ziehbar und stichhaltig ist.
Der Direktor des LfV, der Zeuge Irrgang, hat ausgesagt,
dass er zu dieser Entscheidung stehe.
5496
Die Gründe seien
vor allem folgende gewesen:
Zunächst sollte der Mitarbeiter Andreas Temme nicht vor
den Quellen bloßgestellt werden. Das Vertrauen der Quel-
len in eine solide und anständige Führung sollte nicht
beeinträchtigt werden. Darüber hinaus habe man gerade
während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutsch-
land nicht auf Quellen verzichten können. Außerdem sei
es ein generelles Risiko gewesen, Quellen zu verlieren
oder in Zukunft nicht mehr anwerben zu können. Die
Spur Temme sei zudem nach seinem Dafürhalten bereits
tot gewesen.
5497
Schließlich sei der Quellenschutz insbe-
sondere deshalb höherrangig als die Interessen der Auf-
klärung bewertet worden, weil sich nicht erschlossen
habe, warum auch die Vertrauensperson aus dem rechts-
extremen Spektrum vernommen werden sollte. Bislang
sei es bei den Ermittlungen nur um mafiöse Strukturen
gegangen.
5498
Der damalige hessische Innenminister, der Zeuge
Bouffier, hat ausgesagt, dass eine direkte Vernehmung der
Quellen nicht zur Aufklärung des Mordes hätte beitragen
können. Umgekehrt wären aber die Sicherheitsinteressen
massiv beeinträchtigt worden.
5499
Eine Befragung durch
das LfV sei von der Staatsanwaltschaft in ihrem Schrei-
ben vom 25. April 2006 selbst vorgeschlagen worden.
5492) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 467.
5493) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 78.
5494) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 100.
5495) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 8.
5496) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 80.
5497) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 61 f.
5498) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 93 f.
5499) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 3.
Dieser Vorschlag der Staatsanwaltschaft sei für ihn im
Hinblick auf seine spätere Entscheidung von erheblicher
Bedeutung gewesen.
5500
Dass die Staatsanwaltschaft nun
im Juli 2006 eine direkte Vernehmung durch die Ermitt-
lungsbehörden beantragt hat, sei für ihn unlogisch gewe-
sen, da man ganz am Anfang, „wenn alles noch heiß sei,
natürlich unmittelbarst vernehmen müsse.“ In den Ermitt-
lungsbehörden habe es wohl unterschiedliche Ansichten
gegeben. Dies zeige auch die Erklärung des Leitenden
Oberstaatsanwalts in Kassel bei der Besprechung vom
12. September 2006, wonach dieser eine Ablehnungsent-
scheidung des Innenministeriums auch gegenüber der
Polizei verteidigen werde.
5501
Für die Versagung der Genehmigung sei wesentlich ge-
wesen, dass die Staatsanwaltschaft gemäß der Bespre-
chung vom 12. September 2006 alle Vertrauenspersonen
des Andreas Temme habe vernehmen wollen, also auch
die Personen aus dem islamistischen Spektrum. Eine
Aussagegenehmigung für die Vertrauensperson aus dem
rechten Spektrum allein wäre kein Problem gewesen. Dies
sei auch angeboten worden. Die Staatsanwaltschaft habe
jedoch auf allen Quellen des Andreas Temme bestanden.
Es sei bei der Abwägung immer um die sehr konkrete
Gefahr gegangen, dass nach einer Enttarnung der Quellen
aus dem Bereich des Islamismus keine Erkenntnisse mehr
über gefährliche Entwicklungen in einer für Hessen und
Deutschland insgesamt bedeutsamen Szene in und um
Kassel zu gewinnen gewesen wären. Er habe noch eine
Stellungnahme des BfV eingeholt. Nachdem dieses zu der
gleichen Bewertung wie das LfV und das Innenministeri-
um gekommen sei, habe es für ihn keine Zweifel mehr
gegeben.
5502
Der Zeuge Bouffier hat weiter ausgeführt, dass er sich
intensiv um die Dinge gekümmert habe. Eine Behinde-
rung der Ermittlungsarbeit im konkreten Fall habe es
durch ihn zu keiner Zeit gegeben. Schließlich sei die
Entscheidung richtig gewesen, auch aus heutiger Sicht.
5503
Auf die Frage, ob sechs Monate von der ersten Anfrage
der Staatsanwaltschaft bis zur ablehnenden Entscheidung
des Ministers ein angemessener Zeitraum sei, hat der
Zeuge geantwortet:
„In einem so komplexen und schwierigen Sach-
verhalt musste sorgfältig gearbeitet und abgewo-
gen werden.“5504
dd) Befragung der Vertrauenspersonen durch
das LfV Hessen
Das LfV befragte anhand eines von der Polizei mit
Schreiben vom 9. November 2006 übersandten Fragenka-
5500) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 7.
5501) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 35 f.
5502) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 10 f., 13.
5503) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 30.
5504) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 72.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 631 – Drucksache 17/14600
talogs
5505
die von Temme geführten Vertrauenspersonen.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2007 übermittelte das LfV
dem PP Nordhessen eine Zusammenfassung der Befra-
gungsergebnisse.
5506
Die von Temme geführten Quellen
machten Angaben zu Dauer und Ablauf der VP-Führung
durch ihn sowie zu Kontakten und Treffen mit Temme an
den Tattagen der Mordserie. Gefragt wurde auch nach
dessen persönlichem und dienstlichem Verhalten und
insbesondere zu Veränderungen in seinem Verhalten nach
dem 6. April 2006.
ee) Sonstige Ermittlungen zu den Vertrauens-
personen
Mit Beschlüssen vom 26. Juni 2006 ordnete das Amtsge-
richt Kassel die Herausgabe der noch vorhandenen Ver-
bindungsdaten der beiden Telefonanschlüsse an, mit de-
nen Andreas Temme am Tattag Kontakt hatte (siehe
oben).
5507
Der Zeuge Hoffmann, der Leiter der Ermittlun-
gen, hat hierzu ausgesagt, dass diese Telekommunikati-
onsüberwachungsmaßnahmen umfassend eingeleitet wor-
den seien, um sämtliche Kontakte, die Andreas Temme
hatte, durchleuchten zu können.
5508
Die Quelle aus dem rechten Bereich, der Zeuge G., wurde
vom BKA am 26. April 2012 vernommen. Der Zeuge gab
an, dass er sich an den Inhalt der beiden von ihm am Tat-
tag mit Andreas Temme geführten Telefonate nicht mehr
erinnern könne. Informationen zu dem Mord in Kassel
habe er nicht. Mögliche Telefonate vom 9. und 15. Juni
2005 (weitere Tattage) wurden in dieser Vernehmung
nicht thematisiert.
5509
b) Vernehmung des Andreas Temme im Aus-
schuss
Herr Temme hat im Ausschuss als Zeuge ausgesagt, dass
er zur Tatzeit aus privaten Gründen am Tatort gewesen
sei und die Tat nicht bemerkt habe.
5510
Er habe auch nicht
gerochen, dass in dem Internet-Café geschossen worden
war.
5511
Dass er sich nicht gleich nach Bekanntwerden des Mordes
bei der Polizei gemeldet hat, hat er wie folgt erklärt:
„Ich war natürlich betroffen, erschreckt. Betroffen,
weil ich ihn […] als sehr netten Menschen ken-
nengelernt habe. Ich war auch erschreckt, weil ich
ja dann auch wusste oder mir dann auch klar wur-
de: Ich bin öfter zu Gast in diesem Café gewesen.
Es baute sich dann in mir auch irgendwo das Ge-
fühl auf, dass es ja natürlich dienstlich nicht gut
ist, dass ich überhaupt in diesem Café gewesen bin
5505) MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 15 ff.
5506) MAT A BY-2/9d, Bl. 1628 ff.
5507) MAT A GBA-4/10f (neu), Bl. 237 ff.
5508) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 112.
5509) Vernehmungsprotokoll, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff.
5510) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 2.
5511) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 19.
– möglicherweise –, privat nicht gut ist wegen der
Chatterei. Ich habe dann – es müsste auch in den
polizeilichen Vernehmungen mehrfach enthalten
sein –, nachdem ich davon erfahren habe, überlegt:
Mensch, du warst doch in der Woche da, und er
saß nicht an seinem Schreibtisch. Wann kann ich
denn da gewesen sein? Und dann habe ich auf
meiner Stempelkarte nachgesehen und habe leider
gesehen: An dem Mittwoch vorher, also am
5. April, habe ich das Büro wohl etwas früher ver-
lassen, und gesehen: An dem Donnerstag – So mit
dem zeitlichen Abstand – Ja, im Grunde genom-
men ging es mir in dem Moment so, wie es heute
oder seit November jedem geht, der davon hört. Er
sagt: Das kann doch gar nicht sein, dass jemand so
dicht da dran ist und bekommt es nicht mit. Ge-
nauso war es für mich festzustellen: Ich war an ei-
nem Tag in dieser Woche dort; an dem Donnerstag
habe ich das Büro zu einer Zeit verlassen, die mich
so ganz nah an diese Sache heranbringt. Ich hielt
es für unmöglich, dass es dieser Donnerstag gewe-
sen sein kann. Ich weiß noch, dass ich kurz vor
meiner vorläufigen Festnahme, nachdem in der
Zeitung auch stand, dass die Polizei die Compu-
terdaten auswertet, irgendwann einmal überlegt
habe: Wie weit gehen die denn wohl zurück? Wer-
den die 24 Stunden zurückgehen? Kommen die
dann noch mal auf mich zu?
Es war natürlich sicherlich ein Fehler, nicht von
mir aus das Gespräch zu suchen, entweder mit der
Polizei direkt oder mit zu einem Vorge- jedenfalls
zu jemandem zu gehen und zu sagen: Ich kenne
dieses Café; ich war sehr zeitnah, ob nun, wie es
sich jetzt herausgestellt hat, im Minuten- oder Se-
kundenbereich – Oder selbst wenn es diese 24
Stunden gewesen wären – Natürlich war es im
Nachhinein betrachtet falsch, nicht auf jemanden
zuzugehen und zu sagen: Hier, da ist was, wo wir
drüber reden müssen. – Aber ich habe es nicht ge-
tan. Dadurch bin ich damals in diese Situation ge-
kommen. Ich hatte Angst. Ich war jung verheiratet.
Meine Frau erwartete unser erstes gemeinsames
Kind. Natürlich hatte ich Angst, ja.“5512
Der Ausschuss hat diese Aussage hinterfragt. Dem Zeu-
gen ist vorgehalten worden, dass er angeblich nichts ge-
hört, gerochen oder gesehen habe. Andere Zeugen aus
dem Internet-Café hätten jedoch Schussgeräusche gehört,
Andreas Temme als ehemaliger Sportschütze jedoch an-
geblich nicht. Nunmehr solle ihm auch noch geglaubt
werden, dass er sich aus Angst vor familiären Schwierig-
keiten nicht bei der Polizei gemeldet habe. Der Zeuge hat
hierzu erklärt:
„Mir ist durchaus bewusst, dass die ganze Abfolge
dieser Geschehnisse natürlich Zweifel hervorruft.
Mir ginge es wahrscheinlich auch nicht anders,
wenn ich nur Beobachter wäre. Zu dem Ursprung
5512) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 19 f.
Drucksache 17/14600 – 632 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ihrer Frage, warum ich dann meiner Frau nicht ge-
sagt habe – eine Teilinformation gegeben habe: Ich
bin in dieser Situation dann nicht mehr pragma-
tisch da rangegangen und habe überlegt: Was sage
ich ihr jetzt? Was sage ich ihr nicht? – Ich bin ge-
fühlsmäßig da rangegangen, habe mich für diese
Internetbesuche, für dieses Chatten dort geschämt,
und deswegen habe ich solche Überlegungen nicht
angestellt.“5513
Auf den Vorhalt, dass bei dem Zeugen im Rahmen der
Durchsuchung am 21. April 2006 rechtsextreme Literatur
gefunden wurde, hat er ausgesagt, dass er sich zwar in
seiner Jugend mit rechtem Gedankengut befasst habe. Je
mehr er sich entwickelt habe, desto mehr sei er jedoch
davon abgerückt. Dies sei schon ganz lange kein Thema
mehr gewesen. Er sei kein Rechtsextremist. Er habe nie-
mals irgendeiner rechten Gruppierung angehört und auch
niemals Kontakt in solche Kreise gehabt. Er habe nie
gehört, dass ihn jemand als „Kleiner Adolf“ bezeichnet
habe. Diesen Namen habe er erstmals in der Berichterstat-
tung der Medien bemerkt.
5514
Über den Besitz der Munition, die ebenfalls im Rahmen
der Durchsuchung am 21. April 2006 sichergestellt wur-
de, hat er ausgesagt, dass er die Schrotpatronen von einer
Schießübung im Schützenverein übrig gehabt habe. Darü-
ber hinaus habe er in den 80er Jahren einen Maschinen-
gewehrgurt mit Manöverplatzpatronen gefunden und zu
Hause aufgehoben.
5515
Das bei ihm aufgefundene Buch über Serienmörder in
Deutschland habe er gekauft, weil er die Buchwerbung
gesehen und das Thema zumindest am Rande dessen
gelegen habe, womit er sich beschäftigt habe, nämlich
über Selbstmordattentäter und Psychologie. Trotzdem sei
ihm die Česká-Mordserie nicht aufgefallen.5516
Zu seinem dienstlichen Bereich hat er angegeben, dass er
V-Mann-Führer gewesen sei und mehrere Quellen aus
dem islamistischen Bereich sowie eine Quelle aus dem
rechten Bereich geführt habe.
5517
Über die Telefongesprä-
che am Tattag mit seiner Quelle aus dem rechten Spekt-
rum hat er ausgesagt, dass es um Geld gegangen sei. Es
sei Anfang April gewesen, weshalb es für die Quelle die
Möglichkeit gegeben habe, Geld zu bekommen. Zunächst
hat er ausgesagt, dass die Quelle ihn mittags angerufen
habe, er sei jedoch mit einer anderen Person unterwegs
gewesen, weshalb er das Gespräch kurz beendet habe,
wahrscheinlich mit dem Hinweis, er melde sich später
noch einmal.
5518
Später hat er diese Aussage auf einen
Vorhalt dahingehend geändert, dass er nicht mehr genau
wisse, ob die Quelle ihn erreicht habe und er ihn inner-
halb weniger Sekunden abgewürgt habe oder ob er die
5513) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 33.
5514) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 14.
5515) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 34 f.
5516) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 44 f., 55
5517) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 4 f.
5518) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 21 f., 25.
Nummer weggedrückt habe.
5519
Am Nachmittag habe er
dann die Quelle zurückgerufen, mit ihr ein bisschen gere-
det und ein Treffen für den nächsten Montag verein-
bart.
5520
Der Ausschuss hat dem Zeugen auch die Aussage seiner
rechten Quelle vorgehalten. Nach dieser Aussage sei der
Zeuge bei dem nächsten Treffen nach dem Mord sehr
nervös gewesen, als das Gespräch auf den Mord in der
Holländischen Straße gekommen sei. Der Zeuge hat hier-
zu ausgesagt:
„Also, an ein Gespräch in diesem Sinne mit der
Quelle darüber kann ich mich nicht erinnern. Dass
ich an diesem Montag möglicherweise nervös war,
weiß ich nicht mehr. Es kann natürlich auch daran
liegen, weil ich ja gesagt habe, dass ich versucht
habe, anhand von meiner Stempelkarte nachzu-
vollziehen: Was war denn da? Deswegen möchte
ich überhaupt nicht ausschließen, dass ich gerade
in diesen Tagen sicherlich nervös gewesen bin.
Und wenn er dann dieses Thema angesprochen
hat, hätte sich natürlich auch diese Nervosität ver-
stärkt. Ich kann mich nicht daran erinnern, ich
kann mich aber auch nicht so sehr an dieses Ge-
spräch erinnern, dass ich jetzt sagen könnte: Die
Quelle lügt mit dem, was er da erzählt. – Ich hatte
keine Erinnerung mehr daran, dass dieses Thema
besprochen worden wäre. Es war keinesfalls Ge-
genstand irgendwelcher dienstlichen Erörterungen
mit ihm. Wenn er es angesprochen hat, hat das
möglicherweise dazu geführt, dass ich nervös
war.“5521
Zu den Angaben der rechten Quelle hat er ausgesagt, er
könne definitiv ausschließen, dass die Quelle Informatio-
nen zu „Sturm 18“, zu Strategien oder Planungen geliefert
hätte.
5522
Auch über Verbindungen der rechten Kasseler
Szene nach Thüringen habe die Quelle nichts berich-
tet.
5523
Er habe möglicherweise am 9. Juni 2005 (Mord an İsmail
Yaşar) mit seiner rechten Quelle telefoniert. Wenn er aber
von seiner Quelle Informationen über solche Geschehnis-
se bekommen hätte, dann hätte er diese auch in Berichts-
form weitergegeben. Nach seinem Wissen habe er mit der
Quelle jedoch nicht über die Mordserie gesprochen. Ihm
sei ja diese Mordserie erst nach dem Mord in Kassel so
richtig bewusst geworden.
5524
Der Ausschuss hat sich ebenfalls mit der Frage beschäf-
tigt, ob die Vermutung der Polizei zutrifft, dass das LfV
den damals Beschuldigten Temme unterstützt habe und es
5519) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 28.
5520) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 22.
5521) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 36.
5522) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 31.
5523) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 46.
5524) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 52 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 633 – Drucksache 17/14600
diesem dadurch möglich gemacht wurde, Informationen
zurückzuhalten.
5525
Der Zeuge hat ausgesagt, dass er die beabsichtigte Ver-
nehmung seiner Quellen durch die Polizei nur am Rande
mitbekommen habe. Er sei zwar nach seiner Suspendie-
rung zu drei Gesprächen beim LfV in Wiesbaden gewe-
sen, außerdem habe er sich mit seiner Dezernatsleiterin
einmal getroffen, dieses Thema sei jedoch nicht erörtert
worden. Es sei bei den Gesprächen in Wiesbaden um sein
Disziplinarverfahren gegangen, bei dem Treffen mit der
Dezernatsleiterin sei seine persönliche Situation bespro-
chen worden.
5526
Das LfV habe ihm auch niemals Hin-
weise oder Ratschläge gegeben, was er gegenüber der
Polizei tun solle. Er habe der Polizei frei und offen über
alles bereitwillig Auskunft gegeben.
5527
3. Zentrale staatsanwaltschaftliche Zustän-
digkeit?
a) Sammelverfahren
Die Staatsanwaltschaft trägt gem. §§ 152, 160 StPO die
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmä-
ßigkeit, aber auch für die Gründlichkeit des Ermittlungs-
verfahrens.
5528
Auf die Frage, wann und in welcher Hin-
sicht er jemals Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit der
Polizei genommen habe, hat der Zeuge Dr. Kimmel ge-
antwortet, dass er sich an einen konkreten Fall jetzt nicht
erinnern könne. Die Polizei schildere gegenüber der
Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen, ihre Maßnahmen,
und sie wende sich an die Staatsanwaltschaft, wenn sie in
irgendeiner Form einen richterlichen Beschluss oder eine
staatsanwaltschaftliche Anordnung benötige.
5529
Mit Verfügung vom 1. April 2004 sandte die Staatsan-
waltschaft Rostock die Akten an die Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth
„mit der Bitte um Übernahme des Ermittlungsver-
fahrens in die dortige Zuständigkeit aus Gründen
des Sachzusammenhangs, dort liegendem Schwer-
punkt der Verfahren, dortiger umfangreicher
SOKO-Arbeit und zeitlich erster Befassung mit
dem Sachverhalt sowie unter Hinweis auf Nr. 25,
26 Abs. 1, 2, Abs. 3, 27, 28, 30 RiStBV i.V.m.
§ 18 BKAG.“5530
Nr. 25 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfah-
ren (RiStBV) lautet:
Sammelverfahren
5525) Vermerk des hessischen Innenministeriums vom 21. Juni 2006,
MAT A HE-4, Bl. 91.
5526) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 6 ff., 20 f.
5527) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 11.
5528) Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 55. Aufl., vor § 141
GVG, RdNr. 1.
5529) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 41 f.
5530) MAT A GBA-4/8b, Bl. 4 f.
Im Interesse einer zügigen und wirksamen Straf-
verfolgung ist die Führung einheitlicher Ermittlun-
gen als Sammelverfahren geboten, wenn der Ver-
dacht mehrerer Straftaten besteht, eine Straftat den
Bezirk mehrerer Staatsanwaltschaften berührt oder
ein Zusammenhang mit einer Straftat im Bezirk
einer anderen Staatsanwaltschaft besteht. Dies gilt
nicht, sofern die Verschiedenartigkeit der Taten
oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht.
Laut einem Vermerk der Staatsanwaltschaft Rostock vom
21. April 2004 waren sich die Staatsanwälte aus Rostock
und München einig, dass ein Sammelverfahren bei der
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sinnvoll sei. Der
Münchner Staatsanwalt
„regte an, nach ggf. erfolgter Ablehnung der Über-
nahme der Ermittlungstätigkeit durch die StA
Nürnberg, StA Dr. Kimmel, gemeinsam mit dem
Hamburger Kollegen im Berichtswege die JuMi´s
[Justizminister] um „Mithilfe“ zu ersuchen.“5531
Der damalige Oberstaatsanwalt Dr. Kimmel wird von der
Nürnberger Polizei über ein Gespräch vom 21. April 2004
wie folgt zitiert:
„Auch sieht er im jetzigen Stadium keinen Anlass,
ein Sammelverfahren für alle Tötungsdelikte bei
der StA Nürnberg-Fürth zu führen, da die Ver-
wendung der selben Waffe noch kein Indiz für ein
und den selben Täter wäre.“
5532
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth lehnte dann auch
die Übernahme mit Verfügung vom 6. Mai 2004 ab. Zur
Begründung heißt es:
„Eine Verfahrensverbindung mit den hier gegen
Unbekannt wegen Mordes zum Nachteil Enver
Şimşek und Abdurrahim Özüdoğru anhängigen
Ermittlungsverfahren ist allein aufgrund des
gleichgelagerten Tatablaufs und sonstiger überein-
stimmender Hinweise zum Täterkreis nicht veran-
lasst.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat über
das Bayerische Staatsministerium des Innern das
Bundeskriminalamt Wiesbaden im (führenden)
Ermittlungsverfahren 103 UJs 115193/01 (wegen
Mordes zum Nachteil Abdurrahim Özüdoğru) er-
sucht, zu der offensichtlich hinter dieser Tat (und
den anderen Taten) steckenden Organisations-
struktur Ermittlungen aufzunehmen und zu vertie-
fen. [...]
Die Führung der Mordverfahren soll – was sachge-
recht ist – bei den einzelnen Kriminalpolizeiin-
spektionen und den örtlich zuständigen Staatsan-
waltschaften verbleiben. Sollte sich im Zuge dieser
Ermittlungen definitiv herausstellen, daß im Täter-
5531) MAT A GBA-4/8b, Bl. 52.
5532) Vermerk der Kriminalpolizeidirektion Nürnberg vom 22. April
2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 34 f.
Drucksache 17/14600 – 634 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
kreis ein persönlicher Zusammenhang mit einer
oder mehreren der anderen Mordtaten besteht, so
wird zu gegebener Zeit die Frage einer Verfah-
rensübernahme neu zu beurteilen sein. Derzeit
lässt sich jedenfalls ein solcher persönlicher Sach-
zusammenhang, der eine Verfahrensübernahme
aufdrängen würde, nicht bejahen.“5533
Eine anschließende Einschaltung des Justizministers in
Mecklenburg-Vorpommern zur Bearbeitung des Verfah-
rens bei einer Staatsanwaltschaft konnte nicht festgestellt
werden.
In Bayern erfolgte allerdings eine Bündelung der fünf
bayerischen Fälle bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-
Fürth. Das bayerische Staatsministerium der Justiz über-
trug mit Schreiben vom 24. Juni 2005 gem. § 147 Nr. 2
GVG die beiden Münchner Ermittlungsverfahren wegen
Mordes zum Nachteil von Habil Kılıç und Theodoros
Boulgarides der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth.
5534
Im Mai/Juni 2006 wurde die Möglichkeit eines staatsan-
waltlichen Sammelverfahrens erneut thematisiert. In ei-
nem Bericht des BKA vom 2. Mai 2006 heißt es:
„Aus Gesprächen auf Fachebene wurde dem Bun-
deskriminalamt inzwischen deutlich, dass derzeit
mit Ersuchen aller betroffenen Bundesländer an
das BKA, die Strafverfolgung zentral zu überneh-
men, eher nicht zu rechnen ist. Bisher ist es noch
nicht einmal gelungen, ein staatsanwaltschaftliches
Sammelverfahren (Nr. 25 ff. RiStBV) sicherzustel-
len, das nach Lage der Dinge am ehesten bei der
Staatsanwaltschaft Nürnberg anzusiedeln wäre.
Ein solches Sammelverfahren ist in jedem Fall ge-
boten. Es wäre im Übrigen die wesentliche und
geeignete Voraussetzung für ein Ersuchen der
dann federführenden Staatsanwaltschaft an das
BKA […].“5535
Das BKA stellte auch in der Steuerungsgruppe fest:
„Bis jetzt wird kein Bedarf eines Sammelverfah-
rens erkannt, vielmehr besteht bis dato die Rege-
lung, dass die fünf bayerischen Fälle durch die StA
Nürnberg/Fürth abgedeckt werden. Für die außer-
bayerischen Fälle bleibt es bei der Zuständigkeit
der jeweiligen Staatsanwaltschaften.
Das BKA ist im Gegensatz zu den Länderdienst-
stellen der Auffassung, dass es sich um einen Fall
mit neun Einzeltaten handelt. Aus dieser Ansicht
resultiert der Vorschlag, ein Verfahren durch eine
Staatsanwaltschaft bearbeiten zu lassen.
Die Frage eines staatsanwaltschaftlichen Sammel-
verfahrens sollte in enger Absprache mit den je-
weiligen Justizverwaltungen Abklärung finden.
5533) MAT A GBA-4/8b, Bl. 6 ff.
5534) MAT A BY-2/2a, Bl. 24.
5535) Bericht des BKA an das BMI vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-
2/20, Bl. 18.
Dieses Vorgehen wurde am Rande der IMK durch
die Teilnehmer zugesagt.“5536
Der Zeuge Dr. Kimmel, der die Nürnberger Verfahren
führte, hat zu einer fehlenden Übernahme der nichtbayeri-
schen Verfahren ausgesagt, dass er mit seinen Staatsan-
waltskollegen aus den anderen Bundesländern einig ge-
wesen sei, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
weiterhin bei jeder Behörde getrennt geführt werden. Er
habe nie ausgeschlossen, dass eine Zuständigkeit der
Staatsanwaltschaft Nürnberg für eine Anklage bezüglich
aller neun Verfahren durchaus gegeben sein könnte, sollte
sich herausstellen, dass der Täter ein und derselbe ist.
5537
b) Zuständigkeit Generalbundesanwaltschaft
aa) Prüfung der Voraussetzungen durch die
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth
Oberstaatsanwalt Dr. Kimmel war sachleitender Staats-
anwalt bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth für die
Ermittlungen zum Mord vom 13. Juni 2001 in Nürnberg
und übernahm nach Feststellung des Zusammenhangs
durch die verwendete gleiche Tatwaffe auch die Zustän-
digkeit für die Ermittlungen zum Mord vom 9. September
2000 in Nürnberg. Ferner war er sachleitender Staatsan-
walt für die Ermittlungen zum Mord vom 9. Juni 2005 in
Nürnberg.5538 Nach dem Mord vom 15. Juni 2005 über-
nahm er auf Weisung des Bayerischen Staatsministeriums
der Justiz vom 24. Juni 2005 die Sachleitung auch für die
Ermittlungen zu diesem Mord sowie zum Mord vom
29. August 2001 in München von der Staatsanwaltschaft
München I.5539 Bis zum 31. Oktober 2008 leitete er die
Ermittlungen in diesen fünf Fällen.5540 Er war in dieser
Zeit Leiter der Abteilung 3 der Staatsanwaltschaft Nürn-
berg-Fürth. Das Hauptaufgabengebiet dieser Abteilung
liegt in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
und der Betäubungsmittelkriminalität.
5541
Als Teilnehmer für die Staatsanwaltschaft Nürnberg-
Fürth an der Sitzung der Steuerungsgruppe vom 6. Juli
2006 war Dr. Kimmel an der Diskussion über die Medien-
strategie beteiligt. Es heißt hierzu im Protokoll:
„Der Vorschlag von Herrn Geier (BAO-
,Bosporus‘) die Einzeltätertheorie aktiv in der Öf-
fentlichkeit zu diskutieren, um so Vermutun-
gen/Behauptungen der Presse zuvor zu kommen,
wurde von allen anderen Dienststellen aus ver-
schiedenen Gründen abgelehnt. Die StA Nürnberg-
Fürth verwies zudem darauf, dass bei allzu inten-
5536) Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe
vom 7. Juni 2006, MAT A BKA-2/21, Bl. 16 f.
5537) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 10 f.
5538) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 2 ff.
5539) Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom
24. Juni 2005, MAT A BY-2/2a, Bl. 24; Kimmel, Protokoll-Nr.
14, S. 3.
5540) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 4.
5541) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 26.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 635 – Drucksache 17/14600
siver Diskussion dieser Hypothese dann auch eine
Zuständigkeit des GBA greifen könnte.“
5542
Dr. Kimmel hat als Zeuge zu diesem Protokoll ausgeführt:
„Also, so wie das da jetzt niedergelegt ist, in dieser
Form – bei einer allzu intensiven Diskussion könn-
te der GBA zuständig sein –, habe ich es mit Si-
cherheit nicht gesagt. Es geht nicht um die Frage
der Diskussion über eine Zuständigkeit des GBA,
sondern es geht um die Frage: Liegen die Voraus-
setzungen, die rechtlichen Voraussetzungen dafür
vor? Der Hinweis ist also vielleicht schief nieder-
gelegt worden.
Mein Hinweis wird in diese Richtung gegangen
sein, dass ich gesagt habe: Wenn wir hier eine
rechtsextreme oder linksextreme oder sonstige
Gruppierung feststellen, die unter die Vorausset-
zungen des § 129a fällt, dann ist der Generalbun-
desanwalt zuständig. Darauf wollte ich aufmerk-
sam machen, und zwar deshalb, weil ich mich in
dieser Runde als der Jurist fühlte. Ich weiß nicht,
ob die Kollegen, die sämtlich im höheren Dienst
der Polizei waren, Juristen waren; das kann ich
nicht beurteilen. Aber es gab öfters die Frage: Da
müssen wir jetzt den Juristen fragen.
Und in diesem Zusammenhang ist es zu verstehen,
dass ich gesagt habe: Wenn insoweit die Voraus-
setzungen vorliegen, dass wir eine derartige Grup-
pierung haben, dann ist der Generalbundesanwalt
zuständig, und zwar nicht in dem Kontext: „Dann
ist zu befürchten, dass der Generalbundesanwalt
zuständig ist“, sondern in dem Kontext: Dann wei-
se ich darauf hin, und dann müssen wir das Ver-
fahren an den Generalbundesanwalt auch abgeben.
[…]
Eine Möglichkeit reicht mir doch nicht aus. Das
kann auch ein geisteskranker Einzeltäter gewesen
sein. Dann ist der GBA garantiert nicht zuständig.
Also, das war ja gerade der Punkt, den wir damals
hatten. Wenn wir Anhaltspunkte dafür gehabt hät-
ten, die diese Richtung verfestigt hätten, wäre es
keine Frage gewesen. Aber diese Anhaltspunkte
waren eben nicht vorhanden.“5543
Im Protokoll der vorherigen konstituierenden Sitzung
vom 18. Mai 2006 heißt es:
„Die Frage der Einzeltätertheorie wurde vor dem
Hintergrund einer möglichen Zuständigkeit des
Generalbundesanwalts kritisch hinterfragt.“5544
Dr. Kimmel nahm an dieser Besprechung jedoch nicht
teil.
5545
Er hat als Zeuge zum Problem der möglichen
5542) MAT A BKA-2/22, Bl. 38.
5543) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 12 f..
5544) MAT A BY-2/3d, Bl. 9.
5545) Teilnehmerliste, MAT A BY-2/3d, Bl. 14.
Zuständigkeit des Generalbundesanwalts wie folgt Stel-
lung genommen:
„Das Gerichtsverfassungsgesetz enthält eine klare
Regelung, wann eine Zuständigkeit des General-
bundesanwalts in Betracht kommt und wann nicht.
Nur anhand dieser Vorschriften richtet sich die
Frage der Zuständigkeit, und die Abgabe eines
Verfahrens kann jetzt nicht nach Gutdünken, per-
sönlicher Empfindung oder Weisung eines Behör-
denleiters erfolgen. Nur wenn die entsprechenden
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine
Zuständigkeit des Generalbundesanwalts gegeben.
Sie dürfen überzeugt sein, dass dies von mir in Zu-
sammenarbeit mit den Kollegen in meiner Behör-
de, in Zusammenarbeit mit dem Generalstaatsan-
walt, in Zusammenarbeit mit dem Leitenden Ober-
staatsanwalt, also dem Leiter der Staatsanwalt-
schaft Nürnberg-Fürth, immer wieder erörtert
worden ist. Und immer wieder hat man gesagt: Ja,
aber wir haben halt nichts, was eine Zuständigkeit
des Generalbundesanwalts begründen könnte. –
Und aus diesem Grunde ist die Abgabe des Ver-
fahrens nicht erfolgt.“5546
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz war laut
Aussage des Zeugen Dr. Kimmel an der Zuständigkeits-
überlegung nicht beteiligt, weil dort die Aktenkenntnis zu
gering gewesen sei. Die konkreten einzelnen Ermittlungs-
schritte seien dort nicht bekannt gewesen. Es seien zwar
Berichte geschrieben worden, jedoch nur zusam-
menfassender Art. Er könne sich auch nicht konkret an
eine Besprechung mit dem Ministerium erinnern, wo dies
als Tagesordnungspunkt vorgesehen war. Es habe jedoch
mit Sicherheit auch immer im Raum gestanden, was mit
dem GBA sei, ob er das Verfahren loswerden könne. Er
habe hierbei immer gesagt, er würde dies gerne tun, aber
er sehe keine Möglichkeit, weil zu wenig Erkenntnisse
vorhanden seien.
5547
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth berichtete die
Ergebnisse der 2. Operativen Fallanalyse vom Mai 2006
nicht an das Bayerische Staatsministerium der Justiz. Mit
Bericht vom 1. Dezember 2006 übersandte die Staatsan-
waltschaft Nürnberg-Fürth zwar die 11. bis
17. Sachstandsberichte der BAO „Bosporus“. Die Überle-
gungen der OFA Bayern zu einem möglichen rechtsex-
tremen Hintergrund finden sich hier nicht.
5548
Die Ermittlungsbehörden gingen grundsätzlich davon aus,
dass ein politischer Hintergrund einer Tat durch ein ent-
sprechendes Bekennerschreiben ausgedrückt wird. Der
Zeuge Dr. Kimmel hat ausgesagt:
„Das Problem beim politischen Hintergrund war
die Tatsache, dass wir eigentlich erwartet haben:
Wenn ein politischer Hintergrund gegeben ist,
5546) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 6.
5547) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 26.
5548) Bericht vom 1. Dezember 2006, MAT A BY-2/2a, Bl. 36 ff.
Drucksache 17/14600 – 636 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dann gibt es diesbezüglich in irgendeiner Form ein
Sich-dazu-Bekennen. Und dieses Sich-dazu-
Bekennen hat uns von Anfang an gefehlt und hat
uns ja die ganze Zeit der Ermittlungen gefehlt, so-
dass man zunächst auf das damals Naheliegendere
zugegangen ist und versucht hat, im Rahmen von
den üblichen Maßnahmen, die bei derartigen Taten
als Ermittlungsmaßnahmen angelegt werden, die
Ermittlungen durchzuführen. Anhand des Opfers,
des Umfeldes des Opfers usw. hat man versucht,
hier irgendetwas herauszufinden und Aufklärung
zu schaffen.“5549
bb) Prüfung der Voraussetzungen durch den
GBA
Im August 2006 prüfte das Referat III 5 des Generalbun-
desanwalts beim Bundesgerichtshof dessen Zuständigkeit
für die Taten der Mordserie unter dem Aktenzeichen 3
ARP 125/06-5.
5550
Diese Prüfung einer Zuständigkeit
wurde zunächst anhand von vier Presseartikeln vorge-
nommen:
– Süddeutsche Zeitung vom 6. August 2006: „Chiffren
eines tödlichen Codes“.
– SPIEGEL ONLINE vom 7. August 2006: „Polizei
erstellt Profil eines Serienkillers“.
– Die Welt (ohne Datum): „Täter wählt Opfer offenbar
zufällig aus“.
– Bild (ohne Datum): „Polizei sicher: Döner-Killer ein
gemeiner Türken-Hasser“.5551
Grundlage der Medienberichte waren Pressemitteilungen
der bayerischen Polizei auf der Grundlage der Hypothese
des Fallanalytikers Horn.
5552
Die Medienberichte hatten
den Tenor, dass die Männer vermutlich deshalb erschos-
sen worden seien, weil der Täter in der Vergangenheit ein
negatives Erlebnis mit einem Türken gehabt habe.
Außerdem erfolgte die Prüfung der Zuständigkeit des
GBA anhand der BKA-Fahndungs-Homepage, auf der die
Parallelen der Mordtaten und „Informationen zum Täter“
dargestellt wurden. Im Internet-Ausdruck, der zur Akte
gelangt ist, heißt es zur Persönlichkeit des Serienmörders,
es sei denkbar, dass diese Person vor der Begehung der
ersten Tat im September 2000 ein Schlüsselerlebnis im
Zusammenhang mit türkischen Staatsangehörigen gehabt
habe. Zum Motiv wurde angegeben, dass sich bei den
Ermittlungen bislang in keinem der Fälle ein konkretes
Motiv ergeben habe.
5553
Mit Verfügung vom 21. August 2006 wurde die Zustän-
digkeit des Generalbundesanwalts verneint.
5554
Dort heißt
5549) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 29.
5550) MAT A GBA-3/004.
5551) Alle Presseartikel: MAT A GBA-3/0004, Bl. 1–10.
5552) Einzelheiten zur 2. OFA siehe F.V.8.
5553) MAT A GBA-3/0004, Bl. 11 ff., insbesondere Bl. 17 f.
5554) MAT A GBA-3/0004, Bl. 20 – 27.
es in dem Abschnitt „Arbeitshypothese der Kriminalpoli-
zei“:
„Die polizeilichen Ermittlungsbehörden fahnden
nach einem Einzeltäter, den nach den bisherigen
Erkenntnissen ‚Hass, Frust oder Enttäuschung‘
motivieren. Die Polizeibehörden gehen dabei da-
von aus, dass die Taten durch ein ‚extrem negati-
ves oder demütigendes Erlebnis‘ des Täters mit
türkisch-stämmigen Menschen ausgelöst wur-
den.“5555
In der Verfügung vom 21. August 2006 werden die von
der Rechtsprechung, insbesondere in der Eggesin-
Entscheidung entwickelten Kriterien zitiert, bei deren
Vorliegen davon auszugehen ist, dass die innere Sicher-
heit der Bundesrepublik beeinträchtigt wird und damit
eine Verfolgungszuständigkeit der Generalbundesanwalt-
schaft vorliegt. Dies ist grundsätzlich in folgenden Fällen
anzunehmen:
– Die Tat richtet sich gegen beliebig herausgegriffene
Mitglieder einer ethnischen Minderheit, die als deren
Repräsentanten angegriffen werden.
– Die Tat ist eingebettet in eine Reihe von schon länger
zu beobachtenden und in ihrer Häufigkeit zunehmen-
den politisch gleichermaßen motivierten rechtextre-
mistischen Straftaten.
– Durch die Taten wird ein allgemeines Klima der
Angst vor willkürlichen und grundlosen Angriffen
beispielsweise gegenüber Ausländern in der gesam-
ten Bundesrepublik Deutschland erzeugt.
– Die Tat ist geeignet, einen Nachahmungseffekt bei
Personen gleicher Gesinnung auszulösen und Solidar-
isierungstendenzen in einzelnen Gesellschaftsschich-
ten zu bewirken.
– Folge der Tat ist eine für die Sicherheitsorgane im-
mer schwerer beherrschbare Gefahrenlage.
– Die Tat schädigt das Ansehen der Bundesrepublik
Deutschland und stört damit die politischen, wirt-
schaftlichen und kulturellen Beziehungen zum Aus-
land.
5556
Hierzu führt die Verfügung des GBA vom 21. August
2006 aus:
„Unabhängig davon, ob einzelne der genannten
Kriterien im vorliegenden Fall möglicherweise
auch zu bejahen sind, ist jedenfalls festzuhalten,
dass nach dem bisherigen Erkenntnisstand keiner-
lei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Täter
aus einer politisch rechtsextremen Motivation her-
aus gehandelt hat. Es ist nichts dafür ersichtlich,
dass er durch die inzwischen neun gezielten Morde
ein politisches Signal für ein rechtsradikales
Staatsgebilde oder eine Ideologie des Inhalts set-
5555) MAT A GBA-3/0004, Bl. 21.
5556) BGH, Beschl. vom 22. Dezember 2000, BGHSt. 46, 238 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 637 – Drucksache 17/14600
zen wollte, dass andere Bevölkerungsgruppen, et-
wa Mitbürger türkischer Nationalität, willkürlich
mörderischen Anschlägen ausgesetzt werden sol-
len. Die gesamten Tatumstände sprechen vielmehr
dafür, dass der Täter persönliche Rache üben will
und seine Opfer zwar gezielt, aber nicht als Reprä-
sentanten einer – im vorliegenden Falle nationalen
– Minderheit treffen möchte, sondern vielmehr
„stellvertretend“ für eine oder mehrere Personen,
die ihm persönlich Schaden oder Leid zugefügt
haben. Weil folglich nicht das Anders- (nämlich
Türkisch-)sein der Tatopfer ausschließlicher Tat-
auslöser ist, sind die Taten nicht geeignet, die in-
nere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
durch die Missachtung ihrer Verfassungsgrundsät-
ze zu beeinträchtigen. Ein politisches- für die Zu-
ständigkeit des Referates III 5 konstitutives –
rechtsextremistisches Tatmotiv liegt im vorliegen-
den Fall nach dem letzten Stand der Ermittlungen
fern.“5557
Diese Verfügung vom 21. August 2006 entwarfen Ober-
staatsanwalt beim BGH Ritscher und Staatsanwalt G. Der
Referatsleiter Bundesanwalt beim BGH Steudl und der
Abteilungsleiter Bundesanwalt beim BGH Hannich billig-
ten dies. Die Verfügung vom 21. August 2006 wurde vom
Referatsleiter in Vertretung für OStA Ritscher und von
StA G. unterschrieben.
5558
Der interne Evaluationsbericht des GBA vom 20. Dezem-
ber 2011 kam zu dem Ergebnis, dass vor dem Hintergrund
der veröffentlichten Arbeitshypothese der Polizei „eine
Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwalt-
schaft aus rechtlichen Gründen nicht möglich“ gewesen
sei.
5559
Auch die Vorsitzende Richterin am BGH a. D. Prof. Dr.
Rissing-van Saan teilte in ihrer Stellungnahme vom
28. Februar 2012 diese Auffassung, da keine Bekenner-
schreiben bekannt gewesen und auch sonst die Tathinter-
gründe dunkel geblieben seien.
5560
cc) Erkenntnisse des Ausschusses
Der Ausschuss hat die Stichhaltigkeit der Vorgehensweise
des GBA geprüft. Eine Auswertung der Akte des GBA
(3 ARP 125/06-5) und die Befragung des Oberstaatsan-
walts beim BGH Ritscher als Zeugen haben Folgendes
ergeben:
aaa) Fehlinterpretation des Tatmotivs
Das in der Verfügung vom 21. August 2006 geschilderte
Tatmotiv (persönliche Rache aufgrund eines extrem nega-
tiven oder demütigenden Erlebnisses des Täters mit tür-
kisch-stämmigen Menschen) findet sich in dieser explizi-
5557) MAT A GBA-3/0004, Bl. 25 f.
5558) MAT A GBA-3/0004, Bl. 27.
5559) MAT A GBA-3/0004, Bl. 36.
5560) MAT A GBA-4/1, Bl. 405 – 429, insbes. Bl. 421 f.
ten Form weder in den Presseartikeln noch auf der BKA-
Homepage (siehe oben). Da die Täter nicht bekannt wa-
ren, wurden dort über ein Motiv auch nur vage Angaben
gemacht. Es wurde vielmehr lediglich eine Hypothese
vorgestellt, indem deutlich gemacht wurde, dass mögli-
cherweise ein negatives Erlebnis mit einem Türken zu-
grunde lag. Die Verfügung vom 21. August 2006 geht
jedoch fest von dem Tatmotiv „persönliche Rache“ aus,
ohne zu erwägen, dass auch andere Motive eine Rolle
spielen könnten. Der Zeuge Ritscher hat diese Fehlinter-
pretation in der Vernehmung vom 30. November 2011
eingeräumt:
„Ich gestehe Ihnen sofort zu, dass das eine sehr
steile These ist, die hier steht, und dass man die
nur - das würde ich heute genauso sehen wie Sie -
sehr bedingt aus diesen Artikeln so rauslesen
kann.“5561
bbb) Ausreichende Tatsachengrundlage für die
Prüfung?
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der GBA im
Rahmen der Prüfung seiner Zuständigkeit weitere Infor-
mationen eingeholt hätte, zum Beispiel Kontakt mit dem
BKA, der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder der
BAO „Bosporus“ gesucht hätte. Die Verfahrensakte des
GBA enthält keine Anhaltspunkte für eine derartige Kon-
taktaufnahme. Auch der Zeuge Ritscher hat angegeben,
ihm sei nicht in Erinnerung, dass mehr Informationen
eingeholt worden wären, als sich aus der Akte ergä-
ben.
5562
Die Akten seien deshalb nicht von den Staatsan-
waltschaften angefordert worden, weil die Prüfung keinen
belastbaren Anhaltspunkt dafür ergeben habe, dass es sich
dabei um ein Staatsschutzdelikt handelt.
5563
Die Durchführung der Prüfung hat er folgendermaßen
beschrieben:
„Ich weiß nur noch, dass wir im Referat diskutiert
hatten, Bundesanwalt Steudl als Referatsleiter, der
Herr G., war sicherlich dabei, ich war dabei. Wer
sonst noch dabei war, weiß ich nicht mehr. Ich
weiß nicht, ob der Herr Dr. S. noch mit dabei war
oder nicht. Wir haben darüber uns unterhalten,
dass wir mal einen Vorgang anlegen und mal prü-
fen, ob das hier, also diese Taten, in die Zustän-
digkeit des Generalbundesanwalts fallen könnten.
Wie gesagt, hier, auf Seite 7 oben, steht ja dann
auch: ‚Herrn StA G. m. d. Bitte um K. und R.‘,
und unterschrieben ist es von Herrn Steudl. Mögli-
cherweise war er der Impulsgeber; ich weiß es
nicht mehr. Ich meine mich noch erinnern zu kön-
nen, dass wir mal beieinandergesessen sind und
darüber gesprochen haben. Wir haben natürlich
auch diese Verfügung vom 21. August 2006 disku-
tiert und auch inhaltlich besprochen. Sie sehen es
5561) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 103.
5562) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 78, 89.
5563) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 78.
Drucksache 17/14600 – 638 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ja: Auf Seite 27 ist es dann vom Referatsleiter ge-
zeichnet, es ist vom Abteilungsleiter gezeichnet
und gebilligt worden, und unterschrieben ist es im
Übrigen dann auch noch in Vertretung. Ich habe
den nicht unterschrieben, sondern Herr Steudl hat
es unterschrieben.“5564
Er hat darüber hinaus eingeräumt, dass die Prüfung der
Zuständigkeit auf einer unzureichenden Tatsachengrund-
lage erfolgt sei:
„Ich würde das natürlich heute anders machen, und
es tut mir auch leid, dass es so gelaufen ist, unge-
achtet des Umstands oder ungeachtet der Frage,
ob - - wie die Ermittlungen gelaufen wären, wenn
wir sie geführt hätten, und ob man dann eher den
Tätern auf die Spur gekommen wäre. Aber das ist
eine ganz andere Frage, die rein spekulativ ist.
Wie gesagt, ich kann immer wieder nur sagen: Es
ist damals so gewesen. Wir haben diesen ARP-
Vorgang damals aus eigenem Antrieb heraus ange-
legt, ohne dass irgendeine Staatsanwaltschaft auf
die Idee gekommen wäre oder auch irgendeine Po-
lizeibehörde, uns diese Fälle vorzulegen. Ich mei-
ne, es ist ja auch schon bemerkenswert, das kann
man ja an dieser Stelle; das wird Ihnen sicherlich
auch aufgefallen sein -, dass es erst im April 2006
nach Tötung des letzten Tatopfers mit Migrations-
hintergrund passiert ist und nicht schon vorher. Es
ist so. Es tut mir leid.“ 5565
dd) Weitere Prüfung der Übernahme des Ver-
fahrens durch den GBA nach neuem Hin-
weis
Mit Telefax vom 27. September 2006 übersandte die
Staatsanwaltschaft Dortmund dem GBA einen Vermerk
über die Befragung eines Hinweisgebers aus der JVA
Dortmund. Danach gab der Hinweisgeber an, er könne
gegen eine Vertraulichkeitszusage und Vergünstigungen
im Strafvollstreckungsverfahren die Namen von Tatver-
dächtigen der kurdischen Gruppierung PKK/KONGRA-
GEL nennen.
5566
Der GBA begründete seine Unzuständigkeit damit, dass
die bislang unkonkrete Selbstbezichtigung des Hinweis-
gebers und insbesondere die von ihm behaupteten Kon-
takte zur Führungsebene der PKK zweifelhaft seien.
5567
Die Ermittlungsbehörden in Dortmund verfolgten diesen
Hinweis nicht weiter, nachdem in einem weiteren Ge-
spräch der Hinweisgeber einige überprüfbare Angaben
gemacht hatte, die sämtlich durch Ermittlungen widerlegt
wurden. Gegen den Hinweisgeber wurde ein Verfahren
wegen eines Verstoßes gegen § 145d StGB (Vortäuschen
einer Straftat) eingeleitet und sodann – da der Beschuldig-
5564) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 79.
5565) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 91 f.
5566) Vermerk vom 26. September 2006, MAT A GBA-3/5, Bl. 6 ff.
5567) Verfügung vom 28. September 2006, MAT A GBA-3/5, Bl. 2.
te in sein Heimatland abgeschoben worden war – gemäß
§ 154b StPO (Auslieferung oder Ausweisung aus dem
Bundesgebiet) eingestellt.
5568
5568) Schreiben der StA Dortmund an dem GBA vom 6. März 2012,
MAT A GBA-4/2, Bl. 186 ff., 190.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 639 – Drucksache 17/14600
G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A.
Die aktuellen Ermittlungen zu beleuchten, gehörte aus-
drücklich nicht zum Auftrag des Ausschusses – schon um
jede Beeinträchtigung einer rechtlich einwandfreien
Durchführung des Strafverfahrens zu vermeiden. Der
Ausschuss hat aus der Beweisaufnahme den Eindruck
gewonnen, dass in diesem Fall viele Fragen nicht ab-
schließend geklärt sind. Die 2013 erfolgte Bildung der EG
„Umfeld“ durch die Landesregierung Baden-Württemberg
unterstreicht, dass dies nicht nur der Ausschuss so sieht.
I. Überblick über Tatgeschehen und Ermitt-
lungen
Den Ermittlungsberichten der Soko „Parkplatz“ vom
8. Februar und 20. Juli 2012
5569
lässt sich folgendes Tat-
geschehen entnehmen:
Am 25. April 2007 verrichteten Polizeimeisterin Kiese-
wetter und Polizeimeister A., Angehörige der Bereit-
schaftspolizei Böblingen, ab 9.30 Uhr ihren Dienst im
Rahmen des Konzeptionseinsatzes „Sichere City“ im
Stadtgebiet Heilbronn. Nach einer Schulungsveranstal-
tung auf dem Polizeirevier Heilbronn verließen sie zwi-
schen 13.30 und 13.45 Uhr mit ihrem Streifenwagen,
einem BMW 5er-Kombi mit dem Kennzeichen GP-3464,
das Polizeirevier. Sie fuhren auf die Theresienwiese in
Heilbronn, um dort im Schatten eines Stromverteilerge-
bäudes eine kurze Pause zu machen. Bis zu diesem Zeit-
punkt soll es laut Aussage von Martin A. keinerlei beson-
dere Vorkommnisse im Rahmen der Streifentätigkeit
gegeben haben. Es wurden lediglich einige Kontrollen
durchgeführt. Bereits am späten Vormittag hatte sich die
Streifenwagenbesatzung Kiesewetter/A. für eine Pause am
späteren Tatort aufgehalten.
Die Rekonstruktion des möglichen Tathergangs führte
laut Ermittlungsbericht zu folgenden wesentlichen Ergeb-
nissen:
„Die beiden Polizeibeamten saßen bei offenen Tü-
ren und Fenstern, ohne den Sicherheitsgurt ange-
legt zu haben, im Streifenwagen.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
näherten sich mindestens zwei Schützen von hin-
ten, aus dem Schutz der Rückwand des Transfor-
matorenhauses kommend, dem Streifenwagen und
traten rechts und links (der Weg zur Fahrertüre
war minimal länger) an diesen bis auf Höhe der
Vordertüren heran.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde von den Poli-
zeibeamten der auf der Beifahrerseite herantreten-
5569) MAT A GBA-4/15a, Bl. 12-247 und MAT A GBA-4/19, Bl. 34
ff.
de Täter zuerst wahrgenommen, da beide ihre
Aufmerksamkeit in diese Richtung lenkten, was
mit ihrer Kopfhaltung im Moment der Schussab-
gabe korrespondierte.
Die Täter eröffneten auf PM A. und PM’in Kiese-
wetter das Feuer aus zwei unterschiedlichen Waf-
fen der Kaliber 7,62 mm und 9 mm und schossen
den beiden Polizeibeamten mit jeweils einem
Schuss gezielt in den Kopf, was mit den vorgefun-
denen Patronenhülsen korrespondiert.“5570
Die Täter entwendeten den Opfern ihre Dienstwaffen
(zwei Pistolen Heckler & Koch, Modell P 2000), drei
Magazine mit insgesamt 39 Patronen (Kaliber 9 mm),
eine Handschelle (Marke Clejuso), ein Reizstoffsprühge-
rät (Marke Hoernecke), eine Taschenlampe (Mini-Mag-
Lite) sowie ein Multifunktionstool der Marke
Victorinox.
5571
Kurz nach 14 Uhr entdeckte der Zeuge S. das Streifen-
fahrzeug im Bereich der Theresienwiese. Aus der Nähe
konnte er erkennen, dass ein Polizeibeamter mit blutver-
schmiertem Hemd aus der geöffneten Tür heraushing. Er
fuhr daraufhin sofort mit seinem Fahrrad Richtung Bahn-
hof, wo er auf den Taxifahrer K. traf und diesen infor-
mierte. Um 14.12 Uhr gab dieser die Information an das
Polizeirevier Heilbronn weiter. Die Polizeibeamten Kie-
sewetter und A. wurden von der am Tatort eintreffenden
Streife blutüberströmt in ihrem Streifenwagen neben dem
Stromverteilergebäude im nördlichen Parkplatzbereich
der Theresienwiese aufgefunden. Durch die zeitgleich
eintreffende Notärztin wurde der Tod von Polizeimeiste-
rin Kiesewetter festgestellt. Polizeimeister A. wurde mit
lebensgefährlichen Kopfverletzungen in das Krankenhaus
Ludwigsburg eingeliefert. Beide Beamte wiesen Kopf-
schüsse auf.
Zur Durchführung der Ermittlungen wurde bei der Poli-
zeidirektion Heilbronn die Soko „Parkplatz“ eingerichtet.
Diese wurde im Februar 2009 in das Landeskriminalamt
Baden-Württemberg überführt.
Zu den ersten Ermittlungsmaßnahmen zählte eine Tatort-
bereichsfahndung im Radius von fünf Kilometern um den
Tatort sowie eine Ringalarmfahndung. Des Weiteren
wurden Spezialeinheiten, mehrere Polizeihubschrauber
sowie alle in Heilbronn und Umgebung verfügbaren Poli-
zeikräfte zusammengezogen und in die ersten Ermitt-
lungshandlungen eingebunden. Hierzu zählten laut Er-
mittlungsbericht die Verständigung der Taxizentralen, die
Absuche möglicher Fluchtwege, die Überprüfung von
5570) MAT A GBA-4/19, Bl. 44.
5571) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (390) (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 640 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Gaststätten in Tatortnähe, die Feststellung von Kennzei-
chen sämtlicher Kraftfahrzeuge, die in Tatortnähe geparkt
hatten sowie die Erstbefragung möglicher Tatzeugen.
Dadurch sollten mögliche Tatzeugen und sonstige Aus-
kunftspersonen festgestellt werden. Unmittelbare Tatzeu-
gen konnten im Rahmen dieser Maßnahmen jedoch nicht
ermittelt werden.
Kriminaloberrat Axel Mögelin, der die Soko „Parkplatz“
beim LKA Baden-Württemberg vom 1. August 2010 bis
zum 8. November 2011 leitete, hat in seiner Vernehmung
vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, dass mehrere
Umstände die Ermittlungen in diesem Mordfall wesent-
lich erschwert hätten: Zum einen habe es zwar zahlreiche
Zeugen gegeben, jedoch hätten deren Hinweise nicht zu
einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt werden
können. Die Soko habe bis November 2011 über 5 000
Einzelspuren verfolgt, über 300 Maßnahmen durchgeführt
und mehr als 1 000 Hinweise bearbeitet. Die sich daraus
ergebenden Daten hätten jedoch nicht sinnvoll zu einem
stimmigen Bild kombiniert werden können.
II. Operative Fallanalysen
Die 1. Operative Fallanalyse (OFA) wurde am 21. Mai
2007 erstellt. Darin ging man von zwei Schützen aus, die
mit zwei unterschiedlichen Tatwaffen nahezu zeitgleich
Schüsse abgegeben haben sollen. Bei der anschließenden
Flucht soll wahrscheinlich zunächst ein Ort aufgesucht
worden sein, an dem die Täter sich reinigen beziehungs-
weise umziehen konnten, weil beide Täter, insbesondere
der Täter auf der Fahrerseite, Blutspuren der Opfer auf-
weisen mussten. Die Motivstruktur beider Täter wurde
wie folgt umschrieben:
– Wegnahme von Waffen und Ausrüstungsgegenstän-
den spielte eine zentrale Rolle,
– Persönliches Rachemotiv als primäres Ziel eher aus-
geschlossen,
– Realisierung eigener Überlegenheitsbedürfnis-
se/Wiedergutmachung erfahrener Unterlegenheit ge-
genüber der Polizei/Machtdemonstration.
Abschließend wurde festgestellt, dass die Täter der örtli-
chen kriminellen Szene zuzuordnen sein dürften.
5572
Nachdem sich Ende März 2009 herausgestellt hatte, dass
sich hinter der Spur zu der DNA einer unbekannten weib-
lichen Person (uwP) lediglich verunreinigte Wattestäb-
chen verbargen,
5573
wurde am 7. April 2009 in einer Be-
sprechung zwischen KR Huber, KHK Zeiner, KHK Fal-
kenstein und KHK Tröster festgelegt, dass die Soko nach
dem Verwerfen der Serienhypothese „uwP“ und der nun-
mehr ausschließlichen Konzentration auf den
„Polizistenmord“, nach wie vor an einer Einbindung der
Operativen Fallanalyse interessiert sei.“5574
5572) MAT A GBA-4/2, Bl. 244, 299 ff.
5573) Näheres hierzu unter: G.IV
5574) MAT A GBA-4/2, Bl. 310 f.
Daraufhin wurde durch das LKA Baden-Württemberg am
22. Mai 2009 eine weitere Fallanalyse erstellt. Darin
wurde festgestellt,
„dass das Motiv der Tat eher nicht im Bereich rati-
onal nachvollziehbarer Beweggründe liegt, wie
Bereicherung, Raub von Polizeiausrüstung oder
Verdeckung. Auch persönlich begründete Motive
im Zusammenhang mit einer gemeinsamen Vorge-
schichte eines der beiden Opfer oder der Täterseite
erscheinen eher unwahrscheinlich.“5575
In der Fallanalyse findet sich auch eine Stellungnahme zu
möglichen politischen Hintergründen:
„Ein politisch motivierter Anschlag ‚gegen Staats-
organe‘ ist eher auszuschließen. Es fehlt an einem
Bekennerschreiben und die Tat weist insgesamt zu
viele Elemente einer allgemeinkriminellen Tat
auf.“5576
Diese Passage ist dem Zeugen Mögelin vom Untersu-
chungsausschuss vorgehalten worden. Der Zeuge hat
darauf erwidert, eine OF-Analyse (OFA) sei lediglich eine
Ermittlungshilfe für den Soko-Leiter. Sie gebe eine Ein-
schätzung ab, der man folgen oder die man ablehnen
könne. Der Zeuge ist gefragt worden, ob es in den Überle-
gungen der Soko eine Rolle gespielt habe, dass Polizisten
als Feindbilder der rechten Szene schon häufiger Opfer
von Neonazis geworden seien. Daraufhin hat der Zeuge
erklärt, dass im vorliegenden Fall keinerlei Hinweise auf
einen etwaigen Bezug zur rechten Szene vorgelegen hät-
ten.
5577
Weiter konstatierte die OFA, es werde nach wie vor von
einer Motivkonstellation ausgegangen, die aus einer
Kränkung, einer massiven Verärgerung, erlebten Demüti-
gungen oder Degradierungserlebnissen in der Vergangen-
heit rühre und entsprechende Rachefantasien in Gang
gesetzt habe.
Abschließend wurde in der Fallanalyse angenommen,
dass die Täter einen regionalen Bezug zum Raum Heil-
bronn aufwiesen. Es wurde davon ausgegangen, dass sich
zumindest einer der Täter bereits des Öfteren in der Nähe
des Tatortes aufgehalten habe. Wörtlich heißt es:
„Die Tatsache, dass eine sehr hohe Belohnung
ausgesetzt ist und bislang keinerlei sachdienliche
Täterhinweise zu verzeichnen sind, legt den
Schluss nahe, dass es, wenn überhaupt, nur einen
sehr eingeschränkten ‚Mitwisserkreis‘ gibt oder
dass sich die Täter in Kreisen bewegen, in denen
ein sehr strenger Ehrenkodex eine Zusammenar-
beit mit staatlichen Behörden verbie-
tet/verhindert.“5578
5575) MAT A GBA-4/2, Bl. 244 f.
5576) MAT A GBA-4/2, Bl. 245.
5577) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 53 f.
5578) MAT A GBA-4/2, Bl. 244 f., 310 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 641 – Drucksache 17/14600
Der Zeuge Mögelin hat in seiner Vernehmung vor dem
Untersuchungsausschuss dargelegt, dass die Erkenntnisse
der Operativen Fallanalyse einen Ermittlungsschwerpunkt
der Sonderkommission bildeten. Es seien mehrere Perso-
nen aus dem polizeilichen System herausgefiltert worden,
die unterschiedlichen Rastern entsprächen. Unter anderem
sei der These, dass die Täter einen örtlichen Bezug nach
Heilbronn haben könnten, nachgegangen worden.
5579
III. Handelte es sich um Zufallsopfer?
In dem Ermittlungsbericht der Soko „Parkplatz“ vom
29. April 2010
5580
wird ausgeführt, dass das Streifenteam
Kiesewetter/A. am Tattag zum ersten Mal zusammen fuhr.
Martin A. war darüber hinaus zum ersten Mal im Rahmen
des Konzeptionseinsatzes „Sichere City“ in Heilbronn.
Michèle Kiesewetter war letztmalig am 3. April 2007 in
Heilbronn eingesetzt. Sie entschied sich kurzfristig –
entgegen der ursprünglichen Planung – an diesem Tag
Dienst zu machen. Erst am Wochenende wurde per SMS-
Kontakt geklärt, dass sie an diesem Tag zusammen mit
Martin A. fahren würde. Diese Information konnte daher
auch nur einem sehr begrenzten Personenkreis bekannt
gewesen sein. Wäre es den Tätern darauf angekommen,
gerade diese beiden Personen zu überfallen bzw. zu töten,
wären Insiderkenntnisse oder eine umfangreiche Observa-
tion der beiden Opfer im Vorfeld erforderlich gewesen.
Laut Ermittlungsbericht ist der Platz auf der
Theresienwiese neben dem Trafo-Gebäude polizeiintern
bei der Bereitschaftspolizei als Rückzugsraum oder Pau-
senplatz bekannt und wurde in vorangegangener Zeit
bevorzugt und gerade auch zur tatrelevanten Zeit (Mit-
tagszeit/früher Nachmittag) entsprechend genutzt.
Im Ausschuss ist hinterfragt worden, ob dieser Pausen-
platz tatsächlich regelmäßig von den Beamten der Bereit-
schaftspolizei genutzt werde, da diese in Vernehmungen
nach dem 4. November 2011 größtenteils angaben, diesen
Platz gar nicht oder nur selten für Pausen zu nutzen. Der
Zeuge Mögelin hat in seiner Vernehmung vor dem Unter-
suchungsausschuss erläutert, dass in der relevanten Zeit-
spanne um den Tattag – insbesondere zwischen dem 16.
und dem 25. April 2007, einem Zeitraum, in dem die
Täter das Wohnmobil gemietet hatten – fast täglich um
die Mittagszeit ein Streifenwagen an dieser Stelle Pause
machte.
5581
Weiterhin ist im Ausschuss thematisiert worden, ob der
Umstand, dass der für den Tatzeitraum vermutlich von
Böhnhardt abgeschlossene Mietvertrag für ein Wohnmo-
bil nachträglich verlängert wurde, als Indiz für eine ge-
zielte Opferauswahl gewertet werden müsse: Der Miet-
zeitraum endete nach dem ursprünglichen Mietvertrag
bereits am 16. April 2007, jedoch ist durch Zeugenaussa-
gen nachgewiesen, dass vermutlich Böhnhardt das
Wohnmobil über den Tattag des 25. April hinaus zumin-
5579) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 4.
5580) MAT A GBA-4/4a, Bl. 268, 269.
5581) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 14.
dest bis zum Abend des 26. April 2007 bzw. bis zum
Morgen des 27. April 2007 in Besitz hatte.
5582
In der Presse war Ende 2011 – eine Bemerkung von
BKA-Präsident Ziercke aufgreifend – spekuliert worden,
dass es sich beim Mord an Frau Kiesewetter um eine
„Beziehungstat“ handeln könne. Ziercke hatte in der 58.
Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
am 21. November 2011 ausgesagt:
„Im Hinblick auf den Mord an der jungen Polizis-
tin in Heilbronn, der ja eigentlich in das Schema so
gar nicht hineinpasste und wo von Anfang an die
Frage war: ‚Was kann man daraus für eine Hypo-
these entwickeln?‘, zeigt sich eine erstaunliche
Veränderung. Wir gehen inzwischen davon aus,
dass es sich hier um ein Beziehungsdelikt handeln
könnte, ein Beziehungsdelikt, das darauf zurückzu-
führen ist, dass 2007 im Umfeld der Familie der
jungen Polizistin eine Gaststätte angemietet wer-
den sollte, man aber nicht zum Zuge kam, sondern
dass einer unserer jetzt Beschuldigten diese Gast-
stätte gemietet hat, um dort seine rechtsradikale
Szene zu empfangen.“5583
Laut dem BKA-Bericht „Opferumfeldermittlungen –
Maßnahme 321“ vom 20. März 2012 hat die umfassende
Überprüfung allerdings keine Anhaltspunkte dafür erge-
ben, dass die Beweggründe der Tat am 25. April 2007 in
einer wie auch immer gearteten Vorbeziehung der Opfer
zu den Tatverdächtigen Böhnhardt, Mundlos oder Zschä-
pe liegen könnten.
Der Zeuge Mögelin hat ausgesagt, es seien über 200 Ver-
nehmungen im gesamten Umfeld von Frau Kiesewetter
durchgeführt worden. Nach dem 4. November 2011 sei
gezielt das Umfeld von Frau Kiesewetter nicht nur in
Thüringen eingehend untersucht worden. Jedoch seien
keinerlei Hinweise gefunden worden, dass die Familie
oder Frau Kiesewetter irgendwelche Kontakte in die rech-
te Szene hätten oder selbst der rechtsextremen Szene
angehörten.
Auch habe man weder beim LKA Baden-Württemberg
noch beim parallel arbeitenden Einsatzabschnitt „Thürin-
gen“ des BKA Hinweise auf einen gezielten Anschlag auf
die Personen Kiesewetter oder A. gefunden.
5584
Auf Nachfrage hat der Zeuge Mögelin erklärt, dass auch
keine Hinweise darauf gefunden wurden, dass Kiesewet-
ter bereits zuvor in irgendeiner Weise Opfer der rechten
Szene gewesen sei.
5585
Die Zeugen Mögelin und Meyer-Manoras, Erster Staats-
anwalt bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn, haben vor
dem Untersuchungsausschuss ferner angegeben, dass ein
zielgerichteter Personenanschlag auf Kiesewetter und A.
5582) MAT A GBA-4/19, Bl. 75.
5583) Protokoll-Nr. 17/58, 58. Sitzung des Innenausschusses des
Deutschen Bundestages, S. 6 f.
5584) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 6, 45.
5585) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 51.
Drucksache 17/14600 – 642 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
oder zumindest auf eine dieser beiden Personen zwar nie
ausgeschlossen wurde, jedoch grundsätzlich davon ausge-
gangen wurde, dass sich die Tat gegen die Polizei als
Institution beziehungsweise gegen Staatsvertreter richte-
te.
5586
Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, weshalb
bei einem Polizistenmord nicht an eine extremistische
oder terroristische Motivation gedacht worden sei. Der
Zeuge Meyer-Manoras hat erklärt, es habe keinerlei Hin-
weise gegeben, die darauf hindeuteten. Von Seiten des
Ausschusses ist dies vor dem Hintergrund kritisiert wor-
den, dass Neonazis ihre Taten nicht nur gegen Migrantin-
nen und Migranten, sondern gerade auch gegen Polizisten
richten.
5587
IV. Suche nach einer unbekannten weiblichen
Person (uwP)
Am 31. Mai 2007 teilte das Landeskriminalamt Baden-
Württemberg der Heilbronner Soko „Parkplatz“ mit, dass
am Dienst-Kfz von Michèle Kiesewetter und Martin A.
eine DNA-Spur sichergestellt worden sei. Deren Profil
stimme überein mit dem Profil einer unbekannten weibli-
chen Person („uwP“), welches an zahlreichen Tatorten im
In- und Ausland festgestellt worden sei.
5588
Die Ermittler wähnten sich auf einer heißen Spur nach
dem „Phantom“, wie die unbekannte Frau rasch in den
Medien genannt wurde.
5589
Intensive Ermittlungen im In-
und Ausland führten jedoch nicht zum Ziel. 2009 erwies
sich diese DNA-Spur endgültig als Trugspur. Es konnte
nachgewiesen werden, dass die im Rahmen der Spurensi-
cherung an den Tatorten der vorgeblichen Spurfunde
verwendeten Wattestäbchen die Spuren vortäuschten, da
sie durch eine DNA-Antragung einer Mitarbeiterin des
Herstellers verunreinigt waren.
5590
Der Ausschuss hat hinterfragt, ob die anfängliche Kon-
zentration auf die sogenannte „Phantom-Spur“ die Ermitt-
lungen fehlgeleitet und dazu geführt habe, dass man ande-
re Ermittlungsansätze zurückgestellt und insbesondere
weitere genetische Spuren, wie beispielsweise die in Tat-
ortnähe aufgefundenen blutverschmierten Taschentücher,
nicht mit der gebotenen Intensität untersucht hat.
5591
Der Zeuge Mögelin hat erklärt, dass die Prioritätensetzung
bei der Verfolgung einer Spur notwendigerweise zu einer
gewissen Bindung von Personal- und Sachressourcen
führe, jedoch andere Spuren weiterhin parallel verfolgt
5586) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 51 und Meyer-Manoras, Proto-
koll-Nr. 29, S. 68.
5587) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 68.
5588) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (Bl. 422 f.) (VS-NfD).
5589) Süddeutsche Zeitung vom 19. Dezember 2008, „Weitere Spur
vom ‚Heilbronner Phantom‘“.
5590) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (Bl. 423 f.) (VS-NfD).
5591) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 11.
würden.
5592
Die Ermittlungsergebnisse seien nach Auflö-
sung der Spur zur unbekannten weiblichen Person noch
einmal umfassend überarbeitet worden. Als er die Soko
2010 übernommen habe, sei nochmals ein umfassendes
Controlling durchgeführt worden, um sicherzustellen,
dass man durch Verfolgung der „uwP“-Spur nicht andere
tatrelevante Hinweise übersehen habe.
5593
Auch der Zeuge
Erster Staatsanwalt Meyer-Manoras hat vor dem Untersu-
chungsausschuss bekräftigt, dass seiner Auffassung nach
keine entscheidenden Spuren wegen der Suche nach dem
so genannten „Phantom“ liegen geblieben seien.5594
Im Untersuchungsausschuss ist auch die Frage erörtert
worden, ob die Tatsache, dass die Taten sowie die Tatorte
der mutmaßlichen unbekannten weiblichen Person keiner-
lei Zusammenhang aufwiesen und nicht zu einem sinnvol-
len Gesamtbild zusammenzufügen waren, nicht zu Zwei-
feln an der DNA-Spur hätte führen müssen.
5595
Hierzu hat
der Zeuge Meyer-Manoras ausgeführt, dass er sich zu-
nächst nicht einmal habe vorstellen können, dass die Ta-
ten von einer Frau begangen worden sein sollen. Der
fehlende Zusammenhang habe zu zunehmenden Zweifeln
bei ihm geführt. Jedoch hätten Wissenschaftler bis De-
zember 2008 bekräftigt, dass ein Irrtum ausgeschlossen
sei. Zudem habe es Überprüfungen dieser Spur gegeben.
Beispielsweise habe das Kriminaltechnische Institut des
Landeskriminalamtes im April 2008 300 oder 500 Blind-
proben überprüft, mit negativem Ergebnis.
5596
Dennoch
hat der Zeuge eingeräumt:
„Aber ich hätte offensiv der Öffentlichkeit – -
Oder: Ich hätte darauf hinwirken müssen – ich sel-
ber hätte es gar nicht machen müssen –, dass man
der Öffentlichkeit sagt: Wir haben erhebliche
Zweifel, und das kann aus kriminalistischer Sicht
eigentlich nicht sein, und wir arbeiten mit Hoch-
druck dran, um den Fehler herauszufinden.“5597
Bei auftretenden Fehlern in der DNA-Analyse werde
zwar zunächst an Verunreinigungen gedacht, jedoch habe
er dies für ausgeschlossen gehalten, da es eine entschei-
dende Fehlinformation aus Österreich gegeben habe: Die
Kollegen hätten bis zum Frühjahr 2009 angegeben, andere
Wattestäbchen zu verwenden, erst später sei dieser Irrtum
korrigiert und klargestellt worden, dass die Österreicher
die selbe Sorte Wattestäbchen verwendeten wie die deut-
schen Kollegen.
5598
V. Tatverdacht gegen Angehörige der Min-
derheiten Sinti und Roma
Der Ausschuss hat sich mit der Frage auseinandergesetzt,
wie es zu einer öffentlichen Berichterstattung kam, in der
5592) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 11.
5593) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 23.
5594) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 62.
5595) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 60.
5596) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 61.
5597) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 61.
5598) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 61.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 643 – Drucksache 17/14600
ein Tatverdacht gegen Angehörige der Minderheiten Sinti
und Roma geäußert wurde. Beispielsweise führte der
stern in einem Artikel „Die Jagd nach dem Phantom“
vom 29. Juni 2007 aus:
„Die Fahnder recherchieren auch bei den Mitglie-
dern von ‚mobilen sozialen Gruppen‘ wie Sinti und
Roma, doch die sind schwer zu erfassen. ‚Diese
Gruppen kann man nicht flächendeckend spei-
chern‘, sagt der Freiburger Kriminalhauptkommis-
sar Bruno Bösch. […] Die Spur in Kreisen der Sin-
ti und Roma gilt im Moment in Heilbronn als die
heißeste. Offiziell will das niemand bestätigen,
aber ‚wir prüfen auch intensiv im Zigeunermilieu‘,
sagt ein Ermittler vage und politisch unkorrekt.
[…] Und schließlich hielten sich an jenem ver-
hängnisvollen 25. April mehrere Sinti- und Roma-
Familien mit ihren Wohnwagen keine hundert Me-
ter vom Tatort entfernt auf der Theresienwiese auf.
Doch niemand will etwas gesehen haben.“5599
Dem Ermittlungsbericht der Soko „Parkplatz“ lässt sich
hierzu folgender Hintergrund entnehmen:
„Zur Tatzeit lagerten auf der Theresienwiese eine
Gruppe Angehöriger Reisender Familien. Bei einer
ersten Kontrolle konnten nur 6 dieser Personen an-
getroffen werden. Weitere 9 Personen wurden
durch Folgeermittlungen zwar namhaft gemacht,
es konnte jedoch nicht festgestellt werden, wo ge-
nau sie sich zum Tatzeitpunkt in Heilbronn auf-
hielten. In der Folge wurde im Rahmen verschie-
dener Kontrollaktionen versucht, die Anzahl und
die Identität der Personen aus der Gruppe von An-
gehörigen Reisender Familien ausfindig zu ma-
chen, die am 25.04.2007 tatsächlich in Heilbronn
waren. Die hierbei ermittelten 32 Personen wurden
zwischenzeitlich – soweit sie angetroffen werden
konnten – als Zeugen zur Sache gehört. Dabei
ergaben sich jedoch keine sachdienlichen Hinwei-
se. Die Vernehmungen der Angehörigen Reisender
Familien befinden sich in der Hauptakte.“5600
Tatsächlich wurden die im Ermittlungsbericht von Beam-
ten der Soko „Parkplatz“ so bezeichneten „Angehörigen
Reisender Familien“ nicht nur als Zeugen vernommen,
sondern es wurden auch konkrete Ermittlungen zur Spur
„Nr. 101/104 Landfahrer“ geführt. So wurde die Staats-
anwaltschaft Heilbronn am 28. April 2008 darum ersucht,
beim Amtsgericht Heilbronn einen Beschluss gem. § 163e
StPO zur polizeilichen Beobachtung der von den „Ange-
hörigen Reisender Familien“ genutzten Fahrzeuge zu
erwirken. Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen einen
Großteil dieser Personen lägen zahlreiche polizeiliche
Erkenntnisse im Bereich des Betruges, Trickbetruges und
besonders schweren Einbruchsdiebstahls an überregiona-
len Tatorten vor. Der Antrag wurde im Einzelnen u. a.
wie folgt begründet:
5599) stern vom 29. Juni 2007, „Die Jagd nach dem Phantom“.
5600) Ermittlungsbericht vom 8. Februar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl.
276.
„Aufgrund
– eines vertraulichen Hinweises, wonach die Tä-
ter aus dem Bereich der Sinti/Roma stammen,
– dessen, dass Sinti/Romas zur Tatzeit am Tat-
ort anwesend waren,
– dessen, dass die DNA-Spur im Zusammen-
hang mit dem versuchten Mord innerhalb ei-
ner Sinti-Sippe (Fall W. in Worms) aufge-
taucht ist,
– der bisher ermittelten Tatverdächtigen mit un-
terschiedlichsten Staatsangehörigkeiten, die
Bezüge zu Sinti/Romas aufweisen (T., G., D.),
– der Mobilität der Täter (Tatorte in Freiburg,
Offenbach, Saarbrücken, Österreich, Frank-
reich) und
– der mutmaßlichen Tatbegehungsweise (mögli-
cher sog. „Glas-Wasser-Trick“ im Fall
Schlenger in ldar-Oberstein 1993),
liegen ausreichend Tatsachen vor, die nahelegen,
dass die bislang unbekannte, spurenlegende Person
konkrete Bezüge und Kontakte zu Sinti/Romas
hat.“
Durch die erneuten Spurentreffer der unbekannten, spu-
renlegenden Person in Kornwestheim vom 10./11. August
2007 und im Zusammenhang mit dem Dreifachmord in
Heppenheim am 30. Januar 2008 sei festzustellen, dass
sich diese immer wieder im näheren Tatortbereich aufzu-
halten scheine. Es sei daher anzunehmen, dass die unbe-
kannte, spurenlegende Person mit den vorgenannten Per-
sonen in Verbindung stehe oder eine solche Verbindung
herstellen werde.
5601
Als Beschuldigte wurden die Perso-
nen nicht geführt.
Dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft entsprechend wur-
de für 15 „Angehörige Reisender Familien“ vom Amtsge-
richt Heilbronn mit Beschluss vom 30. April 2008 die
Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeili-
chen Kontrollen angeordnet, welche die Feststellung von
Personalien zulassen. Zur Begründung wurde ausgeführt,
dass am Opferfahrzeug die DNA-Spur einer unbekannten
mutmaßlich weiblichen Person (uwP) festgestellt worden
sei, die an 29 weiteren Tatorten in Deutschland, Öster-
reich und Frankreich festgestellt worden sei. Unter ande-
rem sei die DNA-Spur auch bei den Mordfällen in
Idar/Oberstein im Jahr 1993, in Freiburg im Jahre 2001
und in Heppenheim im Jahr 2008 festgestellt worden.
5602
Wie sich später herausstellte, wurde diese zunächst als
tatrelevant eingestufte DNA-Spur auf Grund einer Kon-
5601) Schreiben der Soko „Parkplatz“ vom 28. April 2008, MAT A
GBA-4/15c, Bl. 498-501.
5602) Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 30. April 2008,
MAT A GBA-4/15c, Bl. 502 - 505.
Drucksache 17/14600 – 644 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
taminierung durch eine an der Produktion der Wattestäb-
chen beteiligte Mitarbeiterin verursacht.
5603
Am 19. Mai 2009 wurde durch einen Beschluss des
Amtgerichts Heilbronn gegen die gleichen Personen eine
erneute Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von
polizeilichen Kontrollen angeordnet, also zu einem Zeit-
punkt, nachdem bereits erkannt worden war, dass die
gesuchte „uwP“ nicht existierte. Dieser Beschluss wurde
nunmehr auf Zeugenaussagen gestützt. So hatte eine Zeu-
gin angeführt, sie habe im Sommer 2007 ein Gespräch
zwischen ihrem Vater und einem ihr „unbekannten Land-
fahrer“ mitgehört, wonach dieser zu ihrem Vater im Hin-
blick auf die Tat am 25. April 2007 gesagt habe, „Es
waren Zigeuner“. Des Weiteren wird im Beschluss ange-
führt, dass die „Anwesenheit von Sinti- und Roma-
Familien zur Tatzeit am Tatort belegt“ sei. Im Übrigen
wurde der Beschluss auf eine Zeugenaussage gestützt,
wonach sich am 24. April 2007 ein älteres, braunes
Wohnmobil ohne Alkoven direkt am Pumpenhäuschen
auf der Theresienwiese befunden habe, im Besitz eines
solchen Wohnmobils sei auch eine der Personen, die sich
am 25. April 2007 auf der Theresienwiese aufgehalten
hätten.
5604
Der Zeuge Mögelin, der vom 1. August 2010 bis zum
8. November 2011 Leiter der Sonderkommission „Park-
platz“ war, hat ausgesagt, man habe nach der Tat alle
Personen, die auf der Theresienwiese ihr Auto abgestellt
hätten, ermittelt. Hierzu hätten auch „Angehörige Reisen-
der Familien“ gehört. Man habe weitere Zeugen gesucht,
was ohne Ansehen von Person und Nationalität erfolgt
sei. Konkreten Hinweisen auf Personen gehe man unab-
hängig von Nationalitäten nach. Es habe einen Hinweis
auf eine konkrete Person gegeben, wonach das Tötungs-
delikt im Zusammenhang mit einem Vorauszahlungsbe-
trug (Rip-Deal) stattgefunden habe. Dies sei dann, zum
Teil mit operativen Maßnahmen, ausermittelt worden, bis
sich keine weiteren Ermittlungsansätze mehr geboten
hätten. Darüber hinaus habe es Hinweise auf eine Einbre-
cherbande gegeben. Es sei nicht Aufgabe der Sicherheits-
behörden, die öffentliche Berichterstattung zu beeinflus-
sen. Die Unabhängigkeit der Presse sei ein hohes Gut in
Deutschland.
5605
Als Grund für die Ermittlungen zu Sinti und Roma hat der
Zeuge Meyer-Manoras auf Nachfrage im Ausschuss an-
gegeben:
„Der Grund liegt natürlich darin, dass an dem Tat-
tag auf der Theresienwiese, wo der Tatort war,
sehr viele Sinti und Roma auch tatsächlich waren.
Das war der Hauptgrund.“5606
5603) Aktenvermerk vom 24. März 2010, MAT A GBA-4/15c,
Bl. 404-405 – weitere Ausführungen hierzu unter G.IV.
5604) Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn, MAT A GBA-4/15 f.,
Bl. 115 ff.
5605) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 26, 27.
5606) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 69.
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher
Sinti und Roma, hat diese damals auch in der Presse auf-
gegriffenen Ermittlungen öffentlich kritisiert.
„Hier wurde eine Minderheit unter den General-
verdacht gestellt, eine Polizistin hingerichtet zu
haben,“
sagte Rose gegenüber der tageszeitung. Er hoffe,
„dass die ermittelten Fakten endlich zu mehr Ver-
antwortungsbewusstsein bei den Ermittlungsbe-
hörden beitragen“.5607
Der Ausschuss hat sich auch für die Frage interessiert,
inwieweit es eine Entschuldigung bei den von den Ermitt-
lungen betroffenen Angehörigen der Minderheiten Sinti
und Roma gegeben hat. Dazu hat der Zeuge Meyer-
Manoras angegeben:
„Mir ist natürlich schon klar, dass gerade die Sinti
und Roma, die wie keine andere Bevölkerungs-
gruppe Diskriminierungen alltäglich erleiden müs-
sen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in
Ungarn, in Rumänien usw., und zwar in sehr hefti-
ger Form - - Wenn die sich durch die Ermittlungen
kriminalisiert fühlen, habe ich dafür Verständnis,
und wenn sie das auch medial zum Ausdruck brin-
gen, habe ich dafür auch volles Verständnis. Da
würde ich mich auch nie gegen wehren, weil weh-
leidig darf man da nicht sein. Dafür kriege ich halt
mein Geld, dass ich das dann auch aushalte. Aber
dass man in dieser Richtung Nachforschungen ma-
chen muss - - Ich meine, wir haben sie nicht als
Beschuldigte geführt; die Unschuldsvermutung
sollte man immer wieder deutlich machen, und das
geht leider des Öfteren unter. Wie gesagt, ich habe
die konkrete Berichterstattung von damals nicht
mehr im Kopf. Ich bedaure es immer, wenn Men-
schen von Ermittlungen beeinträchtigt werden, und
Sinti und Roma werden stärker beeinträchtigt als
andere. Entschuldigen im klassischen Sinne kann
ich mich leider nicht dafür.“5608
VI. Zusammenarbeit mit anderen Behörden
Bereits am Tatabend wurden Befragungen aller Quellen
des LfV Baden-Württemberg aus allen
Phänomenbereichen des Verfassungsschutzes durchge-
führt. Das LfV Baden-Württemberg teilte mit, dass diese
bis zum 3. Mai 2007 negativ verlaufen seien. Die Quellen
des LfV Baden-Württemberg seien aber sensibilisiert und
angewiesen, Informationen schnellstmöglich zu mel-
den.
5609
Mit E-Mail vom 30. April 2007 wurde das BfV in
die Ermittlungen einbezogen. Es wurde darum gebeten,
den BND sowie alle LfV zu unterrichten und um Unter-
5607) die tageszeitung vom 12. April 2012, „Heiße Spur ins Zigeu-
nermilieu“.
5608) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 69.
5609) Schreiben des LfV Baden-Württemberg, MAT A BW-6/2
(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 899 (VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 645 – Drucksache 17/14600
stützung hinsichtlich der Befragung von Vertrauensperso-
nen und Informanten zu bitten. Derzeit lägen keine Ver-
dachtsmomente in Richtung Phänomenbereich Terroris-
mus/Extremismus vor.
5610
Am 14. Mai 2007 übermittelte das LfV der Heilbronner
Polizei Hinweise, wonach der Mord an Michèle Kiesewet-
ter und der Mordversuch an Martin A. von zwei Tätern
aus einem Dorf in der Nähe von Heilbronn begangen
worden sei.
5611
Der Hinweis wurde überprüft und erwies
sich als falsch.
5612
Ferner gab es noch im Frühjahr 2011
einen Informationsaustausch mit dem LKA Baden-
Württemberg in Bezug auf türkischen Rechtsextremismus
(„Graue Wölfe“).5613
Am 9. April 2009 nahm ein Mitarbeiter des LKA Kontakt
mit dem LfV auf. Ziel war es, Erkenntnisse „aus dem
Milieu Schausteller und Landfahrer“ zu gewinnen. Bei
einer gemeinsamen Besprechung am 21. April 2009 zwi-
schen der Soko „Parkplatz“ und Kollegen des LfV wurde
über Hinweise zu „Schaustellern und Landfahrern“ unter-
schiedlicher Ethnien berichtet. Unter Hinweis auf vermut-
liche Erfolglosigkeit wurde angeboten, Auskunftsperso-
nen zu befragen, die über Balkanbezüge verfügten und
mittelbar sachdienliche Hinweise geben könnten.
Sachstands- und Zwischeninformationen erfolgten am
28. April und am 29. Mai 2009. Im Juni 2009 wurde tele-
fonisch mitgeteilt, dass alle Bemühungen, sachdienliche
Informationen zu erhalten, ergebnislos gewesen seien.
5614
Im Jahre 2011 stand das LKA Baden-Württemberg in
direktem Kontakt mit dem bayerischen Landesamt für
Verfassungsschutz. Dabei ging es um Hinweise auf eine
russische Rauschgiftgruppierung, deren mögliche Beteili-
gung an dem Polizistenmord überprüft werden sollte.
5615
Ferner gab es Kontaktaufnahmen der Polizei zum BND:
So wurden im Jahre 2007 von Seiten der Heilbronner
Polizei Anfragen zu etwaigen Luftbildern vom Tatort
veranlasst.
5616
Darüber hinaus führte ein Mitarbeiter des
LKA Baden-Württemberg am 22. April 2009 eine Be-
sprechung mit einem Vertreter des BND durch und richte-
te am 27. April 2009 eine schriftliche Anfrage mit der
Bitte um Unterstützung der Soko „Parkplatz“, unter ande-
rem in Bezug auf „‚Quellen‘ im Bereich von Angehörigen
reisender Familien (sog. ‚Landfahrer‘)“5617 sowie hin-
sichtlich von BND-Erkenntnissen zu Einzelpersonen.
Daraufhin teilte der BND am 22. Juli 2009 mit, dass dort
keine Erkenntnisse zu Mitgliedern oder Umfeldpersonen
der Organisierten Kriminalität (insbesondere russische
5610) MAT A BW-6, Bl. 975, 976.
5611) MAT A BW-4/1, Bl. 1 (VS-NfD).
5612) MAT A BW-4/1, Bl. 2 (VS-NfD).
5613) MAT A BW-4/1, Bl. 23 ff. (VS-NfD).
5614) Aktenvermerk vom 22. November 2011, MAT A BW-6/2
(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 980, 981 (VS-
NfD).
5615) MAT A BW-4/1, Bl. 19 ff. (VS-NfD).
5616) MAT A BW-4/1, Bl. 10 (VS-NfD).
5617) MAT A BW-4/1, Bl. 42.
oder italienische) mit persönlichen oder räumlichen Be-
zügen zur Region Heilbronn vorlägen.
5618
VII. Im Ausschuss beleuchtete mögliche Er-
mittlungspannen
1. Späte Auswertung von blutigen Taschen-
tüchern
In den Akten finden sich Hinweise darauf, dass am
27. April 2007 – zwei Tage nach der Tat – Gegenstände
in der Nähe des Tatorts sichergestellt wurden. Dabei han-
delte es sich unter anderem um fünf Taschentücher mit
Blutantragungen, eine Zigarettenkippe, einen Ohranhäng-
er, ein Herrenhemd und ein Paar Wollsocken.
5619
Der
Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage befasst,
weshalb eine molekulargenetische Untersuchung dieser
Asservate erst zwei Jahre später, am 14. Mai 2009, veran-
lasst wurde.
Der Zeuge Mögelin hat hierzu in seiner Vernehmung vor
dem Untersuchungsausschuss dargelegt, dass grundsätz-
lich zunächst nur die im näheren Tatortbereich aufgefun-
denen Asservate umgehend molekulargenetisch sowie auf
Spuren und Fasern untersucht würden. Da DNA-Analysen
mit einem beachtlichen Aufwand verbunden seien, wür-
den die Asservate aus dem weiteren Tatortbereich zu-
nächst nur gesammelt und aufbewahrt. Ergäben sich im
Laufe der Ermittlungen weitere Hinweise, die auf eine
Tatrelevanz der vorrätigen Asservate hindeuteten, so
würden diese anlassbezogen ausgewertet. Die blutver-
schmierten Taschentücher seien mehrere Hundert Meter
entfernt vom Neckarufer aufgefunden worden und daher
zunächst nicht ausgewertet worden. Im Jahr 2009 sei dann
die molekulargenetische Untersuchung erfolgt, nachdem
eine Zeugenaussage auf die mögliche Tatrelevanz der
Taschentücher hingedeutet habe.
5620
Die molekulargenetische Untersuchung der blutver-
schmierten Gegenstände im Jahre 2009 ergab ein männli-
ches und ein weibliches Profil.
5621
Ein Bezug der Gegen-
stände zur Tat konnte allerdings weder bestätigt noch
ausgeschlossen werden.
5622
Des Weiteren erkannte der
Zeuge A. M. im September 2009 anlässlich einer Wahl-
lichtbildvorlage eine Ähnlichkeit mit einer in Heilbronn
polizeibekannten weiblichen Person. Anregungen der
Polizei, in Bezug auf diese Person Beschlüsse für ver-
deckte Ermittlungsmaßnahmen zu erwirken, wurden je-
doch von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
5623
Zwischen dem Datum dieser Anregung (4. August
5618) MAT A BW-4/1, Bl. 41.
5619) MAT A GBA-4/10b, Bl. 104.
5620) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 10, 11.
5621) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (104 f.) (VS-NfD).
5622) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (114) (VS-NfD).
5623) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (468 ff.) (VS-NfD).
Drucksache 17/14600 – 646 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2010)
5624
und der Ablehnung durch die Staatsanwaltschaft
(15. November 2010)
5625
vergingen über drei Monate.
2. Zeugenaussagen von besonderem Inte-
resse
a) Zeugen, die Personen mit Blutflecken an
der Kleidung gesehen haben
Den Akten lässt sich entnehmen, dass mehrere Zeugen
unabhängig voneinander in ihren Vernehmungen durch
die Polizei Angaben zu blutverschmierten Personen
machten, die sie entweder in unmittelbarer Tatortnähe
oder im Bereich potentieller Fluchtwege gesehen hatten.
Der Zeuge A. M. gab in seiner Vernehmung an, dass er
am Tattag mit seinem Fahrrad am Neckaruferweg von der
Böckinger Brücke in Richtung Otto-Konz-Brücke gefah-
ren sei. Den Zeitraum seiner Fahrradfahrt an diesem Tage
bezeichnete er zwischen 14 Uhr und 14.40 Uhr. Gegen
14.05 Uhr/14.10 Uhr
5626
bemerkte der Zeuge von der
Otto-Konz-Brücke ihm entgegenkommend drei Personen
auf dem Radweg. Hierbei handelte es sich um zwei männ-
liche Personen und eine weibliche Person. Eine der männ-
lichen Personen begab sich an der dortigen Treppe zum
Neckar und wusch ihre blutigen Hände im Neckar. Diese
männliche Person lief ihm auf dem unterhalb des Rad-
wegs befindlichen Uferweg entgegen, während ihm die
weibliche und die andere männliche Person oberhalb auf
dem Radweg begegneten. Nach einem kurzen Gespräch
mit der weiblichen Person auf dem Radweg fuhr der Zeu-
ge wieder in Richtung Böckinger Brücke zurück.
5627
Im Anschluss an einen kurzen Aufenthalt auf einer Bank
in der Nähe des Freibades fuhr der Zeuge A. M. mit sei-
nem Fahrrad über den Radweg entlang des Neckars durch
den Wertwiesenpark, um nach Hause zu fahren. Am Ende
des Wertwiesenparks, Beginn des dortigen Sportgelän-
des/Vereinsgaststätte, sah er die drei Personen auf dem
Radweg/Fußweg wieder. Nachdem die Personen ihn be-
merkt hatten, sprang eine männliche Person nach rechts in
die Uferböschung des Neckars, die anderen beiden bogen
nach links ab. Für den Zeugen entstand der Eindruck, dass
sie sich vor ihm verstecken wollten.
5628
Die Zeugin M. M. hatte am 25. April 2007 gegen 11 Uhr
im Bereich der Badstraße zwei Personen gehört, die sich
in italienischer Sprache stritten. Als sie zwischen 14 und
5624) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (113) (VS-NfD).
5625) Vermerk StA Heilbronn vom 15. November 2010, MAT A
GBA-4/15b, Bl. 189 ff. (VS-NfD).
5626) MAT A GBA-4/15b, Bl. 174 ff. (174).
5627) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (100) (VS-NfD); Zeugenvernehmung A. M.
vom 12. Mai 2009, MAT A GBA-4/15d, Bl. 379 ff. (380 f.)
(VS-NfD).
5628) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (100) (VS-NfD); Zeugenvernehmung A. M.
vom 12. Mai 2009, MAT A GBA-4/15d, Bl. 379 ff. (381 f.)
(VS-NfD).
14.30 Uhr wieder auf dem Weg zu ihrem Pkw gewesen
sei, seien ihr die vermutlich gleichen Personen wieder
aufgefallen, die auf der Oberen Neckarstraße Richtung
Kilianskirche gingen. Bei dem Mann seien ihr hierbei
sieben bis elf fingernagelgroße Blutspritzer auf dem
Hemd im Bereich Brust und Bauch aufgefallen. Die Frau
beschrieb sie: ca. 23 bis 24 Jahre alt, ca. 160 cm groß,
zierlich, schlank, bekleidet mit einer schwarzen Stoffhose
und einem weißem Langarmhemd. Den Mann beschrieb
die Zeugin als 25 bis 26 Jahre alt, 170 bis 175 cm groß,
schlank, dunkle Haare, bekleidet mit einer schwarzen
Stoffhose und einem weißen Langarmhemd, auf dem im
Bereich Brust/Bauch die Blutspritzer festgestellt wurden.
Die Personen führten keinerlei Gegenstände mit sich.
5629
Ein weiterer Zeuge berichtete, dass er am 25. April 2007
gegen 14.30 Uhr, von Sontheim kommend zu Fuß Rich-
tung Stadtmitte Heilbronn gegangen sei. Am südlichen
Ende des Wertwiesenparks, unweit der Einmündung
Kolpingstraße/Sontheimer Brücke,
5630
sei links am rech-
ten Fahrbahnrand ein Fahrzeug mit laufendem Motor
gestanden. Das Fahrzeug, ein dunkelblauer Audi 80, habe
ein Mosbacher Kennzeichen gehabt. Als der Zeuge noch
ca. vier bis fünf Meter von dem Fahrzeug entfernt gewe-
sen sei, habe er gesehen, wie ein Mann von der gegen-
überliegenden Seite aus auf das Fahrzeug zu rannte. Er
habe noch gehört, wie der Fahrer „dawei dawei“ rief und
der Mann mit dem Kopf voran ins Fahrzeug hechtete. Die
Tür wurde geschlossen und der Wagen fuhr mit quiet-
schenden Reifen weg. Der Mann sei ca. 180 cm groß und
trage eine auffällige Tätowierung (Kreuz auf Hügel) am
muskulösen Unterarm. Er sei schlank, habe kurze, glatte,
hellblonde Haare, an seiner Hose seien an den Knien
grüne Flecken (vermutlich Grasflecken) gewesen. Am
auffälligsten an dem Mann sei jedoch, dass dessen rechter
Arm voller Blutflecken gewesen sei, auch im vorderen
rechten Bereich des T-Shirts seien Blutspritzer zu sehen
gewesen.
5631
Die Zeugin W. fuhr von Nordheim kommend mit ihrem
Fahrzeug die Neckartalstraße Richtung Hauptfriedhof von
Heilbronn. Ca. 150 bis 200 m vor der Otto-Konz-Brücke,
hörte sie ganz deutlich zwei Schüsse. Als sie dann auf der
Brücke an einer Ampel anhalten musste, sah sie an der
Kreuzung Karlsruher Straße/Theresienstraße einen Mann
mit einem blutverschmierten Arm, bzw. die ganze linke
Seite dieses Mannes war mit Blut verschmiert. Es hielt ein
Fahrzeug und der Mann stieg möglicherweise hinten im
Fahrzeug ein. Der Mann war ca. 30 bis 36 Jahre alt, hatte
breite Schultern, ein rundes Gesicht und dunkelblonde,
5629) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (288) (VS-NfD); Ge-
sprächsvermerk Soko „Parkplatz“ vom 9. März 2009, MAT A
GBA-4/15d, Bl. 351 ff. (VS-NfD).
5630) MAT A GBA-4/15b, Bl. 174 ff. (182).
5631) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (291) (VS-NfD).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 647 – Drucksache 17/14600
glatte Haare. Die Zeugin hielt diesen Mann für einen
Russen.
5632
Der Zeuge Mögelin hat diese Zeugen gegenüber dem
Untersuchungsausschuss als „mit das Interessanteste“
bezeichnet, was die Polizei zu diesem Zeitpunkt als Hy-
pothese gehabt habe. Einerseits, weil die Polizei diese
Zeugen – jeden für sich genommen – für glaubwürdig
gehalten habe, andererseits, weil sie möglicherweise mit-
einander korrespondieren könnten.
5633
Der Zeuge Mögelin hat in seiner Vernehmung allerdings
erläutert, dass die Zeugen nach dem 4. November 2011
keine der aktuell dem NSU zugerechneten Personen bei
einer Wahllichtbildvorlage erkennen konnten, so dass
auch jetzt nicht verifiziert werden konnte, ob die Be-
obachtungen der Zeugen im Zusammenhang mit der Tat
standen.
5634
b) Zeugin, die Schüsse hörte
Der Zeuge Mögelin hat dem Untersuchungsausschuss von
der Aussage der Zeugin W. berichtet. Diese sei über eine
Brücke gefahren und habe zwei Schüsse gehört, die sie
zunächst der Eröffnung des Frühlingsfestes zugeordnet
habe. Dann habe sie jedoch bemerkt, dass dieses noch
nicht begonnen hatte, und hielt an einer Ampel. Die Zeu-
gin habe dort einen Mann mit Blutantragungen in ein
Auto steigen sehen, welches sie zunächst als dunkel,
später als hell beschrieben habe. Mit der Zeugin seien
Phantombilder erstellt worden.
5635
Erster Staatsanwalt Meyer-Manoras hat in seiner Ver-
nehmung vor dem Untersuchungsausschuss dargelegt,
dass aufgrund der Schilderungen von Zeugin W. eine
Tatrekonstruktion erfolgt sei. Dabei habe sich herausge-
stellt, dass die Zeugin die von ihr angegebenen Beobach-
tungen nicht gemacht haben könne. Der Tatverdächtige
hätte nicht in der von W. angegeben Zeit zwischen
Schussabgabe und Sichtung von dem Ort, an dem W.
angab, die Schüsse zu hören zu dem Ort, an dem sie den
Tatverdächtigen gesehen haben will, laufen können.
5636
c) Umgang mit diesen Zeugen
Der Zeuge Mögelin hat gegenüber dem Untersuchungs-
ausschuss dargelegt, dass es zwischen der Polizei und der
Staatsanwaltschaft unterschiedliche Auffassungen darüber
gegeben habe, wie die Zeugenaussagen zu werten seien.
Die Polizei habe die Aussagen für tatrelevant gehalten
und daher eine Öffentlichkeitsfahndung mit Phantombil-
dern angeregt. Dies wurde von Staatsanwalt Meyer-
Manoras jedoch abgelehnt.
5637
5632) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (282) (VS-NfD).
5633) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 32.
5634) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 32.
5635) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 33.
5636) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 64 f.
5637) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 32.
Im Untersuchungsausschuss ist in diesem Zusammenhang
kritisiert worden, dass die Ablehnung ohne schriftliche
Begründung erfolgte. Hierzu hat der Zeuge Meyer-
Manoras erläutert, dass es bei seiner letzten schriftlich
begründeten Ablehnung zu Reibungen mit der Polizei
gekommen sei, die aber später geklärt worden seien.
Diesmal habe er daher lediglich eine ausführliche mündli-
che Begründung abgegeben.
5638
Der Zeuge hat dem
Untersuchungsausschuss anschließend seine Beweggrün-
de für die Ablehnung geschildert. Zunächst sei die Staats-
anwaltschaft von einer geplanten Tat ausgegangen, so
dass die Beschreibungen unkontrollierter Fluchtversuche
nicht als tatrelevant eingestuft worden seien. Des Weite-
ren habe es heftige Widersprüche in den jeweiligen Zeu-
genaussagen gegeben. Die Veröffentlichung von Phan-
tombildern erfordere jedoch einen richterlichen Beschluss
und damit die Annahme, dass die Abgebildeten mit
Wahrscheinlichkeit Beschuldigte seien. Diese Vorausset-
zung habe jedoch nicht vorgelegen.
5639
3. Ringfahndung
a) Ablauf Ringalarmfahndung
Aus dem Ermittlungsbericht der Soko „Parkplatz“ vom
20. Juli 2012 geht hervor, dass im Rahmen der ersten
Fahndungsmaßnahmen der Polizei um 14.15 Uhr (Funk-
uhrzeit) eine Ringalarmfahndung ausgelöst wurde.
5640
Bei der Kontrollstelle Oberstenfeld, die ca. 25 bis 30
Minuten beziehungsweise 20 Kilometer vom Tatort ent-
fernt ist, wurde unter anderem ein Wohnmobil registriert.
Eine Kontrollliste zum Kontrollpunkt LB 3 bestätigt, dass
ein Wohnmobil mit dem Kennzeichen C-PW 87 an die-
sem Kontrollpunkt erfasst wurde.
5641
Im November 2011 stellte man fest, dass es sich dabei um
das Kennzeichen eines im betreffenden Zeitraum auf den
Namen Holger Gerlach angemieteten Wohnmobils han-
delte.
5642
Dem Ermittlungsbericht lässt sich entnehmen, dass das
Wohnmobil die Kontrollstelle zwischen 14.30 Uhr und
14.37 Uhr passierte. Eine detaillierte Weg-Zeit-
Berechnung des LKA ergab, dass es im Zeitfenster zwi-
schen Tat und Registrierung möglich gewesen wäre, vom
Tatort zur Kontrollstelle zu gelangen.
5643
Im Untersuchungsausschuss ist die Frage erörtert worden,
ob es möglich gewesen wäre, innerhalb dieser Zeitspanne
die Kontrollstelle zu erreichen, wenn man vorher bei-
spielsweise ein Fahrrad im Wohnmobil verstauen müsste.
Der Zeuge Mögelin hat dargelegt, dies sei grundsätzlich
5638) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 66.
5639) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 66.
5640) MAT A GBA-4/19, Bl. 37 ff. (42).
5641) MAT A BW-2/3-5.1, Bl. 5.
5642) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Baden-Württemberg
vom 9. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 237 ff. (242, 268).
5643) MAT A GBA-4/19, Bl. 75.
Drucksache 17/14600 – 648 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
möglich, könne aber nicht eindeutig festgestellt werden.
Man habe einige Varianten eruiert, aber sicherlich nicht
alle Möglichkeiten abschließend klären können.
5644
b) Auswertung der Kontrolllisten
Die Auswertung der Kontrolllisten begann im Sommer
2010 und wurde in mehreren Etappen durchgeführt.
Zunächst erfolgte am 14. August 2010 eine stichprobenar-
tige Überprüfung der erfassten Daten aus der Ringfahn-
dung. Diese ergab, dass die Kontrollstellenlisten nur un-
vollständig elektronisch erfasst und nur zum Teil in
CRIME (Criminal Research Investigation Management
Software), einer Datenbank-Software zur strukturierten
Verwaltung komplexer Sachverhalte und Erkenntnisse,
5645
recherchierbar waren. In einem Aktenvermerk wurde
daraufhin festgestellt, dass aufgrund der teilweise fehlen-
den Listen nicht alle Kennzeichen zur Verfügung stünden
und möglicherweise bestehende Zusammenhänge nicht
erfasst werden könnten. Die Halter der erfassten Fahrzeu-
ge waren bis dahin nicht festgestellt worden.
5646
Am 1. September 2010 schließlich erhielten zwei Beamte
den Auftrag, die Listen aufzubereiten, die EDV-Erfassung
in CRIME vorzubereiten und die Halter der Kennzeichen
zu ermitteln. Insgesamt wurden 201 Listen mit rund
33 000 Kennzeichen erstellt.
5647
Ein Aktenvermerk vom 1. November 2010 enthält die
Empfehlung, vor dem CRIME-Import eine Massenanfra-
ge beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zur Feststellung
der Halter der am 25. April 2007 mit den Kennzeichen
versehenen Fahrzeuge durchzuführen. Darüber, ob bzw.
wann dies geschehen ist, ist keine Aufzeichnung ersicht-
lich.
5648
Am 11. Februar 2011 wurde der Auftrag zum CRIME-
Import erteilt. Der Import war laut Abschlussbericht zur
Bearbeitung der Kontrollstellenlisten am 16. März 2011
abgeschlossen. Laut Vermerk vom 19. April 2011 war seit
Abschluss des CRIME-Imports eine Beamtin mit der
Bearbeitung der CRIME-Treffer beschäftigt, also mit der
Korrektur, der Fusion von Dubletten sowie der Bewertung
und Weitergabe an die zuständigen Sachbearbeiter.
5649
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
weshalb keine umgehende Ermittlung der Halter erfolgte.
Hierzu ist der Zeuge Mögelin befragt worden. Der Zeuge
hat das Vorgehen bei der Auswertung von sogenannten
Massendaten, die beispielsweise nach Durchfahrtskontrol-
len entstehen, ausführlich erläutert. Diese würden nicht
als eigenständige Ermittlungsgrundlage dienen, sondern
vielmehr als zusätzliche Informationssammlung, die an-
derweitigen Ermittlungsergebnissen ein größeres Gewicht
5644) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 25.
5645) http://www.bc-toepfer.de/data/crime.pdf.
5646) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 9-11.
5647) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 13.
5648) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 12-14.
5649) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 6-8.
verleihen kann. Als Beispiel führte er unter anderem ei-
nen Zeugenhinweis auf einen Mosbacher Audi als Flucht-
fahrzeug an. Nach diesem Kriterium könne dann der Da-
tenbestand durchsucht werden. Im Falle eines Treffers
würde der durch die Zeugenaussage begründete Verdacht
erhärtet. Hingegen sei es aus kriminalistischer Sicht un-
verhältnismäßig, Massendaten dieser Größenordnung
verdachtsunabhängig auszuwerten. Der Zeuge hat betont,
dass diese Problematik nicht nur bei der Halterermittlung
nach Durchfahrtskontrollen auftrete, sondern beispiels-
weise auch im Zusammenhang mit der Ermittlung von
Anschlussinhabern aus Funkzellendaten.
5650
Dies ergebe
eine sehr große Datenmenge. Es sei nicht möglich eine so
große Anzahl unbescholtener Bürger, gegen die kein
Tatverdacht bestehe, mit polizeilichen Maßnahmen zu
belegen. Bei Fahrzeugkontrollen erhöhe sich die Zahl der
Betroffenen dadurch, dass die Halter nicht den Fahrern
entsprechen müssten.
Auf diese Ausführungen hin ist dem Zeugen der Hinweis
auf das Wohnmobil vorgehalten worden, welches nach
Angaben des Schaustellers L. am Tag vor der Tat dort
geparkt haben soll. Dies werfe die Frage auf, weshalb
diese Information nicht als Rasterkriterium für eine
Durchsuchung der Kontrolllisten qualifiziert wurde.
5651
Der Zeuge Mögelin hat hierzu erklärt, dass die Tatrele-
vanz eines Hinweises eine Bewertungsfrage sei. In diesem
Fall hätten mehrere Erwägungen dafür gesprochen, den
Hinweis auf das Wohnmobil als nicht relevant einzustu-
fen. Zum einen habe der Zeuge weder Personen in dem
Wohnmobil beobachtet, noch habe er gewusst, wann
dieses weggefahren sei. Zum anderen hätten sich auf-
grund des anstehenden Festes viele Wohnmobile der
Schausteller auf dem Gelände befunden. Ferner hätte der
Zeuge nichts Verdächtiges beobachtet. Auch habe es
keine weiteren Zeugen gegeben, denen das Wohnmobil
aufgefallen sei.
5652
Abschließend ist im Ausschuss kritisiert worden, dass der
beachtliche Ermittlungsaufwand aufgrund von Hinweisen
im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität vor
diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar erscheine.
Diese Hinweise hätten zu umfangreichen Ermittlungen im
Ausland geführt, die man offenbar für angemessen gehal-
ten habe. Gleichzeitig sei aber die Auswertung erhobener
Massendaten als zu aufwendig klassifiziert worden.
c) Wohnmobil-Mietvertrag
Im Ausschuss ist die Frage erörtert worden, ob eine zeit-
nahe und gründliche Überprüfung der Daten aus der
Ringalarmfahndung schon damals auf die Spur der mut-
maßlichen Täter hätte führen können. Die Halterüberprü-
5650) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 9.
5651) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S.16 f., 20.
5652) So auch die Antwort der BAO „Trio“ auf eine entsprechende
Anfrage des IM Baden-Württemberg vom 7. Mai 2012. Auch
hier wird eine pauschale Überprüfung aller Kennzeichen ohne
konkreten Tatverdacht als nicht realisierbar beschrieben, MAT
A GBA-4/18, Bl. 473, 474.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 649 – Drucksache 17/14600
fung zu dem mutmaßlich von Böhnhardt gemieteten und
in der Ringalarmfahndung erfassten Wohnmobil hätte auf
die Spur eines Chemnitzer Caravanverleihs geführt. Dort
hätte festgestellt werden können, dass die Anmietung des
Wohnmobils am 16. April 2007 mit dem Ausweis des
Holger Gerlach erfolgte, auf dem Mietvertrag aber eine
nicht auf ihn ausgegebene Handy-Nummer vermerkt war.
Zudem ging Holger Gerlach in Niedersachsen einer gere-
gelten Beschäftigung nach, so dass hätte überprüft werden
können, ob er als Nutzer des Wohnwagens überhaupt in
Frage kam. Böhnhardt und Gerlach sehen sich auf Licht-
bildern ähnlich. Die auf dem Mietvertrag vermerkte Han-
dy-Nummer gehörte zu einem in der Zwickauer Wohnung
gefundenen Handy. In dieser Wohnung wurden auch der
Mietvertrag für das Wohnmobil sowie der zugehörige
Zahlungsbeleg gefunden.
4. Auswertung des E-Mail-Kontos
Michèle Kiesewetter verfügte über eine private E-Mail-
Adresse beim Betreiber Yahoo. Dieses E-Mail-Konto
wurde in den damaligen Ermittlungen nicht ausgewertet.
Dafür wurde die Begründung gegeben, dass dieses Konto
nicht allgemein bekannt gewesen sei. Für die Auswertung
hätte es eines internationalen Rechtshilfeersuchens be-
durft. Wörtlich heißt es in der Unterlage:
„Von der Stellung eines Rechtshilfeersuchens
wurde abgesehen, da keiner der bis dahin befrag-
ten Personen im privaten und beruflichen Umfeld
die E-Mail-Adresse bekannt war.“5653
Diese Darstellung des BKA in einem Vermerk vom 28.
März 2012 war unzutreffend – aus zwei Zeugenverneh-
mungen aus den Jahren 2007 und 2011 geht hervor, dass
im privaten Umfeld von Michele Kiesewetter die Adresse
[email protected] durchaus bekannt war.
Als die Auswertung des E-Mail-Kontos während der
aktuellen Ermittlungen nachgeholt werden sollte, stand es
nicht mehr zur Verfügung, da bei Nichtnutzung eines
Yahoo-E-Mail-Accounts die Inhalte nach vier Monaten
und der Account nach 18 Monaten gelöscht werden.
Im Untersuchungsausschuss ist die Frage erörtert worden,
ob der Verzicht auf eine Auswertung des privaten E-Mail-
Accounts einen Ermittlungsfehler darstelle. Möglicher-
weise seien im Hinblick darauf, dass das Umfeld von
Kiesewetter die Adresse nicht kannte, gerade über diesen
Account entscheidende Korrespondenzen geführt wor-
den.
5654
Hierzu hat der Zeuge Mögelin vor dem Untersuchungs-
ausschuss erläutert:
„Darüber hinaus muss noch darauf hingewiesen
werden, dass ein Teil der Bewertung auch sein
kann, dass der Laptop bei Frau Kiesewetter nicht
internetfähig war und dass nach den Aussagen ih-
5653) Vermerk des GBA vom 28. März 2012, MAT A GBA-4/18,
Bl. 431.
5654) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 9 f.
res Umfeldes das Umfeld von Frau Kiesewetter ei-
gentlich eher mit SMS damals kommuniziert hat
und zumindest in dem Ganzen, was wir wissen, ei-
ne E-Mail- oder Internetkommunikation zwischen
dem gesamten Umfeld und Frau Kiesewetter nicht
stattgefunden hat.“5655
Abschließend hat der Zeuge jedoch eingeräumt, dass er es
bei einem Kapitalverbrechen der Vollständigkeit halber
für geboten hielte, auch das E-Mail-Konto auszuwerten.
Der Zeuge Meyer-Manoras, der damals mit dem Ermitt-
lungsverfahren beauftragte Erste Staatsanwalt, hat ange-
geben, dass die Yahoo-Adresse „offensichtlich schon seit
Jahren stillgelegt“ gewesen sei. Keiner von Kiesewetters
Freunden, Verwandten oder Bekannten hätte die Adresse
gekannt. Im Ausschuss ist daraufhin problematisiert wor-
den, dass das Interesse des Accounts möglicherweise
gerade darin gelegen haben könnte, dass über ihn Kontak-
te gepflegt würden, die nicht zum bekannten Umfeld von
Kiesewetter gehörten. Der Zeuge Meyer-Manoras hat
seine damalige Entscheidung dennoch auch unter diesem
Gesichtspunkt für plausibel erklärt. Er hat darauf hinge-
wiesen, dass es stets eine Fülle von Ermittlungsansätzen
gebe und daher nicht jede Eventualität ausgeschlossen
werden könne. Er hielte es für „extrem unwahrschein-
lich“, dass dieser Account interessante Informationen
beinhaltet habe.
5656
5. Gutachten zum Schussverlauf
Prof. Dr. Wehner, ein ehemaliger Gerichtsmediziner der
Universität Tübingen, der nach seiner Emeritierung ein
Forensik-Labor betreibt, erstellte ein Gutachten vom
30. Mai 2008, welches sich auf mögliche Standorte der
Täter zum Zeitpunkt der Schussabgabe, mögliche Anga-
ben der Körpergrößen der Täter, Schussentfernungsbe-
stimmung sowie die mögliche Sitzposition der Opfer
bezog. Es konnten damit – abhängig von der Sitzposition
der Opfer – grobe Schlüsse auf die Körpergröße der Täter
gezogen werden.
5657
6. Verspätete Auswertung von Videoauf-
zeichnungen
Im Umfeld des Tatortes, der Theresienwiese, gab es zahl-
reiche Videoüberwachungskameras, beispielsweise in
privaten Geschäften wie Bäckereien oder Gebäuden wie
dem Bahnhof. Die potentiell relevanten Videos wurden
nach der Tat sichergestellt, jedoch erst 2010 vollständig
ausgewertet.
5658
Der Untersuchungsausschuss hat kriti-
siert, dass von einer zeitnahen umfassenden Auswertung
abgesehen wurde. Der Zeuge Mögelin hat bestätigt, dass
die vollständige Auswertung 2010 begonnen und unter
seiner Leitung noch einmal intensiviert wurde. Videoauf-
5655) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 10.
5656) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 62 f.
5657) MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (395).
5658) MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff., Bl. 270 ff.
Drucksache 17/14600 – 650 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nahmen seien punktuell schon früher ausgewertet worden,
wenn es einschlägige Hinweise gegeben habe. Einen
solchen Hinweis habe es beispielsweise im Zusammen-
hang mit einer blutverschmierten Person gegeben.
5659
Auch der Zeuge Meyer-Manoras hat die zeitlich stark
verzögerte Auswertung der Videoaufzeichnungen nicht
als problematisch angesehen. Er hat auch in diesem Kon-
text bekräftigt, dass aus seiner Sicht wegen der Verfol-
gung des „Phantoms“ „keine entscheidenden Spuren
liegen geblieben“ seien. Der Zeuge hat allerdings bestä-
tigt, dass die Videoaufnahmen in der Situation nach dem
4. November 2011, in der man nach konkreten Tatver-
dächtigen suchte, eine wichtige Rolle spielten.
5660
VIII. Hinweis des Onkels von Michèle Kiesewet-
ter
Am 4. Mai 2007 gab der Onkel der ermordeten Polizistin
Michèle Kiesewetter, ein Kriminalbeamter aus ihrer Hei-
mat Thüringen, den Hinweis, die Tat habe etwas mit den
„Türkenmorden“ zu tun. Wie dem Protokoll der damali-
gen Zeugenvernehmung zu entnehmen ist, äußerte er
konkret:
„Aufgrund meiner Berufserfahrung muss ich sa-
gen, dass es für mich aussieht wie aus dem Bereich
der organisierten Kriminalität und dort im Bereich
russisch oder georgisch. Das entnehme ich dem
skrupellosen Vorgehen.
Meiner Meinung nach besteht auch aufgrund der
verwendeten Kaliber und der Pistolen, die ich aus
den Medien kenne ein Zusammenhang mit den
bundesweiten Türkenmorden. So viel ich weiß,
soll auch ein Fahrradfahrer bei den Türkenmorden
eine Rolle spielen. Ich sage nicht, dass ein Zu-
sammenhang besteht. Ein Kollege von der Kl 1 hat
mich nur angesprochen, dass ein Zusammenhang
bestehen könnte.“5661
Konsequenzen aus diesem Hinweis folgten nicht.
Der Zeuge Mögelin hat ausgesagt, dass ihm diese Zeu-
genaussage das erste Mal nach dem 4. November 2011
bekannt geworden sei, nachdem man sich noch einmal
alle Vernehmungen angeschaut habe. Vor dem Bekannt-
werden der sogenannten Zwickauer Terrorzelle sei er
nicht von Kollegen auf diese Zeugenaussage hingewiesen
worden. Die in der Zeugenaussage genannten Fakten
seien nicht zutreffend. So hätten die Waffen nicht das
gleiche Kaliber gehabt und Radfahrer hätten in Heilbronn
keine wesentliche Rolle gespielt. Der Zeuge sei noch
einmal nachvernommen worden und habe aus seiner Er-
innerung nicht sagen können, dass er dies überhaupt ge-
sagt habe. Er habe sich seine Aussage im Nachhinein nur
so erklären können, dass er einen Hinweis von einem
5659) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 34.
5660) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 62.
5661) Zeugenvernehmung vom 4. Mai 2007, MAT A GBA-4/15g,
Bl. 202 ff.
Kollegen erhalten habe, den er nur wiedergegeben ha-
be.
5662
IX. Angebliche Hinweise der Auskunftsperson
und späteren Informantin Krokus an das
LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
ob bereits kurz nach der Tat in Heilbronn beim LfV Ba-
den-Württemberg Hinweise der Auskunftsperson und
späteren Informantin Krokus vorlagen, wonach der
Gesundheitszustand des verletzten Polizisten A. durch
rechtsextremistische Kreise beobachtet worden sei und ob
es unterlassen wurde, diese Hinweise an die Polizei wei-
terzugeben.
1. Behauptungen des Herrn Gronbach
Anlass für diese Prüfung gab eine E-Mail von Alexander
Gronbach vom 14. April 2012 an das Innenministerium
Baden-Württemberg. Hierin gab Herr Gronbach an, er
habe Informationen einer Vertrauensperson des LfV zu
Verbindungen des rechtsextremistischen Spektrums zum
Mordfall in Heilbronn.
5663
Bei der Quelle handelte es sich
um die Lebensgefährtin des Herrn Gronbach, Frau K. Sie
wurde in der Zeit von Juli 2007 bis zur ihrer Abschaltung
im März 2011 als Quelle des LfV Baden-Württemberg
unter dem Namen Krokus geführt.
5664
In der E-Mail führte Herr Gronbach aus, Krokus habe im
Zuge ihrer Tätigkeit für das LfV Baden-Württemberg den
Auftrag gehabt, Kontakte zu Frauen aus dem rechtsradi-
kalen Spektrum im Raum Hohenlohe herzustellen. In
diesem Zusammenhang habe sie die NPD-Funktionärin
Nelly R. kennengelernt. Von dieser habe sie erfahren, dass
eine Krankenschwester an einem geheim gehaltenen Ort,
dem Krankenhaus Ludwigsburg, Informationen für
rechtsgerichtete Kreise sammele. Hierbei sei zunächst
mitgeteilt worden, dass der Polizist im Koma läge und
wohl den Mordanschlag nicht überleben werde. Später sei
berichtet worden, dass man keine weitere Aktion ausfüh-
ren müsse, da sich der Polizist nicht mehr an den Tatab-
lauf oder an Personen erinnere. Dies habe Krokus ihrem
VP-Führer unmittelbar nach dem Polizistenmord und dem
Mordversuch gemeldet. Die Meldung sei vom LfV nicht
an die zuständigen Ermittler der Soko „Parkplatz“ weiter-
geleitet worden.
5665
Vielmehr habe ihr V-Mann-Führer ihr
erklärt, sie solle sich aus der Sache raushalten, denn es sei
Sache der Polizei, in diesem Mordfall zu ermitteln.
5666
5662) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 7, 8.
5663) E-Mail von Alexander Gronbach vom 21. April 2012, MAT A
BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 962 ff., 962 (VS-
NfD).
5664) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 2 ff.; Näheres hierzu unter
G.IX.3.
5665) E-Mail von Alexander Gronbach vom 21. April 2012, MAT A
BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 962 ff., 962, 963
(VS-NfD).
5666) E-Mail vom 19. April 2013, MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 -
GEHEIM), Bl.7598 (offen).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 651 – Drucksache 17/14600
In einer „Vereidigten Aussage beim zuständigen Ermitt-
lungsrichter Bundesgerichtshof Karlsruhe“ führte Herr
Gronbach aus, er sei gemeinsam mit dem Zeugen E. J.
am Ostersonntag 2012 auf dem Anwesen von Nelly R.
vorstellig geworden. In diesem Gespräch habe sich her-
auskristallisiert, dass die Rechtsextremisten seit 2009 den
Verdacht gehegt hätten, bei Krokus könne es sich um eine
Quelle des Verfassungsschutzes handeln. Im Anschluss
sei es zu einem Treffen mit Nelly R., Matthias Brodbeck
sowie Alexander N. in einer Gaststätte gekommen. Dort
habe er diese Personen mit den Punkten Polizistenmord,
Krankenhaus Ludwigsburg, Krankenschwester und In-
formationen an diese rechtsextremistischen Kreise kon-
frontiert. Nelly R. habe bestätigt, dass die Quelle bei die-
sen Gesprächen anwesend gewesen sei und ihr Ehemann
über die Quelle wüst geschimpft habe. Alexander N. sei
totenbleich und Matthias Brodbeck fassungslos gewe-
sen.
5667
In der Folge soll es am 6. Mai 2012 an einem Schießstand
eines Schützenvereins zu einer Konfrontation zwischen
Krokus, Matthias Brodbeck, Tanja W., Patrick W. sowie
einer vierten Person gekommen sein.
5668
Patrick W. hat
nach Einschätzung des BKA nachgewiesene Kontakte zu
Beschuldigten im Ermittlungsverfahren des Generalbun-
desanwaltes im Zusammenhang mit dem NSU.
5669
2. Umgang mit Quelleneigenschaft von Kro-
kus durch LKA Baden-Württemberg und
LfV Baden-Württemberg
Frau K. wurde am 3. Mai 2012 zeugenschaftlich vernom-
men. Während der Vernehmung äußerte sie sich zu der
Behauptung von Herrn Gronbach, er habe durch sie er-
fahren, dass Personen aus der Nazi-Szene sich Informati-
onen über den Gesundheitszustand des verletzten Polizis-
ten Martin A. beschafft hätten, wie folgt:
„Dazu kann ich gar nichts sagen. Das ist absoluter
Bullshit. Von mir kam keine derartige Information
an Herrn Gronbach. Das Einzige, was ich in die-
sem Zusammenhang sehe, ist ein Besuch bei mei-
ner Friseurin, Nelly R. aus Wolpertshausen. Im
Gespräch bei einem Friseurbesuch kam man auf
das Thema Polizistenmord. Das war aber nicht
jetzt vergangenen Herbst, sondern im Jahr 2007,
als das Thema noch aktuell war. Die Nelly erzähl-
te, dass sie eine Bekannte habe, die im Kranken-
haus Ludwigsburg arbeitet, wo A. behandelt wur-
de. Diese habe berichtet, dass es Martin A. soweit
gut gehe. Mehr wurde nicht gesprochen. Diese Ge-
schichte habe ich irgendwann mal dem Alexander
5667) MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1353 (VS-
NfD).
5668) E-Mail vom 7. November 2012, MAT A BW-16 (Tgb.-Nr.
224/13 - GEHEIM), Bl. 7582, 7583 (VS-NfD).
5669) Schreiben des BMI vom 27. Februar 2012, MAT A BKA-2, S.
1 f.
erzählt. Es war vielleicht vor einem halben
Jahr.“5670
Außerdem bestritt Krokus, jemals einer nachrichtendienst-
lichen Tätigkeit nachgegangen zu sein.
5671
Vor dem Hintergrund, dass Krokus jegliche nachrichten-
dienstliche Tätigkeit bestritt, bewertete das LKA den
Sachverhalt zunächst wie folgt:
„Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es nach derzei-
tigem Kenntnisstand, außer der Aussage von Hr.
Gronbach selbst, keine Anhaltspunkte dafür gibt,
dass seine Angaben über den von Fr. K. beschrie-
benen Sachverhalt hinaus zutreffen. Insbesondere
gezieltes Interesse der rechtsextremen Szene,
Mordpläne und der Rücktritt von diesen Plänen
nach der Feststellung des Gedächtnisverlustes von
PM A. können aus den hier vorliegenden Informa-
tionen nicht untermauert werden. Es trifft jedoch
zu, dass die im rechtsradikalen Milieu verkehrende
Fr. R. über den Gesundheitszustand von PM A. in-
formiert war.“5672
Am 10. Juli 2012 fand beim BKA eine Besprechung statt,
an der auch Vertreter des LfV Baden-Württemberg teil-
nahmen. Während dieses Treffens wurde den Bespre-
chungsteilnehmern offenbart, dass Frau K. zu einem frü-
heren Zeitpunkt als Quelle des LfV Baden-Württemberg
geführt wurde. Aufgrund dieses Hinweises kam das LKA
Baden-Württemberg zu einer veränderten Einschätzung.
Demzufolge müsse damit gerechnet werden, dass sich
Frau K. aufgrund ihrer Geheimverpflichtung durch das
LfV Baden-Württemberg zu falschen Angaben gezwun-
gen gesehen habe. Vor diesem Hintergrund wurde vorge-
schlagen, weitere Ermittlungen durchzuführen. Zu den
vorgeschlagenen Maßnahmen gehörte u. a., mit dem LfV
Baden-Württemberg Kontakt aufzunehmen, um eine
partielle Entpflichtung von Frau K. und eine Aussagege-
nehmigung für ihren Quellenführer zu erreichen.
5673
In einem abschließenden Bericht vom 28. Februar 2013
hielt das LKA Baden-Württemberg fest:
„Das LfV BW weigert sich aus Gründen der Si-
cherstellung der nachrichtendienstlichen Aufga-
benerfüllung und zum Schutze der für das LfV
BW tätigen Quellen zu Fragen über Quellen - of-
fen - Stellung zu nehmen. Dies könne im Einzelfall
nur in Form von als VS-Geheim eingestuften Stel-
lungnahmen erfolgen. Das LfV verweist auf seine
Stellungnahme vom 16.05.2012: ‚Herr Gronbach
behauptet, ihm sei bekannt, dass sich zeitnah zu
5670) Zeugenvernehmung vom 3. Mai 2012, MAT A BY-14/1c, Bl.
575 ff., 577.
5671) Zeugenvernehmung vom 3. Mai 2012, MAT A BY-14/1c, Bl.
575 ff., 577.
5672) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 15. Mai 2012,
MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 998 f. (VS-
NfD).
5673) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 12. Oktober
2012, MAT A GBA-4/43, Bl. 4 f.
Drucksache 17/14600 – 652 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dem Mord und Mordversuch an den Polizeibeam-
ten Kiesewetter und A. gewisse Personen nach
dem Gesundheitszustand des A. erkundigt hätten.
Zudem sei überlegt worden, ob etwas zu tun sei,
sofern sich der Polizeibeamte A. wieder an den
Mord bzw. Mordversuch erinnern würde. Er habe
dies von einer Quelle des LfV BW erfahren, die
dies auch so ihrem VM-Führer mitgeteilt habe.‘ Zu
dieser Sachverhaltsschilderung liegen dem LfV
BW keinerlei Erkenntnisse vor. Wären dem LfV
BW solche Erkenntnisse bekannt geworden, hätte
man sie an die ermittelnde Polizeidienststelle wei-
tergeleitet.“5674
Zudem wurde in dem Schreiben des LKA vermerkt:
„Die beabsichtigte Zeugenbefragung des für Frau
K. angeblich zuständigen Quellenführers beim LfV
unterbleibt aus rechtlichen Gründen.“5675
Um welche rechtlichen Gründe es sich hierbei handeln
könnte, wurde nicht ausgeführt.
3. Tätigkeit der Auskunftsperson/Informantin
Krokus für das LfV Baden-Württemberg
Da der von Gronbach behauptete Sachverhalt – auch
aufgrund der durch das LfV Baden-Württemberg verwei-
gerten Aussagegenehmigung für den Quellenführer von
Krokus – im Vorfeld nicht zweifelsfrei widerlegt werden
konnte, hat der Ausschuss diesen Quellenführer, Herrn
Rainer Oettinger, selbst vernommen.
Dieser hat ausgesagt, dass Krokus vor ihrer Tätigkeit für
das LfV Baden-Württemberg Informationen aus dem
Kleinkriminellenbereich an den Staatsschutz weitergege-
ben habe. Der zuständige Staatsschutzbeamte habe Kro-
kus an das LfV Baden-Württemberg weitervermittelt, da
Krokus Interesse daran gehabt habe, für ihre Informatio-
nen Geld zu bekommen. Hieraufhin habe am 19. Juli
2007 ein sog. „Aufwärmungsgespräch“ stattgefunden,
welches dazu gedient habe, sich ein Bild von der betref-
fenden Person zu machen. Die Zielrichtung für die Tätig-
keit von Krokus für das LfV Baden-Württemberg habe
sich daraus ergeben, dass ihre Freundin mit einem NPD-
Funktionär liiert gewesen sei und dass sie regelmäßig zu
einer rechtsextremistischen Friseurin gegangen sei. Auch
habe er sich vorstellen können, über Krokus an Publikati-
onen aus dem rechtsextremistischen Bereich zu kom-
men.
5676
Tatsächlich war Krokus auch nach den vorlie-
genden Akten ab Juli 2007 „Auskunftsperson“ des LfV
Baden-Württemberg zur rechtsextremistischen Szene.
5677
Während dieser Tätigkeit bot sie Informationen über die
5674) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 7 f.
5675) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 16.
5676) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 4.
5677) Anschreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
17. Mai 2013, MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 -
GEHEIM), Bl. 2.
Skinszene an, die sie in dem Friseurladen von Nelly R.
(NPD) erhielt. Vom LfV wurde sie als freundlich, aufge-
schlossen und in geordneten Verhältnissen lebend einge-
schätzt. Sie lehne rechtsextremistische Aktivitäten katego-
risch ab und habe eine demokratische Gesinnung.
5678
Krokus sei eine intelligente und zuverlässige Person, die
über größeres Potential verfüge.
5679
Zu der auch in der
Presse wiedergegebenen Einschätzung, wonach es sich
bei der Quelle Krokus um die „geborene Quelle“ handele,
die zuverlässig, verschwiegen und überaus einsatzwillig
sei,
5680
hat der Zeuge Oettinger ausgeführt, es müsse
zwischen der beschriebenen Persönlichkeitsstruktur und
der Zugangslage differenziert werden.
5681
Bei Krokus
habe es sich zunächst nur um eine Auskunftsperson ge-
handelt. Mit Auskunftspersonen fänden nur gelegentliche
Treffen statt. Diese berichteten dann, was sie mehr oder
weniger durch Zufall in Erfahrung gebracht hätten.
5682
Zudem sei der Zugang bei Krokus zumeist indirekter
Natur gewesen:
„Insgesamt kann konstatiert werden, dass es sich
bei der Quelle bis zum Jahreswechsel 2010/2011
um eine Person mit eher unterdurchschnittlichem
Zugang handelte, deren Informationsgehalt jedoch
bis dato als im Allgemeinen zuverlässig galt. An-
ders ausgedrückt: keine Superquelle, aber eine
durchaus nachrichtenehrliche Person.“5683
Die von Krokus gelieferten Informationen hat der Zeuge
Oettinger wie folgt bewertet:
„diese ganze Schiene war alles andere als befriedi-
gend. Es kam wenig rüber, extrem wenig. Ich hatte
mir ursprünglich mehr versprochen. Das Wenige,
das rüberkam, gerade in Bezug auf den NPD-
Funktionär, habe ich, wie man bei uns sagt, mate-
riell umgesetzt.“5684
Krokus habe vorrangig über Skinhead-Termine Auskünfte
geben sollen. Ihre Informationen seien aber nicht ergiebig
gewesen.
5685
Die Frage, ob Krokus ihm nach dem Mord an der Polizis-
tin Kiesewetter und dem versuchten Mord an dem Poli-
zeibeamten A. Informationen des Inhalts habe zukommen
lassen, dass die rechtsextreme Szene Baden-Württemberg
versuche, sich mittels einer Krankenschwester ein Bild
über den Gesundheitszustand des schwerverletzten Poli-
5678) Bericht des LfV Baden-Württemberg vom 27. Juli 2007, MAT
A BW-16 Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7474,
7475 (VS-VERTRAULICH).
5679) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 7. November 2007,
MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl.
7480 (VS-VERTRAULICH).
5680) Der Spiegel online, „Die Spur des ‚Krokus‘“, 13. Juni 2013.
5681) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 3.
5682) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 6.
5683) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 3.
5684) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 6.
5685) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 653 – Drucksache 17/14600
zeibeamten zu verschaffen, hat der Zeuge Oettinger ver-
neint. Hierzu hat er ausgeführt:
„Wenn eine Information dieser Art an mich heran-
getragen worden wäre, dann wäre bei mir ein ähn-
licher Mechanismus abgelaufen wie wahrschein-
lich bei anderen Menschen auch, die auf die In-
formationen anderer angewiesen sind, ob das nun
Polizeibeamte sind oder Journalisten. Und diese
Information hätte mich auch aus damaliger Sicht -
jetzt nicht nur heute mit all dem Wissen, das wir
haben, sondern auch aus damaliger Sicht - deshalb
fasziniert oder elektrisiert, weil es ja darum gegan-
gen wäre, dass ein Kollege von mir - ich komme
aus den Reihen der Polizei - möglicherweise ge-
fährdet ist.
[…]
Das wäre eine Situation gewesen, auf die ich ganz
sicher reagiert hätte, und die ich im Anschluss
nach dem Abfragen all dieser Details telefonisch in
die Zentrale gegeben hätte. Und ich garantiere Ih-
nen: Ich wäre sofort in die Zentrale gerufen wor-
den, und man hätte sich über diesen Fall unterhal-
ten.“5686
Ab Januar 2008 wurde Krokus Informantin des LfV Ba-
den-Württemberg. Eine Höherstufung von Krokus zur
Informantin war mit Schreiben vom 17. Dezember 2007
angeregt worden. Bei dieser Tätigkeit beobachtete sie vor
allem die Partei DIE LINKE.
5687
Laut Aktenlage wurde
der Wechsel zum linksextremistischen Bereich damit
begründet, dass Krokus nur periphere Zugänge zu rechts-
extremistischen Einzelpersonen habe.
5688
Die rechtsext-
remistischen Beobachtungsfelder im Großraum Heilb-
ronn/Schwäbisch Hall/Ostalb seien mittels der dort einge-
setzten Quellen […] relativ gut abgedeckt. Es böte sich
an, die AP in den Bereich Linksextremismus zu steuern,
solange ihre rechtsextremistischen Kontakte noch nicht zu
intensiv seien. Vorstellbar und vermutlich auch realisier-
bar, wäre eine Verbindungsaufnahme zur Partei DIE
LINKE., die im Wohnbereich der AP über eine eigene
Ortsgruppe „Schwäbisch Hall-Hohenlohe“ verfüge.5689 Zu
einem späteren Zeitpunkt wurde der Wechsel mit der
persönlichen politischen Einstellung der Informantin und
finanziellen Aspekten begründet
.5690
5686) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 10.
5687) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 17. Dezember
2007, MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM),
Bl. 7484 f. (VS-VERTRAULICH).
5688) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 7. November 2007,
MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM),
Bl. 7480 f. (VS-VERTRAULICH).
5689) Schreiben des LfV Baden-Württemberg vom 17. Dezember
2007, MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM),
Bl. 7484 f. (VS-VERTRAULICH).
5690) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 18. April 2012,
MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7533 (VS-
VERTRAULICH).
Der Zeuge Oettinger hat hierzu ausgeführt, Krokus sei
Ende 2007 auf ihn zugekommen und habe ihr Interesse
bekundet, ihre Tätigkeit auszuweiten. Er sei hieraufhin an
die Auswertungsleiterin „rechts“ herangetreten. Diese
habe mit Blick auf die gute Zugangslage zum rechtsext-
remistischen Bereich im Raum Hohenlohe keine Mög-
lichkeit eines erweiterten Einsatzes gesehen. Der Auswer-
tungsleiter „links“ dagegen habe es für denkbar gehalten,
dass Krokus die Linkspartei, bei der damals ein hoher
Aufklärungsbedarf bestanden habe, beobachte. Da es
keinerlei Außenwirkung bei ihren Aktivitäten im Rechts-
bereich gegeben habe, sei ein Wechsel gefahrlos möglich
gewesen. Krokus habe dann weiterhin gelegentlich auch
über Gespräche mit ihrer Friseurin berichtet.
5691
Nachdem Krokus eine Beziehung mit Herrn Gronbach
aufgenommen hatte, wurde sie für das LfV Baden-
Württemberg nicht mehr steuerbar.
5692
In einem Vermerk
wurde festgehalten, sie habe nun eine richtige Agentin
werden und „am großen Rad drehen“ wollen.5693 Der
Zeuge Oettinger hat hierzu ausgeführt, dass sich zu Be-
ginn des Jahres 2011 unter dem unheilvollen Einfluss von
Herrn Gronbach ein krasser Wandel ihrer Persönlichkeit
ereignet habe. Krokus habe sich von Herrn Gronbach wie
eine Marionette behandeln lassen. Mit einem solchen
Menschen habe der Zeuge nicht mehr zusammenarbeiten
können.
5694
Im Januar 2011 habe er während ihrer Tätig-
keit für das LfV letztmalig telefonischen Kontakt zu ihr
gehabt. Die Zusammenarbeit mit Krokus sei am
15. Februar 2011 beendet worden.
5695
Der Zeuge Oettinger hat ausgesagt, im April 2012, nach-
dem sich Krokus vorübergehend von Herrn Gronbach
getrennt habe, sei noch einmal ein telefonischer Kontakt
zwischen ihnen zustande gekommen. Herr Gronbach
habe seine ehemalige Freundin bei allen möglichen Stel-
len als Quelle des LfV geoutet und sie so massiv bedroht,
dass er - Oettinger - besorgt um sie gewesen sei. Auf
Wunsch seines Abteilungsleiters habe er Krokus angeru-
fen und ihr geraten, Herrn Gronbach anzuzeigen. Seitdem
habe es keinen weiteren Kontakt seinerseits zu Krokus
gegeben.
5696
4. Hintergrundinformationen zu den von Kro-
kus beobachteten Personen aus rechtsext-
remistischen Kreisen
Die von Krokus beobachteten Personen haben eine gewis-
se Prominenz in der rechtsextremistischen Szene.
5691) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 7.
5692) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 27. Januar 2011,
MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7501-7505
(VS-VERTRAULICH).
5693) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 18. April 2012,
MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7533-7534
(VS-VERTRAULICH).
5694) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 13.
5695) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 3.
5696) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 9.
Drucksache 17/14600 – 654 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Laut Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom
15. Mai 2012 ist die Kontaktperson der damaligen Aus-
kunftsperson und späteren Informantin Krokus, Frau R., in
rechtsextremistischen Kreisen einschlägig bekannt. Bei
der letzten Landtagswahl ist sie als NPD-Kandidatin an-
getreten und es liegen einschlägige Staatsschutzerkennt-
nisse über sie vor. Zu Frau R. hat sich das LKA wie folgt
geäußert:
„Insbesondere muss davon ausgegangen werden,
dass sie mit dem stv. LV und LGeschFührer der
NPD, Hr. N. bekannt ist. […] Hr. N. unterhält bun-
desweit Kontakte in rechtsextremistische Kreise
[…] überfiel […] eine Postaußenstelle in Lübeck
und flüchtete anschließend nach Südafrika. Dort
wurde er wegen Beihilfe zum versuchten Mord an
zwei Polizeibeamten und illegalem Waffenbesitz
zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt
und im Jahr 1994 abgeschoben.“5697
Zur Person von Frau R. stellt der Bericht des LKA Baden-
Württemberg zudem Folgendes fest:
„Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen kann
nicht ausgeschlossen werden, dass Frau R. einen
oder mehrere Angehörige des Trios kennenlernte:
Frau R. und ihr Mann Stefan sollen im gesamten
Bundesgebiet, vorwiegend in Ostdeutschland an
Veranstaltungen der politischen Skinheadszene
teilgenommen haben. Frau R. sei überwiegend bei
Skinheadkonzerten und damit verbundenen Partys
aufgefallen. Konkrete Anhaltspunkte gibt es dafür
aber nicht. In den Briefen und Vernehmungen, die
bislang ausgewertet wurden und in denen Besuche
des Trios im Raum Ludwigsburg geschildert wer-
den, ist vom Ehepaar R., Alexander N. und den an-
deren von Herrn Gronbach verdächtigten Personen
nicht die Rede.“5698
Alexander N. wurde am 17. Dezember 2012 vom LKA
Baden-Württemberg vernommen. Er gab an, er habe noch
nie etwas darüber gehört, dass sich die rechte Szene für
den Gesundheitszustand des verletzten Polizisten interes-
siert habe. Es sei in der rechten Szene nicht einmal über
den Polizistenmord selber gesprochen worden. Dies sei
erst Thema geworden, nachdem im November 2011 in
den Medien berichtet wurde, dass die Täter aus der rech-
ten Szene gekommen sein sollen.
5699
Weiterhin erklärte
er, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sowie auch weitere
Personen, die mit diesen bekannt seien, nicht zu kennen.
Die Frage, ob er jemanden vom „Thüringer Heimat-
schutz“ persönlich kenne, beantwortete er wie folgt:
„Den ‚THS‘ gibt es glaube ich schon 10 Jahre
nicht mehr. Ich war früher öfters in Thüringen un-
5697) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013,
MAT A BW-6/4, (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 999 (VS-
NfD).
5698) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 18.
5699) Zeugenvernehmung von Alexander N. vom 17. Dezember 2012,
MAT A GBA-4neu, Bl. 4.
terwegs. Vom Sehen her sind mir Personen aus
dem ‚THS' bekannt. Frau Zschäpe, Herr Mundlos
und Herr Böhnhardt habe ich hier nicht kennenge-
lernt. Ich schätze die drei Personen eher so ein,
dass sie der ‚Skinheadszene‘ angehört haben.“5700
Zu der Person des Alexander N. wurde in dem Bericht des
LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar 2013 festge-
stellt:
„Es konnte festgestellt werden, dass der von Herrn
Gronbach verdächtigte Alexander N. mit einer
Person aus dem Umfeld des NSU bekannt ist,
nämlich mit Jan Botho Werner, dem ehemaligen
Leiter der Sektion Sachsen des Blood&Honour
Netzwerks und ehemaligen Teilinhaber des Ver-
lags ‚Movement Records‘. Jan Botho Werner soll
mit dem Trio in Verbindung gestanden haben. Er
ist Beschuldigter im Ermittlungsverfahren der Ge-
neralbundesanwaltschaft gegen den NSU. Die In-
tensität der Kontakte von N. ist jedoch nicht be-
kannt. Es ist auch nicht bekannt, wann der Kontakt
letztmals bestand.“5701
Zu der weiteren von Krokus beobachteten Person, dem
NPD-Funktionär Matthias Brodbeck, hat das LKA Baden-
Württemberg mitgeteilt, dieser sei stellvertretender Bun-
desvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN),
stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Baden-
Württemberg und Kreisvorsitzender der NPD Heilbronn.
Er sei Besucher diverser rechtsmotivierter Veranstaltun-
gen gewesen und habe u. a. im Jahr 2010 eine Demonstra-
tion in Leipzig besucht. Von 2001 bis 2007 habe er in
Hardthausen am Kocher gewohnt. In dem gleichen Ort
habe Tino Brandt ein Haus gekauft, in dem dieser aber
nach aktuellem Kenntnisstand nicht gewohnt habe.
5702
Zu Matthias Brodbeck hat der Zeuge Oettinger ausge-
führt:
„diese Person in dieser Region, im Großraum Heil-
bronn, ist eine absolute Schlüsselfigur; sonst hätte
ich diese Schiene nicht weiterverfolgt.“5703
Die Frage, ob es ihm vertretbar erschienen sei, eine Quel-
le damit zu beauftragen, Informationen zu besorgen, die
eigentlich keinen Zugang zu der Szene habe, hat der Zeu-
ge Oettinger wie folgt beantwortet:
„Mir schien vertretbar, über diese Person eine
zweite Informationsquelle über Termine, Örtlich-
keiten von Versammlungen etc. zu bekommen. Sie
müssen sich vorstellen: Wenn wir nur einen vagen
Hinweis haben auf eine, ich sage mal, NPD-
Versammlung und eine Observation machen, die
5700) Zeugenvernehmung von Alexander N. vom 17. Dezember 2012,
MAT A GBA-4neu, Bl. 38.
5701) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 17.
5702) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 14.
5703) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 15.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 655 – Drucksache 17/14600
dann nachher deshalb nicht funktioniert, weil sich
dieser Termin als nicht richtig herausstellt, dann ist
das viel Geld. Und deshalb sind wir immer bemüht
natürlich, zwei unabhängige Termine voneinander
zu bekommen. Und nur das hatte ich mir damals
von dem Krokus-Einsatz bei der Freundin indirekt
zu diesem M. B. erhofft; aber das ist leider nicht so
gekommen, wie ich mir das vorgestellt habe.“5704
5. Ermittlung der Krankenschwester und Be-
wertung ihrer Aussage
Aufgrund des Hinweises von Herrn Gronbach, wonach es
sich bei der Person, die Informationen zu dem verletzten
Polizisten weitergegeben habe, um eine Krankenschwes-
ter des Krankenhauses Ludwigsburg gehandelt habe,
wurde erhoben, welche weiblichen Pflegekräfte ihn wäh-
rend seines Aufenthaltes dort betreuten bzw. Zugriff auf
wesentliche Informationen zu seinem Gesundheitszustand
hatten. In einem abschließenden Bericht vom 28. Februar
2013 stellte das LKA Baden-Württemberg fest, dass keine
der in Frage kommenden 55 Personen bisher als rechts-
extrem bekannt geworden oder eine Kontaktperson von
Frau R. seien.
5705
In einer Zeugenvernehmung am 17. Dezember 2012 gab
die Friseurin Frau R. an, sie habe vor einigen Jahren eine
Kundin gehabt, die Krankenschwester gewesen sei. Sie
habe im Rahmen eines Friseurbesuches von dem Polizei-
beamten erzählt, der auf ihrer Station liege und schwer
angeschlagen sei. Frau R. gab an, sich daran zu erinnern,
dass die Kundin das Wort „Schwarz“ als Namensbestand-
teil gehabt habe. Zu dem Zeitpunkt, als die Kundin ihr
von dem Polizeibeamten erzählt habe, sei möglicherweise
auch Frau K. im Friseursalon anwesend gewesen.
5706
Da der verletzte Polizist A. vom 16. Mai 2007 bis zum
18. Juni 2007 im SRH Fachkrankenhaus Neresheim stati-
onär in Behandlung war, wurde überprüft, ob sich dort zu
dieser Zeit eine Krankenschwester mit dem Namensbe-
standteil „Schwarz“ im Einsatz befunden habe und es
wurde eine Krankenschwester namens Lilli S. ausfindig
gemacht. Diese hatte mittlerweile geheiratet und heißt nun
Lilli R.
Lilli R. wurde am 8. Februar 2013 vom LKA Baden-
Württemberg vernommen. Sie gab an, mit der Pflege des
verletzten Polizisten selbst nicht befasst gewesen zu sein.
Sie habe ihn nicht ein einziges Mal gesehen. Der Polizist
sei auf der Station 3, der Intensivstation, gepflegt worden.
Sie selbst sei aber auf der Station 2 tätig gewesen. Aller-
dings hätten sich die Pflegekräfte beim Rauchen über den
Gesundheitszustand des Polizisten unterhalten. In diesem
Zusammenhang habe sie gehört, dass es ihm nicht so gut
gehe und dass sein Zustand schlecht sei. In Vorbereitung
5704) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 15.
5705) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar 2013,
MAT A GBA-4neu, Bl. 8.
5706) Zeugenvernehmung von Nelly R. am 17. Dezember 2012,
MAT A GBA-4neu, Bl. 41.
ihrer Hochzeit habe sie mehrmals eine Friseurin in
Wolpertshausen aufgesucht.
5707
Auf die Frage, ob sie sich
mit dieser über den Gesundheitszustand des Polizeibeam-
ten unterhalten habe hat sie wie folgt geantwortet:
„Ich kann mich an das Gespräch mit Frau R. kon-
kret nicht mehr erinnern. Beim Haarefärben sitzt
man ja auch lange und hat viel Zeit sich zu unter-
halten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Frau R.
mich nach meinem Beruf gefragt hat und dann hät-
te ich ihr bestimmt gesagt, dass ich in der SRH
Klinik Neresheim arbeite und dort schwere Schä-
del-Hirn-Traumatisierte gepflegt werden. So hätte
es dazu kommen können, dass ich das beiläufig
erwähnt hätte, dass der angeschossene Polizist bei
uns gepflegt wird. Wie gesagt, ich kann mich an
ein solches Gespräch nicht mehr erinnern.“5708
Weiterhin gab Lilli R. an, sie habe die Namen Zschäpe,
Mundlos und Böhnhardt noch nie im Leben gehört. Auch
zur Buchstabenkombination „NSU“ falle ihr nichts
ein.
5709
In einem abschließenden Bericht vom 28. Februar 2013
kommt das LKA Baden-Württemberg zu dem Ergebnis,
dass die Krankenschwester, die mit Frau R. über den
Gesundheitszustand des verletzten Polizisten gesprochen
habe, als unverdächtig eingeschätzt werde.
5710
Sie scheine
tatsächlich nicht zu wissen, dass es die NSU-Mordserie
gegeben habe und habe ihren Äußerungen bei Gesprächen
mit Frau R. offenbar keinerlei Bedeutung beigemes-
sen.
5711
6. Bewertung des Sachverhaltes durch das
LKA und das LfV Baden-Württemberg
Das LKA hat den Wahrheitsgehalt des behaupteten Sach-
verhalts auch mit Blick auf die Interessenlage von Frau K.
wie folgt bewertet:
„Es stellt sich aber die Frage, welchen Grund das
LfV BW und Frau K. hätten haben sollen, solche
wichtigen Erkenntnisse für sich zu behalten bzw.
diese bei der Vernehmung abzustreiten. Ein Motiv
hierfür wäre weder für das LfV BW noch für Frau
K. zu erkennen. Für Frau K. als Privatperson wäre
es dabei um immerhin 300 000 Euro Belohnung
gegangen, von der ihr ein Teil zugestanden wäre,
wenn die Tat aufgrund ihrer Erkenntnisse hätte
aufgeklärt werden können. Schon deshalb erschei-
nen Herrn Gronbachs Behauptungen zur angebli-
5707) Zeugenvernehmung von Lilli R. vom 8. Februar 2013, MAT
A GBA-4neu, Bl. 48 ff.
5708) Zeugenvernehmung von Lilli R. vom 8. Februar 2013,
MAT A GBA-4neu, Bl. 48 ff., 54, 55.
5709) Zeugenvernehmung von Lilli R. vom 8. Februar 2013,
MAT A GBA-4neu, Bl. 48 ff., 57.
5710) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 3.
5711) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 18.
Drucksache 17/14600 – 656 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen Tätigkeit der Krankenschwester für einen
Kreis von Rechtsextremisten als unglaubwür-
dig.“5712
Das LfV Baden-Württemberg hat zu den Behauptungen
des Herrn Gronbach erklärt, es hätte bei Erkenntnissen
hinsichtlich des Anschlags in Heilbronn umgehend die
Polizei informiert. Das LfV sei eine rechtsstaatliche Be-
hörde und auch der Quellenschutz habe Grenzen, die bei
einem Mord und einem Mordversuch längstens über-
schritten wären.
5713
7. Glaubwürdigkeit des Herrn Gronbach
Zu den Behauptungen von Herrn Gronbach bezüglich
Krokus wurde vom LfV Baden-Württemberg festgestellt:
„Inf. Krokus hatte sich zu diesem Zeitpunkt wohl
schon selbst gegenüber Gronbach als Quelle des
Verfassungsschutzes enttarnt, obwohl ihr VM-
Führer sie immer wieder aufforderte, dies nicht zu
tun. Gronbachs Ausführungen in seiner E-Mail an
das Innenministerium sind zum Teil zutreffend,
zum Teil vollkommen aus der Luft gegriffen. So
gab Inf. Krokus weder Informationen zum
Polizistenmord der NSU in Heilbronn weiter, noch
wurde sie vom LfV auf Gronbach angesetzt. […]
Gronbachs Mail ist das Werk eines polizeibekann-
ten Hochstaplers und Psychopathen und sollte da-
her ignoriert werden.“5714
Zu der Person des Herrn Gronbach hat das LKA Baden-
Württemberg ausgeführt, dieser habe nach einem Streit
mit Frau K. die Familie R. nicht aufgesucht, um herauszu-
finden, ob sie mit den Polizistenmördern zusammenarbei-
teten, sondern um die vermeintliche Tätigkeit seiner Ex-
Freundin für das LfV Baden-Württemberg an ihre angeb-
lichen Zielpersonen zu verraten. Seit dem 24. Mai 2012
sei Frau K. wieder mit Herrn Gronbach zusammen. Herr
Gronbach habe eine Situation geschaffen, in der er Frau
K. davon habe überzeugen können, dass sie gefährdet sei
und dieser Gefahr durch Flucht entgehen könne. Beide
seien unbekannten Aufenthalts,
5715
weshalb eine erneute
Zeugenbefragung von Frau K. unterbleibe.
5716
Als Ergeb-
nis stellt der Bericht des LKA Baden-Württemberg fest:
„Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Ermittlun-
gen ergaben, dass dem von Herrn Gronbach ge-
schilderten Sachverhalt ein harmloses Friseurge-
spräch zugrunde lag, als eine Krankenschwester
5712) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 18.
5713) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 24. September
2012, BW-16 Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7563
f. (VS-VERTRAULICH).
5714) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 18. April 2012,
MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7534-7535
(VS-VERTRAULICH).
5715) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 7.
5716) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 16.
vor ihrer Hochzeit aus ihrem Berufsleben berichte-
te.“5717
Herr Gronbach ist bereits mehrfach polizeilich in Er-
scheinung getreten und mit 86 Fällen, u. a. Eigentums-,
Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten, im Fahndungssys-
tem POLAS erfasst.
5718
Aus den Akten des GBA geht
zudem hervor, dass Herr Gronbach als notorischer Hin-
weisgeber bei verschiedenen Ermittlungsbehörden in
Baden-Württemberg bekannt ist. Sein Wissen sei größten-
teils im Internet recherchierbar oder durch ihn nicht be-
legbar.
X. Mitgliedschaft des Gruppenführers von
Michèle Kiesewetter im „KKK“
Der Ausschuss hat sich damit befasst, ob es Verbindun-
gen der rechtsextremen Szene und insbesondere des Trios
zu Angehörigen der Polizeieinheit gegeben haben könnte,
in der Frau Kiesewetter Dienst tat. Anlass dafür war die
Angabe eines Polizisten am 22. Dezember 2011, ihm sei
2005 oder 2006 zu Ohren gekommen, POM H., der am
Tattag als verantwortlicher Gruppenführer für Michèle
Kiesewetter und Martin A. zuständig war, habe Verbin-
dungen zum „Ku-Klux-Klan“ (KKK) gehabt. Aufgrund
dieses Hinweises wurde H. am 14. März und 15. März
2012 von der Polizei vernommen. Er räumte eine frühere
Mitgliedschaft bei den „European White Knights of the
Ku-Klux-Klan“ (EWK KKK) ein, betonte aber, dass diese
lange zurückliege.
Während der Befragungen am 14. und 15. März 2012
wurde H. eingehend zu seiner Mitgliedschaft im „EWK
KKK“ befragt. Er gab an, er habe sich bereits kurze Zeit
nach seinem Eintritt innerlich distanziert und sich durch
Nichtbeteiligung vom „KKK“ getrennt. Für seinen Aus-
tritt sei das Auftreten eines männlichen Besuchers maß-
geblich gewesen, der der neonazistischen Skinhead-Szene
zuzuordnen gewesen sei. Seit seinem Austritt im Sommer
2002 habe er keine Kontakte mehr zum „KKK“ ge-
habt.
5719
Der Zeuge Mögelin hat vor dem Ausschuss ausgesagt,
nach dem 4. November 2011 habe das LKA noch einmal
das ganze Umfeld auf Bezüge zum Rechtsextremismus
intensiv befragt. Man sei dann darauf gestoßen, dass es
disziplinarrechtliche Vorermittlungen wegen der Zugehö-
rigkeit zweier Angehöriger der Bereitschaftspolizei zum
„KKK“ gegeben habe. In Abstimmung mit dem GBA und
dem BKA sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es
keine Tatrelevanz bezüglich des Polizistenmordes in
Heilbronn gegeben habe. Ein Bewertungskriterium seien
die Zeitabläufe gewesen. Die Kollegen seien 2002 aus
dem „KKK“ ausgetreten und der „KKK“ habe sich
5717) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 17.
5718) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 15. Mai 2005,
MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 998 (VS-
NfD).
5719) Opferumfeldermittlungen – Maßnahme 321, Bericht vom
20. März 2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 283 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 657 – Drucksache 17/14600
2002/2003 aufgelöst. Michèle Kiesewetter sei aber erst
2003 in die Polizei Baden-Württemberg eingetreten. Der
Kollege H. sei nur an diesem Einsatztag der zuständige
Gruppenführer gewesen. Er habe keinen Einfluss auf die
Einsatzplanung am Tattag gehabt. Michèle Kiesewetter
und Martin A. hätten selber entschieden, zusammen zu
fahren. Auch darauf, wohin die beiden gefahren seien,
habe H. in seiner Funktion nicht einwirken können. Zu-
dem habe Michèle Kiesewetter die Theresienwiese erst-
mals im April 2007 aufgesucht, so dass auch nicht überall
bekannt gewesen sei, dass Frau Kiesewetter an diesem
Platz Pause mache.
5720
Der Zeuge Meyer-Manoras hat ausgesagt, ihm sei nicht
bekannt gewesen, dass zwei Polizisten aus dem Umfeld
von Michèle Kiesewetter Mitglieder des „KKK“ gewesen
seien.
5721
Der Zeuge Schmalzl, der vom 1. August 2005
bis zum 31. Dezember 2007 Präsident des LfV Baden-
Württemberg gewesen war, hat erklärt, er habe damals
nicht gewusst, dass Polizeibeamte Mitglieder des „KKK“
gewesen seien. In seiner Amtszeit sei die Gruppe aber
auch nicht mehr präsent gewesen.
5722
XI. Spekulationen zum Tathergang und hie-
rauf veranlasste Ermittlungen
1. Anfrage des stern vom 28. November 2011
und Antworten
In einer Anfrage des stern vom 28. November 2011 an die
Pressestelle des Innenministeriums Baden-Württemberg
wurde die Behauptung aufgestellt, dass sich an dem Tag,
als Michèle Kiesewetter ermordet und ihr Kollege schwer
verletzt wurde, ein oder mehrere baden-württembergische
Verfassungsschützer in der Nähe des Tatorts aufgehalten
hätten. Nach dem stern vorliegenden Unterlagen seien in
Heilbronn vor den Schüssen auf der Theresienwiese der
Deutsch-Türke M. K. und eine Begleitperson von Verfas-
sungsschützern observiert worden. Beide seien auch am
Morgen des 25. April 2007 von Verfassungsschützern
observiert worden, als sie bei der Santander Bank in
Heilbronn Geld deponiert oder transferiert hätten. Zudem
gehe aus Unterlagen hervor, dass Personen mit rechtsex-
tremem Hintergrund in die Schießerei auf der
Theresienwiese involviert gewesen seien. Der stern fragte
konkret nach, ob es sich bei diesen Personen um Uwe
Böhnhardt und Uwe Mundlos gehandelt habe.
5723
Aufgrund der Anfrage des stern wurde innerhalb des LfV
Baden-Württemberg eine Prüfung durchgeführt. In behör-
deninternen Vermerken wurde festgehalten, dass zu einer
Observation von M. K. und zu einer Schießerei von Per-
sonen mit rechtsextremistischem Hintergrund keinerlei
5720) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 22.
5721) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 70.
5722) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 109.
5723) Anfrage des stern vom 28. November 2011, MAT A BW-6,
Bl. 989 f.
Erkenntnisse vorlägen.
5724
Tatsächlich fuhr ein Mitarbei-
ter des LfV Baden-Württemberg an diesem Tag nach
Heilbronn, die Abfahrt in Stuttgart erfolgte ausweislich
seines Fahrtenbuches aber erst um 15 Uhr.
5725
Zudem
wurde ein Kontakt zur Pressestelle des LfV Bayern herge-
stellt, der ergab, dass das LfV Bayern die Behauptungen,
auch bayerische Verfassungsschützer seien vor Ort gewe-
sen, zurückweisen werde.
5726
Zu der Presseanfrage nahm das LfV Baden-Württemberg
am 28. November 2011 gegenüber dem Innenministerium
Baden-Württemberg Stellung. Es legte dar, dass sich am
25. April 2007 ein Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich
Werbung zu einem dienstlichen Einsatz im Raum Heil-
bronn befunden habe. Es sei vorgesehen gewesen, dass
dieser eine Zielperson aus dem Phänomenbereich des
Islamismus treffe. Zielperson sei aber nicht M. K. gewe-
sen. Der Mitarbeiter sei sich sehr sicher, dass es zu die-
sem Treffen nicht gekommen sei. Eine detaillierte Rekon-
struktion des Einsatzes über etwaig gefertigte Aktenver-
merke sei nicht mehr möglich, da die entsprechende Akte
zwischenzeitlich vernichtet worden sei. Nach der Erinne-
rung des Mitarbeiters habe dieser bereits auf der Anfahrt
nach Heilbronn Einsatzkräfte der Polizei wahrgenommen.
Er gehe daher davon aus, dass die Anfahrt zum Einsatzort
erst nach dem Tatzeitpunkt erfolgt sei. Zu den weiteren
Fragen des stern lägen keine Erkenntnisse vor.
5727
Das Innenministerium antwortete dem stern mit E-Mail
vom 28. November 2011, dass zu operativen Einsätzen
des baden-württembergischen LfV grundsätzlich keine
Medienauskünfte erteilt würden. Es verwies in diesem
Zusammenhang auf die inzwischen zuständige Bundes-
anwaltschaft.
5728
2. Behauptungen des stern-Artikels „Mord
unter den Augen des Gesetzes“
Am 1. Dezember 2011 erschien im stern ein Artikel
„Mord unter den Augen des Gesetzes?“, in dem berichtet
wurde, dass ein US-amerikanischer Geheimdienstbericht
nahe lege, dass deutsche Verfassungsschützer Zeugen des
Heilbronner Polizistenmordes gewesen seien. In dem
Artikel wurde ausgeführt:
„Ein Observationsprotokoll des amerikanischen
Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agen-
cy (DIA) legt nahe, dass Beamte deutscher Verfas-
sungsschutzbehörden Zeugen der Schüsse auf
Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen, wenn
nicht sogar in den Vorfall verwickelt waren. Eine
Kopie des Papiers liegt dem stern vor. Der ‚Con-
5724) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 28. November
2011, MAT A BW-6, Bl. 991; Vermerk der Abteilung 3 des
LfV vom 28. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 994.
5725) E-Mail vom 29. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1018.
5726) E-Mail vom 28. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1012.
5727) Stellungnahme des LfV Baden-Württemberg vom
28. November 2011, MAT A BW-6/2 (Tgb.-Nr. 27/12 - VS-
VERTRAULICH), Anlage 1, Bl. 901 f.
5728) E-Mail vom 28. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1006.
Drucksache 17/14600 – 658 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tact Report‘ protokolliert eine Observation am
25. April 2007 in Heilbronn. Neben dem Bericht-
erstatter und einem Kollegen der DIA-
Spezialeinheit ‚SIT Stuttgart‘ (Special Investigati-
on Team), das sich vor allem in Süddeutschland
um islamistische Bedrohungen gegen amerikani-
sche Streitkräfte kümmert und engen Kontakt zu
deutschen Sicherheitsbehörden hält, weist das Pa-
pier als Teilnehmer auch zwei Beamte des Landes-
amts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
oder Bayern aus: ‚2 (two) OPS Ofc. LfV BW OR
BAVARIA‘, wie es wörtlich heißt.
Sie observierten zunächst einen ‚CONTACT‘ na-
mens ‚M. K.‘ und einen nicht identifizierten Ver-
dächtigen (‚UNIDENTIFIED SUSPECT), wie die-
ser ‚2,3 MIL. EURO(S)‘ in einer Filiale der San-
tander Bank in Heilbronn vermutlich einzahlte
(‚DEPOSI-TED‘) und sich dann Richtung
Theresienwiese bewegte, die der Mann um 13.50
Uhr erreichte. Dort endete die Observation durch
einen Zwischenfall mit Schusswaffen, in den of-
fenbar auch ein Beamter aus Baden-Württemberg
verwickelt war: ein – wie es wörtlich heißt –
‚SHOOTING INCIDENT INVOLVING BW OPS
OFFICER WITH RIGHT WING OPERATIVES
AND REGULAR POLICE PATROL ON THE
SCENE‘ (‚Schießerei, in die ein BW OPS Offizier
mit Rechtsextremen und eine reguläre Polizeistrei-
fe vor Ort verwickelt waren‘).
[…]
Bei M. K., dem Mann, den die Agenten am Mittag
des 25. April 2007 in Heilbronn observierten, han-
delt es sich um Mevlüt K., einen Deutschtürken aus
Ludwigshafen, der als fünfter Mann der Sauerland-
Gruppe gilt, die wenige Monate später von der Po-
lizei ausgehoben wurde, bevor sie islamistisch mo-
tivierte Bombenanschläge in Deutschland verüben
konnte.
[…]
Zufällig oder nicht kreuzten sich in Heilbronn of-
fenbar die Wege der ‚Zwickauer‘ und der ‚Sauer-
land-Zelle‘. Die offenen Fragen dazu sind: Waren
die Neonazis mit Mevlüt K. oder seinem Mittels-
mann zu einem Waffendeal verabredet? Gerieten
ihnen die junge Polizistin und ihr Kollege dabei in
die Quere? Etwa bei einer Personenkontrolle, für
die sie im Rahmen des damaligen Einsatzkonzepts
‚Sichere City‘ Streife fuhren?
Wollten oder mussten die Verfassungsschützer ih-
re Beobachtungen für sich behalten, weil sie die
laufenden verdeckten Ermittlungen zum Sauer-
land-Umfeld nicht gefährden durften?
[…]
Alle anderen Spuren wurden nur mit minderer Pri-
orität behandelt. So wurden in der Nähe des Ta-
torts an der Theresienwiese zwei Araber kontrol-
liert, von denen nach stern-Informationen mindes-
tens einer Bezüge zu Mevlüt K. hatte.“5729
3. Erste Reaktionen auf die stern-
Veröffentlichung
Durch Pressemitteilung vom 30. November 2011 gab das
Innenministerium Baden-Württemberg bekannt, Mitarbei-
ter des LfV Baden-Württemberg seien nicht Teilnehmer
einer vom US-Militärgeheimdienst „DIA“ am 25. April
2007 in Heilbronn durchgeführten Observation und auch
nicht Zeugen des Mordes an der Polizistin Michèle Kie-
sewetter auf der Theresienwiese geworden.
5730
Auch das
BfV veröffentlichte an diesem Tag eine Pressemitteilung,
aus der hervorging, dass zum Zeitpunkt des Mordes am
25. April 2007 auf der Theresienwiese in Heilbronn keine
Observation des BfV stattgefunden habe.
5731
Auf eine
Anfrage des Generalbundesanwaltes an das LfV Baden-
Württemberg vom 30. November 2011, in der vor dem
Hintergrund des stern-Artikels um Benennung etwaiger
Augenzeugen gebeten wurde, antwortete das LfV Baden-
Württemberg mit Schreiben vom 30. November 2011,
dass Mitarbeiter des LfV nicht Teilnehmer einer angeb-
lich vom US-Militärgeheimdienst „DIA“ am 25. April
2007 in Heilbronn durchgeführten Observation und auch
nicht Zeugen des Mordes an der Polizistin Michèle Kie-
sewetter auf der Theresienwiese gewesen seien. Eine
Benennung von Zeugen sei daher nicht möglich.
5732
Aufgrund des Artikels im stern bat das BMI die Vertreter
der US-Dienste bei der US-Botschaft um eine Stellung-
nahme zu dem angeblichen US-Observationsprotokoll. In
der dem BMI am 5. Dezember 2011 zugegangenen Stel-
lungnahme teilte ein Vertreter der US-Dienste bei der US-
Botschaft mit:
„regarding the 1 December 2011 Stern article
claiming to cite a DIA report, we (CIA, DIA and
MLO) have not been able to locate any such re-
port. Several anomalies – among them the use of
the term ‘contact report’ for what would be a sur-
veillance report and the rendering of the time of
day as 13:50 hrs (US convention would be 1350
hrs or 1:50 p.m.) – lead us to believe this is likely a
forgery. We continue to look into the matter and
will advise you if we uncover anything new.”5733
5729) stern vom 1. Dezember 2011, „Mord unter den Augen des
Gesetzes?“, MAT A BW-6, Bl. 1014.
5730) Pressemitteilung des IM Baden-Württemberg vom
30. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1030.
5731) Pressemitteilung des BfV vom 30. November 2011, MAT A
BW-6, Bl. 1035.
5732) Schreiben des LfV Baden-Württemberg, MAT A BW-6,
Bl. 1023.
5733) Schreiben des BMI vom 13. Dezember 2011 an das IM Baden-
Württemberg, MAT A BW-6/2 (Tgb.-Nr. 27/12 - VS-
VERTRAULICH), Anlage 1, Bl. 905 f. (offen);
Die Passage wurde vom Sprachendienst des Deutschen Bundes-
tages wie folgt übersetzt:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 659 – Drucksache 17/14600
4. Bericht des Staatssekretärs Klaus-Dieter
Fritsche vom 25. Mai 2012
Am 30. April 2012 erschien ein Artikel im Spiegel, in
dem ausgeführt wurde, der Hinweisgeber habe zwei Wo-
chen vor dem stern-Bericht mit dem BKA und dem BMI
Kontakt aufgenommen.
5734
Aufgrund einer parlamentari-
schen Nachfrage zu diesem Sachverhalt hat Staatssekretär
Klaus-Dieter Fritsche dem Untersuchungsausschuss am
25. Mai 2012 mitgeteilt, der Hinweisgeber habe sich am
12. November 2011 per E-Mail an den Bundesinnenmi-
nister und am 15. November 2011 an ein Hinweistelefon
des BKA gewandt. Die E-Mails seien unverzüglich nach
Eingang im Ministerbüro im üblichen Verfahren an das
zuständige BKA weitergeleitet worden. Bei dem Hin-
weisgeber handele es sich um einen deutschen Staatsan-
gehörigen, der als Ermittler eines militärischen US-
Nachrichtendienstes gearbeitet habe. Eine Zeugenver-
nehmung der vom Hinweisgeber benannten US-
Militärangehörigen habe weitere Anhaltspunkte dafür
ergeben, dass die Behauptungen des Hinweisgebers un-
glaubhaft seien. In diesem Zusammenhang verwies
Staatssekretär Fritsche auf einen Bericht des BKA vom
15. Mai 2012, in dem die Maßnahmen des BKA zur
Überprüfung des Sachverhaltes zusammenfassend darge-
stellt wurden.
5735
5. Aussagen der Zeugen Mögelin und
Schmalzl
Der Zeuge Mögelin hat ausgesagt, dem Verdacht sei nach
Erscheinen des stern-Artikels umfassend nachgegangen
worden. Es hätten sich jedoch keine objektiven Hinweise
dafür finden lassen, dass die Behauptungen zuträfen. Mit
diesem Sachstand, bei dem allerdings noch ein paar Punk-
te offen gewesen seien, habe man die Spur an das BKA
abgegeben.
5736
Die Ermittlungen hätten auch nicht erge-
ben, dass Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg am
Tattag in Heilbronn im Einsatz gewesen seien.
5737
Der Zeuge Schmalzl, Präsident des LfV Baden-
Württemberg von August 2005 bis Ende 2007, hat ausge-
sagt, seine Nachfolgerin habe den Sachverhalt gewissen-
„[…] was den am 1. Dezember 2011 erschienenen Artikels im
Stern anbelangt, in dem behauptet wird, aus einem DIA-Bericht
zu zitieren: Wir (CIA, DIA und MLO) waren nicht in der Lage,
einen derartigen Bericht zu finden. Einige Ungereimtheiten –
darunter der Gebrauch des Begriffs ‚contact report‘ für das, was
wir ‚surveillance report‘ nennen würden, und die Angabe der
Zeit in dem Format 13:50 hrs (üblich wären in den USA 1350
hrs oder 1:50 p.m.) bringen uns zu der Überzeugung, dass es
sich wahrscheinlich um eine Fälschung handelt. Wir prüfen die
Sache weiter und werden Sie unterrichten, wenn sich etwas
Neues ergibt.“
5734) Der Spiegel vom 30. April 2012, „Gefälschter Geheimdienstbe-
richt?“.
5735) Schreiben von Sts. Klaus-Dieter Fritsche vom 25. Mai 2012,
MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1386, 1387
(VS-NfD); Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A
BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392 (VS-NfD).
5736) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 36.
5737) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 43.
haft geprüft und ausgeschlossen, dass im Großraum
Heilbronn eine Observationsgruppe des LfV im Einsatz
gewesen sei. In der Hochphase der Sauerland-Gruppe
habe es aber das ganze Jahr über Einsätze gegeben. Fest-
gestellt worden sei, dass sich ein Werber an diesem Tag
auf den Weg gemacht habe, der eine Verabredung in
Heilbronn mit jemandem aus dem Bereich Islamismus
gehabt habe. Es habe sich aber nicht um die von der stern-
Anfrage umfassten Personen gehandelt. Seine Nachfolge-
rin habe sehr gewissenhaft versucht, die Sache aufzuklä-
ren. Man habe Fahrtenbücher, die Arbeitszeiterfassung
und Telefonabrechnungen kontrolliert. Zudem habe eine
Einvernahme des Mitarbeiters stattgefunden. Es habe sich
herausgestellt, dass der Mitarbeiter erst um 15 Uhr, also
eine Stunde nach der Tat, nach Heilbronn auf dem Weg
gewesen sei. Von daher habe man ausschließen können,
dass eine Observationsgruppe im Einsatz gewesen ist.
5738
6. Maßnahmen des BKA zur Überprüfung des
Sachverhalts
Am 15. November 2011 meldete sich der Hinweisgeber
R. K. telefonisch bei der Polizei und gab an, dass sich der
als Terrorist gesuchte M. K. am 25. April 2007 in Heil-
bronn aufgehalten habe. Dort sei er von US-
amerikanischen Stellen observiert worden.
5739
Am
1. Dezember 2011 sagte er im Rahmen seiner Zeugenver-
nehmung aus, er sei ab 2011 als Ermittler bei der Spiona-
geabwehr der 66. Military Intelligence in Hanau tätig
gewesen. Einen Tag nach dem Polizistenmord in Heil-
bronn, am 26. April 2007, habe er ein Gespräch von zwei
US-amerikanischen Soldaten mitgehört, die sich über eine
beinahe missglückte Observation der Military Intelligence
am Tage des Schusswechsels in Heilbronn unterhalten
hätten. Zielperson der Observation sei M. K. gewesen.
Mögliche Auskunftspersonen zu der Observation seien
die leitenden Mitarbeiter der Military Intelligence, T. R.
und T. H.
5740
Aufgrund des stern-Artikels fragte das BKA am
5. Dezember 2011 bei der stern-Redaktion an, um wen es
sich bei den zwei Arabern handele, die sich nach Informa-
tionen des stern in der Nähe der Theresienwiese aufgehal-
ten hätten.
5741
Hierauf teilte die Rechtsabteilung der Gru-
ner + Jahr AG & Co KG mit Schreiben vom 30. Januar
2012 die Namen von R. H. und J. C. mit.
5742
Bei einer
Zeugenbefragung von R. H. gab dieser an, sich an dem
Tag, als Michèle Kiesewetter ermordet wurde, in Frank-
furt aufgehalten zu haben.
5743
J. C. hatte sich bereits am
5738) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 105, 106.
5739) Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A BW-6/4 (Tgb.-
Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392 (VS-NfD).
5740) Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A BW-6/4 (Tgb.-
Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392, 1393.
5741) Schreiben des BKA vom 5. Dezember 2011, MAT A GBA-
3/44, Bl. 131.
5742) Schreiben von Gruner + Jahr vom 30. Januar 2012, MAT A
GBA-3/44, Bl. 129.
5743) Zeugenvernehmung vom 8. März 2012, MAT A GBA-4/19,
Bl. 692, 693.
Drucksache 17/14600 – 660 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. April 2007 beim Polizeirevier Heilbronn als Zeuge
gemeldet. Seine Angaben waren durch die Soko „Park-
platz“ überprüft worden, ohne hierdurch weitere Ermitt-
lungsansätze zu erlangen.
5744
Der Bericht des BKA vom
15. Mai 2012 stellte fest, es hätten sich keine Anhalts-
punkte dafür ergeben, dass ein Kontakt zwischen den
beiden Zeugen und M. K. bestanden haben könnte.
5745
Am 13. März 2012 wurde der Mitarbeiter der Military
Intelligence, T. R., vom BKA als Zeuge vernommen.
Während der Vernehmung gab er an, dass Observationen
in Deutschland immer nur durch Deutsche durchgeführt
worden seien. Seines Erachtens wolle sich der Hinweis-
geber H. K. an ihnen rächen. Gegen diesen sei 2006 ein
internes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, weil es
Unstimmigkeiten bei den Dienstzeiten gegeben habe.
Zudem erklärte er, die Formulierung in dem angeblichen
Observationsbericht könne nur von einem Deutschen
geschrieben worden sein. Auch sei die Angabe von Da-
tum und Uhrzeit untypisch für Formulierungen beim US-
amerikanischen Militär. Von einer Einheit namens „SIT
Stuttgart“ habe er nie gehört.5746 Der zweite
zeugenschaftlich vernommene US-Militärangehörige,
T. H., sagte aus, dass Observationen nicht Aufgabe seiner
Einheit seien. Das Observationsprotokoll sei voller forma-
ler und grammatikalischer Fehler. Er sei am 25. April
2007 nicht in Heilbronn gewesen und habe auch nicht an
einer Observation teilgenommen.
5747
Ermittlungen wurden auch bei der Santander Consumer
Bank AG durchgeführt. Mit Schreiben vom 29. Februar
2012 teilte die Bank auf Anfrage mit, dass im April, Mai
und Juni 2007 bundesweit keine Bareinzahlungen größer
als 1 Mio. Euro in einer ihrer Bankfilialen stattgefunden
hätten. Auch seien keine Auffälligkeiten bei Depot-
Kunden im fraglichen Zeitraum festgestellt worden und es
seien im fraglichen Zeitraum bundesweit keine Geldwä-
scheverdachtsanzeigen zu Umsätzen in entsprechenden
Höhen festgestellt worden.
5748
Mit Schreiben vom 21. März 2012 bat das BKA die US-
Botschaft um eine offizielle Stellungnahme, ob das Ob-
servationsprotokoll als echt oder als Fälschung einzustu-
fen sei.
5749
Hieraufhin teilte die US-Botschaft in Berlin
am 26. März 2012 mit, dass das vom stern zur Verfügung
gestellte Dokument als nicht authentisch einzustufen sei.
Obgleich der Verfasser über zumindest rudimentäre
Kenntnisse hinsichtlich des Aufbaus derartiger Schreiben
verfügt haben müsse, weise es zahlreiche Widersprüche in
5744) Ermittlungsbericht der BAO „Trio“ vom 20. Juli 2012, MAT A
GBA-4/19, Bl. 107.
5745) Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A BW-6/4 (Tgb.-
Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392 (VS-NfD).
5746) Zeugenvernehmung vom 13. März 2012, MAT A GBA-3/51,
Bl. 71-76.
5747) Zeugenvernehmung vom 15. März 2012, MAT A GBA-3/51,
Bl. 366-369.
5748) Schreiben des BKA vom 15. März 2012, MAT A BW-6/4,
(Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1395 (VS-NfD).
5749) Schreiben des BKA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/19,
Bl. 585.
Bezug auf das Format, die Terminologie und den Inhalt
auf. Zudem habe es im April 2007 keine Observationen
durch US-Einheiten in Heilbronn gegeben und es habe
auch niemals ein SIT in Stuttgart existiert. Ein SIT habe
es lediglich in Augsburg gegeben. Dieses sei jedoch 1997
aufgelöst worden.
5750
Bei einer zweiten Zeugenvernehmung von R. K. am
11. September 2012 gab dieser an, der im stern veröffent-
lichte Artikel sei ihm von zwei Journalisten vorgelegt
worden, die sich als Journalisten der Berliner Zeitung
ausgegeben hätten. Sie hätten keine Angaben dazu ge-
macht, woher die Informationen stammten. Er habe ihnen
von seinem persönlichen Werdegang erzählt. Als diese
versucht hätten, Querverbindungen zwischen dem
Polizistenmord und M. K. herzustellen, habe er darauf
hingewiesen, dass dies nicht sein könne, da sich M. K.
seines Wissens nach nicht in Deutschland aufgehalten
habe.
5751
7. Ermittlungen zu einem US-amerikanischen
Militärfahrzeug
Durch eine mobile Geschwindigkeitsüberwachungsanlage
auf der Bundesautobahn A6 wurde am 25. April 2007 um
13.05 Uhr ein BMW, Modellreihe 3 im Bereich Heilbronn
festgestellt. Im Zuge der Ermittlungen wurde bekannt,
dass dieses Kennzeichen für die US-amerikanische Zulas-
sungsstelle ausgegeben wurde. Auf eine Anfrage des
BKA vom 3. Januar 2012 teilte die US-amerikanische
Botschaft/Military Liaison Office in Berlin mit, dass das
o. g. Kennzeichen auf eine Person registriert war, die am
31. August 2009 aus der US-Armee ausgeschieden und
derzeit in Dunedin/Florida wohnhaft sei.
5752
Weitere
Maßnahmen von Seiten der US-amerikanischen Behörden
erfolgten nicht.
5753
Im Ergebnis konnte nicht festgestellt
werden, woher das Fahrzeug kam.
8. Prüfvorgang des Generalbundesanwaltes
– „Angeblicher Aufenthalt des M. K.“ zur
Tatzeit in Deutschland
Am 1. Dezember 2012 wurde zum angeblichen Aufent-
halt des M. K. im Februar/März sowie am 25. April 2007
in Deutschland ein Prüfvorgang beim GBA angelegt.
5754
Aus den zu diesem Prüfvorgang übermittelten Unterlagen
geht hervor, dass sich ein Kriminalhauptkommissar an
einen Artikel erinnerte, der am 13. September 2010 im
stern erschienen war und ähnliche Behauptungen wie der
Artikel vom 1. Dezember 2011 enthielt. In dem stern-
Artikel vom 13. September 2010 wurde berichtet, in zeit-
5750) Ermittlungsbericht der BAO „Trio“ vom 20. Juli 2012, MAT A
GBA-4/19, Bl. 77.
5751) Zeugenvernehmung vom 11. September 2012, MAT A GBA-
3/51, Bl. 12.
5752) Vermerk des BKA vom 16. März 2012 zur Spur 5111, MAT A
GBA-4/18, Bl. 20 ff., 5.
5753) Agent`s Investigation Report vom 10. Januar 2012, GBA-4/19,
Bl. 608, 609.
5754) Prüfvorgang 2 ARP 181/11-4, MAT A GBA-4/1, Bl. 361.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 661 – Drucksache 17/14600
licher Nähe zum Polizistenmord hätten arabische Perso-
nen einen zweistelligen Millionenbetrag in bar zu einer
Bank im Raum Heilbronn gebracht, um ihn überweisen zu
lassen. Auch in diesem Artikel war von zwei Personen
aus dem Nahen Osten die Rede, die nahe des Tatorts
Theresienwiese angetroffen worden seien. Einer gehöre
der radikalen Hamas an. Zudem wurden schon damals
Verbindungen zwischen dem Polizistenmord und M. K.
hergestellt.
5755
Am 8. Oktober 2012 schloss der GBA den Prüfvorgang,
mit der Feststellung, ein Aufenthalt von M. K. im Febru-
ar/März sowie am 25. April 2007 in Deutschland habe
sich nicht belegen lassen. Die Herkunft des vom Verlag
Gruner + Jahr AG & Co KG vorgelegten Observations-
protokolls sei nicht zu klären gewesen. Angehörige des
US-amerikanischen Militärs hätten jedoch angegeben,
dass das Papier sowohl in der Aufmachung als auch vom
Inhalt sowie der Schreib- und Ausdrucksweise nicht den
US-amerikanischen Vorschriften im militärischen Bereich
entspräche. Der Zeuge R. K. habe die beiden GIs, deren
Gespräch er mitgehört habe, nicht näher benennen kön-
nen. Das vom stern zitierte Observationsprotokoll halte
auch der ursprüngliche Hinweisgeber R. K. für eine Fäl-
schung. Tatsächlich sei das Verhältnis zwischen R. K. und
den von ihm benannten Angehörigen US-amerikanischer
Dienststellen in Deutschland durch arbeitsrechtliche Aus-
einandersetzungen belastet, in deren Verlauf R. K. aus
dem Dienst der US-Armee entlassen worden sei. Es sei
daher nicht auszuschließen, dass dieser Umstand zu Aus-
sagen geführt habe, welche die jeweils andere Seite belas-
ten solle. Keiner der Beteiligten habe die Anwesenheit
von M. K. in Deutschland bestätigen können.
5756
9. Welche Rolle spielte der MAD bei der Auf-
klärung?
Für den Ausschuss war von Interesse, inwieweit der
MAD mit diesem Vorgang befasst war und wer der Initia-
tor einer Kontaktaufnahme zwischen MAD und BND
gewesen ist.
5757
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2011
informierte der seinerzeitige Präsident des BND, Ernst
Uhrlau, den damaligen Präsidenten des MAD, Karl-Heinz
Brüsselbach, darüber, dass er am 6. Dezember 2011 ge-
genüber den Spitzen der Sicherheitsbehörden
5758
im Bun-
deskanzleramt einen Sachverhalt angesprochen habe, der
mit der Veröffentlichung im stern über angebliche Ver-
strickungen des US-Militärdienstes in Ereignisse um den
Heilbronner Polizistenmord im Zusammenhang gestanden
habe. Der Verbindungsbeamte der Koordinierungsstelle
der US-Geheimdienste in Süddeutschland habe sich am
2. Dezember 2011 telefonisch an die Vertretung des
5755) stern vom 13. September 2010, „Die mysteriöse Mafia-
Islamisten-Verbindung“, MAT A GBA-3/44, Bl. 5-7.
5756) Vermerk des GBA vom 8. Oktober 2012, MAT A GBA-3/51,
Bl. 9-11.
5757) Protokoll-Nr. 43, S. 33.
5758) Die Formulierung „gegenüber den Spitzen der Sicherheitsbe-
hörden“ stammt nicht aus dem zitierten Dokument.
MAD in Stuttgart gewandt und um einen Kontakt gebe-
ten, mit dem er den stern-Bericht besprechen könne. Der
Anruf sei daraufhin aus nicht bekannten Gründen durch
einen Vertreter des Amtes an die BND-Verbindungsstelle
weitergeleitet worden, deren Vertreter den Anruf weiter-
geleitet habe.
5759
Hieraufhin antwortete der Präsident des
MAD, Karl-Heinz Brüsselbach, die von ihm veranlasste
Prüfung habe ergeben, dass ein Verbindungsbeamter des
BND die MAD-Stelle 51 gebeten habe, ihm die Erreich-
barkeit eines Verbindungsbeamten beim U.S. Military
Intelligence Detachment Heidelberg mitzuteilen. Wegen
der Abwesenheit des zuständigen Mitarbeiters der MAD-
Stelle sei er gebeten worden, sich zu einem späteren Zeit-
punkt erneut zu melden. Bei seinem erneuten Anruf sei
ihm der US-amerikanische Verbindungsbeamte nament-
lich benannt worden. Weitere Erkenntnisse zum Thema
lägen dem MAD nicht vor.
5760
Ein Aktenvermerk vom
20. Dezember 2011 sowie drei dienstliche Erklärungen
von Mitarbeitern des MAD bestätigten diesen Sachver-
halt. Demnach habe ein Mitarbeiter des BND die MAD-
Stelle 51 telefonisch um Amtshilfe gebeten. Der Mitarbei-
ter des BND habe mitgeteilt, vom Kanzleramt beauftragt
worden zu sein, die US-amerikanische Spezialeinheit zu
ermitteln, die mutmaßlich zusammen mit dem Verfas-
sungsschutz den Polizistenmord in Heilbronn beobachtet
haben solle. Hieraufhin habe der MAD den Kontakt zum
Military Intelligence Detachment Heidelberg vermit-
telt.
5761
Dementsprechend unterrichtete der MAD den
GBA auf seine entsprechende Anfrage.
5762
Das Bundes-
kanzleramt hat nach Rücksprache mit dem BND mitge-
teilt, dass es zum fraglichen Zeitpunkt keinen Auftrag des
Bundeskanzleramtes an den BND gegeben habe und ver-
mutet eine Verwechslung auf Grund der phonetischen
Nähe zwischen Bundeskanzleramt („BKAmt“) und
BKA.
5763
Der Zeuge Brüsselbach hat in seiner Vernehmung vor
dem Ausschuss den vom MAD dargelegten Sachverhalt
noch einmal bestätigt. Er sei sehr überrascht gewesen, den
Brief eines Kollegen zu erhalten, in dem dieser ihn ge-
fragt habe, warum der MAD einen anderen Dienst um
Herstellung einer Verbindung zu den Amerikanern gebe-
ten habe. Nach einer Prüfung habe sich der Sachverhalt
für ihn genau umgekehrt dargestellt. Ein Mitarbeiter einer
anderen deutschen Sicherheitsbehörde habe beim MAD
angerufen und diesen um Kontaktherstellung zu einer US-
amerikanischen Dienststelle gebeten. Auch könne er aus-
schließen, dass bereits zuvor ein weiterer telefonischer
5759) Schreiben des Präsidenten des BND vom 8. Dezember 2011,
MAT A MAD-3/3 (Tgb.-Nr.100/12 - GEHEIM), Bl. 7.
5760) Schreiben des MAD-Präsidenten vom 13. Dezember 2012,
MAT A MAD-3/3 (Tgb.-Nr. 100/12 - GEHEIM), Bl. 9, 10
(VS-NfD).
5761) Aktenvermerk vom 20. Dezember 2011 sowie dienstliche
Erklärungen vom 12. Januar 2012 und 10. Februar 2012, MAT
A MAD-3/3 (Tgb.-Nr. 100/12 - GEHEIM), Bl. 11-15 (VS-
NfD).
5762) Schreiben des MAD an den GBA vom 19. März 2012, MAT A
MAD-3/3 (Tgb.-Nr. 100/12 - GEHEIM), Bl. 19, 20.
5763) Schreiben des Bundeskanzleramts vom 8. August 2013, Aus-
schussdrucksache 521.
Drucksache 17/14600 – 662 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kontakt bestanden habe, der für Verwirrung gesorgt habe,
denn er habe sehr umfänglich in seiner Behörde recher-
chiert.
5764
Auch der Zeuge Christmann, der seit 2010
Abteilungsleiter II (Extremismus- und Terrorismusab-
wehr) im Amt für Militärischen Abschirmdienst ist, hat
ausgesagt, dass in diesem Fall Ausgangspunkt der Nach-
frage eine deutsche Behörde gewesen sei.
5765
5764) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 33.
5765) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 84, 85.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 663 – Drucksache 17/14600
H. Sprengstoffanschläge
I. Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse
in Köln
Der Anschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in
der Kölner Probsteigasse vom 19. Januar 2001 wurde
während der gesamten Ermittlungen nicht in einen Zu-
sammenhang mit der Česká-Mordserie gebracht. Erst
durch die nach dem 4. November 2011 aufgefundene
„Bekenner-DVD“ wurde eine Verbindung zum NSU
hergestellt. Diese enthielt Originalfernseh- bzw. Original-
berichterstattungsaufnahmen vom Tatort in der Probstei-
gasse und zwei diese Aufnahmen einschließende Comic-
Sequenzen mit „Paulchen Panther“. Dort sind eindeutige
Hinweise auf einen Sprengsatz in der Blechbüchse enthal-
ten. In einem früheren Entwurf zu dem „Bekenner-Video“
wird weiterhin durch Großbuchstaben auf den Tatort
Köln, den Tattag 19. Januar 2001 und mit einer Aufnah-
me des Straßenschildes auf den Tatort Probsteigasse hin-
gewiesen. Tatort und Name des Opfers werden zudem
explizit in dem Film genannt.
5766
1. Tatgeschehen und Ermittlungen der EG
„Probst“
a) Überblick über das Tatgeschehen
Dem Abgabebericht des Generalstaatsanwalts in Köln an
den Generalbundesanwalt vom 4. Januar 2012
5767
lässt
sich folgendes Tatgeschehen entnehmen:
Kurz vor Weihnachten des Jahres 2000 hielten sich D. M.
und seine Tochter M. M. in dessen Lebensmittelgeschäft
in der Probsteigasse in der Kölner Innenstadt auf. Die
Tochter befand sich in dem rückwärtig gelegenen Büro-
beziehungsweise Aufenthaltsraum mit integrierter Küche,
von dem das Geschäftslokal nicht einsehbar war. Zwi-
schen 17.30 Uhr und 18 Uhr betrat ein 25- bis 26-jähriger
Mann, der dem M. unbekannt war, das Ladenlokal. Der
Kunde trug einen geflochtenen Präsentkorb aus Holz mit
Henkel bei sich. In diesem Korb befanden sich bereits
eine Tüte Erdnussflips und eine weihnachtliche Stollen-
dose. Der Mann packte aus dem Geschäftslokal noch
weitere Waren in den Korb und gab vor, diese bezahlen
zu wollen. Er erklärte dem Ladeninhaber M. in akzent-
freiem Hochdeutsch, dass er sein Geld vergessen habe. Er
wolle dieses zu Hause holen und in 15 Minuten wieder-
kommen. Den Korb hinterließ er mit dem gesamten Inhalt
im Laden, kehrte aber nicht zurück.
5766) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts Köln an die General-
bundesanwaltschaft vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,
Bl. 491 ff.
5767) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff.
Der Korb blieb noch einige Tage im Geschäftslokal ste-
hen, dann nahm ihn Herr M. an sich und stellte ihn auf
einem Schreibtisch im Hinterraum ab.
Am 19. Januar 2001 gegen 7 Uhr befand sich die damals
19-jährige Tochter des Ladeninhabers, M. M., allein in
dem Hinterraum des Geschäfts. Sie hob den Deckel der
Weihnachtsdose leicht an und sah darin eine blaue Gas-
druckflasche. Kurz nachdem sie den Deckel wieder ge-
schlossen hatte, explodierte der Sprengsatz.
Durch die Explosion erlitt M. M. hochgradige Verbren-
nungen im Gesicht und an der rechten Hand. Laut ärztli-
chem Bericht waren insgesamt fünf Prozent der Körper-
oberfläche verbrannt. Des Weiteren wies die Geschädigte
Schnittverletzungen im Gesicht, an beiden Armen, an der
rechten Hand sowie an beiden Beinen auf.
Es entstanden ferner massive Explosionsschäden in den
Geschäftsräumen, an Gebäudeteilen und im Innenhof.
5768
b) Ablauf der Ermittlungen
Am Tag des Attentats wurde im Polizeipräsidium Köln
die Ermittlungsgruppe „Probst“ unter Leitung von Krimi-
nalhauptkommissar a. D. Edgar Mittler gegründet.
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelte zunächst unter
dem Aktenzeichen 91 UJs 74/01 gegen Unbekannt wegen
des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Die Er-
mittlungen konzentrierten sich auf das Umfeld der Fami-
lie M. Mit Beschluss vom 22. Januar 2001 verfügte das
AG Köln eine Telefonüberwachung gegen Familienange-
hörige der Geschädigten.
5769
Als Tatverdächtiger wurde schließlich J. T. vorläufig
festgenommen
5770
, den der Bruder der Verletzten, A. M.,
belastet hatte. A. M. gab an, dass T. ihn wegen Schulden
bedroht habe. Dabei habe T. auch Bedrohungen gegen-
über der Familie des A. M. geäußert.
5771
Nach seiner Vernehmung wurde der Beschuldigte am
22. März 2001 entlassen, weil der Ladeninhaber, D. M.,
ihn bei einer Wahllichtbildvorlage nicht als Täter wieder-
erkennen konnte.
5772
Mit Verfügung vom 13. Juni 2001 wurde das Ermitt-
lungsverfahren als Js-Verfahren gegen den oben genann-
5768) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts Köln an die General-
bundesanwaltschaft vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,
Bl. 496.
5769) MAT A GBA-4/8a, Bl. 100 f.
5770) MAT A GBA-4/2, Bl. 492.
5771) MAT A GBA-4/8a, Bl. 256 ff., Bl. 260 f.
5772) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts in Köln an den Gene-
ralbundesanwalt vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,
Bl. 491 ff.
Drucksache 17/14600 – 664 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ten Beschuldigten erfasst und sogleich gemäß § 170
Abs. 2 StPO eingestellt.
5773
Die Spurensicherung am Tatort sowie an den Asservaten
ergab keine verwertbaren Ergebnisse.
5774
Dem Abgabebericht des Generalstaatsanwalts in Köln an
den Generalbundesanwalt vom 4. Januar 2012 lässt sich
weiter entnehmen, dass auf Grundlage eines nach den
Angaben des Geschädigten D. M. gefertigten Phantombil-
des des unbekannten Kunden eine Öffentlichkeitsfahn-
dung durchgeführt wurde. Das Phantombild wurde auch
in Verkaufsstätten der Stollendose sowie der Gaskartu-
sche ausgehängt. Dies führte zwar zu diversen Personen-
hinweisen, jedoch im Ergebnis nicht zu einer tatrelevan-
ten Spur. Auch die im Wege einer Hausbefragung in der
Probsteigasse erlangten Hinweise führten zu keinem ver-
wertbaren Ergebnis.
5775
In dem Abgabebericht heißt es weiter, dass das nach einer
nochmaligen Vernehmung des Geschädigten D. M. er-
stellte zweite Phantombild mangels Geeignetheit nicht
mehr veröffentlicht worden sei.
5776
Am 14. August 2001 wurde der Ladeninhaber D. M. er-
neut beim PP Köln vorgeladen und erklärte, dass er keine
neuen Erkenntnisse gewonnen habe, wer für den An-
schlag infrage komme.
5777
Daraufhin verfügte die Staats-
anwaltschaft Köln am 22. August 2001, dass es bei der
Einstellung bleibe.
5778
2. Ermittlungen im Umfeld der Familie
Die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse
wurden im Wesentlichen im Umfeld der Familie geführt.
Bis auf den Vater sind alle Familienmitglieder deutsche
Staatsangehörige. Die Mutter war mit den vier Kindern
aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Die Telefone
der Familie wurden auf Beschluss des AG Köln vom
22. Januar 2001 über den Zeitraum von einem Monat
überwacht.
5779
Ermittelt wurde hinsichtlich etwaiger poli-
tischer Aktivitäten, wobei solche seitens der Familie seit
der Ankunft in Deutschland verneint wurden. Darüber
hinaus war der Vater der Familie wegen möglicher Schul-
den im Zusammenhang mit einem Hausbau bedroht wor-
den.
5780
5773) MAT A GBA-4/8a, Bl. 276, 294.
5774) Spurensicherungs-und Auswertungsbericht des LKA Düssel-
dorf vom 4. April 2001, MAT A GBA-4/7a, Bl. 109 ff.
5775) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff., Bl. 494.
5776) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff., Bl. 494.
5777) MAT A GBA-4/8a, Bl. 300.
5778) MAT A GBA-4/8a, Bl. 301.
5779) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff., MAT A GBA-4/8a, Bl. 90 ff.
5780) MAT A GBA-4/8a, Bl. 73 ff.
3. Ermittlungen hinsichtlich eines politischen
Hintergrundes
a) Rolle des Staatsschutzes
Kriminalhauptkommissar a. D. Edgar Mittler hat als Zeu-
ge vor dem Untersuchungsausschuss erläutert, dass bei
jedem Sprengstoffanschlag eine Zweitakte an den Staats-
schutz übergeben werde. Dieser könne dann eine Bewer-
tung bezüglich der Erkennbarkeit eines politischen Hin-
tergrundes abgeben. Das Kriminalkommissariat selbst
pflege keine direkte Verbindung zum Bundesamt für
Verfassungsschutz oder zu anderen Behörden.
5781
Die Aufgabenverteilung zwischen Staatsschutz und
Sprengstoffermittlern hat der Zeuge Mittler wie folgt
beschrieben:
Die Sprengstoffermittler seien zunächst stets für die Tat-
ortarbeit zuständig. Dies gelte unabhängig davon, ob der
Sprengstoffanschlag möglicherweise politisch motiviert
sein könnte. Anschließend werde der Staatschutz einge-
schaltet, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass es
einen poltischen Hintergrund gebe. Nach der Prüfung
erfolge eine Rückmeldung bei den Ermittlern und gege-
benenfalls die Übernahme der Ermittlungen durch den
Staatsschutz. Über den internen Arbeitsablauf beim Staat-
schutz habe der Zeuge keine Kenntnisse.
5782
b) Sprengstoff und Rechtsextremismus
Im Untersuchungsausschuss ist erörtert worden, ob vor
dem Hintergrund der allgemein bekannten Affinität der
rechten Szene zu Sprengstoff nicht standardmäßig auch in
diese Richtung ermittelt werden müsse. Hierzu hat der
Zeuge Mittler erläutert, dass dies bundesweit zwar be-
kannt sei, jedoch in Köln noch nie vorgekommen wäre.
Die Sprengstoffanschläge in Köln seien bisher entweder
aus dem linken oder dem kriminellen Bereich gekommen.
Im linksextremistischen Bereich gebe es sehr häufig Be-
kenntnisse zu Anschlägen. Im Fall des Sprengfallenan-
schlags habe es darüber hinaus zahlreiche andere Hinwei-
se gegeben, weswegen die Ermittlungen nicht in Richtung
rechtsextremer Hintergrund geführt worden seien.
5783
Der Zeuge ist auf den Sprengstoffanschlag auf eine S-
Bahn-Station in Düsseldorf im Jahr 2000, ein Jahr vor
dem Anschlag in der Probsteigasse, hingewiesen worden,
bei dem russische Einwanderer schwer verletzt wur-
den.
5784
Damals sei man von einem rechtsextrem moti-
vierten Anschlag ausgegangen. Mittler hat hierzu angege-
ben, dass er beim LKA nach Zusammenhängen mit die-
sem Anschlag gefragt habe, diese aber verneint worden
seien.
5781) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 3.
5782) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 14-16.
5783) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16-18.
5784) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 21.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 665 – Drucksache 17/14600
Schließlich sind im Untersuchungsausschuss die An-
schläge von Mölln und Solingen als Beispiele dafür ange-
führt worden, dass Opfer mit Migrationshintergrund auf
Täter aus dem rechtsextremen Bereich hinweisen. Der
Zeuge Mittler hat erwidert, dass zumindest ein weiterer
Hinweis auf die Täterschaft der rechten Szene erforder-
lich gewesen wäre, um in diese Richtung zu ermitteln.
5785
Zudem hat der Untersuchungsausschuss die Frage ge-
stellt, inwieweit die EG „Sprengstoff“ bei ihren Ermitt-
lungen 2004 Kenntnis von zwei Sprengfallen im überwie-
gend von Migrantinnen und Migranten bewohnten Kölner
Stadtteil Bilderstöckchen aus dem Jahr 1993 hatte. Da-
mals waren mithilfe von Sprengsätzen, die in Haushalts-
geräten deponiert und dann auf der Straße abgestellt wor-
den waren, zwei Personen lebensgefährlich verletzt wor-
den, darunter ein Mann türkischer Herkunft. Auf Nach-
frage hat das Polizeipräsidium Köln mitgeteilt, diese
Anschläge seien im Jahr 2004 von der EG „Sprengstoff“
nicht verspurt worden; die Akten seien aber nunmehr dem
BKA zur Verfügung gestellt worden.
5786
c) Rechtsextremistischer Hintergrund im Fall
des Sprengfallenanschlags
In einer ddp-Meldung vom 20. Januar 2001 hieß es, dass
die Polizei in alle Richtungen ermittele, auch der Staat-
schutz sei in den Fall eingebunden. Man schließe einen
ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat ebenso wenig
aus wie Motive aus dem persönlichen Umfeld der Opfer.
Der Zeuge Mittler hat gegenüber dem Untersuchungsaus-
schuss angegeben, dass er sich im Fall des Sprengfallen-
anschlags explizit nach politischen Hintergründen erkun-
digt habe, weil er es für möglich gehalten habe, dass sich
der iranische Geheimdienst hinter dem Anschlag verber-
ge.
5787
Es hätten sich jedoch keinerlei Hinweise auf einen
politischen Hintergrund ergeben.
In den Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz
5788
findet sich eine Anfrage des Polizeipräsidiums Köln vom
19. Januar 2001 an das BfV und das LKA Nordrhein-
Westfalen, in der auf den Anschlag hingewiesen und
„kurzfristig um Erkenntnismitteilung zu den Personen“
(gemeint sind die Familienmitglieder) gebeten wurde. Es
sollten Erkenntnisse über mögliche Bedrohungslagen von
iranischen Familien mitgeteilt werden, die – soweit er-
kennbar – nicht in extremistische Organisationen einge-
bunden seien. Handschriftlich war vermerkt:
„PP Köln wurde fernm. n. Rü mit LV unterrich-
tet.“5789
5785) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 25.
5786) MAT B NW-1, Blatt 2 ff.
5787) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 3.
5788) MAT A BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 17
ff. (19) (VS-NfD).
5789) MAT A BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 17
(VS-NfD).
Im Untersuchungsausschuss ist kritisiert worden, weshalb
nicht ermittelt worden sei, ob ein fremdenfeindlicher
Hintergrund vorliege. Konkret hat sich der Ausschuss
erkundigt, welche Maßnahmen ergriffen worden seien,
um einem möglichen rassistischen Hintergrund nachzu-
gehen beziehungsweise einen solchen auszuschließen.
5790
Hierzu hat der Zeuge Mittler ausgesagt, dass dies Aufga-
be des Staatsschutzes gewesen sei und er nur eine allge-
meine Frage nach politischen Hintergründen gestellt habe.
Dem Zeugen ist vorgehalten worden, dass man nach ver-
gleichbaren Vorfällen in Nordrhein-Westfalen oder bun-
desweit hätte suchen können. Er hat daraufhin erläutert,
dass dies in den Aufgabenbereich des Landeskriminalam-
tes falle, das mit den Tatmitteln und deren Auswertung
befasst sei. Eine entsprechende Anfrage sei auch erfolgt.
Vom LKA sei gemeldet worden, dass es einen einschlägi-
gen Vorfall bei Schülern oder Jugendlichen in Düsseldorf
gegeben habe. Dort sei ein ähnlicher Sprengsatz mit Gas-
flasche gefunden worden. Dies sei allerdings der einzige
Hinweis auf mögliche Zusammenhänge gewesen.
Weiterhin hat der Zeuge Mittler angeführt, dass D. M.,
der Vater des Geschädigten, selbst einen ausländerfeindli-
chen Hintergrund ausgeschlossen habe. In einer seiner
Vernehmungen äußerte er:
„Weder ich noch meine Familie ist jemals Ziel von
ausländerfeindlichen Akten gewesen […] Auslän-
derfeindlichkeit halte ich für ausgeschlossen,
1000%.“5791
Im Untersuchungsausschuss ist daraufhin kritisiert wor-
den, dass die Einschätzung eines Betroffenen nicht zu
einer Einschränkung der Ermittlungen führen dürfe. Der
Zeuge Mittler hat darauf erwidert, dass es auch an sonsti-
gen Hinweisen auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund
gefehlt habe.
5792
Zu der Frage nach Beispielen für Hinweise auf rechtsex-
tremistische Hintergründe hat der Zeuge Mittler ein Ha-
kenkreuz an der Hauswand genannt. Hierauf ist dem Zeu-
gen vorgehalten worden, dass es in Köln eine überdurch-
schnittlich aktive rechtsextremistische Szene gebe, wes-
halb es angemessen erscheine, ein besonderes Augenmerk
darauf zu richten.
Diesbezüglich hat der Zeuge Mittler die ausschließliche
Verantwortung beim Staatsschutz gesehen, als Spreng-
stoffermittler befasse er sich überhaupt nicht mit der Sze-
ne. Auch habe es keine Hinweise der Staatsanwaltschaft
gegeben, in diese Richtung zu ermitteln.
5793
Im Untersuchungsausschuss ist hinterfragt worden, ob
nicht die Tatsache, dass sich der Sprengstoffanschlag in
der Probsteigasse nicht zwangsläufig gegen eine konkrete
Person richtete, sondern auch die Polizei, die Müllabfuhr
5790) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 5.
5791) Nachvernehmung D. M. vom 1. Februar 2002, MAT A GBA-
4/8a, Bl.194-199, Bl. 205-210, Bl. 207.
5792) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 6 f.
5793) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 12.
Drucksache 17/14600 – 666 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
oder ein Fundbüro hätte treffen können, für einen politi-
schen Hintergrund spreche.
5794
Dies hat der Zeuge Mittler
aus seiner Erfahrung mit Sprengstoffanschlägen heraus
nicht bestätigen können.
4. Zusammenarbeit mit anderen Behörden
a) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler
Der Zeuge Mittler hat vor dem Untersuchungsausschuss
ausgeführt, dass sich die Sprengstoffermittler jährlich auf
Bundesebene beim BKA zu einem ausführlichen Erfah-
rungsaustausch treffen würden.
5795
Grundsätzlich fahre
jeweils ein Sprengstoffermittler einer Behörde dorthin,
wobei auf jeden Fall auch immer ein Vertreter des Lan-
deskriminalamts zugegen sei.
5796
Im Anschluss würden
die anderen Mitarbeiter mittels eines ausführlichen Proto-
kolls darüber unterrichtet, wobei jeder Sprengstoffermitt-
ler angehalten sei, dieses auch zu lesen.
5797
Daran, ob der
Zeuge Mittler bei diesem jährlichen Treffen auch den Fall
Probsteigasse vorgestellt habe, hat dieser sich nicht mehr
erinnern können.
5798
Er konnte nicht sagen, ob bei dem
Treffen überhaupt ein Austausch über den Fall des
Sprengfallenanschlags stattgefunden habe.
5799
Allerdings
finde über diese jährlichen Treffen hinaus auch ein stän-
diger Austausch mit den Kollegen des BKA und des LKA
statt, da man sich aufgrund der jährlichen Treffen kenne
und teils auch persönliche Kontakte zu den Kollegen
pflege.
5800
b) Einbindung des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz
In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller, der von 1999 bis Juni
2009 Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Ministe-
rium für Inneres und Kommunales in Nordrhein-
Westfalen war, ausgesagt, dass der Verfassungsschutz
nach dem Sprengfallenanschlag von 2001 in keiner Weise
an der Ermittlungsarbeit beteiligt gewesen sei.
„Dass der Sprengstoffanschlag in der Probsteigas-
se in Köln am 19. Januar 2001 einen politischen
oder gar rechtsterroristischen Hintergrund hatte, ist
dem Landeskriminalamt erst nach der Auswertung
der Ende 2011 auftretenden Bekenner-DVD klar
geworden. Vor diesem Zeitpunkt hat niemand,
auch ich nicht, eine Verfassungsschutzrelevanz des
Anschlages gesehen.
5801
5794) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 14.
5795) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16.
5796) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 23.
5797) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 24.
5798) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16.
5799) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 23.
5800) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16.
5801) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 3.
[…]
Ich kann nur sagen, dass Sie zu diesem Vorgang in
den Akten des Verfassungsschutzes nichts finden
werden. Das heißt, der ist nicht als politisch rele-
vanter Anschlag bei uns angelandet. […] Das
heißt, auch die Polizei ist letztlich in der Bewer-
tung immer von einem kriminellen Akt ausgegan-
gen, und einen politischen Bezug, der die Ein-
schaltung des Verfassungsschutzes [...] nötig ge-
macht hätte, hat es bis Ende letzten Jahres nicht
gegeben.“5802
Die Frage, ob nicht bereits der Verdacht der Kölner Poli-
zei, dass der iranische Geheimdienst involviert sein könn-
te, eine Benachrichtigung des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz erfordert hätte – auch wenn dies der falsche
Ermittlungsansatz gewesen wäre – hat der Zeuge Dr.
Möller bejaht.
5803
Einen Hinweis aus der für Rechtsex-
tremismus zuständigen Abteilung des BfV habe er jedoch
nicht bekommen. Aus den Akten ergibt sich allerdings,
dass das Polizeipräsidium Köln bereits am Tag des An-
schlags eine Erkenntnisanfrage sowohl an das Bundesamt
für Verfassungsschutz als auch an das nordrhein-
westfälische Innenministerium richtete. In dieser Anfrage
wird das Explosionsereignis beschrieben und zu den Mit-
gliedern der Familie M. ausgeführt, es lägen keine staats-
schutzrelevanten Erkenntnisse vor. Weiter heißt es:
„Aufgrund der Schwere des Ereignisses wird kurz-
fristig um Erkenntnismitteilung zu den Personen
gebeten. Liegen Erkenntnisse über mögliche Be-
drohungslagen von iranischen Familien vor, die
soweit erkennbar nicht in extremistische Organisa-
tionen eingebunden sind?“5804
5. Abfrage Tatmittelmeldedienst
a) Definition und Zweck
Beim Tatmittelmeldedienst handelt es sich um eine Zent-
raldatei des BKA. In dieser Datei werden die durch die
sachbearbeitenden Dienststellen der Länder an das BKA
übermittelten Meldungen zu Ereignissen mit unkonventi-
onellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) gespei-
chert.
5805
Gemäß Polizeidienstvorschrift PDV 403 handelt es sich
dabei um nicht gewerblich hergestellte, in verschiedens-
ten Formen vorkommende, insbesondere als Gegenstände
des alltäglichen Gebrauchs getarnte Vorrichtungen mit
äußerlich bewusst harmlos erscheinendem Aufbau, verän-
derte oder missbräuchlich benutzte gewerbliche oder
5802) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 12.
5803) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 12 f.
5804 MAT A BfV-4, herabgestufter Auszug, Bl. 17 ff. (19) (VS-
NfD).
5805) Zusammenfassung aller Informationen zum Tatmittelmelde-
dienst vom BMI vom 17. August 2012 des BKA, MAT A BMI-
8, Bl. 1-5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 667 – Drucksache 17/14600
militärische Vorrichtungen, die eine Explosion und/oder
einen Brand herbeiführen können.
5806
Der Zweck des Tatmittelmeldedienstes ergibt sich aus der
Anlage zu der Regelung über die „Zusammenarbeit des
Bundeskriminalamtes und der Polizeien der Länder bei
der Bekämpfung von Terrorismus und politisch motivier-
ter Gewaltkriminalität“.5807 Demnach dient die Datei
dazu, die Daten über alle im Rahmen kriminalpolizeili-
cher Ermittlungen in Verwahrung genommenen, sicherge-
stellten oder beschlagnahmten Spuren, Tatmittel oder
Beweisgegenstände, die im Zusammenhang mit der Kon-
struktion, Beschaffung, Aufbewahrung oder Anwendung
von USBV einschließlich Attrappen stehen, zu sammeln
und auszuwerten, um somit Zusammenhänge zwischen
Ereignissen mit USBV anhand der Verwendung gleicher
Tatmittel und oder gleicher Tatbegehungsweisen des
Täters erkennen zu können. Für die Führung dieser Datei
ist das Bundeskriminalamt als Zentralstelle für die Poli-
zeien des Bundes und der Länder nach § 2 BKAG zustän-
dig.
Der Zeuge EKHK Setzer, der bis zum
30. September 2002 Leiter einer der beiden Ländergrup-
pen des Sachgebiets „Sprengstoffermittlungen“ im BKA
war und nach deren Zusammenlegung die alleinige Lei-
tung dieses Sachgebiets übernahm, hat zu Sinn und
Zweck des Tatmittelmeldedienstes ausgeführt:
„Der Tatortmittelmeldedienst für Spreng- und
Brandvorrichtungen beim Bundeskriminalamt ist
eine Zentraldatei, die das Bundeskriminalamt den
Ländern, den Bundesländern zur Verfügung stellt,
um Auswertungen zum Aufbau von Spreng- und
Brandvorrichtungen zu machen. Die Zulieferung
erfolgt seitens der Bundesländer, bzw. im BKA-
eigenen Verfahren wird das durch die Tatort-
gruppe selbst erfasst und dann in diese Datei, die
auf einer Inpol-Fall-Datei basiert, entsprechend
diese Daten aufgenommen. Insgesamt können wir
den Aufbau dieser Vorrichtungen in 229 Feldern in
zwölf Schirmen abbilden, wobei mehrheitlich die-
se Schirme eben dazu benutzt werden, technische
Details dieser Spreng- und Brandvorrichtungen
mittels dieser Datei zu beschreiben. Sinn dieser
Datei ist es, anhand von gleichem oder ähnlichem
Aufbau von Spreng- und Brandvorrichtungen oder
Tatmitteln mögliche Tatzusammenhänge zu er-
kennen.“5808
b) Meldung und Datenerfassung im Tatmit-
telmeldedienst
Die Meldung an das BKA erfolgt durch die sachbearbei-
tenden Dienststellen der Länder über deren Landeskrimi-
5806) MAT A BMI-8; Bl. 26 – VS-NfD.
5807) MAT A BMI-8, Bl. 23 ff. (siehe insbesondere: Errichtungsan-
ordnung des Tatmittelmeldedienstes, Bl. 37 ff.) – VS-NfD.
5808) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 108 f.
nalämter. Pro Jahr gehen im Durchschnitt ca. 1 000 sol-
cher Meldungen ein.
Nach Eingang einer entsprechenden Meldung wird diese
zunächst durch Sprengstoffermittler des BKA auf Tatmit-
telmeldedienst-Relevanz geprüft und gegebenenfalls an
Datenerfassungskräfte weitergeleitet. Nach der Erfassung
der Fallgrunddaten (z. B. Tatort, Tatzeit, Aktenzeichen)
erfolgt eine Datenqualitätskontrolle und weitere Erfas-
sung der Vorrichtungsdaten in der Datei Tatmittelmelde-
dienst. Sofern erforderlich werden weitergehende Infor-
mationen bei der sachbearbeitenden Dienststelle des Lan-
des erbeten, wobei sowohl die inhaltlichen Anforderun-
gen an eine Meldung zu berücksichtigen
5809
als auch Er-
fassungsrichtlinien zu beachten sind.
5810
c) Regelungen für die Speicherungen, Erfas-
sungsfristen und Löschvorgaben
Für personenbezogene Daten gelten die Regelungen des
§ 32 BKAG zur Berichtigung, Löschung und Sperrung
von personenbezogenen Daten in Dateien. Alle anderen
nicht personenbezogenen Daten unterliegen keiner Lö-
schungsfrist.
5811
Eine zeitnahe Erfassung der durch die sachbearbeitenden
Dienststellen der Länder übermittelten Daten im Tatmit-
telmeldedienst ist durch den oben dargelegten Arbeitspro-
zess sichergestellt. Konkrete Erfassungsfristen existieren
nicht.
d) Regelungen für Zugriffsberechtigungen
und Abfragemodalitäten
Der Tatmittelmeldedienst ist eine Zentraldatei beim BKA,
auf die ausschließlich dessen Mitarbeiter Zugriff haben.
Eine Übermittlung von Informationen aus dem Tatmit-
telmeldedienst (wie etwa Ergebnissen zu erbetenen Aus-
wertungen/Recherchen) an andere Dienststellen
5812
richtet
sich nach den §§ 10 und 14 BKAG.
Der Zeuge Setzer hat vor dem Untersuchungsausschuss
erläutert, dass Meldungen eines Bundeslandes durch das
BKA im Tatmittelmeldedienst erfasst, ausgewertet und an
die ermittlungsführenden Dienststellen weitergegeben
würden. Dies sei so auch in den Fällen des Sprengfallen-
anschlags von 2001 sowie des Nagelbombenanschlags
von 2004 geschehen.
5813
Für den Tatmittelmeldedienst gebe es keine festgelegten
Abfrageroutinen. Eine Abfrage erfolge fallbezogen und
mit der Zielrichtung, Tatmittelzusammenhänge zu erken-
nen. Das BKA sei entsprechend darauf angewiesen, dass
die ermittlungsführende Dienststelle des Landes gezielte
5809) Formblatt Tatmittelmeldung, MAT A BMI-8, Bl. 36 – VS-NfD.
5810) MAT A BMI-8, Bl. 81 ff.
5811) MAT A BMI-8, Bl. 37 ff., Bl. 44.
5812) Andere Dienststellen sind beispielsweise andere Polizeien des
Bundes, Polizeien der Länder oder Justizbehörden.
5813) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110.
Drucksache 17/14600 – 668 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Anfragen stelle, damit eine entsprechende gezielte Aus-
wertung möglich sei.
5814
Der Zeuge Setzer schilderte die
Kommunikation zwischen dem Tatmittelmeldedienst des
BKA und den Tatortbeamten aus den Sprengstoff- und
Branddeliktgruppen der Landeskriminalämter als sehr eng
und verwies auf die Tatsache, dass die Ausbildung zum
Sprengstoffermittlungsbeamten für den Bund und die
Länder zentral beim BKA erfolge.
5815
e) BKA – Ermittlungen im Fall des Sprengfal-
lenanschlags
Im Fall des Sprengfallenanschlags ergab eine Auswertung
des Tatmittelmeldedienstes für den Bereich des Landes
Nordrhein-Westfalen drei Fälle, in denen eine gleichartige
Druckgasflasche als Behälter einer Sprengvorrichtung
bzw. einer Attrappe eingesetzt wurde. Ein Tatmittelzu-
sammenhang zwischen diesen drei Fällen und dem
Sprengfallenanschlag konnte nicht festgestellt werden.
5816
Die bundesweite Auswertung des Tatmittelmeldedienstes
vom 16. März 2001 führte zu keiner Feststellung von
konkreten Übereinstimmungen.
Vorsorglich wurden jedoch – mit Ausnahme der drei Fälle
in Nordrhein-Westfalen – 13 Fälle mitgeteilt, in denen
Gasflaschen des Fabrikats „Eurotre“ Verwendung gefun-
den hatten. Der älteste ermittelte Fall stammte aus dem
Jahr 1986.
5817
Im Untersuchungsausschuss ist hinterfragt worden, wes-
halb als vergleichendes Kriterium ausschließlich der ver-
wandte Sprengstoff und nicht beispielsweise die gleiche
Opferauswahl oder gleiche Tatmotivation herangezogen
worden sei. In diesem Zusammenhang ist die Tatmittel-
meldedienst-Recherche zum Anschlag auf die Wehr-
machtausstellung in Saarbrücken als Beispiel angeführt
worden.
5818
Am 9. März 1999 habe es einen Sprengstoff-
anschlag auf die Wehrmachtausstellung in Saarbrücken
gegeben. Im selben Monat seien zwei Briefbombenattrap-
pen versandt worden, bei denen man sich unter anderem
auf die Ausstellung bezogen habe. Eine sei an den dama-
ligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bu-
bis, die andere an eine Person in München geschickt wor-
den.
5819
Zu diesen Delikten sei eine Recherche im Tatmit-
telmeldedienst erfolgt. Das BKA habe im Jahr 2000 da-
raufhin mitgeteilt:
5814) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110.
5815) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 115.
5816) MAT A GBA-4/7a, Bl. 136.
5817) MAT A BKA 2/40, Bl. 174 f.
5818) Mittler, Protokoll-Nr. 22, Bl. 9 f.
5819) Laut Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des GBA vom
20. Dezember 2011, MAT A GBA-4/1, Bl. 340 f. ging eine At-
trappe im Büro des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der
Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, ein. Die andere wurde an
den in München wohnhaften Karl-Heinz H. versandt. Dieser
soll mit dem verantwortlichen Leiter der „Wehrmachtsausstel-
lung“ Hannes H. verwechselt worden sein.
„Weiter war aufgefallen, dass die versandten
Briefbombenattrappen, wahrscheinlich aufgrund
von Ähnlichkeiten in der Bauweise, von denselben
Personen hergestellt worden waren […] [und wie-
sen] in Art und Bauweise eine gewisse Ähnlichkeit
zu denjenigen Bombenattrappen auf, die bei einer
Durchsuchung der Wohnräume von Uwe Mundlos,
Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im gegen diese
Personen gerichteten Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft Gera […] gefunden worden wa-
ren. […] Eine Übereinstimmung konnte […] nicht
festgestellt werden.“5820
Im Jahr 2000 sei es somit möglich gewesen, bei einer
Recherche im Zusammenhang mit einem Sprengstoffde-
likt auf das Trio zu stoßen.
5821
Zur Frage der Recherchemöglichkeiten im Tatmittelmel-
dedienst hat der Zeuge Setzer allerdings auch ausgeführt:
„Sie können mit jedem Feld recherchieren im
Tatmittelmeldedienst, wobei wir automatisch - -
Wenn wir also eine Meldung bekommen vom
Land, wird das erfasst im Tatmittelmeldedienst
und von uns direkt ohne weitere Aufforderung an-
hand der mitgeteilten Tatmittel eine Auswertung
gefahren. Diese Auswertung geben wir auch - und
das ist in den Richtlinien der Zusammenarbeit zwi-
schen dem Bundeskriminalamt und den Ländern in
Fällen der terroristischen Gewaltkriminalität so
festgeschrieben -, diese Ermittlungsergebnisse und
-erkenntnisse - wie ja auch in den Fällen 2001,
2004, aber auch Wehrmachtsausstellung gesche-
hen -, die geben wir dann an die ermittlungsfüh-
rende Dienststelle. Das ist also der Generalauftrag.
So verstehen wir das. Alle weiterführenden Anfra-
gen mit allen möglichen Kombinationen, die es
geben könnte, da benötigen wir, weil wir ja als
Tatortgruppe gar nicht die Ermittlungserkenntnisse
haben, da benötigen wir, ich will es mal nennen,
eine Steuerung durch die ermittlungsführende
Dienststelle, die uns dann sagt: Du, ZD 32, mach
uns bitte auch noch eine Auswertung in der und
der Zielrichtung oder mit dem und dem Abfrage-
modus.“5822
Der Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage be-
schäftigt, ob die Täter durch die Recherche- und Such-
funktion im Tatmittelmeldedienst hätten ermittelt werden
können und warum nicht auch nach den Merkmalen
„Fremdenfeindlichkeit“ und „Rechtsradikale“ gesucht
worden sei.
5823
Der Zeuge Setzer hat hierzu ausgeführt:
„Man hätte es damals dann ja auch nicht auf die
Rechten alleine beschränken dürfen, sondern man
5820) MAT A BMJ-4b, Bl. 20 f.
5821) Mittler, Protokoll-Nr. 22, Bl. 9 f.
5822) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110.
5823) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 111.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 669 – Drucksache 17/14600
hätte auch die gesamte breite Palette mit bekannten
Tätern machen müssen. Das wäre gegangen, si-
cherlich. Die Anzahl der Treffer kann ich Ihnen
jetzt nicht sagen, was es damals ergeben hätte.
Aber ich stimme Ihnen zu: Es wären also nicht
Tausende gewesen.“5824
6. Damalige Kenntnisse der Ermittler über
das Trio
a) Fahndungsplakate nach dem Untertauchen
Der Zeuge Mittler ist im Ausschuss gefragt worden, ob er
sich an Fahndungsplakate erinnern könne, die im Jahr
2001 in den Polizeidienststellen der Bundesrepublik aus-
hingen, weil zu dieser Zeit bundesweit nach drei flüchti-
gen Bombenbauern aus Thüringen gefahndet worden
sei.
5825
Der Zeuge hat erklärt, dass er diesbezüglich keine
Erinnerung habe. Das Trio hätte in seinen Ermittlungen
keine Rolle gespielt.
b) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler
Nicht erklären konnte der Zeuge Mittler, warum er im
Kontext des jährlichen Austauschtreffens der Spreng-
stoffermittler nicht etwa von Kollegen über die Fahndung
nach dem Trio informiert wurde.
5826
c) Eintragungen im Tatmittelmeldedienst
Einer Stellungnahme des BKA lässt sich entnehmen, dass
es im Tatmittelmeldedienst mehrere Eintragungen zu den
Sprengstofftaten gab, die Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
oder Beate Zschäpe einzeln oder gemeinschaftlich zuge-
ordnet wurden.
5827
Mit Stand vom 8. November 2012
5828
waren im Tatmit-
telmeldedienst folgende acht Ereignisse mit der Person
Uwe Böhnhardt als Täter gespeichert:
– Bombenattrappe an Autobahnbrücke bei Jena am
13. April 1996,
– Bombenattrappe am Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena am
6. Oktober 1996,
– Briefbombenattrappe an Lokalredaktion der Thürin-
ger Landeszeitung in Jena am 30. Dezember 1996,
– Briefbombenattrappe an Stadtverwaltung Jena an
1. Februar 1997,
5824) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 111.
5825) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 22.
5826) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 23 f.
5827) MAT A BMI-8, Bl. 3 f.
5828) Dieses Datum ist in der Stellungnahme des BKA, MAT A
BMI-8, Bl. 3, genannt. Die Stellungnahme selbst datiert aller-
dings vom 15. August 2012. Es ist davon auszugehen, dass die
Eintragungen im Tatmittelmeldedienst mit Stand vom
8. November 2011 gemeint waren.
– Briefbombenattrappe an Polizeidirektion Jena am
1. Februar 1997,
– Rohrbombe in Koffer auf dem Theatervorplatz in
Jena am 2. September 1997,
– Fund einer Bombenattrappe vor Magnus-Poser-
Denkmal in Jena am 26. Dezember 1997,
– Sicherstellung Explosivstoffe Tatmittelteile am
26. Januar 1998 in Jena (Garagenfund).
7. Einstellung und Asservatenvernichtung
Mit Verfügung vom 13. Juni 2001 wurde das Ermitt-
lungsverfahren nach einer belastenden Aussage durch den
Bruder der Geschädigten als Js-Verfahren gegen P. T.
erfasst und sogleich gemäß § 170 Abs. 2 StPO einge-
stellt.
5829
Nach einer erneuten ergebnislosen Vernehmung des La-
deninhabers D. M. beim PP Köln am 14. August 2001,
5830
verfügte die Staatsanwaltschaft Köln am 22. August 2001,
dass es bei der Einstellung bleibe.
5831
Die StA Köln verfügte am 25. Juni 2003 (handschrift-
lich):
„1. […] b) Auch wenn sich seit der Verfahrensein-
stellung keine neuen Erkenntnisse ergeben haben,
sollen die Asservate angesichts Art und Schwere
der Tat aus Gründen äußerster Vorsicht noch wei-
terhin und auch längerfristig asserviert bleiben.“
Als Wiedervorlagetermin wurde der 19. Januar 2006
bestimmt.
5832
Der Untersuchungsausschuss hat in seiner Sitzung hinter-
fragt, weshalb die Ermittlungen bei einem Sprengstoffan-
schlag mit einer schwer verletzten Person bereits nach
fünf Monaten eingestellt wurden.
5833
Hierzu hat Krimi-
nalhauptkommissar a. D. Edgar Mittler, Leiter der Ermitt-
lungskommission „Probst“, ausgeführt, dass alle Spuren
abgearbeitet gewesen und keinerlei neue Hinweise erfolgt
seien.
Nachdem sich in der Folgezeit keine neuen Ermittlungs-
ansätze ergeben hatten, wurden aufgrund der Verfügun-
gen vom 20. Januar 2006 und 27. Januar 2006 alle
asservierten Gegenstände zum Tatort Probsteigasse ver-
nichtet und die verbliebenen Akten weggelegt.
5834
Die
Staatsanwaltschaft Köln verfügte die Vernichtung sämtli-
cher Asservate, obwohl sie selbst von einer Verjährungs-
frist von 20 Jahren ausging.
5835
5829) MAT A GBA-4/8a, Bl. 276, 294.
5830) MAT A GBA-4/8a, Bl. 300.
5831) MAT A GBA-4/8a, Bl. 301.
5832) MAT A GBA-4/8a, Bl. 313 f.
5833) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 6.
5834) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts Köln an den General-
bundesanwalt vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 491
ff.
5835) MAT A GBA-4/8a, Bl. 319.
Drucksache 17/14600 – 670 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße
in Köln
1. Tatgeschehen und erste Reaktionen
Am 9. Juni 2004 wurde in der Keupstraße in Köln, die als
kulturelles Zentrum einer großen türkischen Gemeinde
bekannt und durch eine Vielzahl türkischer Geschäfte
geprägt ist, ein dem Trio zugerechneter Nagelbombenan-
schlag verübt. Gegen 15.56 Uhr ereignete sich dort in
Höhe der Hausnummern 29 und 31 eine Explosion. In den
beiden Häusern waren mehrere Wohnungen und Ge-
schäftsräume. Im Erdgeschoss des Hauses 29 befand sich
ein Friseurladen, in dem sich zur Explosionszeit mehrere
Personen aufhielten. Ein an einem Fahrrad angebrachter
Metallbehälter, in dem sich ca. 700 zehn Zentimeter lange
Zimmermannsnägel befanden, war zur Explosion ge-
bracht worden. Bei der Untersuchung der Reste des
Sprengsatzes stellten Spezialisten des Landeskriminalam-
tes fest, dass die Zündung über eine Fernbedienung er-
folgt war.
Insgesamt wurden 22 Personen im Alter zwischen 17 und
68 Jahren verletzt, 18 davon leicht und vier schwer. Die
Betroffenen erlitten überwiegend Splitterverletzungen
durch herumfliegende Teile, insbesondere Metallnägel.
Durch die Explosion zersplitterten ca. 30 Fensterscheiben
an Wohn- und Geschäftsgebäuden. 15 PKW wurden zum
Teil erheblich beschädigt. In den angrenzenden Geschäf-
ten kam es ebenfalls zu erheblichen Schäden. Der Ge-
samtschaden belief sich auf mehrere 100 000 Euro. Beide
Täter, die zuvor von Überwachungskameras aufgezeich-
net wurden, flüchteten mit Fahrrädern.
5836
a) Sachstandsbericht des Generalstaatsan-
walts in Köln vom 4. Januar 2012
Das Tatgeschehen ist vom Generalstaatsanwalt in Köln in
seinem Sachstandsbericht vom 4. Januar 2012 ausführlich
wie folgt beschrieben worden:
„Am Tattag, dem 09.06.2004, hielten sich die bei-
den bislang noch unbekannten Tatverdächtigen des
Nagelbombenattentats spätestens ab ca. 14.00 Uhr
bis 14.30 Uhr in Köln-Mülheim an einem nicht
näher bekannten Ort in der Nähe der KVB-
Haltestelle „Von-Sparr-Straße“ bzw. dem dort be-
findlichen ehemaligen Firmengelände der Firma
Fetten & Guillaume auf.
Von dort bewegte sich der Täter Nr.1 zu der
Schanzenstraße und dort auf dem Bürgersteig in
Richtung Keupstraße; er schob dabei zwei Moun-
tainbikes, die er links und rechts seines Körpers
mit je einer Hand führte. Der inklusive Kleidung
ca. 1,76 m bis 1,77 m große, leicht korpulent wir-
kende Täter im Alter von 25 bis 30 Jahren war mit
5836) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.; Ministervorlage
vom 11. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 92.
einer knielangen dunklen Bermuda-Shorts, einem
dunklen kurzärmligen T-Shirt, geschlossenen
Halbschuhen, dunklen Socken sowie einer Base-
ballkappe bekleidet und trug um die Taille eine
Umhängetasche. Um 14.34 Uhr passierte der Täter
Nr. 1 die beiden Überwachungskameras am da-
mals noch in, der Schanzenstraße 22 gelegenen
Firmengebäude des Musiksenders ‚VIVA‘. Etwa 12
Minuten später kehrte er ohne die beiden Bikes,
die er in einem bisher unbekannten Versteck in der
Nähe der Keupstraße deponiert hatte, auf den
Gehweg Schanzenstraße zurück und passierte um
14.46 Uhr erneut die ‚VIVA‘-
Überwachungskameras. Er trug nun in der rechten
Hand einen zettelähnlichen Gegenstand. Nach et-
was mehr als 20 Minuten bewegte er sich wieder
über den Gehweg Schanzenstraße in Richtung
Keupstraße, wobei er diesmal in der linken Hand
einen durchsichtigen Beutel mit einem fladenbrot-
ähnlichen Gegenstand und in der rechten Hand ei-
ne weiße Tüte mit einem augenscheinlich kantigen
Gegenstand trug.
In einiger Entfernung folgte ihm nun Täter Nr. 2
zu Fuß auf einem geteerten Weg vor der Einmün-
dung zur Haltestelle ‚Von-Sparr-Straße‘ in Rich-
tung Schanzenstraße. Dort fiel der inklusive Klei-
dung ca. 1,78 m bis 1,80 m große, schlanke, sport-
liche Täter Nr. 2 im Alter von ebenfalls ca. 25 bis
30 Jahren, der eine über die Knie reichende länge-
re Sporthose mit weißen Seitenstreifen, ein kurz-
ärmliges helles T-Shirt, eine Baseball-Kappe,
Sportschuhe und Handschuhe trug, um etwa 15.05
Uhr der Zeugin B. auf, die sich auf dem Rückweg
aus einem Fitness-Center in der Schanzenstraße
befand. Die Aufmerksamkeit der Zeugin, die den
Täter Nr. 2 als einen hübschen Mann eher mediter-
ranen Typs beschreibt, erregte insbesondere das
außergewöhnlich vorsichtige und langsame Schie-
ben eines Fahrrades, das er mit sich führte. Um ca.
15.10 Uhr passierten zunächst Täter Nr. 1 und
knapp 42 Sekunden später Täter Nr. 2 den video-
überwachten Eingang des VIVA-Gebäudes. Täter
Nr. 2 schob dabei an seiner linken Seite mit beiden
Händen ein als Tatmittel verwendetes und mit ei-
ner unkonventionellen Sprengvorrichtung präpa-
riertes Damenfahrrad der Marke ‚CYCO‘. Dieses
Fahrrad wurde speziell für die Firma Aldi-Süd
hergestellt und dort ab dem 19.04.2004 verkauft.
Der serienmäßige Seitenständer wurde bei dem
Tatfahrrad allerdings durch einen Zweibeinständer
ersetzt. Auf dem Gepäckträger befand sich ein
Top-Case aus Kunststoff (Hartschalenkoffer) der
Marke ‚KAPPA‘. Darüber hinaus war an der rech-
ten Seite des Gepäckträgers eine einzelne Fahrrad-
tasche der Marke ‚UMAREX‘ befestigt. Diese Sei-
tentasche war so eingehängt, dass sie nicht ohne
Abschrauben der Befestigungsplatte des Top-Case
weggenommen werden konnte.
In diesem Top-Case lag eine Campinggasflasche
(Butangas) mit einer Höhe von 26 cm, in der sich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 671 – Drucksache 17/14600
maximal 5,5 Kilo Schwarzpulver befanden. Weiter
enthielten das Top-Case bzw. die Fahrradtasche
noch diverse Elektroteile eines Empfängers der als
Zündung benutzten Funkanlage, die aus zwei
Servos C 508 der Marke Graupner, einer Empfän-
gerplatine ACT Mikro 6,35 mhz, zwei Quarzen
mit der Frequenz 35.110 mhz, mindestens einer
Packung Batterien der Marke ‚Tronico‘, einem
schwarzen Wippschalter, diversen Kupferlitzen in
den Farben rot, blau, schwarz, braun, orange, gelb ,
und weiß sowie einer Glühbirne bestand. Um die
zerstörerische Wirkung dieses unkonventionellen
Sprengsatzes noch zu erhöhen, befanden sich in
dem Top-Case zusätzlich mindestens 702 Zim-
mermannsnägel mit einem Durchmesser von ca. 5
mm und einer Länge von 10 cm sowie Watte. Wei-
tere Gegenständeführte der Täter Nr. 2 nicht mit
sich. Die Tatverdächtigen hielten sich wahrschein-
lich weitere ca. 35 bis 40 Minuten in der Nähe der
Keupstraße, möglicherweise an einem in der
Schanzenstraße gelegenen überdachten Fahrradab-
stellplatz schräg gegenüber des VIVA-Gebäudes
auf. Ca. 15.50 Uhr überquerte zunächst Täter Nr. 1
die Schanzenstraße und führte dabei wie bereits
zuvor zwei Mountainbikes mit sich. Nach Errei-
chen des Gehwegs wandte er sich nach rechts und
ging weiter in Richtung Keupstraße. 24 Sekunden
später folgte Täter Nr. 2 mit dem Tatfahrrad in der
gleichen Richtung. Täter Nr. 1 deponierte ein
Mountainbike als Fluchtmittel für Täter Nr. 2 an
einer nicht näher bekannten, wohl aber einer ge-
schützten Räumlichkeit in dem Bereich
Keupstraße/Schanzenstraße und hielt sich selber
mit der in einer weißen Tüte mitgeführten Funk-
steuerung zur Zündung der Sprengvorrichtung in
Tatortnähe auf. Täter Nr. 2 schob das Tatfahrrad
auf dem Gehweg von der Schanzenstraße in die
Keupstraße und dort vor den Friseursalon ‚Ö.‘ in
dem Haus Nr. 29. Er führte das Tatfahrrad dicht an
die linke Schaufensterscheibe heran und hob es auf
den Zweibeinständer. Um 15.56 Uhr zündete der
Täter Nr. 1 die unkonventionelle Sprengvorrich-
tung über eine elektronische Funkfernzündung
mittels einer hochwertigen FM-Fernsteuerung. Die
Zündung war so aufgebaut, dass per Funksteue-
rung, vermutlich über zwei unterschiedliche Fre-
quenzen, zwei verschiedene Servos angesteuert
werden konnten, die an zwei verschiedenen Stellen
den Stromkreis für die Zündung schlossen. Durch
die Wucht der Explosion zersplitterten Schaufens-
ter und Scheiben von Wohnungen bis zu einer Ent-
fernung von ca. 250 Metern vom unmittelbaren
Tatort in beiden Richtungen. Durch herumfliegen-
de Metallsplitter und Zimmermannsnägel erlitten
22 Personen zum Teil schwerste Verletzungen. An
mehreren Häusern sowie an am Tatort abgestellten
Fahrzeugen entstand, auch durch den Flug der
Zimmermannsnägel, zum Teil erheblicher Sach-
schaden. Die Metallnägel schlugen in Autos,
Wohn- und Geschäftsgebäude ein und mussten di-
versen Opfern später aus den verschiedensten
Körperteilen chirurgisch entfernt werden.
Täter Nr. 1 entfernte sich nach der Detonation mit
einem der Mountainbikes und vermutlich der
Fernsteuerung, die sich in der weißen Tüte befand,
von der Keupstraße aus auf einem Fußweg Rich-
tung Genovevastraße, da eine Flucht über die
Keupstraße, egal in welche Richtung, durch Split-
ter, Nägel und sonstige Tat- und Schadensgegen-
stände sowie durch die schnell wachsende Zahl
von Bewohnern, Helfern und Schaulustigen er-
schwert worden wäre. Die Videokameras des Sen-
ders VIVA zeigten jedenfalls keine weiteren Auf-
zeichnungen von Täter Nr. 1 bis zum Einbruch der
Dunkelheit.
Täter Nr. 2 trat seine Flucht mit dem für ihn depo-
nierten Mountainbike zunächst über den Gehweg
vor dem VIVA-Gebäude in nördliche Richtung an.
In Höhe der Einfahrt zum VIVA-Gelände verharrte
er kurz auf dem Gehweg und wechselte dann auf
die Fahrbahn der Schanzenstraße, wo er seine
Flucht mit hoher Geschwindigkeit fortsetzte. Er
passierte mit dem Fahrrad die Kameras vor dem
VIVA-Eingang um 15.57 Uhr, ca. 30 bis 60 Sekun-
den nachdem auf dem Video bei Passanten er-
kennbar Reaktionen auf die Explosion feststellbar
waren. Täter Nr. 2 fixierte mit seiner rechten Hand
die durchsichtige Tüte mit dem fladenbrotähnli-
chen Gegenstand am Lenker.“5837
b) Warum entfiel in den Lagemeldungen des
LKA der zunächst enthaltene Hinweis auf
einen möglichen terroristischen An-
schlag?
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, warum die
Polizei die ursprüngliche Einstufung des Nagelbomben-
anschlags als terroristischen Akt korrigierte und ob dies
auf einer politischen Einflussnahme beruhte.
aa) Meldungen des LKA: terroristischer An-
schlag?
Am 9. Juni 2004 unterrichtete das LKA Nordrhein-
Westfalen um 17.04 Uhr eine Vielzahl von Behörden,
u. a. alle Landeskriminalämter, das Innenministerium
Nordrhein-Westfalen, den GBA, das BKA, das BfV und
das BMI mit Fernschreiben von dem Nagelbombenan-
schlag. Das Fernschreiben hatte folgenden Wortlaut:
„betr.: terroristische gewaltkriminalitaet
hier: anschlag auf zwei geschaefte in koeln –
muelheim
bezug: fernmuendliche vorausmeldung am
09.06.2004, 16:35h durch br koeln
5837) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.
Drucksache 17/14600 – 672 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
[…] vorbehaltlich der fernschriftlichen bestaeti-
gung durch die tatortbehoerde teile ich folgenden
sachverhalt mit: bei der explosion von zwei ge-
schaeften auf der kolbstr. in koeln-muelheim wur-
den 10 bis 15 personen verletzt, davon einige
schwer. da im umkreis zimmermannsnaegel ge-
funden wurden geht man von einem anschlag
aus.“5838
Wenig später, um 17.45 Uhr korrigierte das LKA die
Erstmeldung in einem weiteren Fernschreiben wie folgt:
„die im bezug genannte lageerstmeldung wird kor-
rigiert. bisher liegen keine hinweise auf terroristi-
sche gewaltkriminalitaet vor. nach bisherigen er-
kenntnissen handelt es sich um einen anschlag un-
ter verwendung von usbv bei dem personen- und
sachschaden entstand. es wird nachberichtet.“5839
bb) Geschehen im Lagezentrum der Polizei
Nordrhein-Westfalen
Das beim Ministerium für Inneres und Kommunales in
Düsseldorf angesiedelte Lagezentrum der Polizei in
Nordrhein-Westfalen sammelt Informationen und gibt
Lagemeldungen weiter.
5840
Den Dienst versahen am
9./10. Juni 2004 zwei oder drei Polizeibeamte sowie ein
oder zwei mit administrativen Tätigkeiten betraute Be-
schäftigte.
5841
Der im Lagezentrum erstellten Dokumenta-
tion lässt sich folgender Ablauf entnehmen:
Nach dem Anschlag in der Keupstraße wurde am
9. Juni 2004 um 16.25 Uhr das Lagezentrum benachrich-
tigt. Um 17.09 Uhr ging beim Lagezentrum ein Schreiben
des LKA mit dem Betreff „Terroristische Gewaltkrimina-
lität“ ein. Aus dem Schreiben ging hervor, dass das LKA
zu diesem Zeitpunkt von einem Anschlag ausging. Um
17.25 Uhr wurde der damalige nordrhein-westfälischen
Innenminister Dr. Behrens informiert. Um 17.30 Uhr rief
ein Mitarbeiter des Ministerbüros von Minister Dr. Be-
hrens
5842
beim Lagezentrum an und bat um Informations-
weitergabe und um Information der Abteilung 6, der Ver-
fassungsschutzabteilung im Innenministerium Nordrhein-
Westfalen. Um 17.32 Uhr erfolgte die Informationswei-
tergabe an den Staatssekretär. Um 17.36 Uhr bat das La-
gezentrum das LKA um Streichung des Begriffes „terro-
ristischer Anschlag“ aus dem momentanen Schriftverkehr.
Um 18.44 Uhr teilte ein weiterer Mitarbeiter des Minis-
terbüros dem Lagezentrum mit, dass Presseanfragen an
das Polizeipräsidium Köln zu verweisen seien. Bei „wich-
tigen hartnäckigen“ Anfragen seien Herr R. und Frau P.
5838) Fernschreiben des LKA Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni
2004, 17.04 Uhr, MAT A BMI-4/57e, Bl. 57, 58.
5839) Fernschreiben des LKA Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni
2004, 17.45 Uhr, MAT A BMI-4/57e, Bl. 59, 60.
5840) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4, 7.
5841) Schreiben des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom
28. September 2012, MAT A NW-10.
5842) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 25.
über Handy zu erreichen. Der Minister gebe zurzeit keine
Auskunft über den Sachverhalt.
5843
cc) Aussagen der Zeugen Weber, Wolf, Dr.
Behrens
Der Zeuge Weber, der damals Leiter der Ermittlungs-
kommission MK „Sprengstoff“ war, hat ausgesagt, er
könne keine Erklärung dafür geben, dass die Polizei die
Einstufung des Nagelbombenanschlags als terroristischen
Akt korrigiert habe. Er sei am Tattag zu dieser Uhrzeit
noch nicht mit dem Fall befasst gewesen. Erst später,
gegen 18 Uhr, habe er eine Prüfung durchgeführt, ob die
Mordkommission eine Tatortaufnahme übernehme. Zu
dieser Einschätzung zu Beginn könne er keine Aussage
machen.
5844
Der Zeuge Wolf, der als Leiter der Abteilung
für politische Straftaten mit dem Fall befasst war, hat
ebenfalls erklärt, weder an der Formulierung noch an der
Korrektur in irgendeiner Weise beteiligt gewesen zu
sein.
5845
Der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Dr.
Behrens hat hierzu als Zeuge zunächst ausgesagt:
„Das ist ja unmittelbar dann nachher, Herr Vorsit-
zender, wie Sie auch wissen, auch korrigiert wor-
den, diese Einschätzung ‚terroristischer Anschlag‘
oder ähnliche Bezeichnung; das ist ja später auch
im Betreff verändert worden. Das geht nicht auf
meine Initiative zurück, sondern das hat die Polizei
von sich aus veranlasst, weil es zu diesem Zeit-
punkt keine Hinweise auf einen terroristischen
Hintergrund gab.“5846
Er vermute, dass die Korrektur des Betreffs vorgenom-
men worden sei, um nicht Vorfestlegungen im polizeili-
chen Schriftverkehr über das tatsächliche Geschehen zu
haben. Weiterhin hat er hierzu ausgeführt:
„Ob es terroristische Gewaltkriminalität ist, das ist
ja schon eine Einengung auf mögliche Hintergrün-
de, auf Motive, die zu dem Zeitpunkt sicherlich
auch verfrüht gewesen ist und deshalb zu einer
Korrektur geführt hat. Zu dem Zeitpunkt konnte
man das, denke ich, zu Recht noch nicht wis-
sen.“5847
Dem Zeugen ist anschließend vorgehalten worden, die
Korrektur sei erfolgt, nachdem eine Unterrichtung des
Ministers sowie weiterer Personen aus dem Ministerium
erfolgt sei, ohne dass sich an der Lage etwas geändert
habe. Auf die Frage, ob er daher zustimmen könne, dass
die Korrektur nicht auf Ermittlungserkenntnissen vor Ort
basiert habe, sondern auf einer Weisung des Innenminis-
teriums Nordrhein-Westfalen, hat er geantwortet:
5843) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-
12.
5844) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 29.
5845) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 92.
5846) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 10.
5847) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 11, 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 673 – Drucksache 17/14600
„Das kann ich ja gar nicht bestreiten. Die Abläufe
haben Sie ja dargestellt. Ich kenne Sie nicht anders
als aus diesem Protokoll. Ich will nur darauf hin-
weisen, dass ich in diese Richtung keinerlei Veran-
lassung gegeben habe durch eigene Weisungen
oder Bemerkungen in diese Richtung. Also, das ist
nicht von mir veranlasst worden, nicht von mir.
Von wem auch immer es im Hause […]“5848
Dr. Behrens hat weiter gesagt, dass die Streichung des
Begriffs „terroristische Gewaltkriminalität“ aus dem Be-
treff nicht aufgrund einer neuen Erkenntnislage vor Ort,
sondern aufgrund einer Bewertung der Erkenntnislage
durch die vorgesetzte Behörde erfolgt sei.
5849
Auf die
Frage, ob er oder seine engsten Mitarbeiter darauf hinge-
wirkt hätten, neutraler zu formulieren, hat er erklärt:
„Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Also we-
der von mir – das ist ganz sicher; das weiß ich –,
und die Arbeit von Herrn F. kenne ich so, dass er
sicherlich von sich aus darauf in dieser Richtung
auch keinen Einfluss genommen hätte. Wenn,
dann kam das aus der Polizeiabteilungsleitung
möglicherweise von irgendjemandem; das kann
ich nicht sagen.“5850
Geteilt wurde die in der Änderung der Lageberichterstat-
tung zum Ausdruck kommende Bewertung, dass es zu
diesem Zeitpunkt keinerlei Hinweise auf einen terroristi-
schen Hintergrund der Tat gegeben habe, damals zudem
ausdrücklich durch Oberstaatsanwalt Wolf, der die Ermitt-
lungen leitete, in seiner Pressekonferenz vom
10. Juni 2004.
5851
c) Kontaktaufnahme des BfV mit einem Mit-
arbeiter des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen
aa) Lagedokumentation
Der Ausschuss hat sich für die Gründe und die Auswir-
kungen einer frühzeitigen Beschäftigung des BfV mit
dem Kölner Nagelbombenanschlag interessiert. Hierbei
ging es dem Ausschuss insbesondere um die Hintergründe
eines Anrufs eines Mitarbeiters des BfV im Lagezentrum.
Der Lagedokumentation der Polizei lässt sich hierzu fol-
gender Ablauf entnehmen:
Um 19.53 Uhr rief ein Mitarbeiter des BfV, der Beschaf-
fungsleiter Rechtsextremismus, im Lagezentrum an und
bat um Kontaktherstellung mit jemandem von der Abtei-
lung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen. Drei
Minuten später meldete sich ein Mitarbeiter der Abteilung
6 wieder beim Lagezentrum und bat um Bestätigung des
5848) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 19.
5849) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 19.
5850) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 25.
5851) Protokoll der Pressekonferenz vom 10. Juni 2004, MAT A-
GBA 9, Bl. 52.
Grundsachverhaltes. Er teilte seine Absicht mit, Kontakt
mit den Staatsschutzdienststellen des LKA und des PP
Köln aufzunehmen.
5852
bb) Aussagen der Zeugen Weber, Hofmann
und Dr. Möller
Der Zeuge Weber hat erklärt, ihm lägen keine Erkenntnis-
se zu dem Ablauf im Lagezentrum vor. Der Kontakt zwi-
schen Lagezentrum und Ermittlungskommission sei nicht
so eng.
5853
Der Zeuge Hofmann, der zu diesem Zeitpunkt Leiter des
Beschaffungsreferats deutscher Extremismus in der Ab-
teilung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen
war, hat ausgesagt, dass er der Gesprächspartner des Kol-
legen vom BfV gewesen sei. Die „Beschaffer“ hätten die
Eigenart, sich parallel zu allen anderen Wegen auszutau-
schen, wenn etwas passiert sei. Relativ schnell nach Er-
eignissen, auf die in irgendeiner Form eine Reaktion der
Verfassungsschutzbehörde erfolge, werde der Beschaf-
fungsleiter informiert. Er erinnere sich daran, dass das
Lagezentrum der Polizei ihn angerufen und ihn gebeten
habe, den ihm bereits bekannten Kollegen vom BfV zu-
rückzurufen, der um seinen Rückruf gebeten habe.
Zum Inhalt des Gesprächs hat er erklärt, dass keine Auf-
zeichnungen von ihm gefertigt worden seien. Soweit er
sich daran erinnere, sei es das Bemühen von Seiten des
Kollegen gewesen, die Lage zu hinterfragen. Der Kollege
habe ihn gefragt, ob er schon Näheres sagen könne, um
sein Haus und den politischen Bereich unterrichten zu
können. Dies sei ihm zu dem Zeitpunkt nicht möglich
gewesen, weil er erst unmittelbar vorher durch die Polizei
von dem Anschlag erfahren habe. Einen anderen Hinter-
grund habe das Gespräch nicht gehabt.
Es habe sich um ein informelles Gespräche gehandelt. Die
informellen Wege seien von einem vertrauensvollen Ver-
hältnis zueinander geprägt. In keiner Weise sei in diesem
Gespräch ein Hinweis auf einen Tatgeschehensablauf
ergangen.
5854
Der Zeuge Hofmann hat zudem ausgesagt, er könne nur
mutmaßen, warum sein Gesprächspartner den Kontakt zu
ihm über das Lagezentrum gesucht habe. Möglicherweise
habe dieser ihn auf seinem Handy nicht erreicht und ken-
ne seine Privatnummer nicht. Dem Lagezentrum der Poli-
zei sei seine Privatnummer dagegen sehr wohl bekannt.
Der Anruf könne auch mit der Nähe des Ereignisortes
zum BfV zusammenhängen.
5855
Die Einschaltung eines Mitarbeiters des BfV hat der Zeu-
ge Dr. Möller in dem Fall für denkbar gehalten, in dem
das BfV eine eigene Zuständigkeit sehe. Das BfV sei
zudem auf jeden Fall zuständig, wenn die Dimension des
5852) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l,
Bl. 1-12.
5853) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 42.
5854) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 3-5.
5855) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 5.
Drucksache 17/14600 – 674 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Anschlags so groß sei, dass man in ihm einen Anschlag
auf das Wohl der Bundesrepublik sehe. Auch wenn län-
derübergreifende Bezüge vorhanden seien, sei auf jeden
Fall das Bundesamt zuständig. Wenn ein Anschlag passie-
re, sei aber jeder Rat und jede Information willkommen.
In diesem Moment würden keine Zuständigkeiten geprüft,
sondern es werde gefragt, ob jemand etwas Wertvolles
zur Aufklärung beitragen könne.
5856
cc) Erkenntnisse des BfV zum Sachverhalt
Den Gesprächspartner auf Seiten des BfV hat der Aus-
schuss nicht befragen können. Das BMI hat mitgeteilt,
dass der Mitarbeiter des BfV, der als Zeuge in Betracht
komme, an einer schweren Erkrankung leide. Hieraufhin
hat der Untersuchungsausschuss am 25. Oktober 2012
beschlossen, diesen Mitarbeiter um schriftliche Beantwor-
tung eines Fragenkataloges zu bitten. Der Mitarbeiter hat
sich in einer schriftlichen Stellungnahme wie folgt zum
Sachverhalt geäußert:
„Der Zeitraum, auf den sich die Fragen des Unter-
suchungsausschusses beziehen, liegt über 8 Jahre
zurück. Zwar ist mir der Bombenanschlag in der
Kölner Keupstraße noch in Erinnerung, doch kann
ich mich an Details meiner Tätigkeit zur fraglichen
Zeit nicht oder kaum erinnern. Mein Terminkalen-
der aus dem Jahr 2004, in dem stichwortartig Ter-
mine, Gespräche und Telefonate festgehalten wor-
den sind, ist von mir bei Ausscheiden aus dem
Dienst im Jahr 2006 vernichtet worden. Für mich
ist daher – nach 6 Jahren Ruhestand und anhaltend
schwerer Krankheit – auch nicht mehr nachvoll-
ziehbar, ob ich am Tag des Bombenanschlages
überhaupt im Amt war und mit wem ich gegebe-
nenfalls an diesem Tag und mit welchem Ergebnis
gesprochen habe. Allerdings hätten Gespräche mit
Vertretern des zuständigen LfV zur Klärung eines
möglichen rechtsterroristischen Tathintergrundes
in einer solchen Lage meiner Aufgabe und Ge-
wohnheit entsprochen. Ich halte es daher für mög-
lich, dass das Gespräch mit dem Vertreter des LfV
NW stattgefunden hat. Der Gesprächsinhalt ist mir
allerdings nicht mehr präsent […]. Ich schließe
daher nicht aus, dass ich das fragliche Gespräch
mit einem Vertreter des LfV NW auch im Hinblick
auf eine entsprechende IGR-Absprache (Informa-
tionsaustausch) geführt haben könnte. […] Wie
bekannt ist, wurde von den zuständigen Polizeibe-
hörden des Landes NW nur der Verdacht einer
Straftat im Bereich der organisierten Kriminalität
verfolgt.“5857
Darüber hinaus hat er ausgeführt:
5856) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 6, 7.
5857) Antworten zu den Fragen des Ausschusses, übermittelt mit
Schreiben des BMI vom 28. November 2012, MAT A BfV-
14/5.
Daran, ob es in den Tagen danach weitere Kontaktauf-
nahmen zwischen dem BfV und dem Verfassungsschutz
Nordrhein-Westfalen gegeben habe, könne er sich nicht
erinnern. Hinweise darauf, dass im Großraum Köln oder
in Nordrhein-Westfalen eine Tat gegen Ausländer geplant
sei, habe er nicht gehabt. Ansonsten wären Maßnahmen
eingeleitet worden, die ihm auch heute noch in Erinne-
rung geblieben wären. Nach seiner Erinnerung seien alle
Quellen seines Amtes ohne Ergebnis befragt worden.
Das BfV hat mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 erklärt,
es seien – mit zwei Ausnahmen – alle aktiven Beschäftig-
ten des BfV befragt worden, die seinerzeit in der Abtei-
lung 2 tätig gewesen seien. Diese hätten keine Auskunft
über den Inhalt des Telefongespräches vom 9. Juni 2004
um 19.53 Uhr mit dem Leiter Beschaffung Rechtsextre-
mismus der Landesbehörde für Verfassungsschutz
Nordrhein-Westfalen geben können. Zudem seien die
damals diensthabenden Beschäftigten des Lagedienstes
sowie die Mitarbeiter befragt worden, die im dienstlichen
Umfeld des erkrankten Mitarbeiters tätig gewesen und
mittlerweile aus dem BfV ausgeschieden seien. Auch
diese Befragung sei ohne Ergebnis geblieben.
5858
Der damals für Rechtsextremismus zuständige Abtei-
lungsleiter im BfV, Zeuge Cremer, hat ausgesagt, er wis-
se nichts von dem Anruf im Lagezentrum. Es sei wahr-
scheinlich, dass der Mitarbeiter, der dort angerufen habe,
in Erfahrung habe bringen wollen, was passiert sei und in
welcher Weise die Kollegen des LfV in den Fall einge-
bunden seien. Er könne sich nicht erklären, dass der Kol-
lege des BfV irgendeinen Hinweis habe geben wollen.
Bei einer so unmittelbaren Nähe zu einem Anschlag sei
diese Fürsorge nicht ungewöhnlich. Sprengstoffanschläge,
wie beispielsweise der Sprengstoffanschlag auf das Grab
des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden,
Heinz Galinski, und der Sprengstoffanschlag auf die
Wehrmachtsausstellung, seien zudem ein typisches Tat-
mittel für die rechtsextremistische Szene. Das BfV sei
daher bei Sprengstoffanschlägen mit Blick auf einen
rechtsextremistischen Hintergrund alarmiert gewesen.
5859
d) Ausschluss eines rechtsextremistischen
Hintergrundes kurz nach der Tat
aa) Öffentliche Äußerungen des damaligen
Bundesinnenministers Schily
aaa) Öffentliche Äußerungen und Medienbe-
richterstattung
In einem Beitrag der Tagesschau vom 10. Juni 2004 wur-
de berichtet, nach dem Bombenanschlag in Köln-
Mülheim gebe es noch keine gesicherten Erkenntnisse zu
den Tätern. Allerdings deute nach Mitteilung des Bundes-
innenministeriums alles eher auf einen kriminellen Hin-
5858) Schreiben des BfV vom 23. Oktober 2012, MAT A BfV-14/3.
5859) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 88.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 675 – Drucksache 17/14600
tergrund hin. Der damalige Bundesinnenminister Schily
äußerte sich wie folgt vor der Kamera:
„Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden
bisher gewonnen haben, deuten nicht auf einen ter-
roristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminel-
les Milieu, aber die Ermittlungen sind noch nicht
abgeschlossen, so dass ich eine abschließende Be-
urteilung dieser Ereignisse jetzt nicht vornehmen
kann.“5860
In Presseberichten kurz nach der Tat wurde diese Äuße-
rung wie folgt aufgegriffen:
In der Welt vom 11. Juni 2004 war zu lesen:
„Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) äußerte
sich am Donnerstagnachmittag zur Tat. Diese sei
vermutlich kein terroristischer Akt. Die ersten Er-
mittlungsergebnisse würden eher auf einen krimi-
nellen Hintergrund hindeuten.“5861
In dem Artikel „Allgemeindeliktischer Hintergrund“ aus
der Frankfurter Allgemeinen vom 11. Juni 2004 hieß es:
„Wie Oberstaatsanwalt Rainer Wolf am Fronleich-
namstag mitteilte, der in Köln wie in Nordrhein-
Westfalen Feiertag ist, wird „ein allgemeindelikti-
scher Hintergrund“ in Erwägung gezogen. Das be-
stätigte auch Bundesinnenminister Otto Schily am
Donnerstag im baden-württembergischen
Kehl.“5862
Im Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. Juni 2004 wurde aus-
geführt:
„Nach wie vor gibt der Anschlag der 20-köpfigen
Mordkommission große Rätsel auf. Etliche Versi-
onen der Tat werden durchgespielt. Auch bei den
Innenministerien in Berlin und Düsseldorf. Bereits
am Freitagmorgen schließen die Parteigenossen
Otto Schily und Fritz Behrens ein politisches oder
fremdenfeindliches Motiv aus. Woher sie ihre Er-
kenntnisse beziehen, bleibt indes ihr Geheim-
nis.“5863
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es damals keine
gemeinsame Erklärung der Innenminister Schily und Dr.
Behrens gab.
Zu seiner damaligen Äußerung im Jahr 2004 hat Innen-
minister a. D. Otto Schily nach Presseverlautbarungen im
April 2012 laut Tagesspiegel erklärt:
„‚Dafür, dass wir der NSU-Terrorgruppe nicht frü-
her auf die Spur gekommen sind, tragen ich und
5860) Tagesschau vom 10. Juni 2004, 20 Uhr.
5861) Die Welt, 11. Juni 2004, „Köln: Kriminelle Banden im Visier
der Fahnder“.
5862) Frankfurter Allgemeine, 11. Juni 2004, „Allgemeindeliktischer
Hintergrund“.
5863) Kölner Stadt-Anzeiger, 12. Juni 2004, „War es ein Racheakt,
ein Streit im Drogenmilieu oder die Tat eines wirren Einzeltä-
ters?“.
die Länderinnenminister die politische Verantwor-
tung‘, sagte Schily am Donnerstag dem Tagesspie-
gel.“
Der Tagesspiegel schreibt weiter:
„Er gab zu, dass es ein Fehler war, am Tag nach
dem Bombenanschlag des NSU im Juni 2004 in
Köln geäußert zu haben, ersten Ermittlungen zu-
folge gebe es keinen terroristischen Hintergrund.
‚Inzwischen wissen wir, dass das ein schwerwie-
gender Irrtum war‘, sagte Schily.“5864
bbb) Aussagen der Zeugen Schily und
Dr. Behrens
Der Zeuge Schily hat ausgesagt, am Tag nach dem An-
schlag habe ein Zusammentreffen mit seinem französi-
schen Amtskollegen Dominique de Villepin im deutsch-
französischen Polizeizentrum in Kehl stattgefunden. Im
Rahmen dieses Treffens habe am Mittag eine Pressekon-
ferenz stattgefunden. Er vermute, ohne hieran eine kon-
krete Erinnerung zu haben, dass er während dieser Pres-
sekonferenz auf den Kölner Anschlag angesprochen wor-
den sei. Zuvor müsse er entweder über das Lagezent-
rum,
5865
über seinen Pressesprecher oder in anderer Weise
einen Bericht über den Anschlag erhalten haben. Aus
diesem Bericht habe sich ergeben, dass es ersten Ermitt-
lungen zufolge für die Tat keinen terroristischen Hinter-
grund gebe. Diese vorläufige Bewertung der Sicherheits-
behörden habe er in der Pressekonferenz mitgeteilt, aber
vorsichtshalber hinzugefügt, dass es für eine abschließen-
de Beurteilung sicherlich noch zu früh sei. Heute wisse
man, dass die anfängliche Einschätzung der Sicherheits-
behörden, es gebe für die Tat keinen terroristischen Hin-
tergrund, ein schwerwiegender Irrtum gewesen sei.
5866
Daran, zu welchem Zeitpunkt er erstmals von der Explo-
sion in der Keupstraße gehört habe, könne er sich nicht
erinnern. Er wisse auch nicht mehr, auf welche Weise er
informiert worden sei, halte es aber für relativ wahr-
scheinlich, dass das BMI-Lagezentrum ihm hierzu etwas
mitgeteilt habe.
5867
Er habe das wiedergegeben, was ihm
die Ermittlungsbehörden mitgeteilt hätten. Er müsse da-
von ausgehen, dass eine solche Aussage von Ermittlungs-
behörden nicht ohne Grundlage erfolge.
5868
Er habe sich in einer Situation befunden, in der er nicht
noch weitere Informationen habe einholen können. Er sei
auf eine Zusammenkunft mit Minister de Villepin vorbe-
reitet gewesen und habe mit diesem ein sehr umfassendes
Themenfeld bearbeitet.
5869
Aus dem ihm übermittelten
5864) Der Tagesspiegel, 20. April 2012, „NSU: Schily gibt schweren
Irrtum zu“.
5865) Näheres zur Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004 unter
H.II.7.a)bb).
5866) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 27.
5867) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 32, 33; Weitere Ausführungen zur
Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004.
5868) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 33.
5869) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 47.
Drucksache 17/14600 – 676 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Hinweis, dass ein terroristischer Hintergrund ausgeschlos-
sen werde, habe er gefolgert, dass die Tat auf ein krimi-
nelles Milieu hindeute. Diese Aussage werde auch durch
einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom
11. Juni 2004 gestützt. Hierin sei davon die Rede gewe-
sen, dass der zuständige Oberstaatsanwalt einen allge-
meindeliktischen Hintergrund in Erwägung ziehe.
5870
Die Ausführungen im Kölner Stadt-Anzeiger vom
11. Juni 2004, wonach er als Bundesinnenminister bestä-
tigt habe, dass der Anschlag keinen terroristischen Hin-
tergrund habe,
5871
seien eine sehr verkürzte und vielleicht
sogar nicht ganz korrekte Darstellung dessen, was er
gesagt habe.
5872
Zu dem Vorwurf, auch er habe einen terroristischen Hin-
tergrund bereits kurz nach der Tat ausgeschlossen, hat
sich der Zeuge Dr. Behrens in seiner Vernehmung wie
folgt geäußert:
„Schon am Samstag, dem 12.04.2004, findet sich
in einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers die
Darstellung, Bundesinnenminister Otto Schily und
ich hätten am 11.06.2004, also am Tag vorher, an
dem Freitag, einen terroristischen Hintergrund des
Anschlages in Köln, ein politisches oder fremden-
feindliches Motiv ausgeschlossen. In wenigen fol-
genden Berichten anderer Medien der damaligen
Tage und auch in neueren Darstellungen in den
Medien und auch in politischen Kommentaren
wird das bis heute so wiederholt. Dazu sage ich
hier: Erstens. Eine Pressemitteilung des Innenmi-
nisteriums Nordrhein-Westfalen mit diesem Inhalt
oder gar eine gemeinsame Erklärung mit dem
Bundesinnenministerium hat es nicht gegeben. In-
sofern ist die Berichterstattung, auch die Kommen-
tierung, die sich darauf bezieht, falsch.
[…]
Ich schließe nicht aus, dass ich die Einschätzung,
es gebe bisher keine Erkenntnisse über die Motive
des Anschlages, auf Befragen dann auch Dritten,
allerdings nicht der Öffentlichkeit gegenüber, wei-
tergegeben habe. Ich habe keine Kontakte zur Öf-
fentlichkeit gehabt nach meiner Erinnerung. Ich
war eben im Urlaub. Wer mich ein wenig näher
kennt, weiß, dass ich bei öffentlichen Äußerungen
in vergleichbaren Fällen immer sehr abwägend
und zurückhaltend gewesen bin – bis zum heutigen
Tage.“5873
Auf die Frage, warum er keine Korrektur veranlasst habe,
hat der Zeuge Dr. Behrens ausgeführt, die Aussage werde
bis zum heutigen Tage korrigiert, aber immer wieder
5870) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 60, 61; der Artikel ist am 11. Juni
2004 und nicht, wie vom Zeugen genannt, am 10. Juni 2004 er-
schienen.
5871) Kölner Stadt-Anzeiger, 11. Juni 2004, „Bombenanschlag:
Kriminelle im Visier“, MAT A GBA-3/3, Bl. 25.
5872) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 52.
5873) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4.
falsch berichtet. Die Pressestelle des Innenministeriums
Nordrhein-Westfalen habe noch vor Tagen auf Anfrage
der Medien darauf hingewiesen, dass es eine solche Er-
klärung nicht gegeben habe.
5874
Wie bereits unter b)bb) dargelegt, wurde auch in der La-
gedokumentation vom 9. Juni 2004, um 18.44 Uhr festge-
halten, dass Minister Dr. Behrens keine Auskunft über
den Sachverhalt gebe.
5875
Zu den Gründen für diese Zu-
rückhaltung hat er erklärt, es entspreche seinem üblichen
Verhalten, sich zunächst einmal nicht öffentlich zu äu-
ßern. Dies habe er in vergleichbaren Fällen immer so
gemacht. Er halte es für prinzipiell richtig, nicht gleich
mit irgendwelchen politischen Bewertungen an die Öf-
fentlichkeit zu gehen, sondern dies den Ermittlungsbehör-
den zu überlassen.
5876
ccc) Mögliche Wirkung von Äußerungen eines
Ministers
Der Zeuge Schily hat ausgeschlossen, dass seine öffentli-
che Kommentierung der laufenden Ermittlungen vom
10. Juni 2004 Einfluss auf die Ermittlungsarbeit gehabt
habe. Er habe nur einen Stand der Ermittlungen wieder-
gegeben und keine eigene Interpretation vorgenom-
men.
5877
Der Zeuge Weber, der die EG „Sprengstoff“
leitete, hat erklärt, Äußerungen von Politikern hätten
keinen Einfluss auf die damaligen Ermittlungen gehabt.
Die Ermittlungskommission sei bestrebt gewesen, die
Täter für diesen Anschlag zu finden. Sie habe die Ermitt-
lungsansätze, die sich zu diesem Zeitpunkt geboten hät-
ten, weiterverfolgt und weiter ihre Arbeit gemacht.
5878
Auch der Zeuge Wolf, der damals zuständige Staatsan-
walt, hat erklärt, er habe sich durch Äußerungen von
Politikern nicht in seiner Freiheit eingeschränkt gefühlt, in
alle Richtungen zu ermitteln. Er hätte sich hier aber eine
vorsichtigere Formulierung gewünscht.
5879
bb) Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei
am 10. Juni 2004
Bei einer Pressekonferenz, die am 10. Juni 2004 zu den
Ermittlungen zum Nagelbombenanschlag stattfand, er-
klärte der polizeiliche Einsatzleiter, der Leitende Polizei-
direktor K., zahlreiche Zeugen seien inzwischen vernom-
men worden. Aus den Opferpersonalien ließen sich keine
Erkenntnisse über Hintergründe der Tat ziehen. Auch
gebe es keine Erkenntnisse für eine terroristische oder
fremdenfeindliche Motivation. Ähnlich äußerte sich auch
Oberstaatsanwalt Wolf. Dem Protokoll der Pressekonfe-
renz vom 10. Juni 2004 sind folgende Äußerungen Wolfs
zu entnehmen:
5874) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 26.
5875) Lagedokumentation, MAT A NW-6l, Bl. 5.
5876) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 25.
5877) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 37.
5878) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 47.
5879) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 79.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 677 – Drucksache 17/14600
„Die Tatausführung sowie das Tatmittel wäre
durchaus geeignet gewesen, Menschen zu töten.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen ver-
suchten mehrfachen Mordes und der Herbeifüh-
rung einer Sprengstoffexplosion. Er betonte: ‚Wir
haben keine Hinweise auf eine terroristische Lage!
Die Ermittlungen gestalten sich offen, sodass auch
ein allgemeindeliktischer Hintergrund in Erwä-
gung gezogen wird. Eine Gewichtung kann noch
nicht vorgenommen werden. Der Generalbundes-
anwalt wird nach bisherigem Erkenntnisstand nicht
übernehmen, weil kein Hinweis auf einen terroris-
tischen Hintergrund vorliegt.‘“5880
Der Zeuge Wolf hat erklärt, es wäre nach dem damaligen
Erkenntnisstand ohne Fundament gewesen, von einer
terroristischen Vereinigung auszugehen, die zur Folge
gehabt hätte, dass sie nicht mehr zuständig gewesen wä-
ren. Die Tatsache, dass man nicht ausschließen könne, es
seien möglicherweise mehr als zwei Täter gewesen, sei
keine ausreichende Verdachtslage für eine terroristische
Vereinigung.
5881
cc) Pressestatement des BfV am 10. Juni 2004
Wie einer Meldung der Agentur Reuters vom
10. Juni 2004, 11.02 Uhr zu entnehmen ist, legte sich das
BfV frühzeitig auf ein Motiv fest. So hieß es dort:
„Geheimdienst sieht Kriminelle am Werk=Köln,
10. Jun (Reuters) – Nach dem Anschlag mit einer
Nagelbombe gehen die Geheimdienste von einem
kriminellen Hintergrund der Tat aus, bei der am
Mittwoch in Köln 22 Menschen verletzt wurden.
Die Ermittlungen gehen nach wie vor in Richtung
‚Organisierte Kriminalität‘, sagte ein Sprecher des
Bundesamtes für Verfassungsschutz am Donners-
tag.“5882
Der Zeuge Fromm hat erklärt, er wisse nicht, wie diese
Meldung zustande gekommen sei. Das BfV sei für die
Ermittlungen nicht verantwortlich gewesen. Möglicher-
weise habe es ein Gespräch mit dem Pressevertreter gege-
ben und der Pressesprecher des BfV habe wiedergegeben,
was er von der Polizei gewusst habe. Er persönlich habe
solche Erklärungen seinerzeit nicht abgegeben. Entschei-
dender Fakt sei, dass dieser Vorgang – ungeachtet aller
Erklärungen – im BfV sehr schnell nach der Tat aufge-
griffen worden sei und in Richtung Rechtsterrorismus
Überlegungen angestellt worden seien, sogar bis hin zur
Nennung von möglichen Beteiligten, wenngleich man
diese auf die Region beschränkt habe.
5883
5880) MAT A GBA-9, Bl. 52.
5881) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 91, 92.
5882) Meldung der Presseagentur Reuters am 10. Juni 2004, MAT A
BMI-4/57e, Bl. 66.
5883) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 29; Näheres zu weiteren Aktivitä-
ten des BfV zum Nagelbombenanschlag unter H.II.6.
2. Ermittlungen der Kölner Polizei und des
LKA Nordrhein-Westfalen
a) Überblick über den Verlauf der Ermittlun-
gen
Zum organisatorischen Verlauf der Ermittlungen hat sich
der Zeuge Weber wie folgt geäußert:
„Als dann feststand, dass es hier um eine Spreng-
stoffexplosion gegangen ist, hat man seitens der
Behörde zunächst eine Besondere Aufbauorganisa-
tion, wie üblich in diesen Erstangriffen, aufgebaut,
und wir als Mordkommission wären zunächst mal
rein für den Tatort zuständig gewesen. Da aller-
dings LKA und BKA für den Sprengstofffall halt
Spezialisten zur Tatortaufnahme entsandt hatten,
waren wir zunächst nicht eingesetzt.
Am Morgen des 10.06. habe ich dann mit einer
Kommission die Ermittlungen komplett übernom-
men. Wir haben dann zunächst quasi mit einer
Mordkommission gearbeitet und das Ganze später
in eine Ermittlungsgruppe umstrukturiert.“5884
Direkt nach der Tat wurde das LKA Nordrhein-Westfalen
in die Ermittlungen am Tatort einbezogen. Der Zeuge
Spliethoff, der Leiter der Tatortgruppe im LKA
Nordrhein-Westfalen an der Keupstraße gewesen war, hat
hierzu ausgesagt, dass seine Tatortgruppe unmittelbar
nach dem Anschlag von den Kölner Kollegen angefordert
und direkt rausgefahren sei. Das LKA habe im Bereich
der Sprengstoffdelikte keine eigene Zuständigkeit. Die
Tatortgruppe werde von den Kreispolizeibehörden ange-
fordert, wenn die sachbearbeitende Dienststelle aus fach-
lichen oder personellen Gründen nicht in der Lage sei,
einen Sprengstoffanschlag umfassend aufzunehmen. An-
ders als das Polizeipräsidium Köln verfüge das LKA in
Düsseldorf über ausgebildete Sprengstoffermittlungsbe-
amte.
5885
Einen Überblick über die Ermittlungen gibt das Schreiben
des Generalstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar 2012:
„Die daktyloskopischen Untersuchungen am Tat-
ort verliefen ergebnislos. Im Zuge einer massiven
Öffentlichkeitsfahndung sind nach Auswertung der
kriminaltechnischen Ermittlungen ein Fahndungs-
foto des für den Bombenanschlag benutzten Fahr-
rads sowie eine grobe Beschreibung des mutmaß-
lichen ‚Bombenschiebers‘ in die Fahndung gege-
ben und später Fotos sowie kürzere Videosequen-
zen, die beide Tatverdächtige im gefilmten Kame-
raausschnitt zeigen, auf Flugblättern und im Inter-
net • veröffentlicht worden. Es wurde zudem eine
Belohnung von 20 000 Euro zur Auffindung der
Täter ausgesetzt. Als weitere Ermittlungsmaßnah-
me ist im Bürgerhaus Wiener Platz in Köln-
Mülheim ein Schaufenster eingerichtet worden, in
5884) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 28.
5885) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 3 f.
Drucksache 17/14600 – 678 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dem ein Vergleichsfahrrad, weitere Fundstücke
sowie die Fotos und Videosequenzen der Öffent-
lichkeit zugänglich gemacht und die Besucher des
Schaufensters von einer Aufnahmekamera über-
wacht worden sind.
Weiterhin sind Ermittlungen zu den Usern durch-
geführt worden, die verstärkt Zugriff auf die Inter-
net-Homepage der Polizei zu dem Nagelbomben-
anschlag genommen haben.
Auf der Grundlage einer durch das LKA erstellten
Fallanalyse wurden in einem bestimmten, eng be-
grenzten örtlichen Bereich Überprüfungen hin-
sichtlich der unbekannten Tatverdächtigen aber
auch hinsichtlich der geeigneten Räumlichkeiten
als Ausgangsort der Tat durchgeführt. Hieran
schloss sich im Bereich Köln-Mülheim und den
umliegenden Stadtteilen eine Rasterfahndung an,
bei der eine Überprüfung der männlichen Einwoh-
ner im Alter von zunächst 25 bis 35 Jahren erfolg-
te. Gleichzeitig fand auch ein Abgleich mit den aus
einer Funkzellenauswertung des Tatorts zur Tatzeit
gewonnenen Ergebnissen statt.
Im November 2004 ist der Kriminalfall im Rah-
men der Sendung AKTENZEICHEN XY-ungelöst
gezeigt worden.“
„Nach einer zweiten ergänzenden operativen Fall-
analyse durch das Bundeskriminalamt ist die erste
Rasterfahndung modifiziert worden. Da auch diese
zweite Analyse im Wesentlichen das gleiche Er-
gebnis – nämlich zwei Einzeltäter mit einem per-
sönlichen Motiv – brachte, ist der örtliche Kreis
für das Raster enger gezogen worden. Das Alter
der im Rahmen der Rasterfahndung zu überprü-
fenden Männer ist aufgrund der Angaben der Zeu-
gin B. auf 25 bis 30 Jahre korrigiert worden. Paral-
lel dazu wurde weiterhin ein anhand der Angaben
der auch nochmals unter Hypnose vernommenen
Zeugin B. gezeichnetes Phantombild des ‚Bom-
benschiebers‘ veröffentlicht.“
„Diese vorbeschriebenen Ermittlungsmaßnahmen
haben zu keinem Ermittlungsergebnis, insbesonde-
re nicht zur Identifizierung der Tatverdächtigen
geführt.“5886
Eine Veröffentlichung zu dem Fall erfolgte auch in dem
Bundeskriminalblatt vom 6. September 2004.
5887
Die
Täter wurden hierin wie folgt beschrieben:
a) wahrscheinlich Europäer, 25-35 Jahre alt, 1,75-
1,85 m groß, macht einen trainierten, sportlichen
Eindruck; Bekleidung: T-Shirt, lange, eng anlie-
gende Hose, ähnlich einer Rad- oder Jogginghose,
Sportschuhe und dunkle Baseballkappe,
5886) Schreiben des Generalstaatsanwaltes in Köln vom 4. Januar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 509, 510.
5887) Bundeskriminalblatt Nr. 168 vom 6. September 2004, MAT A
BKA-2/39, Bl. 107 ff.
b) wahrscheinlich Europäer, 25-35 Jahre alt, 1,70-
1,80 m groß, nicht ganz so trainiert wie a); Beklei-
dung: T-Shirt, 3/4 lange Hose, Sportschuhe, Base-
ballkappe, trug ‚Bauchtasche‘ oberhalb des Gesä-
ßes.“5888
b) Vorhandensein von Tätervideos
Der Kölner Polizei lagen zwei Videos vor, auf denen die
mutmaßlichen Täter festgehalten wurden. Denn vor dem
Eingang des in der Schanzenstraße 22 gelegenen Firmen-
gebäudes des Musiksenders VIVA befanden sich zwei
Kameras, die auf die Treppe des Gebäudes gerichtet wa-
ren und zwei männliche Personen mit Fahrrad mehrfach
aufzeichneten.
Von den Kameras wurde festgehalten, dass einer der
beiden Männer um 14.34 Uhr das Firmengebäude passier-
te.
5889
Er schob hierbei zwei Fahrräder, die er links und
rechts mit je einer Hand führte.
5890
Diese Person war mit
einem kurzärmeligen T-Shirt, einer knielangen Hose und
einer Baseballkappe bekleidet.
5891
5888) Bundeskriminalblatt Nr. 168 vom 6. September 2004, MAT A
BKA-2/39, Bl. 108, 109.
5889) Die Zeitangaben sind Echtzeitangaben, während die Angaben
auf den Aufnahmen der Kameras am VIVA-Gebäude von der
tatsächlichen Uhrzeit um minus 16 Minuten abweichen,
Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff., 507.
5890) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.
5891) Video KEUP_1, NW-8.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 679 – Drucksache 17/14600
aus: MAT A NW-8
Die Kameras hielten zudem fest, dass die gleiche Person
um 14.46 Uhr ohne die Fahrräder zurückkehrte. In der
rechten Hand hielt sie einen zettelähnlichen Gegen-
stand.
5892
Bei den beiden Fahrrädern hat es sich nach
Aussage des Zeugen Weber offensichtlich um Fluchtfahr-
räder gehandelt, denn auf einem weiteren Video sei später
festgehalten worden, wie einer der Täter mit dem Fahrrad
weggefahren sei.
5893
Auf einem weiteren Video ist zu erkennen, dass die zwei-
te Person um ca. 15.10 Uhr den Eingang des VIVA-
Gebäudes passierte und hierbei ein Fahrrad schob, bei
dem es sich vermutlich um das für den Anschlag präpa-
rierte Damenfahrrad der Marke „CYCO“ handelte.5894 Der
Mann trug ein T-Shirt, eine lange Sporthose und ein
Baseballkappe.
5895
aus: MAT A NW-8
Die Videos waren nur bedingt geeignet, um darauf die
Gesichter der beiden männlichen Personen zu erkennen,
da diese durch die Baseballmützen verdeckt wurden. Der
Zeuge Weber hat den Wert der Videos allerdings darin
gesehen, dass jemand, der die Personen kenne, diese wie-
dererkennen könne.
5896
5892) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.
5893) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 38.
5894) Video KEUP, NW-8; Sachstandsbericht des Generalstaatsan-
walts in Köln vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503
ff., 505.
5895) Video KEUP, NW-8.
5896) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 39, 40.
Zur Aufbereitung des gesicherten Videomaterials wurde
die Unterstützung des BKA in Anspruch genommen.
5897
Durch die Tatortgruppe des LKA Nordrhein-Westfalen
wurde abgeglichen, inwieweit ein auf den Videos erkenn-
bares Fahrrad mit der Sprengstoffvorrichtung identisch
war, die bei der Tatortarbeit rekonstruiert wurde. Der
Zeuge Spliethoff hat ausgeführt, aufgrund dieses Verglei-
ches seien sie davon ausgegangen, dass es das Fahrrad
sein könne, welches die Täter zum Tatort verbracht hät-
ten.
5898
Der Zeuge Weber hat ausgesagt, man habe versucht, alle
auf den Videos erkennbaren Zeugen durch Veröffentli-
chung zu finden. Dies sei fast vollständig gelungen. Die
Aufnahmen seien auf der Internet-Homepage eingestellt
und einigen Behörden – dem Landesverfassungsschutz
und verschiedenen Landeskriminalämtern – mit der Bitte
übermittelt worden, sich diese anzusehen.
5899
Nach Aus-
sage des Zeugen Dr. Möller, der Leiter der Verfassungs-
schutzabteilung im Innenministerium Nordrhein-
Westfalen war, hätten sich Mitarbeiter des Landesverfas-
sungsschutzes die Videobilder mehrfach gemeinsam mit
der Polizei in dem Lagezentrum des Innenministeriums
angesehen. Er könne sich aber gut daran erinnern, dass
auch das LKA große Schwierigkeiten gehabt habe, die
Täter zu identifizieren und zuzuordnen.
5900
Der Zeuge
Cremer, der Abteilungsleiter Rechtsextremismus im BfV
gewesen war, hat erklärt, Mitarbeiter des BfV hätten sich
die Videos aus Eigeninitiative angesehen, aber keinen
Zusammenhang zu dem flüchtigen Trio herstellen kön-
nen.
5901
Im Ergebnis ergaben sich aufgrund der vorhande-
nen Videos keine Erkenntnisse, die zu einer Tataufklä-
rung beitrugen.
c) Einbeziehung BKA
aa) Ablehnung des Hilfsangebots der
Phänomenbereiche Staatsschutz und All-
gemeine und Organisierte Kriminalität am
Tattag
Bereits am Abend des 9. Juni 2004 bot das BKA dem PP
Köln Unterstützung an. Zum einen wurden Sprengstoff-
ermittler der Abteilung Zentrale Dienste des BKA für die
Tatmitteluntersuchung angeboten. Zum anderen bot man
die Hilfe von Fachleuten des BKA für die
Phänomenbereiche Staatsschutz und Organisierte Krimi-
nalität an. Während die Unterstützung durch die Spreng-
stoffermittler angenommen wurde, ließ man die angereis-
ten BKA-Beamten nicht an den Tatort.
5897) Sprechzettel für ND-Lage vom 21. Juni 2004, MAT A BMI-
4/57e, Bl. 150.
5898) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 16.
5899) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 39, 40.
5900) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 5; Weiteres hierzu unter H.II.5
5901) Näheres hierzu unter H.II.6.b).
Drucksache 17/14600 – 680 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Falk hat sich in seiner Vernehmung zu einer
Zusammenarbeit der vor Ort tätigen Ermittlungsbehörden
mit dem BKA wie folgt geäußert:
„Wir haben damals auch Beamte nach Köln ent-
sandt, nach Nordrhein-Westfalen entsandt – so will
ich es mal etwas großzügiger ausdrücken -, und
zwar, soweit ich weiß, aus beiden Abteilungen,
Staatsschutz und Organisierte und Allgemeine
Kriminalität. Aber denen ist es damals nicht ge-
lungen, den Tatort in Augenschein zu nehmen.“
[…]
„Das BKA war nicht zuständig, und das war von
den Behörden dort nicht gewünscht.“5902
Auf die Nachfrage, ob Ermittler der Fachabteilungen sich
den Tatort nicht hätten ansehen dürfen, hat der Zeuge
Falk geantwortet, dies sei ihm so berichtet worden.
5903
Zu
einem späteren Zeitpunkt hat er ausgesagt:
„das kriegt man natürlich gesprächsweise vermit-
telt, dass das nicht für nötig erachtet wird oder
möglicherweise auch unerwünscht sei, dass der
Tatort besichtigt wird. Jedenfalls ist das das Er-
gebnis gewesen, das mir mitgeteilt worden ist. Wir
haben uns natürlich damit abfinden müssen, weil
wir als BKA keinerlei Möglichkeit haben, gegen-
über dem Land so etwas durchzusetzen.“5904
Zu seiner Aussage hat er mit Schreiben vom
26. Juni 2012 folgende klarstellende und ergänzende
Anmerkungen gemacht:
„Über die Zugänge der beiden von mir erwähnten
BKA-Beamten aus dem Phänomenberei- chen ST
und OA in Köln vor dem Hintergrund des § 17 des
BKA-Gesetzes habe ich dem Ausschuss meinem
Wissenstand während der Anhörung entsprechend
zutreffend berichtet. So bin ich meiner Erinnerung
zufolge vom damaligen Abteilungsleiter ST infor-
miert worden.
Ich bedaure es allerdings, dass mir zum Zeitpunkt
meiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss
am 14. Juni 2012 leider nicht präsent war, dass
Sprengstoffermittler der Abteilung Zentrale Diens-
te (ZD) des BKA die Tatmitteluntersuchungen
(Teil der polizeilichen Tatortarbeit) der nordrhein-
westfälischen Polizei unterstützt haben. Ich kann
mich auch jetzt, nachdem ich diese Information
nachträglich aus dem BKA bekommen habe, nicht
sicher erinnern, ob ich 2004 davon Kenntnis er-
hielt, schließe das aber nicht aus und halte es sogar
für wahrscheinlich.
Die Anwesenheit der Sprengstoffermittler des
BKA in Köln ändert allerdings nichts an meiner
Erinnerung, wonach mir berichtet worden war, die
5902) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 39.
5903) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 40.
5904) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 48.
Fachleute des BKA für die Phänomenbereiche
Staatsschutz (ST) und Allgemeine und Organisier-
te Kriminalität (OA) hätten keinen Zugang zum
Tatort in Köln und auch ansonsten nur spärliche
Fallinformationen erhalten. Das war auch durch
die Sprengstoffermittler nicht auszugleichen, deren
fachliche Kompetenz im technischen Bereich
liegt.“5905
Zu dieser Frage hat sich auch der Zeuge Ziercke geäußert:
„Die Darstellung der Aussagen meines ehemaligen
Vizepräsidenten, Herrn Falk, wie es in den Medien
berichtet worden ist, hat Herr Falk gegenüber dem
Ausschuss, Herr Vorsitzender, inzwischen richtig-
gestellt. Das BKA war am Tatort in Köln. Hierbei
handelte es sich um zwei Beamte der Tatortgruppe
für Spreng- und Branddelikte der Abteilung Zen-
trale Dienste des Bundeskriminalamtes. Das
Unterstützungsangebot des BKA wurde noch am
gleichen Tag durch das Polizeipräsidium Köln an-
genommen. Eine aktive Einbindung der Ermitt-
lungsabteilungen Schwere und Organisierte Kri-
minalität und Staatsschutz durch das PP Köln fand
trotz Angebot des BKA allerdings nicht statt – die
Ermittlungsabteilungen. Gleichwohl wurden wir
periodisch über den Fortgang der Ermittlungen in-
formiert. Zudem unterstützte die BKA-Kri-
minaltechnik massiv bei der Aufbereitung der be-
kannten Videosequenzen, auf denen die Radfahrer
zu sehen sind.“5906
Diese Aussage hat er auf Nachfrage noch einmal bestä-
tigt:
„Was uns verwehrt worden war – was heißt ‚ver-
wehrt worden‘? –, was man nicht angenommen hat
war Ermittlungsunterstützung durch die Abteilung
– so hieß die Abteilung damals noch – Organisier-
te und Allgemeine Kriminalität und durch die
Staatsschutzabteilung.“5907
Der Zeuge Wolf hat erklärt, ihm sei die Präsenz des BKA
noch am Tattag in Köln nicht bekannt gewesen. An Kom-
petenzstreitigkeiten sei er nicht beteiligt gewesen.
5908
Hinweise zur Einbeziehung von Beamten des BKA in die
Ermittlungen, welche den Darstellungen beider Zeugen
jedenfalls nicht widersprechen, lassen sich auch einem
Ablaufkalender der Kölner Polizei entnehmen, in wel-
chem die Ereignisse tabellarisch mit Uhrzeiten aufgeführt
sind:
„18:40: […] Frau H.-B. teilte mit, dass sich das
BKA zur Unterstützung angeboten hat. Besteht
Bedarf?
5905) Korrekturen und Ergänzungen des Zeugen Vizepräsident a. D.
Bernhard Falk, Anlage zum 19. Protokoll, S. 4.
5906) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S 7.
5907) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 11, 12.
5908) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 92.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 681 – Drucksache 17/14600
Nach Rücksprache EA/F: EA/F hat mit F./L abge-
sprochen, das Angebot des BKA zunächst nicht
anzunehmen.
19:10: […] Nach Rücksprache mit Frau H.-B.
wurde vereinbart, dass durch das LKA der TO-
Gruppe des BKA mitgeteilt wird, dass Anwesen-
heit des BKA zur eigenen Lagebewertung von hier
aus nichts entgegen steht. Es wird keine Amtshilfe
oder Unterstützung geben.
19:25: […] zwei Beamte des BKA kommen wie
abgesprochen nach Köln
die TO-Gruppe BKA ist mit Blaulicht von Wies-
baden nach Köln unterwegs. Wurden sie angefor-
dert? Nicht durch F., nicht durch EA/F“5909
In einem Sprechzettel zum Einsatz der Polizei aus Anlass
einer Pressekonferenz wurde betont, dass die Ermittlun-
gen allein in der Zuständigkeit des Polizeipräsidiums
Köln lägen. Dabei gebe es lediglich die übliche Unterstüt-
zung durch Spezialisten des Landeskriminalamtes.
5910
bb) Einbeziehung des BKA in anschließende
Ermittlungen
aaa) Sprechzettel des BKA für ND-Lagen
Aus Anlass der am 15., 22. und 29. Juni im Bundeskanz-
leramt stattfindenden ND-Lagen informierte das BKA die
Bundesregierung darüber, in welcher Weise es in die
Ermittlungen zum Nagebombenanschlag einbezogen sei.
So erstellte das BKA für die ND-Lage am 15. Juni 2004
einen Sprechzettel, in dem die veranlassten bzw. geplan-
ten Maßnahmen des BKA aufgeführt wurden:
„1. Unterstützung der Tatortgruppe des LKA
NRW bei der Tatortaufnahme durch zwei Be-
amte ZD (11)
2. BKA-Lagebeitrag (110/2004) an BMI-LZ
übermittelt
3. Beantwortung des Erlasses des BMI vom
10.06.04 durch ST
4. OA (12) hat die Koordination des Vorganges
von ST (21) übernommen; ST und ZD bleiben
weiterhin eingebunden
5. Informationsgewinnung durch zwei Beamte
(OA/ST) am 11.06.04 beim PP Köln mit Un-
terbreitung des Unterstützungsangebotes OA
(12) im Rahmen § 2 III BKAG
6. Kontakt mit dem BfV besteht
7. Sollte auswertbares und qualitativ zu verbes-
serndes Bildmaterial aus einer in der Straße
5909) Ablaufkalender vom 9. Juni 2004, MAT A NW-7f, Bl. 7 ff.
5910) Sprechzettel für Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei, MAT
A GBA-9, Bl. 46 ff.
befindlichen Überwachungskamera gesichert
werden können, ist beabsichtigt KI (22) ein-
zubinden“5911
In einem Sprechzettel für die ND-Lage vom 21. Juni 2004
wurde die Beteiligung des BKA wie folgt dargestellt:
„1. Koordination des Vorganges innerhalb BKA
durch OA (12)
2. Erlass-Beantwortung an BMI vom 15.06.2004
durch OA (12)
3. Unterstützung PP Köln bei Aufbereitung gesi-
cherten Videomaterials einer Überwachungs-
kamera durch KI (22)
4. Unterstützung des PP Köln bei der Öffentlich-
keitsfahndung durch ZD (13)
5. Unterstützung bei den Ermittlungen zum
Sprengsatz durch ZD (11)
Seit 16.06.04 wird Öffentlichkeitsfahndung mit
Bildern einer Videoüberwachungskamera betrie-
ben, die in Tatortnähe installiert ist. Die Bilder
sind von schlechter Qualität. Eine technische Auf-
besserung des Ausgangsmaterials erfolgt derzeit
durch KI (22). Erste verbesserte Bilder wurden PP
Köln bereits übermittelt.“5912
In einem Sprechzettel für die ND-Lage am 29. Juni 2004
teilte das BKA mit, dass das Hinweisaufkommen aus der
Bevölkerung gering sei. Dies sei aus verschiedenen Grün-
den für das PP Köln nicht nachvollziehbar. So sei der
Anschlag in einer belebten Straße geschehen, das Entset-
zen sei groß gewesen und es gebe eine offensive Öffent-
lichkeitsarbeit der Polizei. Mögliche Gründe hierfür sah
das BKA in einem ethnisch kulturellen Hintergrund:
„die türkisch-kurdische Bevölkerung hat schlechte
Erfahrungen mit der Polizei in ihrem Heimatland
(Korruption etc.),
Regelverstöße werden innerhalb der Gemeinschaft
(Familie, Stadt, Stadtteil) verfolgt und geahn-
det.“5913
bbb) Aussagen der Zeugen Maurer und Schily
Zur Einbeziehung des BKA in die Ermittlungen hat der
Zeuge Maurer ausgeführt:
„Von 2002 bis 2005 war ich Leiter der Abteilung
Polizeilicher Staatsschutz. In diese Zeit fiel der
Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln. Ich
kann mich persönlich noch sehr gut erinnern an
den Tag und an meine Kenntnisnahme dieses An-
5911) Sprechzettel für ND-Lage am 15. Juni 2004, MAT A BMI-
4/57e, Bl. 111, 112.
5912) Sprechzettel für ND-Lage vom 21. Juni 2004, MAT A BMI-
4/57e, Bl. 149, 150.
5913) Sprechzettel für ND-Lage vom 28. Juni 2004, MAT A BMI-
4/57e, Bl. 27.
Drucksache 17/14600 – 682 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schlages und an meine Empfindungen. Selbstver-
ständlich habe ich sofort als ersten, fast schon vor-
urteilsbeladenen Reflex gedacht: Das ist ein frem-
denfeindlicher Akt – was denn sonst? –, wenn vor
einem türkischen Friseurladen eine Nagelbombe
hochgeht. Selbstverständlich habe ich das gedacht.
Selbstverständlich habe ich es für möglich gehal-
ten, dass Hintergrund dieser Aktivität ein Staat-
sschutzdelikt sein könnte.
Wie üblich in solchen Situationen, war es mir na-
türlich ein Anliegen, unsere Unterstützung anzu-
bieten. Das ist noch am gleichen Tag geschehen.
Den Kölner Polizeikollegen ist die Unterstützung,
ist die Expertise des BKA, der Staatsschutzabtei-
lung, angeboten worden – am gleichen Tag. Wei-
terhin war das BKA am gleichen Tag, angefordert
durch nordrhein-westfälische Dienststellen, unter-
stützend vor Ort tätig mit der Tatortgruppe, um die
dortige Tatortarbeit zu unterstützen.
Sie wissen genauso wie ich, dass – nicht nur aus
heutiger Sicht – vorschnell ein Staatsschutzhinter-
grund ausgeschlossen wurde. Es hätte zumindest
als weitere Option weiter im Raum stehen müssen.
Die Bewertung war falsch. Warum die Ermittler
vor Ort zu dieser Bewertung kamen, welche Hin-
weise möglicherweise zu dieser Einschätzung ge-
führt haben, das kann ich nicht einschätzen, ver-
mag ich nicht zu sagen. Es hatte aber eine fast
schon fatale Folgewirkung: Obwohl eine Staats-
schutzstaatsanwaltschaft tätig war, ist in der Folge
dessen natürlich die Zuständigkeit des BKA erst
gar nicht mehr geprüft worden. Ich will mich nicht
an den Spekulationen über Ergebnisse von Ermitt-
lungen beteiligen. Ich möchte nur darstellen, was
Situation in 2004 war und wie Entscheidungen
Folgewirkungen entfaltet haben.“5914
Der Zeuge Maurer hat die mit der Entscheidung, die
Abteilung Staatschutz des BKA nicht einzubinden, ver-
bundene Problematik wie folgt geschildert:
„Das Ereignis in Köln sah so aus: Wir kriegen eine
WE-Meldung mit ganz dürren Informationen. Na-
türlich war der erste Reflex dann bei mir, ohne
dass das irgendwie dann dokumentiert wird, weil
das wird nicht dokumentiert: Kümmert euch drum.
Fahrt hin. Bietet an, bis hin zur Übernahme, auch
unabhängig von der Tatsache, dass wir zu dem
Zeitpunkt nur noch ein rudimentäres Ermitt-
lungsreferat neben dem Zentralstellenreferat ha-
ben, weil es wichtig genug erscheint. – Dann fährt
man hin, und dann kriegt man gesagt: Schön, An-
gebot ehrt das BKA. Aber wir sehen das anders. –
Dann sind wir nicht frustriert, sondern wenden uns
der Arbeit zu.
Das Dilemma, was da drinsteckt, ist folgendes: Ab
dem Zeitpunkt – deswegen ist auch die Frage, die-
5914) Maurer, Protokoll-Nr. 41, S. 38, 39.
ser Bericht, BfV – - Ab dem Zeitpunkt ist dieser
Vorgang, weil er im Land gefixt ist, nicht mehr
Gegenstand einer Abteilung Staatsschutz im BKA
gewesen. Es hat sich dann eine Zentralstellenorga-
nisation im Bereich OA drum gekümmert. Für die
Abteilung Staatsschutz war auch nicht mehr er-
kennbar, dass eine weitere Abteilung des BKA
Tatorthilfe geleistet hat. Das ist ein Phänomen von
Organisation. Da gibt es Möglichkeiten, das zu
überwinden; gibt es Pläne. Aber das ist Struktur.
Frustriert sind wir nicht, sondern wir sagen: Wie
kommt man dazu? – Na gut, dann ist es halt so.
Mehr als Unterstützung anbieten können wir nicht.
Mehr als die Übernahme anbieten können wir
nicht.“5915
Zur weiteren Informationserhebung seien ein Mitarbeiter
der Abteilung Organisierte und Allgemeine Kriminalität
und ein Mitarbeiter von ST 21, des Referates „Politisch
motivierte Ausländerkriminalität“ nach Köln geschickt
worden. Die Abteilung Staatsschutz sei mit dem Vorgang
danach nicht mehr betraut gewesen:
„Die Abteilung Staatsschutz hat keinerlei Kontakte
mehr in dem Zusammenhang gehabt. Aber es hat
meines Wissens nach Unterstützung gegeben im
Sinne einer Bildverbesserung durch die entspre-
chende Dienststelle im BKA, um zu versuchen,
diese Überwachungsbilder besser zu machen, aus-
wertbarer zu machen Inhaltliche Beschäftigung mit
den Aufnahmen im BKA hat es keine mehr gege-
ben.“5916
Die Folge sei gewesen, dass es auch keinen Informations-
zusammenhang mit dem BfV mehr gegeben habe.
5917
Der Zeuge Schily hat erklärt, ihm sei nicht bekannt gewe-
sen, dass das BKA dem Land Nordrhein-Westfalen und
dem Polizeipräsidium Köln die Unterstützung durch
Staatsschutzexperten angeboten habe.
ccc) Aussagen der Zeugen Weber und
Dr. Behrens
Zur weiteren Einbeziehung des BKA in die Ermittlungen
hat sich der Zeuge Weber, der damals Leiter der Ermitt-
lungskommission MK „Sprengstoff“ gewesen war, wie
folgt geäußert:
„Ich kann mich an Anfragen des Bundeskriminal-
amts erinnern bezüglich des Sachverhaltes und
auch, dass ich dem Bundeskriminalamt angeboten
habe, vorbeizukommen in Person von - - Es waren
zwei Beamte damals, die auch am Anfang dann da
waren, um sich zu informieren, weil ich nicht in
der Lage war, in den ersten zwei, drei Wochen
ständig Informationen weiterzugeben. Deswegen
habe ich gesagt, sie können vorbeikommen. Sie
5915) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 28.
5916) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 42, 43.
5917) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 43, 44.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 683 – Drucksache 17/14600
sind auch vorbeigekommen und haben sich über
den Sachverhalt informiert. Es war aber meines
Wissens nicht davon die Rede, dass sie in irgend-
einer Form jetzt Ermittlungen übernehmen oder
Ähnliches.“5918
Der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Dr.
Behrens hat hierzu als Zeuge ausgeführt:
„Also, was das BKA betrifft: Während meiner
Amtszeit hat es keinen Anlass gegeben, das noch
mal in Zweifel zu ziehen; denn das BKA-Gesetz
sagt ja da ziemlich eindeutig, wann das BKA ein-
zuschalten ist und zuständig ist und auch Ermitt-
lungen zu übernehmen hat. Und nach Einschät-
zung der örtlichen Behörden in Köln, der Staats-
anwaltschaft und der Polizeibehörde in Köln und
der vorgesetzten Behörden, hat es keinen Anlass
gegeben, das BKA einzuschalten, weil eben die
Erkenntnislage nicht so war.“5919
Der Zeuge Dr. Behrens hat erklärt, im Nachhinein be-
trachtet seien die Ausführungen des Zeugen Maurer, dass
vorschnell ein Staatschutzhintergrund ausgeschlossen
worden sei, zutreffend.
5920
d) Tatmittelmeldedienst
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, welche
Recherchemöglicheiten der Tatmittelmeldedienst bietet
und ob sie in diesem Fall ausgeschöpft wurden.
Am 11. Juni 2004 übermittelte das LKA Nordrhein-
Westfalen dem BKA Informationen zum Aufbau der
Sprengvorrichtung und bat um eine Recherche in der
Zentralen Datei „Tatmittelmeldedienst für Spreng- und
Brandvorrichtungen“ für den Zeitraum der letzten fünf
Jahre.
5921
Am gleichen Tag teilte das BKA schriftlich mit,
die Auswertung für den Zeitraum ab 1. Januar 1999 habe
bundesweit keine konkreten Übereinstimmungen erb-
racht. Bei der Recherche sei speziell nach Sprengvorrich-
tungen mit Splittermaterialbeiladung recherchiert worden.
Vorsorglich wurde jedoch auf sechs Fälle hingewiesen, in
denen Splittermaterial verwendet worden war, die sich
alle in Nordrhein-Westfalen ereignet hatten.
5922
Ergän-
zend zu der Auswertung, die per Fax übermittelt wurde,
meldete sich ein Mitarbeiter des BKA beim LKA und
teilte mit, dass die übermittelten Fälle lediglich informato-
rischer Art seien. Die Auswertung sei sehr allgemein
gehalten gewesen und habe weder in Nordrhein-
Westfalen noch auf Bundesebene zu einer konkreten
Übereinstimmung geführt.
5923
Am 14. Juni 2004 übermit-
telte der Mitarbeiter des LKA Spliethoff dem BKA weite-
5918) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 34.
5919) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 37.
5920) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 39.
5921) E-Mail vom 11. Juni 2004, MAT A NW-7/2a, Bl. 6.
5922) Schreiben des BKA vom 11. Juni 2004, MAT A BKA-2/39,
Bl. 111, 112.
5923) Vermerk vom 11. Juni 2004, MAT A NW-7/2a, Bl. 7.
re Informationen zum Vorrichtungsaufbau.
5924
Hieraufhin
wurde ihm erneut mitgeteilt, dass eine Auswertung in der
Zentralen Datei „Tatmittelmeldedienst für Spreng- und
Brandvorrichtungen“ für den Zeitraum ab dem 1. Januar
1999 bundesweit keine konkreten Übereinstimmungen
erbracht habe. Vorsorglich wurde noch auf einen weiteren
Fall hingewiesen, der sich am 12. Mai 1996 an der Bahn-
strecke in Diedersdorf ereignet hatte. Die Personalien der
damals Tatverdächtigen ließ sich das LKA vom BKA
übermitteln.
5925
Der Zeuge Setzer, der als Sachgebietsleiter in der Tatort-
gruppe Sprengstoff- und Branddelikte im BKA tätig ist,
hat ausgesagt, man könne mit jedem Feld im Tatmittel-
meldedienst recherchieren. Wenn eine Meldung erfolge,
werde diese im Tatmittelmeldedienst erfasst und es werde
ohne weitere Aufforderung anhand der mitgeteilten Tat-
mittel eine Auswertung durchgeführt. Für alle weiterfüh-
renden Anfragen mit allen möglichen Kombinationen, die
es geben könnte, werde eine Steuerung durch die ermitt-
lungsführende Dienststelle benötigt, da die Tatortgruppe
gar nicht die erforderlichen Ermittlungserkenntnisse habe.
Einen solchen Auftrag hätten sie allerdings hinsichtlich
der Keupstraße nie erhalten. Einschränkungen in der
Abfrage gebe es aufgrund von datenschutzrechtlichen
Bestimmungen. Im Übrigen sei es aber möglich, Kriterien
wie „rechtsradikal“ und „PKK“ in eine Recherche einzu-
beziehen, ohne dass man auf Tausende Treffer kom-
me.
5926
Der Zeuge Spliethoff, der Leiter der Tatortgruppe im LKA
Nordrhein-Westfalen war, hat erklärt, ihm als jahrelan-
gem Sprengstoffermittlungsbeamten sei nicht bekannt
gewesen, dass eine Abfrage im Tatmittelmeldedienst mit
dem Begriff „rechtsradikal“ möglich sei. Er sei davon
ausgegangen, dass sich der Tatmittelmeldedienst nur auf
die objektiv festgestellten Tatmittel beziehe.
5927
Die wei-
tere Möglichkeit sei ihm neu, obwohl es damals einen
engen Informationsaustausch mit vielen Besprechungen
und Symposien gegeben habe.
5928
Auf die Frage, warum man eine Begrenzung in der An-
frage auf fünf Jahre vorgenommen habe, hat der Zeuge
Weber geantwortet, dass die Abfrage durch das LKA und
nicht durch ihn vorgenommen worden sei. Im Übrigen hat
er erklärt, er könne nicht mehr sagen, warum in diesem
Fall genau die fünf Jahre genommen worden seien. Wenn
man zehn Jahre nehme und der entscheidende Treffer sei
im elften Jahr gewesen, liege man genauso daneben. Man
müsse immer eine Grenze bei Abfragen ziehen und könne
nicht immer alles abfragen.
5929
5924) E-Mail vom 14. Juni 2004, MAT A NW-7/2a, Bl. 10.
5925) Schreiben des BKA vom 15. Juni 2004, MAT A NW-7/2a,
Bl. 13, 14.
5926) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110, 111.
5927) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 6, 7.
5928) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 12.
5929) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 36, 37.
Drucksache 17/14600 – 684 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Spliethoff hat keine Erklärung dafür geben
können, warum er eine Begrenzung der Abfrage auf fünf
Jahre vorgenommen habe. Dazu, ob eine solche Begren-
zung auf diesen Zeitraum üblich sei, könne er nichts sa-
gen. Aus der Rückschau betrachtet hätte er diese zeitliche
Begrenzung nicht vorgegeben.
5930
Der Zeuge Setzer konnte ebenfalls nicht erklären, warum
damals eine Einschränkung auf fünf Jahre erfolgt sei. Er
betonte allerdings, dass nicht allein diese Einschränkung
ursächlich dafür sei, dass kein Hinweis auf die flüchtigen
Sprengstofftäter aus Thüringen gegeben werden konnte:
„Warum damals diese Einschränkung auf fünf Jah-
re erfolgt ist, das kann ich Ihnen heute nicht mehr
sagen. Allerdings hätte das ja auch – also auch für
einen weiteren Zeitraum – bei der Vorrichtung
Keupstraße keine Treffer gegeben.“
Auf Nachfrage erläuterte der Zeuge Setzer:
„Anhand der Tatmittel nicht, weil diese Vorrich-
tung Schwarzpulver mit der Gasfern-, mit einer
Funkfernauslösung, das hätte keinen Treffer gege-
ben, auch im weiter zurückliegenden Bereich.“
Eine Abfrage des Tatmittelmeldedienstes anlässlich des
Sprengstoffanschlags auf die Wehrmachtsausstellung im
Saarland im Jahr 1999 hatte dagegen Hinweise auf
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erbracht. Hierzu wurde
festgehalten:
„Ähnliche Attrappen wurden bereits in den Jahren
1996 von drei Personen der rechtextremistischen
Thüringer Szene hergestellt; gegen die drei Be-
schuldigten
U. Mundlos,
U. Böhnhardt und
B. Zschäpe
hat die StA Gera unter dem Az.: 114 Js 37149/97
ein Ermittlungsverfahren wg. Vorbereitung einer
Sprengstoffexplosion eingeleitet. Die drei Perso-
nen sind seit Januar 1998 flüchtig, nachdem bei
ihnen anl. von Wohnungsdurchsuchungen auch
Sprengstoff und vorbereitete Rohrbomben aufge-
funden wurden.
Die Drei aus Jena/TH stammenden werden mit
Haftbefehl gesucht. Ihr Aufenthalt wird im be-
nachbarten Ausland vermutet.“5931
Ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen war da-
mals aufgrund von molekulargenetischen Untersuchungen
sowie aufgrund eines Abgleichs der Handflächen- und
Fingerabdrücke ausgeschlossen worden.
5932
5930) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 11.
5931) Abschlussbericht des BKA vom 28. November 2000, MAT A
GBA-3/1, PDF-Bl. 200, 201.
5932) Abschlussbericht des BKA vom 28. November 2000, MAT A
GBA-3/1, PDF-Bl. 200.
Mit Stand vom 8. November 2012
5933
waren im Tatmit-
telmeldedienst insgesamt acht Ereignisse mit der Person
Uwe Böhnhardt als Täter gespeichert. Nach Angaben des
BKA war jedoch
„ein Zusammenhang der beiden Anschläge in Köln
mit den Fällen Nr. 1 bis 8 über einen Abgleich der
verwendeten Tatmittel nicht erkennbar, da zu un-
terschiedliche Tatmittel eingesetzt wurden und
keine signifikanten Übereinstimmungen vorla-
gen.“5934
Der Zeuge Ziercke hat allerdings in Frage gestellt, ob man
bei einer zeitlich und regional weniger eingegrenzten
Abfrage auf das Trio gekommen wäre. Er hat hierzu aus-
geführt, dass man in der Garage in Jena TNT gefunden
habe, in Köln sei dagegen Schwarzpulver eingesetzt wor-
den. Es handele sich also um völlig unterschiedliche Vor-
richtungen, Befüllungen und Zündungsarten.
5935
Der Zeuge Wolf hat dagegen dem Fehlen eines Hinweises
des Tatmittelmeldedienstes Bedeutung beigemessen. Er
hat hierzu ausgeführt, es wäre ein nicht zu unterschätzen-
der Hinweis gewesen, dass schon einmal von der Täter-
gruppe mit Bombenattrappen operiert worden sei. Auf
den Einwand, dass dies leider gar nicht abgefragt worden
sei, hat er erklärt, die Frage sei, wer dort eine Hol- und
wer eine Bringschuld hat.
5936
e) Ankerpunkt Köln
Mit Schreiben des PP Köln vom 18. Juni 2004 wurde
beim LKA Nordrhein-Westfalen eine Polizeiliche Krimi-
nalstatistik-Recherche (PKS-Recherche) angefordert. In
dem Schreiben heißt es:
„Zur Ermittlung des oder der Täter dürfte eine
Auflistung von Tatverdächtigen sachdienlich sein,
die in der Vergangenheit vor dem 09.06.2004 we-
gen Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz oder
wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion
in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst
worden sind. In dem Zusammenhang dürften die
Tatverdächtigen von besonderer Bedeutung sein,
die unter Angabe der Postleitzahl ihrer Wohnorte
in der PKS (ADV 2), erfasst worden sind.
[…]
Angesichts der Schwere der Tat wird um eine zeit-
nahe PKS-Recherche (Land/Bund) und Mitteilung
des Ermittlungsergebnisses, insbesondere der Per-
sonalien der erfassten Tatverdächtigen, an die
5933) Dieses Datum ist in der Stellungnahme des BKA, MAT A
BMI-8, Bl. 3, genannt. Die Stellungnahme selbst datiert aller-
dings vom 15. August 2012. Es ist davon auszugehen, dass die
Eintragungen im Tatmittelmeldedienst mit Stand vom
8. November 2011 gemeint waren.
5934) MAT A BMI-8, Bl. 4, 5.
5935) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 28.
5936) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 88.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 685 – Drucksache 17/14600
nachfolgend aufgeführte, sachbearbeitende Dienst-
stelle gebeten.“
Als Suchkriterien wurden die Deliktschlüssel für die
Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und die Vorbe-
reitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens
angegeben.
5937
Mit Schreiben vom gleichen Tage antwor-
tete das LKA Nordrhein-Westfalen und übersandte eine
Liste mit Tatverdächtigen, die den genannten Delikt-
schlüsseln entsprachen. Allerdings wurden nur die Tat-
verdächtigen erfasst, die in Nordrhein-Westfalen in Er-
scheinung getreten waren.
5938
Nach Aktenlage gab es,
obwohl die Anfrage diese Einschränkung nicht enthalten
hatte, keine Rückfrage der Kölner Polizei an das LKA
Nordrhein-Westfalen.
Zu der im Ergebnis also regional beschränkten Auswer-
tung hat der Zeuge Weber ausgeführt, er habe diese Aus-
wertung zu diesem Zeitpunkt für die plausibelste und
naheliegendste gehalten. Natürlich habe er nicht aus-
schließen können, dass die Täter von weiter weg gekom-
men seien.
5939
Die Beschränkung der Suche hat auch noch
einmal der Zeuge Wolf bestätigt. Er hat ausgesagt, von
Seiten der Polizei sei ihm erläutert worden, dass die Täter
im Nahbereich von Köln-Mülheim, rechtsrheinisches
Köln, maximal bis Bergisch Gladbach, Bensberg und im
Leverkusener Raum zu suchen seien. Aus dieser Überle-
gung heraus sei man nicht auf die Idee gekommen, dass
die möglichen Täter, welchen Hintergrund sie auch immer
hätten, aus Nord-, Süd- oder Ostdeutschland gekommen
seien.
5940
Die regionale Begrenztheit der Suche habe er
für plausibel gehalten, weil ihm nahegebracht worden sei,
dass das Fahrrad mit der Sprengvorrichtung im Nahbe-
reich von Köln, vielleicht sogar im Industriegebiet hinter
der Keupstraße, montiert worden sei. Ihm sei erläutert
worden, man könne nicht davon ausgehen, dass der
Transport dieses Tatfahrrads mit der darauf montierten
Sprengvorrichtung über längere Strecken durch die Bun-
desrepublik erfolgt sein könne.
5941
Auf der Annahme basierend, dass die Täter einen Anker-
punkt in Köln hätten, wurden entsprechende Rasterfahn-
dungen durchgeführt. So wurde auf Antrag der Staatsan-
waltschaft mit Beschluss des AG Köln vom 15. Juli 2004
angeordnet, einen Abgleich von Einwohnermeldedaten
der Stadt Köln mit vorhandenen polizeilichen Daten und
einen Abgleich der Meldedaten mit den Daten der Funk-
zellenauswertung durchzuführen.
5942
Dieser Beschluss
wurde mit Beschluss des AG Köln vom 5. August 2004
dahingehend erweitert, den Abgleich auch auf die Städte
Leverkusen, Bergisch Gladbach sowie Rösrath und auf
5937) Anfrage des Polizeipräsidiums Köln vom 18. Juni 2004, MAT
A NW-7 f., Bl. 39, 40.
5938) MAT A GBA-4/14a, Bl. 46 ff.
5939) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 35.
5940) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 77.
5941) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 78.
5942) MAT A GBA-4/7b, Bl. 221.
eBay Deutschland und Hood.de Deutschland zu bezie-
hen.
5943
Zur Begründung wurde in dem Beschluss ausgeführt:
„Aufgrund der neueren Ermittlungserkenntnisse,
insbesondere den Ergebnissen der Arbeit der OFA
(Profiler) des LKA NRW, ist davon auszugehen,
dass die beiden Täter Bezüge respektive Bezie-
hungen in den Kölner Raum, insbesondere Köln-
Mülheim, wie auch zu den angrenzenden Stadtge-
bieten von Leverkusen, Bergisch Gladbach und
Rösrath haben.“5944
Der Zeuge Weber hat die Ankerpunktsetzung in der Zeu-
genvernehmung allerdings auch kritisch bewertet. Im
Laufe der Ermittlungen hätten sie sich gefragt, warum
niemand wirklich konkret anhand der Videos Hinweise
gegeben habe. Zwar habe es vereinzelte Hinweise gege-
ben, diese seien aber letztlich alle ins Leere gelaufen.
Nachdem man alle 1 200 Personen aus einem bestimmten
Kreis überprüft und die Täter von diesem Video nicht
gefunden habe, habe man sich natürlich gefragt, wo sie
herkämen. Die Frage, die sich dann aber anschließe, sei,
wie weit man dann den Kreis ziehe, um die Täter zu fin-
den.
5945
Auch der Zeuge Wolf hat erklärt, dass der Ansatz,
nur regional begrenzt nach möglichen Tätern zu suchen,
im Nachhinein betrachtet zu kurz gegriffen gewesen
sei.
5946
f) Operative Fallanalysen
aa) Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-
Westfalen vom 20. Juli 2004
Die Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen,
deren Ergebnisse am 20. Juli 2004 vorgestellt wurden,
bestätigte die räumliche Eingrenzung der Suche auf die
nähere Umgebung. Die Fallanalyse ging von folgenden
Annahmen aus:
Bei den Opfern handele es sich um Zufallsopfer. Am
wahrscheinlichsten sei ein persönliches Motiv mit örtli-
chem Bezug in Kombination der Faktoren „Politisch
motiviert (unorganisiert/fremden- bzw. türkenfeindlich)“
und „Machtausübung/Machtmotiv“. Zur Motivlage stellte
die Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen
fest:
„Zwei aus einem persönlichen Motiv handelnde
Täter gleicher Gesinnung, hinter denen keine Or-
ganisation stehen dürfte.
Sinnbildlich ausgedrückte Motivlage:
‚Wir zünden die ‚Bombe‘ mitten in eurem ‚Wohn-
zimmer‘ - Ihr werdet euch dort nie mehr so wohl,
5943) MAT A GBA-4/7b, Bl. 240.
5944) MAT A GBA-4/7b, Bl. 242.
5945) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 47.
5946) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 78.
Drucksache 17/14600 – 686 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
so sicher wie früher fühlen und besorgt sein, dass
das noch mal passiert!‘“5947
Zudem wurde angenommen, dass die Täter einen Anker-
punkt in der umliegenden Gegend hätten:
„Die Täter oder einer der Täter wohnen in einer
genau zu bezeichnenden Wohnsiedlung jenseits
der KVB-/S-Bahn-Haltestelle oder haben dort ei-
nen Raum/Schuppen zur Verfügung; aber eher
wohnen sie dort; sie haben gute Ortskenntnisse.
Der Wohnort/Vorbereitungsraum muss in Bereich
liegen, der fußläufig max. 6 Minuten (eher weni-
ger) von der Stelle Schanzenstraße/Fußweg zur S-
Bahn-Haltstelle entfernt liegt. Wenn einer oder
beide Täter nicht dort wohnen, sondern nur über
einen entsprechenden Raum zur Vorbereitung der
Tat/Unterbringung der Räder usw. verfügen, leben
sie in der Umgebung Mülheims.“
Es handele sich um zwei Täter männlichen Geschlechts,
die sich „einig im Geiste“ seien. Sie seien enge Freunde
oder auch Brüder.
Zur physischen Beschreibung der Tatverdächtigen hielt
die Operative Fallanalyse fest:
– „hellhäutig,
– Europäer/Mitteleuropäer/deutschstämmig/
Deutsche
Die Gesamtbewertung rechtfertigt die Annahme,
dass es sich bei den Tätern mit hoher Wahrschein-
lichkeit um Deutsche handelt. Dies schließt aller-
dings nicht den Kölner Bürger mit anderer, euro-
päischer Nationalität (z. B. Österreicher, Nieder-
länder, Schweizer etc.) aus.“5948
Hinsichtlich des Täterprofils kam die Fallanalyse unter
anderem zu folgendem Ergebnis:
– „Beide Täter dürften zwischen 25 und 30 Jah-
re alt sein.
[…]
– Täter sehen sich ähnlich.
– Beide sind Mountainbikefahrer […]
– Auch das Bombenfahrrad spricht für bestimm-
te (handwerkliche/technische?) Fertigkeiten
der Täter und für eine mindestens durch-
schnittliche Intelligenz.
– Täter haben eine Affinität zu Waf-
fen/Sprengstoff (evtl. sind sie schon früher
damit aufgefallen).
[…]
5947) Infoblatt zur Hinweis- und Spurenbearbeitung der MK
„Sprengstoff“, MAT A BKA-2/39, Bl. 93.
5948) Infoblatt zur Hinweis- und Spurenbearbeitung der MK
„Sprengstoff“, MAT A BKA-2/39, Bl. 94.
– Täter sind wahrscheinlich schon polizeilich in
Erscheinung getreten, u. a. evtl. wegen frem-
denfeindlicher Straftaten.“5949
bb) Operative Fallanalyse des BKA vom 21. bis
25. Februar 2005
Nach Aussage des Zeugen Weber wurde eine zweite Fall-
analyse des BKA veranlasst, um aufwendige Maßnahmen
wie beispielsweise eine Überprüfung von 1 200 bis 1 500
Personen abzusichern.
5950
Zu den Zielen und der Effektivität des Täterhandelns
wurde in der zweiten Fallanalyse ausgeführt:
„Vor dem Hintergrund, dass im Hinblick auf die-
sen Anschlag keine Bekennung durch die Täter
vorliegt, ist das Anschlagsziel aus den objektiven
Daten des Anschlags abzuleiten. Demnach kam es
den Tätern bei dem Anschlag darauf an, durch die
Verwendung einer relativ großen Menge Schwarz-
pulver, deren Wirkung durch ca. 800 Nägel noch
erhöht wurde, eine möglichst breite, Aufsehen er-
regende Wirkung zu erzielen. Es sollten so viele
türkische Personen wie möglich getroffen werden,
ob diese Personen dabei verletzt oder getötet wer-
den, bzw. um welche Personen es sich dabei im
Einzelnen handelte, war den Tätern gleichgültig.
[…]
Die Wirkungsweise des Tatmittels drückt eine ho-
he Menschenverachtung aus. Sieht man diese in
direktem Zusammenhang mit der Auswahl des
Anschlagsortes, der Keupstraße als herausragendes
Beispiel türkischer Kultur und Lebensart, so lässt
dies einen ausgeprägten Hass auf die zum Zeit-
punkt der Tat im Frisörsalon und auf der Straße
aufhältigen Personen vermuten.
Die Täter setzten sich über mehrere Wochen hin-
weg mit der Planung der Tat auseinander und
scheuten zum Erwerb der Tatmittel auch keine fi-
nanziellen Aufwendungen. Das ‚Kosten-Nutzen-
Verhältnis‘ der Tat ist aus Sicht der Täter aufge-
gangen. Das von den Tätern angestrebte Ziel wur-
de erreicht.“
Die Fallanalyse gelangte zudem zu der Feststellung, dass
die gewählte gemeinsame Tatausführung ein ausgeprägtes
Vertrauensverhältnis erfordere. Der Tat müsse zudem ein
Ereignis vorangegangen sein, welches geeignet sei, den
Tatentschluss hervorzurufen, ihn über mehrere Wochen
hinweg aufrecht zu halten und umzusetzen. Das Analyse-
team hielt ein persönliches Motiv, möglicherweise Rache,
für am wahrscheinlichsten. Ein „politisches“ Motiv werde
für unwahrscheinlich gehalten, da in solchen Fällen nach
5949) Vermerk zur Präsentation der Ergebnisse der Operativen Fall-
analyse des LKA Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2004,
MAT A NW-6c, Bl. 99 ff. (101 f.).
5950) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 28.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 687 – Drucksache 17/14600
den bisherigen Erfahrungen mit einer Bekennung zu
rechnen gewesen wäre.
Wie bereits die 1. Fallanalyse kam auch die 2. Fallanalyse
zu geografischen Einschätzungen, welche den Radius der
Täter begrenzten. Man nahm an, dass die Täter für ihre
Tat wahrscheinlich ein „Depot“ als gemeinsamen Aus-
gangspunkt für die Annäherung an den Tatort verwende-
ten. Als „Depot“ biete sich ein größeres Fahrzeug oder
eine feste Räumlichkeit an. Dieses „Depot“ befinde sich
in einem Bereich, der zu Fuß in zwölf Minuten vom Auf-
nahmebereich der Kameras am VIVA-Gebäude in Rich-
tung Stadtbahnhaltestelle „Von-Sparr-Straße“ über
Brachgelände zu erreichen sei. Außerdem nahm man eine
besondere Vertrautheit mindestens eines der Täter mit der
Gegend an:
„Das hohe Niveau bei der Planung und Durchfüh-
rung der Tat lässt sich auch mit einer intensiven
Aufklärung des engeren und weiteren Tatortbe-
reichs eher nicht erreichen, da hierbei z. B. unvor-
hergesehene Störungen nicht berücksichtigt wer-
den können. Ist jedoch zumindest einer der beiden
Täter mit dieser Gegend näher vertraut, so kann
man davon ausgehen, dass bei diesem eine innere
Landkarte existiert, die dann auch eine adäquate
Reaktion auf die unvorhergesehene Verkehrsbe-
hinderung erlaubt. Die ‚Vertrautheit‘ mit dieser
Gegend kann bedeuten, dass mindestens einer der
Täter dort wohnt oder arbeitet, früher dort wohnte
oder arbeitete oder diese Gegend im Rahmen sons-
tiger aktueller oder ehemaliger Alltagsroutinen
frequentierte, also in der Gegend einen ‚Anker-
punkt‘ hat.“
Bei den Tätern handele es sich eher um polizeilich unauf-
fällige Personen vom Typ „Normalbürger“. Falls über-
haupt Vorerkenntnisse existierten, dann dürften diese eher
im Bereich der einschlägigen Straftaten bzw. im Bereich
der Verkehrs- und Vermögensdelikte zu finden sein.
Ermittlungsempfehlungen lauteten u. a., eine Internet-
Recherche mit Blick auf die verwendeten Tatmittel und
Bauanleitungen für Sprengkörper sowie eine Homepage-
Überwachung durchzuführen und zu prüfen, ob am Tattag
Fotos des Ordnungsamtes angefertigt worden seien. Zu-
dem wurde die Ermittlung von Hintergrundinformationen
zu der Übernahme des betroffenen Frisörsalons durch
eine türkische Person angeregt und es gab Hinweise,
worauf man bei Durchsuchungen besonders achten solle.
Eine Ermittlungsempfehlung mit Blick auf einen rechts-
extremistischen bzw. ausländerfeindlichen Hintergrund
der Tat gab es nicht.
5951
aaa) Schlussfolgerungen aus der Fallanalyse
des BKA
Während die Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen
davon ausgegangen war, dass die Täter wahrscheinlich
5951) Protokoll zur Analyse des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni
2004, MAT A GBA-4/7a, Bl. 69 ff.
kriminalpolizeilich bereits in Erscheinung getreten seien,
ging die Fallanalyse des BKA davon aus, dass es sich bei
den Tätern eher um polizeilich unauffällige Personen
handele. Hieraus wurde die Konsequenz gezogen, die
bereits eingeleitete Rasterfahndung nach den bisher ent-
wickelten Kriterien, welche auch das Prüfmerkmal
POLAS-Treffer umfasste, nicht mehr zu Ende zu führen.
LKD S. führte in einem Bericht an die Bezirksregierung
Köln vom 7. April 2005 aus, dass bei Wegfall des Prüf-
merkmals POLAS-Treffer im Rahmen des maschinellen
Abgleichs 14 000 Personen herausgefiltert würden. Eine
Verspurung dieser Personen sei nicht sinnvoll und ziel-
führend. Da die Fallanalyse des BKA den Radius des
wahrscheinlichen „Depots“ von sechs Minuten auf zwölf
Minuten um den Tatort erweitere, habe er sich mit der
Staatsanwaltschaft Köln geeinigt, alle ca. 900 Personen,
die in diesem Bereich wohnhaft seien und auf die die
entsprechenden Prüfmerkmale ohne kriminalpolizeiliche
Vorerkenntnisse zuträfen, zu überprüfen.
5952
Der Zeuge Weber hat ausgesagt, dass als Konsequenz aus
der Fallanalyse zunächst nichts in Richtung eines frem-
denfeindlichen Hintergrunds unternommen worden sei.
Zunächst einmal seien aufgrund der Fallanalysen die bei
der Rasterfahndung anzulegenden Kriterien überprüft
worden. Aufgrund der Videos sei es nicht möglich gewe-
sen, die Täter eindeutig festzustellen. Man habe aber
Menschen ausschließen können, die völlig anders ausge-
sehen hätten. Im Weiteren könne man bei den dann noch
übrig bleibenden Personen Ansatzpunkte für fremden-
feindliche Hintergründe oder Ähnliches finden. Es habe
vereinzelt auch Hinweise von Zeugen auf Personen mit
entsprechenden Hintergründen gegeben, welche dann im
Einzelnen überprüft worden seien. Ferner sei der Staats-
schutz mit einbezogen und nach potenziellen Tatverdäch-
tigen aus der rechtsextremen Szene gefragt worden.
5953
Zu der Relevanz in Richtung Rechtsextremismus zeigen-
der Aspekte der Fallanalyse des BKA hat der Zeuge Wolf
ausgeführt, dass sie als Denkmodelle Bedeutung gehabt
hätten. Es habe aber keine konkreten Spuren bzw. Hin-
weise gegeben, die sie in irgendeiner Weise instand ge-
setzt hätten, in diese Richtung weiterzumarschieren.
5954
Auch der Zeuge Spliethoff hat erklärt, die operative Fall-
analyse habe keine Rolle für die Tatortarbeit gespielt.
Wenn ein rechtsextremistischer Hintergrund stärker in
Betracht gezogen worden wäre, hätte sich dies nicht auf
die Tatortarbeit ausgewirkt. Jeder Tatort werde sehr akri-
bisch und mit den entsprechenden Standards aufgenom-
men und abgearbeitet.
5955
Auf die Frage, ob ihm die Fallanalyse bekannt gewesen
sei, hat der Zeuge Dr. Behrens geantwortet, er habe keine
Erinnerung daran, ob er in den Wochen nach dem An-
5952) Schreiben des Polizeipräsidium Köln vom 7. April 2005, MAT
A NW-7/3a, Bl. 28 f.
5953) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 43 f.
5954) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 82.
5955) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 10.
Drucksache 17/14600 – 688 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schlag von ihr gehört habe.
5956
Der Zeuge Maurer hat
erklärt, er habe die Fallanalyse des BKA erst nach No-
vember 2011 zur Kenntnis genommen. Die Analyse sei
im BKA als Unterstützung auf Anforderung der Kölner
Behörde entstanden. Sie sei im BKA überhaupt nicht
diskutiert worden, weil sie auftragsgemäß für die Kölner
Polizei erstellt worden sei. Sie sei auch nicht in der Abtei-
lung OA, die Zentralstelle für dieses Sprengstoffdelikt
gewesen sei, diskutiert worden. Er halte die Fallanalyse
für hochinteressant und in vielerlei Punkten für zutref-
fend. Sie habe Ansatzpunkte geliefert, obwohl sie auch
kritisch zu bewertende Punkte enthalten habe.
5957
Die
Zeugin Hammann, die zum Zeitpunkt des Nagelbomben-
anschlags Leiterin des für politisch motivierte Kriminali-
tät zuständigen Referates im BMI war, hat ausgesagt, sie
könne sich nicht daran erinnern, dass die Fallanalyse des
BKA sie erreicht habe.
5958
Der Zeuge Dr. Möller, der zum Zeitpunkt des Nagelbom-
benanschlags Leiter der Verfassungsschutzabteilung im
Innenministerium Nordrhein-Westfalen war, hat ebenfalls
erklärt, dass die Operative Fallanalyse des BKA damals
nicht zu seiner Kenntnis gelangt sei. Als Grund hierfür hat
er genannt, dass sie zu einem Zeitpunkt erstellt worden
sei, zu dem die Kölner Polizei den Fall allein bearbeitet
und den Verfassungsschutz nicht mehr informiert habe. Er
erhalte solche Informationen nur in dem Fall, wenn das
Landeskriminalamt oder die Polizeiabteilung der Auffas-
sung sei, dass der Fall den Verfassungsschutz angehe.
5959
g) Öffentliche Äußerungen der Ermittler zur
Tat
aa) Pressetermin am 30. Juli 2004
Aus einem Schreiben der Bezirksregierung Köln an das
Innenministerium Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 2004
geht hervor, dass das Polizeipräsidium Köln eine laut
OFA-Ergebnissen möglicherweise vorliegende fremden-
feindliche Motivation im Rahmen eines Pressetermins am
30. Juli 2004 nicht thematisieren werde. Diese taktische
Vorgehensweise sei mit dem LKA Nordrhein-Westfalen
abgestimmt.
5960
Die näheren Umstände für diesen Sachverhalt haben sich
in der Beweisaufnahme nicht klären lassen. Auf die Fra-
ge, ob es Vorgaben oder Aufforderungen hierzu gegeben
habe, hat der Zeuge Weber erklärt, er könne sich definitiv
nicht an eine Aufforderung erinnern, bestimmte Dinge
nicht zu äußern.
5961
Der Zeuge Dr. Behrens hat erklärt, er
habe für diesen Sachverhalt keine Erklärung. Er verstehe
5956) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 28.
5957) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 37.
5958) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 16.
5959) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 15.
5960) Schreiben der Bezirksregierung Köln vom 29. Juli 2004, MAT
A NW-6c, Bl. 108.
5961) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 52.
dies nicht und halte es auch nicht für richtig.
5962
Er hat
zudem ausgesagt, sich nicht daran erinnern zu können,
von dem Pressetermin vorher gewusst zu haben.
5963
bb) Öffentliche Äußerungen von OStA Wolf
Im Verlauf der Ermittlungen äußerte sich OStA Wolf
mehrfach gegenüber der Presse zu den möglichen Moti-
ven der Tat. Die Aussagen, die Wolf gegenüber der Presse
machte, lesen sich widersprüchlich. So wurde er in der
tageszeitung vom 11. Juni 2004 wie folgt wiedergegeben:
„Allerdings betonte Staatsanwalt Rainer Wolf, dass
es bisher ‚nicht die geringsten Anhaltspunkte für
einen fremdenfeindlichen oder terroristischen Hin-
tergrund‘ gebe. Deswegen bestünde derzeit auch
noch ‚keine Veranlassung, das Verfahren nach
Karlsruhe abzugeben‘, sagte Wolf.“5964
In einem Zeitungsartikel im Stadtanzeiger vom
12./13. Juni 2004 wurde er dagegen wie folgt zitiert:
„Entgegen der Meinung von Bundes- und Landes-
innenministerium will Wolf neben einem kriminel-
len oder persönlichen Motiv auch einen politischen
oder gar fremdenfeindlichen Hintergrund des An-
schlags nicht ausschließen. Die Bombe sei wahr-
scheinlich nicht konkret gegen eine Zielperson,
sondern ‚wahllos‘ gegen Menschen gerichtet ge-
wesen. ‚Wer gezielt einen Denkzettel verpassen
will, der geht anders vor.‘„5965
In der Kölnischen Rundschau vom 31. Juli 2004 wurde
ausgeführt:
„Oberstaatsanwalt Wolf schloss sowohl einen ter-
roristischen Hintergrund als auch Hintermänner
aus der organisierten Kriminalität aus: ‚Das war
keine Expertenarbeit. Wegen der zur Zündung der
Bombe benutzten Fernsteuerung könnte es jemand
gewesen sein, der sich gut mit Modellflugzeugen
auskennt. Es fehlt ein Bekennerschreiben, wie dies
bei Terroristen üblich ist.‘ Eine ausländerfeindli-
che Tat sei aber nicht auszuschließen.“5966
In einem Artikel „Motiv Hass“ des Tagesspiegels vom
30. September 2004 war zu lesen:
„Knapp vier Monate nach dem Nagelbombenan-
schlag in Köln vermuten die Ermittler ein frem-
denfeindliches Motiv. ‚Etwas anders, zum Beispiel
Schutzgelderpressung, ist unwahrscheinlich‘, sagte
der Kölner Oberstaatsanwalt Rainer Wolf dem Ta-
gesspiegel.“
5962) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 28.
5963) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 52.
5964) Die Tageszeitung, 11. Juni 2004, „Ermittlung gegen unbe-
kannt“.
5965) Stadtanzeiger, 12./13. Juni 2004, „Staatsanwalt: Auch ein
politisches Motiv möglich“, MAT A GBA 9, Bl. 55.
5966) Kölnische Rundschau, 31. Juli 2004, „Furcht vor neuen An-
schlägen“.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 689 – Drucksache 17/14600
In dem erwähnten Artikel aus dem Tagesspiegel hieß es
weiterhin:
„Auf ein Hass-Motiv könnte neben der Herkunft
der Opfer auch ein anderes Indiz hindeuten: Die
Bombe war auf einem erstaunlich teuren Fahrrad
deponiert, das bei der funkgesteuerten Explosion
zerstört wurde. Das aus einer Aldi-Filiale stam-
mende Citybike koste 249 Euro, sagte ein Experte.
Möglicherweise sei einer der Bombenbauer derart
von Hass getrieben worden, dass er sogar ein teu-
res Rad einsetzte, anstatt für den Anschlag ein bil-
liges zu besorgen.“5967
Am 7. August 2006 veröffentlichten die Kölnische Rund-
schau, der Kölner Stadt-Anzeiger und der Express die
Mitteilung, dass es sich bei dem Anschlag nach Ansicht
der Ermittler um eine Machtdemonstration rivalisierender
Schutzgelderpresser gehandelt habe.
5968
Zu den Hinter-
gründen dieser Presseäußerungen hat der Zeuge Wolf
erklärt, sie gingen alle auf einen Journalisten zurück.
Weiterhin hat er ausgesagt, er habe zu keinem Zeitpunkt
gegenüber diesem Journalisten geäußert, dass nur diese
eine Version denkbar sei. Das sei – aus welchen Gründen
auch immer – eine pressemäßige Verkürzung.5969
cc) Öffentliche Äußerungen von KHK Weber
In der Sendung AKTENZEICHEN XY ungelöst vom
4. November 2004 äußerte sich KHK Weber wie folgt:
„Es wurde viel gemutmaßt, terroristische Hinter-
gründe, vielleicht auch fremdenfeindliche Hinter-
gründe aufgrund der vielen türkischen Geschäfte
in der Keupstraße. Allerdings hat sich beides bis-
her nicht bestätigt. Wir vermuten eher, dass die
beiden Täter ein wie auch immer geartetes privates
Motiv haben.“5970
In der Kölnischen Rundschau vom 6. November 2004
wurde wiederum über die Äußerungen Webers in der
Sendung wie folgt berichtet:
„Das Motiv für den Nagelbomben-Anschlag im
Juni auf der Keupstraße könnte private Gründe ha-
ben. Diese Meinung vertrat der Leiter der Mord-
kommission in der ZDF-Sendung
AKTENZEICHEN XY ungelöst. Im Moment könne
man einen terroristischen oder politischen Hinter-
grund für das Attentat ausschließen. Eine persönli-
che Fehde sei wesentlich wahrscheinlicher, betonte
5967) Tagesspiegel, 30. September 2004, „Motiv Hass“.
5968) Kölnische Rundschau, 7. August 2006, „Zündeten Rivalen die
Bombe?“, Kölner Stadtanzeiger, 7. August 2006, „Nagelbom-
be: Polizei hat neue Spur“, Express, 7. August 2006, „Nagel-
bombe: Polizei prüft neue Spur“, MAT A GBA-9, Bl. 110.
5969) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 94.
5970) Aufzeichnung der Sendung Aktenzeichen XY ungelöst vom
4. November 2004, ab 21.09 Uhr.
Markus Weber im Gespräch mit Moderator Rudi
Cerne.“5971
Festzustellen ist, dass die Äußerungen Webers in der
Kölnischen Rundschau nicht wortgetreu wiedergegeben
wurden. Die Formulierung Webers, ein terroristischer
bzw. fremdenfeindlicher Hintergrund habe sich nicht
bestätigt, wurde dahingehend verschärft, dass ein terroris-
tischer oder politischer Hintergrund für den Anschlag
auszuschließen sei.
h) Schwerpunkt der Ermittlungen hinsichtlich
möglicher Motive der Tat
Von Interesse war für den Ausschuss, welche Schwer-
punkte bei den Ermittlungen gesetzt wurden.
aa) Aussage des Zeugen Weber
Der Zeuge Weber hat ausgesagt, es habe hinsichtlich des
Schwerpunktes der Ermittlungen keine eindeutigen Fest-
legungen gegeben. Einen Schwerpunkt „Organisierte
Kriminalität“ habe es nicht gegeben. Ihr Schwerpunkt sei
letztlich gewesen, aufgrund der Fallanalyse zwei Täter zu
finden, die ein persönliches Motiv gehabt hätten, die
Bombe in die Keupstraße zu legen, dabei aber nicht ande-
re mögliche Motive wie Rechtsextremismus oder Frem-
denfeindlichkeit außer Acht zu lassen.
5972
Der Zeuge Weber hat zu der Frage, welches Motiv man
zu Beginn der Ermittlungen vermutet habe, erklärt, natür-
lich sei eine Prüfung eines politischen oder fremdenfeind-
lichen Hintergrundes veranlasst worden. Es gebe aber
speziell im Bereich der Keupstraße verschiedene Aspekte,
die andere Motive möglich erscheinen ließen, sodass
diese Richtungen in jeglicher Art geprüft und diskutiert
worden seien. Letztendlich sei es ihnen nicht gelungen,
eine Richtung für ein Motiv festzulegen.
5973
Bei den Dis-
kussionen, die geführt worden seien, habe immer wieder
eine Rolle gespielt, dass man bei einem terroristischen
Anschlag in irgendeiner Art und Weise ein Beken-
nerschreiben oder Ähnliches erwartet habe, was es zum
damaligen Zeitpunkt nicht gegeben habe.
5974
Einen politi-
schen oder terroristischen Hintergrund, wie er dann doch
zutage getreten sei, habe man sicherlich damals eher nicht
für möglich gehalten. Für möglich gehalten habe man
aber das Motiv Fremdenfeindlichkeit.
5975
Die Frage eines
fremdenfeindlichen Hintergrundes sei ein Aspekt gewe-
sen, der in den Ermittlungen auch Berücksichtigung ge-
funden habe. Es sei aber ein Aspekt unter vielen zu die-
sem Zeitpunkt gewesen.
5976
5971) Kölnische Rundschau vom 6. November 2011, MAT A GBA-9,
Bl. 103.
5972) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 48 f.
5973) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 29.
5974) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 30.
5975) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 42 f.
5976) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 45, 46.
Drucksache 17/14600 – 690 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Man sei bestrebt gewesen, den Menschen zu vermitteln,
dass es sich bei den Tätern um nicht erkennbare Normal-
bürger handeln könne, wie beispielsweise um Nachbarn.
Er sei sicherlich der Meinung gewesen, dass man keine
große politisch organisierte Truppe suche, die hinter der
Tat stehe, sondern eher zwei mehr oder weniger für sich
agierende Personen.
5977
Mit den zur Verfügung stehenden
Mitteln habe man auch den rechtsextremen Bereich, so-
weit er denn überprüfbar gewesen sei, überprüft und habe
Anfragen bei entsprechenden Behörden gestellt. Dies sei
aus seiner Sicht für dieses Ermittlungsverfahren ausrei-
chend gewesen.
5978
Zu Beginn der Ermittlungen sei auch der Staatsschutz
einbezogen worden, um sich in der rechtsextremen Szene
umzusehen. Der Staatsschutz habe keine lange Liste mit
Personen geliefert, aber es sei mindestens ein Hinweis
eines Kollegen erfolgt, der im Staatsschutz im Einsatz
gewesen sei und sich an eine Person erinnert habe.
5979
bb) Aussage des Zeugen Wolf
Der Zeuge Wolf hat ausgeführt, dass das entsprechend
einzuleitende Verfahren gegen Unbekannt (UJs-
Verfahren) in der von ihm geleiteten Abteilung für politi-
sche Staftaten angesiedelt worden sei, da gewisse Mo-
mente dafür gesprochen hätten, dass die Tat allein im
Zusammenhang mit dem Begriff Keupstraße einen mögli-
chen politischen Hintergrund hätte haben können. Wenn
das Stichwort „Keupstraße“ falle, denke man an die eine
oder andere Auseinandersetzung mit politischem Hinter-
grund. So habe es eine ganze Reihe von teilweise doch
recht gravierenden Auseinandersetzungen zwischen nati-
onal eingestellten Türken und Kurden im Gebiet der
Keupstraße gegeben. Im Bereich Köln-Mülheim habe es
körperliche Auseinandersetzungen heftigster Art zwi-
schen dem rechten politischen Spektrum zuzuordnenden
Türken und der wohl zur PKK gehörenden oder zumin-
dest mit der PKK sympathisierenden Bevölkerungs-
gruppe, die aus dem Bereich der Kurden stamme, gege-
ben. Man habe aber auch nicht ausschließen können, dass
hier ein ausländerfeindlich begründeter Anlass für die
Täter vorgelegen habe.
5980
Zudem seien in der Keupstraße
auch Verfahren mit einem Hintergrund im Bereich der
Organisierten Kriminalität gelaufen. Es habe daher eine
breite Facette von Möglichkeiten bestanden, warum es zu
diesem Bombenanschlag gekommen sei. Man habe sich
von Anfang an alle eventuell in Betracht kommenden
Möglichkeiten eines Hintergrundes offenhalten wol-
len.
5981
Der Zeuge Wolf hat ausgeführt, es habe nicht ausge-
schlossen werden können, dass die Tat möglicherweise
gezielt auf die Kundschaft oder den Ladenbesitzer gerich-
5977) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 42 f.
5978) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 61.
5979) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 44.
5980) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 72.
5981) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 72.
tet worden sei.
5982
Auf den Vorhalt, wie bei der Tataus-
führung in Anbetracht der Vielzahl von Nägeln, die in
dem Sprengsatz verborgen gewesen seien, abschätzbar
gewesen sei, wer in Mitleidenschaft gezogen werde, hat er
erklärt:
„Das mag so sein. Ich kann ja auch jetzt nicht
mehr die Richtigkeit dieser Darstellung überprü-
fen, aber ich kann mich nur daran erinnern, dass
genau dieses angebliche Metallstück, was in dem
Plastikbehälter drin war, mir so präsentiert worden
ist, als wenn man damit, wie auch immer, eine be-
stimmte Zielrichtung dieser fliegenden Nägel her-
vorrufen wollte. Ob sich das später so bewahrhei-
tet hat, kann ich natürlich nicht wissen. Aber das
war jedenfalls zu Anfang mal durchaus Gegen-
stand von Erörterungen.“5983
Ein politischer oder fremdenfeindlicher Hintergrund sei
zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Deshalb
hätten Beamte des polizeilichen Staatsschutzes mit Herrn
Weber zusammengearbeitet, um alle möglichen denkba-
ren Verbindungen oder Hintergründe stetig im Auge zu
haben. Ob jetzt die Polizei, gerade in Person von Herrn
Weber, mehr der einen oder der anderen Möglichkeit den
Vorzug gegeben habe, wisse er nicht.
5984
Zu der Frage eines fehlenden Bekennerschreibens hat der
Zeuge Wolf erklärt:
„Ich würde mal so sagen aus heutiger Sicht: Wenn
die Tat so, wie sie begangen worden ist, an sich
schon aussagekräftig genug vom Programmsatz
her ist, bedarf es sicherlich keines Bekennerschrei-
bens. Aber wir wissen inzwischen durch den Film,
der jetzt auch Gegenstand der Veröffentlichungen
im November war – ‚Paulchen Panther‘ –, dass
diese Täter ganz spät im Zusammenhang mit ihrem
Ableben schon ihre Mission und ihr Bekennen zu
dieser Tat in die Allgemeinheit, in die Öffentlich-
keit reingebracht haben. Das war vielleicht zu ei-
nem späten Zeitpunkt, aber es kam ihnen jeden-
falls auch darauf an, dass man die Tat ihnen und
ihrer Gruppierung zurechnet.“5985
Mit Blick auf die damalige unsichere Lage habe er nach
damaliger Einschätzung eine Art der Bekennung erwartet,
um klarzustellen, dass die Täter etwas gegen die Türken
in der Keupstraße hätten unternehmen wollen.
5986
Zum Verlauf der in diese Richtung gehenden Ermittlun-
gen hat er ausgesagt, die an der Kommission beteiligten
Staatsschutzbeamten hätten versucht, zusammen mit den
anderen Polizeibeamten abzuklären, ob es Personen gebe,
die einen entsprechenden politisch motivierten Hinter-
grund hätten haben können. Durch die ständige Beteili-
5982) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 73.
5983) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 74.
5984) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 74.
5985) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 94.
5986) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 94.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 691 – Drucksache 17/14600
gung von Polizeibeamten aus dem Staatsschutzbereich sei
dafür gesorgt worden, solche Personen in die Überlegun-
gen mit einzubeziehen. Es sei aber nie übermittelt wor-
den, dass eine oder mehrere bestimmte konkrete Personen
aus diesem Spektrum als Tatverdächtige in Betracht kä-
men.
5987
Allerdings hat der Zeuge Wolf eingeräumt, dass
in der Endphase der Ermittlungen das polizeiliche
Schwergewicht in Richtung Aufklärung dubioser Ge-
schäfte, möglicherweise Schutzgelderpressung tendiert
habe.
5988
cc) Aussage des Zeugen Spliethoff
Der Zeuge Spliethoff, der Leiter der Tatortgruppe im LKA
Nordrhein-Westfalen war, hat ausgesagt, seine Tatort-
gruppe mache sich keine Gedanken über die Motivation
des Täters. Ihre Aufgabe sei gewesen, zügig die Spreng-
vorrichtung zu rekonstruieren und hierüber den Ermittlern
Ermittlungsansätze zu geben. Seine Tatortgruppe habe
aber in ständigem Kontakt zu der sachbearbeitenden
Dienststelle gestanden und auch Hinweise zur Motivation
der Täter gegeben. Wenn eine Vorrichtung mit 800 Nä-
geln zum Einsatz käme, dann sei hierin die Motivation der
Täter zu erkennen, damit Menschen und auch Unbeteilig-
te zu verletzen, wenn nicht sogar zu töten. Ihm sei nicht
mehr präsent, dass im Kreis der Tatortermittler eine
rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Motivlage
thematisiert worden sei. Auch hätten sie im ersten Mo-
ment keinen politischen Hintergrund der Tat vermutet.
5989
i) Hinweise auf einen rechtsextremisti-
schen/ausländerfeindlichen Hintergrund
Der Ausschuss hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die
Ermittlungsbehörden nicht bereits vor dem 4. November
2011 den Nagelbombenanschlag aufgrund von Hinweisen
als rechtsextreme terroristische Tat hätten verfolgen kön-
nen.
aa) Aussagen von Tatortzeugen
Von Zeugen wurden mehrfach Vermutungen dahingehend
geäußert, dass es sich um einen fremdenfeindlichen Hin-
tergrund handeln könnte. So äußerte der Zeuge M. K. in
seiner Vernehmung zum Nagelbombenanschlag am
16. Juni 2004 auf die Frage, aus welcher Richtung der
Anschlag kommen könnte:
„vielleicht […] Nazis, die […] viele Ausländer mit
in den Graben nehmen wollten. […] Wenn das
dem Friseur galt, dann würde der reingehen und
den Friseur abknallen und nicht vor der Türe, das
sind ja alles unschuldige Menschen. Der größte
Teil sind ja nun mal Türken und Kurden und Aus-
länder. Die einzige Möglichkeit, die ich mir den-
ken kann, ist ein Ausländerhasser. Ich habe im Vi-
5987) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 75.
5988) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 87.
5989) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 9, 10.
deotext gelesen es war ein Blonder. Was anderes
kann ich mir eigentlich nicht erklären.“5990
Der Zeuge C. Y. wies in seiner Vernehmung am
12. Juni 2004 auf Vermutungen von Besuchern eines
Cafés in der Keupstraße über mögliche Täter hin:
„Da wird von PKK gesprochen, von Neonazis und
von Albanern“.5991
Auch der Zeuge Ö. Y. nannte bei seiner Vernehmung am
23. Juni 2004 Ausländerfeindlichkeit als mögliches Mo-
tiv.
5992
bb) Flugblatt in Kölner Straßenbahn
Am 28. November 2004 wurde in einem Wagen der Stra-
ßenbahn-Linie 16 der Kölner Verkehrsbetriebe ein Flug-
blatt mit folgendem Text gefunden:
„Wir schreiben nun das Datum 15.10.2004 und
man hört in den Nachrichten, dass immer noch
nach den Tätern gesucht wird, aber ohne Erfolg.
Hat die Polizei mal darüber nachgedacht, was das
Ganze für eine Bewandtnis hatte? –
Ja natürlich, es ist doch ganz eindeutig, es war ein
nicht gut durchgeplanter Bombenanschlag! Falsch,
es war mehr als ein Bombenanschlag, es war ein
Zeichen von Protest, eine Warnung. Wie Sie viel-
leicht wissen ist die Keupstraße bewohnt von sehr
vielen Ausländern und das gefällt sehr vielen
Deutschen nicht. Wenn Sie mich fragen, war das
erst der Anfang, es könnte noch schlimmer wer-
den. Deutsche wehrt Euch!!!!“5993
In den Akten befindet sich eine handschriftliche Verfü-
gung:
„Als AR-Sache5994, Flugblatt zum Anschlag
Keupstraße – ‚Widerstand gegen Ausländerfein-
dlichkeit‘ eintragen.“5995
In dem Schreiben des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012 wurden bezüglich der Ermittlungen zu
diesem Flugblatt folgende Ausführungen gemacht:
„Der Verfasser des Flugblatts wurde nicht ermit-
telt. Der Text ist seitens der Ermittlungsbehörden
nicht als Straftat gemäß § 140 StGB gewertet wor-
den, sondern als Aufforderung des Verfassers an
die Öffentlichkeit, sich gegen solche Vorkomm-
nisse (Anschläge) und gegen den Fremdenhass zu
wehren. Eine Auslegung, dass der Satz ‚Deutsche
wehrt Euch‘ in irgendeiner Form Fremdenfein-
5990) MAT A GBA-4/24a, Bl. 295 ff., 300 ff.
5991) MAT A GBA-4/24a, Bl. 241.
5992) MAT A GBA-4/24b, Bl. 404.
5993) MAT A GBA-4/8c, Bl. 319-321.
5994) AR = Allgemeines Register.
5995) MAT A GBA-4/8c, Bl. 327.
Drucksache 17/14600 – 692 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dlichkeit widerspiegelt, ist dem Schreiben im ge-
samten Kontext nicht entnommen worden.“5996
Der Zeuge Weber hat erklärt, das Flugblatt sei sicherlich
als Spur in den Akten enthalten gewesen. Er sei insoweit
mit ihm befasst gewesen, als er letztendlich für die End-
kontrolle der Spuren verantwortlich sei. Er könne aber im
Moment nicht mehr sagen, wie das Flugblatt von der
Kommission bewertet worden sei. Aus seiner Sicht lasse
es zwei Interpretationen zu: Zum einen könne „Wehrt
euch“ in dem Sinne verstanden werden, dass man gegen
Ausländer vorgehen solle, zum anderen könne „Wehrt
euch“ aber auch bedeuten, dass gegen ausländerfeindliche
Leute vorgegangen werden solle. Letztlich sei das in der
Bahn aufgefundene Flugblatt spurentechnisch untersucht
worden. Es habe aber keine weiteren konkreten Anhalts-
punkte geliefert, um mit den Ermittlungen voranzukom-
men.
5997
Der Zeuge Wolf hat dagegen erklärt, er interpretiere das
Flugblatt jetzt so, dass jemand – der Drucker oder der
Verfasser X – damit seine innere Sympathie mit diesen
Vorkommnissen in der Keupstraße zum Ausdruck bringen
wolle.
5998
Das Flugblatt habe keine Erwähnung in dem
Abschlussvermerk der Staatsanwaltschaft gefunden, weil
man ihm keine besondere Bedeutung beigemessen habe.
Pamphlete wie „Deutsche wehrt Euch!!!!“ und derglei-
chen gebe es als Propagandadelikt sehr häufig. In diesen
Verfahren würden beispielsweise Zettel und Sachen mit
solchem oder ähnlichem Inhalt an Laternenmaste geklebt.
Dies seien Alltagsereignisse. Man habe das Flugblatt
daher nicht in einen Zusammenhang mit dem Anschlag in
der Keupstraße gebracht.
5999
Der Zeuge Hofmann, der seinerzeit Leiter des Beschaf-
fungsreferats deutscher Extremismus in der Abteilung 6
des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen war, hat
ausgesagt, er könne sich nicht daran erinnern, dass Flug-
blätter diesen Inhalts kursiert seien.
6000
Auch der Zeuge
Dr. Möller, der zum Zeitpunkt des Nagelbombenan-
schlags Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innen-
ministerium Nordrhein-Westfalen war, hat erklärt, er
kenne das Flugblatt nicht.
6001
j) Konkrete Tatverdächtige mit rechtsextre-
mistischem Hintergrund
Aufgrund eines Hinweises des BfV überprüfte die MK
„Sprengstoff“ T. R. Dieser hatte 1998 mit Sprengstoff
hantiert und zum damaligen Zeitpunkt eine Internetseite
mit rechtsextremistischem Hintergrund betrieben. Wie
dem Schlussbericht zu dieser Spur 127 zu entnehmen ist,
erbrachten Wohnungsdurchsuchungen sowie eine Ver-
5996) Schreiben des Generalstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 502.
5997) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 45.
5998) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 87.
5999) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 82.
6000) Hofmann, Protokoll-Nr. 34, S. 17.
6001) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 10, 11.
nehmung von T. R. keine Hinweise, dass er mit der Tat in
Verbindung gebracht werden könne. Zudem wurde fest-
gestellt, dass er auch aufgrund seines äußeren Erschei-
nungsbildes nicht mit der Tat in Verbindung gebracht
werden könne.
In den Akten wurde festgehalten, dass bei einem weiteren
Tatverdächtigen mit rechter Gesinnung, M. D., eine Woh-
nungsdurchsuchung durchgeführt worden sei, die kein
Ergebnis erbracht habe. Aufgrund des Vorliegens eines
Alibis und der Feststellung, dass er in der Statur den Tat-
verdächtigen nicht nahe komme, wurden keine weiteren
Ermittlungsansätze zu seiner Person gesehen. Zudem
wurde in dem Schlussbericht zu dieser Spur 30 mitgeteilt,
dass ein Antrag auf Durchsuchungsbeschlüsse für zwei
weitere Personen, die der rechtsextremen Szene zuge-
rechnet würden, J. R. und T. E., abgelehnt worden sei-
en.
6002
Nachgegangen wurde als Spur 104 außerdem einem Hin-
weis auf ein Mitglied der rechtsextremen Gruppierung
„Freie Kameradschaft Köln“. Dieser habe sich am Tag
nach dem Anschlag in aushorchender Weise mit einer
Polizistin über den Anschlag unterhalten. Im Ergebnis
wurde festgestellt, dass dieser unter Berücksichtigung der
gemachten Lichtbilder als Person, die eines der Fahrräder
geschoben habe, ausscheide. Diese Spur sei daher nach
derzeitigem Erkenntnisstand für das Verfahren ohne wei-
tere Relevanz.
6003
Der Zeuge Dr. Möller hat in seiner Vernehmung vor dem
Ausschuss ausgesagt, der nordrhein-westfälische Verfas-
sungsschutz habe diese Organisation zwar beobachtet, er
habe aber keine Kenntnis darüber, ob es auf einer unteren
Ebene im Zusammenhang mit dem Nagelbombenanschlag
eine Anfrage der Kölner Polizei gegeben habe.
6004
Anonym wurde auf einen namentlich benannten Angehö-
rigen aus der rechten Szene hingewiesen, der angeblich
als derjenige erkannt worden sei, der das Fahrrad in der
Keupstraße abgestellt habe. Da weder die Person, welche
die E-Mail versandt hatte, noch der von ihr benannte
Angehörige aus der rechten Szene ermittelt werden konn-
ten, blieb auch diese Spur 131 ergebnislos.
6005
Zudem wurde der Hinweis auf einen 23-jährigen verfolgt,
der gegenüber seiner Mutter angegeben habe, „seine
Gruppe“ habe die Nagelbombe gelegt. Bei einer Zeugen-
vernehmung gab er an, er habe die Äußerung gegenüber
seiner Mutter getätigt, um sie zu ärgern und Aufmerk-
samkeit zu erlangen. Da festgestellt wurde, dass der 23-
jährige ein Alibi für den Tattag habe und er aufgrund
seines äußeren Erscheinungsbildes nicht als Täter in Fra-
ge komme, sah man keine weiteren Ermittlungsansät-
ze.
6006
6002) Schlussbericht der MK „Sprengstoff“ zu Spur 30 und Spur 127
vom 13. August 2004, MAT A GBA-4/14b, Bl. 6, 7.
6003) Spurenakte 104, MAT A GBA-4/14a, Bl. 31-35.
6004) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 20.
6005) Spurenakte 131, MAT A GBA-4/14a, Bl. 37-44.
6006) Spurenakte 186, MAT A GBA-4/14a, Bl. 68-81.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 693 – Drucksache 17/14600
Überprüft wurde auch der Hinweis eines Polizeibeamten
auf ein Mitglied der rechtsextremistischen Gruppierung
„Nationaler Widerstand Leverkusen“, der fünf Monate
nach der Tat erfolgte. Auch bei dieser Person wurde fest-
gestellt, dass sie aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbil-
des nicht als Täter in Betracht komme.
6007
Aufgrund eines
Hinweises auf eine aus dem Bereich der Hooligans stam-
mende Person wurden auch Ermittlungen in Leipzig
durchgeführt, die jedoch ergebnislos blieben.
6008
k) Umgang mit Opfern
Aus einem Vermerk der MK „Sprengstoff“ vom 14. Juni
2004 ergibt sich, dass die Geldbörse des Opfers K., die
seinen Ausweis enthielt, von der Polizei sichergestellt
worden war.
6009
Zudem wurden von ihm Finger- und
Handflächenabdrücke zum Abgleich mit den Tatortspuren
genommen.
6010
Der Zeuge Dr. Behrens hat erklärt, er
wisse nichts darüber, wie die Ermittler vor Ort mit den
Opfern umgegangen seien. Ihm ist vorgehalten worden,
dass die Mutter eines damals Anfang 20-jährigen An-
schlagopfers berichtet habe, noch während ihr Sohn auf
der Intensivstation gelegen habe, sei ein Polizeibeamter
gekommen, um DNA-Proben zu nehmen. Auf die sich
daran anschließende Frage, ob dies übliche Praxis in
Nordrhein-Westfalen sei, hat der Zeuge geantwortet, er
sei als Minister niemals dabei gewesen, wenn die ermit-
telnden Polizeibeamten DNA-Proben erhoben hätten. Das
geschilderte Verhalten sei aber kein Ausweis von beson-
derer Sensibilität.
6011
Auch die Geschädigten Ö. Y. und H. Y. gerieten ins Visier
der Ermittler. Das Fahrrad, auf dessen Gepäckträger die
Bombe befestigt war, war vor dem Friseurgeschäft des Ö.
Y. abgestellt worden. Sein Bruder, H. Y., arbeitete dort
zum Tatzeitpunkt und wurde durch den Anschlag verletzt.
Ein Zeuge sagte gegenüber der Polizei aus, Pressemel-
dungen, wonach es sich bei den Tätern um Deutsche
handele, deren Motiv Ausländerfeindlichkeit sei, seien
nach seiner Ansicht falsch – die Auftraggeber der Tat
seien vielmehr im Kreis der Gläubiger zu suchen. Ziel des
Anschlags sei nicht der Tod des Ö. Y. gewesen, da man
sonst ja das Geld nicht bekommen könnte.
6012
Auch die
Möglichkeit einer Schutzgelderpressung wurde von der
Polizei bei ihren Ermittlungen in den Raum gestellt.
6013
Im Ergebnis bestätigten sich die Verdachtsmomente nicht.
6007) Spurenakte 283, MAT A GBA-4/14a, Bl. 82-87.
6008) Spur 328, MAT A GBA-4/14, Bl. 4 ff.
6009) Vermerk der MK „Sprengstoff“ vom 14. Juni 2004, MAT A
GBA-4/24a, Bl. 302.
6010) Vermerk der MK „Sprengstoff“, MAT A GBA-4/24a, Bl. 613.
6011) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 6, 7.
6012) Spurenakte Spur 295, MAT A GBA-4/24e, Bl. 3 ff.
6013) Zeugenvernehmung G. Y. vom 5. April 2006, MAT A GBA-
4/24b, Bl. 675.
l) Zivilpolizisten am Tatort
Mit Schreiben vom 14. November 2012 wandte sich Herr
D., Inhaber eines Ladengeschäfts in der Keupstraße, an
den Untersuchungsausschuss. In seinem Schreiben schil-
dert Herr D., er habe in unmittelbarem zeitlichem Zu-
sammenhang mit dem Anschlag zwei zivil gekleidete
Polizeibeamte in der Keupstraße wahrgenommen. Diesem
Hinweis ist der Ausschuss nachgegangen. Herr D. führt in
seinem Schreiben aus:
„Am 9. Juni 2004, dem Tag der Explosion einer
Nagelbombe in der Kölner Keupstraße, befand ich
mich in meinem Büro, einem Ladenlokal im Erd-
geschoss in der Keupstraße Nr. 37 […], also nur
wenige Meter entfernt von dem Friseursalon, vor
dem später die Bombe explodierte.
Gegen 16 Uhr vernahm ich einen lauten Knall. Vor
dem Schaufenster meines Büros flogen Splitter
herum. Das Oberlicht der Eingangstür zu meinem
Büro platzte. Ich warf mich auf den Boden, um
mich vor weiteren Explosionen in Sicherheit zu
bringen. Ich hatte immer Angst vor Gasexplosion,
weil ein Lieferant für Restauranten in der Keupstr.
Gasfläche in größere Menge geliefert hatte.
Als keine zweite Explosion folgte, hob ich den
Kopf und sah durch die Schaufensterscheibe auf
die Straße. Vor meinem Büro stand ein Mann, der
deutlich sichtbar einen Schulterholster trug und da-
rin eine Waffe. Ich dachte sofort, dass dieser Mann
ein Polizist sein muss. Ich lief raus zu ihm auf die
Straße und fragte ihn, was passiert sei. Er wollte
diese Frage nicht beantworten und zeigte nur auf
die Metallsplitter am Boden. Gleichzeitig roch ich
starken Geruch von Sprengstoff in der Luft. Auf
der gegenüber liegenden Straßenseite sah ich einen
zweiten Mann, der eine Pistole trug. Er kommuni-
zierte mit dem Mann neben mir. Ich ging davon
aus, dass es sich um zwei Zivilpolizisten handeln
muss.
Die beiden Männer müssen Augenzeugen der Ex-
plosion gewesen sein oder die Explosion zumin-
dest akustisch aus nächster Nähe verfolgt haben.
Ich fragte mich sofort, warum die beiden zu die-
sem Zeitpunkt in der Keupstraße waren. Ich kann
mir das nur so erklären, dass sie entweder zufällig
in der Keupstraße waren, als die Bombe explodier-
te. Oder sie waren dort, weil sie Kenntnis von dem
geplanten Anschlag hatten, ihn aber nicht mehr
verhindern konnten. Gefragt habe ich die Männer
nicht.“6014
Mit Schreiben vom 6. Februar 2013 hat das Innenministe-
rium Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass es sich bei den
von Herrn D. wahrgenommenen Polizeibeamten um PHK
Baumeister und PK Voß gehandelt habe.
6015
Die beiden
6014) Erklärung des Herrn D. vom 14. November 2011, MAT B G-1.
6015) MAT A NW-11.
Drucksache 17/14600 – 694 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Polizeibeamten sind vor dem Untersuchungsausschuss als
Zeugen vernommen worden.
6016
Auf Grundlage ihrer Zeugenaussagen sowie einer Aus-
wertung der vorliegenden Akten stellt sich der Sachver-
halt wie folgt dar:
PHK Baumeister und PK Voß waren zum Zeitpunkt des
Anschlags in der Keupstraße Angehörige des Polizeiprä-
sidiums Köln, PHK Baumeister bei der Diensthundefüh-
rerstaffel
6017
und PK Voß Angehöriger einer Dienstgruppe
auf einer Innenstadtwache.
6018
Zur Tatzeit verrichteten sie
in der Nähe des Tatorts Streifendienst; PK Voß war kurz-
fristig für einen erkrankten Kollegen von PHK Baumeis-
ter eingesprungen, damit PHK Baumeister, der seine
beiden Hunde mit sich führte, nicht Einzelstreife fahren
musste.
6019
PHK Baumeister begann seinen Dienst an
diesem Tag um 13.30 Uhr, fragte in der Dienststelle des
PK Voß, wer ihn begleiten könne, und versah mit PK Voß,
der sich hierzu bereit erklärte, von 13.30 bis 15 Uhr Fuß-
streifendienst im Kölner Stadtteil Kalk.
6020
Als sich die
Explosion ereignete, befanden sich PHK Baumeister und
PK Voß seit 15 Uhr auf Streifenfahrt im Bereich Köln-
Mülheim. Dort hielten sie sich in einem zivilen Wagen in
der Schanzenstraße, einer Querstraße zur Keupstraße in
Höhe des „E-Werkes“ auf.6021
Unterschiede in den Aussagen beider Zeugen haben sich
insofern ergeben, als Anlass für ihren Einsatz in der
Keupstraße nach Bekunden des Zeugen Baumeister eine
durch die Leitstelle erfolgte Information über eine Gasex-
plosion in der Keuptstraße gewesen sei,
6022
während der
Zeuge Voß ausgesagt hat, sie seien aufgrund eines Knalls
in die Keupstraße gefahren.
6023
Beide Zeugen haben vor dem Untersuchungsausschuss
übereinstimmend erklärt, dass die beiden Hunde während
ihres Einsatzes in der Keupstraße im Fahrzeug geblieben
seien.
6024
Während der Kölner Geschäftsmann A. D. bei seiner
Zeugenvernehmung im Polizeipräsidium in Köln ausge-
sagt hat, einer der beiden Polizisten habe eine graue Ja-
cke, der andere eine braune Hose und ein helles kleinka-
riertes Hemd getragen,
6025
haben beide Zeugen überein-
6016) Protokoll-Nr. 68.
6017) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 57.
6018) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 22.
6019) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 22; Baumeister, Protokoll-Nr. 68,
S. 46 f.; S. 58.
6020) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 46 ff.
6021) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 22, 27, 41; Zeugenvernehmung des
PKH Baumeister vom 13. März 2013, MAT A NW-13a, Bl. 33-
38, Bl. 34.
6022) Zeugenvernehmung vom 13. März 2013, MAT A NW-13a, Bl.
33-38 (34); Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 52.
6023) Zeugenvernehmung vom 22. März 2013, MAT A NW-13a, Bl.
39-42 (40); Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 25.
6024) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 27; Baumeister, Protokoll-Nr. 68,
S. 55.
6025) Zeugenvernehmung vom 28. November 2012, MAT A NW-
13b, Bl. 12 ff.
stimmend angegeben, dass sie während dieses Einsatzes
Uniformen getragen hätten und somit sofort als Polizisten
erkennbar gewesen seien.
6026
Eine Mütze trugen sie hin-
gegen nach Aussage des Zeugen Baumeister nicht.
6027
Der Zeuge Voß hat erklärt, sie hätten sich in der
Keupstraße zunächst einmal einen Überblick über das
Anschlagsgeschehen verschafft und sich anfangs auf die
Absperrung fokussiert. Sein Kollege Baumeister habe
zudem entsprechende Funkdurchsagen getätigt.
6028
Der
Zeuge Baumeister hat auf Nachfrage durch den Aus-
schuss die Frage bejaht, ob er und sein Kollege die ersten
Sicherheitskräfte am Tatort gewesen seien.
6029
Sie hätten
zunächst einmal Verletzte gezählt und sich einen Über-
blick über die Schwere der Verletzungen verschafft, damit
entsprechende Hilfskräfte möglichst schnell vor Ort hät-
ten kommen können.
6030
Laut Streifenbeleg für den Spätdienst am 9. Juni 2004
6031
trug die Streife der Zeugen Baumeister und Voß die
Kennzahl 53/36. Der Einsatzbericht der Leitstelle des
Polizeipräsidiums Köln für die Zeit nach dem Anschlag
nennt protokollartig alle dem Einsatz in der Keupstraße
zugeordneten Einsatzmittel mit deren jeweiliger vierstel-
liger Kennzahl. Nach der Erstmeldung vom Explosionser-
eignis um 15.58.35 Uhr ordnete laut Einsatzbericht der
Server automatisch drei Einsatzmittel zu.
6032
Obwohl aber
die Entfernung der Zeugen zum Tatort nach deren Angabe
nur etwa einen halben Kilometer betrug, ordnet der Com-
puter Einsatzmittel 5336, also die Streife der Zeugen
Baumeister und Voß, zunächst nicht dem Einsatz zu.
„5336“ taucht erst bei einer Zusatzmeldung um 16.08.07
Uhr auf, verbunden mit der Anmerkung: „vor 4 Minuten:
ca. 10 – 15 Verletzte“.6033 Dies hat der Zeuge Voß damit
erklärt, dass es zwei verschiedene Funkkreise mit unter-
schiedlicher Reichweite in Köln gebe. Der 2-Meter-Funk
werde im Gegensatz zum 4-Meter-Funk nicht von der
Leitstelle mitgehört. Über diesen könne man nur mit den
kleineren Wachen kommunizieren und nicht mit dem
Präsidium.
6034
In seiner Vernehmung beim Polizeipräsidium Köln hat
PK Voß die Frage, ob er von einem türkischen Herrn
angesprochen worden sei, verneint.
6035
Diese Aussage hat
er als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss jedoch
relativiert. Er hat erklärt, er sei davon ausgegangen, dass
die Frage darauf abgezielt habe, ob er tiefer gehende
Fragen des Herrn D. habe beantworten sollen. Eine nor-
6026) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 30; Baumeister, Protokoll-Nr. 68,
S. 50, 54.
6027) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 51.
6028) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 26.
6029) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 51.
6030) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 54.
6031) MAT A NW-13a, Bl. 4 f.
6032) MAT A NW-13a, Bl. 7 ff., 7.
6033) Einsatzbericht vom 9. Juni 2004, MAT A NW-13a, Bl. 7 ff., 10.
6034) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 26.
6035) Zeugenvernehmung vom 22. März 2013, MAT A NW-13a, Bl.
39-42 (38).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 695 – Drucksache 17/14600
male Ansprache durch Herrn D., was denn passiert sei,
könne er nicht ausschließen. Ihm sei während der Ver-
nehmung beim Polizeipräsidium Köln kein Foto von
Herrn D. gezeigt worden, sodass er gar nicht sagen könne,
wer Herr D. sei und wie er aussehe.
6036
Der Zeuge Bau-
meister hat hierzu angegeben, er könne sich nicht mehr
konkret erinnern, was gesprochen worden sei und wer ihn
angesprochen habe. Er sei von mehreren Personen ange-
sprochen worden, die sich allerdings nicht namentlich
vorgestellt hätten.
6037
PHK Baumeister und PK Voß wurden erst am 13. März
bzw. 22. März 2013 auf Anordnung des GBA vom Poli-
zeipräsidium Köln vernommen und zwar durch den dama-
ligen Leiter der EG „Sprengstoff“, dem im Ausschuss
ebenfalls als Zeugen gehörten KHK Weber.
6038
Eine zeit-
lich früher liegende Vernehmung der beiden als Zeugen
zu ihren Wahrnehmungen im Umfeld der Schanzenstraße
fand nach Bekunden beider weder unmittelbar nach der
Tat noch zu einem anderen Zeitpunkt vor ihrer Verneh-
mung im März 2013 statt.
6039
Weiterhin haben die Zeugen
Voß und Baumeister erklärt, ihnen seien die Videos der
Überwachungskameras nicht gezeigt worden.
6040
Der
Zeuge Baumeister hat ergänzend ausgeführt, ihm seien
lediglich die im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung
veröffentlichten Bilder bekannt gewesen.
6041
Im Ausschuss ist die Tatsache, dass die beiden Polizisten
nach der Tat nicht als Zeugen vernommen wurden, auf
Kritik gestoßen. In diesem Zusammenhang ist darauf
hingewiesen worden, dass sich die beiden mutmaßlichen
Täter ca. 40 Minuten zwischen dem VIVA-Gebäude und
dem Standort einer Zeugin aufgehalten haben, welche
angab, um ca. 15.05 Uhr gesehen zu haben, wie einer der
mutmaßlichen Täter außergewöhnlich vorsichtig ein Fahr-
rad schob.
6042
Für ihren 40-minütigen Aufenthalt in die-
sem Bereich war vermutlich ursächlich, dass zwei Ange-
stellte des Ordnungsamtes in der Keupstraße damit be-
schäftigt waren, eine Verkehrsbehinderung aufzulösen,
sodass die Täter ihren Tatplan nicht unmittelbar umsetzen
konnten.
6043
Zudem flüchtete ein mutmaßlicher Täter ca.
30 bis 60 Sekunden nach der Explosion durch die Schan-
6036) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 28.
6037) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 55 f.; Zeugenvernehmung vom
13. März 2013, MAT A NW-13a, Bl. 33 ff. (32).
6038) Vernehmung von PHK Baumeister vom 13. März 2013, MAT
A NW-13a, Bl. 33-38; Vernehmung von PK Voß vom 22. März
2013, MAT A NW-13a, Bl. 39-42; mündliche Auskunft des
Vertreters des Landes Nordrhein-Westfalen RD Mathias, Pro-
tokoll-Nr. 68, S. 44.
6039) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 29; Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S.
56.
6040) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 34; Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S.
60.
6041) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 59 f.
6042) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 33, 34; Sachstandsbericht des Gene-
ralstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,
Bl. 503.
6043) Operative Fallanalyse des BKA vom 21.-25. Februar 2005,
MAT A NW-6b, Bl. 130.
zenstraße in Richtung der beiden an den Tatort eilenden
Polizisten.
6044
Der Ausschuss hat fast neun Jahre nach der Tat nicht
feststellen können, ob die beiden Polizisten die mutmaßli-
chen Täter gesehen haben. Hierzu hat der Zeuge Baumeis-
ter vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, ihm sei
während seiner Fahrt zur Keupstraße kein Radfahrer auf-
gefallen, der aus Richtung Keupstraße gekommen sei.
6045
Zwar habe er sich bereits relativ schnell nach der Tat
Gedanken gemacht, ob die Täter an ihm vorbei gefahren
sein könnten. Da sie bei ihrer Fahrt in die Keupstraße
jedoch von einer Gasexplosion und nicht von einer Straf-
tat ausgegangen seien, sei seine Aufmerksamkeit nicht so
sehr auf verdächtige Personen ausgerichtet gewesen.
6046
m) Einsatz Verdeckter Ermittler
aa) Ziel des Einsatzes
In einem Bericht der EG „Sprengstoff“ vom 20. Mai 2005
wurde angeregt, beim AG Köln einen Beschluss zum
Einsatz mehrerer Verdeckter Ermittler zu beantragen. Zur
Begründung wurde ausgeführt:
„Im Rahmen der Ermittlungen wurde bekannt,
dass der betroffene Friseurladen auch Treffpunkt
der Kölner Türsteherszene um den sogenannten
‚Rotlichtpaten‘ N. A. war. Auch nach dessen Fest-
nahme und Verurteilung sollen sich in dem Fri-
seurladen immer wieder Personen aus dem ent-
sprechenden Milieu getroffen haben.
Innerhalb der Keupstr. soll es verschiedene Grup-
pierungen geben, die untereinander konkurrieren,
wie z. B. Kurden und nationale Türken. Außerdem
soll es (in) diesem Zusammenhang auch Schutz-
geldzahlungen bzw. entsprechende Forderungen
geben […]. In diesem Zusammenhang ist auch zu
berücksichtigen, dass es in gewissen Kreisen
durchaus üblich ist, Dinge selbst in die Hand zu
nehmen und die Polizei außen vor zu lassen. […]
Keiner der diesbezüglichen Hinweisgeber wollte
aber genauere Angaben machen. Auf Nachfrage
wurden die Angaben dann immer als reine Speku-
lation abgetan. Offensichtlich möchte niemand ge-
genüber der Polizei konkrete Angaben machen.
[…]
Das erwähnte Aussageverhalten lässt zudem die
Aufklärung dieser Straftat ohne den Einsatz ver-
deckter Ermittler nicht zu.“6047
6044) Siehe unter H.II.2.b).
6045) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 54.
6046) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 60.
6047) Bericht der EG „Sprengstoff“ vom 20. Mai 2005, MAT A
GBA-4/8c, Bl. 281-285.
Drucksache 17/14600 – 696 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zu den Gründen für den Einsatz Verdeckter Ermittler
wurde zudem in dem abschließenden Bericht vom
15. Juni 2007 ausgeführt:
„Bei den Befragungen wurden vereinzelt Andeu-
tungen gemacht, die darauf schließen ließen, dass
dort die Gründe für den Sprengstoffanschlag be-
kannt sind und wer dafür verantwortlich zeichnet.
Es gelang der Sachbearbeitung jedoch nicht, auch
nur eine verfahrensförderliche Aussage zu be-
kommen. So zogen sich die Hinweisgeber auf
konkrete Nachfrage immer darauf zurück, es han-
dele sich nur um Vermutungen, die auf dort kursie-
renden Gerüchten basieren und rein spekulativ sei-
en.
Es entstand bei der Sachbearbeitung nachhaltig der
Eindruck, man scheue dort einerseits aus Angst
und andererseits wegen eines sogenannten
‚Schweigekodex‘ konkrete Angaben gegenüber
den Strafverfolgungsbehörden.
Das Spektrum der geäußerten Spekulationen war
breit angelegt. So wurden Streitigkeiten mit dem
Türstehermilieu, Konflikte zwischen den dort an-
sässigen Türken und Kurden und mögliche Hinter-
gründe im Glücksspielmilieu, in dem Gerüchte-
weise der Inhaber des geschädigten Friseursalons
verkehren sollte, vermutet.“6048
Aufgrund eines Antrages der Staatsanwaltschaft stimmte
das AG Köln dem Einsatz Verdeckter Ermittler mit Be-
schluss vom 7. Juni 2005 zu.
6049
Die Frist zum Einsatz
Verdeckter Ermittler wurde mit Beschlüssen des AG Köln
vom 1. Dezember 2005
6050
und vom 24. Mai 2006
6051
um
jeweils sechs Monate verlängert. Am 14. November 2006
fand eine weitere Verlängerung von drei Monaten
statt.
6052
In dem der Verlängerung zugrundeliegenden Vermerk
vom 29. November 2005 führte KHK Weber zur Begrün-
dung der Maßnahme aus:
„Aufgrund des besonderen Milieus in der Keupstr.
– es handelt sich hier fast ausschließlich um Tür-
ken – gestaltet sich die Kontaktanbahnung natur-
gemäß schwierig. Das erforderliche Vertrauen in
den entsprechenden Kreisen aufzubauen erfordert
eine längere Zeit. Das Vordringen in die noch wei-
ter abgeschotteten kriminellen Kreise gestaltet sich
unter den gegebenen Umständen noch schwieriger.
Aus diesen Gründen wird angeregt, eine Verlänge-
6048) Bericht des LKA vom 15. Juni 2007, MAT A GBA-4/13,
Bl. 90.
6049) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 7. Juni 2005, MAT A
GBA-4/8c, Bl. 289.
6050) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 1. Dezember 2005,
MAT A GBA-4/8c, Bl. 294.
6051) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 24. Mai 2006, MAT A
GBA-4/8c, Bl. 301.
6052) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 14. November 2006,
MAT A GBA-4/8c, Bl. 307.
rung des vorliegenden Beschlusses zu beantra-
gen.“6053
Mittels verdeckter Ermittlungen sollte ein Zugang zu den
Bewohnern der Keupstraße ermöglicht werden, die türki-
scher oder kurdischer Herkunft sind. Zur Unterstützung
sollte eine türkische Vertrauensperson eingesetzt werden,
die Präsenz in den noch anzumietenden Räumlichkeiten
im Bereich der Keupstraße zeigen sollte. Der Ziel des
Einsatzes wurde wie folgt umrissen:
„Der VE-Einsatz sollte helfen, die Strukturen der
untereinander konkurrierenden türkischen Grup-
pierungen, deren Angehörige sowie mögliche Be-
ziehungen zu den möglichen deutschen Tatver-
dächtigen zu erhellen und Beweismittel für eine
gerichtsverwertbare Überführung und anschlie-
ßende Verurteilung der Tatverdächtigen zu be-
schaffen.“
In dem Bericht wurde festgestellt, dass sich die Annahme
verdichtet habe, es könne sich möglicherweise bei den
Tätern um überregional Agierende handeln, deren Motiv
für die Tat nicht auf der Keupstraße zu finden sei. Ab-
schließend könne auch nicht sicher verneint werden, in-
wieweit mögliche Ursachen und Motive im Bereich der
PKK zu suchen und zu finden seien. Konkrete Anhalts-
punkte hierfür hätten sich in den Kontakten der eingesetz-
ten Kräfte auf der Keupstraße nicht ergeben.
6054
In der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom
24. Juni 2008 wurde das Ergebnis des Einsatzes Verdeck-
ter Ermittler wie folgt bewertet:
„Im Zuge des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern
hat sich ferner herausgestellt, dass sich im Bereich
der Keupstraße zwei türkische und kurdische
Gruppierungen rivalisierend gegenüber standen
und die Stimmung der dort ansässigen und verkeh-
renden Personen untereinander maßgeblich präg-
ten. Eine unverhohlene Feindseligkeit konnte zum
Beispiel zwischen dem Betreiber und den national
türkischen Gästen der Gaststätte ‚L. F.‘ und dem
kurdisch geprägten Klientel der Gaststätte ‚G. E.‘
des Betreibers Z. beobachtet werden.
Nachdem es den eingesetzten Verdeckten Ermitt-
lern gelungen war, zu den in der Keupstraße ansäs-
sigen und verkehrenden Personen türkischer Nati-
onalität eine tragfähige Vertrauensbasis aufzubau-
en, haben sie in persönlichen Gesprächen auch
immer wieder den Sprengstoffanschlag zum Ge-
genstand gemacht. Die in diesem Zusammenhang
geäußerten Meinungen/Mutmaßungen über die
Hintergründe des Anschlags sind vielfältig gewe-
sen und haben sich in reinen Gerüchten und Ver-
mutungen (reine Spekulationen, ‚Verschwörungs-
theorien‘ o. ä.) erschöpft, die von einem fremden-
feindlichen Hintergrund über Milieustreitigkeiten,
6053) Vermerk der EG „Sprengstoff“ vom 29. November 2005, MAT
A GBA-4/8c, Bl. 290.
6054) Bericht vom 15. Juni 2007, MAT A GBA-4/13, Bl. 88 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 697 – Drucksache 17/14600
Schutzgelderpressungen bis zu einem Zusammen-
hang zu den Serienmorden an türkischen Ge-
schäftsleuten in Deutschland reichten. Konkrete
Anhaltspunkte für die Richtigkeit auch nur einer
dieser Theorien haben sich jedenfalls nicht erge-
ben.“6055
Der Zeuge Weber hat ausgeführt, bei dem Einsatz Ver-
deckter Ermittler habe es sich aus seiner Sicht nicht um
einen Wechsel der Ermittlungsrichtung gehandelt, weil
die anderen Ermittlungen ebenfalls weitergeführt worden
seien. Man sei aber bei den übrigen Ermittlungen nicht
weiter gekommen, sodass man weitere Maßnahmen habe
ergreifen müssen. Bestimmte verdeckte Maßnahmen seien
nun einmal sogenannte Ultima Ratio, die man nicht am
Anfang einsetzen könne.
6056
Der Zeuge Dr. Behrens hat
ausgesagt, er habe von den verdeckten Ermittlungen keine
Kenntnis gehabt.
6057
bb) Hinweise während der verdeckten Ermitt-
lungen auf einen rechtsextremistischen
Hintergrund des Anschlags
In dem Schlussbericht zum Einsatz Verdeckter Ermittler
vom 15. Juni 2007 wurde darauf hingewiesen, dass einige
der Befragten einen Zusammenhang mit der Česká-
Mordserie gesehen hätten. So wurde ausgeführt:
„In den teilweise sehr persönlichen Gesprächen
war auch der Sprengstoffanschlag in der
Keupstraße immer wieder Gegenstand der Erörte-
rung.
Die Mutmaßungen der Türken und Kurden dazu
waren vielfältig. Einige spekulierten über einen
fremdenfeindlichen Hintergrund, andere sahen
wiederum einen Zusammenhang zu den Serien-
morden an türkischen Geschäftsleuten in Deutsch-
land, die von der EK ‚Bosporus‘ in Nürnberg zent-
ral bearbeitet werden.
Auch Milieustreitigkeiten wurden nicht ausge-
schlossen. […]
Auch ist zu berücksichtigen, dass in den persönli-
chen Gesprächen der eingesetzten Kräfte mit den
ortsansässigen Türken auf der Keupstraße unter
anderem die Befürchtung geäußert worden ist, der
Anschlag könne mit den Serienmorden an türki-
schen Geschäftsleuten im gesamten Bundesgebiet
zusammenhängen.
Die Ermittlungsgruppe ‚Sprengstoff‘ steht diesbe-
züglich in Kontakt zu der Ermittlungsgruppe
‚Bosporus‘ in Nürnberg und führt regelmäßig ei-
nen Abgleich vorliegender Erkenntnisse durch.
Die unterschiedlichen Tatbegehungsweisen haben
bisher die Ermittlungsbehörden davon ausgehen
6055) Verfügung vom 24. Juni 2008, MAT A GBA-4/7a, Bl. 103 ff.
6056) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 66
6057) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 59.
lassen, es handele sich auch um unterschiedliche
Täter.“6058
Abschließend stellte das LKA Nordrhein-Westfalen zum
zwei Jahre währenden Einsatz der Verdeckten Ermittler in
der Keupstraße fest:
„Die durch den Einsatz von VE und VP erlangten
Erkenntnisse waren zwar vielfältig, aber allesamt
unkonkret und basierten auf Gerüchten und Speku-
lationen.
Sie boten auch aufgrund der großen Bandbreite der
geäußerten möglichen Hintergründe und fehlender
ergänzender Informationen keinen sicheren Anhalt
hinsichtlich der Ursache und des Motivs für den
Anschlag.
Vielmehr verdichtete sich aufgrund der Vielfalt
und der Uneinheitlichkeit der Erklärungsansätze
die Annahme, es könnte sich möglicherweise bei
den Tätern um überregional agierende handeln, de-
ren Motiv für die Tat nicht auf der Keupstraße zu
finden ist.
Es konnten trotz breit angelegter und intensiv be-
triebener Erkenntnisgewinnung weder konkrete
Anhaltspunkte auf eine Täterschaft und deren Hin-
tergründe noch wenigstens übereinstimmende Ge-
rüchte und Meinungen erlangt werden, die eine ge-
sicherte Vermutung in eine bestimmte Richtung
zugelassen hätten, um zielgerichtet Aufklärung be-
treiben zu können.
Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses erscheint
die Annahme zulässig, dass Ursache und Aus-
gangspunkt des Sprengstoffanschlags nicht im Be-
reich Keupstraße in Köln zu finden sind.“6059
Dazu befragt, ob ihm diese Erkenntnisse damals zeitnah
mitgeteilt worden seien, hat der Zeuge Weber ausgeführt,
diese Erkenntnisse bzw. Spekulationen der Bewohner der
Keupstraße seien ihm und seinen Mitarbeitern, die in der
Keupstraße ermittelt hätten, immer wieder kundgetan
worden. Keiner dieser Zeugen habe diese Vermutungen
aber letztlich in einer Zeugenvernehmung konkretisieren
oder so belegen wollen, dass sie damit hätten arbeiten
können. Bewohner der Keupstraße hätten andererseits
aber auch selbst Vermutungen geäußert, dass die Tat mit
Betäubungsmittelkriminalität, mit Organisierter Krimina-
lität oder mit Türsteherkriminalität zusammenhängen
könne. Wenn es aber um eine Konkretisierung dieser
Äußerungen gegangen sei, sei diese nicht erfolgt. Auch
diese Behauptungen hätten mit verdeckten Maßnahmen
nicht weiter konkretisiert werden können.“6060 Der Zeuge
Wolf, damals zuständiger Staatsanwalt, hat hierzu erklärt,
6058) Schlussbericht vom 15. Juni 2007, MAT A GBA-4/13, Bl. 95,
98.
6059) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 15. Juni 2007,
MAT A GBA-4/13, Bl. 89.
6060) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 49.
Drucksache 17/14600 – 698 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
er kenne diese Einschätzung aus Kontakten zu türkischen
Freunden in Köln. Hierzu brauche er keine V-Leute.
6061
n) Befragung einer Hellseherin
Im Laufe der Ermittlungen kam es zu mehrfachen telefo-
nischen Kontaktaufnahmen durch eine Hellseherin. Be-
reits einen Tag nach dem Nagelbombenanschlag äußerte
sie gegenüber der Polizei, eine „mediale Durchsage“
erhalten zu haben, wonach die Tat einen terroristischen
Hintergrund habe.
6062
Die Polizei vermerkte hierzu zu-
nächst:
„Eine Hellseherin ist und bleibt eine Hellseherin,
mehr nicht! Tatrelevante Ermittlungsansätze erge-
ben sich durch diese Spur nicht.“6063
Nachdem die Hellseherin in weiteren Telefonaten aller-
dings darauf hingewiesen hatte, es werde zeitnah erneut
entsprechende Anschlagsereignisse – in Köln und in
Hamburg – geben, wurde sie am 30. Juni 2007 als Zeugin
vernommen.
6064
Als Ergebnis dieser Vernehmung wurde
festgestellt:
„Abschließend ist festzuhalten, dass Frau K. in ei-
ner völlig irrationalen Welt lebt, die sie mögli-
cherweise durch den Tod (Mord) ihrer Tochter um
sich herum aufgebaut hat und glaubt, Kontakt zu
den Verstorbenen im Jenseits herstellen zu können.
Weitere Kontaktaufnahmen mit ihr sind mit äu-
ßerster Vorsicht zu behandeln! Tatsächliche sach-
dienliche Hinweise dürften nicht zu erwarten sein.
Sollte dennoch das ein oder andere Vorhergesagte
eintreffen, so kann dies nur auf Zufall beru-
hen!“6065
Hierzu befragt, hat der Zeuge Weber ausgesagt:
„Sie hat gesagt, […] – Da ginge es eher in krimi-
nelle Kreise. Und vor allen Dingen hatte sie auch
gesagt, dass ein erneuter Anschlag bevorstehen
würde. Das wurde irgendwann so dominant, dass
ich gesagt habe: Gut, dann werden wir natürlich
diese Frau dann auch umgehend vernehmen. –
Weil auch das kann ich mir nicht leisten, so was
einfach vom Tisch zu wischen und zu sagen: Da-
mit befassen wir uns nicht.“6066
Zudem hat er erklärt:
„Nach dem, was man mir berichtet hat, hat die
Dame ein Medium – ich meine, in der Form eines
Kassettenrekorders; wie auch immer, kann ich jetzt
im Detail – müsste ich auf die Spur, auf die Akten-
lage verweisen – benutzt, um irgendwelche Dinge
6061) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 93.
6062) MAT A GBA-4/14a, Bl. 6.
6063) MAT A GBA-4/14a, Bl. 5.
6064) MAT A GBA-4-14a, Bl. 10 ff.
6065) Spurenakte Spur 4, MAT A GBA-4/14a, Bl. 5-15.
6066) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 66.
aus dem Jenseits zu transportieren, mitzuteilen.
Aber das sind natürlich Dinge, die erfahre ich erst,
wenn ich der Dame gegenübersitze, und nicht,
wenn ich aus Köln beurteile, was die Dame mir
mitzuteilen hat.“6067
In einem vergleichbaren Fall würde er wieder so handeln:
„Also, Zeugen sind vielfältige Erscheinungen.
Zeugen haben unterschiedliche Wahrnehmungen,
werden über den gleichen Sachverhalt verschiede-
ne Dinge berichten und werden auch unter-
schiedliche Methoden wahrnehmen, um sich zu
äußern oder Dinge zu erzählen. Letztendlich kann
ich sowas erst dann beurteilen, wenn ich dieser
Person gegenübersitze.
Deswegen sind wir letztendlich nach München ge-
fahren. Dann kann man sicherlich zu dem Ergebnis
kommen: Okay, es ist Unsinn. – Aber das müsste
man halt so weit erst mal überprüfen, und deswe-
gen würden wir das in einem vergleichbaren Fall
sicherlich wieder tun, solange es keine anderen
Dinge gibt, die da irgendwo schon die Richtung
ganz klar vorgeben.“6068
o) Gegenüberstellung: Sprengstoffanschläge
in der Probsteigasse und in der
Keupstraße
Am 14. Juni 2004 äußerte KHK M., der 2001 Leiter der
Ermittlungskommission „Probst“ gewesen war, die das
Sprengstoffattentat vom 19. Januar 2001 auf das Lebens-
mittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln untersucht
hatte, dass er deutliche Parallelen zwischen dem Spreng-
stoffanschlag in der Keupstraße und dem Anschlag in der
Probsteigasse sehe. Eine daraufhin erstellte Synopse
ergab, dass es in beiden Fällen Übereinstimmungen ge-
be.
6069
Einem der Geschädigten des Sprengfallenanschlags,
Herrn M., wurden Fahndungsfotos der Tatverdächtigen
des Anschlags in der Keupstraße vorgelegt. Zudem wurde
er gebeten, sich den auf der Homepage der Kölner Polizei
abrufbaren Videofilm anzusehen. Er sah keine Ähnlich-
keit mit der Person, die zu Weihnachten 2001 den Ge-
schenkkorb mit der Bombe in seinem Geschäft abgestellt
hatte.
6070
In dem Schlussvermerk vom 12. Oktober 2004 zu dieser
Spur wurde das Ergebnis wie folgt zusammengefasst:
Eine Übereinstimmung habe man beim Alter des Tatver-
dächtigen und seiner Haarfarbe, beim Sprengmittel
Schwarzpulver, dem Zündmittel Glühbirne und der
Druckgasflasche gesehen. Demgegenüber habe man auch
6067) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 67.
6068) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 68.
6069) Synopse zur Spur 39, MAT A GBA-4/14a, Bl. 21 f.
6070) Vermerke der MK „Sprengstoff“, MAT A GBA-4/14a, Bl. 88-
93.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 699 – Drucksache 17/14600
gravierende Unterschiede festgestellt. So seien beim An-
schlag in der Keupstraße eine Fernzündung und eine
Nagelbombe zum Einsatz gekommen. Die Opfer seien
zufällig ausgewählt und sie seien türkischer Nationalität.
An der Tat seien zwei Täter beteiligt gewesen. In der
Probsteigasse habe man dagegen eine Abreißzündung und
einen Sprengsatz in einer Blechdose verwendet. Der An-
schlag habe der Familie M. gegolten, die iranischer Ab-
stammung sei. Als Täter sei in diesem Fall nur eine Per-
son aufgetreten.
6071
In dem Schlussvermerk zu dem Abgleich wurde als Er-
gebnis festgehalten:
„Zusammenfassend ist zu sagen, dass trotz einiger
gleichgelagerter Ermittlungsergebnisse nicht von
einer gleichen Täterschaft ausgegangen werden
kann, wenngleich diese nicht gänzlich ausge-
schlossen werden kann. Konkrete Hinweise auf
weitere Ermittlungsansätze haben sich nicht erge-
ben.“6072
Der Zeuge Setzer hat in seiner Vernehmung die Unter-
schiede zwischen den jeweils verwendeten Tatmitteln
dargelegt: Beim Nagelbombenanschlag in der Keupstraße
sei eine Funkfernauslösung verwendet worden, wohinge-
gen bei dem Anschlag in der Probsteigasse eine opferge-
steuerte Auslösung eingebaut gewesen sei. Zusammenfas-
send hat Setzer erklärt:
„Also, da gab es eigentlich in keinster Weise
Übereinstimmungen von den Tatmitteln, auch un-
abhängig davon, ob ich jetzt den Explosivstoff,
den verwendeten Sprengstoff mit einbeziehe in die
Auswertungen oder nicht.“6073
Der Zeuge Setzer hat dies im Untersuchungsausschuss
bestätigt:
„Allerdings waren weder diese beiden Fälle
[Probsteigasse und Keupstraße] untereinander vom
Aufbau der Vorrichtungen her ähnlich, noch haben
sie sonst Treffer ergeben hinsichtlich der Vorrich-
tungen, die man im Zusammenhang mit der Soko
‚Rex‘ Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zuordnen
konnte.“
Das BKA nimmt an, dass die Daten bezüglich der Perso-
nen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, ausgehend von der
letzten Straftat, die ihnen zugeordnet wird (Fall Nr. 8 vom
26. Januar 1998) und einer nominalen Aussonderungs-
prüffrist von zehn Jahren mit Datum vom 26. Januar 2008
aus dem Tatmittelmeldedienst gelöscht wurden. Bezüg-
lich der Person Uwe Böhnhardt lag zum Zeitpunkt der
vorgenannten Aussonderungsprüfung eine Fristverlänge-
rung vor, was zu dessen Fortspeicherung im Tatmittel-
meldedienst führte.
6071) Schlussvermerk vom 12. Oktober 2004, MAT A GBA-4/14a,
Bl. 94.
6072) Schlussvermerk vom 12. Oktober 2004, MAT A GBA-4/14a,
Bl. 94.
6073) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S.117.
Der Zeuge Setzer hat dazu im Ausschuss erklärt, dass
bezüglich Böhnhardt bei der Aussonderungsprüfung, die
2008 auch hinsichtlich Mundlos und Zschäpe vorgenom-
men wurde, ein im Zeitraum zwischen 1998 und 2008
eingetretenes und gemeldetes Ereignis festgestellt wurde,
das zu einem Verlängerungsantrag geführt hatte. Welches
Ereignis dies gewesen sei, sei aufgrund der Löschung der
entsprechenden Daten nicht mehr nachvollziehbar.
6074
Der Zeuge Mittler hat ausgesagt, ein Zusammenhang
beider Fälle sei intensiv diskutiert worden. Ein solcher sei
nach dem Nagelbombenanschlag in Gesprächen immer
wieder thematisiert worden. Der Inhalt der angefertigten
Synopse und das in dem Schlussvermerk festgehaltende
Ergebnis seien ihm aber nicht bekannt gewesen.
6075
Der Zeuge Weber hat dargelegt, der zuständige Kommis-
sariatsmitarbeiter seiner Ermittlungsgruppe habe beide
Fälle vergleichend in einer Tabelle gegenübergestellt. Sie
hätten sich anschließend das Ergebnis angesehen und
festgestellt, dass es Übereinstimmungen gegeben habe,
andere Dinge hätten dagegen nicht überein gestimmt.
Unabhängig hiervon habe es aber in der Akte „Probstei-
gasse“ keine Ansatzpunkte gegeben, mit denen sie in
Bezug auf ihre Ermittlungen konkret die Täter betreffend
weitergekommen wären.
6076
Ausweislich einer E-Mail vom 2. Juli 2004 wurde dem
BfV bereits anlässlich eines Telefongespräches, bei dem
es um den Aufenthaltsort eines rechtsextremistischen
Tatverdächtigen ging, mitgeteilt, dass sich im Falle des
Anschlags auf das iranische Lebensmittelgeschäft keine
Parallelen gezeigt hätten.
6077
Der Zeuge Weber hat erklärt,
er könne nicht ausschließen, dass er das Telefonat geführt
habe.
6078
Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,
weshalb die Zusammenhänge zwischen den beiden
Sprengstoffanschlägen in Köln schlussendlich nicht er-
kannt worden sind. Insbesondere ist hinterfragt worden,
weshalb unter Berufung auf fehlende neue Hinweise die
Ermittlungen abgeschlossen wurden, ohne zuvor eine
deliktsübergreifende Analyse oder Recherche durchzufüh-
ren.
6079
Der Zeuge Mittler hat hierzu ausgeführt, dass eine
starke Arbeitsbelastung der Sachbearbeiter mit bis zu
zehn Fällen gleichzeitig dazu führe, dass nicht in allen
Fällen unbefristet ermittelt werden könne. Als Verbesse-
rungsmöglichkeit hat der Zeuge dargelegt:
„Also, es gibt natürlich Ansätze in den Behörden,
die sich aber fast nur auf Morddelikte beziehen,
dass also alte, erfahrene Kollegen, die vielleicht
nicht mehr so gerne draußen an der Front sind, die
alten Fälle aufarbeiten. Das machen wir also in
6074) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 112 ff.
6075) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 13.
6076) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 54.
6077) E-Mail vom 2. Juli 2004, MAT A BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-
VERTRAULICH), Bl. 49 (offen).
6078) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 55.
6079) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 11.
Drucksache 17/14600 – 700 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Köln auch: Wir haben da, glaube ich, ein oder
zwei Kollegen, die nichts anderes machen, als sich
alte Fälle wieder herauszuholen und weiterzubear-
beiten. Wo andere gedacht haben, es wäre zu En-
de, finden die dann meist mit ihrer Erfahrung und
mit einem ganz anderen Gesichtspunkt neue An-
sätze. Aber es ist halt so, dass überall das Personal
knapp ist, und man kann halt sicherlich seitens der
Behördenleitung nicht auf größere Kapazitäten zu-
rückgreifen.“6080
3. Einbindung des nordrhein-westfälischen
Innenministers Dr. Behrens
Laut Lagedokumentation der Polizei Nordrhein-Westfalen
vom 9. Juni 2004 wurde Innenminister Dr. Behrens um
17.25 Uhr über den Anschlag informiert. Um 18.44 Uhr
teilte ein Mitarbeiter des Ministerbüros dem Lagezentrum
mit, dass der Minister zurzeit keine Auskunft über den
Sachverhalt gebe.
Als Zeuge hat Dr. Behrens erklärt, er habe keine konkrete
Erinnerung mehr daran, dass er zu Hause angerufen und
über den Nagelbombenanschlag informiert worden sei.
Dies sei aber nach der Dokumentation des Lagezentrums
wahrscheinlich.
6081
Auch könne er sich nicht daran erin-
nern, ob man ihm mitgeteilt habe, es bestehe die Mög-
lichkeit eines terroristischen Anschlags.
6082
a) Der Anruf von Minister Dr. Behrens im
Lagezentrum
Der Lagedokumentation lässt sich entnehmen, dass Mi-
nister Dr. Behrens um 21.03 Uhr beim Lagezentrum an-
rief. Er erkundigte sich danach, weshalb der Verfassungs-
schutz in die Ermittlungen eingeschaltet sei und ersuchte
um Vermittlung eines Gesprächspartners. Um 21.07 Uhr
wurde LKD B. an den Minister vermittelt.
6083
Der Zeuge Dr. Behrens hat ausgesagt, die von ihm am
Abend des 9. Juni 2004 gestellte Nachfrage, warum der
Verfassungsschutz eingeschaltet worden sei, habe einzig
und allein den Grund gehabt zu erfahren, ob es Hinweise
auf einen extremistischen, verfassungsfeindlichen Hinter-
grund gebe und ob er darüber etwas wissen müsse. Diese
Frage sei ihm dann unmittelbar darauf vom Referatsleiter
der Kriminalpolizei im Innenministerium Nordrhein-
Westfalen negativ beantwortet worden.
6084
Hierzu hat er
zudem erklärt:
„Anzunehmen oder gar zu unterstellen, wie ich
vereinzelt gelesen habe, mit dieser Nachfrage ‚Wa-
rum ist der Verfassungsschutz […] eingeschaltet?‘
hätte ich die Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbe-
6080) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 11.
6081) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4.
6082) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 10.
6083) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-
12.
6084) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4.
hörden in eine bestimmte Richtung lenken wollen
oder auch ohne Absicht gelenkt, ist nach meinem
Dafürhalten absurd und an den Haaren herbeige-
zogen, und ich weise es mit aller Deutlichkeit zu-
rück. Ich habe niemals als Innenminister oder zu-
vor als Justizminister in Nordrhein-Westfalen die
Ermittlungsarbeit der Justiz- oder Polizeibehörden
manipuliert.“6085
Daran, woher er davon gewusst habe, dass der Verfas-
sungsschutz informiert sei, könne er sich nicht mehr erin-
nern. Dies könne er vom Leiter der Verfassungsschutzab-
teilung erfahren haben, mit dem er in einem ständigen
Informationsaustausch gestanden habe. Es habe sicherlich
eine Vielzahl von Telefonaten und Gesprächen gegeben,
die nicht über das Lagezentrum gelaufen und dort nicht
dokumentiert seien, an die er sich aber konkret im Mo-
ment nicht erinnern könne.
6086
Es könne sich aber auch
um eine Information aus dem Pressereferat gehandelt
haben.
6087
Der Zeuge Dr. Behrens hat weiterhin ausgesagt, er habe
nicht davon gewusst, dass ein Mitarbeiter des BfV beim
Lagezentrum angerufen und um Kontaktvermittlung mit
dem LfV Nordrhein-Westfalen gebeten habe. Möglicher-
weise sei er von seinem Pressesprecher darüber informiert
worden, dass der Verfassungsschutz in Köln eingeschaltet
sei. Er habe dies aber so verstanden, dass damit der Lan-
desverfassungsschutz Nordrhein-Westfalen gemeint ge-
wesen sei.
6088
Der Zeuge Hofmann hat ausgesagt, er habe nichts über
einen Anruf von Minister Dr. Behrens beim Lagezentrum
gewusst, bei dem dieser gefragt habe, warum sich der
Verfassungsschutz gemeldet habe. Hiervon habe er erst
jetzt durch das Protokoll der Polizei erfahren.
6089
Eine nochmalige Information von Minister Dr. Behrens
wurde in der Lagedokumentation nicht festgehalten. Es
wurde aber dokumentiert, dass Minister Dr. Behrens am
folgenden Tag um 13.25 Uhr darum bat, im Anschluss an
eine Pressekonferenz Kontakt zu einem Gesprächspartner
aus Köln oder aus der Verfassungsschutzabteilung seines
Hauses herzustellen.
6090
Hierzu hat der Zeuge Dr. Behrens ausgesagt:
„Nach meiner Erinnerung hat am nächsten Tag, al-
so an dem 10. Juni, am Fronleichnamstag, die
Kölner Polizei eine Pressekonferenz gegeben […]
und hat aus ihrer Sicht, zusammen mit der Staats-
anwaltschaft […], mit Herrn Wolf, dem Leitenden
Oberstaatsanwalt, […] öffentliche Erklärungen ab-
gegeben. Ich wollte unmittelbar im Zusammen-
6085) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 5.
6086) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 8.
6087) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 9.
6088) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 21.
6089) Hofmann, Protokoll-Nr. 34, S. 10.
6090) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-
12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 701 – Drucksache 17/14600
hang mit dem Treten vor die Presse auch infor-
miert werden aus Köln – aus dem Ministerium.
Diese Bitte hatte ich telefonisch an das Lagezent-
rum gerichtet, mir da einen Kontakt herzustellen
mit dem […] diensthabenden Beamten des Innen-
ministeriums […], der mich informieren sollte, wie
denn bis zu diesem Mittag, bis zu der Pressekonfe-
renz, die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden in
Köln waren. Dieses Telefonat hat dann stattgefun-
den – mit wem […] weiß ich im Moment nicht
mehr – und hat im Prinzip die Erkenntnis mir
weitervermittelt, die auch von der Staatsanwalt-
schaft und von der Kölner Polizei der Presse ge-
genüber, der Öffentlichkeit gegenüber, dargestellt
worden ist.“6091
Zu der Frage, wie er im weiteren Verlauf über die Ermitt-
lungen informiert worden sei, hat der Zeuge Dr. Behrens
erklärt:
„Wenn man darüber informiert wird, dann bittet
man als Erstes darum, weiter informiert gehalten
zu werden, wenn es weitere Erkenntnisse gibt.
Man selber informiert als Innenminister im Zwei-
fel dann zum Beispiel den Ministerpräsidenten,
damit der gegebenenfalls gerüstet ist, auf Fragen
antworten zu können und sich darauf einzustellen,
dass hier ein besonderes Ereignis im Land gesche-
hen ist. Dann bleibt man am Ball; das ist keine
Frage. Man wird natürlich in einer gut eingeübten
Behörde – das war das Innenministerium
Nordrhein-Westfalen ganz sicherlich zu jener Zeit
und sicher auch bis zum heutigen Tage – automa-
tisch in einer Art Berichtswesen ständig auf dem
Laufenden gehalten von den leitenden Beamten, in
diesem Falle der Polizeiabteilung und des Lage-
zentrums, zu denen man ohnehin einen nahezu
ständigen Kontakt tags und nachts hat, vor allem
den Beamten des Lagezentrums, mit denen man
vielfältige Kontakte hat, die einen ja auch ständig
informieren über besondere Ereignisse im Land.
Das war ein geübtes Verfahren. So war es auch an
diesem Tag. Ich habe sie sicherlich gebeten, mich
dann im weiteren Verlauf der Ermittlungen auf
dem Laufenden zu halten.“6092
Auf den Vorhalt, dass sich den Akten nur wenige Hinwei-
se darüber entnehmen ließen, wie er sich habe informie-
ren lassen, hat er wie folgt geantwortet:
„Als Minister – in allen Funktionen, auch früher
als Regierungspräsident; insgesamt habe ich fast
20 Jahre große Behörden geleitet – habe ich mir
einen bestimmten Stil angewöhnt gehabt, der sich
vom Stil eines Amtschefs, der vielleicht einen an-
deren beruflichen Werdegang hat, durchaus, glau-
be ich, unterschieden hat. Mein Stil war sehr auf
Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Hauses angelegt. Das bedeutet,
6091) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 13.
6092) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 7.
dass ich eine sehr intensive Kommunikationskultur
mit dem jeweiligen Ministerium bzw. in dem Falle
mit dem Innenministerium geführt habe, mit re-
gelmäßigen Lagebesprechungen, mit regelmäßigen
Rücksprachen, sehr intensiv mich innerhalb des
Hauses getummelt habe, aufgehalten habe, oft
auch zulasten von Außenauftritten, weil eine große
Verwaltung, die innere Verwaltung von
Nordrhein-Westfalen, zu der ja auch dann die Po-
lizei gehört, mit etwa 70 000 Beschäftigten braucht
viel Beschäftigung, viel Aufmerksamkeit, viel
Auseinandersetzung mit ihr. So habe ich auch die
Polizeiabteilung geführt und den Verfassungs-
schutz geführt, sehr intensive Gespräche mit den
jeweiligen Leitungen. Weil man natürlich nicht mit
allen 40 000 Polizeibeamten in Nordrhein-
Westfalen regelmäßig Gespräche führen kann, be-
schränkt sich die Kommunikation in der Regel – es
gibt natürlich auch Ausnahmen – auf das Gespräch
mit den leitenden Beamten, und zwar des Ministe-
riums. In dieser Art und Weise, das heißt in regel-
mäßigen Besprechungen unter vier Augen, unter
sechs Augen, unter zwanzig Augen und Ohren mit
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Minis-
teriums, hat die Kommunikation stattgefunden zu
der Frage: Was kann man da noch tun? Was sind
die Hintergründe? All die Fragen, die wir hier heu-
te erörtert haben. Das ist die Art von Kommunika-
tion, nicht so sehr verschriftlicht, sondern münd-
lich, wie ich sie geschätzt habe und gepflegt habe,
und das hatte sich, nach meiner Einschätzung, sehr
bewährt.“6093
Der Zeuge Dr. Behrens hat zudem erklärt, er sei im
Nachhinein der Auffassung, er habe sich hinreichend
intensiv fortlaufend über die Ermittlungsarbeit informie-
ren lassen. Dies sei zwar nicht ständig in den Akten zu
finden, aber ein solches Geschehen lasse einen nicht ru-
hen und führe zu ständigen Diskussionen und Nachfragen
auch im eigenen Hause und mit anderen über solche Fra-
gen.
6094
Auf die Frage, ob er einmal nachgefragt habe, ob die Tat
einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben könnte, hat
der Zeuge Dr. Behrens ausgeführt:
„Ganz sicher, ja. Ich habe jetzt keine konkrete Er-
innerung an irgendein konkretes Gespräch. Aber
ganz sicher hat dieses Ereignis unsere Arbeit in
den darauffolgenden Wochen und Monaten inten-
siv auch beeinflusst und immer wieder zu Nach-
fragen geführt. Also, ich denke, dass es da einen
Mangel an Kommunikation sicher in den nächsten
Wochen und Monaten in unserem Lande nicht ge-
geben hat, aber immer eben mit der Auskunft: Es
gibt bis zum heutigen Tage – der jeweiligen Nach-
frage – keine Informationen über die tatsächlichen
Hintergründe und Motive dieses Anschlages. Was
6093) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 48.
6094) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 43.
Drucksache 17/14600 – 702 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bleibt einem da übrig als politisch Verantwortli-
chem, als das zunächst mal zur Kenntnis zu neh-
men, dass die Ermittlungsbehörden zu diesen Er-
gebnissen kommen und keine anderen Anhalts-
punkte haben, und immer wieder nachzufragen:
Haben Sie auch alles getan, um in alle Richtungen
zu ermitteln? – Natürlich wird einem in solchen
Gesprächen dann auch versichert, dass das natür-
lich der Fall sei. Ich erinnere mich allerdings auch
noch daran, dass in den Gesprächen auch immer
wieder die Spekulationen eine Rolle spielten,
Vermutungen, Hinweise auch aus der Bevölkerung
eine Rolle spielten, dass es sich möglicherweise
nicht um einen fremdenfeindlichen Anschlag ge-
handelt haben könnte, sondern um eine Milieu-
straftat, um eine Auseinandersetzung zwischen
Kurden und Türken, um mafiöse Ereignisse und
Zusammenhänge. Das alles spielte ja in den dama-
ligen Wochen und Monaten eine große Rolle.“6095
Der damalige Innenminister Dr. Behrens äußerte sich
weder unmittelbar nach der Tat noch im weiteren Verlauf
der Ermittlungen öffentlich zu dem Nagelbombenan-
schlag.
6096
Diese Zurückhaltung hat der Zeuge
Dr. Behrens damit erklärt, dass sein Verhalten zwischen
ihm und seiner Behörde, nicht aber mit dem Ministerprä-
sidenten abgestimmt gewesen sei. Seine Zurückhaltung
habe sicherlich auch damit zusammengehangen, dass
niemand die Hintergründe in Köln genau gekannt habe.
Zudem hat er erklärt, dass keine Medienstrategie, insbe-
sondere keine Medienstrategie des Schweigens, dahinter
gestanden habe. Es habe sich schlicht um Zurückhaltung
gehandelt, hier durch öffentliche Äußerungen festzulegen,
welche Hintergründe dieser Anschlag gehabt haben kön-
ne.
6097
Dies entspreche seiner Linie.
Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr.
Behrens, besuchte damals den Tatort nicht. Als Zeuge hat
Dr. Behrens erklärt, er habe nicht mit Opfern des An-
schlags gesprochen.
6098
Im Nachhinein betrachtet hätte er
dies besser tun sollen. Hierzu hat er ausgeführt:
„Diese Frage stellt sich einem Innenminister oft,
wenn etwas passiert ist: Ist man vor Ort? Ist man
nicht vor Ort? Wann muss man vor Ort sein? Das
muss man von Fall zu Fall abwägen. Es gibt einer-
seits die Gefahr einer Art Sensationstourismus, den
auch ein Minister oder ein Ministerpräsident aus-
lösen kann mit Besuchen an einem Ereignisort –
egal was es ist –, der der Sache nicht dienlich ist.
Es gibt auf der anderen Seite auch die politische
Notwendigkeit, Betroffenheit zu zeigen, auch
durch Besuche bei Opfern oder Geschädigten. Da-
zwischen abzuwägen, ist immer sehr schwierig.
6095) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 13, 14.
6096) Weitere Ausführungen hierzu unter H.II.1.b)cc).
6097) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 68.
6098) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 6, 7.
Im konkreten Fall habe ich mich anders entschie-
den, jedenfalls damals kurzfristig und bisher auch
langfristig. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, es
wäre wahrscheinlich im Falle der Keupstraße rich-
tiger gewesen, sich kurzfristig in Köln vor Ort
auch umzuschauen. Das muss ich einräumen. Das
sehe ich heute als ein Versäumnis an.“6099
Die Motive dafür, dass er nicht spontan nach Köln gefah-
ren sei, könne er heute nicht mehr genau schildern. Daran
habe er keine Erinnerung mehr. Möglicherweise sei für
ihn aber die Erwägung maßgeblich gewesen, dass man
noch gar nicht wisse, was los sei und in welche Richtung
man sich dort bewegen müsse.
6100
Wenige Tage nach dem Anschlag besuchte der türkische
Botschafter Mehmet Ali Irtemcelik die Keupstraße und
verurteilte den Nagelbombenanschlag als terroristischen
Akt.
6101
Auf die Frage, ob er von dem Besuch damals
Kenntnis erhalten habe, erklärte der Zeuge Dr. Behrens,
dies sei sicherlich der Fall gewesen. Er meine, er sei nicht
gefragt worden, ob er mitkomme. Eine solche Verfah-
rensweise wäre ungewöhnlich gewesen, da für die Lan-
desebene die Generalkonsulin und für die Botschafter die
Bundesebene zuständig sei.
6102
Der Zeuge Dr. Behrens hat ausgesagt, er könne sich nicht
mehr daran erinnern, ob es einen Kontakt zwischen ihm
und dem Ministerpräsidenten Steinbrück nach dem Na-
gelbombenanschlag gegeben habe. Es spreche aber eine
Vermutung dafür, weil er in solchen Fällen in der Regel
mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten telefoniert ha-
be.
6103
Den Akten kann nicht entnommen werden, dass der da-
malige Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Stein-
brück, mit dem Nagelbombenanschlag dienstlich befasst
war.
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsex-
tremismus/Rechtsterrorismus in
Nordrhein-Westfalen zur Tatzeit
Aus Anlass des verhinderten Anschlags durch die „Kame-
radschaft Süd“ auf den Synagogenneubau in München
(Fall Wiese) am 9. November 2003 fertigte die Abteilung
6 im Innenministerium Nordrhein-Westfalen am
15. September 2003 einen Vermerk für den Minister. Dort
wurde auch zu der Gefahr rechtsterroristischer Anschläge
in Nordrhein-Westfalen Stellung genommen:
„Im Zusammenhang mit den Anschlagsplänen in
München sind hier bisher allerdings keine Perso-
nen bekannt geworden, die nähere Verbindungen
nach NRW hatten. Zwar gab es in der Vergangen-
heit und gibt es wohl noch immer gewisse Kontak-
6099) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 50.
6100) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 51.
6101) dpa-Meldung vom 18. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 148.
6102) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 42.
6103) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 703 – Drucksache 17/14600
te zwischen nordrhein-westfälischen und bayeri-
schen Neonazis, doch sind die entsprechenden Per-
sonen bisher nicht in Verbindung mit den aktuellen
Ermittlungen in München genannt worden. Soweit
sich die bisherigen Ermittlungen einschätzen las-
sen, bestehen aktuell eher Querverbindungen nach
Ostdeutschland.
In NRW sind bislang allerdings keine Entwicklun-
gen erkennbar, die auf einen organisierten Rechts-
terrorismus hindeuten. Nach bisheriger Einschät-
zung dürften in NRW für eine ‚braune RAF‘ vor
allem Konzepte, Infrastrukturen und strategische
Köpfe fehlen (so z. B. die Ausführungen im NRW-
Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2000 auf
den Seiten 13 und 93). An dieser Einschätzung
wird bei aller gebotenen Vorsicht und der selbst-
verständlichen ‚Binsenweisheit‘, dass es keine
hundertprozentige Sicherheit geben kann, vorerst
festgehalten. Dies umfasst allerdings nicht Ge-
waltakte mit terroristischem Einschlag von Einzel-
personen oder Kleinstgruppen, deren Planungen
naturgemäß im Vorfeld nur sehr schwer zu erken-
nen sind.“6104
Der Zeuge Dr. Behrens hat vor dem Ausschuss auf meh-
rere Anschläge hingewiesen, die sich während seiner
Amtszeit als Innenminister in Nordrhein-Westfalen ereig-
net hatten. So sei am 27. Juli 2000 ein Anschlag auf den
Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn verübt worden, der
bisher immer noch nicht habe aufgeklärt werden können.
Am 2. Oktober 2000 habe sich ein Anschlag auf die Sy-
nagoge Düsseldorf ereignet, der schnell habe aufgeklärt
werden können. Weil dort zunächst antisemitische und
fremdenfeindliche Motive nicht hätten ausgeschlossen
werden können, hätten diese beiden Ereignisse zu hefti-
gen innenpolitischen Diskussionen über die Bekämpfung
des Rechtsextremismus und schließlich zur Einleitung des
NPD-Verbotsverfahrens geführt, das maßgeblich unter
seinem Vorsitz in der IMK im Herbst 2000 vorbereitet
worden sei. Im September sei auch das Verbot der neona-
zistischen Skinheadgruppierung „Blood & Honour“ durch
den Bundesinnenminister erfolgt. Er könne sich aber nicht
daran erinnern, ob er die Möglichkeit eines rechtsterroris-
tischen Hintergrundes für den Sprengstoffanschlag in der
Keupstraße angesprochen habe.
Der Zeuge Dr. Möller hat vor dem Untersuchungsaus-
schuss ausgeführt, als ehemaliger Polizeiabteilungsleiter
sei es ihm besonders wichtig gewesen, die Zusam-
menarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei, ins-
besondere den Informationsfluss vom Verfassungsschutz
zur Polizei ständig zu optimieren. Um auch den Strafvoll-
zug und die Staatsanwaltschaften einzubeziehen, habe er
bereits Ende 2000 eine Informationsgruppe zur Be-
obachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer und
rechtsterroristischer bzw. fremdenfeindlicher Gewalttaten
auf Landesebene ins Leben gerufen, um in regelmäßigen
6104) Vermerk der Abteilung 6 Innenministerium Nordrhein-
Westfalen vom 15. September 2003, MAT A NW-6j, Bl. 94.
Besprechungen mit Polizei- und Verfassungsschutzabtei-
lung, Landeskriminalamt und Justizministerium den In-
formationsaustausch im Lande zu verbessern. Die Frage
nach Hinweisen und Erkenntnissen auf einen Rechtsterro-
rismus in Nordrhein-Westfalen oder im Bundesgebiet sei
ein ständiges Thema gewesen. Diese Frage sei insbeson-
dere nach jeder Auswerter- und Beschaffertagung des
Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie bei der Vorbe-
reitung der jährlichen Verfassungsschutzberichte erörtert
worden. Die damaligen Analysen seien zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Existenz einer braunen RAF deshalb
unwahrscheinlich sei, weil es an strategischen Köpfen, an
einer Konzeption und an einer geeigneten Infrastruktur
fehle. Sie seien überzeugt davon gewesen, dass rechtsext-
reme Gruppierungen, aus denen sich terroristische An-
schläge entwickeln könnten, dem Verfassungsschutz
bekannt werden müssten, weil sie sich nicht so wie die
RAF abschotten könnten. Weil man aber gewusst habe,
dass Neonazis eine besondere Affinität zu Gewalttaten
und Waffen hätten, habe man terroristische Anschläge
von Einzeltätern und Kleinstgruppen nicht ausgeschlos-
sen.
6105
Die Frage, ob es Rechtsterrorismus gebe, sei im-
mer dann, wenn im rechten Bereich Gewalt angewendet
worden sei, wieder aufgeworfen und bundesweit disku-
tiert worden.
6106
5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen
a) Maßnahmen des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen zur Erkenntnisgewin-
nung und Zusammenarbeit der Kölner Po-
lizei mit dem Verfassungsschutz
Wie der Lagedokumentation der Polizei vom 9. Juni 2004
zu entnehmen ist, erfolgte um 17.34 Uhr die Informati-
onsweitergabe an den Leiter der Abteilung 6 im Innenmi-
nisterium Nordrhein-Westfalen, Dr. Möller. Um 19.05
Uhr meldete sich ein Mitarbeiter der Abteilung 6 beim
Lagezentrum und bat um weitere Unterrichtung. Um
19.29 Uhr bat das LKA um Übermittlung der Erreichbar-
keiten zweier Mitarbeiter der Abteilung 6.
6107
Der Zeuge
Hofmann hat erklärt, dass es sich bei dem Mitarbeiter der
Abteilung 6, der um 19.05 Uhr mit dem Lagezentrum
telefonierte, um einen Angehörigen des Beschaffungsbe-
reiches Ausländerextremismus gehandelt habe. Ebenso
habe es sich bei den beiden Mitarbeitern, um deren Er-
reichbarkeiten das LKA ersucht habe, um Angehörige
dieses Beschaffungsbereiches gehandelt.
6108
Wie bereits
unter H.II.1.c) dargelegt, nahm auch der für Rechtsextre-
mismus zuständige Mitarbeiter des LfV Nordrhein-
Westfalen, Hofmann, um dessen Rückruf ein Mitarbeiter
6105) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 2, 3.
6106) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 14.
6107) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-
12.
6108) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 14-16.
Drucksache 17/14600 – 704 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
des BfV gebeten hatte, um 19.56 Uhr Kontakt mit dem
Lagezentrum auf.
Der Zeuge Dr. Möller hat ausgeführt, er habe sofort nach
dem Anschlag die Beschaffungsreferate für Ausländerex-
tremismus und Rechtsextremismus angerufen und darum
gebeten, Quellen in der Kölner Szene nach möglichen
Motiven und Hintergründen der Tat zu befragen. Zu-
nächst hätten sie in erster Linie an einen Streit zwischen
Kurden und Türken gedacht und einen Anschlag aus dem
Bereich der PKK für möglich gehalten. Denkbar sei für
sie aber auch eine fremdenfeindliche Motivation gewe-
sen.
6109
Das Rechtsextremismusreferat habe Fehlanzeige
gemeldet. Auch die Quellen im Ausländerbereich hätten
letztlich nur Gerüchte und Spekulationen weitergegeben,
die sie für wenig zielführend gehalten hätten. Sie hätten
feststellen müssen, dass nur Vermutungen wiederholt
worden seien, die in den einschlägigen, in der Kölner
türkischen Gemeinde gelesenen, türkischen Zeitungen
kolportiert worden seien. Für einen fremdenfeindlichen
Hintergrund hätten sich keine Hinweise gefunden. Wie
man heute sehe, hätten sie sich dann zu früh mit anderen
Erklärungsmustern wie organisierte Kriminalität, von der
auch die für die Ermittlungen zuständige Kölner Polizei
ausgegangen sei, zufriedengegeben.
6110
Der Zeuge Hofmann, der seinerzeit Leiter des Beschaf-
fungsreferates deutscher Extremismus in der Verfas-
sungsschutzabteilung des Ministeriums in Nordrhein-
Westfalen war,
6111
hat ausgesagt, er sei mit dem Nagel-
bombenanschlag in der Weise befasst gewesen, dass er
Aufträge an seine V-Leute herausgegeben habe, entspre-
chende Meldungen zu erheben und zu erfassen. Dies sei
aus Eigeninitiative geschehen. Auch habe er vom Leiter
der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium
Nordrhein-Westfalen, Dr. Möller, den Auftrag erhalten,
alle Quellen zu sensibilieren. Auf die Frage, ob es einen
entsprechenden Auftrag der Polizei gegeben habe, hat er
erklärt, die „Beschaffung“ werde in ihrem Haus von der
„Auswertung“ gesteuert. Anfragen polizeilicherseits
müssten in der „Auswertung“ angekommen sein. Bereits
Dr. Möller habe ihm den Auftrag gegeben, alle Quellen,
die auch nur im weitesten Sinne Informationen beschaffen
könnten, zu sensibilisieren. Von daher habe es einer er-
gänzenden Anfrage bei ihm persönlich nicht bedurft. Er
gehe aber davon aus, dass Anfragen von Seiten des Poli-
zeipräsidiums Köln an sein Haus gegangen seien. Die
Nachfragen bei den Quellen im Phänomenbereich Rechts-
extremismus hätten jedoch keinerlei Erkenntnisse zu einer
wie auch immer gearteten Urheberschaft oder Motivation
gebracht. Er selbst sei sich nicht sicher gewesen, dass es
sich nicht um Rechtsextremismus gehandelt habe. Wenn
er diese Sicherheit gehabt hätte, hätte er den Quellen nicht
die Aufträge erteilt, entsprechende Informationen zu er-
heben. Er habe einen rechtsextremistischen Hintergrund
ins Auge gefasst. Durch die Fortschritte der Ermittlungen,
die in Richtung Ausländerextremismus bzw. organisierte
6109) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 3, 6.
6110) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 3.
6111) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 2.
Kriminalität gegangen seien, sei der Anschlag dann aber
nicht als rechts motiviert oder terroristisch eingeordnet
worden.
6112
Der Zeuge Dr. Möller hat ausgesagt, sie hätten sich die
Videobilder mehrfach gemeinsam mit der Polizei in dem
Lagezentrum des Innenministeriums angeschaut. Er kön-
ne sich aber gut daran erinnern, dass die Polizei große
Schwierigkeiten gehabt habe, die Täter zu identifizieren
und zuzuordnen:
„Ich weiß, dass es Wochen gedauert hat - das LKA
hat das ja vornehmlich dann gemacht, gemeinsam
mit der Kölner Polizei, wenn ich das weiß -, inten-
sivst zu versuchen, diese Personen zu enttarnen
oder zu identifizieren, muss man besser sagen. Das
ist erfolglos geblieben.“6113
Ein Bezug zu konkreten Personen, insbesondere rechts-
extremistischen Personen, oder gar zu den Mitgliedern
des Trios, habe in keiner Phase hergestellt werden kön-
nen. Diese drei Namen habe er das erste Mal im Jahr 2011
gehört. Während seiner ganzen Amtszeit habe er mit
diesen Namen nichts zu tun gehabt.
6114
Zu Beginn der Ermittlungen seien Mitarbeiter des Verfas-
sungsschutzes in der Soko beteiligt gewesen. Ihm sei
dann aber berichtet worden, dass die Kölner Polizei sich
festgelegt habe und vorrangig in Sachen organisierte
Kriminalität ermittle. Damit sei der Bezug zum Verfas-
sungsschutz abgeschnitten gewesen, da der Verfassungs-
schutz Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu Bayern auf
diesem Gebiet keine Zuständigkeiten habe. Die Ermitt-
lungen seien dann als Polizeifall in einem nichtpolitischen
Bereich weitergelaufen. Vermutlich sei die Tätigkeit
seiner Mitarbeiter in dieser Arbeitsgruppe ziemlich bald
eingestellt worden, weil sie zu diesem Bereich nichts
hätten beitragen können.
6115
Zudem hat der Zeuge Dr. Möller ausgesagt, die Polizei
habe sich von sich aus nicht bei ihnen gemeldet, vielmehr
habe es immer wieder Nachfragen des LfV bei der Polizei
gegeben. Er habe immer wieder nachgefragt, ob es neue
Erkenntnisse, Bewertungen und Einschätzungen bei der
Polizei gebe, habe aber dann die Antwort erhalten, die
Polizei gehe nach wie vor von einem rein kriminellen
Hintergrund aus dem Bereich der organisierten Kriminali-
tät aus. Seine Mitarbeiter hätten ihre Erkenntnisse weiter-
gegeben. Die Kölner Polizei müsse aber den Dienstweg
einhalten. Sie könne nicht einfach bei ihm anrufen und
äußern, dass sie jetzt eine bestimmte Meinung vertrete.
Der Kontakt müsse über das Lagezentrum und die Poli-
zeiabteilung hergestellt werden.
6116
Der Zeuge Weber hat ausgesagt, die Polizei habe von
Anfang an den Verfassungsschutz gefragt, ob es allge-
6112) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 6.
6113) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 5.
6114) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 5.
6115) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 9.
6116) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 705 – Drucksache 17/14600
meine Erkenntnisse gebe, die ihr im Bereich Keupstraße
die Ermittlungen betreffend weiterhelfen könnten. Diese
Kontakte seien über ihren Staatsschutz, als der Dienststel-
le, die normalerweise die Kontakte zum Verfassungs-
schutz habe, gelaufen. Sie hätten immer wieder nachge-
fragt, ob es seitens des Verfassungsschutzes Erkenntnisse
gebe bzw. auch die Möglichkeit, mit irgendwelchen Ver-
trauensleuten Erkenntnisse zu erlangen. Sie hätten aber
nie irgendwelche konkreten Ermittlungsansätze oder
Spuren erhalten, die sie weitergebracht hätten. Es seien
Anfragen gestellt worden, die negativ beschieden worden
seien.
6117
Anfragen seien zwar nicht wöchentlich, aber in
den zwei Jahren wiederholt gestellt worden. Zudem hat
der Zeuge Weber erklärt, er erwarte vom Verfassungs-
schutz in einem solchen Fall Hinweise zu bekommen,
ohne dass eine gezielte Nachfrage erfolgen müsse.
6118
b) Kenntnisse des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen vom BfV Spezial Nr.
21
Bereits unter C.IV.3. ist ausgeführt worden, dass im Juli
2004 ein BfV Spezial Nr. 21 erschien, in dem Sachverhal-
te aus den Jahren 1997 bis 2004 dargestellt wurden, an-
hand derer die Gefahr eines bewaffneten Kampfes von
Rechtsextremisten bis hin zur Bildung rechtsextremisti-
scher Strukturen erörtert wurde. In diesem BfV Spezial Nr.
21 wurde auch auf das Trio Bezug genommen. Die Frage,
ob ihm das BfV Spezial Nr. 21 bekannt gewesen sei, wel-
ches vier Wochen nach der Tat herausgebracht worden
sei, hat der Zeuge Hofmann, der damals Leiter des Be-
schaffungsreferates deutscher Rechtsextremismus in der
Abteilung 6 des Innenministerums Nordrhein-Westfalen
war, verneint. Vermutlich sei dieses in der „Auswertung“
im LfV gelandet, dort verdichtet und komprimiert und in
eigenen Auswertungsergebnissen den Behörden zur Ver-
fügung gestellt worden.
6119
Der Zeuge Dr. Möller, der
damals Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innen-
ministerium Nordrhein-Westfalen war, hat die Frage, ob
er das BfV Spezial Nr. 21 kenne, ebenfalls verneint. Es sei
sicherlich in den Auswertungsreferaten hängen geblieben.
Weshalb keine Bezüge hergestellt worden seien, könne er
nicht sagen.
6120
c) Quellenmeldungen des Verfassungsschut-
zes
In den vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen
übermittelten Akten finden sich Quellenmeldungen zu
damals unter Bewohnern der Keupstraße und in ihrem
Umfeld kursierenden Gerüchten. Eine dieser Meldungen
war zu entnehmen:
„Wie Quelle weiter mitteilte, gehe unter einigen
Geschäftsleuten auf der Keupstraße das Gerücht
6117) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 33.
6118) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 57.
6119) Hofmann, Protokoll-Nr. 34, S. 8, 9.
6120) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 4.
um, dass der Anschlag einen rechtsradikalen Hin-
tergrund haben könne. Dies könne sie, Quelle sich
aber nur schwer vorstellen. Wenn es entsprechende
Hinweise gegeben hätte, wäre dies sicherlich von
einigen linksorientierten türkischen Gruppierungen
wie beispielsweise seinerzeit in Mölln oder Solin-
gen ausgenutzt worden.“6121
Der Zeuge Dr. Möller hat erklärt, er kenne die Quellen-
meldung nicht. Sie sei ihm sicherlich deshalb nicht vorge-
legt worden, weil sich die Quelle durch den Unsinn, den
sie erzählt habe, disqualifiziert habe.
6122
Zur Qualität der
Quellenmeldungen in diesem konkreten Fall hat er ausge-
sagt, dass vor allem Spekulationen geäußert worden seien.
Sie hätten festgestellt, dass nur das wiedergegeben werde,
was in den türkischen Zeitungen stehe. Dies sei überhaupt
nicht hilfreich gewesen. Es habe ja aber auch keinen Be-
zug zur ausländischen Szene gegeben, sodass diese tat-
sächlich nichts hätten erzählen können.
6123
Bezüglich der
Gewichtung der Quellen hat der Zeuge Dr. Möller ausge-
führt, es habe im Rechtsextremismus immer die meisten
Quellen gegeben, weil diese am leichtesten zu gewinnen
seien.
6124
d) Kritik am Verfassungsschutz aus den Er-
mittlungsbehörden
In einem Gedächtnisprotokoll über eine Besprechung vom
29. November 2006, welches erst am 21. März 2012 er-
stellt wurde, schilderte EKHK S. folgenden Sachverhalt:
Auf der Keupstraße seien seit Juni 2005 Verdeckte Er-
mittler und Vertrauenspersonen eingesetzt worden. Ende
Herbst 2005 habe die EG „Sprengstoff“ festgestellt, dass
mehrere Dienststellen des Polizeipräsidiums Köln sowie
auch andere Behörden unabhängig voneinander Ermitt-
lungen auf der Keupstraße führten und verdeckte Maß-
nahmen betrieben. Anfang 2006 sei entschieden worden,
dass das KK 21 die Koordinierung möglicher Verfahren
übernehmen solle. Zusammenfassend könne gesagt wer-
den, dass die Zusammenarbeit nicht sonderlich geklappt
habe und von Misstrauen geprägt gewesen sei. Da es
offensichtlich sehr unterschiedliche Wissensstände über
den Stand der Ermittlungen in den einzelnen anhängigen
Verfahren gegeben habe, habe am 29. November 2006
eine Besprechung im Polizeipräsidium Köln stattgefun-
den. In dem Gedächtnisprotokoll stellte EKHK S. fest:
„Ebenso ist mir deutlich in Erinnerung geblieben,
weil in dieser Form noch nicht erlebt, dass seitens
der anwesenden Herren sowohl des Landes- als
auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz kei-
nerlei Beitrag geleistet wurde und alle Fragen in
punkto Erkenntnisse oder möglichen Einsatzes von
Vertrauensleuten nicht beantwortet wurden.
6121) Quellenmeldung ohne Datum, MAT A NW-6/1 (Tgb.-Nr.
19/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 67, 68 (VS-NfD).
6122) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 11.
6123) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 14.
6124) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 16.
Drucksache 17/14600 – 706 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Abschließend kann festgehalten werden, dass die
Besprechung im Hinblick auf eine Sachaufklärung
als auch einer besseren Zusammenarbeit wenig
hilfreich war.“6125
Aus der Teilnehmerliste für die Besprechung geht hervor,
dass Vertreter des Polizeipräsidiums Köln, des LKA
Nordrhein-Westfalen, der Staatsanwaltschaft, des BfV,
des LfV, des BKA und eines Zollfahndungsamtes anwe-
send waren.
6126
Der Zeuge Weber hat hierzu ausgesagt, dass die Ermitt-
lungen nur örtlich einen gemeinsamen Bezug gehabt
hätten. Lediglich seine Ermittlungsgruppe sei mit dem
Nagelbombenanschlag befasst gewesen. Bei der Bespre-
chung sei versucht worden, Informationen auszutauschen,
um zu vermeiden, dass man sich ins Gehege komme.
6127
Die Feststellungen des EKHK S. in dem Gedächtnispro-
tokoll hat er für zutreffend erachtet. Für die EG „Spreng-
stoff“ habe diese Besprechung keinerlei neue Erkenntnis-
se oder Ermittlungsansätze geliefert.
6128
An dieser Besprechung nahm auch der Zeuge Wolf als
Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Er hat ausgesagt, er
habe sich erhofft, durch die Besprechung einen Ansatz zu
erhalten, um in dem Verfahren weiterzukommen und zu
überlegen, was man noch sinnvollerweise an Ermittlungs-
schritten aufbauen könne. Denn es sei ihm selten passiert,
dass man so auf der Stelle getreten sei. Es wäre durchaus
denkbar gewesen, nützliche Erkenntnisse zur Aufklärung
des Sprengstoffanschlags von jemandem zu erhalten, der
mit der Zielsetzung in der Keupstraße ermittle, ein OK-
Delikt aufzuklären. Er sei nach dem Gespräch sehr frus-
triert gewesen und habe sich gefragt, warum man sich
zusammengesetzt habe. Es sei überhaupt kein Stück Be-
wegung in die Sache reingekommen. Nach seiner Ein-
schätzung habe das Verfahren dadurch in keiner Weise
irgendeine Förderung erfahren.
6129
6. Aktivitäten des BfV
a) Erste Reaktionen des BfV zur Unterstüt-
zung der Ermittlungen
Wie auch andere Behörden wurde das BfV von dem Na-
gelbombenanschlag mit Fernschreiben vom 9. Juni 2004
in Kenntnis gesetzt.
6130
Der Zeuge Fromm hat auf eine
entsprechende Frage hin gesagt, dass er selbst an diesem
Tag nicht gebeten worden sei, initiativ zu werden. Norma-
lerweise laufe dieses unter Kollegen auf der Arbeitsebene.
Es komme eine Nachricht oder ein Anruf mit den vorhan-
6125) Gedächtnisprotokoll vom 21. März 2012, MAT A NW-4/3
(Tgb.-Nr. 17/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 8, 9 (VS-NfD).
6126) Teilnehmerliste MAT A NW-4/3 (Tgb.-Nr. 17/12 - VS-
VERTRAULICH), Bl. 3-6.
6127) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 33.
6128) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 33.
6129) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 75-77.
6130) E-Mail-Schriftverkehr vom 9. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e,
Bl. 53-60.
denen Informationen rein. Damit sei die Bitte verbunden,
alles abzuprüfen. Er nehme an, es sei auch in diesem Fall
angerufen worden, wisse dies aber nicht. Er gehe davon
aus, dass dies in dem vorliegenden Fall sach- und fachge-
recht gemacht worden sei und dass die dem BfV vorlie-
genden Erkenntnisse unmittelbar mitgeteilt worden sei-
en.
6131
Eine erste Reaktion des BfV erfolgte, wie bereits unter
H.II.1.c) dargelegt, indem ein Mitarbeiter des BfV im
Lagezentrum Nordrhein-Westfalen anrief und um Kon-
taktherstellung mit einem Mitarbeiter des nordrhein-
westfälischen Verfassungsschutzes bat. Bereits am
10. Juni 2004 erklärte der Pressesprecher des BfV, die
Ermittlungen gingen in Richtung Organisierte Kriminali-
tät.
6132
Der Zeuge Fromm hat ausgesagt, er habe sich von der
frühen Festlegung des damaligen Bundesinnenministers
Schily hinsichtlich des Tatmotivs nicht beeinflussen las-
sen. Für die Fachleute beim BfV und auch für ihn sei ganz
klar gewesen, dass man gleichwohl die vorhandenen
Möglichkeiten prüfe müsse. Sie hätten dann ja auch die
„Combat 18“-Vorgänge oder die Nagelbombe in London
zum Anlass genommen, den Sachverhalt eigenständig zu
bewerten. Die Äußerungen der Ermittlungsbehörden und
auch der Politik seien von ihnen zur Kenntnis genommen
worden. Dies sei aber nicht das Ende ihrer Ermittlungen
gewesen. Sie seien dem – leider ohne Erfolg – weiter
nachgegangen.
6133
b) Analyse der Tätervideos
Eine weitere vom BfV vorgenommene Maßnahme war
die Auswertung der Tätervideos. Der Zeuge Cremer hat
ausgesagt, das BfV habe seine Observanten aus dem
Rechtsextremismusbereich angehalten, die im Internet zur
Verfügung stehenden Tätervideos zu sichten. Die Obser-
vanten hätten sich die Videos daraufhin so häufig angese-
hen, dass sie ein paar Tage später Besuch von der Polizei
bekommen hätten, da die Homepage überwacht worden
sei. Ein Zusammenhang mit dem flüchtigen Trio habe
sich daraus nicht herleiten lassen.
6134
Auch der Zeuge
Kippenborck, der von 1999 bis 2006 als Sachbearbeiter
im für Rechtsterrorismus zuständigen Referat im BfV
tätig war und in dessen Zuständigkeitsbereich die Suche
nach dem Trio fiel, hat ausgesagt, er habe sich das Video
angesehen, sei aber nicht auf den Gedanken gekommen,
dass es sich bei den schiebenden Radfahrern um die Per-
sonen handeln könne, über die im BfV Spezial im Jahr
2004 berichtet worden sei. Konkret hat er hierzu ausge-
führt:
„Die Fotos waren bekannt, natürlich. Also, ich
weiß jetzt nicht, ob sie mir jetzt so geläufig waren,
dass ich die, wenn ich jetzt ein Fahndungsvideo
6131) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 16.
6132) Siehe hierzu unter H.II.1.d)cc).
6133) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 55.
6134) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 68, 88.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 707 – Drucksache 17/14600
sehe, zuordnen könnte. Darüber hinaus waren jetzt
auch die Gesichter - ich meine, da werden Sie mir
beipflichten - auch nicht sonderlich gut zu se-
hen.“6135
c) Dossier des BfV zum Sprengstoffanschlag
vom 9. Juni 2004: „Combat 18“
Am 8. Juli 2004 verfasste das BfV ein Dossier zum
Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004. Die Zeugen
Fromm und Cremer haben übereinstimmend erklärt, dass
dieses eigeninitiativ durch das BfV erstellt worden sei.
6136
In dem Dossier wurde ausgeführt, dass aufgrund der nach
derzeitigem Ermittlungsstand ungeklärten Motivlage des
Täters neben einem allgemeinkriminellen Hintergrund
auch eine rechtsextremistische Motivation der Tat bislang
nicht auszuschließen sei. Unter diesem Gesichtspunkt
nahm das BfV einen Vergleich mit entsprechenden Akti-
vitäten und Konzepten von gewaltorientierten Rechtsext-
remisten mit ähnlicher Vorgehensweise hinsichtlich der
Auswahl des Anschlagzieles sowie der Tatausführung
vor. Bereits einleitend merkte es an, dass es im Jahr 2001
in Köln einen Sprengstoffanschlag auf ein Lebensmittel-
geschäft einer iranischen Familie in der Probsteigasse in
Köln gegeben habe und auch damals die Hintergründe der
Tat nicht hätten geklärt werden können.
Das BfV verglich den Nagelbombenanschlag in der Köl-
ner Keupstraße mit einer Serie von Nagelbombenanschlä-
gen, die sich im April 1999 in London ereignet hätten und
die als Muster gedient haben könnten. Diese Anschlagsse-
rie sei zunächst mit der militanten neonazistischen Orga-
nisation „Combat-18“ in Verbindung gebracht worden.
Später habe sich herausgestellt, dass es sich bei dem fest-
genommenen David C. um einen Einzeltäter gehandelt
habe.
Das BfV stellte fest:
„Der Anschlag in Köln erinnert wegen der Ver-
wendung einer Nagelbombe und des Tatortes in
einem vorwiegend von Ausländern bewohnten
Stadtteil an diese Anschlagsserie.“
Im Weiteren verglich das BfV eine Anleitung zum Bau
einer Nagelbombe, die in der englischsprachigen Ausgabe
der „C 18“-Publikation Stormer No. 2 erschienen war, mit
dem Kölner Nagelbombenanschlag. Unter der Überschrift
„How to build a Dave C. Special“ sei dort eine detaillierte
Anleitung zum Bau des von C. verwendeten Nagelbom-
bentyps zu finden gewesen. Die Publikation habe zudem
die Aufforderung enthalten, C.s „heroische“ Taten nach-
zuahmen.
Das BfV gelangte zu dem Ergebnis, dass ein Vergleich
zwischen der in der o. a. Publikation veröffentlichten
Bombenbauanleitung und der Zusammensetzung des in
6135) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 7.
6136) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 29; Cremer, Protokoll-Nr. 24,
S. 67.
Köln verwendeten Sprengkörpers nur unwesentliche
Übereinstimmungen ergeben habe.
Wörtlich heißt es in dem Vermerk:
„Ein Vergleich zwischen der in der o. a. Publikati-
on veröffentlichten Bombenbauanleitung und der
Zusammensetzung des in Köln verwendeten
Sprengkörpers ergab lediglich unwesentliche
Übereinstimmungen.
So handelt es sich bei dem Sprengstoff in beiden
Fällen um Schwarzpulver. Ebenso erfolgt die Zün-
dung beider Sprengkörper in beiden Fällen mit ent-
fernten bzw. geöffneten Glaskolben.
Große Unterschiede ergeben sich hingegen bei
dem Vergleich der jeweiligen Zündauslösung.
Während die ‚C.-Bombe‘ mittels einer Quarz-
wanduhr als Zeitzünder zur Umsetzung gebracht
werden soll, wurde die Zündung der ‚Kölner-
Bombe‘ durch eine hochwertige Funkfernsteue-
rung für Flugzeugmodelle ausgelöst. Weitere Un-
terschiede ergeben sich hinsichtlich des Ausbaus
der Sprengkörper. […]
Zusammenfassend ist zu bemerken, dass bei der
Zusammensetzung der ‚Kölner-Bombe‘, insbeson-
dere in Bezug auf deren Zündung, von einem ge-
wissen technischen Verständnis des Täters auszu-
gehen ist. Im Vergleich dazu weist die ‚C.-Bombe‘
einen weitaus schlichteren Aufbau auf, der auch
von Personen mit weniger ausgeprägten techni-
schen Fertigkeiten nachvollzogen werden
kann.“6137
Darüber hinaus wies das BfV auf ein von „Combat 18“
propagiertes zu Gewalt aufrufendes Konzept in der Aus-
einandersetzung mit dem politischen Gegner hin. So ver-
wies es auf Veröffentlichungen im Stormer (Nr. 1 der
deutschen Ausgabe), in denen die Frage nach gewaltsa-
men Aktionen aufgeworfen worden sei. Wörtlich sei dort
zitiert worden:
„Der Vorteil wäre auch, das niemand darum heu-
len würde, wenn es ab und an mal einen
Zuhälterkanaken oder Dealer treffen würde. Auch
der Verfolgungsdruck durch ZOG wäre nicht so
groß. [...]
Einen ausländischen Zuhälter macht man relativ
leicht ausfindig. Man beobachtet die Rotlichtbe-
zirke seiner Stadt, merkt sich die Kanaken die dort
regelmäßig auftauchen.“6138
Der Bericht des BfV wies explizit darauf hin, dass
„Combat 18“ auch in der rechtsextremistischen Szene in
Deutschland bekannt und beliebt sei und verwies darauf,
dass sich Hinweise auf Sympathisanten von „Combat 18“
im Bereich Köln aus dem Bestand der Mitgliederliste des
Forums der Homepage http://www.combat18.org ergä-
6137) MAT A BfV-4 Bl. 37 f. (herabgestufter Auszug).
6138) MAT A BfV-4, Bl. 39 (herabgestufter Auszug).
Drucksache 17/14600 – 708 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ben. Mit Stand vom 30. Juni 2004 hätten sich unter den
477 deutschen Forumsmitgliedern insgesamt 13 Nutzer
befunden, die eigenen Angaben zufolge in Köln und Um-
gebung ansässig waren.
6139
Abschließend berichtete das BfV von einer Recherche in
dem Datenbestand von NADIS nach männlichen Perso-
nen im Alter zwischen 20 und 30 mit Wohnort Köln. Es
habe hierbei vier Personen ermittelt, die bereits durch
Taten wie Brandanschläge, Körperverletzungen o. ä.
auffällig geworden seien. Nur eine von ihnen, nämlich
T. R., weise eine Affinität zu Sprengstoff bzw. zum Bom-
benbau auf. Über die vorliegenden Erkenntnisse zu T. R.
sei das Polizeipräsidium Köln bereits telefonisch infor-
miert worden. Es werde den Hinweis in die laufenden
Ermittlungen einbeziehen.
6140
Die Begrenzung der Recherche des BfV auf Personen aus
dem Kölner Raum hat der Zeuge Fromm damit begründet,
dass die Ermittlungsbehörden angenommen hätten, die
Täter kämen wahrscheinlich aus der Region.
6141
Der Zeu-
ge Cremer, der damals der für Rechtsextremismus zu-
ständige Abteilungsleiter im BfV war, hat ausgesagt, er
meine sich erinnern zu können, dass die Nutzung von
Fahrrädern entscheidend für die Überlegung gewesen sei,
es müsse sich um einen Täter aus Köln oder dem Kölner
Umland handeln.
6142
Zur Zusammenarbeit mit der Kölner Polizei hat der Zeuge
Cremer geäußert, es habe damals – was ungewöhnlich
gewesen sei – unmittelbare Kontakte des Sachbearbeiters
im BfV zum Polizeipräsidium Köln gegeben. Über diesen
Kontakt habe der Kollege den Hinweis weitergegeben.
Darüber hinaus sei das Auswertungsschreiben des BfV an
die Landesbehörde für Verfassungsschutz gegangen. Er
habe damals ausdrücklich verfügt: zur Weitergabe an die
Polizei.
6143
Der Kollege, der den Kontakt mit dem Poli-
zeipräsidium Köln aufgenommen habe, habe ihn vorher
gefragt, ob er dies dürfe und er habe zugestimmt. Dieser
Kollege habe durchaus Biss gehabt, seine Idee direkt an
den Mann zu bringen und nicht an die Verfassungs-
schutzbehörde Nordrhein-Westfalen.
6144
Das Dossier des BfV enthielt auf der Rückseite den hand-
schriftlichen Vermerk:
„Der LfV/NW erhält eine Ausfertigung des Ver-
merks mit der Anregung die Polizei entsprechend
zu unterrichten.“6145
Der Zeuge Dr. Möller hat erklärt, er könne die Frage, ob
das Dossier an die Polizei weitergeleitet worden sei, nicht
6139) Dossier des BfV vom 8. Juli 2004, MAT A BfV-4 (herabgestuf-
ter Auszug), Bl. 39.
6140) Dossier des BfV vom 8. Juli 2004, MAT A BfV-4 (herabgestuf-
ter Auszug), Bl. 35 ff.
6141) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 62.
6142) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 90.
6143) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 77.
6144) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 87, 93.
6145) Dossier des BfV vom 8. Juli 2004, MAT A BfV-4 (herabgestuf-
ter Auszug), Bl. 43.
beantworten. Ihm sei das Dossier nicht bekannt. Eingänge
seien zunächst an die Fachreferate gegangen. Diese hätten
sie dann vorgelegt, wenn sie für wichtig gehalten worden
seien.
6146
Der Zeuge Dr. Möller hat zudem ausgesagt, ihm sei nicht
bekannt, dass die Verfassungsschutzabteilung des Innen-
ministeriums Nordrhein-Westfalen eine Abfrage zu den
13 in dem Dossier des BfV genannten „Combat 18“-
Sympathisanten von der Polizei erhalten habe.
6147
In den
Ermittlungsakten findet sich das Dossier nicht.
Der Zeuge Weber hat sich nicht daran erinnern können,
diese Informationen erhalten zu haben. Er könne dies aber
auch nicht ausschließen.
6148
Ebenso hat der Zeuge
Spliethoff erklärt, dass ihm das Dossier und die hierin
vorgenommenen Tatmittelvergleiche mit den in London
zum Einsatz gekommenen Nagelbomben nicht bekannt
gewesen sei.
6149
Die Zeugin Dobersalzka, Leiterin der Abteilung Rechts-
terrorismus im BfV zum Zeitpunkt des Sprengstoffan-
schlags in der Keupstraße, hat auf Nachfrage im Aus-
schuss die Gründe der Abteilung zur Abfassung des Dos-
siers erläutert:
„Also, wir haben das zur Kenntnis genommen,
dass es Anhaltspunkte geben sollte, die in eine an-
dere Richtung zeigen. Wir haben aber unsere Ein-
schätzung, dass es sehr wohl Rechtsextremisten
gewesen sein könnten - - die wollten wir an die zu-
ständigen Stellen weitertransportieren. Und wir
haben uns gefragt: Was wissen wir denn oder was
könnten wir wissen, was die Polizei nicht weiß?
Und da sind wir davon ausgegangen: Okay, diesen
Hinweis auf ‚Combat 18‘, den hat die ermittelnde
Polizei vielleicht nicht vor Augen. Das müssen wir
weitergeben, auch wenn der Zünder ein anderer ist
als bei der von ‚Combat 18‘ beschriebenen Varian-
te. Von daher haben wir einfach versucht, mit die-
sem Schreiben den Blick der Polizei auch auf ei-
nen möglichen rechtsextremistischen Bezug zu
lenken.“6150
Auf die Frage, warum das Dossier nicht zum Anlass ge-
nommen worden sei, die Tätervideos mit den hierin ge-
nannten Personen abzugleichen, hat der Zeuge Egerton,
der von 1994 bis zum Jahr 2000 im BfV mit der subkultu-
rellen, gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene befasst
war, geantwortet:
„Das Problem für uns bei solchen Anschlägen, wo
zunächst keine Erkenntnisse da sind, ist, dass wir
zunächst mal von der Polizei einen Anfasser be-
kommen müssen, also wir müssen immer mögli-
cherweise darauf hingewiesen werden, sofern wir
6146) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 26.
6147) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 19.
6148) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 50, 56.
6149) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 13.
6150) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 34.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 709 – Drucksache 17/14600
nicht selber darauf kommen: Da ist möglicherwei-
se ein rechtsextremistischer Hintergrund mit da-
bei.“6151
Die Zeugin Hammann, zum Zeitpunkt des Nagelbomben-
anschlags Leiterin des für politisch motivierte Kriminali-
tät zuständigen Referates im BMI, hat ausgeführt, sie
habe keine Kenntnis von dem Dossier des BfV gehabt.
Warum sie dies damals nicht erreicht habe, könne sie
nicht sagen. Zum damaligen Zeitpunkt habe sich ihr
Fachaufsichtsbereich auf das BKA und nicht auf das BfV
bezogen. Die Trennung zwischen den Fachaufsichten sei
damals viel schärfer gewesen.
6152
d) Sprechzettel des BfV für ND-Lage am
5. Oktober 2004
Aus einem Sprechzettel des BfV für die ND-Lage am
5. Oktober 2004 zum Thema „Rechtsextremistische Kri-
minelle als Urheber des Bombenanschlags von Köln?“
geht hervor, dass sich das BfV aufgrund eines Berichts im
Tagesspiegel vom 30. September 2004, wonach es sich
bei zwei Hauptverdächtigen möglicherweise um „abge-
driftete“ Rechtsextremisten handele, mit dieser Frage
befasste. In dem Sprechzettel wurde festgehalten, dass der
Artikel nach telefonischer Auskunft des Polizeipräsidiums
Köln gegenüber dem BfV nicht bestätigt worden sei. Die
Polizei schließe ein fremdenfeindliches Motiv nicht aus,
ein konkreter Tatverdacht gegen Personen aus dem Be-
reich des Rechtsextremismus bestünde momentan jedoch
nicht. Die Polizei gehe davon aus, dass die Tat durch zwei
Täter gemeinsam begangen worden sei, ohne dass sie
einer Organisation angehörten. In seiner Stellungnahme
führte das BfV aus:
„Da auch das BfV ein fremdenfeindliches Motiv
für den Anschlag nicht ausschließen kann, erfolg-
ten in der Abteilung 2 umfangreiche Maßnahmen
zur Eingrenzung eines möglichen rechtsextremisti-
schen Täterkreises. Hierzu erfolgten Quellenbefra-
gungen, umfangreiche Aktennachsuchen sowie
Dateiabfragen (sog. ‚Schreibung‘), welche sich an
dem von der Polizei veröffentlichen Täterprofil
orientierten. Von den erfassten Personen wurde le-
diglich bei T. R. eine Affinität zu Sprengstoff bzw.
zum Bombenbau deutlich. Durch das BfV erfolgte
ein Hinweis zu R. an die Polizei.
Darüber hinaus erfolgte ein Vergleich zwischen
der in der englischsprachigen Ausgabe der ‚C18‘-
Publikation Stormer No. 2 veröffentlichten Anlei-
tung zum Bau einer Nagelbombe mit der Zusam-
mensetzung des in Köln verwendeten Sprengkör-
pers. Dabei ergaben sich lediglich unwesentliche
Übereinstimmungen.“6153
6151) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 31.
6152) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 20, 21.
6153) Sprechzettel für die ND-Lage am 5. Oktober 2004, MAT A
BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 65, 66 (VS-
NfD).
7. In welcher Weise war das BMI in die Er-
mittlungen eingebunden?
a) Erkenntnisse des BMI zum Nagelbomben-
anschlag
aa) Erstinformation des BMI durch das LKA
Nordrhein-Westfalen und darauf erfolgte
Reaktionen
Wie bereits unter H.II.1.b)aa) dargelegt, wurde das BMI
am 9. Juni 2004 durch zwei aufeinanderfolgende E-Mails
über den Nagelbombenanschlag unterrichtet. Beide E-
Mails wurden um 17.46 Uhr und 18.02 Uhr an die Zeugin
Hammann, die zu diesem Zeitpunkt Leiterin des Referates
P II 5 im BMI war, weitergeleitet.
6154
Die Zeugin Ham-
mann hat ausgesagt, sie könne sich heute nicht mehr da-
ran erinnern, eine E-Mail mit der Betreffzeile „Terroristi-
sche Gewaltkriminalität“ erhalten zu haben. Auch an die
Korrektur dieser Erstmeldung könne sie sich nicht mehr
erinnern. Sie habe hieraufhin am 9. oder 10. Juni 2004
einen Erlass an das BKA mit der Bitte um Berichterstat-
tung aufgesetzt. Diese Berichterstattung sei dann am
11. Juni 2004 eingegangen und an die Hausleitung trans-
portiert worden.
6155
Sie hat weiterhin erklärt, sie wisse
nicht mehr, welche weiteren Schritte sie unternommen
habe. Ein handschriftlicher Vermerk auf einer E-Mail
vom 9. Juni 2004
6156
lege nahe, dass sie die darin enthal-
tenen Informationen über eine Nachfrage in Erfahrung
gebracht habe. Ihr sei aber nicht mehr in Erinnerung, mit
wem sie telefoniert habe.
6157
Auf dieser E-Mail hatte die Zeugin Hammann hand-
schriftlich notiert:
– „2 Geschäfte betroffen (Friseur, Juwelier)
– 10 – 15 Verletzte
1 Detonation?
Keupstr. (türkisches Wohn- und Ge-
schäftsviertel)
Umfeld hoher allg. Krim.
Zimmermannsnägel“6158
Die Zeugin hat eingeräumt, dass die Bemerkung „Umfeld
hoher allg. Krim.“ eine falsche Blickrichtung auf einen
Sprengstoffanschlag leiten und ein Anhaltspunkt für eine
falsche Einschätzung sein könne.
6159
6154) MAT A BMI-4/57e, Bl. 57, 59.
6155) Weiteres zum Werdegang der Ministervorlage unter
H.II.7.a)dd).
6156) E-Mail vom 9. Juni 2004, 17.46 Uhr, MAT A BMI-4/57e,
Bl. 57.
6157) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 5, 6.
6158) E-Mail vom 9. Juni 2004, 17.46 Uhr, MAT A BMI-4/57e,
Bl. 57.
6159) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 17.
Drucksache 17/14600 – 710 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auch könne sie sich nicht mehr daran erinnern, den Mi-
nister aufgrund dieser E-Mail informiert zu haben. Anlass
für die Unterrichtung des Ministers sei aber immer ein
Bericht des BKA, den sie erst dazu habe einholen müs-
sen.
6160
Sie habe in den ersten Tagen nach der Tat keinen
direkten Kontakt mit dem Minister gehabt.
6161
bb) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004
In einer Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004 für
den Berichtszeitraum vom 9. Juni 2004, 6 Uhr bis zum
10. Juni 2004, 6 Uhr wurde aufgrund von Informationen
des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen und des
BKA über den Nagelbombenanschlag berichtet. Während
die Überschrift „Politisch motivierte Straftaten“ nicht mit
Inhalt gefüllt wurde, hieß es unter „Organisierte und all-
gemeine Kriminalität“:
„09.06. Anschlag auf Wohn- und Geschäftshaus
Unbekannte Täter verübten gegen 16.00 Uhr einen
Anschlag in einer Wohn- und Geschäftsstraße im
Ortsteil Mühlheim. Vor einem Friseurgeschäft ex-
plodierte ein offenbar mit Nägeln gefüllter Spreng-
satz. Dabei wurden bisher 22 Menschen verletzt,
drei davon schwer, eine Person lebensgefährlich.
Erste Ermittlungen haben ergeben, dass ein Me-
tallbehälter mit mehreren hundert Nägeln zur De-
tonation gebracht wurde. Über Täter oder Tathin-
tergrund liegen bisher keine Erkenntnisse vor. Ein
terroristischer Hintergrund wird derzeit ausge-
schlossen.“6162
Fraglich ist, wie es zu der Änderung der Formulierung
„Es liegen keine Hinweise auf terroristische Gewaltkrimi-
nalität vor“ zu „Ein terroristischer Hintergrund wird der-
zeit ausgeschlossen“ gekommen ist. Hierzu hat der Zeuge
Dr. Behrens geäußert, dies könne er nicht erklären. Die
dort enthaltene Aussage sei falsch. Ausgeschlossen habe
einen terroristischen Anschlag zu dem Zeitpunkt nie-
mand. Zudem hat er ausgeführt:
„Entschuldigung, wenn ich das recht sehe, ist der
Schriftwechsel, der hier ja auch zitiert wird, mit
der Änderung des Betreffs und all die anderen
Dinge, die Lagefortschreibung Nr. 1 – bis ich weiß
nicht wie viel – ist ja auch immer im polizei- und
behördeninternen Austausch an das Bundesinnen-
ministerium, an die Bundesbehörden gegangen. In-
sofern kann es da keinen unterschiedlichen Infor-
mationsstand gegeben haben. Also ist der Informa-
tionsstand, den das Lagezentrum Nordrhein-
Westfalen über die Berichterstattung aus Köln,
Bezirksregierung Köln, Innenministerium
Nordrhein-Westfalen, bundesweit verteilt hat, die
maßgebliche Grundlage der Beurteilung. Und
wenn das Lagezentrum des Bundesinnenministeri-
6160) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 5, 6.
6161) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 14.
6162) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004, MAT A BMI-
4/57e, Bl. 72.
ums da einen Betreff oder eine Bezeichnung än-
dert, dann weiß ich nicht, warum das dort gesche-
hen ist. Ich kann es Ihnen jedenfalls nicht erklä-
ren.“6163
Die Zeugin Hammann hat hierzu erklärt, sie sei an der
Erstellung des Lageberichts nicht beteiligt gewesen. Die
Lageberichte seien eigenständig im Lagezentrum erstellt
worden und hätten auf den Zulieferungen der Polizeibe-
hörden aus Bund und Ländern basiert. Das Fachreferat sei
bei der Erstellung nicht eingebunden gewesen.
6164
Die
Lageberichte würden einmal täglich hausweit gesteuert.
Ihr sei aber nicht aufgefallen, dass diese Meldung, in der
ein terroristischer Hintergrund ausgeschlossen worden sei,
nicht mit den sonstigen Erkenntnislagen übereinstimm-
te.
6165
cc) Unterrichtung des BMI durch BKA
Am 11. Juni 2004 wurde das Referat P II 5 im Bundesmi-
nisterium des Innern vom BKA über den Anschlag in
Köln-Mülheim unterrichtet. In dem Schreiben wurde
ausgeführt:
„Unterstützung der Tatortgruppe des LKA
Nordrhein-Westfalen im Rahmen der mittlerweile
abgeschlossenen Tatortaufnahme erfolgte durch
zwei Beamte des BKA – ZD 11. Hinweise über
Täter sowie Erkenntnisse zur möglichen Zielrich-
tung des Anschlags liegen derzeit nicht vor; insbe-
sondere sind keinerlei Anhaltspunkte für einen et-
waigen terroristischen Hintergrund vorhanden.
Innerhalb des BKA erfolgt die weitere Sachbear-
beitung gemäß Absprache zwischen den Abteilun-
gen ST und OA durch OA 12.“6166
Weitere Unterrichtungen erfolgten mit Sprechzetteln des
BKA für die ND-Lagen am 15., 22. und 29. Juni 2004.
6167
dd) Ministervorlage vom 11. Juni 2004
Am 11. Juni 2004 wurde eine Ministervorlage durch das
Referat P II 5 erstellt. Unterzeichnerin der Vorlage war
die Zeugin Hammann. Mit der Vorlage sollte der Minister
über den Sachstand unterrichtet werden. In der Vorlage
wurde ausgeführt:
„Derzeit liegen keine Erkenntnisse über Motive
oder Täter vor, insbesondere sind keinerlei An-
haltspunkte für einen etwaigen terroristischen Hin-
tergrund vorhanden. Dementsprechend ist auch ei-
ne Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch
den GBA nicht beabsichtigt. Innerhalb des BKA
wurde der Fall zur weiteren Bearbeitung an die
6163) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 36.
6164) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 4.
6165) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 21.
6166) Schreiben des BKA vom 11. Juni 2004, MAT A BMI 4/57e, Bl.
88 f.
6167) Siehe unter H.II.2.c)bb)aaa).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 711 – Drucksache 17/14600
Abteilung ‚organisierte und allgemeine Kriminali-
tät‘ (OA) abgegeben.“6168
Die Zeugin Hammann hat ausgesagt, dass die in der Vor-
lage enthaltene Bewertung auf der Grundlage des BKA-
Berichts vorgenommen worden sei. Sie habe keine weite-
re Rücksprache zu dem Sachverhalt gehalten.
6169
Die Art
der Tatbegehung habe zwar auf einen Anschlag, nicht
aber auf ein Tatmotiv hingedeutet.
6170
Sie habe Anhalts-
punkte und keine Spekulationen an die Hausleitung her-
anzutragen, es sei denn, es lägen Widersprüche vor. Zu
diesem Zeitpunkt hätten jedoch keine Anhaltspunkte
vorgelegen. Sie habe aber auch keine Möglichkeit ausge-
schlossen.
6171
Die Zeugin hat aber eingeräumt, dass dem
Vorgang in der Retrospektive zu wenig Bedeutung zuge-
messen worden sei.
6172
Die Zeugin Hammann hat erklärt, die Ministervorlage
habe die Hausleitung nicht erreicht. Sie sei vom damali-
gen Unterabteilungsleiter P. am 11. Juni 2004 mit der
Bemerkung, er könne die Notwendigkeit der Vorlage
nicht erkennen, versehen worden. Der Abteilungsleiter K.
habe am 14. Juni 2004 die Anmerkung hinzugefügt, dass
der Sachverhalt bekannt sei. Der Vermerk:
„Rücklauf
Vorlage wurde seitens UAL P I/AL P als nicht er-
forderlich angesehen und deshalb an P II 5 zu-
rückgegeben.“6173
stamme von ihr.
6174
Sie habe sich nicht darüber gewun-
dert, dass die Vorlage dem Minister nicht vorgelegt wor-
den sei, da sie davon ausgehe, dass bei solchen Sachver-
halten ein ständiger Kontakt des Ministers mit dem Lage-
zentrum und gegebenenfalls auch der BKA- oder BfV-
Hausleitung bestehe.
6175
In einer E-Mail vom 14. Juni 2004 an einen Mitarbeiter
führte die Zeugin Hammann aus:
„Ja, die Vorlage hat mich bereits wieder erreicht
und läuft jetzt auf Sie und Herrn S. zur Kenntnis-
nahme zu. Dann nichts wie ab in die Registratur.
Wir sollten den Vorgang aber weiter mitverfolgen,
um mögliche Anzeichen für einen doch irgendwie
gearteten staatsschutzrelevanten Hintergrund früh-
zeitig zu bemerken.“6176
Die Zeugin Hammann hat ausgesagt, sie könne sich nicht
mehr daran erinnern, welche Maßnahmen sie ergriffen
6168) Ministervorlage vom 11. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e,
Bl. 95-98.
6169) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 9.
6170) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 10.
6171) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 13.
6172) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 15.
6173) Ministervorlage vom 11. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e,
Bl. 95-98.
6174) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 12.
6175) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 9.
6176) E-Mail vom 14. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 109.
habe, um den Vorgang mitzuverfolgen.
6177
Sie habe eine
entsprechende Verfügung für den damaligen Bearbeiter
vorgenommen. Weitere Spuren in den Akten für eine
Nachverfolgung durch sie gebe es nicht. Auch habe sie
keinen weiteren Anlass gesehen, bei anderen Bundeslän-
dern nachzufragen. Eine Zentralstellenfunktion des BMI
existiere nicht. Es gebe nur eine Zentralstellenfunktion
des BKA.
6178
Dass ihm die Vorlage nicht vorgelegt wor-
den ist, hat der Zeuge Schily mit einer im Ministerium
bestehenden Tendenz erklärt, nicht alles an den Minister
herankommen zu lassen.
6179
ee) Vorbereitung Ministervorlage vom 16. Juni
2004
Aus Anlass der Teilnahme von Minister Schily an einem
Wirtschaftsdialog, bei welchem er ein Statement zur aktu-
ellen sicherheitspolitischen Situation abgeben wollte,
erbat das BMI vom BKA einen Sachstandsbericht. In dem
am 16. Juni 2004 vom BKA vorgelegten Bericht wurde
ausgeführt:
„Anhaltspunkte für einen terroristischen oder
fremdenfeindlichen Hintergrund liegen zur Zeit
nicht vor.
Die Staatsanwaltschaft Köln, Staatsschutzabtei-
lung, ermittelt wegen versuchten mehrfachen
Mordes und der Herbeiführung einer Sprengstoff-
explosion. Bis zur Klärung der Motivlage für die
Tat bleibt das Verfahren in der Staatsschutzabtei-
lung der StA. Die polizeiliche Sachbearbeitung
liegt beim Polizeipräsidium Köln, wo nach Auflö-
sung der BAO am 10.06.2004 nun das KK 11
(Mordkommission) die Ermittlungen führt. Mit
Stand 15.06.2004 bearbeitet die Mordkommission
etwa 70 Spuren.
3. Einbindung BKA
Das Bundeskriminalamt unterstützt im Rahmen
der §§ 2, 3, 17 BKAG: Spezialisten für Spreng-
stoffdelikte des BKA unterstützten vor Ort die
Tatortgruppe des Landeskriminalamtes Nordrhein-
Westfalen bei der Tatortaufnahme. Mitarbeiter der
Abteilungen ST und OA waren zur Unterstützung
und zum Informationsaustausch ebenfalls vor Ort.
Die Abteilung OA koordiniert unter dem Ansatz
‚türkische OK‘ bis auf Weiteres alle in diesem Fall
eingehenden Anfragen bzw. Ersuchen; die Einbin-
dung der Abteilung ST ist sichergestellt.“6180
Die Zeugin Hammann hat ausgesagt, die Ausführungen
des BKA zu seiner Tätigkeit im Bereich der türkischen
organisierten Kriminalität habe nicht zu Nachfragen ihrer-
6177) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 10.
6178) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 18.
6179) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 70.
6180) Schreiben des BKA vom 16. Juni 2004 an das BMI, BMI-
4/57e, Bl. 127 f.
Drucksache 17/14600 – 712 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
seits beim BKA geführt, warum diese Spezifizierung
vorgenommen worden sei.
6181
In die Vorlage an den Minister wurde der zusätzliche
Hinweis aufgenommen, dass nach Zeugenaussagen ein 25
bis 30 Jahre alter Mann mit blonden Haaren das Fahrrad
abgestellt habe.
6182
Die Zeugin Hammann hat hierzu aus-
geführt, der Hinweis auf den Täter habe auf einem Fahn-
dungsplakat des Landes Nordrhein-Westfalen basiert. Der
zuständige Bearbeiter habe noch einmal beim BKA nach-
gefragt, ob es hierzu neue Hinweise gebe. Dies sei seitens
des BKA verneint worden.
6183
b) Kontakte zwischen Bundesinnenminister
a. D. Schily und dem nordrhein-west-
fälischen Innenminister a. D. Dr. Behrens
Bei der Vernehmung des Zeugen Dr. Behrens ist ihm die
Frage gestellt worden, ob er in den Tagen nach dem Na-
gelbombenanschlag Kontakt zu dem damaligen Bundes-
innenminister Otto Schily gehabt habe. Der Zeuge Dr.
Behrens hat auf diese Frage geantwortet:
„Das wird so gewesen sein. Ich weiß nicht mehr,
wann und wo. Aber mit Otto Schily, der damals
das Bundesinnenministerium geleitet hat, habe ich
in solchen Situationen immer Kontakt gehabt. Das
liegt ja auch auf der Hand, wenn so etwas ge-
schieht. Und wir werden sicher telefoniert haben.
Und wer den ehemaligen Kollegen Otto Schily
kennt, der weiß ja auch, wie wissbegierig und neu-
gierig er ist in solchen Situationen und dann auch
gern informiert sein möchte. Und darauf habe ich
sicher auch reagiert. Ob ich das auf seinen Anruf
getan habe oder ob ich ihn von mir aus angerufen
habe, das weiß ich heute nicht mehr.“
Der Zeuge Schily hat ausgesagt, er habe keine Erinnerung
mehr daran, dass er mit Minister Dr. Behrens telefoniert
habe. Ein solches Telefonat könne stattgefunden haben.
Es könne auch durchaus sein, dass er von sich aus angeru-
fen habe.
6184
Er sei aber am 10. Juni 2004 den ganzen Tag
im Gespräch mit Minister de Villepin gewesen. Er glaube
daher nicht, dass er große Nachfragen gehalten habe.
6185
Wenn es ein solches Gespräch gegeben habe, habe sich
hieraus nichts anderes ergeben, als er in seiner Presseer-
klärung geäußert habe.
6186
6181) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 23.
6182) Vorlage vom 17. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 136.
6183) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 17.
6184) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 33.
6185) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 41.
6186) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 44.
c) Weitere Befassung von Bundesinnenmi-
nister Schily mit dem Vorgang
Der Zeuge Schily hat ausgesagt, er habe nicht erwogen,
den Tatort zu besichtigen.
6187
Er sei in seiner Amtszeit
nicht häufig bei solchen Ereignissen gewesen.
6188
Auf die Frage, wie er sich über den Fall weiter habe in-
formieren lassen, hat er dargelegt, er vermute, dass in der
Sicherheitsrunde (regelmäßige Lagebesprechung mit den
Präsidenten des Bundeskriminalamts, des Bundesamts für
Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendiens-
tes
6189
) darüber gesprochen worden sei. Er habe aber
aufgrund der ihm vorliegenden Dokumente im Nachhin-
ein festgestellt, dass ihm eine Unterlage nicht vorgelegt
worden sei. Den Grund hierfür kenne er nicht.
6190
Er kön-
ne nicht mehr wiedergeben, welche weiteren Überlegun-
gen er bezüglich eines Motivs gehabt habe. Möglicher-
weise sei in der Sicherheitsrunde besprochen worden,
dass in alle Richtungen ermittelt werden müsse. Dies sei
aber nicht mehr in irgendeiner öffentlichen Äußerung
thematisiert worden. Er sei auch nicht mehr darauf ange-
sprochen worden. Der Fall sei auch später nicht in irgend-
einem Ausschuss oder einem anderen Gremium zur Spra-
che gebracht worden. Wenn man wisse, dass in alle Rich-
tungen ermittelt werde, müsse man darauf vertrauen, dass
die Ermittlungsbehörden zu den richtigen Ergebnissen
kämen.
6191
Er müsse sich vielleicht selbstkritisch sagen,
dass er an dieser Stelle zu wenig aktiv geworden sei. Dies
könne man ihm heute vorhalten.
6192
d) Erkundigungen des MAD – Aussage des
Zeugen Huth
Der Zeuge Huth, der zum Zeitpunkt des Nagelbombenan-
schlags Leiter der Abteilung „Extremismus-
/Terrorabwehr“ im MAD war, hat ausgesagt, er habe
selber ein bis zwei Tage nach dem Ereignis bei Polizei
und Verfassungsschutz nach den Hintergründen für den
Anschlag gefragt, um seinen Vorgesetzten und auch dem
BMVg Rede und Antwort stehen zu können. Konkret hat
er ausgeführt:
„Ich habe damals die Auskunft bekommen: Da ist
kein Extremismus dran. Und die zweite Aussage
war: Wenn da was Rechtsextremes dran ist, plau-
dert irgendwann einer. Das war eigentlich so: Die
Szene plauderte immer. In diesem Fall hat keiner
geplaudert.
Also, zu dem Zeitpunkt habe ich als Anfrager die-
se Auskunft bekommen und habe diese auch so
weitergegeben. Das war ja auch in meinem Ein-
6187) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 44.
6188) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 51.
6189) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 29.
6190) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 48, Weiteres zur nicht vorgelegten
Ministervorlage unter H.II.7.a)dd).
6191) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 78.
6192) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 70.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 713 – Drucksache 17/14600
gangsstatement. Die Verfassungsschutzbehörden
haben in ihrem Lagebericht gesagt, es gibt keinen
Terror von rechts. Gab es nicht.“6193
8. Prüfung einer Verfahrensübernahme durch
den GBA
In einem handschriftlichen Vermerk, dessen Datum nicht
erkennbar ist, führte OStA Wolf aus:
„Uz. hat heute Herrn Bundesanwalt Dr. Hohmann
telef. über den Ermittlungsstand informiert (GBA
Karlsruhe – 0721-XXXXXXXX). Derzeit sieht der
GBA keine Veranlassung, das Verfahren zu über-
nehmen. Allerdings bittet BA Dr. Hohmann um
telef. Mitteilung unmittelbar an ihn, falls sich An-
haltspunkte im weiteren Verlauf für eine Zustän-
digkeit der Generalbundesanwaltschaft erge-
ben.“6194
Mit Schreiben vom 11. Juni 2004 teilte Bundesanwalt
Dr. Hohmann der Staatsanwaltschaft Köln mit:
„Der Sachverhalt, der mir durch vom BMI gesteu-
ertes Fernschreiben Nr. 829 1006 1601 des Poli-
zeipräsidiums Köln vom 10. Juni 2004 mitgeteilt
worden ist, enthält nach derzeitigem Erkenntnis-
stand keine zureichenden tatsächlichen Anhalts-
punkte für ein Delikt, das meine Zuständigkeit be-
gründen könnte.
Ich habe jedoch einen Beobachtungsvorgang ange-
legt und bitte, mich über den Ausgang der Ermitt-
lungen zu unterrichten. Sollten sich im Lauf der
Ermittlungen Umstände ergeben, die zu einer an-
deren Beurteilung der Frage meiner Zuständigkeit
führen könnten, bitte ich um umgehende Unter-
richtung und Übermittlung eines Berichts.“6195
In einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwaltes in
Köln vom 11. Juni 2004 an das Justizministerium
Nordrhein-Westfalen wurde u. a. auch über die Möglich-
keit einer Abgabe an den GBA informiert:
„Die Ermittlungen werden derzeit von der durch
Beamte des Staatsschutzes u. a verstärkten Mord-
kommission der Polizeibehörde Köln unter Feder-
führung des Abteilungsleiters der politischen Ab-
teilung meiner Behörde geführt. Sollten sich Hin-
weise auf einen politisch motivierten Hintergrund
nicht ergeben, wird das Verfahren an die zuständi-
ge Abteilung abgegeben werden. Der Generalbun-
desanwalt hat mitgeteilt, er sehe derzeit noch kei-
nen Anlass zur Übernahme der Ermittlungen.“6196
Mit Schreiben vom 10. Mai 2005 bat Bundesanwalt
Dr. Hohmann um Mitteilung über den Ausgang der Er-
6193) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 63.
6194) MAT A GBA-4/13, Bl. 17 f.
6195) Schreiben des GBA vom 11. Juni 2004, MAT A GBA-4/13,
Bl. 21.
6196) MAT A GBA-4/13, Bl. 11.
mittlungen. Zugleich bat er um Stellungnahme, ob sich
nach dem Ergebnis der Ermittlungen zureichende tatsäch-
liche Anhaltspunkte für ein in die Zuständigkeit des Ge-
neralbundesanwalts fallendes Delikt ergeben hätten, ins-
besondere für eine terroristische oder fremdenfeindliche
Straftat von erheblichem Gewicht.
6197
In dem darauf fol-
genden Bericht des Leitenden Oberstaatsanwaltes an den
Generalbundesanwalt vom 2. August 2005 wurde ausge-
führt:
„Die Ergebnisse von ‚Profilern‘ des Bundeskrimi-
nalamtes und des Landeskriminalamtes Nordrhein-
Westfalen erstellten Operativen Fallanalysen ha-
ben allerdings die Annahme bestätigt, dass min-
destens einer der männlichen Täter eine nähere
‚Vertrautheit‘ zu dem Tatortbereich hat und auf-
grund aktueller oder ehemaliger Alltagsroutinen
im privaten oder beruflichen Bereich einen Anker-
punkt in der Gegend besitzt oder besessen hat. […]
Für die Annahme eines terroristischen oder frem-
denfeindlichen Hintergrundes der Tat fehlt es der-
zeit an konkreten Anhaltspunkten.“6198
Der Zeuge Wolf hat ausgesagt, sie hätten damals nicht die
Voraussetzungen dafür gesehen, das Verfahren dem GBA
anzudienen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen, ins-
besondere die des § 129a StGB, aus der damaligen Sicht
nicht vorgelegen hätten.
6199
9. Einstellung des Verfahrens
Am 24. Juni 2008 stellte die Staatsanwaltschaft Köln das
Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. In der Einstel-
lungsverfügung wurde festgestellt, dass sich aus einer
Vielzahl von Zeugenaussagen keinerlei Informationen
ergeben hätten, die zur Ermittlung der Tatverdächtigen
hätten führen können. Sämtliche im Rahmen der Ermitt-
lungen verfolgten Einzelspuren seien unergiebig und ohne
einschlägiges Ergebnis geblieben. Auch hätten die vorge-
nommenen Rasterfahndungen weder konkrete Erkenntnis-
se über die Tatverdächtigen noch konkrete Anknüpfungs-
punkte zur weiteren Tatklärung ergeben. Hintergrund und
Motivation der Tat hätten nach den bisherigen Ermittlun-
gen nicht aufgehellt werden können.
6200
Der Zeuge Wolf hat erklärt, dass man ein Verfahren ein-
stelle, wenn die Ermittlungsmöglichkeiten aus der subjek-
tiven Sicht erschöpft seien. Dies bedeute aber nicht, dass
deshalb die Tat nicht weiter verfolgt werden könne, wenn
neue Hinweise einträfen. Formell müsse ein Verfahren
auch einmal zu einem Ende gebracht werden, weil an-
sonsten der vorgesetzten Behörde, etwa dem Justizminis-
6197) Schreiben des GBA vom 10. Mai 2005, MAT A GBA-4/13,
Bl. 43.
6198) Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Köln vom
2. August 2005, MAT A GBA-4/13, Bl. 51, 52.
6199) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 90.
6200) Verfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 24. Juni 2008,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 103 ff.
Drucksache 17/14600 – 714 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
terium, bei einem nicht eingestellten Verfahren darüber
berichtet werde müsse, was getan worden sei.
6201
6201) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 83.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 715 – Drucksache 17/14600
I. Überfälle
Der Terrorgruppe NSU wird auch eine Serie von 15 Über-
fällen, begangen zwischen 1998 und 2011, zugerech-
net.
6202
Bei den Ermittlungen zu diesen Raubüberfällen wurde
durch die ermittelnden Behörden weder eine Verbindung
zu dem untergetauchten Trio festgestellt, noch wurde ein
Zusammenhang zur Mordserie und den Sprengstoffan-
schlägen gesehen. Der Ausschuss ist der Frage nachge-
gangen, warum dies nicht der Fall war.
I. Überblick
Die Raubüberfälle wurden in drei Bundesländern verübt:
Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Mit
Ausnahme der beiden Überfälle in Stralsund in Mecklen-
burg-Vorpommern wurden die Überfälle damit in Bun-
desländern ausgeführt, in denen keine Morde und Spreng-
stoffattentate begangen wurden.
Während die Morde und Sprengstoffattentate in Bundes-
ländern begangen wurden, in denen die Terrorgruppe
keinen Wohnsitz hatte, fanden die Überfälle (ebenfalls
mit Ausnahme Stralsunds) in der Nähe des vom Trio
gewählten Lebensmittelpunktes statt: Von Ende Janu-
ar 1998 bis Ende August 2000 wohnten Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe in verschiedenen Wohnungen in
Chemnitz;
6203
von August 2000 bis November 2011 in
Wohnungen in Zwickau.
6204
Im Einzelnen stellt sich die Raubserie wie folgt dar:
Nr. Datum Beute6205 Ziel des Überfalls
Vor dem ersten Mord (9. September 2000, Nürnberg,
Enver Şimşek) gab es drei Überfälle in Chemnitz:
1. 18.12.1998 15 500 € EDEKA-Markt, Irkuktsker
Straße 1, Chemnitz6206
2. 06.10.1999 3 000 € Postfiliale, Barbarossastraße
71, Chemnitz6207
6202) Überblick laut Anklagesatz der Anklageschrift des Generalbun-
desanwalts beim Bundesgerichtshof vom 5. November 2012
gegen Beate Zschäpe, siehe oben unter A., MAT A BY-15
(Tgb.-Nr. 153/13 - GEHEIM), Bl. 13 ff. (offen).
6203) Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof gegen Beate Zschäpe u. a. vom 5. November 2012,
MAT A BY-15 (Tgb.-Nr. 153/13 - GEHEIM), Bl. 143 ff.
6204) Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof gegen Beate Zschäpe u. a. vom 5. November 2012,
MAT A BY-15 (Tgb.-Nr. 153/13 - GEHEIM), Bl. 146 ff.
6205) Angaben gerundet und ggf. umgerechnet in Euro.
6206) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juli
2012 zum Schweren Raub im EDEKA-Markt in Chemnitz,
MAT A GBA-4/25a, Bl. 39 ff.
3. 27.10.1999 34 500 € Postfiliale, Limbacher Straße
148, Chemnitz6208
Ein Überfall wurde zwischen dem ersten Mord
(9. September 2000, Nürnberg, Enver Şimşek) und dem
ersten Sprengstoffanschlag (19. Januar 2001, Köln,
Probsteigasse) begangen:
4. 30.11.2000 19 600 € Postfiliale, Johannes-Dick-
Straße 4, Chemnitz6209
Zwischen dem dritten Mord (27. Juni 2001 in Hamburg
an Süleymann Taşköprü) und dem vierten Mord
(29. August 2001 in München an Habil Kılıç) wurde ein
weiterer Überfall begangen:
5. 05.07.2001 38 000 € Postfiliale, Max-Planck-
Straße 1a, Zwickau6210
In den zweieinhalb Jahren zwischen dem vierten und dem
fünften Mord (25. Februar 2004 in Rostock an Mehmet
Turgut) wurden zwei Überfälle begangen:
6. 25.09.2002 49 000 € Sparkasse, Karl-Marx-Straße
10, Zwickau6211
7. 23.09.2003 400 € Sparkasse, Paul-Bertz-Str.
14, Chemnitz6212
In der kurzen Spanne zwischen dem fünften Mord und
dem zweiten Sprengstoffanschlag (9. Juni 2004 in Köln,
Keupstraße) wurden ebenfalls zwei Überfälle begangen:
8. 14.05.2004 37 000 € Sparkasse, Albert-
Schweitzer-Str. 62, Chem-
nitz6213
6207) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale
Barbarossastraße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 44 ff.
6208) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 23. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Limbacher Stra-
ße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 60 ff.
6209) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Poststelle Johannes-Dick-
Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 72 ff.
6210) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 24. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Max-Planck-
Straße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 95 ff.
6211) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Karl-Marx-
Straße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 105 ff.
6212) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juli
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Paul-Bertz-
Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 115 ff.
Drucksache 17/14600 – 716 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. 18.05.2004 74 000 € Sparkasse, Sandstraße 37,
Chemnitz6214
Zwischen dem siebten Mord (15. Juni 2005 in München
an Theodorus Boulgarides) und dem achten Mord
(4. April 2006 in Dortmund an Mehmet Kubaşık) wurde in
Sachsen ein Überfall versucht:
10. 22.11.2005 Sparkasse, Sandstraße 37,
Chemnitz6215
Zwischen dem letzten Česká-Mord (6. April 2006 in Kas-
sel an Halit Yozgat) und dem Polizistenmord (25. April
2007 in Heilbronn an Michèle Kiesewetter) wurde ein
letzter Überfall in Sachsen versucht (durch nur einen
Täter); bei diesem wurde ein Auszubildender der Spar-
kasse durch einen Bauchschuss lebensgefährlich ver-
letzt.
6216
11. 05.10.2006 Sparkasse, Kosmonautenstraße
1, Zwickau6217
Zwei weitere Überfälle wurden in Mecklenburg-
Vorpommern begangen:
12. 07.11.2006 85 000 € Sparkasse, Kleine Parower
Str. 51-53, Stralsund6218
13. 18.01.2007 170 000 € Sparkasse, Kleine Parower
Str. 51-53, Stralsund6219
Die letzten beiden Überfälle wurden 2011 in Thüringen
begangen.
14. 7.09.2011 15 000 € Sparkasse, Goethestraße
30, Arnstadt-Ilmenau6220
6213) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juli
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Albert-Schweitzer
Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 133 ff.
6214) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juli
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Sandstra-
ße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 153 ff.
6215) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 26. Juni
2012 zum Versuchten Schweren Raub in der Sparkasse Sand-
straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 168 ff.
6216) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juni
2012 zum Versuchten Schweren Raub in der Sparkasse
Kosmonautenstraße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 181 ff.
6217) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juni
2012 zum Versuchten Schweren Raub in der Sparkasse
Kosmonautenstraße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 181 ff.
6218) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Kleine Parower
Straße/Stralsund, MAT A GBA-4/25a, Bl. 196 ff.
6219) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 20. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Kleine Parower
Straße/Stralsund, MAT A GBA-4/25a, Bl. 226 ff.
6220) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 18. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Goethestra-
ße/Arnstadt, MAT A GBA-4/25a, Bl. 240 ff.
15. 4.11.2011 72 000 € Sparkasse, Nordplatz 3,
Eisenach6221
Zwischen Dezember 1998 und Januar 2007 erbeuteten die
Täter bei Überfällen auf Poststellen und Sparkassen in
Chemnitz, Zwickau und Stralsund insgesamt 504 169,73
Euro.
6222
Die zwei weiteren Überfälle in Thüringen im
Jahr 2011 hinzugerechnet, wurden insgesamt 591 125
Euro erbeutet.
6223
Darüber hinaus wird dem Trio ein wei-
terer Überfall auf einen EDEKA-Markt in Chemnitz am
18. Dezember 1998 zugerechnet,
6224
bei dem 15 000 Euro
erbeutet wurden, welcher jedoch von den damaligen Er-
mittlungsbehörden nicht als Teil der Überfallserie behan-
delt wurde.
Aus einem Asservatenverzeichnis vom
22. November 2011 geht hervor, dass in dem niederge-
brannten Wohnhaus des Trios in der Frühlingsstraße in
Zwickau etwas mehr als 190 000 Euro sichergestellt wur-
den.
6225
II. Ermittlungsführung
Die Mehrzahl der Überfälle (acht von 15) wurde in
Chemnitz begangen (Überfälle eins bis vier und sieben bis
zehn). Für diese waren die Staatsanwaltschaft Chemnitz
und die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Chemnitz-
Erzgebirge zuständig. Die Überfälle fünf, sechs und elf in
Zwickau wurden von der zuständigen Polizeidirektion
Südwestsachsen behandelt. Die Überfälle zwölf und 13 in
Stralsund wurden durch die zuständige Kriminalpolizeiin-
spektion Stralsund bearbeitet. Für die Überfälle 14 und 15
in Arnstadt-Ilmenau und Eisenach war die Kriminalpoli-
zeiinspektion Gotha zuständig.
6226
In neun der Fälle führte die Staatsanwaltschaft Chemnitz
ein Sammelverfahren mit dem Aktenzeichen 710 UJs
27011/05 gegen Unbekannt. Umfasst waren die Taten
– 6. Oktober 1999, Postamt-Filiale, Chemnitz,
– 27. Oktober 1999, Postamt-Filiale, Chemnitz,
– 30. November 2000, Postamt-Filiale Chemnitz,
– 5. Juli 2001, Postamt-Filiale, Zwickau-Eckersbach,
– 25. September 2002, Sparkasse, Zwickau-Auerbach,
6221) Ermittlungsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 2. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Nord-
platz/Eisenach, MAT A GBA-4/25a, Bl. 280 ff.
6222) Aufstellung PD Chemnitz-Erzgebirge MAT A SN-7/4a, Bl. 4
ff.
6223) Protokoll-Nr. 11 der Beratungssitzung vom 26. April 2012,
S. 11; Einzelaufstellung ohne die Überfälle in Thüringen, siehe
die Aufstellung PD Chemnitz-Erzgebirge MAT A SN-7/4a,
Bl. 4 ff.; dieses Geld ist laut Zeugen Jens Merten auch im
Nachhinein nirgendwo wieder aufgetaucht, Merten, Protokoll-
Nr. 43, S. 123.
6224) Siehe Übersicht Nr. 1.
6225) MAT A GBA-4/3, Bl. 426 und Bl. 509.
6226) Aktenvermerk der KPI Gotha, MAT A GBA-4/18, Bl. 658.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 717 – Drucksache 17/14600
– 23. September 2003, Sparkasse, Chemnitz,
– 14. Mai 2004, Sparkasse, Chemnitz,
– 18. Mai 2004, Sparkasse, Chemnitz,
– 22. November 2005, Sparkasse Chemnitz.6227
Obwohl die Staatsanwaltschaft Chemnitz die weiteren
Fälle (elfter Fall in Zwickau am 5. Oktober 2006, zwölfter
und 13. Fall am 7. November 2006 und 18. Januar 2007
in Stralsund) nicht mit übernahm, wurden diese von den
Polizeidienststellen als Teil der Serie erkannt und als
solche behandelt.
6228
Der vorletzte Überfall wurde in Thüringen ausgeführt
(7. September 2011 in Arnstadt-Ilmenau). Bei diesem
wurden nur knapp 15 000 Euro erbeutet. Obwohl die
davorliegende Tat der Serie mehr als viereinhalb Jahre
zurücklag (18. Januar 2007 in Stralsund), wurde ein Se-
rienzusammenhang bereits am 14. September erkannt.
6229
Aus einem Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion
Gotha geht hervor, dass die bearbeitenden Beamten ver-
muteten, dass
„die Täter aufgrund der doch geringen Beute im
hiesigen Fall eine weitere Straftat begehen wer-
den.“6230
Der vom Ausschuss vernommene Polizeibeamte Merten
ist Kriminaloberkommissar beim Polizeipräsidium
Chemnitz-Erzgebirge. Er bearbeitet dort die an den Gene-
ralbundesanwalt abgegebenen Verfahren zu den Raub-
überfällen in Sachsen und war bereits frühzeitig mit den
Ermittlungen zu den Überfällen befasst.
6231
Nach Anga-
ben des Zeugen Merten seien alle serienrelevanten Details
durch die Polizeidirektion Chemnitz an die Kriminalpoli-
zeiinspektion Gotha weitergegeben worden, um eine
möglichst gute Vorbereitung auf einen eventuellen weite-
ren Fall zu ermöglichen. Der Zeuge Merten hat ausge-
führt:
„Wir haben von unserer Seite so weit alles getan,
um […] [die KPI Gotha] aufzuklären, was wir all
die Jahre ermittelt haben, dass wir diese Überfalls-
erie hatten. Wir haben […] [dieser] die Überwa-
chungsfotos zukommen lassen. Also, alle Details,
die wir hatten, haben wir […] so weit übertragen
und haben gesagt: Pass auf, bei uns waren sie im-
mer regelmäßig da. Das wird bei euch sicherlich
nicht anders sein, vor allem in Anbetracht dieser
relativ geringen Summe, die sie beim ersten Mal
erbeutet haben.“6232
6227) MAT A GBA-4/25a, Bl. 54, 55.
6228) MAT A GBA-4/25c, Bl. 475.
6229) MAT A GBA-4/18, Bl. 658 f.
6230) Aktenvermerk KPI Gotha vom 27. September 2011, MAT A
GBA-4/18, Bl. 658 f.
6231) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 91.
6232) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 132.
Am 4. November 2011 wurde der letzte Überfall der Serie
auf eine Sparkasse in Eisenach, Thüringen, verübt, bei
welchem 71 920 Euro erbeutet wurden.
Die KPI Gotha war zuständig sowohl für den Überfall in
Arnstadt als auch in Eisenach. Als der ermittelnde Beamte
von dem Überfall in Eisenach am 4. November 2011
erfuhr, setzte er sich mit den vor Ort ermittelnden Beam-
ten in Verbindung und deutete auf den möglichen Serien-
zusammenhang hin. Er gab Instruktionen, dass die Täter
Waffen dabei hätten und
„bei der Fahndung auf Transportfahrzeuge für
Fahrräder zu achten ist“.6233
Kurz darauf ergab sich aus einer Zeugenaussage, dass
zwei männliche Personen Fahrräder in ein Wohnmobil
verstaut hatten und daraufhin schnell wegfuhren.
6234
We-
nig später konnte das infrage kommende Wohnmobil in
einer ruhigen Wohngegend in Eisenach lokalisiert wer-
den. Als sich zwei Polizeibeamte näherten, wurden
Knallgeräusche wahrgenommen. Dann fing das Wohn-
mobil im vorderen Bereich an zu brennen. Nachdem der
Brand gelöscht war, wurden die Leichen von Böhnhardt
und Mundlos aus dem Wohnmobil geborgen.
Noch am selben Tag informierte der zuständige Beamte
der KPI Gotha den für die Zwickauer Überfälle zuständi-
gen Beamten der Polizeidirektion Südwestsachsen, wel-
cher daraufhin die Kollegen in der PD Chemnitz verstän-
digte und über die mutmaßliche Aufklärung der Über-
fallserie informierte.
6235
III. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen
bei den Raubstraftaten
1. Modus Operandi
Alle Überfälle der Serie wurden in einer ähnlichen Bege-
hungsweise getätigt. Zu nennen sind insbesondere:
– Tatbegehung in der Regel immer durch zwei Täter
(Ausnahme: Einzeltäter beim Überfall auf die Spar-
kasse in Zwickau am 5. Oktober 2006),
– Überfälle ausnahmslos zu den Geschäftszeiten ohne
Beachtung der Kundenzahlen,
– Aggressives, bewaffnetes, gewaltbereites Auftreten,
– Arbeitsteilige Vorgehensweise,
– Überspringen/Übersteigen der Kundentheke,
– Beute: Es wurden nur Scheine und kein Münzgeld
verlangt, gezielte Nachfrage nach Farbbomben,
– Aufforderung, den Tresor zu öffnen,
6233) Ermittlungsbericht vom 16. November 2011, MAT A GBA-
4/25a, Bl. 279.
6234) Hierzu und zum Folgenden: Ermittlungsbericht vom
16. November 2011, MAT A GBA-4/25a, Bl. 279.
6235) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 136.
Drucksache 17/14600 – 718 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Beute wurde in mitgebrachtem Rucksack/Plastiktüte
verstaut.
6236
2. Fluchtmittel
Als Fluchtmittel wurden verwendet:
– Öffentliche Verkehrsmittel,
– Moped/Motorrad,
– Fahrräder (Mountainbikes),
– Nutzung eines Wohnmobils, in welches die Fahrräder
verladen wurden.
6237
3. Waffen
Bei den Taten wurde eine Vielzahl von Waffen verwen-
det:
6238
– Handfeuerwaffen: Pistolen und Revolver6239 (darun-
ter Pistole Tokarew TT 88, Kal. 8 mm; Revolver
RECK, Chief Special Combat, Kal. 9 mm (Knall),
Schreckschusspistole; Pistole ERMA EPG 88, Kal. 8
mm),
– Langwaffe: Vorderschaftrepetierflinte („Pumpgun“
Mosberg Maverick, Mod. 88),
– Sonstige: Pfefferspray, Handgranate.
4. Besonderheiten bei der Tatbegehung
Die Täter der Überfälle wurden von den Ermittlern als
außergewöhnlich brutal eingestuft. Der Zeuge Jens Mer-
ten hat hierzu ausgesagt:
„Stets waren […] die Täter extrem brutal, bedroh-
ten die Zeugen mit ihren Schusswaffen, schlugen
sie, versetzten sie in Todesangst. Das muss man
also sehen, diese unsagbare Brutalität, diese Men-
schenverachtung dieses Duos. Das war regelrecht
auffallend. Das hatten wir auch zuvor in keiner Se-
rie von Banküberfällen.“6240
Dritte seien aus unmittelbarer Nähe (Waffe an der Schlä-
fe) bedroht und geschlagen worden. Mobiliar und Geräte
seien brachial zerstört worden.
6241
Diese außergewöhnli-
che Brutalität gipfelte im zehnten Überfall am
5. Oktober 2006 in Zwickau, als der Alleintäter zunächst
6236) Powerpoint-Präsentation von EKHK Hetzel, BKA, MAT A
GBA-4/25a, Bl. 23.
6237) Powerpoint-Präsentation von EKHK Hetzel, BKA, MAT A
GBA-4/25a, Bl. 24.
6238) Powerpoint-Präsentation von EKHK Hetzel, BKA, MAT A
GBA-4/25a, Bl. 24, 28 f.
6239) Nach Erkenntnissen des BKA soll zumindest bei dem vorletz-
ten Überfall in Arnstadt auch eine Waffe der Marke Česká ver-
wendet worden sein, allerdings eines anderen Typs, EKHK
Hetzel, Präsentation des BKA am 26. April 2012, MAT A
GBA-4/25a, Bl. 17.
6240) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94 f.
6241) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 95.
auf einen Kunden und daraufhin auf einen Auszubilden-
den schoss, welche beide versuchten, den Täter zu über-
wältigen.
6242
Der Kunde blieb unverletzt, der Auszubil-
dende wurde in den Bauch getroffen und erlitt schwere
Verletzungen.
6243
Die Täter der Überfallserie waren nach
Einschätzung der Ermittler bereit, ein hohes Risiko einzu-
gehen. Das Drehbuch der AKTENZEICHEN XY-Sendung
zur Vorstellung der Raubüberfälle verwies darauf, dass
den Tätern das Risiko egal sei:
„Besonders bemerkenswert: es interessiert sie of-
fenbar überhaupt nicht, ob es in der betreffenden
Sparkasse viele Angestellte gibt oder wenige, ob
viele Kunden da sind oder wenige.“6244
IV. Erkennen als Tatserie
Mit Ausnahme des Überfalls auf den EDEKA-Markt in
Chemnitz vom Dezember 1998 wurden die oben aufge-
führten Überfälle bereits früh als Teil einer Serie erkannt.
Ausweislich der Akten war dies spätestens nach dem
vierten Überfall von November 2000 auf eine Postfiliale
in Chemnitz der Fall.
6245
Laut einer Zusammenfassung
der Polizeidirektionen Chemnitz-Erzgebirge und Süd-
westsachsen vom 10. November 2011 wurden die Post-
bzw. Bankraube aus folgenden Gründen „von Anfang an“
als Serie angesehen:
6246
„Die Auswertung der Zeugenvernehmungen, der
Bilder der Überwachungskameras – und das
Bekanntsein der Fakten zur Begehungsweise er-
brachten von Anfang an die Erkenntnis, dass es
sich bei den Überfällen [Anm.: mit Ausnahme des
Überfalles auf den EDEKA-Markt im Jahr 1998]
um Taten einer Serie und somit auch immer um
dieselben Täter handelte. Bei der Vielzahl der
Überfälle trugen die Täter ähnliche oder gleiche
Bekleidungsstücke bzw. Maskierun-
gen/Kopfbedeckungen.
Die Täter gingen bei allen Handlungen zielgerich-
tet und professionell vor. Neben der Erlangung des
Geldes aus den Handkassen war die Erzwingung
der Öffnung des Tresores und somit das Erbeuten
einer größeren Summe an Bargeld Ziel jeden
Überfalles. Auffallend war, dass die Täter den An-
gestellten bzw. Kunden gegenüber teilweise sehr
brutal in Erscheinung traten. Bei allen Straftaten
wurden Schusswaffen zur Bedrohung von Ange-
stellten und Kunden verwandt. Bei den letzten
Überfällen kam auch eine Pumpgun zum Einsatz.
Von den ersten beiden Überfällen im Jahre 1999
abgesehen (Flucht mit Moped/Kleinkraftrad) nutz-
ten die Täter zur Flucht stets Fahrräder. Von An-
6242) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 95.
6243) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 95.
6244) MAT A GBA-4/25c, Bl. 574 ff.
6245) Schlussvermerk PD Chemnitz vom 29. November 2000, MAT
A GBA-4/25c, Bl. 14.
6246) MAT A SN-7/4a, Bl. 39 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 719 – Drucksache 17/14600
fang an wurde die Version favorisiert, dass diese
nach Zurücklegen eines relativ kurzen Fluchtwe-
ges in ein anderes Fahrzeug verbracht und damit
die Flucht fortgesetzt würde.“6247
Der Zeuge Merten hat ausgesagt, dass ein Zusammenhang
mit dem Überfall auf den EDEKA-Markt vom
18. Dezember 1998 aufgrund von Abweichungen im
Tatgeschehen und der Örtlichkeit nicht angenommen
worden sei. Auch habe es bei diesem Überfall keinerlei
Spuren gegeben, die damals auf die Identität der Täter
hingewiesen hätten:
„Erst viel später brachten uns diese Hülsen, die
dann beim BKA all die Jahre in der entsprechen-
den Sammlung aufbewahrt wurden, den Nachweis,
dass auch diese Tat von dem NSU-Trio begangen
worden ist. Aber zur damaligen Zeit gab es keine
anderen auswertbaren Spuren, die uns hätten wei-
terhelfen können.“6248
Für die Überfälle auf die Postfilialen in Chemnitz sei
jedoch spätestens nach dem Überfall am
30. November 2000 aufgrund von Überwachungsbildern
und des gleichen Modus Operandi ein Zusammenhang
erkannt und eine Serie vermutet worden. Auch der vierte
und fünfte Banküberfall seien von den ermittelnden Be-
amten trotz des Ortswechsels nach Zwickau aufgrund
gleicher Merkmale der Serie zugerechnet worden.
6249
Gleiches habe für die darauffolgenden vier Überfälle
gegolten, welche wieder in Chemnitz verübt wurden,
sowie die nachfolgenden zwei Überfälle auf eine Spar-
kasse in Stralsund, obwohl die Täter hier ihre Maskierung
änderten.
6250
Einen Zusammenhang habe man vor allem
aus der Tatsache schließen können, dass der Dialekt der
Täter als sächsisch beschrieben worden sei.
6251
Der Zeuge Merten hat in seiner Vernehmung vor dem
Untersuchungsausschuss betont, dass die ermittelnden
Beamten auch nach den Überfällen im Jahr 2007 in Stral-
sund und der darauf folgenden „Pause“ bis zum Septem-
ber 2011 ihre Ermittlungen kontinuierlich fortgeführt
hätten.
6252
Dabei hätten er und seine Kollegen „mehr als
nur das Übliche“ getan.6253
Auch die Überfälle im September 2011 im thüringischen
Arnstadt
6254
und anschließend im thüringischen Eisenach
6247) Zusammenfassung Aufklärung der Mordserie PD Chemnitz-
Erzgebirge/PD Südwestsachsen vom 10. November 2011, MAT
A SN-7/4a, Bl. 39.
6248) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.
6249) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94.
6250) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94 f.
6251) MAT A SN-7/4a, Bl. 52; MAT A-SN-7/9, Bl. 21; Merten,
Protokoll-Nr. 43, S. 96, 121.
6252) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.
6253) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.
6254) Dies geht auch aus einem Vermerk der Kriminalpolizeidirekti-
on Gotha hervor, welche von den Kollegen der PD Südwest-
sachsen bereits am 13. September 2011 – also sechs Tage nach
dem Überfall in Arnstadt – über den Serienzusammenhang in-
formiert wurde (MAT A GBA-4/18, Bl. 658 f.).
hätten innerhalb von wenigen Tagen der Serie zugeordnet
werden können.
6255
V. Vermutete Tatmotive
Der Zeuge Merten, der die Ermittlungen zwölf Jahre lang
als Sachbearbeiter begleitet hat,
6256
hat ausgesagt, dass
von den Ermittlungsbehörden drei Versionen für die Tä-
termotivation favorisiert worden seien.
6257
Vor allem
hätten die langen Intervalle zwischen den Banküberfällen
(im Regelfall einer pro Jahr) für die Überlegungen eine
Rolle gespielt. Eine mögliche Tatmotivation sei darin
gesehen worden, dass sich die Täter ein schönes Leben
mit dem Geld hätten machen wollen.
6258
Dies beziehe sich
auch auf die Möglichkeit eines Lebens im Ausland. In
diesem Zusammenhang habe man sowohl in Chemnitz als
auch in Zwickau abgeprüft, wer ab einem bestimmten
Zeitpunkt ins Ausland abgewandert sei.
6259
Diese Tatmo-
tivation treffe auf 85-90 Prozent der Bankräuber zu. Wei-
terhin sei die These aufgestellt worden, dass die Täter
durch die Banküberfälle eine Art von Geschäft finanzier-
ten und somit das Geld wuschen. Die dritte Variante,
welche der Zeuge Merten jedoch als die unwahrschein-
lichste ansah, sei die Finanzierung eines wirklich gewoll-
ten Projektes gewesen, welches legal nicht vollständig
allein funktionierte und deshalb durch illegal beschafftes
Geld habe „bezuschusst“ werden müssen.6260
Nach Angaben des Zeugen Merten habe er erst nach dem
4. November 2011 davon erfahren, dass der polizeiliche
Staatsschutz in den Jahren 1999/2000 an der Suche nach
dem Trio beteiligt gewesen sei.
6261
Der Staatsschutz selbst
habe hierzu keine Informationen erteilt. Umgekehrt hätten
die Ermittler in der Raubserie keine Veranlassung gese-
hen, von sich aus Kontakt zum Staatsschutz aufzuneh-
men.
6262
Im Mai 2007 – vier Monate nach dem zunächst letzten
Überfall in Stralsund – verfasste die Polizeidirektion
Chemnitz-Erzgebirge eine Erkenntnisanfrage an das LKA
Sachsen „m. d. B. um bundesweite Steuerung“. In dieser
wurde die Überfallserie erläutert und sodann die These
aufgestellt, dass die Täter aus dem Rockermilieu kommen
könnten.
6263
Der Zeuge Merten hat hierzu ausgeführt, dies
sei lediglich eine „theoretische Version“ gewesen:
„Das war so eine Version. Neben den drei Versio-
nen, wie ich sie vorhin als Grundsätzliches nannte,
6255) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.
6256) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.
6257) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.
6258) Um der ersten Ermittlungsthese Rechnung zu tragen, seien nach
Angaben des Zeugen Merten Auswanderer aus Deutschland ab
einem bestimmten Zeitpunkt überprüft worden (Merten, Proto-
koll-Nr. 43, S. 96).
6259) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 101.
6260) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.
6261) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 134.
6262) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 140.
6263) MAT A GBA-4/25c, Bl. 795 f.
Drucksache 17/14600 – 720 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
haben wir einfach gesagt: Mensch, all die Jahre ist
es uns nicht gelungen, die Täter bei uns, die poli-
zeibekannt sind, oder woanders zu finden. Wir
könnten mal anfragen, ob die eventuell im Ro-
ckermilieu zu suchen wären. - Das war einfach so
eine theoretische Version, weil man da ja auch
immer Geld verbindet. Die müssen sich auch fi-
nanzieren, und das war so die Grundidee.“6264
Man habe keinen Ermittlungsansatz auslassen wollen und
selbst unter dem Gedankengang, dass Banküberfälle für
die Rockerszene nicht typisch seien, habe man sich ge-
sagt:
„Wir probieren das einfach; vielleicht führt es uns
irgendwie weiter.“6265
VI. Ermittlungsmaßnahmen
In den Jahren 1998 bis 2011 wurden umfassende Ermitt-
lungsmaßnahmen zur Aufdeckung der Überfallserie bzw.
der einzelnen Taten durchgeführt.
1. Allgemeine Ermittlungsmaßnahmen
Der Zeuge Merten hat ausgesagt, dass zunächst die bei
Bankrauben üblichen Ermittlungsschritte durchgeführt
worden seien. Hierzu gehörten Zeugenbefragungen,
Überprüfungen von polizeibekannten Personen, die Aus-
wertung der Fotos von Überwachungskameras und die
Auswertung sonstiger Tatortspuren wie DNA-, Finger
6266
-
oder Schuhabdruckspuren. Die Täter hätten jedoch kei-
nerlei für die Polizei auswertbare Spuren hinterlassen.
„Also, Schuhabdruckspuren hatten wir zur Genü-
ge. Wir konnten also auch entsprechende Schuhe
daraufhin identifizieren. Wir konnten recherchie-
ren, in welchen Geschäften die angeboten wurden,
welche Marke sie waren, von welchen Kunden sie
gekauft wurden. Aber persönlich-individuelle Spu-
ren, sprich DNA-Spuren, Fingerabdruckspuren, die
ja wirklich absolut individuell sind und nur einer
Person zuzuordnen sind, haben sie eben nie hinter-
lassen.“6267
Der Zeuge Merten hat angegeben, dass man versucht
habe, Tatwaffen zu identifizieren, was aber nicht gelun-
gen sei.
6268
Weiterhin habe man versucht, die Tätergröße zu ermit-
teln
6269
sowie die bei den Taten getragene Kleidung und
6264) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 105.
6265) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 105.
6266) Der einzige Fall, in welchem ein Fingerabdruck gefunden
wurde, war der Banküberfall am 30. November 2000 in Chem-
nitz, Johannes-Dick-Straße 4. Dieser Fingerabdruck konnte je-
doch nie zugeordnet werden. Nach dem 4. November 2011 sei
ausgeschlossen worden, dass der Abdruck Böhnhardt oder
Mundlos zuzuordnen war (Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 110).
6267) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.
6268) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 98.
6269) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 98.
Schuhe der Täter auszuwerten.
6270
Zudem habe man eine
Recherche bei den an den Tattagen durchgeführten Ge-
schwindigkeitskontrollen veranlasst, da nach kriminalisti-
scher Erfahrung die Täter eines Überfalls häufig bei Ge-
schwindigkeitskontrollen auffallen würden.
6271
Darüber hinaus habe man nach Angaben des Zeugen
Merten eng mit den Geldinstituten zusammengearbei-
tet.
6272
In zwei Fällen sei registriertes Geld entwendet
worden, das aber nirgendwo wieder aufgetaucht sei.
6273
Präventiv seien vorgefertigte Fahndungsschreiben an die
Mitarbeiter der Geldinstitute verteilt worden, sodass im
Fall eines weiteren Überfalls die Arbeit erleichtert werden
konnte.
6274
2. Auswertung der Bilder von Überwa-
chungskameras
Mit Ausnahme des Überfalls auf den EDEKA-Markt im
Dezember 1998 und des ersten Überfalls auf eine Postfili-
ale in Chemnitz im Oktober 1999, existieren zu allen dem
Trio zugerechneten Überfällen Bilder von Überwa-
chungskameras. In der Beratungssitzung des Ausschusses
vom 26. April 2012 hat EKHK Hetzel vom BKA die
Überwachungsfotos vorgestellt und der Ausschuss sich
ein eigenes Bild von diesen gemacht.
6275
a) Aussehen der Täter
Der Zeuge Merten hat angegeben, dass sich aus dem
vorliegenden Bildmaterial keine Wiedererkennungsmög-
lichkeiten oder Möglichkeiten des Abgleichs ergeben
hätten, da eine Gesichtserkennung wegen der Maskierung
nicht möglich gewesen sei.
6276
Es hätten zwar in den
meisten Fällen qualitativ sehr gute Überwachungsfotos
vorgelegen, die der Polizei zumindest hinsichtlich Beklei-
dung, Täterbeschreibung etc. auch wirklich etwas ge-
bracht hätten.
6277
Er hat aber beklagt:
„Ganz schwer war eben, dass wir in der ganzen
Zeit kein Gesicht der Täter auf den Überwa-
chungskameras hatten. Durch die akribisch vorge-
nommene Maskierung - - auch wenn man sagen
muss, es waren nicht mal Sturmhauben, wo man ja
wirklich meistens nur die Augen sieht, sondern
einfach nur diese Gesichtstücher, ein bisschen Ge-
sicht und Seitenteil vom Kopf guckt ja doch raus;
aber es brachte uns nichts, dass irgendetwas im
6270) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 99.
6271) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 92.
6272) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 102.
6273) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 123.
6274) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 103.
6275) Protokoll Nr. 11 vom 26. April 2012; Powerpoint-Präsentation
von EKHK Hetzel, BKA, MAT A GBA-4/25a, Bl. 9 ff.
6276) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.
6277) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 103.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 721 – Drucksache 17/14600
Rahmen einer Wiedererkennung möglich gewesen
wäre.“6278
Lediglich in einem einzigen Fall sei einer der Täter de-
maskiert gewesen. Dort habe es leider nur unscharfe Bil-
der gegeben, die nicht verwertbar gewesen seien.
6279
b) Verdacht auf Bundeswehrangehörige als
Täter
Im Juni 2004 vermutete die KPI Chemnitz, dass einer
oder beide Täter Angehörige der Bundeswehr seien.
6280
Es wurden mehrere Dienststellen der Bundeswehr ange-
schrieben mit der Bitte um Prüfung, welche Soldaten zur
Tatzeit nicht im Dienst waren. Der Zeuge Merten hat dies
damit begründet, dass auf Überwachungsbildern zu drei
Taten in Chemnitz (September 2003 und zwei Taten im
Mai 2004) zu sehen gewesen sei, dass ein Täter weiße
Handschuhe trug. Zu den typischerweise weiße Hand-
schuhe tragenden Berufsgruppen seien auch Bundeswehr-
angehörige zu zählen. Hinzu sei gekommen, dass man
davon ausgegangen sei, dass es sich bei den Tätern um
Waffennarren gehandelt habe. Dies habe man zum Anlass
genommen, die letztlich erfolglose Abfrage bei der Bun-
deswehr zu tätigen.
6281
c) Linkshänder
Die Auswertungen von Überwachungsvideos
6282
und
diverser Zeugenaussagen ergab, dass die verwendeten
Waffen oftmals mit der linken Hand geführt wurden.
Der Zeuge Merten hat hierzu angegeben:
„Wir haben nach ähnlich gelagerten Straftaten re-
cherchieren lassen. Wir haben zum Beispiel nach
Linkshändern recherchieren lassen. Das war ja auf-
fällig bei der Serie, dass wir diesen Linkshänder
hatten. Also, es lag ja nahe, zu recherchieren: Wie
viele linkshändische Täter haben wir denn, die in
den letzten Jahren mal in Erscheinung getreten
sind? Also, diesen Kontakt zum LKA haben wir
eigentlich all die Jahre gehabt.“6283
d) Fahrräder als Fluchtmittel
Aus den Zeugenaussagen ging hervor, dass die Täter bei
dem Überfall in Chemnitz am 30. November 2000 erst-
mals – und bei den meisten darauffolgenden Taten –6284
mit Fahrrädern flüchteten.
6278) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.
6279) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 103.
6280) Telefax PD Chemnitz vom 10. Juni 2004, MAT A SN-7/4g, Bl.
62.
6281) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 111.
6282) MAT A SN-7/4d, Bl. 57.
6283) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 106.
6284) Zusammenfassung Aufklärung der Raubserie PD Chemnitz-
Erzgebirge/PD Südwestsachsen vom 10. November 2011, MAT
A SN-7/4a, Bl. 39.
Der Zeuge Merten hat hierzu ausgeführt:
„Dies gab uns zu denken; denn damit hatten wir es
nun mit sehr weit auseinanderliegenden Tatorten
in der Serie zu tun, zum einen Zwickau, jetzt neu-
erdings Chemnitz bzw. umgekehrt. Beide Orte lie-
gen ungefähr 40 Kilometer auseinander, eine Ent-
fernung, die natürlich mit Fahrrädern eher nicht zu
bewältigen war. Aber wir hatten keinen Zweifel:
Es waren dieselben Täter. Nicht nur die Art der
Tatbegehung war eindeutig. Jeden Zweifel schlos-
sen die Fotos aus den Überwachungskameras vom
Tatort aus. Also mussten wir uns jetzt Gedanken
machen: Wie kann es zusammenhängen? Egal, ob
sie in Chemnitz wohnen oder in Zwickau - mit den
Fahrrädern sind sie definitiv nicht, ich sage mal,
nach Hause gefahren.
14 Monate später schlugen die Täter das nächste
Mal zu. Auf die eben geschilderte Art und Weise
erbeuteten sie in der Sparkasse - wiederum in
Zwickau - am 25. September 2002 insgesamt
48 000 Euro. Wieder setzten sie Reizgas ein,
diesmal gegenüber einer Kundin, die im Schalter-
raum im Wege stand. Die Flucht: abermals mit
Fahrrädern. Spätestens hier kam für uns als Versi-
on für unser weiteres Vorgehen auf, was bislang
eine Spekulation, eine Vermutung war, nämlich
dass die beiden Täter noch anderweitig nachge-
schaltet, also mobil gewesen sein müssen, also die
Überlegung, dass sie mit den Rädern möglicher-
weise nur zu einem in der Nähe stehenden, mögli-
cherweise größeren Pkw, Transporter oder ähnli-
chem Fahrzeug fuhren, um sie dort zu verladen
und mit dem Fahrzeug zu flüchten.“6285
Aus einem Schreiben an die Polizei Goslar vom
31. März 2008 geht hervor, dass es sogar nähere Konkre-
tisierungen in Richtung Mountainbikes gegeben habe.
6286
In seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss hat
der Zeuge Merten ausgeführt, dass bei der Fahrradspur
die Schwierigkeit bestanden habe, dass die Zeugen je-
weils unterschiedliche Fahrräder beschrieben hätten.
Dennoch sei ein erheblicher Aufwand in die Verfolgung
dieser Spur in Form von Recherchen, ob und ggf. wo
Fahrräder als gestohlen gemeldet worden seien oder ob
nach den Banküberfällen Fahrräder in umliegenden Fund-
büros abgegeben worden seien, investiert worden.
6287
„Die Problematik war für uns all die Überfälle,
dass durch die Zeugen eigentlich immer un-
terschiedliche Fahrräder beschrieben wurden und
wir eigentlich nie richtig wussten: Ja, haben die
nun immer dieselben Fahrräder benutzt, oder wa-
ren es zu jedem Überfall andere Fahrräder? Haben
sie im Vorfeld vielleicht welche entwendet und im
Nachhinein, nach dem Überfall, irgendwo ent-
6285) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94.
6286) MAT A GBA-4/25c, Bl. 722 f.
6287) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 100.
Drucksache 17/14600 – 722 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sorgt? Unsere Version war schon, dass sie immer
dieselben Fahrräder hatten; aber die Zeugenver-
nehmungen sprachen anders, sodass wir also auch
in diversen Fundbüros recherchiert haben, ob Fahr-
räder nach unseren Tatzeiten gefunden wurden.
Wir haben recherchiert, wo wann Fahrräder ent-
wendet wurden, vornehmlich vor unseren Überfäl-
len.“6288
Nach dem Überfall auf die Postfiliale in Chemnitz im Mai
2004 wurde auch ein Fahrrad gefunden, das von der Poli-
zei als mögliches Fluchtfahrzeug betrachtet wurde. Eine
verwertbare DNA-Spur habe es hieran nicht gegeben.
6289
3. Hinweise aus Zeugenbefragungen
a) Phantombild
Nach dem letzten Überfall in Stralsund im Januar 2007
konnte aufgrund einer Zeugenangabe ein Phantombild
erstellt werden. Der Zeuge Merten hat hierzu dargelegt:
„Da war es ja das einzige Mal, dass wohl eine
Zeugin eine Person gesehen hat - ich glaube, in der
Nähe der Sparkasse oder aus der Sparkasse her-
auskommend -, von der man wohl meinte, es wäre
der Täter, der wohl gerade die Maske abgenom-
men hatte. Und aufgrund dieser Wahrnehmung
gibt es ein Phantombild. Das ist auch Bestandteil
unseres letzten Fahndungsprotokolls. Und dieses
Phantombild haben wir herzugenommen und ha-
ben damit einen Phantombildabgleich im LKA be-
antragt. Sprich: Da gibt es also einen Computer,
der die biometrischen Daten dieses Phantombildes,
also dieses Gesichtsausdruckes, speichert und jetzt
mit allen einliegenden Tätern abgleicht und natür-
lich versucht, dadurch alle polizeilich in Erschei-
nung getretenen und einliegenden, natürlich mit
Bildern einliegenden Personen gegenüberzustellen.
Das Ding wurde uns aufgelistet. Ich weiß jetzt gar
nicht, wie viel Hunderte Personen das waren.
Aber ich muss jetzt mal ganz ehrlich sagen: Dieses
System schien zumindest damals noch nicht ganz
ausgereift zu sein, weil man wirklich eindeutig ge-
sehen hat: Da kam eine Fülle an Personen, die
doch so was von unterschiedlich aussahen, dass
man nicht sagen konnte, die hatten wirklich Ähn-
lichkeit mit dem Täter. Also, da war von bis alles
dabei, inklusive Brillenträger, ich sage mal, das
hätte eigentlich nicht sein dürfen, sodass wir diese
vielen Hundert Personen dann im Detail auch gar
nicht abgeprüft haben, weil wir gesagt haben: Das
ist irgendwie ein untaugliches Mittel. - Das half
nichts.“6290
6288) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 100.
6289) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 106.
6290) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 100.
b) Anzahl der Täter
Konkrete Hinweise darauf, dass es neben den zwei bei
den Raubüberfällen auftretenden Tätern noch einen drit-
ten Täter gegeben habe, hat es nach Aussage des Zeugen
Merten nicht gegeben:
„Das war einfach eine Version von uns, spätestens
ab dem Zeitpunkt, wo die mit den Fahrrädern da-
vonfuhren und in Zwickau in Erscheinung getreten
sind, wo wir sagen: Wohnen sie in Chemnitz und
machen den Überfall in Zwickau, und wie kom-
men die nach Chemnitz zurück? Oder wohnen sie
in Zwickau und haben vorher Überfälle in Chem-
nitz gemacht? Also, spätestens ab der Version ha-
ben wir favorisiert […], dass es möglicherweise
einen dritten Mann gibt, der im Tatfahrzeug ir-
gendwo auf die beiden wartet, die Fahrräder wer-
den ins Auto verladen, und die fahren dann zu dritt
weg. Aber wir haben nie einen konkreten Hinweis
darauf gehabt.“6291
c) Angeblicher sächsischer Dialekt der Täter
Böhnhardt und Mundlos kamen aus Jena in Thüringen.
Die Ermittlungsbehörden fahndeten jedoch nach „säch-
sisch sprechenden“ Tätern der Raubserie.6292 Nach Anga-
ben des Zeugen Merten habe ein Großteil der Zeugen
vom sächsischen Dialekt gesprochen.
6293
In einem Ver-
merk der KPI Gotha vom 27. September 2011 heißt es
hingegen diesbezüglich:
„Es ist zu vermuten, dass es sich um überörtliche
Täter handelt, nur in einem Fall wird von einem
sächsischen Dialekt berichtet.“6294
Auf Nachfrage, ob die Schlussfolgerung der sächsischen
Polizei, die Täter würden sächsisch sprechen, sich mögli-
cherweise daraus abgeleitet habe, dass sich sächsische
Zeugen häufig geäußert hätten, es habe keine Auffällig-
keiten beim Dialekt gegeben, die Täter hätten für diese
vielmehr „normal“ gesprochen, hat der Zeuge Merten
erklärt:
„Ja, den Schluss haben wir dann in diesen Fällen
natürlich gezogen. Das ist richtig, okay.“6295
Im Ausschuss wurde zudem thematisiert, ob der Hinweis
auf sächsisch sprechende Täter seine Ursache darin haben
könne, dass der in Zwickau gesprochene Dialekt sehr dem
Dialekt ähnele, der in Jena gesprochen werde und man
vom Sprachbild her in Zwickau nicht notwendigerweise
auffalle.
6291) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 135.
6292) MAT A GBA-4/25b, Bl. 98 f.
6293) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 121.
6294) MAT A GBA-4/18, Bl. 659.
6295) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 129.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 723 – Drucksache 17/14600
4. Ringalarmfahndungen
Laut einer Liste der PD Chemnitz wurden in fünf der acht
Chemnitzer Fälle Ringalarmfahndungen als Sofortmaß-
nahme durchgeführt. Diese betrafen die Überfälle auf drei
Poststellen in Chemnitz am 6. Oktober 1999, am
27. Oktober 1999 und am 30. November 2000, auf eine
Sparkasse in Chemnitz am 14. Mai 2004 sowie auf eine
weitere Sparkasse in Chemnitz am
22. November 2005.
6296
Durch die Ringalarmfahndungen seien nach Aussage des
Zeugen Merten jedoch keine weiterführenden Erkenntnis-
se erlangt worden. Keines der erfassten Kennzeichen habe
Anhaltspunkte für die Ermittlung der Täter gegeben.
6297
Eine Nachprüfung dieser Schlussfolgerung über die auf-
genommenen Autokennzeichen war dem Ausschuss an-
hand der Akten nicht mehr möglich, da laut Auskunft des
sächsischen Staatsministeriums des Innern die – außer im
Falle der Sparkasse Chemnitz vom 14. Mai 2004 vorlie-
genden – Kontrolllisten (Ringlisten) bereits vor dem
4. November 2011 vernichtet wurden.
6298
Auf die Frage, warum in den übrigen Fällen keine Ring-
alarmfahndung ausgelöst wurde, hat der Zeuge Merten
angegeben:
„Diese Auslösung Ringalarmfahndung ergeht so-
fort […] wenn bekannt wird, dass es einen Über-
fall gegeben hat. Und nach der möglichen Auslö-
sung Ringalarm vom Führungs- und Lagezentrum
- ob nun ja oder nein; ich kann nicht sagen, warum
er in einigen Fällen nicht ausgelöst wurde - be-
kommen wir als Kriminalisten die Info und rücken
aus zum Tatort. Aber warum es jetzt nicht in allen
Fällen gemacht wurde, das kann ich nicht sagen;
aber es wäre schön gewesen.“6299
Nach Angaben des Zeugen Merten habe zu dieser Frage-
stellung im Jahre 2003 oder 2004 ein Gespräch mit dem
für die Auslösung einer Ringalarmfahndung zuständigen
Führungs- und Lagezentrum stattgefunden, mit der Bitte,
künftig bei Banküberfällen diese wichtige Fahndungs-
maßnahme anzustoßen. Warum dieser Bitte nicht lücken-
los entsprochen wurde, hat sich der Kenntnis des Zeugen
entzogen.
6300
5. Funkzellenabfragen im Tatortbereich
Aus den Akten geht hervor, dass beim Überfall auf eine
Sparkasse am 7. November 2006 in Stralsund eine Funk-
zellenabfrage im Tatortbereich mit dem Ziel der Ermitt-
lung und anschließenden Auswertung sämtlicher einge-
schalteter Mobiltelefone, die sich zur Tatzeit am Tatort
6296) MAT A SN-7/4a, Bl. 65 f., siehe auch Baumgärtner/Böttcher,
„Das Zwickauer Terror-Trio“, S. 250.
6297) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 92.
6298) Vgl. A-Drs. 310.
6299) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 141.
6300) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 142.
befanden, durchgeführt wurde. Diese führte ausweislich
der Akten nicht zum Erfolg.
6301
Bereits nach dem Überfall auf eine Sparkassenfiliale in
Chemnitz am 22. November 2005 hatte die Staatsanwalt-
schaft Chemnitz auf Anregung der Polizei beim zuständi-
gen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Chemnitz einen
Beschluss nach §§ 100g, 100h StPO (a. F.) (Funkzellen-
abfrage im Tatortbereich) beantragt. Gestützt wurde die-
ser Antrag auf den Umstand, dass auf Videoaufzeichnun-
gen vom Überfall eine Freisprecheinrichtung in der Jacke
von einem der Täter festgestellt worden sei
6302
und daher
zu vermuten stand, dieser Täter habe in engem zeitlichem
Zusammenhang mit der Tat telefoniert.
6303
Der Antrag der
Staatsanwaltschaft Chemnitz wurde jedoch vom Amtsge-
richt Chemnitz mit der Begründung abgelehnt, die bean-
tragte Maßnahme sei nicht zur Ermittlung der Täter ge-
eignet:
„Geeignet zur Ermittlung der unbekannten Täter
wäre die Funkzellenauswertung dann, wenn die
Täter in der fraglichen Zeit miteinander telefoniert
hätten […] (vgl. LG Stade, StV 2005, Bl. 434 f.).
Dies ist der Ermittlungsakte jedoch nicht zu ent-
nehmen. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen,
insbesondere aufgrund der Angaben der unmittel-
baren Tatzeugen, gibt es keine Anhaltspunkte da-
für, dass die unbekannten Täter in der genannten
Zeit untereinander telefoniert hätten. Auch die
Auswertung der Bilder der Raumüberwachungs-
kamera gibt hierfür keine Annahme. Ob auf den
Bildern bei einem der Täter eine Freisprechein-
richtung zu erkennen ist, ist reine Spekulation und
wird durch die bisherigen Ermittlungen jedenfalls
nicht gestützt.“6304
Auf die Nachfrage im Ausschuss, warum der Antrag auf
Funkzellenauswertung keinen Hinweis auf das Vorliegen
einer Serie enthielt, um die Notwendigkeit dieser Maß-
nahme für eventuell folgende Taten zu belegen, hat der
Zeuge Merten ausgeführt, dass eine Serie „kein Kriteri-
um“ für den Ermittlungsrichter zur Entscheidung über
eine Funkzellenabfrage sei. Es sei vielmehr gängige Pra-
xis in Chemnitz, dass es allein darauf ankomme, ob Zeu-
gen die Nutzung eines Mobiltelefons oder entsprechender
Geräte gesehen hätten.
6305
6. Öffentlichkeitsfahndung
Mehrfach wurden in der Überfallserie Maßnahmen der
Öffentlichkeitsfahndung durchgeführt. In den Jahren 2003
und 2005 erfolgte über Fahndungsplakate eine Zusam-
menfassung der bis dahin verübten Überfälle in Chemnitz
6301) MAT A GBA-4/25a, Bl. 225.
6302) Dem Ausschuss lagen Lichtbilder vor, die allerdings von
schlechter Kopierqualität waren.
6303) Antrag der StA Chemnitz vom 8. Dezember 2005, MAT A
GBA-4/28, Bl. 9.
6304) MAT A GBA-4/28, Bl. 18.
6305) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 128.
Drucksache 17/14600 – 724 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und Zwickau durch öffentlichkeitswirksamen Aushang,
im Jahr 2005 zusätzlich auch über das Internet.
Im Jahr 2007 wurden Fahndungsplakate mit Zusammen-
fassungen der beiden in Stralsund begangenen Überfälle
mit dem Hinweis auf den Zusammenhang zur Chemnitzer
bzw. Zwickauer Überfallserie in den Jahren 1999 bis
2006 öffentlichkeitswirksam ausgehangen.
6306
Auch erfolgten mehrfach Ausstrahlungen über einzelne
Taten bzw. die Zusammenfassung der Überfallserie in der
Sendung Kripo live im MDR Fernsehen:
„Januar 1999: EDEKA-Kaufhalle in Chemnitz,
Dezember 1999: Überfälle auf Poststellen in
Chemnitz,
Januar 2001: Überfall in Chemnitz,
Oktober 2002: Zusammenfassung der Überfälle in
Chemnitz und Zwickau bis 2002,
Oktober 2003: Überfall Chemnitz, Sparkasse
2003,
Mai 2004: Zwei Überfälle in Chemnitz, Sparkasse
2004,
März 2006: Zusammenfassung der bis dahin ver-
übten Überfälle in Chemnitz und Zwickau,
Februar 2007: Zwei Überfälle in Stralsund,
März 2007: Zusammenfassung aller Überfälle in
Chemnitz, Zwickau und Stralsund.“6307
Darüber hinaus wurde im August 2007 eine Zusammen-
fassung der Überfälle in Chemnitz, Zwickau und Stral-
sund auch in der Sendung AKTENZEICHEN XY ungelöst
ausgestrahlt.
6308
Der Zeuge Merten hat ausgesagt, er persönlich sei acht
Mal in der Sendung Kripo live und einmal in der Sendung
AKTENZEICHEN XY ungelöst aufgetreten und habe dort
die Überfallserie vorgestellt. Diese Sendungen seien im
Vorhinein eingehend in der örtlichen und überregionalen
Presse angekündigt worden.
6309
Er hat in diesem Zusam-
menhang ausgeführt:
„Da haben wir uns also ganz stark engagiert und
[…] haben dort, ich glaube, 2003, 2005, 2007 noch
mal die aussagekräftigsten Fotos auf den Fahn-
dungsplakaten zu Papier gebracht […] und haben
die also öffentlichkeitswirksam in Behörden, in
Polizeidienststellen, Sparkassen, Geldinstituten,
Buswartehäuschen in Chemnitz, Zwickau und
Umgebungsorten und zum Schluss dann natürlich
auch im ganzen Bereich Stralsund ausgehangen,
immer wieder hoffend, dass man den einen oder
anderen Zeugen findet, der darauf vielleicht eine
6306) MAT A SN-7/4h, Bl. 129.
6307) MAT A SN-7/4h, Bl. 130.
6308) MAT A SN-7/4h, Bl. 130.
6309) Hierzu und zum Folgenden: Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 101 f.
Person erkennt. Ich sage mal, wir haben ja hier
sehr deutlich und gut die Bekleidungsgegenstände
zu erkennen, die teilweise ja markant sind.“6310
Im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung wurde ausdrück-
lich darauf hingewiesen, dass die Täter „meist Fahrräder
verschiedener Modelle“ als Fluchtmittel nutzten.6311 Da-
rüber hinaus wurde auch darauf hingewiesen, dass die
Täter mit sächsischem Akzent sprächen.
6312
Aus den Auftritten im Fernsehen seien nach Angaben des
Zeugen Merten einige Hinweise resultiert, die auch akri-
bisch abgeprüft worden seien. Keiner dieser Hinweise
hätte jedoch zu einer Spur zu den Tätern geführt.
6313
So
meldete sich nach der Fernsehsendung
AKTENZEICHEN XY ungelöst ausweislich der Akten
auch ein Anrufer bei der PD Chemnitz-Erzgebirge, der
angab „Hellseher“ zu sein und auf dem gezeigten Phan-
tombild Ähnlichkeiten zu einer ihm bekannten Person
festgestellt zu haben.
6314
Diesem Hinweis ist die PD
Chemnitz-Erzgebirge ausweislich der Akten auch nach-
gegangen. Nach Aushändigung eines Fahndungsfotos
sagte der vorgebliche „Hellseher“ zu, den Täter durch
Gedankentelepathie namhaft machen zu wollen.
6315
7. Auslobung einer Belohnung
Zur Aufklärung der Überfallserie wurde eine Belohnung
von insgesamt 22 000 Euro ausgelobt,
6316
auf die aber
keine Hinweise erfolgt seien, die eine heiße Spur ergeben
hätten.
6317
Der Zeuge Merten hat die ausgelobte Summe als verhält-
nismäßig hoch bezeichnet und hierzu ausgeführt:
„Wenn Sie mal auf das letzte Fahndungsplakat gu-
cken: Wir haben also 22 000 Euro ausgelobt für
einen Hinweis, der zur Identifizierung der Täter
führt. Also, ich muss mal sagen: Einen besseren
Anreiz kann man doch für einen Zeugen nicht
schaffen. Und da denke ich jetzt eigentlich nicht
nur an irgendeinen Zeugen oder Hinweisgeber,
sondern mit diesem vielen Geld haben wir sogar
eigentlich auch mal an die Leute aus dem Umfeld
unserer Täter gedacht. Das muss man sich mal
vorstellen. Da kann es doch den einen oder ande-
ren geben, der unsere beiden Täter kennt, mögli-
cherweise Bekannten-/Verwandtenkreis, und sich
sagt: Mensch, ich kenne die zwar, aber auf der an-
deren Seite: 22 000 Euro ist ja doch eine Menge
6310) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 101.
6311) MAT A GBA-4/25b, Bl. 98.
6312) MAT A GBA-4/25b, Bl. 98 f.
6313) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 102.
6314) MAT A GBA-4/25c, Bl. 678.
6315) MAT A GBA-4/25c, Bl. 678 ff. (681).
6316) MAT A GBA-4/25b, Bl. 69.
6317) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96; Eine tabellarische Auflistung
der Spuren bei den Raubüberfällen zwischen 1999 und 2007
findet sich in MAT A SN-7/4a, Bl. 65 f. sowie in einer „Ver-
gleichsreihe“ in MAT A SN-7/4a, Bl. 57 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 725 – Drucksache 17/14600
Kohle. Hm, vielleicht - - Und wenn ich wenigstens
anonym auf dem Polizeirevier anrufe. - Das sind
also Dinge - - Wir haben also schon Hinweise mit
weitaus weniger Auslobungssumme gehabt, und
wir haben immer gedacht: Mensch, bei so viel
Geld im fünfstelligen Bereich, da muss doch mal
was kommen. Aber es kam eben nichts.“6318
8. Veröffentlichung der Serie im LKA-Blatt
Sachsen sowie im BKA-Blatt
Zu den einzelnen Chemnitzer Überfällen erfolgten teil-
weise entsprechende Veröffentlichungen in den Landes-
bzw. Bundeskriminalblättern.
6319
Jeweils zusammenfassend wurden die bis dahin vorlie-
genden Erkenntnisse zur Überfallserie im Jahr 2006 im
Landeskriminalblatt des LKA Sachsen
6320
und im Jahr
2007 im Bundeskriminalblatt des BKA veröffentlicht.
6321
Man habe, so der Zeuge Merten, aber auch selbst in den
entsprechenden LKA- und BKA-Blättern geschaut, ob es
vergleichbare Straftaten gebe, die zur Serie passten.
6322
Auch hieraus ergaben sich nach Angaben des Zeugen
Merten jedoch keine Hinweise auf verwertbare Spu-
ren.
6323
VII. Operative Fallanalysen
1. Landeskriminalamt Sachsen
Im Februar 2007 fertigte die OFA-Abteilung beim Lan-
deskriminalamt Sachsen im Auftrag der Polizeidirektion
Südwestsachsen
6324
eine „fallanalytische Beratung“ in
Form von „Anregungen für die kriminalistische Auswer-
tung und Ermittlungen“.6325 In dieser stellte das LKA
Sachsen zunächst klar, dass Raubstraftaten für operative
Fallanalysen nicht geeignet seien, da deren Methodik für
Tötungsdelikte und Sexualstraftaten erarbeitet worden
sei.
6326
Angesichts der Serie und ihrer Spezifika seien
jedoch Anregungen für die weiteren Ermittlungen mög-
lich.
Hauptsächlich enthielt die OFA Vorschläge zu möglichen
weiteren Ermittlungsschritten, u. a. zum weiteren Um-
6318) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 102.
6319) MAT A, SN 7/4h, Bl.129.
6320) Sonderausgabe zum LKA-Blatt Sachsen vom März 2006 MAT
A SN-7/4a, Bl. 165 ff., GBA-4/25b, Bl. 100 ff.
6321) BKA-Blatt Nr. 64/2007, MAT A SN-7/4, Bl. 173 ff., GBA-
4/25b, Bl. 108 ff.
6322) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96, 104.
6323) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96; Eine tabellarische Auflistung
der Spuren bei den Überfällen zwischen 1999 und 2007 findet
sich in MAT A SN-7/4a, Bl. 65 f. sowie in einer „Vergleichs-
reihe“ in MAT A SN-7/4a, Bl. 57 ff.
6324) Siehe hierzu und zum Folgenden: MAT A SN-7/9, Bl. 17 ff.
6325) MAT A SN-7/9, Bl.17 ff.
6326) MAT A SN-7/9, Bl.17.
gang mit DNA-Spuren, zur vollständigen Vernehmung
aller Mitarbeiter der geschädigten Filialen, der Beizie-
hung von Notrufaufzeichnungen, der Telefonverbin-
dungsdaten aller geschädigten Finanzinstitute vom Tattag
sowie weiterer Daten (z. B. Einwohnermeldeämter).
6327
In der OFA wurde auch vermerkt, dass es Hinweise auf
einen dritten Täter gebe. In den Akten konnten diesbezüg-
liche Hinweise jedoch nicht gefunden werden. Aus einem
Polizeibericht zum Überfall auf eine Postfiliale in Zwi-
ckau geht vielmehr hervor, dass es sich bei „drei Tätern“
jedenfalls bei dieser Tat offenbar um eine Falschmeldung
gehandelt hat.
6328
Weiterhin wird in der OFA unter Hinweis auf die Zeu-
genaussage eines Bauarbeiters namens K. vermerkt, dass
es Anhaltspunkte dafür gebe, dass einer der in Betracht
kommenden Fahrradfahrer ein Kind in Begleitung hat-
te.
6329
Das LKA Sachsen sprach sich zudem dafür aus, die zu-
künftige kriminalistische Bewertung der Serie in der
Hand einer Dienststelle durchzuführen. Wünschenswert
seien Führungsentscheidungen, die dies berücksichtigen
würden.
6330
Der Zeuge Merten hob in seiner Aussage die besondere
Brutalität der Täter hervor.
6331
Zum Zustandekommen der OFA gab deren Verfasser,
Kriminalhauptkommissar K., am 15. November 2011 eine
dienstliche Erklärung ab:
6332
Zum damaligen Zeitpunkt
hätten zur Vorbereitung der Operativen Fallanalyse „aus-
schließlich Ermittlungsunterlagen in begrenztem Umfang
der in Sachsen begangenen Fälle“ vorgelegen. Zu den
Fällen in den anderen Bundesländern seien nur mündliche
Informationen geliefert worden. Auch erfolgte in der
dienstlichen Erklärung ein Hinweis darauf, dass eine
„zentrale und länderübergreifende Sachbearbeitung und
kriminalistische Auswertung“ in dieser Serie „dringend
notwendig“ sei. Darüber hinaus wurde darauf hingewie-
sen, dass eine weitergehende Beratung durch die OFA-
Abteilung im LKA Sachsen ausdrücklich angeraten wor-
den sei. Weiter heißt es:
„Zu keinem späteren Zeitpunkt wurde die OFA
Sachsen über den Fortschritt der Ermittlungen un-
terrichtet. Auch auf anderem Wege gelangten kei-
6327) MAT A SN-7/9, Bl.17 ff. (18 f.).
6328) MAT A SN-7/10, Bl. 42 f.
6329) MAT A SN-7/9, Bl.19. Der Aspekt „Kind“ hatte auch bei
anderen dem NSU zugeschriebenen Taten eine Rolle gespielt
(„weinendes Kind am Tatort Rostock“, „Spielzeug im ausge-
brannten Wohnmobil“, „Akku aus Kinderspielauto beim Bom-
benanschlag in der Keupstraße“). Eine Vernehmung des Bauar-
beiters K. konnte aber in den Akten nicht gefunden werden.
6330) MAT A SN-7/9, Bl.18.
6331) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 98.
6332) Siehe hierzu und zum Folgenden: MAT A SN-7/10, PDF-Bl.
241.
Drucksache 17/14600 – 726 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ne weiteren Informationen an den Unterzeich-
ner.“6333
2. Landeskriminalamt Thüringen
Aus einem Ermittlungsbericht vom 16. November 2011
der für die Überfälle in Arnstadt und Eisenach zuständi-
gen Kriminalpolizeiinspektion Gotha geht hervor, dass
nach dem Überfall in Arnstadt (7. September 2011) auch
eine Operative Fallanalyse (OFA) beim Landeskriminal-
amt Thüringen in Auftrag gegeben wurde, um einen Zu-
sammenhang mit der Serie zu überprüfen und „bei Bestä-
tigung ein Raster für die weiteren Ermittlungen zu erlan-
gen“.6334
Am 4. November 2011 waren die entsprechenden Maß-
nahmen bereits angelaufen.
6335
VIII. Unerkannte Bezüge der Überfallserie zum
Trio
Das Trio wurde nicht als mögliche Täter der Überfallserie
in Betracht gezogen. Auf die Frage, ob er sich an die
„Jenaer Bombenbastler“ erinnern könne, hat der der Zeu-
ge Merten angegeben:
„Nein. […] Erst nach dem zweiten Überfall in
Thüringen und dem dritten, vierten, fünften Tag,
nachdem ganz offiziell bekannt wurde, dass es die-
ses Trio gab, dass in dem Wohnwagen Mundlos
und Böhnhardt lagen, da habe ich das erste Mal
die Namen gehört; ich habe das erste Mal von der
Existenz dieses NSU-Trios gehört und überhaupt
von dieser rechten Zelle. Bis dahin hatte ich davon
noch nie von niemandem etwas gehört.“
Auch die Mordserie spielte bei den Fahndungsmaßnah-
men zur Überfallserie keine Rolle. Der Zeuge Merten hat
nach eigenen Angaben zur Česká-Mordserie nur eine
private Erinnerung an ein diese betreffendes Fahndungs-
plakat.
6336
1. Keine Berücksichtigung von Beschaf-
fungskriminalität Untergetauchter als mög-
liches Tatmotiv
Das Trio war bereits bei Beginn der Überfallserie unterge-
taucht und wurde mit Haftbefehl gesucht. Der Ausschuss
ist der Frage nachgegangen, warum nicht die These, dass
es sich bei den Überfällen um Beschaffungskriminalität
Untergetauchter handeln könne, als gleichwertige Ermitt-
lungsthese geführt wurde, wodurch ein Zusammenhang
zum Trio hätte erkannt werden können.
6337
Der Zeuge
Merten hat hierzu ausgeführt:
6333) MAT A SN-7/10, PDF-Bl. 241.
6334) MAT A GBA-4/25a, Bl. 279 f.
6335) MAT A GBA-4/25a, Bl. 279.
6336) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 126.
6337) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116 f.
„Möglicherweise spielte der Gedanke mal eine
Rolle; aber ich könnte Ihnen jetzt nicht sagen, ob
wir es tatsächlich gemacht haben.“6338
Als Erklärung hat der Zeuge Merten hinzugefügt:
„Jetzt müssen wir erst mal festlegen: Was heißt
denn ‚Untergetauchte ermitteln‘? Das ist ja das
Problem: Wie kann ich denn die Leute erfassen?
Ich weiß nicht, ob Sie es wissen. Wir haben ja eine
Vielzahl - nicht nur in Sachsen, sondern bundes-
weit -, die irgendwann mal wo gewohnt haben; ich
sage jetzt mal: in Chemnitz. Dann sind die dort
nicht mehr präsent in der Wohnung. Die werden
nach einer bestimmten Frist vom Meldeamt ganz
offiziell als ‚nach unbekannt verzogen‘ abgemeldet
und sind weg.“6339
Darauf angesprochen, dass nach per Haftbefehl gesuchten
Untergetauchten hätte gesucht werden können, hat der
Zeuge Merten erwidert:
„Wo will ich da anfangen? Ich meine, solche Leute
gibt es natürlich in der Vielzahl. Und wo will man
da jetzt anfangen, zu sagen: Ich suche jetzt nach
Untergetauchten? Das ist natürlich verdammt
schwierig und natürlich eine immense Aufgabe.
Also, da gab es zumindest auch nie so einen - viel-
leicht sagen wir mal - Hinweis. Aber ich meine,
mich zu erinnern: Den Gedanken gab es mögli-
cherweise. Aber das lässt sich einfach ganz schwer
irgendwie realisieren.“6340
Der Zeuge Merten hat weiter dargelegt:
„Es hat auch niemals – weder vom LKA noch von
irgendeiner anderen Dienststelle – irgendeinen
Hinweis gegeben, dass es sich hier um Beschaf-
fungskriminalität rechts orientierter Personen oder
einer rechts orientierten Zelle handeln könnte. Da
haben wir also zu keinem Zeitpunkt auch nur an-
satzweise irgendeinen Hinweis bekommen.“6341
2. Linkshänder
Nach heutigem Erkenntnisstand war Mundlos „Beidhän-
der“ und Böhnhardt Linkshänder.6342 Laut Aussage des
Zeugen Dressler,
6343
LKA Thüringen, war die Tatsache,
dass Böhnhardt Linkshänder war, bereits vor dem Abtau-
chen des Trios bekannt. Der Zeuge Dressler hat zu die-
sem Umstand ausgeführt:
„Das war im Rahmen der Ermittlungen, er war ja
mehrfach, wie gesagt, Gegenstand von Ermittlun-
6338) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116.
6339) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116 f.
6340) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116 f.
6341) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 104.
6342) MAT A GBA-4/25a, Bl. 100.
6343) Der Zeuge war als Leiter der Ermittlungsgruppe Terroris-
mus/Extremismus (EG „TEX“) des Thüringer LKA zwischen
Mai 1997 und 31. Mai 2000 tätig, A-Drs. 360.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 727 – Drucksache 17/14600
gen, im Vorfeld schon; er wurde als Beschuldigter
gehört und dergleichen bekannt, dass er Links-
händer ist. Es kann auch sein, dass es in den KT-
Unterlagen mit vermerkt war, was nicht unüblich
ist.“6344
Auf die konkrete Nachfrage, ob es sich bei der Informati-
on nicht um einen relevanten Fahndungsansatz gehandelt
habe, da bei den Banküberfällen auch ein Linkshänder
identifiziert wurde, hat der Zeuge Dressler geantwortet:
„Hinterher ist man immer schlauer. Also, ich den-
ke, da hat überhaupt keiner dran gedacht. […]
Aber als Fahndungsansatz war das sicher nicht
tauglich.“6345
Ob dieser Ansatz im INPOL-System gespeichert war, hat
sich nach Angabe des Zeugen Dressler seiner Kenntnis
entzogen.
6346
3. Flucht auf Fahrrädern
Wie bei den Überfällen wurden auch in der Mordserie
sowie beim Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in
Köln am 9. Juni 2004 Fahrräder als Fluchtmittel verwen-
det. Bezüglich der Morde an Enver Şimşek, Habil Kılıç,
Ismail Yaşar und Mehmet Kubaşık haben Zeugen bekun-
det, dass die Täter auf Fahrrädern gekommen oder ge-
flüchtet seien.
6347
6344) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 35.
6345) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 35.
6346) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 35.
6347) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ von Mai 2008, MAT A
GBA-4/2, Bl. 567.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 729 – Drucksache 17/14600
J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen
I. Die Situation der Opfer und die Folgen
rechtsextremistischer Straftaten
1. Rede der Preisträgerin des Genç-Preises
2013, Tülin Özüdoğru
Die überlebenden Opfer des NSU und die Angehörigen
der Opfer haben als Folge der Taten viel Leid und Un-
recht erlitten und haben auch heute noch mit den Auswir-
kungen der Taten zu kämpfen.
Die Preisträgerin des Genç-Preises 2013, Tülin Özüdoğru,
hat anlässlich der Verleihung des Preises ihren Schmerz
über den Verlust ihres Vaters, Abdurrahim Özüdoğru, der
am 13. Juni 2001 ermordet wurde, deutlich gemacht. In
ihrer Rede war es ihr ein besonderes Anliegen, ein ehrli-
ches Bild ihres Vaters für die Öffentlichkeit zu zeichnen:
„Sehr verehrtes Publikum, sehr geehrte Damen
und Herren,
ich bedanke mich von ganzem Herzen für diesen
bedeutsamen Preis. Ich fühle mich sehr geehrt, den
Genç-Versöhnungspreis hier und heute im Namen
meiner Familie in Empfang zu nehmen. lch erhalte
diesen Preis heute in Gedenken an meinen vor 12
Jahren verstorbenen Vater Abdurrahim Özüdoğru.
Aus diesem Grund möchte ich ihm in dieser Rede
ein paar Minuten widmen und Ihnen ein Bild von
einem Menschen machen, der, wie viele andere
Millionen Menschen auch, Deutschland zu seiner
neuen zweiten Heimat gemacht hatte.
Vor 12 Jahren war mein Vater mehr als nur ein
Opfer der NSU-Terrorzelle. Als er 1972 als begab-
ter Student mit einem Stipendium nach Deutsch-
land gekommen ist, um an der Universität Erlan-
gen Maschinenbau zu studieren, hatte er keine
Angst vor dem damals für ihn fremden Land. Es
gab Fachkräftemangel und seit einiger Zeit hatte
Deutschland seine Türen geöffnet. Mit viel Fleiß
lernte mein Vater die Sprache seiner neuen Heimat
und lebte sich schnell in die neue Kultur ein.
Menschlichkeit war das einzige, was uns an Men-
schen wichtig war und ist es immer noch, denn es
kann sich keiner auswählen in welche Herkunft
und Kultur er hineingeboren wird.
All das und noch viel mehr verbirgt sich hinter
dem Opfer Abdurrahim Özüdoğru.
Er war 29 Jahre in Deutschland, als er diesen
schrecklichen Taten zum Opfer fiel. Diese
schrecklichen Taten hätten jeden treffen können,
aber es traf meinen Vater.
Wir Familien, die ihre Väter, ihren Sohn, ihre Ge-
schwister verloren haben, haben sehr viel
Schmerz, Enttäuschung und Trauer ertragen müs-
sen. Im November 2011 wurden die eigentlichen
Täter endlich bekannt. Bis dahin mussten wir 10
Jahre lang in Ungewissheit leben. Wer waren die
Täter und wieso mein Vater? Diese Fragen quälten
uns die ganzen Jahre. Medienberichte, die nicht
der Wahrheit entsprachen, verletzten unsere Ge-
fühle noch mehr.
Während nach den damaligen Ereignissen viele
Menschen, an deren Menschlichkeit wir geglaubt
hatten, zu Enttäuschungen wurden, sind neue
Menschen zu guten Freunden geworden. Es gibt
ein türkisches Sprichwort das übersetzt lautet:
‚Seine wahren Freunde lernt man in schlechten
Zeiten kennen.‘ So war es auch bei uns.
Meine Erwartungshaltung ist groß. Wissen Sie,
man sagt, dass man von denen, die man liebt, mehr
erwarten kann. Und ich liebe Deutschland, mein
Geburtsland. Ich erwarte umfassende Aufklärung
der Taten und der Hintergründe. Und ich erwarte
ein konkretes Zeichen der Gerechtigkeit, des Mit-
gefühls und der Solidarität bei der Aufarbeitung in
der Gerichtsverhandlung.
Dennoch haben meine Familie und ich den Glau-
ben an die Menschlichkeit, den Glauben, dass es
auch weiterhin gute Menschen gibt, nicht verloren.
Meine Familie und ich begegnen Menschen immer
noch mit Toleranz, Liebe und Mitgefühl. Daran hat
sich trotz dem tiefen Schmerz, der Enttäuschungen
und Trauer bis heute nichts geändert. Wir sind
stark geblieben.
Schließlich erhielt mein Vater aufgrund seiner gu-
ten Leistungen noch während seines Studiums auf
einer Firmenkontaktmesse eine Anstellung, in der
er die nächsten 26 Jahre, also bis zu seinem Tod,
arbeitete. Er war ein geschätzter und angesehener
Mitarbeiter, aufgrund seiner Leistungen und seiner
produktionsfördernden Erfindungen.
Die Änderungsschneiderei betrieb er später nur
nebenberuflich. Sie war für ihn so etwas wie ein
Hobby, in dem er abschalten und nette Kontakte zu
seinen Kunden pflegen konnte. Er war ein Fami-
lienvater, der mich, seine Tochter, seine Frau und
seine Mitmenschen liebte. Er war ein weltoffener,
herzlicher, guter und sehr fleißiger Mensch mit
Träumen und Zielen. Ich kann mich noch sehr gut
daran erinnern, dass ich als kleines Kind mit mei-
nen Füßen auf den Boden stampfte und beleidigt
war, als er zurück von der Arbeit nach Hause kam.
Er fragte meine Mutter, was mit mir los war? Sie
Drucksache 17/14600 – 730 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
antwortete lächelnd: ‚Deine Tochter protestiert,
dass du den ganzen Tag arbeiten bist.‘ Ich wollte
nur, dass mein Vater bei mir blieb.
Mein Vater war jemand, der mit allen gut auskam.
Er hatte keine Feinde, sondern nur Freunde, darun-
ter auch viele Deutsche. Wir waren eine Familie,
die mit unseren deutschen Freunden sowohl Weih-
nachten als auch das Zuckerfest gemeinsam feiern
konnte. Wir unterschieden und unterscheiden bis
heute Menschen nicht nach ihrer Herkunft, Religi-
on, Hautfarbe oder Rasse.
Ich bin in Deutschland geboren und als deutsche
Staatsbürgerin ist Deutschland meine Heimat, ge-
nauso auch wie die Herkunft meiner Eltern meine
Heimat ist. lch bin beiden Kulturen mit inniger
Liebe und Respekt verbunden. Ich habe das Beste
aus beiden Kulturen aufgenommen und wünsche
mir ein Deutschland, in dem sich die vielen ver-
schiedenen Kulturen, Rassen und Religionen die
Hände reichen und füreinander da sind, sich schät-
zen und respektieren. Kein ‚Gegeneinander‘, kein
‚Nebeneinander‘, sondern ein ‚Miteinander‘ sollte
der Grundsatz für die hier lebenden Menschen
sein, das wünsche ich mir. Wir sollten in unserem
multikulturellen Deutschland die Vielfältigkeiten
dieser verschiedenen in Deutschland lebenden
Kulturen als eine Bereicherung für unser Land se-
hen. Jeder sollte verantwortungsbewusst mit dieser
Besonderheit umgehen und Solidarität in jeder
Weise zeigen. Hierzu möchte ich gerne Mahatma .
Gandhi zitieren: ‚Du und Ich: Wir sind eins. Ich
kann Dir nicht weh tun, ohne mich zu verletzen.‘
Abschließend möchte ich mich bei der Deutsch-
Türkischen Stiftung für Gesundheit und Herrn
Prof. Dr. Yasar Bilgin herzlich bedanken, dass sie
solch eine Veranstaltung in Gedenken an die Opfer
von Gewalt möglich machen. Ich bedanke mich
auch bei den mir nahestehenden Menschen, die
mich die letzten Jahre begleitet haben durch meine
schwierigen Zeiten im Leben und immer für mich
da waren. Vor allem und besonders meiner Mutter
danke ich, dass sie mir Halt und Kraft in meinem
Leben gegeben hat. Denn durch sie bin ich so stark
geblieben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
2. Besondere Belastungen der Opfer des
NSU und ihrer Angehörigen
a) Notwendigkeit fachgerechter Ermittlungen
im Opferumfeld
Die Aufklärungsquote bei Mordfällen ist in Deutschland
im internationalen Vergleich sehr hoch. Für die Zeit zwi-
schen 2002 und 2012
6348
liegt sie bei durchschnittlich
96 %. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskri-
minalamtes
6349
weist pro Jahr im Durchschnitt etwa 900
vollendete und versuchte Mordfälle aus. Eine Ursache für
die hohe Aufklärungsquote liegt in der Tatsache, dass es
sich bei der überwiegenden Anzahl der Mordfälle um
Taten handelt, bei denen eine Vorbeziehung zwischen
Opfer und Täter vorliegt. Laut der Polizeilichen Kriminal-
statistik
6350
gibt es nur bei rund 20 % der Mordfälle keine
Vorbeziehung zwischen Opfer und Täter, bei gut 10 % ist
die Vorbeziehung ungeklärt. In knapp 70 % der Fälle
bestand definitiv eine Vorbeziehung zwischen Opfer und
Täter.
Die Empfehlung der kriminalistischen Handlungsleh-
re,
6351
die Ermittlungen mit der Aufhellung des Opferhin-
tergrundes zu beginnen, folgt der Überlegung, dass es zur
Aufklärung eines Tötungsdeliktes unverzichtbar ist, eine
Vorstellung von der Persönlichkeit und der Lebensweise
des Opfers zu gewinnen. Aus diesem Grund gehört es bei
Mordermittlungen zum Standard, dass zunächst weitrei-
chende und zielgerichtete Ermittlungen zum Opfer getä-
tigt werden. Es gilt, alle Umstände zu prüfen – aber nicht
etwa ungeprüft vorzuwerfen! – die das Opfer hätten in
Konflikte verwickeln können: von den Familienverhält-
nissen bis zu illegaler Tätigkeit. Es ist wichtig, dass vor
einer Erstreckung der Ermittlungen auf die Möglichkeit
eines zufälligen Zusammentreffens von Täter und Opfer
zunächst eine Tatbegehung aus dem Umfeld des Opfers
ausgeschlossen werden kann. Erst wenn sich aus den
Ermittlungen zum Nahraum des Opfers und seiner indivi-
duellen Lebensführung keine klaren Ansätze oder zumin-
dest denkbaren Motivlagen ergeben, erfolgt eine Auswei-
tung der Ermittlungen auf einen Täter jenseits einer Vor-
beziehung von Opfer und Täter.
Mithin gilt der Grundsatz, dass die Ermittlungen beim
Naheliegenden beginnen und nach dessen Falsifizierung
zum ferner Liegenden ausgeweitet werden. Auch dafür
sind wiederum Erkenntnisse zum Opfer bedeutsam – etwa
zu erkennbaren Routinehandlungen, die dessen An- oder
Abwesenheit zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem
bestimmten Ort nahelegen und damit Gelegenheiten zur
Tat erkennbar machen. Ohne alle diese Informationen
führt keine Spur vom Opfer zum Täter: Wurde dieses
Opfer gezielt als diese Person ausgewählt? Oder stellver-
tretend für eine Gruppe? Oder situativ aufgrund anderer
Umstände? Besonders schwierig gestalten sich Ermittlun-
gen immer dann, wenn sich eine klare und eindeutig fest-
legbare Motivlage nicht feststellen lässt und nur wenig
interpretierbares Täterverhalten („Spurenlage“) vorzufin-
den ist.
6348) Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) Bund,
Tabelle 01 für den Zeitraum 2002 bis 2012.
6349) Auswertung der PKS Bund, Tabelle 92 für den Zeitraum 2002
bis 2012.
6350) Auswertung der PKS Bund, Tabelle 92 für den Zeitraum 2002
bis 2012.
6351) Handbuch der Kriminalistik (Ackermann, Clages und Roll,
2007).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 731 – Drucksache 17/14600
BKA-Präsident Ziercke betonte im Ausschuss ebenfalls
die Notwendigkeit der Nachforschungen im Opfer-
Umfeld, um die Opferauswahl klären zu können und wies
auf die Negativseiten und Konsequenzen dieser Notwen-
digkeit hin:
„Wer da nicht sensibel ist, der tritt da so viel Por-
zellan kaputt. Das ist in der Tat etwas, was man
nicht genug auch in der Ausbildung der Polizei
immer wieder ansprechen muss.“6352
b) Behandlung der Betroffenen im Ermitt-
lungsverfahren
aa) Die Angehörigen der Mordopfer im Fokus
der Ermittlungen
Der Ausschuss hat durch die Zeugenbefragungen und
anhand von Akten einen Eindruck davon erhalten, wie
umfangreich die Ermittlungen im unmittelbaren Umfeld
der Ermordeten, betreffend die Ehefrauen, Geschwister
und Eltern der Opfer der Česká-Mordserie waren.
So gerieten nach dem Mord an Enver Şimşek am
9. September 2000 die Ehefrau des Opfers, Adile Şimşek,
und ihr Bruder besonders in den Fokus der Polizei. Am
16. Januar 2001 vernahm die Polizei die Ehefrau des
Opfers, Adile Şimşek. Zunächst befragte die Polizei Frau
Şimşek sehr ausführlich zu Geldtransaktionen und etwai-
gen finanziellen Problemen. Gegen Ende der Verneh-
mung ging die Polizei einem angeblichen außerehelichen
Verhältnis des Opfers nach. Frau Şimşek erklärte vehe-
ment, dass Enver Şimşek ein solches nicht gehabt habe.
Sie wisse davon nichts und könne sich dies nicht vorstel-
len.
6353
Ihre Tochter, Semiye Şimşek, hat in Interviews
zudem davon berichtet, dass die Ermittler ihrer Mutter ein
Foto von einer blonden Frau gezeigt hätten und behauptet
hätten, bei der Frau auf dem Foto handele es sich um die
Geliebte ihres Ehemannes, mit der dieser zudem zwei
Kinder habe.
6354
Im Kontext der Ermittlungen des LKA Hamburg nach
dem Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 in
Hamburg hat der Ausschuss dem Zeugen Schwarz, der
seit dem 1. Februar 2006 als stellvertretender Leiter der
Abteilung Organisierte Kriminalität und Leiter der
Rauschgiftermittlungen mit diesem Mord befasst war,
6355
vorgehalten, dass der Vater des Opfers stundenlang ver-
nommen worden sei. Zu diesem Vorhalt hat der Zeuge
Schwarz erklärt, bei der Frage, wie intensiv im Umfeld
ermittelt werde, sei die Nationalität, die Herkunft oder die
Ethnie von Opfern oder Angehörigen zunächst einmal
irrelevant. Mordermittlungen, Ermittlungen in einem
Tötungsdelikt, starteten bei den Opfern, bei der Familie
6352) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 68.
6353) Protokoll der Zeugenvernehmung von Adile Şimşek vom
16. Januar 2001, MAT A GBA-4/5e, Bl. 77 ff.
6354) SZ-Magazin 10/2013, Lara Fritzsche: „In Trauer verbunden“.
6355) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65.
und bei dem Umfeld, um Kontaktpersonen, mögliche
Konflikte, mögliche Motivlagen zu ergründen. Es sei
daher unvermeidlich, diese Ermittlungen zu führen. Sie
richteten sich nicht speziell und nicht verstärkt gegen die
Familie. Die Wahrnehmungen, die dann in der Öffent-
lichkeit daraus erwüchsen, wenn die Polizei mit den An-
gehörigen spreche, seien natürlich schwer einzufangen.
Die Polizei habe aber auch viele Fragen zu dem Sohn, zu
dem Bruder zu stellen gehabt, um möglichst viel über das
Opfer zu erfahren.
6356
bb) Telekommunikationsüberwachungsmaß-
nahmen und Einsatz Verdeckter Ermittler
gegen Angehörige der Mordopfer
Mehrfach kamen gegen unmittelbare Angehörige der
Mordopfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“
Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Ver-
deckte Ermittler zum Einsatz. So wurden bei den Ermitt-
lungen im familiären Umfeld von Enver Şimşek und unter
etwaigen geschäftlichen Konkurrenten umfangreiche
Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchge-
führt. Zudem erfolgte im Oktober 2000 eine polizeiliche
Überwachung der von der Familie Şimşek in ihrem Fahr-
zeug geführten Gespräche.
6357
Auch nach dem Mord an Theodorus Boulgarides am
15. Juni 2005 in München – dem siebten Opfer in dem
von den Ermittlern ab 2001 als Mordserie erkannten
Komplex – ermittelte die Soko „Theo“ intensiv im famili-
ären Umfeld des Opfers. Die Ermittlungen richteten sich
vor allem gegen den Bruder des Ermordeten. Im Untersu-
chungsausschuss des Bayerischen Landtags hat der Zeuge
Pickert, Leiter der Soko „Theo“, ausgesagt, im Zuge der
Ermittlungen hätten sowohl Telekommunikationsüberwa-
chungsmaßnahmen gegen den Bruder als auch eine ver-
deckte Observation stattgefunden.
6358
Der Zeuge Dr. Kimmel, Oberstaatsanwalt bei der StA
Nürnberg, hat im Untersuchungsausschuss des Bayeri-
schen Landtags zudem berichtet, Verdeckte Ermittler
seien mit der Legende, als Journalisten und Detektive zu
arbeiten, an die Angehörigen der Opfer herangetreten.
Man habe sich auf diese Art und Weise einen anderen
Zugang zu Informationen erhofft, die die Angehörigen
möglicherweise nicht der Polizei übermitteln wollten.
6359
Yvonne Boulgarides, Witwe von Theodorus Boulgarides,
hat in einem Interview dazu Folgendes berichtet: Einige
Monate nach dem Mord an ihrem geschiedenen Ehemann
hätten zwei türkische Männer vor ihrer Wohnungstür
gestanden, die behauptet hätten, Privatdetektive zu sein.
6356) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 100.
6357) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 – 444, insbes. Bl. 409 f.
6358) Protokoll der 14. Sitzung des Untersuchungsausschuss des
Bayerischen Landtags „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“,
am 19. Februar 2013, S. 127.
6359) Protokoll der 21. Sitzung des Untersuchungsausschuss des
Bayerischen Landtags „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“
am 10. April 2013, S.19.
Drucksache 17/14600 – 732 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sie habe daraufhin in Panik die Polizei angerufen. Zu-
nächst habe eine Beamtin versprochen, einen Einsatzwa-
gen zu schicken. Während Frau Boulgarides auf das Ein-
treffen des Wagens wartete, seien die beiden Männer im
Treppenhaus geblieben. Nach zwanzig Minuten habe sie
wieder bei der Polizei angerufen, dann hätte es geheißen,
sie könne die Männer ruhig einlassen, die Polizei wisse
von ihnen. Als Frau Boulgarides sie in die Wohnung bat,
hätten die beiden Männer vorgegeben, als Privatdetektive
für einen Nürnberger Verein türkischer Kleinunternehmer
in der Mordserie zu ermitteln und lauter Fragen gestellt,
die die Polizei auch schon gestellt hatte. Nach dem Ge-
spräch habe sie nie wieder etwas von den beiden Männern
gehört.
6360
Auch die MK „Café“ in Kassel ermittelte nach dem Mord
an Halit Yozgat am 6. April 2006 intensiv im familiären
Umfeld des Opfers. Mehrere Telefonanschlüsse der Fami-
lie wurden über mehrere Monate hinweg überwacht.
6361
Weil das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz
behauptet hatte, İsmail Yozgat, der Vater des Opfers, solle
bei Freitagsgebeten in einer Moschee zur Blutrache an
dem zunächst unter Mordverdacht stehenden Verfas-
sungsschutzmitarbeiter Andreas Temme aufgefordert
werden, ließ die Polizei darüber hinaus aus Gründen der
Gefahrenabwehr und damit nicht zur Strafverfolgung die
von İsmail Yozgat genutzten Telefone vom 3. August
2006 bis zum 8. September 2006 überwachen. Das PP
Kassel schrieb am 2. August 2006 in diesem Zusammen-
hang einen Vermerk, wonach die Gefährdung des Temme
in
„den ethnisch-kulturellen Hintergründen der Op-
ferfamilien“
zu sehen sei.
6362
Die Polizei stellte dann allerdings fest,
dass İsmail Yozgat an keinem einzigen Freitagsgebet in
einer Moschee teilgenommen hatte und beendete die
Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen.
6363
Paral-
lel zu den Strukturermittlungen gegen die Familie Yozgat
erfolgte über mehrere Monate ebenfalls der Einsatz eines
Verdeckten Ermittlers, um Informationen von dem Vater
des Getöteten zu erlangen.
6364
cc) Problematische Zeugenvernehmungen
Im Zuge der Ermittlungen wurden die Angehörigen der
NSU-Mordopfer vielfach und keineswegs immer fachge-
recht und entsprechend der Vorschriften vernommen. So
wurde beispielsweise Semiya Şimşek vier Tage nach den
Schüssen auf ihren Vater am 13. September 2000 im Alter
6360) Die Zeit vom 1. Dezember 2012, „Das zweite Trauma“.
6361) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 17.
6362) Gefährdungslagebeurteilung des LKA Hessen, Sachgebiet 163
Zeugenschutz-Gefährdungsanalysen vom 20. Juli 2006, MAT
A GBA-4/11f (neu), Bl. 20.
6363) Vermerk der MK „Café“ vom 8. September 2006, MAT A
GBA-4/11f (neu), Bl. 39.
6364) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 17.
von 14 Jahren ohne Beistand ihrer Mutter oder einer an-
deren volljährigen Vertrauensperson vernommen.
6365
Auch Yvonne Boulgarides kritisiert, am Tag nach dem
Mord an Theodorus Boulgarides seien sie und ihre Töch-
ter getrennt voneinander vernommen worden. Eine der
Töchter war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt und sei
ohne Beistand vernommen worden.
6366
Nach den Morden an Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat
im April 2006 wurden auch Adile und Semiya Şimşek, die
Ehefrau und die Tochter des ersten Mordopfers, wieder
mehrfach vernommen. So erschienen beispielsweise am
14. Dezember 2006 Ermittler der BAO „Bosporus“ in der
Wohnung der Familie zu einer „Befragung“, bei der
Semiya Şimşek für ihre Mutter übersetzte. Dabei hatten
„beide Frauen zunächst ein sehr reserviertes bis
ablehnendes Verhalten“,
vermerkten die Beamten der BAO „Bosporus“. Dieses
Verhalten sei offenbar darin begründet,
„dass die Familie Şimşek das Gefühl hatte, in der
Vergangenheit sei hauptsächlich gegen die Familie
selbst ermittelt worden. Erst nach einem längeren
Vorgespräch über die Notwendigkeit der in der
Vergangenheit getätigten Ermittlungen auch in-
nerhalb der Familie Şimşek hätten Frau Şimşek und
ihre Tochter Verständnis für die bisherigen Maß-
nahmen aufgebracht. Im weiteren Verlauf des Ge-
spräches sei es gelungen, eine lockere gelöste
Stimmung zu schaffen.“6367
Vier Wochen später, am 16. Januar 2007, wurden Adile
Şimşek sowie ihre beiden Kinder von Beamten der BAO
„Bosporus“ erneut zu einem „zwangslosen Gespräch“ in
ihrer Wohnung aufgesucht. Das Gespräch dauerte vier
Stunden, erneut übersetzte Semiya Şimşek. In den folgen-
den Monaten wurde Adile Şimşek weitere viermal ver-
nommen. Im Wesentlichen fokussierten sich die Ermittler
trotz des von der 2. Operativen Fallanalyse angenomme-
nen rassistischen Tatmotivs, auf Fragen zu Geschäftsbe-
ziehungen von Enver Şimşek und dessen Freundes- und
Bekanntenkreis.
6368
Nach dem Mord an Süleyman Taşköprü musste dessen
Schwester dem gemeinsamen Vater die Vernehmung und
den gegen ihn geäußerten Tatverdacht auf der Polizeiwa-
che übersetzen. Auf Fragen des Ausschusses hierzu hat
der Zeuge Schwarz vom LKA Hamburg ausgeführt, er
hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt Verantwortung für
diese Ermittlung gehabt hätte, dies auf keinen Fall zuge-
lassen. Das helfe zwar rückblickend nicht; aber er teile die
Auffassung, dass das, was die Tochter dort habe ertragen
müssen, inakzeptabel gewesen sei. Auch sei diese Vorge-
hensweise fachlich fragwürdig, denn die Schwester sei
6365) MAT A GBA-44/5e, Bl. 1583 f.
6366) Die Zeit vom 1. Dezember 2012, „Das zweite Trauma“.
6367) MAT A GBA-4/5e, S. 2724 f.
6368) MAT A GBA-4/5e, S. 2724 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 733 – Drucksache 17/14600
selbst eine unbefangene, unabhängige Zeugin, die auch
unabhängig davon hätte befragt werden sollen.
6369
dd) Verdacht gegen das Umfeld der Mordopfer
Neben den engen Angehörigen der Mordopfer des NSU
ermittelte die Polizei auch in deren Umfeld – bei Arbeit-
gebern, Freunden, Verwandten zweiten, dritten und vier-
ten Grades. Beispielhaft seien hier die Ermittlungen der
Soko „Kormoran“ nach dem Mord an Mehmet Turgut am
25. Februar 2004 in Rostock genannt. Am 16. Februar
2005 wurde aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses
des Amtsgerichts Rostock vom 29. November 2004 die
Wohnung des Haydar A. durchsucht, in dessen Imbiss
Mehmet Turgut erschossen worden war. Die Ermittler
vermuteten, dass Mehmet Turgut unter Umständen Opfer
einer Verwechselung geworden sein könnte und die
Schüsse Haydar A. gegolten hätten, und beschlagnahmten
Geschäftsunterlagen von Haydar A. Zudem vermuteten
sie Geldwäschegeschäfte bei Haydar A., ohne diese je-
doch nachweisen zu können.
6370
In einem Schreiben an
die Staatsanwaltschaft Rostock vom 7. April 2005 forder-
te der Rechtsanwalt von Haydar A. die Rückgabe der
beschlagnahmten Geschäftsunterlagen und die Einstellung
der Ermittlungen gegen Haydar A. Der Anwalt wies da-
rauf hin, dass die Theorie der Ermittler, der Mord habe
Haydar A. gegolten, schon alleine deshalb nicht logisch
sei, da sein
„Mandant das Lokal in der Öffentlichkeit etwa seit
neun Jahren [betreibe]. Es wäre also für einen po-
tentiellen Täter sicherlich bis zum heutigen Tage
ein leichtes, meinen Mandanten vor Ort auszuma-
chen, diesen zu identifizieren und gegenüber die-
sen möglicherweise irgendeine ‚Aktion‘ durchzu-
führen.“6371
Zudem sei
„die Durchsuchungssache, die mit neun Leuten
durchgeführt wurde, in höchstem Maße für meinen
Mandanten und seinen persönlichen Ruf belastend.
[…] Für das Leben meines Mandanten stellt sich
die gesamte Angelegenheit langsam als absolute
Katastrophe dar.“6372
Auch Angehörige von Mehmet Kubaşık und Theodorus
Boulgarides empfanden die Durchsuchung ihrer Woh-
nungs- und Geschäftsräume mit Drogenspürhunden un-
mittelbar nach den Taten und quasi vor den Augen der
Nachbarschaft als demütigend und stigmatisierend.
6369) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 100.
6370) Vermerk der StA Rostock vom 1. April 2004, MAT A GBA-
4/8b, Bl. 4 f.; Vermerk der StA Rostock vom 13. April 2004,
MAT A GBA-4/8b, Bl. 64.
6371) MAT A GBA-4/8b, Bl. 62.
6372) MAT A GBA-4/8b, Bl. 63.
ee) Reaktionen auf Verdacht der Angehörigen,
die Morde seien rassistisch motiviert ge-
wesen
Mehrfach haben Angehörige der NSU-Mordopfer nach
dem 4. November 2011 in der Öffentlichkeit betont, sie
hätten die Ermittler bei Vernehmungen darauf hingewie-
sen, dass sie einen rechtsextremen oder rassistischen
Hintergrund für die Tat vermutet haben. In seiner Aussa-
ge vor dem Ausschuss sagte der Zeuge EKHK Vögeler,
einer der zentralen Sachbearbeiter der BAO „Bosporus“,
nach dem Mord an Enver Şimşek sei von den Angehöri-
gen auch die Vermutung geäußert worden, der Täter kön-
ne ein Türkenhasser gewesen sein.
6373
Man habe in der
nächsten Zeit intensiv beobachtet,
„ob möglicherweise andere Delikte, begangen
eben durch Schusswaffen, oder rechtsgerichtete
Delikte hier zusammengehören könnten. Also, das
war von Anfang an schon ein Ermittlungsweg.“6374
Ob und inwieweit auch andere Tatortmordkommissionen
dem Verdacht von Angehörigen nachgegangen sind, die
Täter seien Rechtsextremisten oder hätten aus rassisti-
schen Motiven gehandelt, konnte der Ausschuss nicht
feststellen. Gamze Kubaşık, die Tochter des Ermordeten,
hat in einem Interview mit der Deutschen Welle berichtet,
sie habe den Dortmunder Ermittlern ihre Vermutung
mitgeteilt, der Mord müsse einen rechtsextremen Hinter-
grund haben. Daraufhin habe man ihr entgegnet, dafür
gebe es keine Beweise.
6375
ff) Familien der Opfer der Mordserie und der
Sprengstoffanschläge in der Wahrneh-
mung der Ermittler
Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage beschäftigt,
wie die Familien der Mordopfer von den Ermittlern wahr-
genommen wurden. Der Zeuge Schwarz vom Landeskri-
minalamt Hamburg hat in seinem Eingangsstatement zur
Persönlichkeit des fünften NSU-Mordopfers, Süleyman
Taşköprü, ausgeführt:
„Süleyman Taşköprü war das, was wir im Landes-
kriminalamt einen ganz normalen türkischen
Mann‘ genannt haben: leidenschaftlich, sehr ener-
gisch und dominant vom Wesen. Er war nennens-
wert auch polizeilich in Erscheinung getreten. Wir
haben uns auch aus Rücksicht auf sein Elternhaus
stets bemüht, sein Ansehen auch zu schützen.“6376
Deutlich wird an diesen Ausführungen, dass bei solchen
Ermittlungen bereits eine vorgefasste Meinung vorhanden
war, wie ein typischer türkischer Mann sei.
6373) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 88.
6374) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 88.
6375) Deutsche Welle vom 25. April 2013, „Eine Tochter will Ge-
rechtigkeit“.
6376) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65.
Drucksache 17/14600 – 734 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ein weiteres Beispiel, wie die Ermittler – ob bewusst oder
unbewusst – das Verhalten von Zeugen oder Tatverdäch-
tigen mit ihrer Herkunft verknüpften, sind die Ermittlun-
gen der EG „Sprengstoff“ beim PP Köln, die für die Auf-
klärung des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße zu-
ständig war, gegen die Familie von Ö. Y. Er war der Be-
treiber des Frisör-Salons, vor dem die Nagelbombe ex-
plodierte und dessen bei ihm angestellter Bruder H. Y.
durch den Anschlag schwer verletzt wurde. Ein Anwoh-
ner hatte behauptet, Ö. Y. sei aufgrund seiner Leiden-
schaft für Glückspiele hochverschuldet und bei dem
Bombenanschlag habe es sich um einen Racheakt der
Gläubiger gehandelt.
6377
Nach zahlreichen Vernehmungen
von Familienangehörigen, Bekannten der Familie und
Anwohnern sowie auf Hören-Sagen beruhenden Hinwei-
sen von polizeilichen Informanten und umfangreichen
Finanzermittlungen kam die EG „Sprengstoff“ am
15. Dezember 2005 zu folgender Zusammenfassung:
„Die Familie führt ein geordnetes Familienleben.
[…] Ö. Y. wird als umgänglicher netter Mensch,
zuverlässiger Arbeitgeber und als guter Frisör be-
schrieben. Insbesondere aus den Aussagen der
ehemaligen Geschäftspartner ist zu entnehmen,
dass es sich bei dem Frisörsalon Ö. Y. um einen
Laden handelt, der mehr nach tür-
kisch/orientalischen Grundsätzen geführt wird und
nicht mit westeuropäisch ausgerichteter Geschäfts-
führung zu vergleichen ist. Bezahlung der Ange-
stellten und Geschäftspartner war nicht konkret
vertraglich geregelt und erfolgte in der Regel auch
in bar. […] Ob Personen aus dem ‚Milieu‘ zum
Kundenkreis des Frisörs gehören, konnte nicht ve-
rifiziert werden. Männliche Personen, die groß und
auffallend kräftig waren, sind durchaus im Salon
verkehrt.“6378
„Ich durfte mir sieben Jahre lang anhören, dass ich
in mafiöse Machenschaften verstrickt bin“,
sagte Ö. Y. nach dem 4. November 2011.
„Sie haben mich vor den Augen meiner beiden
Kinder immer wieder abgeholt, um mich zu verhö-
ren.“
Er sollte Namen nennen, man warf ihm vor, nicht koope-
rieren zu wollen. Ö. Y. fühlte sich Medienberichten zufol-
ge derart unter Druck gesetzt, dass er an Selbstmord dach-
te.
6379
Ein nicht-ethnisierender Blick auf die Familie des achten
NSU-Mordopfers, Halit Yozgat, findet sich im Ab-
schlussbericht der MK „Café“ in Kassel. Nach Abschluss
der Strukturermittlungen gegen die Familie von Halit
6377) Vermerk der EG „Sprengstoff“ vom 14. November 2004 MAT
A GBA-4/24e, Bl. 2 f.
6378) Vermerk der EG „Sprengstoff“ vom 15. Dezember 2005, MAT
A GBA-4/24e, Bl. 50 f.
6379) Kölner Stadtanzeiger vom 27. Februar 2013, „Polizeipräsident
entschuldigt sich“.
Yozgat stellte die MK „Café“ am 21. September 2006
fest,
„dass es sich bei der Familie des Opfers um eine
‚normale‘ Familie mit alltäglichen Problemen han-
delt. […] Im Rahmen der Strukturermittlungen
konnten keine Hinweise auf ein mögliches Tatmo-
tiv erlangt werden. Ferner gibt es keine Hinweise,
dass das Mordopfer Halit Yozgat oder andere Fa-
milienangehörige Kontakt zur sog. Organisierten
Kriminalität haben/hatten.“6380
Der Zeuge Hoffmann von der MK „Café“ hat die Ermitt-
lungen im Opferumfeld wie folgt zusammengefasst:
„Aus der Familie kamen dann Hinweise darauf,
dass möglicherweise ein Konflikt zwischen Halit
Yozgat und einem türkischen jungen Mann eine
Ursache bilden konnte. Hintergrund war, dass ei-
nige Zeit zuvor eine jüngere Schwester von Herrn
Yozgat ein Verhältnis oder eine Beziehung zu ei-
nem jungen Mann hatte, die in die Brüche gegan-
gen ist. In der Folge dieser Auseinandersetzung
gab es eine Tätlichkeit zwischen dem Halit Yozgat
und dem jungen Mann, bei dem Halit Yozgat dem
anderen jungen Mann das Nasenbein brach. Und
die Familie mutmaßte, dass das eventuell eine Ra-
che dieser Familie sein konnte. Noch in der Nacht
hat dann ein Einsatz unseres Spezialeinsatzkom-
mandos stattgefunden, weil der Hinweis auf eine
Waffe ja gegeben war. Im Ergebnis war es so, dass
der Tatverdacht gegen die Personen sich nicht er-
härtet hatte. Es konnte also ausgeschlossen wer-
den.“6381
Der Zeuge Hoffmann hat außerdem ausgesagt, dass Kon-
takte zum Vater des Ermordeten gepflegt worden seien.
Die Ermittler hätten Herrn Yozgat immer wieder erklärt,
wie die Dinge, die in der Presse verbreitet wurden, aus
ihrer Sicht zu bewerten seien. Herr Yozgat habe auch
gegenüber Dritten das Verhältnis zu dem Chefermittler
als freundschaftlich bezeichnet.
6382
So führte ein Beamter
der MK „Café“ im Februar 2007 ein erneutes Gespräch
mit İsmail Yozgat und dessen Ehefrau. Dabei wurde zum
einen deutlich, dass die Familie sehr darunter litt, dass sie
nichts über das Motiv der Täter wusste und um psycholo-
gische Beratung in türkischer Sprache bat. Dann fragte
İsmail Yozgat den Beamten der MK „Café“, ob er sich
einen Anwalt nehmen bzw. Akteneinsicht beantragen
solle. Anstatt Ismail Yozgat über seine Rechte als Neben-
kläger aufzuklären – zu diesen Rechten gehört die anwalt-
liche Vertretung während des Ermittlungsverfahrens und
die Akteneinsicht – entgegnete der Beamte laut Vermerk,
6380) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 18.
6381) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 83.
6382) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 113.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 735 – Drucksache 17/14600
„dass er momentan keinen Sinn in der Einschal-
tung eines Rechtsanwalts sehe.“6383
Auch der Zeuge Gricksch vom PP Dortmund hat betont,
dass ihm die Betreuung der Angehörigen durch die Kolle-
gen, die vor Ort sind, wichtig sei. Dies liege unter ande-
rem daran, dass er ausgebildeter Opferbetreuer sei. Die
Beamten würden versuchen, über die Opfer an die Täter
heranzukommen. Das habe damit zu tun, dass die weit
überwiegende Zahl von Tötungsdelikten ihren Ursprung
im familiären Umfeld hat. Von daher sei es eigentlich
zwangsläufig, da eine enge Beziehung aufzubauen. In
Dortmund werde für besondere Ereignisse, unter anderem
zum Beispiel für Geiselnahmen, sogar ein Einsatzab-
schnitt gebildet, der sich ausschließlich mit der Frage
beschäftige: Wie kümmert sich die Polizei um die Op-
fer?
6384
c) Erfahrungen der Opfer über die Ermittlun-
gen hinaus
Für den Umgang mit der Trauer und der Verzweiflung
sowie für die Möglichkeit des Verarbeitens eines so
schweren Schicksalsschlags ist es erforderlich, dass die
Opfer nicht zusätzlich zu ihrer schweren Situation mit
Verdächtigungen oder daraus resultierend mit sozialem
Ausschluss belastet werden.
Semiya Şimşek äußerte auf der Gedenkveranstaltung:
„die Familien der Opfer konnten elf Jahre lang
keine Opferfamilien sein.“6385
Die Sachverständige Prof. John – Ombudsfrau für die
Opfer und Opferangehörigen der Zwickauer Terrorzelle –
hat dazu betont:
„Es gehört ja auch zur Bewältigung einer Tat dazu,
dass man die Opferrolle annimmt und dann den
Weg als Opfer beschreiten kann.“6386
Auch die vom Ausschuss geladene Sachverständige Mar-
tina Linke, von der Opferhilfe-Organisation „Weißer
Ring“, unterstrich, dass eine
„Aufarbeitung des erlittenen Unrechts […] erst
nach der Anerkennung als Opfer beginnen“
kann.
6387
Inwieweit die Opfer und deren Angehörige im Zusam-
menhang mit den einzelnen Taten der Mordserie und der
Sprengstoffanschläge als Täter oder Beteiligte verdächtigt
wurden, wird in den jeweiligen Abschnitten näher behan-
delt. In diesem Zusammenhang wird auch der Frage
nachgegangen, inwieweit es grundsätzlich erforderlich ist,
Ermittlungen im Opferumfeld durchzuführen.
6383) Vermerk der MK „Café“ vom 9. Februar 2007, „Gefährdungs-
lage Temme“, MAT A GBA-4/11f (neu), Bl. 55.
6384) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 109 f.
6385) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 14.
6386) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 14.
6387) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.
Auch heute noch wird den Familien Fremdenfeindlichkeit
entgegengebracht. Als Beispiel hierfür hat die Ombuds-
frau Prof. John die Vorkommnisse in einer Kölner Be-
rufsschule genannt, in welcher ein Opfer des Nagelbom-
benanschlags von rechtsradikalen Jugendlichen täglich
mit den Worten „Heil Hitler!“ begrüßt worden sei. Eine
Reaktion durch die Lehrer oder den Schulleiter sei nicht
erfolgt.
6388
Bei den Behörden erfahren die Opfer und deren Angehö-
rige häufig ein „standardmäßiges“ Verhalten. Zusammen-
hänge zu den Straftaten werden, wenn es um Anträge geht
– von der Beantragung einer Wohnung bis hin zur Staats-
bürgerschaft – nicht immer hergestellt.6389 Um den beson-
deren Gegebenheiten gerecht zu werden, hat Prof. John
angemahnt, die Fälle der Betroffenen der NSU-Taten bei
den Behörden als Härtefall einzustufen. Dies soll gewähr-
leisten, dass eine rasche und adäquate Bearbeitung der
Anliegen erfolgt. In einigen Bundesländern wurde eine
gesonderte Behandlung dieser Fälle bereits umgesetzt.
6390
Ein weiteres Problem im Umgang speziell mit den Opfern
und deren Angehörigen der Taten des NSU liegt darin,
dass diese nicht über die laufenden Ermittlungen und
deren Ergebnisse informiert werden. So wurde den Be-
troffenen nach den teilweise jahrelangen Verdächtigungen
nicht mitgeteilt, dass sie aufgrund aktueller Ermittlungen
nun nicht mehr als Tatverdächtige im Mittelpunkt der
Ermittlungen stehen. Diese Information erhielten sie aus
der Presse. Einige Familien wurden nach mehreren Tagen
von der Polizei unterrichtet.
6391
Lediglich über einen
Rechtsanwalt konnten Informationen über den Stand der
Ermittlungen in Erfahrung gebracht werden.
6392
Damit
wurde dem dringenden Wunsch der Angehörigen, in die
laufenden Ermittlungen einbezogen zu werden, nur unge-
nügend Rechnung getragen.
3. Mögliche Schäden der Opfer rassistischer
und rechtsextremistischer Taten und de-
ren Angehörigen, insbesondere der Betrof-
fenen der Taten des NSU
Opfer von Verbrechen erleiden verschiedene Arten von
Schäden. Neben körperlichen Beeinträchtigungen und
Gesundheitsschäden und den dazugehörigen Kranken-
und Heilbehandlungskosten, sind bei den Opfern des
NSU und deren Angehörigen erhebliche wirtschaftliche
Einbußen wie Verdienstausfälle und weitere materielle
Schäden zu verzeichnen. Auch psychische Folgen und
ideelle Schäden wurden erlitten.
Außerdem sind Nachteile für die Kinder der Opfer ent-
standen. Im Zusammenhang mit den Taten des NSU, die
bereits bis zu dreizehn Jahre zurückreichen, hat Prof. John
darauf hingewiesen, dass einige Angehörige ihr Studium
6388) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 4.
6389) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 58.
6390) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 69.
6391) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 3.
6392) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 19.
Drucksache 17/14600 – 736 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht hätten weiterführen können. Als sie einige Jahre
später ihr Studium wieder aufgenommen hätten, sei ihr
BAföG-Anspruch entfallen. Hierdurch seien hohe Belas-
tungen für die betroffenen Personen entstanden. Zwar
treffe dieses Problem nicht lediglich Opferangehörige,
sondern viele Studenten. Allerdings handele es sich be-
züglich der Opferangehörigen um direkte oder indirekte
Folgen der Taten.
6393
Ein besonderes Problem habe sich für Kleinunternehmer
ergeben. Deren Versicherungen lehnten ein Aufkommen
für die aus den Anschlägen resultierenden Schäden vor-
erst ab. Grund hierfür war, dass zunächst kein Täter be-
kannt war.
6394
Nach Bekanntwerden der Täterschaft seien
die Ansprüche teilweise verjährt.
6395
4. Umgang mit Opfern rassistischer und
rechtsextremistischer Straftaten im Allge-
meinen
Der Ausschuss hat sich mit der Frage beschäftigt, mit
welchen besonderen Problemen Opfer rechtsextremisti-
scher Gewalt konfrontiert sind.
Zum Umgang mit Opfern rechter Gewalt hat die Sachver-
ständige Christina Büttner, Mitarbeiterin der mobilen
Opferberatungsstelle „ezra“, aus der während ihrer Tätig-
keit gewonnenen Erfahrung berichtet. Sie hat dargelegt,
dass in vielen Fällen derartige Taten bei der Polizei nicht
als solche gewürdigt oder gar nicht erst aufgenommen
worden seien. Erst durch Heranziehung eines Rechtsan-
walts und der Opferberatung sei eine Anzeige erfolgt.
Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Taten wer-
de etwa aufgrund sprachlicher Kommunikationsbarrieren
teilweise nicht zugehört. Mehrfach habe es an einer Initia-
tive gefehlt, einen Rahmen zu schaffen, in welchem eine
Äußerung des Opfers möglich gewesen wäre. Stattdessen
seien die Betroffenen ohne weitere Ansprache, ärztliche
Behandlung, Begleitung oder Unterstützung nach Hause
geschickt worden.
6396
Bei Opfern rechter Gewalt trete oft
eine Art Mechanismus ein, der bewirke, dass das Anlie-
gen der Betroffenen in einen Vorwurf umgekehrt werde –
aus der Opferrolle werde eine Täterrolle kreiert. So würde
häufig davon ausgegangen, dass jemand, der Opfer rech-
ter Gewalt werde, hierfür etwas getan haben müsse, dass
er also etwa durch Provokation den Anlass für diesen
Angriff geschaffen habe.
6397
Martina Linke hat sich zu der Behandlung der Betroffe-
nen durch die Behörden und der Zuerkennung der Opfer-
rolle wie folgt geäußert:
„Die öffentliche Anerkennung des erlittenen Un-
rechts – vorzugsweise natürlich durch ein Ge-
6393) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 2 f.
6394) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18, anders verhält es sich diesbezüg-
lich beim Opferentschädigungsgesetz, welches unter J.II.1 nä-
her erläutert wird.
6395) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.
6396) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 25 f.
6397) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
richtsverfahren – ist für die Opfer und für die mit-
telbaren Opfer aber von entscheidender Bedeu-
tung. Sehr häufig berichteten sie uns vom Verlust
ihrer Würde durch die Ermittlungsbehörden und
davon, dass sie erst durch die Opferhelfer das erste
Mal eine achtsame Behandlung bekommen ha-
ben.“6398
Der Diplomkriminalist Günter Schicht, der sich dafür
einsetzt, die Polizeiarbeit bezüglich des rechtsextremisti-
schen Bereichs zu sensibilisieren, hat darauf hingewiesen,
dass ein Spannungsverhältnis zwischen der Arbeit der
Ermittlungsbehörden und dem Umgang mit Opfern als
Zeugen besteht, welches es durch Sensibilität und Profes-
sionalität auszugleichen gilt:
6399
„Ermitteln, ohne Leid zu steigern - das ist immer
ein Spannungsfeld, wenn ich mit Opfern umgehe.
Opfer sind Zeugen, und von Zeugen brauche ich
Informationen, um zu ermitteln. Das Ganze kann
natürlich zu einer Retraumatisierung, zu einer se-
kundären Viktimisierung führen. Das Opfer erlei-
det noch einmal Leid. Hier sozusagen die Grat-
wanderung zu finden, das Fingerspitzengefühl zu
haben - das ist dann auch wieder eine Frage von
Professionalität oder eben Unprofessionalität,
wenn die Alltagsroutine den Polizeibeamten dazu
bringt, dass er gewisse Aspekte völlig ausblendet
und sagt: Du hast mir gefälligst zu sagen oder Sie
haben mir gefälligst zu sagen, was ich wissen
will.“6400
II. Möglichkeiten des Ausgleichs der ent-
standenen Nachteile
Um die Schäden der Opfer von Straftaten auszugleichen,
sind einige Opferrechte gesetzlich festgehalten. Daneben
bestehen weitere Möglichkeiten, finanzielle Unterstüt-
zung zu erhalten.
1. Opferentschädigungsgesetz
Unabhängig von allgemeinen sozialen Sicherungssyste-
men regelt das Opferentschädigungsgesetz die Vorausset-
zungen einer eigenständigen staatlichen Entschädigung
für Opfer von Gewalttaten.
6401
Nach § 1 Abs. 1 des Opferentschädigungsgesetzes erhält
ein Opfer, das infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen
tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlit-
ten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen
Folgen unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag
Versorgung in entsprechender Anwendung der Folgen des
Bundesversorgungsgesetzes.
6398) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.
6399) Schicht, Protokoll-Nr. 72, Bl. 63.
6400) Schicht, Protokoll-Nr. 72, Bl. 63.
6401) BMAS,Opferentschädigungsrecht,
http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Soziale-
Entschaedigung/Opferentschaedigungsrecht/oeg.html.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 737 – Drucksache 17/14600
Auch Hinterbliebene erhalten in entsprechender Anwen-
dung des Bundesversorgungsgesetzes auf Antrag Versor-
gung.
6402
Für Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft
gelten besondere Vorschriften.
6403
In den Anwendungsbe-
reich des Opferentschädigungsgesetzes fallen Gesund-
heitsschäden, wozu auch psychische Beeinträchtigungen
gezählt werden, sowie wirtschaftliche Folgen dieser
Gesundheitsschädigung.
6404
Welche genauen Hilfen erfol-
gen können, ist einzelfallabhängig.
6405
Das Opferentschä-
digungsgesetz sieht Heilbehandlungen, Versorgungskran-
kengeld bei schädigungsbedingter Arbeitsunfähigkeit,
Grundrenten, Pflegezulagen, Witwen- und Waisenversor-
gung, Elternversorgung, Bestattungsgeld, Ausgleichsren-
ten, Berufsschadenausgleich, Hilfen zur Rehabilitation
oder Beihilfen vor.
6406
Nicht vom Opferentschädigungs-
gesetz umfasst sind Sach- und Vermögensschäden sowie
Schmerzensgeld.
6407
Ein Strafurteil ist für die Geltendmachung des Anspruchs
nicht erforderlich.
6408
Es ist ein formloser Antrag zu stel-
len.
6409
Problematisch ist nach Angabe von Prof. John, dass das
Opferentschädigungsgesetz von den Landesversorgungs-
ämtern ausgeführt wird und die Auszahlung der Entschä-
digung in deren Ermessen liegt. So erhielt ein Geschädig-
ter, dessen Oberkörper durch den Anschlag in Köln
schwer verletzt wurde, die Zahlungen nur, solange er sich
in psychologischer Behandlung befand. Nach Abbruch
der Behandlung wurden die Zahlungen sofort eingestellt.
Bei Wiederaufnahme der Behandlung wurden sie wieder
aufgenommen.
6410
Auch wenn der Täter nicht bekannt ist, sieht das Opfer-
entschädigungsgesetz einen Ausgleich vor.
6411
6402) http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/oeg/gesamt.pdf.
6403) Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich Bürger aus EU-
Mitgliedsstaaten bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum oder
wenn im Heimatstaat eine ähnliche Versorgung für Deutsche
vorgesehen ist. Hält sich der Bürger eines solchen Landes seit
mindestens drei Jahren in Deutschland auf, entsprechen seine
Ansprüche den Ansprüchen eines Deutschen. Bei einem Auf-
enthalt unter drei Jahren erhält ein Bürger ausschließlich ein-
kommensunabhängige Leistungen.
6404) BMAS,Opferentschädigungsrecht,
http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Soziale-
Entschaedigung/Opferentschaedigungsrecht/oeg.html.
6405) https://www.weisser-ring.de/index.php?id=8389.
6406) https://www.weisser-ring.de/index.php?id=8389.
6407) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 48.
6408) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 47.
6409) BMAS,Opferentschädigungsrecht,
http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Soziale-
Entschaedigung/Opferentschaedigungsrecht/oeg.html.
6410) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 17.
6411) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.
2. Opferfonds für rechtsextremistische Straf-
taten
Von den Ansprüchen aus dem Opferentschädigungsgesetz
ist die Soforthilfe aus dem Opferfonds für extremistische
Übergriffe zu trennen.
6412
Für Opfer extremistischer Ge-
walt besteht die Möglichkeit, eine Entschädigungssumme
aus diesem Fonds zu erhalten.
6413
Diese Mittel werden seit
dem Haushaltsjahr 2001 vom Deutschen Bundestag zur
Verfügung gestellt.
6414
Die Bundesregierung hat im Janu-
ar 2012 begonnen, diese Hilfen an die Opfer und Angehö-
rigen der Taten des NSU auszuzahlen.
6415
Es handelt sich
um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch
besteht.
6416
In den Zahlungen ist keine Wiedergutmachung zu sehen.
Das Geld soll stattdessen dazu beitragen, bei der Bewälti-
gung von anfänglichen Problemen zu helfen.
6417
Begli-
chen werden können hierdurch etwa unmittelbare Ver-
dienstausfälle.
6418
Weiterhin erfolgen Leistungen für Kör-
perschäden, Verletzungen des Persönlichkeitsrechts, Un-
terhaltsschäden sowie weitere Nachteile im beruflichen
Fortkommen. Sachschäden fallen nicht unter die ersetzba-
ren Schäden.
6419
Dies war für die Familie Y. in Köln,
deren Friseursalon beim Nagelbombenanschlag zerstört
wurde, ein großes Problem. Die Familie hat keine Erstat-
tung der Schäden in ihrem Laden erhalten.
6420
6412) Hiervon zu unterscheiden sind die Härteleistungen für Opfer
terroristischer Straftaten. Die verschiedenen Arten von Härte-
leistungen basieren auf unterschiedlichen Richtlinien, allerdings
bestehen große Überschneidungsbereiche. So sind beispielswei-
se die Voraussetzungen zur Auszahlung einer Härteleistung
ähnlich. Maßgeblicher Unterschied ist allerdings, dass für die
Bewilligung einer Härteleistung für Opfer terroristischer Straf-
taten feststehen muss, dass es sich um die Tat einer terroristi-
schen Vereinigung handelt. Um (vor allem am Anfang) eine
möglichst zeitnahe Auszahlung und somit eine effizientere Hil-
fe für die Opfer und Angehörigen der NSU-Taten zu ermögli-
chen, fallen diese unter die Opfer extremistischer Übergriffe, da
für die Gewährleistung dieser Zahlungen bereits eine hohe
Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen extremistischen
Übergriff handelt, ausreicht.
Vgl.
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/terroristisch/Haerteleistung_node.html und
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.
6413) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11; die tageszeitung vom 8. Februar
2012, „Die Angst vor Anschlägen bleibt – Nazi-Terror – Die
Ombudsfrau für die Opferangehörigen, Barbara John, über Po-
lizei, Aufklärung und Erinnerung“.
6414) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.
6415) die tageszeitung vom 8. Februar 2012, „Die Angst vor An-
schlägen bleibt“.
6416) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 49.
6417) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 10.
6418) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11.
6419) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.
6420) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 66.
Drucksache 17/14600 – 738 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Neben der Unterstützung der Betroffenen soll mit der
Soforthilfe signalisiert werden, dass derartigen Übergrif-
fen hohe Missachtung entgegengebracht wird und es soll
bekundet werden, dass der Staat und die Bürger sich soli-
darisch mit den Betroffenen zeigen.
6421
Die Höhe der Entschädigung liegt bei bis zu 10 000 Eu-
ro.
6422
Ob und in welcher Höhe eine Entschädigung ge-
währt wird, wird nach Billigkeitsgrundsätzen entschie-
den.
6423
Das Geld wird nicht nur an das Opfer, sondern auch an
die Hinterbliebenen gezahlt.
6424
Auch Ausländer, die sich
berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten,
sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen an-
spruchsberechtigt.
6425
Kennzeichnend für den Fonds ist,
dass der Betrag ohne großen bürokratischen Aufwand und
vor allem schnell gezahlt wird.
6426
Keine Voraussetzung
für die Antragsberechtigung ist, dass zweifelsfrei eine
extremistische Tat vorliegen muss. Bereits das Bestehen
einer hohen Wahrscheinlichkeit eines extremistischen
Übergriffs ist ausreichend.
6427
Eine Zahlung erfolgt nur auf Antrag.
6428
Einige Berechtig-
te haben diesen erforderlichen Antrag auf Entschädigung
allerdings nicht gestellt. Dies ist darauf zurückzuführen,
dass Kommunikationshindernisse vorliegen, da sich die
entsprechenden Personen in der Türkei aufhalten oder
ihnen die Information fehlte, dass eine Entschädigung
eingefordert werden kann.
6429
Nach Darlegungen der Sachverständigen Prof. John war
anfangs problematisch, dass viele der Familien auf die
Inanspruchnahme von Grundsicherung angewiesen wa-
ren. Für die Prüfung des Anspruchs auf Grundsicherung
werden jedoch die Konten des Anspruchstellers überprüft,
auf denen nach der Zahlung der Entschädigungssumme
diese entsprechende Summe verzeichnet war. Als Folge
wurde der Betrag der Grundsicherung mit dem Betrag der
Entschädigung verrechnet, was letztlich dazu führte, dass
sich die Grundsicherung entweder erheblich verringerte
6421) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/O
pferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.
6422) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 3, 11.
6423) Merkblatt zur Entschädigung von Opfern extremistischer
Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen
/Opferhilfe/Merkblatt_Entschaedigungsleistung_de.pdf?__blob
=publicationFile&v=6.
6424) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 10.
6425) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.
6426) SPIEGEL online vom 22. Februar 2012, „Entschädigung der
Hinterbliebenen – Das traurige Erbe des Neonazi-Terrors“.
6427) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.
6428) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 50.
6429) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 10, 18.
oder gänzlich wegfiel.
6430
Parallel zum Verfahren konnte
jedoch sichergestellt werden, dass eine Anrechnung von
Sozialleistungen bezüglich des Opferfonds künftig nicht
mehr stattfindet.
6431
Anwaltskosten werden von diesem Fonds nicht über-
nommen. Viele Rechtsanwälte bieten ihre Leistungen für
die Opfer kostenfrei an. Auch Bestattungskosten wurden
erst durch nachträgliche Vereinbarung mit dem Justizmi-
nisterium übernommen.
6432
Kritik hat Prof. John an der Höhe der Entschädigung
geübt. Diese sei unverhältnismäßig gering.
6433
Die Ab-
wicklung laufe aber flüssig, schnell und mit einer guten
Verbindung zu den Opfern.
6434
Eine Informationsveran-
staltung zum Opferfonds hat am 14. Juni 2012 stattgefun-
den. Anwesend waren Opferverbände, die türkische Bot-
schaft, der Zentralrat der Muslime, Landesjustizverwal-
tungen, Polizeibehörden und der Deutsche Anwaltsver-
ein.
6435
Mit Stand vom 26. April 2013 haben die Opfer und deren
Angehörigen bisher insgesamt 1 Mio. Euro erhalten.
6436
3. Weitere Möglichkeiten finanzieller Unter-
stützung
a) Stiftungen der Länder
Grundsätzlich ist die Opferhilfe in der Bundesrepublik
Deutschland Ländersache.
6437
In einigen Bundesländern
existieren Stiftungen, die den Opfern, welche weder vom
Täter noch vom Sozialsystem eine Entschädigung erhal-
ten, schnell und unbürokratisch einen finanziellen Aus-
gleich gewähren. Sinn und Zweck dieser Stiftungen ist es,
vorhandene Lücken, beispielsweise des Opferentschädi-
gungsgesetzes, zu schließen und zu gewährleisten, dass
ein Opfer nicht ohne Unterstützung verbleiben muss.
6438
Übernommen werden teilweise Sach- und Vermögens-
schäden, die von keiner Versicherung gezahlt werden,
sowie Schmerzensgeld.
6439
6430) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 3.
6431) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 40.
6432) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11.
6433) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11. John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 67.
6434) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.
6435) Bericht der Bundesregierung über die nach dem 4. November
2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe
NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und
Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen vom 26. April 2013.
6436) Bericht der Bundesregierung über die nach dem 4. November
2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe
NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und
Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen vom 26. April 2013.
6437) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 60.
6438) Vgl. http://www.opferhilfebayern.de/,
http://www.opferhilfe.niedersachsen.de/nano.cms/Hilfe-fuer-
Betroffene.
6439) http://www.justiz.baden-
wuerttem-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 739 – Drucksache 17/14600
b) Spenden für Nebenkläger
Treten die Betroffenen als Nebenkläger im Prozess gegen
Zschäpe und weitere Angeklagte vor dem OLG München
auf, haben sie die Möglichkeit, Spendengelder in An-
spruch zu nehmen. Die katholische und die evangelische
Kirche Bayerns haben jeweils 20 000 Euro gespendet.
Hinzu kommen Privatspenden, woraus sich eine Summe
von 55 000 Euro ergibt. Dieser Betrag wird unter anderem
für die anfallenden Reisekosten der Nebenkläger, soweit
diese nicht durch den Staat übernommen werden, sowie
für die Aufenthaltskosten in München verwendet.
6440
III. Beratungs- und Anlaufstellen für die Opfer
Allgemeine Hinweise für Opfer unterschiedlicher Taten,
wie bei der Beantragung von beispielsweise Entschädi-
gungszahlungen vorzugehen ist, worum es sich bei einer
Nebenklage handelt, wie anwaltlicher Beistand erhalten
werden kann, wer diese Kosten trägt oder wie Gerichts-
verhandlungen ablaufen, sind in der „OpferFibel“ des
Bundesministeriums für Justiz, die online abrufbar ist,
dargestellt. Auch die Soforthilfe für Opfer extremistischer
Übergriffe wird erwähnt.
6441
Ebenso sind die Opferhilfe-
stellen der jeweiligen Bundesländer sowie Kontaktdaten
in dieser „OpferFibel“ genannt.
Neben diesem Angebot besteht für die Opfer rechtsextre-
mistischer Gewalt die Möglichkeit, sich an die vorhande-
nen dezentralen Opferberatungsstellen zu wenden.
6442
Diese können fachliche Informationen liefern, aktive
Unterstützung leisten oder weitere Kontakte herstellen.
6443
Im Rahmen der zeitlich begrenzten Untersuchung hat sich
der Ausschuss nur mit zwei exemplarisch ausgewählten
Beratungsangeboten befassen können.
1. „Weißer Ring“
Der „Weiße Ring“ als eine der größten Opferhilfestellen
Deutschlands agiert seit 1976 bundesweit als Opferhilfe-
organisation für Opfer von Straftaten.
6444
Laut Vereins-
name handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein zur
Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung
von Straftaten.
6445
Die Einrichtung umfasst etwa 55 000
Mitglieder und 3 000 ehrenamtliche Mitarbeiter verschie-
dener Berufe.
6446
Die Opferhilfen reichen von Beratungen
zum Umgang mit Behörden, einfachem menschlichem
Beistand und Betreuung
6447
, über Aufmerksamkeiten,
berg.de/servlet/PB/menu/1238843/index.html?ROOT=
1155174, http://www.landesstiftung-opferschutz.de/.
6440) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 67.
6441) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 49.
6442) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 53.
6443) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 54.
6444) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
6445) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 38.
6446) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
6447) https://www.weisser-ring.de/internet/so-helfen-
wir/opferhilfe/index.html.
Beratungsschecks für Rechtsberatungen oder psychosozi-
ale Unterstützung, Ferienhilfen oder sonstigen Opferhil-
fen, die per Vorleistung erfolgen können, bis hin zu So-
forthilfen für tatbedingte Notlagen, die dabei helfen sol-
len, die Lebenshaltungskosten weiterhin aufbringen zu
können.
6448
Das Angebot des „Weißen Rings“ umfasst
auch präventive Projekte.
6449
Unabhängig welches Tatmotiv mit dem jeweiligen An-
griff verfolgt wurde, kann sich jedes Opfer an den „Wei-
ßen Ring“ wenden.6450 Entweder nehmen die Opfer von
sich aus Kontakt auf, es entsteht ein Kontakt durch die
geleistete Öffentlichkeitsarbeit, es werden Opferhelfer
entsandt, die auf die jeweiligen Opfer zugehen, oder der
Kontakt wird durch die Polizei hergestellt.
6451
Die Opfer-
helfer kommen aus verschiedenen Berufsgruppen. Kenn-
zeichnend ist, dass sie alle aktiv helfen wollen und zuhö-
ren können.
6452
Hierzu finden bundeseinheitliche Ausbil-
dungsseminare statt, die erst dazu berechtigen, ehrenamt-
lich als Opferberater tätig zu werden.
6453
In diesen Semi-
naren erfolgt eine Sensibilisierung für die Beratung von
Menschen mit Migrationshintergrund bzw. es weisen
auch einige Opferhelfer selbst einen solchen Hintergrund
auf.
6454
Mit der Polizei besteht abgesehen von wenigen
Ausnahmen eine sehr gute und konstruktive Zusammen-
arbeit.
6455
Auch werden die Opfer in der Beratung über
die Möglichkeit informiert, Anzeige bei einer Ermitt-
lungsbehörde zu erstatten.
6456
Die Finanzierung des „Weißen Rings“ erfolgt über Mit-
gliedsbeiträge, Spenden, Geldbußen und testamentarische
Zuwendungen.
6457
Neben der Unterstützung, welche die Opfer und ihre An-
gehörigen durch Prof. John erfahren haben, wandte sich
auch der „Weiße Ring“ an die Opferfamilien der Zwi-
ckauer Terrorzelle und gab Ratschläge sowie Hinweise
auf das Opferentschädigungsgesetz,
6458
und zwar für 26
Opfer und Hinterbliebene.
6459
Fragen zur Schuldenbeglei-
chung oder zum weiteren Vorgehen konnten hier jedoch
nur teilweise beantwortet werden, da auch größere Ein-
richtungen wie der „Weiße Ring“ nur eingeschränkte
Kapazitäten haben.
6460
Wie die Sachverständige Martina Linke dargelegt hat,
erhielten die Opfer und deren Angehörige hier aber eine
Anlaufstelle, bei welcher ihnen das erste Mal im Ge-
6448) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
6449) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 31.
6450) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
6451) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.
6452) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.
6453) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 29.
6454) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 35.
6455) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 30.
6456) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 36.
6457) https://www.weisser-ring.de/internet/weisser-ring/index.html.
6458) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.
6459) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
6460) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 54.
Drucksache 17/14600 – 740 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
spräch mit den Opferhelfern geglaubt wurde, ohne dass
das Tatmotiv oder der Täter bekannt waren.
6461
2. „ezra“
Exemplarisch soll hier auch die Opferberatungsstelle
„ezra“ dargestellt werden. „ezra“ ist eine von den staatli-
chen Behörden unabhängige Beratungsstelle,
6462
die seit
Anfang April 2011 in Trägerschaft der Evangelischen
Kirche Mitteldeutschlands ist und das Ziel hat, Opfer
rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, deren
Angehörige sowie Zeugen zu unterstützen und zu bera-
ten.
6463
Auch Opfer von Angriffen aufgrund von sexueller
Orientierung, Behinderung, sozialer Benachteiligung oder
religiöser Zugehörigkeit finden Hilfe bei „ezra“.6464 Es
handelt sich um eine mobile Beratungsstelle mit „aufsu-
chendem Arbeitseinsatz“ und der Möglichkeit der Bera-
tung vor Ort,
6465
die im Bereich Thüringen tätig ist.
6466
Ein Tätigwerden geschieht in Zusammenarbeit mit Perso-
nen aus der Zivilgesellschaft sowie aus der Politik.
6467
Eine Beratung findet nur auf freiwilliger Basis statt. Ne-
ben der Begleitung und Unterstützung der Betroffenen bei
der Bewältigung von durch die Tat entstandenen Proble-
men, bietet „ezra“ auch die Durchführung von Gefahren-
analysen an, um die Opfer auch in Zukunft zu schützen
bzw. eine Abkehr vom bisherigen Sozialverhalten zu
verhindern.
6468
Um das Ausmaß der Problematik rechts-
extremistischer Gewalt darzustellen, finden Dokumentati-
onen sowie Recherchen zu erfolgten Angriffen statt. Es
handelt sich insofern um ein „unabhängiges Monitoring“
der Zivilgesellschaft, welches bekannte rechte, rassisti-
sche und antisemitische Taten abbilden soll.
6469
Auch
wenn Übersetzungen notwendig werden, für welche die
Polizei keine Möglichkeiten hat, wird die Opferberatung
unterstützend tätig.
6470
Die Kontaktaufnahme mit „ezra“ erfolgt meist durch
Kontaktpersonen vor Ort. Seltener findet sie durch ano-
nyme Briefe von „ezra“ statt, die aufgrund eigener Re-
cherche nach Vorfällen über die Polizei an die Opfer
geleitet werden.
6471
Eine Auslage von Flyern bei der Poli-
zei wurde vom Thüringer Innenminister nicht bewilligt,
da bereits Informationen über den „Weißen Ring“ auslä-
gen. Dies ist von Nachteil, da viele Betroffene keine
Kenntnis darüber haben, dass eine derartige Unterstüt-
zung möglich ist.
6472
6461) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.
6462) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.
6463) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 23.
6464) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.
6465) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.
6466) http://www.ezra.de/.
6467) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 29.
6468) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 32.
6469) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 23 f.
6470) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 25.
6471) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 30.
6472) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 30.
Die Förderung von „ezra“ erfolgt durch das Thüringer
Landesprogramm für „Demokratie, Toleranz und Weltof-
fenheit“ und das Bundesprogramm „Toleranz fördern -
Kompetenz stärken“.6473
3. Beratungsangebot in Köln
Wie Presseverlautbarungen zu entnehmen ist, soll ab Juli
2013 ein weiteres Beratungsangebot für Betroffene der
Anschläge des NSU in Köln zur Verfügung stehen. Die
Beratungsstelle für die Opfer der Taten richtet sich an
direkt oder indirekt Betroffene und leistet Unterstützung
bei juristischen, sozialen oder psychischen Problemen.
Die Finanzierung dieser Einrichtung erfolgt mit jeweils
7 000 Euro durch den Landschaftsverband Rheinland
(LVR) sowie durch das Land. Das Diakonische Werk des
Evangelischen Kirchenverbands übernimmt die Träger-
schaft. Das Angebot soll vorerst für ein halbes Jahr zur
Verfügung stehen. Es ist kostenlos und auf Wunsch ano-
nym und soll laut Oberbürgermeister Jürgen Roters die
bereits erbrachten Bemühungen ergänzen.
6474
IV. Schaffung von Orten des Gedenkens für
die Opfer, insbesondere für die Opfer des
NSU
Nach dem Bekanntwerden der eigentlichen Täter trugen
eine Gedenkfeier sowie eine Schweigeminute dazu bei,
dass die Opfer des NSU die Geschehnisse, ihre Trauer
und ihre Verletzungen öffentlichkeitswirksam in einem
würdigen Rahmen aufarbeiten konnten. Nach Berichten
von Prof. John ist die öffentliche Würdigung und Anteil-
nahme an ihrem Schicksal für die Opfer und ihre Angehö-
rigen – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wie-
dereingliederung in die Gesellschaft und der Verarbeitung
der Taten – von besonderer Bedeutung.6475 Wie bereits
erwähnt, äußerte Semiya Şimşek auf der Gedenkveranstal-
tung, dass es für sie und die anderen Opferangehörigen
von besonderer Bedeutung ist, nun endlich in der ihnen
zustehenden Rolle als Opferfamilien und nicht als Täter
die Taten verarbeiten zu können.
6476
Anfangs wies Prof. John darauf hin, dass es zu diesem
Zeitpunkt lediglich für Michèle Kiesewetter einen Ge-
denkort in Heilbronn gab.
6477
Mittlerweile wurden Ge-
denkorte in allen Tatortstädten errichtet, wobei der in
München erst noch eingeweiht wird.
6478
Es wurden Zei-
chen durch Umbenennungen von Straßen und Plätzen
gesetzt. Vor wenigen Wochen wurde in Hamburg ein
Antrag auf Umbenennung einer Straße zur Süleyman-
Taşköprü-Straße, nur wenige Meter vom Tatort entfernt,
6473) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.
6474) Die Welt vom 26. Juni 2013, „Stadt will NSU-Opfer beraten“;
Kölnische Rundschau online vom 20. Juni 2013, „Wir sind
enorm spät dran“.
6475) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11, 14.
6476) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 14.
6477) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 4.
6478) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 39.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 741 – Drucksache 17/14600
gestellt.
6479
In Kassel wurde ein Platz nach Halit Yozgat
benannt und in Nürnberg wurden zur Erinnerung
Gingkobäume gepflanzt.
6480
Sie sollen die „Einheit der
Verschiedenheit“ symbolisieren.6481 Auch stellte man
Gedenksteine auf. In Rostock kam es zu politischen Aus-
einandersetzungen, da der Ortsbeirat nicht dazu bereit
war, eine Straße nach Mehmet Turgut zu benennen.
6482
Letztlich wurde jedoch auch in Rostock entschieden, dass
ein Gedenkstein am Tatort aufgestellt wird.
6483
Die sieben von der Mordserie betroffenen deutschen Städ-
te beschlossen, dass sie gemeinsam in einer Initiative an
die Opfer der Taten des NSU erinnern und ein Zeichen
gegen rechtsextreme Gewalt setzen wollen. In Form einer
Gedenktafel wurde in jeder Stadt der gleiche Text veröf-
fentlicht, der eine gemeinsame Botschaft übermitteln soll.
Hierbei werden alle Opfer namentlich benannt, wodurch
der Seriencharakter der Taten verdeutlicht werden soll. Es
folgen das Datum sowie der Ort der Tat.
6484
Die gemein-
same Erklärung lautet:
„Neonazistische Verbrecher haben zwischen 2000
und 2007 zehn Menschen in sieben deutschen
Städten ermordet: Neun Mitbürger, die mit ihren
Familien in Deutschland eine neue Heimat fanden,
und eine Polizistin. Wir sind bestürzt und be-
schämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über
Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren:
Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie
wieder!“
6479) Stern vom 13. Juni 2013, „Straße der Versöhnung“.
6480) Stern vom 13. Juni 2013, „Straße der Versöhnung“.
6481) Süddeutsche Zeitung vom 21. März 2013, „Gedenkstätte der
NSU-Opfer – Vier Bäume für die Toten“.
6482) Stern vom 13. Juni 2013, „Straße der Versöhnung“.
6483) Schweringer Volkszeitung vom 20. Juni 2013, „Gedenkstein für
Rostocker NSU-Opfer“.
6484) Presseinformation Stadt Kassel vom 3. April 2012, „Sieben
deutsche Städte erinnern gemeinsam an die Opfer der Neonazi-
Mordserie“.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 743 – Drucksache 17/14600
K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten
I. Vernichtung von Akten im BfV nach dem
4. November 2011
1. Öffentliches Bekanntwerden und Unter-
richtung des Untersuchungsausschusses
Am 27. Juni 2012 hat der Staatssekretär im BMI, Klaus-
Dieter Fritsche, den Vorsitzenden des Untersuchungsaus-
schusses, Sebastian Edathy, telefonisch erstmals über die
Vernichtung von Beschaffungsakten im BfV im Zusam-
menhang mit der Operation „Rennsteig“ im Umfeld des
„Thüringer Heimatschutzes“ unterrichtet. Diese Akten-
vernichtung habe im November 2011 nach dem Aufflie-
gen des Trios stattgefunden.
6485
Bis zu diesem Zeitpunkt
habe das BfV berichtet, dass entsprechende Unterlagen
bereits lange vor Bekanntwerden der dem NSU zugerech-
neten Taten vernichtet worden seien.
Am 29. Juni 2012 übersandte Staatssekretär Fritsche dem
Untersuchungssauschuss den Bericht des Präsidenten des
BfV über die Operation „Rennsteig“ vom 28. Juni 2012
sowie eine Kurzinformation des Präsidenten des BfV vom
27. Juni 2012, in denen u. a. auch zu den bisherigen Er-
kenntnissen des BfV zur Aktenvernichtung am
11. November 2011 berichtet wurde.
6486
Am 2. Juli 2012 ersuchte der damalige Präsident des BfV,
Heinz Fromm, den Bundesminister des Innern, Dr. Hans-
Peter Friedrich, um seine vorzeitige Versetzung in den
Ruhestand.
Am 3. Juli 2012 beauftragte der Bundesminister des In-
nern, Dr. Friedrich, MinDirig Hans-Georg Engelke mit
der Untersuchung der Vernichtung von Akten im Zu-
sammenhang mit der Operation „Rennsteig“, insbesonde-
re zur Aufklärung der Vernichtung von Akten im BfV am
11. November 2011.
6487
MinDirig Engelke ist Beamter im
BMI und dort als Leiter der Stabsstelle Terrorismusbe-
kämpfung beschäftigt.
6488
MinDirig Hans-Georg Engelke
nahm am 10. Juli 2012 seine Tätigkeit als Sonderbeauft-
ragter des BMI auf.
6489
Am 4. Juli 2012 gingen dem Ausschuss zwei Er-
gänzungsberichte des BfV mit Stand vom 3. Juli 2012
6485) Protokoll-Nr. 25 vom 19. Juli 2012, (Beratungssitzung) (Tgb.-
Nr. 47/12 – VS-VERTRAULICH), S. 1.
6486) MAT B BfV-2 (Tgb.-Nr. 29/12 - GEHEIM).
6487) Schreiben StS Fritsche vom 4. Juli 2012, MAT B BfV-2/1
(Tgb.-Nr. 35/12 - GEHEIM), (VS-NfD); Engelke-Bericht vom
22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 2.
6488) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 85.
6489) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 86.
zu.
6490
Am 6. Juli 2012 legte das BMI dem Ausschuss
eine weitere Aktualisierung, datierend auf den
4. Juli 2012, vor.
6491
In dieser war ein Hinweis auf eine
weitere vom Referatsleiter Lingen veranlasste Aktenver-
nichtung in diesem Zusammenhang enthalten.
Am 13. Juli 2012 erhielt der Ausschuss schließlich die
dritte Aktualisierung des Berichts mit Stand vom 5. Juli
2012.
6492
An diesem Tag, dem 5. Juli 2012, waren Heinz
Fromm als scheidender Präsident des BfV sowie der die
Vernichtung anordnende Referatsleiter im BfV, Lingen,
im Ausschuss als Zeugen zu den Aktenvernichtungen
vernommen worden.
6493
Am 16. Juli 2012 übersandte das BMI dem Ausschuss
zwei Berichte des BfV vom 12. und 15. Juli 2012 betref-
fend die im LfV Sachsen aufgefundenen Aktenstücke, die
aus der G 10-Maßnahme AO 774 des BfV aus den Jahren
1998 und 1999 stammen.
6494
In diesem Bericht wird auch
auf einen Erlass des BMI vom 14. November 2011 hin-
gewiesen, mit dem das BMI die Vernichtung von Material
aus G 10-Maßnahmen angeordnet hatte.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 übersandte das BMI
dem Ausschuss einen Bericht des BfV vom 16. Juli 2012,
in dem die Sachverhalte, die den Vernichtungsanordnun-
gen AO 2000, 2009, 2010, 2011, 2014, 2023 zugrunde
lagen, erläutert wurden. Das BfV teilte mit, aus diesen
gehe hervor, dass diese Vernichtungsanordnungen keine
Sachverhalte mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand
beträfen.
6495
Eine erste mündliche Unterrichtung des Untersuchungs-
ausschusses durch den Sonderbeauftragten Engelke zum
damaligen Zwischenstand der Aufklärung erfolgte in
einer Beratungssitzung des Untersuchungsausschusses am
19. Juli 2012.
6496
MinDirig Engelke berichtete in dieser
Sitzung auch über die weitere Vernichtung von Anlagen-
ordnern zu G 10-Maßnahmen.
6497
6490) Ergänzungsberichte des BfV vom 3. Juli 2012, MAT B BfV-
2/1 (Tgb.-Nr. 35/12 - GEHEIM).
6491) Ergänzungsbericht des VP des BfV vom 4. Juli 2012, MAT B
BfV-2/2 (Tgb.-Nr. 36/12 - GEHEIM).
6492) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit der Akten-
vernichtung am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT
B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6493) Protokoll-Nr. 24.
6494) Berichte des BfV vom 12. und 15. Juni 2012, MAT B BfV-3
(Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM).
6495) Bericht des BfV vom 16. Juli 2012, MAT B BfV-4 (Tgb.-
Nr. 44/12 - GEHEIM), hier Anschreiben S. 1 (offen).
6496) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 – VS-
VERTRAULICH).
6497) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 36 ff.
Drucksache 17/14600 – 744 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wurde
zudem erstmals am 4. Juli 2012 und im Zeitraum vom
25. Juli 2012 bis zum 14. September 2012 in der Außen-
stelle des BfV in Berlin-Treptow Einblick in
ungeschwärzte rekonstruierte/wiederhergestellte Akten
sowie in wegen des Zusammenhangs mit der Operation
„Rennsteig“ – nicht vernichtete Akten gewährt.6498 Diese
Akten wurden mit Schwärzungen auch dem Untersu-
chungsausschuss übermittelt und konnten in der Geheim-
schutzstelle des Deutschen Bundestages von den Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen eingesehen
werden.
Am 11. Oktober 2012 leitete das BMI dem Ausschuss den
Bericht des Sonderbeauftragten zu, der nur zur Einsicht-
nahme in der Geheimschutzstelle vorliegt.
6499
In diesem
wurde erstmals erwähnt, dass neben den oben erwähnten
26 Anlagenordnern zu G 10-Maßnahmen nach dem
4. November 2011 noch 284 weitere Akten vernichtet
worden waren.
2. Kein Aktenvernichtungsstopp im BfV un-
mittelbar nach dem 4. November 2011
Der Staatssekretär im BMI, Fritsche, hat als Zeuge ausge-
sagt, das BMI habe, nachdem es im Juni 2012 Hinweise
auf die Schredderungen erhalten habe, richtig und schnell
reagiert.
6500
Erst im Juli 2012 habe das BMI Informatio-
nen erhalten, dass auch G 10-Akten, die unter Umständen
hätten relevant werden können, in größerem Maße ver-
nichtet worden seien.
6501
Es treffe zu, dass das BMI unmittelbar nach dem
4. November 2011 keinen Auftrag an das BfV erteilt
habe, im Bereich des Rechtsextremismus Aktenvernich-
tungen prinzipiell zu unterlassen, um sicherzustellen, dass
nicht möglicherweise relevante, für die Aufklärungsarbeit
benötigte Unterlagen abhandenkommen. Das BMI habe
dazu keinen Anlass gesehen.
6502
Das Bundesministerium des Innern habe unmittelbar nach
dem 4. November 2011 das BKA und das BfV aufgefor-
dert, alle Akten in diesem Bereich zusammenzustellen.
6503
Dies bedeute im Umkehrschluss:
„Es hat keine Aufforderung des Bundesministeri-
ums des Innern gegeben, irgendwelche Akten, die
relevant sind in diesem Zusammenhang, zu schred-
dern.“6504
6498) Übersicht über die in der Außenstelle des BfV in Berlin-
Treptow einsehbaren Akten zum „THS“ und zur Operation
„Rennsteig“, MAT B BfV-5.
6499) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4, (Tgb.-Nr. 95/12 -
GEHEIM).
6500) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 18.
6501) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 152.
6502) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.
6503) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.
6504) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.
Der Auftrag zur Aktenzusammenstellung hätte seiner
Ansicht nach dazu führen müssen, dass keine weiteren
Akten – weder am 11. November 2011 noch sonst – ver-
nichtet oder gelöscht werden.
6505
Der Zeuge Fritsche hat darauf abgestellt, dass es zunächst
einmal in der Verantwortung der jeweiligen Behör-
de liege, die dort existierenden Löschungs- und Ver-
nichtungsvorschriften einzuhalten.
6506
Nachdem das BfV Kenntnis von weiteren Aktenvernich-
tungen im G 10-Bereich erlangt habe, habe es selbst am
4. Juli 2012 für Akten im Bereich des Rechtsextremismus
ein Moratorium ergriffen.
6507
Am 18. Juli 2012 habe auch das BMI als aufsichtführende
Behörde für das BfV ein Moratorium für die Aktenver-
nichtungen im Bereich „rechts“ erlassen.6508
Die Entscheidung für ein Moratorium habe sich das BMI
nicht einfach gemacht, weil die Rechte der Betroffenen
mit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungssau-
schusses nach Art. 44 GG abzuwägen gewesen seien.
6509
Bevor das BMI am 18. Juli 2012 ein Moratorium ausge-
sprochen habe, habe es zunächst mit der G 10-
Kommission Rücksprache gehalten. Der Zeuge Fritsche
hat ausgeführt:
„Das sind Rechte der Betroffenen aus Art. 10 un-
serer Verfassung. Die Betroffenen erhalten Mittei-
lung, und irgendwann müssen die Akten gelöscht
werden. […] Als wir definitiv erfahren haben, dass
vor allem G-10-Akten da vernichtet worden sind,
haben wir das im Haus noch mal geprüft mit unse-
rer Verfassungsrechtsabteilung, ob wir tatsächlich
bei einer Abwägung zwischen dem wohlverstan-
denen Aufklärungsinteresse des Untersuchungs-
ausschusses und den Rechten der Betroffenen auf
Löschung hier ein solches Moratorium durchfüh-
ren können. Und nachdem wir auch die G-10-
Kommission gefragt haben und die G-10-
Kommission uns gesagt hat, sie ist der Meinung,
dass wir das machen können, haben wir das Mora-
torium am 18.07. [2012] ausgesprochen.“6510
Mit der kurzfristigen Aussetzung sämtlicher routinemäßi-
ger und gesetzlich eigentlich vorgeschriebener Vernich-
tungen bzw. Löschungen im Phänomenbereich des
Rechtsextremismus habe das BMI
„der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Auf-
klärungsarbeit dieses Ausschusses aus Art. 44 un-
serer Verfassung in Abwägung mit den Bestim-
6505) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.
6506) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.
6507) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.
6508) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17; S. 51.
6509) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.
6510) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 51.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 745 – Drucksache 17/14600
mungen des Datenschutzes den Vorrang einge-
räumt.“6511
Er sehe auch im Nachhinein nicht, dass ein „Freeze-in“
im November 2011 ein Ausdruck politischer Sensibilität
gewesen wäre.
6512
Auch der Zeuge Engelke hat darauf verwiesen, dass ein
absoluter Vernichtungsstopp rechtlich nicht unbedenklich
sei. Man habe zunächst Prüfbedarf gehabt.
6513
„Aus meiner Sicht hätte man früher auch erwägen
können, einen totalen Stopp zu machen. Allerdings
ist es auch eine schwierige Entscheidung - da bitte
ich auch um Verständnis -, weil aus Sicht des BMI
wie auch des BfV die Befolgung der gesetzlich
vorgegebenen Löschungsfristen natürlich zwin-
gendes Recht ist. Wir haben zum Beispiel - wenn
ich das sagen darf - sofort, nachdem wir diesen
Löschungsstopp angesetzt haben, die G-10-
Kommission informiert. Wir haben gesagt: Wir
möchten Sie darauf hinweisen, dass wir bis auf
Weiteres keine G-10-Unterlagen aus dem gesam-
ten Bereich rechts - wie auch immer, NSU- oder
Nichtbezug - - ausgesetzt haben, weil uns nicht
ganz wohl dabei war. Die G-10-Kommission hat
es gebilligt.“6514
Der Zeuge Engelke hat das Moratorium, keine Akten
mehr zu vernichten, als ausdrücklich richtig bezeich-
net.
6515
Er sei zwar nicht der Auffassung, dass bereits der
November 2011 der richtige Zeitpunkt gewesen wäre,
aber rückblickend wäre es nach seiner Einschätzung
schlauer gewesen, bereits vor Juli 2012 in diese Richtung
zu handeln.
6516
Er hat erklärt:
„Im BfV war es so, dass man im November die
Aufforderung bekommen hatte, die relevanten Ak-
ten zu sichten. Jetzt ist eben die Frage: Was sind
relevante Akten? Das ist nach meinem Eindruck
mit großer Gewissenhaftigkeit und großem Nach-
druck auch passiert. Nur kann man jetzt ex post
hinterher sagen: Was wisst ihr, was relevant ist
oder nicht? Oder: Wann ist der Moment, wo ihr
hättet erkennen müssen: Nur da, wo ‚Thüringer
Heimatschutz‘ draufsteht oder NSU - - Aber das
hat es nicht gegeben. Oder: Die Namen von be-
kannten Beschuldigten langt nicht; ihr müsst viel
weiter ins Umfeld gehen. - Wann war der Moment,
wo man das hätte erkennen müssen und daraufhin
noch mal einen weitergehenden Stopp hätte ma-
chen müssen? Über den genauen Zeitpunkt kann
man sich ja streiten.“6517
6511) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7 f.
6512) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 18.
6513) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.
6514) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 116.
6515) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.
6516) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.
6517) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.
Der Zeuge Engelke war allerdings auch der Auffassung,
dass man die Frage, was eigentlich relevant gewesen sei
und woraufhin die Akten überprüft werden müssten, nicht
habe beantworten können, da Anfang November 2011 nur
drei Namen (Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe) bekannt
gewesen seien, noch nicht einmal die Alias-Namen und
auch nicht das Unterstützerumfeld des Trios, über das
sich die Erkenntnisse im Laufe der Zeit immer mehr er-
weitert hätten.
6518
In Bezug auf die Aktenvernichtung am 11. November
2011 hat er ergänzt:
„Jedenfalls zum Zeitpunkt 11.11. zu sagen: ‚Ich
habe hier eine Akte, die spielt auch im Umfeld des
‚Thüringer Heimatschutzes‘; da stehen die drei
Namen nicht drin; das war es‘, das halte ich auch
für zu wenig.“6519
3. Grundlagen der Arbeitsweise und der Da-
tei- und Aktenführung im BfV
a) Arbeitsweise des BfV
Das BfV nimmt seine Aufgaben nach § 3 Abs. 1
BVerfSchG (die Sammlung und Auswertung von Infor-
mationen u. a. über Bestrebungen, die gegen die freiheitli-
che demokratische Grundordnung, den Bestand oder
die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet
sind) grundsätzlich in folgender Organisationsform vor:
In den sogenannten Fachabteilungen wird die Facharbeit
getrennt nach den einzelnen Phänomenbereichen
Rechts-, Links-, Ausländerextremismus sowie Spiona-
geabwehr geleistet. Außerdem gibt es neben Grundsatz-,
Technik- und Zentralabteilung noch eine Abteilung, die
die Fachabteilungen beim Einsatz der nachrichtendienstli-
chen Mittel G 10 und Observation unterstützt.
6520
Die Fachabteilungen sind in die Bereiche „Auswertung“
und „Beschaffung“ unterteilt.
Die „Auswertung“ analysiert Informationen und unter-
zieht sie einer Bewertung. Hierzu versucht sie, möglichst
viele Informationen zu den einzelnen Beobach-
tungsobjekten zu erlangen. Sie kann hierbei Rückgriff
auf Informationen aus offenen Quellen nehmen; das BfV
kann aber auch gemäß § 9 Abs. 1, § 8 Abs. 2 BVerfSchG
Informationen durch den Einsatz nachrichtendienstlicher
Mittel erlangen. Als solche kommen insbesondere der
Einsatz von V-Leuten oder Maßnahmen der Telekom-
munikationsüberwachung (auf Grundlage des G 10-
Gesetzes) in Betracht.
6521
6518) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.
6519) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.
6520) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9.
6521) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9.
Drucksache 17/14600 – 746 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die „Beschaffung“ ist zuständig für die Informationsge-
winnung unter Einsatz menschlicher Zugänge, insbeson-
dere von Vertrauenspersonen (VP).
6522
Der Zeuge Engelke hat die Aufgaben der „Beschaffung“
und deren Zusammenarbeit mit der „Auswertung“ folgen-
dermaßen beschrieben:
„Die ‚Beschaffung‘ ist dafür zuständig, im Bereich
menschliche Zugänge diese […] zu werben und
daraus V-Leute zu machen und dann sozusagen re-
levante Meldungen zu generieren, die dann aber,
wenn sie relevant sind, an die ‚Auswertung‘ gelie-
fert werden […]. Der wesentliche Inhalt von dem,
was V-Leute berichten, wird in sogenannten
Deckblattmeldungen – […] festgehalten. Jeden-
falls gibt es einen Vermerk: V-Mann soundso habe
ich getroffen, und der hat das und das gesagt. Ein
Exemplar verbleibt bei der ‚Beschaffung‘, weil die
haben es ja beschafft. Das zweite Exemplar geht
an die ‚Auswertung‘. Da sagt also die ‚Beschaf-
fung‘: ‚Liebe ‚Auswertung‘, wir wissen, ihr seid
an dem und dem Thema interessiert […] wir glau-
ben, diese Meldung, die er hier abgeliefert hat und
die in dem Vermerk niedergehalten ist, braucht ihr
für eure Arbeit‘, und schickt sie dahin, sodass die-
se Information jetzt zweimal vorhanden ist.“6523
Die genaue Aufgabenverteilung und die spezifischen
Aufgabeninhalte sind getrennt nach „Auswertung“
und „Beschaffung“ in entsprechenden Dienstvorschrif-
ten (DV-Auswertung/DV-Beschaffung) geregelt.
6524
Zur Praxis der Aktenverwaltung im BfV, insbesondere in
dem Beschaffungsreferat, in dem der die Aktenvernich-
tung am 11. November 2011 anordnende Referatsleiter
Lingen beschäftigt war, hat dieser als Zeuge ausgeführt,
es gebe zu jedem Operativvorhaben eine Akte. Bei V-
Leuten enthalte diese Akte Unterlagen, die Befragungen
oder Anwerbungen betreffen. Auch bei Observations-
maßnahmen würden Akten angelegt.
„Zu all diesen operativen Maßnahmen gibt es Ak-
ten, das ist ganz klar, und demzufolge auch Wer-
bungsakten und V-Mann-Führungsakten, die sehr
ausführlich geführt werden.“6525
Aufzeichnungen über Treffen mit V-Personen kämen
überwiegend in folgender Weise zustande:
„Wenn die Kollegen der ‚Beschaffung‘ ihre Quel-
len treffen oder Ansprachen durchführen, dann
wird das Erfahrene kurz notiert und dann im In-
nendienst verschriftlicht. Das geschieht getrennt.
Im Bereich der Informationen, die erlangt worden
sind aus der Szene, wird das in Form einer Mel-
6522) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9.
6523) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.
6524) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9; DV-
Beschaffung/DV-Auswertung, MAT A BfV-6 (Tgb.-Nr. 05/12,
- VS-VERTRAULICH), Bl. 64-78.
6525) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 5.
dung formuliert und dann an die sogenannte
‚Auswertung‘ bei uns im Haus geschickt. Für die
Informationen, die die Quelle oder die Zielperson
betreffen, gibt es eine interne Akte.“6526
Auch das konkrete Abheften und die Zusammenstellung
der Akten erfolge durch den Außendienstmitarbeiter
selbst. Der Zeuge Lingen hat erklärt, bis zur Einführung
der vollelektronischen Vorgangsverarbeitung im Jahr
2004, wo nunmehr alle Akten jederzeit greifbar und
nachhaltbar seien, sei der entsprechende Mitarbeiter selbst
verantwortlich für die Führung der Akten gewesen. Die
Mitarbeiter hätten die Akten in der Regel für laufende
Fälle im Panzerschrank gehabt und sie dann in die Regist-
ratur gegeben, wenn sie nicht mehr benötigt worden sei-
en.“6527
Die Zeugin N., die die Vernichtung der Beschaffungsak-
ten im November 2011 physisch durchgeführt hat, war als
Registraturkraft allein zuständig für die Verwaltung meh-
rerer Hundert Papierakten. Wollte jemand aus dem Haus
Einsicht in diese Akten nehmen, musste er sich an sie
wenden.
6528
Seit dem Jahr 2004 würden keine neuen Papierakten mehr
angelegt. Die Aktenführung erfolge seither elektro-
nisch.
6529
Nach ihren Angaben verwaltet sie Papierakten in einem
Umfang von mehreren Hundert.
6530
b) Rechtsgrundlagen und Praxis der Datei-
und Aktenführung zur Auswertung und
Beschaffung
„Auswertung“ und „Beschaffung“ speichern und verar-
beiten getrennt voneinander personenbezogene Daten zur
Erfüllung ihrer Aufgaben in Dateien und Akten.
6531
aa) Führung von Dateien
Rechtsgrundlage für die Speicherung, Verarbeitung und
Nutzung personenbezogener Daten in Dateien ist § 10
BVerfSchG.
Die Vorschrift lautet:
„(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf
zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene
Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen,
wenn
1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen
oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 vorliegen,
6526) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 5.
6527) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 6.
6528) N., MAT A Z-70/4, S. 3.
6529) N., MAT Z-70/4, S. 14.
6530) N., MAT A Z-70/4, S. 3, S. 5; A-Drs. 468.
6531) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 747 – Drucksache 17/14600
2. dies für die Erforschung und Bewertung von
Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 er-
forderlich ist.
(2) […]
(3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die
Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabener-
füllung erforderliche Maß zu beschränken.“
Nach dieser Vorschrift darf das BfV zur Erfüllung seiner
Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien spei-
chern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche An-
haltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3
Abs. 1 BVerfSchG vorliegen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1
BVerfSchG) oder dies für die Erforschung und Bewer-
tung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1
BVerfSchG erforderlich ist (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2
BVerfSchG). Sowohl „Auswertung“ wie auch „Beschaf-
fung“ speichern personenbezogene Daten in der ge-
meinsam mit den Landesbehörden für Verfassungs-
schutz geführten Verbunddatei „Nachrichtendienstli-
ches Informationssystem“ (NADIS bzw. seit
24. Juni 2012 NADIS-WN). Diese ist größtenteils eine
reine Hinweisdatei, d. h. sie enthält nur die zum Auffin-
den von Akten und der dazu notwendigen Identifizie-
rung von Personen erforderlichen Angaben.
6532
bb) Führung von Akten
Akten sind sämtliche Unterlagen, die nicht dem Dateien-
begriff unterfallen.
6533
Generell wird zwischen Personenakten (P-Akten), die
relevante Erkenntnisse zu einer Person, und Sachakten
(S-Akten), die Informationen zu einem Beobach-
tungsobjekt oder einem Ereignis (z. B. einem An-
schlag) enthalten, unterschieden. Über ein und dieselbe
Person soll nur eine P-Akte geführt werden, die dann
alle für die Beurteilung der Person fachlich relevanten
Informationen enthält. Personenbezogene Daten können
darüber hinaus auch in Sachakten erfasst sein.
6534
P- und S-Akten gibt es sowohl im Bereich der „Auswer-
tung“ als auch im Bereich der „Beschaffung“: Im Be-
reich der „Auswertung“ werden P- und S-Akten zu beo-
bachteten Personen oder Gruppierungen sowie zu ein-
zelnen nachrichtendienstlichen Operationen geführt.
Diese Akten bilden die Arbeitsgrundlage der Analysetä-
tigkeit der „Auswertung“ und der Datenerfassung in
Dateien.
6535
Im Bereich der „Beschaffung“ werden gesonderte Be-
schaffungsakten geführt, die insbesondere Aufschluss zur
Werbung und Führung eines V-Mannes (VM), zur Treff-
abwicklung, zu zahlungsbezogenen Unterlagen und über
die vom VM gelieferten Informationen geben. Neben
6532) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.
6533) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.
6534) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.
6535) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10 f.
solchen P-Akten werden auch in der „Beschaffung“
S-Akten z. B. zu nachrichtendienstlichen Operationen
geführt.
6536
Personenbezogene Daten und Dateien werden getrennt
gespeichert und verarbeitet.
cc) G 10-Verfahren und Führung von
G 10-Akten
Im BfV existieren auch G 10-Unterlagen über Eingriffe in
das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis.
aaa) G 10-Verfahren
Das sogenannte G 10-Verfahren ist im Gesetz zur Be-
schränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
(G 10)
6537
und in der entsprechenden Dienstvorschrift
des BfV (DV-G-10) geregelt. Neben „Auswertung“ und
„Beschaffung“, die in einer Fachabteilung angesiedelt
sind, besteht im BfV in der Abteilung 3 (Zentrale Fachun-
terstützung) eine sog. G 10-Stelle, in der vom BMI
angeordnete und durch die G 10-Kommission des Deut-
schen Bundestages bewilligte Beschränkungsmaß-
nahmen nach dem G 10 durchgeführt werden.
6538
Die G 10-Stelle erhält von den Fachabteilungen Anträge
zu Maßnahmen, die überwiegend
Sachverhaltsdarstellungen beinhalten. Nach rechtlicher
Überprüfung der Anträge beantragt die G 10-Stelle beim
BMI die Anordnung der G 10-Maßnahme.
6539
Im G 10-Bereich wird in einem ersten Schritt auch das
durch die Maßnahme erlangte Material auf Relevanz und
eventuelle Verwertungsverbote überprüft (G 10-
Auswertung). Hieraus werden nach juristischer Prüfung
sog. G 10-Protokolle oder Vermerke erstellt und an die
Fachabteilung weitergeleitet. In diesen erfolgt dann die
eigentliche Auswertung und Fallbearbeitung.
6540
bbb) Führung von G 10-Akten
„Ungefilterte“ Aufzeichnungen über den Fernmelde-
verkehr verbleiben bei der G 10-Stelle. Gleiches gilt für
eine registrierte Ausfertigung des G 10-Vermerks, die als
Arbeitsunterlage beim G 10-Auswerter verbleibt. Die
für die Fachabteilungen relevanten Unterlagen (z. B.
vorausgewertete Protokolle von Telefonaten, Ablichtun-
gen von Postsendungen, Ausdrucke von SMS, E-Mails,
Internetverkehren etc.) werden durch die G 10-Stelle an
6536) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.
6537) Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt
geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 6. Juni 2013
(BGBl. S. 1482).
6538) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.
6539) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.
6540) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.
Drucksache 17/14600 – 748 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die Fachabteilung übersandt und dort in P- und S-Akten
abgelegt.
6541
Die in der G 10-Stelle bei Durchführung des Verfahrens
anfallenden Schriftstücke werden in einer Verfahrensak-
te (der sog. Fallakte) abgelegt, die für jede einzelne
Maßnahme gesondert zu führen ist. Diese enthält neben
den o. a. Schriftstücken (Anträgen etc.) auch Aktenstü-
cke, die den Verdacht gemäß § 2 Abs. 1 G 10-Gesetz
belegen, und die in einem gesonderten Anlagenband
zusammengefasst den BfV-internen Vorschlägen für
G 10-Maßnahmen und dem an das BMI zu versenden-
den G 10-Antrag als „Beweismittel“ beigefügt sind.6542
Auch im BMI als anordnender Stelle besteht eine ver-
gleichbare Fallakte, in der zu der jeweiligen G 10-
Maßnahme Original-Anträge des BfV, Entwürfe der
hierzu ergangenen BMI-Anordnungen sowie Unterlagen
zur abschließenden Mitteilungsentscheidung enthalten
sind. Grundsätzlich sind auch die o. g. Anlagenbände
Bestandteil der BMI-Fallakte, diese werden jedoch da
das BMI nicht über eine ausreichende Anzahl geschützter
Räume verfügt zur Gewährleistung der Geheimschutz-
vorschriften vom BfV im Dienstgebäude Köln ver-
wahrt.
6543
c) Datenlöschung und Aktenvernichtung
Der Staatssekretär im BMI Fritsche hat als Zeuge ein-
gangs seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-
schuss ausgeführt:
„Die Vernichtung von Akten oder die Löschung
von Daten mit personenbezogenen Informationen
bei staatlichen Stellen und privaten Unternehmen
ist ein völlig normaler, ja sogar notwendiger Vor-
gang.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
unserer Verfassung findet seine Entsprechung un-
ter anderem in den datenschutzrechtlichen Be-
stimmungen. Diese tragen auch den Sicherheitsbe-
hörden neben der Zweckbindung der Informati-
onserhebung und -verwendung ebenso die Einhal-
tung von Aufbewahrungsfristen auf. Bei großen
Datenmengen, wie sie im BfV vorhanden sind,
wird der Einhaltung der Aufbewahrungsfristen
durch routinemäßig ablaufende Akten-
vernichtungen oder Datenlöschungen Rechnung
getragen. Anders wäre dies rein quantitativ auch
gar nicht zu leisten.
[…] Festhalten möchte ich aber ganz grundsätz-
lich, dass die gesetzlich, im Übrigen auch im
G-10-Gesetz, vorgesehene fristgerechte Vernich-
tung oder Löschung von Akten und Daten per se
6541) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11 f.
6542) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 12.
6543) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 12.
nichts mit Vertuschung zu tun, sondern mit Grund-
rechtsschutz zu tun hat.“6544
„Auswertung“ und „Beschaffung“ entscheiden selbstän-
dig für ihren Bereich über die Datenlöschung und Akten-
vernichtung.
6545
aa) Regelung zur Löschung von Daten
Das BVerfSchG sieht für personenbezogene Daten in
Dateien gesetzliche Prüf- und Löschfristen vor.
In § 12 BVerfSchG ist die Berichtigung, Löschung und
Sperrung personenbezogener Daten in Dateien geregelt.
§ 12 BVerfSchG lautet:
„(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die
in Dateien gespeicherten personenbezogenen Da-
ten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind.
(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die
in Dateien gespeicherten personenbezogenen Da-
ten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig
war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung
nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unter-
bleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass
durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffe-
nen beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die
Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwil-
ligung des Betroffenen übermittelt werden.
(3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft
bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetz-
ten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespei-
cherte personenbezogene Daten zu berichtigen
oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezo-
gene Daten über Bestrebungen nach § 3 Absatz 1
Nummer 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre
nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten rele-
vanten Information zu löschen, es sei denn, der
Behördenleiter oder sein Vertreter trifft im Einzel-
fall ausnahmsweise eine andere Entscheidung.
(4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu
Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensi-
cherung oder zur Sicherstellung eines ordnungs-
gemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanla-
ge gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwe-
cke verwendet werden.“
MinDirig Engelke führte hierzu in seinem Bericht aus:
„Personenbezogene Daten in Dateien sind zu lö-
schen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder
das ist in der Praxis der Hauptfall ihre Kennt-
nis für die Aufgabenerfüllung des BfV nicht
mehr erforderlich ist, § 12 Abs. 2 S. 1
BVerfSchG.
Die zuständigen Bearbeiter des BfV haben bei je-
der Einzelfallbearbeitung und unabhängig hier-
6544) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.
6545) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 749 – Drucksache 17/14600
von nach festgelegten Fristen zu prüfen, ob in
Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu
berichtigen oder zu löschen sind. Die Festlegung
der jeweiligen Prüfungsfrist orientiert sich am
Zweck der jeweiligen Datei. Prüffristen sind in
der jeweiligen Dateianordnung festgelegt. Ge-
setzlich ist die Höchstfrist auf fünf Jahre festge-
legt.
Personenbezogene Daten sind im Bereich der
Auswertung spätestens zehn Jahre nach dem
Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten In-
formation zu löschen, es sei denn, die Behörden-
leitung trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine
andere Entscheidung (vgl. § 12 Abs. 3 S. 2
BVerfSchG).
Die in § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG normierte
Höchstspeicherfrist galt nach Auslegung des BfV
bis in das Jahr 2010 nicht für Daten der Beschaf-
fung. Auch der Bundesbeauftragte für Daten-
schutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ist der
Auffassung, dass Beschaffungsdaten nicht di-
rekt dem Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3
S. 2 BVerfSchG unterfallen, hat aber wiederholt
eine analoge Anwendung gefordert.
Dieser Forderung wurde im Rahmen der Über-
arbeitung der DV-Beschaffung entsprochen: Nr.
14 Abs. 1 der am 27. September 2011 in Kraft ge-
tretenen DV Beschaffung regelt nunmehr, dass
die in § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG normierten
Löschfristen auch für den Bereich der Beschaf-
fung zu beachten sind.“6546
bb) Regelungen zur Vernichtung von Akten
Das BVerfSchG enthält mit Ausnahme für Personen-
akten zu Minderjährigen (§ 11 Abs. 2 BVerfSchG)
keine ausdrückliche Regelung zur Vernichtung von Ak-
ten. Für Akten ist in § 13 BVerfSchG lediglich eine Be-
richtigung und Sperrung vorgeschrieben.
Die Vorschrift lautet:
„(1) Stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz
fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene
Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit von
dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte
zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhal-
ten.
(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat per-
sonenbezogene Daten zu sperren, wenn es im Ein-
zelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutz-
würdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt
würden und die Daten für seine künftige Aufga-
benerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Ge-
sperrte Daten sind mit einem entsprechenden
Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr ge-
6546) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9, (VS-NfD), S. 16.
nutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der
Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen
nachträglich entfallen.“
aaa) Rechtsauffassung des BfV zur Löschung
von Beschaffungsakten
Der Zeuge Engelke hat die Regelungen und Praxis zur
Aktenvernichtung im BfV wie folgt dargestellt:
„Es gibt keine gesetzliche Regelung zur Vernich-
tung von Akten. Gesetzlich geregelt ist die Lö-
schung von Daten. Nun sagt das BfV in Überein-
stimmung mit dem BfDI Bundesbeauftragter für
den Datenschutz und die Informationsfreiheit - da
gibt es auch keinen Dissens -, aus der Verpflich-
tung zur Löschung von Daten, die in § 12 Bun-
desverfassungsschutzgesetz geregelt ist und die
dann untergesetzlich durch weitere interne Dienst-
anweisungen - die wiederum eingestuft sind, aber
natürlich nicht gegen den Gesetzeswortlaut sind -
ausgefüllt werden - - Sagt der § 12: Daten sind zu
löschen, soweit sie nicht mehr erforderlich sind.“
Eine Prüfung, ob sie noch erforderlich ist oder
nicht, hat jedenfalls nach fünf Jahren stattzufinden,
und jedenfalls für den Bereich der Auswertung -
das ergibt sich aus einer Querverweisung - sind
nach zehn Jahren zwingend die Daten zu löschen.
Wenn das BfV das nicht so sieht, ist es gezwun-
gen, eine Entscheidung der Amtsleitung herbei-
zuführen, die im Ausnahmefall begründen muss,
warum das Datum hier noch länger verbleiben
muss. Das ist die gesetzliche Regelung.
Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbe-
stimmung, folgern wir alle übereinstimmend,
ergibt sich dann eine Pflicht, auch die Akte, in der
dieses Datum enthalten ist, zu vernichten. Also,
noch mal: Es gibt keine gesetzliche Vorschrift zur
Aktenvernichtung. Sie ergibt sich aus der gesetzli-
chen Verpflichtung zur Datenlöschung.
Dann folgt ein Regelwerk im BfV. Ich komme
jetzt in Dissens zu dem Datenschutzbeauftragten
des BfV, der sagt: Das ist klar und eindeutig. Es ist
alles geregelt. - Das stimmt auch, wenn man es re-
gelt. Meine persönliche Anmerkung dazu ist nur:
Das ist im Einzelfall dann so kompliziert […], dass
es möglicherweise dem einen oder anderen Bear-
beiter schwerfällt, das in der Praxis tatsächlich
umzusetzen und zu befolgen.
6547
Das heißt, ich glaube, wir haben nicht einen anar-
chischen Regelungszustand, dass es also völlig un-
geordnet ist - der eine macht das so, und der ande-
re macht das anders, und es ist alles ganz furchtbar
egal -, sondern es ist eigentlich alles im Detail ge-
regelt. Es ist nur so hart geregelt, dass es einfach,
glaube ich, ein Vollzugsdefizit im BfV gibt. Das
6547) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 93.
Drucksache 17/14600 – 750 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ist aber spätestens anhand dieses Sachverhaltes er-
kannt worden.“6548
Es entspricht der ständigen Praxis des BfV seit den
1980er Jahren, im Zusammenhang mit einer Datenlö-
schung im Auswertungsbereich eine ggf. existierende
Personenakte zu den Betroffenen zu vernichten. Nach
Aussagen von MinDirig Engelke bestehe auch mit dem
BfDI seit vielen Jahren Einvernehmen, dass sich aus der
Löschungsverpflichtung aus § 12 BVerfSchG als Aus-
fluss des aus der Verfassung abgeleiteten Rechts des
Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eine
Verpflichtung zur Vernichtung von Personenakten erge-
be. Mit der Datenlöschung korreliere damit eine Akten-
vernichtungspflicht.
6549
Die Verpflichtung zur Aktenvernichtung ist in Dienst-
vorschriften des BfV geregelt (DV-Auswertung; DV-
Beschaffung, Arbeitspläne der Fachabteilungen). Glei-
ches gilt für die hierbei einzuhaltenden Verfahrens-
schritte, die für Gesamtakten in der Dienstanweisung für
die Vernichtung von Gesamtakten (DA-
Aktenvernichtung) und für Teilakten und Einzelstücke in
der sog. VS-Anweisung (VSA) enthalten sind.
6550
Für die „Beschaffung“ wurde eine Höchstspeicherfrist
entsprechend § 12 Abs. 3 BVerfSchG und eine damit
einhergehende Vernichtungspflicht seitens des BfV bis
zum Jahre 2010 nicht gesehen, bis dahin galt nach Nr.
14 der damaligen DV-Beschaffung lediglich die Rege-
lung, „Unterlagen“ zu vernichten, wenn sie zur Erfül-
lung des gesetzlichen Auftrags nicht oder nicht mehr
erforderlich waren.
6551
Im Jahr 2011 wurde die DV-
Beschaffung geändert. Nr. 14 der DV-Beschaffung (Ver-
nichtung von Unterlagen) in der seit dem 27. September
2011 geltenden Fassung lautet:
„(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezo-
genen Daten sind zu löschen, wenn ihre Speiche-
rung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die
Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist
(§ 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG).
Besteht Grund zu der Annahme, dass durch die
Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffe-
nen beeinträchtigt würden, sind die Daten zu sper-
ren. Auf die entsprechende Regelung des § 12
Abs. 2 Satz 2-4 BVerfSchG wird verwiesen.
Darüber hinaus wird auf die in § 12 Abs. 3 Satz 2
BVerfSchG und § 11 Abs. 2 BVerfSchG normier-
ten Löschungsvorschriften verwiesen.
(2) Akten sind zu vernichten, wenn sie zur Erfül-
lung des gesetzlichen Auftrags nicht mehr erfor-
derlich sind, es sei denn, dass ihre Aufbewahrung
aufgrund der Bestimmungen des Bundesarchivge-
setzes […] oder zur Wahrung schutzwürdiger Be-
lange des Betroffenen notwendig ist.
6548) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 93.
6549) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 13.
6550) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 13.
6551) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 13 f.
(3) Im Übrigen sind die Regelungen des jeweiligen
Arbeitsplans, die Bestimmungen der DA Akten-
vernichtung, der Registraturanweisung des BfV
und der VSA des BMI zu berücksichtigen.“6552
MinDirig Engelke erklärt dazu in seinem Bericht:
„Spätestens mit Inkrafttreten der neuen DV-
Beschaffung am 27. September 2011 wurde die
Höchstspeicherfrist aber auch für Beschaf-
fungsakten eingeführt: So sind nach der neuen
DV-Beschaffung nunmehr ‚Akten‘ zu vernichten,
wenn sie zur Erfüllung des gesetzlichen Auftra-
ges nicht oder nicht mehr erforderlich sind (Nr.
14 Abs. 2 DV-Beschaffung); diese Aktenvernich-
tungspflicht wird ergänzt und konkretisiert durch
die neu aufgenommene Regelung zur Beachtung
der Löschungspflicht von personenbezogenen
Daten nach § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG (Nr.
14 Abs. 1 DV-Beschaffung), aus der sich wiede-
rum eine korrespondierende Ak-
tenvernichtungspflicht ableiten lässt.“6553
Nach Angaben von MinDirig Engelke sei das BfV bei
der Überarbeitung der DV-Beschaffung davon ausgegan-
gen, mit der Umstellung auch Anforderungen des BfDI
zu befolgen, die dieser in mehreren Stellungnahmen
niedergelegt habe.
6554
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt,
dass es seit August 2010 eine interne Anweisung des
Präsidenten des BfV gegeben habe, wonach die Zehnjah-
resfrist des § 12 BVerfSchG auch für Beschaffungsakten
gelte. Bereits zuvor habe es die interne Anweisung des
Abteilungsleiters gegeben, wonach Akten, die älter als 15
Jahre gewesen seien, hätten vernichtet werden sollen.
6555
Eines der Motive für das BfV im Jahr 2010 die Praxis zu
ändern und die Zehnjahresfrist des § 12 BVerfSchG auch
auf Beschaffungsakten anzuwenden, sei gewesen, dass
das BfV aus den Prüfberichten zu den regelmäßig erfolg-
ten Prüfungen des Umgangs mit Dateien und Akten im
BfV für sich den Schluss gezogen habe, der BfDI meine,
das BfV sei verpflichtet, die Zehnjahresfrist für Beschaf-
fungsakten anzuwenden.
6556
Der Zeuge Fromm hat ausgeführt, er habe vor etwa drei
Jahren erfahren, dass Beschaffungsakten im BfV nie
vernichtet worden seien.
6557
„Vor ungefähr drei Jahren - nach meiner Erinne-
rung; vielleicht ist es auch etwas länger her - gab
es Anlass für mich, mit der Abteilung - dem Abtei-
lungsleiter, ich glaube, auch dem zuständigen Be-
schaffungsleiter; der Beamte hier war wohl auch
dabei, ich bin aber nicht sicher - die Frage zu erör-
6552) DV-Beschaffung vom 27. September 2011, MAT A BfV-6, Bl.
64-78 (Tgb.-Nr. 05/12 - VS-VERTRAULICH).
6553) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 14.
6554) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 14.
6555) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.
6556) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 111 f.
6557) Fromm, Protokoll Nr. 24, S. 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 751 – Drucksache 17/14600
tern, was eigentlich mit der Aktenvernichtung im
Beschaffungsbereich ist, wie damit umgegangen
wird. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir
bei dieser Besprechung gesagt worden ist - ich
meine, durch den Vorgesetzten dieses Beamten
[dem Gruppenleiter], den unmittelbaren Vorge-
setzten -: Beschaffungsakten werden nie vernich-
tet.“6558
Anlass für die damalige Rücksprache sei das Vorhanden-
sein von Akten aus einer nachrichtendienstlichen Operati-
on im Jahre 1981 gewesen, die zurzeit im Begriff sei,
erneut einen Abschluss bei Gericht zu finden.
6559
Hier habe sich die Frage gestellt, weshalb andere Behör-
den, keine Akten mehr gehabt hätten und das BfV die
Akten noch gehabt habe. In diesem Zusammenhang sei
die Aussage getroffen worden, dass Beschaffungsakten
nie vernichtet würden.
6560
Er könne sich erinnern, darüber verwundert gewesen zu
sein, dies angesprochen und gefragt zu haben, ob für Be-
schaffungsakten das Gesetz nicht gelte.
6561
Man habe dann verabredet,
„dass von diesem Zeitpunkt an in der Abteilung
geprüft wird, sukzessive, soweit es die Arbeitsbe-
lastung zulässt - sukzessive und immer mal wie-
der, so habe ich das verstanden -, Be-
schaffungsakten aus der Vergangenheit auch zu
vernichten.“6562
In der Folgezeit habe es mehrere Prüfungen und auch
Aktenvernichtungen gegeben, unter anderem im Januar
2011. Man habe gesagt,
„wir machen solche Prüfungen, wenn die Zeit da
ist, immer wieder, um den Aktenbestand durchzu-
sehen und eben nicht mehr Benötigtes auch zu lö-
schen oder zu vernichten, und wir tun das immer
dann, wenn wir eine alte Akte in die Hand neh-
men. Dann gucken wir auch immer hin: Brauchen
wir die eigentlich noch?“6563
Der Zeuge Fromm konnte sich nicht daran erinnern, ob
die damalige Verabredung Akten, die älter als 15 Jahre
waren, betroffen habe. Er könne sich nur daran erinnern,
dass er gesagt habe, das, was im Gesetz stehe, gelte für
alle Akten.
6564
Dass diese Aufforderung im BfV umge-
setzt worden sei, sei ihm vom zuständigen Abteilungslei-
ter verschiedentlich bestätigt worden.
6565
Unter anderem
6558) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 7.
6559) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 57.
6560) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.
6561) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.
6562) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.
6563) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.
6564) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.
6565) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.
habe es auch im Januar 2011 eine solche Vernichtungsak-
tion gegeben.
6566
In der täglichen Praxis seien untergesetzliche Vorschriften
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig wichtiger,
weil sie konkreter seien als das Gesetz.
6567
bbb) Rechtsauffassung des Bundesbeauftrag-
ten für den Datenschutz und die Informati-
onsfreiheit
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die In-
formationssicherheit (BfDI), Peter Schaar, hat sich in
seiner Stellungnahme vom 1. August 2012 gegen die vom
BfV vertretene Rechtsauffassung und Praxis zur Vernich-
tung von Beschaffungsakten gewandt:
Eine Vernichtung von Akten könne nicht durch § 12
BVerfSchG gerechtfertigt werden, denn diese Norm gelte
nur für Dateien.
Im BVerfSchG existiere keine Regelung zu Vernichtung
von Akten. Für Akten sei in § 13 BVerfSchG lediglich die
Berichtigung und Sperrung vorgeschrieben.
6568
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober
2012 hat der BfDI ausgeführt, mit der Differenzierung
zwischen Regelungen für Dateien und Akten und der
restriktiven Ausgestaltung des § 13 BVerfSchG habe der
Gesetzgeber der in dieser Norm nicht erfolgten Aufnahme
von Regelungen zur Aktenvernichtung bewusst bereichs-
spezifisch abschließend eine Spezialregelung für das
BVerfSchG erlassen. Dies schließe einen Rückgriff auf
„allgemeine Grundsätze“ aus.6569
Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des BfDI vom
1. August 2012:
„Im BVerfSchG gelten für Dateien und Akten un-
terschiedliche Regelungen. Während ‚§ 12
BVerfSchG, in dem die Berichtigung, Löschung
und Sperrung personenbezogener Daten in Dateien
geregelt ist, […] grundsätzlich die Verpflichtung
zur Lösung vorsieht, ist in § 13 BVerfSchG – vom
Gesetzgeber bewusst – für Akten lediglich die Be-
richtigung und Sperrung derartiger Daten vorge-
schrieben. Diese Unterscheidung trägt der unter-
schiedlichen Eingriffsintensität Rechnung, die bei
der elektronischen Datenverarbeitung höher ist als
bei der herkömmlichen Aktenführung.‘ (Droste,
Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufla-
ge 2007, S. 443).
Aufgrund der fortgeschrittenen technischen Ent-
wicklung ist diese Differenzierung nicht mehr ge-
rechtfertigt. Mittlerweile kann ‚grundsätzlich jede
Art von digital gespeicherten Informationen nach
6566) Fromm, Protokoll Nr. 24, S. 8.
6567) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 9.
6568) Stellungnahme des BfDI vom 1. August 2012, A-Drs. 220.
6569) Ergänzende Stellungnahme des BfDI vom 15. Oktober 2012,
A-Drs. 276.
Drucksache 17/14600 – 752 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bestimmten Merkmalen ausgewertet werden.‘ (Ro-
se-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, in: Beiträ-
ge zur inneren Sicherheit, Brühl 2002, S. 63, zitiert
nach: Droste, a.a.O., S. 41).
So wird z. B. mit der Einführung der ‚elektroni-
schen Akte‘ im BfV das gesamte Schriftgut in der
Datei DOMUS technisch auswertbar erfasst und
gespeichert (vgl. meinen 18. Tätigkeitsbericht,
14.1 und 20. Tätigkeitsbericht, 5.5.2). Im Gegen-
satz zu Papierakten können diese digitalisierten
Daten technisch automatisiert ausgewertet und in
Sekundenbruchteilen weltweit übermittelt werden.
Hieraus resultiert eine besondere Eingriffsintensi-
tät (vgl. Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2074/05
vom 11.03.2008, Absatz-Nr. 64 m.w.N.):
Entgegen meiner Aufforderung wendet das BfV
auf die Datei DOMUS nicht die für Dateien gel-
tenden Regelungen, sondern die für Papierakten
maßgebliche Vorschrift des § 13 BVerfSchG an.
Fazit: Im BVerfSchG existieren unterschiedliche
Regelungen zu ‚Dateien‘ und ‚Akten‘. Aufgrund
der fortgeschrittenen technischen Entwicklung be-
steht insoweit gesetzgeberischer Anpassungsbe-
darf.
In Ihrem Schreiben führen Sie aus, dass gegenüber
dem Untersuchungsausschuss als Rechtsgrundlage
für die Aktenvernichtung auf § 12 Abs. 2
BVerfSchG verwiesen worden sei.
Wie o. g. […] gilt diese Regelung nur für Dateien.
Dies dokumentiert auch der Wortlaut der Norm:
‚Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in
Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten
zu löschen, wenn […].‘
§ 12 Abs. 3 BVerfSchG gilt ebenfalls nur für Da-
teien. D. h.: Die in § 12 Abs. 3 Satz 1 BVerfSchG
normierte fünfjährige Wiedervorlageprüffrist so-
wie die in § 12 Abs. 3 Satz 2 BVerfSchG geregel-
ten Höchstspeicherfristen gelten ausschließlich für
in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten
(vgl. auch Droste, a.a.O., S. 430 ff.).
Folglich kann die vorliegend erfolgte Vernichtung
der Werbungsakte sowie der V-Mann-
Führungsakten (vgl. Bezug) nicht durch diese
Normen gerechtfertigt werden.
Maßgeblich für diese Akten ist ausschließlich § 13
BVerfSchG. Dort ist eine Regelung zur Aktenver-
nichtung nicht enthalten (s. o. A.I.1.).
Fazit: Im BVerfSchG existiert keine Regelung zur
Vernichtung von Akten.
Für das BfV gilt der verfassungsrechtliche
Erforderlichkeitsgrundsatz, der in den §§ 8 Abs. 1
Satz 1 und 13 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG normiert
worden ist.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG darf das BfV
nur die zur Erfüllung seiner Aufgaben (vgl. § 3
BVerfSchG) erforderlichen personenbezogenen
Daten verarbeiten und nutzen.
Zur Aufgabenerfüllung gehören z. B. auch Daten-
übermittlungen nach dem Gesetz zur Regelung des
Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deut-
schen Bundestages – Untersuchungsausschussge-
setz (PUAG) , die Beachtung rechtmäßiger Wei-
sungen der Fachaufsicht bzw. Behördenleitung
und die Erfüllung bestehender gesetzlicher Über-
mittlungspflichten gegenüber Staatsanwaltschaften
und Polizeien gemäß § 20 Abs. 1 BVerfSchG.
Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG muss das BfV
in Akten gespeicherte personenbezogene Daten
sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, dass ohne
die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betrof-
fenen beeinträchtigt würden und die Daten für sei-
ne künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erfor-
derlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem ent-
sprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen
nicht mehr genutzt oder übermittelt werden (§ 13
Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG).
Der Begriff ‚schutzwürdige Interessen des Betrof-
fenen‘ ist weit auszulegen (vgl. Droste, a.a.O., S.
435). Er dient nicht nur der ‚Wahrung der Rechts-,
sondern der gesamten Interessensphäre‘ (Droste,
a.a.O.). Schutzwürdig ist jedes ‚nach vernünftigen
Erwägungen durch die Sachlage gerechtfertigte In-
teresse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideel-
ler (religiöser, politischer, gesellschaftlicher) Natur
sein kann‘ (a.a.O.).
Ein Interesse am Fortbestand gesperrter Daten be-
steht z. B. auch bei einem ‚abgeschalteten Vertrau-
ensmann‘ (a.a.O., S. 436) sowie in den Fällen der
‚gutgläubigen Wohnungs-, Kfz-, Konto- oder Post-
fachgestellung‘ (a.a.O. – zur Frage, was unter den
Begriffen ‚Informant‘, ‚V-Leute‘, ‚Gewährsperso-
nen‘ etc. zu verstehen ist, siehe Droste a.a.O., S.
436 f).
Auch wenn die ‚Abschaltung‘ auf Wunsch des V-
Mann erfolgt, kommt eine vorzeitige Vernichtung
der Forschungs-/Werbungsunterlagen nicht in Be-
tracht. Diese Unterlagen müssen fester Bestandteil
der V-Mann-Akte bleiben; […] (Droste, a.a.O., S.
437).
Die dem Untersuchungsausschuss mitgeteilte Ver-
nichtung einer Werbungs- und mehrerer V-Mann-
Akten ist auch vor diesem Hintergrund nicht nach-
vollziehbar.
Fazit: Nicht mehr erforderliche Daten in Akten
sind zu sperren, wenn schutzwürdige Interessen
des Betroffenen bestehen. Bei Werbungs-/V-
Mann-Führungsakten ist dies grundsätzlich der
Fall.
Dem Begriff ‚Akten‘ unterfallen nicht nur ‚Perso-
nenakten‘ (Droste, a.a.O., S. 448) – die sog. P-
Akten-, sondern auch die (dazugehörigen) ‚Sach-
akten‘ (a.a.O.). ‚Wenngleich das Gesetz weder ei-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 753 – Drucksache 17/14600
ne Löschung personenbezogener Daten in Akten
noch eine Vernichtung von (Teil-) Akten vor-
schreibt, sind im Falle einer Löschung personen-
bezogener Daten im NADIS-PZD und gegebenen-
falls sonstiger Dateien im Anschluss daran auch
die dazugehörigen Personenakten regelmäßig zu
vernichten bzw. aufzulösen.‘ (Droste, a.a.O.).
Diese von Droste vertretene Auffassung entspricht
der zwischen dem BfV und meinem Haus getroff-
enen Abrede (s.a. 19. Tätigkeitsbericht 2001-2002,
Punkt 17.3, S. 112), die sich auf den Bereich der
P-Akten der Auswertungsbereiche bezog.
Voraussetzung ist jedoch eine korrekte, d. h.
rechtmäßige Löschung der betroffenen Person in
NADIS. Diese Löschung muss bzw. darf erst er-
folgen, sofern die Daten für die Aufgabenerfüllung
(s. o. A.I.3) nicht mehr erforderlich sind. Nur in
diesen Fällen entspricht die Vernichtung der P-
Akte der vorgenannten Abrede. Eine entsprechen-
de gesetzliche Regelung steht – seit mehr als zehn
Jahren – aus.
Fazit: Erforderliche P-Akten dürfen nicht vernich-
tet werden.
Im Falle der Vernichtung von P-Akten werden re-
levante Teile vor der Vernichtung in entsprechen-
de Sachakten überführt, insbesondere wenn dies
für das Verständnis des Sachzusammenhangs (Ak-
tenvollständigkeit) ‚geboten erscheint‘ (Droste,
a.a.O., S. 448).
Wenn im Bereich der Beschaffung Informationen
erlangt werden, die für den Auswertungsbereich, d.
h. dort geführte P- oder Sachakten, relevant sind,
werden diese Informationen dorthin weitergeleitet
und gespeichert. Im Falle der Vernichtung von P-
Akten im Auswertungsbereich werden – wie o. g.
– relevante Teile vor der Vernichtung in dazugehö-
rige Sachakten überführt.
‚Eine vollständige Vernichtung der dazugehörigen
Sachakten scheidet von vornherein schon deshalb
aus, da mit ihr … fast immer noch weiterhin re-
levante Informationen – auch über Dritte – verlo-
ren gingen‘ (a.a.O.).
In Ihrem Schreiben (Bezug) führen Sie aus, dass
die Aktenvernichtung im BfV die Operation
‚Rennsteig‘ betraf, die von 1996 bis 2003 andauer-
te. Nach Medienberichten sollte mit dieser Opera-
tion die rechtsextremistische Szene in Thüringen
ausgeleuchtet werden. Diese Zielsetzung (Aus-
leuchtung der Szene) indiziert zumindest, dass
auch entsprechende Sachakten geführt sein könn-
ten.
Fazit: Relevante Teile einer P-Akte werden in da-
zugehörige Sachakten überführt. Letztere werden
grundsätzlich nicht vernichtet.“6570
6570) Stellungnahme des BfDI vom 1. August 2012, A-Drs. 220.
ccc) Vereinbarung mit dem BfDI
Nach einer vor über zehn Jahren getroffenen Vereinba-
rung zwischen dem BfDI und dem BfV sollen Personen-
akten und ggf. entsprechende Teile von Sachakten ge-
löscht werden, sofern eine rechtmäßige, vollständige
Löschung der betroffenen Person in NADIS erfolgt sei. In
diesen Fällen sei nach Angaben des BfDI die weitere
Verarbeitung der Daten des Betroffenen nicht mehr erfor-
derlich und der damit verbundene Eingriff in das Grund-
recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestim-
mung nicht mehr zulässig.
6571
Der Zeuge Engelke hat bestätigt, dass es eine Vereinba-
rung mit dem BfDI gebe. Danach würden Akten erst dann
vernichtet, wenn die Person auch in NADIS gelöscht
worden sei.
6572
Der Zeuge Engelke hat hierzu ausgeführt:
„Wenn ich eine Information im Beschaffungsbe-
reich habe, einen Bericht eines V-Manns, eine
Deckblattmeldung, dann habe ich als Beschaffer
mir zu überlegen: Brauche ich die noch? Wenn ich
sage: ‚Ich brauche die nicht mehr‘, habe ich die zu
löschen, und spätestens nach fünf Jahren und zehn
Jahren - jetzt - werde ich daran erinnert. Diese In-
formation kann aber an andere Bedarfsträger wei-
tergeleitet werden, und die können das anders se-
hen, und die löschen die dann nicht. Und das ist
auch völlig in Ordnung so, weil die brauchen sie
noch. Jeder Bereich prüft. Also: Der Beschaffer
sagt: Ich brauche die Information nicht mehr für
mich, für meine Zwecke. - Aber der Auswerter
kann durchaus sagen: Aber ich brauche sie noch.
Ich bin darauf angewiesen. Für meine Arbeit brau-
che ich sie noch. - Dann löscht der Beschaffer sie,
aber der Auswerter behält sie. So kann es zu einem
Auseinanderlaufen kommen.“6573
Zwischen der gesetzlich geforderten Löschung der in
einer Datei gespeicherten Information und der Vernich-
tung der Papierakte bestehe – wenn es korrekt zugehe –
immer ein enger zeitlicher Kontext.
6574
Aus der zwischen dem BfDI und dem BfV getroffenen
Vereinbarung könne aber kein Automatismus abgeleitet
werden, dass nach der Vernichtung einer Beschaffungsak-
te und der entsprechenden Löschung in NADIS auch die
entsprechende Auswertungsakte gelöscht werde, da jeder
Bereich für sich entscheiden müsse.
6575
In NADIS werde
in diesem Fall gelöscht, dass die Akte in der „Beschaf-
fung“ existiere.6576 Die Akte könne aber noch in der
„Auswertung“ bestehen, sodass die Person insoweit noch
6571) Ergänzende Stellungnahme des BfDI vom 15. Oktober 2012,
A-Drs. 276.
6572) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 98.
6573) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 112 f.
6574) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 98.
6575) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 112.
6576) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.
Drucksache 17/14600 – 754 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
in NADIS verzeichnet bleibe.
6577
Erst wenn die letzte
speicherungsberechtigte Person entscheide, sie habe kein
Interesse mehr an einer Person, werde diese insgesamt aus
NADIS gelöscht.
6578
Wenn eine Information in einem Bereich gelöscht werde,
erscheine automatisch eine Mitteilung hierüber bei den
weiteren Bedarfsträgern.
6579
Der Auswerter wisse dann
beispielsweise, dass es die Information in der „Beschaf-
fung“ nicht mehr gebe.6580
cc) Vernichtung von G 10-Akten
MinDirig Engelke hat ausgeführt, maßgebliche Rechts-
grundlage für die Prüfung der (weiteren) Aufbewahrung
oder Löschung/Vernichtung von G 10-Unterlagen sei
„die Vorschrift des § 4 Abs. 1 G 10. Sie gelte für
alle G 10-Unterlagen einschließlich der G 10-
Anlagenordner. So sind nach dem G 10 erhobene
personenbezogene Daten, soweit sie nicht mehr zu
den gesetzlichen Zwecken oder zur Übermittlung
an andere Stellen benötigt werden, unverzüglich zu
löschen/zu vernichten. Diese Löschung ist von der
datenerhebenden Stelle unverzüglich und sodann
in Abständen von höchstens sechs Monaten vorzu-
nehmen.“6581
§ 4 G 10-Gesetz lautet:
„(1) Die erhebende Stelle prüft unverzüglich und
sodann in Abständen von höchstens sechs Mona-
ten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten
im Rahmen ihrer Aufgaben allein oder zusammen
mit bereits vorliegenden Daten für die in § 1 Abs.
1 Nr. 1 bestimmten Zwecke erforderlich sind. So-
weit die Daten für diese Zwecke nicht erforderlich
sind und nicht für eine Übermittlung an andere
Stellen benötigt werden, sind sie unverzüglich un-
ter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähi-
gung zum Richteramt hat, zu löschen. Die Lö-
schung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten
dürfen ausschließlich zur Durchführung der Daten-
schutzkontrolle verwendet werden. Die Protokoll-
daten sind am Ende des Kalenderjahres, das dem
Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen. Die Lö-
schung der Daten unterbleibt, soweit die Daten für
eine Mitteilung nach § 12 Abs. 1 oder für eine ge-
richtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der
Beschränkungsmaßnahme von Bedeutung sein
können. In diesem Fall sind die Daten zu sperren;
sie dürfen nur zu diesen Zwecken verwendet wer-
den.“
6577) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.
6578) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.
6579) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.
6580) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.
6581) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 22.
Der Zeuge Fritsche hat betont, dass die vorgeschriebene
Löschung und Vernichtung von G 10-Akten innerhalb
einer bestimmten Frist vor allem dem Grundrechtsschutz
aller Betroffenen diene.
6582
d) Praxis der Aktenvernichtung im Beschaf-
fungsbereich
aa) Richtwert für die Aufbewahrung
Der die Aktenvernichtung anordnende Referatsleiter Lin-
gen hat als Zeuge berichtet, die Frage, was zu vernichten
sei, habe sich für die „Beschaffung“ im BfV in den letzten
Jahren nicht gestellt. Der Aktenraum seines Referats sei
etwa 25 Quadratmeter groß und „sehr aufnahmefähig“.6583
Die Papierakten der V-Mann-Führung und die der Wer-
bung befänden sich – voneinander getrennt – in Roll-
schränken.
6584
Da habe die Tendenz bestanden, Beschaf-
fungsakten sehr lange aufzubewahren.
6585
Anders als im
Bereich der „Auswertung“ habe man im Bereich der „Be-
schaffung“ über die Operativfälle gerne über Jahre Be-
scheid gewusst, weil es ja sein könne, dass man auf ein
und dieselbe Zielperson zweimal zugehe, wenn kein Ak-
tenrückhalt vorhanden sei.
6586
Im Bereich der „Werbung“
seien über die Jahre viele Hundert Akten angelaufen.
6587
Eine zentral geführte Unterlage, aus der sich ergebe, wann
eine personenbezogene Information zu den Akten gege-
ben worden sei und dann möglicherweise eine Löschung
einsetze, gebe es nach Aussagen des Zeugen Lingen im
Bereich der „Beschaffung“ des BfV nicht.6588 Der Zeuge
Lingen hat ausgesagt:
„Also, ich kann mich ja nur auf die Praxis in der
Beschaffung beziehen. In der Auswertung gibt es
vorgegebene Fristen, unter denen zu löschen ist.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass, wenn es
um die besagten Akten der Operation ‚Rennsteig‘
geht, ich zumindest damals nicht der verantwortli-
che Referatsleiter bin und zur damaligen Akten-
führung nichts sagen kann.
Auf Ihre Frage, wie es mit Verjährungsfristen in
der Beschaffung aussieht, muss ich darauf hinwei-
sen, dass wir eine Dienstvorschrift haben, und
nach der Dienstvorschrift ‚Beschaffung‘ sind Ak-
ten dann zu löschen, wenn sie dienstlich nicht
mehr notwendig sind. Grobe Anhaltspunkte liegen
bei etwa fünf Jahren bei Personen, wo es zu keinen
Kontakten gekommen ist, also Werbungsakten, die
erstellt worden sind, wo es zu keinem Kontakt mit
6582) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.
6583) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 11.
6584) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 11.
6585) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 12.
6586) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 12
6587) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 11.
6588) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 6; i. d. S. auch
S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 755 – Drucksache 17/14600
der Zielperson gekommen ist. Das ist bei uns sogar
der Großteil der Akten, weil die strengen Kriterien,
nach denen wir Zielpersonen auswählen, da fallen
etwa 60, 70 Prozent durchs Raster. Das sind Ak-
ten, die müssten im Prinzip nach meinem Wissen
nach fünf Jahren gelöscht werden; aber da gibt es
auch nur interne Verabredungen zu.
Bei Personen, mit denen wir Kontakt hatten, aber
wo sich daraus keine größeren Operativmaßnah-
men ergeben haben, da ist so in etwa die Zehnjah-
resfrist ins Auge gefasst, und bei V-Personen, die
mit uns über eine längere Zeit in Verbindung stan-
den, ist so ganz grob die 15-Jahres-Frist als Frist
anzusehen, nach denen wir dann gehandelt ha-
ben.“6589
Bei der Anwendung der Löschungsvorschriften gebe die
Dienstvorschrift einen Ermessensspielraum.
Das hat die Zeugin N., die als Bürosachbearbeiterin in der
Registratur des BfV die Anordnung des Referatsleiters
Lingen zur Aktenvernichtung physisch umsetzte, bestä-
tigt: Ein festgelegtes Verfahren zur Prüfung von Akten
zur Löschung, etwa Wiedervorlagen, habe es nicht gege-
ben.
6590
Die Anforderung von Akten zur Vernichtung sei
ein „alltägliches Geschäft“ gewesen.6591 Allerdings hat sie
auch angegeben, hierzu komme es etwa „zweimal im Jahr
höchstens“.6592
Der Zeuge Lingen hat angegeben, er habe während seiner
langjährigen Tätigkeit beim BfV nie erlebt, dass Kolle-
ginnen oder Kollegen Ärger bekommen hätten, weil sie
Akten vernichtet oder nicht genügend Rücksprache mit
Vorgesetzten genommen hätten.
6593
Aktenvernichtungen
seien im BfV kein Thema gewesen.
6594
Über die Frage,
wann man welchen Vorgang beseitige, sei
„immer mal wieder gesprochen [worden]. Auch in
den gemeinsamen Gesprächen mit den Vertretern
der Landesbehörden wurde sich auf Sondertagun-
gen darüber unterhalten: Wie haltet ihr es mit der
Aktenvernichtung?“6595
Er hat ausgeführt:
„die Aktenvernichtung selbst ist eigentlich nie
groß Hauptthema gewesen, aber man hat das
durchaus am Rande von Besprechungen immer
wieder mal thematisiert. Da gab es nun mal zwei
Philosophien. Die eine besagte, Beschaffungsakten
möglichst lange zu bewahren, und die andere Phi-
6589) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 6 f.
6590) N., MAT A Z-70/4, S. 6 f.
6591) N., MAT A Z-70/4, S. 4.
6592) N., MAT A Z-70/4, S. 5.
6593) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.
6594) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.
6595) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.
losophie war, sich von den Dingen zu trennen, die
dienstlich nicht mehr erforderlich sind.“6596
Auf die Frage, welche Philosophie er selbst in dieser
Angelegenheit vertreten habe, hat er erklärt:
„Sowohl die eine wie die andere. […] je nach
Zeit.“6597
„Je nach Zeit“ heiße, er sei lange Jahre der Meinung ge-
wesen, dass Beschaffungsakten grundsätzlich aufzube-
wahren seien,
„weil das natürlich ein Schatz ist, den man ungern
aufgibt.“6598
Diese Aussage hat er wie folgt präzisiert:
„Und dieser Schatz - - Das beweisen ja auch heute
noch die Fragen, zum Beispiel im Zusammenhang
mit dem Anschlag auf das Münchener Oktoberfest,
wo immer wieder gefragt wird: Hat es V-Leute
gegeben? Welche? Welche Informationen haben
die beschafft? Da gibt es ja wüste Spekulationen.
Da kann man sowohl der Meinung sein, dann ent-
sprechend auf diese Fragen auch antworten zu
können. Oder man kann natürlich der Meinung
sein, dass, wenn man feststellt, dass Akten einfach
derzeit nicht benötigt werden und auch voraus-
sichtlich in der nächsten Zeit - - dass man die dann
einfach löscht nach der Löschungsrichtlinie, der
die Auswertung ja auch unterliegt.“6599
Seine eigene Einstellung zu dieser Frage sei aber nicht
maßgeblich; er habe das nicht zu bestimmen.
6600
bb) Entscheidung über die Aktenvernichtung
und Anordnung
Die konkrete Entscheidung über die Vernichtung von
Akten ist vom Referatsleiter zu treffen. Das haben sowohl
der Zeuge Lingen als auch die Zeugin N. ausgesagt.
6601
In
seltenen Fällen sei die Prüfung von Fristen für die weitere
Aufbewahrung oder Löschung von Akten – so die Zeugin
N. – durch den Gruppenleiter erfolgt.6602 Sie selbst habe
zu keiner Zeit eine Überprüfung von Löschvorgängen
veranlasst.
6603
Anweisungen zur Vernichtung von Akten habe sie norma-
lerweise mündlich oder per E-Mail von Vorgesetzten
erhalten. Dabei seien ihr die entsprechenden Aktenzei-
6596) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.
6597) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
6598) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
6599) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
6600) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
6601) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7; N., MAT A
Z-70/4, S. 5.
6602) N., MAT A Z-70/4, S. 5.
6603) N., MAT A Z-70/4, S. 5.
Drucksache 17/14600 – 756 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen mitgeteilt worden.
6604
Sie selbst schaue in die Akten
nur zur Prüfung von deren Vollständigkeit.
6605
cc) Beteiligte Stellen, Vier-Augen-Prinzip und
Vernichtungsprotokoll
Nach Auskunft des Zeugen Engelke werden an der Ver-
nichtung einer Akte neben der aktenführenden Organisa-
tionseinheit weitere Stellen im BfV (Aktenregistratur,
Aktenverwaltung) beteiligt. Auf diese Weise solle si-
chergestellt werden, dass alle Teile einer Akte der Ver-
nichtung zugeführt werden.
Die Vernichtung werde in einer sog. Vernichtungsver-
handlung dokumentiert, in der u. a. auch bestätigt werde,
dass sämtliche Daten zu der betreffenden Person ge-
löscht sind.
6606
Es gebe zwei Ausfertigungen dieser Do-
kumentation. Eine werde in der Zentralabteilung (Abtei-
lung Z), wo es eine zentrale Registratur gebe, hinterlegt,
die andere verbleibe in der Fachabteilung. Es handele sich
um ein DIN-A4-Blatt mit mehreren Spalten. Der Anord-
nende müsse zeichnen. Der die Anordnung Empfangende
müsse bestätigen, dass er die vorgeschriebenen Prüfungen
vorgenommen habe, also die Akten zusammengesucht
und in den elektronischen Systemen nachgesehen habe,
was in die Akte eigentlich hineingehöre.
Die Vernichtung dürfe nur im Vier-Augen-Prinzip erfol-
gen, also von zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern.
Diese müssten sodann auf dem Dokument bestätigen, dass
sie ordnungsgemäß vernichtet haben. Schließlich bestäti-
ge noch ein Mitarbeiter der Zentralregistratur, dass er
dieses Protokoll empfangen habe.
6607
Das Vernichtungsprotokoll enthalte kein Schlagwort, aus
dem hervorgehe, worum es in der Akte gegangen sei.
6608
e) Datenschutzbeauftragter im BfV
Der Zeuge Fromm hat angegeben, dass das BfV über
einen Datenschutzbeauftragten verfüge, der diese Tätig-
keit als Referatsleiter in Vollzeit ausübe.
6609
Der Datenschutzbeauftragte sei eine relativ kleine Orga-
nisationseinheit mit einem Juristen an der Spitze, der
diese Tätigkeit seit vielen Jahren ausübe und der aus-
gesprochen spezialisiert sei. Dieser Datenschutzbeauftrag-
te pflege die Kommunikation mit dem Bundesdaten-
schutzbeauftragten. Es fänden permanent Abstimmungen
und Diskussionen statt, häufig auch kontrovers. Der Da-
tenschutzbeauftragte habe die Aufgabe, wenn etwa neue
Dateien kreiert würden, die Dateienanordnung zu entwer-
fen und alle datenschutzrechtlichen Fragen zu prüfen. Das
sei eine Daueraufgabe. Gerade in einem Haus wie dem
6604) N., MAT A Z-70/4, S. 11 f.
6605) N., MAT A Z-70/4, S. 9.
6606) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 14.
6607) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.
6608) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.
6609) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 9.
BfV spiele der Datenschutz, der ja das gesamte Bundes-
gesetz durchziehe, eine ganz wesentliche Rolle.
6610
4. Die Anordnung aus dem Jahre 2010 und
die Aktenvernichtung im Januar 2011
Der Sonderbeauftragte Engelke hat in seinem Bericht
ausgeführt, dass mehrere durch ihn und im Rahmen des
Disziplinarverfahrens befragte Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter unabhängig voneinander bestätigt hätten,
dass es im Beschaffungsbereich der Abteilung 2 bereits
seit mindestens dem Jahre 2010 erhebliche Bemühun-
gen gegeben habe, den dortigen Aktenbestand auf
eventuelle Aktenvernichtungsnotwendigkeiten hin zu
überprüfen. Hintergrund seien die Vorgänge um die im
BfV noch vorhandenen Akten zu einem anderen Fall
gewesen, anlässlich derer es einen „Mentalitätswechsel“
gegeben habe. Anstatt Beschaffungsakten möglichst lange
aufzubewahren (Begründung: das Gesetz sehe für Be-
schaffungsakten keine ausdrückliche Regelung vor),
sollten diese nunmehr nach Ablauf der Fristen des § 12
BVerfSchG vernichtet werden.
Vorgesetzte hätten – so Engelke – immer wieder darauf
hingewiesen, dass Altaktenbestände im Beschaffungs-
bereich, wann immer möglich, zu bereinigen seien. Dies
habe im Ergebnis zur Neufassung der DV-Beschaffung
geführt. Bereits vor Inkrafttreten dieser neuen DV-
Beschaffung habe die Abteilungsleitung mit Verfügung
vom 10. August 2010 angeordnet, dass Akten, die bis
1995 abgeschlossen waren, zu vernichten seien. Der
Zeuge Lingen hat berichtet, sein Vorgesetzter – der Grup-
penleiter – habe etwa ab dem Jahr 2010 die Meinung
vertreten, sich rasch von Akten zu trennen, die nicht mehr
notwendig seien.
6611
Aufgrund der Anordnung vom August 2010 – so En-
gelke – sei Anfang Januar 2011 eine große „Aktenver-
nichtungsaktion“ erfolgt, in der alle Beschaffungsakten,
die älter als 15 Jahre waren, vernichtet worden seien. Das
hat der Zeuge Lingen bestätigt.
6612
Eine entsprechende
Weisung des Referatsgruppenleiters habe es etwa im Jahr
2010 gegeben.
6613
Er hat erläutert:
„Die Gespräche fanden in der Referatsgruppe statt.
Daran beteiligt waren auch die anderen Referats-
leiter. Wir sind im BfV ja immer wieder gefragt
worden nach Ereignissen, die schon sehr lange zu-
rücklagen. Das letzte Ereignis war die Unterstüt-
zung von Rechtsextremisten für die Vorbereitung
der Anschläge 1972 in München - das ist ja im-
merhin 40 Jahre her -, und daraus resultiert natür-
lich die Frage: Wie lange heben wir Akten auf?
Wir waren da allesamt der Meinung, dass es nicht
sein kann, dass wir für so einen einzelnen Fall
6610) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 55.
6611) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
6612) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 18.
6613) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 757 – Drucksache 17/14600
Tausende von Akten aufbewahren, um dann eine
Frage nach 40 Jahren beantworten zu können.“6614
Auf Fragen zum konkreten Ablauf der konzertierten Ak-
tion im Januar 2011 hat sich der Zeuge Lingen auf sein
Aussageverweigerungsrecht nach § 22 PUAG berufen.
6615
Laut Engelke-Bericht seien die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter nach Beendigung dieser Aktion angehalten gewesen,
Altbestände von Beschaffungsakten immer dann auf ein
mögliches Vernichtungserfordernis zu prüfen, wenn sie
dienstlich mit einem dieser Altvorgänge befasst worden
seien.
6616
Seither habe der Druck für alle Mitarbeiter des
BfV bestanden, immer dann, wenn sie sich mit einer
Altakte befassten, zu prüfen, ob die Fristen abgelaufen
seien, ob die Akte noch benötigt werde oder nicht.
6617
Der
Zeuge Lingen hat bekundet, im Beschaffungsbereich sei
man übereingekommen, die Akten anlassbezogen zu
löschen.
6618
5. Aktenvernichtung am 11. November 2011
und „einige Tage danach“
Am 11. November 2011 und „einige Tage danach“ wur-
den durch einen Referatsleiter im Beschaffungsbereich
Rechtsextremismus des BfV Akten zu Personen, die
aus dem Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“
(THS) für das BfV geworben und als VM geführt wurden,
vernichtet.
6619
Dies war derselbe Tag, an dem der Gene-
ralbundesanwalt Ermittlungen wegen der Gründung einer
rechtsgerichteten terroristischen Vereinigung einleitete.
Fünf dieser Akten waren aus der Operation „Rennsteig“
mit den Fallbezeichnungen
– Treppe,
– Tobago/Investor,
– Tonfarbe,
– Tusche,
– Tinte.6620
Darüber hinaus wurden zwei Beschaffungsakten vernich-
tet, die nicht der Operation „Rennsteig“ zugehörig sind zu
den Fällen:
– VM - Tacho und
– VM - Tarif.6621
Bei der Akte Tobago handelte es sich um eine Werbungs-
akte. Die Akten Tusche, Treppe, Tonfarbe, Tacho, Tarif
und Tinte waren VM-Akten.
6622
6614) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.
6615) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 18.
6616) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17 f.
6617) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.
6618) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 12.
6619) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 4.
6620) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.
6621) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.
Eine ebenfalls zur Operation „Rennsteig“ gehörende VM-
Akte zu Tonfall wurde nicht vernichtet.
6623
Unter der Bezeichnung Operation „Rennsteig“ fassten
die beteiligten Behörden die Bemühungen zusammen,
Quellen im Umkreis der aus der „Anti-Antifa-
Ostthüringen“ im Jahre 1995 hervorgegangenen Gruppie-
rung „Thüringer Heimatschutz“ (THS) – eines Perso-
nenzusammenschlusses von diversen Kameradschaften
in Thüringen zu gewinnen. Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe waren besonders gewaltbereite Mitglieder des
„THS“. Ausgangspunkt für die Operation war die Ana-
lyse, dass die Organisation ein bedeutendes Sammelbe-
cken der Neonazi-Szene war, zu dem die Zugangslage
verbessert werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt gab
es im Wesentlichen nur einen wertigen Zugang des LfV
Thüringen.
6624
Zum Umfang der Werbung in der Operation „Rennsteig“
hat der Sonderbeauftragte Engelke in seinem Bericht
ausgeführt, aus der Operation „Rennsteig“ hätten acht
Werbungsfälle resuliert.
6625
Auch das BfV hat zu den im Rahmen der Operation
„Rennsteig“ geworbenen und geführten V-Leuten mitge-
teilt, es habe im Rahmen der Operation „Rennsteig“ acht
V-Leute geworben und sechs VM mit Zielrichtung „THS“
durch die „Beschaffung“ der Abteilung 2 des BfV ge-
führt.
Es habe sich hierbei gehandelt um
– Treppe (1999),
– Tobago (1999-2001),
– Tonfall (2000-2001),
– Tonfarbe (2000-2002),
– Tusche (2000),
– Tinte (2003 angeworben und im Jahr 2004 – nach
Beendigung der Operation „Rennsteig“ an das LfV
Thüringen übergeben).
Die beiden weiteren geworbenen V-Leute, die VM Ter-
rier und Trapid, seien in den Jahren 2000 und 2003 dem
LfV Thüringen übergeben worden.
6626
6622) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
Aktualisierter rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit
Aktenvernichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli
2012, MAT B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12).
6623) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.
6624) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 4 f; weitergehend
siehe oben Operation „Rennsteig“, B. IV. 1.
6625) Engelke-Bericht vom 11. Oktober 2012, MAT B BfV-2/4,
(Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM), S. 21.
6626) Bericht des Präsidenten des BfV an das BMI vom 28. Juni 2012
sowie Kurzinformation des Präsidenten des BfV vom 27. Juni
2012, MAT B BfV-2 (Tgb.-Nr. 29/12 - GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 758 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Angaben des Referatsleiters Lingen
Am 27. Juni 2012 hat der Referatsleiter Lingen eine
dienstliche Erklärung folgenden Inhalts abgegeben:
„Am 10. November 2011 erhielt ich den Auftrag
der Amtsleitung, Werbungsakten aus dem Bereich
‚THS‘ daraufhin zu überprüfen, ob sich aus diesen
Bezüge/Kontakte des BfV zum Trio/NSU ergäben.
Ich habe die Akten daraufhin überprüfen lassen
und mich davon überzeugt, dass derartige Bezüge
bei den von uns angeworbenen Quellen nicht exis-
tierten. Für die aus meiner Sicht damit dienstlich
nicht mehr benötigten Akten habe ich am
11. November 2011 die Vernichtung angeordnet.
Dabei wurden Werbungsakten zu acht Personen,
mit denen eine nachrichtendienstliche Zusammen-
arbeit bestand, vernichtet.“6627
Am 28. Juni 2012 hat der Referatsleiter Lingen diese
dienstliche Erklärung folgendermaßen ergänzt:
„Nach nochmaligem Nachdenken habe ich nicht
Werbungsakten von acht, sondern nur von sieben
Personen zur Vernichtung angeordnet. Versehent-
lich habe ich in meiner Erinnerung eine Akte dop-
pelt gezählt. Ich führe dieses Versehen darauf zu-
rück, das in einem Fall für eine Person zwei Fall-
bezeichnungen vergeben wurden.“6628
Als Zeuge vor dem Ausschuss hat Herr Lingen in Bezug
auf die konkreten Vorgänge im Zusammenhang mit der
Aktenvernichtung am 11. November 2011 von seinem
Aussageverweigerungsrecht nach § 22 Abs. 2 PUAG
Gebrauch gemacht, wonach er die Beantwortung solcher
Fragen verweigern kann, die ihn selbst oder Angehörige
nach § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung der Gefahr
aussetzen würde, einer Untersuchung nach einem gesetz-
lich geordneten Verfahren, insbesondere wegen einer
Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit oder auch einem
dienstlichen Ordnungsverfahren ausgesetzt zu werden.
Der Zeuge Lingen hat aber eingangs seiner Vernehmung
ausgeführt:
„Ich habe es als meine staatsbürgerliche Pflicht
angesehen, als geladener Zeuge vor dem Untersu-
chungsausschuss aufzutreten. In den öffentlichen
Vorwürfen der vorsätzlichen Vernichtung von
Operativakten, um Sachverhalte zu vertuschen, bin
ich natürlich sehr betroffen. Ich bin über den
Rücktritt meines Präsidenten geschockt und darü-
ber, wie ich im allgemeinen Medieninteresse stehe.
Das ist etwas, was ich mir sozusagen in meiner be-
ruflichen Laufbahn nicht im Geringsten vorstellen
konnte.“6629
6627) MAT A BfV-13, Bl. 1.
6628) MAT A BfV-13, Bl. 1.
6629) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 3.
b) Ablauf der Aktenvernichtungen am
11. November 2011 und „einige Tage da-
nach“
Am 8. November 2011 erteilte der damalige Präsident des
BfV, Heinz Fromm, auf einem Gesprächsvermerk zur
ND-Lage vom 8. November 2011 zum TOP „Banküber-
fall und Leichenfund am 4. November in Eisenach/TH;
mögliche Bezüge zum Rechtsextremismus“ folgenden
Auftrag an die Abteilung 2 (Rechtsextremismus):
„Ich bitte um detailiierte Aufarbeitung des Vor-
gangs. Was hat das BfV in den 1990er Jahren in
diesem Fall für eine Rolle gespielt, welche Infor-
mationen lagen vor und welche Ermittlungen wur-
den von Seiten BfV durchgeführt, insbesondere
nachdem die drei Personen flüchtig waren. Bitte
um kritische Durchsicht der Akten zu den Informa-
tionen zu den drei Personen, dem ‚THS‘ und mög-
lichen Verbindungen zur NPD.“6630
Der Zeuge Lingen hat zum konkreten Auftrag der Amts-
leitung zur Durchsicht der Beschaffungsakten keine An-
gaben gemacht.
6631
Ausweislich der vom Sonderbeauftragten Engelke des
BMI erstellten Chronologie, beauftragte der damalige
Gruppenleiter 2B den Referatsleiter Lingen am
8. November 2011, die Akten der „Beschaffung“ referats-
übergreifend nach etwaigen Fundstellen mit Bezügen zum
Trio zu durchsuchen. Entweder am selben Morgen oder
am Morgen des Folgetages habe der Referatsleiter eine
elektronische Suche nach den drei Namen in der Perso-
nenzentraldatei durchgeführt. Darüber hinaus habe er in
der elektronisch geführten Werbungsdatei der Abt. 2 nach
Stichworten gesucht. Da die Werbungsdatei vor 1999
nicht alle Fälle enthalte, habe auch die erste Übersicht
nicht vollständig gewesen sein können, bzw. seien spätere
Korrekturen notwendig gewesen.
6632
MinDirig Engelke hat angegeben, Referatsleiter Lingen
habe die Forschungs- und Werbungsdatei nach den Be-
griffen „Thüringen“, „THS“ und „Thüringer Heimat-
schutz“ durchsucht und sei so auf die ausgewählten Akten
gekommen.
6633
Dies habe ihm Referatsleiter Lingen so bestätigt. Er habe
nach Akten zu den Namen Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe forschen sollen und aus der Berichterstattung
gewusst, dass der Fall in Thüringen spiele. Der Zeuge
Engelke hat erläutert:
„Jetzt geht er hin und sagt: ‚So, was weiß ich denn
aus der ‚Beschaffung‘ über Thüringen? Da war
was‘ und kommt jetzt zu den Begriffen. ‚THS‘,
‚Thüringen‘ und ‚Thüringer Heimatschutz‘. Er hat
nicht Operation ‚Rennsteig‘ gesucht. […]. Er
kommt jetzt zu einer Liste von Werbungsfällen
6630) MAT B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6631) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7.
6632) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6633) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 17 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 759 – Drucksache 17/14600
von denen er sagt: ‚Die könnten relevant sein‘ und
die bittet er die Mitarbeiter an sich zu ziehen und
durchzuschauen […] auf die drei Namen.“6634
Am 9. November 2011 habe der Referatsleiter zunächst
mündlich
6635
Mitarbeiter seines Referats beauftragt, die
Akten Tobago (Werbungsakte) sowie der Akten Tusche,
Treppe, Tonfarbe, Tacho, Tarif und Tinte (VM-Akten)
auf die drei Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
durchzusehen.
6636
Für die VM-Akten war formal nicht der Referatsleiter
Lingen zuständig, sondern ein Kollege aus dem Nachbar-
referat. MinDirig Engelke hat hierzu ausgeführt, dass der
Referatsleiter Lingen im Gespräch mit ihm dargestellt habe,
dass er von seinem damaligen Vorgesetzten, dem Gruppenlei-
ter, am Dienstag, den 8. November 2011, beauftragt wurde,
die Durchsicht aller Beschaffungsakten der Abteilung, also
auch derjenigen des Nachbarreferates, zu koordinieren. Diese
Darstellung habe der damalige Gruppenleiter ihm gegenüber
bestätigt.
6637
Nach Aussage des Zeugen Engelke habe der Gruppenlei-
ter den Referatsleiter Lingen beauftragt, weil dieser für
die Koordination im Bereich „Beschaffung“ der erfahre-
nere, länger dienende Referatsleiter gewesen sei; der
Leiter des Nachbarreferats habe noch nicht so lange in
dem Bereich gearbeitet.
6638
Die Organisation der Prüfung habe der Referatsleiter
Lingen den von ihm beauftragten Mitarbeitern überlas-
sen.
6639
Drei Mitarbeiter seines Referats hätten sich die
sieben Vorgänge aus der Registratur dieser Referatsgrup-
pe ausgeliehen. Die Prüfung dieser Akten auf die Klar-
namen sei durch mindestens fünf Mitarbeiter erfolgt.
6640
Eine schriftliche Dokumentation des Auftrages sei am
Nachmittag per E-Mail (14.24 Uhr) erfolgt.
6641
MinDirig Engelke hat hervorgehoben, dass der Referats-
leiter Lingen in seinem Prüfauftrag die Prüfung von Tarif
veranlasst habe, obwohl dieser gar nicht zur Operation
„Rennsteig“ gehört habe. Die Prüfung von Tonfall, der
aber Teil der Operation „Rennsteig“ gewesen sei, habe er
nicht veranlasst. Der Referatsleiter habe auch nur die
6634) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 18.
6635) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6636) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
aktualisierter rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit
Aktenvernichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli
2012, MAT B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12); Zu der Frage, wie der
Referatsleiter auf diese Akten kommen konnte, siehe unten:
K.I.5.f).
6637) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 19.
6638) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 19.
6639) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 – GEHEIM), S. 26.
6640) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 – GEHEIM), S. 26.
6641) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 – GEHEIM), S. 26; aktualisierter
rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12).
Prüfung nach den Namen Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe veranlasst, wobei er den Namen Böhnhardt in
dem schriftlich erteilten Auftrag falsch geschrieben habe.
Er habe keine Prüfung nach Alias-Personalien veran-
lasst.
6642
Die Alias-Namen des Trios seien nach Angaben
des Sonderbeauftragen Engelke in der Beschaffungsgrup-
pe erstmals am Nachmittag des Donnerstags,
10. November 2011, bekannt geworden.
6643
Am selben oder am nächsten Tag hätten die Mitarbeiter
die negativen Prüfergebnisse per E-Mail oder telefonisch
mitgeteilt. Die Mitarbeiter hätten die Akten an diesem
oder am nächsten Tag direkt in die Registratur zurückge-
geben, ohne sie dem Referatsleiter vorzulegen.
6644
MinDirig Engelke hat als Zeuge ausgesagt, die mit der
Suche nach den Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
in den vom Referatsleiter ausgewählten Akten beauftrag-
ten Sachbearbeiter seien von ihm befragt worden.
6645
Die
Mitarbeiter hätten angegeben, die Akten Blatt für Blatt
durchgeschaut zu haben, aber nur nach den genannten
Namen.
6646
Diesen Auftrag hätten sie ausgeführt und dann
schnell die Akten zurück in die Registratur gebracht.
6647
Die Sachbearbeiter hätten teilweise mündlich berichtet
und dann schriftlich zurückgemailt, dass die angegebenen
Namen in der Akte nicht auftauchten.
6648
Die Amtsleitung
habe schnell eine Aussage verlangt, ob etwas zu diesen
Namen im BfV vorliege. Alle Mitarbeiter hätten gesagt:
„Das haben wir sehr sorgfältig durchgeschaut auf
die drei Namen und dann nichts gefunden.“6649
Die Mitarbeiter hätten nicht gesagt, dass sie eine Kontext-
lektüre gemacht hätten.
6650
Auf die Frage, inwieweit die die Akten prüfenden Mitar-
beiter Kenntnis von deren Inhalt hatten, hat der Zeuge
Engelke weiter ausgeführt:
„Also, die sind nicht so ausgebildet, dass zum Bei-
spiel der Kollege, der damals den Fall bearbeitet
hat, soweit er jetzt noch da auftaucht, sich genau
diesen Fall anschaut. Das haben die in Eigenorga-
nisation gemacht. Ich glaube, das war in einem
Fall der Fall.“6651
Die Kollegen seien aber ausgebildet, solche Akten zu
lesen.
6652
6642) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 3.
6643) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6644) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6645) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6646) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6647) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6648) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6649) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6650) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6651) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
6652) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.
Drucksache 17/14600 – 760 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am Donnerstag, dem 10. November 2011, informierte der
Referatsleiter um 9.38 Uhr per E-Mail die Referatsleiterin
für den Bereich „Auswertung Rechtsextremismus,
Rechtsterrorismus“, den damaligen Gruppenleiter „Be-
schaffung“ und den damaligen Abteilungsleiter 2 über das
Zwischenergebnis der Prüfung der Forschungs- und Wer-
bungsakten mit möglichen Bezügen zu den Rechtsextre-
misten Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe mit folgendem
Wortlaut:
„Alle drei Personen waren niemals Gegenstand
von F+W-Maßnahmen des BfV. Mit insgesamt
sieben Personen aus dem ‚THS‘-Bereich wurden
mehrere Gespräche mit dem Ziel der Werbung ge-
führt. Drei Fälle wurden davon an das LfV TH
übergeben. Zu diesen Fällen gibt es keine Akten
mehr bei uns. Drei (nicht zwei!) Personen wurden
kurzfristig (1999 – 2001) als Quellen des BfV ge-
führt (Tobago; Tusche und Treppe) und nach kur-
zer Zeit wieder abgeschaltet. In keiner der geprüf-
ten vier Werbungsakten waren Hinweise auf die
‚Thema‘ genannten Personen enthalten. Ein ehe-
maliger Werbungsmitarbeiter konnte sich erinnern,
dass alle Quellen des BfV mit Thüringer Bezügen
zu Personen befragt wurden, die 1998 mit den
Selbstlaboranten in Verbindung gestanden haben
könnten.
Zusatz: alle Werbungs- und VM-Akten der Akten-
jahre bis 2001 sind vernichtet worden, soweit kei-
ne Werbungsfälle/VM betroffen waren, die danach
als Quellen noch relevant waren.
6653
Diese E-Mail leitete der Referatsleiter Lingen kommentar-
los am nächsten Tag, am 11. November 2011, um 9.04
Uhr auch an den formal für die sechs VM-Akten zustän-
digen Referatsleiter weiter.
6654
Laut Bericht des Sonderbeauftragten habe der Referatslei-
ter Lingen ihm gegenüber angegeben, der Zusatz in der
oben genannten E-Mail habe sich nicht auf die im Januar
2011 durchgeführte, sondern auf die erst am folgenden
Tag durchgeführte, zum Zeitpunkt der E-Mail also erst
noch bevorstehende Aktenvernichtung, bezogen.
6655
Auf die oben genannte E-Mail des Referatsleiters von
9.38 Uhr antwortete der damalige Gruppenleiter um 10.32
Uhr:
„danke, war hilfreich“.
MinDirig Engelke gibt in seinem Bericht an, der Referats-
leiter Lingen habe ihm gegenüber geäußert, keine weite-
ren Rückmeldungen von den E-Mail-Adressaten erhalten
zu haben.
6656
Ausweislich des Berichts des Sonderbeauftragten habe
der Referatsleiter am Vormittag des 10. November 2011
6653) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6654) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6655) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6656) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
die zuständige Bürosachbearbeiterin N. angerufen und ihr
mitgeteilt, dass die von ihr ausgeliehenen Akten zu ver-
nichten seien. Frau N. habe auf die Notwendigkeit einer
schriftlichen Anordnung verwiesen sowie nachgefragt,
warum gerade diese Akten vernichtet werden sollten.
6657
Diese Darstellung hat die Zeugin N. im Wesentlichen
bestätigt. Sie hat bekundet, ihr sei am Vormittag
6658
des
10. November 2011
6659
von einem Kollegen aus der „Be-
schaffung“, Herrn B., auf dem Flur gesagt worden, dass
sie Akten vernichten solle.
6660
Herr B. sei wohl gerade aus
dem Büro des Referatsleiters Lingen gekommen. Sie habe
erwidert:
„Wie, Akten vernichten? Ich vernichte hier keine
Akten auf Zuruf. Was soll das denn jetzt hier? -
Das habe ich noch gesagt.“6661
Herr B. habe ihr aber keine konkrete Aufforderung zur
Vernichtung erteilt.
6662
„Und dann bin ich zum Herrn Lingen rübergegan-
gen und habe gesagt: Wie, Akten vernichtet wer-
den? Was für Akten?“6663
Sie habe in dieser Angelegenheit auch noch mit dem
Referatsleiter Lingen telefoniert. Über die zeitliche Ab-
folge war sich die Zeugin N. in ihrer Vernehmung jedoch
nicht sicher. Sie hat ausgeführt:
„Dann bin ich mir jetzt nicht mehr 100 Prozent si-
cher, ob das Telefonat mit dem Herrn Lingen vor
dem persönlichen Gespräch mit ihm stattgefunden
hat oder danach. Ich meine, das telefonische Ge-
spräch hätte erst mal vorher stattgefunden, dass ich
doch noch mal erst in mein Büro gegangen bin. Ob
ich ihn angerufen habe oder er mich angerufen hat,
das kann ich Ihnen jetzt auch nicht mehr ganz ge-
nau sagen, weiß ich nicht mehr.
Und dann habe ich am Telefon auf jeden Fall ge-
sagt, dass ich auf Zuruf überhaupt nichts vernichte,
auch nicht am Telefon oder so. Und dann bin ich ja
auch persönlich, wie gesagt, zu ihm hingegangen
und habe ihn dann gefragt: Was soll hier vernichtet
werden? Und daraufhin hat er mir gesagt, es wären
sechs Akten. Und da muss ich wohl gefragt haben:
Ja, was denn für Akten? Und daraufhin hat er ge-
sagt - - Er hat die Namen nicht alle genannt. Er hat
auf jeden Fall gesagt: Tusche oder - - Ich weiß es
nicht mehr. Ich kann Ihnen die Namen noch nicht
mal mehr komplett sagen.
Und daraufhin habe ich gesagt: Sind das denn V-
Mann-Akten, oder sind das Werbungsakten? Und
6657) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6658) N., MAT A Z-70/4, S. 9.
6659) N., MAT A Z-70/4, S. 14.
6660) N., MAT A Z-70/4, S. 8.
6661) N., MAT A Z-70/4, S.11.
6662) N., MAT A Z-70/4, S. 11, 17.
6663) N., MAT A Z-70/4, S. 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 761 – Drucksache 17/14600
da hat er wohl gesagt: Es sind V-Mann-Akten.
Und da habe ich gesagt: Die werden doch nicht
vernichtet. Wieso sollen die vernichtet werden?
Weil eben halt - - Dann, daraufhin sagte er: Tun
Sie das, was ich sage. - Da habe ich gesagt: Das
werde ich nicht tun, weil er wäre ja zu diesem
Zeitpunkt kein zuständiger Referatsleiter von den
V-Mann-Akten. - Ja, aber er wäre jetzt Vertreter. -
Ja, sage ich, dann in Ordnung; dann soll er mir das
aber bitte schriftlich geben.
6664
Nach Aussage der Zeugin N. habe der Referatsleiter Lin-
gen ihr im Gespräch die Akten mit den Namen benannt;
die Aktenzeichen habe er gar nicht gewusst.
6665
Die Akten
mit den vom Referatsleiter benannten Namen seien dieje-
nigen gewesen, die zuvor von Mitarbeitern dieser Refe-
ratsgruppe überprüft worden seien.
6666
Von daher seien
ihr diese Akten bekannt gewesen.
6667
Zum Inhalt ihres Gesprächs mit dem Referatsleiter Lingen
hat die Zeugin N. weiter ausgesagt:
„Ich habe gar nichts mitgeschrieben. Ich habe le-
diglich dann zu ihm gesagt, was das denn für Ak-
ten wären. Und das waren V-Mann-Akten. Zu die-
sem Zeitpunkt war Herr Lingen nicht Referatsleiter
von der V-Mann-Führung. Und daraufhin habe ich
gesagt, dass er das nicht entscheiden könnte, weil
die Akten zu der V-Mann-Führung gehören wür-
den - bis auf eine, die der Forschung und Werbung
zugehörig war. Und da: Das würde aber nichts zur
Sache tun; ich sollte das machen, was er mir sagt. -
Und da habe ich gesagt: Nein, das werde ich nicht
tun; er möchte mir das bitte schriftlich geben.
6668
Der Referatsleiter Lingen habe ihr gegenüber nichts dazu
gesagt, warum die Aktenvernichtung überhaupt notwen-
dig sei.
6669
Über dessen Motive sei ihr nichts bekannt.
6670
Nach Angaben der Zeugin N. sei dies der erste und einzi-
ge Fall in ihrer Zusammenarbeit mit dem Referatsleiter
Lingen gewesen, der ihr Anlass gegeben habe, eine Auf-
forderung zur Aktenvernichtung kritisch zu hinterfra-
gen.
6671
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, der Grund für die Be-
denken der Bürosachbearbeiterin N. sei gewesen, dass es
um V-Leute aus dem Thüringer Umfeld ging.
„Im Moment ist überall in den Medien, dass
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aus dem Bereich
stammen. Da glaube ich nicht, dass es eine gute
Idee war, das zu dem Zeitpunkt zu vernichten. Das
6664) N., MAT A Z-70/4, S. 21.
6665) N., MAT A Z-70/4, S. 24.
6666) N., MAT A Z-70/4, S. 17.
6667) N., MAT A Z-70/4, S. 17.
6668) N., MAT A Z-70/4, S. 20.
6669) N., MAT A Z-70/4, S. 38.
6670) N., MAT A Z-70/4, S. 34; S. 38.
6671) N., MAT A Z-70/4, S. 22.
war ihr Motiv und das war auch das von dem
Sachbearbeiter.“6672
Demgegenüber hat die Zeugin N. als alleinigen Grund für
ihre Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, die
Akten zu vernichten, die fehlende formale Zuständigkeit
des Referatsleiters Lingen für V-Mann-Akten angegeben.
Formal sei ihr eine Anweisung zur Vernichtung von Ak-
ten von einer Person erteilt worden, die für diese Akten
nicht zuständig gewesen wäre.
6673
Die Zeugin N. hat auf Nachfrage ausdrücklich verneint,
dass die damals schon in den Medien erwähnten Ge-
schehnisse in Thüringen ein Grund für ihre kritische Hal-
tung gewesen seien.
6674
Sie habe am 11. November 2011
noch nicht bewusst Kenntnis davon gehabt, dass in Thü-
ringen eine Terrorzelle aufgeflogen sei.
6675
Darüber hinaus hat die Zeugin N. verneint, dass Grund für
ihre kritische Nachfrage gewesen sei, dass V-Mann-Akten
im BfV grundsätzlich nicht vernichtet würden.
6676
Der Referatsleiter Lingen habe Frau N. daraufhin per E-
Mail um 10.25 Uhr den Auftrag zur Vernichtung von
zunächst sechs der sieben Akten erteilt.
In der Beratungssitzung des Ausschusses vom
19. Juli 2012 hat MinDirig Engelke in seiner Eigenschaft
als Sonderbeauftragter des BMI – nicht als Zeuge – aus-
geführt, der Auftrag habe wie folgt gelautet:
„Bei der Aktenrecherche von ZP/V-
Mann/Informanten im Zusammenhang mit dem
‚THS‘ sind Akten/Aktenteile festgestellt worden,
die vernichtet werden müssen, da sie nicht mehr
gebraucht werden. Dabei handelt es sich um die
Fälle Tobago, Tusche, Treppe, Tonfarbe, Tacho
und Tinte.“ 6677
Die Akte Tarif sei von diesem ersten Auftrag zunächst
nicht erfasst gewesen. Zehn Minuten später habe der
Referatsleiter eine weitere Mail mit dem Inhalt
„Auch die Aktenbestandteile von V-Mann Tarif
müssen vernichtet werden.“
versandt.
6678
Auch die Zeugin N. hat ausgesagt, dass der Referatsleiter
seinen dann schriftlich erteilten Auftrag zur Aktenver-
nichtung von zunächst sechs auf dann sieben Akten er-
weitert habe. Sie hat ausgeführt:
„Und das hat er mir dann auch per Mail schrift-
lich - - in zwei Mails: Einmal waren es nur sechs,
und dann hat er noch eine nachgeschoben, den
6672) Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM) sowie Protokoll-
Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM).
6673) N., MAT A Z-70/4, S. 23.
6674) N., MAT A Z-70/4, S. 23.
6675) N., MAT A Z-70/4, S. 22.
6676) N., MAT A Z-70/4, S. 33.
6677) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 4.
6678) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 4.
Drucksache 17/14600 – 762 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
siebten, die Namen. Und dann habe ich erst mal in
DOMUS nachgeguckt, welches Aktenzeichen - -
weil es waren ja nur Namen und da konnte ich ja
nichts mit anfangen. Und dann habe ich erstmal in
DOMUS nachgesehen, was das für Akten sind,
welches Aktenzeichen. Dann habe ich die Akten
rausgesucht.“6679
Sie hat fortgeführt:
„Ja, und er ist auch, glaube ich, noch mal im Büro
gewesen und hat geguckt, ob es die denn auch
sind, also ob das die Akten waren.“6680
Ausweislich des Berichts des Sonderbeauftragten habe
der Referatsleiter am 10. November 2011 um 11.19 Uhr
um Rückruf bei dem für die sechs VM-Akten formal
zuständigen Referatsleiter gebeten, der sich an diesem
Tag allerdings auf einer Dienstreise befunden habe und
erst am Folgetag (11. November 2011) wieder im Büro
gewesen sei. Um 15.17 Uhr habe die Bürosachbearbeite-
rin N. ebenfalls eine Mail an den formal zuständigen
Referatsleiter mit dem Betreff „Vernichtung“ geschrie-
ben, in der sie um Rückruf gebeten habe.
6681
Die Zeugin N. hat ausgesagt, wegen ihrer Zweifel an der
formalen Zuständigkeit des Referatsleiters Lingen für die
Vernichtung von V-Mann-Akten, habe sie sich zunächst
per E-Mail mit dem formal zuständigen Leiter des Nach-
barreferats in Verbindung gesetzt und nachgefragt, ob er
mit der Vernichtung einverstanden sei.
6682
Die Zeugin N. hat ausgesagt, sie sei, nachdem ihr der
schriftliche Auftrag zur Vernichtung der sieben Akten
erteilt worden sei, wie folgt vorgegangen:
„Dann habe ich die Akten rausgesucht, um die es
sich handelte. Dann habe ich die Ver-
nichtungsverhandlung geschrieben und habe die
Akten aufgeführt, die zu vernichten sind. Das hat
auch eine ganze Zeit in Anspruch genommen; so
schnell geht das auch nicht. Dann habe ich - ich
meine, Donnerstagnachmittag - die Vernichtungs-
verhandlung dem Herrn Lingen vorgelegt, und der
hat sie unterschrieben.“6683
MinDirig Engelke hat zum Verfahren bei der Anordnung
einer Vernichtung folgende Angaben gemacht:
„Wenn eine Vernichtung angeordnet ist, muss ein
Vernichtungsprotokoll erstellt werden oder an-
dersherum, im Ergebnis gibt es zwei Vernich-
tungsprotokolle. Es gibt eins, was in der Fachabtei-
lung verbleibt und eines, was im Zentralarchiv so-
zusagen abgeheftet wird. In der ersten Version
muss der Vernichtungsanordnende, hier also der
Referatsleiter, dafür zeichnen, dass er angeordnet
6679) N., MAT A Z-70/4, S. 20.
6680) N., MAT A Z-70/4, S. 20.
6681) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6682) N., MAT A Z-70/4, S. 23.
6683) N., MAT A Z-70/4, S. 21.
hat, Unterlagen zu vernichten zu einem Vorgang.
Ein Mitarbeiter ist jetzt aufgefordert, in einem An-
hang im Detail unter fortlaufender Nummerierung
aufzuschreiben, welche Unterlagen das denn sind
im Vorgang. Und eigentlich ist er auch angehalten
dazu, im Vorgangsbearbeitungssystem des BfV zu
gucken: Stimmt das mit dem im Computer Regis-
trierten; welche Schriftstücke müssen da jetzt ei-
gentlich drin sein? Der Mitarbeiter, der diese An-
lage erstellt – der also sagt, ich muss den Vorgang
Tonfall vernichten – geht also jetzt hin und listet
auf: Was sind da eigentlich im einzelnen für
Schriftstücke drin? und führt die in der Anlage auf.
Das wird sozusagen mit dem Deckblatt des Ver-
nichtungsprotokolls verbunden. Dass das ord-
nungsgemäß geschehen ist, dafür zeichnet dieser
Mitarbeiter auch auf dem Vernichtungsprotokoll,
auf dem Deckblatt.“6684
Nach Aussage des Zeugen Engelke hat der Referatsleiter
Lingen seine Namensparaphe bei der Anordnung der
Vernichtung nicht mit einem Datum versehen.
6685
Die zu vernichtenden Akten selbst seien dem Referatslei-
ter Lingen nicht vorgelegt worden.
6686
Die Zeugin N. hat auf Nachfrage eingeräumt, dass sie
weder bei der Zusammenstellung der Akten noch vor
deren Vernichtung einen Abgleich mit der Schriftgutver-
waltung vorgenommen habe.
6687
Bei einem solchen Ab-
gleich wäre ihr nach Angaben des Sonderbeauftragten
Engelke aufgefallen, dass in den Akten Teile gefehlt hät-
ten.
6688
In seinem Bericht hat MinDirig Engelke in seiner Eigen-
schaft als Sonderbeauftragter des BMI ausgeführt, im
Laufe des Vormittags des 11. November 2011 habe der
Sachbearbeiter B. dem Referatsleiter Lingen Zweifel an
der Richtigkeit des Zeitpunkts der Aktenvernichtung
mitgeteilt. Daraufhin habe Herr Lingen geantwortet:
„Die Akten sind sauber, da ist nichts dran, die sind
geprüft. Das reicht, sonst haben wir die noch hun-
dertmal auf dem Tisch. Die sind sowieso zu alt.
Die müssen weg.“6689
Nach Aussage der Zeugin N. habe der für die sechs VM-
Akten formal zuständige Referatsleiter, mit dem sie sich
zunächst per E-Mail in Verbindung gesetzt und nachge-
fragt habe, ob er mit der Vernichtung einverstanden sei,
ihr gegenüber am Freitag, dem 11. November 2011, tele-
fonisch erklärt:
6684) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 5.
6685) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.
6686) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6687) N., MAT A Z-70/4, S. 29.
6688) Engelke, Protokoll-Nr. 25, Beratungssitzung, (Tgb.-Nr. 47/12 -
VS-VERTRAULICH), S. 14.
6689) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 763 – Drucksache 17/14600
„Ja, wäre okay.“6690
Sie habe daraufhin die Anweisung des Referatsleiters
Lingen für sich akzeptiert.
6691
Nachdem sie ihre Bedenken
gegenüber dem Referatsleiter Lingen und dem – für sechs
der vernichteten Akten eigentlich zuständigen Leiter
des Nachbarreferats geäußert habe, habe sie bei höheren
Vorgesetzten nicht mehr remonstriert.
6692
Sich mit dem
Gruppenleiter in dieser Angelegenheit in Verbindung zu
setzen, habe sie nicht mehr in Betracht gezogen.
6693
Die Akten seien von ihr am selben Tag zwischen 10 und
11 Uhr im Beisein des Sachbearbeiters B. vernichtet wor-
den. Bei der Vernichtung gelte das Vier-Augen-Prinzip.
Zuvor habe sie die dazugehörigen Dateien gelöscht.
6694
Auf Nachfrage hat die Zeugin erklärt, Herr B. habe ge-
fragt, warum man das jetzt mache. Was Herr B. dazu
gesagt habe, wisse sie aber nicht mehr.
6695
Auch im Vor-
griff auf die Vernichtung habe sie nicht mit Herrn B.
gesprochen.
6696
MinDirig Engelke hat zum Vernichtungsverfahren im
BfV folgende Angaben gemacht:
„In der Praxis des BfV, so habe ich das verstanden,
ist es so, dass vor Vernichtung jetzt schon - - die
Vernichtung wird nach dem Vier-Augen-Prinzip
erfolgen, das heißt, es müssen immer zwei Kolle-
gen da sein – zeichnen jetzt die zwei Kollegen,
dass sie vernichtet haben. Das sind also sozusagen
insgesamt vier Unterschriften auf so einem Vor-
blatt, jedenfalls in der ersten Version des Proto-
kolls, das in der Fachabteilung verbleibt, wobei der
das Vernichtungsprotokoll Erstellende – also der
sagt: Da sind folgende Vorgänge drin, und die füh-
re ich jetzt in der Anlage auf – das kann auch der
sein, der dann praktisch der eine von den beiden
ist, der die Vernichtung durchführt, und so war es
hier auch. Der Bürosachbearbeiter [Anm.: Die Bü-
rosachbearbeiterin] hat das Protokoll erstellt [….]
und nimmt noch einen Kollegen mit, der dies
überprüft und beide gehen dann in den Keller des
BfV, da steht eine riesengroße Aktenvernich-
tungsmaschine, und dort vernichten sie die Unter-
lagen.“6697
Auf dem zweiten Protokoll, das im Zentralarchiv abgelegt
werde, paraphiere noch einmal ein fünfter Mitarbeiter
dafür, dass ihm angezeigt worden sei, dass die Unterlagen
vernichtet wurden.
6698
6690) N., MAT A Z-70/4, S. 22.
6691) N., MAT A Z-70/4, S. 38.
6692) N., MAT A Z-70/4, S. 39.
6693) N., MAT A Z-70/4, S. 39.
6694) N., MAT A Z-70/4, S. 21.
6695) N., MAT A Z-70/4, S. 36.
6696) N., MAT A Z-70/4, S. 37.
6697) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 5.
6698) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 7.
Außer dem Referatsleiter Lingen hätten alle anderen Mit-
arbeiter die Vernichtungsverhandlung mit Namenspara-
phe und Datum vom 11. November 2011 versehen.
6699
Laut Bericht des Sonderbeauftragten Engelke habe die
Bürosachbearbeiterin N. um 14.05 Uhr das Büro verlas-
sen, der Sachbearbeiter B. um 14.10 Uhr. Dieser habe
gegenüber dem Sonderbeauftragten angegeben, er habe
zuvor dem Referatsleiter auf Nachfrage in einem persön-
lichen Gespräch, ob schon alle Akten in den Keller gefah-
ren worden seien, mitgeteilt, die Akten seien schon ver-
nichtet.
Dies werde vom Referatsleiter Lingen bestritten. Lingen
habe ihm gegenüber erklärt, von der Vernichtung bis zum
Nachmittag weder von der Bürosachbearbeiterin N. noch
vom Sachbearbeiter B. erfahren zu haben
6700
Um 15.21 Uhr habe der Referatsleiter an alle Mitarbeiter
seines Referats, die Bürosachbearbeiterin und den Grup-
penleiter gemailt:
„Hallo, hallo zusammen, ich bitte Dich, die zur
Vernichtung anstehenden Akten nicht zu vernich-
ten. P/L2 [Präsident/ Abteilungsleiter2] wünscht
eine erneute Prüfung der Akten nach Aliasnamen
der drei Rechtsextremisten.“
Einen solchen expliziten nachgeschobenen Auftrag der
Amtsleitung habe es zu dem Zeitpunkt jedenfalls schrift-
lich im Auftragswesen des BfV nicht gegeben.
6701
Der Zeuge Fromm hat ausgesagt, er erinnere sich nicht
daran, am 11. November 2011 noch einmal einen weite-
ren Auftrag erteilt zu haben. Dies sei aber möglich, da es
zu dieser Zeit viele Rücksprachen und Kommunikation
gegeben habe.
6702
Die Zeugin N. hat bekundet, da ihr Dienstschluss bereits
um 14 Uhr gewesen sei, habe sie die E-Mail an diesem
Tag nicht mehr gelesen.
6703
Allerdings habe der Referats-
leiter Lingen sie am gleichen Freitagnachmittag zu Hause
angerufen und gefragt, ob die Akten schon vernichtet
wären. Dies habe sie Lingen bestätigt.
Lingen habe daraufhin gesagt:
„Sch..., hat er gesagt; der P [Präsident] und der L 2
Abteilungsleiter , die wollten noch irgendwas da-
zu.“6704
Nach Auswertung der Telekommunikationsverbindungen
steht fest, dass dieser Anruf um 15.38 Uhr stattfand.
6705
Die Zeugin N. hat ausgesagt, sie habe sich über den Anruf
nach Feierabend gewundert.
6706
Es sei vorher noch nicht
6699) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.
6700) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6701) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 10.
6702) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 52.
6703) N., MAT A Z-70/4, S. 26.
6704) N., MAT A Z-70/4, S. 22.
6705) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 5.
Drucksache 17/14600 – 764 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
vorgekommen, dass ihr vorgesetzter Referatsleiter sie zu
Hause angerufen habe.
6707
Ihr Eindruck bei dem Gespräch
sei gewesen, dass der Referatsleiter Lingen am liebsten
die Aktenvernichtung nicht veranlasst hätte.
6708
Nachdem
sie gesagt habe, dass die Akten auf seine Anordnung hin
vernichtet worden seien und sie nun nichts mehr tun kön-
ne, sei das Gespräch schnell beendet gewesen.
6709
An
diesem Tag sei diesbezüglich von ihr nichts Weiteres
mehr veranlasst worden.
6710
Um 15.44 Uhr leitete der Referatsleiter Lingen die E-Mail
von 15.21 Uhr kommentarlos an den Abteilungsleiter
weiter.
Der Referatsleiter Lingen habe gegenüber dem Sonderbe-
auftragten erklärt, hierauf weder eine Reaktion des Grup-
penleiters noch des Abteilungsleiters erhalten zu haben.
Den formal zuständigen Referatsleiter habe er ab dem
14. November 2011 informiert, dieser habe aber nicht auf
die Information reagiert.
6711
In einer weiteren an die dienstliche E-Mail-Adresse der
Zeugin N. gesendeten E-Mail hat der Referatsleiter Lin-
gen diese gebeten, ihm am folgenden Montag die Ver-
nichtungsverhandlung vorzulegen.
6712
Der Text dieser E-Mail lautet:
„Zeige mir am Montag nochmal die Vernichtungs-
verhandlungen.“6713
Am Sonntag, dem 13. November 2011, erging ein Haftbe-
fehl gegen Beate Zschäpe.
Die Zeugin N. hat angegeben, sie habe dem Referatsleiter
Lingen am Montagmorgen in seinem Büro die Vernich-
tungsverhandlung noch einmal vorgelegt.
6714
Dieser habe
dazu gesagt:
„Lass sie mir hier. - Und das habe ich nicht ge-
macht. Die habe ich wieder mitgenommen.“6715
Sie glaube, dass sie gefragt habe, was der Anruf am Frei-
tag gesollt habe, habe aber darauf keine definitive Ant-
wort erhalten.
6716
Der Referatsleiter Lingen habe ein biss-
chen hektisch auf sie gewirkt.
6717
Der Zeuge Engelke hat angegeben, in einer Kaffeerunde
hätten die Kollegen, die die Prüfung der später vernichte-
ten Akten vorgenommen hätten, über die Vernichtung
gesprochen und gesagt:
6706) N., MAT A Z-70/4, S. 25.
6707) N., MAT A Z-70/4, S. 24.
6708) N., MAT A Z-70/4, S. 25.
6709) N., MAT A Z-70/4, S. 25.
6710) N., MAT A Z-70/4, S. 26.
6711) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6712) N., MAT A Z-70/4, S. 26.
6713) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6714) N., MAT A Z-70/4, S. 27.
6715) N., MAT A Z-70/4, S. 27.
6716) N., MAT A Z-70/4, S. 28.
6717) N., MAT A Z-70/4, S. 27.
„Mensch, was hat der denn da veranlasst? Das war
nicht in Ordnung.“6718
Die Diskussion sei aber nicht wegen der Inhalte der Akten
erfolgt. Über diese habe man nicht gesprochen. Es sei
„immer inhaltsfrei [gewesen] zu sagen: So eine
Akte aus dem Umfeld in der Situation zu vernich-
ten, halten wir für einen Fehler. Könnte ja sein,
dass die noch mal angefasst werden sollte, wenn
neue Bezüge erkannt werden.“6719
Obwohl dies mehrere Mitarbeiter so gesehen hätten, habe
dies nicht dazu geführt, eine Hierarchieebene höher zu
gehen.
6720
In der wöchentlichen Besprechung des damaligen Grup-
penleiters mit den Referatsleitern habe der Referatsleiter
Lingen die Aktenvernichtung nicht erwähnt, obwohl er
gewusst habe, dass in den vernichteten Akten keine Alias-
Namenprüfung mehr erfolgen konnte.
6721
Der Gruppenleiter sei telefonisch über „neue Zahlen“ zu
Akten im Zusammenhang mit dem „THS“ informiert
worden.
6722
MinDirig Engelke hat in seinem Bericht ausgeführt, dass
einige Tage nach dem 11. November 2011 die Bürosach-
bearbeiterin N. in der Registratur einen weiteren Akten-
ordner gefunden habe, der eigentlich am 11. November
2011 hätte vernichtet werden müssen. Es habe sich um
einen „Zufallsfund“ anlässlich der fortlaufenden Aufgabe,
weitere Akten zu Prüfzwecken zu bearbeiten, gehandelt.
In seinem Bericht hat der Sonderbeauftragte angegeben,
der Zufallsfund erkläre sich durch die Umstellung der
Organisation der Aktenvernichtung.
6723
Frau N. habe über diesen Fund sofort den Referatsleiter
Lingen informiert und gefragt, was passieren solle. Dieser
habe die Akte kurz durchgeblättert und mündlich deren
Vernichtung angeordnet. Der Referatsleiter Lingen habe
ihm – Engelke gegenüber geäußert, diese inhaltlich
nicht mehr gesichtet zu haben. Ihm sei auch nicht bekannt
gewesen, ob darin Aktenbestandteile zu einem oder meh-
reren Beschaffungsfällen enthalten gewesen seien. Der
Referatsleiter Lingen sei davon ausgegangen, dass die
Bürosachbearbeiterin diese Aktenteile vernichten würde,
ohne eine neue Vernichtungsverhandlung zu erstellen
oder die Vernichtungsverhandlung vom 11. November
2011 zu ergänzen.
6724
Die Zeugin N. hat bestätigt, dass ihr einige Tage nach
dem 11. November 2011 ein Teil einer Akte, die schon
6718) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.
6719) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.
6720) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.
6721) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6722) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6723) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 34.
6724) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 35.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 765 – Drucksache 17/14600
vernichtet gewesen sei, in die Hände gefallen sei.
6725
Hierbei habe es sich um einen Zufallsfund in einem ande-
ren Aktenschrank gehandelt.
6726
Dass es sich um einen
Teil einer schon vernichteten Akte gehandelt habe, habe
sie an der Bezeichnung auf dem Ordnerrücken er-
kannt.
6727
An den Namen der Akte habe sie aber keine
Erinnerung mehr.
6728
Auf Nachfrage hat sie bestätigt, dass
es sich um einen Ordner mit zwei Schnellheftern gehan-
delt habe.
6729
Zum weiteren Ablauf hat die Zeugin N. erklärt:
„Dann bin ich mit diesem Ordner zu Herrn Lingen
und habe gesagt: Der ist vergessen worden zu ver-
nichten.“6730
Die Reaktion des Referatsleiters Lingen sei gewesen:
„Er hat gesagt: Zeig mal. - Und dann hat er sich
das kurz angeguckt: Ja, dann müssen wir das auch
noch mit vernichten. Das gehört ja zu der Akte da-
zu. - Und dann habe ich aber nach der Vernich-
tungsverhandlung ein Zusatzblatt gemacht.“6731
Auf Nachfrage, ob der Referatsleiter Lingen ihr angeboten
habe, die Akte unmittelbar selbst zu vernichten,
6732
hat
Frau N. als Zeugin erklärt:
„Nein, das ist irgendwie, sagen wir mal, vielleicht
falsch rübergekommen.“6733
Sie habe sich aber mit dem Referatsleiter noch über die
Dokumentation auseinandergesetzt:
„Er meinte, man hätte das doch praktisch ohne
Vernichtungsverhandlung noch mit auf die alte
draufschreiben können. Aber ich habe gesagt:
Nein, ich möchte schon - - Wenn so ein Fund ist,
sage ich, dann wird das ordnungsgemäß gemacht,
und dann werden wir ordnungsgemäß noch ein
Blatt machen, also ein Ver-
nichtungsverhandlungsblatt.“6734
Nach Rücksprache mit einer für die Registratur zuständi-
gen Kollegin sei eine neue Vernichtungsverhandlung
erstellt und an die alte angeheftet worden.
6735
Darauf hingewiesen, dass damit zwei Vernichtungsver-
handlungen von zwei unterschiedlichen Tagen
zusammengeklammert und unter dem Datum
6725) N., MAT A Z-70/4, S. 29.
6726) N., MAT A Z-70/4, S. 29.
6727) N., MAT A Z-70/4, S. 29.
6728) N., MAT A Z-70/4, S. 29.
6729) N., MAT A Z-70/4, S. 29 f.
6730) N., MAT A Z-70/4, S. 30.
6731) N., MAT A Z-70/4, S. 30.
6732) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 35.
6733) N., MAT A Z-70/4, S. 30.
6734) N., MAT A Z-70/4, S. 30 f.
6735) N., MAT A Z-70/4, S. 30 f.
11. November 2011 abgelegt worden seien, hat die Zeu-
gin N. erklärt:
„Ja, aber mit dem Namen der Akten. Es ist ja eins,
wie die Akten. Es waren ja sieben Akten. Und das
gehörte ja zu der Akte dazu.“6736
An den Zeitpunkt dieses Gesprächs mit dem Referatsleiter
Lingen habe sie keine Erinnerung mehr.
6737
Vielleicht
stehe das Datum auch auf dem weiteren Zettel, sie wisse
dies nicht.
6738
Obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei,
was Anlass der Aktenprüfung im BfV gewesen sei, habe
sie bei der zweiten Aktenvernichtung keine Bedenken
mehr gehabt, da die Komplettpakete ja bereits vernichtet
gewesen seien. Referatsleiter Lingen habe das ja auch
geprüft. Sie hat ausgesagt:
„Ich denke mir, er der Referatsleiter Lingen] hat
die Akte ja durchgeblättert. Er hätte ja dann sagen
können: Die werden nicht vernichtet; die werden
jetzt irgendwie weitergeleitet - oder sonst irgend-
was. Aber er hat ja gesagt: Die sollen vernichtet
werden.“6739
Die physische Vernichtung der weiteren Akte sei wieder
nach dem Vier-Augen-Prinzip unter Hinzuziehung eines
weiteren Mitarbeiters erfolgt.
6740
Die Zeugin N. hat ausgesagt, für sie sei die Angelegenheit
in den nächsten Tagen oder Wochen nach den Aktenver-
nichtungen kein Thema mehr gewesen.
6741
Sie sei aber ein
oder zwei Wochen nach der Aktenvernichtung auf dem
Gang von einem Dritten angesprochen worden, der ihr
mitgeteilt habe, dass der Referatsleiter Lingen verärgert
sei, weil sie ja wohl „einige Akten etwas zu schnell“ ver-
nichtet habe. Sie hat erläutert:
„Das war aber ein Streit, der - - Auf dem Flur ist
gesagt worden, dass ich ja mal wieder so schnell
gearbeitet hätte. Und daraufhin bin ich zum Herrn
Lingen gegangen. Dieser Spruch kam ja nicht vom
Herrn Lingen. Ich habe aber erst gedacht, dieser
Spruch käme vom Herrn Lingen. Und daraufhin
bin ich ja dann zum Herrn Lingen hingegangen
und habe gesagt, wie er denn sowas sagen könnte.
Wenn ich in meiner Funktion als
Registraturleiterin, was ich immer korrekt gemacht
habe, so was dann gesagt kriege - -.“6742
Der Referatsleiter Lingen habe ihr gegenüber abgestritten,
dies gesagt zu haben. Den genauen Wortlaut wisse sie
nicht mehr; Lingen habe auf jeden Fall herumge-
6736) N., MAT A Z-70/4, S 31.
6737) N., MAT A Z-70/4, S. 31.
6738) N., MAT A Z-70/4, S. 31.
6739) N., MAT A Z-70/4, S. 32.
6740) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 15.
6741) N., MAT A Z-70/4, S. 33.
6742) N., MAT A Z-70/4, S. 33.
Drucksache 17/14600 – 766 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schrien
6743
und sie aus seinem Büro herausgeworfen.
6744
Später habe sich der Referatsleiter Lingen bei ihrer direk-
ten Vorgesetzten darüber beschwert, dass sie angeblich
wutentbrannt in sein Büro gekommen wäre und ihn ange-
brüllt hätte.
6745
Hierzu hat die Zeugin erklärt:
„Also, angebrüllt habe ich ihn nicht. Ich habe wohl
ziemlich laut gesagt, was das denn sollte, warum
er hier so was unterstellen würde - also dieser Satz,
ich wäre zu schnell.“6746
Auf Nachfrage hat sie bestätigt, sie habe über das Ge-
spräch mit dem Kollegen den Eindruck gewonnen, der
Referatsleiter Lingen nehme sie für eine Sache in Haf-
tung, die er selbst zu verantworten habe und die er auf
Nachgeordnete habe abwälzen wollen. Der Referatsleiter
Lingen habe aber abgestritten, dass das der Fall gewesen
sei.
6747
Wann dieses Streitgespräch zwischen ihr und dem Refe-
ratsleiter Lingen stattgefunden hat, wisse sie nicht
mehr.
6748
Nach diesem Streitgespräch habe sie mit dem Referatslei-
ter Lingen nicht mehr gesprochen.
6749
Bis zum Sommer
2012 sei die Aktenvernichtung kein Thema mehr gewe-
sen.
6750
Der Sonderbeauftragte Engelke hat angegeben, am
26. oder 27. November 2011 habe der Referatsleiter Lin-
gen dem Sachbearbeiter B. mitgeteilt, er habe mit dem
Abteilungsleiter die Aktenlöschung erörtert, dieser habe
mitgeteilt, das sei in Ordnung.
6751
c) Berichterstattung an die Amtslei-
tung/Kenntnis der Amtsleitung von der
Vernichtung
aa) Aussagen der Zeugen
Der Zeuge Lingen hat ausgesagt, während in der Vergan-
genheit nur selten Fragen der Amtsleitung an die „Be-
schaffung“ gerichtet worden wären, seien solche Anfra-
gen im Zusammenhang mit dem NSU
„im letzten halben Jahr oder in den letzten acht,
neun Monaten natürlich täglich, teilweise mehr-
fach täglich [erfolgt]. Das ist eine Praxis, die ich so
früher nicht kannte. Da waren Fragen oder Anfra-
gen der Amtsleitung in der ‚Beschaffung‘ viel-
leicht - ich weiß nicht, ob man das quantifizieren
6743) N., MAT A Z-70/4, S. 33.
6744) N., MAT A Z-70/4, S. 34.
6745) N., MAT A Z-70/4, S. 34.
6746) N., MAT A Z-70/4, S. 35.
6747) N., MAT A Z-70/4, S. 35.
6748) N., MAT A Z-70/4, S. 33.
6749) N., MAT A Z-70/4, S. 34.
6750) N., MAT A Z-70/4, S. 34.
6751) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
kann - einmal pro Woche oder alle zwei Wochen
mal.“6752
In der Regel seien diese Aufträge schriftlich per „Lotus
Notes“ über den Abteilungsleiter, den Referatsgruppenlei-
ter und dann zu ihm gelangt. Wenn es sich nicht um Fra-
gen gehandelt habe, die er aufgrund seiner Arbeitsinstru-
mentarien gleich habe beantworten können, habe er seine
Mitarbeiter mit der Beantwortung beauftragt.
6753
Zur
Frage, ob die von der Amtsleitung erteilten Prüfaufträge
zur Zufriedenheit der Amtsleitung ausgeführt worden
seien, hat er erklärt:
„In diesen Zeiten ist unsere Amtsleitung - eigent-
lich bis heute - nie zufrieden gewesen mit den Er-
gebnissen unserer Arbeit, weil der Erfolgsdruck
sehr groß war. Bei diesem erweiterten Kreis von
möglichen Unterstützern des NSU, da wurden ins-
gesamt - - das war die größte Zahl der Personen,
die mit der NSU in irgendeinem Zusammenhang
standen. Da wurden unsere Quellen befragt, ob sie
diese Personen kennen, ob sie mit denen in Ver-
bindung stehen, ob es Informationen über die gibt,
und das Ergebnis liegt der Amtsleitung vor.“6754
Von der BAO „Trio“ des BKA sei zusammen mit dem
Generalbundesanwalt eine Liste von über 60 Personen
erstellt worden, auf die sich der Prüfauftrag erstreckt
habe.
6755
Das Ergebnis der Befragung sei dann eine klei-
nere Schnittmenge aus den 60 Personen gewesen.
6756
Nach Angaben des Zeugen Lingen seien aufgrund des
Prüfauftrags der Amtsleitung, alles rund um die „Zwi-
ckauer Zelle“ herauszufinden,
„alle Quellen befragt worden, mehrfach befragt
worden zu diesen Ereignissen, zu den Personen,
und vor allen Dingen sind sie befragt worden zu
einer sehr, sehr großen Zahl an möglichen Unter-
stützern. Es hat sich ja später im dritten Prüfauf-
trag auf über 60 Personen ausgeweitet. Es sind alle
unsere Quellen zu diesen Personen befragt wor-
den.“6757
Diese Befragung sei nicht durch ihn persönlich, sondern
durch seine Mitarbeiter erfolgt.
6758
Der Zeuge Lingen hat weiter ausgesagt, er wisse nicht,
wie der Eindruck habe entstehen können, dass die „Renn-
steig“-Akten schon gelöscht worden seien.6759
Der Präsident a. D. des BfV, Heinz Fromm, hat als Zeuge
ausgesagt, ihm sei bereits am 20. November 2011
6760
6752) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7.
6753) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7.
6754) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 30.
6755) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 31.
6756) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 30.
6757) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.
6758) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.
6759) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 44.
6760) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 767 – Drucksache 17/14600
mitgeteilt worden, dass nicht mehr alle Akten aus der
Operation „Rennsteig“ vorhanden seien, er sei aber davon
ausgegangen, die Vernichtung sei bereits in einer konzen-
trierten Aktion im Januar 2011 erfolgt. Hierüber habe er
nach bestem Wissen gegenüber dem Bundesministerium
des Innern berichtet.
6761
Zunächst habe er keine präzisen
Informationen über die Zahl der vernichteten Akten ge-
habt. Dies sei dann nachgebessert worden, was dann
halbwegs gestimmt habe. Im Januar 2012 sei dann der
damalige Kenntnisstand sowohl gegenüber dem BMI wie
auch gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium
und dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages
berichtet worden.
6762
Vom tatsächlichen Zeitpunkt der Vernichtung in einem
Beschaffungsreferat – dem 11. November 2011 – habe er
jedoch erst am 27. Juni 2012 erfahren.
6763
Noch am Tag vor dieser Mitteilung, also am 26. Juni
2012, habe ihn ein Sprechzettel des Beamten, der die
Aktenvernichtung angeordnet hatte, erreicht, in welchem
der letzte Satz gelautet habe:
„Anfang des Jahres 2011 wurden nach Einzelfall-
prüfung Akten vernichtet, die dienstlich nicht mehr
benötigt und damit auch vor Bekanntwerden der
Aktivitäten des NSU vernichtet wurden.“6764
Der Beamte habe dieser Formulierung noch folgende
Anmerkung angefügt:
„Zu diesen Vernichtungsmaßnahmen möchte Herr
Fromm nähere Angaben haben. Diese können wir
erst morgen liefern.“6765
In dem Bewusstsein, dass es Vernichtungsprotokolle
geben müsse, in denen der genaue Tag eingetragen wer-
den müsse, habe der Referatsleiter Lingen offenbar nicht
mehr anders gekonnt, als ihm sodann den tatsächlichen
Vernichtungszeitpunkt, den 11. November 2011, mitzutei-
len.
6766
Die Berichterstattung in der Presse, etwa in der Berliner
Zeitung vom 16. Juni 2012
6767
, dass relevante Teile der
Akten des BfV fehlen würden und sieben dieser Fallakten
die Operation „Rennsteig“ beträfen, habe ihn nicht ver-
wundert, da er bereits seit November 2011 gewusst habe,
dass Akten fehlten.
6768
Er hat hinzugefügt:
„Spektakulär war, dass diese Vernichtung nicht im
Januar [2011] stattgefunden hat, sondern im No-
vember [2011].“6769
6761) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6, S. 19.
6762) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.
6763) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6; S. 7.
6764) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6.
6765) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6 f.
6766) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 21.
6767) Berliner Zeitung vom 16. Juni 2012, „Geheimoperation in
Thüringen“
6768) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19; S. 21.
6769) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.
Auch der Staatssekretär im BMI, Klaus-Dieter Fritsche,
hat als Zeuge angegeben, er habe von der außerordentli-
chen Aktenvernichtung im BfV am 11. November 2011
nach dem Bekanntwerden des NSU erstmalig am 27. Juni
2012 erfahren. Diese habe ihn fassungslos gemacht. Er
habe den damaligen Präsidenten des BfV unmittelbar
aufgefordert, den Sachverhalt umfassend zu erheben und
sich gleichzeitig disziplinarrechtliche Schritte vorbehal-
ten.
6770
Der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter
Friedrich, habe dann zeitnah den Sonderermittler Engelke
zur lückenlosen Aufklärung der Aktenvernichtung und
Darlegung der grundsätzlichen Regelungen zur Aktenver-
nichtung bzw. Löschung im BfV beauftragt.
6771
Als Zeuge hat MinDirig Engelke ausgesagt:
„Nachdem er [Referatsleiter Lingen] diese Akten
vernichtet hatte, glaube ich, gab es einen Zeit-
punkt, in dem er erkannt hatte, dass das ein Fehler
war - denn als Fehler würde ich es auf jeden Fall
bezeichnen -, und hat dann verschiedene Berichte
so formuliert, dass die Tatsache, dass diese Akten
zu dem Zeitpunkt vernichtet wurden, den Lesen-
den dieser Berichte im Unklaren blieb, sodass bei
der Amtsleitung des BfV der Eindruck erweckt
wurde, die Akten seien schon länger vernichtet,
was diese wiederum zu objektiven Falschaussagen
gegenüber dem BMI, aber auch parlamentarischen
Gremien geführt hatte.“6772
bb) Aktenlage
Aus den dem Untersuchungsausschuss vom BfV über-
sandten Akten ergibt sich hinsichtlich einer Unterrichtung
der Amtsleitung zwischen dem 9. November 2011 und
dem 27. Juni 2012 Folgendes:
Am 9. November 2011 wurden die bisherigen Recherche-
ergebnisse zum Trio von der Abteilung 2 für einen
Sprechzettel zugeliefert. Dieser galt der Vorbereitung des
Vizepräsidenten des BfV für die ND-Lage am
15. November 2011 sowie des Präsidenten Fromm und
des Leiters der Abteilung 2 für die Berichterstattung in
einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgre-
miums am 15. November 2011. In dem Sprechzettel hieß
es unter anderem:
„30 eröffnete Forschungs- und Werbungsfälle, drei
geworbene Quellen ausschließlich an das LfV
Thüringen übergeben.
Hinweise auf die damalige Zusammenarbeit aus-
schließlich aus der Werbungsdatei der Abt. 2 und
aus der Befragung der damaligen Werbungsmitar-
beiter: die Akten sind nicht mehr vorhanden, Wer-
6770) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.
6771) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.
6772) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 86.
Drucksache 17/14600 – 768 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bungsunterlagen zu den Quellen (vermutlich) der
LfV übergeben.“6773
Die Information, dass die Akten nicht mehr vorhanden
und Werbungsunterlagen zu den Quellen (vermutlich)
dem LfV übergeben worden seien, wurde am
14. November 2011 in Vorbereitung auf die Sondersit-
zung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am
15. November 2011 auch an das BMI gegeben.
6774
Am 10. November 2011 teilte der Referatsleiter Lingen
um 9.38 Uhr dem Referatsleiter im Referat „Beobachtung
von Neonazis, gewaltbereiten Rechtsextremisten, Rechts-
terroristen, ‚Anti-Antifa‘ sowie Erfassung rechtsextremis-
tischer Straftaten“, dem Referatsgruppenleiter „Beschaf-
fung Rechts- und Linksterrorismus“ sowie dem Abtei-
lungsleiter „Rechts- und Linksterrorismus“ per E-Mail
mit dem Betreff „Prüfung FuW-Akten mit möglichen
Bezügen zu den Rechtsextremisten Mundlos, Böhnhardt,
Zschäpe“ das Prüfungsergebnis zu den sieben Akten mit:
„Alle drei Personen waren niemals Gegenstand
von F+W-Maßnahmen [Forschungs- und Wer-
bungsmaßnahmen] des BfV. Mit insgesamt sieben
Personen aus dem ‚THS‘-Bereich wurden mehrere
Gespräche mit dem Ziel der Werbung geführt.
Drei Fälle wurden davon an das LfV TH überge-
ben. Zu diesen Fällen gibt es keine Akten mehr bei
uns. Drei (nicht zwei!) Personen wurden kurzfris-
tig (1999 - 2001) als Quellen vom BfV geführt
(Tobago, Tusche, Treppe) und nach kurzer Zeit
wieder abgeschaltet. In keiner der geprüften vier
Werbungsakten waren Hinweise auf die [im]
‚Thema‘ genannten Personen enthalten. Ein ehe-
maliger Werbungsmitarbeiter konnte sich erinnern,
dass alle Quellen des BfV mit Thüringer Bezügen
zu Personen befragt wurden, die 1998 mit den
Selbstlaboraten in Verbindung gestanden haben
könnten […].
Zusatz: alle Werbungs- und VM-Akten der Akten-
jahre bis 2001 sind vernichtet worden, soweit kei-
ne Werbungsfälle VM betroffen waren, die danach
als Quellen noch relevant waren“6775
Am 17. November 2011 erstattete die Abteilung 2 im BfV
dem BMI im Rahmen der Beantwortung eines Erlasses
Bericht. Wörtlich heißt es:
– „Hinweise auf die der LfV Thüringen noch in
der Anwerbungsphase übergebenen Quellen
ergaben sich ausschließlich aus der Wer-
bungsdatei der Abteilung 2 und aus der Befra-
gung der damaligen Werbungsmitarbeiter.
6773) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6774) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6775) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
– die dazugehörigen Akten sind – da sie vermut-
lich dem LfV übergeben wurden – bei Abtei-
lung 2 nicht mehr vorhanden.“6776
Der damalige Präsident des BfV, Fromm, erteilte am
17. November 2012 an die Stabsstelle den Auftrag, die
Kontakte des NSU aufzuarbeiten, insbesondere die um-
fassende abschließende und präzise Darstellung der ope-
rativen Tätigkeit. Per E-Mail vom selben Tage wurde die
Abteilung 2 durch die Stabsstelle einbezogen.
6777
Am 18. November 2011 antwortete der Referatsleiter
Lingen der Stabsstelle auf den Auftrag im Rahmen eines
Vermerkes. Dort hieß es:
„Prüfung der Akten‚ soweit nicht bereits nach DV-
Beschaffung vernichtet, ergaben keine Kontakte
zum Trio.“6778
In einem Sprechzettel der Abteilung 2 im BfV vom
18. November 2011 für den Präsidenten in Vorbereitung
der Innenausschusssitzung am 21. November 2011 wurde
die Lage folgendermaßen geschildert:
– „Alle Beschaffungsakten der Referatsgruppe
2B der Jahrgänge bis 1996, deren weitere
Aufbewahrung nicht mehr erforderlich war,
wurden Anfang dieses Jahres in einer konzer-
tierten Aktion vernichtet.
– Ebenso wurden für den Zeitraum danach (bis
Anfang 2001) Fallakten vernichtet, die nach
Einzelfallprüfung gemäß DV-Beschaffung
dienstlich nicht mehr notwendig waren. Da-
runter befanden sich auch sieben der 35 (An-
merkung des BfV: Die genannte Zahl ist
falsch und heute nicht mehr nachvollziehbar)
seinerzeitigen Fallakten.“6779
Am selben Tag erfolgte eine Ergänzung des Sprechzettels
im Zuge einer Aktualisierung:
– „Hinsichtlich der Beschaffungsaktivitäten des
BfV im Zusammenhang mit dem ‚THS‘ ist die
Sichtung der F+W-Akten [Forschungs- und
Werbungsakten] erfolgt.
– Der in Frage kommende Aktenbestand ist auf-
grund von Vernichtungen gem. der Vorgaben
6776) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6777) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6778) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6779) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 769 – Drucksache 17/14600
der DV-Beschaffung nicht mehr vollstän-
dig.“6780
Ebenfalls am 18. November 2011 leitete die Abteilung 2
im BfV eine „ausführliche Beantwortung des Amtslei-
tungsauftrags“ vom 17. November 2011 an die Amtslei-
tung weiter. Darin wird ausdrücklich auf den Sprechzettel
für die Innenausschusssitzung am 21. November 2011
verwiesen.
In der Beantwortung heißt es somit wortgleich:
– „Alle Beschaffungsakten der Referatsgruppe
2B der Jahrgänge bis 1996, deren weitere
Aufbewahrung nicht mehr erforderlich war,
wurden Anfang dieses Jahres in einer konzer-
tierten Aktion vernichtet.
– Ebenso wurden für den Zeitraum danach (bis
Anfang 2001) Fallakten vernichtet, die nach
Einzelfallprüfung gemäß DV-Beschaffung
dienstlich nicht mehr notwendig waren. Da-
runter befanden sich auch sieben der 35 (An-
merkung: Die genannte Zahl ist falsch und
heute nicht mehr nachvollziehbar) seinerzeiti-
gen Fallakten.
– Die Hinweise auf die dem LfV Thüringen
noch in der Anwerbungsphase übergebenen
Quellen ergaben sich ausschließlich aus der
Werbungsdatei der Abt. 2 und der Befragung
der damaligen Werbungsmitarbeiter. Die zu-
gehörigen Akten sind – da sie vermutlich dem
LfV übergeben wurden – bei Abteilung 2
nicht mehr vorhanden
– Die Sichtung des Aktenbestandes der Refe-
ratsgruppe ist abgeschlossen.“6781
Am 22. November 2011 übergab die Abteilung 2 einen
wortgleichen Sprechzettel für den Vizepräsidenten in
Vorbereitung der ND-Lage am 22. November 2011 an die
Amtsleitung.
6782
Denselben Wortlaut wies ein am 22. November 2011
durch die Abteilung 2 an die Amtsleitung übermittelter
Sprechzettel für die Sondersitzung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums am 23. November 2011 auf. Folgende
Ergänzung wurde im Zuge einer Aktualisierung hinzuge-
fügt:
– „Hinsichtlich der Beschaffungsaktivitäten des
BfV im Zusammenhang mit dem ‚THS‘ ist die
Sichtung der F+W-Akten [Forschungs- und
Werbungsakten] erfolgt.
6780) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6781) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6782) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
– Der in Frage kommende Aktenbestand ist auf-
grund von Vernichtungen gem. der Vorgaben
der DV-Beschaffung nicht mehr vollstän-
dig.“6783
Eine lediglich im Format überarbeitete Version des
Sprechzettels wurde sodann an die zuständige Abteilung
im BMI übersandt.
6784
Mit einer wortgleichen Vorberei-
tung nahm der Präsident des BfV daraufhin am
28. November 2011 an einem Sicherheitsgespräch im
BMI teil.
6785
Auch in einem Sprechzettel, welchen die Abteilung 2 in
Vorbereitung der ND-Lage am 18. Juni 2012 erstellte,
heißt es:
– „Der Aktenbestand für den Zeitraum der Ope-
ration ‚Rennsteig‘ ist auf Grund von Vernich-
tungen nach den Vorgaben der DV Beschaf-
fung nicht mehr vollständig. Alle Beschaf-
fungsakten der Referatsgruppe 2B der Jahr-
gänge bis 1996, deren weitere Aufbewahrung
nicht mehr erforderlich war, wurden Anfang
2011 in einer konzertierten Aktion vernichtet.
Ebenso wurden für den Zeitraum danach (bis
Anfang 2001) Fallakten vernichtet, die nach
Einzelfallprüfung gemäß DV-Beschaffung
dienstlich nicht mehr notwendig waren. Da-
runter befanden sich auch sieben der 35 (An-
merkung: Die genannte Zahl ist falsch und
heute nicht mehr nachvollziehbar) seinerzeiti-
gen Fallakten.
– „Hinsichtlich der Beschaffungsaktivitäten des
BfV im Zusammenhang mit dem ‚THS‘ wur-
den im Rahmen der ‚Lageorientierten Sonder-
organisation‘ (LoS) auch die Forschungs- und
Werbungsakten der Abteilung 2 gesichtet.“6786
Noch am 27. Juni 2012 bereitete Referatsleiter Lingen
einen Sprechzettel für die Sitzung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums vor, in dem es hieß:
„Anfang des Jahres 2011 wurden nach Einzelfall-
prüfung Akten vernichtet, die dienstlich nicht mehr
benötigt und damit auch vor bekanntwerden der
Aktivitäten des NSU vernichtet wurden.“6787
6783) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6784) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6785) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6786) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6787) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B
BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 770 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Daraufhin erbat der damalige Präsident des BfV, Heinz
Fromm, nähere Angaben über die Vernichtungsmaßnah-
men. In der am 27. Juni 2012 durch die Abteilung 2 als
Nachtrag zu dem Sprechzettel verfassten E-Mail an die
Stabsstelle wurde daraufhin erläutert:
„Nach Auftrag der Amtsleitung vom 10.11.2011
wurden Beschaffungsakten zum ‚THS‘ in Hinblick
auf mögliche Kontakte unserer VM bzw. der von
uns geführten ZP’en zum Trio und zum NSU ge-
prüft.
Dabei standen zunächst die Beschaffungsakten des
‚THS‘ im Vordergrund. Es wurde festgestellt, dass
in keinem Fall Kontakte zum Trio und zum NSU
vorlagen. Folgende Werbungsakten wurden am
Folgetag vernichtet, da sie dienstlich nicht mehr
erforderlich waren: […]“6788
Das BfV hat mitgeteilt, dass hiermit sowohl die Amtslei-
tung, die Abteilungsleitung sowie die Referatsgruppenlei-
tung erstmals über das Vernichtungsdatum 11. November
2011 unterrichtet wurden.
6789
d) Zusammengefasstes Prüfergebnis des
Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig En-
gelke
MinDirig Engelke kommt in seinem schriftlichen Bericht
zu dem Prüfergebnis, die Aktenvernichtung am
11. November 2011 im BfV sei zielgerichtet durch den
Referatsleiter Lingen aus dem Beschaffungsbereich der
Abteilung Rechtsextremismus erfolgt.
„[…] in einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten
Vernichtungsfahren. Ziel war die Vernichtung von
Akten zu Personen, die aus dem Umfeld des ‚Thü-
ringer Heimatschutzes‘ (THS) für das BfV gewor-
ben und als VM geführt wurden.
Aus den größtenteils wiederhergestellten Akten und
den sonstigen Untersuchungen ergeben sich keine An-
haltspunkte darauf, dass das BfV bis zum November
2011 Kenntnis von der Existenz des NSU gehabt oder
personelle oder sachliche Zusammenhänge zwischen
dem Personenumfeld des ‚THS‘ und den Morden und
Banküberfällen gefördert oder auch nur erkannt hätte.
Weder Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe noch die sonsti-
gen im Verlaufe der bisherigen Ermittlungen durch die
Generalbundesanwaltschaft zu Beschuldigten des Er-
mittlungsverfahrens erhobenen Personen sind oder
waren V-Leute des BfV.
Als Motiv auszuschließen ist auch eine etwaige
Vertuschungsabsicht hinsichtlich grob unprofessio-
neller, rechtswidriger oder krimineller Handlungen.
6788) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012“, MAT
B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
6789) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-
nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012“, MAT
B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).
Die Prüfung der Akten hat keine Anhaltspunkte auf sol-
che dem handelnden Referatsleiter zurechenbare
Handlungen ergeben.
Das Motiv des Referatsleiters lag mit höchster
Wahrscheinlichkeit darin, Aktenbestände zu ver-
nichten, zu denen er Nachfragen, Wiedervorlagen und
Prüfarbeiten vermeiden wollte - Arbeiten, die even-
tuell notwendig würden, obwohl die Akten mögli-
cherweise bereits seit längerem hätten vernichtet
werden können oder müssen.
Nach erfolgter Aktenvernichtung hat er bis Ende Juni
2012 in zahlreichen Berichten Formulierungen ver-
wendet, die den Zeitpunkt seiner Handlungen absicht-
lich im Unklaren ließen.“6790
Als Zeuge hat Herr Engelke ausgeführt:
„Nach dem Ergebnis meiner Untersuchungen hat
sich aus den wiederhergestellten Akten - aus den
Akten, soweit sie wiederhergestellt werden konn-
ten - kein Anhaltspunkt darauf ergeben, dass das
BfV bis zum November 2011 Kenntnis von der
Existenz des NSU gehabt oder personelle oder
sachliche Zusammenhänge zwischen dem Perso-
nenumfeld des ‚Thüringer Heimatschutzes‘ und
den Morden und Banküberfällen erkannt oder gar
gefördert hätte.
Es haben sich auch keine Anhaltspunkte zu meiner
Überzeugung dafür ergeben, dass in den Akten, die
vernichtet wurden, sonstige Hinweise auf grob un-
professionelle, disziplinarwürdige oder gar krimi-
nelle Handlungen sind, die Anlass zu der Spekula-
tion geben, dass das der Anlass der Vernichtung
war, schon gar nicht, dass der die Vernichtung an-
ordnende Referatsleiter in diesen Vorgängen so
beteiligt war, dass das ein mögliches Motiv gewe-
sen sein könnte.
Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass das Mo-
tiv also weniger in der Vernichtung des Inhaltes
der Akten lag als in der Vernichtung der Akten als
solcher, weil sie eben da waren, weil sie mögli-
cherweise schon hätten vernichtet werden müssen,
weil der Mitarbeiter befürchtet hat, immer wieder
mit diesen Akten Umgang haben zu müssen -
Wiedervorlagen, Erklärungen, Rechtfertigungen -,
und dass er befolgen wollte, was er als Abteilungs-
linie angesehen hatte, nämlich dass Altakten zu
vernichten sind, wann immer sie wieder angefasst
werden.“6791
e) Rekonstruktion der Akten
Im BfV wurde eine Rekonstruktion der Akten veranlasst.
Mit dieser wurden Mitarbeiter des BfV beauftragt. Der
Präsident des BfV a. D., Fromm, hat ausgesagt, es sei
6790) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 7 f.
6791) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 86.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 771 – Drucksache 17/14600
gelungen, die vernichteten Akten zum „erheblichen Teil“
zu rekonstruieren.
6792
Hierzu sei man in der Lage gewe-
sen, weil das, was sich an sachlichem Gehalt in den Akten
der „Beschaffung“ befinde, auch der „Auswertung“ vor-
liege, da sich die Zulieferungen aus der „Beschaffung“ in
den dortigen Akten befänden.
6793
Er hat erläutert:
„Es sind die Informationen der ‚Beschaffung‘, die
an die ‚Auswertung‘ gegangen sind - und jetzt ge-
wissermaßen als Kopie zum Zwecke der Rekon-
struktion wieder zurück. Es sind ja Beschaf-
fungsakten rekonstruiert worden. Die Aus-
wertungsakten haben ja in der ganzen Diskussion
jetzt und bei den Fragen, die gestellt worden sind,
keine Rolle gespielt. Es ist der Versuch - ich den-
ke, weitgehend erfolgreich – unternommen wor-
den, die vernichteten Akten zu rekonstruieren, un-
ter anderem mithilfe der Auswertungsakten.
6794
Ich will es jetzt nicht zu kompliziert machen: Es
gab auch noch eine Sachakte in der ‚Beschaffung‘,
in der sich auch einiges befindet. Wenn Sie es sich
angeguckt haben, werden Sie es nachvollziehen
können.“6795
Der Zeuge Fromm hat weiter angegeben, zu verschiede-
nen offenen Fragen seien auch Mitarbeiter befragt wor-
den, beispielsweise danach, ob die Buchführung stim-
me.
6796
Er hat ausgeführt, insbesondere in der frühen
Phase, nachdem man erfahren habe, dass Akten vernichtet
worden seien,
„war natürlich überhaupt noch kein Gedanke daran
[…], dass man würde aus anderen Akten das re-
konstruieren können, sondern man hat zunächst
einfach mal gesucht und überlegt: Wie können wir
denn den Verlust, der hier offensichtlich eingetre-
ten ist, und diese Erkenntnislücke, die eingetreten
ist, zum Zwecke der möglichst vollständigen Be-
richterstattung füllen? Und natürlich sind dann
erstmal die Leute befragt worden und man hat ver-
sucht, herauszufinden: ‚Wie ist das denn gewesen?
Was habt ihr denn gemacht?‘, um einfach diese
Erkenntnismöglichkeit durch Aussagen der Mitar-
beiter zu nutzen. In der Zwischenzeit haben wir
gesehen und herausgefunden, aufgrund welcher
anderen Aktenbestände, die Sie gestern vor sich
gesehen haben, man die Lücke kompensieren
kann. Aber zunächst, in der Not, wenn Sie so wol-
len, sind Mitarbeiter befragt worden.“6797
6792) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.
6793) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.
6794) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.
6795) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.
6796) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 50.
6797) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 50; siehe auch S. 51.
Man habe die Informationen aus noch vorhandenen Akten
entnommen.
6798
Die Auswertungsakten seien noch voll-
ständig; hier habe niemand versucht, etwas zu löschen.
6799
Im Ergebnis seien die vernichteten Akten „größtenteils“
wiederhergestellt worden.
6800
Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Engelke konstatiert,
dass die Akten nicht vollständig, sondern nur teilweise
rekonstruiert werden konnten.
6801
Es bleibe immer ein
Unsicherheitsfaktor. Er könne nicht ausschließen, dass auf
den nicht mehr vorhandenen Aktenteilen etwas gestanden
habe, was er nicht wisse.
6802
Auf die Frage, ob es richtig sei, dass die vernichteten
Beschaffungsakten nur insoweit rekonstruiert werden
konnten, als Informationen noch in den Auswertungsak-
ten vorhanden waren und etwaige Zahlungen über die
Innenrevision nachvollzogen werden konnten, eine voll-
ständige Rekonstruktion des Akteninhalts jedoch nicht
möglich war und ist,
6803
antwortete der Sonderbeauftragte
Engelke in seinem ergänzenden Bericht vom
11. Dezember 2012 wie folgt:
„Die am 11. November 2011 vernichteten Akten
Treppe, Tobago, Tonfarbe, Tusche, Tinte, Tacho
und Tarif konnten – wie im Bericht des Sonderbe-
auftragen auf Seite 21 ff. ausgeführt – zum Groß-
teil wiederhergestellt werden, da Teile der vernich-
teten Beschaffungsakten in anderen Datenbestän-
den des BfV wieder aufgefunden werden konnten.
Zur Rekonstruktion im Einzelnen:
1. Durchsicht von Fundstellen innerhalb der Abtei-
lung 2
Die Durchsicht der Auswertungsakte ‚Thüringer
Heimatschutz – THS‘ erfolgte mit dem Ziel, mög-
liche dortige Eingänge aus den am 11. November
2011 vernichteten Fallakten zu lokalisieren, um
mit deren Hilfe eine Rekonstruktion der vernichte-
ten Beschaffungsakten zu erleichtern.
Anmerkung: Eine (z. B.) Deckblattmeldung wird
in der Beschaffung produziert, in der Fallakte
‚Forschung und Werbung/VM-Führung
(F&W/VM-F)‘ gebucht und in die Auswertung ge-
sandt. Dort wird sie nach Bearbeitung in entspre-
chende Sachakten gebucht. Das Stück enthält so-
wohl das Aktenzeichen (Az.) der Beschaffung
(Herkunft) als auch das der Auswertung.
Auf Grund des relevanten Zeitraumes wurde die
o. g. Auswertungsakte von Stück – 01/1996 bis
01/2000 überprüft. Dies erfolgte durch Einsicht-
6798) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6799) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6800) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5; Engelke-Bericht,
MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 7 f.
6801) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 99.
6802) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 59.
6803) A-Drs. 305.
Drucksache 17/14600 – 772 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nahme in jedes Stück unter Berücksichtigung des
Eingangsaktenzeichens (Forschung & Werbung
bzw. VM-Führung), von V Verfügungen sowie
Ablichtungsaufträgen.“6804
„Nach diesen Vorgängen bzw. Merkmalen, die auf
eine Herkunft aus diesen Vorgängen hindeuten,
wurde in der Auswertungsakte ‚Thüringer Heimat-
schutz – THS‘ gesucht.
Weitere Informationsquelle für die Rekonstruktion
war die Werbungsdatei. Aus ihr sind Angaben zu
biographischen Daten und Verwaltungsdaten zu
ersehen. Zu den biographischen Daten gehören
Name, Vorname, Geburtsdatum und –ort sowie
Wohnanschrift der Zielperson (ZP).
Die in der Werbungsdatei ersichtlichen biographi-
schen und Verwaltungsdaten wurden ausgedruckt
und den zu rekonstruierenden Akten zugeheftet.
… Ergänzend wurden zur Rekonstruktion der
o. g. VM-Akten die Datenbestände in den früheren
Datenbanken ‚Schriftgutverwaltung der Abt. 2‘
ebenfalls mit einbezogen.
2. Weitere Durchsicht von Fundstellen außerhalb
der Abteilung 2
Die Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und
Kontrolle (FPG) prüft als der Amtsleitung direkt
unterstellte Organisationseinheit die operative Tä-
tigkeit der Fachabteilungen. Sie verfügt über einen
eigenen Aktenbestand. In ihr sind wesentliche
Vorgänge des Operativvorhabens nachvollziehbar.
Zum Teil finden sich Angaben zur Zahl der von
dem VM gelieferten Deckblattmeldungen und Ge-
samtbewertungen des Operativvorhabens, welche
ebenfalls Bestandteil der Aktenrekonstruktion wa-
ren.
Die Zentralabteilung führt – wie dargestellt – kor-
respondierende Zahlakten zu den durch die Fach-
abteilungen an V-Personen gezahlten Beträgen.
Die gesamten Zahlungsvorgänge der Abteilung 2
zur Operation ‚Rennsteig‘ ließen sich aus Unterla-
gen der Abteilung Z nachvollziehen, die auf diese
Weise ermittelten Gesamtsummen wurden zur re-
konstruierten Akte genommen.
Da nicht alle Teile der Beschaffungsakten zu ande-
ren Organisationseinheiten außerhalb der ‚Be-
schaffung‘ gelangen, sind Aktenteile der o. g. sie-
ben Beschaffungsakten nicht mehr rekonstruier-
bar.“6805
In Beantwortung der Frage, ob anhand der Erstellung
einer probeweisen Rekonstruktionsfassung von noch
vorhandenen, den vernichteten Akten ähnlichen Aktenbe-
ständen ermittelt wurde, welche Aktenteile typischerweise
6804) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 19.
6805) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 20.
nicht rekonstruierbar sind und welche Informationen diese
Aktenteile enthalten,
6806
heißt es:
„Die Erstellung einer probeweisen Rekonstrukti-
onsfassung der vernichteten Akten wurde im BfV
nicht vorgenommen. Allerdings erlaubt es die täg-
liche Arbeitspraxis im BfV den hiermit befassten
Mitarbeitern der ‚Beschaffung‘, anhand des typi-
schen Aufbaus einer Beschaffungsakte den Um-
fang der am 11. November 2011 verlorengegange-
nen Aktenteile sachkundig abzuschätzen. Zudem
wurde eine zur Operation ‚Rennsteig‘ gehörende
Akte, der Fall Tonfall nicht vernichtet und konnte
damit als Muster dienen.
Wie andere V-Personen-Akten waren auch die sie-
ben vernichteten Akten Treppe, Tobago, Tonfarbe,
Tusche, Tinte, Tacho und Tarif typischerweise in
vier Unterakten aufgeteilt:
6807
Der Zeuge Engelke hat in diesem Zusammenhang ausge-
führt, dass zu den nicht mehr vorhandenen und wohl auch
nicht rekonstruierbaren Teilen der Beschaffungsakten
auch Treffberichte gehören.
6808
Er glaube aber nicht, dass in diesen Treffberichten etwas
Relevantes im Sinne der Aufklärung gestanden habe.
6809
Der Zeuge Engelke hat angegeben, er habe alle V-Mann-
Führer, die mit den in den vernichteten Akten genannten
Personen zu tun gehabt hätten, der Reihe nach befragt. Er
habe gefragt, ob nach dem jetzigen Wissensstand über
den NSU die Akten zur Erhellung der Situation beitragen
könnten, was verneint worden sei.
6810
Darüber hinaus wisse man auch nicht, ob eine Zahlung an
die V-Leute tatsächlich erfolgt sei, da sich die Quittungen
über geleistete Zahlungen an V-Leute ausschließlich in
der Beschaffungsakte befänden.
6811
Diese Quittungen
müssten nach einer Verwaltungsvorschrift nach fünf Jah-
ren gelöscht werden. Diese Vernichtung sei auch erfolgt.
Darüber hinaus seien noch Datenbestände von früheren
Datenbanken und die Schriftgutverwaltung der Abteilung
2 vorhanden.
6812
Daneben gebe es noch die Kontrollgruppen im BfV, die
operative Vorgänge begleiten und die ebenfalls über Da-
ten verfügten. Die Fachgruppe für operative Sicherheit
und Kontrolle habe Informationen zu der Zahl der von
den V-Leuten gelieferten Deckblattmeldungen und der
Gesamtbewertung der Operativvorgänge gehabt. Diese
Fachgruppe sei auch danach befragt worden, ob in dem
6806) A-Drs. 305.
6807) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 21.
6808) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6809) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6810) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 58.
6811) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.
6812) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 773 – Drucksache 17/14600
noch vorhandenen Aktenbestand Auffälligkeiten erkenn-
bar gewesen seien. Die Fachgruppe habe erklärt,
„von dem, was wir da haben, vermögen wir nichts
Auffälliges festzustellen.“6813
Vorhanden seien auch noch die Gesamtsummen der an
die V-Leute geleisteten Zahlungen, weil geleistete Zah-
lungen an die Zentralabteilung gemeldet und dort in einer
Liste noch einmal gespeichert würden.
6814
Daher wisse
man, welches Geld an welchem Tag gezahlt worden sei,
und was darüber in der Akte gestanden habe.
6815
Dieses
Zentralregister dokumentiere jedoch nicht, dass die Zah-
lung wirklich erfolgt sei – diese Quittungen über Zahlun-
gen befänden sich nur in der Beschaffungsakte.
6816
Auch in der Observationsabteilung habe es noch Akten
gegeben.
6817
Infolgedessen habe man noch Einzelheiten
der Observation im Rahmen der Forschungs- und Wer-
bungsphase rekonstruieren können.
6818
Auch wenn man den Kontrollvorgang – die nicht vernich-
tete „Rennsteig“-Akte zu Tonfall – neben die rekonstru-
ierten Akten lege, ergebe sich für ihn kein Anhaltspunkt,
an der Validität der Rekonstruktionen zu zweifeln.
6819
Auf die abschließende Frage, ob er es völlig ausschließen
könne, dass die Motivlage des Referatsleiters Lingen mit
der Bezahlung der Quellen zu tun habe, hat der Zeuge
Engelke erklärt:
„Ausschließen, räume ich ein, ist ein echt hartes
Wort. Aber ich habe keine tatsächlichen Anhalts-
punkte, dass es damit zu tun hat.“6820
f) Auswahl der Akten durch den Referatslei-
ter
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, wie der Refe-
ratsleiter Lingen die Akten ausgewählt hat, die er von
seinen Mitarbeitern auf die Namen Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe durchsuchen und später vernichteten ließ.
aa) Kenntnisse des Referatsleiters aus frühe-
rer dienstlicher Befassung
Der Zeuge Lingen hat angegeben, er sei im Jahr 1990
6821
in das BfV eingetreten und dort zunächst im Bereich der
6813) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6814) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6815) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
6816) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9,
S. 10.
6817) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.
6818) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.
6819) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.
6820) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.
6821) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 4; laut Korrektur
des Protokolls erfolgte der Eintritt jedoch erst im Dezem-
ber 1991, siehe Schreiben des dbb vom 6. August 2012, Anlage
zum Protokoll-Nr. 24.
Werbung von V-Personen zuständig gewesen.
6822
Später
sei er im Bereich der „Beschaffung“ zum Ausländerex-
tremismus eingesetzt gewesen.
6823
Nach Aussage des Zeugen Lingen sei er in seiner Funkti-
on als Referatsleiter im Bereich Rechtsextremismus in
den letzten fünf Jahren sowohl für die Anwerbung also
auch für die Führung von V-Personen zuständig gewe-
sen.
6824
Er habe stellvertretend fünf V-Leute geführt, aber
keinen aus Thüringen.
6825
Die von ihm geführten V-Leute
seien regional über das Bundesgebiet verteilt gewesen.
6826
Anhaltspunkte für eine Verbindung nach Thüringen hät-
ten nicht vorgelegen.
6827
Aufgrund der Natur der Beo-
bachtungsobjekte, in denen sich diese Quellen befunden
hätten, könne er Verbindungen nach Thüringen ausschlie-
ßen.
6828
Der Zeuge Engelke hat zu den dienstlichen Verwendun-
gen des Referatsleiters Lingen im BfV ausgeführt, der
Referatsleiter sei seit Anfang der 1990er Jahre im BfV
tätig, seitdem sei er in verschiedenen Verwendungen in
mehreren Abteilungen eingesetzt gewesen, unter anderem
als Leiter einer Organisationseinheit für den
Phänomenbereich „Rechtsterrorismus“.6829
Der Zeuge Engelke hat angegeben, er wisse nicht genau,
ob der Referatsleiter während seiner Referatsleitertätig-
keit im Bereich V-Mann-Führung im Bereich Rechtsex-
tremismus (Juli 1992 bis September 1994) selbst V-Leute
geführt habe. Ihm sei keine unmittelbare Führung erinner-
lich. Eine solche wäre für einen Referatsleiter auch unge-
wöhnlich.
6830
Zu der Frage, ob der VM-Tarif zu den von ihm geführten
Quellen gehört habe, hat der Zeuge Lingen sich auf sein
Aussageverweigerungsrecht nach § 22 PUAG berufen.
6831
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er habe die Befassung
des Referatsleiters mit Akten in der Vergangenheit über-
prüft und Folgendes festgestellt:
Im Fall Treppe habe der Referatsleiter keinerlei Aktivitä-
ten entfaltet. Im Fall Tonfall tauche er an zwei Stellen auf.
Hier habe er mitgezeichnet oder zur Kenntnis genommen,
was ein Mitarbeiter geschrieben habe.
6832
Im Fall Toba-
go/Investor tauche er an zwei Stellen auf, ebenso im Fall
Tarif. Bei Tacho tauche er an fünf Stellen auf, im Fall
Tinte überhaupt nicht.
6833
6822) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 8.
6823) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 4.
6824) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 4.
6825) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 20.
6826) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.
6827) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.
6828) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.
6829) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 4.
6830) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 4.
6831) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 28.
6832) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.
6833) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.
Drucksache 17/14600 – 774 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
In den Fällen Tonfarbe und Tusche tauche der Referatslei-
ter Lingen aber häufiger auf. Dies resultiere daraus, dass
Herr Lingen damals in der Forschungs- und Werbungs-
phase der zuständige Referatsleiter gewesen sei.
6834
bb) Recherche in der Forschungs- und Wer-
bungsdatei
Der Sonderbeauftragte Engelke hat angegeben, der Refe-
ratsleiter habe die Forschungs- und Werbungsdatei nach
den Begriffen „Thüringen“, „THS“ und „Thüringer Hei-
matschutz“ durchsucht und sei so auf die gefundenen
Akten gekommen.
6835
Dies habe ihm Herr Lingen so bestätigt. Dieser habe nach
Akten zu den Namen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe
forschen sollen und aus der Berichterstattung gewusst,
dass der Fall in Thüringen spiele.
„Jetzt geht er hin und sagt: So, was weiß ich denn
aus der Beschaffung über Thüringen? Da war was
und kommt jetzt zu den Begriffen ‚THS‘, ‚Thürin-
gen‘ und ‚Thüringer Heimatschutz‘. Er hat nicht
Operation ‚Rennsteig‘ gesucht. […]. Er kommt
jetzt zu einer Liste von Werbungsfällen von denen
er sagt: ‚Die könnten relevant sein‘ und die bittet
er die Mitarbeiter an sich zu ziehen und durchzu-
schauen […] auf die drei Namen.“6836
cc) Nachvollziehung der Suche mit den ange-
gebenen Suchbegriffen über die For-
schungs- und Werbungsdatei
Um einen Eindruck zu gewinnen, wie das Ergebnis einer
Abfrage in der Forschungs- und Werbungsdatei aussieht,
wenn die vom Referatsleiter Lingen gegenüber MinDirig
Engelke behaupteten drei Suchbegriffe eingegeben wer-
den, wurde MinDirig Engelke vom Ausschuss gebeten,
eine solche Suche nachzuvollziehen und das Ergebnis
darzustellen.
6837
MinDirig Engelke hat mitgeteilt, die Suche nach dem
Begriff „Thüringen“ habe zu 24 Treffern geführt. Eine
Suche nach dem Begriff „THS“ habe zu 33 Treffern ge-
führt. Mit dem Begriff „Thüringer Heimatschutz“ hätten
sich keine Ergebnisse erzielen lassen. Die Treffer seien
listenmäßig aufgezeigt worden.
Diese listenmäßige Darstellung umfasse folgende Infor-
mationen:
– Fallbezeichnung
– Name
– Aktenzeichen
– Funktion (z. B. normaler Werbungsfall)
6834) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.
6835) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 17 f.
6836) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 18.
6837) A-Drs. 305.
– Beobachtungsobjekt
– Bearbeitungsstand
– Namen der Sachbearbeiter von „Auswertung“ und
„Beschaffung“
– Falleröffnungsdatum.
Bei Verwendung aller Suchbegriffe seien Tacho, Tonfar-
be und Tarif nicht angezeigt worden.
Zum Vorgang Tacho hat MinDirig Engelke erläutert, dass
„möglicherweise weitere Suchvorgänge“ des Referatslei-
ters zu dessen Auffinden geführt hätten. Zudem habe
diesem der Vorgang Tacho mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Funktionen als Refe-
ratsleiter erinnerlich sein müssen.
6838
Zum Vorgang Tonfarbe hat MinDirig Engelke ausgeführt,
dass hierzu ebenfalls Folgerecherchen zu einem Auffin-
den der Akten geführt haben müssten.
6839
Ein Datensatz zu Tarif habe mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit nie existiert, da die Werbungsdatei
erst ab 1999 geführt und nicht zwangsläufig ein älterer
Fall (der Fall Tarif stamme aus 1994) eingetragen wurde.
Auch hierzu hat MinDirig Engelke erklärt, dass das Auf-
finden von Tarif auf entsprechende dienstliche Kenntnisse
des Vorgangs zurückführbar sein müsste.
6840
Im Ausschuss ist erörtert worden, dass der Auftrag der
Amtsleitung vom 8. November 2011 zur Recherche sich
auch auf Verbindungen des Trios zur NPD bezogen habe.
Wenn man diesen Begriff zusätzlich eingebe, erkläre sich
auch, warum Tarif erscheine. Der Zeuge Engelke hat
erklärt, dass ihm diese Verknüpfung bislang noch nicht
aufgefallen sei, er habe sich an dem orientiert, was ihm
der Referatsleiter mitgeteilt habe.
6841
Im Ausschuss hat der Zeuge Engelke ausgeführt, eine
100 % schlüssige Erklärung habe er nicht. In einer Kons-
tellation komme man auf sechs von sieben Akten. Er
vermute, dass noch vage Erinnerungen des Referatsleiters
vorhanden gewesen seien. Dieser habe ja auch nur Fallbe-
zeichnungen herausgefunden.
6842
dd) Informationsspeicherung in der For-
schungs- und Werbungsdatei im Falle ei-
nes Zugriffs
Dem Ausschuss hat sich die Frage gestellt, ob anhand
einer Protokollierung in der Forschungs- und Werbungs-
datei festgestellt werden kann, nach welchen Kriterien der
6838) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 6.
6839) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 6.
6840) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 7.
6841) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 8.
6842) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 3.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 775 – Drucksache 17/14600
Referatsleiter suchte und ob er in dieser Datei Verände-
rungen vornahm bzw. vornehmen konnte.
In der Forschungs- und Werbungsdatei wird serverseitig
ausschließlich die Anzahl und das Datum der durch den
Benutzer beim Zugriff getätigten Lese- und Schreibzu-
griffe innerhalb eines Zeitintervalls protokolliert. Es er-
folgt keine Protokollierung von Suchwörtern, Suchergeb-
nissen oder der Veränderung eines Datensatzes.
Nach dem vom BMI erstellten Gutachten wurde diese
Datei vom Referatsleiter im Zeitraum 4. bis
30. November 2011 ausschließlich zum Zweck des lesen-
den Zugriffs konsultiert.
Bei einer in der Abteilung II durchgeführten Datenbank-
protokollierung werde protokolliert, welcher Benutzter an
welchem Datum und um welche Uhrzeit einen Schreib-
und Lesezugriff vorgenommen hat. Es erfolgt keine
Protokollierung von Suchwörtern, Suchergebnissen oder
der Veränderung eines Datensatzes.
Hier ergebe sich der mit der serverseitigen Protokollie-
rung identische Befund, dass keinerlei Schreibzugriffe in
der Forschungs- und Werbungsdatei durch den Referats-
leiter erfolgt seien.
6843
Innerhalb eines Dokuments werde lediglich protokolliert,
an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit das Dokument
verändert wurde sowie wer diesen verändernden Zugriff
vorgenommen hat.
Bezüglich einzelner Dokumente würden keine Lesezu-
griffe protokolliert. Soweit der Referatsleiter einzelne
Dokumente verändert haben sollte, sei dies im einzelnen
Dokument enthalten.
Da im Zeitraum vom 4. bis zum 30. November 2011
jedoch keine Schreibzugriffe durch den Referatsleiter
Lingen vorgenommen worden seien, seien folglich auch
keine Protokolldaten in den einzelnen Dokumenten ent-
standen.
6844
Auffällig ist jedoch, dass der Referatsleiter am
8. November 2011 zwischen 15.14 Uhr und 16.14 Uhr
insgesamt 37 Dokumente gelesen hat.
6845
Dies sind auffäl-
lig viele Dokumente im Vergleich zu den anderen Tagen
im November 2011 (7. November 2011: ein Zugriff;
9. November 2011: ein Zugriff). Am 8. November hat
sich Beate Zschäpe jedoch der Polizei in Jena gestellt.
Laut Chronologie des BfV erteilte der Präsident des BfV
am 8. November 2011 den Auftrag an die Abteilung 2,
den Vorgang detailliert aufzuarbeiten.
6846
Nach dem Prüfergebnis des Sonderbeauftragten habe der
damalige Gruppenleiter 2B den Referatsleiter am
8. November 2011 beauftragt, die Akten der „Beschaf-
fung“ referatsübergreifend nach etwaigen Fundstellen mit
Bezügen zum Trio zu durchsuchen. Entweder am selben
6843) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 3.
6844) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 3.
6845) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 2.
6846) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 3.
Morgen oder am Morgen des Folgetages habe der Refe-
ratsleiter eine elektronische Suche nach den drei Namen
in der Personenzentraldatei durchgeführt.
6847
Der schrift-
liche Auftrag der Hausleitung ging jedoch erst am
10. November ein. Wenn der Auftrag den Referatsleiter
bereits bis zum frühen Vormittag des 8. November 2011
erreicht hat, könnte dies den intensiven Aktenzugriff
erklären.
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, am 8. November 2011
habe die ND-Lage stattgefunden. Es sei üblich, dass Auf-
träge einer gewissen Bedeutung vorab mündlich kommu-
niziert würden. Ob dies hier der Fall gewesen sei, habe er
nicht rekonstruieren können. Hinzu komme, dass der
Gruppenleiter den Referatsleiter angewiesen habe, den
Vorgang für die Referatsgruppe zu koordinieren, weil es
habe schnell gehen sollen.
6848
Auf die Frage, wie es der Referatsleiter geschafft habe,
innerhalb einer Stunde und 15 Minuten, die zwischen dem
ausgeworfenen Suchergebnis und der Auswahl der Akten
lag, aus 37 Forschungs- und Werbungsfällen die sieben
Akten auszuwählen, hat der Zeuge Engelke erklärt, dieses
Vorgehen unterstütze seine Aussage, dass der Referatslei-
ter sich die Akten gar nicht angesehen habe.
„Er hat überhaupt nicht in diese Akten geguckt,
bevor er etwas gesagt hat. Also er braucht nicht
anderthalb Stunden. Er brauchte gar nichts. Also in
die Akten selber hat er nicht geguckt zu dem Zeit-
punkt.“6849
Dass er in dieser Zeit 37mal zugegriffen habe, während er
vor und nachher ein- bis fünfmal zugegriffen habe, unter-
streiche die Darstellung, dass er nach den Namen gesucht
und deshalb intensiv recherchiert habe. Man könne nun
anhand der Datei nicht mehr rekonstruieren, auf welches
Dokument er zugegriffen hat.
6850
ee) Recherche in NADIS?
Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, ob bzw.
in welcher Weise der Referatsleiter durch eine NADIS-
Recherche auf die von ihm ausgewählten Akten gekom-
men sei.
In NADIS erfolgt zwar eine Protokollierung der Tätigkei-
ten aller Anwender (Anmeldung, Suchanfragen, Anzeige
eines Datensatzes, Suchanfragen etc.). Die Überprüfung
der Protokolldaten habe jedoch ergeben, dass das letzte
Anmeldedatum des Referatsleiters in NADIS der
13. Februar 2008 war.
6851
6847) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).
6848) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 2.
6849) Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 3.
6850) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 3.
6851) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 5; MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 -
GEHEIM), S. 3; MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 -
GEHEIM), S. 3.
Drucksache 17/14600 – 776 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Hieraus ergebe sich, dass der Referatsleiter zumindest
unter eigenem Namen im fraglichen Zeitraum in NADIS
keine eigenständigen Recherchen zu seinem Auftrag,
Akten zum Trio zu finden oder ihn möglicherweise in
diesem Zusammenhang interessierende Akten, die er für
eine Vernichtung in Betracht ziehen wollte, getätigt ha-
be.
6852
g) Überprüfung möglicher Vernichtungsmoti-
ve
Da sich der Referatsleiter nicht zu seinen Motiven für die
Anordnung der Vernichtung der sieben Akten geäußert
hat, hat der Ausschuss versucht, dessen Motive anhand
der objektiven Gegebenheiten zu ermitteln.
aa) Angst vor der Offenbarung nicht eingehal-
tener Löschungsfristen?
Als ein mögliches Motiv des Referatsleiters wurde eine
mögliche Angst vor der Offenbarung, dass in der Vergan-
genheit Löschungsfristen missachtet wurden, erörtert.
Es hat sich zunächst die Frage gestellt, ob bzw. inwieweit
vor dem 4. November 2011 eine Vernichtung der sieben
Akten rechtlich geboten gewesen wäre.
Der Zeuge Engelke hat in diesem Zusammenhang ausge-
führt:
„Ich glaube, alle diese Daten hätten - weil die ge-
setzliche Regelung nun ist: Daten sind zu löschen,
wenn sie nicht mehr erforderlich sind; spätestens
nach fünf Jahren ist zu überprüfen, dann spätestens
nach zehn Jahren - vernichtet werden können, hät-
te irgendwann mal einer in den vergangenen Jah-
ren sie sich mal angeschaut. Aber das ist ja immer
sozusagen - - und deswegen einer der Gründe, wa-
rum es so im Ungefähren bleibt. […] Die ge-
setzliche Formulierung hinterlässt ja einen gewis-
sen Beurteilungsspielraum: ‚wenn sie erforderlich
sind‘. Die Bearbeiter haben zu entscheiden: Wann
ist ein Datum nicht mehr erforderlich? Wenn es
durch den Bearbeiter, die Bearbeiterin für nicht
mehr erforderlich angesehen wird, kann ein Datum
lange vor Ablauf der Fünfjahresfrist gelöscht wer-
den. Die Fünfjahresfrist ist nur sozusagen eine Er-
innerung: Nach fünf Jahren musst du aber wirklich
jetzt mal gucken und dich äußern.
So gesehen, weil die vernichteten Daten alle - - Ich
glaube, 2002 oder - das könnten wir dann noch
mal nachgucken - 2003 endet der letzte V-Mann-
Fall. So gesehen war sicherlich ein Zeitpunkt ir-
gendwann mal da, wo sich das einer hätte angu-
cken können und sagen können: ‚Brauche ich ei-
gentlich nicht mehr‘, und hätte dann vernichtet
6852) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 5.
werden können, vernichtet werden müssen - das ist
eben immer so ein Beurteilungsspielraum.“6853
Der Zeuge Engelke hat bekundet, dass man die Aussage,
dass die Daten im November 2011 eigentlich bereits hät-
ten vernichtet sein müssen, so deutlich nicht treffen kön-
ne.
6854
Die von ihm in seinem Bericht gewählte Formulierung
„obwohl die Akten möglicherweise bereits seit län-
gerem hätten vernichtet worden sein können oder
müssen“6855,
sei „schwammig“ und habe auch mit der Motivlage der
Beteiligten zu tun, zu der er in offener Sitzung nichts
sagen wolle.
6856
In eingestufter Sitzung hat der Zeuge
seine Aussagen noch einmal präzisiert. Er hat erklärt, dass
zwei der vernichteten Akten jünger als zehn Jahre wa-
ren.
6857
Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit
der Vernichtungshandlung hat der Zeuge zwischen dem
Zeitpunkt vor dem 4. November 2011 und der Zeit danach
differenziert. In Bezug auf die Rechtslage vor dem
4. November 2011 hat er ausgeführt:
„Es gab seit Herbst 2011 die neue DV-
‚Beschaffung‘, die in Kraft war, wo jetzt angeord-
net wurde erstmals, die Zehnjahresfrist gilt auch
für Personenakten der Beschaffung. Wenn man das
zugrunde legt und jetzt mal hypothetisch sagt: ‚Am
03.11., also einen Tag vor Bekanntwerden der
Vorgänge um die NSU, hätte er sich die Akten,
angeschaut, wie wäre dann die Rechtslage gewe-
sen?‘, dann müsst man sagen: Bei fünf der Akten
war die Zehnjahresfrist vorbei […] bei zweien
noch nicht. Da ist ja immer das Datum der Ab-
schaltung der letzte Tag, an dem sozusagen die
Fristen laufen.
Aber die Zehnjahresfrist ist ja nur die absolute so-
zusagen Vernichtungsfrist. Vorher --- Also, die
Akten sind zu vernichten, wenn sie nicht mehr er-
forderlich sind. Das heißt, eine Prüfung hätte je-
derzeit vorher zu dem Ergebnis kommen können –
theoretisch – , sie sind nicht mehr erforderlich.
Nach fünf Jahren […] müssen die Zuständigen
sich das anschauen, was bei Beschaffungsakten
nicht erfolgte in dem Umfang, bei den Altakten,
weil ja die DV-‚Beschaffung‘ noch nicht in Kraft
war. Nach zehn Jahren aber spätestens hätte eine
abschließende Entscheidung getroffen werden
müssen, und nur, wenn man ausdrücklich an die
Amtsleitung rangetreten wäre und gesagt hätte:
‚Wir wollen diese Akten noch weiter haben‘, dann
hätte man die Akten noch behalten dürfen.“6858
6853) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.
6854) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.
6855) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.
6856) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.
6857) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 9.
6858) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 777 – Drucksache 17/14600
Anders stelle sich dies für die Zeit nach dem 4. November
2011 dar. Ab diesem Zeitpunkt habe der Referatsleiter
erkennen müssen:
„Aber doch nicht diese Akten, jetzt sind sie wieder
erforderlich, weil sich daraus ja möglicherweise
noch [etwas] ergeben könnte.
6859
Der Zeuge Fromm hat hinsichtlich des Vernichtungszeit-
punktes 11. November 2011 ausgeführt:
6860
„Egal, in welchem Arbeitsbereich das passiert wä-
re, ob [im Bereich der ‚Beschaffung‘] oder in an-
deren Bereichen, also etwa in der ‚Auswertung‘,
das hätte die gleiche Wirkung gehabt. Man kann
nicht an einem solchen Tag, wo jedem, der halb-
wegs offene Augen hat, klar sein musste, was hier
passiert war, Akten, die auch nur entfernt damit in
Zusammenhang zu bringen sind, vernichten. Das
kann man nicht machen.“6861
Nach Auffassung des Staatsekretärs Fritsche hätte der
Auftrag zur Aktenzusammenstellung dazu führen müssen,
dass keine weiteren Akten – weder in der Maßnahme, die
am 11. November 2011 stattgefunden habe, noch später
vernichtet oder gelöscht würden.
6862
bb) Vernichtung von Akteninhalten mit NSU-
Bezug?
Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob ein Motiv
des Referatsleiters für die Aktenvernichtung gewesen sein
könnte, Akten mit NSU-Bezug zu vernichten.
Der Zeuge Lingen hat verneint, in seiner dienstlichen
Tätigkeit jemals direkt oder indirekt Kenntnis über unter-
getauchte, zum „Thüringer Heimatschutz“ gehörige, „Je-
naer Bombenbauer“ erlangt zu haben.6863
Während seiner Tätigkeit im Bereich des Ausländerex-
tremismus sei er sowohl für Rechts-, als auch für Linksex-
tremismus zuständig gewesen.
6864
Auch während dieser
Zeit habe er mit niemandem oder keinem Sachverhalt zu
tun gehabt, der den Fall des Trios berührt habe.
6865
In den zur Operation „Rennsteig“ gehörenden Fällen
Tacho und Tarif sei nach Angaben von MinDirig Engelke
kein „THS“-Bezug vorhanden gewesen, sondern es sei zu
anderen Beobachtungsobjekten berichtet worden. Tarif sei
wegen seiner guten Kontakte in den norddeutschen Raum
dahingehend sensibilisiert worden, sich nach dem unter-
6859) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 9.
6860) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 7.
6861) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.
6862) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.
6863) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 10, 25.
6864) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 27.
6865) Lingen, Protokoll-Nr. 24,(nichtöffentlich), S. 28.
getauchten Trio umzuhören. Er habe hierzu aber keine
Informationen geliefert.
6866
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er sei sich sicher, dass
Tarif keine Informationen zum Trio geliefert habe, weil er
mit sämtlichen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen
in „Auswertung“ und „Beschaffung“ gesprochen habe,
die an der Operation beteiligt waren und diese das ver-
neint hätten.
6867
Dass der Referatsleiter während seiner Tätigkeit als Pro-
jekteinheitsleiter „Kriminelle Terroristische Gruppierun-
gen“ (März 1995 bis Juli 1997) mit Vorläufern des NSU
zu tun gehabt habe oder zumindest sein Referat damit
befasst gewesen sei, könne er nicht ausschließen. Das
könnte sein, sei aber eine reine Spekulation.
6868
Der Referatsleiter war von August 1999 bis Oktober 2004
im Bereich Forschung und Werbung und Betreuung des
Aussteigerprogramms im Bereich Rechtsextremismus
tätig.
6869
Der Zeuge Engelke hat angegeben, er habe ihn
nicht gefragt, ob der Mitangeklagte im NSU-Verfahren,
Carsten Schultze, der sich im Jahr 2000/2001 aus der
Szene zurückgezogen hat und im Aussteigerprogramm
gewesen sei.
6870
Der Zeuge Engelke hat angegeben, er habe alle V-Mann-
Führer, die mit den in den vernichteten Akten genannten
Personen zu tun gehabt hätten, der Reihe nach befragt. Er
habe immer gefragt, ob es nach dem, was man jetzt über
den NSU wisse, etwas gebe, wo man hätte sagen müssen,
die Akte hätte zur Erhellung der Situation aufklären kön-
nen.
6871
Ihm sei von den V-Mann-Führern immer klar gesagt
worden:
„Es gibt keine Vorgänge, wo sie sagen, die drei
oder andere, die jetzt bekannt seien, haben da eine
Rolle gespielt.“6872
Man habe hierzu aber keine schriftlichen Aufzeichnungen
angefertigt.
6873
aaa) Mitglieder des Trios als V-Leute oder For-
schungs- und Werbungsfälle?
Der Präsident des BfV a. D., Fromm, hat als Zeuge ausge-
sagt, nach allem was er wisse, könne er ausschließen, dass
Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe oder Personen aus
deren Umfeld jemals V-Leute des BfV gewesen seien.
6874
Diese Sicherheit nehme er daher, dass die Akten seit Ende
6866) Engelke-Bericht vom 11. Oktober 2012, MAT B BfV-2/4,
(Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM), S. 21.
6867) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 54.
6868) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.
6869) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 4.
6870) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.
6871) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.
6872) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.
6873) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 59.
6874) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.
Drucksache 17/14600 – 778 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2011 von einer Vielzahl von Mitarbeitern geprüft worden
seien und sich keinerlei Hinweise auf eine Tätigkeit dieser
Personen als V-Leute gefunden hätten.
6875
Nach allem was geprüft worden sei, könne er auch aus-
schließen, dass ein Mitglied des Trios im Zuge der Wer-
bung angesprochen wurde.
6876
Auch der Zeuge Engelke hat ausgeschlossen, dass Mit-
glieder des Trios oder andere Beschuldigte im Ermitt-
lungsverfahren V-Leute des BfV gewesen seien:
„Weder Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe noch die
sonstigen im Verlaufe der bisherigen Ermittlungen
durch die Bundesanwaltschaft zu Beschuldigten
des Ermittlungsverfahrens erhobenen Personen
sind oder waren V-Leute des BfV.“6877
Erstmals am 4. Juli 2012 und im Zeitraum vom 25. Juli
2012 bis zum 14. September 2012 standen den Mitglie-
dern des Untersuchungsausschusses die im Folgenden
aufgelisteten Originalakten und Personendossiers zur
Einsichtnahme in Räumlichkeiten des BfV in Berlin-
Treptow bereit:
6878
Es handelte sich um sieben vernichtete und rekonstruier-
te/wiederhergestellte Akten der „Beschaffung“ des BfV,
eine nicht vernichtete BfV-Originalakte zu einem V-
Mann aus der Operation „Rennsteig“, zwei nicht ver-
nichtete Originalakten des LfV Thüringen zu V-
Männern aus der Operation „Rennsteig“, eine nicht ver-
nichtete BfV-Sachakte „Beschaffung“ zur Operation
„Rennsteig“, eine nicht vernichtete BfV-Sachakte zum
„Thüringer Heimatschutz“ sowie 48 nicht vernichtete
BfV-Werbungsakten der Operation „Rennsteig“.6879
Alle oben aufgelisteten Akten sind mit den aus Gründen
des Schutzes für Leib und Leben erforderlichen Schwär-
zungen an den Untersuchungsausschuss übermittelt worden,
wodurch auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mitglieder
des Untersuchungsausschusses haben Einsicht nehmen
können.
6880
Bei der Einsichtnahme in die Rekonstruktion der vernich-
teten Beschaffungsakten haben sich die Mitglieder des
Ausschusses davon überzeugt, dass die rekonstruierten
Akten andere Personen als das Trio betrafen. Auch die
nicht vernichteten 48 Werbungsvorgänge der Operation
„Rennsteig“ betrafen nicht das Trio.
Nach Angaben des Zeugen Fromm war jedoch die Wer-
bungsdatei des BfV nicht vollständig. Er hat ausgesagt, es
6875) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 10.
6876) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 22.
6877) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.
6878) Engelke-Bericht vom 22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-
NfD), S. 6 f.
6879) Engelke-Bericht vom 22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-
NfD), S. 6 f.
6880) Engelke-Bericht vom 22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-
NfD), S. 6 f.
seien 13 Werbungsvorgänge
6881
aus operativen Gründen
nicht in die Werbungsdatei aufgenommen worden.
Die Liste der betroffenen Fälle hat der Zeuge Fromm in
der Sitzung mitgeführt und betont, zu allen seien dem
Ausschuss Unterlagen übergeben worden.
„Die Werbungsdatei ist eine von einer ganzen Rei-
he von Arbeitsdateien, die im Amt existieren, um
eben die Arbeit leichter zu machen. Die Wer-
bungsdatei ist in 99 eingerichtet worden und hatte
eben den Zweck, einen fortlaufenden Überblick zu
gewährleisten über Werbungsvorhaben. Dabei ist,
wie mir jetzt mitgeteilt worden ist, nicht alles, aus
welchen Gründen auch immer, was vorher war,
vor 99, dann in die neu installierte Werbungsdatei
hereingenommen worden. Darauf geht wohl zu-
rück, dass ein Teil der Werbungsvorhaben, die in
der ‚Rennsteig‘-Operation eine Rolle spielen […]
nicht in diese Werbungsdatei gekommen ist.“6882
Der Zeuge Fromm hat angegeben, er gehe davon aus, dass
es nach 1999 – der Errichtung der Werbungsdatei – diese
Vorfälle nicht mehr gebe.
„Darauf muss ich mich verlassen können, dass,
wenn eine solche Datei eingerichtet wird, mindes-
tens die Fälle, die dann entstehen, in die Wer-
bungsdatei oder in eine solche Datei hineinkom-
men. Es soll ja gerade eine Arbeitserleichterung
sein.“6883
Was die Zeit davor angehe, aber auch die Zeit bis 2004,
seien maßgebend nicht die Werbungsdatei, sondern die
Papierakten. Bis 2004 sei mit Papier gearbeitet worden.
Diese Papierakten gäben die Realität wieder, soweit nicht
Vernichtungen stattgefunden haben, und nicht die Datei,
zumindest nicht, was die Zeit vor 1999 angehe.
6884
Man
wisse, was vernichtet worden sei; dies sei dokumen-
tiert.
6885
Das BfV verfüge über die komplette Liste derje-
nigen, die im Rahmen der Operation „Rennsteig“ ins
Auge gefasst worden seien.
6886
Ob das BfV bereits vor der
Operation „Rennsteig“ in Thüringen bei der Anwerbung
von V-Leuten ausgeholfen habe, könne er nicht sagen.
6887
Man müsse sehen, dass die Operation „Rennsteig“ im
Jahr 1996 begonnen habe. Auch wenn die operative Tä-
tigkeit des BfV erst im Jahr 1997 begonnen habe, gehe er
davon aus, dass das BfV
„als man in 96 begonnen hat, geschaut hat : Was
hat man denn eigentlich? Das wird wahrschein-
lich - - Sie können das nachher meinen Nachfolger
hier auf dem Stuhl fragen. Man hat sicher ge-
schaut: Wie ist denn eigentlich die Zugangslage?
6881) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 57.
6882) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.
6883) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.
6884) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25; S. 58.
6885) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 58.
6886) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 58.
6887) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 58.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 779 – Drucksache 17/14600
Wen haben wir denn? Zumindest die Quellen
kannte man doch und hat gesehen: Die Zugangsla-
ge ist schlecht. Deswegen machen wir jetzt eine
Operation Thüringen, BfV, MAD, begonnen 96.
Die Aktivitäten der Personen aus dem Trio - das ist
aber jetzt eine Schlussfolgerung; das muss ich
dann Ihnen noch belegen -, die Aktivitäten dieser
Personen vor 96 können in dieser Szene nicht allzu
ausgeprägt gewesen sein. Jedenfalls können sie
nicht sehr lange vor 96 zurückreichen. Man könn-
te - das ist aber jetzt Spekulation - in den Akten
Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe schauen, wann sie
das erste Mal dem Verfassungsschutz aufgefallen
sind […], seit wann wir Aktivitäten dieser drei in
der rechtsextremistischen Szene haben feststellen
können.“6888
Man könne anhand der Papierakten nachvollziehen, um
welche Fälle es sich handele. Alle Fälle, die in der Opera-
tion „Rennsteig“ bearbeitet worden seien, seien aus dem
genannten operativen Grund oder aufgrund von Nachläs-
sigkeit in die 1999 eingerichtete Werbungsdatei nicht
aufgenommen worden. Tatsache sei aber, dass es eine
bestimmte Anzahl von Zielpersonen gegeben habe, dass
es dazu Akten oder zumindest Akteninhalte gebe, die
nachvollzogen werden konnten und dass davon 13 nicht
in die 1999 eingerichtete Werbungsdatei aufgenommen
worden seien. Diese 13 Fälle seien bekannt.
6889
Der einzige Fall unter den am 11. November 2011 ver-
nichteten Akten, der gleichzeitig nicht in die Werbungs-
datei eingestellt gewesen sei, sei der Fall Tarif.
6890
Diese
Akte sei aber rekonstruiert worden.
6891
Für die Rekon-
struktionen habe man nicht die Sachbearbeiter befragen
müssen, da sich die Fallbezeichnungen aller Fälle kom-
plett in den noch vorhandenen Papierakten befinden wür-
den.
6892
Der Zeuge Fromm hat weiter angegeben, unter den nicht
in die Werbungsdatei aufgenommenen Fällen habe es
zwei erfolgreiche Ansprachen gegeben, drei weitere Per-
sonen seien ohne Erfolg angesprochen worden und acht
Personen seien nicht angesprochen worden.
6893
Der Zeuge Fromm hat erklärt, dass es aus heutiger Sicht
besser gewesen wäre, alles, was bei Einrichtung der Datei
im Jahr 1999 gelaufen sei, auch mit zu übernehmen. Er
wisse nicht, warum dies nicht geschehen sei.
6894
6888) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 59
6889) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 46.
6890) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 47; S. 49
6891) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 49.
6892) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 49.
6893) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 50; siehe auch S. 51.
6894) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.
Der Zeuge Engelke hat dargelegt, eine V-Mann-
Verpflichtung ohne Speicherung in NADIS gebe es nicht.
Die Erstspeicherung von Mundlos sei im Februar 1995
erfolgt, die von Zschäpe im März 1995 und die von
Böhnhardt im Dezember 1995.
6895
Der Zeuge Engelke hat erklärt, er sei auch der Frage
nachgegangen, ob Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe ein
Forschungs- und Werbungsfall seien. Es sei recherchiert
worden, dass es in der Forschungs- und Werbungsdatei,
die alle Fälle, in denen es zu Maßnahmen gekommen sei,
enthalte, keine Veränderungen durch [den] Referatsleiter
und keine schreibenden Zugriffe gegeben habe.
6896
Er hat ergänzt:
„Dann haben wir noch folgende Möglichkeiten zu
gucken, ob jemand ein Forschungs- und Wer-
bungsfall war: Da gibt es eine verdeckte Speiche-
rung in NADIS. Da ist keine vorhanden. Dann gibt
es Papierakten und eine Liste in IBYKUS. Das ist
jetzt sozusagen das, womit die Kollegen mir das
noch mal näher erläutert haben. […] Es gibt seit
1955 eine vollständige Erfasssung der V-
Leute.“6897
Die Forschungs- und Werbungsdatei habe retrograd bis
auf vier Fälle rekonstruiert werden können. Die vier
nichtrekonstrierten seien noch vor Ansprache eingestellt
worden. Das wisse man aus IBYKUS, dem Erfassungs-
system und den Papierakten. Es seien alle Ansprachen des
Jahres im Bereich Rechts noch vorhanden. Das könne er
positiv sagen.
6898
bbb) Kenntnisse des BfV von der Existenz des
NSU?
Dass sich aus den vernichteten Akten eine Kenntnis des
BfV über die Existenz des NSU ableiten lasse, die der
Referatsleiter habe vertuschen wollen, hat der Sonderbe-
auftragte Engelke in Abrede gestellt. Nach seiner Ein-
schätzung haben sich
„aus den größtenteils wiederhergestellten Akten
und den sonstigen Untersuchungen […] keine An-
haltspunkte darauf [ergeben], dass das BfV bis zum
November 2011 Kenntnis von der Existenz des NSU
gehabt oder personelle oder sachliche Zusammen-
hänge zwischen dem Personenumfeld des ‚THS‘ und
den Morden und Banküberfällen auch nur erkannt
oder gar gefördert hätte.“6899
MinDirig Engelke hat dies aus folgenden Umständen
geschlossen:
– Keiner der V-Leute habe über den NSU berichtet.
6895) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.
6896) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.
6897) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.
6898) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.
6899) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5; Engelke-Bericht,
MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 7.
Drucksache 17/14600 – 780 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Aus den wiederhergestellten Akten ergebe sich kein
Hinweis auf relevante Kenntnisse der V-Leute (zwar
Hinweise auf Mundlos etc. im Rahmen der Operation
„Rennsteig“, diese seien aber über Deckblattmeldun-
gen ausschließlich in nicht vernichteten Sachakten
„Rennsteig“ vorhanden).
– Nur der VM Tarif sei nach dem untergetauchten Trio
befragt worden; dieser VM habe jedoch keinen
„THS“-Bezug gehabt. Tarif habe nur den Auftrag ge-
habt, sich umzuhören.
6900
Der Zeuge Engelke hat vor dem Ausschuss ausgesagt, er
habe in den rekonstruierten Akten geprüft:
„Ist darin irgendetwas, wo ich sage: ‚Das ist zu
verbergen, weil es irgendeinen Bezug zum NSU
hat‘? Unter allen Kriterien, wie weit, wie eng auch
immer, finde ich nichts.“6901
Bei der Beurteilung dessen, ob es NSU-Bezüge in den
vernichteten Akten gegeben habe, habe er sich orientiert
„an einer Zusammenstellung, die BKA und BfV
gemacht haben, die auch schon in der Presse er-
wähnt wurde - deswegen kann ich sie hier auch
nennen -, eine sogenannte Hunderterliste,
untechnisch gesprochen. Die ist in mehrere Kate-
gorien unterteilt. Da haben die Behörden praktisch
aus den Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfah-
ren, aber auch aus ihren sonstigen Erkenntnissen in
dem Bereich zusammengestellt: Wer hatte NSU-
Bezug? - Da gibt es einmal natürlich die drei:
Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe. Dann gibt es die
weiteren Beschuldigten, und dann gibt es sonstige
Personen. Das ist hinreichend weit gefasst. Das
sind Leute, die Kontakt hatten.
Wir mussten es ja irgendwie handhabbar machen,
als wir gesagt haben, ich möchte jetzt gerne wis-
sen: Gibt es in den Akten irgendein Datum, was
möglicherweise irgendwas mit den Vorgängen zu
tun hat? Das sind alles blöde Formulierungen:
NSU-Bezug - aber mal als Arbeitstitel. - Deswe-
gen haben wir uns dann daran orientiert. Das ist
der Maßstab. Wenn ich sage, bei den vernichteten
Unterlagen, hier gibt es Querbezüge - oder wie
auch immer - zum NSU, meine ich: Da taucht ir-
gendwie eine Person auf, die auf dieser Hunderter-
liste verzeichnet ist, wobei ich gleich darauf hin-
weisen möchte: Die Liste hatte auch schon mal
110 Personen, sie hatte aber auch nur mal 40 Per-
sonen sozusagen.“6902
Der Zeuge Engelke hat ausgeführt:
„Nur auf dieser Grundlage kann ich mir sozusagen
anmaßen, zu sagen, das ist für mich der NSU-
Bezug oder nicht. Wenn morgen Personen auftau-
6900) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6901) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 107.
6902) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 105 f.
chen, die bisher jedenfalls in dieser Liste nicht
standen oder die bisher noch keiner auf dem
Schirm hatte, dann muss man immer sagen: Der
gesamte Daten - - das war ein unglaublicher Auf-
wand, den die Kollegen betrieben haben, die gan-
zen Akten daraufhin durchzusichten, die Dateien
gegenzulaufen, Papierakten durchzuflöhen. Wenn
morgen eine Person auftaucht, die bisher keiner
auf dem Schirm hatte, muss man sagen, dann
könnte ich jetzt wieder nicht die Gewähr dafür
übernehmen - ist ja klar -, dass meine Aussage
noch so stimmt.“6903
Eine Liste über Organisationen oder Vereinigungen mit
möglichem NSU-Bezug, die noch nicht in der Presse
standen und die auch noch nicht weiter debattiert worden
seien, gebe es nicht; eine Überprüfung im Sinne eines
Abgleichs mit einer derartigen Liste sei nicht erfolgt.
6904
Mit der Prüfung der Hypothese „Vernichtung von Akten-
inhalten mit NSU-Bezug“ sei auch das Motiv umfasst,
dass der Referatsleiter Lingen möglicherweise habe vertu-
schen wollen, dass man etwas übersehen, Chancen ver-
passt oder nicht alle Informationen verknüpft habe. Auch
dies hat der Zeuge Engelke als Motiv ausgeschlossen.
6905
Auf Nachfrage, wie jemand, der im November 2011 ganz
schnell die Beschaffungsakte nach drei Namen gesichtet
habe, ausschließen könne, dass in den vernichteten Akten
andere Begrifflichkeiten wie etwa „die Untergetauchten“,
„die Jenaer“ oder „Trio“, enthalten sind, hat der Zeuge
Engelke erklärt:
„dass im November auf die Schnelle nicht nach
solchen Begriffen gesucht wurde, das ist richtig.
Das ist ja gerade der Punkt, weswegen ich sage,
die Akten hätten an der Stelle nicht vernichtet wer-
den müssen. In der Vernichtung am 11.11. haben
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatsächlich
nur geprüft auf die Namen Mundlos, Böhnhardt
und Zschäpe. […] Das ist auch, sagen wir rückbli-
ckend, zu wenig.“6906
Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass sich in den
nur teilrekonstruierten Akten nicht doch Angaben befun-
den hätten, die Grund für die Vernichtung sein könnten,
hat der Zeuge Engelke ausgesagt:
„Da es nur teilweise rekonstruiert wurde, muss
man sagen: Wenn man einen bestimmten Teil
nicht kennt, kann man es nicht ausschließen. Ich
kann nicht sagen, ich kann es mit hundertprozenti-
ger Sicherheit ausschließen. Ich kann es aber durch
die Umstände, durch die Art der Rekonstruktion,
durch die Motivlage, durch das, was ich habe, mit
sehr, sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus-
schließen. Nur sozusagen eine absolute kann ich
6903) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 106.
6904) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 106.
6905) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 109.
6906) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 109.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 781 – Drucksache 17/14600
nicht haben, einfach weil es nicht gelungen ist, die
Akte hundertprozentig zu rekonstruieren.“6907
cc) Vernichtung von Akteninhalten, die nichts
mit dem NSU zu tun haben, aber gleichzei-
tig vertuscht werden sollten?
Auch diese Hypothese hat der Zeuge Engelke verworfen.
Er hat ausgesagt, Hinweise auf kriminelles Verhalten
habe er nicht gefunden:
„Da finde ich manches, wo man sagt: Mensch, hin-
terher bei der Operation kann man schon die Frage
stellen: ‚Hättest du das so gemacht oder nicht‘?
Aber irgendetwas dem handelnden Referatsleiter
so Zurechenbares, dass man sagt: ‚Da hatte der ein
Motiv, die Akten zu vernichten‘ - das sage ich
hiermit auch -, das finde ich nicht.“6908
In seinem Bericht hat MinDirig Engelke ausgeführt:
„Zwar lassen sich in den vernichteten Unterlagen in
Einzelpunkten Aspekte entnehmen, die kritisch zu
betrachten sind (etwa die Verpflichtung labiler
Persönlichkeiten), grob unprofessionelles, rechtswid-
riges, disziplinarrechtlich relevantes oder gar krimi-
nelles Verhalten ist nicht erkennbar.
6909
Soweit sich aus den wiederhergestellten Akten
Anhaltspunkte auf nicht ausreichend dokumentierte
Geldflüsse/finanzielle Unregelmäßigkeiten entneh-
men lassen, können diese nicht vollständig aufgeklärt
werden, weil die ‚Zahlakten‘, aus denen sich Details
der Zahlungsvorgänge entnehmen lassen, bereits vor
Jahren in einem ordnungsgemäßen Verfahren ver-
nichtet wurden.
6910
Grundsätzlich existieren zu allen erfolgreich ange-
sprochenen Personen, die entweder in der For-
schungs- und Werbungsphase oder später als VM
geführt wurden, Zahlakten. Diese werden jedoch
jeweils nach Ablauf des fünften Kalenderjahres ver-
nichtet (‚Aufbewahrungsbestimmungen für die Unter-
lagen für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungs-
wesen (ABestB-HKR)‘).6911
Unabhängig hiervon ist festzuhalten, dass jedenfalls der
die Vernichtung anordnende Referatsleiter in keinem
dieser Zahlungsvorgänge eine entscheidende Rolle
gespielt hat. Die Bearbeitung der hier in Rede stehen-
den VM-Vorgänge erfolgte nicht in seinem Referat,
die Auszahlung von Geld an V-Leute erfolgt in der
Regel nicht durch Referatsleiter, sondern durch die
VM-Führer.
6912
6907) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 99.
6908) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 107.
6909) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
6910) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
6911) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
6912) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
Durch die Kontrollen und Sicherungsmechanismen bei
Auszahlungen sind Manipulationen nur schwer vor-
zunehmen.
6913
Zusätzlich zu den eigenen Untersuchungen wurden
die Fälle durch den Sonderbeauftragten der Innenrevi-
sion des BfV vorgelegt. Diese kommt zusammenfasend
ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich den Akten keine
Belege für finanzielle Unregelmäßigkeiten entneh-
men lassen.“6914
Ausweislich seines als GEHEIM eingestuften Berichts hat
MinDirig Engelke die einzelnen Fälle mit folgendem
Ergebnis überprüft:
– Im Fall des VM Tobago/Investor sei der Referatslei-
ter Lingen nur am Rande involviert gewesen.
– Auch bei VM Tusche (Hinweise auf Polizisten im
„THS“) sei der Referatsleiter Lingen nur am Rande
involviert gewesen.
– Ebenso sei der Referatsleiter Lingen bei Tacho nur
am Rande involviert gewesen.
– Bezüglich des VM Tarif habe der Referatsleiter nur
Kenntnis gehabt.
– Der Fall des VM Tonfarbe betreffe die rechtsextre-
mistische Musikszene. Der Vorgang sei nicht ganz
unproblematisch, da Tonfarbe bei seiner Anwerbung
noch nicht volljährig gewesen sei. Er sei abgeschaltet
worden wegen BtM-Delikten. Mit diesem Fall sei der
Referatsleiter Lingen befasst gewesen.
– Beim VM Treppe, der aus der rechtsextremen Szene
Saalfeld stamme, gebe es die Besonderheit, dass er
erhebliche Prämienzahlungen erhalten habe. In die-
sem Fall seien aber keine Aktivitäten des Referatslei-
ters Lingen erkennbar.
– Bezüglich des VM Tinte seien keine Aktivitäten des
Referatsleiters Lingen ersichtlich.
6915
Der Zeuge Lingen hat verneint, dass einer der im Novem-
ber 2011 in seinem Referat beschäftigten Mitarbeiter zum
Zeitpunkt der Operation „Rennsteig“ mit Werbungsfällen
zu dieser Operation betraut gewesen sei.
6916
Der Ausschuss ist auch der Frage nachgegangen, ob es
möglicherweise Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung an
V-Leute gegeben habe, die der Referatsleiter habe vertu-
schen wollen.
Hierzu hat der Zeuge Engelke gegenüber dem Untersu-
chungsausschuss bekundet, die geleisteten Zahlungen an
die V-Personen, deren Beschaffungsakten vernichtet
wurden, seien von der Innenrevision bzw. der Prüfgruppe
nachvollzogen worden. Es habe keine Auffälligkeiten
gegeben, die die Annahme rechtfertigen würden, es seien
6913) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
6914) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
6915) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).
6916) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 24 (nichtöffentlich).
Drucksache 17/14600 – 782 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bewusst Akten vernichtet worden, um Zahlungsunregel-
mäßigkeiten zu verschleiern.
6917
Hieran schloss sich die
Frage an, inwieweit sich alle Zahlungen lückenlos nach-
vollziehen lassen.
In seinem ergänzenden Bericht hat MinDirig Engelke
ausgeführt, dass ein Nachweis „grundsätzlich“ möglich
sei. Allerdings sähen die Aufbewahrungsbestimmungen
des BMF vor, dass zahlungsbegründende Umstände fünf
Jahre aufzubewahren sind; eine derartige Vernichtung sei
auch gängige Praxis des BfV.
6918
Zahlungen an Treppe,
Tobago, Tonfarbe, Tusche, Tinte, Tacho und Tarif seien
jedoch letztmalig in den Jahren 2002 und 2003 geleistet
worden, sodass die dazu gehörenden Unterlagen nach
Ablauf der fünfjährigen Aufbewahrungsfrist vollständig
gelöscht worden seien.
6919
In den von der Zentralabteilung zum Zwecke der Haus-
haltskontrolle geführten Zahlungstabellen fänden sich
aber noch Eintragungen zu Zahlungen an diese sieben V-
Leute.
6920
Eine dem Ausschuss zur Verfügung gestellte
Liste gibt Auskünfte über die Höhe der Zahlungen und
die erstatteten Auslagen.
6921
Dafür, dass die Höhe der Zahlungen willkürlich gewesen
sei, haben sich für MinDirig Engelke keine Anhaltspunkte
ergeben. Zudem werde die Prämienhöhe auch nicht allein
von dem die VP betreuenden Mitarbeiter festgelegt, son-
dern auch durch Vorgesetzte genehmigt und gegenge-
zeichnet. In jeder quellenführenden Abteilung existierten
zudem als weiteres Kontrollinstrument monatliche Auflis-
tungen über Zahlungen, die über die Abteilungsleitung
der Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und Kontrol-
le der Amtsleitung zugingen.
6922
Zur Sicherstellung der
Auszahlung müsse jede Zahlung vom Mitarbeiter sowie
von der VP persönlich quittiert werden. Dies werde auch
protokolliert.
6923
Allerdings seien diese Belege – da es
sich um zahlungsbegründende Umstände handele – be-
reits vernichtet.
6924
Der Zeuge Engelke hat ausgeführt, dass die Vernichtung
objektiv nicht geeignet gewesen sei, den Inhalt der Akten
zu vernichten; dies sei eines der Indizien, aus denen er
schließe, dass das Motiv des Referatsleiters nicht die
Vernichtung des Inhalts der Akten gewesen sei.
6925
6917) Engelke, Protokoll-Nr. 57, S. 47.
6918) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM, S. 10.
6919) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 10.
6920) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM, S. 10.
6921) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 25.
6922) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S.11
6923) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 11/12.
6924) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S.12.
6925) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.
Da „Auswertung“ und „Beschaffung“ jeweils für sich
über die Datenlöschung oder Aktenvernichtung entschei-
de, könne der Beschaffer auch nur den Teil in den Be-
schaffungsakten vernichten. Deshalb sage er im Fall des
Referatsleiters Lingen:
„Der konnte dann Unterlagen im Bereich der ‚Be-
schaffung‘ vernichten, aber er konnte nicht Unter-
lagen im Bereich der ‚Auswertung‘ vernichten,
und da sind sie auch noch alle da. Weswegen ich
übrigens - aber das ist nur eine Schlussfolgerung;
aber das kann ich, glaube ich, in offener Sitzung
auch sagen - - Eines der Indizien, weswegen ich
sage: Das war nicht das Motiv, den Inhalt zu ver-
nichten, weil das war objektiv gar nicht geeignet.
Der Inhalt ist noch da. Die Deckblattmeldung ist
noch da. Die ist bei der ‚Auswertung‘ genauso wie
bei der ‚Beschaffung‘. Bei der ‚Beschaffung‘ ist es
nicht mehr, hat er es vernichtet. Aber in der ‚Aus-
wertung‘ ist es noch da. So unter anderem hat auch
die Rekonstruktion der Akten funktioniert.“6926
dd) Vernichtung der Existenz der Akten als
solche?
Der Zeuge Fromm hat gemutmaßt, ein möglicher Grund
für die Anordnung des Referatsleiters könne gewesen
sein, dass dieser – vor dem Hintergrund der geänderten
Praxis im BfV zur Vernichtung von Beschaffungsakten
und der konzertierten Aktion im Januar 2011 – gesagt
habe:
„Diese alten Dinger - da gucke ich jetzt durch, be-
antworte die Frage, die mir gestellt worden ist: Be-
züge zum NSU? Da hat er festgestellt, so wie mir
berichtet worden ist: Fehlanzeige - alte Dinger, al-
so weg. Das ist eine Erklärung. Ob das die richtige
Erklärung ist, kann ich Ihnen beim besten Willen
nicht sagen.“6927
Der Sonderbeauftragte Engelke kommt in seiner Untersu-
chung zu dem Ergebnis, das Motiv des Referatsleiters
Lingen, die Aktenvernichtung am 11. November 2011
anzuordnen, liege
„mit höchster Wahrscheinlichkeit darin, dass die
Akten als solche, also unabhängig von ihrem In-
halt und ohne jede Kenntnis dieses Inhalts vernich-
tet werden sollten.“6928
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er sei fest davon über-
zeugt, dass die Vernichtung nichts mit den Inhalten der
Akten zu tun habe. Er glaube, dass es diesem um die
Existenz der Akten als solche gegangen sei.
6929
„Jetzt gibt es in der Tat die zwei Schienen. Das
kann sozusagen Angst vor Entdeckung sein, dass
6926) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.
6927) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.
6928) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.
6929) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 783 – Drucksache 17/14600
man irgendwas nicht gemacht hat, oder man wollte
Arbeit vermeiden. Da habe ich - wenn ich das in-
soweit in öffentlicher Sitzung sagen darf - keine
letzte Sicherheit, über welchen dieser Wege das
war. Ich habe aus bestimmten Indizienzusammen-
hängen eine Vermutung, die ich auch gerne mit
Ihnen teilen würde, aber nicht jetzt hier, sondern in
eingestufter Sitzung. Ich glaube, in diesem Spekt-
rum jedenfalls bewegte sich sein Motiv.“6930
Der Zeuge Engelke hat auf im August 2010 erteilte inter-
ne Anweisung des Präsidenten des BfV verwiesen, wo-
nach die Zehnjahresfrist des § 12 BVerfSchG auch für
Beschaffungsakten gelte. Zuvor habe es bereits die interne
Anweisung des Abteilungsleiters gegeben, wonach Akten,
die älter als 15 Jahre seien, hätten vernichtet werden sol-
len. Seither habe der Druck für alle Mitarbeiter des BfV
bestanden, immer dann, wenn sie sich mit einer Altakte
befassten, zu prüfen, ob die Fristen abgelaufen seien, ob
die Akte noch benötigt werde oder nicht.
6931
„Diesen Druck hatte der handelnde Referatsleiter.
Der war objektiv da.“6932
Der Sonderbeauftragte Engelke vermutet das Motiv des
Referatsleiters Lingen darin, dass dieser Aktenbestände
habe vernichten wollen,
„zu denen er Nachfragen, Wiedervorlagen und
Prüfarbeiten vermeiden wollte - Arbeiten, die
eventuell notwendig würden, obwohl die Akten
möglicherweise bereits seit Längerem hätten ver-
nichtet worden sein können oder müssen,“6933
wobei er im Untersuchungsausschuss eingeräumt hat,
dass man eine Aussage, dass die Daten im November
2011 eigentlich bereits hätten vernichtet sein „müssen“,
so deutlich nicht treffen könne.
6934
Zur Begründung seiner These hat er ausgeführt, dass
die Vernichtung von Personenakten der „Beschaffung“
objektiv ungeeignet gewesen sei, Wissen des BfV zu
diesen Personen zu vertuschen. Durch die Aufteilung der
Arbeit des BfV in „Auswertung“, „Beschaffung“, „G 10-
Bereich“ etc. könne eine Information, die in einem
dieser Bereiche gespeichert oder in einer Akte befindlich
ist, nicht vollständig aus dem Informationsbestand des
BfV entfernt werden, die relevanten Teile werden regel-
mäßig auch in anderen Akten aufbewahrt.
6935
So habe es
auch bei der Aktenvernichtung vom 11. November 2011
gelegen:
Im Bericht des Sonderbeauftragten Engelke heißt es:
„Die wesentlichen Informationen aus der Be-
schaffungsakte wurden durch die ‚Beschaffung‘
6930) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.
6931) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.
6932) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.
6933) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.
6934) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.
6935) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17.
an die ‚Auswertung‘ sowie an andere sachlich be-
fasste Behörden versandt und lagen dort zum Teil
noch vor. Unter anderem auf diese Weise war es
möglich, die Akten in großen Teilen zu rekonstru-
ieren, s.o. unter Ziffer 4.1. dieses Berichtes. Wäre
es dem Referatsleiter darum gegangen, Informa-
tionen oder Kenntnisse des BfV zu vernich-
ten/auszulöschen/vertuschen, hätte er seine Aktivi-
täten nicht nur auf seinen Bereich, hier die Per-
sonenakten der ‚Beschaffung‘, konzentrieren
dürfen, sondern ebenso auf die anderen Bereiche.
Dies gilt neben der Beschaffungs-Sachakte Opera-
tion ‚Rennsteig‘ insbesondere für den Bereich der
‚Auswertung‘, der der eigentlich für die inhaltli-
che Analyse und weitere Bearbeitung der be-
schafften Informationen zuständige Arbeitsbereich
ist.
6936
Darüber hinaus hat der MinDir Engelke ausgeführt, dass
mehrere durch ihn und im Rahmen des Disziplinarverfah-
rens befragte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abtei-
lung 2 im BfV unabhängig voneinander bestätigt hätten,
dass es im Beschaffungsbereich der Abteilung 2 bereits
mindestens seit dem Jahre 2010 erhebliche Bemühungen
gegeben habe, den dortigen Aktenbestand auf eventuelle
Aktenvernichtungsnotwendigkeiten hin zu überprüfen.
6937
Für die These, dass es dem Referatsleiter Lingen darum
gegangen sei, die Akten als solche, unabhängig von ihrem
Inhalt vernichten zu lassen, spreche nach Einschätzung
des Sonderbeauftragten auch sein Verhalten bei der Ver-
nichtung:
Dieser habe in den Tagen nach dem 4. November 2011 zu
keinem Zeitpunkt selber eine inhaltliche Prü-
fung/Sichtung der Akten vorgenommen. Etwaige inhaltli-
che Kenntnisse hätte er demnach aus der Jahre zurücklie-
genden Befassung mit diesen Vorgängen haben müssen.
Der Referatsleiter selbst habe aber zum Zeitpunkt der
aktiven Bearbeitung der Vorgänge nur eine untergeordne-
te Rolle gehabt.
6938
Darüber hinaus habe der Referatsleiter Lingen bei der
Anordnung der Vernichtung selber keinen Einblick in die
Vorgänge genommen und sich nicht – beispielsweise
durch Abgleich mit der Schriftgutverwaltung – davon
überzeugt, dass zu den Vorgängen keine weiteren Unter-
lagen existierten.
6939
Zusätzlich sei nach Einschätzung des Sonderbeauftragten
zu beachten, dass es dem Referatsleiter zumindest im
Zeitpunkt der Vernichtung offensichtlich nicht darauf
angekommen sei, die Tatsache der Vernichtung gegen-
über seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verber-
gen. Dies ergebe sich daraus, dass die „Vernichtungsver-
handlung“ selber, also das Protokoll, nicht vordatiert,
6936) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17.
6937) Einzelheiten siehe oben K. I. 4.
6938) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17.
6939) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.
Drucksache 17/14600 – 784 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sondern zutreffend auf den 11. November 2011 ausge-
stellt worden sei.
6940
Zudem habe der Referatsleiter Lingen nicht von ihm in
besonderer Weise ausgewählte Mitarbeiter exklusiv mit
der Sichtung der Akten betraut, sondern die am Tage der
Prüfung gerade anwesenden Mitarbeiter zur Sichtung
verpflichtet.
6941
Schließlich werde die Richtigkeit der Hypothese, dass es
dem Referatsleiter Lingen um die Existenz der Akten
gegangen sei, auch durch die Aussagen des Referatsleiters
selbst gestützt: Dieser hat sich zwar weder im Diszipli-
narverfahren noch anlässlich seiner zeugenschaftlichen
Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zu seinen
Motiven geäußert.
6942
Der Referatsleiter Lingen habe aber
nach Aussage des Bürosachbearbeiters B., nachdem dieser
ihm seine Zweifel an der Richtigkeit des Zeitpunkts der
Aktenvernichtung mitgeteilt hatte, sinngemäß erklärt:
„Die Akten sind sauber, da ist nichts drin, die sind
geprüft. Das reicht. Sonst haben wir die noch hun-
dertmal auf dem Tisch liegen. Die sind sowieso zu
alt. Die müssen weg.“
Der Referatsleiter Lingen habe sich außerdem in einem
informellen Gespräch mit dem Sonderbeauftragten vom
22. August 2011 geäußert. Auch in diesem Gespräch habe er
gesagt, dass es ihm unabhängig von den Inhalten der Akten
darum gegangen sei, Aktenbestände zu vernichten, zu
denen er Nachfragen, Wiedervorlagen und Prüfarbeiten
vermeiden wollte Arbeiten, die eventuell notwendig
würden, obwohl die Akten möglicherweise bereits seit
Längerem hätten vernichtet werden können oder müs-
sen.
6943
Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Engelke
ergänzend ausgeführt, der Referatsleiter habe wörtlich
gesagt:
„Aus Praktikabilitätsgründen habe ich das vernich-
tet. Ich wollte nicht mehr, dass die mir immer wie-
der kommen. Ich habe geprüft, sind Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe drin? Sie sind nicht drin.
Und dann habe ich gesagt: Ich möchte zukünftig
nicht mehr mit den Dingern befasst werden. Mut-
maßlich hätten sie ja längst vernichtet sein müssen.
Aber ich habe ja nicht mal diese Detailprüfung
vorgenommen wegen der Fristen.“6944
ee) Fazit des Sonderbeauftragten des BMI,
MinDirig Engelke, zum Motiv des Referats-
leiters
Zusammenfassend kommt MinDirig Engelke in seiner
Untersuchung zu dem Ergebnis,
6940) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.
6941) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.
6942) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.
6943) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18 f.
6944) Engelke, Protokoll Nr. 37, S. 51.
„dass die Vernichtung der Akten durch den Refe-
ratsleiter mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht
wegen ihres Inhaltes erfolgte, sondern weil der Referats-
leiter die Akten als solche aus dem Aktenbestand des
BfV entfernen wollte. Ziel war, künftig keine weitere
Arbeit mit diesen Alt-Akten haben zu müssen.
Nachdem er erkannte, dass diese Entscheidung falsch,
die Vernichtung aber bereits erfolgt war, hat er über
mehrere Monate hinweg in Berichten die Amtsleitung
über diesen Vorgang bewusst im Unklaren gelassen.
Dies führte zu Falschunterrichtungen des BMI und
des Deutschen Bundestages.
Eine gezielte Vertuschung von Kenntnissen des BfV
zu den Taten des NSU oder zu grob unprofessionel-
len, rechtwidrigen, disziplinarrechtlich relevanten oder
kriminellen Handlungen hat nicht stattgefunden.“6945
Im Ausschuss wurde eingewandt, der Umstand, dass der
Referatsleiter Lingen Akten habe vernichten lassen, die
gar nicht aus seinem eigenen Referat, sondern aus dem
Nachbarreferat stammten, stütze die These „Angst vor
einer Wiedervorlage“ nicht. Der Zeuge Engelke hat darauf
ausgeführt:
„Das war für mich ein Grund, bis ich verstanden
habe, warum er das gemacht hat. […] Aber für
mich ist das - - Der Teil ist jedenfalls für mich ge-
klärt, und auch so, dass ich sage: Daraus schöpfe
ich keinen Verdacht. Daraus habe ich einen Ver-
dacht geschöpft; das will ich sagen. Als ich den
Umstand erfahren habe, habe ich auch so, wie Sie
das jetzt werten, gesagt: Das ist sehr merkwürdig.
Dem muss man nachgehen. - Es gibt aber eine Er-
klärung, von der ich glaube: Okay. Ich glaube,
auch durch andere Aussagen ist diese Erklärung so
für mich verifiziert, wo ich sage: Okay, der Teil ist
in Ordnung.“6946
Die Erklärung des Zeugen Engelke ist anschließend nicht
weiter im Ausschuss erörtert worden.
h) Zusammenwirken des Referatsleiters mit
weiteren Beteiligten
Der Sonderbeauftragte Engelke kommt in seiner Untersu-
chung zu dem Ergebnis, dass es hinsichtlich der ihm
nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keiner-
lei Hinweise auf ein Zusammenwirken im Sinne eines
gemeinsamen Verfolgens einer rechtswidrigen Absicht
gegeben habe.
6947
Bezüglich der Einbindung seiner beiden unmittelbaren
Vorgesetzten – dem Referatsgruppenleiter und dem Ab-
teilungsleiter – hat der Zeuge Engelke angegeben, dass
die Frage, zu welchem Zeitpunkt nach der Aktenver-
nichtung diese eingebunden waren, offen sei. Der Refe-
6945) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 20.
6946) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 99.
6947) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 19.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 785 – Drucksache 17/14600
ratsleiter Lingen behaupte aber nicht, dass diese vor der
Anordnung der Vernichtung Kenntnis gehabt hätten. Eine
solche Kenntnis werde auch von beiden bestritten.
6948
Nach seiner Einschätzung sei unstreitig zwischen den
Beteiligten und nach den Umständen, die er ermittelt
habe, dass die Vorgesetzten jedenfalls vor der Vernich-
tung keine Kenntnis davon hatten, dass die Akten so ver-
nichtet wurden
6949
oder diese die Aktenvernichtung in
irgendeiner Art und Weise befördert hätten.
6950
Er hat
ausgeführt:
„Ja, also, mein Fazit bitte ich nicht dahin gehend
zu interpretieren, dass ich sage: ‚Dann war ja alles
in Ordnung‘, sondern ich glaube schon, dass man
hier deutlich sagen muss: Es sind hier Fehler vor-
gekommen. - Fehler macht auch nicht immer nur
einer; das ist völlig klar. Es gehört ein Umfeld da-
zu, in dem so etwas möglich ist. Beispielsweise
haben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
der Ebene unterhalb des Referatsleiters sich durch-
aus Gedanken darüber gemacht, ob das jetzt der
richtige Zeitpunkt war. Sie haben das auch teilwei-
se artikuliert. Das finde ich gut. Ich persönlich
stelle mir die Frage: Was ist falsch in jedenfalls
diesem Teil der Organisation, wenn das nicht dazu
führt, dass das zu einem deutlicheren Anhalten, ei-
nem Zurücktreten führt?“6951
aa) Überprüfung der Telefonate des Referats-
leiters
Im BfV werden nur Verbindungsdaten zu ausgehenden
offenen Telefonaten für Zwecke der Gebührenerfassung
für die Dauer von drei Monaten gespeichert.
6952
Das BMI hat jedoch aufgrund eines Beweisbeschlusses
des Ausschusses die Verbindungsdaten wiederherstellen
lassen. In den dem Ausschuss zur Verfügung gestellten
Unterlagen sind sämtliche Telefonverbindungsdaten der
beiden Diensttelefone des Referatsleiters in chronologi-
scher Reihenfolge dargestellt.
6953
Die Überprüfung hat
keine Auffälligkeiten ergeben.
bb) Überprüfung des internen E-Mail-Verkehrs
des Referatsleiters
Protokolldaten zum internen und externen Mailverkehr
für den Zeitraum vom 4. bis 30. November 2011 waren
nicht mehr vorhanden. Durch Heranziehung der aus-
schließlich zum Zweck der betrieblichen Systemwieder-
herstellung erstellten Datensicherung mit den Ständen
6948) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 20.
6949) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 90.
6950) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 19.
6951) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 90.
6952) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 7 f.
6953) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr.164/13 - GEHEIM), S. 4; S. 8-17.
10. November 2011 und 15. Dezember 2011 konnten E-
Mail-Daten ausgelesen werden.
Eine dem ergänzenden Bericht des Sonderbeauftragten
beigefügte Übersicht gibt ausschließlich Auskunft über
den Absender, den Empfänger, nachrichtlich angeschrie-
bene Empfänger sowie Datum und Uhrzeit des Mail-
Versands.
6954
Anhand der so zur Verfügung stehenden
Daten ließen sich keine Auffälligkeiten feststellen.
6. Unmittelbare Maßnahmen im BfV in Reak-
tion auf das Bekanntwerden der Aktenver-
nichtung
a) Information des Bundesministeriums des
Innern
Der Präsident a. D. des BfV, Heinz Fromm, hat ausgesagt,
nachdem ihm die Aktenvernichtung vom 11. November
2011 bekannt geworden sei, sei das Bundesministerium
des Innern unverzüglich, am 27. Juni 2012, unterrichtet
worden.
6955
b) Rücktritt des Präsidenten Fromm
Präsident Fromm hat den Bundesminister des Innern am
2. Juli 2012 um seine Versetzung in den Ruhestand gebe-
ten. Als Grund für seinen Antrag auf vorzeitige Verset-
zung in den Ruhestand hat er im Ausschuss angegeben:
„wenn ein solches Ereignis eintritt, was eine sol-
che Wirkung in der Öffentlichkeit hat, muss eine
Reaktion aus meiner Sicht erfolgen, die deutlich
macht, dass […] ich damit nicht einverstanden bin,
dass ich in dieser Weise - - nicht dass ein Fehler
gemacht worden ist, sondern dass ich in dieser
Weise hinters Licht geführt worden bin. So muss
ich das sehen, auch wenn das Disziplinarverfahren
noch nicht abgeschlossen ist. Die Aktenlage ist so.
Es war dem Betreffenden bekannt, dass er die Ak-
ten an diesem Tag vernichtet hatte, und er hat die
Amtsleitung - ja nicht nur mich - über diesen Vor-
gang im Unklaren gelassen, obwohl er selbst der-
jenige war, der zu diesem Thema die Amtsleitung
vorzubereiten hatte für Berichterstattung in allen
möglichen Gremien und auch für die Berichterstat-
tung gegenüber meiner Aufsichtsbehörde. Das ist
das: nicht der Fehler, der gemacht worden ist, son-
dern der Versuch, diesen Fehler zu vertuschen.“6956
Wenn er sich in einer solchen Situation bei einem solchen
Thema nicht darauf verlassen könne, dass die Mitarbeiter
6954) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr.164/13 - GEHEIM), S. 5; S. 17-24.
6955) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 53; Kurzinforma-
tion des Präsidenten an das BMI vom 27. Juni 2012, MAT B
BfV-2 (Tgb.-Nr. 29/12 - GEHEIM)
6956) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.
Drucksache 17/14600 – 786 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ihm tatsächlich die volle Wahrheit sagen, habe er Pro-
bleme.
6957
Er könne aber versichern, dass es keine weiteren Gründe
für ihn gegeben habe, etwa, dass noch andere Dinge aus
der Vergangenheit ihm zur Kenntnis gekommen wären,
die dann irgendwann auch bekannt geworden und ohnehin
zu einem solchen Schritt oder zu einer Ruhestandsverset-
zung geführt hätten:
„Davon ist mir nichts bekannt, sondern es war die
Gesamtsituation. Das heißt, die Erkenntnisse seit
November 2011 oder insbesondere die, die wir
im November bekommen haben, der Versuch der
Aufklärung vonseiten des Verfassungsschutzes
oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den
ich auch selbst unternehmen wollte.“6958
c) Umsetzung des Referatsleiters Lingen und
Disziplinarverfahren gegen diesen
Nach Angaben des Zeugen Fromm wurde der Referatslei-
ter Lingen unmittelbar nach Bekanntwerden der Akten-
vernichtung umgesetzt.
6959
Zugleich wurde ein Diszipli-
narverfahren gegen diesen eingeleitet
6960
wegen des Vor-
wurfs, die Aktenvernichtung angeordnet sowie die Amts-
leitung nicht informiert zu haben über die Tatsache, dass
am 11. November 2011 Akten vernichtet wurden. Ein
Untreueverdacht gegen den Referatsleiter Lingen spiele
dabei keine Rolle.
6961
Das Disziplinarverfahren ist bis
zum Abschluss der Beweisaufnahme des Untersuchungs-
ausschusses nicht abgeschlossen worden.
d) Weitere Umsetzungen und Disziplinarver-
fahren
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, auch gegen den Refe-
ratsgruppenleiter und den Abteilungsleiter seien Diszipli-
narverfahren eingeleitet worden wegen des Vorwurfs,
diese hätten gewusst, dass Akten vernichtet wurden, aber
nicht im Zeitraum vor Anordnung der Vernichtung, son-
dern danach. Referatsleiter Lingen vertrete die Auffas-
sung, bereits aufgrund seiner an den Referatsgruppenleiter
und den Abteilungsleiter versandten E-Mail hätten diese
wissen müssen, dass er am 11. November 2011 die Akten
vernichtet habe. Hätten der Referatsgruppenleiter und der
Abteilungleiter hiervon Kenntnis gehabt, dann hätten
diese nach Einschätzung der Amtsleitung auch die Pflicht
gehabt, diese zu informieren und keine monatelange Be-
richterstattung zuzulassen, die diesen Umstand verbrä-
me.
6962
In seinem ergänzenden Bericht hat der Sonderbeauftragte
Engelke ausgeführt:
6957) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.
6958) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 18.
6959) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 53.
6960) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 53.
6961) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 20.
6962) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 20.
„Gegen den Referatsgruppenleiter und den Abtei-
lungsleiter sind Disziplinarverfahren eingeleitet
worden, in denen ihnen namentlich die Vernach-
lässigung ihrer Aufsichtspflichten als Vorgesetzte
vorgeworfen worden ist.“6963
Mit dieser Begründung wurden die beiden damaligen
Vorgesetzten des Referatsleiters – der Abteilungsleiter
und der Referatsgruppenleiter – auch von ihren bisherigen
Aufgaben entbunden und umgesetzt. Das Oberverwal-
tungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in zwei Beschlüs-
sen vom 28. Juni 2013 in den einstweiligen Rechtschutz-
verfahren dieser Vorgesetzten dem BfV im Wege der
einstweiligen Anordnung auferlegt, den Abteilungsleiter
sowie den Referatsgruppenleiter vorläufig, d. h. bis zur
Entscheidung in der Hauptsache, auf die von ihnen bei
Aufdeckung der Aktenvernichtung innegehabten Dienst-
posten rückumzusetzen. Zur Begründung hat das OVG
Nordrhein-Westfalen in beiden Verfahren ausgeführt,
dass der Entzug des bisherigen Aufgabenbereichs der
Vorgesetzten des Referatsleiters materiell rechtswidrig
gewesen und deshalb rückgängig zu machen sei.
6964
Der
Senat habe nach Auswertung des Verfahrensvorbringens
der Beteiligten und der Beiakten, namentlich der vom
BfV vorgelegten Disziplinarvorgänge, die Überzeugung
gewonnen, dass die Gründe, auf welches das BfV die
Umsetzung stütze, offensichtlich jeglicher Grundlage
entbehrten.
6965
Dafür, dass diesen die Aktenvernichtung
vor deren Aufdeckung Ende Juni 2012 bekannt geworden
seien, bestünden offensichtlich keinerlei Anhaltspunk-
te.
6966
Ersichtlich nicht berechtigt sei auch der Vorwurf,
die Antragsteller seien ihren dienstlichen Aufgaben durch
unzureichende Steuerung, Kontrolle und Eigeninitiative
im Zusammenhang mit dem Prüfauftrag der Amtsleitung
vom November 2011 nicht nachgekommen und hätten
ihre Aufsichtspflichten vernachlässigt.
6967
Nach Angaben des Zeugen Engelke habe es bislang an
zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für den Ver-
dacht eines Dienstvergehens gegen weitere mit der Ak-
tenvernichtung befasste Personen gefehlt.
Die mit der physischen Vernichtung betraute Tarifbe-
schäftigte N. und der Beamte des mittleren Dienstes B.
6963) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 18.
6964) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,
Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 6; OVG NW, Be-
schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-
2/10c, Bl. 6.
6965) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,
Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 8; OVG NW, Be-
schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-
2/10c, Bl. 8.
6966) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,
Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 10; OVG NW, Be-
schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-
2/10c, Bl. 10.
6967) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,
Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 14; OVG NW, Be-
schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-
2/10c, Bl. 14.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 787 – Drucksache 17/14600
hätten die Anordnung eines Regierungsdirektors umge-
setzt. Beide hätten keine Prüfungspflicht hinsichtlich der
materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung gehabt,
gleichwohl aber Bedenken hinsichtlich einer Vernichtung
zum damaligen Zeitpunkt.
Zwar seien die verpflichtenden Formalien nicht eingehal-
ten worden. Die Tatsache, dass noch ein weiterer Ordner
nach dem 11. November 2011 gefunden worden sei, lasse
darauf schließen, dass die Akten am 11. November 2011
nicht auf Vollständigkeit geprüft worden seien. Auch sei
keine neue Vernichtungsverhandlung erstellt worden nach
der lediglich mündlichen Anordnung der weiteren Ver-
nichtung durch den Referatsleiter, sondern ein zusätzli-
ches Anlageblatt. Zu Gunsten der Mitarbeiterin sei aber
berücksichtigt worden, dass sie ihre Fehler in der Zeu-
genvernehmung umfassend eingeräumt und so wesentlich
zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen habe.
6968
Der Sonderbeauftragte Engelke hat weiter dargelegt, dass
gegen den Referatsleiter des Nachbarreferats, in dessen
Zuständigkeitsbereich sechs der sieben vernichteten Be-
schaffungsakten fielen, der Vorwurf zu erheben sein kön-
ne, dass er sich nicht selbst für zuständig erklärte und die
materiellen Voraussetzungen nachprüfte. Allerdings habe
nicht er, sondern der Referatsleiter Lingen vom Gruppen-
leiter den Auftrag gehabt, nach den Namen Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe zu suchen. Er habe auch dem an-
ordnenden Referatsleiter vertraut, der sein Amtsvorgänger
und zudem stellvertretender Gruppenleiter gewesen
sei.
6969
Die Disziplinarverfahren sind bis zum Ende der
Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses nicht
abgeschlossen worden.
7. Ermittlungsverfahren
Die Staatsanwaltschaft Köln hat im Zusammenhang mit
der Aktenvernichtung am 11. November 2011 14 Strafan-
zeigen bearbeitet. Ausweislich der Abschlussverfügung
vom 12. Juni 2013 hat sie die Aufnahme förmlicher Er-
mittlungen mangels Anfangsverdachtes eines strafrecht-
lich relevanten Handelns des ehemaligen Präsidenten des
BfV oder Dritter gemäß §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 2 der
Strafprozessordnung (StPO) abgelehnt. Insbesondere sieht
die Staatsanwaltschaft Köln keine zureichenden tatsächli-
chen Anhaltspunkte für die Annahme, die die Verwirkli-
chung der Straftaten der Strafvereitelung gemäß § 258 des
Strafgesetzbuchs (StGB), der Urkundenunterdrückung
gemäß § 174 StGB oder des Verwahrungsbruchs gemäß
§ 133 StGB nahelegen.
Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme,
durch die Aktenvernichtung vom 11. November 2011
habe eine strafrechtlich relevante Verstrickung des BfV
oder sonstiger staatlicher Stellen in die Machenschaften
des NSU vertuscht werden sollen (eine Straftat, deren
6968) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 17.
6969) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 17.
Verfolgung gemäß § 258 StGB hätte vereitelt werden
können) hat die Staatsanwaltschaft Köln nicht gewonnen.
Sie begründet dies damit, dass – auf den Sachinhalt bezo-
gen – von einer nahezu vollständigen Rekonstruktion der
vernichteten Akten auszugehen sei.
6970
Aus den rekonstru-
ierten Akten hätten sich aber weder Hinweise auf Perso-
nen, die dem NSU zuzurechnen seien, noch auf Sachver-
halte, die in einem engeren Zusammenhang mit dem NSU
stünden, ergeben.
6971
Hinsichtlich der Motivlage des Re-
feratsleiters zur Aktenvernichtung folgt die Staatsanwalt-
schaft Köln den Angaben des Sonderbeauftragten des
BMI, Engelke, der Referatsleiter habe sich „unnütze“
Arbeit ersparen wollen. Dass mit der Vernichtungsaktion
tatsächlich nur die Bereinigung des Aktenbestandes im
Vordergrund gestanden habe, hält sie auch augrund der
weiteren Umstände der Vernichtung (zutreffend datierter
schriftlicher Vernichtungsauftrag und Ausnahme der
Vernichtung der Sachakten von der Vernichtung) für
naheliegend.
6972
Einen Anfangsverdacht der Urkundenunterdrückung
gemäß § 274 StGB verneint die Staatsanwaltschaft Köln
zum einen mit der Begründung, es fehle hierfür in tatsäch-
licher Hinsicht an zureichenden Anhaltspunkten für eine
zu verdeckende Straftat. Zum anderen setze eine Strafbar-
keit nach § 274 StGB rechtlich die Absicht des Täters
voraus, einem anderen Nachteil zuzufügen, wobei das bei
Unterstellung eines Vertuschungszenarios anzunehmende
Ziel der Vereitelung staatlicher Strafverfolgung gerade
nicht als solcher Nachteil anzusehen sei. Dass mit der
Vernichtung der Unterlagen in sonstiger Hinsicht eine wie
auch immer geartete Beweissituation zu Lasten Dritter
hätte manipuliert oder vereitelt werden sollen, sei nicht
erkennbar.
6973
Einen Anfangsverdacht des Verwahrungsbruchs gemäß
§ 133 StGB hat die Staatsanwaltschaft Köln mit der Be-
gründung verneint, es sei keine Vernichtung entgegen
geltender Aufbewahrungsbestimmungen veranlasst wor-
den.
6974
8. Weitere Aktenvernichtungen nach dem
4. November 2011
a) Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtun-
gen im BfV
Der Zeuge Engelke hat angegeben, das BfV habe von
weiteren Aktenvernichtungen im BfV erst im Nachgang
zu Aktenfunden im LfV Sachsen, welche am 11. Juli
6970) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT A
BfV-2/10a, Bl. 8.
6971) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT A
BfV-2/10a, Bl. 8.
6972) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT A
BfV-2/10a, Bl. 9.
6973) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT B
BfV-2/10a, Bl. 10 f.
6974) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT B
BfV-2/10a, Bl. 10 ff.
Drucksache 17/14600 – 788 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2012 zum Rücktritt des dortigen Präsidenten des LfV,
Boos, geführt haben, erfahren. Er hat ausgeführt:
„Der Präsident des sächsischen Landesamtes,
Boos, bat um seine Umsetzung, weil in seinem
Amt Akten gefunden wurden, die nach seiner Auf-
fassung schon längst hätten vernichtet werden
müssen möglicherweise, da sie aber da waren, dem
dortigen Untersuchungsausschuss hätten vorgelegt
werden müssen. Und Presseberichten - das waren
die ersten Nachrichten, die uns erreichten - sei zu
entnehmen gewesen, dass es sich um Unterlagen
des BfV gehandelt habe.“6975
Daraufhin habe man im BfV nachgefragt
„was das BfV aber von sich aus auch schon unter-
sucht hatte -: Was sind denn das für Unterlagen?
Dann stellte sich raus: Das sind Unterlagen, die zu
einer G-10-Maßnahme des BfV gehörten, was na-
türlich zu der Frage von uns führte: Und, sind die
bei euch auch noch vorhanden?“6976
Das BfV habe daraufhin mitgeteilt:
„Nein, diese Unterlagen - da gab es Unterlagen -
oder Teile dieser Unterlagen sind am 5. Dezember
vernichtet worden.“6977
Damit sei klar gewesen, dass es [2012] weitere Ak-
tenvernichtungen gegeben habe. Er habe dies zum
Anlass genommen, zu fragen:
„Jetzt würde ich gerne wissen als Untersuchungs-
beauftragter: […] In welchem Umfang sind eigent-
lich im BfV nach dem 4. November 2011 über-
haupt noch Akten aus dem Bereich rechts vernich-
tet worden? Das geschieht zunächst mal völlig
wertungsfrei. Ich würde jetzt einfach gerne den
Umfang kennenlernen. In welchem Umfang sind
da noch weitere Akten vernichtet worden?“
Er habe veranlasst:
„So, jetzt macht mal einen Gesamtschnitt: Was ist
nach dem 04.11. im Bereich rechts vernichtet wor-
den, völlig unabhängig, ob es aus eurer Meinung
irgendetwas mit NSU oder sonst wie zu tun hat?
Es mag auch Rechtsextremisten betreffen, die mit
Gewalt überhaupt nichts zu tun haben, die von je-
dem Untersuchungsgegenstand völlig weit entfernt
sind.“
Zu diesem Zeitpunkt habe auch bereits der Vizepräsident
des BfV angeordnet, den Gesamtumfang der Vernichtung
zu überprüfen.
6978
Zunächst habe man durch Einsichtnahme in die Zentral-
datei ermittelt, welche Akten vernichtet worden seien.
Man habe sich in der Zentralregistratur sämtliche Ver-
6975) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.
6976) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.
6977) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.
6978) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.
nichtungsprotokolle aus der Zeit angeschaut. Hierdurch
habe man die Aktenzeichen erfahren und sodann versucht,
herauszubekommen, was sich hinter diesen verberge.
6979
b) Umfang der Aktenvernichtung zwischen
dem 4. November 2011 und dem 4. Juli
2012
Das Ergebnis seiner Untersuchung sei, dass zwischen dem
4. November 2011 und dem 4. Juli 2012 (Aktenvernich-
tungsstopp) im BfV
– Anlagenordner zu 26 G 10-Maßnahmen aus dem
Bereich rechts vernichtet worden seien.
6980
Darüber
hinaus seien
– 94 Personenakten und acht Sachakten aus dem Be-
reich der „Auswertung“ und6981
– aus dem Bereich der „Beschaffung“ noch einmal
137 Akten der „Forschung und Werbung“ und 45
Akten zu Gewährspersonen
6982
vernichtet wurden.
Dies ergibt eine Gesamtsumme von 310 Akten, die – neben
der Aktenvernichtung am 11. November 2011 – zwischen
dem 4. November 2011 und dem 4. Juli 2012 – dem Ak-
tenvernichtungstopp im BfV – vernichtet wurden.
Vom Gesamtumfang der weiteren Aktenvernichtungen
habe er erstmals im Verlauf des August 2012 Kenntnis
erlangt.
6983
Am Rande eines Gesprächs habe er den
Staatssekretär im BMI, Fritsche, darüber informiert, dass
deutlich mehr Akten vernichtet worden seien, als zu die-
sem Zeitpunkt bekannt.
6984
Über die genauen Zahlen habe
er Staatssekretär Fritsche jedoch sicherlich nicht infor-
miert.
6985
c) Verlauf der Untersuchung
Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er habe von Staatssek-
retär Fritsche nach Bekanntwerden des Umfgangs der
weiteren Aktenvernichtungen nach dem 4. November
2011 keine speziellen Anordnungen zum Umfang seiner
weiteren Prüfung erhalten:
„Er hat - das kann ich mit Fug und Recht sagen -
einen großen Bogen um die Art und Weise ge-
macht, wie ich diesen Auftrag erledige, weil er
immer gesagt hat: Sie sind hier der Sonderbeauf-
tragte, ob uns das sozusagen einer glaubt oder
6979) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.
6980) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87; Engelke-Bericht, MAT B
BfV-2/5 (offen), S. 6.
6981) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87; Engelke-Bericht, MAT B
BfV-2/5 (offen), S. 6.
6982) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87; Engelke-Bericht, MAT B
BfV-2/5 (offen), S. 6.
6983) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.
6984) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.
6985) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 789 – Drucksache 17/14600
nicht. Machen Sie das. Machen Sie das unabhän-
gig. Machen Sie das, was Sie für richtig hal-
ten.“6986
Der Zeuge Engelke hat hervorgehoben, die Tatsache, dass
Akten aus dem Bereich „rechts“ vernichtet worden seien,
sei erst einmal nicht verdächtig.
6987
Die Löschung von
Daten und die daraus folgende Vernichtung von Akten sei
an sich nichts Vorwerfbares, sondern ein gesetzlich ge-
forderter, ganz normaler Vorgang. Es komme nur darauf
an, um welche Akten es sich handele und wie deren Inhal-
te seien.
6988
In einem zweiten Schritt habe er daher geklärt, ob der
Inhalt der so festgestellten vernichteten Unterlagen derge-
stalt gewesen sei, dass man sage:
„‚Der wäre aber besser für Ermittlungen im Zu-
sammenhang mit dem NSU noch da gewesen‘
oder: ‚Der gäbe sogar Hinweise darauf, dass hier
zielgerichtet auch solche Unterlagen vernichtet
worden seien, weil dort Inhalte seien, die man
nicht mehr in der Welt haben wollte‘?“6989
Der Zeuge Engelke hat erläutert:
Ich habe […] mir die Umstände erklären lassen,
wer eigentlich aufgrund welcher Rechtsgrundlage
in welchem Verfahren diese Akten gelöscht hat,
und habe umfangreiche Untersuchungen erbeten,
die auch durchgeführt wurden, was denn der Inhalt
sei, soweit er noch rekonstruierbar ist, und ob es
dort - in Anführungszeichen ‚Bezüge‘, ‚Querbezü-
ge‘ - wie auch immer -, ‚Verbindungen‘ gibt zu
Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, zum NSU, zu dem
Umfeld, und bin im Ergebnis zu der Auffassung
gelangt, dass die Vernichtungen aufgrund be-
stimmter Vernichtungsroutinen, gesetzlicher Vor-
schriften erfolgten, allerdings - und das würde ich
gerne, allerdings dann in eingestufter Sitzung,
noch mal näher erläutern - teilweise zu spät, teil-
weise nicht ganz gerade, aber im Ergebnis ohne
Vertuschungsabsicht, weil es dort irgendwelche
Inhalte gäbe, die aus der Welt zu schaffen gewesen
wären.“6990
d) Öffentliche Berichterstattung
Am 13. September 2012 berichtete das Magazin Stern,
dass am 14. November 2011 ein Sachbearbeiter im Bun-
desministerium des Innern, zuständig für Geheimschutz
im Referat ÖS III 3, einen vertraulichen „Vernichtungser-
lass“ an das BfV versendete. In dem Bericht heißt es:
„Akten zu Abhörmaßnahmen müssten vernichtet
werden, weil Löschungsfristen abgelaufen seien.
6986) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.
6987) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.
6988) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.
6989) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.
6990) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.
Die ‚Sammelanordnung‘ betrifft auch sechs Ord-
ner mit Abhörprotokollen von Rechtsextremisten.
[…] Am Tag, als das BfV eine ‚Lageorientierte
Sonderorganisation‘ (LoS) zur Aufklärung des
NSU-Komplexes ausruft - seine zweite in der Ge-
schichte nach den New Yorker Terroranschlägen
des 11. September -, schieben im Keller Sachbear-
beiter auf Befehl aus Berlin Unterlagen zu Rechts-
extremisten unbesehen in den Schredder. […]
Im Dezember löschen Verfassungsschützer weiter.
Am Tag, als im BfV neue Informationen zu einem
NSU-Helfer namens Jan W. eingehen – ‚Neu!
Nicht in der P-Akte!‘ -, schreddert der Verfas-
sungsschutz vier Abhörprotokolle und eine V-
Mann-Meldung über diesen Mann, der als Waf-
fenbeschaffer für die Zwickauer Nazis im Ver-
dacht steht. Im November und Dezember 2011
werden im BfV insgesamt 19 Ordner mit solchen
Beweisstücken vernichtet, alle aus dem Bereich
Rechtsextremismus.
Internen E-Mail-Protokollen zufolge diskutierten
Verfassungsschützer sogar noch im Februar 2012,
ob Informationen gegen den NSU-Helfer Thomas
S. gelöscht werden dürften, einen früheren Kopf
von ‚Blood & Honour‘. S. soll zu einer Zeit, da
Beate Zschäpe schon im Untergrund war, mit ihr
liiert gewesen sein.
Dabei hat das Bundeskriminalamt im Zuge der
NSU-Ermittlungen erst wenige Tage zuvor, am
25. Januar 2012, die Wohnung von S. durchsucht.
Ergebnis der Diskussion im BfV: Die aktuelle Per-
sonalakte zu dem Hardcore-Neonazi und mutmaß-
lichen Ex-Liebhaber von Zschäpe ‚ist zu lö-
schen‘.“6991
e) Ergebnis der Prüfung durch MinDirig En-
gelke
In seinem Bericht hat der Sonderbeauftragte des BMI,
MinDirig Engelke, ausgeführt, das Ergebnis seiner Über-
prüfung sei gewesen, dass die weiteren Vernichtungen
vom 4. November 2011 bis zum 4. Juli 2012
„als Ergebnis routinemäßig vorgenommener,
gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen“
durch
„verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Arbeitsbereiche ‚Auswertung‘ und ‚Beschaf-
fung‘ sowie des G 10-Bereiches“6992
vorgenommen worden seien.
Diese weiteren Aktenvernichtungen stünden in keinem
Zusammenhang mit den Aktenvernichtungen vom
11. November 2011.
6993
6991) Stern vom 13. September 2012, Operation „Konfetti“.
6992) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.
Drucksache 17/14600 – 790 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine Querverbindung zu Personen aus dem Umfeld des
NSU könne
„in den weitaus meisten Fällen“6994
ausgeschlossen werden.
In den Fällen, in denen Querbezüge zu Personen aus
dem NSU-Umfeld bestünden, lägen keine Anhalts-
punkte auf eine Verheimlichungsabsicht vor.
6995
Es habe keine gezielte „Löschaktion“ zur Vernichtung
möglicher Belege für Querverbindungen zum NSU-
Komplex gegeben. Dies bestätige auch ein Vergleich mit
Vernichtungen in anderen im BfV bearbeiteten
Phänomenbereichen bzw. mit Vernichtungen im Bereich
Rechtsextremismus in weiter zurückliegenden Vergleichs-
zeiträumen.
6996
Nach Angaben des Zeugen Engelke seien zu allen in sei-
nem Bericht aufgeführten Akten ordnungsgemäße Ver-
nichtungsprotokolle erstellt worden.
„Das war der Erstansatz, dass man sagt: Wir gu-
cken uns erstmal die Vernichtungsprotokolle an,
und dann gucken wir: ‚Was ist eigentlich vernich-
tet worden?‘. - Mir ist kein Fall bekannt, in dem es
kein Vernichtungsprotokoll gibt - mit einer Ein-
schränkung; der bezieht sich aber in dem ersten
Sachverhalt [Anm. die in Sachsen aufgefundenen
Akten].“6997
f) Vernichtung von 26 Anlagenordnern aus
dem G 10-Bereich
Die Grundlagen zur Führung von G 10-Akten im BfV und
deren Löschung wurden bereits oben
6998
dargestellt.
Der Zeuge Engelke hat hervorgehoben, dass in den 26
Fällen der vernichteten G 10-Akten allein die G 10-
Anlagenordner, nicht aber G 10-Fallakten vernichtet wor-
den seien. Die entsprechenden Fallakten seien noch vor-
handen. Er hat ausgeführt:
„In der Fallakte ist der Antrag unter anderem drin
und dann die Version, wie die G-10-Kommission
das gebilligt hat. Und alles, was sozusagen rele-
vant erscheint für die Beantragung einer G-10-
Maßnahme, langt nicht, wenn es in irgendeiner
Anlage steht. Die Anlage beweist, das es so
stimmt, wie man behauptet, wie man in dem Fließ-
text des Antrags behauptet. Und nochmal das Bei-
spiel: […] Wir glauben, dass er rechtsextremisti-
schen Tätigkeiten nachgeht, weil er in einem Flug-
blatt behauptet hat […]. Beweis: Das Flugblatt.
6993) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.
6994) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.
6995) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.
6996) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.
6997) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 102.
6998) Siehe oben K. I. 3. b) cc) sowie K. I. 3. c) cc).
Was jetzt weg ist, ist der Beweis, das Flugblatt.
Was noch da ist, ist der Antrag und die Genehmi-
gung durch die G-10-Kommission: Der Soundso
steht im Verdacht, zum bewaffneten Kampf aufzu-
rufen.“6999
Der Zeuge Engelke hat erklärt, jede einzelne der vernich-
teten Anlagen hätte zum Zeitpunkt ihrer Vernichtung
schon längst vernichtet sein müssen. Und dann seien
nochmals die Sammelanforderungen des BMI erfolgt.
7000
Die den Löschungen von Daten bzw. der Vernichtung von
Akten im BfV im Bereich Rechtsextremismus nach dem
4. November 2011 zugrunde liegenden Sammelerlasse
des BMI vom 30. März 2005, 21. Dezember 2006,
5. Januar 2010 und 14. November 2011 wurden dem
Untersuchungsausschuss im Dezember 2012 zur Verfü-
gung gestellt.
7001
Mit dem in der Presse erwähnten Erlass des BMI vom
14. November 2011 wurde die Vernichtung von sechs
G 10-Akten aus dem rechtsextremistischen Bereich ver-
fügt. Hierbei handelte es sich um AO 2000, AO 2009, AO
2010, AO 2011, AO 2014 und AO 2023.
7002
Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 übersandte das BMI
dem Ausschuss einen Bericht des BfV vom 16. Juli 2012,
in dem die Sachverhalte, die den Vernichtungsanordnun-
gen AO 2000, 2009, 2010, 2011, 2014, 2023 zugrunde
lagen, erläutert wurden. Das BfV teilte mit, aus diesen
gehe hervor, dass diese Vernichtungsanordnungen keine
Sachverhalte mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand
betroffen hätten.
7003
Nach Angaben von MinDirig Engelke erfolgte der Voll-
zug der Anordnung in diesen Fällen ohne inhaltliche
Prüfung.
7004
Niemand habe sich die Anlagen daraufhin
angeschaut, ob sich in diesen etwas befinde, was für die
BAO „Trio“ interessant sei.7005 Die für die Abarbeitung
der Vernichtungen im G 10-Bereich zuständige Mitarbei-
terin habe sich auch nie um die Inhalte der Akten ge-
kümmert und habe – wenn sie im Übrigen frei gewesen
sei und nichts zu tun gehabt habe, so viele Anlagenordner
wie möglich vernichtet.
7006
Ihm scheine durch das Verfahren und die Abläufe plausi-
bel:
6999) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 15.
7000) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 61.
7001) Siehe MAT A BMI-14.
7002) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
7003) Bericht des BfV vom 16. Juli 2012, MAT B BfV-4 (Tgb.-
Nr. 44/12 - GEHEIM), hier Anschreiben S. 1 (offen).
7004) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 55.
7005) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 55.
7006) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 61.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 791 – Drucksache 17/14600
„Da hat keiner reingeschaut. […] Das war der Feh-
ler. Aber ein gezieltes Vernichten – glaube ich
nicht.“7007
aa) Rechtsgrundlage
MinDirig Engelke hat die für die Vernichtung von G 10-
Akten und die G 10-Anlagenordner maßgebliche Vor-
schrift des § 4 G 10-Gesetz in seinem Bericht wie folgt
erläutert:
„So sind nach dem G-10-Gesetz erhobene Daten,
soweit sie nicht mehr zu den gesetzlichen Zwe-
cken bzw. zur Übermittlung an andere Stellen
benötigt werden, unverzüglich zu löschen. Die
Erforderlichkeit ist unverzüglich und sodann im
Abstand von sechs Monaten zu prüfen. Die Prü-
fung erfolgt durch die Fachabteilung, die Unterla-
gen sind nach dem Zweckwegfall an die G-10-
Stelle zu übersenden, wo sie gelöscht werden.
Über die Vernichtung wird eine Niederschrift ge-
fertigt.
Werden G-10-Daten an andere Stellen (z. B. LfV)
übermittelt, übernehmen diese die Prüf- und Lö-
schungspflichten. Das BfV ist über eine erfolgte
Löschung zu unterrichten bzw. die Unterlage ist
ihm zur Löschung zurückzusenden.
Die Datenlöschung unterbleibt, soweit Daten für
eine Mitteilung gegenüber dem Betroffenen oder
für eine gerichtliche Nachprüfung der Be-
schränkungsmaßnahme von Bedeutung sein kön-
nen. Dies betrifft die G-10-Verwaltungsvorgänge
(sog. Fallakten), die nach Beendigung der
Maßnahme ausschließlich den Zweck haben,
eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen.
Auch die Fallakte betreffend ist unverzüglich und
sodann im Sechs-Monats-Turnus zu prüfen, ob
eine Aufbewahrung noch erforderlich ist.
Die im BMI geführte Fallakte wird frühestens ein
Jahr nach positiver Mitteilungsentscheidung bzw.
fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahme bei
endgültig negativer Mitteilungsentscheidung ver-
nichtet, weil sie für eine gerichtliche Nachprüfung
der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaß-
nahme nicht mehr von Bedeutung ist.
Über die erfolgte Vernichtung, die im BMI bis-
her routinemäßig einmal jährlich auf ca. 100
Fallakten bezogen realisiert worden ist, erhält
die G-10-Stelle des BfV im Nachgang ein In-
formationsschreiben zur Unterstützung ihrer ei-
genen Prüf- und Vernichtungspflicht. Das BfV
fordert spätestens in diesem Zusammenhang alle
noch in den Fachabteilungen oder in den LfV vor-
handenen G-10-Stücke zurück.
7007) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.
Erst bei Austragung aller noch vorhandenen
Stücke aus den Nachweislisten kann die Ver-
nichtung erfolgen. Aus arbeitsökonomischen
Gründen - die endgültige Rückforderung der G-
10-Stücke ist sehr zeitintensiv - werden daher zu-
nächst die Anlagenordner des BMI vernichtet.
Die Fallakte wird zuletzt, d. h. nach definitiver
Vernichtung aller G-10-Stücke, vernichtet.“7008
Auf die Frage, ob er – vor dem Hintergrund, dass das
G 10-Gesetz den Hinweis enthalte, dass eine weitere
Aufbewahrung zu gewährleisten sei, wenn dritte Stellen
ein berechtigtes Interesse auf einen Zugriff auf die Unter-
lagen hätten – den Eindruck habe, das BfV habe rechts-
konform gehandelt, hat der Zeuge Engelke ausgesagt, er
habe den Eindruck, dass insoweit rechtmäßig verfahren
worden sei, als man sich die zu vernichtenden Unterlagen
angeschaut habe.
7009
Er sei zu der Überzeugung gekom-
men, dass man im BfV schon im November 2011 ange-
fangen habe, zu fragen, welche Unterlagen relevant für
die Untersuchung des NSU und des Umfeldes seien.
7010
Man habe dann gesagt:
„Nicht alle Unterlagen - was auch objektiv, glaube
ich, stimmt - im Bereich rechts haben aus unserer
Sicht Relevanz, vermutlich die allerwenigsten ha-
ben Relevanz für die Bezüge zum NSU.
Wir sind gesetzlich gehalten, Unterlagen zu ver-
nichten. Also, mal andersrum: Beispielsweise das
ausgesprochene Moratorium, zu sagen, man ver-
nichtet überhaupt keine Unterlagen mehr - was ich
ausdrücklich für richtig halte -, ist aber natürlich
auch rechtlich erst mal nicht ganz unbedenklich.
Wir hatten jedenfalls erst mal Prüfungsbedarf. Wir
haben gesagt: Kann man das einfach machen, Vor-
schriften des G-10-Gesetzes auszusetzen?
Und das war sicherlich die Einstellung der Mehr-
zahl der Mitarbeiter im BfV, zu sagen: Hier habe
ich eine Unterlage. Da weiß ich überhaupt nicht,
dass sie irgendwas zu tun haben könnte mit Ihrem
Untersuchungsgegenstand, mit dem Umfeld des
NSU, sodass, glaube ich, nicht ein Bewusstsein da-
für da - - dass diese Unterlagen möglicherweise
hätten aufbewahrt werden sollen, was im Nachhin-
ein besser gewesen wäre.“7011
bb) Querbezüge zum NSU
Der Zeuge Engelke hat angegeben, in einzelnen Fällen
habe er Querbezüge zum NSU gesehen. Er hat erläutert:
„Wenn ich sage, bei den vernichteten Unterlagen,
hier gibt es Querbezüge - oder wie auch immer -
zum NSU, meine ich: Da taucht irgendwie eine
Person auf, die auf dieser Hunderterliste verzeich-
7008) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 15.
7009) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 89.
7010) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.
7011) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.
Drucksache 17/14600 – 792 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
net ist, wobei ich gleich darauf hinweisen möchte:
Die Liste hatte auch schon mal 110 Personen, sie
hatte aber auch nur mal 40 Personen sozu-
sagen.“7012
Der Zeuge Engelke hat erläutert, er schließe nicht aus,
dass es in den vernichteten Akten möglicherweise einen
NSU-Bezug gibt.
„Also, ich kenne den Inhalt, der damals für rele-
vant erachtet wurde. Jetzt sage ich gar nicht, dass
es möglicherweise – dass H. [Anm. siehe zu AO
775, siehe unten] nichts mit NSU zu tun hat. Das
sage ich nicht; das habe ich auch nie gesagt. Ich
sage nur: Ich muss mir überlegen: Glaube ich, dass
jemand diesen Anlagenband deswegen vernichtet
hat, um einen Bezug zu H. zu vernichten, oder
dass er was mit der NSU zu tun hatte? – Das glau-
be ich nicht, weil der Inhalt ja noch da ist. Der ist
im Antrag aufgeführt.“7013
Er hat ergänzt:
„Ich sage nicht, dass da nicht irgendwie ein Inhalt
ist, wo man hinterher sagte: Das wäre aber interes-
sant gewesen; das hätte so nicht vernichtet werden
sollen. – Ich sage nur: Durch das Verfahren und
durch die Abläufe ist mir plausibel: Da hat keiner
reingeschaut. […] Das war der Fehler. Aber ein
gezieltes Vernichten – glaube ich nicht.“7014
cc) Im Ausschuss problematisierte Einzelfälle
aaa) AO 774
Die Vernichtung des Anlagenordners zur AO 774 erfolgte
am 5. Dezember 2011.
7015
Die Verfügung zur Vernichtung u. a. zur AO 774 erfolgte
mit Erlassen des BMI vom 4. Juli 2004 und vom 30. März
2005.
7016
Die AO 774 betraf folgenden Sachverhalt:
Das BfV richtete vom 9. Juni 1998 bis zum 30. April
1999 eine G 10-Maßnahme (AO 774) gegen Mitglieder
der neonazistischen Gruppe „Landser“. In diese war auch
eine Person einbezogen, die sich auf der Verdächtigenliste
des GBA zum NSU-Komplex befindet.
7017
Das LfV Sachsen habe im September 1998 aufgrund
quellengeschützter Hinweise des LfV Brandenburg, wo-
nach Jan Werner den Auftrag gehabt haben soll, für die
7012) Engelke, Protokoll-Nr. 34. S. 106.
7013) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 15.
7014) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.
7015) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.
7016) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.
7017) Bericht des BfV an das BMI vom 12. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 2.
drei Flüchtigen Waffen zu besorgen,
7018
erwogen, eine
eigene G 10-Maßnahme gegen Jan Werner zu schalten.
Nachdem verschiedene Hinweise auf eine Involvierung in
den Vertrieb strafbarer „Landser“-CDs aufgekommen
seien, sei im Oktober 1998 im Rahmen eines Gesprächs
zwischen dem LfV Sachsen und dem BfV die Einbezie-
hung in die AO 774 besprochen worden. Daraufhin habe
das LfV Sachsen von eigenen G 10-Maßnahmen gegen
den Betroffenen abgesehen. Die Begründung der Einbe-
ziehung in die AO 774 habe insofern nur auf den „Land-
ser“-Komplex abgestellt.7019
MinDirig Engelke hat in der Beratungssitzung des Aus-
schusses vom 19. Juli 2012 ausgeführt, im Zuge der Maß-
nahme AO 774 habe das LfV Sachsen vom Bundesamt
für Verfassungsschutz eine Vielzahl von Protokollen aus
Maßnahmen übersandt bekommen, die nach Einschätzung
der Bearbeiter im BfV auch für die Kollegen von Sachsen
zur Bearbeitung des Umfeldes „Landser“ hilfreich gewe-
sen seien. Die BfV-Unterlagen zu dieser Abhörmaßnahme
seien im BfV von April bis Juni 2002 nach den Vorschrif-
ten des G 10-Gesetzes ordnungsgemäß vernichtet worden.
Es habe fünf Stücke gegeben, die im Dezember 2005
vernichtet worden seien – diese seien damals für ein Be-
hördenzeugnis im Zusammenhang mit einem Strafverfah-
ren gegen „Landser“ benötigt, aber im Jahr 2005 auch
vernichtet worden.
7020
Das Prozedere nach dem G 10-Gesetz hat MinDirig En-
gelke in der Beratungssitzung des Ausschusses vom
19. Juli 2012 erläutert. Wenn das Bundesamt eine G 10-
Unterlage einem Landesamt zur Verfügung stelle, sei es
auch gehalten, sich weiter nach dem Verbleib dieser Un-
terlage zu erkundigen. Die letztliche Verantwortung, ob
die Unterlagen sachgemäß behandelt werden, obliege dem
Landesamt, dem sie übersandt wurde. Das BfV habe im
Jahr 1998 das Landesamt Sachsen zur Rückgabe der Un-
terlagen aufgefordert. Eine Erledigung sei daraufhin nicht
erfolgt. Im Zusammenhang mit dieser G 10-Maßnahme
seien auch zwei G 10-Protokolle an das LfV Thüringen
weitergeben worden, weil sich aus dem Kontext der Ge-
spräche der Verdacht ergeben habe, dass die Zielperson
tatsächlich ein konspiratives Versteck benutzt habe. Man
habe nur nicht gewusst, ob es ein konspiratives Versteck
für CDs gewesen sei oder vielleicht sogar ein Waffenver-
steck.
7021
Die beiden Protokolle befänden sich noch im Aktenbe-
stand der Abteilung 2 und hätten eigentlich nach den
G 10-Vorschriften bereits vernichtet werden müssen. Dies
7018) Siehe dazu oben E. III. 6. h).
7019) Bericht des BfV an das BMI vom 12. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 2 f.
7020) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 37.
7021) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 37.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 793 – Drucksache 17/14600
sei zwar insoweit problematisch, diene aber der Rekon-
struktion dessen, was übersandt worden sei.
7022
Laut dem vom BfV zu diesem Vorgang übersandten Be-
richt habe es den Verdacht auf ein konspiratives Versteck
eines Betroffenen der Beschränkungsmaßnahme im Groß-
raum Dresden gegeben. Es habe der Verdacht bestanden,
das Versteck könne die drei Flüchtigen beherbergen,
weshalb dem LfV unter dem Betreff „Fall ‚Drilling‘“
Auszüge aus zwei Protokollen übersandt worden seien.
7023
Das BfV hat mitgeteilt, dass dieser Hinweis aus der AO
774
„ausweislich eines Aktenvermerks des LfV Thü-
ringen zwar zeitnah an die Zielfahndung des LKA
Thüringen weitergeleitet [wurde] aber mit dem
Hinweis versehen, dass das Objekt ‚als Versteck
für CD-Lager benutzt wird und keine Exekutiv-
maßnahmen von Thüringen notwendig‘ seien.“7024
Nach Angaben des BfV sei die Vernichtung im Rahmen
eines routinemäßigen Vernichtungsverfahrens erfolgt.
7025
Die Fallakten der AO 774 seien noch im LfV Sachsen
vorhanden.
7026
bbb) AO 775
Am 7. Dezember 2011 wurde der Anlagenordener zur AO
775 vernichtet.
7027
Betroffener war u. a. eine weitere Person, die sich auf
einer Liste des GBA zum NSU-Komplex findet.
7028
Der Betroffene war von 24. Februar 1999 bis 27. Oktober
2000 sowie vom 24. Februar 2003 bis zum 24. August
2003 in die G 10-Anordnung 775 einbezogen.
7029
Auch zur AO 775 seien die Fallakten noch vollständig
vorhanden. Ausweislich dieser Fallakten ergäben sich aus
dieser G 10-Maßnahme keine Bezüge zum NSU-
Komplex.
7030
7022) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 37.
7023) Bericht des BfV an das BMI vom 12. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 2.
7024) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 11.
7025) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.
7026) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
7027) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
7028) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
7029) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
7030) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
Der Betroffene war zudem Betroffener der Anordnung
mit der Nr. 2018. Diese Akten seien noch vorhanden.
NSU-Bezüge seien ihr nicht zu entnehmen.
7031
dd) Zeitabstand zwischen Anordnung und
Vernichtung
Auffallend ist der häufig lange Zeitabstand zwischen
Vernichtungsanordnung und Löschung. So wurde der
Anlagenordner zur AO 774 am 5. Dezember 2012 ver-
nichtet,
7032
die Verfügung zur Vernichtung u. a. zur AO
774 erfolgte bereits mit Erlassen des BMI aus den Jahren
2004 und 2005.
7033
Der Zeuge Engelke hat dies damit begründet, dass es im
BfV im Verhältnis zu anderen Behörden Vollzugsschwie-
rigkeiten beim Vollzug von Löschungsverfügungen gebe.
Es dauere manchmal sehr lange, bis andere beteiligte
Behörden melden würden, dass sie ordnungsgemäß mit
den versandten Unterlagen umgegangen seien. Das führe
unter anderem auch dazu, dass Rückstände entstünden.
7034
Bei der Versendung von Akten gebe es einen Informati-
onsaustausch. Die informationsgebende Behörde habe
einen Anspruch darauf, dass die Behörde, die die Infor-
mation bekommen habe, nachweise, dass sie ordnungs-
gemäß mit der Information umgegangen sei.
7035
Die Behörde, an die etwa ein G 10-Protokoll versandt
wurde, müsse der Behörde, von der sie das Protokoll
erhalten habe, gegenüber dokumentieren, dass sie ord-
nungsgemäß vernichtet habe.
7036
Bei der Anordnung 774
habe dies beispielsweise nicht geklappt. Deswegen seien
auch im BfV noch die Anlagen vorhanden gewesen, weil
nie dokumentiert worden sei, dass die Unterlagen ord-
nungsgemäß vernichtet wurden.
7037
Er hat ausgeführt:
„Das sind Anlagenordner, die für das BMI ver-
wahrt werden. Die sind da vernichtet worden, lan-
ge nachdem das BMI deren Vernichtung angeord-
net hat. Das kann man erklären, wie das zustande
gekommen ist. Würde ich in eingestufter Sitzung
auch gerne tun; werde ich auch gerne tun. Aber
das war sicherlich nicht sauber. Das hätte man frü-
her machen können. Nur, ich weise darauf hin,
dann wäre das Ergebnis gewesen, dass die Unter-
lagen, über deren Vernichtung wir jetzt reden,
7031) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.
7032) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.
7033) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.
7034) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101 f.
7035) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 103.
7036) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 102.
7037) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 102.
Drucksache 17/14600 – 794 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
deutlich früher schon vernichtet gewesen wä-
ren.“7038
Ein Grund dafür, dass G 10-Unterlagen lange nicht ver-
nichtet worden seien, liege darin, dass es gesetzlich lange
keine Möglichkeit gegeben habe, endgültig von der Mit-
teilung an den Betroffenen abzusehen. Solange es die
Möglichkeit nicht gegeben habe, habe man gesagt, es
könne ja sein, dass irgendwann mal ein Betroffener eine
Mitteilung bekommen müsse. Wenn er diese bekommen
müsse, solle er die Möglichkeit erhalten, klageweise da-
gegen vorzugehen. Das könne er nur, wenn die Unterla-
gen noch vorhanden seien. Also seien alle Unterlagen
aufbewahrt worden. Und so seien
„große Berge an Rückständen entstanden, die sie
dann nicht zeitlich geschafft haben, abzuarbei-
ten.“7039
Der Zeuge Engelke hat diese Aussage präzisiert:
„Also da ist das System ja wie folgt: Vernichtet
wurden Anlagen zu G-10-Fallakten. Die eigentli-
chen G-10-Akten sind und werden im BfV geführt
und müssen nach bestimmten Fristen vernichtet
werden und gelöscht werden. Das sind sie auch.
Jetzt gibt es eine zweite Fallgruppe, die zeitlich
überhaupt nicht im Zusammenhang steht mit den
Geschehnissen hier. Es gibt auch noch, weil das
Verfahren so kompliziert ist, G 10, dass das BfV
praktisch einen Antrag stellen muss beim BMI.
Das BMI ist die anordnende Behörde eines G-10-
Antrages, und die legen ihn einfach der G-10-
Kommission vor. Also gibt es sozusagen eine
Doppelung der BfV-Vorgänge beim BMI. Da das
BMI nicht über ausreichende Räume verfügt, die
hinreichend gesichert sind, bittet es das BfV, die
G-10-Unterlagen in Köln zu lagern statt in Berlin
im BMI.
Die BfV-Akten sind hier gar nicht betroffen. Es
sind Anlagen zu BMI-Akten betroffen, die noch da
waren. Die Anlagen – sage ich immer in meiner
Argumentation -, da habe ich keinen Anhaltspunkt,
dass es die Vernichtung von Inhalten gab, weil die
Anlagen dokumentieren nur etwas, was im Antrag
beschrieben sein muss. Im Antrag steht: Ich möch-
te gerne eine Abhörmaßnahme bewilligt bekom-
men, weil ich dem das und das vorwerfe; der hat
nämlich das und das gemacht. Beweis – und dann
ist das eine Anlage. Aber der Tatbestand, was so-
zusagen verdachtsbegründend ist, das ist in dem
Antrag aufgeführt. Und diese Anlagenordner, die
waren in großem Umfang noch im BfV, die für das
BMI lagerten, vorhanden, obwohl sie eigentlich
längst hätten vernichtet werden müssen, weil es
schon lange Vernichtungsanordnungen gab. Da
hatten mir die Kollegen ja erklärt, sie sind mit dem
7038) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.
7039) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.
Vernichten dieser Anlagenbände nicht nachge-
kommen, insbesondere weil das BMI lange Jahre
davon abgesehen hat – die genauen Daten müsste
ich jetzt gucken -, Anlagenbände überhaupt zu
vernichten, weil es im Gesetz damals nicht die
Möglichkeit gab, davon endgültig abzusehen, dass
ein Betroffener von einer G-10-Maßnahme be-
nachrichtigt wird. – Ich weiß, das ist sehr kompli-
ziert. Wenn eine G-10-Maßnahme vorbei ist, wird
der Betroffene eigentlich informiert darüber.
[…] Und dann gab es jahrelang keine gesetzliche
Regelung, endgültig von einer Benachrichtigung
abzusehen. Deswegen hat man im BMI gesagt: Ir-
gendwann wird er vielleicht ja doch mal benach-
richtigt, und dann soll er Rechtsschutz haben und
die Möglichkeit haben und Einsicht nehmen kön-
nen. Deswegen bleiben die Unterlagen erst mal al-
le da. – Und so ist ein Riesenwust von Unterlagen
entstanden und hat sich angehäuft. Irgendwann hat
man dann gesagt: Die müssen irgendwann auch
mal vernichtet werden; die hätten ja schon lange
nicht mehr da sein müssen. – Und da ist eben das
vorgekommen, dass sozusagen bergeweise ver-
nichtet wurde, ohne noch mal in die Anlagen –
.“7040
Davon, dass dieser Stau entstanden sei, habe
„offensichtlich niemand im BMI, aber ganz sicher
die G-10-Kommission nichts gewusst.“7041
Der Zeuge Engelke hat die zeitliche Differenz zwischen
Anordnung und Vernichtung als „beklagenswert“ be-
zeichnet.
7042
Insoweit hat der Zeuge Engelke das Verfah-
ren als fehlerhaft benannt.
7043
Eine derartige zeitliche
Differenz zwischen Anordnung und Vernichtung habe er
aber nur in dem Bereich der Anlagen zu den 26 G 10-
Ordnern gesehen.
ee) Vernichtung von Ordnern aus verschiede-
nen Maßnahmen zum gleichen Zeitpunkt
Im Ausschuss ist thematisiert worden, wie es dazu habe
kommen können, dass G 10-Maßnahmen, die zu unter-
schiedlichen Zeiten durchgeführt wurden, am gleichen
Tage vernichtet werden. Konkret wurde das Beispiel der
Vernichtung von Anlagen zu G 10-Maßnahmen gegen
zwei Personen aus dem Jahr 2000 benannt, die beide V-
Personen von Verfassungsschutzbehörden der Länder im
Phänomenbereich Rechts waren. Die Anordnung der
Vernichtung zu einer Person erfolgte am 14. November
2011, die zu dem anderen Betroffenen am 21. Dezember
2006. Die Vernichtung zu beiden Fällen erfolgte am
7040) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 13-
14.
7041) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.
7041) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 14.
7042) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.
7043) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 795 – Drucksache 17/14600
25. April 2012, was der Zeuge Engelke ausdrücklich
bestätigt hat.
7044
Der Zeuge Engelke hat hierzu ausgesagt:
„Zwei verschiedene Sammelanordnungen, weil die
Kollegen im BMI immer gucken: Ist jetzt der Zeit-
punkt, wo ich sage, also aus G-10-Sicht sage: Ich
brauche die Maßnahmen nicht, die sind abge-
schlossen. Dann schreiben die Kollegen im BMI
den Kollegen im BfV diesen Erlass und sagen: Ihr
bewahrt diese Anlagenordner für uns auf. Aus un-
serer Sicht: Wir brauchen die nicht mehr. Die BfV-
Kollegen dürfen erst dann vernichten, wenn sie
den letzten sozusagen Zulieferungsnachweis wie-
derbekommen haben.
Und die Kollegin, mit der ich gesprochen habe, die
für die Abarbeitung dieser Anlagenrestanten zu-
ständig ist, hat sich nie um die Inhalte gekümmert
– aus den dargelegten Gründen – und einfach in
diesen Raum gegangen und hat, wenn sie im Übri-
gen frei war und nichts zu tun hatte, so viel wie
möglich Anlagenordner vernichtet, wie sie konnte.
[…] Aus meiner Sicht ist es erklärbar. Es ist ein
Zufall. […] Es war einfach ein Sammelverfahren.
Die haben nicht mehr geguckt, wann was vernich-
tet wurde bei den Anlagen.“7045
ff) Möglichkeit der Rekonstruktion von G 10-
Anlagenordnern?
Zu der Frage, ob die Rekonstruktion der G 10-
Anlagenordner möglich gewesen sei, hat der Zeuge En-
gelke in öffentlicher Sitzung keine Angaben gemacht.
7046
In eingestufter Sitzung hat der Zeuge Engelke dargelegt,
dass die Beweismittel selbst nicht mehr rekonstruierbar
seien:
„In den Anlagenordnern sind die Beweismittel do-
kumentiert und die müssen eben weg sein. Aber
das kann man eben nicht mehr rekonstruieren, weil
die sind nun mal weg.“7047
Soweit die G 10-Anlagenordner bezogen auf die sechs
Maßnahmen im Bereich Rechtsextremismus aus den
Akten der „Auswertung“ rekonstruiert werden konnten,
sind diese zusammen mit den G 10-Fallakten dem Aus-
schuss zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt worden.
7044) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 61.
7045) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.
7046) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.
7047) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.
g) Vernichtung von Personenakten aus dem
Bereich der „Auswertung“
aa) Rechtsgrundlage
Die Vernichtung sei „jeweils aufgrund gesetzlicher Vor-
schriften“ nach dem BVerfSchG erfolgt, wenn die Spei-
cherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgaben-
erfüllung des BfV nicht mehr erforderlich gewesen sei
(§ 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG).
Personenbezogene Daten im Bereich der „Auswertung“
sind spätestens nach zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der
letzten gespeicherten Information zu löschen, es sei denn,
es liegt ausnahmsweise eine andere Entscheidung der
Behördenleitung vor (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BVerfSchG).
7048
bb) Umfang und Rekonstruktion
Nach Angabe des Sonderbeauftragten ist keine konkrete
belastbare Aussage zu den Gründen für die Vernichtung
der einzelnen Akten möglich. Die Rekonstruktion der
Akten sei aus Mitarbeiterwissen und Eckdaten erfolgt.
7049
Zum Umfang der Vernichtung und der Möglichkeit der
Rekonstruktion hat der Sonderbeauftragte ausgeführt:
Es seien 94 P-Akten vernichtet worden, die man habe
teilrekonstruieren können.
Acht vernichtete S-Akten seien nicht rekonstruierbar.
Sieben dieser S-Akten wurden ab dem 17. Januar 2012
vernichtet, eine weitere am 2. Februar 2012.
Die S-Akten hätten Organisationen bzw. dazugehörige
Publikationen betroffen, die von 2000-2007 wegen Inak-
tivität aus der Liste der Beobachtungsobjekte gestrichen
wurden; Haupt- oder Nebenbetroffene der 100er-Liste
gebe es nicht. Eine inhaltliche Relevanz für den NSU-
Komplex wird vom Sonderbeauftragten ausgeschlos-
sen.
7050
Zu den teilrekonstruierten P-Akten hat der Sonderbeauf-
tragte bis auf drei Fälle keine Übereinstimmun-
gen/Querverbindungen zum NSU-Komplex gesehen.
Diese drei Fälle hätten sich auf Personenzusammenstel-
lungen, die dem GBA im Rahmen des Ermittlungsverfah-
rens übergeben worden seien, bezogen.
7051
Es seien Datensätze/Akten zu Thomas S., Juliane W. und
Hermann S. allein aufgrund einer Erkenntnisanfrage des
GBA erstellt worden. Nach abgeschlossener Recherche
seien die Datensätze und die dazugehörende DOMUS-
Akte wieder gelöscht worden. Der Untersuchungsaus-
7048) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 73.
7049) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 67 ff.
7050) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 71.
7051) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 68 ff.
Drucksache 17/14600 – 796 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schuss wurde über die aus datenschutzrechtlichen Grün-
den zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Löschung der
neu erstellten Personenakte Thomas S. durch Vorlage
eines Berichts des BfV unterrichtet.
7052
Die Erkenntnisan-
frage zu Thomas S. sei mit Schreiben vom 3. April 2012
an den GBA übermittelt worden. Sie habe überwiegend
Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz
enthalten, jedoch auch Erkenntnisse des BfV. Hierzu
hätten Erkenntnisse über das Ergebnis einer Sicherheits-
überprüfung gehört, die im Jahre 2009 seitens des BfV
anlässlich der Überprüfung S.s als Mitarbeiter eines ge-
heimschutzrelevanten Unternehmens durchgeführt wurde.
Diese wurden dem Untersuchungsausschuss zur Erledi-
gung des Beweisbeschlusses zu Erkenntniszusammenstel-
lungen zum „THS“ übersandt.
Zu Hermann S. hätten dem BfV keine eigenen Erkennt-
nisse vorgelegen. Telefonisch vom BKA mitgeteilte Er-
kenntnisse seien in einem Vermerk zusammengefasst
worden und dem Untersuchungsausschuss in der Erkennt-
niszusammenstellung zum Beweisbeschluss BfV-7 über-
mittelt worden.
Die dem GBA zu Juliane W. übermittelte Erkenntniszu-
sammenstellung habe lediglich Erkenntnisse der Landes-
ämter für Verfassungsschutz enthalten.
7053
In den übrigen Fällen seien vereinzelte Hinweise auf
Kontakte zu Personen aus der 100er-Liste vorhanden
gewesen.
Seit dem 26. Januar 2012 – dem Tag der Einsetzung des
Untersuchungssauschusses – seien noch 23 Personenakten
vernichtet worden. Diese Vernichtung sei korrespondie-
rend zur Dateilöschung nach § 12 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz
2 BVerfSchG erfolgt.
Vor dem 25. Januar 2012 seien insgesamt 71 P-Akten
vernichtet worden.
7054
Die entsprechenden Personen seien nicht mehr aktiv ge-
wesen.
Acht der Akten hätten gewaltbereiten, subkulturell ge-
prägten Rechtsextremismus betroffen, zu diesen hätten
aber seit fünf Jahren keine relevanten Erkenntnisse mehr
vorgelegen.
h) Vernichtung von Beschaffungsakten aus
dem Bereich Forschung und Werbung
Ab dem 29. Dezember 2011 seien insgesamt 137 Akten
aus dem Forschungs- und Werbungsbereich vernichtet
worden:
Dabei habe es sich im Einzelnen gehandelt um
7052) MAT A BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 74/12 - GEHEIM).
7053) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 73.
7054) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 70.
– Forschungs- und Werbungs-Vorgänge aus 1993-
1994.
Diese Forschungs- und Werbungsvorgänge aus 1993-
1994 seien nicht rekonstruierbar. Dass eine Rekonstrukti-
on dieser Akten nicht möglich sei, hat der Zeuge Engelke
noch einmal vor dem Ausschuss bestätigt.
7055
– Eine Fallakte 1994-2001,
– eine Fallakte 1994-2003.
Die Vernichtung sei parallel zur Löschung der NADIS-
Datensätze wegen fehlender Erforderlichkeit weiterer
Aufbewahrung erfolgt.
Am 8. Juni 2012 seien 18 Akten zu ehemaligen Gewährs-
personen der Abteilung 2 im BfV (Rechtsextremismus)
vernichtet worden. Hierbei habe es sich um Vorgänge aus
1993 bis 2009 gehandelt.
Am 21. Juni 2012 seien weitere 27 Akten zu Gewährsper-
sonen vernichtet worden, wobei Vorgänge aus 1993 bis
2009 betroffen gewesen seien.
Die Vernichtung sei aufgrund fehlender Erforderlichkeit
der weiteren Aufbewahrung erfolgt.
Es gebe keine Querverbindungen zum NSU.
Der Sonderbeauftragte hat eine Querverbindung der ver-
nichteten Akten aus dem Forschungs- und Werbungsbe-
reich zum NSU-Komplex aufgrund der Eckdaten: für
„hochgradig unwahrscheinlich“ gehalten:
– Eine Werbung von Mundlos, Böhnhardt oder Zschä-
pe vor 1995 sei ausgeschlossen, denn Werbungsmaß-
nahmen setzen eine Speicherung in NADIS voraus,
die bei den drei Personen erst 1995 erfolgt sei.
– Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe seien auch nicht
Gegenstand sonstiger Forschungs- und Werbungs-
maßnahmen nach 1995 gewesen.
– Aus den Maßnahmen gehe auch keine V-Person
hervor.
i) Vergleich der Aktenvernichtung im Bereich
Rechtsextremismus zu Vernichtungen in
anderen Phänomenbereichen
In seinem schriftlichen Bericht hat der Sonderbeauftragte
abschließend festgestellt, dass sich im Vergleich zur Lö-
schung in anderen Phänomenbereichen der Umfang der
Löschung im Bereich Rechtsextremismus vom November
2011 bis Juni 2012 im Vergleich zu den Vorjahren als
vergleichsweise gering darstelle.
7056
Zur Frage, ob die 310 vernichteten Akten im Rechtsex-
tremismus eine im Vergleich zu anderen Jahren oder Lö-
schungsaktionen überdurchschnittliche Zahl sei und wie
diese im Vergleich zu Aktenvernichtungen im Bereich
7055) Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 26.
7056) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 77 mit Verweis auf Anlagen 6 und 7.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 797 – Drucksache 17/14600
des Linksextremismus oder anderen Phänomenbereichen
zu sehen sei, hat der Zeuge Engelke ausgesagt:
„Details stehen in meinem eingestuften Bericht.
Aber als Grobaussage will ich mal sagen: Es ist
keine auffällig hohe Zahl - auch keine auffällig
niedrige, aber auch keine auffällig hohe - im Ver-
gleich zu denen. Ich habe die letzten drei Jahre für
den Bereich rechts erhoben. Es ist im Vergleich zu
den anderen Fachabteilungen - - gibt es auch kei-
nen auffälligen Befund. Die meisten Akten oder
Daten, die gelöscht werden, Akten, die dann ver-
nichtet wurden, solange es noch die Papierakte
gibt, sind im Bereich der Abteilung 4. Das liegt
aber daran, dass dort die Sicherheitsüberprüfungen
stattfinden. Das BfV unterstützt Behörden bei der
Sicherheitsüberprüfung von Personen, und das ist
ein Massengeschäft, in dem unglaublich viele Da-
ten einfach anfallen. Deswegen ist es immer so,
dass die meisten Daten in dem Bereich gelöscht
werden, die Akten vernichtet werden. Und für den
Bereich rechts kein auffälliger Befund in der
Zeit.“7057
Auf Nachfrage, wie sich der Vergleich zu anderen
Phänomenbereichen im Zeitraum November 2011 bis Juni
2012 dargestellt habe, hat der Zeuge Engelke erklärt:
„Ich habe keinen Run auf rechts festgestellt. Was
es gab - was wir schon mal erörtert hatten -, war
im Bereich G 10, Anlagen zu G 10. Da gab es da-
mals eine auffällige Häufung im Bereich Novem-
ber/Dezember für den Bereich rechts.“7058
In der Beratungssitzung des Untersuchungsausschusses
vom 19. Juli 2012, an der MinDirig Engelke - nicht als
Zeuge - einen ersten Bericht über den Zwischenstand
seiner Untersuchung erstattete, war erörtert worden, dass
es im November und Dezember 2011 19 vernichtete An-
lagenordner im Bereich des Rechtsextremismus gegeben
habe, hingegen keine Vernichtungen in den Bereichen
Spionageabwehr, Linksextremismus und Rechtsextre-
mismus.
7059
9. Empfehlungen des Sonderbeauftragten
des BMI, MinDirig Engelke
In seinem Bericht hat MinDirig Engelke darauf verwie-
sen, dass die berichtsgegenständlichen Vorgänge Sach-
verhalte betreffen, die teilweise mehrere Jahre zurücklie-
gen. Einige der deutlich gewordenen Probleme beträfen
die Behandlung der im BfV geführten Papierakten. Da
zwischenzeitlich weitgehend die elektronische Akte und
die elektronische Aktenführung eingeführt worden seien,
könnten einige der entstandenen Probleme nicht mehr
entstehen.
7060
7057) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 95; S. 110.
7058) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 95; S. 110.
7059) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 58
7060) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 7.
Aus der Untersuchung der Aktenvernichtungen ergeben
sich für den Sonderbeauftragten Engelke folgende Emp-
fehlungen:
„Es wird empfohlen, eindeutige gesetzliche und
interne Regelungen zu Aktenhaltung, -führung und -
vernichtung zu schaffen, die für die Bearbeiterinnen
und Bearbeiter verständlich und möglichst unkom-
pliziert handhabbar sein müssen. Die neu zu fas-
senden internen Regelungen sind dabei mit dem
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BfDI) abzustimmen.
Es wird darüber hinaus empfohlen, sämtliche Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter künftig verstärkt zu
diesen Themen zu schulen. Vorgesetzte müssen dazu
angehalten werden, die Überprüfung der Einhal-
tung der entsprechenden Vorschriften als wichti-
gen Teil ihrer Führungsfunktion wahrzuneh-
men.“7061
Der Zeuge Engelke hat vor dem Untersuchungssauschuss
ausgeführt, man könne sicher sagen, dass das Regelwerk
nicht durch den letzten Mitarbeiter/die letzte Mitarbeiterin
komplett „gelebt“ werde. Diesem Aspekt müsse künftig
mehr Wert beigemessen werden.
„Dies werde aber auch gerade konkret schon so
umgesetzt, weil wir ja auch nicht warten, bis ir-
gendwelche Erörterungen um sind. Das ist Teil des
Reformprogramms. Das beinhaltet verstärkte
Schulungen etc.“7062
Ergänzend hat er hinzugefügt:
„Wenn man sieht, was sozusagen die einzelnen
Kollegen an Anforderungen haben, muss man sa-
gen: Irgendwo priorisieren sie eben, und dann ist
das sozusagen - - Die Datenpflege war nicht die
höchste Priorität. Das kann man auch erklären. Es
sollte aber trotzdem im Ergebnis in der Zukunft
nicht so bleiben.“7063
Darüber hinaus hat er empfohlen, die interne Kontrolle zu
intensivieren, und dazu ausgeführt:
„Diese Kontrolle sollte sowohl innerhalb der Ar-
beitseinheiten durch Vorgesetzte als auch ‚ex-
tern‘ durch Stellen wie die Fachprüfgruppe für die
Beschaffung verstärkt werden.
Die Stellung des Datenschutzbeauftragten des BfV
sollte verstärkt werden, u. a. durch direkte Anbin-
dung an die Amtsleitung.“7064
Dass die Anordnung von Aktenvernichtungen im BfV auf
Referatsleiterebene erfolgt, hat der Zeuge Engelke nicht
kritisiert und ausgeführt:
7061) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 7.
7062) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 119.
7063) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 119.
7064) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 7.
Drucksache 17/14600 – 798 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Wenn Sie sehen, wie viele Daten in so einem La-
den anfallen – ja, wie hoch wollen wir noch ge-
hen? Das ist so.“7065
II. Erkenntnisse über das Aktenmanagement,
die Aufbewahrung und die Löschung von
Akten beim MAD
1. Aktenführung im MAD
In einem Bericht zur „Aktenführung im MAD“ vom
12. September 2012 hat der MAD Folgendes mitgeteilt:
Bis zum Jahr 2005 sei die Aktenführung in Papierform
erfolgt. Ab 2005 sei sie auf ein elektronisches Dokumen-
tenmanagementsystem im Rahmen der Fachanwendung
EXA 21 umgestellt worden. Alle laufenden nachrichten-
dienstlichen Operationen seien am 20. April 2005 in das
System EXA 21/DMS 21 überführt worden. Es gebe nur
wenige Papierdokumente, wie beispielsweise die Ver-
pflichtungserklärung eines V-Mannes, die zusätzlich zur
elektronischen Akte im Original archiviert würden. Per-
sonenbezogene Daten in Akten und Dateien dürften nur
solange gespeichert werden, wie sie zur Erfüllung der
Aufgaben erforderlich seien. Sodann seien sie zu löschen
bzw. zu vernichten. Diese Pflicht sei gem. § 6 Abs. 1
MADG i. V. m. § 10 BVerfSchG spätestens nach fünf
Jahren zu prüfen. Auf Grundlage des Bundesarchivgeset-
zes sowie einer zwischen dem Bundesarchiv und dem
MAD-Amt geschlossenen Vereinbarung vom 25. März
1999 würden Unterlagen von bleibendem Wert im MAD
so verwaltet, dass sie später dem Bundesar-
chiv/Militärarchiv übergeben werden könnten.
7066
Der Zeuge Brüsselbach hat dargelegt, dass hinsichtlich
der Aufbewahrung von Akten zwischen Quellenakten und
Verdachtsfallakten unterschieden werde. Quellenakten
würden so lange aufbewahrt, wie der Betroffene in der
Bundeswehr sei. Sie würden auch dann noch aufgehoben,
wenn der Einsatz der Quelle bereits abgelaufen sei. An-
ders werde bei Verdachtsfallakten verfahren. Diese wür-
den nach den Fristen von §§ 11 und 12 BVerfSchG ver-
nichtet.
7067
Der Zeuge Huth hat ergänzend ausgeführt,
dass es Praxis des MAD sei, bei festgestellten Extremis-
ten die Speicherbefugnis von zehn Jahren auszunutzen.
Diese Praxis sei insofern gerechtfertigt, als die Möglich-
keit bestünde, dass eine Person versuche, wieder in die
Armee zu kommen.
7068
Es bestehe aber auch keine Ver-
pflichtung, einen Vorgang zehn Jahre aufzubewahren.
7069
Wenn eine Person befragt werde und es werde festge-
stellt, dass es sich bei ihr nicht um einen Extremisten
handele, werde der Befragungsbericht dem Verfassungs-
7065) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 118.
7066) Bericht des MAD vom 12. September 2012, MAT B MAD-1,
Bl. 2-7 (VS-NfD).
7067) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 28.
7068) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 45.
7069) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 66.
schutz übermittelt und die Akte zu der Person werde ver-
nichtet.
7070
2. Aktenvernichtung im MAD nach dem
4. November 2011
Zu der Frage, inwieweit nach dem 4. November 2011
Akten des MAD zum Phänomenbereich Rechtsextremis-
mus vernichtet worden sind, hat das BMVg dem Aus-
schuss am 26. September 2012 einen Bericht des MAD
vorgelegt. Der MAD hat hierin mitgeteilt, dass seit dem
4. November 2011 im MAD siebzehn mit „VS-
VERTRAULICH“ eingestufte Akten zu diesem Bereich
vernichtet worden seien. Die Akten seien vor ihrer Ver-
nichtung/Löschung darauf geprüft worden, ob mögli-
cherweise Erkenntnisse zu Personen in den Akten enthal-
ten seien, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen
zum NSU stünden. Dies sei nicht der Fall gewesen. Bezü-
ge zum Untersuchungsgegenstand seien auszuschließen.
Unter den vernichteten Akten hätten sich keine Quellen-
akten befunden. Als Anlage hat der MAD dem Schreiben
eine tabellarische Auflistung beigefügt, aus der Aktentyp,
Inhalt und VS-Vernichtungsverhandlung zu entnehmen
sind. Zudem hat der MAD in dem Schreiben mitgeteilt,
dass er am 19. Juli 2012 die Bitte des Vorsitzenden des
2. Untersuchungsausschusses umgesetzt habe, vorläufig
von Aktenvernichtungen mit Bezug zum Rechtsextre-
mismus abzusehen.
7071
Zu dem Vorhalt, dass eine Auswerteakte zur „Fränkischen
Aktionsfront“ vernichtet worden sei, deren führender
Aktivist, Matthias F., sich auf der Adressliste befunden
habe, die in der Garage von Mundlos gefunden worden
sei, hat sich der Zeuge Christmann wie folgt geäußert:
„Wir mussten keineswegs davon ausgehen, dass
sie einen Bezug zum NSU-Komplex haben. Seit
November gab es Namen, gab es eine Fokus-
sierung auf Thüringen, und wir hätten niemals et-
was vernichtet, was uns bekannt gewesen wäre als
damit in Verbindung stehend. Wir haben aber den
allgemeinen Bereich Rechtsextremismus nicht als
NSU-Bezug gesehen. Und daher gab es auch keine
Anweisung, nichts mehr aus dem Bereich Rechts-
extremismus zu vernichten, bis jetzt im Sommer,
sondern für uns bedeutet NSU die Personen, die
uns als im Ermittlungszusammenhang stehend be-
nannt werden, und das, was uns bis zu dem Zeit-
punkt, wo eine Überprüfung der vorhandenen Un-
terlagen, die für unsere Aufgabenerfüllung nicht
mehr vorhanden sein mussten und durften, bekannt
war.“
Zudem hat der Zeuge erklärt, dass es sich bei den Unter-
lagen um Hintergrundinformationen gehandelt habe, die
aus Informationen anderer Behörden zusammengestellt
worden seien. Wenn eine Auswerteakte zu einem be-
7070) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 44.
7071) Schreiben des MAD vom 24. September 2012, MAT B MAD-
1/1, Bl. 1-6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 799 – Drucksache 17/14600
stimmten Thema im MAD existiere, seien dies Hinter-
grundinformationen, die nicht MAD-exklusiv seien.
7072
Zu der Frage, ob vor der Vernichtung eine inhaltliche
Prüfung stattgefunden hat, hat sich der Zeuge Christmann
wie folgt geäußert:
„Das kann ich sagen; denn es gab die Anweisung
von mir, seit November laufend: Wenn noch etwas
zu vernichten ist - […] -, jedes Mal zu prüfen, ob
die Inhalte für Anfragen anderer Behörden oder
dann halt auch für den U-Ausschuss relevant
sind. - Und wenn das der Fall gewesen wäre, dann
wäre das nicht vernichtet worden.“7073
Er persönlich habe nicht jedes einzelne Dokument gesich-
tet, bevor es vernichtet worden sei. Bei den vernichteten
Akten handele es sich um eine OP-Akte zu einer Ver-
dachtsperson und ansonsten um Hintergrundinformatio-
nen.
7074
Auf Nachfrage hat der Zeuge eingeräumt, dass zu
Akten mit einer Einstufung als VS-NfD oder geringer
keine Vernichtungsverhandlungen geführt würden. Aller-
dings würden Akten zu Verdachtspersonen seit 2006 nur
noch als elektronische Akten geführt, bei denen protokol-
liert werde, wenn etwas gelöscht werde.
7075
Der Zeuge Brüsselbach hat zur Frage der Aktenvernich-
tung im MAD ausgeführt:
„Ich hatte im November/Dezember angewiesen,
alle Akten, die wir noch besaßen aus jener Zeit,
daraufhin durchzusehen, ob es einen Bezug zum
NSU gibt und den relevanten Personen, was ja
fortdauernde Durchgänge verursachte; denn je
mehr Namen uns erreichten als Anfragen, ohne
dass wir den Hintergrund kannten, desto öfter
mussten wir nachschauen in diesen Akten. Und ich
hatte sehr schnell angewiesen, keinerlei Akten -
das mögen Sie mir vorhalten - in irgendeinem Zu-
sammenhang mit dem NSU, seinen Taten und den
Personen, die uns von anderer Seite genannt wur-
den, zu vernichten. Und der Abteilungsleiter II, der
Herr Christmann, hat mir mehrfach versichert,
dass dem nachgekommen wird.“7076
Zu der Frage, warum er kein generelles Moratorium zur
Vernichtung von Akten aus dem Phänomenbereich
Rechtsextremismus angeordnet habe, hat er erklärt:
„Ich war mir sicher - das mögen Sie mir nachse-
hen, Frau Abgeordnete -, dass mit meiner Weisung
und dem immer wieder neuen Nachschauen, also
mit dem jeweils neuesten Stand, in unseren Akten
dort nichts vernichtet werden würde, was in die-
sem Zusammenhang relevant werden könnte.“7077
7072) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 94.
7073) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 93, 94.
7074) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 98.
7075) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 99.
7076) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 21.
7077) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 22.
Der Zeuge Dr. Gramm hat zu der Frage der Aktenver-
nichtung angegeben, das BMVg habe von einer schriftli-
chen Weisung zunächst einmal abgesehen, weil es ihm
selbstverständlich erschienen sei, dass keine Akten mit
einem möglichen Bezug zum Untersuchungsgegenstand
mehr vernichtet würden. Aufgrund der gesetzlichen Ver-
nichtungsvorschriften bringe der Vernichtungsstopp das
Amt jedoch in Verlegenheit.
„Wir behelfen uns da, ehrlich gesagt, mit so einer
Art Eisschranklösung, indem wir sicherstellen,
dass auf diese Akten kein Zugriff mehr erfolgen
kann, dass sie aber auch nicht vernichtet werden.
Letztendlich müssen sie aber irgendwann vernich-
tet werden, und zwar – aus meiner persönlichen
Sicht – rechtlich zwingend dann, wenn der Unter-
suchungsausschuss beendet ist, also mit dem Ende
der Legislaturperiode.“7078
Auf Bitten des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsaus-
schusses gebe es nun einen Vernichtungsstopp. Der MAD
habe ihm versichert, dass seit diesem Zeitpunkt keine
Akten mehr vernichtet worden seien. Im Vorfeld der
Sitzung sei der MAD angewiesen worden, zu überprüfen,
ob die bereits vernichteten Teilakten rekonstruiert werden
könnten. Dies sei abschlägig beschieden worden.
7079
3. Vernichtung der MAD-Akte Mundlos im
MAD
Zu welchem Zeitpunkt die MAD-Akte Mundlos vernich-
tet worden ist, konnte nicht mehr festgestellt werden. Der
Zeuge Dr. Gramm hat ausgeführt, dass die MAD-Akte
Mundlos bereits vor Jahren entsprechend den datenschutz-
rechtlichen Bestimmungen vernichtet worden sei. Der
Zeuge Christmann hat bestätigt, dass für Verdachtsperso-
nen-Akten, die lediglich VS-NfD eingestuft seien, keine
Vernichtungsverhandlungen geführt würden, sodass der
Zeitpunkt der Vernichtung nicht mehr ermittelbar sei.
7080
In seinem Schreiben vom 24. September 2012 hat der
Staatssekretär im BMVg Wolf Bezug auf den Datenaus-
zug aus der IT-Anwendung VERANDA genommen. Das
dort erwähnte letzte Änderungsdatum 11. Januar 2000
deute darauf hin, dass der Vorgang bzw. die OP-Akte
zwecks Wiedervorlage zu diesem Zeitpunkt noch existiert
habe und kurz darauf vernichtet worden sei.
7081
Weitere
Anhaltpunkte für den Zeitpunkt der Vernichtung des
MAD-Vorgangs Mundlos liegen dem Ausschuss nicht
vor.
7078) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 72.
7079) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 72.
7080) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 99.
7081) Schreiben des Staatssekretärs Wolf vom 24. September 2002,
MAT A BMVg-6/1, Bl. 4. Der Datenauszug aus der IT-
Anwendung ist dem Schreiben als Anlage 5 beigefügt (MAT A
BMVg-6/1, Bl. 76).
Drucksache 17/14600 – 800 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
III. Aktenvernichtung bei Berliner Behörden
1. Bekanntwerden der Aktenvernichtung
Im Verlauf des 15. Oktober 2012 wurden der Senator für
Inneres und Sport von Berlin, Bürgermeister Frank Hen-
kel und Staatssekretär Bernd Krömer durch die damalige
Leiterin der Verfassungsschutzabteilung, Claudia Schmid,
darüber informiert, dass es im Bereich der Verfassungs-
schutzabteilung im Sommer 2012 zu einer Vernichtung
von Akten gekommen sei, die eigentlich zur Archivierung
vorgesehen gewesen seien. Der Bundestagsuntersu-
chungsausschuss hat hiervon erst Anfang November 2012
erfahren.
7082
Hierzu hat der Zeuge Krömer vor dem Untersuchungsaus-
schuss bekundet:
„Am 15.10.2012 erfuhren Senator Henkel und ich
durch die damalige Abteilungsleiterin der Senats-
verwaltung für Inneres und Sport, Abteilung II,
dass Akten, die eigentlich in das Landesarchiv ge-
hen sollten, vernichtet worden sind. Nähere Anga-
ben zu Inhalt und Umfang der Akten konnte sie
zum damaligen Zeitpunkt nicht machen, sodass sie
angewiesen wurde, umgehend eine Prüfung zum
Inhalt und Umfang der Akten einzuleiten. Am
5. November 2012 lagen mir alle Unterlagen in
diesem Zusammenhang vor. Ich traf die Entschei-
dung, sowohl den Untersuchungsausschuss als
auch die Sprecher des zuständigen Ausschusses für
Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von
Berlin über die Aktenvernichtung zu informieren.
Hierzu telefonierte ich mit Ihnen, sehr geehrter
Herr Vorsitzender, und lud die Sprecher der Frak-
tionen des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und
Ordnung und des Verfassungsschutzausschusses
zu einem Gespräch ein und schilderte den Sach-
verhalt. Mit Schreiben vom 6. November 2012 ha-
be ich den Untersuchungsausschuss auch schrift-
lich über den Umfang der Aktenvernichtung in-
formiert. Eine Information in diesem Umfang war
am 15. Oktober 2012 noch nicht möglich. Zu die-
sem Zeitpunkt hätte ich nur sagen können, dass
Akten, die an das Landesarchiv gehen sollten, ver-
nichtet worden sind. Eine solche Information hätte
jedoch Spekulationen Tür und Tor geöffnet, sodass
wir zunächst verwaltungsintern den Sachverhalt
aufgeklärt haben.“7083
Eine erste schriftliche Unterrichtung des Untersuchungs-
ausschusses des Bundestags zu dem Vorfall erfolgte – wie
von dem Zeugen Krömer bekundet – mit Schreiben vom
6. November 2012.
7084
Mit Schreiben vom 9. November
2012, welches am 14. November 2012 im Sekretariat des
7082) Wortprotokoll des Verfassungsschutzausschusses des Berliner
Abgeordnetenhauses, MAT B BE-4, PDF-Bl. 7.
7083) Krömer, Protokoll-Nr. 66, S. 52.
7084) Schreiben des Staatssekretärs für Inneres von Berlin an den
Ausschussvorsitzenden vom 6. November 2012, MAT A BE-
3/2, Bl.1 f.
Untersuchungsausschusses einging,
7085
wurden die seit
dem 5. November 2012 durchgeführten Maßnahmen des
Sonderermittlers Feuerberg dargestellt; die in dem
Schreiben dargestellten Erkenntnisse entsprachen bereits
in weiten Teilen denjenigen Erkenntnissen, die auch im
späteren Feuerberg-Bericht dargestellt werden. Ebenfalls
am 9. November 2012 nahmen der Senator für Inneres
und Sport von Berlin, Henkel, die Leiterin der Abteilung
für Verfassungsschutz, Schmid, sowie der Sonderermittler
Feuerberg an einer Sitzung des Ausschusses für Verfas-
sungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin teil, in
der der Vorgang erörtert wurde.
7086
2. Untersuchungen durch OStA Feuerberg
hierzu
a) Einsetzung des Sonderermittlers Feuer-
berg durch den Senator für Inneres und
Sport des Landes Berlin
Der Berliner Oberstaatsanwalt Feuerberg, der mit Wir-
kung vom 1. Oktober 2012 durch den Senator für Inneres
und Sport des Landes Berlin, Bürgermeister Frank Hen-
kel, zunächst zur Untersuchung des bereits im Abschnitt
D.IV.1. dargestellten Sachverhalts im Zusammenhang mit
der beim LKA Berlin geführten VP 562 eingesetzt wor-
den war, untersuchte im Rahmen seines Auftrags eben-
falls den im Oktober 2012 bekannt gewordenen Vorfall
der Vernichtung von Akten beim Berliner Verfassungs-
schutz aus dem Sommer 2012. Der Sonderermittler war
von Anfang an – neben der Prüfung möglicher Fehler
rund um die Führung der VP 562 – damit beauftragt zu
prüfen, ob
„nach Aufdeckung der NSU-Verbrechen im Ve-
rantwortungsbereich der Senatsverwaltung für In-
neres und Sport Fehler gemacht wurden.“7087
b) Akten der Gruppe „Landser“
Im Feuerberg-Bericht wird im Hinblick auf die Akten-
vernichtung der Akten bzgl. der Gruppe „Landser“ festge-
stellt, dass es sich im Wesentlichen um ein Versehen des
zuständigen Mitarbeiters gehandelt habe. Aus dem Feu-
erberg-Bericht ergibt sich die nachfolgende Chronolo-
gie
7088
:
„August bis Oktober 2009
Aussonderung der ‚Landser‘-Akten, da kein
dienstl. Bedarf mehr und Ablauf der Speiche-
rungsdauer
7085) Hierzu und im Folgenden: Schreiben der Senatsverwaltung für
Inneres an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschuss,
MAT B BE-3, Bl. 1 ff.
7086) Wortprotokoll des Verfassungsschutzausschusses des Berliner
Abgeordnetenhauses, MAT B BE-4, Bl. 3 ff.
7087) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 9.
7088) Feuerberg-Bericht, MAT A BE-6, Bl. 70 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 801 – Drucksache 17/14600
30. September 2011
Termin mit Mitarbeitern des Landesarchivs Ent-
scheidung, welche Akten archivierungswürdig sind
und Kennzeichnung auf dem Rücken der Stehord-
ner, wurde entsprechend auf einer Liste vermerkt,
Stehordner wurden in Kartons gepackt, die selbst
nicht gekennzeichnet waren – Entheftung der nicht
archivwürdigen Akten erfolgte zunächst nicht!
Verbringung der archivwürdigen und der nicht ar-
chivwürdigen Akten in einen Lagerraum, auf Wei-
sung des Geheimschutzbeauftragten Lagerung der
archivwürdigen Akten linksseitig der Tür, der zu
vernichtenden Akten rechtsseitig der Tür.
Oktober bis Dezember 2011:
Nacherfassung der archivwürdigen Akten im
EDV-System, da es sich um noch nicht erfasste
Altaktenbestände handelte, anschließend wurden
diese in die Kartons zurückgelegt.
Ab Dezember 2011 bis ca. Mai 2012:
Nachregistrierung der zur Vernichtung vorgesehe-
nen Akten – diese wurden danach nicht wieder in
die Kartons gelegt, sondern links hinter der Tür
des Raumes in drei Reihen hintereinander gesta-
pelt und sodann wie vorgesehen durch zwei Mitar-
beiterinnen vernichtet – entsprechend der Wei-
sungslage ohne Mitwirkung des Geheimschutzbe-
auftragten.
Ca. Mai/Juni 2012:
Geheimschutzbeauftragter stellt auf Grund des Be-
vorstehens eines mit der Bundesdruckerei verein-
barten Löschtermins fest, dass sich in dem Lager-
raum nicht entheftete Akten der Abteilung Rechts-
extremismus befinden (jedoch ohne Hinweis auf
die am 30. September 2011 erstellte Liste und oh-
ne Hinweis darauf, dass ggf. auch archivwürdige
Akten vorhanden sind). – er beklagt sich hierüber
bei dem Referatsleiter Rechtsextremismus, dieser
verspricht Abhilfe.
daraufhin:
Referatsleiter sah keinen Anlass zur näheren
Nachschau und heftete gemeinsam mit zwei Mit-
arbeitern sämtliche Aktenordner aus, die sich
linksseitig der Tür befanden – es ist unklar, ob es
sich um ein Missverständnis, einen Hörfehler, eine
erneute Umlagerung handelte – am ersten Tag war
man zu dritt tätig, an einem oder zwei weiteren
Tagen nahm der Referatsleiter allein die
Entheftung vor. Unsicher ist dabei, ob die Akten
der Gruppe ‚Landser‘ durch den Referatsleiter
selbst entheftet wurden oder durch einen der bei-
den weiteren Mitarbeiter am ersten Tag.
29. Juni 2012:
Abholung der enthefteten Akten und Vernich-
tung.“
c) Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“
Darüber hinaus wurde dargestellt, dass es bereits im Jahr
2010 zu einer Aktenvernichtung von Akten aus dem Be-
reich „Blood & Honour“ gekommen war.7089
3. Rekonstruktion der vernichteten Akten
und Information des Untersuchungsaus-
schusses hierüber
Mit Schreiben vom 16. April 2013 ist dem Untersu-
chungsausschuss der durch die Verfassungsschutzabtei-
lung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport von
Berlin erstellte Abschlussbericht zur Aktenrekonstruktion
vorgelegt worden.
7090
Aus dem Bericht geht hervor, dass
Akten aus den Bereichen „Blood & Honour“ und „Land-
ser“ zum Teil rekonstruiert werden konnten.
Bzgl. der Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“
konnten für den Zeitraum ab 2004 158 von 214 Doku-
menten rekonstruiert werden. Von den vor 2004 unter
dem Aktenzeichen „Rechtsextremistische Skinheads“ mit
Bezug zu „Blood & Honour“ gesammelten Akten konnten
insgesamt 63 Aktenstücke rekonstruiert werden, wobei
der genaue Umfang dieser Akten nicht mehr feststellbar
ist.
In insgesamt 32 Dokumenten fand sich ein Bezug zu
insgesamt sechs Personen, die auf der sog. 41er-Liste
verzeichnet sind. Zwei von diesen Personen wiederum
sind Beschuldigte im NSU-Ermittlungsverfahren des
Generalbundesanwalts. Die Namen Zschäpe, Böhnhardt
und Mundlos würden in keinem der Dokumente erwähnt.
Bzgl. der Akten aus dem Bereich „Landser“ konnten 20
Dokumente rekonstruiert werden. Hier fanden sich in
sechs Dokumenten Bezüge zu insgesamt drei Personen
aus der sog. 41er-Liste, nämlich zu Thorsten Heise, Tho-
mas Starke und Jan Werner.
IV. Löschung von Handy-Daten durch die
Bundespolizei auf Anweisung des BKA
Am 7. Dezember 2011 wurde ein bei dem Beschuldigten
André Eminger sichergestelltes Handy, Marke Sony
Ericsson, von einer Mitarbeiterin des BKA zur Dienststel-
le der Bundespolizei in Swisttal-Heimerzheim mit der
Bitte gebracht, den Inhalt dieses Handys lesbar zu machen
(physikalische Auswertung). Der Abteilungsleiter des
Mitarbeiters der Bundespolizei sagte, vom Generalbun-
desanwalt als Zeuge vernommen, über die anschließenden
Vorgänge bei der Bundespolizei Folgendes aus:
„Am Folgetag (8. Dezember 2011) erhielt ich die
Rückmeldung, dass der Auftrag erfüllt war, die
Daten jedoch gelöscht seien und entgegen dem
7089) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 75 f.
7090) Hierzu und im Folgenden: Abschlussbericht zur Rekonstruktion
der vernichteten Akten „Rechtsextremistische Skinheads“,
„BIood & Honour“ und „Landser“ vom 15. April 2013, MAT B
BE-7, Bl. 2 ff.
Drucksache 17/14600 – 802 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Üblichen nicht archiviert waren. Am Nachmittag
dieses Tages erhielt ich eine schriftliche Erklärung
des Mitarbeiters in Heimerzheim, dass die Daten
gelöscht und nicht mehr vorhanden seien. […] Da
dieses Prozedere nicht der üblichen Vorgehens-
weise entsprach, erteilte ich den Auftrag, die Fest-
platte des Arbeits-PCs des Mitarbeiters in Heim-
erzheim zu sichern. […] Ein Mitarbeiter des
Nachbarreferats, das den Sicherungsauftrag aus-
führen sollte, traf gegen 17.45 Uhr den Mitarbeiter
in seinem Büro an. Dabei sahen sie auf dem Bild-
schirm des PCs den Löschvorgang laufen. Dies
widersparch der Tatsache, dass bereits Stunden
zuvor durch denselben Mitarbeiter über den Refe-
ratsleiter mitgeteilt worden war, die Daten seien
bereits gelöscht. Die Mitarbeiter des Sicherungsre-
ferates nahmen sodann die Festplatte an sich und
es gelang ihnen, den Inhalt wieder sichtbar zu ma-
chen. […]
Ich habe daraufhin den Mitabeiter mit seinem
Dienstortleiter zu einem persönlichen Gespräch
mit mir und meinem Referatsleiter gebeten. […]
Auf Frage, weshalb er am 8. Dezember 2011 zu-
nächst der Wahrheit zuwider erklärt habe, die Da-
ten seien bereits gelöscht und weshalb er am
Nachmittag trotz des Wissens um die dienstlich er-
forderliche Redundanz tatsächlich die Löschung
durchgeführt habe, vermochte der Mitarbeiter kei-
ne plausible Antwort zu geben. Er hat vielmehr er-
klärt, das BKA habe um die sofortige Löschung
gebeten. […]
Am nächsten Tag meldete sich der Mitarbeiter […]
dienstunfähig krank und befindet sich noch heute
im Krankenstand.“7091
Das BKA hat dem Ausschuss folgenden Sachverhalt
mitgeteilt:
„Die gewonnenen Daten wurden [am 7. Dezember
2011 in Heimerzheim] auf zwei DVDs […] ge-
brannt. Mit Herrn B. [dem Mitarbeiter der Bundes-
polizei] wurde vereinbart, dass er die bei der Bun-
despolizei gespeicherten Daten löschen kann, so-
bald die Daten auf dem Datenspeichersystem von
KI 26 gesichert sind. Am 9. Dezember 11 gegen
9.00 Uhr wurden die von Herrn B. auf DVD gesi-
cherten Daten von der Mitarbeiterin des BKA in
das Datenspeichersystem ordnungsgemäß und oh-
ne technische Probleme kopiert und die DVD ver-
siegelt. Mit E-Mail vom 9. Dezember 2011, 09.17
Uhr wurde Herr B. von der Datensicherung infor-
miert und um Löschung der bei der Bundespolizei
gespeicherten Daten gebeten.“7092
7091) Vernehmungsprotokoll vom 23. Februar 2012, MAT B BKA-2,
Bl. 8 ff.
7092) Schreiben des BKA vom 29. Januar 2013, MAT B BKA-2,
Bl. 3 ff.
Die E-Mail vom 9. Dezember 2011, 9.17 Uhr, wurde dem
Ausschuss ebenfalls übersandt.
7093
Nicht aufklären ließ sich die Diskrepanz, warum der Mit-
arbeiter der Bundespolizei bereits am 8. Dezember 2011
die Löschung vorgenommen haben soll, obwohl er erst
am 9. Dezember 2011 hierzu vom BKA aufgefordert
wurde. Außerdem ist die dauerhafte Erkrankung des Mit-
arbeiters der Bundespolizei sowie die zwischen dem BKA
und der Bundespolizei unterschiedliche Vorgehensweise
bei der Löschung von Daten auffällig.
Das BKA stellte zusammenfassend fest:
– „Das BKA hat die Daten der fraglichen Mo-
biltelefone im Wege der Amtshilfe durch die
Bundespolizei auslesen bzw. untersuchen las-
sen, um die dort vorhandenen technischen
Möglichkeiten für eine zeitnahe Auswertung
zu nutzen.
– Hierbei sind keine Beweismittel verloren ge-
gangen oder gar unwiderbringlich vernichtet
worden.
– Sowohl die von der Bundespolizei für das
BKA ausgelesenen Daten als auch die ent-
sprechenden Mobiltelefone, die jederzeit
nochmals ausgelesen werden könnten, sind
beim BKA in unversehrter Form vorhanden.
– Die Aufforderung des BKA an die Bundespo-
lizei, die jeweiligen Datenkopien nach erfolg-
reicher Einspeisung in das BKA-System zu
löschen, entspricht auch aus Sicht des GBA
den Vorschriften der Amtshilfe und des Da-
tenschutzes.
– Die Daten wurden letztlich beim BKA umfas-
send ausgewertet und fanden Eingang in die
Ermittlungsakten des GBA.“7094
7093) Schreiben des BKA vom 29. Januar 2013, MAT B BKA-2,
Bl. 7.
7094) Schreiben des BKA vom 29. Januar 2013, MAT B BKA-2,
Bl. 3 ff., 6.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 803 – Drucksache 17/14600
L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem 4. November 2011
I. Maßnahmen des Bundes und der IMK
1. Maßnahmen zur besseren Vernetzung von
Polizei und Verfassungsschutz und zur
Kooperation von Bund und Ländern
a) Gemeinsames Abwehrzentrum gegen
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus
(GAR)
Das Konzept des „Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus“ (GAR) wurde vor
dem Hintergrund der Taten des NSU bzw. der Gescheh-
nisse vom 4. November 2011 und dem dazu bestehenden
Ermittlungsverfahren entwickelt.
7095
Die Errichtung des
GAR ist ein Vorschlag aus dem vom Bundesminister des
Innern bereits am 18. November 2011 als Konsequenz aus
dem Bekanntwerden der Terrorgruppe NSU vorgestellten
10-Punkte-Maßnahmen-Katalog. Am 16. Dezember 2011
wurde das GAR eröffnet und am 12. November 2012 als
Modul in das Gemeinsame Extremismus- und Terroris-
musabwehrzentrum (GETZ) integriert.
7096
Das GETZ soll die Kooperation zwischen Polizei und
Verfassungsschutz sowie zwischen Bund und Ländern in
den Phänomenbereichen Rechtsextremismus/-terrorismus,
Linksextremismus/-terrorismus, Ausländerextremismus,
Spionageabwehr und Proliferation bündeln. Ziel ist es, die
Fachexpertise der Behörden zusammenzuführen und
einen schnellen, möglichst lückenlosen Informationsfluss
zu gewährleisten. Beteiligt sind dabei
– Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Europol, Gene-
ralbundesanwalt, Zollkriminalamt,
– Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrich-
tendienst, Militärischer Abschirmdienst,
– Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundes-
amt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle,
– Landeskriminalämter sowie Landesverfas-
sungsschutzbehörden.
7097
Das GETZ soll dabei vor allem dem länder- und behör-
denübergreifenden Informationsaustausch, der Abstim-
mung gemeinsamer Konzepte und Maßnahmen sowie der
7095) BKA, Konzeption Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämp-
fung des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
30. November 2011, A-Drs. 502b, Bl. 12 ff. (14).
7096) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 3.
7097) Presseinformation des BfV zum Start des GETZ, Quelle:
http://www.bmi.bund.de.
engeren organisatorischen und persönlichen Vernetzung
dienen.
7098
Ein Mehrwert wird insbesondere hinsichtlich
der folgenden Themen erwartet:
– Optimierung des Informationsflusses zwischen Poli-
zei und Verfassungsschutz,
– optimierte Möglichkeiten des persönlichen Aus-
tauschs,
– Bündelung von Phänomenexpertise,
– Stärkung der Analysekompetenz,
– Früherkennung möglicher Bedrohungen,
– Erörterung operativer Maßnahmen.7099
Das Zentrum hat seine Arbeit am 15. November 2012
begonnen. Das BfV und das BKA haben die gemeinsame
Geschäftsführung am 1. Juli 2013 aufgenommen. Sitz des
GETZ sind Köln und Meckenheim.
7100
Das GETZ steht den Sicherheitsbehörden des Bundes und
der Länder als gemeinsame Informations- und Kommuni-
kationsplattform zur Verfügung.
7101
Die Zusammenarbeit
von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Stellen soll
durch feste Strukturen – die polizeiliche und die nachrich-
tendienstliche Informations- und Analysestelle
(PIAS/NIAS) als Untergremien des GAR – verbessert
werden.
7102
Die Behördenvertreter im GETZ kommen in
einem Plenum zusammen.
7103
Das Plenum tagt wöchent-
lich, um aktuelle Lagebesprechungen abzuhalten, die
Berichte der Arbeitsgruppen entgegenzunehmen und
deren Ergebnisse zu diskutieren. Arbeitsgruppen wurden
zu den Themen „Personenpotential“, „Fallanalyse“ und
„Gefährdungsbewertung“ gebildet.7104 In solchen Arbeits-
gruppen findet die konkrete Zusammenarbeit statt. Hier
wirken Experten aus Bund und Ländern mit, sodass ge-
sammeltes Fachwissen zur Verfügung steht.
7105
Die In-
7098) Beschlussniederschrift der gemeinsamen Sitzung des Arbeits-
kreises II und IV vom 3. Dezember 2012.
7099) Presseinformation des BfV zum Start des GETZ, Quelle:
http://www.bmi.bund.de.
7100) stern.de vom 15. November 2012, „Neues Sicherheitszentrum
GETZ in Köln eröffnet“.
7101) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 4.
7102) Gesamtkonzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten
Gewaltkriminalität -rechts-/des gewaltbereiten Rechtsextre-
mismus vom 10. Oktober 2012, A-Drs. 502a, Bl. 297 ff. (302).
7103) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (34).
7104) Beschlussniederschrift, Sondersitzung der AG Kripo (Tagung
169-2) am 2. Dezember 2011, TOP 4, A-Drs. 502a, Bl. 20.
7105) Beschlussniederschrift, Sondersitzung der AG Kripo (Tagung
169-2) am 2. Dezember 2011, TOP 4, A-Drs. 502a, Bl. 21.
Drucksache 17/14600 – 804 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
formationen und Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen
sollen zur sofortigen Umsetzung von operativen Maß-
nahmen genutzt werden.
7106
Innerhalb des Zentrums werden unter anderem einzelne
Projekte initiiert und koordiniert. Beispielsweise werden
nicht aufgeklärte Altfälle erneut mit dem Ziel überprüft,
eine möglicherweise zum NSU gleichgelagerte Mordserie
zu erkennen oder Taten im Nachhinein dem
Phänomenbereich PMK-rechts zuzuordnen.
7107
Als weite-
res Beispiel nennt das BMI die Überprüfung offener
Haftbefehle seit Anfang 2012, um Erkenntnisse über im
Untergrund lebende Personen zu gewinnen sowie Ansätze
für entsprechende Fahndungsmaßnahmen optimieren zu
können. Die für diese Analyse verwendeten Erfassungs-
kriterien und Erhebungsmethoden werden derzeit von
Bund und Ländern überprüft.
7108
Im Rahmen der
74. Tagung der Kommission Staatsschutz (KST) wurde
beschlossen, dass eine turnusgemäße Erhebung der offe-
nen Haftbefehle von Straftätern aus allen
Phänomenbereichen der PMK erforderlich ist.
7109
Für die
Erstellung eines aktuellen Lagebildes und zur Umsetzung
erforderlicher Maßnahmen hält die KST bundesweite
einheitliche Kriterien für notwendig. Auch die Begriff-
lichkeiten sollen einheitlich präzisiert werden.
7110
b) Rechtsextremismusdatei (RED)
Am 31. August 2012 trat das Gesetz zur Verbesserung der
Bekämpfung des Rechtsextremismus in Kraft.
7111
Dieses
dient als Rechtsgrundlage für die Rechtsextremismusdatei
(RED). Das Gesetz lehnt sich dabei weitgehend an das
Gesetz zur Schaffung der Antiterrordatei zur Bekämpfung
des internationalen Terrorismus
7112
an, die seit 2007 be-
trieben wird.
Um den Informationsaustausch zwischen den Polizei- und
Verfassungsschutzbehörden zu verbessern, ist eine zentra-
le, standardisierte Rechtsextremismusdatei (RED) einge-
7106) Beschlussniederschrift, Sondersitzung der AG Kripo (Tagung
169-2) am 2. Dezember 2011, TOP 4, A-Drs. 502a, Bl. 21.
7107) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 4.
7108) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 5; Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht
der Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere
Zusammenarbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämp-
fung des Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 9 f.
7109) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 9 f.
7110) Beschlussniederschrift BKA 74. Sitzung am 30./31. Januar
2013, TOP 2.4 Prüfung „offener Haftbefehle“ in allen
Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität, A-
Drs. 502b, Bl. 66.
7111 Gesetz vom 20. August 2012 (BGBl. I, S. 1798).
7112) Antiterrordateigesetz (ATDG) vom 22. Dezember 2006 (BGBl.
I, S. 3409), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom
26. Februar 2008 (BGBl. I, S. 215).
richtet worden. Die Datei ist dabei nicht als reiner Fund-
stellennachweis ausgestaltet worden, sondern weist auch
erweiterte Auswerte- und Analysefunktionen auf. Durch
das Gesetz wurde keine Rechtsgrundlage für eine Erhe-
bung neuer Daten geschaffen, die RED greift vielmehr
auf bereits vorhandene Daten unterschiedlicher Behörden
zurück.
7113
An die RED sind das BKA, die Bundespolizei,
die Landeskriminalämter, die Verfassungsschutzbehörden
des Bundes und der Länder sowie der MAD angeschlos-
sen; die Datei wird vom BKA geführt.
7114
Es besteht eine
gemeinsame Verpflichtung der Behörden, in der Datei
alle relevanten Daten zu gewaltbezogenen Rechtsextre-
misten zu speichern. Dadurch wird jeder Behörde der
sofortige Zugriff auf Angaben zu bestimmten Personen
und Objekten ermöglicht. Die RED ist am
19. September 2012 in Betrieb genommen worden, wobei
erweiterte Auswerte- und Analysefunktionen derzeit noch
technisch umgesetzt werden.
7115
Ein laufender Informations- und Erfahrungsaustausch
über die Antiterrordatei (ATD) und die RED wird für
unbedingt erforderlich gehalten. Hierfür wurde mit Be-
schluss der Kommission Staatsschutz vom 30./31. Januar
2013 die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ATD/RED errich-
tet, die bis zum 1. November 2013 einen entsprechenden
Bericht erarbeiten soll.
7116
In § 2 des Gesetzes zur Ver-
besserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus
(RED-Gesetz)
7117
, wurde eine erweiterte Speicherbefugnis
der Behörden aufgenommen. Nunmehr besteht die Mög-
lichkeit, umfassende Hintergrunddaten auch zum gewalt-
freien Rechtsextremismus zu speichern, um Radikalisie-
rungen und Beziehungsgeflechte erkennen und analysie-
ren zu können.
7118
Unter engen Voraussetzungen ist auch
die Speicherung von Daten zu Kontaktpersonen aus der
rechtsextremistischen Szene möglich. Kontaktpersonen
sind Personen, die nicht selbst gewaltbereit sind, aber im
Kontakt zu gewaltbereiten Rechtsextremisten stehen. Die
Speicherung setzt voraus, dass die Kontaktperson auf-
grund von Tatsachen als Angehöriger der rechtsextremis-
tischen Szene bekannt ist, mit der gesuchten gewaltberei-
ten Person nicht nur flüchtig in Kontakt steht und zudem
durch die Kontaktperson weiterführende Hinweise für die
Aufklärung oder die Bekämpfung des gewaltbezogenen
7113) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses
(4. Ausschuss) vom 27. Juni 2012, Drs. 17/10155, S. 5.
7114) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 6.
7115) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 6.
7116) Beschlussniederschrift BKA 74. Sitzung am 30./31. Januar
2013, TOP 2.6 Nutzung ATD und RED, A-Drs. 502b, Bl. 68.
7117) Artikel 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des
Rechtsextremismus.
7118) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 5.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 805 – Drucksache 17/14600
Rechtsextremismus zu erwarten sind (§ 2 Nr. 3 RED-
G).
7119
Die Löschung von Daten richtet sich i. S. d. § 12 RED-
Gesetz nach den für die beteiligten Behörden geltenden
Vorschriften.
7120
c) Polizeilicher Informations- und Analyse-
verbund
In der 193. Sitzung der Innenministerkonferenz am
8./9. Dezember 2011 wurde der Beschluss gefasst, dass
aufgrund des Ermittlungsverfahrens gegen den NSU die
rasche Einführung des Polizeilichen Informations- und
Analyseverbunds (PIAV) notwendig ist.
7121
Auf der
Herbstsitzung 2012 der IMK wurde beschlossen, dass die
Einführung des PIAV beschleunigt werden soll
7122
. Das
System soll zur durchgängigen Einmalerfassung und
Mehrfachnutzung von Daten die Informationsbasis ver-
bessern und die operative Auswertung im Bund und in
den Ländern, etwa durch dateiübergreifende Möglichkei-
ten der Recherche,
7123
erleichtern.
7124
Vor der Entschei-
dung über die technische Umsetzung der einzelnen PIAV-
Dateien wurde zunächst die inhaltliche Prüfung der beste-
henden Meldedienste sowie der jeweiligen Geschäftspro-
zesse in Angriff genommen.
7125
Nach Mitteilung des BMI
sollen die Entwicklungsarbeiten im Bund und in den
Ländern Mitte 2013 beginnen und 2014 abgeschlossen
sein.
7126
Vom BKA wurde die „Programmkoordination
PIAV“ eingerichtet, welche die eingerichteten Projekt-
gruppen „Lastenheft PIAV-Operativ“, „PIAV Tech-
nik/Planung“ und „XPolizei PIAV“ koordiniert und die
Bund-Länder-Kooperation moderiert hat.
7127
Insbesondere
soll das Verbundsystem folgende Optimierung enthalten:
– Die Einmalerfassung und Mehrfachnutzung bei hoher
Datenqualität,
– Phänomenübergreifende Abfrage- und Recherche-
möglichkeiten,
7119) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses
(4. Ausschuss) vom 27. Juni 2012, Drs. 17/10155, S. 4.
7120) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses
(4. Ausschuss) vom 27. Juni 2012, Drs. 17/10155, S. 5.
7121) BKA, Prüfung von Möglichkeiten der Ausweitung der GED-
Zwischenlösung vom 18. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 558
ff. (560).
7122) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 12.
7123) BKA, Tischvorlage Polizeilicher Informations- und Analyse-
verbund vom 5. März 2012, A-Drs. 502a, Bl. 119 ff. (121).
7124) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 6 f.
7125) Beschlussniederschrift der 237. Sitzung des Arbeitskreises II.
7126) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 6 f.
7127) Gesamtbericht Programm PIAV Phase I, Fachfeinkonzept
PIAV-Operativ, Stand: 28. September 2012, Bl. 8.
– Optimierung der Aussagekraft des Auswertungser-
gebnisses.
7128
Als erster Schritt zur Umsetzung sollen für den Kriminali-
tätsbereich der Waffen- und Sprengstoffdelikte Daten
eingepflegt werden und im PIAV zur Verfügung ste-
hen.
7129
d) Polizeiliche Personenanfragen über den
Gesamtbestand NADIS-neu
Anlässlich der NSU-Mordserie wurden in der IMK am
8./9. November 2012 neue Zusammenarbeitsformen der
Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern erörtert.
7130
Hieraus resultierend wurde folgender Beschluss gefasst:
„3. […] Darüber hinaus beauftragt die IMK den
AK II und den AK IV sicherzustellen, dass polizei-
liche Personenanfragen über den Gesamtdatenbe-
stand NADIS-neu abgeglichen und Netzwerkstruk-
turen erkannt werden können, ohne dass ein Di-
rektzugriff der Polizeibehörden auf NADIS-neu er-
forderlich ist.“7131
Bei NADIS WN (Nachrichtendienstliches Informations-
system Wissensnetz)
7132
handelt es sich um ein bestehen-
des automatisiertes Datenverbundsystem, an dem die
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder
beteiligt sind.
7133
NADIS WN soll als Volltextdatei in
allen Phänomenbereichen etabliert werden.
7134
Die IMK will erreichen, dass Polizeivollzugsbeamte künf-
tig Personenanfragen zum Gesamtdatenbestand von
NADIS WN stellen können, ohne dass die Polizeidienst-
stellen einen Direktzugriff auf die Datenbank erhalten. Im
Auftrag der damit befassten Arbeitskreise II und IV der
IMK setzt das BKA als Zentralstelle für den elektroni-
schen Datenverbund der Polizeien von Bund und Ländern
(§ 11 BKAG) diese Maßnahme um. Das BKA und das
BfV erarbeiteten gemeinsam die Umsetzung des Arbeits-
auftrags. Im Bericht des BKA und des BfV vom
8. Juni 2012 wird ausgeführt, dass vom BKA und BfV
zunächst nur die Anfragen im Bereich PMK-rechts be-
trachtet wurden, in einem zweiten Schritt jedoch eine
Ausweitung auf alle Phänomenbereiche geprüft werden
7128) Beschlussniederschrift der 235. Sitzung des Arbeitskreises II.
7129) Gesamtbericht Programm PIAV Phase I, Fachfeinkonzept
PIAV-Operativ, Stand: 28. September 2012, Bl. 7.
7130) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom
8./9. November 2011.
7131) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom
8./9. November 2011.
7132) „IMK-Vorkonferenz zieht positive Zwischenbilanz für NADIS
WN“, Quelle: http://www.verfassungsschutz-mv.de.
7133) X. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Daten-
schutz Sachsen-Anhalt vom 1. April 2009-31. März 2011,
Quelle: http://www.sachsen-anhalt.de.
7134) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 18.
Drucksache 17/14600 – 806 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
soll.
7135
Jeder Polizeivollzugsbeamte, sowohl des Bundes
als auch der Länder, soll am Ende die Möglichkeit haben,
Anfragen zum Gesamtbestand von NADIS WN zu stellen.
Die Kommunikation soll dabei nicht direkt zwischen den
einzelnen Polizeidienststellen und dem BfV verlaufen,
sondern über das BKA als Zentralstelle abgewickelt wer-
den, wobei davon in Eilfällen abgesehen werden kann.
Ein direkter (Online-)Zugriff auf NADIS WN durch die
Polizeidienststellen ist nicht vorgesehen.
7136
Die Über-
mittlung von Erkenntnissen aufgrund einer Personenab-
frage zwischen den beteiligten Behörden richtet sich nach
den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften. Ist nur
die Auskunft erbeten, ob und in welchem
Phänomenbereich eine Person in dem NADIS WN erfasst
ist, sollen entsprechend der Regeln für die
Rechtsextremismusdatei (RED) Auskünfte erteilt werden,
wenn eine Gefahr für Leib und Leben oder eine Gefahr
für weitere besonders zu schützende Rechtsgüter oder
Sachen besteht.
7137
e) Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutz“
Die IMK hat auf ihrer 196. Sitzung vom 6./7. Dezember
2012 eine Neuausrichtung des Verfassungsschutzes be-
schlossen. Grundlage des Beschlusses war ein gleichlau-
tender Bericht des Arbeitskreises IV. Besondere Bedeu-
tung wurde von der IMK dabei der Zusammenarbeit zwi-
schen Polizei und Verfassungsschutz beigemessen. In
diesem Zusammenhang forderte sie die Fortschreibung
des „Leitfadens zur Optimierung der Zusammenarbeit
zwischen Polizei und Verfassungsschutz“, welchen die
IMK am 3./4. Dezember 2009 zur Kenntnis genommen
hatte, als auch Vorschläge für eine Harmonisierung der
Übermittlungsvorschriften in den Verfassungsschutzge-
setzen von Bund und Ländern.
7138
Am 5. Februar 2013 hat der Arbeitskreis IV der IMK, der
sich mit dem Verfassungsschutz befasst, beschlossen, eine
Arbeitsgruppe zum Thema „Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutz“ einzurichten.7139 Die
hierauf initiierte Arbeitsgruppe, an der auch Vertreter des
Arbeitskreises II teilnahmen, hat in ihren Sitzungen am
21. Februar, 19. März und 16. April 2013 hervorgehoben,
dass
7135) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand
NADIS-neu, Stand: 8. Juni 2012, A-Drs. 502a, Bl. 176 ff.
(178).
7136) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand
NADIS-neu, Stand: 8. Juni 2012, A-Drs. 502a, Bl. 176 ff.
(179).
7137) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand
NADIS-neu, Stand: 8. Juni 2012, A-Drs. 502a, Bl. 176 ff.
(180).
7138) Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,
Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen AK II und AK IV,
Stand: 24. April 2013, Bl. 1.
7139) Beschlussniederschrift zur 87. Sitzung des Arbeitskreises IV
vom 5. Februar 2013.
– die rechtlichen Voraussetzungen und faktischen We-
ge der Informationsübermittlung und
– die Anlässe und Mechanismen der Abstimmung
operativer Maßnahmen
für die Sicherheitsbehörden aufgezeichnet, bzgl. relevan-
ter Schnittstellen und Informationslücken analysiert und
ggf. die Zusammenarbeit des Informationsaustauschs und
der weiteren Zusammenarbeit verbessert und entwickelt
werden müssen.
7140
Bezüglich der Problematik der nicht einheitlichen Über-
mittlungsvorschriften in den Verfassungsschutzgesetzen
des Bundes und der Länder hat die Arbeitsgruppe die
Auffassung vertreten, dass die Anforderungen an eine
sinnvolle Ausdehnung der Übermittlungspflicht zwischen
Verfassungsschutz und Polizei durch die Straftatenkatalo-
ge aus § 3 Abs. 1 und § 7 Abs. 4 G 10-Gesetz am ehesten
erfüllt werden. Straftaten nach dem Waffengesetz seien
dort bisher nicht enthalten. Diesbezüglich hat die Arbeits-
gruppe vorgeschlagen, das G 10-Gesetz zu ändern.
7141
Auch wurde angeregt, dass die Verfassungsschutzbehör-
den darüber hinaus die Möglichkeit haben sollten, Er-
kenntnisse zur Verhinderung und Verfolgung von Strafta-
ten außerhalb des Katalogs übermitteln zu dürfen. Dazu
hat die Arbeitsgruppe die Einsetzung einer Projektgruppe
vorgeschlagen.
7142
Weiter wurde angeregt, einen Zugriff
auf polizeiliche Dateien durch den Verfassungsschutz
überprüfen zu lassen. Vorgeschlagen wurde ferner die
Einführung gemeinsamer Begrifflichkeiten und Definitio-
nen von Verfassungsschutz und Polizei, d. h. einer ge-
meinsamen Fachsprache, und die Anpassung des ATD-
Gesetzes und des RED-Gesetzes.
7143
2. Maßnahmen zur besseren Zusammenar-
beit der Polizeien des Bundes und der
Länder
a) Gemeinsame Datei Großschadenslagen
(GED) Zwischenlösung
Der AK II beschloss in der 229. Sitzung vom 5./6. Mai
2011 die Realisierung der „Gemeinsamen Ermittlungsda-
tei Großschadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlö-
sung“.7144 Damit Bund und Länder kurzfristig zur straf-
7140) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK
IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,
Stand: 24. April 2013, Bl. 4.
7141) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK
IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,
Stand: 24. April 2013, Bl. 5 f.
7142) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK
IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,
Stand: 24. April 2013, Bl. 6.
7143) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK
IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,
Stand: 24. April 2013, Bl. 7.
7144) BKA, Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Groß-
schadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (549).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 807 – Drucksache 17/14600
prozessualen Bewältigung besonderer polizeilicher Lagen
wie terroristischer Simultananschläge in der Lage sind,
haben sich Gremien und Projektgruppen damit befasst,
ein einheitliches operatives Ermittlungssystem zu erstel-
len.
7145
Die Länder können mit dieser Lösung bei Vorlie-
gen von Großschadenslagen Terrorismus auf die Daten-
bank des BKA zugreifen und die bereits bestehenden
Dateien des BKA ergänzen und zu gemeinschaftlichen
Ermittlungen nutzen.
7146
Die unterstützend tätig werden-
den Polizeivollzugsbeamten unterliegen den Weisungen
des BKA und handeln nach dem Recht des BKA. Das
Handeln der Polizeivollzugsbeamten wird dem BKA
außerdem zugerechnet.
7147
Die Polizeien des Bundes und der Länder sollen an die
GED-Zwischenlösung angebunden sein.
7148
Daraufhin
wurde als Ersatz zur INPOL-Fallanwendung GED, die
GED-Zwischenlösung geschaffen. Als BKA-internes
Projekt ausgestaltet, ist die Arbeit mittlerweile beendet
und die einzelnen Länder sind mit der GED-
Zwischenlösung im BKA verbunden.
7149
Bis zum
31. März 2013 soll die Übernahme der Datei in den
Wirkbetrieb aller Teilnehmer abgeschlossen sein.
7150
Sie
dient der Verarbeitung von ermittlungsrelevanten perso-
nenbezogenen Daten im Rahmen der Bekämpfung von
Terrorismus und politisch motivierter Kriminalität.
7151
Die GED-Zwischenlösung ist für Ermittlungen gegen
gewaltbereiten Extremismus in jedem PMK-
Phänomenbereich möglich, soweit das BKA zuständig ist
und die Ermittlungen führt. Einer Einsetzung außerhalb
der Einsatzführung des BKA stehen bislang noch lizenz-
rechtliche oder technische Gründe entgegegen.
7152
Die
Sachbearbeiter der Länder sollen weitestgehend den
BKA-Sachbearbeitern gleichgestellt werden.
7153
Später
7145) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (10).
7146) BKA, Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Groß-
schadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (552).
7147) BKA, Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Groß-
schadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (552 f.).
7148) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
13. August 2012, A-Drs. 502c, Bl. 122 ff. (126).
7149) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502c, Bl. 532 ff. (536).
7150) Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Großschadens-
lagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom 19. Februar
2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (550).
7151) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (12).
7152) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 13; Prüfung von Möglichkeiten der Auswei-
tung der GED-Zwischenlösung, Stand: 18. Februar 2013, A-
Drs. 502c, Bl. 543 ff. (548); BKA, Prüfung von Möglichkeiten
der Ausweitung der GED-Zwischenlösung vom 18. Februar
2013, A-Drs. 502a, Bl. 558 ff. (564 f.).
7153) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (12).
soll diese Datei durch die noch zu konzipierende und
abzustimmende Lösung „Polizeilicher Ermittlungsver-
bund“ abgelöst werden.7154 Mit Beschluss vom 8./
9. Dezember 2011 bat die IMK um Überprüfung, inwie-
weit die GED auch außerhalb der Einsatzführung des
BKA zur Anwendung kommen könnte.
7155
b) Überprüfung der statistischen Erfas-
sungsgrundlagen PMK-rechts
Der Arbeitskreis II der IMK hat am 27. Januar 2012 be-
schlossen, dass in Anbetracht der vielfältigen kriminellen
Aktivitäten von Personen des rechten Spektrums, eine
Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen er-
forderlich sei. Auf dieser Grundlage wurde die AG Kripo
gebeten, die Möglichkeiten einer erweiterten statistischen
Erfassung der von Personen des rechtsextremistischen,
linksextremistischen, ausländerextremistischen bzw. is-
lamistischen Spektrums begangenen Straftaten der All-
gemeinkriminalität, z. B. in der Polizeilichen Kriminalsta-
tistik, zu prüfen und zu bewerten.
7156
Bei der Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundla-
gen kam die Arbeitsgruppe zusammenfassend zu der
Auffassung, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik grund-
sätzlich geeignet sei, eine erweiterte statistische Erfassung
der von Personen mit politisch motivierten Vorkenntnis-
sen begangenen Straftaten der Allgemeinkriminalität zu
ermöglichen.
7157
Zur weiteren Prüfung der diesbezügli-
chen Erweiterung wurde das GAR einbezogen, um zu-
nächst statistisches Basismaterial im Rahmen einer Aus-
wertung bekannter rechtsmotivierter Tatverdächtiger im
Hinblick auf die Begehung sonstiger Straftaten zu erstel-
len.
7158
c) Evaluierung des Definitionssystems PMK
Die IMK hat auf ihrer 167. Sitzung den Arbeitskreis II
gebeten, in Abstimmung mit dem Arbeitskreis IV eine
Evaluierung des Definitionssystems der PMK vorzuneh-
men. Daraufhin wurde ein erster Evaluierungsbericht
erstellt, bei dem das Definitionssystem PMK hinsichtlich
seiner Systematik, Präzision und Trennschärfe der Be-
grifflichkeiten analysiert, der Kriminalpolizeiliche Mel-
dedienst hinsichtlich Qualität, Umfang und Aussagekraft
für die Lagebilderstellung und die systematische Ein-
ordnung des Bereichs der „Spionage/Verratsdelikte“ und
die Zuordnung des Bereichs „Illegaler Technologie- und
7154) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (10).
7155) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom
8./9. Dezember 2011.
7156) Umlaufbeschluss des Arbeitskreises II vom 27. Januar 2012.
7157) Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität – Überprü-
fung der statistischen Erfassungsgrundlagen, Stand:
24. August 2012.
7158) Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität – Überprü-
fung der statistischen Erfassungsgrundlagen, Stand:
24. August 2012, Bl. 5, 16.
Drucksache 17/14600 – 808 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Warentransfer“ überprüft wurden.7159 Ergebnis war, dass
sich das Definitionssystem in seiner Zusammensetzung
grundsätzlich bewährt habe, es jedoch Probleme bei der
Umsetzung und Anwendung des Definitionssystems ge-
be.
7160
d) Bessere Bekämpfung der politisch moti-
vierten Kriminalität - rechts
Aufgrund eines Beschlusses der IMK am 8./9. Dezember
2011 wurde unter der Geschäftsführung des BfV unter
Beteiligung der Landeskriminalämter, des BKA, der LfV
und des GBA eine Koordinierungsgruppe eingerichtet.
7161
Aufgabe ist die Erarbeitung neuer und die Fortschreibung
bestehender präventiver und repressiver Bekämpfungs-
konzepte. In der Folge ist eine Gesamtkonzeption zur
Bekämpfung der PMK-rechts erstellt worden, die einen
Überblick zu den Maßnahmen der Sicherheitsbehörden
zur Bekämpfung rechtsextremistischer Tendenzen sowie
der PMK-rechts vermittelt. Außerdem wurde ein Bericht
zu „Bestehenden und möglichen weiteren Zusammenar-
beitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ erstellt.7162
Gemeinsam haben das BfV und die LfV ein Auswer-
tungsprojekt initiiert. In dem Projekt wird ein aktuelles
Lagebild über die vorhandenen Strukturen der neonazisti-
schen und gewaltbereiten subkulturell geprägten, rechts-
extremistischen Szene in der Bundesrepublik erstellt und
die Erkenntnislage über Organisationsstrukturen und das
Personenpotenzial im Bereich Neonazismus und gewalt-
bereitem subkulturell geprägtem Rechtsextremismus
verbessert.
7163
Die als besonders bedeutend eingestuften
Gruppen und deren Mitglieder werden unter der Feder-
führung des BfV fallbezogen durch den Verfassungs-
schutzverbund bearbeitet.
7164
Auch die Kameradschaften und ihre führenden Personen
werden durch die Verfassungsschutzbehörden in einer
Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft genauer untersucht,
erfasst und bewertet.
7165
7159) Bericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Evaluierung des
Definitionssystems PMK“, Stand: 04.09.02, MAT A IMK-1/6,
Bl. 5.
7160) Bericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Evaluierung des
Definitionssystems PMK“, Stand: 04.09.02, MAT A IMK-1/6,
Bl. 34.
7161) Beschlussniederschrift über die 193. Sitzung der IMK vom
8./9. Dezember 2011.
7162) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 8; Gesamtkonzeption zur Belämpfung der politisch motivier-
ten Gewaltkriminalität-rechts-/des gewaltbereiten Rechtsextre-
mismus, A-Drs. 502d, Bl. 7 ff.
7163) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 8.
7164) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (37).
7165) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (38).
e) Optimierungsmöglichkeiten der kriminal-
polizeilichen Meldedienste im Zusammen-
hang mit der Erfassung von Spreng- und
Brandvorrichtungen (SBV)
Mit Beschluss der AG Kripo vom 10. Januar 2013 erhielt
die Bund-Länder-Projektgruppe „Meldedienst SBV“ den
Auftrag, bestehende Optimierungsmöglichkeiten bezüg-
lich der mit Sprengstoffdelikten oder –sicherstellungen
befassten Meldedienste zu erörtern. Insbesondere erfolgte
eine Überprüfung des Tatmittelmeldedienstes (TMD).
Diesbezüglich wurde in der Sitzung der Bund-Länder-
Projektgruppe am 28. und 29. Januar 2013 der Einsatz
von Fragebögen für alle Länder, das Bundespolizeipräsi-
dium und das Zollkriminalamt beschlossen.
7166
Der beim
BKA geführte TMD beschäftigt sich mit der Einordnung
der Konstruktion von unkonventionellen Spreng- und
Brandvorrichtungen zur Aufdeckung von Tat-
/Täterzusammenhängen. Informationen werden durch die
Polizeidienststellen der Länder und die Bundespolizei an
das BKA versendet.
7167
Die Umfragen durch die Fragebö-
gen ergaben, dass eine zentrale Erfassung im TMD für
sinnvoll erachtet wird. Weiterhin wurde für die Erfassung
von Sicherstellungen/Abhandenkommen konfektionierter
Spreng- und Zündmittel im TMD plädiert.
7168
Bis zur
Herbsttagung 2013 wird die Möglichkeit eines dezentra-
len Recherchezugriffs auf die Daten des TMD sowie eine
Aufwandseinschätzung durch die Bund-Länder-
Projektgruppe geprüft.
7169
f) Waffenregister
Das Fachkonzept sowie der Regelungsumfang des Errich-
tungsgesetzes wurden schon 2010 auf der Innenminister-
konferenz gebilligt. Hintergrund der Regelung ist die EU-
Waffenrechtsrichtlinie 2008/51/EG, wonach bis spätes-
tens zum 31. Dezember 2014 ein computergestütztes
Waffenregister und der § 43a Waffengesetz einzuführen
ist.
7170
Zum 1. Januar 2013 wurde das „Nationale Waffen-
register“ (NWR) eingeführt, welches die Überprüfung
waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse und die
Begrenzung des Zugangs zu Schusswaffen und Spreng-
stoff in Freizeit und Beruf erleichtern soll. Außerdem
wurde von den Verfassungsschutzbehörden im Jahr 2012
7166) BKA, Zwischenbericht Bund-Länder-Projektgruppe „Melde-
dienst Spreng-/Brandvorrichtungen (SBV)“ vom 25. Februar
2013, A-Drs 502a, Bl. 658 ff. (570).
7167) BKA, Zwischenbericht Bund-Länder-Projektgruppe „Melde-
dienst Spreng-/Brandvorrichtungen (SBV)“ vom 25. Februar
2013, A-Drs 502a, Bl. 658 ff. (571).
7168) BKA, Zwischenbericht Bund-Länder-Projektgruppe „Melde-
dienst Spreng-/Brandvorrichtungen (SBV)“ vom 25. Februar
2013, A-Drs 502a, Bl. 658 ff. (586).
7169) Beschlussniederschrift der 172. Tagung der AG Kripo am
12./13. März 2013, Optimierungsmöglichkeiten der kriminalpo-
lizeilichen Meldedienste im Zusammenhang mit der Erfassung
von Spreng- und Brandvorrichtungen (SBV), A-Drs. 502a, Bl.
567.
7170) 5. Sachstandsbericht – Nationales Waffenregister, Bundesmi-
nisterium des Innern, Version 2.0 vom 29. März 2012, Bl. 3,
Quelle: http://www.regierung-mv.de.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 809 – Drucksache 17/14600
ein Konzept mit dem Ziel erarbeitet, innerhalb des Ver-
fassungsschutzverbundes einen umfassenden Überblick
über waffenrechtliche Erlaubnisse von Rechtsextremisten
zu erhalten. Bei Unzuverlässigkeit soll nach
§ 5 Waffengesetz auf einen Entzug der Erlaubnis hinge-
wirkt werden.
7171
3. Verfassungsschutzreform
a) Maßnahmen der Binnenreform im BfV
aa) Bereits umgesetzte Maßnahmen des BfV
Nach Aufdeckung der NSU-Mordserie hat es innerhalb
des BfV Umstrukturierungen gegeben. Zu diesen Maß-
nahmen gehört, dass die Bearbeitung des Rechtsextre-
mismus und des Rechtsterrorismus wieder in einer eigen-
ständigen Abteilung konzentriert wurde.
7172
Das BfV hat zudem seit Dezember 2011 die eigenständige
Organisationseinheit „Koordinierte Internetauswertung
Rechtsextremismus“ (KIAR) aufgebaut, zu deren Aufga-
ben die anlassbezogene und anlassunabhängige offene
Internetrecherche zu rechtsterroristischen und rechtsex-
tremistischen Sachverhalten gehört.
7173
Eine intensive
Recherche soll etwa durch Auswertung von Chat-Rooms
und Foren der rechten Szene erfolgen.
7174
Das KIAR ist
unter Orientierung an den dort wahrgenommenen Aufga-
ben organisatorisch direkt an das GETZ angebunden. Die
Organisationseinheit wird vom BKA und MAD unter-
stützt und soll perspektivisch mit der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Medien und „jugendschutz.net“ an der
Entwicklung von Bekämpfungsstrategien mitwirken.
7175
Sowohl die Polizei als auch der Verfassungsschutz und
Vertreter der Justiz sollen im KIAR integriert werden.
7176
Die Organisationseinheit veröffentlicht turnusmäßig das
„KIAR-Info“ und anlassbezogen das „KIAR-Spezial“.
Diese Berichte werden an die Sicherheitsbehörden von
7171) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“, Stand: 16. April 2013, Bl. 10.
7172) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 3.
7173) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 7.
7174) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (36).
7175) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 7.
7176) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (37).
Bund und Ländern weitergeleitet.
7177
Eine Erweiterung ist
bezüglich der im GETZ behandelten Phänomenbereiche
vorgesehen. Eine entsprechende Konzeption wird derzeit
unter Federführung des BfV erstellt.
7178
Im Jahr 2012 wurde die seit 2004 bestehende Wanderaus-
stellung „Die Braune Falle“, die als Aufklärungs- und
Präventionsmaßnahme des BfV geschaffen wurde, über-
arbeitet und aktualisiert.
7179
Seit Januar 2012 besetzt das BfV den Vorstand der inner-
halb des Berner Clubs
7180
bestehenden Arbeitsgruppe
„Working group on rightwing-extremism“. Hier treffen
sich jährlich internationale Fachkräfte.
7181
bb) Im Rahmen der Binnenreform des BfV an-
gestrebte Maßnahmen
Die Binnenreform des BfV startete im September 2012
durch die Einsetzung einer Projektgruppe mit 14 Arbeits-
paketen (Teilprojekten).
7182
Ziel dieser Binnenreform ist
es, Konsequenzen aus den Ermittlungen zum NSU-
Komplex zu ziehen sowie interne Abläufe zu optimieren.
Hierdurch soll verlorenes Vertrauen zurückgewonnen
werden. Die Phase der Konzeption begann im Februar
2013, die Phase der Umsetzung schloss sich hieran an.
7183
Die Geschwindigkeit der verschiedenen Arbeitspakete ist
dabei jedoch nicht gleich: Teilweise sind die Umset-
zungszeitpunkte der Arbeitspakete, die den Verfassungs-
schutzbund betreffen, von den Entscheidungen der Länder
abhängig. Bei anderen Arbeitspaketen müssen zunächst
zusätzliche Ressourcen durch die Parlamente bereitge-
stellt werden.
7184
Nach Mitteilung des BMI umfasst die Binnenreform im
BfV die folgenden Themen:
7177) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 7.
7178) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 7.
7179) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 10.
7180) Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss der In-
landsnachrichtendienste der Europäischen Union, Norwegens
und der Schweiz, vgl. Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 21.
7181) Gesamtkonzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten
Gewaltkriminalität-rechts-/des gewaltbereiten Rechtsextremis-
mus vom 30. Mai 2012, A-Drs. 502a, Bl. 150 ff. (164).
7182) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 2 f.
7183) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 2.
7184) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14.
Drucksache 17/14600 – 810 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Es wird eine Verlagerung der Prioritäten auf gewalt-
orientierte Personen und Bestrebungen anvisiert. Als
Konsequenz soll der Einsatz nachrichtendienstlicher
Mittel abhängig von der Gewaltorientierung des je-
weiligen Phänomens in abgestufter Form erfolgen.
Aktivitäten nicht gewaltorientierter aber verfassungs-
feindlicher Strukturen und Zusammenschlüsse sollen
auch weiterhin beobachtet, jedoch der Einsatz von
nachrichtendienstlichen Mitteln besonders geprüft
werden. Die Priorisierung erfolgt unter Einbindung
der Landesämter für Verfassungsschutz.
7185
– Es soll eine zielorientierte Zusammenarbeit von aus-
wertenden und operativen Arbeitseinheiten des BfV
erfolgen.
7186
Ziel ist eine verbesserte Informations-
gewinnung und Informationsaufarbeitung, die auch
den Strafverfolgungsbehörden zugute kommen
soll.
7187
– Die internen Vorschriften zur Verwaltung von Daten
und Akten sollen vereinheitlicht und ihre Anwendung
erleichtert werden. Zudem soll die Fortbildung und
Information der Mitarbeiter über Datenschutzrege-
lungen ausgebaut und eine neue Service-Einheit zur
Daten- und Aktenpflege und Multiplikatoren für Da-
tenschutzbelange in allen Abteilungen eingerichtet
werden.
7188
Bis Ende 2013 soll das Datenschutzrefe-
rat personell erweitert werden.
7189
– Vorgesehen ist eine intensivere und proaktive Unter-
richtung verschiedener parlamentarischer Gremien
durch das BfV. Hierzu soll ein neues strukturiertes
Berichtswesen beitragen. Zudem ist die Einrichtung
eines Beirats geplant, um eine stärkere Anbindung
des BfV an die gesellschaftlichen Entwicklungen zu
gewährleisten.
7190
Um der Öffentlichkeit mehr Trans-
parenz zu gewähren, soll die Presse- und Öffentlich-
keitsarbeit ausgebaut werden.
7191
Ausstellungen sol-
7185) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 3.
7186) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 4.
7187) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 15.
7188) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14 f., BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 4 f.
7189) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.
7190) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 16.
7191) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 16, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.
len über Arbeitsweise, -inhalte und -erfolge des BfV
unterrichten.
7192
– Um die Qualität der Auswertung zu sichern, wurden
Leitlinien für die Auswertung erstellt sowie eine
„Fachprüfung Auswertung“ errichtet, die die Analy-
seeinheiten beraten, die Einhaltung der Qualitätsstan-
dards überwachen, aber auch erfolgte Analysen hin-
terfragen und Anstöße zu weiteren Überlegungen lie-
fern wird. Durch eine solche „Querdenkergruppe“
soll vermieden werden, dass sich Fehleinschätzungen
weiterhin durch den laufenden Prozess ziehen.
7193
– Das BfV beabsichtigt, seine Kompetenzen in den
Bereichen Cybermobilisierung, -sabotage und
-spionage auszubauen. Zur Gewährleistung der Cy-
bersicherheit ist eine Verbesserung der Kooperation
mit anderen Sicherheitsbehörden sowie die Erstellung
eines Konzepts zur Zusammenarbeit mit der Wirt-
schaft geplant. Die Analysefähigkeit soll durch wei-
terentwickelte IT-gestützte Analysemittel optimiert
werden.
7194
– Zur Steigerung der Führungs-, Methoden- und Fach-
kompetenz des Personals sollen abhängig von der je-
weiligen Laufbahn und Verwendung Anforderungs-
profile im „Baukastensystem“ entwickelt werden, um
die Mitarbeiter in den passenden Funktionen zielge-
nauer einsetzen zu können. Zudem soll eine Erarbei-
tung von Maßnahmen zur stärkeren Nutzung wissen-
schaftlicher und operativer Analysekompetenzen für
die Auswertung erfolgen.
7195
cc) Weitere Maßnahmen im BMI-internen Pla-
nungsstadium
Das BMI hat zudem mitgeteilt, dass derzeit noch folgende
Themenkomplexe Gegenstand BMI-interner Überlegun-
gen seien:
– Verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Verfas-
sungsschutzbehörden sowie mit anderen Sicherheits-
und Strafverfolgungsbehörden,
– Stärkung der zentralen Informationserhebung und
-auswertung zu gewaltgeneigten Bestrebungen durch
das BfV,
– Speicherfristen für personenbezogene Daten und
Regelungen zur Aktenvernichtung sowie
7192) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.
7193) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 4.
7194) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.
7195) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 16.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 811 – Drucksache 17/14600
– die zukünftige parlamentarische Kontrolle des V-
Leute-Einsatzes.
7196
b) Arbeitsgruppe der IMK zum Thema „Per-
sonal, Aus- und Fortbildung, Akademie für
Verfassungsschutz“
Am 5. Februar 2013 hat der Arbeitskreis IV der IMK
beschlossen, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Personal,
Aus- und Fortbildung, Akademie für Verfassungsschutz“
einzurichten.
7197
Mit Zwischenbericht vom 28. März 2013 erläuterte die
Arbeitsgruppe IV, dass sie in den Themenbereichen Per-
sonalauswahl, Ausbildung, Fortlaufende Qualifizierung
und Personalrotation einen Fragenkatalog erstellt habe,
der den Ländern und dem BfV zur Beantwortung bis
Mitte April 2013 zugeleitet worden sei.
7198
Außerdem
werde ein Konzept zur Zusatzausbildung für Seitenein-
steiger des gehobenen Dienstes entwickelt. Das BfV führt
eine Abfrage bei den Landesämtern für Verfassungs-
schutz bezüglich der zukünftigen Ausgestaltung von
wechselseitigen Hospitationen bzw. Personalaustausch-
maßnahmen durch. Zum Themenbereich „Akademie für
Verfassungsschutz“ wird die Konzeption als Wissens-
drehscheibe und Denkfabrik beschrieben, welche die
Aufgabe der gemeinsamen Führungskräfteschulung von
Polizei und Verfassungsschutz und die laufende Weiter-
entwicklung des Fortbildungsangebots wahrnehmen soll.
c) Prävention und Aufklärung der Öffentlich-
keit/Partner in der Mitte der Gesellschaft
Die IMK hat am 6./7. Dezember 2012 beschlossen, dass
Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit im Aufga-
benprofil des Verfassungsschutzes ein stärkeres Gewicht
bekommen müssen. Der Verfassungsschutz solle sich
nicht nur auf seine herkömmliche Aufgabe als Nachrich-
tendienst beschränken, sondern als aktiver Partner und
Dienstleister in der Mitte der Gesellschaft stehen. Diese
Maßnahme soll helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in
den Verfassungsschutz zu stärken.
7199
Daraufhin hat am 5. Februar 2013 der Arbeitskreis IV
beschlossen, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Prävention
und Aufklärung der Öffentlichkeit/Partner in der Mitte
der Gesellschaft“ einzurichten.7200 Ein Bericht vom
7196) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 18.
7197) Beschlussniederschrift zur 87. Sitzung des Arbeitskreises IV
vom 5. Februar 2013.
7198) Arbeitsgruppen des AK IV zur Neuausrichtung des Verfas-
sungsschutzes, Arbeitsgruppe II „Personal, Aus- und Fortbil-
dung, Akademie für Verfassungsschutz, Zwischenbericht,
Stand: 28. März 2012, Bl. 1.
7199) Beschlussniederschrift über die 196. Sitzung der IMK vom
6./7. Dezember 2012.
7200) Beschlussniederschrift zur 87. Sitzung des Arbeitskreises IV
vom 5. Februar 2013.
20. März 2013 schlägt folgende Maßnahmen vor, um die
o. g. Vorschläge umzusetzen:
7201
– Informationsdienstleister für Behörden und Zivilge-
sellschaft: Kooperation mit der Wissenschaft und
„Open Government“, Unterstützung von Multiplika-
toren in Zivilgesellschaft und Verwaltung, Vernet-
zung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Informati-
onsvernetzung der Verwaltung,
– Eingliederung in koordinierte Strukturen der Länder
gegen Rechtsextremismus,
– Kooperationspartner gewinnen: Strategische Kom-
munikation als fachlicher Input im Rahmen von Ko-
operationen,
– konkrete Angebote für strategische Kommunikation:
Verfassungsschutzberichte, Pressearbeit, Vorträge
und Diskussionen, Fachtagungen und Symposien,
Ausstellungen, Fachmessen, „Verfassungsschutz
durch Aufklärung“ im Internet, Veröffentlichung von
Analysen, Bereitstellung themenspezifischer Materia-
lien zur Stärkung der Zivilgesellschaft, Bürgerkon-
takt.
7202
d) Internetnutzung durch die Verfas-
sungsschutzbehörden
Am 6./7. Juli 2012 hat die IMK folgende fünf Initiativen
zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes bezüglich
der Aufklärung extremistischer Bestrebungen im und
durch das Internet beschlossen:
7203
– Bundesweite Koordination von Internetzugängen,
– Schaffung einer zentralen Indexdatenbank für extre-
mistische Internetinhalte,
– Einrichtung einer gemeinsamen Mediendatei,
– Einrichtung eines Kompetenzzentrums beim BfV für
operative Sicherheit im Internet,
– Einrichtung eines zentralen Portals für
Extremismusprävention.
7204
Unter besonderer Berücksichtigung dieser fünf Punkte hat
am 5. Februar 2013 zur weiteren Ausgestaltung der Inter-
netnutzung durch die Verfassungsschutzbehörden der
Arbeitskreis IV beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzu-
richten.
7201) Bericht der AK IV AG 3, „Prävention und Aufklärung der
Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der Gesellschaft“, Stand:
20. März 2013.
7202) Bericht der AK IV AG 3, „Prävention und Aufklärung der
Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der Gesellschaft“, Stand:
20. März 2013.
7203) Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur weiteren Ausge-
staltung der Internetnutzung durch die Behörden des Verfas-
sungsschutzes, MAT A IMK-3d, Bl. 1 ff.
7204) Beschlussniederschrift über die 87. Sitzung des Arbeitskreises
IV vom 5. Februar 2013.
Drucksache 17/14600 – 812 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
e) Gremienstruktur
Am 5. Februar 2013 wurde die Arbeitsgruppe „Gremien-
struktur“ vom Arbeitskreis IV eingerichtet und beauftragt,
die Gremien und Entscheidungsmechanismen innerhalb
des Verfassungsschutzverbunds im Hinblick auf ihre
Zuständigkeit und Effizienz zu überprüfen und dabei auch
Optimierungsmöglichkeiten im Hinblick auf den laufen-
den Prozess der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
aufzuzeigen.
7205
f) Koordinierungsrichtlinie
Im Vorgriff auf eine beabsichtigte gesetzliche Regelung
ist bereits am 31. Dezember 2012 eine Richtlinie über die
Zusammenarbeit des BfV und der LfV in Kraft getreten.
Die LfV werden darin verpflichtet, alle relevanten Infor-
mationen und nicht mehr nur solche, welche die LfV für
erforderlich halten, an das BfV weiterzuleiten. Außerdem
hat das BfV die Befugnis erhalten, die Erkenntnisse in
allen Phänomenbereichen des Verfassungsschutzes zen-
tral auszuwerten, ohne dass dabei die Auswertungsver-
pflichtungen der Landesbehörden berührt werden. Das
BfV ist verpflichtet, die LfV unverzüglich über alle rele-
vanten Informationen sowie die Ergebnisse der Auswer-
tung zu unterrichten. Dem BfV ist zudem eine Koordinie-
rungskompetenz zugesprochen worden, sodass das BfV
und die LfV bei Maßnahmen zur Beobachtung extremisti-
scher Bestrebungen künftig stärker arbeitsteilig und unter
Koordinierung des BfV vorgehen werden.
7206
Diese war
zunächst durch eine Erweiterung des § 6a der Koordinie-
rungsrichtlinie auf § 6b (Verfahren bei der Beobachtung
des gewaltbereiten Rechtsextremismus) umgesetzt wor-
den.
7207
Durch Beschluss der IMK vom 5. bis
7. Dezember 2012 wurde die Koordinierungsrichtlinie
aufgehoben und die Zusammenarbeitsrichtlinie einge-
führt. In dieser ist § 6b in den §§ 3, 6 der Zusammenar-
beitsrichtlinie aufgegangen.
7208
g) Standardisierung des VP-Einsatzes
Am 5. Februar 2013 wurde durch den Arbeitskreis IV der
IMK die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe
beschlossen, die auf Grundlage des o. g. IMK-
Beschlusses und des Berichts zur Neuausrichtung des
Verfassungsschutzes vom 2. Dezember 2012 konkrete
Vorschläge zur weiteren Standardisierung der VP-
Führung sowie zu den Eckpunkten und technischen De-
tails einer zentralen VP-Datei entwickeln soll. Diesbezüg-
7205) Beschlussniederschrift über die 87. Sitzung des Arbeitskreises
IV vom 5. Februar 2013.
7206) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 17.
7207) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom
8./9. Dezember 2011.
7208) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des
Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 6, 7.
lich beauftragte die IMK mit Beschluss in ihrer 193. Sit-
zung am 8./9. Dezember 2011 den AK II und den AK IV
zu prüfen,
„inwieweit bei dem Einsatz von V-Leuten die
Vorgaben zur Art und Weise der Auswahl, Füh-
rung und des Einsatzes von V-Leuten zu optimie-
ren und als bundesweiter Standard konsequent an-
zuwenden sind.“7209
Der Arbeitsgruppe wurde aufgetragen
– eine gemeinsame Richtlinie für die VP-Führung zu
erstellen,
– den Entwurf einer Errichtungsanordnung für die
zentrale VP-Datei vorzulegen. Deren Ziele sind: eine
Doppelführung auch mit der Polizei vermeiden; das
Erkennen von Zugangslagen nach Quantität und Qua-
lität in den einzelnen Phänomenbereichen und den
Einsatz von Quellen bei Bedarf in anderen Ländern
ermöglichen. Die VP-Datei soll keine Klarnamen und
keine Deanonymisierungsmöglichkeiten enthalten.
Zu klären sind schreibender und lesender Zugriff der
Länder; Administrationsrechte des BfV; Verwendung
der Erkenntnisse aus der Datei.
7210
h) Vorschläge der IMK zur Neuausrichtung
des Verfassungsschutzes vom 23./24. Mai
2013
Auf der 197. Sitzung der Innenministerkonferenz vom
23./ 24. Mai 2013 in Hannover wurden der IMK Berichte
vorgelegt. Dabei hat die IMK in ihrer Beschlussnieder-
schrift folgende Vorschläge zur Neuausrichtung des Ver-
fassungsschutzes besonders hervorgehoben:
– Verstärkung der Präventionsarbeit des Verfassungs-
schutzes durch erweiterte Formen des Informations-
und Beratungsangebots („Verfassungsschutz als In-
formationsdienstleister“), engere Kooperation mit
wissenschaftlichen Einrichtungen und engere Vernet-
zung mit anderen Behörden und Einrichtungen sowie
mit zivilgesellschaftlichen Akteuren („Verfassungs-
schutz als Partner der Mitte der Gesellschaft“).
– Weiterentwicklung der Schule für Verfassungsschutz
zu einer Akademie durch ein erweitertes Fortbil-
dungsangebot, die Entwicklung zentraler Informati-
ons-/Beratungskompetenzen und einen engeren Aus-
tausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen.
– Die Implementierung einer gemeinsamen mehrmona-
tigen und modular strukturierten Zusatzausbildung
für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit wis-
senschaftlicher Ausbildung aus anderen Behörden
und der Privatwirtschaft.
7209) BKA, Bundesweite Grundsätze beim Einsatz von V-Personen
vom 14. März 2012, A-Drs. 502a, Bl. 99 ff. (101).
7210) Beschlussniederschrift der 87. Sitzung des Arbeitskreises IV
vom 5. Februar 2013.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 813 – Drucksache 17/14600
– Verbindliche Festlegung von gemeinsamen Standards
und Ausschlusskriterien für die Werbung und den
Einsatz von V-Personen im Verfassungsschutz. Diese
sollen in den jeweiligen Dienstvorschriften der Ver-
fassungsschutzbehörden normiert werden.
– Schaffung einer Dokumentation über den Einsatz
aller V-Personen in den „Beobachtungsobjekten“ des
Verfassungsschutzes durch die verbindliche Festle-
gung von Zielen und Inhalten einer beim BfV geführ-
ten zentralen V-Personen-Datei sowie die geplante
Erstellung einer entsprechenden Dateianordnung.
– Stärkere Koordination der Internetaufklärung durch
eine Neuorganisation im Bereich der Koordinations-
tagung Internet (KTI) und die Einrichtung einer In-
dexdatenbank und einer Mediendatei.
– Einrichtung eines Kompetenzzentrums für operative
Sicherheit im Internet beim BfV.
7211
Diesbezüglich hat die IMK Bund und Länder gebeten,
diese Berichtsergebnisse umzusetzen und in der Herbst-
sitzung 2013 darüber zu berichten. Die Ergebnisse der
Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus sollen hier-
bei in die weiteren Überlegungen einbezogen werden.
4. Weitere Maßnahmen
a) Anlaufstellen für Opfer
2002 wurde als zentrale Nachbetreuungsbehörde für im
Ausland verunglückte oder von einem Terroranschlag
betroffene deutsche Staatsangehörige oder deren Familien
das psychosoziale Betreuungsangebot der Koordinie-
rungsstelle NOAH beim Bundesamt für Bevölkerungs-
schutz und Katastrophenhilfe eingerichtet. Dieses Ange-
bot wurde nach dem 4. November 2011 für die Opfer des
NSU bzw. von rechtsextremistischen Übergriffen geöff-
net. Zudem wurde eine temporäre Telefon-Hotline im
BKA eingerichtet, bei der Zeugen oder Geschädigte an-
lässlich des Bekanntwerdens des NSU Hinweise auf
Straftaten oder Bedrohungen durch Rechtsextremisten
geben konnten.
7212
b) Maßnahmen beim GBA
Nach Aufdeckung der NSU-Mordserie werden Verände-
rungen auch im Geschäftsbereich des GBA für erforder-
lich gehalten.
So soll die Führung der ARP-Vorgänge beim GBA ver-
bessert werden. Dabei handelt es sich um Erkenntnisse,
die zwar auf ein Staatsschutzdelikt hindeuten, jedoch
nicht genügend Tatsachen enthalten, um das Vorliegen
eines Anfangsverdachts und die Zuständigkeit des GBA
7211) Beschlussniederschrift über die 197. Sitzung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder am
23./24. Mai 2013 in Hannover, S. 10.
7212) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 3.
ausreichend beurteilen zu können. Derartige Vorgänge
werden unter einem ARP-Kennzeichen geführt, bis hin-
reichende Tatsachen vorliegen, auf deren Grundlage man
über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entschei-
den kann.
7213
Nach Mitteilung der Bundesregierung bietet
das Register bisher nur eingeschränkte Recherchemög-
lichkeiten: Sobald ein Prüfvorgang weggelegt sei, falle es
schwer, einen systematischen Abgleich mit bereits vor-
handenen Prüfvorgängen durchzuführen. Vor diesem
Hintergrund sei beim GBA eine Arbeitsgruppe zur Erar-
beitung eines Modells für die Digitalisierung von Prüf-
vorgängen eingerichtet worden. Die Einrichtung einer
entsprechenden Datenbank soll zu einer erheblichen Ver-
besserung der Recherchemöglichkeiten führen.
7214
Künftig will der GBA dafür Sorge tragen, dass regelmä-
ßige Sachstandsberichte zum Stand der Fahndungsmaß-
nahmen (drei monatlich) sowie Dokumentationen jegli-
cher besonderer Fahndungsaktivitäten zu den Sachakten
gelangen.
7215
Zur Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen
dem GBA und den Staatsanwaltschaften der Länder wird
im Phänomenbereich „Rechtsextremismus/Rechts-
terrorismus“ ein Ansprechpartnersystem eingerichtet. Zur
Umsetzung dieser Maßnahme besteht derzeit eine Ar-
beitsgruppe.
7216
c) Maßnahmen im Bundeshaushalt
Im Jahr 2013 stehen rund 25 Mio. Euro zusätzlich zur
Stärkung der Bekämpfung des Rechtsextremismus zur
Verfügung. Es ist beabsichtigt, für das Jahr 2014 entspre-
chende Mittel von rund 22 Mio. Euro und für die Jahre
2015 und 2016 von je 18 Mio. Euro einzuplanen.
7217
Von diesen 25 Mio. Euro im Jahr 2013 stehen dem BKA
und dem BfV ca. 17 Mio. Euro für Maßnahmen im
Sicherheitsbereich zur Verfügung. Das BKA erhält zu-
sätzlich 0,8 Mio. Euro Personalmittel. Für das BKA wur-
den 46 zusätzliche Planstellen für den Schwerpunkt „Be-
kämpfung Rechtsextremismus“ ausgebracht.
Die Bundesregierung hatte für das BfV 91 zusätzliche
Stellen für die „Bekämpfung des Rechtsextremismus/-
terrorismus“ gefordert, die im parlamentarischen Verfah-
ren jedoch nicht durchgesetzt werden konnten. Grund
hierfür war ein bei der Aufstellung des Haushalts 2009
durch das Vertrauensgremium des Deutschen Bundesta-
ges ausgebrachter Haushaltsvermerk, der nicht gestrichen
7213) Diemer, Herbert, „Erhebungen des Generalbundesanwalts zur
Klärung des Anfangsverdachts im Rahmen von ARP-
Vorgängen“, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2005, S. 666-669.
7214) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 23.
7215) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 19, 26.
7216) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 26.
7217) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 19.
Drucksache 17/14600 – 814 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wurde. Dem BKA und dem BfV sollen im Jahr 2014
14 Mio. Euro, in den Jahren 2015 und 2016 je
10 Mio. Euro zur Verfügung stehen.
7218
Für die Bundeszentrale für politische Bildung, die sich
der Extremismusprävention widmet, sollen in den nächs-
ten Jahren zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Mio. Euro für
die politische Bildungsarbeit und Fördermaßnahmen im
Bereich der Extremismusprävention zur Verfügung ge-
stellt werden.
7219
Auch für das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“,
welches seit 2010 gefördert wird und welches Projekte für
demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in länd-
lichen und strukturschwachen Gebieten fördert, sollen bis
2016 24 Mio. Euro bereitgestellt werden.
7220
d) Präventionsmaßnahmen
Die Bundesregierung hat verschiedene Präventionsmaß-
nahmen unterstützt. So ist nach Mitteilung des BMI im
Jahr 2012 vom Bundesamt für Justiz (BfJ) ein Schüler-
wettbewerb durchgeführt worden, der Ideen gegen
Rechtsextremismus gefördert und ausgezeichnet hat.
Außerdem wurden verschiedene Projekte zivilgesell-
schaftlicher Initiativen gefördert, die das Ziel hatten,
präventiv gegen Rechtsextremismus vorzugehen.
7221
Im Jahr 2012 wurde ein bundesweites Informations- und
Kompetenzzentrum, das „BIK Netz – Präventionsnetz
gegen Rechtsextremismus“ etabliert. Das BIK Netz hat
zur Aufgabe, methodische Expertisen, Ansätze und Zu-
gänge mit dem Schwerpunkt präventiv-pädagogischer
Arbeit in Bezug auf die Zielgruppe rechtsextrem gefähr-
deter bzw. orientierter Jugendlicher in die Öffentlichkeit
zu bringen und den bundesweiten Austausch von Er-
kenntnissen über das Funktionieren von unterschiedlichen
Präventionsansätzen zu fördern. Der Ausbau ist bis Ende
2014 vorgesehen.
7222
e) Maßnahmen im MAD
Wie im Bericht der Bundesregierung für das BMVg mit-
geteilt worden ist, sind aufgrund der Sitzungen des
2. Untersuchungsausschusses folgende Themenkomplexe
als verbesserungswürdig herausgearbeitet worden:
„Unzureichende oder verspätete Übermittlung von
durch den MAD erhobenen Erkenntnissen an die
Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden;
7218) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 19.
7219) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 17.
7220) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 17.
7221) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 29.
7222) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 42.
Wie stellt der MAD sicher, dass keine rechtsex-
tremen Soldaten V-Leute des MAD werden kön-
nen? Prüfung des Verhältnisses von Aufwand und
Nutzen beim Einsatz von V-Leuten;
Bedarf es eines Qualitätssicherungssystems zwi-
schen MAD und dem zivilen Verfassungsschutz –
Stichwort: Rückkoppelung in Richtung MAD?
Verbesserung des Informationsflusses zwischen
MAD und Truppe in beiden Richtungen – Stich-
wort: Wie erfährt der MAD davon, was in der Per-
sonalführung mit den von ihm dorthin übermittel-
ten Erkenntnissen geschieht?
Trotz inhaltlich guter Arbeit ist nicht hinreichend
sichergestellt, dass die vom MAD zutage geförder-
ten Erkenntnisse möglichst schnell Wirkung ent-
falten – Stichwort: Extremisten vom Wehrdienst
fernhalten.“7223
Aufgrund der Aussetzung der verpflichtenden Einberu-
fung zum Grundwehrdienst sieht das BMVg verstärkten
Handlungsbedarf, um sicherzustellen, dass Bewerberin-
nen und Bewerber mit rechtsextremistischem Hintergrund
keinen Zugang zu den Streitkräften bekommen. Dazu
müssten rechtsextremistische Bestrebungen möglichst
früh erkannt werden, um eine Übernahme in ein Dienst-
verhältnis zu verhindern. Zur Umsetzung wurde im Ge-
schäftsbereich des BMVg der sogenannte „Zusatzfrage-
bogen zum Bewerbungsbogen für den freiwilligen Dienst
in der Bundeswehr“ mit der „Erklärung über Mitglied-
schaft oder Verbindung zu bestimmten politischen Partei-
en und Organisationen sowie bestimmten Institutionen“
zu einem Dokument zusammengefasst und aktuali-
siert.
7224
Allerdings sind einer Verfassungstreueprüfung
rechtliche Grenzen gesetzt. Eine anlasslose, pauschale
Anfrage bezüglich Bewerberinnen und Bewerbern bei
Verfassungsschutzbehörden darf nicht stattfinden.
7225
Eine Bewerberin oder ein Bewerber kann allerdings frei-
willig um ein Gespräch mit dem MAD bitten, wenn sie
oder er Zweifel an der richtigen Beantwortung des Frage-
bogens hat. Der MAD selbst besitzt für Bewerberinnen
oder Bewerber keine gesetzliche Zuständigkeit, sondern
kann erst nach Dienstantritt gem. § 1 MADG und auch
nur wenn tatsächliche Anhaltspunkte für
(rechts-)extremistische Bestrebungen vorliegen, tätig
werden.
7226
Hintergrund hierfür ist die Regelung „Hinwei-
se zum Vorgehen gegen Extremisten“ vom
21. Dezember 1998. Aufgrund dieser Regelung besteht
mangels Rechtsgrundlage keine Möglichkeit, den ausge-
füllten Fragebogen der Bewerberinnen und Bewerber vom
7223) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 31.
7224) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 35.
7225 Näheres hierzu unter: C. IV. 5. a).
7226) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 36.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 815 – Drucksache 17/14600
MAD prüfen zu lassen.
7227
Vor dem Hintergrund der
Aussetzung des Grundwehrdiensts und der Neuausrich-
tung der Bundeswehr wird diese Regelung im Sinne der
Regelungen des „Dresdner Erlasses“ derzeit angepasst.7228
In diesem wurde die Kompetenzverteilung zwischen der
politischen und der militärischen Führungsstruktur des
BMVg und der Bundeswehr mit Wirkung vom 21. März
2012 neu geregelt.
7229
Unter der Überschrift „lessons learned“ hat im MAD im
vergangenen Jahr eine Bestandsaufnahme stattgefunden,
die als Ergebnis die Notwendigkeit einer Justierung des
Selbstverständnisses des Dienstes erkannt hat. Der bisher
sehr abgeschottet arbeitende Dienst hat daraufhin eine
Organisationseinheit für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
eingerichtet. Aufgrund der Arbeit des 2. Untersuchungs-
ausschusses habe sich gezeigt, dass die Öffentlichkeit ein
deutliches Interesse an der Arbeit des MAD habe und die
Arbeit aktiv transparent gemacht werden müsse. Deshalb
sei ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit eingeleitet worden.
7230
Außerdem wurde eine Organisationseinheit „Weiterent-
wicklung“ geschaffen, die der Schärfung des Bewusst-
seins innerhalb des MAD dient. Sie hat die Aufgabe si-
cherzustellen, dass Erkenntnisse zu gegebener Zeit und in
geeigneter Form an die Staatsanwaltschaften und Polizei-
behörden übermittelt werden. Eine derartige Verpflich-
tung gibt es zwar bereits aufgrund von § 11 Abs. 2 MAD-
Gesetz i. V. m. § 20 BVerfSchG. Allerdings seien die
Tatbestandsvoraussetzungen in der Vergangenheit so eng
ausgelegt worden, dass Übermittlungen nicht in einem
Maß erfolgten, wie dies möglich und teils erforderlich
gewesen wäre.
7231
Zum Einsatz von V-Leuten wurden die untergesetzliche
Vorschriftenlage und der Ausbildungsstand der Mitarbei-
ter überprüft. Auch weiterhin werde laut Bericht der Bun-
desregierung eine Überprüfung der bestehenden Wei-
sungslage unter dem Gesichtspunkt des Aufwand-Nutzen-
Verhältnisses stattfinden.
7232
f) Maßnahme des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(BMFSFJ)
Neben dem oben dargestellten Informations- und Kompe-
tenzzentrum BIK Netz, beabsichtigt das BMFSFJ den
7227) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 36.
7228) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 37.
7229) Michael Haid: „Der Dresdner Erlass – Machtkonzentration
durch Umstrukturierung des Verteidigungsministeriums“ vom
29. März 2012, www.imi-online.de.
7230) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 32.
7231) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 33.
7232) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 33.
Kenntnisstand zum Thema „rechtsextreme Eltern“ auszu-
bauen, durch längerfristiges Engagement ein dauerhaftes
Internet-Monitoring zu unterstützen und im Internet über
rechtsextremistische Bestrebungen aufzuklären.
7233
Das Aussteiger-Programm „EXIT-Deutschland“ soll auch
nach Auslaufen der Förderung durch den Europäischen
Sozialfonds weiter vom BMFSFJ unterstützt werden.
7234
g) Unterwanderung von Rockergruppierun-
gen durch rechtsextreme Kreise
Bezüglich der Zusammenarbeit von Rockergruppierungen
mit Rechtsextremisten wurde im Auftrag der IMK ein
„Lagebild zu Verbindungen zwischen rechtsextremisti-
scher Szene und Rockergruppierungen – VS-NfD“ er-
stellt. Dieses kam zu dem Schluss, dass vereinzelt Formen
der Zusammenarbeit zwischen Rechtsextremisten und
Angehörigen von Rockergruppierungen existierten, es
jedoch derzeit keine Hinweise auf eine strukturelle oder
strategisch angelegte Zusammenarbeit gebe. Die Entwick-
lungen sollen vom Arbeitskreis IV weiter aufmerksam
und mit hoher Sensibilität beobachtet werden und es soll
ein weiterer Bericht bei der Herbstsitzung 2014 der IMK
erstattet werden.
7235
II. Abschlussbericht der Bund-Länder-
Kommission Rechtsextremismus vom
30. April 2013
Die Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus
7236
hat
die Zusammenarbeitsformen der Sicherheitsbehörden
untereinander beleuchtet und auf Grundlage von Schnitt-
stellen zwischen Behörden oder Arbeitsbereichen ihre
Zusammenarbeit beurteilt. Am 30. April 2013 hat die
Kommission der IMK einen abschließenden Bericht vor-
gelegt und hierin den von ihr für erforderlich gehaltenen
Änderungsbedarf vorgestellt. Nach Auffassung der
Kommission haben sich bei den Verfassungsschutzbehör-
den, bei den Polizeibehörden und der Justiz Defizite ge-
zeigt.
7237
Auf dieser Grundlage hat die Kommission die
folgenden Vorschläge ausgearbeitet:
1. Verfassungsschutz
Die Kommission legt in ihrem Bericht dar, dass eine
Abschaffung der Verfassungsschutzbehörden in Bund und
Ländern nicht geboten sei. Auch eine Zentralisierung von
Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden beim Bund
oder ein fachliches Weisungsrecht des BfV gegenüber
7233) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 42.
7234) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 42.
7235) Beschlussniederschrift der 89. Sitzung des Arbeitskreises IV
vom 24. April 2013.
7236) Näheres hierzu: Erster Teil, B. III.
7237) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 351.
Drucksache 17/14600 – 816 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den LfV seien nicht erforderlich. Bezüglich der Überle-
gung einer Zusammenfassung mehrerer Landesbehörden
für Verfassungsschutz, verweist die Kommission auf eine
mögliche Umsetzung der beteiligten Länder selbst.
7238
2. Trennungsgebot
Die Trennung zwischen Verfassungsschutz- und Polizei-
behörden hält die Kommission weiterhin für sinnvoll.
Ursache für die zahlreichen Schnittstellenprobleme und
Defizite sei das „Trennungsgebot in den Köpfen“ der
Mitarbeiter gewesen. Um dem entgegenzuwirken müsse
bei Polizei und Verfassungsschutz ein gemeinsames Ver-
ständnis von Verantwortung für die Sicherheit aufgebaut
werden.
7239
Eine mögliche Amtshilfe durch eine Verfassungsschutz-
behörde für die Polizei mittels nachrichtendienstlicher
Maßnahmen, die mit einem Eingriff in die Grundrechte
von Bürgern verbunden wäre, hält die Kommission hin-
gegen für unzulässig. Werde die Verfassungsschutzbe-
hörde in eigener Zuständigkeit aufgrund eines Ersuchens
der Polizei tätig, müsse bezüglich der Auswahl eines
nachrichtendienstlichen Mittels eine Prüfung der Zweck-
und Verhältnismäßigkeit erfolgen. Einen entsprechenden
gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die Kommission
diesbezüglich nicht. Die Problematik der beschriebenen
Amtshilfe solle vielmehr in untergesetzlichen Zusammen-
arbeitsvorschriften Berücksichtigung finden.
7240
3. Verbesserung der Zusammenarbeit
a) BfV
Die Kommission ist der Ansicht, dass die Zentralstellen-
funktion des BfV gestärkt und als solche im Gesetz, ver-
gleichbar mit dem BKA, auch ausdrücklich bezeichnet
werden sollte.
7241
Diesbezüglich schlägt sie folgende
Änderungen vor:
Über die bestehende Verwaltungsvereinbarung
7242
hinaus
solle bezüglich der Verpflichtung zum Informationsaus-
tausch zwischen der Landes- und der Bundesebene
§ 5 BVerfSchG geändert und deutlich erweitert werden.
Durch die Normenänderung sollen Länderbehörden für
Verfassungsschutz künftig verpflichtet sein, Informatio-
nen aus allen Phänomenbereichen sowie darauf basieren-
de Auswertungen unverzüglich an das BfV zu übermit-
7238) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 352.
7239) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 352.
7240) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 352.
7241) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 204 ff.
7242) Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungsschutz
gemäß Beschluss der Innenministerkonferenz (Zusammenar-
beitsrichtlinie – ZAR).
teln. Das BfV soll im Gegenzug die Informationen und
Auswertungen unverzüglich an die betroffenen Länderbe-
hörden übermitteln.
7243
In den Fällen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 BVerfSchG,
in denen sich Bestrebungen und Tätigkeiten über den
Bereich des Landes hinaus erstrecken oder eine Landes-
behörde für Verfassungsschutz das BfV um ein
Tätigwerden ersucht, sieht die Kommission die Notwen-
digkeit, die Verpflichtung zur gemeinsamen Auswertung
gesetzlich zu regeln. Zudem soll bei operativen Maßnah-
men zur Vermeidung von Doppelarbeit/paralleler Durch-
führung gleicher Maßnahmen eine Abstimmung zwischen
BfV und dem jeweiligen LfV erfolgen. Damit – so die
Kommission – ließen sich auch Risiken hinsichtlich des
Übermaßverbots und ein nicht erforderlicher Einsatz
personeller und materieller Ressourcen ausschließen.
7244
Zur Umsetzung der o. g. Vorschläge unterbreitet die
Kommission einen konkreten Gesetzesvorschlag.
7245
b) Polizeibehörden
Der Vorschlag der Kommission zielt darauf ab, dass in
Zukunft alle Informationen, die den ermittelnden Polizei-
beamten vorliegen, daraufhin überprüft werden sollen, ob
sie für andere Behörden bzw. Strafverfahren von Bedeu-
tung sein könnten. Hierfür müsse eine lückenlose Doku-
mentation der Zusammenarbeit sichergestellt sein. Dies
könnte durch eine Verpflichtung zur Verschriftlichung der
Korrespondenz mit anderen Behörden erreicht werden.
Hinsichtlich der Aus- und Fortbildung im Polizeivoll-
zugsdienst regt die Kommission an, der Pflicht zur Prü-
fung einer Informationsübermittlung an andere Behörden,
der Notwendigkeit der Klarheit der übermittelten Inhalte
sowie der grundsätzlichen Pflicht zur schriftlichen Doku-
mentation besondere Beachtung zu schenken.
7246
c) Zentrale/dezentrale Ermittlungsführung
Die Kommission stellt fest, dass die gesetzlichen Voraus-
setzungen für die Zusammenführung der Ermittlungen im
Bereich der Staatsanwaltschaften und der Polizeibehörden
bereits frühzeitig vorgelegen hätten. Dabei sei die Rege-
lung in Nr. 25 in den Richtlinien für das Strafverfahren
und das Bußgeldverfahren (RiStBV), die das Führen von
staatsanwaltlichen Sammelverfahren vorschreibt, ver-
pflichtend. Die Justiz müsse allerdings diese in entspre-
chenden Fällen auch anwenden und Rechtspraxis werden
lassen. Damit werde gleichzeitig die Frage einer polizei-
7243) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 204 ff.
7244) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 353.
7245) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 204 ff.
7246) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 354.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 817 – Drucksache 17/14600
lich zentral geführten Ermittlung i. S. v. § 18 BKAG
7247
(Koordinierung der Strafverfolgung) i. V. m. Nr. 28
RiStBV geklärt. Zudem müssten das BMI und das BKA
ihren rechtlichen Handlungsrahmen aus §§ 4
7248
und 18
BKAG konsequent ausschöpfen.
7249
d) Übermittlungsvorschriften auf Landes-
und Bundesebene
Handlungsbedarf sieht die Kommission bezüglich der
Vereinheitlichung von Übermittlungsvorschriften in Bund
und Ländern. Hierdurch soll allen Sicherheitsbehörden
ein einheitlicher Rechtsstandard ermöglicht werden. Da-
bei müssten die Vorschriften zur informationellen Zu-
sammenarbeit sicherstellen, dass Schnittstellenprobleme,
unterschiedliche fachliche Standards/unterschiedliche
Bewertungen bestimmter Sachverhalte und mangelnde
Kenntnisse der Arbeitsweise überwunden bzw. kompen-
siert werden könnten. Behördenegoismen und unreflek-
tiertes Streben nach Geheimhaltung müssten vermieden
werden.
7250
Im Vordergrund stünden Vorschriften bezüglich der In-
formationsübermittlung von Verfassungsschutzbehörden
an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Eine vor-
aussetzungslose und verpflichtende Übermittlung aller
anfallenden Informationen, die in irgendeiner Weise nütz-
lich oder hilfreich sein könnten, sei durch das Grundrecht
der informationellen Selbstbestimmung allerdings ausge-
schlossen.
7251
e) Polizeibehörden und Verfassungsschutz
Um zu gewährleisten, dass das Gefährdungspotenzial von
extremistischen/terroristischen Personen und Gruppierun-
gen frühzeitig erkannt wird und in gemeinsamer Abstim-
mung darauf reagiert werden kann, hält die Kommission
eine Intensivierung der im Leitfaden zur „Optimierung
der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz“
beschriebenen Zusammenarbeitsformen für erforderlich.
Operative Maßnahmen, unter Beteiligung der sachleiten-
den Staatsanwaltschaften, stünden dabei im Vordergrund
der Zusammenarbeit. Die Kommission schlägt vor, die
Übermittlung von Erkenntnissen der Verfassungsschutz-
behörden an die Polizei für eine strukturierte Informati-
onsübermittlung über ein standardisiertes, noch zu entwi-
ckelndes Verfahren abzuwickeln.
7252
7247) Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit
des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angele-
genheiten.
7248) Wahrnehmen polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der Straf-
verfolgung durch das BKA.
7249) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 354.
7250) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 355.
7251) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 355.
7252) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 356.
f) Staatsanwaltschaft und Verfassungs-
schutz
Für erforderlich hält die Kommission eine konsequente
Umsetzung der vorgesehenen Informationsverpflichtun-
gen der Staatsanwaltschaften gegenüber dem Verfas-
sungsschutz. Da die Pflicht zur Umsetzung den sachlei-
tenden Staatsanwälten selbst obliegt, sollten diese mit
nachrichtendienstlichen Vorschriften und diesbezüglich
existierenden Verwaltungsvorschriften vertraut sein. Die
Kommission schlägt zudem einen regelmäßigen Erfah-
rungsaustausch auf Arbeitsebene zwischen staatsanwalt-
schaftlichen Sachbearbeitern und Mitarbeitern des Ver-
fassungsschutzes vor, um das Verständnis für die Ar-
beitsweise und die Erfordernisse der jeweiligen Behörde
zu verbessern. Außerdem regt sie eine Umformulierung
bzw. Erweiterung der Nr. 20 RiStBV an, damit diese
Vorschrift einen verbindlicheren Charakter bekommt.
7253
g) Geheimschutz/Verwertbarkeit eingestufter
Informationen
Um das „Need to Know“-Prinzip gesetzlich zu verankern
und darüber hinaus die Reichweite einer Pflicht zur In-
formationsübermittlung („Need to Share“) im Interesse
klarer Handlungsanweisungen näher zu bestimmen,
schlägt die Kommission eine klarstellende Regelung im
Sicherheitsüberprüfungsgesetz vor. Innerhalb der Verfas-
sungsschutzbehörden müsse die Handlungssicherheit der
Mitarbeiter bei der Einstufung von geheimhaltungsbe-
dürftigen Informationen erhöht werden, um die teils über-
zogene Einstufungspraxis einzudämmen. Jede Einstufung
solle kritisch i. S. v. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes
über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicher-
heitsüberprüfungen des Bundes (SÜG) hinterfragt wer-
den.
7254
Bei der Polizei und der Justiz müsse zudem sichergestellt
werden, dass die tatsächlichen Bedarfsträger nachrichten-
dienstlicher Informationen über die erforderlichen Er-
mächtigungen zum Umgang mit Verschlusssachen ver-
fügten. Die Justiz solle dabei ihre Möglichkeiten zum
Umgang mit Verschlusssachen ausschöpfen und Zeugnis-
sen der Verfassungsschutzbehörden i. S. d. § 256 Straf-
prozessordnung zumindest den Wert einer Anlasstatsache
beimessen.
7255
Die Nachrichtendienste ihrerseits müssten verpflichtet
werden, auf die Belange einer effektiven Strafrechtspflege
Rücksicht zu nehmen. Vor jeder Übermittlung sollte dabei
geprüft werden, ob der gewählte Verschlussgrad tatsäch-
lich erforderlich oder eine Herabstufung möglich sei.
Sollten gesperrte Informationen übermittelt werden, müs-
7253) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 356.
7254) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 356 f.
7255) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 357.
Drucksache 17/14600 – 818 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
se geprüft werden, ob Zeugen vom Hörensagen benannt
werden könnten.
7256
4. Verdeckte Informationsgewinnung
Bezüglich der verdeckten Informationsgewinnung hält die
Kommission fest, dass die Befugnis der Sicherheitsbehör-
den zum Einsatz von Vertrauensleuten beizubehalten
sei.
7257
Dem Bericht zur Neuausrichtung des Verfassungsschut-
zes des BMI vom 30. April 2013 stimmt sie bezüglich den
Vorschlägen eines einheitlichen Sprachgebrauchs für
menschliche Quellen, der Einführung einheitlicher Vor-
gaben hinsichtlich der Auswahl der Personen, Anwerbung
und Führung sowie Beendigung der Zusammenarbeit
zu.
7258
Die Kommission betont, dass der Quellenschutz nicht
absolut sei, sondern der Schutz von Leib und Leben der
Quelle, die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehör-
den und die berechtigten Belange von Strafverfolgung
und Gefahrenabwehr in ein angemessenes Verhältnis zu
bringen seien.
7259
Dementsprechend schlägt sie eine Än-
derung des § 23 BVerfSchG vor, nach der Gründe des
Quellenschutzes und der Gefahrenabwehr für Personen
ein Übermittlungshindernis darstellen, eine Übermittlung
andererseits aber dann erfolgt, wenn sie zur Verfolgung
einer besonders schweren Straftat oder zur „Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr für den Bestand des Staates oder
für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person
oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung
und Funktion im besonderen öffentlichen Interesse“ gebo-
ten ist. Die Entscheidung, ob die Übermittlung unter-
bleibt, solle dem Präsidenten des BfV obliegen. Sie solle
der Kontrolle des parlamentarischen Kontrollgremiums
unterliegen.
7260
Bezüglich der Informationsauswertung im Verfassungs-
schutz soll eine stetige effektive und effiziente Kontrolle
der Auswertung und eine vertiefte „interdisziplinäre“
Aus- und Fortbildung erfolgen.
7261
5. Generalbundesanwalt
Die Kommission schlägt vor, unter Beachtung der grund-
gesetzlichen Kompetenzverteilung, für schwerste, in
7256) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 357.
7257) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 357.
7258) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 358.
7259) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 359; auf S. 316 des
Berichts unterbreitet die Kommission einen konkreten Vor-
schlag zur Änderung des § 23 BVerfSchG.
7260) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 316 f.
7261) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 359.
höchstpersönliche Rechtsgüter eingreifende Straftaten die
materielle Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
(GBA) zu erweitern. Dazu sei ein Tatbestandsmerkmal
einzuführen, welches klarstelle, dass die Tat nach den
Umständen geeignet sein müsse, die öffentliche Sicher-
heit oder den Rechtsfrieden in der Bundesrepublik
Deutschland in besonders erheblichem Maße zu beein-
trächtigen. Ein geeignetes Mittel hierfür sieht die Kom-
mission in einer Formulierung im Gerichtsverfassungsge-
setz (GVG), die auf den Staatsschutzbezug verzichtet.
7262
Außerdem empfiehlt die Kommission, die einfachgesetz-
lichen Einschränkungen des § 120 Abs. 2 GVG zu lo-
ckern, um besonders im frühen Stadium der Ermittlungen
dem GBA in der Frage seiner eigenen Zuständigkeit einen
größeren Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum
einzuräumen. Sie regt an, das bisherige gesetzliche Erfor-
dernis in § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG, wonach „die Tat den
Umständen nach bestimmt und geeignet ist“ durch „wenn
die Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet sein
kann“ zu ersetzen.7263
In § 142 a Abs. 1 GVG sei eine Verpflichtung der örtli-
chen Staatsanwaltschaften, den GBA
gem. Nr. 202 RiStBV zu informieren, einzuführen. Der
GBA solle im Rahmen des § 142 a GVG die gesetzliche
Befugnis erhalten, zur Klärung seiner eigenen Zuständig-
keit bestimmte Ermittlungen anzustellen. Als Beispiel
hierfür nennt die Kommission das Recht, bei den örtli-
chen Behörden Auskünfte einzuholen, Akten einzusehen
und Ermittlungsaufträge an das BKA zu erteilen.
7264
Ein weiterer Vorschlag der Kommission zielt darauf ab,
dem GBA die gesetzlich verankerte Kompetenz zu verlei-
hen, unterschiedliche Ermittlungsverfahren auch länder-
übergreifend einer einzelnen Staatsanwaltschaft zur Ver-
folgung bindend zuzuweisen, soweit dies zur Sicherstel-
lung einer einheitlichen Verfahrensführung erforderlich
ist und auf andere Weise nicht erreicht werden kann.
7265
6. Dienst- und Fachaufsicht
Zur Gewährleistung einer sachgerechteren und effiziente-
ren Aufsicht hat die Kommission vorgeschlagen, ausrei-
chendes und ausschließlich in eigens dafür zuständigen
Kontrolleinheiten verwendetes Personal einzusetzen, das
über eine ausreichende praktische Erfahrung im betref-
fenden Bereich verfügt. Eine Notwendigkeit, die durch
die zuständigen Organisationseinheiten der Innenverwal-
tungen der Länder wahrgenommene Aufsicht über Poli-
zeibehörden zu ändern, bestehe hingegen nicht. Aller-
dings müsse der kontinuierliche und vollständige Infor-
7262) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 359.
7263) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 360.
7264) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 360.
7265) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 360.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 819 – Drucksache 17/14600
mationsaustausch zwischen Aufsichts- und nachgeordne-
ter Behörde sichergestellt werden.
7266
Im Bereich der Verfassungsschutzbehörden sieht die
Kommission zwei unterschiedliche Möglichkeiten: Zum
einen könne man einen „Beauftragten zur Kontrolle des
Verfassungsschutzes“ einsetzen, der in seiner Amtsfüh-
rung unabhängig und im Bereich der Exekutive angesie-
delt ist. Zum anderen könnten sich in den Ländern, in
denen die Verfassungsschutzbehörden oberste Landesbe-
hörden sind, die Hausleitungen von besonderen Kontroll-
einheiten unterstützen lassen.
7267
7. Aus- und Fortbildung
Sich der IMK in ihrer Sitzung vom 5. und 7. Dezember
2012 anschließend, spricht sich die Kommission für eine
zeitgemäße, stärker standardisierte Aus- und Fortbildung
im Verfassungsschutzverbund aus.
7268
III. Empfehlungen der Sachverständigen
1. Zur bestehenden Sicherheitsarchitektur
Die zu Beginn der Untersuchung des Ausschusses gehör-
ten Sachverständigen haben sich zu der Frage geäußert,
ob sich die bestehende Sicherheitsarchitektur bewährt
habe.
Prof. Dr. Christoph Gusy hat betont, es müsse sich noch
zeigen, ob die aufgrund des NSU zutage geförderten
Mängel ausschließlich „vor Ort“ oder auch in der Organi-
sation der Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik
Deutschland begründet lägen. Nur im letzteren Fall seien
Änderungen in der Architektur notwendig.
7269
Auch Prof.
Dr. Heinrich Amadeus Wolff hat angemerkt, vor einer
Sachverhaltsaufklärung seien lediglich Denkanstöße mög-
lich. Reformüberlegungen behandele er deshalb nur am
Rande.
7270
So habe sich die Sicherheitsarchitektur grund-
sätzlich bewährt. Festzustellende Mängel müssten durch
konkrete Maßnahmen beseitigt werden, ohne die Archi-
tektur grundsätzlich in Frage zustellen.
7271
a) Sicherheitsbehörden allgemein
Der Sachverständige Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange hat
vorgeschlagen, eine
7266) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 361.
7267) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 361.
7268) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 361.
7269) Dr. Gusy, Gutachten für den 2. Untersuchungsausschuss der
17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S-1,
S. 1.
7270) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 13.
7271) Dr. Wolff, „Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des
Bundes und der Länder“, März 2012, S. 90.
– „Mehrdimensionalität der Leistungsfähigkeit“ zu
erhalten,
sodass die Sicherheitsbehörden verschiedene Aufgaben-
schwerpunkte wahrnehmen könnten.
7272
Bisher bestünde
die Gefahr einer gewissen Eindimensionalität in den
Sicherheitsbehörden bezüglich ihrer Aufgabenwahrneh-
mung.
7273
Dabei dürfe es, trotz der Möglichkeit einer
Schwerpunktbildung, keine einseitige Ausrichtung auf
eine Gefahrenlage geben.
7274
Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat sich für einen
verstärkten Außendiskurs der Behörden sowie „eine ver-
stärkte gesellschaftliche Öffnung im Hinblick auf gesell-
schaftliche Frühwarnsysteme“ ausgesprochen.7275
b) Verfassungsschutz
aa) Aufgabe des Verfassungsschutzes
Der Sachverständige Prof. Dr. Lange hat erklärt, der Ver-
fassungsschutz sei aus seiner Sicht nicht nur Nachrichten-
dienst. In seine Zuständigkeit falle auch die gesellschaftli-
che Analyse von die freiheitlich-demokratische Grund-
ordnung gefährdenden Bestrebungen, die Aufklärung
darüber sowie der Wissenstransfer.
7276
Der Verfassungs-
schutz müsse deshalb
– auch die Öffentlichkeitsfunktion als seine Aufgabe
sehen.
7277
Nach Auffassung vom Prof. Dr. Lange sei nach Beendi-
gung des Kalten Krieges die Geheimhaltung der Arbeits-
ergebnisse des Verfassungsschutzes in der Regel nicht
mehr notwendig. Diese Arbeitsergebnisse müssten für die
gesellschaftliche Diskussion und die politische Bildung
genutzt werden. So könnten Lehrer und Erzieher in die
Lage versetzt werden, bestimmte Symbole und Signale
erkennen zu können.
7278
Auch der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat erklärt,
– partielle funktionsbezogene Lockerungen der Ver-
traulichkeit im Sicherheitsbereich könnten zu einer
Effizienzsteigerung führen.
7279
Für Empfehlungen bezüglich des BfV käme es darauf an,
wie der Gesetzgeber dieses zukünftig aufstellen wolle.
Sollte es auf die reine Ermittlung von Vorfeld und Struk-
turen ausgerichtet sein, so bräuchte das BfV
– effektive Informationsbefugnisse, vor allem im Be-
reich des Internets.
7280
7272) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 6.
7273) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 6.
7274) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 39.
7275) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 31.
7276) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.
7277) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.
7278) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.
7279) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 13.
Drucksache 17/14600 – 820 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sollte das BfV hingegen zur konkreten Gefahrenabwehr
eingesetzt werden, dann müsse es vergleichbare Befug-
nisse wie das BKA zur Abwehr des internationalen Terro-
rismus haben.
7281
bb) Personal und Ausbildung
Prof. Dr. Lange hat sich kritisch zu einer
„Verpolizeilichung“ des Verfassungsschutzes geäußert.
Für die Landesverfassungsschutzbehörden spiele die
Rekrutierung von Polizisten eine große Rolle. Ein Polizist
sei jedoch anders ausgebildet, als es für den Verfassungs-
schutz sinnvoll wäre.
7282
Das Bundesamt nutze dagegen stärker die Möglichkeit,
das eigene Personal an der Fachhochschule des Bundes
bzw. in der Verfassungsschutzschule auszubilden. Von
dieser Möglichkeit sollten auch die Länder mehr Ge-
brauch machen.
7283
– Die Ausbildung an der Fachhochschule, Abteilung
Verfassungsschutz, müsse zur Regelausbildung für
die Bediensteten des Verfassungsschutzes werden.
7284
Nur der Bund habe ein Ausbildungskonzept für den mitt-
leren und gehobenen Dienst; die Länder begnügten sich
mit Einführungslehrgängen.
7285
Solle der Verfassungs-
schutz eine gesellschaftlich-analytische Aufgabe wahr-
nehmen, müsse sich dies auch im Personal widerspiegeln.
Dafür sei der gegenwärtige Anteil von Polizeibeamten zu
hoch.
7286
Solle ein übernommener Polizeibeamter V-
Leute führen, müsse er dafür ausführlich fortgebildet
werden.
7287
cc) Vertrauenspersonen
Zu der Führung von Vertrauenspersonen hat der Sachver-
ständige Prof. Dr. Lange ausgeführt, es sei problematisch,
wenn ein V-Mann-Führer über viele Jahre Kontakt mit
einem V-Mann unterhalte. Es könne eine menschliche
Bindung zwischen V-Mann-Führer und V-Mann entste-
hen. Hier müsse deshalb
– eine stärkere Rückkoppelung und Spiegelung statt-
finden.
7288
Der V-Mann-Führer dürfe dabei nicht auf sich alleine
gestellt bleiben, sondern bedürfe einer
– stärkeren – auch psychologischen – Begleitung.7289
7280) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 23.
7281) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 23.
7282) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.
7283) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.
7284) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.
7285) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.
7286) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 17, 18.
7287) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 23.
7288) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.
7289) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 26.
Ab einer gewissen Dauer werde die V-Mann-Führung
menschlich schwierig. Es sei keine Option, die V-Mann-
Führer regelmäßig auszutauschen, da für eine sinnvolle
Zusammenarbeit ein gewisses Vertrauen bestehen müsse.
Es bedürfe
– behördeninterner Verfahren
mit dem Ziel, dass Dritte etwa einmal im Jahr einen Blick
auf die konkrete V-Mann-Führung werfen.
7290
Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat bemängelt, dass
für die Führung von V-Leuten klare Rechtsgrundlagen
fehlten.
7291
Er hat vorgeschlagen,
– den Einsatz von V-Leuten gesetzlich zu regeln.7292
Ob V-Leute eingesetzt werden sollen, sei eine strategische
Entscheidung, die nicht der Gesetzgeber treffen könne.
Gesetzlich geregelt werden könnten „Qualitätsvorausset-
zungen“, etwa, welche Voraussetzungen eine Vertrauens-
person erfüllen muss, oder wer die Entscheidung eines V-
Mann-Einsatzes zu treffen hat und wer an dieser Ent-
scheidung zu beteiligen ist.
7293
Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat gefordert, dass
– zu der Auswahl von V-Leuten,
– zu der Frage, wofür V-Leute eingesetzt werden dürf-
ten,
– zum Umgang mit den von V-Leuten gewonnenen
Informationen und
– zu erlaubten Rechtsverstößen von V-Leuten
konkrete Regelungen geschaffen werden müssten.
7294
Zu
der Frage, ob sich V-Männer an Straftaten beteiligen
können sollen, hat er vorgeschlagen zu erwägen,
– V-Männern zuzubilligen, Rechtsgüter der Allge-
meinheit und des Staates verletzen zu dürfen, nicht
hingegen die individuellen Rechtsgüter von Perso-
nen.
7295
Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat darauf hingewie-
sen, dass gesetzliche Regelungen den Einsatz von V-
Leuten vorhersehbar machen könnten. Sei dies der Fall,
komme als Normgeber statt des Gesetzgebers auch das
Parlamentarische Kontrollgremium in Betracht.
7296
Prof. Dr. Lange hat angeregt, sich der „heiklen und
schwierigen Abstimmung“ zwischen den Ländern darü-
ber, in welchen Bereichen V-Leute geführt werden, zu-
zuwenden.
7297
7290) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 26.
7291) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.
7292) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 17.
7293) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 17.
7294) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 21.
7295) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 33.
7296) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 22.
7297) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 821 – Drucksache 17/14600
dd) Zusammenlegung einzelner Verfassungs-
schutzämter der Länder
Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat gefordert zu
prüfen, ob
– die Gliederung des Verfassungsschutzes in Bundes-
und Landesbehörden
zu überdenken sei, sofern dadurch Missstände verhindert
werden könnten.
7298
Auch eine
– unabhängige Aufgabenkritik der Sicherheitsbehörden
zur Verringerung der Schnittstellen bzw. zur Verrin-
gerung der Behördenvielfalt
sei wichtig.
7299
Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat angemerkt, es sei
vom Grundgesetz nicht vorgeschrieben, dass jedes einzel-
ne Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde
haben müsse; hier gebe es Umgestaltungsmöglichkei-
ten.
7300
Bei einer Zusammenlegung entstehe allerdings ein
Kontroll- und Legitimationsdefizit. Dieses könne durch
die Festlegung vermieden werden, dass das Parlament des
Sitzlandes für die Kontrolle aller Aktivitäten der Behörde
zuständig sei, unabhängig davon, wo ein Einsatz stattfin-
de. Dies schaffe jedoch föderalistische Verzerrungen.
7301
ee) Informationsaustausch der Verfas-
sungsschutzbehörden
Innerhalb des Verfassungsschutzes, so der Sachverständi-
ge Prof. Dr. Lange, sei der
– Datenaustausch stark verbesserungsfähig.7302
Zwar müssten die Länder ihre Autonomie wahren. Jedoch
sollten die Berichtspflichten der Länderbehörden an das
BfV geprüft und erwogen werden, ob Berichte nicht we-
sentlich früher weitergereicht werden könnten.
7303
Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat geäußert, der
Informationsaustausch der Behörden sei weitestgehend in
deren Ermessen gestellt. Hier sei
– eine „stärkere gesetzliche Fixierung“
denkbar.
7304
Die deutsche Sicherheitsarchitektur sei geprägt von einer
großen Behördenvielfalt und einem differenzierten Zu-
ständigkeits- und Aufgabenspektrum. Um Effizienznach-
teile zu vermeiden, müsse darauf mit stärkerer Zusam-
7298) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.
7299) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.
7300) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 40.
7301) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 41.
7302) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9
7303) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.
7304) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14; Dr. Wolff, „Überblick über
die Entwicklung der Architektur und Arbeitsweise der Sicher-
heits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder“,
März 2012, S. 91.
menarbeit und dem Aufbau neuer gemeinsamer Zentren
reagiert werden. Dafür fehle es aber noch an
– ergänzenden Sicherungen gegen die Verletzung von
Datenschutzbestimmungen.
7305
c) Zusammenarbeit von Polizei und Verfas-
sungsschutz
Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat erläutert, die
Frage, unter welchen Voraussetzungen Verfas-
sungsschutzbehörden von ihnen beobachtetes strafrechtli-
ches Verhalten an die Polizei melden müssten, sei nur in
allgemeinen Bestimmungen geregelt. Auch behördenin-
terne Regelungen schüfen keine Klarheit.
7306
Insbesonde-
re sei
– eine verbesserte Typologie
notwendig.
7307
Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat den Ausführun-
gen von Prof. Dr. Gusy zugestimmt und bemängelt, dass
die Behörden untereinander zwar Informationen austau-
schen dürften, aber nicht müssten. Dies bedürfe einer
– gesetzlichen Regelung.7308
Den Verfassungsschutz zur Übermittlung sämtlicher In-
formationen über mögliche Straftaten zu verpflichten,
ginge zu weit. Dies könne die Arbeit der Verfas-
sungsschutzbehörden erheblich beeinträchtigen. Jedoch
könnte für Delikte gegen bestimmte Rechtsgüter eine
solche Verpflichtung eingeführt werden.
7309
Inzwischen gebe es große Überschneidungen zwischen
den Tätigkeitsfeldern von Nachrichtendiensten und Poli-
zei. Diese bedürften
– einer genaueren Abgrenzung.7310
Entweder müssten die Befugnisse der Nachrichtendienste
erweitert oder ihre Aufgaben beschränkt werden.
7311
2. Gesetzesevaluierung
Prof. Dr. Lange hat vorgeschlagen, Sicherheitsgesetze
zeitlich zu befristen. Dann müssten aber Parlamente Ka-
pazitäten aufbauen, um Gesetze evaluieren zu können.
7312
7305) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14; Prof. Dr. Wolff, „Überblick
über die Entwicklung der Architektur und Arbeitsweise der
Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Län-
der“, März 2012, S. 92.
7306) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 14.
7307) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 15.
7308) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 15, 45.
7309) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 45.
7310) Dr. Wolff, „Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des
Bundes und der Länder“, März 2012, S. 91 f.
7311) Dr. Wolff, „Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des
Bundes und der Länder“, März 2012, S. 91 f.
Drucksache 17/14600 – 822 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. G 10-Kommission
Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat in Zweifel gezo-
gen, dass die G 10-Kommission hinreichend ausgestattet
sei, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Stattdessen hat
er eine
– Umstellung auf den klassischen Richtervorbehalt
angeregt.
7313
4. Aufsicht und Kontrolle
Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat vorgeschlagen,
– Regelungen über Aufsichts- und Kontrollzuständig-
keiten für Kooperationsverhältnisse auf den einzelnen
staatlichen Ebenen und über diese hinweg zu schaf-
fen
7314
und
– die Kontrollkompetenzen des Parlaments zu stär-
ken.
7315
Hierfür hat er die Schaffung eines Geheimdienstbeauf-
tragten vorgeschlagen. Es gebe Regelungsschwächen, die
durch eine stärkere Aufsicht kompensiert werden müss-
ten.
7316
Ähnlich hat sich Prof. Dr. Lange für die Einrichtung eines
– Beauftragten für die Nachrichtendienste7317
ausgesprochen, der dem Wehrbeauftragten des Bundesta-
ges vergleichbar sei.
7318
Auch einen
– Beauftragten für den Polizeibereich
könne er sich vorstellen.
7319
Diese Beauftragten müssten
ein Recht zur Akteneinsicht erhalten und unabhängig
sein.
7320
Sie könnten die Vertraulichkeit und Geheimhal-
tung wahren und gleichzeitig Ansprechpartner sein.
7321
Eine solche Aufgabe sei von der Exekutive nicht zu leis-
ten, vielmehr müsse hierfür eine parlamentarische Stelle
geschaffen werden.
7322
Auch der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat bemängelt,
dass die Kooperation der Behörden untereinander nicht
spezifisch kontrolliert werde.
7323
7312) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9 f.
7313) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14; Dr. Wolff, „Überblick über
die Entwicklung der Architektur und Arbeitsweise der Sicher-
heits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder“,
März 2012, S. 91.
7314) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 4.
7315) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 4.
7316) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 4.
7317) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.
7318) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.
7319) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.
7320) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, 29.
7321) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8 f.
7322) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, 26.
7323) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.
5. Die Zuständigkeit des Generalbundesan-
walts
Prof. Dr. Gusy hat ausgeführt, die Zuständigkeiten des
Generalbundesanwalts seien klar geregelt und auch aus-
reichend. Sobald er sich für zuständig erkläre, ende die
Zuständigkeit der Länder und es werde der Bund zustän-
dig. Schwieriger sei die Frage, ob er die Informationen
bekomme, um seine Zuständigkeit erkennen zu können.
Daher seien die Normen daraufhin „an[zu]schauen, ob sie
der Struktur der Ermittlungsabläufe gerecht werden und
eine rechtzeitige Einschätzung der Zuständigkeitsfrage
zulassen“.7324
6. Datensysteme
Die Einführung der Rechtsextremismusdatei haben die
Sachverständigen Prof. Dr. Gusy und Prof. Dr. Wolff
ausdrücklich begrüßt.
7325
7. Schaffung neuer und Erweiterung beste-
hender Institutionen
a) Gründung einer Stiftung als zentrale An-
laufstelle für Opfer rechter Gewalt
Vor dem Untersuchungsausschuss hat die Sachverständi-
ge Prof. Barbara John die Empfehlung ausgesprochen,
– eine Stiftung einzurichten, die der gesellschaftlichen
Verankerung der Ereignisse und dem Gedenken die-
nen soll.
7326
Diese – zivilgesellschaftliche oder staat-
liche – Stiftung könne als zentrale Anlaufstelle für
Opfer rechter Gewalt und als Stelle zur Dokumenta-
tion, Koordination und Prävention eingerichtet wer-
den.
7327
In Betracht käme dabei auch eine Mitarbeit der Opfer der
NSU-Taten. Betont hat Sachverständige Prof. John auch,
dass die Stiftung frei und unabhängig sein müsse. Sie hat
vor dem Untersuchungsausschuss den Gedanken geäu-
ßert, die Stiftung an den Verfassungsschutz und an ein
Ministerium anzubinden, um an diesen Stellen eine Sen-
sibilisierung stattfinden zu lassen. Sollte eine solche An-
bindung stattfinden, müssten die im Kuratorium sitzenden
Personen vollkommen unabhängig sein. Bezüglich der
Finanzierung könne sie sich eine Unterstützung durch
öffentliche, aber auch durch zivilgesellschaftliche Mittel
vorstellen. Bis auf „schüchterne Signale“ der Bundesre-
gierung gebe es bislang keine Finanzierungszusage.
7328
Auch die Sachverständige Britta Schellenberg hat die
Gründung einer Stiftung als geeignetes Modell begrüßt,
um das Engagement und die Präventionsmaßnahmen
7324) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 16.
7325) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 20; Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10,
S. 21.
7326) John, Protokoll-Nr. 72, S. 37.
7327) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.
7328) John, Protokoll-Nr. 72, S. 60.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 823 – Drucksache 17/14600
verlässlich fördern zu können. In wissenschaftlichen Gut-
achten gebe es hierzu bereits Finanzierungsmodelle.
7329
Der Sachverständige Bernd Wagner hat bei einer mögli-
chen Stiftungsgründung auf das Problem hingewiesen,
dass es im Vorfeld einer Klärung bedürfe, welche Aufga-
benstellung eine derartige Einrichtung erfüllen sollte. In
diesem Zusammenhang müsse geklärt werden, was unter
Extremismus zu verstehen sei, da dieser Begriff umstrit-
ten sei. Zudem müssten die verschiedenen Interessen des
Bundes und der Länder in dieser Einrichtung in Einklang
gebracht werden. Das Vorhaben müsse vorab breit disku-
tiert werden und es müsse auf politischer und wissen-
schaftlicher Ebene eine Konzeption hierfür erarbeitet
werden.
7330
b) Einrichtung einer unabhängigen Polizeibe-
schwerdestelle
Die Sachverständige Prof. John hat außerdem die Einrich-
tung
– einer unabhängigen Clearing- und Beschwerdestelle
für polizeiliches Fehlverhalten auf Landes- oder
Bundesebene
vorgeschlagen.
7331
Eine Beschwerdestelle innerhalb der
Polizei sei dabei jedoch keine zufriedenstellende Lösung.
Dies liege daran, dass der „Korpsgeist“ bei der Polizei zu
einer Abwehrhaltung nach außen führen könne, sodass die
Sachverständige Prof. John eine außenstehende Stelle für
sinnvoller halte.
7332
Für die Schaffung einer Clearingstelle setzt sich der
Sachverständige Günter Schicht seit Jahren ein. Er hat
ausgeführt, die Forderung, eine solche Beschwerdestelle
einzurichten, sei von der Europäischen Kommission dezi-
diert an Deutschland herangetragen worden. Opfer, die
kein rechtliches Gehör bei der Polizei gefunden haben,
hätten so die Möglichkeit, eine entsprechende Untersu-
chung einzuleiten und dort auch Maßnahmen einzufor-
dern.
7333
c) Gründung eines Instituts gegen Fremden-
feindlichkeit und Rassismus
Außerdem hat die Sachverständige Prof. John dazu aufge-
fordert
– die seit vielen Jahren bestehende Mitgliedschaft der
BRD im UN-Ausschuss „ICERD“ (International
Committee on the Elimination of Racial
7329) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 60.
7330) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 68.
7331) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38, 39.
7332) John, Protokoll-Nr. 6, S. 4
7333) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 60.
Discrimination
7334
) stärker zu nutzen und zu aktivie-
ren.
Um dies umzusetzen hat die Sachverständige Prof. John
– die Gründung eines Instituts gegen Fremdenfeind-
lichkeit und Rassismus
vorgeschlagen. In der Schweiz gebe es ein solches Institut
bereits. Das Kuratorium sollte aus gesellschaftlichen
Akteuren bestehen, die die Dokumentation und das
Monitoring solcher Vorgänge betreiben und als Stabsstel-
le auf Politik und Zivilgesellschaft einwirken könnten.
Eine solche Stelle hält die Sachverständige Prof. John für
geeignet, die Verpflichtungen aus Art. 4 ICERD
7335
zu
erfüllen.
7336
Die Einrichtung einer solchen Institution, die weit in die
Gesellschaft und die Politik hineinwirkt, wäre laut der
Sachverständigen Prof. John ein deutliches Signal. Dabei
dürfe man die Begrifflichkeit nicht scheuen und müsse
vor allem die Selbstwahrnehmung verstärken. Man müsse
hier zu einer weit sichtbaren Antwort kommen.
7337
Sach-
verständige Prof. John schlägt vor, diese Institution und
die von ihr vorgeschlagene Stiftung miteinander zu ver-
binden.
7338
7334) bzw. „Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder
Form von rassistischer Diskriminierung“ (Anti-Rassismus-
Konvention).
7335) Art. 4 ICERD besagt: „Die Vertragsstaaten verurteilen jede
Propaganda und alle Organisationen, die auf Ideen oder Theo-
rien hinsichtlich der Überlegenheit einer Rasse oder einer Per-
sonengruppe bestimmter Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit
beruhen oder die irgendeine Form von Rassenhass und Rassen-
diskriminierung zu rechtfertigen oder zu fördern suchen; sie
verpflichten sich, unmittelbare und positive Maßnahmen zu
treffen, um jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und alle
rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen; zu die-
sem Zweck übernehmen sie unter gebührender Berücksichti-
gung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
niedergelegten Grundsätze und der ausdrücklich in Artikel 5
des vorliegenden Übereinkommens genannten Rechte unter an-
derem folgende Verpflichtungen:
a) jede Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit
einer Rasse oder den Rassenhass gründen, jedes Aufreizen zur
Rassendiskriminierung und jede Gewalttätigkeit oder Aufrei-
zung dazu gegen eine Rasse oder eine Personengruppe anderer
Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit sowie jede Unterstützung
rassenkämpferischer Betätigung einschließlich ihrer Finanzie-
rung zu einer nach dem Gesetz strafbaren Handlung zu erklä-
ren,
b) alle Organisationen und alle organisierten oder sonstigen
Propagandatätigkeiten, welche die Rassendiskriminierung för-
dern und dazu aufreizen, als gesetzwidrig zu erklären und zu
verbieten und die Beteiligung an derartigen Organisationen
oder Tätigkeiten als eine nach dem Gesetz strafbare Handlung
anzuerkennen,
c) nicht zuzulassen, dass staatliche oder örtliche Behörden oder
öffentliche Einrichtungen die Rassendiskriminierung fördern
oder dazu aufreizen“, Quelle: www.institut-fuer-
menschenrechte.de.
7336) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39.
7337) John, Protokoll-Nr. 72, S. 63.
7338) John, Protokoll-Nr. 72, S. 62.
Drucksache 17/14600 – 824 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Erweiterung der Opferberatungsstellen
Außerdem hat die Sachverständige Prof. John den Vor-
schlag gemacht,
– die existierenden dezentralen Opferberatungsstellen
zu erweitern und ihnen Aufgaben als Präventions-
agenturen zu übertragen, um als Frühwarnsysteme zu
fungieren.
7339
e) Vergabe von Stipendien
Die Sachverständige Prof. John hat die Problematik auf-
gezeigt, dass die Kinder der Opfer des NSU durch die
Taten oft aus dem Studium herausgerissen worden seien
und einige Jahre pausierten. Mittlerweile hätten sie ein
weiteres Studium aufgenommen, erhielten jedoch auf-
grund der Dauer des Studiums oder der Änderung der
Studienrichtung kein BAföG. Deshalb hat die Sachver-
ständige Prof. John die
– Vergabe von Stipendien
für diejenigen Personen vorgeschlagen, die als mittelbare
Folge der Taten durch den NSU kein BAföG mehr erhal-
ten.
7340
8. Verbesserung der Behördenarbeit
Die Sachverständige Prof. John hat das Behördenversa-
gen im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie als Zu-
sammenspiel aus strukturellen, fachlichen und persönli-
chen Faktoren wahrgenommen. Zum einen sei die Einstel-
lung der Mitarbeiter ursächlich für die fachlichen Defizi-
te, wie Vorurteilslastigkeit, Mangel an Selbstkritik und
„Duckmäusertum“. Zudem sei auch die Diskussionskultur
innerhalb der Behörden ursächlich für das fachliche Ver-
sagen. Vor diesem Hintergrund hat die Sachverständige
Prof. John
– eine Untersuchung auch mit den Mitarbeitern der
Behörden vorgeschlagen, um die wirkenden Trieb-
kräfte und Umstände solcher Einstellungen und Hal-
tungen herauszufinden und Vorschläge für Änderun-
gen zu entwickeln.
7341
Die strukturellen Defizite entstünden aus mangelnder
Zusammenarbeit und enormen Zeitverzögerungen, die
Ausdruck eines Desinteresses seien.
– Solche Defizite ließen sich durch neue Normen, in-
terne Qualitätsstandards und Controlling abmil-
dern
7342
,
so die Sachverständige Prof. John. Die Behörden müssten
als Säulen des Staates eine Elite darstellen, bei denen die
Qualität, auch der Mitarbeiter, außerordentlich gut sein
müsse. Insgesamt müsse das Versagen der Behörden
7339) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39, 40.
7340) John, Protokoll-Nr. 6, S. 2 f., 7.
7341) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.
7342) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.
durch Normen, aber auch durch gründliche Analysen und
konsequente Aufsicht aufgearbeitet werden.
a) Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteu-
re
Laut der Sachverständigen Schellenberg müsse
– die behördliche Geschlossenheit aufgebrochen und es
müssten andere Akteure einbezogen werden.
7343
Problematisch sei, dass in Deutschland eine große Kluft
zwischen staatlichen Behörden, Bundes- und Lokalpolitik
sowie der Zivilgesellschaft bestehe. In anderen Ländern
ließen sich aus deren Zusammenarbeit hingegen positive
Resultate ableiten.
7344
Dem Rechtsextremismus müsse
vielschichtig durch verschiedene Zugänge in verschiede-
nen Bereichen entgegengewirkt und durch unterschiedli-
che Akteure begegnet werden.
7345
So sollten
– zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Akteure
stärker in die Analyse und in die Strategieentwick-
lung eingebunden werden.
7346
Diese Akteure würden Facetten erkennen, mit denen die
Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden Probleme hät-
ten.
7347
Als Beispiel für eine solche Gestaltung der Zu-
sammenarbeit hat die Sachverständige Schellenberg
– die Etablierung einer zentralen Koordinierungsstelle
für die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus
angeregt.
7348
Hier könnten bekannte, profilierte zivilgesellschaftliche
Institutionen, beispielsweise in einem Beirat, in Entschei-
dungsprozesse einbezogen werden. Die bisher bestehen-
den verschiedenen Zuständigkeiten könnten so gebündelt
werden.
7349
Auch das Demokratieverständnis in Deutschland sei dis-
kussionswürdig.
7350
Während die einen der Überzeugung
seien, dass mehr Partizipation, die Orientierung an Nor-
men wie Toleranz oder an den Menschenrechten sowie
die Etablierung einer Bürgergesellschaft essentiell für die
demokratische Gesellschaft seien, fürchten die anderen,
dass die Macht des Staates durch engagierte Bürger un-
tergraben werde.
7351
Hier zeige sich die grundsätzliche
Skepsis gegenüber bürgerschaftlichem Engagement. Es
bestünde die Gefahr, dass ein Engagement gegen Rechts-
7343) John, Protokoll-Nr. 72, S. 55 f.
7344) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7345) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7346) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52.
7347) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52.
7348) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52, 59.
7349) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52, 59.
7350) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7351) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 825 – Drucksache 17/14600
extremismus als Angriff auf die Demokratie missinterpre-
tiert und von staatlichen Behörden geschwächt werde.
– An dieser Stelle müssten erhebliche Kommunikati-
onsprozesse geleistet werden,
so die Sachverständige Schellenberg.
7352
Der Sachverständige Wagner hat dem Untersuchungsaus-
schuss erläutert, dass es mehr schwerpunktorientierte
Programme, Initiativen und Systemaufstellungen in den
Territorien geben müsse, die in den rechtsradikalen Block
eingreifen und intervenieren könnten. Dies könne der
Staat jedoch nicht alleine leisten. Hierzu bedürfe es zivil-
gesellschaftlicher Aufstellungen.
7353
Zur Frage des Untersuchungsausschusses, ob eine Mitar-
beit der Antifa bei der Rechtsextremismusbekämpfung
denkbar sei, hat der Sachverständige Wagner ausgeführt,
dass er im Rahmen seiner Tätigkeit in unterschiedlichen
Zusammenhängen mit der Antifa zu tun gehabt hätte. Hier
müsse man jedoch differenzieren, da Teile der Antifa
durch militante Outings auffielen und brutal vorgingen.
Aufgrund mangelnder Professionalität dieser Gruppierun-
gen, müsse eine Zusammenarbeit mit diesen abgelehnt
werden. Jedoch seien die Teile der Antifa, die sich zivil
rechtsstaatlich verhalten, als Kooperationspartner will-
kommen.
7354
Auch der Sachverständige Jürgen Funk
schränkte ein, dass er mit einer Zusammenarbeit dann
kein Problem habe, soweit es sich um legale Aktionsfor-
men der Antifa handle. Jedenfalls dürfe die Antifa kein
Ersatz für die Exekutive sein.
7355
Die Sachverständige Schellenberg hat sich an dieser Stel-
le dafür eingesetzt, dass die Beratungskompetenz von
solchen Akteuren mit einbezogen werde und diese nicht
ausgeschlossen werden sollten.
7356
Der Sachverständige Wagner hat auch die Möglichkeit
– einer regionalen Lösung aufgezeigt.
So habe sich beispielsweise das Landratsamt im Land-
kreis Dahme-Spreewald als Akteur gegen Rechtsradika-
lismus sehr stark profiliert. Diese Initiative sei durch eine
enge Zusammenarbeit des Landrats und der Dezernenten
mit den kreislichen Organisationen der Zivilgesellschaft
entstanden.
7357
b) Transparenz
Der Sachverständige Wagner hat noch einmal betont, dass
– Transparenz und eine Verpflichtung zu dieser in
Führungssegmenten sehr wichtig seien.
7352) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7353) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 72.
7354) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 65.
7355) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 66; Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 65.
7356) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 66.
7357) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 53.
Es könne nicht schaden, wenn hohe Polizeiführer oder
Ämter der Öffentlichkeit über ihr Tun Auskunft geben
müssten.
7358
9. Normensetzung
Die Sachverständige Prof. John hat außerdem vorge-
schlagen, die sog.
– „Hasskriminalität“ („Hate Crime“) als Offizialdelikt
in das StGB einzuführen.
Eine solche Norm gebe es bereits in der Schweiz und
habe dort stark präventiv gewirkt.
7359
Die Sachverständige Schellenberg hat sich dafür ausge-
sprochen, dass es nach abgeschlossener Analyse des
Rechtsextremismus notwendig sei
– Normen zu setzen.7360
Dies sei ein Ergebnis europäischer Vergleichsstudien.
Beispielsweise gebe es in Frankreich oder Schweden die
Normen „Antidiskriminierung“, „Antirassismusarbeit“
oder das „Hate-Crime-Konzept“. In Deutschland gebe es
hingegen traditionell den Bezug auf das Grundgesetz und
auf die Werte der Demokratie. Zudem gebe es hier eine
Fixierung auf Täter oder Taten, während die Opferper-
spektive und der Diskriminierungsschutz nicht hinrei-
chend berücksichtigt seien. Dies müsse durch Normenset-
zung geändert werden.
7361
Die Sachverständige Schellenberg hat vorgeschlagen, alte
Konzepte auf den Prüfstand zu stellen und
– ein zeitgemäßes, integratives Konzept zu entwi-
ckeln.
7362
Neben der internationalen Forschung und Praxis sollten
hierbei die Rechtsextremismusbekämpfung, die Antidis-
kriminierung und eine Demokratieförderung Berücksich-
tigung finden. Tatsächlich setze demokratisches, koopera-
tives und strategisches Handeln die Klärung von Zielen
und die Verständigung auf Normen voraus. Die Arbeit
könne nur dann Früchte tragen, wenn Führungspersonen
auf die parlamentarische Demokratie und die Menschen-
rechte fußende Normen verträten, klare Normenansagen
machten sowie gezielt Maßnahmen für Mitarbeiter bereit-
stellten. Dies sei Voraussetzung dafür, dass Probleme
überhaupt erkannt würden, mit Opfern angemessen um-
gegangen werde und Engagement gegen die radikalen
Rechten nicht kriminalisiert werde.
7363
7358) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 56.
7359) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39.
7360) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7361) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7362) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
7363) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.
Drucksache 17/14600 – 826 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
10. Polizeiarbeit
a) Neudefinition von Straftaten
Die Sachverständige Prof. John hat außerdem angeregt,
– eine Neudefinition von fremdenfeindlichen Straftaten
vorzunehmen.
Diese Neudefinition solle Ermittlungen gegen Rechtsex-
tremismus als Standardaufgabe bei Gewalt gegen Ein-
wanderer etablieren.
7364
Die Polizei erkenne fremden-
feindliche Straftaten bisher nur, wenn entsprechende
Symbole aufgetaucht seien, wie Hakenkreuze, Bekenner-
schreiben etc. Deshalb müsse das Prüfen auf einen rechts-
extremistischen Bezug als Standardermittlung bei Gewalt
gegen Einwanderer eingeführt werden.
7365
b) Polizeiausbildung
Der Sachverständige Schicht hat sich vor dem Untersu-
chungsausschuss vor allem mit der Frage nach einer ver-
besserten Polizeiausbildung bzw. deren aktuellem Niveau
befasst.
Zunächst hat er festgehalten, dass die Polizeiausbildung in
den letzten Jahren an Qualität gewonnen habe, jedenfalls
was den höheren Dienst angehe. Beim mittleren Dienst
sei er skeptischer. Bei letzterem existierten vor allem
verschulte Strukturen. Einflüsse des alten „Kasernenhof-
stils“ der 70er- und 80er-Jahre seien immer noch spürbar -
die Verhaltensweisen mancher Ausbilder hielten sich
hartnäckig. So gebe es auch einen latenten Rassismus
unter Lehrenden. Hierfür gebe es zu wenig systematische
Forschung, um beantworten zu können, ob es sich dabei
um Einzelfälle handle oder um ein strukturelles Prob-
lem.
7366
Seine Schlussfolgerung daraus lautet,
– dass die Ausbildung intensiver evaluiert werden
müsse.
Anschließend müsse eine systematische Aufarbeitung
stattfinden und es müssten entsprechende Schlussfolge-
rungen durch die Ausbildungseinrichtungen gezogen
werden.
7367
Der Sachverständige Schicht hat für den mittleren Dienst
der Polizeiausbildung auch eine
– engere Verzahnung der Landespolizeischulen mit den
Hochschulen
vorgeschlagen. Man könne an der sozialwissenschaftli-
chen Kompetenz der Hochschulen in stärkerem Maße
partizipieren.
7368
7364) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39.
7365) John, Protokoll-Nr. 72, S. 49.
7366) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 44.
7367) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.
7368) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.
Als problematisch empfindet der Sachverständige Schicht
auch die Divergenz zwischen Ausbildung und Praxis. Die
Absolventen stießen bei ihrem Berufseinstieg auf einge-
fahrene Vorgehens- und Verhaltensweisen und dienststel-
lenbezogene Kulturen. Die Rolle der Dienststellenkultur
als Subkultur im Gegensatz zur offiziellen Polizeikultur
müsse thematisiert werden. Bei dieser Subkultur seien
Routine und (gruppenbezogene) Vorurteile, denen die
kriminalistische bzw. polizeiliche Arbeit gegenüberstehe,
deutlich spürbar.
Schlussfolgerungen seien hieraus besonders für die Fort-
bildung zu ziehen. Es gebe zwar gute Fortbildungsange-
bote, diese kämen aber bei der breiten Masse nicht an.
Insbesondere sei die erste Hierarchieebene eine wichtige
Zielgruppe, da die Vorgesetzten auf die operativ tätigen
Polizeibeamten einen maßgeblichen Einfluss ausübten.
7369
Die Polizeibeamten müssten durch diese in stärkerem
Maße befähigt werden, ihre Arbeit zu reflektieren und
über ihre eigenen Einstellungen nachzudenken.
7370
Der Sachverständige Funk hat ausgeführt, dass Maßnah-
men zur Sensibilisierung gegenüber Opfern von Gewaltta-
ten mit Migrationshintergrund in der Polizeiausbildung
notwendig seien.
7371
In den vergangenen 20 Jahren seien
bereits neben Recht, polizeilicher Vorgangsbearbeitung
und kriminalistischen Grundkenntnissen in verstärktem
Maße auch politische Bildung, Psychologie und Verhal-
tenstraining, berufsethische Komponenten und praktische
Elemente in die Ausbildung implantiert worden.
7372
Die
Grundlagen für eine Werteorientierung und eine Reflekti-
on des polizeilichen Verhaltens seien daher bereits gelegt.
Ein fächerübergreifender Ansatz bei der Ausbildung sei
zudem wichtig, um Sachverhalte immer auch aus mehre-
ren Blickrichtungen betrachten zu können.
7373
Vor dem Hintergrund, dass die Grundrichtung der polizei-
lichen Ausbildung – auch des mittleren Dienstes – seiner
Ansicht nach die richtige sei, hat der Sachverständige
Funk vorgeschlagen,
– eine Analyse durchzuführen, ob Quantität und Quali-
tät der Sensibilisierung tatsächlich ausreichend seien.
Diese Analyse solle mit einem Forschungsprojekt ver-
bunden werden, um allgemeingültige Erkenntnisse ge-
winnen zu können.
Der Sachverständige Funk hat zudem bemängelt, dass bei
der Schaffung einer Werteorientierung der angehenden
Polizeibeamten während der Ausbildung, insbesondere
vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung,
viele Sozialisationselemente, wie Familie und Schule,
nicht mehr die gleiche Wirkung entfalteten wie früher.
Man stoße hierbei verstärkt an Grenzen. Nicht immer
gelinge eine Nachschulung der sozialen Fertigkeiten der
7369) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.
7370) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 46.
7371) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 46.
7372) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 46.
7373) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 51.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 827 – Drucksache 17/14600
Auszubildenden, sodass man bei Beginn der Ausbildung
immer damit rechnen müsse, sich von einigen Polizeian-
wärtern wieder trennen zu müssen.
7374
c) Migranten im Polizeidienst
Eine mögliche Quotierung von Migranten innerhalb des
Polizeidienstes haben die Sachverständigen Schicht und
Prof. John abgelehnt, da diese Beamten in der Folge als
„Quotentürken“ degradiert werden könnten.7375 Es gebe
jedoch bereits Polizeibehörden, die gezielt versuchten,
einen höheren Anteil an Migranten im Polizeidienst zu
beschäftigen. Man müsse
– Menschen mit Migrationshintergrund gezielter wer-
ben und auf das Einstellungsverfahren vorbereiten.
Denn das Einstellungsverfahren sei letztlich die Hürde, an
der viele scheiterten.
7376
Die Sachverständige Prof. John
hat festgestellt, dass nicht nur das Einstellungsverfahren,
sondern auch die Dienststellenkultur problematisch sei.
Viele Migranten hätten die Polizei wieder verlassen, weil
dort Mobbing stattgefunden habe. In diesem, aber auch in
anderen Zusammenhängen, seien das Reflektieren, das
Widersprechen und die Diskussionskultur der Behörden
verbesserungswürdig.
7377
Auch die Sachverständige Schellenberg hat dargelegt, aus
wissenschaftlichen Untersuchungen gehe hervor, dass die
Zusammensetzung beim Personal eine wichtige Rolle
spiele. In Großbritannien habe es gezielte Kampagnen
gegeben, um verschiedene Menschen, nicht nur Migran-
ten, aus der Gesellschaft anzuwerben.
7378
Die deutsche
Polizei sollte daher als Spiegelbild der Gesellschaft ge-
zielter versuchen, ihre Mitarbeiter aus allen Schichten zu
rekrutieren.
7379
d) Persönliche Einstellungen Polizeibeamter
und Optimierung von Arbeitsweisen
Als problematisch empfindet der Sachverständige Schicht
die Einstellung mancher Mitarbeiter innerhalb der Poli-
zeibehörden. Wenn man bestimmte berufliche Erfahrun-
gen gemacht habe und aus kriminalistischer Sicht bezüg-
lich einer bestimmten Verdachtsrichtung überzeugt sei,
sei man gleichzeitig weniger bereit, andere Verdachtsrich-
tungen zu beobachten. Es sei eine Frage der Professionali-
tät, auch Unwahrscheinlichkeiten bei der Ermittlung ins
Auge zu fassen. Dies müsse in die kriminalistische und
polizeiliche Arbeit einfließen, ohne damit aber langjähri-
ge Erfahrungen der Beamten auszublenden.
7380
7374) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 61.
7375) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 54.
7376) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 55; John, Protokoll-Nr. 72, S. 55.
7377) John, Protokoll-Nr. 72, S. 55.
7378) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 56.
7379) John, Protokoll-Nr. 6, S. 21 f.
7380) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 63.
Einstellungen und Haltungen seien sehr schwer zu beein-
flussen. Deshalb müssten insbesondere die Menschen
angesprochen werden, die den größten Einfluss auf opera-
tiv tätige Polizeibeamte hätten, nämlich die unmittelbar
Vorgesetzten der ersten Hierarchieebene.
7381
Hier müsse
ein Bewusstsein geschaffen werden, damit an den Einstel-
lungen und Haltungen gearbeitet werden könne. Der
Sachverständige Schicht schlägt
– Fortbildungsprogramme für die erste Hierarchieebene
vor, bei denen es um Reflexionsvermögen geht.
7382
Der Sachverständige Funk hat erklärt, dass Menschen, die
mit hoher Komplexität und Informationsmängeln kon-
frontiert seien, dazu neigten, Dinge auszuschließen, die
sie möglicherweise nicht sehen wollen oder die aus ihrer
Sicht nicht die Hauptermittlungsrichtung darstellten. Hier
müsse man gegebenenfalls
– entsprechend nachschulen.7383
e) Profiling
Nach Kenntnis des Sachverständigen Schicht gibt es zwei
Profiling-Ansätze. Das FBI favorisiere das Profiling,
welches viele Experten und unterschiedliche Sichtweisen
einbeziehe. Das BKA hingegen favorisiere den datenba-
sierten Profiling-Ansatz. Mit letzterem würden Ansätze
abgeschnitten, die bisher noch nicht vorgekommen und
somit in den Datenbanken nicht enthalten seien. Dieser
Ansatz spiegele die Denk- und Vorgehensweisen von
Polizisten wider: Das, was bisher noch nicht vorgekom-
men sei, das Unwahrscheinliche, werde ausgeblendet.
Deshalb
– müsse eine Professionalisierung dahingehend vorge-
nommen werden, dass eine umfassende
Hypothesenbildung vorgenommen wird.
7384
11. Sonstige Verbesserungsvorschläge
a) Analytik
Der Sachverständige Wagner hat sich vor dem Untersu-
chungsausschuss dafür ausgesprochen, dass es
– eine deutliche Verbesserung der Analytik des rechts-
radikalen Gesamtfeldes geben müsse.
7385
In der Zeit der DDR habe es schon schwere analytische
Fehler gegeben. So sei der Rechtsradikalismus nicht
ernstgenommen, die NPD als Auslaufmodell und die
Täter als verirrte Jugendliche dargestellt worden. Die
Analytik sei insgesamt dürftig gewesen.
7381) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 70.
7382) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 71.
7383) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 63.
7384) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 63.
7385) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.
Drucksache 17/14600 – 828 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die politische Analytik müsse deutlicher von den Organi-
sationen der Nachrichtendienste abgekoppelt werden. So
könnten nachrichtendienstliche Erkenntnisse zwar heran-
gezogen werden, jedoch sollte parallel eine Einbindung
von Analysen anderer Organisationen stattfinden. So
müssten vor allem die regionale Analytik und Kommu-
nalanalysen, die von Wissenschaftlern für verschiedene
Regionen in den neuen Bundesländern erstellt wurden,
deutlicher zum Vorschein kommen. Es gebe entsprechen-
de Bemühungen bei verschiedenen Trägern der Zivilge-
sellschaft, jedoch könne bei diesen die Entwicklungskraft
nicht voll ausgeschöpft werden, obwohl die Methodik
relativ gut entwickelt sei.
7386
Nachrichtendienste, so Wagner, sollten sich einer operati-
ven Analytik und des operativen Einsatzes befleißigen,
um vor allen Dingen Straftaten aufzudecken und zu deren
juristischer Sanktion beizutragen.
7387
Sowohl der krimi-
nalpolizeiliche Staatsschutz als auch der Verfassungs-
schutz müssten ihre Analyseinstrumente deutlich verbes-
sern. Doch auch wenn neue Analyseinstrumente einge-
führt worden seien, liege die Problematik schon in der
Analytik der Kriminologie. Deshalb müsse das Wirksys-
tem des Rechtsradikalismus in seinen operativen Implika-
tionen besser erkannt werden. Hierzu bedürfe es einer
Weiterentwicklung kriminologischer Erkenntnisse, um
unterschiedliche Radikalisierungsstufen der Gruppen und
deren Vernetzungen zu erkennen.
7388
Hierzu kämen meh-
rere Modelle einer Verzahnung der Analytik der Sicher-
heitsbehörden, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft
in Betracht.
7389
Es bestünde
– im Bereich Forschungsgemeinschaft Potenzial, die
angewandte Rechtsradikalismusforschung anzubah-
nen.
Die Sachverständige Schellenberg hat ausgeführt, dass es
zu einer wirksamen Strategieentwicklung gegen Rechts-
extremismus zunächst einmal einer
– genauen Analyse des gegenwärtigen Rechtsextre-
mismus und seiner Bedeutung für die Demokratie
bedürfe.
In ganz Europa seien rechtsextreme Einstellungen weit
verbreitet, was vor allem dem Modernisierungs- und
Globalisierungsprozess zuzuschreiben sei, wodurch Ex-
klusionskriterien nach ethnischen, kulturellen und religiö-
sen Gesichtspunkten zugespitzt würden. Jedoch sei in
Deutschland – vor allem in strukturschwachen Gegenden
und häufig in Ostdeutschland – im europäischen Ver-
gleich das Phänomen Rechtsextremismus, die rechtsge-
richteten Gewalttaten, die Existenz von rechtsradikalen
Angstzonen und die Zahl der Übergriffe, die mit dem Tod
der Opfer endeten, für einen demokratischen Rechtsstaat
ungewöhnlich hoch.
7390
7386) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.
7387) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.
7388) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 70.
7389) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 53.
7390) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 40.
b) Prävention
Bezüglich der Prävention hat die Sachverständige Schel-
lenberg betont, dass es wichtig sei, bereits im Kindergar-
tenalter eine frühe Förderung zu etablieren. Es müsse früh
angefangen werden, soziale und kognitive Kompetenzen
zu fördern. Hierbei käme den Bildungseinrichtungen die
Aufgabe zu, Empathiefähigkeit und Konfliktlösung zu
fördern – etwa über Antiaggressionstraining, Menschen-
rechtspädagogik, Pädagogik der Anerkennung, Diversity-
Trainings und Konfliktlösungsmodelle.
7391
Der Blick auf die bisherigen Strategien zeigt nach Ansicht
der Sachverständigen Schellenberg, dass es viele Einzel-
maßnahmen zur Prävention von Rechtsextremismus gebe,
aber kein schlüssiges Gesamtkonzept. Bislang gebe es
eine Kurzlebigkeit der Projektförderung, die bestehenden
Projekte zeichneten sich durch Beliebigkeit und Zufällig-
keit im Einsatz aus. Aufgrund der Reaktivität der Projekt-
förderung gebe es durch die daraus erwachsende Unsi-
cherheit der Mitarbeiter eine Konzeptlosigkeit, die dem
Ansinnen von Nachhaltigkeit und Effektivität entgegen
stehe.
– Langfristige Bildungsstrategien sollten daher ein
zentraler Kern von Präventionsmaßnahmen sein.
7392
c) Archivierung der Dokumente
Aufgeworfen wurde von der Sachverständigen Prof. John
auch die Frage, was mit den Dokumenten geschieht, die
der Untersuchungsausschuss erhalten hat. Sie schlägt
diesbezüglich
– eine Archivierung der Dokumente vor.7393
d) Fachtagungen und Beratungsgremien
Der Sachverständige Wagner hat betont, dass
– Fachtagungen und Beratungsgremien
eine wichtige Rolle spielten, bei denen auch die For-
schung integriert werden könnte. Hier gebe es unter-
schiedliche Möglichkeiten, die dort angesiedelten Er-
kenntnisse und Kapazitäten regional zu bündeln.
7394
7391) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 72.
7392) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 42.
7393) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.
7394) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 53.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 829 – Drucksache 17/14600
Dritter Teil:
Gemeinsame Bewertungen
Mindestens zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und
mehr als ein Dutzend brutaler Überfälle: Diese in den
Jahren 1998 bis 2011 begangenen Straftaten werden der
Terrorzelle, die sich selbst als „Nationalsozialistischer
Untergrund“ (NSU) bezeichnet hat, zur Last gelegt. Sie
stellen eine der schwersten Verbrechensserien in der Ge-
schichte der Bundesrepublik Deutschland dar.
Dass diese Taten weder verhindert noch die Täter ermit-
telt werden konnten, obwohl aufgrund der bei neun der
zehn Morde verwendeten Waffe des Typs Česká schon
nach dem zweiten Mord erkannt wurde, dass es sich um
eine Serie handelt, ist eine beschämende Niederlage der
deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden.
Die Opfer und ihre Angehörigen haben unfassbares Leid
erfahren:
Enver Şimşek wird am 9. September 2000 in Nürnberg an
seinem Blumenverkaufsstand von acht Schüssen aus zwei
Pistolen getroffen. Die Täter schießen auch dann noch
weiter, als er bereits zusammengebrochen in seinem
Kleintransporter liegt. Zwei Tage später stirbt er im
Krankhaus. Abdurrahim Özüdoğru wird am 13. Juni 2001
in Nürnberg in seiner Änderungsschneiderei mit zwei
Kopfschüssen getötet. Die Täter schießen auch noch dann
auf ihn, als er zu Boden gesunken ist. Süleyman Taşköprü
wird am 27. Juni 2001 in Hamburg im Lebensmittelge-
schäft seiner Familie mit drei Schüssen getötet. Habil
Kılıç wird am 29. August 2001 in München in seinem
Lebensmittelgeschäft mit zwei Kopfschüssen ermordet.
Mehmet Turgut wird am 25. Februar 2004 in Rostock in
einem Imbiss von drei Kopfschüssen getroffen. Er stirbt
noch im Rettungswagen. İsmail Yaşar wird am 9. Juni
2005 in Nürnberg in seinem Imbiss mit fünf Schüssen
getötet. Die Täter schießen auch dann noch weiter, als
dieser bereits getroffen zu Boden stürzt und dort liegen
bleibt. Theodoros Boulgarides wird am 15. Juni 2005 in
München im Ladenlokal seines Schlüsseldienstes mit drei
Kopfschüssen ermordet. Mehmet Kubaşık wird am
4. April 2006 in seinem Kiosk in Dortmund getötet. Zwei
Kopfschüsse lassen jede Hilfe zu spät kommen. Halit
Yozgat wird am 6. April 2006 in Kassel in seinem Inter-
netcafé mit zwei Kopfschüssen ermordet. Er verblutet in
den Armen seines Vaters. Alle neun Opfer werden mit
derselben Waffe erschossen, einer Česká 83 mit verlän-
gertem Lauf. Die Polizistin Michèle Kiesewetter wird am
25. April 2007 in Heilbronn mit einem Kopfschuss in
ihrem Dienstwagen ermordet, ihr Kollege wird lebensge-
fährlich verletzt.
Bei den mindestens 15 brutalen Überfällen, die zwischen
1998 und 2011 in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern
und Thüringen zumeist auf Geldinstitute begangen wer-
den, kommen Angestellte und Kunden zu Schaden, indem
sie mit dem Tode bedroht, geschlagen und in einem Fall
in Zwickau im Jahre 2006 mit einem Bauchschuss le-
bensgefährlich verletzt werden.
Zwei heimtückische Sprengstoffattentate haben Menschen
in Köln getroffen: Beim Sprengfallenanschlag auf ein
Lebensmittelgeschäft iranischer Zuwanderer am 19. Janu-
ar 2001 in der Probsteigasse kommt die damals 19-jährige
Tochter des Ladeninhabers schwer verletzt knapp mit
dem Leben davon. Am 9. Juni 2004 jagt eine Nagelbombe
des NSU mehr als 700 zehn Zentimeter lange Zimmer-
mannsnägel durch die Kölner Keupstraße, die von einer
Vielzahl türkischer und kurdischer Geschäfte geprägt ist.
Dabei werden 22 Menschen verletzt, drei davon lebens-
bedrohlich.
Dies alles ist nur ein Ausschnitt des Leids, das die Toten
und Verletzten, ihre Angehörigen und alle anderen Opfer
getroffen hat – die meisten von ihnen, weil sie türkische,
kurdische, griechische oder iranische Wurzeln hatten und
dadurch in den Fokus einer neonazistischen Terrorgruppe
gerieten.
Die Taten gehen uns alle an
Die neun Opfer der Česká-Mordserie wurden kaltblütig
und aus rassistischer Motivation heraus auf menschenver-
achtende Weise hingerichtet. Die Täter sprachen ihnen
ebenso wie den Opfern der Sprengstoffanschläge auf-
grund ihrer Herkunft das Lebensrecht ab. Neun Männer
wurden stellvertretend für alle Menschen ermordet, die
aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Namens oder ihrer Mut-
tersprache tatsächlich oder vermeintlich nicht-deutscher
Herkunft sind.
Diese Hintergründe der Mordserie brachte erst die Ver-
breitung des NSU-Videos im November 2011 ans Licht,
in dem sich der „Nationalsozialistische Untergrund“ auf
zynische Art und Weise der begangenen Verbrechen
rühmt und die Opfer der Straftaten verhöhnt und verächt-
lich macht. Durch das menschenverachtende NSU-Video
erfuhren die Angehörigen, dass ihre Verwandten sterben
mussten, weil unter dem Motto „Taten statt Worte“ rassis-
tische Verbrecher ihre Ideologie mit Mord und Gewalt
durchsetzen wollten.
Der NSU hat seine Verbrechen gerade auch dort ausge-
führt, wo ihm die deutsche Wirklichkeit am fremdesten
war. Dort, wo das friedliche Miteinander Hunderttausen-
der unterschiedlichster Herkunft einer rechtsextremen
Ideologie am meisten widerspricht: in Großstädten der
Vielfalt.
Genauso macht das NSU-Video deutlich: die Täter woll-
ten mit Morden und Bombenanschlägen den demokrati-
schen Rechtsstaat und das friedliche, vielfältige Mitei-
nander in unserer Gesellschaft angreifen. Der NSU kannte
keine Bedenken, seine Waffen gegen jedermann zu rich-
ten. Die ermordete Polizistin und ihr schwer verletzter
Kollege standen im Dienst des demokratischen Rechts-
Drucksache 17/14600 – 830 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
staats. Auch der Schuss bei einem Überfall in Zwickau
2006 auf einen Sparkassenangestellten zeigt die rück-
sichtslose Verachtung der Täter für menschliches Leben
schlechthin. Der NSU verfolgte das Ziel, mit Mord und
Gewalt aus Deutschland ein unfreies, abgeschottetes Land
des Rassenwahns zu machen. Nach der Ideologie der
Täter sollte niemand in Deutschland so leben dürfen, wie
fast alle in Deutschland leben wollen: in einer freien,
offenen, vielfältigen, friedlichen, solidarischen Gesell-
schaft.
Die Česká-Mordserie und der Sprengstoffanschlag in der
Kölner Keupstraße waren uns allen aus den Medien be-
kannt, dennoch spielte ein rassistischer oder rechtsterro-
ristischer Hintergrund der Taten in der Öffentlichkeit
kaum eine Rolle. Interesse und Unterstützung für die
Angehörigen blieben weitgehend aus. Wir alle müssen
daher kritisch hinterfragen, was wir damals über die Hin-
tergründe der Česká-Mordserie und des Nagelbombenat-
tentats dachten, wie wir sie einordneten und durch welche
Informationen oder Vorurteile wir uns dabei leiten ließen.
Doppelte Traumatisierung
Im November 2011 wurde das gesamte Ausmaß eines bis
dahin nicht vorstellbaren Versagens deutlich: Wie konnte
es passieren, dass eine rechtsextremistische Terrorgruppe
mitten in Deutschland lebte, ohne von den Behörden
gestellt zu werden? Wie konnte es passieren, dass gewis-
senlose Täter mordeten, ohne von den Sicherheitsbehör-
den gestoppt zu werden?
Über ein Jahrzehnt wurde diese Verbrechensserie trotz
umfangreicher und engagierter Ermittlungsarbeit nicht
aufgeklärt. Jahrelang lebten viele Menschen aus Zuwan-
derer-Familien mit der Angst, das nächste Opfer der
Česká-Mordserie zu werden. Jahrelang wurde das Motiv
für die Taten im Opferumfeld gesucht, wurden die Morde
im Kontext von Ausländerkriminalität, Rotlichtmilieu,
Mafia und Rauschgifthandel eingeordnet – nur ein mögli-
cher rassistischer Hintergrund als Motiv wurde zu lange
nicht in Erwägung gezogen und nie mit dem nötigen
Nachdruck verfolgt.
Die Angehörigen der Opfer der Mordserie verloren ihren
Ehemann, ihren Vater, ihren Sohn, ihren Bruder, ihr En-
kelkind. Sie mussten nicht nur den Tod eines geliebten
Familienmitglieds verarbeiten, sie verloren darüber hinaus
teilweise ihre Existenzgrundlage, ihr Zuhause, ihre Le-
bensplanung und Zukunftshoffnungen. Sie lebten jahre-
lang in der Ungewissheit, nicht zu wissen, wer für die
Morde verantwortlich ist. Das Schlimmste jedoch: Sie
konnten nicht wirklich trauern, standen vielmehr zum Teil
jahrelang selbst im Fokus von Ermittlungen und wurden
zu Unrecht verdächtigt.
Mit den Ermittlungen in Richtung Ausländerkriminalität,
Rotlichtmilieu, Mafia und Rauschgifthandel verbanden
sich für die Opferfamilien Verdächtigungen, soziale Isola-
tion, gesundheitliche, familiäre, berufliche und materielle
Probleme: Gerüchte und Mutmaßungen machten die Run-
de, Freunde und Familienangehörige wandten sich ab,
Nachbarn wechselten die Straßenseite. Indem man sie
verdächtigte, die Taten selbst in irgendeiner Weise mit
verursacht zu haben, wurden die Familien nachgerade aus
dem „Kreis der Anständigen“ ausgeschlossen.
Manche Familien vereinsamten, traumatisierte Kinder und
junge Erwachsene brachen ihre schulische oder universi-
täre Ausbildung ab, Ehefrauen erkrankten – unter der Last
des Verlustes, aber auch unter dem Stigma vermeintlicher
krimineller Kontakte. In all diesen Jahren zogen die Neo-
nazis weiter unbehelligt mordend durch Deutschland.
„Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewis-
sens Opfer sein. Immer lag da die Last über unse-
rem Leben, dass vielleicht doch irgendwer aus
meiner Familie, aus unserer Familie verantwortlich
sein könnte für den Tod meines Vaters. Und auch
den anderen Verdacht gab es noch: mein Vater ein
Krimineller, ein Drogenhändler.“
Mit diesen eindrücklichen Worten spricht Semiya Şimşek,
die Tochter des ersten Mordopfers, bei der offiziellen
Gedenkveranstaltung für die Opfer der NSU-Mordserie in
Berlin am 23. Februar 2012 nicht nur vom Leid ihrer
Familie.
„Können Sie erahnen, wie es sich für meine Mutter
angefühlt hat, plötzlich selbst ins Visier der Er-
mittlungen genommen zu werden? Und können
Sie erahnen, wie es sich für mich als Kind ange-
fühlt hat, sowohl meinen toten Vater als auch mei-
ne ohnehin schon betroffene Mutter unter Ver-
dacht zu sehen?“,
fragt sie, auch stellvertretend für die Familien der anderen
Opfer.
Denn was Semiya Şimşek und ihrer Familie widerfahren
ist, mussten auch die Angehörigen von Abdurrahim
Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet
Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet
Kubaşık und Halit Yozgat in ähnlicher Weise erleben.
Nach den Morden entstand ein für die Familien schreckli-
cher Eindruck: Die einzigen, die von den Ermittlungsbe-
hörden verdächtigt werden, sind die Opferfamilien selbst.
„Wir fühlten uns wie Verbrecher“,
sagt Gamze Kubaşık, die Tochter des achten Opfers,
Mehmet Kubaşık.
„Diese Ermittlungen haben viele Leben vergiftet,
nicht nur das unserer Familie“,
sagt Semiya Şimşek.
Die Familien fingen irgendwann selbst an, daran zu glau-
ben, dass es jemanden in ihrem Umfeld geben müsse, der
etwas mit dem Mord zu tun habe, so Professorin Barbara
John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und
Opferangehörigen, vor dem Untersuchungsausschuss.
Für die bittere Notwendigkeit, nach den Morden zunächst
auch im familiären Umfeld der Opfer nach dem Täter zu
suchen, bringen die Angehörigen in der Rückschau sogar
selbst Verständnis auf:
„Im Laufe der Jahre haben wir uns mit dem Ge-
danken beruhigt, dass die Polizei nur ihre Arbeit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 831 – Drucksache 17/14600
macht, dass das alles schon irgendwie seine Rich-
tigkeit haben wird“,
sagt Semiya Şimşek. Was fehlte, war der Eindruck, dass
die Hinweise aus dem Kreis der Angehörigen auf einen
möglichen rassistischen Hintergrund der Taten von den
Ermittlern wirklich ernst genommen werden. Was eben-
falls fehlte, war der Eindruck,
„dass irgendwer versuchte, bei alldem wenigstens
rücksichtsvoll zu sein.“
Statt Mitgefühl mussten die Angehörigen zum Teil jahre-
langes Misstrauen erleben. Sie alle teilen dasselbe Schick-
sal. Sie alle sind in doppelter Weise traumatisiert. Trau-
matisiert durch die Tat an sich, traumatisiert aber auch
durch die darauf folgenden Verdächtigungen und Fehler
bei den Ermittlungen.
„Döner-Morde“ – zu Recht Unwort des Jahres 2011
Unter der Überschrift „Döner-Mord – Nun wird bei Ban-
ken gefahndet“ veröffentlichte die Nürnberger Zeitung
am 31. August 2005 einen Artikel zum Stand der Ermitt-
lungsarbeit der Staatsanwaltschaft Nürnberg. Damit war
ein Schlagwort für die „Česká“-Mordserie geprägt.
In der Folgezeit wird das Schlagwort von der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung bis zur Neuen Züricher Zeitung über
Jahre hinweg immer wieder aufgegriffen.
Unter diesem
zynischen und bagatellisierenden Begriff wurde über die
die begangenen Mordtaten an Menschen, von denen über-
haupt nur zwei in einem Dönerimbiss arbeiteten, fortan
berichtet.
„Der Ausdruck war herabwürdigend und beleidi-
gend gegenüber den Opfern, die so unterschiedli-
che Biographien hatten“,
sagt Semiya Şimşek. Unglaublich wütend sei sie gewesen,
als sie erstmals 2006 in einer Zeitung auf den Begriff
stieß, neben einem Foto ihres Vaters, des Blumengroß-
händlers.
Der Begriff wurde 2011 völlig zu Recht zum „Unwort des
Jahres“ gewählt. „Mit der sachlich unangemessenen,
folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechtsterro-
ristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen
ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße dis-
kriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein
Imbissgericht reduziert werden“, heißt es in der damali-
gen Begründung der Jury.
Der Untersuchungsausschuss –
eine richtige Entscheidung als Instrument der Aufklä-
rung
Nach Bekanntwerden der Verantwortung der Terrorgrup-
pe für die Česká-Mordserie und weiterer brutaler Strafta-
ten war sich die Politik einig in der Forderung nach lü-
ckenloser, gründlicher und vollständiger Aufklärung des
staatlichen Versagens. Allein über den Weg dorthin be-
standen anfangs unterschiedliche Auffassungen. Zunächst
waren nicht alle Abgeordneten im Bundestag der Über-
zeugung, dass die Einsetzung eines Untersuchungsaus-
schusses des Deutschen Bundestages der richtige Weg sei.
Schon am 26. Januar 2012 aber wurde der Untersu-
chungsausschuss als erster in der Geschichte des Bundes-
tages aufgrund eines gemeinsam formulierten Antrags
aller Fraktionen einstimmig eingesetzt.
Die Einigkeit der Fraktionen nicht nur bei der Einsetzung,
sondern auch der breite Konsens, mit dem der Ausschuss
seinem Auftrag nachgegangen ist, hat bei allen Fraktionen
die Überzeugung gefestigt, dass die Entscheidung für den
Untersuchungsausschuss richtig war. Der Ausschuss
begann seine Arbeit in dem von allen geteilten Verständ-
nis, dass es nicht die Aufgabe sei, untereinander um klein-
liche parteipolitische Vorteile zu streiten, sondern ge-
meinsam für Aufklärung und damit auch für die Demo-
kratie zu streiten. Dieser Leitgedanke hat sich durch den
gesamten Zeitraum der Untersuchung erhalten.
Sämtliche Beweisbeschlüsse, sämtliche Zeugenbenen-
nungen und sämtliche Verfahrensanträge wurden ein-
stimmig verabschiedet – also ohne Durchsetzung des
Mehrheitsprinzips oder Rückgriff auf Minderheitenrechte.
Erst diese kooperative Zusammenarbeit machte es mög-
lich, die massiven Versäumnisse, Fehlleistungen und
Fehleinschätzungen der deutschen Strafverfolgungs- und
Sicherheitsbehörden erkennbar werden zu lassen.
Das Signal, dass der Deutsche Bundestag hier „mit einer
Stimme sprach“, dürfte sich auch auf die Bereitschaft der
zur Vorlage von Akten und Unterlagen nach dem Grund-
gesetz und dem PUAG verpflichteten Behörden von Bund
und Ländern ausgewirkt haben, die Aufklärung durch den
Ausschuss zu unterstützen. Während anfangs noch unter
dem Gesichtspunkt der föderalen Zuständigkeitsvertei-
lung Bedenken gegen die Herausgabe von Akten erhoben
wurden, wurden dem Ausschuss – entgegen aller Skepsis
und Ankündigungen, insbesondere einiger Länder, zu
Beginn seiner Arbeit – im Verlauf der Untersuchungen
die angeforderten, noch vorhandenen Akten zur Verfü-
gung gestellt.
Die Bereitschaft, zur Aufklärung beizutragen, unterstrei-
chen die großen Anstrengungen, die viele Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter der betroffenen Behörden des Bundes
und der Länder auf sich genommen haben, damit dem
Ausschuss umfangreiche Akten zur Verfügung stehen
konnten. Für dieses Engagement soll ausdrücklich Dank
gesagt werden.
Hervorhebung verdient zum einen die Entscheidung Thü-
ringens, die vollständigen Aktenbestände des LfV Thü-
ringen zum Phänomenbereich Rechts aus dem Untersu-
chungszeitraum einer Auswertung zugänglich zu machen,
zum anderen die Bereitschaft des Freistaats Bayern, die
zur Auswertung dieser Akten erforderlichen rund 150
Verfahren zur Freigabe von Verschlusssachen mit den
jeweils zuständigen Behörden von Bund und Ländern zu
koordinieren.
Der Ausschuss verkennt nicht, dass die Bereitschaft der
Behörden zur Zusammenarbeit mit dem Ausschuss auch
der kontinuierlichen Begleitung und der breiten Berichter-
stattung durch die Medien zu verdanken ist.
Drucksache 17/14600 – 832 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Auftrag und Verpflichtung des Untersuchungsaus-
schusses
Der Ausschuss hat mit dem Ende der Legislaturperiode
seine Arbeit abgeschlossen. Die Aufarbeitung der Terror-
serie und des damit einhergehenden staatlichen Versagens
geht weiter: Der Prozess vor dem Oberlandesgericht
München dauert an. Mehrere Polizeibehörden führen
weitere Ermittlungen. Zwar hat der Untersuchungsaus-
schuss des Bayerischen Landtages mit Abschluss der
Wahlperiode seine Arbeit beendet, aber die Untersu-
chungsausschüsse der Landtage in Sachsen und Thürin-
gen setzen ihre Arbeit fort.
Mit der Vorlage dieses Abschlussberichts und der darin
enthaltenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen ver-
bindet der Ausschuss die Erwartung, dass in den Sicher-
heits- und Ermittlungsbehörden die Gefahr von Rechtster-
rorismus nie wieder so fahrlässig gering eingeschätzt wird
und die nötigen Konsequenzen aus den Ergebnissen des
Ausschusses gezogen werden.
Allen, die zu Opfern der menschenverachtenden Ideologie
des NSU wurden, sehen wir uns als Untersuchungsaus-
schuss verpflichtet. Es ist viel Vertrauen in die deutschen
Sicherheitsbehörden verloren gegangen – nicht nur bei
den Angehörigen der Ermordeten und den Opfern der
anderen Straftaten. Auftrag unseres Ausschusses war es,
die Mängel der Ermittlungsarbeit rückhaltlos aufzuklären,
um damit auch die Grundlagen dafür zu schaffen, dieses
Vertrauen wiederherzustellen.
Fehler, Versäumnisse und Rechtsverstöße
Deutlich geworden sind durch die Auswertung von Akten
und die Befragung von Zeugen schwere behördliche Ver-
säumnisse und Fehler sowie Organisationsmängel bis hin
zum Organisationsversagen bei Behörden von Bund und
Ländern vor allem bei Informationsaustausch, Analysefä-
higkeit, Mitarbeiterauswahl und Prioritätensetzung. Fehl-
leistungen, Fehleinschätzungen und Versäumnisse einzel-
ner Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen haben vor
allem deshalb erheblich zum Misserfolg der Strafverfol-
gungsbehörden und Verfassungsschutzämter beigetragen,
weil sie teilweise über Jahre nicht erkannt und korrigiert
wurden.
Zu den besonders schwerwiegenden Fehlern gehören zu
Beginn des Geschehensablaufs aus der Sicht des Aus-
schusses:
– Die mangelhafte Vorbereitung und Durchführung der
Durchsuchungen in Jena am 26. Januar 1998, wäh-
rend derer Böhnhardt sich unbehelligt entfernen und
zusammen mit Mundlos und Zschäpe untertauchen
konnte, obwohl die Beamten in einer durchsuchten
Garage 1,4 Kilogramm TNT in drei Rohrbomben si-
cherstellten;
– die teils versäumte, teils völlig falsche Auswertung
der in der Garage ebenfalls beschlagnahmten Adress-
liste des Uwe Mundlos, die als „für die Ermittlungen
ohne Bedeutung“ eingestuft wurde;
– der mangelhafte Informationsaustausch zu und die
Nichtnutzung von Hinweisen auf das Trio, die von
der V-Person Piatto der Landesverfassungsschutzbe-
hörde Brandenburgs stammten.
Kein Hinweis auf Beteiligung von Behörden
Der Ausschuss hat sich eingehend mit der Frage ausei-
nandergesetzt, ob Behörden die Terrorgruppe NSU und
ihre Straftaten in irgendeiner Art und Weise unterstützten
oder billigten.
Als Ergebnis der am 24. Juli 2013 abgeschlossenen Arbeit
des Ausschusses ist festzuhalten, dass sich keinerlei An-
haltspunkte dafür ergeben haben, dass irgendeine Behörde
an den Straftaten, die der Terrorgruppe „Nationalsozialis-
tischer Untergrund“ (NSU) nunmehr zur Last gelegt wer-
den, in irgendeiner Art und Weise beteiligt war, diese
unterstützte oder billigte.
Darüber hinaus haben sich keine Anhaltspunkte dafür
ergeben, dass vor dem 4. November 2011 irgendeine
Behörde Kenntnis gehabt hätte von der Verantwortung
des NSU für die ihm nunmehr zur Last gelegten Taten.
Der Ausschuss hat zudem keine Belege dafür gefunden,
dass irgendeine Behörde den NSU dabei unterstützt hätte,
sich dem Zugriff der Ermittlungsbehörden zu entziehen.
Auch das jahrelang unerkannte Leben des Trios mitten in
Deutschland wurde von Behörden weder unterstützt noch
gebilligt. Diese Feststellung gilt nicht für die von Sicher-
heitsbehörden geführten V-Personen aus der rechten Sze-
ne.
Jedoch hat der Ausschuss keine Belege dafür gefunden,
dass Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe noch einer der
anderen Angeklagten vor dem OLG München jemals V-
Personen einer Sicherheitsbehörde waren.
Intensiv überprüft hat der Ausschuss zur Klärung der
Fragen des Untersuchungsauftrags insbesondere:
– die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden, also
der Staatsanwaltschaften und Polizeien der Länder
und des Bundes, die für die Česká-Mordserie, den
Polizistenmord, die Sprengstoffanschläge und die
Überfallserie zuständig waren oder deren Zuständig-
keit geprüft und verneint wurde;
– die Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden sowie
der Verfassungsschutzämter der Länder und des
Bundes, des MAD und des BND in Bezug auf Beate
Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor und
nach dem 26. Januar 1998;
– die Erkenntnisse dieser Behörden in Bezug auf
rechtsterroristische Aktivitäten und rechtsterroristi-
sche Organisationsansätze ab Mitte der 1990er Jahre
im gesamten Bundesgebiet – darunter die Akten zur
nachrichtendienstlichen Operation „Rennsteig“ und
insbesondere die Rekonstruktionen der im November
2011 vernichteten Akten zu sieben V-Personen;
– den Einsatz von Personen, die im Rahmen der aktuel-
len Ermittlungen zur Terrorgruppe NSU oder ihrem
Umfeld gerechnet werden, als V-Personen bei Poli-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 833 – Drucksache 17/14600
zeien und Nachrichtendiensten des Bundes und der
Länder.
Zudem hat der Ausschuss fast 100 Zeugen aus betroffe-
nen Behörden von Bund und Ländern gehört.
Insbesondere zur Prüfung des in der Öffentlichkeit geäu-
ßerten Verdachts, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate
Zschäpe oder einer der vier anderen Angeklagten vor dem
OLG München (André Eminger, Holger Gerlach, Carsten
Schultze und Ralf Wohlleben) sei V-Person einer Sicher-
heitsbehörde oder Polizei des Bundes oder eines Bundes-
landes gewesen hat der Ausschuss als Zeugen befragt:
– Mitarbeiter des MAD anhand der MAD-Akte von
Uwe Mundlos,
– den Mitarbeiter des LfV Thüringen, der von den nicht
in die Tat umgesetzten Überlegungen des LfV Thü-
ringen berichtete, Beate Zschäpe als V-Person anzu-
werben,
– Bundesanwalt Förster zu dessen Erinnerungen im
Kontext des NPD-Verbotsverfahrens 2003 – wobei
kein Beleg für die Vermutung gefunden wurde, dass
Ralf Wohlleben als V-Person von einer staatlichen
Stelle angeworben worden sei.
A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten
Im Mittelpunkt der Arbeit des Ausschusses standen die
erfolglosen Ermittlungen zu den schweren Straftaten, die
im NSU-Video gerühmt werden: zehn Morde in Nürn-
berg, München, Hamburg, Rostock, Dortmund, Kassel
und Heilbronn und zwei Sprengstoffanschläge in Köln.
Wie konnte es passieren, dass gewissenlose Täter morde-
ten und Bomben legten, ohne von den Sicherheitsbehör-
den gestoppt zu werden? – das war eine der beiden zentra-
len Fragen der Ausschussarbeit. Aus den Antworten, die
der Ausschuss gefunden hat, ergeben sich auch Schluss-
folgerungen dafür, wie solche Ermittlungen in Zukunft
erfolgreicher gestalten werden können.
Bevor im Folgenden die Ergebnisse der Beweisaufnahme
des Ausschusses zu den Ermittlungen bewertet werden,
sei ausdrücklich festgehalten: Der Untersuchungsaus-
schuss hat sich auch mit der Rolle der politisch Verant-
wortlichen auf Bundes- und Landesebene befasst und
dabei diverse Fehler und Versäumnisse, unabhängig von
der jeweiligen Parteizugehörigkeit, feststellen müssen.
Der Ausschuss hat aus der Vielzahl der politisch Verant-
wortlichen einige wenige beispielhaft als Zeugen gehört.
Dem damaligen Bayerischen Innenminister Dr. Beckstein
kommt insoweit eine besondere Rolle zu, als Bayerns
Polizei für die Ermittlungen zur Mordserie schwerpunkt-
mäßig zuständig war. Dr. Beckstein hat sich zum Fort-
gang der Ermittlungen regelmäßig berichten lassen.
Zwar hat Dr. Beckstein bereits unmittelbar nach dem
ersten Mord konkret nachgefragt, ob dieser einen auslän-
derfeindlichen Hintergrund haben könne, doch gab er sich
dann mit der einen Satz umfassenden Antwort durch die
Polizei drei Wochen später zufrieden, es gebe „derzeit
keine Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen Hin-
tergrund der Tat“. Den Akten lassen sich keine konkreten
Ermittlungsschritte aufgrund dieses Hinweises in den
folgenden sechs Jahren entnehmen. Im Jahr 2006 notierte
Dr. Beckstein nochmals die Nachfrage, ob bei den „Tür-
ken-Morden Fremdenfeindlichkeit das Motiv sein könne“.
Verwertbare Hinweise dazu hat Bayerns Polizei auch
nach 2006 nicht ermittelt.
Dr. Fritz Behrens hat sich als damaliger Innenminister in
Nordrhein-Westfalen nicht näher mit den Hintergründen
des Nagelbombenanschlags in Köln befasst. Weder hat er
sich vertieft mit dem Fortgang der Ermittlungen befasst,
noch hat er gegenüber der Polizei Impulse gesetzt, in alle
Richtungen zu ermitteln und auch einen rechtsterroristi-
schen Anschlag in Betracht zu ziehen.
Zu kritisieren ist auch, dass Dr. Behrens es unterlassen
hatte, den Opfern vor Ort seine Anteilnahme auszuspre-
chen. Die Tat, die Täter, aber vor allem die Opfer in der
Kölner Keupstraße scheinen ihn nicht interessiert zu ha-
ben. Dies verdeutlicht auch seine Aussage vor dem Aus-
schuss, dass bei einem Besuch eines Ministers am Tatort
die Gefahr bestünde, eine „Art Sensationstourismus“
auszulösen.
Der damalige Hessische Innenminister Volker Bouffier
schloss sich 2006 bei der Frage, ob er V-Personen des
Verfassungsschutzes aus dem islamistischen und in einem
Fall auch rechtsextremistischen Bereich Aussagegeneh-
migungen erteilt, der Auffassung seines LfV an und ver-
sagte die Genehmigungen. Damit bewertete er den Quel-
lenschutz von fünf Quellen höher als den zusätzlichen
Erkenntnisgewinn durch eine polizeiliche Vernehmung.
Otto Schily hat als damaliger Bundesminister des Innern –
nach eigenem Bekunden auf mangelhafter Informations-
grundlage – am Tag nach dem Kölner Nagelbombenan-
schlag im Fernsehen Stellung genommen. Er interessierte
sich in der Folgezeit jedoch nicht näher für die Hinter-
gründe des Nagelbombenanschlags. Dabei wäre ein grö-
ßeres Engagement nur konsequent gewesen, da er ja mit
seiner öffentlichen Äußerung den Eindruck erweckt hatte,
er kümmere sich. Auch für die Hintergründe der bundes-
weiten Mordserie mit allein sieben Opfern während seiner
Amtszeit bis 2005 ist nicht dokumentiert, dass Otto Schily
Interesse gezeigt hätte.
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble zeigte als Bun-
desinnenminister ebenfalls kein Interesse für die Ermitt-
lungen in der „Česká“-Mordserie mit letztlich neun Op-
fern, die während seiner Amtszeit sogar Thema der
Drucksache 17/14600 – 834 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„nachrichtendienstlichen Lage“ war. Die im Jahr 2006
vom BKA erbetene Entscheidung, mit der zentralen Er-
mittlungsführung beauftragt zu werden, hat Dr. Schäuble
nicht getroffen – sie gegen den Widerstand der Länder zu
treffen hätte dem von allen Innenministern immer ge-
wahrten Konsensprinzip der Innenpolitik widersprochen.
Die Suche nach einer angemessenen Ermittlungsführung
hat Dr. Schäuble nicht politisch betrieben und auf der
Ebene der Innenminister erörtert, sondern an die Arbeits-
ebene delegiert und das gefundene Ergebnis nicht in Fra-
ge gestellt.
I. Česká-Mordserie
Die Anstrengungen der Ermittlungsbehörden, die
„Česká“-Mordserie aufzuklären, waren hoch: Es wurde
engagiert und mit großem personellen und materiellen
Aufwand ermittelt. Zusätzlich war 2006 von den Tatort-
ländern und dem BKA eine der bis dahin höchsten staatli-
cherseits ausgelobten Belohnungen für Hinweise zur
Ergreifung der Täter in Aussicht gestellt worden. Den-
noch gelang es nicht, die Taten aufzuklären.
Ermittlungen in Nürnberg und München
Nürnberg und München sind die beiden Städte, in denen
die „Česká“-Mörder mehr als einmal zuschlugen. Die
Tatort-Ermittlungen wurden durch die Sonderkommissio-
nen „Şimşek“ und „Schneider“ in Nürnberg und „Theo“
in München geführt, der Serienzusammenhang jeweils
zeitnah erkannt. Schon beim ersten Mord mussten die
Ermittler feststellen, dass an den Tatorten ungewöhnlich
wenig Spuren hinterlassen wurden – es gab zunächst
keine verwertbaren Wahrnehmungen von Tatzeugen, es
konnten außer den Geschossen und des so ermittelten
Typs der Tatwaffe lange keine Ermittlungsansätze ge-
wonnen werden.
In Bayern wurden die polizeilichen Ermittlungen mit der
Gründung der Soko Halbmond im September 2001 zent-
ral zusammengeführt. Ab Juli 2005 wurde die Soko
Halbmond in die deutlich größere BAO Bosporus über-
führt. Bei den Ermittlungsschwerpunkten, die zunächst
klar von einem mutmaßlichen Tathintergrund „Organi-
sierte Kriminalität“ ausgingen, ergab sich erst im An-
schluss an die zweite Operative Fallanalyse ab Mai 2006
ein neuer Ermittlungsansatz: Neben die „Organisationstä-
tertheorie“ trat die „Einzeltätertheorie“, die eine auslän-
derfeindliche Motivation annahm. Die Begriffe waren in
ihrer Gegenüberstellung unglücklich gewählt – denn eine
Tatbegehung durch mehr als einen rassistisch motivierten
Täter, die wegen der Verwendung von zwei Waffen bei
zwei Taten nahe lag, wurde von beiden Begriffen nicht
treffend erfasst.
Den Schwerpunkt der Arbeit der BAO Bosporus bildete
die – als solche spurneutrale, also keine bestimmte Tä-
termotivation unterstellende – Erhebung, Verarbeitung
und Auswertung von 23 Millionen Massendaten. Die
Ermittlungen zur „Česká“-Mordserie zeigen beispielhaft
Chancen, Herausforderungen und Grenzen dieses Ansat-
zes:
– Hoher Arbeitsaufwand war zunächst für die Aufgabe
erforderlich, die bei den beteiligten Polizeibehörden
in unterschiedlichen Programmen verfügbaren Daten
so zusammenzuführen, dass sie zentral erfasst und
ausgewertet werden konnten.
– Die erhobenen Merkmale müssen die Täter auch
erfassen können: Wenn Täter weder Mobiltelefone
noch Bankkarten nutzen, können sie durch eine Er-
hebung der entsprechenden Daten nicht gefunden
werden.
– Die erhobenen Daten müssen den Suchbereich kom-
plett erfassen, auf den sie zielen. Wenn es darum
geht, Täter durch Mehrfachtreffer bei Übernachtun-
gen in Tatortstädten zu den jeweiligen Tatzeiten aus-
findig zu machen, dann dürfen nicht nur Daten in
Beherbergungsbetrieben wie Hotels erhoben werden,
sondern es müssen auch andere Übernachtungsfor-
men wie etwa Campingplätze einbezogen sein.
Letztlich ist festzustellen, dass Aufwand und Ertrag bei
der Erhebung und Auswertung der Massendaten hier in
keinem Verhältnis zueinander standen. Konkrete, auf die
unbekannten Täter führende Hinweise konnten trotz mil-
lionenfach erhobener Datensätze nicht erlangt werden.
Umfassende Empfehlungen für eine aussichtsreichere
Ermittlungsführung bei vergleichbaren künftigen Groß-
verfahren gibt der 2007 erstellte Erfahrungsbericht des
damaligen Leiters der BAO Bosporus.
Auch nach der zweiten Operativen Fallanalyse wurden
die Ermittlungen im Rahmen der „Organisationstätertheo-
rie“ intensiv weiter geführt. Hier blieb der Schwerpunkt
des Kräfteeinsatzes. Bei der Abklärung von Hinweisen
mit Auslandsbezug wird aus den Akten Kooperationsbe-
reitschaft der jeweiligen Ermittlungsbehörden deutlich,
darunter insbesondere denen der Republik Türkei. Kri-
tisch beleuchtet hat der Ausschuss die verdeckten Ermitt-
lungsmaßnahmen:
– Der Betrieb zweier Dönerimbisse als Falle erscheint
schon unter taktischen Gesichtspunkten fragwürdig,
da nur zwei der neun Opfer in einem Imbiss ermordet
wurden. Zudem wurde eine abschließende zusam-
menfassende Auswertung in den Akten nicht gefun-
den, weshalb damals vermutlich unbemerkt blieb,
dass der einzige verwertbare Hinweis, ein massiver
rassistischer Drohangriff kurz vor Ende der Maß-
nahme, eher in Richtung der „Einzeltätertheorie“
wies.
– Für falsch hält es der Ausschuss, wenn, wie in einer
Maßnahme angelegt, verdeckte Ermittler als Journa-
listen auftreten – das sollte mit Blick auf das hohe
Gut der Pressefreiheit jedenfalls unterbleiben.
Im Rahmen der „Einzeltätertheorie“ konnte kein weiter-
führender Ermittlungsansatz gewonnen werden. Aus
Tattagen und Tatzeiten und der größeren Zahl der Morde
in einem Stadtgebiet Nürnbergs wurden in der zweiten
Operativen Fallanalyse die Schlüsse gezogen, der oder die
Täter gingen einer „regelmäßigen Tätigkeit“ nach und
hätten in Nürnberg einen „Ankerpunkt“. Diese Annahmen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 835 – Drucksache 17/14600
legte die BAO Bosporus ihren Ermittlungen zugrunde.
Der Kreis der Suche wurde eng um den häufigsten Tatort
Nürnberg gezogen und auf Personen mit dem Wohnsitz
Nürnberg konzentriert – nicht gesehen wurde, dass ein
„Ankerpunkt“ auch auf anderen Kriterien als dem polizei-
lich gemeldeten Wohnsitz beruhen kann. Nachdem die
Überprüfungen im Raum Nürnberg keine verwertbaren
Ergebnisse erbracht hatten, weiteten die Ermittler den
Kreis ihrer Suche nicht aus. Auch die Einbeziehung von
Personenerkenntnissen aus angrenzenden Bundesländern
hätte nach Auffassung des Ausschusses in Betracht gezo-
gen werden können und müssen. Die Schwerpunktsetzung
der Ermittlungen zeigt sich beispielhaft in dem Umstand,
dass
– in Nürnberg und München rund 900 türkische Klein-
gewerbetreibende in den Jahren 2005 und 2006 auf-
gesucht wurden, um Hinweise zum Ermittlungsansatz
„organisierte Kriminalität“ zu gewinnen;
– zur Ermittlungsrichtung rechtsextremistische Tatmo-
tivation oder „Einzeltätertheorie“ lediglich neun Per-
sonen in Nürnberg im Rahmen sogenannter
„Gefährderansprachen“ im Herbst 2006 aufgesucht
wurden.
Die örtlich beschränkte Schwerpunktsetzung der Ermitt-
lungen hält der Ausschuss auch angesichts des damaligen
Ermittlungsstandes für einen schweren Fehler.
Als nicht ausreichend stellte sich dem Ausschuss die
Zusammenarbeit der BAO Bosporus mit dem LfV Bayern
bei der Gewinnung von Ansatzpunkten für Ermittlungen
zur „Einzeltätertheorie“ dar. Nachvollziehbar ist die Ent-
scheidung des LfV Bayern, nicht zu sämtlichen Personen,
die in ganz Bayern mit rechtsextremistischen Aktivitäten
auffällig geworden waren, Informationen an die Polizei
weiterzugeben. Doch der Entscheidungsprozess, welche
Daten zu welchem Personenkreis im Rahmen der Rechts-
lage weitergegeben werden können, dauerte deutlich zu
lang: Erst nach sieben Monaten wurde eine Liste mit
Daten zu knapp 700 Personen der Geburtsjahrgänge 1960
bis 1982 aus zwei Postleitzahlbereichen Nürnbergs über-
mittelt, eine entsprechende Datei erst einen weiteren Mo-
nat später. Mitgeteilt wurden lediglich Name, Vorname
und Geburtsdatum – Daten, aus denen nicht ohne weitere
intensive Vorarbeit tatsächlich Ermittlungsansätze ge-
wonnen werden konnten. Die Ermittler versuchten nicht,
für ihr berechtigtes Anliegen die Unterstützung des Mi-
nisteriums des Innern des Freistaates Bayern zu gewin-
nen, das die Dienstaufsicht sowohl über den Verfassungs-
schutz wie auch die Polizei führt. Die zögerliche Informa-
tionsübermittlung war ein Fehler der beteiligten Behör-
den, und zwar von beiden Seiten.
Die Strafprozessordnung weist der Staatsanwaltschaft die
Verpflichtung zur Sachleitung der Ermittlungen zu. Hier-
zu gehört mehr als nur die Sicherstellung der Rechtmä-
ßigkeit der einzelnen Ermittlungsmaßnahmen. Der Aus-
schuss verkennt nicht, dass eine sachgerechte Zusammen-
arbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei nicht erfordert,
dass ein Staatsanwalt jeden einzelnen Ermittlungsschritt
anordnet. Sache der Staatsanwaltschaft ist es aber, Ermitt-
lungsrichtungen und -gewichtungen richtig einzuordnen,
Irrwege zu erkennen und – wenn nötig – neue Impulse zu
setzen. Dies hat der Ausschuss bei der sachleitenden
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nicht feststellen kön-
nen: Zwar hat der zuständige Staatsanwalt mit hohem
Zeitaufwand regelmäßig an Besprechungen mit den ermit-
telnden Polizeibeamten teilgenommen. Den Akten und
Zeugenvernehmungen im Ausschuss konnte aber nicht
entnommen werden, dass von Seiten der Staatsanwalt-
schaft je Anstöße für neue Ermittlungsansätze kamen oder
dass die Frage gestellt worden wäre, warum die Ermitt-
lungen trotz des großen Aufwands erfolglos blieben und
ob es Wege gebe, dies zu ändern. Dies sah an den anderen
Tatorten bedauerlicherweise nicht besser aus.
Ermittlungen in Hamburg, Rostock und Dortmund
In Hamburg wurden die von einer Mordkommission ge-
führten Ermittlungen rund eineinhalb Jahre nach dem
dortigen Mord zunächst eingestellt – nennenswerte Er-
mittlungshandlungen zwischen 2002 und 2005 waren für
den Ausschuss nicht feststellbar. Nachdem ab Juli 2005
die BAO Bosporus die Arbeit aufgenommen hatte, wur-
den in Hamburg im März 2006 die EG 061 (später Soko
061) eingerichtet, die ab Juli 2008 wieder in die Allge-
meine Aufbauorganisation beim LKA Hamburg integriert
wurde. Die Ermittler in Hamburg waren am stärksten von
der Theorie eines Tathintergrundes „Organisierte Krimi-
nalität“ überzeugt – und blieben das auch dann, als die
gründlichen Ermittlungen in diese Richtung zu keinen
Ergebnissen geführt hatten. Die Hamburger Ermittler
waren massive Gegner der zweiten Bayerischen Operati-
ven Fallanalyse und veranlassten sogar – wenig sachge-
recht für einen Mord in einer Serie – eine eigene Analyse
zu den Spezifika ihres Falles. Rund zwei Monate dauerte
es nach dem Hamburger Mord, bis das BKA die Zugehö-
rigkeit zur „Česká“-Mordserie bestätigte – eine nach
Auffassung des Ausschusses deutlich zu lange Frist, wo-
bei nicht geklärt werden konnte, wer für die Verzögerung
die Verantwortung trug. Nach dem nächsten Mord in
München dauerte die Feststellung der Serienzugehörigkeit
weniger als eine Woche.
Die Ermittlungen in Rostock wurden ab 2004 zunächst
durch die örtlich zuständige Kriminalpolizeiinspektion
geführt. Erst im Juni 2006, also über zwei Jahre nach der
Tat und ein Jahr nach der Gründung der BAO Bosporus,
wurde im Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern
die Sonderkommission „Kormoran“ eingerichtet, die bis
2009 bestand. Auch bei diesem Mordfall ermittelten die
Beamten vorrangig auf dem Gebiet der organisierten
Kriminalität; dies offenbar unter anderem wegen der
Fokussierung auf den fehlenden Aufenthaltstitel des kur-
disch-stämmigen Mordopfers in der Bundesrepublik
Deutschland, aber auch aufgrund von Hinweisen des
Landesamts für Verfassungsschutz Mecklenburg-
Vorpommern, welches den Tathintergrund im Bereich
von Drogengeschäften wähnte. Einem möglichen rechts-
extremistischen Hintergrund wurde auch nach der zweiten
Operativen Fallanalyse in Bayern nicht mit eigenen Er-
mittlungsansätzen aus Rostock nachgegangen.
Beim Polizeipräsidium Dortmund wurde direkt nach dem
achten Mord der „Česká“-Mordserie die BAO Kiosk
Drucksache 17/14600 – 836 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gebildet. Bereits im Dezember 2006 wurde deren perso-
nelle Ausstattung auf drei Beamte zurückgefahren, zum
Jahresende 2007 wurde sie aufgelöst. Zeugenangaben
wurden nicht angemessen bearbeitet – dass Männer mit
Fahrrad am Tatort gesehen wurden, dass die Männer wie
Nazis oder Junkies ausgesehen hätten. Der Grund, warum
die Aussagen dieser Zeugin nach den Akten unterschied-
lich protokolliert und konfus bearbeitet wurden, ließ sich
nicht mehr aufklären, der Umstand wurde aber von allen
beteiligten Seiten eingeräumt. Erst nach dem 4. Novem-
ber 2011 erfolgte ein Hinweis nordrhein-westfälischer
Sicherheitsbehörden darauf, dass zur Tatzeit in der
Malinckrodtstraße unweit vom Tatort ein bekannter
Rechtsextremist wohnte.
Ermittlungen in Kassel
Die zu Beginn der Ermittlungen mit 35 Mitarbeitern be-
setzte Mordkommission Café wurde zum Ende des Jahres
2006 auf sechs Mitarbeiter verkleinert und zum Juli 2008
in die allgemeine Aufbauorganisation des Polizeipräsidi-
ums Nordhessen eingegliedert. Der Vermutung des Vaters
des Opfers, die Tat sei rechtsextremistisch motiviert,
wurde nachgegangen – der hierzu gehörte Leiter der
Mordkommission legte dar, dass die polizeilichen Er-
kenntnisse aus der rechten Szene in Kassel keinen Hin-
weis auf Interesse an der Tat geschweige denn auf eine
Beteiligung ergeben hätten. Die Ermittlungen der Mord-
kommission fügten sich in das bundesweit abgestimmte
Ermittlungskonzept ein: Vor allem der Abgleich aller
Daten zur tatrelevanten Zeit erfolgte zügig.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hat sich der kurz
nach der Tat entstandene Verdacht der Beteiligung an der
„Česká“-Mordserie gegen den Mitarbeiter des LfV Hes-
sen, Andreas Temme, nicht bestätigt. Seine Anhörung
durch den Ausschuss konnte nicht abschließend klären, ob
er etwas von der Tat mitbekommen oder den Tatort be-
reits verlassen hatte, als der Mord geschah.
Der Umstand, dass sich der Mitarbeiter des LfV Hessen
Temme, der sich nach dem Ermittlungsergebnis der Poli-
zei zum Tatzeitpunkt in dem Internet-Café befand, danach
als einziger nicht selbst als Zeuge gemeldet hatte, weckte
den Verdacht, er könne an der Tat und an der ganzen
Tatserie beteiligt sein. Diese Vermutung konnte aber
schnell durch Ermittlungen zu einigen Alibis ausgeräumt
werden, für die das LfV Hessen umfassend dienstliche
Unterlagen zur Verfügung stellte. Die Polizei ermittelte
alle Kontaktpersonen des Temme, darunter die von ihm
geführten Quellen. Sie hätte dazu weiter ermitteln kön-
nen, entschied sich aber, dies nicht ohne Absprache mit
dem LfV Hessen zu tun. Gegenüber der Anfrage der zu-
ständigen Staatsanwaltschaft wegen der Vernehmung der
Quellen machte das LfV Hessen Bedenken geltend wegen
deren persönlicher Gefährdung und der ihnen gegenüber
abgegebenen Vertraulichkeitszusage. Die Polizei sah ihre
Ermittlungen dadurch zu Recht massiv beeinträchtigt.
Zahlreiche Schriftwechsel und Gespräche zwischen
Staatsanwaltschaft, Polizei und LfV Hessen erbrachten
keine einvernehmliche Lösung. Die Entscheidung in die-
sem besonderen Fall traf ein halbes Jahr nach der Tat im
Oktober 2006 der damalige Innenminister von Hessen,
Volker Bouffier. Die von Temme geführten Vertrauens-
personen wurden danach vom LfV Hessen anhand eines
von der Polizei übersandten Fragenkatalogs befragt und
die Ergebnisse dem Polizeipräsidium Nordhessen im
Januar 2007 übersandt.
Ermittlungsbeitrag des Bundeskriminalamts
Das BKA war an den Ermittlungen in der Mordserie seit
Juni 2004 in der Organisationseinheit EG „Česká“ mit
sogenannten „ergänzenden Strukturermittlungen“ betei-
ligt. Dazu gehörten: Auslandsermittlungen, Ermittlungen
zur Tatwaffe und die Unterstützung bei verdeckten Maß-
nahmen. Dabei war die Arbeit des BKA von einem ver-
muteten Hintergrund im Bereich der organisierten Krimi-
nalität geleitet. Angesichts des beschränkten Ermittlungs-
auftrags ist diese Haltung im Grundsatz zwar nicht zu
beanstanden, allerdings wäre eine stärkere Offenheit für
andere Tatmotive bzw. Ermittlungsrichtungen geboten
gewesen.
Obwohl die eigenen Ermittlungen ergebnislos blieben,
gab es seitens des BKA keinen Anstoß in Richtung eines
anderen Tatmotivs. Vielmehr wurde sogar der durch die
zweite Operative Fallanalyse (OFA) gewonnene Ansatz
der „Einzeltätertheorie“ und eines denkbaren rassistischen
Tatmotivs vom damaligen BKA-Vizepräsidenten Falk als
„Kaffeesatzleserei“ abgetan und zugleich die Beauftra-
gung einer weiteren OFA unterstützt. Der Ausschuss
konnte nicht erkennen, dass innerhalb des BKA die Kom-
petenz der Staatsschutzabteilung für Politisch motivierte
Kriminalität Rechts jemals in die Ermittlungen einbezo-
gen wurde, und sei es auch nur für eine fachliche Ein-
schätzung zur 2. OFA. Allein der damalige Abteilungslei-
ter für organisierte Kriminalität und frühere Abteilungs-
leiter Staatsschutz im BKA Maurer favorisierte die „Ein-
zeltätertheorie“. Dies führte jedoch weder zu einem Um-
steuern in der Ermittlungsarbeit noch zu einem Umden-
ken im BKA.
Zu kritisieren ist aber auch die konkrete Ermittlungsarbeit
des BKA in Sachen Waffenspur. Der Ausschuss hat hier
diverse fachliche Defizite feststellen müssen, die auch aus
damaliger Sicht nicht als gute Polizeipraxis gelten konn-
ten. Im Einzelnen zu kritisieren ist beispielsweise, dass
das BKA im Jahr 2004 seine Anfrage an die Verbin-
dungsbeamten im europäischen Ausland lediglich auf
Abnehmer der ermittelten, höchst seltenen Munition be-
schränkte, den Verbindungsbeamten in der Schweiz zu-
sätzlich nach Abnehmern von Schalldämpfern für die
Česká 83 fragte, jedoch nicht danach, ob zusammen mit
der Munition oder einem Schalldämpfer auch eine Waffe
Typ Česká 83 verkauft wurde. Dabei hätte diese Anfrage
durchaus nahe gelegen. Problematisch war ebenso die
Eingrenzung der Anfrage auf „insbesondere türkische
Staatsangehörige“. Zu der daraufhin noch weiter verengt
tatsächlich ausschließlich zu türkischen Staatsangehörigen
gegebenen Antwort aus der Schweiz gab es keine aufklä-
rende und ergänzende Rückfrage des BKA. Unverständ-
lich ist auch, warum man den Widerspruch nicht erkannte,
dass es noch Munititionshandelsbücher gab, die Waffen-
handelsbücher aber angeblich nicht mehr. Die bis dahin
heißeste Spur blieb für Jahre kalt. Da die Tatwaffe Česká
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 837 – Drucksache 17/14600
83 nachweislich aus der Bestellung des Schweizer Staats-
bürgers Anton G. bei der Waffenfirma Schläfli & Zbinden
stammte, hätte durch eine ergebnisoffene Fragestellung
und konsequentes Nachfragen bereits im Jahre 2004 die
Spur zu ihm führen können – und dann möglicherweise
zu den Tätern.
Auf diese Spur wurde das BKA erst über den Hinweisge-
ber Lothar M. geführt, dessen erster Hinweis auf den
Generalimporteur von Česká-Waffen in der Schweiz im
Juni 2006 im BKA unbeachtet blieb. Allein die Hartnä-
ckigkeit des Hinweisgebers führte schließlich doch dazu,
dass das BKA dem Hinweis über ein Rechtshilfeersuchen
nachging. Aber auch hier gab sich das BKA letztlich mit
den wenig glaubhaften Angaben von Anton G. in insge-
samt drei Vernehmungen zufrieden. Nachdem im No-
vember 2009 eine Hausdurchsuchung bei Anton G. zu
keinen verwertbaren Ergebnissen geführt hatte und Anton
G. bei seiner Sachverhaltsdarstellung blieb, wurden in
diese Richtung keine weiteren Ermittlungsschritte unter-
nommen. Auch die Vernehmung seiner Ehefrau, die den
Umständen nach durchaus nahegelegen hätte, wurde nicht
veranlasst.
Waffenspur und Rechtshilfeverkehr
Seit die Zahl der hergestellten „Česká“-Waffen mit ver-
längertem Lauf eingegrenzt und die meisten dieser Pisto-
len festgestellt und als Tatwaffe ausgeschlossen werden
konnten, war angesichts der sonst geringen Spurenlage
die Waffenspur in die Schweiz die vielversprechendste
Spur auf der Suche nach den Mördern. Der Ausschuss hat
aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass die diesbezügli-
chen Ermittlungen unvertretbar lange andauerten.
Nachdem das BKA auf den wiederholten Hinweis von
Lothar M. im April 2007 hin tätig geworden war, stellte
die zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im
August 2007 ein erstes Rechtshilfeersuchen an die
Schweizer Behörden. Damit war seit dem Hinweis 2006
ein Jahr ungenutzt vergangen. Die Abarbeitung des
Rechtshilfeersuchens dauerte bis Ende 2008. Weil die
Vernehmungen von Anton G. keine verwertbaren Ergeb-
nisse erbracht hatten, regte die Polizei im Dezember 2008
ein weiteres Rechtshilfeersuchen an, unter anderem mit
dem Ziel einer Durchsuchung bei Anton G. Nachdem
entsprechende Beschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg-
Fürth am 15. Januar 2009 ergangen waren, wurde Anfang
Februar 2009 das Rechtshilfeersuchen von der Staatsan-
waltschaft an die Schweiz gerichtet. Seine Bewilligung
erfolgte im Juli 2009, der Vollzug der Durchsuchungsbe-
schlüsse allerdings erst im November 2009, also wieder
ein Jahr nach Anregung der Maßnahme durch die Polizei.
Dem Ausschuss ist bekannt, dass die Bearbeitung von
Rechtshilfeersuchen oftmals längere Zeit in Anspruch
nimmt und dass es im konkreten Fall offenbar auch zu
einer Verzögerung der Bearbeitung aufgrund Staatsan-
waltswahlen in der Schweiz kam, was nicht im Verant-
wortungsbereich der deutschen Behörden liegt. Dennoch
erscheint in der Gesamtbetrachtung die Bearbeitung der
wichtigen „Waffenspur Schweiz“ deutlich zu lang. Insbe-
sondere hätten die Hinweise von Lothar M. im Jahre 2006
unverzüglich bearbeitet werden müssen. Bei einer so
schwerwiegenden Mordserie wäre es zudem sachgerecht
und zwingend geboten gewesen, wenn der sachleitende
Staatsanwalt auch auf eine noch zügigere Bearbeitung in
der Rechtshilfeabteilung der Staatsanwaltschaft Nürn-
berg-Fürth sowie auf noch häufigere Sachstandsanfragen
bei den Schweizer Behörden gedrungen hätte.
Zusammenführung staatsanwaltschaftlicher Zustän-
digkeiten
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass ein bei einer
Staatsanwaltschaft geführtes Ermittlungsverfahren hin-
sichtlich aller Taten der Mordserie „Česká“ sachgerecht
gewesen wäre. Eine solche Organisationsstruktur wäre
zwar nicht Garant für eine Aufklärung der Serie gewesen,
sie hätte aber dazu beitragen können, Ressourcen zu bün-
deln, die Informationszusammenführung zu erleichtern
und eine straffere Einhaltung der Sachleitungspflicht der
Staatsanwaltschaft zu ermöglichen.
Die Führung einheitlicher Ermittlungen durch ein Sam-
melverfahren bei einer Staatsanwaltschaft ist gemäß
Nr. 25 der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldver-
fahren (RiStBV) im Interesse einer zügigen und wirksa-
men Strafverfolgung geboten, wenn der Verdacht mehre-
rer in Zusammenhang stehender Straftaten besteht, wel-
che den Zuständigkeitsbereich mehrerer Staatsanwalt-
schaften berühren. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn
die Verschiedenartigkeit der Taten oder ein anderer wich-
tiger Grund entgegenstehen. Diese Voraussetzungen wa-
ren nach Ansicht des Ausschusses in der „Česká“-
Mordserie gegeben, nach Nr. 26 RiStBV wäre die Staats-
anwaltschaft Nürnberg-Fürth mit der Verfahrensführung
zu betrauen gewesen, weil dort der Schwerpunkt eines
einheitlichen Verfahrens gelegen hätte. Vorliegend wur-
den allerdings nur die Fälle der Mordserie im Freistaat
Bayern ab Juni 2005 als Sammelverfahren bei der Staats-
anwaltschaft Nürnberg-Fürth geführt. Eine Übernahme
der Verfahren außerhalb Bayerns wurde durch den sach-
leitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Nürnberg-
Fürth im April 2004 – also nach fünf Taten der Serie –
mit der Begründung abgelehnt, die Verwendung dersel-
ben Waffe sei noch kein Indiz für ein und denselben Tä-
ter. Diese Argumentation erscheint nach Auffassung des
Ausschusses wenig nachvollziehbar, zumal diese Begrün-
dung auch gegen eine Bündelung der bayerischen Verfah-
ren gesprochen hätte. Der Ausschuss hat nicht feststellen
können, dass die Entscheidung gegen ein Sammelverfah-
ren auf politische Einflussnahme zurückzuführen war. Es
konnte aber auch kein Bemühen seitens der Justizministe-
rien der anderen Tatortländer festgestellt werden, die
Verfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth anzu-
tragen.
Alternativ wäre eine Übernahme der Ermittlungen zur
„Česká“-Mordserie durch den Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof sachgerecht gewesen. Dies hätte nicht
zuletzt zur Folge gehabt, dass eine geeignete Polizei-
dienststelle – sei dies das BKA oder eine Landespolizei-
dienststelle – mit einer zentralen und nicht nur koordinie-
renden Führung der polizeilichen Ermittlungen hätte
beauftragt werden können. Damit hätten klare Strukturen,
Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse die Ermittlungs-
Drucksache 17/14600 – 838 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
arbeit befördern und Doppelarbeit vermieden werden
können. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vertrat
offiziell die Auffassung, die gesetzlichen Voraussetzun-
gen für eine Verfahrensführung durch den Generalbun-
desanwalt seien nicht gegeben. Die Beratung in der Steue-
rungsgruppe lässt vermuten, dass über Sachargumente
hinaus eine Einschaltung des Generalbundesanwaltes
vermieden werden sollte. Die Staatsanwaltschaft hat zu
keinem Zeitpunkt Unterlagen oder Informationen zu den
Ermittlungen an den Generalbundesanwalt übermittelt,
damit dieser seine Zuständigkeit hätte prüfen können. Die
Entscheidung, trotz bestehender Verpflichtung keine
Unterlagen zur Prüfung seiner Zuständigkeit an den GBA
zu übersenden, und die ihr zugrunde liegende Einschät-
zung der Taten hält der Ausschuss auch aus damaliger
Sicht für falsch. Die Kompetenzverteilung des Grundge-
setzes geht davon aus, dass die zuständigen Behörden vor
Ort den Generalbundesanwalt über eine mögliche Zustän-
digkeit informieren, so dass der Generalbundesanwalt
dies prüfen kann. Daher ist in Nr. 202 RiStBV geregelt,
dass der Staatsanwalt Vorgänge, aus denen sich der Ver-
dacht einer zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im
ersten Rechtszug gehörenden Straftat ergibt, mit einem
Begleitschreiben unverzüglich dem Generalbundesanwalt
übersendet.
Der Generalbundesanwalt hat die Frage seiner Zuständig-
keit für die „Česká“-Mordserie im Rahmen eines Beo-
bachtungsvorgangs („ARP-Verfahren“) aus Anlass von
Presseberichten im Sommer 2006 geprüft. Als Bewer-
tungsgrundlage für die letztlich ablehnende Entscheidung
zur Zuständigkeit dienten nach sechs Jahren intensiver
Ermittlungen lediglich vier Zeitungsartikel und Informa-
tionen von der Homepage des BKA. Diese Prüfungs-
grundlage hält der Ausschuss für ungenügend. Eine sach-
gerechte Kontaktaufnahme des Generalbundesanwalts mit
der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder mit dem
BKA zur Erlangung weiterer Informationen konnte nicht
festgestellt werden. Trotz der Verpflichtung der Tatort-
staatsanwaltschaften wäre es aus Sicht des Ausschusses
unbedingt erforderlich gewesen, sich eine hinreichende
Erkenntnisgrundlage zu verschaffen, bevor über die wich-
tige Frage einer Verfahrensübernahme befunden wurde –
gleich zu welchem Ergebnis die Prüfung dann gelangt
wäre. Der Generalbundesanwalt hat aus Sicht des Aus-
schusses seine bestehenden Erhebungsmöglichkeiten
nicht hinreichend genutzt. Bereits nach geltendem Recht
wären dem Generalbundesanwalt weitere Erhebungen bei
Polizei und Staatsanwaltschaft, aber auch bei Verfas-
sungsschutzbehörden, möglich gewesen. Eine politische
Einflussnahme auf die Entscheidung des Generalbundes-
anwalts konnte der Ausschuss nicht feststellen.
Zusammenführung polizeilicher Zuständigkeiten
Nach Auffassung des Ausschusses hätten die Ermittlun-
gen in der Mordserie bereits frühzeitig in einem staatsan-
waltschaftlichen Sammelverfahren zusammengeführt und
damit einhergehend der zentralen Ermittlungsführung
durch eine Polizeibehörde unterstellt werden können.
Wege zu einer zentralen Ermittlungsführung durch das
BKA eröffnet unabhängig von staatsanwaltschaftlichen
Zuständigkeitsentscheidungen in bestimmten Fällen auch
das BKA-Gesetz. Auch auf diesem Weg hätten klare
Strukturen, Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse die
Ermittlungsarbeit befördern und Doppelarbeit vermeiden
können.
Im Frühjahr 2004 wollten die Polizeibehörden in Nürn-
berg und Rostock eine Verfahrensabgabe an das BKA
vornehmen. Das Bayerische Innenministerium war hier-
mit einverstanden, auch das Polizeipräsidium Hamburg
stimmte zu. Von den ermittelnden Beamten im BKA
wurde dieser Vorstoß zunächst begrüßt, dann aber noch
auf Arbeitsebene vom BKA klar abgelehnt, unter anderem
wegen geringer Erfolgsaussichten, da ja bereits durch die
örtlichen Polizeibehörden jahrelang erfolglos ermittelt
worden sei. Das hält der Ausschuss für eine sachwidrige
Erwägung. Auch die ablehnende Haltung der Staatsan-
waltschaft Nürnberg-Fürth trug entscheidend dazu bei,
dass es nicht zu einer Abgabe des Verfahrens an das BKA
kam. Der gefundene Kompromiss – auf Ersuchen des
Bayerischen Staatsministeriums des Innern führte das
BKA ergänzende Strukturermittlungen – brachte keine
einheitliche Ermittlungsführung. Sowohl BKA-Präsident
Ziercke als auch der damalige Vizepräsident des BKA
Falk haben im Ausschuss bekundet, erstmals durch dieses
eingeschränkte Übernahmeersuchen des Bayerischen
Staatsministeriums des Innern im Juni 2004 mit dem
Vorgang befasst gewesen zu sein. Falk hat zudem betont,
dass ein Ersuchen um die Übernahme der zentralen Er-
mittlungsführung durch die Behördenleitung positiv be-
schieden worden wäre, wenn ihr dieser Vorschlag bekannt
geworden wäre. Doch dies erfolgte weder intern durch die
zuständigen Mitarbeiter des BKA noch von außen durch
eine entsprechende förmliche Anfrage seitens der Polizei
oder der Justiz aus Bayern oder einem der beiden anderen
damals betroffenen Tatortländer.
Nach den unmittelbar aufeinander folgenden Morden in
Dortmund und Kassel im April 2006 wandte sich das
BKA in einem Schreiben an das BMI und warb nach-
drücklich für eine Übernahme der zentralen Ermittlungs-
führung im Rahmen der Struktur einer Besonderen Auf-
bauorganisation (BAO) unter Bildung regionaler Ermitt-
lungsabschnitte, die aus den bisher tätigen Ermittlungs-
einheiten der Länder bestanden hätten. Der von Vizeprä-
sident Falk unterzeichnete Brief listete Defizite der bishe-
rigen Ermittlungsarbeit aus Sicht des BKA auf, insbeson-
dere fehlten danach einheitliche Konzepte für die Ermitt-
lungen, für Fahndung und Öffentlichkeitsarbeit. Zudem
wird in dem Brief deutlich, dass bei Übernahme durch das
BKA eine breite Aufstellung der Ermittlungsarbeit auch
unter Einbindung der Abteilung Staatsschutz erfolgt wäre.
Eine Zuweisung an das BKA hätte, wie zunächst im Jahr
2004 von der bayerischen Polizei beabsichtigt, auf Ersu-
chen einer Landesbehörde erfolgen können. Der Bundes-
minister des Innern hätte aber nach § 4 BKA-Gesetz auch
gegen den Willen der Länder entscheiden können, das
ihm unterstellte BKA mit den Ermittlungen zu beauftra-
gen.
Diese aus kriminalfachlicher Sicht des BKA wünschens-
werte Entscheidung zu seinen Gunsten wurde gegen den
Widerstand der Länder nicht getroffen. Deren ablehnende
Haltung im Jahr 2006 hat der damalige bayerische In-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 839 – Drucksache 17/14600
nenminister Dr. Beckstein im Ausschuss damit begründet,
dass es nach dem Aufbau der BAO Bosporus 2005 und
ihrem Ausbau 2006 die Ermittlungen zurückgeworfen
hätte, wenn man in der heißesten Phase der Mordermitt-
lungen „die Pferde im laufenden Galopp gewechselt“
hätte. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit wurde dann
statt einer beim BKA angesiedelten BAO mit regionalen
Ermittlungsabschnitten lediglich die Einrichtung eines
Koordinierungsgremiums, der so genannten Steuerungs-
gruppe vereinbart – ein Kompromiss, der im Vorfeld der
Innenministerkonferenz im Mai 2006 auf Abteilungslei-
terebene gefunden und vom Präsidenten des BKA damals
wie heute für richtig befunden wurde. Die politisch für die
Arbeit der Polizei verantwortlichen Innenminister dage-
gen haben sich auf der Konferenz gar nicht offiziell mit
der Frage befasst, wie die erfolglosen Ermittlungen zu
einer ungeklärten Mordserie mit inzwischen neun Opfern
möglichst schlagkräftig organisiert werden könnten. Ob-
wohl die Täter bis zum 4. November 2011 nicht ermittelt
werden konnten, wies BKA-Präsident Ziercke vor dem
Ausschuss die kritische Bewertung „stümperhafte Ermitt-
lungsorganisation“ seines damaligen Stellvertreters Falk
zurück und erklärte die zur Ermittlungsführung getroffe-
nen Entscheidungen für richtig. Seine aus Sicht des Aus-
schusses absurde Bewertung, mit den damals getroffenen
Entscheidungen sei es immerhin gelungen, die Mordserie
zu stoppen, stieß auf Unverständnis.
In der Folgezeit gab es keinen weiteren Anlauf, das BKA
mit der Übernahme der Ermittlungsführung zu beauftra-
gen. Trotz der weiterhin klaren Kritik an der durch eine
Steuerungsgruppe koordinierten Ermittlungsführung
durch mehrere Länder, hat sich die Arbeitsebene im BKA
2007 gegenüber der Amtsleitung vorsorglich klar dagegen
ausgesprochen, damals erwarteten Vorschlägen für eine
Verfahrensübernahme durch das BKA gegebenenfalls zu
entsprechen.
Die im Mai 2006 getroffene Entscheidung, eine Steue-
rungsgruppe einzurichten, berücksichtigte zwar, dass den
Ländern grundsätzlich die Zuständigkeit auf dem Gebiet
der Strafverfolgung zukommt, hat sich aber nach den
Feststellungen des Ausschusses in der Praxis nicht be-
währt. Die Ermittlungen der Polizeidienststellen mehrerer
Länder und des BKA waren immer wieder von Reibungs-
verlusten bei der notwendigen Abstimmung der Ermitt-
lungsansätze behindert. Die deutlichsten Auffassungsun-
terschiede bestanden hinsichtlich der Operativen Fallana-
lysen und der Öffentlichkeitsarbeit zu den Ermittlungen.
Auch der für die Koordination der Ermittlungen zuständi-
ge Leiter der BAO Bosporus betont in seinem Erfah-
rungsbericht, dass für erfolgreiche Ermittlungen eine
zentrale Ermittlungsführung mit klaren Weisungsbefug-
nissen erforderlich sei.
Ebenso erschwerten technische Defizite die Zusammen-
arbeit der ermittelnden Dienststellen. Insbesondere die
unterschiedliche EDV-Anbindung der beteiligten Dienst-
stellen führte zu erheblichen Problemen, da die beiden
Fallbearbeitungssysteme INPOL (des BKA) und EASy
(der bayerischen Polizei) zunächst nicht miteinander
kompatibel waren. Dies führte zu einem erheblichen
Mehraufwand und kostete wertvolle Zeit, erst nach rund
einem Jahr konnte auf die gemeinsamen Daten tatsächlich
zugegriffen werden. Nach Auffassung des Ausschusses
wäre es schon damals möglich und geboten gewesen –
unabhängig von konkreten Ermittlungsverfahren – einen
technisch unbehinderten Datenaustausch zwischen allen
an einem länderübergreifenden Ermittlungsverfahren
mitwirkenden Polizeidienststellen sicherzustellen.
Die operativen Fallanalysen
Nach bis dahin sieben Morden einer unaufgeklärten Serie
erstellte die bayerische Polizei 2005 eine erste Operative
Fallanalyse. Darin wurde die sogenannte „Organisations-
tätertheorie“ herausgearbeitet, wonach eine kriminelle
Gruppierung für die Taten verantwortlich zeichne. Bereits
gegen Ende des Jahres 2005 wurde in den Diskussionen
der Ermittler bezweifelt, dass diese Theorie allein alle
bekannten Tatumstände erfassen könne. Angesichts des
veränderten Gesamtbildes nach den letzten beiden Mor-
den in Dortmund und Kassel wurde im Mai 2006 eine
weitere Fallanalyse erstellt. Diese stellte neben die „Or-
ganisationstätertheorie“ die Alternativhypothese eines
rassistisch motivierten „Einzeltäters“. Diese zweite Ope-
rative Fallanalyse aus Bayern war in der Steuerungsgrup-
pe heftig umstritten. Aus den anderen Tatortländern und
vom BKA wurden Einwände gegen die Methode und
insbesondere gegen die „Einzeltätertheorie“ vorgebracht,
die sich auf keine Spuren und Hinweise stützen könne
und rein spekulativ sei. Aus Sicht des Ausschusses ver-
kennt diese Kritik, dass eine Operative Fallanalyse gerade
auch das Ziel verfolgen muss, alle Hypothesen zu erfas-
sen, die sich aus den bekannten Tatumständen ergeben
könnten. Nur so können weiterführende Ermittlungsansät-
ze entwickelt werden. Eher wäre daher als sachdienlicher
kritischer Einwand zu erwarten gewesen, dass die Gegen-
überstellung von „Organisationstheorie“ mit „allgemein-
krimineller“ Tatmotivation und „Einzeltätertheorie“ mit
rassistischer Tatmotivation gar nicht alle möglichen Er-
klärungsansätze erfasst.
Zur Klärung der in der Steuerungsgruppe aufgeworfenen
Fragen wurde noch am Tage der Vorstellung der zweiten
Operativen Fallanalyse vereinbart, eine weitere Operative
Fallanalyse in Auftrag zu geben. Ziel dieses Vorstoßes
war aus Sicht des Ausschusses, die Ergebnisse der zwei-
ten Operativen Fallanalyse zu relativieren. Diesen Auftrag
übernahm das LKA Baden-Württemberg. Die dort gefer-
tigte Operative Fallanalyse zeigte keine neuen Erklä-
rungsansätze für das Gesamtbild der Taten auf, sondern
wog zwischen den vorliegenden Erklärungsansätzen ab
und sprach sich klar gegen die „Einzeltätertheorie“ aus.
Die dafür vorgebrachten Argumente waren nach Ein-
schätzung des Ausschusses schon aus damaliger Sicht
teilweise fehlerhaft, vorurteilsbeladen und insgesamt nicht
überzeugend.
Aufbauend auf der zweiten Operativen Fallanalyse wurde
durch das OFA-Team der Bayerischen Polizei ein Medi-
enkonzept für eine die Ermittlungen begleitende und
unterstützende Öffentlichkeitsarbeit entworfen. Dieses
Konzept sprach die Empfehlung aus, die Möglichkeit
eines rassistischen Hintergrunds der Taten in der Öffent-
lichkeit anzusprechen, aber dabei möglichst Zurückhal-
Drucksache 17/14600 – 840 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tung zu üben. Sowohl aus den Akten wie auch aus den
Zeugenaussagen im Ausschuss wurde deutlich, dass die
Aussagen der zweiten Operativen Fallanalyse und die
Empfehlungen der Medienstrategie rein auf kriminalfach-
lichen Erwägungen des Analyseteams und der BAO Bos-
porus beruhten. Auch der damaligen Bayerische Innenmi-
nister Dr. Beckstein unterstützte die in Richtung Rechts-
extremismus zurückhaltende Medienstrategie, weil er
Unruhe in der türkischen Gemeinde befürchtete. Bei der
den allgemein geltenden Regeln entsprechenden Freigabe
durch die Spitze des Bayerischen Staatsministeriums des
Innern wurden keine Veränderungen der Medienstrategie
vorgenommen. In der Steuerungsgruppe wurde betont, die
Öffentlichkeitsarbeit müsse gleichwertig die „Organisati-
onstätertheorie“ berücksichtigen, damit auch dazu weitere
Hinweise erfolgen. Die zurückhaltende Information zu
einer wesentlichen Hypothese zum Täterprofil und die
Konzentration der Öffentlichkeitsarbeit der Ermittler auf
eine Ermittlungsrichtung ließen die Öffentlichkeit im
Unklaren und vergaben eine Chance, gezielte Hinweise
auf die rechtsextreme Szene zu gewinnen. Der Ausschuss
hält es generell für falsch, wenn die Sicherheitsbehörden
Erkenntnisse nicht aus nachvollziehbaren ermittlungstak-
tischen Gründen, sondern wie hier aus politischen Erwä-
gungen zurückhalten.
II. Polizistenmord
Der Ausschuss hat keinen Zweifel, dass die Ermittlungen
zum Mord an Michèle Kiesewetter und zum Mordversuch
an ihrem Kollegen Martin A. aufwändig und mit großem
Engagement geführt wurden.
Mehr als in jedem anderen Fall hat der Ausschuss hier
aber den Eindruck gewonnen, dass die bisherigen Ermitt-
lungsergebnisse entscheidende Fragen offen lassen. Eine
wesentliche Ursache dafür sieht der Ausschuss darin, dass
wichtigen Spuren erst mit Verzögerung nachgegangen
wurde. Beispielhaft seien aufgeführt:
– Bei der sofort nach der Tat eingeleiteten Ringalarm-
fahndung wurde an einer rund 20 km vom Tatort ent-
fernten Kontrollstelle das Kennzeichen eines Wohn-
mobils aus Chemnitz registriert. Mit der Auswertung
der Kontrolllisten wurde aber erst drei Jahre nach der
Tat im Sommer 2010 begonnen.
– Eine Reihe von Videoaufzeichnungen waren im wei-
teren Umfeld des Tatorts (Gaststätten, Tankstellen,
Bahnhof) und bei der Trauerfeier gesichert worden.
Diese Aufzeichnungen wurden aber erst ab Dezem-
ber 2009 katalogisiert und gesichtet.
– Am Dienst-Kfz wurde eine Reihe von DNA-Spuren
gesichert und dem LKA Baden-Württemberg zur Be-
gutachtung übersandt. Das letzte schriftliche Ergeb-
nis erging offenbar erst mit Bericht vom Juni 2009,
obwohl der späteste Untersuchungsantrag an das
LKA auf den August 2007 datiert.
– Ein ehemaliger Gerichtsmediziner der Universität
Tübingen erstellte ein Gutachten zum Schussverlauf,
aus dem unter anderem (grobe) Informationen zur
Körpergröße der Täter folgten. Dieses Gutachten
wurde jedoch erst über ein Jahr nach der Tat erstellt.
– Zeugen, deren Personalien am Tattag erfasst worden
waren, wurden erst Monate später vernommen.
– Ein E-Mail-Postfach von Frau Kiesewetter wurde
nicht tatnah ausgewertet – mit der zudem auch sach-
lich unzutreffenden Begründung, dass die betreffende
Adresse im Umfeld der Polizistin nicht bekannt ge-
wesen sei. Als dieses schwere Ermittlungsversäumnis
behoben werden sollte, waren die Daten längst beim
Provider gelöscht.
Nach Auffassung des Ausschusses wäre es sachgerecht
gewesen, wenn von Beginn an das LKA Baden-
Württemberg die Ermittlungen geführt hätte.
Eine wesentliche Ursache für diese Ermittlungsverzöge-
rungen ist auch nach Einschätzung des Ausschusses die
anfängliche Konzentration auf die später als Trugspur
entlarvte, auch an vielen anderen Tatorten im In- und
Ausland festgestellte DNA-Spur einer „unbekannten
weiblichen Person“. Im Zusammenhang mit dieser
Trugspur, durch später als falsch aufgeklärte Hinweise
und aufgrund ihrer Anwesenheit am Tatort gerieten An-
gehörige der Minderheit von Sinti und Roma rasch in den
Fokus der Ermittlungen. Die sogenannte „Spur Landfah-
rer“ blieb auch dann noch eine zentrale, sich auch in der
Presse niederschlagende Ermittlungsrichtung, als längst
klar war, dass keine verwertbaren Erkenntnisse vorlagen
und gewonnen werden konnten.
Die Fehlleitung durch die DNA-Trugspur vermag aller-
dings nach Einschätzung des Ausschusses nicht alle Ver-
zögerungen und Fehlleistungen zu erklären. Für beson-
ders kritikwürdig hält der Ausschuss den Umstand, dass
eine Reihe von Spuren – darunter Funkzellendaten – bei
den anfänglichen Ermittlungen als „bearbeitet“ bezie-
hungsweise „erledigt“ gekennzeichnet wurde, obwohl
dies nicht der Fall war. Die Nachbearbeitung geraume
Zeit später bereitete dann erhebliche, bei rechtzeitiger
Bearbeitung vermeidbare Schwierigkeiten. Außerdem hat
der Ausschuss den Eindruck gewonnen, dass beim Mord
an Frau Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem
Kollegen weniger gründlich als in anderen Fällen im
beruflichen und persönlichen Umfeld der Opfer ermittelt
wurde. Nur so ist zu erklären, dass die frühere KKK-
Mitgliedschaft des unmittelbaren Vorgesetzten von Frau
Kiesewetter nicht schon im Jahr 2007, sondern erst 2012
bekannt wurde.
Die Ermittlungen haben vor dem Zufallsfund der Tatwaf-
fen und der Dienstwaffen der beiden Polizisten im Unter-
schlupf der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Unter-
grund“ niemals einen Hinweis gewonnen oder auch nur
die Möglichkeit erwogen, es könne sich bei den Tätern
um Rechtsterroristen handeln. Während die BAO Bospo-
rus – letztlich erfolglos – zumindest einen Abgleich ihrer
Spurenlage mit den Erkenntnissen zu Heilbronn veran-
lasste, finden sich entsprechende Überlegungen oder
Empfehlungen in den Akten zum Polizistenmord nicht,
insbesondere nicht in den beiden Operativen Fallanalysen
des LKA Baden-Württemberg. Diese Operativen Fallana-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 841 – Drucksache 17/14600
lysen gelangten zu dem Ergebnis, ein politischer An-
schlag gegen Staatsorgane sei deswegen eher auszu-
schließen, weil es an einem Bekennerschreiben fehle –
dieser Fehlschluss zieht sich wie ein roter Faden durch die
Ermittlungen zu den dem NSU zugeschriebenen Strafta-
ten. Das LfV Baden-Württemberg erhob noch im Jahr
2012 Einwände gegen die polizeiliche Vernehmung eines
pensionierten Mitarbeiters zu angeblichen Hinweisen auf
Ausspähversuche von Rechtsextremisten gegen die Kli-
nik, in der der schwer verletzte Kollege von Frau Kiese-
wetter behandelt wurde. Das stieß im Ausschuss auf Un-
verständnis.
Akten und Zeugenaussagen haben dem Ausschuss in
diesem Fall das Bild einer ungewöhnlich problembelade-
nen Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei
vermittelt. Maßnahmen abzulehnen, welche die Polizei
für sachgerecht hält, gehört selbstverständlich zur Sach-
leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft– wenn dies aber
durch den zuständigen Staatsanwalt in persönlich herab-
setzender Form geschieht, bedeutet das eine vermeidbare
Behinderung der Ermittlungsarbeit. Zudem war die Frist,
innerhalb derer sich die Staatsanwaltschaft zu Anregun-
gen der Polizei äußerte, nach Auffassung des Ausschusses
teilweise unvertretbar lang. Auch kann der Ausschuss die
Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nicht alle nach-
vollziehen: So konnten Wahrnehmungen mehrerer Zeu-
gen zu blutverschmierten Personen nach damaliger Auf-
fassung der Polizei in ihrer Gesamtbewertung einen mög-
lichen Fluchtweg aufzeichnen. Die Zeugen zum Spuren-
komplex „Blut“ wären in diesem Fall die wichtigsten und
„tatnächsten“ Zeugen gewesen, was umfangreiche weitere
Ermittlungen hätte nach sich ziehen müssen. Die Staats-
anwaltschaft teilte diese Bewertung nicht, weil ihr unter
anderem angesichts der vermuteten „gezielten und ge-
planten Tat die wahrgenommenen Fluchtwege wenig
schlüssig“ erschienen. Nach Auffassung des Ausschusses
wäre eine gründlichere Auseinandersetzung mit dem
„Spurenkomplex Blut“ damals sachgerecht gewesen –
zumal die Chancen, auf diesem Weg weiterführende
Hinweise zu gewinnen, mit dem Zeitabstand zur Tat san-
ken.
III. Sprengstoffanschläge
Nach Einschätzung des Ausschusses bot die Spurenlage
für die Ermittler zu den beiden Sprengstoffanschlägen in
Köln ungleich aussichtsreichere Ermittlungsansätze als
bei anderen dem NSU zugeschriebenen Straftaten: Bei
dem Anschlag 2001 gab es einen Zeugen, der den Täter
unmaskiert gesehen hatte. Die Täter des Anschlags von
2004 waren auf Videobändern aufgezeichnet worden.
Jedoch wurden diese Ansatzpunkte nur unzureichend
genutzt.
Sprengfallenattentat in der Kölner Probsteigasse
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den
Untersuchungsausschuss fand ein Großteil der Ermittlun-
gen im Umfeld der Opferfamilie statt. Die gründlich ge-
führten Ermittlungen zielten darauf, über die Familie und
das Umfeld des Opfers eine Spur zum Täter zu finden.
Ermittlungen im privaten Umfeld des Opfers sind zwar
ein in vielen anderen Ermittlungsverfahren erfolgreicher
Ansatz, der nicht grundsätzlich zu kritisieren ist. Kritik-
würdig in diesem Fall ist aber, dass keine anderen Ansät-
ze verfolgt wurden, als die Ermittlungen im privaten Um-
feld keine Ergebnisse brachten. Es wäre angesichts des
Opfers, der Art der Tatbegehung und der Beschreibung
des Täters auch aus damaliger Sicht sachgerecht gewesen,
eine rassistische Motivation des Anschlags jedenfalls in
Erwägung zu ziehen. Zwei bis heute unaufgeklärte
Sprengstoffanschläge in den beiden Jahren vor dem An-
schlag in der Probsteigasse – auf die Ausstellung „Ver-
brechen der Wehrmacht. 1940 - 1945“ in Saarbrücken am
9. März 1999 und an einer Düsseldorfer S-Bahn-
Haltestelle am 27. Juli 2000 – hatten mögliche rechtsext-
reme Täter ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Die
von den Ermittlern bereits am Tag der Explosion an die
Verfassungsschutzbehörden in Land und Bund gerichtete
Erkenntnisanfrage zielte aber nur auf eine mögliche aus-
landsgesteuerte Bedrohung exil-iranischer Familien in
Deutschland, nicht auf einen rassistischen Tathintergrund.
Eine Antwort des BfV wurde in den Akten nicht aufge-
funden.
Nach dem Anschlag in der Probsteigasse veranlasste die
Polizei über das LKA Nordrhein-Westfalen beim BKA
eine bundesweite Auswertung der dort geführten Datei
„Tatmittelmeldedienst Spreng- und Brandvorrichtungen“.
Die Suche führte nicht zum Erfolg, weil sie dem Zweck
der Datei entsprechend auf das Tatbegehungsmittel
„Druckgasflasche“ beschränkt blieb. In der Datei „Tatmit-
telmeldedienst“ wäre theoretisch technisch aber auch eine
Abfrage allein mit den Suchkriterien „rechtsradikal,
männlich“ möglich gewesen. Mit Blick auf die Umstände
der Tat wäre es sinnvoll gewesen, auch dies zu prüfen.
Eine entsprechende Anfrage hätte unter vielen anderen
auch einen Hinweis auf Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
ergeben. Da das LKA Thüringen damals Hinweise erhal-
ten hatte, dass sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
1998 in Köln aufhielten, hätte dies eventuell konkrete
weitere Ermittlungsansätze erbracht.
Nach Auffassung des Ausschusses ist es angesichts der
Schwere der Tat nicht nachvollziehbar, dass die polizeili-
chen Ermittlungen bereits im Mai 2001 – also vier Mona-
te nach der Tat – beendet wurden. Gleiches gilt für die
einen Monat später erfolgte Verfahrenseinstellung durch
die Staatsanwaltschaft Köln. Als sich der Verdacht gegen
einen bestimmten Beschuldigten als falsch erwies, wäre
es vielmehr sachgerecht gewesen, die Ermittlungen im
Rahmen eines Verfahrens gegen Unbekannt fortzuführen.
Hier wurde hingegen sogar bereits fünf Jahre nach der Tat
– deutlich vor dem Ablauf der Verfolgungsverjährung
von 20 Jahren bei der Straftat des Herbeiführens einer
Sprengstoffexplosion mit schwerer Gesundheitsschädi-
gung – die Vernichtung aller vorhandenen Asservate
angeordnet. Beweismittel gingen daher für immer verlo-
ren.
Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße
Nach Einschätzung des Ausschusses weist der Anschlag
in der Keupstraße in Köln Merkmale auf, die ihm eine
Drucksache 17/14600 – 842 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zentrale Bedeutung innerhalb der gesamten der Terror-
gruppe NSU zur Last gelegten Straftaten zumessen: die
eindeutig rassistische, keinesfalls gegen eine bestimmte
Person gerichtete Tatmotivation; die nachweisliche Ver-
wendung von Fahrrädern zur Tatbegehung; das Vorliegen
von Videoaufnahmen, welche die Täter zeigen.
Die erste Lagemeldung des LKA Nordrhein-Westfalen
nach dem Anschlag verwendete den Begriff „terroristi-
sche Gewaltkriminalität“. Wenig später, nachdem das
Lagezentrum der Polizei im Innenministerium Nordrhein-
Westfalens den damaligen Minister Dr. Behrens zum
Sachverhalt informiert hatte, wurde auf Bitte des Lage-
zentrums diese Meldung durch das LKA dahingehend
korrigiert, dass es bislang keine Hinweise auf terroristi-
sche Gewaltkriminalität gebe. Wer im Innenministerium
Nordrhein-Westfalen diese Bitte an das LKA veranlasst
hat, war durch die Akten und Zeugenaussagen nicht
aufklärbar. Auf eine tatsächliche Einflussnahme der poli-
tischen Spitze deutet nichts, auch der Zeuge Dr. Behrens
schloss sie definitiv aus. Der damalige Bundesinnenmi-
nister Otto Schily nahm am Tag nach dem Anschlag
knapp vor der Presse Stellung. Er betonte, die ersten Er-
kenntnisse der Sicherheitsbehörden würden nicht auf
einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein krimi-
nelles Milieu deuten, die Ermittlungen seien aber nicht
abgeschlossen, so dass er keine abschließende Bewertung
vornehmen könne. Welche Informationen dieser voreili-
gen öffentlichen Darstellung zugrunde lagen, konnte der
Zeuge Schily vor dem Ausschuss nicht angeben. Dass
diese unzutreffende Äußerung damals ein Fehler war, hat
Otto Schily im April 2012 öffentlich eingeräumt. Die
Frage einer Beeinflussung der Ermittlungen durch eine
derartige öffentliche Feststellung wurde im Ausschuss
gestellt – die befragten Ermittler schlossen dies für sich
aus.
Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme des Aus-
schusses wurden bei den Ermittlungen falsche Schwer-
punkte gesetzt – und auch dann nicht korrigiert, als die
Erfolglosigkeit dieser Ermittlungsansätze erwiesen war:
– Intensiv ermittelt wurde im Umfeld der Keupstraße
und der Geschädigten – ein angesichts des durch Vi-
deobilder bekannten Erscheinungsbilds der Täter
nicht überzeugender Ansatz.
– Bereits am Tag des Attentats in der Keupstraße
wandte sich das Polizeipräsidium Köln an die Verfas-
sungsschutzbehörden in Bund und Land. Das BfV
gab in einem Dossier ausführliche Hinweise zu mög-
lichen Hintergründen der Tat und nannte der Polizei
vier „Combat 18“-Sympathisanten aus Köln und
Wuppertal, deren Beteiligung an der Tat polizeilich
überprüft werden sollte. Ob es, als die benannten
Verdächtigen ausgeschieden waren, eine weitere
Rückfrage beim BfV gab, ist aus den Akten nicht be-
kannt.
– Die beiden Operativen Fallanalysen, die vom LKA
Nordrhein-Westfalen und vom BKA erstellt wurden,
legen übereinstimmend eine rassistische Tatmotivati-
on nahe. Das fand in den Ermittlungen kaum Berück-
sichtigung und wurde in der Öffentlichkeitsarbeit
bewusst zurückgehalten. Allerdings betonen beide
Operative Fallanalysen, die Täter müssten in einem
nahen Umkreis um den Tatort entweder wohnen oder
zumindest über einen Raum zur Vorbereitung ihrer
Tat verfügen, einen Hinweis auf die Möglichkeit übe-
rörtlich agierender Täter gaben sie nicht. Infolgedes-
sen wurden Rechtsextremisten lediglich im Groß-
raum Köln überprüft.
– Bei dem Anschlag in der Keupstraße ist möglicher-
weise mindestens einer der Täter zwei Polizeibeam-
ten, die als erstes am Tatort eintrafen, begegnet. Dies
hätte auch damals schon bekannt sein müssen, da die
Flucht des Täters auf Überwachungskameras aufge-
zeichnet worden war. Keiner der beiden Beamten
wurde allerdings damals zu eventuellen Wahrneh-
mungen gefragt – dies geschah unverständlicherweise
erstmalig 2013 und nur wegen der anstehenden Ver-
nehmung dieser Polizisten durch den Untersuchungs-
ausschuss.
Der Ausschuss hat sowohl bei der Auswertung der poli-
zeilichen Kriminalstatistik (PKS) als auch bei der Aus-
wertung der Datei „Tatmittelmeldedienst“ – die beide
tatnah erfolgten – nicht nachvollziehbare Einschränkun-
gen teils der Fragen, teils der Antworten festgestellt, die
auch im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht korri-
giert wurden. Das Polizeipräsidium Köln veranlasste beim
LKA Nordrhein-Westfalen eine bundesweite Abfrage der
PKS und gab als Suchkriterien die Deliktschlüssel für die
Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und die Vorbe-
reitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens an.
In der Antwort des LKA wurden allerdings nur die Tat-
verdächtigen erfasst, die in Nordrhein-Westfalen in Er-
scheinung getreten waren. Eine Rückfrage der Kölner
Polizei beim LKA erfolgte nicht.
Die zuständigkeitshalber vom LKA gestellte Anfrage an
den Tatmittelmeldedienst des BKA erfolgte „für den
Zeitraum der letzten 5 Jahre“. Auch bei dieser Recherche
fand nur die Bauart der Nagelbombe als Suchkriterium
Verwendung. Für eine vergebene Chance schätzt es der
Ausschuss ein, dass eine breiter angelegte Recherche
nicht erfolge, obwohl sie technisch möglich gewesen
wäre. Bei dem offensichtlich nicht gegen eine bestimmte
Person gerichteten Anschlag und angesichts der Videobil-
der der Täter hätte es nahe gelegen, in den Dateifeldern zu
den Tätern früherer Sprengstoffanschläge allein unter den
Suchbegriffen „rechtsradikal, männlich, Koffer“ zu re-
cherchieren, und zwar für einen längeren Zeitraum. Eine
entsprechende Suche hätte unter vielen anderen einen
Hinweis auf Böhnhardt und Mundlos erbracht, die ge-
meinsam mit Zschäpe wegen mehrerer Sprengstoffdelikte
beim Tatmittelmeldedienst registriert waren – zuletzt
wegen des Sprengstofffundes in der Garage in Jena. Al-
lerdings waren den Sprengstoffermittlern des LKA diese
Abfragemöglichkeiten jenseits des Tatmittels nicht be-
kannt. Auch nachdem die Ermittlungen längere Zeit er-
kennbar keine Ergebnisse erbracht hatten, wurde weder
eine erneute, verbesserte Anfrage durch das LKA veran-
lasst noch seitens des BKA auf die noch nicht ausge-
schöpften Recherchemöglichkeiten hingewiesen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 843 – Drucksache 17/14600
Nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße legte
der Generalbundesanwalt einen Prüfvorgang an, um über
seine eigene Zuständigkeit für die Verfolgung des Delikts
zu entscheiden. Die Akte zu diesem Vorgang enthält nur
zu einem geringen Teil polizeiliche Sachstandsberichte
(Fernschreiben zur Lage), im Wesentlichen hingegen
Zeitungsberichte. Die Prüfungshandlungen des General-
bundesanwalts beschränken sich auf zwei Telefonate mit
dem Leiter der Ermittlungskommission und dem zustän-
digen Kölner Oberstaatsanwalt zwei Tage nach der Tat
sowie auf eine Bitte um eine Sachstandmitteilung im
Jahre 2005. Der Ausschuss hält das – wie auch in den
anderen Fällen – für eine ungenügende Prüfgrundlage.
Die Kölner Staatsanwaltschaft wäre verpflichtet gewesen,
ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen. Die
Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren sehen in
Nr. 202 vor, dass eine Staatsanwaltschaft Vorgänge, aus
denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Ober-
landesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden und damit
in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden
Straftat ergibt, mit einem Begleitschreiben unverzüglich
dem GBA übersendet.
IV. Ermittlungen im Umfeld der Opfer
Den schweren Schicksalsschlägen, von denen die Ange-
hörigen der Mordopfer getroffen wurden, den Schmerzen
und Schäden, die alle Opfer der Straftaten erlitten haben,
die der Terrorgruppe zur Last gelegt werden, haben nach
den Feststellungen des Ausschusses die Ermittlungen in
vielen Fällen weiteres Leid hinzugefügt – Leid, das ver-
meidbar gewesen wäre und nach Überzeugung des Aus-
schusses hätte vermieden werden müssen.
Der Ausschuss verkennt nicht, dass sorgfältige Ermittlun-
gen im Opferumfeld bei Mordtaten ein wichtiger und –
und in vielen Fällen erfolgreicher – Ansatz fachgerechter
Polizeiarbeit sind. Gerade an Sorgfalt bei der Auswahl
geeigneter und angemessener Ermittlungsansätze und an
fachgerechter Ermittlungsführung aber hat es nach Auf-
fassung des Ausschusses vorliegend vielfach gefehlt:
– Minderjährige wurden kurz nach den Taten ohne
Beistand einer volljährigen Person ihres Vertrauens
vernommen. Geschwister der Mordopfer wurden bei
Vernehmungen der Eltern als Übersetzer tätig.
– Mit Angehörigen wurden über Jahre immer wieder
Vernehmungen durchgeführt, in denen wissentlich
falsche Anschuldigungen gegen die Ermordeten er-
hoben wurden. Die Ehefrau eines der Mordopfer
wurde beispielsweise mit der falschen Behauptung
konfrontiert, ihr getöteter Mann habe parallel eine
deutsche Geliebte und zwei weitere Kinder gehabt.
Der Witwe wurden sogar Fotos einer angeblichen
Geliebten des verstorbenen Mannes gezeigt.
– Einzelne Familien wurden ohne wirklichen Anlass
mehrere Monate mit Telefonüberwachungsmaßnah-
men überzogen und ihre privaten Gespräche im Fa-
milienauto mit Mikrofonen abgehört.
Solche unverhältnismäßigen und nicht fachgerecht durch-
geführten Ermittlungsmaßnahmen trugen zum Leid der
Angehörigen der Opfer der mutmaßlichen Taten des NSU
bei.
Der Ausschuss konnte allerdings durchaus unterschiedli-
ches Verhalten der zuständigen Ermittler gegenüber den
Angehörigen der Mordopfer feststellen. Für künftige
Ermittlungsverfahren muss darauf hingewirkt werden,
dass das Leid der Angehörigen der Opfer schwerer Straf-
taten im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsmaßnah-
men stets ernst genommen wird und die notwendigen
Ermittlungsschritte mit dem gebotenen Einfühlungsver-
mögen fachgerecht durchgeführt werden.
V. Mangelnde Offenheit für alternative Ermitt-
lungsansätze
Der Ausschuss hat aus den vorliegenden Akten den Ein-
druck gewonnen, dass die meisten Ermittler sowohl bei
der „Česká“-Mordserie als auch bei den Sprengstoffan-
schlägen in Köln nicht nur den Schwerpunkt auf die Er-
mittlungsrichtung „Organisierte Kriminalität“ gelegt,
sondern an diesem Schwerpunkt auch dann noch festge-
halten haben, als Spur um Spur in diese Richtung ergeb-
nislos blieb. Dieses Beharren auf einem Ermittlungsan-
satz, der nicht erfolgreich ist, wird von dem Umstand
unterstrichen, dass noch im Jahr 2010 BKA-Präsident
Ziercke die „Česká“-Mordserie bei einem Vortrag zur
Organisierten Kriminalität als herausragendes Beispiel für
einen ungelösten Fall aus diesem Kriminalitätsbereich
präsentierte.
Fachgerecht geführte Ermittlungen im Opferumfeld zur
Klärung möglicher Tatmotivationen sind notwendig und
nicht zu kritisieren. Wenn aber kaum verwertbare Tat-
ortspuren zur Verfügung stehen und Ermittlungen im
Opferumfeld zu keinem Ergebnis kommen, dann wäre
eine umfassende Überprüfung und Neuausrichtung der
Ermittlungsarbeit geboten gewesen. Der Misserfolg der
Ermittlungen wäre vielleicht auch mit einem Ausbruch
aus der polizeilichen Routine, einem Ausbrechen aus dem
„immer weiter so“, nicht abzuwenden gewesen – aber
eine Chance hätte dies eröffnet. In diesem Fall hätte ein
unbefangener Blick auf die Gesamtheit aller Opfer es
jedenfalls nahegelegt, intensiv in Richtung eines mögli-
chen rechtsterroristischen oder rassistischen Tathinter-
grunds zu ermitteln. Sehr kritisch betrachtet der Aus-
schuss die Widerstände, denen die Ansätze zu einer sol-
chen Erweiterung des Blickfelds und Neuausrichtung der
Schwerpunkte im Kreis der Ermittler begegneten.
Denn es ist ja nicht so, dass es keine Gründe gegeben
hätte, andere Ermittlungsansätze zu verfolgen und die
Hypothese „Organisierte Kriminalität“ zurückzustellen:
Die Spuren in diese Richtung waren ergebnislos ausermit-
telt. Die wenigen Merkmale, die tatsächlich alle Opfer
gemeinsam haben – Berufsgruppe, Lebensalter, Ge-
schlecht, ausländische Herkunft – konnten sie mit keiner
bekannten kriminellen Organisation in Konflikt bringen.
Nur eine rassistische Tatmotivation traf tatsächlich auf
alle Opfer zu. Bei einer Reihe von Taten der Mordserie
Drucksache 17/14600 – 844 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wiesen Zeugenaussagen, beim Nagelbombenanschlag in
der Kölner Keupstraße Videoaufnahmen darauf hin, dass
zur Tatbegehung Fahrräder genutzt wurden. Eine Zeugin
im Mordfall Yaşar hat sogar den Fahrradfahrer aus dem
Kölner Video als den von ihr in Nürnberg beobachteten
Radfahrer eindeutig wiedererkannt. In dem Umstand, dass
ihre Zeugenaussage im Vernehmungsprotokoll deutlich
abgeschwächt wiedergegeben wurde, sieht der Ausschuss
einen Beleg mangelnder Offenheit für neue Ermittlungs-
ansätze. Konsequente und umfassende Ermittlungen zum
modus operandi „Fahrräder“ wurden jedoch nicht geführt.
Im Gegenteil: Das Ansinnen des Leiters der BAO Bospo-
rus in Nürnberg, eine vergleichende Operative Fallanalyse
zur Mordserie und dem Anschlag zu veranlassen, die
möglicherweise auch zum Spurenkomplex „Fahrräder“
weitere Ermittlungsansätze hätte liefern können, wurde
mit dem Argument abgelehnt, es könnten nicht „Äpfel mit
Birnen“ verglichen werden. Hier wünscht sich der Aus-
schuss für künftige Ermittlungsverfahren zur rechten Zeit
mehr Mut für Neues und einen weniger von Beharrung
geleiteten, unbefangenen Blick auf die Tatsachen – insbe-
sondere eine Berücksichtigung rassistischer Motive, wenn
dies nach den Umständen der Tat und mit Blick auf ihre
Opfer naheliegt. Dass trotz gegenteiliger Anhaltspunkte
an Erfahrungswissen festgehalten wurde, muss innerhalb
der Polizei kritisch hinterfragt werden.
B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung
Der Ausschuss hat sich intensiv damit auseinandergesetzt,
welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass Jugendli-
che, die Anfang der 1990er Jahre extrem rechts soziali-
siert wurden, sich zu Rechtsterroristen entwickelten. Im
Mittelpunkt der Untersuchungen des Ausschusses stand
dabei die Frage, ob und gegebenenfalls wie Handlungen
oder Unterlassungen staatlicher Institutionen – insbeson-
dere von Justiz und Polizei, aber auch von Verfas-
sungsschutzämtern und MAD – derartige Radikalisie-
rungsprozesse begünstigt und befördert haben könnten.
Applaus für Fälle von mörderischem Rassismus in den
frühen 1990er Jahren
Die frühen 1990er Jahre waren geprägt durch eine Welle
rassistischer und neonazistischer Gewalttaten, insbeson-
dere gegen Flüchtlinge und Migranten. Diese rassistisch
motivierte Gewalt wurde in den neuen Bundesländern
vielfach im öffentlichen Raum, vor den Augen zahlreicher
– oftmals sympathisierender – Anwohner verübt, ohne
dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
wirksam auf Seiten der Opfer eingriffen und effektiv und
erkennbar gegen die Täterinnen und Täter vorgingen.
Potenzielle Nachahmer und Sympathisanten der extremen
Rechten konnten sich dadurch ermutigt und bestätigt
fühlen. Dies gilt insbesondere für die tagelangen pogrom-
artigen Angriffe auf Wohnheime von Asylbewerbern und
mosambikanischen Vertragsarbeitern im sächsischen
Hoyerswerda im August 1991. Diese endeten erst, nach-
dem die Angegriffenen unter Polizeischutz mit Bussen
aus der Stadt transportiert worden waren. Neonazis feier-
ten Hoyerswerda als bundesweit „erste ausländerfreie
Stadt“ und forderten zur Nachahmung auf.
In den darauf folgenden Monaten ereigneten sich an je-
dem Wochenende in Ost- und Westdeutschland schwerste
Gewalttaten gegen Menschen, die im Weltbild der
Rechtsextremisten als „politische Gegner“ oder „Auslän-
der“ galten. Darunter waren tödliche Brandanschläge u. a.
auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis und ein Wohnhaus
aus der Türkei stammender Migranten in Mölln. Im Au-
gust 1992 belagerten neonazistische Kader und Aktivis-
ten, politisch in der extremen Rechten sozialisierte Ju-
gendliche und Nazi-Skinheads aus der gesamten Bundes-
republik unter dem Beifall mehrerer tausend Anwohne-
rinnen und Anwohner ein Heim für ehemalige vietname-
sische Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen. Zuvor
hatten Bewohner des Stadtteils gegen die Überbelegung
der nahe gelegenen Zentralen Aufnahmestelle für Asyl-
bewerber protestiert. Nachdem Polizeikräfte zwei Tage
lang nur zögerlich gegen die Angreifer vorgegangen wa-
ren, setzten Neonazis am Abend des 26. August 1992
mithilfe von Molotow-Cocktails das Heim der ehemaligen
Vertragsarbeiter in Brand – mehr als 100 Menschen ent-
kamen nur knapp dem Feuertod. Die Bilder von Rostock-
Lichtenhagen gingen nicht nur um die Welt, sondern
vermittelten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die
sich zu extrem rechten Jugendszenen hingezogen fühlten
und sich in so genannten „Kameradschaften“ organisier-
ten, klare Botschaften: Auch bei schwersten Straftaten
würde die Polizei nur zögerlich auf Seiten der Angegrif-
fen einschreiten, eine effektive Strafverfolgung wäre
kaum zu befürchten.
In vielen deutschen Städten drückten die Bürger in ein-
drucksvollen Demonstrationen mit Hunderttausenden
Teilnehmern ihre Abscheu über Rassismus und Rechtsex-
tremismus aus. Ab Mitte der 1990er Jahre reagierte die
Bundesregierung mit einer Reihe von Vereinsverboten,
u. a. der Nationalistischen Front (NF), der Wiking Jugend
(WJ) und der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) auf die
zunehmende Gewalt und Radikalisierung. Die Neonazi-
szene passte sich an diese Verbote mit einer Änderung der
Strategie an: insbesondere in den neuen Bundesländern
organisierten sich Kader der verbotenen Parteien und
Vereine nunmehr in Kameradschaften und gründeten
deutsche Sektionen der internationalen Netzwerke von
„Blood & Honour“ und „Hammerskins“. Hintergrund war
und ist, dass es für die Innenminister schwieriger ist,
informellere Organisationsstrukturen zu verbieten. Au-
ßerdem kann mithilfe von Musik, Konzerten und entspre-
chendem CD-Handel neonazistische Ideologie als Aben-
teuer verkauft und weiter verbreitet werden. Dazu gehö-
ren auch so genannte Katz-und-Maus-Spiele mit der Poli-
zei bei illegalen Konzerten oder Demonstrationsverboten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 845 – Drucksache 17/14600
wie etwa den jährlichen Rudolf-Hess-Aktionstagen in den
1990er Jahren.
Ein Teil der Neonazi-Szene – angeführt insbesondere von
der deutschen Sektion von „Blood & Honour“, den
„Hammerskins“ Deutschland und dem Netzwerk der so
genannten Freien Kameradschaften – reagierte auf die
Partei- und Organisationsverbote sowie auf polizeiliche
Maßnahmen darüber hinaus mit zunehmender Radikali-
sierung. Belege für diese Radikalisierung sind einschlägi-
ge Strategiepapiere und Handbücher für den bewaffneten
„führerlosen“ Untergrundkampf wie der „Weg vorwärts“
oder „Eine Bewegung in Waffen“, zahllose Waffen- und
Sprengstofffunde bei Neonazis in den 1990er und 2000er
Jahren sowie die Aufrufe, Daten über politische Gegner,
Polizeibeamte, Staatsanwälte, Gewerkschafter und Rich-
ter sowie andere „politische Gegner“ zu sammeln. Die
rassistische Ideologie, für „den Erhalt“ einer vermeintli-
chen „weißen Rasse“ zu kämpfen, soll mit Gewalt ver-
wirklicht werden – mit Gewalt gegen Flüchtlinge, Mig-
ranten und alle, die qua Hautfarbe oder Herkunft als
„fremd“ betrachtet wurden und werden.
Das Spannungsfeld zwischen lange Zeit zögerlichem
polizeilichem Einschreiten und ineffektiver Strafverfol-
gung einerseits und Partei- und Organisationsverboten
andererseits förderte ein neonazistisches Selbstverständ-
nis, das sowohl von Allmachtsphantasien als auch von
Verfolgungswahn geprägt war und ist.
Kriminelle Aktivitäten, Politisierung und Strafverfol-
gung
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren Anfang der
1990er Jahre Teenager. Alle drei traten schon früh poli-
zeilich in Erscheinung: Zschäpe wegen mehrerer Dieb-
stähle geringwertiger Sachen seit März 1991, Mundlos
wegen gefährlicher Körperverletzung erstmals im Juni
1991, Böhnhardt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und
Entwenden von Autos seit 1991/1992. Sie bewegten sich
bald in einer extrem rechten Parallelwelt von Jugendli-
chen und jungen Erwachsenen in Jena und Umgebung, in
der es als normal galt, kriminelle mit politischen Aktivitä-
ten zu mischen.
Nachdem auf Eigentums- auch Körperverletzungsdelikte
folgten, hatten die kriminellen Aktivitäten von Böhnhardt
ein derart hohes Niveau erreicht, dass ein Jugendrichter
am Amtsgericht Jena im Februar 1993 Untersuchungshaft
anordnete, die drei Monate andauerte. Der damals 16-
jährige Böhnhardt kam dort in eine Zelle mit wohl vier
weiteren jugendlichen Untersuchungshäftlingen, darunter
ein Aktivist eines radikalen Flügels des „Thüringer Hei-
matschutz“ (THS), der seit Mitte der 1990’er Jahre durch
seine Aktivitäten im Bereich Wehrsport, Waffenankäufe
und Rotlichtmilieu auffiel. Gemeinsam mit diesem und
zwei weiteren Untersuchungshäftlingen misshandelte
Böhnhardt einen weiteren Mithäftling auf der Zelle
schwer. Diese Misshandlungen führten zwar zur Einlei-
tung eines Ermittlungsverfahrens, hatten jedoch unver-
ständlicherweise im Ergebnis keine strafrechtlichen Kon-
sequenzen.
Ab 1994 politisierten sich Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe in ihren Aktivitäten zunehmend: Sie reisten teil-
weise alleine, teilweise zu zweit oder dritt zu Naziskin-
Konzerten in die angrenzenden Bundesländer – u. a. nach
Sachsen und Bayern – und lernten Neonazi-Aktivisten aus
Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern
und Sachsen kennen. Sie organisierten sich in der „Kame-
radschaft Jena“ und im „Thüringer Heimatschutz“, pfleg-
ten enge Kontakte zu „Blood & Honour“-Aktivisten vor
allem in Sachsen, beteiligten sich an Strategiediskussio-
nen im Kontext der Freien Kameradschaften und der
HNG und unterstützten inhaftierte Neonazis durch Besu-
che und Briefe. Sie nahmen an bundesweiten Großauf-
märschen der Neonaziszene wie in München am 1. März
1997 teil, aber auch an überregionalen Mobilisierungen
wie den verbotenen Rudolf-Hess-Aufmärschen 1996 und
1997, an mindestens einem Treffen der neonazistischen
„Artgemeinschaft“ des mittlerweile verstorbenen Rechts-
anwalts Jürgen Rieger sowie an regionalen Mobilisierun-
gen rund um den Prozess gegen Manfred Roeder wegen
dessen Störaktion gegen die Ausstellung „Verbrechen der
Wehrmacht“ in Leipzig. Bei Durchsuchungsmaßnahmen
fiel die zunehmende Bewaffnung des Trios auf: So wurde
am 9. November 1996 bei einer Polizeikontrolle im Auto
von Böhnhardt, in dem sich auch Holger Gerlach, Zschä-
pe und Mundlos befanden, ein Handbeil, ein Schlagstock,
eine Luftdruck- und eine Schreckschusspistole mit jeweils
entsprechender Munition sowie ein Messer, ein Wurfstern
und eine Gaspistole festgestellt. Das Ermittlungsverfahren
wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde am 12.
August 1997 eingestellt, da die Gegenstände den einzel-
nen Fahrzeuginsassen nicht zugeordnet werden konnten.
Mundlos wurde mit einer Gruppe von rund 20 neonazisti-
schen Skinheads aus Chemnitz während der Rudolf-Hess-
Aktionstage im August 1994 knapp 12 Stunden in Unter-
bindungsgewahrsam verbracht und wegen Herstellens von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vom
Amtsgericht Chemnitz später zu einer Geldstrafe von 600
D-Mark verurteilt, weil bei ihm Visitenkarten mit dem
Bild von Adolf Hitler gefunden worden waren.
Nachdem Polizeibeamte im Rahmen einer Hausdurchsu-
chung bei Zschäpe 1996 Fotos von einer Kreuzverbren-
nung im Stil des Ku-Klux-Klans im Jahr 1995 festgestellt
hatten, identifizierte Zschäpe als Zeugin auf den Fotos
bereitwillig befreundete Neonaziskins aus Thüringen,
Chemnitz und Rostock, die den Kühnen- bzw. Hitler-
Gruß zeigten. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft
Gera ein Ermittlungsverfahren nach § 86a StGB ein und
erhob am 15. August 1997 Anklage gegen einige der
Beschuldigten beim Amtsgericht Jena. Es dauerte dann
allerdings zweieinhalb Jahre, bis das Gericht im Januar
2000 über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschied
und diese mit der Begründung ablehnte, der „Hitler- bzw.
Kühnengruß“ sei nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit
– weil in einem Waldgebiet – gezeigt worden. Zuvor hatte
der zuständige Oberstaatsanwalt bereits im Juli 1999
bezüglich mehrerer Angeschuldigter, darunter Wohlleben
und Gerlach, einer Einstellung zugestimmt: Angesichts
„der bekannten Milde des Vorsitzenden der Jugendstraf-
kammer des Landgerichts Gera [sollte] das Verfahren
Drucksache 17/14600 – 846 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
auch aus prozessökonomischen Gründen auf diese Art
und Weise beendet werden.“
In einem von November 1995 bis November 1997 geführ-
ten Verfahren wurde gegen Aktivisten des „THS“ und der
„Anti-Antifa-Ostthüringen“ wegen Bildung einer krimi-
nellen Vereinigung ermittelt. Es ging dabei um eine Viel-
zahl von Straf- und Gewalttaten. Die Staatsanwaltschaft
Gera ging jedoch nicht von einer kriminellen Gesamt-
struktur „THS“ bzw. „Anti-Antifa-Ostthüringen“ aus und
stellte das Verfahren ein. Begründet wurde die Einstel-
lung damit, dass kein Nachweis habe erbracht werden
können, wonach die zahlreichen Straftaten der einzelnen
Beschuldigten der Vereinigung zugeordnet hätten werden
können. Die EG Tex des LKA hatte zuvor in ihrem Ab-
schlussvermerk vom 20. Oktober 1997 zu dem Ermitt-
lungsverfahren festgestellt, dass keine Strukturen im Sin-
ne einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB hätten
nachgewiesen werden können. Warum die Ermittlungs-
verfahren wegen der drei Briefbombenattrappen und der
vier Bombenattrappen in Jena ab dem Frühjahr 1996
sowie ein Ermittlungsverfahren wegen des Funds eines
Sprengsatzes in einer Unterkunft für portugiesische Wan-
derarbeiter in Stadtroda 1995 nicht Bestandteile dieses
§ 129 StGB-Verfahrens wurden, konnte keiner der Zeu-
gen befriedigend erklären. Der Ausschuss weist darauf
hin, dass in Sachsen quasi parallel ein Strukturermitt-
lungsverfahren gegen eine Schwesterstruktur des „THS“,
die „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS), nach § 129
StGB zu rechtskräftigen Verurteilungen geführt hat. Un-
terschiede zwischen dem „THS“ und der SSS waren im
Wesentlichen, dass Führungskader des „THS“ V-Leute
waren.
Der Ausschuss hat den Eindruck gewonnen, dass schlep-
pend verlaufende polizeiliche Ermittlungen gegen Neona-
zi-Aktivisten mit darauf folgenden Einstellungen durch
Staatsanwaltschaften oder Gerichte in den 1990er Jahren
in Thüringen zum Alltag gehörten. Damit vermittelten
sowohl die Polizei als auch Staatsanwaltschaften und
Gerichte den Eindruck, dass rechtsextrem motivierte
Straftaten nur halbherzig verfolgt würden und die Täter
letztendlich kaum mit schwerwiegenden Konsequenzen
zu rechnen hätten.
Der Ausschuss ist zu der Überzeugung gekommen, dass
die Strafverfolgungsorgane in Thüringen damit die Radi-
kalisierung innerhalb des „THS“ und der mit ihm verbun-
denen Kameradschaften nicht ausreichend ernst genom-
men, die in diesem Zusammenhang verübten Straftaten
nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt und gel-
tendes Recht nicht konsequent angewendet haben. Dies
hat sicherlich dazu beigetragen, dass das Trio und seine
Unterstützer aus Thüringen davon ausgehen konnten,
auch mit schweren Gewalttaten straffrei davon zu kom-
men.
Umgang mit Rechtsextremismus in der Bundeswehr
Der Ausschuss hat sich ebenfalls intensiv mit der Frage
auseinandergesetzt, wie in der Bundeswehr mit der insbe-
sondere in den 1990er Jahren auffallend hohen Anzahl
von rechtsextremen Vorfällen und damit einhergehenden
Aktivitäten umgegangen wurde. Für den Ausschuss hat
sich der Eindruck bestätigt, den bereits der Verteidi-
gungsausschuss als erster Untersuchungsausschuss
„rechtsextremistische Vorkommnisse in der Bundeswehr“
im Jahr 1998 gewonnen hatte: Der Grundsatz, Gewalttäter
und Führungskader extremistischer Gruppen von der
Bundeswehr fernzuhalten, wurde in den 90’er Jahren
nicht mit der nötigen Konsequenz umgesetzt. Dabei wur-
de auch die Rolle des MAD kritisch hinterfragt, zu dessen
Aufgabe es bis zum Aussetzen der Wehrpflicht auch
gehörte, das Einziehen einschlägig polizei- und justizbe-
kannter Neonazis in die Bundeswehr zu verhindern bzw.
Dienstvorgesetzte über einschlägige Aktivitäten der Rek-
ruten und Berufssoldaten zu informieren. Die vom MAD
im Rahmen seiner Zuständigkeit gewonnenen Erkenntnis-
se waren nach Auffassung des Ausschusses fachlich
gründlich recherchiert. Diese Erkenntnisse wurden aber
von der Bundeswehr nicht immer genutzt – wohl auch
deshalb, weil Befragungen von Wehrpflichtigen zu oft
erst gegen Ende der Dienstzeit erfolgten.
Als symptomatisch für die Situation in den frühen 1990er
Jahren können die rechtsextremen Umtriebe in der
Kyffäuserkaserne in Bad Frankenhausen zur Zeit der
Stationierung von Mundlos während seines Grundwehr-
dienstes vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1995 gelten.
Mundlos und vier andere Grundwehrdienstleistende fielen
durch das Abspielen neonazistischer Musik und einschlä-
gige Propaganda auf. Mundlos war zudem im August
1994 einmal nicht rechtzeitig zum Dienst erschienen, weil
er nach einer Polizeikontrolle anlässlich der Rudolf-Hess-
Aktionstage in Chemnitz in Polizeigewahrsam genommen
worden war. Der MAD aber führte erst einen Monat vor
dem Ende der Wehrdienstzeit von Mundlos entsprechende
Befragungen der Beteiligten durch.
Als ein weiteres Beispiel aus der Phase der Mitte der
1990er Jahre muss auch die Einberufung von Mario
Brehme, dem Schulungsleiter und überregional aktiven
Führungsaktivisten des „THS“, am 1. Juli 1996 und des-
sen Wehrdienst bis zum 30. April 1997 gelten. Zwar wur-
de Brehme am 21. August 1996 durch den MAD zu sei-
nen rechtsextremen Aktivitäten befragt, verblieb aber in
der Bundeswehr. Auch bei Jan Werner, der vom 1. April
1996 bis 31. Januar 1997 seinen Wehrdienst ableistete,
wurde eine MAD-Befragung durchgeführt, in deren Ver-
lauf Werner Kontakte zu „Blood & Honour“-Aktivisten
einräumte und ein anhängiges § 86a StGB-Verfahren
zugab. Dies hatte aber keine Auswirkungen auf seinen
Wehrdienst.
Zeugen haben gegenüber dem Ausschuss betont, dass sich
der zuvor extrem problematische Umgang der Bundes-
wehr mit rechtsextremen Aktivitäten nach einem warnen-
den Rundbrief des damaligen Generalinspekteurs vom
Februar 1997 verändert habe und das Problembewusstsein
bei höheren Diensträngen größer geworden sei. Dessen
ungeachtet konnte André Eminger, der vom 1. November
1999 bis zum 31. August 2000 seinen Grundwehrdienst
bei der Bundeswehr in Gotha ableistete, nach einschlägi-
gen Hinweisen auf seine rechtsextreme Einstellung und
entsprechenden Aktivitäten gegenüber einem Dienstvor-
gesetzten erklären, er denke „nationalsozialistisch“ und
bewundere die Leistungen der SS. Eminger wurde zum
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 847 – Drucksache 17/14600
Gefreiten befördert und erhielt ein durchschnittliches
Dienstzeugnis.
Als Ausdruck mangelnder Sensibilität wertet es der Aus-
schuss angesichts des Umstands, dass diese Ausbildung in
einer Reihe neonazistischer Publikationen empfohlen
wird, dass in den 1990er und 2000er Jahren Neonazis,
darunter auch Mundlos und Eminger, bei der Bundeswehr
an der Waffe ausgebildet wurden.
C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
Der Ausschuss hat intensiv die Ereignisse seit November
1997 beleuchtet: sie führten zum Auffinden von vorberei-
teten Rohrbomben und Sprengstoff in einer von Zschäpe
angemieteten Garage durch die Polizei und gipfelten
schließlich in der Flucht von Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe. Insbesondere ging der Ausschuss der Frage
nach, welche Fehler und Versäumnisse auf Seiten der
Sicherheitsbehörden dazu führten, dass die Fahndung
nach dem untergetauchten Trio erfolglos blieb und im
Jahr 2003 eingestellt wurde. Aufbauen konnte der Aus-
schuss dabei insbesondere auf dem Bericht der vom Thü-
ringer Innenminister berufenen Schäfer-Kommission vom
Mai 2012. Einbezogen wurden auch die vorläufigen Ab-
schlussberichte der Parlamentarischen Kontrollkommissi-
on des Sächsischen Landtags und des Sächsischen
Staatsministeriums des Innern vom Juni 2012. Zudem hat
der Ausschuss Zeugen aus den beteiligten Behörden ver-
nommen und umfangreiche Aktenbestände ausgewertet.
Wie konnte es geschehen, dass eine rechtsextremistische
Terrorgruppe über ein Jahrzehnt mitten in Deutschland
lebte und sich finanzieren konnte, ohne von den Behörden
gestellt und von der Szene verraten zu werden? – Das ist
eine der beiden zentralen Fragen, die der Ausschuss zu
klären bemüht war. Wichtige Antworten auf diese Frage
konnten gefunden werden.
Fehler bei den Durchsuchungen am 26. Januar 1998
Seit 1996 führten die Staatsanwaltschaft Gera und das
LKA Thüringen ein Ermittlungsverfahren gegen
Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und weitere Personen (Ralf
Wohlleben, André Kapke und Henning H.) wegen mehre-
rer im Stadtgebiet Jena platzierter Bomben und Bomben-
attrappen. Das LfV Thüringen erlangte Anfang Dezember
1997 durch eine Observation einen Hinweis auf die die
„Garage Nr. 5“ des Garagenvereins „An der Kläranlage“
in Jena, in der als Beweisstücke bedeutsame Gegenstände
vermutet wurden. Der im Januar 1998 und damit nach
Auffassung des Ausschusses zu spät weitergegebene
Hinweis führte zu der Entscheidung, von den Beschuldig-
ten genutzte Wohnungen und Garagen am 26. Januar
1998 zu durchsuchen. Der Termin war nicht mit Bedacht
gewählt. Der für das Verfahren leitend zuständige Beamte
des LKA Thüringen war an diesem Tag auf einer auswär-
tigen Fortbildung. Für die Entscheidungen der Staatsan-
waltschaft standen die Informationen des LfV Thüringen
zunächst nur eingestuft und damit nicht voll verwertbar
zur Verfügung.
Statt eines Durchsuchungsbeschlusses für jedes zu durch-
suchende Objekt wurde ein gemeinsamer Beschluss für
alle Durchsuchungen erlassen – Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe mussten also nach dessen Eröffnung wissen,
welche Objekte die Polizei durchsuchte und was sie folg-
lich finden würde. Eine Durchsuchung der Pkw der Be-
schuldigten lehnte die Staatsanwaltschaft unverständli-
cherweise ab, da kein ausreichender Bezug zum Tatver-
dacht gesehen wurde, obwohl die zuvor platzierten Bom-
ben und Bombenattrappen mutmaßlich mit einem PKW
transportiert worden sein mussten. Dies hätte nach Auf-
fassung des Ausschusses anders entschieden werden müs-
sen. Dann hätte zudem Böhnhardt sein Auto nicht zur
Flucht zur Verfügung gehabt.
Die Vorbereitung der Durchsuchungen durch das zustän-
dige LKA Thüringen war unzureichend: Vor Beginn der
Durchsuchungen wurden die Eigentümer der zu durchsu-
chenden Objekte nicht ermittelt. Dies führte zur ersten
Verzögerung, als bekannt wurde, dass die Garage, in der
später Sprengstoff gefunden wurde, von einem Polizeibe-
amten an Zschäpe vermietet worden war. Zur zweiten
Verzögerung kam es, als die mit der Durchsuchung beauf-
tragten Beamten bei der Ankunft feststellten, dass die
Garage mit einem stabilen Vorhängeschloss gesichert
war, das die Polizei erst von der Feuerwehr öffnen lassen
musste. Während sich hier die Durchsuchung verspätete,
wurde sie bei den anderen Objekten planmäßig begonnen.
So gewannen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe den ent-
scheidenden Vorsprung: Sie wussten lange vor den durch-
suchenden Beamten um den bevorstehenden Fund. Wären
die Garagen dagegen gleichzeitig durchsucht worden,
hätte Böhnhardt, der bei der Durchsuchung einer weiteren
Garage in der Nähe seiner Wohnung anwesend war, we-
gen des Sprengstofffunds in der anderen Garage festge-
nommen werden können. So konnte er Mundlos und
Zschäpe warnen und sich schließlich mit ihnen gemein-
sam absetzen. Die Polizeibeamten dagegen, die
Böhnhardt hätten festnehmen können, erfuhren vom Auf-
finden dieser Beweisstücke zu spät, so dass sie Böhnhardt
nicht am Wegfahren hinderten.
Ebenso unzureichend war die Begleitung der Durchsu-
chung durch die zuständige Staatsanwaltschaft Gera.
Nach Auffassung des Ausschusses wäre die Anwesenheit
eines Staatsanwalts bei der Durchsuchung geboten gewe-
sen. Das war jedoch nicht der Fall. Der an sich zuständige
Staatsanwalt lag im Krankenhaus, erst im Laufe des Vor-
mittages gelang den durchsuchenden Polizisten eine Kon-
taktaufnahme zu dessen Stellvertreter. Dieser ordnete
nach Auffinden des Sprengstoffs schließlich die Festnah-
me von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe an. Obgleich
der Krankenhausaufenthalt des die Ermittlungen führen-
Drucksache 17/14600 – 848 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den Staatsanwalts im Vorfeld bekannt war, wurde bei der
Staatsanwaltschaft Gera nicht dafür Sorge getragen, dass
die durchsuchenden Ermittlungsbeamten direkt Kontakt
mit dem Stellvertreter aufnehmen konnten. Dies sorgte
ebenfalls für Verzögerungen. Obwohl bereits um 10 Uhr
in der „Garage Nr. 5“ mit der Sicherung der Sprengmittel-
funde begonnen wurde, trafen die Einsatzkräfte zur vor-
läufigen Festnahme des Trios erst um 14.50 Uhr bei deren
Wohnungen ein. Da war das Trio längst auf der Flucht.
Die weiteren im Rahmen des Verfahrens wegen der Bom-
ben und Bombenattrappen ermittelten Verdächtigen – zu
denen Ralf Wohlleben und André Kapke gehörten – blie-
ben bei der Planung und Durchführung der im Zusam-
menhang mit der Durchsuchung zu ergreifenden Maß-
nahmen nach den dem Ausschuss vorliegenden Unterla-
gen unberücksichtigt. Auch dieser Umstand hat es
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe erleichtert, sich dem
Zugriff der Behörden zu entziehen. Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe verließen Jena mutmaßlich mit dem Pkw
von Ralf Wohlleben.
Lückenhafte Auswertung der „Garagenliste“ und
weiterer Funde
In der „Garage Nr. 5“ wurden nicht nur eine erhebliche
Menge Sprengstoff und mit Sprengstoff gefüllte Rohr-
bomben gefunden, darunter eine, die auch Metallteile
enthielt, sondern auch Neonazi-Propaganda, Teile des
menschenverachtenden „Pogromly-Spiels“ und umfang-
reiche Unterlagen vor allem des Mundlos. Diese Unterla-
gen wurden weder zeitnah noch vollständig gesichtet und
unter allen relevanten Gesichtspunkten ausgewertet. An
der Auswertung haben Beamte des LKA Thüringen und
kurzzeitig dorthin zur Unterstützung entsandte Beamte
des BKA mitgewirkt. Der von einem BKA-Beamten
bearbeitete Auswertungsvermerk trifft zu einem Teil der
Fundstücke Feststellungen zu der Frage, ob diese eine
Straftat darstellen. Die Frage, ob die Fundstücke Hinwei-
se für die Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
geben können, wurde offenbar nicht gestellt – und dies
durch das LKA Thüringen auch dann nicht nachgeholt,
als die Suche bereits länger erfolglos gewesen war.
Mundlos hatte in den Jahren zuvor mit Personen der Neo-
nazi-Szene, die zu Haftstrafen verurteilt waren, Briefe
gewechselt und diese im Gefängnis besucht. Ein Ordner
mit solchen Briefen wurde in der Garage gefunden. Die
beiden wichtigsten Besuchs- und Briefpartner waren
Thorsten S. und Thomas Starke, die beide zur Chemnitzer
Neonazi-Szene gehörten und in der JVA Waldheim ein-
gesessen hatten. Starke gibt zudem heute an, nach seiner
Entlassung 1996 eine Beziehung zu Zschäpe gehabt zu
haben. Hinweise enthalten die Briefe ebenfalls auf Kon-
takte nach Baden-Württemberg: Mundlos bewunderte
ausdrücklich die vielen Waffen, die es in der Neonazi-
Szene dort gebe. Als Ermittlungsansatz wurden die Briefe
nicht genutzt. Thorsten S. sollte erst im Oktober 2002 und
im Mai 2003 durch die sächsische Polizei zu den Unterge-
tauchten vernommen werden. Er beantwortete die Vorla-
dung jedoch nicht und wurde auch nicht in seiner Woh-
nung angetroffen. Die sächsische Polizei, die die Briefe
nicht kannte, fasste nicht nochmals nach.
Mundlos hatte eine Liste mit Kontaktadressen geführt.
Zwei Versionen dieser Telefonliste, jeweils mit hand-
schriftlichen Ergänzungen, wurden in der Garage sicher-
gestellt. Eine der beiden Listen wurde erst 2012 im Rah-
men des aktuellen Verfahrens bei der Überprüfung der
damaligen Funde in einer REWE-Tüte entdeckt. Die
andere Liste war in die damalige Fundstücke-Auswertung
einbezogen und wurde als für die Ermittlungen ohne
Bedeutung bewertet. Das hatte zur Folge, dass sie nicht
einmal an die für die Suche nach dem Trio zuständige
Zielfahndung weitergegeben wurde. Sie wurde auch nicht
mit Erkenntnissen aus früheren Verfahren gegen
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verknüpft.
Auf der Telefonliste von Mundlos kommt keine Stadt so
häufig vor wie Chemnitz – die Stadt, in der sich
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach heutiger Kenntnis
von Januar 1998 bis Juli oder August 2 000 aufhielten:
Auf der ersten Fassung der Liste mit zehn Einträgen, auf
der zweiten Fassung mit neun Einträgen. Verzeichnet sind
auf beiden Listen bekannte und teils führende Aktivisten
von „Blood & Honour“, dem Neonazi-Netzwerk, das
nach heutiger Kenntnis die Unterkünfte für Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe in Chemnitz organisierte. Dabei
handelt es sich um:
– Thomas Starke: Er besorgte für Mundlos nach eige-
nen Angaben 1996/1997 den später in der Garage in
Jena gefundenen Sprengstoff. Er vermittelte dem Trio
die erste Unterkunft bei Thomas R. in Chemnitz und
war auch bei der Unterbringung in weiteren Woh-
nungen beteiligt.
– Markus F.: Dieser vermittelte Mundlos erste Kontak-
te nach Ludwigsburg und Heilbronn.
– Katrin D.: Sie wurde wegen einer Unterkunft für das
Trio angesprochen.
Durch eine sofortige Auswertung der Adressliste hätte
dem Thüringer LKA die enge Verbindung von Mundlos
zu Mitgliedern des „Blood & Honour“-Netzwerkes auffal-
len müssen, die als Kontaktpersonen und Fluchtunterstüt-
zer in Frage kamen. Polizeiliche Überwachungsmaßnah-
men gegen diese Personen wurden aber erst ab August
1998 eingeleitet.
Erst am 9. April 1999 – und damit viel zu spät – versuch-
ten Beamte der Zielfahndung des LKA Thüringen, Tho-
mas Starke in Chemnitz zu vernehmen. Er war ebenso wie
Jan Werner und Hendrik L. durch Telefonüberwa-
chungsmaßnahmen als mögliche Kontaktperson des Trios
identifiziert worden. Unter seiner ermittelten Anschrift
wurde er zunächst nicht mehr angetroffen. Ein dabei an-
getroffener Nachbar gab bei Vorlage von Lichtbildern an,
Mundlos 1998 öfter als Besucher von Thomas Starke
gesehen zu haben. Bei der Vernehmung eine Woche spä-
ter an seiner neuen Anschrift wurde Thomas Starke auf
diese Aussage ebenso wenig angesprochen wie bei einer
weiteren Vernehmung durch das LKA Thüringen im
Januar 2001. Weder wurde die Glaubhaftigkeit von Star-
kes Angaben überprüft, wann er das Trio zuletzt gesehen
habe, noch nachgefragt, welche Personen er mit der Ein-
schätzung meinte, das Trio halte sich bei „alten Partei-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 849 – Drucksache 17/14600
freunden“ auf. Thomas Starke, der sowohl in den
Mundlos-Briefen als auch auf der Mundlos-Telefonliste
verzeichnet ist, hätte bei zeitnaher und sachgerechter
Auswertung spätestens im Februar 1998 vernommen und
observiert werden müssen. Dann wäre dies eine aussichts-
reiche Chance gewesen, Böhnhardt, Mundlos und Zschä-
pe zu fassen.
Die Telefonliste hätte bei sachgemäßer Bearbeitung nicht
nur zeitnah als Ermittlungsansatz für die Suche genutzt,
sondern auch den für die Wohnorte der dort genannten
Personen zuständigen Behörden bekannt gemacht werden
müssen. Denn die Telefonliste von Mundlos enthält Ad-
ressen im gesamten Bundesgebiet. Nach dem Ergebnis
der aktuellen Ermittlungen haben Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe die auf der Liste genannten Kontaktpersonen
in Baden-Württemberg auch nach Januar 1998 noch be-
sucht. Der baden-württembergischen Polizei, die die Liste
nicht kannte, blieben diese Besuche per Haftbefehl ge-
suchter mutmaßlicher Straftäter damals unbekannt. Die
Telefonliste enthält zudem bundesweit für die Neonazi-
Szene wichtige Personen und Anschriften. Genannt sind
unter anderen die damalige Bundesvorsitzende der seit
2011 verbotenen „HNG“ und führende Mitglieder von
„Blood & Honour“.
Vernachlässigung wichtiger Hinweise und mangelhaf-
te Auswertung
Der Auftrag zur Suche nach dem Trio wurde im LKA
Thüringen der Zielfahndung erteilt. Die Zielfahndung des
LKA Thüringen hatte nach eigener Einschätzung für diese
Aufgabe zu wenig Personal und zum anderen nicht die
nötige Kenntnis des rechtsextremistischen Spektrums.
Das LKA Thüringen und seine für die Fahndung nach
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zuständigen Mitarbei-
ter ermittelten mit hohem Aufwand und Einsatz, nutzten
aber dennoch wichtige Ermittlungsmöglichkeiten und
Hinweise nicht ausreichend:
– Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hielten nach heuti-
ger Kenntnis nach dem 26. Januar 1998 noch Kontakt
mit ihren Familien. Es gelang aber im Rahmen der
kurzen Laufzeiten der Telefonüberwachung nicht,
diese Kontakte aufzuklären und zur Ergreifung zu
nutzen.
– Das noch im Mai 1998 genutzte Handy von
Böhnhardt wurde nur von Mitte Februar bis Mitte
März 1998 überwacht – angeblich wegen fehlender
Ergebnisse. Damit wurde eine Chance vergeben,
Aufenthaltsorte oder Kontakte aufzuklären.
– In der Wohnung von Zschäpe hielten sich nach heu-
tiger Kenntnis nach dem 26. Januar 1998 mehrfach
Personen auf. Es wurden Kleidung und Papiere ge-
holt. Die Polizei hatte damals Hinweise, dass Perso-
nen in der Wohnung waren. Die Entscheidung, das
Schloss auszutauschen, aber nicht die Wohnung zu
überwachen, hält der Ausschuss für falsch. Anderen-
falls hätten möglicherweise die Gesuchten selbst oder
deren Helfer festgestellt werden können, welche die
Polizei zu den Flüchtigen hätten führen können.
– In einem Vermerk vom 19. März 1998 wurde aus-
drücklich hervorgehoben, dass eine Nachbarin, die
Zschäpe häufig bei deren Großmutter gesehen hatte,
deren Cousin Stefan Apel als die Person benannt ha-
be, die am ehesten etwas über den Aufenthalt der Un-
tergetauchten wissen könnte. Dennoch wurde Stefan
Apel nicht befragt – er hatte nach Starkes Angaben
diesen mit dem Trio bekannt gemacht.
– Aus erhobenen Bankdaten ging hervor, dass Zschäpe
zum Zeitpunkt des Abtauchens mit 4 000 DM im Mi-
nus war, Böhnhardt durch eine Abhebung kurz da-
nach mit 1 800 DM. Wie sich Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe finanzierten, wurde nie konsequent
überprüft.
– Einen Schwerpunkt der Ermittlungen bildeten Tele-
fonüberwachungsmaßnahmen im Umfeld des Trios.
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden aber
nicht konsequent genutzt. Ein Beispiel dafür hat der
Ausschuss auch in einer Befragung beleuchtet: den
„Anruf aus Orbe“ vom 11. April 1998. Durch eine
Telefonüberwachungsmaßnahme bei dem Unterstüt-
zer Jürgen H. war ein Anruf von Mundlos aus einer
Telefonzelle bekannt, nach deren Vorwahl aus dem
„Bereich Orbe/Yverdon“ in der Schweiz. Dazu wurde
der Verbindungsbeamte des BKA in der Schweiz um
Einholung von Auskünften ersucht. Dessen Rück-
meldung, die Telefonzelle stehe in dem Ort Concise,
wurde offenbar nie beachtet: es bleibt in allen späte-
ren Akten bei der Bezeichnung „Anruf aus Orbe“. So
wurde auch nie bemerkt, dass in Concise zu der Zeit,
als Mundlos von dort anrief, ein „Konzert“ mit meh-
reren hundert Teilnehmern stattfand. Hinweise darauf
übermittelte auch das BKA nicht. Dieses „Konzert“
wurde von Personen veranstaltet, die Verbindungen
zum „Blood & Honour“-Netzwerk hatten, darunter
zum mutmaßlichen Trio-Unterstützer Jan Werner aus
Chemnitz. Eine Kontaktaufnahme mit der politischen
Polizei der Schweiz erfolgte nicht.
Das LfV Thüringen war ebenfalls auf der Suche nach
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Die Auswertung der
von anderen Nachrichtendiensten erhaltenen oder selbst
gewonnenen Erkenntnisse im LfV Thüringen aber war
ungenügend. Das gleiche gilt für die Quellenführung. Bei
einer Vielzahl von Quellenmitteilungen lässt sich aus den
Akten nicht einmal erkennen, dass der für ihre Auswer-
tung zuständige Mitarbeiter im LfV Thüringen sie über-
haupt zur Kenntnis bekam. Nicht nachvollziehbar ist für
den Ausschuss, warum bei mehreren Anrufen aus Chem-
nitz bei Jürgen H. als Anrufer eine Kontaktperson und
nicht Böhnhardt vermerkt wurde. Denn bereits im Mai
1999 war als Ergebnis einer Befragung des Jürgen H.,
festgehalten worden, dass Böhnhardt bei ihm angerufen
hatte, weil er auf Bitte von Ralf Wohlleben Aufträge ent-
gegennehmen sollte, wenn das Trio Geld oder Kleidung
benötigte. Da der Standort der Anrufer und der Inhalt der
Gespräche bekannt waren, hätte unschwer die Verbindung
hergestellt werden können, dass Böhnhardt sich in Chem-
nitz aufhielt. Wenn eine sachgerechte Auswertung der
verfügbaren Informationen erfolgt wäre, dann wären
folgende Informationen im Zusammenhang bekannt ge-
Drucksache 17/14600 – 850 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wesen. Das hätte nicht nur Ansätze zur Ermittlung von
Kontaktpersonen und Aufenthaltsorten erbracht, sondern
auch einen Hinweis auf die Täter der in Sachsen damals
begonnenen Überfallserie:
– Familie Böhnhardt unterstützte das Trio bis Anfang
1999 finanziell.
– Bis Mitte 1999 wird in der Szene für das Trio ge-
sammelt, unter anderem durch den Vertrieb des men-
schenverachtenden „Pogromly“-Spiels.
– Für das Trio sollen Waffen besorgt werden, um einen
weiteren Überfall zu begehen.
– Antje P., die mutmaßlich zum näheren Unterstützer-
umfeld gehört, wollte für eine Flucht nach Überfällen
ihre Ausweispapiere zur Verfügung stellen.
– Nach November 1999 betonen wichtige Kontaktper-
sonen, das Trio benötige kein Geld mehr – damals
hatte die Überfall-Serie bereits begonnen, die der
Terrorgruppe heute zur Last gelegt wird.
Versäumte Auswertung von Durchsuchungsfunden
bei Thorsten Heise
Gegen Thorsten Heise, der zunächst in der 1995 verbote-
nen „FAP“ aktiv war und als „Bindeglied“ zwischen dem
NPD-Bundesvorstand und den „freien Kameradschaften“
gilt, ermittelte seit 2005 die Staatsanwaltschaft Frankfurt
wegen des Verdachts der Volksverhetzung durch Vertrieb
entsprechender Tonträger. Am 30. Oktober 2007 wurde
das Wohnanwesen des Thorsten Heise in Fretterode in
Thüringen durch das BKA durchsucht. Dabei wurden
auch drei Kassetten für ein Diktiergerät gefunden, auf
dem Thorsten Heise mehrere Gespräche aufgenommen
hatte, darunter ein Gespräch mit Tino Brandt und weite-
ren Personen. Der Auswertungsvermerk des BKA trägt
das Datum 4. Mai 2009. Als im Gespräch genannte Per-
sonen sind neben einer Reihe anderer Personen auch
Beate Schadler (phon.), Uwe Mundlos (phon.) und Udo
Böhmer (phon.) genannt – mit dem ausdrücklichen Hin-
weis, die drei letzteren seien verschwunden. Schlussfolge-
rungen wurden im BKA aus diesem Hinweis nicht gezo-
gen. Ebenso wenig wurde ein ebenfalls bei dieser Durch-
suchung gefundenes kleines schwarzes Adressbuch aus-
gewertet, in dem als erster Eintrag der mutmaßliche Trio-
Unterstützer Holger Gerlach notiert ist. Eine detaillierte
Auswertung erfolgte erst, als dieser Vorgang durch den
zuständigen Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungs-
ausschusses aufgefunden worden war.
Mangelhafte Koordination der Thüringer Behörden
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe konnten sich am 26.
Januar 1998 und danach einer Verhaftung nicht zuletzt
deshalb entziehen, weil sich die beteiligten Sicherheitsbe-
hörden Thüringens gegenseitig einen Erfolg nicht gönn-
ten. Grundsätzlich gilt: Die Suche nach mutmaßlichen
Straftätern zur Vollstreckung von Haftbefehlen gehört
nicht zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden.
Zwar wurde das LfV Thüringen mit Wissen des LKA
Thüringen und im Auftrag des Thüringer Innenministeri-
ums tätig und wollte sicher auch einen Erfolg der Suche –
aber es wollte den Erfolg exklusiv für sich. Mit dieser
Einstellung hat das LfV Thüringen ein wettbewerbliches
Gegeneinander der Behörden in einer Lage erzeugt, in der
ein vertrauensvolles Miteinander geboten gewesen wäre.
Das eigentlich für die Ermittlungen zuständige LKA Thü-
ringen wurde durch das LfV Thüringen nur in Einzelfäl-
len und insgesamt höchst ungenügend über die vom LfV
Thüringen gewonnenen Erkenntnisse informiert.
Das die Dienstaufsicht über beide Behörden führende
Thüringer Innenministerium hätte im Rahmen des gelten-
den Rechts die Aufgabe gehabt, ein gutes Zusammenwir-
ken von Polizei und Verfassungsschutz herzustellen. Die
politische Verantwortung der damaligen Landesregierun-
gen und ihrer Innenminister wird der vom Thüringer
Landtag eingesetzte Untersuchungsausschuss bewerten.
Der 1998 und 1999 amtierende Thüringer Innenminister
Dr. Richard Dewes nahm in seiner Antwort zu einer par-
lamentarischen Anfrage Ende April 1998 nicht zu der
Frage Stellung, ob es Versäumnisse gegeben habe, die zu
verhindern gewesen wären.
Verfrühte Einstellung des Ermittlungsverfahrens
durch die Staatsanwaltschaft
Bei der Beurteilung der Frage, wann Verjährung eintreten
und somit eine Weiterführung des Ermittlungsverfahrens
nicht mehr möglich sein werde, bewies die zuständige
Staatsanwaltschaft eine bemerkenswerte Unsicherheit. Im
August 2001 wurde gegenüber dem LKA Thüringen die
Notwendigkeit für verjährungsunterbrechende Maßnah-
men verneint, da die Verjährungsfrist angesichts der den
Haftbefehlen zugrunde liegenden Delikte zehn Jahre
betrage. Dies gilt aber nur für die Vorbereitung einer
Nuklearexplosion, nicht für die Vorbereitung einer
Sprengstoffexplosion. Am 23. Oktober 2002 betonte die
Staatsanwaltschaft Gera in einem Schreiben an das Thü-
ringer Justizministerium ausdrücklich, dass weitere Fahn-
dungsmaßnahmen sehr aufwendig wären. Ihre Empfeh-
lung für die weitere Suche nach Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe war, es bei der bestehenden Fahndungsaus-
schreibung zu belassen und „zuzuwarten“.
Mit Verfügung vom 15. September 2003 stellte die
Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe wegen der Bomben und Bombenat-
trappen in Jena wegen des angeblichen Eintritts der Ver-
folgungsverjährung ein. Am 3. Juli 2000 hatte allerdings
das Amtsgericht Jena einen Beschluss zur Durchsuchung
einer Filiale der Deutschen Bank zur Erlangung der Kon-
tounterlagen von Mundlos erlassen. Dieser Beschluss
hatte nach §78c Abs. 1 Nr. 4 StGB die Verjährung unter-
brochen, so dass jedenfalls die Verjährung der Taten bei
Mundlos erst mit Ablauf des 2. Juli 2005 eingetreten war.
Die schriftliche Stellungnahme des zuständigen Ober-
staatsanwalts gegenüber dem Ausschuss, der Durchsu-
chungsbeschluss des Amtsgerichts von 2000 sei rechtlich
so fehlerhaft, dass er für die Beurteilung der Verjährung
unerheblich gewesen sei, hat den Ausschuss nicht über-
zeugt – zumal diese die weitere Frage aufwirft, warum die
antragstellende Staatsanwaltschaft keinen rechtmäßigen
Antrag formuliert hat.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 851 – Drucksache 17/14600
Die verfrühte Einstellung schnitt weitere Ermittlungen ab.
So hatte ein Zeuge am 6. Juni 2003 bei der Polizei ausge-
sagt, Böhnhardt im August oder September 2002 an einer
Ampelkreuzung in Jena getroffen und dann mit ihm zu-
sammen in die Innenstadt gefahren zu sein, wo sie sich
unterhalten hätten. Böhnhardt habe erzählt, dass das Trio
sich in der Schweiz aufhalte. Allen ginge es gut. Der
Zeuge berichtete weiter, dass André Kapke ihm zwei oder
drei Jahre zuvor erzählt habe, dass das Trio drei bis vier
Mal im Jahr in Jena sei. Wegen der Einstellung konnten
Ermittlungsmaßnahmen zu diesen angeblichen Aufenthal-
ten nicht mehr ergriffen werden.
Fehlende Eigeninitiative der Sicherheitsbehörden
Sachsens
Alle bis heute ermittelten Wohnorte von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe nach ihrer Flucht 1998 liegen in
Chemnitz und Zwickau. Dabei wurden sie von Personen
aus drei miteinander verbundenen Neonazi-Netzwerken
unterstützt: die überregionalen Verbindungen von „Blood
& Honour“, in Chemnitz „Combat 18“ beziehungsweise
die „88’er“ und in Zwickau die „Weiße Bruderschaft
Erzgebirge“, deren Mitglieder zu einem großen Teil aus
Johanngeorgenstadt stammen.
– Bis August 2000 finden Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe nacheinander für einige Wochen oder Mona-
te bei Thomas Ro., Max-Florian B. und Carsten R. in
Chemnitz Unterschlupf. Eine vierte Unterkunft in
Chemnitz war auf den Namen André Eminger gemie-
tet.
– Für die drei Wohnungen in Zwickau (Heisenberg-
straße 6 bis Mai 2001 / Polenzstraße 2 bis April 2008
/ Frühlingstraße 26) erschienen Max-Florian B. oder
Matthias D. als Mieter. Als Tarnidentitäten wurden
die Namen Burkhardt (Mundlos), Struck und Emin-
ger (Zschäpe) genutzt.
Zwar wurden die engen Verbindungen des Trios nach
Chemnitz den beteiligten Behörden im Lauf der Ermitt-
lungen vor allem aus den Ergebnissen der Telefonüber-
wachungsmaßnahmen bekannt, doch hätten diese Infor-
mationen durch sachgerechte Auswertung der Mundlos-
Briefe und der Mundlos-Telefonlisten schon zu Beginn
zur Verfügung stehen können. So aber erbrachten viele
auch aus heutiger Sicht erfolgversprechende Ermittlungs-
ansätze nichts, weil sie zu spät ergriffen wurden.
Die sächsischen Sicherheitsbehörden haben im Rahmen
der Suche nach dem Trio ihre Aufgabe immer darin gese-
hen, Ermittlungen zu unterstützen, für welche die Thürin-
ger Behörden zuständig sind. Sachsens Sicherheitsbehör-
den haben tatkräftig unterstützt, aber nicht selbst die Initi-
ative ergriffen. Ein eigenständiges Bild der Gesamtlage
hat sich keine sächsische Dienststelle verschafft – auch
nicht, nachdem immer mehr Hinweise Richtung Sachsen
und Chemnitz zeigten.
Informationsaustausch und Zusammenarbeit der beteilig-
ten Behörden Sachsens wiesen ebenso schwere Mängel
auf wie die Auswertung und Dokumentation der vorhan-
denen Informationen. Im Rahmen der Suche nach dem
Trio unberücksichtigt blieben das vom LKA Sachsen bei
einer Durchsuchung im Rahmen des Landser-Verfahrens
im November 2000 sichergestellte Notizbuch und weitere
Adressdaten des Thomas Starke. Es fehlte beim LfV
Sachsen an der Zusammenführung aller vorhandenen
Informationen, an deren eigener systematischer Auswer-
tung und an einer zentralen Koordination der getroffenen
Maßnahmen. Folgende Informationen wurden nicht kon-
sequent bewertet und genutzt:
– Sachsen hatte die bedeutendste „Blood & Honour“-
Sektion in Deutschland neben Berlin-Brandenburg.
Diese hatte sich dem Verbot 2000 entziehen können.
Chef und Vize waren Jan Werner und Thomas Star-
ke. Zu den Zentren gehörten Chemnitz und Zwickau.
– Unter den sächsischen Neonazi-Kameradschaften
war die „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ besonders
eng mit „Blood & Honour“ verbunden.
– Seit 1995 sind Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe –
manchmal gemeinsam, manchmal nur zwei von ihnen
– gelegentlich als Teilnehmer von „Blood & Honour“
oder neonazistischen Skinkonzerten in Sachsen no-
tiert worden. Eine Analyse der sich daraus ergeben-
den Kontakte wurde in den Akten des Ausschusses
nicht gefunden und wohl auch nie erstellt.
Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im födera-
len Verbund
Für einen Erfolg der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe wäre eine reibungslose, wechselseitig alle Infor-
mationen verfügbar machende Zusammenarbeit der
Sicherheitsbehörden Thüringens und Sachsens von hoher
Bedeutung gewesen. Diese gab es im Einzelfall durchaus,
insbesondere die Zielfahndung des LKA Thüringen wur-
den in Sachsen aufwändig unterstützt.
– Das LfV Thüringen kooperierte bei vielen Einzelak-
tionen, darunter bei 16 Observationen, mit dem LfV
Sachsen.
– Gemeinsam mit dem LKA Sachsen und dem LfV
Sachsen führte die Zielfahndung des LKA Thüringen
mehrfach Observationen in Chemnitz durch, die als
solche zwar aufwendig durchgeführt, aber in einigen
Fällen untauglich angelegt waren. Sie kamen jeden-
falls zu spät, um Ergebnisse zu erbringen. Die wäh-
rend einer dieser Observationen durch einen Beamten
der Zielfahndung des LKA Thüringen erfolgte Un-
terbrechung und Ansprache der Zielpersonen war den
die Observation durchführenden Kräften nicht kon-
kret angekündigt worden. Deshalb wurde nicht ver-
hindert, dass die Zielpersonen mutmaßlich Beweis-
mittel vernichteten.
Den Sicherheitsbehörden Sachsens blieben wichtige In-
formationen vorenthalten. Das LfV Sachsen war „infor-
mell unterversorgt“, hat die nötigen Informationen aber
auch nicht eingefordert. Nach Aktenlage wurden weder
die Hinweise auf die zeitgleich zu den ersten Überfällen
veränderte finanzielle Lage der Gesuchten weitergegeben,
noch die Hinweise darauf, dass das Bemühen um Waffen
wohl erfolgreich war, da das Interesse an ihrer Beschaf-
Drucksache 17/14600 – 852 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
fung erlosch. Wenn etwa aus Thüringen die Hinweise
weitergegeben worden wären, die Untergetauchten wür-
den kein Geld mehr benötigen, da sie jetzt „jobben“ be-
ziehungsweise „Aktionen machen“ würden, hätte mögli-
cherweise in Sachsen eine Verbindung zum Beginn einer
ungeklärten Raubserie hergestellt werden können.
Das BKA war in die Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe frühzeitig eng eingebunden: Bereits mit
Schreiben vom 28. Januar 1998 wurde das BKA vom
LKA Thüringen über die Fahndung informiert. Ab dem
16. Februar 1998 unterstützte das BKA das LKA Thürin-
gen mit zwei Beamten der Abteilung Staatsschutz, von
denen einer bereits länger mit der Neonazi-Szene Thürin-
gens befasst gewesen war. Am 16. April 1998 veröffent-
lichte das BKA in Nr. 73/98 des Bundeskriminalblatts den
Fahndungsaufruf zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,
im November 1998 auch auf der Internetseite. Am 7.
August 1998 ersuchte die StA Gera das BKA um eine
internationale Fahndung. Verbindungsbeamte des BKA
prüften im September 1998 Hinweise in Bulgarien und
Ungarn. Im Mai 2000 analysierte das BKA Fotos, die
angeblich Böhnhardt zeigten. Am 6. Juni 2002 verglich
das BKA auf Anfrage „Fingerabdruckblätter“ der Gesuch-
ten mit denen einer weiteren Person. Am 2. Januar 2003
teilte das BKA mit, die Gesuchten seien in der französi-
schen Fremdenlegion nicht bekannt. Eine Zusammenfüh-
rung aller Informationen, die dem BKA im Rahmen der
Unterstützung der Ermittlungen bekannt geworden waren,
wurde in den Akten nicht gefunden und wohl nie erstellt –
auch nicht zu einem Zeitpunkt, als die Dauer der Suche
die Frage nahegelegt hätte, warum die von den zuständi-
gen Behörden ergriffenen Maßnahmen erfolglos bleiben.
Zu Beginn der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe übermittelte das LfV Thüringen häufig Informa-
tionen an das BfV und ersuchte auch um Zusammenarbeit
und Unterstützung. Im weiteren Verlauf aber wurden
entscheidende Informationen nicht weitergegeben und
standen so für die Lagebeurteilung des BfV nicht zur
Verfügung.
Mehrfach und unaufgefordert stellte der MAD den Thü-
ringer Behörden Informationen zur Verfügung, darunter
zur zunehmenden Bewaffnung der Thüringer Neonazi-
szene. Von Bedeutung wären insbesondere die am 6.
Dezember 1999 dem LfV Thüringen übermittelten Aus-
züge aus einem Bericht über die Befragung des damals in
Mellrichstadt Grundwehrdienst leistenden Jürgen H. im
September 1999 gewesen – wenn sie ausgewertet worden
wären: danach bewege sich das Trio auf der Stufe von
Rechtsterroristen, niemand in der Szene rechne wegen des
zu erwartenden Strafmaßes damit, dass diese sich den
Behörden stellen. Das LfV Thüringen gab diese verzögert
übermittelte Information ebenso wenig wie der MAD
selbst an die Ermittler weiter.
Im September und Oktober 1998 gab der vom Verfas-
sungsschutz Brandenburg geführte V-Mann „Piatto“ fünf
Hinweise auf das Trio:
– 19. August 1998: Laut Antje P. sind drei sächsische
Skinheads (zwei Männer und eine Frau) wegen ver-
schiedener Straftaten auf der Flucht vor der Polizei.
– 9. September 1998: Jan Werner soll Waffen für die
drei Skinheads besorgen. Gelder soll dafür die
„Blood & Honour“-Sektion Sachsen bereitgestellt
haben. Vor der beabsichtigten Flucht nach Südafrika
soll das Trio einen weiteren Überfall planen, um mit
dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können.
Ihre Ausweispapiere will Antje P. zur Verfügung
stellen.
– 16. September 1998: Ein Angehöriger des sächsi-
schen Skinheads-Trios hat den Artikel auf Seite 26
der Publikation „White Supremacy“ verfasst.
– 29. September 1998: Am Rande eines Konzerts er-
fuhr die Quelle, dass Jan Werner bei seinen Versu-
chen, die drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen mit
Waffen zu versorgen, noch nicht erfolgreich war und
die Versuche fortsetzt.
– 13. Oktober 1998: Jan Werner ist nach eigener Aus-
sage noch immer auf der Suche nach Waffen für die
drei flüchtigen thüringischen Neonazis.
Diese Informationen wurden zwar den Verfassungsschut-
zämtern von Thüringen und Sachsen zur Verfügung ge-
stellt. Die Frage, ob und wie die Weitergabe an die poli-
zeilichen Ermittlungsbehörden unter Berücksichtigung
des Quellenschutzes erfolgen könne, wurde von den betei-
ligten Behörden – einerseits aus Thüringen und Sachsen,
andererseits aus Brandenburg – unterschiedlich darge-
stellt. Jedenfalls gab es keinen schriftlichen, umfassend
gerichtsverwertbaren Bericht. Wer im Verfassungsschutz
Brandenburg die Entscheidung getroffen hat, einen sol-
chen nicht zu fertigen, konnte vom Ausschuss ebenso
wenig aufgeklärt werden wie die Frage, ob die Informati-
onen tatsächlich, wie vom LfV Thüringen behauptet,
mündlich dem Chef des LKA Thüringen bekannt gemacht
wurden.
Im Rahmen des gegen die Band „Landser“ geführten
Verfahrens wurde durch das LKA Sachsen am 13. No-
vember 2000 die Wohnung des Thomas Starke durchsucht
und dieser am 14. November 2000 vernommen. Danach
wurde er vom LKA Berlin, das mit der zentralen Ermitt-
lungsführung im vom GBA geführten Verfahren zu
„Landser“ beauftragt war, gegen den Rat des LKA Sach-
sen als V-Person verpflichtet. Im Rahmen der regelmäßi-
gen Gespräche mit den V-Mann-Führern des LKA Berlin
gab Thomas Starke am 13. Februar 2002 den Hinweis,
Jan Werner habe Kontakt zu drei Personen aus Thürin-
gen, die per Haftbefehl wegen Sprengstoff- und Waffen-
besitzes gesucht werden. Eine Auswertung dieses Hin-
weises durch das LKA Berlin ist trotz der Stichworte
„Sprengstoff“ und „Waffen“ aus den Akten ebenso wenig
erkennbar wie die Weitergabe an die Sicherheitsbehörden
Thüringen und Sachsens. Es wird weder die Glaubhaftig-
keit der Behauptung des Thomas Starke überprüft, die
drei Gesuchten selbst nicht namentlich zu kennen, noch
der Umstand erkannt, dass Jan Werner damals Anfang
2002 in Berlin-Moabit in Haft ist und dort in Kontakt zu
einem André Eminger steht. Dabei hätte spätestens seit
der Beschlagnahme des Notizbuchs des Starke bei der
seiner Verpflichtung vorausgehenden Durchsuchung den
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 853 – Drucksache 17/14600
Behörden bekannt sein müssen, dass dieser Mundlos und
Zschäpe kannte. Eine Überprüfung, wie Jan Werner in
der Haftanstalt Berlin-Moabit in Kontakt zu drei Personen
aus Thüringen stehen konnte, hätte die Behörden auf die
Spur des André Eminger geführt, der vermutlich damals
bereits eine zentrale Kontaktperson für das Trio an seinem
Wohnort Zwickau war.
Verneinung einer Zuständigkeit des GBA
Die zuständige Staatsanwaltschaft Gera wurde vom LKA
Thüringen am 16. Februar 1998 darauf hingewiesen, dass
das BKA eine Prüfung der Zuständigkeit des GBA unter
dem Gesichtspunkt des § 129a StGB anrege. Eine solche
Prüfung durch die zuständige Staatsanwaltschaft oder eine
Information des GBA über das Verfahren finden sich
allerdings nicht in den Akten.
Am 13. Februar 1998 legte der GBA aufgrund von Mel-
dungen mehrerer Medien über ein durch die Polizei in
Thüringen aufgefundenes mutmaßliches „Bombenlabor“
von Rechtsextremisten einen Prüfvorgang an. Am glei-
chen Tage unterrichtete das BKA den GBA telefonisch
über die Thüringer Geschehnisse. In der Folgezeit ließ
sich der GBA durch das BKA über die Vorgänge in Jena
unterrichten, im Februar 1999 durch einen Sachstandsbe-
richt. Eine Anfrage an die StA Gera richtete der GBA
nicht. Am 12. August 1999 ließ der Sachbearbeiter beim
GBA die Verfahrensakte weglegen. Bis zum November
2011 blieb die Akte weggelegt.
Angesichts der in der Garage gefundenen Rohrbomben
bestand der Verdacht, dass das Trio das aufbewahrte TNT
für einen Sprengstoffanschlag nutzt (somit für eine Tat
gem. § 311 Abs. 1 StGB damaliger Fassung). Eine solche
Tat stellt eine Katalogtat (§ 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB da-
maliger Fassung) dar, für die eine Zuständigkeit des GBA
begründet ist. Um die Zuständigkeit des GBA zu begrün-
den, muss die Tat nicht bereits begangen, lediglich die
Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung müssen auf
die Katalogtat gerichtet sein. Zudem musste der Anfangs-
verdacht hinsichtlich eines „einheitlichen Verbandes“
angenommen werden – woran spätestens seit dem er-
kennbar gemeinschaftlichen Untertauchen des Trios ver-
nünftige Zweifel nicht mehr bestehen konnten.
D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes
Der Untersuchungsausschuss hat sich eingehend mit der
Frage beschäftigt, wieso Polizeien und insbesondere Ver-
fassungsschutzbehörden in Bund und Ländern über Jahr-
zehnte nicht erkannt haben, welche realen Gefahren sich
aus der militanten neonazistischen Szene entwickelten, zu
der auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehörten.
Dass es in Deutschland so etwas wie rechtsterroristische
Strukturen gebe, wurde sowohl vom Bundesamt für Ver-
fassungsschutz als auch vom Bundeskriminalamt im un-
tersuchten Zeitraum stets bestritten.
Unterschätzung und Verharmlosung der Terrorgrup-
pe
Die Analyse der Verfassungsschutzbehörden in Bund und
Ländern zur rechtsterroristischen Gefahr war falsch und
grob verharmlosend. Dem Bundesamt für Verfassungs-
schutz, das relevante Erkenntnisse von den Landesbehör-
den erhält, sie auswertet und damit einen Überblick über
die Gefahrenlage in Deutschland hat, kommt hier eine
besondere Verantwortung zu. Es hat unbestreitbar versagt.
Der bis Juli 2012 amtierende BfV-Präsident Fromm hat
dieses Versagen unumwunden zugegeben. So offen hat
kaum ein Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss Män-
gel eingeräumt.
Nach dem vereitelten Sprengstoffanschlag auf die Grund-
steinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München
im Jahr 2003 durch die „Kameradschaft Süd“ unter Füh-
rung des Neonazis Martin Wiese erbat das Bundesinnen-
ministerium beim BfV und BKA eine Einschätzung, ob es
nicht doch rechtsterroristische Gruppierungen oder An-
sätze für einen zielgerichteten „bewaffneten Kampf“ in
Deutschland gebe. Auslöser der Bitte des BMI um eine
aktuelle Analyse war eine öffentliche Berichterstattung
über die Warnung des damaligen Bayerischen Innenmi-
nisters Dr. Beckstein vor einer völlig neuen Dimension
rechtsextremistischer Gewalt, einer Art „Brauner RAF“.
Die vom damaligen BfV-Vizepräsidenten und heutigen
beamteten Staatssekretär im Bundesministerium des In-
nern Fritsche im September 2003 an das BMI gesandte
und von ihm ausdrücklich mitgetragene Analyse seiner
Fachabteilung war in zweifacher Weise fehlerhaft und
damit ungenügend. Das abgetauchte Trio wird darin er-
wähnt, aber ausdrücklich nicht als Beispiel für Rechtster-
roristen bewertet. Zum einen prüfte das Bundesamt
Rechtsterrorismus im Wesentlichen nur anhand der
Merkmale des bekannten (Links-)Terrorismus ab: Im
Untergrund lebende Terroristen mit einer Kommando-
struktur, falschen Pässen und Kfz-Kennzeichen, konspira-
tiven Wohnungen, einem unterstützenden Sympathisan-
tenumfeld und Banküberfällen zur Finanzierung. Andere,
in der neonazistischen Szene verbreitete Konzepte zum
sog. „führerlosen Widerstand“ mittels Klein- und
Kleinstgruppen und loser Zellenstruktur sowie propagier-
te (Mord-)Anschläge auf Migranten waren dem BfV zwar
bekannt, deren Realisierung aber wurde – mangels er-
kennbarer Strukturen – nie als potentielle, geschweige
denn konkrete terroristische Bedrohung wahrgenommen.
Der Zeuge Fritsche hat das in seiner Aussage vor dem
Ausschuss nicht als Fehler eingeräumt, sondern behaup-
tet, damals hätten keine Informationen vorgelegen, um zu
einer anderen Bewertung zu gelangen.
Nach den Feststellungen des Ausschusses hatte das BfV
jedoch auch im Herbst 2003 bereits Hinweise darauf, dass
sehr wohl Merkmale des bekannten Terrorismus auf die
Drucksache 17/14600 – 854 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
im Januar 1998 geflüchteten Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe zutrafen: Dem BfV war bekannt, dass das Trio
wegen Sprengstofffunden untergetaucht war und weiter-
hin in der Illegalität lebte. Zudem musste das BfV von
einem Unterstützerumfeld ausgehen; wie sonst konnten
sich die Drei damals bereits seit fünf Jahren versteckt
halten. Dem BfV war ebenso bekannt, dass das Trio Ende
1998 versuchte, sich Waffen zu beschaffen, um Überfälle
zu begehen; das BfV kannte auch die Meldung des MAD
von Dezember 1999 mit der Einschätzung einer Kontakt-
person des Trios, dass sich die Untergetauchten auf der
Stufe von Rechtsterroristen bewegten, die eine Verände-
rung dieses Staates herbeiführen wollten.
Im Hinblick auf Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zeigte
sich bei den Verfassungsschutzbehörden letztlich eine
fatale Unterschätzung und Bagatellisierung ihres Gefah-
renpotentials. So hielt es das Thüringer LfV im Oktober
2003 offenbar nicht für nötig, in der Antwort auf einen
Fragenkatalog des BfV zur Einschätzung der rechtsterro-
ristischen Gefahr zu erwähnen, dass bei der Durchsu-
chung im Januar 1998 nicht bloß „diverse pyrotechnische
Gegenstände, chemische Substanzen, Kabel, Rohrstücke
und vorbereitete Rohrbomben sowie diverses Schriftgut“
gefunden wurden, sondern auch insgesamt 1,4 Kilogramm
TNT. Angesichts der bis dahin mutmaßlich vom Trio in
Jena abgelegten Bomben mit maximal 10 Gramm TNT
war das Fehlen dieser Angabe hochgradig irreführend und
verschleierte die Gefährlichkeit des Trios.
Die Verharmlosung setzte sich im BfV Spezial Rechtsex-
tremismus Nr. 21 fort. Die Schrift bewertete die „Gefahr
eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten“
für die Zeit von 1997 bis 2004. Zu den drei Untergetauch-
ten heißt es dort, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass
mit den sichergestellten Rohrbomben „konkrete tatsächli-
che Anschläge“ geplant waren. Das verkennt, dass bei den
zuvor mutmaßlich vom Trio und möglichen weiteren
Mittätern an diverse Institutionen verschickten Briefbom-
benattrappen die Warnung beilag, dass dies „der letzte
Scherz“ sein würde. Selbst konkrete Anschlagsopfer wa-
ren benannt worden: Der damalige thüringische Innenmi-
nister Richard Dewes sowie der damalige Vorsitzende des
Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis. Mit der abschließen-
den – und auch damals schon falschen – Feststellung, es
hätten sich auch keine Anhaltspunkte für weitere militante
Aktivitäten der Flüchtigen ergeben, und außerdem sei das
Ermittlungsverfahren gegen die Drei seit 2003 eingestellt,
war das Kapitel Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe für das
BfV bis zum 4. November 2011 geschlossen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist keine Ermitt-
lungsbehörde. Dennoch hätte es mehr Eigeninitiative zur
Aufklärung des auch damals schon als potentielle Terror-
gruppe erkennbaren Trios zeigen müssen. Das Referat
Rechtsterrorismus im BfV, in dem der Fall der Geflüchte-
ten bearbeitet wurde und das die Landesämter für Verfas-
sungsschutz in Thüringen und Sachsen bei der Suche
unterstützte, versäumte es – wie im Übrigen die vorrangig
zuständigen Ermittlungsbehörden ebenso –, die sich aus
dem Umstand des „Untertauchens“ zwangsläufig erge-
benden Fragen aufzuwerfen und zu analysieren: Wie
funktioniert ein Leben über Jahre in der Illegalität? Wie
kann ein solches Leben finanziert werden und wer kommt
als Unterstützer in Frage? Wieso taucht das Trio nicht auf,
nachdem das Ermittlungsverfahren eingestellt war? Wo
und durch wen lassen sich Waffen und Sprengstoff be-
schaffen und der Umgang damit erlernen?
Solche Fragen systematisch und kontinuierlich zu bear-
beiten, wäre Aufgabe des BfV gewesen – und hätte ver-
wertbare Aufklärungsansätze ergeben. Als Beispiel sei
hier nur die Finanzierung des Lebens im Untergrund
genannt. Sowohl beim BfV als auch bei den Landesäm-
tern Thüringen und Sachsen lagen Hinweise auf eine
Finanzierung des Trios durch Überfälle vor. Eine syste-
matische Informationsbeschaffung und Auswertung und
vor allen Dingen eine Zusammenarbeit mit den Strafver-
folgungsbehörden in Thüringen und Sachsen hätte Zu-
sammenhänge mit einer ungeklärten Raubserie in Sachsen
zeigen können.
Auf dem rechten Auge betriebsblind
Nach den Feststellungen des Ausschusses war keine Ver-
fassungsschutzbehörde in dem Sinn „auf dem rechten
Auge blind“, dass Befunde bewusst übersehen worden
wären. Die Untersuchungen des Ausschusses zeigten
aber, dass die Gefahren, die von der militanten neonazisti-
schen Szene und einzelnen Gruppierungen in Deutschland
ausgingen bzw. ausgehen, vom Verfassungsschutz (und
von der Polizei gleichermaßen) unabhängig vom Fall
NSU immer wieder unterschätzt und bagatellisiert wur-
den.
Das zentrale Argument der Sicherheitsbehörden, Rechts-
terrorismus auszuschließen, war das Fehlen einer
Tatbekennung bei allen Taten, die heute der Terrorgruppe
zugeschrieben werden. Sachverständige haben vor dem
Untersuchungsausschuss jedoch erklärt, dass fehlende
Tatbekennungen bei neonazistischen Angriffen nicht
ungewöhnlich sind – anders als bei Taten aus dem linken
Spektrum. Für rechtsterroristische Mord- und Spreng-
stofftaten, selbst für die Finanzierung durch Banküberfäl-
le gibt es in der Geschichte der Bundesrepublik einige
Beispiele. Genannt seien hier nur Überfälle auf NATO-
Soldaten zur Waffenbeschaffung im Jahr 1977, Banküber-
fälle zur Finanzierung des neonazistischen Kampfes in
Hamburg, Essen und Mainz ebenfalls Ende der 70er Jahre
sowie 1980 das Oktoberfest-Attentat in München und die
Ermordung des jüdischen Verlegers Shlomo Levin und
Frieda Pöschke in Erlangen mutmaßlich durch Täter der
Wehrsportgruppe Hoffmann. Die Taten des NSU waren in
dieser Hinsicht nicht ohne Vorbild.
Zwar fand der Ausschuss keine Belege oder Beweise
dafür, dass es politische oder ministerielle Vorgaben in
Bund und Ländern dafür gab, eine rechtsterroristische
Bedrohung kleinzureden oder zu verharmlosen. Die wie-
derkehrenden, zum Teil über Jahre gleichlautenden For-
mulierungen hierzu in den Verfassungsschutzberichten
und internen Lageberichten deuten aber darauf hin, dass
die Analysen von den Referatsleitern, Gruppen- und Ab-
teilungsleitern bis hin zur Amtsleitung, den aufsichtfüh-
renden Ministerien bis zu deren Spitzen gar nicht mehr
hinterfragt wurden. Angesichts der gleichzeitig in den
Berichten genannten zunehmenden Militanz, die sich u. a.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 855 – Drucksache 17/14600
in zahlreichen Waffen- und Sprengstofffunden in der
neonazistischen Szene und mehreren (auch tödlichen)
Angriffen auf Migranten und politische Gegner zeigt, ist
nicht nachvollziehbar, wieso das Gefahrenpotential nicht
höher eingeschätzt wurde und wieso seitens der Fachauf-
sicht diese Bewertungen nicht angezweifelt wurden.
Offenbar überrascht wurde das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz in seiner Terrorismusanalyse auch durch eine
Serie von Brandanschlägen auf sieben türkische und asia-
tische Imbisse und Geschäfte von August 2003 bis Mai
2004 im Land Brandenburg. Der Verfassungsschutzbe-
richt hat die Möglichkeit eines rechtsterroristischen Hin-
tergrunds dieser Taten zunächst nicht erwähnt. Erst als
eine sich „Freikorps Havelland“ nennende zwölfköpfige
Gruppierung für diese Taten wegen Bildung einer terro-
ristischen Vereinigung im Jahr 2005 zu teils mehrjährigen
Jugendstrafen verurteilt wurde, erwähnte das BfV diesen
Vorgang in seinem Jahresbericht. Im bereits genannten
BfV Spezial Nr. 21 zur rechtsterroristischen Gefahr von
Juli 2004 sucht man diesen Fall vergeblich. Gleichzeitig
spielte das BfV andere mögliche rechtsterroristische Ge-
fahren herunter: „Anhaltspunkte für terroristische Absich-
ten weiterer Rechtsextremisten lagen 2005 nicht vor“,
schreibt das Amt im Verfassungsschutzbericht 2005 na-
hezu wortgleich, wie im Bericht von 2003 nach dem ver-
eitelten Münchner Anschlag durch die „Kameradschaft
Süd“. Als Frühwarnsystem hat das BfV damit mehrfach
kläglich versagt.
Aus den ausgewerteten Akten und Zeugenvernehmungen
gewann der Ausschuss den Eindruck, dass Vorurteile und
eingefahrene Denkmuster in den Verfassungsschutzbe-
hörden auf allen Ebenen das Erkennen neonazistischer
terroristischer Bedrohungen behinderten. So äußerten
verschiedene Verfassungsschutzmitarbeiter, sie hätten
Rechtsextremisten solche Morde und Sprengstoffanschlä-
ge, wie sie nun dem NSU zur Last gelegt werden, gar
nicht zugetraut. Weder die Logistik, die Handlungsfähig-
keit noch ein Konzept des bewaffneten Kampfes sah das
BfV in der neonazistischen Szene als vorhanden. Sich
bewaffnende Neonazis wurden stattdessen als Waffennar-
ren und Bombenbastler verharmlost. Dass die in den Be-
richten immer wieder attestierte „hohe Affinität“ von
Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff dazu füh-
ren würde, dass diese auch eingesetzt werden, wurde zwar
abstrakt nie ausgeschlossen, aber auch nicht ernst genug
genommen. Zudem herrschte beim Verfassungsschutz
(und der Polizei) die irrige Auffassung, dass (rechts-
)terroristische Taten stets von Bekennerschreiben oder
Ähnlichem begleitet werden.
Blaupause für NSU-Taten übersehen
Versäumt wurde damals vom BfV auch ein Vergleich mit
ähnlichen Taten im europäischen Ausland. Obwohl das
BfV darüber informiert war, dass deutsche Neonazis enge
Verbindungen zum internationalen Netzwerk von
„Blood& Honour“ und „Combat 18“ in Großbritannien
und Skandinavien hatten und dass Aktivisten dieses
Netzwerks 1999 in London Bombenanschläge gegen
Minderheiten verübt und in Schweden im gleichen Jahr
bewaffnete Banküberfälle sowie Autobombenanschläge
gegen politische Gegner und die Polizei verübt sowie
zwei Polizisten und einen Gewerkschafter erschossen
hatten, behauptete das BfV, „Combat 18“ existiere in
Deutschland nicht und habe keinen Einfluss auf die deut-
sche Neonaziszene. Entsprechend hielt das BfV eine
Nachahmung des Prinzips rechtsterroristischer Klein-
gruppen im Stil von „Combat 18“ in Deutschland nicht
für möglich. Erst im Januar 2012 – und damit Jahre zu
spät – stellte das Bundesamt bei einer Recherche zum Fall
des rassistischen Serientäters John Ausonius aus Schwe-
den fest, dass es deutliche Parallelen zu den Mord- und
Raubtaten des „Nationalsozialistischen Untergrundes“
gebe und jene Taten als Blaupause für den NSU gedient
haben könnten. Der als „Lasermann“ bekannt gewordene
Ausonius hatte in den Jahren 1991/1992 in Stockholm und
Uppsala mit einem Gewehr bei zehn Anschlägen auf elf
ihm zuvor unbekannte Migranten geschossen und dabei
einen Menschen getötet und weitere zum Teil schwer
verletzt. Er finanzierte sich durch zahlreiche Banküberfäl-
le und flüchtete stets mit einem Fahrrad.
Dem BfV hätte der Fall Ausonius bereits ab dem Jahr
2000 auffallen können, als die einschlägige „Blood &
Honour“-Publikation „Field Manual“, veröffentlicht wur-
de, die das Konzept des führerlosen Widerstandes propa-
giert und sich anerkennend auf die Serienmorde an Mig-
ranten durch den Lasermann bezieht. Diese Publikation
war dem BfV im Rahmen der Aufklärungen für ein Ver-
bot der Deutschen „Blood & Honour“-Sektion bekannt.
Dass das untergetauchte Trio damals ebenfalls starke
Verbindungen zu „Blood & Honour“-Strukturen hatte und
von diesen nach der Flucht unterstützt wurde, war dem
BfV ebenfalls bekannt. Das BfV tauschte sich im Jahr
2000 sogar mit Vertretern des schwedischen Partnerdiens-
tes über die dortigen rechtsterroristischen Mord- und
Brandanschläge aus.
Eine zeitnahe Analyse des Falles Ausonius (die im Übri-
gen auch die Staatsschutzabteilungen der Polizeien hätten
vornehmen können) hätte zumindest Hinweise auf über-
einstimmende Merkmale und die Motivlage der „Česká“-
Mordserie liefern können, möglicherweise auch auf einen
Zusammenhang mit in der Illegalität lebenden Rechtsext-
remisten und einer ungeklärten Serie von Banküberfällen.
Inwieweit dies tatsächlich zu einer Ergreifung der Täter
geführt hätte, kann der Ausschuss nicht beurteilen. Eine
mögliche Chance wurde jedenfalls nicht genutzt.
Schwächung des Bereichs Rechtsextremismus im BfV
Im Untersuchungszeitraum von 1992 bis 2011 stellte der
Ausschuss innerhalb des BfV mehrere Umstrukturierun-
gen in der Organisation des Bereichs Rechtsextremis-
mus/Rechtsterrorismus fest. Die Gravierendste erfolgte im
August 2006 durch eine Zusammenlegung der Abteilun-
gen Links- und Rechtsextremismus zu einer Abteilung
„Deutscher Extremismus“, um mittels erhoffter
Synergieffekte den Bereich „Islamismus und islamischer
Terrorismus“ personell verstärken zu können. Der dama-
lige Staatssekretär im Bundesinnenministerium Hanning
setzte die Umstrukturierung mit Billigung von Innenmi-
nister Schäuble gegen den fachlichen Widerspruch des
BfV-Präsidenten Fromm durch. Der Ausschuss sieht in
Drucksache 17/14600 – 856 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dieser Zusammenlegung ein falsches Signal bei der Be-
kämpfung des Rechtsextremismus – verkennt aber nicht,
dass die entscheidenden Fehleinschätzungen begangen
wurden, als die Abteilungen noch getrennt waren.
Zudem stellte der Ausschuss fest, dass nach der Fusion
der beiden Abteilungen im Bereich Rechtsextremismus
fast 20 Prozent weniger Mitarbeiter tätig waren als vor-
her. Die Aufklärungs- und Bewertungskapazitäten des
BfV im Bereich „Rechts“ wurden damit deutlich und nach
Auffassung des Ausschusses jedenfalls rückblickend
inakzeptabel geschwächt. Dies wirkt sich umso stärker
aus, als schon in den Vorjahren (von 2001 bis 2006) der
Personalbestand in der Abteilung Rechtsextremismus um
mehr als 17 Prozent sank, hingegen das BfV-Personal
insgesamt um mehr als 15 Prozent zunahm – insbesondere
wegen der notwendig gewordenen verstärkten Beobach-
tung des Islamismus und islamistischen Terrorismus. Die
bereits falsche Ausrichtung, nämlich die Vernachlässi-
gung des Bereichs Rechtsextremismus und Rechtsterro-
rismus, wurde damit dramatisch verschärft. Eine notwen-
dige Schwerpunktbildung darf aber nicht zur Vernachläs-
sigung anderer Phänomenbereiche führen.
Nach Aufdeckung des NSU im November 2011 hat der
derzeitige Innenminister Dr. Friedrich Anfang 2012 die
Abteilungen Links- und Rechtsextremismus wieder ge-
trennt. Eine eigenständige Fachabteilung zur Beobachtung
und Aufklärung des Rechtsextremismus und Rechtsterro-
rismus ist aus Sicht des Ausschusses unerlässlich und
daher zu begrüßen.
E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse
Der Ausschuss hat sich mit der Rolle von „Vertrauensleu-
ten“ der Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landes-
ebene im Phänomenbereich Rechtsextremismus befasst.
Im Fokus stand dabei die Frage, welche Informationen
über das Trio bzw. sein Unterstützerumfeld durch V-
Personen gewonnen wurden. Der Befund hierzu fällt
ernüchternd aus, nicht zuletzt deshalb, weil die V-
Personen im Wesentlichen nicht gezielt zur Informations-
beschaffung über das Trio und sein Unterstützerumfeld
genutzt wurden. Aufwand und Ertrag des Einsatzes von
V-Personen zur Aufklärung einer von Rechtsterrorismus
ausgehenden Gefahr standen nach Auffassung des Unter-
suchungsausschusses in keinem Verhältnis.
Die Verfassungsschutzbehörden auf Bundes- und Landes-
ebene führten mehrere V-Personen im Umfeld des Trios.
Diese lieferten jedoch nur vergleichsweise wenige Infor-
mationen zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.
Nachdem das Trio im Januar 1998 abgetaucht war, wurde
im BfV entschieden, den vorhandenen Quellen im Be-
reich Rechtsextremismus Lichtbilder von Mundlos,
Böhnhardt und Zschäpe vorzulegen. Die Ergebnisse die-
ser Aktion wurden nicht dokumentiert. Angeblich kannte
keine V-Person des BfV das Trio oder konnte sonstige
Erkenntnisse mitteilen. Aus den Akten des BfV ist aller-
dings ersichtlich, dass jedenfalls die Quelle Q1 im Jahr
1995 Kontakt zu Mundlos hatte. Die entsprechende Deck-
blattmeldung wurde aber offenbar bereits im Jahr 1998 im
BfV nicht in die Bearbeitung des Sachverhalts einbezogen
und tauchte erst jetzt im Zuge der Aufarbeitung wieder
auf. Fest steht, dass nach der Lichtbildvorlage nie wieder
bei den V-Personen in Sachen Trio nachgefragt wurde,
obwohl dem BfV zwischenzeitlich neue, wenn auch nur
wenige Informationen vorlagen. Es wäre jedenfalls den
Versuch wert gewesen, daran anknüpfend erneut Quellen
im Bereich Rechtsextremismus zu befragen.
Ebenso wenig wurde im BfV auch nur ansatzweise erwo-
gen, vorhandene Quellen gezielt einzusetzen, um Er-
kenntnisse über das Trio oder dessen Umfeld zu erlangen.
Dies verwundert umso mehr, als der Fall des unterge-
tauchten Trios im Referat für Rechtsterrorismus des BfV
bearbeitet und damit die Gefährlichkeit des Trios grund-
sätzlich richtig eingeordnet wurde.
Andere Verfassungsschutzbehörden hatten wiederum
Erkenntnisse zu dem untergetauchten Trio, die für die
zuständigen Ermittler anderer Dienststellen von großer
Bedeutung gewesen wären. Hinweise wie „Die Drei brau-
chen Geld“, „Die Drei brauchen Waffen“ oder „Die Drei
brauchen jetzt kein Geld mehr, weil sie 'jobben'„, hätten
Ermittler elektrisiert und wertvolle Ansätze für weitere
Untersuchungen gegeben. Aus oft nicht nachvollziehba-
ren Erwägungen wurden solche Hinweise aber nicht wei-
tergegeben, sondern verblieben ungenutzt in den Akten.
Die hierfür meist genannte Begründung „Schutz der eige-
nen Quellen“ vor Enttarnung überzeugt in ihrer Pauschali-
tät nicht. Es hätte Wege gegeben, die Informationen so
weiterzugeben, dass die jeweilige Quelle nicht enttarnt
wird – und diese Wege hätten nach Überzeugung des
Ausschusses gefunden und beschritten werden müssen.
Dies gilt insbesondere für die Information des Branden-
burger V-Manns Piatto, der im Spätsommer 1998 die
Information lieferte, Jan Werner solle Waffen für das
Trio beschaffen, das damit einen weiteren Überfall bege-
hen wolle. Leider hat diese überaus wertvolle Information
nie die für die Fahndung nach dem Trio zuständigen Poli-
zeibeamten des Thüringer LKA und auch nicht die Polizei
in Sachsen erreicht.
Festzustellen ist aber auch, dass die Unkultur des Zurück-
haltens von Informationen keineswegs nur ein Problem
des Verfassungsschutzes ist. Ein besonders eklatantes
Beispiel bot hier das LKA Berlin in den Jahren 2001 und
2002. Hinweise der V-Person Thomas Starke auf einen
möglichen Waffenhandel in der rechten Szene zwischen
Carsten Szczepanski und Jan Werner und auf mit Haftbe-
fehl wegen Sprengstoffbesitzes gesuchte Thüringer, die
jeden Polizisten aufhorchen lassen müssten, wurden of-
fenkundig nicht weitergegeben – weder an die zuständi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 857 – Drucksache 17/14600
gen Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden in Thüringen
und Sachsen noch innerhalb Berlins an die für den damals
in Haft befindlichen Jan Werner zuständigen Justizbehör-
den. Offenbar war es damals innerhalb des LKA Berlin
üblich, Informationen von V-Personen aus dem Bereich
des Staatsschutzes nicht an die zentrale V-Personen-
Führung weiterzuleiten, die für eine Unterrichtung der
Thüringer Behörden zuständig gewesen wäre.
Der Untersuchungsausschuss ist bei seiner Arbeit darüber
hinaus auf eine Reihe problematischer, teilweise inakzep-
tabler Umstände bei der Auswahl und Führung von V-
Personen gestoßen:
Das LfV Thüringen hat mit Tino Brandt, der als V-Mann
Otto, später Oskar, von 1994 bis 2001 tätig war, einen
führenden Kopf der Thüringer Neonaziszene als V-Mann
geführt. Bereits dieser Umstand ist aus Sicht des Untersu-
chungsausschusses äußerst problematisch, da die Zusam-
menarbeit mit Führungspersonen extremistischer Organi-
sationen bzw. Strukturen stets die Gefahr in sich birgt,
staatlicherseits steuernden oder auch nur zurechenbaren
Einfluss auf diese Organisationen oder Strukturen zu
nehmen.
Im Fall Brandt steht zudem im Raum, dass er vom Ver-
fassungsschutz vor anstehenden Exekutivmaßnahmen
gewarnt oder auf Ermittlungsverfahren gegen ihn einge-
wirkt worden sei. Brandt selbst hat in einem heimlich
aufgezeichneten Gespräch mit einem anderen Neonazi
behauptet, dass er vor Durchsuchungen gewarnt war und
seinen Computer vorher beiseite geschafft und durch ein
Altgerät ausgetauscht habe. Derartige Warnungen wurden
von den Zeugen aus dem LfV Thüringen durchweg be-
stritten. Es lässt sich jedoch feststellen, dass gegen Brandt
35 Ermittlungsverfahren (u. a. wegen Landfriedens-
bruchs) eingeleitet wurden, er jedoch nie rechtskräftig
verurteilt wurde. Der hier letztlich nicht nachweisbare
Vorwurf einer Warnung von Straftätern durch Verfas-
sungsschutzbehörden wurde im Falle einer Quelle des
Verfassungsschutzes Brandenburg in einem Gerichtsver-
fahren als nachgewiesener Sachverhalt festgestellt.
Brandt hat im Rahmen seiner Tätigkeit als V-Person
zudem nach Aktenlage bis zu 200 000 DM erhalten.
Brandt selbst behauptet, damit seine politische Arbeit
finanziert zu haben. Die hierzu als Zeugen gehörten Be-
hördenvertreter haben dies als bloße Schutzbehauptung
des ehemaligen V-Manns abgetan. Auch wenn nicht mehr
geklärt werden kann, wofür die Gelder verwendet wur-
den, zeigt dieses Beispiel, dass die finanzielle Entlohnung
von V-Personen stets mit dem Risiko abgewogen werden
muss, deren extremistische Arbeit finanziell zu unterstüt-
zen.
Durch die Entlohnung von V-Personen, die über Jahre
hinweg geführt werden, kann zudem ein Abhängigkeits-
verhältnis zwischen V-Person und Behörde entstehen.
Mag die Entlohnung der Höhe nach zwar so gestaltet sein,
dass sie nicht zur alleinigen Deckung des Lebensunter-
halts ausreicht, so kann doch über Jahre hinweg ein dau-
erhaft erhöhtes Einkommen erwirtschaftet werden, auf
welches die V-Person nicht mehr verzichten mag. Dies
kann dazu beitragen, dass eine V-Person nicht nur falsche
Informationen erfindet oder wichtige Erkenntnisse abge-
stuft in mehreren Teilen weitergibt, sondern auch allein
deshalb weiter an rechtsextremen Veranstaltungen teil-
nimmt, um das Einkommen nicht zu schmälern.
Der Ausschuss hat sich außerdem mit Carsten
Szczepanski befasst, der vom Verfassungsschutz Bran-
denburg als Quelle Piatto geführt wurde. Von „Piatto“
stammten im Spätsommer 1998 die wichtigen, wenn auch
letztlich polizeilich nicht genutzten, Informationen zur
angestrebten Bewaffnung des Trios sowie einem geplan-
ten Überfall. Dieser Umstand darf jedoch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass bereits die Entscheidung, Piatto als
V-Person zu führen, nach Überzeugung des Ausschusses
absolut inakzeptabel war. Szczepanski war wegen ver-
suchten Mordes an dem Asylsuchenden Steve E., der
beinahe zu Tode geprügelt und in einem See hilflos dem
Ertrinken preisgegeben wurde, zu einer Haftstrafe von
acht Jahren verurteilt worden. Er diente sich 1994 dem
Verfassungsschutz aus der Untersuchungshaft heraus als
Informant an, um Hafterleichterungen zu erlangen. Bis zu
seiner Enttarnung und Abschaltung im Juni 2000 hat
Piatto für seine Tätigkeit 50 000 DM erhalten. Genau
diese Summe schuldete er Steve E. als Schmerzensgeld.
Dieser hat davon jedoch nichts erhalten. Der Ausschuss
ist sich darin einig, dass Szczepanski aufgrund seiner
schweren Straftat niemals als V-Person hätte verpflichtet
werden dürfen.
Auch die nähere Untersuchung der Führung des V-Manns
Piatto brachte äußerst fragwürdige Umstände zu Tage.
Piatto wurde seitens des Verfassungsschutzes intensiv
betreut und konnte frühzeitig Haftausgänge unternehmen,
ein Praktikum und eine berufliche Tätigkeit in einem von
Neonazis geführten Unternehmen in der Nähe von Chem-
nitz wurde für seine Bewährung positiv gewürdigt. Der
Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass damalige
Mitarbeiter des Brandenburgischen Verfassungsschutzes
auf die Leitung der JVA Brandenburg a.d. Havel (und das
Justizministerium) eingewirkt haben, um einen quasi
unkontrollierten Postverkehr ihres V-Mannes „Piatto“
sicherzustellen, damit er ungestört seiner V-Mann-
Tätigkeit nachgehen konnte. Nach Aktenlage versuchte
der Verfassungsschutz, auf eine vorzeitige Entlassung
Szczepanskis hinzuwirken. Die Leitung der JVA Bran-
denburg, die von der V-Mann-Tätigkeit Szczepanskis
wusste, unterstützte dessen Entlassung nach Verbüßung
von zwei Dritteln der Haftstrafe. Schließlich wurde das
über die Entlassung befindende Gericht über Szczepanskis
weiterhin bestehende enge Verbindungen in die neonazis-
tische Szene getäuscht. Auf den Umstand, dass
Szczepanskis positive Sozialprognose wesentlich auf
dessen Beschäftigung in einem neonazistischen Szenela-
den eines „Blood & Honour“-Mitglieds gestützt wurde,
wurde das Gericht weder durch den brandenburgischen
Verfassungsschutz noch durch die JVA-Leitung hinge-
wiesen.
Anfang 2000, kurz vor dem Ende seiner V-Mann-
Tätigkeit trat Szczepanski in die NPD ein und ließ sich
auftragsgemäß in den Vorstand des NPD-
Landesverbandes Berlin-Brandenburg wählen und zwar
als Landesorganisationsleiter. Ein solcher Auftrag des
Drucksache 17/14600 – 858 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Verfassungsschutzes an eine Vertrauensperson ist sach-
widrig, da die Positionierung von V-Leuten in Entschei-
dungsgremien von Organisationen die Gefahr birgt, die
infiltrierte Organisation durch den Verfassungsschutz zu
beeinflussen. Letztlich ist V-Mann Piatto dem branden-
burgischen Verfassungsschutz aus dem Ruder gelaufen
und erwies sich als nicht führbar: Szczepanski wurde im
Dezember 2002 wegen Verstoßes gegen das Waffenge-
setz zu einer Geldstrafe verurteilt. Noch als V-Mann hatte
Szczepanski nach Feststellung des Gerichts Anfang 2000
– also kurze Zeit nach seiner vorzeitigen Haftentlassung –
eine Pistole und ein Gewehr von einem anderen Neonazi
bei sich versteckt, um ihn bei einer drohenden Durchsu-
chung zu schützen.
Auf Ebene des BfV hat der Ausschuss sich mit den Quel-
len Q1 bis Q3 befasst.
Die vom BfV geführte Quelle Q1 war über 18 Jahre als
V-Person tätig. Neben dem Aspekt der dauerhaften Fi-
nanzierung konnte der Ausschuss feststellen, dass es sich
negativ auswirkt, wenn eine V-Person über einen längeren
Zeitraum denselben V-Personen-Führer hat. Grundsätz-
lich steht die Arbeit der V-Personen-Führer in einem
Spannungsverhältnis zwischen Aufbau und Pflege eines
Vertrauensverhältnisses einerseits und der Gefahr einer
„Verbrüderung“ und Identifikation mit der V-Person
andererseits. Letztere steigt mit der Dauer der Beziehung
zwischen V-Personen-Führer und V-Person. Fehlende
Distanz und enge persönliche Bindung, die bei überlanger
VP-Führung entstehen können, hat die Befragung des
langjährigen VP-Führers der Quelle Q1 im Ausschuss
beispielhaft verdeutlicht.
Die Führung der Quelle Q1 war aus Sicht des Ausschus-
ses auch hinsichtlich der von Q1 entfalteten Aktivitäten in
der rechten Szene problematisch. Q1 half mit Billigung
des BfV in der Phase, als das Internet als Kommunikati-
onsmedium beliebter wurde, beim Aufbau rechtsextremer
Strukturen und Inhalte. Hierüber versprach sich das BfV
zwar Erkenntnisse über das Treiben der rechten Szene im
Internet, über Q1 wirkte es aber mittelbar zugleich am
Aufbau entsprechender Strukturen mit.
Mit der Quelle Q2 hat das BfV ein führendes Mitglied
einer rechtsextremistischen Organisation als V-Person
geführt. Die Anwerbung und Führung von V-Personen,
die bereits eine herausgehobene Stellung in ihrer Organi-
sation innehaben, ist aus Sicht des Ausschusses nur in
absoluten Ausnahmefällen vertretbar. Immerhin wurde
die Quelle abgeschaltet, nachdem bekannt wurde, dass sie
schwere Straftaten begangen hatte.
Das BfV führte außerdem die Quelle Q3, die Kontakte in
die neonazistische Skinhead-Szene hatte und zudem in
Sachsen geschäftlich aktiv war. Auch in diesem Fall
musste der Ausschuss feststellen, dass die Quelle über
zehn Jahre und damit eindeutig zu lang durch denselben
Mitarbeiter geführt wurde. Aus den vorliegenden Akten
ergibt sich, dass das Geschäft von Q3 Gegenstand einge-
hender Beobachtung durch das LfV Sachsen war. Der
Ausschuss konnte weder klären, ob das LfV Sachsen
wusste, dass es das Geschäft einer früheren V-Person des
BfV beobachtete, noch, welches Ziel mit der Beobach-
tung verfolgt wurde.
Einige der skizzierten Probleme, auf die der Ausschuss
bei der näheren Prüfung einer kleinen Auswahl von V-
Personen gestoßen ist, waren auch bereits Gegenstand
eines Positionspapiers des BKA aus dem Jahr 1997. Hie-
rin wurde etwa die Finanzierung von Szeneaktivitäten
durch Quellen des Verfassungsschutzes und die Warnung
von Quellen vor Exekutivmaßnahmen kritisiert. Das Pa-
pier war Gegenstand von Gesprächen zwischen BKA und
BfV. Allerdings führte dies offenbar nicht zu grundlegen-
den Änderungen der kritisierten Praktiken.
Nach den im vorliegenden Fall festgestellten Defiziten ist
der Ausschuss der Auffassung, dass Einsatz und Führung
von V-Personen einer grundlegenden Neuordnung bedür-
fen.
F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011
Ende Juni 2012 wurde bekannt, dass im Bundesamt für
Verfassungsschutz in den Tagen nach dem 4. November
2011 Akten vernichtet wurden, die wegen des vom Präsi-
denten erteilten Auftrags im gesamten Amt nach Informa-
tionen mit Bezug zur Terrorgruppe NSU zu suchen, ge-
sichtet worden waren. Diesen Vorfall wertet der Aus-
schuss als Belastung der nach dem 4. November 2011
gebotenen rückhaltlosen Aufklärung. Die Aktenvernich-
tung hat das Vertrauen in den Verfassungsschutz schwer
beschädigt.
Angesichts weiterer vernichteter oder zunächst nicht
aufgefundener Akten auch aus anderen Verfas-
sungsschutzbehörden stieß im Ausschuss die Kritik, die
an der Entscheidung der Landesregierung Thüringens
geübt wurde, die vollständigen Akten des Landesamtes
für Verfassungsschutz zum „Phänomenbereich Rechts“
zur Auswertung zu übergeben, auf großes Unverständnis
– zumal den Geheimhaltungsbedürfnissen durch eine
entsprechende Einstufung Rechnung getragen war. Die
Auswertung dieser Akten hat dem Ausschuss einen
exemplarischen Überblick zum Kenntnisstand einer Ver-
fassungsschutzbehörde ermöglicht.
Aktenvernichtungsstopp im Geschäftsbereich des BMI
erst im Juli 2012
Sicherheits- und Ermittlungsbehörden haben nach dem
4. November 2011 damit begonnen, ihre Dateien und
Akten zu überprüfen, ob und welche Informationen zu
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, zu ihrem Umfeld und
ihren Unterstützern einerseits und zu den im NSU-Video
gerühmten Taten und möglichen Verbindungen zu ande-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 859 – Drucksache 17/14600
ren unaufgeklärten Straftaten andererseits vorhanden
waren und übersehen oder falsch bewertet wurden. Teil-
weise dauert dieser durch die Einsetzung und die Arbeit
der Untersuchungsausschüsse intensivierte Prozess noch
an. Im Spannungsfeld zwischen dieser Aufklärungsnot-
wendigkeit und den routinemäßig weiter geltenden Vor-
schriften für Aufbewahrungsfristen, Löschung und Ver-
nichtung von Daten und Akten wurden in den Behörden
unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Sachgerecht
wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung mit den
Ländern ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt hätte.
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern
wurde im November 2011 zunächst lediglich angeordnet,
alle zum NSU-Komplex einschlägigen Unterlagen zu-
sammenzustellen. Der Ausschuss bewertet auch im Licht
des vom Generalbundesanwalt am 11. November 2011
eingeleiteten Ermittlungsverfahrens die Entscheidung als
falsch, damals kein Moratorium für die Vernichtung und
Löschung von Akten und Daten zu verhängen. Das später
dann doch angeordnete Moratorium unterstreicht, dass
rechtliche Bedenken einer solchen Entscheidung nicht
zwingend entgegengestanden hätten. Spätestens zum
Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses
wäre ein bundesweites Moratorium geboten gewesen.
Ein Vernichtungsmoratorium für alle Akten zu Vorgän-
gen und Personen aus dem Bereich Rechtsextremismus
hat das BMI erst am 18. Juli 2012 angeordnet, zwei Wo-
chen nachdem das nachgeordnete Bundesamt für Verfas-
sungsschutz einen entsprechenden Vernichtungsstopp
verhängt hatte. Im Zeitpunkt der Anordnung war das
Moratorium damit genauso ungeeignet, weil verspätet,
nicht erforderlich, weil weitgehend funktionslos, und
unangemessen, weil entbehrlich, wie es unverzüglich
nach dem Bekanntwerden des NSU und seiner Taten im
November 2011 geeignet, erforderlich, angemessen und
zweckmäßig gewesen wäre.
Unklare Rechts- und Vorschriftenlage für Aktenhal-
tung und Datenspeicherung
Im Rahmen der Beweisaufnahme haben sich sowohl bei
den rechtlichen Vorgaben für die Aktenführung und Da-
teienspeicherung als auch bei der Verwaltungspraxis des
BfV Mängel erwiesen, die Rechtsunsicherheit für die
handelnden Mitarbeiter zur Folge hatten. So stammte die
dem Ausschuss übergebene, 2011 geltende
Registraturanweisung des BfV aus dem Jahr 1984 und
machte ausführliche Vorgaben für Kopien auf Mikrofiche
– eine veraltete und zur Regelung des heutigen Umgangs
mit Akten und Daten ungeeignete Vorschrift.
Auch das Fehlen einer rechtsstaatlich gebotenen eindeuti-
gen und hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung
im BVerfSchG ist zweifellos mitursächlich für die im
BfV vorherrschende Verunsicherung der mit der Akten-
pflege und -vernichtung betrauten Beschäftigten. Die seit
mehreren Jahren bestehenden Auffassungsunterschiede
zwischen dem BMI und dem BfV auf der einen Seite und
dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informati-
onssicherheit (BfDI) auf der anderen Seite, welche
Rechtsvorgaben nach dem Bundesverfassungsschutzge-
setz für welche Datenspeicherungen und Aktenstücke
anzuwenden sind, unterstreicht nach Auffassung des Aus-
schusses gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Im Bun-
desverfassungsschutzgesetz muss Rechtsklarheit hinsicht-
lich der datenschutzrechtlichen Prüfung und Vernichtung
von elektronischen und Papierakten herbeigeführt werden,
um so die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben mit dem
grundrechtlich gebotenen Datenschutz in Einklang zu
bringen.
Vernichtung von Beschaffungs-Akten des BfV
Auf Anordnung eines Referatsleiters kam es im BfV im
November 2011 zur Vernichtung von insgesamt acht
Akten zu Beschaffungsvorgängen, die sieben Personen
betrafen. Die vernichteten Akten fielen nur zum Teil in
dessen Zuständigkeit. Die meisten Akten standen im
Zusammenhang mit der nachrichtendienstlichen Operati-
on „Rennsteig“ aus den Jahren 1997 bis 2003 – doch
wurden weder nur Akten aus dieser Operation noch die
betreffenden Akten vollständig vernichtet. Als das Fehlen
der Akten bemerkt wurde, wurde zunächst der Eindruck
erzeugt, sie seien bereits zu Jahresbeginn 2011 vernichtet
worden. Erst auf konkrete Nachfrage wurde die Amtslei-
tung am 27. Juni 2012 über den genauen Zeitpunkt der
Vernichtung unterrichtet. Diese Information wurde dann
unverzüglich durch die Amtsleitung an das aufsichtsfüh-
rende Bundesministerium des Innern und von dort an den
Ausschuss weitergegeben.
Der Ausschuss hat den vom Bundesminister des Innern
am 3. Juli 2012 bestellten Sonderbeauftragten zur Aufklä-
rung der Aktenvernichtungen im BfV mehrfach als Zeu-
gen gehört und seine Berichte zur Kenntnis erhalten. Er
hat zudem den früheren, auf seinen Wunsch am 2. Juli
2012 in den vorzeitigen Ruhestand versetzten BfV Präsi-
denten und den Referatsleiter, der die Vernichtung ange-
ordnet hatte, als Zeugen gehört. Der Ausschuss hat zum
ersten Bericht des Sonderbeauftragten aus dem Oktober
2011 umfangreiche Nachfragen gestellt, zu denen im
Dezember mit einem weiteren Bericht Stellung genom-
men wurde. Der Ausschuss hat ebenso wenig wie der
Sonderbeauftragte Anhaltspunkte dafür gefunden, dass
der Referatsleiter, der die Vernichtung angeordnet hat,
diese Entscheidung nicht eigenständig getroffen hat. Die
Erwägung des Sonderbeauftragten, Arbeitsvermeidung sei
Motiv der Vernichtung gewesen, hat den Ausschuss da-
gegen nicht überzeugt.
Die vernichteten Beschaffungsakten wurden im BfV
sofort nach Bekanntwerden des Datums ihrer Vernichtung
soweit rekonstruiert, wie das aus anderen Aktenbeständen
des Amtes sowie weiterer Behörden möglich war. Die
Klaridentitäten der V-Personen, Zahlungsströme und von
den Quellen gewonnene Informationen, die an andere
Stellen weitergegeben wurden, konnten wiederhergestellt
werden, die vollständige V-Personen-Akte nicht. Die
rekonstruierten Akten wurden ungeschwärzt zur Einsicht-
nahme zur Verfügung gestellt. Die Obleute haben nach
Einsichtnahme übereinstimmend bekundet, dass die wie-
derhergestellten Vorgänge weder Böhnhardt, Mundlos
oder Zschäpe betrafen noch konkrete Anhaltspunkte dafür
gefunden wurden, dass sich in den vernichteten Akten
Hinweise befanden auf die Existenz des NSU oder die
Drucksache 17/14600 – 860 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Verantwortung für die der Terrorgruppe zur Last gelegten
Taten.
Der Ausschuss hat den Sachverhalt auch anhand der von
einer Vielzahl von Behörden vorgelegten, umfangreichen
Unterlagen und den Aussagen der gehörten Zeugen über-
prüft.
Vernichtung von Akten zu G 10-Maßnahmen
Der Ausschuss bewertet die Vernichtung von Anlagen-
ordnern zu Anträgen auf Anordnung von G 10-
Maßnahmen in 26 Fällen, die jeweils Personen aus dem
Bereich Rechtsextremismus betrafen, nach dem 4. No-
vember 2011 als Fehler, der hätte vermieden werden
müssen und durch einen umfassenden Aktenvernich-
tungsstopp hätte vermieden werden können. Der Aus-
schuss hält es aufgrund der Ergebnisse seiner Beweisauf-
nahme für erwiesen, dass der Inhalt der vernichteten An-
lagenordner in mehreren Fällen G 10-Maßnahmen betraf,
die einen personellen Bezug zum Umfeld der Terrorgrup-
pe aufwiesen.
Die Vernichtung erfolgte zur Durchführung von Erlassen
des BMI, die zum Vernichtungszeitpunkt teils Jahre zu-
rücklagen. Nach den auf das G 10-Gesetz gestützten Er-
lassen des BMI hätten die Unterlagen damit längst vor
den Ereignissen des 4. November 2011 vernichtet sein
müssen. Der Zeitraum von mehreren Jahren zwischen
Anordnung und Vollzug der Vernichtung von Akten zu
G 10-Maßnahmen belegt, wie auch der Sonderbeauftragte
des BMI betont, ein „beklagenswertes“ Vollzugsdefizit
bei der Umsetzung von Anordnungen des BMI durch das
nachgeordnete BfV. Der Ausschuss bewertet den offenbar
seit langem bestehenden allgemeinen Rückstau bei der
gebotenen rechtzeitigen Vernichtung von G 10-
Unterlagen als einen rechtsstaatlich unhaltbaren Zustand,
der unverzüglich zu beseitigen ist.
Der Ausschuss unterstützt im Hinblick auf das Ergebnis
seiner Beweisaufnahme ausdrücklich die Empfehlung des
Sonderbeauftragten, eindeutige gesetzliche Regelungen
zu Datenspeicherung und Aktenhaltung, Datenlöschung
und Aktenvernichtung zu schaffen, die für die Bearbeite-
rinnen und Bearbeiter verständlich und möglichst unkom-
pliziert handhabbar sein müssen. Auch der Vorschlag des
Sonderbeauftragten, die Rolle des behördeninternen Da-
tenschutzbeauftragten im BfV zu stärken und ihn direkt
bei der Hausleitung anzubinden, wird vom Ausschuss
begrüßt.
Vernichtung von Akten beim MAD
Der Ausschuss hat festgestellt, dass entgegen der vom
Bundesministerium der Verteidigung ursprünglich gege-
benen grundsätzlichen Zusage, mit dem Ausschuss zu-
sammenzuarbeiten, die Aufklärungsarbeit des Ausschus-
ses bis zum Sommer 2012 durch das BMVg nicht unter-
stützt wurde. Die Leitungsebenen des Amts für den Mili-
tärischen Abschirmdienst (MAD) und des Verteidi-
gungsministeriums wussten bereits seit März 2012, dass
es einen Kontakt des MAD zu Mundlos während dessen
Wehrdienstzeit 1994/1995 gegeben hatte. Statt sich im
Sinne einer konsequenten Aufklärung bei anderen Behör-
den zu erkundigen, ob das Befragungsprotokoll, nach dem
ein Landesamt für Verfassungsschutz gefragt hatte, dort
noch existiere, entschied man, nichts zu unternehmen und
informierte auch den Untersuchungsausschuss über diesen
Vorgang nicht.
Ähnlich wurde mit der Personalakte von Mundlos verfah-
ren: Auszüge daraus waren dem Verteidigungsministeri-
um bereits im Dezember 2011 zur Beantwortung von
Presseanfragen vorgelegt worden, wurden danach aber
unmittelbar wieder vernichtet. Erst als Generalbundesan-
walt und BKA beim MAD nach dieser Personalakte frag-
ten, wurde vom Verteidigungsministerium dem MAD die
Aufgabe zugewiesen, die Anfrage zu beantworten und die
Akte zu übersenden. Dem Ausschuss wurde die Personal-
akte von Mundlos erst Monate später zur Erfüllung bereits
lange zuvor gefasster Beweisbeschlüsse zugeleitet.
Der Umgang des MAD mit Daten und Akten, die für den
NSU-Komplex relevant gewesen sein könnten, war zu
lange von mangelndem Verständnis für die Zusammen-
hänge, in denen sich der NSU und sein Umfeld bewegt
haben, gekennzeichnet. Ein Vernichtungsmoratorium für
alle Akten zum Rechtsextremismus hat der MAD erst auf
ausdrückliche Aufforderung des Ausschussvorsitzenden
am 19. Juli 2012 angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt waren
bereits mehrfach Akten zu Personen oder Gruppierungen
aus dem Bereich Rechtsextremismus vernichtet worden.
Angesichts der Themen der vernichteten Akten und der
dazu vom Ausschuss gesichteten Unterlagen anderer
Behörden ist es wenig wahrscheinlich, dass in den 17 vom
MAD gegenüber dem Ausschuss eingeräumten Fällen von
Aktenvernichtungen zum Bereich Rechtsextremismus
Vorgänge oder Personen betroffen waren, die einen Be-
zug zum NSU aufweisen. Eindeutig auszuschließen ist
dies aber im Fall der Unterlagen zur „Fränkischen Akti-
onsfront“ aus Nürnberg und einem ihrer führendem Akti-
visten, dessen Name auf der Telefonliste von Mundlos
steht, nicht. Damit zeigt dieser Vorgang, dass die Ver-
nichtung von Akten aus dem Bereich Rechtsextremismus
früher hätte gestoppt werden müssen. Der Ausschuss
betont: Akten zum Rechtsextremismus müssen solange
aufbewahrt werden, bis ausreichende Kenntnisse der
Zusammenhänge und Bezüge, in denen sich der NSU
bewegt hat, bestehen, um eine sachgerechte Sichtung von
Akten vor ihrer Vernichtung zu erlauben.
Aktenvernichtungen bei Berliner Behörden
In der Abteilung für Verfassungsschutz der Senatsverwal-
tung für Inneres und Sport des Landes Berlin kam es noch
bis Ende Juni 2012 zur Vernichtung von Aktenmaterial,
das einen Bezug zum NSU-Komplex hätte haben können,
etwa zu der Nazirockgruppe „Landser“, deren Mitglieder
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
verurteilt wurden. Auch in Berlin bestand kein Aktenver-
nichtungsmoratorium. Zu zögerlich war dem Ausschuss
auch die Zulieferung angeforderter und relevanter Akten
aus dem LKA Berlin. Der Ausschuss hat den zum Her-
gang der Vernichtung erstellten Bericht des vom Senator
für Inneres und Sport bestellten Sonderermittlers zur
Kenntnis genommen und den zuständigen Staatssekretär
Bernd Krömer als Zeugen gehört. Dieser hat dargelegt,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 861 – Drucksache 17/14600
dass die Vernichtung von Akten der Verfassungsschutz-
abteilung auf eine Verwechslung von zur Archivierung
und zur Vernichtung bestimmten Aktenbeständen zurück-
geht. Dies wertet der Ausschuss als Ausdruck mangelnder
Sensibilisierung. Aufgrund darin zum Ausdruck kom-
mender Organisationsmängel hat die frühere Leiterin der
Verfassungsschutzabteilung ihr Amt aufgegeben. In den
soweit als möglich rekonstruierten Akten sind die Namen
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nicht genannt. Die
Überprüfung damaliger Informationen zu Personen aus
dem Umfeld des NSU im LKA Berlin dauert nach Aus-
kunft des Senators für Inneres und Sport, Frank Henkel,
allerdings noch an.
G. Schlussfolgerungen
Die vom Untersuchungsauftrag gebotene und mit Erfolg
praktizierte Zusammenarbeit aller Fraktionen im Untersu-
chungsausschuss hat die Unterschiede der politischen
Überzeugungen nicht verwischt, sondern in ihrem Kern
klarer hervortreten lassen. Die Mitglieder des Ausschus-
ses sind über viele Fragen, die sich im Zusammenhang
mit dem Untersuchungsauftrag stellen, unterschiedlicher
Auffassung – so etwa beim
– Verfassungsschutz oder dem
– Einsatz von V-Personen.
Die gemeinsam erarbeiteten Untersuchungsergebnisse
haben jedoch die Überzeugung wachsen lassen, dass –
unabhängig von den bereits ergriffenen und eingeleiteten
Maßnahmen – eine Reihe von Korrekturen und Reformen
dringend geboten sind. Dazu geben die Mitglieder des
Ausschusses die folgenden Empfehlungen.
I. Empfehlungen für den Bereich der Polizei
Nach den Feststellungen des Ausschusses war die polizei-
liche Ermittlungsarbeit nicht ausreichend offen für unter-
schiedliche Ermittlungsrichtungen.
1. In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der
Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig
politisch motivierten Hintergrund haben könnten,
muss dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an
geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert wer-
den, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspu-
ren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkre-
ter Tatverdacht in eine andere Richtung ergibt. Ein
vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die
Tat muss von der Polizei beziehungsweise der Staats-
anwaltschaft verpflichtend aufgenommen und ange-
messen berücksichtigt werden. Es sollte beispielswei-
se auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den
polizeilichen Staatsschutz zu beteiligen und Informa-
tionen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen.
Dies sollte in die Richtlinien für das Straf- und das
Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in die einschlägi-
gen polizeilichen Dienstvorschriften aufgenommen
werden.
2. Notwendig ist eine neue Arbeitskultur, die anerkennt,
dass z. B. selbstkritisches Denken kein Zeichen von
Schwäche ist, sondern dass nur derjenige bessere Ar-
beitsergebnisse erbringt, der aus Fehlern lernt und
lernen will. Zentral ist dabei die Diskurs- und Kritik-
fähigkeit, d. h. es muss eine „Fehlerkultur“ in den
Dienststellen entwickelt werden. Reflexion der eige-
nen Arbeit und Umgang mit Fehlern sollte daher Ge-
genstand der polizeilichen Aus- und Fortbildung
werden. Mithilfe des Einsatzes von Supervision als
Reflexions- und Beratungsinstrument für Polizeibe-
amten sollen die Erfolge der individuellen Bildungs-
maßnahmen geprüft und nachhaltig gesichert werden.
Rotation sollte als Führungsinstrument eingesetzt
werden, um der Tendenz entgegenzuwirken, dass
sich Dienststellen abschotten.
3. Die Überprüfung ungeklärter Straftaten auf Bezüge
zu Rechtsterrorismus und insbesondere zur Terror-
gruppe NSU muss mit Hochdruck vorangetrieben
werden. Dabei sind entsprechend der Tatorte und
Tatzeiten der vom Ausschuss beleuchteten Fälle
Schwerpunkte zu setzen. Über die erzielten Zwi-
schenergebnisse ist regelmäßig dem Innenausschuss
des Deutschen Bundestages zu berichten. Die teilwei-
se eingeleitete Nachbewertung bisher fälschlich nicht
der politisch motivierten Kriminalität Rechts zu-
geordneter Tötungsdelikte und Sprengstoffanschläge
muss zeitnah zum Abschluss gebracht, ihre Ergebnis-
se transparent öffentlich gemacht und im Bundestag
debattiert werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses wurde die Ge-
fahr des gewaltbereiten Rechtsextremismus und Rechts-
terrorismus auch vom polizeilichen Staatsschutz völlig
falsch eingeschätzt. Die polizeiliche Analyse rechtsextre-
mistischer Gewalt war fehlerhaft, das Lagebild dadurch
unzutreffend. Die Erfassung rechtsmotivierter Straftaten
erfolgt bislang rein polizeilich über das derzeitige Defini-
tionssystem PMK (Politisch motivierte Kriminalität), das
große Schwächen hat. Dies zeigt sich exemplarisch an der
Debatte um die Anerkennung der Todesopfer rechter
Gewalt seit 1990.
4. Notwendig ist die grundlegende Überarbeitung des
„Themenfeldkatalogs PMK“ – unter Hinzuziehung
von Expertenwissen aus Wissenschaft und Zivilge-
sellschaft. Zweitens rät der Ausschuss dazu, einen
verbindlichen gegenseitigen Informationsaustausch
zwischen Polizei und Justiz einzuführen (ggf. eine
„Verlaufsstatistik PMK“) – zumindest bei PMK-
Gewaltdelikten.
5. Ermittler unterschiedlicher Fachzuständigkeiten müs-
sen dergestalt zusammenarbeiten, dass bei mutmaßli-
Drucksache 17/14600 – 862 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen Straftätern deliktsübergreifend ihre Gefährlich-
keit richtig eingeschätzt wird. Rädelsführer der
rechtsextremistischen Szene muss der Staatsschutz
im Blick haben – was nach dem „Blood & Honour“-
Verbot bei den Führungsfiguren der aufgelösten Or-
ganisation möglicherweise Kontakte zum Trio aufge-
deckt hätte.
Nach den Feststellungen des Ausschusses war es ein
Hindernis für die Ermittlungen zu der länderübergreifen-
den Tatserie der Česká-Morde, dass sie zwar koordiniert,
aber nicht einheitlich geführt wurden. Erfolgreiche Er-
mittlungen in komplexen Fällen bei Beteiligung verschie-
dener Polizeidienststellen erfordern eine zentrale ermitt-
lungsführende Dienststelle mit klar geregelten Weisungs-
befugnissen. Der Ausschuss hat den Bericht über die
Zusammenarbeit des BKA und der Polizeien der Länder
aus dem Jahr 2010 zur Kenntnis genommen und hält auch
diese überarbeiteten Leitlinien noch nicht für ausreichend:
6. Zentrale Ermittlungsführung heißt nach Auffassung
des Ausschusses keineswegs zwingend Ermittlungs-
führung durch das BKA. Auch für eine zentrale Er-
mittlungsführung durch eine Länderpolizei mit Wei-
sungsrecht gegenüber bei anderen Länderpolizeien
gebildeten regionalen Ermittlungsabschnitten müssen
rechtliche Grundlagen geschaffen werden. Dies kann
durch einen Staatsvertrag geschehen, den die Länder
gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundes schlie-
ßen. Die jeweilige Zuständigkeit soll sich dabei so
eng als möglich aus Kriterien der Tat oder Tatserie
(Tatorte, Beginn, Häufigkeit von Einzeltaten) erge-
ben, aber auch die Kapazität der beteiligten
Länderpolizeien berücksichtigen.
7. Die informationstechnischen Grundlagen für die
notwendige Vernetzung aller an einer Ermittlung be-
teiligten Dienststellen müssen jederzeit sofort ver-
fügbar sein. Es darf nicht nochmals vorkommen, dass
Zeit und Kraft dafür verloren gehen, unterschiedliche
Systeme wie „EASy“ und „INPOL Fall“ während ei-
ner laufenden Ermittlung zu verknüpfen. Die einge-
leiteten Maßnahmen, die Interoperabilität der Daten-
systeme zu schaffen, müssen zügig zu einem guten,
verfassungsrechtlich einwandfreien Ergebnis geführt
werden.
8. Sowohl in Nürnberg wie in Köln haben sich die Er-
mittler auf den Irrweg locken lassen, die Täter müss-
ten in der Nähe des Tatorts wohnen oder dort zumin-
dest einen „Ankerpunkt“ haben. Zentral geführte Er-
mittlungen mit Weisungsrechten für regionale Ermitt-
lungsabschnitte in anderen Bundesländern werden ei-
ner solchen örtlichen Verengung des Blickwinkels
ebenso entgegenwirken wie ein besseres Verständnis
von deutschlandweit und international agierenden
rechtsextremen Netzwerken.
9. Bei komplexen Verfahren fallen häufig eine Vielzahl
von Hinweisen, Spuren und Erkenntnissen an.
Gleichzeitig besteht gerade bei schweren Straftaten
mit ungeklärter Tatmotivation die Gefahr, dass die
Ermittlungen von eingefahrenen Denkmustern ge-
prägt sind und bleiben, so dass Ermittler Hinweisen
und Spuren, welche in andere Richtungen deuten, mit
geringerer Intensität nachgehen. Eine Organisations-
einheit innerhalb der ermittlungsführenden Dienst-
stelle, die sich der kontinuierlichen und kritischen
Evaluation der einzelnen Ermittlungsschritte und
Auswertungsergebnisse widmet, könnte rechtzeitig
falsche Schwerpunktsetzungen oder unterlassene Er-
mittlungsansätze identifizieren und ihnen entgegen-
wirken.
10. Es sind zeitnah die Voraussetzungen zu schaffen,
dass jederzeit eine bundesweite Abklärung möglich
ist, wie viele untergetauchte Rechtsextremisten mit
Haftbefehl gesucht und welche Straftaten ihnen zur
Last gelegt werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses war der Um-
gang mit den Opfern und ihrem Umfeld im Rahmen der
Ermittlungen in vielen Fällen nicht angemessen und sach-
gerecht.
11. Deutschlands Gesellschaft ist vielfältig – diese Viel-
falt müssen die Polizeibehörden widerspiegeln, mit
dieser Vielfalt müssen sie kompetent umgehen. Die
Bemühungen, junge Menschen unterschiedlicher
Herkunft für den Polizeiberuf zu gewinnen, müssen
intensiviert werden.
12. „Interkulturelle Kompetenz“ muss ein fester und
verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung
sein und zum professionellen Umgang mit gesell-
schaftlicher Vielfalt befähigen. Vordringlich die un-
mittelbaren Vorgesetzten der Kriminal- und Schutz-
polizeibeamten sollen durch Aus- und Fortbildung
sensibilisiert werden. Die Umsetzung der Aus- und
Fortbildungsziele in der Praxis muss kontinuierlich
überprüft werden.
13. Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise
Hinterbliebenen, deren nächsten Angehörigen und
ihnen nahestehender Personen ist eine – für die Opfer
und ihre Angehörigen, für den Erfolg von Ermittlun-
gen und das Vertrauen der Bevölkerung in den
Rechtsstaat – wichtige Aufgabe, die von dafür spezi-
ell geschulten Beamten wahrgenommen werden soll.
14. Opferzeugen müssen, wenn sie bei Ermittlungen
befragt werden oder selbst Anzeige erstatten, ver-
pflichtend und wenn erforderlich in ihrer Mutterspra-
che auf ihr Recht hingewiesen werden, dass neben
einem Anwalt auch eine Person ihres Vertrauens an
der Vernehmung teilnehmen kann. Dieser Hinweis
muss dokumentiert werden.
15. Opfer mutmaßlich rassistisch oder anderweitig poli-
tisch motivierter Gewalt müssen, wenn sie Anzeige
erstatten, Strafantrag stellen oder als Zeuge vernom-
men werden, auf die spezialisierten Beratungsange-
bote auch in freier Trägerschaft und auf Entschädi-
gungsansprüche für Betroffene solcher Straftaten
hingewiesen werden und deren Kontaktdaten ausge-
händigt erhalten. Auch diese Hinweise müssen do-
kumentiert werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 863 – Drucksache 17/14600
Nach den Feststellungen des Ausschusses haben neben
strukturellen auch schwere individuelle Fehler zum Schei-
tern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
seit dem 26. Januar 1998 geführt. Alle Organisationen
und Institutionen müssen damit rechnen, dass immer
wieder von Einzelnen Fehler gemacht werden – und sie
müssen Vorsorge dafür treffen, dass solche Fehler erkannt
und korrigiert werden können. Hier haben Behördenlei-
tung und Fachaufsicht besondere Verantwortung.
16. Laufende, aber erfolglos bleibende Ermittlungen zu
herausragend schweren Straftaten sollten nach einer
bestimmten Zeit von Grund auf nochmals durch bis-
her nicht mit dem Fall befasste erfahrene Ermittler
überprüft werden. Auch in diesem Zusammenhang ist
die Entwicklung einer internen Fehlerkultur von be-
sonderer Bedeutung.
17. Als ungelöst abgeschlossene Fälle schwerer Strafta-
ten sollten bei Fortschritten insbesondere der techni-
schen Ermittlungsmöglichkeiten daraufhin gesichtet
werden, ob erfolgversprechende Ermittlungsansätze
gewonnen werden können und dann gegebenenfalls
neu aufgerollt werden („cold case units“).
Nach den Feststellungen des Ausschusses wurden im
Bundeskriminalamt vorhandene Daten und Recherche-
möglichkeiten durch die Länderpolizeien für die Ermitt-
lungen mehrfach nur unvollständig genutzt.
18. Zu den Zentralstellenaufgaben des BKA muss es
deshalb künftig gehören, bei Anfragen zu schweren
Straftaten zu prüfen, ob die gestellten Anfragen alle
Informationsmöglichkeiten ausschöpfen, die das
BKA bieten kann. Zu bestehenden zusätzlichen In-
formationsmöglichkeiten soll den ermittelnden Poli-
zeidienststellen Beratung und Hilfeleistung angebo-
ten werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses wurde die Ge-
fahr von Rechtsterrorismus auch vom polizeilichen
Staatsschutz völlig falsch eingeschätzt.
19. Die Ermittlungen zu Fällen, die der Untersuchungs-
ausschuss beleuchtet hat, sollen in der Aus- und Fort-
bildung für Polizisten aller Laufbahnen in Bund und
Ländern in geeigneter Weise behandelt werden. In
der Aus- und Fortbildung für Führungskräfte sollen
die Fälle analytisch aufgearbeitet und szenarienmäßig
durchgespielt werden.
20. In der Aus- und Fortbildung müssen Grundlagen für
eine reibungslose Zusammenarbeit aller Polizeibe-
hörden in der föderalen Sicherheitsarchitektur gelegt
und Verständnis für die unterschiedlichen Aufgaben
unterschiedlicher Sicherheitsbehörden geweckt wer-
den.
21. Die Aus- und Fortbildung der Polizeien muss insbe-
sondere für den Staatsschutz die Grundlage dafür le-
gen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus
in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden. Zu-
dem sollen in die Aus- und Fortbildung auch die
Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisatio-
nen einbezogen werden.
II. Empfehlungen für den Bereich der Justiz
Bei der Mehrheit der Straftaten, zu denen der General-
bundesanwalt aktuell ermittelt und Anklage erhoben hat,
hielt er sich nach dem Ergebnis seiner Prüfungen vor dem
4. November 2011 für nicht zuständig. Nach den Feststel-
lungen des Ausschusses erfolgten die Prüfungen seiner
Zuständigkeit durch den Generalbundesanwalt auf unge-
nügender Grundlage.
22. Beim Generalbundesanwalt müssen künftig Quali-
tätsstandards für die Prüfvorgänge seiner Zuständig-
keit in Staatsschutzsachen (ARP-Vorgänge) gelten.
Diese Prüfvorgänge müssen den jeweils aktuellen po-
lizeilichen Sachstands- oder Ermittlungsbericht und
eine Stellungnahme der aktuell verfahrensführenden
Staatsanwaltschaft enthalten.
23. Für die Zuständigkeit des GBA sollte der Gesetzge-
ber beim Erfordernis des Staatsschutzbezugs des zu
verfolgenden Kapitaldelikts einen größeren Spiel-
raum eröffnen. Bisher fordert § 120 Abs. 2 Nr. 3
GVG, dass ein Kapitaldelikt „bestimmt und geeignet
ist“, den Bestand eines Staates oder Verfassungs-
grundsätze zu beeinträchtigen. Künftig sollte hier le-
diglich gefordert werden, dass die Tat „bestimmt und
geeignet sein kann“.
24. Das gesetzliche Erfordernis der besonderen Bedeu-
tung einer Straftat als Voraussetzung einer Zustän-
digkeit des GBA wird von der Rechtsprechung eng
ausgelegt. Der Gesetzgeber sollte hier durch Bildung
von Regelbeispielen schwerpunktmäßig deutlich ma-
chen, für welche Kapitaldelikte eine Zuständigkeit
des GBA bestehen soll.
25. Die Verpflichtung der Staatsanwaltschaften der Län-
der, in entsprechenden Fällen dem GBA Informatio-
nen zur Prüfung seiner Zuständigkeit zu übermitteln,
die bisher in Nr. 202 der Richtlinien für das Straf-
und Bußgeldverfahren geregelt ist, sollte im Ge-
richtsverfassungsgesetz verankert werden.
26. Der Ausschuss erwartet, dass die eine Zuständigkeit
des GBA begründenden Vorschriften in allen
Phänomenbereichen politisch motivierter Kriminali-
tät nach den gleichen Maßstäben angewandt werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses hat es die Er-
mittlungen erschwert, dass es nicht zu einem staatsan-
waltschaftlichen Sammelverfahren kam – denn als Ermitt-
lungsbehörde wird die Polizei unterstützend für die zu-
ständige Staatsanwaltschaft tätig, bei der die Sachlei-
tungsbefugnis liegt. Der beste Weg zu einer einheitlichen
Ermittlungsführung ist deshalb eine einheitliche staatsan-
waltschaftliche Verfahrensführung – in der Regel durch
ein staatsanwaltschaftliches Sammelverfahren, in den
Fällen seiner Zuständigkeit durch den Generalbundesan-
walt.
27. Die Führung eines Sammelverfahrens nach Maßgabe
der Nr. 25 ff. der Richtlinien für das Straf- und das
Bußgeldverfahren (RiStBV) darf im Interesse einer
zügigen und wirksamen Strafverfolgung nicht an ei-
Drucksache 17/14600 – 864 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ner zu restriktiven Einschätzung der dort genannten
Kriterien scheitern.
28. § 143 Abs. 3 GVG sollte um eine Bestimmung er-
gänzt werden, die ausdrücklich festlegt, dass sich
„übernahmewillige“ oder „abgabewillige“ Staatsan-
waltschaften zur Herstellung einer Sammelverfah-
renszuständigkeit antragstellend an den GBA wenden
können.
Nach den Feststellungen des Ausschusses ist die Auswahl
der bearbeitenden Staatsanwälte nach allgemeinen Ge-
schäftsverteilungskriterien bei komplexen Großverfahren
wie den vom Ausschuss untersuchten nicht immer sach-
gerecht.
29. Der Ausschuss empfiehlt daher, in solchen Fällen die
Vorschrift des § 145 GVG auch tatsächlich zu nut-
zen, die eine gezielte Auswahl eines geeigneten sach-
leitenden Staatsanwalts durch die Behördenleitung
ermöglicht.
30. Auch die Aus- und Fortbildungsangebote für Richter
und die Aus- und Fortbildung für Staatsanwälte und
Justizvollzugsbedienstete müssen die Grundlage da-
für legen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterro-
rismus in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt wer-
den. Auch hier sollen in die Aus- und Fortbildung die
Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisatio-
nen einbezogen werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses wurden nach
den damaligen Ermittlungen zu Straftaten, die der GBA in
seine Anklage vor dem OLG München einbezogen hat, in
mehreren Fällen Asservate vernichtet, die heute bedeut-
sam sein könnten.
31. Gesetzlich geregelt werden sollte, dass Asservate zu
ungeklärten Verbrechen nicht vor Ablauf der jeweili-
gen gesetzlichen Verjährungsfrist (bzw. frühestens
nach Ablauf der längsten gesetzlichen Verjährungs-
frist bei nicht verjährenden Verbrechen) amtlich ver-
nichtet werden dürfen.
III. Empfehlungen für den Bereich der Verfas-
sungsschutzbehörden
Nach den Feststellungen des Ausschusses hatten mehrere
Verfassungsschutzbehörden Informationen gewonnen, die
für die Suche nach dem Trio bedeutsam gewesen wären.
Diese Informationen wurden aber teilweise nicht oder
unzureichend ausgewertet, nirgends zusammengeführt
und nicht verlässlich für die Ermittlungen nutzbar ge-
macht. Die unterschiedlichen Schlussfolgerungen der
Fraktionen dazu reichen von Empfehlungen für verbesser-
te Auswertung und Informationsweitergaberegelungen bis
zur Abschaffung der Verfassungsschutzbehörden in der
jetzigen Form, beginnend mit der Abschaffung nachrich-
tendienstlicher Mittel. Entsprechend sind die nachfolgen-
den gemeinsamen Empfehlungen als Sofortmaßnahmen
und Minimalkonsens zu verstehen – da DIE LINKE den
Verfassungsschutz als Inlandsnachrichtendienst letztlich
abschaffen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihn auflö-
sen und neu strukturieren wollen.
32. Künftig muss sichergestellt sein, dass im Verfas-
sungsschutzverbund vorliegende Informationen von
länderübergreifender Bedeutung zentral zusammen-
geführt und auch tatsächlich gründlich ausgewertet
werden sowie die Ergebnisse dieser Auswertung al-
len zuständigen Verfassungsschutzbehörden zur Ver-
fügung stehen. Zur Vermeidung von Doppelarbeit
muss für eine effiziente Abstimmung im Verfas-
sungsschutzverbund Sorge getragen sein.
33. Die aufgrund der geltenden Rechtslage ohnehin be-
stehende Verpflichtung, die Vorschriften für die
Übermittlung von Informationen der Nachrichten-
dienste von Bund und Ländern an die Strafverfol-
gungsbehörden konsequent anzuwenden, muss unter
Beachtung des Trennungsgebotes umgesetzt werden.
34. In allen Verfassungsschutzbehörden muss durch
Controlling für einen sorgsamen und effektiven Um-
gang mit den vorliegenden Informationen gesorgt
werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses waren die im
BfV im Untersuchungszeitraum geltenden Vorschriften
für die Datenspeicherung und Datenlöschung, Aktenhal-
tung und Aktenvernichtung nicht zeitgemäß. Als Sofort-
maßnahmen empfiehlt der Ausschuss:
35. In den gesetzlichen Grundlagen der Nachrichten-
dienste muss Rechtsklarheit hinsichtlich der daten-
schutzrechtlichen Prüfung und Vernichtung von
elektronischen und Papierakten herbeigeführt wer-
den, um so die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben
des grundrechtlich gebotenen Datenschutzes und der
rechtsstaatlichen Grundsätze der Aktenklarheit und
Aktenwahrheit zu gewährleisten.
36. In den Nachrichtendiensten müssen auf der aktuali-
sierten gesetzlichen Grundlage Vorschriften und
Dienstanweisungen zu Datenspeicherung und Akten-
haltung, Datenlöschung und Aktenvernichtung ge-
schaffen werden, die für die Bearbeiterinnen und Be-
arbeiter verständlich und möglichst unkompliziert
handhabbar sind.
37. Die Rolle des behördeninternen Datenschutzbeauf-
tragten in den Nachrichtendiensten soll gestärkt und
dieser direkt an die Amtsleitung angebunden werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses wurde die Ge-
fahr von Rechtsterrorismus von den Verfassungsschutz-
behörden völlig falsch eingeschätzt. Solchen Fehlein-
schätzungen kann aus Sicht des Ausschusses durch Maß-
nahmen begegnet werden, die unter anderem auf eine
„Öffnung“ des Verfassungsschutzes zielen.
38. Der Verfassungsschutz braucht mehr Wissen und
eine größere Sensibilität für die Gefahren, die Demo-
kratie und Menschenwürde in Deutschland durch die
Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts und
rechtsextremer Strukturen drohen. In den Verfas-
sungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentali-
tätswechsel und ein neues Selbstverständnis der Of-
fenheit gebraucht – und keine „Schlapphut-Haltung“
der Abschottung.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 865 – Drucksache 17/14600
39. Die Verfassungsschutzbehörden werden durch Öff-
nung gewinnen. Sie müssen sich im Bereich der Per-
sonalgewinnung und in ihrer Arbeitsweise deutlich
verändern. Dazu gehören u. a. die Öffnung der Aus-
bildungswege und die Einstellung von Quereinstei-
gern, mehr Mitarbeitertausch mit anderen Behörden
auch außerhalb des Geschäftsbereichs des BMI sowie
die laufende inhaltliche Auseinandersetzung mit Wis-
senschaft und Zivilgesellschaft.
40. Die Verfassungsschutzbehörden müssen mit gesell-
schaftlicher Vielfalt kompetent umgehen. Das muss
sich auch in ihrem Personalbestand widerspiegeln.
Wie auch bei der Polizei müssen Interkulturelle
Kompetenz, Diskursfähigkeit und eine Fehlerkultur
zum Leitbild gehören und durch intensive Aus- und
Fortbildung entwickelt werden.
Nach den Feststellungen des Ausschusses fehlte es im
Untersuchungszeitraum weitgehend an einer parlamenta-
rischen Kontrolle der Arbeit der Verfassungsschutzbehör-
den zum Untersuchungsgegenstand.
41. Es bedarf der Stärkung einer systematischen und
strukturellen Kontrolle. Einzelne Tätigkeitsbereiche
der Nachrichtendienste, so beispielsweise auch der in
der Arbeit des Untersuchungsausschusses als höchst
problematisch erkannte Bereich des Einsatzes von V-
Personen, müssen gezielt untersucht werden. Die par-
lamentarischen Kontrollgremien müssen schlagkräf-
tiger werden und eine dauerhafte Kontrolltätigkeit
ausüben können. Dafür bedarf es einer ausreichenden
professionellen Personal- und Sachausstattung.
42. Hinsichtlich der Anhörungsrechte der parlamentari-
schen Kontrollgremien sollte gesetzlich die Möglich-
keit eröffnet werden, in Fällen, in denen neben den
Nachrichtendiensten beispielsweise auch andere Be-
hörden (BKA, ZKA, Landesbehörden für Verfas-
sungsschutz, Bundesanwaltschaft, Wehrdisziplinar-
anwalt o. ä.) involviert sind, auch Angehörige dieser
Behörden anzuhören, um sich besser Klarheit über
den Sachverhalt verschaffen zu können. § 5 Abs. 2
Satz 1 PKGrG müsste demnach um „sonstige Perso-
nen“ erweitert werden.
43. Im Falle kooperativer Tätigkeiten der Dienste in
Bund und Ländern soll sich das PKGr mit den Kont-
rollgremien der beteiligten Bundesländer ins Beneh-
men setzen.
IV. Empfehlungen für den Bereich Vertrauens-
leute der Sicherheitsbehörden
Nach den Feststellungen des Ausschusses bestanden im
Untersuchungszeitraum schwere Mängel bei der Gewin-
nung und Führung von Quellen sowie der Verwertung der
durch sie gewonnenen Informationen. Über Schlussfolge-
rungen und Empfehlungen hinsichtlich des weiteren Ein-
satzes von V-Leuten herrscht unter den Fraktionen kein
Konsens. Die folgenden Maßnahmen sind daher als So-
fortmaßnahmen und Minimalkonsens zu verstehen – da
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den
Einsatz von V-Personen in Polizei und Nachrichtendiens-
ten letztlich verzichten wollen.
44. Der Ausschuss empfiehlt klare gesetzliche Regelun-
gen schon im Hinblick auf einen einheitlichen
Sprachgebrauch für menschliche Quellen – Quellen,
die gelegentlich unentgeltlich Informationen geben,
sei es auf eigene Initiative oder nach Ansprache
durch eine Sicherheitsbehörde; Quellen, die gelegent-
lich Informationen geben und dafür Gegenleistungen
erhalten; Quellen, die sich zur Zusammenarbeit ver-
pflichtet haben und in diesem Rahmen Gegenleistun-
gen erhalten.
45. Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich
der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten (u. a.
bezüglich Vorstrafen), für deren Anwerbung und die
Beendigung der Zusammenarbeit.
46. Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich
der Dauer der Führung einer Quelle durch einen Mit-
arbeiter einer Sicherheitsbehörde, die das Entstehen
eines zu engen persönlichen Verhältnisses unterbin-
den.
47. Der Quellenschutz ist nicht absolut. Der Schutz von
Leib und Leben der Quelle sowie anderer Personen,
die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden
und die berechtigten Belange von Strafverfolgung
und Gefahrenabwehr sind in ein angemessenes Ver-
hältnis zu bringen.
H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung
Zahllose zivilgesellschaftliche Initiativen, engagierte
Einzelpersonen, Vereine, Runde Tische und Stiftungen in
Ost- und Westdeutschland leisten seit vielen Jahren einen
unverzichtbaren Beitrag bei der gesellschaftlichen und
politischen Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemi-
tismus, Rechtsextremismus und andere Formen des Phä-
nomens der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“.
Sie unterstützen Opfer neonazistischer und rassistischer
Gewalt, sie beraten Kommunal- und Landes-
Politikerinnen und -Politiker, sie organisieren Projektwo-
chen an Schulen, klären über geplante Neonaziaufmär-
sche, -hauskäufe und -konzerte auf, organisieren friedli-
che und gewaltfreie Proteste, wenn Neonazis aufmar-
schieren, begleiten Aussteigerinnen und Aussteiger, und
informieren Pädagoginnen und Pädagogen über neonazis-
tische Musik und Lifestyle-Accessoires, damit diese in
Schulen oder Jugendeinrichtungen kompetent reagieren
können. Zivilgesellschaftliche Initiativen sind unverzicht-
bar, nicht nur als Frühwarnsystem. In manchen ländlichen
Regionen, wo demokratische Werte und Normen, aber
Drucksache 17/14600 – 866 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
auch Repräsentantinnen und Repräsentanten demokrati-
scher Institutionen zu wenig präsent sind, gehören sie zu
den Wenigen, die sichtbar und aktiv für die freiheitlich-
demokratische Grundordnung eintreten – und die für ihr
demokratisches Engagement von Neonazis bedroht und
angegriffen werden. Dieses Engagement muss unterstützt,
ausreichend gefördert, ausgebaut und verstetigt werden.
Erweiterung der Bundesförderung
Aufgrund ihrer Bedeutung in der Auseinandersetzung mit
Rechtsextremismus und Rassismus werden seit 2001
zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen gegen
Rechtsextremismus und den damit verbundenen Rassis-
mus durch den Bund – das Bundesministerium für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend, das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium des
Innern – und die Länder in Rahmen von anteiliger Ko-
Finanzierung oder eigene Länderprogramme gefördert.
Bislang war die Förderung durch die jeweiligen Bundes-
programme allerdings zeitlich befristet und hat sich vor
allem auf die östlichen Bundesländer konzentriert. Hier
sind innerhalb der letzten zehn Jahre professionelle, effek-
tive und positiv evaluierte Beratungsstrukturen entstanden
– insbesondere durch die Mobilen Beratungsteams und
die spezialisierten Opferberatungsstellen für Betroffene
von PMK-Rechts Gewalttaten. In den vergangenen Jahren
hat sich gezeigt, dass die professionelle Unterstützung
von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer
Gewalt – wie sie durch die Opferberatungsstellen in freier
Trägerschaft geleistet wird – unverzichtbar ist. Auch
haben sich die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsex-
tremismus als hochwirksam erwiesen. Hier haben die
Ausrichtung und Professionalität der ostdeutschen Projek-
te in freier Trägerschaft Vorbildcharakter.
Doch rassistische Gewalt und vielfältige neonazistische
Aktivitäten sind ein gesamtdeutsches Problem – von des-
sen Ausmaß in den westlichen Bundesländern sich der
Ausschuss ein eindrückliches Bild verschaffen konnte.
Allerdings fehlen hier mit den in den ostdeutschen Län-
dern vergleichbare flächendeckende Beratungsstrukturen
– so erhalten die Landesnetzwerke für die Aufgabe, Opfer
rassistischer und rechtsextremistischer Gewalt zu beraten,
in einigen westdeutschen Bundesländern jährlich jeweils
weniger als 10 000 Euro an staatlicher Förderung. Das ist
auch unter Berücksichtigung der Unterschiede bei den
Pro-Kopf-Fallzahlen rechtsextremer und rassistischer
Gewalt zu wenig.
Im Rahmen des beim Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend angesiedelten Bundespro-
gramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ mit
einem Gesamtetat von 24 Millionen Euro jährlich sind
zwar mittlerweile in allen Bundesländern so genannte
Landesberatungsnetzwerke aufgebaut worden; doch das
Programm läuft zum 31. Dezember 2014 aus und die Ko-
Finanzierung der Länder ist unterschiedlich hoch. Hinzu
kommen jeweils jährlich 2 Millionen Euro, die im Bun-
desetat für die Arbeit der Bundeszentrale für politische
Bildung in 2013 und darüber hinaus zusätzlich zur Stär-
kung von Prävention zur Verfügung gestellt werden.
Damit sollen die Schwerpunkte im Bereich der präventi-
ven Bildungsarbeit gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus weiter entwickelt werden und die Arbeit der
freien Träger in diesem Themenfeld gestärkt werden. Das
Bundesinnenministerium fördert zudem in einem eigenen
Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ seit 2010 –
und noch bis Ende 2016 – in ländlichen und struktur-
schwachen Gegenden Projekte, die für eine demokrati-
sche Gemeinwesenkultur eintreten.
Die Sachverständigen Prof. Barbara John und Britta
Schellenberg haben die Bedeutung der spezialisierten
Beratungsprojekte und des zivilgesellschaftlichen Enga-
gements gegen Rassismus und Rechtsextremismus betont.
Sie haben auch empfohlen, diese Ansätze zu verstetigen
und auszubauen. Um den dringend notwendigen Ausbau
der professionellen Beratungsprojekte für Betroffene
rechter und rassistischer Gewalt sowie der Mobilen Bera-
tungsteams auch in den alten Bundesländern analog den
professionellen Qualitätsstandards der Beratungsprojekte
und Mobilen Beratungsteams in den neuen Bundesländern
und Berlin zu ermöglichen sowie den Erhalt letzterer zu
sichern und drohende Kürzungen zu verhindern, wäre aus
Sicht des Ausschusses ein deutlich höheres Fördervolu-
men erforderlich als bisher im Bundesprogramm „Tole-
ranz fördern – Kompetenz stärken“ zur Verfügung steht.
Eine solche bedarfsgerechte Erhöhung des bisherigen
Budgets wäre ein wichtiges politisches Signal an die
Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt sowie an die
von neonazistischen Aktivitäten betroffenen Kommunen,
dass sie nicht alleine gelassen werden. Mit der Erhöhung
des jährlichen Budgets sollte zum einen gewährleistet
werden, dass die Beratungsprojekte mindestens zu 50 %
durch Bundesmittel gefördert werden. Zudem sollte die
Praxis der so genannten Ko-Finanzierungspflicht für
Modellprojekte überprüft werden, die personelle Ressour-
cen der Projektträger bindet und damit einer effektiven
Arbeit der Projekte entgegenwirkt. Dies gilt auch für
bewährte und entsprechend positiv evaluierte Ansätze der
präventiven Bildungsarbeit gegen Rassismus und Rechts-
extremismus.
Verstetigung der Unterstützung durch den Bund
Der Ausschuss spricht sich mit Nachdruck für eine Neu-
ordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engage-
ments gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsex-
tremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Pla-
nungssicherheit bietet. Er schließt sich insofern der drin-
genden Empfehlung der Sachverständigen Prof. John und
Schellenberg an. Die dafür gewählte Organisationsform
muss aus Sicht des Ausschusses eine Beteiligung der
zivilgesellschaftlichen Initiativen an der Entwicklung der
Förderkonzepte gewährleisten. Dass verfassungsrechtli-
che Bedenken einer langfristigen, dauerhaften Finanzie-
rung der Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratie-
förderung durch eine eigenständige Institution auf Bun-
desebene nicht entgegenstehen, haben Prof. Dr. Dr. h.c.
Ulrich Battis (HU Berlin) und Prof. Dr. Klaus Joachim
Grigoleit (TU Dortmund) überzeugend dargelegt.
7395
Die
7395) Gutachten zur Verstetigung der finanziellen Mittel zur Demo-
kratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus, erstellt im
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 867 – Drucksache 17/14600
Verteidigung der Menschenwürde, die Förderung demo-
kratischer Kultur und die Bekämpfung von Rassismus,
Antisemitismus und Neonazismus ist auch nach Auffas-
sung des Ausschusses selbstverständlich ebenso eine
staatliche wie auch eine gesamtgesellschaftliche Verant-
wortung. Gesellschaftliche Projekte, die sich der Wahr-
nehmung dieser Verantwortung in besonderer Weise
annehmen, bedürfen eines gewissen Maßes an Finanzie-
rungssicherheit. Diese wäre auf bundesgesetzlicher Basis
auch unter Einbeziehung der Länder zu gewährleisten.
Zivilgesellschaftliche Erfahrungen und Kompetenzen
einbeziehen
Bei der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung
der zukünftigen Förderung und jedenfalls übergangsweise
eines aufgabengerechten Nachfolgeprogramms für „Tole-
ranz stärken – Kompetenz fördern“ sollten die Erfahrun-
gen und Kompetenzen der zivilgesellschaftlichen Initiati-
ven und Projekte mit einbezogen und gleichberechtigt
berücksichtigt werden. Bei der Entwicklung der Struktu-
ren, Inhalte und der Förderlinien müssen die Ergebnisse
der unabhängigen wissenschaftlichen Evaluationen der
bisherigen Bundesprogramme berücksichtigt werden.
Um auch künftig die Entwicklung innovativer Konzepte
in der Rechtsextremismusprävention zu unterstützen,
müssen Optionen für die Finanzierung von mehrjährigen
Erprobungsphasen von sozialraumbezogenen und überre-
gionalen Modellen in der Bildungs- und Beratungsarbeit
erhalten bleiben. Im präventiven Bereich sollten strategi-
sche und positiv evaluierte Ansätze und Strukturen bei-
spielsweise aus dem Bereich der historisch-politischen
Bildung, der Bildungsarbeit unter Gleichaltrigen, der
geschlechtersensiblen Auseinandersetzung mit der Neo-
naziszene, der Öffentlichkeitsarbeit oder der Arbeit zum
Thema Rechtsextremismusprävention im Internet und in
den Sozialen Netzwerken identifiziert und zu ganzheitli-
chen Ansätzen auf Bundes-, Landes- und kommunaler
Ebene weiter entwickelt werden.
Ziel der Maßnahmen ist die Verstetigung der Förderung
für die Mobile Beratung und die Opferberatung in freier
Trägerschaft. Hinzu kommt die Sicherung für Strukturen,
die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren spezifisch und
zielgruppengenau sensibilisieren und thematisch ausbil-
den, für Organisationen und Initiativen, die präventive
Aufklärungs-, Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit ma-
chen. Nichtstaatliche Beratungsangebote für Ausstiegs-
willige, regionale Netzwerkbüros zur Beratung von Initia-
tiven im Arbeitsfeld sowie lokale Aktionspläne zur Förde-
rung von lokalen Strategien der Zivilgesellschaft sind
über diese Maßnahmen ebenso zu fördern wie ein bun-
desweites unabhängiges Monitoring rechter, rassistischer
Auftrag des Zentralrats der Juden in Deutschland, kirchlicher
Vereine und Initiativen wie der „Bundesarbeitsgemeinschaft
Kirche & Rechtsextremismus“, des Deutschen Gewerkschafts-
bunds, weiterer Verbände und Initiativen gegen Rechtsextre-
mismus; abrufbar unter: http://www.amadeu-antonio-
stiftung.de/aktuelles/gutachten-zur-verstetigung-der-
finanziellen-mittel-zur-demokratiefoerderung-und-
bekaempfung-des-neonazismus
und antisemitischer Gewalttaten und ein Initiativfonds für
spezielle Ad-hoc-Initiativen vor Ort zur Unterstützung
von gemeinsamen Interventionen mit regionalen Struktu-
ren und Netzwerken.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 869 – Drucksache 17/14600
Vierter Teil:
Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen
A. CDU/CSU-Fraktion
Der Untersuchungsausschuss „Terrorgruppe Nationalso-
zialistischer Untergrund“ hat sich im vorliegenden Bericht
auf einen Verfahrensteil, einen umfangreichen Feststel-
lungsteil und vor allem – das ist neu – einen gemeinsamen
umfassenden Bewertungsteil mit knapp 50 Schlussfolge-
rungen geeinigt. Dies erfolgte einvernehmlich mit den
Stimmen aller im Bundestag vertretenen Fraktionen. Ein
solcher einvernehmlich erstellter Abschlussbericht ist
einmalig in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Er
spiegelt die große Stärke und Besonderheit des Ausschus-
ses: das gemeinsame Vorgehen und Auftreten aller fünf
im Bundestags vertretenen Fraktionen bei der Umsetzung
des gemeinsam formulierten Untersuchungsauftrags.
Ergebnis ist der vorliegende Bericht, der vor allem mit
den 47 Handlungsempfehlungen in den Schlussfolgerun-
gen wirksame Grundlage für Änderungen und Reformen
in den Bereichen Polizei, Justiz und Verfassungsschutz-
behörden sein soll.
Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Be-
richt bezogen auf den Untersuchungsauftrag umfassend.
Seine Stärke ist die gemeinsame Bewertung durch alle
Fraktionen. Erst diese gibt ihm die Schlagkraft für ent-
sprechende Änderungen und Reformen. Die Notwendig-
keit und den Mehrwert einer zusätzlichen Stellungnahme
sehen wir daher nicht. Im Gegenteil – gesonderte Stel-
lungnahmen jeder einzelnen Fraktion könnten die ge-
meinsamen Forderungen sogar im Ergebnis schwächen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält daher eine eigene
Bewertung für nicht erforderlich.
Zudem sind aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
die bereits von Bundestag, Bundesregierung und Innen-
ministerkonferenz eingeleiteten und umgesetzten Refor-
men richtige und wichtige Schritte im Sinne der vorlie-
genden Bewertungen des Untersuchungsausschuss „Ter-
rorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund“. Zu nennen
sind hier insbesondere:
– Die Einrichtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums
Rechtsextremismus. Hier wird die Arbeit und Fach-
expertise der 36 Sicherheitsbehörden von Bund und
Ländern gebündelt und so der notwendige Informati-
onsfluss sichergestellt.
– Das Gesetz zur Errichtung der Rechtsextremismus-
datei. Mit dieser Datei sind Polizei und Verfas-
sungsschutzbehörden in der Lage, ihre Erkenntnisse
zu gewaltbereiten Rechtsextremisten miteinander zu
teilen.
– Die Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(BfV) – von der Wiederherstellung einer eigenstän-
digen Abteilung Rechtsextremismus bis zur stärkeren
Konzentration der Arbeit auf gewaltorientierte Perso-
nen und Bestrebungen und der besseren Verzahnung
von Beschaffung und Auswertung.
– Die Einrichtung eines modernen Recherchesystems,
des „Polizeilichen Informations- und Analysever-
bund“ (PIAV) für die Polizeien von Bund und Län-
dern. PIAV wird es wesentlich erleichtern, bei Ver-
brechen über Ländergrenzen hinweg Hinweise und
Tatmuster zusammenzuführen.
– Die Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen
Prävention, insbesondere die Aufstockung der Mittel
für die politische Bildung und die Ausdehnung des
bisher auf die östlichen Bundesländer begrenzten
Programms „Zusammenhalt und Teilhabe“ auf alle
strukturschwachen Räume in Deutschland sowie die
weitere Förderung des Aussteigerprogramms „Exit“.
Der Untersuchungsauftrag des Bundestags ist nach Über-
zeugung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem von
allen fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen getrage-
nen Bericht des Untersuchungsausschusses erfüllt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 871 – Drucksache 17/14600
B. SPD-Fraktion
Einleitung
Die rechtsextremistische Terrorgruppe, die sich selbst
„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte, hat
über viele Jahre hinweg eine Schneise des rassistischen
Hasses und der brutalen Gewalt durch Deutschland
gezogen, an deren Ende mindestens zehn Morde, ein
Mordversuch, zwei Sprengstoffanschläge mit 22 zum
Teil lebensgefährlich verletzten Menschen und 15 brutale
Überfälle stehen.
Fast 14 Jahre lang vermochten es die Mitglieder des
NSU, mitten in Deutschland zu leben, unterstützt von
einem Netzwerk Gleichgesinnter, aber unentdeckt von
den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder.
Neun der zehn Morde wurden verübt an türkisch- und
griechischstämmigen Gewerbetreibenden, alle mit
derselben Waffe, einer Česká 83. Die neun Opfer der
Česká-Mordserie wurden kaltblütig und aus rassisti-
scher Motivation heraus, an ihren Arbeitsplätzen, auf
menschenverachtende Weise hingerichtet. Sie wurden zu
Opfern, weil ihnen die Täter aufgrund ihrer Herkunft das
Lebensrecht absprachen.
Den neonazistischen Mördern ging es nicht darum, wer
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman
Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar,
Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit
Yozgat waren, was sie taten, sagten, dachten oder glaub-
ten. In ihren Opfern sahen die Mörder lediglich (um es im
Nazi-Jargon zu formulieren) „volksfremde und volks-
schädliche Eindringlinge“ und Erscheinungsformen einer
„völkervernichtenden Überfremdung“, deren Daseinsrecht
in Deutschland sie mit mörderischer Konsequenz bestrit-
ten. Damit griffen sie die Realität unserer pluralisti-
schen Einwanderungsgesellschaft und die freiheitliche
demokratische Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland an.
Die zufällige Aufdeckung der Taten nach dem 4. Novem-
ber 2011 mit der Verbreitung des NSU-Bekennervideos
hat uns alle nachhaltig erschüttert und grundlegende Fra-
gen nach der Funktionsfähigkeit der deutschen Sicher-
heits- und Ermittlungsbehörden einerseits sowie nach
dem gesellschaftlichen Bewusstsein hinsichtlich der
von rassistischem und rechtsextremem Gedankengut
ausgehenden Gefahren andererseits aufgeworfen.
Es war deshalb richtig und wichtig, im Deutschen Bun-
destag einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der
in den 19 Monaten seiner Tätigkeit 107 Zeugen und
Sachverständige in fast 350 Stunden vernommen und
angehört hat. Rund 12 000 Akten wurden an Beweisma-
terial beigezogen und entweder durch den Ausschuss
selbst oder durch Ermittlungsbeauftragte gesichtet und
ausgewertet.
Kaum einer hatte bei Einsetzung des Ausschusses vermu-
tet, dass eine solche Vielzahl an Erkenntnissen gewon-
nen werden würde, wie sie heute in dem mehr als tausend
Seiten umfassenden Feststellungsteil des Berichts, den
das Ausschusssekretariat mit großem Engagement vorbe-
reitet hat, dokumentiert sind.
Für das unfassbare und kaum zu überwindende Leid,
das den Opfern und den Angehörigen der mindestens
zehn ermordeten Menschen sowie den Opfern der anderen
durch den NSU verübten Straftaten widerfahren ist, haben
wir versucht, in fraktionsübergreifender Einigkeit zu
Beginn der umfassenden gemeinsamen Bewertung aller
Fraktionen die richtigen Worte zu finden.
Gleiches gilt auch für die sehr umfangreichen aus der
Ausschussarbeit gewonnenen Erkenntnisse, die wir wäh-
rend der letzten anderthalb Jahre, an einem Strang zie-
hend und ohne uns im politischen Nahkampf aufzureiben,
erarbeitet und im gemeinsamen Teil des Ausschussbe-
richts festgehalten haben.
Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass auch eine
der wesentlichen Fragen nach der Rolle des Staates, die
insbesondere nach den absurden Vorgängen der Akten-
vernichtung in den Verfassungsschutzbehörden immer
wieder gestellt worden ist, durch die Ausschussarbeit
beantwortet werden konnte:
Kein „Tiefer Staat“ in Deutschland
Der immer wieder vorgebrachte schwerwiegende Vor-
wurf, es gebe auch in Deutschland so etwas wie einen
„tiefen Staat“, also eine Art „Staat im Staate“, eine kon-
spirative Verflechtung von Geheimdiensten, Militär, Poli-
tik, Justiz, Verwaltung, Rechtsextremismus und organi-
siertem Verbrechen, konnte durch die Ausschussarbeit
eindeutig widerlegt werden. Dahingehende Befürchtun-
gen, wie sie etwa von Erdal Safak, dem Chefredakteur der
„Sabah“, einer der größten türkischen Tageszeitungen,
öffentlich am 7. Mai 2013 geäußert wurden, der NSU
habe – ähnlich wie die Gruppe „Ergenekon“ in der Türkei
– mit Unterstützung staatlicher Stellen agiert, konnten
entkräftet werden:
Staatliche Stellen waren nach allen im Ausschuss bis zum
Abschluss seiner Arbeit gewonnenen Erkenntnissen we-
der in irgendeiner Art und Weise an den Taten des NSU
beteiligt noch haben sie diese etwa gebilligt oder bewusst
weggesehen.
Die Angehörigen der deutschen Sicherheitsbehörden
kannten den NSU und seine Agenda nicht, die Möglich-
keit der Existenz einer solchen Terrorgruppe war für sie
sogar – fatalerweise (!) – kaum vorstellbar.
Es fanden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass staatliche
Stellen den Mitgliedern des NSU dabei geholfen hätten,
sich dem Zugriff der Ermittlungsbehörden zu entziehen.
Drucksache 17/14600 – 872 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Das jahrelang unerkannte Leben des Trios mitten in
Deutschland wurde von Behörden weder unterstützt noch
gebilligt.
Zudem wurden im Ausschuss keine Belege dafür gefun-
den, dass die Mitglieder des NSU oder einer der Ange-
klagten vor dem OLG München jemals V-Personen einer
deutschen Sicherheitsbehörde gewesen wären.
Hingegen wurden über den ganzen Zeitraum der Aus-
schussarbeit hinweg erhebliche Fehler und Versäum-
nisse auf allen Ebenen deutlich: die Verharmlosung der
Gefahr aus dem rechtsextremen Lager und das multip-
le Versagen von Polizei, Justiz, Verfassungsschutz, der
Politik, von Medien und Gesellschaft.
I. Notwendigkeit des Einzelvotums
Alle Fraktionen haben sich mit ganzer Kraft dafür einge-
setzt, dass es uns – erstmalig in der Geschichte der Unter-
suchungsausschüsse des Deutschen Bundestages - gelun-
gen ist, nicht nur einen gemeinsamen Feststellungsteil zu
erstellen, der die im Ausschuss erarbeiteten Tatsachen
und Fakten zusammenfasst, sondern darüber hinaus auch
eine gemeinsame politische Bewertung aller im Bundes-
tag vertretenen Fraktionen zu erarbeiten. Es bleiben den-
noch – zu Recht – signifikante politische Unterschiede
zwischen den verschiedenen im Bundestag vertretenen
Fraktionen bestehen:
Diese reichen von der unterschiedlichen Gewichtung
der zentralen Erkenntnisse der Arbeit des Ausschusses
über unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei den
Reformvorschlägen oder differenzierte Vorstellungen
zur zukünftigen Gestaltung der deutschen Sicherheits-
architektur bis hin zu der Frage, ob in der nächsten
Wahlperiode erneut ein Untersuchungsausschuss zum
NSU eingesetzt werden muss.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat eine im-
mense Anzahl an Fakten und Hinweisen zu Tage ge-
fördert, die nur schwer in ihrer Gänze zu erfassen sind.
Wir haben uns deshalb bemüht, bereits in der gemeinsa-
men Bewertung aller Fraktionen Schwerpunkte bei der
Zusammenstellung der wesentlichen Erkenntnisse zu
setzen. Aufgrund der immer noch verbliebenen zahlrei-
chen Details, die mal der einen, mal einer anderen Frak-
tion besonders wichtig waren, könnte jedoch eventuell der
Eindruck entstehen, dass die Unfähigkeit der Sicherheits-
behörden, die vom NSU begangenen Taten zu verhindern
oder auch nur aufzuklären, vor allem auf eine Massierung
rein technischer oder handwerklicher Fehler zurückzufüh-
ren sein könnte. Diesem – aus der Sicht der SPD-
Mitglieder im Ausschuss falschen – Eindruck soll mit
einer eindeutigen Gewichtung der durch die Ausschus-
sarbeit gewonnenen Erkenntnisse entgegengetreten
werden.
Aber auch darüber hinaus verbleiben an einigen Stellen
klare politische Unterschiede zwischen den Fraktionen,
die nicht allein wegen des Ziels einer gemeinsamen Be-
wertung nivelliert werden sollen:
So wird beispielsweise im gemeinsamen Bericht aus un-
serer Sicht nicht ausreichend deutlich, dass routinisierte
Verdachts- und Vorurteilsstrukturen und unbewusste
Prozesse institutioneller Diskriminierung ganz wesent-
lich für die andauernde Betriebsblindheit der Ermittler
bezüglich eines möglichen rassistischen Hintergrunds der
Mordserie verantwortlich waren.
Teilweise fehlt es auch an der Bereitschaft, als Konse-
quenz aus den festgestellten Defiziten beim Umgang mit
den Opfern und ihren Angehörigen durch die Polizei
unabhängige Beschwerdestellen für polizeiliches Fehl-
verhalten zu fordern.
Auch hinsichtlich der notwendigen Korrekturen im Be-
reich der Justiz konnte leider keine fraktionsübergrei-
fende Einigung erzielt werden: Aus unserer Sicht ist es
neben der maßvollen Erweiterung der Zuständigkeit
des Generalbundesanwalts (GBA) notwendig, klare
Vorlagepflichten der Länderstaatsanwaltschaften
gegenüber dem GBA vorzusehen und dem GBA die Be-
fugnis zu geben, bei länderübergreifenden Straftatense-
rien im Einzelfall auch gegen den Willen der Länder einer
Landesstaatsanwaltschaft die zentrale Verfahrensfüh-
rung im Sinne eines Sammelverfahrens zu übertragen.
Grundlegende Differenzen zwischen den Fraktionen gibt
es zudem in Bezug auf die Frage, ob es zukünftig über-
haupt noch eines Verfassungsschutzes bedarf, oder ob
dieser – wie teilweise gefordert – völlig abgeschafft bzw.
in eine rein wissenschaftliche Dokumentationsstelle um-
gewandelt werden soll.
Uns ist es wichtig, bei der Bewertung der Versäumnisse
und Fehlleistungen sowie bei der Erarbeitung der daraus
zu ziehenden Konsequenzen Maß und Mitte zu finden.
So halten wir es für falsch, die bestehende Sicherheitsar-
chitektur von Grund auf neu zu gestalten, die föderalen
Strukturen zu beseitigen oder etwa den Verfassungsschutz
abzuschaffen. Vielmehr müssen die Arbeitsfähigkeit der
Sicherheitsbehörden verbessert und die durch den Aus-
schuss klar festgestellten Defizite so schnell als möglich
abgestellt werden.
Gerade hinsichtlich der öffentlich breit diskutierten Frage
nach der zukünftigen Ausgestaltung des Einsatzes von
„V-Personen“ reichen die Vorstellungen der Fraktionen
von der völligen Abschaffung dieses Instruments bis hin
zur Beibehaltung ohne externe Kontrollinstanz. Auch hier
fordern wir als SPD einen verantwortbaren Mittelweg:
Beibehaltung nur auf der Grundlage klarer gesetzlicher
Regelungen und ganz konkreter Kontrolle durch das qua-
si-richterliche Gremium der G10-Kommission.
Ebenso konnte hinsichtlich der von uns geforderten Stär-
kung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz
und die Informationssicherheit (BfDI) gegenüber dem
Verfassungsschutz keine fraktionsübergreifende Einigung
erzielt werden.
Weitere Unterschiede zwischen den Fraktionen offenba-
ren sich hinsichtlich der Verbesserung der parlamenta-
rischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Hier fordert
die SPD seit langem eine signifikante Verbesserung der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 873 – Drucksache 17/14600
Personal- und Sachausstattung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums durch die Einrichtung eines schlag-
kräftigen Arbeitsstabes mit einem Leitenden Beamten,
damit endlich eine effektive und systematische Kontrolle
ausgeübt werden kann.
Schließlich verbleiben Differenzen auch, wenn es um
Antworten auf die Frage nach der konkreten Ausgestal-
tung der zwingend erforderlichen Maßnahmen zur Be-
kämpfung des Rechtsextremismus geht: So verweigert
man sich teilweise notwendiger Maßnahmen zur Stärkung
von zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie etwa der Ab-
schaffung der Extremismusklausel.
Diese beispielhaft beschriebenen Unterschiede zwischen
den verschiedenen politischen Kräften im Deutschen
Bundestag sind im Zusammenhang mit einem so wichti-
gen gesellschaftlich relevanten Thema, wie es sich im
Untersuchungsauftrag widerspiegelt, nicht per se proble-
matisch, sondern – ganz im Gegenteil – zwingend not-
wendig. Denn die Einzelvoten der Fraktionen sind der
politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung
mit dem komplexen Problemfeld Rechtsextremismus und
Rassismus außerordentlich zuträglich und fördern den
öffentlichen Diskurs.
Das beste Ergebnis lässt sich nicht erzielen, wenn hinter
verschlossenen Türen eine Einigung auf den kleinsten
gemeinsamen Nenner erfolgt. Nur wenn die in die Ausei-
nandersetzung eingebrachten Argumente, Vorschläge und
Positionen offen benannt werden, kann ein transparentes
Ringen um die beste Lösung ermöglicht werden. Wir
möchten mit unserem Einzelvotum einen Beitrag zu die-
sem Diskurs leisten.
II. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der
Ausschussarbeit
Angesichts der kaum mehr zu überblickenden Menge an
durch den Ausschuss aufgearbeiteten Fakten und Hinwei-
se ist es notwendig, eine Gewichtung dieser Erkennt-
nisse vorzunehmen und diese in gewisser Weise zu sys-
tematisieren.
Festzuhalten bleibt dabei, dass der Ausschuss über den
gesamten untersuchten Zeitraum – beginnend mit dem
Umgang von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz mit
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im Vorfeld ihres Ab-
tauchens, über deren Zeit im Untergrund bis hin zu den
Ermittlungen zur Česká-Mordserie, zu den Sprengstoffan-
schlägen und zum Mord an der Polizistin Michèle Kiese-
wetter – eine Vielzahl gravierender Fehler und Ver-
säumnisse festgestellt hat, und zwar auf allen Ebenen:
– Sowohl in den Ländern als auch im Bund,
– sowohl bei Polizei und Justiz als auch beim Verfas-
sungsschutz,
– sowohl in den Behörden selbst als auch auf der poli-
tischen Ebene in Bund und Ländern.
Vor allem unbewusste Verdachts- und Vorurteilsstruk-
turen, mangelnder Informationsaustausch, Kompe-
tenzstreitigkeiten, Eitelkeiten, Desinteresse, Fehlein-
schätzungen und ein Mangel an Analysefähigkeit muss-
ten in diesem Zusammenhang als gravierende Probleme
erkannt werden.
Zunächst ist ausdrücklich anzuerkennen, dass die Poli-
zei ihre Ermittlungen zu den heute dem NSU zugeschrie-
benen Verbrechen mit hohem personellen und materiellen
Aufwand betrieben hat und dass es auch im Verfassungs-
schutz vielfältiges engagiertes Bemühen um das Erkennen
und die Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen
gab und gibt. Die Benennung der im Ausschuss festge-
stellten Fehler und Versäumnisse kann und soll dieses
hohe Engagement der Beteiligten nicht in Frage stellen.
Aber es muss auch möglich sein, die erkennbar geworde-
nen, vielen individuellen Fehler klar zu benennen.
Dabei geht es nicht darum, Schuldzuweisungen vorzu-
nehmen. Dies ist weder Recht noch Aufgabe eines Unter-
suchungsausschusses des Deutschen Bundestags.
Klar muss auch sein: Niemand kann heute sagen, dass
dann, wenn einige oder alle aufgezeigten Fehler nicht
begangen worden wären, die menschenverachtenden
Taten des NSU mit Sicherheit aufgeklärt oder gar hätten
verhindert werden können.
Ziel ist es vielmehr zu erkennen, was individuell und
strukturell – auch aus heutiger Sicht, denn Gegenstand
sind hier nicht personalisierte Schuldzuweisungen - schief
gelaufen ist und durch welche Maßnahmen diese Proble-
me zukünftig beseitigt werden können, um das Risiko
einer Wiederholung solcher Fehler möglichst zu minimie-
ren.
1. Die Gefahren des Rechtsextremismus
wurden auf allen Ebenen und über die ge-
samte Zeit hinweg verkannt und verharm-
lost
Die zentrale Erkenntnis der gesamten Arbeit dieses
Untersuchungsausschusses ist, dass die Gefahren des
Rechtsextremismus, insbesondere die zunehmende Ge-
waltbereitschaft in Teilen der rechten Szene, in Deutsch-
land jahrelang auf allen Ebenen verkannt und verharm-
lost wurden.
Der Verfassungsschutz hat nicht erkannt, dass eine zu-
nehmende Radikalisierung gewaltbereiter Neonazis
zur Bildung rechtsterroristischer Strukturen in Deutsch-
land führen kann. Aber auch Strafverfolgungsbehörden,
Politik und Gesellschaft haben die Gefahren des Rechts-
extremismus unterschätzt und sind ihm nicht konsequent
genug entgegen getreten.
Diese flächendeckende Fehleinschätzung ist die Haupt-
ursache dafür, dass der NSU fast vierzehn Jahre unbehel-
ligt schwerste Straftaten begehen und dabei mitten in
Deutschland leben konnte. Sowohl bei der Suche nach
dem Trio als auch bei den Ermittlungen zur Mordserie
und den Sprengstoffanschlägen wurden viele handwerkli-
che Fehler gemacht. Diese dürfen aber nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass vor allem auch fehlende Kenntnisse
bei der Polizei über Rassismus und Rechtsextremismus
sowie die jahrelange Blindheit gegenüber rechtsterroristi-
Drucksache 17/14600 – 874 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schen Gefahren durch den Verfassungsschutz dem Erken-
nen der Hintergründe der Taten des NSU entgegenstan-
den.
Verfassungsschutz
Der Hauptvorwurf trifft dabei den Verfassungsschutz,
der gesetzlich dazu berufen ist, Bestrebungen, die gegen
die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet
sind, frühzeitig zu erkennen. In Sachen Rechtsterrorismus
hat der Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem“ ver-
sagt. Über Jahre hinweg wurde behauptet, es bestünde
keine Gefahr durch rechtsterroristische Bestrebungen.
Statt derartige Entwicklungen stets als mögliches Szena-
rio mitzudenken, zog man sich auf die Behauptung zu-
rück, es gebe keine erkennbaren Strukturen und daher
auch keine Gefährdung.
Leider wird das Versagen des Verfassungsschutzes von
diesem nach wie vor nicht als solches erkannt. Bis heute
herrscht im Verfassungsschutz auf allen Ebenen die Ein-
stellung „Wir haben doch nichts falsch gemacht, uns
fehlten nur die richtigen Informationen…“ vor. Dabei
wird dann gerne darauf verwiesen, man habe doch immer
mal wieder auf ein „Potential gewaltbereiter Rechtsext-
remisten, die in emotionalen Stresssituationen auch ohne
langfristige Planung und intellektuelle Konzepte Waffen
einsetzen könnten,“ hingewiesen. Man spricht deshalb im
Verfassungsschutz auch lieber von einer „Niederlage“ als
vom „Versagen“.
Diese fehlende Einsichts- und Reflexionsfähigkeit er-
schwert die dringend erforderliche, grundlegende Neuaus-
richtung des Verfassungsschutzes im Phänomenbereich
Rechtsextremismus enorm.
Bezeichnend ist insoweit die Pressemitteilung des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 22. Febru-
ar 2013 zur „Reform des Verfassungsschutzes“, mit der
„Lehren aus NSU“ [sic] gezogen werden sollten: In dieser
findet man das Wort „Rechtsextremismus“ kein einziges
Mal. Stattdessen wird viel von „Binnenoptimierung“,
„Arbeitspaketen“ und „Cyberkompetenz“ gesprochen. So
können „Lehren aus NSU“ nicht gezogen werden.
Noch stärker alarmieren muss der im Juli 2013 vom
CDU-Innenminister des Landes Thüringen, Jörg Geibert,
vorgestellte Verfassungsschutzbericht Thüringen 2012:
Es ist schon unverständlich, dass sich dem Bericht nichts
dazu entnehmen lässt, welche strukturellen Lehren
letztlich aus dem umfassenden Versagen des Thüringer
Verfassungsschutzes beim Umgang mit Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe in ihrer Zeit in Thüringen und im
Rahmen der Suche nach dem Trio gezogen worden sind.
Die NSU-Morde sind den Verfassern des Berichts nur
eine Randbemerkung wert, eine substantielle Stellung-
nahme sucht man vergebens. Von Selbstkritik oder
Selbstreflexion keine Spur. Einen inhaltlichen oder
personellen Neubeginn hat es offenkundig nicht gegeben.
Rechtsextreme Gruppierungen werden eher wie ein „An-
gebot“ für Unentschlossene dargestellt, als dass eine
tiefergehende und kritische Auseinandersetzung damit
erfolgt. Auf diese Weise wird nicht sachgerecht über die
menschenverachtende Ideologie oder das Gewaltpotential
in diesem Bereich aufgeklärt.
Besonders besorgen muss jedoch, dass der Eindruck er-
weckt wird, es gebe kaum rechtsextreme Straftaten, und
wenn doch, handele es sich „vorwiegend um sog. Propa-
gandadelikte“ oder aber es sei dem „politischen Gegner
aus dem linksextremistischen Spektrum“ zuzuschreiben,
wenn es zu „gewalttätigen Auseinandersetzungen“ kom-
me.
Wie es sein kann, dass 80 (!) Prozent der politisch moti-
vierten Straftaten in Thüringen von Rechtsextremis-
ten ausgeübt werden und 10,8 Prozent auf den
Phänomenbereich „Linksextremismus“ entfallen, der
Bericht aber immer wieder vor allem auf das angeblich im
linken Spektrum erhöhte Gewaltpotential verweist („Ge-
walt ist ein selbstverständliches Aktionsmittel der Auto-
nomen“), ist schwer verständlich.
Der Zuwachs von gut zehn Prozent bei den Mitglieder-
zahlen der NPD – bei der Anzahl der Neonazis sind es gar
16,6 Prozent – wird im Bericht als „leichte Konsolidie-
rung der Thüringer NPD“ auf „niedrigem Niveau“ abge-
tan, ein „tatsächlicher Aufwärtstrend“ sei insofern „nicht
erkennbar“. Eine deutlichere Verharmlosung ist kaum
vorstellbar, wenn man dabei die Zahl der rechtsextre-
men Straftaten in Thüringen betrachtet, die um 9,9
Prozent gestiegen ist.
Zu Recht hat der Thüringische Wirtschaftminister Matt-
hias Machnig den Verfassungsschutzbericht mit einem
ausführlichen Gastbeitrag für die Thüringische Landeszei-
tung (TLZ) am 26. Juli 2013 auch im Hinblick auf die
inhaltliche Nicht-Befassung des Kabinetts als „skanda-
lös“ bezeichnet.
Beispielhaft für die „Kultur“ der fehlenden Einsichts-
fähigkeit des Verfassungsschutzes ist auch der Auftritt
des damaligen Vizepräsidenten des BfV und heutigen
Staatssekretärs im Bundesministerium des Innern
(BMI), Klaus-Dieter Fritsche, als Zeuge im Untersu-
chungsausschuss:
Die wichtigste Botschaft des Zeugen war die, dass die
Untersuchungsarbeit bitte
„nicht von einem Skandalisierungswettstreit über-
lagert und damit willfährig“
werden möge.
„Beißende Kritik“, es würde „staatlicherseits nicht
gegen den Rechtsextremismus mit voller Kraft
vorgegangen“, halte er für „gefährlich“.
Was in der gesamten Zeugenvernehmung fehlte, war
hingegen auch nur das Aufflackern von Bereitschaft,
Fehler und Versäumnisse der Verfassungsschutzbehörden
bei der Analyse der vom Rechtsextremismus ausgehenden
Gefahren zuzugestehen.
Die damaligen Ergebnisse seien auf Grundlage der da-
mals vorliegenden Tatsachen letztlich nicht zu beanstan-
den. Dies gipfelte dann in der abstrusen Wortklauberei,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 875 – Drucksache 17/14600
die damaligen Bewertungen des Verfassungsschutzes
seien nur in ihrem Ergebnis „fatal“ gewesen, um eine
„fatale Fehleinschätzung“ habe es sich aber nicht gehan-
delt.
Tatsächlich verhält es sich jedoch so, dass der gesamte
Verfassungsschutzverbund einen viel zu beschränkten,
und damit falschen, Blick auf die rechte Szene hatte:
Dies lässt sich exemplarisch an einem von Fritsche selbst
unterzeichneten Schreiben aus dem September 2003 fest-
machen, welches auf eine Anfrage des BMI nach dem
vereitelten Sprengstoffanschlag des Neonazis Martin
Wiese auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Kultur-
zentrums in München zurückging:
Das BMI wollte damals wissen, ob das BfV an seiner
kontinuierlichen Einschätzung festhalte, es gebe keine
„rechtsterroristischen Gruppierungen und keine Bestre-
bungen zum Aufbau eines zielgerichteten Kampfes“.
Auslöser war auch eine Warnung des damaligen bayeri-
schen Innenministers Dr. Günther Beckstein vor einer
völlig neuen Dimension rechtsextremistischer Gewalt,
einer „braunen RAF“. Bedauerlicherweise trug diese
Begrifflichkeit jedoch offenkundig dazu bei, dass sich der
analytische Blickwinkel des BfV völlig einengte, man die
Ausgangsfrage nur noch anhand der bekannten Muster
des Linksterrorismus abprüfte und im Ergebnis die Gefahr
rechtsterroristischer Gruppierungen kategorisch negierte:
„Absichten, einen Kampf aus der Illegalität heraus
mit den damit verbundenen Umständen zu führen,
sind in der rechten Szene nicht erkennbar. […] Die
gewaltbejahenden Äußerungen in der rechten Sze-
ne sind in der letzten Zeit seltener geworden.“
Als – schon aus damaliger Sicht – sachlich fragwürdig
und als wirklich „fatale Fehleinschätzung“ muss jedoch
die in diesem Schreiben ebenfalls enthaltene Passage zu
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe selbst bewertet werden:
„In der Presse wird angeführt, dass es im Rechts-
extremismus sehr wohl ein potentielles Unterstüt-
zerfeld gebe. Hierzu wird auf drei Bombenbauer
aus Thüringen verwiesen, die seit mehreren Jahren
‚abgetaucht‘ seien und dabei sicherlich die Unter-
stützung Dritter erhalten hätten. Dem ist entgegen-
zuhalten, dass diese Personen auf der Flucht sind
und – soweit erkennbar – seither keine Gewalttaten
begangen haben. Deren Unterstützung ist daher
nicht zu vergleichen mit der für einen bewaffneten
Kampf aus der Illegalität.“
Jeder möge sich diesen Absatz des Fritsche-Schreibens
aus dem Jahre 2003 – bis dahin waren durch den NSU
bereits vier Morde und sieben Banküberfälle verübt
worden – noch einmal genau ansehen und dabei berück-
sichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt im BfV bereits eine
Vielzahl von Einzelinformationen zum Trio vorgelegen
hatten, die die forsche Behauptung in einem etwas ande-
ren Licht erscheinen lassen. Einige wesentliche Informa-
tionen waren die Folgenden:
– Aus der Zeit unmittelbar nach der Flucht gab es Hin-
weise auf Unterstützungshandlungen aus dem direk-
ten Umfeld sowie auf deren Aufenthalt in Sachsen.
– Seit September 1998 lag dem BfV die Quellen-
Information vor, dass Jan Werner den Auftrag habe,
das Trio „mit Waffen zu versorgen“, um einen
„weiteren Überfall“ zu begehen.
– Im Oktober 1998 wurde berichtet, Jan Werner sei
nicht erfolgreich gewesen, setze aber die Suche nach
Waffen für das Trio fort.
– Auch die Information des MAD aus dem Jahr 1999,
dass sich das Trio nach Angaben eines der rechten
Szene angehörenden Grundwehrdienstleistenden be-
reits „auf der Ebene des Rechtsterrorismus“ bewe-
ge, lag dem BfV vor.
Diese Informationen wurden jedoch offenkundig nicht
mehr betrachtet und ausgewertet, bevor ein „Persil-
schein“ für das Trio ausgestellt wurde. Im Ausschuss
versuchte der Zeuge Fritsche dies dadurch zu rechtferti-
gen, dass es sich ja immer nur um „unbestätigte Einzel-
hinweise“ gehandelt habe. – Dafür, dass das Trio „keine
Gewalttaten“ begangen hat, lagen allerdings keinerlei
Hinweise - bestätigt oder unbestätigt - vor!
Im Sommer 2004, kurz nach dem Nagelbombenanschlag
in der Kölner Keupstraße, wurde das Trio erneut in
einer Broschüre des BfV („BfV-Spezial“ Nr. 21) erwähnt.
Es wurde darauf hingewiesen, es gebe keine Hinweise
darauf, dass mit den sichergestellten Rohrbomben „kon-
krete tatsächliche Anschläge“ geplant waren. Auch diese
Einschätzung war falsch, da das Trio mutmaßlich zuvor
mit möglichen weiteren Mittätern Briefbombenattrappen
verschickt hatte, denen die Warnung beilag, dass dies „der
letzte Scherz“ sein würde. Darin waren auch konkrete
mögliche Anschlagsopfer benannt worden.
Entscheidend ist jedoch: Weder im Fritsche-Schreiben
aus dem Jahr 2003 oder dem BfV-Spezial aus 2004 noch
in der gesamten Analyse des BfV zu den Gefahren durch
den Rechtsextremismus über die Jahre hinweg, fanden die
eigentlich ebenfalls im BfV vorhandenen Informationen
über die in der neonazistischen Szene verbreitete Stra-
tegien (z. B. „Werwolf“-Konzept, „führerloser Wider-
stand“ mittels Klein- und Kleinstgruppen und loser Zel-
lenstruktur sowie propagierte Anschläge auf Migranten)
Erwähnung.
Im Ausland entwickelte und angewandte Strategien
rechtsextremistischen Terrors (z. B. Bombenanschläge
von „Combat 18“ in London, Polizistenmorde und Auto-
bombenanschläge in Schweden) waren dem Verfassungs-
schutz durchaus bekannt, eine Übernahme dieser Konzep-
te durch deutsche Neonazis war für die Behörden jedoch
offenbar kein Thema.
Das BfV hatte zudem spätestens mit Auswertung des im
Jahr 2000 veröffentlichten „Field Manuals“ des „Blood &
Honour“-Netzwerkes Hinweise auf den Fall des rassisti-
schen Serientäters John Ausonius (sog. „Laserman“).
In der Szene-Publikation wurden die Taten des Ausonius
nämlich explizit lobend erwähnt. Ausonius hat Anfang der
Drucksache 17/14600 – 876 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1990er Jahre in Schweden wahllos auf insgesamt elf Ein-
wanderer geschossen. Sein Leben finanzierte er durch
Banküberfälle. Erst im Jahr 2012 wies das BfV im Rah-
men der laufenden Ermittlungen auf diesen Fall aus sei-
nen Akten als mögliche Blaupause für die Taten des NSU
hin.
Eine fundierte Analyse, inwieweit die beschriebenen
Strategien auch von Rechtsextremisten in Deutschland
aufgegriffen und durch welche Neonazistrukturen mögli-
cherweise auch umgesetzt werden könnten, unterblieb
aber.
Dies wundert umso mehr, als Rechtsterrorismus in
Deutschland kein neues Phänomen ist. In den vergange-
nen Jahrzehnten gab es immer wieder Anschläge von
Einzeltätern oder Gruppierungen. Erste rechtsterroristi-
sche Strukturen bildeten sich mit der „Europäischen Be-
freiungsfront“ bereits Ende der 1960er-Jahre heraus.
Es fragt sich auch, warum man es unterlassen hat, eine
Analyse von den Ergebnissen her anzusetzen: Soweit
erkennbar, hat sich niemand in den Verfassungsschutzbe-
hörden einmal die Wirklichkeit der in Deutschland be-
gangenen nicht aufgeklärten Gewalttaten, insbesondere
Tötungsdelikte und Sprengstoffanschläge, systematisch
angesehen, um gerade darin eventuell ein Muster zu fin-
den, welches auf noch nicht erkannte Strukturen im ext-
remistischen Bereich schließen lassen könnte.
Stattdessen wurde in den Verfassungsschutzberichten des
Bundes gebetsmühlenartig die Formulierung „Rechtster-
roristische Strukturen waren nicht feststellbar.“ wieder-
holt. Dabei dürfen gerade im Verfassungsschutz einmal
durchgeführte Analysen nicht bloß als Textbaustein wei-
tergereicht, sondern müssen fortwährend überprüft und
erneuert werden.
Offenbar prägte das Denkmuster „Neonazis sind dumm“
die Sichtweise des Verfassungsschutzes auf die rechte
Szene. Mehrere Verfassungsschutzmitarbeiter äußerten
im Ausschuss, sie hätten Rechtsextremisten solche Morde
und Sprengstoffanschläge, wie sie nun dem NSU zur Last
gelegt werden, nicht zugetraut. Der damalige Präsident
des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz
sprach im Ausschuss sogar von „unseren Pappenhei-
mern“, die das LfV meinte zu kennen und für die solche
Taten nicht in Betracht kommen würden.
Die Verkennung und Verharmlosung des Rechtsextre-
mismus zeigt sich auch in falschen Organisationsent-
scheidungen.
Die Konzentration auf islamistischen Terror nach 9/11
hatte die Augen verschlossen vor den nicht minder dro-
henden Gefahren von Rechts: Im Jahr 2006 wurden unter
dem damaligen Bundesinnenminister Dr. Wolfgang
Schäuble die Abteilungen Links- und Rechtsextremismus
gegen die ausdrückliche Warnung des damaligen BfV-
Präsidenten Fromm zusammengelegt. Hierdurch sollten
einerseits Einspareffekte erzielt werden. Aus den Akten
des Ausschusses wurde jedoch erkennbar, dass die Ent-
scheidung andererseits auf der rein ideologisch begründe-
ten falschen Gleichsetzung von Rechts- und Linksex-
tremismus unter dem Deckmantel eines absurden „ge-
samtheitlichen Ansatzes Deutscher Extremismus"
fußte.
Nicht von ungefähr wurde diese organisatorische Fehl-
konstruktion im BfV unmittelbar nach Auffliegen des
Terrortrios wieder beseitigt.
Politik
Die politische Ebene – egal welcher Couleur – hat sich
mit den immer wiederkehrenden Einschätzungen des
Verfassungsschutzes, es gebe keine rechtsterroristische
Gefahr zufrieden gegeben. Kaum jemand hat diese Ein-
schätzung jemals hinterfragt, dabei hätte es - auch vor
dem Hintergrund rechtsterroristischer Taten im europäi-
schen Ausland – durchaus nahe gelegen, die Entwicklung
in Deutschland kritischer zu beobachten.
Insbesondere dem damaligen SPD-Bundesinnenminister
Otto Schily ist vorzuwerfen, dass er im Rahmen der Er-
mittlungen zum Sprengstoffanschlag in der Kölner
Keupstraße viel zu früh einen terroristischen Hintergrund
öffentlich ausgeschlossen hat. Auch Fritz Behrens als
SPD-Landesinnenminister hat sich kaum um die Ermitt-
lungen gekümmert und keinen Gedanken daran ver-
schwendet, dass die Tat einen rassistischen Hintergrund
gehabt haben könnte.
Bundeswehr
Auch in der Bundeswehr wurden rechtsextremistische
Vorkommnisse offenbar nicht immer mit der nötigen
Konsequenz geahndet. Über Jahre hinweg konnten
Rechtsextremisten als Wehrdienstleistende relativ unge-
stört Dienst in der Bundeswehr leisten und dabei eine
Ausbildung an der Waffe genießen. Dieses Bild ergibt
sich jedenfalls aus den dem Ausschuss übersandten Akten
über Wehrdienstleistende aus dem engeren und weiteren
Umfeld des NSU und der Thüringer Neonaziszene.
Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang insbesondere
die Rolle des Militärischen Abschirmdienstes (MAD)
bei der Aufklärung rechtsextremistischer Bestrebungen.
Offenbar gehörte es zur Strategie des MAD, auffällig
gewordene Wehrdienstleistende nicht unmittelbar nach
Bekanntwerden eines entsprechenden Vorfalls, sondern
erst gegen Ende ihrer Dienstzeit zu befragen. In den
Befragungen ging es stets auch darum, ob sich der Wehr-
dienstleistende nach seinem Ausscheiden aus der Bun-
deswehr eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungs-
schutz oder der Polizei vorstellen könne.
Dem MAD lag also offenbar weniger daran, extremisti-
sche Umtriebe während des Wehrdienstes aufzuklären
und dazu beizutragen, Rechtsextremisten aus der Bun-
deswehr zu entfernen, sondern er betätigte sich lieber als
„Headhunter“, um V-Personen für die Sicherheitsbehör-
den zu gewinnen. So manche Befragungen wurden sogar
bereits von MAD und Verfassungsschutz gemeinsam
durchgeführt.
Polizei und Justiz
Auch im Bereich der Strafverfolgungsbehörden und
Gerichte wurden und werden die Gefahren des Rechtsex-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 877 – Drucksache 17/14600
tremismus verkannt und rechtsextremistisch motivierte
Taten oftmals nicht konsequent genug verfolgt. Nicht
unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang der
Umstand, dass beispielsweise bei Tötungsdelikten in
vielen Fällen die rassistische bzw. rechtsextremistische
Tatmotivation nicht einmal als solche gesehen wurde.
Gerade die nach schleppend verlaufenen polizeilichen
Ermittlungen erfolgten Einstellungen von Verfahren
gegen Aktivisten der Neonazi-Szene in Thüringen in
den 1990er Jahren bieten Anlass zur Kritik, weil da-
durch der Eindruck entstand, rechtsextremistisch moti-
vierte Straftaten würden nicht mit dem notwendigen
Nachdruck verfolgt. Die beginnende Radikalisierung im
Thüringer Heimatschutz und in den mit ihm verbundenen
Kameradschaften wurde letztlich nicht ausreichend
ernst genommen.
Für die ermittelnden Polizisten in der Česká-Mordserie
und bei den Sprengstoffanschlägen in Köln kam ein
rechtsextremistischer Tathintergrund jahrelang nicht
ernsthaft in Betracht. Ein zentraler Grund hierfür war
auch das fehlende Wissen der Ermittler über Rechtsex-
tremismus und seine gewaltbereiten Erscheinungsformen.
Ein politisches Motiv wurde ausgeschlossen, weil es kein
Bekennerschreiben gab. Gerade bei neonazistischen
Angriffen ist es allerdings nicht ungewöhnlich, dass es
keine Tatbekennungen gibt. Die Taten sprechen aus Sicht
der Täter für sich. Diese Strategie war den Ermittlern
nicht bekannt.
Dabei gab es auch in Deutschland in der Vergangenheit
Fälle neonazistischer Straftaten ohne Tatbekennung. Zu
nennen sind hier u. a. das Oktoberfestattentat 1980, die
Ermordung des Verlegers Shlomo Levin und seiner Le-
bensgefährtin Frida Poeschke im selben Jahr in Erlangen
oder der Brandanschlag im oberpfälzischen Schwandorf
auf ein Haus mit überwiegend türkischstämmigen Men-
schen, bei dem 1988 vier Menschen ums Leben kamen.
Auch als im Jahr 2006 bei den Ermittlungen zur Česká-
Mordserie ein möglicherweise rechtsextremer Tathinter-
grund endlich erwogen wurde, führte dies nicht zu einer
vertieften Auseinandersetzung der Ermittler mit Ideo-
logie, Strategie und Erscheinungsformen rechter Ge-
walt. Statt sich umfassend beim polizeilichen Staats-
schutz und Verfassungsschutz zu informieren, beschränk-
te man sich auf eine krude Abfrage von Personendaten
aus dem Bereich Nürnberg.
Gesellschaft
Die fehlerhafte Einschätzung der Gefahren des Rechtsex-
tremismus durch die Behörden haben wir im Untersu-
chungsausschuss herausgearbeitet und schlagen Verände-
rungen vor, um die Analysefähigkeit zu stärken und die
Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten zukünftig zu
verbessern.
Wir dürfen bei all dem aber nicht unseren Blick auf ge-
waltbereiten Rechtsextremismus verengen. Rechtsextreme
Einstellungen sind kein Phänomen am Rande der Gesell-
schaft. Studien zeigen immer wieder, dass rechtsextre-
me, fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen
auch in der Mitte der Gesellschaft anzutreffen sind.
Das Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltfor-
schung ermittelt in seinem Projekt zu gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit regelmäßig, was die Deutschen
über Minderheiten in der Gesellschaft denken. Hohe Zu-
stimmungswerte für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
werden dabei seit mehr als zehn Jahren erhoben. „Es
leben zu viele Ausländer in Deutschland.“ – diesem Satz
stimmen 49 Prozent der Westdeutschen und 62 Prozent
der Ostdeutschen zu. Mit steigender Tendenz.
Zu einem ähnlichen Befund kommt die aktuelle Rechtsex-
tremismus-Studie „Die Mitte im Umbruch“. Die seit 2006
im Zweijahresrhythmus von der Friedrich-Ebert-Stiftung
in Auftrag gegebenen „Mitte-Studien“ dienen als Barome-
ter antidemokratischer Einstellungen und führen vor Au-
gen, dass rechtsextreme Haltungen in allen Teilen der
Gesellschaft in erheblichem Maße anzutreffen sind. Nach
ihren jüngsten Zahlen ist in Gesamtdeutschland zwischen
den Jahren 2010 und 2012 die Zahl derer, die ein ge-
schlossenes rechtsextremes Weltbild in sich tragen, von
8,2 auf neun Prozent gestiegen – zu einem solchen Welt-
bild gehören Antisemitismus, Antiziganismus, Chauvi-
nismus, Diktaturbefürwortung, Fremdenfeindlichkeit,
Sozialdarwinismus sowie die Verharmlosung der natio-
nalsozialistischen Diktatur.
Diese Einstellungen sind freilich nicht mit den schweren
Straftaten des NSU zu vergleichen. Die Studienergebnisse
zeigen aber, dass rassistische Vorurteilsstrukturen unsere
gesamte Gesellschaft durchziehen. Diese müssen abge-
baut werden.
Rassismus und Rechtsextremismus dürfen in Deutschland
keinen Platz haben!
2. Strukturelle rassistische Vorurteile waren
eine wesentliche Ursache für die fehlende
Offenheit der Ermittlungen zu den Morden
und Sprengstoffattentaten des NSU
Warum waren die jahrelangen Ermittlungen zu der
Mordserie an neun Mitbürgern mit
Mirgationshintergrund, die bereits seit der zweiten Tat
aufgrund der verwendeten Waffe als Serie erkennbar war,
sowie zu den beiden menschenverachtenden Sprengstoff-
attentaten in Köln erfolglos, obwohl die Ermittlungsbe-
hörden in allen Fällen jahrelang einen immensen Auf-
wand betrieben haben? Dies war eine der wesentlichen
Fragen, mit denen sich der Ausschuss beschäftigt hat.
Eine zentrale Antwort darauf ist sicherlich: Die Ermitt-
lungen waren von Beginn an – und letztlich auch bis zum
Schluss – einseitig konzentriert auf das Umfeld der
Opfer, von der Vermutung einer Beziehungstat, über
gemutmaßte Verbindungen in Richtung Betäubungsmit-
telkriminalität bis hin zu möglichen Schutzgelderpressun-
gen und angeblichen Spielschulden. Es wurde vor allem
durchweg eine wie auch immer geartete kriminelle Or-
ganisation, verortet im Kontext von Ausländerkrimina-
lität, hinter den Verbrechen vermutet.
Drucksache 17/14600 – 878 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Manche polizeiliche Maßnahme, um herauszubekommen,
was nicht war, führte denn auch zu einer erneuten
Traumatisierung der Opferangehörigen, welche ohne-
hin durch die Tat selbst erschüttert waren: So mussten
Angehörige jahrelang belastende Vernehmungen über
sich ergehen lassen, in denen immer neue falsche An-
schuldigungen gegen ihre ermordeten Angehörigen erho-
ben werden. So wurden einzelne Familien ohne Anlass
mehrere Monate mit Telefonüberwachungsmaßnahmen
überzogen und ihre privaten Gespräche im Familienauto
abgehört. Adile Şimşek wurde beispielsweise in einem
polizeilichen Verhör mit der falschen Behauptung kon-
frontiert, ihr getöteter Mann habe parallel eine deutsche
Geliebte gehabt. Der Witwe wurden sogar Fotos der an-
geblichen, in Wahrheit aber frei erfundenen, Geliebten
des verstorbenen Mannes gezeigt.
Selbstredend sind Ermittlungen in diese Richtung nicht
per se verwerflich, sondern aus kriminalistischer Sicht
sogar zwingend erforderlich, aber eben nicht ausschließ-
lich!
Obwohl sämtliche Anhaltspunkte und Spuren in diese
Richtung, die zudem häufig auf zweifelhaften Angaben
von Zeugen oder anderweitigen Quellen beruhten, sich
bald als unzutreffend und nicht weiterführend erwiesen,
konzentrierten sich die Ermittlungsbehörden trotzdem
immer weiter auf diese falsche Ermittlungsrichtung. Jeg-
liche Offenheit für Ermittlungen in andere Richtun-
gen fehlte.
Dabei gab es durchaus und immer wieder Anhaltspunkte
und Ansätze in die richtige Richtung. So äußerten bei-
spielsweise die Witwe des ersten Mordopfers, Enver
Şimşek, oder der Bruder des siebten Opfers, Theodorus
Boulgarides, gegenüber den Ermittlern ihre Vermutung,
dass bei den Taten ein rassistischer Hintergrund bestehen
könnte. Hinzu kam beispielsweise auch der Anstoß des
damaligen bayerischen Innenministers Dr. Günther
Beckstein, der bereits unmittelbar nach dem ersten Mord
konkret wissen wollte, ob bei der Tat ein „ausländerfeind-
licher Hintergrund“ denkbar sei. Er gab sich dann jedoch
drei Wochen später leider mit der einen Satz umfassenden
Antwort zufrieden, es gebe „derzeit keine Anhaltspunkte
für einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat“.
Für jeden noch so kleinen und merkwürdig erscheinenden
Hinweis von „Wahrsagern“ bis zu „Metaphysikern“
wurde durch die Polizei eine „Spur“ generiert und „abge-
arbeitet“. Die Angaben der Opferangehörigen und Fragen
des Innenministers hingegen wurden offensichtlich nicht
ernst genommen. Stattdessen wurden die Ermittlungen „in
alle Richtungen“, allerdings immer nur bezogen auf das
Opferumfeld, fortgesetzt. Die Berechtigung dieser Ermitt-
lungsrichtung ließ man sich dann im Jahr 2005 durch eine
„Operative Fallanalyse“ (OFA), also der Erstellung eines
bestimmten „Täterprofils“, bestätigen. Darin wurde die
sogenannte „Organisationstätertheorie“ herausgearbei-
tet.
Erst im Mai 2006, also sechs (!) Jahre nach dem ersten
Mord, im Anschluss an den neunten (!) Mord der Serie,
wurde im Rahmen einer „Zweiten Operativen Fallanaly-
se“ (2. OFA) erstmalig die Alternativhypothese eines
möglicherweise rassistisch motivierten „Einzeltäters“
in Erwägung gezogen.
Noch am Tage der Vorstellung dieser Hypothese in der
die Ermittlungen koordinierenden „Steuerungsgruppe“
der Polizeien wurde allerdings eine weitere „Operative
Fallanalyse“ beim LKA Baden-Württemberg in Auftrag
gegeben. Dies zeigt einmal mehr die angesichts der völli-
gen Erfolglosigkeit der bisherigen Ermittlungen unver-
ständliche Fixierung eines Großteils der beteiligten
Ermittler darauf, den Hintergrund der Taten unbedingt
im Bereich der organisierten Kriminalität und im Umfeld
der Opfer verorten zu wollen.
Bezeichnend sind so manche Formulierungen in der an-
schließend erstellten 3. OFA, die offenkundig das Ziel
hatte, die unerwünschten Ergebnisse der 2. OFA, die auf
einen möglichen rassistischen Hintergrund der Taten
deuteten, zu relativieren und zu widerlegen. Wörtlich
heißt es dort etwa:
„Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischspra-
chige Opfer hat, ist nicht auszuschließen, dass die
Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den
Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge
ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben.
Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Eh-
renkodex eher für eine Gruppierung im ost- bzw.
südosteuropäischen Raum (nicht europäisch west-
licher Hintergrund).“
Oder:
„Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Men-
schen in unserem Kulturraum mit einem hohen
Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hin-
sichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb
des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet
ist.“
Weiter wird dort ausgeführt, dass „alle Opfer weitere
Gemeinsamkeiten aufweisen, die von außen für einen
Täter ohne Opferbezug nicht erkennbar sind“. Als Bei-
spiel dafür wird ohne tragfähige Belege pauschal eine
„undurchsichtige Lebensführung“ der Opfer genannt.
Diese eindimensionale – und in den Formulierungen fast
schon offen rassistische – Ermittlungs- und Gedanken-
führung in Richtung „Ausländerkriminalität“, Rotlicht-
milieu, Mafia und Rauschgifthandel mit einer unverständ-
lichen Fixierung auf das – in der Regel türkische – „Op-
ferumfeld“, in dem man mit aller Kraft den kriminellen
Hintergrund der Taten finden wollte, dieses eindeutige
„Versagen“ von Polizeien und Staatsanwaltschaften
bei der Aufklärung der Mordserie, kann nicht mehr als
bloßer „Zufall“ oder eine Massierung handwerklicher
Fehler gewertet werden.
Vielmehr ist im Ausschuss eindeutig erkennbar gewor-
den, dass nicht in Frage gestellte Routinen des alltägli-
chen Betriebs eine wesentliche Ursache für den vereng-
ten Blickwinkel gewesen sind. Alle haben „funktioniert“,
ohne die Motive ihres Handelns jemals zu reflektieren
und zu hinterfragen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 879 – Drucksache 17/14600
Es geht dabei nicht etwa um eine „Blindheit auf dem
rechten Auge“ offen rassistisch veranlagter Polizistinnen
und Polizisten, sondern um vorurteilsbehaftete Routi-
nen in der Polizeiarbeit, die Delinquenz bestimmten
Personengruppen, Milieus und Ethnien schematisch zu-
ordnen. Es handelt sich um Routinen, die längst nicht
mehr der Einwanderungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts
entsprechen.
Bei diesen routinisierten Verdachts- und Vorurteils-
strukturen gegenüber Personen mit Migrationshinter-
grund wird deutlich, dass es sich nicht um das Fehlver-
halten einzelner Beamter mit „rechtem Hintergrund“
handelt, dass dieses Fehlverhalten also nicht intentional,
sondern vielmehr strukturell bedingt ist.
Selbstverständlich wollten die unzähligen Sicherheitskräf-
te, die mit der Mordserie befasst waren, die Fälle aufklä-
ren, die Mörder finden und die Mordserie stoppen. Sie
waren nur nicht in der Lage, sich selbstreflexiv aus den
bestehenden routinisierten, oftmals rassistisch gepräg-
ten, Verdachts- und Vorurteilsstrukturen zu befreien.
Wo die Mittel zur Reflektion fehlen, greift man eben auf
„verbreitete Wissensbestände“ zurück.
Es handelt sich um unbewusste Prozesse institutioneller
Diskriminierung, die sich in Routinen der Ungleichbe-
handlung von Minderheiten niederschlugen.
Im Rahmen der Untersuchungen des Ausschusses wurden
– neben der offenkundig vorurteilsbeladenen 3. OFA –
weitere Vorgänge erkennbar, die die Berechtigung dieser
Schlussfolgerung anschaulich illustrieren:
– Allein schon die Namensgebung bei Teilen der ein-
gesetzten Ermittlungseinheiten (BAO „Bosporus“,
Soko „Halbmond“) verortetet den Hintergrund dieser
Taten deutlich außerhalb der Bundesrepublik und
sorgt mit dafür, dass die Fälle aus dem „deutschen
Rahmen“ entfernt wurden und die Opfer selbst im
Verdacht standen, durch kriminelle Handlungen die
Verbrechen mit verursacht zu haben.
– Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz „verdeckter
Ermittler“ durch die bayerische Polizei: Polizeibe-
amte, getarnt als türkische Detektive oder Journalis-
ten, wurden auf die Opferangehörigen angesetzt, weil
diese mit der Polizei nur „äußerst zurückhaltend“ zu-
sammenarbeiten würden. Dies sei zum einen auf die
„fehlende Akzeptanz der Polizei“ zurückzuführen,
zum anderen liege dies auch „in der türkischen Men-
talität begründet“. Die verdeckten Ermittler sollten
sodann Verbindung aufnehmen „zu Personen aus
dem Umfeld der Opfer […] sowie der ‚Türken-
Szene‘ im Allgemeinen“.
Bemerkenswert und in gewisser Weise auch beschä-
mend ist, dass das klar dokumentierte Misstrauen,
welches die Polizei dem Opferumfeld entgegenbrach-
te, durch die Betroffenen selbst als unberechtigt ent-
larvt wurde: Mehrere durch die verdeckten Ermittler
angesprochene Personen wandten sich nämlich ver-
trauensvoll mit der Frage an die Polizei, ob sie mit
diesen angeblichen Detektiven überhaupt sprechen
dürften. Eine der von einem verdeckten Ermittler an-
gesprochenen Personen gab sogar gegenüber diesem
an, er stehe in dieser Angelegenheit „in einem sehr
engen und guten Kontakt mit der Nürnberger Polizei“
und er sehe sich deshalb nicht veranlasst, „irgend-
welche Hinweise an Detektive zu geben“.
– Auch die verdeckte Ermittlungsmaßnahme „Dö-
nerbude“, in der die bayerische Polizei über 20 Mo-
nate lang selbst zwei Dönerimbisse betrieben hatte,
wurde damit begründet, „die Geschäftspraktiken un-
ter den bei uns lebenden türkischen Staatsangehöri-
gen“ würden durch die Maßnahme „durchschaubar“
und damit „Verhaltensmuster verständlicher“ werden.
Zudem würden „Zwänge/Abhängigkeiten innerhalb
der Ethnie“ erkennbar werden.
Bezeichnend ist dabei, dass der einzige sinnvolle
Hinweis, den die über anderthalb Jahre andauernde
Aktion gebracht hatte, ein massiver rassistischer
Drohangriff auf den türkischstämmigen verdeckten
Ermittler war. Der Angreifer soll dabei unter ande-
rem auch auf das am Dönerstand angebrachte Fahn-
dungsplakat zur Mordserie gezeigt und wörtlich ge-
sagt haben: „Wenn man die Türken nicht so vertrei-
ben kann, dann müssen sie halt so heimgeschickt
werden!“ Aus diesem Vorfall folgte jedoch – konse-
quent – nichts.
– Die vorurteilsbeladene falsche Schwerpunktsetzung
der Ermittlungen in der Mordserie zeigt sich auch
beispielhaft darin, dass in Nürnberg und München in
den Jahren 2005 und 2006 durch die Polizei rund 900
türkische Kleingewerbetreibende aufgesucht wurden,
um Hinweise zum Ermittlungsansatz „organisierte
Kriminalität“ zu gewinnen, während zur Ermittlungs-
richtung „rechtsextremistische Tatmotivation“ nach
Vorliegen der 2. OFA lediglich neun (!) bekannte
„rechte Szeneangehörige“, und diese ausschließlich
aus dem Raum Nürnberg, im Rahmen sogenannter
„Gefährderansprachen“ im Herbst 2006 aufgesucht
wurden.
Als Ergebnis dieser „Gefährderansprachen“ wurde
sodann festgehalten, dass „innerhalb der rechten Sze-
ne die Meinung vorherrscht, dass sich die Opfer wohl
selber im kriminellen Milieu bewegt haben dürften
und einer Vergeltungs- bzw. Rachetat zum Opfer ge-
fallen sein könnten“. Weiterhin sei als „Ergebnis“
festzuhalten, dass „eine fremdenfeindlich motivierte
Straftat nicht vorliegt, da die Mordopfer für ihren Un-
terhalt selber sorgten und aufgrund ihrer Berufstätig-
keit den deutschen Staat (Steuerzahler) nicht ausnütz-
ten“.
Die bestehenden vorurteilsbelasteten Ressentiments
gegenüber den Opfern ließ man sich also offenkundig
noch einmal durch rechtsextreme „Gefährder“ bestä-
tigen.
– Ein weiteres Beispiel für die routinisierten Ver-
dachts- und Vorurteilsstrukturen findet sich in der
Aussage des zuständigen Beamten der Hamburger
Polizei vor dem Untersuchungsausschuss. Der Zeuge
Drucksache 17/14600 – 880 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
verstieg sich bei der Beschreibung des Hamburger
Opfers zu folgender Aussage:
„(Er) war das, was wir im Landeskriminalamt
‚einen ganz normalen türkischen Mann‘ ge-
nannt haben; leidenschaftlich, sehr energisch
und dominant vom Wesen.“
Klischees – mögen sie nun negativ (dominant, faul,
traditionell, kriminell etc.) oder positiv (leidenschaft-
lich, spontan, feurig, gefühlvoll etc.) sein - haben
Auswirkungen auf den Umgang und die Kommuni-
kation mit dem Gegenüber, das man dann häufig
nicht mehr als Individuum, sondern vielmehr als Re-
präsentanten einer Gruppe wahrnimmt. In diesem
Moment findet sozusagen eine „Entantwortung“
statt, wie dies von dem Journalisten und Migrations-
forscher Mark Terkessidis einmal überzeugend be-
zeichnet wurde: Was eine Person sagt oder tut, gilt
nicht mehr als individueller Ausdruck, sondern als
Artikulation des „Türkischen“, des „Südländischen“
usw., so dass sie ihrer Verantwortung beraubt wird.
Zugleich verwehrt man ihr auch die Möglichkeit ei-
ner Antwort, da all ihre Äußerungen und ihr Handeln
scheinbar durch die jeweilige Gruppenzugehörigkeit
vorherbestimmt sind.
– Selbst im Rahmen der Ermittlungen zum Mord an der
Polizistin Michèle Kiesewetter lassen sich Ansätze
vorurteilsbeladener Routinen der Polizeiarbeit
ausmachen: Angehörige der Minderheiten Sinti und
Roma wurden ohne ausreichende tatsächliche An-
haltspunkte über einen langen Zeitraum verdächtigt
und im Rahmen der Spur „Landfahrer“ mit zum
Teil unverhältnismäßigen Ermittlungsmaßnahmen
überzogen. In der Ausgabe des „Stern“ vom 29. Juni
2007 ließ sich einer der Ermittler gar mit der Aussage
„Wir prüfen auch intensiv im Zigeunermilieu.“ zitie-
ren. Selbst nachdem sich herausgestellt hatte, dass die
angebliche DNA-Spur, die eine Verbindung zu einem
anderen Fall in Worms herstellen ließ, allein auf eine
Verunreinigung der durch die Spurensicherung ver-
wendeten Wattestäbchen zurückzuführen war, wur-
den die Ermittlungen gegen Angehörige der Minder-
heiten Sinti und Roma unverständlicherweise immer
noch weiter fortgesetzt.
– Die Anfrage des BKA im Jahr 2004 an den Verbin-
dungsbeamten in der Schweiz zu möglichen Käufern
von Schalldämpfern für die Česká 83 wurde auf „ins-
besondere türkische Staatsangehörige“ beschränkt.
Dies führte erwartungsgemäß dazu, dass die Antwort
sich auch allein darauf bezog und möglicherweise
tatsächlich in Betracht kommende Verdachtspersonen
ausschieden. Auch hier wird eine vorurteilsbasierte
Verengung des Blickes der ermittelnden Beamten
deutlich erkennbar, die zu diesem Zeitpunkt krimina-
listisch nicht im Entferntesten zu rechtfertigen war.
Im Ausschuss hat der zuständige Polizeibeamte die-
ses Verhalten so zu erklären versucht: „Ich habe fest-
gestellt, dass praktisch überproportional türkische
Staatsangehörige als illegale Waffenbesitzer hier in
Erscheinung getreten sind.“
Wenn insofern versucht wird, das Bestehen routinisierter
Verdachts- und Vorurteilsstrukturen zu negieren, indem
auf polizeiliche und statistische Erfahrungswerte ver-
wiesen wird, an denen sich polizeiliches Handeln auszu-
richten habe, dann bestätigt dies die hier getroffene Fest-
stellung.
Selbstverständlich gibt es die polizeilichen Erfahrungen,
dass die Täter von Mordopfern häufig im persönlichen
Umfeld zu finden sind und dass bestimmte Taten statis-
tisch gesehen in bestimmten „Milieus“ häufiger vorkom-
men als in anderen.
Entscheidend ist jedoch, dass diese häufig durchaus nütz-
lichen „polizeilichen Erfahrungen“ nicht dazu führen
dürfen, bestimmte Bevölkerungsgruppen sozusagen „auf
Biegen und Brechen“ als einzig in Frage kommende Tä-
tergruppe zu betrachten, gerade weil spätestens nach dem
dritten Mord klar war, dass eine Beziehungstat ausschei-
det und tatsächliche Anhaltspunkte für kriminelle Verbin-
dungen der Mordopfer untereinander nicht ersichtlich
waren.
Was den Ermittlern hier offenkundig gefehlt hat, war der
Blick darauf, dass sie es nicht mit Statistik zu tun haben,
sondern mit individuellen Taten, Tätern und Opfern.
Ermittler müssen angehalten sein, sich der zweifellos
vorhandenen routinisierten Verdachtsstrukturen be-
wusst zu werden, sie immer wieder zu hinterfragen und
vor allem zu überwinden.
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Verantwortlichen
in den betroffenen Institutionen dazu bereit sind, das
Bestehen solcher routinisierter, oftmals rassistisch
geprägter, Vorurteilsstrukturen anzuerkennen. Nur
dann lassen sich die notwendigen Maßnahmen bei Perso-
nalauswahl sowie bei Aus- und Fortbildung innerhalb der
Institutionen wirksam ergreifen.
Rassismus darf nicht einfach per se verleugnet werden, er
muss als strukturelles Problem auch im institutionellen
Kontext anerkannt werden.
Äußerungen wie die des Präsidenten der Bundespolizei,
Dieter Roman, im „Spiegel“ vom 5. November 2012
lassen an der Bereitschaft der heutigen Bundesregierung,
dieses Problem offen anzugehen, eher zweifeln: Zu der
Frage, ob hinter einem bestimmten Verhalten von Beam-
ten der Bundespolizei im Rahmen einer verdachtsunab-
hängigen Personenkontrolle eines Deutschen allein auf-
grund seiner Hautfarbe Rassismus stecke, antwortete er:
„Selbstverständlich nicht. Die Rechtslage und die
internen Vorschriften sind eindeutig. Rassismus
findet bei der Bundespolizei nicht statt.“
3. Falsch verstandener Föderalismus hat
sich als gravierendes Hemmnis effektiver
Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden erwiesen
Die Ausschussarbeit hat ein weiteres schwerwiegendes
Problem im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie
erkennbar werden lassen:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 881 – Drucksache 17/14600
Der Serienzusammenhang der Česká-Morde stand bereits
nach den ersten beiden Taten, die in Nürnberg verübt
wurden, fest. Mit dem dritten Mordfall in Hamburg war
klar, dass die Täter nicht an der bayerischen Landesgren-
ze halt machen. Es folgten weitere Morde in Bayern
sowie in Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und
Nordrhein-Westfalen.
Dennoch wurden die Ermittlungen in der bundesweiten
Mordserie nicht zentral in einer Hand, sondern von sechs
Polizeibehörden und fünf Staatsanwaltschaften geführt.
Jede Ermittlungseinheit machte „ihr eigenes Ding“, In-
formationsdefizite und unnötige Doppelarbeit waren die
Folge. Die Ermittlungen waren, wie es der ehemalige
Vizepräsident des BKA Falk im Ausschuss ausdrückte,
„kriminalfachlich stümperhaft organisiert“. Eine Gra-
fik aus den Akten des BKA verdeutlicht dies:
Die frühzeitige Zusammenführung der polizeilichen
Ermittlungen, begleitet von einem staatsanwaltschaftli-
chen Sammelverfahren, hätte eine effektivere Arbeit der
Strafverfolgungsbehörden ermöglicht. Dies wäre zwar
keine Garantie für eine Aufklärung der Mordserie gewe-
sen, die Voraussetzungen hierfür wären aber spürbar
verbessert worden.
Leider hat falsch verstandener Föderalismus dazu geführt,
dass das Interesse an der Wahrung eigener Zuständigkei-
ten über das Erfordernis einer sachgerechten Führung der
Ermittlungen gestellt wurde.
a) Es hätte eine zentrale polizeiliche Ermitt-
lungsführung mit klaren Weisungsbefug-
nissen bewirkt werden müssen
Die polizeilichen Ermittlungen hätten schon frühzeitig in
einer Hand, sei es beim BKA oder einer Landespolizei,
zusammengeführt werden müssen, um klare Weisungs-
und Verantwortungsstrukturen zu schaffen. Eine zent-
rale Draufsicht und Bewertung aller Spuren und Ermitt-
lungsergebnisse sowie eine daraus entwickelte einheitli-
che Ermittlungskonzeption hätte die polizeiliche Arbeit
deutlich effektiver gestaltet.
Bereits 2004 gab es Bestrebungen, die zentrale Ermitt-
lungsführung dem BKA zu übertragen. Leider wurde
dieses Vorhaben wieder aufgegeben, bevor die Leitung
des BKA jemals Kenntnis davon erlangte. Das BKA wur-
de auf Ersuchen Bayerns nur mit ergänzenden Struktur-
ermittlungen beauftragt. Allerdings konnte es dadurch
einen Einblick in die Arbeit der beteiligten Ermittlungs-
behörden gewinnen. Dieser fiel derart ernüchternd aus,
dass sich das BKA im Jahr 2006 in einem „Brandbrief“
an das BMI wandte und seinerseits nachdrücklich für
eine Übernahme der zentralen Ermittlungsführung
warb.
Der damalige Bundesinnenminister Dr. Schäuble und
sein Staatssekretär Hanning hätten der vehementen
Aufforderung des BKA, ihm die zentrale Ermittlungsfüh-
rung in der Mordserie zu übertragen, nachkommen müs-
sen. Nach vielen Jahren erfolgloser und zum Teil unkoor-
dinierter Ermittlungen wäre es zwingend erforderlich
gewesen, die Ermittlungen endlich neu aufzusetzen und
zentral zu führen.
Erheblicher Widerstand aus Bayern, insbesondere vom
damaligen bayerischen Innenminister Dr. Beckstein, der
eine solche Entscheidung des BMI ausweislich der Akten
als „Kriegserklärung“ verstanden hätte, ließen
Dr. Schäuble und Hanning jedoch einknicken. Ein Abtei-
lungsleiter wurde damit beauftragt, die Sache auf Arbeits-
ebene zu erledigen. Dr. Schäuble sollte nicht gegen Bay-
ern entscheiden müssen.
Das Ergebnis war eine völlig unzureichende Koordinie-
rungskonstruktion durch Bildung einer „Steuerungs-
gruppe“, bei der das BKA am „Katzentisch“ blieb. Diese
Lösung wurde unverständlicherweise von BKA-Präsident
Ziercke im Ausschuss nachträglich als gute Entscheidung
gelobt und mit der völlig abstrusen These verknüpft, hier-
durch sei es immerhin gelungen, die Mordserie zu stop-
pen.
b) Sämtliche Ermittlungen hätten in einem
staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahren
zusammengeführt werden müssen
Auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft wäre eine Bünde-
lung der Zuständigkeit in einem Sammelverfahren zwin-
gend notwendig gewesen. Der Staatsanwaltschaft obliegt
als Herrin des Ermittlungsverfahrens die Sachleitungsbe-
fugnis. Ein Sammelverfahren, gepaart mit einer zentralen
polizeilichen Ermittlungsführung, hätte zu einer effektive-
ren Ermittlungsarbeit beigetragen. Kräfte wären gebün-
delt, Informationsfluss und Ermittlungsschritte optimiert
worden.
Immerhin wurden die bayerischen Mordfälle in einem
Sammelverfahren bei der Staatsanwaltschaft Nürn-
berg/Fürth geführt. Leider verweigerte sich der zuständige
Oberstaatsanwalt der Übernahme auch der Mordfälle aus
den anderen Bundesländern.
Nach den einschlägigen Vorschriften wäre die Führung
eines staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahrens im
Sinne einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung auch
rechtlich geboten gewesen, da ein Zusammenhang mehre-
rer Taten in verschiedenen staatsanwaltschaftlichen Be-
zirken bestand. Dieser Zusammenhang wurde noch 2004
von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit der hane-
büchenen Begründung bestritten, die Verwendung dersel-
ben Tatwaffe sei „kein Indiz für denselben Täter“.
Drucksache 17/14600 – 882 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Aus Sorge vor Übernahme der Ermittlun-
gen durch den Generalbundesanwalt wur-
den dieser und die Öffentlichkeit nicht
sachgerecht informiert
Statt eines Sammelverfahrens bei einer Staatsanwaltschaft
wäre auch eine Übernahme der Ermittlungen zur Česká-
Mordserie durch den Generalbundesanwalt beim Bun-
desgerichtshof (GBA) möglich gewesen.
Allerdings wurde eine sachgerechte Prüfung einer mögli-
chen Verfahrensübernahme durch den GBA durch die
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verhindert. Statt die
Akten dem GBA zur Prüfung seiner Zuständigkeit zu
übersenden, wurde stur die zweifelhafte Ansicht vertreten,
eine Zuständigkeit des GBA sei nicht gegeben.
Dabei hätte der GBA die Ermittlungen in der Mordserie
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr
wohl übernehmen können. In seinem Urteil vom
22. Dezember 2000 („Eggesin“-Entscheidung) hat der
BGH die Abgrenzungskriterien, die für die Übernahme
von Verfahren wegen Verbrechen aus der allgemeinen
Schwerkriminalität mit (rechts-)extremistischem Hinter-
grund als Staatsschutzdelikte in die Bundeskompetenz
entscheidend sind, beschrieben. Danach ist der Bund
ausnahmsweise dann zuständig, wenn die Tat darauf
gerichtet ist, das innere Gefüge des Gesamtstaates oder
dessen Verfassungsgrundsätze zu beeinträchtigen. Zu
diesen Verfassungsgrundsätzen zählt der Ausschluss
jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft gegenüber Min-
derheiten. Dieser Grundsatz wird beeinträchtigt, wenn der
Täter das Opfer nur deshalb angreift, weil er es als Mit-
glied einer nationalen, rassischen, religiösen oder durch
Volkstum bestimmten Gruppe treffen will. Spätestens die
in der 2. OFA entwickelte These eines rechtsextremistisch
motivierten Einzeltäters hätte den Kriterien des BGH
entsprochen.
Dies wollten aber offensichtlich sowohl die beteiligten
Polizeien als auch die Staatsanwaltschaften auf jeden Fall
vermeiden. Auch aus diesem Grund wurde von einer zu
offenen Erörterung der Einzeltätertheorie in der Presse
abgesehen. In einem Protokoll der Steuerungsgruppe vom
18. Mai 2006 heißt es dazu wörtlich:
„Die Frage der Einzeltätertheorie wurde vor dem
Hintergrund einer möglichen Zuständigkeit des
Generalbundesanwalts kritisch hinterfragt. Da
sich konkrete Anhaltspunkte für eine politische
Motivation aus dem OFA-Ergebnis nicht zwingend
ableiten lassen, soll bis auf weiteres im Rahmen
von Darstellungen nach außen auf entsprechende
Hinweise verzichtet werden.“
Der zuständige Staatsanwalt der StA Nürnberg-Fürth
bestritt im Ausschuss, dass es derartige Überlegungen
auch bei der Staatsanwaltschaft gegeben habe. In den
Akten findet sich jedoch ein Vermerk des BKA vom
6. Juli 2006:
„Der Vorschlag von Herrn Geier (BAO-Bosporus)
die Einzeltätertheorie aktiv in der Öffentlichkeit zu
diskutieren […] wurde von allen anderen Dienst-
stellen aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Die
StA Nürnberg-Fürth verwies zudem darauf, dass
bei allzu intensiver Diskussion dieser Hypothese
dann auch die Zuständigkeit des GBA greifen
könnte.“
Die offensichtliche Strategie der Ermittlungsbehörden der
Länder ging, unterstützt durch eine wenig engagierte
Arbeitsweise des zuständigen Bearbeiters beim GBA, voll
auf: Dieser legte zwar nach einem Zeitungsbericht über
die Mordserie einen Prüfvorgang an, beschränkte sich
aber auf die Lektüre einiger weniger Medienberichte und
der Homepage des BKA. Von der Möglichkeit eines
rechtsextremistischen Tatmotivs fand sich darin kein
Wort. Ergebnis der Prüfung: unzuständig.
Die Chance einer effektiven zentralen Ermittlungsführung
wurde aus sachwidrigen Erwägungen heraus vertan.
Dabei ist aber auch klar, dass gesetzliche Änderungsvor-
schläge zu nichts führen, wenn Ermittlungsbehörden
künftig nicht besser und konsequenter auf das bereits
bestehende gesetzliche Instrumentarium für strafrecht-
liche Ermittlungsarbeit zurückgreifen und vor allem nicht
effektiver auf das für alle Strafermittlungen geltende
Prinzip der Zusammenarbeit setzen.
Trotzdem sind einige moderate Korrekturen am beste-
henden Regelungssystem nach den im Ausschuss ge-
wonnenen Erkenntnissen angezeigt, die unten im Kapitel
C./III. im Einzelnen dargestellt werden.
4. Zusammenarbeit und Informationsaus-
tausch haben nicht funktioniert: Abschot-
tung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und
fehlende Eigeninitiative haben das Han-
deln über weite Strecken bestimmt
Eine weitere besorgniserregende Erkenntnis der Aus-
schussarbeit war die, dass die im gesamten NSU-
Komplex beteiligten Behörden kaum effektiv zusam-
mengearbeitet haben und dass wesentliche Informatio-
nen, die insbesondere für das Auffinden des unterge-
tauchten Trios lange vor dem Beginn der Mordserie wich-
tig, wenn nicht sogar entscheidend, gewesen wären, nicht
sachgerecht ausgetauscht worden sind. Diese Defizite
sind auch hier wieder auf allen Ebenen festzustellen:
– zwischen polizeilichen Einheiten innerhalb eines
Bundeslandes,
– zwischen Polizei und Verfassungsschutz innerhalb
eines Bundeslandes,
– zwischen Polizeien und Verfassungsschutzbehörden
mehrerer Bundesländer und
– zwischen den Verfassungsschutzbehörden der Länder
und dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
a) Kein sachgerechter Informationsaus-
tausch innerhalb der Polizei Thüringens
Unerklärlich ist schon der Umstand, dass es bereits inner-
halb des LKA Thüringen offenkundig an einem vernünf-
tigen Informationsaustausch mangelte:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 883 – Drucksache 17/14600
Am 26. Januar 1998 wurde unter der Verantwortung der
sogenannten „Ermittlungsgruppe TEX (Terroris-
mus/Extremismus)“ im Bereich des Staatsschutzes im
Thüringer LKA die von Zschäpe angemietete Garage
Nr. 5 an der Kläranlage in Jena-Lobeda durchsucht. Dabei
wurden immerhin 1,4 Kilogramm Sprengstoff (TNT) in
drei Rohrbomben sichergestellt. Die drei rechtsextremen
Verdächtigen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe setzten
sich daraufhin ab und die Suche nach ihnen wurde an den
Bereich „Zielfahndung“ im LKA abgegeben.
Im Ausschuss wurde schnell erkennbar, dass von einer
sachgerechten Weitergabe aller für die Zielfahndung
notwendigen Informationen nicht die Rede sein kann: Die
Zielfahndung hatte keinerlei Kenntnisse von den in der
Garage aufgefundenen Asservaten, insbesondere nicht
von der dort gefundenen Adressliste mit Informationen
zu einer Vielzahl möglicher Unterstützer aus dem
„Blood & Honour“-Netzwerk, die als Kontaktpersonen
und Fluchtunterstützer in Frage kamen. Auch von den in
der Garage gefundenen handschriftlichen Briefen von
Mundlos, aus denen sich weitere Kontakte zur Chemnit-
zer Neonazi-Szene ergeben hätten, wusste die Zielfahn-
dung nichts.
Hinzu kam, dass es auch keinerlei nennenswerten In-
formationsaustausch zwischen den Zielfahndern und
deren Kollegen aus dem Staatsschutzbereich über die
rechtsextremen Netzwerke in Thüringen gab. Jeder
werkelte offenkundig einfach vor sich hin.
b) Konkurrenzdenken zwischen Verfas-
sungsschutz und Polizei in Thüringen so-
wie Dilettantismus im Thüringer LfV
Noch absurder mutet allerdings das Verhältnis zwischen
dem Thüringer Verfassungsschutz und der Thüringer
Polizei bei der Suche nach den Untergetauchten an: von
sachgerechter Zusammenarbeit kann hier keine Rede
mehr sein. Das Verhältnis war eher von Konkurrenz-
denken und persönlichen Eitelkeiten geprägt.
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe konnten sich am
26. Januar 1998 und in der Folgezeit einer Verhaftung
nicht zuletzt deshalb entziehen, weil sich die beteiligten
Sicherheitsbehörden Thüringens einen Erfolg gegenseitig
nicht gönnten.
Obwohl die Suche nach mutmaßlichen Straftätern zur
Vollstreckung von Haftbefehlen nicht zu den Aufgaben
des Verfassungsschutzes gehört, wollte der Thüringer
Verfassungsschutz das Trio damals unbedingt vor der
Polizei finden, um es dieser dann angeblich „auf dem
Silbertablett“ servieren zu können. Dabei stellte sich der
Verfassungsschutz allerdings so dilettantisch an, dass
viele für die Fahndung wichtige Informationen einfach
ignoriert und nicht an die zuständigen Stellen weitergelei-
tet wurden.
So hatte das LfV Thüringen beispielsweise bereits im Jahr
1998 V-Mann-Informationen vom brandenburgischen
Verfassungsschutz erhalten, aus denen erkennbar war,
dass das Trio „mit Waffen versorgt“ werden solle und
einen „weiteren Überfall“ plane. Diese Information er-
reichte die Zielfahnder aber nicht. Damit gerieten die
Polizisten in erhebliche Gefahr und es fehlten entschei-
dende Hinweise für sachgerechte Fahndungsmaßnahmen.
Auch die nicht nur aus heutiger Sicht brisante Information
des MAD aus dem Jahr 1999, dass sich das Trio nach
Angaben eines der rechten Szene angehörenden Grund-
wehrdienstleistenden bereits „auf der Ebene des Rechts-
terrorismus“ bewege, wurde an die Zielfahnder nicht
weitergegeben.
Der Thüringer Verfassungsschutz befand sich damals in
einem fragwürdigen Kompetenzgerangel mit der Polizei
zu der Frage, wer der bessere „Zielfahnder“ sei. Dies
führte zu einem fatalen Informationsdefizit bei der ei-
gentlich zuständigen Ermittlungsbehörde.
Dieses konnte der Verfassungsschutz selbst nicht ausglei-
chen, weil eine sachgerechte Sammlung, Auswertung und
Analyse der vorhandenen Informationen schlichtweg
nicht durchgeführt wurde.
Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass das Thü-
ringer LfV durch sein Verhalten die Tätigkeit der Straf-
verfolgungsbehörden bei der Suche nach dem Trio mas-
siv beeinträchtigt hat.
c) Unprofessionelle Kooperation zwischen
bayerischer Polizei und Bayerischem Lan-
desamt für Verfassungsschutz
Als besonders unprofessionell erwies sich auch die „Ko-
operation“ zwischen der bayerischen Polizei und dem
Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV):
Nachdem mit der 2. OFA im Mai 2006 erstmals die Hy-
pothese eines möglicherweise rassistisch motivierten
„Einzeltäters“ aufgekommen war, begannen in der BAO
Bosporus zaghafte Überlegungen dazu, welche Ermitt-
lungsschritte in diese Richtung unternommen werden
könnten. Man verfiel auf den plumpen Ansatz, das baye-
rische Landesamt für Verfassungsschutz einfach um
Übermittlung sämtlicher persönlicher Daten von „Skin-
heads, Neonazis und NPD-Mitgliedern, die im Zeitraum
1995 bis 2002 als Extremisten beim LfV bekannt wurden“
zu ersuchen. Ein erstes Gespräch zwischen BAO und LfV
hierzu fand am 7. Juli 2006 statt.
Unabhängig davon, dass das Vorgehen der Polizei im
Hinblick auf den Zweck als unbeholfen, viel zu pauschal
und nicht zielführend betrachtet werden muss, ist dem
LfV vorzuwerfen, dass es seine einzige Aufgabe in der
Folgezeit darin gesehen hat, die Unterstützungsbitte der
Polizei abzuwehren. Mit keinem einzigen Gedanken hat
das LfV versucht, den Ansatz der Polizei mit eigenen
Mitteln oder eigenen Fähigkeiten zu unterstützen.
Zunächst verweigerte das LfV die Übermittlung der er-
wünschten Daten vollständig mit Hinweis auf die viel zu
hohe Zahl der Datensätze von mehr 3.500 Personen. Dann
ging es immer nur noch darum, die Zahl der Datensätze
nach kaum mehr nachzuvollziehenden, fast willkürlich
gewählten Kriterien zu reduzieren.
Sieben (!) Monate nach der ursprünglichen Anfrage
übermittelte das LfV dann „zähneknirschend“ inhaltsleere
Drucksache 17/14600 – 884 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Einwohnermeldeamtsdaten von 682 Personen. Die Ein-
schränkung wurde kaum mehr nachvollziehbar so vorge-
nommen, dass nur Personen im Alter zwischen 25 und
47 Jahre berücksichtigt wurden, die in zwei bestimmten
Postleitzahlengruppen Nürnbergs gemeldet waren. Im
Dezember 2006, also fünf (!) Monate nach dem ersten
Gespräch wurden durch das LfV noch sechs alte „Infor-
mationsbroschüren“ zur Skinhead-Szene Bayerns an die
Polizei übergeben.
Obwohl das LfV durch die BAO Bosporus umfassend
und auch schriftlich über die genauen Umstände der Tat-
serie mit zwischenzeitlich neun Mordopfern unterrichtet
worden war, sah sich das LfV nicht im Geringsten beru-
fen, die Polizei mit eigener Expertise und eigenen Ideen
zu unterstützen. Dies mag daran gelegen haben, dass man
selbst keinerlei eigene Expertise zu rechtsextremisti-
schen Strukturen und Erscheinungsformen rassisti-
scher Gewalt hatte, was schon schlimm genug ist. Doch
entschuldigt dies nicht dafür, dass man keinerlei Initiati-
ve ergriffen hat, die Verfassungsschutzbehörden der ande-
ren Bundesländer, insbesondere der Nachbarländer, und
des Bundes zu informieren, einzubeziehen und aktiv um
Unterstützung zu bitten. Die Mordserie und die These
eines möglichen rechtsextremen Hintergrunds der Taten
hätte durch das LfV auch prioritär auf Treffen im Verfas-
sungsschutzverbund thematisiert werden müssen.
Der Vorwurf ist aber auch gleichermaßen an die Polizei
zu richten, die nach Erkennen der fehlenden Bereitschaft
zu eigenem Engagement des LfV dieses formal zur
Durchführung dieser Maßnahmen hätte auffordern und
bei fortgesetzter Weigerung das Bayerische Innenminis-
terium, dem die Fachaufsicht über beide Bereiche zu-
kommt, hätte einschalten müssen.
d) Defizitäre Zusammenarbeit zwischen Thü-
ringen und Sachsen
Als problematisch erwies sich auch die Zusammenarbeit
zwischen den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden Thü-
ringens und Sachsens: Zwar hat es im Rahmen der Suche
nach dem Trio eine Vielzahl gemeinsamer Maßnahmen
der Thüringer Behörden mit der Polizei und dem Verfas-
sungsschutz Sachsens gegeben, den sächsischen Behörden
fehlten jedoch wesentliche Informationen, die von
Sachsen allerdings auch nicht eigeninitiativ eingefordert
wurden.
Es wurden weder die Hinweise auf die zeitgleich zu den
ersten Überfällen des Trios veränderte finanzielle Lage
der Gesuchten durch das LfV Thüringen weitergegeben,
noch die Hinweise darauf, dass das Bemühen um Waffen
wohl erfolgreich war. Hätte Sachsen etwa die Hinweise
erhalten, die Untergetauchten würden kein Geld mehr
benötigen, da sie jetzt „jobben“ bzw. „Aktionen ma-
chen“ würden, hätte möglicherweise eine Verbindung
zum Beginn einer ungeklärten Überfallserie in Sach-
sen hergestellt werden können.
Auch die sächsischen Sicherheitsbehörden haben - ebenso
wie der bayerische Verfassungsschutz – zu keinem Zeit-
punkt selbst irgendeine Initiative ergriffen. Selbst als
immer mehr Hinweise für Verbindungen des Trios nach
Sachsen, insbesondere nach Chemnitz, auftauchten, hielt
es keine sächsische Sicherheitsbehörde für nötig, sich ein
eigenständiges Bild der Gesamtlage zu verschaffen.
e) Unterlassene Informationsweitergabe
durch das LKA Berlin
Der Ausschuss hat auch ein unerklärliches Versäumnis
des LKA Berlin aufgedeckt: Im Rahmen regelmäßiger
Gespräche eines V-Mann-Führers des LKA Berlin mit
einem seiner Informanten aus der rechten Szene gab die-
ser am 13. Februar 2002 den Hinweis, Jan Werner habe
Kontakt zu drei Personen aus Thüringen, die per
Haftbefehl wegen Sprengstoff- und Waffenbesitzes
gesucht werden. Eine Auswertung dieses Hinweises
durch das LKA Berlin ist aus den Akten ebenso wenig
erkennbar wie die Weitergabe an die Sicherheitsbehörden
Thüringens oder Sachsens.
f) Beeinträchtigung der Arbeit des hessi-
schen Polizei durch das LfV Hessen
Im Rahmen der Ermittlungen zum Mord an Halit Yozgat
in Kassel verfolgte die hessische Polizei eine Spur gegen
einen damaligen Mitarbeiter des Hessischen Verfassungs-
schutzes, der eventuell Zeuge des Mordes hätte gewesen
sein können. Zur Abklärung dieser Spur wäre es notwen-
dig gewesen, die damaligen V-Personen des LfV-
Mitarbeiters, mit denen dieser Kontakt gehabt hatte, zu
vernehmen. Dies wurde den Ermittlungsbehörden zu-
nächst durch den Verfassungsschutz und letztlich durch
den damaligen hessischen Innenminister Bouffier mit
Hinweis auf den vorrangig sicherzustellenden Quellen-
schutz versagt.
Die hessische Polizei hat dies zu Recht als Behinderung
ihrer Arbeit angesehen. Dies hätte durch ein kooperati-
veres Vorgehen vermieden werden müssen.
g) Nur sporadische Einbeziehung des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz
Im Ausschuss ist auch deutlich geworden, dass nur der
geringe Teil von etwa 20 Prozent der Informationen,
die in den Verfassungsschutzbehörden der Länder über
die Jahre hinweg zum Trio seit dessen Untertauchen auf-
gelaufen waren, an das Bundesamt für Verfassungsschutz
weitergegeben wurden. Wesentliche Informationen wur-
den nicht übermittelt und standen so für die Lagebeurtei-
lung des BfV nicht zur Verfügung.
Bei eindeutig länderübergreifenden Vorgängen, wie
dem Untertauchen dreier offenkundig gewaltbereiter
Rechtsextremisten, die wahrscheinlich auf ein Netzwerk
gleichgesinnter Unterstützer zurückgreifen, ist eine voll-
ständige Informationszusammenführung aus allen betei-
ligten Bundesländern beim BfV zwingend erforderlich. Es
ist unverständlich, dass dies hier unterblieben ist und
daher auch keine zentrale Auswertung und Analyse der
Informationen erfolgen konnte.
Festgestellt werden musste im Ausschuss allerdings auch,
dass im BfV keinerlei signifikantes eigenes Interesse an
dem Schicksal des untergetauchten Trios vorhanden war.
Nennenswerte eigene Initiativen zur Informationserlan-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 885 – Drucksache 17/14600
gung sowohl gegenüber den Landesämtern als auch durch
Aktivierung eigener Erkenntnisgewinnungsmöglichkeiten
(V-Personen etc.) konnten – mit Ausnahme einer einzigen
lapidaren und nicht dokumentierten Lichtbildvorlage
gegenüber ihren V-Personen – nicht festgestellt werden.
Gerade in diesem Bereich besteht aus Sicht der SPD-
Mitglieder im Ausschuss dringender gesetzgeberischer
Handlungsbedarf, um mit einem verbesserten Informati-
onsaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden
die zentrale Auswertung relevanter Sachverhalte zu er-
zwingen und damit die Analysefähigkeit der Verfas-
sungsschutzbehörden insgesamt zu stärken.
Die Zentralstellenfunktion des BfV sollte gestärkt und
die Verpflichtung zur Informationsübermittlung und
zur zentralen Auswertung gesetzlich festgeschrieben
werden, damit auch die Verantwortung des BfV in derar-
tigen Sachverhalten deutlicher erkennbar wird. Entspre-
chende Vorschläge finden sich unten in Kapitel C./III.
Die anderen beschriebenen vielfältigen Zusammenar-
beitsprobleme, insbesondere zwischen Polizeien und
Verfassungsschutzbehörden, können durch gesetzliche
Maßnahmen nicht beseitigt werden. Offenkundig fehlt es
bei Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen an dem
erforderlichen Verständnis und den Kenntnissen zu den
Aufgaben, Befugnissen und vor allem auch zur Arbeits-
weise der jeweilig anderen Behörden, um dem verfas-
sungsrechtlichen Grundsatz der Amtshilfe jeweils sachge-
recht nachkommen zu können. Dem muss durch eine
bessere Qualifizierung der Beschäftigten in den Be-
hörden begegnet werden.
5. Eine Vielzahl handwerklicher Fehler in
Justiz, Polizei und Verfassungsschutz ta-
ten ihr Übriges
Neben den bereits beschriebenen Fehlern und Versäum-
nissen, die sich entweder unmittelbar aus föderalen Struk-
turen oder fehlendem Informationsaustausch sowie defizi-
tärer Zusammenarbeit der Behörden ergaben, sind im
Laufe der Ausschussarbeit eine Vielzahl einzelner indi-
vidueller „handwerklicher“ Fehler innerhalb der betei-
ligten Sicherheits- und Ermittlungsbehörden erkennbar
geworden.
Auch hier geht es nicht darum, Schuldzuweisungen vor-
zunehmen, sondern den Blick für mögliche strukturelle
Defizite zu öffnen, um daraus Schlussfolgerungen für
legislative oder administrative Veränderungen ziehen
zu können.
a) Im Bereich der Justiz
In der öffentlichen Wahrnehmung der Ausschussarbeit ist
bedauerlicherweise häufig der Eindruck entstanden, dass
vor allem der Verfassungsschutz und die Polizei im Mit-
telpunkt der Kritik bei der Aufarbeitung der Fehler und
Versäumnisse im NSU-Komplex stehen. Diesem Ein-
druck soll hier entgegengetreten werden. Denn das Ver-
halten der Justiz war über den gesamten Untersuchungs-
zeitraum nicht weniger kritikwürdig:
– Bei der in vielerlei Hinsicht desaströsen Durchfüh-
rung der Garagendurchsuchungen am 26. Januar
1998 fehlte es an einer sachgerechten Begleitung
durch die zuständige Staatsanwaltschaft Gera. Die
Anwesenheit eines Staatsanwalts bei der Durchsu-
chung wäre geboten gewesen. Statt eines Durchsu-
chungsbeschlusses für jedes zu durchsuchende Ob-
jekt wurde zudem ein gemeinsamer Beschluss für
alle Durchsuchungen erlassen – Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe mussten also nach dessen Er-
öffnung wissen, welche Objekte die Polizei durch-
suchte und was sie folglich finden würde, wodurch
eine rechtzeitige Flucht ermöglicht wurde.
– Das Verfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe wegen der Bomben und Bombenattrappen
in Jena wurde durch die Staatsanwaltschaft Gera mit
Hinweis auf den angeblichen Eintritt der Verfol-
gungsverjährung am 15. September 2003 rechtsfeh-
lerhaft eingestellt. Zumindest bei Mundlos war die
Verjährung erst mit Ablauf des 2. Juli 2005 eingetre-
ten. Die verfrühte Einstellung verhinderte weitere
Ermittlungen.
Auch das Verhalten der beteiligten Staatsanwaltschaften
im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie und zu den
beiden Sprengstoffattentaten in Köln gibt breiten Anlass
zur Kritik:
– Zwar muss eine Staatsanwaltschaft nicht jeden ein-
zelnen Ermittlungsschritt der Polizei anordnen, je-
doch ist zu erwarten, dass die zur Sachleitung ver-
pflichteten Staatsanwaltschaften die Ermittlungen
sachgerecht begleiten und insbesondere auch
Schwerpunkte bei den Ermittlungsrichtungen set-
zen. Im Ausschuss ist nicht erkennbar geworden,
dass von Seiten der Staatsanwaltschaften je Anstöße
für neue Ermittlungsansätze kamen, auch nicht, als
jahrelange Ermittlungen im Opferumfeld eindeutig zu
nichts geführt hatten.
Die oben im Kapitel II. bereits ausgeführte Kritik
hinsichtlich der an vielen Stellen vorurteilsbelaste-
ten Ermittlungen fast ausschließlich im Bereich der
organisierten Kriminalität, gilt selbstverständlich
gleichermaßen für die beteiligten Staatsanwaltschaf-
ten. Diese haben ihre Sachleitungsbefugnis nicht im
erforderlichen Umfang ausgeübt und die Mordserie
nicht entsprechend ihrer bundesweiten Dimension
behandelt. Auch wurde die Fachaufsicht durch die
jeweiligen Justizministerien nicht im erforderlichen
Maße ausgeübt.
– Völlig sachwidrig war auch die Anordnung der Ver-
nichtung aller vorhandenen Asservate zum
Sprengfallenattentat in der Kölner Probsteigasse
durch die Staatsanwaltschaft Köln im Jahr 2006, also
bereits fünf Jahre nach der Tat. Die Staatsanwalt-
schaft verfügte die Vernichtung, obwohl sie selbst
zutreffend von einer Verjährungsfrist von 20 Jahren
ausging. Beweismittel gingen somit für immer verlo-
ren.
Drucksache 17/14600 – 886 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Die im Sommer 2006 beim Generalbundesanwalt
durchgeführte Prüfung seiner Zuständigkeit für die
Česká-Mordserie allein auf der Grundlage von vier
(!) Presseartikeln und einem Blick auf die Homepage
des BKA ist kaum nachvollziehbar. Schon die Prü-
fungsgrundlage ist absolut ungenügend. Eine Kon-
taktaufnahme des Generalbundesanwalts mit der
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder mit dem
BKA zur Erlangung weiterer Informationen erfolgte
nicht.
– Es wäre unbedingt erforderlich gewesen, sich eine
hinreichende Erkenntnisgrundlage zu verschaffen,
bevor über die Frage einer Verfahrensübernahme be-
funden wurde. Der Generalbundesanwalt hat seine
bestehenden Möglichkeiten der Informationsbe-
schaffung nicht hinreichend genutzt.
Zudem wurden in dem Entscheidungsvermerk des
GBA selbst die Erkenntnisse aus den Presseartikeln
verfälscht: Das in der Verfügung des GBA geschil-
derte angebliche Tatmotiv der „persönlichen Rache“
ist weder den vier genutzten Presseartikeln noch der
Homepage des BKA zu entnehmen. Aus welchem
Grund es zu dieser klaren „Verbiegung der Fakten“
kam, konnte im Ausschuss nicht aufgeklärt werden.
Der Verfasser des Vermerks sprach im Ausschuss
selbst von einer „steilen These“, die man „nur be-
dingt aus den Presseartikeln herauslesen“ könne. Da-
rüber hinaus überzeugen auch die rechtlichen
Schlussfolgerungen des Verfassers nicht. Der gesam-
te Vorgang ist als absolut unprofessionell und
handwerklich fehlerhaft zu kritisieren.
– Auch die Prüfungshandlungen des Generalbun-
desanwalts zum Kölner Nagelbombenattentat in
der Keupstraße beschränkten sich auf zwei Telefona-
te mit dem Leiter der Ermittlungskommission und
dem zuständigen Kölner Oberstaatsanwalt zwei Tage
nach der Tat sowie auf eine Bitte um eine Sach-
standmitteilung im Jahre 2005. Auch dies ist eine
vollkommen ungenügende Prüfgrundlage. Die
Kölner Staatsanwaltschaft wäre zudem verpflichtet
gewesen, ausreichend Informationen von sich aus zur
Verfügung zu stellen.
b) Im Bereich der Polizei
Schwere handwerkliche Fehler sind bereits bei der Poli-
zeiarbeit in Thüringen im Zusammenhang mit dem Ab-
tauchen des Trios festzustellen:
– Die Durchsuchungen der Garagen in Jena am
26. Januar 1998, während derer Böhnhardt sich un-
behelligt entfernen, und zusammen mit Mundlos und
Zschäpe untertauchen konnte, waren mangelhaft
vorbereitet und wurden nicht sachgerecht durchge-
führt.
– Auch die Auswertung der in den Garagen gefun-
denen Asservate erfolgte sachwidrig: Obwohl klar
war, dass sich das Trio auf der Flucht befindet und
Haftbefehle ausgestellt waren, dass also die Zeit
drängte, wurden die in der Garage sichergestellten
Gegenstände durch die Mitarbeiter der EG TEX über
lange Zeit nicht einmal durchgesehen, geschweige
denn fachgerecht ausgewertet.
– Erst zwei Wochen nach der Durchsuchung wurden
die Asservate überhaupt betrachtet. Der mit der Aus-
wertung betraute BKA-Mitarbeiter nahm dabei zwar
eine der von Mundlos verfassten Adresslisten zur
Kenntnis, eine andere, die sich in einer „REWE“-
Einkaufstüte befand, wurde aber überhaupt nicht
erfasst und kam erst im Jahr 2012 wieder zum Vor-
schein.
– Der BKA-Mitarbeiter, der die eine Adressliste im
Zuge der erbetenen Amtshilfe angesehen hatte, ver-
kannte die Bedeutung dieser Liste und unternahm
nichts um sicherzustellen, dass die zuständigen Ziel-
fahnder über die Kontaktdaten auf der Liste infor-
miert wurde. Zwar erklärte er im Ausschuss, er habe
die Liste dem Leiter der EG TEX gezeigt, doch konn-
te sich dieser daran nicht erinnern. Jedenfalls erreich-
ten die Informationen die Zielfahndung nicht. Durch
eine sofortige Auswertung der Adressliste hätte
dem Thüringer LKA die enge Verbindung von
Mundlos zu Mitgliedern des „Blood & Honour“-
Netzwerkes auffallen müssen, die als Kontaktperso-
nen und Fluchtunterstützer in Frage kamen.
– Von Seiten des BKA-Beamten wurden auch keiner-
lei weiterführende Abfragen zu den möglichen
Kontaktpersonen im BKA veranlasst oder andere
Stellen darüber informiert. In einem Vermerk stufte
der BKA-Beamte diese Liste vielmehr als „für das
hier geführte Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung“
ein.
– Mit den ebenfalls in der Garage sichergestellten
handschriftlichen Korrespondenz von Mundlos mit
Personen der Neonazi-Szene wurde gleichermaßen
sachwidrig verfahren. Die beiden wichtigsten Be-
suchs- und Briefpartner waren Torsten S. und Tho-
mas Starke, die beide zur Chemnitzer Neonazi-Szene
gehörten. Als Ermittlungsansatz wurden die Briefe
nicht genutzt.
Auch im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie und zu
den beiden Sprengstoffattentaten in Köln waren - neben
der oben bereits ausführlich kritisierten fehlenden Offen-
heit für Ermittlungsansätze außerhalb der organisier-
ten Kriminalität - eine Reihe handwerklicher Fehler
festzustellen:
– Die Beschränkung der Abfrage nach Abnehmern
von Schalldämpfern für die Česká 83 durch das
BKA im Jahr 2004 in der Schweiz auf „insbesondere
türkische Staatsangehörige“ war ein grober Fehler.
– Bei einer Reihe von Taten der Mordserie wiesen
Zeugenaussagen - beim Nagelbombenanschlag in der
Kölner Keupstraße sogar Videoaufnahmen - darauf
hin, dass zur Tatbegehung Fahrräder genutzt wur-
den. Eine Zeugin im Mordfall İsmail Yaşar hatte so-
gar den Fahrradfahrer aus dem Kölner Video als den
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 887 – Drucksache 17/14600
von ihr in Nürnberg beobachteten Radfahrer eindeu-
tig wiedererkannt („Der war es!“).
– Im polizeilichen Protokoll der Vernehmung wurde
die Aussage jedoch nur sehr relativiert wiedergege-
ben. Ein Polizeibeamter soll die Abschwächung der
Aussage nach Erkenntnissen des Untersuchungsaus-
schusses des Bayerischen Landtags „auf Nachfrage
des Protokollführers“ veranlasst haben. Aus welchem
Grund diese Veränderung der Aussage erfolgt ist,
konnte nicht aufgeklärt werden. Konsequente und
umfassende Ermittlungen zum Ansatz „Fahrräder als
Fluchtmittel“ wurden jedenfalls nicht geführt.
– Der Vorschlag, eine vergleichende Operative Fall-
analyse zur Mordserie und zum Anschlag in Köln zu
veranlassen, wurde mit dem Argument abgelehnt, es
könnten nicht „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden.
Hierdurch gingen eventuell wertvolle Ermittlungs-
hinweise verloren.
– Die durch die BAO Bosporus im Rahmen der Ermitt-
lungen zur „Einzeltätertheorie“ vorgenommene Be-
schränkung der Suche auf rechtsradikale Perso-
nen mit dem Wohnsitz Nürnberg ist bei einer
Mordserie mit Tatorten in mehreren Bundesländern
nicht nachzuvollziehen. Zumindest hätte der Kreis
der Suche zu dem Zeitpunkt, als die Überprüfungen
im Raum Nürnberg keine verwertbaren Ergebnisse
erbracht hatten, ausgeweitet werden müssen. Auch
die örtliche Beschränkung der Suche nach mögli-
chen Tätern aus der rechten Szene auf den Groß-
raum Köln nach dem Nagelbombenattentat in der
Keupstraße war sachwidrig.
– Dass trotz der beiden Operativen Fallanalysen, die
vom LKA Nordrhein-Westfalen und vom BKA zum
Nagelbombenattentat in der Keupstraße erstellt wor-
den waren, und die übereinstimmend eine rassisti-
sche Tatmotivation nahelegten, dies in den Ermitt-
lungen kaum Berücksichtigung fand und in der Öf-
fentlichkeitsarbeit bewusst zurückgehalten wurde, ist
ebenfalls deutlich zu kritisieren.
– Auch die Medienstrategie, die in der BAO Bosporus
im Jahr 2006 mit Zustimmung des damaligen Bayeri-
schen Innenministers Dr. Beckstein bewusst einen
möglichen rechtsextremen Hintergrund der Taten
ausklammerte, „um in der potentiellen türkischen
‚Zielgruppe‘ keine Unruhe aufkommen zu lassen“,
war falsch: Das Zurückhalten dieser Informationen
ließ die Öffentlichkeit im Unklaren und vergab eine
Chance, gezielte Hinweise auf die rechtsextreme
Szene zu gewinnen. Dass die Zurückhaltung in der
Öffentlichkeit zusätzlich darauf zurückzuführen war,
dass man die „Organisationstäterthese“ nicht in den
Hintergrund treten lassen wollte, zeigt einmal mehr,
dass es an der notwendigen Offenheit der Ermittlun-
gen fehlte.
Angesichts der Vielzahl benannter Fehler soll ab-
schließend nicht verschwiegen werden, dass einigen
der von anderer Seite besonders hervorgehobenen
Fehlern aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss
keine herausragende Bedeutung zukommt:
– So sind die öffentlich erhobenen Vorwürfe, dass zwei
Streifenbeamte, die zufälligerweise als erste den
Tatort des Nagelbombenattentats in der Kölner
Keupstraße erreichten und dort Erste Hilfe leisteten,
nicht als Zeugen vernommen worden seien, weil sie
die Täter gesehen haben müssten oder weil sie even-
tuell schon im Vorfeld Hinweise auf den bevorste-
henden Anschlag besessen haben könnten, aus unse-
rer Sicht unberechtigt, und dies nicht erst nach den
eindeutigen Aussagen der Polizeibeamten im Aus-
schuss.
– Auch die Vorwürfe bezüglich der angeblich nicht
sachgerechten Abarbeitung der Waffenspur in die
Schweiz zu Anton G. durch das BKA werden durch
die Mitglieder der SPD-Fraktion im Ausschuss nicht
in vollem Umfang geteilt. Da es sich immerhin noch
um eine von mehreren möglichen Spuren handelte
und keine weiteres Anhaltspunkte oder Vorhalte
mehr erkennbar waren, verbotene Vernehmungsme-
thoden aber ausscheiden mussten, erscheint ein dies-
bezüglicher Vorwurf nicht zwingend.
– Vor allem überzeugen uns die Vorhaltungen zu den
angeblich defizitären Abfragen in der Datei „Tatmit-
telmeldedienst Spreng- und Brandvorrichtungen“
nicht. Es mag zwar richtig sein, dass man dann, wenn
man die Datei zweckentfremdet, also vollkommen
auf Bezüge zu den verwendeten Tatmitteln verzichtet
und ausschließlich nach den Begriffen „rechtsradi-
kal“ und „Männer“ gesucht hätte, unter sehr vielen
anderen eventuell auch einen Hinweis auf das Trio
erhalten hätte, jedoch erscheint uns dieser Vorwurf
als konstruiert und zu weit hergeholt.
c) Im Bereich des Verfassungsschutzes
Die handwerklichen Fehler im Bereich des Verfassungs-
schutzes bei der Analyse der Gefahren des Rechtsextre-
mismus wurden bereits ausführlich im Rahmen des Kapi-
tels I. aufgezeigt.
Insbesondere im LfV Thüringen ist darüber hinaus zu
erkennen, dass offenkundig das Sammeln von Informati-
onen zum reinen Selbstzweck geworden war. Sachge-
rechte Auswertung und Analyse, vor allem aber Weiter-
gabe relevanter Informationen in geeigneter Form an die
zuständigen Stellen, die zwingend auf diese Informatio-
nen angewiesen gewesen wären, ist über weite Strecken
aus nicht nachvollziehbaren Gründen schlichtweg unter-
blieben. Bei einer Vielzahl von Quellenmitteilungen lässt
sich aus den Akten nicht einmal erkennen, dass der für
ihre Auswertung zuständige Mitarbeiter im LfV Thürin-
gen sie überhaupt zur Kenntnis erhielt.
Der Einsatz des nachrichtendienstlichen Mittels „V-
Personen“ ist insbesondere in Bezug auf den V-Mann
Tino Brandt derart aus dem Ruder gelaufen, dass das V-
Personen-Wesen insgesamt auf den Prüfstand gestellt
werden muss. Diesem Thema widmet sich das nachfol-
gende Kapitel VI.
Drucksache 17/14600 – 888 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Aber auch das Verhalten des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz in der Folge des Untertauchens des Trios ist
über weite Strecken unerklärlich:
Es waren zwar eigentlich genügend Informationen zur
Gefährlichkeit des Trios vorhanden und der Fall wurde
auch zu Recht im Referat „Rechtsterrorismus“ des BfV
bearbeitet, jedoch wurde im Ausschuss an keiner Stelle
erkennbar, mit welchen Maßnahmen das BfV versucht
hätte, eigeninitiativ weitere Informationen zum Verbleib
und zur aktuellen Gefährlichkeit des Trios zu erhalten.
Der Vorgang wurde offenkundig lediglich „verwaltet“.
Die in der rechten Szene, insbesondere auch in Sachsen,
durchaus vorhandenen V-Personen des BfV, wurden zu
keinem Zeitpunkt gezielt zur Informationsbeschaffung
über das Trio genutzt. Allein im Frühjahr 1998 soll
angeblich eine Lichtbildvorlage an die vom BfV geführ-
ten V-Personen erfolgt sein, die aber ohne jedes Ergebnis
geblieben sein soll. Besonders ärgerlich ist in diesem
Zusammenhang, dass eine der Quellen des BfV – doku-
mentiert in den Akten des BfV – sehr wohl Jahre vor der
Flucht einen Kontakt zu Mundlos hatte und diesen wohl
auch kannte. Weil dies dem zuständigen Auswerter je-
doch nicht aufgefallen war, wurde diese Quelle auch nicht
konkret zu diesem befragt.
Fest steht, dass nach der eventuell durchgeführten Licht-
bildvorlage die V-Personen nie wieder zum Trio befragt
wurden, obwohl dem BfV zwischenzeitlich neue, wenn
auch nur wenige, Informationen vorgelegen hatten. Es
wäre jedenfalls sachgerecht gewesen, daran anknüpfend
erneut Quellen im Bereich Rechtsextremismus zu befra-
gen, sie konkret mit der Suche nach Informationen zum
Trio zu beauftragen oder eventuell sogar zu versuchen,
neue Quellen hierfür zu erschließen. All dies ist nicht
geschehen.
6. Die festgestellten Auswüchse beim Einsatz
von V-Personen im Verfassungsschutz
müssen zu grundlegenden Reformen füh-
ren
In der Öffentlichkeit nahm die Debatte um die zum Teil
unerklärlichen Auswüchse im Bereich des Einsatzes von
„Vertrauenspersonen“ (besser: „Verbindungs-
Personen“, V-Personen) breiten Raum ein. Insbesondere
im Zuge der abstrusen Aktenvernichtungsaktivitäten im
BfV zur „Operation Rennsteig“ hat sich der Ausschuss
intensiv mit dem teilweise fragwürdigen Einsatz dieses
nachrichtendienstlichen Mittels befasst.
Bei „V-Personen“ handelt es sich um den Diensten nicht
angehörende Personen, die planmäßig – in der Regel
gegen finanzielle Entschädigung – zur verdeckten Be-
schaffung von Nachrichten über verfassungsfeindliche
Bestrebungen eingesetzt werden. Hiervon zu unterschei-
den sind sogenannte „Under-Cover-Agents“, „Informan-
ten“ oder „Gewährspersonen“.
Fragwürdig erschienen in vielen Fällen sowohl Auswahl
und Führung der V-Personen als auch deren Entschä-
digung im Verhältnis zum jeweiligen tatsächlichen Wert
der gelieferten Informationen.
Tino Brandt
Wenn etwa eine V-Person aus dem rechtsextremistischen
Milieu wie Tino Brandt für seine Tätigkeit als V-Mann
Otto, später Oskar, für das Thüringer LfV zwischen 1994
und Anfang 2001 mehr als 200 000 DM erhalten hat oder
eine V-Person aus der „Operation Rennsteig“ in sechs
Jahren offenkundig mit mehr als 60 000 EUR entlohnt
wurde, ohne dass der Wert der dafür gelieferten Informa-
tionen erkennbar dokumentiert gewesen wäre und ohne
dass sichergestellt war, dass die finanziellen Mittel nicht
gerade zur Finanzierung der extremistischen Tätigkei-
ten genutzt wurden, dann muss der Einsatz dieses Werk-
zeugs auf den Prüfstand gestellt werden.
Bei Tino Brandt kam noch hinzu, dass das LfV Thüringen
mit ihm eine Führungsperson der Thüringer Neonaziszene
als V-Mann eingesetzt hat. Dies allein ist bereits äußerst
problematisch, da die Zusammenarbeit mit Führungs-
personen extremistischer Organisationen bzw. Strukturen
stets die Gefahr in sich birgt, staatlicherseits steuernden
oder auch nur zurechenbaren Einfluss auf diese Orga-
nisationen oder Strukturen zu nehmen.
Im Fall Brandt steht zudem im Raum, dass er vom Ver-
fassungsschutz vor anstehenden Exekutivmaßnahmen
gewarnt oder auf Ermittlungsverfahren gegen ihn einge-
wirkt worden sein könnte. Derartige Warnungen wurden
von den Zeugen aus Thüringen durchweg bestritten. Es
verwundert allerdings, dass gegen Brandt im Laufe der
Jahre insgesamt 35 Ermittlungsverfahren eingeleitet wur-
den, die jedoch nie zu einer rechtskräftigen Verurteilung
führten.
Carsten Szczepanski
Ein weiteres alarmierendes Beispiel für einen fragwür-
digen V-Mann-Einsatz ist das des wegen versuchten ge-
meinschaftlichen Mordes an dem aus Nigeria stammen-
den Lehrer Steve E. zu acht Jahren Freiheitsstrafe rechts-
kräftig verurteilten Rechtsextremisten Carsten
Szczepanski, der vom Verfassungsschutz Brandenburg als
Quelle Piatto geführt wurde. Szczepanski diente sich 1994
dem Verfassungsschutz aus der Haft heraus als Informant
an, um Hafterleichterungen zu erlangen.
Im Ausschuss ist erkennbar geworden, dass sich der Ver-
fassungsschutz mit der Anwerbung des V-Manns Piatto
während dessen Haftzeit intensiv für ihn eingesetzt und
verwendet hat. Zur Ermöglichung vermehrter Freigänge
wurde durch den Verfassungsschutz auch gebilligt, dass
Szczepanski ein Praktikum in einem von einem „Blood &
Honour“-Aktivisten geführten Versandhandel mit rechten
Devotionalien durchführen konnte, das dann auch noch
für seine Bewährung positiv gewürdigt wurde.
Offenkundig hatte Szczepanski aus der JVA heraus zudem
das Fanzine „United Skins“ redaktionell betreut. Trotz-
dem wurde ihm stets ein gutes Zeugnis ausgestellt und
bescheinigt, dass er sich „von der rechten Szene gelöst“
habe. Damit wurde auch die Strafvollstreckungskammer,
die seine Haftstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln
aussetzte, mittelbar über die nach wie vor bestehenden
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 889 – Drucksache 17/14600
engen Verbindungen Szczepanskis zur neonazistischen
Szene getäuscht.
Schwer hinnehmbar ist aber vor allem, dass Szczepanski
bis zu seiner Abschaltung im Jahr 2000 vom Verfas-
sungsschutz insgesamt über 50 000 DM erhalten hat.
Dabei handelt es sich geschmackloserweise in etwa um
die Summe, die Szczepanski eigentlich seinem Opfer,
Steve E., als Schadensersatz und Schmerzensgeld hätte
zahlen sollen, nachdem er ihn in mittäterschaftlicher Be-
gehung mit anderen Rechtsextremen im Mai 1992 in
Brandenburg unter den hasserfüllten Tiraden der Meute
(„Ku-Klux-Klan!“, „Jetzt mach ich den Neger platt!“ oder
„Ertränken das Schwein!“) gemeinschaftlich fast zu Tode
schlug und im Scharmützelsee dem Ertrinken preisgab.
Steve E. schwebte damals lange Zeit in Lebensgefahr, lag
längere Zeit im Koma und wurde tief traumatisiert.
Szczepanski hätte niemals als V-Person verpflichtet wer-
den dürfen.
Die V-Personen des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz Q1, Q2 und Q3
Auch die genaue Sichtung der Fälle der V-Personen Q1,
Q2 und Q3, die über lange Jahre, teilweise zwei Jahrzehn-
te, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geführt
worden waren, hat den Blick für besondere Probleme mit
diesem nachrichtendienstlichen Mittel geschärft:
Durch die langjährige Führung dieser V-Personen, häufig
auch lange Zeit durch ein und den selben V-Mann-Führer,
sind offenkundig finanzielle und persönliche Abhän-
gigkeiten und ungesunde Nähen entstanden, die Zweifel
hinsichtlich der notwendigen Objektivität und sachge-
rechten Betreuung der jeweiligen V-Personen haben auf-
kommen lassen.
Ein weiterer problematischer Aspekt ist dadurch deutlich
geworden: Es wurde von den Verfassungsschutzbehörden
in der Regel kein Gedanke daran verschwendet, die V-
Personen, die jahrelang Informationen aus der rechten
Szene besorgt hatten, zu irgendeinem Zeitpunkt einmal –
beispielsweise im Rahmen eines „Aussteigerprogramms“
– aus dieser Szene „herauszuholen“. Statt dessen
schickte man sie in vielen Fällen nur noch tiefer hinein,
indem man sie konkret beauftragte, bestimmte Strukturen
„aufzuklären“, in denen sie sich zu diesem Zeitpunkt
selbst noch gar nicht bewegten.
All dies muss bei jedem zu der Erkenntnis führen, dass
intensiv zu prüfen ist, in welcher Form das Instrument des
V-Personen-Einsatzes weiter genutzt werden kann. Teil-
weise wird sogar gefordert, V-Personen einfach vollstän-
dig abzuschaffen.
Die SPD-Mitglieder im Ausschuss kommen zu dem
Schluss, dass die Verfassungsschutzbehörden im Bereich
der Bekämpfung verfassungsfeindlicher und terroristi-
scher Bestrebungen letztlich nicht grundsätzlich auf
menschliche Quellen für die Erlangung von nicht offen
zugänglichen Informationen verzichten können:
– Die Ausschussarbeit hat gezeigt, dass nicht zu viele,
sondern zu wenige Informationen über die von der
rechten Szene ausgehenden Gefahren vorgelegen hat-
ten. Es fehlte zwar maßgeblich auch an Analysefä-
higkeit in den Diensten, Informationsdefizite hat es
jedoch gegeben. Insofern wäre es fahrlässig, auf ein
so wesentliches Werkzeug der Informationsge-
winnung wie den Einsatz menschlicher Quellen von
vornherein zu verzichten. Es muss allerdings rechts-
staatlich einwandfrei ausgestaltet sein. Dass dies
nicht möglich sein soll, hat noch niemand nachge-
wiesen.
– Vor allem der unorganisierte Rechtsextremismus,
dessen Ziel häufig die Anwendung massiver Gewalt
und die Begehung schwerer Straftaten ist, agiert häu-
fig besonders konspirativ. Es bedarf aber einer wir-
kungsvollen Aufklärung der rechtsextremistischen
Szene, der Funktionen der Szeneangehörigen, deren
Personalien und Wechsel in deren Sozialgefüge.
Rechtsextremistische Gruppenaktivitäten bedürfen
der laufenden begleitenden Beobachtung, damit die
von solchen Klein- und Kleinstgruppen ausgehenden
Gefährdungspotenziale richtig bewertet werden
können und gegebenenfalls eine zunehmende Radika-
lisierung oder Gewaltbereitschaft einzelner Aktivis-
ten oder der gesamten Gruppierung rechtzeitig er-
kannt werden kann.
– Der Informationsaustausch innerhalb solcher Grup-
pen erfolgt oftmals ausschließlich persönlich und
ohne Nutzung von technischen Kommunikations-
mitteln, so dass andere ND-Mittel nicht erfolgsver-
sprechend sind. Oft können Maßnahmen zur Tele-
kommunikationsüberwachung (G10-Maßnahmen)
auch erst auf Grundlage von Quelleninformationen
durchgeführt werden.
– Auch erlaubt die Nutzung des Internet es den Nut-
zern oftmals, ohne Preisgabe einer wahren Identität
Propaganda zu verbreiten oder sich beispielsweise zu
Anschlagsplanungen zu verabreden. Relevante
Kommunikation findet nur in zugangsbeschränkten
Bereichen statt. Auch insoweit ist der V-Personen-
Einsatz häufig das einzig erfolgsversprechende ND-
Mittel, um die Beteiligten zu identifizieren.
– Selbst der teilweise diskutierte Vorschlag, vermehrt
„verdeckte Ermittler“, also unter einer Legende agie-
rende Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden, an Stelle
von V-Personen einzusetzen, vermag nicht zu über-
zeugen: Während V-Personen regelmäßig der Szene
bereits angehören, müssten verdeckte Ermittler erst
von außen mit hohem finanziellen und organisato-
rischen Aufwand in die Szene „eingeschleust“ wer-
den und sich innerhalb der Szene jahrelang ein ent-
sprechendes Vertrauen aufbauen, um überhaupt an
Informationen zu gelangen. Dies ist für die Praxis
unrealistisch.
– Nicht zu vergessen ist schließlich auch, dass der
Einsatz von V-Personen bei weitem nicht so stark in
grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte
eingreift wie dies beispielsweise durch G10-
Maßnahmen geschieht. Auch unter dem Grundsatz
Drucksache 17/14600 – 890 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Verhältnismäßigkeit bewirken Einsätze von V-
Personen deshalb oft einen weit geringeren Grund-
rechtseingriff als technische Überwachungsmaßnah-
men.
Geht man also von der grundsätzlichen Notwendigkeit
der Ermöglichung des Einsatzes von V-Personen aus,
bleibt die Feststellung, dass dieser bisher in einer rechtli-
chen und verwaltungsmäßigen „Grauzone“ erfolgte,
aus der er dringend herausgeholt werden muss. Es bedarf
daher einschneidender Maßnahmen, um für die Zukunft
dieses stark in die Kritik geratene Instrument weiter nut-
zen zu können.
Dazu gehören vor allem die gesetzliche Verankerung
bundesweiter Rahmenbedingungen und die unabhän-
gige Kontrolle außerhalb der Behörde durch die G10-
Kommission (Einzelheiten in Kapitel C./III./2.).
7. Gravierende Fehler der Bundesregierung
bei der Aufarbeitung der Vorgänge nach
dem 4. November 2011 wären vermeidbar
gewesen
Nachdem im November 2011 klar wurde, dass eine neo-
nazistische Terrorzelle für eine der schwersten Verbre-
chensserien der Nachkriegsgeschichte verantwortlich war,
sprach Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel von einem
„außergewöhnlichen Ereignis, dem man größter Sorgfalt
nachgehen muss“, um „volle Klarheit über die Hinter-
gründe der Taten zu erhalten“. Im Rahmen der Gedenk-
veranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt
am 23. Februar 2012 ergänzte sie dies durch folgendes
Versprechen:
„Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die
Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und
alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Da-
ran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund
und Ländern mit Hochdruck.“
Leider hat die Bundesregierung diesen Aufruf zur Aufklä-
rung nicht ernst genug genommen. Sie hätte im Novem-
ber 2011 alles daran setzen müssen, um eine sorgfältige,
umfassende und rückhaltlose Aufklärung zu ermöglichen.
Schon damals waren die zentralen Fragen klar: Was wuss-
ten staatliche Stellen über die Mitglieder des NSU und
mögliche Unterstützer? Warum konnten der NSU jahre-
lang unbehelligt in Deutschland leben und schwerste
Verbrechen begehen? Wieso wurde der rechtsextremisti-
sche Hintergrund der Morde und Sprengstoffanschläge
nicht erkannt?
Die Bundesregierung hätte sich umgehend mit den Bun-
desländern an einen Tisch setzen müssen, um eine Strate-
gie für eine Aufklärung der Fragen und zur Unterstützung
der laufenden polizeilichen Ermittlungen zu erarbeiten.
Dabei hätte sie sich mit den Ländern auch auf die Ver-
hängung eines Aktenvernichtungsstopps einigen müs-
sen. Schließlich ging es um Vorgänge, die schon einige
Jahre zurück lagen, so dass eventuell auch datenschutz-
rechtliche Löschungsfristen eine Rolle spielen konnten.
Auch im Licht des vom Generalbundesanwalt am
11. November 2011 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens
wäre ein solches Vorgehen angezeigt gewesen.
All dies ist jedoch unterblieben, weil die Bundesregierung
die Dimension des Sachverhalts und ihre Pflicht zur
bestmöglichen Aufklärung nicht erkannt hat. Dem Aufruf
der Kanzlerin sind nicht die notwendigen Schritte gefolgt.
Stattdessen wurden nach dem 4. November 2011 im BfV
Akten mit Bezug zur rechtsextremistischen Szene in Thü-
ringen vernichtet. Diese Vorgänge wurden erst im Juni
2012 durch Nachfragen des damaligen BfV-Präsidenten
Fromm bekannt und haben das ohnehin schon angeschla-
gene Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes
weiter beschädigt. Der Umgang mit der Aktenvernichtung
zeigt, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich
nach wie vor nicht an einer rückhaltlosen Aufklärung
interessiert war. Statt einen außenstehenden, unabhängi-
gen Sonderermittler einzusetzen, beauftragte er einen in
die Hierarchie des BMI eingebundenen Unterabteilungs-
leiter. Dessen Ergebnis zum Motiv für die Aktenvernich-
tung mag zwar im BMI akzeptiert worden sein, den Aus-
schuss hat es aber nicht überzeugt.
Ebenso wenig war Bundesverteidigungsminister Dr.
Thomas de Maizière an einer Aufklärung der Vorgänge
um die Wehrdienstzeit von Mundlos interessiert. Zunächst
hielt es das BMVg nicht einmal für erforderlich, einen
Vertreter in den Ausschuss zu entsenden. Dabei war sehr
wohl absehbar, dass es auch Bezüge zur Bundeswehr
geben könnte.
Die Leitungsebenen von MAD und BMVg wussten be-
reits seit März 2012, dass es einen Kontakt des MAD zu
Mundlos gab. Trotzdem hat man es bewusst unterlassen,
bei anderen Behörden nachzufragen, ob das Befragungs-
protokoll dort noch existiert, nachdem es im MAD bereits
Jahre zuvor vernichtet worden war. Man entschied sich
lieber zum Nichtstun und informierte noch nicht einmal
den Untersuchungsausschuss über diesen Vorgang.
Ähnlich ignorant wurde mit der Personalakte von
Mundlos verfahren: Obwohl im BMVg bereits seit De-
zember 2011 Auszüge aus der Personalakte Mundlos
vorlagen, wurden diese unmittelbar nach Eingang wieder
vernichtet. Sachgerecht wäre es gewesen, bereits zu die-
sem Zeitpunkt die vollständige Personalakte anzufordern,
um sie den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen zu
können. Stattdessen wurde versucht, möglichst nicht mit
der Personalakte in Berührung zu kommen. Dem Unter-
suchungsausschuss wurde die Akte sogar erst im Septem-
ber 2012 vorgelegt.
Statt der von der Kanzlerin versprochenen Aufklärung
lautete die Devise offenbar: Ignorieren und Aussitzen.
III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Verloren gegangenes Vertrauen der Bevölkerung in die
Sicherheitsbehörden muss durch nachhaltige Reformen
wieder zurückgewonnen werden.
Selbstanalyse und Reflexion sind zwingende Vorausset-
zungen jeder wirksamen Veränderung. Alle betroffenen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 891 – Drucksache 17/14600
Stellen sind aufgefordert, diese zu betreiben sowie Maß-
nahmenkataloge zu entwickeln und umzusetzen, um die
erkannten Defizite wirksam abzustellen.
In den Schlussfolgerungen des Ausschusses schlagen alle
Fraktionen gemeinsam wichtige und umfangreiche Re-
formen in den Bereichen Polizei, Justiz, Verfassungs-
schutz, Parlamentarische Kontrolle und zur Stärkung der
Zivilgesellschaft vor.
Sämtliche gemeinsam von allen Fraktionen erarbeitete
Empfehlungen werden von den SPD-Mitgliedern im Aus-
schuss umfassend mitgetragen.
Es bedarf aber auch hier wieder einer gewissen Gewich-
tung dieser Empfehlungen aus unserer Sicht, um die
Schwerpunkte der Reformnotwendigkeiten besser deut-
lich werden zu lassen. Darüber hinaus brauchen wir aus
unserer Sicht an einigen Stellen weitere Reformansätze,
um den Erkenntnissen aus der Ausschussarbeit umfassend
Genüge zu tun. Auch diese zusätzlichen Empfehlungen
der SPD-Mitglieder im Ausschuss sollen im Folgenden
erkennbar werden:
1. Polizei
– Hervorzuheben ist im Bereich der Polizeiarbeit die
gemeinsame Forderung aller Fraktionen, künftig in
allen Fällen von Gewaltkriminalität, die einen rassis-
tisch oder politisch motivierten Hintergrund haben
können, die Polizei zu einer eingehenden Prüfung
dieser Frage zu verpflichten.
Entscheidend ist dabei aus Sicht der SPD-Mitglieder
im Ausschuss, dass Auslöser dieser Prüfung jeder
diesbezügliche Hinweis des Opfers oder eines Zeu-
gen sein sollte, der nicht durch eigene Einschätzun-
gen der Polizei, ob ein rassistisches Motiv vorliegt
oder nicht, ersetzt werden darf. Mit einer solchen Er-
fassung („victim centered definition“) hat die briti-
sche Polizei gute Erfahrungen gesammelt.
Dabei kommt aus Sicht der SPD-Mitglieder im Aus-
schuss der Verpflichtung zur regelmäßigen förmli-
chen Beteiligung des polizeilichen Staatsschutzes
und gegebenenfalls auch des Verfassungsschutzes
in diesen Fällen besondere Bedeutung zu, weil insbe-
sondere damit konkrete erste Ermittlungsschritte vor-
gegeben werden, die in Zukunft hoffentlich auch ein-
schlägigen Sachverstand in die Ermittlungen einflie-
ßen lassen werden.
– Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass
rassistische oder politisch motivierte Gewalttaten
auch als solche besser erkannt und treffsicher er-
fasst werden. Die gemeinsamen Vorschläge aller
Fraktionen zur grundlegenden Überarbeitung des
„Themenfeldkatalogs PMK“ und zur Einführung
einer „Verlaufsstatistik PMK“ gehen in die richtige
Richtung, müssen jedoch noch in der Praxis mit Le-
ben erfüllt werden. Aus Sicht der SPD-Mitglieder im
Ausschuss ist dabei entscheidend, dass die Verfolg-
barkeit von rassistisch motivierten Taten von der
Aufnahme einer Anzeige durch die Polizei bis zum
Abschluss des Strafverfahrens sichergestellt wird.
– Des Weiteren müssen die Voraussetzungen dafür
geschaffen werden, dass bei länderübergreifenden
Ermittlungsverfahren eine zentrale Ermittlungsfüh-
rung mit Weisungsbefugnis durch eine Polizei-
dienststelle ermöglicht wird. Diese muss nicht zwin-
gend in jedem Fall durch das BKA übernommen
werden, sondern kann – entsprechende Kapazitäten
vorausgesetzt – auch durch eine Länderpolizei er-
folgen. Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss
sollten dann allerdings auch die staatsanwaltschaftli-
chen Ermittlungen zwingend im Rahmen eines Sam-
melverfahrens zusammengeführt werden.
– Außerdem brauchen wir zweifellos in Polizei und
Justiz mehr Wissen über Strategien des Rechtsextre-
mismus, rechtsextreme Netzwerke und ihre überregi-
onalen Verbindungen. Hier sollten auch verstärkt
Wissenschaft und entsprechend spezialisierte zivilge-
sellschaftliche Organisationen einbezogen werden.
– Dringend verbessert werden muss der Umgang mit
Opfern rassistisch oder politisch motivierter Ge-
walttaten, ihren Angehörigen und ihnen nahestehen-
den Personen.
Opfer rassistisch oder politisch motivierter Kriminali-
tät sollten – über die bestehenden gesetzlichen Ver-
pflichtungen der §§ 406f und 406h StPO hinaus – in
einer auf ihre speziellen Bedürfnisse eingehenden Art
und Weise auf bestehende Beratungsangebote sowie
etwaige Entschädigungsansprüche hingewiesen
werden. Außerdem müssen sie über das Recht, sich
bei einer Zeugenvernehmung von einem Anwalt oder
einer Person ihres Vertrauens begleiten lassen zu
können, informiert werden.
Wichtig ist für die SPD-Mitglieder im Ausschuss da-
bei, dass nicht nur auf staatliche, sondern gerade auch
auf die spezialisierten Beratungsangebote in freier
Trägerschaft hingewiesen wird und dass diese Hin-
weise auch angemessen und nachvollziehbar doku-
mentiert werden müssen.
– Über die gemeinsamen Schlussfolgerungen aller
Fraktionen hinaus fordern wir als SPD-Mitglieder im
Ausschuss für den Bereich des polizeilichen Um-
gangs mit dem Opferumfeld, dass binnen fünf
Jahren in allen hierfür in Betracht kommenden Poli-
zeidienststellen namentlich bezeichnete und entspre-
chend ihrer Position ausgebildete und geschulte
„Familienverbindungsbeamte“ vorgesehen sein
sollten.
Diese sollen vorrangig bei Gewaltstraftaten im Kon-
takt mit den Opfern und ihren Angehörigen einge-
setzt werden, um eine sensible Kommunikation, die
auch interkulturelle Aspekte berücksichtigt, zu ge-
währleisten. Zur Orientierung für Tätigkeit, Ausbil-
dung und Schulung kann dabei auf den Ansatz des
„family liaison officer“ (FLO) verwiesen werden,
mit dem in Großbritannien gute Erfahrungen gesam-
melt werden konnten.
Drucksache 17/14600 – 892 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Untersuchungsaus-
schuss bedarf es über die gemeinsamen Forderungen
aller Fraktionen hinaus der Einrichtung unabhängi-
ger Beschwerdestellen für polizeiliches Fehlver-
halten auf Bundes- und auf Länderebene.
Diese Stellen sollen einerseits als Ombudsstelle für
Bürgerinnen und Bürger fungieren, die sich über
polizeiliches Fehlverhalten beschweren möchten.
Andererseits sollen sie aber auch eine Anlaufstelle
für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei
sein, bei der sie Missstände in der Polizei melden
können.
Der Polizei stehen weitreichende, in Grundrechte
eingreifende Befugnisse zu. Eine Überprüfung poli-
zeilichen Handels kann beim Verdacht einer Straftat
durch die Staatsanwaltschaft erfolgen, die ihrerseits
aber wiederum auf die Ermittlungen der Polizei an-
gewiesen ist. Darüber hinaus gibt es in Deutschland
die Möglichkeit, grundrechtsrelevante polizeiliche
Maßnahmen einer nachgelagerten verwaltungsge-
richtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen.
Dies erfordert jedoch de facto einen Gang zum An-
walt und ist daher mit einem Kostenrisiko verbunden.
Abschreckend kann dabei auch eine möglicherweise
langwierige Verfahrensdauer wirken. Schließlich
können Betroffene eine Dienstaufsichtsbeschwerde
erheben, die dann in der polizeilichen Hierarchie ge-
prüft wird. Dementsprechend gilt dieser Rechtsbehelf
gemeinhin als weitgehend fruchtlos.
Als Ergänzung der bestehenden Kontrollmöglichkei-
ten könnten unabhängige Beschwerdestellen für poli-
zeiliches Fehlverhalten ein Gegengewicht zu den
weitreichenden Eingriffsbefugnissen bilden.
Nach unserer Vorstellung sollen die Beschwerdestel-
len größtmögliche Unabhängigkeit genießen, sie
dürfen nicht in ein Ressort der jeweiligen Exekutive
eingebunden sein und müssen über eine ausreichende
Sach- und Personalausstattung verfügen. Die Mit-
glieder der unabhängigen Beschwerdestellen sollen
vom jeweiligen Parlament ernannt werden. Das Be-
schwerdeverfahren selbst sollte möglichst
niedrigschwellig ausgestaltet sein: keine Kosten,
keine besonderen Formerfordernisse. Regelmäßige
Berichte über die Tätigkeit der Beschwerdestellen
und ein Informationsangebot in vielen Sprachen sol-
len für Transparenz sorgen und Hemmschwellen
abbauen, sich über polizeiliches Verhalten zu be-
schweren.
Erfahrungen aus dem Ausland, aber auch erste Pro-
jekte in Deutschland (z. B. mit der 1998 vom rot-
grünen Senat geschaffenen Hamburger Polizeikom-
mission) fallen positiv aus. Dementsprechend wird
die Einrichtung derartiger Beschwerdestellen in
Deutschland seit langem von Menschenrechtsorgani-
sationen (u. a. Amnesty International) sowie dem
Menschenrechtsbeauftragten des Europarats gefor-
dert. Es ist an der Zeit, diese Forderung endlich um-
zusetzen.
– Angesichts der im Kapitel II. ausführlich beschriebe-
nen Erkenntnisse zu routinisierten, oftmals rassis-
tisch geprägten, Verdachts- und Vorurteilsstruk-
turen in den Ermittlungsbehörden, sind für die SPD-
Mitglieder im Ausschuss Maßnahmen zur Stärkung
der interkulturellen Kompetenz und zur Bekämp-
fung institutioneller Vorurteilsstrukturen von be-
sonderer Wichtigkeit. Es bedarf insofern eines brei-
ten Maßnahmenbündels:
– Verbesserung der Personalauswahl
Der Mitarbeiterstab der Polizeibehörden sollte aus
Sicht aller Fraktionen im Ausschuss so weit als mög-
lich sowohl die kulturelle Vielfalt als auch die ver-
schiedenen Bevölkerungsgruppen unserer Gesell-
schaft widerspiegeln. Es bedarf deshalb einer geziel-
ten Erhöhung der Diversität in der Polizei, wobei
von vornherein verschiedene Vielfaltsdimensionen
berücksichtigt werden sollen.
Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss können
dabei die Vorgabe bestimmter Zielmarken bezogen
auf die Einstellungsjahrgänge, Analysen von Be-
werbungshemmnissen und zielgruppenbezogene
Werbung für eine Tätigkeit im Polizeidienst hilf-
reiche Instrumente darstellen. Es bedarf dabei auch
einer entsprechenden Qualifizierung der Personal-
entscheider.
– „Diversity Management“ und Diskriminierungs-
verbot in Führungsstrukturen verankern
Allein die Erhöhung des Anteils von Polizistinnen
und Polizisten mit Migrationshintergrund ist keine
ausreichende Maßnahme, um diskriminierendes Han-
deln in der Polizei zu verhindern. Es bedarf aus Sicht
der SPD-Mitglieder im Ausschuss einer nachhaltigen
Implementierung von „Diversity Management“
auf allen Ebenen der Führungsstrukturen. Dabei geht
es nicht um Assimilierung, sondern um Veränderung
der Strukturen im Sinne der Hervorhebung individu-
eller Verschiedenheit durch positive Wertschätzung.
Nicht die Minderheiten stehen im Fokus, sondern die
Gesamtheit der Bediensteten in all ihren Unterschie-
den und Gemeinsamkeiten. Die Achtung des Dis-
kriminierungsverbots bei staatlichem Handeln und
die Sicherung des diskriminierungsfreien Zugangs
zu staatlichen Stellen und Leistungen ist dabei Füh-
rungsaufgabe. Das Leitbild diskriminierungsfreier
Polizeiarbeit muss auf allen Ebenen wirkungsvoll
verankert werden.
– Unabhängige Untersuchung zu vorurteilsbehafte-
ten Einstellungsmustern in der Polizei
Da die wenigen Untersuchungen zu rassistischen
Einstellungen und Vorurteilen in der Polizei aus den
1990er Jahren stammen und nicht mehr aktuell sind,
bedarf es aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss
angesichts der oben im Kapitel B./II. ausführlich be-
legten Hinweise auf routinisierte, teils auch rassis-
tisch geprägte, Verdachts- und Vorurteilsstrukturen
in der Polizei neuer wissenschaftlich fundierter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 893 – Drucksache 17/14600
Analysen. Diese sollen die vermuteten Einstel-
lungsmuster und deren Auswirkungen auf polizeili-
ches Handeln beschreiben und erkennbar werden las-
sen, welche strukturellen Faktoren, die Verfestigung
solcher Einstellungen vorantreiben oder ihnen entge-
genwirken können.
– Deutliche Verbesserung von Aus- und Fortbildung
In der Aus- und Fortbildung der Polizei muss Men-
schenrechtsbildung im weitesten Sinne zum zentra-
len Bestandteil werden. Diskriminierungsfreie Poli-
zeiarbeit und die Auseinandersetzung mit Rassis-
mus müssen dabei eine wesentliche Rolle spielen.
Die Polizeiausbildung darf nicht beschränkt bleiben
auf die Vermittlung von Kriminalistik und Rechts-
kenntnissen. Hinzukommen müssen verstärkt verhal-
tens- und handlungsbezogene Bildungsaspekte.
„Interkulturelle Kompetenz“ muss das Ziel sein.
Dabei ist es aus unserer Sicht besonderes wichtig,
dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit der Beschäf-
tigten gestärkt wird. Reflexion der eigenen Arbeit
und konstruktiver Umgang mit begangenen
Fehlern sind dabei unverzichtbare Elemente, die in
den Aus- und Fortbildungsprogrammen Berücksich-
tigung finden müssen.
In die Entwicklung entsprechender Aus- und Fortbil-
dungsprogramme sollten auch die Wissenschaft und
entsprechend spezialisierte zivilgesellschaftliche
Organisationen einbezogen werden.
2. Justiz
Einige moderate Korrekturen am bestehenden Rege-
lungssystem im Bereich der Justiz sind nach den im Aus-
schuss gewonnenen Erkenntnissen, die ausführlich oben
im Kapitel B./III. beschrieben wurden, angezeigt:
– Mit den anderen Fraktionen gemeinsam fordern wir
die Erweiterung der materiellen Ermittlungszustän-
digkeit des GBA durch eine Korrektur des § 120
Abs. 2 Nr. 3 GVG.
Zukünftig soll es ausreichen, dass ein Kapitaldelikt
„bestimmt und geeignet sein KANN“ – und nicht
„bestimmt und geeignet IST“ –, den Bestand eines
Staates oder Verfassungsgrundsätze zu beeinträchti-
gen. Damit hätte der GBA in der Frage der eigenen
Zuständigkeit einen größeren Beurteilungs- und
Entscheidungsspielraum, der im Fall der Česká-
Mordserie die Übernahme der Ermittlungen durch
den GBA und damit eine zentrale Ermittlungsführung
ohne Frage erleichtert hätte.
Sichergestellt werden muss zudem, dass zukünftig
Qualitätsstandards für die entsprechenden Prüfvor-
gänge beim GBA gelten und dass die Vorgänge ver-
pflichtend den jeweils aktuellen Sachstands- oder
Ermittlungsbericht und eine Stellungnahme der ak-
tuell verfahrensführenden Stelle enthalten müssen.
Weiterhin sollte die Verpflichtung der Staatsan-
waltschaften der Länder, dem GBA in entspre-
chenden Fällen auch die notwendigen Informationen
zur Prüfung seiner Zuständigkeit zu übermitteln,
die bisher in Nr. 202 der RiStBV geregelt ist, im Ge-
richtsverfassungsgesetz verankert werden.
Die SPD-Mitglieder im Ausschuss fordern darüber
hinaus nach den im Ausschuss gewonnen Erkenntnis-
sen über die fehlende Bereitschaft in den Ländern,
Verfahren an den GBA abzugeben, zusätzlich eine
Verpflichtung zur Vorlage der konkreten Ermitt-
lungsakten (Doppelakten), wenn es sich um Fälle
versuchter oder beendeter Kapitaldelikte (§§ 211,
212, 227, 251, 306c StGB) handelt, bei denen eine
extremistische Motivation der Tat zumindest nicht
auszuschließen ist.
Damit wäre sichergestellt, dass der GBA nicht nur
anhand eventuell schöngefärbter zusammenfassender
Berichte der Länderstaatsanwaltschaften, sondern auf
der Grundlage der tatsächlichen Ermittlungsak-
ten über seine Zuständigkeit selbst entscheiden kann.
– Auch im Bereich der Bewirkung der Durchführung
eines Sammelverfahrens geht unsere Forderung
über die der anderen Fraktionen hinaus:
Mit den anderen Fraktionen befürworten wir eine Er-
gänzung des § 143 Abs. 3 GVG um eine Bestim-
mung, die ausdrücklich festlegt, dass sich „übernah-
mewillige“ oder „abgabewillige“ Staatsanwaltschaf-
ten zur Herstellung einer Sammelverfahrenszustän-
digkeit antragsstellend an den GBA wenden können.
Dies bestärkt im Grunde jedoch nur die bereits beste-
hende Rechtslage.
Weil im Rahmen der der Česká-Mordserie keine der
fünf beteiligten Staatsanwaltschaften eine solche Ver-
fahrensübernahme wirklich gewollt hat, ist aus Sicht
der SPD-Mitglieder im Ausschuss den Erkenntnissen
aus dem Ausschuss durch diese klarstellende Fest-
stellung noch nicht ausreichend Rechnung getragen.
Deshalb fordern wir zusätzlich, dass dem GBA durch
Ergänzung des § 143 Abs. 3 GVG in geeigneten
Fällen schwerer und schwerster länderübergreifender
Straftaten, die erkennbar in einem Zusammenhang
stehen, zur Sicherstellung einer einheitlichen Verfah-
rensführung die Befugnis übertragen wird, von Amts
wegen – also notfalls auch gegen den Willen der
Länder, wenn auch im Benehmen mit diesen, –
Strafverfahren einheitlich einer Landesstaatsan-
waltschaft zur Verfolgung zuweisen zu können.
– Die Ausweitung der Zuständigkeiten des GBA und
der Prüfaufgaben müssen aus Sicht der SPD-
Mitglieder im Ausschuss zudem einhergehen mit ei-
ner Verbesserung der personellen Ausstattung.
3. Verfassungsschutz
Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die
Notwendigkeit und in die Arbeitsfähigkeit des Verfas-
sungsschutzes ist offenkundig stark erschüttert worden.
Ein Verfassungsschutz kann aber nur dann erfolgreich
arbeiten, wenn er dieses Vertrauen besitzt. Eine Akzep-
Drucksache 17/14600 – 894 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tanz des Verfassungsschutzes durch die Gesellschaft
kann nur dadurch bewirkt werden, dass er seinen Mehr-
wert für die Sicherheit der Menschen deutlich und sein
Handeln nachvollziehbar macht. Bereits begonnene Re-
formen im BfV reichen bei weitem nicht aus.
Der Verfassungsschutz muss weg vom „Schlapphut-
Image“. Wir brauchen bei den Behörden einen umfas-
senden Mentalitätswechsel und ein neues Selbstver-
ständnis. Verfassungsschützer müssen nicht in erster
Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokra-
ten, mit einem richtigen Gespür für die Gefahren, die
unserer Demokratie drohen.
Defizite sind vor allem im Bereich der Bekämpfung des
Rechtsextremismus offenkundig geworden. Die Schlag-
kraft des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem hängt
heute vor allem davon ab, ob man wach genug ist, Radi-
kalisierungstendenzen in der Gesellschaft frühzeitig zu
erkennen.
Es handelt sich also nicht ausschließlich um ein Problem
defizitärer Informationsübermittlung zwischen den Be-
hörden, sondern auch um ein Wahrnehmungsproblem,
also ein Problem unzureichender Informationsgewinnung
und -bewertung.
Diesem Kernproblem kann nur durch nachhaltige Ver-
besserung der Personalauswahl (insbesondere im Hin-
blick auf Interdisziplinarität) und Personalführung so-
wie von Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter begegnet werden. Diese müssen in die Lage
versetzt werden, ihren Aufgaben zur Gefahrerkennung
und zur Beratung mit hoher Motivation, breiten analy-
tischen Fähigkeiten und starker interkultureller
Kompetenz nachzukommen.
Zur Erreichung dieser Ziele ist aus Sicht der SPD-
Mitglieder im Ausschuss eine Vielzahl organisatorischer
und gesetzgeberischer Maßnahmen erforderlich:
a) Grundlegende organisatorische Maßnah-
men
– Die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes muss
gerade im Bereich des Rechtsextremismus gezielt
verbessert werden durch Qualifikation und verbesser-
te Personalauswahl sowie durch Einbeziehung wis-
senschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Sachver-
stands. Verfassungsschutz muss auch als unmittelba-
re Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger erkenn-
barer werden.
– Wir brauchen einschneidende organisatorische
Maßnahmen im BfV: Die für die Bekämpfung des
Rechtsextremismus zuständige Abteilung 2 sollte in-
nerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre vollständig
nach Berlin verlegt werden! Dabei sollte – wie da-
mals bei der Abteilung 6 – ein striktes Freiwillig-
keitsgebot herrschen, so dass ein konzeptioneller
und personeller Neuaufbau dieses Bereichs ermög-
licht wird („frischer Wind“).
– Die Organisationsstruktur der seit Dezember 2011
wie Pilze aus dem Boden geschossenen „Gemeinsa-
men Abwehrzentren“ sind insgesamt auf den Prüf-
stand zu stellen: Das neu eingerichtete „Gemeinsame
Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“
(GAR) sollte von seinen jetzigen zwei Standorten
(Köln und Meckenheim) an einem Standort errichtet
werden. Zu prüfen ist weiterhin, ob die Erhaltung
zweier Abwehrzentren gegen Terrorismus (GETZ in
Köln und GTAZ in Berlin) langfristig Sinn macht,
insbesondere weil das „Gemeinsamen Internetzent-
rum“ (GIZ) bereits in Berlin aufgebaut wurde.
b) Stärkung der Zentralstellenfunktion des
BfV
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat unter ande-
rem gezeigt, dass das BfV und mehrere Landesämter für
Verfassungsschutz dezentral über Teilinformationen zu
dem Fallkomplex verfügten, jedoch an keiner Stelle im
Verfassungsschutzverbund alle verfügbaren Informatio-
nen vorlagen. Mehrere Verfassungsschutzbehörden haben
zudem operative Maßnahmen angeordnet, eine eindeutige
durchgehende Koordination im Verfassungsschutzver-
bund erfolgte jedoch nicht.
Die deshalb immer wieder aufflackernden Forderungen
nach einer grundsätzlichen Abschaffung oder Zusammen-
legung der Landesämter überzeugen nicht: Gegen die
Schaffung einer einzigen Zentralbehörde spricht, dass
auch diese wieder Niederlassungen und Personal vor Ort
benötigt und eine Effizienzsteigerung keinesfalls sicher
wäre. Zudem würde die freiheitssichernde Funktion des
Föderalismus beeinträchtigt. Gegen eine Zusammenle-
gung von LfVs einzelner Länder spricht, dass dann unklar
bliebe, welche Landesregierung für einen solchen Zu-
sammenschluss nun politisch verantwortlich wäre und vor
allem durch welches Landesparlament die parlamentari-
sche Kontrolle erfolgen kann. Letztlich sollte deshalb die
vom Grundgesetz geforderte föderale Aufgabenvertei-
lung beibehalten werden.
Entscheidend ist aber, dass die Länderinnenminister ihre
Landesbehörden professionell aufstellen und eine enge
Kooperation untereinander und mit dem Bund ge-
währleisten. Provinzialismus und Kleinstaaterei dürfen
nicht dominieren. Der Vorstoß der Landesinnenminister
zur Neuausrichtung der Landesämter für Verfassungs-
schutz ist insofern zu begrüßen, geht allerdings aus Sicht
der SPD-Mitglieder im Ausschuss noch nicht weit genug.
Es bedarf zudem einer klaren Stärkung der verfassungs-
rechtlich bereits vorgegebenen Zentralstellenfunktion
des BfV. Dabei reicht es nicht aus, kleinere Schritte auf
untergesetzlicher Ebene, etwa im Rahmen einer Verände-
rung der von der IMK beschlossenen „Koordinierungs-
richtlinie“ zu gehen. Es bedarf vielmehr einer gesetzli-
chen Klarstellung der Kompetenzen des BfV in § 5
BVerfSchG:
aa) Ermöglichung eigener Tätigkeit des BfV in
den Ländern bei gewaltbezogenen Tätig-
keiten und Bestrebungen
Zum einen muss das BfV die Möglichkeit erhalten, im
Bereich des gewaltbezogenen Extremismus immer auch
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 895 – Drucksache 17/14600
eigene Maßnahmen im Land zu ergreifen, selbstver-
ständlich aber nach wie vor nur im Benehmen mit den
jeweiligen LfVs. Hierzu sollte § 5 Abs. 2 Satz 2
BverfSchG um das Kriterium des Gewaltbezugs („…ist
Voraussetzung, dass sie darauf gerichtet sind, Gewalt
anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten“)
erweitert werden.
bb) Selbsteintrittsrecht des BfV in Einzelfällen
Zum anderen muss § 5 BVerfSchG dahingehend ergänzt
werden, dass es dem BfV ermöglicht wird, in Einzelfäl-
len die Koordinierung der Informationsbeschaffung
und die zentrale Auswertung an sich zu ziehen, wobei
dem BfV dann im Gegenzug selbstverständlich eine um-
fassende Informationspflicht gegenüber den betroffenen
Landesbehörden auferlegt werden muss.
cc) Es muss eine gesetzliche Pflicht zum In-
formationsaustausch geben
Im Hinblick auf die Verbesserung des Informationsaus-
tauschs im Verfassungsschutzverbund und zwischen
Nachrichtendiensten und Polizeien sind durch die gesetz-
liche Ergänzung des § 6 Satz 8 BVerfSchG und die
Einführung der Verbunddatei Rechtsextremismus
(RED) sowie mit der Einrichtung des „Gemeinsamen
Abwehrzentrums gegen Rechts“ (GAR) bereits wesent-
liche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden.
Bislang fehlt es aber vor allem an einer verbindlichen
Verpflichtung der Landesämter für Verfassungs-
schutz zur unverzüglichen Informationsübermittlung
an das BfV in den gesetzlich vorgesehenen
Phänomenbereichen und bezogen auf die von ihnen selbst
gesammelten Informationen, Auskünfte, Nachrichten und
Unterlagen.
Zwar ergibt sich eine gewisse Unterrichtungspflicht aus
§ 5 BVerfSchG i.V.m. § 3 der (untergesetzlichen) Koor-
dinierungsrichtlinie der IMK, doch reicht dies nicht aus.
Anzustreben ist eine gesetzliche Klarstellung um sicher-
zustellen, dass beim BfV – unabhängig von den Auswer-
tungsmöglichkeiten in den Ländern – eine zentrale Aus-
wertung aller Informationen aus den Ländern erfolgen
kann. Nur so kann häufig eine länderübergreifende Be-
deutung bestimmter Informationen überhaupt erst erkannt
werden. Verbunden sein muss dies selbstverständlich mit
korrespondierenden umfassenden Informationspflichten
vom BfV gegenüber den Landesämtern.
Wenn nun teilweise gefordert wird, die Übermittlungs-
pflichten sowie die Analyse- und Recherchefunktionen in
den eingerichteten Verbunddateien (insbesondere
NADIS-neu) auch auf andere Phänomenbereiche und
Informationen zu Personen ohne Gewaltbezug auszudeh-
nen, so kann dem nicht ohne tiefergehenden Diskurs ge-
folgt werden. Wer solch weitreichende Forderungen nach
zentralen Dateien mit umfassenden Analyse- und Recher-
chemöglichkeiten erhebt, muss zumindest gleichzeitig
überzeugende Vorschläge zur Wahrung der verfas-
sungsrechtlichen Anforderungen an Datenübermitt-
lungen und Zweckänderungen (z. B. durch Anonymi-
sierungs-, Pseudonymisierungs- oder Kennzeichnungs-
pflichten) machen.
c) Stärkere Öffnung gegenüber der Gesell-
schaft
Der Verfassungsschutz muss sich auch stärker gegen-
über der Gesellschaft öffnen. Fenster und Türen müssen
aufgemacht werden. Ein ständiger Dialog ist erforderlich.
Durch Aufklärung vor Ort, also in den Städten und Ge-
meinden, sowie durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit
muss er sein Fachwissen über extremistische Bestrebun-
gen und deren gesellschaftliche Bekämpfung erkennbar
und nutzbar machen.
d) Stärkung des Bundesdatenschutzbeauf-
tragten
Es bedarf einer Stärkung des Bundesbeauftragten für
den Datenschutz und die Informationssicherheit
(BfDI) gegenüber dem BfV.
Dies hat sich im Ausschuss insbesondere an der schon seit
längerem bestehenden Kontroverse zwischen dem BfDI
einerseits und dem BfV/BMI andererseits zur Frage, wann
Papierakten zu vernichten sind, gezeigt. Gerade in einem
derart grundrechtssensiblen Bereich darf es keine fort-
während unklaren Auslegungsfragen geben. Daher müs-
sen die bislang geltenden Regelungen im BVerfSchG zur
Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten
in Akten und Dateien angesichts der technischen Ent-
wicklung umfassend novelliert werden. Dabei muss be-
rücksichtigt werden, dass die einst für Papierakten ge-
schaffenen Regelungen nicht auf elektronisch geführte
Akten übertragen werden können. Für E-Akten (oder
gescannte Papierakten) sind aufgrund der elektronischen,
automatisierten Auswertungsmöglichkeiten klare, hand-
habbare Regelungen erforderlich.
Um die Einhaltung dieser Regelungen zu überprüfen,
muss die Rolle des BfDI gegenüber dem BfV gestärkt
werden. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass er
Zugang zu allen Informationen erhält, die für eine sachge-
rechte Wahrnehmung seiner Kontrolltätigkeit erforderlich
sind. Bisherige gesetzliche Möglichkeiten, Auskünfte
oder Akteneinsicht gegenüber dem BfDI zu verweigern,
müssen auf den Prüfstand.
Zudem sollten die personellen und finanziellen Ressour-
cen auf Seiten des BfDI erheblich verstärkt werden, damit
der BfDI auch die nach dem BDSG vorgesehen Kontroll-
aufträge des Deutschen Bundestages ordnungsgemäß
erfüllen kann.
e) Maßnahmen zum V-Personen-Einsatz
Geht man von der grundsätzlichen Notwendigkeit der
Ermöglichung des Einsatzes von V-Personen aus, wie
dies oben im Kapitel B./VI. ausführlich begründet wurde,
bleibt die Feststellung, dass dieser bisher in einer rechtli-
chen und verwaltungsmäßigen „Grauzone“ erfolgte,
aus der er dringend herausgeholt werden muss. Es bedarf
daher einschneidender Maßnahmen, um für die Zukunft
dieses stark in die Kritik geratene Instrument weiter nut-
zen zu können. Dazu gehören aus der Sicht der SPD-
Drucksache 17/14600 – 896 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Mitglieder im Ausschuss vor allem die gesetzliche Ver-
ankerung bundesweiter Rahmenbedingungen und die
unabhängige Kontrolle außerhalb der Behörde durch
die G10-Kommission.
aa) Gesetzliche Verankerung bundesweiter
Rahmenbedingungen für die Quellenfüh-
rung neben internen bundesweiten Stan-
dards
Einsätze von V-Personen dürfen nicht mehr weiterhin
allein auf der Grundlage untergesetzlicher, behördeninter-
ner und geheimer Regelungen erfolgen, die jegliche
Nachvollziehbarkeit vermissen lassen. Ohne wirklich
notwendige Geheimhaltungsbedürfnisse zu verletzen, ist
es deshalb erforderlich, dass transparente gesetzliche
Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen
Einsätze von V-Personen zukünftig erfolgen dürfen. Ein-
zelheiten zu den Standards bei der V-Personen-Werbung
und -Führung können und müssen dann weiterhin behör-
denintern und durch Koordinierung im Verfassungs-
schutzverbund geregelt werden.
Es müssen aber durch den Gesetzgeber grundlegende
Voraussetzungen festgelegt werden, die vor allem auch
bundesweite Geltung haben müssen, um einen einheitli-
chen Einsatz dieses nachrichtendienstlichen Mittels si-
cherzustellen. Auswahl und Führung von V-Personen
sowie die umfassende Dokumentation sowohl der Wer-
bung der Personen als auch der Durchführung der Maß-
nahmen müssen bundesweit klaren und verbindlichen
Regeln folgen:
– Gesetzlich sollte beispielsweise festgeschrieben wer-
den, inwiefern einschlägige Vorstrafen oder laufende
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren einer
Anwerbung als V-Person entgegenstehen.
– Es bedarf einer gesetzlichen Aufforderung an die
Verfassungsschutzbehörden sicherzustellen, dass die
an V-Personen zu erbringenden staatlichen Gegen-
leistungen nicht dazu genutzt werden können, Ziel-
setzung oder Aktivitäten der beobachteten Orga-
nisationen bewusst zu steuern.
– Auch muss Sorge dafür getragen werden, dass durch
die staatlichen finanziellen Zuwendungen der beo-
bachtete Phänomenbereich nicht weiter gestärkt
wird.
– Ebenso bedarf es klarer Vorgaben hinsichtlich der
Personalauswahl für die V-Personen-Führung
(Vier-Augen-Prinzip) und hinsichtlich der Einsatz-
dauer der V-Personen-Führer (Rotation).
bb) Genehmigung der V-Personen-Einsätze im
Einzelfall durch die G10-Kommission
Wenn eine wirksame Lösung für den zukünftige Einsatz
von V-Personen gefunden werden soll, ist eine Genehmi-
gungspflicht für den Einsatz von V-Personen im jewei-
ligen Einzelfall – eventuell ohne konkrete Name-
nsnennung – unabdingbar.
Über derartige Einsätze kann nicht weiterhin ausschließ-
lich behördenintern entschieden werden. Auch eine mög-
liche Ansiedelung der Anordnungskompetenz bei der
jeweiligen Amtsleitung reicht nicht aus. Angesichts der
hohen Missbrauchsgefahren bei Einsatz dieses ND-
Mittels bedarf es – zumindest ab einem bestimmten Um-
fang der Tätigkeit der Quelle – einer unabhängigen Prü-
fung außerhalb der jeweiligen Behörde und außerhalb
der Exekutive.
Vorstellbar ist dabei zum einen eine gerichtliche Kontrol-
le, wie sie teilweise gefordert wird. Besser geeignet dürfte
jedoch die Nutzung der G10-Kommissionen sein, weil es
nicht nur um eine reine Rechtskontrolle gehen soll. Die
G10-Kommission kann beispielsweise ihre Zustimmung
zu bestimmten Maßnahmen nicht nur dann versagen,
wenn sie der Überzeugung ist, dass die Maßnahme recht-
lich unzulässig ist. Sie kann ihre Zustimmung auch dann
versagen, wenn sie durch die antragstellenden Dienste
nicht von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der
Maßnahme (Opportunität) überzeugt wurde. Eine solche
Kompetenz kommt einem Gericht regelmäßig nicht zu.
Insofern ist es weitaus sinnvoller, auch hier die bislang
bereits erfolgreich arbeitenden G10-Kommissionen im
Bund und in den Ländern mit der Genehmigung der ein-
zelnen V-Personen-Einsätze zu beauftragen. Ein großer
Vorteil wäre, dass diese bereits jetzt über einschlägige
Erfahrungen im Bereich der Nachrichtendienste und einen
entsprechenden qualifizierten Arbeitsstab verfügen, der
nur weiter ausgebaut werden müsste.
Eine solche Verpflichtung zur förmlichen Antragstel-
lung außerhalb der eigenen Behörde mit ausführlichen
Begründungspflichten wird dazu führen, dass sich die
Bedarfsträger vor dem Einsatz dieses nachrichtendienstli-
chen Mittels mehr Gedanken über dessen tatsächliche
Notwendigkeit machen und zu kontinuierlicher Prü-
fung des tatsächlichen Erfolgs dieser Maßnahme
(Quantität und vor allem Qualität der gewonnenen Er-
kenntnisse) angehalten werden.
cc) Nutzung des BfV als zentrale permanente
Koordinierungsstelle
Zusätzlich zu den gesetzlichen Rahmenvorgaben und zur
Genehmigungspflicht im Einzelfall bedarf es zwingend
der Nutzung des BfV als zentrale und permanente
Koordinierungsstelle mit vollständigem Überblick über
den Quelleneinsatz aller Verfassungsschutzbehörden.
Damit können zum einen Kollisionen im Werbungsbe-
reich zwischen BfV und Länderbehörden vermieden wer-
den. Zum anderen kann eine zentrale Kontrolle der
gesetzlichen und untergesetzlichen Standards von
Quellen im BfV und in den Landesämtern beispielsweise
im Rahmen der Fachprüfgruppe im BfV erfolgen.
Die bislang nur durchgeführte reine Erörterung der (quan-
titativen) Quellensituation im Verfassungsschutzverbund
durch die Behördenleiter bei der jährlichen Amtsleiterta-
gung reicht bei weitem nicht aus.
Es bedarf entweder einer gesetzlichen Neuregelung oder
einer Übertragung der Kontrollkompetenzen durch die
Behördenleiter des Bundes und der Länder auf die zentra-
le Fachprüfgruppe des BfV, um eine notwendige struktu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 897 – Drucksache 17/14600
relle Optimierung und Koordinierung des Quellenein-
satzes im gesamten Bundesgebiet zu erreichen. Nur
durch ein genaues zentrales Bild der Zugangslage kann
ein eventuell bestehender Optimierungsbedarf erkannt
und im Verfassungsschutzverbund gemeinsam bearbeitet
werden.
4. Parlamentarische Kontrolle
Im Jahr 2009 hat die SPD eine grundlegende Reform der
Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste
durchgesetzt: Wir haben u. a. die Informationspflichten
der Bundesregierung deutlicher gefasst und dem Kont-
rollgremium das Recht gegeben, durch Akteneinsicht und
Befragung von Mitarbeitern eigenständig Auskünfte über
die Nachrichtendienste einzuholen.
Damit war der Grundstein gelegt für eine systematische
und strukturelle Kontrolle, die sich nicht in anekdoti-
sche Prüfungen einzelner Vorfälle und Zufallsfunden
erschöpft. Das Kontrollgremium hat inzwischen damit
begonnen, einzelne Tätigkeitsbereiche der Nachrichten-
dienste systematisch zu untersuchen.
Allerdings kann die Reform ihre volle Wirkung bislang
nicht entfalten. Es fehlt hier vor allem an einer ausrei-
chenden professionellen Personal- und Sachausstat-
tung des Gremiums. Das zeigt etwa der Vergleich mit den
USA: Dort beschäftigen beide Kontrollausschüsse in
Senat und Repräsentantenhaus zusammen über 100 Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter, in Deutschland sind es
weniger als zehn.
Erfreulich ist es insofern, dass sich alle Fraktionen im
Ausschuss darauf verständigt haben, in den gemeinsamen
Schlussfolgerungen eine Verbesserung der Personal-
und Sachausstattung zu fordern. Wie dies in der Praxis
aussehen soll, ist weiterhin unklar. Hier reichen die Vor-
schläge von der Einrichtung eines professionellen „Ar-
beitsstabs“ mit „Leitendem Beamten“ innerhalb des Gre-
miums über einen „ständigen Sachverständigen“ bis hin
zur Einsetzung eines externen „Geheimdienstbeauftrag-
ten“.
Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss spricht ge-
gen den Vorschlag, einen „Geheimdienstbeauftragten“ zu
installieren, dass dadurch der Eindruck entsteht, das Kont-
rollgremium wolle sich ureigenster parlamentarischer
Aufgaben entledigen, indem es Teile seiner Kontroll-
funktionen aus den Händen gibt an quasi-autonome Kont-
rollinstanzen außerhalb des Parlaments. Die Kontrolle
sollte unmittelbar beim Deutschen Bundestag und damit
im Parlamentarischen Kontrollgremium verbleiben.
Einrichtung eines „Arbeitsstabs“ mit „Leitendem
Beamten“
Um eine kontinuierliche Unterstützung der Sacharbeit der
Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums und
eine professionelle Erledigung der Prüfaufträge des Gre-
miums sicherzustellen, sollte vielmehr ein besonderer
Arbeitsstab in der Bundestagsverwaltung aus mehreren
Referaten mit hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern aufgebaut werden. Dieser wäre fachlich
strikt und ausschließlich den Weisungen des Gremi-
ums unterworfen. Durch die Vorarbeit und Expertise
dieses schlagkräftigen Unterbaus würde eine effektivere
Wahrnehmung der Eigeninformationsrechte des Par-
laments ermöglicht.
Der Arbeitsstab sollte von einem „Leitenden Beamten“
geführt werden, weil sich in der Praxis gezeigt hat, dass
eine Steuerung der Arbeit durch das Sekretariat, das
gleichzeitig auch für die regelmäßige Sitzungsvor- und -
nachbereitung zuständig ist, allein nicht ausreicht.
Die Kompetenzen des Leitenden Beamten und der Mitar-
beiter des vom Sekretariat losgelösten Arbeitsstabes müs-
sen noch einmal gesetzlich klargestellt sowie eventuell
um Zugangsrechte erweitert werden, damit der Leitende
Beamte und die Mitarbeiter des Arbeitsstabs auf Seiten
der Dienste und der Bundesregierung klarer als „verlän-
gerter Arm“ des Kontrollgremiums wahrgenommen
werden.
Der Leitende Beamte soll auf Arbeitsebene zudem eine
Scharnierfunktion zwischen Kontrollgremium, Bun-
desregierung und den Nachrichtendiensten erfüllen. Er
bliebe dabei aber ein ausschließlich im Hintergrund
wirksam agierender Koordinator, der - im Gegensatz
zu einem "Geheimdienstbeauftragten " - nicht im Fokus
der Öffentlichkeit stehen soll.
Darüber hinaus sollte das Zusammenwirken zwischen
PKGr und dem Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Informationssicherheit (BfDI) verbes-
sert werden. Um eine möglichst umfassende Kontrolle der
Nachrichtendienste zu gewährleisten, sollten die jeweili-
gen Prüfungsrahmen aufeinander abgestimmt werden.
Freilich würde weiterhin jedes Kontrollorgan in eigener
Verantwortung über die Inhalte der durchzuführenden
Prüfungen entscheiden. Eine Stärkung der Kontrolle der
Nachrichtendienste kann auch durch verstärkte Nutzung
der Möglichkeiten des § 29 Abs. 2 BDSG erreicht wer-
den. Danach kann der Deutsche Bundestag dem BfDI
Prüfaufträge erteilen.
5. Stärkung der Zivilgesellschaft
Die Ausschussarbeit hat gezeigt, dass auch latente rechts-
extreme Einstellungen in unserer Gesellschaft ein Risiko
für unsere Demokratie und das friedliche Zusammenleben
in unserem Land darstellen.
Um der Ausbreitung rechtsextremer Tendenzen vor-
zubeugen und die demokratische Kultur in unserem Ge-
meinwesen immer wieder zu erneuern und zu festigen,
muss die Stärkung der demokratischen Zivilgesell-
schaft im Zentrum unserer Bemühungen stehen. Die
Motivierung und die Unterstützung der engagierten Bür-
gerinnen und Bürger ist der beste Garant zum Schutz
unserer freiheitlichen Grundordnung. Staat und Gesell-
schaft müssen ein klares Zeichen setzen: Rechtsextreme,
Rassisten und verfassungsfeindliche Parteien haben in
einem demokratischen Deutschland keinen Platz.
Auch in der gemeinsamen Bewertung haben alle Fraktio-
nen die Bedeutung einer starken Zivilgesellschaft betont
und sich erfreulicherweise auf wichtige Forderungen, vor
allem im Hinblick auf eine Verstetigung der Finanzie-
Drucksache 17/14600 – 898 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rung für Programme gegen Rechtsextremismus, verstän-
digt.
Zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements
gegen Rassismus und Rechtsextremismus sind aus
Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss jedoch noch
weitere Maßnahmen erforderlich:
Politische Bildung stärken
Bessere finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher
Initiativen alleine reicht nicht aus, um Rassismus in unse-
rer Gesellschaft zu bekämpfen. Die Bereitstellung von
Geldern für einige Initiativen und ein vereinzeltes „Schul-
terklopfen“ sind zu wenig. Es bedarf struktureller staat-
licher Programme, die in Zusammenarbeit mit der Zivil-
gesellschaft entwickelt werden müssen, um das gesamtge-
sellschaftliche Problem rassistischer Vorurteile in den
Sicherheitsbehörden, aber vor allem auch in den Schulen
anzugehen. Es geht hier nicht nur um staatliche „Modera-
tion“ gesellschaftlicher Selbstverpflichtung.
Die „Bundeszentrale für politische Bildung“ (BpB) ist
unbestritten eine der wichtigsten Institutionen zur Demo-
kratieförderung und Präventionsarbeit u. a. im Kampf
gegen Rechtsextremismus in unserem Land. Der Bundes-
zentrale und den von ihr geförderten Trägern gelingt es,
die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken, Informationen zur
Verfügung zu stellen und u. a. durch Seminarangebote an
Akteure die Qualität der Arbeit zu steigern und zu verste-
tigen.
Gerade vor dem Hintergrund der Geschehnisse rings um
den NSU, der Wahlerfolge der NPD, alltäglicher rechter
Gewalttaten und der weiten Verbreitung rechtsextremisti-
scher Einstellungsmuster sind Kürzungen bei der Bundes-
zentrale für politische Bildung grob fahrlässig. Unsere
Demokratie ist gerade jetzt auf eine starke politische
Bildung angewiesen und diese muss auskömmlich finan-
ziert werden.
Straftaten ermitteln – Dunkelfeld erforschen
Die amtliche Statistik bildet die Realität rechtsextremer
(und rassistischer) Gewalttaten nicht vollständig ab. Im
Zeitraum zwischen 1990 bis 2009 verzeichnet sie 47
Todesopfer rechtsextremer Gewalt. Auskünfte von Opfer-
beratungsstellen und journalistische Recherchen ergeben
jedoch bis zu 182 Todesopfer. Und auch damit sind ledig-
lich die Fälle erfasst, in denen durch Zeugenbeobachtung
ein rechtsextremer Bezug herzustellen ist. Alles andere
liegt im Dunkeln.
Wir fordern daher, dass zur Aufhellung des Dunkelfeldes
rechtsextremistischer und rassistischer Straftaten ein For-
schungsauftrag vergeben wird (vgl. schon BT-Drucksache
17/11366).
Finanzierung sicherstellen
In den gemeinsamen Schlussfolgerungen des Ausschusses
wird eine verlässliche Finanzierung zivilgesellschaftlicher
Initiativen gegen Rechtsextremismus gefordert. Dieser
Aspekt ist für uns von zentraler Bedeutung.
Die 2001 von der SPD begründeten Programme gegen
Rechtsextremismus müssen dauerhaft und verlässlich
unterstützt werden. Die Programme haben zum Aufbau
lokaler Strukturen beigetragen und zeigen Wirkung. Bür-
gerinnen und Bürger verteidigen die Demokratie gegen
Neonazis: Im persönlichen Gespräch, in Bildungseinrich-
tungen, am Arbeitsplatz, in den Kommunalparlamenten
und nicht zuletzt auch zunehmend bei Demonstrationen
und Blockaden gegen Naziaufmarsche. Ohne die Opfer-
beratungen, Mobilen Beratungsteams und die vielen Initi-
ativen vor Ort stünde der Kampf gegen Rechtsextremis-
mus in zahlreichen Regionen auf verlorenem Posten.
Allerdings leiden viele Träger unter der Kurzfristigkeit
und Prekarität ihrer Finanzierung. Gelungene Modellpro-
jekte können deshalb oft nicht langfristig etabliert werden,
Organisationswissen geht verloren und qualifiziertes
Personal wandert ab.
Wir brauchen eine Finanzierung, die eine kontinuierliche
Unterstützung bewährter und erprobter Arbeit gegen
Rechtsextremismus sicherstellt. Darüber hinaus bedarf es
eines weiteren Topfes, aus dem neue und Erfolg verspre-
chende Programme finanziert werden. Die dreijährige
Befristung der Projekte muss aufgehoben werden. Gute
Projekte dürfen auch länger dauern.
Wir werden beim Kampf gegen Rechtsextremismus, Ras-
sismus und Antisemitismus notwendige Anschlussförde-
rungen sichern und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft
im Rahmen eines abgestimmten Aktionsplans ein neues
Förderkonzept erarbeiten und umsetzen. Ziel ist es dabei,
die Kurzatmigkeit der Hilfen zu beenden und stattdessen
Projekte, Initiativen sowie Strukturen auf einer eigenen
gesetzlichen Grundlage unbürokratisch und langfristig zu
fördern.
Weg mit der „Extremismusklausel“
Auf Anordnung der CDU/CSU-geführten Bundesregie-
rung müssen die Antragsteller für das Bundesförderpro-
gramm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ und
ähnlicher Programme seit Herbst 2010 eine Zustim-
mungserklärung zur freiheitlich-demokratischen Grund-
ordnung unterschreiben. Dieses Bekenntnis gilt nicht nur
für die Projekte und Initiativen selbst, sondern sie müssen
auch für die Verfassungstreue ihrer Kooperationspartner
bürgen.
Das Verwaltungsgericht Dresden hat die als
„Extremismusklausel“ bekannte Bestätigungserklärung
bereits für rechtswidrig erklärt. Die Erklärung, wonach
der Zuwendungsempfänger seine Partner hinsichtlich
ihrer Absicht, die Ziele des Grundgesetzes zu verfolgen,
überprüfen solle, sei zu unbestimmt.
Die Extremismusklausel ist aber nicht nur rechtswidrig,
sie gefährdet auch den gesellschaftlich notwendigen
Kampf gegen rechte Ideologie und Gewalt. Die Klausel
diskreditiert und behindert zivilgesellschaftliches Enga-
gement gegen Rechtsextremismus. Sie stellt die Initiati-
ven unter einen Generalverdacht der Verfassungsfein-
dlichkeit und undemokratischen Gesinnung.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 899 – Drucksache 17/14600
Die Pflicht zur Regelüberprüfung der Kooperationspart-
ner fördert ein Klima des Misstrauens und steht dem Ziel
der Demokratieförderung entgegen.
Dabei leisten gerade die durch das Bundesprogamm „To-
leranz fördern - Kompetenz stärken“ und ähnliche Pro-
gramme geförderten Träger durch ihre Bildungs- und
Präventionsarbeit einen unverzichtbaren Beitrag zur Stär-
kung der demokratischen Zivilgesellschaft und für die
Achtung der Menschenrechte. Ohne die Förderung des
Bundes wären die meisten dieser Projekte nicht durch-
führbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen
Projekten arbeiten mit hoher Eigenmotivation unter oft
schwierigen Bedingungen.
Dass diese Arbeit als Teil einer systematischen präventi-
ven Bekämpfung rechtsextremistischer Ideologie und
Gewalt eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist,
haben alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktio-
nen angesichts des Bekanntwerdens der Mordserie des
NSU noch einmal einhellig bekräftigt.
Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Bundestag
beschlossen zu überprüfen, wo dem Engagement demo-
kratischer Gruppen gegen Rechtsextremismus, Fremden-
feindlichkeit und Antisemitismus Hindernisse entgegen-
stehen. Ein Ergebnis dieser Prüfung kann vor dem Hin-
tergrund der weitreichenden Kritik der Zivilgesellschaft
an der Klausel und angesichts des aktuellen Urteils nur
lauten:
Es ist auch die Extremismusklausel, die den Kampf
gegen Rechtsextremismus behindert. Sie muss unver-
züglich abgeschafft werden.
Jugendarbeit
Vor dem Versagen der Polizei und Sicherheitsbehörden in
Fall des NSU steht das Versagen der Jugendarbeit der
1990er Jahre. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, lernten
sich in einem Jenaer Jugendclub kennen, wo gewaltberei-
te, rechtsextrem orientierte Jugendliche verkehrten. Die-
ser Jugendclub praktizierte in frühen Formen die soge-
nannte akzeptierende Jugendarbeit, die von Anfang an
kritisiert wurde. Sie beruhte auf falschen Prämissen und
entpolitisierte und stabilisierte den Rechtsextremismus
eher, statt eine Auseinandersetzung zu suchen. Nicht nur
das Beispiel des NSU macht die Grenzen der Arbeit mit
rechtsextremen Jugendcliquen deutlich. Nach den Fehlern
der 1990er Jahre, ist es zwingend notwendig, dass zwi-
schen der Arbeit mit rechten Kadern und rechts Orientier-
ten unterschieden werden muss. Während die Arbeit in
Gruppenkonstellationen mit ersteren keinen Sinn macht,
bedarf es besonderer Erfahrung für die Arbeit mit Letzte-
ren.
Ausstiegsorientierte Jugendarbeit muss ganzheitlich
gedacht werden und alle Akteure einschließen. Das als
Reaktion auf den NSU gegründete staatliche „BIKnetz –
Präventionsnetz gegen Rechtsextremismus“ stellt inzwi-
schen begehrte finanzielle Mittel für Bildungsträger be-
reit, die pädagogische Leitlinien erarbeiten sollen. Lang-
fristige und fachliche Schulungen sind dringend nötig,
denn allzu oft werden auch heute geschulte Kader un-
hinterfragt in die Arbeit eingebunden.
Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Praxis ist
deshalb unerlässlich. Dem gegenüber steht nach wie vor
eine große Handlungsunsicherheit bei Pädagogen und
Pädagoginnen im Umgang mit rechten Jugendlichen. Die
Gefahr, die Fehler von damals zu wiederholen, ist groß.
Die Schnittmengen mit den Ansätzen der 1990er Jahre
sind unübersehbar.
Das beim Arbeitsministerium angesiedelte Programm
„Ausstieg zum Einstieg“, das in diesem Jahr endet, kann
dafür nicht als Vorbild dienen. Im Vordergrund standen
dort Projekte, die den Ausstieg aus der rechten Szene
durch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt
sollten. Letztlich folgte auch dieses Programm der
1990er-Logik der fehlenden Ausbildungs- und Arbeits-
möglichkeiten für die rechten Jugendlichen.
Präventionsansätze sollten beim Einstieg und nicht
beim Ausstieg ansetzen und vor allem rechtzeitig zivilge-
sellschaftliche Alternativen für nichtrechte demokratische
Jugendliche zu unterstützen.
Trotzdem bleiben die Aussteigerprogramme ein wesent-
licher Bestandteil des Kampfes gegen den Rechtsextre-
mismus.
IV. Ausblick
Der NSU-Untersuchungsausschuss hat über anderthalb
Jahre gemeinsam intensiv an der Aufklärung gearbeitet
und dabei viele strukturelle, analytische, operative und
handwerkliche Fehler sowohl bei der Suche nach dem
Trio als auch bei den Ermittlungen zu den Morden und
Sprengstoffanschlägen herausgearbeitet.
Seinen Untersuchungsauftrag hat der Ausschuss er-
füllt.
Und trotzdem wird es weiterhin offene Fragen geben,
beispielsweise auch danach, nach welchen Kriterien die
Opfer der Česká-Mordserie oder die Orte für die beiden
Sprengstoffattentate „ausgewählt“ wurden oder was das
Motiv für den Mord an der Polizistin und den Mordver-
such an ihrem Kollegen in Heilbronn war. Diese gerade
für die Opfer und ihre Angehörigen wichtigen Fragen
können aber leider letztlich nicht durch einen parlamenta-
rischen Untersuchungsausschuss geklärt werden.
Auch wenn vereinzelt gefordert wird, dass der nächste
Deutsche Bundestag erneut einen NSU-
Untersuchungsausschuss einsetzen müsse, besteht aus
unserer Sicht kein Grund für eine Fortsetzung der Unter-
suchung, so lange nicht signifikant neue Erkenntnisse
aufkommen, die die gefundenen Bewertungen und
Schlussfolgerungen in Frage stellen. Die erneute Einset-
zung eines solchen Untersuchungsausschusses würde
auch der eigentlich wichtigen Aufgabe des Parlaments in
der nächsten Wahlperiode im Wege stehen:
Jetzt geht es darum, die gefundenen Ergebnisse und
Empfehlungen in der in den zuständigen Fachaus-
schüssen wirkungsvoll umzusetzen.
Drucksache 17/14600 – 900 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir werden daran mit ganzer Kraft arbeiten!
Rassismus und Rechtsextremismus müssen in
Deutschland endlich wirksam bekämpft werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 901 – Drucksache 17/14600
C. FDP-Fraktion
I. Geleitwort
Die NSU-Mordserie hat Deutschland erschüttert. Wie
konnte es möglich sein, dass diese Mörderbande so lange
von den Sicherheitsbehörden unbehelligt in Deutschland
ihr Unwesen treiben konnte? Der Vertrauensverlust der
Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden hinsichtlich ihrer
Fähigkeiten als auch hinsichtlich ihres rechtsstaatlichen
Engagements ist groß. Die Bürgerinnen und Bürger fra-
gen sich zu recht: Wie konnte dies passieren?
Wir sind es den Menschen in Deutschland und den Opfer-
angehörigen schuldig, diese schrecklichen Taten bestmög-
lich aufzuklären und daraus für die Zukunft die nötigen
Konsequenzen zu ziehen. Der 2. Untersuchungsausschuss
hat mit seiner Arbeit bereits einiges bewirkt.
Der Verfassungsschutz im Bund wird reformiert, wichtige
Programme, wie das Aussteigerprogramm EXIT, werden
weiter unterstützt und die Bekämpfung des Rechtsextre-
mismus vorangetrieben. Doch dies reicht bei Weitem
nicht aus. Zusätzlich zu den Empfehlungen im gemeinsa-
men Bewertungsteil aller Fraktionen in diesem Ab-
schlussbericht ist für die FDP noch wichtig: Die Kontrolle
der Nachrichtendienste muss deutlich verstärkt und eine
wirkungsvolle, nachhaltige Prüfung dieser Behörden
durch den Deutschen Bundestag und die Länderparlamen-
te ermöglicht werden. Es gilt, die Sicherheitsarchitektur
auf eine neue, rechtsstaatliche und bessere Grundlage zu
stellen; althergebrachte Verfahrensgänge, Vorgehenswei-
sen und Strukturen müssen hinterfragt und reformiert
werden. Wir brauchen eine neue Strategie zur Bekämp-
fung verfassungsfeindlicher Bestrebungen, gerade auch
des nationalen und internationalen Rechtsextremismus.
Hier sind alle Demokraten in Bund und Ländern gefor-
dert.
Es hat mich angesichts der Fülle an Informationen, Zeu-
genvernehmungen, Berichten und Akten beeindruckt, wie
stark der Einsatz aller Abgeordneten parteiübergreifend
im Untersuchungsausschuss war. Gerade die gemeinsame
Vorgehensweise in einem Untersuchungsausschuss war
und ist bisher einmalig in der Geschichte der Bundesre-
publik Deutschland und ist angesichts der Herausforde-
rungen auch stilbildend. Gleichwohl gilt: Viel zu viele
Fragen sind noch offen. Die Aufklärung hierzu kann nicht
an Legislaturperioden gebunden sein und muss weiterge-
hen.
Den Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion möchte
ich meinen Dank aussprechen: dem Obmann Hartfrid
Wolff MdB ebenso wie Serkan Tören MdB, Patrick Kurth
MdB und Jimmy Schulz MdB. Sie haben mit vielen Initia-
tiven, Anregungen und Vorstößen einen maßgeblichen
Anteil an der bisherigen Arbeit dieses 2. Untersuchungs-
ausschusses geleistet. Mein Dank gilt auch den Mitarbei-
tern der FDP-Bundestagsfraktion und in den Abgeordne-
tenbüros für ihr beispielgebendes Engagement: Dr. Chris-
tian Lange, Isabella Pfaff, Paolina Hagengruber, Andrea
Camaj, Claudia Kuhlow und Julia Klein sowie Christoph
von Diest, Manuela Göpel, Dr. Kurt Lehner, Linda van
Renssen und Anika Scharlau.
Unsere freie Gesellschaft lebt von der Freiheit des Einzel-
nen und seiner Menschenwürde, von Toleranz gegenüber
Andersdenkenden und der Übernahme von Verantwor-
tung füreinander, von der Vielfalt der Kulturen und
Denkweisen, von einem demokratischen Diskurs und dem
gemeinsamen Einstehen für unsere freiheitliche Demokra-
tie und unseren Rechtsstaat auch gegen die Feinde unserer
Verfassung und unserer liberalen Bürgergesellschaft.
Diese Freiheit muss jeden Tag neu erkämpft werden.
Rainer Brüderle MdB
Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
II. Einleitung Einzelvoten FDP
II.1. Die Aufklärung muss weitergehen – für eine Fortset-
zung des NSU-Untersuchungsausschusses in der nächsten
Legislaturperiode.
II.1.1. Die politischen Folgen der NSU-Mordserie im
Überblick
Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Sturm
entfachen, heißt es. Und genau das ist am 4. November
2011 in der thüringischen Stadt Eisenach passiert. Das
Ende eines erfolgreichen, aber keineswegs Aufsehen
erregenden Banküberfalls wird zum Beginn der Ent-
schlüsselung der größten rassistischen Mordserie in
Deutschland.
Die Eisenacher Polizei ist an diesem Freitagmorgen, dem
4. November 2011, auf der Suche nach zwei Bankräu-
bern, die gegen 9.30 Uhr die Wartburg-Sparkasse am
Nordplatz überfallen und rund 70 000 Euro erbeutet ha-
ben.
Gegen Mittag findet sie die Beiden tot in einem abgestell-
ten Wohnwagen, mitten in einem Eisenacher Wohngebiet.
Schnell stellt sich heraus, dass die Bankräuber, Uwe
Bönhardt und Uwe Mundlos, Mitglieder des Nationalso-
zialistischen Untergrunds (NSU) sind, einer rechtsextre-
mistischen Gruppe, die über ein Jahrzehnt eiskalt mor-
dend und Bomben legend durch Deutschland gezogen ist.
Zehn Morde, ein Mordversuch und etwa zwei Dutzend
Schwerverletzte gehen auf ihr Konto. Daneben vermutlich
rund 14 Banküberfälle.
Am selben Tag, kurz nach 15 Uhr: Im rund 180 Kilometer
entfernten Zwickau-Weißenborn, in der Frühlingstrasse,
explodiert ein Haus. Die Brandstifterin ist Beate Zschäpe,
und sie ist flüchtig. Bereits wenig später ist klar: Sie ist
Drucksache 17/14600 – 902 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
das dritte Mitglied des NSU. Vier Tage später stellt sie
sich der Polizei.
Dieses Ereignis wird der Auftakt zu einer Reihe von
Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern, die zu
folgenschweren Konsequenzen in Nachrichtendiensten,
Polizei, Behörden und Politik führen. Eisenach war der
Flügelschlag des Schmetterlings, der den Sturm ausgelöst
hat.
Die Wissenschaft nennt das schlicht den Lorenzattraktor,
nach ihrem Begründer Edward Lorenz, 1972, oder eben
Schmetterlingstheorie.
Sie besagt, verkürzt, dass kleine Ursachen große Wirkun-
gen haben können – wie der Flügelschlag eines Schmet-
terlings eben.
Denn noch nie hat eine Mordserie in Deutschland, seit
den Anschlägen der Roten Armee Fraktion (RAF) in den
70ern, so viele Behörden unter Druck gesetzt und so viele
und weitreichende politischen Folgen gehabt, wie die
Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds
(NSU).
Fünf Verfassungsschutzpräsidenten aus Bund und Län-
dern treten zurück – oder müssen zurücktreten: Heinz
Fromm, der Präsident des Bundesverfassungsschutzes
(BfV) macht am 2. Juli 2012 den Anfang. Er übernimmt
die Verantwortung für die in seiner Behörde erfolgte
Vernichtung von Akten der Operation „Rennsteig“ durch
einen Mitarbeiter. Durch diese Aktenvernichtung, so
Fromm, sei ein „erheblicher Ansehensverlust“ für seine
Behörde eingetreten. (Protokoll UA vom 5. Juli 2012,
S. 13).
Bereits am Tag darauf wird der Thüringer Verfassungs-
schutzpräsident Thomas Sippel von seinem Dienstherrn in
den einstweiligen Ruhestand versetzt. Und wenige Tage
später, ebenfalls noch im Juli 2012, tritt dann Sachsens
Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos zurück. Im
September 2012 folgt Verfassungsschutzpräsident Volker
Limburg aus Sachsen-Anhalt, und im November dessel-
ben Jahres Claudia Schmid aus Berlin.
Knapp ein Jahr später, Ende Juni 2013, muss dann in
Sachsen auch der bisherige Vizepräsident des Landesver-
fassungsschutzes, Olaf Vahrenhold, seinen Hut nehmen.
Er wurde ins Staatsarchiv versetzt. Wieder mal sind über-
raschend neue Akten aus dem Umfeld des NSU aufge-
taucht, die man zuvor verloren geglaubt hatte.
Vier Untersuchungsausschüsse werden eingerichtet: in
den Landtagen von Thüringen und Sachsen, in Bayern
und im Bund. In Baden-Württemberg, der Schauplatz des
Polizistenmordes an Michèle Kiesewetter, sehen SPD und
CDU dagegen „keine Notwendigkeit“ einen eigenen
Untersuchungsausschuss einzurichten und auch die Grü-
nen halten einen Untersuchungsausschuss nicht für not-
wendig (Stuttgarter Zeitung vom 26. Februar 2013). Das
Innenministerium aber gibt immerhin einen internen Be-
richt in Auftrag.
In Hessen, dort ist der 21-Jährige Halit Yozgat in seinem
Internetcafé erschossen worden, lehnen die Fraktionen
von SPD und Grünen einen Untersuchungsausschuss
ebenso ab, wie die Grünen-Fraktion in Mecklenburg-
Vorpommern (Homepage der beiden Fraktionen). Auch in
Hamburg, dem Schauplatz des dritten NSU-Mordes, wird
kein Untersuchungsausschuss eingerichtet.
Sechs Ermittlungsbeauftragte mit ihren Teams werden im
Zuge der Aufklärungsarbeit installiert: vier im NSU-
Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages,
Prof. Bernd Heintschel-Heinegg und das Team um
Dr. Gerhard Schäfer, Bundesrichter a. D., der auch in
Thüringen als Ermittlungsbeauftragter tätig war. Einer im
Land Berlin sowie ein interner Ermittlungsbeauftragter im
Bundesinnenministerium für die Aktenvernichtung des
BfV.
Gleichzeitig wird eine hochkarätige Bund-Länder-
Kommission eingesetzt, die untersuchen soll, zu welchen
Reibungsverlusten es in der Zusammenarbeit zwischen
den Sicherheitsdiensten in Bund und Ländern gekommen
ist.
Drei ostdeutsche Länder, Sachsen-Anhalt, Thüringen und
Sachsen, bringen als Folge der Mordserie und unter dem
Eindruck der Rücktritte der Präsidenten, Reformen ihrer
Landesverfassungsschutzämter auf den Weg.
Der bislang nahezu öffentlich unbekannte Militärische
Abschirmdienst (MAD) will als Konsequenz aus der NSU
Mordserie einen Paradigmenwechsel einleiten und ver-
mehrt Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Nicht zuletzt präsentiert das Bundesamt für Verfassungs-
schutz im Februar 2012, unter seinem neuen Präsidenten
Hans-Georg Maaßen, ein erstes Reformpapier für den
Umbau der Behörde.
Im September 2012 nimmt Innenminister Dr. Hans-Peter
Friedrich die neue Anti-Terrordatei für Rechtsextremisten
in Betrieb und im November 2012 wird das neue Ab-
wehrzentrum gegen Terrorismus und Extremismus
(GETZ) in Köln eröffnet, auf das Polizei wie Nachrich-
tendienste Zugriff haben.
Die FDP-Bundestagsfraktion beschließt einstimmig,
ebenfalls noch im September 2012, eine deutlich stärkere
Kontrolle der Nachrichtendienste. Einen entsprechenden
Gesetzentwurf dazu legt sie Anfang 2013 vor. Der Ent-
wurf sieht vor, dem Parlamentarischen Kontrollgremium
(PKGr) des Bundestages zukünftig eine effektive Kontrol-
le der Dienste zu ermöglichen, z. B. durch einen ständigen
Ermittlungsbeauftragten, der auch konkrete Prüfungen in
den Diensten selbst vornehmen können soll. Die Ge-
schäftsführung der CDU und die SPD allerdings lehnen
eine Ausweitung der Kontrolle ab, obwohl ein entspre-
chendes Positionspapier mit dem CDU-Obmann im
Untersuchungsausschuss, Clemens Binninger, abgestimmt
ist und auch den Zuspruch vieler anderer CDU-
Innenpolitiker findet.
Auf Intervention des FDP-Obmanns Hartfrid Wolff wird
bereits in der ersten öffentlichen Sitzung des Untersu-
chungsausschusses, im März 2012, erreicht, dass die
Opferbeihilfen für Hinterbliebene der NSU-Opfer nicht
mit der Sozialhilfe oder dem BAFÖG verrechnet werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 903 – Drucksache 17/14600
Auf diesen Missstand hatte die Ombudsfrau für die Op-
ferangehörigen, Prof. Barbara John, den Ausschuss auf-
merksam gemacht.
Als mittelbare Konsequenz aus der NSU-Mordserie und
anderer schwerer Kriminalfälle wird auf Betreiben von
Hartfrid Wolff sowie unter Mithilfe des Bundesjustiz- und
ds Bundesinnenministeriums im April 2013 ein Lehrstuhl
für Kriminalprävention an der Universität Tübingen ein-
gerichtet. Hier soll zukünftig untersucht werden, warum
Menschen zu Kriminellen und Gewalttätern werden und
wie das verhindert werden kann. Dieser interdisziplinäre
Lehrstuhl ist der erste seiner Art.
II.1.2. Ein erstes politisches Fazit der FDP-
Bundestagsfraktion
Dieser Bundestags-Untersuchungsausschuss war richtig,
wichtig und notwendig!
Denn der Ausschuss hat im Zuge seiner Aufklärung die
gesamte föderale Sicherheitsarchitektur Nachkriegs-
deutschlands auf den Prüfstand gestellt, durchleuchtet und
transparent gemacht. Das Ergebnis dieser Aufklärungsar-
beit allerdings ist nahezu erschütternd. Unsere deutsche
Sicherheitsarchitektur hat diese Prüfung nicht bestanden.
Im Gegenteil. Man muss von einem flächendeckenden
Totalversagen der Polizei und Nachrichtendienste und
einem Versagen einiger Anklagebehörden sprechen.
So wird erst durch den Untersuchungsausschuss bekannt,
dass es punktuell politische Einflussnahme auf die Poli-
zeiarbeit gegeben hat, wie beispielsweise vom damaligen
Innenminister Otto Schily, der beim Bombenanschlag in
Nordrhein-Westfalen durch eine vorschnelle und durch
nichts belegte Äußerung die Aufklärung in die falsche
Richtung lenkte. Er hat bereits einen Tag nach dem Atten-
tat in seiner öffentlichen Stellungnahme jeden terroristi-
schen Hintergrund ausgeschlossen.
Es hat auch Rücksichtnahmen auf politische Länderinte-
ressen gegeben, wie, dass sich das Bundesinnenministeri-
um nicht traute, die laufenden Mordermittlungen der
BAO „Bosporus“ (Besondere Aufbauorganisation) unter
der Federführung Bayerns dem BKA zu übertragen. Die
Bayern wollten diese Federführung mit aller Macht behal-
ten. Alles andere hätten die Bayern als „Kriegserklärung“
betrachtet, so der BKA-Referatsleiter Christian Hoppe
vor dem Untersuchungsausschuss (Augsburger Allgemei-
ne vom 9. April 2013). Der damalige bayerische Innen-
minister und spätere Ministerpräsident Dr. Günther
Beckstein hat die Nichtübertragung der Ermittlungen von
Bayern ans BKA vor dem Ausschuss so begründet:
„Er habe es für einen schweren Fehler gehalten, in
vollem Galopp die Pferde zu wechseln.“
(Tagesspiegel vom 25. Mai 2012)
Was aber, wenn die Pferde in vollem Galopp in die fal-
sche Richtung laufen?
Durch die beharrliche Weigerung Bayerns im Jahr 2006
ist die große Chance ungenutzt vergeben worden, dass
neue Kriminalbeamte mit einem frischen Blick und viel-
leicht anderen Ermittlungsansätzen diese Mordserie
nochmals überdenken konnten. Dazu hätte gleichwohl
auch das BKA umdenken müssen, denn es lehnte eben-
falls die Möglichkeit eines rechtsextremistischen Hinter-
grundes ganz überwiegend ab.
Die FDP-Fraktion will deshalb als erstes Ergebnis festhal-
ten, dass politische Einflussnahme auf polizeiliche Ermitt-
lungsarbeit, sei sie bedingt durch föderale oder persönli-
che Egoismen, die Ermittlungen in der Regel verzögern,
behindern und im schlimmsten Fall – siehe Innenminister
a.D. Schily - in eine völlig falsche Richtung lenken.
Ohne den Ausschuss hätte diese, eben kurz angerissene
politische Aufklärungsarbeit, nicht begonnen, ohne ihn
hätte es die weitreichenden bundesweiten politischen
Konsequenzen nie gegeben und ohne ihn wäre das Behör-
denversagen nicht öffentlich geworden. Dieser Ausschuss
hat weitreichende Veränderungen in Ministerien, Diens-
ten, bei der Polizei und in der Politik angestoßen - und
dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Darauf kann
der NSU-Untersuchungsausschuss mit Recht stolz sein.
Dieser Untersuchungsausschuss hat dabei durch seine
überparteiliche Zusammenarbeit mehr erreicht, als viele
Untersuchungsausschüsse zuvor. Vor allem aber haben
alle Fraktionen des Deutschen Bundestages durch ihre
gemeinsame Aufklärungsarbeit ein starkes Zeichen ge-
setzt, gegen Rechtsradikalismus und Rechtsterrorismus.
Ein solches überparteiliches Zusammenstehen ist in der
politischen Tagesarbeit, zumal in einem Wahlkampfjahr,
durchaus nicht selbstverständlich.
So weitreichend die Konsequenzen aus der Einsetzung
des Ausschusses auch bereits gewesen sind und vielleicht
auch noch sein werden – es bleibt dennoch ein Gefühl
großen Unbehagens zurück.
Rund 12 000 Akten sind gelesen, durchgearbeitet und
rund 100 Zeugen angehört worden. Und doch bleiben für
die FDP-Fraktion viele wichtigen Fragen unbeantwortet,
auch die Grundlegendste: „Wie konnte ein Heer von bun-
desweiten Ermittlern und der Verfassungsschutz über
zehn Jahre lang diese Mörder nicht finden?“
Vor allem, nachdem man schon früh auf der richtigen
Spur gewesen war. Polizei und Verfassungsschutz hatten
das Trio von Anfang an auf dem Schirm und haben deren
Gefährdungspotenzial durchaus richtig eingeschätzt. In
einer Analyse des Landesamts für Verfassungsschutz
(LfV) in Sachsen heißt es im Jahr 2000:
„Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie
terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung
einen gemeinsamen Zweck verfolgen.“
Außerdem heißt es weiter: Der Zweck der Vereinigung
sei es, „schwere Straftaten gegen die freiheitlich demokra-
tische Grundordnung zu begehen“. Bei dem Trio sei „eine
deutliche Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten
Straftaten feststellbar“, so im Schreiben des LfV Sachsens
vom 28. März 2000 an das Landesinnenministerium,
zitiert in Report Mainz vom 21. Mai 2013.
Drucksache 17/14600 – 904 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Und über mögliche Unterstützer heißt es in diesem Do-
kument, dass die professionelle, spurlose Flucht des Trios
im Jahr 1998 ein Anhaltspunkt dafür sei, dass sie
„ohne die entsprechende Unterstützung […] so
nicht realisierbar gewesen wäre. Nur durch engste
Bindungen in einem abgeschlossenen Zirkel mit
wenigen verschwiegenen Mitwissern wird eine
solche Flucht möglich.“
(Report Mainz vom 21. Mai 2013)
II.1.3. Vier Kernergebnisse unserer Arbeit im Ausschuss
Der Ausschuss hat selbstverständlich versucht, auf diese
und andere grundlegende Fragen Antworten zu finden.
Unsere vielleicht wichtigste Erkenntnis aber lautet, dass
es die eine letztgültige Antwort auf diese Frage nicht gibt.
Es gibt viele Erklärungsansätze, die ebenso vielschichtig
wie – für die FDP-Fraktion – auch unbefriedigend sind.
Die vier wichtigsten Erklärungsansätze und Erkenntnisse
der FDP-Fraktion aus der Arbeit des Ausschusses sollen
hier vorab dargestellt werden:
Wir sind erstens der Meinung, dass Polizei und Dienste,
aber auch die Politik, Opfer ihres eigenen und vielfach
unzutreffenden Bildes über den Rechtsradikalismus ge-
worden sind. Das hat verhindert, dass neue Ermittlungs-
ansätze aufgegriffen und wahrgenommen wurden und ist
nach Auffassung der FDP-Fraktion ein wesentlicher
Punkt zur Erklärung des bundesweiten Behördenversa-
gens.
Dem Bundesverfassungsschutz, den Landesämtern, aber
auch der ermittelnden BAO „Bosporus“ ist es nicht mög-
lich gewesen, neu gebildete Neonazi-Netzwerke und
Strukturen zu erkennen und sie sauber zu analysieren.
Vielversprechende andere Ermittlungsansätze, die es
durchaus gab, wurden nicht konsequent weiterverfolgt,
aus den Augen verloren oder auf Arbeitsebene nicht
ernsthaft umgesetzt. Das zeigt vor allem die Operative
Fallanalyse (OFA) des Profilers Alexander Horn, die
durchaus Serientäter mit einer Abneigung gegen Migran-
ten und rechtsradikalen Hintergrund in Betracht gezogen
hat.
Nach den Anhörungen vieler Verfassungsschutzmitarbei-
ter aus Bund und Ländern im Ausschuss kommen wir zu
dem Ergebnis, dass bei der Informationsabschöpfung von
rechtsradikalen V-Männern durch den Verfassungsschutz
vorwiegend das eigene Bild, die eigenen Erwartungen,
abgefragt wurden. Wer und wie viele „Kameraden“ aus
welchen Bundesländern waren bei welchen rechtsradika-
len Konzerten und wo? Und wer hat welche Aufgabe in
der NPD übernommen? Das waren die Standardfragen. Es
war ein eher mechanisches Abfragen und Abhaken von
Orten, Namen und Fakten, selten eine qualitative Befra-
gung durch die V-Mann-Führer. Hintergründe haben eher
nicht interessiert. Hier bildete immerhin der MAD mit
seinen weitergehenden Befragungen eine positive Aus-
nahme.
Neonazis und Rechtsradikale sind vorwiegend als latent
gewalttätige Störenfriede der öffentlichen Ordnung wahr-
genommen worden, die verbotene Kennzeichen benutzen,
Konzerte besuchen, grölen, pöbeln und saufen.
Dass dahinter der Aufbau strukturierter Netzwerke und
organisierte Kameradschaften stehen könnte oder die
massive Missionierung durch extremistische und terroris-
tische Ideologieansätze, wird kaum einmal als Erklä-
rungsmuster herangezogen – ganz einfach: Man traut
gezieltes strategisches Handeln den Rechtsextremen nicht
zu. Wolfgang Geier, leitender Kriminaldirektor Unter-
franken und ehemaliger Leiter der BAO „Bosporus“ hat
diese Denkweise vor dem bayerischen Untersuchungsaus-
schuss am 20. Februar 2013 wie folgt zusammengefasst:
„Man konnte sich nicht vorstellen, dass es in
Deutschland Rechtsterroristen gibt“ (Endstation
Rechts 23. Februar 2013)
Dieses Zerrbild der „rechten Suff-Köpfe“, so ist unser
Fazit, ist auch von den V-Männern in der rechten Szene
gerne und gezielt aufrechterhalten worden und ihre Be-
frager aus dem Verfassungsschutz haben sich somit selbst
bestätigt gesehen. Es wurde viel gefragt, aber die Verfas-
sungsschützer habe sich dabei nur selbst gespiegelt – und
es nicht bemerkt. So konnten sich hinter der Spiegelfläche
zwar nicht ganz unbemerkt, aber relativ ungestört, rechte,
terroristische Strukturen ausbilden.
Der Umgang von Verfassungsschutz und Polizei mit
Rechtsextremen zeigt, dass deren Entschlossenheit und
deren Organisationsgrad vollkommen unterschätzt wur-
den. Offenbar haben Verfassungsschützer geglaubt, sie
könnten die Szene einfach durchleuchten und unter Kon-
trolle halten, indem man ordentlich Geld an diverse Kader
zahlt. Der NSU bewies auf grausame Art, wie falsch diese
Annahme gewesen ist. Der Geheimdienst hat die rechte
Szene durch eine Zerrbrille gesehen, nämlich durch die
Darstellungen der Neonazis (V-Leute) selbst.
Oder wie der Sachverständige und Diplom-Kriminalist
Günter Schicht in der Abschlusssitzung des Ausschusses
des Deutschen Bundestages, am 16. Mai 2013, sagte:
„Wissen macht lernbehindert.“ Wenn man also glaubt,
alles über einen Fall oder eine Szene zu wissen, ist man
nicht mehr offen für Anderes – man lernt nichts mehr
dazu. Günter Schicht nennt das das „routinemäßige Wis-
sen“ der Sicherheitsbehörden, die glauben, aufgrund ihrer
Erfahrung einen Fall bereits einschätzen zu können und
die aus dieser Erfahrung Schlussfolgerungen für die Er-
mittlungen ziehen. Damit werden aber andere Ermitt-
lungsansätze einfach beiseitegeschoben (Protokoll der
Ausschusssitzung vom 16. Mai, S. 63).
Das Verkennen rechter Netzwerke und Strukturen zieht
sich bis hinein in Polizei und Justiz. Der staatliche Ver-
folgungsdruck durch Zielfahndung und normaler Polizei-
arbeit war schlicht unzureichend. Fahndungsmaßnahmen
sind nur punktuell anberaumt oder zeitlich auf wenige
Tage beschränkt gewesen. Überwachungs- oder G10-
Maßnahmen sind lückenhaft und nicht konsequent durch-
geführt worden. Waren länder- oder dienstübergreifende
Maßnahmen geplant, verliefen sie mangels Informations-
austausch unkoordiniert und somit ergebnislos.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 905 – Drucksache 17/14600
Wir sind zweitens der Meinung, dass sich der Fokus der
Polizei und der Nachrichtendienste sowie die politische
Aufmerksamkeit nach den Anschlägen in New York 2001
fast komplett auf den islamistischen Terror gerichtet hat.
Bedingt dadurch ist das Thema Rechtsradikalismus aus
dem Fokus verschwunden und wurde nahezu unwichtig.
Die Fahndungserfolge deutscher Dienste im Bereich isla-
mistischer Terror – zum Beispiel das Aufspüren verdäch-
tiger deutscher Islamisten im tiefsten Pakistan und Af-
ghanistan – wie auch das radikale und entschlossene Vor-
gehen der Dienste in rechtlichen Grauzonen (siehe BND-
Untersuchungsausschuss) zeigen, dass die Dienste und
Behörden übergreifend schnell und erfolgreich arbeiten
können, wenn sie denn wollen. Angesichts dieses Wis-
sens, dass Informationen über eine Person und ihre Rei-
sewege im Bereich islamistischer Terror schnell und ge-
zielt sogar Staatsgrenzen überschreiten können und von
mehreren Geheimdiensten, den deutschen, makedoni-
schen (El Masri), amerikanischen, pakistanischen etc.
geteilt werden und Zugriffe erfolgen, fragt man sich,
warum es in Deutschland Informationen über Rechtsradi-
kale nicht einmal rechtzeitig von Thüringen nach Sachsen
oder umgekehrt schaffen?
Wir sind drittens der Meinung, dass es ein katastrophales
Defizit in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Län-
dern, zwischen den Ländern, zwischen den Diensten un-
tereinander, zwischen BKA und den Länderpolizeien und
in den Ländern wiederum zwischen den LKA und den
zuständigen Polizeipräsidien gibt.
Das Defizit macht sich am eklatantesten am jeweiligen
Informationsaustausch fest: Ohne dem Zentralismus das
Wort zu reden, muss aber festgehalten werden, dass sich
bei Polizeiermittlungen und beim Erkenntnisaustausch
des Verfassungsschutzes der Sicherheitsföderalismus
extrem negativ bemerkbar macht.
Eine länderübergreifende Ermittlungsgruppe wie die
BAO „Bosporus“, die quasi eine politisch gewollte Orga-
nisationsform war, um es jedem betroffenen Bundesland
recht zu machen, ist eine Zumutung für die Polizeiarbeit.
Polizeiliche Ermittlungen dürfen nicht zum Spielball
politischer Länderinteressen werden, und eine länder-
übergreifende Ermittlung braucht eine zentrale Koordina-
tion und eine zentrale Führung. Das muss nicht unbedingt,
kann aber das BKA sein, so wie es das BKA-Gesetz nach
§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG auch vorsieht. Christian Hoppe,
damals zuständiger Referatsleiter im BKA sagte vor dem
Ausschuss:
„Und mit den Morden 8 und 9 hatte sich für mich
die Lage grundlegend verändert, weil zwei weitere
Bundesländer hinzugekommen waren, nämlich
Hessen und Nordrhein-Westfalen, ..... [man hatte
festgestellt], dass es an der einen oder anderen
Stelle, zum Beispiel der Datenverarbeitung, Opti-
mierungsbedarf geben kann, und hatte für mich die
Bewertung getroffen, dass eine echte zentrale Er-
mittlungsführung, die ein zentrales Ermittlungs-
konzept, Fahndungskonzept, Öffentlichkeitskon-
zept vorsieht, der richtige Weg sei, und habe des-
wegen meiner Amtsleitung vorgeschlagen, diesen
Weg zu gehen.“
(Protokoll vom 11. Mai 2012, S. 3)
In aller Deutlichkeit stellt sich hier die Frage, ob ein in-
formelles Gremium, wie die Untergruppe der Innenminis-
terkonferenz (IMK), der AK II, auf Ebene der Fachgrup-
penleiter, gesetzliche Regelungen unterlaufen darf, wie
geschehen 2006, als sich bei einer Tagung in Garmisch
Partenkirchen der AKII der IMK darauf einigte, die Er-
mittlungen nicht dem BKA zu übertragen. Die Entschei-
dung wurde also nicht von der Amtsleitung sondern von
Abteilungsleitern getroffen.
Wir kommen viertens zum Ergebnis, dass der Ausbil-
dungsstand der Verfassungsschutzmitarbeiter extrem
verbesserungswürdig ist. Der Verfassungsschutz, vor
allem der Länder, rekrutiert sich vorwiegend aus Querein-
steigern, die nur eine Minimalausbildung durchlaufen,
und dabei auf eigenes „Learning by Doing“ angewiesen
sind. In ihrer Arbeit werden sie oft alleine gelassen durch
teilweise unzureichende Landesgesetze oder Dienstvor-
schriften, die keinerlei Orientierung geben – beispielswei-
se bei der V-Mann-Gewinnung oder V-Mann-Führung.
Zur Verbesserung der Ausbildung in den Verfas-
sungsschutzämtern hat die FDP-Fraktion umfangreiche
Vorschläge gemacht, wie beispielsweise, dass Verfas-
sungsschutzbeamte auch eine dreijährige Ausbildungs-
phase durchlaufen müssen, analog der Polizeiausbildung.
Für seine Aufklärungsarbeit hat der Untersuchungsaus-
schuss des Deutschen Bundestages nur eineinhalb Jahre
Zeit gehabt. Die Verbrechensserie des NSU aber dauerte
über zehn Jahre. Und ebenso lange ist die endlose Kette
von Behördenversagen in fast allen Bundesländern. Auf-
arbeitungszeitraum und Tatzeitraum stehen deshalb in
keinem Verhältnis zueinander. Die Zeit für die Aufklä-
rung durch den Ausschuss war zu knapp!
Deshalb setzt sich die FDP-Fraktion dafür ein, den NSU-
Ausschusses nach der Bundestagswahl erneut einzusetzen
und fortzuführen. Dass die anderen Fraktionen dem bis-
lang nicht zugestimmt haben, bedauern wir sehr. Denn auf
allen anderen Ebenen gehen die Ermittlungen und Aufklä-
rungsarbeiten weiter: Bei der Generalbundesanwaltschaft
sind zwei neue Ermittlungsverfahren anhängig, eines
gegen neun Beschuldigte und eines gegen Unbekannt. Der
Untersuchungsausschuss in Thüringen wird noch mindes-
tens ein weiteres Jahr, bis 2014, seine Aufklärungsarbeit
fortsetzen; der Innenminister von Baden-Württemberg,
Reinhold Gall, hat erst im März 2013 die Ermittlungs-
gruppe „Umfeld“ eingesetzt, die die engen Verbindungen
zwischen dem NSU und Baden-Württemberg untersuchen
soll (Badische Zeitung vom 5. März 2013). Und das BKA
untersucht derzeit noch weitere 700, bislang ungeklärte
Gewaltfälle, auf mögliche rechtsterroristische Hinter-
gründe. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Mit-
angeklagten hat im April 2013 eben erst begonnen und
dauert voraussichtlich bis Ende 2014. Und aus München
kommen neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit: So hat
es vermutlich bereits 1999 einen Rohrbombenanschlag
auf ein türkisches Lokal in Nürnberg gegeben, der even-
tuell dem NSU zuzuordnen ist. Das deutete der Mitange-
Drucksache 17/14600 – 906 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
klagte und Zeuge, Carsten Schultze, am 11. Juni 2013 bei
seiner Vernehmung vor dem Oberlandesgericht in Mün-
chen an (Tagesspiegel vom 11. Juni 2013).
Auch sind im Zuge von Medienrecherchen im Juli 2013
neue und zum Teil bislang unbekannte Zusammenhänge
aufgetaucht: So, dass der Verfassungsschutz versucht hat,
2001 eben diesen Carsten Schultze als V-Mann anzuwer-
ben. Im Anwerbungsbogen hat er den Decknamen
„Dehli“ bekommen, weil er in Neu-Dehli geboren wurde.
Vor Gericht hatte Carsten Schultze eine Anwerbung
durch den Verfassungsschutz aber bislang verneint (Spie-
gel vom 10. Juli 2013).
Bekannt wurde auch, dass die ehemalige Freundin von
Ralf Wohlleben kurzzeitig und gegen Geld als V-Frau
unter dem Decknamen „Jule“ für den Thüringer Verfas-
sungsschutz gearbeitet hat. Sie sollte mithelfen, das un-
tergetauchte Trio zu finden (MDR, 8. Juli 2013).
Das sind Erkenntnisse, die der Untersuchungsausschuss
während seiner Arbeit nicht vorliegen hatte, ebenso wenig
wie das gesamte Videomaterial im Zusammenhang mit
dem Nagelbombenattentat in Köln. Der Ausschuss hatte
nur wenige Minuten zur Einsicht aus den Videoaufnah-
men in der Keupstraße erhalten. Das gesamte Videomate-
rial aber hat eine Länge von insgesamt 18 Stunden.
Die aktuellen Entwicklungen und unsere Erfahrungen
lassen vermuten, dass noch weitere wichtige Erkenntnisse
ihren Weg in die Öffentlichkeit finden werden. Das Gan-
ze gleicht einem Puzzleteil, von dem der Ausschuss wich-
tige aber noch unzureichende Teile kennt. Zu wenige, um
sich ein Gesamtbild zu machen. Eine Erstellung eines
Gesamtbildes war und ist aber Auftrag des gemeinsam
beschlossenen Untersuchungsauftrages des Ausschusses.
Wir sind deshalb der Meinung, dass der Bundestag das
falsche Signal setzt, wenn er seine Aufklärungsarbeit für
beendet erklärt und sich nicht fraktionsübergreifend dafür
einsetzt, die Aufklärung in der nächsten Legislaturperiode
fortzuführen. Der Bundestags-Untersuchungsausschuss
war und ist das einzige Gremium, bei dem alle bundes-
weiten Erkenntnisse zusammengetragen worden sind und
auch weiterhin zusammen getragen werden können. Es ist
das einzige Gremium, das genügend Druck auf Behörden
und Dienste machen kann, um Veränderungen herbeizu-
führen. Das Thema NSU und dessen Umfeld sind keines-
wegs ausermittelt. Das sieht wohl auch der Generalbun-
desanwalt so, der wie erst am 11. Juni 2013 bekannt ge-
worden ist, mittlerweile rund 500 Personen und nicht wie
bislang bekannt, nur 129 Personen aus dem Umfeld des
NSU abgeprüft hat.
Deshalb kann für die FDP-Fraktion dieser Bericht auch
nur ein vorläufiger Zwischenbericht, aber kein Ab-
schlussbericht sein. Es bleiben – für uns – mehr offene
Fragen als Antworten.
Deutlich muss in diesem Zusammenhang auch angespro-
chen werden, dass die Aufklärungsarbeit immer wieder
erschwert wurde durch die Tatsache, dass wichtige Akten
von V-Männern sowohl im Bundesamt für Verfassungs-
schutz, wie auch in einigen Landesämtern bereits vernich-
tet waren, bzw. noch nach dem 4. November 2011 unter
fragwürdigen Umständen geschreddert worden sind. Sie
stehen für die Aufklärungsarbeit somit nicht mehr zur
Verfügung. Hier erwartet die FDP-Fraktion von den be-
troffenen Bundesbehörden, dem BfV und BMI noch eine
komplette Aufklärung darüber, wie es zu diesen Akten-
vernichtungen kommen konnte. Mit dem Bericht, die der
hausinterne Ermittlungsbeauftragte, Hans-Georg Engelke,
im Auftrag des BMI fertig erstellt hat, ist die FDP-
Fraktion nicht zufrieden.
Eine weitere wesentliche Behinderung der Aufklärungs-
arbeit ist und war die Weigerung verschiedener Landes-
verfassungsämter wie auch des BfVs, dem Ausschuss
zunächst wichtige Akten zur Verfügung zu stellen, oder
das Unvermögen, sie rechtzeitig zu den anstehenden Ver-
nehmungen zu liefern. Auch die Informationspolitik über
die, den Ausschuss interessierende Akten aus den Län-
dern, ist teilweise mangelhaft. So musste zum Beispiel
Sachsen-Anhalt mehrfach aufgefordert werden, Akten
nach Berlin zu liefern, wie auch das Land Berlin mit einer
Informations-Salamitaktik dem Ausschuss wichtige In-
formationen über V-Männer zunächst vorenthalten hatte.
Ebenso wie Innenminister Reinhold Gall in Baden-
Württemberg. Erst Ende Mai 2013 und somit schon am
Ende des Ausschusses wurde klar, dass das Landesamt für
Verfassungsschutz mit Krokus eine langjährige Informan-
tin in der rechten Szene hatte. Krokus hat dem Landesamt
in Stuttgart angeblich gemeldet, dass Rechtsextremisten
versucht haben sollen, den Gesundheitszustand des
schwerverletzten Kollegen der ermordeten Polizistin
Michèle Kiesewetter auszuforschen. Auch wenn die
Glaubwürdigkeit von Krokus nicht eindeutig beantwortet
werden konnte, war dies für den Ausschuss Anlass genug,
nochmals eine Sondersitzung mit Vertretern des Landes
Baden-Württemberg nach Beendigung des Ausschusses
anzuberaumen. Da aber eine solche verhindernde Infor-
mationspolitik keine Ausnahme ist, gehen wir davon aus,
dass es im näheren oder weiteren NSU-Umfeld noch
Informanten oder V-Leute gegeben hat.
Diese Verzögerungs- und Behinderungspraxis kann im
besten Fall als unkooperativ bezeichnet werden, in man-
chen Fällen – wie teilweise beim BfV, aber auch im Land
Berlin – könnte man den Eindruck gewinnen, dass es
absichtliches und vorsätzlichen Vorenthaltens oder Ver-
nichten von Aktenmaterial gegeben habe. Das Baden-
Württemberg wichtige Akten erst im August 2013 lieferte
und schon zuvor durch wenig kooperatives Verhalten
aufgefallen ist, hat ein besonderes Gschmäckle.
Der Streit um Aktenlieferungen hat dann im Oktober
2012 einen noch nie dagewesenen Höhepunkt des politi-
schen Kräftemessen erreicht, zwischen dem NSU-
Untersuchungsausschuss des Bundestages und dem Bun-
desinnenministerium und dessen ausführendem Organ,
dem Bundesamt für Verfassungsschutz unter seinem
neuen Präsidenten, Hans-Georg Maaßen. Das Land Thü-
ringen ist 2012 bereit gewesen, alle noch verfügbaren
Akten ungeschwärzt an den NSU-
Untersuchungsausschuss des Bundestages zu liefern. Das
Bundesinnenministerium und das BfV sowie Vertreter der
anderen Bundesländer haben versucht das zu verhindern.
Sie haben Thüringen vorgeworfen, durch seine Aktenlie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 907 – Drucksache 17/14600
ferungen die „Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden zu
gefährden“. Thüringen wird in einer gemeinsame Tele-
fonkonferenz von Bund und Ländern angeblich des „Lan-
desverrates“ und des „Geheimnisverrat“ bezichtigt, eben-
so wird Thüringen vorgeworfen, mit diesen Aktenliefe-
rungen „Leib und Leben von V-Leuten zu gefährden“
(Thüringer Allgemeine vom 2. Oktober 2012). Nach Mel-
dungen des Mitteldeutschen Rundfunks vom 10. Oktober
2012 haben sich Bundes- und Landesämter sogar ernst-
haft überlegt, den Transport dieser Akten aus Thüringen
nach Berlin auf offener Straße abzufangen und zu stop-
pen.
Das wäre ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, und eine erhebliche Verlet-
zung der staatsorganisationsrechtlichen Strukturen gewe-
sen.
Die angespannte Situation zwischen dem Ausschuss des
Bundestages und dem Innenministerium sowie der Län-
der, außer Thüringen, wird dadurch gelöst, dass die Akten
in Treptow eingelagert wurden und dort nur von den Er-
mittlungsbeauftragten des Ausschusses, von Dr. Schäfer
und seinem Team eingesehen werden dürfen. Dr. Schäfer
hat dann über die Vorschläge der Länder zur Einstufung
und die geschwärzte Weitergabe an die Mitglieder des
Ausschusses entschieden. Gleichwohl hat sich der Aus-
schuss das Recht vorbehalten, sämtliche Akten auch ohne
Einstufungen nach wie vor vorzuhalten.
II.2. Die Einzelvoten der FDP zu einzelnen Punkten im
Überblick
Die FDP-Fraktion hat als erste Fraktion im Deutschen
Bundestag am 23. November 2011 einen Untersuchungs-
ausschuss zur Aufklärung und Aufarbeitung der Mords-
erie und der dahinterliegenden rechtsradikalen Netzwerke
gefordert. Dieser Forderung hat sich einen Tag später die
Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag angeschlossen.
Auch wenn damals natürlich die bis heute bekannte Di-
mension des „Falles NSU“ nicht absehbar war, sind wir
bereits damals der Meinung gewesen, dass die gesamten
Zusammenhänge und Implikationen auch in einem politi-
schen Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden müs-
sen.
Das Bundesinnenministerium (BMI) dagegen, mit dem
CSU-Minister Dr. Hans-Peter Friedrich an der Spitze,
hat damals im Gegensatz zur FDP nur eine interne Auf-
klärung favorisiert. Das BMI wollte zunächst nur die
Aufarbeitung durch einen Sonderermittler des Parlamen-
tarischen Kontrollgremiums (PKGr). Diesem Vorschlag
der rein internen Aufklärung hat sich auch die SPD-
Fraktion angeschlossen. So hatten damals sowohl der
Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Thomas Opper-
mann, als auch der innenpolitische Sprecher Michael
Hartmann, die Einrichtung eines Untersuchungsausschus-
ses abgelehnt.
Erst unter dem Eindruck der massiven öffentlichen Be-
richterstattung hat das Innenministerium seinen Vorschlag
erweitert und die Einsetzung einer Bund-Länder-
Kommission zur politischen Aufklärung der Morde be-
fürwortet.
Die FDP-Fraktion aber hat im November und Dezember
2011 weiterhin an ihrer Überzeugung festgehalten, dass
ein mögliches Totalversagen der Behörden nicht durch
diese selbst oder andere Behördenvertreter aufgeklärt
werden könne, sondern nur durch einen unabhängigen
parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die FDP-
Fraktion hat aber auch der Einsetzung einer Bund-Länder-
Kommission, zusätzlich zu einem Untersuchungsaus-
schuss zugestimmt.
Die Zeugenvernehmung des NSU-Ausschusses ist im Juni
2013 abgeschlossen gewesen; die Bund-Länder- Kom-
mission hatte schon im Mai 2013 ihren Abschlussbericht
vorgelegt; die in Thüringen eingesetzte Schäfer-
Kommission bereits ein Jahr zuvor, im Mai 2012. Im
Ausschuss selbst sind Sachverständige aus Wissenschaft,
der Sozialarbeit oder aus dem Polizeidienst gehört wor-
den, sowie auch die Ombudsfrau für die NSU-Opfer,
Prof. Barbara John. Diese Aussagen, Feststellungen und
Gutachten sind alle in das Meinungsbild der FDP-
Fraktion ebenso eingeflossen, wie auch die Erkenntnisse
aus eigenem, langem Aktenstudium und der Zeugenbe-
fragung im Ausschuss.
Auch wenn es eine große Übereinstimmung aller Fraktio-
nen bei der Bewertung der dargelegten Sachverhalte gibt,
so hat die FDP-Fraktion doch bei einigen wichtigen The-
menbereichen eine abweichende Meinung: Sei es, weil
aus liberaler Sicht politische Entscheidungen anderes
gewertet werden als von anderen Fraktionen; sei es, weil
die Aufarbeitungszeit des Ausschusses zu kurz bemessen
war und Themenfelder nach Ansicht der FDP-Fraktion
deshalb nicht genügend ausgeleuchtet worden sind. So
sind beispielsweise die Verbindungen des NSU in die
Schweiz nicht im Ausschuss behandelt worden, obwohl
die FDP-Fraktion den Ausschuss-Vorsitzenden immer
wieder gebeten hatte, mit der Schweizer Botschaft Kon-
takt aufzunehmen um an Informationen aus erster Hand
zu kommen. Die Schweiz wäre dazu bereit gewesen.
Für die Aufklärung der Fehler der Berliner Innenbehörde
und des Berliner LKA hat es im Ausschuss eben so wenig
eine Mehrheit gegeben, wie dafür, den ehemaligen Präsi-
denten des BfV, Heinz Fromm, oder der Präsident des
BKA, Jörg Ziercke, mehrfach vor den Ausschuss zu la-
den, um Widersprüche aufzuklären. Für beides hatte sich
der Obmann der FDP im Ausschuss, Hartfrid Wolff, ein-
gesetzt.
Einige Themen sind im Ausschuss auch eher beiläufig
behandelt worden, wie beispielsweise die Aufarbeitung
des rechtsradikalen Netzwerkes „Blood & Honour“, das
das Trio seit seiner Flucht 1998 bis zu seiner Entdeckung
2011 unterstützt und geschützt hatte. Und das, obwohl die
Organisation im Jahr 2000 eigentlich verboten und aufge-
löst wurde.
Nach Ansicht der FDP hätte der Ausschuss durchaus auch
für die Zeugenvernehmung noch vermehrt die sitzungs-
freien Wochen nutzen können. Die FDP-Fraktion hatte
sich von Anfang an, angesichts des Umfangs des Themas,
dazu bereit erklärt, mehr Sitzungen durchzuführen als
letztlich gemacht wurden.
Drucksache 17/14600 – 908 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ein vertiefter Blick auf „Blood & Honour“ wie auch auf
andere rechte Netzwerke, wie beispielsweise auf die
Hilfsorganisation für nationale Gefangene (HNG), wäre
aber unseres Erachtens immens wichtig gewesen, weil
diese Netzwerke, damals wie heute, hervorragende inter-
nationale Verbindungen in fast alle angrenzenden Nach-
barstaaten hatten und noch haben, sogar in die USA und
nach Russland. Ebenso international sind auch ihre die
Geldflüsse und die Unterstützung für die deutsche rechte
Szene durch diese informellen Netzwerke.
Unseres Erachtens greift der rein nationale Blick auf die
deutsche rechte Szene im Zusammenhang mit dem NSU
viel zu kurz. Denn nicht nur die Mordwaffe, die Česká 83,
kam aus der Schweiz, sondern auch ein Telefonanruf von
Uwe Mundlos nach dem Untertauchen des Trios. Aus
einer Telefonzelle in Concise, im Schweizer Kanton
Waadt, hatte ein gewisser „Ralf“ seinen deutschen Freund
Jürgen H. angerufen, dass das Trio Hilfe von den Eltern
brauche. Wie sich später herausstellte war Mundlos selbst
am Telefon (Ulrich Gundlach, BKA, Sitzungsprotokoll
vom 8. Mai 2013, S. 123). Außerdem soll es eine Postkar-
te des Trios nach ihrem Untertauchen aus Bulgarien ge-
ben, in der sie schreiben, dass man sie so schnell nicht
wiedersehen werde. Im Zuge der Arbeit im Ausschuss
haben wir auch erfahren, dass der Angeklagte und NSU-
Unterstützer Ralf Wohlleben 2009 rund 20 000 Euro zur
Unterstützung der rechten Szene nach Meran in Südtirol
gebracht hatte. Die „Kameradschaft Südtirol Sektion
Meran“ wurde damals von Patrick Ennemoser vertreten –
einem aktiven „Blood & Honour“ und „Combat 18“-
Mitglied (l‘ Espresso 23. Oktober 2008).
Da die internationalen Verbindungen des NSU und dessen
Einbindung in internationale Netzwerke wie „Blood &
Honour“ und HNG im Ausschuss zu kurz kamen, werden
wir diese in Kapitel VI. aufgreifen und genauer analysie-
ren.
Auch wenn aus guten Gründen das Versagen des BfV und
der Landesämter für Verfassungsschutz zu Recht im Fo-
kus der Ausschussarbeit standen, so hätte es die zum Teil
ebenso katastrophale Polizeiarbeit genauso verdient ge-
habt. So gibt der Mord an der Polizistin Michèle Kiese-
wetter in Baden-Württemberg bis heute Rätsel auf - und
das vor allem auch durch schlampige polizeiliche Ermitt-
lungen und entsetzliche Fehler in der Polizeiarbeit. Tat-
ortspuren, wie blutige Taschentücher am Tatort und Be-
weisvideos, sind beispielsweise nach dem Mord nicht
ausgewertet worden, und auch das persönliche Umfeld
von Michèle Kiesewetter wurde nicht näher durchleuchtet,
ihre Emails nicht ausgewertet und Zeugenaussagen nicht
ordentlich analysiert. Der Fall Kiesewetter ist eine un-
glaubliche Anhäufung von Fehlern und Fehlentscheidun-
gen. Darum bedauert es die FDP-Fraktion sehr, dass wir
uns gegen die Ausschuss-Mehrheit nicht durchsetzen und
dem Komplex Baden-Württemberg mehr Zeit in der Auf-
klärung einräumen konnten. So hat es nämlich bereits
damals Spuren gegeben, die auf eine mögliche rechte Tat
hingewiesen haben, wie beispielsweise die Aussage des
Onkels von Michèle Kiesewetters. Deshalb wollen wir uns
in Kapitel IX. mit dem Fall Kiesewetter nochmals befas-
sen.
In diesem Zusammenhang wollen wir auch die Einrich-
tung der BAO „Bosporus“, die egoistischen Länderinte-
ressen, die dabei eine Rolle gespielt haben, und die Bilanz
der Arbeit der BAO in Kapitel X. erneut analysieren und
einordnen.
In neun von zehn Mordfällen hat es ein Verbindungsglied
gegeben und damit den einzigen konkreten Hinweis auf
die Täter überhaupt: Die Pistole vom Typ Česká 83. Ob-
wohl das BKA jahrelang die Spur der Česká verfolgt
hatte, hat sie die Ermittler nicht zu den Tätern geführt.
Während sich die gesamte Ermittlung auf diese eine Waf-
fe konzentriert hat, sind Ermittlungen zu der – zumindest
am Anfang verwendeten sehr seltenen Munition – fast
unterblieben. Dabei ist der Hauptimporteur dieser selte-
nen Munition in Mellrichstadt, in der Nähe einer Bun-
deswehrkaserne ansässig, in dem ein guter Freund von
Ralf Wohlleben seinen Dienst abgeleistet hatte. Auch die
Ermittlungen zur zweiten Mordwaffe sind nicht mit der-
selben Intensität betrieben worden, wie die Spur der
Česká 83. Im Ausschuss ist das wichtige Thema Waffen
aber nur kurz angerissen worden, obwohl die Herkunft
des großen Waffenarsenals, das beim Trio gefunden wur-
de, nach wie vor unklar ist. Auch hier führen die Spuren
wahrscheinlich wieder ins Ausland (Schweiz und Portu-
gal) und wieder zum „Blood & Honour“-Netzwerk. Diese
Verbindungen arbeiten wir in Kapitel V. heraus.
Der Frage, wie das Trio über 13 Jahre lang sein Leben im
Untergrund finanzieren konnte, ist unseres Erachtens der
Ausschuss nicht im gebotenen Umfang nachgegangen.
Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass das Geld aus den
Banküberfällen für ein Leben im Untergrund mit Haustie-
ren, Urlaub und Mietautos nicht ausgereicht hat. Aber
Hinweisen, dass das Trio eventuell Geld mit Montagear-
beiten in der Schweiz verdient habe, wurde nicht nachge-
gangen. Wir wollen das in Kapitel IV. tun.
Der Generalbundesanwalt (GBA) ist auf die Aktenkennt-
nis und Beurteilung einer Straftat auf die Landessstaats-
anwaltschaften angewiesen. Die Rechtsordnung sieht vor,
dass der Informationsweg von den Staatsanwaltschaften
der Länder zum Generalbundesanwalt verläuft. In der
Praxis aber ist der GBA oft auf Informationen aus den
Medien angewiesen, um einen Fall zu beurteilen, denn die
Informationszuleitung aus den Ländern ist meist unzurei-
chend. Wir sind deshalb der Meinung, dass der GBA eine
eigene Informationsbefugnis bekommen muss und be-
gründen dies in Kapitel XII.
Ein Fall, der im Untersuchungsausschuss leider nur mar-
ginal zur Sprache gekommen ist, war der (bislang) erste
bekannte Bombenanschlag des NSU im Jahr 2000 auf ein
Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse. Eine
Bombe ist in einer Stollendose versteckt gewesen, die in
diesem Laden zurück gelassen wurde. Die Tochter des
Ladenbesitzers hat sich beim Öffnen der Dose schwer
verletzt. Obwohl der Anschlag nicht aufgeklärt werden
konnte, wurden die Beweise bereits nach fünf Jahren ohne
Begründung vernichtet. Diesen Anschlag greifen wir
ebenso in Kapitel XI. auf, wie den Nagelbombenanschlag
2004 in der Keupstraße in Köln, der durch die politische
Einflussnahme von Bundesminister Otto Schily in die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 909 – Drucksache 17/14600
falsche Richtung gelenkt wurde. Was uns im Ausschuss
dabei ebenfalls erschüttert hat, war die uninteressierte und
anscheinend abgebrühte Haltung des NRW-
Innenministers Dr. Fritz Behrens, der, über die Tat infor-
miert, ungerührt seinen privaten Umzug fortgesetzt hat,
anstatt die mehr als 20 schwerverletzten Opfer der
Keupstraße zu besuchen.
Am 11. November 2011, also nach Bekanntwerden des
NSU, sind auf Veranlassung eines Referatsleiters im BfV
Akten zu V-Männern aus dem Umfeld des Thüringer
Heimatschutzes vernichtet worden. Kurze Zeit später
sogar noch einmal. Insgesamt sind 26 Ordner zu G 10-
Maßnahmen, 94 Personen-, 8 Sach- und 137 Beschaf-
fungsordner geschreddert worden. Obwohl zu der Zeit
bereits der Untersuchungsausschuss des Bundestages
eingesetzt worden war, hat das BfV erst im Juli 2012
einen Stopp der Aktenvernichtung angeordnet. Das BMI
hat zwar mit Hans-Georg Engelke einen internen Sonder-
ermittler eingesetzt, doch dieser konnte nur einen Teil der
Akten einsehen, nämlich die, die aus den geschredderten
Akten technisch wiederhergestellt werden konnten. Sein
dazu abgefasster Bericht ist insofern für die FDP-Fraktion
nur beschränkt aussagefähig. Auch geht aus seinem Be-
richt nicht hervor, warum diese Akten durch das BfV
vernichtet worden sind und ob der Referatsleiter allein
handelte. Die Hintergründe der Aktenschredderei und das
unzureichende Aktenmanagement des BfV, aber auch
verschiedener LfV, wie beispielsweise des Berliner LfV,
werden von uns nochmals in Kapitel III. bewertet.
Die Betrachtung dieser Vorkommnisse, die bei uns immer
noch mehr Fragen als Antworten hervorrufen, bestärken
den Obmann der FDP-Fraktion im Ausschuss, Hartfrid
Wolff, nach wie vor für eine Fortsetzung des Ausschusses
in der nächsten Legislaturperiode zu plädieren. Die bisher
geleistete Aufklärung war ein wichtiger Schritt – aber von
der Wahrheit sind wir noch weit entfernt. Doch Transpa-
renz und auch bittere Wahrheiten gehören zu einer De-
mokratie.
III. Aktenvernichtung in den Diensten – Wir
können nichts ausschließen
Auf Veranlassung eines Referatsleiters im Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) wurden am 11. November 2011
und kurze Zeit später erneut in einem nicht ordnungsge-
mäß durchgeführten Verfahren Akten zu V-Männern aus
dem Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ (Operation
„Rennsteig“) vernichtet. Die Akten waren zuvor als prü-
fungsrelevant angesehen worden. Bestandteile der Akten
konnten wiederhergestellt werden.
Am 4. Juli 2012 wurde für das BfV ein genereller Ver-
nichtungsstopp für sämtliche Unterlagen aus dem Bereich
Rechts angeordnet. Bis dahin waren zumindest Ordner zu
26 G10-Maßnahmen, 94 Personen-, 8 Sach-, 137 Beschaf-
fungs- und 45 Gewährspersonenakten vernichtet worden.
Andere Bundes- und Landesbehörden haben ebenfalls erst
mehrere Monate nach dem Entdecken des NSU einen
Vernichtungsstopp verhängt.
Der Sonderbeauftragte, Ministerialdirigent Hans-Georg
Engelke, untersuchte die Vorgänge im BfV, insbesondere
die vom Referatsleiter angeordneten Aktenvernichtungen.
Die Vorgänge sind aus mehreren Gründen bedeutsam:
Zunächst stellt sich die Frage nach den Gründen für die
Aktenvernichtungen im November 2011: Sollten frühere
Informationen der Dienste zum NSU vertuscht werden?
Wurde der Referatsleiter zu seinen Handlungen angestif-
tet? Dieser hat hierzu in der Zeugenvernehmung durch
den 2. Untersuchungsausschuss geschwiegen.
Darüber hinaus gewähren die Vorgänge einen Einblick in
die Aktenführung der Dienste.
Schlussendlich lässt sich an ihnen die Reaktion der Be-
hörden auf das Bekanntwerden des NSU und seiner Taten
beleuchten.
III.1. Aktenvernichtung im BfV im November 2011
Der Sonderermittler Hans-Georg Engelke hat nur einen
Teil der Akten des BfV eingesehen und nur einzelne Per-
sonen im BfV befragt. Dies legt er in seinem anschauli-
chen Bericht offen, wenn er sich auf die „größtenteils
wiederhergestellten Akten und […] sonstigen Untersu-
chungen“ (MAT_B_BfV-2-5, S. 6) beruft. Sämtliche
seiner Ergebnisse und Feststellungen sind dann aber auch
konsequent auf die zugrundeliegenden Quellen zu bezie-
hen und damit in ihrer Reichweite zu beschränken. Dies
gilt angesichts der defizitären Aktenführung im BfV umso
mehr, da beispielsweise in Übersichten erfasste Aktenbe-
stände nicht ausreichend auf ihr tatsächliches Vorhanden-
sein überprüft wurden. So kann heute niemand mit Be-
stimmtheit sagen, die auf Anordnung des Referatsleiters
und im üblichen Verfahren vernichteten Akten enthielten
nur die im System verzeichneten Dokumente. Selbst der
ehemalige Präsident des BfV, Heinz Fromm, geht offen-
bar nicht davon aus, denn in seiner Vernehmung am
5. Juli 2012 erklärte er, dass mitunter nicht nur versehent-
lich, sondern ganz bewusst Informationen nicht niederge-
legt werden, nicht von Akten in Dateien übertragen wer-
den, gerade bei Werbungsfällen.
Dass sich
„aus den größtenteils wiederhergestellten Akten
und den sonstigen Untersuchungen […] keine An-
haltspunkte darauf [ergeben], dass das BfV bis
zum November 2011 Kenntnis von der Existenz
des NSU gehabt oder personelle oder sachliche
Zusammenhänge zwischen dem Personenumfeld
des „THS“ und den Morden und Banküberfällen
auch nur erkannt oder gar gefördert hätte“
(MAT_B_BfV-2-5, S. 6),
beweist somit nicht, dass das BfV insgesamt über keine
dieser Kenntnisse verfügte oder den NSU förderte. Hin-
weise auf eine Förderung des NSU zu Zeiten der Verbre-
chen des Trios konnte der Ausschuss auch im Rahmen
seiner Untersuchungen allerdings nicht finden.
Das Ergebnis des Sonderermittlers,
Drucksache 17/14600 – 910 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„[w]eder Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe noch die
sonstigen im Verlaufe der bisherigen Ermittlungen
durch die Bundesanwaltschaft zu Beschuldigten
des Ermittlungsverfahrens erhobenen Personen
sind oder waren V-Männer des BfV“
(MAT_B_BfV-2-5, S. 6),
ist dahingehend zu relativieren, dass sich lediglich An-
hand der geprüften Akten und Befragungen eine V-
Personen-Tätigkeit nicht erhärten lässt. Nicht gefolgt
werden kann auch der verabsolutierenden Feststellung,
„eine Vertuschungsabsicht hinsichtlich grob un-
professioneller, rechtswidriger oder krimineller
Handlungen“ (MAT_B_BfV-2-5, S. 6)
sei als Motiv auszuschließen, weil die Prüfung der Akten
dafür keine Anhaltspunkte ergeben hat. Denn unstrittig ist
die Wiederherstellung der Akten nicht vollständig gelun-
gen. Es könnte also durchaus sein, dass die Akten Hin-
weise auf fehlerhaftes Verhalten enthielten.
Trotz der anzuerkennenden Bemühungen des Bundesmi-
nisters des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, und seines
Sonderermittlers, Hans-Georg Engelke, bleibt somit
schlussendlich ungeklärt, warum der Referatsleiter die
Akten vernichten ließ, ob er allein handelte oder angestif-
tet wurde. Anhaltspunkte für eine Anstiftung konnten
nicht gefunden werden. Theoretisch möglich ist sie
gleichwohl, zumal der Referatsleiter im untersuchten
Zeitraum zu anderen Behörden und natürlich auch zu
Angehörigen des BfV Kontakt hatte. Die Zusammenstel-
lung aller Erkenntnisse des BfV zum NSU und seinem
Umfeld ist schon aufgrund der Aktenvernichtungen nicht
mehr möglich. Der Untersuchungsausschuss ist nicht in
der Lage, den Verfassungsschutz freizuzeichnen.
III.2. Defizite im Wissensmanagement der Behörden
Die Untersuchungen des Ausschusses und der Bericht des
Sonderermittlers Engelke haben gezeigt, dass das Wis-
sensmanagement im BfV defizitär ist und dringend einer
Reform bedarf.
Defizite sind insbesondere auf zwei Ebenen festzustellen.
Zum einen sind die rechtlichen Vorgaben zur Führung
von Akten und Dateien lückenhaft und nicht konkret
genug. Zum anderen wird den Vorschriften weder vom
leitenden Personal noch auf der Sachbearbeiterebene der
gebührende Stellenwert eingeräumt. Daher verwundert es
auch nicht, dass die Organisationsstruktur des Hauses die
Beachtung der Vorgaben erschwert. So ist es zu erklären,
dass Löschungsverfügungen des Bundesministeriums des
Innern mitunter mehrere Jahre nicht vollzogen wurden.
Obwohl die Situation leitenden Angehörigen des BfV
bekannt gewesen sein muss, wurde sie nicht bereinigt.
Inwieweit das Bundesministerium des Innern (BMI) als
Aufsichtsbehörde Kenntnis hatte, bleibt zu klären.
Im LfV Berlin wird dem Aktenmanagement offensichtlich
ebenfalls eine zu geringe Bedeutung beigemessen. Es
entspricht nicht der gebotenen Sorgfalt, wenn Akten le-
diglich aufgrund ihrer Position in einem Raum kategori-
siert werden, jede äußere Kennzeichnung der einzelnen
Ordner oder mehrerer fest miteinander verbundener Ord-
ner fehlt (Situationsbeschreibung: Feuerberg-Bericht,
S. 70, MAT_B-BE-6-1).
Auch das sächsische LfV hat mit der Aktenführung zu
kämpfen. So fand man im Sommer 2012 und erneut im
Juni 2013 bei der Aufarbeitung von Altbeständen unbe-
kannte Akten zur Geheimoperation „Terzett“, bei der eine
Wohnung in Zwickau observiert wurde, in der Hoffnung,
so dem Trio auf die Spur zu kommen (SZ 19. Juni 2013;
Leipziger Volkszeitung 20. Juni 2013).
Das Verfahren zur Vernichtung von Akten bzw. zur Lö-
schung von Dateiinhalten, die zwischen Bund und Län-
dern ausgetauscht wurden, funktioniert in der Praxis
nicht. Immer wieder kam es vor, dass die Informationen
empfangenden Stellen nicht in der Lage waren, die von
der informationsgebenden Stelle abgeforderten Erklärun-
gen zur Vernichtung bzw. Löschung zu geben. Zum Teil
haben sie auf die Anforderung nicht reagiert oder die
abgelegten Informationen aufgrund des mangelhaften
Wissensmanagement gar nicht mehr gefunden.
Die offen zu Tage getretenen Defizite sind zügig abzustel-
len. Parlamentarische und exekutive Normgeber haben
Vorschriften auf den Weg zu bringen, die den Ansprü-
chen des Rechtsstaates genügen, Regelungslücken schlie-
ßen und auch praktisch anwendbar sind. Zur Verbesse-
rung des Wissensmanagements ist es aber nicht ausrei-
chend, nur Gesetze, Verordnungen und Dienstvorschriften
zu überarbeiten.
BfV und aufsichtsführendes BMI waren nicht in der Lage,
die Missstände abzustellen. Das Parlamentarische Kont-
rollgremium des Deutschen Bundestages (PKGr) beschäf-
tigte sich ebenfalls nicht zielführend mit dem Wissens-
management der zu kontrollierenden Dienste. Es sind
daher jetzt alle leitenden und kontrollierenden Ebenen
gefordert. Die Organisation der Behörden muss den recht-
lichen Vorgaben Rechnung tragen, damit diese auch prak-
tisch umgesetzt werden können. Die Verfassungsschutz-
behörden und ihre ministerielle Aufsicht haben darüber
hinaus einen Mentalitätswechsel in den Diensten voranzu-
treiben. Professionelles Wissensmanagement mit einer der
Rechtslage entsprechenden Akten- und Datenpflege darf
auf Leitungs- und Sachbearbeiterebene nicht länger als
belästigendes Übel wahrgenommen werden. Vielmehr ist
es als eine der Grundvoraussetzungen für professionelles
Arbeiten in die Behörden zu implementieren. Die große
Verantwortung, die hierbei dem Personalverantwortung
tragenden Angehörigen der Dienste zukommt, hat sich
schon auf das Verfahren zur Vergabe von Personalfüh-
rungspositionen auszuwirken, Datenschutzbeauftragte in
den Behörden sind zu stärken. Das bewusst unvollständi-
ge Führen von Akten und Dateien muss unterbunden
werden.
Auch das PKGr hat sich kontinuierlich dem Wissensma-
nagement der Dienste zu widmen. Eine strukturiert in die
Organisation und den Geschäftsgang der Nachrichten-
dienste vordringende Kontrolle erfolgt bisher nicht, ist
allerdings erforderlich. Dem PKGr muss mit dem Hilfs-
mittel des ständigen Sachverständigen die Möglichkeit
geschaffen werden, Kontrolle in den Nachrichtendiensten
intensiver auszuüben. Er oder seine Mitarbeiter haben
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 911 – Drucksache 17/14600
dann nach Recherchen in den Diensten eine Meinungsbil-
dung im PKGr u. a. zum Wissensmanagement zu unter-
stützen.
III.3. Zu später Aktenvernichtungsstopp
Kritikwürdig ist der Umstand, dass Verfassungsschutzbe-
hörden in Bund und Ländern erst sehr spät einen allge-
meinen Aktenvernichtungsstopp für Unterlagen aus dem
Bereich des Rechtsextremismus verhängten. So wurden
noch Akten vernichtet, als längst bekannt war, dass bei
den weitreichenden Ermittlungen zum Umfeld des NSU
auch bisher für unbedeutend befundene Erkenntnisse
relevant sein können, der Generalbundeanwalt bereits die
Ermittlungen aufgenommen hatte und der Bundestags-
untersuchungsausschuss eingerichtet war. Den Leitungs-
ebenen der Dienste und deren Aufsicht mangelte es hier
anscheinend am erforderlichen Weitblick, zumal die Ak-
tenvernichtungen nicht geeignet sind, Vertrauen in den
Willen zur Aufklärung zu verdeutlichen. Der Erlass eines
allgemeinen Vernichtungsstopps hätte möglicherweise
auch die vom Referatsleiter aus dem Beschaffungsbereich
der Fachabteilung Rechtsextremismus im BfV angeordne-
te Aktenvernichtung verhindert, da die Anordnung offen-
sichtlich rechtswidrig erfolgt wäre. Hier war das Bundes-
innenministerium deutlich zu zögerlich.
III.4. Fazit
Es bleibt ungeklärt, warum der Referatsleiter im BfV die
zuvor mit dem NSU in Verbindung gebrachten Akten
vernichten ließ.
Erkennbar gehen durch das fehlerhafte Wissensmanage-
ment in den Diensten nicht nur Informationen verloren,
zumindest erheblich erschwert wird auch der rechtmäßige
Umgang mit Akten. Über Jahre hinweg gab es keine aus-
reichenden Selbstheilungskräfte, die zu einer Beseitigung
dieser Missstände in den Diensten führten. Leitungsebe-
nen, exekutive und schlussendlich auch parlamentarische
Kontrolle haben versagt. Reformen auf rechtlicher und
organisatorischer Ebene sind ebenso erforderlich wie
Maßnahmen zur Qualifizierung des Personals, vor allem
im höheren Dienst. Die erst sehr spät gestoppte Vernich-
tung von Akten aus dem Bereich des Rechtsextremismus
hat die Aufarbeitung der Rolle der Behörden teilweise
unmöglich gemacht und den Diensten in ihrer Glaubwür-
digkeit geschadet.
IV. Die Finanzierung und Gestaltung des Le-
bens in der Illegalität
Der Auftrag des 2. Untersuchungsausschusses umfasste
auch die Frage, wie drei plötzlich Untergetauchte über 13
Jahre lang unentdeckt leben und mutmaßlich zehn Morde
und 14 Banküberfälle begehen konnten. Dennoch konnte
dieser nicht im gebotenen Umfang nachgegangen werden.
Abgesehen von der FDP-Fraktion hat sich keine andere
Fraktion für das tatsächliche Leben des Trios im Unter-
grund interessiert. Vorschläge, entsprechende Beweisan-
träge zu formulieren, konnten sich nicht durchsetzen.
Insofern besteht noch immer großer Klärungsbedarf.
IV.1. Definition „Untergrund“
In der medialen Berichterstattung heißt es immer wieder,
das Trio habe aus dem Untergrund heraus agiert (zum
Beispiel Spiegel Online vom 16. November 2012, Tages-
spiegel vom 6. Juni 2013). Offen geblieben ist aber bis
jetzt, ab wann überhaupt jemand im Untergrund lebt.
Eine offizielle Definition für ein Leben im Untergrund
existiert nicht. Auf Nachfrage des Abgeordneten Patrick
Kurth deutete der Zielfahnder des Thüringer Landeskri-
minalamtes Sven Wunderlich „Untergrund“ als einen
Zustand,
„wenn jemand seine sozialen, also familiären, aber
auch alle anderen Kontakte, die er hat, abbricht“
(Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 73).
Es liegen aber viele Anhaltspunkte dafür vor, dass das
Trio über all die Jahre hinweg Kontakt zu mutmaßlichen
Unterstützern pflegte, insbesondere zu Ralf Wohlleben,
der sich jetzt neben Beate Zschäpe vor dem OLG Mün-
chen als Angeklagter verantworten muss. Bekannt ist
auch, dass die Eltern von Uwe Böhnhardt zumindest in
den Anfangsjahren immer wieder Kontakt zu dem Trio
hatten (Spiegel Online vom 21. Dezember 2012). Das
würde dieser Definition von einem Leben im Untergrund
durchaus widersprechen. Der ehemalige Präsident des
Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz Thomas
Sippel erklärte auf die gleiche Frage des FDP-Obmanns
des Untersuchungsausschusses, Hartfrid Wolff, dass Un-
tergrund
„kein Fachbegriff [ist], [sondern] wir Untergrund
so verstehen, wie er im allgemeinen Sachgebrauch
aufgefasst wird [und] als Synonym [für] ,im Ver-
borgenen‘, ,im Geheimen‘, ,verdeckt‘ [benutzt
wird]“ (Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 165).
Es ist fragwürdig, ob jemand „im Verborgenen“ lebt,
wenn er von Unterstützern gegrüßt wird (MAT_A_BB,
PDF-S. 5), sich im Urlaub filmen lässt (NDR-
Dokumentation „45 Min“ vom 8. April 2013), eine Kun-
denkarte beim Friseur hat (MAT_A_BY-14-1a, Bl.539)
und ein Zahnarzt-Bonusheft besitzt (MAT_A_GBA_4-3
(DVD)\Vorl. SA 6, S. 33). Daran ändert auch nichts, dass
das Trio wohl Tarnnamen, die nicht von „Unbekannten“,
sondern häufig ebenfalls von Rechtsextremisten stamm-
ten, und falsche Pässe benutzt und seine Wohnung und
die Außenseiten des Wohnhauses mit insgesamt vier
Überwachungskameras ausgestattet (MAT_A_BY-14-1a,
Bl. 564) hat. Dies begründet zwar ein Leben in der Illega-
lität, aber nicht im Untergrund. Darin liegt jedoch ein
bedeutender Unterschied bei der Suche nach Straftätern:
Wenn allein der Umstand ausreicht, andere Identitäten
anzunehmen, aber ansonsten ein offenes Leben ohne
Entbehrungen des Alltags möglich ist, stellt sich die Fra-
ge, wie intensiv tatsächlich nach dem Trio gesucht wurde
oder inwiefern die Strafverfolgungsbehörden womöglich
genauer über den Aufenthaltsort der drei Flüchtigen Be-
scheid wussten.
Außerdem ist rätselhaft, in welchem Widerspruch das
Trio zwischen Angst vor Entdeckung und dem Agieren in
der Öffentlichkeit gelebt hat. Einerseits sind sie immer
wieder in den Urlaub gefahren: Seit 2007 trafen sie sich
Drucksache 17/14600 – 912 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
regelmäßig mit Urlaubsbekanntschaften auf Fehmarn
(MAT_A_GBA_4-3 (DVD)\Vorl. SA 15, S. 201). Mit
diesen tauschten sie Handynummern und E-Mail-
Adressen aus. Dort ließ sich Beate Zschäpe sogar von
einem Kamerateam filmen, obwohl es ein Leichtes gewe-
sen wäre, unauffällig wieder zu gehen (Bild vom 4. April
2013). Zschäpe besuchte ihre Nachbarn, trank mit ihnen
Sekt und hörte sich deren Sorgen an (NDR-
Dokumentation „45 Min“ vom 8. April 2013). Anderer-
seits war die Wohnung des Trios in der Frühlingsstraße
mit Kameras ausgestattet und mehrere Waffen lagen
griffbereit (MAT_A_GBA-4, vorl. SA 8, S. 6). Fraglich
ist, welches Gefühl überwog: die Angst entdeckt zu wer-
den oder das Gefühl, sie seien sicher. Nicht zu erklären
ist, wie dieses widersprüchliche Verhalten zusammen-
passt. Es könnte sein, dass sie gerade diesen Nervenkitzel
liebten. Es könnte aber auch sein, dass sie sogar bewusst
oder unbewusst auf ein Ende ihres Daseins im Untergrund
durch Entdeckung hofften. Diese Fragen sind nach wie
vor offen und bedürfen der Aufklärung, denn auch die
psychologische Komponente hinsichtlich des Führens
eines solchen Lebens trägt dazu bei, ähnlichen Fällen für
die Zukunft vorzubeugen und untergetauchte Straftäter
kriminologisch besser einschätzen zu können.
Zudem stellt sich die Frage, wann die Täter eine solche
Verbrechensserie planten. Es ist nicht geklärt, ob sich
diese Idee erst nach dem Abtauchen entwickelte, schon
vorher bestand oder der Gedanke einer Mordserie sogar
erst nach dem ersten Mord entstand. Möglicherweise gab
es aber auch einen anderen Auslöser. Nach wie vor unklar
ist auch, wer die Idee dazu hatte, wer die Umsetzung
plante und ob eine solche logistische Planung für zwei
beziehungsweise drei Personen allein überhaupt möglich
war.
Das Leben des Trios im vermeintlichen Untergrund wirft
viele noch zu klärende Fragen und Ungereimtheiten auf,
denen es nachzugehen gilt. Deshalb sieht die FDP-
Fraktion eine Fortsetzung des Untersuchungsausschusses
in der nächsten Legislaturperiode als unerlässlich an, um
auf eben diese und weitere Fragen, die sich möglicher-
weise noch im Laufe der Zeit ergeben werden, Antworten
zu finden.
IV.1.2. Rollenverteilung des Trios
Auch die Rollenverteilung des Trios ist für das Leben im
Untergrund von Bedeutung. Wer das Leben des Trios in
der Illegalität verstehen will, muss sich auch mit dem
Miteinander des Trios beschäftigen. Die Rollenverteilung
innerhalb des Trios bedarf noch immer vieler Antworten.
Es steht bis heute nicht sicher fest, ob Zschäpe von den
Verbrechen, die Mundlos und Böhnhardt mutmaßlich
begangen haben, wusste oder nicht. Die Indizien sprechen
dafür und auch die Generalstaatsanwaltschaft im anhängi-
gen Strafverfahren vor dem OLG München geht von einer
Mittäterschaft Zschäpes aus. Auch ist nicht geklärt, wer
der Kopf des Trios war und ob es einen solchen überhaupt
gab. Es ist noch immer undurchsichtig, was die drei mit-
einander auf eine solch außergewöhnliche Art verband
und welche Gruppendynamik das Trio aufwies. Bei ihrer
Festnahme hat Zschäpe wohl gesagt, mit dem Tod der
beiden Männer, habe sie ihre „Familie“ verloren (Spiegel
Online vom 9. November 2012).
Möglicherweise werden Antworten auf diese Fragen im
Laufe des Strafprozesses gegen Beate Zschäpe und vier
mutmaßliche Unterstützer des NSU gefunden, aber das
Strafverfahren wird sich mindestens auf ein Jahr erstre-
cken. Es darf nicht sein, dass solange keine politische
Aufklärung auf Bundesebene betrieben werden soll. Es ist
nicht nachvollziehbar, dass mit dem Strafprozess die
Verantwortung zur Aufklärung des NSU und seiner
Unterstützer allein auf den Schultern der Justiz lasten soll.
Das OLG München hat Urteile zur Schuld der Angeklag-
ten in diesem Verfahren zu fällen, eine Aufklärung der
Ausgestaltung des Lebens im Untergrund ist dadurch
jedoch nicht keinesfalls erschöpft. Diese ist aber von
großer Bedeutung für die Frage, ob sich nicht schon bei-
zeiten Spuren zur Aufklärung der vom NSU mutmaßlich
begangenen Verbrechen hätten ergeben können.
IV.1.2.1. Beate Zschäpe
Es scheint festzustehen, dass Beate Zschäpe, die Frau mit
den vielen Decknamen, dafür verantwortlich war, den
Eindruck eines normalen Lebens nach außen aufrecht zu
erhalten. Sie besuchte ihre Nachbarn, erklärte ihnen im
Vorfeld, sie würde mit ihrem Freund und dessen Bruder
zusammenleben und saß mit den anderen Hausbewohnern
auch öfters gesellig zusammen. Sie trat als Katzenliebha-
berin auf und sang dem türkischen Pizzabäcker zu dessen
Geburtstag ein Lied (Tagesschau vom 8. November
2012).
Mundlos und Böhnhardt hielten sich im Hintergrund.
Zschäpe lieferte Erklärungen dafür, wenn die beiden
unterwegs waren (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.
Mai 2013) und kümmerte sich um den Haushalt: Sie
wusch die Wäsche, ging einkaufen und lieh Filme und
Computerspiele aus (Tagesschau vom 8. November
2012). Sie „benahm sich den Männern gegenüber wie
eine Ehefrau - nur für zwei Männer“ beschrieb ein Unter-
stützer des Trios das Verhalten der Zschäpe gegenüber
Mundlos und Böhnhardt (Zeit Online vom 30. November
2012). Offensichtlich hielt sie das Trio zusammen.
Zudem berichteten mehrere Zeugen, dass sie immer be-
zahlte, wenn die drei unterwegs waren. Eine Urlaubsbe-
kanntschaft auf Fehmarn sagte aus, dass Zschäpe alias
„Liese die Geldverwalterin war“ (MAT_A_GBA_4-3
(DVD)\Vorl. SA 15, S. 215). Ihre Geldbörse war wohl
immer mit großen Geldscheinen gefüllt (Tagesschau vom
8. November 2012).
Dies alles lässt darauf schließen, dass Zschäpe über die
vermutlich durch ihre beiden Freunde begangenen Bank-
überfälle Bescheid wusste. Zudem rekonstruierten Krimi-
naltechniker, die Zschäpes Festplatte untersucht haben,
dass sie wohl auch diejenige war, die nach Unterkünften
in der Nähe der Banken suchte, die Mundlos und
Böhnhardt mit großer Wahrscheinlichkeit überfallen
haben (Tagesschau vom 8.11.2012). Für ihre Kenntnis der
Geschehnisse spricht auch, dass sie nach dem Tod von
Mundlos und Böhnhardt mutmaßlich ihre gemeinsame
Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau angezündet
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 913 – Drucksache 17/14600
hat, um Beweismittel zu vernichten. Davon ausgehend
und auch dem Umstand geschuldet, dass Zschäpe nach
dem Auffliegen des NSU wohl Bekenner-DVDs ver-
schickte, kann man annehmen, dass sie auch wusste, dass
die beiden Männer in ihrem Leben höchstwahrscheinlich
für die Česká-Mordserie verantwortlich waren.
Erkenntnisse über ihre Rolle in dem Trio sind auch des-
halb von besonderem Interesse, um das Problemfeld
Frauen im Rechtsextremismus zu erschließen. Bisher wies
das rechtsextreme Spektrum nur einen Bruchteil an Frau-
en auf, deren Anteil nimmt aber nach Angabe der Bun-
deszentrale für politische Bildung immer mehr zu
(http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremism
us/41496/frauen).
Die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses
verfolgt auch das Ziel, solche Taten wie vom NSU ge-
schehen, künftig zu verhindern und Rechtsextremismus
zu bekämpfen. Deshalb stellt auch diese Frage einen
wichtigen Ansatz dar, dem noch nachgegangen werden
muss.
IV.1.2.2. Uwe Böhnhardt
Nach Aussage von Max-Florina B., der dem NSU wohl
seinen Reisepass überlassen hat, war
„Böhnhardt der autoritäre von den Dreien. Er hat
den Mundlos oftmals bevormundet oder in Ge-
sprächen gebremst“ (MAT_A_GBA-4-3
(DVD)\Vorl. SA 5, S. 29).
Der Schäfer-Bericht führt aus, dass Mario B., ein Füh-
rungsaktivist des „Thüringer Heimatschutzes“, Böhnhardt
für den führenden Kopf gehalten hat (MAT_A_TH-6, S.
62 Rdn.76). Auch die Schäfer-Kommission folgte dieser
Einschätzung, da Böhnhardt wohl „aufgrund seiner Auto-
rität für das Trio insgesamt gesprochen“ habe
(MAT_A_TH-6, S. 62 Rdn. 76). Im Widerspruch dazu
aber führte das Schäfer-Gutachten auch aus, dass
Böhnhardt „einfach gestrickt“ und „keine Führungsper-
sönlichkeit […], sondern eher ein ausführendes Organ“
gewesen sei (MAT_A_TH-6, S. 55 Rdn. 64). Inwiefern
dieser Widerspruch des Schäfer-Gutachtens bei der Ein-
schätzung von Herrn Dr. Schäfer, dass Böhnhardt der
Kopf des Trios war, berücksichtigt worden war, ist un-
klar.
IV.1.2.3. Uwe Mundlos
Mundlos gilt als überlegter und intelligenter als
Böhnhardt. Zwar hat auch er sich der Polizei gegenüber
aggressiv verhalten (MAT_A_TH-6, S. 57 Rdn. 66), aber
Böhnhardt war derjenige, der als
„Durchgeknallter [galt], der rabiat und nicht vo-
rausschauend handelte, sondern einfach ,machte‘
(MAT_A_TH-6, S. 55 Rdn.64).
Noch immer ungeklärt ist, wie es damit zusammen passt,
dass ausgerechnet Mundlos am 4. November 2011 zu-
nächst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen haben
soll (MAT_A_BMI-5-0086, S. 54).
In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden,
dass Zschäpe einer Mitgefangenen gegenüber angeblich
geäußert hat, dass sie überzeugt davon sei, dass sich
Böhnhardt und Mundlos nicht selbst umgebracht hätten
(Bild vom 7. Mai 2013). Vor dem OLG München dage-
gen sagte der Zeuge Frank L., Polizeibeamter des BKA,
im Rahmen des laufenden Strafverfahrens aus, dass
Zschäpe ihm gegenüber über den Freitod der beiden Uwes
gesagt habe, es sei abgemacht gewesen, dass die beiden
sich nie festnehmen lassen wollten (Welt vom 2. Juli
2013). Auch dieser Widerspruch muss noch näher be-
leuchtet werden.
Die Darstellung der drei Kurzprofile verdeutlicht, wie
rudimentär die persönlichen Erkenntnisse zu Mundlos,
Böhnhardt und Zschäpe noch immer sind. Erst darauf
aufbauend aber kann die Funktionsweise und die Rollen-
verteilung des Trios verstanden sowie herausgefunden
werden, warum das Trio nicht früher entdeckt wurde oder
ob es früher hätte entdeckt werden können.
IV.1.3. Bewegungsprofil des Trios
Ein abschließendes Bewegungsbild des Trios steht bis
jetzt nicht fest. Zwar sind verschiedene Adressen bekannt,
wo sich das Trio aufgehalten hat, aber noch immer sind
viele Fragen ungeklärt. Die drei haben vermutlich von
Februar bis August/September 1998 in der Limbacher
Straße 96 in Chemnitz (MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1,
S. 196) und vom 16. April 1999 bis zum 31. August 2000
in der Wolgograder Allee 76 in Chemnitz
(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 197, 198) gelebt.
Es ist nicht klar, ob die drei ohne Unterbrechung in der
gesamten Zeit zusammen gelebt haben. Mehrere Zeugen
berichteten, dass der Kleinere von beiden nicht so oft zu
sehen war (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S.
195). Bei dem Kleineren handelt es sich vermutlich um
Mundlos. Nicht nachvollziehbar ist bisher, wo er sich
stattdessen aufgehalten und was er gemacht hat. Mögli-
cherweise ging er einer beruflichen Tätigkeit nach, viel-
leicht sogar im Ausland. Fest steht nur, dass dieser The-
menkomplex nahezu unbeleuchtet ist.
IV.1.3.1. Bewegungsbild innerhalb Deutschlands
Es spricht viel dafür, dass zumindest einzelne Mitglieder
des Trios quer durch Deutschland gereist sind. Zum einen
belegen dies die aufgefundenen Stadtpläne, zum anderen
auch weitere nach dem Auffliegen des NSU sichergestell-
te Asservate: Es wurde z. B. ein mutmaßlich in Braun-
schweig verlorener Ausweis im Brandschutt der letzten
Wohnung des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße
aufgefunden, obwohl die Dame, auf die der Ausweis
ausgestellt ist, niemals in Zwickau war (MAT_A_GBA-4,
vorl. SA 4, S. 45). Es ist nicht klar, wie der Ausweis in
den Besitz des Trios gekommen ist.
IV.1.3.2. Aufenthalte im Ausland
Unklar ist auch, ob das Trio oder einer von ihnen jemals
für eine längere Zeit im Ausland gelebt hat. Am 11. April
1998 wurde der überwachte Telefonanschluss des Jürgen
H., der wohl durch Ralf Wohlleben als Unterstützungsper-
son in die Untergrundaktivitäten des Trios eingebunden
Drucksache 17/14600 – 914 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
war, durch eine unbekannte männliche Person von einer
Telefonzelle im Bereich der Städte Orbe-Yverdon in der
Schweiz angerufen (MAT_A_TH-1-19, S. 178). In seiner
Vernehmung im Februar 2012 gab H. an, dass es sich bei
dem Anrufer um Mundlos gehandelt haben soll und er zur
Übermittlung einer Nachricht zu einer durchzuführenden
Kuriertätigkeit an Wohlleben beauftragt wurde
(MAT_A_BY-14-1e, Bl.206). Basierend darauf kann
davon ausgegangen werden, dass sich zumindest Mundlos
zeitweise im Ausland aufgehalten hat. Es ist jedoch nicht
bekannt, in welchen Zeiträumen und in welchen Ländern
dies der Fall war und was er dort getan hat. Zudem stellt
sich die Frage, warum Zschäpe bei Mundlos und
Böhnhardt blieb und was aus der Überlegung wurde, dass
Mundlos und Böhnhardt sich nach Südafrika absetzen,
während Zschäpe sich den Behörden stellen wollte
(MAT_A_TH-6, S. 61 Rdn.76).
IV.1.3.3. Bedeutung der Städte Chemnitz und Zwickau
Auch die Bedeutung der Stadt Chemnitz und ihrer rechts-
extremistischen Szene für ihre weitere Radikalisierung
bedarf noch weiterer Aufklärung. Zwar fand das Trio dort
unmittelbar nach seiner Flucht Unterschlupf bei Freun-
den, aber es liegen keine Erkenntnisse vor, warum das
Trio sich gerade dort spätestens radikalisierte. Nach wie
vor undurchsichtig ist auch, warum sich das Trio ausge-
rechnet in Zwickau offensichtlich so sicher gefühlt hat,
dass es seit 2001 bis zum Auffliegen des NSU 2011 dort
lebte.
Es überrascht doch im Nachhinein, dass das Trio über all
die Jahre hinweg so nah bei der Heimat und möglicher-
weise so konsequent an einem Ort geblieben ist. Die land-
läufige Vorstellung eines Lebens im Untergrund: Man
zieht von Ort zu Ort, immer auf der Flucht, nur nie zu
lange bleiben, fern ab von Orten, an denen man von je-
mandem von früher erkannt werden könnte. Stattdessen
bestand die Realität des NSU aus einer festen Adresse
und Haustieren.
IV.1.4. Alltag des Trios
Nebulös sind ferner die Erkenntnisse zum Alltag des
Trios. Es ist unklar, was die Mitglieder getan, wie viel
Zeit sie der Planung und Umsetzung ihrer Straftaten ge-
widmet haben und welchen Hobbys sie nachgingen. Die
Gestaltung ihres normalen Lebens und wie ein Tag im
Leben des NSU aussah, sind noch immer nahezu unbe-
leuchtet. Solche Erkenntnisse sind aber von Relevanz,
weil nur derjenige, der versteht, wie das Trio gelebt hat,
auch begreifen kann, wie ein derartiges Leben organisiert
und der Schein eines normalen Lebens aufrechterhalten
werden konnte. Aus diesem wiederrum lassen sich Er-
kenntnisse darüber gewinnen, ob das Leben des Trios
wirklich so perfekt getarnt war, dass Strafverfolgungsbe-
hörden sie nicht früher hätten enttarnen können. Auch die
psychologische Komponente der Täter, ein derartiges
Leben organisiert zu bekommen, spielt eine entscheiden-
de Rolle für die künftige Verbrechensbekämpfung, mithin
für die Arbeit der Polizei und der Justizbehörden.
Bekannt ist nur, dass das Trio jedes Jahr gemeinsam für
mehrere Wochen in den Urlaub gefahren ist; laut Zeugen-
aussage einer Nachbarin aus der Polenzstraße immer
sechs Wochen mit dem Wohnwagen an die See
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 113). Ab 2007
befanden sie sich jedes Jahr mit Urlaubsbekanntschaften
im Campingurlaub auf Fehmarn (MAT_A_GBA-4-3
(DVD), vorl. SA 15, S. 201). Spätestens ab Sommer 2006
besuchte das Trio auch einmal jährlich Holger G.
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 9, S.90). Weitere
Informationen sind kaum vorhanden.
IV.1.4.1. Beate Zschäpe
Die meisten Hinweise über den Alltag des NSU gibt es
über dessen einziges überlebendes Mitglied. Aber selbst
diese sind nur eine Zusammenfassung dessen, was Zschä-
pe der Öffentlichkeit zeigte. Was sich hinter den Wänden
ihrer Wohnung abgespielt hat, welche Gedanken sie sich
machte, wie sie die Tage und Nächte verbrachte, all das
ist noch immer nicht klar.
Nachbarn berichteten davon, dass Beate Zschäpe sich um
den Haushalt und ihre beiden Katzen kümmerte. Sie sei
viel gejoggt (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4,
S. 307) und habe viel gelesen (MAT_A_GBA-4-3
(DVD), Vorl. SA 4, S. 352). Sie suchte auch als einziges
Mitglied des NSU ein nettes Miteinander mit den Nach-
barn, plauderte mit ihnen und trank mit ihnen Sekt (Ta-
gesschau vom 8. November 2011). Laut Aussage eines
Nachbarn bekam sie einmal wöchentlich Besuch von ihrer
angeblichen Schwester, bei der es sich anhand der Perso-
nenbeschreibung vermutlich um Susann E. handelt, deren
zwei Kindern und deren Mann (MAT_A_GBA-4-3
(DVD)\Vorl. SA 7, S. 22). Zschäpe war gesellig und galt
bei Nachbarn als freundlich, lustig und warmherzig (Ta-
gesspiegel vom 8. April 2013). Ihre Zwickauer Freunde
kannten sie unter dem Namen Lisa Dienelt. Eine Freundin
sagte in einem Fernsehinterview: „Die Lisa, wenn die zur
Tür reinkam, war die Welt in Ordnung" (NDR-
Dokumentation „45 Min“ vom 8. April 2013). Auch
nachdem sie von der Polenzstraße in die Frühlingsstraße
gezogen war, besuchte sie ihre alten Nachbarinnen noch
oft, immer spontan, keine der Freundinnen hatte ihre
Handynummer (NDR-Dokumentation „45 Min“ vom 8.
April 2013).
Vor ihrer richterlichen Vorführung in Karlsruhe sagte
Zschäpe gegenüber der Polizeiobermeisterin Seifert, dass
echte Freundschaften während des Lebens im Untergrund
nicht möglich waren (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.
SA 1, S. 435). Sie spielte demnach nur eine Rolle, um die
Fassade aufrechtzuerhalten. Wie aber ihr echtes Leben im
Untergrund aussah, bleibt ein Rätsel. Für Kriminologen
ist auch dies ein wichtiger Aspekt für ihre Aufklärungsar-
beit und bei ihrer Suche nach den Ursachen für das Ge-
schehene.
IV.1.4.2. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt
Der Alltag von Mundlos und Böhnhardt wirft noch mehr
Fragen auf. Mutmaßlich verbrachten sie viel Zeit damit,
Straftaten zu planen, potentielle Tatorte zu erkunden und
Stadtpläne zu studieren. Möglicherweise haben sie auch
an der Herstellung der Bekenner-DVD des NSU mitge-
wirkt. Dafür spricht zumindest, dass ein Drehbuch für das
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 915 – Drucksache 17/14600
Video in dem Brandschutt in der Frühlingsstraße aufge-
funden wurde (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 6,
S. 131). Was sie aber in ihrer „Freizeit“ taten, ist unbe-
kannt. Nachbarn berichteten davon, dass sie oftmals Ge-
räusche von Computer-„Ballerspielen“ gehört haben
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 106, S. 198,
S. 225), auch Fahrrad seien die Herren viel gefahren. Ein
Nachbar aus der Polenzstraße sagte aus, der Lebensge-
fährte der Bewohnerin – vermutlich Böhnhardt – habe
Kampfsport gemacht und eine Hantelbank besessen
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 98). Diese
Angaben erschöpfen ganz sicher nicht 13 Jahre im Leben
zweier Menschen.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt konnten demnach un-
behelligt und ohne jede optische Veränderung offen le-
ben, in den Urlaub fahren, soziale Kontakte pflegen und
sich dabei sogar filmen lassen. So ein Leben kann man
schwerlich als ein Leben im Untergrund bezeichnen, auch
wenn es unter falschen Identitäten geschah. Wenn es
wirklich so leicht wäre, in den Untergrund abzutauchen
und von dort aus schwerste Straften zu begehen, nur in-
dem man sich falsche Papiere besorgt, wäre dies höchst
besorgniserregend. Es ist nach wie vor offen, wie es mög-
lich war, für einen so langen Zeitraum nach außen hin ein
normales Leben zu führen und gleichzeitig mutmaßlich so
schwere Straftaten zu begehen, ohne entdeckt zu werden.
IV.2. Geldflüsse
Eine ehemalige Nachbarin gab an, dass Beate Zschäpe
einmal zu ihr gesagt habe, sie „könnte sich ein Leben
nicht vorstellen, bei dem man jeden Pfennig umdrehen
muss“, sie brauchte nicht arbeiten, da ihr Mann genug
Geld verdient hätte (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA
4, S. 211). Das Trio lebte anscheinend nicht schlecht.
Jedes Jahr wochenlange Urlaube und eine große Woh-
nung konnten sich die mutmaßlichen Mitglieder des NSU
offensichtlich leisten.
Ungeklärt ist, ob dies tatsächlich ein Dauerzustand war.
Zwar ist bekannt, dass die drei direkt nach dem Abtau-
chen Geldsorgen hatten, aber spätestens seit 2001 galt das
Trio als finanziell versorgt (MAT_A_TH-6, S. 195
Rdn. 335). Ob es später noch einmal Zeiten gab, in denen
das Geld knapp war, ist unbekannt.
Zudem drängt sich die Frage auf, wie sie sich tatsächlich
finanziert haben. Neben den üblichen Lebenserhaltungs-
kosten brauchte das Trio auch Gelder zur Begehung ihrer
mutmaßlichen Straftaten: Waffen mussten gekauft, Fahr-
zeuge angemietet werden. Es ist zweifelhaft, ob die bei
den Raubüberfällen erbeuteten Gelder diese Kosten de-
cken konnten. Im Folgenden soll anhand einer Darstel-
lung der Einnahmen und Ausgaben ermittelt werden, ob
die bekannten Geldflüsse für dieses Leben ausgereicht
haben können. Auch damit hat sich der Untersuchungs-
ausschuss bisher nur unzureichend beschäftigt. Weiterer
Klärungsbedarf besteht insofern aber vor dem Hinter-
grund, ob das Trio nicht schon viel früher hätte enttarnt
werden können.
IV.2.1. Einnahmen
Folgende Posten sind in Betracht zu ziehen:
IV.2.1.1. Bewaffnete Raubüberfälle
Dem NSU werden 14 Banküberfälle und ein Überfall auf
einen Edeka-Markt zugeschrieben. Dabei wurde insge-
samt Bargeld in Höhe von 212 100 DM sowie
497 905 Euro und Reiseschecks im Wert von 4 250 Euro
erbeutet. Um- und zusammengerechnet ergibt dies eine
Gesamtbeute von 610 600 Euro. Dies entspricht in etwa
dem vom EKHK Dirk Hetzel genannten Betrag in Höhe
von 591 125 Euro als erbeutetes Gut allein aus den Bank-
überfällen (Hetzel, Protokoll-Nr.11 der Beratungssitzung
vom 26. April 2012, S. 11).
IV.2.1.2. Sonstige Geldquellen
Andere Geldquellen sind lediglich fragmentarisch be-
kannt:
IV.2.1.2.1. Spenden aus der rechten Szene
Wie bereits im Feststellungsteil ausgeführt, wurde in der
rechten Szene Geld für das untergetauchte Trio gesam-
melt. Dies bestätigt auch eine Quellenmeldung von Quelle
2100, nach der bei einem Konzert Spenden für das Trio in
Höhe von 700 DM gesammelt worden sind
(MAT_A_TH-6, S. 158 Rdn. 301). Insbesondere Ralf
Wohlleben hat sich mutmaßlich für das Einsammeln von
Spenden für das Trio in der Szene eingesetzt (FAZ vom 5.
Mai 2013). Auch der Anführer der „Blood & Honour“-
Sektion Sachsen Jan Werner äußerte 1998 gegenüber dem
VM Carsten Szczepanski des Brandenburger Verfas-
sungsschutzes, dass er Waffen für das Trio organisieren
soll und das Geld dafür von „Blood & Honour“ zur Ver-
fügung gestellt wird (MAT_A_BB-1, S. 36). Offen ist
nach wie vor, in welcher Größenordnung Spenden aus der
rechten Szene für das Trio gesammelt wurden.
Ob und inwieweit das Trio indirekt über des Verfassungs-
schutzes unterstützt wurde, ist ebenfalls noch klärungsbe-
dürftig. Der Zeuge Friedrich-Karl Schrader, von 1996 bis
1999 Referatsleiter Rechtsextremismus im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz, gab bei seiner Zeugen-
vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass
das Amt Tino Brandt Geld für die Beschaffung von Päs-
sen für das Trio gab, welches sich nach Afrika absetzen
wollte. Das TLfV wollte auf diesem Wege über Brandt
die Identitäten herausfinden, unter denen das Trio geflo-
gen wäre. Sodann sollte das Trio über Sofia ausreisen, um
sie dort mit Hilfe des BKA festnehmen zu lassen (Schra-
der, Protokoll-Nr. 53, S. 126). Das Geld für die Pässe,
2 000 DM, übergab Brandt an Andre Kapke, der damit
dann aber nicht die Flugtickets kaufte, sondern eigene
Schulden tilgte (Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 144, 145).
Zum anderen soll Tino Brandt dem Thüringer Verfas-
sungsschutz mindestens drei Exemplare des von dem
NSU hergestellten „Pogromly“-Spiels verkauft haben (taz
vom 18. Dezember 2011). Es ist noch unbewiesen, ob
dies stimmt. Auch der Frage, wozu der Verfassungsschutz
gleich mehrere dieser Spiele gekauft haben soll, wurde
noch nicht nachgegangen. Offen ist zudem nach wie vor,
ob das Geld dem Trio zugute kam. Desweiteren ist frag-
lich, ob auch noch andere ähnliche Aktionen von irgend-
einer Stelle angedacht oder gar realisiert wurden. Die
Arbeit des Untersuchungsausschusses hat bereits gezeigt,
Drucksache 17/14600 – 916 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dass immer wieder neue Überraschungen ans Tageslicht
kommen. Es bleibt spannend.
Weiterer Klärungsbedarf besteht bei der Frage, inwieweit
das Trio womöglich internationale finanzielle Unterstüt-
zung erhalten hat. Zu einer eventuellen Vernetzung des
Trios mit der rechtsextremistischen Szene insbesondere in
der Schweiz, aber auch mit Gesinnungsgenossen bei-
spielsweise in Tschechien oder Schweden liegen keinerlei
Beweise, lediglich Mutmaßungen vor. Fraglich ist auch,
wie diese Vernetzung ausgestaltet gewesen sein könnte
und ob das Trio von dort Geldspenden, Waffen und Mög-
lichkeiten zum Unterschlupf bekommen hat. Welchen
Ursprung diese Vernetzungen hatten und wie intensiv
diese waren, ist ebenfalls unklar.
Die Zuwendungen aus der rechten Szene – gerade zu
Beginn ihres Lebens im Untergrund – sind noch klä-
rungsbedürftig.
IV.2.1.2.2. Unterstützung der Eltern
Während Beate Zschäpe sich nach ihrer Flucht nie bei
ihrer Familie meldete (Spiegel Online vom 16. November
2012), traf Frau Böhnhardt ihren Sohn mindestens drei
Mal, immer in Chemnitz (Spiegel Online vom
21. Dezember 2012). Zu den Eltern von Uwe Mundlos hat
das Trio mutmaßlich über Dritte versucht, Kontakt aufzu-
nehmen. Der Zielfahnder des Thüringer Landeskriminal-
amtes, Sven Wunderlich, dokumentierte insofern in einem
Vermerk vom 9. März 1998 über ein Gespräch mit den
Eltern von Mundlos, dass Frau Mundlos mitteilte, wie sie
von Wohllebens Freundin J. W. im Namen ihres Sohnes
gebeten wurde, ein Konto für die Drei einzurichten
(MAT_A_TH-1-3, S. 315). Möglicherweise hat aber auch
Zschäpe Kontaktpersonen zu ihrer Familie geschickt, um
Geld zu bekommen. Ihre Mutter gab an, dass zwei Frauen
im Alter ihrer Tochter kurz nach dem Verschwinden
aufgetaucht und nach Geld gefragt hätten, um es Zschäpe
in der Illegalität zu geben; Zschäpes Mutter habe ihnen
aber kein Geld überlassen (Spiegel Online vom
16. November 2012). Ob und wie viel Geld die Eltern
ihren Kindern tatsächlich überließen, war nie Thema vor
dem Untersuchungsausschuss des Bundestages, bedürfte
aber im Hinblick auf die Frage, wie sich das Trio finan-
ziert hat, zumindest eines Überblicks.
IV.2.1.2.3. Verkauf von „Pogromly“-Spielen
Auch der Verkauf der durch den NSU hergestellten
„Pogromly“-Spiele birgt noch offene Fragen. Bekannt ist
nur, dass das „Pogromly“-Spiel wohl angeblich von An-
dré Kapke zum Preis von 100 Euro das Stück in der regi-
onalen Szene verkauft wurde, um die Herstellungskosten
zu decken und den Lebensunterhalt der Flüchtigen mitzu-
gestalten, wobei er aber letztendlich das Geld aus dem
Erlös unterschlagen haben soll (MAT_A_GBA-4-3
(DVD)\Vorl. SA 6, S. 111). Es muss geklärt werden, wie
viele tatsächlich produziert worden sind, wie viele Spiele
verkauft wurden, wer sie gekauft hat, wie hoch die Her-
stellungskosten und wie groß die Einnahmen durch den
Vertrieb waren. Es bleibt zwar zu vermuten, dass die
Erlöse aus dem Verkauf dieses Spiels nicht wesentlich zur
Finanzierung des Lebens des Trios in der Illegalität beige-
tragen haben, aber gesicherte Feststellungen sind hierzu
nicht bekannt.
IV.2.1.3. Offene Fragen
Es stellt sich auch die Frage, warum der NSU sich nicht
an den neun ersten Mordopfern finanziell bereichert hat.
Möglicherweise stand dahinter die Angst vor Entdeckung.
Vielleicht aber war der Grund auch die Befürchtung, dass
eine finanzielle Bereicherung die Taten als Raubmord
„deklassieren“ und das eigentliche Motiv hinter den Taten
nicht „gewürdigt“ worden wäre. Dann ist allerdings auch
fraglich, warum es keine Bekennerschreiben gab, wenn
für sie die „Anerkennung“ des Motivs im Fokus gestan-
den hätte. Anhand der damaligen medialen Berichterstat-
tung wusste auch das Trio, dass die Ermittlungsbehörden
mit Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminali-
tät eine falsche Spur als wahrscheinlich verfolgten. Un-
klar wäre dann aber auch, warum der NSU nicht davor
zurückschreckte, sich an den Dienstwaffen von Michèle
Kiesewetter und ihrem Kollegen zu bereichern.
Desweiteren besteht natürlich die Möglichkeit, dass ein-
zelne Mitglieder des NSU einer Art beruflichen Tätigkeit
nachgegangen sind. Vielleicht befand sich Mundlos auf
Montage, was die Behauptung eines Zeugen, er wäre
selten zu sehen gewesen (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),
Vorl. SA 4, S. 195), erklären könnte. Aber auch hierfür
fehlen stichhaltige Anhaltspunkte.
Offensichtlich wunderten sich auch Nachbarn und Be-
kannte über den Lebensstil des Trios. Eine Kellnerin aus
der griechischen Taverne, welche sich im Erdgeschoss
des Hauses in der Frühlingstraße befand, in dem auch die
letzte Wohnung des Trios war, gab an, dass sie mal über-
legt hatten, ob die drei ihr Geld im Rotlichtmilieu verdie-
nen würden, weil zur Straße raus immer eine rote Lampe
bei ihnen brannte (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA
4, S. 226). Auch eine Nachbarin vom Haus gegenüber der
Frühlingsstraße berichtete über ihre Beobachtung, dass im
Fenster oft eine kleine rote Lampe brannte und sie und
ihre Nachbarn vermuteten, aber sich nicht ernsthaft darü-
ber unterhielten, „ob die Frau vielleicht einem anderen
Gewerbe nachgeht“ (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.
SA 4, S. 273). Fundierte Hinweise auf eine Tätigkeit im
Prostitutionsgewerbe liegen jedoch nicht vor, auch erga-
ben sich nie Hinweise aus Zeugenvernehmungen des
Untersuchungsausschusses in diese Richtung. Jedoch
wurden auch nie Zeugen aus dem persönlichen Umfeld
des Trios befragt. Somit wird die Notwendigkeit deutlich,
auch solche Fragen zu diskutieren, um sie in aller Konse-
quenz ausschließen zu können.
Eine wirklich ergiebige zweite Geldquelle neben den
Erträgen aus den Überfällen ist mithin nicht ersichtlich;
ein weiteres Problemfeld, welches in einer Fortsetzung
des Untersuchungsausschusses in der nächsten Legisla-
turperiode aufgeklärt werden muss.
IV.2.2. Ausgaben
Fest steht, dass das Trio neben den gewöhnlichen Lebens-
erhaltungskosten jede Menge finanzielle Ausgaben hatte.
IV.2.2.1. Wohnungen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 917 – Drucksache 17/14600
Das Trio legte offensichtlich Wert auf großen Wohnraum.
Im Hinblick darauf, dass Beate Zschäpe so oft allein in
den Wohnungen gewesen sein soll und ein Leben in der
Illegalität ohnehin kostspielig ist, erstaunt dies.
IV.2.2.1.1. Mieten
Die Miete für die Vier-Zimmer-Wohnung in der Polenz-
straße 2 in Zwickau, für welche das Trio vermutlich vom
1. Mai 2001 bis zum 1. Mai 2008 finanziell aufkam
(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 199), betrug wohl min-
destens 500 Euro. Laut der Zeugenaussage einer Nachba-
rin aus der Polenzstraße hat sich Beate Zschäpe ihr ge-
genüber mal beschwert, dass sie über 500 Euro Miete
zahlen würden, während die Nachbarn für den gleichen
Wohnraum mit 430 Euro deutlich weniger zahlen müssten
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 114). Laut
Mietvertrag betrug die Miete 864,97 DM
(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 8, S. 361), dies wären umge-
rechnet 442,25 Euro. Es ist natürlich möglich, dass es eine
Mieterhöhung gab oder aber die Zeugin das Gespräch
falsch wiedergegeben hat. Jedoch liegen keine Anzeichen
dafür vor, an der Glaubhaftigkeit der Aussage zu zwei-
feln. Ausgehend von einem Mietpreis von 500 Euro kos-
tete die Wohnung dem Trio in der Polenzstraße somit in
den sieben Jahren etwa 42 000 Euro.
Die 120 qm-Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in Zwi-
ckau, welche das Trio mutmaßlich vom 1. März 2008 bis
zum 4. November 2011 nutzte (MAT_A_GBA-4, vorl.
SA 1, S. 200), weist laut Mietvertrag eine Miete in Höhe
von 500 Euro plus 240 Euro monatliche Betriebskosten
und eine einmalige Kaution in Höhe von 1 000 Euro
(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 228) auf. Die Gesamt-
miete betrug somit monatlich 740 Euro. Das ergibt Miet-
kosten für die 3 Jahre und 7 Monate, in denen das Trio
dort lebte, in Höhe von insgesamt 31 820 Euro.
Das Trio hatte somit allein für die Wohnungen in der
Polenzstraße als auch in der Frühlingsstraße zusammen
Mietkosten in Höhe von 73 820 Euro bestritten.
IV.2.2.1.2. Ausstattung
Matthias D., ein mutmaßlicher Helfer des NSU, beschrieb
die Wohnungseinrichtung des Trios als „normal, nicht
arm, durchschnittlicher Standard“ (MAT_A_GBA-4-3
(DVD), Vorl. SA 4, S. 56).
Bekannt ist aber, dass zumindest die Wohnung in der
Frühlingsstraße mit Kameras abgesichert war
(MAT_A_BY-14-1a, Bl.564). Die Wohnung verfügte
über eine massiv gesicherte und mit Schallschutz verse-
hene Tür, der Eingang zum Kellerraum war mit einem
Alarmsystem ausgestattet (Tagesspiegel vom 8. April
2013). Sowohl die Wohnungseingangs- als auch die In-
nentüren in der Frühlingsstraße wurden nach Auftrag und
auf Kosten der Wohnungsmieter von einer Tischlerei
angefertigt (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 6.pdf,
S. 45). Die Kosten dafür kann man nur schätzen.
Auch in der Polenzstraße wurde mindestens eines der
Zimmer durch das Trio gedämmt, weil die Nachbarn das
Schießen und „Rumsen“ der Computerspiele als recht laut
empfanden. Ein Zeuge berichtete, dass Beate Zschäpe in
diesem Zusammenhang die Kosten für die Dämmung mit
2 000 Euro beziffert hatte (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),
Vorl. SA 4, S. 107).
Angaben zur Qualität der Ausstattung der Wohnungen
und zum Wert der Einrichtung sind anhand mangelnder
Einzelheiten nicht möglich. Die eben geschilderten Er-
kenntnisse lassen nur eine ungefähre Vorstellung erahnen,
wie das Trio gelebt hat.
IV.2.2.2. Fahrräder
Das Trio verfügte über mehrere Fahrräder. Im Urlaub
hatten alle Drei eigene Mountainbikes dabei. Nachbarn
berichteten davon, dass sie oft mit Fahrrädern unterwegs
waren. Da nicht bekannt ist, wie viele Fahrräder der NSU
sein Eigen nannte und wie teuer diese waren, ist auch der
Kostenfaktor für die Anschaffung der Fahrräder nicht
bekannt. Der Betrag ist vermutlich kein geringer. Die
mutmaßlichen Täter nutzten die Fahrräder ja nicht nur
zum reinen Zeitvertreib, sondern auch als Fluchtmittel
und als Träger bei dem Nagelbombenanschlag in der
Keupstraße.
IV.2.2.3. Wohnwagen
Eine abschließende Auflistung aller Wohnmobile, die
vom NSU angemietet worden sind und die Gesamtkosten
dafür sind dem Untersuchungsausschuss nicht bekannt.
Jedoch liegen einzelne Rechnungen für die Anmietung
von Wohnwagen vor:
Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von
74,58 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,
S. 85)
Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von
223,72 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,
S. 86)
Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von
71,00 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,
S. 164)
Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von
213,00 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,
S. 165)
Rechnung Wohnwagen für vier Tage in Höhe von
206,34 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,
S. 166)
Mietkosten für Wohnwagen vom 23. Februar 2004 bis
26. Februar 2004 in Höhe von 298,30 Euro
(MAT_A_BY-14-1a, S. 483)
Mietkosten für Wohnwagen vom 7. Juli 2011 bis 15. Juli
2011 gebucht auf den Namen Susann E. in Höhe von
938,80 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), vorl. SA 1,
S. 302)
Diese Liste ist jedoch nicht abschließend. Es ist gelungen,
56 Fahrzeuganmietungen des Trios nachzuvollziehen,
davon etwa ein Drittel Wohnmobile (MAT_A_BMI-5-
0084, S. 120). Wenn man aber anhand der Rechnungen
einen Durchschnittswert von wenigstens 75 Euro Miet-
preis pro Tag für ein Wohnmobil ansetzt und das Trio seit
Drucksache 17/14600 – 918 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mindestens 2007 durchschnittlich fünf Wochen Camping-
urlaub betrieben hat, verursacht schon das allein Kosten
in Höhe von etwa 13 125 Euro für fünf Jahre. Vermutlich
war das Trio aber auch in den Jahren zuvor schon mit
Wohnmobilen im Urlaub gewesen. Zusätzlich müssen die
Anmietungen von Wohnwagen bei Begehung ihrer unter-
schiedlichen Straftaten gezählt werden. Über diese Kosten
kann man ebenfalls nur mutmaßen. Nach einem Bericht
der Frankfurter Allgemeinen werden die Kosten allein für
die Fahrzeuganmietungen auf wenigstens 60 000 Euro
geschätzt (FAZ vom 1. Dezember 2011).
IV.2.2.4. Waffen und Munition
Da nicht bei allen Waffen feststeht, wie sie überhaupt in
die Hände des Trios gelangt sind, wie der Zeuge Jürgen
Maurer vor dem Untersuchungsausschuss auf Nachfrage
des FDP-Obmanns Hartfrid Wolff ausführte (Maurer,
Protokoll-Nr. 36, S. 52), sind auch Angaben zu den Kos-
ten für die Bewaffnung des Trios unmöglich. Klar ist nur,
dass sie über ein großes Arsenal an Waffen verfügt haben.
Ob und wie sie diese und die entsprechende Munition
selbst finanziert haben, ist nach wie vor unklar. Es ist
nicht nachvollziehbar, warum diese wichtigen Fragen im
Untersuchungsausschuss nicht größeres Interesse hervor-
gerufen haben.
IV.2.2.5. Urlaubsreisen
Nach Aktenlage machten verschiedene Nachbarn Anga-
ben zu den jährlichen Urlaubsreisen des Trios. Einer er-
klärte, wenn das Trio einen jährlichen Urlaub für drei
Wochen plante, blieben sie dann meist gleich sechs Wo-
chen weg (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 51).
Ein anderer Anwohner sagte aus, dass es
„im Allgemeinen so [war], wenn die drei in den
Urlaub gefahren sind, dann haben sie immer einen
VAN genutzt“ (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.
SA 4, S. 246).
Nach Einschätzung einer Urlaubsbekanntschaft kostete
ein Urlaub auf dem Campingplatz für vier bis fünf Wo-
chen etwa 5 500 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.
SA 4, S. 361). Fraglich ist insoweit, wie viel davon der
Zeuge anteilig für Mietkosten für den Wohnwagen, für
den Stellplatz oder auch für Verpflegung angedacht hat.
Lediglich eine im Brandschutt in der Frühlingsstraße
aufgefundene Rechnung für ein Ferienhaus in Neustadt in
Holstein für den Zeitraum vom 19. Juni bis 10. Juli 2010
für drei Personen, ausgestellt auf Susann E. in Höhe von
2 568 Euro (MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 321, 322),
lässt erahnen, dass das Trio schon allein bei der Wahl der
Ferienunterkunft nicht knauserig war. Klar scheint zudem
zu sein, dass das Trio auch während der Urlaubsreisen
nicht sparen musste. Eine Urlaubsbekanntschaft gab an,
dass sich Gerry – vermutlich handelt es sich dabei um
Böhnhardt – ein Schlauchboot im Wert von schätzungs-
weise 2 000 Euro gekauft haben soll (MAT_A_GBA-4-3
(DVD), Vorl. SA 4, S. 361).
Welche Kosten die Urlaubsreisen des Trios tatsächlich
verursacht haben, kann nur erahnt werden.
IV.2.2.6. Spenden in die rechte Szene
Der NSU spendete der Zeitschrift „Weißer Wolf“ wohl
2 500 Euro (MAT_A_BW-10-5b, Bl.409). Im Vorwort
der ersten Ausgabe des „Weißen Wolf“ von 2002, Ausga-
be 18, gab es auch einen Dankesgruß mit folgendem
Wortlaut: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte ge-
tragen ;-) Der Kampf geht weiter“ (MAT_A_BB-2, S. 5).
Das Trio verfügte also über soviel Guthaben, dass es
davon sogar noch in die rechte Szene investieren konnte.
Auch andere Gesinnungsgenossen erhielten offensichtlich
Geldbriefe vom NSU. Im Brandschutt in der Frühlings-
straße wurde eine Liste mit insgesamt zehn Adressen
rechtsextremistischer Organisationen und Zeitschriften
aufgefunden, die wohl ebenfalls Empfänger solcher
Schreiben werden sollten (Spiegel Online vom 16. No-
vember 2012). Wie viel Geld der NSU tatsächlich in die
rechte Szene investiert hat, ist nicht bekannt und bedarf
dringend weiterer Aufklärung.
IV.2.2.7. Sonstige Ausgaben
Über sonstige Ausgaben des Trios konnten anhand von
aufgefundenen Asservaten in der Frühlingsstraße sowie
durch Zeugenaussagen Eindrücke auch über den Lebens-
stil und die Lebenseinstellung gewonnen werden.
Eine ehemalige Nachbarin berichtete, dass wenn ihr Geld
knapp war, Zschäpe alias Lisa Dienelt für sie einkaufen
gegangen ist, an der Kasse bar bezahlt und der Tochter
der Nachbarin häufiger Geschenke gemacht hat
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 219). Auch
eine Kellnerin gab an, dass Zschäpe ab und an mal Ge-
schenke vorbeibrachte: mal Kakteen, mal große Präsent-
körbe im Wert von 50 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),
Vorl. SA 4, S. 224).
Es wurden mehrere Rechnungen von einem Computer-
und PC-Zubehör-Laden aufgefunden. Der Erwerb eines
MP3-Players für 250 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),
Vorl. SA 4, S. 379), Lautsprecher für 149,99 Euro
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 378) oder
auch 82,50 Euro teure Kopfhörer (MAT_A_GBA-4-3
(DVD), Vorl. SA 4, S. 374) waren anscheinend kein
Problem. Die technische Ausstattung schien dem Trio
wichtig zu sein. Fraglich ist, ob dies für einen größeren
Spielgenuss der PC-Spiele oder möglicherweise auch bei
der Herstellung des Bekennervideos dienen sollte und
gedient hat.
Auch die Liebe zu ihren Katzen ließ sich Beate Zschäpe
einiges kosten. In der Tierarztpraxis zahlte sie
770,48 Euro in bar (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA
4, S. 31). Zudem gab sie ihre Katzen mehrfach in profes-
sionelle Katzenbetreuungen. Eine Rechnung weist für 20
Tage Katzenbetreuung beispielsweise Kosten in Höhe von
140 Euro auf (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 8,
S. 160), eine andere für zwölf Tage 96 Euro
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 8, S. 159). Dafür
bezahlte sie bereitwillig durchschnittlich 7,50 Euro pro
Tag, anstatt einfach ihre Nachbarn um Hilfe zu bitten. Es
verwundert auch, dass ihre Nachbarn fast nie in ihre
Wohnung durften, fremde Tierbetreuer aber schon.
All diese Posten sind keine Fixkosten, gewähren aber
doch einen Einblick, wie das Trio, insbesondere die an-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 919 – Drucksache 17/14600
gebliche Geldverwalterin Zschäpe mit Geld umgegangen
ist. Bemerkenswert ist zumindest, dass sie keinen Hehl
daraus gemacht hat, immer über viel Bargeld zu verfügen.
Wer hohe Tierarztrechnungen in bar zahlt und solch dicke
Geldbeutel auf Campingplätzen hat, dass Urlaubsbekannt-
schaften das bemerken, der scheint finanziell nicht
schlecht aufgestellt gewesen zu sein. Als sie am 8. No-
vember 2011 einen Strafverteidiger aufsuchte, bevor sie
sich schließlich der Polizei stellte, präsentierte auch sie
ihm mehrere hundert Euro in bar als Bezahlung, damit er
sie zur Polizei begleitete (Zeit Online vom 30. November
2012).
IV.2.3. Durchschnittlicher finanzieller Spielraum des
Trios im Monat
Um einschätzen zu können, wie viel Geld dem Trio mo-
natlich im Durchschnitt zur Verfügung gestanden hat,
bedarf es eines Vergleichs der Einnahmen mit den Aus-
gaben.
Wie dargestellt, hat das Trio mutmaßlich etwa
610 600 Euro bei bewaffneten Überfällen erbeutet. Davon
ausgehend müssen verschiedene Posten abgezogen wer-
den:
die Geldfunde im Wohnmobil in Höhe von mindestens
111 905 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 15,
S. 337, 338),
die Geldfunde in der ausgebrannten Wohnung in der
Frühlingsstraße in Höhe von mindestens 190 315 Euro
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 12, S. 426, 509),
die Mietkosten für die Wohnungen in Höhe von mindes-
tens 73 820 Euro,
die Mietkosten für die Wohnmobile in Höhe von mindes-
tens 60 000 Euro,
die Kosten für die Waffen und Munition (unbekannt),
die Kosten für die Fahrräder (unbekannt),
die Spenden an Anhänger und Unterstützer der rechtsext-
remen Szene (unbekannt).
Nach Abzug dieser Faktoren verblieben dem Trio
174 560 Euro. Diesen Betrag hatten die drei also inner-
halb von 13 Jahren und acht Monaten für ihr Leben in der
Illegalität zur Verfügung. Dies ergibt einen monatlichen
finanziellen Rahmen von 354,80 Euro pro Person. Der
tatsächliche Betrag liegt wahrscheinlich noch weit darun-
ter, weil der Berechnung immer nur die Mindestwerte
zugrunde liegen und nicht alle Kostenpunkte bekannt
sind.
Es bleibt die Frage, wie das Trio sich ein derartiges Leben
in der Illegalität finanzieren konnte. Dieser Frage muss
weiter nachgegangen werden. Ohne Antworten auf die
aufgeworfenen Fragen und Ungereimtheiten ist ein ab-
schließendes Urteil zum Leben des Trios in der Illegalität
und ihrem Unterstützergeflecht schlichtweg nicht mög-
lich.
V. Das Waffenarsenal des Trios
V.1. Sichergestelltes Waffenarsenal des NSU
Der NSU verfügte über einen umfangreichen Waffenbe-
stand. Insgesamt 20 Waffen wurden sowohl im Brand-
schutt der letzten Wohnung des Trios in der Zwickauer
Frühlingsstraße als auch im ausgebrannten Wohnmobil in
Eisenach sichergestellt.
V.1.1. Ungereimtheiten und Fragen zu den aufgefundenen
Waffen
Abgesehen von der Česká 83 wurden die anderen Waffen
im Untersuchungsausschuss kaum thematisiert. Noch
immer wirft das Waffenarsenal des NSU viele Fragen auf.
Es ist unklar, woher das Trio all diese Waffen hatte, wer
ihnen dabei half, diese Waffen zu besorgen und für wel-
chen Zweck es eine so große Waffensammlung überhaupt
hortete.
Außerdem ist nach wie vor fraglich, warum die Waffen-
spur der Česká 83 nicht dazu geführt hat, der Mordserie
ein Ende zu setzen und die Taten aufzuklären. Schwam-
mig ist weiterhin, wie gründlich diese Spur von den Er-
mittlungsbehörden wirklich verfolgt wurde.
V.1.1.1. Česká 83
Von den insgesamt 20 dem NSU gehörenden Waffen
nahm lediglich die Česká 83 im Untersuchungsausschuss
einen wirklichen Stellenwert bei den Befragungen der
Zeugen ein. Dennoch bleiben auch bei der Spur dieser
Waffe Rätsel offen.
V.1.1.1.1. Česká 83 als verbindendes Element der Mords-
erie
Noch immer ist fraglich, warum ausgerechnet diese Waffe
zur Begehung der Mordserie genutzt worden ist. Obgleich
diese Waffe eine sehr laute und auch mit Schalldämpfern
schwierig einzusetzende Waffe ist, wurde bisher keine
Antwort darauf gefunden. Diese Frage erscheint dem
BKA jedoch nicht relevant zu sein, denn der Zeuge Jörg
Ziercke führte zu diesem Problem schlicht aus:
„Warum der Täter oder die Täter jetzt ausgerech-
net diese Waffe benutzt haben, da müssen wir
noch tiefer in die Historie vielleicht dieser Täter
einsteigen […]; wenn wir es könnten, weiß ich
nicht. Ist das relevant für das Verfahren?“
(Ziercke, Protokoll-Nr.21, S. 77).
Es erstaunt, warum dieser Frage keine Relevanz zuge-
sprochen werden sollte. Sie war der einzige Hinweis auf
eine Verbindung zwischen den Taten; die Täter wählten
sie mit Bedacht immer wieder aus. So wollten sie ein
Zeichen setzen. Der Zeuge KHK Werner Jung dagegen
versuchte wenigstens eine Antwort auf diese Frage zu
finden:
„Es ist jedenfalls eine recht günstige Waffe - deut-
sche Waffen sind wesentlich teurer - und sie ist
auch unheimlich weit verbreitet“ (Jung, Protokoll
Nr.31, S. 58).
Dann stellt sich aber dennoch die Frage, warum trotz
eines so großen Waffenarsenals immer wieder dieselbe
Tatwaffe benutzt worden ist. Und warum dann ausge-
rechnet die Česká 83. Bei der Aufklärung von Straftaten
Drucksache 17/14600 – 920 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und der Fahndung nach Straftätern spielt auch die psycho-
logische Komponente hinter dem Täterverhalten eine
entscheidende Rolle. Insoweit müssen auch hier noch
Antworten in einem Untersuchungsausschuss auf Bun-
desebene in der nächsten Legislaturperiode gefunden
werden.
V.1.1.1.2. Waffenspur hat nicht zur Aufklärung geführt
In diesem Zusammenhang ist noch immer nicht nachvoll-
ziehbar, warum die Spur der Česká 83 nicht zur Aufklä-
rung geführt hat. Es erschüttert, dass ein Rechtsersuchen
in die Schweiz monatelang unbearbeitet bleibt, weil der
zuständige Schweizer Staatsanwalt zurückgetreten ist.
Fragwürdig ist, wie intensiv die deutschen Ermittlungsbe-
hörden ihre Schweizer Kollegen wirklich zur Bearbeitung
ihres Anliegens drängten, abzuklären, ob dort Schall-
dämpfer und PMC-Patronen „insbesondere an türkische
Staatsangehörige“ verkauft worden sind. Nicht nachvoll-
ziehbar ist nach wie vor, warum die Anfrage lediglich
bezogen auf türkische Staatsangehörige beantwortet wor-
den ist. Die Formulierung „insbesondere“ bedeutet vom
Sprachgebrauch her nicht, dass nur nach Verkäufen an
türkische Staatsangehörige überprüft werden sollte. Wa-
rum sich keiner der BKA-Ermittler eine umfassende
Antwort auf diese Frage hat geben lassen und ob die
Mordserie sonst womöglich früher hätte beendet werden
können, bleibt fraglich.
Obwohl die FDP-Fraktion mehrfach forderte, mit den
Schweizer Behörden in Kontakt zu treten und Schweizer
Beamte durch den Untersuchungsausschuss zu verneh-
men, stieß dies bei den anderen Fraktionen nicht auf ge-
nügend Interesse. Mithin kam die Aufklärung zur Zu-
sammenarbeit der deutschen Ermittlungsbehörden mit
ihren Schweizer Kollegen viel zu kurz. Deshalb setzt sich
die FDP-Fraktion mit Nachdruck dafür ein, dieser Prob-
lematik in einer Fortsetzung des Untersuchungsausschus-
ses intensiver nachzugehen, als bisher geschehen.
V.1.1.1.3. Munition
Eine möglicherweise mangelnde Ermittlungsarbeit bezüg-
lich der Waffenspur wird auch anhand der Problematik
der Munition deutlich.
V.1.1.1.3.1. Patronenhülsen
Die am Tatort aufgefundenen Patronenhülsen wiesen zum
Teil Eigenheiten auf. Bei einem Mord wurde am Tatort
eine stehende Patronenhülse aufgefunden. Bei anderen
Taten waren Hülsen abgeschliffen. Diese Art von Beson-
derheiten können in jedem Kriminalfall für die Ermittler
den entscheidenden Hinweis darstellen. Inwieweit aber
wirklich gründlich ermittelt wurde, bleibt zweifelhaft.
Auf Nachfrage des Abgeordneten Patrick Kurth, wie oft
es denn vorkommt, dass eine ausgeworfene Hülse auf
dem Hülsenboden steht, antwortete der EKHK des LKA
Mecklenburg-Vorpommern Jörg Deisting: „Das kann ich
ihnen nicht sagen“ (Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 129).
Der Zeuge Ziercke führte zu dem Thema einer stehenden
Patronenhülse aus:
„Das ist Zufall, ja, absoluter Zufall. […] Ja, ich
habe auch viele Tatorte in meinem Leben gesehen
und habe selten eine stehende Hülse am Tatort ge-
funden. Wenn das hier so war, kann ich nur sagen,
das ist sicherlich Zufall. Nach meiner Bewertung
ist das Zufall“ (Ziercke, Protokoll-Nr.21, S. 77).
Auch die Frage, warum die Hülsen abgeschliffen wurden,
blieb unbeantwortet. Der Zeuge Ziercke verwies insoweit
auf seine Waffenexperten, wusste aber selbst keine Ant-
wort (Ziercke, Protokoll-Nr.21, S. 77). Interesse aber sieht
anders aus. Es wurde anscheinend zumindest nicht so
gründlich ermittelt, dass sich überhaupt jemand Gedanken
um eine stehende Patronenhülse gemacht hat. Ob nun
Zufall oder nicht, kann man von Kriminalisten und Er-
mittlungsbeamten erwarten, dass jedes Detail überprüft
wird, erst recht, wenn es sich bei der Tat um einen kalt-
blütigen Mord handelt.
V.1.1.1.3.2. Mellrichstadt
Wie der Feststellungsteil bereits ausführt, fand bei den
ersten vier Morden eine seltene Munition des Herstellers
Patten & Morgan Metal Corporation Verwendung. Des-
sen Hauptimporteur sitzt in Mellrichstadt. Es besteht ein
merkwürdiger Zusammenhang darin, dass sich auch Jür-
gen H., ein guter Freund von Ralf Wohlleben, in einer
Bundeswehrkaserne in Mellrichstadt befand. Dort wurde
er im Rahmen der Suche nach dem Trio am 27. Mai 1999
vom MAD befragt (MAT_A_TH-1-20, Bl.323).
Ob es sich nur um einen Zufall handelt, dass sich Jürgen
H. ausgerechnet so zeitnah zu Beginn der Mordserie in
Mellrichstadt aufhält, ist nicht bekannt. Da die Česká-
Mordserie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht mit dem
Trio in Verbindung gebracht wurde, war dieser Zusam-
menhang zwischen der bei den ersten vier Taten der
Česká-Mordserie verwendeten Munition zu Jürgen H.
damals freilich nicht erkennbar. Dieser Anhaltspunkt
zeigt jedoch deutlich auf, dass noch geklärt werden muss,
über welche Netzwerke der NSU verfügte und inwieweit
diese damals feststellbar waren.
V.1.1.2. Die anderen Waffen des NSU
Es wurde aus Mangel an Zeit im Untersuchungsausschuss
nicht thematisiert, woher die anderen 19 aufgefundenen
Waffen sind und wie diese zum Trio gelangten. Ange-
sichts der Größe des Waffenarsenals muss dieses Prob-
lemfeld zwingend noch beleuchtet werden.
V.1.1.2.1. Herkunft der Waffen
Um herauszufinden, wie groß der Unterstützerkreis des
Trios wirklich war und wie dessen Waffenversorgung
funktionierte, muss die Herkunft auch der anderen Waffen
und die Internationalität des Rechtsextremismus erörtert
werden. Nur so können auch Maßnahmen zur Bekämp-
fung des Waffenhandels und des illegalen Waffenbesitzes
sinnvoll erörtert werden.
Der BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer erklärte im Rah-
men seiner Zeugenvernehmung auf Nachfrage des Ob-
manns Hartfrid Wolff lediglich:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 921 – Drucksache 17/14600
„Alle Waffen, die vorhanden sind, die durch uns
sichergestellt wurden, sind hinsichtlich ihrer Her-
kunftsüberprüfbarkeit abgearbeitet. Nicht bei allen
Waffen steht fest, wie diese in die Hände des Trios
gelangt sind. Also, wo sie herkamen unter Um-
ständen, ist entweder möglich gewesen oder nicht
möglich gewesen und wird dann auch nie mehr
möglich sein; aber wie sie in die Hände des Trios
gelangt sind, ist bei einigen ungeklärt, weiterhin
ungeklärt“ (Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 52).
Die Sachverständige für Rechtsextremismus Andrea Röp-
ke sagte im Untersuchungsausschuss:
„Waffen wurden, wie es bisher scheint – […] nicht
von außerhalb beschafft, sondern tatsächlich über
politische Weggefährten“ (Röpke, Protokoll-Nr.8,
S. 14).
Vieles spricht für Verbindungen des NSU über Kontakt-
männer vor allem in die Schweiz und nach Südeuropa. Da
ist zum einen Thomas G. und seine Verbindungen nach
Portugal:
„[Der führende Hammerskin-Aktivist] Thomas G.,
[ein] den Behörden [bekannter] Neonazi, [soll] um
das Jahr 2006 herum in illegale Waffenbeschaf-
fungen für die rechtsextremen ‚Hammerskins‘ in
Portugal verwickelt gewesen sein. Der 34-jährige
Thomas G. aus Meuselwitz in Ostthüringen wird
von den NSU-Ermittlern als Verdächtiger einge-
stuft, weil er über „nachgewiesene Kontakte zu
Tätern oder Beschuldigten des Ermittlungsverfah-
rens“ verfügt. Bereits der italienische Geheim-
dienst hatte 2011 auf die Verbindungen des mut-
maßlichen NSU-Helfers Ralf Wohlleben – einem
engen Vertrauten von Thomas G. – zu militanten
Rechtsextremisten in Südtirol hingewiesen.“
(Frankfurter Rundschau vom 19. Februar 2013).
Immer wieder führen die Spuren des NSU auch in die
Schweiz. Der deutsche Verfassungsschutz befragte einen
Zeugen, der inzwischen seit 2008 dauerhaft in der
Schweiz lebt und früher Rechtsextremist in Zwickau war.
Auf Fotos erkennt er den ehemaligen Betreiber des Last
Resort Shops für Security-Bedarf in Zwickau, welcher
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wohl kannte.
„Er selber will das NSU-Trio nicht persönlich ge-
kannt haben. ,Wir haben uns zwar auf den gleichen
Veranstaltungen herumgetrieben‘, so [der Zeuge].
Das war in den Jahren 1995, 1996 und 1997, kurz
bevor das Trio untertauchte. Damals lebte [er]
zwar schon in Süddeutschland, in Rheinfelden.
Doch er fuhr regelmäßig nach Sachsen. Es ist auch
die Zeit, als [er] in seiner alten Heimat oft auf
Waffen angesprochen wird. ,Bis 1998 waren
Kleinkaliber-Gewehre und Pumpguns in der
Schweiz frei erhältlich. Es gab nur die Auflage, sie
nicht auszuführen‘, sagt [der Zeuge]. Das scherte
den Deutschen wenig. Er nahm sie mit über die
Grenze – auch bis nach Sachsen. ,Das wussten die
Leute in Zwickau. Der Typ vom Security-Laden
sprach mich mehrfach darauf an, ob ich ihm was
besorgen könne.‘ […] Mit [der Česká 83] will der
Zeuge nichts zu tun haben. ,Doch wer mich damals
fragte, dem erklärte ich, wie er in der Schweiz an
die Waffen kam und wo er sie am besten über die
Grenze schmuggeln soll‘, sagt er.“ (Tages-
Anzeiger Schweiz vom 15. Februar 2013).
Wenigstens in den Akten findet sich eine Übersicht mit
allen sichergestellten Waffen und den Hinweisen zu deren
Verkaufswegen (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA
12., S. 589-596), soweit diese Überprüfung überhaupt
noch möglich war. Im Einzelnen handelt es sich dabei um
folgende:
Die im Wohnmobil in Eisenach sichergestellten Waffen:
Pumpgun Mosberg Maverick 88, Kal. 12/70,
Nr. MV43501E,
Pumpgun Winchester 1300 Defender, K. 12/70,
Nr. L2456506,
Revolver Alfa –PROJ, Modell 3831, Kal. 38 spezial, ohne
Nummer,
Pistole Heckler und Koch, Mod. 2000, 9mm Luger,
Nr. 116-021769,
Maschinenpistole Pleter 91, 9mm Luger, ohne Nummer,
Revolver Melcher, ME900SA, 9mm R Knall (PTB217),
ohne Nummer,
Pistole Heckler und Koch, Mod. P2000, 9mm Luger,
Nr. 116-010514,
Pistole Česká 70, 7.65 Browning, Nr. J47460.
Die in der Frühlingsstraße in Zwickau sichergestellten
Waffen:
Pistole RADOM VIS Mod. 35, 9mm Luger, Nr. H1836,
Pistole ERMA EGP 88 Kal. 8mm Knall, Nr. 09330,
Pistole WALTHER, PP; 7.65mm Browning, unterschied-
liche Nummern auf Lauf und Verschluss, Nr.: 322813 P
179450P,
Pistole Česká 83, 7.65mm Browning, mit Schalldämpfer,
Nr. 034678,
Pistole ERMA Model EP552S Kal. 22 l.r., Nr. 012827,
Revolver Kora , 6mm ME Flobert Court abgeändert auf
22 l.r., Nr. 645710,
Česká 82, 9mm Makarow, Nr. 082839,
Pistole TOZ, TT3, 7.62 mm Tokarew, Nr. XS5070,
Revolver Reck; Chief Special Combat, 9mm Knall,
R7469470,
Rhöner 69a, Einzelladegewehr, 9mm ,
Flobert gekürzter Schaft, Nr.10922,
MP Česká 26, 7.62 mm Tokarew, Nr. K31698,
Pistole Bruni, Mod. 315 Auto, abgeändert in 6.35 mm
Browning.
Drucksache 17/14600 – 922 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Allein die Aufstellung einer solchen Übersicht genügt
jedoch nicht. Weitere Fragen, die Aufschluss darüber
bringen können, warum manche Verkaufswege nicht
mehr nachvollziehbar sind, bleiben offen: Ab wann ist der
Ursprung einer Waffe beispielsweise durch Feuereinwir-
kung oder durch die Unkenntlichmachung der Waffen-
nummer nicht mehr rekonstruierbar? Ein Waffensachver-
ständiger müsste dazu in einer Weiterführung des Unter-
suchungsausschusses die Gelegenheit erhalten, solche
waffentechnischen Details ausführlich darzustellen.
V.1.1.2.2. Die im Wohnmobil sichergestellten Waffen
Im Wohnmobil wurden, wie eben dargestellt, acht der 20
Waffen des NSU und diverse Munitionsteile aufgefunden
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 7.pdf, S. 3).
V.1.1.2.2.1. Waffen der Polizisten aus Heilbronn
Unter anderem befanden sich unter diesen Waffen eine
Pistole Heckler und Koch, Modell P 2000, 9mm, Indivi-
dual-Nr.110-021769 und eine Pistole Heckler und Koch,
Modell P 2000, 9mm, Individual-Nr.116-010514. Anhand
der Seriennummern konnten diese als die beiden entwen-
deten Dienstwaffen der mutmaßlich durch den NSU getö-
teten Polizistin Michèle Kiesewetter und ihrem schwer
verletzten Kollegen Martin A. identifiziert werden
(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 11, S. 5). Die Dienstwaffe
von Frau Kiesewetter wurde wohl vom NSU nicht ver-
wendet (MAT_A_GBA-4-3(DVD)\ Vorl. SA 12, S. 590).
Es ist nach wie vor ein Rätsel, warum die junge Polizistin
in Heilbronn sterben musste und ihr Kollege vermutlich
nur mit Glück überlebt hat. Nach wie vor ungeklärt ist, ob
die Täter es etwa auf die Ausrüstungsgegenstände der
beiden Polizeibeamten abgesehen hatten. Immerhin ist
dies mutmaßlich die einzige Tat des NSU, bei der sich an
den Opfern bereichert wurde. Bei all den anderen Morden
liegen hierfür zumindest keine Erkenntnisse vor. Wenn
aber die Erlangung der Ausrüstungsgegenstände das Mo-
tiv hinter der Tat war, stellt sich die Frage, warum diese
dann nie zum Einsatz kamen. Jörg Ziercke hält die Erlan-
gung der Waffen als Tatmotiv für unwahrscheinlich:
„Man ermittelt immer in alle Richtungen, und man
kann das auch nicht ausschließen. Ich bin der Mei-
nung: Das ist aus meiner Sicht, nachdem die 18
Waffen hatten zu dem Zeitpunkt, nicht das Motiv
gewesen.“ (Protokoll-Nr. 21, S. 57).
Das Motiv ist dann noch immer schleierhaft. Die Süd-
deutsche Zeitung schrieb dazu:
„Bei einigen Fahndern gibt es die Theorie, dass
diese Waffen aus Sicht der Mörder verlässliche
Schusswaffen waren, die sie dann einsetzen woll-
ten, wenn sie eingekesselt waren. Mundlos und
Böhnhardt hatten früh erklärt, sie würden sich
nicht festnehmen lassen. Andere Fahnder halten
diese Theorie für nicht stimmig.“ (Süddeutsche
Zeitung vom 3. Februar 2012).
Für diese Annahme würde sprechen, dass sie diese beiden
Waffen bei einem Raubüberfall extra in ihrem Fluchtwa-
gen deponiert haben. Völlig überzeugend ist sie aber in
Anbetracht des großen Waffendepots, über welches der
NSU verfügt hat, und letztendlich ihrer Wahl der Waffe,
mit der sie sich selbst richteten, auch nicht.
V.1.1.2.2.2. Für den Suizid verwendete Waffe
Bei der im Wohnmobil aufgefundenen Repetierflinte
(Pumpgun) Winchester 1300 Defender handelt es sich um
die Waffe, mit der sich Mundlos und Böhnhardt wohl
töteten (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA 6, S. 236).
Ermittlungen zu dieser Waffe ergaben folgendes: Die
Waffe wurde am 28. September 1991 nach Kanada ver-
kauft. Durch die Feststellung österreichischer Beschuss-
zeichen auf der sichergestellten Repetierflinte ist davon
auszugehen, dass die Waffe aus Kanada über Österreich
kam. Dort soll sie 1992 von dem aus Berlin stammenden
B. B. gekauft worden sein. B. B. verstarb 2005
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA 12, S. 589). Er soll
über Verbindungen in die rechte Szene verfügt haben
(Süddeutsche vom 3. Februar 2012). Nach wie vor unauf-
geklärt ist, wie diese Waffe schließlich in den Besitz des
NSU gelangt ist. Anhand dieser Waffe und deren Her-
kunftsweg wird deutlich, wie international nicht nur die
Verflechtungen des Rechtsextremismus sondern auch des
Waffenhandels im rechten Spektrum sind und wie viele
Erkenntnislücken in diesem Zusammenhang noch beste-
hen.
Zudem ist fraglich, warum Böhnhardt und Mundlos sich
überhaupt kurzerhand in Eisenach erschossen haben, als
die Polizisten auf ihr Wohnmobil zukamen und warum
dann ausgerechnet mit dieser Pumpgun. Im Wohnmobil
wurde zudem eine Maschinenpistole Pleter aufgefunden,
die mit einer eingeklemmten Patrone auf der Sitzbank in
direkter Nähe zu Böhnhardt festgestellt wurde
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA 6, S. 236). Vermut-
lich hatte Böhnhardt aus dieser Waffe auf die anrücken-
den Polizisten geschossen (Süddeutsche Zeitung vom
3. Februar 2012). Es verwundert, dass die beiden mut-
maßlich eiskalten Killer das Feuer auf die beiden Polizei-
beamten nach nur einem Schuss eingestellt und sich so-
dann selbst gerichtet haben, weil eine ihrer acht vor Ort
befindlichen Waffen eine Ladehemmung hatte. Eigentlich
glich ihr Wohnmobil durch das an Bord befindliche Waf-
fenarsenal einer Festung, dennoch erschossen sie sich
sogleich. Dies überrascht. Wenn die Waffen zur Verteidi-
gung gedacht gewesen wären, hätten sie diese wohl auch
zweckentsprechend eingesetzt. Ungeklärt ist daher auch,
warum sie überhaupt einen derartig großen Waffenbe-
stand im Fahrzeug mit sich führten.
V.1.1.2.3. Die in der Frühlingsstraße sichergestellten
Waffen
Weitere zwölf Waffen wurden im Brandschutt in der
Frühlingsstraße in Zwickau aufgefunden, unter anderem
die Česká 83, aber auch die Tatwaffen vom Mord an
Michèle Kiesewetter und dem versuchten Mord an dessen
Kollegen (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 12,
S. 592-596). Neben den Waffen wurden weitere Indizien
für eine Täterschaft an dem Mord an Frau Kiesewetter
gefunden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 923 – Drucksache 17/14600
„Auf einer Jogginghose, die im letzten Versteck
der rechtsextremistischen Terrorzelle [NSU] in
Zwickau sichergestellt worden war, wiesen Krimi-
naltechniker Blutspuren nach, die durch einen
DNA-Vergleich eindeutig [Michèle] Kiesewetter
zugeordnet wurden. In den Taschen des Klei-
dungsstücks fanden sich zudem zwei gebrauchte
Taschentücher, die mit DNA-Fragmenten des
NSU-Terroristen Uwe Mundlos behaftet waren.
[…] Die neuen DNA-Spuren fügen sich in die In-
dizienkette der Fahnder. […] Von Anfang an wa-
ren die Ermittler davon ausgegangen, dass sich die
Täter dabei mit dem Blut ihrer Opfer befleckt ha-
ben mussten. Warum die Neonazis die Tatkleidung
und die Polizeiausrüstung all die Jahre lang auf-
bewahrten, ist unklar. Möglicherweise, so eine
Hypothese der Ermittler, behielten sie die Gegen-
stände als Trophäen“ (Spiegel Online vom
12. August 2012).
Auch dieser Fund belegt die Notwendigkeit, die weiteren
Waffenfunde im Untersuchungsausschuss zu thematisie-
ren, um herauszufinden, wie eine derartige Bewaffnung
überhaupt möglich war und um zu verstehen, was hinter
den Taten und den Tätern wirklich steckte. Nur so wird
dem Aufklärungsinteresse der Familien der Opfer gerecht.
V.1.2. Gründe für einen solchen Waffenbestand
Fraglich ist auch, warum das Trio ein derartig großes
Waffenarsenal hatte. Eine mögliche Erklärung liegt darin,
dass das Trio ein Hang zu Waffen hatte und diese einfach
gern sammelte. Dazu führte die Sachverständige Andrea
Röpke aus:
„[…] diese Affinität, diese Sammelleidenschaft,
Waffen zu besitzen, diese Selbstverständlichkeit,
sich als Kämpfer zu sehen und für den Fall auch
die Familie als Deutsche verteidigen zu können -
man sieht sich im Feindgebiet -, das hat sogar noch
massiv zugenommen, würde ich sagen“ (Röpke,
Protokoll-Nr.8, S. 35).
Auch der Zeuge Edgar Hegler gab an:
„Es ist ja generell so, dass Neonazis eine gewisse
Affinität zu Waffen haben - und natürlich zum Teil
auch Waffen sammeln, um diese Waffen für den
Kampf zu nutzen“ (Hegler, Protokoll-Nr.17, S.
50).
Unklar ist, ob ein Leben in der Illegalität mit begrenzten
finanziellen Mitteln das Erschaffen einer derartigen Waf-
fensammlung überhaupt erlaubt.
V.1.3. Waffen und Art ihrer Nutzung als Verbindung
zwischen den Überfällen und den Morden
Klärungsbedürftig ist zudem, ob eine Verbindung zwi-
schen der Mord- und der Überfallserie anhand der Art der
spezifischen Nutzung der Waffen hätte hergestellt werden
können. Ein Waffensachverständiger könnte insoweit
Auskunft darüber erteilen, ob man beispielsweise anhand
von Einschusswinkeln herausfinden kann, ob ein Links-
oder Rechtshänder einen Schuss aus einer Waffe abgege-
ben hat. Gerade bei der nunmehr dem NSU zugeordneten
Banküberfallserie fiel immer wieder ein Linkshänder auf.
Beim Überfall einer Sparkassenfiliale in Zwickau am
5. Oktober 2006 versuchte der Azubi der Bank, einen der
Täter, den Linkshänder, zu überwältigen und erlitt dabei
einen Bauchschuss (MAT_A_GBA-4-18, Bl.604). Es ist
fraglich, ob die dortige Waffenverwendung mit der Art
der Verwendung bei der Mordserie in Zusammenhang
hätte gebracht werden können.
In diesem Zusammenhang ist auch unklar, warum die
Täter bei ihren Überfällen der Bankfilialen zwar recht
grob vorgingen, aber letztlich nicht mordeten. Es fällt auf,
dass die Banküberfallserie - soweit heute bekannt - aus-
schließlich in Ostdeutschland und die Morde hauptsäch-
lich in Westdeutschland begangen wurden. Einzig das
fünfte Opfer Mehmet Turgut, der am 25. Februar 2004
mutmaßlich von Mitgliedern des NSU erschossen worden
ist, wurde in Rostock ermordet. Das Motiv für diese Vor-
gehensweise ist nicht bekannt. Ob dieser Umstand Aus-
wirkungen darauf hatte, den Zusammenhang zwischen der
Mord- und der Banküberfallserie nicht zu sehen, muss
vom Untersuchungsausschuss in einer Fortsetzung unter-
sucht werden.
V.2. Ausbildung an der Waffe
Die Polizei ging davon aus, dass gerade der Rechtshänder
sehr professionell gemordet hat. Aber woher der professi-
onelle Umgang mit Waffen kam, ist nicht bekannt. Zwar
nahm Mundlos während seiner Bundeswehrzeit an
Schießübungen teil (vgl. Schießbuch, MAT_A_BMVg-6,
S. 70-77), jedoch begründen diese Übungen wohl kaum
einen derartig professionellen Umgang mit der Waffe. Es
wurden auch keine Feststellungen dazu getroffen, wo die
anderen Mitglieder des NSU den professionellen Umgang
mit Waffen erlernt haben.
Es können insofern lediglich Mutmaßungen angestellt
werden: Die Sachverständige Andrea Röpke berichtete
von legalen Schießübungen in der Schweiz über die
„Schweizer Connection“ und dem Aufruf „Schießen mit
allen Kalibern“ aus Tschechien (Röpke, Protokoll-Nr.8, S.
32). Auch der Zeuge Edgar Hegler führte insofern aus:
„In Tschechien kann man legal mit scharfen Waf-
fen schießen. - Da fahren natürlich hin und wieder
auch Rechtsextremisten rüber“ (Hegler, Protokoll-
Nr. 17, S. 29).
Ebenso habe es Hinweise auf Wehrsportübungen im Erz-
gebirge gegeben (Röpke, Protokoll-Nr.8, S. 64). Gesicher-
te Erkenntnisse, ob das Trio an derartigen Schießübungen
teilgenommen hat, liegen nicht vor. Aufgrund der räumli-
chen Nähe zu diesen Netzwerken in Tschechien und in
der Schweiz ist es aber durchaus vorstellbar, dass
Böhnhardt und Mundlos und womöglich auch Zschäpe
dort gelernt haben zu schießen. Tino Brandt soll ebenfalls
seinen Kameraden in Thüringen ermöglicht haben, Mitte
der 90er Jahre auf einem Berggrundstück bei Kahla mit
scharfen Waffen zu schießen. Anwohner wollen dort auch
Uwe Böhnhardt gesehen haben (taz vom 30. April 2012).
Die Themen der Internationalität des Rechtsextremismus
und der Kooperation rechtsextremer Deutscher mit dem
Drucksache 17/14600 – 924 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ausland konnten vom Untersuchungsausschuss nicht mit
der notwendigen Gründlichkeit behandelt werden. Die
FDP-Fraktion hatte als einzige Fraktion ein Interesse
daran, dieses Thema weiter zu verfolgen. Entsprechende
Vorschläge für Beweisanträge fanden keine Zustimmung
der anderen Fraktionen. Gerade aber die hier aufgeworfe-
nen Fragen bekräftigen die Notwendigkeit einer Ausei-
nandersetzung mit diesem Thema. Es muss geklärt wer-
den, wie es möglich ist, dass der Rechtsextremismus eine
derartige internationale Vernetzung aufweist und relativ
ungestört weit verbreitet agieren kann, während die Straf-
verfolgungs- und Verfassungsschutzbehörden an den
Ländergrenzen halt machen (vgl. auch Kapitel VI.). Es ist
nicht hinnehmbar, dass Rechtsextreme international über
Rückzugs-, Ausbildungs- und Professionalitätslager ver-
fügen.
V.3. Ausbildung am Sprengstoff
Das Trio war bereits vor dem Untertauchen kein unbe-
schriebenes Blatt, was ihre Bewaffnung anging. In der
Jenaer Garage wurden 1998 zwar keine Schusswaffen,
aber Sprengstoff gefunden. Mit dem Thema Sprengstoff
hat sich der Untersuchungsausschuss ebenfalls nicht in-
tensiv genug beschäftigt.
Zunächst sagte die Zeugin mit dem Decknamen Rita
Dobersalzka, von 1998 bis 2000 Leiterin des Referats für
Rechtsterrorismus im BfV, während ihrer Zeugeneinver-
nahme vor dem Untersuchungsausschuss aus, bei dem in
der Garage in Jena aufgefundenen Sprengstoff habe es
sich um außergewöhnlichen Sprengstoff gehandelt
(Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 8). Es ist unklar, ob es
sich bei dem Sprengstoff tatsächlich um besonderen
Sprengstoff gehandelt hat, wo dieser her kam und was das
Trio mit diesem beabsichtigte. Aufgrund der Verjährung
ist dieser Fund für die Strafverfolgungsbehörden vermut-
lich nicht von Interesse, aber für den Untersuchungsauf-
trag des Untersuchungsausschusses von besonderer Be-
deutung.
Zudem stellt sich die Frage, wer dem Trio den Umgang
mit Sprengstoff lehrte. Vor ihrem Untertauchen wurden
die drei zwar auch schon in Ermittlungsverfahren im
Zusammenhang mit USBV geführt, aber dabei handelte es
sich um ungefährliche USBV sowohl im Jenaer Stadion
als auch auf dem Jenaer Nordfriedhof, um verschiedene
Briefbombenimitate und um eine sprengfähige, allerdings
nicht zündfähige USBV vor dem Stadttheater in Jena
(MAT_A_TH-6, S. 62, 62, Rdn. 77). Die dem NSU bis
dato zugeordneten Anschläge sowohl in einem Kölner
Lebensmittelgeschäft am 19. Januar 2001 als auch in der
Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 weisen hingegen eine
ganz andere neue Qualität auf. Sie detonierten und ver-
letzten insgesamt fast zwei Dutzend Menschen, einige
davon schwer.
Es ist unklar, wie sie sich dieses Wissen aneigneten. Mög-
licherweise informierten sie sich selbst umfassend über
den Bau von Bomben im Internet oder in einschlägigen
Zeitschriften. „Combat 18“ beispielsweise veröffentlichte
derartige Anleitungen (Berliner Zeitung vom 12. Januar
1995). Inwieweit eine derartige Vernetzung mit „Combat
18“ oder ein Austausch zum Bau von Sprengsätzen statt-
gefunden hat, ist nicht bekannt. Eventuell steht aber auch
eine Sprengstoffexplosion aus dem Jahre 1998 in Jena
Lobeda im Zusammenhang mit den Sprengstofffähigkei-
ten des NSU. Damals sprengte sich ein junger Mann
selbst in die Luft (OTZ vom 29. September 1998). Bernd
S. war wohl ein Freund des Trios und galt als Waffen-
und Sprengstoffnarr, der im Keller seines Wohnhauses ein
Sprengstofflabor geführt haben soll (Spiegel Online vom
11. Novemer 2011). Auch der damalige Verfassungs-
schutzchef Dr. Roewer nannte den Namen dieses Mannes
in einem Atemzug mit den Namen Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe (TLZ vom 18. November 2011). Inwieweit
ein Zusammenhang zwischen Bernd S. und dem Trio
wirklich vorliegt und ob dieser ihnen den Umgang mit
Sprengstoff lehrte, ist nach wie vor ungeklärt und reine
Spekulation.
Auch die hier im Waffenkomplex aufgeworfenen Fragen
machen die Notwendigkeit einer Fortsetzung des Unter-
suchungsausschusses in der nächsten Legislaturperiode
besonders deutlich.
VI. Der NSU im Netzwerk von „Blood & Ho-
nour“
VI.1. Von der Musik zum Kampf
VI.1.1. „Blood & Honour“ als Musikvertrieb
In der Urteilsbegründung gegen die Mörder des Mosam-
bikaners Alberto Adriano aus Dessau, steht ein bemer-
kenswerter Satz: Das Oberlandesgericht Naumburg hat
zum ersten Mal gerichtlich den Zusammenhang zwischen
rechtsradikaler Musik und mörderischem Rassismus fest-
gestellt; also zwischen Musik und Tat. Der Vorsitzende
Richter Albrecht Henning zitiert deshalb am 30. August
2000 bei seiner Urteilsverkündung rechtsradikale Liedtex-
te der Neonazi-Band „Landser“, um den gesellschaftspoli-
tischen Kontext aufzuzeigen, in dem diese Tat begangen
wurde. Das hat es in einem deutschen Gericht noch nicht
gegeben. In dem zitierten Liedtext heißt es: „Afrika für
Affen. Europa für Weiße. Steckt die Affen ins Klo und
spült sie weg wie Scheiße.“ Mit diesem und anderen Lie-
dern der Neonazi-Band „Landser“ hatten sich die drei
rechtsradikale Mörder von Alberto Adriano für ihre Tat in
Stimmung gebracht.
Das Naumburger Oberlandesgericht sieht in diesen Lie-
dern das aufputschende Motiv und den gemeinsamen
ideologischen Hintergrund für den Mord an Alberto Ad-
riano im Juni 2000 in Halle. Und der Richter ist noch
nicht fertig: In den vergangenen zehn Jahren, so Richter
Henning weiter, seien seit der Wiedervereinigung in
Deutschland 28 Menschen durch rechtsextreme Gewalt
ums Leben gekommen, drei allein in diesem Jahr. Die
Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten nehme ständig
zu und liege deutschlandweit bei 9 000. Die Hälfte davon
lebt in den neuen Ländern obwohl dort nur 21 Prozent der
Gesamtbevölkerung wohnen, so Henning.
Eine angestrebte Revision durch die Anwälte der Ange-
klagten gegen das Urteil ist vom Bundesgerichtshof
(BGH) dann am 22. Februar 2001 abgelehnt worden. In
seiner Pressemitteilung weist der BGH nochmals explizit
darauf hin, dass die drei Täter aus „bloßem Ausländer-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 925 – Drucksache 17/14600
hass“ Alberto Adriano getötet haben (Pressemitteilung des
BGH vom 12. März 2001).
Dieses Urteil und seine Begründung ist deshalb so wich-
tig, weil es zum ersten Mal dem Umstand Rechnung trägt,
dass hier nicht nur ein rechtsradikaler Hintergrund für
eine Tat vorliegt, sondern der Impuls zur Tat von gewalt-
tätiger und rechtsextremer Musik ausgegangen ist, quasi
von vertonter Ideologie.
Und die ist Ende der 80er und in den 90er Jahren haupt-
sächlich von einem Netzwerk verbreitet worden: von dem
international tätigen Netzwerk „Blood & Honour“.
„Blood & Honour“ hat seine rassistische und gewaltberei-
te Ideologie in den Anfangsjahren zunächst über die von
ihr vertriebenen Musik verbreitet und sich damit vor al-
lem an Jugendliche und junge Erwachsen gewandt. Musik
war das Kommunikationsmittel für den Ausländerhass
und die geeignete, weil jugendadäquate Kommunikations-
form für die politische Botschaft. Diesen Zusammenhang
hat der Gründungsvater von „Blood & Honour“, und
Sänger der rechtsradikalen englischen Band
„Skrewdriver“, Stuart Donaldson, frühzeitig erkannt. Laut
Donaldson:
„gibt [es] kein besseres Mittel als Musik, um die
Jugend für unsere Ideen zu begeistern".
Welchen Stellenwert die Musik und somit auch die jewei-
ligen Neonazi-Bands für die Verbreitung rechtsextremer
Ideologie in der Szene hatten, zeigt die Selbstbezeichnung
der bereits erwähnten Band „Landser“. Sie bezeichneten
sich selbst als „Terroristen mit E-Gitarre“ und sind als
erste Musikband Deutschlands überhaupt 2001 als „kri-
minelle Vereinigung“ eingestuft und schließlich 2003
verboten worden (Klaus Miehling 2006: Gewaltmusik –
Musikgewalt, S. 236).
Selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz hat – wenn
auch Jahre später – in seiner Sonderbroschüre zu rechts-
extremer Musik, 2007, letztlich festgestellt:
„In Einzelfällen konnte ein direkter Zusammen-
hang zwischen den von den Bands vermittelten
Feindbildern, der aggressionsfördernden Wirkung
der Musik und rechtsextremistischen Gewalttaten
festgestellt werden. Bei einigen Taten bestand ein
enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem
Abspielen entsprechender CDs durch Einzeltäter
oder Kleingruppen und der danach begangenen
rechtsextremistischen Gewalttat.“
Musik von „Landser“, „Noie Werte“ oder „Skrewdriver“
und viele anderer Neonazi-Bands konnten in den 80er und
90er Jahren aber nicht über die normalen Produktionswe-
ge vertrieben oder in normalen Musikläden gekauft wer-
den. Deshalb hat „Blood & Honour“ bereits unter ihrem
Begründer Ian Stuart Donaldson eigene internationale
Produktions- und Vertriebswege aufgebaut, die bis in die
USA, nach Tschechien, Russland oder Schweden gereicht
haben. Die produzierten Platten oder CDs sind dann mit
dem Auto über die Grenzen geschmuggelt oder per Post
zugestellt worden. Ein wichtiger Produktions- und auch
Vertriebsweg führte dabei schnurgerade nach Ostdeutsch-
land, nach Sachsen zu Jan Werner. Er war in den 90er
Jahren eine der wichtigsten Größen der „Blood & Ho-
nour“-Musikszene im Osten, und beteiligt an den „Mo-
vement Records“, die auch die bereits erwähnte Band
„Landser“ produziert hatten. Gegen Jan Werner laufen
derzeit, im Juni 2013, Verfahren im Rahmen der
Umfeldermittlungen zum NSU-Prozess. Er soll dem NSU
auch verschiedene Waffen besorgt haben.
VI.1.2. „Blood & Honour“ als gewaltverherrlichende und
kampfbereite Organisation
Ende der 90er Jahre wird aus einem ursprünglich rechts-
radikalen Musikvertrieb eine ideologisch gefestigte, ras-
sistische Organisation, die auch vor Mord und Totschlag
nicht zurückschreckt, sondern die Gewalt propagiert und
geradezu sucht. Es bilden sich mit den „Hammerskins“,
dem Jugendableger „White Youth“ oder „Combat 18“
quasiterroristische Gruppen, die zum bewaffneten Kampf
„gegen das System“ aufrufen.
Der Entschluss, mehr zu sein, als nur eine rechtsradikale
Musikbewegung, nämlich eine politische Bewegung, fällt
für Deutschland beim nationalen „Blood & Honour“-
Treffen am 3. Oktober 1998. In diesem gemeinsamen
Beschluss aller Deutschen „Blood & Honour-Divisionen“
heißt es, es sei nun die Aufgabe:
„Patrioten verschiedener Stilrichtungen zu sam-
meln und zu einen, nicht nur in der Musik, sondern
im Kampf.“ (Michael Weiss, 2001: White Noise,
S. 79).
Das „Blood & Honour“-Netzwerk ist in den 90ern die am
schnellsten wachsende rechtsextremistische Vereinigung
in Deutschland. „Blood & Honour“ hatte der deutschen,
aber auch internationalen Skinszene die aktionistischen
und identitätsstiftenden Strukturen angeboten, nach der
die Szene lange gesucht hatte. Umgekehrt konnte die
„Blood & Honour“-Bewegung in Deutschland auf erfah-
rene Leute in bereits bestehenden rechten Netzwerken
zurückgreifen, die Erfahrung in Untergrund-Vertreib und
illegalen Aktionen hatten und die sich den neuen Bewe-
gungen öffneten, wie beispielsweise auch der NPD, die
durch die Einbindungen der wachsenden Kameradschaf-
ten ihre Partei verjüngen wollte.
Die Deutsche Division von „Blood & Honour“ hatte ihre
Schwerpunkte in den 90er Jahren vor allem in Sachsen, in
Hamburg, Rostock, in Mittelfranken und in der franzö-
sischsprachigen Schweiz sowie in Baden-Württemberg
und Südtirol.
Und genau das sind auch „Stationen“ des NSU. Egal ob
im Untergrund oder auch teilweise bei ihren Mordtaten.
Die FDP-Bundestagsfraktion ist der Ansicht, dass dies
kein Zufall ist. Wir sind der Meinung, dass es überwälti-
gend viele Hinweise darauf gibt, dass das NSU-Trio zwar
im „Thüringer Heimatschutz“ (THS) rechts sozialisiert
wurde, dass aber mindestens seit ihrem Abtauchen in den
Untergrund bis zu ihrer Entdeckung im November 2011
die Strukturen von „Blood & Honour“ maßgeblich für das
Trio waren. In diesen Strukturen wurden sie radikalisiert,
zu kaltblütigen Mördern ausgebildet und diesen Struktu-
ren haben sie ihr Leben anvertraut bis zuletzt. Deshalb
Drucksache 17/14600 – 926 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sind alle Mitangeklagten im NSU-Prozess vor dem OLG
München auch Menschen, die Mitglied des „Blood &
Honour“-Netzwerkes waren oder zumindest enge Bezie-
hungen zu Mitgliedern gepflegt haben.
Der „THS“ war zu klein und zu wenig vernetzt und, wie
frühzeitig bekannt wurde, von Spitzeln (Tino Brandt)
durchsetzt, um den Dreien ein sicheres Untertauchen zu
gewährleisten. Der „THS“ hatte weder die Verbindungen
noch das Geld, um die Drei zu unterstützen. Nur das
„Blood & Honour“-Netzwerk konnte das - über Jahre
hinweg - bieten. Und das, obwohl die Organisation in
Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten ist.
VI.1.2. Der NSU: Vom „Thüringer Heimatschutz“ zu
„Blood & Honour“
Wir haben im Ausschuss den Eindruck gewonnen, dass
das Trio zwar seine erste rechtsradikale Sozialisierung im
„Thüringer Heimatschutz“ (THS) bekommen hat, doch
die endgültige Radikalisierung und die dafür notwendige
logistische Unterstützung sowie ein gewaltbereites Um-
feld mit ideologisch gefestigten und damit risikobereiten
„Kumpanen“, das bekam das Trio nur von der „Blood &
Honour“-Division Deutschland, Zunächst in Sachsen,
dann bundesweit und im Ausland. Erst in diesem Umfeld,
so unser Eindruck aus den Akten, wurde der Schritt zur
endgültigen mörderischen Professionalität gemacht. Wie
wir zeigen wollen, war hier das zunächst notwendige
Geld aus dem Musikbetrieb vorhanden, gab es die gefes-
tigten internationalen Verbindungen und gab es Men-
schen, die bereit waren, selbst Straftaten zu begehen, um
den Dreien zu helfen. Hier stimmte vor allem aber auch
die radikale und gnadenlose Ideologie. Und nur hier gab
es Vorbilder im schlechtesten Sinne: Bombenleger, Söld-
ner, Schläger, kurzum: brutale Mörder. Der Thüringer
Heimatschutz war, verglichen mit „Blood & Honour“,
eher ein rechtsradikaler Kindergarten.
VI.1.2.2. „Blood & Honour“ Sachsen und die Verbindun-
gen nach Baden-Württemberg
Das Netzwerk der „Blood & Honour“-Sektion Sachsen
von 1998 liest sich wie das „Who is Who“ der Unterstüt-
zer des NSU. Rund die Hälfte der damaligen rund 20-
köpfigen Netzwerkmitglieder hatte Kontakt zur Terror-
gruppe: Sei es der schon öfters erwähnte Jan Werner, der
V-Mann Carsten Szczepanski oder J. W.. Sei es Antje P.,
die einen Ausweis für Beate Zschäpe besorgt hatte, der
für die Flucht nach Südafrika genutzt werden sollte. Ihr
Mann, Michael P., stand ebenso im Informationsaus-
tausch mit dem Trio wie Andreas G., der später in den
Raum Ludwigsburg/Rems-Murr umgezogen ist. Thomas
Ro. hatte die Flüchtigen für kurze Zeit in seiner Wohnung
untergebracht, Hendrik L. stand in Kontakt mit Mundlos,
ebenso Thomas Starke, der 1997 den Sprengstoff besorgte
hatte, der bei der Garagendurchsuchung in Jena gefunden
wurde. Die aktenkundigen Mirko H., Giso T., wie auch
Andre Eminger gehörten zu der „Blood & Honour“-Szene
und zum erweiterten NSU-Umfeld in Sachsen sowie Ste-
phan Lange, der gleichzeitig auch Sektionschef in Berlin
war und damit Deutschland-Chef von „Blood & Honour“.
Die Sektion Sachsen war eine der ersten „Blood & Ho-
nour“-Sektionen in Deutschland und – neben Baden-
Württemberg und Berlin – eine der aktivsten, wichtigsten
und radikalsten. Hier war mit den „Movement Records“
von Jan Werner nicht nur ein umsatzstarker Musikver-
trieb für rechtsradikale Musik zu Hause, sondern auch
eines der einflussreichsten Musiklabels für Rechtsrock in
ganz Deutschland. Durch diesen „Ankerpunkt“ entwickel-
te sich in Sachsen, vor allem in Chemnitz eine reiche
Subkultur rechter Anbieter, von Versandgeschäften bis
Ladengeschäften oder Kneipen, und natürlich eine dyna-
mische Musik- und Konzertszene, also ein Anziehungs-
punkt für Rechtsradikale aus ganz Deutschland. Die Sek-
tion Sachsen war sogar so stark, dass sie Ende 1999 die
Machtfrage stellte und unabhängig von dem Headquater
in Berlin agieren wollte (AIB 98, vom 12. März 2013)
Den drei Flüchtigen konnte also nichts Besseres passie-
ren, als beim einflussreichsten rechtsradikalen Netzwerk
das 1998 in Deutschland existierte, unterzukommen.
Besonders zu Gute sind dem Trio auch die hervorragen-
den Kontakte der Sektion Sachsen zur „Blood & Ho-
nour“-Szene in Baden-Württemberg gekommen. Nach
den neuesten Stellungnahmen des Innenministers Rein-
hold Gall aus Baden-Württemberg am 30. Juli 2013, ist
nämlich nicht auszuschließen, dass das Trio zeitweise
auch in Baden-Württemberg Unterschlupf gefunden hatte
(Südwestpresse am 30. Juli 2013). Das Trio hätte in Ba-
den-Württemberg bei alten Bekannten unterkommen
können.
Beispielsweise bei Andreas G.. Er, ein Mitglied erster
Stunde der Sektion Sachsen, zog 2001 in den Raum Lud-
wigsburg/Rems-Murr und spielte dort in der rechtsradika-
len Band „Noie Werte“. Interessant dabei, zwei Musik-
stücke von Noie Werte sind auf einem nicht veröffentlich-
ten Bekenner-Video des NSU als Begleitmusik zu hören.
In und um Ludwigsburg hatten sich neben „Noie Werte“
auch viele andere rechtsradikale Bands niedergelassen,
wie beispielsweise „Kettenhund“ oder „German-British-
Friendship“. Fast alle Bandmitglieder hatten enge Bezie-
hungen zur Sektion nach Sachsen, was durch gemeinsame
Fotos belegt ist. Die Sektion Baden-Württemberg wäre
für das Trio auch eine weitere Möglichkeit gewesen, an
Waffen zu kommen. So fand die Polizei bei einer Haus-
durchsuchung im Jahr 2004 rund 2 500 Schuss Munition
und 500g Sprengstoff sowie Handgranaten. Uwe Mundlos
hatte nach einem Besuch in Baden-Württemberg in einem
Brief geschrieben:
“Wir waren vor allem über die Waffen die sie ha-
ben erstaunt - fast schon ein kleiner Waffenladen.“
(MAT-A- GBA 4-33a, Blatt 220).
Im Jahr 2000 ist dann auch S. L., der Sektionschef aus
Berlin in die Nähe von Heilbronn gezogen. Kurze Zeit
später folgte Jan Werner nach. S. L. und Werner wohnen
bis heute in der Nähe von Heilbronn.
2004 folgten weitere alte Bekannte, wie beispielsweise
der „THS“-Aktivist Tino Brandt. Er hatte sich bei einer
Versteigerung ein Haus in Hardthausen in der Nähe von
Heilbronn gekauft, das er aber allem Anschein nach nicht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 927 – Drucksache 17/14600
bewohnte. Unklar ist aber bislang, wozu dieses Haus
gedient hat. Die These, dass es vielleicht zeitweise als
Unterschlupf für Dritte diente ist bisher nicht bewiesen.
Klar ist nur, dass sich auch das Trio immer wieder im
Raum Heilbronn/Ludwigsburg aufgehalten hat: Fotos
zeigen, dass Beate Zschäpe in Ludwigsburg gewesen war
– und das wahrscheinlich vor 2004. Von Bönhardt und
Mundlos gibt es Bilder aus Stuttgart. Im Brandschutt der
Wohnung in Zwickau wurden weiterhin Stadtpläne von
Stuttgart und Heilbronn gefunden sowie eine CD mit eben
diesen Bildern aus Stuttgart. Auch eine Adressliste mit
vier Namen aus Baden-Württemberg.
Wie der Innenminister von Baden-Württemberg, Reinhold
Gall, am 30. Juli 2013 mitgeteilt hat, hatte das Trio wohl
über 31 Kontakte nach Baden-Württemberg unterhalten.
Das geht aus aktuellen Erkenntnissen der LKA-
Ermittlungsgruppe „Umfeld“ hervor, die das Innenminis-
terium im Januar 2013 eingesetzt hatte, um den Mord an
Michèle Kiesewetter endlich aufzuklären. Die Ermitt-
lungsgruppe „Umfeld“ hält es für möglich, dass das Trio
noch 2003 zu privaten Besuchen in der Nähe von Lud-
wigsburg gewesen sein könnte. Das gehe aus Zeugenaus-
sagen hervor (SWR am 30. Juli 2013).
Obwohl Innenminister Reinhold Gall in seiner Stellung-
nahme am 30. Juli 2013 nicht ausschließt, dass das Trio
zeitweise im Ländle untergetaucht sein könnte – überprüft
werden müssen noch Hinweise in den Ostalbkreis zur
2006 verbotenen Band „Race War“ – geht Gall gleichzei-
tig aber widersinnigerweise nicht davon aus, dass es ein
Unterstützernetzwerk für den NSU in Baden-
Württemberg gegeben habe (SWR am 30. Juli 2013, Süd-
westpresse am 30. Juli 2013).
Mit seinen widersprüchlichen und nicht kohärenten Aus-
sagen setzt Gall den unrühmlichen Eindruck fort, den die
Ermittler und Verantwortlichen aus Baden-Württemberg
auch im Ausschuss des Deutschen Bundestages hinterlas-
sen haben.
Wie beispielsweise Bettina Neumann, sie war von 1993
bis 2011 Referatsleiterin für den Bereich Rechtsextre-
mismus/Auswertung im LfV Baden-Württemberg. Laut
ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des
Deutschen Bundestages hatte das LfV keinerlei Erkennt-
nisse über Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus
Ostdeutschland und Baden-Württemberg. Die Namen Jan
Werner und Thomas Starke seien ihr nicht bekannt, so
Bettina Neumann weiter (Protokoll der Ausschusssitzung
am 18. April 2012, S. 6-8).
Die FDP-Fraktion kann sich unter Würdigung alle be-
kannter Sachverhalten und Aussagen zu Baden-
Württemberg nur der Aussage Helmut Rannachers an-
schließen, der vor dem Untersuchungsausschuss des Bun-
destages am 18. April 2012 festgestellt hat:
„Unsere Institution Verfassungsschutz, die sich als
Frühwarnsystem unseres demokratischen Staates
versteht, [hat] in diesem konkreten Bereich ver-
sagt“ (Aussageprotokoll der Ausschusses vom 18.
April 2012, S. 40).
Helmut Rannacher war von 1995 bis 2005 Präsident des
Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-
Württemberg.
VI.1.3. Die Braune Internationale – die Radikalisierung
von „Blood & Honour“
Die Radikalisierung in der „Blood & Honour“-Division
Deutschland in den 90er Jahren ging rasend schnell: Be-
reits ein Jahr nach dem Beschluss vom Oktober 1998
hatte der „Hamburger Sturm“, eine rechtsradikale Kame-
radschaft, die „Blood & Honour“ nahestand, im August
1999, in einem Fanzine (Rechtsradikalen Szeneblatt) ein
Interview mit Mitgliedern der „Nationalrevolutionären
Zellen“ veröffentlicht. Diese haben in ihrem Interview
ganz offen dafür plädiert, „terroristische Kleingruppen“
zu bilden um das System wirksam zu bekämpfen (Micha-
el Weiss, 2001: White Noise, S. 87).
Das Kerngeschäft von „Blood & Honour“, der Vertrieb
rassistischer und gewaltverherrlichender Musik ist also
innerhalb kurzer Zeit ergänzt und angereichert worden
durch einen ideologisch-politischen Hintergrund und
praktische Kampfausbildung. So sind die „Turner-
Tagebücher“ in der deutschen Szene herumgereicht wor-
den, und auch das Konzept des „Führerlosen Widerstan-
des.“ Sie bildeten dann die ideologische Blaupause für
den bewaffneten Kampf. Zu beidem später mehr.
Musik, Ideologie und Kampfausbildung, diese Kombina-
tion ist Ende der 90er Jahre zu einem explosiven Gemisch
geworden - auch in Deutschland. Dem Bundesamt für
Verfassungsschutz ist das nicht verborgen geblieben. Es
stellt dazu im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr
2000 auf Seite 25 fest:
„Die Skinhead-Musikszene stellt nach wie vor ei-
nen wichtigen Faktor bei der Entstehung und Ver-
festigung von Gruppen rechtsextremistischer ge-
waltbereiter Jugendlicher dar.“
Eigentlich aber waren die deutschen „Blood & Honour“-
Divisionen Spätentwickler der rechten internationalen
Radikalisierung. Während sie 1999 und in den Folgejah-
ren zum bewaffneten Kampf aufgerufen haben, hatte in
anderen Ländern, besonders in Schweden und Dänemark,
vor allem aber im Mutterland von „Blood & Honour“, in
Großbritannien, die rechtsextremistische Gewalt bereits
1997 einen Höhepunkt erreicht.
Wir halten es für wahrscheinlich, dass das NSU-Trio hier
bei „Blood & Honour“ Vorbilder, Ausrüstung, taktische
Schulungen sowie Kampferfahrungen gewonnen hat, und
dabei selbst radikalisiert wurden. Dabei halten wir es für
falsch zu glauben, dass das Trio sich nur an einem Einzel-
täter orientiert hat, beispielsweise an John Ausonius aus
Schweden, wie jetzt gelegentlich diskutiert wird. Die
Konzentration auf einen Einzeltäter verschleiert erneut
den Blick auf ein gewaltiges, international agierendes, gut
funktionierendes, ideologisch gestärktes und terroristi-
sches Netzwerk. Man muss die gesamte soziale Nischen-
struktur rechter Gewalt, ausgehend von „Blood & Ho-
nour“ und deren Untergruppen in Europa im Blick haben,
um die Zeitumstände und die Radikalisierung des Trios
Drucksache 17/14600 – 928 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
richtig einzuordnen. An Vorbildern ist dabei kein Mangel
– weder im Ausland, noch in Deutschland.
Um es noch einmal klar zu sagen, solange Beate Zschäpe
schweigt, ist es nur eine These. Aber die Tatsache, dass
ab ca. 1998 und teilweise auch schon früher der gesamte
Bekannten- und Unterstützerkreis des Trios aus dem
„Blood & Honour“-Umfeld gekommen ist und dieses
Netzwerk das damals vorherrschende der Szene und die
Avantgarde in Sachen Gewalt war, ist unserer Meinung
nach überzeugend genug, anzunehmen, dass das Trio
seine „Lernphase“ in diesem Umfeld erhalten hat.
Auch wenn der BND-Vertreter im September 2012 im
Untersuchungsausschuss so überhaupt nichts zur Aufklä-
rung beitragen konnte, weil der BND unverständlicher-
weise angeblich „den falschen Mann geschickt“ habe, so
hatte der BND doch bereits 2001 eine sehr gute Analyse
der internationalen Kooperationen der rechten Szene
erstellt.
„Unabhängige Beobachter in den USA und Europa
warnen seit Jahren vor einer „Braunen Internatio-
nalen“. Rechtsextreme Parteien, rassistische und
neonazistische Organisationen, Skinhead-Gruppen
und Revisionisten verfügen über zahlreiche inter-
nationale Verbindungen. Die rechtsextreme Szene
kooperiert weltweit in vielfacher Hinsicht, Aus-
prägung und Intensität. Die Kontakte reichen von
Informationsaustausch bis zur gegenseitigen Un-
terstützung. .... Eine nicht zu unterschätzende Ge-
fahr stellt deshalb die weltweite Vernetzung und
zunehmende Militanz von Neonazi- und Skinhead-
Gruppen dar. Wachsende Besorgnis bereiten v.a.
die international agierende Skinhead-Bewegungen
HAMMERSKIN und BLOOD & HONOUR. Die
als äußerst gefährlich eingestuften Skinhead- Ver-
einigungen bauten in den letzten Jahren weltweit
Sektionen auf....“ (MAT A BND 5a, S. 144).
Auch deutsche Behörden sind damals aufmerksam gewe-
sen und aufmerksam geworden, deshalb ist es geradezu
verstörend zu sehen, wie trotz frühzeitiger zutreffender
Analysen und Warnungen, trotz Todesopfer, Bombenan-
schlägen und Prügelattacken, trotz Brandstiftung und
Grabschändungen, trotz ständig steigender Zahlen rechter
Gewalt institutionell ganz einfach wenig bis gar nichts
passierte. So schreibt beispielsweise auch das BfV:
„Der relative Höhepunkt gewaltbejahender Äuße-
rungen in den Jahren 1999 und 2000 korrespon-
dierte mit tatsächlichen Vorbereitungshandlungen
für schwerste Anschläge.“ (Bundesamt für Verfas-
sungsschutz, Nr. 21, Gefahr eines bewaffneten
Kampfes deutscher Rechtsextremisten von 1997
bis Mitte 2004, S. 1ff.)
VI.1.3.1. Mögliche NSU-Vorbilder in Schweden und
Großbritannien
Ende der 90er Jahre haben sich weltweit „Blood & Ho-
nour“-Divisionen gebildet oder elitäre Abspaltungen
davon, wie beispielsweise die „Hammerskins“. Ideologi-
sche Traktate und konzeptionelle Überlegungen zum
bewaffneten Kampf sind damals aus den USA und Groß-
britannien nach Europa geschwappt. Die Kampfpraxis
aber holte man sich bei Wehrsportübungen bevorzugt in
den skandinavischen Ländern, vor allem in Dänemark
oder Schweden oder in der Schweiz und im angrenzenden
Tschechien. Dort war das erlaubt.
Richtige Einsatzerfahrung holte sich die rechte Szene
allerdings in den „Befreiungskriegen“ im südlichen Afri-
ka, aber auch in den Balkankriegen des zerfallenden Ju-
goslawiens. Und nicht zuletzt in der Auseinandersetzung
zwischen England und der Irish Resistance Army (IRA)
in Nord-Irland.
Vor allem die deutschen und die britischen Rechten ko-
operieren eng mit dem rechtsradikalen schwedischen Vitt
Ariskt Motstånd und der dänischen Nationalsocialistiske
Bevægelse.
Zwei maßgebliche Beispiele aus Schweden und Großbri-
tannien sollen hier kurz aufgezeigt werden – denn sie
stehen für eine Welle rechter Gewalt, die Ende der 90er
Jahre über Europa schwappt. Selten ist man sich des
Ausmaßes dieser internationalen Zusammenarbeit der
rechten Szene bewusst – beide Beispiele aber könnten als
Vorbilder für den NSU gedient haben.
Schweden hat 1997 eine bislang unbekannte Welle rech-
ter Gewalt erlebt. Den Auftakt zu einer Serie von interna-
tional aufeinander abgestimmter Anschläge macht im
Januar 1997 ein dänischer Rechtsradikaler im schwedi-
schen Limhamn: Er gibt drei Briefbomben mit Zünder
auf, die an Adressen in Großbritannien adressiert sind.
Die schwedische Polizei kann rechtzeitig eingreifen und
die Anschläge vereiteln. Drei dänische Neonazis werden
daraufhin in Schweden verhaftet und in Dänemark zu
langjährigen Strafen verurteilt.
Diese drei dänischen Rechtsextremisten, die in Schweden
Anschläge in Großbritannien geplant haben, sind aber
interessanterweise nicht nur Mitglieder von „Blood &
Honour“ gewesen, sondern Mitglieder einer extremen
terroristischen Untergruppe dieses Netzwerkes, die sich
„Weisser Wolf“ (White Wolves) nannte, und die in Dä-
nemark, Schweden und Deutschland Ableger hatte (MAT
A BND-5a, S. 125).
In kurzen zeitlichen Abständen folgten dann ein Anschlag
auf eine Wohnung des ehemaligen schwedischen Minis-
terpräsidenten Ingvar Carlsson und ein versuchter Brief-
bombenanschlag auf die schwedische Sozialministerin
Margot Wallström. Zeitgleich werden eine Reihe von
neun rechtsextremistischen Brand- und Bombenanschläge
auf schwedische Sportstätten verübt sowie offene Mord-
drohungen gegen schwarze Sportler ausgesprochen, denn
Stockholm hatte sich 1997 für die Austragung der Olym-
piade 2004 beworben. Selbst Sprint-Star Carl Lewis hat
damals rechtsextremistische Morddrohungen aus Schwe-
den erhalten. Eine Reihe von Banküberfällen sind den
Rechtsextremisten zugeschrieben worden, bei denen zwei
Polizisten zu Tode kamen. Man hatte vermutet, dass so
Geld für weitere Anschläge beschafft werden sollte. Dass
die rechte Gewalt keine Grenzen kannte, zeigt der An-
schlag im selben Jahr auf einen schwedischen Journalis-
ten und dessen achtjährigen Sohn, die bei einem Bomben-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 929 – Drucksache 17/14600
anschlag auf ihr Auto schwer verletzt wurden. Zu all dem
bekannte sich eine rechtextremistische Gruppe „VI SOM
BYGGDE SVERIGE“, und die Gruppe „Freiheitsfron-
ten“, die zu „Blood & Honour“ zählen. Zwei Jahre später,
im Oktober 1999, wurde der Gewerkschafter Björn
Söderberg kaltblütig von Neonazis hingerichtet (MAT_A
BND 5a, S. 431ff.)
Banküberfälle zur Geldbeschaffung, Briefbomben, Mord-
anschläge und Morde sowie der „Weisse Wolf“ – all das
war also in Schweden schon gegeben. Die „Blood &
Honour“ Divisionen Schwedens wie auch Großbritanni-
ens waren die europäischen Vorreiter brutaler Gewalt
gegen Migranten.
Am 17., 24. und 30. April 1999 sind dann in London drei
verheerende Nagelbombenanschläge verübt worden. Ta-
torte waren jeweils Stadtviertel mit hohem
Migrantenanteil. Eine Bombe explodierte in Brixton Mar-
ket, eine in der Hanbury Street und eine in der Old Comp-
ton Street. Dabei wurden drei Menschen getötet und ins-
gesamt rund 160 Menschen zum Teil schwer verletzt.
Mit den Anschlägen ist folgendes Bekennerschreiben an
25 Personen mit Migrationshintergrund in Großbritannien
verschickt worden, darunter auch an die farbige Parla-
mentsabgeordnete Oona King:
„Notice is hereby given that all non-whites (de-
fined by blood, not religion) must permanently
leave the British Isles before the year is out. Jews
& non-whites who remain after 1999 has ended
will be exterminated. When the clocks strike mid-
night on the 31st of December 1999 the White
Wolves will begin to howl and when the Wolves
begin to howl the Wolves begin to hunt. You have
been warned. Hail Britannia.“ (BBC News vom 25.
April 1999).
Eindeutig hat sich hier die Blood & Honour-Untergruppe
„White Wolves", also die „Weissen Wölfe" zu den An-
schlägen bekannt. Auf ihr Konto gehen also aller Wahr-
scheinlichkeit nach diese Attentate und nicht, wie ober-
flächlich immer behauptet wird, auf das Konto von
„Combat 18".
Festgenommen und verurteilt wurde allerdings nur eine
einzige Person - der rechtsradikale Ingenieur David Cope-
land, der versichert hatte, alleine gehandelt zu haben.
Doch die britische Polizei hat auch nach seiner Festnahme
weiterhin fieberhaft nach der Organisation gesucht, die
wahrscheinlich hinter Copeland stand:
„Police sources confirmed yesterday that detec-
tives are keen to locate Del O'Connor, the former
second in command of Combat 18 who has been
linked with the extremist splinter group known as
the White Wolves.“ (The Guardian, 18. April
1999)
Und weiter schreibt der Guardian:
„O'Connor, 39, was well known to police and the
security services as the organiser of Combat 18's
north of England operations, responsible for coor-
dinating cells of activists in Halifax, Preston and
Oldham. He renamed his organisation C18 White
Wolves in homage to Hitler's ruthless Werewolves
to give it a distinct identity from the London based
operation.“(The Guardian, 18. April 1999).
Für den NSU-Zusammenhang besonders interessant ist
die bislang kaum beachtete und im Ausschuss auch nicht
thematisierte Tatsache, dass es überhaupt eine Terror-
Organisation mit dem Namen „Weisse Wölfe“ gegeben
hat. Damit steht dann auch die Aufsehen erregende, weil
sehr frühe Grußadresse an den NSU in der 1. Ausgabe
2002 des deutschen Fanzines „Der Weisse Wolf“ in ei-
nem erweiterten Sinnzusammenhang. Zwar steht dort nur
der lapidare Satz:
„Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getra-
gen:) Der Kampf geht weiter...“ (MAT A_BB_2,
S. 4)
Aber bislang steht dieser Satz wie auch das Fanzine „Der
Weisse Wolf“ selbst, thematisch isoliert in der Geschichte
des NSU. Jetzt aber stellt sich die Frage, ob es vielleicht
Verbindungen zu den britischen „Weissen Wölfen" gab,
bzw. ob der NSU sich ideologisch in die gewalttätige
Tradition der „Weissen Wölfe" stellen wollte? Wurden
die Anschläge in London als Vorbild der eigenen An-
schläge in Köln genommen? Gab es vielleicht sogar eine
Form logistischer Unterstützung durch die britischen
„Weissen Wölfe?"
Deutsche Ermittler haben auch im Ausschuss, in Bezug
auf den Nagelbombenanschlag in London, immer nur von
einem Anschlag gesprochen, der von „Combat 18“ durch-
geführt worden sei. Das ist zwar nicht ganz falsch, ver-
stellt aber den Blick auf eventuell weitergehende Zusam-
menhänge. Denn wenn es eine Terror-Organisation
„Weisser Wolf“ in Großbritannien gibt, die rechtsradikal
motivierte Bombenanschläge ausführt und ähnliche An-
schläge später in Deutschland durchgeführt werden, es
zudem ein rechtsradikales Propaganda-Heft mit dem
Namen „Weisser Wolf“ auch in Deutschland gibt, müsste
man als Ermittler dieser Spur eigentlich nachgehen.
Wären die deutschen Ermittler dieser Spur gefolgt, dann
wären sie nämlich bereits 2004 direkt auf das engere
NSU-Umfeld gestoßen, und wieder einmal auf Jan Wer-
ner sowie und auf den verurteilten rechtsextremistischen
Mörder Carsten Szczepanzki. Der war in der fraglichen
Zeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg in-
haftiert, konnte dort aber ungehindert rechtsradikale Fan-
zine entwerfen, verfassen, kopieren und herausgeben:
Eben den „Weissen Wolff". Diesem Fanzine hat das
NSU-Trio dann später sogar 2500 D-Mark gestiftet. Ironie
der Geschichte: Da Szczepanski auch als V-Mann für den
Brandenburgischen Verfassungsschutz gearbeitet hat,
kamen von ihm Hinweise auf das Treiben des NSU, wie
beispielsweise dieser, dass Jan Werner Waffen für das
Trio besorgt habe, und dass die drei sich nach Südafrika
absetzen wollten. Fast überflüssig zu sagen, dass auch
Szczepanski hervorragende Kontakte zur englischen
„Blood & Honour“-Szene hatte.
Drucksache 17/14600 – 930 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir können also festhalten: Es hat eine Terrororganisati-
on gegeben die sich die „Weissen Wölfe" nannten, diese
hatten Sektionen in Großbritannien, Dänemark und
Deutschland. In Schweden hatten Mitglieder der „Weis-
sen Wölfe" versucht, 1997 Briefbombenanschläge in
Großbritannien durchzuführen. In Großbritannien selbst
haben Mitglieder der „Weissen Wölfe" drei schreckliche
Nagelbombenanschläge in London auf Migranten verübt.
In Deutschland existiert ein Fanzine mit dem Titel „Weis-
ser Wolf", dort wird ein Gruß an den NSU abgedruckt.
Der NSU spendet diesem Fanzine später Geld. In
Deutschland wird ein Nagelbombenanschlag durchgeführt
der von der Bauart an die britischen Anschläge erinnern.
Bei all diesen Hinweisen darf man zurecht vermuten, dass
die Verbindungen des NSU weiter gereicht haben und die
Zusammenhänge tiefer liegen, als es der Ausschuss in
seiner Arbeit herausgefunden hat – auch weil viele Hin-
weise auf die „Weissen Wölfe" dem Ausschuss nicht
bekannt waren. Dabei hat die FDP-Bundestagsfraktion
immer wieder auf die Aufklärung der internationalen
Netzwerke gedrungen.
Man könnte durchaus die Arbeitshypothese aufstellen,
dass der NSU eventuell Mitglied der deutschen „Weissen
Wölfe" waren, oder sich zumindest im Umfeld dieses
„Blood & Honour“-Terrornetzwerks bewegt haben.
Ob ähnliche Überlegungen die Bundesanwaltschaft im
Juni 2013 dazu bewegt haben, nun doch mehr als die
bekannten 129 Personen abzuklären, bleibt offen. Abge-
klärt wurden aktuell mehr als 500 Personen im Umfeld
des NSU. Die Bundesanwaltschaft hat sich über ihre Mo-
tivlage nicht geäußert. Wir interpretieren das Vorgehen
aber als Hinweis darauf, dass der NSU doch in ein größe-
res Umfeld eingebunden war, als bisher bekannt: in das
internationale Umfeld von „Blood & Honour“. (SZ Onli-
ne, am 11. Juni 2013)
Allein an den Beispielen aus Schweden und Großbritan-
nien wird klar, dass der moderne Rechtsextremismus
schon seit Jahrzehnten international agiert und die be-
schränkten Sichtweisen der Dienste, die mit ihren Recher-
chen an nationalen oder gar Bundesländergrenzen enden,
dem Phänomen nicht gerecht werden. Die Beobachtung
wie auch die Strafverfolgung rechtsterroristischer Täter
muss nach Ansicht der FDP-Fraktion grenzübergreifend
und in Zusammenarbeit mit Nachbardiensten geschehen.
Gerade die europäischen Nachbarn wie Dänemark, die
Schweiz, aber auch Belgien und vor allem Schweden sind
Schwerpunkt von gewaltbereiten Rechtsextremen und
rechten Terroristen.
VI.1.3.2. Ein Blick auf Deutschland – das Umfeld des
NSU 1997/98
Ab 1996/1997 ist auch in Deutschland ein starker Anstieg
rassistischer Gewalttaten zu beobachten. Tätliche Über-
griffe auf Andersdenkende, Migranten oder Asylbewer-
berheime, Grabschändungen oder Pöbeleien gehören –
vor allem in Ostdeutschland – fast schon zum Alltag.
Almut Berger, ehemalige Ausländerbeauftragte in Bran-
denburg sagte angesichts der steigenden Gewalt 1997:
„Fast kein Tag vergeht, ohne dass es zu Überfällen
auf Ausländer kommt.“ (Landeszentrale für Politi-
sche Bildung Brandenburg Online).
Doch es gibt daneben auch eine weitergehende Radikali-
sierung, die auch vor Mord nicht zurückschreckt. Im
Folgenden soll anhand nur weniger Beispiele ein gesell-
schaftliches Umfeld gezeichnet werden, in dem das NSU-
Trio untergetaucht und vermutlich radikalisiert worden
ist. Diese Jahre, so eine Studie der Landesregierung von
Brandenburg zu diesem Thema, waren geprägt durch die
Tatsache, dass rassistische Einstellungen als normal emp-
funden und offen geäußert werden (Landeszentrale für
Politische Bildung Brandenburg Online, aktualisiert
2012).
Ein Höhepunkt der rechten Gewaltakte in Deutschland
waren 1997 ohne Zweifel der Mord an einem Polizisten
und dem Mordversuch an einem Buchhändler durch den
Berliner Rechtsterroristen Kay Diesner. Dieser hatte sich
vor seinen Taten mit rechtsextremer Musik aufgeputscht.
In Bad Reichenhall in Bayern kam es im selben Jahr zu
einem Amoklauf eines Jugendlichen, der drei Menschen
erschoss und zwei weitere schwer verletzt hatte. Bei ihm
wurde ebenfalls ein rechtsradikaler Hintergrund festge-
stellt.
Gegen eine auffallend große Zahl von „Kameradschaften“
und Gruppen, zum Teil mit erheblichem Waffen- und
Munitionsbesitz, sind 1997 Ermittlungen mit Verdacht
auf Bildung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet
worden. U. a. wurden in einem Waffendepot in Bayern
bei der Gruppe um Anton Pfahler fünf Maschinenpistolen
(Heckler & Koch, Uzi und Seorpion) gefunden sowie drei
Handgranaten. Daneben jede Menge Schrotflinten und
Munition.
In Sachsen wurde 1997 die Gruppe um Reinhold und
Voigtländer ausgehoben, sowie eine mit ihnen befreunde-
te Neonazi-Gruppe aus Baden-Württemberg. Neben
Sprengstoff und Zündern wurden wiederum Maschinen-
pistolen und Munition gefunden. Die Gruppe in Baden-
Württemberg wurde zudem verdächtigt, die Waffenbe-
schaffung zwischen dem Süddeutschen Raum und der
Schweiz organisiert zu haben. (Bundesamt für Verfas-
sungsschutz, Nr. 21, Gefahr eines bewaffneten Kampfes
deutscher Rechtsextremisten von 1997 bis Mitte 2004,
S. 1 ff.)
1997 wurden die „Kameradschaft Treptow“ und die
„Kameradschaft Köpenick“ in Berlin aufgelöst. Dabei
wurde Material zur Herstellung von Senfgas gefunden.
Und in Jena schließlich sind zum Jahresbeginn 1997,
Briefbombenattrappen bei der Ostthüringischen Zeitung,
der Jenaer Polizei und dem Ordnungsamt eingegangen.
Beigelegt war ein anonymes rechtsextremes Schreiben.
Im September desselben Jahres sind dann Kinder vor dem
Jenaer Theater auf einen Koffer mit einem Hakenkreuz
gestoßen. Im Koffer selbst lag eine Bombe, gefüllt mit
zehn Gramm TNT. Der Verdacht fiel auf Zschäpe,
Mundlos und Bönhardt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 931 – Drucksache 17/14600
Stellt man ihr kriminelles Handeln in diesen größeren
Zusammenhang, erkennt man, dass der NSU tatsächlich
Kinder seiner Zeit und seines Umfeldes waren. Eingebun-
den in extreme rechte Strukturen, umgeben von weitge-
hendem gesellschaftlichen Schweigen zu rassistischen
Übergriffen und animiert von gewaltbereiten Vorbildern
im In- und Ausland, deren „Taten" in der Szene oft Kult-
status erreicht haben.
VI.1.4. Der ideologische Hintergrund / Turner Diaries /
Lone Wolf / Leaderless Resistance
Das Buch ist oft als „Nazi-Bibel“ bezeichnet worden. Es
liefert das ideologische Rüstzeug für die gesamte rechte
Szene weltweit und ist zugleich eine exakte Bauanleitung
für jede Art von selbstgebastelter Bomben. Die Rede ist
von den „Turner Tagebücher“ (Turner Diaries), geschrie-
ben vom rechtsextremen US-Amerikaner William Luther
Pierce. Dieser Roman aus dem Jahr 1978 ist nach Anga-
ben der Anti-Defamation League in den USA das wohl
am weitest verbreitete und meist gelesene Buch in der
gesamten rechts-extremistischen Szene. In Deutschland
steht das Buch seit 2006 auf dem Index, denn es ruft zum
Rassenkrieg und zum Kampf gegen das System auf und
enthält ausführlich beschriebene Folterszenen.
Das Buch hat erwiesenermaßen als Vorbild für mindes-
tens sechs große rechtsextreme Anschläge gedient. Unter
anderem hat sich der sogenannte „Oklahoma-Bomber“,
Timothy McVeigh, bei seinem Anschlag auf das Buch
berufen, aber auch David Copeland bei den Nagelbom-
benanschlägen in London.
Auch der bereits erwähnte rechtsradikale deutsche
Polizistenmörder Kay Diesner hat in einem Interview
2001 aus dem Gefängnis heraus erklärt:
„Jeder sollte erkennen, wie die Welt da draußen
wirklich ist. Er kann sich letztendlich nur für unse-
re Sache entscheiden. Die Turner-Tagebücher sa-
gen und zeigen alles, was von Wichtigkeit ist.
Lasst sie uns in die Tat umsetzen!" (Verfassungs-
schutzbericht der Landesregierung von Schleswig-
Holstein, 2001, S. 21)
Inspiriert von dieser Vorlage haben sich zwei weitere
Widerstandskonzepte gegen „das System" entwickelt.
Einmal das Konzept des „Führerlosen Widerstandes“
(Leaderless Resistance) von Louis Beam. Der US-
Amerikaner hatte sein Strategiepapier zwar schon 1983
geschrieben, einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde
es aber erst 1992, als Louis Beam in der Zeitschrift „The
Seditionist“ seine Gedanken veröffentlichen konnte.
Weltweit bekannt wurde die Strategie dann durch den
bereits beschriebenen rechtsextremen Anschlag 1995 in
Oklahoma City, bei dem 168 Menschen getötet und 600
verletzt wurden (Endstation Rechts, 30. Mai 2012).
„Blood & Honour“, „Combat 18“ und auch die „Weisse
Wölfe" haben diese Konzept übernommen, bei dem der
Name an sich schon Programm ist: Kleine Terrorzellen
werden gebildet, die direkt und unabhängig agieren und
sich selbst den angemessenen Weg des Widerstandes
gegen das System suchen. Sie agieren aber auf einer ge-
meinsamen ideologischen Grundlage.
Dieser Ansatz wird in der Regel kombiniert mit dem
„Werwolf“ oder „Lone-Wolf“-Konzept, das ebenfalls aus
dem US-amerikanischen Rechtsextremismus kommt.
Einzeltäter oder Kleinstgruppen mit maximal drei Mit-
gliedern agieren vollkommen eigenständig, sind aber in
aller Regel in kommunikative Netzwerke eingebunden
(Uwe Backes 2012, in: Politische Studien 433, Hans Sei-
del Stiftung, S. 66).
VI.1.5. Der NSU: Umsetzung der Theorie in die Praxis
Auch wenn wir es nicht sicher wissen, so teilen wir die
Ansicht dass der NSU nicht nur mit dem „Lone-Wolf-
Konzept“, in Berührung gekommen ist, sondern es auch
mit perfider Präzision umsetzte – und ihm eine eigene und
neue Dimension verliehen hat. Wir vertreten die These,
dass die drei ursprünglich mittellosen flüchtenden jungen
Rechtsextremisten, die sich 1998 hilfesuchend an die
„Blood & Honour“-Kameraden in Sachsen gewandt ha-
ben, sich im Untergrund zu wichtigen und gewichtigen
Mitglieder der Szene entwickelten, zur „Spinne im Netz",
auf die viele Fäden zuliefen. Sie waren die informellen
Anführer eines größeren „Blood & Honour“-Netzwerkes
geworden.
Was als überstürzte Flucht begann, endete als Machtfak-
tor im Untergrund. Beim Trio liefen alle Informationswe-
ge zusammen. Sie bekamen über ein Jahrzehnt hinweg
alle Hilfeleistungen von ihrem Umfeld, um die sie gebe-
ten hatten. Von Geldzuwendungen bis zum Überlassen
der Personalausweise. Von der Anmietung von Wohnun-
gen über die Überlassung von Krankenversicherungskar-
ten bis zum Anmieten von Wohnwägen. Sie bestimmten,
wie sich Kameraden zu verhalten hatten, bis hin zum
Haarschnitt damit das Foto im Ausweis, der ihnen von
ihrem Umfeld überlassen worden war, zum eigenen Aus-
sehen passte. Das Trio erlaubte sich regelmäßige „Kont-
rollbesuche" bei Kameraden, um Veränderungen im Um-
feld rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Und
sie hatten willige Zuträger von Informationen, die für sie
oder mit ihnen – das ist bislang ungeklärt – die Tatorte
professionell ausspähten. Nicht zuletzt: Es gab mehrere
Menschen, die ihnen illegal Waffen besorgt hatten und bis
zuletzt Beate Zschäpe auf ihrer Flucht durch Deutschland
Hilfe und Unterschlupf gegeben haben. Schon im Sep-
tember 1998 schrieb das für die Zielfahndung zuständige
Dezernat 12 des LKA: die Drei gehörten jetzt „zum har-
ten Kern der ‚Blood & Honour‘-Bewegung“ in Jena (taz
vom 15. Mai 2012)
Und seit der Aussage von Carsten Schultze, Angeklagter
und Zeuge im NSU-Prozess am OLG München, ist auch
klar, dass dem Umfeld zumindest bewusst, wenn nicht
sogar bekannt war, dass das Trio ihre Waffen auch ange-
wendet haben. (Zeit Online, am 4. Juni 2013)
Wer über ein Jahrzehnt zum Teil strafbare Dienstleistun-
gen oder „Freundschaftsdienste" von Dritten einfordern
kann, im Untergrund lebt und nicht verraten wird, der hat
Einfluss und Macht über sein Umfeld. Der hat auch die
Mittel und Möglichkeiten, seinen Einfluss und seine
Macht zu demonstrieren und sie notfalls durchzusetzen:
Indem er Angst verbreitet und/oder so viel Geld hat, dass
Drucksache 17/14600 – 932 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
er damit seine Umgebung beeinflussen kann. Beim NSU
dürfte es eine Kombination aus beidem gewesen sein.
VI.1.6. Die Radikalisierung im Krieg – Ex-Jugoslawien
und Südafrika
Einen Menschen aus nächster Nähe mit einem Kopf-
schuss zu töten, lernt man nicht auf dem Schießstand oder
in der Grundausbildung bei der Bundeswehr. Es bleibt die
Frage, der leider im Ausschuss keine Zeit eingeräumt
worden ist, wo haben die Drei professionell Töten ge-
lernt? Die Morde sind ja sehr präzise und kaltblütig aus-
geführt worden – es waren Hinrichtungen und keine Af-
fekttaten.
Eine Möglichkeit töten zu lernen, die gar nicht wenige aus
dem damaligen „Blood & Honour“-Umfeld auch genutzt
haben, war, sich als Söldner in den kriegerischen Ausei-
nandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien zu verdin-
gen. Nach Aussagen der Bundesregierung auf eine Kleine
Anfrage aus dem Juni 2001 sollen nach Erkenntnissen des
Verfassungsschutzes rund 100 Deutsche mit rechtsextre-
mistischem Hintergrund im ehemaligen Jugoslawien eine
paramilitärische Ausbildung mit Waffen und Sprengstoff
durchlaufen haben (Bundestagsdrucksache 14/6413 vom
21. Juni 2001, S. 3).
Die Bundesregierung hat damals das Gefährdungspoten-
zial der heimkehrenden Söldner aus Ex-Jugoslawien wie
folgt eingeschätzt:
„Nach Deutschland zurückkehrende Söldner stell-
ten jedoch grundsätzlich aufgrund ihrer gewaltbe-
reiten Grundhaltung, einer möglicherweise im Zu-
ge ihres Aufenthaltes im Kriegsgebiet eingetrete-
nen Brutalisierung sowie der damit verbundenen
Verschiebung moralischer Wertvorstellungen ein
gewisses Risikopotenzial dar.“ (Bundestagsdruck-
sache 14/6413 vom 21. Juni 2001, S. 3)
Der beginnende Kosovo-Krieg im Januar 1998 hätte dem
Trio, oder zumindest einem der Drei, die Möglichkeit
gegeben, nach dem Untertauchen eine paramilitärische
Kampfausbildung zu erhalten und sich eine Tötungsrouti-
ne anzueignen.
Eine Kampfausbildung in echten Konflikten oder Kriegen
zu erhalten ist ein gängiges und beliebtes Muster von
Rechtsextremisten. Schon 1993, und nochmals 1995,
hatte der damalige Verfassungsschutz-Chef in Hamburg,
Ernst Uhrlau, vor der Radikalisierung und Militarisierung
deutscher Rechtsextremisten im Jugoslawienkonflikt
gewarnt. Vor dem Innenausschuss des Bundestages sagte
er damals, bezogen auf den Bosnienkrieg:
„Die Rechtsextremen diskutieren den bewaffneten
Kampf. Die Rückkehrer können den Übergang von
der Theorie zur rechtsterroristischen Praxis be-
schleunigen.“ (Focus, Nr. 9 1995)
Dass dies eine begründete Warnung war, zeigen einige
prominente Beispiele aus der rechten Szene, wie E. B. aus
Berlin. Er war Mitglied der ab 1995 verbotenen FAP,
dann Mitglied der NPD. B. hat sich nicht nur lange Zeit
als Söldner in Kroatien verdingt, sondern hat nach seiner
Rückkehr seine Kampfausbildung bei Wehrsportübungen
demonstriert und wurde 2004 bei einer solchen Übung in
einem Brandenburger Wald vom einem Sondereinsatz-
kommando der Polizei (SEK) festgenommen. Er unter-
hielt enge Kontakte zu den „Hammerskins“ und „Blood &
Honour“.
Oder der aus Baden-Württemberg stammende A. N.. Seine
Vita weist einige Berührungspunkte mit dem Umfeld des
NSU auf. Er könnte als Vorbild für die Drei gedient ha-
ben. N. ist mit dem bereits schon mehrfach erwähnte Jan
Werner, dem „Blood & Honour“-Aktivisten aus Sachsen,
befreundet und ebenso freundschaftlich ist der Umgang
mit A. S. gewesen, dem Begründer des deutschen Ku-
Klux-Klan Ablegers in Baden-Württemberg. In diesem
deutschen Ku-Klux-Klan waren mindestens zwei Polizei-
beamte aus Baden-Württemberg Mitglied, darunter auch
der Zugführer der 2007 ermordeten Polizistin Michèle
Kiesewetter.
A. N. hat 1993 mehrere Monate als Söldner für die fa-
schistische kroatischen HOS-Milizen (Hrvatske
obrambene snage / Kroatische Verteidigungskräfte) in
Bosnien gekämpft. Nach seiner Rückkehr nach Deutsch-
land finanzierte er sich seinen anschließenden Söldner-
Aufenthalt in Südafrika durch den Überfall auf ein Post-
amt in Lübeck im Dezember 1993. Danach verschwand er
nach Südafrika und hatte sich dort einer rechtsextremen
Söldnertruppe um die Deutschen H. K., T. K. und S. R.
angeschlossen. H. K. stand dabei dem rechtsextremen,
terroristischen Nationalisten Eugene Terre‘Blanche und
seiner Widerstandsbewegung nahe, die für die Aufrecht-
erhaltung der Apartheid kämpfte. Nach Meldungen der
Associated Press (AP) vom 24. März 1994 kam es zwi-
schen den deutschen Rechtsextremisten und der südafri-
kanischen Armee zu einem Feuergefecht, bei dem T. K.
getötet wurde. H. K. konnte zunächst fliehen, ist aber
wenige Tage darauf mit A. N. zusammen verhaftet wor-
den. N. wurde in Südafrika zu drei Jahren Haft verurteilt,
aber dann in die Bundesrepublik abgeschoben. Zu Hause
wurde er von der rechtsextremen, und seit 2011 verbote-
nen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene
und deren Angehörige“ (HNG), betreut. Mitglied in der
HNG war auch Uwe Mundlos, und in Beate Zschäpes
Adressbuch sind mehrere Namen westdeutscher HNG-
Mitglieder gefunden worden, unter anderem die Telefon-
nummer der langjährigen Vorsitzenden der HNG, Ursula
Müller (Focus vom 13. Mai 2013).
VI.2.1. Südafrika, Nordbruch und Schweiz
Am 8. August 1998 ist die Anspannung im LKA Thürin-
gen und auch im BKA vermutlich mit Händen zu greifen
gewesen. Denn an diesem Tag, so die Informationen eines
V-Manns, sollte das Trio mit dem Flug LZ 438 via Bulga-
rien nach Südafrika ausreisen und dort untertauchen (taz
vom 6. Mai 2012). Über Interpol wurde die bulgarische
Polizei angehalten, die Insassen des Fluges zu überprüfen
und das Trio festzunehmen. Doch diese waren – nach
allem was man derzeit weiß – zu diesem Zeitpunkt nicht
auf dem Weg nach Südafrika, sondern sind im nahen
Chemnitz untergetaucht.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 933 – Drucksache 17/14600
Auf den Weg nach Südafrika machten sich damals aller-
dings ein paar Freunde des Trios: André Kapke, einer der
Hauptakteure des Thüringer Heimatschutzes und seit
Februar 2013 Beschuldigter im laufendem NSU-Prozess
und Mario Brehme. Die Beiden wollen zur Farm des
deutsch-österreichischen Rechtsradikalen und
Apartheidsbefürworters Claus Nordbruch.
Claus Nordbruch, ein ehemaliger Leutnant, der wegen
rechtsextremistischer Umtriebe aus der Bundeswehr ent-
lassen wurde, ist 1986 nach Südafrika ausgewandert, hat
aber seine Verbindungen zu rechten Szene in Deutschland
nie abreißen lassen. Er hatte Kontakt zum Thüringer
Heimatschutz speziell zu Tino Brandt, mit dem er sogar
ein langes Interview nach dessen Aufdeckung als Spitzel
führte und das Interview auch auf seiner Homepage veröf-
fentlichte
(http://www.nordbruch.org/view-gallery/At%20Work).
Nordbruch wollte auch seine Farm in Südafrika für die
paramilitärische Ausbildung rechter Kämpfer zur Verfü-
gung stellen und besuchte sein „Klientel" öfters in
Deutschland auf seinen Vortragsreisen. So unterhielt er
auch Verbindungen zum Fränkischen Heimatschutz und
gab dem Fanzine „Blood & Honour" im Jahr 2000 ein
Interview in dem er zum Besuch seiner Farm in Südafrika
einlud und öffentlich zum Gebrauch von Waffen aufrief:
„Zur Verteidigung und zum Nahkampf empfehle
ich eine 12er Repetierschrotflinte, den Colt Py-
thon. 357 Magnum, die Heckler & Koch MP5. Für
die Jagd hat sich ein halbautomatischer Karabiner
308 oder 30.06 bewährt und wenn's ganz massiv
kommt, ist das Sturmgewehr R 5 überaus nütz-
lich.“
Ob das Trio Nordbruch persönlich gekannt hat, Kontakt
zu ihm hatte oder sogar tatsächlich in Südafrika war, ist
vermutlich ohne die Aussage Beate Zschäpes nicht zu
klären. Sicher ist aber, dass sich im Brandschutt des Hau-
ses in der Frühlingsstraße ein Buch von Claus Nordbruch
befand und seine Visitenkarte (Spiegel Online 18. April
2012).
Nach Erkenntnissen der Ermittler hatten Böhnhardt,
Zschäpe und Mundlos nach ihrem Untertauchen im Jahr
1998 zeitweise erwogen, in Südafrika unterzutauchen,
haben es aber wohl auf Intervention Zschäpes nicht ge-
macht.
VI.2.2. Der NSU und die Schweiz
Nahezu gesichert aber ist, dass zumindest einer aus dem
Trio, wenn nicht alle Drei, in der Zeit ihres Untertauchens
Deutschland verlassen hat. So kamen 1998 Anrufe aus
einer Telefonzelle in Concise aus der Schweiz. Der kleine
Ort liegt in der Nähe des Genfer Sees, im Kanton Waadt,
kurz vor der Grenze zu Frankreich. Ob alle Drei in der
Schweiz waren, wie lange, und ob sie aus der Schweiz in
andere Länder gereist sind, das ist im Untersuchungsaus-
schuss unklar weil unbearbeitet geblieben. Auch, weil
nicht, wie von der FDP-Fraktion vorgeschlagen, ein
Obleutegespräch mit dem Schweizer Botschafter statt-
fand, obwohl dieser bereit gewesen wäre. Auch wurde
keine Vertreter des Schweizer Staatsschutz (NDB) in den
Ausschuss eingeladen. Aus Sicht der FDP-Fraktion sind
das schwere inhaltliche Versäumnisse des Ausschusses
gewesen, die zur Aufklärung des Untertauchens, der in-
ternationalen Unterstützerkreises des NSU hätten beitra-
gen können
Der Ausschuss richtete sein Augenmerk zu sehr auf die
Vorgänge in Deutschland und vernachlässigte die interna-
tionalen Beziehungen, die das Trio einerseits wahrschein-
lich persönlich hatte, andererseits, die „Blood & Honour“
ins Ausland hatte.
So hatte das Trio bereits seit Jahren Kontakt zu M. F.,
einem bekannten Schweizer Neonazi und Vorsitzenden
der rechtsradikalen Partei national orientierter Schweizer
(PNOS). M. F. steht auf der 129-er Liste des BKA zur
Umfeldermittlung des NSU. Er ist auch Mitglied der
„Schweizer Hammerskins“. F. war mehrmals auf Einla-
dung des „THS“ in Deutschland als Redner aufgetreten,
so 2007 beim Neonazitreffen auf dem „Fest der Völker"
in Jena, das der NSU-Unterstützer André Kapke veranstal-
tet hatte. Im Herbst 2008 nahm er als Redner bei einem
von der NPD und dem "Freien Netz Zwickau" organisier-
ten "Nationalen Gesprächskreis" in Zwickau teil. Ein
weiterer von mehreren Bekannten F.s im Umfeld der
Neonazizelle war der „THS“-Aktivist Thomas G. (Finan-
cial Times Deutschland vom 22. März 2012).
Interessant sind die Schweizer Verbindungen auch des-
halb, weil nicht nur die Mordwaffe, die Česká 83 aus der
Schweiz kam, sondern auch die Pumpgun Marke
Mossberg, Typ Maverick 88. Sie kam aus den Händen
eines Schweizer Metzgers, der dem dortigen Staatsschutz
kein Unbekannter ist. Michael S. war lange Jahre Mitglied
der rechtsextremistischen „Thaler Patrioten“. Es gibt
einschlägige Fotos von ihm in Springerstiefeln, Bomber-
jacke und erhobenem rechten Arm. (Berner Zeitung vom
13. April 2013). Es ist nicht vollständig geklärt, wie diese
Waffe nach Deutschland und in die Hände des NSU kam.
Der Ausschuss hat sich leider nicht damit beschäftigt.
VI.3. Der NSU und die Hilfsorganisation für nationale
politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)
Eine weitere Verbindung, die sehr nachdenklich stimmt,
ist die Mitgliedschaft von Uwe Mundlos in der HNG
sowie die Telefonlisten von Beate Zschäpe mit diversen
Telefonnummern der HNG.
Denn die HNG war bis Mitte der 90er Jahre mit rund
1000 eingetragenen Mitgliedern die wohl größte Neonazi-
Vereinigung in Deutschland (Schröm/Röpke 2001: Stille
Hilfe für braune Kameraden, S. 169), und zählte
„als organisationsübergreifende Vereinigung zu
einer der wichtigsten Organisationen, logistischen
Netzwerk des Neofaschismus.“ (MAT_ A_ BND-
5a, S. 61)
Die HNG hat 1997 bei ihrer Gründung die geistige und
organisatorische Nachfolge der berühmt-berüchtigten
Organisation der „Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und
Internierte“ angetreten, die, 1951 gegründet, in der Nach-
kriegszeit mithalf, wegen Kriegsverbrechen gesuchte
Drucksache 17/14600 – 934 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nazis über die sogenannte „Rattenlinie" (rat lines) die
Flucht ins Ausland zu ermöglichen. Die „Stille Hilfe“ hat
unter anderem Klaus Barbie, Erich Priebke und Josef
Schwammberger geholfen und betreut. Zwar ist die Rat-
tenlinie älter als die „Stille Hilfe“, doch in der „Stillen
Hilfe“ manifestierten sich die zuvor informellen Hilfs-
dienste für flüchtige Nazis organisatorisch. Mit falschen
Papiere, Geld und logistischer Hilfe versehen, konnten
Alt-Nazis nach Südamerika oder in den Nahen Osten
fliehen. Geführt wurde die „Stille Hilfe“ bis 1992 von
Gertrude Herr, ehemals Führerin des Bundes Deutscher
Mädel (BMD), und ein weiteres Mitglied und eine Art
„Spiritus Rector“ war von Beginn an, „Püppi“ Gudrun
Himmler, verheiratete Burwitz, die Tochter von SS-
Reichsführer Heinrich Himmler. Im Jahr 1991 übernahm
dann Ursula Müller den Vorsitz der HNG und führte den
Verein gemeinsam mit ihrem Mann C. M. bis zum Ver-
einsverbot im November 2011 (Schröm/Röpke, 2001:
Stille Hilfe für braune Kameraden, S. 97 ff).
Die „Stille Hilfe“ geriet Ende der 90er Jahre über die
Betreuung von Karl Malloth in den Fokus der deutschen
Öffentlichkeit. Malloth, der in Theresienstadt Kriegsver-
brechen begangen hatte, lebte unbehelligt in Deutschland
und wurde von der „Stillen Hilfe“ finanziell wie logistisch
unterstützt. 1999 entschied der Bundesfinanzhof im Zuge
dieses Skandals, dem Verein die Gemeinnützigkeit abzu-
erkennen. Damit begann der langsame Niedergang der
„Stillen Hilfe“, gleichzeitig aber der Aufstieg der HNG
(Der Tagesspiegel vom 10. Juni 2001).
Die HNG führt dann das nahtlos weiter, was die „Stille
Hilfe“ weit über 40 Jahre ungehindert in Deutschland
machen konnte. Das wurde auch möglich durch die engen
personellen Überschneidungen zwischen den beiden Or-
ganisationen. Manifestiert beispielsweise in der Person
des wegen Rechtsterrorismus (!) verurteilten Manfred
Roeders. Bei seiner Verhandlung vor dem Amtsgericht in
Erfurt, am 26. September 1996, tauchte er in Begleitung
von Mundlos, Bönhardt, Wohlleben und Kapke auf. Roe-
der, der wegen Sachbeschädigung der Wehrmachtsaus-
stellung vor Gericht stand, ist Mitglied der HNG. Ebenso
Thomas G., ein radikaler Aktivist des „Thüringer Heimat-
schutzes“ (THS) und der „Hammerskins“. Er benutzte das
Passwort „Mandy Struck“, ein Alias-Name von Beate
Zschäpe, um sich in Internetforen einzuloggen. Thomas
G. und Ralf Wohlleben organisierten gemeinsam rechtsra-
dikale Veranstaltungen in Ostdeutschland, wie beispiels-
weise das „Fest der Völker“ in Thüringen (Zeit Online,
9. Dezember 2012). Die HNG führte aber auch die guten
Auslandsbeziehungen der „Stillen Hilfe weiter. So unter-
hielt sie Kontakte zur Auslands- und Aufbauorganisation
der NSDAP, der NSDAP/AO in den USA, gegründet
durch den Holocaust-Leugner Gerry Lauck 1972. Kontak-
te gab es ebenfalls zu Rechtsextremisten in Dänemark,
den Niederlanden und Österreich (MAT A BND-5a, S.
61).
Wie präsent die „Stille Hilfe“ aber auch weiterhin bei den
jungen Neonazis ist, zeigt sich im Juni 2013, bei einer
rechten Demonstration für den Inhaftierten NSU-
Unterstützer Ralf Wohlleben. In Kahla, südlich von Jena,
werben am 15. Juni 2013, 160 Neonazis unter einem
Plakat des „Thüringer Heimatschutzes“ um Solidarität mit
Ralf Wohlleben und rufen zur „Stillen Hilfe“ für „Wolle“
auf, was in diesem Kontext eindeutig sein dürfte. (blick
nach rechts, 17. Juni 2013)
Auch wenn es bislang keine Belege dafür gibt, sind die
Verbindungen des Trios zur HNG genauso wie zu „Blood
& Honour“ dazu angetan, eventuell schnell und geräusch-
los ins Ausland verschwinden zu können. Die HNG hat
das Wissen, die Erfahrung, die Gesinnung, das Geld und
die Kontakte, um Neonazis, die untertauchen müssen, ins
Ausland zu verhelfen. Um es kurz zu sagen – die HNG
hatte eigentlich alles, was die Drei 1998 brauchten.
Diese doch nahe liegenden Möglichkeiten, wie auch die
HNG selbst, waren aber kaum ein Thema im Ausschuss.
Das Thema wurde aus Zeitgründen nicht aufgerufen, was
die FDP-Fraktion sehr bedauert. Denn die HNG ist eben-
so wie „Blood & Honour“, zum Teil personenübergrei-
fend eine rechtsradikale Organisation mit hervorragenden
internationalen Beziehungen und Geld. Wissend um die
Gefährlichkeit der HNG, hat die FDP-Fraktion bereits
2009 im Bundestag ein Verbot gefordert und einen ent-
sprechenden Verbotsantrag in den Bundestag eingebracht.
Doch der Verein bestand noch bis 2011 weiter (Bundes-
tagsdrucksache 16/13369).
VI.4. Zusammenfassung
Im Jahr 2000 ist die Deutsche Division von „Blood &
Honour“ durch die Verfügung des Bundesinnenministers
Otto Schily vom 12. September 2000 verboten worden.
Ebenso die damit verbundene Jugendorganisation „White
Youth“. Eine Klage zweier Mitglieder von „Blood &
Honour“ gegen das Verbot wurde vom Bundesverwal-
tungsgericht am 13. Juni 2001 abgelehnt (Pressemittei-
lung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 19 vom 13. Juni
2001).
Das Szene reagierte auf das Verbot ruhig aber trotzig -
und vor allem schnell: „Trotz Verbot nicht tot“ wurde von
der Szene als Gegen-Devise ausgegeben (ein alter CD-
Titel) und man entzog sich dem staatlichen Verfolgungs-
druck ganz einfach dadurch, dass die Sektionen sich ent-
weder umbenannten, beispielsweise in „oder sich in
(noch) nicht verbotenen Organisationen erneut sammel-
ten, wie beispielsweise in „Combat 18“. Die Szene wurde
also einfach umstrukturiert – statt einer festen Organisati-
on gab es nun fluide Strukturen, die aber dennoch weiter-
hin funktionierten – wie zuvor auch.
Verbote helfen also nicht gegen Gesinnungen: Große
Razzien beispielsweise 2003 in Schleswig-Holstein gegen
„Combat 18“ oder 2002 in Sachsen-Anhalt, in der 46
Geschäfts- und Wohnräume durchsucht worden sind,
zeigen, dass der Organisationsgrad der Szene nach wie
vor hoch war und weiterhin eine Gefährdung von der
ehemaligen „Blood & Honour“-Szene ausging.
2006 wurde sogar noch einmal bundesweit eine Großraz-
zia gegen das immer noch inoffiziell bestehende Netz-
werk von „Blood & Honour“ durchgeführt. Insgesamt
mehr als 119 Objekte mit rund 80 Verdächtigen in sechs
Bundesländern wurden gleichzeitig durchsucht (Spiegel
am 7. März 2006). Die Verdächtigen sind beschuldigt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 935 – Drucksache 17/14600
worden, das verbotene Netzwerk weiterzuführen. „Blood
& Honour“, das kann man nach dem Bekanntwerden des
NSU vom 4. November 2011 nun behaupten – existiert
bis heute weiter. Einige der Mitglieder sitzen auf der
Anklagebank des OLG in München.
Interessant ist, dass trotz dieser groß angelegten Polizei-
aktion und des Verfolgungsdruck der Behörden, und trotz
der engen Anbindung des Trios an „Blood & Honour“
Mitglieder, das Trio, nach allem was wir wissen, nie in
die Gefahr der Entdeckung oder Enttarnung kamen.
Die Szene hat dicht gehalten - weit über zehn Jahre. Sie
hat ebenso lange Hilfsstrukturen aufrecht erhalten und
Kontakte zu den Dreien gepflegt. Es ist Zeit, dass Polizei,
Dienste, aber auch die Politik sich ihrer eigenen und viel-
fach unzutreffenden Bilder über den Rechtsradikalismus
bewusst werden.
Alte Denkansätze haben – auch – verhindert, dass neue
Ermittlungsansätze aufgegriffen und wahrgenommen
wurden. Das ist nach Auffassung der FDP-Fraktion ein
wesentlicher Punkt zur Erklärung des bundesweiten Be-
hördenversagens.
Den Polizeien, Staatsanwaltschaften, dem Bundesverfas-
sungsschutz, den Landesämtern, aber auch der ermitteln-
den BAO „Bosporus“ ist es nicht möglich gewesen, sich
neu bildende Neonazi-Netzwerke und Strukturen zu er-
kennen, sie sauber zu analysieren und zu zerschlagen.
Vielversprechende Hinweise und andere Ermittlungsan-
sätze, die es durchaus gab, wurden aber nicht konsequent
weiterverfolgt, aus den Augen verloren oder auf Arbeits-
ebene nicht ernsthaft umgesetzt.
Nach den Anhörungen vieler Verfassungsschutzmitarbei-
ter aus Bund und Ländern im Ausschuss kommen wir zu
dem Ergebnis, dass bei der Informationsabschöpfung von
rechtsradikalen V-Männern durch den Verfassungsschutz
vorwiegend das eigene Bild, die eigene Erwartungen,
abgefragt wurden. Wer und wie viele „Kameraden“, aus
welchen Bundesländern waren bei welchen rechtsradika-
len Konzerten und wo? Und wer hat welche Aufgabe in
der NPD übernommen? Das waren die Standardfragen. Es
war ein eher mechanisches Abfragen und Abhaken von
Orten, Namen und Fakten, selten eine qualitative Befra-
gung durch die V-Mann-Führer. Hintergründe haben eher
nicht interessiert. Hier bildete immerhin der MAD mit
seinen weitergehenden Befragungen eine positive Aus-
nahme.
Neonazis und Rechtsradikale sind vorwiegend als latent
gewalttätige Störenfriede der öffentlichen Ordnung wahr-
genommen worden, die verbotene Kennzeichen benutzen,
Konzerte besuchen, grölen, pöbeln und saufen. Dass da-
hinter der Aufbau strukturierter Netzwerke und organi-
sierte Kameradschaften stehen könnten oder die massive
Missionierung durch extremistische und terroristische
Ideologieansätze, wird kaum einmal als Erklärungsmuster
herangezogen – ganz einfach: man traut gezieltes strategi-
sches Handeln den Rechtsextremen nicht zu. Wolfgang
Geier, leitender Kriminaldirektor Unterfranken und ehe-
maliger Leiter der BAO „Bosporus“ hat diese Denkweise
vor dem bayerischen Untersuchungsausschuss am 20.
Februar 2013 wie folgt zusammengefasst:
„Man konnte sich nicht vorstellen, dass es in
Deutschland Rechtsterroristen gibt“ (Endstation
Rechts, 23. Februar 2013).
Dieses Zerrbild, wie bereits in der Einleitung hervorgeho-
ben, der „rechten Suff-Köpfe" so ist unser Fazit, ist auch
von den V-Männern in der rechten Szene gerne und ge-
zielt aufrechterhalten worden und ihre Befragern aus dem
Verfassungsschutz haben sich somit selbst bestätigt gese-
hen. Es wurde viel gefragt, aber die Verfassungs-
schützer habe sich dabei nur selbst gespiegelt – und es
nicht bemerkt. So konnten sich hinter der Spiegelfläche –
zwar nicht ganz unbemerkt – aber relativ ungestört, rech-
te, terroristische Strukturen ausbilden.
Der Umgang von Verfassungsschutz und Polizei mit
Rechtsextremen zeigt, dass deren Entschlossenheit und
deren Organisationsgrad vollkommen unterschätzt wur-
den. Offenbar haben Verfassungsschützer geglaubt, sie
könnten die Szene einfach durchleuchten und unter Kon-
trolle halten, indem man ordentlich Geld an diverse Kader
zahlt. Der NSU bewies auf grausame Art, wie falsch diese
Annahme gewesen ist. Der Geheimdienst hat die rechte
Szene durch eine Zerrbrille gesehen, nämlich durch die
Darstellungen der Neonazis (V-Leute) selbst.
Oder, in der Einleitung bereits kurz dargestellt, wie der
Sachverständige und Diplom-Kriminalist Günter Schicht
in der Abschlusssitzung des Ausschusses des Deutschen
Bundestages, am 16. Mai 2013, sagte: „Wissen macht
lernbehindert.“ Wenn man also glaubt, alles über einen
Fall oder eine Szene zu wissen, ist man nicht mehr offen
für Anderes – man lernt nichts mehr dazu. Günter Schicht
nennt das das „routinemäßige Wissen“ der Sicherheitsbe-
hörden, die einschätzen zu können und die aus dieser
Erfahrung Schlussfolgerungen für die Ermittlungen zu
ziehen. Damit werden aber andere Ermittlungsansätze
einfach beiseitegeschoben. (Protokoll der Ausschusssit-
zung vom 16. Mai, S. 63).
Das Verkennen rechter Netzwerke und Strukturen zieht
sich bis hinein in Polizei und Justiz. Der staatliche Ver-
folgungsdruck durch Zielfahndung und normaler Polizei-
arbeit war schlicht unzureichend. Fahndungsmaßnahmen
sind nur punktuell anberaumt oder zeitlich auf wenige
Tage beschränkt gewesen. Überwachungs- oder G10-
Maßnahmen sind lückenhaft und nicht konsequent durch-
geführt worden. Waren länder- oder dienstübergreifende
Maßnahmen geplant, verliefen sie mangels Informations-
austausch unkoordiniert und somit ergebnislos.
Das war die Chance des NSU.
VII. Der Einsatz von V-Personen ist richtig,
aber nur wenn er reformiert wird
Die Aufgabe, unseren demokratischen Rechtsstaat zu
schützen, ist nach wie vor bedeutsam. Unsere Demokratie
muss dazu wehrhaft bleiben. Als ein Mittel zum Schutz
unserer Demokratie wollen wir, dass die Nachrichten-
Drucksache 17/14600 – 936 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dienste ihren Aufgaben effizient und effektiv nachkom-
men. Eine Abschaffung der Dienste wäre hingegen grob
fahrlässig. Vielmehr müssen sich auch die Nachrichten-
dienste in Bund und Ländern und ihre Aufsichtsbehörden
einem intensiven Erneuerungsprozess stellen.
Die Nutzung von V-Leuten ist dabei für den Staat und
seine Nachrichtendienste ein besonderes Problem. Schon
seit Jahrhunderten wird diskutiert, ob der Staat Erkennt-
nisse aus privatem Vertrauensbruch abschöpfen darf.
Weniger theoretischen Charakter haben Fragen wie:
Ist es richtig, dass sich der Staat mit Verfassungsfeinden
und mitunter Kriminellen einlässt?
Ist die Nutzung von V-Personen erfolgsversprechend?
Kann man V-Personen führen?
Wie viel materielle Unterstützung darf man ihnen zu-
kommen lassen?
Wie soll der Staat mit Straftaten von V-Personen umge-
hen?
Diese und weitere Fragen stellten sich der FDP-Fraktion
während der Arbeit des Untersuchungsausschusses immer
wieder. Fraktionsübergreifend wurde den V-Personen
besondere Bedeutung beigemessen. Der gemeinsame
Bewertungsteil widmet sich ausführlich – aber längst
nicht abschließend – diesem Thema, zählt „Probleme und
Auswüchse“ auf. Im Lichte dieser und weiterer Erkennt-
nisse gilt es, sich dem Komplex „V-Personen“ zu wid-
men, grundsätzliche Fragen aus liberaler Sicht zu beant-
worten und so eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem
Thema voranzutreiben.
VII.1. Der Einsatz von V-Personen kann einen wichtigen
Erkenntnisgewinn bringen
Vom Untersuchungsausschuss vernommene Zeugen aus
dem Bereich der Nachrichtendienste haben dargelegt,
dass durch den Einsatz von V-Leuten Erkenntnisgewinne
erzielt werden konnten, aufgrund dessen Maßnahmen
ergriffen wurden, die rechtsextremistische Umtriebe und
Straftaten verhinderten oder erschwerten. Besonders plas-
tisch berichtete der Zeuge Meyer-Plath vom Erkenntnis-
gewinn durch die Führung des V-Mannes Carsten
Szczepanski, der „Plastiktütenweise“ Propagandamaterial
geliefert habe. Die Einblicke in rechtsextremistische
Strukturen hätten das Lagebild des Verfassungsschutzes
verbessert. Es sei ein „Quantensprung“ gewesen (64.
Sitzung am 15. April 2013). Der Zeuge Rannacher sah in
bestimmten Phänomenbereichen den V-Leute-Einsatz als
alternativlos an, selbst in Anbetracht des theoretisch mög-
lichen Einsatzes von verdeckten Ermittlern (65. Sitzung
vom 18.04.2013). Auch der Zeuge Gabaldo aus der Fach-
prüfgruppe des BfV hält die Nutzung von V-Leuten für
unverzichtbar. Diese Ansichten aus den Reihen der Nach-
richtendienste verwundern sicher nicht. Allerdings kom-
men auch wir angesichts der vielen nicht unwichtigen
Informationen, die V-Leute nach den uns vorliegenden
Akten geliefert haben, zu dem Ergebnis, dass der V-
Leute-Einsatz grundsätzlich geeignet ist, erhebliches
Wissen über Planungen, Aktionen und Strukturen der
rechtsextremistischen Szene zu generieren. Richtig ge-
nutzt, könnte schon im Vorfeld strafbaren Handelns auf
die Szene rechtsstaatlich einwandfrei eingewirkt werden.
Man muss sich dabei allerdings bewusst sein, dass es
hierbei häufig zu einer Kooperation mit Verfassungsfein-
den kommt, von der nicht nur der Staat profitiert; der
Nutzen für die Verfassungsfeinde sollte indes möglichst
gering ausfallen- leichter gesagt als umgesetzt. So werden
schon anhand der bereits getroffenen Feststellungen zu
den eher eindimensionalen Informationen und der Aus-
führungen der Zeugen Probleme des V-Leute-Einsatzes
deutlich. Angesichts des V-Mannes Szczepanski stellt sich
die Frage, ob man eine wegen versuchten Mordes verur-
teilte Person anwerben darf. Zudem reicht es nicht, In-
formationen zu sammeln; sie müssen für einen erfolgrei-
chen V-Leute-Einsatz auch sinnvoll genutzt werden. Eine
Feststellung, die banal klingt, leider aber bei weitem nicht
banal ist, wie wir immer wieder erfahren mussten, auch
vom BfV (Feststellungsteil, „Grundsätze der V-Personen-
Führung“).
VII.2. Die Auswahl möglicher V-Personen muss verbes-
sert werden
Bei der Auswahl von V-Personen kam es den Diensten
anscheinend oft allein auf die mögliche Qualität lieferba-
rer Informationen an. So ist es zu erklären, dass bei-
spielsweise in den Fällen Tino Brandt und Carsten
Szczepanski eine Führungsfigur der rechtsextremistischen
Szene bzw. ein wegen versuchten Mordes verurteilter
Straftäter angeworben wurde. Die Gefahr, die von der
Kooperation mit Führungspersönlichkeiten und
Schwerstkriminellen ausgeht, wurde offensichtlich unter-
schätzt oder überhaupt nicht gesehen. Dabei hätte den
Diensten klar sein müssen, dass natürlich auch V-
Personen von der Zusammenarbeit profitieren. Sie erhal-
ten über die materiellen Leistungen hinaus u. a. Kenntnis-
se zur Arbeitsweise der Dienste, können austesten, welche
Aktivitäten geduldet werden und diese dann zum Nutzen
der rechtsextremen Szene ausbauen, können die Auf-
merksamkeit der Dienste lenken, sich selbst aber ggf. aus
der „Schusslinie“ nehmen. Im schlimmeren Falle werden
sie vor Exekutivmaßnahmen gewarnt oder vor Ermitt-
lungsverfahren geschützt, wie von Tino Brandt behauptet.
Wenn aber schon bei der Auswahl der V-Leute unberück-
sichtigt bleibt, dass es besonders gefährlich ist, herausge-
hobene Personen zu führen, ist es kaum verwunderlich,
dass die bei der späteren Führung dann entstehenden
Probleme nicht gesehen oder falsch bewertet werden.
Dass die Nachrichtendienste die Gefährlichkeit der V-
Leute schon bei der Anwerbung falsch einschätzten, mag
auch an der in den Nachrichtendiensten u. a. durch das
„Handbuch des Verfassungsschutzrechts“ von Bernadette
Droste verbreiteten Ansicht liegen, V-Leute seien nicht
selten Bürger, die von den Diensten „umgedreht“ werden,
also keine wirklichen verfassungsfeindlichen Überzeu-
gungstäter mehr sind. Diese sich auch in der Zeugenver-
nehmung des Untersuchungsausschusses wiederfindende
Behauptung, für deren Absicherung nebenbei bemerkt im
„Handbuch des Verfassungsschutzrechts“ lediglich auf
einen Text aus 1984 verwiesen wird, erscheint uns abwe-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 937 – Drucksache 17/14600
gig und sollte massiv hinterfragt werden, wie es erfreuli-
cherweise der eine oder andere Zeuge bereits tat.
Insgesamt müssen die Dienste beim Einsatz von V-Leuten
auf Führungspersonen, die die rechte Szene entscheidend
mitbestimmen, und Schwerstkriminelle mit einschlägigen
Vorstrafen verzichten. Die Aktivitäten der in Betracht
kommenden Personen sind umfassend zu ermitteln, aus-
zuwerten und bereits in der Entscheidung über eine An-
sprache zu berücksichtigen.
VII.3. Die Führung der V-Personen muss verbessert wer-
den
Der Blauäugigkeit bei der Auswahl möglicher V-
Personen entsprechend, wurde – scheinbar in erster Linie
auf die Möglichkeiten der Informationsgewinnung fokus-
siert – auch bei der Führung den Aktivitäten der V-Leute
und deren Umfeld viel zu wenig Bedeutung beigemessen.
Andernfalls hätte beispielsweise bei der Führung
Szczepanskis nicht nur auffallen müssen, welche die
rechtsextreme Szene stärkende Rolle er insbesondere auch
durch den ihm behördlicherseits eingeräumten Spielraum
ausfüllen konnte, sondern hätten diese Erkenntnisse zu
einer Abschaltung Szczepanskis und dem Versuch, ihn mit
strafrechtlichen Mitteln zu verfolgen, führen müssen.
Stattdessen gewährte man ihm nicht unerhebliche Vorteile
bei seiner Arbeit für die rechtsextremistische Szene. Es ist
indes nicht davon auszugehen, dass allein der V-Mann
Szczepanski in der Lage war, wertvolle Hinweise zu ge-
ben, man sich nicht auch auf andere V-Leute hätte stützen
können. Wie schon bei der Reaktion auf Waffenfunde,
volksverhetzende Musik etc. zeigt sich hier erneut, dass
die Gefährlichkeit der Aktivitäten von Rechtsextremisten
massiv unterschätzt wurde.
Zukünftig haben sich die Dienste auch im Zeitraum der
Führung und nach Beendigung selbiger umfassend dem
Umfeld der V-Leute zu widmen, ist deren Bedeutung und
Gefährlichkeit zu beachten, muss der Nutzen der Koope-
ration für den V-Mann mehr Berücksichtigung für den
Umgang mit ihm finden.
Wir sind uns bewusst, dass V-Leute kaum alle ihre für die
Dienste relevanten Informationen preisgeben, sie mitunter
auch versuchen, den Fokus der Dienste von bestimmten
Informationen fern zu halten. Gegen derartige Versuche
hilft nur ein besonderes Problembewusstsein und sich
daraus ableitende Maßnahmen, wie z. B. die
Umfeldbeobachtung, das Gegenprüfen von Informationen
etc.
Es ist ein verharmlosendes, falsches Vorurteil, dass
Rechtsextremisten „dumm“ seien. Ihre Fähigkeiten müs-
sen realistisch eingeschätzt werden. Dazu ist es erforder-
lich, die V-Mann-Führer, die über eine professionelle
Ausbildung verfügen sollten, auch psychologisch zu schu-
len. Mitunter kann es notwendig sein, V-Leute von Ange-
hörigen des höheren Dienstes führen zu lassen. V-Mann-
Führer sollten zudem nur eine begrenzte Zeit lang für eine
V-Person zuständig sein. Dies erschwert gefährliche
„Verbrüderungen“ zwischen V-Mann-Führer und V-
Leuten. „Verbrüderungen“ senken das Maß an Objektivi-
tät und Professionalität.
In allen Nachrichtendiensten sind Fachprüfgruppen für
den V-Leute-Einsatz einzurichten, die direkt der Hauslei-
tung unterstellt werden. Ihre Größe muss so bemessen
sein, dass die Arbeit jedes V-Mann-Führers auch ohne
besondere Vorkommnisse jährlich geprüft wird. Ver-
schiedene Ausbildungszweige müssen in den Gruppen
vertreten sein, neben Juristen und Polizeibeamten bei-
spielsweise auch Psychologen. Die Fachprüfgruppen
sollen die V-Mann-Führer nach deren Ausbildung weiter
schulen und dabei eigene Erkenntnisse zu Problemen und
Erfolgsstrategien einbringen und diese in Szenarien
durchspielen. Die V-Mann-Führer sollen zeitweise als
eine Art „Mitläufer“ an der Arbeit der Fachprüfgruppe
teilnehmen.
Unabhängig von der Fachprüfgruppe ist der Einsatz einer
V-Person regelmäßig vom Vorgesetzten des Führers der
V-Person auf seine Rechtsmäßigkeit und Notwendigkeit
hin zu überprüfen; diese Prüfung ist ebenso zu dokumen-
tieren wie die der Fachprüfgruppe.
VII.4. Die materielle Vergütung ist nicht Kern unserer
Kritik
In der Öffentlichkeit wurde des Öfteren Kritik an der
Höhe der Bezahlung der V-Leute geäußert. Besonders
hohe Beträge waren dabei jedoch zumeist die Summe
jahrelanger Tätigkeit. Insofern erscheint uns die Entloh-
nung der V-Leute zwar nicht als ein Kernproblem ihres
Einsatzes, auf die dabei bedeutsame Gemengelage soll
aber hingewiesen werden:
V-Leute im rechtsextremistischen Bereich scheinen in
erster Linie aufgrund der Verdienstmöglichkeit zur Zu-
sammenarbeit bereit zu sein. Der „Lohn“ für ihren „Ver-
rat“ muss folglich so hoch bemessen sein, dass er zur
Zusammenarbeit und zur Lieferung bedeutsamer Informa-
tionen reizt. Eine Staffelung nach Wertigkeit der Informa-
tionen ist mittlerweile scheinbar üblich und ein Mittel zur
Steuerung der V-Person, zeigt ihr aber natürlich auch, wo
der Fokus des nachrichtendienstlichen Interesses liegt.
Soweit im Einzelfall erforderlich, sollte dies aber ver-
schleiert werden, insbesondere bei V-Leuten mit einer
eigenen Agenda. Hier zeigt sich wiederum, wie wichtig
die Umfeldanalyse ist. Der „Lohn“ darf darüber hinaus
nicht zur zentralen Einnahmequelle des V-Manns werden
und auch nicht so hoch bemessen sein, dass er in erhebli-
cher Weise zur Förderung der verfassungsfeindlichen
Szene geeignet ist.
Schlussendlich ist unter Berücksichtigung u. a. dieser
Punkte eine Einzelfallabwägung vorzunehmen. Diese
scheint, wenn man den Aussagen des Zeugen Gabaldo
folgt, mittlerweile zumindest im BfV regelmäßig ange-
messen zu erfolgen.
VII.5. V-Personen im Fokus der Strafverfolgungsbehör-
den
V-Personen können durch eigene Straftaten oder als Zeu-
ge von Straftaten in den Fokus von Strafverfolgungsbe-
hörden gelangen. Nachdem in der Vergangenheit für als
weniger gefährlich empfundene szenetypische Straftaten
(z. B. Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen, Volksverhetzung) besondere Rechtferti-
Drucksache 17/14600 – 938 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gungsgründe in den Behörden und Teilen der Literatur,
z. B. dem „Handbuch des Verfassungsschutzrechts“, an
und auch in einzelne Verfassungsschutzgesetze aufge-
nommen wurden, hat sich die Situation durch ein Urteil
des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2011 zur
Strafbarkeit eines V-Mannes geändert. Exekutive und
Legislative sind nun gefragt, zu sauberen Lösungen zu
kommen. Dabei muss klar sein, dass es keine Rechtferti-
gung für schwere Straftaten wie Verbrechen oder gefähr-
liche und schwere Körperverletzungen geben kann. Auch
für sonstige die verfassungsfeindliche Szene nicht nur
unerheblich stärkende Straftaten darf es allein schon des-
halb neben den für das Strafrecht bedeutsamen allgemei-
nen Rechtfertigungsgründen keine besondere Rechtferti-
gung geben, weil diese ebenso wie schwere Straftaten
unter keinen Umständen vom Staat z. B. aus Gründen der
Informationsgewinnung billigend in Kauf genommen
werden dürfen.
Wenn V-Personen als Zeugen den Strafverfolgungsbe-
hörden auffällig werden, dürfen diese nicht mit pauschaler
Geheimhaltung abgeschottet werden. Beispielsweise im
Fall von Kapitaldelikten und anderen schweren Straftaten
muss gewährleistet werden, dass wichtige Erkenntnisse
den Polizeien und Staatsanwaltschaften zur Verfügung
stehen. Durch pauschale Sperrerklärungen mit dem Hin-
weis auf Quellenschutz kann dem Anliegen des Rechts-
staats, Verbrechen aufzuklären, nicht Rechnung getragen
werden, denn auch der Quellenschutz ist nicht absolut.
Die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden und
die berechtigten Belange von Strafverfolgung und Gefah-
renabwehr sind angemessen abzuwägen. Die Einzelfall-
entscheidungen müssen konkret begründet werden.
VII.6. Parlamentarische Kontrolle des V-Leute-Einsatzes,
Überarbeitung geltenden Rechts
Der Einsatz von V-Leuten fällt grundsätzlich in die exe-
kutive Eigenverantwortung der Dienste und ihrer Auf-
sichtsbehörden. Deshalb ist die speziell mit Blick auf
Art. 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) Grundge-
setz eingerichtete G10-Kommission nicht als konkrete V-
Leute-Einsätze genehmigende Stelle geeignet. Die parla-
mentarischen Kontrollgremien bzw. Kontrollkommissio-
nen, die die Tätigkeit der Regierungen für den Bereich der
Nachrichtendienste kontrollieren, sollten dem V-Leute-
Einsatz indes mehr Aufmerksamkeit schenken, beispiels-
weise mittels halbjähriger Unterrichtungen durch die
jeweilige Regierung.
Bekanntermaßen hat der Untersuchungsausschuss ver-
schiedentliche Defizite der Nachrichtendienste offenbart.
Unter anderem erfolgte die Anwendung aber auch die
Konkretisierung gesetzlicher Vorschriften durch Dienst-
vorschriften nicht fehlerfrei. Eine der entscheidenden
Kontrollmöglichkeiten besteht dann, wenn auch die
Richtlinien des aktiven Handelns der vorherigen Kontrol-
le unterliegen. Um der großen Bedeutung, die Dienstvor-
schriften für die Arbeit der Dienste, wie z. B. für den V-
Personen-Einsatz haben, zu entsprechen, sind diese für
den Bereich der Nachrichtendienste im Benehmen mit
den parlamentarischen Kontrollgremien bzw. Kontroll-
kommissionen zu erlassen.
Dabei muss es in einem ersten Schritt zur weiteren Revi-
sion unzeitgemäßer Vorgaben kommen. Veraltetes unter-
gesetzliches Recht muss substantiell überarbeitet werden,
gesetzliche Normen sind auszubauen und zu präzisieren.
Zum Beispiel müssen Maßnahmen klar definiert und
Verantwortlichkeiten sowie Abläufe dokumentiert wer-
den. Dabei sind die zentralen Verfahrensschritte, wie der
Beginn und die Beendigung einer Maßnahme zu doku-
mentieren und nachvollziehbar zu handhaben. Auch im
V-Leute-Einsatz zeigt sich, dass die Einführung und Ein-
haltung gemeinsamer Standards von Bund und Ländern
dringend erforderlich ist. Ein Nebeneinander von Rege-
lungen, die im schlimmsten Fall unvereinbar sind, darf es
nicht geben. Föderalismus muss im Verfassungsschutz
effizient gestaltet werden.
VII.7. Fazit
Der Einsatz von V-Leuten ist ein sinnvolles und zu nut-
zendes Mittel. Seine organisatorischen Probleme müssen
jedoch unverzüglich und unter besonderer Beachtung
rechtsstaatlicher Erfordernisse, die hier beispielhaft, aber
nicht abschließend, angesprochen wurden, gelöst werden.
Neben den organisatorischen Problemen beim Einsatz von
V-Leuten muss auch die Verwertung der gewonnenen
Erkenntnisse verbessert werden. Dies hat die Weitergabe
von Erkenntnissen an die Strafverfolgungsbehörden zu
umfassen.
VIII. Umgang mit den Opferfamilien
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt, dass im Feststel-
lungsteil und im gemeinsamen Bewertungsteil schon sehr
viel zum Umgang mit und generell zu den Opferangehö-
rigen geschrieben wurde. Deshalb beschränkt sich die
FDP-Fraktion an dieser Stelle auf einzelne Punkte. Der
FDP-Fraktion ist aber wichtig: gerade auch den Hinter-
bliebenen sind wir die weitergehende Aufklärung unab-
hängig von Legislaturperioden schuldig. In allen Mordfäl-
len wurden zunächst Ermittlungen im persönlichen bzw.
familiären Umfeld der Mordopfer angestellt. Von den
betroffenen Familien ist dies allgemein als belastend
empfunden worden. Im Rahmen der polizeilichen Ermitt-
lungen nach den einzelnen Morden bzw. nach dem Na-
gelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße hat es
massive Vorwürfe aufgrund der Ermittlungsarbeit der
Polizeibehörden gegeben.
Daher hat der Deutsche Bundestag dem 2. Untersu-
chungsausschusses („Terrorgruppe nationalsozialistischer
Untergrund“) unter anderem aufgegeben, der Frage nach-
zugehen, ob und wie bei Ermittlungsmaßnahmen Leid für
die Opfer von extremistischen Straftaten und deren Ange-
hörigen wirksamer vermieden werden muss und kann.
(Vgl. Einsetzungsbeschluss vom 26. Januar 2012, Bun-
destagsdrucksache 17/8453 vom 24.1.2012, Nr. III 2)
VIII.1. Ermittlungen im Mordfall Taşköprü
Im Fall des Mordes an Süleyman Taşköprü wurde zu-
nächst der Vater des Mordopfers bei der Polizei vernom-
men. Bei dieser Vernehmung wurde die Schwester des
Mordopfers als Dolmetscherin für den Vater von der
Polizei beigezogen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 939 – Drucksache 17/14600
Wenn man bedenkt, dass die Polizei im Mordfall Süley-
man Taşköprü aus ermittlungstaktischen Gründen auch
im Bereich der Familie ermittelte, ist nicht nachvollzieh-
bar und entspricht es nicht guter Polizeiarbeit, dass man
ausgerechnet die Schwester des Mordopfers als Dolmet-
scherin heranzog. Immerhin hätte auch die Schwester eine
tatverdächtige Person sein können. Neben diesem ermitt-
lungstaktischen Aspekt ist das Vorgehen auch aus
menschlichen Gründen mehr als bedenklich. So wird die
Schwester, die gerade ihren Bruder verloren hat, erneut
mit extrem belastenden Fragen zum gesamten Tathergang
konfrontiert. Eine persönliche Trauerarbeit ist in diesem
Zusammenhang kaum möglich sein.
VIII.2. Der Einsatz „falscher“ Journalisten
Wie der Presse entnommen werden konnte, haben die
ermittelnden Behörden nicht vor dem Einsatz von „fal-
schen“ Journalisten zurückgeschreckt (Zeit Online vom 1.
Dezember 2012, „Das zweite Trauma“). Nach Informati-
onen der Zeit war es das Ziel, dass diese Personen mit
falscher Identität das Vertrauen der Opferfamilien erlan-
gen sollten. Man hoffte auf Seiten der Ermittler so an
Informationen zu kommen, die die Opferfamilien der
Polizei nicht preisgeben wollten.
Journalisten gehören aus gutem Grund zu einer besonders
geschützten Berufsgruppe. Wenn Ermittlungsbehörden
verdeckte Ermittler als Journalisten getarnt einsetzen,
schlussendlich also gezielt unter dem Deckmantel eines
angeblichen Zeugnisverweigerungsrechts operieren, er-
schwert dies die Arbeit „echter“ Journalisten, denen sich
mögliche Quellen noch eingeschränkter offenbaren wer-
den, da diese befürchten müssen, an einen „falschen“
Journalisten zu geraten. Wir halten einen starken Journa-
lismus mit investigativen Elementen allerdings für ein
besonders hohes Gut in unserer Demokratie. Es ist daher
zu prüfen, ob das Auftreten als Angehöriger eines beson-
ders geschützten Berufes Mitarbeitern von Sicherheitsbe-
hörden gesetzlich verboten werden sollte.
VIII.3. Lichtblicke
Das Polizeipräsidium Dortmund ist als ein positives Bei-
spiel anzusehen wenn es um die Frage des Umgangs mit
den Opferfamilien geht, wie der Ausschuss bei seiner
Arbeit festgestellt hat (Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 109
ff.). Dort hat man zwar auch im Umfeld der Opferfamilie
ermittelt, dies aber offen, fürsorglich und transparent
gemacht. Wie der Ausschuss feststellte, wurde nicht nur
in Richtung Rauschgift und organisierte Kriminalität
ermittelt. Vielmehr wurden Dinge festgehalten, die gegen
die Hypothese organisierter Kriminalität sprachen und so
das Mordopfer und seine Familie entlasteten.
Im Mordfall Taşköprü lud man nach der offiziellen Ein-
stellung des Ermittlungsverfahrens die Familie ins Poli-
zeipräsidium ein. Dieser Einladung ist die Familie
Taşköprü gefolgt. Im Rahmen der Einladung wurden
sämtliche Ermittler im Mordfall an Süleyman Taşköprü
der Familie vorgestellt. Außerdem wurden die Hinter-
gründe zu den angestellten Ermittlungen erklärt (Schwarz,
Protokoll-Nr. 19, 100, 101).
Diese beiden Beispiele deuten an, wie polizeiliche Arbeit
verlaufen kann. Trotz der Ermittlungen im Umfeld der
Familien der Mordopfer muss der menschliche Umgang
funktionieren. Mordermittlungen sind, gerade wenn sie im
persönlichen Umfeld des Mordopfers stattfinden, für
jeden belastend. Ein möglicher Migrationshintergrund
spielt in diesem Zusammenhang nicht unbedingt eine
Rolle. In jedem Fall sind die ermittelnden Beamten aufge-
rufen, Wege zu finden, die auf der einen Seite die not-
wendigen Maßnahmen der Ermittlungsarbeit berücksich-
tigen, auf der anderen Seite aber auch die Belastungen,
denen Personen ausgesetzt sind, in deren persönlichem
Umfeld Ermittlungen geführt werden. Politik und zustän-
dige Ministerialbürokratie haben dafür zu sorgen, dass
Beamte in diesem Bereich entsprechend geschult werden.
Wir können es nicht dem glücklichen Zufall überlassen,
dass Betroffene an die „richtigen“ Beamten geraten. Im
Rahmen der Ermittlungen notwendig gewordene Maß-
nahmen gegen Angehörige sind spätestens nach der Aus-
räumung eines Tatverdachts schnell und einfühlsam zu
erklären (Positionspapier des AK IV der FDP Bundes-
tagsfraktion zum Opferschutz). Es ist daher gut, dass die
Polizei in Nordrhein-Westfalen erkannt hat, dass die Be-
treuung von Opferfamilien notwendig ist. So berichtete
der Zeuge Gricksch in seiner Vernehmung auch, dass die
Polizeiführung entsprechende Stellen zur Betreuung von
Opfern den Kreispolizeibehörden zugewiesen hat, die
dann vor Ort besetzt werden. (Gricksch, Protokoll-Nr. 22,
S. 110). Es muss Anliegen der Polizei sein, für ihre Arbeit
bei den Bürgerinnen und Bürgern Verständnis und Ver-
trauen zu gewinnen und nicht über das für ordnungsge-
mäße Ermittlungen notwendige Maß an Belastungen
hinauszugehen.
Auch um einen guten Zugang zu allen Bevölkerungs-
gruppen zu erhalten, sollte die Diversität der Behörden
effektiv gefördert werden. Wiederkehrende Schulungen
allein sind wenig zielführend. Eine wie auch immer er-
füllbare Quote um jeden Preis ist ebenfalls keine Lösung.
Die Organisationsstrukturen und der standardisierte Le-
benslauf in den Behörden müssen überprüft werden. Der
höhere Dienst ist hier besonders gefragt.
IX. Baden-Württemberg
IX.1. Einleitung
Am 25.04.2007 wurde die Polizeivollzugsbeamtin (PVB)
Michèle Kiesewetter durch den Nationalsozialistischen
Untergrund (NSU) in Heilbronn ermordet und ihr Kollege
M. A. schwer verletzt. Obwohl der Mord in Heilbronn
bestimmte Parallelen zur Mordserie aufwies – mindestens
zwei männliche Täter, zwei Waffen und Kopfschüsse –
war ein Bezug zur Mordserie vor allem durch ein anderes
Opferprofil und andere Tatwaffen schwer erkennbar.
Auch die sehr unterschiedlichen und teilweisen wider-
sprüchlichen Aussagen der Zeugen vor Ort – u. a. wurden
mehr als zwei Täter, eine weibliche Person, italienisch
sprechende Personen und Fahrzeuge gesehen – schufen
ein uneinheitliches Bild.
Die Verbindung zur Mordserie wurde erst durch den Fund
der Waffen der Polizisten und der DVDs nach der Entde-
ckung des Trios im November 2011 erkannt. Diese be-
Drucksache 17/14600 – 940 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sondere Lage in Baden-Württemberg hatte zur Folge, dass
die Ermittler in der Mordserie und die Ermittler in Baden-
Württemberg völlig unabhängig voneinander ermittelten.
Hauptkritikpunkte der FDP sind:
Defizite bei der Ermittlungsarbeit in Heilbronn
Die Defizite bei der Ermittlungsarbeit lagen in der verspä-
teten oder fehlenden Auswertung der Daten – das galt
zum Beispiel für die Kfz-Kennzeichenlisten, die Video-
kameras und die blutverschmierten Taschentücher. Das
Umfeld von PVB Kiesewetter wurde bis 2011 kaum be-
trachtet. Auch Zeugenaussagen und Asservate auf das
NSU-Trio wurden oft nicht nachvollziehbar bewertet oder
ausreichend aufgegriffen. Schließlich geschah der Mord
am helllichten Tag und es waren viele Menschen in der
Nähe, denn zeitgleich fand der Aufbau eines Frühlingsfes-
tes statt. Mehrere Zeugen vor Ort sahen blutverschmierte
Personen in der Gegend herumlaufen. Die Tat selbst
bleibt auch noch heute rätselhaft.
Die fehlende länderübergreifende Zusammenarbeit der
Verfassungsschutzbehörden im Hinblick auf die Erkennt-
nisse zum Rechtsextremismus bei den Landesämtern für
Verfassungsschutz (LfVs)
In Baden-Württemberg fehlten sowohl Eigenerkenntnisse
im Bereich Rechtsextremismus als auch Erkenntnisse
durch die ausgebliebene länderübergreifende Zusammen-
arbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden, insbe-
sondere zwischen Baden-Württemberg und Thüringen.
Das hat dazu geführt, dass die Gefahr im Bereich Rechts-
extremismus in Baden-Württemberg unterschätzt wurde.
Während der Ermittlungen in Baden-Württemberg gab es
keine Fortschritte im Hinblick auf Motivlage und Täter.
Christoph Meyer-Manoras, der zuständige Staatsanwalt in
Heilbronn, sagte in seiner Vernehmung:
„Man kann also wirklich mit Fug und Recht sagen, wir
tappten – im Nachhinein muss man sagen – bis zum
04.11. komplett im Dunkeln“ (29. Sitzung am 13. Sep-
tember 2012 – Zeugenvernehmung Meyer-Manoras, S.
59).
Trotz engagierter Polizeiarbeit – 5 000 Einzelspuren wur-
den verfolgt, über 300 Maßnahmen durchgeführt und
mehr als 1 000 Hinweise bearbeitet (29. Sitzung am
13. September .2012 – Zeugenvernehmung Mögelin, S. 2)
– passierten kritische Fehler.
IX.2. Defizite in der Polizeiarbeit
IX.2.1. Die Auswertung der Daten
Vollkommen unverständlich ist, dass die Aufnahmen der
Videokameras erst im Jahr 2010 umfänglich ausgewertet
wurden. Zeuge Mögelin erklärte dazu:
„Ich glaube, sie wurden punktuell schon früher
ausgewertet, wenn es Hinweise gab. Mit der Kom-
plettauswertung, wenn ich mich richtig erinnere,
hat man aber erst 2010 begonnen“. (29. Sitzung
am 13. September.2012 – Zeugenvernehmung
Mögelin, S. 34)
Gleiches gilt für die blutverschmierten Taschentücher, die
zwei Tage nach der Tat ein paar hundert Meter vom Tat-
ort entfernt gefunden wurden. Nach Meinung der Ermitt-
ler gab es andere Beweismittel, die näher am Tatort ge-
funden wurden und zuerst ausgewertet werden mussten.
Dies hatte zur Folge, dass die Taschentücher erst zwei
Jahre später, nachdem ein Zeuge auf deren mögliche
Relevanz hingewiesen hatte, untersucht wurden. Bei den
Ermittlungen stellt sich also vor allem die Frage, warum
erst so spät und teilweise so unstrukturiert ermittelt wur-
de.
IX.2.2. Der Umgang mit Massendaten und der Umgang
mit dem Datenschutz
Zum anderen ist der Umgang der Behörden mit Massen-
daten zu kritisieren. Im Rahmen der Ringfahndung in
Heilbronn wurden sog. Kontrolllisten, 201 Listen mit ca.
30 000 Kfz-Kennzeichen, erstellt. Überraschenderweise
wurden diese Listen erst drei Jahre nach der Tat, im Sep-
tember 2010 ausgewertet, obwohl empfohlen wurde, die
Halter zu überprüfen. Kriminaloberrat Axel Mögelin,
Leiter der Sonderkommission (Soko) „Parkplatz“ und seit
2010 beim Landeskriminalamt (LKA) Baden-
Württemberg, erklärte, dass die Halter aus Datenschutz-
gründen und wegen des großen Aufwands nicht überprüft
worden seien. Vielmehr seien die Listen ausschließlich
zur Überprüfung von Hinweisen verwendet worden. Die-
ses Konzept wurde auch bei anderen Beweismitteln an-
gewendet.
Daten, die rechtsstaatlich und einwandfrei gesammelt
werden, sollten jedoch auch zeitnah ausgewertet werden.
Strafverfolgungsbehörden und einige politische Wettbe-
werber fordern dagegen, mehr Daten zu sammeln.
CDU/CSU und SPD auf Bundesebene, und Bündnis
90/Die Grünen auf Landesebene in Baden-Württemberg,
fordern sogar eine Vorratsdatenspeicherung. Dies er-
staunt, wenn in der Praxis Daten gesammelt und diese
nicht ausgewertet werden. Um Datenschutz zu gewähr-
leisten, dürfen nur Daten gesammelt werden, die einen
Mehrwert besitzen, diese sollten dann aber auch genutzt
werden. Im Gegensatz zu den wiederholten Behauptungen
der Strafverfolgungsbehörden zeigt dieses Beispiel an-
schaulich, dass die Ermittlungsprobleme nicht im Mangel
an erhobenen Daten liegen. Stattdessen liegt das Problem
in der fehlenden Verknüpfung und Bewertung der Daten.
Nicht nur die Quantität der Polizeibeamten ist zu bemän-
geln, sondern auch deren fehlende Kreativität, die zu
eindimensionaler Polizeiarbeit geführt hat. Es ist deshalb
nicht notwendig, mehr Daten zu erheben, sondern für die
Datenauswertung gut ausgebildete Polizisten heranzuzie-
hen und diese adäquat auszustatten.
Das „Massendatenkonzept“ der baden-württembergischen
Polizei hat dazu geführt, dass das Wohnmobil, in dem das
Trio höchstwahrscheinlich geflüchtet ist, in den Kontroll-
listen nicht aufgefallen ist. Es war registriert auf Holger
Gerlach, einen der Angeklagten im NSU-Prozess. Trotz
des Hinweises eines Zeugen auf ein Wohnmobil, wurde
dieser als unwichtig bewertet, da am Tattag aufgrund von
Festvorbereitungen viele Wohnmobile auf dem Gelände
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 941 – Drucksache 17/14600
standen und in der Nähe dieses Wohnmobils keine Perso-
nen gesehen wurden.
IX.2.3. Die Ermittlungen im Umfeld Kiesewetter
Ein weiteres Versäumnis ist darin zu sehen, dass das
nähere Umfeld der PVB Kiesewetter im Zeitraum 2007
bis 2011 sorgfältiger hätte überprüft werden müssen. Bei
den türkischen/griechischen Opfern der Mordserie ge-
schah dies sehr umfangreich, z. B. durch Reisen in die
Türkei. Bemerkenswert ist, dass bis Oktober 2010 noch
nicht einmal die Mutter von PVB Kiesewetter überprüft
wurde (MAT_A_GBA-4/15g, S. 204). Begründet wurde
dies damit, dass vermutet wurde, es habe kein gezielter
Angriff auf PVB Kiesewetter vorgelegen. Allerdings
hätten solche Ermittlungen zu Spuren nach Thüringen und
zum Rechtsextremismus führen können. BKA-
Vizepräsident Jürgen Maurer musste einräumen, dass die
Umfeldermittlungen der Besonderen Aufbau Organisation
(BAO) „Trio“, die erst nach dem Aufdecken des Trios
eingesetzt wurde, intensiver waren als die
Umfeldermittlungen der Polizei Baden-Württemberg
zuvor (36. Sitzung am 25. Oktober 2012 – Zeugenver-
nehmung Maurer, S. 65). Auch Innenminister Reinhold
Gall (SPD) hat im März dieses Jahres eine Ermittlungs-
gruppe (EG) „Umfeld“ gegründet, die das persönliche
Umfeld von Kiesewetter und mögliche Verbindungen zu
Rechtsradikalen nochmals prüfen sollen.
Zu kritisieren ist auch, dass der E-Mail-Account von PVB
Kiesewetter nicht ausgewertet wurde. Begründet wurde
dies damit, dass ihr Computer keinen Internetanschluss
hatte und ihre Familie sowie ihre Bekannten die E-Mail-
Adresse nicht gekannt hätten. Gerade deswegen hätte sich
im Postfach interessante Korrespondenz finden können.
Angesichts der Tatsache, dass parallel andere Spuren quer
durch Europa verfolgt und ohne Zögern internationale
Rechtshilfe in Anspruch genommen wurde, musste Herr
Mögelin in seiner Vernehmung einräumen, dass eine
Überprüfung des E-Mail-Accounts angemessen gewesen
wäre (29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenver-
nehmung Mögelin, S. 10).
Die Akten zeigen auch, dass es im Jahr 2011 noch immer
Lücken bei der Überprüfung von Kollegen von PVB
Kiesewetter gab.
„Die Soko Parkplatz (Heilbronn) [hat] nur wenige
Angehörige der BFE 523 (sog. Personengruppe 2)
vernommen […], zu der auch die Opfer Kiesewet-
ter und Arnold gehörten“ (MAT_ A_BW 2-3, S.12
(Zitat), 14, 27).
Das erklärt, warum erst nach dem 4. November 2011
festgestellt wurde, dass mindestens zwei Kollegen der
PVB Kiesewetter der deutschen Sektion des „European
White Knights of the Ku-Klux-Klan (EWK KKK) in
Schwäbisch Hall angehört haben. Diese Sektion, der ein
V-Mann angehörte, kam erst im Rahmen der NSU-
Ermittlungen an die Öffentlichkeit. Einer der Kollegen,
obwohl nicht der etatmäßige Vorgesetzte der PVB Kiese-
wetter, war ausgerechnet am Mordtag für PVB Kiesewet-
ter und Herrn Arnold zuständig. Beide Beamten sind
weiterhin im Dienst. Unter den Mitgliedern der EWK
KKK, die zwischen 2000 und 2003 in Schwäbisch Hall
existierte, befanden sich verschiedene prominente Rechts-
extremisten aus mehreren Bundesländern.
Obwohl im Nachhinein in Abstimmung mit dem Bundes-
kriminalamt (BKA) und dem Generalbundesanwalt
(GBA) bisher keine Tatrelevanz festgestellt wurde, sind
die Verbindungen zwischen Polizei, V-Männern und
KKK äußerst besorgniserregend und ein weiterer Beweis
dafür, dass PVB Kiesewetters Umfeld nur unzureichend
untersucht wurde, insbesondere im Hinblick auf Rechts-
extremismus. Dies ist auch deshalb erstaunlich, weil es
bereits Nazimorde und Bedrohungen gegen Polizisten
gegeben hatte.
Im Hinblick auf die im letzten Herbst bekannt gewordene
neu gegründete KKK-Sektion in Schwäbisch Hall forderte
der FDP-Obmann Hartfrid Wolff SPD-Innenminister Gall
auf, weitere Schritte zu unternehmen und eine „Task
Force“ gegen den Rechtsextremismus einzusetzen, die
unter anderem die Aktivitäten der Sicherheitsbehörden
koordinieren soll (Ku-Klux-Klan wieder im Südwesten
aktiv
http://www.welt.de/regionales/stuttgart/article115896867/
Ku-Klux-Klan-wieder-im-Suedwesten-aktiv.html).
IX.2.4. Die Verfolgung von Hinweisen aus Zeugenaussa-
gen
Die FDP ist der Auffassung, dass Zeugenaussagen oft
nicht nachvollziehbar bewertet und nicht adäquat aufge-
griffen, und dass die Ermittlungen sehr eindimensional
geführt wurden.
Es gab mehrere Zeugen in der Nähe des Tatorts, die blut-
verschmierte Personen gesehen haben. Laut Operative
Fall Analyse (OFA) war es „sehr wahrscheinlich“, dass
die Täter blutverschmiert sind (29. Sitzung am 13. Sep-
tember 2012 – Zeugenvernehmung Mögelin, S. 13). Auch
gab es mehrere Zeugen, die mehr als zwei Täter gesehen
haben. Letztendlich ist es nicht möglich abschließend zu
sagen, wie viele Täter es gab.
Trotz teilweise widersprüchlicher Auskünfte der Zeugen
stimmten einige Aussagen überein und ergaben zusam-
men mit der DNA-Analyse der blutverschmierten Objekte
ein stimmiges Bild. Zum Beispiel war das Ergebnis der
DNA-Analyse, dass es sich bei den Tätern um einen
Mann und eine Frau handelte. Dies stand im Einklang mit
den Angaben mehrerer Zeugen. Außerdem erkannte ein
Zeuge anlässlich einer Wahllichtbildvorlage eine Ähn-
lichkeit mit einer in Heilbronn polizeibekannten weibli-
chen Person. Verdeckte Ermittlungen im Hinblick auf
diese Person wurden aber von der Staatsanwaltschaft
abgelehnt. Im Gegensatz zur Polizei hielt die Staatsan-
waltschaft die Zeugenaussagen für nicht relevant, da sie
von einem geplanten Verbrechen ausging und in Folge
dessen die Fluchtszene nicht ins Bild passte.
Besonders besorgniserregend erscheinen die erheblichen
Reibungsverluste zwischen Staatsanwaltschaft und Poli-
zei. Zum Beispiel erklärte Herr Meyer-Manoras, dass die
Staatsanwaltschaft gegen die Veröffentlichung von Phan-
tombildern war. Dies mit der Begründung, die Zeugen-
aussagen seien teilweise widersprüchlich, sie (die Staats-
Drucksache 17/14600 – 942 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
anwaltschaft) setzten eine geplante Tat voraus und die
Veröffentlichung von Phantombildern hätte einen richter-
lichen Beschluss erfordert, und damit die Annahme, dass
die Abgebildeten mit Wahrscheinlichkeit Beschuldigte
seien (29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenver-
nehmung Meyer-Manoras, S. 66). Angesichts der dauer-
haften erfolglosen Ermittlungen ist diese Entscheidung
der Staatsanwaltschaft zu kritisieren.
Ein Grund dafür, dass vielen Spuren in den ersten beiden
Jahren nach der Tat nicht ausreichend nachgegangen
wurden, ist, dass sich die Ermittlungen bis März 2009 fast
ausschließlich auf die DNA-Spur einer sog. „unbekannten
weiblichen Person“ (uwP) konzentriert haben. Letztend-
lich konnte die DNA-Spur auf verunreinigte Wattestäb-
chen zurückgeführt werden. Herr Meyer-Manoras sagte
dazu:
„also ich habe tatsächlich immer mehr gezweifelt,
und zwar schon relativ frühzeitig … ich hätte da-
rauf dringen sollen, dass der Öffentlichkeit gesagt
wird, aus kriminalistischer Sicht kann es eigentlich
nicht sein“. (29. Sitzung am 13. September 2012 –
Zeugenvernehmung Meyer- Manoras, S. 61)
Die Konsequenz war, dass Personal- und Sachressourcen
an diese priorisierte Spur gebunden waren. Auch Regie-
rungspräsident Johannes Schmalzl, damaliger Präsident
des LfV in Baden-Württemberg kritisiert, dass sich die
Ermittlungen sehr schnell eingeengt hatten (29. Sitzung
am 13. September 2013 – Zeugenvernehmung Schmalzl,
S. 107). Obwohl stets behauptet wird, dass letztlich alle
Spuren verfolgt wurden, hat der Untersuchungsausschuss
dies widerlegt.
Laut LKA Baden-Württemberg existieren momentan
keine allgemeinen Qualitätskriterien für kriminaltechni-
sche Arbeitsmaterialien bei der Sicherung und Analyse
von DNA-Spuren. Es wäre deswegen sinnvoll, Standards
oder Richtlinien zu entwickeln. Weiterhin könnten solche
Fehler durch die Beauftragung immer mindestens zweier
Wattestäbchenhersteller ausgeschlossen werden.
IX.2.5. Hinweise auf die Česká -Mordserie
Herr Meyer-Manoras sagte aus:
„solange wir die Ermittlungen geführt haben - also
bis zum 04.11.2011- habe ich weder den Namen
Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe gehört“
(29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugen-
vernehmung Meyer-Manoras, S. 72).
Dabei gab es Hinweise auf die Česká -Mordserie, u. a.
von dem Onkel der PVB Kiesewetter. Dieser war Krimi-
nalpolizist in ihrer Heimat Thüringen, hatte sich ca. einen
Monat nach dem Mord gemeldet und in seiner Verneh-
mung ausgeführt:
„Meiner Meinung nach besteht auch aufgrund der
verwendeten Kaliber und der Pistolen, die ich aus
den Medien kenne, ein Zusammenhang mit den
bundesweiten Türkenmorden. Soviel ich weiß, soll
auch ein Fahrradfahrer bei den Türkenmorden eine
Rolle spielen“ (Zeugenvernehmung vom 4. Mai
2007, MAT_ A_ GBA 4/15 g, Bl. 202ff).
Er wiederum hatte diesen Hinweis von einem Kollegen
erhalten. Obwohl seine Aussage nicht vollständig zutraf –
die Waffen hatten nicht das gleiche Kaliber – hätte diese
Spur gründlicher geprüft werden können. Das wäre insbe-
sondere deshalb angemessen gewesen, weil das LKA
Baden-Württemberg gerade die 3. Operative Fall Analyse
(OFA) für die Česká-Mordserie erstellt hatte, deswegen
über alle Informationen zur Mordserie verfügte und zu
dem Ergebnis gekommen war, dass Opfer und Waffe
beim nächsten Mord hätten abweichen können. Es wurde
jedoch keine gezielte vergleichende Fallanalyse durchge-
führt. Der Hinweis wurde nicht weiter verfolgt und hat
offenbar so wenig Beachtung erfahren, dass der ermit-
telnde Beamte Mögelin den Hinweis nicht kannte (29.
Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenvernehmung
Mögelin, S. 7, 8).
Ein Hinweis gelangte am 10. März 2010 per E-Mail zum
BKA mit der Frage, ob es möglich wäre, „dass die „Dö-
ner“-Mordserie von dem selben Täter wie beim Mordfall
in Heilbronn begangen wurde, wenn ja könnte ich sicher
weiterhelfen“ (MAT A BKA-2/25a, S. 476 ff.) Die E-
Mail wurde vom BKA an die BAO „Bosporus“ und die
Soko „Parkplatz“ weitergeleitet. Obwohl der Zeuge in
seiner Vernehmung später aussagte, er habe damals Me-
dikamente genommen und sei verwirrt gewesen, ist es
unverständlich, dass er erst im Jahr 2012 vernommen
wurde.
Ein nennenswerter Hinweis zum NSU-Trio und dem
Mord in Heilbronn, der aber nicht im Rahmen der Poli-
zeiarbeit zu kritisieren ist, kam von einem ehemaligen
Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg, Günter Stengel,
der auch durch den Untersuchungsausschuss vernommen
wurde. Er hat sich, nachdem das Trio im November 2011
entdeckt worden war, am 23. November 2011 beim BKA
gemeldet, da er sich an ein Gespräch erinnerte, das er im
Jahr 2003 mit einem Informanten geführt hatte. Dieser
Informant habe sich an einen Pfarrer gewandt mit der
Bitte um ein Gespräch mit dem LfV Baden-Württemberg.
Laut dieses Zeugen habe der Informant in dem Gespräch
mit ihm die Namen „Mundlos“ und „NSU“ erwähnt. Er
habe mitgeteilt, dass die Thüringer Rechtsextremisten in
Heilbronn eine Gruppe hätten aufbauen und diese mit
Banküberfällen finanzieren wollen.
Auf Weisung des Vorgesetzten des Zeugen seien die
Wörter „Mundlos“ und „NSU“ aus dem angefertigten
Bericht wieder gestrichen worden mit der Begründung,
das LfV Baden-Württemberg registriere aus Datenschutz-
gründen keine Einzelpersonen, sondern nur Institutionen,
die vom Innenministerium genannt seien (29. Sitzung am
13. September 2012 – Zeugenvernehmung Stengel, S. 75).
Sollte dies stimmen, wäre dies ein erklärungsbedürftiger
Vorgang. Der Zeuge wurde in der Folge dafür gerügt,
dass er das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ohne
Absprache und juristische Überprüfung informierte hatte.
Der Zeuge ist nach Ansicht der FDP nicht zwingend un-
glaubwürdig gewesen und der Vorgang konnte im Unter-
suchungsausschuss nicht endgültig geklärt werden. Äu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 943 – Drucksache 17/14600
ßerst bedauerlich erscheint jedenfalls die Schlussfolge-
rung des Zeugen, in Zukunft keine Hinweise mehr wei-
tergeben zu wollen, um Ärger zu vermeiden.
IX.3. Rechtsextremismus, Baden-Württemberg und der
Mord
IX.3.1. Die rechtsextreme Szene in Baden-Württemberg
Laut Vertretern des LfV Baden-Württemberg, die im
Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages
vernommen wurden, sei in Baden-Württemberg der ge-
waltbereite Rechtsextremismus immer existent gewesen
(29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenverneh-
mung Schmalzl, S. 109). Es gab eine große Skin-und
Musikszene, die ihren Schwerpunkt im Großraum Stutt-
gart (Ludwigsburg, Rems-Murr und Heilbronn), im
Rhein-Neckar-Raum und am Bodensee hatte. Gegen diese
Skin- und Musikszene wurden vor allem repressive Maß-
nahmen ergriffen – z. B. gab es nach dem Verbot der
Gruppe „Blood & Honour“ (B & H) im Jahr 2000 u. a.
groß angelegte Durchsuchungen. Dies hatte zur Konse-
quenz, dass die Szene sich noch mehr zurückzog.
KD Joachim Rück, zwischen 1999 und 2005 in der Abtei-
lung Staatsschutz beim LKA Baden-Württemberg, erklär-
te, Anfang der 2000er Jahre sei die Gruppe „Furchtlos &
Treu“ besonders groß gewesen, vor allem bestehend aus
Personen, die vorher Mitglieder von „B & H“ gewesen
waren (65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenverneh-
mung Rück, S. 77). Auch die Skinhead-Band „Noie Wer-
te“, mit deren Musik das Trio seine Videos untermalt hat,
spielte in Baden-Württemberg eine wichtige Rolle. Gegen
alle wurden repressive Maßnahmen getroffen. Außerdem
wurden ein Internetkompetenzzentrum, zu dem die Poli-
zei Zugang hatte, und ein eigener ständiger Verbindungs-
beamte des LfV Baden-Württemberg beim LKA Baden-
Württemberg eingerichtet. Herr Schmalzl sagte, sie seien
eigentlich ziemlich sicher gewesen, in Baden-
Württemberg gut aufgestellt zu sein (29. Sitzung am
13. September 2012 – Zeugenvernehmung Schmalzl, S.
109).
Das LfV Baden-Württemberg hat vor allem die Fähigkeit
der rechtsextremen Szene zur Organisation und in Folge
dessen ihre Gefährlichkeit unterschätzt. Der ehemalige
Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (1995 –
2005), Helmut Rannacher, konstatierte:
„Unsere Institution Verfassungsschutz, die sich als Früh-
warnsystem unseres demokratischen Staates versteht,
[hat] in diesem konkreten Bereich versagt“ (65. Sitzung
am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung Rannacher, S.
40).
Der Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass die
rechtsextreme Szene noch erheblich größer war, als es
dem LfV bekannt war. Die Verbindungen, die es zwi-
schen Rechtsextremisten in Thüringen, Baden-
Württemberg und dem Trio damals gab, sind noch zum
großen Teil ungeklärt und Gegenstand der jetzigen Er-
mittlungen des Generalbundesanwalts (GBA). Dennoch
existieren aus Akten und Vernehmungen im Untersu-
chungsausschuss Beweise dafür, dass Verbindungen zwi-
schen Rechtsextremisten aus Baden-Württemberg und
Thüringen bestanden. Insbesondere die Umgebung von
Stuttgart, Ludwigsburg, Rems-Murr und Heilbronn war
beliebt bei der „B & H“-Sektion aus Chemnitz und Sam-
melpunkt für Rechtsextremisten. Die Größenordnung
wurde unterschätzt, vor allem weil dem LfV Baden-
Württemberg Eigenerkenntnisse insbesondere in Lud-
wigsburg und Erkenntnisse aus anderen Ländern, vor
allem Thüringen, fehlten.
Die Aktivitäten des NSU-Trios in Baden-Württemberg
waren den Behörden in Baden-Württemberg nicht be-
kannt. Gefundenes Material deutet darauf hin, dass die
NSU-Mitglieder sich von Anfang der 90er Jahre bis 2004
immer wieder im Raum Ludwigsburg/Stuttgart aufgehal-
ten haben (Bericht des Landeskriminalamtes Baden-
Württemberg zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach
BW vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13 Bl. 53 ff, Bl.
59). Um einige Beispiele zu nennen: Anhand eines Fotos
ist zu sehen, dass Beate Zschäpe vor 2004 in Ludwigs-
burg gewesen war. Im Brandschutt in der Wohnung in
Zwickau wurden Stadtpläne von Stuttgart, Heilbronn und
Ludwigsburg sowie eine CD mit Bildern aus Stuttgart
gefunden (29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugen-
vernehmung Mögelin, S. 54). Die Bilder zeigen, dass sich
Böhnhardt in Juni 2003 in Stuttgart befand. In der Garage
von Böhnhardt wurde am 26. Januar 1998 eine Adresslis-
te – sozusagen eine „Landkarte des Untergrunds“ – mit
u. a. vier Namen, M. E., B. E., H. S. und S. F., geb. E. aus
Ludwigsburg, Baden-Württemberg, gefunden (Vermerk
des BKA vom 19. Februar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 277
ff., 278). Die Liste wurde damals nicht zeitnah durch die
Thüringer Behörden ausgewertet, sondern erst nach dem
4. November 2011.
Auch die Personen aus dem engsten Umfeld des Trios, die
jetzt im NSU-Prozess angeklagt sind, haben sich regel-
mäßig in Baden-Württemberg aufgehalten. Zum Beispiel
befand sich auf der Adressenliste auch ein V-Mann, Mit-
glied im EWK KKK in Schwäbisch Hall und Mundlos
bekannt. Jan Werner, Thomas Starke und der ehemalige
Chef des „Thüringer Heimatschutzes“ Tino Brandt hielten
sich alle im Zeitraum zwischen 1998 und 2011 in Baden-
Württemberg auf. Brandt kaufte sogar 2004 ein Haus in
Nachbarschaft zu einem weiteren Rechtsradikalen in
Baden-Württemberg.
Ein deutliches Versagen des LfV Baden-Württemberg ist
darin zu sehen, dass sich das, bis 2003 mit Haftbefehl
gesuchte Trio, regelmäßig mit anderen Neonazis in Lud-
wigsburg traf sowie sich öffentlich von, nach und in Ba-
den-Württemberg, insbesondere auch in Stuttgart, bewe-
gen konnte, ohne dass dabei Erkenntnisse bestanden. Die
„weißen Flecken“ im Raum Ludwigsburg und Stuttgart zu
Rechtsextremismus-Erkenntnissen beim LfV sind nicht
verständlich.
IX.3.2. Rechtsextremismus und der Mord an PVB Kiese-
wetter
Keine Sicherheitsbehörde hat den Mord an PVB Kiese-
wetter als rechtsextremistische Tat erkannt (65. Sitzung
am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung Rannacher, S.
55; 29. Sitzung am 13 September 2012 – Zeugenverneh-
mung Schmalzl, S. 100). Direkt nach der Tat hat das LfV
Drucksache 17/14600 – 944 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Baden-Württemberg seine Quellen ergebnislos nach In-
formationen befragt, worauf ein politisches Motiv schnell
ausgeschlossen wurde.
Trotz einiger Hinweise auf eine Verbindung zur Mords-
erie wurde diese, wie bereits oben erwähnt, nicht weiter
überprüft. Obwohl der Leiter der BAO „Bosporus“, Wolf-
gang Geier, erklärte, dass eine Verbindung zur Tat in
Heilbronn überprüft wurde, gab es keine gezielte verglei-
chende Fallanalyse. Gerade weil davon ausgegangen
wurde, dass das Ziel der Täter die Polizei bzw. der Staat
war und die Tat nicht personengerichtet, hätte das Thema
Rechtsextremismus ausführlicher überprüft werden müs-
sen.
IX.3.3. Die Verbindung Thüringen – Baden-Württemberg
und die Zusammenarbeit der Behörden
Die durch den Untersuchungsausschuss im Deutschen
Bundestag festgestellten fehlenden Erkenntnisse im Be-
reich Rechtsextremismus sowie die fehlende länderüber-
greifende Zusammenarbeit der Behörden und die auf
diesen Versäumnissen beruhende Fehleinschätzung der
Situation sind alarmierend.
Bettina Neumann, von 1993 bis 2011 Referatsleiterin für
den Bereich Rechtsextremismus/Auswertung im LfV
Baden-Württemberg, besaß angeblich keine Erkenntnisse
zu Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus Thü-
ringen und Baden-Württemberg. Die Namen Jan Werner
und Thomas Starke waren ihr nicht bekannt (65. Sitzung
am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung Neumann, S. 6).
Diese Aussage ist besonders bemerkenswert, da der Zeu-
ge Rannacher den Untersuchungsausschuss informierte,
dass in den Berichten über den Baden-Württembergischen
Rechtsextremisten Rennicke, als dieser in Thüringen auf-
trat, stellenweise das Trio genannt wurde. Er hat keine
Informationen erhalten, als sich das Trio in Baden-
Württemberg aufgehalten hat. Den Akten ist auch zu
entnehmen, dass es ein Schreiben des LfV Thüringen an
das LfV Baden-Württemberg vom 6. Februar 1998 gab, in
dem über das Trio informiert wurde. Obwohl Herr
Rannacher erklärte, dass dieses Schreiben überprüft wur-
de, konnte Frau Neumann sich nicht mehr an den Fall
erinnern.
Zwei Namen (S., E.) auf der gefundenen Adressliste wa-
ren Frau Neumann bekannt als „einfache Teilnehmer“
(65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung
Neumann, S. 4) an rechtsextremen Veranstaltungen. Kon-
krete Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus den
neuen Ländern und Baden-Württemberg waren Herrn
Schmalzl ebenfalls nicht bekannt (29. Sitzung am 13.
September 2012 – Zeugenvernehmung Schmalzl, S. 118).
Auch das LKA Baden-Württemberg wurde bis zum Auf-
tauchen des Trios nie mit dem Trio oder der Adressliste
konfrontiert. Die beiden genannten Namen auf der Liste
waren für das LKA Baden-Württemberg ein Begriff, aber
Jan Werner und Thomas Starke spielten nach dortigen
Erkenntnissen keine prägende Rolle. Und das, obwohl A.
N., bekannter Rechtsextremist in Baden-Württemberg und
stellvertretender Landesvorsitzender der NPD und vom
LfV Baden-Württemberg beobachtet, Kontaktmann von
Jan Werner war. Keinem der Zeugen, die im Untersu-
chungsausschuss im Zusammenhang mit dem Geschehen
in Baden-Württemberg vernommen wurden, war zudem
bekannt, dass Tino Brandt sich ein Haus in Baden-
Württemberg gekauft hatte.
Frau Neumann erklärte, dass
„alles, was sich außerhalb des Landes Baden-
Württemberg abspielt, wenn es nicht direkte Bezü-
ge zu uns hat, […] eigentlich nicht Thema eines
Landesamtes [ist]“ (65. Sitzung am 18. April 2012
– Zeugenvernehmung Neumann, S. 3).
Weiterhin werden Informationen nur dann zwischen Ver-
fassungsschutzbehörden ausgetauscht, wenn sich ein
Rechtsextremist aus dem eigenen Land in einem anderen
Land aufhält. Frau Neumann sprach das Problem an,
„wichtige“ Rechtsextremisten zu erkennen, da Quellen
sich oft nur lokal auskennen.
Auch Herr Schmalzl kommt zu dem Ergebnis:
„Man hätte der einen oder anderen Verbindung
mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Es gab
Verbindungen, Leute kamen aus den neuen Län-
dern und wieder zurück – im Bereich „geistige
Brandstifter“. Aus heutiger Sicht muss man hier
zwingend den Austausch zwischen den Ämtern
verbessern“ (29. Sitzung am 13.09.2012 – Zeu-
genvernehmung Schmalzl, S. 110).
Laut Herrn Rannacher gab es zwischen den Sicherheits-
behörden innerhalb Baden-Württembergs beim Austausch
zwischen LfV und LKA, trotz allgemeiner Abstimmung
über V-Leute, „natürlich eine gewisse Konkurrenzsituati-
on“ (65. Sitzung am 18.04.2012 – Zeugenvernehmung
Rannacher, S. 53).
Aus Sicht der FDP muss der Informationsfluss zwischen
den LfV erheblich verbessert werden. Die LfV müssen
besser über die Aktivitäten anderer LfV informiert wer-
den. Besonders wichtig dabei ist, dass Erkenntnisse, die
von verschiedenen Quellen in einem Land gewonnen
werden, ausgetauscht und den anderen Bundesländern zur
Verfügung gestellt werden. Eine Stärkung des Bundesam-
tes für Verfassungsschutz (BfV) in seiner koordinierenden
Rolle sollte geprüft werden. Es muss gesetzlich sicherge-
stellt werden, dass durch das BfV ein Gesamtbild erstellt
werden kann. Das bedeutet, dass Informationen zentral
zusammengeführt, analysiert und bewertet werden. Wei-
terhin ist eine Konzentration bzw. eine Zusammenlegung
von Landesverfassungsschutzämtern zu prüfen.
Außerdem fehlten Eigenerkenntnisse im Bereich Rechts-
extremismus. Laut Herrn Rannacher wurde das Gewalt-
potenzial erkannt, aber es gab keinen Hinweis auf rechts-
terroristische Strukturen. Die fehlende Bewertung der
Lage hatte auch damit zu tun, dass es „ausgesprochen
schwierig“ (65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Rannacher, S. 44) war, Erkenntnisse aus dem
Raum Ludwigsburg und Stuttgart zu bekommen. Das
hatte laut Herrn Rannacher mehrere Gründe:
„Aber bei unserer Situation im Land mit 330 Be-
amten oder Angestellten, nein, Bediensteten in al-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 945 – Drucksache 17/14600
len Bereichen mit erheblichen Schwerpunkten im
Islamismus und in anderen Sektoren rechnet man
sehr schnell runter: Das ist teilweise auch eine
Kräftesituation. Ich muss mich dazu bekennen:
Wir hatten dort keinen vernünftigen Zugang“
(65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenverneh-
mung Rannacher, S. 69).
Wie bereits seit langem von der FDP gefordert, dürfen
Länder nicht an der falschen Stelle sparen und Stellen im
Bereich der Sicherheit abbauen.
Für die FDP bleibt weiterhin ungeklärt, inwiefern Baden-
Württemberg als Weg in die Schweiz gedient hat, zum
Beispiel als Rechtsextremisten aus Sachsen in die
Schweiz gefahren sind, um Waffen zu besorgen. Auch die
rechtsextreme Gruppe „Furchtlos & Treu“ aus Baden-
Württemberg hatte Kontakte in die Schweiz und nach
Tschechien (65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Rück, S. 77).
IX.4. Fazit
Im Hinblick auf den Mordfall Kiesewetter bleiben die
meisten Fragen offen. Deutlich wurden aber erhebliche
Defizite in der Polizeiarbeit. Insbesondere ist zu kritisie-
ren, dass Behörden trotz gegenteiliger Hinweise an einmal
eingenommenen Positionen festhalten, und dass aus die-
ser Haltung Reibungsverluste, aber auch schlicht falsche
Ermittlungen resultierten. Vieles ist insbesondere in den
ersten Jahren nach dem Mord schiefgegangen. Allerdings
wurde im Untersuchungsausschuss nur der dritte Leiter
der Soko „Parkplatz“ (ab 2010) vernommen.
Die Motivation für den Mord an PVB Kiesewetter wie
auch die Verbindungen zwischen Thüringen und Baden-
Württemberg bleiben ungeklärt. Diese werden momentan
auch vom Generalbundesanwalt untersucht. Die These
des BKA, der NSU habe allein die Bekämpfung des Staa-
tes zum Ziel gehabt, ist nicht ausreichend belegt.
Die fehlende länderübergreifende Zusammenarbeit der
Sicherheitsbehörden, die fehlenden Eigenerkenntnisse im
Bereich Rechtsextremismus und die falschen Bewertun-
gen der Gefährlichkeit sind besorgniserregend und müs-
sen schnellstmöglich beseitigt werden.
Entscheidend sind daneben eine bessere Zusammenarbeit
und ein verbesserter Informationsfluss, in diesem Fall
insbesondere zwischen den Nachrichtendiensten. In Zu-
kunft sollte es Aufgabe des Bundesamts für Verfassungs-
schutz (BfV) sein, die LfV stärker zu koordinieren, damit
ein Gesamtbild der rechtsextremistischen Lage entstehen
kann.
Der Fall in Baden-Württemberg hat außerdem gezeigt,
dass es den Sicherheitsbehörden nicht an erhobenen Da-
ten, wohl aber an ausreichenden personellen Ressourcen
bei der Polizei zur Auswertung von erhobenen Daten
fehlt.
Die offenen Fragen sind Grund genug, den Untersu-
chungsausschuss auch in der nächsten Wahlperiode fort-
zusetzen.
X. BAO und Bayern
X.1. Die Ermittlungen
X.1.1. Organisationsstruktur
In der Mordserie wurde federführend ermittelt durch die
Besondere Aufbauorganisation (BAO) „Bosporus“ in
Bayern, eingerichtet durch das Polizeipräsidium Nürnberg
im Jahr 2005. Nach Auffassung der FDP lag ein entschei-
dender Fehler darin, dass, obwohl es 2004 und 2006 Ge-
spräche über eine mögliche Übernahme durch das Bun-
deskriminalamt (BKA) gab, lange der Ankerpunkt in
Nürnberg gesehen und auch deshalb die Chance vertan
wurde, eine zentrale Ermittlungsführung herbeizuführen.
Im Jahr 2004 gab es in Bayern Überlegungen, die Ermitt-
lungen an das BKA abzugeben. Diese wurden aber seitens
des BKA abgelehnt. Laut Wolfgang Geier, Leiter der
BAO „Bosporus“, lautete das Ergebnis einer Besprechung
zwischen allen betroffenen polizeilichen Dienststellen
beim BKA, „dass das Bundeskriminalamt die Übernahme
der Gesamtermittlungen ablehnte“, aber sog. ergänzende
strukturelle Ermittlungen aufnahm (12. Sitzung am
26. April 2012 – Zeugenvernehmung Geier, S. 86). Laut
BKA hat es nie ein förmliches Übernahmeersuchen von-
seiten Bayerns gegeben, außerdem wies das BKA darauf
hin, dass Mordermittlungen bei den zuständigen Polizei
und Staatsanwaltschaften zu lassen seien (19. Sitzung am
14. Juni 2012 – Zeugenvernehmung Falk, S. 3).
Im Jahr 2006 hingegen gab es seitens des BKA Interesse,
die Ermittlungen zu übernehmen. Daraufhin hat das BKA
ein Schreiben mit den festgestellten Defiziten bei den
dezentralen Ermittlungen an das Innenministerium ge-
schickt. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG hätte das BKA die
Ermittlungen übernehmen können, wenn der Bundesin-
nenminister dies anordnet. Vor allem das Land Bayern,
aber auch die anderen Länder waren gegen eine Über-
nahme, und der BKA-Vorschlag wurde in Folge dessen
höchstwahrscheinlich am Rande der Innenministerkonfe-
renz (IMK) in Garmisch-Partenkirchen im Mai 2006
abgelehnt. Auch der damalige bayrische Innenminister,
Dr. Günter Beckstein, wollte, dass die Ermittlungen feder-
führend in Bayern bleiben.
„Ich hätte es im Jahr 2006, als die Ermittlungen
äußert heiß gelaufen waren, für einen schweren
Fehler gehalten, im laufenden Galopp die Pferde
zu wechseln“ (17. Sitzung am 24. Mai 2012 –
Zeugenvernehmung Beckstein, S. 86).
Nur wenn die Pferde im laufenden Galopp in die falsche
Richtung laufen?
In seiner Vernehmung bezweifelte er auch die Fähigkeit
des BKA, die Ermittlungen zu leiten.
Auf der IMK wurde beschlossen, die Ermittlungen zentral
bei der BAO „Bosporus“ zu belassen und unter deren
Leitung eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe
zwischen allen Beteiligten einzurichten. Das Ziel war
nach der Diskussion über die Übernahme im Jahr 2006,
eine bessere Koordination zu erreichen und das BKA
besser einzubinden.
Drucksache 17/14600 – 946 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Diese Steuerungsgruppe hatte mit erheblichen Problemen
zu kämpfen, einerseits aufgrund unterschiedlicher Auffas-
sungen der Fallanalytiker und andererseits wegen fehlen-
der Weisungsbefugnisse. Ende 2009 entschied die Steue-
rungsgruppe, nur noch bei Bedarf zusammen zu kommen.
Probleme entsprangen zum Beispiel den unterschiedli-
chen Auffassungen der Steuerungsgruppenmitglieder zum
Thema Täterhintergrund. Das zeigte sich u. a. nach der
zweiten Operativen Fall Analyse (OFA) der BAO „Bos-
porus“ vom 9. Mai 2006: Die BAO „Bosporus“ wollte in
der Steuerungsgruppe die „Einzeltätertheorie“ bzw. die
Annahme, der Täter könne ein „Türkenhasser“ sein. Die
Erhebungen zur „Rechten Szene“ sind flankierend zu dem
Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ zu sehen (Vermerk zum
Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ von KHK Pfister ohne
Datum, MAT _A_ GBA-4/5c, Bl. 8 f.), gleichrangig ne-
ben der „Organisationstheorie“, die organisierte Krimina-
lität als möglichen Tathintergrund sah. Bis dahin hatten
die Ermittlungen sich vor allem auf die „Organisations-
theorie“ konzentriert. In der Steuerungsgruppe konnten
die bayrischen Mitglieder jedoch für die „Einzeltätertheo-
rie“ keine Unterstützung beim BKA oder den anderen
Ländern finden, u. a. weil diesen ein Bekennerschreiben
fehlte. Daneben gab es weitere Gründe, z. B. lehnt das
LKA Hamburg nicht die 2. OFA ab, weil dort Nürnberg
als Ankerpunkt genannt wurde (Siehe X.I.3. „Konzentra-
tion auf dem Ermittlungsraum Nürnberg“). Die letztlich
mehrheitliche Ablehnung der 2. OFA führte wiederum zu
Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Medienstrategie.
BAO-Leiter Geier hat zusammenfassend gesagt:
„Natürlich halte ich eine zentrale Ermittlungsfüh-
rung in solchen Fällen für die bessere, egal sei es
durch das Bundeskriminalamt, sei es aber auch
durch eine Länderbehörde, die allerdings dann
auch ähnlich wie in § 4 des BKA-Gesetzes, ein
Weisungsrecht hat und keine großen Abstim-
mungsprobleme in Steuerungsgruppen machen
muss“ (12. Sitzung am 26.04.2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S. 21,22).
Als Konsequenz aus den gemachten Erfahrungen sollte
zukünftig bei länderübergreifenden Serien die Federfüh-
rung bei einer einzigen zuständigen Staatsanwaltschaft
bzw. Polizeibehörde liegen. Steuerungsgruppen erschei-
nen für die Aufklärung von länderübergreifenden Verbre-
chensserien ungeeignet, da die Zuständigkeiten nicht klar
geregelt sind, es innerhalb einer solchen Gruppe keine
Weisungsbefugnisse gibt, Ermittlungen letztlich darunter
leiden.
X.1.2. Die Auswertung der Daten und den Umgang mit
dem Datenschutz
Die BAO Bosporus hat insgesamt ca. 32 Millionen Mas-
sendaten
(12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S.4) erhoben, darunter Funkzellendaten,
Bankdaten, Daten von Autovermietern, Daten von Über-
nachtungen, Daten im Zusammenhang mit dem Straßen-
verkehr und Daten aus Polizeidateien, jeweils aus den
verschiedenen Tatortstätten. Die Massendaten wurden
allerdings nicht zeitnah und umfänglich ausgewertet,
sondern vielfach erst sehr spät oder gar nicht, was an der
Fülle von Informationen lag. Herr Geier erklärte in seiner
Vernehmung:
„Im Übrigen ist das Verhältnis von Datensiche-
rung und -aufbereitung zur tatsächlichen Auswer-
tung im Verhältnis von neun zu eins zu sehen, was
bedeutet, dass in der Regel die tatsächliche Aus-
wertung erst zwischen einem halben bis einem
dreiviertel Jahr später stattfinden konnte“ (12. Sit-
zung am 26. April 2012 – Zeugenvernehmung
Geier, S. 8).
Wie bereits im Teil „Baden-Württemberg“ erwähnt, ist es
unangemessen, eine Vorratsdatenspeicherung zu fordern,
wie häufig in der Politik und von Polizeigewerkschaften
artikuliert, ohne die Daten zu nutzen, die bereits zur Ver-
fügung stehen.
Die Massendatenerhebung in Bayern und die fehlende
Auswertung zeigen, dass die Erhebung von mehr Daten
nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen führt. Wie be-
reits seit Langem von der FDP gefordert, müssen die
Maßnahmen der Behörden erforderlich, geeignet und
verhältnismäßig sein, mit einer gewissen Sensibilität für
Datenschutz, gerade auch mit Blick auf effiziente und
zeitnahe Ermittlungen: Daten müssen umgehend ausge-
wertet werden! Nur so können Ermittlungen effektiv
geführt werden. Zusätzlich sollte sich die Haushaltsge-
setzgebung in den Ländern darauf konzentrieren, mehr
Personal und eine bessere Ausstattung zu gewährleisten,
statt lediglich mehr Daten zur Verfügung zu stellen.
Durch die Verwendung zweier unterschiedlicher Informa-
tionssysteme, INPOL im Fall „Česká“ vom BKA und
„Easy II“ in Bayern, wurde die Erfassung von Informati-
onen zusätzlich erschwert und verzögerte die Ermittlun-
gen. Anstelle einer Beteiligung am System des BKA,
welches allen Beteiligten zugänglich war, wurde 2005 mit
„Easy II“ ein eigenes System eingeführt. Das bedeutete,
dass die Daten doppelt, und zwar manuell in beide Syste-
me, eingepflegt werden mussten. Herr Geier hat bestätigt,
dass zwischen den Systemen Konkurrenz bestand
(12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenvernehmung
Geier, S. 34). Obwohl das BKA die Problematik im Jahr
2005 thematisiert hat, hielt die BAO „Bosporus“ unbe-
dingt am eigenen System fest (36. Sitzung am 25. Okto-
ber 2012 – Zeugenvernehmung Kindler, S. 85). Das Prob-
lem wurde erst im August/September 2007 gelöst, indem
eine Schnittstelle zu INPOL-Fall-Česká geschaffen wur-
de. Zu kritisieren ist, dass diese Lösung sehr spät kam und
in der Zwischenzeit ineffizient gearbeitet wurde.
X.1.3. Konzentration auf dem Ermittlungsraum „Nürn-
berg“
Die Ermittlungsarbeit in Bayern ist vor allem für das
lokale Denken trotz Kenntnis überregionaler Verbindun-
gen und Handlungsmöglichkeiten zu kritisieren. Geäußert
hat sich dies vor allem darin, dass selbst, nachdem bun-
desweit bereits neun Morde geschehen waren, am sog.
Ankerpunkt bzw. der örtlichen Schwerpunktsetzung
„Nürnberg“ festgehalten wurde. Ankerpunkt meint, dass
Nürnberg wichtiger Bezugspunkt für den oder die Täter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 947 – Drucksache 17/14600
ist, nicht zwingend als Wohnort, sondern evtl. auch als
Beschäftigungsort oder als Ort mit sozialer Bindung
(14. Sitzung am 10. Mai 2012 – Zeugenvernehmung
Horn, S. 47). Sowohl in der 2. OFA als auch in der Medi-
enstrategie im Jahr 2006 ist Ankerpunkt für die Ermitt-
lungen der BAO „Bosporus“ der Bereich Nürnberg.
Laut Zeugenaussagen basierte die Entscheidung haupt-
sächlich darauf, dass die meisten Morde in Bayern statt-
gefunden hatten. Diese Vermutung im Hinblick auf den
Ankerpunkt führte zu fehlgesteuerten Ermittlungshand-
lungen. Zum Beispiel wurden unnötiger Weise die Debit-
und Kreditkartendaten von Autobahnraststätten zwischen
den Tatortstädten und Nürnberg gesammelt, weil jeweils
davon ausgegangen wurde, dass der Täter nach Nürnberg
zurückkehrt (12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S. 8). Eine Panne war die Anfrage der
BAO „Bosporus“ an das LfV Bayern nach einer Liste der
Rechtsextremisten in Bayern. Abgesehen davon, dass die
Anfrage auf Bayern beschränkt war (tauglicher An-
sprechpartner wäre auch das BfV gewesen), hatte die
Anfrage das falsche Format und wurde erst sehr spät,
nach dem 9. Mord, gestellt. Die Fragestellung wurde
außerdem durch das LfV Bayern noch weiter, nämlich auf
den Raum Nürnberg, eingegrenzt.
Darüber hinaus unterblieb nach der BAO „Bosporus“-
Anfrage eine bundesweite Nachfrage vom LfV Bayern
bei den anderen LfV oder beim BfV, weil dafür keine
Veranlassung gesehen wurde.
Zukünftig darf nach Ermittlungen ohne heiße Spur nicht
mehr provinziell gedacht und gehandelt werden.
X.1.4. Rechtsextremer Hintergrund bis 2006
Bei den Ermittlungen in Bayern spielte bis 2006 ein mög-
licher rechtsextremer Hintergrund der Täter fast keine
Rolle. Bereits nach dem Mord an Enver Simsek am
12. September 2000 hatte der damalige bayerische In-
nenminister Dr. Beckstein den Verdacht, dass das Motiv
Fremdenfeindlichkeit sein könnte. Er sagte in seiner Ver-
nehmung im Untersuchungsausschuss:
„Wenn ein Türke oder ein Jude ermordet wird oder
ein türkisches Wohnheim angezündet wird, dann
ist natürlich meine allererste Vermutung: Frem-
denfeindlichkeit“ (17. Sitzung am 24. Mai 2012 –
Zeugenvernehmung Beckstein, S. 102).
Er hat nach seiner Aussage die BAO „Boporus“ darauf
hingewiesen, der Untersuchungsausschuss konnte aber bis
2006 fast nur Maßnahmen in Richtung „Organisations-
theorie“ und keine konkreten Maßnahmen oder Überle-
gungen der BAO „Bosporus“ in Richtung Rechtsextre-
mismus feststellen. Die BAO „Bosporus“ hätte diese
Überlegungen besser aufgreifen müssen.
Die Vorgängerin der BAO „Bosporus“, die Sonderkom-
mission (Soko) „Halbmond“, war davon ausgegangen,
dass es sich um Täter aus einem kriminellen Milieu han-
delt. Nur der Zeuge Vögeler, Sachbearbeiter der BAO
„Bosporus“, sagte aus, das Thema Rechtsextremismus sei
öfter diskutiert worden. Allerdings gibt es keine weiteren
Hinweise darauf, dass es bis zur 2. OFA im Jahr 2006
Überlegungen bezüglich eines rechtsextremen Hinter-
grunds der Täter gab. Dieser Umstand muss als tragisch
bezeichnet werden.
Die Soko „Halbmond“ wurde mangels Ermittlungserfolg
personell wieder zurückgefahren. Dieser bei aufwendigen
Ermittlungen häufiger zu beobachtende Ansatz, personell
zu wenig Konstanz zu wahren, ist falsch, weil Ermittlun-
gen zwangsläufig gebremst werden.
X.2. Zusammenarbeit zwischen den Behörden
Die FDP sieht im Bereich des Informationsaustauschs
zwischen den Sicherheitsbehörden erheblichen Verbesse-
rungsbedarf.
Insbesondere „der Austausch zwischen LfV Bayern und
BAO „Bosporus“ hätte besser sein können, vor allem
schneller“ (17. Sitzung am 24. Mai 2012 – Zeugenver-
nehmung Beckstein, S. 77) sagte der Zeuge Beckstein in
seiner Vernehmung. Wie bereits oben erwähnt, hat die
BAO „Bosporus“ Anfang Juli 2006 das LfV Bayern kon-
taktiert, um eine Liste der Rechtsextremisten in Bayern zu
bekommen. Aus Quellenschutzgründen und weil die An-
frage zu unkonkret und nicht in der richtigen Form ge-
stellt wurde, wurde sie zunächst abgelehnt (12. Sitzung
am 26. April 2012 – Zeugenvernehmung Geier, S. 9). Der
ehemalige Präsident des Bayerischen LfV, Dr. Wolfgang
Weber, hat dazu erklärt, dies habe mit den rechtlichen
Grenzen des im Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes
verankerten Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu tun ge-
habt – die Daten aller Rechtsextremisten in Bayern konn-
ten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht übermittelt
werden (17. Sitzung am 24. Mai 2012 – Zeugenverneh-
mung Weber, S. 156). Erst nach mehreren Telefonaten
und weiteren Anträgen wurde im März 2007, fast sieben
Jahre nach dem ersten Mord, eine Liste der im Raum
Nürnberg ansässigen Rechtsextremisten an die BAO
„Bosporus“ übermittelt.
Die FDP erachtet diese Mängel in der Zusammenarbeit
als besonders bedauerlich. Das Trennungsgebot darf nicht
in Frage gestellt werden, allerdings ist eine gute Zusam-
menarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht
gleichbedeutend mit einer Vermischung von polizeilicher
und nachrichtendienstlicher Kompetenz. Ein sinnvoller
und vertrauensvoller Austausch zwischen Verfassungs-
schutz und Polizei muss stattfinden können, sonst fehlt es
den gesammelten Informationen des Verfassungsschutzes
an Mehrwert, und die Polizei kann weniger effektive
Arbeit leisten. Die Ermittlungen in Bayern zeigen, dass
oftmals Informationen vorhanden sind, aber ein Misstrau-
en der Behörden untereinander, Unsicherheit über die
Befugnisse zur Zusammenarbeit, teilweise Vorurteile und
unklare gesetzliche Regelungen zu einer unnötigen Ver-
zögerung und Erschwerung der Aufklärung führen. Vor
allem sind die Kommunikationswege klar zu definieren
und zu optimieren.
X.2.1. Medienstrategie
Nach der 2. OFA wurde entschieden, in der Öffentlichkeit
keinen Hinweis auf einen rechtsextremistischen Hinter-
grund zu kommunizieren. Die Medienstrategie des OFA
Bayern 2006 führt aus:
Drucksache 17/14600 – 948 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Aufgrund der Tatsache, dass manche Elemente
des Täterprofils mit einem stärkeren Unsicher-
heitsfaktor belegt sind, werden diese im Rahmen
der Medienstrategie vernachlässigt. […] Eine
denkbare Nähe zur rechten Szene ist vorstellbar,
jedoch nicht Voraussetzung für die Taten, daher
soll dies im Beitrag auch mit entsprechend gerin-
ger Priorität platziert werden, da vermutlich die
Persönlichkeitsstruktur des Täters der ausschlag-
gebende Faktor ist und die fremdenfeindliche Ge-
sinnung lediglich als Vehikel fungiert und der Ab-
lehnung eine Richtung gibt“ (MAT_A _BKA –
2/22, Bl. 143, 147 ff.).
Auch die Fahndungswebsite wurde ohne Hinweis auf eine
Verbindung zum Rechtsextremismus eingerichtet. Herr
Geier erklärte, sie hätten in Absprache mit dem Innenmi-
nisterium in Bayern entschieden,
„die Ermittlungen intern [zu] machen; aber wir
tragen sie nicht in dieser Eindeutigkeit nach au-
ßen“ (12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S. 23),
um eine „mögliche Hysterie im Bereich der türkischen
Kleingewerbetreibenden“ (12. Sitzung am 26. April 2012
– Zeugenvernehmung Geier, S. 50) zu vermeiden. Herr
Beckstein erläuterte in seiner Vernehmung, dass
„die Einzeltätertheorie sensibel ist, und deswegen
muss man überlegen, wie man das der türkischen
Community kommuniziert, dass man nicht nur
Hysterie und nicht Anschlusstaten provoziert“ (17.
Sitzung am 24. Mai 2012 – Zeugenvernehmung
Beckstein, S. 81).
Er sagte vor dem Untersuchungsausschuss außerdem, er
habe beim Zustandekommen der Medienstrategie keine
Weisungen erteilt.
Das in Ermittlerkreisen angeführte Argument, die „Ein-
zeltätertheorie“ sei nur eine Hypothese gewesen, entfällt,
weil für die Organisationstheorie das gleich galt. Richtig
wäre gewesen, nach außen eine möglichst große Transpa-
renz zu wahren.
X.3. Fazit
In Zukunft ist vor allem sicher zu stellen, dass bei bun-
desweiten Ermittlungen ein Gesamtbild geschaffen wird
und dass es eine klare Federführung gibt.
Für eine bessere Kooperation unter den Behörden werden
hingegen keine neuen Gesetze, sondern mehr Vertrauen,
weniger Egoismus und Bürokratie sowie klare Kommuni-
kationswege, benötigt.
XI. Anschläge in Köln
XI.1. Anschlag in der Probsteigasse (Stollendose)
XI.1.1. Zusammenfassung der Ereignisse
Kurz vor Weihnachten des Jahres 2000 betrat ein junger
Mann das Lebensmittelgeschäft der Familie M. in der
Kölner Probsteigasse. Der junge Mann hatte einen Korb
bei sich, in dem unter anderem eine Stollendose lag. Er
gab vor, etwas in dem Lebensmittelgeschäft kaufen zu
wollen und stellte fest, dass er nicht genügend Geld bei
sich habe. Er ließ den Korb im Laden zurück und sagte in
akzentfreiem Hochdeutsch, dass er sein Geld zu Hause
vergessen habe und dies holen wolle. Der junge Mann
kam nicht mehr zurück. Der Korb blieb im Laden und
wurde über die Weihnachtsfeiertage in den hinteren Räu-
men verwahrt. Am 19. Januar 2001 öffnete die Tochter
des Ladenbesitzers die Stollendose, die sich im Korb
befand. Dabei löste Sie die Explosion einer Bombe aus.
Die junge Frau erlitt bei der Explosion schwerste Verlet-
zungen. Zudem entstand erheblicher Sachschaden im
Geschäft (Abschlussbericht S. 725 f.).
XI.1.2. Ermittlungsarbeit
Zunächst wurde im Umfeld der Familie ermittelt. Die
Zeugenvernehmungen, die die Polizei hierbei zum Tat-
hergang vornahm, wurden nach uns vorliegenden Unter-
lagen allein unter Berücksichtigung des Tatvorwurf
„Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“, § 308 StGB
durchgeführt (z. B.: Zeugenvernehmung von D. M. (Vater
des Opfers), MAT A GBA-4-8a, Blatt 24). Ebenso wurde
auch nur § 308 StGB für die Begründung einer Telefon-
überwachung der Familie heran gezogen. Die Ermittler
hofften, dass sich die oder der Täter bei der Familie mel-
den würde (MAT A GBA-4-8a, Blatt 90 f.) Körperverlet-
zungs- bzw. versuchte Tötungsdelikte spielten hierbei
keinerlei Rolle, obwohl das Opfer schwere Brandverlet-
zungen bei der Explosion der Bombe erlitt.
Nach fünf Monaten ergebnisloser Ermittlungsarbeit wur-
den die Ermittlungen vorläufig eingestellt und wenige
Monate später erfolgte ihre endgültige Einstellung.
Im Zusammenhang mit der Einstellungsverfügung wurde
ein Wiedervorlagetermin für den Januar 2006 verfügt. Bis
zum Januar 2006 ergaben sich keine weiteren Hinweise
für eine erneute Aufnahme der Ermittlungsarbeit. Im
Januar 2006 wurden die Asservate zum Anschlag in der
Probsteigasse auf Weisung eines Kölner Staatsanwalts
ohne nähere Begründung vernichtet. Warum eine Ver-
nichtung der Asservate, trotz einer Verjährungsfrist von
20 Jahren (§ 308 StGB i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 2. StGB),
schon nach fünf Jahren angeordnet wurde, konnte der
Untersuchungsausschuss nicht klären.
Im Rahmen der Arbeit im Untersuchungsausschuss wurde
der Frage nachgegangen, ob es ein Versäumnis der dama-
ligen Ermittlungen war, nicht in Richtung rechtsextreme
Gewalt zu ermitteln. Der Zeuge Kriminalhauptkommissar
a.D. Edgar Mittler führte dazu aus, dass es zwar bekannt
gewesen sei, dass die rechtextreme Szene eine Affinität
zu Sprengstoff gehabt habe, dass es diesbezüglich aber in
Köln nie einen Vorfall gegeben habe (Mittler, Protokoll-
Nr. 22, S. 16-18). Aus Sicht des Ermittlers hatte man
somit keinen „Anfasser“ im Kölner Bereich bezüglich
rechtsextremer Gewalt und ermittelte aus diesem Grund
nicht in diesem Bereich.
XI.1.2.1. Einbindung Staatsschutz und Verfassungsschutz
in die Ermittlungsarbeit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 949 – Drucksache 17/14600
Wie der Ausschuss im Rahmen der Befragung des damals
zuständigen Ermittlers der Kölner Polizei Edgar Mittler
erfuhr, gehört es zum ermittlungstechnischen Standard,
dass bei jedem Sprengstoffanschlag der Staatsschutz eine
Zweitakte bekommt, um eigenständig eine Bewertung
bezüglich eines politischen Hintergrundes der Tat abzu-
geben. Wie der Zeuge vor dem Ausschuss ausführte, war
es Aufgabe des Kölner Staatsschutzes Erkundigungen
beim Verfassungsschutz einzuholen (vgl. hierzu RdErl. d.
Innenministeriums v. 3. Mai 2004 „Organisation der
Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen“,
Anlage 4 Nr. 6 „Ansprechstelle für Verbindungen zu
Nachrichtendiensten“).
Das Kriminalkommissariat pflegte selber keine Kontakte
zu den Verfassungsschützern so der Zeuge Mittler (Mitt-
ler, Protokoll-Nr. 22, S. 3).
Entsprechend den Regelungen zur Zusammenarbeit von
Polizei und Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen ist
es zwar richtig, dass die Kriminalpolizei keinen direkten
Kontakt zum Verfassungsschutz hatte und der Kontakt
nur über den Staatsschutz lief. Allerdings kann man
durchaus die Frage stellen, ob diese Arbeitsteilung sinn-
voll ist. Bei einem direkten Kontakt ist ein Gedankenaus-
tausch intensiver und neue Erkenntnisse im Rahmen der
Ermittlungsarbeit können schneller ausgetauscht werden.
Somit besteht nicht die Gefahr, dass wichtige Informatio-
nen durch den indirekten Kontakt verloren gehen.
Aufgrund der vorgelegten Zweitakte informierte der
Staatsschutz der Kölner Polizei die ermittelnden Beamten
darüber, dass keinerlei Erkenntnisse für einen politischen
Hintergrund der Tat vorlägen und der Staatsschutz des-
halb den Fall nicht übernehmen würde. Wie der Staats-
schutz im Rahmen seiner Ermittlungen vorging und wie
er dabei den Kontakt zum Verfassungsschutz suchte,
konnte der Zeuge Mittler dem Ausschuss nicht mitteilen
(Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 3 f.). Rückfragen bezüglich
der Anfrage stellten die Kölner Ermittler nicht.
Der Verfassungsschutz NRW wurde zumindest nicht in
die Ermittlungsarbeit eingebunden. Der damalige Leiter
der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium
Möller begründete dies damit, dass sowohl die Kölner
Polizei als auch das LKA NRW den Anschlag nicht als
politisch motiviert bewertete. Vielmehr ging man von
einem kriminellen Hintergrund aus (Möller, Protokoll-
Nr. 31, S. 12).
Wie der Zeuge Mittler in seiner Vernehmung vor dem
Ausschuss aussagte, fragte der Kölner Staatsschutz das
Bundesamt für Verfassungsschutz zu möglichen Hinwei-
sen was den Bombenanschlag und die Opfer anging ab
(Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 4f.). Im Rahmen der Ver-
nehmung des Zeugen Mittler haben sich keine Hinweise
ergeben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ir-
gendwelche Hinweise zu einem politischen oder rechts-
extremistischen Anschlag hatte. Ebenso haben sich keine
Hinweise aus den Akten des Ausschusses ergeben.
XI.1.2.2. Hinweise auf einen politischen Hintergrund
Wie der Zeuge Mittler gegenüber dem Ausschuss aussag-
te, hatte er im Rahmen der Ermittlungen mit dem Besitzer
des Ladens in der Kölner Probsteigasse gesprochen und
dabei erfahren, dass dieser und dessen Vater dem Schah
sehr nahe gestanden hatten und er deshalb den Iran ver-
lassen musste. (Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 7).
Daher hatten die damaligen Ermittler zumindest die Idee,
dass unter Umständen der iranische Geheimdienst hinter
dem Anschlag stecken könnte. Allerdings gab es keine
weiteren Hinweise, die diese Theorie erhärteten.
Einen ausländerfeindlichen Anschlag schloss der Fami-
lienvater selber kategorisch aus (Nachvernehmung D. M.
vom 1. Februar 2002, MAT A GBA-4/8a, Bl. 194-199
bzw. Bl. 205-210).
XI.1.2.3. Auswertung Tatmittelmeldedienst
Wie der Zeuge Mittler im Rahmen seiner Aussage vor
dem Untersuchungsausschuss mitteilte, hat es eine Abfra-
ge beim Tatmittelmeldedienst gegeben (Mittler, Proto-
koll-Nr. 22, S. 22; siehe auch MAT A NW 6a, 28f). Für
den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen gab es drei
Hinweise, die allerdings alle nicht zielführend waren.
XI.1.3. Bewertung
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen „Probsteigasse“
spielte einzig der strafrechtliche Vorwurf der Herbeifüh-
rung einer Sprengstoffexplosion, § 308 StGB, eine Rolle.
Körperverletzungsdelikte oder gar Tötungsdelikte schei-
nen, nach den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden
Unterlagen, keine Berücksichtigung gefunden zu haben.
Die damals verfügte Anordnung zur Vernichtung der
Asservate schon nach fünf Jahren, trotz einer Verjäh-
rungsfrist von 20 Jahren (§ 308 StGB i.V.m. § 78 Abs. 3
Nr. 2. StGB), ist nicht nachvollziehbar. Mit dieser Ver-
nichtung gingen wichtige Beweismittel, die unter Um-
ständen im Rahmen der Ermittlungen des Anschlags in
der Keupstraße und im Prozess gegen den NSU vor dem
Oberlandesgericht München eine wichtige Rolle hätten
spielen können, unwiederbringlich verloren.
Die Nichtberücksichtigung der gesetzlichen Verjährungs-
frist ist der Hauptkritikpunkt, der an die Kölner Staatsan-
waltschaft gerichtet werden muss.
Im Zusammenhang mit der Aussage des Ladenbesitzers,
der einen ausländerfeindlichen Anschlag ausschloss,
bleibt festzuhalten, dass eine solche Aussage sicherlich
bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit Berücksichtigung
finden kann. Allerdings ist es falsch, die Ermittlungsarbeit
von einer solchen Aussage abhängig zu machen. Opfer
einer Straftat können oft den gesamten Tatkomplex nicht
überblicken und so eine vollständig richtige Bewertung
der Tat vornehmen.
Wie bereits angesprochen, ist die Scharnierfunktion, die
der Staatsschutz zwischen Polizei und Verfassungsschutz
wahrnimmt, zu überprüfen. Hierbei ist das Trennungsge-
bot zu berücksichtigen. Allerdings bergen Institutionen,
die dem Austausch zwischen zwei Abteilungen bzw.
Behörden dienen die Gefahr, dass wichtige Informationen
verloren gehen. Zudem erlaubt es der direkte Kontakt,
dass Verfassungsschutz und Polizei ein besseres Ver-
ständnis für die Arbeit der anderen Seite entwickeln. Dies
Drucksache 17/14600 – 950 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dient einer gedeihlichen – wenn auch separierten – Zu-
sammenarbeit der Sicherheitsbehörden.
Abschließend sei noch erwähnt, dass das Argument der
Kölner Ermittler, dass es noch nie einen Bombenanschlag
mit einem rechtsextremen Bezug in Köln gab und man
somit keinen richtigen Anfasser für Ermittlungen in der
rechtsextremen Kölner Szene gehabt hätte, nicht greift.
Angesichts der Mobilität im 21. Jahrhundert ist es zu
provinziell gedacht, sich auf Stadt- oder Ländergrenzen
zu fokussieren.
XI.2. Anschlag in der Keupstraße (Nagelbombe)
XI. 2.1. Zusammenfassung der Ereignisse
Am 9. Juni 2004 wurde in der Kölner Keupstraße gegen
15.56 Uhr ein Nagelbombenanschlag verübt. Die Nagel-
bombe war an einem Fahrrad angebracht, welches vor
einem Friseursalon abgestellt wurde. Die Keupstraße ist
bekannt dafür, dass dort ein sehr hoher Anteil von türki-
schen Migranten wohnt bzw. dort Geschäfte hat. Die
Zündung der Bombe erfolgte über eine Fernbedienung.
Bei diesem Anschlag kam niemand zu Tode. Insgesamt
gab es 22 zum Teil schwer verletzte Personen, es entstand
ein erheblicher Sachschaden.
XI.2.2. Handeln der zuständigen Innenminister auf Lan-
des- und Bundesebene
Neben der Frage, ob es Fehler bei der Ermittlungsarbeit
gab, ist der Ausschuss der Frage nachgegangen, ob dem
damals zuständigen Innenminister in Nordrhein-
Westfalen, Dr. Fritz Behrens und dem damaligen Bundes-
innenminister, Otto Schily, Fehler im Rahmen ihrer Zu-
ständigkeiten vorzuwerfen sind.
XI.2.2.1. Information des Landesinnenministers
Nordrhein-Westfalen und erste Reaktion des Ministers
Zur Zeit des Bombenanschlags war Dr. Fritz Behrens
Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Das Büro von
Landesminister (LM) Behrens wurde um 17.25 Uhr über
den Anschlag infomiert. Wo sich der Minister zu diesem
Zeitpunkt aufhielt, konnte Minister Behrens nicht mehr
mit Sicherheit sagen. Entsprechend den Unterlagen des
Lagezentrums war dieser in seinem Privathaus. (Behrens,
Protokoll-Nr. 41, S.4). Um 17.30 Uhr rief ein Mitarbeiter
aus dem Büro des Ministers das Lagezentrum an und bat
um Informationsweitergabe und um Information der Ab-
teilung 6 (Verfassungsschutzabteilung im Innenministeri-
um in Nordrhein-Westfalen). Um 18.44 Uhr teilte das
Ministerbüro dem Lagezentrum mit, dass Presseanfragen
an das Polizeipräsidium Köln zu verweisen seien. Minis-
ter Behrens ist weder am Abend des Anschlagtages noch
in den folgenden Wochen in die Kölner Keupstraße ge-
fahren, um sich persönlich ein Bild vom Anschlagsort zu
machen.
XI.2.2.2. Weiteres Verhalten des Ministers
Das weitere Verhalten von Dr. Behrens im Rahmen der
Ermittlungsarbeit ist im Großen und Ganzen widersprüch-
lich geblieben. So erklärte Dr. Behrens zwar im Aus-
schuss:
„Wenn man darüber informiert wird, dann bittet
man als Erstes darum, weiter informiert gehalten
zu werden, wenn es weitere Erkenntnisse gibt.“
(Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 7)
Allerdings gibt es keinerlei Aufzeichnungen darüber, was
Dr. Behrens wann tat und wie er sich über den Stand der
Dinge auf dem Laufenden hielt. Dr. Behrens begründete
diese fehlenden Aufzeichnungen bzw. Gesprächsproto-
kolle mit seinem eher „kommunikativen Führungsstil“,
den er sich im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit unter
anderem als Behördenleiter angewöhnt habe (Behrens,
Protokoll-Nr. 41, S. 48). Ebenso blieb im Unklaren, ob
sich der ehemalige Innenminister jemals Gedanken dazu
gemacht hatte, ob der Anschlag einen rechtsextremisti-
schen Hintergrund haben könnte. Auf die Frage des Aus-
schusses, ob er sich seinerzeit diese Gedanken gemacht
habe, antwortete der Zeuge Dr. Behrens:
„Ganz sicher, ja. Ich habe jetzt keine konkreten Er-
innerungen an irgendein Gespräch. Aber ganz si-
cher hat dieses Ereignis unsere ganze Arbeit in den
darauffolgenden Woche und Monaten intensiv
auch beeinflusst und immer wieder zu Nachfragen
geführt.“
Aber auch hierzu gibt es keinerlei Aufzeichnungen in den
Akten des Untersuchungsausschusses.
XI.2.2.3. Unterrichtung des Ministerpräsidenten
Der damalige Innenminister Dr. Behrens konnte sich im
Rahmen seiner Zeugenvernehmung auch nicht mehr daran
erinnern, ob er dem damaligen Ministerpräsidenten des
Landes NRW, Peer Steinbrück, im Zusammenhang mit
dem Nagelbombenanschlag Bericht erstattete und ob man
in diesem Zusammenhang je miteinander gesprochen
hatte. Im Rahmen seiner Zeugenvernehmung sagte Dr.
Behrens allerdings aus, dass dies das übliche Prozedere in
solchen Fällen gewesen sei (Behrens, Protokoll-Nr. 41,
S. 12). Schriftliche Aufzeichnungen fehlen hierzu.
Inwieweit sich der damalige Ministerpräsident des Landes
Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück selber um Informa-
tionen zu dem Anschlag kümmerte, konnte der Untersu-
chungsausschuss nicht klären. Hinweise auf ein derartiges
Verhalten wurden nicht gefunden.
XI.2.2.4. Verhalten des ehemaligen Ministers gegenüber
den Opfern
Der damalige Landesinnenminister Dr. Behrens ver-
schaffte sich kein eigenständiges Bild im Rahmen eines
Tatortbesuchs. Auch suchte er keinen Kontakt mit den
Opfern des Anschlags. Welche Gründe den damaligen
Innenminister bewogen haben nicht nach Köln zu fahren,
um sich vor Ort ein eigenes Bild vom Anschlag zu ma-
chen, konnte er nicht sagen. Ob diese Entscheidung even-
tuell mit seinem Urlaub (vom Mittwoch, dem 9. Juni 2004
(nachmittags), bis Montag, dem 14. Juni 2004, einschließ-
lich) (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 3) zur Zeit des An-
schlags im Zusammenhang stand, konnte der Ausschuss
trotz längerer Diskussion mit dem Zeugen Dr. Behrens im
Rahmen der Zeugenvernehmung nicht klären. Der Zeuge
Dr. Behrens sprach im Zusammenhang mit seinem Urlaub
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 951 – Drucksache 17/14600
auch nicht von einem Erholungsurlaub, sondern von ei-
nem Arbeitsurlaub. Er nutzte die Urlaubstage, um im
nahen Umfeld von Düsseldorf einen Umzug durchzufüh-
ren (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 9).
Ebenso nutzte Dr. Behrens nicht die Chance eines Tatort-
besuchs, als der damalige türkische Botschafter, Mehmet
Ali İrtemçelik nach Köln fuhr, um sich vor Ort in der
Keupstraße ein eigenes Bild zu machen. Dr. Behrens
begründete dies im Untersuchungsausschuss damit, dass
man ihn nicht gefragt hatte, ob er mitkommen wolle.
Zudem wäre eine solche Verfahrensweise ungewöhnlich
gewesen, da für Botschafter die Bundesebene zuständig
sei (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 42). Schlussendlich
müsse man von Fall zu Fall abwägen, da es „die Gefahr
einer Art Sensationstourismus“ gebe, den „auch ein Mi-
nister oder Ministerpräsident auslösen kann“ (Behrens,
Protokoll-Nr. 41, S. 50).
Im Rahmen der Vernehmung wurde auch bekannt, dass
türkische Konsuln den Tatort in der Keupstraße besuch-
ten. Inwieweit Zeugen Dr. Behrens dies wusste, konnte
im Ausschuss nicht geklärt werden. Zu einem gemeinsa-
men Gesuch der Keupstraße ist es zumindest nicht ge-
kommen (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 59).
XI.2.2.5. Öffentliche Äußerungen des Ministers
In wieweit sich Dr. Behrens im Zusammenhang mit dem
Anschlag in Köln gegenüber den Medien äußerte, konnte
der Untersuchungsausschuss nicht zweifelsfrei klären.
Zwar gab es Berichte in den Medien hierzu – so zum
Beispiel im Kölner Stadtanzeiger vom 12. April 2004 –
dass Dr. Behrens sich zusammen mit dem damaligen
Bundesinnenmister Otto Schily dahingehend geäußert
habe, dass ein politisches oder fremdenfeindliches Motiv
im Zusammenhang mit dem Anschlag auszuschließen sei.
Der Zeuge Dr. Behrens führte dazu aus, dass diese Be-
richte falsch waren und die Pressestelle des Innenministe-
riums Nordrhein-Westfalen bis heute in diesem Zusam-
menhang Dementis herausgebe. Dennoch würde in den
Medien immer wieder über diese falschen Äußerung
berichtet (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 27). Die vom
ehemaligen Innenminister des Landes Nordrhein-
Westfalen erwähnten Dementis waren in den Akten, die
dem Untersuchungsausschuss vorlagen, nicht zu finden.
Der Zeuge legte sie bei seiner Vernehmung nicht vor und
reichte sie auch nicht nach.
Zudem, so betonte er, sei er im Urlaub gewesen und hatte
daher keinen Kontakt zur Öffentlichkeit. Außerdem sei er,
auch bei vergleichbaren ähnlichen Ereignissen, immer
sehr zurückhaltend mit öffentlichen Äußerungen gewesen
(Behrens, Protokoll-Nr. 41, S.4).
XI.2.2.6. Bewertung des Verhaltens des ehemaligen Lan-
desinnenministers Dr. Behrens
In allen Akten, die dem Untersuchungsausschuss vorla-
gen, findet sich kein einziges Indiz dafür, dass der dama-
lige Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen ein
besonderes Interesse am Bombenanschlag in der Kölner
Keupstraße hatte. Ebenso fanden sich keine Hinweise, die
die Aussagen von Herrn Dr. Behrens vor dem Untersu-
chungsausschuss, er hat sich interessiert, bestätigen, dass
er sich für den Anschlag in Köln interessierte. Im Ergeb-
nis zeigt das Verhalten des ehemaligen nordrhein-
westfälischen Innenministers wenig Problembewusstsein.
Die Tat, die Täter, aber vor allem die Opfer scheinen ihn
nicht im geringsten interessiert zu haben. Dies zeigt allein
seine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss, dass aus
seiner Sicht die Gefahr bestünde, dass ein Besuch eines
Ministers bei einem Tatort eine „Art Sensationstouris-
mus“ auslösen könnte. Das Opfer eines solchen An-
schlags in einer solchen Situation auch Zuspruch brau-
chen, scheint Herrn Dr. Behrens bis zum heutigen Tag in
keiner Weise bewusst zu sein. Auch der Besuch des da-
maligen Botschafters der Türkei in der Keupstraße hat bei
Herrn Dr. Behrens keinen Sinneswandel herbeigeführt.
Neben dem Verhalten, welches Dr. Behrens gegenüber
den Opfern des Bombenanschlags an den Tag legte, ist
auch die Frage der Unterrichtung des damaligen Minis-
terpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück,
problematisch. Ein Bombenanschlag wie in der Kölner
Keupstraße ist nicht alltäglich und müsste eigentlich zu
einem Austausch zwischen dem zuständigen Landesin-
nenminister und dem Ministerpräsidenten führen. Aller-
dings gibt es auch in diesem Fall keinerlei schriftlichen
Hinweise auf einen Kontakt zwischen dem damaligen
Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Landesinnenmi-
nister Dr. Fritz Behrens. Dies alles zeugt von einer Ma-
ximalen Gleichgültigkeit gegenüber den Amtspflichten
als damals zuständiger Innenminister.
XI.2.3. Handeln des Bundesinnenministers Otto Schily
XI.2.3.1. Wie wurde der Bundesinnenminister über den
Anschlag in Kenntnis gesetzt
Am späten Nachmittag/frühen Abend des Tages, an dem
der Anschlag in Köln verübt wurde, wurde das Bundesin-
nenministerium durch zwei E-Mails über den Anschlag in
Kenntnis gesetzt. Am 11. Juni wurde durch das Referat
P II 5 des Bundesinnenministeriums eine Vorlage mit
aktuellen Informationen zur Ermittlungsarbeit rund um
den Anschlag in der Kölner Keupstraße für den damaligen
Bundesinnenminister Otto Schily zur Unterrichtung gefer-
tigt. Allerdings hat diese Ministervorlage Otto Schily nie
erreicht. Auf Abteilungsleitereben war damals entschie-
den worden, dass der Vorgang bekannt sei und somit dem
Minister nicht vorgelegt werden müsste (Ministervorlage
vom 11. Juni 2004, BMI-4/57e, Bl. 95-98). Otto Schily
erklärte diesen Vorgang bei seiner Zeugenvernehmung
damit, dass im Bundesinnenministerium die Tendenz
bestehe nicht alles an den Minister herankommen zu
lassen. (Schily, Protokoll-Nr. 60, S.70)
XI.2.3.2. Reaktion des Ministers
Der ehemalige Minister äußerte sich dann am 16. Juni
2004 im Rahmen eines Wirtschaftsdialogs erstmals öf-
fentlich zu dem Bombenanschlag. Schily sagte unter ande-
rem, dass derzeit keinerlei Anhaltspunkte für einen terro-
ristischen oder fremdenfeindlichen Anschlag vorliegen
würden.
XI.2.3.3. Kontakt bzw. Besprechung von Bundesminister
Schily mit Landesminister Dr. Behrens
Drucksache 17/14600 – 952 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Rahmen der Aussagen der Zeugen Schily und
Dr. Behrens vor dem Untersuchungsausschuss konnte
nicht geklärt werden, ob sich die beiden Minister in den
Tagen nach dem Anschlag über den Bombenanschlag
telefonisch ausgetauscht haben. Der Zeuge Dr. Behrens
sagte dazu aus:
„Das wird so gewesen sein. Ich weiß nicht mehr,
wann und wo. Aber mit Otto Schily, der damals
das Bundesinnenministerium geleitet hat, habe ich
in solchen Situationen immer Kontakt gehabt. Das
liegt ja auf der Hand, wenn so etwas geschieht.“
Der Zeuge Schily konnte sich im Untersuchungsausschuss
an ein solches Gespräch allerdings nicht erinnern, konnte
es aber auch nicht ausschließen (Schily, Protokoll-Nr. 60,
S. 33).
XI.2.3.4. Weitere Befassung Schilys mit dem Anschlag
Schily sagte im Ausschuss aus, dass er nicht erwogen
habe, den Tatort in Köln zu besuchen (Schily, Protokoll-
Nr. 60, S. 44). Er fügte noch hinzu, dass er in seiner
Amtszeit nicht häufig bei solchen Ereignissen gewesen
sei (Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 51).
Konkret konnte sich Schily nicht an eine weitere Befas-
sung mit dem Anschlag erinnern. Er fügte hinzu, wenn in
alle Richtungen ermittelt werde, müsse man darauf ver-
trauen, dass die Ermittlungsbehörden zu den richtigen
Ergebnissen kämen (Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 78).
XI.2.3.5. Bewertung des Verhaltens des ehemaligen des
ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily
Bundesinnenminister Otto Schily zeigte ebenfalls wenig
Interesse an dem Anschlag in der Kölner Keupstraße.
Dies mag zwar aus formellen Gründen richtig sein, zu-
ständig war Landesinnenminister Dr. Behrens. Allerdings
muss man berücksichtigen, dass der Anschlag in Köln
aufgrund seiner Dimension von besonderer Tragweite
war. Daher wäre ein größeres Engagement auf jeden Fall
angezeigt gewesen, zumal er sich der Sache öffentlich
geäußert hatte und so den Anschein erweckte, er kümme-
re sich. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, gerade im
Zusammenhang mit der öffentlichen Äußerung des Minis-
ters, dass Schily für mehr Aktivitäten in Richtung Aufklä-
rung in seinem ministeriellen Geschäftsbereich sorgte.
XI.3. Fazit
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass im Fall des Kölner
Nagelbombenanschlags sich keiner der damals zuständi-
gen Innenminister (auf Bundes- und Landesebene) ernst-
haft mit dem Anschlag und seiner Aufklärung befasst hat.
Dies ist schon allein deshalb unfassbar, da Bombenan-
schläge wie in der Kölner Keupstraße nicht häufig in der
Bundesrepublik vorkommen.
Sicherlich kann ein einzelner Minister nicht persönlich
die Aufklärung eines solchen Falles betreiben, allerdings
kann er den Focus auf einen solchen Anschlag lenken und
damit die Aufklärungsarbeit, gerade auch durch seine
Beamten vorantreiben. Mit einem Besuch am Tatort
drückt man den Betroffenen sein Mitgefühl aus und kann
bei Gesprächen zumindest ansatzweise Trost spenden. Ein
solcher Besuch vor Ort hat nichts mit Sensationstouris-
mus zu tun, den Dr. Behrens angeblich fürchtete, mit
seinem Besuch auszulösen.
XII. Weitere Stärkung des Generalbundesan-
walts erforderlich
Die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sieht vor,
dass die Länder mit ihren Staatsanwaltschaften zuständig
sind für Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Der Gene-
ralbundesanwalt kommt nur in Ausnahmefällen, die im
Gesetz konkret benannt sind, zum Einsatz, §§ 142a i.V.m.
120 GVG. Dabei handelt es sich grob gesprochen um
Staatsschutzdelikte (Prof. Dr. Rissing-van Saan,
MAT_A_GBA-2, S. 207 ff.).
Die Erfahrungen mit den NSU-Verbrechen haben deutlich
gemacht, daß die Abhängigkeit des GBA von der Infor-
mation durch die Länderbehörden ein Hemmnis für eine
effektive Aufklärung von länderübergreifenden Verbre-
chensserien darstellen kann. Dem kann durch bestimmte
Gesetzesänderungen abgeholfen werden.
Nach §§ 142a i.V.m. 120 Abs. 2 GVG hat der General-
bundesanwalt ein Evokationsrecht für bestimmte Delikte:
sind die engen Voraussetzungen gegeben, zieht er die
weiteren Ermittlungen an sich. Die Rechtsprechung legt
diese Normen eng aus (Prof. Dr. Rissing-van Saan,
MAT_A_GBA-2, S. 208). Nach § 120 Abs. 2 GVG muss
der Fall insbesondere eine besondere Bedeutung haben,
um ein Evokationsrecht des Generalbundesanwalts be-
gründen zu können. Strenge Anforderungen werden da-
hingehend von der Rechtsprechung gestellt. (Prof. Dr.
Rissing-van Saan, MAT_A_GBA-2, S. 209)
Der Generalbundesanwalt erhält Kenntnis von der mögli-
chen eigenen Zuständigkeit in erster Linie durch die Lan-
desstaatsanwaltschaften und Länderpolizeien. Sie sind
zumeist die ersten, die von Delikten erfahren. Sie können
aufgrund der Aktenkenntnis beurteilen, ob die Zuständig-
keit des Generalbundesanwalts betroffen ist. Daher ist in
Nr. 202 RiStBV geregelt, dass der Staatsanwalt Vorgän-
ge, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit
der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden
Straftat (§ 120 GVG, Art. 7, 8 des Vierten Strafrechtsän-
derungsgesetzes) ergibt, mit einem Begleitschreiben un-
verzüglich dem Generalbundesanwalt übersendet. Die
Rechtsordnung geht davon aus, dass der Informationsweg
von den Staatsanwaltschaften der Länder zum General-
bundesanwalt verläuft. Dabei besteht eine Pflicht der
Staatsanwaltschaften zur Weiterleitung.
„Aber der normale Weg, der übliche Weg ist der,
dass eine zuständige Polizeibehörde – das BKA tut
das in vielen Fällen – die Bundesanwaltschaft mit
Informationen über Sachverhalte versorgt, wenn
bei uns die Annahme besteht, hier könnte die Zu-
ständigkeit der Bundesanwaltschaft berührt sein,
und dann in Karlsruhe geprüft wird, ob das der
Fall ist oder nicht.“ (Falk, Protokoll Nr. 19, S. 16).
In der Praxis erhält der Generalbundesanwalt oftmals aber
nicht durch Information der zuständigen Behörden, son-
dern durch Informationen aus den Medien Kenntnis über
Fälle, in denen eine mögliche eigene Zuständigkeit ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 953 – Drucksache 17/14600
prüft werden muss (Ritscher, Protokoll Nr. 44, S. 77).
Vorgesehen ist dieser Weg der Informationsgewinnung
nicht; er hat sich wohl im Laufe der Zeit herausgebildet in
einem Bund-Länder-Gefüge von Behörden, in denen sich
die Abhängigkeit des Generalbundesanwalts von Informa-
tionen aus den Staatsanwaltschaften der Länder als unzu-
reichend erwiesen hat. Hinweise können dazu führen,
dass die Mitarbeiter des Generalbundesanwalts nicht
abwarten, um informiert zu werden, sondern selbst Er-
kundigungen bei den Staatsanwaltschaften in den Ländern
einholen. Problematisch ist dabei die Abgrenzung, wann
und wie weit Informationen eingeholt werden dürfen.
Bloße Hinweise können nicht ausreichen. Tatsächliche
Anhaltspunkte müssen aber oft erst zusätzlich gewonnen
werden (Prof. Dr. Rissing-van Saan, MAT_A_GBA-2, S.
214 ff.). Der Generalbundesanwalt ist dabei immer auf die
freiwillige Informationsüberlassung durch die Staatsan-
waltschaften angewiesen. Eine eigenständige Befugnis
zur Informationsgewinnung hat er nicht. Sogenannte
ARP-Vorgänge (Allgemeines Register Politisch) werden
durch den Generalbundesanwalt angelegt, falls Hinweise
auf eine mögliche Zuständigkeit bestehen (Ritscher, Pro-
tokoll Nr. 44, S. 75).
XII.1. Česká-Mordserie
Am 26. August 2006 hat der Generalbundesanwalt einen
ARP-Vorgang dazu angelegt, um eine mögliche Zustän-
digkeit zu prüfen. Grundlage dafür waren Medienberichte.
(Ritscher, Protokoll Nr. 44, S. 75)
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der NSU bereits neun Mor-
de an türkisch- und griechischstämmigen Männern be-
gangen. Eine Vorlage von einer Staatsanwaltschaft oder
Polizeibehörde beim Generalbundesanwalt ist bis dahin
nicht erfolgt. (Ritscher, Protokoll Nr. 44, S. 76, S. 91).
Der Zeuge Dr. Kimmel, damals sachleitender Staatsanwalt
bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg, betonte vielmehr in
seiner Aussage, dass auch die Prüfung des § 120 Abs. 2
ergeben habe, dass eine Zuständigkeit des Generalbun-
desanwalts nicht erforderlich sei, und aus diesem Grunde
eine Abgabe nach dieser Vorschrift nicht erfolgt sei
(Kimmel, Protokoll Nr. 14, S. 7) Die Erwartung der für
die Information an den GBA zuständigen Staatsanwalt-
schaft Nürnberg war, dass sich der GBA melden sollte:
„Wenn der Generalbundesanwalt an uns herange-
treten wäre und er zum Beispiel angefragt hätte –
auch zur Ergänzung, zur Vervollständigung seiner
Prüfung - , ob das ein Verfahren ist, das in Be-
tracht kommt, dass es weiter beim Generalbundes-
anwalt geführt wird, hätten wir selbstverständlich
die Akten rübergeschickt nach Karlsruhe; das ist
überhaupt keine Frage. Also, es war von daher
aber auch an uns niemand herangetreten. Ich habe
kein Schreiben oder Ähnliches bekommen aus
Karlsruhe. Von daher, nach eigener Prüfung, habe
ich gemeint: korrekterweise nicht, aus diesem
Grunde auch dann die Akten nicht nach Karlsruhe
gesandt.“ (Dr. Kimmel, Protokoll Nr. 14, S. 24)
Diese Erwartungshaltung der Staatsanwaltschaft Nürn-
berg widersprach der Gesetzeslage, denn nicht der Gene-
ralbundesanwalt musste anfragen, vielmehr muss die
Staatsanwaltschaft Nürnberg aufgrund der Zuständig-
keitsordnung im Grundgesetz Hinweise an den General-
bundesanwalt melden. Dies hat sie nicht getan.
Auch der Zeuge Hoppe vom BKA bestätigt:
„Es wäre Aufgabe der ermittlungsführenden
Staatsanwaltschaft gewesen, den Sachverhalt dem
GBA vorzulegen“ (Hoppe, Protokoll Nr. 15,
S. 24).
XII.4. Fazit
Keine Länderstaatsanwaltschaft oder Länderpolizei hat
sich verpflichtet gefühlt, den Generalbundesanwalt um
Prüfung der eigenen Zuständigkeit zu ersuchen, obwohl
neun Männer türkisch- und griechischstämmiger Herkunft
hingerichtet worden sind, und durch die OFA-Analyse des
Profilers Horn auch ein fremdenfeindliches Motiv im
Raum stand. Gesetzlich ist aber genau dieser Weg vorge-
schrieben: von den Ländern an den Generalbundesanwalt.
Generalbundesanwalt Harald Range hat in einem Inter-
view in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
vom 25. März 2012 Änderungen angemahnt:
„Ich hätte mir allerdings eine intensivere Zusam-
menarbeit der Strafverfolgungsbehörden der Län-
der in Richtung der Bundesanwaltschaft ge-
wünscht. Wir haben ja nur in Ausnahmefällen ein
eigenes Ermittlungsrecht. Grundsätzlich ist die
Strafverfolgung Sache der Länder. Deshalb müs-
sen die Staatsanwaltschaften der Länder sich an
uns wenden, wenn sie den Verdacht auf eine terro-
ristische Straftat haben. Damit wir prüfen können,
ob das ein Fall für uns ist. Wenn eine Landes-
staatsanwaltschaft uns aber nicht informiert oder
mitteilt, das ist kein staatsgefährdendes Verbre-
chen, dann müssen wir das in aller Regel so hin-
nehmen. Hier wünsche ich mir Verbesserungen für
die Zukunft.“
Damit es nicht mehr zu dieser Informationslücke kommt,
sind folgende Änderungsvorschläge zu überlegen:
1. Der Generalbundesanwalt braucht eine eigenständige
Informationsbefugnis, um seine Zuständigkeit feststellen
zu können. Auf die Zulieferung aus den Ländern ange-
wiesen zu sein, ist erkennbar nicht ausreichend. Dabei ist
sowohl an eine Änderung der RiStBV als auch an gesetz-
liche Klarstellungen zu denken. Frau Prof. Dr. Rissing-
van Saan schlägt die gesetzliche Verankerung einer sol-
chen (Vor)Ermittlungskompetenz zur Prüfung seiner
Zuständigkeit in § 142a GVG vor (MAT_A_GBA-2, S.
228 f.).
Auch Generalbundesanwalt Harald Range denkt im In-
terview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
vom 25. März 2013 in die gleiche Richtung:
„Außerdem brauchen wir als Bundesanwaltschaft
mehr und klare Initiativrechte, um in der Lage zu
sein, selbst zu prüfen und zu bewerten, ob wir in
einem konkreten Fall zuständig sind. Bisher bewe-
gen wir uns da in einer rechtlichen Grauzone. Die
derzeitige Situation ist nicht befriedigend.“
Drucksache 17/14600 – 954 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Ergänzend dazu sollte der Generalbundesanwalt die
Möglichkeit haben, bereits dann die Ermittlungen zu
führen, wenn zureichende Anhaltspunkte für die Begrün-
dung seiner Zuständigkeit gegeben sind. Sollte sich im
Verlauf der Ermittlungen herausstellen, dass die Zustän-
digkeit des Generalbundesanwalts nicht gegeben ist, wäre
das Verfahren an die jeweils zuständige Landesstaatsan-
waltschaft abzugeben.
3. Der Generalbundesanwalt muss personell ausreichend
ausgestattet werden, um diese Aufgabe erfüllen zu kön-
nen. Soll er bei jeder Verdachtslage nicht nur einen ARP-
Vorgang anlegen, sondern auch Hinweisen auf die eigene
Zuständigkeit effektiv nachgehen können, ist eine ausrei-
chend personelle Ausstattung nötig. Diese muss flexibel
gehandhabt werden können: so dürfen große Verfahren
nicht zuständige Mitarbeiter so binden, dass in einem
Bereich wie beispielsweise Rechtsterrorismus weiteren
Hinweisen nicht mehr effektiv nachgegangen werden
kann.
4. Bei länderübergreifenden Mordserien, in denen ein
rassistisches fremdenfeindliches Motiv nicht ausgeschlos-
sen werden kann, sollte die Zuständigkeit im Zweifel
beim Generalbundesanwalt liegen. So wird die Federfüh-
rung der Ermittlungen aus einer Hand gewährleistet. Soll-
te sich im Laufe der Ermittlungen klar herausstellen, dass
ein entsprechendes Motiv auszuschließen ist, kann eine
Übernahme durch eine Landesstaatsanwaltschaft erfolgen.
In diese Richtung gehen auch Überlegungen des Bundes-
innenministers, Dr. Hans-Peter Friedrich bereits im No-
vember 2011 (taz, 11. Februar 2013, „Beinfreiheit für
Generalbundesanwalt“):
„Der Generalbundesanwalt sollte in Fällen schwe-
rer Kriminalität mit länderübergreifendem Bezug
eine stärkere Rolle spielen“.
5. Der Generalbundesanwalt sollte darüber hinaus die
Möglichkeit erhalten, ein Verfahren an sich zu ziehen,
wenn seine Zuständigkeit geboten erscheint, da der Fall
mehrere Länder betrifft und sich die Tat gegen die Bun-
desrepublik Deutschland als Gesamtstaat richtet. Die
„besondere Bedeutung“ in § 120 Abs. 2 GVG könnte hier
der richtige Ansatzpunkt sein.
XIII. Kein Unterlaufen des § 4 BKAG durch in-
formelle Innenministerkonferenz
XIII.1. Innenministerkonferenz in Garmisch-
Partenkirchen im Mai 2006 – Übernahme durch das BKA
– Bildung einer Steuerungsgruppe
Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in den Be-
reichen Polizei und Verfassungsschutz wird maßgeblich
auf der Innenministerkonferenz bestimmt. Der Bundesmi-
nister des Innern hat dabei lediglich einen Gaststatus.
Beschlüsse werden ausschließlich einstimmig gefällt.
An dieser Stelle soll die Innenministerkonferenz im Mai
2006 in Garmisch-Partenkirchen näher beleuchtet werden.
Zum damaligen Zeitraum stand eine zentrale Übernahme
der Ermittlungen durch das BKA im Raum. Diese Frage
sollte in Abstimmung zwischen Bund und Ländern im
Vorfeld oder auf der bzw. am Rande der Innenminister-
konferenz geklärt werden.
XIII.1.1. Mögliche Übernahme BKA im Jahr 2004, § 4
Abs. 2 Nr. 1 BKAG
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG kann das Bundeskriminal-
amt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Straf-
verfolgung wahrnehmen, wenn eine zuständige Landes-
behörde darum ersucht.
Kurz ist diese Möglichkeit an dieser Stelle zu beleuchten,
da es im April 2004 in Bayern Überlegungen gegeben
habe, den Fall an das BKA abzugeben (Dr. Beckstein,
Protokoll Nr. 17, S. 84). Zu diesem Zeitpunkt waren 3
Morde in Bayern, der Mord in Hamburg und der Mord in
Rostock begangen. Das BKA hatte damals darauf verwie-
sen, dass für Mordermittlungen in erster Linie die örtlich
zuständigen Polizeien und Staatsanwaltschaften zuständig
seien. Ein förmliches Übernahmeersuchen Bayerns hat es
damals wohl nicht gegeben, so beispielsweise der Zeuge
Falk (Falk, Protokoll Nr. 19, S. 3). Auch der Zeuge
Ziercke konnte sich nicht erinnern, Kenntnis darüber
bekommen zu haben, dass das Bayerische Staatsministe-
rium des Innern 2004 tatsächlich überhaupt die Absicht
gehabt hätte, die Übernahme des gesamten Verfahrens-
komplexes einschließlich aller Mordermittlungen an das
BKA heranzutragen (Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 6).
Vielmehr habe man sich zwischen BKA und
Länderpolizeien darauf verständigt, dass das BKA ergän-
zende strukturelle Ermittlungen im Hinblick auf § 129
StGB übernehmen solle (Hoppe, Protokoll Nr. 15, S. 3).
Die Mordermittlungen sollten vor Ort bei den Tatort-
dienststellen belassen werden (Hoppe, Protokoll Nr. 15,
S. 4).
XIII.1.2. Mögliche Übernahme BKA im Jahr 2006 durch
Anordnung BMI, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG
Im Jahr 2006 war auf Fachebene des BKA der Eindruck
entstanden, dass das BKA die Ermittlungen zentral führen
sollte:
„Und mit den Morden 8 und 9 hatte sich für mich
die Lage grundlegend verändert, weil zwei weitere
Bundesländer hinzugekommen waren, nämlich
Hessen und Nordrhein-Westfalen, man in den Er-
mittlungen vorher festgestellt hatte, dass es an der
einen oder anderen Stelle, zum Beispiel der Da-
tenverarbeitung, Optimierungsbedarf geben kann,
und hatte für mich die Bewertung getroffen, dass
eine echte zentrale Ermittlungsführung, die ein
zentrales Ermittlungskonzept, Fahndungskonzept,
Öffentlichkeitskonzept vorsieht, der richtige Weg
sei, und habe deswegen meiner Amtsleitung vor-
geschlagen, diesen Weg zu gehen“ (Hoppe, Proto-
koll Nr. 15, S. 3).
Auch die Leistungsebene des BKA unterstützte diese
Einschätzung; der Zeuge Falk bestätigt die Überlegungen:
„Wir haben die schwerwiegenden Gründe hier vor-
liegend gesehen, einmal wegen der Tatbegehung:
neun Morde, türkische Mitbürger, ein griechischer
Mitbürger. Von der Polizeibeamtin wussten wir zu
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 955 – Drucksache 17/14600
dem Zeitpunkt natürlich noch nichts; das war ja
auch erst später. Und wir haben die Erfolglosigkeit
gesehen. Wir haben die Internationalität vermutet,
auch wenn sie sich so, wie wir sie ursprünglich
vermutet haben nachher nicht dargestellt hat“
(Falk, Protokoll Nr. 19, S. 12).
Zunächst wurde versucht, in Abstimmung mit den Län-
dern eine entsprechende Entscheidung zu erzielen. Die
Bereitschaft dazu sei jedoch nicht umfänglich vorhanden
gewesen, daher habe Herr Hoppe auch die Möglichkeit
des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG in Erwägung gezogen (Hop-
pe, Protokoll Nr. 15, S. 3). Es habe im BKA die Überle-
gung gegeben, dem Bundesinnenminister vorzuschlagen,
das BKA nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 des BKA-Gesetzes „aus
schwerwiegenden Gründen“ mit den Ermittlungen zu
beauftragen; dies sei eine Maßnahme, die höchst sparsam
in der Geschichte der Bundesrepublik, eingedenk der
Länderhoheit in Polizeiangelegenheiten, angewendet
worden sei, so der Zeuge Falk (Falk, Protokoll Nr. 19,
S. 5).
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG übernimmt das Bundeskri-
minalamt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der
Strafverfolgung, wenn der Bundesminister des Innern es
nach Unterrichtung der obersten Landesbehörde aus
schwerwiegenden Gründen anordnet.
In Abstimmung mit der Amtsleitung wurde von Herrn
Hoppe ein Bericht an das BMI gesandt, der die vom BKA
festgestellten Defizite bei den dezentralen Ermittlungen
auflistete (Hoppe, Protokoll Nr. 15, S. 3). Der Zeuge
Ziercke hatte vorab versucht, Einvernehmen mit den Län-
dern herzustellen:
„Ich habe dann auch noch vor der Versendung des
Schreibens an das Bundesinnenministerium zur
Übernahme nach § 4 Abs. 2 mit dem Landespoli-
zeipräsidenten von Bayern, Herrn Kindler, telefo-
niert. Ich spürte schon in diesem Gespräch, dass
eine Übernahme durch den Bund für Bayern nicht
zur Diskussion stand. Ähnlich war ja die Resonanz
auch in der AG Kripo und auch im AK II gewesen.
Das galt auch für die anderen Länder“ (Ziercke,
Protokoll Nr. 21, S. 8).
Nachdem das Einvernehmen nicht zu erwarten gewesen
sei, habe das BKA die Sache an das BMI eskaliert
(Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 8).
Der Zeuge Dr. Schäuble scheint in seiner Amtszeit als
Innenminister jedoch nicht mit der Frage befasst worden
zu sein, ob er anordnen sollte, dass das BKA nach § 4
Abs. 2 S. 2 des BKAG gegen die Ländern anordnen solle,
die Ermittlungen an sich zu ziehen, da er sich daran nicht
erinnern konnte.
„Ich hätte einen solchen Vorschlag, der mir nicht
gemacht worden ist, wenn er mir gemacht worden
wäre, abgelehnt“ (Dr. Schäuble, Protokoll Nr. 47,
S. 2).
Anders erinnert sich der Zeuge Dr. Hanning:
„Die Position des Innenministers war: Wir würden
uns sehr freuen, wenn wir das im Konsens errei-
chen könnten, dass das BKA das übernimmt. Aber
gegen den Widerstand der Länder, das hielten wir
für wenig zielführend“ (Dr. Hanning, Protokoll
Nr. 44, S. 14).
Eine Entscheidung sollte auf der Innenministerkonferenz
in Garmisch-Partenkirchen im Mai 2006 fallen (Hoppe,
Protokoll Nr. 15, S. 3).
Nach der Innenministerkonferenz wurde eine Steuerungs-
gruppe eingerichtet. Die Innenminister haben dies wohl
nicht in dieser Frage miteinander besprochen und ent-
schieden. Auch auf Staatssekretärsebene war dies am
Rande der Innenministerkonferenz wohl nicht debattiert
worden. Eventuell haben die Abteilungsleiter des AK II
darüber gesprochen. Die Länder waren zurückhaltend, so
dass der Abteilungsleiter Krause im BMI mit seinen Kol-
legen sich auf die Steuerungsgruppe geeinigt zu haben
scheint. Herr Krause konnte vom Untersuchungsaus-
schuss nicht mehr befragt werden, da er verstorben ist.
So erläutert der Zeuge Dr. Schäuble, dass er am Rande
oder bei Anlass der Innenministernkonferenz in Gar-
misch-Partenkirchen im Mai 2006 aus dem zuständigen
Arbeitskreis informiert worden sei, dass die Fragen der
Zusammenarbeit befriedigend geregelt worden seien.
(Dr. Schäuble, Protokoll Nr. 47, S. 9). Am 3. Mai, einen
Tag vor der IMK, habe er eine Vorlage erhalten:
„Es zeichnet sich ab, dieses Ergebnis und das ist
die einvernehmliche Zusammenarbeit. P-BKA ist
Präsident Ziercke. Und da habe ich dann gedacht:
So ist es gut und diese Wertung habe ich auch heu-
te noch“ (Dr. Schäuble, Protokoll Nr. 47, S. 16).
Das Ergebnis wurde von den Zeugen Dr. Hanning und
Dr. Schäuble begrüßt:
„Während der Konferenz – ich meine, es sei gleich
zu Beginn gewesen, aber ich erinnere das nicht
mehr sehr genau – bin ich dann davon unterrichtet
worden, dass man sich auf Abteilungsleiterebene
mit den Ländern und auch mit dem Bundeskrimi-
nalamt auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen
verständigt habe. Ich habe dann gefragt, ob auch
das Bundeskriminalamt damit einverstanden sei,
weil da ja Kritik geäußert war, und da wurde mir
gesagt, ja, auch das BKA sei einverstanden mit
dem vereinbarten Vorgehen. Damit entfiel dann
die Notwendigkeit dieses Thema in der formellen
Konferenz anzusprechen. Nach meinem Verständ-
nis waren sozusagen die Probleme dann durch die-
se Beschlüsse oder durch dieses Einvernehmen im
Rahmen der Abteilungsleiterkonferenz ausge-
räumt.“ (Dr. Hanning, Protokoll Nr. 44, S. 3)
„Ich bin doch nicht derjenige, der jetzt die Fachar-
beit des BKA zu machen hat als Staatssekretär. Ich
habe das zu akzeptieren. Wenn mir ein BKA und
eine Spitze, der ich sehr vertraut habe, nämlich
Herr Ziercke und Herr Falk, wenn die mir sagen:
„Jawohl, wir können damit leben“, dann muss ich
Drucksache 17/14600 – 956 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
das als Staatssekretär akzeptieren,…“ (Dr. Han-
ning, Protokoll Nr. 44, S. 58)
„Ich bin unterrichtet worden, man habe auf der
Ebene der Abteilungsleiter ein Einvernehmen er-
zielt. Ich habe das begrüßt. Damit war auch das
BKA einverstanden.“ (Dr. Schäuble, Protokoll
Nr. 47, S. 38)
Der Vorschlag, die zentralen Ermittlungen beim BKA
anzusiedeln, war vom Tisch. Der Zeuge Ziercke begrüßte
den getroffenen Konsens (Ziercke, Protokoll Nr. 21,
S.14).
Der Zeuge Bouffier teilte mit, dass dieses Thema nicht
Gegenstand der Konferenz gewesen sei. Es sei nicht Ge-
genstand des Kamins gewesen, das könne er detailliert
sagen. Er gehe jedoch davon aus, dass es am Rande der
Konferenz unter den Polizeiabteilungsleitern oder wem
auch immer Gegenstand gewesen sei (Bouffier, Protokoll
Nr. 32, S. 48).
Am Rande der IMK in Garmisch habe die Besprechung
mit den betroffenen Polizeichefs und dem Abteilungslei-
ter Polizei des BMI stattgefunden; ob Ziercke auch dabei
gewesen sei, sei unklar; allerdings meinte der Zeuge
Kindler, dass es so gewesen sei (Kindler, Protokoll Nr.
36, S. 87). Im Ergebnis habe Einvernehmen darüber be-
standen, dass die Ermittlungen zentral durch die BAO
„Bosporus“ von Bayern ausgeführt und koordiniert wer-
den sollten; dies sei insbesondere auch die Meinung des
Abteilungsleiters im BMI Krause gewesen. Dazu habe
eine Steuerungsgruppe eingerichtet werden sollen (Kind-
ler, Protokoll Nr. 36, S. 87).
Andere Informationen besagen, dass dieses Thema am
Rande des Kamingesprächs Thema gewesen sein soll. So
meinte beispielsweise der Zeuge Dr. Beckstein, dass das
Thema beim Kamingespräch oder am Rande des Kamins
kurz angesprochen worden sei; es sei jedoch gar kein
großes Thema gewesen (Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17,
S. 86) Auch der Zeuge Falk hat aus mündlichen Reaktio-
nen entnommen, dass die Übernahme durch das BKA
beim Kamingespräch oder am Rande desselben erörtert
worden sei (Falk, Protokoll Nr. 19, S. 6), möglicherweise
sei dieses Einvernehmen auch nur auf Abteilungsleiter-
ebene erzielt worden (Falk, Protokoll, Nr. 19, S. 45).
Es steht im Raum, dass Bayern dieses geplante Vorgehen
über § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG als „Kriegserklärung“ be-
griffen hätte (MAT_A_BKA-2/19.05, Blatt 352 f.) Der
Zeuge Dr. Beckstein hat darauf hingewiesen, dass das
BKA jederzeit hätte übernehmen können, wenn es gewollt
hätte (Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 85). Im Vorfeld
der Innenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen
hätten sich die Zeugen Dr. Beckstein und Kindler bespro-
chen: es sollten Bedenken gegen eine Übernahme durch
das BKA geäußert werden; eine Prüfung sollte angesto-
ßen werden, welchen Mehrwert eine Übernahme durch
das BKA gehabt haben sollte (Dr. Beckstein, Protokoll
Nr. 17, S. 85).
„Ich selber sage Ihnen meine Beurteilung: ich hätte
es im Jahr 2006, als die Ermittlungen äußerst heiß
gelaufen waren für einen schweren Fehler gehal-
ten, im laufenden Galopp die Pferde zu wechseln“
(Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 86).
Tragisch, dass damit die Möglichkeit eines „frischen
Blicks“ durch neue Ermittler vom BKA ausblieb und
nicht gewollt war.
Der Zeuge Hoppe, der Verfasser des Ausgangsschreibens,
hat von der Entscheidung nebenbei erfahren: es sei ihm
über Umwege über den hessischen Kollegen mitgeteilt
worden (Hoppe, Protokoll Nr. 15, S. 14).
Eine Begründung für die Entscheidung wurde nicht abge-
geben, so beispielsweise der Zeuge Falk (Falk, Protokoll
Nr. 19, S. 46).
XIII.2. Fazit
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG, wo-
nach der Bundesinnenminister die zentrale Ermittlung
beim BKA aus schwerwiegenden Gründen anordnen
kann, scheinen vorgelegen zu haben. Es war auch vorge-
sehen, eine formelle Entscheidung bei der Innenminister-
konferenz in Garmisch-Partenkirchen im Mai 2006 zu
fällen. Allerdings war das Ergebnis am Schluss, eine
Steuerungsgruppe einzurichten. Wie die Entscheidung im
Endeffekt von wem konkret gefällt worden ist, bleibt
unklar.
1. Es muss die Frage gestellt werden, ob gesetzliche Re-
gelungen durch informelle Gremien, wie die Innenminis-
terkonferenz oder deren Untergruppen, wie den AK II,
unterlaufen werden können. Insbesondere ist für § 4
Abs. 2 Nr. 2 BKAG gerade nicht das Einvernehmen mit
den Ländern erforderlich. Die alleinige Entscheidung soll
beim Bundesminister des Innern liegen. Ob eine Regelung
im Gesetz sinnvoll ist, die im Endeffekt nicht angewendet
wird, muss hinterfragt werden. Deshalb sollte § 4 Abs. 2
Nr. 2 BKAG dahingehend präzisiert werden, dass das
BKA automatisch bei länderübergreifenden Mordserien
die Ermittlungen übernimmt. Eine Entscheidung auf poli-
tischer Ebene wäre dann obsolet.
2. Daneben sollte sichergestellt sein, dass auf Innenminis-
terkonferenzen Tagesordnungen klar eingehalten werden.
Alle Punkte, die formell oder informell behandelt werden
sollen und behandelt werden, sollen Niederschlag im
Rahmen eines Protokolls finden. Es muss nachvollziehbar
sein, wer welche Entscheidung getroffen hat. Nur so kann
sichergestellt werden, dass jemand auch die Verantwor-
tung trägt, und erläutern kann, wie es zu bestimmten Ent-
scheidungen gekommen ist.
XIV. Forderungen und Konsequenzen
XIV.1. Verbesserung der Parlamentarische Kontrolle der
Nachrichtendienste und Stärkung der G 10-Kommission
1. Verbesserung der Kontrolle durch ungehinderte, jeder-
zeitige Zugangsmöglichkeit der PKGr-Mitglieder zu den
Diensten ohne vorherige Anmeldung und freie Aktenein-
sicht vor Ort
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 957 – Drucksache 17/14600
2. Einführung einer Vorladungsmöglichkeit von ein vier-
tel der Mitglieder des PKGr gegenüber Mitarbeitern der
Dienste
3. Erleichterung des Zugangs zum PKGr für Mitarbeiter
der Dienste insb. durch Abschaffung der Pflicht zur
gleichzeitigen Unterrichtung der Behördenleitung durch
den Mitarbeiter
4. Abschaffung der Informationsverweigerungsmöglich-
keit der Dienste gegenüber dem PKGr bei zwingenden
Gründen der Nachrichtenbeschaffung
5. Bestellung eines ständigen Sachverständigen
6. Erlass von Dienstvorschriften der Nachrichtendienste
im Benehmen mit dem PKGr
7. Regelmäßige Unterrichtung über V-Mann-Einsätze
8. Zulassung von sicherheitsüberprüften Fraktionsmitar-
beitern zu den PKGr-Sitzungen zur Unterstützung der
Arbeit der PKGr-Mitglieder
9. Zwingende Protokollierung der PKGr-Sitzungen
10. Einführung eines Dienstvergehens bei Verletzung der
Unterrichtungspflichten
11. Schaffung einer Beratungsmöglichkeit mit dem Frak-
tionsvorsitzenden und 1. PGF für die Mitglieder
12. Gegenseitige Unterrichtungspflicht von Bund und
Ländern in den PKGr/PKK schaffen
13. Stärkung der G 10-Kommission durch Erhöhung der
Mitglieder- und Stellvertreterzahl auf 5
13. Installation eines Ombudsmannes mit Befähigung
zum Richteramt bei der G 10-Kommission zur Wahrneh-
mung der Betroffenenrechte in Zeiten der Unkenntnis der
Maßnahme
XIV.2. Reform des Verfassungsschutzverbundes
1. Stärkung kleiner LfVs durch Zusammenlegung oder
Spezialisierung
2. Schaffung gemeinsamer Standards von Bund und Län-
dern bei der Ausbildung der Verfassungsschützer
3. Professionalisierung der Ausbildung der Mitarbeiter
4. Überarbeitung veralteteter Vorgaben und Dienstvor-
schriften
5. Verbesserung des Informationsflusses zwischen den
Nachrichtendiensten
6. Stärkung der Koordinierungsfunktion des BfV
7. Verpflichtung des BfV zur Erstellung von Gesamtlage-
bildern
8. Schaffung klarer gesetzlicher Regelungen über Lö-
schung und Aufbewahrung von Akten
9. Weitestgehende Ermöglichung der Akteneinsicht für
Betroffene; Unterbleiben der Auskunftserteilung nur unter
den Voraussetzungen. des § 15 Abs. 2 BVerfSchG
10. Effiziente Prüfung durch die Datenschutzbeauftragten
der Verfassungsschutzämter
11. Schaffung einer klaren gesetzlichen Regelung für V-
Person-Einsätze über Auswahl, Führung und Führung der
Personen
12. Gegenseitige Information der LfVs/BfV über V-
Person-Einsätze
13. Kontinuierliche Überprüfung der V-Person-Einsätze
durch Vorgesetzten
14. Ermöglichung des Zugangs zu V-Leuten für Polizeien
und Staatsanwaltschaften bei Kapitaldelikten
15. Abschaffung des MAD und Überführung der Perso-
nen und Kompetenzen vor allem in das BfV
16. Kontinuierliche Evaluation von Recht und Praxis
(insbesondere auch V-Personen-Einsätze) durch externe
Sachverständige
XIV.3. Präzisierung der Zuständigkeiten von Staatsan-
waltschaften, Polizeien und anderen Sicherheitsbehörden
1. Klare Federführung bei länderübergreifenden Verbre-
chensserien
2. Erleichterung der Übernahmemöglichkeit durch das
BKA
3. Bessere Einbeziehung anderer Sicherheitsbehörden,
wie Zollfahndungsdienst
4. Verstärkte Sensibilisierung des Personals in Bezug auf
Straftaten im Bereich Fremdenfeindlichkeit
5. Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen
den Sicherheitsbehörden unter Wahrung des Trennungs-
gebotes
6. Klare gesetzliche Grundlagen für gemeinsame Zentren
und Dateien
7. Wahrung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern bei der Polizei
8. Überführung von Zollfahndungsdienst und Zollkrimi-
nalamt in die Zuständigkeit des BMI
9. Abbau von Doppelzuständigkeiten und Reibungsver-
lusten zwischen Zoll, Bundespolizei, Bundeskriminalamt
und Länderpolizeien
10. Zur besseren Koordination der Präventionsmaßnah-
men gegen politischen Extremismus in den Ländern,
zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern
ist eine zentrale Präventionsstruktur, z. B. beim „Deut-
schen Forum für Kriminalprävention" anzuregen, um
Strategien zu nachhaltigen Bekämpfung des politischen
Extremismus entwickeln zu können
XIV.4. Verbesserung des Opferschutzes
1. Einrichtung einer Opferschutzstiftung des Bundes in
Zusammenarbeit mit engagierten Organisationen zur
Sicherstellung der Finanzierung
2. Einbeziehung von Opfern und ihrer Familien bei der
Planung öffentlicher Gedenkveranstaltungen
Drucksache 17/14600 – 958 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Stärkung und Verbreitung der Institution Täter-Opfer-
Ausgleich
4. Einbeziehung von Opferschutz und Umgang mit (Op-
fer-) Zeugen bei der Referendarausbildung bundesweit
5. Stärkung der Aus- und Fortbildung der Justiz im Be-
reich Opferschutz
6. Erarbeitung konkreter Kriminalitäts- und Gewaltprä-
ventionsmaßnahmen für die kommunale Ebene mit Unter-
stützung des Lehrstuhls für Gewalt und Kriminalpräventi-
on in Tübingen
7. Mehr Personal mit Migrationshintergrund für die
Sicherheitsbehörden
8. Neutrale Zugänglichmachung von Informationen für
Opfer und über Opferschutzorganisationen nicht nur im
Internet
9. Stärkung der Rechte von Opfern im Strafverfahren
durch Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, Erweite-
rung der Informationsrechte, Erleichterung der Bestellung
eines Opferanwaltes, Ergänzung der Regelungen über den
Ausschluss der Öffentlichkeit bei Hauptverhandlungen
mit minderjährigen Opfern und der Verlängerung der
Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzan-
sprüche wegen sexuellen Missbrauchs auf 30 Jahre.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 959 – Drucksache 17/14600
XV. Anlagen
FDP-Bundestagsfraktion
Positionspapier
Geheimdienstkontrolle stärken – Verfassungs-
schutzverbund reformieren
Beschluss der FDP-Bundestagsfraktion vom 25.09.2012
„Die Forderung nach mehr und besserer Kontrolle richtet sich nicht gegen die Geheimdienste; Kontrolle ist vielmehr
ein wesentlicher Teil der Legitimation der Arbeit von Geheimdiensten in einer Demokratie.“
(Max Stadler im Deutschen Bundestag, 37. Sitzung der 16. WP)
Mit diesem für uns so wichtigen Grundsatz verortet die FDP die Stellung der Nachrichtendienste in unserem Staat.
Nachrichtendienste sind für den Erhalt der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie erforderlich. Aus der ihnen zugewiese-
nen Tätigkeit ergibt sich jedoch auch die Notwendigkeit besonderer Verrechtlichung und Kontrolle.
I. Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste verbessern
Heute zeigen vor allem die durch die Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses zu Tage getretenen Vorgänge in deut-
schen Nachrichtendiensten, dass die bisherigen Kontrollmöglichkeiten nicht ausreichend sind. Das Parlamentarische
Kontrollgremium (PKGr) soll die Tätigkeit von BfV, MAD und BND kontrollieren. Eine effektive Erfüllung dieses
Auftrages aus § 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten des Bundes
(PKGrG) ist trotz des großen Engagements der Mitglieder des PKGr derzeit allerdings kaum möglich. Die Arbeit des
PKGr erschöpft sich weitgehend in der Erforschung von außen an das PKGr herangetragenen Sachverhalten (z. B. Mel-
dungen aus den Medien) und der Bewertung der Berichte der Bundesregierung. Eine systematisch tief in die Organisa-
tion, den Geschäftsgang und die nach außen gerichteten Maßnahmen der Nachrichtendienste vordringende begutach-
tende Kontrolle findet nicht statt. Diese wäre jedoch erforderlich, wollte man von einer wirksamen Kontrolle sprechen.
Dass die interne Prüfung durch die Dienste selbst nicht ausreicht, die parlamentarische Kontrolle daher umso mehr in
die Tiefe gehen muss, verdeutlichen beispielsweise die im Rahmen der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses identi-
fizierten Defizite u. a. in der Aktenführung und im V-Personen-Einsatz, die – obwohl in den Diensten schon länger
bekannt – nicht beseitigt wurden.
1. Ungehinderter Zugang zu den Diensten und freie Akteneinsicht
Die bisherigen Regelungen im PKGrG sind dergestalt abzuändern, dass PKGr-Mitglieder jederzeit freien und ungehin-
derten Zugang zu den Sicherheitsbehörden haben, ohne vorherige Anmeldung! Das PKGr muss dort im Haus, vor Ort,
ihrer Kontrollfunktion nachkommen können, indem seine einzelnen Mitglieder ungehinderten und freien Einblick in
alle betreffenden Akten haben. Auch außerhalb von Sitzungen des PKGr müssen die Mitglieder jeden Mitarbeiter des
Dienstes im Haus unverzüglich befragen können, wenn sie dies gegenüber dem jeweiligen Dienst verlangen.
2. Ladung von Mitarbeitern der Dienste
Die Unterrichtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem PKGr ist durch die Befugnis des PKGr zu ergänzen, Mitar-
beiter der Dienste mit qualifizierter Ein-Viertel-Minderheit vorladen zu können. So können die Mitarbeiter dann nicht
nur in den Diensten gehört werden.
3. Zugang zum PKGr für Mitarbeiter der Dienste erleichtern
Wir wollen, dass sich Mitarbeiter von Diensten vertrauensvoll an das PKGr oder einzelne Mitglieder des Gremiums
wenden können, um auf Missstände innerhalb der eigenen Behörde hinzuweisen. Die bisherige Möglichkeit, dass Mit-
arbeiter der Nachrichtendienste sich unter Umgehung des Dienstweges direkt an das PKGr wenden, muss deshalb ver-
Drucksache 17/14600 – 960 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bessert werden. In § 8 PKGrG ist die Pflicht zur gleichzeitigen Unterrichtung der Behördenleitung durch den Mitarbei-
ter abzuschaffen.
4. Keine Geschäfte der Nachrichtendienste zu Lasten des PKGr
Nach § 6 Abs. 2 PKGrG können die Nachrichtendienste die Informierung des PKGr aus zwingenden Gründen der
Nachrichtenbeschaffung verweigern. Wenn also Nachrichtendienste untereinander Informationen mit der Auflage aus-
tauschen, die Informationen vor parlamentarischen Kontrollorganen geheim zu halten, kann die Unterrichtung des
PKGr verweigert werden. Diese Regelung ist zu streichen, da „Geschäfte“ zwischen Diensten in Deutschland nicht zu
Lasten der parlamentarischen Kontrolle gehen dürfen, und das PKGr seinerseits große Anstrengungen zur Geheimhal-
tung unternimmt.
5. Bestellung eines ständigen Sachverständigen
Bereits jetzt hat das PKGr die Möglichkeit, einen Sachverständigen im Einzelfall mit der Wahrnehmung von Kontroll-
aufgaben zu betrauen, wenn zwei Drittel seiner Mitglieder dafür stimmen. Diese Möglichkeit hat sich bisher nicht aus-
reichend bewährt und wurde kaum genutzt. Dies dürfte in erster Linie an der hohen Hürde der für die Einsetzung erfor-
derlichen Zwei-Drittel-Mehrheit liegen.
Die bisherigen Regelungen im PKGrG sind dahingehend abzuändern, dass ein überparteilicher, unabhängiger und stän-
diger Sachverständiger dem PKGr zur Verfügung gestellt wird, der bereits mittels qualifizierter Ein-Viertel-Minderheit
Kontrollaufgaben des PKGr übernimmt und das PKGr wie ein Ermittlungsbeauftragter im Untersuchungsausschuss
unterstützt. Durch diese Verstetigung und den damit einhergehenden Einsatz von zusätzlichen personellen Ressourcen
(Sachverständiger und dessen Hilfskräfte), die allein die Aufträge des PKGr erfüllen, kann die Kontrolle intensiviert
werden. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten erleichtert, die ihrerseits Vertrauen in die
Person und Arbeit des Sachverständigen gewinnen können.
6. Genehmigung von Dienstvorschriften im Bereich der Nachrichtendienste
Der 2. Untersuchungsausschuss hat Defizite der Nachrichtendienste u. a. in der Aktenführung und im V-Personen-
Einsatz offenbart. Unter anderem erfolgte die Anwendung aber auch die Konkretisierung gesetzlicher Vorschriften
durch Dienstvorschriften nicht fehlerfrei. Eine der entscheidenden Kontrollmöglichkeiten besteht dann, wenn auch die
Richtlinien des aktiven Handelns der vorherigen Kontrolle unterliegen. Um der großen Bedeutung, die Dienstvorschrif-
ten für die Verwaltungstätigkeit haben, zu entsprechen, sind diese für den Bereich der Nachrichtendienste dem PKGr
zur Genehmigung vorzulegen.
7. Regelmäßige Unterrichtung über V-Personen-Einsatz
Das PKGrG ist dahingehend zu ändern, dass die Bundesregierung dem PKGr halbjährig über den Einsatz von V-
Personen zu berichten.
8. Grundsätzliche Teilnahme von Mitarbeitern an Sitzungen des PKGr
Bisher haben sicherheitsüberprüfte Mitarbeiter der Fraktionen grundsätzlich keinen Zutritt zu den Sitzungen des PKGr,
obwohl sie die vom Gremium beigezogenen Akten und Daten einsehen und diese mit den Mitgliedern des PKGr erör-
tern dürfen. Auch haben sie keinen Einblick in die Protokolle des PKGr. Diese Vorschriften erschweren die Kontrollar-
beit der Mitglieder des PKGr ganz erheblich. Den gemeldeten und sicherheitsüberprüften Mitarbeitern ist grundsätzlich
der Zutritt zu allen Sitzungen und zu den Protokollen zu gewähren.
9. Protokollführung im PKGr und schuldhafte Verletzung der Unterrichtspflicht als Dienstvergehen normieren
Wir wollen, dass die Sitzungen des PKGr zwingend protokolliert werden. Denn saubere Kontrolle erfordert eine Nach-
prüfbarkeit von Aussagen. Zur weiteren Aufwertung des Gremiums ist die Pflicht zur Protokollierung der Sitzungen des
PKGr gesetzlich zu fixieren, und die explizite Normierung der Verletzung von Unterrichtungspflichten als Dienstverge-
hen erforderlich.
10. Recht zur Information der Fraktionsvorsitzenden
Angesichts der hohen Bedeutung, die der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste in unserem Staat zu-
kommt, muss es möglich sein, dass die Mitglieder des PKGr mit ihren Fraktionsvorsitzenden aktuelle Themen der par-
lamentarischen Kontrolle beraten.
11. Konsequente Anwendung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG – gegenseitige Unterrichtung in Bund und Ländern
Nur der Deutsche Bundestag hat die Möglichkeit, bei bundesweiten Fragen ein Gesamtbild zu bekommen. Wir wollen
aus diesem Grunde, dass das PKGr direkt auch über die Tätigkeit der LfVs unterrichtet wird. Die Möglichkeiten des
Bundes in der Gesetzgebung zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich des Verfassungsschutzes sind
dahingehend zu nutzen, dass im Falle kooperativer Tätigkeit auch die Verfassungsschutzämter der Länder zur direkten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 961 – Drucksache 17/14600
Unterrichtung des PKGr verpflichtet werden. Gleichzeitig hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die parlamentari-
schen Kontrollgremien der beteiligten Länder über Aktivitäten in den betreffenden Ländern zu unterrichten.
12. Stärkung der G 10-Kommission
Die G 10-Kommission soll künftig mit 5 Mitgliedern und 5 Stellvertretern besetzt werden, von denen jeweils mindes-
tens 3 die Befähigung zum Richteramt besitzen. Dies entspricht der Praktikabilität und dem Charakter der G 10-
Kommission. Denn bisher sitzen in der als Ersatz für den Rechtsweg vor Gericht gedachten Kommission nicht in erster
Linie politisch denkende Abgeordnete, sondern Fachleute, die vom Parlamentarischen Kontrollgremium bestellt wer-
den. Dieser Ansatz hat sich bewährt und soll auch nach der personellen Verstärkung erhalten bleiben.
Neu in die G 10-Kommission zu installieren ist ein zum Richteramt befähigter Ombudsmann, der vom PKGr gewählt
wird und der die Rechte der von Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz Betroffenen in deren Zeit der Unkenntnis wahr-
nimmt.
II. Verfassungsschutzverbund in der Sicherheitsarchitektur reformieren
Wir wollen, dass die Verfassungsschutzämter der Bundesländer ihren Aufgaben effizient und effektiv nachkommen
können. Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes wäre dagegen grob fahrlässig – die Aufgabe, unsere Demokratie
und unseren Rechtsstaat zu schützen, ist nach wie vor bedeutsam.
Vielmehr müssen sich auch die Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern und ihre Aufsichtsbehörden einem inten-
siven Erneuerungsprozess stellen. Kooperationsbereitschaft und vergleichbare Standards bilden das Grundrüstzeug.
Veraltete Dienstvorschriften müssen auf den Prüfstand, moderne Personalführungs- und Revisionsgrundsätze sind nö-
tig. Transparente interne Prozesse bilden eines der Fundamente für neues Vertrauen der Öffentlichkeit in die Dienste
und das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre für unsere Demokratie notwendige Arbeit. Ein rechtsstaatliches Leitbild für
die zukünftige Arbeit der Sicherheitsbehörden bildet hierfür die Grundlage.
1. Stärkung kleiner Ämter durch Zusammenlegung oder Spezialisierung
Kleine Verfassungsschutzbehörden können ihren Aufgaben – gerade unter Einhaltung wesentlicher Qualitätsstandards –
nicht in ausreichendem Maße gerecht werden. Diese Erkenntnis wurde bereits im BND-UA der letzten Wahlperiode
gewonnen. Daher sind die Länder in der Pflicht, über Lösungen, wie bspw. Zusammenlegungen oder Spezialisierungen
nachzudenken und dieses voranzutreiben.
2. Gemeinsame Standards von Bund und Ländern
In vielen Bereichen hat sich gezeigt, dass die Einführung und Einhaltung gemeinsamer Standards von Bund und Län-
dern dringend erforderlich ist. Ein Nebeneinander von Regelungen, die im schlimmsten Fall unvereinbar sind, darf es
nicht geben. Föderalismus muss besonders im Verfassungsschutz effizient gestaltet werden. Die Innenministerkonfe-
renz muss entsprechende Beschlüsse treffen. Andernfalls muss der Bund den Rahmen seiner Regulierungskompetenz
ausschöpfen.
3. Revision unzeitgemäßer Vorgaben
Angestaubtes Denken schafft kein Vertrauen, keine Effektivität und keine Motivation für rechtsstaatliches, zukunftsge-
richtetes Handeln. Die Kooperationsvorgaben zwischen den Diensten auf Bundesebene als auch zwischen Bund und
Ländern brauchen nachvollziehbares, anwendbares Recht – zur besseren Handhabung für die Mitarbeiter und zur Stär-
kung der Kontrolle und der Zuordnung von Verantwortlichkeiten. Veraltete Dienstvorschriften müssen daher substanti-
ell überarbeitet werden. Zum Beispiel müssen Maßnahmen der Dienste und gemeinsame „Operationen“ zwischen den
Diensten klar definiert und Verantwortlichkeiten sowie Abläufe dokumentiert werden. Dabei sind die zentralen Verfah-
rensschritte, wie bspw. Beginn und Beendigung einer Maßnahme zu dokumentieren und nachvollziehbar zu handhaben.
4. Verbesserung des Informationsflusses der Nachrichtendienste
Das Selbstverständnis der Ämter muss sich ändern: Die Selbstbezogenheit durch Informationssammlung im Haus und
fehlendem Austausch mit anderen Ämtern oder den Polizeien hat aufzuhören.
Der Informationsfluss zwischen den Ämtern für Verfassungsschutz ist daher zu verbessern. Insbesondere darf es nicht
sein, dass bei Einsätzen mehrerer Verfassungsschutzämter an einem Ort bzw. in einer Organisation die rechte Hand
nicht weiß, was die Linke macht: Alle müssen Kenntnis von der Mitarbeit der einzelnen Ämter haben. Die Federfüh-
rung bei jeglicher Aktion muss klar geregelt sein. Die Stärkung des BfV in seiner Koordinierungsfunktion der Verfas-
sungsschutzämter sollte geprüft werden. Gegebenenfalls muss der Gestaltungsspielraum des Bundes gemäß Artikel 73
GG genutzt werden. Das BfV muss zur Erstellung eines Gesamtbildes verpflichtet werden. Informationen müssen dort
zentral zusammengeführt, analysiert und ausgewertet werden. Zersplittertes Wissen schwächt den Schutz der Verfas-
sung.
Drucksache 17/14600 – 962 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Ausbildung professionalisieren – Personalführungsgrundsätze ergänzen
Grundlage und Voraussetzung eines jeden gut funktionierenden Apparates, einer Behörde, sind gute Mitarbeiter. Das
„Learning by Doing“, wie es momentan bei den Diensten praktiziert wird, hat nicht ausgereicht und reicht nicht aus für
einen modernen professionellen Dienst.
Die Länder und der Bund sind gefragt, eine gemeinsame Ausbildungsrichtlinie zu erarbeiten. Personalauswahlverfahren
sind durch klare Qualitätskriterien und Leitlinien zu organisieren, Weiterentwicklungsmöglichkeiten transparent zu
handhaben. Das wäre eine Gemeinschaftsaufgabe der Innenministerkonferenz (IMK) für das nächste Jahr, um 2014
loslegen zu können. So könnte es bspw. ab 2014 eine dreijährige, qualifizierte und verbindliche Ausbildung für alle in
Bund und Länder tätigen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes geben - mit einer standardisierten Abschlussprüfung.
Hier muss man dann als Konsequenz auch über bessere Verdienstmöglichkeiten reden.
6. Einhaltung gesetzlicher Löschungsfristen, Aufbewahrungspflichten und Akteneinsicht
Die Aufbewahrungspflichten und Löschungsfristen für Daten und Akten müssen klar gesetzlich geregelt und deren
Vollzug durch praxistaugliche Dienstvorschriften sichergestellt werden. Ein Gleichlauf der Vorschriften und der Praxis
im Bund und in den Ländern muss das Ziel sein.
Die derzeit geltenden Regelungen zu Löschung, Aufbewahrung und Mitteilung an die Betroffenen müssen auf ihre
Praxistauglichkeit und rechtsstaatlichen Anforderungen hin überprüft werden. Hierzu sollte seitens der Bundesregierung
noch bis Ende 2012 ein Vorschlag erarbeitet werden. Dabei muss insbesondere auch der Individualdaten- und -
rechtsschutz der Betroffenen in den Blick genommen werden. Spätestens vor der Vernichtung von Daten und Akten
haben die Nachrichtendienste die Betroffenen von der beabsichtigten Vernichtung in Kenntnis zu setzen, wenn die
Betroffenen in früheren Zeiten Akteneinsicht beim jeweiligen Dienst beantragt hatten. Den Betroffenen ist dann Akten-
einsicht zu ermöglichen. Lediglich in den Grenzen des § 15 Abs. 2 BVerfSchG dürfen Inkenntnissetzung und Aus-
kunftserteilung unterbleiben. Die ablehnende Entscheidung ist vom Behördenleiter im Einvernehmen mit der G 10-
Kommission zu treffen.
7. Datenschutzbeauftragte
Die Einhaltung der Vorschriften muss effizient einerseits durch die Datenschutzbeauftragten der Verfassungsschutzbe-
hörden geprüft werden. Aber auch Landes- und Bundesdatenschutzbeauftragte müssen ihre Rechte zur Kontrolle voll
ausschöpfen können; eine Verhinderung effektiver Kontrolle mit dem Verweis auf Geheimhaltung darf es nicht geben.
Gegebenenfalls sind die rechtlichen Möglichkeiten der Datenschutzbeauftragten entsprechend zu stärken.
8. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der V-Personen-Einsätze
Der Einsatz von V-Personen muss durch eine klare gesetzliche Regelung abgesichert sein, und deren Vollzug durch
praxistaugliche Dienstvorschriften sichergestellt werden. V-Personen liefern wichtige Hinweise; allerdings ist ihr Ein-
satz insbesondere durch die Erkenntnisse im Umfeld des NSU in Verruf geraten. Dem muss durch klare Regeln abge-
holfen werden. Intern müssen sich Bund und Länder über Richtlinien zum V-Personen-Einsatz verständigen, die klare
Vorgaben machen darüber, wer als V-Person in Frage kommt (Anforderungen an die Persönlichkeit), wie er von wem
geführt wird (z. B. Führungs-/Zuverlässigkeitsanforderungen an die V-Personen-Führer) und welche Entschädigungs-
möglichkeiten es geben kann.
Über die V-Personen-Einsätze haben sich die entsprechenden LfVs und das BfV gegenseitig zu informieren. Bisher
besteht nur eine Informationspflicht des BfV gegenüber den LfVs. Unerlässlich für effektive Maßnahmen ist aber auch,
dass die LfVs das BfV und andere LfVs informieren. Sonst weiß die rechte Hand nicht, was die Linke macht
Der Einsatz einer V-Person ist in den ersten 12 Monaten alle sechs Monate und über diesen Zeitraum hinaus alle drei
Monate vom Vorgesetzten des Führers der V-Person auf seine Rechtsmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen;
diese Prüfung ist zu dokumentieren.
Der Schutz von V-Personen und deren Führern muss gewährleistet sein. Allerdings darf dieses Feld nicht mit pauscha-
ler Geheimhaltung abgeschottet werden: Im Fall von Kapitaldelikten, wie Mord, muss gewährleistet werden, dass wich-
tige Erkenntnisse der Betroffenen den Polizeien und Staatsanwaltschaften zur Verfügung stehen. Durch pauschale
Sperrerklärungen mit dem Hinweis auf Quellenschutz kann dem Anliegen des Rechtsstaats, Verbrechen aufzuklären,
nicht Rechnung getragen werden. Die Entscheidungen müssen so konkret als möglich begründet werden.
9. Abschaffung MAD
Bereits seit mehreren Jahren fordert die FDP-Bundestagsfraktion, den Militärischen Abschirmdienst in das Bundesamt
für Verfassungsschutz und die Bundeswehr zu überführen. Dieser Nachrichtendienst unter Aufsicht des Bundesministe-
riums der Verteidigung ist nicht erforderlich. Die spezifischen Erkenntnisse sind abteilungsübergreifend zu integrieren.
10. Evaluierung von Recht und Praxis erforderlich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 963 – Drucksache 17/14600
Die Sicherheitsarchitektur sowie die einzelnen Sicherheitsgesetze bedürfen kontinuierlicher Evaluation. Insbesondere
beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist eine Revision der Entscheidungswege, der Einhaltung rechtlicher Vorgaben
und der Personalführung, durchaus unterstützt durch externe Sachverständige, erforderlich. Wirksame Risiko Manage-
ment Systeme sind zu implementieren und eine Beschleunigung der Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgre-
miums jederzeit sicher zu stellen.
Auch einzelne Maßnahme, wie der Einsatz von V-Personen, muss unter die Lupe genommen werden. Evaluation be-
deutet nicht interne Zusammenstellung, sondern externe kritische Prüfung. Dabei müssen die Bedürfnisse der Geheim-
haltung gewahrt bleiben. Unter Verweis darauf aber eine Evaluierung zu unterbinden, ist angesichts der zu Tage getre-
tenen Mängel nicht vertretbar.
III. Zuständigkeiten bei Polizeien und Staatsanwaltschaften von Bund und Länder präzisieren
Die Erkenntnisse aus dem 2. Untersuchungsausschuss verdeutlichen, dass auch im Bereich der Arbeit der Polizeien und
Staatsanwaltschaften Reformbedarf besteht.
1. Klare Federführung
Bei der Aufklärung einer länderübergreifenden Verbrechensserie muss die Federführung bei Staatsanwaltschaft und
Polizei in eine Hand. Zuständigkeiten nach Verbrechensorten zu belassen und die Informationen in einer Steuerungs-
gruppe auszutauschen, kann zu Informations- und Zeitverlust führen. Reibungsverluste aufgrund unklarer Hierarchien
können die Ermittlungsarbeit nachhaltig erschweren.
2. Übernahme durch das BKA
Insbesondere sind die bisherigen hohen rechtlichen Voraussetzungen zur Übernahme von Ermittlungen durch das BKA
hinsichtlich ihrer Praktikabilität zu überprüfen, mindestens aber ein verbindliches Verfahren zu finden, in dem sicherge-
stellt ist, dass bei länderübergreifenden Ermittlungen klare Hierarchien und Entscheidungswege definiert sind.
3. Weitere Sicherheitsbehörden
Darüber hinaus sind auch weitere Sicherheitsbehörden, so z. B. auch der für die Bekämpfung des Waffen- und Men-
schenschmuggels oder auch der Schwarzgeldbekämpfung zuständige Zollfahndungsdienst, besser einzubeziehen.
4. Sensibilisierung gegenüber Fremdenfeindlichkeit
Eine besondere Sensibilisierung von Polizisten und Staatsanwälten in Bezug auf die Verfolgung von Straftaten im Be-
reich Fremdenfeindlichkeit in der Ausbildung sollte geprüft werden. Die Einstellungsvoraussetzungen für den öffentli-
chen Dienst, insbesondere bei den Sicherheitsbehörden, müssen hinsichtlich der Kenntnisse zu extremistischen Organi-
sationen präzisiert werden.
5. Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden verbessern
Der Informationsaustausch nicht nur innerhalb des Verfassungsschutzverbundes, sondern insbesondere auch gegenüber
den Polizeien muss verbessert werden. Eventuell sind gesetzliche Präzisierungen dahingehend vorzunehmen. Das Tren-
nungsgebot darf dadurch nicht infrage gestellt werden. Vielmehr gilt es, die Aufgaben von Polizei und Nachrichten-
diensten effektiv zu erfüllen. Dabei ist es abwegig, die Aufgaben des Verfassungsschutzes in den Bereich der Strafver-
folgung auszudehnen. Vielmehr müssen die jetzt bereits bestehenden Informationsmöglichkeiten genutzt werden; even-
tuell gilt es, die Pflichten stärker zu betonen.
Eine Zusammenarbeit wie im Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts (GAR) und im Gemeinsamen Terror-
Abwehrzentrum (GTAZ) ist hilfreich. Da diese jedoch nicht nur vorübergehende Einrichtungen sind, muss über deren
gesetzliche Absicherung unter Präzisierung der Aufgaben und Befugnisse nachgedacht werden. Darüber hinaus ist zu
erwägen, den Informationsaustausch durch weitere „Gemeinsame Abwehrzentren“ zu allen verfassungsfeindlichen
Bestrebungen zu verbessern, also nicht nur gegen Rechtsextremismus und Islamistischen Terrorismus.
Gemeinsame Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten, wie die Datei zur Bekämpfung des gewaltbezoge-
nen Rechtsextremismus, können den Informationsaustausch unterstützen, aber die verbesserte Zusammenarbeit nicht
ersetzen.
Drucksache 17/14600 – 964 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Deutscher Bundestag Drucksache 17/
17. Wahlperiode
Gesetzentwurf
der Abgeordneten Hartfrid Wolff ... und der Fraktion der FDP
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kontrollgremiumgesetzes und der Gesetze über die Nachrichtendiensten
A. Problem
Im Jahr 2009 wurde die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes reformiert. Die
durch die Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe nationalsozialistischer Unter-
grund“ zu Tage getretenen Vorgänge in deutschen Nachrichtendiensten und die von Mitgliedern des Parlamentarischen
Kontrollgremiums unter der neuen Rechtslage gesammelten Erfahrungen zeigen jedoch, dass die bisherige Ausgestal-
tung parlamentarischer Kontrolle nicht hinreichend ist, es einer weiteren Reform bedarf.
B. Lösung
Die Lösung liegt zum einen in einer Verstärkung der Ausstattung des Parlamentarischen Kontrollgremiums durch in
den Diensten recherchierende Hilfskräfte. Mit dem ständigen Sachverständigen wird eine im Bereich der Untersu-
chungsausschüsse fest etablierte Stütze der parlamentarischen Arbeit sinngemäß auf die Kontrolle der Bundesregierung
im Bereich der Nachrichtendienste übertragen. Die Effektivität der Nachrichtendienste wird dabei nicht beeinträchtigt,
da durch die Verstetigung der Kontrolle ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem Sachverständigen entsteht.
Der Sachverständige ist allein dem Parlamentarischen Kontrollgremium verantwortlich und äußert sich nicht in der
Öffentlichkeit.
Zum anderen werden mit dem Einsatz von V-Personen, dem Erlass von Verwaltungsvorschriften für die Nachrichten-
dienste und der Kooperation der Nachrichtendienste von Bund und Ländern wichtige Sachverhalte einer besonderen
Beachtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zugeführt.
Schließlich sollen weitere Maßnahmen die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums erleichtern.
C. Alternativen
Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes.
D. Kosten
Die für den ständigen Sachverständigen erforderlichen Personal- und Sachmittel werden vor allem aus dem Sekretariat
des Parlamentarischen Kontrollgremiums gestellt. Daher ergeben sich die Kosten im Wesentlichen aus der Vergütung
des ständigen Sachverständigen in Anlehnung an die Besoldungsgruppe B 3, mithin jährlich 87.066,60 €.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 965 – Drucksache 17/14600
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kontrollgremiumgesetzes und der Gesetze über die Nachrichtendiensten
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle
nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz-PKGrG)
Das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346) wird wie folgt geändert:
1. § 3 wird wie folgt geändert:
In Abs. 1 Satz 1 werden vor dem Wort „zusammen“ die Worte „und darüber hinaus zu einer jährlichen Klausurta-
gung“ eingefügt.
2. § 4 wird wie folgt geändert:
Nach Abs. 1 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
„Über den Einsatz von V-Personen berichtet sie unter grundsätzlicher Wahrung der Anonymität der V-Personen auch
ohne besondere Vorkommnisse jährlich.“
Der bisherige Satz 2 wird neuer Satz 3.
Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt:
„(2) Eine schuldhafte Verletzung der Unterrichtungspflicht durch die im Parlamentarischen Kontrollgremium berich-
tenden Amtsträger stellt ein Dienstvergehen dar. Auf Verlangen von einem Viertel der Mitglieder des Parlamentari-
schen Kontrollgremiums ist über eine Verletzung der in Abs. 1 festgelegten Unterrichtungspflicht dem Plenum des
Deutschen Bundestages zu berichten.“
Der bisherige Abs. 2 wird neuer Abs. 3.
3. § 5 wird wie folgt geändert:
Nach Abs. 4 wird folgender Abs. 5 eingefügt:
„(5) Kontrollbefugnisse sind auszuüben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder beantragt sind.“
4. § 6 wird wie folgt geändert:
In Abs. 2 Satz 1 werden nach dem Wort „Nachrichtenzugangs“ die Worte „eines ausländischen Nachrichtendienstes“
eingefügt.
5. § 7 wird wie folgt neu gefasst:
„§ 7 Ständiger Sachverständiger
(1) Das Parlamentarische Kontrollgremium wählt zur unterstützenden Wahrnehmung seiner Kontrollauf-
gaben nach Anhörung der Bundesregierung einen ständigen Sachverständigen.
(2) Die Amtszeit des ständigen Sachverständigen beträgt fünf Jahre. Er kann mit drei Viertel Mehrheit der
Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vorzeitig abberufen werden. Einmalige Wiederwahl
ist zulässig.
(3) Der ständige Sachverständige ist dem gesamten Parlamentarischen Kontrollgremium verantwortlich.
Öffentliche Erklärungen gibt er nicht ab. Im Rahmen seiner Beauftragung durch das Parlamentarische
Kontrollgremium ist er unabhängig. Aufträge sind auszuführen, wenn sie von einem Viertel der Mitglie-
der beantragt sind, §§ 5, 6 und 10 Abs. 1 gelten entsprechend.
(4) Der ständige Sachverständige wird beim Bundestag eingerichtet. Er untersteht der Dienstaufsicht des
Präsidenten des Deutschen Bundestages; ihm ist die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Perso
Drucksache 17/14600 – 966 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Die Stellen sind im Einvernehmen mit dem ständigen
Sachverständigen aus der Bundestagsverwaltung zu besetzen. Dabei haben zumindest drei der Mitarbeiter
die Befähigung zum Richteramt vorzuweisen. Die Mitarbeiter können, falls sie mit beabsichtigten Maß-
nahmen nicht einverstanden sind, nur im Einvernehmen mit dem ständigen Sachverständigen versetzt,
abgeordnet oder umgesetzt werden.
(5) Der ständige Sachverständige darf neben seinem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und
keinen Beruf ausüben und weder der Leitung oder dem Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat eines auf Er-
werb gerichteten Unternehmens noch einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bun-
des oder eines Landes angehören. Er darf nicht gegen Entgelt außergerichtliche Gutachten abgeben.
(6) Der ständige Sachverständige erhält vom Beginn des Kalendermonats an, in dem das Amtsverhältnis
beginnt, bis zum Schluss des Kalendermonats, in dem das Amtsverhältnis endet, Amtsbezüge und Pensi-
onsansprüche in Höhe der einem Bundesbeamten der Besoldungsgruppe B 3 zustehenden Versorgung.
Das Bundesreisekostengesetz und das Bundesumzugskostengesetz sind entsprechend anzuwenden.“
6. § 8 wird wie folgt geändert:
a) In Abs. 1 Satz 1 werden das zweite und dritte Komma sowie die Wörter „jedoch nicht im eigenen
oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden“ gestrichen; nach dem Wort „Kontrollgremium“
werden die Wörter „oder den ständigen Sachverständigen“ eingefügt.
b) Abs. 1 Satz 2 wird aufgehoben.
c) Abs. 1 Satz 3 wird neuer Absatz 1 Satz 2.
d) In Abs. 1 Satz 2 werden nach dem Wort „Eingaben“ die Wörter „nach Ermessen der Parlamentari-
schen Kontrollgremiums in anonymisierter oder nichtanonymisierter Form“ eingefügt.
7. § 10 wird wie folgt geändert:
In der Überschrift wird nach dem Wort „Sondervoten“ ein Komma und das Wort „Niederschrift“ eingefügt.
Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt:
„(2) Unter Einhaltung der Vorschriften der Anlage 3 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Geheim-
schutzordnung des Deutschen Bundestages) dürfen sich die Mitglieder mit dem oder den Vorsitzenden und einem
dem Ältestenrat angehörenden Parlamentarischen Geschäftsführer ihrer jeweiligen Fraktion zu Inhalten der Sitzung
des Parlamentarischen Kontrollgremiums beraten. Abs. 1 gilt in diesen Fällen für die Vorsitzenden und dem Parla-
mentarischen Geschäftsführer entsprechend.
Der bisherige Abs. 2 wird neuer Abs. 3.
Nach Abs. 4 wird folgender Abs. 5 eingefügt:
„(5) Über die Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird eine Niederschrift in drei Exemplaren gefer-
tigt. Je ein Exemplar erhält das Bundeskanzleramt, die Geheimschutzstelle und das Sekretariat. Die Niederschrift ist
zu beschränken auf die Wiedergabe der Tagesordnung, die Angabe der behandelten Gegenstände, Beschlüsse und
solcher Erklärungen, deren wörtliche Aufnahme in der Niederschrift von einem Teilnehmer der Sitzung verlangt
worden ist.“
8. § 11 wird wie folgt geändert:
In Abs. 2 Satz 2 wird das Wort „keinen“ gestrichen.
In Abs. 2 Satz 3 werden die Wörter „zwei Drittel“ gestrichen und dafür die Wörter „mehr als drei Viertel“ eingefügt,
nach dem Wort „Sitzungen“ wird das Wort „nicht“ eingefügt.
9. Nach § 11 wird folgender neuer § 12 eingefügt:
„§ 12 Zusammenarbeit mit parlamentarischen Kontrollgremien der Länder
(1) Zur Erfüllung seines Kontrollauftrages hinsichtlich kooperativer Tätigkeiten der in § 1 Abs. 1 ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 967 – Drucksache 17/14600
nannten Behörden mit Nachrichtendiensten der Bundesländer kann sich das Parlamentarische Kontroll-
gremium im Benehmen mit der Bundesregierung mit den parlamentarischen Kontrollgremien der Bun-
desländer beraten, dessen Behörden an der Kooperation beteiligt sind.
(2) Das Parlamentarische Kontrollgremium hat einem Verlangen der Bundesregierung auf Teilnahme an
der Beratung zu entsprechen.“
10. Der bisherige § 12 wird § 13.
Artikel 2
Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungs-
schutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)
Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und
über das Bundesamt für Verfassungsschutz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch
Artikel 2 des Gesetzes vom 20. August 2012 (BGBl. I S. 1798), wird wie folgt geändert:
1. § 8 wird wie folgt geändert:
In Abs. 2 Satz 3 werden das Komma und die Wörter „der das Parlamentarische Kontrollgremium unter-
richtet“ gestrichen.
2. Nach § 27 wird folgender neuer § 28 eingefügt:
„§ 28 Beteiligung des Parlamentarischen Kontrollgremiums
Verwaltungsvorschriften für das Bundesamt für Verfassungsschutz sind im Benehmen mit dem Parlamen-
tarischen Kontrollgremium zu erlassen.“
Artikel 3
Änderung des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst
(MAD-Gesetz - MADG)
Das Gesetz über den militärischen Abschirmdienst vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977), zuletzt geändert
durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576), wird wie folgt geändert:
1. Nach § 13 wird folgender neuer § 14 eingefügt:
„§ 14 Beteiligung des Parlamentarischen Kontrollgremiums
Verwaltungsvorschriften für den Militärischen Abschirmdienst sind im Benehmen mit dem Parlamen-
tarischen Kontrollgremium zu erlassen.“
2. Der bisherige § 14 wird § 15.
Artikel 4
Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz
- BNDG)
Das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt geändert
durch Artikel 3 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576), wird wie folgt geändert:
1. Nach § 11 wird folgender neuer § 12 eingefügt:
„§ 12 Beteiligung des Parlamentarischen Kontrollgremiums
Verwaltungsvorschriften für den Bundesnachrichtendienst sind im Benehmen mit dem Parlamen-
tarischen Kontrollgremium zu erlassen.“
2. Der bisherige § 12 wird § 13.
Drucksache 17/14600 – 968 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Artikel 5
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 25. Februar 2013
Rainer Brüderle und Fraktion
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 969 – Drucksache 17/14600
Begründung
A. Allgemeines
Das Parlamentarische Kontrollgremium soll die Tätigkeit der Bundesregierung im Bereich der Nachrichtendienste
kontrollieren. In zwei großen Schritten wurden 1999 und 2009 die Grundlagen der Arbeit des Gremiums reformiert und
verbessert. Indes zeigen die Vergangenheit und insbesondere die mit dem 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlpe-
riode „Terrorgruppe nationalsozialistischer Untergrund“ offenbar gewordenen Vorgänge in deutschen Nachrichten-
diensten, die zuvor nicht in angemessener Form von der parlamentarischen Kontrolle erfasst werden konnten, dass die
Kontrolle trotz des großen Engagements der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums nur Stichprobencha-
rakter hat oder der Aufarbeitung von außen herangetragener Sachverhalte dient. Eine strukturiert in die Organisation,
den Geschäftsgang und die nach außen gerichteten Maßnahmen der Nachrichtendienste vordringende Kontrolle erfolgt
nicht. Diese wäre für eine wirksame Kontrolle allerdings erforderlich.
Dem Parlamentarischen Kontrollgremium muss mit dem Hilfsmittel des ständigen Sachverständigen die Möglichkeit
geschaffen werden, Kontrolle in den Nachrichtendiensten intensiver auszuüben. Die Kontrolle bleibt dabei eine parla-
mentarische Angelegenheit, da er lediglich dem Gremium zuarbeitet und diesem verantwortlich ist, sich seine Rechte
aus den Befugnissen des Parlamentarischen Kontrollgremiums ableiten. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit mit den
Nachrichtendiensten erleichtert, die ihrerseits Vertrauen in die nicht öffentlich auftretende Person und die Arbeit des
Sachverständigen gewinnen können.
Darüber hinaus besteht eine der entscheidenden Kontrollmöglichkeiten dann, wenn auch die Richtlinien des aktiven
Handelns der vorherigen Kontrolle unterliegen. Um der großen Bedeutung, die Verwaltungsvorschriften für die behörd-
liche Tätigkeit haben, zu entsprechen, sind diese für den Bereich der Nachrichtendienste im Benehmen mit dem Parla-
mentarischen Kontrollgremium zu erlassen.
Angesichts der hohen Bedeutung, die der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste in unserem Staat zu-
kommt, muss es möglich sein, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit ihren Fraktionsvorsit-
zenden bzw. Parlamentarischem Geschäftsführer über aktuelle Themen der parlamentarischen Kontrolle beraten. Zu-
dem ist ihre Unterstützung durch sicherheitsüberprüfte Mitarbeiter zu vereinfachen. Ihnen ist grundsätzlich der Zutritt
zu den Sitzungen des Kontrollgremiums zu gewähren
Auch in Fragen der Kooperation der Nachrichtendienste des Bundes mit den Ländern muss die Kontrolltätigkeit des
Parlamentarischen Kontrollgremiums verbessert werden, ist eine Öffnung hin zur Zusammenarbeit mit Kontrollgremi-
en der Länder vorzunehmen.
B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle
nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes)
Zu Nummer 1
Die Klausurtagung soll unter anderem dem vertieften Gedankenaustausch der Mitglieder des Parlamentarischen Kont-
rollgremiums, der ausführlichen Berichterstattung des ständigen Sachverständigen und der Vertreter der Bundesregie-
rung und der Nachrichtendienste dienen
Zu Nummer 2
Zu Buchstabe a
Mit der obligatorischen Berichtspflicht über den Einsatz von V-Personen wird der Bedeutung dieses Mittels der Infor-
mationsbeschaffung und der dabei zu beachtenden Gemengelage Rechnung getragen.
Zu Buchstabe b
§ 4 Abs. 2 verdeutlicht, dass eine schuldhafte Verletzung der Unterrichtungspflicht ein Dienstvergehen darstellt. Nach
§ 4 Abs. 2 ist auf Verlangen von einem Viertel der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums über eine Ver-
letzung der im Abs. 1 festgelegten Unterrichtungspflicht dem Plenum des Deutschen Bundestages zu berichten. Damit
wird ein Minderheitenrecht auf Unterrichtung des Plenums des Deutschen Bundestages bei Verletzung der normierten
Unterrichtungspflicht festgeschrieben.
Zu Nummer 3
§ 5 Abs. 5 stärkt die Minderheitenrechte im Parlamentarischen Kontrollgremium.
Zu Nummer 4
Drucksache 17/14600 – 970 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Änderung in § 6 Abs. 2 Satz 1 soll verhindern, dass deutsche Nachrichtendienste untereinander Absprachen treffen
können, die den Kontrollauftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums begrenzen.
Zu Nummer 5
Die frühere Möglichkeit, im Einzelfall einen Sachverständigen zu bestellen, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Par-
lamentarischen Kontrollgremiums dafür stimmen, wurde kaum genutzt und hat sich daher nicht bewährt.
Durch die Verstetigung und den damit einhergehenden Einsatz von zusätzlichen personellen Ressourcen (Sachverstän-
diger und dessen Hilfskräfte), die allein die Aufträge des Parlamentarischen Kontrollgremiums erfüllen, wird die Kon-
trolle intensiviert. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten erleichtert, die ihrerseits Vertrauen
in die Person und Arbeit des Sachverständigen gewinnen können.
Die Bezüge des ständigen Sachverständigen werden seinen vom Parlamentarischen Kontrollgremium abgeleiteten
Befugnissen gerecht. Zumindest jeweils einer der Mitarbeiter des ständigen Sachverständigen soll für je einen der
Nachrichtendienste des Bundes speziell zuständig sein. Für diese Mitarbeiter ist die Befähigung zum Richteramt zwin-
gend, da mitunter schon für die die Kontrolltätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums vorbereitenden Untersu-
chungen eine Bewertung von Vorgängen nach deren Rechtmäßigkeit erforderlich ist.
Zu Nummer 6
Die Änderungen in § 8 sollen den vertrauensvollen Zugang von Mitarbeitern der Dienste zum Parlamentarischen Kont-
rollgremium erleichtern und berücksichtigen dabei die neu geschaffene Stelle des ständigen Sachverständigen.
Zu Nummer 7
Zu Buchstabe b
An den Grundsätzen der Geheimhaltungspflicht der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird festge-
halten. Ihnen wird aber ein Unterrichtungsrecht gegenüber dem Fraktionsvorsitzenden und dem Parlamentarischen
Geschäftsführer ermöglicht, um diese über die Beratungen zu informieren.
Zu Buchstabe d
Die Übernahme von Regelungen zur Niederschrift in den Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums von der
Geschäftsordnung des Parlamentarischen Kontrollgremiums in das Gesetz korreliert mit der Einordnung der Verletzung
der Unterrichtspflicht als Dienstvergehen.
Zu Nummer 8
§ 11 Abs. 2 Satz 2 erleichtert den sicherheitsüberprüften Mitarbeitern der Fraktionen die Unterstützung der Mitglieder
des Parlamentarischen Kontrollgremiums ohne die Geheimhaltung zu gefährden. In Einzelfällen soll es jedoch möglich
bleiben, Mitarbeiter von den Sitzungen auszuschließen.
Zu Nummer 9
§ 12 überträgt die den Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder gesetzlich aufgetragene Kooperation auf den
Bereich der parlamentarischen Kontrolle. Durch die bundesseitige Ermöglichung einer Zusammenarbeit der Parlamen-
tarischen Kontrollgremien des Bundes und der Länder werden föderalbedingte Graubereiche parlamentarischer Kon-
trolle an den Schnittstellen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste vermieden.
Zu Artikel 2 (Änderung des Gesetzes die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des
Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz)
Zu Nummer 1
Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 2.
Zu Nummer 2
§ 28 trägt der großen Bedeutung, die Verwaltungsvorschriften für das Handeln der Nachrichtendienste haben, Rech-
nung.
Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst)
Zu Nummer 1
§ 14 übernimmt die Regelung zur Einbeziehung des Parlamentarischen Kontrollgremiums beim Erlass von Verwal-
tungsvorschriften für das Bundesamt für Verfassungsschutz auch für den Militärischen Abschirmdienst.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 971 – Drucksache 17/14600
Zu Artikel 4 (Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst)
§ 12 übernimmt die Regelungen zur Einbeziehung des Parlamentarischen Kontrollgremiums beim Erlass von Verwal-
tungsvorschriften für das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst ebenfalls für den
Bundesnachrichtendienst.
Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)
Artikel 5 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Da ein Erfordernis für Übergangsregelungen nicht erkennbar ist, kann
das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten.
Drucksache 17/14600 – 972 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
FDP-Bundestagsfraktion
Positionspapier
Mit einer transparenten und föderalen Sicher-
heitsarchitektur die Balance von Freiheit und Si-
cherheit stärken
Beschluss der FDP-Bundestagsfraktion vom 06.11.2012
Das Ansehen der Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutzämter, aber auch das Vertrauen der Men-
schen in Deutschland in eine reibungslose Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden, einmal zwischen
Polizei und Nachrichtendiensten, zum anderen zwischen Landes- und Bundesbehörden, ist durch die Aufdeckung der
Mordserie der rechtsextremen Gruppierung aus Zwickau empfindlich beeinträchtigt worden.
Die Liberalen haben stets gemahnt, dass die Konsequenzen aus vergangenen Fehlern nicht vorschnell und in einem
politischen Überbietungswettbewerb gezogen werden dürfen, sondern einer vorangegangenen gründlichen Analyse
bedürfen. Der noch laufende NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags hat bereits viel Aufklärungsar-
beit geleistet, wenn auch noch weiterhin die Vorgänge bis ins Detail erklärungsbedürftig sind.
Die FDP in Bund und Ländern sieht sich darin bestärkt, dass die Sicherheitsarchitektur in unserem Land verbessert
werden muss, um künftig Herausforderungen besser meistern zu können.
Eine funktionierende Sicherheitsarchitektur ist nicht nur Voraussetzung für effiziente Arbeit der Sicherheitsbehörden,
sondern auch für das Vertrauen der Menschen in den Rechtstaat. Dazu gehört insbesondere eine klare Zuständigkeits-
abgrenzung, Normenklarheit bei den jeweiligen Rechtsgrundlagen und eine rechtstaatliche Kontrolle, insbesondere
dort, wo heimliche Maßnahmen in die Grundrechte eingreifen.
Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden richten sich einerseits nach ihren spezifischen Aufgabenfeldern und zum
anderen in unserem föderalen Staat nach den grundgesetzlich festgelegten Kompetenzen. Weder darf die Grenze zwi-
schen Polizei und Nachrichtendiensten verwischt werden noch die Grenze zwischen Landes- und Bundeszuständigkeit.
Die FDP bekennt sich konsequent zur föderalen Ordnung und zu der Verantwortung der Länder für ihre jeweilige Lan-
despolizei und ihre Landesämter für Verfassungsschutz. Zudem lehnt die FDP eine Aufweichung des Trennungsgebots
ab. Eine gute Zusammenarbeit ist für die FDP nicht gleichbedeutend mit einer Vermischung von polizeilicher und
nachrichtendienstlicher Kompetenz, sondern heißt, dass dort, wo Erkenntnisse zwischen Polizei und Nachrichtendiens-
ten ausgetauscht werden müssen, weil sich etwa aus der allgemeinen Vorfeldermittlung (nachrichtendienstliche Er-
kenntnisse) eine strafrechtlich und polizeirechtlich relevante Gefahr konkretisiert, unter strikten rechtstaatlichen Maß-
gaben unverzüglich und ohne falschen Behördenegoismus eine vertrauensvolle Zusammenarbeit stattfindet. Die FDP-
Bundestagsfraktion lehnt daher auch die Ausweitung von gesetzlichen Befugnissen der Polizei immer weiter ins Vor-
feld ab, da so die Grenze zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher Zuständigkeit verwischt wird. Den Be-
schluss der Bundesregierung, durch eine Expertenkommission die Sicherheitsgesetzgebung daraufhin zu überprüfen,
wo gesetzliche Kompetenzen in den Kompetenzbereich anderer Sicherheitsbehörden ausgedehnt wurden, begrüßt die
FDP ausdrücklich.
I. Föderale Sicherheitsarchitektur vernünftig gestalten
Die föderale Sicherheitsarchitektur mit der Aufteilung von Kompetenzen der Sicherheitsbehörden und mithin der Be-
schränkung ihrer Befugnisse auf den jeweiligen Bereich dient der Balance von Freiheit und Sicherheit. Wenn die Be-
fugnisse der Sicherheitsbehörden der Länder alle zusammen einer personell und sächlich stärker ausgestatteten polizei-
lichen Großbehörde eingeräumt würden, potenzieren sich die Eingriffe in die Grundrechte, auch, weil die erhobenen
Daten und Erkenntnisse zentral zur Verfügung stehen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 973 – Drucksache 17/14600
Zudem führt eine Zentralisierung nicht zu einer Verbesserung der Bekämpfung der Kriminalität vor Ort. Die Expertise
der lokalen Sicherheitsbehörden ist für die Verbrechensbekämpfung von erheblicher Bedeutung. Eine Zentralisierung
und Konzentration von Kompetenzen beim Bund ist für die Sicherheit der Menschen mithin weder erforderlich noch
hilfreich, eine bessere Koordination der Behörden des Bundes und der Länder untereinander ist aber geboten.
Die FDP hält strikt am föderalen Prinzip fest.
Die FDP betont jedoch, dass eine gute Zusammenarbeit auch zwischen den Ländern erforderlich ist.
Bei länderübergreifenden Gefahrenlagen muss eine reibungslose Zusammenarbeit gewährleistet sein. In den vergange-
nen Jahren haben die Polizeien der Länder oftmals bewiesen, dass sie bei Großveranstaltungen wie der Fußball-
Weltmeisterschaft gut zusammenarbeiten. Im Bereich der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität oder internatio-
nalem Terrorismus pflegen die Polizeien der Länder ebenfalls eine gute Zusammenarbeit. Allerdings haben die Er-
kenntnisse aus der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses zutage gefördert, dass Behördenegoismen dazu
geführt haben, dass bestehende rechtliche Möglichkeiten und sogar Pflichten zur gegenseitigen Information nicht ge-
nutzt wurden. Für die FDP ist die Durchsetzung geltenden Rechts der entscheidende Ansatz. Organisatorisch ist die
Zusammenarbeit der Länder bei einer länderübergreifenden Ermittlung zu verbessern. Die FDP-Bundestagsfraktion
appelliert an die Länder, in Zukunft besser und strukturierter die Zusammenarbeit zu koordinieren und in Eigenverant-
wortung hierzu baldmöglichst Vorschläge vorzulegen.
Für neue Gesetze ist hingegen kein Raum, solange geltendes Recht nicht ausgeschöpft wird. Wo rechtsstaatliche Stan-
dards z. B. für die Ausbildung der Mitarbeiter des Verfassungsschutzverbundes, für den Einsatz von V-Leuten, zur
besseren Koordination der Behörden selbst oder zur rechtsstaatlichen Stärkung der Aktenhandhabung bislang fehlen,
müssen rechtstaatliche Lösungen gefunden und erforderlichenfalls gesetzlich verankert werden .
Die Vernetzung der Länderpolizeien untereinander wird u. a. durch die Zentralstellenfunktion des BKA gewährleistet.
Die FDP hat die Ausweitung der Zuständigkeiten des BKA auf die Gefahrenabwehr bei der Bekämpfung des internati-
onalen Terrorismus abgelehnt. Die Liberalen halten daran fest, einem Eingriff in Länderkompetenzen im Sicherheitsbe-
reich grundsätzlich ablehnend gegenüber zu stehen.
Die Länder dürfen an der Sicherheit ebensowenig sparen wie der Bund bei seinen Sicherheitsbehörden. Der Abbau von
Stellen bei manchen Länderpolizeien gibt Anlass zur Sorge. Notwendig ist vielmehr, dass die Länder ihre Polizei mit
Personal und Sachmitteln angemessen ausstatten und auch die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass die Polizistinnen
und Polizisten in ihrem Engagement unterstützt und motiviert werden.
Nicht erst aufgrund der Erkenntnisse aufgrund der rechtsextremen Gewalttaten ist es geboten, mit vorhandenen Res-
sourcen bei den Sicherheitsbehörden mehr zu erreichen. Daher hat sich die FDP bereits in den Koalitionsverhandlungen
im Bund für eine Evaluierung der Sicherheitsarchitektur stark gemacht. Ziel muss die Vermeidung von Doppelstruktu-
ren und Reibungsverlusten sein.
1. Polizei ist Ländersache
Auch künftig muss der Grundsatz gelten, dass die Länder für die Polizei zuständig sind und der Bund nur in den vom
Grundgesetz eigens bestimmten Bereichen eine Kompetenz hat.
2. Polizeibehörden des Bundes
Die Sicherheitsbehörden des Bundes wie das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei oder auch das Zollkriminalamt
und der Zollfahndungsdienst sind immer nur dann und in den Spezialbereichen zuständig, wo dies ausdrücklich als
Ausnahme von der Länderzuständigkeit vorgesehen ist. So heißt es in § 1 Abs. 3 BKA-Gesetz etwa: „Die Verfolgung
sowie die Verhütung von Straftaten und die Aufgaben der sonstigen Gefahrenabwehr bleiben Sache der Länder, soweit
gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.“ In § 1 Abs. 7 des Bundespolizeigesetzes heißt es: „Die Zuständigkeit der Poli-
zei des Landes bleibt auch in den in Abs. 3 sowie in den in den §§ 2 bis 5 bezeichneten räumlichen Zuständigkeitsbe-
reichen der Bundespolizei unberührt.“ Bei der Neuorganisation ist zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht in
seiner Entscheidung vom 28. Januar 1998 zum Bundesgrenzschutz (BVerfGE 97, 198-228) deutlich gemacht hat: „Der
Bundesgrenzschutz darf nicht zu einer allgegenwärtigen, mit den Länderpolizeien konkurrierenden Bundespolizei aus-
gebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren.“
An diesen Grundsätzen ist nicht zu rütteln. Eine Reform der Sicherheitsbehörden des Bundes darf nicht dazu führen,
dass die grundgesetzliche Kompetenzverteilung untergraben wird.
Die Finanzverwaltung muss nach Art. 87 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes als bundeseigene Verwaltung,
an deren Spitze gem. Art. 108 GG der Bundesfinanzminister zu stehen hat, geführt werden. Der Zoll als Teil der Bun-
desfinanzverwaltung nimmt jedoch in Form des Zollfahndungsdienstes und des Zollkriminalamts als „Finanzpolizei“
auch die Annexkompetenz der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im Bereich der Zuständigkeiten der Finanzverwal-
tung wahr, soweit ihr diese Aufgabe durch Gesetz übertragen wurde.
Drucksache 17/14600 – 974 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Aufgaben und Befugnisse dieser Sonderpolizei des Bundes im Bereich der Fiskalkriminalität überschneiden sich
dabei zum Teil mit denen der Polizeien der Länder sowie der anderen Sonderpolizeien des Bundes BKA und Bundes-
polizei.
Da es sich bei den Aufgaben des Zollfahndungsdienstes und des Zollkriminalamts weniger um fiskalische Zuständig-
keiten handelt, denn um einen Beitrag zur Inneren Sicherheit im Bereich der Bekämpfung von Verbrechen, sollten sie
dem Bundesministerium des Innern unterstellt werden. Dies gilt umso mehr, als beim Zollkriminalamt und beim Zoll-
fahndungsdienst umfassende Expertise im Hinblick auf die Sicherheit an Flughäfen und EU-Grenzen vorhanden ist.
Personelle Ressourcen werden nicht sinnvoll und effektiv eingesetzt, wenn z. B. zur Kriminalitätsbekämpfung an den
Grenzen neben der Landespolizei und der Bundespolizei auch der Zoll tätig wird.
Soweit und sofern Aufgaben, die derzeit Zollkriminalamt und Zollfahndungsdienst wahrnehmen zugleich Aufgaben
anderer Sicherheitsbehörden sind, sollen zur Vermeidung von Doppelzuständigkeiten die Aufgaben künftig möglichst
nur noch von einer Sicherheitsbehörde wahrgenommen werden. Etwa durch die Aufgabenreduzierung frei werdende
Stellen beim Zollkriminalamt und Zollfahndungsdienst dürfen dabei aber nicht abgebaut werden, sondern die Beamten
sollen dann mit ihrer Erfahrung und ihrer Expertise dort eingesetzt werden, wo künftig die Zuständigkeit für diese Auf-
gabe liegt. Zum Teil bietet sich hierfür im Bereich der Sicherheitsbehörden des Bundes die Bundespolizei an, insbe-
sondere im Bereich der Luftsicherheit.
Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Bundespolizei verfassungsrechtlich keine Polizei sein kann, die
allgemeine Aufgaben der Verbrechensbekämpfung im gesamten Bundesgebiet in eigener Kompetenz wahrnimmt. Als
Nachfolgerin des Bundesgrenzschutzes nimmt die Bundespolizei grenzpolizeiliche Aufgaben wahr. Die Aufgaben der
Bahnpolizei und der Luftsicherheit wurden ihr als Annexkompetenz der Zuständigkeit des Bundes für den Bahn- und
Luftverkehr ebenfalls übertragen. Sie ist also eine Polizeibehörde mit speziellem und beschränktem Aufgabengebiet in
Bereichen, für die nach dem Grundgesetz der Bund zuständig ist. Gleiches gilt für den Zollfahndungsdienst und das
Zollkriminalamt, die als polizeiliche Behörde nur im Spezialgebiet der fiskalbezogenen Verbrechen tätig werden dür-
fen. Insoweit darf eine Umorganisation nicht dazu führen, dass eine Polizei des Bundes in Konkurrenz zu den verfas-
sungsrechtlich zuständigen Länderpolizeien entsteht. Dies wäre auch verfassungsrechtlich nicht von der Kompetenz des
Bundes gedeckt.
Zudem muss bedacht werden, dass eine ausschließliche Aufgabenwahrnehmung an den Grenzen, beispielsweise im
Bereich des Menschenhandels oder des Schmuggels, durch die Bundespolizei zu neuen Reibungsverlusten führen kann,
wenn dann jenseits der Flughäfen oder der 30-km-Zone entlang der deutschen Außengrenzen wiederum eine andere
Behörde zuständig sein muss. Daher ist die Aufgabenübertragung eng zu begrenzen. Vor allem ist es notwendig, zu
prüfen, inwiefern Aufgaben auch auf die Landespolizei übertragen werden können, da diese sowohl an den Grenzen als
auch auf dem übrigen Gebiet des jeweiligen Landes für die Verbrechensbekämpfung zuständig ist. Hier sind mit den
Ländern gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, um Doppelkompetenzen zu vermeiden.
Im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ergeben sich insbesondere zwischen Zollkriminalamt und
Bundeskriminalamt Doppelzuständigkeiten. Das Bundeskriminalamt ist gem. § 4 des BKA-Gesetzes zuständig für die
Strafverfolgung in besonderen Bereichen, die u .a. gerade auch mit Organisierter Kriminalität im Zusammenhang ste-
hen, sowie in Fällen, in denen die zuständige Landesbehörde darum ersucht oder der Generalbundesanwalt die Ermitt-
lungen an sich zieht, also in Fällen mit länderübergreifender Bedeutung und von besonderem Gewicht. Für die Gefah-
renabwehr ist das Bundeskriminalamt hingegen ausschließlich im Bereich des internationalen Terrorismus zuständig.
Die Zollfahndungsämter und auch das Zollkriminalamt hingegen verfügen im Bereich von Kriminalität mit Fiskalbezug
über die Befugnis sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Gefahrenabwehr.
Soweit und sofern Zollkriminalamt und Bundeskriminalamt sich überschneidende Zuständigkeiten im Bereich der
Strafverfolgung haben, ist darüber nachzudenken, wie hier Doppelarbeit vermieden werden kann. Dabei darf es jedoch
nicht zu einer weiteren Ausweitung der Kompetenzen des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr kommen. Die Verfas-
sungsänderung zur Übertragung der Kompetenz im Bereich der Gefahrenabwehr gegen den internationalen Terroris-
mus ist von der FDP stets abgelehnt worden. Eine weitere Grundgesetzänderung, die dem BKA die Kompetenz zur
Gefahrenabwehr in weiteren Bereichen geben würde, trägt die FDP nicht mit.
Im Bereich des internationalen Terrorismus verfügen weder Zollfahndungsdienst noch Zollkriminalamt über Zustän-
digkeiten, da es sich nicht um Aufgaben mit Bezug zu fiskalbezogener Kriminalität handelt. Mithin dürfen Zollkrimi-
nalamt und Zollfahndungsdienst hier nicht tätig werden, da ihnen die verfassungsgemäße Zuständigkeit nicht zusteht.
Es hat sich jedoch gerade in jüngster Zeit gezeigt, dass die Einfuhrkontrolle von Gütern aus aller Welt nicht nur zur
Vermeidung von Zoll- und Steuerhinterziehung, Schmuggel oder Proliferation erforderlich ist, sondern auch zur Verhü-
tung terroristischer Anschläge. Die Zollverwaltung verfügt über zahlreiche Daten zur Einfuhrkontrolle in Erfüllung
ihrer fiskalischen Aufgaben. Diese Daten werden zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung auch von Zollfahndungs-
ämtern und Zollkriminalamt genutzt. Eine Rasterung der Daten erfolgt jedoch nur nach Kriterien, die auf die Zustän-
digkeiten des Zolls beschränkt sind. Um hier auch nach für den Terrorismus relevanten Kriterien zu fahnden, fehlt
denen, die rechtmäßig Zugriff auf die Daten, die auch zahllose Daten unbescholtener Menschen enthalten, haben, die
Zuständigkeit. Es muss daher darüber nachgedacht werden, ob in diesem Bereich eine Sonderkompetenz geschaffen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 975 – Drucksache 17/14600
wird. Alternativ könnten die Datenbestände anderen zuständigen Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt werden.
Dies erscheint jedoch angesichts der Vielzahl auch personenbezogener Daten als schwierig, da in dieser Weitergabe des
kompletten Datenbestandes ein erneuter Grundrechtseingriff läge. Insoweit erscheint es jedenfalls bedenkenswert, eine
Zuständigkeit des Zolls zu schaffen, die Daten auch nach terrorismusrelevanten Kriterien zu durchsuchen und die Er-
gebnisse dann der zuständigen Behörde mitzuteilen.
Soweit künftig Aufgaben des Zollkriminalamts von anderen Behörden wahrgenommen werden und aufgrund dessen
die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll nicht mehr in dem Maße benötigt wird, sollen frei werdende Stellen von der
GSG 9 der Bundespolizei übernommen werden. Somit kann im Rahmen der Zuständigkeiten der Bundespolizei die
GSG 9 gestärkt werden. Zugleich können Mittel effizienter für nur noch eine spezialisierte Eingreifgruppe genutzt
werden, um diese besser auszustatten.
II. Abschaffung MAD
Bereits seit mehreren Jahren fordert die FDP, den Militärischen Abschirmdienst in das Bundesamt für Verfassungs-
schutz und die Bundeswehr zu überführen.
Schutzobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist die freiheitliche demokratische Grundordnung. Hierzu
gehört die Terrorismus- und Spionageabwehr ebenso wie die Beobachtung und Bekämpfung des Extremismus. Bisher
endet dieser Auftrag am Kasernentor der Bundeswehr. Innerhalb der Streitkräfte ist der Militärische Abschirmdienst
(MAD) zuständig. Diese Parallelstruktur ist überholt.
Die Tätigkeiten des Verfassungsschutzes im Bereich der Extremismus- und Terrorismus- sowie der Spionageabwehr
sind wesentlich umfassender, da der MAD nur den im Vergleich überschaubaren Teil der Bundeswehr abdeckt. Durch
diese „Begrenztheit“ ist der MAD auf die Kooperation mit dem Verfassungsschutz angewiesen, besitzt allerdings durch
seinen etwas anderen Schwerpunkt auch spezielle Kenntnisse und Informationen. Eine Übernahme dieser Tätigkeiten
im Inland durch den Verfassungsschutz, der in diesen Bereichen über eine breite Expertise verfügt, drängt sich bei
Beachtung des unterschiedlichen Informationsbedürfnisses und der Besonderheiten des militärischen Umfeldes gerade-
zu auf.
Dieselbe Parallelstruktur existiert im Bereich der Auslandsaufklärung. Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes (BND)
ist die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Der
BND hat bereits zum 1.1.2008 Aufgaben des Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ZNBw) übernommen,
dem die Lieferung und Analyse von Informationen für das Einsatzkommando der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit
dem BND oblag.
Die neuen Strukturen der Bundeswehr reduzieren zudem die Notwendigkeit, den MAD zu erhalten, der rund 1.300 in
der Sicherheitsüberprüfung, Nachrichtenbeschaffung und Analyse geschulte Mitarbeiter beschäftigt.
Die Überführung der entsprechenden Aufgabengebiete des MAD in den BfV und in das BMVg bzw. die entsprechen-
den Bereiche der Bundeswehr wie u. a. den Fähigkeitsstrang „Nachrichtengewinnung und Aufklärung“ setzt Synergie-
effekte frei, die zu einem Sicherheitsgewinn führen. Doppelstrukturen werden abgebaut, der Koordinationsaufwand
wird reduziert.
III. Evaluierung von Recht und Praxis erforderlich
Die Sicherheitsarchitektur sowie die einzelnen Sicherheitsgesetze bedürfen kontinuierlicher Weiterentwicklung und
kritischer Überprüfung.
In der Vergangenheit wurde auf jeden Vorfall mit einer Vielzahl neuer Sicherheitsgesetze reagiert, nicht nur mit der
Folge, dass Grundrechte immer weiter eingeschränkt wurden, sondern auch mit der Konsequenz, dass Aufgabenberei-
che und Zuständigkeiten der einzelnen Sicherheitsbehörden immer mehr verschwommen sind. Es bedarf daher einer
umfassenden und gründlichen Analyse auch der rechtlichen Rahmenbedingungen, um wieder jeder Sicherheitsbehörde
die Aufgaben zuzuweisen, für die sie geeignet ist.
Die in einigen Gesetzen verankerte Evaluierung wirkt immer nur punktuell und verkennt, dass für die Bewertung ein
Gesamtbild der Eingriffsbefugnisse der verschiedenen Sicherheitsbehörden erforderlich ist. Nur so kann Effizienz ei-
nerseits und Verfassungsmäßigkeit andererseits wirklich geprüft werden. Notwendig ist zudem, dass Evaluierungen
nicht als „weiße Salbe" verstanden werden, sondern tatsächlich eine kritische Befassung mit der Materie ermöglichen.
Hierzu ist regelmäßig eine externe Evaluation, die gerade nicht nur die Binnensicht abbildet, erforderlich.
Den Beschluss der Bundesregierung, eine Kommission mit externem wissenschaftlichem Sachverstand einzusetzen, um
in einer Gesamtschau die gesetzlichen Kompetenzen und Eingriffsbefugnisse der verschiedenen Sicherheitsbehörden zu
überprüfen und so einen Überblick über Doppelkompetenzen und unklare Zuständigkeiten zu erhalten, begrüßt die
FDP.
Drucksache 17/14600 – 976 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus von Bund und Län-
dern
Konsequenzen aus den NSU-Morden ziehen
Die bisherigen Erkenntnisse zur Aufarbeitung des NSU sind schockierend
Die NSU-Mordserie bringt in der justiziellen und parlamentarischen Aufarbeitung immer neue, zum Teil erschreckende
Details zum Vorschein. In den Jahren 2000 bis 2007 haben Rechtsextremisten, die sich selbst Nationalsozialistischer
Untergrund (NSU) nannten, mindestens 9 Morde an Menschen mit Migrationshintergrund begangen, einen weiteren
Mord und einen Mordversuch an einer Polizistin bzw. einem Polizisten, zwei Sprengstoffanschläge und mindestens14
Banküberfälle mit z. T. erheblichen Körperverletzungen sowie einen Überfall auf einen Supermarkt verübt. Bis zum
4. November 2011, also mehr als zehn Jahre lang, ist es den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern nicht gelun-
gen, den Tätern auf die Spur zu kommen.
Dass dieses möglich war, ist nach wie vor ein weitgehend ungeklärtes Problem: denn gerade die rechtsextremistische
Szene stand während, vor und nach dem Untertauchen des NSU und nach Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses
im Deutschen Bundestag sehr genau unter Beobachtung. So war der „Thüringer Heimatschutz“ ebenso wie das „Blood
& Honour-Netzwerk“ und weitere rechte Kameradschaften und Organisationen, als auch das konkrete personelle Um-
feld des NSU-Trios, permanent im Fokus der Sicherheitsbehörden. V-Leute wurden eingesetzt, die Nachrichtendienste
und auch die Polizei waren, z. B. in der Operation Rennsteig, als auch bei den Ermittlungsmaßnahmen in der BAO
Bosporus länderübergreifend tätig.
Neben zu untersuchenden allgemeinen Versäumnissen, Fehlern und fragwürdigen Verhaltensweisen der Sicherheitsbe-
hörden sind gleichzeitig durch die Aufarbeitung in den drei Untersuchungsausschüssen der Länder Thüringen, Bayern
und Sachsen, wie auch im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, Mängel in der Strafverfolgung und in
der Kontrolle und Nachbereitung der Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden zu Tage getreten, die einen Reformbedarf
aufzeigen. Akten wurden bei Verfassungsschutzämtern zur Unzeit vernichtet, Aktenlieferungen an den Untersuchungs-
ausschuss des Deutschen Bundestages verzögert und Informationen nur zögerlich und z. T. unvollständig weitergege-
ben.
Die bisherigen Erkenntnisse um den NSU offenbaren ein erhebliches Versagen der Sicherheitsbehörden. Einem Ver-
trauensverlust auch in die rechtsstaatliche Arbeit der Sicherheitsbehörden und die Aufarbeitungsbereitschaft von Teilen
der Behörden muss durch konsequente Aufklärung und Aufarbeitung entgegen gewirkt werden. Die Neuaufstellung der
Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern im Rahmen der föderalen Aufgabenverteilung ist nötig.
Wirksame und nachhaltige Konsequenzen ziehen
Die FDP in Bund und Ländern will notwendige Konsequenzen ziehen und dringt auf umfassende Reformen.
Die FDP in Bund und Ländern bekennt sich zu der dringenden Notwendigkeit, die NSU-Mordserie bestmöglich aufzu-
klären. Alle Behörden in Bund und Ländern sind zur uneingeschränkten Unterstützung der Ermittlungen des General-
bundesanwalts und des Oberlandesgerichts München im Prozess gegen Beate Zschäpe und andere Beschuldigte als
auch zur Aufklärung in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen verpflichtet und müssen dieser Pflicht er-
schöpfend nachkommen. Dies sind wir den Menschen in Deutschland, dem Vertrauen in unseren Rechtsstaat und den
Opfern und Opferfamilien schuldig. Nur durch bestmöglichste Aufklärung kann das Vertrauen in die Sicherheitsbehör-
den wieder aufgebaut werden.
Die FDP in Bund und Ländern bekennt sich zur rückhaltlosen Abwehr aller verfassungsfeindlichen und fundamentalis-
tischen Bestrebungen in Deutschland. Hierzu gehört auch die wirksame und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextre-
mismus und -terrorismus in Deutschland. Nationale und internationale Strukturen der Rechtsextremisten sowie deren
Geldströme müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln angegangen werden.
Sowohl die längerfristige Prävention durch ehrenamtliche Vereinstätigkeit und Initiativen, als auch die zur Verfügung
stehenden und verhältnismäßigen polizeilichen wie justiziellen Maßnahmen gegen identifizierbare Feinde unserer Ver-
fassung finden die Unterstützung der FDP. Das gilt auch für die Jugendsozialarbeit, eine stärker demokratisch, wertori-
entierte Erziehung, Präventionsnetzwerke oder die Förderung von Vor-Ort-Initiativen. Die von der FDP durchgesetzte
Fortführung der finanziellen Unterstützung für das Aussteigerprogramm „EXIT“ durch die Bundesregierung ist hierbei
ein wichtiger Schritt.
Die Ächtung von Extremismus und Fundamentalismus ist dabei eine Aufgabe der Mitte unserer Gesellschaft. Es ist
Aufgabe aller Demokraten, positiv „FÜR DEMOKRATIE UND FREIHEIT“ zu werben und zu streiten. Das sollten wir
aus der leidvollen deutschen Geschichte gelernt haben.
Dabei bildet das im Grundgesetz vorgesehene Parteienverbot allein die Ultima Ratio; die politische Auseinanderset-
zung mit extremistischen Parteien ist eindeutig der vermeintlich „einfachen“ Lösung eines Parteienverbots vorzuziehen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 977 – Drucksache 17/14600
Keinesfalls kann ein Parteienverbot konkrete Konzepte zur Zurückdrängung des Rechtsextremismus ersetzen. Das
Verbot einer Organisationsform beseitigt nicht die Bedrohung durch Demokratiefeinde. Deshalb lehnen wir aktuell
auch ein NPD-Verbotsverfahren ab.
Die FDP bekennt sich zu der Notwendigkeit der Neuaufstellung unserer Sicherheitsarchitektur. Das verlorene Vertrau-
en in die Fähigkeiten und das rechtsstaatliche Handeln der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern muss zurückge-
wonnen werden.
Dabei gehört sowohl die Struktur und Arbeitsweise der Bundes-, wie auch der Landesbehörden, und insbesondere der
einschlägigen Rechtsgrundlagen auf den Prüfstand. (Eine Regierungskommission stellt ihre diesbezüglichen Ergebnisse
am 28. August 2013 vor.) Doppeltätigkeiten, Informations- und Effektivitätsverluste durch fehlende Kooperationsbe-
reitschaft müssen der Vergangenheit angehören; die Zusammenarbeit der Ämter braucht nachvollziehbare Wege. Des-
halb sind alle Länder und der Bund aufgefordert, konstruktiv daran zu arbeiten, alle Sicherheitsbehörden so zu organi-
sieren, dass diese bestmöglich rechtsstaatliche Sicherheit für die Menschen in Deutschland gewährleisten. Gleichzeitig
müssen ihre demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen zukünftig für mehr Vertrauen bei den Menschen sorgen.
Deshalb spricht sich die FDP in Bund und Ländern dafür aus:
die Strukturen in den Polizeien und den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern so zu reformieren, dass
u. a.
nach dem Vorbild des hohen Niveaus der Polizeiausbildung die Verfassungsschutzbehörden ihre Ausbildung künftig
nach klaren Standards organisieren und deutlich stärken,
einheitliche Standards im Aktenmanagement erarbeitet und für die Länder und den Bund gemeinsam eingeführt und
beachtet werden. Dabei sind datenschutzrechtliche Aspekte ebenso wie die Möglichkeit der Dienste, ein auch zeitliches
Gesamtbild erstellen zu können, zu berücksichtigen. Der Kernbereichsschutz für die Bürger sowie der Schutz der Be-
rufsgeheimnisträger ist dabei auszubauen und sicherzustellen. Auch die Mitteilungspflichten an von G10-Maßnahmen
Betroffene sind zu beachten; Löschungsvorgaben und -verpflichtungen müssen klar und unzweideutig angeordnet wer-
den können. Die Behandlung der Daten, die von einer Behörde in einer Indexverbunddatei eingestellt werden, unter-
liegt mit Wirkung für alle Verbundpartner den gesetzlichen Vorgaben, denen die einstellende Behörde unterliegt,
einheitliche Standards für die Verpflichtung und den Einsatz von V-Leuten müssen gesetzlich eindeutig geregelt und
konsequent beachtet werden. Doppelbeauftragungen von V-Personen müssen in Zukunft ausgeschlossen sein; rechts-
staatliche Standards sind klar zu definieren. Eine Bezahlung von V-Leuten darf nicht dazu führen, dass beobachtete
Gruppen in beachtlichem Umfang mittelbar über den Verfassungsschutz finanziert werden.
Das Trennungsgebot muss deutlich gestärkt werden. Die FDP spricht sich deshalb insbesondere dagegen aus, den Ver-
fassungsschutz mit der Polizei zusammen zu führen. Unklarheiten in der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehör-
den und Polizeien der Länder darf es nicht mehr geben. Dabei ist der Graubereich der Vorfeldermittlungen der Polizei-
en in Abgrenzung zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden in den Blick zu nehmen. Einer Vermischung von
Polizeiarbeit und der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden treten wir entschieden entgegen.
Die Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes sind in das Bundesamt für Verfassungsschutz zu überführen und
den MAD aufzulösen.
Die Kooperationsrichtlinien zwischen den Ländern und dem Bund sind dahingehend zu überarbeiten und zu vereinfa-
chen, dass Kompetenz-, Hierarchie- und Zuständigkeitsdiskussionen zukünftig Ermittlungen nicht mehr behindern.
Die FDP bekennt sich zum Ausbau und zur Intensivierung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste. In
ganz Deutschland muss es möglich sein, dass die zur Verschwiegenheit verpflichteten Kontrollgremien der Parlamente
einen umfassenden Einblick in die Tätigkeiten der Nachrichtendienste bekommen und diese ihren umfassenden Kont-
rollpflichten und -rechten nachkommen können. Dazu gehört für alle parlamentarischen Kontrollgremien in den Län-
dern und im Bund u. a.:
das volle Einsichtsrecht in alle Akten der Dienste mindestens auf Anforderung;
die Möglichkeit, auf Anforderung einen Sonderermittler für die jeweiligen Kontrollgremien zu bestellen;
Angehörigen der Dienste muss es jederzeit gestattet sein, sich in dienstlichen Angelegenheiten mit Eingaben an das
zuständige Kontrollgremium zu wenden, soweit der Leiter des Dienstes entsprechende Eingaben nicht gefolgt ist. In-
soweit ist die geheime Befragung der Mitarbeiter von Diensten und die Aufnahme ihrer Informationen ohne Wahrung
des „Dienstweges“ in den Kontrollgremien statthaft;
die Möglichkeit der lückenlosen Kontrolle aller länderübergreifenden Operationen und Aktivitäten der Dienste u. a.
durch entsprechende gegenseitige Informationsmöglichkeiten oder die Berichtspflichten der Bundesbehörden für das
jeweilige Land oder der Länder im Bundestagskontrollgremium bei gemeinsamen Aktivitäten mit Bundessicherheits-
behörden – zur Wahrung der Zuständigkeit in einer gemeinsamen Sitzung der Gremien;
Drucksache 17/14600 – 978 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die Einführung von dienstrechtlichen Konsequenzen bei Fehlinformationen gegenüber dem parlamentarischen Kont-
rollgremien;
die Einführung eines Bürgeranwalts in den entsprechenden Kontrollgremien und G10-Kommissionen zur Wahrneh-
mung der Bürgerbelange und als Ansprechpartner für Beschwerden und Hinweise aus der Bevölkerung;
Die FDP bekennt sich zu einer weiteren Stärkung des Opferschutzes. Im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren muss
nach wie vor in alle Richtungen ohne Ansehen von Person, Herkunft oder Einstellung ermittelt werden. Gleichwohl
sind Opferzeugen oder Opferfamilien, nicht nur, aber auch bei Menschen mit Migrationshintergrund, sensibel einzube-
ziehen. Wichtige Initiativen der Länder, z. B. die Stärkung des Täter-Opfer-Ausgleichs oder die Betreuung von Opfern
und Zeugen in Gerichtsverfahren sind fortzuführen und bestmöglich zu intensivieren. Die FDP setzt sich gerade im
Hinblick auf die Sicherheitsbehörden dafür ein, aktiv mehr Menschen mit Migrationshintergrund für ihre Arbeit zu
gewinnen. Die Polizeiausbildung sollte entsprechend sensibilisiert im Bereich des proaktiven Umgangs mit Opfern
stärker weiterentwickelt werden, Opferentschädigungen entbürokratisiert und das Aufenthaltsrecht hinsichtlich der
Stärkung ausländischer Opfer fortentwickelt werden. Der Zugang von Polizei- oder Verfassungsschutzbeamten auf
Opferfamilien unter der Legende eines zeugnisverweigerungsberechtigten Berufs muss in Zukunft unzulässig sein.
Der Einsatz für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat endet nie!
Die Aufklärung zu den NSU-Morden muss weitergehen. Eine umfassende Aufklärung und Herausarbeitung der Konse-
quenzen kann nicht an Legislaturperioden gebunden sein.
Die Reformvorschläge müssen schnellstmöglich angegangen und sollen gründlich und umfassend umgesetzt werden.
Die FDP in Bund und Ländern wird hartnäckig in den Landtagen und im Deutschen Bundestag darauf dringen, dass die
Erkenntnisse zur Aufklärung der NSU-Mordserie zu Konsequenzen führen und auch in Zukunft die Bekämpfung des
politischen Extremismus und der Verfassungsfeinde hohe Priorität hat.
Dr. Philipp Rösler, FDP-Bundesvorsitzender
Hartfrid Wolff MdB, FDP-Obmann im 2. Untersuchungsausschuss (Rechtsextremismus)
Prof. Dr. Ulrich Goll MdL (Baden-Württemberg)
Dr. Andreas Fischer MdL (Bayern)
Dr. Martin Lindner MdB (Berlin)
Hans-Peter Goetz MdL (Brandenburg)
Thorsten Staffelt MdB (Bremen)
Katja Suding MdHB (Hamburg)
Dr. Wolfgang Greilich MdL (Hessen)
Thomas Heldberg (Mecklenburg-Vorpommern)
Jan-Christoph Oetjen MdL (Niedersachsen)
Dr. Robert Orth MdL (Nordrhein-Westfalen)
Dr. Volker Wissing MdB (Rheinland-Pfalz)
Oliver Luksic MdB (Saarland)
Benjamin Karabinski MdL (Sachsen)
Guido Kosmehl (Sachsen-Anhalt)
Dr. Wolfgang Kubicki MdL (Schleswig Holstein)
Dr. Uwe Bergner MdL (Thüringen)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 979 – Drucksache 17/14600
Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten verbessern
Hartfrid Wolff MdB
Vorsitzender des Arbeitskreises Innen & Recht der FDP-Bundestagsfraktion
Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss
Die Stärkung von Opfern von Straftaten und Opferangehörige in Strafverfahren müssen intensiver in den Fokus der
politischen und rechtlichen Diskussion gestellt werden. In den Medien (siehe z. B. auch die Diskussion zur Berichter-
stattung nach dem Amoklauf in Winnenden 2009) wie in der öffentlichen Diskussion wird immer wieder der Täter
betont; die Belange der Opfer werden allzu häufig nur gestreift. Auch die Aufarbeitung von Verbrechen findet sehr
häufig allein unter dem Blickwinkel der Täter statt; sie sind auch im Zentrum eines anschließenden Strafprozesses. Das
Strafrecht ist ein am Täter ausgerichtetes Recht, es schafft, ebenso wie das Sozialrecht, aber schon jetzt einige Instru-
mentarien mehr, um den Belangen der Opfer gerecht werden zu können. Gleichwohl brauchen wir eine weitergehende
Diskussion nach den Erfahrungen auch aus dem NSU-Untersuchungsausschuss.
Opfer von Straftaten leben mitten unter uns. Nicht selten gelangen sie wegen ihrer Erlebnisse in den Fokus von Staat
und Gesellschaft. Mitunter suchen sie auch selbst den Kontakt zu Ratgebern wie Geistlichen oder Rechtsanwälten,
staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen, wenn sie beispielsweise Straftaten anzeigen, Frauenhäuser oder wei-
tere Beratungsstellen aufsuchen.
Die an sich schon oft nicht einfache Situation dieser Menschen wird dabei bisweilen zusätzlich durch strukturelle und
individuelle Defizite im Umgang mit Opfern von Straftaten erschwert. Staat und Gesellschaft sind gefordert, es gilt zu
handeln.
A. Staatliche Mittel zur Verbesserung der Situation von Opfern
Jedes Opfer einer Straftat hat Anspruch auf einfühlsamen Umgang und bestmögliche Hilfe.
Allgemein hat zu gelten, es gibt keine Opfer erster oder zweiter Klasse. Eine Kategorisierung dieser Art z. B. nach
Herkunft, Geschlecht, Religion, politischer Überzeugung oder sexueller Orientierung verletzt die Würde des Einzelnen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch Straftaten verursachte außergewöhnliche Notlagen ignoriert werden dürfen.
Die Arbeit von Opferschutzorganisationen ist auf Dauer angelegt. Damit der hohe Standard ehrenamtlichen Engage-
ments in diesem Bereich gesichert werden kann, benötigen die Organisationen nicht zuletzt auch finanzielle Planungs-
sicherheit. Die finanzielle Unterstützung durch öffentliche Stellen muss deshalb jeweils langfristig eingeplant werden.
Deshalb ist die Einrichtung einer Opferschutzstiftung des Bundes in Zusammenarbeit mit engagierten Organisationen
eine Maßnahme, wie diese notwendigerweise nachhaltige Arbeit in der konkreten Hilfe von Opfern und Opferangehö-
rigen, aber auch in der Forschung und wissenschaftlichen Begleitung von Präventionsstrategien gestärkt werden könn-
te.
Der von der Bundesregierung über das Bundesjustizministerium eingerichtete Härtefall-Fonds für Opfer extremisti-
scher Übergriffe hat bisher unbürokratisch eine Million Euro bereitgestellt und ist ein erster, wichtiger Schritt.
Opfer und ihre Familien sollten in die Planung öffentlicher Veranstaltungen zum Gedenken an Straftaten einbezogen
werden. Lehnen sie derartige Bekundungen ab, ist ein Verzicht ernsthaft zu erwägen.
Der Täter-Opfer-Ausgleich ist als Institution voranzutreiben und flächendeckend in Deutschland anzubieten. Sprach-
barrieren sind auszuräumen.
Die Stärkung des Opferschutzes und des positiven Umgangs mit (Opfer-)Zeugen in Strafverfahren, auch in der Zu-
sammenarbeit mit Opferschutzbeauftragten, ist in die Ausbildungsvorgaben für Rechtsreferendare bundesweit aufzu-
nehmen und deren praktischen Bezug hervorzuheben.
Die modernen Möglichkeiten des aktiven Opferschutzes sollten stärker auch in die Aus- und Fortbildung der Justiz
Eingang finden.
Als präventiven Opferschutz sind konkrete Kriminalitäts- und Gewaltpräventionsmaßnahmen zu erarbeiten, die sich
mit Unterstützung des Lehrstuhls für Gewalt- und Kriminalprävention in Tübingen auch als Best-Practice-Konzepte auf
kommunaler Ebene darstellen lassen.
I. Maßnahmen im Bereich der Polizei
Polizeiliche Dienststellen sind die staatlichen Einrichtungen, die wohl am häufigsten mit Opfern von Straftaten in Kon-
takt kommen. In den letzten Jahren neu entstandene Informationsangebote und die Installation von Opferschutzbeauf-
tragten zeigen, dass man sich in der Polizeiführung dieses Umstandes durchaus bewusst und positiv bereits ist, hier
aktiv zu reagieren. Allerdings sind weitere Maßnahmen erforderlich:
Im täglichen Dienst geht es nicht nur um Strafverfolgung; es sind auch die Folgen von Straftaten für den jeweils Betrof-
fenen möglichst gering zu halten. Dies fängt schon im Umgang mit ihnen an. Es reicht nicht, speziell geschulte Polizei-
Drucksache 17/14600 – 980 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
beamte als Opferschutzbeauftragte einzusetzen. In der Aus- und Fortbildung aller Polizeibeamten muss der Umgang
mit Opfern von Straftaten erlernt und intensiviert werden. Ziel muss es sein, dass jeder Polizeibeamter als besonderer
Ansprechpartner in Sachen Opferschutz fungieren kann. In der Praxis ist die Einführung einer Rotation zu prüfen, so-
dass grundsätzlich jeder Polizeibeamte für eine gewisse Zeit im Bereich des besonderen Opferschutzes tätig ist.
Auf die Situation, dass Angehörige von Opfern zunächst als Täter in Betracht kommen, gilt es die Polizeibeamten vor-
zubereiten. Die im Rahmen der Ermittlungen notwendig gewordenen Maßnahmen gegen Angehörige sind spätestens
nach der Ausräumung der Beteiligung schnell und einfühlsam zu erklären. Unklarheit und ein vermeintlicher Dauer-
verdacht stigmatisieren und müssen beendet werden.
Um der Situation als Einwanderungsland gerecht zu werden, sind die vorhandenen Programme zur Stärkung des An-
teils von Migranten in den deutschen Sicherheitsbehörden zu überprüfen und gegebenenfalls zu intensivieren. Ein Poli-
zeibeamter oder Verfassungsschützer mit Migrationshintergrund muss Alltag werden; ihr vereinzelter Einsatz in beson-
deren Bezirken macht die Polizei noch nicht zum Spiegelbild der Gesellschaft. Schulungen, die die Lebenssituation von
Migranten, deren Alltag und ggf. abweichende Glaubensgrundsätze berücksichtigen, sollten ausgebaut werden.
Die heute vor allem über das Internet zugänglichen wichtigen Informationsmaterialien zum Opferschutz müssen in den
Dienststellen in gedruckter Form für die Opfer von Straftaten und deren Angehörigen vorgehalten werden. Auch heute
hat nicht jeder Zugang zum Internet oder ist in der Lage, dort die zutreffenden Informationen, ggf. mehrsprachig, zu
finden.
Informationsmaterial der verschiedenen Opferschutzorganisationen muss in den Behörden nebeneinander ausliegen
können. Eine behördliche Fokussierung auf jeweils nur eine Organisation erschwert den Opferschutz.
II. Klare Grenzen von Polizeien und Diensten gegenüber den Opfern
Rechtsanwälte und Geistliche sind von der Strafprozeßordnung (vgl. § 53 StPO) besonders geschützt und sind in Aus-
übung ihres Amtes schweigepflichtig und zeugnisverweigerungsberechtigt. Gerade für Opfer und Opferangehörige
bieten sie als Ansprechpartner wichtige Ratgeber in einer für sie schwierigen persönlichen Situation. Deshalb ist ggf.
auch rechtlich sicherzustellen, dass weder Polizeibeamte noch Mitarbeiter von Nachrichtendiensten generell, aber gera-
de auch gegenüber Opfern und Opferangehörigen mit der falschen Legende eines Zeugnisverweigerungsberechtigten
auftreten oder gar so Informationen erhalten wollen. Nicht nur Rechtsanwälte und Geistliche, auch Ärzte, Psychologen,
Journalisten, Abgeordnete oder Notare sind entsprechend § 53 StPO hier mit einzubeziehen. Eine Verletzung dieses
Grundsatzes muss mindestens beamtenrechtliche Konsequenzen haben. Das Ausnutzen einer rechtlichen Vertrauens-
stellung gegenüber Opfern und Opferangehörigen ist schändlich und falsch.
III. Stärkung der Rechte von Opfern in Strafverfahren
Dem möglichst schonenden Umgang mit Opfern muss im Strafverfahren besonderes Gewicht beigemessen werden. Die
Akzeptanz unserer Gesetze und der Rechtsordnung werden wir nur dann sichern können, wenn auch Anliegen der Op-
fer von Straftaten im Strafprozess zur Geltung kommen. Dieses Anliegen manifestieren wir in mehreren Gesetzesvor-
haben und prüfen weitere Möglichkeiten, mit denen die Situation der Opfer spürbar verbessert werden kann.
Mit dem Gesetzentwurf „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“ geht das
Bundesjustizministerium mit unserer Unterstützung einen guten Schritt voran. Das Vorhaben sieht verschiedene kon-
krete Verbesserungen im Opferschutz vor, vor allem für Opfer von Missbrauchstaten. Dazu werden mehrere Gesetze
geändert (StPO, GVG, JGG und BGB):
Mehrfachvernehmungen sollen möglichst vermieden werden, um Opfern erneute peinigende Konfrontationen mit dem
Beschuldigten/Täter zu ersparen.
Informationsrechte von Opfern werden erweitert.
Für volljährig gewordene Missbrauchsopfer wird die Bestellung eines Opferanwaltes erleichtert.
Vorschriften über Zuständigkeiten der Jugendgerichte in Jugendschutzsachen werden präzisiert, Qualifikationsanforde-
rungen an Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte verbindlicher.
Die Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Hauptverhandlungen mit minderjährigen Opfern werden
ergänzt.
Die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche wegen sexuellen Missbrauchs wird auf 30 Jahre ver-
längert.
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.
Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des
Rahmenbeschlusses 2001/220/JI und setzt sich für eine rasche Umsetzung in Deutschland ein. Die Richtlinie stärkt die
Rechte von Opfern, indem sichergestellt wird, dass alle Opfer von Straftaten umfangreiche Informationen sowie ange-
messenen Schutz und Hilfe erhalten; sie sollen sich im Ergebnis am Verfahren dadurch besser beteiligen können, dass
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 981 – Drucksache 17/14600
sie verstehen und verstanden werden. Opfer sollen in der gesamten EU gebührende Anerkennung erfahren und eine
respektvolle, einfühlsame, individuelle, professionelle und diskriminierungsfreie Behandlung bei allen Kontakten mit
Opferunterstützungs- und Wiedergutmachungsdiensten oder zuständigen Behörden erfahren. Die neuen gemeinsamen
Mindestnormen erleichtern die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung innerhalb der EU.
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt ebenfalls den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und
des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen (COM(2011)276 endg.). Zur Ver-
besserung der Freizügigkeit der Bürger in Europa soll eine in einem Mitgliedstaat ergangene Schutzanordnung ohne
Zwischenverfahren in jedem anderen Mitgliedstaat, in den sich die gefährdete Person begibt, anerkannt werden und
gegebenenfalls vollstreckbar sein.
B. Jeder kann Opfer werden – Jeder trägt Verantwortung
Deutschland ist im internationalen Vergleich ein sehr sicheres Land. Trotzdem kann fraglos jeder Opfer einer Straftat
werden. Aber warum trägt jeder Verantwortung für den Umgang mit Opfern – weil wir alle, wenn auch auf unter-
schiedliche Weise, mit ihnen in Kontakt kommen. Wir verfolgen die Berichterstattung in den Medien oder suchen die
direkte Begegnung mit Opfern beispielsweise als Ärzte, Rechtsanwälte oder Journalisten. Nahezu jeder diskutiert mit
Freunden, Arbeitskollegen oder Nachbarn über Straftaten, Täter und natürlich deren Opfer. So kann man Auge in Auge
oder über große Distanz durch das eigene Verhalten, durch Handlungen, Feststellungen und Bewertungen hilfreich
einfühlsam stützen, aber auch Bilder der Opfer von Straftaten zeichnen oder verfestigen, die erneut verletzen. Nicht
immer geht es um bewusste Verletzungen, oft ist man „nur“ gedankenlos. Deshalb gilt es losgelöst von staatlichen
Institutionen im Alltag Opfern angemessen zu begegnen, z. B. als:
Arzt bei den Untersuchungen zur Feststellung von Verletzungen,
Rechtsanwalt im Zivil- oder Strafprozess,
Angestellter von Renten- und Unfallversicherungen,
Lehrer, der gegebenenfalls zugleich Opfer und Täter unterrichtet,
Journalist, der auch unter Zeitdruck und die Schlagzeile im Blick, u. a. dem Pressekodex verpflichtet ist.
Jeder ist gefordert, auch und besonders gegenüber Opfern respektvoll aufzutreten und die Grundsätze der Humanität zu
achten.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 983 – Drucksache 17/14600
D. Fraktion DIE LINKE
Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolge-
rungen zur Stellungnahme der Fraktion DIE LINKE
Struktureller und institutioneller Rassismus als
Merkmale der Polizeiarbeit in der Česká-Mordserie
Zur Erklärung dieser an allen Tatorten gleichen Ermitt-
lungsrichtung, die die Ermordeten, ihre Angehörigen und
die Opfer der Sprengstoffanschläge kriminalisierte und
stigmatisierte, liegt es nahe, von einem strukturellen bzw.
institutionellen Rassismus auszugehen. Institutioneller
Rassismus ist nach Überzeugung der Fraktion DIE
LINKE. jenseits individueller Einstellungen und Über-
zeugungen der einzelnen Ermittler als ein strukturelles
Merkmal der Polizeiarbeit bei den Ermittlungen zur ras-
sistischen Mordserie erkennbar.
Fatale Fehleinschätzungen in Bezug auf Rechtsterro-
rismus von Verfassungsschutz und Polizei
Die fatalen Fehleinschätzungen von Verfassungsschutz
und Polizei in Bezug auf die Existenz rechtsterroristischer
Strukturen in Deutschland – in Kombination mit einem
ethnisierenden und rassistischen Blick auf die Mordopfer
und ihre Angehörigen – haben den Ermittlern den Weg
verstellt, zu erkennen, dass es sich bei den so genannten
Česká-Morden um eine rassistisch oder neonazistisch
motivierte Mordserie handeln könnte.
Hauptverantwortlich: Das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz
Das Bundesamt für Verfassungsschutz trägt sowohl die
Verantwortung für die zwei Jahrzehnte währende Ver-
harmlosung der Neonazibewegung, ihrer militanten Orga-
nisationen und Netzwerke als auch für die Unterstützung
eben jener Netzwerke durch vom BfV als V-Leute bezahl-
te Neonazis.
Die Nachrichtendienste haben die Gefährlichkeit des
mutmaßlichen NSU-Kerntrios und ihrer Unterstützerinnen
und Unterstützer trotz V-Leute–Einsatz, Observationen
und G 10-Maßnahmen nicht erkannt.
Das BfV ist gemeinsam mit dem LfV Thüringen ganz
konkret dafür verantwortlich, dass die Gefährlichkeit des
„Thüringer Heimatschutzes“ ebenso wie die des „Blood
& Honour“-Netzwerks, darunter Unterstützerinnen und
Unterstützer des mutmaßlichen NSU-Kerntrios, nicht im
gebotenen Ausmaß erkannt wurde. Obwohl auch in diesen
Netzwerken zahlreiche V-Leute des BfV und diverser
Landesämter für Verfassungsschutz aktiv waren und diese
Objekte zahlreicher nachrichtendienstlicher Operationen –
inklusive G 10-Maßnahmen und Observationen – waren.
Das V-Leute-System ist eine zentrale Ursache für das
Versagen der Nachrichtendienste.
Der Einsatz von so genannten V-Leuten der Nachrichten-
dienste mit Quellenschutz und Straffreiheit für kriminelle
V-Leute ist eine der zentralen Ursachen für das komplette
Versagen dieser Behörden im Kontext des NSU-
Komplexes. In keinem einzigen Fall der vom Ausschuss
untersuchten Einsätze von V-Leuten war der Nutzen
durch ihren Einsatz in der Neonaziszene größer als der
Schaden, den sie verursacht haben.
V-Leute-Einsatz beenden
Als Sofortmaßnahme aus dem Versagen des Bundesamtes
für Verfassungsschutz muss der Einsatz von V-Leuten in
der Neonaziszene beendet werden. Das V-Leute-System
ist nicht reformierbar. Es wird auch in Zukunft Neonazi-
strukturen stützen und schützen, die dann beispielsweise
Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge angreifen
und engagierte Bürgerinnen und Bürger bedrohen.
Das bisherige Bundesamt für Verfassungsschutz muss
durch eine Koordinierungsstelle des Bundes sowie eine
Bundesstiftung „gruppenbezogene Menschenfein-
dlichkeit“ ersetzt werden.
Angesichts der strukturellen Defizite und Rechtsverstöße
ist die Auflösung des nachrichtendienstlich arbeitenden
Verfassungsschutzverbundes in der Bundesrepublik so-
wohl politisch als auch rechtlich geboten. Die von den
Innenministerien des Bundes und der Länder bisher ein-
geleiteten und geplanten Maßnahmen tragen diesem
grundlegenden Veränderungsbedarf nach Überzeugung
der Fraktion DIE LINKE nur völlig unzureichend Rech-
nung. Sie verfestigen nach der schwersten Krise dieser
Behörden genau deren wesentliche Bausteine. Eine durch
Bundesgesetz errichtete „Koordinierungsstelle des Bun-
des zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und
antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen sowie
sonstiger Erscheinungsformen gruppenbezogener Men-
schenfeindlichkeit“ (kurz: „Koordinierungsstelle zur
Dokumentation gruppenbezogener Menschenfeindlich-
keit“) ersetzt nach einer Aufbauphase das aufzulösende
„Bundesamt für Verfassungsschutz“ als Zentralstelle des
Bundes für Zwecke des Verfassungsschutzes nach Art. 87
Abs. 1 Satz 2 GG. Die Koordinierungsstelle betreibt
selbst keine inhaltliche Auswertung und Aufbereitung
entsprechend diesen Vorgaben entgegen genommener
Informationen und Erkenntnisse. Diese obliegt einer neu
zu errichtenden „Bundesstiftung zur Beobachtung, Erfor-
schung und Aufklärung aller Erscheinungsformen grup-
penbezogener Menschenfeindlichkeit“ (kurz: Bundesstif-
tung zur Beobachtung und Erforschung gruppenbezoge-
ner Menschenfeindlichkeit).
Wir brauchen eine unabhängige Polizeibeschwerde-
stelle als Konsequenz aus den Ermittlungen zur
Česká-Mordserie.
Polizeiarbeit muss für die Bürgerinnen und Bürger
kritisierbar und hinterfragbar sein. Das hat der Umgang
mit den Opfern und Hinterbliebenen der NSU-Taten noch
Drucksache 17/14600 – 984 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
einmal gezeigt. Menschen, die sich über polizeiliches
Fehlverhalten, über falsche Ermittlungen oder einen prob-
lematischen Umgang mit Angehörigen von Opfern von
Straftaten beschweren wollen, müssen eine mit umfassen-
den Kompetenzen ausgestattete Anlaufstelle haben. Diese
Anlaufstelle muss außerhalb der Polizei angesiedelt und
unabhängig sein. DIE LINKE hat in der 16. und 17.
Wahlperiode Vorschläge für die Einführung einer solchen
unabhängigen Polizeibeschwerdestelle vorgelegt.
Wir brauchen eine Einstellungsbefragung zum Thema
„Rassismus und Polizei“.
Die Fraktion DIE LINKE regt an, dass die Innenminister-
konferenz eine Einstellungsbefragung in den Polizeien
des Bundes zum Thema „Rassismus und Polizei“ in Auf-
trag gibt. Damit kann die Diskussion über möglicherweise
vorhandene rassistische Vorurteile und Einstellungspo-
tenziale in den Polizeien auf eine sachliche Grundlage
gestellt werden und möglicherweise notwendige Maß-
nahmen und Empfehlungen können sich auf entsprechen-
des Datenmaterial stützen.
Die Bundesmittel für Beratungsprojekte und zivilge-
sellschaftliche Initiativen müssen auf 50 Millionen
verdoppelt werden.
Die Verdoppelung der bisherigen Bundesmittel wäre ein
dringend notwendiges Signal an die Betroffenen und die
Gesellschaft: Dass die politisch Verantwortlichen erkannt
haben, dass Rechtsextremismus und Rassismus keine
zeitlich begrenzten Phänomene sind, die von selbst wieder
verschwinden. Sondern dass sie – ähnlich wie die Dro-
gen- und HIV-Problematik – Dauerprobleme der gesam-
ten Gesellschaft sind, zu deren Bekämpfung dauerhafte
Beratungsstrukturen notwendig sind.
Die Extremismusklausel muss ersatzlos gestrichen
werden.
Es ist höchste Zeit, dass Faktoren, die die Arbeit zivilge-
sellschaftlicher Initiativen behindern, endlich abgebaut
werden. Dazu gehört an erster Stelle die so genannte
„Extremismusklausel“, die nach dem Willen u. a. des
Bundesfamilienministeriums, aber auch weiterer Bundes-
und Landesministerien, im Gegenzug für staatliche Förde-
rung unterschrieben werden muss.
Flüchtlinge integrieren und ein humanitäres Bleiberecht
für Opfer rassistischer Gewalt schaffen.
Opfer rassistischer Gewalt ohne Aufenthaltsstatus bzw.
mit einer Duldung sollten durch eine Ergänzung in § 25
des Aufenthaltsgesetzes ein humanitäres Bleiberecht
erhalten. Mit einer solchen Regelung im Aufenthaltsge-
setz wäre ein klares Signal an die Täterinnen und Täter
derartiger Angriffe sowie deren Umfeld verbunden: dass
ihrer politischen Zielsetzung „Ausländer raus“ explizit
entgegen getreten und ihr Ziel der Vertreibung vereitelt
wird, indem Vertreterinnen und Vertreter des Staates auch
materiell für die Angegriffenen Partei ergreifen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 985 – Drucksache 17/14600
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Ab-
stammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat
und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder
politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benach-
teiligt werden.
Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz
I. Vorbemerkung
Mit der hier vorlegten Stellungnahme der Fraktion DIE
LINKE werden wir insbesondere auf Aspekte eingehen,
die in den gemeinsamen Bewertungen und Schlussfolge-
rungen aller Fraktionen zu kurz gekommen sind. Im We-
sentlichen setzt sich die Stellungnahme mit den zentralen
Ursachen für das Staatsversagen im NSU-Komplex ausei-
nander: Der Verharmlosung und Vertuschung der Gefah-
ren des Rechtsextremismus durch staatliche Stellen einer-
seits und dem institutionellen Rassismus.
II. Vorwort
Aysen Taşköprü, die Schwester des am 27. Juni 2001 in
Hamburg ermordeten Süleyman Taşköprü beschreibt in
einem Brief an Bundespräsident Joachim Gauck, mit dem
sie dessen Einladung an die Angehörigen der NSU-
Mordopfer und Verletzten der Bombenanschläge zu ei-
nem Besuch im Schloss Bellevue am 21. Februar 2013
zurückweist, das ganze Ausmaß der Verheerungen, post-
traumatischen Belastungen und Angst, das die Morde und
die nachfolgenden Ermittlungen der Strafverfolgungsbe-
hörden verursacht haben:
„Im Sommer 2001 töteten Neonazis meinen Bru-
der. Im Spätsommer 2011 – 10 Jahre später – klin-
gelte die Kripo bei mir. Sie brachten mir die per-
sönlichen Gegenstände meines Bruders. Ich fragte
die Beamtin, warum jetzt die Sachen kämen, ob es
etwas Neues gibt. Sie sagte nur, man habe verges-
sen mir die Sachen zurückzugeben. Dann ging sie
wieder. Ich habe stundenlang vor den Sachen mei-
nes toten Bruders gesessen. Ich habe tagelang ge-
braucht, um mich zu überwinden meinen Eltern
davon zu erzählen, dass seine Sachen wieder da
sind. Ich war völlig am Ende. […] Und dann kam
der Abend, an dem ich vor dem Fernseher saß und
auf einmal das Bekennervideo des NSU gezeigt
wurde. Ich habe angefangen zu schreien und konn-
te nicht wieder aufhören. Da lag mein Bruder in
seinem eigenen Blut auf den rotweißen Fliesen, die
ich so gut kannte. Ich sehe seine zierlichen Hände
und ich erkenne seine Armbanduhr. Und kein Lä-
cheln auf seinen Lippen, er ist ermordet worden
und liegt auf den kalten Kacheln in seinem eigenen
Blut. Mein kleiner Sohn wacht von meinen Schrei-
en auf, ich muss mich zusammenreißen, um ihn zu
trösten und wieder schlafen zu legen. An diesem
Tag ist mein Bruder ein zweites Mal gestorben und
etwas ist in mir zerbrochen. Körper und Geist ge-
hen ihre eigenen Wege. Mein Leben entgleitet mir.
Ich wurde 1974 in der Türkei geboren, seit 1979
lebe ich in Deutschland. Ich bin hier zur Schule
gegangen, habe meine Ausbildung gemacht und
gearbeitet. Mein Sohn wurde hier geboren und ich
fühlte mich als Deutsche mit türkischen Wurzeln.
Noch im März 2011 konnte ich darüber lachen, als
eine Sachbearbeiterin im Rathaus zu meinem Sohn
sagte, er sei kein Deutscher. Der Kleine war ganz
erstaunt und erklärte ihr sehr ernsthaft, dass er sehr
wohl Deutscher sei, er habe schließlich einen deut-
schen Pass. […] Heute kann ich nicht mehr darü-
ber lachen. Ich hatte mal ein Leben und eine Hei-
mat. Ich habe kein Leben mehr. […] Ich habe auch
keine Heimat mehr, denn Heimat bedeutet Sicher-
heit. Seitdem wir wissen, dass mein Bruder ermor-
det wurde, nur weil er Türke war, haben wir
Angst. Was ist das für eine Heimat, in der du er-
schossen wirst, weil deine Wurzeln woanders wa-
ren? […]
Ich wurde drei Wochen auf Kur geschickt, aber
auch danach war ich in so schlechter Verfassung,
dass ich nicht auf meiner alten Arbeitsstelle arbei-
ten konnte. Mein Arzt hat festgestellt, dass ich so
nicht arbeitsfähig bin. Die Krankenkasse hat mich
einbestellt und mir gesagt, ich soll meine Krank-
meldung zurücknehmen; ich soll Urlaub einrei-
chen. Als ich mich weigerte, bekam ich ein
Schreiben, ich sei überhaupt nicht krank, der Sozi-
almedizinische Dienst hätte mich als arbeitsfähig
eingestuft. Allerdings haben die mich nie gesehen,
geschweige denn mit mir gesprochen. Seitdem
werde ich zwischen meinem Arbeitgeber, der auf
einen Aufhebungsvertrag drängt, der Krankenkas-
se, die bezweifelt, dass ich krank bin und der Arge,
die meinen Aufenthaltsstatus wissen will, hin- und
hergeschubst. Ich fühle mich unerwünscht.
Alles, was ich noch möchte, sind Antworten. Wer
sind die Leute hinter dem NSU? Warum ausge-
rechnet mein Bruder? Was hatte der deutsche Staat
damit zu tun? Wer hat die Akten vernichtet und
warum?“7396
Der Brief von Aysen Taşköprü ist nicht allein ein Doku-
ment der Verzweiflung über den Verlust des Bruders
sowie der jahrelangen Verdächtigungen und sozialen
Isolation, die die Familie erleiden musste. Der Brief ist
auch ein Dokument der deutschen Realität im Jahr 2013,
in der Kinder, Frauen und Männer mit migrantischen
Wurzeln noch immer per Gesetz, von Behördenvertretern
und im Alltag als „die Fremden“ und „die Anderen“ be-
handelt werden – selbst wenn sie, wie Aysen Taşköprüs
Sohn, in Deutschland geboren sind oder wie sie selbst seit
30 Jahren hier leben.
7396) Im Wortlaut: Der Brief der Schwester des Hamburger NSU-
Mordopfers“, in: Hamburger Abendblatt vom 16. Februar
2013; www.abendblatt.de/politik/article113679608/Der-Brief-
der-Schwester-des-Hamburger-NSU-Opfers.html.
Drucksache 17/14600 – 986 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Untersuchungsausschuss hat versucht, mit seiner
Arbeit einen Beitrag dazu zu leisten, dem Verlust von
Sicherheit und Heimat, den viele Angehörige der NSU-
Mordopfer beschrieben haben, durch Aufklärung und
Transparenz entgegen zu wirken. Dies ist umso wichtiger
angesichts der Ergebnisse einer Befragung des Dortmun-
der Futureorg-Instituts
7397
von über 1 000 in Deutschland
lebenden Migranten türkischer Herkunft über die Auswir-
kungen der NSU-Morde. Demnach ist eine große Mehr-
heit der Befragten eher nicht davon überzeugt, dass die
NSU-Morde lückenlos aufgeklärt werden. Gerade einmal
neun Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die
NSU-Untersuchungsausschüsse die Rolle der Sicherheits-
behörden einwandfrei aufklären können und knapp zwei
Drittel gaben an, dass sie sich durch die NSU-Morde stark
bis sehr stark persönlich betroffen fühlen – und dass diese
auch Einfluss auf die private Lebensplanung hätten. Le-
diglich die Gruppe der unter-25-Jährigen vertraut dem-
nach noch mehrheitlich der deutschen Politik und deut-
schen Institutionen.
Vor diesem Hintergrund geht es bei der Aufklärung und
der Auseinandersetzung mit der NSU-Mordserie auch um
die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen:
Es geht darum, dem Bekenntnis zu Deutschland als Ein-
wanderungsland endlich Rechnung zu tragen, Rassismus
und rassistischen Vorurteilen – dort, wo sie uns begegnen
– beim Namen zu nennen, diskriminierende Gesetze und
Verordnungen abzuschaffen sowie diskriminierendem
Behördenhandeln entschieden zu begegnen.
III. Einleitung
Der nun vorliegende Abschlussbericht des 2. Parlamenta-
rischen Untersuchungsausschusses (PUA) dokumentiert
einerseits, dass die eineinhalbjährige Arbeit dieses Kont-
roll- und Aufklärungsgremiums notwendig, richtig und
wichtig war. Andererseits können aus Sicht der Fraktion
DIE LINKE weder der Untersuchungsausschuss noch der
Abschlussbericht für sich beanspruchen, den NSU-
Komplex mit allen Facetten des Staatsversagens, das die
rassistische Mordserie an neun migrantischen Kleinunter-
nehmern sowie den Mord an Michèle Kiesewetter, die
bislang bekannten Sprengstoffattentate in Köln und die
Raubüberfallserie, erst ermöglicht hat, vollständig und
wirklich zufriedenstellend ausgeleuchtet zu haben.
Der Beharrlichkeit und dem gemeinsamen Vorgehen der
Abgeordneten ist es zu verdanken, dass sich die Öffent-
lichkeit ein erschütterndes Bild vom Ausmaß des Versa-
gens und der Fehler der deutschen Strafverfolgungsbe-
hörden und Geheimdienste sowohl bei der Suche nach
den am 26. Januar 1998 abgetauchten Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie bei der Analyse
rechtsterroristischer Strukturen und bei der Suche nach
den Tätern der so genannten Česká-Mordserie, der bislang
7397) Kamuran Seezer/Kathleen Brüssow, „ Ergebnisse der ersten
Befragung zu den NSU-Morden“, 15. Juli 2013,
www.taz.de/fileadmin/static/pdf/2013-07-
22_03_endaX_Auswertung_NSU_040713.pdf.
bekannten Sprengstoffanschläge und der Raubüberfalls-
erie machen konnte.
Begleitet wurde die Arbeit des parlamentarischen Unter-
suchungsausschusses (PUA) von einem erheblichen Me-
dieninteresse und einer Öffentlichkeit, die seit der Selbst-
enttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“
(NSU) am 4. November 2011 in zwei Lager geteilt ist:
Viele Menschen in Deutschland gehen davon aus, dass
der Umgang von Polizei und Geheimdiensten mit Neona-
zis nicht erst seit den frühen 1990er Jahren vielfach von
Ignoranz, Inkompetenz, Verharmlosung, Vertuschung und
Versagen geprägt war und ist. Und genau diese fatale
Mischung habe auch die Entstehung des NSU und dessen
Gewalttaten ermöglicht. Andere hingegen können sich
nicht vorstellen, dass das mutmaßliche NSU-Kerntrio –
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – ohne
Beihilfe oder Unterstützung einzelner Vertreter staatlicher
Behörden so lange in der Illegalität hätte leben und mor-
den können.
Nach intensivem Aktenstudium von mehr als 12 000
Ordnern, der Befragungen von mehr als 90 Zeugen und
Zeuginnen und nahezu 400 Beweisbeschlüssen in 76
Sitzungen, aber auch unter Berücksichtigung der bisheri-
gen Arbeit der zeitweise parallel tagenden Untersu-
chungsausschüsse in den Landtagen von Bayern, Sachsen
und Thüringen kommt die Fraktion DIE LINKE zu dem
Schluss, dass der Untersuchungsausschuss massenhaft
Belege dafür gefunden hat, dass die Gefahr, die für ge-
sellschaftliche Minderheiten und Demokratie und Rechts-
staat in Deutschland von der extremen Rechten im allge-
meinen und rechtsterroristischen Strukturen im Besonde-
ren ausgingen und weiterhin ausgehen, von den Geheim-
diensten und den Polizeien der Länder und des Bundes
über zwei Jahrzehnte lang ignoriert, verharmlost und
vertuscht worden sind. Der Untrsuchungsausschuss hat
jedoch keine Belege dafür gefunden, dass Behörden oder
einzelne Vertreter staatlicher Stellen das mutmaßliche
NSU-Kerntrio unterstützt hätten.
Dennoch schließen wir nicht aus, dass nicht doch noch
Belege für eine tiefer gehende Verstrickung von V-Leuten
der Geheimdienste oder Polizeibehörden in das Netzwerk
des NSU im Verlauf des Strafverfahrens vor dem Ober-
landesgericht (OLG) München, der weiteren Ermittlungen
von BKA und Generalbundesanwaltschaft, der andauern-
den Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsaus-
schüsse in Thüringen und Sachsen sowie möglicher wei-
terer parlamentarischer Gremien auftauchen können.
Viele Komplexe konnten vom 2. PUA aufgrund der zeit-
lichen Begrenzung nur angerissen werden. In einigen
Fällen haben sich weitere Fragen an Zeugen erst Wochen
oder Monate nach deren Aussagen vor dem Ausschuss
ergeben – weil beispielsweise in der Zwischenzeit neue
Akten auftauchten bzw. diese erst sehr spät – und defini-
tiv zu spät für manche Zeugenbefragung – geliefert wur-
den. Es war angesichts des knappen Zeitrahmens des
Untersuchungsausschusses sowohl für die Zeugen als
auch die beteiligten Behörden und Ministerien in Bund
und Ländern überdeutlich, dass der Ausschuss Zeugen,
die sich in Widersprüche verstrickt oder wichtige Tatsa-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 987 – Drucksache 17/14600
chen verschwiegen hatten, nicht ein weiteres Mal würde
vorladen und hören können.
Die offenen Fragen bleiben
Keine Antworten können der Bericht und der Ausschuss
u. a. auf die folgenden Fragen geben:
- Der Ausschuss hat auf die für die Angehörigen der Er-
mordeten quälende Frage, wie die individuellen Opfer der
NSU-Mordserie ausgewählt wurden, keine Antworten
gefunden. Und so bleiben die Angehörigen weiterhin mit
der Ungewissheit alleine, warum ausgerechnet ihr Ehe-
mann, ihr Vater, ihr Bruder oder Onkel ermordet wurden.
Es bleibt zu hoffen, dass sie in dem Verfahren vor dem
OLG München darauf für sie schlüssige und befriedigen-
de Antworten erhalten werden, die ihnen bei der Verar-
beitung des Verlustes helfen.
- Der Ausschuss hat auch auf die Frage nach dem Motiv
für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und
dem versuchten Mord an ihrem Kollegen keine Antwort
gefunden.
- Auch die Frage nach möglichen neonazistischen Unter-
stützerinnen und Unterstützern der Täter an den jeweili-
gen Tatorten ist weiterhin offen. Der Ausschuss hat durch
intensive Befragungen sowohl von Polizeibeamten der
jeweiligen Tatortmordkommissionen und Staatsschutzbe-
amten als auch Vertretern der jeweiligen Verfas-
sungsschutzbehörden versucht, sich einen Überblick über
militante neonazistische Netzwerke und Aktivisten in den
Tatortstädten der Mord-, Anschlags- und Raubserie –
Nürnberg, Köln, Hamburg, München, Rostock, Dort-
mund, Kassel sowie Chemnitz und Zwickau – zu ver-
schaffen. Dabei ist deutlich geworden, dass in allen Tat-
ortstädten Aktivisten und Aktivistinnen aus Strukturen
des seit dem Jahr 2000 verbotenen Neonazinetzwerks
„Blood & Honour“ ansässig und mehrheitlich weiterhin
politisch aktiv waren und sind. Aus diesem Netzwerk
stammt auch ein großer Teil der Helferinnen und Helfer
des mutmaßlichen NSU-Kerntrios. Doch dem Ausschuss
ist es nicht gelungen, hier direkte Verbindungslinien zwi-
schen dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio und Neonazis
vor Ort aufzuklären. Auch hier wäre zu hoffen, dass die
weiteren Ermittlungen des BKA und die Hauptverhand-
lung am OLG München weitere Ergebnisse zutage för-
dern.
- Dem Ausschuss ist es nicht gelungen, das Motiv oder
das Motivbündel des BfV-Abteilungsleiters zu erhellen,
der am 11. November 2011 die Operativakten von sieben
V-Leuten der so genannten „Operation Rennsteig“ des
Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vernichtete.
Die Fraktion DIE LINKE geht jedoch davon aus, dass bei
dieser Aktenvernichtung Bezüge zum NSU-Komplex
nicht ausgeschlossen werden können und dürfen. – Diese
Einschätzung gilt ebenso für die Aktenvernichtung von
vier Anlagenordnern zu G10-Maßnahmen gegen Neona-
zis durch das Bundesministerium des Inneren (BMI) im
April 2012, davon einige mit Verbindungen zu rechtster-
roristischen Aktivitäten.
- Dem Ausschuss ist es auch nicht gelungen, die Mauer zu
überwinden, mit der das BfV – und der Bundesnachrich-
tendienst (BND) – seine internationale Zusammenarbeit
mit Partnerdiensten im europäischen Ausland in Bezug
auf internationalen Neonazinetzwerke wie „Combat 18“,
„Blood & Honour“ und „Hammerskins“ der parlamentari-
schen und öffentlichen Kontrolle entzieht. Auch hier sind
viele Fragen offen geblieben, insbesondere welche Infor-
mationen ausländische Partnerdienste und das BfV zur
Jahrtausendwende und in den 2000er Jahren über die
Bestrebungen im internationalen Netzwerk von „Blood &
Honour“ und „Combat 18“ austauschten, auch auf dem
europäischen Festland mit gezielten Bombenanschlägen
und Tötungsdelikten Angst und Terror gegen gesellschaft-
liche Minderheiten zu verbreiten. Zuvor waren im April
1999 bei neonazistischen Bombenanschlägen in London
drei Menschen getötet und mindestens 149 verletzt wor-
den.
Die eigenen Vorurteile und Fehleinschätzungen reflek-
tieren
Notwendig erscheint uns an dieser Stelle aber auch eine
selbstkritische Reflexion der eigenen Sichtweise auf die
Česká-Mordserie und die Gefahren durch Neonazis und
Rechtsterrorismus.
Die Fraktion DIE LINKE im 16. Bundestag hatte im
Frühjahr 2007 eine Kleine Anfrage zu den Hintergründen
der Česká-Mordserie an die damalige CDU/SPD-
Regierungskoalition gestellt – und damit als einzige der
im Bundestag vertretenen Parteien die wachsende Angst
und Besorgnis in den migrantischen Communities ver-
sucht aufgegriffen.
7398
Denn nach den Morden an Halit
Yozgat und Mehmet Kubaşık im April 2006 in Kassel und
Dortmund, demonstrierten hier mehrere tausend Men-
schen und appellierten an die Öffentlichkeit und die staat-
lichen Institutionen, ihre Angst vor einem drohenden 10.
Mord in der so genannten Česká-Mordserie ernst zu neh-
men. Obwohl die Antwort des damaligen Bundesinnen-
ministers Wolfgang Schäuble (CDU) überhaupt nicht
befriedigend ausfiel – das Bundesinnenministerium er-
klärte sich in den Antworten für komplett unzuständig für
die Česká-Mordserie und verwies summarisch auf die
Zuständigkeit der Länder
7399
– hat DIE LINKE dann je-
7398) BT-Drs. 16/5057, „Ungeklärte Mordfälle unter Gewerbetrei-
benden türkischer bzw. griechischer Herkunft“; abrufbar unter:
http://www.bundestag.de.
7399) Ebda. Exemplarisch lautet die Antwort auf Frage 1: „1. Wie
beurteilt die Bundesregierung die bisherige Arbeit der zuständi-
gen Ermittlungsbehörden, um die oben genannten Fälle aufzu-
klären?
Wegen der ungeklärten Mordfälle an Gewerbetreibenden
türkischerbzw. griechischer Herkunft führen Staatsanwaltschaf-
ten in Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen
und Nordrhein-Westfalen Ermittlungsverfahren. Zu Ermitt-
lungsverfahren der Landesjustizverwaltungen nimmt die Bun-
desregierung nicht Stellung“.
Fragen 2-5 werden mit Verweis auf die Antwort auf Frage 1
beantwortet, zu den Fragen 6 und 7, die nach von den Behörden
ergriffenen Schutzmaßnahmen für die betroffenen Communities
fragen, nimmt die Bundesregierung mit Verweis auf die Zu-
ständigkeit der Länder ebenfalls keine Stellung. Zur letzten
Drucksache 17/14600 – 988 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
doch weder weitere Anfragen gestellt noch in den Tatort-
Ländern nachgehakt. Letztendlich müssen auch wir ein-
räumen, dass wir den polizeilichen und medialen Zu-
schreibungen, bei den Tätern der Mordserie und den
Sprengstoffanschlägen handele es sich um organisierte
Kriminelle türkischer Herkunft, unkritisch gefolgt sind –
und dass rassistische Vorurteile und Stereotypen stärker
waren als kritisches Hinterfragen.
DIE LINKE und ihre Vorgängerpartei PDS gehören ne-
ben antifaschistischen Initiativen und zivilgesellschaftli-
chen Bündnissen sowie engagierten Journalistinnen und
Journalisten zu denjenigen, die die Gefährlichkeit von
Neonazis und rechtsterroristischen Aktivitäten in den
letzten zwanzig Jahren gegen alle Widerstände und Ver-
harmlosungsversuche auf der politischen Agenda gehalten
haben. Oft genug haben wir im Bundestag und in den
Landtagen, in denen wir vertreten waren und sind, kleine
und große parlamentarische Anfragen zu Waffenfunden
bei Neonazis, der Gefährlichkeit von internationalen
Neonazinetzwerken wie „Blood & Honour“, dem Ausmaß
rechter und rassistisch motivierter Gewalt sowie den dies-
bezüglichen Wahrnehmungsdefiziten staatlicher Stellen
gestellt.
7400
In vielen Fällen waren die Antworten der
Bundesregierung und Landesregierungen bzw. der ihr
nachgeordneten Ministerien und Behörden unbefriedi-
gend, abwiegelnd, verharmlosend und schlicht falsch.
Dennoch und trotz alltäglicher Erfahrungen von Drohun-
gen, körperlichen Angriffen bis hin zu Brandsätzen gegen
engagierte Parteimitglieder vor Ort sowie Abgeordnete
Frage schließlich, die nach möglichen Gründen für das Schwei-
gen der Medienöffentlichkeit zu der Mordserie fragt, „liegen
der Bundesregierung keine Informationen vor“.
7400) DIE LINKE im Bundestag und in einigen Landtagen stellt seit
den 1990er Jahren monatliche Kleine oder Schriftliche Anfra-
gen nach dem Ausmaß rechter und rassistischer Straf- und Ge-
walttaten, u. a. „Ausländerfeindliche und rechtsextremistische
Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland im (Mo-
nat/Jahr)“. Beispielhaft für die Kontinuität der Verharmlosun-
gen im Untersuchungszeitraum sind u. a. die Antworten auf:
Schriftliche Anfrage über „Waffenkäufe durch Rechtsextremis-
ten“ in Drucksache 15/4611 vom 30. Dezember 2004, Schriftli-
che Anfrage über „Indizierung rechtsextremer, fremdenfeindli-
cher und antisemitischer Schriften, Bücher, CDs, Filme und
Tonträger im Jahr 2003“ in Drucksache 15/2512 vom 13. Feb-
ruar 2004, Mündliche Anfrage über „Kenntnis der Bundesregie-
rung über ‚Combat 18 Pinneberg‘“ in der 74. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 12. November 2003 in Drucksache
15/1946, Mündliche Anfrage über die „Verbindungen zwischen
deutschen und schwedischen rechtsextremen Gruppen“ in
Drucksache 15/1555, Mündliche Anfrage über „Unterschiedli-
che Zahlenangaben über die Opfer von Tötungsdelikten von
rechts seit der deutschen Einheit“ in der 36. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 2. April 2003 in Drucksache 15/724,
„Mögliche rechtsextreme Aktivitäten von Angehörigen der
Bundeswehr und ihre Verbreitung durch das Internet“ vom
9. März 1998 in Drucksache 13/10080, „Mutmaßliche Tö-
tungsdelikte durch ein Mitglied der Berliner Neonazi-Szene“
vom 24. März 1997 in Drucksache 13/7327, „Gegenwärtige
Umstrukturierungen im bundesdeutschen Rechtsextremismus“
vom 26. April 1996 in Drucksache 13/4494, „Rechtsextreme
Gewalttaten und Tötungsdelikte im Jahr 1994“ vom 22. Juni
1995 in Drucksache 13/1765, „Neonazistisches Blood-and-
Honour-Netzwerk“ vom 2. Februar 2011 in Drucksache
17/4624. Alle Drucksachen sind unter Angabe der Drucksa-
chen-Nummer unter http://www.bundestag.de abrufbar.
der LINKEN in den Landtagen und im Bundestag
7401
,
haben auch wir uns nicht in letzter Konsequenz vorstellen
können, dass neonazistische Aktivistinnen und Aktivisten
die Terrorkonzepte des „führerlosen Widerstands“ und
des „Rassekriegs“ über Jahre hinweg in Deutschland
umsetzen könnten, ohne von den Strafverfolgern gestoppt
zu werden.
Wir müssen einräumen, dass unser Vertrauen in die Straf-
verfolgungsbehörden an dieser Stelle fundamental ent-
täuscht wurde – und können nur erahnen, wie tief die
Verunsicherung und die Ängste in den migrantischen
Communities seit dem 4. November 2011 sein müssen.
Zumal bei vielen Migrantinnen und Migranten nach der
ersten Welle rassistischer Gewalt nach 1990 – insbeson-
dere den tödlichen Brandanschlägen von Mölln und So-
lingen – dieses Vertrauen ohnehin erschüttert war. Ein
verbesserter Schutz und mehr Sicherheit für Migrantinnen
und Migranten sowie gesellschaftliche Minderheiten sind
ein dringendes und zentrales Anliegen der LINKEN. Um
das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden wieder
herzustellen, sind Reformen – u. a. durch die von uns
vorgeschlagenen Maßnahmen – zwingend notwendig.
Es liegt nach Abschluss des 2. PUA nun in der Verant-
wortung des 18. Deutschen Bundestages, die weiteren
Entwicklungen im NSU-Komplex aufmerksam und kri-
tisch zu begleiten. Wenn notwendig, muss erneut mit den
Instrumenten der parlamentarischen Kontrolle und Auf-
klärung reagiert werden. Denn das Versprechen von Bun-
deskanzlerin Angela Merkel an die Angehörigen der
NSU-Mordopfer sowie die Verletzten der Sprengstoffan-
schläge und Raubüberfälle einer „rückhaltlosen Aufklä-
rung“ ist noch keineswegs zufriedenstellend eingelöst.
IV. Bewertungen im Kontext des Feststel-
lungsteils
Die unter A. folgenden Kapitel zu einzelnen Untersu-
chungskomplexen und die aufgeführten Ergänzungen und
abweichenden Meinungen vom gemeinsamen Schlussfol-
gerungsteil des Untersuchungsausschusses enthalten so-
wohl feststellende als auch wertende Elemente.
1. Die Česká-Mordserie
a) Struktureller bzw. institutioneller Rassis-
mus und ethnisierende Zuschreibungen
bei den Ermittlungen zur Česká-Mordserie
und den Sprengstoffanschlägen in Köln
Die polizeilichen Ermittlungen zu den Gewaltstraftaten,
die dem NSU zugerechnet werden, sind von rassistischen
Vorurteilen und Zuschreibungen geprägt gewesen. Von
Anfang an und in den meisten Fällen ohne weitere Ände-
rung der Ermittlungsrichtung standen die Familien der
Opfer bzw. die Ermordeten im Fokus der Ermittlungen,
7401) Auch VertreterInnen anderer demokratischer Parteien sind
regelmäßig von solchen Angriffen betroffen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 989 – Drucksache 17/14600
richteten sich die polizeilichen Nachforschungen gegen
sie, wurden die Opfer der schweren Straftaten selbst in
das Zwielicht krimineller Machenschaften gerückt. Ent-
lastende Ermittlungsergebnisse wurden nicht dazu ge-
nutzt, den Tatverdacht gegen die Angehörigen auszuräu-
men. Vielmehr dienten sie lediglich als Aufhänger dafür,
permanent neue Verdachtsmomente im Umfeld der Opfer
zu suchen. Nach dem achten und neunten NSU-Mord –
am 4. April 2006 starb Mehmet Kubaşık (39) in seinem
Kiosk in Dortmund und am 6. April 2006 Halit Yozgat
(21) in seinem Internet-Café in Kassel – berichtete die
Berliner Zeitung über ein Gespräch mit dem damaligen
Leiter der Besonderen Aufbauorganisation BAO „Bospo-
rus“ beim Polizeipräsidium Nürnberg, Wolfgang Geier:
Er denke,
„dass ihm bei den Befragungen nicht immer die
Wahrheit gesagt werde. Oder nicht die ganze
Wahrheit. ‚Ich denke an Bekannte, Freunde und
Verwandte der Opfer. Und ich bin mir nicht sicher,
ob sie uns nichts sagen können oder nichts sagen
wollen. Von dieser Seite kamen jedenfalls keine
wichtigen Hinweise.‘“
Geier, so die Berliner Zeitung, spreche von einer Paral-
lelwelt, in die er geblickt habe und in der es kein Vertrau-
en zu den Behörden gäbe. Vor einiger Zeit hätten sie die
Belohnung für Hinweise von 30 000 auf 300 000 Euro
erhöht.
„Sie haben gehofft, dass sich selbst in kriminellen
Organisationen jemand findet, der bei einer sol-
chen Summe schwach wird. Aber es blieb
still.“7402
Die Angehörigen der Ermordeten und die Verletzten des
Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln wurden
in einem ethnisch fest zugewiesenen Milieu so genannter
„türkischer Kriminalität“ verortet. „Organisierte Krimina-
lität“, „Drogengeschäfte“, „illegales Glücksspiel“, „Men-
schenhandel“, „Döner- Mafia“, „Blumen-Mafia“ – so und
ähnlich lauteten die Zuschreibungen, mit denen Polizei
und Staatsanwaltschaften nach Motiven und Drahtziehern
für die Česká-Mordserie suchten und unter denen sie
hunderte „Spuren“ anlegten.
Da spätestens mit dem zweiten Mord an Abdurrahim
Özüdoğru am 13. Juni 2001 in Nürnberg klar war, dass es
sich um eine Mordserie handelte, suchte die Polizei nach
Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern. Aus heutiger
Sicht erscheint es völlig unerklärlich, dass diese Gemein-
samkeit nicht im Migrationshintergrund bzw. in ihrer
türkischen, kurdischen und griechischen Herkunft gese-
hen wurde – dem einzigen Merkmal, das alle Ermordeten
miteinander verband. Stattdessen wurden allen Opfern –
7402) „Der Fall Bosporus“ von Wolfgang Korth, in Berliner Zeitung
vom 15. Juli 2006, http://www.berliner-
zeitung.de/newsticker/neun-maenner-werden-mit-derselben-
waffe-erschossen--seit-jahren-sucht-die-polizei-den-taeter---
und-findet-einen-verdaechtigen-verfassungsschuetzer-der-fall-
bosporus,10917074,10403504.html, zuletzt eingesehen am 20.
August 2013.
letztendlich alleine aufgrund ihrer Herkunft – Kontakte
ins Milieu der Organisierten Kriminalität unterstellt.
Zur Erklärung dieser an allen Tatorten gleichen Ermitt-
lungsrichtung, die die Ermordeten, ihre Angehörigen und
die Opfer der Sprengstoffanschläge kriminalisierte und
stigmatisierte, liegt es nahe, von einem strukturellen bzw.
institutionellen Rassismus auszugehen, der nach Über-
zeugung der Fraktion DIE LINKE jenseits individueller
Einstellungen und Überzeugungen der einzelnen Ermittler
als ein strukturelles Merkmal der Polizeiarbeit in diesem
Fall zu erkennen ist.
aa) Exkurs: Was verstehen wir unter struktu-
rellem und institutionellem Rassismus
Struktureller bzw. institutioneller Rassismus ist eine Form
des Rassismus, die von Institutionen der Gesellschaft,
ihren Verfahren, Normen und rechtlichen Grundlagen
ausgeht und zunächst unabhängig von der Motivation der
darin handelnden Individuen ist. Ausgrenzung, Benachtei-
ligung und Diskriminierung werden in und durch unter-
schiedliche, wichtige gesellschaftliche Einrichtungen
erfahren und finden sich im Bildungsbereich, bei der
politischen Beteiligung, auf dem Arbeits- und Woh-
nungsmarkt oder eben im Rahmen der Polizeiarbeit. Ro-
bert Miles sieht im institutionellen Rassismus eine
Materialisierung rassistischer Ausschließungspraxen, die
direkt aus einem rassistischen Diskurs folgen.
7403
Die
Existenz und Auswirkungen von strukturellem bzw. insti-
tutionellem Rassismus in zentralen gesellschaftlichen
Bereichen wie im Bildungsbereich und im Arbeitsleben
wird im Übrigen auch durch die Ergebnisse der jüngsten
Studie „Diskriminierung im Bildungsbereich und im Ar-
beitsleben“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(ADS) belegt.
7404
Ein Beispiel für institutionellen Rassis-
mus im Polizeibereich stellte ab 1984 bis weit in die
1990er Jahre der so genannte Erfassungsbeleg KP 8 bzw.
„Ausgabe und Auskunftsbogen ISTPOL“ für die Krimi-
nalakte von Tatverdächtigen dar, in denen Polizeibeamte
bei den Polizeien der Länder und des Bundes bei der
Rubrik „Personenbeschreibungen“ die folgenden Katego-
rien ankreuzen sollten:
„asiatisch, negroid, nordländisch/mittl. europäisch,
orientalisch, südländisch, slawisch, indianid“.7405
Auch wenn diese Erfassungsbögen mittlerweile verändert
wurden, muss davon ausgegangen werden, dass diese
rassistischen Typisierungen, die noch verstärkt wurden
7403) Vgl. Robert Miles, Rassismus. Einführung in die Geschichte
und Praxis eines Begriffs, Hamburg 1991.
7404) „Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben“,
www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Aktuelles/DE/2
013/Bericht_Bundestag_20130813.html;jsessionid=3EE598D7
F587C49A3442C20720FF87C4.2_cid322.
7405) Vgl. u. a. MAT_B_TH-3_Auswahl\Schäfer Michel.pdf, Blatt 4,
zur Kritik des Erfassungsbogens KP 8: Drucksache 13/6623
Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN „Kritik
an rassistischen Typisierungen in polizeilichen Erfassungsbö-
gen“ http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/066/1306623.pdf.
Drucksache 17/14600 – 990 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch eine beigefügte Arbeitsanleitung u. a. mit den fol-
genden Erläuterungen wie
„Negroid = dunkle Haut- und Haarfarbe, Kraus-
haar, wulstige Lippen. Slawisch = breites Gesicht,
betonte Wangenbeine. Nordlän-
disch/mitteleuropäisch = hochwüchsige, hellhäuti-
ge Personen.“7406
die Wahrnehmung einiger Generationen von Polizeibeam-
ten auf Tatverdächtige geprägt haben.
In der Sachverständigenanhörung zum Abschluss der
Beweisaufnahme führte der Sachverständige und Dip-
lomkriminalist Günter Schicht dazu aus:
„Hinzu tritt natürlich der Einfluss gruppenbezo-
gener Vorurteile. Ich denke, dass Rassismus als
Weltbild unter Polizeibeamten sicherlich die Aus-
nahme ist, dass aber gruppenbezogene Vorurteile
wie in der gesamten Gesellschaft die Regel sind. In
einer aktuellen Publikation habe ich das ‚unter-
schwelliges Ethnical Profiling‘ genannt. Die Be-
amten sind sich solcher Einflüsse nicht bewusst.
Ich war erst kürzlich bei einer Veranstaltung (…),
als ein junger Polizeibeamter aus den Einsatzhun-
dertschaften – selbst mit Migrationshintergrund –
ein Statement abgeliefert hat und sich eigentlich
gegen Racial Profiling gewandt hat. Wir können
ganz sicher sagen, er ist garantiert kein Rassist
gewesen. Aber in dem, was er gesagt hat, äußerte
sich Racial Profiling. Er hat gesagt: Man weiß
doch, dass 90 Prozent der Schwarzen in der
Hasenheide Drogendealer sind. - Diese Art Profi-
ling äußert sich unterschwellig und ist den Beam-
ten nicht unbedingt bewusst; aber es ist exis-
tent.(…) Schlussfolgerungen sind aus meiner
Überzeugung vor allem für die Fortbildung zu zie-
hen. Es gibt gezielte Fortbildungen für den Um-
gang mit Opfern. Es gibt gezielte Fortbildungen
für den Umgang mit Rechtsextremismus. Es gibt
gute Fortbildungsangebote für Spezialisten. Das
kommt aber in der Masse nicht an. Es entfaltet
nach meiner Überzeugung nicht die Wirkung, die
es eigentlich haben müsste.“7407
b) Struktureller und institutioneller Rassis-
mus im Kontext der polizeilichen Ermitt-
lungen
Die Befragungen der Ermittler an den Tatorten der NSU-
Mordserie durch den Untersuchungsausschuss haben
verdeutlicht, dass die Ermittlungen mit Vorannahmen,
Zuschreibungen und Stereotypisierungen geführt wurden,
die gerade nicht einem individuellen Rassismus der Er-
mittler entsprangen, sondern den oben beschriebenen
Formen eines strukturellen bzw. institutionellen Rassis-
mus zuzurechnen sind. Es handelt sich hierbei um ein
7406) Ebd.
7407) Vgl. Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.
gesamtgesellschaftliches Problem
7408
, das jedoch im Zu-
sammenhang von Polizei- und Ermittlungsarbeit von
besonderer Bedeutung und Tragweite ist.
Alle als Zeugen gehörten Polizisten haben dem Untersu-
chungsausschuss versichert, dass die Herkunft der Opfer
für die Art der Ermittlungen ohne Bedeutung gewesen sei.
Individuell und subjektiv mag diese „Gleichbehandlung“
zutreffen, vor dem Hintergrund eines gesamtgesellschaft-
lichen Zusammenhangs ist sie jedoch in Frage zu stellen.
So prägten gesellschaftlich verbreitete und verankerte
Vorannahmen und Vorurteile auch den Blick der einzel-
nen Ermittler auf die Ermordeten und ihre Angehörigen
sowie mögliche Täter.
aa) Beispiel Operative Fallanalyse Baden-
Württemberg 2007
Beispielhaft deutlich wird dieser strukturelle bzw. institu-
tionelle Rassismus u. a. in der so genannten Operativen
Fallanalyse des LKA Baden-Württemberg von Anfang
2007: Nach den neun Morden und hunderten erfolglos
abgearbeiteten Spuren hatten die Ermittler der „BAO
Bosporus“ im Frühjahr 2006 zunächst eine zweite so
genannte Operative Fallanalyse (OFA) bei eigens dafür
ausgebildeten Spezialisten, den Profilern des Landeskri-
minalamts Bayern, in Auftrag gegeben. Deren Ergebnis
kam dem Profil des NSU, aber auch einer Operativen
Fallanalyse des Landeskriminalamtes Nordrhein-
Westfalen zum Nagelbombenanschlag in der Kölner
Keupstraße im Jahr 2004 sehr nahe: Ein oder zwei Täter
aus dem extrem rechten Milieu, die aus „Türkenhass“
handeln und denen die Neonaziszene nicht effektiv genug
sei, sollten für die Taten verantwortlich sein. Doch beim
BKA und der Mehrheit der qua Tatort zuständigen Son-
derkommissionen in den sieben Bundesländern wurde
diese Analyse der bayerischen LKA-Profiler sofort mas-
siv diskreditiert. Und so verzichtete die BAO Bosporus
im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer
2006 darauf, das Ergebnis der Analyse öffentlich zu ma-
chen: vorgeblich aus Angst vor einer „Hysterie“ unter
türkischen Geschäftsleuten.
7409
Auf Drängen des BKA,
des LKA Hamburg und des LKA Hessen wurde stattdes-
sen ein Gegengutachten beim LKA Baden-Württemberg
in Auftrag gegeben, das im Januar 2007 vorlag.
7410
In dieser Operativen Fallanalyse des LKA Baden-
Württemberg kommen die strukturell rassistischen Vor-
7408) Vgl. dazu Wilhelm Heitmeyer u. a., Deutsche Zustände, 10
Bände, Frankfurt 2002-2011.
7409) Geier, Protokoll Nr. 12, S. 50; vgl. auch BT-Drs. 17/14600,
Abschlussbericht des 2.PUA, S. 576 und Beckstein, Protokoll-
Nr. 17, S. 80 f.
7410) Das BKA ließ sich im Übrigen auch nicht durch eine Operative
Fallanalyse des FBI beeindrucken, dessen Profiler im Sommer
2007 zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Profiler des LKA
Bayern in der 2. OFA gekommen waren; dass nämlich die Täter
von einem „Hass gegen Menschen türkischer Herkunft“ moti-
viert seien. „Wenig hilfreich“ notierte damals ein BKA-
Abteilungsleiter auf dem Rand der FBI-Analyse, vgl. BT-Drs.
17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 579.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 991 – Drucksache 17/14600
annahmen der Ermittler exemplarisch zum Ausdruck. So
heißt es darin zum möglichen Hintergrund der Täter:
„Es handelt sich nicht um spontane Handlungen
aus einem affektiv begründeten Impuls heraus.
Somit ist davon auszugehen, dass den Täter die
Fähigkeit und auch Bereitschaft charakterisiert, die
Tötung einer Reihe von menschlichen Individuen
im Rahmen eines kühlen Abwägungsprozesses
(räumlich von den jeweiligen Opfern abgesetzt) in
seinen Gedanken vorwegzunehmen und zu planen.
Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Men-
schen in unserem Kulturraum mit einem hohen
Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hin-
sichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb
des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet
ist.“7411
Tat und Täter werden hier mit einem ethnisierenden Blick
außerhalb des deutschen bzw. europäischen Kulturkreises
verortet und einer Fremdgruppe zugeschrieben, zu der
auch die Opfer gerechnet werden. Zwischen Tätern und
Opfern wird eine Beziehung unterstellt, womit die Opfer
(und auch ihre Angehörigen) in gleicher Weise außerhalb
des deutschen/europäischen Wertesystems verortet und zu
„Fremden“ gemacht werden wie es für die Täter formu-
liert wird:
„Ein solches irrationales Element in der Motiv-
struktur ist am ehesten mit einem Ehrenkodex
bzw. einem internen Gesetz erklärbar, welches auf
der Täterseite eine sehr hohe Bedeutung hat. Dies
würde für eine Tätergruppe sprechen, innerhalb
derer entsprechende Normen und Wertsetzungen
prägend sind. Eine Gruppe mit einem entsprechen-
den inneren Gesetz und Ehrenkodex dürfte mit ei-
niger Wahrscheinlichkeit streng hierarchisch orga-
nisiert sein, einen ‚Häuptling‘ haben, der sein Ge-
sicht auch vor den anderen wahren muss.“7412 Und
unter der Überschrift „kultureller-ethnischer Hin-
tergrund“ [der Täter] heißt es schließlich: „Auch
spricht der die Gruppe prägende rigide Ehrenko-
dex eher für eine Gruppierung im ost- bzw. süd-
osteuropäischen Raum (nicht europäisch westli-
cher Hintergrund).“7413
Die in der OFA Baden-Württemberg deutlich werdende
ethnisierende Sicht auf die Mordserie bestätigt rassisti-
sche Vorannahmen, die jenseits individueller Einstellun-
gen prägend werden können. Angesichts der Häufung von
Fundstellen in den Ermittlungsakten der BAO „Bospo-
rus“, die dem Ausschuss vorgelegt wurden, in denen
derartige Vorannahmen und Zuschreibungen deutlich
werden, muss davon ausgegangen werden, dass die Er-
mittlungen zur Mord- und Anschlagsserie von genau
diesen Vorannahmen geprägt waren.
7411) MAT_A_GBA-5, S. 162 f.
7412) Ebd. S. 180.
7413) MAT_A_BKA-2-14 OFA Česká Serie, Blatt 475.
bb) Ethnisierende Zuschreibungen
Derartige ethnisierende Zuschreibungen finden sich zu-
dem immer wieder in Vermerken über vermeintliche
Tatverdächtige, wie beispielsweise bei der Ermittlungs-
gruppe (EG) Sprengstoff in Köln, die nach Abschluss der
Ermittlungen gegen Ö.Y. im Zusammenhang mit dem
Sprengstoffanschlag in der Keupstraße feststellte:
„Die Familie führt ein geordnetes Familienleben.
[…] Ö.Y. wird als umgänglicher netter Mensch,
zuverlässiger Arbeitgeber und als guter Frisör be-
schrieben. Insbesondere aus den Aussagen der
ehemaligen Geschäftspartner ist zu entnehmen,
dass es sich bei dem Frisörsalon Ö.Y. um einen
Laden handelt, der mehr nach tür-
kisch/orientalischen Grundsätzen geführt wird und
nicht mit westeuropäisch ausgerichteter Geschäfts-
führung zu vergleichen ist. Bezahlung der Ange-
stellten und Geschäftspartner war nicht konkret
vertraglich geregelt und erfolgte in der Regel auch
in bar. […] Ob Personen aus dem ‚Milieu‘ zum
Kundenkreis des Frisörs gehören, konnte nicht ve-
rifiziert werden. Männliche Personen, die groß und
auffallend kräftig waren, sind durchaus im Salon
verkehrt.“7414
Hier stellt sich die dringende Frage, warum die verbreitete
Praxis von Barzahlungen an Angestellte in kleinen Be-
trieben – unabhängig von der Herkunft oder Staatsange-
hörigkeit der Betriebsbesitzer – in dem Vermerk mit dem
ethnisierenden Attribut „türkisch/orientalisch“ versehen
wird. Ähnlich ethnisierende Zuschreibungen finden sich
auch in den Bewertungen der BAO „Bosporus“ zu ver-
meintlichen Steuerschulden oder real überzogenen Dispo-
sitionskrediten einzelner Mordopfer, die mit der türki-
schen Herkunft der Ermordeten in Zusammenhang ge-
bracht werden.
Ein weiteres Beispiel für ethnisierende Zuschreibungen
findet sich sowohl in der Namenswahl der Tatortmord-
kommissionen wie Soko „Halbmond“ oder BAO „Bospo-
rus“ als auch im Eingangsstatement des Zeugen Schwarz
vom Landeskriminalamt Hamburg vor dem Untersu-
chungsausschuss, der zur Persönlichkeit des am 27. Juni
2001 in Hamburg ermordeten dritten NSU-Mordopfers
Süleyman Taşköprü sagte:
„Süleyman Taşköprü war das, was wir im Landes-
kriminalamt ‚einen ganz normalen türkischen
Mann‘ genannt haben: leidenschaftlich, sehr ener-
gisch und dominant vom Wesen. Er war nennens-
wert auch polizeilich in Erscheinung getreten.“7415
Auch die Tatsache, dass die Ermittler in Köln und Ham-
burg nicht davor zurückschreckten, eine Wahrsagerin und
ein iranisches „Medium“ nach Hinweisen auf mögliche
Täter zu befragen, erscheint vor dem Hintergrund der
7414) Vermerk der EG Sprengstoff vom 15. Dezember 2005, MAT A
GBA-4/24e, Bl. 50 f.,vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht
des 2. PUA, S. 736.
7415) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 735.
Drucksache 17/14600 – 992 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Herkunft der Opfer keineswegs zufällig oder als Aus-
druck ermittlerischer Verzweiflung – zumal es insbeson-
dere das Hamburger LKA war, das die Wissenschaftlich-
keit der 2. Operativen Fallanalyse der bayerischen Profiler
massiv in Zweifel gezogen hatte.
Die Widersprüchlichkeit des Umgangs mit der Herkunft
der Angehörigen der Mordopfer innerhalb eines Polizei-
präsidiums zeigt sich in Kassel bei den Ermittlungen zum
Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006: Nachdem in
Kassel kurzzeitig ein Beamter des Landesamtes für Ver-
fassungsschutz unter Tatverdacht geraten war, hatte das
LfV Hessen mit Verweis auf Quellenmeldungen behaup-
tet, Mitglieder einer Kasseler Moscheegemeinde, die vom
Vater des Opfers, İsmail Yozgat, besucht würde, planten
Rache an dem Verfassungsschützer zu nehmen. Daraufhin
schrieb das PP Kassel am 2. August 2006 einen Vermerk,
wonach die Gefährdung des Verfassungsschützers in „den
ethnisch-kulturellen Hintergründen der Opferfamilien“ zu
sehen sei.
7416
Die Polizei stellte dann allerdings fest, dass
İsmail Yozgat an keinem einzigen Freitagsgebet in einer
Moschee teilgenommen hatte und beendete die Telekom-
munikationsüberwachungsmaßnahmen der Familie
Yozgat.
7417
Gleichzeitig zeigt sich in einem Abschlussvermerk der
Mordkommission (MK) Cáfe, die nach dem Mord an
Halit Yozgat in Kassel die Ermittlungen führte, dass die
Ermittler auch ohne ethnisierende Zuschreibungen Aus-
sagen über die Opferfamilien treffen konnten: Nach Ab-
schluss der Strukturermittlungen gegen die Familie von
Halit Yozgat stellte die MK „Cafe“ am 21. September
2006 fest,
„dass es sich bei der Familie des Opfers um eine
‚normale‘ Familie mit alltäglichen Problemen han-
delt. […]“
cc) Fatales Zusammenspiel: Ethnisierende
Zuschreibungen und Wahrnehmungsdefi-
zite bei rechter Gewalt durch die Polizei
Wie gravierend sich ethnisierende Vorannahmen im Zu-
sammenspiel mit den massiven Wahrnehmungsdefiziten
in Bezug auf die Existenz rechtsterroristischer Strukturen
auf die Ermittlungen in der Česká-Mordserie ausgewirkt
haben, wird im Umgang der Ermittler mit den Aussagen
einer Zeugin aus Nürnberg deutlich, die nach dem Mord
an İsmail Yaşar in Nürnberg am 9. Juni 2005 eine präzise
Täterbeschreibung gemacht hatte, die auch zur Erstellung
eines Phantombildes führte.
Schon knapp zwei Wochen nach dem Mord an İsmail
Yaşar, am 21. Juni 2005, wandte sich der Leiter der Köl-
ner EG „Sprengstoff“ an die BAO „Bosporus“ in Nürn-
berg, um auf Ähnlichkeiten zwischen dem Phantombild
im Fall Yaşar und den Videoaufnahmen der Tatverdächti-
gen nach dem Sprengstoffanschlag in der Kölner
7416) Ebd., S. 734.
7417) Ebd.
Keupstraße sowie auf das gemeinsame Merkmal der Nut-
zung von Fahrrädern zu verweisen und die Überprüfung
eines Tatzusammenhangs mit dem Mord an İsmail Yaşar
in Nürnberg zu veranlassen. Der Leiter der EG „Spreng-
stoff“ bat auch darum, der Zeugin aus Nürnberg die Vi-
deosequenz aus Köln zu zeigen.
7418
Es dauerte allerdings fast ein Jahr, bis am 23. Mai 2006
der Zeugin im Mordfall Yaşar die Aufnahmen aus der
Videoüberwachung des Kölner Tatorts gezeigt wurden.
Nach mehrfacher Sichtung und Vergrößerung der Bilder
erklärte die Zeugin, sie sei sicher, dass jeweils ein Täter
beim Mord an Yaşar identisch gewesen sei mit einem
Täter des Nagelbombenanschlags („Der war es!“).7419 Im
Protokoll der Vernehmung wurde diese wichtige Aussage
der Zeugin jedoch lediglich in abgeschwächter Form
wiedergegeben. Im Protokoll der Zeugenvernehmung der
Augenzeugin im Mordfall Yaşar ist demgegenüber ver-
merkt:
„Wenn ich die auf dem Video gezeigten Personen
nun mit den beiden vergleiche, die ich im Mordfall
des İsmail Yaşar in der Scharrerstraße gesehen ha-
be, kann ich dazu sagen, dass ich mir ziemlich si-
cher bin, dass jeweils eine Person aus dem Kölner
Video mit einem von mir in der Scharrerstraße ge-
sehenen Radfahrer identisch ist.“
Im gesamten Ermittlungszeitraum zur Mordserie und dem
Kölner Sprengstoffanschlag war die Aussage dieser Zeu-
gin eine der heißesten Spuren.
7420
Sie wurde jedoch, auch
aufgrund der Abschwächung der Aussage, nicht weiter
verfolgt. Vor dem Bayerischen Untersuchungsausschuss
ist die Zeugin auch gefragt worden, warum ihrer Meinung
nach ihre Zeugenaussage von den protokollierenden Be-
amten nicht wörtlich wiedergegeben wurde. Sie hat da-
raufhin gesagt:
„Aus meinen Befragungen hatte ich den Eindruck:
‚Es kann nicht sein, was nicht sein darf.‘“7421
Auch der Leiter der EG „Sprengstoff“ verwies gegenüber
der BAO „Bosporus“ auf eine grundsätzliche Ähnlichkeit
der veröffentlichten Phantombilder des Täters aus Nürn-
berg, das nach den Aussagen der Zeugin im Mordfall
İsmail Yaşar veröffentlicht worden war, mit den Kölner
Videobildern. Eine vergleichende Analyse des Kölner
Anschlags und des Mordes in Nürnberg wurde von den
OFA-Einheiten in Köln und München jedoch überein-
stimmend mit dem Hinweis abgelehnt, dass man „Äpfel
nicht mit Birnen“ vergleichen könne.7422
7418) Ebd., S. 526 f.
7419) Vgl. Abschlussbericht des „Untersuchungsausschuss Rechtster-
rorismus in Bayern – NSU“, S. 141 ff., Drs. 16/17740,
http://www.bayern.landtag.de/images/content/NEU_Drs_16-
17740_NSU_FINAL_18072013.pdf
7420) Vgl. Abschlussbericht des „Untersuchungsausschuss Rechtster-
rorismus in Bayern – NSU“, S. 141 ff., Drs. 16/17740,
http://www.bayern.landtag.de/images/content/NEU_Drs_16-
17740_NSU_FINAL_18072013.pdf
7421) S. 141 ebd.
7422) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 580.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 993 – Drucksache 17/14600
Letztendlich muss davon ausgegangen werden, dass der
ethnisierende Blick auf die Mordopfer und ihre Angehö-
rigen – zusammen mit der völligen Fehleinschätzung in
Bezug auf die Existenz rechtsterroristischer Strukturen in
Deutschland – den polizeilichen Ermittlern den Weg
verstellt hat, die Möglichkeit überhaupt in Betracht zu
ziehen, dass es sich um eine rassistisch oder neonazistisch
motivierte Mordserie gehandelt haben könnte. Dies zeigt
sich nicht zuletzt darin, dass jeder noch so abwegigen
Spur im Bereich Organisierte Kriminalität und jedem
noch so kruden Hinweis von Informanten aus dem Be-
reich der OK nachgegangen wurde und dafür eigens Spu-
ren angelegt und ausermittelt wurden. Doch aus den Ver-
mutungen einiger Angehöriger der NSU-Mordopfer, dass
es sich bei den Tätern um Rassisten oder Neonazis han-
deln könne, ist in keinem einzigen Fall eine Spur generiert
worden.
Schließlich zeigt sich das von ethnisierenden Stereotypen
geleitete Vorgehen der Ermittler der BAO „Bosporus“
auch in der Tatsache, dass die BAO „Bosporus“ nach dem
Mord an İsmail Yaşar über einen Zeitraum von mehr als
einem Jahr zwei Dönerstände in Nürnberg und München
durch Verdeckte Ermittler betreiben ließ. Die Arbeits-
prämisse, die Morde seien auf den Preiskampf einer bis
dato unbekannten Döner-Mafia zurückzuführen, lässt sich
angesichts der Tatsache, dass von den neun Mordopfern
lediglich zwei an Imbissen arbeiteten, tatsächlich nur mit
einem ethnisierenden Blickwinkel auf die Mordopfer
erklären.
dd) Exkurs: Antiziganismus
Antiziganismus bezeichnet die historisch gewachsenen
und sich selbst stabilisierenden Vorurteile und Diskrimi-
nierungen gegen Angehörige der Minderheiten von Sinti
und Roma. Bei Antiziganismus handelt es sich – wie auch
bei Rassismus – um ein soziales Phänomen, das durch
eine vereinheitlichende Wahrnehmung und Darstellung
bestimmter sozialer Gruppen und Individuen unter dem
Stigma „Zigeuner“ sowie eine damit verbundene Zu-
schreibung spezifischer abweichender oder negativer
Eigenschaften und vor diesem Hintergrund entstehende,
diskriminierende soziale Strukturen und gewaltförmige
Praxen umfasst.
7423
Bei den Ermittlungen nach dem Mord an der Polizistin
Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch auf ihren
Kollegen geriet sehr schnell eine Gruppe von vorwiegend
jugoslawischen Roma ins Visier der Ermittler, da die
Angehörigen der Roma-Minderheit zu den Schaustellern
gehörten, die zum Tatzeitpunkt auf der Theresienwiese in
Heilbronn gerade Aufbauarbeiten für einen Rummelbe-
trieb vornahmen. Die Vermerke zu der „Spur Landfahrer“
oder „Reisende Familien“ sind eindeutig von
7423) Vgl. Markus End, Antiziganismus. Zum Stand der Forschung
und der Gegenstrategien. In: Daniel Strauß/RomnoKher – Haus
für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung, Marburg
2013, S. 13.
ethnisierenden Zuschreibungen geprägt, die sich hier als
Antiziganismus ausdrücken.
Wiederholt fällt in den Protokollen der mit den Ermittlun-
gen befassten Soko „Parkplatz“ der Begriff „Zigeuner“,
wenn es um die Beschreibung von Zeugen, vermeintli-
chen Tatverdächtigen und Angehörigen der Gruppe geht.
Zwei Beispiele: So heißt es in einem Protokoll einer Ar-
beitsbesprechung der Soko „Parkplatz“ vom 11. Juni
2007:
„Wie hinsichtlich des […] L. weiter bekannt wur-
de, soll dieser sowohl als Mann, als auch als Frau
auftreten und aus Zigeunerkreisen stammen.“7424
Und in einem Protokoll der Soko „Parkplatz“ vom
20. Juli 2007 wird die Feststellung getroffen:
„Am Tattag gegen 11.00 Uhr fiel auf der BAB bei
Fürfeld ein Pkw mit niederländischem Kennzei-
chen, besetzt mit vier Personen, vermutlich Zigeu-
ner, auf und wurde einer Kontrolle unterzo-
gen.“7425
Auch in der Medienstrategie der Soko „Parkplatz“ spielte
die „Spur ins Zigeunermilieu“ eine wichtige Rolle und
führte zu stigmatisierenden Berichten wie im Juni 2007
im Magazin Stern:
„Tatorte wie Freiburg, Heilbronn oder Worms lie-
gen in der Nähe bekannter Stützpunkte großer Sin-
ti- und Roma-Clans. Viele von ihnen nutzen ein
Busunternehmen, das von Heilbronn aus regelmä-
ßig nach Rumänien fährt, etappenweise aber auch
nach Österreich und Frankreich. Am Tag des
Polizistenmordes soll ein Bus nach Rumänien ge-
fahren sein. Und schließlich hielten sich an jenem
verhängnisvollen 25. April mehrere Sinti- und
Roma-Familien mit ihren Wohnwagen keine hun-
dert Meter vom Tatort entfernt auf der
Theresienwiese auf. Doch niemand will etwas ge-
sehen haben.“7426
Nachdem sich sämtliche Verdachtsmomente gegen die
Angehörigen der Roma-Gruppe als falsch und unbegrün-
det herausgestellt hatten, hielt die SoKo Parkplatz den-
noch an der Ermittlungsrichtung fest und veranlasste
weitere Vernehmungen bis hin zu Anfragen beim BND.
ee) Bearbeitung der Waffenspur durch das
BKA
Ergänzend zu den gemeinsamen Bewertungen des Aus-
schusses hält es die Fraktion DIE LINKE für notwendig,
explizit auf die Verantwortung des BKA für die langsame
Bearbeitung der Waffenspur in der Česká-Mordserie
hinzuweisen. Die Ermittlungen zur Waffen- und Muniti-
7424) MAT_A_BW_2-3-17.2, S. 115.
7425) MAT_A_BW_2-3-17.2, S. 151.
7426) „Die Jagd nach dem Phantom“ in: Stern, 29. Juni 2007,
http://www.stern.de/politik/deutschland/polizistinnen-mord-in-
heilbronn-die-jagd-nach-dem-phantom-592124.html.
Drucksache 17/14600 – 994 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
onsspur erstreckten sich nicht nur über einen unvertretbar
langen Zeitraum (2004 bis 2009), der auch durch falsche
Ermittlungsarbeit und Nichtbeachtung von Hinweisen
begründet ist. Sie zeichnen sich zudem durch Vorannah-
men und Einschränkungen bezüglich der mutmaßlichen
Täter der Mordserie aus, die sich wie ein roter Faden
durch die Ermittlungsarbeit der Polizei ziehen und die
ebenfalls mit dem Stichwort struktureller Rassismus be-
schrieben werden können.
Aufgrund der fehlenden Tatortspuren im Rahmen der
rassistischen Mordserie waren die Waffen- und Muniti-
onsspur die einzigen harten Spuren im Rahmen der Er-
mittlungen. Bereits nach dem Mord an Enver Simşek im
Jahr 2000 konnte festgestellt werden, dass es sich bei der
Tatwaffe mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Česká-
Pistole handelt. Mit dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru
im Jahr 2001 und der Verwendung u. a. derselben Česká-
Waffe war klar, dass es sich um eine Serie handelt. Identi-
fiziert werden konnte ebenfalls die anfangs verwendete
Munition. Erst im Jahr 2004 wurde die Waffenspur sys-
tematisch verfolgt, in dem das BKA eine Ermittlungs-
gruppe Česká einsetzte. Ergänzend zur Darstellung im
Feststellungsteil des Abschlussberichts
7427
und zur ge-
meinsamen Bewertung der Fraktionen
7428
ist hier auf
Folgendes hinzuweisen:
Bei der Abfrage an die BKA-Verbindungsbeamten in
verschiedenen europäischen Ländern (darunter die
Schweiz) zur verwendeten Spezialmunition und zum
Verkauf von Schalldämpfern im Jahr 2004 wurden Vor-
annahmen zu den Tätern vorgenommen, die die Ermitt-
lungen gravierend einschränkten. Gefragt wurde beim
Munitionserwerb vor allem nach „türkischen Staatsange-
hörigen“ und auch bei der Abgabe von Schalldämpfern
durch die Schweizer Firma Schläfli&Zbinden wurde
insbesondere nach „türkische(n) Staatsangehörige(n)“
gefragt.
7429
Im selben Schreiben wurden die Morde als
„Auftragsmorde“ und der Tathintergrund mit „Rausch-
giftgeschäfte“ bezeichnet.
Diese Einschränkungen bei der Ermittlung zur Waffen-
spur sind typisch für die Ermittlungen zur Česká-
Mordserie und auch für die über Jahre nicht zu erschüt-
ternde Überzeugung im BKA, der Tathintergrund müsse
im Bereich OK und hier im türkischen Milieu liegen.
Auch nachdem sich diese Hypothese nicht belegen ließ
und mit jedem weiteren Mord unwahrscheinlicher wurde,
hielt das BKA an seiner Grundüberzeugung fest.
Die 2. OFA aus Bayern im Jahr 2006, in der ein rassisti-
sches Tatmotiv in Erwägung gezogen wurde, hatte für die
Ermittlungen des BKA keinerlei Auswirkungen. Im Ge-
genteil wurde dieser Ansatz von Seiten des BKA scharf
zurückgewiesen.
7427) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 507 ff.
zur Ermittlung zur Spezialmunition und S. 611-624 zur Waf-
fenspur.
7428) Ebd. S. 840 f.
7429) MAT A BKA 35a, S. 206.
Der Zeuge Jung, im Rahmen der EG „Česká“ mit den
Ermittlungen betraut, hat im Ausschuss ausgeführt, auch
wenn die EG „Česká“ von einem rechtsextremen Tathin-
tergrund ausgegangen wäre, hätte dies nichts an den Er-
mittlungen geändert. Bezogen auf die oben angeführten
Einschränkungen der Ermittlungen zu Munition und
Schalldämpfern ist das falsch. Auch hätte der familiäre
Bezug der Ehefrau des tatsächlichen Schweizer Waffen-
käufers der fraglichen Česká-Pistole zu Ostdeutsch-
land
7430
, vor dem Hintergrund einer Tathypothese Ras-
sismus/Rechtsterrorismus, hoffentlich eine Rolle gespielt.
c) Reibungslose Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutzbehörden in
den Bereichen Organisierte Kriminalität,
„Ausländerkriminalität“, PKK und Türki-
sche Hizbullah
Es ist falsch zu behaupten, die Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutzbehörden sei bei dem Ver-
such, die Täter der Česká-Mordserie zu ermitteln, prinzi-
piell schlecht und von Kommunikationsproblemen ge-
prägt gewesen. Vielmehr verlief die Zusammenarbeit bei
den Ermittlungen im Bereich „Organisierte Kriminalität“
– insbesondere in Bezug auf die Hypothesen, die Hinter-
gründe der Morde seien vermeintlich in bundesweit bzw.
international agierenden Rauschgifthändlerbanden, Men-
schenhändlerringen, der Wettmafia oder Waffenschieber-
banden zu finden – relativ problem- und reibungslos. Die
Landesämter für Verfassungsschutz in den meisten Tat-
ort-Bundesländern der Česká-Mordserie sowie nach den
tödlichen Schüssen auf Michèle Kiesewetter stellten den
Ermittlern der Mordkommissionen schnell, kontinuierlich
und unkompliziert personenbezogene Informationen zu
mutmaßlichen Tatverdächtigen oder Hintermännern aus
den oben genannten Deliktbereichen zur Verfügung. Dies
gilt im Übrigen auch für die zeitweilig ebenfalls in Be-
tracht gezogene Hypothese der BAO „Bosporus“, die
Täter kämen aus PKK-Kreisen oder der so genannten
„Türkischen Hizbullah“.7431
Auch vor diesem Hintergrund ist die mangelnde Koopera-
tionsbereitschaft des LfV Bayern mit der BAO „Bospo-
rus“, als es nach der 2. OFA um die Frage nach Neonazis
aus dem Raum Nürnberg ging,
7432
sowie die komplette
Leerstelle bei den anderen LfVs in Bezug auf mögliche
rechtsterroristische Hintergründe oder neonazistische
Tatverdächtige besonders gravierend und auffällig.
7430) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 621.
7431) Ebd. S. 591.
7432) BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 582 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 995 – Drucksache 17/14600
d) Fragwürdiger Umgang mit Informanten
und V-Leuten im Bereich der „Organisier-
ten Kriminalität“ sowie PKK und Türkische
Hizubullah von Polizei und Verfas-
sungsschutzämtern
Im Verlauf der Česká-Mordermittlungen sowie nach dem
Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstraße erhielten
die ermittelnden Polizeibeamten, aber auch Verfas-
sungsschutzbehörden, zahllose Hinweisen von eigenen V-
Leuten und Informanten auf vermeintliche Tatverdächtige
aus dem Bereich „Organisierte Kriminalität“ sowie
„PKK“ und „Türkische Hizubullah“.7433 Schon vor dem
4. November 2011 hatte sich kein einziger der Hinweise
im Verlauf der Ermittlungen als valide und bei der Suche
nach den Tätern zielführend erwiesen. Dennoch musste
der Untersuchungsausschuss feststellen, dass die falschen
Hinweise – bis hin zu gravierenden falschen Verdächti-
gungen von Unschuldigen wie beispielsweise im Fall des
Sprengstoffanschlags in der Keupstraße – offensichtlich
keinerlei Konsequenzen hatten: Weder für die Hinweis-
geber, insbesondere für die V-Leute und Informanten,
noch im Umgang von Polizeien und Verfassungsschut-
zämtern mit ihnen. Auf entsprechende Nachfragen bei
seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss sagte
beispielsweise der Leiter der Hamburger Mordkommissi-
on, er habe sich im Nachhinein von „gewissen Leuten
massiv verarscht“ gefühlt.7434
Gerade in Bezug auf V-Leute und Informanten der Poli-
zeien und der Verfassungsschutzämter im Bereich „Orga-
nisierte Kriminalität“ ist weder ein internes noch externes
Controlling feststellbar – und es gibt keinerlei parlamen-
tarische Kontrolle bezüglich Werbung, Führung und ope-
rativer Maßnahmen der V-Leute und Informanten der
Polizeien des Bundes und der Länder. Auch diese Lücke
muss als Ergebnis der Arbeit des 2. Parlamentarischen
Untersuchungsausschusses nach Ansicht der Fraktion DIE
LINKE dringend geschlossen werden. In diesem Sinne
hat die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag bei-
spielsweise einen entsprechenden Änderungsantrag zum
Polizeiaufgabengesetz eingereicht, mit dem eine parla-
mentarische Kontrolle des Einsatzes nachrichtendienstli-
cher Mittel durch die Polizei erreicht werden soll.
2. Die Verantwortung der Verfassungs-
schutzämter im NSU-Komplex
Die deutschen Nachrichtendienste, insbesondere das Bun-
desamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Landesamt
für Verfassungsschutz Thüringen (LfV Thüringen), tragen
nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE die Hauptverant-
wortung dafür, dass der „Nationalsozialistische Unter-
grund“ (NSU) entstehen und über mehr als zehn Jahre
ungehindert Morde und Sprengstoffanschläge gegen Mig-
7433) Vgl. beispielsweise Conna Neumann, Andreas Ulrich, Versteck
in der Schweiz, in: Der Spiegel 38/2011;
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80075315.html.
7434) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 85.
rantinnen und Migranten verüben und eine Polizistin
ermorden konnte.
a) Die Verantwortung des BfV
Die Verantwortung des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz umfasst sowohl die zwei Jahrzehnte währende
Verharmlosung der Neonazibewegung, ihrer militanten
Organisationen und Netzwerke sowie ihrer Gewalttaten
als auch die Unterstützung eben jener Netzwerke durch
vom BfV als V-Leute bezahlte Neonazis, Schutz vor
Strafverfolgung inbegriffen. Zudem ist das BfV gemein-
sam mit dem LfV Thüringen und dem MAD direkt dafür
verantwortlich, dass die Gefährlichkeit des Thüringer
Heimatschutzes und der thüringischen Neonazi-
Kameradschaften sowie ihrer Aktivisten und Aktivistin-
nen ebenso wie die des „Blood & Honour“-Netzwerks,
darunter enge Freundinnen und Freunde sowie Unterstüt-
zerinnen und Unterstützer des mutmaßlichen NSU-
Kerntrios, nicht erkannt wurde. Und dies, obwohl auch in
diesen Netzwerken zahlreiche V-Leute des BfV und di-
verser Landesämter für Verfassungsschutz aktiv waren
und diese – ebenso wie zahlreiche der engen Unterstütze-
rinnen und Unterstützer des mutmaßlichen NSU-
Kerntrios – Ziele nachrichtendienstlicher Operationen –
inklusive G10-Maßnahmen und Observationen – waren.
aa) Das BfV und dessen Versagen bei der Be-
wertung rechtsterroristischer Aktivitäten
Der Untersuchungsausschuss konnte sich ein detailliertes
Bild vom Versagen des BfV bei der Analyse rechtsterro-
ristischer Aktivitäten machen. Zum einen hat das BfV
über zwei Jahrzehnte hinweg bei der Analyse rechtsterro-
ristischer Organisationsansätze und Aktivitäten die Öf-
fentlichkeit unzureichend informiert und zum anderen hat
das Themenfeld innerhalb des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz keine angemessene Bedeutung erfahren.
Vielmehr hat das BfV alles dafür getan, sowohl Warnun-
gen aus dem Polizeiapparat – beispielsweise des BKA zur
Bedeutung des Strategiepapiers „The Way forward – Der
Weg zum Erfolg“, das innerhalb des internationalen
„Blood & Honour“-Netzwerks und in der deutschen Neo-
naziszene verbreitet wurde und den Aufbau bewaffneter
klandestiner Terrorzellen propagierte – als auch Warnun-
gen von Journalistinnen und Journalisten sowie antifa-
schistischen Initiativen in den Wind zu schlagen. Getreu
nach dem Motto: Rechtsterrorismus kann es in Deutsch-
land nicht geben, weil das BfV alles im Griff hat. Ein
besonders eklatantes Beispiel für diese Mischung aus
Hybris, Versagen und Verharmlosung sind die Antworten,
die der damalige Vizepräsident des BfV und heutige
Staatsekretär im Bundesinnenministerium, Klaus Dieter
Fritsche, anlässlich der Verhinderung der Anschlagspläne
auf die Synagoge in München durch Mitglieder der Ka-
meradschaft Süd auf Nachfragen aus dem Bundesinnen-
ministerium zur möglichen Existenz einer „Braunen
RAF“ im September 2003 gab:
„Bei einem Vergleich mit der RAF muss zumin-
dest das wesentliche Merkmal dieser terroristi-
Drucksache 17/14600 – 996 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schen Bestrebungen berücksichtigt werden. Die
RAF führte ihren bewaffneten Kampf aus der Ille-
galität heraus. Das heißt, die Gruppe lebte unter
falscher Identität, ausgestattet mit falschen Perso-
naldokumenten und Fahrzeugdubletten in konspi-
rativen Wohnungen. Dies erforderte ein hohes
Know-how und ein Sympathisantenumfeld, das
bereit war, den bewaffneten Kampf aus der Illega-
lität zu unterstützen. Zur Finanzierung dieses
Kampfes wurden Raubüberfälle begangen. Absich-
ten, einen Kampf aus der Illegalität heraus mit den
damit verbundenen Umständen zu führen, sind in
der rechten Szene nicht erkennbar. Es gibt derzeit
auch keine Anhaltspunkte, dass eine solche Grup-
pe ein Umfeld finden würde, das ihr einen solchen
Kampf ermöglicht. […]In der Presse wird ange-
führt, dass es im Rechtsextremismus sehr wohl ein
potentielles Unterstützerfeld gebe. Hierzu wird auf
drei Bombenbauer aus Thüringen verwiesen, die
seit mehreren Jahren ‚abgetaucht‘ seien und dabei
sicherlich die Unterstützung Dritter erhalten hät-
ten. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Perso-
nen auf der Flucht sind und – soweit erkennbar –
seither keine Gewalttaten begangen haben. Deren
Unterstützung ist daher nicht zu vergleichen mit
der für einen bewaffneten Kampf aus der Illegali-
tät.“7435
Diese Analyse ist auch deshalb erstaunlich, weil das BfV
zu diesem Zeitpunkt nicht nur aufgrund zahlreicher Raz-
zien mit Waffen- und Sprengstofffunden im gesamten
Bundesgebiet den stetig steigenden Grad der Bewaffnung
der Neonaziszene beobachtet hat. In Ergänzung zu den
gemeinsamen Schlussfolgerungen hält es die Fraktion
DIE LINKE auch für zwingend notwendig, darauf hinzu-
weisen, dass das BfV mindestens anhand öffentlich zu-
gänglicher Informationen von Journalistinnen und Journa-
listen sowie antifaschistischen Medien ab Ende der
1990er Jahre en détail über die Einbindung deutscher
Neonazis in das internationale Netzwerk von
„Combat 18“ und „Blood & Honour“ informiert gewesen
sein muss. Insofern hält die Fraktion DIE LINKE die
Aussage der BfV Rechtsterrorismus-Abteilungsleiterin
Dobersalzka für glaubwürdig, die versicherte, man habe
die einschlägigen antifaschistischen Medien regelmäßig
gelesen.
7436
Davon konnte sich auch der Ausschuss über-
zeugen, der in zahlreichen BfV-Akten Artikel aus frei
zugänglichen, im deutschen Buchhandel vertriebenen
antifaschistischen Publikationen vorfand, die mit dem
Stempel „GEHEIM“ versehen waren.
So berichtete etwa im Dezember 2001 ein Aussteiger aus
der britischen Gruppe von „Combat 18“ in einem Inter-
view mit der britischen Zeitschrift Searchlight, er sei
Ende 1998 aufgefordert worden, nach Deutschland zu
reisen, „um dort ein paar Bomben zu bauen und sie abzu-
7435) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 231.
7436) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 18.
schicken.” 7437 Die engen Verbindungen britischer Neona-
zis wie beispielsweise des Sängers der „Blood & Honour“
Band „No Remorse“ zu Neonazis in Norddeutschland und
Bayern waren dem BfV zu diesem Zeitpunkt längst be-
kannt.
7438
Im Jahr 2000 wurde dann durch eine aus
Schweden an einen Brandenburger PDS-
Landtagsabgeordneten versandte neonazistische Droh-
postkarte, in der ein „neues Kampfjahr“ angekündigt
wurde, bekannt, dass Brandenburger Neonazis zum Jah-
reswechsel 1999/2000 Aktivisten der der militanten
schwedischen Neonazigruppierung „Nationalsozialisti-
sche Front“ (NSF) besucht hatten. Deren Mitglieder wa-
ren u. a. für die Morde an zwei schwedischen Polizeibe-
amten nach einem Banküberfall im Mai 1999 verantwort-
lich. Zudem berichtete das Antifaschistische Infoblatt im
Frühjahr 2000 von einem Treffen deutscher, schwedi-
scher, britischer und norwegischer Neonazis aus dem
internationalen Netzwerk von „Combat 18“ und „Blood &
Honour“ Anfang November 1999 in einer Kleinstadt bei
Oslo. Wesentliche Programmpunkte des Treffens, an dem
mehrere deutsche Neonazis teilnahmen, waren die Koor-
dinierung internationaler Anti-Antifa-Aktivitäten und
klandestiner Terror. Das Antifaschistische Infoblatt
schrieb dann:
„Die deutschen Neonazis sind unter Zugzwang:
Nach mehreren Morden, die von ihren schwedi-
schen Kameraden im vergangenen Jahr verübt
wurden und nach der spektakulären Bombenan-
schlagsserie in London, wollen sie ihren internati-
onalen Vorbildern nacheifern. […] Ein Teil dieser
Szene ist den staatlichen Sicherheitsbehörden – die
ansonsten immer ihre Finger im Spiel hatten, wenn
Neonazis zu organisiertem Terror ansetzen – of-
fenbar aus dem Ruder gelaufen.“7439
Es ist davon auszugehen, dass die Pläne der internationa-
len Neonazinetzwerke wie „Combat 18“ und „Blood &
Honour“ auch in entsprechenden Mitteilungen der be-
freundeten europäischen Partnergeheimdienste aus Groß-
britannien, Schweden, Dänemark, Norwegen, Belgien und
Italien an das BfV übermittelt wurden – sofern das BfV
nicht ohnehin über eigene Quellenmeldungen hierzu ver-
fügte. Das BfV hat dem Untersuchungsausschuss hierzu
allerdings nur wenige Akten vorgelegt.
Es gehört zum zentralen Versagen des BfV im Bereich
Rechtsextremismus, dass es weder die Strafverfolgungs-
behörden noch die politisch Verantwortlichen noch die
Öffentlichkeit in angemessenem Maß über die Gefahren
7437) Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54/Winter 2001/2002, S. 31:
“’Combat 18’ inside! – Nazi-Informant Darren Wells über die
Terrorgruppe ‘C-18’”, ausführlich in: Searchlight international,
Ausgabe Nr. 318/Dezember 2001, „Why I turned my back on
C18 – an exclusive interview with ex-nazi Darren Wells“, S. 5.
7438) Vgl. MAT_A_BY-1/6, Blatt 60ff.; MAT_A_BfV-4/14-
Erläuterungen (VS NfD), Nick Lowles in „White Riot“ – The
violent story of Combat 18, S. 113 ff., Milo Books/2001.
7439) „Werwolf, Waffen, Werthebach: Wer ist die Anti-Antifa?“ in:
Antifaschistisches Infoblatt Nr. 50 1/2000,
www.antifainfoblatt.de/artikel/werwolf-waffen-werthebach-
wer-ist-die-anti-antifa.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 997 – Drucksache 17/14600
informiert hat, die sich aus den Veröffentlichungen in
neonazistischen Publikationen und bekannt gewordenen
Plänen von kleineren Gruppen von Neonazis für gesell-
schaftliche Minderheiten und die Demokratie in Deutsch-
land ablesen ließen. Stattdessen wurden das internationale
und das deutsche Netzwerk von „Blood & Honour“ in
BfV-Publikationen auf die Produktion und den Vertrieb
von RechtsRock sowie die Organisation von RechtsRock-
Konzerten reduziert.
Glaubt man der Aussage der Zeugin Dobersalzka, die von
1998 bis 2006 das Referat Rechtsterrorismus im BfV
leitete, muss dieses Referat mit weniger als zehn Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern in den 2000er Jahren intern
quasi als Besen- und Abstellkammer des BfV gehandelt
worden sein, dessen Analysen – beispielsweise nach dem
Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln – niemand
zur Kenntnis nehmen wollte.
7440
Verantwortlich ist das BfV auch dafür, dass der erste
bekannte öffentliche Hinweis auf die Existenz des NSU –
in der Danksagung an den NSU im Neonazimagazin „Der
Weisse Wolf“ im Jahr 2002 – von der Auswertung offen-
sichtlich übersehen wurde, obwohl die Ausgabe des
Weissen Wolfs im BfV vorlag und das BfV mit Q 1 eine
Quelle mit Kontakt zum Herausgeber des Weissen Wolfs
führte. Zudem hat das BfV beim örtlich zuständigen LfV
Mecklenburg-Vorpommern nicht nachgefragt, ob weitere
Informationen vorlägen.
Dass es dem Bundesinnenministerium und dem BfV so-
wie den LfVs immer noch nicht gelingt, die Existenz
rechtsterroristischer Strukturen in Deutschland auch nach
dem 4. November 2011, dem Bekanntwerden des NSU
und seines Netzwerkes, einzugestehen, ist in den zahlrei-
chen Zeugenbefragungen von BfV-Mitarbeitern vor dem
Ausschuss erschreckend deutlich geworden. Insbesondere
BMI-Staatssekretär Fritsche hat in seiner Aussage vor
dem Untersuchungsausschuss darauf beharrt, dass er die
Vergleichbarkeit des NSU und der RAF auch heute noch
für nicht abschließend geklärt halte. Bei der RAF habe es
sich um eine andere Organisationsform gehandelt. Zudem
seien wesentlich mehr Personen beteiligt gewesen. Im
Moment wisse man noch nicht, wie viel Unterstützer des
NSU tatsächlich Kenntnis von den Taten des NSU gehabt
hätten.
7441
Man kann diese Aussage des Staatssekretärs
auch als indirekte Aufforderung an die Ermittler des BKA
im NSU-Komplex verstehen, dass am Ende auf gar kei-
nen Fall das Ergebnis stehen darf, dass das mutmaßliche
NSU-Kerntrio über ein Netzwerk von Unterstützerinnen
und Unterstützern verfügte.
Beispielhaft für die hartnäckige Realitätsverleugnung im
BfV, aber auch in den LfVs sei hier an die Aussage des
Zeugen Egerton erinnert, der von 1994 bis zum Jahr 2000
im BfV mit der gewaltbereiten Naziskinszene befasst war.
Egerton sagte auf die Frage, wie es zu der fundamentalen
Fehleinschätzung des BfV in Bezug auf Rechtsterroris-
mus gekommen sei:
7440) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72., S. 4 ff., S. 33 ff.
7441) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 232.
„Die Frage war: Gibt es eine braune RAF? Und
der Ausgangspunkt war: Hat das BfV Strukturen
erkannt, die RAF-ähnlich sind, also zum Beispiel
Kommandoebene mit Unterstützerumfeld, mög-
licherweise auch militant, was also auch An-
schläge begeht? Und diese Strukturierung hat das
BfV nicht erkannt. Es hat sie auch in Form des
Trios nicht gegeben. Das war ja auch keine Ka-
derorganisation mit Unterstützerumfeld.“7442
Diese Aussage des Zeugen Egerton – nach den angekün-
digten „Reformen“ im BfV – macht erschreckend deut-
lich, wie groß dort die Beharrungskräfte sind – und lässt
Schlimmstes für die zukünftige Analysefähigkeit des BfV
vermuten.
b) Extremismusansatz und Frontstellung
gegen Linke
Bei der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass das BfV
– und analog die Landesämter für Verfassungsschutz –
trotz gegenteiliger Sachinformationen Jahr um Jahr die
Existenz rechtsterroristischer Strukturen in Deutschland
leugneten, reicht nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE
der Verweis auf mangelnde Analysefähigkeiten und
Sachkenntnis nicht aus. Vielmehr muss das Leugnen
rechtsterroristischer Strukturen als politisch motiviert und
in der Geschichte des BfV und der Landesämter verwur-
zelt begriffen werden: Die Nachrichtendienste, die in den
1990er und 2000er Jahren mit einer zunehmenden Welle
rechter und rassistischer Gewalt und Organisierung kon-
frontiert waren, waren tief verwurzelt in einer generellen
Frontstellung gegen die außerparlamentarische und par-
lamentarische Linke, die sich aus dem Antikommunismus
der in der Blockkonfrontation und der BRD sozialisierten
leitenden Beamten und der nationalsozialistischen Ver-
strickungen und Prägung der BfV-Gründergeneration und
deren Vorläuferorganisation „Organisation Gehlen“
rekuriert. In den Akten des BfV lässt sich nachlesen, wie
überrascht man dort Anfang der 1990er Jahre davon war,
dass die Neonazigenerationen der 1990er Jahre tatsächlich
einen Systemwechsel mitsamt der Ablehnung aller Insti-
tutionen des Rechtsstaats propagierten – und damit so
ganz anders waren, als die NPD-Funktionäre der alten
Bundesrepublik, mit denen sich offensichtlich gemütlich
Kaffee trinken ließ.
Als die Gefahr von Rechts nicht mehr zu leugnen war,
weil wöchentlich vor den Augen der internationalen Me-
dien Neonazis Brandsätze auf Flüchtlingsheime schleu-
derten, behalf man sich im BfV mit der
Extremismustheorie, wonach die Demokratie durch ver-
meintliche Extreme an den Rändern bedroht würde –
wobei der oben schon erwähnte Brief des damaligen BfV-
Vizepräsidenten Fritsche die Leitlinie vorgab: Eine
„Braune RAF“ durfte es in diesem Weltbild nicht geben.
Diese Sichtweise prägte im Übrigen auch die Analyse
derjenigen Beamten in Führungspositionen im LfV Thü-
7442) Ebd. S. 233.
Drucksache 17/14600 – 998 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ringen, die aus dem LfV Hessen in den 1990er Jahren
nach Thüringen wechselten.
Dieses Leitbild hat im Zusammenspiel mit der auch bei
Polizei und Justiz in Thüringen in den 1990er Jahre vor-
herrschenden Verharmlosung der extremen Rechten dazu
geführt, dass Neonazis in Thüringen in auch bei schweren
Gewaltdelikten damit rechnen konnten, strafrechtlich
nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Zudem
wurde die Öffentlichkeit systematisch über die Gefahr,
die von neonazistischen Strukturen – insbesondere dem
„Thüringer Heimatschutz“ (THS) und „Blood & Honour“
ausging – im Dunkeln gelassen.
Dieses Leitbild hat dazu geführt, dass die schon ab den
frühen 1990er Jahren bekannten Aktivitäten von Thürin-
gischen Neonazis im Zusammenhang mit Sprengstoff und
Waffen – wie Wehrsportübungen, Waffenhandel, der Bau
von Sprengsätzen, missglückte Anschläge wie 1995 in
Stadtroda auf ein Wohnheim portugiesischer Arbeitsmig-
ranten –, die engen Verbindungen von Aktivisten der
„THS“-Sektion Rudolstadt zur Organisierten Kriminalität,
zu Prostitution und Menschenhandel ebenso wie die kon-
tinuierliche Einschüchterung und Bedrohung politischer
Gegner – wie junge AntifaschistInnen, GewerkschafterIn-
nen und Abgeordnete der Linken – durch das LfV Thü-
ringen sowie durch das Thüringer Innenministerium sys-
tematisch verharmlost wurden. Mit der Konsequenz, dass
diese Neonazi-Strukturen auch in der polizeilichen Praxis
nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt wurden.
Charakteristisch für diese Haltung ist sicherlich die Ant-
wort des leitenden LKA-Zielfahnders Wunderlich auf die
Frage, ob und wie der Zielfahndung der Fund von 1,4 kg
TNT in der von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe genutz-
ten Garage zur Kenntnis gelangt war. Wunderlich antwor-
tete darauf hin:
„Doch, davon hatten wir Kenntnis. Es ist aber ja
auch bekannt, dass viele Jugendliche so was mal
als Silvesterscherz bauen oder eine Telefonzelle
damit aufsprengen oder einen Geldautomaten.“7443
c) Die Operation „Rennsteig“
Ab Mitte der 1990er Jahre hatten der MAD, das BfV und
das LfV Thüringen – zeitweise in Kooperation mit dem
LfV Bayern wegen der engen Verbindung zwischen der
thüringischen und der bayerischen Neonaziszene eine
gemeinsame Operation „Rennsteig“ begonnen, deren Ziel
es nach Einschätzung der Fraktion DIE LINKE war, in
allen Sektionen des Thüringer Heimatschutzes mindestens
zwei Quellen – sowohl Frauen als auch Männer mit unter-
schiedlichen Positionen und Rollen im „THS“ – zu rekru-
tieren. Im „THS“ waren zu diesem Zeitpunkt nahezu
zweihundert Neonazis aktiv. Der „THS“ verfügte über ein
weitaus größeres Mobilisierungspotenzial, beteiligte sich
regelmäßig an allen Groß-Events der bundesweiten und
internationalen Neonaziszene – wie beispielsweise den
jährlichen Rudolf-Hess-Gedenkmärschen, den Aufmär-
7443) Wunderlich, Protokoll-Nr.51, S.53
schen zum 1. Mai und den Protesten gegen die Ausstel-
lung „Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ des
Hamburger Instituts für Sozialforschung. Auf der Grund-
lage dieser Quellenmeldungen sowie aufgrund des regel-
mäßigen „Abschöpfens“ von Informationen bei Staatsan-
waltschaften und Polizei verfügten MAD, LfV Thüringen
und BfV über genaue Einblicke in die zunehmende Radi-
kalisierung, Bewaffnung, Sprengstoff- und Gewaltdelikte
der thüringischen Neonaziszene und deren Planungen,
insbesondere des „THS“ und der thüringischen Sektion
von „B&H“. Im Rahmen der Operation „Rennsteig“ führ-
ten die beteiligten Nachrichtendienste mehrere Quellen
mit direkten Kontakten zum mutmaßlichen NSU-Kerntrio
vor dessen Abtauchen im Januar 1998, sowie zu Ralf W.
und Carsten S., die derzeit vor dem OLG München u. a.
wegen Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terro-
ristischen Vereinigung angeklagt sind.
Als am 26. Januar 1998 in der Garage Nr. 5 in Jena ca.
1,4 kg TNT und mehrere Rohrbomben beschlagnahmt
worden waren und Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und
Beate Zschäpe sich der Festnahme entzogen hatten, ver-
fügten das BfV und das LfV Thüringen über vielfältige
Informationen über die drei Gesuchten und deren politi-
sche Freundeskreise – die „Kameradschaft Jena“, den
„Thüringer Heimatschutz“, Aktivisten und Aktivistinnen
von „Blood & Honour“ und militanten Neonazikamerad-
schaften in Thüringen, Chemnitz und Limbach-
Oberfrohna, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern.
Auch nach dem Abtauchen des mutmaßlichen NSU-
Kerntrios erhielten BfV, LfV Thüringen und MAD immer
wieder Hinweise darauf, dass Aktivisten des „THS“ und
des „Blood & Honour“-Netzwerks Kontakt zu den Ge-
suchten hatten. Beispielhaft sei hier an eine Meldung des
MAD von Ende Oktober 2000 erinnert, wonach der
„THS“ mit einer „Internet-Kampagne“ einem befürchte-
ten Verbot entgegen zu wirken versuchte. Darin enthalten
waren auch Hinweise auf das Trio. Diese Kampagne sei
vom „THS“ als Reaktion auf das „B&H“-Verbot erson-
nen worden, um auf Umwegen etwaige polizeiliche Maß-
nahmen gegen den „THS“ abzuwehren. Eingebunden in
diese Kampagne, so der MAD-Bericht, seien u. a. Ralf
Wohlleben sowie die drei Jenaer Bombenbastler.
7444
Wei-
tere Meldungen zur Situation des mutmaßlichen NSU-
Kerntrios entstanden beispielsweise am Rand von „Blood
& Honour“-Konzerten und ließen ebenfalls deutlich er-
kennen, dass einschlägige Aktivisten Kontakt zu den
Dreien hatten.
7445
7444) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 455.
7445) Vgl. Schäfer, Wache, Meiborg, Mai 2012: „Gutachten zum
Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften
bei der Verfolgung des ‚Zwickauer Trios‘“, S. 158; ebd.,
S. 196,
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/veranstaltung
en/120515_schaefer_gutachten.pdf.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 999 – Drucksache 17/14600
d) Die V-Leute als zentrales Problem im NSU-
Komplex
Die Fraktion DIE LINKE ist nach der Beweisaufnahme
des Untersuchungsausschusses davon überzeugt, dass der
Einsatz von so genannten V-Leuten der Geheimdienste
eine der zentralen Ursachen für das komplette Versagen
dieser Behörden im Kontext des NSU-Komplexes dar-
stellt. In keinem einzigen Fall der vom 2. PUA untersuch-
ten Einsätze von V-Leuten war der Nutzen durch ihren
Einsatz in der Neonaziszene größer als der Schaden, den
sie verursacht haben.
Die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Meldun-
gen der V-Leute der Landesämter und des Bundesamtes
für Verfassungsschutz haben weder dazu geführt, dass die
Behörden auf die Radikalisierung von Uwe Mundlos, Uwe
Böhnhardt und Beate Zschäpe sowie deren Untertauchen
adäquat reagiert hätten, noch haben sie die Morde an
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman
Taşköprü, Habil Kılıç, Yunus Turgut, İsmail Yaşar, Theo-
dorus Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und
Michèle Kiesewetter sowie die dem NSU zugerechneten
Sprengstoffanschläge in Köln und die Überfallserie ver-
hindert.
Der Generalbundesanwalt führt derzeit eine Liste mit
rund 400 Personen, die im weitesten Sinne zum NSU-
Umfeld gezählt werden. Darunter befinden sich zahlrei-
che Neonazis, die als V-Leute verschiedener Verfas-
sungsschutzbehörden oder als Vertrauenspersonen der
Polizeibehörden tätig waren. Ein besonderes Augenmerk
muss dabei nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE auf
den bislang bekannten fünf Personen liegen, die zu unter-
schiedlichen Zeiträumen als V-Leute für das BfV, das
LfV Thüringen, das LfV Bayern und das LKA Berlin tätig
waren und deren Namen, Adressen und Telefonnummern
sich auf einer Uwe Mundlos zugerechneten Adressliste
befanden, die am 26. Januar 1998 vom LKA Thüringen
gefunden wurde. Trotz der Existenz und der Tätigkeit
dieser V-Leute wurde die dem NSU zugerechnete Mord-,
Anschlags- und Raubserie nicht verhindert.
Stattdessen ist nach Überzeugung der Fraktion DIE
LINKE durch die Beweisaufnahme des Untersuchungs-
ausschusses hinreichend belegt worden, dass die Mehr-
zahl der V-Leute genau diejenigen neonazistischen Struk-
turen entscheidend mit aufgebaut und beeinflusst haben,
deren Aktivitäten die Geheimdienste eigentlich beobach-
ten sollten. Dass es sich hierbei um ein dem V-Leute-
System immanentes Problem handelt – das zudem keines-
falls auf den NSU-Komplex beschränkt ist – macht schon
ein BKA-Positionspapier aus dem Jahr 1997 deutlich. Das
BKA kritisiert hier anhand von zehn Thesen und Beispie-
len, wie neonazistische V-Leute des BfV bundesweite
Neonazistrukturen wesentlich mit aufgebaut hätten, wie
das BfV eine effektive Strafverfolgung unterminiert,
verhindert und letztendlich den kontinuierlichen Zuwachs
der Neonaziszene in Kauf genommen habe, um die V-
Leute zu schützen.
7446
Es ist nicht erkennbar, dass sich an
7446) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 220 ff.
diesem Zustand irgendetwas geändert hätte. Vielmehr
setzt sich diese Kritik des BKA am BfV und der
Länderpolizeien an den LfVs auch in den 2000er Jahren
fort, als es beispielsweise um Exekutivmaßnahmen gegen
das trotz Verbot durch den Bundesinnenminister weiter-
hin aktive Netzwerk von „Blood & Honour“ ging, von
denen die LfVs und das BfV im Vorfeld nichts erfahren
sollten, um die Maßnahmen nicht zu gefährden. Ein wei-
teres Beispiel sind die Aktivitäten eines V-Mannes des
Thüringer LfV, der als NPD-Funktionär in Thüringen
maßgeblich an der Unterwanderung von Vereinen, Ge-
werkschaften und Parteien, aber auch an der Bespitzelung
von gewählten Mandatsträgern im Thüringer Landtag
beteiligt gewesen sein soll und der nun Gegenstand des
Untersuchungsausschusses 5/2 im Thüringer Landtag ist.
aa) Das V-Leute System im LfV Thüringen vor,
während und nach dem Abtauchen des
mutmaßlichen NSU-Kerntrios
Ab Mitte der 1990er Jahre verfügte das LfV Thüringen
nach heutigem Stand über die nachfolgenden V-Leute
sowie Gewährspersonen im unmittelbaren Umfeld von
Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe:
– VM Otto/VM 2045, Anführer des „Thüringer Hei-
matschutzes“, der vor und nach dem Untertauchen
des mutmaßlichen NSU-Kerntrios knapp drei Dut-
zend Hinweise auf deren Verbleib sowie deren
Unterstützerinnen und Unterstützer gab und dessen
Quellenmeldungen dem Ausschuss umfangreich
vorgelegt wurden.
7447
– VM Hagel/VM 2100, leitete die thüringische Sektion
von „Blood & Honour“ und war Kassenwart der
Deutschland-Division von „Blood & Honour“. Er
sorgte u. a. dafür, dass Uwe Böhnhardt vor Januar
1998 durch dem selben Rechtsanwalt verteidigt wur-
de, der auch die Klage gegen das Verbot von „Blood
& Honour“ einreichte. Obwohl VM 2100 laut Me-
dienberichten ebenso wie Tino Brandt vom LfV
Thüringen als Top-Quelle angesehen und bezahlt
wurde, sind von ihm im Rahmen der Untersuchun-
gen des Ausschusses weniger als eine Handvoll
Quellenmeldungen vorgelegt worden. Davon bezie-
hen sich lediglich zwei aus dem Jahr 1999 auf das
abgetauchte Trio.
7448
Dem 2. PUA ist es nicht gelun-
gen, festzustellen, wer dafür verantwortlich war bzw.
ist, dass die Quellenmeldungen von VM 2100 nicht
mehr auffindbar sind.
7449
– Alex: Diese Gewährsperson wurde schon vor dem
Untertauchen des mutmaßlichen NSU-Kerntrios ge-
worben und bewegte sich im „Thüringer Heimat-
schutz“ und in der „Kameradschaft Jena“ in unmit-
7447) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S 261 ff.
7448) Vgl. Schäfer, Wache, Meiborg, Mai 2012: „Gutachten zum
Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften
bei der Verfolgung des ‚Zwickauer Trios‘, S. 185, Rd.-Nr. 312.
7449) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 272.
Drucksache 17/14600 – 1000 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
telbarer Nähe von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe
sowie von Ralf Wohlleben.
7450
– Eine Gewährsperson aus dem Umfeld von Ralf
Wohlleben.
7451
– Tristan: Diese Gewährsperson wurde im unmittelba-
ren Umfeld der Jenaer Sektion des „Thüringer Hei-
matschutzes“ geführt. Tristan verfügte offenkundig
über genaue Informationen zur Rolle von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe und unterhielt enge Kontakte
zu Ralf Wohlleben.
7452
Angesichts der fünf hier genannten Quellen und Ge-
währspersonen sowie weiteren, u. a. im Rahmen der Ope-
ration „Rennsteig“ geführten Quellen des LfV, BfV und
MAD, entsteht der Eindruck, dass das mutmaßliche NSU-
Kerntrio sowie das Unterstützerinnen- und Unterstützer-
netzwerk, auf das sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe
in der Phase vom 26. Januar 1998 bis zum mutmaßlichen
Zeitpunkt des Umzugs nach Zwickau stützten, quasi von
einem Ring von V-Personen und Gewährspersonen um-
geben war.
Abweichend von den gemeinsamen Bewertungen der
Obleute des Untersuchungsausschusses hält die Fraktion
DIE LINKE es für nicht hinreichend geklärt, welche be-
sondere Verantwortung die V-Mann Führung des LfV
Thüringen und deren unmittelbaren Vorgesetzten, insbe-
sondere des damaligen LfV-Vizepräsidenten, bei der
Fehlern des LfV Thüringen im Kontext der Suche nach
dem Trio zukommt. Dies gilt insbesondere vor dem Hin-
tergrund, dass dem Untersuchungsausschuss die Fakten-
grundlage zur Bewertung der Bedeutung und Führung zu
Alex im Kontext der Suche nach dem Trio erst nach der
Zeugenvernehmung von dessen Quellen-Führer bekannt
gemacht wurde. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass
nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE unvollständige
und teilweise widersprüchliche Antworten zur Quellen-
führung und zu Quellenberichten bei der Befragung von
Zeugen, die im LfV Thüringen für die V-Personenführung
und -werbung verantwortlich waren, durch den Ausschuss
nicht ausgeräumt werden konnten. Hier obliegt dem
Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags eine
besondere Verantwortung. Auch die detaillierte Bewer-
tung des offensichtlichen Behördenversagens des LfV
Thüringen bei der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe und der Frage nach der fehlenden Kontrolle des
LfV Thüringen durch das MI Thüringen sowie der politi-
schen Verantwortung des Thüringer Innenministeriums
für dieses Behördenversagen obliegt dem Untersuchungs-
ausschuss des Thüringer Landtags.
Zudem muss hier nochmals betont werden, dass mit VM
2045 und VM 2100 zwei Neonazis durch das LfV Thü-
ringen als Quellen geführt wurden, die zentrale Führungs-
funktionen im „THS“ bzw. bei „Blood & Honour“ inne-
7450) Vgl. ebd., S. 450.
7451) Vgl. ebd., S. 402.
7452) Vgl. ebd., S. 274.
hatten und schon deshalb niemals als Quellen hätten ge-
worben werden dürfen.
Eine abschließende Bewertung des Informationsverhal-
tens der Quellen VM 2045 und VM 2100 sowie der Ge-
währspersonen erscheint anhand der vorliegenden Quel-
lenmeldungen – bzw. des Fehlens derselben – derzeit
nicht möglich. D. h., die Frage, ob Quellen ihre V-
Personen-Führer im Kontext der Suche nach dem mut-
maßlichen NSU-Kerntrio belogen bzw. sie durch Nicht-
Weitergabe, Auslassung und Verschweigen von Informa-
tionen vorsätzlich im Unklaren gelassen haben, kann zum
jetzigen Zeitpunkt nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE
nicht adäquat beurteilt werden. Dies gilt auch für eine
abschließende Bewertung des Verhaltens der V-Personen-
Führung und der Behördenleitung im LfV Thüringen.
Zudem obliegt es auch dem Untersuchungsausschuss im
Thüringer Landtag zu klären, welche besondere Rolle
einem V-Mann des LfV Bayern und weiteren V-Personen
anderer Landesämter sowie des BfV zukommt, die aus-
weislich der Fachliteratur und Aktenlage wesentlichen
Anteil daran hatten, in Thüringen in den 1990er Jahren
neonazistische Kameradschaften aufzubauen, zu festigen
und zu vernetzen.
bb) V-Personen des BfV im Kontext der Suche
nach dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio
Ergänzend zu der gemeinsamen Bewertung der Obleute
ist die Fraktion DIE LINKE der Ansicht, dass die Frage,
wie weitreichend die Kontakte zwischen den BfV-Quellen
Q1 und Q3 mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sowie
den Angeklagten vor dem OLG München und weiteren
mutmaßlichen NSU-Unterstützerinnen und Unterstützern
waren, derzeit nicht abschließend bewertet werden kann.
Zunächst muss auch hier festgehalten werden, dass die
vom Untersuchungsausschuss näher untersuchten V-Leute
des BfV – Q1, Q2 und Q3 – beispielhaft für die Gefahren
stehen, die vom V-Leute-System ausgehen: Sie haben
entscheidend dazu beigetragen, eben jene neonazistischen
Strukturen aufzubauen und zu festigen, deren Aktivitäten
zum Schutz der Demokratie das BfV vorgeblich beobach-
ten sollte, um dann vor diesen Gefahren zu warnen. Dies
gilt für internationale Neonazinetzwerke ebenso wie für
das boomende Geschäft des RechtsRocks – den unabhän-
gige ExpertInnen zu Recht als „Begleitmusik zu Mord
und Totschlag“ bezeichnen und in dem die Produktion
und der Vertrieb zahlreicher indizierter Neonazi-CDs
ohne V-Leute nicht möglich gewesen wäre – sowie für
den Auf- und Ausbau neonazistischer Kommunikations-
systeme.
7453
Der Untersuchungsausschuss hat zudem einen, wenn auch
sehr eingeschränkten Einblick in die Tatsache bekommen,
dass es sich bei Q1, Q2 und Q3 nicht um die einzigen V-
Leute des BfV im Untersuchungszeitraum handelte, die
strategische Funktionen und Führungspositionen inner-
7453) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 276.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1001 – Drucksache 17/14600
halb der Neonazibewegung in Ost- und Westdeutschland
inne hatten.
cc) Ein V-Mann des LfV Bayern
Der bayerische Untersuchungsausschuss hat im Sonder-
votum der Fraktionen der SPD und Grünen zu einem V-
Mann des LfV Bayern festgestellt, der im Untersuchungs-
zeitraum über enge Kontakte zum THS verfügte und
durch zahlreiche Aktivitäten in Thüringen auffiel:
„Eine mehr als unrühmliche Rolle spielte ein V-
Mann des BayLfV, der die bundesweite Vernet-
zung der rechten Szene in den 1990er Jahren über
das Thule-Netz mit vorangetrieben hat. Mittels
dieses Mailbox-Verbundsystems, einer Art Inter-
net-Vorläufer, kommunizierten Rechtsextremisten
elektronisch und koordinierten so ihre Hass-
Aktionen. Zum Beispiel wurden Namen von politi-
schen Gegnern veröffentlicht, mit der Aufforde-
rung gegen diese vorzugehen. Der V-Mann hatte,
mit Wissen und Wollen des Verfassungsschutzes,
einen maßgeblichen Anteil an Betrieb und Aufbau
des Thule-Netzes und erhielt nicht nur Geld für die
Informationen, die er lieferte, sondern auch zur
Anschaffung und für den Betrieb der technischen
Einrichtungen. Obwohl das BayLfV dadurch Zu-
gang zu einer Fülle an Informationen bekommen
hat, ist nicht erkennbar geworden, wie diese In-
formationen zur Bekämpfung des Rechtsextre-
mismus verwendet worden sind.“7454
Ergänzend muss hier nach Ansicht der Fraktion DIE
LINKE hinzugefügt werden, dass die Frage nicht beant-
wortet ist, inwieweit die Thule-Mailbox von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe sowie von mutmaßlichen NSU-
Unterstützern als Kommunikationsweg genutzt wurde und
ob und wann es direkte Kontakte zwischen dem V-Mann
des LfV Bayern und dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio
gegeben hat.
dd) Der V-Mann „Piatto“ des LfV Brandenburg
Ergänzend zu der gemeinsamen Bewertung der Obleute
zu V-Mann Piatto des LfV Brandenburg müssen nach
Ansicht der Fraktion DIE LINKE zwei weitere Aspekte
der Aktivitäten des V-Manns Piatto im Untersuchungs-
zeitraum besonders beachtet werden: Piatto fiel auch
durch Kontakte in das internationale Neonazinetzwerk
von „Blood & Honour“ auf – wie beispielsweise zu Neo-
nazis aus Schweden. Zudem war er über mehrere Jahre
für die Herausgabe des Neonazifanzines „United Skins“
verantwortlich, das „Blood & Honour“-nahe Bands sowie
deren CDs und Inhalte propagierte.
Mithin hat hier eine V-Person des LfV Brandenburg er-
heblich zum Auf- und Ausbau der Strukturen von „Blood
& Honour“ beigetragen – eben jenem Netzwerk, aus dem
7454) Abschlussbericht des „Untersuchungsausschuss Rechtsterro-
rismus in Bayern – NSU“,S. 141 ff., Drs. 16/17740, S. 156.
sich viele der mutmaßlichen Unterstützerinnen und Unter-
stützer des NSU-Kerntrios rekrutierten und das wegen
seiner Gefährlichkeit im September 2000 vom damaligen
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verboten wurde.
Im Kontext des Ausschusses ungeklärt blieb die Frage,
inwieweit Piatto als klassischer Agent Provocateur den
Aufbau der so genannten „Nationalrevolutionären Zellen“
(NRZ) in Berlin-Brandenburg, die u. a. Anschläge auf
politische Gegner planten, den Aufbau der rechtsterroris-
tischen Strukturen, die dann von den Strafverfolgern
bekämpft wurden, mit vorangetrieben hat.
Die Tatsache, dass das Innenministerium Brandenburg
dem nigerianischen Lehrer und Asylsuchenden Steve
Erenhi, dem Opfer des von LfV Brandenburg geführten
V-Mannes Piatto, nach dessen Enttarnung eine Entschä-
digung in Höhe von knapp 46 000 DM gezahlt hat, kann
als Anerkenntnis dafür gewertet werden, dass Nachrich-
tendienste für das Verhalten ihrer V-Leute oder Gewährs-
personen einzustehen haben.
Das Innenministerium Brandenburg übernahm mit dieser
Zahlung den Ausgleich des (restlichen) zivilrechtlichen
Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruches, zu dem
das Landgericht Frankfurt (Oder) Carsten Sz. u. a. am
20. Oktober 1995 gesamtschuldnerisch verurteilt hatte
sowie von Kosten- und Zinsforderungen gegen ihn. Cars-
ten Sz. hatte jahrelang keine Zahlungen erbracht, obwohl
sein Eigengeld bereits seit dem 21. August 1996 gericht-
lich gepfändet worden war, und er in dieser Zeit erhebli-
che Zahlungen des Landes Brandenburg erhalten hatte.
Der Rechtsanwalt von Steve E. erwirkte beim Amtsgericht
Königs Wusterhausen nach Bekanntwerden der V-Mann-
Tätigkeit von Carsten Sz. einen Pfändungs- und Überwei-
sungsbeschluss gegen das Innenministerium Branden-
burg. Nach einem Streit um die Frage, ob Carsten Sz.
gegen das Land Brandenburg Ansprüche oder Geldforde-
rungen aus der Tätigkeit für das Landesamt für Verfas-
sungsschutz habe, erklärte sich das Innenministerium im
Oktober 2000 dann zahlungsbereit – nachdem umfangrei-
che Zahlungen des Landes Brandenburg an Carsten Sz.
nicht mehr zu bestreiten waren.
7455
ee) VP 562 des LKA Berlin
Ergänzend zu den gemeinsamen Bewertungen der Obleu-
te
7456
und den zahlreichen Fehlern bei der Führung der
Quelle, der Auswertung ihrer Mitteilungen zum mutmaß-
lichen NSU-Kerntrio und deren Nichtweitergabe, ist die
Fraktion DIE LINKE der Ansicht, dass der Fall der VP
562 zwingend auf das Fehlen eines geeigneten internen
Controllings bei der Führung von VPs bei den Polizeien
verweist – neben der Tatsache, dass es hier keinerlei par-
lamentarische Kontrolle gibt. Dies muss sich nach Auf-
fassung der Fraktion DIE LINKE dringend ändern.
7455) Vgl. „Der Führer der Meute“ in: Der Spiegel 28/2000 vom 10.
Juli 2000, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-16860762.html
7456) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 299.
Drucksache 17/14600 – 1002 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ff) Quellenschutz behinderte die polizeiliche
Fahndung erheblich
Ergänzend zu den gemeinsamen Bewertungen des Unter-
suchungsausschusses hat nach Ansicht der Fraktion DIE
LINKE der Quellenschutz die polizeiliche Fahndung nach
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in gravierendem Um-
fang behindert: Quellenmeldungen wie beispielsweise die
von VM 2100, dass Beate Zschäpe eine Liaison mit Tho-
mas Starke gehabt hatte – und die somit für die Zielfahn-
dung bei der Befragung von Starke im Februar 1999 von
erheblicher Bedeutung gewesen wäre, weil sie auf dessen
Nähe zu den drei Untergetauchten verwies – erreichten
die Zielfahndung gar nicht. Bei weiteren Quellenmeldun-
gen des LfV Thüringen ist strittig, ob die Zielfahndung
des LKA davon Kenntnis erhielt.
e) Exkurs: Polizisten mit einer Nähe zu Neo-
nazis
Als ein weiteres Ergebnis der Beweisaufnahme und der
dem 2. PUA vorliegenden Akten stellt die Fraktion DIE
LINKE fest, dass immer dort, wo vor Ort eine große, gut
organisierte Neonaziszene anzutreffen ist, die zudem im
sozialen Gefüge ländlicher und kleinstädtischer Regionen
gut verankert und eingebunden ist – sei es durch Mit-
gliedschaft in Freiwilligen Feuerwehren, Heimat- und
Sportvereinen oder Fitnessstudios, Diskotheken etc. – die
Gefahr wächst, dass es einzelne Polizisten gibt, die im
sozialen bzw. familiären Umfeld und/oder aus politischer
Übereinstimmung, ihnen bekannte Aktivisten und Akti-
vistinnen neonazistischer Kameradschaften über polizeili-
che Ermittlungen informieren und beispielsweise vor
Hausdurchsuchungen warnen. In den Akten, die dem
2. PUA vorgelegt wurden, fanden sich hierfür u. a. Bei-
spiele aus Baden-Württemberg, Brandenburg und Thürin-
gen.
7457
Anhand der dem Untersuchungsausschuss vorlie-
genden Materialien muss davon ausgegangen werden,
dass dieses Problem auch in anderen Bundesländern exis-
tierte.
Diesem Problem trug beispielsweise auch das LKA Sach-
sen bei Exekutivmaßnahmen gegen die „Skinheads Säch-
sische Schweiz“ (SSS) zur Jahrtausendwende dadurch
Rechnung, dass Polizisten aus der Region von den Exeku-
tivmaßnahmen im Vorfeld nicht informiert und an deren
Durchführung auch nicht beteiligt wurden.
7458
Im Fall von Polizeibeamten aus Baden-Württemberg, die
um die Jahrtausendwende in den „European White
Knights of the Ku-Klux-Klan“ aktiv waren, ist nach
Überzeugung der Fraktion DIE LINKE durch die gering-
fügige Ahndung dieser Aktivitäten zudem das gefährliche
Signal innerhalb des Polizeiapparats verbreitet worden,
dass es sich letztendlich bei einer Mitgliedschaft in einer
7457) Vgl. Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA,
S. 436; ebd., S. 659.
7458) Vgl. „Die SSS: Image ist alles“ vom 11. April 2008:
http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/die-sss-image-ist-alles.
rassistischen und neonazistischen Organisation um eine
kaum nennenswerte Bagatelle handele.
Die Fraktion DIE LINKE empfiehlt hier dringend einen
transparenten und öffentlich nachvollziehbaren Umgang
der Dienstvorgesetzten mit Polizeibeamten, die nachweis-
bar in extrem rechten Organisationen aktiv sind oder aber
nachweisbar Informationen über Exekutivmaßnahmen an
Neonazis weitergeben. Bislang sind es oftmals Bündnisse
gegen Rechts oder Initiativen vor Ort und Medien gewe-
sen, die derartige Fälle publik gemacht haben. Um Ver-
trauen in die Polizeiarbeit wieder herzustellen und Ver-
schwörungstheorien Einhalt zu gebieten, ist hier dringend
ein transparentes Vorgehen geboten.
f) Ergänzende Feststellungen zum Versagen
des LKA Thüringen bei der Fahndung nach
dem untergetauchten Trio
Ergänzend zu den gemeinsamen Schlussfolgerungen der
Obleute des 2. PUA in Bezug auf die zahlreichen Fehler
der Zielfahndung des LKA Thüringen
7459
geht die Frakti-
on DIE LINKE von zwei weiteren erheblichen Fehlern
des LKA Thüringen aus:
aa) Unvollständige Meldung zum Rohrbom-
benfund in der Garage Nr. 5 am 26. Januar
1998 an den Tatmittelmeldedienst des BKA
– Behinderung bei der Suche nach den Tä-
tern des Sprengstoffanschlags in der
Keupstraße in Köln
Ausweislich der Asservatenaufstellung des thüringischen
LKA stellten die Polizeibeamten, die die Garage Nr. 5 in
Jena am 26. Januar 1998 durchsuchten, fest, dass eine der
drei Rohrbomben nicht alleine mit TNT gefüllt war, son-
dern auch mit Sechskant-Muttern und anderen Metalltei-
len.
7460
Die Auswerter des LKA vermerkten hierbei expli-
zit, dass mit Hilfe der Metallteile offensichtlich die
Sprengwirkung der Rohrbombe verstärkt werden sollte.
Aus Gründen, die der Untersuchungsausschuss nicht
ermitteln konnte, wurde die Tatsache, dass eine der Rohr-
bomben mit Sechskantmuttern gefüllt war, jedoch bei der
LKA-Meldung der Funde an den zentralen Tatmittelmel-
dedienst des BKA nicht weitergegeben. Mithin fehlte ein
zentrales Merkmal der Rohrbomben im Tatmittelmelde-
dienst – und stand damit als Information bei Abfragen
anderer LKÄ oder des BKA zu Sprengstoffanschlägen
wie etwa dem Bombenanschlag in der Keupstraße über-
haupt nicht zur Verfügung. Das LKA Thüringen hat mit
dem Unterlassen der Weitergabe dieser Information eine
wichtige Fahndungsoption nach den Tätern des verhee-
renden Anschlags in der Keupstraße ungenutzt gelassen.
7459) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, Kapitel
C: Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe.
7460) MAT_A_TH 1-24, S. 29.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1003 – Drucksache 17/14600
bb) Erste Hinweise auf Zwickau als möglichen
Aufenthaltsort der untergetauchten
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ignoriert
Am 27. Mai 1999 wurde Jürgen H. von Zielfahndern des
LKA Thüringen in seinem Bundeswehreinsatzort, der
Kaserne Mellrichstadt, zum Aufenthaltsort des Trios
befragt.
7461
Hierbei bekannte H. sich nicht nur dazu, dem
Trio in der Frühphase des Abtauchens geholfen zu haben
und gab die Einschätzung, dass die drei sich auf der Stufe
von „Rechtsterrorismus“ bewegen würden und mit einem
Strafmaß von mindestens zehn Jahren rechneten. Er sagte
auch, dass er bei einer seiner Kurierfahrten auf Anwei-
sung von Ralf Wohlleben die angeforderten Dinge in
Zwickau an einen Neonazi übergab. In den Unterlagen
der Zielfahndung des LKA, die dem Untersuchungsaus-
schuss vorliegen, ist an keiner Stelle eine „Spur Zwickau“
oder überhaupt nur ein Hinweis darauf erkennbar, dass
durch diese Aussage Neonazis in Zwickau als mögliche
Unterstützerinnen oder Unterstützer des Trios in Erwä-
gung gezogen und entsprechende Maßnahmen in die
Wege geleitet wurden. Das änderte sich auch nicht, als
das LKA Sachsen eine sehr präzise Einschätzung zu po-
tenziellen Unterstützern des NSU-Kerntrios im Raum
Chemnitz und Zwickau an die Zielfahndung des LKA
Thüringen übergab.
7462
Hier wurde eine zentrale Chance für weitere Fahndungs-
optionen nach der erfolglosen Suche nach dem Trio in
Chemnitz vertan.
g) Kritikwürdiges Verhalten der Länderin-
nenminister und des BMI angesichts einer
Aktenlieferung aus Thüringen im Herbst
2012
Ausdrücklich kritisiert die Fraktion DIE LINKE schließ-
lich das Verhalten der Länderinnenminister und des BMI,
die Ende September 2012 eine Übergabe von rund 800
Aktenordnern aus dem Phänomenbereich Rechtsextre-
mismus des Thüringer Innenministeriums an den Unter-
suchungsausschuss zunächst stoppen wollten. Laut Me-
dienberichten sollen Länderinnenminister sogar erwogen
haben, die Übergabe noch durch das Anhalten der Trans-
portfahrzeuge auf der Autobahn zu verhindern. Diese
Akten, die das Thüringer Innenministerium in Erfüllung
der Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses
übersandt hatte, sind zwar letztendlich beim Untersu-
chungsausschuss angekommen. Das Vorhaben einiger
Innenminister jedoch hat den Eindruck erweckt, hier
hätten Innenministerien und ihnen nachgeordnete Behör-
den ein besonderes Interesse daran, die Zulieferung von
Akten zu verhindern und die Arbeit des Untersuchungs-
ausschusses zu behindern.
7463
7461) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 343
7462) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 350 f.
7463) „Sollte NSU-Akten Laster gestoppt werden?“ in: Thüringer
Allgemeine Zeitung vom 10. Oktober 2012;
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-
V. Rechtliche Würdigung
Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE hat die Be-
weisaufnahme eindeutig gezeigt: Bei den festgestellten
„Fehler[n] und Versäumnisse[n] von Bundesbe-
hörden, auch in ihrem Zusammenwirken mit Lan-
desbehörden, die Bildung und die Taten der Ter-
rorgruppe [...] sowie deren Unterstützernetzwerk
begünstigt oder die Aufklärung und Verfolgung
der von der Terrorgruppe begangenen Straftaten
erschwert haben“7464,
handelte es sich häufig nicht einfach nur um individuelles
Fehlverhalten, organisatorische Defizite und strukturelle
Versäumnisse. Oftmals wurde, wie im Folgenden aufge-
zeigt wird, überdies auch gegen geltendes Recht versto-
ßen.
Derartige Rechtsverstöße hat es nach Überzeugung der
Fraktion DIE LINKE nicht nur auf der Arbeitsebene der
Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder gegeben.
Auch auf der Ebene politischer Verantwortlichkeit sind
gravierende Rechtsverstöße festzustellen. Diese Rechts-
verstöße zu benennen ist Voraussetzung dafür, dass die
zur künftigen Vermeidung solcher rechtswidriger Zustän-
de nötigen, tiefgreifenden strukturellen Reformen mit der
erforderlichen politischen Entschlossenheit in Angriff
genommen werden. Mit Blick auf den Untersuchungsauf-
trag, der u. a. vorgab zu prüfen, „welche Schlussfolgerun-
gen im Blick auf den Rechtsextremismus für die Struktur
und Organisation der Sicherheits- und Ermittlungsbehör-
den des Bundes, für die Zusammenarbeit der Sicherheits-
und Ermittlungsbehörden auf Bundes- und Landesebene
und für die Gewinnung und den Austausch von Erkennt-
nissen der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des
Bundes und der Länder gezogen werden müssen“7465,
sieht die Fraktion DIE LINKE es deshalb als ihre Aufga-
be an, über die gemeinsamen Bewertungen aller Fraktio-
nen hinaus die Punkte, in denen die Beweisaufnahme
klare Hinweise oder Belege auf Rechtsverstöße ergeben
hat, klar zu benennen. Erst auf dieser Grundlage lassen
sich Schlüsse für eine Neustrukturierung der Organisati-
on, Zusammenarbeit und rechtlichen und fachlichen Kon-
trolle der Sicherheitsbehörden des Bundes und ihres
Zusammenwirkens mit denen der Länder ziehen und
entsprechende Vorschläge unterbreiten (dazu unter VI.).
1. Rechtsverstöße im NSU-Kontext bis zum
4.11.2011 auf unterschiedlichen Ebenen
Hinweise und Belege für individuelle Fehler, Versäum-
nisse und strukturelle Mängel, insbesondere Organisati-
ons- und Aufsichtsversäumnisse, im Untersuchungszeit-
raum, die gegen geltendes Recht verstießen, finden sich
sowohl auf der Arbeitsebene als auch bei der Organisation
der Arbeit der Sicherheitsbehörden durch die Leitung der
/specific/Sollte-NSU-Akten-Laster-gestoppt-werden-
717874614
7464) Untersuchungsauftrag, BT-Drs. 17/8453, Punkt B. II. 1., S. 2.
7465) Ebd., S. 3.
Drucksache 17/14600 – 1004 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
jeweiligen Häuser und bei deren Beaufsichtigung durch
übergeordenete Behörden und politisch Verantwortliche.
a) Verstoß der Verfassungsschutzbehörden
gegen gesetzliche Übermittlungspflichten
Nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE hat die
Beweisaufnahme ergeben, dass durch die Nichtübermitt-
lung von Informationen der Verfassungsschutzbehörden
des Bundes und der Länder an Staatsanwaltschaften und
Polizeien des Bundes und der Länder wiederholt gegen
die einschlägigen gesetzlichen Übermittlungsvorschriften
in den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der
Länder verstoßen wurde. So heißt es in § 19 Abs. 1 des
Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der
Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und
über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesver-
fassungsschutzgesetz – BVerfSchG):
„Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf per-
sonenbezogene Daten an inländische öffentliche
Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner
Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die
Daten zum Schutz der freiheitlichen demokrati-
schen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öf-
fentlichen Sicherheit benötigt.“
Vor dem Hintergrund der Strafbarkeit einer Nichtanzeige
geplanter Straftaten folgt daraus eine Pflicht, solche In-
formationen unverzüglich an die Ermittlungsbehörden
weiterzuleiten, deren Nichtweitergabe den Anfangsver-
dacht einer Nichtanzeige geplanter Straftaten begründete.
Das den Verfassungsschutzbehörden eingeräumte Ermes-
sen („kann“) ist in solchen Fällen „auf Null“ reduziert,
d. h., eine Nichtweitergabe derartiger Informationen ver-
stößt ohne wenn und aber gegen diese Bestimmung.
Gleichwohl erfolgte die zwingend gebotene Weitergabe
mehrfach nicht. Dadurch wurden Leib und Leben nicht
nur der später Ermordeten sondern auch derjenigen, die in
den mutmaßlich von den Mitgliedern des NSU überfalle-
nen Banken und Supermärkten gearbeitet haben bzw. sich
aufhielten, und derjenigen Polizeibeamten, die im Rah-
men einer Zielfahndung versucht haben, die Flüchtigen
ausfindig zu machen und festzunehmen, gefährdet.
7466
So wurde die zentrale Quellenmeldung der VP des LfV
Brandenburg Piatto, in der von Plänen des NSU-
Kerntrios, sich Waffen zu besorgen, einen „weiteren
Überfall“ zu begehen und sich dann ins Ausland abzuset-
zen, die Rede war, den ermittelnden Polizisten nach deren
Aussagen niemals bekannt gegeben. Die Aussagen der
Verantwortlichen vom LfV und LKA in Thüringen (TLfV
und TLKA) dazu sind widersprüchlich. Während die
Zeugen Nocken und Schrader vom TLfV behaupten, den
damaligen TLKA-Präsidenten Luthardt mündlich infor-
miert zu haben, bestreitet dieser, ein solches Gespräch mit
Vertretern des TLfV geführt zu haben. Da die Weitergabe
dieser zentralen Information nicht schriftlich dokumen-
tiert ist, lässt sich der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen
7466) Vgl. Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 21 ff.
zwar nicht abschließend überprüfen. Das Beispiel illus-
triert aber die Konsequenzen eines verabsolutierten Quel-
lenschutzes und verdeutlicht die Notwendigkeit der Ver-
schriftlichung der Informationsweitergabe.
7467
b) Strukturelle Verfassungswidrigkeit des
Einsatzes von Vertrauenspersonen
Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE hat die rechtswid-
rig unterlassene Weitergabe von Informationen, die die
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder
von Vertrauens- und Gewährspersonen erhalten hatten,
strukturelle Ursachen, die in diesem Instrument heimli-
cher Informationsbeschaffung als solchem zu suchen sind:
Der Einsatz von Vertrauenspersonen (und Gewährsperso-
nen) ist unvermeidlich mit einer Vertraulichkeitszusage
verbunden, die als sogenannter Quellenschutz einer wirk-
samen Verbrechensverhinderung und -aufklärung
zwangsläufig im Wege stehen muss. Der Einsatz von
Vertrauens- und Gewährspersonen muss damit sachnot-
wendig mit dem elementaren rechtsstaatlichen Grundsatz
der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kollidieren: Zur
Rechtfertigung für die unterbliebene Weitergabe von
Hinweisen auf bevorstehende Straftaten haben Zeugen
aus dem Bereich des Verfassungsschutzes, die in der
Beweisaufnahme befragt worden sind, immer wieder den
sogenannte Quellenschutz geltend gemacht. Als gesetzli-
che Grundlage wurde § 15 Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG ange-
führt, der eigentlich ausschließlich die Erteilung von
Auskünften an Betroffene regeln soll. Danach unterbleibt
„die Auskunftserteilung, soweit [...] 2. durch die
Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein kön-
nen“.
Der Schutz einer Quelle, die sich bei Nichtweitergabe der
betreffenden Informationen ihrerseits nach § 138 StGB
wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten strafbar gemacht
hätte, vermag indes nicht zu rechtfertigen, dass eine Ver-
fassungsschutzbehörde, die diese Quelle als Vertrauens-
oder Gewährsperson führt, eine derartige Information im
Interesse des Quellenschutzes zurückhält. Vielmehr ma-
chen sich die Beschäftigten der Verfassungsschutzbehör-
de, die die betreffende Quelle führen, selbst strafbar,
wenn sie solche Informationen nicht unverzüglich an die
Ermittlungsbehörden weiterleiten – wie etwa im Falle der
Information des Brandenburger V-Manns Piatto bei der
Nichtweitergabe der Information, dass das untergetauchte
Trio sich Waffen beschaffe, um einen weiteren Überfall
zu begehen, geschehen. Lediglich wegen der inzwischen
eingetretenen Verjährung konnte es im Fall des NSU zu
keiner strafrechtlichen Verfolgung dieser Verstöße mehr
kommen.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme des Untersuchungs-
ausschusses zeigt ferner auch: der Einsatz von Vertrau-
ens- und Gewährspersonen geht sachnotwendig mit der
ständigen abstrakten Gefahr einer Kumpanei zwischen
7467) Vgl. Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 109, sowie Nocken, Proto-
koll-Nr. 53, S. 3 f., Schrader ebd., S. 124 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1005 – Drucksache 17/14600
kriminellen Vertrauens- und Gewährspersonen und den
Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden einher. Um
sich vor Ermittlungen wegen Nichtanzeige geplanter
Straftaten bzw. wegen strafbarer Beteiligung an den Straf-
taten von V-Leuten und Gewährspersonen zu schützen,
besteht für V-Personenführer ein ständiger Anreiz, die
von ihnen geführten menschlichen Quellen vor Ermitt-
lungsmaßnahmen zu warnen.
7468
So klagt das BKA einem Positionspapier aus dem Jahr
1997 über die massive Behinderung exekutiver Maßnah-
men gegen die Neonaziszene seitens der Verfassungs-
schutzämter durch deren Umgang mit V-Leuten. V-Leute
würden Aktivitäten der rechten Szene erst anheizen, es
käme immer wieder zu Hinweisen an VPs auf geplante
exekutive Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, die
daraufhin ins Leere liefen und die Aktivitäten der Szene
würden durch die finanzielle Unterstützung der VPs durch
die Verfassungsschutzämter befördert.
7469
Der Untersuchungsausschuss hat zahlreiche Beispiele von
Straffreiheit für V-Leute auch bei schweren Tatvorwürfen
gefunden. Dies gilt u. a. für ein Ermittlungsverfahren
gegen mehr als ein Dutzend Aktivisten des Thüringer
Heimatschutzes nach §129 StGB, das im Jahr 1995 von
der Staatsanwaltschaft Gera eingeleitet wurde und sich
u. a. gegen den V-Mann Tino Brandt sowie einen weite-
ren V-Mann eines anderen LfV richtete. Es wurde nach
zwei Jahren aufwändiger Ermittlungen „mangels hinrei-
chenden Tatverdachts“ nach § 170 Abs. 2 StPO einge-
stellt, obwohl gegen die Beschuldigten im Ermittlungs-
zeitraum zahlreiche weitere einschlägige Ermittlungsver-
fahren liefen. Auch ein Ermittlungsverfahren nach §129a
StGB, das der Generalbundesanwalt gegen die mutmaßli-
chen Betreiber des neonazistischen Thule-Mailbox-
Systems führte, wurde schlussendlich nach §170 Abs. 2
StPO eingestellt.
Können Quellen aus der beobachteten Szene aber nicht
ohne die ständige, zumindest abstrakte Gefahr geführt
werden, dass sich ihre Vertrauens- und Gewährsperson-
Führer selbst strafbar machen, indem sie strafrelevante
Informationen nicht weitergeben oder die von ihnen ge-
führten Quellen vor Strafverfolgungsmaßnahmen warnen,
so darf die Konsequenz daraus nicht etwa sein, durch
entsprechende Gesetzesänderungen Straffreiheit für die
Quelle und die Quellenführer herbeizuführen. Entspre-
chende Vorschläge des Leiters der Fachprüfgruppe des
BfV Gabaldo zeugen von einem höchst fragwürdigen
Rechtsstaatsverständnis, das indes durchaus repräsentativ
sein dürfte für das BfV. Logische Konsequenz aus dem
Dilemma, in das der Einsatz von V-Leuten und Gewährs-
personen zwangsläufig führt, kann vielmehr nur sein, auf
den Einsatz dieses Instrumentes heimlicher Informations-
beschaffung unverzüglich und ersatzlos zu verzichten. In
der Aufgabenerfüllung einer verfassungstreuen Verwal-
tung ist nach unserer Überzeugung unter dem Grundge-
setz für den Einsatz von Vertrauens- und Gewährsperso-
7468) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68.
7469) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 220.
nen keinerlei Platz. Demgemäß fordert die Fraktion DIE
LINKE eine unverzügliche und vollständige Abschaltung
aller V-Leute und Gewährspersonen der Verfassungs-
schutzes sowie der Staatsschutzabteilungen der Polizeien
des Bundes und der Länder und ein gesetzliches Verbot
ihres Einsatzes.
c) Sorgfaltswidrige Führung, Anweisung und
Überwachung von V-Leuten sowie Zure-
chenbarkeit ihres Wissensaufkommens
und Verhaltens zum Verfassungsschutz
Strukturell angelegt in diesem Instrument heimlicher
Informationsgewinnung als solcher ist nach Ansicht der
Fraktion DIE LINKE indes nicht nur die ständige, zumin-
dest abstrakte Gefahr, dass der Verfassungsschutz Infor-
mationen, die er von seinen Vertrauenspersonen und
Gewährspersonen erhalten hat, nicht an die Ermittlungs-
behörden weitergibt. Es ist überdies davon auszugehen,
dass auch Wissen, welches Vertrauens- und Gewährsper-
sonen bei der Erfüllung ihres Auftrages erlangen, aber
nicht an die Verfassungsschutzbehörden, für die sie tätig
sind, weitergeben, ebenso wie ihr Verhalten bei der Erfül-
lung ihres Auftrages rechtlich als Wissen und Verhalten
staatlicher Stellen der Bundesrepublik anzusehen ist.
7470
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder
müssen sich das gesamte Verhalten ihrer Vertrauens- und
Gewährspersonen im Rahmen der Erfüllung ihres Dienst-
auftrages und das daraus erlangte Wissen als eigenes
zurechnen lassen. Davon betroffen ist nicht nur rechtmä-
ßiges Verhalten von V-Leuten und dadurch erlangtes
Wissen. Nach den durch Art. 34 des Grundgesetzes im
Verfassungsrang stehenden Grundsätzen der Amtshaftung
gilt dies vielmehr auch, wenn „jemand in Ausübung eines
ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Drit-
ten gegenüber obliegende Amtspflicht“ verletzt. Auch
dann trifft nach Art. 34 Satz 1 GG „die Verantwortlichkeit
grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren
Dienst er steht.“ Lässt
„der Staat eine ihm übertragene Tätigkeit durch
[...] Personen ausführen [...], die nicht von ihm [...]
in ein Dienstverhältnis berufen sind, nehmen [die-
se] jene staatlichen Tätigkeiten nicht von sich aus
wahr, sondern werden vom Staat aus eigens dazu
berufen. [...] Dementsprechend nehmen die Dritten
diese Tätigkeit auch nicht als eigene wahr, sondern
stets als vom Staat abgeleitete, die für den Staat
durchgeführt wird. Sie handeln demnach nicht als
Private, sondern im Auftrag und im Namen des
Staates. Das ist unabhängig davon, ob die jeweili-
ge Tätigkeit offen oder verdeckt durchgeführt
wird. [...] Diese Grundsätze gelten unabhängig da-
von, wem der Staat die Aufgabenerfüllung zu-
weist. [...] Ist [...] die Erfüllung einer Aufgabe an
einen ungeeigneten Privaten delegiert worden, so
7470) Ebenso Gusy, Rechtsstellung und Betätigung von V-Leuten der
Nachrichtendienste, in: Recht im Amt – Zeitschrift für den öf-
fentlichen Dienst 1982, S. 101, 102 m. w. N.
Drucksache 17/14600 – 1006 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ist der Staat verpflichtet, dafür einzutreten. Durch
die [...] Heranziehung untauglicher Personen kann
er weder den Umfang seiner Rechtsbindung noch
seine Haftung verkürzen. [...] Gerade wenn der
Staat die Vornahme eigener Tätigkeiten ungeeig-
neten oder unzuverlässigen Personen überträgt, so
ist er für die dadurch geschaffene Möglichkeit von
Rechtsverletzungen selbst verantwortlich. Das gilt
umso mehr, als ihm zugleich das Recht und Pflicht
zur hinreichenden Ausbildung, Führung, Anwei-
sung und Überwachung solcher Personen zu-
kommt. Demzufolge ist die Observation zum
Zweck des Verfassungsschutzes stets eine staatli-
che Tätigkeit, unabhängig davon, in welcher
Rechtsbeziehung die natürlichen Personen, welche
die Tätigkeit vornehmen, zum Staat stehen.“7471
Vertrauens- und Gewährspersonen der Nachrichtendienste
sind zwar keine „Beliehenen“7472, nehmen Verwaltungs-
aufgaben also nicht im eigenen Namen selbständig
wahr.
7473
Ihre Arbeitsbeziehung zum Nachrichtendienst
ist privatrechtlich ausgestaltet. Diese arbeitsvertragliche
Grundlage der Beziehung ist aber unerheblich dafür, was
sich Nachrichtendienste, insbesondere Verfas-
sungsschutzbehörden, zurechnen lassen müssen, wenn sie
V-Leute oder Gewährspersonen als Instrument geheimer
Informationsbeschaffung einsetzen.
Entscheidend ist
insofern allein, dass der Einsatz von Vertrauens- bzw.
Gewährspersonen durch die Verfassungsschutzbehörden
aufgrund einer Bestellung zur Mitarbeit und Verpflich-
tung zur Geheimhaltung nach dem Verpflichtungsgesetz
des Bundes
7474
, also in öffentlichem Auftrag, zur Erfül-
lung einer staatlichen Aufgabe erfolgt: Die in § 2
BVerfSchG geregelte gesetzliche Aufgabe, zu deren Er-
füllung Vertrauenspersonen durch das von ihnen generier-
te Informationsaufkommen beitragen, ist zweifellos eine
staatliche Aufgabe.
7475
Der Einsatz von Vertrauens- und Gewährspersonen in § 8
Abs. 2 BVerfSchG wird zusammen mit anderen Gegen-
ständen, Methoden und Instrumenten heimlicher Informa-
tionsbeschaffung genannt, die hoheitliche Befugnisse
sind. Sind aber die übrigen, in § 8 Abs. 2 BVerfSchG
genannten nachrichtendienstlichen Instrumente und Me-
thoden wie Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen,
Tarnpapiere und Tarnkennzeichen eindeutig hoheitliche
Maßnahmen zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung, so
müsste sich der Einsatz von Vertrauens- und Gewährsper-
sonen von jenen schon signifikant unterscheiden, um ihn
von einer Qualifizierung als hoheitliche Maßnahme im
7471) Gusy, aaO., S. 102.
7472) BVerwG 6 A 5/09 v. 26.05.2010, DVBl 2010, 1037 f.
7473) Gusy, aaO., S. 101, 102.
7474) Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages,
Ausarbeitung „zum Einsatz von V-Leuten beim Verfassungs-
schutz und der Polizei“, Reg.-Nr. WF III-174/93, S. 14: „An-
ders als bei der Polizei werden V-Leute beim Verfassungs-
schutz offenbar regelmäßig nach dem Verpflichtungsgesetz zur
Mitarbeit und Geheimhaltung verpflichtet.“
7475) Gusy, aaO., S. 101, 102 m. w. N.
Rahmen und zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung
ausnehmen zu können. Dagegen spricht, dass der Einsatz
von Vertrauens- und Gewährspersonen nach Funktion und
Wirkungsweise die Eigenschaften einer Observation mit
denen von Abhörmaßnahmen kombiniert.
Beim Einsatz von V-Leuten und Gewährspersonen han-
delt sich damit um eine Art menschlichen Lauschangriff.
Da dieser genauso intensiv in die Grundrechte der betrof-
fen Bürgerinnen und Bürger eingreift wie die anderen, in
§ 8 Abs. 2 BVerfSchG aufgezählten nachrichtendienstli-
chen Instrumente und Methoden
7476
, muss sich der Ver-
fassungsschutz das Wissen und Verhalten, dass V-Leute,
die von ihm zur Mitarbeit und Geheimhaltung verpflichtet
worden sind, im Rahmen heimlicher Informationsbeschaf-
fung nach § 8 Abs. 2 BVerfSchG erlangen bzw. an den
Tag legen, auch genauso uneingeschränkt zurechnen
lassen wie das Informationsaufkommen, aber auch etwai-
ge Rechtsgutverletzungen, die mit Abhörmaßnahmen und
Observationen verbunden sind.
In den vom Ausschuss festgestellten Fällen der Auswahl
untauglicher, ungeeigneter oder unzuverlässiger Personen
als V-Leute haben die Verfassungsschutzbehörden ihre
Pflicht zur Heranziehung ausschließlich geeigneter Perso-
nen verletzt, in den Fällen rechtswidriger Handlungen von
V-Leuten überdies gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen
Führung, Anweisung und Überwachung solcher Personen
verstoßen.
7477
d) Verstoß gegen wechselseitige Unterrich-
tungs- und Übermittlungspflichten nach
BVerfSchG und MAD-G
Nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE ist insbe-
sondere das Landesamt für Verfassungsschutz des Frei-
staats Thüringen in einer Vielzahl von Fällen ihren Über-
mittlungs- und Unterrichtungspflichten aus dem „Gesetz
über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in
Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das
Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BVerfSchG) nicht
nachgekommen. Für das LfV Brandenburg trifft das im
Zusammenhang der Meldung der VP Piatto ebenfalls zu.
Das BVerfSchG verpflichtet die Verfassungsschutzbehör-
den des Bundes und der Länder in § 1 Abs. 2 allgemein,
„in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammen-
zuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht [laut § 1 Abs. 3]
auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung.“
Aus der Pflicht zu gegenseitiger Unterstützung und Hilfe-
leistung erwachsen allen Behörden des Verfassungs-
schutzverbundes von Bund und Ländern konkrete Über-
mittlungs- und Unterrichtungspflichten nach § 5
BVerfSchG. Die Landesbehörden für Verfassungsschutz
sind nach § 5 BVerfSchG verpflichtet, die von ihnen zur
Erfüllung ihrer Aufgaben gesammelten Informationen,
Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen dem Bundesamt
für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Ver-
7476) Vgl. Schlink, Das nachrichtendienstliche Mittel, NJW 1980,
552 ff.
7477) Gusy, aaO., S. 101, 102 m. w. N.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1007 – Drucksache 17/14600
fassungsschutz zu übermitteln, soweit es für deren Aufga-
benerfüllung erforderlich ist (Abs. 1). Eine Koordinie-
rungsrichtlinie konkretisiert die Verpflichtungen verwal-
tungsintern.
7478
Für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) wird im
MAD-Gesetz in ähnlich lautenden Formulierungen die
Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Verfas-
sungsschutzbehörden geregelt. §3 Abs.1 Satz 2 MAD-G
lautet wortgleich, dass „die Zusammenarbeit […] auch in
gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung (besteht)“.
In § 11 MAD-G wird auf die Übermittlungsregeln und
pflichten des Bundesverfassungsschutzgesetzes
(BVerfSchG) an Staatsanwaltschaften und Polizeibehör-
den verwiesen, die für den MAD gleichermaßen gelten.
Im Rahmen der Operation Rennsteig erhielt der MAD
auch Quellenmeldungen, in denen von schweren Strafta-
ten wie beispielsweise gefährliche Körperverletzung ge-
gen Obdachlose, Punks und Migranten berichtet wurde.
Dennoch informierte der MAD in keinem Fall die zustän-
digen Strafverfolgungsbehörden. Auf entsprechende
Nachfrage im Ausschuss erklärte der Zeuge Huth vom
MAD, im Rahmen der Operation Rennsteig sei eine In-
formationsübermittlung an das LfV Thüringen und das
BfV vereinbart worden, der MAD sei nur in ganz seltenen
Fällen selbst an Polizei und Staatsanwaltschaft herange-
treten.
7479
e) Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des
Bundes nach Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG
bei der Ausführung des Bundesverfas-
sungsschutzgesetzes
Angesichts offenkundiger struktureller Missstände bei der
Beachtung von Unterrichtungs- und Übermittlungspflich-
ten im Verfassungsschutzverbund des Bundes und der
Länder ist nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE
ferner zu konstatieren, dass die Bundesregierung ihre
grundgesetzliche Pflicht aus Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG
„die Aufsicht darüber aus[zuüben], dass die Länder die
Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen“,
vernachlässigt hat. Möglichkeiten, die das Grundgesetz
der Bundesregierung in Artikel 84 Abs. 3 Satz 2 GG
(„Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke
Beauftragte zu den obersten Landesbehörden ent-
senden mit deren Zustimmung und falls diese Zu-
stimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bun-
desrates auch zu den nachgeordneten Behörden“)
und Abs. 4 und 5
7480
zur Verfügung stellt, um auf eine
gesetzeskonforme Arbeit der Verfassungsschutzbehörden
7478) Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungsschutz
gemäß Beschluss der Innenministerkonferenz vom 26. Novem-
ber 1993 (Koordinierungsrichtlinie KR). Zuletzt geändert mit
Umlaufbeschluss der IMK vom 06.12.2011.
7479) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 33f.
7480) Diese beiden Absätze verschärfen die Möglichkeiten der Bun-
desregierung, Rechtsverletzungen in einem Bundesland feststel-
len zu lassen (Abs.4) und ggf. sogar auf Grundlage eines Bun-
der Länder hinzuwirken, blieben ungenutzt. Obwohl die
eklatanten Missstände zumindest bei einem bestimmten
Landesamt für Verfassungsschutz den politischen Ve-
rantwortungsträgern in Bund und Ländern seinerzeit be-
kannt gewesen sein mussten und in der Runde der IMK
auch durchaus bekannt waren, wie die Aussage des dama-
ligen bayerischen Innenministers, Dr. Günter Beckstein
belegt: Auf die Frage, wie sie die Zusammenarbeit mit
dem Thüringer Verfassungsschutz in seiner Zeit als Baye-
rischer Innenminister eingeschätzt hätten, antwortete der
Zeuge Dr. Günther Beckstein:
„in sehr zurückhaltender Weise [...], dass [sie]
Thüringen nicht als Marktführer in diesem Bereich
der Qualität der Verwaltungsarbeit angesehen“
hätten. „Aber man hat sich da extrem zurückgehal-
ten, allenfalls in informellen Gesprächen hat man
da Kritik geübt, allenfalls; in der Regel - - Es dürf-
te aber normalerweise die eigentliche sachliche
Zusammenarbeit darunter nicht leiden.“7481
2. Rechtswidriger Umgang mit Akten zum
Rechtsextremismus durch Bundes- und
Landesbehörden nach dem 4.11.2011
Schließlich war auch der Umgang einzelner Sicherheits-
behörden des Bundes und der Länder mit Akten aus dem
Bereich Rechtsextremismus nach dem 4.11.2011 zur
Überzeugung der Fraktion DIE LINKE rechts- bzw. ver-
fassungswidrig. Dies gilt namentlich für das BfV, den
MAD und Berliner Landesbehörden.
a) Rechtswidrige Aktenvernichtungen nach
dem 4.11.2011 beim BfV und Aufsichtsver-
säumnisse des BMI insoweit
Der Umgang des Bundesamts für Verfassungsschutz
(BfV) mit Akten, die personenbezogene Daten enthalten,
war nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE nicht
etwa nur „nicht sauber“7482 und „beklagenswert“7483, son-
dern auch rechtswidrig.
aa) Keine Gewissheit über fehlende NSU-
Bezüge in den nach dem 4.11.2011 beim
BfV vernichteten Akten und Vernich-
tungsmotive
Zunächst ist zu betonen, dass die anfängliche Darstellung
des BMI, die Inhalte der vernichteten Beschaffungsakten
zur Operation „Rennsteig“ sowie weiterer Akten zum
Rechtsextremismus hätten sich so weit rekonstruieren
lassen, dass ein Zusammenhang mit dem NSU-Komplex
weitestgehend ausgeschlossen werden könne, so nicht
zutrifft. Der Sonderbeauftragte des BMI, MinDirig Engel-
desgesetzes Einzelanweisungen an die obersten Landesbehör-
den zu richten, im Dringlichkeitsfall auch direkt zu erteilen.
7481) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 138.
7482) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.
7483) Ebd., S. 101.
Drucksache 17/14600 – 1008 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ke, hat selbst einräumen müssen, dass von den vernichte-
ten Personen- und Sachakten der Beschaffung zur Opera-
tion „Rennsteig“ sowie weiteren Fällen lediglich ein Teil
rekonstruiert werden konnte – und dies zudem teilweise
nur noch partiell. Angesichts dessen kann nicht mit letzter
Gewissheit festgestellt werden, dass sich in den nicht
mehr rekonstruierbaren Akten des BfV, die nach dem 4.
November 2011 vernichtet wurden, keinerlei NSU-
Bezüge befunden haben. Diese Aussage stützt sich auch
auf die Feststellung, dass die V-Personen, zu denen die
Aktenvernichtung durchgeführt wurde, überwiegend
Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes waren, teilweise
durch militante Aktionen in Erscheinung getreten waren
und zumindest in Person des V-Mann Tarif über gute
Kontakte zur bundesweiten Neonaziszene verfügten.
Auch der Darstellung des BfV
7484
, aus den Vernichtungs-
anordnungen gehe hervor, dass keine Sachverhalte mit
Bezug zum NSU betroffen gewesen seien, widerspricht
die Fraktion DIE LINKE ausdrücklich. Der Sonderbeauf-
tragte des BMI, MinDirig Engelke, hat eingeräumt, dass
mehrere der G 10-Maßnahmen, zu denen die Anlagenord-
ner nach dem 4. November 2011 vernichtet wurden, Per-
sonen betrafen, die zum Umfeld des NSU gehörten. Zwei-
felsfrei war dies bei den Maßnahmen AO 774 und AO
775 der Fall. Öffentlichen Mutmaßungen, bei den Ver-
nichtungen von Akten zu G 10-Maßnahmen könne es sich
um gezielte Aktionen zur nachträglichen Vertuschung
seinerzeit übersehener konkreter Hinweise auf den NSU
gehandelt haben, ist das BMI mit dem Argument entge-
gen getreten, die weiterhin vorhandenen Antragsbegrün-
dungen entkräfteten solche Spekulationen. Diese Argu-
mentation überzeugt nicht: Entweder könnte das der An-
tragsbegründung auf G 10-Maßnahmen als Anlage beige-
fügte Beweismaterial weitere, für die Ermittlungen der
Sicherheitsbehörden zum NSU-Komplex nach dem 4.
November 2011 relevante Informationen enthalten haben,
deren Relevanz seinerzeit jedoch nicht erkannt worden
war. Dann würden Ausführungen dazu naturgemäß auch
nicht in der Begründung des Antrags auf Anordnung der
G 10-Maßnahme auftauchen. Oder dieselbe Tatsache, die
in der Antragsbegründung zwar als solche benannt wird,
weil sie aus Sicht der Antragsteller geeignet war, das
Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Anord-
nung einer G 10-Maßnahme nachzuweisen, könnte im
Lichte des inzwischen Bekannten auch Bedeutung für den
NSU-Komplex erlangt haben. Angesichts dessen verbietet
es sich, vom Inhalt der noch vorhandenen Antragsbegrün-
dungen der G 10-Maßnahmen zurück zu schließen auf
den Inhalt des noch nach Bekanntwerden der Taten des
NSU vernichteten Beweismaterials und die Motive, die
die daran beteiligten Personen zur Vernichtung veranlasst
haben könnten.
7484) Bericht des BfV vom 16. Juli 2012, MAT B BfV-4 (Tgb.-Nr.
44/12 - GEHEIM), hier Anschreiben S. 1 (offen).
bb) Anlagenordner zu Anträgen auf G 10-
Maßnahmen
Die Vernichtung von Anlagenordnern zu Anträgen des
BfV auf Anordnung von G 10-Maßnahmen in 26 Fällen,
die personenbezogene Daten aus dem Bereich Rechtsex-
tremismus enthielten, hätte vor dem 4. November 2011
längst erfolgt sein müssen, da die Voraussetzungen für
eine weitere Aufbewahrung nicht mehr vorlagen und eine
entsprechende Sammelanordnung des BMI zur Vernich-
tung mitunter bereits Jahre zuvor ergangen war. Hingegen
hätte sie ab Bekanntwerden des NSU wegen der völlig
veränderten Sach- und Rechtslage unbedingt unterbleiben
müssen. Mit Bekanntwerden des NSU verwandelte sich
nämlich die bis dahin bestehende Pflicht des aktenführen-
den BfV, die bei ihm noch vorhandenen Ordner zu G 10-
Maßnahmen zu vernichten, die dienstlich nicht mehr
erforderlich waren, für alle G 10-Akten zu Vorgängen
und Personen mit potentiellem NSU-Bezug in ihr Gegen-
teil: Statt weiterhin rechtlich geboten und faktisch über-
fällig zu sein, war eine Vernichtung dieser Akten zu
G 10-Maßnahmen nach § 4 G 10-Gesetz, wonach eine
weitere Aufbewahrung nach dem G 10-Gesetz erhobenen
Daten zu gewährleisten ist, wenn sie zur Übermittlung an
andere Stellen benötigt werden, nunmehr rechtswidrig,
weil der GBA und das BKA seither erkennbar ein berech-
tigtes Interesse an ihrer Übermittlung hatten. Die Vorge-
setzten der Beschäftigten des BfV, die mit der Vernich-
tung von Akten betraut waren, wären verpflichtet gewe-
sen, ihre Mitarbeiter darauf aufmerksam zu machen, sie
entsprechend anzuweisen und anzuleiten. Die Fraktion
DIE LINKE sieht darin, dass dies unterblieben ist, nicht
nur eine Pflichtverletzung der Vorgesetzten der Mitarbei-
ter, die mit der Vernichtung von Akten betraut waren,
sondern vor allem auch ein vorwerfbares Organisations-
verschulden des BfV: Die Leitung des BfV hätte ab Be-
kanntwerden des NSU konsequent dafür Sorge tragen
müssen, dass zur Vernichtung vorgesehene Unterlagen
aus dem Bereich Rechtsextremismus zuvor jeweils da-
raufhin durchgesehen werden, ob ihre Inhalte für die
Ermittlungen zum NSU relevant sein könnten. Dass dies
möglich gewesen wäre, zeigt nicht zuletzt die Vorge-
hensweise des BKA. Hier soll es bereits ab Februar 2012
ein solches Vernichtungsmoratorium gegeben haben.
Umstände und zeitlicher Ablauf der Vernichtung der
Anlagenordner zu Anträgen beim BMI auf Anordnung
von G 10-Maßnahmen durch das BfV nach dem 4. No-
vember 2011 sowie die Ausführungen des Zeugen Engel-
ke zur Handhabung der Bestimmungen des G 10-Gesetzes
zu den Aktenvernichtungen belegen ferner, dass das BMI
überdies in Bezug auf Aktenhaltung und -vernichtung
jahrelang seine Aufsichtsverantwortung gegenüber dem
BfV vernachlässigt hat. So wurde die Vernichtung auf
Erlasse des BMI gestützt, die zum Vernichtungszeitpunkt
teils Jahre zurücklagen. Nach den auf das G 10-Gesetz
gestützten Erlassen des BMI hätten die Unterlagen längst
vor dem 4. November 2011 vernichtet sein müssen. Die
Erklärung des Zeugen Engelke, der lange Zeitraum, der
offenbar regelmäßig zwischen Vernichtungsanordnungen
des BMI und deren Vollzug durch das BfV verstreicht, sei
darauf zurückzuführen, dass im BfV die Bestätigung über
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1009 – Drucksache 17/14600
die Vernichtung von Ergebnissen der G 10-Maßnahme,
die anderen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung
gestellt worden sind, abgewartet werden müsse, überzeugt
nicht. Denn auch in Fällen, in denen eine solche Bestäti-
gung längst vorlag, ist die fällige Vernichtung oftmals
unterblieben. Der Zeitraum von mehreren Jahren zwi-
schen Anordnung und Vollzug der Vernichtung von Ak-
ten zu G 10-Maßnahmen dokumentiert vielmehr ein
strukturelles Vollzugsdefizit bei der Umsetzung von An-
ordnungen des BMI durch das nachgeordnete BfV. Das
BMI wiederum hat es jahrelang versäumt, Sorge zu tragen
für einen konsequenten Vollzug seiner Anordnungen.
cc) Beschaffungsakten zur Operation Renn-
steig u. a.
Auch die Vernichtung von Beschaffungsakten des BfV
zur Operation „Rennsteig“ nach dem 4. November 2011
war nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE nicht
einfach nur beklagenswert, sondern auch rechtswidrig.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informations-
freiheit (BdfI) Schaar kritisiert seit Langem, dass es für
Aktenvernichtungen an einer klaren und hinreichend
bestimmten gesetzlichen Rechtsgrundlage fehle: Während
§ 12 BVerfSchG lediglich den Umgang mit „Daten in
Dateien“ regele, enthalte § 13 BVerfSchG, der nach dem
Willen des Gesetzgebers den Umgang mit personenbezo-
genen Daten in Akten abschließend regele, gerade keine
Bestimmung zu Voraussetzungen und Verfahren der
Vernichtung von Akten mit personenbezogenen Daten.
Stellt das BfV im Einzelfall fest, dass sich in Akten per-
sonenbezogene Daten befinden, die für seine künftige
Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind, so hat es
diese Akten nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG nicht
etwa zu vernichten, sondern, wenn ohne die Sperrung
schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt
würden, zu sperren. Sehe § 13 BVerfSchG als Instrument
des Datenschutzes ausschließlich eine Sperrung vor, so
könne er laut Bundesdatenschutzbeauftragtem aber nicht
als gesetzliche Rechtsgrundlage, derer es für die Recht-
mäßigkeit einer Vernichtung von Akteninhalten mit per-
sonenbezogenen Daten bedarf, fungieren. Eine analoge
Anwendung für Vernichtungen scheitere daran, dass die
Sperrung einer Akte weniger schwerwiegend ist als ihre
Vernichtung. Während eine Sperrung die Möglichkeit
einer späteren Entsperrung offen lässt (vgl. § 12 Abs. 2
Satz 3 BVerfSchG), ist die Vernichtung einer Akte natur-
gemäß endgültig.
7485
Insofern BMI und BfV die vorhan-
7485) Im Übrigen wären die beim BfV nach dem 4. November 2011
erfolgten Aktenvernichtungen zur Operation „Rennsteig“ selbst
dann rechtswidrig gewesen, wenn sich § 12 Abs. 2 Satz 1
BVerfSchG analog für die Vernichtung personenbezogener Da-
ten in Akten heranziehen ließe, da dessen Voraussetzungen in
den betreffenden Fällen gar nicht erfüllt waren: Da die Hauslei-
tung des BfV unmittelbar nach dem 4. November 2011 ange-
ordnet hatte, alle zum NSU vorhandenen Informationen zu-
sammenzustellen, waren Akten, bei denen nicht von vornherein
ausgeschlossen ist, dass ihr Inhalt in einem sachlichen Zusam-
menhang mit den Ermittlungen zum NSU und dessen Taten
stehen könnte, wieder objektiv erforderlich für die Aufgabener-
füllung des BfV. Immer wenn mit der Aktenhaltung und -pflege
denen Rechtsgrundlagen unter Verweis auf ergänzende
Dienstvorschriften (DV) für ausreichend erachten, ist dem
entgegen zu halten, dass von den im Ausschuss problema-
tisierten Vernichtungen auch prozessrelevante Grundrech-
te der durch diese Taten Geschädigten und ihrer Angehö-
rigen berührt sind. Angesichts dieser Grundrechtsrelevanz
ist eine klare und hinreichend bestimmte gesetzliche Re-
gelung unverzichtbare Voraussetzung für die Rechtmä-
ßigkeit von Aktenvernichtungen – untergesetzliche
Dienstvorschriften vermögen das Fehlen einer solchen
gesetzlichen Regelung nicht zu kompensieren.
Dem BMI sind in Bezug auf den Umgang mit Akten im
BfV im Allgemeinen und Aktenvernichtungen nach dem
4. November 2011 im Besonderen gravierende Versäum-
nisse bei der Ausübung seiner Aufsichtsverantwortung
über das BfV vorzuwerfen. Angesichts fehlender eindeu-
tiger gesetzlicher Regelungen zu den Voraussetzungen
und Verfahren, unter denen im BfV Akten mit personen-
bezogenen Daten vernichtet werden dürfen bzw. müssen,
hätte das BMI längst vor dem 4. November 2011 geeigne-
te aufsichtsbehördliche Vorkehrungen und Maßnahmen
ergreifen müssen, um ständig drohenden Missverständnis-
sen und Fehlern bei der Aktenhaltung, -pflege und -
vernichtung vorzubeugen. Dies ist unterblieben, obwohl
aufgrund der Kontroverse mit dem Bundesbeauftragten
für Datenschutz und Informationsfreiheit Schaar im BMI
seit Langem bekannt war, dass es bei den Beschäftigten
im BfV infolge des Fehlens einer klaren und eindeutigen
Rechtsgrundlage für die Vernichtung von Akten Verunsi-
cherung darüber geben muss, wann und unter welchen
Voraussetzungen Akten vernichtet werden dürfen.
Auch im November 2011 hat das BMI zunächst lediglich
angeordnet, alle für den NSU-Komplex relevanten Unter-
lagen zusammenzustellen. Ein eigenes Vernichtungsmo-
ratorium für alle Akten zu Vorgängen und Personen aus
dem Bereich Rechtsextremismus wurde vom BMI erst am
18. Juli 2012 verfügt – mithin erst, nachdem das nachge-
ordnete BfV bereits von sich aus am 4. Juli 2012 einen
entsprechenden Vernichtungsstopp verhängt hatte. Ergeht
eine aufsichtsbehördliche Maßnahme des BMI aber erst
Monate, nachdem die Umstände und die Notwendigkeit,
ein solches Moratorium anzuordnen, eingetreten sind, und
noch dazu im Nachgang zu einer entsprechenden Anord-
nung der nachgeordneten Behörde, so dokumentiert sich
darin ein weiteres Versäumnis bei der Ausübung der
Aufsichtsverantwortung des BMI über das BfV.
Schließlich hat das BMI mit dem verspätet angeordneten
Vernichtungsstopp und der verzögerten Mitteilung über
die beim BfV nach dem 4. November 2011 erfolgten
Aktenvernichtungen zum Rechtsextremismus auch ver-
fassungsrechtliche Verpflichtungen der Bundesregierung
gegenüber dem Untersuchungsausschuss aus Art. 44 GG
betraute Beschäftigte seither bei ihrer Prüfung, ob Akten aus
dem Bereich Rechtsextremismus zu vernichten sind, Zweifel
hatten oder auch nur hätten haben müssen, hätten mithin nach
§ 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG analog i.V.m. der Anordnung
der Hausleitung die betreffenden Akten bis auf Weiteres nicht
vernichtet werden dürfen.
Drucksache 17/14600 – 1010 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
i.V.m. § 18 PUAG missachtet: Spätestens ab Einsetzung
des Untersuchungsausschusses Ende Januar 2012 hätte
das BMI mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln
dafür sorgen müssen, dass für den Untersuchungsaus-
schuss potentiell relevantes Beweismaterial aus seinem
Geschäftsbereich nicht durch Löschung oder Vernichtung
der Beweisaufnahme des Ausschusses entzogen wird.
Auch wäre das BMI verpflichtet gewesen, den Ausschuss
unverzüglich über die Verluste für den Untersuchungsauf-
trag relevanter Akten zu informieren. Tatsächlich hat es
den Ausschuss aber erst am 16. Juli 2012 über die Ver-
nichtung der Anlagenordner zu Anträgen auf Anordnung
von G 10-Maßnahmen unterrichtet. Damals lagen die
umfangreichen Vernichtungen von Akten mit potenziel-
lem Bezug zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses
teilweise bereits Monate zurück. Angesichts dessen kann
von einer uneingeschränkten Aufklärung und einer Unter-
stützung des Untersuchungsausschusses durch die Bun-
desregierung, wie sie Bundeskanzlerin Dr. Merkel zuge-
sagt hat, nicht die Rede sein.
b) Vernichtung von Akten beim MAD
Auch der Umgang des Bundesamts für den militärischen
Abschirmdienst (MAD) mit Daten und Akten aus dem
Bereich Rechtsextremismus war zu lange von mangelnder
Sachkenntnis der Zusammenhänge, in denen sich das
NSU-Kerntrio und sein Umfeld bewegt haben, gekenn-
zeichnet. Das Bundesministerium der Verteidigung
(BMVg) hat es lange Zeit versäumt, den MAD für die
erhöhten Sorgfaltspflichten aus Art. 44 GG i. V. m. § 18
PUAG bei der Haltung und Vernichtung von Akten zum
Bereich Rechtsextremismus zu sensibilisieren, die seit
Einsetzung des Untersuchungsausschusses bestanden:
MAD und BMVg wären spätestens seit Einsetzung des
Untersuchungsausschusses Ende Januar 2012 verpflichtet
gewesen, sich laufend darüber zu informieren, ob und
inwiefern der Verlauf der Ermittlungen zum NSU zu einer
Erweiterung des Sach- und Personenspektrums zwingt,
bei dem ein Bezug zum NSU-Komplex nicht auszuschlie-
ßen ist. Dass dies unterblieben ist, belegt die Vernichtung
von Akten aus dem Bereich Rechtsextremismus, bei de-
nen ein Bezug zum NSU nicht ausgeschlossen werden
konnte, beim MAD noch im Frühjahr 2012. Ein generel-
les Vernichtungsmoratorium für alle Akten zum Rechts-
extremismus erging erst auf ausdrückliche Aufforderung
des Ausschussvorsitzenden hin am 19. Juli 2012.
c) Vernichtung von Akten bei Berliner Behör-
den
Vergleichbare Vorwürfe sind nach Überzeugung der
Fraktion DIE LINKE gegen den Berliner Senat zu erhe-
ben. Die Vernichtung von Daten und Akten nach dem 4.
November 2011, die möglicherweise relevant gewesen
wären für die Ermittlungen zum NSU-Komplex, ist nach
Überzeugung der Fraktion DIE LINKE auch in Berlin
darauf zurückzuführen, dass sich die Angehörigen der
fachlich zuständigen Berliner Behörden bis weit in das
Jahr 2012 nicht intensiv genug mit dem Untersuchungs-
gegenstand auseinandergesetzt haben. Die Folge war eine
völlig inakzeptable Unkenntnis der Zusammenhänge, in
denen sich das NSU-Kerntrio und sein Umfeld bewegt
haben. Auch der Berliner Senat hat es offenbar pflicht-
widrig versäumt, seine Behörden mit Blick auf die erhöh-
ten Sorgfaltspflichten aus Art. 44 GG i. V. m. § 18 PUAG
bei Aktenhaltung und -vernichtung rechtzeitig für den
Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses zu
sensibilisieren und dazu anzuhalten, sich laufend über den
aktuellen Stand der Ermittlungen zum NSU-Komplex zu
informieren. Anders lässt sich kaum erklären, weshalb in
Berlin noch Ende Juni 2012 unter tätiger Mithilfe des
fachlich für Rechtsextremismus zuständigen Referatslei-
ters Aktenmaterial mit Bezug zum NSU-Komplex ver-
nichtet werden konnte.
VI. Schlussfolgerungen und Reformvorschlä-
ge der Fraktion DIE LINKE für eine Sicher-
heitsarchitektur nach der Selbstenttarnung
des NSU
1. Vorab: Die Reaktionen und Maßnahmen
der Sicherheitsbehörden und verantwortli-
chen Innenpolitiker seit dem 4.11.2011:
Falsche Signale zur falschen Zeit
Wohl noch keiner der bisherigen parlamentarischen
Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag hat
die deutschen Sicherheitsbehörden und ihre Arbeit derart
umfassend, detailliert und kritisch untersucht wie der 2.
Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum „Natio-
nalsozialistischen Untergrund“. Genau so richtig ist aber
auch die Feststellung, dass nie zuvor entschlossener vor
Abschluss einer Untersuchung durch Sofortmaßnahmen,
die mit dem Gang der Untersuchungen nichts zu tun hat-
ten, Regierung und betroffene Behörden vorab die engen
Grenzen für Schlussfolgerungen aus den intensiven Un-
tersuchungen definiert haben. Dabei belegt schon die
Geschwindigkeit, mit der ab November 2011 Maßnah-
menkataloge vorgelegt und in Teilen umgesetzt wurden,
dass es im Kern keine Folgerungen aus der Aufarbeitung
und Analyse des NSU-Debakels der Sicherheitsbehörden
sein konnten. Denn schließlich begann diese Aufarbeitung
erst systematisch ab Februar 2012 mit der Einsetzung des
Untersuchungsausschusses. Für die Arbeit und die
Schlussfolgerungen des Untersuchungsausschusses selbst
hatte dieses Vorgehen der Innenpolitiker und Spitzen der
Geheimdienste sowie des BKA vor allem die Konse-
quenz, dass weniger die Gründe für mögliche Missach-
tung, Umgehung, Fehlinterpretation vorhandener und
geltender Gesetze, Verordnungen, Richtlinien oder aber
deren korrekte, aber erfolglose Anwendung konkret un-
tersucht, als vielmehr pauschal vor allem das Fehlen ge-
setzlicher und technisch-organisatorischer Voraussetzun-
gen zum Informationsaustausch und zur Kooperation der
Sicherheitsbehörden als Ursache des sicherheitspoliti-
schen Debakels behauptet wurde.
7486
7486) Exemplarisch hierfür steht die Aussage von Bundesinnenminis-
ter Friedrich gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1011 – Drucksache 17/14600
Es gab im Untersuchungsausschuss keine Phase, in der
sämtliche geltenden gesetzlichen Bestimmungen, Verord-
nungen und Richtlinien zur gegenseitigen Unterrichtung
von Polizei und Nachrichtendiensten in Bund und Län-
dern zusammengestellt und vor diesem Hintergrund die
Praxis der Behörden und ihr Zusammenwirken im Unter-
suchungszeitraum untersucht worden wäre. Es gab keine
Analyse des Phänomens, dass es im Untersuchungszeit-
raum eine ganze Reihe von Kooperationsgremien
7487
der
Sicherheitsbehörden, von gemeinsamen Datenbanken und
Dateien
7488
und behördenübergreifende Projekte im Be-
im November 2011: „Um (aus der Tatsache, dass es nur 13 Er-
mittlungsverfahren in den letzten zehn Jahren gegen Rechtster-
rorismus, aber 700 gegen Linksterrorismus gegeben hat)
Schlussfolgerungen zu ziehen, müssen wir natürlich analysie-
ren, wo etwaige Defizite waren. Aber für mich ist die entschei-
dende Frage: Was passiert jetzt? Und da sage ich: Wir brauchen
eine stärkere Vernetzung der Informationen unter Nutzung aller
modernen technischen Möglichkeiten und dazu die Erweiterung
von Vorschriften, die uns effizienter machen im Kampf gegen
die rechtsextremistische und rechtsterroristische Szene…“ In:
Der Spiegel vom 21. November 2011, S. 47.
7487) Exemplarisch hierfür ist die „Informationsgruppe zur Beobach-
tung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer,
insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte (IGR)“ Sie wurde
1992 gegründet, existierte bis 2007 und wurde dann in die
„Koordinierungsgruppe Politisch-motivierte Kriminalität-rechts
(KG PMK-rechts)“ der IMK überführt. Vertreten waren alle
Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern, die Generalbun-
desanwaltschaft sowie das Bundesinnen- und justizministerium.
Im gesamten Zeitraum 1992-2007 waren ihre Aufgabe:„u. a.
die Behandlung folgender Themen:
Konzeptionelle Grundfragen der Zusammenarbeit,
Einheitliche Erfassungskriterien und Begriffsbestimmungen des
gewalttätigen Rechtsextremismus,
Intensivierung des Erkenntnisaustausches zwischen Verfas-
sungsschutz, Polizei und Justiz,
Analysen zur Sicherheitslage,
Beobachtungs- und Bekämpfungsinstrumentarien,
Regionale personen- und sachbezogene Beobachtungs- und Be-
kämpfungsschwerpunkte,
Taktische und operative Fragen,
Bündelung der Bekämpfungsressourcen,
Fortschreibung bestehender und Entwicklung neuer Beobach-
tungs- und Bekämpfungskonzepte.“ Siehe Kleine Anfragen der
Fraktion DIE LINKE. bzw. PDS-Linke Liste auf BT-
Drucksachen 12/7008 (1994), 16/11545 (2009), 17/7902
(2011), 17/8535 (2012).
7488) Zum Beispiel „Rechtsextremistische Kameradschaften“, eine
gemeinsame Projektdatei von BKA und BfV, siehe BT-Drs.
17/9002 oder die „Arbeitsgruppe Operativer Informationsaus-
tausch Rechtsextremismus (AG OIREX): Die AG OIREX ist
ein unter Geschäftsführung des BKA stehendes Gremium dem
neben BKA, BfV, MAD seit 2007 auch der GBA angehört. Das
BKA war durch das Bundesministerium des Innern im Septem-
ber 2003 um Einrichtung eines „operativen Informations- u.
Analyseboards Kameradschaften“, das anfangs AG OIK, später
dann AG OIREX genannt wurde, ersucht worden. Aufgabe der
AG OIREX ist u. a. die Auswertung aller zugänglichen Infor-
mationen mit dem konkreten Ziel der Umsetzung der gewonne-
nen Erkenntnisse in exekutive Maßnahmen. Hierdurch sollen
erkannte Strukturen bereits im Ansatz zerschlagen werden. Da-
bei ind die hohe Gewaltbereitschaft, die Affinität zu Waffen
und Sprengstoffen und vor allem die Bezüge zur Allgemein-
kriminalität zu berücksichtigen. Die Fachaufsicht über das das
Gremium geschäftsführend leitende BKA wird durch das Bun-
desministerium des Innern ausgeübt. Ihre bisherige Arbeit wird
reich Rechtsextremismus gab, die aber allesamt trotz
Vorliegens umfangreicher Informationen offensichtlich in
entscheidenden Punkten die Entwicklung nicht erfasst
oder falsch bewertet und interpretiert haben. Noch im
Jahre 2012 weigerte sich die Bundesregierung, Arbeits-
weise und Aktivitäten eines der zentralen, gegen Rechts-
extremismus und -terrorismus ins Leben gerufenen Koo-
perationsgremien – die „Informationsgruppe zur Be-
obachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer /
-terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewalt-
akte (IGR)“7489 – unter Verweis auf „evidente Geheimhal-
tungsbedürftigkeit“ öffentlich darzustellen. Nicht einmal
in der Geheimschutzstelle durften diese Informationen
abgelegt werden.
7490
So beeindruckend die Ergebnisse des Untersuchungsaus-
schusses sich einerseits auch darstellen, so wenig ergeb-
nisoffen konnte andererseits die Untersuchungsarbeit
selbst wirken. Die Frage nach systemischen oder struktu-
rellen Ursachen der Probleme der Sicherheitsbehörden
wurde noch vor Beginn der Ausschussarbeit durch das
BMI und die Sicherheitsbehörden selbst eingeengt auf die
Frage nach Stärkung, größeren Ressourcen und mehr
Befugnissen für die im Kern unantastbaren real existie-
renden Behörden. Kurzum: bevor im Untersuchungsaus-
schuss auch nur ein Blatt Papier umgedreht war, wurde
der gängige sicherheitspolitische Diskurs um mehr Infor-
mationsaustausch, frühere und längere Datenspeicherung,
Stärkung der Zentralinstanzen und neuen Zuständigkeiten
entwickelt und in wesentlichen Punkten vor Abschluss
der Ausschussarbeit umgesetzt.
a) Zentrale Maßnahmen nach dem 4.11.2011
Zum besseren Verständnis dieser Kritik und Schlussfolge-
rung sollen hier noch einmal die zentralen Sofortmaß-
nahmen der Sicherheitsbehörden dargestellt werden:
Schon wenige Tage nach dem mutmaßlichen Selbstmord
der NSU-Kader Mundlos und Böhnhardt am 4. November
2011 lag ein 10-Punkte-Programm des Bundesinnenmi-
nisteriums auf dem Tisch.
7491
Es wurde mit hoher Dring-
lichkeit („Bitte umgehend die Arbeitsaufträge … ange-
hen“) intern am 21. November 2011 verschickt und schon
am 12. Dezember 2011 wurden laut einer internen „Um-
setzung Maßnahmeplan“ erste Ergebnisse und eine Vor-
gabe zu weiteren konkreten Umsetzungen vorgelegt.
7492
Dieses Papier des BMI basierte auf folgenden Vorausset-
zungen:
hinsichtlich der Stärkung der behördenübergreifenden Zusam-
menarbeit als gut bewertet. Die Sitzungen der AG OIREX fin-
den lageangepasst, mindestens einmal pro Monat, statt. BT-Drs.
17/8535.
7489) s. Fußnote 7487.
7490) BT-Drs. 17/8535.
7491) MAT_A_BMI 5-0057, S.000007
7492) Ebd. S.000012.
Drucksache 17/14600 – 1012 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Auf V-Leute kann nicht verzichtet werden, sie blei-
ben unverzichtbare Informationsquellen.
7493
– Es hat an Erkenntnissen gefehlt, der allgemeine In-
formationsfluss zwischen den Sicherheitsbehörden,
also zwischen Polizei und Geheimdiensten einerseits
und zwischen Bundes- und Länderbehörden anderer-
seits, war und ist ungenügend geregelt
7494
.
– Die Zentralinstanzen, also das Bundeskriminalamt
(BKA) und vor allem das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz (BfV) seien im Gefüge der Sicherheits-
architektur zu schwach und müssten gestärkt werden.
– Die Zuständigkeiten der Generalbundesanwaltschaft
(GBA) und ihre Möglichkeiten, Verfahren an sich zu
ziehen, seien zu gering.
– Für den Bereich Rechtsextremismus müssten ähnli-
che Instrumente geschaffen werden wie für den so-
genannten islamistischen internationalen Terroris-
mus, also ein Abwehrzentrum und eine Gemeinsame
Datei nach dem Vorbild des Gemeinsamen Anti-
Terrorismuszentrums (GTAZ) und der Anti-
Terrordatei.
Schon am 16. Dezember 2011 wurde nach dem Vorbild
des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ),
in dem alle etwa 40 Sicherheitsbehörden des Bundes und
der Länder gegen islamistischen Extremismus zusam-
menarbeiten, ein Gemeinsames Abwehrzentrum Rechts
(GAR) gegründet. Innerhalb weniger Wochen wurde dann
im Herbst 2012 dieses noch nicht einmal ein Jahr existie-
rende GAR – ganz im Sinne des von der schwarz-gelben
Bundesregierung vertretenen Extremismusansatzes – in
ein Gemeinsames Abwehrzentrum Extremismus und
Terrorismus (GETZ) überführt.
Am 6. Dezember 2011 hat auch das Bundeskriminalamt
die Chance ergriffen und erfolgreich die Umsetzung eines
seit Jahren wegen technischer und konzeptioneller
Schwierigkeiten ins Stocken geratenen Projekts mit Hilfe
des NSU-Schocks beschleunigt. Es handelt sich um die
Einführung des Polizeilichen Informations- und Analyse-
verbunds (PIAV). „Mit Blick auf das Ermittlungsverfah-
ren gegen die Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Un-
tergrund‘ (NSU)“ heißt es in der Beschlussvorlage zur
IMK-Sitzung im Dezember 2011, sei die „frühzeitige
7493) Interview mit Bundesinnenminister Friedrich in: Der Spiegel
vom 21. November 2011 (47), S. 29 ff.
7494) Der Untersuchungsausschuss hat eine Fülle an Beispielen
gehört, die zeigen, dass die vorhandenen gesetzlichen und un-
tergesetzlichen Vorschriften nicht beachtet oder ihre Ermessen-
spielräume regelmäßig im Sinne der Nichtweitergabe ausgelegt
wurden. Darauf verweist auch der ehemalige BND-Präsident
Hans-Jörg Geiger: „Im Bundesverfassungsschutzgesetz und
den analogen Landesgesetzen ist nicht nur geregelt, wie die
einzelnen Verfassungsschutzämter ihre Informationen teilen
müssen. Sondern auch, in welchem Umfang die Polizeibehör-
den einbezogen werden sollen. Das Problem … war nicht, dass
diese Bestimmungen nicht ausgereicht hätten. Das Problem
war, dass Informationen aus Geheimniskrämerei, Schludrigkei-
ten und anderen Gründen nicht weitergegeben wurden.“ (Süd-
deutsche Zeitung vom 25. April 2013)
Einführung … geboten“.7495 Eine weitere Überprüfung
des Projekts erfolgte nicht – damit konnte die sowieso
schon geplante Maßnahme schneller umgesetzt werden.
Ebenfalls noch Ende des Jahres 2011 wurde die „Richtli-
nie für die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungs-
schutz“ (Koordinierungsrichtlinie) um einen Paragraphen
6b erweitert, der eine erste Stärkung des BfV gegenüber
den Ländern gebracht hat.
Eingerichtet wurde nach dem Vorbild der Anti-
Terrorismus-Datei auch eine gemeinsame Datei gegen
Rechtsextremismus (RED). Sie war/ ist Teil des 10-
Punkte-Plans, wurde im Laufe des Jahres 2012 durch die
parlamentarischen Verfahren gebracht und am 18. Sep-
tember 2012 freigeschaltet.
Parallel zu den sich steigernden erschreckenden Erkennt-
nissen des Untersuchungsausschusses über das Ausmaß
des Versagens und der sicherheitspolitischen Katastro-
phen auf allen Ebenen der Sicherheitsarchitektur, aber
letztendlich vollkommen unberührt von diesem Wissens-
und Erkenntniszuwachs
7496
, wurde der Rahmen für die
angeblichen Schlussfolgerungen weiter abgesteckt.
Im Herbst 2012 legt der Arbeitskreis IV der Konferenz
der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) einen
Beschluss zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
vor. Unter anderem fordert der Arbeitskreis IV „Verfas-
sungsschutz“ bundeseinheitliche Standards für die Füh-
rung von V-Personen. Zu der im Untersuchungsausschuss
immer wieder als entscheidende Problematik aufgetauch-
ten Frage des Quellenschutzes aber findet sich kein Wort.
Immerhin wird dieses Thema durch die Bund-Länder-
Kommission-Rechtsterrorismus
(BLKR)
,7497
aufgegriffen,
die im Herbst 2012 einen zweiten Zwischenbericht mit
Vorschlägen zu Konsequenzen vorlegte. Die Antworten
sind allerdings mehr als unbefriedigend. Sie schreibt:
„Dem Schutzanspruch menschlicher Quellen vor
Offenbarung gegenüber den Strafverfolgungs- und
Gefahrenabwehrbehörden steht jedoch zum einen
die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende
Pflicht zur Gewährleistung einer effektiven Straf-
rechtspflege gegenüber. Zum anderen verlangen
dieselben Grundrechte, die den Staat zum Schutz
seiner menschlichen Quellen verpflichten, den
Schutz der Bevölkerung vor Gefahren für Leib,
7495) Beschlussvorlage für die 193. Sitzung der Ständigen Konferenz
der Innenminister und -senatoren der Länder am 08./09. De-
zember 2011 (Stand: 06.12.11)
7496) Die Rücktritte der verantwortlichen Behörden- bzw. Amtsleiter-
und leiterinnen – am 2. Juli 2012 BfV-Präsident Heinz Fromm,
am 3. Juli der Präsident des LfV Thüringen Thomas Sippel, am
11. Juli 2012 der Präsident des LfV Sachsen Reinhard Boos, am
13. September 2012 der Präsident des LfV Sachsen-Anhalt
Volker Limburg und am 14. November 2012 die Chefin des
LfV Berlin Claudia Schmid – die im Laufe des Jahres 2012
vollzogen wurden, stehen dazu nicht im Gegensatz. Vielmehr
verstärken sie den Eindruck individuellen Versagens anstelle
der Frage nach den strukturellen Ursachen für das Versagen.
7497) Bund-Länder-Expertenkommission (11/2012): S. 16 f. , 21 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1013 – Drucksache 17/14600
Leben, Gesundheit usw. Deshalb darf Quellen-
schutz kein Selbstzweck sein.“7498
Diese Feststellung ist eigentlich nur die Bestätigung der
geltenden Rechtslage. Andererseits können, so die BLKR
nämlich weiter, die bestehenden
„Normen zu den Übermittlungsverboten in den
Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der
Länder in ihrer bisherigen Form, ggf. harmonisiert,
erhalten bleiben.“7499
Übermittlungsverbote bedeuten hier das Verbot für den
Verfassungsschutz, Informationen über seine Quelle bzw.
die Quelle selbst gegenüber den Strafverfolgungsbehör-
den offen zu legen, damit diese durch die Strafverfol-
gungsbehörden genutzt werden können. Die BLKR will
nun diese Übermittlungsverbote zwar einschränken,
schlägt aber gleichzeitig weitreichende Ausnahmen vor:
„Eine Ausnahme von den Einschränkungen des
Übermittlungsverbots kann nur in den Fällen in
Betracht kommen, in denen eine begründete Be-
sorgnis dafür besteht, dass durch die Übermittlung
Leib, Leben oder Freiheit von Personen gefährdet
oder die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden
... wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht
werden und dies nicht durch geeignete Maßnah-
men abgewendet werden kann.“7500
Genau in diesem Sinne haben die Verteidiger des Einsat-
zes des brandenburgischen V-Mannes Piatto und der
langen Liste der anderen V-Leute vor dem Untersu-
chungsausschuss argumentiert. Es gibt auf Grundlage der
vorgeschlagenen Änderung keinerlei Grund zu glauben,
dass in Zukunft bei irgendeiner Verfassungsschutzbehör-
de der Länder oder des Bundes anders verfahren werden
würde als in der gesamten Untersuchungszeit des Aus-
schusses.
Ähnlich oberflächlich und gleichermaßen gefährlich will
die BLKR ein neben dem Quellenschutz elementares
Rechtsstaatsproblem lösen, das mit dem Einsatz von V-
Leuten grundsätzlich verbunden ist und im Falle der
NSU-Ermittlungen eine ganz besondere Rolle gespielt
hat. Gemeint ist das Problem der Straffreiheit für V-
Leute.
In der „Problemstellung“7501 zählt die BLKR zumindest
die harmloseren Straftatbestände auf, deren sich V-Leute
schuldig machen können: Organisationsdelikte, Propa-
gandadelikte und Betrug bei Verschweigen der Honorare
bei BAföG oder SGBII-Anträgen. Die V-Personenführer
könnten sich – so die Analyse der BLKR – jeweils auch
der Beihilfe schuldig machen. Im Falle der im Untersu-
chungsausschuss behandelten V-Leute kommen dazu in
der Realität – wie beispielsweise bei der Quelle „Stronti-
7498) Ebd., S. 17.
7499) Ebd., S. 18.
7500) Ebd., S. 20.
7501) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, S. 292.
um“ des BfV – auch noch Gewaltdelikte und Waffenver-
gehen. Aus ihrer Problemstellung schließt die BLKR,
dass
„durch die Gefahr der Verwirklichung von Straf-
tatbeständen […] die Arbeit der Sicherheitsbehör-
den eingeschränkt (wird).“7502
Würden, schreibt die BKLR weiter, „menschliche Quellen
für ihre Tätigkeit strafrechtlich belangt, können die
Sicherheitsbehörden keine Vertrauensleute bzw. Infor-
manten mehr gewinnen. In der Folge führt das dazu, dass
die Sicherheitsbehörden keine menschlichen Quellen in
verbotenen, kriminellen oder terroristischen Organisatio-
nen und Gruppierungen einsetzen können.“7503
Die geltende Rechtslage gibt offensichtlich keine Recht-
fertigung her und die vage Rechtfertigung durch die Kon-
struktion einer Rechtfertigung aufgrund der Wahrneh-
mung von Dienstrechten oder einer Amtsbefugnis wird
nach eigener Einschätzung durch ein Urteil des Oberlan-
desgerichts Düsseldorf vom 06. September 2011
7504
zu-
nichte gemacht. Das hatte einen V-Mann des BND in
einer türkischen terroristischen Organisation wegen Mit-
gliedschaft in einer terroristischen Organisation verurteilt
obwohl dessen Anwälte argumentierten, er habe sozusa-
gen im Auftrag des Dienstes gehandelt. Im Falle der Ar-
beit in Terroristischen Organisationen spricht das OLG
von einer „‘fast schon denknotwendigen‘ Verwirklichung
von Straftatbeständen wie der §§129 ff StGB.“7505 Und es
gibt sie einfach nicht die Ermächtigungsgrundlage zum
straffreien Begehen von Straftaten im Auftrag geheim-
dienstlicher oder polizeilicher Auftraggeber.
Die BLKR kommt nun nicht zu dem Schluss, dass man
aus rechtlichen Gründen auf den Einsatz von V-Leuten
verzichten muss – im Gegenteil fordert sie die Herstellung
derselben.
Sie schlägt ein Verfahren vor, das die Ergebnisse des
Untersuchungsausschusses geradezu auf den Kopf stellt.
Im Unterschied zu einigen Ländern – genannt werden die
Verfassungsschutzgesetze von Brandenburg, Niedersach-
sen und Nordrhein-Westfalen – die Rechtfertigungsgrün-
de zur Begehung bestimmter Straftaten vorsehen und
dafür Straffreiheit zugestehen –, wählt die Kommission
ein Verfahren, das der Willkür vollkommen Tür und Tor
öffnet:
„Es sollte in der Hand der Staatsanwaltschaften
liegen, ein mögliches strafbares Verhalten von V-
Leuten und deren V-Mann-Führern im Zusam-
menhang mit der nachrichtendienstlichen Tätigkeit
7502) Ebd., S. 293
7503) Ebd.
7504) Az.III-5 StS 5/10 zitiert in: Abschlussbericht der Bund-Länder
Kommission Rechtsterrorismus, S. 295.
7505) Ebd., S. 293
Drucksache 17/14600 – 1014 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
zu bewerten und nach dem Opportunitätsgrundsatz
ggf. von einer Strafverfolgung abzusehen.“7506
In Verbindung mit den vorgeschlagenen Regelungen und
Abwägungsprozessen zum Quellenschutz führt das gera-
dewegs zur nachträglichen Legalisierung der im Untersu-
chungsausschuss noch mit Erstaunen und Erschrecken zur
Kenntnis genommen Praxis im Zusammenhang mit der
langen Liste der V-Leute und ihres kriminellen Alltags.
Im April 2013 erstellt die Bundesregierung dann einen
zusammenfassenden Bericht mit Beiträgen der vier betei-
ligten Ministerien – Bundesministerien des Innern, der
Justiz, der Verteidigung und für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend – „über die nach dem 4. November 2011 als
Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU
sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und
Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen“.7507
Im Mai 2013 nimmt die IMK unter der Überschrift „Neu-
ausrichtung des Verfassungsschutzes“ vier Berichte des
Arbeitskreises IV der IMK zur Kenntnis, deren Ergebnis-
se zur Umsetzung in Bund und Ländern beschlossen wer-
den. Dabei geht es um:
„Eine neue Philosophie, sich nicht nur auf seine
herkömmliche Aufgabe als Nachrichtendienst zu
beschränken, sondern als aktiver Partner und
Dienstleister in der Mitte der Gesellschaft zu ste-
hen, soll helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in
den Verfassungsschutz zu stärken.“7508
Sowie um:
– Den engeren Austausch mit wissenschaftlichen Ein-
richtungen und Weiterentwicklung der Schule für
Verfassungsschutz zu einer Akademie; gemeinsame
Zusatzausbildung für neue Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mit wissenschaftlicher Ausbildung aus
anderen Behörden und der Privatwirtschaft;
– gemeinsame Standards für Werbung und Einsatz von
V-Personen (VP) und deren Normierung in den
Dienstvorschriften;
– zentrale VP-Datei beim BfV;
– Koordination der Internetaufklärung, Einrichtung
einer Indexdatenbank und einer Mediendatei;
– Einrichtung eines Kompetenzzentrums für operative
Sicherheit im Internet.
Die oben genannten Punkte waren auch schon Gegen-
stand der seit Beginn des Jahres 2013 vom Bundesamt für
Verfassungsschutz eingeleiteten Öffentlichkeitskampagne
7506) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsextre-
mismus, Zusammenfassung der Empfehlungen, S. 9.
7507) Innenausschussdrucksache 17(4)749.
7508) Beschlussniederschrift über die 85. Sitzung des Arbeitskreises
IV „Verfassungsschutz“ der Ständigen Konferenz der Innenmi-
nister und -senatoren der Länder am 12./13.11.12 in Hilden.
zur Neuausrichtung seiner Arbeit
7509
, die nach eigener
Darstellung am 3. September 2012 in Gang gesetzt wurde.
b) Alter Wein in neuen Schläuchen: Kosmetik
statt Reformen bei den Verfas-
sungsschutzbehörden
Aufschluss über den Stand der Reformvorstellungen im
Bereich des Verfassungsschutzes gibt der Bericht, den das
BMI dem Innenausschuss am 3. Juli 2013 erstattet hat. Er
wurde dem Untersuchungsausschuss als MAT B BMI 4
vorgelegt.
7510
Danach muss die anfänglich von Bundesin-
nenminister Friedrich angekündigte grundlegende Organi-
sations- und Strukturreform als gescheitert angesehen
werden. Übrig geblieben ist das Bemühen um eine „Bin-
nenreform“ des BfV, mit der „im Schwerpunkt“ als „stra-
tegische Ziele“ eine „Priorisierung des Wesentlichen“,
eine „Optimierung der Arbeitsprozesse“, die „Erhöhung
der Transparenz“, eine „Stärkung der Cyber- und IT-
Kompetenz“ und eine „Intensivierung der Zusammenar-
beit“ angestrebt wird. Orientiert an diesen strategischen
Zielen sieht das „neue Konzept“ als eine der „Kernmaß-
nahmen“ eine Priorisierung vor, wonach künftig
„(…) der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mit-
teln abhängig von der Gefährlichkeit / Gewaltori-
entierung des jeweiligen Phänomens in abgestufter
Form erfolgt: Je gewaltorientierter ein Beobach-
tungsobjekt ist, desto intensiver kann der Einsatz
nachrichtendienstlicher Mittel gestaltet werden.“
In der Hervorhebung dieses Aspektes als Kernmaßnahme
eines neuen Konzeptes kommt jedoch nach Ansicht der
Fraktion DIE LINKE nicht etwa eine grundlegende Neu-
orientierung zum Ausdruck. Die Intensität des Einsatzes
nachrichtendienstlicher Mittel künftig nach der Gefähr-
lichkeit des Beobachtungsobjektes zu bemessen, wieder-
holt vielmehr lediglich eine schon immer unmittelbar aus
dem Rechtsstaatsgebot folgende verfassungsrechtliche
Selbstverständlichkeit: Bereits bislang hätte der für die
freiheitlich-demokratische Grundordnung konstitutive,
unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot folgende Verhält-
nismäßigkeitsgrundsatz unverbrüchliche Richtschnur für
jeden Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sein müssen.
Dementsprechend sieht § 9 Abs. 3 BVerfSchG schon
bisher vor, dass nachrichtendienstliche Mittel nur abhän-
gig von der Gefährlichkeit/Gewaltorientierung des jewei-
ligen Phänomens eingesetzt werden dürfen und die An-
wendung eines Mittels „nicht erkennbar außer Verhältnis
zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen“
darf. Wird dies dessen ungeachtet als „Kernmaßnahme“
des neuen Konzepts herausgestellt, belegt dies nur, dass
das BfV bei seiner bisherigen operativen Arbeit nach
eigener Einschätzung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
strukturell und konzeptionell missachtet hat. Die Wahr-
7509) MAT_B_BfV-9 (Präsentation zur „Reform des Verfassungs-
schutzes“ vom 27. Februar 2013), die wiederum nur eine aus-
führlichere Darstellung einer Presseinformation des BfV zum
Reformprojekt ist, Stand: 22. Februar 2013.
7510) MAT_B_BMI-4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1015 – Drucksache 17/14600
nehmung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabe, die
freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundge-
setzes zu schützen, hat sich bislang also paradoxerweise
außerhalb jener verfassungsrechtlichen Maßstäbe bewegt,
die eben dieses Grundgesetz für jegliche hoheitliche Tä-
tigkeit vorgibt.
Doch damit nicht genug: ebenso wenig, wie die bisherige
Konzeption der operativen Arbeit des BfV entsprechen
die organisatorische Ausgestaltung des BfV und dessen
gesetzliche Aufgaben und Befugnisse grundgesetzlichen
Vorgaben. Daran vermöchte selbst eine vollständige Um-
setzung der beim BfV begonnenen Binnenreformen nichts
zu ändern. Setzen diese Binnenreformen doch nicht bei
den strukturellen Ursachen des Versagens bei der Früher-
kennung des Rechtsterrorismus des NSU an, welche in
der gegenwärtigen organisatorischen und kompetenziellen
Ausgestaltung des Verfassungsschutzverbundes zu suchen
sind, sondern nehmen von vornherein lediglich einzelne
Symptome dieser strukturelle Ursachen in den Blick.
Entscheidende grundgesetzliche Vorgaben bleiben damit
weiterhin unbeachtet. Bei konsequenter Beachtung dieser
Vorgaben könnte nach Überzeugung der Fraktion DIE
LINKE die analytischen Leistungsfähigkeit des institutio-
nellen Verfassungsschutzes indes entscheidend verbessert
werden, während die mit seiner Tätigkeit verbundenen
Grundrechtsbeeinträchtigungen zugleich minimiert wür-
den.
Bei allen vom BfV selbst, dem Arbeitskreis IV „Verfas-
sungsschutz“ der IMK und der Bund-Länder-Kommission
Rechtsterrorismus vorgetragenen und teilweise schon
umgesetzten „Reform“-Vorschlägen handelt es sich kei-
neswegs um mit der Aufdeckung des NSU verknüpfte und
als gezielte Reaktion darauf entwickelte Maßnahmen und
Instrumente – auch wenn die Titel der Beschlüsse, Be-
richte und Projekte dies gelegentlich suggerieren. Das
spricht zunächst und generell nicht gegen ihre mögliche
Sinnhaftigkeit für eine permanent notwendige Verbesse-
rung der Arbeit im Allgemeinen – die Neustrukturierung
beispielsweise des Dateienwesens bei den Polizeien von
Bund und Ländern kann durchaus sinnvoll, ja dringend
notwendig sein. Dasselbe gilt für einige im Bereich des
Verfassungsschutzes getroffene Maßnahmen – wenn wir
seine im Wesentlichen unveränderte Existenz einmal
hypothetisch als zwingend voraussetzen. Doch sie haben
die im Zusammenhang mit dem NSU aufgetretenen und
inzwischen bekannten Probleme der Sicherheitsarchitek-
tur nicht einmal im Ansatz erfasst.
Genau dieses Ergebnis aber wurde durch den seit Novem-
ber 2011 entfachten Aktionismus der Sicherheitsbehörden
verschleiert. Gerade in Bezug auf das Bundesamt für
Verfassungsschutz müssen wir in aller Schärfe feststellen,
dass seit Ende November 2011 eigentlich immer diesel-
ben Maßnahmen in immer neuen Zusammenstellungen als
Behebung aufgetretener Defizite der Öffentlichkeit prä-
sentiert wurden. Und dabei ist es nicht geblieben: Das
BfV als diejenige Verfassungsschutzbehörde, die nach
einhelliger und fraktionsübergreifender Überzeugung der
Ausschussmitglieder im NSU-Komplex vollkommen
versagt hat, ist der eigentliche Profiteur des NSU-
Komplexes – ohne, dass das BfV auch nur irgendeine
tatsächlich tiefgreifende Veränderung oder Reform bis-
lang angedeutet, geschweige denn umgesetzt hätte. So
stieg der Haushalt des BfV im Jahr 2013 auf das neue
Rekordmaß von 206 Mio. Euro, immerhin ein Plus von
17,6 Mio. im Vergleich zum Vorjahr mit knapp 190 Mio.
(2011: Sol:l 174 Mio., Ist: 187); auch die Personalausstat-
tung wurde großzügig erhöht – mit bereitwilliger Zu-
stimmung der Bund-Länder-Kommission Rechtsterroris-
mus wie sich den Schlussfolgerungen für das Bundesamt
für Verfassungsschutz und seine Verantwortung im Be-
richt der BLKR entnehmen lässt. Die Zahl der besetzten
Stellen beim BfV steigt im Zeitraum von 2011-2012 von
2701 auf 2752.
c) Behörden und Innenpolitiker schaffen un-
umkehrbare Tatsachen und relativieren
damit die Ergebnisse des Untersuchungs-
ausschusses
Die bislang umgesetzten „Reformen“ bei BfV und BKA
sowie die weiterführende Überlegungen und Pläne des
AKIV der IMK und der Bund-Länder-Kommission, die
nicht auf Fakten basieren, sondern einem seit Jahrzehnten
eingefahrenen sicherheitspolitischen Diskurs folgen und
den Untersuchungs- und Ergebnishorizont des 2. PUA
ebenso einengen wie die auf diesem Disurs basierenden
gesetzlichen, organisatorischen und strukturellen Konse-
quenzen, die vor Abschluss des Untersuchungsausschus-
ses getroffen wurden und richtungsbestimmend wirkten
und wirken, relativieren die positiven Detailergebnisse
des Untersuchungsausschusses in entscheidenden Punk-
ten. In einigen Punkten bergen sie sogar die Gefahr, die
Ergebnisse geradezu zu konterkarieren. Exemplarisch
dafür steht der Aufbau des Gemeinsamen Abwehrzent-
rums Rechtsextremismus (GAR), das nach nicht einmal
einem Jahr nach seiner Sturzgeburt wiederum im Schnell-
verfahren in ein Gemeinsames Abwehrzentrum Extre-
mismus/Terrorismus
7511
(GETZ) überführt wurde.
d) Extremismusdoktrin auch im NSU-
Zusammenhang
Wenige Tage nach dem ersten Jahrestag des Bekanntwer-
dens des NSU und der bisher größten rechtsextremisti-
schen Mordserie, am 15. November 2012 wurde mit dem
GETZ die Extremismusdoktrin institutionalisiert, die sich
in mindestens dreifacher Hinsicht als fatal für eine effek-
tive gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit Ras-
sismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus erwiesen
hat:
Die Extremismusdoktrin grenzt viele zivilgesellschaftli-
che Initiativen aus dem Bereich des vermeintlich politisch
Zulässigen aus. Das hat unter anderem auch dazu geführt,
dass antifaschistische Materialzusammenstellungen und
Medien von den Behörden nicht als wertvolle Informatio-
nen verwendet, sondern als gegnerisches Material einge-
7511) http://www.verfassungsschutz.de/de/das-bfv/getz
Drucksache 17/14600 – 1016 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
stuft wurde und damit ihr Informationsgehalt vollständig
entwertet wurde.
Die Extremismusdoktrin stigmatisiert, diffamiert und
erschwert die Arbeit antirassistischer und antifaschisti-
scher Initiativen und Medien, die in vielen Regionen
ohnehin schon unter schwierigsten Bedingungen arbeiten.
Die Extremismusdoktrin relativiert und verharmlost die
besonderen politischen, gesellschaftlichen und sicher-
heitspolitischen Aufgaben einer Demokratie im Kampf
gegen rassistische und rechtsextremistische Erscheinungs-
formen. Bestes Beispiel hierfür ist die Politik der Sicher-
heits- und Strafverfolgungsbehörden in Thüringen in den
1990er Jahren, die selbst antifaschistische Schülerinitiati-
ven mit alle gesetzlichen Grenzen überschreitender Be-
harrlichkeit kriminalisierten und stigmatisierten, während
gleichzeitig hunderte von Ermittlungsverfahren gegen
Neonazis eingestellt wurden. Gerade diese Relativierung
und Verharmlosung, die auch in den Behördenstrukturen
des Bundes – beispielsweise in der Auflösung der Abtei-
lung Rechtsextremismus im BfV und der Schließung und
Nichtauswertung von Gemeinsamen Dateiprojekten von
BKA und BfV – immer wieder ihren Niederschlag gefun-
den haben, erhalten jetzt eine quasi-behördliche Gestalt
im Zentrum der Innenpolitik.
Die weit im Vorfeld der Ergebnisse des Untersuchungs-
ausschusses umgesetzten Maßnahmen werden der gesell-
schaftlichen und sicherheitspolitischen Bedeutung der
Ereignisse und der wesentlichen Ergebnisse der Bestands-
aufnahme des Untersuchungsausschusses nicht nur nicht
gerecht, sie tragen vielmehr zu ihrer Verharmlosung bei.
Die Sicherheitsbehörden, die im November 2011 nach
fast zwanzig Jahren intensiver und bis zum Bekanntwer-
den der Existenz des NSU und der rassistischen Mord-
und Anschlagserie öffentlich als erfolgreich dargestellter
Arbeit gegen Rechtsextremismus vor den Trümmern ihrer
Arbeit standen, haben zu den alten Routinen zurückge-
funden. Die Existenz des NSU wird als Betriebsunfall
behandelt, der in den Szenarien des BfV und BKA nie
vorgesehen war und der nun, da er der Justiz übergeben
worden ist, als so einmalig und ohne Wiederholungsge-
fahr angesehen wird, dass er keinesfalls die Arbeit des
BfV, der Landesämter für Verfassungsschutz und der
Polizeien in Verruf oder in Frage stellen könne. Analog
zu den Verteidigern der Atompolitik, die den nuklearen
GAU in Fukushima auch nie für möglich gehalten haben
und die die nunmehr die abgeschalteten Atommeiler
schnellstmöglich wieder in Betrieb nehmen wollen, ver-
halten sich auch die Hauptakteure der deutschen Sicher-
heitsarchitektur so, als sei der NSU-Komplex ein GAU,
dessen Wiederholung ausgeschlossen sei – wenn man nur
schnellstmöglich zur Routine zurückkehren darf, – inklu-
sive mehr Aufgaben fürs BfV, denen neue Befugnisse
folgen werden.
Dabei ist im Untersuchungsausschuss deutlich geworden,
dass die bisherige Politik der Inneren Sicherheit und ihre
Behörden zum Kampf gegen die bedrohliche Entwicklung
des Rechtsextremismus gänzlich ungeeignet sind. Wer
daher deren Unantastbarkeit zur Voraussetzung seiner
Überlegungen macht, greift nicht nur zu kurz, er fördert
auch die Gefahr der Wiederholung.
2. Das bisherige Bundesamt für Verfas-
sungsschutz abschaffen und eine Koordi-
nierungsstelle des Bundes plus Bundes-
stiftung „gruppenbezogene Menschen-
feindlichkeit“ aufbauen
Angesichts der strukturellen Defizite und Rechtsverstöße
ist die Auflösung des nachrichtendienstlich arbeitenden
Verfassungsschutzverbundes in der Bundesrepublik so-
wohl politisch als auch rechtlich geboten. Die von den
Innenministerien des Bundes und der Länder bisher ein-
geleiteten und geplanten Maßnahmen tragen diesem
grundlegenden Veränderungsbedarf nach Überzeugung
der Fraktion DIE LINKE nicht nur völlig unzureichend
Rechnung, sondern sie verfestigen nach der schwersten
Krise dieser Sicherheitsbehörden genau deren wesentliche
Bausteine. Aus diesem Grund schlägt die Fraktion DIE
LINKE einen radikal anderen Weg vor.
a) Das BfV in seiner jetzigen Form weicht
erheblich von den Vorgaben des Grundge-
setzes ab.
Nach Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes „kann“
durch Bundesgesetz eine „Zentralstelle (...) zur Samm-
lung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschut-
zes“ errichtet werden. Eine verfassungsrechtliche Ver-
pflichtung, eine Stelle mit den Kompetenzen des existie-
renden Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) einzu-
richten, ergibt sich daraus indes nicht. Die Bestimmungen
der Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG
sind vielmehr Ausdruck eines Zugeständnisses, das die
Militärgouverneure der damaligen drei westlichen Alliier-
ten der Bundesregierung im April 1949 gemacht ha-
ben.
7512
Von diesen organisatorischen und kompetenziellen Vor-
gaben des Grundgesetzes weichen Organisation, Aufga-
ben und Befugnisse des real existierenden BfV, aber auch
die rechtlichen und organisatorischen Vorgaben des Ver-
fassungsschutzgesetzes des Bundes (BVerfSchG) für
dessen Zusammenwirken mit den Verfassungsschutzbe-
hörden der Länder signifikant ab: Im Widerspruch zu der
verfassungsmäßigen Aufgabe, lediglich Unterlagen zu
sammeln und zu verbreiten, hat das Bundesamt nach § 8
BVerfSchG Befugnisse zur eigenständigen Erhebung von
Informationen
7513
, bei deren Wahrnehmung es überdies
„Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen
7512) In dem „Polizei-Brief“ (Schreiben der Militärgouverneure über
die der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei zustehen-
den Befugnisse vom 14. April 1949) hieß es unter Punkt 2:
„Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestattet, eine Stelle
zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürz-
lerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten ein-
zurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnis haben.“
7513) Kritisch insofern etwa Gusy, Die Zentralstellenkompetenz des
Bundes, in: DVBl 1993 , S. 1117, 1122 ff.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1017 – Drucksache 17/14600
Informationsbeschaffung, wie [der] Einsatz von Vertrau-
ensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild-
und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzei-
chen“, verwenden darf.7514 Richtigerweise dürfen die
Aufgaben und Befugnisse, die der Bundesgesetzgeber
dem BfV zuweist, jedoch nicht weiter gehen als seine
Gesetzgebungskompetenz für den Verfassungsschutz. Da
diese Kompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b GG auf die
Zusammenarbeit des Bundes und der Länder beschränkt
ist, hat der Bund sich Gesetzgebungskompetenzen, die
nach Art. 70 GG den Ländern zustehen, angemaßt, indem
er das BfV im BVerfSchG mit außenwirksamen Vollzie-
hungsaufgaben bedacht und ihm entsprechende Exekutiv-
befugnisse eingeräumt hat. Obendrein hat der Bundesge-
setzgeber dem BfV im Widerspruch zum Begriff „Zent-
ralstelle“ und zur bundesstaatlichen Ordnung in § 7
BVerfSchG Weisungsbefugnisse gegenüber den Landes-
ämtern eingeräumt.
7515
Schließlich ist das Bundesamt im
Widerspruch zur systematischen Stellung des Abs. 1 Satz
2 in Art. 87 GG sowie zu Begriff und Funktion von
„Zentralstelle“ im Grundgesetz als Bundesoberbehörde
organisiert. Als solche untersteht sie nicht nur der Rechts-
, sondern auch der Fachaufsicht des BMI. Richtigerweise
dürften Zentralstellen nach Art. 87 Abs. 1 GG nicht der
Fachaufsicht eines Bundesministeriums unterstehen, son-
dern sollten „nichtministerielle“ Verwaltungseinheiten7516
sein. Zumindest aber lässt Artikel 87 GG eine solche
Ausgliederung der Zentralstellen aus dem organisatori-
schen Bereich der Ministerien zu.
7517
DIE LINKE schlägt vor, dass die organisatorische und
kompetenzielle Ausgestaltung der Zentralstelle sich künf-
tig konsequent an dem orientieren sollte, was mit der
durch die Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b GG und Art. 87 Abs. 1
Satz 2 GG eingeräumten Kompetenz ursprünglich gewollt
und bezweckt war: Gewollt war, dass der Bund eine mi-
nisterfreie Koordinierungsstelle einrichten darf, die ledig-
lich über umstürzlerische Tätigkeiten für Zwecke des
Verfassungsschutzes Unterlagen sammelt, ohne eigene
Exekutivbefugnisse – zumal solche zur geheimen Infor-
mationsbeschaffung – oder Weisungsrechte gegenüber
den Ländern zu haben.
7518
7514) Vgl. Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Ver-
fassungsschutz und Grundrechte, 1979, S. 55 ff., dem zufolge
unter Sammlung allein passives Entgegennehmen und Regist-
rieren von Informationen, welche von Dritten übermittelt wur-
den, nicht aber die eigene „aktive Unterlagenbeschaffung mit
nachrichtendienstlichen Mitteln“ zu verstehen ist.
7515) Gusy, aaO., S. 1117, 1121: „Ein Weisungsrecht steht den
Zentralstellen des Bundes gegenüber den Landesbehörden nicht
zu“; ebenso B. Becker, Zentralstellen gemäß Art. 87 Abs. 1 GG,
in: DÖV 1978, 551, 554: „abwegig“.
7516) B. Becker, Öffentliche Verwaltung, 1989, S. 291.
7517) Siehe dazu Gusy, aaO., S. 1117, 1124: „Entstehungsgeschichte
und Systematik des Art. 87 GG lassen zahlreiche Anhaltspunk-
te dafür erkennen, dass eine solche Ausgliederung nicht nur zu-
lässig, sondern sogar geboten ist.“
7518) Vgl. Gusy, aaO., S. 1117, 1121 und ff.
b) Koordinierungsstelle des Bundes zur Do-
kumentation neonazistischer, rassistischer
und antisemitischer Einstellungen und Be-
strebungen sowie sonstiger Erscheinungs-
formen „gruppenbezogener Menschen-
feindlichkeit“
7519
Der nachrichtendienstlich arbeitende Verfassungsschutz
war Herz und Motor des sicherheitspolitischen Debakels
im Zusammenhang des NSU. Als Konsequenz daraus tritt
die Fraktion DIE LINKE für eine Auflösung des nach-
richtendienstlichen Verfassungsschutzes ein. Künftige
Strukturen und Kompetenzen müssen sich konsequent an
den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes
orientieren: Eine durch Bundesgesetz errichtete „Koordi-
nierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazisti-
scher, rassistischer und antisemitischer Einstellungen und
Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen grup-
penbezogener Menschenfeindlichkeit“ (kurz: „Koordinie-
rungsstelle zur Dokumentation gruppenbezogener Men-
schenfeindlichkeit“) ersetzt nach einer Aufbauphase das
aufzulösende „Bundesamt für Verfassungsschutz“ als
Zentralstelle des Bundes für Zwecke des Verfassungs-
schutzes nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Koordinie-
rungsstelle ist eine ministerialfreie Einrichtung des Bun-
des, d. h. sie untersteht lediglich der Rechts-, aber nicht
der Fachaufsicht eines Bundesministeriums. Ihrer verfas-
sungsmäßigen Aufgabenbegrenzung auf die „Sammlung
von Unterlagen“ (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) entsprechend
sind ihre Befugnisse auf das koordinierende Entgegen-
nehmen, die Weitergabe und die Vermittlung des Aus-
tauschs von Informationen und Erkenntnissen begrenzt,
welche ihr von Stellen der Länder und des Bundes sowie
zwischenstaatlichen und ausländischen Stellen übermittelt
werden.
7520
Zur eigenständigen Erhebung von Informatio-
7519) Bei der Definition „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“
folgen wir dem Forschungsprojekt von Wilhelm Heitmeyer
u. a., in dem der Begriff folgendermaßen definiert wird: „Men-
schenfeindlichkeit meint kein individuelles
Feindschaftsverhältnis zu einem anderen Menschen, sondern
bezieht sich auf Gruppen. Werden Personen aufgrund ihrer ge-
wählten oder zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit als un-
gleichwertig markiert und feindseligen Mentalitäten der Abwer-
tung, Ausgrenzung etc. ausgesetzt, dann sprechen wir von
Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, so daß die Würde
der betroffenen Menschen antastbar wird oder zerstört werden
kann.“ (Wilhelm Heitmeyer u. a., Deutsche Zustände, Folge 2,
Frankfurt a.M. 2003, S. 14)
7520) Dies folgt nach hiesigem Verständnis bereits zwingend aus den
verfassungsrechtlichen Vorgaben, konkret der kompetenzrecht-
lichen Sonderstellung der Ermächtigungsgrundlage für ihre Er-
richtung als „Zentralstelle“ in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG (so et-
wa Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Verfas-
sungsschutz und Grundrechte, 1979, 55 ff.), aber auch, so der
Wissenschaftliche Dienst des Bundestages unter Hinweis auf
Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Ergänzungslieferung 2012,
Art. 87 Rn. 118, aus dem systematischen Zusammenhang des
Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG mit der Gesetzgebungskompetenz des
Bundes aus Art. 73 Nr. 10 GG: „Die einfachgesetzliche Ausge-
staltung der fakultativen Verwaltungskompetenz ist zunächst
durch die Gesetzgebungskompetenz begrenzt, da nach ständiger
Rechtsprechung des BVerfG die Gesetzgebungskompetenzen
des Bundes die äußerste Grenze für dessen Verwaltungskompe-
tenzen bilden. Anderenfalls würde der Bund Landesrecht voll-
ziehen, was nach dem Grundgesetz schlechterdings ausge-
Drucksache 17/14600 – 1018 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nen ist sie nicht befugt – auch nicht aus allgemein zu-
gänglichen Quellen.
7521
Die Entgegennahme und Weiter-
leitung mit Methoden, Gegenständen und Instrumenten
heimlicher Informationsbeschaffung im Sinne des § 8
Abs. 2 BVerfSchG einschließlich der durch den Einsatz
von Vertrauens- und Gewährspersonen gewonnenen In-
formationen und Erkenntnisse ist ihr ebenso gesetzlich
untersagt wie deren eigener Einsatz.
7522
Stammt die In-
formation von Einrichtungen, die gesetzlich befugt sind,
nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, hat sie dies im
jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Verbleiben danach Zwei-
fel, ob die Information oder die Erkenntnis mithilfe nach-
richtendienstlicher Mittel gewonnen wurde, so hat eine
weitere Verarbeitung und Weitergabe zu unterbleiben.
Entsprechende Daten sind zu löschen, Unterlagen zu
vernichten. Informationen und Erkenntnisse, die nicht mit
nachrichtendienstlichen Methoden, Gegenständen und
Instrumenten gewonnen worden sind, darf die Koordinie-
rungsstelle grundsätzlich nur an Einrichtungen weiterlei-
ten, die solche Methoden, Gegenstände und Instrumente
nicht einsetzen dürfen. Eine Weiterleitung an Einrichtun-
gen, die zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel be-
fugt sind, darf nur erfolgen, wenn sie sich verpflichten,
von der Koordinierungsstelle erhaltene Informationen
oder Erkenntnisse nicht mit Erkenntnissen zusammenzu-
führen, die aus geheimer Informationsbeschaffung stam-
men. Die Koordinierungsstelle hat laufend zu überprüfen,
ob und inwieweit diese Verpflichtung auch tatsächlich
eingehalten wird. Ist die vollständige Einhaltung der Ver-
pflichtung bei der betreffenden Einrichtung nicht durch-
gängig gewährleistet, so hat jeglicher Informationsaus-
tausch mit ihr zu unterblieben, bis sie wirksame Vorkeh-
rungen für eine künftige Beachtung nachweist.
Weisungsbefugnisse gegenüber den Verfassungsschutz-
behörden der Länder hat die Koordinierungsstelle
nicht.
7523
schlossen ist (Art. 30 GG). Das bedeutet vorliegend, dass Ver-
fassungsschutzbehörden des Bundes auf eine Koordinierung der
Bund-Länder-Zusammenarbeit beschränkt sind, da auch die
Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG
nur für die „Zusammenarbeit“ gilt.“ (Robbe, Rechtsfragen zur
Erforderlichkeit, Organisation und Arbeitsweise des Verfas-
sungsschutzes im föderalen Verbund; WD 3 – 3000 – 244/12).
7521) Gusy, aaO., S. 1117, 1122 ff. m. w. N.
7522) Die Entscheidung über die zukünftige Ausgestaltung der Lan-
desämter für Verfassungsschutz liegt bei den Ländern. Das hier
geforderte Verbot der Verwendung der mit nachrichtendienstli-
chen Mitteln erlangten Informationen durch die neue Zentral-
stelle des Bundes eröffnet aber den Landesämtern die Möglich-
keit, ebenfalls auf diese Mittel zu verzichten.
7523) Vgl. Gusy, aaO., S. 1117, 1121: „Ein Weisungsrecht steht den
Zentralstellen des Bundes gegenüber den Landesbehörden nicht
zu.“
c) Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Er-
forschung und Aufklärung über alle Er-
scheinungsformen „gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit“
Die Koordinierungsstelle betreibt selbst keine inhaltliche
Auswertung und Aufbereitung entsprechend diesen Vor-
gaben entgegen genommener Informationen und Erkennt-
nisse. Diese obliegt einer neu zu errichtenden „Bundesstif-
tung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung aller
Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfein-
dlichkeit“ (kurz: Bundesstiftung zur Beobachtung und
Erforschung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit).
Die Bundesstiftung soll eine bundesunmittelbare, rechts-
fähige Stiftung des öffentlichen Rechts sein, die rechtlich,
organisatorisch und personell unabhängig ist von der
Koordinierungsstelle. Sie entsteht durch ein formelles
Errichtungsgesetz des Bundes. Ihr Zweck ist der Schutz
der Menschenwürde sowie der Grundrechte des Grundge-
setzes durch wissenschaftliche Untersuchung, Informati-
on, Dokumentation und Aufklärung über Ursachen und
Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfein-
dlichkeit. Sie arbeitet gemäß dem gesetzlichen Leitbild:
„Der beste Schutz der Verfassung sind mündige Bürge-
rinnen und Bürger“7524 auf der Grundlage des Prinzips
„Verfassungsschutz durch Aufklärung“. Gesetzliche Auf-
gabe der Stiftung ist es, antipluralistische, insbesondere
neonazistische, rassistische und antisemitische Einstel-
lungen, Verhaltensweisen und Bestrebungen, sowie sons-
tige Erscheinungsformen individueller und organisierter
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu beobachten,
zu dokumentieren und einschließlich ihrer individuellen
und strukturellen Ursachen und Folgen zu erforschen. Sie
berät und unterstützt private und öffentliche Einrichtun-
gen und gesellschaftliche Initiativen dabei, einen pluralis-
tischen Konsens sowie demokratische Teilhabe zu fördern
und zu festigen. Die Bundesstiftung erfüllt ihre gesetzli-
che Aufgabe durch:
– laufende Entgegennahme und Weitergabe von In-
formationen, insbesondere von sach- und personen-
bezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen,
sowie von Erkenntnissen der Koordinierungsstelle
Dokumentation gruppenbezogener Menschenfein-
dlichkeit des Bundes;
– Erhebung allgemein zugänglicher Informationen,
ihre allgemein zugängliche Dokumentation und wis-
senschaftliche Aufbereitung;
– Errichtung und Unterhaltung eines Archivs nebst
Dokumentationsstelle und Bibliothek;
– Beratung der Bundesregierung und des Bundestages
im Sinne des Stiftungszwecks;
7524) Vgl. Fromm, in: 60 Jahre im Dienst der Demokratie: Bundes-
amt für Verfassungsschutz. Reden anlässlich des Festaktes 60
Jahre Bundesamt für Verfassungsschutz am 6. Dezember 2010,
Begrüßung, S. 7, 14: „Es ist unstreitig, dass der beste Schutz
der Verfassung mündige Bürgerinnen und Bürger sind, die über
die Gefährdungen durch den politischen Extremismus Bescheid
wissen.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1019 – Drucksache 17/14600
– Aufklärung über die individuellen und strukturellen
Ursachen und Erscheinungsformen individueller und
organisierter gruppenbezogener Menschenfeindlich-
keit;
– Entwicklung und Präsentation von Handlungsemp-
fehlungen zur Bekämpfung der Ursachen und Er-
scheinungsformen gruppenbezogener Menschenfein-
dlichkeit;
– fachliche Unterstützung von privaten und öffentli-
chen Einrichtungen im Sinne des Stiftungszwecks;
– finanzielle Förderung und fachliche Unterstützung
gesellschaftlicher Initiativen, insbesondere zur Bera-
tung und Betreuung von Opfern gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit;
– internationale Zusammenarbeit im Sinne des Stif-
tungszwecks.
Einrichtungen der Länder und des Bundes sowie zwi-
schenstaatliche und ausländische Einrichtungen dürfen
ausschließlich über die Koordinierungsstelle des Bundes
auf die Informationen und Erkenntnisse der Bundesstif-
tung zugreifen. Die Stiftung wird geleitet durch einen
Vorstand, der durch einen Stiftungsrat eingesetzt und
kontrolliert wird. Die Mitglieder des Stiftungsrates wer-
den vom Bundestag gewählt. Ein wissenschaftlicher Bei-
rat berät die Stiftung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben,
entwickelt sozialwissenschaftliche Maßstäbe und Vorga-
ben für die Erhebung, Analyse und Bewertung des Infor-
mationsaufkommens – insbesondere von sach- und perso-
nenbezogenen Auskünften, Nachrichten, Unterlagen –
und sonstigen Erkenntnissen sowie zu deren regelmäßiger
Evaluation und passt diese laufend veränderten gesell-
schaftlichen Rahmenbedingungen an. Er kann ferner
Empfehlungen zur allgemeinen Weiterentwicklung der
Forschungs-, Dokumentations- und Beratungspraxis ein-
bringen.
Als Frühwarnsystem für etwaige Missstände bei der
Koordinierungsstelle des Bundes und der Bundesstiftung
wird ihren Beschäftigten durch ausdrückliche Regelung in
den Errichtungsgesetzen gestattet, sich in dienstlichen und
fachlichen Angelegenheiten ohne Einhaltung des Dienst-
weges und ohne die Leitung darüber unterrichten zu müs-
sen, unmittelbar an den Deutschen Bundestag und seine
Gremien zu wenden. Die internen Datenschutzbeauftrag-
ten werden jeweils bei der Leitung der Koordinierungs-
stelle des Bundes und der Bundesstiftung angesiedelt.
Der Beauftragte des Bundes für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BdfI) überprüft zusätzlich extern die
Einhaltung der gesetzlichen und untergesetzlichen Vorga-
ben einschließlich derjenigen zum Verbot der Entgegen-
nahme und Weitergabe von Informationen, die aus dem
Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel stammen, durch die
Koordinierungsstelle und die Bundesstiftung.
d) Den Beauftragten des Bundes für den Da-
tenschutz und die Informationsfreiheit
(BdfI) stärken
Die personelle und fachliche Ausstattung des BdfI sind so
zu stärken, dass er in der Lage ist, eine wirksame Prü-
fungspraxis bei der Koordinierungsstelle des Bundes und
der Bundesstiftung zu entwickeln. Die Kontrollbefugnisse
des BdfI und der Länderbeauftragten für Datenschutz sind
entsprechend zu erweitern.
Für die Übermittlung personenbezogener Daten an aus-
ländische Stellen durch die Koordinierungsstelle, die
Bundesstiftung und die Sicherheitsbehörden des Bundes
sind dataillierte Dokumentationspflichten vorzusehen, um
eine wirksame nachträgliche Kontrolle des Vorliegens
ihrer rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen im
jeweiligen Eimzelfall zu ermöglichen.
3. Eckpunkte zur Verbesserung der parla-
mentarischen Kontrolle der noch existie-
renden Geheimdienste
Die Fraktion DIE LINKE hält Geheimdienste, ganz be-
sonders aber einen faktisch politischer Kontrolle dienen-
den Inlandsgeheimdienst, grundsätzlich für demokratie-
fremde und rechtsstaatswidrige Institutionen und plädiert
seit Langem für ihre schrittweise Auflösung. Dies schließt
Verbesserungen der parlamentarischen und öffentlichen
Kontrolle der Nachrichtendienste keineswegs aus, solange
eine parlamentarische Mehrheit ihre reale Existenz si-
chert. Es bedeutet aber, dass die konkrete Gestaltung der
Verbesserungen eine ganz besondere Rolle spielt. Drän-
gen sie die parlamentarischer Kontrolle entzogegenen
Kernbereiche exekutiver Eigenverantwortung der Sicher-
heitsbehörden und der Regierungspolitik spürbar zurück?
Stärken sie erkennbar Transparenz und Kontrollmöglich-
keiten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie
der Öffentlichkeit? Schränken sie die Möglichkeiten der
Regierungsmehrheiten ein, Informationsbedarf und In-
formationsrechte der Minderheit in den zuständigen Gre-
mien und Ausschüssen zu übergehen? Antworten auf
diese Fragen entscheiden über ein Mehr an Kontrolle,
nicht die institutionelle Stärkung und immanente Verbes-
serung der Arbeitsbedingungen eines der Geheimhaltung
verpflichteten Gremiums.
a) Grundsatz: Geheime Politikbereiche ein-
grenzen – öffentliche parlamentarische
Kontrolle ausweiten
Eine Verbesserung parlamentarisch-demokratischer Kont-
rollinstrumente der Nachrichtendienste muss vor allem an
zwei Punkten ansetzen:
– Weitestgehende Offenlegung bisher als Verschluss-
sachen ablaufender Prozesse, Aktivitäten und Ent-
scheidungen.
– Übertragung der bislang exklusiven Kontrollrechte
des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Bezug
auf die Geheim-/Nachrichtendienste auf die parla-
Drucksache 17/14600 – 1020 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mentsöffentlich tagenden Rechts-, Innen- und Haus-
haltsausschüsse und die Abgeordneten insgesamt.
b) Das Parlamentarische Kontrollgremium
(PKGr) durch einen ständigen Ausschuss
für die Kontrolle der Nachrichtendienste
(AKrND) ersetzen
Im derzeitigen parlamentarischen Regierungssystem
überwacht in der Praxis nicht die Mehrheit die Tätigkeit
der Regierung, sondern vorwiegend die Opposition, also
in der Regel eine Minderheit. So verhält es sich auch in
dem für die Überwachung der Nachrichtendienste zustän-
digen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) und
dem Vertrauensgremium. Das allen Formen investigativer
parlamentarischer Kontrolle zugrunde liegende Verfas-
sungsprinzip des Minderheitenschutzes wird im PKGr
und im Vertrauensgremium gegenwärtig nur unzurei-
chend gewährleistet. Deshalb müssen in einem ersten
Schritt die Minderheitenrechte im PKGr und im Vertrau-
ensgremium konsequent gestärkt werden. Um darüber
hinaus die Transparenz der parlamentarischen Kontrolle
der Geheimdienste zu stärken, sollte das bisherige PKGr
zudem mittelfristig durch einen parlamentsöffentlich
tagenden ständigen Ausschuss für die Kontrolle der Nach-
richtendienste (AKrND) ersetzt werden.
c) Informationspflicht der Bundesregierung
ausweiten
Reformbedarf besteht auch in Bezug auf den Umfang der
Informationspflicht der Bundesregierung über die Tätig-
keiten der Nachrichtendienste und die Gründe, mit denen
die Bundesregierung den parlamentarischen Kontrollor-
ganen Informationen verweigern darf. Ein neben der
Berichtspflicht der Bundesregierung stehendes Recht auf
Selbstinformation besteht für die Mitglieder des Kontroll-
gremiums bislang nur eingeschränkt. Im Ergebnis ist das
Kontrollgremium nicht in der Lage, fundierte Gegendar-
stellungen zur Regierungsdarstellung eines Vorgangs zu
entwickeln. Darüber hinaus muss es grundsätzlich regel-
mäßige schriftliche – und damit auch zu einem späteren
Zeitpunkt nachvollziehbare – Berichterstattungen im
PKGr geben.
Die parlamentarischen Kontrolleure sind zurzeit aus-
schließlich auf die Information derjenigen angewiesen,
die sie zu kontrollieren haben. Die Bundesregierung muss
im Rahmen der dringend erforderlichen Strukturreform
endlich ihrer grundsätzlich umfassenden Informations-
pflicht gegenüber dem PKGr nachkommen. Hierfür ist es
erforderlich, dass die Bundesregierung im Bereich der
nachrichtendienstlichen Aktivitäten dazu übergeht, die
Kontrollgremien selbstständig und umfassend über lau-
fende und geplante Maßnahmen zu informieren und nicht
erst auf Anfrage der Gremiumsmitglieder.
Auch im Bereich der internationalen Zusammenarbeit
muss die Informationspflicht für die Bundesregierung
gelten. Bisher ist die parlamentarische Kontrolle der deut-
schen Nachrichtendienste von der Bereitschaft ausländi-
scher Dienste abhängig, die mit deutschen Diensten aus-
getauschten Informationen zur Vorlage ans PKGr freizu-
geben. Eine solche Freigabe wird praktisch nie erteilt. Da
ein wesentlicher Teil nachrichtendienstlicher Informatio-
nen aus internationalen Zusammenhängen stammt und im
Rahmen längst routinierter Nachrichtendienstkooperatio-
nen ausgetauscht wird, wird andernfalls auch künftig eine
parlamentarische Kontrolle der deutschen Nachrichten-
dienste in zentralen Aufgabenbereichen moderner nach-
richtendienstlicher Arbeit faktisch nicht ausgeübt werden
können.
d) Frage- und Kontrollrechte der Abgeordne-
ten stärken
Um eine effektivere Kontrolle zu gewährleisten, müssen
darüber hinaus auch die Kompetenzen der Fachausschüs-
se und der Abgeordneten erweitert werden. Die bisherige
Verlagerung der Kontrolle der Nachrichtendienste in
spezielle Gremien ist weniger der Materie geschuldet als
dem Versuch, sich der Kontrolle durch einen engen Kreis
an Beteiligten zu entziehen und sie gleichzeitig zu passi-
ven Mitwissern zu machen. Um dem entgegen zu wirken
und deutlich mehr Transparenz und qualitative Verbesse-
rung der Informationsrechte für alle Abgeordneten zu
gewährleisten, sollen die Informations- und Auskunfts-
rechte der Ausschüsse gestärkt werden, deren Sachgebiete
von der Tätigkeit der Nachrichtendienste berührt werden,
insbesondere des Innenausschusses, des Rechtsausschus-
ses und des Haushaltsausschusses. Für die Beratungen des
Haushaltsausschusses ist es notwendig, das Vertrauens-
gremium als Unterausschuss aufzulösen und die Einzel-
pläne der Nachrichtendienste in die regulären Haushalts-
beratungen einzubeziehen. Bisher muss der Haushaltsaus-
schuss quasi blind über die finanzielle Ausstattung der
Nachrichtendienste entscheiden und ist auf das Votum aus
dem Vertrauensgremium angewiesen. Hierbei entfällt
beispielsweise völlig ein Minderheitenschutz, denn ein
Minderheitenvotum ist im Vertrauensgremium nicht vor-
gesehen.
e) Informationsansprüche der Fachaus-
schüsse und Informationspflichten der
Regierung ausweiten
Eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Nachrich-
tendienste des Bundes kann allein durch ein einziges
Sondergremium des Bundestages, dessen Arbeit noch
dazu durch ein Höchstmaß an Intransparenz gekennzeich-
net ist, nicht gewährleistet werden. Das parlamentarische
Kontrollgremium (PKGr) muss sein Wissen um Defizite
und Mängel nach geltender Rechtslage weitgehend für
sich behalten. Die Bundesregierung verweigert den Fach-
ausschüssen und Abgeordneten des Bundestages gleich-
wohl immer wieder Auskünfte auf Fragen zu Themen mit
nachrichtendienstlichem Bezug unter Hinweis darauf,
dass sie darüber nur in dem dafür vorgesehenen PKGr
informiere. Funktion und Praxis der parlamentarischen
Kontrolle der Nachrichtendienste stehen damit im Wider-
spruch zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts aus dem Jahr 2009. Das BVerfG hatte entschieden,
dass das Fragerecht der Abgeordneten und die Informati-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1021 – Drucksache 17/14600
onsansprüche der Fachausschüsse auch im Zuständig-
keitsbereich des PKGr durchaus nicht eingeschränkt wer-
den.
7525
Entgegen der Informationspraxis der Bundesre-
gierung bis heute
7526
kennt das Grundgesetz also keinen
exklusiven Informationsanspruch des PKGr. Demokrati-
sche Kontrolle basiert aber gerade auf Öffentlichkeit und
Transparenz. Damit grundsätzlich unvereinbar sind kont-
rollfreie Residuen der Bundesregierung und exklusive
Kontrollkompetenzen eines unter Ausschluss der Öffent-
lichkeit tagenden Teilorgans des Bundestages. Um eine
wirksame demokratische Kontrolle der Verantwortung
der Bundesregierung für die Tätigkeit der Nachrichten-
dienste des Bundes zu gewährleisten, schlägt die Fraktion
DIE LINKE daher vor, das Fragerecht der Mitglieder und
Fraktionen des Bundestages sowie die Pflicht der Bundes-
regierung zur Auskunft ausdrücklich im Grundgesetz zu
regeln und dabei Einschränkungen unter Verweis auf eine
vermeintlich exklusive Zuständigkeit ausschließlich
nichtöffentlich tagender Teilorgane und Gremien des
Bundestages auszuschließen.
Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen kann nur
dann qualifiziert vorbereitet, Untersuchungsaufträge kön-
nen nur dann zielgerichtet gefasst werden, wenn das im
Grunde bereits aus der Funktion der parlamentarischen
Kontrolle der Bundesregierung folgende Recht der Frak-
tionen und Abgeordneten des Bundestages auf Aktenvor-
lage auch außerhalb von Untersuchungsausschüssen aus-
drücklich gewährleistet wird. In Anlehnung an einige
Landesverfassungen sollte daher ferner ein ausdrückliches
Recht auf Vorlage von Akten sowie auf Gewährung des
Zugangs zu öffentlichen Einrichtungen in das Grundge-
setz aufgenommen werden. Die Gründe, aus denen die
Bundesregierung die Auskunft, die Vorlage von Akten
oder den Zutritt zu Einrichtungen des Bundes versagen
kann, sind darin abschließend zu regeln: Die Bundesregie-
rung sollte eine Auskunft, die Vorlage von Akten oder
den Zugang zu einer Einrichtung in ihrem Verantwor-
tungsbereich nur dann und nur insoweit verweigern dür-
fen, wie dies erforderlich und angemessen ist, um die
Eigenverantwortlichkeit ihrer Willensbildung und Ent-
scheidungsfindung bei der Vorbereitung von Regierungs-
entscheidungen zu wahren, um schwerwiegende Nachteile
für das Wohl der Allgemeinheit abzuwenden oder um die
Persönlichkeitsrechte Dritter wirksam zu schützen. Soweit
7525) Vgl. BVerfG, 2 BvE 5/06 vom 1. Juli 2009.
7526) Vgl. 17/10305: Schriftliche Frage der Abgeordneten Pau; BT-
Drs. 17/10737: Schriftliche Frage der Abgeordneten Dagdelen;
BT-Drs.17/6272: Schriftliche Frage des Abgeordneten Hunko.
In den Antworten werden exemplarisch die verschiedenen Stu-
fen der Geheimhaltung vorgeführt. „Evidente Geheimhaltungs-
bedürftigkeit“ der Antworten auf Zahl und Bewertung der V-
Leute im „Thüringer Heimatschutz“, d. h. es gibt überhaupt
keine Auskunft (17/10737). Keine Informationsnotwendigkeit
zu Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der Sicher-
heitsbehörden über das PKGr hinaus (17/6272) und keine öf-
fentliche Auskunft darüber, wie oft das PKGr zu welchen An-
lässen über die Entwicklung des Rechtsextremismus unterrich-
tet wurde (17/10305). In der 17. Wahlperiode dürfte die Zahl
der aus Geheimhaltungsgründen nicht öffentlich beantworteten
Einzelfragen alleine bei der Fraktion DIE LINKE in die Hun-
derte gehen.
Tatsachen die Annahme rechtswidrigen Regierungshan-
delns rechtfertigen, kann sich die Bundesregierung nicht
auf die Verweigerungsgründe der Eigenverantwortlichkeit
oder des Wohls der Allgemeinheit berufen.
4. Schlussfolgerungen im Bereich der Polizei
a) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle /
unabhängige Polizeibeobachtung
Polizeiarbeit muss für die Bürgerinnen und Bürger
kritisierbar und hinterfragbar sein. Das hat der Umgang
mit den Opfern und Hinterbliebenen der rassistischen
Mordserie noch einmal gezeigt. Menschen, die sich über
polizeiliches Fehlverhalten, über falsche Ermittlungen
oder einen problematischen Umgang mit Angehörigen
von Opfern von Straftaten beschweren wollen, müssen
eine mit Kompetenzen ausgestattete Anlaufstelle haben.
Diese Anlaufstelle muss außerhalb der Polizei angesiedelt
und unabhängig sein. DIE LINKE hat in der 16. und 17.
Wahlperiode Vorschläge für die Einführung einer solchen
unabhängigen Polizeibeschwerdestelle vorgelegt.
7527
Wir fordern auf Bundesebene einen polizeiunabhängigen
Beschwerde- und Untersuchungsmechanismus zur Poli-
zeibeobachtung. Bei der Konzeption sollen die Forderun-
gen von Amnesty International und Humanistischer Uni-
on
7528
als Grundlage dienen. Die unabhängige Polizeibe-
obachtungsstelle muss u. a.
– bevollmächtigt sein, Vorwürfe schwerer Menschen-
rechtsverletzungen, Diskriminierungen,
ethnisierender Formen der Ermittlung im Rahmen der
Polizeiarbeit aufzuklären;
– befugt sein, Anzeigen und Beschwerden von Perso-
nen aufzunehmen und entsprechend zu ermitteln, so-
wie selbstständig und ohne Vorliegen einer Anzeige
Ermittlungen einzuleiten;
– über die notwendige Kompetenz und Ausstattung zur
Durchführung seiner Aufgaben verfügen;
– regelmäßig Bericht an den Bundestag bzw. die Land-
tage erstatten.
7529
Die Bundesregierung soll Gespräche mit den Ländern
führen, um für ein solches Konzept der unabhängigen
Polizeibeschwerdestellen auch in den Ländern zu werben.
Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2009 eine „Zentrale Be-
schwerdestelle Polizei“ – u. a. als Konsequenz aus mehre-
ren Fällen polizeilichen Versagens und Fehlverhaltens
nach rassistischen und neonazistischen Gewalttaten sowie
7527) Vgl. Drucksachen 16/12683 und 17/10685
7528) Vgl. Amnesty International, Täter unbekannt. Mangelnde
Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die Poli-
zei in Deutschland, 2010
www.amnestypolizei.de/sites/default/files/imce/pfds/Polizeiberi
cht-internet.pdf; Humanistische Union, Gesetzentwurf zur Insti-
tutionalisierung eines Polizeibeauftragten www.humanistische-
union.de/wiki/hu/projekte/polizeikontrolle/gesetzentwurf
7529) Vgl. Amnesty International, aaO., S. 113 f.
Drucksache 17/14600 – 1022 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dem Fall Oury Jalloh – eingerichtet, die jedoch aufgrund
der Tatsache, dass sie beim Innenministerium angesiedelt
ist nicht als unabhängig bezeichnet werden kann und
damit in keiner Weise den Anforderungen an eine solche
Stelle entspricht.
7530
Zentral für den Erfolg eines solchen Beschwerde- und
Untersuchungsgremiums ist die Unabhängigkeit und ein
niedrig schwelliger Zugang, d. h. das Gremium muss frei
von Einflussnahmen und Weisungen durch Polizei,
Staatsanwaltschaft, Ministerien oder politisch Verant-
wortliche sein. Neben der Bearbeitung von Einzelfällen
polizeilichen Fehlverhaltens muss die Beschwerdestelle
auch bei Fällen von strukturellem Rassismus im Rahmen
polizeilicher Arbeit ansprechbar sein, der im Fall der
Ermittlungen zu der Česká-Mordserie zu einer systemati-
schen Fehlentwicklung der Ermittlungsrichtung geführt
hat.
Beispiele für derartige Einrichtungen in europäischen
Nachbarländern sind der „Menschenrechtsbeirat“ in Ös-
terreich, die „Police Complaints Authority“ in Großbri-
tannien, der „Police Ombudsman“ in Nordirland oder die
„Inspecção Geral da Administração Internal“ in Portugal.
b) Erhebliche Verbesserungen in den Berei-
chen Polizeiaus- und Fortbildung, beim
Anteil von Migrantinnen und Migranten in
der Polizei und der Polizeiforschung
Konzepte interkultureller Kompetenz im Rahmen der
Polizeiausbildung, regelmäßige Fortbildungen und auch
die Erhöhung des Anteils von Migrantinnen und Migran-
ten in der Polizei können helfen, einem strukturell rassis-
tischen Umfeld etwas entgegen zu setzen. Vorhandene
Konzepte müssen auf ihre Wirkung ständig überprüft
werden.
Der Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Poli-
zei soll deutlich erhöht und von entsprechenden Personal-
entwicklungsmaßnahmen sowie der Entwicklung einer
multiethnischen Organisationskultur begleitet werden.
Schon bestehende Bemühungen in einzelnen Bundeslän-
dern und in den Polizeien des Bundes zum Diversity
Mainstreaming sollten verstetigt und ausgebaut werden.
Für die polizeiliche Arbeit im Bund soll die Bundesregie-
rung hierzu bis April 2014 ein Konzept vorlegen.
aa) Aus- und Fortbildung verbessern
In der polizeilichen Aus- und Fortbildung müssen The-
men wie „Polizei in der Migrationsgesellschaft“, „Vorur-
teilsstrukturen und struktureller Rassismus in der Polizei-
arbeit“ aber auch das Thema Rechtsextremismus einen
7530) Vgl. Lars Ostermeier, Mit Beschwerdestellen, Polizeikommis-
sionen und Polizeibeauftragten gegen Polizeigewalt und Ras-
sismus, in: RAV-Infobrief Nr. 104/2010
http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-104-
2010/mit-beschwerdestellen-polizeikommissionen-und-
polizeibeauftragten-gegen-polizeigewalt-und-rassismus/ (letzter
Abruf, 9. August 2013)
größeren Stellenwert bekommen und zum Inhalt ver-
pflichtender Fortbildungen werden. Gegenwärtig werden
diese Themen nach Aussagen einzelner Trainerinnen und
Trainer randständig behandelt und von einer minimalen
Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Qua-
lifizierte TrainerInnen und praxisnahe Beispiele (z. B. aus
der Ermittlungsarbeit zur Mordserie) sollen die Bedeu-
tung dieser Themen unterstreichen. Ziel muss es sein, im
Rahmen der Polizeien des Bundes zu einem möglichst
flächendeckenden, verpflichtenden Angebot zu diesen
Themen zu kommen und dieses auch laufend auf seine
Wirksamkeit hin zu überprüfen.
Die im Abschlussbericht der Projektgruppe „Polizei und
Fremde“ des Unterausschusses „Führung, Einsatz und
Kriminalitätsbekämpfung“ (UA FEK) des AK II der In-
nenministerkonferenz bereits 1997 erarbeiteten Vorschlä-
ge zur Aus- und Fortbildung in diesem Bereich sollen im
Lichte der NSU-Ermittlungen überarbeitet und bundes-
weit umgesetzt werden. Eine regelmäßige Überprüfung
der Umsetzung muss erfolgen.
Die Aus- und Fortbildung zum Themenschwerpunkt
Rechtsextremismus/Rassismus wird an den Polizeischu-
len der Länder, den Fachhochschulen und der Deutschen
Hochschule der Polizei in Münster bislang unterschiedlich
gehandhabt. Rechtsextremismus sollte bei den Fortbil-
dungen für den gehobenen Dienst an der Deutschen
Hochschule der Polizei, wo das Führungspersonal der
Polizeien aus- und fortgebildet wird, ein eigener Schwer-
punkt in der Ausbildung sein – ebenso wie in den Ausbil-
dungen für den Mittleren Dienst. Der Deutschen Hoch-
schule der Polizei kommt hier eine Vorbildrolle zu, diese
sollte ihre Angebote im Themenfeld Rechtsextremis-
mus/Rassismus erheblich ausweiten. Schon bestehende
Aus- und Fortbildungsangebote in den Ländern sollten
verstetigt und ausgebaut werden. Wünschenswert wäre
hier eine engere Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-
chen Institutionen, Beratungsprojekten und Initiativen, die
über Fachwissen im Themenfeld Rechtsextremis-
mus/Rassismus verfügen.
Neben der Aus-und Fortbildung zu diesen Themen ist
eine regelmäßige Supervision im Rahmen polizeilicher
Arbeit zu gewährleisten, weil so Fehlentwicklungen,
Formen von Diskriminierung, strukturell rassistische
Ermittlungen und sonstige Probleme alltäglicher Polizei-
arbeit thematisiert und verändert werden können.
bb) Interkulturelle Kompetenz
Für die polizeiliche Ausbildung auf Bundesebene soll ein
umfassendes Konzept interkultureller Kompetenz entwi-
ckelt werden, in dem eigene und gesamtgesellschaftliche
Vorurteilsstrukturen thematisiert und im Hinblick auf die
Arbeit der Polizei bearbeitet werden. Das Erkennen von
und der Umgang mit Straftaten, die sich aus dem Zusam-
menhang einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit
ergeben, soll hierbei ein Schwerpunkt sein. Ebenso soll es
um den Umgang mit Opfern und Angehörigen von Opfern
solcher Straftaten gehen. Die Kommunikation mit den
Angehörigen von Verbrechensopfern – auch unter Hinzu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1023 – Drucksache 17/14600
ziehung von entsprechenden Fachpersonen (PsychologIn-
nen, ÄrtzInnen, Dolmetscherinnen und Dolmetscher) –
und die regelmäßige Information über die Ermittlungen
müssen hierbei zentrale Punkte sein.
Interkulturelle Kompetenz, Vorurteilsstrukturen und For-
men von Straftaten im Zusammenhang gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit sollen nicht nur im Rahmen der
Polizeiausbildung, sondern auch in regelmäßigen und
verpflichtenden Fortbildungen eine Rolle spielen. Die
Umsetzung der Aus- und Fortbildungsziele in der Praxis
muss kontinuierlich überprüft werden, u. a. durch beglei-
tende empirische Forschungsaufträge, um die Konzepte
der Aus- und Fortbildung wissenschaftlich zu fundieren
und weiterzuentwickeln. Darüber hinaus muss sicherge-
stellt werden, dass die entsprechenden Inhalte durch pro-
fessionelles Personal (Kulturwissenschaftlerinnen und -
wissenschaftler, interkulturelle Trainerinnen und Trainer)
vermittelt werden und diese Vermittlung flächendeckend
stattfindet, um zu vermeiden, dass interkulturelles Trai-
ning bzw. Fortbildungen ein „Nischen- oder
Exotendasein“ führen.
Der Sachverständige Schicht führte hierzu im Ausschuss
aus:
„Wie ich in meiner Studie Menschenrechtsbildung
für die Polizei dargelegt habe, ist die sogenannte
erste Hierarchieebene eine sehr wichtige Zielgrup-
pe. Die Vorgesetzten, die auf die operativ tätigen
Polizisten einen unmittelbaren Einfluss haben,
müssen sensibilisiert werden. Polizeibeamte müs-
sen in stärkerem Maße befähigt werden, über ihre
Arbeit zu reflektieren, über ihre Arbeit nachzuden-
ken, sich infrage zu stellen, diese Klischees, diese
Routinen, die so verhängnisvolle Folgen hatten,
aufzuweichen und zu lernen, über ihr eigenes
Denken nachzudenken.“7531
cc) Polizeiforschung intensivieren
Die Fraktion DIE LINKE regt an, dass die IMK eine
Einstellungsbefragung in den Polizeien des Bundes zum
Thema „Rassismus und Polizei“ in Auftrag gibt, damit die
Diskussion über möglicherweise vorhandene rassistische
Vorurteile und Einstellungspotenziale in den Polizeien auf
eine sachliche Grundlage gestellt wird und möglicherwei-
se notwendige Maßnahmen und Empfehlungen sich auf
entsprechendes Datenmaterial stützen können.
Um die polizeiinterne Evaluation von Ermittlungsarbeit
und Ermittlungsverfahren zu unterstützen, bedarf es zu-
dem der Intensivierung von empirischer Forschung über
polizeiliche Selektionsmuster in Ermittlungsverfahren,
deren Erkenntnisse dann in die Aus- und Fortbildung der
Polizei einfließen sollten und zur Identifizierung von
falschen Schwerpunktsetzungen und vernachlässigten
oder unterlassenen Ermittlungsansätzen dienen können.
7531) Protokoll-Nr. 72. S. 45 f.
c) PMK-Rechts Erfassung reformieren und
unabhängiges Monitoring sichern
Mehr als 10000 Menschen sind seit 1990 in Ost- und
Westdeutschland Opfer rassistisch und politisch rechts
motivierter Gewalttaten geworden. Doch genaue Zahlen
können auch seit der Reform der PMK-rechts-Kriterien
durch die Innenministerkonferenz (IMK) im Jahr 2001
nicht genannt werden. Vielmehr kann im Jahr 2013 nur
vermutet werden, wie flächendeckend rechte und rassisti-
sche Gewalt tatsächlich den Alltag vieler Menschen in
Ost- und Westdeutschland bestimmt. Offiziellen Statisti-
ken des Bundesamtes für Verfassungsschutz zufolge
ereigneten sich im Jahr 2012 täglich mindestens zwei
politisch rechts motivierte Gewalttaten in Deutschland –
ein Drittel dieser Angriffe war rassistisch motiviert.
7532
Unabhängige Beratungsprojekte für Opfer rechter Gewalt
in Ostdeutschland und Berlin gehen allerdings für den
gleichen Zeitraum allein für die fünf neuen Bundesländer
und Berlin von 662 einschlägigen Gewalttaten und damit
von einer wesentlich höheren Zahl aus.
7533
Zwei Studien
aus dem Frühjahr 2009 verweisen dabei auf erhebliche
Dunkelfelder. Die Grundrechteagentur der Europäischen
Union (EU) befragte in einer ersten europaweiten Studie
zu rassistischer Gewalt und Diskriminierung
7534
über
20 000 Männer und Frauen in 27 EU-Mitgliedstaaten. 37
Prozent der Befragten erklärten, sie hätten im vergange-
nen Jahr persönlich Diskriminierung erlebt; zwölf Prozent
berichteten, dass sie innerhalb des zurückliegenden Jahres
Opfer einer rassistisch motivierten Körperverletzung
wurden. Gleichzeitig wandte sich aber lediglich ein Fünf-
tel der Betroffenen an die Polizei. Jährlich blieben tau-
sende Fälle rassistischer Gewalt, Bedrohung und Diskri-
minierung unsichtbar, lautet die Schlussfolgerung der EU-
Grundrechteagentur. „Die Untersuchung zeigt, wie hoch
die Dunkelziffer rassistisch motivierter Straftaten und
Diskriminierungen in der EU wirklich ist. Die offiziellen
Angaben zum Rassismus sind lediglich die Spitze des
Eisbergs“, so Morten Kjaerum, Direktor der Grundrechte-
agentur.
Eine Offenlegung der polizeiinternen Auswertungen in
Bezug auf die Anwendung der seit 2001 bundesweit ein-
heitlich geltenden Kriterien zur Erfassung Politisch Moti-
vierter Kriminalität (PMK) könnte hier Abhilfe schaffen.
Anhand des vorgelegten BKA-Materials muss allerdings
davon ausgegangen werden, dass die letzte umfassende
Evaluation der Anwendung der PMK-rechts-Kriterien im
Jahr 2002 – mithin vor mehr als 10 Jahren – stattfand.7535
7532) Vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 30.
7533) Gemeinsame Pressemitteilung vom 14. März 2013 der Bera-
tungsstellen für Opfer rechter Gewalt in den östlichen Bundes-
ländern und Berlin: „ 626 Fälle politisch rechts motivierter Ge-
walt in Ostdeutschland /Anstieg der rassistischen Gewalttaten
Besorgnis erregend“ www.mobile-
opferberatung.de/b_0001130.html
7534) EU-MIDIS: European Union minorities and discrimination
survey:
http://fra.europa.eu/en/project/2011/eu-midis-european-union-
minorities-and-discrimination-survey
7535) vgl. MAT_A_IMK-1/5b.
Drucksache 17/14600 – 1024 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Damit wird deutlich, dass es offenbar politisch nicht ge-
wollt ist, das tatsächliche Ausmaß rechter und rassisti-
scher Gewalt in Deutschland zu erfassen. Denn regelmä-
ßig ergibt sich schon zwischen den durch die Landeskri-
minalämter erfassten rassistisch, politisch rechts und
antisemitisch motivierten Gewalttaten und den Zahlen der
spezialisierten landesweiten Opferberatungsstellen in den
ostdeutschen Bundesländern und Berlin eine Differenz
von knapp einem Drittel an Gewalttaten, die von den
Landeskriminalämtern nicht als politisch rechts motiviert
gewertet werden. Diese Differenz ist bei weitem nicht
dadurch erklärlich, dass manche Betroffene aus Angst vor
Rache der Täter, aber auch Angst davor, von der Polizei
nicht ernst genommen oder erneut rassistisch stigmatisiert
zu werden, auf eine Anzeige verzichten und die erlebte
Gewalt lediglich den Beratungsstellen melden. Eine
Überprüfung der praktischen Anwendung der PMK-
Kriterien durch die jeweiligen Polizeireviere wäre auch
deshalb dringend notwendig, weil die Ersteinschätzung
durch die aufnehmenden Beamtinnen und Beamten ent-
scheidend für die weitere Bearbeitung und Bewertung der
Gewalttat ist. Zudem sollte es auch im Interesse der Straf-
verfolgungsbehörden sein, ein realistischeres Bild vom
Ausmaß rechter Gewalt zu erhalten als dies bislang der
Fall ist. Insbesondere dort, wo es keine unabhängigen
Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt gibt – wie
in Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen – oder
keine flächendeckenden Angebote – wie in Bayern,
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Nieder-
sachsen –, muss davon ausgegangen werden, dass die
offiziellen Zahlen der Behörden lediglich einen kleinen
Ausschnitt der Realität widerspiegeln.
DIE LINKE empfiehlt, dass die IMK eine umfassende
Erhebung zur Anwendung und den Differenzen bei den
existierenden PMK-rechts-Kriterien in der polizeilichen
Praxis der Bundesländer in Auftrag gibt – unter Einbezie-
hung der Ergebnisse des unabhängigen Monitorings der
spezialisierten Beratungsstellen in freier Trägerschaft –
und anhand der Untersuchungsergebnisse weitere Refor-
men in die Wege geleitet werden, um das tatsächliche
Ausmaß von politisch rechts motivierten Gewalttaten zu
erfassen. Dadurch könnten die Defizite bei der Anwen-
dung der PMK-rechts-Kriterien im polizeilichen Alltag
erkannt und behoben werden. Die Ergebnisse der Evalua-
tion sollten öffentlich vorgestellt werden.
Auch bei der Anerkennung der Todesopfer rechter und
rassistischer Gewalt zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz
zwischen journalistischen Recherchen von ZEIT und
Tagesspiegel und den durch die Bundesregierung (und die
Länder) anerkannten Todesopfern rechter Gewalt: Wäh-
rend die Journalistinnen und Journalisten von mindestens
152 Todesopfern rechter und rassistischer Gewalt in Ost-
und Westdeutschland seit 1990 ausgehen, erkennt die
Bundesregierung lediglich 63 Todesopfer rechter Gewalt
an.
7536
Wie notwendig die versprochene, aber immer noch
7536) vgl. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/todesopfer-
rechter-gewalt; vgl. die beiden Großen Anfragen der Fraktion
DIE LINKE zu diesem Thema (Drs. 16/14122 und 17/7116).
nicht beendete retrograde Überprüfung dieser Todesfälle
ist, zeigen die Ergebnisse der Überprüfungen der Todes-
opfer in Sachsen und Sachsen-Anhalt im Jahr 2012. In
Sachsen wurden zwei weitere Todesopfer rechter Gewalt
aus den 1990er Jahren im Jahr 2012 anerkannt; in Sach-
sen-Anhalt gaben das Innenministerium und das Justizmi-
nisterium die Anerkennung von drei weiteren Todesop-
fern rechter Gewalt aus den 1990er Jahren bekannt.
7537
Derzeit lässt das Innenministerium des Landes Branden-
burg bislang nicht anerkannte Tötungsdelikte mit mögli-
chem rechten und rassistischen Hintergrund vom Moses-
Mendelssohn-Zentrum überprüfen.
d) Schutz für Whistleblower
„Cop culture“ und der traditionelle Korpsgeist bei der
Polizei tragen nicht nur zu den beschriebenen Fehloriente-
rungen von Ermittlungen und Ermittlungsverfahren bei
und verstärken deren strukturell bedingte rassistische
Ausrichtung, sie führen auch dazu, dass innerbehördliche,
innerorganisatorische Kritikerinnen und Kritiker zum
Schweigen gebracht werden. Ihr Weg in die Öffentlich-
keit wird oft mit hohem moralischem Druck erschwert
und verhindert. Der Vorwurf des „Nestbeschmutzens“
beim Gang in die Organisations-, Behörden- oder allge-
meine Öffentlichkeit muss nicht einmal direkt erhoben
werden. Gerade ihrer Arbeit gegenüber besonders positiv
eingestellte Beamte haben dieses Denken oft schon längst
verinnerlicht.
Als Frühwarnsystem für interne Missstände, Duldung
oder Verbreitung rassistischer Positionen oder Vertu-
schung von darauf basierenden Fehlern bei dienstlichen
Handlungen müssen in den Gesetzen der Bundespolizeien
ausdrückliche Regelungen geschaffen werden, die es den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestatten, sich in
dienstlichen Angelegenheiten ohne Einhaltung des
Dienstweges und ohne die Leitung darüber unterrichten
zu müssen, unmittelbar an den Deutschen Bundestag und
seine Gremien zu wenden.
5. Zivilgesellschaft stärken, Flüchtlinge in-
tegrieren und schützen
Eine erfolgreiche und wirksame Auseinandersetzung mit
Rassismus, Antisemitismus und Neonazis ist ohne das
ausdauernde Engagement vieler unabhängiger antifaschis-
tischer Gruppen, Dokumentations- und Rechercheprojekte
und Initiativen in Ost- und Westdeutschland, mutiger
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie Pfarre-
rinnen und Pfarrer, vieler Vereine, Bündnisse gegen
Rechts und gemeinnütziger Stiftungen nicht möglich.
Dies gilt auch für die Aufarbeitung des NSU-Komplexes:
Die hier nachlesbaren Antworten der Bundesregierung zeigen,
dass es vor dem 4. November 2011 seitens des BMI keinerlei
Bereitschaft gab, die eigenen Zahlen kritisch zu überprüfen.
7537) Toralf Staud, „Die unterschlagenen Toten“, in: Zeit Online vom
20. März 2013,
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-
03/todesopfer-rechtsextremismus
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1025 – Drucksache 17/14600
Unabhängige antifaschistische Initiativen, Archive, Re-
cherchegruppen und Zeitschriften setzen gemeinsam mit
engagierten Journalistinnen und Journalisten den oftmals
falschen und verharmlosenden öffentlichen „Einschätzun-
gen“ der Geheimdienste tatsächliches Wissen, fundierte
Analysen und für alle Interessierten leicht zugängliche
Informationen entgegen – die auch für den Untersu-
chungsausschuss unverzichtbar waren.
Es sind die Initiativen und Bündnisse vor Ort – wie bei-
spielsweise das Dortmunder Antifa-Bündnis (DAB) in
Nordrhein-Westfalen, die Bürgerinitiative „Zossen zeigt
Gesicht“ (Brandenburg), das „Bunte Bürgerforum Lim-
bach-Oberfrohna“ (Sachsen) und das „Bürgerforum
Gräfenberg“ (Bayern), um nur einige wenige stellvertre-
tend für viele Unermüdliche zu nennen –, die gegen zahl-
lose Widerstände, „Nestbeschmutzer“-Vorwürfe und
Drohungen bis hin zu Brandanschlägen über die Aktivitä-
ten der so genannten Freien Kameradschaften aufklären,
gegen Neonaziaufmärsche und -konzerte mobilisieren,
Bürgermeister vor Immobilienkäufen durch Neonazis und
der Entstehung neonazistischer Zentren warnen, – und
damit Demokratie überhaupt erst lebendig werden lassen
und die demokratische Gegenwehr ermöglichen.
Viele Einzelpersonen, von Pädagoginnen und Pädagogen,
Kneipenwirtinnen und Kneipenwirten bis zu Künstlerin-
nen und Künstlern, unterstützen die Opfer rechter und
rassistischer Gewalt, sie organisieren Workshops und
Seminare zu den Erscheinungsformen des modernen
Rechtsextremismus in der schulischen und außerschuli-
schen Bildung, sie weisen auf die wichtige Rolle von
Frauen in Neonazinetzwerken hin, sie tragen wie das
Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum e.V.
und die Antifaschistische Informations-, Dokumentations-
und Archivstelle München e. V zur transparenten Aufklä-
rung im NSU-Komplex bei, klären an ihren Arbeitsplät-
zen über Antisemitismus, Rassismus und Neonazis auf
und gestalten so eine demokratische, solidarische Kultur
vor Ort. Beharrlich engagieren sie sich auch dann weiter,
wenn Rechtsextremismus oder rassistische Gewalt nicht
(mehr) für mediale Schlagzeilen sorgen und Journalistin-
nen und Journalisten ihre Aufmerksamkeit wieder ande-
ren Themen zuwenden, wenn sie – wie beispielsweise
alternative Jugendzentren in Mecklenburg-Vorpommern
und Brandenburg – von Verfassungsschutzbehörden öf-
fentlich diffamiert und diskreditiert werden und wenn sie
aufgrund ihrer Teilnahme an Blockaden gegen Neonazi-
aufmärsche im Fokus von Polizei und Staatsanwaltschaft
stehen.
Antifaschistische Initiativen, Bürgerbündnisse und die
professionellen Beratungsprojekte für Opfer rechter Ge-
walt und Mobilen Beratungsteams in freier Trägerschaft
reagieren sehr oft schneller und kompetenter auf rassisti-
sche Gewalt oder neonazistische Aktivitäten als staatliche
Stellen.
In den vergangenen zehn Jahren ist insbesondere in den
neuen Bundesländern und Berlin, aber auch in einigen
westlichen Bundesländern ein flächendeckendes Netz
hoch professioneller, unverzichtbarer Beratungsprojekte
für Opfer rechter und rassistischer Gewalt sowie Mobiler
Beratungsteams entstanden, die u. a. Kommunen, poli-
tisch Verantwortliche, Verbände und Vereine beraten und
coachen.
Die Arbeit dieser erfolgreichen Beratungsprojekte ebenso
wie der positiv evaluierten Modellprojekte wird jedoch
immer wieder massiv behindert: So durch die jeweils
zeitlich begrenzte Förderung durch das Bundesfamilien-
ministerium und die permanent drohenden Kürzungen der
Ko-Finanzierung aus den Ländern, aber auch durch die so
genannte „Extremismusklausel“.
a) Bundesförderung verdoppeln und verste-
tigen
Nur wenn die bisher zur Verfügung gestellten Haushalts-
mittel des Bundes auf mindestens 50 Millionen Euro
jährlich verdoppelt werden, kann der dringend notwendi-
ge Ausbau der professionellen Beratungsprojekte für
Betroffene rechter und rassistischer Gewalt sowie der
Mobilen Beratungsteams auch in den westdeutschen Bun-
desländern mit den professionellen Qualitätsstandards der
Beratungsprojekte und Mobilen Beratungsteams in den
ostdeutschen Bundesländern und Berlin umgesetzt wer-
den. Nur dann können letztere gesichert und drohende
Kürzungen abgewendet werden. Zudem sollte ein
„Initiativentopf“ mit niedrigen Zugangsschwellen für
kleinere, unabhängige antifaschistische Initiativen einge-
richtet werden, der für die Förderung alternativer Jugend-
kulturen vor Ort dringend notwendig ist.
Die Verdoppelung des bisherigen Budgets wäre ein drin-
gend notwendiges Signal an die von rechter Gewalt Be-
troffenen und die Gesellschaft : Dass die politisch Ver-
antwortlichen erkannt haben, dass Rechtsextremismus
und Rassismus keine zeitlich begrenzten Phänomene sind,
die von selbst wieder verschwinden, sondern dass sie –
ähnlich wie die Drogen- und HIV-Problematik – Dauer-
probleme der gesamten Gesellschaft sind, zu deren Be-
kämpfung eben auch dauerhafte Beratungsstrukturen
notwendig sind.
Um eine von den Sachverständigen Prof. Barbara John
und Britta Schellenberg empfohlene Verstetigung der
Förderung zu realisieren, greift die Fraktion DIE LINKE
eine Empfehlung von Prof. Barbara John zum Aufbau
einer Stiftung auf. Dass eine langfristige, dauerhafte Fi-
nanzierung der Arbeit gegen Neonazismus und für De-
mokratieförderung auf Bundesebene verfassungsrechtlich
möglich ist, haben u. a. der Staatsrechtler Prof. Dr. Dr.
h.c. Ulrich Battis (HU Berlin) und Prof. Dr. Klaus Joa-
chim Grigoleit (TU Dortmund) in einem Gutachten im
Auftrag des Zentralrats der Juden in Deutschland, kirchli-
cher Vereine und Initiativen wie der „Bundesarbeitsge-
meinschaft Kirche & Rechtsextremismus“, des Deutschen
Gewerkschaftsbunds sowie weiterer Verbände und Initia-
tiven gegen Rechtsextremismus festgestellt.
7538
Die För-
7538) Gutachten zur Verstetigung der finanziellen Mittel zur Demo-
kratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus, abrufbar
unter: http://www.amadeu-antonio-
stiftung.de/aktuelles/gutachten-zur-verstetigung-der-
Drucksache 17/14600 – 1026 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
derung demokratischer Kultur und die Bekämpfung des
Neonazismus unterliegen staatlicher, insbesondere aber
gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Zur Wahrneh-
mung dieser Verantwortung bedürften entsprechende
gesellschaftliche Projekte eines gewissen Maßes an Fi-
nanzierungssicherheit. Diese könne auf bundesgesetzli-
cher Basis durch die Gründung einer Organisationseinheit
– etwa einer Stiftung oder einer GmbH – zur Förderung
dieser gesellschaftlichen Arbeit gewährleistet werden, so
Battis. Dem Bund stehe aus Art. 87 Abs. 3 GG die Be-
fugnis zu, bundesunmittelbare Körperschaften und An-
stalten zu errichten. In analoger Anwendung ergibt sich
aus Art. 87 Abs. 3 auch die Kompetenz, Stiftungen und
privat-rechtliche Organisationen zu errichten. Die Mög-
lichkeit, die Mittel über Dritte im Rahmen der Bundes-
haushaltsordnung (BHO) zu verteilen, führe jedoch allein
nicht zu einer höheren Kontinuität, so Battis weiter. Wer-
de dies jedoch mit der Gründung einer Organisationsein-
heit verbunden, so führe allein bereits die Schaffung von
solchermaßen verfestigten institutionellen Strukturen zu
einer Steigerung der Verlässlichkeit der Förderung ge-
genüber der bisher bestehenden Situation. Sowohl die
Errichtung einer Stiftung bürgerlichen Rechts als auch die
Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ist verfas-
sungsrechtlich möglich. Die demokratische Kontrolle bei
einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ist allerdings leichter
zu organisieren. Dies setzt ein Bundesgesetz sowie die
politische Entscheidung für ein Finanzierungsmodell
voraus: Damit aus einem Flickenteppich aus unzureichen-
der Bundes- und Länderförderung für die freien Träger
endlich eine effektive, koordinierte und verlässliche Un-
terstützung wird, die zudem der Tatsache Rechnung trägt,
dass rechte Gewalt und neonazistische Aktivitäten ein
gesamtdeutsches Problem und nicht auf die ostdeutschen
Bundesländer beschränkt sind.
b) Kompetenzen aus Wissenschaft und Zivil-
gesellschaft einbeziehen
Seit 2001 haben die jeweiligen Bundesregierungen und
die Bundesministerien BMI, BMFSFJ und BMA – mit
einem halben Dutzend zeitlich begrenzter Förderpro-
gramme – auch immer eine wissenschaftliche Evaluation
der Bundesprogramme selbst verbunden. Doch deren
Ergebnisse und Empfehlungen sowie die Erfahrungen und
Kompetenzen der zivilgesellschaftlichen Initiativen und
Projekte wurden allzu selten bei der Neugestaltung der
Programme berücksichtig. Dies muss sich beim Aufbau
einer Bundesstiftung – oder für den Fall, dass die Bundes-
regierung den gemeinsamen Empfehlungen des Aus-
schusses nicht folgt in einem Nachfolgeprogramm von
„Toleranz stärken – Kompetenz fördern“ – ändern. Wenn
es um die Entwicklung der Strukturen, Inhalte und der
Förderlinien geht, müssen die Ergebnisse der unabhängi-
gen wissenschaftlichen Evaluationen der bisherigen Bun-
desprogramme verpflichtend berücksichtigt werden.
finanziellen-mittel-zur-demokratiefoerderung-und-
bekaempfung-des-neonazismus/
c) Extremismusklausel ersatzlos abschaffen
Zudem ist es höchste Zeit, dass Faktoren, die die Arbeit
zivilgesellschaftlicher Initiativen behindern, endlich ab-
gebaut werden. Dazu gehört an erster Stelle die so ge-
nannte „Extremismusklausel“, die nach dem Willen u. a.
des Bundesfamilienministeriums, aber auch weiterer
Bundes- und Landesministerien im Gegenzug für staatli-
che Förderung unterschrieben werden muss. Damit wer-
den diejenigen, die die Demokratie tagtäglich an Orten
verteidigen, aus denen sich Repräsentantinnen und Reprä-
sentanten demokratischer Institutionen längst zurückge-
zogen haben, diffamiert und unter Generalverdacht ge-
stellt. Um zivilgesellschaftliches Engagement zu würdi-
gen, muss die so genannte „Einverständniserklärung zur
freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, besser be-
kannt als „Demokratieerklärung“, die von den betroffenen
Initiativen auch als „Extremismus- oder Misstrauenserklä-
rung“ bezeichnet wird, endlich ersatzlos gestrichen und
abgeschafft werden. Damit würde zudem den rechtlichen
Bedenken – u. a. des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestags
7539
und des Landgerichts Dresden (Az. 1 K
1755/11) – Rechnung getragen.
d) Kriminalisierung antifaschistischen Enga-
gements beenden
Auch die zunehmende Kriminalisierung von Menschen,
die an Blockaden gegen Neonaziaufmärsche teilnehmen,
stellt eine Entmutigung für viele Engagierte dar. Sie wün-
schen sich, dass ihre Grundrechte respektiert werden –
und die politisch motivierte Strafverfolgung friedlicher
Blockadeteilnehmerinnen und –teilnehmer wie im Fall
des Jenaer Stadtjugendpfarrers Lothar König endlich
beendet wird. Viele Aussteigerinnen und Aussteiger aus
der rechten Szene haben in Gesprächen deutlich gemacht,
wie notwendig und wichtig in ihren Ausstiegsprozessen
Menschen waren und sind, die erkennbar, sichtbar und
gradlinig gegen die menschenverachtende Ideologie der
Ungleichheit auf die Straße gehen und in persönlichen
Begegnungen klare Haltungen zeigen. Denn oft sind es
diese Begegnungen und Erfahrungen, die ausstiegswillige
Neonazis in ihren Zweifeln und Bedenken bestärken –
und die ihnen in Erinnerung bleiben, wenn sie Hilfe und
Unterstützung beim Ausstieg suchen. Wer Proteste gegen
einschlägige Aufmärsche in Hör- und Sichtweite der
Neonazis verbietet, einschränkt und kriminalisiert, nimmt
auch in Kauf, dass das Selbstbewusstsein und der innere
Zusammenhalt der Neonaziszene weiter gestärkt werden
und erschwert Ausstiegsprozesse.
e) Flüchtlinge integrieren statt rassistischer
Hetzkampagnen
Zu den zentralen Schlussfolgerungen aus dem 2. Parla-
mentarischen Untersuchungsausschuss gehört, dass es
7539) Das Gutachten ist zu finden unter:
http://www.thierse.de/dokumente/ordner-fuer-
dokumente/gutachten-extremismusklausel.pdf
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1027 – Drucksache 17/14600
nicht ausreicht, die gesellschaftliche Auseinandersetzung
mit Ideologien der Ungleichwertigkeit – wie Neonazis-
mus, Rassismus und Antisemitismus, aber auch
Antiziganismus und Homophobie – auf Neonazis und die
extreme Rechte zu beschränken. Ebenso wichtig sind
gesetzliche Regelungen, die dazu beitragen, dass alle in
Deutschland lebenden Menschen – unabhängig von ihrer
Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihrem sozialen
Status, ihrer Hautfarbe, ihrer körperlichen oder geistigen
Beeinträchtigung und ihrem Aufenthaltsstatus – gleiche
Rechte und gleichen Schutz genießen. Der Ausschuss hat
explizit in seinen gemeinsamen Bewertungen festgestellt,
dass in den frühen 1990er Jahren die Welle
„rassistisch motivierte[r] Gewalt in den neuen
Bundesländern vielfach im öffentlichen Raum, vor
den Augen zahlreicher – oftmals sympathisieren-
der – Anwohner verübt [wurde], ohne dass staatli-
che Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
wirksam auf Seiten der Opfer eingriffen und effek-
tiv und erkennbar gegen die Täterinnen und Täter
vorgingen. Potenzielle NachahmerInnen und Sym-
pathisantInnen der extrem Rechten konnten sich
dadurch ermutigt und bestätigt fühlen.“7540
Tatsächlich ist statistisch ein Anstieg rassistisch motivier-
ter Gewalttaten gegen Schwarze Deutsche, Asylsuchende
und Migrantinnen und Migranten immer dann nachweis-
bar, wenn in medialen und politischen Diskursen Flücht-
linge und Migranten rassistisch diffamiert und ausge-
grenzt werden – wie in der Debatte um die Thesen von
Thilo Sarrazin oder wie aktuell in der diffamierenden
Kampagne gegen sogenannte Armutszuwanderer aus
Osteuropa, insbesondere Roma, und gegen Asylsuchende
als Gesamtgruppe, deren Zahl Bundesinnenminister
Friedrich als „alarmierend“ bezeichnet7541, obwohl sie nur
einen im Promillebereich messbaren Bruchteil der in
Deutschland lebenden Menschen ausmachen.
7542
Dass
Neonazis und extrem rechte Bürgerbündnisse sich durch
diese Politik der Ausgrenzung und Abschottung ermutigt
und bestärkt fühlen, lässt sich u. a. an der steigenden Zahl
von Angriffen auf und Drohungen gegen Flüchtlingshei-
me
7543
, Wohnhäuser von Roma und Sinti
7544
sowie anti-
7540) Vgl. BT-Drucksache 17/14600, Abschlussbericht des 2. PUA,
S. 849.
7541) cus Online “Zahl der neuen Asylbewerber steigt um 112 Pro-
zent“ vom 14. August 2013,
http://www.focus.de/politik/deutschland/fast-10000-
asylantraege-im-juli-zahl-der-fluechtlinge-steigt-um-112-
prozent_aid_1071059.html
7542) http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/ innenminis-
ter_friedrich_unterstellt_reflexhaft_ massenhaf-
ten_asylmissbrauch
7543) „Ausländer-Raus Kampagnen der extremen Rechten im Visier“
in: Monitor – Rundbrief des apabiz e.V. Nr. 57/2012;
http://www.apabiz.de/publikation/monitor/Monitor%20Nr.57.p
df
7544) „Facebook-Hetze gegen Roma Haus ist Aufruf zu Mord“ in:
Der Westen vom 13. August 2013,
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/west/staatsschutz-
ermittelt-nach-gewalt-aufruf-gegen-roma-id8311398.html
rassistische Aktivistinnen und Aktivisten seit Jahresan-
fang erkennen.
7545
Um rassistischen Stammtischdiskursen und Schlägern
gleichermaßen den Nährboden zu entziehen, sind mehrere
Sofortmaßnahmen zwingend notwendig:
– Opfer rassistischer Gewalt ohne Aufenthaltsstatus
bzw. mit einer Duldung sollten durch eine neue Re-
gelung in § 25 des Aufenthaltsgesetzes ein humanitä-
res Bleiberecht erhalten. Mit einer solchen Regelung
im Aufenthaltsgesetz wäre ein klares Signal an
die Täterinnen und Täter derartiger Angriffe sowie
deren Umfeld verbunden: dass ihrer politischen Ziel-
setzung „Ausländer raus“ explizit entgegen getreten
und ihr Ziel der Vertreibung vereitelt wird, indem
VertreterInnen des Staates auch materiell für die An-
gegriffenen Partei ergreifen. In den vergangenen Jah-
ren haben die Innenminister von Brandenburg und
Sachsen-Anhalt in zwei Einzelfällen Opfern rassisti-
scher Gewalt, die zum Zeitpunkt des Angriffs ledig-
lich im Status der Duldung waren und im laufenden
Strafverfahren gegen die Täter abgeschoben werden
sollten, ein humanitäres Aufenthaltsrecht im Wege
des Ermessens nach der geltenden Rechtslage erteilt.
Diese Entscheidungen hatten regionale Signalwir-
kung und zeigen deutlich, dass die von Beratungsstel-
len für Opfer rechter und rassistischer Gewalt erho-
bene Forderung nach einem humanitären Bleiberecht
umsetzbar ist.
7546
Es bedarf jedoch einer klaren und
verlässlichen gesetzlichen Regelung. Denn nach der
bisherigen Praxis wäre auch Mehmet Turgut, wenn er
die Schüsse des NSU überlebt hätte, so wie sein Bru-
der Yunus kurz nach der Tat aus Deutschland abge-
schoben worden. Mehmet und Yunus Turgut waren
wegen ihrer kurdischen Herkunft in den 1990er Jah-
ren in der Türkei verfolgt und nach Deutschland ge-
flohen, erhielten hier aber kein Asyl und lebten bis zu
Mehmet Turguts Ermordung am 25. Februar 2004 in
Rostock – wie viele Tausende andere Menschen –
ohne einen Aufenthaltstitel in Deutschland.
– Die von den Betroffenen und zahlreichen Menschen-
und Bürgerrechtsorganisationen wie Pro Asyl, der
Humanistischen Union und dem Republikanischen
Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) schon lange
geforderte Abschaffung der Residenzpflicht muss so-
fort umgesetzt werden - und damit einhergehend das
Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Wahl des
Wohnorts für Asylsuchende und so genannte „Ge-
duldete“, die nicht abgeschoben werden können oder
dürfen. Damit würde ein universelles Menschenrecht
auf Bewegungsfreiheit für Asylbewerberinnen und -
bewerber in Deutschland endlich wieder hergestellt,
das den Betroffenen von der SPD/FDP-Koalition
7545) Vgl. Chronik Rechte Aktivitäten 2013 von a.i.d.a. e.V.,
http://www.aida-archiv.de
7546) „Schönbohm: Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt“
http://www.opferperspektive.de/Home/640.html, „Eine ge-
- - -
Drucksache 17/14600 – 1028 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
1982 zu „Abschreckungszwecken“ entzogen wurde
und seitdem allein aus diesem Grund verwehrt wird.
Zudem ist die Kontrolle und Durchsetzung der Residenz-
pflicht in der Praxis mit rassistischen Polizeikontrollen
verbunden. Asylsuchende werden in Regionalzügen und
auf Bahnhöfen besonders häufig kontrolliert und bei Ver-
stößen gegen die Residenzpflicht auch abgeführt – und
damit in aller Öffentlichkeit als vermeintliche „Straftäter“
markiert. Verstöße gegen die Residenzpflicht werden in
der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst und lassen da-
mit die „Kriminalität“ von Nicht-Deutschen als erhöht
erscheinen
7547
. Dies befestigt das Vorurteil vermeintlich
besonders „krimineller Ausländer“.
– Ein Ende der zwangsweisen Unterbringung von
Asylsuchenden und Geduldeten in so genannten
„Gemeinschaftsunterkünften“, die vor allem einen
Effekt haben: Aus einer kleinen Gruppe und Minder-
heit eine vermeintlich große Masse zu machen, die
dadurch vor allem in kleineren Orten und Gemeinden
als „Bedrohung“ wahrgenommen und als „die Ande-
ren“ kenntlich gemacht und stigmatisiert wird.
– Eine ähnlich negative Wirkung wie die Residenz-
pflicht hat das so genannte Sachleistungsprinzip des
Asylbewerberleistungsgesetzes: Wenn Asylsuchende
nur in bestimmten Geschäften und / oder nur mit
Wertgutscheinen einkaufen dürfen, werden sie als
Menschen mit minderen Rechten stigmatisiert. Län-
gere Warteschlangen beim Einkauf infolge der kom-
plizierten Abrechnung von Wertgutscheinen provo-
zieren Ärger und Wut gegen die vermeintlichen „Stö-
renfriede“.
– Ein Ende des neunmonatigen Arbeits- und Ausbil-
dungsverbots für Asylbewerberinnen und Asylbe-
werber und die Abschaffung der so genannten Vor-
rangprüfung beim Arbeitsmarktzugang ist ebenfalls
geboten.
Eine Umsetzung dieser Sofortmaßnahmen ist notwendig,
um Asylsuchenden und so genannten Geduldeten eine
gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und populis-
tisch-rassistischen Kampagnen den Nährboden zu entzie-
hen.
6. Rechte von MigrantInnen stärken – Aus-
grenzung beenden
Auch die politischen Teilhaberechte von in Deutschland
lebenden Migrantinnen und Migranten müssen gestärkt
werden.
Studien zufolge stimmen zwei Drittel der deutschen Be-
völkerung der Aussage „Die Ausländer kommen nur
hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ ganz oder
teilweise zu. Diese erschreckend hohen Werte sind auch
7547) Laut Beate Selders („Keine Bewegung! Die ‚Residenzpflicht‘
für Flüchtlinge – Bestandsaufnahme und Kritik“, Berlin 2009)
geht etwa ein Viertel aller ausländerrechtlichen Delikte auf
Verstöße gegen die Residenzpflicht zurück.
Folge offizieller Regierungspolitik, die sich in der Migra-
tionspolitik immer wieder auf das Motto einer „Verhinde-
rung der Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“
bezieht und Gesetzesverschärfungen damit begründet. Die
grundlegenden Rechte von Menschen dürfen aber nicht
unter Kostenaspekten beurteilt werden. Solche Politikan-
sätze befördern Konzepte und Vorstellungen der Un-
gleichheit, an die extreme Rechte nahtlos anknüpfen kön-
nen. Ähnliches gilt für vorurteilsschürende Kampagnen
gegen eine vermeintlich verbreitete „Integrationsverwei-
gerung“, für die es keinerlei empirische Belege gibt.7548
Als Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Rechte von Mig-
rantinnen und Migranten sind erforderlich:
– Erleichterte Einbürgerungen bei genereller Akzep-
tanz der doppelten Staatsangehörigkeit (Abschaffung
der Optionspflicht, die zum Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit von hier als Deutsche geborenen
und aufgewachsenen Jugendlichen führen kann), Ab-
senkung der Anforderungen an nachzuweisende Auf-
enthaltszeiten, Einkommens- und Sprachnachweise
und Gebühren, Verzicht auf Gesinnungs- und Ein-
bürgerungstests, die Einbürgerungswillige unter ei-
nen Generalverdacht stellen, deutsche Staatsangehö-
rigkeit per Geburt für alle hier geborenen Kinder
dauerhaft hier lebender ausländischer Eltern.
– Wahlrecht für Nicht-Deutsche auf Bundes-, Landes-
und kommunaler Ebene, was eine Grundgesetzände-
rung mit Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und
Bundesrat erfordert, aber verfassungsrechtlich kei-
nesfalls unmöglich ist.
VII. Epilog
Die Aufklärung des NSU-Komplexes hat gerade erst
begonnen: Mit dem Abschlussbericht des Untersuchungs-
ausschusses, den gemeinsamen Schlussfolgerungen und
den Sondervoten ist eine wichtige erste Etappe beendet.
Beim BKA und Generalbundesanwalt gehen die Ermitt-
lungen gegen mutmaßliche Unterstützerinnen und Unter-
stützer des NSU weiter und wird geprüft, ob es weitere,
bislang unbekannte Gewalttaten gab, die dem NSU zuge-
rechnet werden müssen. Und ein Ende der Hauptverhand-
lung gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Carsten
Schultze, Holger Gerlach und Andre Eminger ist über-
haupt noch nicht in Sicht.
Damit die Aufklärung im NSU-Komplex so transparent
wie möglich geschieht, sind alle gefragt: Öffentlichkeit,
Medien, Abgeordnete und Zivilgesellschaft. Dies gilt
auch für das anhaltende Problem rassistischer und rechter
Gewalt. Denn noch immer ereignen sich täglich mindes-
tens zwei bis drei rechte oder rassistische Gewalttaten in
Deutschland. Es ist an uns allen, dafür zu sorgen, dass den
Appellen für Zivilcourage auch reales Engagement folgt –
und dass Opfer rechter und rassistischer Gewalt nicht
alleine gelassen werden.
7548) Vgl. dazu BT-Drs. 17/5693 und 17/4798.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1029 – Drucksache 17/14600
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1031 – Drucksache 17/14600
E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
I. Nach der Untersuchung besteht konkreter
Handlungsbedarf
Die Gemeinsamkeit der Fraktionen bei der Feststellung
der ermittelten Tatsachen, bei den Bewertungen und
Schlussfolgerungen ist ein hoher Wert und wird nicht
umsonst allseits gelobt. Die Erstellung von Sondervoten
der Fraktionen relativiert oder schmälert diese Gemein-
samkeit nicht. Die Sondervoten haben die Funktion, über
die gemeinsamen Feststellungen hinaus Präzisierungen
und Zuspitzungen vorzunehmen sowie Schlussfolgerun-
gen unter dem speziellen Blickwinkel der einzelnen Frak-
tionen zu ziehen.
Das Versagen der Sicherheitsbehörden gegenüber dem
NSU über mehr als ein Jahrzehnt ist beispiellos. Neonazis
konnten in Deutschland unbehelligt agieren und eine
Mordserie verüben, ohne dass Justiz, Polizei und Verfas-
sungsschutz einschritten. Dies hatte entsetzliche Folgen
für die Opfer und ihre Angehörigen und erschütterte unser
aller Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat. Wir brau-
chen daher eine grundlegende, ursachenorientierte Zäsur
in der gesamten Architektur sowie bei Personal und Ar-
beitsweise unserer Sicherheitsorgane.
Es bedarf zunächst eines Neustartes im Bereich des heuti-
gen Verfassungsschutzes, einer neuen Fundierung der
Informationsgewinnung und des Informationsaustausches,
insbesondere zwischen Nachrichtendiensten und Polizei.
Der Verfassungsschutz hatte ein massives Erkenntnis-
problem. Ursache dafür waren vor allem gravierende
Defizite im Hinblick auf den Willen und die Fähigkeit zu
gegenseitiger Information und Zusammenarbeit sowie zu
einer ergebnisoffenen Analyse. Die wertvollen Informati-
onen und Analysen der Zivilgesellschaft wurden nicht
ernst genommen. Stattdessen werden die zivilgesellschaft-
lichen Akteure zum Teil bis heute als quasi-gegnerische
„Antifa-Extremisten“ diffamiert. Auch die Abschottung
von Polizei und Nachrichtendiensten in Bund und Län-
dern untereinander führte zu einem heillosen Chaos, in-
nerhalb dessen der NSU ungehindert agieren konnte.
Der Verfassungsschutz hat zudem ein gravierendes Kont-
rollproblem: Erstens haben weder die behördeninterne
Aufsicht noch die externe Kontrolle durch die Parlamente
und die Datenschutzbeauftragten ausgereicht. Zweitens
mangelt es innerhalb der Verfassungsschutzbehörden am
Bewusstsein der Notwendigkeit einer externen Kontrolle
und am Respekt gegenüber der Untersuchungsarbeit im
Bundestag bzw. in den Landtagen. Das zeigen beispiel-
haft die Fälle des Akten-Schredderns.
II. Politische Verantwortung wahrnehmen –
nach Fehlleistungen persönliche Konse-
quenzen ziehen
In der Demokratie gibt es für das Handeln von Behörden
gewählte politische Verantwortungsträger. Es ist deshalb
ein schlechtes Zeichen und nicht nur mit dem Zeitablauf
zu erklären, dass es infolge der Vielzahl von Fehlern und
Unterlassungen zu keinem einzigen Rücktritt eines Amts-
trägers kam. Die erfolgten Demissionen von Leitern und
Leiterinnen der Verfassungsschutzämter rührten von
Mängeln bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes her,
nicht von den bei der Einschätzung und Verfolgung der
Straftaten begangenen Fehlern.
Die politischen Verantwortungsträger bestimmen vor
allem auch an maßgeblicher Stelle den politischen Dis-
kurs im Lande mit. Auch hier ist ein Verschulden an vie-
len Stellen feststellbar.
So wurde die Welle rassistischer und neonazistischer
Gewalt zu Beginn der 1990er Jahre begünstigt und befeu-
ert durch die im politischen Raum stattfindende soge-
nannte Asyldebatte.
Hintergrund dieser in allen Medien geführten Auseinan-
dersetzung war die ansteigende Zahl von Flüchtlingen, die
nach Deutschland kamen. Sie wurden auch in die neuen
Bundesländer verteilt, ohne dass dort eine entsprechende
Aufnahmestruktur geschaffen wurde. Diese „Asylfrage“
wurde in der politischen Auseinandersetzung instrumenta-
lisiert. Der Generalsekretär einer Regierungspartei schlug
in Strategiepapieren vor, die Kosten der Unterbringung
der Flüchtlinge in alle Institutionen, in „jeden Gemeinde-
rat“ einzubringen. Der Widerstand der SPD gegen eine
Änderung des Art. 16 GG, des Grundrechtes auf Asyl,
sollte so gebrochen werden. Im Ergebnis mit Erfolg. Das
Grundrecht auf Asyl in der Verfassung wurde einge-
schränkt. Menschenfeindliche Äußerungen hatten zuvor
die Stimmung angeheizt. Ein Bürgermeister forderte zu
Flüchtlingen: „Das Zeug muss hier weg“. Ein Landesan-
walt sprach von „einem Heuschreckenschwarm, der über-
all, wo er durchzieht, eine Wüste hinterlässt“ und ein
Ministerpräsident davon, eine multi-nationale Gesell-
schaft auf deutschem Boden, die die Republikaner
„durchmischt und durchrasst“ bezeichneten, lehnten die
Bürger ab.
Rechtsextremisten und Neonazis glaubten ihre Gesinnung
und Taten mit Berufung auf solche Äußerungen rechtfer-
tigen zu können. Sie gingen davon aus, die Bevölkerung
hinter sich zu haben. Sie sahen sich ermutigt, als es ge-
lang, in Hoyerswerda und Rostock die Flüchtlinge zu
vertreiben. Fremdenfeindlichkeit wurde bei ihnen zu
ungeschminktem Rassismus und Ausländerhass. Immer
mehr richtete sich die Hetze gegen Ausländer insgesamt,
die als „Menschen 3. Klasse“ verächtlich gemacht wur-
Drucksache 17/14600 – 1032 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den. Insbesondere Migranten türkischer Herkunft wurden
als „Kanaken“ beschimpft. Mit Mordanschlägen sollte
„Deutschland kanakenfrei“ gemacht werden. Um dies zu
erreichen, wurden Wohnhäuser von Bürgerinnen und
Bürgern türkischer Herkunft mitten in Deutschland in
Mölln und Solingen nachts angezündet, in denen dann
Menschen, vorwiegend Frauen und Kinder hilflos erstick-
ten und verbrannten.
Der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, sprach von den Protagonisten
dieser öffentlichen Debatte als von „Skinheads im Maß-
anzug“. Er hat den Zusammenhang von „Asyldebatte“
und nächtlichen Mordtaten in die Worte gefasst, die Täter
müssten sich doch geradezu ermutigt fühlen von dem,
was sie um acht Uhr in der Tagesschau hörten. „Die reden
bloß, wir tun etwas“.
Gerade angesichts des Radikalisierungsprozesses des
NSU, seines offenbar ebenfalls ins Mörderische gesteiger-
ten Bewusstseins, einem vorgeblichem Missstand, dem
„Volkstod“, durch „Taten statt Worte“ abhelfen zu müs-
sen, muss es sich ein für allemal verbieten, mit einer Het-
ze gegen Minderheiten auf tatsächliche oder auch nur
empfundene Integrations- oder Unterbringungsschwierig-
keiten zu reagieren. Diese Problematik ist nicht etwa mit
der Einschränkung des Grundrechtes auf Asyl entfallen,
sondern tritt in immer neuem Gewande auf, sei es mit
Überfremdungsängsten im Geiste Thilo Sarrazins
(„Deutschland schafft sich ab“), sei es in Gestalt von
Islamophobie (Gegen Moschee-Bau in Deutschland) oder
mit der für den aktuellen Wahlkampf angedrohten In-
strumentalisierung von Unterbringungsschwierigkeiten
von Roma aus Ostmitteleuropa.
1. Politische und persönliche Verantwortung
auf Regierungsebene
Es ist erstaunlich, dass gerade die Generation von Politi-
kern, die diese Erfahrungen in den neunziger Jahren
schon in verantwortlicher Position machte, angesichts der
Taten des NSU die Möglichkeit eines rechtsterroristischen
Hintergrundes entweder gar nicht, oder sehr spät, auf
jeden Fall nicht entschieden genug ins Auge fasste.
Die politische Verantwortung für die Arbeit von BKA
und BfV hat der Bundesinnenminister. Dies war zunächst,
zu Beginn der Straftaten des NSU, Otto Schily.
Er verantwortete deshalb auch deren Erkenntnisgewin-
nung und Analyse zum Rechtsextremismus und zu rechts-
terroristischen Gefahren. Daran ändert nichts, dass er zur
Zeit der ersten falschen Bewertung der Bedrohung des
Rechtsterrorismus im Zusammenhang mit dem Trio durch
das BfV vom April 1998 noch nicht im Amt war.
2. Gefahr des Rechtsterrorismus über Jahre
unterschätzt
Der Ausschuss fand diese Feststellung in einem Sprech-
zettel des BfV für eine Sitzung der Parlamentarischen
Kontrollkommission im April 1998. Dort heißt es, es gebe
keine Hinweise auf eine terroristische Bedrohung durch
Rechtsextremisten. Sogar die Rohrbomben werden er-
wähnt, die wenige Monate vorher in der Garage des ver-
schwundenen NSU-Trios gefunden worden waren.
Gleichwohl wird betont, es gebe keine rechtsterroristische
Organisation und Struktur. Es fehle an Führungspersonen
und logistischen Voraussetzungen wie finanziellen Mit-
teln und einer Unterstützer-Szene, die für den Kampf aus
der Illegalität unverzichtbar seien. Es sei auch keine ent-
sprechende Theorie ausformuliert.
Eine entsprechende Einschätzung hatten die nach den
Rohrbombenfunden zur Unterstützung des LKA Thürin-
gen entsandten Beamten des BKA für den Generalbun-
desanwalt formuliert.
Gleichlautend wurde im September 1999 auf einer
Sicherheitstagung der „Informationsgruppe Rechtsextre-
mismus“ (IGR) zum Lagebild des Rechtsextremismus
behauptet, eine rechtsextremistische Organisation, die zur
Durchsetzung ihrer politischen Ziele schwere Straftaten
oder terroristische Aktivitäten plane, sei nicht vorhanden.
Zehn Monate vorher hatte der erste unaufgeklärte Raub-
überfall stattgefunden, der dem NSU-Trio zugeschrieben
wird. Und wenige Wochen später wurden die Überfälle
Nummer zwei und drei auf Postfilialen in Chemnitz be-
gangen.
Solche Fehleinschätzungen höchster Stellen wie des BfV
über viele Jahre spiegeln eine Grundeinstellung zu den
Gefahren wider, die vom Rechtsextremismus in Deutsch-
land ausgingen und ausgehen. Sie waren in den Sicher-
heitsbehörden Deutschlands von oben bis unten verbrei-
tet, wenn nicht gar dominierend und auch für die tägliche
Arbeit von Bedeutung. Rechtsterrorismus wird weganaly-
siert oder als Einzelerscheinung verharmlost, trotz der
schrecklichen Anschläge aus rassistischem Hass von
Rechtsterroristen.
Die späte Selbstkritik des zurückgetretenen Präsidenten
des BfV, Heinz Fromm, an der analytischen „Engfüh-
rung“ des Amtes beschreibt die Defizite. Man kannte das
Oktoberfestattentat, die Morde an dem jüdischen Verle-
ger-Paar aus Erlangen, beide aus dem Umkreis der Wehr-
sportgruppe Hoffmann begangen. Man kannte rechtsterro-
ristische Gruppierungen wie die Hepp-Kexel-Gruppe und
machte sich nicht die Mühe, die zusammenfließenden –
wenn auch nicht vollständigen – Informationen über die-
jenigen, die sich später NSU nennen sollten, zu gewichten
und vor allem zu überprüfen.
Die konkreten Auswirkungen dieses Denkens in den Be-
hörden auf die Aufklärungstätigkeit von Verfassungs-
schutz und Polizei sind schwer festzustellen. Mit einer
völlig anderen, richtigen Einschätzung der rechtsterroris-
tischen Gefahr und deren Bekanntmachung hätten viele
Fehler der Sicherheitsbehörden vermieden werden kön-
nen. Wenn auch öffentlich gewarnt worden wäre vor der
Bedrohung durch Rechtsterrorismus, wäre vieles anders
gelaufen. Den Rechtsterrorismus, der gerade auch vom
untergetauchten Trio drohte, den gab es ja wirklich: füh-
rerlos, aber mit einer breiten Unterstützerszene im Umfeld
von „Blood & Honour“ und mit einer rassistischen Theo-
rie. Die in der neonazistischen Szene kursierenden Schrif-
ten und Konzepte zum „führerlosen Widerstand“ und zur
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1033 – Drucksache 17/14600
Bildung kleiner Terrorzellen waren dem BfV spätestens
Ende der 1990er Jahre bekannt. Die Bedeutung der jahre-
lang fortgeschriebenen Falschanalysen für das Behörden-
versagen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die
Verantwortung dafür liegt vor allem beim BfV.
3. Falsche Analyse ungeprüft übernommen
Das Schreiben des Vizepräsidenten des BfV, des heutigen
Staatsekretärs im Bundesinnenministerium Fritsche, vom
13. September 2003 und die darin enthaltenen schweren
Fehler der Analyse fallen in die Zeit der politischen Ver-
antwortung des Ministers Schily. Sicher wird ein Minister
nicht jedes Papier, das die seinem Haus unterstellten
Dienste produzieren, prüfen können. Aber hier ging es um
eine zentrale Frage der inneren Sicherheit, nämlich die, ob
es eine terroristische Bedrohung durch Rechtsextremisten
gibt. Deshalb war es auch eine Ministervorlage. Eine so
wichtige Bewertung der Sicherheit für die Bevölkerung
war es wert, näher hinterfragt und geprüft zu werden. Der
Minister hat dies nicht getan. Dabei wäre gerade er prä-
destiniert gewesen, die Frage des bayerischen Innenminis-
ters Beckstein nach dem verhinderten Anschlag auf die
Grundsteinlegung der Neuen Synagoge in München fun-
diert zu beantworten: „Gibt es eine braune RAF?“.
Die Analyse des Bundesamtes, die sich der heutige
Staatssekretär Fritsche als Zeuge vor dem Ausschuss zu
eigen machte und die er nicht etwa nur als Bote seiner
Fachabteilung übersandt haben will, bestand im Hinblick
auf die Bombenbauer aus Jena aus zwei Argumenten: Sie
bildeten keine braune RAF, weil erstens das Trio auf der
Flucht sei und zweitens, soweit erkennbar, keine weiteren
Straftaten begangen habe.
Einem Kenner der eigentlichen, der ursprünglichen RAF
hätte eigentlich auffallen müssen, dass gerade die RAF
immer auf der Flucht war. Damit konnte auch nicht Süd-
afrika oder ein anderer weit entfernter Ort gemeint gewe-
sen sein, denn Anfang der 2000er Jahre suchte man das
Trio – zu Recht, aber ergebnislos – noch in Chemnitz,
unter anderem mit Wissen des BfV und mit Unterstützung
des BKA.
Auffallen hätte auch müssen, dass die Frage nach weite-
ren Straftaten nicht durch Abfragen in polizeilichen In-
formationssystemen oder von anderen polizeilichen In-
formationsquellen untermauert war. Gerade wenn explizit
die Frage nach einer Struktur wie der RAF gestellt wurde,
hätte es nahe gelegen, eine Finanzierung etwa durch
Banküberfälle ins Auge zu fassen, dies gerade auch ange-
sichts der mehrfachen Warnhinweise auf eine geplante
Bewaffnung des Trios, und zwar zu dem Zweck, einen
„weiteren Überfall“ zu begehen.
Im Nachhinein ist es ohnehin unbegreiflich, weshalb auf
keiner Ebene je ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden
sich die Frage stellte, womit das Trio aus Jena nach sei-
nem Untertauchen über Jahre hin seinen Unterhalt bestritt.
4. Stichwortgeber für einseitige Ermittlungen
Außerdem hat der damalige Bundesinnenminister Schily
am Tag nach dem Nagelbombenanschlag in der Kölner
Keupstraße gegenüber dem Fernsehen die Erklärung
abgegeben, die ersten Erkenntnisse deuteten nicht auf
einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein krimi-
nelles Milieu hin, auch wenn es für eine abschließende
Bewertung noch zu früh sei. Diese Äußerung war objektiv
falsch, weil es zu diesem Zeitpunkt gar keine Hinweise,
also auch keine auf ein kriminelles Milieu als Hintergrund
der Tat gab.
Schily vermochte als Zeuge im Untersuchungsausschuss
nicht anzugeben, wer ihn wie über den Anschlag vom
Vortage informiert hatte. Auffallend war, dass in der
polizeilichen Kommunikation am Tattag zunächst von
einer Gasexplosion, dann von einer „terroristischen Ge-
waltkriminalität“ und nach einer Intervention des Düssel-
dorfer Innenministeriums, diesen Begriff nicht zu ver-
wenden, nur noch von einem Anschlag die Rede war.
Diese Intervention ist vor dem Hintergrund des Fehlens
von Hinweisen auf Täter und Motiv zu diesem Zeitpunkt
noch vertretbar, wenngleich der erste Anschein der Tat-
ausführung, des Tatortes (die am meisten von Türkei-
stämmigen Bewohnern geprägte Straße in Köln) für einen
fremdenfeindlichen Anschlag sprach und dies auch von
den Anwohnern sowie den türkischen Generalkonsuln
spontan so – im Ergebnis zutreffend – gewertet wurde.
Wegen dieses ersten Anscheines telefonierten am Tage
des Anschlages schließlich die jeweils für Rechtsextre-
mismus zuständigen Beamten von Bundesamt und Lande-
samt für Verfassungsschutz miteinander, um sich zu ver-
gewissern, ob man etwas von Hintergründen in dieser
Richtung wisse.
Explizit falsch wurde die Bewertung allerdings, als am
nächsten Morgen das Lagezentrum im Bundesinnenminis-
terium in dem täglichen Lagebericht die Tat unter allge-
meiner Kriminalität auflistete und einen terroristischen
Hintergrund ausdrücklich ausschloss. Wer für diese
Falschmeldung zuständig war und ob sie den Minister
erreichte, konnte von dem Ausschuss nicht geklärt wer-
den.
Der Bundesinnenminister hätte, nachdem er durch seine
vorschnelle Einschätzung eine zumindest gewagte, durch
nichts begründete These in die Welt gesetzt hatte, sich in
der Folgezeit um die Hintergründe des Anschlages küm-
mern und den Fortgang der Ermittlungen der Polizei und
des Verfassungsschutzes erfragen müssen. Vor allem
wäre dies die Bewertung des BfV gewesen, das kurze Zeit
nach dem Anschlag durchaus und ausschließlich nach den
Tätern im rechten Milieu suchte, weil etwa der Einsatz
der Nagelbombe Parallelen zu ähnlichen Anschlägen der
rechtsterroristischen Rassistengruppe „Combat 18“ in
London aufwies. Vielleicht hätte er den Fehleindruck
nach einer Nachfrage beim BfV öffentlich korrigieren
müssen. Ob und welchen Einfluss die frühe TV-Erklärung
des Bundesinnenministers auf Gang und Richtung der
Ermittlungen der Polizei gehabt hat, konnte der Aus-
schuss nicht feststellen. Aber ganz ohne Eindruck wird
eine solche Äußerung von dem Minister an der Spitze
Drucksache 17/14600 – 1034 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
nicht gewesen sein, weil bei ihm besondere Kenntnisse
und Informationen zu den ersten Ermittlungsergebnissen
vermutet werden konnten.
Dieser falsche Eindruck in der Öffentlichkeit wurde noch
dadurch verstärkt, dass in den Medien von einer gemein-
samen Erklärung Otto Schilys mit dem damaligen Innen-
minister in NRW, Dr. Fritz Behrens, berichtet wurde
hinsichtlich eines kriminellen Hintergrundes des Nagel-
bombenanschlages. Die innenpolitische Kompetenz von
Bund und Land schien so hinter dieser Aussage zu stehen.
Dies war Dr. Behrens offenbar so unwichtig, dass er nicht
auf eine Klarstellung gegenüber der Presse drängte, so
dass erst durch seine Vernehmung als Zeuge vor dem
Untersuchungsausschuss bekannt wurde, dass es eine
solche gemeinsame Erklärung nie gab.
Der nordrhein-westfälische Innenminister trägt die politi-
sche Verantwortung für die seinem Haus unterstellte
Polizei, die auch nach den weitgehend zutreffenden Ope-
rativen Fallanalysen mit der Thematisierung eines mögli-
chen rechtsextremistischen Hintergrundes lange Zeit –
auch mit intensiven verdeckten Maßnahmen in der
Keupstraße – ausschließlich nach den Tätern im kriminel-
len Bereich suchte. Die Umstände, dass sich der Anschlag
offensichtlich gegen die überwiegend Türkei-stämmige
Bevölkerung in der Keupstraße richtete und die Video-
aufnahmen, auf denen zwei Verdächtige mit Fahrrädern
abgebildet waren, deren Erscheinungsbild nicht unbedingt
für die Zugehörigkeit zur türkischen Gemeinschaft
sprach, hielten die Ermittler nicht davon ab, die Täter in
diesem Bevölkerungsbereich zu suchen. Vielmehr entwi-
ckelte man die Hypothese von osteuropäischen Auftrags-
killern im Dienste der türkischen Mafia. Folgerichtig
wurden die einzigen Ergebnisse der – mit Anmietung von
Läden sowohl im Bereich der türkischen wie der kurdi-
schen Community – aufwendigen verdeckten Ermittlun-
gen in der Keupstraße, dass die Anwohner dort von einem
rechtsterroristischen Hintergrundes ausgingen, nicht zum
Anlass von Ermittlungen in diese Richtung genommen.
Der Ausschuss konnte kein besonderes Interesse und
keine Aktivitäten des verantwortlichen Landesinnenmi-
nisters am Gang und an der Richtung der Ermittlungen
seiner Polizei feststellen. Öffentlich ist er auch nicht da-
mit in Erscheinung getreten, dass er diesem Terroran-
schlag in seinem Bundesland besondere Bedeutung zu-
maß oder den verletzten Opfern sowie der besonders
bedrohten Bevölkerung seine Solidarität bekundete.
5. Organisationsverantwortung für versa-
gende Sicherheitsbehörden
Der seit dem Jahre 2005 amtierende Bundesinnenminister
Dr. Schäuble trägt die politische Verantwortung für das
weitere Versagen von BfV und BKA, das zu einer Fort-
führung der Mordserie mit fünf weiteren Opfern führte.
Der Minister hat sich nach seinen Ausführungen als Zeu-
ge vor dem Untersuchungsausschuss mit der Aufklärung
der andauernden Česká-Mordserie und deren vollständi-
gem Scheitern nie näher befasst. Mit der Begründung, der
Innenminister sei nicht der bessere Polizist, kann die
Verantwortung für die Mängel in der Funktionsweise der
Sicherheitsbehörden nicht auf andere abgewälzt werden.
So trägt Wolfgang Schäuble die Verantwortung dafür,
dass im Jahr 2006 – nach der Erstellung der 2. Operativen
Fallanalyse mit der Option der Ausrichtung der Ermitt-
lungen auch auf einen möglichen rechtsextremistischen
Hintergrund der Mordserie – keine zentrale Ermittlungs-
führung beim BKA eingerichtet wurde. Das Bundeskri-
minalamt hatte dringend und wohlbegründet geraten, eine
solche Zuweisung der Zuständigkeit vorzunehmen, um
nach vielen Jahren endlich einen Erfolg zu erzielen und
die Mordserie zu beenden. Diese Forderung wurde an das
Bundesinnenministerium herangetragen. Staatssekretär
Hanning hat angegeben, den Minister vom Wunsch des
BKA und den Problemen der Umsetzung unterrichtet zu
haben. Der Minister hat ausgesagt, sich nicht zu erinnern.
Statt eine Klärung und eine überzeugende Federführung
herbeizuführen, wurde im Einvernehmen mit den Län-
dern, worauf das Bundesinnenministerium großen Wert
legte, lediglich die Steuerungsgruppe bei der BAO „Bos-
porus“ beim Polizeipräsidium Nürnberg eingerichtet. Die
Chance wurde vergeben, durch zentrale länderübergrei-
fende Leitung und Steuerung die Ermittlungen zu den
Morden in fünf Bundesländern erfolgreicher zu gestalten.
Es blieb bei der Zuständigkeit von fünf Staatsanwalt-
schaften und sechs Polizeibehörden. Minister Dr.
Schäuble trägt die Organisations-Verantwortung, dass die
Ermittlungen nach der Zeugenaussage des damaligen
Vizepräsidenten des BKA, Bernhard Falk, vor dem
Untersuchungsausschuss „kriminalfachlich stümperhaft
organisiert“ waren und dies bis zum Ende blieben.
Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, hat als Zeuge vor
dem Untersuchungsausschuss diese objektiv mangelhafte
Struktur der Ermittlungsarbeit als geeignet bezeichnet.
Ihn zeichnete als Zeugen das Fehlen jedes selbstkritischen
Ansatzes zur eigenen Arbeit oder zur Arbeit seines Amtes
aus. Er verstieg sich sogar zu der angesichts des Mordes
an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter zynischen
Aussage, dass die Organisation der Ermittlungen und die
hohe Belohnung dazu geführt hätten, dass die Mordserie
auf Migranten gestoppt wurde.
Der bayerische Innenminister Dr. Beckstein trägt eben-
falls eine Verantwortung für das Gesamtversagen, weil er
es im Jahre 2006 für richtig befand, die Ermittlungen
unter der Federführung Bayerns zu belassen und nicht an
das BKA abzugeben. Im Jahre 2004 war Bayern dazu
noch bereit gewesen. In jenem Jahr lehnte die Arbeitsebe-
ne des BKA Anregungen aller bisherigen Tatortländer ab,
ohne dass die Spitze des BKA davon erfuhr. Es herrschten
die Zustände eines Tollhauses und nicht die einer obers-
ten, hierarchisch strukturierten Sicherheitsbehörde.
Die Trotzreaktion der Länder im Jahre 2006 lautete: Jetzt
auf einmal will das BKA die zentrale Ermittlungsführung
und wendet sich gleich an den Bundesinnenminister und
redet nicht zunächst mit uns. Diese Reaktion war ver-
ständlich, aber falsch. Günther Beckstein hat diese Reak-
tion noch als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss
verteidigt mit dem Hinweis, mitten im vollen Galopp
wechsele man nicht die Pferde. Leider zutreffend war sein
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1035 – Drucksache 17/14600
Hinweis, das BKA habe doch am vehementesten die Spur
in den Bereich Organisierte Kriminalität vertreten. Wieso
traue man ihm dann mehr Erfolg zu? Gleichwohl wäre die
Chance einer erfolgreicheren Arbeit bei einer Einbezie-
hung sämtlicher Abteilungen des BKA gegeben gewesen.
So saßen die Beamten des BKA am Katzentisch, waren
besonders borniert und bei der Verfolgung der bis dahin
einzigen heißen Spur, der Waffenspur, auch noch beson-
ders erfolglos.
6. Akzeptieren nicht überprüfter Behörden-
auskünfte
Minister Beckstein hat bereits nach dem ersten Mord an
Enver Şimşek in Nürnberg durch einen kurzen hand-
schriftlichen Vermerk nach der Möglichkeit eines „frem-
denfeindlichen“ Hintergrundes gefragt. Er hat zugleich
mehr als alle anderen Minister Empathie mit den Opfern
und ihren Familien gezeigt, was allerdings nichts an der
Stigmatisierung dieser Familien durch das Vorgehen der
Sicherheitsbehörden änderte. Er hat auch 2003 die Frage
nach rechtsterroristischen Strukturen – einer braunen RAF
– zum Thema gemacht. Das war ein Anlass für das
Schreiben des Vizepräsidenten des BfV vom
13. September 2003, in dem am Beispiel des immer noch
verschwundenen NSU-Trios argumentiert wurde, es gebe
keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten.
Schließlich hat dieser Minister 2006 nachgefragt, ob die
Mordserie einen „fremdenfeindlichen Hintergrund“ haben
könnte. Für ihn ergaben sich aus der Auswahl der Opfer
stets aus der gleichen Bevölkerungsgruppe offensichtlich
Anhaltspunkte für eine solche Vermutung oder einen
Verdacht.
Umso unverständlicher ist aber, dass Minister Beckstein
sich mit einem bloßen Dementi seiner Behörden zufrie-
dengegeben hat. Seinem Ministerium unterstanden Polizei
und Verfassungsschutz in Bayern, wo fünf der Morde – in
Nürnberg und München – begangen wurden. Er wusste
von der Ausrichtung der Ermittlungen allein auf den OK-
Bereich und kriminelle Hintergründe. Er war informiert
über die daraus resultierenden Besprechungen mit Stellen
bis in die Regierung in der Türkei. Ihm war bekannt, dass
die Ermittlungen in diese Richtung völlig erfolglos blie-
ben und zu keinen Tatverdächtigen führten. Danach ist
unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass er sich
nicht näher unterrichten ließ, warum ein rechtsextremisti-
scher Hintergrund so beharrlich und konsequent verneint
und wie im Einzelnen und mit welchen Prüfungen seinen
Anregungen nachgegangen wurde sowie auf welchen
Tatsachen die Ablehnung beruhte. Er hätte sich zudem
über die Gründe der Erfolglosigkeit und den Stand der
Ermittlungen informieren lassen müssen.
Nachdem Minister Beckstein die „Einzeltätertheorie“ der
2. Operativen Fallanalyse im Jahre 2006 zur Kenntnis
genommen hatte, musste er sich in seiner Ahnung eines
möglichen rechtsextremistischen Hintergrundes der Mor-
de bestätigt sehen. Dennoch akzeptierte er es, dass es
nach zunächst völlig unzulänglichen Ermittlungen in
Richtung Rechtsextremismus ab Januar 2007 überhaupt
keine mehr gab. Auch billigte er ein polizeiliches Konzept
zur Medienarbeit, das eine öffentliche Fahndung nach
Rechtsextremisten als möglichen Tätern ausdrücklich
ablehnte.
7. Kommunikationsblockaden zwischen Poli-
zei und Nachrichtendiensten
Minister Beckstein trägt die politische Verantwortung
auch für das Kommunikationsdesaster zwischen der sei-
nem Ministerium unterstellten Polizei und dem bayeri-
schen LfV. Die nach sieben Monaten Verhandlungsdauer
endlich erfolgte Herausgabe der Namen und Geburtsdaten
von rund 680 Rechtsextremisten durch das LfV – ohne
weitere Erkenntnismitteilungen zu diesen Personen –
beschränkt auf zwei Postleitzahlbereiche im Raum Nürn-
berg, war eine Farce. Die Verkennung des Begriffes „An-
kerpunkt“ als Vorhandensein einer legalen Meldeadresse
war schon eine beachtliche Fehlleistung. Die Beschrän-
kung auf das Land Bayern bei der Abfrage des LfV nach
verdächtigen Rechtsextremisten, ohne dass die Polizei
von dieser Beschränkung auf Bayern erfuhr, war ein ganz
entscheidender Fehler. Noch nicht einmal im Nachbarland
Thüringen wurde nachgefragt, obwohl man – nicht zuletzt
wegen der Rudolf-Hess-Gedenkmärsche – wissen musste,
wie eng die Neonaziszene in Thüringen und Bayern mit-
einander verwoben war. Die bayerischen Sicherheitsorga-
ne handelten so, als ob sie auf einer Insel lebten und als
ob es einen Erfahrungssatz gäbe, dass in Bayern nur Bay-
ern mordeten.
Dilettantisch war auch der Versuch durch die BAO „Bos-
porus“, einen Ansprechpartner beim BfV zu erhalten. Die
Kontaktaufnahme per E-Mail über eine allgemeine Adres-
se für Jedermann führte zu einem Abblitzen des Anlie-
gens telefonisch auf der Sachbearbeiter-Ebene. Der Leiter
der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, war noch bei
seiner Anhörung als Zeuge vor dem Untersuchungsaus-
schuss der Überzeugung, die BAO habe überhaupt keine
Antwort erhalten. Die Erklärung des seinerzeitigen Präsi-
denten Heinz Fromm, wer blöd frage, bekomme eine
blöde Antwort, mag für Pennäler angängig sein, nicht
aber für die Spitzen der deutschen Sicherheitsarchitektur.
Das Verhalten des Bundesamtes war eine klare
Zusammenarbeitsverweigerung.
Der damalige Hessische Innenminister Bouffier trägt die
Verantwortung für die massive Behinderung der Ermitt-
lungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft nach dem
Mord in Kassel. Er hat die Genehmigung für die Verneh-
mung der von dem unter Mordverdacht stehenden Andre-
as Temme geführten V-Leute durch die Ermittlungsbe-
hörden verweigert. Selbst nach fernmündlicher Interven-
tion seines Amtskollegen Beckstein aus Bayern („Wir
sind zu lahm“) hat er sich beharrlich geweigert und ohne
ausreichenden Grund die notwendigen Ermittlungen ver-
hindert. Er hat den Schutz der Quellen des LfV über die
Aufklärung eines Mordverbrechens gestellt. Er hat damit
auch die ignorante Haltung des Präsidenten des ihm un-
terstellten Amtes gegenüber der Arbeit von Justiz und
Polizei in dem Mordfall gedeckt.
Drucksache 17/14600 – 1036 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Diese Fälle auf der politischen Ebene zeigen, dass die
Ermittlungen nirgendwo effektiv beschleunigt oder korri-
giert wurden. Oft wurde gar nicht eingegriffen, wenn
eingegriffen wurde, zum Teil verzögernd und die falsche
Ermittlungsrichtung verstärkend. Niemand sah sich be-
müßigt, aus dem eigenen Versagen oder dem Versagen
seines Amtes persönliche Konsequenzen zu ziehen. In der
Regel fehlte sogar jede Einsicht in eigenes Fehlverhalten.
Die Wahrnehmung persönlicher Verantwortung wurde in
der Geschichte der Bundesrepublik schon deutlich schär-
fer gesehen. Erinnert sei nur an die Rücktritte vor zwanzig
Jahren nach dem Desaster in Bad Kleinen.
III. Empfehlungen für den Bereich der Polizei
und Staatsanwaltschaften
Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses haben
verschiedene Defizite der polizeilichen Ermittlungsarbeit
offenbart. Hierbei handelt es sich zum einen um Defizite
der Methodik und Strategien im Umgang mit rechtsext-
remistischer Gewalt. Zum anderen existiert offensichtlich
eine Vorurteilstruktur innerhalb der Polizei, welche die
Fehl- oder Nichtermittlungen in diesem Kontext begüns-
tigt oder bedingt hat. Dass die Fehl- und Nichtermittlun-
gen auch nicht rechtzeitig erkannt wurden, war ebenso
systemimmanent. Eine ausreichende Fehleranalyse, die
Hinterfragung eigener Fehler, ist in der polizeilichen
Sicherheitsarchitektur nicht ausreichend etabliert.
Aus grüner Sicht sind daher die „Polizeikultur“ und die
Kontrolle der Polizei zu hinterfragen und weiterzuentwi-
ckeln. Dies umfasst auch den Umgang mit den Opfern
rechtsextremer Gewalt. Zudem sind das Handwerkszeug
und die Methoden der polizeilichen Ermittlungsarbeit im
Bereich Rechtsextremismus auf den Prüfstand zu stellen
und zu verbessern.
1. Gruppenbezogene Vorurteilstrukturen
sichtbar machen und bekämpfen
Die Untersuchungen des Ausschusses haben gezeigt, dass
die Fehl- und Nichtermittlungen im Hinblick auf die
Morde des NSU mit rassistischen Vorurteilen in Zusam-
menhang standen. Es wäre blauäugig anzunehmen, in der
Gesellschaft vorhandene Vorurteile wären in den Straf-
verfolgungsbehörden nicht existent.
Dies manifestierte sich beispielsweise in der Benennung
der polizeilichen Organisationseinheiten nach „Halb-
mond“, „Bosporus“ bzw. der Akzeptanz des Begriffes
„Döner-Killer“ oder auch darin, dass z. B. dass BKA bis
in das Jahr 2010 hinein die sog. „Česká-Mordserie“ als
Beispiel für türkische Organisierte Kriminalität beschrieb
– und dies zum überwiegenden Teil entgegen der tatsäch-
lichen polizeilichen Erkenntnislage.
Weitere Beispiele finden sich in der Operativen Fallana-
lyse des LKA Baden-Württemberg zu den Česká-Morden.
Als Erklärung für die Art und Weise der Tötung heißt es
dort:
„Ein solcher irrationaler Beweggrund wäre am
ehesten in einem verqueren, gegebenenfalls an ei-
ne bestimmte Subkultur gebundenen Ehrbegriff zu
sehen (…) Dies würde für eine Tätergruppe spre-
chen, innerhalb derer entsprechende Normen und
Wertsetzungen prägend sind. Eine Gruppe mit ei-
nem entsprechenden inneren Gesetz und Ehrenko-
dex dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit streng
hierarchisch organisiert sein, einen ‚Häuptling‘
haben, der sein Gesicht vor den anderen wahren
muss.“
Daraus schlossen die Fallanalytiker, dass
„der die Gruppe prägende rigide Ehrenkodex eher
für eine Gruppierung im ost- bzw. südosteuropäi-
schen Raum (nicht europäisch westlicher Hinter-
grund)“
spreche (LKA BW, Operative Fallanalyse, S. 97, 100).
Wir halten vor diesem Hintergrund eine unabhängige,
empirische Untersuchung zu Vorurteilen und Diskrimi-
nierungsstrukturen innerhalb der deutschen Sicherheits-
und Strafverfolgungsbehörden für notwendig.
2. Polizeikultur weiter demokratisieren
Auch von den Sachverständigen wurde vor dem Aus-
schuss die sogenannte „Polizeikultur“ oder „Dienststel-
lenkultur“ problematisiert. Als Subkultur zum offiziellen
Leitbild der Polizei bewirkt sie, dass Erfahrungswissen,
Routinen, Klischees und Vorurteile gegen solide krimina-
listische Arbeit gesetzt werden und damit „nicht passen-
de“ Ermittlungssätze beiseitegeschoben werden können.
Diese inoffizielle Ebene ist unter anderem maßgeblich
von der Zusammensetzung der Polizei geprägt. Wir for-
dern eine Polizei, die ein Spiegel unserer Gesellschaft ist.
Denn Vielfalt steht einem homogenen Binnenklima ent-
gegen und fördert innovatives und flexibles Organisati-
onshandeln, das den NSU-Ermittlungen offensichtlich
gefehlt hat.
„Interkulturelle Kompetenz“ soll im Leitbild der Polizei
verankert werden. Dieses muss sich aber auch im polizei-
lichen Alltag niederschlagen. Inklusiv wird dieser Prozess
erst, wenn interkulturelle Kompetenz Aufgabe aller Be-
schäftigten wird – und dieses Thema nicht länger an die
(wenigen) Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshin-
tergrund delegiert wird.
Wir fordern eine Überarbeitung der Konzepte der Perso-
nalwerbung und -auswahl im Hinblick auf Diversität, wie
etwa die Implementierung von gezielter Werbung um
Personen mit Migrationshintergrund. Verbindliche Ziel-
quoten in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund
in allen Hierarchieebenen und eine Überprüfung der
Auswahlkriterien und -verfahren auf Ausschlussmecha-
nismen hinsichtlich einer interkulturellen Öffnung sollen
dies flankieren.
Auch gilt es, die Inhalte der polizeilichen Ausbildung zu
verbessern: Bildungsmodule zu Menschenrechten bzw.
zur interkulturellen Kompetenz, die ja zumindest im hö-
heren und gehobenen Dienst existieren, sollten auf den
mittleren Dienst übertragen werden und in verstärkter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1037 – Drucksache 17/14600
Zusammenarbeit mit externen Lehrkräften entwickelt und
vermittelt werden.
3. Rechtsmotivierte Gewalt erkennen
Es hat sich gezeigt, dass es im polizeilichen Alltag schwer
fällt, rechtsextreme Gewalt und die verschiedenen Codes
rechter Straftaten bzw. hassmotivierte Delikte als solche
wahrzunehmen bzw. richtig einzuordnen. Dafür fehlte es
ganz offensichtlich an spezifischer Fachkompetenz und
polizeilichem Handwerkszeug.
Die Polizei braucht mehr Wissen über rechtsextremisti-
sche Strukturen, Codes und Strategien. Dieses muss durch
intensive und verpflichtende Aus- und Fortbildung auf
allen Ebenen vermittelt werden.
Das BKA und die IMK verfügten seit Jahren über spezifi-
sche Dateien und Arbeitsplattformen im Bereich des
Rechtsextremismus, die jedoch offensichtlich nicht zu
einem Ermittlungserfolg beitrugen.
Wir setzen daher auf solide Polizeiarbeit und gut ausge-
bildete PolizeibeamtInnen, statt auf immer neue Daten-
banken. Ein „Polizei-Google“, wie von manchen Innen-
ministern und Polizeipraktikern gefordert wird, lehnen
wir ab. Ein derartiger unstrukturierter und bereichsunspe-
zifischer Datenberg schadet mehr, als er nutzt und wirft
überdies Datenschutzprobleme auf.
4. Transparente Strategieentwicklung gegen
Rechtsextremismus
Der Polizeiliche Staatsschutz entwickelt seine Strategien
zur Bekämpfung des Rechtsextremismus maßgeblich
(gemäß dem „Grundsatz der Selbstkoordinierung“) inner-
halb der Innenministerkonferenz und ihrer Arbeitsgrup-
pen. Dort erfolgt aber weder eine parlamentarische noch
staatsanwaltschaftliche Kontrolle. Diese Abschottung und
fehlende Rechenschaftspflicht machte es möglich, dass
Konzepte über Jahre hinweg nur affirmativ, offenbar ohne
erneute Analyse fortgeschrieben wurden. Letztlich scha-
det die Polizei damit ihrer eigenen Professionalität und
Akzeptanz.
Wir wollen, dass die Innenministerkonferenz transparen-
ter wird und dass insbesondere für Legislative und Exeku-
tive neue, bessere Rahmenbedingungen und Informati-
onszugänge geschaffen werden, damit insbesondere Ab-
geordnete des Deutschen Bundestages bzw. der Länder-
parlamente überhaupt eine Chance haben, mit dem Staats-
schutz informiert und auf Augenhöhe in einen sinnvollen
Dialog über polizeiliche Strategien und Maßnahmen zur
Bekämpfung des Rechtsextremismus treten zu können.
5. Polizei und Zivilgesellschaft
a) Strukturierter Dialog zwischen Polizei und
Zivilgesellschaft
Die Polizei hat eine wichtige Funktion in der demokrati-
schen Gesellschaft. Die Bekämpfung des Rechtsextre-
mismus ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Zivilgesellschaftliche Initiativen für Demokratie und
gegen Rechtsextremismus, zum Beispiel Opferberatungs-
stellen und Mobile Beratungsteams leisten dazu einen
großen und sehr wertvollen Beitrag. Hätte die Polizei das
Wissen der zivilgesellschaftlichen Initiativen über Struk-
turen von Rechtsextremismus und andere Formen grup-
penbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland für
ihre Arbeit genutzt und sich stärker auf die Perspektive
der Opfer eingelassen, wäre es möglicherweise nicht zu
den vielen verhängnisvollen Fehleinschätzungen bei der
Aufklärung der Verbrechen gekommen, die heute dem
NSU zugeschrieben werden.
Demokratie und Diskurs, Inklusion und Empathie mit den
Opfern sind keine Zustände, sondern Prozesse, die täglich
neu gelebt und unterstützt werden müssen. Deshalb schla-
gen wir vor, auf Ebene des Bundes und der Länder neue
Plattformen für den Informationsaustausch zwischen
Zivilgesellschaft und Polizei einzurichten. Es ist nicht
Aufgabe der Zivilgesellschaft, die erforderliche Neuauf-
stellung der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen
Rechtsextremismus voranzutreiben. Die Verantwortung
dafür tragen Regierungen, Behördenleitungen und Politik.
Mit einem strukturierten Dialog könnte aber erreicht wer-
den, dass Erkenntnisse und Erfahrungswissen der zivilge-
sellschaftlichen Initiativen von der Polizei besser wahrge-
nommen und genutzt werden. Gegenstand des Informati-
onsaustauschs und der Diskussion könnten z. B. die Be-
wertung konkreter Fälle rassistischer Gewalt und diesbe-
züglicher Polizeimaßnahmen, bevorstehende Ereignisse
wie Naziaufmärsche mit Gegendemonstrationen oder die
Bewertung von Opferstatistiken sein. Um einen Aus-
tausch auf Augenhöhe zu ermöglichen, müsste dabei –
anders als bei den meisten der derzeit existierenden Bera-
tungsnetzwerke (BNW) in den Ländern – den zivilgesell-
schaftlichen Initiativen (vertreten durch BAGD
7549
und
BAG K+R
7550
) wesentlicher Einfluss auf die Gestaltung
des Dialogs eingeräumt werden. Auf regionaler Ebene
könnte den Mobilen Beratungsteams eine wesentliche
Rolle in der Koordination und der prozessualen Veranke-
rung dieses Dialoges zukommen. Auf Seiten der Polizei
wäre sicherzustellen, dass thematisch zuständige und
entscheidungsbefugte VertreterInnen an den Treffen teil-
nehmen.
b) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle
Sowohl der Umgang mit den Opfern und Angehörigen der
NSU-Taten, als auch die unablässigen Ermittlungen bei
der Česká-Mordserie in Richtung „Organisierte Krimina-
lität“ zeigen, dass eine unabhängige Stelle mit Prüfkom-
petenzen erforderlich ist, um Missstände bei der Polizei
zu erkennen und sie zu beheben.
Eine solche externe Stelle, an die sich Betroffene wenden
können, ist als demokratisches Element zusätzlicher Kon-
7549) Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung.
7550) Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus.
Drucksache 17/14600 – 1038 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
trolle bislang nicht vorgesehen. Sie würde das – durch die
NSU-Taten besonders erschütterte – Vertrauen der Bürge-
rInnen in die Polizei stärken. Andersherum kann die Poli-
zei durch eine unabhängige Beschwerdestelle vor unge-
rechtfertigten Anschuldigungen geschützt werden.
Wir fordern eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle
auf gesetzlicher Grundlage. Die Stelle soll u. a. Be-
schwerden über Polizeigewalt und rassistisch motivierte
Fehlermittlungen oder Untätigkeit prüfen und die Be-
schwerdeführer (Opfer) bei der Wahrnehmung ihrer
Rechte unterstützen.
c) Stärkung der Umsetzung internationaler
Vorgaben
Internationale und europäische Institutionen wie zum
Beispiel der UN-Menschenrechtsrat, die Europäische
Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europa-
rats ECRI und der UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder
Form der Rassendiskriminierung CERD haben Vorgaben
und Empfehlungen für den Kampf gegen Rechtsextre-
mismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezoge-
ner Menschenfeindlichkeit entwickelt, die sich zum Teil
direkt an Deutschland richten. Einige davon betreffen
auch Polizei und Staatsanwaltschaft. Wir möchten errei-
chen, dass diese Vorgaben und Empfehlungen in Deutsch-
land ernsthaft geprüft werden und dass völkerrechtliche
Verpflichtungen in diesem Bereich umgesetzt werden.
IV. Verfassungsschutz: Dem Totalversagen
muss der Totalumbau folgen
1. Zäsur: Auflösung des Bundesamtes für
Verfassungsschutz und kompletter Neu-
start
Die Untersuchungen des Ausschusses haben beim Verfas-
sungsschutz auf Bundes- wie auf Landesebene ein völli-
ges Versagen beim Erkennen und Bewerten rechtsextre-
mistischer und rechtsterroristischer Bedrohungen festge-
stellt. Sichtbar wurde eine Kultur des Geheimhaltens,
Schredderns und Vertuschens, eine Kultur unkontrollier-
ten Schmorens in klandestiner und oftmals zweckfreier
Selbstbeschäftigung. Nachrichtendienste haben im demo-
kratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland
nur dann weiter eine Existenzberechtigung, wenn sich das
ändert. Dem Totalversagen des Verfassungsschutzes muss
deswegen der Totalumbau folgen.
Es wird nicht verkannt, dass es Aufgabe der Staatsanwalt-
schaft und der Polizei ist, des Mordes Verdächtige ding-
fest zu machen und sie der Justiz zu übergeben. Die Ver-
fassungsschutzbehörden haben hier lediglich eine unter-
stützende Funktion, die sie im vorliegenden Fall aller-
dings höchst unzureichend wahrnahmen. Die bei den
Untersuchungen zu Tage getretenen grundlegenden Struk-
turmängel stellen die Existenz des Verfassungsschutzes in
seiner jetzigen Form in Frage. Aus den Schwächen in der
Informationsgewinnung, der mangelnden Analysefähig-
keit insgesamt und nicht zuletzt aus der Unfähigkeit zur
Zusammenarbeit mit anderen Behörden müssen entschie-
dene Konsequenzen gezogen werden.
Wir schlagen deshalb die Auflösung des Bundesamtes für
Verfassungsschutz (BfV) und einen institutionellen Neu-
start vor. Unsere neue Konzeption sieht ein Zwei-Säulen-
Modell vor:
2. Unabhängiges „Institut zur Analyse demo-
kratie- und menschenfeindlicher Bestre-
bungen“
Da der Verfassungsschutz bei der Einschätzung und Ana-
lyse des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in
Deutschland komplett versagt hat, sollen die Beobach-
tungs- und Analyseaufgaben des bisherigen BfV künftig
von einem neu zu gründenden, unabhängigen „Institut zur
Analyse demokratie- und menschenfeindlicher Bestre-
bungen“ mit wissenschaftlichen Methoden wahrgenom-
men werden. Das Institut soll keine hoheitlichen Befug-
nisse haben und insbesondere auch keine nachrichten-
dienstlichen Mittel anwenden dürfen. Es berät Parlamente
und Behörden und berichtet regelmäßig dem Parlament
und der Öffentlichkeit.
3. Eine neue „Inlandsaufklärung“
Für den verbleibenden kleinen Teil der bisherigen Aufga-
ben des BfV soll daher eine „Inlandsaufklärung“ mit
erheblich beschränkten Aufgaben und Befugnissen neu
gegründet werden. Diese Inlandsaufklärung ist nur zu-
ständig für die Aufklärung genau bestimmter Bestrebun-
gen mit tatsächlichem Gewaltbezug. Nur sie darf, stark
gesetzlich eingegrenzt und auch nur als Ultima Ratio, das
jeweils mildeste nachrichtendienstliche Mittel einsetzen.
Die Inlandsaufklärung darf dem Institut zur Analyse de-
mokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen keine
Weisungen erteilen. Entgegen den aktuellen Forderungen
der Innenminister des Bundes und der Länder braucht der
Verfassungsschutz nicht mehr, sondern weniger Aufgaben
und Befugnisse.
Bereits die festgestellte Grundeinstellung auf allen Ebe-
nen des BfV, die dazu geführt hat, Rechtsterrorismus
einfach per Analyse zu eliminieren oder als Einzeler-
scheinung zu verharmlosen, macht jedoch einen personel-
len Neustart erforderlich – und dies nicht nur auf der
Leitungsebene der neu zu gründenden Inlandsaufklärung.
Damit einhergehen muss ein grundlegender Wandel der
Kultur und des Selbstverständnisses eines Nachrichten-
dienstes in der demokratischen Gesellschaft: Nur mit
einem Bekenntnis zu Rechenschaft und Verantwortung,
zu Offenheit, Transparenz und einer neuen Fehlerkultur
kann es gelingen, verlorenes Vertrauen der Menschen in
Deutschland wieder zurückzugewinnen. Um Abschottung
und Korpsgeist in der neuen Inlandsaufklärung entgegen-
zuwirken, bedarf es der Öffnung, die sich auch in der
Vielfalt des Personals, im Leitbild der Tätigkeit, einer
obligatorischen Rotation, im Verlauf individueller Karrie-
ren und bei zentralen Kernkompetenzen wie Analyse-,
Kritik- und Diskursfähigkeit sowie der Bereitschaft zu
Transparenz zeigt. In Menschenrechts- und Demokratie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1039 – Drucksache 17/14600
fragen gut gebildete Beschäftigte sollen ermuntert wer-
den, selbstbewusst und verantwortungsvoll durch Be-
schwerde, Remonstration und ggfs. Whistleblowing auf
erkannte Missstände aufmerksam zu machen. Die Be-
schränkung des Aufgabenbereichs im Verhältnis zum
gegenwärtigen BfV ermöglicht zudem eine erhebliche
Verkleinerung des Personalbestands.
4. Beendigung des Einsatzes von V-Leuten in
der rechten Szene
V-Leute sind die problematischsten nachrichtendienstli-
chen Mittel. Nach den bisherigen Erkenntnissen war der
Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene in der Ver-
gangenheit so desaströs, dass zumindest sehr zweifelhaft
ist, ob der durch den Einsatz von V-Leuten erzielte Nut-
zen größer ist als der dadurch verursachte Schaden. Vor
diesem Hintergrund plädieren wir für eine Beendigung
dieses Einsatzes. Sollte dies politisch – warum auch im-
mer – nicht sofort durchsetzbar sein, halten wir wenigs-
tens ein Moratorium für angebracht. Währenddessen soll
nur dann, wenn die Inlandsaufklärung in detailliert zu
begründenden Einzelfällen den Einsatz einer V-Person für
unverzichtbar hält und die G10-Kommission dies geneh-
migt, der Einsatz in der rechten Szene ausnahmsweise
möglich sein. Während des Moratoriums würde seriös,
transparent und ergebnisoffen geprüft, ob und unter wel-
chen Voraussetzungen der Einsatz von V-Leuten weiter-
hin zu rechtfertigen ist.
5. Externe Kontrolle nachrichtendienstlicher
Tätigkeit neu aufstellen
Es besteht ein massives Kontrolldefizit bei den Nachrich-
tendiensten, dessen Ursache im System der Kontrolle
liegt, nicht im Versagen der Kontrolleurinnen und Kon-
trolleure. Sowohl die parlamentarische Kontrolle als auch
die G10-Kommission (im Bereich der Kommunikations-
überwachung) und die Datenschutzkontrolle bilden je-
weils unverzichtbare Elemente der Kontrolle der Nach-
richtendienste, die in sich gestärkt werden müssen. Damit
bestehende Kontrolllücken geschlossen werden, müssen
veränderte gesetzliche Grundlagen zudem für eine Kohä-
renz der Kontrollstrukturen und die Möglichkeit einer
effektiven Bund-Länder-übergreifenden Kontrolle sorgen.
a) Parlamentarische Kontrolle
Im Bereich der parlamentarischen Kontrolle wollen wir
einen regulären Ausschuss des Bundestages mit verbes-
serten Auskunfts- und Kontrollbefugnissen einrichten,
dem ein Ermittlungsbeauftragter mit eigenem Personal-
stab beigeordnet ist. Damit energische Kontrolle von
politischen Mehrheiten unabhängig wird, ist es essentiell,
dass – anders als bisher – die einzelnen Fraktionen ihre
Kontrollfunktion ausüben können, indem sie Anhörungen,
Akteneinsicht und die Beauftragung des Ermittlungsbe-
auftragten unabhängig von der Regierungsmehrheit
durchsetzen können. Den Ausschussmitgliedern muss
zudem die Möglichkeit eingeräumt werden, der Öffent-
lichkeit mitzuteilen, wenn die Nachrichtendienste bzw.
die Bundesregierung ihrer qualifizierten Unterrichtungs-
pflicht nicht nachkommen.
b) G10-Kommission
Die Arbeitsmöglichkeiten der G10-Kommission sind
durch mehr Personal zu verbessern. Die G10-Kommission
soll künftig an der Anordnung und Verlaufskontrolle des
Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel mitwirken.
c) Unabhängige Datenschutzbeauftragte des
Bundes und der Länder
Als wichtige Instanzen für die Kontrolle der Nachrichten-
dienste müssen die unabhängigen Datenschutzbeauftrag-
ten des Bundes und der Länder gestärkt werden. Prakti-
sche Behinderungen der Kontrollarbeit durch die Behör-
den, von denen der Bundesbeauftragte wiederholt berich-
tet hat, sind einzustellen. Bisherige gesetzliche Möglich-
keiten der Regierung, Auskünfte und Akteneinsicht ge-
genüber dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu
verweigern, sind zu streichen. Jegliche Arbeit der Sicher-
heitsbehörden, insbesondere die Zusammenarbeit in ge-
meinsamen Abwehrzentren und Dateien ist gesetzlich so
auszugestalten, dass eine effektive Datenschutzkontrolle
auch des Informationsflusses zwischen Bundes- und Lan-
desbehörden nach den Vorgaben des Bundesverfassungs-
gerichts möglich ist.
6. Klare Trennung der Aufgaben und Verant-
wortlichkeiten von Verfassungsschutz und
Polizei
Um das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zu wahren
und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, muss der
Aufgabenbereich der neuen Inlandsaufklärung von dem
der Polizei deutlich abgegrenzt werden. Es darf nicht
mehr vorkommen, dass Verfassungsschutz und Polizei
neben- und gegeneinander aufklären und dass falsch ver-
standener Quellenschutz dazu führt, dass ein Nachrich-
tendienst vor polizeilichen Durchsuchungen oder Tele-
fonüberwachungen warnt. Sobald erkennbar wird, dass es
um die Verhütung oder Verfolgung von Straftaten geht,
gilt die alleinige Zuständigkeit von Staatsanwaltschaft
und Polizei. Alle auf Tatsachen beruhenden Informatio-
nen über geplante oder begangene Straftaten muss die
Inlandsaufklärung aber gut dokumentiert an die Polizei
weitergeben. Dabei muss bei der Polizei ein besseres
Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass die Qualität
nachrichtendienstlicher Informationen eine andere und
schwächere ist als die polizeilicher Informationen, so dass
diese Informationen nicht ohne eingehende Prüfung zur
Grundlage polizeilicher Ermittlungen gemacht werden
dürfen.
7. Informationsaustausch, Datenschutz und
das Trennungsgebot
Das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Suche nach
dem Trio und der Aufklärung der ihnen angelasteten
Straftaten ist unter anderem auf einen mangelhaften In-
Drucksache 17/14600 – 1040 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
formationsaustausch von Polizei und Nachrichtendiensten
zurückzuführen. Vielfach herrschte aber kein Mangel an
Wissen, sondern ein fehlerhafter analytischer Umgang mit
vorhandenem Wissen, ein Nicht-Wissen-Wollen.
Die Bundesregierung hat mit der Gründung des „Gemein-
samen Abwehrzentrums Rechtsextremismus“ (GAR), mit
der Eröffnung des „Gemeinsamen Extremismus- und
Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ) und der Errichtung
der „Verbunddatei Rechtsextremismus“ (RED) reagiert.
Die Errichtung der RED und des GETZ im November
2012 erfolgte blindlings und ohne ausreichende Fehler-
analyse. Sie geht am Kern der Probleme vorbei. Die Er-
richtung des GETZ gegen „Linksextremismus“, „Auslän-
derextremismus“, Spionage und Proliferation erscheint
mangels terroristischer Strukturen in diesen Bereichen
gänzlich verfehlt und in der Zusammensetzung der Beo-
bachtungsfelder beliebig. Gegen ein Nicht-Wissen-
Wollen helfen weder gemeinsame Abwehrzentren noch
gemeinsame Dateien.
Wir verkennen nicht, dass ein guter Informationsaus-
tausch zwischen Sicherheitsbehörden dringend nötig ist.
Wir halten gemeinsame Abwehrzentren und gemeinsame
Dateien von Polizei und Nachrichtendiensten jedoch für
Modelle, die nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt sind,
wenn in einem bestimmten Bereich eine terroristische
Gefahr vorliegt. Diese strenge Linie wurde durch das
jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Antiter-
rordatei bestätigt. Denn gemeinsame Abwehrzentren und
Dateien bergen erhebliche Gefahren für den Datenschutz
und für das verfassungsrechtliche Gebot der Trennung
zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, einer Lehre
aus dem Nationalsozialismus.
Wir sehen nur eine Notwendigkeit und zugleich nur eine
verfassungsgemäße Begründung für zwei Abwehrzentren
gegen terroristische Bedrohung: Islamistischer Terroris-
mus und Rechtsterrorismus. Wir wollen die Tätigkeit nur
dieser beiden Abwehrzentren – beschränkt auf den terro-
ristischen Bereich – auf eine klare gesetzliche Grundlage
stellen, die auch die effektive Kontrolle durch parlamenta-
rische Kontrollgremien, Datenschutzbeauftragte und Ge-
richte ermöglicht.
V. Demokratieoffensive und Prävention auf
allen Ebenen
Rechtsextremes Gedankengut ist nicht nur ein Problem
„extremer Ränder“. Es durchdringt die gesamte Gesell-
schaft und kommt meist durch rechtspopulistische Res-
sentiments und Befürchtungen zum Ausdruck. Wir brau-
chen eine Gesamtstrategie gegen alle Formen Gruppenbe-
zogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Rechtsex-
tremismus, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus,
Islamophobie, Antiziganismus oder Sozialdarwinismus.
1. Jede Bagatellisierung muss ein Ende ha-
ben.
Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und anderen
Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss
wieder zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden.
Dazu braucht es ein realistisches Lagebild: Wir müssen
uns darüber im Klaren sein, dass rechtsextreme Gewalt in
Deutschland alltäglich und oft tödlich ist. Auch wenn die
Nichtexistenz eines organisierten Rechtsterrorismus lange
Zeit eine Art bundesrepublikanische Staatsdoktrin war,
die die Köpfe vernebelt hat: wir müssen nun damit umge-
hen, dass es organisierten Rechtsterrorismus in Deutsch-
land gibt.
Wir müssen auch darauf reagieren, dass Nazis durch ihr
Auftreten vielerorts „Angst-Räume“ geschaffen haben;
Straßen, Gegenden und Räume, in denen Menschen sehr
real die Gefahr von Rechts erleben. Rechtsextreme, insbe-
sondere Kameradschaften Hand in Hand mit der NPD
zielen darauf, durch Einschüchterung und Bedrohung
aller Missliebigen eine rechtsextreme Hegemonie zu
erreichen. Wir haben es mit einer rechtsextremen Szene
zu tun, die sich festgesetzt hat und zum Teil schon in der
zweiten Generation oder länger aktiv ist.
Daran darf es keine Gewöhnung geben. In einer freien
Gesellschaft ist Sicherheit die Sicherung der Freiheit.
Dazu gehört, dass jede und jeder ohne dauernde Bedro-
hung von Leib und Leben selbstbestimmt am gesellschaft-
lichen Leben teilnehmen und sich dabei sicher fühlen
kann. Wir stehen für ein Deutschland, in dem alle ohne
Angst verschieden sein können. Der Staat hat die Aufga-
be, den Menschen genau das nach Möglichkeit zu ge-
währleisten.
Es geht darum, die durch Rechtsextreme gefährdeten
Regionen, Orte und Ortsteile für den demokratischen
Rechtsstaat zurückzugewinnen. Vielerorts haben sich
Parteien und andere Organisationen zurückgezogen oder
waren noch nie vor Ort vorhanden, so dass Nazi-Gruppen
in ein Vakuum stoßen und die lokale Hegemonie für sich
beanspruchen. Wir dürfen Rechtsextremen den öffentli-
chen Raum niemals überlassen. Notwendig sind Aufklä-
rung und auch Gewaltprävention – von der frühkindlichen
Bildung über Schule und Jugendarbeit bis zur Erwachse-
nenbildung. Besonders in ländlichen und strukturschwa-
chen Regionen fehlen bislang die nötigen Mittel für eine
ausreichende Jugend(sozial)arbeit. Hier müssen alle de-
mokratischen Kräfte an einem Strang ziehen. Nazis kön-
nen sich überall dort durchsetzen, wo es an attraktiven
demokratischen Lebenswelten mangelt.
Engagierte BürgerInnen und zivilgesellschaftliche Initia-
tiven gegen Rechts müssen unterstützt und dürfen nicht
behindert werden. Das reicht von der Förderung alternati-
ver, die Vielfalt der Gesellschaft bejahender Jugendkultu-
ren bis zum Protest gegen Nazi-Aufmärsche. Nazis versu-
chen deutschlandweit, ihre Inhalte durch Aufmärsche und
Kundgebungen öffentlich zu präsentieren. Demokratinnen
und Demokraten müssen dagegen friedlichen, aber hör-
und sichtbaren Widerstand leisten.
2. Aufklärung, Sensibilisierung und politi-
sche Bildung ausweiten
Die gravierenden Ermittlungsfehler rund um die Terrorse-
rie haben einmal mehr gezeigt: Bei der Problemsensibili-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1041 – Drucksache 17/14600
sierung für den Bereich Rechtsextremismus gibt es erheb-
lichen Nachholbedarf.
Deshalb wollen wir:
– Die Demokratieerziehung in Kita, Schule, Universi-
tät, Berufsschulen, aber auch in der sonstigen Er-
wachsenenbildung, z. B. an Volkshochschulen ver-
stärken.
– Politische Bildung stärken statt kürzen. Politische
Bildung ist Zukunftsvorsorge für unsere Demokratie.
– Demokratieerziehung als Thema der pädagogischen
Ausbildung für ErzieherInnen, LehrerInnen und an-
dere Fachkräfte machen: Demokratieerziehung muss
obligatorischer Bestandteil des Curriculums werden.
Dabei sollen auch Kompetenzen im Umgang mit
rechtsextremen Wortergreifungsstrategien und Nazi-
hetze im Netz vermittelt werden.
– Schulungen im Vereinsbereich.
– Wissenschaftliche Analyse und Auseinandersetzung
mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und
Rechtsextremismus in allen gesellschaftlichen Groß-
organisationen (Kirchen, Gewerkschaften, Sozialver-
bänden, Feuerwehr etc.) fördern.
– Behörden sensibilisieren: Wir wollen regelmäßige
Angebote für Antirassismustraining und Fortbildun-
gen für PolizistInnen, StaatsanwältInnen und Richte-
rInnen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
– Eine zeitgemäße Erinnerungskultur: Das Gedenken
an die Opfer des Nationalsozialismus und die Aufklä-
rung über die nationalsozialistischen Verbrechen
müssen in zeitgemäßer Form präsentiert werden. Da-
zu gehört auch die Vermittlung von Wissen über die
Versuche heutiger Nazis, Gedenktage für ihre Propa-
ganda zu missbrauchen.
– Einen klaren Kurs gegen Rechtspopulismus: Wer mit
Ängsten vor „Überfremdung“, mit antiislamischen
Ressentiments oder der Diffamierung alternativer Ju-
gendkulturen spielt, liefert rechten Schlägern eine
ideologische Rechtfertigung.
3. Förderung der Zivilgesellschaft
Die Fehler im Bereich der Strafverfolgung waren gravie-
rend und dürfen sich nicht wiederholen. Noch wichtiger
für eine erfolgreiche Bekämpfung des Rechtsextremismus
und für eine wirksame Prävention sind die Aktivitäten der
Zivilgesellschaft. Diese hat der Staat zu unterstützen, statt
sie durch vorurteilsbehaftete Aktionen wie die sog. Ex-
tremismus-Klausel und eine zu schwache und unsichere
Förderung zu behindern.
a) Weg mit der Extremismusklausel
Nicht selten werden Initiativen und Bündnisse, die sich
vor Ort gegen Rassismus, Antisemitismus oder andere
Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit organi-
sieren, als „linksextrem“ eingeordnet und damit als Ver-
fassungsfeinde gebrandmarkt. Mit der Extremismus-
klausel werden Initiativen, die sich gegen Neonazis und
ihre menschenverachtende Ideologie engagieren, unter
Generalverdacht gestellt, diffamiert und kriminalisiert.
Die Extremismusklausel muss umgehend und ersatzlos
abgeschafft werden!
b) Förderung mit Konzept und Perspektive:
Stiftung Demokratieförderung
Durch die unter Rot-Grün gegründeten Bundesprogram-
me gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus konnte
hier sehr viel Expertise in der Zivilgesellschaft entstehen.
Seit der Programmeinführung 2001 wurden verschiedene
Ansätze in der Arbeit gegen Nazis erprobt, Vieles hat sich
bewährt. Doch einige Probleme der Förderung sind je-
doch seit Jahren offensichtlich und wurden bisher nicht
angegangen.
Wir möchten deshalb eine Stiftung zur Förderung der
Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus,
Antisemitismus, Antiziganismus und andere Formen
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit errichten. Da-
mit wollen wir die aktuelle Zerfaserung und Lückenhaf-
tigkeit der Förder- und Programmstruktur beenden und
eine dauerhafte Förderung der zivilgesellschaftlichen
Initiativen sicherstellen.
Diese Stiftung soll einen festen Betrag aus dem Bundes-
haushalt zugewiesen bekommen. Sie entwickelt ein kohä-
rentes und dauerhaftes Gesamtförderkonzept und Richtli-
nien für die Vergabe von Stiftungsmitteln an zivilgesell-
schaftliche Initiativen und Verbände. Für die Länder und
Kommunen soll sie ein Konzept für Projekte entwickeln,
die an die von der Stiftung geförderten Grundstrukturen
andocken bzw. auf sie aufbauen. Stiftungsrat und Kurato-
rium sind mit VertreterInnen des Bundes, der Länder und
der Kommunen, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft,
der Kirchen, MigrantInnenorganisationen und der Politik
zu besetzen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Beset-
zung die politische Unabhängigkeit der Stiftung garantiert
und Zivilgesellschaft und Wissenschaft insbesondere in
dem Stiftungsorgan, das Förderkonzept und Förderleitli-
nien festlegt, entscheidenden Einfluss haben.
VI. Fazit:
1) Die Treppe muss von oben gekehrt werden. Die In-
nenminister in Bund und Ländern waren nicht Teil
der Lösung, sondern Teil des Problems. Sie waren
entweder inaktiv (Schäuble, Behrens), blockierten
(Bouffier), waren aktiv, aber lokal beschränkt und zu-
ständigkeitsegoistisch (Beckstein) oder bestärkten
durch unzutreffende öffentliche Äußerungen die fal-
sche Ermittlungstendenz (Schily). Kein Amtsträger
zog wegen des Ermittlungsdesasters persönliche
Konsequenzen.
2) Die Justizministerkonferenz beschäftigte sich gar
nicht mit der Mordserie, obwohl ihre Staatsanwalt-
schaften nach dem Gesetz eigentlich Herren der Er-
mittlungsverfahren waren. In den Parlamenten wur-
Drucksache 17/14600 – 1042 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den die Ereignisse auch nicht thematisiert. Dieses
Versäumnis wird nicht entschuldigt und nur zum Teil
dadurch erklärt, dass von den Strafverfolgungsbehör-
den bis zuletzt der Eindruck suggeriert wurde, man
habe erfolgversprechende Spuren ins Milieu der Or-
ganisierten Kriminalität.
3) Die Anfang der neunziger Jahre geführte Asyldebatte
schuf ein Klima, das das Entstehen gewalttätiger
rechtsextremistischer Strukturen begünstigte. Demo-
kratische Parteien dürfen nie wieder zündeln, mit
Unterbringungsproblemen oder anderen sozialen
Fragen Politik zu Lasten von Minderheiten machen.
4) Die Nichtexistenz eines organisierten Rechtsterro-
rismus war eine Art bundesrepublikanische Staats-
doktrin. Dies hat die Köpfe vernebelt. Nicht nur beim
Oktoberfest-Attentat mussten es Einzeltäter sein.
Dies schlug sich selbst nieder bei der Benennung der
Hypothesen als Organisationstheorie (gemeint krimi-
nelle Organisation) oder Einzeltätertheorie (gemeint
der rassistische Mörder). Die rechtsterroristische Or-
ganisation war gedanklich gar nicht vorgesehen.
5) Der Generalbundesanwalt und seine Mitarbeiter sind
als bloße Zeitungsleser- und Auswerter überbezahlt.
Er muss von Gesetzes wegen die Kompetenz und die
Verpflichtung erhalten, die Frage des Ob seiner Zu-
ständigkeit selber ermitteln zu können.
6) Das BKA sollte eigentlich der Ort sein, an dem sich
die kriminalistische Kompetenz ballt. Hier war es der
Ort des größten Versagens, von der Nichtauswertung
der Garagenliste in Jena über das Versanden-Lassen
der Česká-Spur bis zum besonders bornierten Fest-
halten an der Organisationstheorie. Die Leitung die-
ser Behörde lässt bis zum heutigen Tage auch nur den
Hauch einer Selbstkritik vermissen.
7) Dass Mörder das Risiko ihrer Entdeckung minimie-
ren, wenn sie ihre Tat im benachbarten Bundesland
begehen, kann nicht ernsthaft als Folge des Födera-
lismus akzeptiert werden. So wenig wie der Umstand,
dass Täter in Nürnberg nur im Großraum Nürnberg
und Täter in Köln nur im Großraum Köln gesucht
werden. Die Sicherheitsorgane müssen lernen, im
Verbund zu denken und zu kommunizieren.
8) Das Bundesamt für Verfassungsschutz taugt in der
derzeitigen Struktur nicht als Analyseinstrument und
zur brauchbaren Informationsbeschaffung. Es muss
aufgelöst, aufgespalten und strukturell und personell
neu aufgestellt werden.
9) Die Polizei muss endlich in Ausbildung und perso-
neller Zusammensetzung auf die Höhe einer Einwan-
derungsgesellschaft gebracht werden. Das Entwi-
ckeln einer Fehlerkultur und die vorurteilsfreie Hypo-
thesen-Bildung stehen an. Die Erwartung, der Com-
puter werde schon den Täter ausspucken, wenn ich
ihn nur mit weiteren Millionen Massendaten füttere,
hat sich einmal mehr als Irrweg erwiesen.
10) Die Fehler im Bereich der Strafverfolgung waren
gravierend und dürfen sich nicht wiederholen. Noch
wichtiger für eine erfolgreiche Bekämpfung des
Rechtsextremismus und für eine wirksame Präventi-
on sind die Aktivitäten der Zivilgesellschaft. Diese
hat der Staat zu unterstützen und nicht durch vorur-
teilsbehaftete Aktionen wie der sog. Extremismus-
Klausel zu behindern.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1043 – Drucksache 17/14600
Stand: 13.11.2013
Fünfter Teil:
Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
Der Untersuchungsausschuss hat Personen, die durch die
Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten
erheblich beeinträchtigt werden können, Gelegenheit
gegeben, zu den sie betreffenden Ausführungen Stellung
zu nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in
einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind
(siehe oben: Erster Teil, S. 68).
Folgende Stellungnahmen sind abgegeben worden:
I. Barbara E.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) bb) und cc)
(Kontakte des NSU zu Personen der Garagenliste nach
Baden-Württemberg) hat sich Barbara E. telefonisch
sinngemäß wie folgt geäußert:
Ich habe Michael E. nicht über meinen Bruder
kennen gelernt, sondern über die „Rockfabrik“, die
seinerzeit auch von meinem Bruder besucht wurde.
An Ostern 1996 hat lediglich Beate Zschäpe bei
mir übernachtet, nicht aber Uwe Böhnhardt.
II. D. F.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) dd) und
Abschnitt E. II. 3. c) bb), hat sich D. F. telefonisch sinn-
gemäß wie folgt geäußert:
Der dargestellte Sachverhalt trifft zu. Es ist jedoch
zu ergänzen, dass ich mit Beate Zschäpe nach de-
ren Untertauchen keinen Kontakt mehr hatte.
III. Sylvia F.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. d) aa) (Kon-
takte des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Sze-
ne Baden-Württembergs), hat sich Sylvia F. wie folgt
geäußert:
„Ich verstehe nicht und halte es nicht für richtig,
dass ich in dem Bericht überhaupt erwähnt werde.
Für den Strafkomplex Zschäpe u. a. spielt es über-
haupt keine Rolle, dass ich im Jahre 1997 einen
Brief an Mundlos geschrieben habe. Auch dass ich
Mitglied in der HNG war geht niemanden etwas
an.
Mein Brief an Mundlos dürfte mit meiner damali-
gen humanitären Gefangenenbetreuung zu tun ha-
ben. Meine Bemerkung zu Hausdurchsuchungen
habe ich gemacht, weil ich es blödsinnig fand, dass
Personen aus der rechten Szene immer wieder we-
gen unsinnigen Dingen wie Aufnähern, Aufkle-
bern usw. bestraft wurden. Meine Tätigkeit für die
HNG geschah lediglich im Bestreben, inhaftierten
Personen zu helfen und ihnen einen Neuanfang
ohne Straftaten zu erleichtern. Gewalttaten habe
ich immer abgelehnt und mich dagegen ausgespro-
chen. Deshalb empfinde ich es als diskriminierend,
dass ich in dem Bericht überhaupt genannt werde.“
IV. Alexander Gronbach
Zum Feststellungsteil, Abschnitt G. IX. (Angebliche
Hinweise der Auskunftsperson und späteren Informantin
„Krokus“ an das LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007)
hat sich Alexander Gronbach unter anderem wie folgt
geäußert:
„Ich, Alexander Gronbach, fordere vom PUA, so-
fort die Zeugenvernehmung meinerseits vom No-
vember 2011 beim LKA anzufordern. Sowie durch
KHK R. sowie KHK S. feststellen zu lassen, an
welchem Datum das war! Oder will der PUA nun
diese Zeugenaussage unterschlagen, welche schon
im November 2011 stattfand?
Eine weitere Lüge ist, [Krokus] wäre erst durch
mich aufgeflogen. Zum einen habe ich niemals bei
irgendwelchen Neonazis in irgendeiner Form et-
was über [Krokus‘] Tätigkeit mitgeteilt, jeder Poli-
zeibeamte welcher jeweils Kontakt mit [Krokus]
hatte, KHK G. Q., LKA-Beamter J. H., KHK H.
R., KHK M. S. wussten jeweils über die LFV-
Tätigkeit Bescheid…“
V. Andreas G.
Zum Feststellungsteil, Abschnitte C. II. 1. d) (Verbindun-
gen zwischen „Blood & Honour“ und dem Trio) und E. II.
13. a) (Hintergrund der Fahndungsmaßnahmen im Zu-
sammenhang mit der Fernsehsendung „Kripo Live“ am 7.
Mai 2000) hat sich Andreas G. wie folgt geäußert:
„Ich war in meinem ganzen Leben nie auf einer
Schulungsveranstaltung der NPD. Bei der fragli-
chen Schulungsveranstalung wurden ja sicher
Kontrollen durchgeführt, da kann also gesehen
werden, dass ich gar nicht vor Ort war.
Ich kenne weder Tino Brandt noch Ralf Wohlle-
ben.
Auch kenne/kannte ich auch Uwe Mundlos und
Uwe Böhnhardt nicht.
[…]
Ebenso kennt mich niemand unter meinem wirkli-
chen Namen, sondern ich bin überall nur unter
meinem Spitznamen bekannt. Woher kennt der mir
völlig unbekannte Spitzel meinen Namen?
Es gibt zeitliche Ungereimtheiten in Ihren Ausfüh-
rungen. Da werden Sachen (Terzett) im Januar
Drucksache 17/14600 – 1044 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
eingeleitet, deren Voraussetzungen erst im Februar
erfüllt werden. […]“
Es wird erwähnt, dass ich abgehört und observiert
wurde. Gab es denn dazu keine Erkenntnisse? So
sind die Erwähnungen völlig nutzlos. […]“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) ee) (Umgang
mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des Trios in der
Bundeswehr) hat sich Andreas G. wie folgt geäußert:
„Was hat meine Bundeswehrlaufbahn mit dem so-
genannten NSU zu tun? Welche Erkenntnisse da-
raus können denn in die Ergebnisse dieses Aus-
schusses einfließen? Aus meiner Sicht ist das Ab-
solut bedeutungslos.“
Konkret zu dem in diesem Abschnitt genannten Strafurteil
/ Strafbefehl, der im September 1997 in den Akten des
Kreiswehrersatzamtes vermerkt wurde:
„Was hat der Schwerstkriminelle denn da wieder
verbrochen? An Nachbars Gartenzaun gepinkelt?
Sie konnten/können dazu keine Angaben machen.
Von daher ist die Erwähnung absolut unnötig und
zielt nur darauf ab, Stimmung gegen mich zu ma-
chen.“
VI. Henning H.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. II. 1. (Entwicklung
der rechtsextremen Szene in Thüringen in den 1990er /
Anfang der 2000er Jahre – „Anti-Antifa Ostthüringen“
und „Thüringer Heimatschutz“) und Abschnitt B. V.
(Auffinden der Garagen und Planung der Durchsuchun-
gen), hat sich Henning H. wie folgt geäußert:
„Ich muss Sie leider enttäuschen, ich habe damit
nichts zu tun! Ich verbitte mir die Unterstellung,
dass ich ein ‚weiterer Aktivist des Thüringer Hei-
matschutzes‘ bin. Wie oft soll ich die Geschichte
mit der Rohrbombe noch erzählen? Es war als Sil-
vesterkracher gedacht. Dafür war ich vor Gericht,
nicht ohne Grund wurde die Anklage in diesem
Punkt fallen gelassen! Die ‚Deutschlandkarte mit
Markierungen‘ war in meinen Arbeitsunterlagen
aus meiner Zeit […] in Mainz. Wer die verschie-
denen Orte gekennzeichnet hat und warum er das
tat, weiß ich nicht. Ich hatte jedenfalls niemals
Sprengstoffattentate geplant oder ausgeführt.“
VII. KHK J.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt F. V. 1. b) (Hinweise
nach dem 4. November 2011 auf das Trio) hat sich KHK
J. geäußert und mitgeteilt,
„dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt-
schaft Dortmund, Aktenzeichen 160 Js 356/12, ge-
gen meine Person mit Verfügung vom 12.11.2012
gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
Nach Abschluss der Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft Dortmund wurde ich am
05.03.2013 durch das BKA zu den Angaben der
Vertrauensperson Heidi zeugenschaftlich ver-
nommen. Insofern verweise ich auf das Protokoll
der zeugenschaftlichen Vernehmung.“
VIII. Christian K.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. I. 2. o) (Ermittlungs-
verfahren wegen Körperverletzung im Dezember 1996),
hat sich Christian K. telefonisch sinngemäß wie folgt
geäußert:
Das Ermittlungsverfahren wurde, soweit es mich
betraf, damals eingestellt.
IX. Sven Krüger
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 2. („Hammer-
skins“ in Deutschland) hat sich Sven Krüger über einen
Rechtsanwalt wie folgt geäußert:
„Diesbezüglich habe ich namens und in Vollmacht
meines Mandanten der von Ihnen in dem Untersu-
chungsbericht beabsichtigten Namensnennung
meines Mandanten sowohl bezogen auf den Vor-
namen, wie auch bezogen auf den Nachnamen
auch hinsichtlich etwaiger Namenskürzel o.ä. aus-
drücklich zu widersprechen. […]
Weiterhin, so lässt der Mandant mitteilen, gibt es
keinerlei vorliegende Beweise, dass mein Mandant
ein sogenannter ‚Hammerskin‘ wäre. Dies gilt um-
so mehr, als dass sie meinen Mandanten als Führer
der ‚Hammerskins‘ in MV bezeichnen.“
X. David Petereit
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) mm) (Um-
gang der Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem
Umfeld der Trios, David Petereit), hat sich David Petereit
wie folgt geäußert:
„Ich wende mich grundsätzlich gegen die Veröf-
fentlichung der detaillierten Ausführungen zu mei-
ner Bundeswehrzeit […]. Diese sind nicht vom
Untersuchungsauftrag des Untersuchungsaus-
schusses gedeckt.
Darin wird mein gesamter militärischer Werde-
gang dargelegt. Die Grundlage für Ihre
,Erkenntnisse‘ ist hierbei meine Personalakte bei
der Bundeswehr, die ihrerseits datenschutzrecht-
lich geschützt und kein öffentliches Dokument ist
und es nach meinem Willen auch nicht werden
soll.
Sollten Sie dringend darauf bestehen, zu erwäh-
nen, dass ich meinen Wehrdienst geleistet habe,
dann schreiben Sie es in ein oder zwei Sätzen.
Z. B.:
,Petereit leistete von 1999 bis 2001 23 Monate
Wehrdienst beim Panzerflugabwehrkanonenbatail-
lon 141.‘
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1045 – Drucksache 17/14600
Stand: 13.11.2013
Damönisierend oder blamierend, je nachdem, wie
der Leser dies dann betrachtet, können Sie natür-
lich noch erwähnend hinzufügen:
,In diesem Rahmen wurde er auch an Schusswaf-
fen ausgebildet und geübt.‘
Wie der Untersuchungsausschuss und zuvor offen-
sichtlich sowohl das BKA als auch das BfV fest-
stellten, gab es keine Verbindung meiner Person
zum NSU. Insofern muss ich es auch nicht erdul-
den, dass Sie meinen militärischen Lebenslauf der
Weltöffentlichkeit darlegen.
Zudem mag es sein, dass Sie von einer Anonymi-
sierung meiner Person grundsätzlich abgesehen
haben, da ich Person des öffentlichen Lebens bin,
allerdings gibt Ihnen dies wiederum gerade nicht
das Recht, nach Belieben über mich zu veröffentli-
chen. […]“
Konkret zu der Passage im Abschnitt C. IV. 5. e) mm) des
Feststellungsteils, in dem ausgeführt wird, dass weiterfüh-
rende, über die Danksagung an den NSU im Fanzine „Der
Weisse Wolf“ hinausgehende Hinweise zu Verbindungen
Petereits zum NSU nicht vorlägen, hat Petereit ausge-
führt:
Des Weiteren bitte ich darum, dass der Satz […]
dahingehend konkretisiert wird, dass er nicht die
Unterstellung beinhaltet, es gäbe Verbindungen
meiner Person zum NSU, nur hätten die bisher
nicht bewiesen werden können. Z. B.:
,Petereit hatte offensichtlich keine Verbindung
zum NSU.‘“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt D. II. 1. (Erkenntnisse
und V-Leute des BfV; Die Zeitschrift „Der Weiße
Wolf“), hat sich David Petereit wie folgt geäußert:
„Ich möchte […] anmerken, dass ich nach wie vor
bestreite, eine Geldspende vom NSU erhalten zu
haben, da ich mich an einen solchen Sachverhalt
nicht erinnern kann.“
XI. Reinhard S.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. d) (Kontakte
des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Szene
Baden-Württembergs), hat sich Reinhard S. über einen
Rechtsanwalt wie folgt geäußert:
„Bei Reinhard S. […] handelt es sich um meinen
Mandanten. Er wurde bereits vom Landeskrimi-
nalamt Stuttgart […] vernommen, sein Rechner
wurde auf Skype-Daten durchsucht. Er war an
Herrn Mundlos über das Online-Spiel „World of
Warcraft“ gekommen, wusste aber nicht um des-
sen Identität, da dieser unter dem Namen „Garry“
auftrat. Ansonsten hat S. überhaupt keinen Kontakt
zu der NSU-Szene.“
XII. Hans-Joachim S.
Zu den ihn betreffenden Passagen im Feststellungsteil hat
sich Hans-Joachim S. wie folgt geäußert:
„Ist es nicht schon genug, dass ich ständig vom
BKA und LKA (Staatsschutz) in einer Sache be-
lästigt werde, die schon fast 20 Jahre her ist. 1994
hatte ich das letzte Mal Kontakt mit dem Trio, was
danach geschah, kann ich Ihnen nicht mitteilen, da
ich es nicht weiß, erst 2012 aus dem Fernsehen
hörte, dass Mundlos für einige Morde in Frage
käme. Es ist auch nicht schön irgendwelche alte
Wurst auf das Brot geschmiert zu bekommen. Es
ist schön, dass meine Bundeswehr zeit lobend er-
wähnt wird, aber dass ich seit meinem 16. Lebens-
jahr durchgehend bei verschiedenen Arbeitgebern
gearbeitet habe und somit ihr Gehalt mit bezahle,
das können Sie auch gerne mit einbauen. So, jetzt
aber zu Ihrem Geschmiere: Sollte das so veröffent-
licht werden, werde ich Klage gegen dieses
Geschmieresammelsurium erheben. Da eine Men-
ge falsch und nicht richtig wiedergegeben wurde.
Sie sollten den Ausdruck „Waffen“ etwas mehr de-
finieren, zwischen Schusswaffen, bei denen ein
tödliches Geschoss den Lauf verlassen kann, oder
Stichwaffen (Messer), Schlagwaffen oder Hieb-
waffen usw. Den Bericht, den Sie mir hier vorle-
gen, ist eine Niedermachung meiner Person, den
ich nicht so stehen lassen kann.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der
Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des
Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, Mundlos
habe im Jahr 1996 in einem Brief an Thomas Starke über
die Waffen, die S. besitze, gestaunt:
„Ich hatte 1996 keinen Kontakt mehr zu dem Trio,
wieso sollte Mundlos so von den Waffen noch
schwärmen??? Auch hier stellt sich mir die Frage
was für Waffen (Schusswaffen, bei denen ein töd-
liches Geschoss den Lauf verlassen kann, oder
Stichwaffen (Messer), Schlagwaffen oder Hieb-
waffen usw.)? Oder doch nur Deko-Waffen.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der
Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des
Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, gegen S.
seien im Jahr 2009 wegen Verstoßes gegen das Waffen-
gesetz, Besitz von erlaubnispflichtiger Munition und
verbotenen Gegenständen i. S. d. Waffengesetzes und
wegen Volksverhetzung Verfahren eingeleitet worden:
„Auch hier geht nicht hervor, dass keine Schuss-
waffen, bei denen ein tödliches Geschoss den Lauf
verlassen kann, dabei waren. Es handelte sich hier
um zwei Butterfly-Messer, die vor ein paar Jahren
in Deutschland noch frei zu kaufen waren, eins
von den beiden gehörte sogar meiner Ex-Frau,
meins hatte ich seit meiner Jugend, also auch
schon über 20 Jahre. Zur Munition, die gehörte zu
meiner Sammlerleidenschaft, leider konnte ich
nicht feststellen, welche scharf wahren, da die
Drucksache 17/14600 – 1046 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Deko-Munition keinen Unterschied zu erkennen
gibt. Das sah auch der Richter so...“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der
Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des
Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, der Name
von S. habe sich auf der in der Garage des Trios am 26.
Januar 1998 aufgefundenen Adressliste befunden:
„Sie würden bei vielen meine Telefonnummer fin-
den, da ich gern auf die Konzerte gegangen bin
und Leuten, die von anderen Konzerten gewusst
haben, meine Telefonnummer gegeben habe, au-
ßerdem war die Telefonnummer, die sie bei dem
Trio gefunden haben, zu dem Zeitpunkt längst
nicht mehr aktuell.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der
Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des
Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, der MAD
habe um umgehende verdeckte Mitteilung gebeten, sollte
S. zu Wehrübungen einberufen werden:
„Ich sollte in den 90er zu einer Wehrübung, habe
mich aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt
und musste auch nicht hin.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte
des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt aa),
in der es heißt, es habe auch nach 1994 bis zum Jahr 2001
weitere gegenseitige Besuche gegeben:
„An einen Besuch des Trios in Ludwigsburg kann
ich mich erinnern 1994, danach brach mein Kon-
takt zum Trio ab, wie oft sie dann noch da waren,
kann ich nicht bestätigen. Wir sind nach Mittel-
deutschland hauptsächlich wegen der Konzerte ge-
fahren. Nicht wegen irgendwelcher Bekanntschaf-
ten.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte
des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),
in der es heißt, auch Hans-Joachim S. habe Kontakt zum
Trio unterhalten:
„Ich habe das Trio, wie schon erwähnt, nicht mehr
gekannt, wie den Herrn R. oder andere Mitteldeut-
sche. Es bestand keine freundschaftliche Bezie-
hung zu den Dreien.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte
des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),
in der es heißt, Hans-Joachim S. sei ebenfalls an gegen-
seitigen Besuchen mit dem Trio beteiligt gewesen und in
der ein Brief von Mundlos an Thomas Starke und einzelne
Formulierungen hieraus erwähnt werden:
„Wie schon erwähnt, muss der Brief schon vorher
geschrieben worden sein (1994). Wir sind nach
Mitteldeutschland hauptsächlich wegen der Kon-
zerte gefahren. Nicht wegen irgendwelcher Be-
kanntschaften. So ein dummes Wort wie Dunkel-
deutschland würde ich nie benutzen. Ossis auch
nicht, da ich selber Verwandtschaft in Mittel-
deutschland habe. Bei mir hat niemand übernach-
tet, da ich in der Zeit noch bei meiner Mutter ge-
wohnt habe.
Auch hier stellt sich mir die Frage: Was für Waf-
fen???“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte
des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),
in der es heißt, dass der Kontakt zum Trio Mitte der
1990er Jahre geendet haben solle:
„Der Kontakt hat 1994 geendet.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte
des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),
in der es heißt, dass für den Untersuchungsausschuss von
Interesse gewesen sei, ob S. tatsächlich Waffenhändler
gewesen sei und in der ein Bericht des LKA Baden-
Württemberg vom 24. Januar 2013 genannt ist:
„Nein, ich habe nie mit Waffe gehandelt. 1996 hat-
te ich auch schon eine Hausdurchsuchung, bei der
auch keine Schusswaffen, bei denen ein tödliches
Geschoss den Lauf verlassen kann, gefunden wur-
den.
So wie 30 bis 40-Mal, wo mein Wagen (Kfz) z.B
bei Konzerten durchsucht wurde, ebenfalls keine
Schusswaffen, bei denen ein tödliches Geschoss
den Lauf verlassen kann, gefunden wurden.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte
des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc)
am Ende, in dem dargestellt wird, die Ehefrau von S. habe
diesen im Jahr 2009 angezeigt und in der die Hintergrün-
de hierfür beschrieben werden:
„Meine Ex-Frau, die selbst der rechten Szene an-
gehört, ist fremdgegangen und ich habe es be-
merkt, da ich um 4 Kinder zu ernähren täglich bis
abends 21 bis 22 Uhr gearbeitet habe. […] Ich
wollte schon ausziehen, konnte aber meine Kinder
nicht schutzlos zurücklassen und fand auch keine
Wohnung. Da hat sie zu den unfairen Mitteln ge-
griffen ,ich würde sie schlagen‘. Die Polizei hat ihr
geglaubt, das alte Lied die arme Frau... Einfach lä-
cherlich, so sah das auch der Richter und hat das
Verfahren eingestellt. Ich bin nicht gewaltbereit,
war es nie und werde es auch nicht. Zur Munition,
die gehörte zu meiner Sammler-Leidenschaft, lei-
der konnte ich nicht feststellen, welche scharf wa-
ren, da die Deko Munition kein Unterschied zu er-
kennen gibt. Das sah auch der Richter so... Von
den CDs gehörten 30% meiner EX Frau, so wie
schon erwähnt, eines der beiden Butterfly Messer
und die Hitlerbüste. Der Rest ist und bleibt Samm-
lerzeug, was wenn ich darauf bestanden hätte, ich
fast alles zurückbekommen hätte. Ich hatte aber
sowieso kein Bock mehr auf den Mist und habe es
zur Vernichtung freigegeben. Das könnten Sie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1047 – Drucksache 17/14600
Stand: 13.11.2013
auch mal erwähnen. Auch hier wieder Verstoß ge-
gen Waffengesetz, was für Waffen? Messer, zum
teil Sammlerstücke. Jeder der „Waffen" liest,
denkt an Schusswaffen, also berichtigen Sie das,
danke. Mir ist nicht bekannt, dass das Urteil wegen
Volksverhetzung ausgesprochen wurde. Die ganze
Seite gehört nicht in den Bericht, da Sie nicht und
in keiner Weise zu dem Trio Fall gehören.“
XIII. Carsten Schultze
Zu mehreren ihn betreffenden Passagen hat sich Carsten
Schultze wie folgt geäußert:
Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. III. 3. b) (Weitere
Strukturermittlungen zum „Thüringer Heimatschutz“):
„1. Im Abschlussbericht des LKA Thüringen vom
31. August 2001 werde ich als Führungsperson des
‚Thüringer Heimatschutzes‘ im Bereich Jena be-
zeichnet. Dies ist nicht der Fall, da ich im Jahr
2001 der rechten Szene gar nicht mehr angehörig
war; weder war ich an szenespezifischen Aktionen
beteiligt, noch habe ich an diesen teilgenommen.
Ich widerspreche daher einer entsprechenden Dar-
stellung.
Zu 1.
Leider liegt mir der hier zitierte Bericht des TLKA
nicht vor. Allerdings sprechen die BfV-
Erkenntnisse, auf die Sie sich in Ihrem Entwurf zu
meiner Person beziehen, gegen diese Darstellung.
Darüber hinaus unterstreicht auch die folgende Er-
kenntnis des BfV meine Darstellung: ‚Im April
2001 benannte eine Quelle des TLfV Carsten
SCHULTZE nicht mehr als Mitglied des THS.‘
Wie das LKA Thüringen dann vier Monate später
zu dem besagten Ergebnis kommt, ist für mich
nicht nachvollziehbar.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV 5. e) ss) (Umgang
der Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld
des Trios – Carsten Schultze):
„2. Ich gehörte nie der Kameradschaft Jena an,
wiederspreche somit dieser Darstellung meiner
Person im Entwurf Ihres Abschlussberichtes.
Zu 2.
Die Quelle, die in ihrem Entwurf herangezogen
wird, ist ein Dokument vom 20.12.2011, welches
sich in dem fraglichen Punk auf zwei Dokumente
aus den Jahren 2004 und 2011 bezieht. Einleitend
wird hier unter 3. ,Thüringer Heimatschutz, (THS)
beschrieben: ‚Der ‚Thüringer Heimatschutz' setzte
sich aus regional gegründeten Kameradschaften
zusammen, die [...] in der Nachfolge als Sektionen
des 'THS' bezeichnet wurden.‘ Unter 3.1.1 Sektion
Jena (Kameradschaft Jena), worauf sich Ihre Aus-
führung stützt, fehlt nun die Bezeichnung ‚vor-
mals‘ vor ,Kameradschaft Jena‘, wie es dann rich-
tig heißen müsste.
So ist es beispielsweise im Verfassungsschutzbe-
richt Thüringen 1998 geschehen: ,Der Thüringer
Heimatschutz [...] gliedert sich zur Zeit in drei
Sektionen; Sektion Jena (vormals Kameradschaft
Jena), Sektion Saalfeld, Sektion Sonneberg.‘ Auch
die Schäfer-Kommission schreibt in ihrem Gutach-
ten: ‚Aus der KSJ ging später die Sektion Jena des
THS hervor.‘ Auch bei der vorangehenden Struk-
tur-Aufzählung der „Kameradschaft Jena“ (acht
Namen mit Positionsbezeichnung) wird meine Per-
son nicht benannt.
Darüber hinaus bin ich in dem von Ihnen ange-
führten Dokument (in einer späteren Auflistung)
ausschließlich in Verbindung zum ‚Thüringer
Heimatschutz - Sektion Jena‘ benannt.
Warum diese Differenzierung, gerade in Bezug auf
meiner Person, so wichtig ist, erschließt sich spä-
testens im darauffolgenden Satz bzw. meiner Stel-
lungname dazu:
3. Da ich nicht der Kameradschaft Jena angehörte,
konnte ich auch nicht ‚auf Grund dieser Mitglied-
schaft neben Wohlleben und Kapke mit dem Trio
in enger Verbindung‘ stehen.7551
Zu 3.
Da sich diese Schlussfolgerung auf den vorange-
gangen Satz bezieht, wird suggeriert, dass ich das
Trio durch gemeinsame Aktivitäten vor deren Un-
tertauchen am 26.01.1998 näher kannte.
Sogar die Generalbundesanwaltschaft stellt fest:
,Die politischen Aktivitäten der ‚Kameradschaft
Jena‘ mit ihren Mitgliedern Zschäpe, Gerlach und
Wohlleben sowie Böhnhardt, Mundlos und Kapke
belegen deren nationalsozialistische Gesinnung
und wurden im Laufe der Zeit von Straftaten zu-
nehmender Intensität begleitet. Die genannten Per-
sonen traten von 1994 bis 1997 in wechselnder
Besetzung bei Aktionen in Erscheinung und nah-
men an Heß-Gedenkveranstaltungen, rechtsextre-
men Demonstrationen, Aufzügen, Autokorsos,
Konzerten und germanischen Brauchtumsfeiern
teil.‘ Beispielhaft schreibt auch die Schäfer-
Kommission über den Zeitraum vor 1998: „Das
TRIO fiel durch eine Vielzahl gemeinschaftlicher
Aktivitäten auf, die nicht nur ihre Verbindungen
zur rechten Szene dokumentieren, sondern auch
Entwicklungstendenzen im Sinne einer zunehmen-
den Radikalität widerspiegeln.‘ Ich werde in der
darauf folgenden Auflistung, neben den schon in
der Anklageschrift aufgeführten Personen, wie
auch in folgendem Beispiel, nicht genannt: ,[1997]
ermittelte die StA Gera gegen Wohlleben, Kapke,
G., Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und weitere Per-
sonen wegen Störung des öffentlichen Friedens
7551) Anmerkung des Sekretariats: Schultze bezieht sich auf die
Ausführungen im Abschnitt C. IV 5. e) ss) des Feststellungs-
teils.
Drucksache 17/14600 – 1048 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
durch Androhung von Straftaten‘ wegen der Ver-
sendung von Briefbombenimitaten. In der Gesamt-
schau dieser Beispiele würden die ersten zwei Sät-
ze zu meiner Person suggerieren, dass ich vor 1998
dem organisierten Rechtsextremismus angehört
hätte bzw. den von der Schäfer-Kommission be-
sagten Weg des Trio ,neben Wohlleben und
Kapke‘ mitgegangen wäre. Dem widerspreche ich
ausdrücklich, denn das war nicht der Fall.
4. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ‚Spenden-
gelder für die geflüchteten Drei‘ überwiesen zu
haben.[…]“
5. Ich war nie Vorsitzender des NPD-
Kreisverbandes Jena.
7552
lch widerspreche einer
entsprechenden Darstellung im Abschlussbericht
des Untersuchungsausschusses. Ich kann mir nicht
erklären, wie dieser Vermerk, auf den hier Bezug
genommen wird, zustande gekommen ist.
Zu 5.
Schon derselben Quelle, auf die Sie sich in Ihrem
Entwurf beziehen, ist zu entnehmen: ,Ob Ralf
WOHLLEBEN den Kreisverband Jena der NPD
bzw. Carsten SCHULTZE tatsächlich als dessen
Stellvertreter führe, könne nicht beurteilen [sic].
Auch der Generalbundesanwalt geht davon aus:
‚Mit Wirkung vom 11. Februar 1999 trat der An-
geschuldigte Wohlleben in die
,Nationaldemokratische Partei Deutschlands
(NPD) ein und hatte mit Unterbrechungen von
1999 bis 2010 das Amt des NPD-Vorsitzenden des
Kreisverbandes Jena/Saale/Holzland inne.‘ Ich ha-
be dieses Amt nie bekleidet.“
XIV. Achim S.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. b) (Rechtsext-
remistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb
Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Entwicklung des „KKK“ in
Deutschland) hat sich Achim S. wie folgt geäußert:
„Ich selbst wurde Ende September 1998 in die
,International Knights of the Ku Klux Klan‘ auf-
genommen und gestaltete daraufhin eine Internet-
seite, die zunächst fälschlicherweise – aufgrund
meiner eigenen Unkenntnis – als ‚European
Knights of the Ku Klux Klan‘ online war, bis ich
intern auf den falschen Namen hingewiesen wurde.
Es ist richtig, dass diese Internetseite – eben aus
zuvor genanntem Grund – nur kurzzeitig im Inter-
net zu finden war. Diese Internetseite hatte also
nichts mit den später gegründeten EWK KKK zu
tun. Es handelte sich zu diesem Zeitpunkt nicht um
spätere Mitglieder der EWK KKK, auch nicht um
einen losen Zusammenschluss solcher.
7552) Anmerkung des Sekretariats: Schultze bezieht sich auf die
Ausführungen im Abschnitt C. IV 5. e) ss) des Feststellungs-
teils.
Thomas R. lernte ich über einen IRC Chatraum be-
reits vor seinem Eintritt in eine KKK-Gruppe ken-
nen. Zu diesem Zeitpunkt war weder eine Rekru-
tierung von Thomas R. geplant noch wusste dieser
zu diesem Zeitpunkt von meiner damaligen Mit-
gliedschaft bei den ‚International Knights oft the
Ku Klux Klan‘.
Auch kam es bei den ersten Besuchen von Thomas
R. in Schwäbisch Hall nicht direkt zu Klan-
Treffen. Diese fanden erst später statt, – nach mei-
ner Erinnerung erst 1999 – als Thomas R. für eine
Mitgliedschaft bei den International Knights of the
Ku Klux Klan angeworben wurde.
In Wiener Neustadt (nicht „der" Wiener Neustadt)
wurde Thomas R. tatsächlich in die ‚International
Knights of the Ku Klux Klan‘ aufgenommen. Je-
doch trug auch dort keine Person den Titel eines
,Imperial Wizard‘. Diesen Rang gab es bei den ‚In-
ternational Knights of the Ku Klux Klan‘ nicht, sie
wurden von einem ,Emperor‘ in South Carolina
geführt. Die höchsten Ränge in Europa waren die
des ,Grand Dragon‘.
Die Behauptung, ich habe Gelder veruntreut und
sei verschwunden, stimmt nicht. Durch damalige
familiäre Probleme trat ich zunächst von meinem
eigenen Rang des ,Imperial Representative‘ und
,Grand Dragon‘ zurück und übergab das Amt des
,Grand Dragon‘ an die Person, die mir damals am
geeignetsten erschien. Dabei handelte es sich
NICHT um Thomas R. Ich ordnete für das Früh-
jahr 2003 Neuwahlen für das besagte Amt an und
gab meinen Rückzug aus der Organisation be-
kannt. Mein letzter Kenntnisstand nach einem letz-
ten Telefonat mit einem Mitglied aus Schwäbisch
Hall im Februar 2003 war, dass diese Neuwahlen
auch durchgeführt wurden. Das Ergebnis der Neu-
besetzung und einer Weiterführung blieb mir un-
bekannt.
Der Bericht des LKA ist im Prinzip richtig. Nach
der Niederlegung meiner Ämter kamen die Aktivi-
täten auch zum Erliegen. Nach meinen Einschät-
zungen dürfte neben der Versammlung im Februar
2003 keine weiteren Aktivitäten stattgefunden ha-
ben. Genau sagen kann ich dies aber nicht.
Auch richtig ist, dass die Verfassungsschutzämter
konzentriert observierten und neben der erwähnten
Anspracheaktion, die laut Aussagen der damaligen
Mitglieder bei nahezu allen Teilnehmern des Jah-
restreffens 2002 stattfand, auch Präsenz zeigten,
um die Gruppe zu verunsichern, was auch gelang.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. d) (Rechtsext-
remistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb
Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Mitgliedschaften von Poli-
zeibeamten des Landes Baden-Württemberg im „KKK“)
hat sich Achim S. wie folgt geäußert:
„Die beiden Polizeibeamten stellten ihre Aktivitä-
ten zunächst Anfang August 2002 ein. Noch wäh-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1049 – Drucksache 17/14600
Stand: 13.11.2013
rend der Jahresversammlung im August gab es
Kontakt zu beiden. Nachdem die Gruppe über ei-
nen Spitzel informiert wurde, wurde ein
klaninterner Untersuchungsausschuss eingerichtet,
welcher mit der Auffindung des ‚Verräters‘ betraut
war. Neben Thomas R. waren zunächst auch die
beiden Beamten, aber auch eine weitere Person in
Verdacht.
Es ist richtig, dass lediglich zwei Polizisten Mit-
glied geworden waren. Es ist aber auch richtig,
dass weitere Polizisten Interesse an einer Mitglied-
schaft hatten.
Eine Warnung bezüglich einer Überwachung und
eines Spitzels gab es in der Tat. Das Motiv der
Person ist mir nicht bekannt. Zunächst wurde in-
tern angenommen, dass dieses geheimdienstge-
steuert gewesen sei und nach amerikanischem
‚Cointelpro‘-Vorbild zur Verunsicherung diente,
was durch die Anspracheaktion und massives Auf-
treten der Verfassungsschutzämter dann bekräftigt
wurde. Jedoch war ich mir damals nicht sicher, ob
es sich um einen deutschen Geheimdienst handel-
te.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. e) aa) (Rechts-
extremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb
Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Allgemeine Aktivitäten des
Achim S.) hat sich Achim S. wie folgt geäußert:
„Ich bitte ebenso um Richtigstellung der Behaup-
tung, dass ich seit 1990 der rechtsextremen Szene
angehöre. Die Äußerung lässt mutmaßen, ich ge-
höre noch immer zu jener Szene, was faktisch
falsch ist. Ich habe mich von der ,Szene‘ als sol-
ches bereits im Jahre 2000 gelöst und von jegli-
chem weltanschaulichem Gedankengut in diese
Richtung spätestens Herbst 2003 völlig gelöst und
distanziert.
Die Unterscheidung der Jahre 2000 und 2003
kommt daher, dass die EWK KKK bestrebt waren,
Strukturen außerhalb der sogenannten ,rechten
Szene‘ aufzubauen. Eine Verbindung zur dieser
,rechten Szene‘ erschien mir erstens hinderlich und
zweitens weltanschaulich nicht vertretbar.
Es gab Mitte 2002 bereits Streitigkeiten unter an-
derem mit Thomas R., der entgegen mehrfachen
Beteuerungen noch tief in der rechten Szene ver-
wurzelt war. Hintergrund war ein von mir verfass-
ter Artikel gegen den Nationalsozialismus und
rechtsradikale Skinheads in dem deutschsprachi-
gen EWK KKK Magazin ,The Fiery Cross‘.
Der ,BILD‘-Zeitung gegenüber äußerte ich im Üb-
rigen im Wortlaut: ,Ich habe die EWK KKK nicht
als V-Mann aufgebaut und war auch kein V-Mann
beim Klan‘. Dies trifft sowohl für die
,International Knights‘ als auch die ‚EWK KKK‘
zu.“
Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. c) cc) (Rechts-
extremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb
Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Verbindungen zwischen
den KKK und dem Trio, Achim S. als mögliche Kontakt-
person des untergetauchten Trios) hat sich Achim S. wie
folgt geäußert:
„Es ist richtig, dass ich in Sachsen aktenkundig
war. Hintergrund war eine Einladung nach Chem-
nitz, die damals aber nicht direkt an mich erfolgte
sondern an damalige Freunde, mit denen ich dann
dorthin fuhr. Ein etwaiges Verfahren wurde da-
mals allerdings eingestellt.
Durch meine verstärkten musikalischen Aktivitä-
ten in den Jahren 1997 bis Mitte 2000 bestand
auch Kontakt zu sächsischen ‚Fanzine‘-Machern,
Bands und Organisatoren, zu denen bspw. auch
Ralf ‚Manole‘ M. und Jan Werner gehörten, die
ich nur flüchtig kannte, aber auch Marcel ‚Riese‘
D. aus Thüringen und Bernd ‚Pernod‘ P. aus dem
sachsennahen Bamberg. All diese Kontakte ent-
standen durch Musiknetzwerke und dienten zum
Besuch von etwaigen Konzerten oder dem Organi-
sieren solcher sowie der Produktion und dem Han-
del von CDs in diesem Bereich.
Dies ist meine einzige Erklärung dafür, wie ich in
der Zusammenstellung möglicher Kontaktpersonen
namentlich auftauchen konnte.
Keines der drei Mitglieder des sogenannten NSU
war mir persönlich bekannt noch habe ich diese je
bewusst wahrgenommen! Da ich selbst viele Kon-
zerte gegeben habe, lässt sich natürlich ein mögli-
cher Besuch einer dieser Personen auf einem mei-
ner vielen Konzerte oder ein zufälliger gemeinsa-
mer Besuch eines Konzertes oder einer Veranstal-
tung wie zum Beispiel einer Demonstration nicht
völlig ausschließen.“
XV. Kay-Norman S.
Zu den ihn betreffenden Ausführungen im Feststellungs-
teil, Abschnitt E. 17. c) fff) (Suche nach dem Trio, Inten-
sivierung der Fahndungsmaßnahmen im Jahr 2002, Über-
prüfung von Kay-Norman S.), hat sich Kay-Norman S.
wie folgt geäußert:
„Ich kannte einen Thorsten S. Diesen hatte ich
nach Begehen seiner Straftaten (Zeitpunkt des
Kennenlernens, Begehen der Straftaten und welche
Straftaten genau sind mir nach den vielen Jahren
unbekannt) kennen gelernt. Da wir ein gleiches In-
teresse (Hunde) hatten, bin ich mit ihm gut ausge-
kommen. Ich habe ihn trotz seiner Straftaten als
überlegten Menschen erlebt. Der Kontakt brach
dann Ende 1997 ab.
Ich hätte auch bei einer früheren Vernehmung,
zum Beispiel […] 1998, nichts anderes wie im Jahr
2003 aussagen können. Des weiteren wurde 2003
festgestellt, dass ich seit 1998 keinen Kontakt
mehr in die rechte Szene hatte.“
Drucksache 17/14600 – 1050 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
XVI. J. T.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt H. I. 1. b) (Sprengfallen-
anschlag in der Probsteigasse in Köln, Ablauf der Ermitt-
lungen) hat sich J. T. über einen Rechtsanwalt wie folgt
geäußert:
„Unser Mandant hatte seinerzeit eine offene Geld-
forderung gegen den ‚A.M.‘, über die es zwischen
den Parteien zunächst zu einer verbalen Auseinan-
dersetzung im Rahmen einer zufälligen abendli-
chen Begegnung gekommen ist. Sodann wurde der
‚A.M.‘, der von zwei weiteren Personen begleitet
wurde, handgreiflich gegen unseren Mandanten, so
dass in weiterer Folge die Polizei hinzugezogen
werden musste. In diesem Kontext (!) wurde unser
Mandant für Zwecke einer Anzeigenerstattung
durch eine Polizeistreife zur Vernehmung und
Feststellung der Personalien auf das Polizeirevier
verbracht, keineswegs aber aufgrund einer Anzei-
ge des ‚A.M.‘ gesondert festgenommen und/oder
vernommen.“
Vor diesem Hintergrund hat der von J. T. beauftragte
Rechtsanwalt geäußert, dass der Text an mehreren Stellen
zu ergänzen bzw. zu ändern sei.
XVII. Patrick W.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt G. IX. 1. (Ermittlungen
nach dem Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch
an Martin A., Behauptungen von Herrn Gronbach zu
angeblichen Hinweisen der Auskunftsperson „Krokus“)
hat sich Patrick W. wie folgt geäußert:
„Zu den Ausführungen […] kann ich angeben,
dass ich der Darstellung, ich habe mich am
6.5.2012 auf einem Schießstand befunden, ent-
schieden widerspreche. Der gesamte von ‚Krokus‘
dargestellte Vorgang in Bezug auf meine Person,
welche mir durch Vernehmungen anderer Betrof-
fener teilweise bekannt geworden sind, entspricht
nicht der Wahrheit.“
XVIII. Jörg W.
Zu den ihn betreffenden Ausführungen im Feststellungs-
teil, Abschnitt C. II. 5. d) (Mitgliedschaft von Polizeibe-
amten des Landes Baden-Württemberg im KKK), hat sich
Jörg W. zu der Passage, in der es heißt, er sei Vollmit-
glied im „EWK KKK“ gewesen, wie folgt geäußert:
„Da ich nie einen Mitgliedsbeitrag an die betref-
fende Organisation entrichtet habe, wage ich es
anzuzweifeln, ob man hier von einer Vollmitglied-
schaft sprechen kann. Ich habe bereits im Januar
2002 den Kontakt zu den betreffenden Personen
abgebrochen. Ich wurde zwar bis in den Mai 2002
von Herrn Achim S. mit Emails zugeschüttet, auf
welche ich allerdings nie geantwortet habe. Im
Mai/Juni 2002 wurde ich dann endgültig in Ruhe
gelassen. Somit bestand eine Mitgliedschaft mei-
nerseits lediglich über einen Zeitraum von 3-4
Wochen.“
XIX. Christian W.
Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. II. 1. (Entwicklung
der rechtsextremen Szene in Thüringen in den 1990er /
Anfang der 2000er Jahre – „Anti-Antifa Ostthüringen“
und „Thüringer Heimatschutz“), hat sich Christian W. wie
folgt geäußert:
Zum Abschnitt: „1992 gründete der Hamburger Neonazi
Christian W. die „Anti-Antifa“ – vorgeblich als Reaktion
auf wachsende Angriffe militanter Linksextremisten.“:
„Die Behauptung, die Anti-Antifa sei (von mir)
gegründet worden, ist falsch. Der Berichtsentwurf
stellt richtig fest, dass es sich dabei um einen ‚in-
formellen Zusammenschluss‘ handelte, der ohne
formale Mitgliedschaften oder hierarchische Struk-
turen „organisiert“ war oder ist. Gleichfalls richtig
stellt das LfV Thüringen fest, dass dies eine ‚orga-
nisationslose Verflechtung‘ sei oder gewesen ist.
Derartiges kann man nicht formal gründen.“
Zum Abschnitt: „Ihre Propaganda richtete sich darüber
hinaus auch gegen Institutionen des demokratischen
Rechtsstaates.“:
„Auch diese Behauptung ist falsch. Die Propagan-
da der Anti-Antifa richtete sich gegen die soge-
nannte „Antifa“ und gegen niemanden sonst. Die
sogenannte „Antifa“ ist ihrerseits jedoch keine In-
stitution des demokratischen Rechtsstaates.“
XX. Ralf Wohlleben
Zum Feststellungsteil, Abschnitt D. II. 2. e) bb) (War Ralf
Wohlleben V-Mann? Berichte des BMI vom 5. Oktober
2012 und vom 18. November 2012) hat sich Ralf Wohlle-
ben wie folgt geäußert:
„Im Entwurf [des Abschlussberichtes] heißt es
[…] unter anderem: ‚Dieses (das Thüringer LfV)
habe nachdrücklich von einem Werbungsversuch
abgeraten, da eine entsprechende erste Ansprache
Wohllebens durch das LfV Thüringen und das
LKA Thüringen bereits erfolglos verlaufen seien.‘
Dazu möchte ich folgendes festhalten: Das Thü-
ringer Landesamt für Verfassungsschutz lügt. Ich
bin nie wissentlich durch Mitarbeiter irgendeines
In- oder Auslandsgeheimdienstes angesprochen
worden. Weder um mich als Quelle zu akquirieren,
noch aus irgendwelchen sonstigen Gründen.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1051 – Drucksache 17/14600
Sechster Teil:
Übersichten und Verzeichnisse
A. Abkürzungsverzeichnis
14er Bezeichnet ein Bekenntnis weißer Rassisten („We must secure the existence of our people and a
future for white children“).
18 „Adolf Hitler“. Zahlencode in der Rechtsextremistischen Szene. Die Zahl „1“ steht für den ersten
Buchstaben im Alphabet („A“), die Zahl „8“ für den achten Buchstaben („H“).
28 „Blood & Honour“. Zahlencode in der Rechtsextremistischen Szene. Die Zahl „2“ steht für den
zweiten Buchstaben im Alphabet („B“), die Zahl „8“ für den achten Buchstaben („H“).
88 „Heil Hitler“. Zahlencode in der Rechtsextremistischen Szene. Die Zahlen „8“ stehen für den
achten Buchstaben im Alphabet („H“).
AA Auswärtiges Amt.
AAO Allgemeine Aufbauorganisation.
AD Jail Crew (14er) Aryan Defense– Arische Gefangenen-Mannschaft (neonazistischer Häftlingsring).
a. D. außer Dienst.
A-Drs. Ausschussdrucksache.
ADÜTDF Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.
ADV Allgemeiner Datenvergleich. Personenüberprüfung durch Polizei.
a. F. alte Fassung. Hinweis bei Gesetzesbestimmungen auf ihre inzwischen erfolgte Änderung.
AG Amtsgericht.
AG Arbeitsgruppe.
AG Kripo Arbeitsgemeinschaft Kriminalpolizei. Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter
als Untergliederung des AK II der IMK.
AG OIREX Arbeitsgruppe Operativer Informationsaustausch Rechtsextremismus. Gemeinsames Treffen von
GBA, BKA, BfV und MAD.
AI Amtsinspektor.
a.i.d.a. Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München.
AISI Agenzia Informazioni e Sicurezza Interna. Italienischer Inlandsnachrichtendienst (seit 2007).
Vorgängerbehörde: Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Democratica (S.I.S.De).
AK Arbeitskreis.
AK II Arbeitskreis II „Innere Sicherheit“ der IMK. Arbeitskreis der Polizeichefs der Länder sowie des
Präsidenten des Bundeskriminalamtes und der Deutschen Hochschule der Polizei.
AK IV Arbeitskreis IV „Verfassungsschutz“ der IMK. Arbeitskreis der Leiter der Verfassungsschutzbe-
hörden der Länder. Teilnehmer ist auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
AKLS Automatisches Kennzeichenlesegerät.
AL Abteilungsleiter.
ALT Amtsleitertagung. Tagung der Leiterinnen und Leiter der Verfassungsschutzbehörden.
ANS/NA Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten. 1983 verbotener Verein.
AO Anordnung. G 10-Anordnungen.
ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutsch-
land. Verbund öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland.
ARP Allgemeines Register für politische Sachen (Staatsschutzstrafsachen). Aktenzeichen der Justiz.
@rtus Artus – Vorgangsbearbeitungssystem der Bundespolizei, Polizei Schleswig-Holstein.
ASR Aktensicherungsraum.
ATD Antiterrordatei.
ATIB Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V. Es handelt sich um eine Abspal-
tung der ADÜTDF.
Drucksache 17/14600 – 1052 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Az. Aktenzeichen.
B&H Blood & Honour. Rechtsgerichtete Skinhead-Bewegung mit Ursprung in GB. 1987 von Ian
Stuart Donaldson gegründet. Kriminelle Vereinigung. In Deutschland aufgrund der Verfügung
des Bundesministers des Innern vom 12. September 2000 seit dem 13. Juni 2001 bestandskräftig
verboten. Bewaffneter Arm von B&H: Combat 18.
BA Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof.
BA-AL Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Abteilungsleiter bei der Bundesanwaltschaft.
BAIUD Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen.
BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
BAO Besondere Aufbauorganisation. Einheit bei der Polizei zur koordinierten Bearbeitung umfangrei-
cher Sachverhalte, die eingerichtet wird, wenn eine Lage durch die Allgemeine Aufbauorganisa-
tion wegen des erhöhten Kräftebedarfs bzw. der erforderlichen Konzentration von Kräften oder
Führungs- und Einsatzmittel (z. B. Großveranstaltungen), der Einsatzdauer, der notwendigen
einheitlichen Führung, insbesondere bei verschiedenen Zuständigkeiten, nicht bewältigt werden
kann.
BAO ZESAR Besondere Aufbauorganisation „Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärung – Rechts“. Mit
dem Ermittlungen wegen der Schießerei am Hbf Erfurt am 31. Dezember 1996 betraut.
BAWV Bundesamt für Wehrverwaltung.
BayLfV Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz.
BB Beweisbeschluss.
BB Brandenburg.
BE Berlin.
BfDI Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.
BFE Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit. Spezialkräfte der Bereitschaftspolizeien zur Unter-
stützung anderer Polizeikräfte beim Vorgehen gegen gewalttätige Störer und bei der beweissi-
cheren Festnahme.
BfV Bundesamt für Verfassungsschutz.
BGBl. Bundesgesetzblatt.
BGH Bundesgerichtshof.
BGS Bundesgrenzschutz.
BGSI Bundesgrenzschutzinspektion.
BIGE Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus. Angesiedelt beim LfV BY. Leiter: Christoph
Dauer.
BJs Justizaktenzeichen für Ermittlungsverfahren des GBA in erstinstanzlichen Strafsachen.
BK Bundeskanzleramt.
BKA Bundeskriminalamt.
BKAG Bundeskriminalamtsgesetz.
BLKR Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus.
BM Bundesminister.
BMI Bundesministerium des Inneren.
BMJ Bundesministerium der Justiz.
BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
BMVg Bundesministerium der Verteidigung.
BND Bundesnachrichtendienst.
BNDG Bundesnachrichtendienstgesetz. Gesetz über den Bundesnachrichtendienst.
BOA Besondere Aufbauorganisation.
BPol Bundespolizei.
BPräs Bundespräsident.
BR Bezirksregierung.
BReg Bundesregierung.
BRH Bundesrechnungshof.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1053 – Drucksache 17/14600
BSB Bürosachbearbeiter.
BStMI Bayerisches Staatsministerium des Innern.
BT Deutscher Bundestag.
BT-Drs. Bundestagsdrucksache.
BT-PlPr. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages.
BTM Betäubungsmittel.
BV Beschuldigtenvernehmung.
BVerfG Bundesverfassungsgericht.
BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfas-
sungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz.
BW Land Baden-Württemberg.
BY Freistaat Bayern.
BZR Bundeszentralregister.
BZI Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat.
C-3-Quelle Zuverlässigkeit der Quelle: A = zuverlässig (completely reliable) B = allgemein zuverlässig
(usually reliable), C = ziemlich zuverlässig (fairly reliable), D = nicht immer zuverlässig (not
usually reliable), E = unzuverlässig (unreliable), F = Zuverlässigkeit kann nicht beurteilt werden
(reliability cannot be judged).
Wahrheitsgehalt des Quelleninhalts: 1 = von anderer Seite bestätigt (confirmed by other
sources), 2 = wahrscheinlich zutreffend (probably true), 3 = möglicherweise zutreffend (possibly
true), 4 = zweifelhaft (doubtly true), 5 = unwahrscheinlich (improbably true), 6 = unbewertbar
(truth cannot be judged).
C-18 „Combat 18“. Militante neonazistische Organisation, die in vielen Ländern Europas aktiv ist.
Combat 18 wurde als bewaffneter Arm des NeonaziNetzwerks Blood and Honour gebildet. C18
bekämpft politische Gegner auch unter Einsatz von Gewalt nach dem Prinzip „Leaderless resis-
tance“ („Führerloser Widerstand“).
CC 88 Chemnitz Concerts Heil Hitler.
CERD Committee on the Elimination of Racial Discrimination.
CH Confoederatio Helvetica. Schweizer Eidgenossenschaft.
CHBK Chef des Bundeskanzleramtes. Diese Abkürzung wird auch für das Bundeskanzleramt verwen-
det.
CM Counterman. Externe verdeckte Ermittler im BfV. Personen, die bereits für einen anderen ND
tätig waren und nun für den eigenen ND angeworben werden und weiter „verdeckt“ tätig wer-
den.
ComVor Vorgangsbearbeitungssystem Polizei BB, BW, HH, HE.
CRIME Criminal Research Investigation Management Software. Datenbank-Software zur strukturierten
Verwaltung komplexer Sachverhalte und Erkenntnisse.
DAND Deutscher Auslandsnachrichtendienst. Bundesnachrichtendienst.
DB Drahtbericht. Schriftlicher Bericht einer deutschen Auslandsvertretung an das Auswärtige Amt,
der verschlüsselt übermittelt wird.
DBM Deckblattmeldung.
DEU Deutschland.
DHKP-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front. Marxistisch-leninistische Untergrundorganisation in
der Türkei.
DIA Defense Intelligence Agency. US-Militärgeheimdienst.
DNA Deoxyribonucleic acid. Desoxyribonukleinsäure. Träger der Erbinformationen von Lebewesen.
DO Dortmund.
DOMEA Dokumentenmanagementsystem einer IT-gestützten Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen
Verwaltung.
Drs. Bundestagsdrucksache.
DST „Deutsch, Stolz, Treue“. Hammerskin-Band.
DVD Digital Video Disc. Scheibenförmiger optischer Datenspeicher.
Drucksache 17/14600 – 1054 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
EASy Ermittlungs- und Analysesystem.
ED Erkennungsdienst.
EDV Elektronische Datenverarbeitung.
EG Ermittlungsgruppe.
EG Tex Ermittlungsgruppe Terrorismus/Extremismus.
EKHK Erster Kriminalhauptkommissar.
EPHK Erster Polizeihauptkommissar.
e-Post elektronische Post. Email.
EU Europäische Union.
EVA Elektronischer Vorgangsassistent im M-V.
EWK KKK European White Knights of the Ku Klux Klan.
EWO-Daten Daten der Einwohnermeldedatei.
EZT Einzeltäter.
FAF Fränkische Aktionsfront. Verboten durch das Bayerische Staatsministerium des Innern seit 22.
Januar 2004.
FAKS Fahndungs- und Aufklärungskonzept Staatsschutz.
FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei. Seit Februar 1995 verbotener Verein.
FBI Federal Bureau of Investigation, Bundeskriminalpolizei der USA.
FDGO Freiheitliche Demokratische Grundordnung.
FEK Führungs- und Einsatzkonzeption; Fahndungs- und Ermittlungskonzeption.
FN Freies Netz. Zusammenschluss militanter „Kameradschaften“ in Deutschland. Hervorgegangen
aus dem THS.
Fn. Fußnote.
FPG Fachprüfgruppe des BfV. Beobachtet und bewertet den Einsatz von V-Personen.
FstW Funkstreifenwagen.
FVB Freiheitlicher Volks Block.
F & W-Maßnahmen Forschungs- und Werbungsmaßnahmen.
g Gramm.
GAR Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus.
GASIM Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration.
GBA Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof/Bundesanwaltschaft.
GBR Großbritannien.
GdNF Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front.
g D gehobener Dienst.
GED Gemeinsame Datei Großschadenslagen – Zwischenlösung.
GETZ Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum.
GG Grundgesetz.
GIZ Gemeinsames Internetzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden.
GO Geschäftsordnung.
GP Gewährsperson.
GSB Geheimschutzbeauftragter.
GStA Generalstaatsanwalt/Generalstaatsanwaltschaft.
GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum.
GVG Gerichtsverfassungsgesetz.
HB Freie Hansestadt Bremen.
hD höherer Dienst.
HE Hessen.
HH Freie und Hansestadt Hamburg.
HK Heckler & Koch GmbH. Waffenhersteller.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1055 – Drucksache 17/14600
HN Heilbronn.
HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene. Verboten durch Erlass vom 21. September
2011.
HRO Hansestadt Rostock.
HS Hammerskins.
HVD Heimattreue Vereinigung Deutschlands.
HWS Hauptwohnsitz.
IBA Informationssystem.
IBA Amtsdatei in BW.
IBYKUS PC-gestütztes Registratursystem des BfV.
IGR (Bund/Länder-) Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-
rechtsterroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte.
IGVP Vorgangsbearbeitungssystem des LKA TH.
IGVP Integrierte Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei.
IHV e.V. Internationales Hilfskomittee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V.
IKS Tarnfirma von Helmut Roewer.
IMK Innenministerkonferenz.
INPOL Polizeiliches Fahndungssystem .
ISA Informationssammel- und Auswertungsstelle.
ISD Ian Stuart Donaldson. Führer und Sänger der britischen Skinheadband „Screwdriver“. Gründer
von B&H.
ISIS-Rechts Datenbank (Teil des EASy-Verfahrens).
IVO Vorgangsbearbeitungssystem Polizei Sachsen.
IVOPOL Vorgangsbearbeitungssystem Polizei Sachsen-Anhalt.
IVS Informationsaustausch in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (IVS-Richtlinien).
JLO Junge Landsmannschaft Ostpreußen.
JN Junge Nationaldemokraten – NPD-Jugendorganisation.
K Köln.
KAN Kriminalaktennachweis.
KBA Kraftfahrt-Bundesamt.
KC Kronach, Oberfranken, BY.
KD Kriminaldirektor.
KDS Kampfbund Deutscher Sozialisten.
Kfz Kraftfahrzeug.
KG PMK-rechts Koordinierungsgruppe Politisch motivierte Kriminalität - rechts
KHK Kriminalhauptkommissar.
KHM Kriminalhauptmeister.
KIAR Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus – flankierend zum GAR seit dem 1. De-
zember 2011 beim BfV in Köln eingerichtet.
KK Kriminalkommissar.
KKK Ku-Klux-Klan.
KOK Kriminaloberkommissar.
KOR Kriminaloberrat.
KPD Kriminalpolizeidirektion.
KPI Kriminalpolizeiinspektion.
KPMD Kriminalpolizeilicher Meldedienst.
KPMD-PMK Kriminalpolizeilicher Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität.
KRM Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland. Vorsitzender: Ali Kizilkaya.
KrWaffKontrG Kriegswaffenkontrollgesetz. Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Bekanntmachung vom
22. November 1990, BGBl. I S. 2506, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 27. Juli
Drucksache 17/14600 – 1056 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2011, BGBl. I S. 1595).
KS Kassel.
KSJ Kameradschaft Jena.
K ST Kommission Staatsschutz.
KTA-PMK Kriminaltaktische Anfrage in Fällen politisch motivierter Kriminalität.
KTI Kriminaltechnisches Institut.
KWEA Kreiswehrersatzamt.
KWS Kameradschaft Walter Spangenberg. Freie Kräfte Köln.
LDO Landesdisziplinarordnung.
lfd. laufende/n.
Lfg. Lieferung.
LfV Landesamt für Verfassungsschutz.
LfVH Landesamt für Verfassungsschutz Hessen.
LfV HE Landesamt für Verfassungsschutz Hessen.
LfV SN Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen.
LfV TH Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen.
LIST Lage- und Informationsstelle.
LKA Landeskriminalamt.
LoS Lageorientierte Sonderorganisation.
LOStA Leitender Oberstaatsanwalt.
LPolPräs (LPP) Landespolizeipräsident.
LPVP Landespolizeivizepräsident.
LZ Lagezentrum.
M München.
MAD Amt für den Militärischen Abschirmdienst. Ca. 1 200 Mitarbeiter.
MADG Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst.
MD Ministerialdirektor (B9).
MDg Ministerialdirigent (B6).
MdI Ministerium des Innern des Landes Hessen.
MDR Mitteldeutscher Rundfunk.
MEGA Mobile Einsatztrupps gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit 1998 vom LKA Brandenburg
gegründet.
MEK Mobiles Einsatzkommando.
Mgl. Mitglied.
MHP Milliyetçi Hareket Partisi. Partei der Nationalistischen Bewegung.
MI Military Intelligence. US-Nachrichtendienst.
MIK Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen.
MIT Millî Istihbarat Teşkilâti; Türkischer Inlandsnachrichtendienst.
Mobit Mobile Beratung in Thüringen für Demokratie – gegen Rechtsextremismus
MV Mecklenburg-Vorpommern.
N Nürnberg.
NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem. Nichtöffentliches automatisiertes Datenverbund-
system der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Rechtsgrundlage § 6 S. 8
BVerfSchG. Vgl. 23. Tätigkeitsbericht des BfDI 2009/2010 (7.5.1).
Nasiste Nachrichtensammel und Informationsstelle. Lagezentrum des Bundesministeriums des Innern.
ND Nachrichtendienst.
ND-Lage Nachrichtendienstliche Lage. Wöchentlich stattfindendes Treffen vor der Pr-Runde. Regelmäßi-
ge Teilnehmer: CHBK, Sts von AA, BMI, BMJ u BMVg, Präs von BND, MAD, BfV und BKA,
teilweise GBA sowie Beamte aus dem BK.
ndP nachrichtendienstliche Person; Bezeichnung des LfV Sachsen (keine V-Person)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1057 – Drucksache 17/14600
NDV nachrichtendienstliche Verbindung. Kontaktperson eines Nachrichtendienstes.
NI Niedersachsen.
NIAS Nachrichtendienstliche Informations- und Analysestelle.
Nivadis Vorgangsbearbeitungssystem Polizei Niedersachsen.
NL Niederlande.
Nnu Nachname unbekannt.
NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands – Die Volksunion.
Nr. Nummer.
NSC Nationale Sozialisten Chemnitz. Nazi-Kameradschaft.
NSU „Nationalsozialistischer Untergrund“. Terroristische Vereinigung.
NW Nordrhein-Westfalen.
OAR Oberamtsrat.
ODP Organisations- und Dienstplan.
OFA Operative Fallanalyse.
OIREX Operativer Informationsaustausch Rechtsextremismus.
OK Organisierte Kriminalität.
Op Operation.
Ordn. Ordner.
OrgStab Organisationsstab.
ORR Oberregierungsrat.
OSINT Open Source Intelligence. Nachrichtendienstliche Informationsgewinnung durch die Beschaf-
fung von allgemein zugänglichen Informationen (Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen, Internet etc.)
und deren Aufbereitung zu einem Produkt mit nachrichtendienstlichem Mehrwert.
OSP Organisations- und Stellenplan.
o.V.i.A. oder Vertreter im Amt.
PAD Personenarbeitsdatei. Datei des LfV TH, in der Informationen zu den Objekten und Personen
entsprechend des Beobachtungsauftrags gespeichert waren.
PARABELLUM Aktion der IGR zu Besitz, Handel und Schmuggel von Waffen/Sprengstoffen im rechtsextremis-
tischen Bereich.
PB 07 Polizeiliche Beobachtung politisch motivierter Kriminalität.
PD Polizeidirektion.
PDV Polizeidienstvorschrift. Herausgegeben vom AK II der IMK.
PF Polizeiführer.
PGD Polizeigewahrsamsdienst.
PHK Polizeihauptkommissar (A 11).
PI Polizeiinspektion.
PIAS Polizeiliche Informations- und Analysestelle.
PIAV Polizeilicher Informations- und Analyseverbund.
PK Polizeikommissar (A 9).
PKGr Parlamentarisches Kontrollgremium.
PKGrG Parlamentarisches Kontrollgremium Gesetz. Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nach-
richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes.
PKK Parlamentarische Kontrollkommission. Im Deutschen Bundestag 1999 in PKGr umbenannt.
PKK Partiya Karkerên Kurdistan. Arbeiterpartei Kurdistans.
PKS Polizeiliche Kriminalstatistik.
Pkw Personenkraftwagen.
PlenProt Plenarprotokoll. Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages.
PL PK Projektleitung Polizeiliche Kriminalitätsprävention der Länder und des Bundes.
PM Polizeimeister.
PMK Politisch motivierte Kriminalität.
Drucksache 17/14600 – 1058 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
PN Pössneck, TH.
POLAS Fahndungssystem Polizei BW.
POLKIS Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung.
POM Polizeiobermeister.
POR Polizeioberrat.
PP Polizeipräsidium.
PR Präsident (des BKA).
Pr-Runde Präsidentenrunde. Wöchentlich stattfindendes Treffen von CHBK, Sts von AA, BMI, BMJ und
BMVg, Präs von BND, BfV und BKA, AL 6 des BK. Schließt sich an die ND-Lage an.
Präs Präsident.
PS Personenschutz.
PSD Polizeisonderdienste.
PSt Parlamentarischer Staatssekretär.
PUAG Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages
(Untersuchungsausschussgesetz).
RAF Rote Armee Fraktion.
RAR Regierungsamtsrat.
RED Rechtsextremismusdatei.
RegEA BW Regionaler Einsatzabschnitt Baden-Württemberg der BAO ST Trio (aufgelöst am 26.4.2012).
Vormals Soko „Parkplatz“
RG Rauschgift.
RHE Rechtshilfeersuchen.
RHS Regierungshauptsekretär.
RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren.
RIVAR Rheinlandpfälzisches Informations-, Vorgangs-, Auswerte- und Recherchesystem.
RL Referatsleiter.
Rn. Randnummer.
RP Rheinland-Pfalz.
RTW Rettungswagen.
RV Unterausschuss des AK II der IMK „Recht und Verwaltung“.
SB Sachbearbeiter.
SGL Sachgebietsleiter.
SachstB Sachstandsbericht.
SHA Schwäbisch Hall, BW.
S.I.S.De Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Democratica. Früherer Italienischer Inlandsnachrich-
tendienst (bis 2007). Nachfolgebehörde: Agenzia Informazioni e Sicurezza Interna (AISI).
SKD Sonderkommando Dirlewanger. Rechtsrockband aus Gotha. Soll sich an einer CD zur Unterstüt-
zung von Ralf Wohlleben beteiligt haben.
SL Saarland.
SLF Saalfeld-Rudolstadt, TH.
SN Freistaat Sachsen.
sog. Sogenannt.
Soko Sonderkommission.
Soko Rex Sonderkommission Rechtsextremismus.
SPersAV Verordnung über die Führung der Personalakten der Soldaten und der ehemaligen Soldaten.
SponDü Spontane Datenübermittlung (MAD).
SSA Supervisory Special Agent.
SSS Skinhead Sächsische Schweiz.
ST Sachsen-Anhalt.
StA Staatsanwalt. Staatsanwaltschaft.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1059 – Drucksache 17/14600
StGB Strafgesetzbuch.
StM Staatsminister.
StMI Staatsministerium des Innern.
StPO Strafprozessordnung.
Sts Staatssekretär.
stv stellvertretend.
TFP Thüringer Formular Programm. Im LKA TH genutzte Software zur Erstellung verfahrensimma-
nenter Dokumente (wie z. B. Vermerke).
TGD Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. Vorsitzender: Kenan Kolat.
TH Freistaat Thüringen.
TH Türkische Hizbullah.
THKP-C Türkische Volksbefreiungspartei-Front.
THS Thüringer Heimatschutz.
TIAZ lnformations-Auswertungs-Zentrale von Polizei und Verfassungsschutz. Am 1. April 2007 ge-
gründet. Übernahm die Aufgaben der ZEX.
TIM Thüringer Innenministerium.
TJM Thüringer Justizministerium.
TKÜ Telekommunikationsüberwachung.
TLfV Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen.
TLKA Thüringer Landeskriminalamt (besser: LKA TH).
TLZ Thüringische Landeszeitung.
TMD Tatmittelmeldedienst Brand- und Sprengvorrichtungen. Zentraldatei des BKA, in der durch die
Länder an das BKA übermittelte Meldungen zu Ereignissen mit unkonventionellen Spreng- und
Brandvorrichtungen gespeichert werden.
TNT Trinitrotoluol. Sprengstoff.
TV Tatverdächtiger.
UA Untersuchungsausschuss.
UA FEK Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung. Untergliederung des AK II der
IMK.
UAL Unterabteilungsleiter.
UA-Prot Untersuchungsausschussprotokoll. Stenografisches Protokoll des 2. Untersuchungsausschusses.
UJs Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt (StA).
USBV Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung. Nicht gewerblich hergestellte, in verschie-
densten Formen vorkommende, insbesondere als Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs ge-
tarnte Vorrichtungen mit äußerlich bewusst harmlos erscheinendem Aufbau, veränderte oder
missbräuchlich benutzte gewerbliche oder militärische Vorrichtungen, die eine Explosion
und/oder einen Brand herbeiführen können.
u. U. unter Umständen.
u.m.P. unbekannte männliche Person.
„UWP“ Unbekannte weibliche Person (Von ihr stammt das am Tatort in Heilbronn aufgefundene DNA-
Material).
Uz. Unterzeichner.
VB-BKA Verbindungsbeamter des BKA bei einer anderen Behörde.
VBS Vorgangsbearbeitungssystem des BKA.
VE Verdeckter Ermittler.
VERANDA Hinweisdatei des MAD.
VerfA WE Verfahrensanweisung Wehrersatzwesen.
VFDL Verfassungsfeindlich.
vgl. vergleiche.
VizePräs Vizepräsident.
Vk Vermerk.
Drucksache 17/14600 – 1060 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
VK Vorschriftenkommission des AK II der IMK.
VM V-Mann.
V-Mann geheimer, der jeweiligen Behörde nicht angehörender freier Mitarbeiter der Nachrichtendienste,
der auf längere Zeit gegen Bezahlung mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitet (Handbuch
des Verfassungsschutzrechts).
Vnu Vorname unbekannt.
Vors Vorsitzende/r.
Vorst Vorstand.
VRiBGH Vorsitzender Richter am Bundesgerichthof.
VP Vertrauensperson. Kontaktperson der Polizei oder von Nachrichtendiensten.
VP Verdachtsperson (MAD).
VP Vizepräsident (des BKA).
VS Verschlusssache. Angelegenheiten aller Art, die durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen
die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen.
VSA Verschlusssachenanweisung des BMI.
VS-NfD Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch.
WAR White Arian Resistance („weißer arischer Widerstand“).
WBE Weiße Bruderschaft Erzgebirge, bildete den Kern der NSU-Unterstützerszene.
WE-Meldungen Meldungen über Wichtige Ereignisse.
WJ Wiking-Jugend (seit 1994 verboten).
WS-Bezug (Wohnsitz-Bezug?)
WSG Wehrsportgruppe.
ZAF Südafrika (ISO 3166 Länderkürzel).
z. B. zum Beispiel.
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalt.
ZEX Zentraleinheit zur Bekämpfung des politischen Extremismus. Am 1. September 1998 gegründete
Stelle im LfV TH für den Informationsaustausch zwischen dem LKA TH und dem LfV TH.
Wurde später in die TIAZ überführt.
ZFA Zollfahndungsamt.
ZFK Zielfahndungskommando.
ZKA Zollkriminalamt.
ZMD Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. Vorsitzender: Aiman A. Mazyek.
ZOS Zentraler Objektschutz.
ZP Zielperson.
ZSB Zentrale Sachbearbeitung.
zw zwischen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1057 – Drucksache 17/14600
B. Übersicht der Ausschussdrucksachen
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
1 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung der vom Bundesamt für Verfassungsschutz erstellten
"Chronologie der Erkenntnisse und operative Maßnahmen nach
Abtauchen der Mitglieder der terroristischen Vereinigung "National-
sozialistischer Untergrund" (NSU) (1998-2011)" in ihrer aktuellen
Fassung beim Bundesministerium des Innern.
27.01.2012 27.01.2012 BfV-1
2 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung der vom Bundesamt für Verfas-
sungsschutz erstellten und dem Parlamentarischen Kontrollgremium
in einer Ausfertigung übermittelten "Chronologie der Erkenntnisse
u. operative Maßnahmen nach Abtauchen der Mitglieder der terro-
ristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU)
(1998-2001)" in der Fassung vom 12. Dezember 2011 und vom 06.
Januar 2012 und der hierzu beim Bundesamt für Verfassungsschutz
und beim Bundesministerium des Innern seit November 2011 einge-
gangenen Stellungnahmen und Zuschriften von Ministerien und
sonstigen Behörden der Länder sowie der Entwürfe der Berichters-
teller beim Bundesministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BfV-2
3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-
bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse
des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts
und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium
des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes
und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesministe-
rium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des
Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BMI-1
3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-
bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse
des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts
und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium
des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes
und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesministe-
rium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des
Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BK-1
3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-
bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse
des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts
und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium
des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes
und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesminis-
terium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des
Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BMVg-
1
3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-
bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse
des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts
und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium
des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes
und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesministe-
rium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des
07.02.2012 09.02.2012 BMJ-1
Drucksache 17/14600 – 1058 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Jus-
tiz.
4 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus
dem gesamten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011),
bezogen auf die Struktur der Behörde im Bereich der Beobachtung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus gemäß § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BfV-3
5 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundesnachrichtendienstes aus dem
gesamten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen
auf die Struktur der Behörde im Bereich der Beobachtung internati-
onaler Verflechtungen bzw. Unterstützung des Rechtsextremis-
mus/Rechtsterrorismus in Deutschland gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundeskanzleramt.
07.02.2012 09.02.2012 BND-1
6 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Militärischen Abschirmdienstes aus dem
gesamten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen
auf die Struktur der Behörde im Bereich der Beobachtung des
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Verteidigung
07.02.2012 09.02.2012 MAD-1
7 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundeskriminalamts aus dem gesamten
Untersuchungszeitraum (1.11.1992 bis 8.11.2011), bezogen auf die
Struktur der Behörde im Bereich ihrer gesetzlichen Aufgaben im
Bezug auf Rechtsextremismus/ Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BKA-1
8 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Generalbundesanwaltes aus dem gesam-
ten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) , bezogen auf
die Struktur der Behörde im Bereich ihrer gesetzlichen Aufgaben im
Bezug auf Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 GBA-1
9 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung sämtlicher Organigramme/ Organisationspläne des Bun-
desministeriums des Innern aus dem gesamten Untersuchungszeit-
raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BMI-2
10 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung sämtlicher Organigramme/ Organisationspläne des Bun-
desministeriums der Justiz aus dem gesamten Untersuchungszeit-
raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BMJ-2
11 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung sämtlicher Organigramme/ Organisationspläne des Bun-
deskanzleramtes aus dem gesamten Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) bezogen auf die Aufgaben der Behörde im
Bereich der Nachrichtendienste gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BK-2
12 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung sämtlicher Protokolle des Innenausschusses des Deut-
schen Bundestages und sonstiger im Innenausschuss vorhandener
Dokumente, soweit sie sich auf die im Untersuchungsauftrag festge-
legten Sachverhalte beziehen und nach dem 4. November 2011 ent-
07.02.2012 09.02.2012 BT-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1059 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
standen bzw. in Gewahrsam genommen worden sind, beim Deut-
schen Bundestag
13 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung des Protokolls der 106. Sitzung des Verteidigungsaus-
schusses des Deutschen Bundestages am 30.11.2011 und sonstiger
im Verteidigungsausschuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich
auf die im Untersuchungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen
und nach dem 4.11.2011 entstanden bzw. in Gewahrsam genommen
worden sind, beim Deutschen Bundestag.
07.02.2012 09.02.2012 BT-2
14 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher im Bereich des Bun-
desministeriums des Innern vorhandener Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel zur Informationsgruppe zur Beobachtung
und Bekämpfung rechtsextremistischer/-rechtsterroristischer, insbe-
sondere fremdenfeindlicher Gewaltakte (IGR) im Zeitraum vom 01.
Januar 1992 bis 08. November 2011, soweit sie den "NSU" und
dessen Umfeld soweit die Organisationen „Anti-Antifa Ostthürin-
gen“, den „Thüringer Heimatschutz“, „Blood & Honour Deutsch-
land“ und andere rechtsextremistische Strukturen betreffen, sowie
ggf. vorhandener Organisationspläne der IGR gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BMI-3
15 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher vorhandener Akten,
Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel, die sich beziehen auf die
Tätigkeit der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren
der Länder (IMK) im Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 8. November
2011, insbesondere der AKs II und IV sowie deren entsprechende
Arbeitsgruppen soweit sie den "NSU" und dessen Umfeld sowie die
Organisationen „Anti-Antifa Ostthüringen“, den „Thüringer Hei-
matschutz“, „Blood & Honour Deutschland“ und andere rechtsext-
remistische Strukturen betreffen, sowie ggf. vorhandener Organisa-
tionpläne der IMK, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsitzenden der
Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der
Länder (IMK).
07.02.2012 09.02.2012 IMK-1
16 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel zum Prüfvorgang 3 ARP 32/98-2 ("Waffen-
funde in Jena") des Generalbundesanwalts gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium des Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 GBA-2
17 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die sich beziehen auf den Diebstahl und
Verbleib von Sprengstoff (ca. 40 kg TNT) 1990/1001 aus dem Mu-
nitionsdepot von NVA/Bundeswehr nahe Großeutersdorf/Kahla in
Thüringen (Komplexlager 22/Reimagh), und im Bundesministerium
der Verteidigung oder in dem diesem nachgeordneten Bereich, ins-
besondere im Militärischen Abschirmdienst, im Untersuchungszeit-
raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich
heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der Verteidigung.
07.02.2012 09.02.2012 BMVg-
2
18 Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag, insbesondere
auch zum Zwecke der Evaluierung der bundesgesetzlichen Vor-
schriften zum Waffenrecht, durch Beiziehung sämtlicher Akten,
Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel, die den Sicherheitsbehörden
07.02.2012 09.02.2012 TH-1
Drucksache 17/14600 – 1060 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
und dem Innenministerium des Freistaats Thüringen vorliegen und
die sich mit dem Erwerb und Besitz von Waffen, Sprengstoff und
Bomben der Mitglieder des "NSU" und deren Umfeld seit dem Jahr
1992 befassen, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Innenministerium
des Freistaates Thüringen.
19 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass im gestuften Verfahren
1. das Justizministerium des Freistaats Thüringen darum ersucht
wird, sämtliche strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bzw. Strafver-
fahren, die gegen Mitglieder des "NSU", Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe - einzeln oder gemeinsam im Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2012) durch Behörden im Frei-
staat Thüringen geführt wurden (beispielsweise Az. 114 Js
37149/97, 114 Js 1212/97) konkret mit Aktenzeichen zu benennen
und sodann
2. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-
dakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä. ) soweit diese
noch vorhanden sind, in vollem Umfang im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 1 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim
Justizministerium des Freistaats Thüringen beigezogen werden.
07.02.2012 09.02.2012 TH-2
20 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Organisationsbereich des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)
vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Ge-
wahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BfV-4
21 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten des Unter-
suchungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente,
in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betref-
fen, und die im Organisationsbereich des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen
Gewahrsam genommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf
den Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen und
soweit sie nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits bei-
gezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BfV-5
22 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Organisationsbereich des Bundeskriminalamtes
im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden
waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam be-
finden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des In-
nern.
07.02.2012 09.02.2012 BKA-2
23 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Organisationsbereich der Bundespolizei (zuvor:
Bundesgrenzschutz) im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördli-
chem Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundes-
ministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BPol-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1061 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
24 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Organisationsbereich der Bundespolizei nach
dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam ge-
nommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BPol-2
25 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium des Innern im
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren,
soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden,
und soweit sie nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits
beigezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BMI-4
26 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium des Innern nach
dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam ge-
nommen worden sind (soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, und soweit sie
nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits beigezogen
sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.
07.02.2012 09.02.2012 BMI-5
27 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die unmittelbar im Organisationsbereich des General-
bundesanwalts im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)
vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Ge-
wahrsam befinden und soweit sie nicht durch zuvor gefasste Be-
weisbeschlüsse bereits beigezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 GBA-3
28 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium der Justiz im
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren,
soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BMJ-3
29 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium der Justiz nach
dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam ge-
nommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
07.02.2012 09.02.2012 BMJ-4
30 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
07.02.2012 09.02.2012 MAD-2
Drucksache 17/14600 – 1062 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Organisationsbereich des Militärischen Ab-
schirmdienstes im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)
vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Ge-
wahrsam befinden, und soweit sie nicht durch zuvor gefasste Be-
weisbeschlüsse beigezogen sind, gem. § 18 As. 1 PUAG beim Bun-
desministerium der Verteidigung.
31 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Organisationsbereich des Militärischen Ab-
schirmdienstes nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen
Gewahrsam genommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf
den Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen und
soweit sie nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits bei-
gezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der
Verteidigung.
07.02.2012 09.02.2012 MAD-3
32 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, und die im Bundesministerium der Verteidigung nebst nach-
geordnetem Bereich im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördli-
chem Gewahrsam befinden, und soweit sie nicht durch zuvor gefass-
te Beweisbeschlüsse bereits beigezogen sind, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der Verteidigung.
07.02.2012 09.02.2012 BMVg-
3
33 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstiger
sächlicher Beweismitteln, die den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und die unmittelbar im Bundesministerium der Verteidigung
nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam
genommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, und soweit sie
nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits beigezogen
sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Vertei-
digung.
07.02.2012 09.02.2012 BMVg-
4
34 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die
im Organisationsbereich des Bundesnachrichtendienstes im Unter-
suchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren, soweit
sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden, gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundeskanzleramt.
07.02.2012 09.02.2012 BND-2
35 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die
im Organisationsbereich des Bundesnachrichtendienstes nach dem
8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen
worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersuchungszeit-
raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundeskanzleramt.
07.02.2012 09.02.2012 BND-3
36 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher
07.02.2012 09.02.2012 BK-3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1063 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die
unmittelbar im Bundeskanzleramt im Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich heute
noch in behördlichem Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundeskanzleramt.
37 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die
unmittelbar im Bundeskanzleramt nach dem 8.11.2011 entstanden
oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind, soweit sie
sich inhaltlich auf den Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundeskanz-
leramt.
07.02.2012 09.02.2012 BK-4
38 Es wird Beweis erhoben zur Einführung in die Thematik des Unter-
suchungsauftrags durch Einholung von Sachverständigengutachten
gem. § 28 PUAG zum Thema "Überblick über die Entwicklung der
Architektur und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden des Bundes und der Länder bezüglich der Aufklärung und
Bekämpfung der Bedrohung durch den (gewaltfreien, gewaltbezo-
genen und terroristischen) Rechtsextremismus sowie zur Verhinde-
rung und Verfolgung von Straftaten mit derartigem Hintergrund im
Verlauf des Untersuchungszeitraums."
07.02.2012 09.02.2012 S-1
39 Es wird Beweis erhoben zur Einführung in die Thematik des Unter-
suchungsauftrags durch Einholung von Sachverständigengutachten
gem. § 28 PUAG zum Thema "Überblick zum Phänomenbereich
Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland im Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) und zu den Ansätzen, ihn
in den Bereichen Repression, Prävention und Sensibilisierung wirk-
sam zu bekämpfen."
07.02.2012 09.02.2012 S-2
40-neu Der 2. Untersuchungsausschuss gliedert den ihm vom Untersu-
chungsauftrag des Deutschen Bundestages vorgegebenen Untersu-
chungsgegenstand in die folgenden vier Teilkomplexe:
Komplex 1: 1.1.1992-1997 - Rechtsradikale Milieus in der Bundes-
republik Deutschland in den neunziger Jahren - insbesondere in
Jena, in Thüringen und Sachsen, Radikalisierung von Böhnhardt,
Mundlos, Zschäpe zunehmende Verfestigung der späteren Terror-
gruppe und erste Straftaten;
Komplex 2: 1998-2003 - Ermittlungen in Sachen Sprengstoffdelikte,
Abtauchen des Trios, Maßnahmen von Verfassungsschutz, Polizei
und Staatsanwaltschaften, insbesondere Thüringens und Sachsens;
Komplex 3: 2000-2007 - Mordserie und weitere Straftaten, intensive
Ermittlungen;
Komplex 4: 2008-8.11.2011 - Ende der Mordserie, weitere Ermitt-
lungen.
24.02.2012 01.03.2012 -
41-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtl. Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im
Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Landes BW und des Ministeriums des Innern des Landes BW, also
der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbe-
hörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe oder über ihre mutmaßlichen Mitglie-
der oder Unterstützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate
Zschäpe, André E., Susann E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S.,
Ralf W., Hermann S., Holger G., Carsten S., Matthias D., Mandy S.,
Max Florian B.- also die Personen, gegen die der GBA unter den
24.02.2012 01.03.2012 BW-1
Drucksache 17/14600 – 1064 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12
sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt - oder über
weitere Personen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützer-
umfeld sowie über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen
Vereinen oder Organisationen, soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
42-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag, ins-
besondere zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf ande-
re Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz
des Freistaats Bayern und des Bayerischen Staatsministeriums des
Innern als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten
Landesbehörde des Freistaats Bayern vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insbe-
sondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Herrmann
S., Holger G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B. –
also die Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den
Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12
sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt – oder über
weitere Personen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützer-
umfeld sowie über gegebenenfalls bestehende Verbindungen zu
rechtsextremen Vereinen oder Organisationen.
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011,
und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes – hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz,
dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst,
dem Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt – ausge-
tauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 BY-1
43-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin
und insb. im Organisationsbereich von deren Abteilung Verfas-
sungsschutz vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
24.02.2012 01.03.2012 BE-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1065 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei des Landes Berlin bei
der zuständigen obersten Landesbehörde.
44-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landes Brandenburg und des Ministe-
riums des Innern des Landes Brandenburg als der für den Verfas-
sungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Branden-
burg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 BB-1
45-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz der
24.02.2012 01.03.2012 HB-1
Drucksache 17/14600 – 1066 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Freien Hansestadt Bremen und des Senators für Inneres und Sport
der Freien Hansestadt Bremen als der für den Verfassungsschutz
verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien Hansestadt
Bremen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
46-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz der
Freien und Hansestadt Hamburg und der Behörde für Inneres und
Sport der Freien und Hansestadt Hamburg als der für den Verfas-
sungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien und Han-
24.02.2012 01.03.2012 HH-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1067 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
sestadt Hamburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
47-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Landes Hessen und des Ministeriums für Inneres und Sport des
Landes Hessen als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 HE-1
48-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-
Vorpommern als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern und
insbesondere im Organisationsbereich von dessen Abteilung Verfas-
sungsschutz vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
24.02.2012 01.03.2012 MV-1
Drucksache 17/14600 – 1068 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Mecklen-
burg-Vorpommern bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
49-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen als
der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbe-
hörde des Landes Niedersachsen und insbesondere im Organisati-
onsbereich von dessen Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, so-
weit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nieder-
sachsen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 NI-1
50-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-
Westfalen als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obers-
ten Landesbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen und insbeson-
dere im Organisationsbereich von dessen Abteilung Verfassungs-
schutz vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
24.02.2012 01.03.2012 NW-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1069 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
51-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes
Rheinland-Pfalz als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde des Landes Rheinland-Pfalz und insbeson-
dere im Organisationsbereich von dessen Abteilung Verfassungs-
schutz vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-
Pfalz bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 RP-1
52-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Saarlands und des Ministerium für Inneres, Kultur und Europa des
Saarlandes als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
24.02.2012 01.03.2012 SL-1
Drucksache 17/14600 – 1070 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saarlands bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
53-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Freistaates Sachsen als der für den Verfassungsschutz verantwortli-
chen obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 SN-1
54-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt
als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Lan-
desbehörde des Landes Sachsen-Anhalt und insbes. im Organisati-
onsbereich von dessen Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, so-
24.02.2012 01.03.2012 ST-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1071 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
weit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Sachsen-
Anhalt bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
55-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein als der für den
Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde des
Landes Schleswig-Holstein und insbes. im Organisationsbereich von
dessen Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Schleswig-
Holstein bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
24.02.2012 01.03.2012 SH-1
56-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-
24.02.2012 01.03.2012 TH-3
Drucksache 17/14600 – 1072 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Freistaates Thüringen und des Innenministeriums des Freistaats
Thüringen als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-
halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann
E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger
G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-
chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs
8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-
sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem
Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats Thürin-
gen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
57 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag, ins-
besondere zu Punkt II. 4., durch Beiziehung der in der "Dienstver-
einbarung Beschaffung" (DV-Beschaffung) des Bundesamtes für
Verfassungsschutz enthaltenen internen Regelungen zum Einsatz
von Vertrauenspersonen in den während des Untersuchungs-
zeitraums (1.1.1992 bis 8.11.2011) geltenden Fassungen gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.
24.02.2012 01.03.2012 BfV-6
58 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf ande-
re Weise gespeicherter Daten, die den Untersuchungsgegenstand
betreffen, und die im Organisationsbereich des Generalbundesan-
walts nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Ge-
wahrsam genommen worden sind bzw. für die der Ge-
neralbundesanwalt die Zuständigkeit i.S.v. § 4787 StPO nach § 142
a, § 120a GVG erlangt hat, unabhängig davon, wo die Beweismittel
körperlich aufbewahrt werden soweit sie sich inhaltlich auf den
Untersuchungszeitraum 1.1.1992-8.11.11 beziehen, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
24.02.2012 01.03.2012 GBA-4
59 Der 2. UA möge beschließen:
1. Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses
wird eine Untersuchung durch einen Ermittlungsbeauftragten gem. §
10 PUAG durchgeführt, um den Beweisbeschluss GBA-4 so zügig
wie möglich umzusetzen.
2. Gegenstand des Ermittlungsauftrags ist die Sichtung u. Voraus-
wahl der mit Beweisbeschluss GBA-4 durch den Untersuchungsaus-
schuss bereits förmlich beigezogenen Beweismittel hinsichtlich ihrer
Bedeutung u. Erforderlichkeit für die Erfüllung des Untersuchungs-
auftrags, unabhängig davon, wo sich die Beweismittel körperlich
befinden.
24.02.2012 01.03.2012 -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1073 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
3. Dabei soll der Ermittlungsbeauftragte insbesondere auch den
Gesichtspunkt möglicher Gefährdungen der Zwecke des Strafverfah-
rens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Dritter, insbes. die Interes-
sen der Angehörigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick auf die
Übermittlung der Beweismittel an den Untersuchungsausschuss
berücksichtigen. eine sachliche Auswertung der Akten ist nicht Ge-
genstand des Ermittlungsauftrags.
4. Der Ermittlungsbeauftragte soll die beigezogenen Beweismittel
möglichst rasch und Zug um Zug nach Ermittlungs- bzw. Akten-
komplexen für den Ausschuss erschließen.
5. Der Ermittlungsbeauftragte soll sich zunächst durch Sichtung und
informatorische Anhörungen von mit der Aktenführung vertrauten
Personen einen Überblick über die beigezogenen Beweismittel ver-
schaffen und im Gespräch mit den Obleuten des Ausschusses erör-
tern, welche Kriterien und Schwerpunkte hinsichtlich der Vor-
auswahl relevant sein sollen. In der Beratungssitzung vom 29. März
2012 soll er über Umfang, Systematik und stichprobenartig erkunde-
te Relevanz des beigezogenen Materials für den Untersuchungsauf-
trag berichten.
6. Bereits während der Sichtung der Beweismittel soll der Ermitt-
lungsbeauftragte zur Beschleunigung des Untersuchungsverfahrens
im Einzelfall entscheiden, dass bestimmte Beweismittel dem Aus-
schuss durch die herausgebende Stelle unmittelbar und vorrangig zu-
gänglich gemacht werden sollen, ohne dass es hierzu eines geson-
derten Beschlusses des Ausschusses bedarf.
7. Zum Abschluss seiner Tätigkeit legt der Ermittlungsbeauftragte
dem Untersuchungsausschuss eine zusammenfassende Übersicht
über die mit Beweisbeschluss GBA-4 beigezogenen Beweismittel
vor, aus der erkennbar wird, welche Beweismittel er bereits gegen-
über der herausgebenden Stelle als voranging zu übermitteln konkre-
tisiert hat u. bei welchen Beweismitteln er aus welchen Gründen
diese Notwendigkeit (vorerst) nicht gesehen hat. Sollte die Übermitt-
lung von Beweismitteln, die vom Ermittlungsbeauftragen als erfor-
derlich angesehen wurden, von der herausgebenden Stelle aus recht-
lichen Gründen verweigert werden, wird der Ermittlungsbeauftragte
um eine gutachterliche Stellungnahme zu den von der herausgeben-
den Stelle für die Nicht-Übermittlung vorgebrachten Gründen gebe-
ten.
8. Darüber hinaus soll der Ermittlungsbeauftragte spätestens zum
Abschluss seiner Tätigkeit einen begründeten Vorschlag unterbrei-
ten, welche mit den im Zuständigkeitsbereich der Generalbundes-
anwalts geführten und für den Untersuchungsauftrag relevanten Er-
mittlungsverfahren zur Zeit o. in der Vergangenheit befasste Perso-
nen als Zeugen im UA sinnvollerweise gehört werden sollten.
9. Auf die Verpflichtung des Ermittlungsbeauftragten nach § 10
Abs. 3 PUAG, keine öffentlichen Erklärungen abzugeben, und auf
das Recht des Ermittlungsbeauftragten nach § 10 Abs. 4 PUAG, in
angemessenem Umfang Hilfskräfte einzusetzen, wird noch einmal
ausdrücklich hingewiesen.
10. Zum Ermittlungsbeauftragten wird N. N. bestellt.
60 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass über das Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg gestuften Verfahren
1. das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg im Wege
der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44
Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
24.02.2012 01.03.2012 BW-2
Drucksache 17/14600 – 1074 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
den des Landes Baden-Württemberg wegen Straftaten geführt wur-
den, die der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg im Wege
der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44
Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu
benennen, die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis
08.11.2011) durch Behörden des Landes Baden-Württemberg wegen
begangener Taten oder drohender Gefährdungen durchgeführt wur-
den, die der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder
unter den von ihnen bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind; und sodann
3. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-
dakten, Spurenakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.),
die noch vorhanden sind und der Verfügungsgewalt der Landesbe-
hörden unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit und den
Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also im Rah-
men der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustausches mit Stellen
des Bundes – hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz,
dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst,
dem Bundeskriminalamt sowie dem Generalbundesanwalt – ent-
standen sind, oder Informationen enthalten, die aus heutiger Sicht
hätten ausgetauscht werden können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei
der zuständigen obersten Landesbehörde beigezogen werden.
61 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass über die Bayerische Staatskanzlei im gestuften Verfah-
ren
1. das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucher-
schutz im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-
dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
den des Freistaats Bayern wegen Straftaten geführt wurden, die der
Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. das Bayerische Staatsministerium des Innern im Wege der Amts-
hilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
24.02.2012 01.03.2012 BY-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1075 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen,
die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Freistaats Bayern wegen begangener Taten oder dro-
hender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind; und sodann
3. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-
dakten, Spurenakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.),
die noch vorhanden sind und der Verfügungsgewalt der Landesbe-
hörden unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit und den
Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also im Rah-
men der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustausches mit Stellen
des Bundes – hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz,
dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst,
dem Bundeskriminalamt sowie dem Generalbundesanwalt – ent-
standen sind, oder Informationen enthalten, die aus heutiger Sicht
hätten ausgetauscht werden können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei
der zuständigen obersten Landesbehörde beigezogen werden.
62 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass über die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Ham-
burg
1. die Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hanse-
stadt Hamburg im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
den der Freien und Hansestadt Hamburg wegen Straftaten geführt
wurden, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. Die Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt
Hamburg im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Ver-
bindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen,
die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg wegen begangener
Taten oder drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der
Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
24.02.2012 01.03.2012 HH-2
Drucksache 17/14600 – 1076 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter
den von ihnen bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
63 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass über die Hessische Staatskanzlei
1. das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa
im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit
Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
den des Landes Hessen wegen Straftaten geführt wurden, die der
Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. das Hessische Ministerium des Innern und für Sport im Wege der
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3
GG ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen,
die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Hessen wegen begangener Taten oder drohen-
der Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
24.02.2012 01.03.2012 HE-2
64 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass über die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-
Vorpommern
1. das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern im
Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.
44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
den des Landes Mecklenburg-Vorpommern wegen Straftaten geführt
wurden, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
24.02.2012 01.03.2012 MV-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1077 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-
Vorpommern im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen,
die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern wegen begangener
Taten oder drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der
Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter
den von ihnen bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
65 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-
durch, dass über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen
1. das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege
der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44
Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
den des Landes Nordrhein-Westfalen wegen Straftaten geführt wur-
den, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes
Nordrhein-Westfalen im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen,
die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen wegen begangener Taten
oder drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terror-
gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutli-
chen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und
Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen
bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
24.02.2012 01.03.2012 NW-2
66 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da- 24.02.2012 01.03.2012 SN-2
Drucksache 17/14600 – 1078 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
durch, dass über die Sächsische Staatskanzlei
1. das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa im
Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.
44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-
den des Freistaates Sachsen wegen Straftaten geführt wurden, die
der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-
walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren
Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-
ralbundesanwaltes übergegangen sind.
2. das Sächsische Staatsministerium des Innern im Wege der Amts-
hilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten
zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen,
die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Freistaates Sachsen wegen begangener Taten oder
drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen
zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren
Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise
nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
67-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Anhörung der von der Bundesregierung eingesetzten "Ombudsfrau
für die Opfer und Opferangehörigen der sog. Zwickauer Zelle" und
Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Landesverbandes Berlin,
Frau Prof. Barbara John; der Expertin der Opferhilfe-Organisation
"Weißer Ring" zu Fragen des Opferschutzes und der Begleitung in
Strafverfahren, Frau Martina Linke; der Mitarbeiterin der mobilen
Opferberatungsstelle "ezra", Frau Christina Büttner, als Auskunfts-
personen.
24.02.2012 01.03.2012 A-1
68 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsgegenstand
dadurch, dass über die Staatskanzlei des Landes Niedersachsen im
gestuften Verfahren
1. das Justizministerium des Landes Niedersachsen ersucht wird, das
Aktenzeichen des durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück geführten
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. des beim Amtsgericht
Meppen geführten Strafverfahrens gegen den Sänger der rechtsext-
remistischen Band "Gigi & Die Brauen Stadtmusikanten", Daniel
Giesen, der auf der CD "Adolf Hitler lebt" den "Döner-Killer-Song"
veröffentlicht hatte, zu benennen und sodann
2. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-
dakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerk o. ä.) in vollem Um-
fange im Wege des Ersuchens um Amtshilfe beim Justizministerium
des Landes Niedersachsen beigezogen werden, die Informationen
zum Untersuchungsgegenstand und zum Untersuchungszeitraum
24.02.2012 01.03.2012 NI-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1079 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
enthalten.
69 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächl.
Beweismittel (inkl. Handakten, Spuren-, Neben-, Beiakten, Be-
richtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den Ermittlungen in den
Verfahren: Mord zum Nachteil des Enver Simsek in Nürnberg
(9.9.2000), Mord zum Nachteil des Abdurrahim Özügodru in Nürn-
berg (13.6.2001), Mord zum Nachteil des Habil Kilic in Mün-
chen(29.8.2001), Mord zum Nachteil des Ismail Yasar in Nürnberg
(9.6.2005), Mord zum Nachteil des Theodoros Boulgarides in Mün-
chen (15.6.2005), die im Organisationsbereich des Generalbundes-
anwaltes in behördlichen Gewahrsam genommen wurden bzw. für
die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit erlangt hat beim
Bundesministerium der Justiz, im Wege des Ersuchens um Amtshil-
fe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG.
24.02.2012 zurück-
gezogen
am
01.03.12
70 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel (inkl. Handakten, Spuren-, Neben-,
Beiakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) die den Er-
mittlungen in den Fällen: Mord zum Nachteil des Enver Simsek in
Nürnberg (9.9.2000), Mord zum Nachteil des Abdurrahim Özügodru
in Nürnberg (13.6.2001), Mord zum Nachteil des Habil Kilic in
München(29.8.2001), Mord zum Nachteil des Ismail Yasar in Nürn-
berg (9.6.2005), Mord zum Nachteil des Theodoros Boulgarides in
München (15.6.2005), zugrunde lagen oder während dieser Ermitt-
lungen entstanden oder dafür beigezogen wurden beim Bayerischen
Staatsministerium der Justiz und den nachgeordneten Behörden im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG.
24.02.2012 zurück-
gezogen
am
01.03.12
71 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen: Beschluss 10
zum Verfahren (Protokollierung der Ausschusssitzungen) in der
Fassung vom 9.2.2012 wird wie folgt geändert:
1. Vor "Die Protokollierung der Sitzungen" wird "I." eingefügt,
2. als Absatz 2 wird nach "gefertigten Bandaufnahme." angefügt:
"II. Die vorläufigen Protokolle der Ausschusssitzungen sind grund-
sätzlich zwei Tage vor der nächsten Ausschusssitzung fertigzustellen
und entsprechend dem Beschluss 6 zum Verfahren zu verteilen."
01.03.2012
72-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992
bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut
waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes f. Verfassungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jew. Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-
grund" zugeordneten Mord in Heilbronn ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen,
- für die genannten Ermittlungen zuständigen Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-
Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
07.03.2012 08.03.2012 BW-3
Drucksache 17/14600 – 1080 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
73-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern oder Aufgaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersu-
chungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angabe des Beginns
und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
-- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jeweiligen Dienststellung)
-- Leiter der zu den der „Terrorgruppe Nationalsozialistischer Un-
tergrund“ zugeordneten Morden in Nürnberg und München ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen,
insbesondere der „BAO Bosporus“
-- im Rahmen der genannten Ermittlungen tätig gewordene
„Profiler“
-- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt
-- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
07.03.2012 08.03.2012 BY-3
74-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992
bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut
waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes f. Verfassungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jew. Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-
grund" zugeordneten Mord in Hamburg ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststellen oder Sonderkommissionen,
- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien und
Hansestadt Hamburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
07.03.2012 08.03.2012 HH-3
75-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992
bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut
waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes f. Verfassungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jew. Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-
grund" zugeordneten Mord in Kassel ermittelnden Kriminalpolizei-
07.03.2012 08.03.2012 HE-3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1081 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
dienststelle(n) oder Sonderkommissionen
- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
76-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992
bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut
waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):
- Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abt. in Ministe-
rium für Inneres und Sport,
- Leiter der für Rechtsextremismus zuständigen Organi-
sationseinheiten innerhalb der genannten Abt. (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-
grund" zugeordneten Mord in Rostock ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen
- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Meck-
lenburg-Vorpommern bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
07.03.2012 08.03.2012 MV-3
77-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992
bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut
waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):
- Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im
Ministerium für Inneres und Kommunales,
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb der genannten Abteilung (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung)
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes f. Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-
grund" zugeordneten Mord in Dortmund oder den Sprengstoffan-
schlägen in Köln ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder
Sonderkommissionen,
- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt
- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
07.03.2012 08.03.2012 NW-3
78 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der
"BAO-Bosporus" zum Kontakt mit "Profilern" im Jahr 2006, die
nach Entlassung des damaligen Stellvertretenden Leiters der BAO
Bosporus, Klaus Mähler, im Tagesspiegel v. 4. Januar 2012 ("Der
Verdacht") zu dem Ergebnis gekommen sein sollen, dass die Täter
06.03.2012 08.03.2012 GBA-5
Drucksache 17/14600 – 1082 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
der Mordfälle aus der rechtsextremen Szene kommen könnten, so-
wie sämtliche in diesem Zusammenhang entstandene Dokumente,
insbes. die hierzu daraufhin erfolgte Korrespondenz der "BAO Bos-
porus" mit Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder aus den
Akten der "BAO Bosporus" oder des BKA, für die der Generalbun-
desanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142 a,
120a GVG verlangt hat, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Justiz.
79 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der
"BAO Bosporus" zum Kontakt mit "Profilern" im Jahr 2006, die
nach Einlassung des damaligen Stellvertretenden Leiters der BAO
Bosporus, Klaus Mähler, im TSP vom 4.1.2012 (Der Verdacht) zu
dem Ergebnis gekommen sein sollen, dass die Täter der Mordfälle
aus der rechtsextremen Szene kommen könnten, sowie sämtl. in
diesem Zusammenhang entstandenen Dokumente, insb. die hierzu
daraufhin erfolgte Korrespondenz der BAO Bosporus mit Sicher-
heitsbehörden des Bundes und der Länder aus den Akten der "BAO
Bosporus", sofern der GBA die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO
nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im
Wege des Ersuchens der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der zustän-
digen obersten Landesbehörde.
06.03.2012 08.03.2012 BY-4
80 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumen-
te, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonsti-
ger sächl. Beweismittel, soweit sie im Organisationsbereich des
Landesamtes für Verfassungsschutz des Freistaats Bayern und des
Bayerischen Staatsministeriums des Innern vorliegen und soweit sie
einen Vorgang aus dem Jahr 2006 betreffen, wonach durch die
"BAO Bosporus" nach Einlassung des damaligen Stellvertretenden
Leiters der BAO Bosporus, Klaus Mähler, im Tagesspiegel vom
4. Januar 2012 ("Der Verdacht") eine oder mehrere Aufgaben an das
Landesamt für Verfassungsschutz gestellt worden sein sollen bezügl.
eines möglichen rechtsextremistischen Hintergrunds der von der
BAO Bosporus untersuchten Mordfälle im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Bayerische Staatskanzlei bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
06.03.2012 08.03.2012 BY-5
81 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtl. Unterlagen zu Kontak-
ten, insb. zu Auskunftsersuchen, der zu den der "Terrorgruppe Nati-
onalsozialistischer Untergrund" zugeordneten Morden oder Spreng-
stoffanschlägen ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder
"Sonderkommissionen" mit Nachrichtendiensten des Bundes oder
Verfassungsschutzbehörden der Länder sowie der Unterlagen zu
Informationen von Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder an die ermittelnden Krimi-
nalpolizeidienststellen oder "Sonderkommissionen", insb. auf etwai-
ge Auskunftsersuchen hin, und ggf. der zusammenfassenden Dar-
stellungen von Maßnahmen, die aufgrund solcherart erlangter In-
formationen von den ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder
"Sonderkommissionen getroffen wurden, aus den Akten der ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststellen oder "Sonderkommissionen",
für die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478
StPO nach den § 142a, 120a GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 1
06.03.2012 08.03.2012 GBA-6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1083 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
82 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehungen sämtlicher Unterlagen zu
Kontakten, insb. zu Auskunftsersuchen der zu dem der "Terrorgrup-
pe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten Mord in Heilb-
ronn ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n) mit Nachrichten-
diensten des Bundes oder Verfassungsschutzbehörden der Länder,
sowie der Unterlagen zu Informationen von Nachrichtendiensten des
Bundes oder Verfassungsschutzbehörden der Länder an die ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n), insb. auf etwaige Auskunfts-
ersuchen hin und ggf. der zusammenfassenden Darstellungen von
Maßnahmen, die aufgrund solcherart erlangter Informationen von
den ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n) getroffen wurden,
aus den Akten der ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n), so-
fern der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO
nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg
bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
06.03.2012 08.03.2012 BW-4
83 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen zu
Kontakten, insb. zu Auskunftsersuchen, der zu dem der "Terror-
gruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten Morden in
Nürnberg oder München ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen
oder "Sonderkommissionen" mit Nachrichtendiensten des Bundes
oder Verfassungsschutzbehörden der Länder, sowie der Unterlagen
zu Informationen von Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder an die ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststellen oder Sonderkommissionen, insb. auf etwaige Aus-
kunftsersuchen hin, und ggf. zusammenfassenden Darstellungen von
Maßnahmen die aufgrund solcherart erlangter Informationen von
den ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder "Sonder-
kommissionen" getroffen wurden, aus den Akten der ermittelnden
Kriminalpolizeidienststellen oder "Sonderkommissionen", sofern der
Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach den
§ 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
06.03.2012 08.03.2012 BY-6
84 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Unterlagen zu Kontakten,
insb. zu Auskunftsersuchen, der zu dem der "Terrorgruppe National-
sozialistischer Untergrund" zugeordneten Mord in Dortmund oder
den Sprengstoffanschlägen in Köln ermittelnden Kriminalpo-
lizeidienststellen mit Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder sowie der Unterlagen zu Informa-
tionen von Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder an die ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststellen, insbes. auf etwaige Auskunftsersuchen hin und ggf.
zusammenfassenden Darstellungen von Maßnahmen, die aufgrund
solcherart erlangter Informationen von den ermittelnden Kriminal-
polizeidienststellen getroffen wurden, aus den Akten der ermitteln-
den Kriminalpolizeidienststellen, sofern der Generalbundesanwalt
die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG
hierfür nicht erlangt haben sollte, im Wege des Ersuchens um Amts-
hilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
06.03.2012 08.03.2012 NW-4
Drucksache 17/14600 – 1084 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
85 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu
dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zu-
geordneten Mord in Heilbronn ermittelnden Kriminalpolizeidienst-
stellen und Staatsanwaltschaft(en), aus denen sich ergibt, wann, mit
welchen Inhalten und auf der Grundlage welcher Informationen
Sprecher oder sonstige Personen aus den ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststellen und Staatsanwaltschaften Presseerklärungen, Aufru-
fe oder sonstige öffentliche Stellungnahmen abgegeben, erwogen
oder bei übergeordneten Dienststellen angeregt haben, insb. zum
jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen aus den Akten der ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n) und Staatsanwaltschaft(en),
für die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478
StPO nach den § 142a, 120a GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
06.03.2012 08.03.2012 GBA-7
86 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu
dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zu-
geordneten Mord in Heilbronn ermittelnden Kriminalpolizeidienst-
stelle(n) und Staatsanwaltschaft(en) aus denen sich ergibt, wann, mit
welchen Inhalten und auf der Grundlage welcher Informationen
Sprecher oder sonstige Personen aus den ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststelle(n) und Staatsanwaltschaft(en) Presseerklärungen,
Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnahmen abgegeben, erwo-
gen oder bei übergeordneten Dienststellen angeregt haben, insb. zum
jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen aus den Akten der ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n) Staatsanwaltschaft(en), sofern
der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach
den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg bei
der zuständigen obersten Landesbehörde.
06.03.2012 08.03.2012 BW-5
87 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der
BAO Bosporus und der zuständigen Staatsanwaltschaften, aus denen
sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grundlage wel-
cher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus der "BAO
Bosporus" und den zuständigen Staatsanwaltschaften bzw. aus den
im Jahr 2005 zur "BAO Bosporus" verbundenen (Sonder-) Ermitt-
lungseinheiten der Länder oder anderer Stellen Presseerklärungen,
Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnahmen abgegeben, erwo-
gen oder über übergeordnete Dienststellen angeregt haben, insb. zu
dem jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen aus den Akten der
"BAO Bosporus" und der zuständigen Staatsanwaltschaften, für die
der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach
den § 142a, 120a GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 4 PUAG beim
Bundesministerium der Justiz.
06.03.2012 08.03.2012 GBA-8
88 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der
"BAO Bosporus" und der zuständigen Staatsanwaltschaften, aus
denen sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grund-
lage welcher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus der
"BAO Bosporus" und den zuständigen Staatsanwaltschaften bzw.
06.03.2012 08.03.2012 BY-7
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1085 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
aus den im Jahr 2005 zur "BAO Bosporus" verbundenen (Sonder-)
Ermittlungseinheiten der Länder oder anderer Stellen Presseerklä-
rungen, Aufrufe oder sonstige öff. Stellungnahmen abgegeben, er-
wogen oder bei übergeordneten Dienststellen angeregt haben, insb.
zum jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen, aus den Akten der
"BAO Bosporus", sofern der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit
i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt
haben sollte, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanz-
lei bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
89 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu dem der
"Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten
Mord in Dortmund oder den Sprengstoffanschlägen in Köln ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststellen oder Staatsanwaltschaften, aus
denen sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grundla-
ge welcher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus den
ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften,
Presseerklärungen, Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnah-
men abgegeben, erwogen oder bei übergeordneten Dienststellen
angeregt haben, insb. zum jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen,
aus den Akten der ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und
Staatsanwaltschaften, für die der Generalbundesanwalt die Zustän-
digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG erlangt hat,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
06.03.2012 08.03.2012 GBA-9
90 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu dem der
"Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten
Mord in Dortmund oder den Sprengstoffanschlägen in Köln ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften, aus
denen sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grundla-
ge welcher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus den
ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften,
Presseerklärungen, Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnah-
men abgegeben, erwogen oder bei übergeordneten Dienststellen
angeregt haben, insb. zum jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen,
aus den Akten der ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und
Staatsanwaltschaften, sofern der Generalbundesanwalt die Zustän-
digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht
erlangt haben sollte, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
06.03.2012 08.03.2012 NW-5
91 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Verfassungs-,
Rechts- und Europaausschusses des Sächsischen Landtages - insb.
über dessen Sitzungen vom 11.1.2012, 7.12.2011 und 2.11.2011 -
und sonstiger in diesem Ausschuss vorhandener Dokumente, soweit
sie sich auf die im Untersuchungsauftrag festgelegten Sachverhalte
beziehen und nach dem 4. November 2011 entstanden bzw. in Ge-
wahrsam genommen worden sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Sächsischen Land-
tag.
06.03.2012 08.03.2012 SN-3
92 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Innenaus-
06.03.2012 08.03.2012 SN-4
Drucksache 17/14600 – 1086 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
schusses des Sächsischen Landtags und sonstiger in diesem Aus-
schuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich auf die im Untersu-
chungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen und nach dem 4.
November 2011 entstanden bzw. in Gewahrsam genommen worden
sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG beim Sächsischen Landtag.
93 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung der Antwort des Sächsischen Staatsmi-
nisteriums des Innern vom 11.01.2012 auf den Berichtsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag (LT-Drs.
5/7489) "Erkenntnisse und Versäumnisse von Polizei, Verfassungs-
schutz und Staatsanwaltschaft bezüglich der "Zwickauer Terrorzel-
le" aufklären - rechtsextremistische Straftaten wirksam verhindern!"
im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei beim Sächsischen
Staatsministerium des Innern.
06.03.2012 08.03.2012 SN-5
94 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Justiz- und
Verfassungsschutzes des Thüringischen Landtags und sonstiger in
diesem Ausschuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich auf die
im Untersuchungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen und
nach dem 4. November 2011 entstanden bzw. in Gewahrsam ge-
nommen worden sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Thüringischen Landtag.
06.03.2012 08.03.2012 TH-4
95 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des
Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Innenaus-
schusses des Thüringischen Landtags und sonstiger in diesem Aus-
schuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich auf die im Untersu-
chungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen und nach dem 4.
November 2011 entstanden bzw. in Gewahrsam genommen worden
sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG beim Thüringischen Landtag.
06.03.2012 08.03.2012 TH-5
96 Es wird Beweis erhoben zu den Ziffer B I und B II des Untersu-
chungsauftrags durch das Ersuchen um Herausgabe aller Protokolle
von Unterrichtungen in der Bundespressekonferenz, die sich im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) auf den Unter-
suchungsgegenstand bezogen, aller Protokolle von Unterrichtungen
in der Bundespressekonferenz, in denen seit dem 08.11.2011 über
den Untersuchungsgegenstand im Untersuchungszeitraum informiert
wurde, gem. § 29 Abs. 1 PUAG beim Vorstand der Bundespresse-
konferenz.
06.03.2012 08.03.2012 P-1
97 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-
tigen Ämtern oder Aufgaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersu-
chungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angabe des Beginns
und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n) sowie Son-
derkommissionen für die mit Beweisbeschluss vom 01.03.2012 - BB
07.03.2012 08.03.2012 SN-6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1087 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
SN-2 - erfragten polizeilichen Ermittlungsverfahren des Freistaates
Sachsen,
- für die genannten Ermittlungen zuständige General-
staatsanwaltschaft,
- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-
walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der
jeweiligen obersten Landesbehörde.
98 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn Ltd. KD Wolfgang Geier als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-1
99 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn KOR a. D. Klaus Mähler als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-2
100 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn EKHK Albert Vögeler als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-3
101 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn ltd. Oberstaatsanwalt Dr. Walter Kimmel
als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-4
102 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn EKHK Alexander Horn als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-5
103 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn KHK Udo Haßmann als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-6
104 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag, durch
Vernehmung von Herrn Präsident a. D. Dr. Wolfgang Weber als
Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-7
105 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-
taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn KD Christian Hoppe als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-8
106 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Ministerpräsident a.D. Dr. Günther
Beckstein als Zeuge.
16.03.2012 22.03.2012 Z-9
107 Schreiben Thüringer Landtag, MR Dr. Burfeind, vom 20. März
2012; hier: Kopie der Ladung der Sachverständigen für die Sitzung
des Untersuchungsausschusses UA 5/1 des Thüringer Landtags am
23.4.2012, 10.00 Uhr, Einladung für den Ausschuss.
21.03.2012
108 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn LRD Edgar Hegler als Zeuge.
21.03.2012 22.03.2012 Z-10
109 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Erster Vizepräsident des BKA a.D. Bern-
21.03.2012 22.03.2012 Z-11
Drucksache 17/14600 – 1088 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
hard Falk als Zeuge.
110 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,
insbes. auch zum Zwecke der Evaluierung von Vorschriften des
Bundes und Ziff. B.III.1., durch Beiziehung des Berichts der vom
Innenminister des Freistaats Thüringen eingesetzten sog. Schäfer-
Kommission nach Übergabe an die Regierung des Freistaates Thü-
ringen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der Staatskanzlei des Frei-
staats Thüringen.
23.03.2012 29.03.2012 TH-6
111-
neu
Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, betreffend Akteneinsicht beim GBA in
Karlsruhe, mit Schreiben vom 23. März 2012 - neu -
112-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung der Ergebnisse der Untersuchung beim Thüringer Ver-
fassungsschutz- insb. zur Amtsführung des Präsidenten Helmut
Roewer - durch den ehemaligen Thüringer Staatssekretär Karl Heinz
Gasser (sog. "Gasser-Bericht") im Wege des Ersuchens um Amtshil-
fe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
28.03.2012 29.03.2012 TH-7
113 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, betreffend Akteneinsicht beim GBA in
Karlsruhe, mit Schreiben vom 4. April 2012.
114 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an Vorsitzenden, betreffend die Beweisbeschlüsse GBA-5 und BY-
4, mit Schreiben vom 12. April 2012.
115 Schreiben der Vizepräsidentin Petra Pau, MdB an den Vorsitzenden
vom 12. April 2012.
116 Gemeinsames Schreiben des Bundesministeriums des Innern, der
Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus und der Ständige
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder an den Vor-
sitzenden; hier: Benennung von Herrn MR Torsten Akmann als
Beauftragten für den Untersuchungsausschuss, mit Schreiben vom
11. April 2012.
117 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen, Beschluss 3 zum
Verfahren wie folgt zu fassen: Beschluss 3 zum Verfahren: Vertei-
lung von Verschlusssachen (zu § 16 Abs. 1 Untersuchungsaus-
schussgesetz)
I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten Verschlusssachen
1. Von den für den Ausschuss in der Geheimschutzstelle des Deut-
schen Bundestages eingehenden VS-Vertraulich oder GEHEIM
eingestuften Beweismaterialien sind Ausfertigungen herzustellen
und zwar für
- die Fraktionen im Ausschuss je zwei;
- das Sekretariat zugleich für den Vorsitzenden und den stellvertre-
tenden Vorsitzenden je eine.
2. Ab einem Umfang von 1.000 Seiten wird pro Fraktion nur ein
Exemplar erstellt. Ab einem Umfang von 15.000 Seiten wird ein
gesondertes Verfahren zwischen den Obleuten vereinbart.
3. Den Mitgliedern des Ausschusses sowie den von den Fraktionen
benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Umgang mit
Verschlusssachen ermächtigt und zur Geheimhaltung förmlich ver-
pflichtet sind, werden auf Wunsch die jeweiligen Exemplare ausge-
händigt.
4. Die Mitglieder des Ausschusses und die von den Fraktionen be-
nannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmen Räume, in
denen der Geheimschutzbeauftragte des Deutschen Bundestages
Verwahrgelasse zur Aufbewahrung der Ausfertigung zur Verfügung
stellen und unverzüglich die ggf. weiteren notwendigen technischen
20.04.2012 26.04.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1089 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Sicherungsmaßnahmen treffen soll.
II. Verteilung der vom Untersuchungsausschuss eingestuften Ver-
schlusssachen
Für die vom 1. Untersuchungsausschuss selbst VS-Vertraulich, Ver-
traulich gem. § 2a Geheimschutzordnung, GEHEIM, GEHEIM gem.
§ 2a Geheimschutzordnung oder ggf. STRENG GEHEIM eingestuf-
ten Unterlagen und Protokolle gilt Ziffer I. entsprechend.
III. Verteilung von "VS-Nur für den Dienstgebrauch" eingestuften
Unterlagen
"VS-Nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD) eingestufte Unterlagen
werden verteilt und behandelt gem. Beschluss 5 zum Verfahren i. V.
m. der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages.
118 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen, Beschluss 5 zum
Verfahren wie folgt zu fassen: Beschluss 5 zum Verfahren: Vertei-
lung von A-Drs., Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien
I. Die Ausschussmaterialien werden wie folgt bezeichnet:
- MAT A sind Antworten auf Beschlüsse zur Beweiserhebung;
- MAT B sind Beweismaterialien, die nicht aufgrund eines Beweis-
beschlusses, sondern aufgrund freiwilliger Zusendung eingehen,
- MAT C sind Materialien, die Bezug zum Untersuchungsauftrag
haben, aber nicht die zu untersuchenden Vorgänge dokumentieren,
wie Verwaltungsentscheidungen in vergleichbaren Fällen, allgemei-
ne Dienstanweisungen und ähnliches, die nicht aufgrund von Be-
weisbeschlüssen eingehen.
II. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und
sonstigen Ausschussmaterialien in elektronischer Form
1. Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Aus-
schussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C) werden vom Sek-
retariat grundsätzlich in elektronischer Form verfügbar gemacht -
und zwar - vollständig, soweit Ausschussdrucksachen, Beweisbe-
schlüsse und Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C)
nicht VS-Vertraulich oder höher eingestuft sind, - durch einen Hin-
weis bzw. das Übermittlungsschreiben, soweit Aus-
schussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien
(MAT A, MAT B und MAT C) VS-Vertraulich oder höher einge-
stuft sind.
2. Verfügbar gemacht durch Übermittlung von Daten oder Datenträ-
gern bzw. durch Zugriff auf ein gemeinsames Laufwerk werden
Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Ausschussmateria-
lien (MAT A, MAT B und MAT C) für die
- ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder;
- von den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
- Beauftragten der Bundesregierung und des Bundesrates.
3. Soweit Unterlagen dem Ausschuss nicht in elektronischer Form
zur Verfügung gestellt werden, besorgt das Sekretariat die Ablich-
tung in elektronischer Form.
III. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und
sonstigen Ausschussmaterialien in gedruckter Form
Von allen Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und Aus-
schussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C) verteilt das Sekre-
tariat je ein gedrucktes Exemplar an die Fraktionen, und zwar
- vollständig, soweit Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und
Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C) nicht VS-
Vertraulich oder höher eingestuft sind;
- einen Hinweis bzw. das Übermittlungsschreiben, soweit Aus-
schussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien
(MAT A, MAT B und MAT C) VS-Vertraulich oder höher einge-
stuft sind. Auf Wunsch erhält eine Fraktion von Ausschussdrucksa-
chen, Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien (MAT A, MAT
20.04.2012 26.04.2012
Drucksache 17/14600 – 1090 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
B und MAT C) im Umfang von unter 1.000 Seiten ein weiteres
Exemplar.
119 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Dr. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung
1. der Zeitschrift "Der Weisse Wolf", Ausgabe 1/2002, Nr. 18, in
einem Originalexemplar,
2. zu der dieser Ausgabe ggf. bei ihrem Erscheinen vorgenommenen
Auswertung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf diese Auswertung hin ergriffe-
nen Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
des Innern.
20.04.2012 26.04.2012 BfV-8
120 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung
1. von Auflistungen der jeweils in den Jahren des Unter-
suchungszeitraums vom Bundesamt für Verfassungsschutz ausge-
werteten Periodika, die im rechtsextremistischen Umfeld zugeordnet
waren,
2. aller Ausfertigungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz
derjenigen Ausgaben der genannten Periodika, in denen die Stich-
worte "NSU" bzw. "Nationalsozialistischer Untergrund" erwähnt
waren, sowie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf solche Auswertungen hin ergrif-
fenen Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
20.04.2012 26.04.2012 BfV-9
121 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453), insbes. zur Evaluierung der Zusammenarbeit von
Bundes- und Landesbehörden, durch vorrangige Beiziehung
1. der Zeitschrift "Der Weisse Wolf", Ausg. 1/2011, Nr. 18, in einem
Originalexemplar,
2. der zu dieser Ausgabe ggf. bei ihrem Erscheinen vorgenommenen
Auswertung durch die Verfassungsschutzbehörden des Landes so-
wie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf diese Auswertung hin ergriffe-
nen Maßnahmen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
20.04.2012 26.04.2012 BB-2
122 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453), insbes. zur Evaluierung der Zusammenarbeit von
Bundes- und Landesbehörden, durch vorrangige Beiziehung
1. der Zeitschrift "Der weiße Wolf", Ausgabe 1/2002, Nr. 18 in
einem Originalexemplar,
2. der zu dieser Aufgabe ggf. bei ihrem Erscheinen vorgenommenen
Auswertung durch die Verfassungsschutzbehörden des Landes so-
wie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf diese Auswertung hin ergriffe-
nen Maßnahmen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Mecklenburg-Vorpommern bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
20.04.2012 26.04.2012 MV-4
123 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: Mitteilung von Fundstellen, vom
25. April 2012.
24.04.2013
124 Schreiben des Obmanns Clemens Binninger, MdB, an Vorsitzenden,
betreffend: Akten BKA - Nachforderung von zurückgestellten Ak-
tenteilen, vom 25. April 2012.
24.04.2013
125 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an Vorsit-
zenden, hier: Hinweis zum Beauftragten des Freistaats Bayern gem.
Art. 43 Abs. 2 GG, Lothar Köhler, vom 24. April 2012.
26.04.2013
126 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1091 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
an den Vorsitzenden, hier: zu Spur 195, vom 27. April 2012.
127 Antwort des Oberbürgermeisters von Nürnberg, Dr. May, auf das
Schreiben des Vorsitzenden 05.04.2012, betreffend einer Einrich-
tung eines Mahnortes für die Opfer der NSU-Terrorzelle, vom 26.
April 2012.
02.05.2013
128 Antwort des Ersten Bürgermeisters Hamburgs auf das Schreiben des
Vorsitzenden vom 28. März 2012, betreffend der Planung von Ge-
denkorten für die Opfer der sog. Zwickauer Zelle, vom 25. April
2012.
02.05.2013
129 Schreiben von Frau Dr. Högl, MdB, an MR Konrad Schober, Beauf-
tragter des Freistaats Bayern für den 2. UA, hier: Bitte Übermittlung
von Dokumenten, vom 04.05.2012.
07.05.2013
130 Antwort von Herrn MR Schober, Beauftragter des Freistaats Bayern
für den 2. UA, an Frau Dr. Högl, MdB, hier: Information zum Bear-
beitungsstand, vom 05.05.2012.
05.05.2013
131 Schreiben des Thüringer Landtags an den Vorsitzenden, betreffend:
das Teilnahmerecht an Sitzungen und gegenseitige Einsichtnahme in
Protokolle, vom 04. Mai 2012.
08.05.2012
132 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: zu BAO Bosporus, Mordfall Kiesewetter
und Yozgat, vom 09. Mai 2013.
09.05.2012
133 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Handschriftlicher Vermerk Zeuge W.
Geier (Stenografisches Protokoll) der 12. Sitzung sowie Einrichten
eines Dönerstands als Ermittlungsmaßnahme, vom 9. Mai 2012.
09.05.2012
134 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss BW-1 v. 1.3.2012 Be-
weis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Baden-Württemberg vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in BB BW-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zugeordnet werden
bzw. die Befassung damit durch die genannten Behörden, und so-
weit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse BW-1 bis BW-5 im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg
bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
11.05.2012 11.05.2012 BW-6
135 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss BY-1 vom 1.3.2012
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453), insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz des Freistaates Bayern, des Bayerischen Staatsministe-
riums des Innern sowie der Bayerischen Staatskanzlei vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer
Untergrund“, deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
11.05.2012 11.05.2012 BY-8
Drucksache 17/14600 – 1092 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
(wie in Beweisbeschluss BY-1 vom 1. März 2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-
hörden,
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein,
und soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse BY-1 bis BY-7
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
136 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss HE-1 vom 1.3.2012,
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Hessen, des Hessischen Ministeriums des Innern und
für Sport sowie der Hessischen Staatskanzlei vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in Beweisbeschluss HE-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse HE-1 bis HE-3 im We-
ge des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde.
11.05.2012 11.05.2012 HE-4
137 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss HH-1 vom 1.3.2012,
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Hamburg, der Behörde für Inneres und Sport Hamburg
sowie der Senatskanzlei Hamburg vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in Beweisbeschluss HH-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse HH-1 bis HH-3 im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei Hamburg bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde.
11.05.2012 11.05.2012 HH-4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1093 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
138 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss MV-1 vom 1.3.2012,
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Ministeriums für Inneres und
Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern, einschließlich der
Landesbehörde für Verfassungsschutz, sowie der Staatskanzlei
Mecklenburg-Vorpommern vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in Beweisbeschluss MV-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse MV-1 bis MV-3 im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei Mecklenburg-
Vorpommern bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
11.05.2012 11.05.2012 MV-5
139 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss NW-1 vom 1.3.2012,
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, des Ministeriums für
Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie
der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vorliegen, soweit
sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in Beweisbeschluss NW-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-
geordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten
Behörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse NW-1, NW-4 und NW-
5 im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
11.05.2012 11.05.2012 NW-6
140 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss SN-1 vom 1.3.2012,
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Sachsen, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
sowie der Sächsischen Staatskanzlei vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
11.05.2012 11.05.2012 SN-7
Drucksache 17/14600 – 1094 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in Beweisbeschluss SN-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse SN-1, SN-2, SN-5 und
SN-6 im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
141 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss TH-3 vom 1.3.2012,
Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,
durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf
andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Thüringen, des Thüringer Innenministerium sowie der
Thüringer Staatskanzlei vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-
halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern
(wie in Beweisbeschluss TH-3 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen
diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und
soweit
3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert
wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse TH-1 bis TH-3 und TH-
6 und TH-7 im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Thüringer Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
11.05.2012 11.05.2012 TH-8
142 Einladung zur Sitzung des Thüringer Landtags am 21.05.2012
143-
neu
Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und
zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, indem das Bun-
desministerium des Innern ersucht wird, dem Untersuchungsaus-
schuss durch Mitteilung ihrer vollständigen Personalien die Identität
der Person offenzulegen, die dem Bundeskriminalamt (BKA) im
April 2007 die Kopie eines Angebotes aus der Ausgabe des Interna-
tionalen Waffenmagazins 8-9 aus 1993 übermittelt hat, in dem der
schweizerische Waffenhändler Jan Luxik Pistolen des Typs Česká
83, Kal. 7,65 mm, mit Schalldämpfern für 1250 Fr. anbietet (vgl.
den Vermerk BKA SO 15 vom 20.7.2007, Tgb.-Nr. SO 13/04 =
MAT A BY-2-2b, Bl. 159, 160).
21.05.2012 BKA-3
144 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und
zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, indem die Bayeri-
sche Staatskanzlei im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG gebeten wird, bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde anhand ihrer vollständigen Per-
sonalien die Identität des ehem. Mitarbeiters der Schweizer Waffen-
firma Schläfli und Zbinden, Herrn Mayer, der der BAO Bosporus
am 20.7.2006 telefonisch den Hinweis gegeben hat, dass der Waf-
fenhändler Jan Luxik im Jahr 1993 eine Česká 83 mit Schalldämpfer
21.05.2012 BY-9
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1095 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
zum Verkauf angeboten habe (vgl. den Abgabebericht der StA
Nürnberg-Fürth in der Tatserie "Česká" vom 13.1.2012, MAT A
GBA-4/2, Bl. 8 ff., 124 sowie die diesbezügliche Quellenangabe
dort in Fußnote 432: "drei Bände Spurenakten zur Spur Nr. 556"), in
Erfahrung zu bringen und dem Untersuchungsausschuss offenzule-
gen.
145 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und
zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung
der Verfahrensakten (Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichts-
hefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den in der Freien und Hanse-
stadt Hamburg geführten polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen (laut MAT A GBA-4/2, Bl. 130 ff.: StA Hamburg,
6600 UJs 6/01 / StA Hamburg 6600 Js 1/07 - Aktenzeichen der
Polizei noch zu benennen, da in MAT A HH-2 nicht angegeben) im
Mordfall Süleyman Tasköprü, soweit der Generalbundesanwalt die
Akten nicht zu seinen aktuellen Ermittlungen herangezogen hat und
sie somit noch der Verfügungsgewalt des Landes unterliegen, inso-
weit als sie die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von
Bund und Ländern betreffen, also im Rahmen der Zusammenarbeit
und den Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also
im Rahmen der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustauschs mit
Stellen des Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfas-
sungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalsamt sowie dem Ge-
neralbundesanwalt - entstanden sind, oder Informationen enthalten,
die aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können, m. d. B.
um zügige Übermittlung im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Se-
natskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg bei der jeweils
zuständigen obersten Landesbehörde.
21.05.2012 HH-5
146 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und
zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung
der Verfahrensakten (Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichts-
hefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den im Land Hessen geführ-
ten polizeilichen (laut Antwort auf Beweisbeschluss HE-2: PP
Nordhessen, ST ST/0403409/06) u. staatsanwaltschaftlichen (laut
Antwort auf Beweisbeschluss HE-2: StA Kassel 8821 UJs
66175/06) Ermittlungen im Mordfall Halit Yozgat soweit der Gene-
ralbundesanwalt die Akten nicht zu seinen aktuellen Ermittlungen
herangezogen hat und sie somit noch der Verfügungsgewalt des
Landes unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit und den
Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also im Rah-
men der Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund
und Ländern betreffen, also im Rahmen der Zusammenarbeit und
des Erkenntnisaustauschs mit Stellen des Bundes - hier vor allem
dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichten-
dienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundeskriminalsamt
sowie dem Generalbundesanwalt - entstanden sind, oder In-
formationen enthalten, die aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht
werden können, m. d. B. um zügige Übermittlung im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Hessen bei der jeweils
zuständigen obersten Landesbehörde.
21.05.2012 HE-5
147 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und
zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung
der Verfahrensakten (Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichts-
21.05.2012 NW-7
Drucksache 17/14600 – 1096 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
hefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den im Land Nordrhein-
Westfalen geführten polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er-
mittlungen
- im Fall des Sprengstoffanschlags vom 19.01.2001 in Köln, Probst-
eigasse (laut Antwort auf Beweisbeschluss NW-2: StA Köln 91 UJs
74/01)
- im Fall des Sprengstoffanschlags vom 09.06.2004 in Köln,
Keupstraße (laut Antwort auf Beweisbeschluss NW-2: StA Köln 121
UJs 160/04)
- im Mordfall Mehmet Kubasik (laut Antwort auf Beweisbeschluss
NW-2: StA Dortmund UJs 660/06)
soweit der Generalbundesanwalt die Akten nicht zu seinen aktuellen
Ermittlungen herangezogen hat und sie somit noch der Verfügungs-
gewalt des Landes unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit
und den Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also
im Rahmen der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustauschs mit
Stellen des Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfas-
sungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt sowie dem Generalbundesan-
walt - entstanden sind, oder Informationen enthalten, die aus heuti-
ger Sicht hätten ausgetauscht werden können, m. d. B. um zügige
Übermittlung im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Lan-
des Nordrhein-Westfalen bei der jeweiligen zuständigen obersten
Landesbehörde.
148 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und
zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung
des der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen
Landtags vorgelegten vorläufigen Schlussberichts des Innern des
Freistaats Sachsen zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-
grund im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
21.05.2012 SN-8
149 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von EKHK Jörg Deisting
als Zeuge.
21.05.2012 Z-14
150 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von KOR Felix Schwarz als
Zeuge.
21.05.2012 Z-15
151 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von LKD Gerald Hoffmann
als Zeuge.
21.05.2012 Z-16
152 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Direktor a. D. Lutz
Irrgang als Zeuge.
21.05.2012 Z-17
153 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident Jörg
Ziercke als Zeuge.
21.05.2012 Z-18
154 Schreiben des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und 22.05.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1097 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Roma an den Vorsitzenden; hier: Falsche Verdächtigung von Sinti
und Roma bei den Ermittlungen zum Polizistenmord in Heilbronn,
vom 16. Mai 2012.
155 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an den Ermittlungs-
beauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg, betr.: Erweiterung des
Auftrags des Ermittlungsbeauftragten auf die Sichtung von Spuren-
akten des Bundeskriminalamts in der Sitzung des Untersuchungs-
ausschusses am 10.05.2012, vom 22. Mai 12.
22.05.2013
156 Schreiben Ermittlungsbeauftragter an den Vorsitzenden, hier: Infor-
mationen zur erbetenen Übersendung von Unterlagen des General-
bundesanwalts an den Untersuchungsausschuss, vom 23. Mai 2012.
23.05.2013
157 Schreiben Ermittlungsbeauftragter Prof. Dr. Heintschel-Heinegg an
den Vorsitzenden, hier: Informationen zu Spurenakten des Bundes-
kriminalamts, vom 31. Mai 2012.
31.05.2013
158 Schreiben der Rechtsanwältin Lunnebach, mit der Bitte um Ein-
sichtnahme in die Protokolle der öffentlichen Sitzungen, v. 6. Juni
2012.
06.06.2013
159 Schreiben (E-Mail) von N. S. und S. H., mit der Bitte um Einsicht-
nahme in die Protokolle der öffentlichen Sitzungen, vom 06. Juni
2012.
06.06.2013
160 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK a.D. Edgar
Mittler als Zeuge.
11.06.2012 14.06.2012 Z-19
161 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK Markus
Weber als Zeuge.
11.06.2012 14.06.2012 Z-20
162 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn Oberstaatsanwalt
a.D. Josef Rainer Wolf als Zeuge.
11.06.2012 14.06.2012 Z-21
163 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KOR Bert
Gricksch als Zeuge.
11.06.2012 14.06.2012 Z-22
164 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Vernehmung von MDgt a. D. Dr.
Hartwig Möller als Zeuge.
11.06.2012 14.06.2012 Z-23
165 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
vorrangige Beiziehung
1. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
die sich auf das Sprengstoffattentat vom 19. Januar 2001 in Köln,
den dabei verwendeten Sprengsatz oder etwaige Kontakte zu ande-
ren Behörden in diesem Zusammenhang beziehen,
2. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
die sich auf das Nagelbombenattentat vom 9. Juni 2004 in Köln, den
dabei verwendeten Sprengsatz oder etwaige Kontakte zu anderen
Behörden in diesem Zusammenhang beziehen,
3. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
die sich auf die im Jahr 2006 erfolgte Zusammenlegung der Abtei-
11.06.2012 14.06.2012 BfV-10
Drucksache 17/14600 – 1098 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
lungen für Rechts- und Linksextremismus im Bundesamt für Verfas-
sungsschutz beziehen, soweit sie nicht nur die verwaltungstechni-
sche Durchführung der Zusammenlegung (z. B. Umsetzung von
Personal, Raumplanung) betreffen,
4. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz
aus dem Zeitraum vom 9. September 2000 bis zum 8. November
2011, die sich beziehen auf den Informationsaustausch im Verfas-
sungsschutzverbund in Form von Tagungen, internen oder externen
Publikationen zu der Frage, ob es in Deutschland rechtsterroristische
Strukturen gibt,
5. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz
aus dem Zeitraum vom 9. September 2000 bis zum 8. November
2011, die sich auf Kontakte zu anderen Behörden beziehen, im Zu-
sammenhang mit den Straftaten, die dem „Nationalsozialistischen
Untergrund“ zugeordnet werden,
soweit sie noch nicht übermittelt sein sollten, gemäß § 18 PUAG
beim Bundesministerium des Innern mit der Bitte um möglichst
baldige – prioritäre – Übermittlung an den Untersuchungsausschuss,
möglichst bis zum 27. Juni 2012.
166 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen des Bundesministeri-
ums des Innern, die sich auf die im Jahr 2006 erfolgte Zusammenle-
gung der Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus im Bun-
desamt für Verfassungsschutz beziehen, soweit sie nicht nur die
verwaltungstechnische Durchführung der Zusammenlegung (z. B.
Umsetzung von Personal, Raumplanung) betreffen, soweit sie noch
nicht übermittelt sein sollten, gemäß § 18 PUAG beim Bundesminis-
terium des Innern mit der Bitte um möglichst baldige – prioritäre –
Übermittlung an den Untersuchungsausschuss, möglichst bis zum
27. Juni 2012.
11.06.2012 14.06.2012 BMI-6
167 Zwischenbericht der Bund-Länder-Expertenkommission Rechtster-
rorismus (Stand 16. Mai 2012)
14.06.2012
168 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag –
insbesondere zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften
des Bundes – durch vorrangige Beiziehung aller beim Innenministe-
rium des Landes Baden-Württemberg oder seinen nachgeordneten
Behörden vorhandenen, mit Beweisbeschluss BW-4 vom 08.03.2012
angeforderten und im Schreiben des Innenministeriums Baden-
Württemberg vom 25.05.2012 (MAT A BW-4/1) aufgeführten Un-
terlagen zu den nachfolgend bezeichneten Vorgängen:
• Anfrage wegen eines Tatortzeugen mit möglichen Bezügen zu
Nachrichtendiensten (Schreiben des Innenministeriums Baden-
Württemberg vom 25.05.2012, Ziffer I.2.5)
• Anfrage aufgrund Medienberichterstattung zu Zusammenhängen
mit OK oder Terrorismus (Schreiben des Innenministeriums Baden-
Württemberg vom 25.05.2012, Ziffer I.2.8)
• Schriftverkehr zum Informationsaustausch mit Nach-
richtendiensten (Schreiben des Innenministeriums Baden-
Württemberg vom 25.05.2012, Ziffer II.2.3)
soweit diese aufgrund des Beweisbeschlusses BW-4 nicht bereits
übermittelt sind im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium
Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde
mit der Bitte um möglichst baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss.
14.06.2012 14.06.2012 BW-7
169 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
vorrangige Beiziehung sämtlicher Videosequenzen, die im Zusam-
menhang mit dem Nagelbombenattentat vom 9. Juni 2004 in Köln
von den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden zusammenge-
14.06.2012 14.06.2012 NW-8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1099 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
tragen wurden, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Nordrhein-Westfalen bei den zuständigen Landesbehörden,
mit der Bitte um möglichst baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss, möglichst bis zum 27. Juni 2012.
170 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: Informationen zu den Spurenakten und
der polizeilichen Handakte im Mordfall zum Nachteil M. Kubasik,
vom 20.06.2012.
20.06.2012
171 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: Informationen zum Beweisbeschluss HE-
5 und GBA-4, vom 20.06.2012.
20.06.2012
172 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: Informationen zu den Spurenakten im
Fall Köln, Keupstraße (Sprengstoffanschlag am 09.06.2004), vom
20.06.2012.
21.06.2012
173 Schreiben der Vizepräsidentin Petra Pau, MdB, an den Vorsitzen-
den, m. d. B. noch nicht gelieferte Akten zum Beweisbeschluss HE-
4 bei der hessischen Staatskanzlei anzumahnen, vom 22.06.2012.
22.06.2012
174 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: Informationen zu den Spurenakten aus
der EG "Česká", vom 22.06.2012.
22.06.2012
175 Schreiben des Referates ZR 2 - Justitiariat an das Sekretariat des 2.
UA, betr. Veröffentlichung Stenografischer Protokolle im Internet
durch Dritte, vom 21. Juni 2012.
22.06.2012
176 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Direktor beim
BfV a. D. Wolfgang Cremer als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-24
177 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident
Heinz Fromm als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-25
178 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Oberst a. D.
Dieter H. als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-26
179 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KOR Axel
Mögelin als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-27
180 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn EStA Christoph
Meyer als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-28
181 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident Joa-
chim Schmalzl als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-29
182 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK Werner
Jung als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-30
183 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
25.06.2012 28.06.2012 Z-31
Drucksache 17/14600 – 1100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK Uwe Deetz
als Zeuge.
184 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KOK Jens Mer-
ten als Zeuge.
25.06.2012 28.06.2012 Z-32
185 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung von Vorschriften des Bundes – durch Beiziehung der Ver-
fahrensakten des mit Schreiben des Landeskriminalamtes Sachsen
vom 11.04.2012 (MAT A SN-2/2) auf das in Beweisbeschluss SN-2
vom 01.03.2012 erfolgte Ersuchen hin benannten Verfahrens Az.:
223 Js 2227/07, VG-Nr.: 5106/06/177201 bei der PD Südwestsach-
sen (Vernehmungen wegen Wasserschaden in der Polenzstraße 2 in
Zwickau) im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landesbehörde mit der Bitte um mög-
lichst baldige – prioritäre – Übermittlung an den Untersuchungsaus-
schuss.
25.06.2012 28.06.2012 SN-9
186 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Benennung der Leiter
des oder der für die Fragen
- nachrichtendienstl. Aufgaben in der Schweiz
- Waffenhandel mit Bezug zur Schweiz zuständigen Referats oder
Referate im Bundesnachrichtendienst während der gesamten Zeit
des Untersuchungsauftrages, konkretisierend zu den Angaben zu
Beweisbeschluss BND-1 gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
deskanzleramt mit der Bitte, die Angaben dem 2. Unter-
suchungsausschuss möglichst bis 03.07.2012 zu übermitteln.
25.06.2012 28.06.2012 BND-4
187 Das Bundesministerium des Innern wird ersucht, aus den dem 2.
Untersuchungsausschuss mit der Einstufung "VS-Vertraulich" über-
gebenen Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum
Sprengstoffanschlag Keupstraße die Seiten 16 bis 84 von MAT A
BfV-4 zu A-Drs. 17/20 (Tgb-Nr. 16/12) unter Unkenntlichmachung
von vertraulich zu behandelnden Angaben zumindest auf "VS-NfD"
herabzustufen sind und um deren Behandlung in öffentlicher Sitzung
zu ermöglichen.
25.06.2012
188 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 3.7.2012 27.06.2012
189 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (Bun-
destagsdrucksache Drucksache 17/8453), indem das BMI aufgefor-
dert wird, die Personalien der Personen mitzuteilen, die bei dem BfV
laut Sprechzettel TOP… und diese Personen sodann als Zeugen ver-
nommen werden.
04.07.2012 05.07.2012 BMI-9
190 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1
PUAG gebeten, bis 20. August 2012 für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel seiner
nach-geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeich-
nen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom
Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
04.07.2012 05.07.2012 BK-5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1101 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
191 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bundesministerium des Innern gemäß §
18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20. August 2012 für den gesamten
Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel
oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner nachge-
ordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom
Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
04.07.2012 05.07.2012 BMI-7
192 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bundesministerium der Verteidigung
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20. August 2012 für den ge-
samten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel seiner nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Be-
schreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf
Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 BMVg-
5
193 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Baden-
Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des
Landes Baden-Württemberg gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen
oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art
der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-
zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-
2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben).
04.07.2012 05.07.2012 BW-8
194 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bayerische Staatsministerium des Innern
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei gebe-
ten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992
bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrich-
tendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaß-
nahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit
Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang stan-
den mit einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 BY-11
195 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu- 04.07.2012 05.07.2012 BE-2
Drucksache 17/14600 – 1102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird die Senatsverwaltung für Inneres und Sport
des Landes Berlin im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei des
Landes Berlin gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeili-
cher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordne-
ten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme
und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im
Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 be-
rücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
196 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium des Innern des Landes Bran-
denburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes
Brandenburg gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeili-
cher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nach-
geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom
Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
04.07.2012 05.07.2012 BB-3
197 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird der Senator für Inneres und Sport der Freien
Hansestadt Bremen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der
Freien Hansestadt Bremen gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen
oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art
der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-
zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-
2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben).
04.07.2012 05.07.2012 HB-2
198 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird die Behörde für Inneres und Sport der Freien
und Hansestadt Hamburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senats-
kanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg gebeten, für den gesam-
ten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit,
Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks
04.07.2012 05.07.2012 HH-6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1103 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf
Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben).
199 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium des Innern und für Sport des
Landes Hessen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staats-
kanzlei gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom
1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze opera-
tiver nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und
Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-
sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-
nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 HE-6
200 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Mecklenburg-Vorpommern im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gebeten,
für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis
zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichten-
dienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermitt-
lungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behör-
den mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und Benen-
nung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammen-
hang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in
der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden
(MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 MV-6
201 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Niedersachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Niedersachsen gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen
oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art
der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-
zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-
2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben).
04.07.2012 05.07.2012 NI-3
202 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Kommuna-
les des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen gebeten, für den
gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum
04.07.2012 05.07.2012 NW-9
Drucksache 17/14600 – 1104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit,
Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf
Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben).
203 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz gebeten, für den
gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit,
Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf
Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 RP-2
204 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Saarlands im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saar-
lands gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1.
Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operati-
ver nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und
Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-
sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-
nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 SL-2
205 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Staatsministerium des Innern des Frei-
staats Sachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanz-
lei gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar
1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nach-
richtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher Er-
mittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und
Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-
sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-
nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 SN-10
206 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Sachsen-Anhalt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach
04.07.2012 05.07.2012 ST-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1105 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Sachsen-Anhalt gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen
oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art
der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-
zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-
2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben).
207 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Schleswig-
Holstein im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes
Schleswig-Holstein gebeten, für den gesamten Untersuchungszeit-
raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche
Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter
polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nach-
geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom
Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 be-
rücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
04.07.2012 05.07.2012 SH-2
208 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Innenministerium des Freistaats Thürin-
gen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats
Thüringen gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom
1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze opera-
tiver nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und
Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-
sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-
nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
04.07.2012 05.07.2012 TH-10
209 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) wird das BMI gemäß § 18
Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20. August 2012 zu Aufbau und Struktur
der Dateien des „Tatmittelmeldedienstes Brand- und Sprengvorrich-
tungen“ und zu den Regelungen für
-- Meldung und Datenerfassung
-- Speicherung und gegebenenfalls Erfassungsfristen und Löschvor-
gaben
-- Zugriffsberechtigungen und Abfragemodalitäten
bezüglich dieser Dateien über die gegebenenfalls bereits übersandten
Akten hinaus in zusammenhängender Darstellung Auskunft zu ge-
ben und dazu
-- bestehende Vorschriften und Anweisungen
-- die Eintragungen zu den Sprengstofftaten, die Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe einzeln oder gemeinschaftlich
zugeordnet werden,
prioritär vorzulegen und die für diese Dateien im Zeitraum des
04.07.2012 05.07.2012 BMI-8
Drucksache 17/14600 – 1106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Untersuchungsauftrages zuständigen Mitarbeiter (Referatsleiter,
Sachgebietsleiter) des BKA zu benennen.
210 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000-2007 - Mords-
erie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem. Aus-
schussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn Andreas Temme
als Zeuge.
04.07.2012 05.07.2012 Z-34
211 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000-2007 - Mords-
erie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem. Aus-
schussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von NN, Leiter des Referats
Auswertung Proliferation und Waffenhandel im BND als Zeuge.
04.07.2012 05.07.2012 Z-35
212 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerpräsi-
dent Volker Bouffier als Zeuge.
04.07.2012 05.07.2012 Z-36
213 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 9.und 10.07.2012. 04.07.2012
214 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Sichtung von Akten beim LKA Baden-
Württemberg in Stuttgart am 10. und 11. Juli 2012, vom 18. Juli
2012.
18.07.2012
215 Schreiben des Staatssekretärs des Thüringer Innenministeriums an
den Vorsitzenden, betreffend seines Schriftwechsels mit dem Bun-
desministerium der Verteidigung bzw. dem Amt für den Militäri-
schen Abschirmdienst zur Frage der Anonymisierung der Aktenstü-
cke des MAD, vom 12. Juli 2012.
18.07.2012
216 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: zu "Mehrfachtreffern" bei den von der
BAO Bosporus erhobenen Massendaten - Massendatenabglei-
che/Analysen, vom 19. Juli 2013.
19.07.2012
217 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: zu Videoaufnahmen von der Trauerfeier
anlässlich der Beerdigung von Michéle Kiesewetter, vom 24. Juli
2012.
25.07.2012
218 Schreiben der Freien Hansestadt Bremen an den Vorsitzenden, bzgl.
Anfrage vom 19. Juli 2012 betr. Aktenvernichtung mit Bezügen zum
Rechtsextremismus im LfV Bremen, vom 30. Juli 2012.
02.08.2012
219 Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums an den Vorsitzen-
den, hier: Nachlieferung zur A-Drs. 215, vom 03.08.2012.
06.08.2012
220 Schreiben an den Vorsitzenden - Stellungnahme des Bundesbeauf-
tragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter
Schaar, bezüglich der Aktenvernichtung im BfV, vom 1. August
2012.
07.08.2012
221 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes an den Vorsitzenden,
hier: zur Thematik der Vernichtung von Akten mit Bezügen zum
Rechtsextremismus, vom 30. Juli 2012.
07.08.2012
222 Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums an den Vorsitzen-
den, hier: zur Thematik der Vernichtung von Akten, vom 10. August
2012.
14.08.2012
223 Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin an den
Vorsitzenden, hier: zur Thematik der Vernichtung von Akten, vom
10. August 2012.
16.08.2012
224 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: die Übersendung der Ermittlungsakten
wegen des Mordes an Michèle Kiesewetter (GBA-4), vom 21. Au-
gust 2012.
21.08.2012
225 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg 27.08.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1107 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
an den Vorsitzenden; hier: die Übersendung von Aktenteilen des
GBA sowie des BKA (GBA-4), vom 23. August 2012.
226 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000-2007 - Mords-
erie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gemäß Aus-
schussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn Günter Stengel
als Zeuge.
29.08.2012 11.09.2012 Z-37
227 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstandes, durch das Ersuchen um möglichst zeitnahe
Benennung
1. der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-
Württemberg, die im Jahr 2003 dem früheren Mitarbeiter des LfV
Baden-Württemberg, Herrn Stengel, in dienstlichen Angelegenhei-
ten beraten haben;
2. der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-
Württemberg, die mit der Überprüfung der Angaben von Herrn
Stengel zu früheren Hinweisen im aktuellen Ermittlungsverfahren
befasst waren,
3. der Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg,
die mit der Überprüfung der Angaben von Herrn Stengel zu früheren
Hinweisen im aktuellen Ermittlungsverfahren befasst waren, im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg bei der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde.
29.08.2012 11.09.2012 BW-9
228 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstandes, durch das Ersuchen um Benennung
1. der diensthabenden Beamten und Angestellten im Lagezentrum
der Polizei Nordrhein-Westfalen im Zeitraum Mittwoch, 09. Juni
2004, 16.25 Uhr, bis Donnerstag, 10. Juni 2004, 22.35 Uhr;
2. der diensthabenden Beamten und Angestellten in der Abteilung 6
(Verfassungsschutz) des Nordrhein-Westfälischen Innenministeri-
ums im Zeitraum Mittwoch, 09. Juni 2004, 16.25 Uhr, bis Donners-
tag, 10. Juni 2004, 22.35 Uhr soweit sie in dienstlicher Funktion mit
den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Nagelbombenattentat in
der Kölner Keupstraße am Mittwoch, 09. Juni 2004, befasst waren,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei den jeweils zuständigen obersten Landesbehörden.
29.08.2012 11.09.2012 NW-10
229 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Unterrichtung des Ausschusses über die
bisher benannten Materialien, vom 28.08.2012.
28.08.2012
230 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, betreffend die Bitte an den GBA, weitere Ak-
tenteile zu BB GBA-4 zu übersenden, vom 4. September 2012.
04.09.2012
231 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, betreffend die Bitte an den GBA, weitere Ak-
tenteile zu BB GBA-4 (betreffend: den Anschlag in Köln, Az, der
StA. Köln.121 Ujs 160/04) zu übersenden, vom 6. September 2012.
06.09.2012
232 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat des
2. Untersuchungsausschusses, mit der Bitte um Eingrenzung auf
relevante Sach- bzw. Themenkomplexe zu BB BKA-2, vom 3. Sep-
tember 2012.
06.09.2012
Drucksache 17/14600 – 1108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
233 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 10. und 11. Septem-
ber 2012.
07.09.2012
234 Schreiben vom Bundesministerium der Verteidigung an MdB Strö-
bele - hier: Antwort auf die schriftliche Frage vom 24. August 2012,
vom 31. August 2012.
11.09.2012
235 Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Vorhal-
tungen hinsichtlich der Zusammenarbeit des MAD mit dem 2.
Untersuchungsausschuss 17.WP - Stellungnahme, vom 12. Septem-
ber 2012.
12.09.2012
236 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Staatssekretär
Klaus-Dieter Fritsche als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-38
237 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-
rigent Hans-Georg Engelke als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-39
238 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Vizepräsident
Jürgen Maurer als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-40
239 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-
rigent Waldemar Kindler als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-41
240 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -
Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gemäß
Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-
chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn EKHK Ernst
Setzer als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-42
241 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) vorbereitet durch das Ersuchen um Benen-
nung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiter
des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die laut Lagedokumentati-
on des Lagezentrums der Polizei Nordrhein-Westfalen (MAT A
NW-6l, Bl. 1 ff., Bl. 7) am 09.06.2004, dem Tag des Sprengstoffan-
schlags in der Keupstraße in Köln, um 19.53 Uhr im Lagezentrum
angerufen und um Herstellung eines Kontakts mit der Verfassungs-
schutzabteilung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-
Westfalen gebeten haben nach § 18 Abs. 1 PUAG durch das Bun-
desamt für Verfassungsschutz.
12.09.2012 13.09.2012 BfV-14
242 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident a. D.
Karl-Heinz Brüsselbach als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-43
243 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ulrich Birken-
heier als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-44
244 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-
rigent Dr. Christof Gramm als Zeuge.
12.09.2012 13.09.2012 Z-45
245 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung
1. sämtlicher Unterlagen, die im Geschäftsbereich des BMVg ent-
standen oder in Gewahrsam genommen worden sind und sich auf die
Wehrdienstzeit des Uwe Mundlos beziehen, insbesondere zu Kon-
takten des MAD zu Uwe Mundlos und sonstigen Erkenntnissen über
Auffälligkeiten während seines Wehrdienstes, sowie
2. alle Vorgänge, die sich auf den Umgang mit diesen Erkenntnissen
im BMVg, seinem Geschäftsbereich sowie innerhalb der Bundesre-
gierung beziehen gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
der Verteidigung.
12.09.2012 13.09.2012 BMVg-
6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1109 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
246 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung
1. sämtlicher Unterlagen, die im Organisationsbereich des MAD
entstanden sind und sich auf die Wehrdienstzeit des Uwe Mundlos
beziehen, insbesondere zu Kontakten des MAD zu Uwe Mundlos
und sonstigen Erkenntnissen über Auffälligkeiten während seines
Wehrdienstes, sowie
2. alle Vorgänge, die den Umgang mit diesen Erkenntnissen im
Organisationsbereich des MAD betreffen, insbesondere zur Kom-
munikation mit dem BMVg, anderen Bundesbehörden sowie Lan-
desbehörden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der
Verteidigung.
12.09.2012 13.09.2012 MAD-5
247 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) vorbereitet durch das Ersuchen um Benen-
nung
1. der Personen, die im März 1995 im Organisationsbereich des
Militärischen Abschirmdienstes den Wehrdienstleistenden Uwe
Mundlos befragt haben,
2. der Personen, die ab dem 8. März 2012 im Organisationsbereich
des Militärischen Abschirmdienstes von dem vom Sächsischen Lan-
desamt für Verfassungsschutz übersandten Schreiben des Amts für
den Militärischen Abschirmdienst vom 27. Juni 1995 Kenntnis er-
langt haben sowie,
3. der Personen, die ab dem 12. März 2012 im Bundesministerium
der Verteidigung von dem Umstand Kenntnis erlangt haben, dass
Uwe Mundlos im Jahr 1995 vom Militärischen Abschirmdienst
befragt wurde, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
der Verteidigung.
12.09.2012 13.09.2012 MAD-6
248 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Ak-
ten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die zu dem Verfahren
zum am 21.09.2011 erfolgten Verbot der sogenannten "Hilfsor-
ganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehöri-
ge" im Organisationsbereich des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz vorhanden sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-
terium des Innern.
12.09.2012 13.09.2012 BMI-10
249 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Ak-
ten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die zu dem Verfahren
zum am 21.09.2011 erfolgten Verbot der sogenannten "Hilfsor-
ganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehöri-
ge" im Organisationsbereich des Bundesministeriums des Innern
vorhanden sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
des Innern.
12.09.2012 13.09.2012 BMI-11
250 Ausarbeitung aus dem Wissenschaftlichen Dienst (WD 3) - "Be-
weisbewertung durch den Untersuchungsausschuss - Besteht ein
Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf durch rechtmäßige Ein-
griffe in das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis erlangte Er-
kenntnisse?", vom 6. September 2013.
12.09.2012
251 Schreiben der Obfrau der SPD-Fraktion, MdB Dr. Högl, an den
Vertreter des Generalbundesanwalts im Ausschuss zu der unterblie-
benen Weitergabe von Informationen an den Ausschuss über den
Einsatz von T. S. als Vertrauensperson des LKA Berlin, vom
18. September 2013.
18.09.2012
252 Schreiben des Generalbundesanwalts an Frau Högl, MdB, betreffend
die Anfrage vom 18. September 2012 (A-Drs.251), vom
19.September 2012.
19.09.2012
Drucksache 17/14600 – 1110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
253 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau Margarete Kop-
pers als Zeugin.
21.09.2012
254 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Frank Henkel
als Zeuge.
21.09.2012
255 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Rainer
Griesbaum als Zeuge.
21.09.2012
256 Schreiben der Obfrau der SPD-Fraktion, MdB Dr. Högl, an den
Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, zu der
verspäteten und nicht vollständigen Übergabe der Personalakte
Mundlos, vom 21. September 2012.
21.09.2012
257 Schreiben des Obmann der Fraktion B90/GRÜNE, MdB Wieland,
an das Thüringer Innenministerium, m. d. B. die Aktenlieferung zu
den V-Leuten an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages
zu senden, vom 21. September 2012.
21.09.2012
258 Bericht des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes,
Herr Dr. Maaßen, zum relevanten Aktenaufkommen im Bundesamt
für Verfassungsschutz im Sinne des Untersuchungsauftrages, vom
24. September 2013.
25.09.2012
259 Der Untersuchungsausschuss bittet die Länder Brandenburg … zu
den sämtlich am 05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den
Nummern BB-3 …um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis
zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 BB-4
259 Der UA bittet die Länder … Bremen …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern … HB-
2 …um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 HB-3
259 Der UA bittet die Länder … Mecklenburg-Vorpommern …zu den
sämtlich am 05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den
Nummern MV-6 …um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis
zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 MV-7
259 Der UA bittet die Länder … Rheinland-Pfalz …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern RP-2
…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 RP-3
259 Der UA bittet die Länder … Saarland …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern SL-2
…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 SL-3
259 Der UA bittet die Länder … Sachsen …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern SN-10
…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 SN-11
259 Der UA bittet die Länder … Schleswig-Holstein zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern … SH-2
…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.
26.09.2012 27.09.2012 SH-3
260 Es wird - aufbauend auf den Angaben zu Beweisbeschluss BE-2 und
zur Klarstellung und Ergänzung von Beweisbeschluss BE-1 - Be-
weis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (Drucksache
17/84/53), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Da-
teien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger säch-
licher Beweismittel die in der Senatsverwaltung für Inneres und
Sport des Landes Berlin und der Senatsverwaltung für Justiz des
Landes Berlin und in allen nachgeordneten Behörden der genannten
Senatsverwaltung vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-
ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und
soweit sie
2. im Rahmen des Untersuchungsgegenstands die folgenden Fragen
betreffen:
26.09.2012 27.09.2012 BE-3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1111 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
- Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter
polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer
der Personen, die vom GBA im aktuellen Ermittlungsverfahren zu
den Tagen der Terrorgruppe NSU als Beschuldigte geführt werden
(soweit noch nicht vorgelegt)
- Erkenntnisse zu der Person, die vom BKA in der Antwort auf Be-
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben) und zu der einer Behörde des Landes Berlin im
Untersuchungszeitraum bekannt wurde, dass sie Informationen zu
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe haben
- Umgang mit Informationen betreffend den Untersuchungszeitraum
auch in der Zeit nach dem 08.11.2011 im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG m. d.
B. um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis 10.10.2012 über die
Senatskanzlei des Landes Berlin bei den zuständigen obersten Lan-
desbehörden.
261 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Vernehmung von Herrn Kapitän zur
See Olaf Christmann als Zeuge.
26.09.2012 27.09.2012 Z-46
262 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem
Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz vorliegen, soweit sie den Untersu-
chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) betreffen und dem
Untersuchungsausschuss noch nicht übermittelt sind, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.
27.09.2012 28.09.2012 BfV-15
263 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Ermittlungsverfahren mit
dem Az. 2 BJs 12/92-2, das von der Bundesanwaltschaft bereits im
Jahr 1992 mit Bezug auf die Gründung bzw. die Absicht, einen deut-
schen Ableger der White Knights of the Ku-Klux-Klan zu gründen,
wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, § 129a StGB ge-
führt wurde, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der
Justiz.
27.09.2012 28.09.2012 GBA-10
264 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel die im Organisationsbereich des
BKA vorliegen, und dem UA noch nicht übermittelt sind, und ent-
weder
- das Ermittlungsverfahren mit dem Az. 2 BJs 12/92-2 betreffen, das
von der Bundesanwaltschaft bereits im Jahr 1992 mit Bezug auf die
Gründung bzw. die Absicht, einen deutschen Ableger der White
Knights of the Ku-Klux-Klan zu gründen, wegen Bildung einer
terroristischen Vereinigung, § 129a StGB geführt wurde oder
- Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis
31.12.2004 gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
27.09.2012 28.09.2012 BKA-4
265 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem
Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Lande-
samtes für Verfassungsschutz des Landes Baden-Württemberg und
des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg als der für
27.09.2012 28.09.2012 BW-10
Drucksache 17/14600 – 1112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde
vorliegen, und sie dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermit-
telt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis
zum 31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-
tauscht werden können, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
266 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem
Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Lande-
samtes für Verfassungsschutz des Landes Brandenburg und des
Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg als der für den
Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorlie-
gen, und sie dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermittelt
sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis
zum 31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-
tauscht werden können im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehör-
de.
27.09.2012 28.09.2012 BB-5
267 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem
Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Lande-
samts für Verfassungsschutzes des Freistaats Sachsen und des In-
nenministeriums des Freistaats Sachsen als der für den Verfassungs-
schutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen, und sie
dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermittelt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis
zum 31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-
tauscht werden können im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Freistaats Sachsen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
27.09.2012 28.09.2012 SN-12
268 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem
Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des LfV des
Freistaats Thüringen und des IM des Freistaats Thüringen als der für
den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde
vorliegen, und sie dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermit-
telt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis
zum 31.12.2004, und soweit sie
27.09.2012 28.09.2012 TH-11
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1113 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und
Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des
Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-
tauscht werden können im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Freistaats Thüringen bei der zuständigen obersten Landesbehör-
de.
269 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 8. und 9. Oktober
2012.
04.10.2012
270 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Fundstellen zu Ermittlungen gegen die
Brüder Yildirim, vom 4. Oktober 2012.
04.10.2012
271 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Eingabe einer Person, die bei BAO Bos-
porus gearbeitet haben will, vom 2. Oktober 2012.
04.10.2012
272 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat des
2. Untersuchungsausschusses, hier: Bitte um Einvernahme des Zeu-
gen zu den Berichtsinhalten in nichtöffentlicher, geheim eingestufter
Sitzung vorzunehmen, vom 11. Oktober 2012.
11.10.2012
273 Schreiben des Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenmi-
nister und -senatoren der Länder, Herrn Caffier, an den Vorsitzen-
den; hier: "Übersendung von Akten durch das Innenministerium des
Freistaates Thüringen, hier: Weiteres Verfahren"; vom 11. Oktober
2012.
12.10.2012
274 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags (Drucksache 17/8453) durch Beiziehung
1) sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem
Bundesamt für Verfassungsschutz oder dem Bundesministeriums
des Innern, die den Untersuchungsgegenstand betreffen und Aus-
kunft geben können über Verlauf und Ergebnisse einer möglichen
Kooperation des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im
Untersuchungszeitraum mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer
Thomas R., insbes. alle vorgenannten Unterlagen, aus denen sich
Hinweise des Thomas R. oder dahingehender Fragen des BfV zu
Aufenthaltsort und/oder Kontakten der untergetauchten NSU-
Mitglieder ergeben könnten, und
2) die diesbezügliche V-Person-Zahlakte des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz, soweit diese Unterlagen nicht durch bereits zuvor
gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt worden sind
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.
15.10.2012 18.10.2012 BfV-16
275 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags (Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Bundesamt für
Verfassungsschutz oder dem Bundesministerium des Innern die den
Untersuchungsgegenstand betreffen und Auskunft geben können
über Verlauf und Ergebnisse der vom Bundesamt für Verfassungs-
schutz (BfV) oder unter dessen Mitwirkung im Untersuchungszeit-
raum durchgeführten G10-Maßnahmen, welche sich gegen die mut-
maßlichen NSU-Unterstützer Thomas S. (den späteren V-Mann des
Berliner LKA) und/oder Jan W. richteten und aus denen sich Hin-
weise zu Aufenthaltsort und/oder Kontakten der untergetauchten
NSU-Mitglieder ergeben konnten, soweit diese Unterlagen nicht
durch bereits zuvor gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und
übermittelt worden sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium des Innern.
15.10.2012 18.10.2012 BfV-17
276 Schreiben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit an den Vorsitzenden, hier: Stellungnahme ge-
16.10.2012
Drucksache 17/14600 – 1114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
genüber Herrn Staatssekretär Fritsche (BMI), vom 16. Oktober
2012.
277 Schreiben des Ermittlungsbeauftragen Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Bitte an den GBA um Übersendung von
Aktenteilen zu GBA-4, vom 17. Oktober 2012.
17.10.2012
278 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesanwalt
Dr. Hans-Jürgen Förster als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 Z-48
279 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Staatssekretär
a. D. August Hanning als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 Z-49
280 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Landesminis-
ter a. D. Fritz Behrens als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 Z-50
281 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesminis-
ter Dr. Wolfgang Schäuble als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 Z-51
282 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Oberstaatsan-
walt beim Bundesgerichtshof Christian Ritscher als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 Z-52
283 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Vorsitzenden
Richter am Bundesgerichtshof a. D. Gerhard Schäfer als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 A-2
284 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesanwalt
beim Bundesgerichtshof a. D. Volkhard Wache als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 A-3
285 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-
rigent a. D. Gerhard Meiborg als Zeuge.
17.10.2012 18.10.2012 A-4
286 Schreiben des Ermittlungsbeauftragen Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersichten über die vom Ermittlungsbe-
auftragten bis dahin benannten Dokumente und Übersicht über aktu-
alisierte Auswertung der direkt an den Untersuchungsausschuss
übersandten Akten, vom 18. Oktober 2012.
18.10.2012
287 Schreiben des Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenmi-
nister und -senatoren der Länder, Lorenz Caffier, an den Vorsitzen-
den, hier: Übersendung der Akten durch das Innenministerium Thü-
ringen, vom 19. Oktober 2012
19.10.2012
288 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden; hier: Beantwortung der Fragen zu A-Drs. 277
innerhalb der Obleuterunde vom 17.10.2012, vom 22. Oktober 2012.
22.10.2012
289 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Bundesamt für Verfas-
sungsschutz und dem Bundesministerium des Innern, die den Unter-
suchungsgegenstand betreffen und Auskunft geben können über
Carsten S., der früher in Brandenburg als "Grand Dragon" der "Whi-
te Knights of the Ku-Klux-Klan" fungierte und/oder Achim S., der
als Gründer der "European White Knights of the Ku-Klux-Klan" in
Deutschland gilt, soweit diese Unterlagen nicht bereits durch zuvor
gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt worden sind,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.
24.10.2012 25.10.2012 BMI-12
290 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Landesamt für Verfas-
sungsschutz Baden-Württemberg und dem Innenministerium des
24.10.2012 25.10.2012 BW-11
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1115 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Landes Baden-Württemberg, die den Untersuchungsgegenstand
betreffen und Auskunft geben können über Achim S., der als Grün-
der der "European White Knights of the Ku-Klux-Klan" in Deutsch-
land gilt soweit diese Unterlagen nicht bereits durch zuvor gefasste
Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt worden sind, im We-
ge des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Baden-
Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
291 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Landesamt für Verfas-
sungsschutz des Landes Brandenburg und des Innenministeriums
des Landes Brandenburg als der für den Verfassungsschutz verant-
wortlichen obersten Landesbehörde, die den Untersuchungsgegen-
stand betreffen und Auskunft geben können über Carsten S., der in
Brandenburg früher als "Grand Dragon" der "White Knights of the
Ku-Klux-Klan" fungierte soweit diese Unterlagen nicht bereits durch
zuvor gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt wor-
den sind, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes
Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
24.10.2012 25.10.2012 BB-6
292 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von "Hinweisakten" zur
Sitzung am 8. November 2012 - GBA-4, vom 30. Oktober 2012.
30.10.2012
293 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen: Im Beweisbe-
schluss BB-5 wird unter Ziffer 1. das Datum "01.01.1997 durch das
Datum "01.01.1992" ersetzt.
05.11.2012 08.11.2012 BB-
5neu
294 Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um
Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-
chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-
chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des
Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des
Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-
be wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
- Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des LfV (mit Bezeichnung der jeweiligen Dienst-
stellung)
- Leiter Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen,
die zu Straftaten ermittelt haben, die Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt
oder Uwe Mundlos entweder einzeln oder als "Terrorgruppe NSU"
zugeordnet werden
- für die genannten Ermittlungen jeweils zuständiger Generalstaats-
anwalt
- für die genannten Ermittlungen jeweils sachleitend zuständiger
Staatsanwalt
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Thüringer Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
05.11.2012 08.11.2012 TH-12
295ne
u
Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um
Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-
chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-
chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des
05.11.2012 08.11.2012 BE-4
Drucksache 17/14600 – 1116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des
Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-
be wahrgenommen haben):
- Leitung der Abteilung für Verfassungsschutz
- Stellvertretung der Leitung der Abteilung für Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jeweiligen Dienststellung)
- Präsident oder Leiter des Landeskriminalamtes
- Leiter der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Dienst-
stelle im Landeskriminalamt (mit Bezeichnung der jeweiligen
Dienststellung)
- Leiter der Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonder-
kommissionen, die an Ermittlungen zum Aufenthalt der mit Haftbe-
fehl gesuchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos beteiligt waren
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Berlin bei
der zuständigen obersten Landesbehörde.
296 Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um
Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-
chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-
chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des
Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des
Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-
be wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
- Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jeweiligen Dienststellung)
- Präsident oder Leiter des Landeskriminalamts
- Leiter der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Dienst-
stelle im Landeskriminalamt (mit Bezeichnung der jeweiligen
Dienststellung)
- Leiter der Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonder-
kommissionen, die an Ermittlungen zum Aufenthalt der mit Haftbe-
fehl gesuchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos beteiligt waren
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Branden-
burg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
05.11.2012 08.11.2012 BB-7
297 Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um
Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-
chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-
chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des
Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des
Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-
be wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
- Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz (mit Be-
zeichnung der jeweiligen Dienststellung)
- Präsident oder Leiter des Landeskriminalamts
- Leiter der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Dienst-
stelle im Landeskriminalamt (mit Bezeichnung der jeweiligen
05.11.2012 08.11.2012 ST-3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1117 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Dienststellung)
- Leiter der Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonder-
kommissionen, die an Ermittlungen zum Aufenthalt der mit Haftbe-
fehl gesuchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos beteiligt waren
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.
m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Sachsen-
Anhalt bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
298 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem BfV oder dem BMI, die
den Untersuchungsgegenstand betreffen und Auskunft geben können
- über den in der Presse (Berliner Zeitung, 02.07.2012, "Italiener
gaben Hinweise auf NSU") geschilderten angeblichen Schriftverkehr
zwischen dem italienischen Inlandsgeheimdienst AISI und dem BfV
aus dem Jahr 2003 mit Hinweisen auf die Existenz eines auch in
Deutschland präsenten Netzwerkes militanter europäischer Neonazis
oder über entsprechende Hinweise aus Italien zu anderen Zeitpunk-
ten,
- über die gegebenenfalls erfolgte Bewertung dieses Hinweises und
die hierauf ergriffenen Maßnahmen,
- über - soweit es solche gab - entsprechende Hinweise während des
Untersuchungszeitraums vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011 aus
den Ländern Schweiz, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien,
Niederlande, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Tschechische
Republik, Polen, Ungarn, Serbien, Montenegro, Kroatien, Slowe-
nien, Bulgarien und Griechenland, deren Bewertung und die hierauf
ergriffenen Maßnahmen, soweit diese Unterlagen, nicht bereits
durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt
worden sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
05.11.2012 08.11.2012 BMI-13
299
neu
Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Anforderung v. Akten beim BKA in
Meckenheim - GBA-4, vom 7. November 2012.
07.11.2012
300 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Anforderung von Akten beim BKA -
BKA-2 i. V. m. BMI-1/3, vom 7. November 2012.
07.11.2012
301 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 12. und 13. Novem-
ber 2012
302 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen, die im Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums der Verteidigung entstanden oder in
Gewahrsam genommen worden sind und sich auf die Wehrdienstzeit
der in MAT A BMI-7/1 genannten Personen beziehen, insbes. Un-
terlagen des MAD, Personalakten sowie Unterlagen über Diszipli-
narverfahren, soweit diese nicht bereits an den Ausschuss übermit-
telt worden sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
der Verteidigung.
07.11.2012 08.11.2012 BMVg-
7
303 Es wird ergänzend zu den bereits übersandten Unterlagen (MAT B
BY-2) Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel mit Bezug zur Quelle K. D., die
im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Freistaates Bayern und des Ministeriums des Innern des Freistaates
Bayern als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten
Landesbehörde vorliegen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die bayeri-
sche Staatskanzlei bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
07.11.2012 08.11.2012 BY-12
Drucksache 17/14600 – 1118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
304 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Erlasse und
Anordnungen des Bundesministeriums des Innern, die laut Darstel-
lung in dem Bericht des "Sonderbeauftragten des Bundesministers
des Innern zur Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundesamt
für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der "Operation Renn-
steig sowie weiterer Aktenvernichtungen nach dem 4. November
2011" den Löschungen personenbezogener Daten bzw. Vernichtun-
gen von Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem
Phänomenbereich Rechtsextremismus nach dem 4.11.2011 zugrunde
lagen, insbes. des in Form einer Sammelanordnung ergangenen
Vernichtungserlasses des Referates "ÖS III 3" des Bundesministeri-
ums des Innern vom 14.11.2011 (Der STERN, Ausgabe 38/2011, S.
49), jeweils im Wortlaut, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium des Innern.
07.11.2012 08.11.2012 BMI-14
305 Der Untersuchungsausschuss bittet den Bundesminister des Innern,
zu dem Ausschuss übermittelten Bericht des MDgt Engelke eine
Ergänzung zu elf Fragstellungen erstellen zu lassen.
07.11.2012 08.11.2012
306 Entwurf des Ermittlungsauftrages für die Ermittlungsbeauftragten
Dr. Schäfer, Herrn Wache und Herrn Hebenstreit.
07.11.2012 08.11.2012
307 Erweiterung des Ermittlungsauftrages für den Ermitt-
lungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg.
07.11.2012 08.11.2012
308 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu GBA-4 vom
BKA, vom 7. November 2012.
09.11.2012
309 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu SN-7 vom
Sächsischen Ministerium des Innern, vom 14. November 2012
14.11.2012
310 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Informationen zu Ringfahndungen (vgl.
A-Drs. 288), vom 16. November 2012.
16.11.2012
311 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu GBA-4 vom
GBA, vom 16. November 2012.
16.11.2012
312 Schreiben der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra
Pau, an den Vorsitzenden, hier: "Operation Rennsteig" - Vernich-
tung von Akten im November 2011; hier: Schriftsatz des BMI vom
15.11.2012, AZ PG NSU 611 104-5/11, ZU MAT B BfV-2/6, vom
20. November 2011.
20.11.2012
313 E-Mail des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Infor-
mationsfreiheit an das Sekretariat, hier: Bitte um Übersendung von
stenografischen Protokollen der Vernehmung von Herrn Fritsche
und Herrn Engelke, vom 20. November 2012.
20.11.2012
314 Schreiben des Bundeskriminalamtes an den Vorsitzenden, mit der
Bitte um Freigabe des Stenografischen Protokolls über die Verneh-
mung des Zeugen Ziercke (21. Sitzung) für eine rechtliche Ausei-
nandersetzung mit der Journalistin Mely Kiyak, vom 02.11.2012.
09.11.2012
315 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu SN-7, vom
21. November 2012.
21.11.2012
316 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu MAT B TH-
3, vom 21. November 2012.
21.11.2012
317 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu BKA-2, vom
22. November 2012.
21.11.2012
318 Anfrage Phoenix, betreffend: Übertragung der Vernehmung von BM
Schäuble im Fernsehen, vom 21. November 2012
28.11.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1119 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
319 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen: Im Beweisbe-
schluss BB-7 wird wie folgt geändert und ergänzt:
1. Die ersten drei Spiegelstriche erhalten folgende Fassung:
- Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz
- Ständiger Stellvertreter des Leiters der Abteilung für Verfassungs-
schutz
- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-
einheit in der Abteilung für Verfassungsschutz.
2. Der BB wird um folgenden Absatz ergänzt:
"Name des Mitarbeiters, der im Herbst 1998 die im Schäfer-Bericht
geschilderte Abwägungsentscheidung zwischen dem Quellenschutz
für einen V-Mann und der Aufbereitung von Informationen über den
Aufenthaltsort der gesuchten drei Sprengstofftäter aus Thüringen tat-
sächlich getroffen hat.
28.11.2012 29.11.2012 BB-
7neu
320 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
vorrangige Beiziehung bis zum 10. Dezember 2012
1. des Schriftverkehrs zwischen dem Generalbundesanwalt und dem
Federal Bureau of Investigation (FBI) zu der Frage, ob möglicher-
weise zwei Mitarbeiter des FBI Zeugen des Mordes an Michèle
Kiesewetter wurden, und
2. der in dem Artikel des Magazins der Spiegel, "162 Seiten Hass",
vom 15. Oktober 2012 erwähnten Briefe von oder an Uwe Mundlos
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.
29.11.2012 GBA-11
321 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 03. und 04. Dezem-
ber 2012.
29.11.2012
322 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Erinnerung an die Aktenlieferung zu
GBA-4, vom 29. November 2012.
29.11.2012
323 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Bitte um Aktenvorlage zu BfV-4, vom
10. Dezember 2012.
10.12.2012
324 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Entwurf eines Beweisbeschlusses mit der
Bitte, ihn zu beschließen, vom 10. Dezember 2012.
10.12.2012 13.12.2012 BY-14
325 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz als
Zeuge. Auf die Verpflichtung zu angemessener Vorbereitung auf die
Aussage wird hingewiesen. Das Thüringer Ministerium der Justiz
wird gebeten, die Akteneinsicht zu unterstützen.
12.12.2012 13.12.2012 Z-54
326 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn KHM Mario Melzer als Zeuge.
12.12.2012 13.12.2012 Z-55
327 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Vizepräsident des LfV Thüringen a. D.
Peter Jörg Nocken als Zeuge.
12.12.2012 13.12.2012 Z-56
328 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Oberstaatsanwalt Ralf Mohrmann als Zeu-
ge.
12.12.2012 13.12.2012 Z-57
329 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Präsident des LKA Thüringen a. D. Egon
Luthardt als Zeuge.
12.12.2012 13.12.2012 Z-58
330 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Präsident des LfV Thüringen a. D. Thomas
Sippel als Zeuge.
12.12.2012 13.12.2012 Z-59
331 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Vernehmung von Herrn Sven Wunderlich als Zeuge.
12.12.2012 13.12.2012 Z-60
332 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung
- einer vollständigen Kopie der auf den 04.02.2009 datierten, mit der
12.12.2012 13.12.2012 GBA-12
Drucksache 17/14600 – 1120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.: 160004/05 3 Kassetten Dik-
tiergerät Sichergestellt am 30.10.2007" versehenen Mp3-CD, auf der
sich eine Wiedergabe der aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses
des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 08.07.2007 (Az. 6199 Js
214018/05 - 931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen
geführten Verfahren gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js 53508/08)
am 30.10.2007 sichergestellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4 erfassten
drei Tonbandkassetten, die im Rahmen dieser Hausdurchsuchung
bei T. Heise sichergestellt wurden und auf denen laut einem von
„TB Molling" erstellten, als Anlage 2 eines Vermerks vom
04.05.2009 (ST 140005/08) erfassten zusammenfassenden Protokoll
unter anderem die Namen „Beate SCHÄFER (phon.) oder
SCHÄDLER (phon.)", „Uwe (oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und
„Udo BÖHMER (phon.)" versehen mit dem Hinweis, die „letztge-
nannten seien verschwunden", erwähnt werden (vgl.
MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-117), befindet sowie,
- sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die da-
rüber hinaus zu dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 bei dem Generalbun-
desanwalt existieren, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministe-
rium der Justiz.
333 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch
Beiziehung
- einer vollständigen Kopie der auf den 04.02.2009 datierten, mit der
Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.: 160004/05 3 Kassetten Dik-
tiergerät Sichergestellt am 30.10.2007" versehenen Mp3-CD, auf der
sich eine Wiedergabe der aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses
des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 08.07.2007 (Az. 6199 Js
214018/05 - 931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen
geführten Verfahren gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js
53508/08) am 30.10.2007 sichergestellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4
erfassten drei Tonbandkassetten, die im Rahmen dieser Hausdurch-
suchung bei T. Heise sichergestellt wurden und auf denen laut einem
von „TB Molling" erstellten, als Anlage 2 eines Vermerks vom
04.05.2009 (ST 140005/08) erfassten zusammenfassenden Protokoll
unter anderem die Namen „Beate SCHÄFER (phon.) oder
SCHADLER (phon.)", „Uwe (oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und
„Udo BÖHMER (phon.)" versehen mit dem Hinweis, die „letztge-
nannten seien verschwunden", erwähnt werden (vgl.
MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-117), befindet sowie
- sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die da-
rüber hinaus zu dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 beim BKA existieren,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.
12.12.2012 13.12.2012 BKA-5
334 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch vorrangige Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesnach-
richtendienst vorhanden sind zu Erkenntnissen über Sachzusam-
menhänge, Organisationsstrukturen und Personen auf dem Gebiet
der internationalen Zusammenarbeit und internationaler Kontakte im
Bereich Rechtsextremismus, soweit diese nicht bereits an den Aus-
schuss übermittelt worden sind, gem. § 18 Abs. PUAG beim Bun-
deskanzleramt.
12.12.2012 13.12.2012 BND-5
335 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Bundestagsdrucksache Drucksache 17/8453), durch
das Ersuchen um Benennung der Personen, die Carsten Szcepanski
("Piato"/"Piatto") im Zeitraum seiner Tätigkeit für den Brandenbur-
ger Verfassungsschutz ganz bzw. zeit- oder vertretungsweise als
12.12.2012 13.12.2012 BB-8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1121 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Vertrauensperson geführt haben, im Wege der Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.
336 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Bundestagsdrucksache Drucksache 17/8453), durch
das Ersuchen um Benennung aller Personen, die den in Pressebe-
richten als solchen bezeichneten V-Mann des BfV "Corelli" ggf. im
Zeitraum seiner Tätigkeit für das Bundesamt für Verfassungsschutz
ganz bzw. zeit- oder vertretungsweise als Vertrauensperson geführt
haben, gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch das Bundesministerium des
Innern.
12.12.2012 13.12.2012 BfV-18
337 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453), durch das Ersuchen um Be-
nennung der Person, die angeblich der Anweisung zur am
11.11.2011 erfolgten Vernichtung von Akten zur Operation Renn-
steig im BfV zunächst widersprochen haben soll gem. § 18 Abs. 1
PUAG durch das Bundesministerium des Innern.
12.12.2012 13.12.2012 BfV-19
338 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übermittlung von Akten aus dem Land
Berlin, vom 19. Dezember 2012.
19.12.2012
339 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übermittlung von Akten zu GBA-4, vom
14.01.2013.
14.01.2013
340 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Übermittlung von Akten zu BKA-2, vom
14.01.2013.
14.01.2013
341 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Dr. Schäfer an Vorsitzenden,
hier: Hinweis auf Fundstellen in Tgb-Nr. 75/12 Geheim, vom 15.
Januar 2013.
15.01.2013
342 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung der vom Generalbundes-
anwalt am 8. November 2012 im Verfahren gegen Beate Zschäpe
und andere beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München
eingereichten Anklageschrift einschließlich einer Übersicht über die
Beweismittel gem. §18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44
Abs. 3 GG beim Vorsitzenden des 6. Strafsenats des Oberlandesge-
richts München.
16.01.2013 17.01.2013 BY-15
343 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung eines Gutachtens - um
dessen Erstellung der Ausschuss ersucht - das,
- wie vom Beauftragten des Bundesministeriums des Innern zur
Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundesamt für Verfassungs-
schutz in seinem auf Bitte des Ausschusses gefertigten ergänzenden
Bericht vorgeschlagen,
- auf der Grundlage auch von technischen Maßnahmen, die nur in
Fremdvergabe durchführbar sind,
- alle noch rekonstruierbaren Daten heranzieht, um die Hintergründe
der Aktenvernichtung und die der Anweisung zur Aktenvernichtung
vorangegangenen Telekommunikationskontakte der mit der Akten-
vernichtung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV
weiter aufzuklären,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministeriums des Innern.
16.01.2013 17.01.2013 BMI-15
344 Der 2. UA möge beschließen: Der an Herrn Prof. Dr. von
Heintschel-Heinegg erteilte Ermittlungsauftrag wird erweitert auf
die zu Beweisbeschluss BB-3 vom Land Brandenburg übermittelten
Unterlagen und Daten.
16.01.2013 17.01.2013
345 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Dr. Schäfer an Vorsitzenden,
hier: Hinweis auf Verfasser des Aktenvermerks MAT A TH-3/5,
vom 17. Januar 2013.
17.01.2013
Drucksache 17/14600 – 1122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
346 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-
Heinegg an den Vorsitzenden, hier: Bitte um weitere Aktenlieferung
vom Generalbundesanwalt zu GBA-4, vom 16. Januar 2013.
21.01.2013
347 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-
Heinegg an den Vorsitzenden, hier: Bitte um weitere Aktenlieferung
vom Generalbundesanwalt zu GBA-4, 29. Januar 2013.
29.01.2013
348 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-
Heinegg an den Vorsitzenden , hier: Information zu MAT A SN-1/2,
vom 30. Januar 2013.
30.01.2013
349 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17(8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger Beweismittel zur Person Carsten S. alias "Piato"/"Piatto",
welche im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz des Landes
Brandenburg vorhanden sind, insb. aus dem Ermittlungsverfahren
sowie im Zusammenhang mit der Anordnung und Durchführung von
Strafvollzugsmaßnahmen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staats-
kanzlei des Landes Brandenburg bei den betreffenden Landesbehör-
den.
30.01.2013 31.01.2013 BB-9
350 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Ersuchen um Benennung der beiden
mutmaßlichen Zivilpolizisten mit Schulterholster, die sich laut der
Erklärung des Herrn Ali Demir vom 14.11.2012 (MAT_B_G-1) am
09. Juni 2004 während des Sprengstoffanschlags in der Keupstr. in
Köln bzw. unmittelbar danach auf Höhe der Hausnr. 37, mithin in
nächster Nähe des Anschlagortes, aufgehalten haben sollen (vgl.
dazu auch das Protokoll der Zeugenvernehmung Behrens, 41. Sit-
zung, 22.11.2012, S. 39 f.), im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG möglichst bis zum 12.02.2013
über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zu-
ständigen Landesbehörde.
30.01.2013 31.01.2013 NW-11
351 Es wird zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages (Drucksache
17/8453) Beweis erhoben zu den Themen
- Zusammenarbeit des LfV TH mit anderen Sicherheitsbehörden in
Verfahren wegen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe
- Bedeutung von V-Personen
durch Vernehmung von Herrn LfV-Präsidenten a. D. Dr. Helmut
Roewer als Zeuge.
30.01.2013 31.01.2013 Z-62
352 Es wird zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages (Drucksache
17/8453) Beweis erhoben zu den Themen
- Zusammenarbeit des LfV TH mit anderen Sicherheitsbehörden in
Verfahren wegen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe
- Bedeutung von V-Personen
durch Vernehmung von Herrn Friedrich Karl Schrader als Zeuge.
30.01.2013 31.01.2013 Z-63
353 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK Michael
Brümmendorf als Zeuge.
30.01.2013 31.01.2013 Z-64
354 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau KHK'in Chris-
tiane Beischer-Sacher als Zeugin.
30.01.2013 31.01.2013 Z-65
355 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn N. W.als Zeu-
ge.
30.01.2013 31.01.2013 Z-66
356 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn R. B. als Zeu-
ge.
30.01.2013 31.01.2013 Z-67
357 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn R. G. als Zeu-
30.01.2013 31.01.2013 Z-68
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1123 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
ge.
358 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn D. B. als Zeu-
ge.
30.01.2013 31.01.2013 Z-69
359 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau N. als Zeugin.
30.01.2013 31.01.2013 Z-70
360 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn EKHK Jürgen
Dressler als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 Z-71
361 Schriftliche Fragen im Anschluss an die Sitzung zur Anhörung am
31.01.2013 - Befragung OStA Mohrmann.
31.01.2013 31.01.2012 Z-57/1
362 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden , hier: Information zu BfV-4 und BfV-5 (Tgb-
Nr. 75/13 VS-Vertraulich), vom 19. Februar 2013.
19.02.2013
363 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Benennung - ergän-
zend zu den mit MAT A SN-6/3 bereits übergebenen Unterlagen -
der Person, die in der Zeit nach dem Untertauchen von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe die Einheit/Dienststelle "Mobiles Einsatz-
kommando" bei der Polizeidirektion Chemnitz geleitet hat bzw. für
die folgenden aus den Akten bekannten Einsätze in Chemnitz ver-
antwortlich war
- 06.05.2000 bis 08.05.2000 Bernhardstraße 11
- 27.09.2000, 20:00 Uhr bis 02.10.2000, 08:56, Berhardstraße 11
- 30.09.2000, 11:50 bis 01.10.2000, 24:00, Observierung Kai S.
- 23.10.2000 zwischen 06.40 und 16:45 Uhr, Observierung Kai S.
im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaates Sachsen bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
20.02.2013 21.02.2013 SN-13
364 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Be-
nennung der Personen, die im Untersuchungszeitraum die Aufgabe
der Leitung der "Fachprüfung für die Beschaffung" wahrgenommen
haben, die im Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesministers
des Innern zur Aufklärung der Aktenvernichtungen im BfV (offene
Fassung, MAT B BfV-2/5) genannt wird gem. § 18 Abs. 1 PUAG
durch das Bundesministerium des Innern.
20.02.2013 21.02.2013 BfV-20
365 Es wird Beweis vorbereitet zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Benennung
- der Person, die in den Jahren 2007 bis 2009 die Aufgabe des Refe-
ratsleiters in dem Referat des BKA wahrgenommen hat, in dem die
"Heise-Bänder" ausgewertet wurden;
- der Person, die innerhalb des zuständigen Referats im BKA die
Aufgabe der Ermittlungsführung für die Auswertung der "Heise-
Bänder" in den Jahren 2007 bis 2009 wahrgenommen hat;
- der Personen, die in der Zeit nach dem 11.04.1998 im BKA mit der
Bearbeitung des Hinweises "Anruf aus Orbe" befasst waren, den das
TLKA mit der Bitte um nähere Feststellungen durch die Schweizer
Bundespolizei an das BKA weitergegeben hatte,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch das Bundesministerium des Innern.
20.02.2013 21.02.2013 BKA-6
366 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Be-
nennung der Personen, die in den Jahren 1995 bis 2005 die folgen-
den Aufgaben wahrgenommen haben:
- Ergänzend zu den mit MAT A BW-3 mitgeteilten Leitern der im
LfV für Rechtsextremismus zuständigen Abteilungen die Leiter der
für Rechtsextremismus und insbes. Auswertung zuständigen Organi-
sationseinheiten innerhalb der genannten Abteilung
- Leiter der Abteilung Staatsschutz im LKA Baden-Württemberg
20.02.2013 21.02.2013 BW-12
Drucksache 17/14600 – 1124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
- die Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisati-
onseinheiten innerhalb der Abt. Staatsschutz des LKA Baden-
Württemberg
- die Leiter der für den Staatsschutz zuständigen Referate bzw. De-
zernate beim Polizeipräsidium Stuttgart
- die Leiter der für Staatsschutz zuständigen Dienststellen bei den
Polizeidirektionen Ludwigsburg und Heilbronn
im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
367 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn EKHK Wolf-
gang Jehle als Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-72
368 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Carsten Külbel als
Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-73neu
369 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK Michael
Andrä als Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-74
370 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau MDgt Christine
Hammann als Zeugin.
20.02.2013 21.02.2013 Z-75
371 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesminis-
ter a. D. Otto Schily als Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-76
372 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Joachim
Tüshaus als Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-77
373 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Dr. Olaf
Vahrenhold als Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-78
374 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Reinhard Boos
als Zeuge.
20.02.2013 21.02.2013 Z-79
375 Die Bundesregierung wird gebeten um einen Bericht über die in den
Geschäftsbereichen der Bundesministerien des Innern, der Justiz,
und der Verteidigung sowie des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend nach dem 4. November 2011 als Kon-
sequenz aus dem Aufdecken der Terrrorgruppe "NSU" sowie der
nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und Versäumnisse ergrif-
fenen Maßnahmen.
27.02.2013
376 Die Ständige Konferenz der Innenminister und
-senatoren der Länder wird gebeten um eine Aufstellung der von ihr
sowie in den Arbeitskreisen II und IV nach dem 4. November 2011
als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe "NSU" sowie
der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und Versäumnisse
gefassten Beschlüsse.
27.02.2013
377 Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister wird gebeten
um eine Aufstellung der von ihr und ihren Arbeitskreisen nach dem
4. November 2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terror-
gruppe "NSU" sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler
und Versäumnisse gefassten Beschlüsse.
27.02.2013
378 Schreiben der Verteidiger von Frau Beate Zschäpe an den Untersu-
chungsausschuss; mit dem Antrag, sämtliche Protokolle über die in
öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen erfolgten Zeugenver-
nehmungen des 2. UA des Deutschen Bundestages, im Wege der
Akteneinsicht, zur Verfügung zu stellen, vom 1. März 2013.
01.03.2013
379 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg 06.03.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1125 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
an Vorsitzenden, hier: Information zu Fundstellen zum BB BfV-4
und BfV-5 und Mitteilung, dass um Zusendung um die benannten
Aktenteile gebeten wurde, vom 5. März 2013 (Tgb-Nr. 82/13 VS-
Vertraulich).
380 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an Vorsitzenden, hier: Information zu Fundstellen zum BB BfV-4
und BfV-5 und Mitteilung, dass um Zusendung um die benannten
Aktenteile gebeten wurde, vom 5. März 2013 (Tgb-Nr. 83/13 VS-
Vertraulich).
06.03.2013
381 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an Vorsitzenden, hier: Information zu A-Drs. 309, 310 und 311
(Ringalarmfahndungen), vom 12. März 2013.
12.03.2013
382 Schreiben des Oberlandesgerichtes München an den Vorsitzenden,
hier: Ersuchen um Unterlagenübersendung, vom 06. März 2013.
12.03.2013
383 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an den Vorsitzenden, hier: Information zu BB BfV-4, vom 13. März
2013.
13.03.2013
384 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg
an Vorsitzenden, hier: Information zu Beweisbeschluss BB-3, vom
13. März 2013 (Tgb-Nr. 180/13 GEHEIM).
18.03.2013
385 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu den auf den „Telefonlisten des
Mundlos“ genannten Personen aus Baden-Württemberg sowie zu
den Kontakten dieser Personen zur rechtsextremen Szene, vor allem
zu führenden Personen
• von „Blood & Honour“ und von vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos & Treu“ und den sog. „Ham-
merskins“ in Baden-Württemberg
• von „Blood & Honour“ aus anderen Bundesländern,
die für längere Zeit oder dauerhaft aus anderen Bundesländern nach
Baden-Württemberg umgezogen sind oder waren welche im Minis-
terium des Innern des Landes Baden-Württemberg, im LfV Baden-
Württemberg sowie im LKA Baden-Württemberg, beim Polizeiprä-
sidium Stuttgart und bei den Polizeidirektionen Ludwigsburg und
Heilbronn vorhanden sind, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Baden-Württemberg bei den betreffenden
Landesbehörden. Soweit Unterlagen dazu bereits vorgelegt wurden,
wird gebeten sie im Zusammenhang nochmals vorzulegen. Um Vor-
lage in Teillieferungen und soweit möglich bis 09.04.2013 wird
gebeten.
21.03.2013 21.03.2013 BW-13
386 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu den auf den „Telefonlisten des
Mundlos“ genannten Personen aus Baden-Württemberg sowie zu
den Kontakten dieser Personen zur rechtsextremen Szene, vor allem
zu führenden Personen
• von „Blood & Honour“ und von vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos & Treu“ und den sog. „Ham-
merskins“ in Baden-Württemberg
• von „Blood & Honour“ aus anderen Bundesländern,
die für längere Zeit oder dauerhaft aus anderen Bundesländern nach
Baden-Württemberg umgezogen sind oder waren welche im Ve-
rantwortungsbereich des Generalbundesanwalts vorhanden sind,
soweit sie der Anklage beim 6. Strafsenat des OLG München nicht
beigefügt sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium
21.03.2013 21.03.2013 GBA-13
Drucksache 17/14600 – 1126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
der Justiz. Um Vorlage soweit möglich bis 09.04.2013 wird gebeten.
387 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellen-
meldungen der V-Person des Polizeipräsidiums Dortmund, die im
Jahr 2006 zu Toni Stadler berichtet hat, einschließlich ihrer Quel-
lenmeldungen vom 23.11.2011 und 01.12.2011 (vgl. MAT A NW-
6f, Bl. 190 ff., 193) gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staats-
kanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen Lan-
desbehörde. Soweit Unterlagen dazu bereits mit MAT A NW-6f und
MAT A NW-6g vorgelegt wurden, wird gebeten, sie im Zusammen-
hang nochmals vorzulegen. Um Vorlage in Teillieferungen und
soweit möglich bis 09.04.2013 wird gebeten.
21.03.2013 21.03.2013 NW-12
388 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu dem konkreten Einsatzauftrag
und Einsatzverlauf am 9. Juni 2004 für die beiden Polizisten, die
sich als Hundeführer laut telefonischer Auskunft des Ministeriums
für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen
(MAT A NW-11/1) zum Zeitpunkt des Nagelbombenanschlages in
der Keupstraße in Köln als „normale“ motorisierte Funkstreife in der
Schanzenstraße aufgehalten haben und sich, nachdem um 15.58 Uhr
ein Notruf eingegangen sei, ohne ihre Hunde in die Keupstraße be-
geben und dort Erste Hilfe geleistet haben, einschließlich dem Ein-
satzprotokoll, Einsatzbericht und Protokollen etwaiger interner
(Nach-)Befragungen der beiden Polizisten,
im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen
bei der zuständigen Landesbehörde bis spätestens 05.04.2013.
21.03.2013 21.03.2013 NW-13
389 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu Anordnung, Anordnungsgrün-
den, genauem Einsatzauftrag, Einsatzmodalitäten und Einsatzverlauf
sämtlicher Hausdurchsuchungen, die am 9. Juni 2004 in Wohnungen
von Anwohnern der Keupstraße in Köln durchgeführt wurden, im
Wege der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.
3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei
der zuständigen Landesbehörde bis spätestens 05.04.2013.
21.03.2013 21.03.2013 NW-14
390 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Ersuchen um Benennung des- bzw.
derjenigen Amtsträger, die laut Brief einer Betroffenen an den
2. Untersuchungsausschuss vom 13.03.2013 am 9. Juni 2004 ange-
ordnet haben, deren Wohnung in der Keupstraße in Köln zu durch-
suchen, wobei von der Polizei zwei Wohnungstüren aufgebrochen
wurden und die Maßnahme nach Angabe der Betroffenen, die sich
zum Zeitpunkt der Durchsuchung zusammen mit ihrem siebenjähri-
gen Sohn in der Wohnung aufhielt und sich während der Durchsu-
chung nicht bewegen durfte, damit begründet worden sei, dass sie
verdächtigt werde, eine Bombe gelegt zu haben, im Wege der Amts-
hilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen
Landesbehörde bis spätestens 05.04.2013.
21.03.2013 21.03.2013 NW-15
391 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4,
durch Vernehmung von Herrn RD Gabaldo als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-82
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1127 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
392 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau ORR'in Bettina
Neumann als Zeugin.
21.03.2013 21.03.2013 Z-83
393 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident a. D.
Dr. Helmut Rannacher als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-84
394 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KD Joachim
Rück als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-85
395 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau EKHK’in Bau-
mert als Zeugin.
21.03.2013 21.03.2013 Z-86
396 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK P. S. als
Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-87
397 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn DLKA a. D.
Peter Michael Haeberer als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-88
398 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Staatssekretär
Bernd Krömer als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-89
399 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von N. N. als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-90
400 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK Dirk
Spliethoff als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-91
401 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn PHK Peter
Baumeister als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-92
402 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn PK Stefan Voß
als Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-93
403 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Gundlach als
Zeuge.
21.03.2013 21.03.2013 Z-94
404 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1
PUAG gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Lis-
te“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrie-
ben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.
14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011
beim Bundesnachrichtendienst als sogenannte „V-Personen“ einge-
setzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 BND-6
405 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bundesministerium des Innern gemäß §
18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob
– und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem
Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er
21.03.2013 21.03.2013 BMI-16
Drucksache 17/14600 – 1128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012,
Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu
Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 bei einer seiner nachgeordneten Behörden als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt war.
406 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bundesministerium der Verteidigung
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu
geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-
nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.
Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 beim Militärischen Abschirmdienst als sogenann-
te „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 MAD-7
407 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Baden-
Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des
Landes Baden-Württemberg gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft
zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-
nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.
Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Baden-
Württemberg als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 BW-14
408 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Bayerische Staatsministerium des Innern
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei gebe-
ten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls
wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben be-
kannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwi-
schenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben)
aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.
14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei
Polizei oder Verfassungsschutz in Bayern als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 BY-16
409 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
21.03.2013 21.03.2013 BE-5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1129 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
und der Länder – wird die Senatsverwaltung für Inneres und Sport
des Landes Berlin im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei des
Landes Berlin gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob –
und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem
Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er
Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012,
Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu
Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Berlin als sogenannte
„V-Personen“ eingesetzt waren.
410 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium des Innern des Landes Bran-
denburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes
Brandenburg gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob –
und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem
Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er
Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012,
Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu
Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Brandenburg als soge-
nannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 BB-11
411 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird der Senator für Inneres und Sport der Freien
Hansestadt Bremen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der
Freien Hansestadt Bremen gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu
geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-
nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012,
11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner
Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis
zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Bre-
men als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 HB-4
412 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird die Behörde für Inneres und Sport der Freien
und Hansestadt Hamburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senats-
kanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg gebeten, bis 12. April
2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen
Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte
21.03.2013 21.03.2013 HH-7
Drucksache 17/14600 – 1130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
„100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18.
Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu
irgendeiner Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungs-
schutz in Hamburg als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
413 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium des Innern und für Sport des
Landes Hessen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staats-
kanzlei gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Lis-
te“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrie-
ben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.
14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei
Polizei oder Verfassungsschutz in Hessen als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 HE-7
414 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Mecklenburg-Vorpommern im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gebeten,
bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Aus-
schuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich
sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt wer-
den (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-
Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei
Polizei oder Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern als
sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 MV-8
415 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Niedersachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Niedersachsen gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu
geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-
nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.
Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Nieder-
sachsen als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 NI-4
416 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu- 21.03.2013 21.03.2013 NW-16
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1131 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Kommuna-
les des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen gebeten, bis 12.
April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele
der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen
Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte
„100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18.
Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu
irgendeiner Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungs-
schutz in Nordrhein-Westfalen als sogenannte „V-Personen“ einge-
setzt waren.
417 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz gebeten, bis 12.
April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele
der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen
Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte
„100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18.
Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu
irgendeiner Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungs-
schutz in Rheinland-Pfalz als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.
21.03.2013 21.03.2013 RP-4
418 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Saarlands im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saar-
lands gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und ge-
gebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf
der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben)
aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.
14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei
Polizei oder Verfassungsschutz im Saarland als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 SL-4
419 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Staatsministerium des Innern des Frei-
staats Sachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.
4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanz-
lei gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
21.03.2013 21.03.2013 SN-14
Drucksache 17/14600 – 1132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
nenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der
dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwi-
schenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben)
aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.
14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei
Polizei oder Verfassungsschutz in Sachsen als sogenannte „V-Perso-
nen“ eingesetzt waren.
420 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Sachsen-Anhalt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Sachsen-Anhalt gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu
geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-
nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.
Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Sachsen-
Anhalt als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 ST-4
421 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Schleswig-
Holstein im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes
Schleswig-Holstein gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,
ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter
fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.
Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Schleswig-
Holstein als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 21.03.2013 SH-4
422 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder – wird das Innenministerium des Freistaats Thürin-
gen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats
Thüringen gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-
schreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Lis-
te“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrie-
ben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.
14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-
chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei
21.03.2013 21.03.2013 TH-13
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1133 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Polizei oder Verfassungsschutz in Thüringen als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
423 Schreiben der Verteidiger von Frau Beate Zschäpe an den Vorsit-
zenden, hier: mit der Bitte um Einsicht in die endgültigen Protokol-
le, vom 25. März 2013 (zu A-Drs. 378), vom 25. März 2013.
26.03.2013
424 Abschlussbericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-
Heinegg, mit Schreiben vom 25. März 2013 (Tgb-Nr. 185/13
GEHEIM).
27.03.2013
425 Schreiben vom Oberlandesgericht München an den Vorsitzenden,
hier: Ersuchen um Protokollübersendung vor dem Abschluss der
Beweisaufnahme im Juni, vom 27. März 2013 (vgl. A-Drs. 382 +
432).
04.04.2013
426 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 11. April 2013. 10.04.2013
427 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Ersuchen um möglichst baldige Benennung der
- V-Personen-Führer der V-Personen des BfV mit der vom Ermitt-
lungsbeauftragten des Ausschusses vergebenen Bezeichnung Q2 und
Q3 in den Jahren 1997 bis 2002,
- der Personen, die im BfV für die Auswertung der von den Quellen
Q1, Q2 und Q3 gelieferten Informationen über die rechtsextreme
Szene in Sachsen und Thüringen zuständig waren und gegebenen-
falls Aufträge zur weiteren Aufklärung an die Beschaffung gegeben
haben oder hätten geben können,
- der Personen, die in den Jahren 1998 bis 2002 im BfV für die
Auswertung von Informationen in Bezug auf das untergetauchte
Trio zuständig und gegebenenfalls für die Steuerung von Beschaf-
fungsaufträgen hierzu verantwortlich waren oder gewesen wären,
- der Person, die im BfV dafür verantwortlich war, dass die Informa-
tion über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen das Trio
in die Vorbereitung des Vizepräsidenten des BfV für die nachrich-
tendienstliche Lage am 23. September 2003 aufgenommen wurde
sowie
- der Personen, die im BfV dafür verantwortlich waren, dass Infor-
mationen über das untergetauchte Trio im Jahr 2004 in das BfV-
Spezial Nr. 19 aufgenommen wurden, durch das Bundesministerium
des Innern.
12.04.2013 15.04.2013 BfV-21
428 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen
aus dem BfV, in denen Aufträge der Auswertungseinheiten an die
Beschaffungseinheiten dokumentiert sind, die auf die Gewinnung
von Informationen über das abgetauchte Trio und sein Umfeld durch
vom BfV geführte Quellen (z. B. Lichtbildvorlagen o. ä.) zielten,
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern, mit
der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 03.05.2013,
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
12.04.2013 15.04.2013 BfV-22
429 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen
aus dem BfV, in denen Aufträge der Auswertungseinheiten an die
Beschaffungseinheiten dokumentiert sind, die auf die Gewinnung
von sämtlichen Unterlagen aus den Ermittlungsverfahren des GBA
gegen Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf
den ehemaligen V-Mann „Primus“ beziehen, insbesondere des Pro-
tokolls der zweiten Zeugenvernehmung des „Primus“ sowie der
Unterlagen, die Anlass für diese zweite Zeugenvernehmung waren,
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz, mit
der Bitte um
12.04.2013 15.04.2013 GBA-14
Drucksache 17/14600 – 1134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 03.05.2013;
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
430 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen
aus den Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen
Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf Toni
S. beziehen, insbesondere etwaige Befragungsprotokolle, Un-
terlagen, die Anlass für etwaige Zeugenvernehmungen waren, sowie
zusammenfassende Berichte oder Vermerke über den Ermittlungs-
stand, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Jus-
tiz, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 03.05.2013;
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
12.04.2013 15.04.2013 GBA-15
431 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen
aus den Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen
Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf Peter
K. beziehen, insbesondere etwaige Befragungsprotokolle, Un-
terlagen, die Anlass für etwaige Zeugenvernehmungen waren, sowie
zusammenfassende Berichte oder Vermerke über den Ermittlungs-
stand, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Jus-
tiz, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 03.05.2013;
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
12.04.2013 15.04.2013 GBA-16
432 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung folgender Unterlagen
aus dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen
Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a.:
- Ermittlungsbericht zu Enrico T. vom 07.03.2012,
- Sachstandsbericht zu Bernd T. vom 05.07.2012,
- nach der Vollständigkeitserklärung vom 17.01.2013 (BMJ) bezie-
hungsweise 11.01.2013 (GBA) entstandene Unterlagen zum Be-
weisbeschluss GBA-12 („Heise-Bänder“) gemäß § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz, mit der Bitte um Übersendung
an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit bis 17.04.2013.
12.04.2013 15.04.2013 GBA-17
433 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Quellenmeldungen sämt-
licher V-Personen der Abteilung Verfassungsschutz des Ministe-
riums für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen im Zu-
sammenhang mit der Jahresabschlussfeier der freien Kräfte Köln in
der Gaststätte Alt-Gymnich am 06.11.2009 gemäß § 18 Abs. 1
PUAG im Wege der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen Landesbehörde mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 22.04.2013;
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
12.04.2013 15.04.2012 NW-17
434 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
12.04.2013 15.04.2013 BE-6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1135 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
sonstiger sächlicher Beweismittel, alle Treffberichte und sonstigen
Quellenmeldungen diejenigen V-Personen des LKA Berlin be-
treffend, die vom Staatssekretär für Inneres des Landes Berlin in
seinem Schriftsatz an den Untersuchungsausschuss vom 06.11.2012
auf Seite 2 (MAT A BE-3/3) oben erwähnt werden, zu denen aber
vom Land Berlin noch keine Unterlagen an den Ausschuss überge-
ben sind, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der Amtshilfe gemäß
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Berlin bei der zuständigen Landesbehörde, mit der Bitte
– da die Unterlagen ja vom Land Berlin bereits angeboten wurden –
um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 18.04.2013.
435 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 15. April 2013. 15.04.2013
436 Schreiben vom Oberlandesgericht München an den Vorsitzenden,
hier: Ersuchen um Übersendung der sog. 129er Liste, vom 04. April
2013.
15.04.2013
437 Schreiben des sächsischen Landtages an den Vorsitzenden, hier:
Ersuchen um Protokollübersendung, vom 28. März 2013.
11.04.2013
438 Tätigkeitsbericht der Ermittlungsbeauftragten Dr. Gerhard Schäfer,
Volkhard Wache, Ulrich Hebenstreit, vom 23. April 2013.
23.04.2013
439 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung folgender Unterlagen
aus dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen
Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a.:
- Vernehmung der Sylvia F., geborene E.,
- Vernehmung des Maik F.
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz, mit
der Bitte um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach
Möglichkeit bis 03.05.2013.
24.04.2013 25.04.2013 GBA-18
440 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453),
insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von
Herrn Richard Kaldrack als Zeuge.
24.04.2013 25.04.2013 Z-95
441 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453),
insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von
Herrn Sebastian Egerton als Zeuge.
24.04.2013 25.04.2013 Z-96
442 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453),
insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von
Herrn Bernd Kippenborck als Zeuge.
24.04.2013 25.04.2013 Z-97
443 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453),
insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von
Herrn R. Gr. als Zeuge.
24.04.2013 25.04.2013 Z-98
444 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern des Landes Ba-
den-Württemberg in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über das Staatsministerium des Landes BW bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 BW-15
445 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT- 24.04.2013 25.04.2013 BY-17
Drucksache 17/14600 – 1136 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern des Freistaates
Bayern in den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992
bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Bayerische Staatskanzlei bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
446 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin in den
während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei
des Landes Berlin bei der zuständigen obersten Landesbehörde, mit
der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 BE-7
447 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg in den wäh-
rend des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehör-
de, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 BB-12
448 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
des Geschäftsbereichs des Senators für Inneres und Sport der Freien
Hansestadt Bremen in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien Hansestadt Bremen bei
der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 HB-5
449 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
des Geschäftsbereichs der Behörde für Inneres und Sport der Freien
und Hansestadt Hamburg in den während des Untersu-
chungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen
24.04.2013 25.04.2013 HH-8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1137 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien und
Hansestadt Hamburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde,
mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
450 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
des Geschäftsbereich des Ministeriums des Inneren und für Sport
des Landes Hessen in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 HE-8
451 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-
Vorpommern in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-
Vorpommers bei der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der
Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 MV-9
452 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen in
den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis
08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes Niedersachsen bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 NI-5
453 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes
Nordrhein-Westfalen in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen
24.04.2013 25.04.2013 NW-18
Drucksache 17/14600 – 1138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
bei der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
454 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes
Rheinland-Pfalz in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz bei
der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 RP-5
455 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
im Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres, Kultur und Euro-
pa des Saarlandes in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saarlandes bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 SL-5
456 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
im Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Inneren des Frei-
staats Sachsen in den während des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 SN-15
457 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden im Geschäftsbereich des
Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt in
den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis
08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 ST-5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1139 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
458 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung
für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs
des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein in den wäh-
rend des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Schleswig-Holstein bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 SH-5
459 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-
wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden
im Geschäftsbereich des Innenministeriums des Freistaates Thürin-
gen in den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis
08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-
gen.
24.04.2013 25.04.2013 TH-14
460 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellenmeldungen
der V-Person "KROKUS" des Landesamtes für Verfassungsschutz
Baden-Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
24.04.2013 25.04.2013 BW-16
461 Vermerk über Telefonat mit dem Bundeskriminalamt, EG "Trio" am
29.04.2013.
29.04.2013
462 Schreiben der Vorsitzenden der Konferenz der Justizministerinnen
und Justizminister an den Vorsitzenden vom 29. April 2013.
29.04.2013
463 Bericht des Bundesministeriums des Innern über die nach dem Auf-
decken des Trios ergriffenen Maßnahmen, mit Schreiben vom 26.
April 2013.
30.04.2013
464 Schreiben der Bundesministerin der Justiz an den Vorsitzenden, mit
Vorschlägen für Konsequenzen nach der Aufdeckung des Trios,
vom 25. April 2013.
30.04.2013
465 E-Mail mit der Bitte von PHOENIX, eine Kamera während der
öffentlichen Sitzung am 16. Mai 2013 im Sitzungssaal aufzustellen.
07.05.2013
466 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 13. Mai 2013. 10.05.2013
467 Schreiben des MdB Wolff an das Bundesministerium des Innern,
betreffend: Betriebliches Attest für den Zeugen Kippenborck, vom
10. Mai 2013.
10.05.2013
468 Vermerk über Telefonat mit AL’n II BfV, Frau Büddefeld, betref-
fend: Protokoll über kommissarische Vernehmung N. Herabstufung,
vom 13. Mai 2013.
13.05.2013
469 Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453), insbesondere zu Abschnitt III., durch Beiziehung sämtli-
cher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die
10.05.2013 13.05.2013 BKA-7
Drucksache 17/14600 – 1140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
a) die aktuelle Konzeption des BKA für die Aus- und Fortbildung
von Polizeibeamtinnen und -beamten im Bereich politisch motivierte
Kriminalität (Basisausbildung) und politisch motivierte Kriminalität
– rechts (Aufbaulehrgang) betreffen,
b) die aktuelle Konzeption des BKA für die Aus- und Fortbildung
von Polizeibeamtinnen und -beamten im Bereich „interkulturelle
Kompetenz“ betreffen, jeweils insbesondere zu den Ausbildungsin-
halten, beim Bundesministerium des Innern gemäß § 18 Abs. 1
PUAG möglichst bis 15.5.2013.
470 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die
a) das tätig werden des Verbindungsbeamten des Bun-
deskriminalamtes in Bern im Zusammenhang mit der Anfrage des
Thüringer Landeskriminalamtes wegen eines Anrufes aus einer
Telefonzelle in Orbe/Yverdon bzw. Concise (Schweiz) im April
1998 betreffen, insbesondere sämtliche Rückmeldungen von
Schweizer Behörden,
b) den Informationsaustausch zwischen Interpol Bern und dem Bun-
deskriminalamt als nationales Zentralbüro für die Internationale
Kriminalpolizeiliche Organisation (IKPO-Interpol) im Zusammen-
hang mit der Fahndung nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe
betreffen, und die im Organisationsbereich des Bundeskriminalam-
tes im Untersuchungszeitraum (26.1.1998 bis 8.11.2011) vorhanden
waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam be-
finden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
10.05.2013 13.05.2013 BKA-8
471 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung der Akten des BKA, die
im Untersuchungszeitraum entstanden sind oder sich auf den Unter-
suchungszeitraum beziehen und nach der dem Ausschuss als MAT
A BMI-1/3 übermittelten Übersicht über Aktenbestände des BKA
innerhalb der „Ablagestruktur ST 13 – 1. und 2. Ebene“ in der Ak-
tenkennziffern-Gruppe „087 000 - 087 399 Organisationen“ unter
der Aktenkennziffer „087 012-05 Die Artgemeinschaft - Germani-
sche Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.
(AGG)“ erfasst sind, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim BMI, mit der
Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 01.06.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung gegebenenfalls bereits über-
gebener Unterlagen.
10.05.2013 13.05.2013 BKA-9
472 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus den Geschäftsbereichen der
Ministerien für Inneres und für Justiz des Landes Rheinland-Pfalz zu
dem oder den gegen André Eminger, Jens T. und andere geführten
Verfahren wegen anlässlich eines Volksfestes in 67304 Kerzenheim
am 26.06.2011 begangener Delikte gemäß § 18 Abs. 1 PUAG im
Wege der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz bei
den zuständigen Landesbehörden mit der Bitte
- um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglich-
keit bis 01.06.2013;
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
10.05.2013 13.05.2013 RP-6
473 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag 10.05.2013 13.05.2013 SN-16
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1141 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Geschäftsbereich des
Ministeriums für Justiz des Freistaates Sachsen zu dem gegen Beate
Zschäpe geführten Verfahren wegen Kinderpornografie im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde mit der Bitte
- um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglich-
keit bis 01.06.2013;
- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-
sammenhang.
474 Es wird ergänzend zum BB BY-14 vom 13.12.2012 Beweis erhoben
zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs. 17/8453) durch Bei-
ziehung von Teilen aus den durch den GBA mit der Anklage gegen
B. Zschäpe, R. Wohlleben und andere dem 6. Strafsenat des OLG
München übermittelten Akten. Das Plenum der 17. WP des Deut-
schen Bundestags hat am 26. Januar 2012 beschlossen, einen zwei-
ten Untersuchungsausschuss einzurichten und ihm unter anderem die
folgenden Aufgaben gestellt:
- Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamtbild verschaffen
zur Terrorgruppe ,,Nationalsozialistischer Untergrund" […];
- Der Untersuchungsausschuss soll dazu klären, welche Informatio-
nen den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden vom 01.01.1992 bis
zum 08.11.2011 zu den Personen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
und Beate Zschäpe, zu den sie unterstützenden Personen und Orga-
nisationen sowie zu den der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund" oder ihren Mitgliedern zugeordneten Straftaten vorla-
gen oder bei sachgerechtem Vorgehen hätten vorliegen müssen, wie
diese Erkenntnisse jeweils in den Behörden bewertet wurden, wie
sie ggf. zum damaligen Zeitpunkt sachgerecht hätten bewertet wer-
den müssen und welche Aktivitäten durch die Behörden hinsichtlich
dieser Person und Straftaten jeweils erfolgten oder bei sachgerech-
tem Vorgehen hätten erfolgen müssen. […]
- Der Untersuchungsausschuss soll insbesondere klären, […] in
welcher Weise Kontakte der Mitglieder der Gruppe, die jetzt als
Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" bekannt ist, zu
rechtsextremen und rechtsextremistischen Personen, Kreisen oder
Organisationen dazu beigetragen haben, ihr terroristisches Handeln
vorzubereiten oder zu fördern; […]
Aufgrund dieses Auftrags werden gem. Art. 44 Abs. 3 GG im Wege
der Rechts- und Amtshilfe vom 6. Strafsenat des OLG München
Aktenteile angefordert, die nach den bisherigen Ergebnissen der
Beweisaufnahme im 2. UA erforderlich sind, um das Gesamtbild zur
Terrorgruppe ,,NSU", ihren Mitgliedern und Taten, ihrem Umfeld
und ihren Unterstützern zu überprüfen: -
- Vernehmungen des Jürgen H. vom 28.02.2012 und 14.03.2012;
- Vernehmung oder Vernehmungen des Thomas R. vom 13.03.2013;
- Vernehmung des André Kapke vom 25.11.2011 – sowie weitere,
falls geführt;
- Vernehmungen des André Eminger vom 06.11.2011 – sowie weite-
re, falls geführt;-
- Vermerk „Telefonat mit Anja S., geb. H.“ vom 29.02.2012; -
- Vernehmung oder Vernehmungen des Maik E. seit dem
08.11.2011; -
- Vernehmung der Susann E. vom 06.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt; -
- abschließender BKA-Sachstandbericht zu Susann E. vom
15.06.2012; -
15.05.2013 16.05.2013 BY-14/1
Drucksache 17/14600 – 1142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
- Vernehmungen der Mandy Struck vom 21.11.2011, 15.12.2011,
16.12.2011 und 14.03.2012; -
- abschließender BKA-Sachstandbericht zu Mandy Struck; -
- Vernehmungen des Carsten Schultze vom 01.02.2012, 02.02.2012,
06.02.2012 und 15.02.2012; -
- Vernehmungen des Max-Florian Burkhardt vom 05.01.2012 und
14.03.2012;
- Vernehmung des Holger Gerlach vom 12.01.2012.
Der Ausschuss dankt dem Generalbundesanwalt für die Bereitschaft,
die Übermittlung organisatorisch abzuwickeln. Der Ausschuss bittet
mit Blick auf die Erstellung des Abschlussberichts und das bevor-
stehende Ende der Wahlperiode um Übermittlung bis zum
31.05.2013.
475 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten, die
den Untersuchungsgegenstand betreffen und die im Organisations-
bereich des Generalbundesanwaltes nach dem 08.11.2011 entstan-
den oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind bzw.
für die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478
StPO nach § 142a, § 120a GVG erlangt hat, unabhängig davon, wo
die Beweismittel körperlich aufbewahrt werden, soweit sie sich
inhaltlich auf den Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis
08.11.2011) beziehen, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Justiz, mit der Maßgabe, dass ergänzend zu den bereits
übergebenen Unterlagen nur solche Dokumente tatsächlich zu über-
mitteln sind, die nicht an das OLG München übersandt wurden und
die wegen ihrer Erforderlichkeit für die Erstellung des Abschlussbe-
richts vom Sekretariat des Ausschusses angefordert werden.
15.05.2013 16.05.2013 GBA-
4neu
476 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Thü-
ringer Justizministeriums vorhanden sind zum Vollzug von Untersu-
chungshaft gegen Uwe Böhnhardt (geboren am 01.10.1977 in Jena)
– insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im Untersuchungs-
zeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Thü-
ringer Staatskanzlei.
15.05.2013 16.05.2013 TH-15
477 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-
nisteriums der Justiz des Landes Baden-Württemberg vorhanden
sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen M.M. F.
(geb. 16.3.1975 in Schlema) – insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg.
15.05.2013 16.05.2013 BW-17
478 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des
Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen M. M. F.
(geb. 16.3.1975 in Schlema) – insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des
15.05.2013 16.05.2013 SN-17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1143 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats Sachsen.
479 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Nie-
dersächsischen Justizministeriums vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft und freiheitsbeschränkenden Strafvollstre-
ckungsmaßnahmen gegen Thorsten Heise (geboren 23.06.1969 in
Göttingen) – insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im
Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Niedersächsische Staatskanzlei.
15.05.2013 16.05.2013 NI-6
480 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Thü-
ringer Justizministeriums vorhanden sind zum Vollzug von Untersu-
chungshaft und freiheitsbeschränkenden Straf-
vollstreckungsmaßnahmen gegen Thorsten Heise (geboren
23.06.1969 in Göttingen) – insbesondere der Gefangenenpersonalak-
ten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Thüringer Staatskanzlei.
15.05.2013 16.05.2013 TH-16
481 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des
Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Mirko H.
(geboren 15.10.1975 in Sebnitz) – insbesondere der Gefange-
nenpersonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats
Sachsen.
15.05.2013 16.05.2013 SN-18
482 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des
Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Ralf M.
(geboren 23.08.1971 in Plauen) – insbesondere der Gefangenenper-
sonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats Sachsen.
15.05.2013 16.05.2013 SN-19
483 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-
nisteriums der Justiz des Landes Baden-Württemberg vorhanden
sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Torsten O.
(geboren am 13.10.1967 in Heilbronn) – insbesondere der Gefange-
nenpersonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-
Württemberg.
15.05.2013 16.05.2013 BW-18
Drucksache 17/14600 – 1144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
484 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des
Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Kay S. (ge-
boren am 13.11.1974 in Crimmitschau) – insbesondere der Ge-
fangenenpersonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Frei-
staats Sachsen.
15.05.2013 16.05.2013 SN-20
485 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-
nisteriums der Justiz des Landes Brandenburg vorhanden sind zum
Vollzug von Untersuchungshaft und freiheitsbeschränkenden Straf-
vollstreckungsmaßnahmen gegen Toni S. (geboren am 21.09.1974 in
Guben) – insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im Untersu-
chungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens um Amts-
hilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg.
15.05.2013 16.05.2013 BB-13
486 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-
nisteriums der Justiz des Landes Brandenburg vorhanden sind zu
staatsanwaltlichen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere zu Haus-
durchsuchungen, Vernehmungen und Freiheitsbeschränkungen,
sowie zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheitsbeschrän-
kenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Carsten Szczepanski
(„Piatto“) – insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im Unter-
suchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes Brandenburg.
15.05.2013 16.05.2013 BB-14
487 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung
1. einer vollständigen Fassung des dem Untersuchungsausschuss
bisher nur in Auszügen vorgelegten Berichts der Bund-Länder-
Projektgruppe „Evaluierung des Definitionssystems PMK“ vom
04.09.2002 (vgl. MAT A IMK-1/5b),
2. des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe PMK-rechts vom
01.02.2010,
3. des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Qualitätskontrolle
PMK“ (Datum unbekannt),
4. der Sonderauswertungen zu PMK-rechts vom 23.03.2011 sowie
ggf. Folgende,
5. der „Trendscoutberichte PMK-rechts“ nach der Ex-
pertenbefragung vom 01.08.2008,
6. der Sofortmaßnahmen in Fällen PMK von länderübergreifender,
bundesweiter und internationaler Bedeutung (Maßnahme 300)
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsitzenden der Ständigen Konfe-
renz der Innenminister und Innensenatoren der Länder (IMK). Der
Ausschuss ersucht zudem, ihm die folgenden Dokumente zur
Kenntnisnahme zur Verfügung zu stellen:
1. Berichte zur „Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität
– Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen, Erhebung
von statistischem Basismaterial vom 02.03.2012 und 24.08.2012
15.05.2013 16.05.2013 IMK-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1145 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
sowie den diesbezüglichen Beschluss der AG Kripo vom
12./13.09.2012,
2. Beschlussvorschlag des Innenministers des Landes Nordrhein-
Westfalen zur statistischen Erfassung der von extremistischen Per-
sonen begangenen Straftaten der Allgemeinkriminalität (Anpassung
der statistischen Erfassungsgrundlagen) vom 08.11.2012.
488 Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,
mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 23. Mai
2013.
23.05.2013
489 Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden, vom 28. Mai 2013.
28.05.2013
490 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der
Bitte um Übersendung von Dokumenten zum neu gefassten Beweis-
beschluss GBA-4neu, vom 4. Juni 2013.
04.06.2013
491 Schreiben des BMI an das Sekretariat, betreffend die Vorlage von
Zeugenvernehmungsprotokolle im Wege der Amtshilfe an das OLG
München, vom 31. Mai 2013.
03.06.2013
492 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der
Bitte um Übersendung von weiteren Dokumenten zum neu gefassten
Beweisbeschluss
GBA-4neu, vom 10. Juni 2013.
10.06.2013
493 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-
nisteriums des Innern des Landes Brandenburg vorhanden sind, über
Erkenntnisse zu folgenden Teilnehmern der 20-Jahresfeier der
"Vandalen" am 28.9.2002 in Berlin: Maik E., Hendrik L., Michael
P., B. W. und Peter B.; soweit sie nicht aufgrund früherer Beweisbe-
schlüsse bereits vorgelegt wurden, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Brandenburg mit der Bitte um Vorlage
möglichst bis zum 28.6.2013.
11.06.2013 13.06.2013 BB-15
494 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Se-
nators für Inneres und Sport des Landes Berlin vorhanden sind, über
Erkenntnisse zu folgenden Teilnehmern der 20-Jahresfeier der
"Vandalen" am 28.9.2002 in Berlin: Maik E., Hendrik L., Michael
P., B. W. und Peter B.; soweit sie nicht aufgrund früherer Beweisbe-
schlüsse bereits vorgelegt wurden, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Senatskanzlei des Landes Berlin mit der Bitte um Vorlage mög-
lichst bis zum 28.6.2013.
11.06.2013 13.06.2013 BE-8
495 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu einem Werbungsvorgang
"Dehli" des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaates Thüringen mit
der Bitte um Vorlage möglichst bis zum 28.6.2013.
11.06.2013 13.06.2013 TH-17
496 Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453), insbesondere zu Abschnitt III. durch Beiziehung der Be-
richte
1. "Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit / Partner in der
Mitte der Gesellschaft" (Stand: 24.04.2013)
2. "Personal, Aus- und Fortbildung, Akademie für Ver-
11.06.2013 13.06.2013 IMK-3
Drucksache 17/14600 – 1146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
fassungsschutz" (Stand: 22.04.2013)
3. "Standardisierung des VP-Einsatzes und Einrichtung einer zentra-
len VP-Datei -VS-Vertraulich-" (Stand: 25.03.2013)
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsitzenden der Ständigen Konfe-
renz der Innenminister und Innensenatoren der Länder (IMK) mit
der Bitte um Vorlage möglichst bis zum 28.06.2013.
497 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der
Bitte um Übersendung von weiteren Dokumenten zum neu gefassten
Beweisbeschluss GBA-4neu, vom 13. Juni 2013.
13.06.2013
498 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der
Bitte um Übersendung von weiteren Dokumenten zum neu gefassten
Beweisbeschluss GBA-4neu, vom 21. Juni 2013.
21.06.2013
499 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung einer Aufstellung, aus der
sich ergibt, wie viele "Treffer" jeweils eine Recherche in der vom
BKA geführten Datei "Tatmittelmeldedienst Spreng- und Brandvor-
richtungen" ergeben hätte für die Abfrage von Fällen seit Bestehen
der Datei bis 21.1.2001 sowie bis 9.6.2004, jeweils nach den Kriteri-
en
- (mutmaßlicher) männlicher Täter sowie
- (mutmaßlicher) männlicher Täter in Kombination mit rechtsradika-
ler/ rechtsextremistischer Bekennung oder Zuordnung und zwar
einerseits bei einer Suche in der gesamten Datei, andererseits bei
einer Suche in Verbindung mit funktionsfähigen Sprengstoffvorrich-
tungen als Tatmittel gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium des Innern.
24.06.2013 24.06.2013 BKA-10
500 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu Robin S., der im Briefwechsel
mit Beate Zschäpe steht, gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen Landesbehörde.
24.06.2013 24.06.2013 NW-19
501 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellen-
meldungen von Sebastian S. gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen Landesbehörde.
24.06.2013 24.06.2013 NW-20
502a Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - AG Kripo,
vom 21. Juni 2013.
25.06.2013
502b Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Kommission
Staatsschutz (KST), vom 21. Juni 2013.
25.06.2013
502c Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Unteraus-
schuss Polizeiliche Informations- und Kommunikationsstrategie und
-technik (UA IuK), vom 21. Juni 2013.
25.06.2013
502d Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und - 25.06.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1147 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Unteraus-
schuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK),
vom 21. Juni 2013.
502e Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Unteraus-
schuss Recht und Verwaltung (RV), vom 21. Juni 2013.
25.06.2013
502f Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Projektlei-
tung Polizeiliche Kriminalitätsprävention (PL PK), vom 21. Juni
2013.
25.06.2013
502g Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz
aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-
denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Vorschrif-
tenkommission (VK), vom 21. Juni 2013.
25.06.2013
503 Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen an das
Sekretariat des 2. Untersuchungsausschusses, betreffend: die Rück-
gabe von Akten, vom 21. Juni 2013.
27.06.2013
504 Schreiben des Staatsministeriums des Innern des Freistaates Sachsen
an das Sekretariat, betreffend: die Vorlage des Vernehmungsproto-
kolls Tüshaus im Wege der Amtshilfe an das OLG München, vom
27. Juni 2013.
02.07.2013
505 Schreiben des Rechtsanwalts Khubaib-Ali Mohammed, Vertreter
von G. I. P., an den Vorsitzenden, betreffend: Einsicht in die Proto-
kolle der 74. Sitzung, vom 1. Juni 2013.
02.07.2013
506 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,
betreffend die Vorlage von Zeugenvernehmungsprotokollen im
Wege der Amtshilfe an das OLG München, vom 8. Juli 2013.
11.07.2013
507 Entwurf Feststellungsteil - Stand: 23. Juli 2013. 22.07.2013
508 E-Mail der Amadeu Antonio Stiftung an den Vorsitzenden, betref-
fend: Empfehlungen für NSU-Untersuchungsausschuss aus Gender-
Perspektive, vom 22. Juli 2013.
22.07.2013
509 Schreiben des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg an
den Vorsitzenden, betreffend das Schreiben des Ministeriums vom
20. Juni 2013, vom 15. Juli 2013.
19.07.2013
510 Entwurf Bewertungsteil - Stand: 23.07.2013. 23.07.2013
511 Entwurf Namensliste zum rechtlichen Gehör des Bewertungsteils. 23.07.2013
512 Entwurf Namensliste zum rechtlichen Gehör des Feststellungsteils. 23.07.2013
513 Schreiben des Bundespräsidenten an den Bundestagspräsidenten, mit
der Bitte die Debatte des Abschlussberichtes im Plenum verfolgen
zu dürfen, vom 30. Juli 2013
01.08.2013
514 Stellungnahmen zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von
Herrn David Petereit, Herrn D. F., Herrn J. T., Herrn Christian K.,
Frau Simone O., Herrn Alexander N., Frau Barbara E. und Herrn
Christian Worch
06.08.2013
515 Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an das Sekreta-
riat, hier: Hinweise zu den Entwürfen der feststellenden und bewer-
tenden Berichtsteile, vom 6. August 2013
07.08.2013
516 Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an das Sekreta-
riat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsaus-
schusses, vom 08. August 2013
09.08.2013
517 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das 09.08.2013
Drucksache 17/14600 – 1148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-
chungsausschusses, vom 09. August 2013
518 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,
hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung
zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-
stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 9. August 2013
09.08.2012
519 Stellungnahmen zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx
xxxxx xxxxx, Frau Ursula Müller, Herrn David Petereit, Herrn
Reinhard S., Herrn Henning H., xxx xxxxx xxxxx, Herrn Sven Krü-
ger, Herrn Ralf Wohlleben und Frau Petra S.
09.08.2013
520 Schreiben des Staatsministeriums des Innern des Freistaates Sachsen
an das Sekretariat, hier: Bitte um Freigabe einzelner Passagen im
Abschlussbericht, vom 9. August 2013
09.08.2013
521 Schreiben des Bundeskanzleramts an das Sekretariat, hier: Einge-
stufte Passagen im Abschlussbericht, vom 08. August 2013
09.08.2013
522 Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg an
das Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-
chungsausschusses, vom 07. August 2013
12.08.2013
523 Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg an das Sekre-
tariat, hier: Eingestufte Passagen im Abschlussbericht, vom 08.
August 2013
12.08.2013
524 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
Andreas G., mit Schreiben vom 10. August 2013
12.08.2013
525 Telefax des Bundesministeriums der Justiz an das Sekretariat, hier:
Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschuss, vom
06. August 2013
08.08.2013
526 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx
xxxxx xxxxx, mit Schreiben vom 12. August 2013
12.08.2013
527 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx
xxxxx xxxxx, mit Schreiben vom 08. August 2013
12.08.2013
528 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,
hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung
zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-
stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 13. August 2013
13.08.2013
529 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
Max-Florian B., mit Schreiben vom 12. August 2013
13.08.2013
530 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
Patrick W., mit Schreiben vom 10. August 2013
13.08.2013
531 Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen an das
Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-
chungsausschusses, vom 29. Juli 2013
13.08.2013
532 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx
xxxxx xxxxx, mit Schreiben vom 13. August 2013
14.08.2013
533 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
N. R., mit Schreiben vom 09. August 2013
14.08.2013
534 Schreiben zur Gewährung rechtlichen Gehörs von Frau Antje P.,
vom 14. August 2013
14.08.2013
535 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
KHK J., mit Schreiben vom 14.08.2013
14.08.2013
536 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
Dr. Richard Dewes, mit Schreiben vom 15. August 2013
15.08.2013
537 Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin an das
Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-
chungsausschuss, vom 16. August 2013
16.08.2013
538 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,
hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung
zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-
stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 16. August 2013
16.08.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1149 – Drucksache 17/14600
A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen
am
BB-Nr.
539 Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Sekretari-
at, hier: Quellenschutzbelange des BfV, vom 16. August 2013
16.08.2013
540 Schreiben der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen an das Sekretariat,
hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-
ses, vom 19. August 2013
19.08.2013
541 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn
Kay Steinicke, mit Schreiben vom 15. August 2013
19.08.2013
542 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,
hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung
zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-
stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 15. August 2013
15.08.2013
543 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Frau
Antje Böhm, hier: Bitte um Fristverlängerung, mit Schreiben vom
15. August 2013
15.08.2013
544 E-Mail des Bundesverteidigungsministeriums an das Sekretariat,
hier: Korrektur einer bereits freigegebenen Textpassage im Ab-
schlussbericht, vom 19. August 2013
19.08.2013
545 E-Mail des Sächsischen Staatsministeriums des Innern an das Sekre-
tariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsaus-
schusses, vom 19. August 2013
19.08.2013
546 Schreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport an
das Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-
chungsausschusses, vom 19. August 2013
19.08.2013
547 Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen an das
Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-
chungsausschusses, vom 19. August 2013
20.08.2013
548 E-Mail des Bayerischen Verfassungsschutzes an das Sekretariat,
hier: Eingestufte Passagen im Abschlussbericht des Untersuchungs-
ausschusses, vom 16. August 2013
19.08.2013
549 Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an das Sekreta-
riat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsaus-
schusses, vom 20. August 2013
20.08.2013
550 Schreiben des Bundesministeriums der Justiz an das Sekretariat,
hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-
ses, vom 20. August 2013
20.08.2013
551 Stellungnahme zum Bericht aufgrund Gewährung rechtlichen Ge-
hörs von Herrn Jörg W., mit Schreiben vom 15. August 2013
20.08.2013
552 Schreiben des Bundesministeriums der Justiz an das Sekretariat,
hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-
ses, vom 20. August 2013
20.08.2013
553 Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg,
hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-
ses, vom 20. August 2013
20.08.2013
554 Stellungnahme zum Bericht aufgrund Gewährung rechtlichen Ge-
hörs von Herrn Achim S., mit Schreiben vom 20. August 2013
20.08.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1151 – Drucksache 17/14600
C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
BfV-1 1 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung der vom Bundesamt für Ver-
fassungsschutz erstellten "Chronologie
der Erkenntnisse und operative Maß-
nahmen nach Abtauchen der Mitglie-
der der terroristischen Vereinigung
"Nationalsozialistischer Untergrund"
(NSU) (1998-2011)" in ihrer aktuellen
Fassung beim Bundesministerium des
Innern.
27.01.2012 MAT A BfV-1
BfV-2 2 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung der
vom Bundesamt für Verfassungs-
schutz erstellten und dem Parlamenta-
rischen Kontrollgremium in einer
Ausfertigung übermittelten "Chrono-
logie der Erkenntnisse u. operative
Maßnahmen nach Abtauchen der
Mitglieder der terroristischen Vereini-
gung "Nationalsozialistischer Unter-
grund" (NSU) (1998-2001)" in der
Fassung vom 12. Dezember 2011 und
vom 06. Januar 2012 und der hierzu
beim Bundesamt für Verfassungs-
schutz und beim Bundesministerium
des Innern seit November 2011 einge-
gangenen Stellungnahmen und Zu-
schriften von Ministerien und sonsti-
gen Behörden der Länder sowie der
Entwürfe der Berichtersteller beim
Bundesministerium des Innern.
09.02.2012 MAT A BfV-
2/1
MAT A BfV-
2/2
MAT A BfV-
2/3
MAT A BfV-
2/4
BMI-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag vorbereitet
durch Beiziehung der Aktenpläne und
Dateiverzeichnisse des Bundesamts
für Verfassungsschutz, des Bundes-
kriminalamts und des Bundesministe-
rium des Innern beim Bundesminis-
terium des Innern, des Bundesnach-
richtendienstes und des Bundeskanz-
leramts beim Bundeskanzleramt, des
Militärischen Abschirmdienstes und
des Bundesministeriums der Verteidi-
gung beim Bundesministerium der
Verteidigung sowie des Generalbun-
desanwalts und des Bundesministeri-
ums der Justiz beim Bundesministeri-
um der Justiz.
09.02.2012 MAT A BMI-1
MAT A BMI-
1/1
MAT A BMI-
1/2
MAT A BMI-
1/3
BK-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam- 09.02.2012 MAT A BK-
Drucksache 17/14600 – 1152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ten Untersuchungsauftrag vorbereitet
durch Beiziehung der Aktenpläne und
Dateiverzeichnisse des Bundesamts
für Verfassungsschutz, des Bundes-
kriminalamts und des Bundesministe-
rium des Innern beim Bundesministe-
rium des Innern, des Bundesnachrich-
tendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des
Militärischen Abschirmdienstes und
des Bundesministeriums der Verteidi-
gung beim Bundesministerium der
Verteidigung sowie des Generalbun-
desanwalts und des Bundesministeri-
ums der Justiz beim Bundesministeri-
um der Justiz.
1/1
MAT A BK-
1/2
MAT A BK-
1/3
BMVg-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag vorbereitet
durch Beiziehung der Aktenpläne und
Dateiverzeichnisse des Bundesamts
für Verfassungsschutz, des Bundes-
kriminalamts und des Bundesministe-
rium des Innern beim Bundesministe-
rium des Innern, des Bundesnachrich-
tendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des
Militärischen Abschirmdienstes und
des Bundesministeriums der Verteidi-
gung beim Bundesministerium der
Verteidigung sowie des Generalbun-
desanwalts und des Bundesministeri-
ums der Justiz beim Bundesministeri-
um der Justiz.
09.02.2012 MAT A
BMVg-1
MAT A
BMVg-1/1
MAT A
BMVg-1/1a
und b
MAT A
BMVg-1/2
BMJ-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag vorbereitet
durch Beiziehung der Aktenpläne und
Dateiverzeichnisse des Bundesamts
für Verfassungsschutz, des Bundes-
kriminalamts und des Bundesministe-
rium des Innern beim Bundesministe-
rium des Innern, des Bundesnachrich-
tendienstes und des Bundeskanzler-
amts beim Bundeskanzleramt, des
Militärischen Abschirmdienstes und
des Bundesministeriums der Verteidi-
gung beim Bundesministerium der
Verteidigung sowie des Generalbun-
desanwalts und des Bundesministeri-
ums der Justiz beim Bundesministe-
rium der Justiz.
09.02.2012 MAT A BMJ-1
MAT A BMJ-
1/1a
MAT A BMJ-
1/1b
MAT A BMJ-
1/1c
BfV-3 4 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz aus dem
gesamten Untersuchungszeitraum
09.02.2012 MAT A BfV-3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1153 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
(1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen auf
die Struktur der Behörde im Bereich
der Beobachtung des Rechtsextremis-
mus/Rechtsterrorismus gemäß § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
BND-1 5 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundes-
nachrichtendienstes aus dem gesamten
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011), bezogen auf die Struktur
der Behörde im Bereich der Beobach-
tung internationaler Verflechtungen
bzw. Unterstützung des Rechtsextre-
mismus/Rechtsterrorismus in Deutsch-
land gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundeskanzleramt.
09.02.2012 MAT A BND-
1
MAT A BND-
1/1
MAT A BND-
1/2
MAT A BND-
1/3
MAD-1 6 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Militäri-
schen Abschirmdienstes aus dem
gesamten Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen auf
die Struktur der Behörde im Bereich
der Beobachtung des Rechtsextremis-
mus/Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium der
Verteidigung
09.02.2012 MAT A MAD-
1
MAT A MAD-
1/1
MAT A MAD-
1/2
BKA-1 7 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundes-
kriminalamts aus dem gesamten
Untersuchungszeitraum (1.11.1992 bis
8.11.2011), bezogen auf die Struktur
der Behörde im Bereich ihrer gesetzli-
chen Aufgaben im Bezug auf Rechts-
extremismus/Rechtsterrorismus gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium des Innern.
09.02.2012 MAT A BKA-
1
GBA-1 8 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des General-
bundesanwaltes aus dem gesamten
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) , bezogen auf die Struktur
der Behörde im Bereich ihrer gesetzli-
chen Aufgaben im Bezug auf Rechts-
extremismus/Rechtsterrorismus gem.
09.02.2012 MAT A GBA-
1a
MAT A GBA-
1b
Drucksache 17/14600 – 1154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Justiz.
BMI-2 9 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundes-
ministeriums des Innern aus dem ge-
samten Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
09.02.2012 MAT A BMI-2
MAT A BMI-
2/1 a-e
BMJ-2 10 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundes-
ministeriums der Justiz aus dem ge-
samten Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Justiz.
09.02.2012 MAT A BMJ-2
BK-2 11 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung sämtlicher Organigram-
me/Organisationspläne des Bundes-
kanzleramtes aus dem gesamten
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) bezogen auf die Aufgaben
der Behörde im Bereich der Nachrich-
tendienste gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz.
09.02.2012 MAT A BK-2
BT-1 12 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung sämtlicher Protokolle des
Innenausschusses des Deutschen Bun-
destages und sonstiger im Innenaus-
schuss vorhandener Dokumente, so-
weit sie sich auf die im Untersu-
chungsauftrag festgelegten Sachver-
halts beziehen und nach dem 4. No-
vember 2011 entstanden bzw. in Ge-
wahrsam genommen worden sind,
beim Deutschen Bundestag
09.02.2012 MAT A BT-1
MAT A BT-1/1
MAT A BT-1/2
MAT A BT-1/3
MAT A BT-1/4
MAT A BT-1/5
MAT A BT-1/6
MAT A BT-1/7
MAT A BT-1/8
BT-2 13 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung des Protokolls der 106. Sit-
zung des Verteidigungsausschusses
des Deutschen Bundestages am
30.11.2011 und sonstiger im Verteidi-
gungsausschuss vorhandener Doku-
mente, soweit sie sich auf die im
Untersuchungsauftrag festgelegten
Sachverhalte beziehen und nach dem
4.11.2011 entstanden bzw. in Gewahr-
sam genommen worden sind, beim
Deutschen Bundestag.
09.02.2012 MAT A BT-2/1
BMI-3 14 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
09.02.2012 MAT A BMI-3
MAT A BMI-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1155 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher im Bereich des Bundesmi-
nisteriums des Innern vorhandenen
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel
zur Informationsgruppe zur Beobach-
tung und Bekämpfung rechtsextremis-
tischer/-rechtsterroristischer, insbe-
sondere fremdenfeindlicher Gewaltak-
te (IGR) im Zeitraum vom 01. Januar
1992 bis 08. November 2011, soweit
sie den "NSU" und dessen Umfeld
soweit die Organisationen „Anti-
Antifa Ostthüringen“, den „Thüringer
Heimatschutz“, „Blood & Honour
Deutschland“ und andere rechtsextre-
mistische Strukturen betreffen, sowie
ggf. vorhandener Organisationspläne
der IGR gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundesministerium des Innern.
3/01 bis 3/30
IMK-1 15 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher vorhandener Akten, Do-
kumente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Daten und sonsti-
ger sächlicher Beweismittel, die sich
beziehen auf die Tätigkeit der Ständi-
gen Konferenz der Innenminister und -
senatoren der Länder (IMK) im Zeit-
raum vom 1. Januar 1992 bis 8. No-
vember 2011, insbesondere der AKs II
und IV sowie deren entsprechenden
Arbeitsgruppen soweit sie den "NSU"
und dessen Umfeld sowie die Organi-
sationen „Anti-Antifa Ostthüringen“,
den „Thüringer Heimatschutz“,
Deutschland und anderen rechtsextre-
mistische Strukturen betreffen, sowie
ggf. vorhandener Organisationpläne
der IMK, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Vorsitzenden der ständigen Kon-
ferenz der Innenminister und Innense-
natoren der Länder (IMK).
09.02.2012 MAT A IMK-1
MAT A IMK-
1/1
MAT A IMK-
1/2
MAT A IMK-
1/3
MAT A IMK-
1/4a
MAT A IMK-
1/4b
MAT A IMK-
1/4c
MAT A IMK-
1/5
MAT A IMK-
1/5 a bis i
GBA-2 16 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherten Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel zum Prüfvorgang 3 ARP
32/98-2 ("Waffenfunde in Jena") des
Generalbundesanwalts gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium des
Justiz.
MAT A GBA-
2
BMVg-2 17 Es wird Beweis erhoben zu den Ab- 09.02.2012 MAT A
Drucksache 17/14600 – 1156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherten Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die sich beziehen auf
den Diebstahl und Verbleib von
Sprengstoff (ca. 40 kg TNT)
1990/1001 aus dem Munitionsdepot
von NVA/Bundeswehr nahe
Großeutersdorf/Kahla in Thüringen
(Komplexlager 22/Reimagh), und im
Bundesministerium der Verteidigung
oder in dem diesem nachgeordneten
Bereich, insbesondere im Militäri-
schen Abschirmdienst, im Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit
sie sich heute noch in behördlichem
Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium der
Verteidigung.
BMVg-2
TH-1 18 Es wird Beweis erhoben zum Untersu-
chungsauftrag, insbesondere auch zum
Zwecke der Evaluierung der bundes-
gesetzlichen Vorschriften zum Waf-
fenrecht, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherten Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Sicherheitsbehörden und dem
Innenministerium des Freistaats Thü-
ringen vorliegen und die sich mit dem
Erwerb und Besitz von Waffen,
Sprengstoff und Bomben der Mitglie-
der der "NSU" und deren Umfeld seit
dem Jahr 1992 befassen, im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG beim Innenministerium des Frei-
staates Thüringen.
09.02.2012 MAT A TH-1
MAT A TH-
1/01 bis 24
MAT B TH-3
TH-2 19 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass im gestuften Verfahren
1. das Justizministerium des Freistaats
Thüringen darum ersucht wird, sämtli-
che strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren bzw. Strafverfahren, die gegen
Mitglieder des "NSU", Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe - einzeln oder gemeinsam im
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2012) durch Behörden im Frei-
staat Thüringen geführt wurden (bei-
spielsweise Az. 114 Js 37149/97, 114
Js 1212/97) konkret mit Aktenzeichen
zu benennen und sodann
09.02.2012 MAT A TH-2
MAT A TH-
2/1 bis 47
MAT A TH-
2/48 bis 67
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1157 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
2. die daraufhin konkretisierten Ver-
fahrensakten (Sachakten, Handakten,
Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke
o. ä. ) soweit diese noch vorhanden
sind, in vollem Umfang im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 1 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG beim Justizministerium des Frei-
staats Thüringen beigezogen werden.
BfV-4 20 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die im Or-
ganisationsbereich des Bundesamtes
für Verfassungsschutz im Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit
sie sich heute noch in behördlichem
Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
09.02.2012 MAT A BfV-4
MAT A BfV-
4.herabgestufte
r Auszug
MAT A BfV-
4/1
MAT A BfV-
4/2
MAT A BfV-
4/3
MAT A BfV-
4/4
MAT A BfV-
4/5
MAT A BfV-
4/6
MAT A BfV-
4/7
MAT A BfV-
4/7Erläuterung
MAT A BfV-
4/8
MAT A BfV-
4/9
MAT A BfV-
4/10
MAT A BfV-
4/10Erläuterun
g
MAT A BfV-
4/11
MAT A BfV-
4/12
MAT A BfV-
4/13
MAT A BfV-
4/14
MAT A BfV-
4/17
MAT A BfV-
4/18
MAT A BfV-
4/19
BfV-5 21 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten des Untersuchungsauftrags
durch Beiziehung sämtlicher Akten,
Dokumente, in Dateien oder auf ande-
re Weise gespeicherter Daten und
09.02.2012 MAT A BfV-5
MAT A BfV-
5/1
MAT A BfV-
5/2
Drucksache 17/14600 – 1158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
sonstiger sächlicher Beweismittel, die
den Untersuchungsgegenstand betref-
fen, und die im Organisationsbereich
des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz nach dem 8.11.2011 entstanden
oder in behördlichen Gewahrsam
genommen worden sind, soweit sie
sich inhaltlich auf den Untersuchungs-
zeitraum 81.1.1992 bis 8.11.2011)
beziehen und soweit sie nicht durch
zuvor gefasste Beweisbeschlüsse be-
reits beigezogen sind, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
MAT A BfV-
5/3
BKA-2 22 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die im Or-
ganisationsbereich des Bundeskrimi-
nalamtes im Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden
waren, soweit sie sich heute noch in
behördlichem Gewahrsam befinden,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern.
09.02.2012 MAT A BKA-
2-1
MAT A BKA-
2/2
MAT A BKA-
2/3
MAT A BKA-
2/4
MAT A BKA-
2/5
MAT A BKA-
2/6
MAT A BKA-
2/7
MAT A BKA-
2/8
MAT A BKA-
2/9
MAT A BKA-
2/10
MAT A BKA-
2/11
MAT A BKA-
2/12
MAT A BKA-
2/13 bis
MAT A BKA-
2/34
MAT A BKA-
2/35 a und b
MAT A BKA-
2/36
MAT A BKA-
2/37-39
MAT A BKA-
2/40
MAT A BKA-
2/41
MAT A BKA-
2/42 a bis e
MAT A BKA-
2/43
MAT A BKA-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1159 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
2/44
MAT A BKA-
2/44 a
bis
MAT A BKA-
2/53
BPol-1 23 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die im Or-
ganisationsbereich der Bundespolizei
(zuvor: Bundesgrenzschutz) im Unter-
suchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit
sie sich heute noch in behördlichem
Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
09.02.2012 MAT A BPol-
1/1 EA 01 bis
EA 85
MAT A BPol-
1/2 EA 01 bis
EA 19
MAT A BPol-
1/3 a und b
MAT A BPol-
1/4 EA 01 bis
EA 03
MAT A BPol-
1/5
MAT A BPol-
1/6
MAT A BPol-
1/7 EA 01 bis
EA 04
MAT A BPol-
1/8 EA 01 und
EA 02
MAT A BPol-
1/9 a bis f
MAT A BPol-
1/10
MAT A BPol-
1/11
BPol-2 24 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitte I. und II. des Untersuchungs-
auftrags durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand
betreffen, und die im Organisationsbe-
reich der Bundespolizei nach dem
8.11.2011 entstanden oder in behörd-
lichen Gewahrsam genommen worden
sind, soweit sie sich inhaltlich auf den
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
09.02.2012 MAT A BPol-
2/1a bis s
MAT A BPol-
2/2a bis n
MAT A BPol-
2/3a bis x
MAT A BPol-
2/4 a bis h
BMI-4 25 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die unmit-
09.02.2012 MAT A BMI-
4-0030-0055
MAT A BMI-4
Inhaltsver-
zeichnis
MAT A BMI-
4/56
MAT A BMI-
Drucksache 17/14600 – 1160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
telbar im Bundesministerium des
Innern im Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden
waren, soweit sie sich heute noch in
behördlichem Gewahrsam befinden,
und soweit sie nicht durch zuvor ge-
fasste Beweisbeschlüsse bereits beige-
zogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium des Innern.
4/57 a bis f
MAT A BMI-
4/58
MAT A BMI-
4/59
MAT A BMI-
4/60
BMI-5 26 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die unmit-
telbar im Bundesministerium des
Innern nach dem 8.11.2011 entstanden
oder in behördlichen Gewahrsam
genommen worden sind (soweit sie
sich inhaltlich auf den Untersuchungs-
zeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)
beziehen, und soweit sie nicht durch
zuvor gefasste Beweisbeschlüsse be-
reits beigezogen sind, gem. § 18 Abs.
1 PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
09.02.2012 MAT A BMI-
5-0034-0092
MAT A BMI 5
Inhaltsver-
zeichnis
MAT A BMI-
5/93
MAT A BMI-
5/94
MAT A BMI-
5/95
MAT A BMI-
5/96
MAT A BMI-
5/97
MAT A BMI-
5/98
GBA-3 27 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die unmit-
telbar im Organisationsbereich des
Generalbundesanwalts im Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit
sie sich heute noch in behördlichem
Gewahrsam befinden und soweit sie
nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-
schlüsse bereits beigezogen sind, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Justiz.
09.02.2012 MAT A GBA-
3
MAT A GBA-
1-44 (44
Ordner)
MAT A GBA-
3/45
MAT A GBA-
3/46
MAT A GBA-
3/47
MAT A GBA-
3/48
MAT A GBA-
3/49
MAT A GBA-
3/50
MAT A GBA-
3/51
MAT A GBA-
3/52
MAT A GBA-
3/57
MAT A GBA-
3/58a I bis 58o
II
MAT A GBA-
3/59a bis f
MAT A GBA-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1161 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
3/60
BMJ-3 28 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die unmit-
telbar im Bundesministerium der Jus-
tiz im Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden
waren, soweit sie sich heute noch in
behördlichem Gewahrsam befinden,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium der Justiz.
09.02.2012 MAT A BMJ-3
MAT A BMJ-
3/1
BMJ-4 29 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die unmit-
telbar im Bundesministerium der Jus-
tiz nach dem 8.11.2011 entstanden
oder in behördlichen Gewahrsam
genommen worden sind, soweit sie
sich inhaltlich auf den Untersuchungs-
zeitraum (1.11.992 bis 8.11.2011)
beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz.
09.02.2012 MAT A BMJ-4
a - c
MAD-2 30 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die im Or-
ganisationsbereich des Militärischen
Abschirmdienstes im Untersuchungs-
zeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)
vorhanden waren, soweit sie sich
heute noch in behördlichem Gewahr-
sam befinden, und soweit sie nicht
durch zuvor gefasste Beweisbeschlüs-
se beigezogen sind, Gem. § 18 As. 1
PUAG beim Bundesministerium der
Verteidigung.
09.02.2012 MAT A MAD-
2
MAT A MAD-
2/1
MAT A MAD-
2/2
MAT A MAD-
2/3
MAT A MAD-
2/4
MAT A MAD-
2/5
MAT A MAD-
2/6
MAT A MAD-
2/7
MAT A MAD-
2/8
MAT A MAD-
2/9
MAT A MAD-
2/10a+b
MAD-3 31 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
09.02.2012 MAT A MAD-
3
MAT A MAD
Drucksache 17/14600 – 1162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die im Or-
ganisationsbereich des Militärischen
Abschirmdienstes nach dem 8.11.2011
entstanden oder in behördlichem Ge-
wahrsam genommen worden sind,
soweit sie sich inhaltlich auf den
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) beziehen und soweit sie
nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-
schlüsse bereits beigezogen sind, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Verteidigung.
3/1
MAT A MAD
3/2
MAT A MAD-
3/3
BMVg-3 32 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die den Untersuchungs-
gegenstand betreffen, und die im Bun-
desministerium der Verteidigung nebst
nachgeordnetem Bereich im Untersu-
chungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) vorhanden waren, soweit
sie sich heute noch in behördlichem
Gewahrsam befinden, und soweit sie
nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-
schlüsse bereits beigezogen sind, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Verteidigung.
09.02.2012 MAT A
BMVg-3
MAT A
BMVg-3/1
MAT A
BMVg-3/2
MAT A
BMVg-3/3
MAT A
BMVg-3/4
MAT A
BMVg-3/5
MAT A
BMVg-3/6
MAT A
BMVg-3/7
MAT A
BMVg-3/8
MAT A
BMVg-3/9
MAT A
BMVg-3/10
MAT A
BMVg-3/11a
und b
MAT A
BMVg-3/12
MAT A
BMVg-3/13
MAT A
BMVg-3/14
MAT A
BMVg-3/15
MAT A
BMVg-3/16
MAT A
BMVg-3/17
MAT A
BMVg-3/18
MAT A
BMVg-3/19
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1163 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
MAT A
BMVg-3/20
BMVg-4 33 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherten Daten und sonstiger sächlicher
Beweismitteln, die den Untersu-
chungsgegenstand betreffen und die
unmittelbar im Bundesministerium der
Verteidigung nach dem 8.11.2011
entstanden oder in behördlichen Ge-
wahrsam genommen worden sind,
soweit sie sich inhaltlich auf den
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) beziehen, und soweit sie
nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-
schlüsse bereits beigezogen sind, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Verteidigung.
09.02.2012 MAT A
BMVg-4
BND-2 34 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die den Untersuchungsge-
genstand betreffen, und die im Orga-
nisationsbereich des Bundesnachrich-
tendienstes im Untersuchungszeitraum
(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden
waren, soweit sie sich heute noch in
behördlichem Gewahrsam befinden,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
deskanzleramt.
09.02.2012 MAT A BND-
2
MAT A BND-
2/1
MAT A BND-
2/2
MAT A BND-
2/3
BND-3 35 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Dokumente in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand
betreffen, und die im Organisationsbe-
reich des Bundesnachrichtendienstes
nach dem 8.11.2011 entstanden oder
in behördlichen Gewahrsam genom-
men worden sind, soweit sie sich in-
haltlich auf den Untersuchungszeit-
raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) bezie-
hen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundeskanzleramt.
09.02.2012 MAT A BND-
3
MAT A BND-
3/1a bis c
MAT A BMD-
3/2
BK-3 36 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Dokumente in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
09.02.2012 MAT A BK-3 a
bis c
MAT A BK-3
d
MAT A BK-
Drucksache 17/14600 – 1164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand
betreffen, und die unmittelbar im
Bundeskanzleramt im Untersuchungs-
zeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)
vorhanden waren, soweit sie sich
heute noch in behördlichem Gewahr-
sam befinden, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundeskanzleramt.
3/1
BK-4 37 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags durch Beiziehung
sämtlicher Dokumente in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die den Untersuchungsgegenstand
betreffen, und die unmittelbar im
Bundeskanzleramt nach dem
8.11.2011 entstanden oder in behörd-
lichen Gewahrsam genommen worden
sind, soweit sie sich inhaltlich auf den
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundeskanzleramt.
09.02.2012 MAT A BK-4 a
bis h
MAT A BK-4 i
bis k
MAT A BK-
4/1
S-1 38 Es wird Beweis erhoben zur Einfüh-
rung in die Thematik des Untersu-
chungsauftrags durch Einholung von
Sachverständigengutachten gem. § 28
PUAG zum Thema "Überblick über
die Entwicklung der Architektur und
Arbeitsweise der Sicherheits- und
Ermittlungsbehörden des Bundes und
der Länder bezüglich der Aufklärung
und Bekämpfung der Bedrohung
durch den (gewaltfreien, gewaltbezo-
genen und terroristischen) Rechtsex-
tremismus sowie zur Verhinderung
und Verfolgung von Straftaten mit
derartigem Hintergrund im Verlauf
des Untersuchungszeitraums."
09.02.2012 MAT A S-1
MAT A S-1/1
MAT A S-1/2
S-2 39 Es wird Beweis erhoben zur Einfüh-
rung in die Thematik des Untersu-
chungsauftrags durch Einholung von
Sachverständigengutachten gem. § 28
PUAG zum Thema "Überblick zum
Phänomenbereich Rechtsextremismus
in der Bundesrepublik Deutschland im
Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis
8.11.2011) und zu den Ansätzen, ihn
in den Bereichen Repression, Präven-
tion und Sensibilisierung wirksam zu
bekämpfen."
09.02.2012 MAT A S-2
MAT A S-2/1
MAT A S-2/2
BW-1 41-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtl.
Akten, Dokumente, in Dateien oder
01.03.2012 MAT A BW-1a
bis d
MAT A BW-
1/1
MAT A BW-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1165 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz des
Landes BW und des Ministeriums des
Innern des Landes BW, also der für
den Verfassungsschutz verantwortli-
chen obersten Landesbehörde vorlie-
gen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der GBA unter
den Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2
sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12
sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2
Ermittlungen führt - oder über weitere
Personen oder über Organisationen
aus ihrem Unterstützerumfeld sowie
über ggf. bestehende Verbindungen zu
rechtsextremen Vereinen oder Organi-
sationen, soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
1/2
MAT A BW-
1/3a bis d
BY-1 42-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbesonde-
re zur Evaluierung bundesrechtlicher
Vorschriften, durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
01.03.2012 MAT B BY-1
MAT A BY-1
MAT A BY-
1/1 a
MAT A BY-
1/1 b
MAT A BY-
Drucksache 17/14600 – 1166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
weismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz des Freistaats Bayern und
des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern als der für den Verfas-
sungsschutz verantwortlichen obersten
Landesbehörde des Freistaats Bayern
vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André
E., Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Herrmann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B. – also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt – oder
über weitere Personen oder über Or-
ganisationen aus ihrem Unterstützer-
umfeld sowie über gegebenenfalls
bestehende Verbindungen zu rechts-
extremen Vereinen oder Organisatio-
nen.
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011,
und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes –
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt – aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Bayerische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
1/2
MAT A BY-
1/3
MAT A BY-
1/4
MAT A 1/5
MAT A BY-
1/6
MAT A BY-
1/7 bis 9
BE-1 43-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
01.03.2012 MAT A BE-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1167 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die in der Senatsverwaltung für Inne-
res und Sport des Landes Berlin und
insb. im Organisationsbereich von
deren Abteilung Verfassungsschutz
vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Senatskanzlei des Landes Berlin bei
der zuständigen obersten Landesbe-
hörde.
BB-1 44-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
01.03.2012 MAT A BB-1
Drucksache 17/14600 – 1168 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
des Brandenburg und des Ministeri-
ums des Innern des Landes Branden-
burg als der für den Verfassungsschutz
verantwortlichen obersten Landesbe-
hörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
HB-1 45-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz der
Freien Hansestadt Bremen und des
01.03.2012 MAT A HB-1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1169 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Senators für Inneres und Sport der
Freien Hansestadt Bremen als der für
den Verfassungsschutz verantwortli-
chen obersten Landesbehörde vorlie-
gen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Senatskanzlei der Freien Hansestadt
Bremen bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
HH-1 46-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz der
Freien und Hansestadt Hamburg und
01.03.2012 MAT A HH-1
Drucksache 17/14600 – 1170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
der Behörde für Inneres und Sport der
Freien und Hansestadt Hamburg als
der für den Verfassungsschutz ver-
antwortlichen obersten Landesbehörde
vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Senatskanzlei der Freien und Hanse-
stadt Hamburg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
HE-1 47-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz des
Landes Hessen und des Ministeriums
01.03.2012 MAT A HE-1
MAT A HE-
1/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1171 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
für Inneres und Sport des Landes
Hessen als der für den Verfassungs-
schutz verantwortlichen obersten Lan-
desbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Hessische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
MV-1 48-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Ministerium für Inneres und
Sport des Landes Mecklenburg-
Vorpommern als der für den Verfas-
sungsschutz verantwortlichen obersten
Landesbehörde des Landes Mecklen-
01.03.2012 MAT A MV-1
MAT A MV-
1/1
Drucksache 17/14600 – 1172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
burg-Vorpommern und insbesondere
im Organisationsbereich von dessen
Abteilung Verfassungsschutz vorlie-
gen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Mecklen-
burg-Vorpommern bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
NI-1 49-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Ministerium für Inneres und
Sport des Landes Niedersachsen als
der für den Verfassungsschutz ver-
antwortlichen obersten Landesbehörde
01.03.2012 MAT A NI-1/1
bis NI-1/13
MAT A NI-
1/14
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1173 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
des Landes Niedersachsen und insbe-
sondere im Organisationsbereich von
dessen Abteilung Verfassungsschutz
vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Niedersach-
sen bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
NW-1 50-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Ministerium für Inneres und
Kommunales des Landes Nordrhein-
Westfalen als der für den Verfas-
sungsschutz verantwortlichen obersten
01.03.2012 MAT A NW-1
MAT A NW-
1/1
MAT A NW-
1/2
MAT A NW-
1/3
Drucksache 17/14600 – 1174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Landesbehörde des Landes Nordrhein-
Westfalen und insbesondere im Orga-
nisationsbereich von dessen Abteilung
Verfassungsschutz vorliegen, soweit
sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen obers-
ten Landesbehörde.
RP-1 51-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Ministerium des Innern, für
Sport und Infrastruktur des Landes
Rheinland-Pfalz als der für den Ver-
01.03.2012 MAT A RP-1
MAT A RP-1a
bis m
MAT A RP-1/2
a bis h
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1175 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
fassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde des Landes
Rheinland-Pfalz und insbesondere im
Organisationsbereich von dessen Ab-
teilung Verfassungsschutz vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Rheinland-
Pfalz bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
SL-1 52-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz des
01.03.2012 MAT A SL-1a-
c
Drucksache 17/14600 – 1176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Saarlands und des Ministerium für
Inneres, Kultur und Europa des Saar-
landes als der für den Verfassungs-
schutz verantwortlichen obersten Lan-
desbehörde vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Saarlands bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
SN-1 53-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz des
Freistaates Sachsen als der für den
Verfassungsschutz verantwortlichen
01.03.2012 MAT A SN-1
MAT A SN-1/1
MAT A SN-1/2
MAT A SN-1/3
MAT A SN-1/4
MAT A SN-1/5
MAT A SN-1/6
a und b
MAT A SN-1/7
MAT A SN-1/8
MAT A SN-1/9
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1177 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
obersten Landesbehörde vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Sächsische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
MAT A SN-
1/10
MAT A SN-
1/11
MAT A SN-
1/12a+b
MAT A SN-
1/13
ST-1 54-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Ministerium für Inneres und
Sport des Landes Sachsen-Anhalt als
der für den Verfassungsschutz ver-
antwortlichen obersten Landesbehörde
des Landes Sachsen-Anhalt und
insbes. im Organisationsbereich von
dessen Abteilung Verfassungsschutz
01.03.2012 MAT A ST-1
MAT A ST-1/1
MAT A ST-1/2
MAT A ST-1/2
MAT A ST-1/3
MAT A ST-1/4
MAT A ST-1/5
MAT A ST-1/6
MAT A ST-1/7
MAT A ST-1/8
MAT A ST-1/9
MAT A ST-
1/10
MAT A ST-
Drucksache 17/14600 – 1178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Sachsen-
Anhalt bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
1/11
MAT A ST-
1/12
MAT A ST-
1/13
MAT A ST-
1/14
MAT A ST-
1/15
MAT A ST-
1/16
MAT A ST-
1/17
MAT A ST-
1/18
MAT A ST-
1/19
MAT A ST-
1/20
MAT A ST-
1/21
SH-1 55-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Innenministerium des Landes
Schleswig-Holstein als der für den
Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde des Landes
Schleswig-Holstein und insbes. im
Organisationsbereich von dessen Ab-
teilung Verfassungsschutz vorliegen,
01.03.2012 MAT A SH-1
MAT A SH-1/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1179 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Schleswig-
Holstein bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
TH-3 56-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur
Evaluierung bundesrechtlicher Vor-
schriften, durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherte Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die im Organisationsbereich des Lan-
desamtes für Verfassungsschutz des
Freistaates Thüringen und des Innen-
ministeriums des Freistaats Thüringen
als der für den Verfassungsschutz
verantwortlichen obersten Landesbe-
hörde vorliegen, soweit sie
01.03.2012 MAT A TH-3
MAT A TH-
3/1
MAT A TH-
3/2
MAT A TH-
3/3
MAT A TH-
3/4
MAT A TH-
3/5
MAT A TH-
3/5a
MAT A TH-
Drucksache 17/14600 – 1180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen, also Informationen enthalten
über die Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-
stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,
Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,
Thomas S., Ralf W., Hermann S.,
Holger G., Carsten S., Matthias D.,
Mandy S., Max Florian B.- also die
Personen, gegen die der Generalbun-
desanwalt unter den Aktenzeichen 2
BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2
BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs
12/12-2 Ermittlungen führt oder über
weitere Personen oder über Organisa-
tionen aus ihrem Unterstützerumfeld
sowie über ggf. bestehende Verbin-
dungen zu rechtsextremen Vereinen
oder Organisationen, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011, und soweit sie
3. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes -
hier vor allem dem Bundesamt für
Verfassungsschutz, dem Bundesnach-
richtendienst, dem Militärischen Ab-
schirmdienst, dem Bundeskriminalamt
und dem Generalbundesanwalt - aus-
getauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
3/6
MAT A TH-
3/7
MAT A TH-
3/8 a und b
MAT A TH-
3/9 a und b
MAT A TH-
3/10
MAT A TH-
3/11
MAT A TH-
3/12a-c
MAT A TH-
3/13
MAT A TH-
3/14
MAT A TH-
3/14/1 und /2
MAT A TH-
3/15
MAT A TH-
3/16
MAT A TH-
3/EB 01-17
BfV-6 57 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbesonde-
re zu Punkt II. 4., durch Beiziehung
der in der "Dienstvereinbarung Be-
schaffung" (DV-Beschaffung) des
Bundesamtes für Verfassungsschutz
enthaltenen internen Regelungen zum
Einsatz von Vertrauenspersonen in
den während des Untersuchungszeit-
raums 81.1.1992 bis 8.11.2011) gel-
tenden Fassung gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
01.03.2012 MAT A BfV-6
GBA-4 58 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
01.03.2012 MAT A GBA-
4/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1181 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-
te, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten, die den Untersu-
chungsgegenstand betreffen, und die
im Organisationsbereich des General-
bundesanwalts nach dem 8.11.2011
entstanden oder in behördlichen Ge-
wahrsam genommen worden sind
bzw. für die der Generalbundesanwalt
die Zuständigkeit i.S.v. § 4787 StPO
nach § 142 a, § 120a GVG erlangt hat,
unabhängig davon, wo die Beweismit-
tel körperlich aufbewahrt werden
soweit sie sich inhaltlich auf den
Untersuchungszeitraum 1.1.92-8.11.11
beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz.
MAT A GBA-
4/2
MAT A GBA-
4/3
MAT A GBA-
4/4
MAT A GBA-
4/4a
MAT A GBA-
4/4b
MAT A GBA-
4/4c
MAT A GBA-
4/5 a bis e
MAT A GBA-
4/6 a bis i
MAT A-GBA-
4/7 a
MAT A GBA-
4/7 b
MAT A GBA-
4/8a-c
MAT A GBA-
4/9
MAT A GBA-
4/10 a bis d
MAT A GBA-
4/10 e-neu bis
h-neu
MAT A GBA-
4/11 a-neu bis
n-neu
MAT A GBA-
4/12 a und b
MAT A GBA-
4/13
MAT A GBA-
4/14 a bis d
MAT A GBA-
4/15 a bis v
MAT A GBA-
4/16
MAT A GBA-
4/17a und b
MAT A GBA-
4/18
MAT A GBA-
4/19
MAT A GBA-
4/20
MAT A GBA-
4/21
MAT A GBA-
4/22a bis l
MAT A GBA-
4/23
MAT A GBA-
Drucksache 17/14600 – 1182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
4/24 a bis e
MAT A GBA-
4/25
bis
MAT A GBA-
4/40
BW-2 60 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über das Staatsministerium des
Landes Baden-Württemberg gestuften
Verfahren
1. das Justizministerium des Landes
Baden-Württemberg im Wege der
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Baden-
Württemberg wegen Straftaten geführt
wurden, die der Terrorgruppe „Natio-
nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. das Innenministerium des Landes
Baden-Württemberg im Wege der
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen, die im
Untersuchungszeitraum (01.01.1992
bis 08.11.2011) durch Behörden des
Landes Baden-Württemberg wegen
begangener Taten oder drohender
Gefährdungen durchgeführt wurden,
die der Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
und Beate Zschäpe unter ihrem echten
01.03.2012 MAT A BW-2
MAT A BW-
2/1
MAT A BW-
2/2
MAT A BW-
2/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1183 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind. und sodann
3. die daraufhin konkretisierten Ver-
fahrensakten (Sachakten, Handakten,
Spurenakten, Berichtshefte, Sonder-
hefte, Vermerke o. ä.), die noch vor-
handen sind und der Verfügungsge-
walt der Landesbehörden unterliegen,
insoweit als sie die Zusammenarbeit
und den Erkenntnisaustausch von
Bund und Ländern betreffen, also im
Rahmen der Zusammenarbeit und des
Erkenntnisaustausches mit Stellen des
Bundes – hier vor allem dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz, dem Bun-
desnachrichtendienst, dem Militäri-
schen Abschirmdienst, dem Bundes-
kriminalamt sowie dem Generalbun-
desanwalt – entstanden sind, oder
Informationen enthalten, die aus heu-
tiger Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde
beigezogen werden.
BY-2 61 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über die Bayerischen Staatskanz-
lei im gestuften Verfahren
1. das Bayerische Staatsministerium
der Justiz und für Verbraucherschutz
im Wege der Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.
44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Freistaats Bayern wegen
Straftaten geführt wurden, die der
Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund“ oder ihren vermutlichen
Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
01.03.2012 MAT A BY-2-
a-I
MAT A BY-2-
a-II
MAT A BY-2-
b-I
MAT A BY-2-
b-II
MAT A BY-2
MAT A BY-
2/1
MAT A BY-
2/2 - 77 Ordner
MAT A BY-
2/2 a bis d
MAT A BY-
2/3 a bis f
MAT A BY-
2/4 a bis e
MAT A BY-
2/5 a bis u
MAT A BY-
Drucksache 17/14600 – 1184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. das Bayerische Staatsministerium
des Innern im Wege der Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-
dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht
wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen,
die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Freistaats Bayern wegen
begangener Taten oder drohender
Gefährdungen durchgeführt wurden,
die der Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
und Beate Zschäpe unter ihrem echten
Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind; und sodann
3. die daraufhin konkretisierten Ver-
fahrensakten (Sachakten, Handakten,
Spurenakten, Berichtshefte, Sonder-
hefte, Vermerke o. ä.), die noch vor-
handen sind und der Verfügungsge-
walt der Landesbehörden unterliegen,
insoweit als sie die Zusammenarbeit
und den Erkenntnisaustausch von
Bund und Ländern betreffen, also im
Rahmen der Zusammenarbeit und des
Erkenntnisaustausches mit Stellen des
Bundes – hier vor allem dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz, dem Bun-
desnachrichtendienst, dem Militäri-
schen Abschirmdienst, dem Bundes-
kriminalamt sowie dem Generalbun-
desanwalt – entstanden sind, oder
Informationen enthalten, die aus heu-
tiger Sicht hätten ausgetauscht werden
2/6 a bis d
MAT A BY-
2/7
MAT A BY-
2/8
MAT A BY-
2/9 a bis h
MAT A BY
2/10
MAT A BY
2/11
MAT A BY-
2/12
MAT A BY-
2/12 a
MAT A BY-
2/13
MAT A BY-
2/14
MAT A BY-
2/15
MAT A BY-
2/16
MAT A BY-
2/17a-d
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1185 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde
beigezogen werden.
HH-2 62 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über die Senatskanzlei der Freien
und Hansestadt Hamburg
1. die Behörde für Justiz und Gleich-
stellung der Freien und Hansestadt
Hamburg im Wege der Amtshilfe nach
§ 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit
Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden der Freien und Hansestadt
Hamburg wegen Straftaten geführt
wurden, die der Terrorgruppe "Natio-
nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. Die Behörde für Inneres und Sport
der Freien und Hansestadt Hamburg
im Wege der Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.
44 Abs. 3 GG ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen,
die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden der Freien und Hansestadt
Hamburg wegen begangener Taten
oder drohender Gefährdungen durch-
geführt wurden, die der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe unter
ihrem echten Namen oder unter den
von ihnen bekannten Alias-Namen –
01.03.2012 MAT A HH-2
MAT A HH-
2/1
Drucksache 17/14600 – 1186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind.
HE-2 63 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über die Hessische Staatskanzlei
1. das Hessische Ministerium der
Justiz, für Integration und Europa im
Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs.
3 GG ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Hessen wegen
Straftaten geführt wurden, die der
Terrorgruppe "Nationalsozialistischer
Untergrund“ oder ihren vermutlichen
Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. das Hessische Ministerium des
Innern und für Sport im Wege der
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen,
die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Hessen wegen
begangener Taten oder drohender
Gefährdungen durchgeführt wurden,
die der Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
und Beate Zschäpe unter ihrem echten
01.03.2012 MAT A HE-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1187 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind.
MV-2 64 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über die Staatskanzlei des Landes
Mecklenburg-Vorpommern
1. das Justizministerium des Landes
Mecklenburg-Vorpommern im Wege
der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Mecklenburg-
Vorpommern wegen Straftaten geführt
wurden, die der Terrorgruppe "Natio-
nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. das Ministerium für Inneres und
Sport des Landes Mecklenburg-
Vorpommern im Wege der Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-
dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht
wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen,
die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Mecklenburg-
Vorpommern wegen begangener Ta-
ten oder drohender Gefährdungen
01.03.2012 MAT A MV-2
MAT A MV-
2/1
Drucksache 17/14600 – 1188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
durchgeführt wurden, die der Terror-
gruppe „Nationalsozialistischer Un-
tergrund“ oder ihren vermutlichen
Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen
oder unter den von ihnen bekannten
Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind.
NW-2 65 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen
1. das Justizministerium des Landes
Nordrhein-Westfalen im Wege der
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Nordrhein-
Westfalen wegen Straftaten geführt
wurden, die der Terrorgruppe "Natio-
nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. das Ministerium für Inneres und
Kommunales des Landes Nordrhein-
Westfalen im Wege der Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-
dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht
wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen,
01.03.2012 MAT A NW-2
MAT A NW-
2/1
MAT A NW-
2/2
MAT A NW-
2/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1189 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Landes Nordrhein-
Westfalen wegen begangener Taten
oder drohender Gefährdungen durch-
geführt wurden, die der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe unter
ihrem echten Namen oder unter den
von ihnen bekannten Alias-Namen –
zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind.
SN-2 66 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag dadurch,
dass über die Sächsische Staatskanzlei
1. das Sächsische Staatsministerium
der Justiz und für Europa im Wege der
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in
Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG
ersucht wird,
a. sämtliche Strafverfahren und straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahren
konkret mit Aktenzeichen zu benen-
nen, die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Freistaates Sachsen
wegen Straftaten geführt wurden, die
der Terrorgruppe "Nationalsozialisti-
scher Untergrund“ oder ihren vermut-
lichen Mitgliedern – insbesondere
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und
Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren
oder strafrechtlichen Ermittlungsver-
fahren diejenigen zu bezeichnen, die
der Generalbundesanwalt nicht zur
weiteren Ermittlung an sich gezogen
hat oder deren Akten ganz oder teil-
weise nicht in die Verfügungsgewalt
des Generalbundesanwaltes überge-
gangen sind.
2. das Sächsische Staatsministerium
des Innern im Wege der Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-
dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht
wird,
a. sämtliche polizeilichen Ermitt-
lungsvorgänge und Vorgangsakten zur
01.03.2012 MAT A SN-2
MAT A SN-2/1
MAT A SN 2/2
MAT A SN-2/3
MAT A SN-2/4
a bis l
MAT A SN-2/5
MAT A SN-2/6
Drucksache 17/14600 – 1190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
polizeilichen Gefahrenabwehr konkret
mit Aktenzeichen zu benennen,
die im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch
Behörden des Freistaates Sachsen
wegen begangener Taten oder drohen-
der Gefährdungen durchgeführt wur-
den, die der Terrorgruppe „National-
sozialistischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos
und Beate Zschäpe unter ihrem echten
Namen oder unter den von ihnen be-
kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;
b. aus den benannten polizeilichen
Ermittlungsvorgängen diejenigen zu
bezeichnen, die der Generalbundes-
anwalt nicht zur weiteren Ermittlung
an sich gezogen hat oder deren Akten
ganz oder teilweise nicht in die Verfü-
gungsgewalt des Generalbundesan-
waltes übergegangen sind.
A-1 67-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch An-
hörung der von der Bundesregierung
eingesetzten "Ombudsfrau für die
Opfer und Opferangehörigen der sog.
Zwickauer Zelle" und Vorstandsvor-
sitzenden des Paritätischen Landes-
verbandes Berlin, Frau Prof. Barbara
John; der Expertin der Opferhilfe-
Organisation "Weißer Ring" zu Fragen
des Opferschutzes und der Begleitung
in Strafverfahren Frau Martina Linke;
der Mitarbeiterin der mobilen Opfer-
beratungsstelle "ezra", Frau Christina
Büttner als Auskunftspersonen.
01.03.2012 MAT A A-1
NI-2 68 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsgegenstand da-
durch, dass über die Staatskanzlei des
Landes Niedersachsen im gestuften
Verfahren
1. das Justizministerium des Landes
Niedersachsen ersucht wird, das Ak-
tenzeichen des durch die Staatsanwalt-
schaft Osnabrück geführten strafrecht-
lichen Ermittlungsverfahrens bzw. des
beim Amtsgericht Meppen geführten
Strafverfahrens gegen den Sänger der
rechtsextremistischen Band "Gigi &
Die Brauen Stadtmusikanten", Daniel
Giesen, der auf der CD "Adolf Hitler
lebt" den "Döner-Killer-Song" veröf-
fentlicht hatte, zu benennen und so-
dann
2. die daraufhin konkretisierten Ver-
01.03.2012 MAT A NI-2/1
a-d,
MAT A NI-2/2
bis 4,
MAT A NI-
2/5a bis c
MAT A NI-2/6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1191 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
fahrensakten (Sachakten, Handakten,
Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerk
o. ä.) in vollem Umfange im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe beim Justiz-
ministerium des Landes Niedersach-
sen beigezogen werden, die Informati-
onen zum Untersuchungsgegenstand
und zum Untersuchungszeitraum ent-
halten.
BW-3 72-
neu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung bundesrechtlicher Vorschrif-
ten - vorbereitet durch das Ersuchen
um Benennung der Personen, die mit
den folgenden für den Untersuchungs-
gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes f. Verfas-
sungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Heilbronn er-
mittelnden Kriminalpolizeidienststel-
le(n) oder Sonderkommissionen,
- für die genannten Ermittlungen zu-
ständigen Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sach-
leitend zuständiger Staatsanwalt im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über das Staatsministe-
rium Baden-Württemberg bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
08.03.2012 MAT A BW-3
MAT A BW-
3/1
BY-3 73-
neu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung bundesrechtlicher Vorschrif-
ten - vorbereitet durch das Ersuchen
um Benennung der Personen, die mit
den folgenden für den Untersuchungs-
gegenstand wichtigen Ämtern oder
Aufgaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
08.03.2012 MAT A BY-3
MAT A BY-
3/1
Drucksache 17/14600 – 1192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Ver-
fassungsschutz
-- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung)
-- Leiter der zu den der „Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund“
zugeordneten Morden in Nürnberg
und München ermittelnden Kriminal-
polizeidienststelle(n) oder Sonder-
kommissionen, insbesondere der
„BAO Bosporus“
-- im Rahmen der genannten Ermitt-
lungen tätig gewordene „Profiler“
-- für die genannten Ermittlungen
zuständiger Generalstaatsanwalt
-- für die genannten Ermittlungen
sachleitend zuständiger Staatsanwalt
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs.
3 GG über die Bayerische Staatskanz-
lei bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
HH-3 74-
neu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung bundesrechtlicher Vorschrif-
ten - vorbereitet durch das Ersuchen
um Benennung der Personen, die mit
den folgenden für den Untersuchungs-
gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes f. Verfas-
sungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Hamburg er-
mittelnden Kriminalpolizeidienststel-
len oder Sonderkommissionen,
- für die genannten Ermittlungen zu-
08.03.2012 MAT A HH-3
MAT A HH-
3/1
MAT A HH-
3/2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1193 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ständiger Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sach-
leitend zuständiger Staatsanwalt im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei
der Freien und Hansestadt Hamburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
HE-3 75-
neu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung bundesrechtlicher Vorschrif-
ten - vorbereitet durch das Ersuchen
um Benennung der Personen, die mit
den folgenden für den Untersuchungs-
gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes f. Verfas-
sungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Kassel ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n)
oder Sonderkommissionen
- für die genannten Ermittlungen zu-
ständiger Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sach-
leitend zuständiger Staatsanwalt im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Hessische
Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
08.03.2012 MAT A HE-3
MV-3 76-
neu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung bundesrechtlicher Vorschrif-
ten - vorbereitet durch das Ersuchen
um Benennung der Personen, die mit
den folgenden für den Untersuchungs-
gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
08.03.2012 MAT A MV-3
MAT A MV-
3/1
Drucksache 17/14600 – 1194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Leiter der für den Verfassungsschutz
zuständigen Abt. in Ministerium für
Inneres und Sport,
- Leiter der für Rechtsextremismus
zuständigen Organisationseinheiten
innerhalb der genannten Abt. (mit
Bezeichnung der jeweiligen Dienst-
stellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Rostock ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n)
oder Sonderkommissionen
- für die genannten Ermittlungen zu-
ständiger Generalstaatsanwalt,
- für die genannten Ermittlungen sach-
leitend zuständiger Staatsanwalt im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Mecklenburg-
Vorpommern bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
NW-3 77-
neu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag -
insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung bundesrechtlicher Vorschrif-
ten - vorbereitet durch das Ersuchen
um Benennung der Personen, die mit
den folgenden für den Untersuchungs-
gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Leiter der für den Verfassungsschutz
zuständigen Abteilung im Ministerium
für Inneres und Kommunales,
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb der genannten Abteilung
(mit Bezeichnung der jeweiligen
Dienststellung)
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes f. Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Dortmund oder
08.03.2012 MAT A NW-3
MAT A NW-
3/1
MAT A NW-
3/2
MAT A NW-
3/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1195 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
den Sprengstoffanschlägen in Köln
ermittelnden Kriminalpolizeidienst-
stellen oder Sonderkommissionen,
- für die genannten Ermittlungen zu-
ständiger Generalstaatsanwalt
- für die genannten Ermittlungen sach-
leitend zuständiger Staatsanwalt im
Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde.
GBA-5 78 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Unter-
lagen des "BAO-Bosporus" zum Kon-
takt mit "Profilern" im Jahr 2006, die
nach Entlassung des damaligen Stell-
vertretenden Leiters der BAO Bospo-
rus, Klaus Mähler, im Tagesspiegel v.
4. Januar 2012 ("Der Verdacht") zu
dem Ergebnis gekommen sein sollen,
dass die Täter der Mordfälle aus der
rechtsextremen Szene kommen könn-
ten, sowie sämtliche in diesem Zu-
sammenhang entstandene Dokumente,
insbes. die hierzu daraufhin erfolgte
Korrespondenz der "BAO Bosporus"
mit Sicherheitsbehörden des Bundes
und der Länder aus den Akten des
"BAO Bosporus" oder des BKA, für
die der Generalbundesanwalt die Zu-
ständigkeit i.S.v. § 478 StPO nach den
§ 142 a, 120a GVG verlangt hat, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Justiz.
08.03.2012 MAT A GBA-
5
MAT A GBA-
5/1
BY-4 79 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Unter-
lagen der "BAO Bosporus" zum Kon-
takt mit "Profilern" im Jahr 2006, die
nach Einlassung des damaligen Stell-
vertretenden Leiters der BAO Bospo-
rus, Klaus Mähler, im TSP vom
4.1.2012 (Der Verdacht) zu dem Er-
gebnis gekommen sein sollen, dass die
Täter der Mordfälle aus der rechtsext-
remen Szene kommen könnten, sowie
sämtlicher in diesem Zusammenhang
entstandenen Dokumente, insb. die
hierzu daraufhin erfolgte Korrespon-
denz der BAO Bosporus mit Sicher-
heitsbehörden des Bundes und der
08.03.2012 MAT A BY-4
Drucksache 17/14600 – 1196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Länder aus den Akten der "BAO Bos-
porus", sofern der GBA die Zustän-
digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den §
142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt
haben sollte, im Wege des Ersuchens
der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Bayerische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
BY-5 80 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Akten,
Dokumente, in Dateien oder auf ande-
re Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlichen Beweismittel,
soweit sie im Organisationsbereich
des Landesamtes für Verfassungs-
schutz des Freistaats Bayern und des
Bayerischen Staatsministeriums des
Innern vorliegen und soweit sie einen
Vorgang aus dem Jahr 2006 betreffen,
wonach durch die "BAO Bosporus"
nach Einlassung des damaligen Stell-
vertretenden Leiters ders BAO Bospo-
rus, Klaus Mähler, im Tagesspiege.
vom 4. Januar 2012 ("Der Verdacht")
eine oder mehrere Aufgaben an das
Landesamt für Verfassungsschutz
gestellt worden sein sollen bezügl.
eines möglichen rechtsextremistischen
Hintergrunds der von der BAO Bospo-
rus untersuchten Mordfälle im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gem. §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.
3 GG über die Bayerische Staatskanz-
lei bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
08.03.2012 MAT A BY-5
MAT A BY-
5/1 a bis f
GBA-6 81 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen
zu Kontakten, insb. zu Auskunftsersu-
chen, der zu den der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Morden oder Spreng-
stoffanschlägen ermittelnden Krimi-
nalpolizeidienststellen oder "Sonder-
kommissionen" mit Nachrichtendiens-
ten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder so-
wie der Unterlagen zu Informationen
von Nachrichtendiensten des Bundes
oder Verfassungsschutzbehörden der
Länder an die ermittelnden Kriminal-
08.03.2012 MAT A GBA-
6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1197 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
polizeidienststellen oder "Sonder-
kommissionen", insb. auf etwaige
Auskunftsersuchen hin, und ggf. der
zusammenfassenden Darstellungen
von Maßnahmen, die aufgrund sol-
cherart erlangter Informationen von
den ermittelnden
Kriminalspolizeidienststellen oder
"Sonderkommissionen getroffen wur-
den, aus den Akten der ermittelnden
Kriminalpolizeidienststellen oder
"Sonderkommissionen", für die der
Generalbundesanwalt die Zuständig-
keit i.S.v. § 478 StPO nach dne §
142a, 120a GVG erlangt hat, gem. §
18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-
terium der Justiz.
BW-4 82 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehungen sämtlicher Un-
terlagen zu Kontakten, insb. zu Aus-
kunftsersuchen der zu dem der "Ter-
rorgruppe Nationalsozialistischer
Untergrund" zugeordneten Mord in
Heilbronn ermittelnden Kriminalpoli-
zeidienststelle(n) mit Nachrichten-
diensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder,
sowie der Unterlagen zu Informatio-
nen von Nachrichtendiensten des
Bundes oder Verfassungsschutzbehör-
den der Länder an die ermittelnden
Kriminalpolizeidienststelle(n), insb.
auf etwaige Auskunftsersuchen hin
und ggf. der zusammenfassenden
Darstellungen von Maßnahmen, die
aufgrund solcherart erlangter Informa-
tionen von den ermittelnden Krimi-
nalpolizeidienststelle(n) getroffen
wurden, aus den Akten der ermitteln-
den Kriminalpolizeidienststelle(n),
sofern der Generalbundesanwalt die
Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach
den § 142a, 120a GVG hierfür nicht
erlangt haben sollte, im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über das Staatsministerium Ba-
den-Württemberg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
08.03.2012 MAT A BW-4
MAT A BW-
4/1
MAT A BW-
4/2
MAT A BW-
4/3
MAT A BW-
4/4
BY-6 83 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Unter-
08.03.2012 MAT A BY-
6/1
MAT A BY-
6/2
Drucksache 17/14600 – 1198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
lagen zu Kontakten, insb. zu Aus-
kunftsersuchen, der zu dem der "Ter-
rorgruppe Nationalsozialistischer
Untergrund" zugeordneten Morden in
Nürnberg oder München ermittelnden
Kriminalpolizeidienststellen oder
"Sonderkommissionen" mit Nachrich-
tendiensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder,
sowie der Unterlagen zu Informatio-
nen von Nachrichtendiensten des
Bundes oder Verfassungsschutzbehör-
den der Länder an die ermittelnden
Kriminalpolizeidienststellen oder
Sonderkommissionen, insb. auf etwai-
ge Auskunftsersuchen hin, und ggf.
zusammenfassenden Darstellungen
von Maßnahmen die aufgrund sol-
cherart erlangter Informationen von
den ermittelnden Kriminalpolizei-
dienststellen oder "Sonderkommissio-
nen" getroffen wurden, aus den Akten
der ermittelnden Kriminalpolizei-
dienststellen oder "Sonderkommissio-
nen", sofern der Generalbundesanwalt
die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO
nach den § 142a, 120a GVG hierfür
nicht erlangt haben sollte, im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe nach §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.
3 GG über die Bayerische Staatskanz-
lei bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
NW-4 84 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Unterlagen zu
Kontakten, insb. zu Auskunftsersu-
chen, der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Dortmund oder
den Sprengstoffanschlägen in Köln
ermittelnden Kriminalpolizeidienst-
stellen mit Nachrichtendiensten des
Bundes oder Verfassungsschutzbehör-
den der Länder sowie der Unterlagen
zu Informationen von Nachrichten-
diensten des Bundes oder Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder an
die ermittelnden Kriminalpolizei-
dienststellen, insbes. auf etwaige Aus-
kunftsersuchen hin und ggf. zusam-
menfassenden Darstellungen von
Maßnahmen, die aufgrund solcherart
erlangter Informationen von den er-
mittelnden Kriminalpolizeidienststel-
08.03.2012 MAT A NW-4
MAT A NW-
4/1
MAT A NW-
4/2
MAT A NW-
4/3
MAT A NW-
4/4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1199 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
len getroffen wurden, aus den Akten
der ermittelnden Kriminalpolizei-
dienststellen, sofern der Generalbun-
desanwalt die Zuständigkeit i. S. v. §
478 StPO nach den § 142a, 120a GVG
hierfür nicht erlangt haben sollte, im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Nordrhein-Westfalen bei
der zuständigen obersten Landesbe-
hörde.
GBA-7 85 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Unter-
lagen der zu dem der "Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund"
zugeordneten Mord in Heilbronn er-
mittelnden Kriminalpolizeidienststel-
len und Staatsanwaltschaft(en),aus
denen sich ergibt, wann, mit welchen
Inhalten und auf der Grundlage wel-
cher Informationen Sprecher oder
sonstige Personen aus den ermitteln-
den Kriminalpolizeidienststellen und
Staatsanwaltschaften Presseerklärun-
gen, Aufrufe oder sonstige öffentliche
Stellungnahmen abgegeben, erwogen
oder bei übergeordneten Dienststellen
angeregt haben, insb. zum jeweils
aktuellen Stand der Ermittlungen aus
den Akten der ermittelnden Kriminal-
polizeidienststelle(n) und Staatsan-
waltschaft(en), für die der General-
bundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v.
§ 478 StPO nach den § 142a, 120a
GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der
Justiz.
08.03.2012 MAT A GBA-
7
BW-5 86 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen
der zu dem der "Terrorgruppe Natio-
nalsozialistischer Untergrund" zu-
geordneten Mord in Heilbronn ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n)
und Staatsanwaltschaft(en) aus denen
sich ergibt, wann, mit welchen Inhal-
ten und auf der Grundlage welcher
Informationen Sprecher oder sonstige
Personen aus den ermittelnden Krimi-
nalpolizeidienststelle(n) und Staats-
anwaltschaft(en) Presseerklärungen,
08.03.2012 MAT A BW-5
MAT A BW-
5/1a bis c
MAT A BW-
5/2
Drucksache 17/14600 – 1200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Aufrufe oder sonstige öffentliche
Stellungnahmen abgegeben, erwogen
oder bei übergeordneten Dienststellen
angeregt haben, insb. zum jeweils
aktuellen Stand der Ermittlungen aus
den Akten der ermittelnden Kriminal-
polizeidienststelle(n) Staatsanwalt-
schaft(en), sofern der Generalbundes-
anwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478
StPO nach den § 142a, 120a GVG
hierfür nicht erlangt haben sollte, im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über das Staatsministe-
rium Baden-Württemberg bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
GBA-8 87 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen
der BAO Bosporus und der zuständi-
gen Staatsanwaltschaften, aus denen
sich ergibt, wann, mit welchen Inhal-
ten und auf der Grundlage welcher
Informationen Sprecher oder sonstige
Personen aus der "BAO Bosporus"
und den zuständigen Staatsanwalt-
schaften bzw. aus den im Jahr 2005
zur "BAO Bosporus" verbundenen
(Sonder-)Ermittlungseinheiten der
Länder oder anderer Stellen Presseer-
klärungen, Aufrufe oder sonstige öff.
Stellungnahmen abgegeben, erwogen
oder über übergeordnete Dienststellen
angeregt haben, insb. zu dem jeweils
aktuellen Stand der Ermittlungen aus
den Akten der "BAO Bosporus" und
der zuständigen Staatsanwaltschaften,
für die der Generalbundesanwalt die
Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach
den § 142a, 120a GVG erlangt hat,
gem. § 18 Abs. 4 PUAG beim Bun-
desministerium der Justiz.
08.03.2012 MAT A GBA-
8
MAT A GBA-
8/1
BY-7 88 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch vor-
rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen
der "BAO Bosporus" und der zustän-
digen Staatsanwaltschaften, aus denen
sich ergibt, wann, mit welchen Inhal-
ten und auf der Grundlage welcher
Informationen Sprecher oder sonstige
Personen aus der "BAO Bosporus"
und den zuständigen Staatsanwalt-
schaften bzw. aus den im Jahr 2005
08.03.2012 MAT A BY-7
MAT A BY-
7/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1201 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
zur "BAO Bosporus" verbundenen
(Sonder-)Ermittlungseinheiten der
Länder oder anderer Stellen Presseer-
klärungen, Aufrufe oder sonstige öff.
Stellungnahmen abgegeben, erwogen
oder bei übergeordneten Dienststellen
angeregt haben, insb. zum jeweils
aktuellen Stand der Ermittlungen, aus
den Akten der "BAO Bosporus", so-
fern der Generalbundesanwalt die
Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach
den § 142a, 120a GVG hierfür nicht
erlangt haben sollte, im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Bayerische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
GBA-9 89 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Unterlagen der zu
dem der "Terrorgruppe Nationalsozia-
listischer Untergrund" zugeordneten
Mord in Dortmund oder den Spreng-
stoffanschlägen in Köln ermittelnden
Kriminalpolizeidienststellen oder
Staatsanwaltschaften, aus denen sich
ergibt, wann, mit welchen Inhalten
und auf der Grundlage welcher Infor-
mationen Sprecher oder sonstige Per-
sonen aus den ermittelnden Kriminal-
polizeidienststellen und Staatsanwalt-
schaften, Presseerklärungen, Aufrufe
oder sonstige öff. Stellungnahmen
abgegeben, erwogen oder bei überge-
ordneten Dienststellen angeregt haben,
insb. zum jeweils aktuellen Stand der
Ermittlungen, aus den Akten der er-
mittelnden Kriminalpolizeidienststel-
len und Staatsanwaltschaften, für die
der Generalbundesanwalt die Zustän-
digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den §
142a, 120a GVG erlangt hat, gem. §
18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-
terium der Justiz.
08.03.2012 MAT A GBA-
9
NW-5 90 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Unterlagen der zu
dem der "Terrorgruppe Nationalsozia-
listischer Untergrund" zugeordneten
Mord in Dortmund oder den Spreng-
stoffanschlägen in Köln ermittelnden
Kriminalpolizeidienststellen und
08.03.2012 MAT A NW-5
MAT A NW-
5/1
MAT A NW-
5/2
MAT A NW-
5/3 a bis d
MAT A NW-
5/4a und b
Drucksache 17/14600 – 1202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Staatsanwaltschaften, aus denen sich
ergibt, wann, mit welchen Inhalten
und auf der Grundlage welcher Infor-
mationen Sprecher oder sonstige Per-
sonen aus den ermittelnden Kriminal-
polizeidienststellen und Staatsanwalt-
schaften, Presseerklärungen, Aufrufe
oder sonstige öff. Stellungnahmen
abgegeben, erwogen oder bei überge-
ordneten Dienststellen angeregt haben,
insb. zum jeweils aktuellen Stand der
Ermittlungen, aus den Akten der er-
mittelnden Kriminalpolizeidienststel-
len und Staatsanwaltschaften, sofern
der Generalbundesanwalt die Zustän-
digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den §
142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt
haben sollte, im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen obers-
ten Landesbehörde.
SN-3 91 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Protokolle des
Verfassungs-, Rechts- und Europaaus-
schusses des Sächsischen Landtages -
insb. über dessen Sitzungen vom
11.1.2012, 7.12.2011 und 2.11.2011 -
und sonstiger in diesem Ausschuss
vorhandener Dokumente, soweit sie
sich auf die im Untersuchungsauftrag
festgelegten Sachverhalte beziehen
und nach dem 4. November 2011
entstanden bzw. in Gewahrsam ge-
nommen worden sind, im Wege der
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Sächsi-
schen Landtag.
08.03.2012 MAT A SN-3
MAT A SN-3/1
bis
MAT A SN-3/5
MAT A SN-3/6
MAT A SN-3/7
MAT A SN-3/8
MAT A SN-3/9
SN-4 92 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Protokolle des
Innenausschusses des Sächsischen
Landtags und sonstiger in diesem
Ausschuss vorhandener Dokumente,
soweit sie sich auf die im Untersu-
chungsauftrag festgelegten Sachver-
halte beziehen und nach dem 4. No-
vember 2011 entstanden bzw. in Ge-
wahrsam genommen worden sind, im
Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
08.03.2012 MAT A SN-4
MAT A SN-4/1
bis 12
MAT A SN-
4/13a und b
MAT A SN-
4/14
MAT A SN-
4/15 bis 22
MAT A SN-
4/23
MAT A SN-
4/24
MAT A SN-
4/25
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1203 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
beim Sächsischen Landtag.
SN-5 93 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung der Antwort des Sächsischen
Staatsministeriums des Innern vom
11.01.2012 auf den Berichtsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im
Sächsischen Landtag (LT-Drs.
5/7489) "Erkenntnisse und Versäum-
nisse von Polizei, Verfassungsschutz
und Staatsanwaltschaft bezüglich der
"Zwickauer Terrorzelle" aufklären -
rechtsextremistische Straftaten wirk-
sam verhindern!" im Wege der Amts-
hilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische
Staatskanzlei beim Sächsischen
Staatsministerium des Innern.
08.03.2012 MAT A SN-5
TH-4 94 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Protokolle des
Justiz- und Verfassungsschutzes des
Thüringischen Landtags und sonstiger
in diesem Ausschuss vorhandener
Dokumente, soweit sie sich auf die im
Untersuchungsauftrag festgelegten
Sachverhalte beziehen und nach dem
4. November 2011 entstanden bzw. in
Gewahrsam genommen worden sind,
im Wege der Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG beim Thüringischen Landtag.
08.03.2012 MAT A TH-
4a-g
TH-5 95 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von
Vorschriften des Bundes - durch Bei-
ziehung sämtlicher Protokolle des
Innenausschusses des Thüringischen
Landtags und sonstiger in diesem
Ausschuss vorhandener Dokumente,
soweit sie sich auf die im Untersu-
chungsauftrag festgelegten Sachver-
halte beziehen und nach dem 4. No-
vember 2011 entstanden bzw. in Ge-
wahrsam genommen worden sind, im
Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG
beim Thüringischen Landtag.
08.03.2012 MAT A TH-
5a-i
P-1 96 Es wird Beweis erhoben zu den Ziffer
B I und B II des Untersuchungsauf-
trags durch das Ersuchen um Heraus-
gabe aller Protokolle von Unterrich-
tungen in der Bundespressekonferenz,
08.03.2012 MAT A P-1
Drucksache 17/14600 – 1204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
die sich im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) auf den
Untersuchungsgegenstand bezogen,
aller Protokolle von Unterrichtungen
in der Bundespressekonferenz, in
denen seit dem 08.11.2011 über den
Untersuchungsgegenstand im Unter-
suchungszeitraum informiert wurde,
gem. § 29 Abs. 1 PUAG beim Vor-
stand der Bundespressekonferenz.
SN-6 97 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vor-
bereitet durch das Ersuchen um Be-
nennung der Personen, die mit den
folgenden für den Untersuchungsge-
genstand wichtigen Ämtern oder Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angabe des
Beginns und des Endes der Zeit, in der
sie das Amt oder die Aufgabe wahr-
genommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Ver-
fassungsschutz,
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung),
- Leiter der ermittelnden Kriminalpo-
lizeidienststelle(n) sowie Sonder-
kommissionen für die mit Beweisbe-
schluss vom 01.03.2012 - BB SN-2 -
erfragten polizeilichen Ermittlungs-
verfahren des Freistaates Sachsen,
- für die genannten Ermittlungen zu-
ständige Generalstaatsanwaltschaft,
- für die genannten Ermittlungen sach-
leitend zuständiger Staatsanwalt im
Weg des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Sächsische
Staatskanzlei bei der jeweiligen obers-
ten Landesbehörde.
08.03.2012 MAT A SN-6
MAT A SN-6/1
MAT A SN-6/2
MAT A SN-6/3
BfV-7 Es wird Beweis erhoben durch vor-
rangige Beiziehung
1. der vom BfV seit November 2011
zu der NSU und dem engeren Unter-
stützerumfeld erstellten Erkenntniszu-
sammenstellungen sowie
2. der in diese Erkenntniszusammen-
stellungen eingeflossenen Akten gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium des Innern.
08.03.2012 MAT A BfV-7
MAT A BfV-
7/1 bis 7/6
MAT A BfV-
7/7
MAT A BfV-
7/8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1205 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Z-1 98 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn Ltd. KD
Wolfgang Geier als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-1
Z-2 99 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn KOR a. D.
Klaus Mähler als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-2
Z-3 100 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn EKHK Albert
Vögeler als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-3
Z-4 101 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn ltd. Ober-
staatsanwalt Dr. Walter Kimmel als
Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-4
Z-5 102 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn EKHK Ale-
xander Horn als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 10.05.2012 MAT A Z-5
Z-6 103 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn KHK Udo
Haßmann als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 10.05.2012 MAT A Z-6
Z-7 104 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, durch Ver-
22.03.2012 30.03.2012 24.05.2012 MAT A Z-7
Drucksache 17/14600 – 1206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
nehmung von Herrn Präsident a. D.
Dr. Wolfgang Weber als Zeuge.
Z-8 105 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum
Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie
und weitere Straftaten, intensive Er-
mittlungen" gem. Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des
Untersuchungsgegenstands, durch
Vernehmung von Herrn KD Christian
Hoppe als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 11.05.2012 MAT A Z-8
Z-9 106 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Ministerpräsident
a.D. Dr. Günther Beckstein als Zeuge.
22.03.2012 24.05.2012 MAT A Z-9
Z-10 108 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn LRD Edgar
Hegler als Zeuge.
22.03.2012 30.03.2012 24.05.2012 MAT A Z-10
Z-11 109 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Erster Vizepräsi-
dent des BKA a.D. Bernhard Falk als
Zeuge.
22.03.2012 30.04.2012 14.06.2012 MAT B Z-11
TH-6 110 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbes.
auch zum Zwecke der Evaluierung
von Vorschriften des Bundes und Ziff.
B.III.1., durch Beiziehung des Be-
richts der vom Innenminister des Frei-
staats Thüringen eingesetzten sog.
Schäfer-Kommission nach Übergabe
an die Regierung des Freistaates Thü-
ringen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der
Staatskanzlei des Freistaats Thürin-
gen.
29.03.2012 MAT A TH-6
MAT A TH-
6/1
MAT A TH-
6/2
MAT A TH-
6/3
TH-7 112-
neu
Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung der Ergebnisse der Untersu-
chung beim Thüringer Verfassungs-
schutz- insb. zur Amtsführung des
Präsidenten Helmut Roewer - durch
den ehemaligen Thüringer Staatssek-
retär Karl Heinz Gasser (sog. "Gasser-
Bericht") im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
29.03.2012 MAT A TH-7
MAT A TH-
7/1 bis 3
BfV-8 119 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Dr.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
1. der Zeitschrift "Der Weiße Wolf",
Ausgabe 1/2002, Nr. 18, in einem
26.04.2012 MAT A BfV-8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1207 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Originalexemplar,
2. zu der dieser Ausgabe ggf. bei ih-
rem Erscheinen vorgenommenen
Auswertung durch das Bundesamt für
Verfassungsschutz sowie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf
diese Auswertung hin ergriffenen
Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium des Innern.
BfV-9 120 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
1. von Auflistungen der jeweils in den
Jahren des Untersuchungszeitraums
vom Bundesamt für Verfassungs-
schutz ausgewerteten Periodika, die
im rechtsextremistischen Umfeld
zugeordnet waren,
2. aller Ausfertigungen des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz derjeni-
gen Ausgaben der genannten Periodi-
ka, in denen die Stichworte "NSU"
bzw. "Nationalsozialistischer Unter-
grund" erwähnt waren, sowie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf
solche Auswertungen hin ergriffenen
Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium des Innern.
26.04.2012 MAT A BfV-9
BB-2 121 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453), insbes. zur Evaluierung der
Zusammenarbeit von Bundes- und
Landesbehörden, durch Vorrangige
Beiziehung
1. der Zeitschrift "Der Weisse Wolf",
Ausg. 1/2011, Nr. 18, in einem Origi-
nalexemplar,
2. der zu dieser Ausgabe ggf. bei ih-
rem Erscheinen vorgenommenen
Auswertung durch die Verfas-
sungsschutzbehörden des Landes
sowie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf
diese Auswertung hin ergriffenen
Maßnahmen im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
26.04.2012 MAT A BB-2
MV-4 122 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453), insbes. zur Evaluierung der
Zusammenarbeit von Bundes- und
Landesbehörden, durch Vorrangige
Beiziehung
1. der Zeitschrift "Der weiße Wolf",
26.04.2012 MAT A MV-4
Drucksache 17/14600 – 1208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Ausgabe 1/2002, Nr. 18 in einem
Originalexemplar,
2. der zu dieser Aufgabe ggf. bei ih-
rem Erscheinen vorgenommenen
Auswertung durch die Verfas-
sungsschutzbehörden des Landes
sowie
3. aller Unterlagen zu etwaigen auf
diese Auswertung hin ergriffenen
Maßnahmen im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Mecklen-
burg-Vorpommern bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
Z-12 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag, insbesonde-
re zum Komplex „2000 bis 2007 –
Mordserie und weitere Straftaten,
intensive Ermittlungen“ gemäß Aus-
schussbeschluss vom 1. 3. 2012 zur
Gliederung des Untersuchungsgegen-
standes, durch Vernehmung von KHK
Johann-Manfred Pfister als Zeugen.
26.04.2012 30.04.2012 10.05.2012 MAT A Z-12
Z-13 Es wird Beweis erhoben zu der Befas-
sung des Bayerischen Staatsministeri-
ums des Innern mit der BAO Bospo-
rus durch Vernehmung von Herrn KD
Lothar Köhler als Zeuge.
10.05.2012 24.05.2012 MAT A Z-13
BW-6 134 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss BW-1 v. 1.3.2012 Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
insbes. zur Evaluierung bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtl. Akten, Dokumente, in Dateien
oder andere Weise gespeicherter Da-
ten und sonstiger sächlicher Beweis-
mittel, die im Organisationsbereich
des Landesamtes für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in BB BW-1 vom
1.3.2012 spezifiziert) zugeordnet wer-
den bzw. die Befassung damit durch
die genannten Behörden, und soweit
sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
11.05.2012 MAT A BW-6
MAT A BW-
6/1 bis 3
MAT A BW-
6/4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1209 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse BW-1 bis BW-5 im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gem. §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.
3 GG über das Staatsministerium
Baden-Württemberg bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde.
BY-8 135 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss BY-1 vom 1.3.2012 Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453),
insbes. zur Evaluierung bundesrechtli-
cher Vorschriften durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz des Freistaates Bayern,
des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern sowie der Bayerischen
Staatskanzlei vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“,
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
BY-1 vom 1. März 2012 spezifiziert)
zugeordnet werden bzw. die Befas-
sung damit durch die genannten Be-
hörden,
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
sein,
und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse BY-1 bis BY-7
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs.
3 GG über die Bayerische Staatskanz-
lei bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
11.05.2012 MAT A BY-8
MAT A BY-
8/1
HE-4 136 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss HE-1 vom 1.3.2012, Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
11.05.2012 MAT A HE 4
MAT A HE-4
II, III, IV, VI
MAT A HE-
Drucksache 17/14600 – 1210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
insbes. zur Evaluation bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Hessen, des Hessischen
Ministeriums des Innern und für Sport
sowie der Hessischen Staatskanzlei
vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
HE-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-
geordnet werden bzw. die Befassung
damit durch die genannten Behörden,
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse HE-1 bis HE-3 im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Hessische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
4/1
MAT A HE-
4/I-1, II-1, III-
2, IV-1, V-1,
VI-1, VII-1
MAT A HE-
4/VIII
MAT A HE-
4/III-1
MAT A HE-
4/III-1a
HH-4 137 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss HH-1 vom 1.3.2012, Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
insbes. zur Evaluation bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Hamburg, der Behörde
für Inneres und Sport Hamburg sowie
der Senatskanzlei Hamburg vorliegen,
soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
11.05.2012 MAT A HH-4
MAT A HH-
4/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1211 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
HH-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-
geordnet werden bzw. die Befassung
damit durch die genannten Behörden,
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse HH-1 bis HH-3 im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Senatskanzlei Hamburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
MV-5 138 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss MV-1 vom 1.3.2012, Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
insbes. zur Evaluation bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Ministeriums für Inneres und
Sport des Landes Mecklenburg-
Vorpommern, einschließlich der Lan-
desbehörde für Verfassungsschutz,
sowie der Staatskanzlei Mecklenburg-
Vorpommern vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
MV-1 vom 1.3.2012 spezifiziert)
zugeordnet werden bzw. die Befas-
sung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse MV-1 bis MV-3 im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gem. §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.
11.05.2012 MAT A MV-5
Drucksache 17/14600 – 1212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
3 GG über die Staatskanzlei Mecklen-
burg-Vorpommern bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
NW-6 139 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss NW-1 vom 1.3.2012, Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
insbes. zur Evaluation bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz des Landes Nordrhein-
Westfalen, des Ministerium für Inne-
res und Kommunales des Landes
Nordrhein-Westfalen sowie der
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
NW-1 vom 1.3.2012 spezifiziert)
zugeordnet werden bzw. die Befas-
sung damit durch die genannten Be-
hörden, und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse NW-1, NW-4 und NW-5 im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Nordrhein-Westfalen bei
der zuständigen obersten Landesbe-
hörde.
11.05.2012 MAT A NW-6
a bis o
MAT A 6 l
Auszug
angeschwärzt
MAT A NW-
6/1
MAT A NW-
6/2
MAT A NW-
6/3
MAT A NW-
6/4
MAT A NW-
6a/1
SN-7 140 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss SN-1 vom 1.3.2012, Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
insbes. zur Evaluation bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
11.05.2012 MAT A SN-7
MAT A SN-7-
/1
MAT A SN-7/2
a bis e
MAT A SN-7/3
MAT A SN-7/4
a bis h
MAT A SN-7/5
MAT A SN-7/6
MAT A SN-7/7
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1213 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
sungsschutz Sachsen, des Sächsischen
Staatsministeriums des Innern sowie
der Sächsischen Staatskanzlei vorlie-
gen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
SN-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-
ordnet werden bzw. die Befassung
damit durch die genannten Behörden,
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
u. U. auch später gewonnen worden
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse SN-1, SN-2, SN-5 und SN-6
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Sächsische
Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
MAT A SN-7/8
MAT A SN-7/9
MAT A SN-
7/10
MAT A SN-
7/11
MAT A SN-
7/12
MAT A SN-
7/13
MAT A SN-
7/14
MAT A SN-
7/15a und b
MAT A SN-
7/16a-e
MAT A SN-
7/17
MAT A SN-
7/18
MAT A SN-
7/19a-c
TH-8 141 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-
schluss TH-3 vom 1.3.2012, Beweis
erhoben zum gesamten Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)
insbes. zur Evaluation bundesrechtli-
cher Vorschriften, durch Beiziehung
sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die im Organisationsbe-
reich des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Thüringen, des Thüringer
Innenministerium sowie der Thüringer
Staatskanzlei vorliegen, soweit sie
1. den Untersuchungsgegenstand be-
treffen und Informationen enthalten
über Straftaten, die der Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund",
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder
Unterstützern (wie in Beweisbeschluss
TH-3 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-
geordnet werden bzw. die Befassung
damit durch die genannten Behörden,
und soweit sie
2. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum
8.11.2011, mögen diese Informationen
11.05.2012 MAT A TH-8
MAT A TH-
8/1
MAT A TH-
8/2
MAT A TH-
8/3a - h
Drucksache 17/14600 – 1214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
u. U. auch später gewonnen worden
sein, und soweit
3. die erbetenen Informationen dem
Ausschuss nicht bereits geliefert wur-
den in Erledigung der Beweisbe-
schlüsse TH-1 bis TH-3 und TH-6 und
TH-7 im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Thüringer Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
BKA-3 143-
neu
Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften -,
indem das Bundesministerium des
Innern ersucht wird, dem Untersu-
chungsausschuss durch Mitteilung
ihrer vollständigen Personalien die
Identität der Person offenzulegen, die
dem Bundeskriminalamt (BKA) im
April 2007 die Kopie eines Angebotes
aus der Ausgabe des Internationalen
Waffenmagazins 8-9 aus 1993 über-
mittelt hat, in dem der schweizerische
Waffenhändler Jan Luxik Pistolen des
Typs Česká 83, Kal. 7,65 mm, mit
Schalldämpfern für 1250 Fr. anbietet
(vgl. den Vermerk BKA SO 15 vom
20.7.2007, Tgb.-Nr. SO 13/04 = MAT
A BY-2-2b, Bl. 159, 160).
MAT A BKA-
3
BY-9 144 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften -,
indem die Bayerische Staatskanzlei im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG gebeten wird, bei der
zuständigen obersten Landesbehörde
anhand ihrer vollständigen Personalien
die Identität des ehem. Mitarbeiters
der Schweizer Waffenfirma Schläfli
und Zbinden, Herrn Mayer, der der
BAO Bosporus am 20.7.2006 telefo-
nisch den Hinweis gegeben hat, dass
der Waffenhändler Jan Luxik im Jahr
1993 eine Česká 83 mit Schalldämpfer
zum Verkauf angeboten habe (vgl. den
Abgabebericht der StA Nürnberg-
Fürth in der Tatserie "Česká" vom
13.1.2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 8 ff.,
124 sowie die diesbezügliche Quel-
lenangabe dort in Fußnote 432: "drei
Bände Spurenakten zur Spur Nr.
MAT A BY-9
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1215 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
556"), in Erfahrung zu bringen und
dem Untersuchungsausschuss offenzu-
legen.
HH-5 145 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften -,
durch Beiziehung der Verfahrensakten
(Sachakten, Handakten, Spurenakten,
Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke
o. ä.) zu den in der Freien und Hanse-
stadt Hamburg geführten polizeilichen
und staatsanwaltschaftlichen Ermitt-
lungen (laut MAT A GBA-4/2, Bl.
130 ff.: StA Hamburg, 6600 UJs 6/01 /
StA Hamburg 6600 Js 1/07 - Akten-
zeichen der Polizei noch zu benennen,
da in MAT A HH-2 nicht angegeben)
im Mordfall Süleyman Tasköprü,
soweit der Generalbundesanwalt die
Akten nicht zu seinen aktuellen Er-
mittlungen herangezogen hat und sie
somit noch der Verfügungsgewalt des
Landes unterliegen, insoweit als sie
die Zusammenarbeit und den Erkennt-
nisaustausch von Bund und Ländern
betreffen, also im Rahmen der Zu-
sammenarbeit und den Erkenntnisaus-
tausch von Bund und Ländern betref-
fen, also im Rahmen der Zusammen-
arbeit und des Erkenntnisaustauschs
mit Stellen des Bundes - hier vor al-
lem dem Bundesamt für Verfassungs-
schutz, dem Bundesnachrichtendienst,
dem Militärischen Abschirmdienst,
dem Bundeskriminalsamt sowie dem
Generalbundesanwalt - entstanden
sind, oder Informationen enthalten, die
aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht
werden können, m. d. B. um zügige
Übermittlung im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Senatskanzlei der Freien und Hanse-
stadt Hamburg bei der jeweils zustän-
digen obersten Landesbehörde.
MAT A HH-5
MAT A HH-
5/1 a bis j
MAT A HH-
5/2
MAT A HH-
5/3
HE-5 146 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften -,
durch Beiziehung der Verfahrensakten
(Sachakten, Handakten, Spurenakten,
Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke
o. ä.) zu den im Land Hessen geführ-
ten polizeilichen (lauz Antwort auf
MAT A HE-5
MAT A HE-5a
bis e
Drucksache 17/14600 – 1216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Beweisbeschluss HE-2: PP Nordhes-
sen, ST ST/0403409/06) u. staatsan-
waltschaftlichen (laut Antwort auf
Beweisbeschluss HE-2: StA Kassel
8821 UJs 66175/06) Ermittlungen im
Mordfall Halit Yozgat soweit der
Generalbundesanwalt die Akten nicht
zu seinen aktuellen Ermittlungen her-
angezogen hat und sie somit noch der
Verfügungsgewalt des Landes unter-
liegen, insoweit als sie die Zusam-
menarbeit und den Erkenntnisaus-
tausch von Bund und Ländern betref-
fen, also im Rahmen der Zusammen-
arbeit und den Erkenntnisaustausch
von Bund und Ländern betreffen, also
im Rahmen der Zusammenarbeit und
des Erkenntnisaustauschs mit Stellen
des Bundes - hier vor allem dem Bun-
desamt für Verfassungsschutz, dem
Bundesnachrichtendienst, dem Militä-
rischen Abschirmdienst, dem Bundes-
kriminalsamt sowie dem Generalbun-
desanwalt - entstanden sind, oder
Informationen enthalten, die aus heu-
tiger Sicht hätten ausgetauscht werden
können, m. d. B. um zügige Übermitt-
lung im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Hessen bei
der jeweils zuständigen obersten Lan-
desbehörde.
NW-7 147 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften -,
durch Beiziehung der Verfahrensakten
(Sachakten, Handakten, Spurenakten,
Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke
o. ä.) zu den im Land Nordrhein-
Westfalen geführten polizeilichen und
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
- im Fall des Sprengstoffanschlags
vom 19.01.2001 in Köln, Probsteigas-
se (laut Antwort auf Beweisbeschluss
NW-2: StA Köln 91 UJs 74/01
- im Fall des Sprengstoffanschlags
vom 09.06.2004 in Köln, Keupstraße
(laut Antwort auf Beweisbeschluss
NW-2: StA Köln 121 UJs 160/04)
- im Mordfall Mehmet Kubasik (laut
Antwort auf Beweisbeschluss NW-2:
StA Dortmund UJs 660/06)
soweit der Generalbundesanwalt die
Akten nicht zu seinen aktuellen Er-
MAT A NW-7
a bis q
MAT A NW-
7/1 a bis c
MAT A NW-
7/2 a und b
MAT A NW-
7/3a und b
MAT A NW-
7/4a und b
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1217 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
mittlungen herangezogen hat und sie
somit noch der Verfügungsgewalt des
Landes unterliegen, insoweit als sie
die Zusammenarbeit und den Erkennt-
nisaustausch von Bund und Ländern
betreffen, also im Rahmen der Zu-
sammenarbeit und des Erkenntnisaus-
tauschs mit Stellen des Bundes - hier
vor allem dem Bundesamt für Verfas-
sungsschutz, dem Bundesnachrichten-
dienst, dem Militärischen Abschirm-
dienst, dem Bundeskriminalamt sowie
dem Generalbundesanwalt - entstan-
den sind, oder Informationen enthal-
ten, die aus heutiger Sicht hätten aus-
getauscht werden können, m. d. B. um
zügige Übermittlung im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der jeweili-
gen zuständigen obersten Landesbe-
hörde.
SN-8 148 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften -,
durch Beiziehung des der Parlamenta-
rischen Kontrollkommission des Säch-
sischen Landtags vorgelegten vorläu-
figen Schlussberichts des Innern des
Freistaats Sachsen zur Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Sächsische
Staatskanzlei bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
MAT A SN-8
Z-14 149 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von EKHK Jörg Deisting als
Zeuge.
29.05.2012 14.06.2012
Z-15 150 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
29.05.2012 14.06.2012 MAT A Z-15
Drucksache 17/14600 – 1218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
mung von KOR Felix Schwarz als
Zeuge.
Z-16 151 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von LKD Gerald Hoffmann als
Zeuge.
31.05.2012 28.06.2012 MAT A Z-16
Z-17 152 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Direktor a. d. Lutz Irrgang als Zeuge.
31.05.2012 11.09.2012 MAT A Z-17
Z-18 153 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Präsident Jörg Ziercke als Zeu-
ge.
29.05.2012 28.06.2012 MAT A Z-18
Z-19 160 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KHK a.D. Edgar
Mittler als Zeuge.
14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012 MAT A Z-19
Z-20 161 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KHK Markus Weber
als Zeuge.
14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012 MAT A Z-20
Z-21 162 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn Oberstaatsanwalt
a.D. Josef Rainer Wolf als Zeuge.
14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012
Z-22 163 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012 MAT A Z-22
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1219 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KOR Bert Gricksch
als Zeuge.
Z-23 164 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Vernehmung von
MDgt a.d. Dr. Hartwig Möller als
Zeuge.
14.06.2012 27.09.2012 MAT A Z-23
BfV-10 165 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung
1. sämtlicher Unterlagen des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz, die sich
auf das Sprengstoffattentat vom 19.
Januar 2001 in Köln, den dabei ver-
wendeten Sprengsatz oder etwaige
Kontakte zu anderen Behörden in
diesem Zusammenhang beziehen,
2. sämtlicher Unterlagen des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz, die sich
auf das Nagelbombenattentat vom 9.
Juni 2004 in Köln, den dabei verwen-
deten Sprengsatz oder etwaige Kon-
takte zu anderen Behörden in diesem
Zusammenhang beziehen,
3. sämtlicher Unterlagen des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz, die sich
auf die im Jahr 2006 erfolgte Zusam-
menlegung der Abteilungen für
Rechts- und Linksextremismus im
Bundesamt für Verfassungsschutz
beziehen, soweit sie nicht nur die
verwaltungstechnische Durchführung
der Zusammenlegung (z. B. Umset-
zung von Personal, Raumplanung)
betreffen,
4. sämtlicher Unterlagen des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz aus dem
Zeit-raum vom 9. September 2000 bis
zum 8. November 2011, die sich be-
ziehen auf den Informationsaustausch
im Verfassungsschutzverbund in Form
von Tagungen, internen oder externen
Publikationen zu der Frage, ob es in
Deutschland rechtsterroristische
Strukturen gibt,
5. sämtlicher Unterlagen des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz aus dem
Zeitraum vom 9. September 2000 bis
zum 8. November 2011, die sich auf
Kontakte zu anderen Behörden bezie-
hen, im Zusammenhang mit den Straf-
taten, die dem „Nationalsozialisti-
schen Untergrund“ zugeordnet wer-
den,
soweit sie noch nicht übermittelt sein
14.06.2012 MAT A BfV-
10
MAT A BfV-
10/1
Drucksache 17/14600 – 1220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
sollten, gemäß § 18 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern mit der
Bitte um möglichst baldige – prioritäre
– Übermittlung an den Untersu-
chungsausschuss, möglichst bis zum
27. Juni 2012.
BMI-6 166 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Unter-
lagen des Bundesministeriums des
Innern, die sich auf die im Jahr 2006
erfolgte Zusammenlegung der Abtei-
lungen für Rechts- und Linksextre-
mismus im Bundesamt für Verfas-
sungsschutz beziehen, soweit sie nicht
nur die verwaltungstechnische Durch-
führung der Zusammenlegung (z. B.
Umsetzung von Personal, Raumpla-
nung) betreffen, soweit sie noch nicht
übermittelt sein sollten, gemäß § 18
PUAG beim Bundesministerium des
Innern mit der Bitte um möglichst
baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss, mög-
lichst bis zum 27. Juni 2012.
14.06.2012 MAT A BMI-6
a und b
MAT A BMI-
6/1
BW-7 168 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag – insbeson-
dere zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluie-
rung von Vorschriften des Bundes –
durch vorrangige Beiziehung aller
beim Innenministerium des Landes
Baden-Württemberg oder seinen
nachgeordneten Behörden vorhande-
nen, mit Beweisbeschluss BW-4 vom
08.03.2012 angeforderten und im
Schreiben des Innenministeriums
Baden-Württemberg vom 25.05.2012
(MAT A BW-4/1) aufgeführten Unter-
lagen zu den nachfolgend bezeichne-
ten Vorgängen:
• Anfrage wegen eines Tatortzeugen
mit möglichen Bezügen zu Nachrich-
tendiensten (Schreiben des Innenmi-
nisteriums Baden-Württemberg vom
25.05.2012, Ziffer I.2.5)
• Anfrage aufgrund Medienberichter-
stattung zu Zusammenhängen mit OK
oder Terrorismus (Schreiben des In-
nenministeriums Baden-Württemberg
vom 25.05.2012, Ziffer I.2.8)
• Schriftverkehr zum Informationsaus-
tausch mit Nachrichtendiensten
(Schreiben des Innenministeriums
Baden-Württemberg vom 25.05.2012,
Ziffer II.2.3)
soweit diese aufgrund des Beweisbe-
schlusses BW-4 nicht bereits übermit-
14.06.2012 MAT A BW-7
MAT A BW-
7/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1221 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
telt sind im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium Baden-
Württemberg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde mit der Bitte
um möglichst baldige – prioritäre –
Übermittlung an den Untersuchungs-
ausschuss.
NW-8 169 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Video-
sequenzen, die im Zusammenhang mit
dem Nagelbombenattentat vom 9. Juni
2004 in Köln von den nordrhein-
westfälischen Sicherheitsbehörden
zusammengetragen wurden, im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §
18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei den zustän-
digen Landesbehörden, mit der Bitte
um möglichst baldige – prioritäre –
Übermittlung an den Untersuchungs-
ausschuss, möglichst bis zum 27. Juni
2012.
14.06.2012 MAT A NW-8
Z-24 176 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Direktor beim BfV a. D. Wolf-
gang Cremer als Zeuge.
28.06.2012 05.07.2012 MAT A Z-24
Z-25 177 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Präsident Heinz Fromm als
Zeuge.
28.06.2012 05.07.2012 MAT A Z-25
Z-26 178 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Oberst a. D. Dieter H. als Zeu-
ge.
28.06.2012 11.09.2012 MAT A Z-26
Z-27 179 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KOR Axel Mögelin
als Zeuge.
28.06.2012 13.09.2012 MAT A Z-27
Z-28 180 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
28.06.2012 13.09.2012 MAT A Z-28
Drucksache 17/14600 – 1222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn EStA Christoph
Meyer als Zeuge.
Z-29 181 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Präsident Joachim Schmalzl als
Zeuge.
28.06.2012 13.09.2012 MAT A Z-29
Z-30 182 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KHK Werner Jung
als Zeuge.
28.06.2012 27.09.2012 MAT A Z-30
Z-31 183 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KHK Uwe Deetz als
Zeuge.
28.06.2012 27.09.2012 MAT A Z-31
Z-32 184 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn KOK Jens Merten als
Zeuge.
28.06.2012 25.10.2012 MAT A Z-32
MAT A Z-32/1
MAT A Z-32/2
MAT A Z-32/3
SN-9 185 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) – insbesondere zu Ziffer
B.III.1 und zur Evaluierung von Vor-
schriften des Bundes – durch Beizie-
hung der Verfahrensakten des mit
Schreiben des Landeskriminalamtes
Sachsen vom 11.04.2012 (MAT A
SN-2/2)auf das in Beweisbeschluss
SN-2 vom 01.03.2012 erfolgte Ersu-
chen hin benannten Verfahrens Az.:
223 Js 2227/07, VG-Nr.:
5106/06/177201 bei der PD Südwest-
sachsen (Vernehmungen wegen Was-
serschaden in der Polenzstraße 2 in
Zwickau) im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs.
28.06.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1223 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
3 GG über die Sächsische Staatskanz-
lei bei der zuständigen obersten Lan-
desbehörde mit der Bitte um möglichst
baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss.
BND-4 186 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch das Ersuchen um
Benennung der Leiter des oder der für
die Fragen
- nachrichtendienstl. Aufgaben in der
Schweiz
- Waffenhandel mit Bezug zur
Schweizzuständigen Referates oder
Referate im Bundesnachrichtendienst
während der gesamten Zeit des Unter-
suchungsauftrages, konkretisierend zu
den Angaben zu Beweisbeschluss
BND-1 gemäß § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundeskanzleramt mit der Bitte,
die Angaben dem 2. Untersuchungs-
ausschuss möglichst bis 03.07.2012 zu
übermitteln.
28.06.2012 MAT A BND-
4
BfV-11 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung der Unterlagen
des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz
- zu der Operation Rennsteig und
- zum Thüringer Heimatschutz gemäß
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nister des Innern.
28.06.2012 MAT A BfV-
11
MAT A BfV-
11/1, /2
BfV-11/3
BfV-11/4
MAD-4 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung der Unterlagen
des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz
- zu der Operation Rennsteig und
- zum Thüringer Heimatschutz gemäß
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nister der Verteidigung.
28.06.2012 MAT A MAD-
4
MAT A MAD-
4/1, 2
BY-10 Der Freistaat Bayern wird im Wege
der Amtshilfe ersucht, alle Unterlagen
- zu der Operation Rennsteig und
- zum Thüringer Heimatschutz priori-
tär vorzulegen.
28.06.2012 MAT A BY-10
MAT A BY-
10/1
MAT A BY-
10/2
MAT A BY-
10/3
TH-9 Der Freistaat Thüringen wird im Wege
der Amtshilfe ersucht, alle Unterlagen
- zu der Operation Rennsteig und
- zum Thüringer Heimatschutz priori-
tär vorzulegen.
28.06.2012 MAT A TH-
9/1 a, b
MAT A TH-
9/2
MAT A TH-
9/3
MAT A TH-
9/4 a, b
MAT A TH-
Drucksache 17/14600 – 1224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
9/5
MAT A TH-
9/6
MAT A TH-
9/7
MAT A TH-
9/8
MAT A TH-
9/9
MAT A TH-
9/10
MAT A TH-
9/10/1
MAT A TH-
9/10/2 a und b
MAT A TH-
9/11 bis 9/31
BfV-12 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung der
Registraturanweisung des BfV vom
9.4.1984 und ggf. der
Registraturanweisung des BfV, die im
Nov. 2011 galt, sowie der Unterlagen
zur Vernichtung der betroffenen Ak-
tenstücke gemäß § 18 PUAG beim
Bundesministerium des Innern mit der
Bitte um möglichst baldige – prioritäre
– Übermittlung an den Untersu-
chungsausschuss.
03.07.2012 MAT A BfV-
12a
MAT A BfV-
12b
BfV-13 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung der dienstlichen
Erklärungen vom 27. und 28.6.2012
des Mitarbeiters des BfV, der im No-
vember 2012 die Vernichtung eines
Teils der Akten über die Operation
Rennsteig angeordnet hat gemäß § 18
PUAG beim Bundesministerium des
Innern mit der Bitte um möglichst
baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss.
03.07.2012 MAT A BfV-
13
Z- 33 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung des
Mitarbeiters des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, der im November
2011 die Vernichtung eines Teils der
Akten über die „Operation Rennsteig“
angeordnet hat, als Zeuge.
03.07.2012 05.07.2012 MAT A Z-33/1
BMI-9 189 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Bundes-
tagsdrucksache Drucksache 17/8453),
indem das BMI aufgefordert wird, die
Personalien der Personen mitzuteilen,
die bei dem BfV laut Sprechzettel
TOP… und diese Personen sodann als
05.07.2012 MAT A BMI-9
MAT A BMI-
9/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1225 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Zeugen vernommen werden.
BK-5 190 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1
PUAG gebeten, bis 20. August 2012
für den gesamten Untersuchungszeit-
raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.
November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher
Mittel seiner nach-geordneten Behör-
den mit Laufzeit, Beschreibung der
Art der Maßnahme und Benennung
ihres Zwecks oder Auftrags zu be-
zeichnen, die im Zusammenhang stan-
den mit einer der Personen, die vom
Bundeskriminalamt in der Antwort auf
Beweisbeschluss BKA-2 berücksich-
tigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A BK-5
BMI-7 191 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium des Innern gemäß
§ 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20.
August 2012 für den gesamten Unter-
suchungszeitraum vom 1. Januar 1992
bis zum 8. November 2011 sämtliche
Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeili-
cher Ermittlungsmaßnahmen seiner
nachgeordneten Behörden mit Lauf-
zeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im
Zusammenhang standen mit einer der
Personen, die vom Bundeskriminalamt
in der Antwort auf Beweisbeschluss
BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT
A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
05.07.2012 MAT A BMI-7
MAT A BMI-
7/1
MAT A BMI-
7/2
BMVg-5 192 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium der Verteidigung
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis
20. August 2012 für den gesamten
Untersuchungszeitraum vom 1. Januar
05.07.2012 MAT A
BMVg-5/1
MAT A
BMVg-5/2
MAT A
BMVg-5/3
MAT A
BMVg-5/4
Drucksache 17/14600 – 1226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
1992 bis zum 8. November 2011 sämt-
liche Einsätze operativer nachrichten-
dienstlicher Mittel seiner nach-
geordneten Behörden mit Laufzeit,
Beschreibung der Art der Maßnahme
und Benennung ihres Zwecks oder
Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-
sammenhang standen mit einer der
Personen, die vom Bundeskriminalamt
in der Antwort auf Beweisbeschluss
BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT
A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
BW-8 193 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Baden-
Württemberg im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg gebeten, für den gesam-
ten Untersuchungszeitraum vom 1.
Januar 1992 bis zum 8. November
2011 sämtliche Einsätze operativer
nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungs-
maßnahmen seiner Dienststellen oder
nachgeordneten Behörden mit Lauf-
zeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im
Zusammenhang standen mit einer der
Personen, die vom Bundeskriminalamt
in der Antwort auf Beweisbeschluss
BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT
A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
05.07.2012 MAT A BW-8
MAT A BW-
8/1
MAT A BW-
8/2 a und b
MAT A BW-
8/3
BY-11 194 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bayerische Staatsministerium des
Innern im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Bayerische Staatskanzlei gebeten, für
den gesamten Untersuchungszeitraum
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 sämtliche Einsätze ope-
rativer nachrichtendienstlicher Mittel
oder verdeckter polizeilicher Ermitt-
05.07.2012 MAT A BY-11
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1227 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
lungsmaßnahmen seiner Dienststellen
oder nachgeordneten Behörden mit
Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Be-
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben).
BE-2 195 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird die
Senatsverwaltung für Inneres und
Sport des Landes Berlin im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Senatskanzlei des Landes
Berlin gebeten, für den gesamten
Untersuchungszeitraum vom 1. Januar
1992 bis zum 8. November 2011 sämt-
liche Einsätze operativer nachrichten-
dienstlicher Mittel oder verdeckter
polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
seiner Dienststellen oder nachgeordne-
ten Behörden mit Laufzeit, Beschrei-
bung der Art der Maßnahme und Be-
nennung ihres Zwecks oder Auftrags
zu bezeichnen, die im Zusammenhang
standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-
2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A BE-2
MAT A BE-2/1
MAT A BE-2/1
Ergänzung
BB-3 196 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern des Landes
Brandenburg im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992
bis zum 8. November 2011 sämtliche
Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeili-
cher Ermittlungsmaßnahmen seiner
Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung
05.07.2012 MAT A BB-3a
und b
MAT A BB-
3/1
Drucksache 17/14600 – 1228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
der Art der Maßnahme und Benen-
nung ihres Zwecks oder Auftrags zu
bezeichnen, die im Zusammenhang
standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-
2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
HB-2 197 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird der
Senator für Inneres und Sport der
Freien Hansestadt Bremen im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe nach §
18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Senatskanzlei der Freien
Hansestadt Bremen gebeten, für den
gesamten Untersuchungszeitraum vom
1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 sämtliche Einsätze operativer
nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungs-
maßnahmen seiner Dienststellen oder
nachgeordneten Behörden mit Lauf-
zeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im
Zusammenhang standen mit einer der
Personen, die vom Bundeskriminalamt
in der Antwort auf Beweisbeschluss
BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT
A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
05.07.2012 MAT A HB-2
HH-6 198 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird die
Behörde für Inneres und Sport der
Freien und Hansestadt Hamburg im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der
Freien und Hansestadt Hamburg gebe-
ten, für den gesamten Untersuchungs-
zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher
Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-
stellen oder nachgeordneten Behörden
mit Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres
05.07.2012 MAT A HH-6
MAT A HH-
6/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1229 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Be-
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben).
HE-6 199 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern und für Sport
des Landes Hessen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Hessische Staatskanzlei
gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992
bis zum 8. November 2011 sämtliche
Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeili-
cher Ermittlungsmaßnahmen seiner
Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung
der Art der Maßnahme und Benen-
nung ihres Zwecks oder Auftrags zu
bezeichnen, die im Zusammenhang
standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-
2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A HE-6a
und b
MV-6 200 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Mecklenburg-Vorpommern im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs.
3 GG über die Staatskanzlei des Lan-
des Mecklenburg-Vorpommern gebe-
ten, für den gesamten Untersuchungs-
zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum
8. November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher
Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-
stellen oder nachgeordneten Behörden
mit Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
05.07.2012 MAT A MV-6
Drucksache 17/14600 – 1230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Be-
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben).
NI-3 201 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Niedersachsen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Niedersachsen gebeten, für den ge-
samten Untersuchungszeitraum vom
1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 sämtliche Einsätze operativer
nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungs-
maßnahmen seiner Dienststellen oder
nachgeordneten Behörden mit Lauf-
zeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im
Zusammenhang standen mit einer der
Personen, die vom Bundeskriminalamt
in der Antwort auf Beweisbeschluss
BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT
A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
ben).
05.07.2012 MAT A NI-3a1
MAT A NI-3a2
MAT A NI-3b
NW-9 202 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Kommu-
nales des Landes Nordrhein-Westfalen
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Nordrhein-Westfalen gebeten,
für den gesamten Untersuchungszeit-
raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.
November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher
Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-
stellen oder nachgeordneten Behörden
mit Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit
05.07.2012 MAT A NW-9
MAT A NW-
9/1
MAT A NW-
9/2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1231 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Be-
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben).
RP-2 203 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur des Landes Rheinland-
Pfalz im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Rheinland-
Pfalz gebeten, für den gesamten
Untersuchungszeitraum vom 1. Januar
1992 bis zum 8. November 2011 sämt-
liche Einsätze operativer nachrichten-
dienstlicher Mittel oder verdeckter
polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
seiner Dienststellen oder nachgeordne-
ten Behörden mit Laufzeit, Beschrei-
bung der Art der Maßnahme und Be-
nennung ihres Zwecks oder Auftrags
zu bezeichnen, die im Zusammenhang
standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-
2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A RP-2
SL-2 204 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Saarlands im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Saarlands gebeten,
für den gesamten Untersuchungszeit-
raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.
November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher
Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-
stellen oder nachgeordneten Behörden
mit Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Be-
05.07.2012 MAT A SL-2
Drucksache 17/14600 – 1232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben).
SN-10 205 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Staatsministerium des Innern des
Freistaats Sachsen im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Sächsische Staatskanzlei gebeten,
für den gesamten Untersuchungszeit-
raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.
November 2011 sämtliche Einsätze
operativer nachrichtendienstlicher
Mittel oder verdeckter polizeilicher
Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-
stellen oder nachgeordneten Behörden
mit Laufzeit, Beschreibung der Art der
Maßnahme und Benennung ihres
Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,
die im Zusammenhang standen mit
einer der Personen, die vom Bundes-
kriminalamt in der Antwort auf Be-
weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt
wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage
zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A SN-10
MAT A SN-
10/1
MAT A SN-
10/2
MAT A SN-
10/3
ST-2 206 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Sachsen-Anhalt im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Sachsen-Anhalt gebeten, für den ge-
samten Untersuchungszeitraum vom
1. Januar 1992 bis zum 8. November
2011 sämtliche Einsätze operativer
nachrichtendienstlicher Mittel oder
verdeckter polizeilicher Ermittlungs-
maßnahmen seiner Dienststellen oder
nachgeordneten Behörden mit Lauf-
zeit, Beschreibung der Art der Maß-
nahme und Benennung ihres Zwecks
oder Auftrags zu bezeichnen, die im
Zusammenhang standen mit einer der
Personen, die vom Bundeskriminalamt
in der Antwort auf Beweisbeschluss
BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT
A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-
05.07.2012 MAT A ST-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1233 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ben).
SH-2 207 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Schles-
wig-Holstein im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Schleswig-
Holstein gebeten, für den gesamten
Untersuchungszeitraum vom 1. Januar
1992 bis zum 8. November 2011 sämt-
liche Einsätze operativer nachrichten-
dienstlicher Mittel oder verdeckter
polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
seiner Dienststellen oder nachgeordne-
ten Behörden mit Laufzeit, Beschrei-
bung der Art der Maßnahme und Be-
nennung ihres Zwecks oder Auftrags
zu bezeichnen, die im Zusammenhang
standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-
2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A SH-2
TH-10 208 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Freistaats Thü-
ringen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
gebeten, für den gesamten Untersu-
chungszeitraum vom 1. Januar 1992
bis zum 8. November 2011 sämtliche
Einsätze operativer nachrichtendienst-
licher Mittel oder verdeckter polizeili-
cher Ermittlungsmaßnahmen seiner
Dienststellen oder nachgeordneten
Behörden mit Laufzeit, Beschreibung
der Art der Maßnahme und Benen-
nung ihres Zwecks oder Auftrags zu
bezeichnen, die im Zusammenhang
standen mit einer der Personen, die
vom Bundeskriminalamt in der Ant-
wort auf Beweisbeschluss BKA-2
berücksichtigt wurden (MAT A BKA-
2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).
05.07.2012 MAT A TH-10
MAT A TH-
10/1
MAT A TH-
10/2
MAT A TH-
10/3
MAT B TH-3
BMI-8 209 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
05.07.2012 MAT A BMI-8
Drucksache 17/14600 – 1234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
(Drucksache 17/8453) wird das BMI
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis
20. August 2012 zu Aufbau und Struk-
tur der Dateien des „Tatmittelmelde-
dienstes Brand- und Sprengvorrich-
tungen“ und zu den Regelungen für
-- Meldung und Datenerfassung
- - Speicherung und gegebenenfalls
Erfassungsfristen und Löschvorgaben
- - Zugriffsberechtigungen und Abfra-
gemodalitäten
bezüglich dieser Dateien über die
gegebenenfalls bereits übersandten
Akten hinaus in zusammenhängender
Darstellung Auskunft zu geben und
dazu
- - bestehende Vorschriften und An-
weisungen
-- die Eintragungen zu den Spreng-
stofftaten, die Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos oder Beate Zschäpe einzeln
oder gemeinschaftlich zugeordnet
werden,
prioritär vorzulegen und die für diese
Dateien im Zeitraum des Untersu-
chungsauftrages zuständigen Mitarbei-
ter (Referatsleiter, Sachgebietsleiter)
des BKA zu benennen.
Z-34 210 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000-2007 - Mordserie und weitere
Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn Andreas Temme als
Zeuge.
05.07.2012 11.09.2012 MAT A Z-34
Z-35 211 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000-2007 - Mordserie und weitere
Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von NN, Leiter des Referats
Auswertung Proliferation und Waf-
fenhandel im BND als Zeuge.
05.07.2012 27.09.2012 MAT A Z-35
MAT A Z-35/1
Z-36 212 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Ministerpräsident Volker
Bouffier als Zeuge.
05.07.2012 28.09.2012 MAT A Z-36
Z-37 226 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
11.09.2012 13.09.2012 MAT A Z-37
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1235 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
"2000-2007 - Mordserie und weitere
Straftaten, intensive Ermittlungen"
gemäß Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn Günter Stengel als
Zeuge.
BW-9 227 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstandes, durch das
Ersuchen um möglichst zeitnahe Be-
nennung
1. der Mitarbeiter des Landesamtes für
Verfassungsschutz Baden-
Württemberg, die im Jahr 2003 dem
früheren Mitarbeiter des LfV Baden-
Württemberg, Herrn Stengel, in
dienstlichen Angelegenheiten beraten
haben;
2. der Mitarbeiter des Landesamtes für
Verfassungsschutz Baden-
Württemberg, die mit der Überprüfung
der Angaben von Herrn Stengel zu
früheren Hinweisen im aktuellen Er-
mittlungsverfahren befasst waren,
3. der Mitarbeiter des Landeskriminal-
amtes Baden-Württemberg, die mit
der Überprüfung der Angaben von
Herrn Stengel zu früheren Hinweisen
im aktuellen Ermittlungsverfahren
befasst waren, im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg bei der jeweils zuständi-
gen obersten Landesbehörde.
11.09.2012 MAT A BW-9
MAT A BW-
9/1
NW-10 228 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gem. Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstandes, durch das
Ersuchen um Benennung 1. der
diensthabenden Beamten und Ange-
stellten im Lagezentrum der Polizei
Nordrhein-Westfalen im Zeitraum
Mittwoch, 09. Juni 2004, 16.25 Uhr,
bis Donnerstag, 10. Juni 2004, 22.35
Uhr; 2. der diensthabenden Beamten
und Angestellten in der Abteilung 6
11.09.2012 18.10.2012 MAT A NW-
10
Drucksache 17/14600 – 1236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
(Verfassungsschutz) des Nordrhein-
Westfälischen Innenministeriums im
Zeitraum Mittwoch, 09. Juni 2004,
16.25 Uhr, bis Donnerstag, 10. Juni
2004, 22.35 Uhr soweit sie in dienstli-
cher Funktion mit den Vorgängen im
Zusammenhang mit dem Nagelbom-
benattentat in der Kölner Keupstraße
am Mittwoch, 09. Juni 2004, befasst
waren, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei den jeweils zuständigen
obersten Landesbehörden.
Z-38 236 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Staatssekretär Klaus-Dieter
Fritsche als Zeuge.
13.09.2012 18.10.2012 MAT A Z-38
Z-39 237 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Ministerialdirigent Hans-Georg
Engelke als Zeuge.
13.09.2012
31.01.2013
18.10.2012
01.03.2013
MAT A Z-39
MAT A Z-39/1
MAT A Z-39/2
Z-40 238 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Vizepräsident Jürgen Maurer
als Zeuge.
13.09.2012 25.09.2012 25.10.2012 MAT A Z-40
Z-41 239 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Ministerialdirigent Waldemar
Kindler als Zeuge.
13.09.2012 25.09.2012 25.10.2012 MAT A Z-41
Z-42 240 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbes. zum Komplex
"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen"
gemäß Ausschussbeschluss vom
01.03.2012 zur Gliederung des Unter-
suchungsgegenstands, durch Verneh-
mung von Herrn EKHK Ernst Setzer
als Zeuge.
13.09.2012 25.09.2012 25.10.2012 MAT A Z-42
BfV-14 241 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) vorbereitet durch das
Ersuchen um Benennung der Mitar-
beiterin oder des Mitarbeiters bzw. der
Mitarbeiter des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz, die laut Lagedoku-
mentation des Lagezentrums der Poli-
zei Nordrhein-Westfalen (MAT A
NW-6l, Bl. 1ff., Bl. 7) am 09.06.2004,
dem Tag des Sprengstoffanschlags in
der Keupstraße in Köln, um 19.53 Uhr
13.09.2012 MAT A BfV-
14
MAT A BfV-
14/1
MAT A BfV-
14/2
MAT A BfV
14/3
MAT A BfV-
14/4
MAT A BfV-
14/5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1237 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
im Lagezentrum angerufen und um
Herstellung eines Kontakts mit der
Verfassungsschutzabteilung des In-
nenministeriums des Landes
Nordrhein-Westfalen gebeten haben
nach § 18 Abs. 1 PUAG durch das
Bundesamt für Verfassungsschutz.
Z-43 242 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Präsident a. D. Karl-Heinz
Brüsselbach als Zeuge.
13.09.2012 08.11.2012 MAT A Z-43
Z-44 243 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Ulrich Birkenheier als Zeuge.
13.09.2012
Z-45 244 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Ministerialdirigent Dr. Christof
Gramm als Zeuge.
13.09.2012 08.11.2012 MAT A Z-45
BMVg-6 245 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch vorrangige Bei-
ziehung
1. sämtlicher Unterlagen, die im Ge-
schäftsbereich des BMVg entstanden
oder in Gewahrsam genommen wor-
den sind und sich auf die Wehrdienst-
zeit des Uwe Mundlos beziehen, ins-
besondere zu Kontakten des MAD zu
Uwe Mundlos und sonstigen Erkennt-
nissen über Auffälligkeiten während
seines Wehrdienstes, sowie
2. alle Vorgänge, die sich auf den
Umgang mit diesen Erkenntnissen im
BMVg, seinem Geschäftsbereich
sowie innerhalb der Bundesregierung
beziehen gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Vertei-
digung.
13.09.2012 MAT A
BMVg-6
MAT A
BMVg-6/1
MAT A
BMVg-6/2
MAT A
BMVg-6/3
MAD-5 246 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch vorrangige Bei-
ziehung
1. sämtlicher Unterlagen, die im Or-
ganisationsbereich des MAD entstan-
den sind und sich auf die Wehrdienst-
zeit des Uwe Mundlos beziehen, ins-
besondere zu Kontakten des MAD zu
Uwe Mundlos und sonstigen Erkennt-
nissen über Auffälligkeiten während
seines Wehrdienstes, sowie
2. alle Vorgänge, die den Umgang mit
diesen Erkenntnissen im Organisati-
onsbereich des MAD betreffen, insbe-
sondere zur Kommunikation mit dem
13.09.2012 MAT A MAD-
5
Drucksache 17/14600 – 1238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
BMVg, anderen Bundesbehörden
sowie Landesbehörden, gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Verteidigung.
MAD-6 247 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) vorbereitet durch das
Ersuchen um Benennung
1. der Personen, die im März 1995 im
Organisationsbereich des Militäri-
schen Abschirmdienstes den Wehr-
dienstleistenden Uwe Mundlos befragt
haben,
2. der Personen, die ab dem 8. März
2012 im Organisationsbereich des
Militärischen Abschirmdienstes von
dem vom Sächsischen Landesamt für
Verfassungsschutz übersandten
Schreiben des Amts für den Militäri-
schen Abschirmdienst vom 27. Juni
1995 Kenntnis erlangt haben sowie,
3. der Personen, die ab dem 12. März
2012 im Bundesministerium der Ver-
teidigung von dem Umstand Kenntnis
erlangt haben, dass Uwe Mundlos im
Jahr 1995 vom Militärischen Ab-
schirmdienst befragt wurde, gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Verteidigung.
13.09.2012 MAT A MAD-
6
MAT A MAD-
6/1
MAT A MAD-
6/2
MAT A MAD-
6/3
BMI-10 248 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch vorrangige Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-
te, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die zu dem
Verfahren zum am 21.09.2011 erfolg-
ten Verbot der sogenannten "Hilfsor-
ganisation für nationale politische
Gefangene und deren Angehörige" im
Organisationsbereich des Bundesam-
tes für Verfassungsschutz vorhanden
sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundesministerium des Innern.
13.09.2012 MAT A BMI-
10
MAT A BMI-
10/1 a bis j
MAT A BMI-
11/2
BMI-11 249 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch vorrangige Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-
te, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die zu dem
Verfahren zum am 21.09.2011 erfolg-
ten Verbot der sogenannten "Hilfsor-
ganisation für nationale politische
Gefangene und deren Angehörige" im
Organisationsbereich des Bundesmi-
nisteriums des Innern vorhanden sind,
13.09.2012 MAT A BMI-
11
MAT A BMI-
11/1 a bis j
MAT A BMI-
11/2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1239 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern.
BB-4 259 Der Untersuchungsausschuss bittet die
Länder Brandenburg … zu den sämt-
lich am 05.07.2012 gefassten Beweis-
beschlüssen mit den Nummern BB-3
…um möglichst baldige Vorlage,
spätestens bis zum 10.10.2012.
27.09.2012 siehe BB-3
HB-3 259 Der UA bittet die Länder … Bremen
…zu den sämtlich am 05.07.2012
gefassten Beweisbeschlüssen mit den
Nummern … HB-2 …um möglichst
baldige Vorlage, spätestens bis zum
10.10.2012.
27.09.2012
MV-7 259 Der UA bittet die Länder … Mecklen-
burg-Vorpommern …zu den sämtlich
am 05.07.2012 gefassten Beweisbe-
schlüssen mit den Nummern MV-6
…um möglichst baldige Vorlage,
spätestens bis zum 10.10.2012.
27.09.2012 MAT A RP-3
RP-3 259 Der UA bittet die Länder … Rhein-
land-Pfalz …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüs-
sen mit den Nummern RP-2 …um
möglichst baldige Vorlage, spätestens
bis zum 10.10.2012.
27.09.2012 MAT A RP-3
SL-3 259 Der UA bittet die Länder … Saarland
…zu den sämtlich am 05.07.2012
gefassten Beweisbeschlüssen mit den
Nummern SL-2 …um möglichst bal-
dige Vorlage, spätestens bis zum
10.10.2012.
27.09.2012 MAT A SL-3
SN-11 259 Der UA bittet die Länder … Sachsen
…zu den sämtlich am 05.07.2012
gefassten Beweisbeschlüssen mit den
Nummern SN-10 …um möglichst
baldige Vorlage, spätestens bis zum
10.10.2012.
27.09.2012 siehe SN-10
SH-3 259 Der UA bittet die Länder … Schles-
wig-Holstein zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüs-
sen mit den Nummern … SH-2 …um
möglichst baldige Vorlage, spätestens
bis zum 10.10.2012.
27.09.2012 MAT A SH-3
BE-3 260 Es wird - aufbauend auf den Angaben
zu Beweisbeschluss BE-2 und zur
Klarstellung und Ergänzung von Be-
weisbeschluss BE-1 - Beweis erhoben
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/84/53), durch Beizie-
hung sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel die in der Senatsverwal-
tung für Inneres und Sport des Landes
Berlin und der Senatsverwaltung für
Justiz des Landes Berlin und in allen
27.09.2012 MAT A BE-3
MAT A BE-3/1
a bis e
MAT A BE-3/2
bis 3/6
MAT A BE-3/7
a bis ä
MAT A BE-3/8
MAT A BE-
3/9a-i
MAT A BE-
3/10
MAT A BE-
Drucksache 17/14600 – 1240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
nachgeordneten Behörden der genann-
ten Senatsverwaltung vorliegen, so-
weit sie
1. den Untersuchungszeitraum betref-
fen, also Informationen enthalten über
den Zeitraum vom 01.01. 1992 bis
zum 08.11.2011, und soweit sie
2. im Rahmen des Untersuchungsge-
genstand die folgenden Fragen betref-
fen:
- Einsätze operativer nachrichten-
dienstlicher Mittel oder verdeckter
polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen
im Zusammenhang mit einer der Per-
sonen, die vom GBA im aktuellen
Ermittlungsverfahren zu den Tagen
der Terrorgruppe NSU als Beschuldig-
te geführt werden (soweit noch nicht
vorgelegt)
- Erkenntnisse zu der Person, die vom
BKA in der Antwort auf Beweisbe-
schluss BKA-2 berücksichtigt wurden
(MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben) und zu denen einer Be-
hörde des Landes Berlin im Untersu-
chungszeitraum bekannt wurde, dass
sie Informationen zu Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe
haben
- Umgang mit Informationen betref-
fend den Untersuchungszeitraum auch
in der Zeit nach dem 08.11.2011 im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG m. d. B. um möglichst
baldige Vorlage, spätestens bis
10.10.2012 über die Senatskanzlei des
Landes Berlin bei den zuständigen
obersten Landesbehörden.
3/11
MAT A BE-
3/12
MAT A BE-
3/13
MAT A BE-
3/14a-l
MAT A BE-
3/15
MAT A BE-
3/16
MAT A BE-
3/17
MAT A BE-
3/18
MAT A BE-
3/19
Z-46 261 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Vernehmung von
Herrn Kapitän zur See Olaf Christ-
mann als Zeuge.
27.09.2012 08.11.2012 MAT A Z-46
BfV-15 262 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel mit sachlichem oder perso-
nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die
im Organisationsbereich des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz vorlie-
gen, soweit sie den Untersuchungs-
zeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011)
betreffen und dem Untersuchungsaus-
28.09.2012 MAT A BfV-
15
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1241 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
schuss noch nicht übermittelt sind,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern.
GBA-10 263 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus dem Ermittlungsverfah-
ren mit dem Akz. 2 BJs 12/92-2, das
von der Bundesanwaltschaft bereits im
Jahr 1992 mit Bezug auf die Grün-
dung bzw. die Absicht, einen deut-
schen Ableger der White Knigts of the
Ku-Klux-Klan zu gründen, wegen
Bildung einer terroristischen Vereini-
gung, § 129a StGB geführt wurde,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium der Justiz.
28.09.2012 MAT A GBA-
10
BKA-4 264 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel die im Organisationsbe-
reich des BKA vorliegen, und dem
UA noch nicht übermittelt sind, und
entweder
- das Ermittlungsverfahren mit dem
Akz. 2 BJs 12/92-2 betreffen, das von
der Bundesanwaltschaft bereits im
Jahr 1992 mit Bezug auf die Grün-
dung bzw. die Absicht, einen deut-
schen Ableger der White Knights of
the Ku-Klux-Klan zu gründen, wegen
Bildung einer terroristischen Vereini-
gung, § 129a StGB geführt wurde oder
- Informationen enthalten über den
Zeitraum vom 01.01.1997 bis
31.12.2004 gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium des Innern.
28.09.2012 MAT A BKA-
4
BW-10 265 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel mit sachlichem oder perso-
nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die
im Organisationsbereich des Lande-
samtes für Verfassungsschutz des
Landes Baden-Württemberg und des
Innenministeriums des Landes Baden-
Württemberg als der für den Verfas-
sungsschutz verantwortlichen obersten
28.09.2012 MAT A BW-
10/1 und 2
Drucksache 17/14600 – 1242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Landesbehörde vorliegen, und sie dem
Untersuchungsausschuss noch nicht
übermittelt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den
Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum
31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes
ausgetauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Baden-
Württemberg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
BB-5 266 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel mit sachlichem oder perso-
nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die
im Organisationsbereich des Lande-
samtes für Verfassungsschutz des
Landes Brandenburg und des Ministe-
rium des Innern des Landes Branden-
burg als der für den Verfassungsschutz
verantwortlichen obersten Landesbe-
hörde vorliegen, und sie dem Untersu-
chungsausschuss noch nicht übermit-
telt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den
Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum
31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes
ausgetauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
28.09.2012 MAT A BB-5
MAT A BB-
5/1
SN-12 267 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel mit sachlichem oder perso-
28.09.2012 MAT A SN-12
MAT A SN-
12/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1243 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die
im Organisationsbereich des LfV des
Freistaats Sachsen und des IM des
Freistaats Sachsen als der für den
Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde vorliegen,
und sie dem Untersuchungsausschuss
noch nicht übermittelt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den
Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum
31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes
ausgetauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Sachsen
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
TH-11 268 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel mit sachlichem oder perso-
nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die
im Organisationsbereich des LfV des
Freistaats Thüringen und des IM des
Freistaats Thüringen als der für den
Verfassungsschutz verantwortlichen
obersten Landesbehörde vorliegen,
und sie dem Untersuchungsausschuss
noch nicht übermittelt sind, soweit sie
1. Informationen enthalten über den
Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum
31.12.2004, und soweit sie
2. die Zusammenarbeit und den Er-
kenntnisaustausch von Bund und Län-
dern betreffen, also Informationen
enthalten, die mit Stellen des Bundes
ausgetauscht wurden oder aus heutiger
Sicht hätten ausgetauscht werden
können im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
28.09.2012 MAT A TH-11
MAT A TH-
11/1
MAT A TH-
11/2
BfV-16 274 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags (Drucksache 17/8453)
durch Beiziehung
18.10.2012 MAT A BfV-
16
Drucksache 17/14600 – 1244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
1) sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel aus dem Bundesamt für
Verfassungsschutz oder dem Bundes-
ministeriums des Innern, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen
und Auskunft geben können über
Verlauf und Ergebnisse einer mögli-
chen Kooperation des Bundesamtes
für Verfassungsschutz (BfV) im
Untersuchungszeitraum mit dem
mutmaßlichen NSU-Unterstützer
Thomas R., insbes. alle vorgenannten
Unterlagen, aus denen sich Hinweise
des Thomas R. oder dahingehender
Fragen des BfV zu Aufenthaltsort
und/oder Kontakten der untergetauch-
ten NSU-Mitglieder ergeben könnten,
und
2) die diesbezügliche V-Person-
Zahlakte des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz, soweit diese Unterlagen
nicht durch bereits zuvor gefasste
Beweisbeschlüsse beigezogen und
übermittelt worden sind gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
BfV-17 275 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-
schnitten I. und II. des Untersu-
chungsauftrags (Drucksache 17/8453)
durch Beiziehung sämtlicher Akten,
Dokumente, in Dateien oder auf ande-
re Weise gespeicherter Daten und
sonstiger sächlicher Beweismittel aus
dem Bundesamt für Verfassungs-
schutz oder dem Bundesministeriums
des Innern die den Untersuchungsge-
genstand betreffen und Auskunft ge-
ben können über Verlauf und Ergeb-
nisse der vom BfV oder unter dessen
Mitwirkung im Untersuchungszeit-
raum durchgeführten G10-
Maßnahmen, welche sich gegen/oder
Jan W. richteten und aus denen sich
Hinweise zu Aufenthaltsort und/oder
Kontakten der untergetauchten NSU-
Mitglieder ergeben konnten, soweit
diese Unterlagen nicht durch bereits
durch zuvor gefasste Beweisbeschlüs-
se beigezogen und übermittelt worden
sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundesministerium des Innern.
18.10.2012 MAT A BfV-
17
Z-47 Benennung des Zeugen zu BB NW-10
> Leitender Kriminaldirektor Peter
Hofmann
11.09.2012 17.10.2012 18.10.2012 MAT A Z-47
Z-48 278 Es wird Beweis erhoben zum gesam- 18.10.2012 22.11.2012 MAT A Z-48
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1245 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Bundesanwalt Dr. Hans-Jürgen
Förster als Zeuge.
Z-49 279 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Staatssekretär a. D. August
Hanning als Zeuge.
18.10.2012 22.11.2012 MAT A Z-49
MAT A Z-49/1
Z-50 280 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Landesminister a. D. Fritz Be-
hrens als Zeuge.
18.10.2012 22.11.2012 MAT A Z-50
Z-51 281 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Bundesminister Dr. Wolfgang
Schäuble als Zeuge.
18.10.2012 30.11.2012 MAT A Z-51/1
MAT A Z-51/1
Z-52 282 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Oberstaatsanwalt beim Bundes-
gerichtshof Christian Ritscher als
Zeuge.
18.10.2012 30.11.2012 MAT A Z-52
A-2 283 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Vorsitzenden Richter am Bun-
desgerichtshof a. D. Gerhard Schäfer
als Zeuge.
18.10.2012
A-3 284 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Bundesanwalt beim Bundesge-
richtshof a. D. Volkhard Wache als
Zeuge.
18.10.2012
A-4 285 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Ministerialdirigent a. D. Ge-
rhard Meiborg als Zeugen.
18.10.2012
BMI-12 289 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherte
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus dem Bundesamt für
Verfassungsschutz und dem Bundes-
ministerium des Innern, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen
und Auskunft geben können über
Carsten S., der früher in Brandenburg
als "Grand Dragon" der "White
Knights of the Ku Klux Klan" fungier-
te und/oder Achim S., der als Gründer
25.10.2012 MAT A BMI-
12
Drucksache 17/14600 – 1246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
der "European White Knights of the
Ku Klux Klan" in Deutschland gilt,
soweit diese Unterlagen nicht bereits
durch zuvor gefasste Beweisbeschlüs-
se beigezogen und übermittelt worden
sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundesministerium des Innern.
BW-11 290 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherte
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus dem Landesamt für
Verfassungsschutz Baden-
Württemberg und dem Innenministe-
rium des Landes Baden-Württemberg,
die den Untersuchungsgegenstand
betreffen und Auskunft geben können
über Achim S., der als Gründer der
"European White Knights of the Ku
Klux Klan" in Deutschland gilt soweit
diese Unterlagen nicht bereits durch
zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bei-
gezogen und übermittelt worden sind,
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Baden-Württemberg bei
der zuständigen obersten Landesbe-
hörde.
25.10.2012 MAT A BW-
11/1 bis 4
MAT A BW-
11/5
BB-6 291 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherte
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus dem Landesamt für
Verfassungsschutz des Landes Bran-
denburg und des Innenministeriums
des Landes Brandenburg als der für
den Verfassungsschutz verantwortli-
chen obersten Landesbehörde, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen
und Auskunft geben können über
Carsten S., der in Brandenburg früher
als "Grand Dragon" der "White
Knights of the Ku Klux Klan" fungier-
te soweit diese Unterlagen nicht be-
reits durch zuvor gefasste Beweisbe-
schlüsse beigezogen und übermittelt
worden sind, im Wege des Ersuchen
um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG
i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde.
25.10.2012 MAT A BB-6
MAT A BB-6a
MAT A BB-
6/1
MAT A BB-
6/2
MAT A BB-
6/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1247 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Z-53 In der heutigen Sitzung zur Beweis-
aufnahme (37. Sitzung) wird der Mit-
arbeiter des BfV, Ulrich Berzen, in
GEHEIM eingestufter Sitzung zu der
von Abg. Dr. Eva Högl gestellten
Frage als Zeuge einvernommen.
26.10.2012 MAT A Z-53
BB-5neu 293 Der 2. Untersuchungsausschuss möge
beschließen: Im Beweisbeschluss BB-
5 wird unter Ziffer 1. das Datum
"01.01.19972 durch das Datum
"01.01.1992" ersetzt.
08.11.2012 MAT A BB-5
MAT A BB-
5/1
MAT A BB-
5/2
TH-12 294 Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vor-
bereitet durch das Ersuchen um Be-
nennung der Personen, die mit den
folgenden für den Untersuchungsge-
genstand wichtigen Ämtern oder Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angaben
des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe
wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Ver-
fassungsschutz
- Vizepräsident des Landesamtes für
Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des LfV (mit Bezeichnung
der jeweiligen Dienststellung)
- Leiter Kriminalpolizeidienststelle(n)
oder Sonderkommissionen, die zu
Straftaten ermittelt haben, die Beate
Zschäpe, Uwe Böhnhardt oder Uwe
Mundlos entweder einzeln oder als
"Terrorgruppe NSU" zugeordnet wer-
den
- für die genannten Ermittlungen je-
weils zuständiger Generalstaatsanwalt
- für die genannten Ermittlungen je-
weils sachleitend zuständiger Staats-
anwalt im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Thüringer Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
08.11.2012 MAT A TH-12
MAT A TH-
12/1
MAT A TH-
12/2
MAT A TH-
12/3
MAT A TH-
12/4
BE-4 295n
eu
Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vor-
bereitet durch das Ersuchen um Be-
08.11.2012 MAT A BE-4a
und b
MAT A BE-4/1
Drucksache 17/14600 – 1248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
nennung der Personen, die mit den
folgenden für den Untersuchungsge-
genstand wichtigen Ämtern oder Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angaben
des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe
wahrgenommen haben):
- Leitung der Abteilung für Verfas-
sungsschutz
- Stellvertretung der Leitung der Ab-
teilung für Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung)
- Präsident oder Leiter des Landeskri-
minalamtes
- Leiter der für den polizeilichen
Staatsschutz zuständigen Dienststelle
im Landeskriminalamt (mit Bezeich-
nung der jeweiligen Dienststellung)
- Leiter der Kriminalpolizeidienststel-
le(n) oder Sonderkommissionen, die
an Ermittlungen zum Aufenthalt der
mit Haftbefehl gesuchten Böhnhardt,
Zschäpe und Mundlos beteiligt waren
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Berlin bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
BB-7 296 Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vor-
bereitet durch das Ersuchen um Be-
nennung der Personen, die mit den
folgenden für den Untersuchungsge-
genstand wichtigen Ämtern oder Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angaben
des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe
wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamtes für Ver-
fassungsschutz
- Vizepräsident des Landesamt für
Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
08.11.2012 siehe Beweis-
beschluss BB-
7neu (A-Drs.
319)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1249 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
innerhalb des Landesamts für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung)
- Präsident oder Leiter des Landeskri-
minalamts
- Leiter der für den polizeilichen
Staatsschutz zuständigen Dienststelle
im Landeskriminalamt (mit Bezeich-
nung der jeweiligen Dienststellung)
- Leiter der Kriminalpolizeidienststel-
le(n) oder Sonderkommissionen, die
an Ermittlungen zum Aufenthalt der
mit Haftbefehl gesuchten Böhnhardt,
Zschäpe und Mundlos beteiligt waren
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Brandenburg bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
ST-3 297 Es wird die Beweiserhebung zum
gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) - insbes. zu
Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung
bundesrechtlicher Vorschriften - vor-
bereitet durch das Ersuchen um Be-
nennung der Personen, die mit den
folgenden für den Untersuchungsge-
genstand wichtigen Ämtern oder Auf-
gaben im Untersuchungszeitraum
(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in
Teilen des Untersuchungszeitraums
betraut waren (jeweils mit Angaben
des Beginns und des Endes der Zeit, in
der sie das Amt oder die Aufgabe
wahrgenommen haben):
- Präsident des Landesamt für Verfas-
sungsschutz
- Vizepräsident des Landesamt für
Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
innerhalb des Landesamt für Verfas-
sungsschutz (mit Bezeichnung der
jeweiligen Dienststellung)
- Präsident oder Leiter des Landeskri-
minalamt
- Leiter der für den polizeilichen
Staatsschutz zuständigen Dienststelle
im Landeskriminalamt (mit Bezeich-
nung der jeweiligen Dienststellung)
- Leiter der Kriminalpolizeidienststel-
le(n) oder Sonderkommissionen, die
an Ermittlungen zum Aufenthalt der
mit Haftbefehl gesuchten Böhnhardt,
Zschäpe und Mundlos beteiligt waren
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
08.11.2012 MAT A ST-3
Drucksache 17/14600 – 1250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Sachsen-Anhalt bei der
zuständigen obersten Landesbehörde.
BMI-13 298 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus dem BfV oder dem
BMI, die den Untersuchungsgegen-
stand betreffen und Auskunft geben
können
- über den in der Presse (Berliner
Zeitung, 02.07.2012, "Italiener gaben
Hinweise auf NSU") geschilderten
angeblichen Schriftverkehr zwischen
dem italienischen Inlandgeheimdienst
AISI und dem BfV aus dem Jahr 2003
mit Hinweisen auf die Existenz eines
auch in Deutschland präsenten Netz-
werkes militanter europäischer Neo-
nazis oder über entsprechende Hin-
weise aus Italien zu anderen Zeitpunk-
ten,
- über die gegebenenfalls erfolgte
Bewertung dieses Hinweises und die
hierauf ergriffenen Maßnahmen,
- über - soweit es solche gab - entspre-
chende Hinweise während des Unter-
suchungszeitraums vom 01.01.1992
bis zum 08.11.2011 aus den Ländern
Schweiz, Schweden, Norwegen, Dä-
nemark, Belgien, Niederlande, Verei-
nigtes Königreich, Frankreich, Tsche-
chische Republik, Polen, Ungarn,
Serbien, Montenegro, Kroatien, Slo-
wenien, Bulgarien und Griechenland,
deren Bewertung und die hierauf er-
griffenen Maßnahmen, soweit diese
Unterlagen, nicht bereits durch zuvor
gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen
und übermittelt worden sind gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
08.11.2012 MAT A BMI-
13
BMVg-7 302 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung sämtlicher Unter-
lagen, die im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung
entstanden oder in Gewahrsam ge-
nommen worden sind und sich auf die
Wehrdienstzeit der MAT A BMI-7/1
genannten Personen beziehen, insbes.
Unterlagen des MAD, Personalakten
sowie Unterlagen über Disziplinarver-
fahren, soweit diese nicht bereits an
08.11.2012 MAT A
BMVg-7
MAT A
BMVg-7/1
MAT A
BMVg-7/2
MAT A
BMVg-7/3
MAT A
BMVg-7/4
MAT A
BMVg-7/5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1251 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
den Ausschuss übermittelt worden
sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim
Bundesministerium der Verteidigung.
MAT A
BMVg-7/6
BY-12 303 Es wird ergänzend zu den bereits
übersandten Unterlagen (MAT B BY-
2) Beweis erhoben zum gesamten
Untersuchungsauftrag (Drucksache
17/8453) durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel
mit Bezug zur Quelle K. D., die im
Organisationsbereich des Landesamtes
für Verfassungsschutz des Freistaates
Bayern und des Ministeriums des
Innern des Freistaates Bayern als der
für den Verfassungsschutz verantwort-
lichen obersten Landesbehörde vorlie-
gen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
bayerische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde.
08.11.2012 MAT B BY-3
MAT A BY-12
MAT A BY-
12/1
BMI-14 304 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Erlasse und Anordnungen des
Bundesministeriums des Innern, die
laut Darstellung in dem Bericht des
"Sonderbeauftragten des Bundesmi-
nisters des Innern zur Aufklärung der
Aktenvernichtungen im Bundesamt
für Verfassungsschutz im Zusammen-
hang mit der "Operation Rennsteig
sowie weiterer Aktenvernichtungen
nach dem 4. November 2011" den
Löschungen personenbezogener Daten
bzw. Vernichtungen von Akten des
Bundesamtes für Verfassungsschutz
aus dem Phänomenbereich Rechtsex-
tremismus nach dem 4.11.2011 zu-
grunde lagen, insbes. des in Form
einer Sammelanordnung ergangenen
Vernichtungserlasses des Referates
"ÖS III 3" des Bundesministeriums
des Innern vom 14.11.2011 (Der
STERN, Ausgabe 38/2011, S. 49),
jeweils im Wortlaut, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
08.11.2012 MAT A BMI-
14
BY-13 Es wird Beweis erhoben durch Beizie-
hung der Anklageschrift der vom
Generalbundesanwalt am 8. Novem-
ber 2012 im Verfahren gegen Beate
Zschäpe und andere beim Staats-
schutzsenat des Oberlandesgerichts
München eingereichten Anklage-
08.11.2012 MAT A BY-13
MAT A BY-
13/1
MAT A BY-
13/2
Drucksache 17/14600 – 1252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
schrift einschließlich einer Übersicht
über die Beweismittel beim Präsiden-
ten des Oberlandesgerichts München.
BB-7neu 319 Der 2. Untersuchungsausschuss möge
beschließen: Im Beweisbeschluss BB-
7 wird wie folgt geändert und ergänzt:
1. Die ersten drei Spiegelstriche erhal-
ten folgende Fassung:
- Leiter der Abteilung für Verfas-
sungsschutz
- Ständiger Stellvertreter des Leiters
der Abteilung für Verfassungsschutz
- Leiter der für den Rechtsextremis-
mus zuständigen Organisationseinheit
in der Abteilung für Verfassungs-
schutz.
2. Der BB wird um folgenden Absatz
ergänzt:
"Name des Mitarbeiters, der im Herbst
1998 die im Schäfer-Bericht geschil-
derte Abwägungsentscheidung zwi-
schen dem Quellenschutz für einen V-
Mann und der Aufbereitung von In-
formationen über den Aufenthaltsort
der gesuchten drei Sprengstofftäter
aus Thüringen tatsächliche getroffen
hat.
29.11.2012 MAT A BB-7
MAT A BB-
7/1
MAT A BB-
7/2a+b
MAT A BB-
7/3
GBA-11 320 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch vor-
rangige Beiziehung bis zum 10. De-
zember 2012
1. des Schriftverkehrs zwischen dem
Generalbundesanwalt und dem Fede-
ral Bureau of Investigation (FBI) zu
der Frage, ob möglicherweise zwei
Mitarbeiter des FBI Zeugen des Mor-
des an Michèle Kiesewetter wurden,
und
2. der in dem Artikel des Magazins
der Spiegel, "162 Seiten Hass", vom
15. Oktober 2012 erwähnten Briefe
von oder an Uwe Mundlos gem. § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Justiz.
29.11.2012 MAT A GBA-
11
MAT A GBA-
11/1
BY-14 324 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten
an den Vorsitzenden, hier: Entwurf
eines Beweisbeschlusses mit der Bitte,
ihn zu beschließen, vom 10. Dezember
2012
13.12.2012 MAT A BY-14
MAT A BY-
14/1a bis f
MAT A BY-
14/2
MAT A GBA-
4/30
MAT A GBA-
4/31
Z-54 325 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Oberstaatsanwalt
13.12.2012 17.01.2012 MAT A Z-54
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1253 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Gerd Michael Schultz als Zeuge. Auf
die Verpflichtung zu angemessener
Vorbereitung auf die Aussage wird
hingewiesen. Das Thüringer Ministe-
rium der Justiz wird gebeten, die Ak-
teneinsicht zu unterstützen.
Z-55 326 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn KHM Mario
Melzer als Zeuge.
13.12.2012 17.01.2012 MAT A Z-55
Z-56 327 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Vizepräsident des
LfV Thüringen a. D. Peter Jörg No-
cken als Zeuge.
13.12.2012
31.01.2013
17.01.2012
21.01.2013
MAT A Z-56
Z-57 328 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Oberstaatsanwalt
Ralf Mohrmann als Zeuge.
13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-57
Z-58 329 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Präsident des
LKA Thüringen a. D. Egon Luthardt
als Zeuge.
13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-58
Z-59 330 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Präsident des LfV
Thüringen a. D. Thomas Sippel als
Zeugen
13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-59
MAT A Z-59/1
MAT A Z-59/2
Z-60 331 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung von Herrn Sven Wunderlich
als Zeuge.
13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-60
GBA-12 332 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung
- einer vollständigen Kopie der auf
den 04.02.2009 datierten, mit der
Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.:
160004/05 3 Kassetten Diktiergerät
Sichergestellt am 30.10.2007" verse-
henen Mp3-CD, auf der sich eine
Wiedergabe der aufgrund eines
Durchsuchungsbeschlusses des Amts-
gerichts Frankfurt/Main vom
08.07.2007 (Az. 6199 Js 214018/05 -
931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft
Mühlhausen geführten Verfahren
gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js
53508/08) am 30.10.2007 sicherge-
stellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4 er-
fassten drei Tonbandkassetten, die im
Rahmen dieser Hausdurchsuchung bei
T. Heise sichergestellt wurden und auf
denen laut einem von „TB Molling"
erstellten, als Anlage 2 eines Ver-
merks vom 04.05.2009 (ST
13.12.2012 MAT A GBA-
12
Drucksache 17/14600 – 1254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
140005/08) erfassten zusammenfas-
senden Protokoll unter anderem die
Namen „Beate SCHÄFER (phon.)
oder SCHÄDLER (phon.)", „Uwe
(oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und
„Udo BÖHMER (phon.)" versehen
mit dem Hinweis, die „letztgenannten
seien verschwunden", erwähnt werden
(vgl. MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-
117), befindet sowie,
- sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die darüber hinaus zu
dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 bei dem
Generalbundesanwalt existieren, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium der Justiz.
BKA-5 333 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Bei-
ziehung
- einer vollständigen Kopie der auf
den 04.02.2009 datierten, mit der
Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.:
160004/05 3 Kassetten Diktiergerät
Sichergestellt am 30.10.2007" verse-
henen Mp3-CD, auf der sich eine
Wiedergabe der aufgrund eines
Durchsuchungsbeschlusses des Amts-
gerichts Frankfurt/Main vom
08.07.2007 (Az. 6199 Js 214018/05 -
931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft
Mühlhausen geführten Verfahren
gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js
53508/08) am 30.10.2007 sicherge-
stellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4 er-
fassten drei Tonbandkassetten, die im
Rahmen dieser Hausdurchsuchung bei
T. Heise sichergestellt wurden und auf
denen laut einem von „TB Molling"
erstellten, als Anlage 2 eines Ver-
merks vom 04.05.2009 (ST
140005/08) erfassten zusammenfas-
senden Protokoll unter anderem die
Namen „Beate SCHÄFER (phon.)
oder SCHADLER (phon.)", „Uwe
(oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und
„Udo BÖHMER (phon.)" versehen
mit dem Hinweis, die „letztgenannten
seien verschwunden", erwähnt werden
(vgl. MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-
117), befindet sowie
- sämtlicher Akten, Dokumente, in
Dateien oder auf andere Weise gespei-
cherter Daten und sonstiger sächlicher
Beweismittel, die darüber hinaus zu
dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 beim
13.12.2012 MAT A BKA-
5
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1255 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
BKA existieren, gem. § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium des
Innern.
BND-5 334 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch vorrangige Bei-
ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-
te, in Dateien oder auf andere Weise
gespeicherter Daten und sonstiger
sächlicher Beweismittel, die im Bun-
desnachrichtendienst vorhanden sind
zu Erkenntnissen über Sachzusam-
menhänge, Organisationsstrukturen
und Personen auf dem Gebiet der
internationalen Zusammenarbeit und
internationaler Kontakte im Bereich
Rechtsextremismus, soweit diese nicht
bereits an den Ausschuss übermittelt
worden sind, gem. § 18 Abs. PUAG
beim Bundeskanzleramt.
13.12.2012 MAT A BND-
5a+b
BB-8 335 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Bundestagsdrucksache Drucksa-
che 17/8453), durch das Ersuchen um
Benennung der Personen, die Carsten
Szcepanski ("Piato"/"Piatto") im Zeit-
raum seiner Tätigkeit für den Brand-
enburger Verfassungsschutz ganz
bzw. zeit- oder vertretungsweise als
Vertrauensperson geführt haben, im
Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4
PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Bran-
denburg bei der zuständigen obersten
Landesbehörde.
13.12.2012 MAT A BB-8
BfV-18 336 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Bundestagsdrucksache Drucksa-
che 17/8453), durch das Ersuchen um
Benennung aller Personen, die den in
Presseberichten als solchen bezeichne-
ten V-Mann des BfV "Corelli" ggf. im
Zeitraum seiner Tätigkeit für das Bun-
desamt für Verfassungsschutz ganz
bzw. zeit- oder vertretungsweise als
Vertrauensperson geführt haben, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG durch das Bun-
desministerium des Innern.
13.12.2012 MAT A BfV-
18
MAT A BfV-
18/1
BfV-19 337 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453), durch das
Ersuchen um Benennung der Person,
die angeblich der Anweisung zur am
11.11.2011 erfolgten Vernichtung von
Akten zur Operation Rennsteig im
BfV zunächst widersprochen haben
soll gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch
13.12.2012 MAT A BfV-
19
MAT A BfV-
19/1
Drucksache 17/14600 – 1256 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
das Bundesministerium des Innern.
BY-15 342 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung der
vom Generalbundesanwalt am 8. No-
vember 2012 im Verfahren gegen
Beate Zschäpe und andere beim
Staatsschutzsenat des Oberlandesge-
richts München eingereichten Ankla-
geschrift einschließlich einer Über-
sicht über die Beweismittel gem. §18
Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.
44 Abs. 3 GG beim Vorsitzenden des
6. Strafsenats des Oberlandesgerichts
München.
17.01.2013 MAT A BY-15
MAT A BY-15
offen
BMI-15 343 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung eines
Gutachtens - um dessen Erstellung der
Ausschuss ersucht - das,
- wie vom Beauftragten des Bundes-
ministeriums des Innern zur Aufklä-
rung der Aktenvernichtungen im Bun-
desamt für Verfassungsschutz in sei-
nem auf Bitte des Ausschusses gefer-
tigten ergänzenden Bericht vorge-
schlagen,
- auf der Grundlage auch von techni-
schen Maßnahmen, die nur in Fremd-
vergabe durchführbar sind,
- alle noch rekonstruierbaren Daten
heranzieht, um die Hintergründe der
Aktenvernichtung und die der Anwei-
sung zur Aktenvernichtung vorange-
gangenen Telekommunikationskon-
takte der mit der Aktenvernichtung
befassten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter des BfV weiter aufzuklären,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministeriums des Innern.
17.01.2013 MAT A BMI-
15
MAT A BMI-
15/1
Z-61 - Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag durch Ver-
nehmung des ehemaligen Mitarbeiters
des LfV Thüringen Mike Baumbach
als Zeuge.
17.01.2013 31.01.2013 21.02.2013 MAT A Z-61
BB-9 349 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17(8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger Beweismittel zur
Person Carsten S. alias
"Piato"/"Piatto", welche im Ge-
schäftsbereich des Ministeriums der
Justiz des Landes Brandenburg vor-
handen sind, insb. aus dem Ermitt-
lungsverfahren sowie im Zusammen-
31.01.2013 MAT A BB-9
MAT A BB-
9/1 a-k
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1257 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
hang mit der Anordnung und Durch-
führung von Strafvollzugsmaßnahmen
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Brandenburg bei den be-
treffenden Landesbehörden.
NW-11 350 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Ersuchen um
Benennung der beiden mutmaßlichen
Zivilpolizisten mit Schulterholster, die
sich laut der Erklärung es Herrn Ali
Demir vom 14.11.2012 (MAT_B_G-
1) am 09. Juni 2004 während des
Sprengstoffanschlags in der Keupstr.
in Köln bzw. unmittelbar danach auf
Höhe der Hausnr. 37, mithin in nächs-
ter Nähe des Anschlagortes, aufgehal-
ten haben sollen (vgl. dazu auch das
Protokoll der Zeugenvernehmung
Behrens, 41. Sitzung, 22.11.2012, S.
39 f.), im Wege der Amtshilfe gem. §
18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.
3 GG möglichst bis zum 12.02.2013
über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen Landesbehörde.
31.01.2013 MAT A NW-
11
MAT A NW-
11/1
Z-62 351 Es wird zur Erfüllung des Untersu-
chungsauftrages (Drucksache
17/8453) Beweis erhoben zu den
Themen
- Zusammenarbeit des LfV TH mit
anderen Sicherheitsbehörden in Ver-
fahren wegen Böhnhardt, Mundlos,
Zschäpe
- Bedeutung von V-Personen
durch Vernehmung von Herrn LfV-
Präsidenten a. D. Dr. Helmut Roewer
als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 21.02.2013 MAT A Z-62
MAT A Z-62/1
Z-63 352 Es wird zur Erfüllung des Untersu-
chungsauftrages (Drucksache
17/8453) Beweis erhoben zu den
Themen
- Zusammenarbeit des LfV TH mit
anderen Sicherheitsbehörden in Ver-
fahren wegen Böhnhardt, Mundlos,
Zschäpe
- Bedeutung von V-Personen
durch Vernehmung von Herrn Fried-
rich Karl Schrader als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 21.02.2013 MAT A Z-63
Z-64 353 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn KHK Michael Brümmendorf als
Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 22.02.2013 MAT A Z-64
Z-65 354 Es wird Beweis erhoben zum gesam- 31.01.2013 31.01.2013 22.02.2013 MAT A Z-65
Drucksache 17/14600 – 1258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Frau KHK'in Christiane Beischer-
Sacher als Zeugin.
Z-66 355 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn N. W. als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 28.02.2013 MAT A Z-66
Z-67 356 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn R. B. als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 28.02.2013 MAT A Z-67
Z-68 357 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn R. G. als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 28.02.2013 MAT A Z-68
Z-69 358 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Dietmar Bennet als Zeuge.
31.01.2013 31.01.2013 01.03.2013
Z-70 359 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Frau Margit Nümbrecht als Zeugin.
31.01.2013 31.01.2013 16.04.2013 MAT A Z-70
MAT A Z-70/1
MAT A Z-70/2
MAT A Z-70/3
MAT A Z-70/4
Z-71 360 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) , durch Vernehmung von
Herrn EKHK Jürgen Dressler als Zeu-
gen
31.01.2013 31.01.2013 22.02.2013 MAT A Z-71
Z-57/1 361 Schriftliche Fragen im Anschluss an
die Sitzung zur Anhörung am
31.01.2013 - Befragung OStA Mohr-
mann
31.01.2012 MAT A Z-57/1
SN-13 363 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch das Ersuchen um
Benennung - ergänzend zu den mit
MAT A SN 6/3 bereits übergebenen
Unterlagen - der Person, die in der
Zeit nach dem Untertauchen von
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe die
Einheit/Dienststelle "Mobiles Einsatz-
kommando" bei der Polizeidirektion
Chemnitz geleitet hat bzw. für die
folgenden aus den Akten bekannten
Einsätze in Chemnitz verantwortlich
war
- 06.05.2000 bis 08.05.2000 Bern-
hardstraße 11
- 27.09.2000, 20:00 Uhr bis
02.10.2000, 08:56, Berhardstraße 11
- 30.09.2000, 11:50 bis 01.10.2000,
24:00, Observierung Kai S.
- 23.10.2000 zwischen 06.40 und
16:45 Uhr, Observierung Kai S.
im Wege der Amtshilfe nach § 18
21.02.2013 MAT A SN-13
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1259 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Frei-
staates Sachsen bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
BfV-20 364 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) durch das
Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die im Untersuchungszeitraum
die Aufgabe der Leitung der "Fachprü-
fung für die Beschaffung" wahrge-
nommen haben, die im Bericht des
Sonderbeauftragten des Bundesminis-
ters des Innern zur Aufklärung der
Aktenvernichtungen im BfV (offene
Fassung, MAT B BfV-2/5) genannt
wird gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch
das Bundesministerium des Innern.
21.02.2013 MAT A BfV-
20
BKA-6 365 Es wird Beweis vorbereitet zum ge-
samten Untersuchungsauftrag (Druck-
sache 17/8453) durch das Ersuchen
um Benennung
- der Person, die in den Jahren 2007
bis 2009 die Aufgabe des Referatslei-
ters in dem Referat des BKA wahrge-
nommen hat, in dem die "Heise-
Bänder" ausgewertet wurden;
- der Person, die innerhalb des zustän-
digen Referats im BKA die Aufgabe
der Ermittlungsführung für die Aus-
wertung der "Heise-Bänder" in den
Jahren 2007 bis 2009 wahrgenommen
hat;
- der Personen, die in der Zeit nach
dem 11.04.1998 im BKA mit der
Bearbeitung des Hinweises "Anruf aus
Orbe" befasst waren, den das TLKA
mit der Bitte um nähere Feststellungen
durch die Schweizer Bundespolizei an
das BKA weitergegeben hatte,
gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch das
Bundesministerium des Innern.
21.02.2013 MAT A BKA-
6
BW-12 366 Es wird die Beweiserhebung vorberei-
tet zum gesamten Untersuchungsauf-
trag (Drucksache 17/8453) durch das
Ersuchen um Benennung der Perso-
nen, die in Jahren 1995 bis 2005 die
folgenden Aufgaben wahrgenommen
haben:
- Ergänzend zu den mit MAT A BW-3
mitgeteilten Leitern der im LfV für
Rechtsextremismus zuständigen Ab-
teilungen die Leiter der für Rechtsex-
tremismus und insbes. Auswertung
zuständigen Organisationseinheiten
innerhalb der genannten Abteilung
- Leiter der Abteilung Staatsschutz im
21.02.2013 MAT A BW-
12
MAT A BW-
12/1
Drucksache 17/14600 – 1260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
LKA Baden-Württemberg
- die Leiter der für den Rechtsextre-
mismus zuständigen Organisations-
einheiten innerhalb der Abt. Staats-
schutz des LKA Baden-Württemberg
- die Leiter der für den Staatsschutz
zuständigen Referate bzw. Dezernate
beim Polizeipräsidium Stuttgart
- die Leiter der für Staatsschutz zu-
ständigen Dienststellen bei den Poli-
zeidirektionen Ludwigsburg und
Heilbronn
im Wege der Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über das Staatsministerium Ba-
den-Württemberg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde.
Z-72 367 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn EKHK Wolfgang Jehle als
Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 14.03.2013 MAT A Z-72
Z-73neu 368 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Carsten Külbel als Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 14.03.2013 MAT A Z-73
Z-74 369 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn KHK Michael Andrä als Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 14.03.2013 MAT A Z-74
Z-75 370 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Frau MDgt Christine Hammann als
Zeugin.
21.02.2013 28.02.2013 15.03.2013 MAT A Z-75
Z-76 371 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Bundesminister a. D. Otto Schi-
ly als Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 15.03.2013 MAT A Z-76
MAT A Z-76/1
Z-77 372 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Joachim Tüshaus als Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 21.03.2013 MAT A Z-77
Z-78 373 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Dr. Olaf Vahrenhold als Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 21.03.2013 MAT A Z-78
Z-79 374 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Reinhard Boos als Zeuge.
21.02.2013 28.02.2013 21.03.2013 MAT A Z-79
Z-80 - Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Gordian Meyer-Plath als Zeuge.
28.02.2013 15.04.2013 MAT A Z-80
MAT A Z-80/1
BB-10 - Es wird Beweis erhoben zum gesam- 28.02.2013 MAT A BB-10
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1261 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Dokumente und sonstiger Be-
weismittel aus dem Geschäftsbereich
des Ministeriums des Innern des Lan-
des Brandenburg zum Vorgang angeb-
lich im Jahr 1999 erfolgten E-Mail-
Bedrohung des damaligen "Minister
des Innern", die mit der Unterschrift
"National Sozialistische Untergrund-
kämpfer Deutschlands" versehen ge-
wesen sein soll (vgl. MAT A BB-
6/Auszug/Ordner 2/2) beim Ministeri-
ums des Innern des Landes Branden-
burg.
Z-81 - Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn G. B. als Zeuge.
14.03.2013 15.04.2013 MAT A Z-81
BW-13 385 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu den auf den „Telefonlis-
ten des Mundlos“ genannten Personen
aus Baden-Württemberg sowie zu den
Kontakten dieser Personen zur rechts-
extremen Szene, vor allem zu führen-
den Personen
• von „Blood & Honour“ und von
vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos &
Treu“ und den sog. „Hammerskins“ in
Baden-Württemberg
• von „Blood & Honour“ aus anderen
Bundesländern, die für längere Zeit
oder dauerhaft aus anderen Bundes-
ländern nach Baden-Württemberg
umgezogen sind oder waren welche
im Ministerium des Innern des Landes
Baden-Württemberg, im LfV Baden-
Württemberg sowie im LKA Baden-
Württemberg, beim Polizeipräsidium
Stuttgart und bei den Polizeidirektio-
nen Ludwigsburg und Heilbronn vor-
handen sind, im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4
PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes Baden-
Württemberg bei den betreffenden
Landesbehörden. Soweit Unterlagen
dazu bereits vorgelegt wurden, wird
gebeten sie im Zusammenhang noch-
mals vorzulegen. Um Vorlage in Teil-
lieferungen und soweit möglich bis
21.03.2013 MAT A BW-
13a-b
Drucksache 17/14600 – 1262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
09.04.2013 wird gebeten.
GBA-13 386 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu den auf den „Telefonlis-
ten des Mundlos“
genannten Personen aus Baden-
Württemberg sowie zu den Kontakten
dieser Personen zur rechtsextremen
Szene, vor allem zu führenden Perso-
nen
• von „Blood & Honour“ und von
vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos &
Treu“ und den sog. „Hammerskins“ in
Baden-Württemberg
• von „Blood & Honour“ aus anderen
Bundesländern, die für längere Zeit
oder dauerhaft aus anderen Bundes-
ländern nach Baden-Württemberg
umgezogen sind oder waren welche
im Verantwortungsbereich des Gene-
ralbundesanwalts vorhanden sind,
soweit sie der Anklage beim 6. Straf-
senat des OLG München nicht beige-
fügt sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz.
Um Vorlage soweit möglich bis
09.04.2013 wird gebeten.
21.03.2013 MAT A GBA-
13
MAT A GBA-
13/1
NW-12 387 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu allen Aufträgen und
Quellenmeldungen der V-Person des
Polizeipräsidiums Dortmund, die im
Jahr 2006 zu Toni Stadler berichtet
hat, einschließlich ihrer Quellenmel-
dungen vom 23.11.2011 und
01.12.2011 (vgl. MAT A NW-6f, Bl.
190 ff., 193) gem. § 18 Abs. 1 PUAG
im Wege der Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zu-
ständigen Landesbehörde. Soweit
Unterlagen dazu bereits mit MAT A
NW-6f und MAT A NW-6g vorgelegt
wurden, wird gebeten, sie im Zusam-
menhang nochmals vorzulegen. Um
Vorlage in Teillieferungen und soweit
möglich bis 09.04.2013 wird gebeten.
21.03.2013 MAT A NW-
12
MAT A NW-
12/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1263 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
NW-13 388 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu dem konkreten Einsatz-
auftrag und Einsatzverlauf am 9. Juni
2004 für die beiden Polizisten, die sich
als Hundeführer laut telefonischer
Auskunft des Ministeriums für Inneres
und Kommunales des Landes
Nordrhein-Westfalen (MAT A NW-
11/1) zum Zeitpunkt des Nagelbom-
benanschlages in der Keupstraße in
Köln als „normale“ motorisierte Funk-
streife in der Schanzenstraße aufgehal-
ten haben und sich, nachdem um
15.58 Uhr ein Notruf eingegangen sei,
ohne ihre Hunde in die Keupstraße
begeben und dort Erste Hilfe geleistet
haben, einschließlich dem Einsatzpro-
tokoll, Einsatzbericht und Protokollen
etwaiger interner
(Nach-)Befragungen der beiden Poli-
zisten,
im Wege der Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen Landesbehörde bis spätestens
05.04.2013.
21.03.2013 MAT A NW-
13a und b
NW-14 389 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu Anordnung, Anord-
nungsgründen, genauem Einsatzauf-
trag, Einsatzmodalitäten und Einsatz-
verlauf sämtlicher Hausdurchsuchun-
gen, die am 9. Juni 2004 in Wohnun-
gen von Anwohnern der Keupstraße in
Köln durchgeführt wurden, im Wege
der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4
PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen Landesbehörde bis spätestens
05.04.2013.
21.03.2013 MAT A NW-
14/1 und 2
NW-15 390 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Ersuchen um
Benennung des- bzw. derjenigen
Amtsträger, die laut Brief einer Be-
troffenen an den 2. Untersuchungsaus-
21.03.2013 MAT A NW-
15
Drucksache 17/14600 – 1264 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
schuss vom 13.03.2013 am 9. Juni
2004 angeordnet haben, deren Woh-
nung in der Keupstraße in Köln zu
durchsuchen, wobei von der Polizei
zwei Wohnungstüren aufgebrochen
wurden und die Maßnahme nach An-
gabe der Betroffenen, die sich zum
Zeitpunkt der Durchsuchung zusam-
men mit ihrem siebenjährigen Sohn in
der Wohnung aufhielt und sich wäh-
rend der Durchsuchung nicht bewegen
durfte, damit begründet worden sei,
dass sie verdächtigt werde, eine Bom-
be gelegt zu haben, im Wege der
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen Lan-
desbehörde bis spätestens 05.04.2013.
Z-82 391 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbesondere zu Ab-
schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-
mung von Herrn RD Gabaldo als
Zeuge.
21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-82
Z-83 392 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Frau ORR'in Bettina Neumann als
Zeugin.
21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-83
Z-84 393 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Präsident a. D. Dr. Helmut
Rannacher als Zeuge.
21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-84
Z-85 394 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn KD Joachim Rück als Zeuge.
21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-85
Z-86 395 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Frau EKHK’in Baumert als Zeugin.
21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-86
Z-87 396 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn KHK Peter Sonnenberg als
Zeuge.
21.03.2013 22.04.2013 MAT A Z-87
MAT A Z-87/1
Z-88 397 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn DLKA a. D. Peter Michael
Haeberer als Zeuge.
21.03.2013 22.04.2013 MAT A Z-88
Z-89 398 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Staatssekretär Bernd Krömer als
21.03.2013 22.04.2013 MAT A Z-89
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1265 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Zeuge.
Z-90 399 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
NN als Zeuge.
21.03.2013
Z-91 400 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn KHK Dirk Spliethoff als Zeuge.
21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-91
Z-92 401 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn PHK Peter Baumeister als Zeu-
ge.
21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-92
Z-93 402 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn PK Stefan Voß als Zeuge.
21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-93
Z-94 403 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Gundlach als Zeuge.
21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-94
MAT A Z-94/1
BND-6 404 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1
PUAG gebeten, bis 12. April 2013
Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 beim Bundesnachrich-
tendienst als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.
21.03.2013 MAT A BND-
6
BMI-16 405 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium des Innern gemäß
§ 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 12.
April 2013 Auskunft zu geben, ob –
21.03.2013 MAT A BMI-
16
Drucksache 17/14600 – 1266 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals
sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt
werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei einer seiner nachgeordneten Be-
hörden als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt war.
MAD-7 406 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium der Verteidigung
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis
12. April 2013 Auskunft zu geben, ob
– und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals
sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt
werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
beim Militärischen Abschirmdienst als
sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.
21.03.2013 MAT A MAD-
7
BW-14 407 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Baden-
Württemberg im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium des Landes Baden-
Württemberg gebeten, bis 12. April
21.03.2013 MAT A BW-
14
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1267 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Perso-
nen, die nach aktuellem Stand auf der
dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Baden-Württemberg
als sogenannte „V-Personen“ einge-
setzt waren.
BY-16 408 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Bayerische Staatsministerium des
Innern im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Bayerische Staatskanzlei gebeten, bis
12. April 2013 Auskunft zu geben, ob
– und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals
sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt
werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Bayern als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.
21.03.2013 MAT A BY-16
BE-5 409 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird die
Senatsverwaltung für Inneres und
Sport des Landes Berlin im Wege des
21.03.2013 MAT A BE-5
Drucksache 17/14600 – 1268 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Senatskanzlei des Landes
Berlin gebeten, bis 12. April 2013
Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Berlin als sogenannte
„V-Personen“ eingesetzt waren.
BB-11 410 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern des Landes
Brandenburg im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft
zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste
(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Brandenburg als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 MAT A BB-11
MAT A BB-
11/1
HB-4 411 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
21.03.2013 MAT A HB-4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1269 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
des Bundes und der Länder – wird der
Senator für Inneres und Sport der
Freien Hansestadt Bremen im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe nach §
18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Senatskanzlei der Freien
Hansestadt Bremen gebeten, bis 12.
April 2013
Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Bremen als sogenannte
„V-Personen“ eingesetzt waren.
HH-7 412 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird die
Behörde für Inneres und Sport der
Freien und Hansestadt Hamburg im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der
Freien und Hansestadt Hamburg gebe-
ten, bis 12. April 2013 Auskunft zu
geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste
(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Hamburg als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
21.03.2013 MAT A HH-7
MAT A HH-
7/1
Drucksache 17/14600 – 1270 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
HE-7 413 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern und für Sport
des Landes Hessen im Wege des Er-
suchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Hessische Staatskanzlei gebe-
ten, bis 12. April 2013 Auskunft zu
geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste
(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Hessen als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.
21.03.2013 MAT A HE-7
MV-8 414 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Mecklenburg-Vorpommern im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Mecklenburg-Vorpommern
gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft
zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste
(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
21.03.2013 MAT A MV-8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1271 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Mecklenburg-Vorpommern als soge-
nannte „V-Personen“ eingesetzt wa-
ren.
NI-4 415 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Niedersachsen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Niedersachsen gebeten, bis 12. April
2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Perso-
nen, die nach aktuellem Stand auf der
dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Niedersachsen als
sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.
21.03.2013 MAT A NI-4
NW-16 416 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Kommu-
nales des Landes Nordrhein-Westfalen
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Landes Nordrhein-Westfalen gebeten,
bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,
ob – und gegebenenfalls wie viele der
– Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals
sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt
21.03.2013 MAT A NW-
16
Drucksache 17/14600 – 1272 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Nordrhein-Westfalen als sogenannte
„V-Personen“ eingesetzt waren.
RP-4 417 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur des Landes Rheinland-
Pfalz im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Rheinland-
Pfalz gebeten, bis 12. April 2013 Aus-
kunft zu geben, ob – und gegebenen-
falls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Rheinland-Pfalz als
sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.
21.03.2013 MAT A RP-4
SL-4 418 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Saarlands im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Saarlands gebeten,
bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,
ob – und gegebenenfalls wie viele der
– Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A
21.03.2013 MAT A SL-4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1273 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals
sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt
werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz im
Saarland als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.
SN-14 419 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Staatsministerium des Innern des
Freistaats Sachsen im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4
PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über
die Sächsische Staatskanzlei gebeten,
bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,
ob – und gegebenenfalls wie viele der
– Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A
BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben
bekannt gegebenen Liste (damals
sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt
werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Sachsen als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.
21.03.2013 MAT A SN-14
MAT A SN-
14/1
ST-4 420 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Sachsen-Anhalt im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe nach § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Sachsen-Anhalt gebeten, bis 12. April
21.03.2013 MAT A ST-4
Drucksache 17/14600 – 1274 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Perso-
nen, die nach aktuellem Stand auf der
dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,
1. Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Sachsen-Anhalt als
sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.
SH-4 421 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Schles-
wig-Holstein im Wege des Ersuchens
um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Schleswig-
Holstein gebeten, bis 12. April 2013
Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.
Anlage zum Anschreiben bekannt
gegebenen Liste (damals sogenannte
„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register
545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober
2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9
VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit
während des Untersuchungszeitraums
vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-
vember 2011 bei Polizei oder Verfas-
sungsschutz in Schleswig-Holstein als
sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.
21.03.2013 MAT A SH-4
TH-13 422 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung
zum gesamten Untersuchungsauftrag
(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-
menwirken der Sicherheitsbehörden
des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Freistaats Thü-
21.03.2013 MAT A TH-13
MAT A TH-
13/1
MAT A TH-
13/2
MAT A TH-
13/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1275 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
ringen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft
zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum
Anschreiben bekannt gegebenen Liste
(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen
545/2012, Register 545/2011/TS 131,
Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage
zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),
zu irgendeiner Zeit während des
Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-
ar 1992 bis zum 8. November 2011
bei Polizei oder Verfassungsschutz in
Thüringen als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.
BfV-21 427 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Ersuchen um mög-
lichst baldige Benennung der
- V-Personen-Führer der V-Personen
des BfV mit der vom Ermittlungsbe-
auftragten des Ausschusses vergebe-
nen Bezeichnung Q2 und Q3 in den
Jahren 1997 bis 2002,
- der Personen, die im BfV für die
Auswertung der von den Quellen Q1,
Q2 und Q3 gelieferten Informationen
über die rechtsextreme Szene in Sach-
sen und Thüringen zuständig waren
und gegebenenfalls Aufträge zur wei-
teren Aufklärung an die Beschaffung
gegeben haben oder hätten geben
können,
- der Personen, die in den Jahren 1998
bis 2002 im BfV für die Auswertung
von Informationen in Bezug auf das
untergetauchte Trio zuständig und
gegebenenfalls für die Steuerung von
Beschaffungsaufträgen hierzu verant-
wortlich waren oder gewesen wären,
- der Person, die im BfV dafür ver-
antwortlich war, dass die Information
über die Einstellung des Ermittlungs-
verfahrens gegen das Trio in die Vor-
bereitung des Vizepräsidenten des
BfV für die nachrichtendienstliche
Lage am 23. September 2003 aufge-
nommen wurde sowie
- der Personen, die im BfV dafür ver-
15.04.2013 16.05.2013 MAT A BfV-
21
MAT A BfV-
21/1
Drucksache 17/14600 – 1276 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
antwortlich waren, dass Informationen
über das untergetauchte Trio im Jahr
2004 in das BfV-Spezial Nr. 19 auf-
genommen wurden, durch das Bun-
desministerium des Innern.
BfV-22 428 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
sämtlicher Unterlagen aus dem BfV,
in denen Aufträge der Auswertungs-
einheiten an die Beschaffungseinhei-
ten dokumentiert sind, die auf die
Gewinnung von Informationen über
das abgetauchte Trio und sein Umfeld
durch vom BfV geführte Quellen (z.
B. Lichtbildvorlagen o. ä.) zielten,
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern, mit der
Bitte um - Übersendung an den Unter-
suchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 03.05.2013,- nochmalige Übersen-
dung bereits übergebener Aktenteile
im Zusammenhang.
15.04.2013 MAT A BfV-
22
MAT A BfV-
22/1
GBA-14 429 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
sämtlicher Unterlagen aus dem BfV,
in denen Aufträge der Auswertungs-
einheiten an die Beschaffungseinhei-
ten dokumentiert sind, die auf die
Gewinnung von sämtlicher Unterlagen
aus den Ermittlungsverfahren des
GBA gegen Beate Zschäpe, Andre
Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf
den ehemaligen V-Mann „Primus“
beziehen, insbesondere des Protokolls
der zweiten Zeugenvernehmung des
„Primus“ sowie der Unterlagen, die
Anlass für diese zweite Zeugenver-
nehmung waren, gemäß § 18 Abs. 1
PUAG beim Bundesministerium der
Justiz, mit der Bitte um- Übersendung
an den Untersuchungsausschuss nach
Möglichkeit bis 03.05.2013; - noch-
malige Übersendung bereits überge-
bener Aktenteile im Zusammenhang.
15.04.2013 MAT A GBA-
14a - e
MAT A GBA-
14/1
GBA-15 430 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
sämtlicher Unterlagen aus den Ermitt-
lungsverfahren des Generalbundesan-
walts gegen Beate Zschäpe, Andre
Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf
Toni S. beziehen, insbesondere etwai-
ge Befragungsprotokolle, Unterlagen,
die Anlass für etwaige Zeugenver-
nehmungen waren, sowie zusammen-
15.04.2013 MAT A GBA-
15a - c
MAT A GBA-
15/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1277 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
fassende Berichte oder Vermerke über
den Ermittlungsstand, gemäß § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Justiz, mit der Bitte um- Über-
sendung an den Untersuchungsaus-
schuss nach Möglichkeit bis
03.05.2013;- nochmalige Übersen-
dung bereits übergebener Aktenteile
im Zusammenhang.
GBA-16 431 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
sämtlicher Unterlagen aus den Ermitt-
lungsverfahren des Generalbundesan-
walts gegen Beate Zschäpe, Andre
Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf
Peter K. beziehen, insbesondere etwa-
ige Befragungsprotokolle, Unterlagen,
die Anlass für etwaige Zeugenver-
nehmungen waren, sowie zusammen-
fassende Berichte oder Vermerke über
den Ermittlungsstand, gemäß § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Justiz, mit der Bitte um- Über-
sendung an den Untersuchungsaus-
schuss nach Möglichkeit bis
03.05.2013; nochmalige Übersendung
bereits übergebener Aktenteile im
Zusammenhang.
15.04.2013 MAT A GBA-
16
GBA-17 432 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
folgender Unterlagen aus dem Ermitt-
lungsverfahren des Generalbundesan-
walts gegen Beate Zschäpe, Andre
Eminger, Jan Werner u. a.:
- Ermittlungsbericht zu Enrico Tänzer
vom 07.03.2012,
- Sachstandsbericht zu Bernd Tödter
vom 05.07.2012,
- nach der Vollständigkeitserklärung
vom 17.01.2013 (BMJ) beziehungs-
weise 11.01.2013 (GBA) entstandene
Unterlagen zum Beweisbeschluss
GBA-12 („Heise-Bänder“) gemäß §
18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-
terium der Justiz, mit der Bitte um
Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
17.04.2013.
15.04.2013 MAT A GBA-
17
NW-17 433 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu allen Quellenmeldungen
15.04.2012 MAT A NW-
17
Drucksache 17/14600 – 1278 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
sämtlicher V-Personen der Abteilung
Verfassungsschutz des Ministeriums
für Inneres und Kommunales
Nordrhein-Westfalen im Zusammen-
hang mit der Jahresabschlussfeier der
freien Kräfte Köln in der Gaststätte
Alt-Gymnich am 06.11.2009 gemäß §
18 Abs. 1 PUAG im Wege der Amts-
hilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m.
Art. 44 Abs. 3 GG über die Staats-
kanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen Lan-
desbehörde mit der Bitte um- Über-
sendung an den Untersuchungsaus-
schuss nach Möglichkeit bis
22.04.2013;- nochmalige Übersen-
dung bereits übergebener Aktenteile
im Zusammenhang.
BE-6 434 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, alle Treffberichte und
sonstigen Quellenmeldungen diejeni-
gen V-Personen des LKA Berlin be-
treffend, die vom Staatssekretär für
Inneres des Landes Berlin in seinem
Schriftsatz an den Untersuchungsaus-
schuss vom 06.11.2012 auf Seite 2
(MAT A BE-3/3) oben erwähnt wer-
den, zu denen aber vom Land Berlin
noch keine Unterlagen an den Aus-
schuss übergeben sind, gemäß § 18
Abs. 1 PUAG im Wege der Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Berlin bei der zuständigen
Landesbehörde, mit der Bitte – da die
Unterlagen ja vom Land Berlin bereits
angeboten wurden – um Übersendung
an den Untersuchungsausschuss nach
Möglichkeit bis 18.04.2013.
15.04.2013 MAT A BE-6
GBA-18 439 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
folgender Unterlagen aus dem Ermitt-
lungsverfahren des Generalbundesan-
walts gegen Beate Zschäpe, Andre
Eminger, Jan Werner u. a.:
- Vernehmung der Sylvia Fischer,
geborene Endres,
- Vernehmung des Maik Fischer ge-
mäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium der Justiz, mit der
Bitte um Übersendung an den Unter-
25.04.2013 MAT A GBA-
18
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1279 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
suchungsausschuss nach Möglichkeit
bis 03.05.2013.
Z-95 440 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbesondere zu Ab-
schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-
mung von Herrn Richard Kaldrack als
Zeuge.
25.04.2013 13.05.2013 MAT A Z-95
MAT A Z-95/1
MAT A Z-95/2
Z-96 441 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbesondere zu Ab-
schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-
mung von Herrn Sebastian Egerton als
Zeuge.
25.04.2013 13.05.2013 MAT A Z-96
MAT A Z-96/1
Z-97 442 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbesondere zu Ab-
schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-
mung von Herrn Bernd Kippenborck
als Zeuge.
25.04.2013 16.05.2013 MAT A Z-97
MAT A Z-97/1
Z-98 443 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), insbesondere zu Ab-
schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-
mung von Herrn Rüdiger Grasser als
Zeuge.
25.04.2013 13.05.2013 MAT A Z-98
MAT A Z-98/1
BW-15 444 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden im Geschäfts-
bereich des Ministeriums des Innern
des Landes Baden-Württemberg in
den während des Untersuchungszeit-
raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über das Staatsministerium des
Landes BW bei der zuständigen obers-
ten Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A BW-
15
BY-17 445 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden im Geschäfts-
bereich des Ministeriums des Innern
des Freistaates Bayern in den während
des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden
25.04.2013 MAT A BY-
17a-b
Drucksache 17/14600 – 1280 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Fassungen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Bayerische Staatskanzlei bei der zu-
ständigen obersten Landesbehörde,
mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
BE-7 446 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs der Senatsverwal-
tung für Inneres und Sport des Landes
Berlin in den während des Untersu-
chungszeitraumes (01.01.1992 bis
08.11.2011) geltenden Fassungen im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei
des Landes Berlin bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte
um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A BE-7
BB-12 447 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs des Ministeriums
des Innern des Landes Brandenburg in
den während des Untersuchungszeit-
raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Brandenburg bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte
um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A BB-12
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1281 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
HB-5 448 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden des Geschäfts-
bereichs des Senators für Inneres und
Sport der Freien Hansestadt Bremen in
den während des Untersuchungszeit-
raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Senatskanzlei der Freien
Hansestadt Bremen bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde, mit der
Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A HB-5
MAT A HB-
5/1 a-c
HH-8 449 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden des Geschäfts-
bereichs der Behörde für Inneres und
Sport der Freien und Hansestadt Ham-
burg in den während des Untersu-
chungszeitraumes (01.01.1992 bis
08.11.2011) geltenden Fassungen im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei
der Freien und Hansestadt Hamburg
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A HH-8
MAT A HH-
8/1
HE-8 450 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden des Geschäfts-
bereich des Ministeriums des Inneren
und für Sport des Landes Hessen in
den während des Untersuchungszeit-
raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
25.04.2013 MAT A HE-8
Drucksache 17/14600 – 1282 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
GG über die Hessische Staatskanzlei
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
MV-9 451 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs des Ministeriums
für Inneres und Sport des Landes
Mecklenburg-Vorpommers in den
während des Untersuchungszeitrau-
mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-
tenden Fassungen im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes
Mecklenburg-Vorpommers bei der
zuständigen obersten Landesbehörde,
mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A MV-9
NI-5 452 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs des Ministeriums
für Inneres und Sport des Landes
Niedersachsen in den während des
Untersuchungszeitraumes (01.01.1992
bis 08.11.2011) geltenden Fassungen
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Niedersachsen bei der
zuständigen obersten Landesbehörde,
mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A NI-5
NW-18 453 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
25.04.2013 MAT A NW-
18
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1283 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs des Ministeriums
für Inneres und Kommunales des
Landes Nordrhein-Westfalen in den
während des Untersuchungszeitrau-
mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-
tenden Fassungen im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes
Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde, mit der
Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
RP-5 454 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs des Ministeriums
des Innern, für Sport und Infrastruktur
des Landes Rheinland-Pfalz in den
während des Untersuchungszeitrau-
mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-
tenden Fassungen im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes
Rheinland-Pfalz bei der zuständigen
obersten Landesbehörde, mit der Bitte
um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A RP-5
a-d
SL-5 455 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden im Geschäfts-
bereich des Ministeriums für Inneres,
Kultur und Europa des Saarlandes in
den während des Untersuchungszeit-
raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des
25.04.2013 MAT A SL-5
Drucksache 17/14600 – 1284 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Saar-
landes bei der zuständigen obersten
Landesbehörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
SN-15 456 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden im Geschäfts-
bereich des Staatsministeriums des
Inneren des Freistaats Sachsen in den
während des Untersuchungszeitrau-
mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-
tenden Fassungen im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Sächsische Staatskanzlei bei
der zuständigen obersten Landesbe-
hörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A SN-15
MAT A SN-
15/1
ST-5 457 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden im
Geschäftsbereich des Ministeriums für
Inneres und Sport des Landes Sach-
sen-Anhalt in den während des Unter-
suchungszeitraumes (01.01.1992 bis
08.11.2011) geltenden Fassungen im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe
gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.
44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei
des Landes Sachsen-Anhalt bei der
zuständigen obersten Landesbehörde,
mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A ST-5
SH-5 458 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
25.04.2013 MAT A SH-5
a-b
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1285 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in der Abteilung für Verfas-
sungsschutz sowie den Behörden des
Geschäftsbereichs des Innenministeri-
ums des Landes Schleswig-Holstein in
den während des Untersuchungszeit-
raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)
geltenden Fassungen im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18
Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Schleswig-Holstein bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde, mit der
Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
TH-14 459 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung der inter-
nen Regelungen über Auswahl, Ein-
satz und Führung von Vertrauensper-
sonen in den Behörden im Geschäfts-
bereich des Innenministeriums des
Freistaates Thüringen in den während
des Untersuchungszeitraumes
(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden
Fassungen im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Thüringen
bei der zuständigen obersten Landes-
behörde, mit der Bitte um
- Übersendung an den Untersuchungs-
ausschuss nach Möglichkeit bis
10.05.2013;
- nochmalige gesonderte Übersendung
bereits übergebener Unterlagen.
25.04.2013 MAT A TH-14
BW-16 460 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel
zu allen Aufträgen und Quellenmel-
dungen der V-Person "KROKUS" des
Landesamtes für Verfassungsschutz
Baden-Württemberg im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18
Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Staatskanzlei des Landes
Baden-Württemberg bei der zuständi-
gen obersten Landesbehörde.
25.04.2013 MAT A BW-
16
MAT A BW-
16/1
BKA-7 469 Es wird Beweis erhoben zum Untersu- 13.05.2013 MAT A BKA-
Drucksache 17/14600 – 1286 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453),
insbesondere zu Abschnitt III., durch
Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-
mente, in Dateien oder auf andere
Weise gespeicherter Daten und sonsti-
ger sächlicher Beweismittel, die
a) die aktuelle Konzeption des BKA
für die Aus- und Fortbildung von
Polizeibeamtinnen und -beamten im
Bereich politisch motivierte Krimina-
lität (Basisausbildung) und politisch
motivierte Kriminalität – rechts (Auf-
baulehrgang) betreffen,
b) die aktuelle Konzeption des BKA
für die Aus- und Fortbildung von
Polizeibeamtinnen und -beamten im
Bereich „interkulturelle Kompetenz“
betreffen, jeweils insbesondere zu den
Ausbildungsinhalten, beim Bundesmi-
nisterium des Innern gemäß § 18 Abs.
1 PUAG möglichst bis 15.5.2013.
7
BKA-8 470 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch Beiziehung sämtlicher
Akten, Dokumente, in Dateien oder
auf andere Weise gespeicherter Daten
und sonstiger sächlicher Beweismittel,
die
a) das Tätig werden des Verbindungs-
beamten des Bundeskriminalamtes in
Bern im Zusammenhang mit der An-
frage des Thüringer Landeskriminal-
amtes wegen eines Anrufes aus einer
Telefonzelle in Orbe/Yverdon bzw.
Concise (Schweiz) im April 1998
betreffen, insbesondere sämtliche
Rückmeldungen von Schweizer Be-
hörden,
b) den Informationsaustausch zwi-
schen Interpol Bern und dem Bundes-
kriminalamt als nationales Zentralbüro
für die Internationale Kriminalpolizei-
liche Organisation (IKPO-Interpol) im
Zusammenhang mit der Fahndung
nach Mundlos, Böhnhardt und Zschä-
pe betreffen, und die im Organisati-
onsbereich des Bundeskriminalamtes
im Untersuchungszeitraum (26.1.1998
bis 8.11.2011) vorhanden waren, so-
weit sie sich heute noch in behördli-
chem Gewahrsam befinden, gemäß §
18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-
terium des Innern.
13.05.2013 MAT A BKA-
8
BKA-9 471 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.
17/8453) durch vorrangige Beiziehung
der Akten des BKA, die im Untersu-
13.05.2013 MAT A BKA-
9
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1287 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
chungszeitraum entstanden sind oder
sich auf den Untersuchungszeitraum
beziehen und nach der dem Ausschuss
als MAT A BMI-1/3 übermittelten
Übersicht über Aktenbestände des
BKA innerhalb der „Ablagestruktur
ST 13 – 1. und 2. Ebene“ in der Ak-
tenkennziffern-Gruppe „087 000 - 087
399 Organisationen“ unter der Akten-
kennziffer „087 012-05 Die Artge-
meinschaft - Germanische Glaubens-
gemeinschaft wesensgemäßer Lebens-
gestaltung e.V. (AGG)“ erfasst sind,
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim BMI,
mit der Bitte um- Übersendung an den
Untersuchungsausschuss nach Mög-
lichkeit bis 01.06.2013; nochmalige
gesonderte Übersendung gegebenen-
falls bereits übergebener Unterlagen.
RP-6 472 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus den Geschäftsbereichen
der Ministerien für Inneres und für
Justiz des Landes Rheinland-Pfalz zu
dem oder den gegen André Eminger,
Jens Thamm und andere geführten
Verfahren wegen anlässlich eines
Volksfestes in 67304 Kerzenheim am
26.06.2011 begangener Delikte gemäß
§ 18 Abs. 1 PUAG im Wege der
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Rheinland-
Pfalz bei den zuständigen Landesbe-
hörden mit der Bitte um Übersendung
an den Untersuchungsausschuss nach
Möglichkeit bis 01.06.2013; nochma-
lige Übersendung bereits übergebener
Aktenteile im Zusammenhang.
13.05.2013 MAT A RP-6
MAT A RP-
6/1a+b
SN-16 473 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel aus dem Geschäftsbereich
des Ministeriums für Justiz des Frei-
staates Sachsen zu dem gegen Beate
Zschäpe geführten Verfahren wegen
Kinderpornografie im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Sächsische Staatskanzlei bei
13.05.2013 MAT A SN-16
Drucksache 17/14600 – 1288 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
der zuständigen obersten Landesbe-
hörde mit der Bitte- um Übersendung
an den Untersuchungsausschuss nach
Möglichkeit bis 01.06.2013;- nochma-
lige Übersendung bereits übergebener
Aktenteile im Zusammenhang.
BY-14/1 474 Es wird ergänzend zum BB BY-14
vom 13.12.2012 Beweis erhoben zum
gesamten Untersuchungsauftrag (BT-
Drs. 17/8453) durch Beiziehung von
Teilen aus den durch den GBA mit der
Anklage gegen B. Zschäpe, R. Wohl-
leben und andere dem 6. Strafsenat
des OLG München übermittelten
Akten. Das Plenum der 17. WP des
Deutschen Bundestags hat am 26.
Januar 2012 beschlossen, einen zwei-
ten Untersuchungsausschuss einzu-
richten und ihm unter anderem die
folgenden Aufgaben gestellt:
- Der Untersuchungsausschuss soll
sich ein Gesamtbild verschaffen zur
Terrorgruppe ,,Nationalsozialistischer
Untergrund" […];
- Der Untersuchungsausschuss soll
dazu klären, welche Informationen
den Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden vom 01.01.1992 bis zum
08.11.2011 zu den Personen Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe, zu den sie unterstützenden
Personen und Organisationen sowie zu
den der Terrorgruppe "Nationalsozia-
listischer Untergrund" oder ihren Mit-
gliedern zugeordneten Straftaten vor-
lagen oder bei sachgerechtem Vorge-
hen hätten vorliegen müssen, wie
diese Erkenntnisse jeweils in den
Behörden bewertet wurden, wie sie
ggf. zum damaligen Zeitpunkt sachge-
recht hätten bewertet werden müssen
und welche Aktivitäten durch die
Behörden hinsichtlich dieser Person
und Straftaten jeweils erfolgten oder
bei sachgerechtem Vorgehen hätten
erfolgen müssen. […]
- Der Untersuchungsausschuss soll
insbesondere klären, […] in welcher
Weise Kontakte der Mitglieder der
Gruppe, die jetzt als Terrorgruppe
"Nationalsozialistischer Untergrund"
bekannt ist, zu rechtsextremen und
rechtsextremistischen Personen, Krei-
sen oder Organisationen dazu beige-
tragen haben, ihr terroristisches han-
deln vorzubereiten oder zu fördern;
[…]
16.05.2013 MAT A BY-
14/1-1
MAT A BY-
14/1-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1289 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Aufgrund dieses Auftrags werden
gem. Art. 44 Abs. 3 GG im Wege der
Rechts- und Amtshilfe vom 6. Straf-
senat des OLG München Aktenteile
angefordert, die nach den bisherigen
Ergebnissen der Beweisaufnahme im
2. UA erforderlich sind, um das Ge-
samtbild zur Terrorgruppe ,,NSU",
ihren Mitgliedern und Taten, ihrem
Umfeld und ihren Unterstützern zu
überprüfen: -
- Vernehmungen des Jürgen Helbig
vom 28.02.2012 und 14.03.2012;
- Vernehmung oder Vernehmungen
des Thomas Richter vom 13.03.2013;
- Vernehmung des André Kapke vom
25.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt;
- Vernehmungen des Andre Eminger
vom 06.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt;-
- Vermerk „Telefonat mit Anja
Springthorpe, geb. Hartig“ vom
29.02.2012; -
- Vernehmung oder Vernehmungen
des Maik Eminger seit dem
08.11.2011; -
- Vernehmung der Susann Eminger
vom 06.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt; -
- abschließender BKA-
Sachstandbericht zu Susann Eminger
vom 15.06.2012; -
- Vernehmungen der Mandy Struck
vom 21.11.2011, 15.12.2011,
16.12.2011 und 14.03.2012; -
- abschließender BKA-
Sachstandbericht zu Mandy Struck; -
- Vernehmungen des Carsten Schultze
vom 01.02.2012, 02.02.2012,
06.02.2012 und 15.02.2012; -
- Vernehmungen des Max-Florian
Burkhardt vom 05.01.2012 und
14.03.2012; - Vernehmung des Holger
Gerlach vom 12.01.2012.
Der Ausschuss dankt dem General-
bundesanwalt für die Bereitschaft, die
Übermittlung organisatorisch abzuwi-
ckeln. Der Ausschuss bittet mit Blick
auf die Erstellung des Abschlussbe-
richts und das bevorstehende Ende der
Wahlperiode um Übermittlung bis
zum 31.05.2013.
GBA-
4neu
475 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
16.05.2013
MAT A GBA-
4/41
MAT A GBA-
4/42
Drucksache 17/14600 – 1290 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten, die den Untersuchungsgegen-
stand betreffen und die im Organisati-
onsbereich des Generalbundesanwal-
tes nach dem 08.11.2011 entstanden
oder in behördlichen Gewahrsam
genommen worden sind bzw. für die
der Generalbundesanwalt die Zustän-
digkeit i. S. v. § 478 StPO nach §
142a, § 120a GVG erlangt hat, unab-
hängig davon, wo die Beweismittel
körperlich aufbewahrt werden, soweit
sie sich inhaltlich auf den Untersu-
chungszeitraum (01.01.1992 bis
08.11.2011) beziehen, gemäß § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um der Justiz, mit der Maßgabe, dass
ergänzend zu den bereits übergebenen
Unterlagen nur solche Dokumente
tatsächlich zu übermitteln sind, die
nicht an das OLG München übersandt
wurden und die wegen ihrer Erforder-
lichkeit für die Erstellung des Ab-
schlussberichts vom Sekretariat des
Ausschusses angefordert werden.
MAT A GBA-
4/43
TH-15 476 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Thüringer Justizministeriums
vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft gegen Uwe
Böhnhardt (geboren am 01.10.1977 in
Jena) – insbesondere der Gefangenen-
personalakten – im Untersuchungs-
zeitraum (1992 bis 2011), im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §
18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3
GG über die Thüringer Staatskanzlei.
16.05.2013 MAT A TH-15
BW-17 477 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Ministeriums der Justiz des Lan-
des Baden-Württemberg vorhanden
sind zum Vollzug von Untersu-
chungshaft und freiheitsbeschränken-
den Strafvollstreckungsmaßnahmen
gegen Markus Mike Friedel (geb.
16.3.1975 in Schlema) – insbesondere
der Gefangenenpersonalakten – im
16.05.2013 MAT A BW-
17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1291 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium Baden-
Württemberg.
SN-17 478 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Staatsministeriums der Justiz und
für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft und freiheitsbe-
schränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Markus Mike Frie-
del (geb. 16.3.1975 in Schlema) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Freistaats
Sachsen.
16.05.2013 MAT A SN-17
a-e
NI-6 479 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Niedersächsischen Justizministe-
riums vorhanden sind zum Vollzug
von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Thorsten Heise
(geboren 23.06.1969 in Göttingen) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Niedersächsische Staatskanz-
lei.
16.05.2013 MAT A NI-6
TH-16 480 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Thüringer Justizministeriums
vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft und freiheitsbe-
16.05.2013 MAT A TH-16
Drucksache 17/14600 – 1292 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
schränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Thorsten Heise
(geboren 23.06.1969 in Göttingen) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Thüringer Staatskanzlei.
SN-18 481 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Staatsministeriums der Justiz und
für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft und freiheitsbe-
schränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Mirko Hesse (ge-
boren 15.10.1975 in Sebnitz) – insbe-
sondere der Gefangenenpersonalakten
– im Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Freistaats Sachsen.
16.05.2013 MAT A SN-
18a bis n
SN-19 482 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Staatsministeriums der Justiz und
für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft und freiheitsbe-
schränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Ralf Marschner
(geboren 23.08.1971 in Plauen) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Freistaats
Sachsen.
16.05.2013 MAT A SN-19
BW-18 483 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
16.05.2013 MAT A BW-
18 a-h
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1293 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
des Ministeriums der Justiz des Lan-
des Baden-Württemberg vorhanden
sind zum Vollzug von Untersu-
chungshaft und freiheitsbeschränken-
den Strafvollstreckungsmaßnahmen
gegen Torsten Ogertschnik (geboren
am 13.10.1967 in Heilbronn) – insbe-
sondere der Gefangenenpersonalakten
– im Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG
i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das
Staatsministerium Baden-
Württemberg.
SN-20 484 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Staatsministeriums der Justiz und
für Europa des Freistaats Sachsen
vorhanden sind zum Vollzug von
Untersuchungshaft und freiheitsbe-
schränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Kay Seidel (gebo-
ren am 13.11.1974 in Crimmitschau) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Freistaats
Sachsen.
16.05.2013 MAT A SN-20
a-c
BB-13 485 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Ministeriums der Justiz des Lan-
des Brandenburg vorhanden sind zum
Vollzug von Untersuchungshaft und
freiheitsbeschränkenden Strafvollstre-
ckungsmaßnahmen gegen Toni Stadler
(geboren am 21.09.1974 in Guben) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes
Brandenburg.
16.05.2013 MAT A BB-
13a bis c
BB-14 486 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
16.05.2013 MAT A BB-
14a bis f
Drucksache 17/14600 – 1294 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Ministeriums der Justiz des Lan-
des Brandenburg vorhanden sind zu
staatsanwaltlichen Ermittlungsmaß-
nahmen, insbesondere zu Hausdurch-
suchungen, Vernehmungen und Frei-
heitsbeschränkungen, sowie zum
Vollzug von Untersuchungshaft und
freiheitsbeschränkenden Strafvollstre-
ckungsmaßnahmen gegen Carsten
Szczepanski („Piatto“) – ins-
besondere der Gefangenenpersonalak-
ten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Landes
Brandenburg.
IMK-2 487 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung
1. einer vollständigen Fassung des
dem Untersuchungsausschuss bisher
nur in Auszügen vorgelegten Berichts
der Bund-Länder-Projektgruppe „Eva-
luierung des Definitionssystems
PMK“ vom 04.09.2002 (vgl. MAT A
IMK-1/5b),
2. des Berichts der Bund-Länder-
Arbeitsgruppe PMK-rechts vom
01.02.2010,
3. des Berichts der Bund-Länder-
Arbeitsgruppe „Qualitätskontrolle
PMK“ (Datum unbekannt),
4. der Sonderauswertungen zu PMK-
rechts vom 23.03.2011 sowie ggf.
Folgende,
5. der „Trendscoutberichte PMK-
rechts“ nach der Expertenbefragung
vom 01.08.2008,
6. der Sofortmaßnahmen in Fällen
PMK von länderübergreifender, bun-
desweiter und internationaler Bedeu-
tung (Maßnahme 300)
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Vor-
sitzenden der ständigen Konferenz der
Innenminister und Innensenatoren der
Länder (IMK). Der Ausschuss ersucht
zudem, ihm die folgenden Dokumente
zur Kenntnisnahme zur Verfügung zu
stellen:
1. Berichte zur „Bekämpfung der
Politisch motivierten Kriminalität –
16.05.2013 MAT A IMK-2
MAT A IMK-
2/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1295 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Überprüfung der statistischen Erfas-
sungsgrundlagen, Erhebung von statis-
tischem Basismaterial vom 02.03.2012
und 24.08.2012 sowie den diesbezüg-
lichen Beschluss der AG Kripo vom
12./13.09.2012,
2. Beschlussvorschlag des Innenminis-
ters des Landes Nordrhein-Westfalen
zur statistischen Erfassung der von
extremistischen Personen begangenen
Straftaten der Allgemeinkriminalität
(Anpassung der statistischen Erfas-
sungsgrundlagen) vom 08.11.2012.
BY-18 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Staatsministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz des Freistaats
Bayern vorhanden sind zum Vollzug
von Untersuchungshaft und freiheits-
beschränkenden Strafvollstreckungs-
maßnahmen gegen Kay Seidel (gebo-
ren am 13.11.1974 in Crimmitschau) –
insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-
chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.
4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG
über die Staatskanzlei des Freistaats
Bayern.
16.05.2013
BfV-23 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten des Referats im Bundesamt für
Verfassungsschutz mit der damaligen
Bezeichnung 2 II F, die sich auf den
Vorgang „Rohrbombenfunde in Jena“
sowie die Suche nach dem unterge-
tauchten Trio beziehen, gemäß § 18
Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-
um des Innern.
16.05.2013 MAT A BfV-
23
BfV-24 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung der P-
Akte des Verfassers vom „Field Ma-
nual“ mit dem Pseudonym „Max
Hammer“ sowie sämtlicher weiterer in
diesem Zusammenhang stehender
Akten und Dokumente, die Aufschluss
darüber geben, woher das BfV die
Erkenntnisse hatte und wie man die
16.05.2013 MAT A BfV-
24
MAT A BfV-
24/1
Drucksache 17/14600 – 1296 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
Person weiter im Blick gehabt hat,
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-
desministerium des Innern.
BB-15 493 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Ministeriums des Innern des Lan-
des Brandenburg vorhanden sind, über
Erkenntnisse zu folgenden Teilneh-
mern der 20-Jahresfeier der "Vanda-
len" am 28.9.2002 in Berlin: Maik
Eminger, Hendrik Lasch, Michael
Probst, Bendix Wendt und Peter Bin-
der; soweit sie nicht aufgrund früherer
Beweisbeschlüsse bereits vorgelegt
wurden, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
mit der Bitte um Vorlage möglichst
bis zum 28.6.2013.
13.06.2013 MAT A BB-15
MAT A BB-
15/1
MAT A BB-
15/2
MAT A BB-
15/3
BE-8 494 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel, die im Geschäftsbereich
des Senators für Inneres und Sport des
Landes Berlin vorhanden sind, über
Erkenntnisse zu folgenden Teilneh-
mern der 20-Jahresfeier der "Vanda-
len" am 28.9.2002 in Berlin: Maik
Eminger, Hendrik Lasch, Michael
Probst, Bendix Wendt und Peter Bin-
der; soweit sie nicht aufgrund früherer
Beweisbeschlüsse bereits vorgelegt
wurden, im Wege des Ersuchens um
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Senatskanzlei des Landes Berlin mit
der Bitte um Vorlage möglichst bis
zum 28.6.2013.
13.06.2013 MAT A BE-8a
-b
MAT A BE-
8/1a-c
TH-17 495 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu einem Werbungsvor-
gang "Dehli" des Landesamtes für
Verfassungsschutz Thüringen im We-
ge des Ersuchens um Amtshilfe gem.
13.06.2013 MAT A TH-17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1297 – Drucksache 17/14600
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44
Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des
Freistaates Thüringen mit der Bitte um
Vorlage möglichst bis zum 28.6.2013
IMK-3 496 Es wird Beweis erhoben zum Untersu-
chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453),
insbesondere zu Abschnitt III. durch
Beiziehung der Berichte
1. "Prävention und Aufklärung der
Öffentlichkeit / Partner in der Mitte
der Gesellschaft" (Stand: 24.04.2013)
2. "Personal, Aus- und Fortbildung,
Akademie für Verfassungsschutz"
(Stand: 22.04.2013)
3. "Standardisierung des VP-Einsatzes
und Einrichtung einer zentralen VP-
Datei -VS-Vertraulich-" (Stand:
25.03.2013)
gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsit-
zenden der ständigen Konferenz der
Innenminister und Innensenatoren der
Länder (IMK) mit der Bitte um Vorla-
ge möglichst bis zum 28.06.2013.
13.06.2013 MAT A IMK-
3a - d
Z-99 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453) durch Vernehmung von
Herrn Rainer Oettinger als Zeugen.
13.06.2013 24.06.2013 MAT A Z-99
MAT A Z-99/1
BKA-10 499 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung einer
Aufstellung, aus der sich ergibt, wie
viele "Treffer" jeweils eine Recherche
in der vom BKA geführten Datei
"Tatmittelmeldedienst Spreng- und
Brandvorrichtungen" ergeben hätte für
die Abfrage von Fällen seit Bestehen
der Datei bis 21.1.2001 sowie bis
9.6.2004, jeweils nach den Kriterien
- (mutmaßlicher) männlicher Täter
sowie
- (mutmaßlicher) männlicher Täter in
Kombination mit rechtsradikaler/
rechtsextremistischer Benennung oder
Zuordnung und zwar einerseits bei
einer Suche in der gesamten Datei,
andererseits bei einer Suche in Ver-
bindung mit funktionsfähigen Spreng-
stoffvorrichtungen als Tatmittel gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-
nisterium des Innern.
24.06.2013 MAT A BKA-
10
NW-19 500 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu Robin S., der im Brief-
24.06.2013 MAT A NW-
19a-c
MAT A NW-
19/1a bis t
MAT A NW-
19/2a bis o
Drucksache 17/14600 – 1298 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
BB-Nr.
zu
A-
Drs.
Inhalt beschlossen
Zeugen Materialien
Schreiben/
Ladung
Termin der
Verneh-
mung
MAT-Nr.
wechsel mit Beate Zschäpe steht, gem.
§ 18 Abs. 1 PUAG im Wege der
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen Lan-
desbehörde.
NW-20 501 Es wird Beweis erhoben zum gesam-
ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-
che 17/8453), durch Beiziehung sämt-
licher Akten, Dokumente, in Dateien
oder auf andere Weise gespeicherter
Daten und sonstiger sächlicher Be-
weismittel zu allen Aufträgen und
Quellenmeldungen von Sebastian S.
gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der
Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.
V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die
Staatskanzlei des Landes Nordrhein-
Westfalen bei der zuständigen Lan-
desbehörde.
24.06.2013 MAT A NW-
20
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1299 – Drucksache 17/14600
D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne Beiziehungsbeschluss
zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien)
MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang
MAT B GBA-1 Übersicht zum Stand der übernommenen Ermitt-
lungsverfahren und des Umfangs seiner hierzu
bislang vorhandenen Aktenbestände "NSU" vom
GBA
Bundesministerium der Justiz 20.02.2012
MAT B Z-1 Einschätzung der Einzeltätertheorie Bayerischer Staatsministerium
des Innern
26.04.2012
MAT B BfV-1 Stellungnahme des Bundesamts für Verfassungs-
schutz zum Stenografischen Protokoll der 12 Sit-
zung des 2. UA 17.WP
Bundesministerium des Innern 08.05.2012
MAT B BY-1 Organigramm des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern, Stand: 07.02.2011
Bayerischer Staatsminister des
Innern, Joachim Herrmann,
MdL
15.05.2012
MAT B BMI-1 Hinweisgeber, E-Mails an BM Dr. Friedrich Bundesministerium des Innern 31.05.2012
MAT B BfV-2 Bericht des Präsidenten des Bundesamts für Ver-
fassungsschutz
Bundesministerium des Innern 29.06.2012
MAT B BfV-2/1 Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungs-
schutz
Bundesministerium des Innern 04.07.2012
MAT B BfV-2/2 "Operation Rennsteig" - Vernichtung von Akten
im November 2011 - Aktualisierung des Nachbe-
richts
Bundesministerium des Innern 06.07.2012
MAT B BfV-2/3 "Operation Rennsteig" - Vernichtung von Akten
im November 2011 - Aktualisierung des Nachbe-
richts
Bundesministerium des Innern 13.07.2012
MAT B BfV-3 G10-Maßnahme mit der Anordnungsnummer (AO)
774 des Bundesamts für Verfassungsschutz
Bundesministerium des Innern 17.07.2012
MAT B BfV-4 G10-Maßnahmen des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz
Bundesministerium des Innern 17.07.2012
MAT B BfV-5 "Operation Rennsteig" - Einsichtnahme in Akten
des Bundesamts für Verfassungsschutz in den
Räumlichkeiten der BfV-Außenstelle in Berlin-
Treptow während der parlamentarischen Sommer-
pause
Bundesministerium des Innern 27.07.2012
MAT B BfV-6 Grundsatzangelegenheiten der Beschaffung (Ope-
ration Zafira)
Bundesministerium des Innern 02.08.2012
MAT B TH-1 Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des UA
5/1 des Thüringer Landtages
UA 5/1 Thüringer Landtag 23.08.2012
MAT B MAD-1 Bericht des Militärischen Abschirmdienstes "Ak-
tenführung im MAD"
Bundesministerium der Vertei-
digung
13.09.2012
MAT B TH-1/1 Wortprotokoll 5. Sitzung am 23. April 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-1/2 Wortprotokoll 7. Sitzung am 21. Mai 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-1/3 Wortprotokoll 9. Sitzung am 11. Juni 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-1/4 Wortprotokoll 11. Sitzung am 3. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-1/5 Wortprotokoll 12. Sitzung am 9. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-1/6 Wortprotokoll 13. Sitzung am 10. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-1/7 Wortprotokoll 14. Sitzung am 17. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012
MAT B TH-2 Befragungsbericht des MAD Uwe Mundlos Thüringer Landtag 20.09.2012
MAT B BT-1 Disziplinararrest Mundlos Wehrbeauftragter des Deut-
schen Bundestages
21.09.2012
MAT B SH-1 Hinweise auf die terroristische Vereinigung
"NSU", hier: Berichte des Leitenden Oberstaats-
anwalts in Kiel
Justizministerium Schleswig
Holstein
24.09.2012
Drucksache 17/14600 – 1300 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang
MAT B MAD-
1/1
Bericht des Militärischen Abschirmdienstes "Ak-
tenführung im MAD"
Bundesministerium der Vertei-
digung
26.09.2012
MAT B BE-1 Wortprotokoll über die Sondersitzung des Aus-
schusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom
18. September 2012
Abgeordnetenhaus Berlin 27.09.2012
MAT B BMWi-1 Sicherheitsakte zu der Sicherheitsüberprüfung des
Berliner V-Mann S.
Bundesministerium für Wirt-
schaft und Technologie
26.09.2012
MAT B TÜR-1 Untersuchungsbericht der Neonazi-Morde in
Deutschland im Zeitraum 2000 - 2006
Ausschuss der großen Natio-
nalversammlung der Türkei für
die Untersuchung der Men-
schenrechte
01.10.2012
MAT B TH-3 Materialien zu TH-1, TH-3, TH-8, TH-9, TH-10
des Thüringer Innenministeriums, Landeskriminal-
amtes und der Landespolizeidirektion
Thüringer Innenministerium 27.09.2012
MAT B HE-1 Gesprächsvermerk - Ermittlungsverfahren Döner-
morde
Landesvertretung Hessen 28.09.2012
MAT B BfV-2/4 Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesminis-
ters des Innern, Herrn Ministerialdirigenten Engel-
ke, zur "Aufklärung der Aktenvernichtungen im
Bundesamt für Verfassungsschutz"
Bundesministerium des Innern 11.10.2012
MAT B SH-1/1 Hinweise auf die terroristische Vereinigung
"NSU", hier: Weiterer Bericht des Leitenden Ober-
staatsanwalts in Kiel
Ministerium für Justiz, Kultur u
Europa des Landes Schleswig-
Holstein
08.10.2012
MAT B BE-2 Übersendung/Anforderung von Akten, hier: ein-
heitliche Handhabung in der Übersendung von
Akten
Senatsverwaltung für Justiz
und Verbraucherschutz Berlin
05.10.2012
MAT B BfV-2/5 Offener Bericht des Sonderbeauftragten des Bun-
desministers des Innern, Herrn Ministerialdirigen-
ten Engelke, zur "Aufklärung der Aktenvernich-
tungen im Bundesamt für Verfassungsschutz"
Bundesministerium des Innern 16.10.2012
MAT B BY-2 Information des UA über Sachverhalt mit NSU-
Bezug - Stichwort.: Quelle des Landesamts für
Verfassungsschutz BY K. D.
Bayerischer Staatsminister des
Innern, Joachim Herrmann,
MdL
01.10.2012
MAT B BfV-7a
MAT B BfV-7b
Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamts
für Verfassungsschutz und der Landesbehörden für
Verfassungsschutz gem. Beschluss der IMK vom
26.11.1993 (sog. Koordinierungsrichtlinien)
Bundesministerium des Innern 23.10.2012
MAT B BE-3 Stellungnahme des Sonderermittlers der Senats-
verwaltung für Inneres und Sport zu den Vorgän-
gen im Berliner Verfassungsschutz im Juni 2012
Senatsverwaltung für Inneres
und Sport des Landes Berlin
09.11.2012
MAT B BY-2 Berichte eines ehemaligen V-Manns des Bayer.
Landesamt für Verfassungsschutz
Bayerischer Staatsminister des
Innern, Joachim Herrmann,
MdL
05.11.2012
MAT B MAD-2 Prüfung eines möglichen Aufenthalts von MAD-
Angehörigen am 4. November 2011 in Eisenach
Bundesministerium der Vertei-
digung
13.11.2012
MAT B BfV-2/6 Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundes-
amt für Verfassungsschutz
Bundesministerium des Innern 15.11.2012
MAT B BE-4 Wortprotokoll des VSA vom 09. November 2012 Senatsverwaltung für Inneres
und Sport des Landes Berlin
15.11.2012
MAT B MAD-3 Übersendung von "SponDü und Personenauskünf-
ten sowie Gesprächsvermerke"
Bundesministerium der Vertei-
digung
20.11.2012
MAT B G-1 Eidesstattliche Versicherung Ali Demir 22.11.2012
MAT B GBA-2 Vermerk des Generalbundesanwalts beim Bundes-
gerichtshof vom 21. September 2012
Bundesministerium der Justiz 27.11.2012
MAT B BfV-8 Beantwortung der Frage des Abg. Ströbele vom
22.11.2012 zur Fragestunde 28.11.12; hier: Befra-
gung von Uwe Mundlos
Bundesamt für Verfassungs-
schutz
29.11.2012
MAT B BLK-2 2. Zwischenbericht der Bund-Länder Experten- Bundesministerium des Innern 07.12.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1301 – Drucksache 17/14600
MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang
kommission
MAT B BMI-2 Vorlage von Personenakten des MAD an den 2.
UA durch das Bundesministerium der Verteidi-
gung, hier: Zeugenvernehmung MinDirg Gramm
am 29.11.2012
Bundesministerium des Innern 06.12.2012
MAT B NW-1 Beantwortung der Nachfrage von Frau Pau, MdB
in Zusammenhang mit Sprengstoffanschlägen in
Köln im Jahr 1993
Ministerium für Inneres und
Kommunales des Landes NRW
04.12.2012
MAT B BfV-2/7 Ergänzungen des Berichts zur Aufklärung der
Aktenvernichtungen im Bundesamt für Verfas-
sungsschutz im Zusammenhang mit der "Operation
Rennsteig"
Bundesministerium des Innern 12.12.2012
MAT B BfV-2/8 ergänzende Information zum Bericht zur Aufklä-
rung der Aktenvernichtungen im Bundesamt für
Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der
Operation Rennsteig
Bundesministerium des Innern 12.12.2012
MAT B TH-4 Übersendung weiterer Aktenstücke mit Bezug
NSU, hier: Aktenstücke aus dem Jahr 1997
Thüringer Landesamt für Ver-
fassungsschutz
12.12.2012
MAT B TH-5 Prüfbericht der Stabstelle Innenrevision Thüringer Innenministerium 19.12.2012
MAT B BMVg-1 Beantwortung noch offener Fragestellungen Bundesministerium der Vertei-
digung
28.12.2012
MAT B TH-1/8 Wortprotokoll 15. Sitzung am 10. September 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/9 Wortprotokoll 16. Sitzung am 11. September 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/10 Wortprotokoll 17. Sitzung am 08. Oktober 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/11 Wortprotokoll 18. Sitzung am 09. Oktober 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/12 Wortprotokoll 20. Sitzung am 12. November 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/13 Wortprotokoll 21. Sitzung am 13. November 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/14 Wortprotokoll 23. Sitzung am 3. Dezember 2012 Thüringer Landtag 09.01.2013
MAT B TH-1/15 Wortprotokoll 24. Sitzung am 4. Dezember 2012 Thüringer Landtag 09.01.2013
MAT B BY-4 4 Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz
an das Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. an
den Generalbundesanwalt
Bayerischer Staatsminister des
Innern, Joachim Herrmann,
MdL
02.01.2013
MAT B TH-6 Anwerbung von Zschäpe? Thüringer Innenministerium 18.01.2013
MAT B TH-7 Suche nach Trio durch BKA-Beamte Thüringer Innenministerium 18.01.2013
MAT B TH-8 Bei Böhnhardt gefundene Kopien von
Beschuldigtenvernehmungen
Thüringer Innenministerium 18.01.2013
MAT B BKA-1 Unterstützung TLKA durch BKA 1998 Bundesministerium des Innern 28.01.2013
MAT B BKA-2 Stellungnahme des BMI zum Sachverhalt der
angeblichen Löschung von Handy-Daten relevan-
ter Personen aus dem NSU-Umfeld
Bundesministerium des Innern 30.01.2013
MAT B TH-6/1 Berichte des Thüringer Landesamts für Verfas-
sungsschutz hinsichtlich der Medienberichterstat-
tung betreffs der angeblichen Überlegungen über
die Anwerbung der Frau Beate Zschäpe
Thüringer Innenministerium 24.01.2013
MAT B D-1 Presseveröffentlichungen in BamS vom
27.01.2012 und Berliner Zeitung vom 28.01.2013,
betreffend den Mandanten Polizeihauptkommissar
Jens Boekhoff
Rechtsanwalt Johannes Eisen-
berg
29.01.2013
MAT B D-1/1 Presseveröffentlichungen in BamS vom
27.01.2012 und Berliner Zeitung vom 28.01.2013,
hier: Kopie der Unterlassungsverfügung gegen
Berliner Zeitung vom LG Berlin
Rechtsanwalt Johannes Eisen-
berg
04.01.2013
MAT B HH-2 Anonymer Hinweis auf evtl. NSU-Kontakt Landesamt für Verfassungs-
schutz des Landes Hamburg
28.01.2013
MAT B TH-9a KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Herbeiführen
einer Sprengstoffexplosion (172 Js 30549/10)
gegen Steffen Richter, David Buresch, Nico Met-
ze, Nico Schneider, Andre Kapke
Thüringer Polizei 05.02.2013
Drucksache 17/14600 – 1302 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang
MAT B TH-9b KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Herbeiführen
einer Sprengstoffexplosion (172 Js 30549/10)
gegen Steffen Richter, David Buresch, Nico Met-
ze, Nico Schneider, Andre Kapke
Thüringer Polizei 05.02.2013
MAT B TH-9c KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Herbeiführen
einer Sprengstoffexplosion (172 Js 30549/10)
gegen Steffen Richter, David Buresch, Nico Met-
ze, Nico Schneider, Andre Kapke
Thüringer Polizei 05.02.2013
MAT B TH-9d KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Vortäuschen
einer Straftat (172 Js 30549/10) gegen Steffen
Richter, David Buresch, Nico Metze, Nico Schnei-
der, Andre Kapke
Thüringer Polizei 05.02.2013
MAT B D-2 Gegendarstellung von Günter Holland zur Aussage
des Zeugen Mario Melzer
Günter Hollandt 07.02.2013
MAT B TH-7/1 Unterstützung TLKA durch BKA 1998/ Auswer-
tung, Garagenliste
Thüringer Innenministerium 13.02.2013
MAT B D-3 Dossier mit den für die Bundesrepublik Deutsch-
land relevanten Empfehlungen aus dem Macpher-
son Bericht (Stephen Lawerence Inquiry)
Büro Verein zur Umsetzung
von Gleichbehandlung e. V.
06.02.2013
MAT B BfV-2/9 Bericht des Sonderbeauftragten des BMI, Engelke,
"Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundes-
amt für Verfassungsschutz"
Bundesministerium des Innern 22.02.2013
MAT B GBA-3 Unterlagen zur Einleitung des Ermittlungsverfah-
rens gegen André K.
Ermittlungsbeauftragter Dr.
Heintschel-Heinegg
25.02.2013
MAT B TH-10 Durchsuchung des BKA am 30.10.2007 in
Fretterode
Thüringer Innenministerium 05.03.2013
MAT B TH-11 Informationsabfluß aus Polizei Thüringen 1997 Thüringer Innenministerium 05.03.2013
MAT B TH-12 Im LKA Thüringen im Jahre 1998 genutzte Text-
verarbeitungs-Software
Thüringer Innenministerium 05.03.2013
MAT B TH-13 Folge der unterbliebenen Übermittlung des Hin-
weises von Thomas S. auf das Trio an TH
Thüringer Innenministerium 07.03.2013
MAT B D-4 Brief Anwohner der Keupstraße Ö. Z. 13.03.2013
MAT B SN-1 Bericht der Expertenkommission über die Arbeits-
abläufe im Landesamts für Verfassungsschutz
Sachsen
Staatsministerium des Innern
des Freistaates Sachsen
18.03.2013
MAT B GBA-4 Ergebnis der Zeugenvernehmung Andreas Rach-
hausen
Generalbundesanwalt 26.03.2013
MAT B TH-15 Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-15/I Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-15/II Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/III
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/IV
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/V.1
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/V.2
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.1
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.2
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.3
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.4
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1303 – Drucksache 17/14600
MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang
MAT B TH-
15/VI.5
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.6
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.7
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.8
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-
15/VI.9
Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-
waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013
MAT B TH-11/1 Ermittlungsverfahren 820 Js 20464/96 der Staats-
anwaltschaft Gera (zu MAT B GH-11 zu Prot. 53)
Thüringer Justizministerium 21.03.2013
MAT B
BMFSFJ-1
Bericht der Bundesregierung (zu A-Drs. 375) Bundesministerium für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Ju-
gend
27.03.2013
MAT B TH-14 Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe wg.
versuchten Mordes im Zusammenhang mit der
Abgabe von Schüssen im Hauptbahnhof in Erfurt
am 31.12.1996
Thüringer Justizministerium 28.03.2013
MAT B D-1/2 Presseveröffentlichungen in BamS vom
27.01.2012 und Berliner Zeitung vom 28.01.2013,
hier: Kopie der Urteile der Kammergerichte
Rechtsanwalt Johannes Eisen-
berg
09.04.2013
MAT B BE-7 Abschlussbericht zur Aktenrekonstruktion Senatsverwaltung für Inneres
und Sport des Landes Berlin
16.04.2013
MAT B TH-1/16 Wortprotokoll 31. Sitzung am 07. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-
de
23.04.2013
MAT B TH-1/17 Wortprotokoll 31. Sitzung am 07. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-
de
23.04.2013
MAT B TH-1/18 Wortprotokoll 32. Sitzung am 11. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-
de
23.04.2013
MAT B TH-1/19 Wortprotokoll 32. Sitzung am 11. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-
de
23.04.2013
MAT B TH-1/20 Wortprotokoll 35. Sitzung am 11. April 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-
de
25.04.2013
MAT B BfV-9 Präsentation zur Reform im Bundesamt für Verfas-
sungsschutz
Bundesministerium des Innern 08.05.2013
MAT B G-2 Drohbriefe und Anzeigen Ali Demir 29.04.2013
MAT B S-1 Handout zur Sitzung am 16.05.2013 "Strategien
gegen Rechtsextremismus, insbes. Präventions-
maßnahmen"
Dr. des. Britta Schellenberg 15.05.2013
MAT B S-2 Handout Prof. John "Empfehlungen für Initiativen
aus Sicht der Opfer und Hinterbliebenen"
Prof. John 16.05.2013
MAT B TH-
16/1a
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/1b
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/1c
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/1d
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/1e
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/1f
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/1g
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-16/2 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-16/3 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer Thüringer Justizministerium 08.05.2013
Drucksache 17/14600 – 1304 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang
Landesamt für Verfassungsschutz
MAT B TH-16/4 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-16/5 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/6a
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/6b
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B TH-
16/6c
Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz
Thüringer Justizministerium 08.05.2013
MAT B S-1/1 Strategies for Combating Right-Wing Extremism
in Europe
Bertelsmann Stiftung 29.05.2013
MAT B TH-17 Report Mainz - Stellungnahme Thüringer Lande-
samt für Verfassungsschutz und LKA TH
Thüringer Innenministerium 28.05.2013
MAT B RP-1 Vorlage weiterer Akten; hier: "sehr gute Kontakte
zu den beiden toten Männern"
Ministerium für Inneres, für
Sport und Infrastruktur Rhein-
land-Pfalz
19.06.2013
MAT B BY-6 Protokolle der Sitzungen des UA Nr. 1 bis 26 Bayerischer Landtag, Untersu-
chungsausschuss NSU
24.06.2013
MAT B GBA-5 Vermerk des GBA beim BGH v 06. Juni 2013 Bundesministerium der Justiz 26.06.2013
MAT B SN-2 Informationen zur Nachrichtendienstliche Person
(ndP) "Primus“
Staatsministerium des Innern
des Freistaates Sachsen
27.06.2013
MAT B BMI-4 Bericht des Bundesministeriums des Innern über
den Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz
Bundesministerium des Innern 03.07.2013
MAT B BW-1 Liste der abgefragten polizeilichen Systeme - be-
zugnehmend zum Schreiben des 2. UA vom 4. Juli
2013
Innenministerium Baden-
Württemberg
18.07.2013
MAT B SN-3 Beantwortung noch offener Fragestellungen Landesamt für Verfassungs-
schutz Sachsen
22.07.2013
MAT B TH-14/1 Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe wg.
versuchten Mordes im Zusammenhang mit der
Abgabe von Schüssen im Hauptbahnhof in Erfurt
am 31.12.1996
Justizministerium Thüringen 09.08.2013
MAT B SN-3/1 Aktenrecherche Achim Schmid Landesamt für Verfassungs-
schutz Sachsen
14.08.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1305 – Drucksache 17/14600
E. Verzeichnis der Sitzungen
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(Minuten)
Protokoll-
umfang
1 27.01.2012 öffentlich Konstituierung 12 6
2 27.01.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 33 11
3 09.02.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 48
4 01.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 19 54
5 08.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung (teilweise Vertraulich) 218 49
6 08.03.2012 öffentlich Anhörung 206 44
7 22.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 19 22
8 22.03.2012 öffentlich Anhörung 356 84
9 29.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 55 20
10 29.03.2012 öffentlich Anhörung 221 92
11 26.04.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 126 26
12 26.04.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Ltd. KD Wolfgang Geier
KOR a. D. Klaus Mähler
EKHK Albert Vögeler
655 140
13 10.05.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 222 40
14 10.05.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Ltd. OStA Dr. Walter Kimmel
EKHK Alexander Horn
KHK Udo Haßmann
KHK Manfred Pfister
726 140
15 11.05.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
KD Christian Hoppe, BKA
195 55
16 24.05.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 21 23
17 24.05.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Ltd. RD Edgar H.
Präsident a. D. Dr. Wolfgang Weber
KD Lothar Köhler
Ministerpräsident a. D. Günther
Beckstein
825 192
18 14.06.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 44 27
19 14.06.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Vizepräsident a. D. Bernhard Falk
BKA
KOR Felix Schwarz (LKA Hamburg)
EKHK Jörg Deisting (LKA Mecklen-
burg-Vorpommern)
720 145
20 28.06.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 44 28
21 28.06.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Präsident BKA Jörg Ziercke
LKD beim PP Nordhessen Gerald
Hoffmann
637 147
21a 03.07.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 84 20
22 03.07.2012 öffentlich
nichtöffentlich
Zeugenvernehmung
KHK a. D. Edgar Mittler
614 130
Drucksache 17/14600 – 1306 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(Minuten)
Protokoll-
umfang
KHK Markus Weber
OStA a. D. Josef Rainer Wolf
KOR Bert Gricksch
23 05.07.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 43 38
24 05.07.2012 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
Referatsleiter BfV Lothar Lingen
Erster Direktor beim BND Wolfgang
Cremer
Präsident BfV Heinz Fromm
857 180
25 19.07.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung (teilweise geheim) 188 8
26 11.09.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 218 53
27 11.09.2012 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
Andreas T.
Direktor a. D. LfV Hessen
Lutz Irrgang
582 129
28 13.09.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 128 42
29 13.09.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
KOR Axel Mögelin
Erster StA Christoph Meyer-Manoras
Regierungspräsident Johannes
Schmalzl
Günter S.
765 152
30 27.09.2012
28.09.2012
nichtöffentlich Beratungssitzung 36 33
31 27.09.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
MDg a. D. Dr. Hartwig Möller
KHK Werner Jung
Dr. Dietrich H., Direktor beim BND
474 136
32 28.09.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Ministerpräsident Volker Bouffier
311 84
33 18.10.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 79 29
34 18.10.2012 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
Staatssekretär BMI Klaus-Dieter
Fritsche
LKD Verfassungsschutz Nordrhein-
Westfalen, P. H.
MDg Hans-Georg Engelke
695 150
35 25.10.2012
26.10.2012
nichtöffentlich Beratungssitzung 22 19
36 25.10.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer
Landespolizeipräsident Waldemar
Kindler
EKHK Ernst Setzer
758 130
37 26.10.2012 nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
MDg Hans-Georg Engelke
227 -
38 08.11.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 63 39
39 08.11.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Oberst a. D. Dieter Huth
Kapitän zur See Olaf Christmann,
MAD
658 119
40 22.11.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 82 17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1307 – Drucksache 17/14600
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(Minuten)
Protokoll-
umfang
41 22.11.2012 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
Minister a. D. Dr. Fritz Behrens
Bundesanwalt Dr. Hans-Jürgen Förs-
ter
627 200
42 29.11.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 20 12
43 29.11.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Präsident MAD a. D. Karl-Heinz
Brüsselbach
MDg Dr. Christof Gramm, BMVg
KOK Jens Merten
670 163
44 30.11.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Staatssekretär a. D. Dr. August Han-
ning
OStA beim BGH Christian Ritscher
454 113
45 13.12.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 156 73
46 13.12.2012 öffentlich Anhörung 228 53
47 14.12.2012 öffentlich Zeugenvernehmung
Bundesminister Dr. Wolfgang
Schäuble
246 59
48 17.01.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 64 25
49 17.01.2013 öffentlich
nichtöffentlich
Zeugenvernehmung
OStA Gerd Michael Schultz
KHM Mario Melzer
LfV-Vizepräsident a. D. Peter Jörg
Nocken
634 159
50 31.01.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 45 27
51 31.01.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
KHK Sven Wunderlich
LKA-Präsident a. D. Egon Luthardt
LfV-Präsident a. D. Thomas Sippel
OStA Ralf Mohrmann
710 181
52 21.02.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 52 30
53 21.02.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
LfV-Vizepräsident a. D. Peter Jörg
Nocken
LfV-Präsident a. D. Dr. Helmut
Roewer
Friedrich Karl Schrader
Mike Baumbach
749 199
54 22.02.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
EKHK Jürgen Dressler
KHK Michael Brümmendorf
KHK’in Christiane Beischer-Sacher
402 111
55 28.02.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 48 22
56 28.02.2013 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
N. W., LfV Tühringen
R. B., LfV Thüringen
R. G., LfV Brandenburg
628 172
57 01.03.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
EKHK Jürgen Dressler
KHK Michael Brümmendorf
MDg Hans-Georg Engelke, BMI
357 62
Drucksache 17/14600 – 1308 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(Minuten)
Protokoll-
umfang
58 14.03.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 40 14
59 14.03.2013 öffentlich
nichtöffentlich
Zeugenvernehmung
EKHK Wolfgang Jehle, LKA Sach-
sen
KHK Carsten Külbel, PD Chemnitz
KHK Michael Andrä, PD Südwest-
sachsen
485 124
60 15.03.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
MDg’n Christine Hammann, BMI
Bundesminister a. D. Otto Schily
374 80
61 21.03.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 70 59
62 21.03.2013 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
Joachim Tüshaus, LfV Sachsen
Dr. Olaf Vahrenhold, LfV Sachsen
LfV-Präsident Sachsen a. D. Reinhard
Boos
602 136
63 15.04.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 45 27
64 15.04.2013 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
LfV-Präsident Sachsen, Gordian
Meyer-Plath
G. B., BfV
450 80
16.04.2013 nichtöffentlich Zeugenvernehmung (kommissarisch)
N., BfV
-
65 18.04.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
ORR’in Bettina Neumann, LfV Ba-
den-Württemberg
Dr. Helmut Rannacher, LfV Baden-
Württemberg
KD Joachim Rück, LKA Baden-
Württemberg
EKHK’in Angelika Baumert, BKA
530 121
65a 22.04.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 120 12
66 22.04.2013 öffentlich
nichtöffentlich
Zeugenvernehmung
KHK P. S., Berlin
Direktor LKA a. D. Peter-Michael
Haeberer, Berlin
Staatssekretär Bernd Krömer, Berlin
506 129
67 25.04.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 45 35
68 25.04.2013 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
KHK Dirk Spliethoff, LKA
Nordrhein-Westfalen
PK Stefan Voß, PP Köln
PHK Peter Baumeister, PP Köln
KHK Ulrich Gundlach, BKA
RD Gabaldo, BfV
649 143
69 13.05.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 54 14
70 13.05.2013 öffentlich
nichtöffent-
lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung
Richard Kaldrack, BfV
Sebastian Egerton, BfV
419 104
71 16.05.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 65 17
72 16.05.2013 öffentlich
nichtöffentlich
Zeugenvernehmung
Bert Kippenborck, BfV
646 133
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1309 – Drucksache 17/14600
Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer
(Minuten)
Protokoll-
umfang
Rita Dobersalzka, BfV
Michael Renzewitz
73 13.06.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 133 10
73a 24.06.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 60 15
74 24.06.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
Rainer Oettinger
112 29
75 24.07.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 52 13
76 22.08.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1311 – Drucksache 17/14600
F. Anlagen
I. Stenographische Protokolle
Protokoll-Nr. 6 Anhörung von Auskunftspersonen: Prof. Barbara John, Martina Linke, Christina Büttner am 8.
März 2012.
Protokoll-Nr. 8 Anhörung von Sachverständigen: Prof. Dr. Richard Stöss, Prof. Dr. Klaus Schroeder, Andrea
Röpke am 22. März 2012.
Protokoll-Nr. 10 Anhörung von Sachverständigen: Prof. Dr. Christoph Gusy, Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange, Prof.
Dr. Heinrich Amadeus Wolff am 29. März 2012.
Protokoll-Nr. 12 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd. KD Wolfgang Geier, KOR a. D. Klaus Mähler, EKHK
Albert Vögeler am 26. April 2012.
Protokoll-Nr. 14 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd Oberstaatsanwalt Dr. Walter Kimmel, EKHK Alexander
Horn, KHK Udo Haßmann, KHK Manfred Pfister am 10. Mai 2012.
Protokoll-Nr. 15 Öffentliche Vernehmung des Zeugen KD Christian Hoppe am 11. Mai 2012.
Protokoll-Nr. 17 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd RD Edgar H., KD Lothar Köhler, Ministerpräsident a.
D. Dr. Günter Beckstein, Präsident a. D. des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Dr.
Wolfgang Weber am 24. Mai 2012.
Protokoll-Nr. 19 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Vizepräsident a. D. des BKA Bernhard Falk, KOR Felix
Schwarz, EKHK Jörg Deisting am 14. Juni 2012.
Protokoll-Nr. 21 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Präsident des BKA Jörg Ziercke, LKD Gerald Hoffmann am
28. Juni 2012.
Protokoll-Nr. 22a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK a. D. Edgar Mittler, KHK Markus Weber, Oberstaats-
anwalt a. D. Josef Rainer Wolf, KOR Bert Gricksch am 3. Juli 2012.
Protokoll-Nr. 22b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK Markus Weber am 3. Juli 2012.
Protokoll-Nr. 24a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz
Fromm, Erster Direktor beim Bundesnachrichtendienst Wolfgang Cremer am 5. Juli 2012.
Protokoll-Nr. 24b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz
Lothar Lingen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm am 5. Juli 2012.
Protokoll-Nr. 27 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Andreas T., Direktor a. D. des Landesamtes für Verfas-
sungsschutz Hessen Lutz Irrgang am 11. September 2012.
Protokoll-Nr. 29a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KOR Axel Mögelin, Erster Staatsanwalt Christoph Meyer-
Manoras, Regierungspräsident Johannes Schmalzl, Günter S. am 13. September 2012.
Protokoll-Nr. 29b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Regierungspräsident Johannes Schmalzl, Günter S. am
13. September 2012.
Protokoll-Nr. 31 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: MDg a. D. Dr. Hartwig Möller, KHK Werner Jung, Dr.
Dietrich H. am 27. September 2012.
Protokoll-Nr. 32 Öffentliche Vernehmung des Zeugen Ministerpräsident Volker Bouffier am 28. September 2012
Protokoll-Nr. 34a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Staatssekretär im BMI Klaus-Dieter Fritsche, MinDirg
Hans-Georg Engelke, Ltd. KD beim Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen P. H. am 18. Okto-
ber 2012.
Protokoll-Nr. 34b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd. KD beim Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen,
P. H. am 18. Oktober 2012.
Protokoll-Nr. 36 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Vizepräsident des BKA, Jürgen Maurer, Landespolizeiprä-
sident Waldemar Kindler, EKHK Ernst Setzer am 25. Oktober 2012.
Protokoll-Nr. 39 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Oberst a. D. Dieter Huth, Kapitän zur See Olaf Christmann,
am 8. November 2012.
Drucksache 17/14600 – 1312 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Protokoll-Nr. 41 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Minister a. D. Dr. Fritz Behrens, MdL, Bundesanwalt Dr.
Hans-Jürgen Förster, am 22. November 2012.
Protokoll-Nr. 43 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Präsident des MAD a. D. Karl-Heinz Brüsselbach, MinDirig
Dr. Christof Gramm, KOK Jens Merten am 29. November 2012.
Protokoll-Nr. 44 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Staatssekretär a. D. Dr. August Hanning, Oberstaatsanwalt
beim BGH Christian Ritscher am 30. November 2012.
Protokoll-Nr. 46 Öffentliche Anhörung: Mitglieder der Schäfer-Kommission: Vorsitzender Richter am BGH a. D.
Dr. Gerhard Schäfer, Bundesanwalt beim BGH a. D. Volkhard Wache, MinDirig Gerhard
Meiborg am 13. Dezember 2012.
Protokoll-Nr. 47 Öffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble am 14. Dezember
2012.
Protokoll-Nr. 49a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz, KHM Mario Mel-
zer, LfV-Vizepräsident a. D. Peter J. Nocken am 17. Januar 2013.
Protokoll-Nr. 49b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: KHM Mario Melzer, am 17. Januar 2013
Protokoll-Nr. 51 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK Sven Wunderlich, LKA-Präsident a. D. Egon Luthardt,
LfV-Präsident a. D. Thomas Sippel am 31. Januar 2013.
Protokoll-Nr. 53 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: LfV-Vizepräsident a. D. Peter J. Nocken, LfV-Präsident a.
D. Dr. Helmut Roewer, Friedrich-Karl Schrader, Mike Baumbach am 21. Februar 2013.
Protokoll-Nr. 54 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Jürgen Dressler, KHK Michael Brümmendorf,
KHK’in Christiane Beischer-Sacher am 22. Februar 2013.
Protokoll-Nr. 56a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: N. W., LfV Thüringen; R. B., LfV Thüringen am 28. Februar
2013.
Protokoll-Nr. 56a Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: R. G., LfV Brandenburg am 28. Februar 2013.
Protokoll-Nr. 57 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Jürgen Dressler, KHK Michael Brümmendorf,
MinDirg Hans-Georg Engelke, BMI am 1. März 2013.
Protokoll-Nr. 59 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Wolfgang Jehle, EKHK Carsten Külbel, EKHK
Michael Andrä am 14. März 2013.
Protokoll-Nr. 59 Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Michael Andrä am 14. März 2013.
Protokoll-Nr. 60 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: MDg’n Christine Hammann, BMI; Bundesminister a. D.
Otto Schily am 15. März 2013.
Protokoll-Nr. 62 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Joachim Tüshaus, LfV Sachsen; Dr. Olaf Vahrenhold, LfV
Sachsen; LfV-Präsident a. D. Reinhard Boos am 21. März 2013.
Protokoll-Nr. 64a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: LfV-Präsident Gordian Meyer- Plath am 15. April 2013.
Protokoll-Nr. 64b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: G. B., BfV am 15. April 2013.
Protokoll-Nr. 65 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: ORR’in Bettina Neumann, LfV Baden-Württemberg, Dr.
Helmut Rannacher, LfV Baden-Württemberg, KD Joachim Rück, LKA Baden-Württemberg,
EKHK’in Angelika Baumert, BKA am 18. April 2013.
Protokoll-Nr. 66a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Direktor LKA a. D. Peter-Michael Haeberer, Staatssekretär
Bernd Krömer am 22. April 2013.
Protokoll-Nr. 66b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK P. S. am 22. April 2013
Protokoll-Nr. 68a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK Dirk Spliethoff, LKA Nordrhein-Westfalen, PK Stefan
Voß, PHK Peter Baumeister, KHK Ulrich Gundlach, BKA am 25. April 2013
Protokoll-Nr. 68b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: RD Andreas Gabaldo, BfV am 25. April 2013.
Protokoll-Nr. 70a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Sebastian Egerton, BfV am 13. Mai 2013.
Protokoll-Nr. 70b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Richard Kaldrack, BfV; am 13. Mai 2013.
Protokoll-Nr. 72a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Rita Dobersalzka, BfV; Anhörung von Sachverständigen:
Ltd PD Jürgen Funk, Prof. Barbara John, Britta Schellenberg, Günter Schicht, Bernd Wagner am
16. Mai 2013.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1313 – Drucksache 17/14600
Protokoll-Nr. 72b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Bert Kippenborck, BfV; Michael Renzewitz, BfV am
16. Mai 2013
Protokoll-Nr. 74 Öffentliche Vernehmung des Zeugen Rainer Oettinger, LfV Baden- Württemberg am 24. Juni
2013.
II. Dokumente
Dokument 1 Bericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg des
2. Untersuchungsausschusses zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“.
Dokument 2 Tätigkeitsbericht der Ermittlungsbeauftragten Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache, Ulrich He-
benstreit des 2. Untersuchungsausschusses zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“.
Dokument 3 Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013 über die nach dem 4. November 2011 als Kon-
sequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen
Fehler und Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen.
Dokument 4 Stellungnahme der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 29. April 2013.
Dokument 5 Stellungnahme der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 28.
Mai 2013.
Dokument 6 Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013.
Dokument 7 Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt – ergriffene und beabsichtigte Maßnahmen des Bun-
desministeriums des Innern.
Dokument 8 Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages – Thema: Stand der Reform des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz vom 3. Juli 2013.
Dokument 9 Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom
20. Dezember 2011.
Dokument 10 Stellungnahme zum Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des Generalbundesanwalts vom
20.12.2011 im Rahmen der Verfolgung der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer
Untergrund NSU)“ Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan.
Dokument 11 Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesministers des Innern: Aufklärung der Aktenvernichtun-
gen im Bundesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der „Operation Rennsteig“ so-
wie weiterer Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011.
Dokument 12 Kontakte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum European White Knights of the
Ku Klux Klan (EWK KKK) – Mögliche rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei
Baden- Württemberg; Bericht, 20. August 2012, Landespolizeipräsidium.
Dokument 13 Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Zusam-
menhang mit dem European White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK); Bericht,
24. Oktober 2012.
Dokument 14 Stellungnahme des Sonderermittlers der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zu den Vorgän-
gen im Berliner Verfassungsschutz im Juni 2012.
Dokument 15 Abschlussbericht zur Rekonstruktion der vernichteten Akten ,,Rechtextremistische Skinheads”,
,,Blood and Honour” und ,,Landser”, Ausführung für NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes-
tags.
Dokument 16 Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwalt schaften bei der Verfolgung
des „Zwickauer Trios" erstattet von Dr. Gerhard Schäfer, Vorsitzender Richter am Bundesge-
richtshof a. D., Volkhard Wache, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a. D., Gerhard Meiborg,
Leiter der Abteilung Strafvollzug im Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland-
Pfalz im Auftrag des Freistaats Thüringen vertreten durch den Thüringer Innenminister.
Dokument 17 Bericht über die Untersuchung und Evaluierung der Arbeitsabläufe und -strukturen des Landesam-
tes für Verfassungsschutz Sachsen unter besonderer Betrachtung der Ereignisse im Zusammen-
hang mit dem sog. „Nationalsozialistischen Untergrund“ vom 20. Februar 2013, Professor Monika
Harms, Generalbundesanwältin a. D., Franz Josef Heigl, Präsident des Rechnungshofes des Frei-
staates Sachsen a. D., Dr. Helmut Rannacher, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz
Baden-Württemberg a. D., Zeitraum der Erhebung: August 2012 bis Januar 2013.
Drucksache 17/14600 – 1314 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Dokument 18 Untersuchungsbericht über in den Medien dargestellte Vorgänge in dem Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz und deren Auswirkung auf die Funktionsweise des Amtes von Dr. Karl Heinz
Gasser.
Dokument 19 Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg zu Carsten S., „Noch ein
V-Mann-Fall“, www.verfassungsschutz.brandenburg.de.
Dokument 20 Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg zu Carsten S., „V-Mann
verurteilt“, www.verfassungsschutz.brandenburg.de.
Dokument 21 Plenarprotokoll über die Debatte zur Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahl-
periode.
Dokument 22 Plenarprotokoll über die Abschlussdebatte zum Bericht des 2. Untersuchungsausschuss der
17. Wahlperiode.
Beschlussempfehlung und Bericht
Beschlussempfehlung
Erster Teil: Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens
A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses
I. Bekanntwerden des Terror-Trios
1. Bankraub von Eisenach und Wohnungsbrand in Zwickau
2. Auffinden der Bekenner-DVD und der Česká 83
3. Spekulationen über Verbindungen des Trios zum Verfassungsschutz
II. Gemeinsame Entschließung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag
III. Diskussion über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
1. Bundesstaatliche Bedenken
2. Begleitung durch eine Bund-Länder-Expertenkommission
IV. Einsetzungsantrag, Debatte und Plenarbeschluss
1. Gemeinsamer Einsetzungsantrag aller Fraktionen
2. Anträge zur Änderung der Anzahl der Ausschussmitglieder
3. Plenardebatte und Einsetzung
V. Konstituierung
1. Mitglieder des Ausschusses
2. Bestimmung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden
3. Benennung der Obleute und der Berichterstatter
4. Benannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
5. Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates
a) Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung
b) Beauftragte der Mitglieder des Bundesrates
6. Ausschusssekretariat
B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit
I. Ermittlungen des Generalbundesanwalts und Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht in München
1. Gegenseitige Rücksichtnahme
2. Regelmäßige Unterrichtung
3. Aktenzulieferung aus den laufenden Verfahren
a) Vor Anklageerhebung
b) Nach Anklageerhebung
4. Rücksicht auf das Strafverfahren: Fragenkreise ausgespart
5. Übermittlung der Untersuchungsausschussprotokolle und sonstiger Unterlagen
II. Schäfer-Kommission
1. Einsetzung und Auftrag
2. Ergebnisse der Ermittlungen der Schäfer-Kommission
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages
III. Bund-Länder-Experten-Kommission
1. Einsetzung der Bund-Länder-Kommission
2. Gesetzliche Grundlage und Auftrag
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss
a) Vorabgespräch am 8. März 2012
b) Weitere Berichterstattungen
4. Ergebnis der Arbeit der BLKR
IV. Untersuchungsausschüsse in den Landtagen
1. Thüringen
a) Einsetzung und Auftrag
b) Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages
2. Sachsen
3. Bayern
4. Diskussionen in anderen Ländern
C. Verlauf der Untersuchung
I. Gemeinsames Vorgehen, Einstimmigkeitsprinzip
II. Beschlüsse zum Verfahren
1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
2. Verzicht auf die Verlesung von Protokollen und Schriftstücken
3. Verteilung von Verschlusssachen
4. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Sitzungen
5. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien
6. Behandlung der Ausschussprotokolle
7. Verpflichtung zur Geheimhaltung
8. Fragerecht bei der Beweiserhebung
9. Behandlung von Beweisanträgen
10. Protokollierung der Ausschusssitzungen
III. Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten und sonstigen Unterlagen
1. Beweisvorbereitung
2. Aktenbeiziehung bei Behörden des Bundes
a) Art und Herkunft des Beweismaterials
b) Akten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
c) Verfügungsbefugnis des Bundes über Akten
d) Vorlage von Akten, die zur Freigabe zugeleitet wurden
3. Beiziehung von Akten bei den Ländern im Wege der Amtshilfe
a) Reichweite der Amtshilfe
b) Art der Beiziehungen
c) Freistaat Thüringen
4. Beiziehung von Akten beim Oberlandesgericht München
5. Geheimschutz
a) Nach der Geheimschutzordnung des Bundestages
b) „Geheimschutzstellenverfahren“
c) „Treptow-Verfahren“
d) Nachträgliche Einstufung
6. Vernichtung von Beweismaterial und Aktenschreddermoratorium
IV. Beweiserhebung durch Anhörung von Sachverständigen und Vernehmung von Zeugen
1. Sitzungstage
2. Strukturierung der Beweisaufnahme
3. Sachverständigenanhörungen
4. Durchführung der Zeugenvernehmungen
a) Die Zeugen
b) Dauer der Anhörungen und Vernehmungen
c) Nicht erschienene Zeugen
5. Vernehmungsgegenüberstellung
6. Schriftliche Befragung von Zeugen
a) Krankheitsbedingt
b) Offen gebliebene Fragen
c) Mangels Zeit
7. Kommissarische Vernehmung
8. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht
9. Rechtlicher Beistand
10. Öffentlichkeit
a) Ausschluss der Öffentlichkeit
b) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen
c) Twittern aus öffentlicher Sitzung
11. Einsichtsgewährung in Stenografische Protokolle vor Abschluss der Untersuchung
a) Mitglieder des Bundestages
b) Untersuchungsausschüsse der Landtage
c) Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige
d) Bund-Länder-Kommission
e) Bundesdatenschutzbeauftragter
f) Zeuge Luthardt
g) Ermittlungsgruppe „Trio“
h) Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern
i) Wissenschaftliche Zwecke
j) OLG München
V. Teilnahme der Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige
VI. Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten
1. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg
a) Auftrag
aa) Unterlagen des Generalbundesanwalts
bb) Unterlagen des Bundeskriminalamtes und einiger Landeskriminalämter
cc) Akten des LKA Thüringen, der Sächsischen Sicherheitsbehörden sowie der BKA-Abteilung polizeilicher Staatsschutz
dd) Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz
ee) Brandenburger Operativakten
b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
c) Berichterstattung an den Ausschuss
d) Ergebnis
2. Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache, Ulrich Hebenstreit
a) Thüringer Aktenstreit
b) Auftrag und Bestellung
c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
d) Umfang des Aktenmaterials
e) Freigabeverfahren
f) Aktenvorlage und Berichterstattung an den Ausschuss
g) Tätigkeitsbericht
D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen
I. Gedenkveranstaltung am Gendarmenmarkt
1. Einladung durch die Staatsspitzen und Schweigeminute
2. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
3. Rede von Semiya Şimşek
4. Rede von Gamze Kubaşık
5. Rede von İsmail Yozgat
II. Ombudsfrau der Bundesregierung Prof. Barbara John
III. Kontakte mit türkischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern
1. Besuche von Mitgliedern der Großen Türkischen Nationalversammlung
2. Reisen in die Türkei
a) Gespräch mit dem Justizminister, Herrn Sadullah Ergin
b) Gespräch mit dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Herrn Bekir Bozdağ
c) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses, Herrn Ayhan Sefer Üstün und weiteren Ausschussmitgliedern
d) Gespräch mit dem Vorsitzenden der deutsch-türkischen Freundschaftsgruppe im türkischen Parlament, Herrn Akif Çağatay Kılıç
e) Gespräch mit dem Stellvertretenden Außenminister, Herrn Botschafter Naci Koru
f) Gespräch mit dem stellvertretenden Präsidenten des Präsidiums des Amtes für im Ausland lebende Türken und verwandte Volksgruppen, Herrn Gürsel Dönmez
IV. Treffen des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden mit den Opfern des Nagelbombenanschlags in Köln
V. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
VI. Treffen mit dem Bundespräsidenten
VII. Treffen mit dem Menschenrechtskommissar des Europarates
VIII. Einladung der Opfer zum Gespräch und zur Teilnahme an der Plenardebatte
E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag
I. Gewährung rechtlichen Gehörs
1. Entscheidung über Gewährung rechtlichen Gehörs
2. Zustellung
3. Rückmeldungen und Stellungnahmen
4. Nachträgliche Veröffentlichung von Textpassagen und von Stellungnahmen
II. Feststellung des Berichts
III. Beratung im Plenum
F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung
I. Rückgabe von Beweismaterialien und Protokollen
II. Behandlung der Protokolle und Materialien
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt
A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten
B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen Szene
I. Werdegang des Trios vor deren Untertauchen
1. Erkenntnisse zu den Personen
a) Uwe Böhnhardt
b) Uwe Mundlos
c) Beate Zschäpe
2. Strafverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
a) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 18. März 1991
b) Uwe Mundlos (und ein weiterer Beschuldigter): gefährliche Körperverletzung am 6. Juni 1991
c) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 25. Juli 1991
d) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen im November 1991
e) Uwe Böhnhardt: Fahren ohne Fahrerlaubnis 1992
f) Uwe Böhnhardt (und ein Mittäter): Entwenden von Fahrzeugen 1992
g) Uwe Böhnhardt: Erpressung und gefährliche Körperverletzung 1992/1993
h) Beate Zschäpe: Diebstahl im Jahr 1994
i) Uwe Mundlos u. a.: Volksverhetzung im August 1994
j) Uwe Mundlos: Herstellen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im August 1994
k) Uwe Böhnhardt: „Kreuzverbrennung“, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sommer 1995
l) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das Waffengesetz im September 1995
m) Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, André Kapke: Puppentorso u. a. im April 1996
n) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Holger Gerlach: Illegaler Waffenbesitz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im November 1996
o) Uwe Böhnhardt, André Kapke, Christian K.: Körperverletzung im Dezember 1996
p) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke: Hausfriedensbruch bei der Polizei u. a. im Januar 1997
q) Uwe Böhnhardt: illegaler Waffenbesitz im April 1997
r) Uwe Böhnhardt, André Kapke: Körperverletzung im April 1997
3. Sonstige polizeiliche Erkenntnisse
a) Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und André Kapke: Plakatierung am 3. Mai 1995
b) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Blumenbinde „Heß“ am 23. November 1995
c) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke u. a.: Platzverweis am 9. März 1996
d) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos u. a.: Hausverbot in der Gedenkstätte Buchenwald am 1. November 1996
e) Skinhead-Konzert am 23. November 1996
f) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Anmeldung zu einer Versammlung am 6. Januar 1997
4. Wehrpflicht von Böhnhardt und Mundlos
a) Uwe Böhnhardt
b) Uwe Mundlos
aa) Personalakte Mundlos
aaa) Erkenntnisse
bbb) Umgang mit Personalakte Mundlos nach dem 4. November 2011
bb) Befragung von Mundlos durch den MAD
aaa) Ablauf der operativen Bearbeitung von Mundlos durch den MAD
„VFDL. HINTERGRUND: JA“
bbb) Gab es mehrere Befragungen von Mundlos durch den MAD?
ccc) Gründe für die späte Befragung von Mundlos durch den MAD
ddd) Inhalt des Befragungsberichtes vom 8./9. März 1995
eee) Bewertung des MAD-Befragungsberichtes: Wollte der MAD Mundlos als Quelle anwerben?
fff) Wer hat die Befragung von Uwe Mundlos durchgeführt? – Erkenntnisgewinnung zum MAD-Vorgang Mundlos
ggg) Umgang mit MAD-Befragungsbericht nach dem 4. November 2011
cc) Bewertung des Umgangs mit Uwe Mundlos bei der Bundeswehr
5. Waren Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe V-Personen des Verfassungsschutzes?
II. Entwicklung der rechtsextremistischen Szene in Thüringen in den 1990er/Anfang der 2000er Jahre
1. „Anti-Antifa Ostthüringen“ und „Thüringer Heimatschutz“
2. „Kameradschaft Eichsfeld“
3. Verankerung des Trios in der rechten Szene
III. Ermittlungsverfahren gegen die rechtsex-tremistische Szene Thüringen
1. Soko „REX“ – EG „TEX“
a) Gründung der Soko „REX“ 1995
b) Auflösung der Soko „REX“ im Februar 1997 – Gründung der EG „TEX“
2. Weitere Dienststellen des LKA Thüringen
a) ZEX
b) Soko „ReGe“
3. Ermittlungen gegen den „Thüringer Heimatschutz“
a) Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen Tino Brandt und andere mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung
b) Weitere „Strukturermittlungen“
4. Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen, insbesondere in Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“
5. Gräfenthal-Verfahren
IV. Beobachtung des „Thüringer Heimatschutzes“ durch staatliche Stellen
1. Operation „Rennsteig“
a) Entstehung der Operation „Rennsteig“
b) Gegenstand
c) Durchführung
d) Beteiligung des LfV Bayern
e) Kenntnis der beteiligten Behörden über die Quellen der anderen Behörden bei gemeinsamen Werbungsoperationen?
f) Ergebnis der Operation „Rennsteig“
g) Ende der Operation „Rennsteig“
h) Bewertung der Operation „Rennsteig“ durch die beteiligten Behörden
i) Kenntnisse der Amtsleitung im BfV von der Operation „Rennsteig“
2. Anschlussoperationen
V. Die Ermittlungen im Vorfeld der Durchsuchungen am 26. Januar 1998
1. Die Briefbombenattrappen
a) Thüringer Landeszeitung
b) Stadtverwaltung Jena
c) Polizeidirektion Jena
d) Gang und Ergebnis der Ermittlungen im „Briefbomben-Verfahren“
2. Die Kofferbomben im Jenaer Stadtgebiet
a) Die sog. „Stadion-Bombe“
b) Ermittlungsmaßnahmen nach Auffinden der „Stadion-Bombe“
c) Die sog. „Theater-Bombe“
d) Übereinstimmungen zwischen „Theaterbombe“ und „Stadionbombe“
e) Ermittlungsmaßnahmen zwischen September 1997 und Januar 1998
f) USBV am Magnus-Poser-Denkmal, Nordfriedhof
3. Ermittlungsmaßnahmen des LKA Thüringen zu den USBV, Böhnhardt als möglicher Täter
a) Zuständigkeit der EG „TEX“
b) Hinweise auf mögliche Täter aus dem rechten Spektrum
c) Garage als möglicher Ort, an dem die Bomben gebaut wurden
4. Auffinden der Garagen und Planung der Durchsuchungen
a) Observation von Böhnhardt durch das MEK des LKA Thüringen und weitere Ermittlungsmaßnahmen im Oktober 1997
b) Observation von Böhnhardt durch das LfV Thüringen im November/Dezember 1997
aa) Auftrag bzgl. der Observation des LfV Thüringen durch das LKA Thüringen?
bb) Erkenntnisse durch die Observation des LfV Thüringen
cc) Mitteilung der Ergebnisse der Observation an das LKA Thüringen
aaa) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998
bbb) Mündliche Vorabinformation über das Ergebnis der Observationsmaßnahmen
ccc) Einstufung des Schreibens vom 8. Januar 1998 als „VS-Vertraulich“
c) Planung der Durchsuchungen am 26. Januar 1998
aa) Verarbeitung der durch die Observation durch das LfV gewonnenen Erkenntnisse über die Garagen und Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses
bb) Konkrete Vorbereitung der Durchsuchungen
aaa) Erörterung einer möglichen Festnahme der Beschuldigten, insbesondere von Uwe Böhnhardt, im Rahmen der Durchsuchungen und abgesprochene Vorgehensweise für den Fall des Fundes möglicher Beweismittel
bbb) Vorbereitung in sonstiger Hinsicht
(1) Möglichkeit des Auffindens von Sprengstoff
(2) Möglichkeit, dass die Garagen verschlossen sein könnten
ccc) Festlegung eines Termins für die Durchsuchungsmaßnahmen
ddd) Verhinderung des Leiters der EG „TEX“, Dressler, an diesem Tag wegen einer Fortbildungsmaßnahme
5. Durchsuchungen am 26. Januar 1998
a) Ablauf
aa) Durchsuchung Garage Nr. 5, Garagenverein an der Kläranlage e. V.
bb) Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und Nr. 7
cc) Kommunikation zwischen den Durchsuchungsteams
dd) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
aaa) Kontaktaufnahmeversuch durch KK F. mit Staatsanwalt Schultz
bbb) Kontaktaufnahme von KHK L. mit Staatsanwalt Sbick
ee) Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt den Ort verließ
b) Mögliche Fehler bei der Durchführung der Durchsuchungen
aa) Auflistung aller Durchsuchungsobjekte in einem Durchsuchungsbeschluss
bb) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
cc) Mangelhafte Vorbereitung der Durchsuchungen
c) Verhaftung des Trios am Tag der Durchsuchungen möglich?
aa) Vor dem Auffinden der USBV und der weiteren Beweismittel in der Garage Nr. 5
bb) Nach dem Auffinden der USBV in der Garage Nr. 5
d) Ergebnis der Garagen-Durchsuchungen
aa) Beweismittel, die auf eine Täterschaft des Trios bei den Bombenfunden und den Briefbombenattrappen schließen lassen
aaa) Beweise für die Herstellung der USBVen sowie der Briefbomben in der Garage Nr. 5
bbb) Beweise für die Anwesenheit von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in der Garage Nr. 5
bb) Beweismittel, die auf die Planung weiterer Straftaten schließen lassen – Menge des aufgefundenen Sprengstoffs
cc) Beweismittel, die für die Fahndung nach dem Trio relevant waren
e) Weitere Durchsuchungsmaßnahmen und Ad-hoc-Suchmaßnahmen am 26. Januar 1998
6. Weitere Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Gera und des LKA Thüringen am 26./27./28. Januar 1998 zur Festnahme der Beschuldigten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
a) Anordnung der vorläufigen Festnahme am 26. Januar 1996
b) Ablehnung des Erlasses von Haftbefehlen am 27. Januar 1998
c) Beantragung und Erlass von Haftbefehlen am 28. Januar 1998
C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der Sicherheitsbehörden in Bezug auf Rechtsextremismus
I. Ausprägungen und Verbreitung von Rechtsextremismus
1. Der Begriff des Rechtsextremismus
a) Amtlicher und sozialwissenschaftlicher Rechtsextremismusbegriff
b) Unterscheidung zwischen Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus
2. Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland
a) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Schroeder
b) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Stöss
c) Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland
3. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten
a) Täterstruktur, Verortung und Art der Straftaten
b) Grundlage der Berechnung
c) Gewalteskalation Anfang der 90er Jahre
d) Überblick über Anstieg bzw. Rückgang der Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund in den Jahren 1994 bis 2011
4. Überblick über rechtsextremistische Milieus
a) Rechtsextreme
b) Skinheads
c) Neonazis
d) Frauen in der Szene
5. Aktions-, Handlungs- und Organisationsformen
a) Einstieg in die rechtsextremistische Szene
b) Aktionsformen
c) Organisationsformen
6. Strategien der militanten Rechten
a) Finanzierung
b) Vernetzung
c) Bewaffnung
7. Ausstieg
II. Rechtsextremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb Thüringens
1. „Blood & Honour“
a) „Blood & Honour“ International
b) „Blood & Honour Division Deutschland“
c) „Combat 18“ als bewaffneter Arm von „Blood & Honour“
d) Verbindungen zwischen „Blood & Honour” und dem Trio
e) Mögliche Auswirkungen von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ auf die Taten des Trios
f) Verbot der „Blood & Honour Division Deutschland“ und der Jugendorganisation „White Youth“
g) Umgang mit Nachfolgeaktivitäten von „Blood & Honour“
Das BMJ teilte diese Auffassung.
2. „Hammerskins“
a) Zur Struktur und den Leitgedanken der „Hammerskins“ allgemein
b) „Hammerskins“ international
c) „Hammerskins“ in Deutschland
d) Verbindungen zwischen den „Hammerskins“ und dem Trio
3. „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“
a) Allgemeine Informationen zur „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“
b) Verbindungen zum Trio
4. „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“
5. „Ku-Klux-Klan“ (KKK)
a) Zur Entstehung des „KKK international“
b) Entwicklung des „KKK“ in Deutschland
c) Verbindungen zwischen dem „KKK“ und dem Trio
aa) Kreuzverbrennung im Jahr 1995
bb) Verbindungen der Quelle Q1 und eines weiteren Thüringer Mitglieds zum „EWK KKK“ um Achim S.
cc) Achim S. als mutmaßliche Kontaktperson des untergetauchten Trios?
d) Mitgliedschaft von Polizeibeamten des Landes Baden-Württemberg im KKK
e) Rolle des Achim S. im „Ku-Klux-Klan“
f) V-Personen im „EWK KKK“
g) Q1 und der „KKK“
h) Aktivitäten des Carsten Szczepanski im Zusammenhang mit dem „KKK“
i) Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden in Bezug auf den „EWK KKK“
aa) Maßnahme des LfV Sachsen und des BfV
bb) Maßnahme des LfV BW und des BfV
III. Rolle der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bei der Beobachtung der rechtsextremistischen Szene bis zum 4. November 2011
1. Überblick über die Sicherheitsarchitektur
a) Dreigliedrigkeit der Inneren Sicherheit
b) Trennungsgebot
c) Zuständigkeit für die Bekämpfung des Rechtsextremismus
d) Aufsichts- und Kontrollgremien
aa) Kontrolle durch Aufsichtsbehörden
bb) Parlamentarische Kontrolle
2. Ermittlungsbehörden
a) Abgrenzung der Zuständigkeit von GBA und Landesstaatsanwaltschaften
b) Abgrenzung der Aufgaben der Polizeibehörden Bund/Land
aa) Zentralstellenfunktion
bb) Strafverfolgungszuständigkeit
cc) Koordinierung bei der Strafverfolgung
3. Verfassungsschutz
a) Abgrenzung der Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden der Länder und des BfV
aa) Aufgabenverteilung
bb) Zusammenarbeit
b) Grundsätze der V-Personen-Führung
aa) Allgemeines
bb) Rechtlicher Rahmen
cc) Die Fachprüfgruppe
dd) Werbung von V-Leuten
ee) Dauer der V-Mann-Führung durch dieselbe Person
ff) Zahlungen an V-Leute
gg) Zusammenarbeit „Beschaffung“ – „Auswertung“
hh) Straftaten von V-Personen und Teilnahme von Verfassungsschutzmitarbeitern hieran
ii) Folgen für die weitere Tätigkeit als V-Mann aufgrund der Begehung von Straftaten
jj) Verbesserungsvorschläge des Zeugen Gabaldo
c) Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern
d) Organisatorische Änderung im BfV
aa) Organisation der Abteilung II des BfV bis 2006
bb) Zusammenlegung der Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus im BfV (2006)
aaa) Entscheidungsprozess nach Aktenlage
bbb) Motive für die Entscheidung nach Angaben der Zeugen Fromm, Dr. Hanning und Dr. Schäuble
ccc) Bewertung der Entscheidung durch die Zeugen Fromm, Dr. Hanning und Dr. Schäuble
cc) Organisation der Abteilung II des BfV nach 2006
4. Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern und Ermittlungsbehörden
a) Grundsätze des Informationsflusses zwischen Verfassungsschutzämtern und Ermittlungsbehörden
aa) Schnittstellenproblem der Behördenkooperation
bb) Rechtliche Grundlagen der Übermittlung von Informationen durch das BfV an Ermittlungsbehörden
cc) Rechtliche Grundlagen der Informationsübermittlung von Landesverfassungsschutzbehörden an Ermittlungsbehörden
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel von Bayern und Thüringen
dd) Übermittlung von Informationen von den Ermittlungsbehörden an die Verfassungsschutzbehörden
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel Bayerns und Thüringens
ee) Informationelles Trennungsgebot?
aaa) Gutachten von Prof. Wolff
bbb) Entscheidung des BVerfG vom 24. April 2013 zur Antiterrordatei
ff) Quellenschutz
3. Unbeschadet der Berichtspflicht gegenüber der vorgesetzten Stelle werden die mit ‚Quellenschutz‘ gekennzeichneten Meldungen weitergegeben
3.1 innerhalb der jeweiligen Behörde für Verfassungsschutz uneingeschränkt,
3.2 zwischen den Verfassungsschutzbehörden nach den Koordinierungsrichtlinien;
b) Problematisierung der Verfassungsschutz-Quellenführung durch das BKA – Positionspapier des BKA vom 3. Februar 1997
5. Militärischer Abschirmdienst (MAD)
a) Aufgaben des MAD
b) Beziehung zwischen LfV, BfV und MAD
6. Der Bundesnachrichtendienst
a) Aufgaben des BND
b) Aufsicht und parlamentarische Kontrolle
c) Aufbau und Sitz des BND
d) Grundlage und Arbeit des BND
e) Zusammenarbeit mit anderen Behörden
7. Kooperationsformen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder
a) Überblick über Kooperationsformen und Gremien
aa) Innenministerkonferenz (IMK)
bb) Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)
cc) Gemeinsames Internetzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden (GIZ)
dd) Weitere Koordinierungsgremien
ee) Kommunikationsdateien und-datenbanken
b) Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Kooperationsgremien
aa) Trennungsgebot
bb) Erfordernis einer Rechtsgrundlage zur datenschutzrechtlichen Vereinbarkeit
cc) Vorschläge
IV. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch staatliche Stellen seit Anfang der 90er Jahre
1. Einschätzung 1990 bis 2002
a) Verfassungsschutzberichte des BfV 1990 bis 2002
b) Sprechzettel für die PKK-Sitzungen am 29. April und am 27. Mai 1998
c) Einschätzung durch die „Informationsgruppe Rechtsextremismus“ (IGR)
aa) Tätigkeit der IGR
bb) Diskussion in der „Informationsgruppe Rechtsextremismus“ (IGR)
aaa) 18. IGR-Bund-/Ländertagung am 28./29. September 1999
bbb) 19. IGR-Bund-/Ländertagung am 27./28. September 2000
ccc) 20. IGR-Bund-/Ländertagung am 10./11. Januar 2001
ddd) Gründe für unterschiedliche Bewertungen durch BfV und BKA
eee) Bewertung der Arbeit in der IGR
2. Einschätzung nach Verhinderung eines Anschlags durch „Kameradschaft Süd“ 2003
a) Versuchter Anschlag durch „Kameradschaft Süd“ 2003
b) Einschätzung des BfV 2003: Gibt es eine braune RAF?
aa) Antwortschreiben des BfV vom 14. September 2003
bb) Aussage des Zeugen Fritsche vor dem Untersuchungsausschuss
cc) Aussage des Zeugen Fromm vor dem Untersuchungsausschuss
dd) Aussagen der Zeugen Dobersalzka und Egerton vor dem Untersuchungsausschuss
ee) Bewertung der damaligen Einschätzung durch den Zeugen Schily
c) Bewertung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch Verfassungsschutzbericht 2003
d) Arbeitstagung der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern am 9. Oktober 2003
e) Einschätzung durch das BKA
f) Bericht des BMI anlässlich der Münchner Vorkommnisse zur Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
g) Schlussfolgerungen der IGR
3. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21: Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis 2004
„Rohrbombenfunde in Jena
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus in Verfassungsschutzberichten des BfV 2005 bis 2010
5. Umgang mit Rechtsextremisten in der Bundeswehr
a) Rolle des MAD
b) Werden Rechtsextremisten als Quellen des MAD geführt?
c) Situation in den 90er Jahren
d) Untersuchungsausschuss „Rechtsextremismus in der Bundeswehr“ und anschließende Änderungen im Umgang mit Rechtsextremisten
e) Umgang der Bundeswehr mit Rechtsex-tremisten aus dem Umfeld des Trios
aa) R. M. B.
bb) M. R. D.
D. leistete vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Oktober 1998 seinen Grundwehrdienst als Milan- und Panzerfaustschütze in der 4. Kompanie des Jägerbataillons 371 in Marienberg. Sein Wunsch, nach dem Grundwehrdienst freiwilligen Wehrdienst zu leisten, wurde...
cc) André Eminger
dd) D. F.
D. F. ist der Bruder von Jacqueline Wohlleben und Schwager von Ralf Wohlleben. Von 2005 bis 2007 war er Besitzer eines Lokals in Oberweißbach, in dem am 18. März 2006 eine Veranstaltung der rechten Szene durch Patrick W. angemeldet wurde. Er hatte...
F. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 in der 2. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 231 in Bad Reichenhall.
ee) A. G.
G. wurde am 29. November 1996 mit Wirkung zum 1. Dezember 1996 vom Gefreiten zum Obergefreiten und am 24. März 1997 mit Wirkung zum 1. April 1997 zum Hauptgefreiten befördert. Gleichwohl wurde in G.‘s Dienstzeugnis vermerkt, dass seine Führung ledig...
G. wurde von Seiten der Bundeswehr und des MAD nicht als Extremist erkannt oder ist diesen nicht als solcher durch sein Verhalten aufgefallen. Dafür spricht auch seine 16-monatige Wehrdienstzeit und die Beförderungen.
ff) B. G.
G. war in den Jahren 1997 bis 2000 in der „Kameradschaft Kassel“ aktiv, die von seinem Stiefbruder geleitet wurde. Nach eigenen Angaben war er während seiner Bundeswehrzeit dort nicht mehr tätig, hatte jedoch noch Kontakt zu Personen aus der rechten ...
G. leistete vom 2. Januar 2002 bis zum 31. Oktober 2002 seinen Wehrdienst als Ladeschütze sowie als Wach- und Sicherungssoldat in der 2. Kompanie des Panzerbataillons 64.
gg) M. G.
G. leistete vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 seinen Grundwehrdienst in der Bundeswehr und war als Flieger in der 13. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment 2 eingesetzt. Erkenntnisse des MAD oder des BMVg zu extremistischen Gesinnungen sind nic...
hh) J. H.
H. gab an, das Trio habe sich bereits auf der Stufe von Rechtsterroristen bewegt. Auch er befürworte derartige Aktionen und würde wieder klassische Unterstützerfunktionen leisten.
ii) M. H.
H. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Januar 1997 bis zum 22. August 1997 in der 3. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 381, als Richtschütze in Bad Frankenhausen und später in der 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 381 als Panzergrenadi...
jj) Dr. Claus Nordbruch
kk) M. P.
ll) David Petereit
mm) T. Ro.
nn) T. R.
oo) H.-J. S.
pp) K. S.
qq) T. S.
rr) Carsten Schultze
ss) S. T.
tt) R. W.
uu) J. W.
W. wurde
„seit ca. 1993 zur Chemnitzer-Skin-Szene“
D. V-Leute und Gewährspersonen
I. V-Mann-Werbung und -Führung des LfV Thüringen
1. Überblick
2. Regelungen der Werbung und Führung von V-Leuten in Thüringen in den 90er-Jahren
3. Arbeitsweise des LfV Thüringen hinsichtlich der V-Mann-Werbung und -Führung
4. Einfluss von Straftaten auf die Eignung als V-Person?
5. Informationsfluss zwischen der StA Gera und Verfassungsschutzbehörden außerhalb der Suche nach dem Trio
6. Die V- und Gewährspersonen des LfV Thüringen im Umfeld des Trios im Einzelnen
a) VM 2045 „Otto“/VM 2150 „Oskar“ (Tino Brandt)
aa) Zur Person
bb) Anwerbung
cc) Einsatzgebiet von Tino Brandt
dd) Erster Abschnitt der Tätigkeit als V-Mann („2045“/„Otto“)
ee) Erste Abschaltung
Das genaue Datum war der 29. Mai 2000.
ff) Reaktivierung von Tino Brandt als VM 2150/„Oskar“
gg) Zweite Abschaltung Tino Brandts
hh) Nachbetreuung Brandts
ii) Bewertung des Informationsgehalts der Meldungen Brandts
jj) Geld und Sachleistungen an Tino Brandt
kk) Ermittlungsverfahren gegen Brandt und eventuelle Einflussnahmen des LfV
aaa) Gräfenthal-Verfahren
bbb) Bedrohung von Polizeibeamten
ccc) „THS“-Verfahren
ddd) Angaben des Tino Brandt gegenüber Thorsten Heise
eee) Verdacht auf Einflussnahme des LfV im Übrigen
fff) Stellungnahmen der Mitarbeiter des LfV Thüringen
ll) Kenntnis des BfV über den Klarnamen der Quelle 2045/2150
mm) Enttarnung Brandts
b) VM 2100 („Riese“/„Hagel“)
c) VM „Küche“
d) „Alex“
e) Gewährsperson „Tristan“
f) VM „Ares“
g) VM „Günther“?
h) Weitere mögliche V-Leute
II. Erkenntnisse und V-Leute des BfV
1. Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“
2. V-Leute des BfV mit möglichen Bezügen zum Trio
a) V-Mann Q1
aa) Kontakt mit Mundlos
bb) Eintragungen in den Kontaktlisten des Mundlos
cc) Aktivitäten von Q1 im Zusammenhang mit dem „KKK“
dd) Einschätzung der Quelle durch das BfV
ee) Vergütung von Q1
b) V-Mann Q2
c) V-Mann Q3
d) Rolle der Fachprüfgruppe bei der V-Mann-Führung
e) War Ralf Wohlleben ein V-Mann?
aa) Dienstliche Erklärung von Dr. Förster vom 17. September 2012
bb) Berichte des BMI vom 5. Oktober 2012 und vom 18. November 2012
cc) Stellungnahme des Freistaates Thüringen vom 16. Oktober 2012
dd) Zeugenaussagen von Dr. Förster
ee) Ergebnis der Überprüfung der 76er-Liste
3. Hinweis des italienischen Geheimdienstes AISI
III. V-Leute des Verfassungsschutzes Brandenburg
1. Der V-Mann „Piatto“ des Verfassungsschutzes Brandenburg
a) Der V-Mann „Piatto“
b) Vorleben des V-Mannes „Piatto“ vor dessen Anwerbung
aa) Verurteilungen vor 1994
bb) „Ku-Klux-Klan“-Verfahren des Generalbundesanwalts
aaa) Tatverdacht
bbb) Kreuzverbrennung in Halbe 1991
ccc) Besitz von Sprengstoff
ddd) Ausgang des Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts
cc) Mordversuch in Wendisch Rietz
dd) Auswirkungen des Mordversuchs auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts
c) Umstände der Verbindungsaufnahme des V-Mannes „Piatto“ zum Verfassungsschutz Brandenburg
aa) Kontaktaufnahme durch Szczepanski aus der Untersuchungshaft heraus
bb) Umfang und Qualität der Quellenmeldungen
cc) Entlohnung des V-Mannes „Piatto“
d) Mögliche Beweggründe des V-Mannes „Piatto“ für eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz
e) Ablauf der Treffen mit „Piatto“
aa) Abholung von „Piatto“ an der JVA an den Tagen seines Freiganges und „Verschaffung von Mobilität“
bb) Ausstattung mit einem Mobiltelefon
f) Bedenken gegen die Anwerbung innerhalb des Verfassungsschutzes Brandenburg, Befragung einer außenstehenden Autoritätsperson durch den Innenminister
g) Erleichterungen bzgl. des Vollzugs der Haftstrafe/Vorzeitige Entlassung aus der Haft
aa) Verdacht der Herstellung rechtsextremistischer Publikationen in der JVA Brandenburg Ende 1996/Anfang 1997 – Maßnahmen bzgl. „Piatto“ in diesem Zusammenhang
aaa) Der Verdacht als solcher
bbb) Mögliche Beteiligung von „Piatto“ an der Herstellung der Publikationen
ccc) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Brandenburg in Bezug auf „Piatto“
bb) Erörterung einer möglichen Haftentlassung nach der Hälfte der Haftzeit (gemäß § 57 Abs. 2 StGB) wegen der Aussage Szczepanskis im sog. Dolgenbrodt-Prozess
aaa) § 57 Abs. 2 Strafgesetzbuch
bbb) Aussage „Piattos“ im Dolgenbrodt-Prozess - Hintergrund
ccc) Entsprechende Zusage?
cc) Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit entsprechend § 57 Abs. 1 StGB
aaa) Voraussetzung einer Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit gem. § 57 Abs. 1 StGB
bbb) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 1. Dezember 1999
ccc) Mögliche Täuschung der Strafvollstreckungskammer unter Mitwirkung des Verfassungsschutzes?
ddd) Praktikum bei der Firma P. bereits im Jahr 1998?
h) Hinweise von „Piatto“ zum Trio/Artikel im Zine „White Supremacy“ durch eines der Mitglieder des Trios
i) Kontakte von Szczepanski nach Sachsen
j) Weggang von Meyer-Plath Ende Oktober 1998
k) Enttarnung des V-Mannes „Piatto“
l) Änderung der Dienstvorschriften im Hinblick auf Vorstrafen von V-Leuten
2. Gruppierung „Nationalsozialistische Untergrundkämpfer Deutschlands“
3. Toni S.
IV. V-Personen des Landeskriminalamts Berlin
1. VP 562 (Thomas Starke)
a) Persönlicher Hintergrund der VP 562 und Kontakte zu dem Trio
b) Anwerbung als V-Mann im November 2000
aa) Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit der rechtsextremen Band „Landser“
aaa) Das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts
bbb) Ermittlungen gegen Thomas Starke durch die Staatsanwaltschaft Dresden
bb) Anwerbevorgang im Zusammenhang mit der Vernehmung am 14. November 2000
aaa) Anwesenheit eines Beamten des LKA Berlin bei der Vernehmung am 14. November 2000 in Dresden
bbb) Erörterung der Anwerbung innerhalb des LKA Berlin – mögliches Telefonat mit dem Generalbundesanwalt
cc) Bedenken gegen die Anwerbung von Thomas Starke als V-Mann
aaa) Bedenken innerhalb des LKA Berlin
bbb) Bedenken innerhalb des LKA Sachsen
ccc) Mitteilung von beim LKA Sachsen vorliegenden Bedenken an den Generalbundesanwalt/Ausräumen bestehender Bedenken durch den Generalbundesanwalt
dd) Zustimmung respektive Weisung des Staatsschutzes?
ee) Konsequenzen der Anwerbung von Thomas Starke für das „Landser-Verfahren“
ff) Feuerberg-Bericht
c) Hinweis der VP 562 mit Bezug zum Trio vom 13. Februar 2002
aa) Meldung als solche und Ablauf des Treffens
bb) Weitergabe der Meldung durch den VP-Führer
aaa) Aktenlage
bbb) Aussage des VP-Führers vor dem Untersuchungsausschuss
ccc) Aussage des Zeugen Haeberer vor dem Untersuchungsausschuss
ddd) Untersuchung durch OStA Feuerberg
eee) Stellungnahme des LKA Thüringen
fff) Aktenlage in Thüringen
d) Weisungslage bzgl. der Weitergabe von VP-Informationen
e) Weitere Hinweise der VP 562 bzgl. Personen, die einen Bezug zum Trio haben
Meldung vom 9. August 2001:
Meldung vom 5. September 2002:
Meldung vom 27. August 2003:
Meldung vom 20. Dezember 2005:
Zum Server „netzspeicher 24“:
f) Zusammenarbeit des Landes Berlin mit dem Untersuchungsausschuss in Zusammenhang mit der VP 562 – Feuerberg-Gutachten des Landes Berlin
aa) Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses und Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-1 durch das Land Berlin
aaa) Beweisbeschluss BE-1
bbb) Beweisbeschluss BE-2
bb) Kenntniserlangung von der Existenz von VP 562 innerhalb des LKA Berlin und Weitergabe an die Polizeiführung und an den Senator für Inneres und Sport
cc) Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Generalbundesanwalt und der VP 562
dd) Mitteilung des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungsausschusses
ee) Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-2 durch das Land Berlin
g) Einsetzung des Sonderermittlers OStA Feuerberg durch den Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin
2. Weitere V-Personen des Landeskriminalamts Berlin
V. Erkenntnisse zu einer V-Person aus Bayern
E. Suche nach dem Trio
I. Wohnungen des Trios nach dem Untertauchen aus heutiger Sicht
II. Maßnahmen des LKA Thüringen und anderer Polizeibehörden bei der Suche nach dem Trio
1. Rolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Fahndung
2. Aufgabenverteilung innerhalb des LKA Thüringen
a) Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung zwischen Januar 1998 und August 2001
aa) Grundsätzliche Aufgaben der Zielfahndungsabteilung
bb) Aufgabenteilung zwischen der Zielfahndungsabteilung und der EG „TEX“
cc) Auslastung der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen während der Suche nach dem Trio
dd) Versagung personeller Unterstützung der Zielfahndungsabteilung
b) Formale Beauftragung der Zielfahndungsabteilung nach dem 26. Januar 1998?
aa) Beauftragung der Zielfahndungsabteilung mit der Suche nach dem Trio am 29. Januar 1998
bb) Vorliegen eines Zielfahndungsantrags?
aaa) Notwendigkeit eines Zielfahndungsantrags
bbb) Nichtvorliegen eines Zielfahndungsantrags
ccc) Möglicher Hintergrund des Nichtvorliegens eines Zielfahndungsantrags
ddd) Mögliche Folgen des Nichtvorliegens eines Zielfahndungsantrags
c) Beendigung der Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung im August 2001
3. Fahndungsmaßnahmen unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios im Frühjahr 1998
a) Weitere Durchsuchungen am 26. Januar 1998
b) Absuche weiterer bekannter Anlaufstellen des Trios
c) Fernsehsendung Kripo Live am 22. Februar 1998
aa) Hinweis auf Zimmer von Uwe Mundlos in Ilmenau
bb) Hinweis auf D. F. aus Nürnberg
cc) Hinweis auf Besuche in der JVA Waldheim
dd) Hinweis auf die Gaststätte Zum Höller in Gera
ee) Hinweis auf die Nutzung des PKW von Ralf Wohlleben durch das Trio
ff) Kurzobservationen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung
d) Aufsuchen von Familienangehörigen
aa) 22. Februar 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe
bb) 26. Februar 1998 – Mutter von Uwe Böhnhardt
cc) 18. März 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe
aaa) Vermerk vom 19. März 1998 über das Treffen
bbb) Bitte des LfV Thüringen, nicht an Stefan A. heranzutreten
e) Telefonüberwachungsmaßnahmen
f) Hinweis darauf, dass sich Personen in der Wohnung von Beate Zschäpe aufhalten
aa) Hinweis vom 9. März 1998
bb) Hinweis vom 15. März 1998
g) Sonstige Fahndungsmaßnahmen in dieser Phase
aa) Fahndungsausschreibungen
bb) Passsperre
cc) Bankauskünfte
dd) Hinweis auf die Beerdigung des Großvaters von Uwe Böhnhardt
ee) Fahndungsmaßnahmen unter Einbeziehung der Krankenversicherungen
ff) Hinweise auf einen Aufenthalt des Trios im Raum Köln im März und im Mai 1998
gg) Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung
4. Einsatz von Beamten des Bundeskriminalamts bei der EG „TEX“ im Februar 1998
a) Umfang der Tätigkeit
b) Situation bei der Ankunft der BKA-Beamten in Thüringen/Ablauf der Zusammenarbeit/Kein Kontakt zur Zielfahndungsabteilung
c) Sammlung von Informationen im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BKA
d) Unterstützung der Ermittlungen des LKA Thüringen/Keine Nennung der Eigenschaft als BKA-Beamter bei der Abfassung von Vermerken
e) Praktikum der Beamtin Beischer-Sacher beim LKA Thüringen im Frühjahr 1997
5. Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Telefon- oder Adresslisten
a) Hintergrund
b) Inhalt der Adress- und Telefonliste
c) Situation bei der EG „TEX“ im LKA Thüringen bei der Ankunft der Beamten Brümmendorf und Beischer-Sacher
d) Auswertung des Asservats, in dem die Telefonliste enthalten war
aa) Konkrete Situation nach dem Auffinden der Liste durch KHK Brümmendorf - Weitergabe der Telefonliste an den Leiter der EG „TEX“, KHK Dressler?
bb) Vermerk vom 19. Februar 1998
cc) Die Abfassung des Vermerks vom 19. Februar 1998
dd) Übergabe des Vermerks vor Abreise am 26. Februar 1998
ee) Benennung des Asservats (23.6 vs. 23 C)
ff) Weitere Asservate aus dem Pappkarton
e) Weitergabe der Telefonliste an die Zielfahndungsabteilung?
f) Auffinden einer weiteren Adress- und Telefonliste im Rahmen der Ermittlungen durch das BKA nach dem 4. November 2011
g) Unterrichtung des Untersuchungsausschusses durch das BKA in diesem Zusammenhang
6. Briefe von Uwe Mundlos an inhaftierte Personen – Asservat 20.B.1 aus der Garage an der Kläranlage
a) Auffindesituation
b) Auswertung des Ordners
c) Inhalt der Briefe
d) Bewertung als mögliche Anlaufpunkte bzgl. der Flucht
e) Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu Thomas Starke und Torsten S. haben
7. Aufsuchen der Eltern von Uwe Mundlos durch Beamte des LKA Thüringen und durch Mitarbeiter des LfV Thüringen im März 1998
a) 6. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos
b) 18. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos – Vermerk vom 19. März 1998
c) Kontakt des LfV Thüringen mit Eltern Mundlos am 11. März 1998 und Observationsmaßnahme
d) Aussagen der Zeugen zu diesem Vorgang
aa) Aussagen zum Besuch des LfV Thüringen bei Familie Mundlos
bb) Aussagen zum Hinweis auf eine Zusammenarbiet des LfV Thüringen mit Beate Zschäpe
8. Anrufe bei Jürgen H. im März/April 1998 – Hinweise auf Aufenthalt in Chemnitz bzw. in der Schweiz
a) Anrufe im April 1998 bei Jürgen H.
b) Anruf aus der Schweiz (Bereich Orbe/Yverdon)
c) Klärung der Identität des Anrufers und weitere Maßnahmen
9. Weitere Fahndungsmaßnahmen des LKA Thüringen zwischen März und Dezember 1998
a) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen im Jahr 1998
aa) Telefonüberwachung bei Jan Werner
aaa) Hinweise auf Beteiligung von Jan Werner
bbb) Überwachung des Festnetzanschlusses der Mutter von Jan Werner
ccc) Überwachung des Mobilfunkanschlusses von Jan Werner
bb) Telefonüberwachung bei Antje und Michael P., Limbach-Oberfrohna
cc) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen
b) Observationsmaßnahmen
aa) Observation von Ralf Wohlleben am 22. April 1998 und im August 1998
aaa) 22. April 1998
bbb) August 1998
bb) Künstliche Nachfrage nach dem „Pogromly“-Spiel – Observation von Jürgen H. Anfang August 1998
c) Aufenthaltsermittlungen in Ungarn
d) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika über Sofia
e) Aufsuchen von Ralf Wohlleben und Juliane W. am 2. Juni 1998
f) Weitere Ermittlungsmaßnahmen bis Ende 1998
aa) Einbruch in die Wohnung von Beate Zschäpe
bb) Abarbeitung von Hinweisen
10. Hinweise des V-Mannes Piatto bzgl. des Bestehens von Kontakten mit Jan Werner und Antje P. – Besprechung hierzu in Brandenburg und weitere Maßnahmen
11. Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr des Trios unter Einschaltung von Rechtsanwälten
12. Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1999
a) Einzelne Fahndungsmaßnahmen
aa) Abklärung der Anschriften von Thomas Starke, Hendrik L. und Jan Werner in Chemnitz im April 1999
bb) Hinweise im Mai 1999 bzgl. eines Aufenthalts in Rudolstadt
cc) Vernehmung von Jürgen H. in der Kaserne Mellrichstadt, 27. Mai 1999
dd) Anschriftenüberprüfung im November 1999 in Jena
b) Hintergründe für die geringe Fahndungsintensität in diesem Zeitraum
13. Fahndungsmaßnahmen in Zusammenhang mit der Fernsehsendung Kripo Live am 7. Mai 2000
a) Vorbereitung der Ausstrahlung unter Beteiligung anderer Stellen, Hintergrund der Maßnahmen
b) G 10-Maßnahmen
c) Gewonnene Erkenntnisse
aa) Lichtbild einer Person vor dem Gebäude Bernhardstraße 11
bb) Hinweis eines Berliner Polizeibeamten bzgl. des Aufenthalts von Zschäpe und Mundlos in einem Biergarten in Berlin
cc) Weitere Hinweise
dd) Folgen des vor dem Wohnhaus von Mandy Struck aufgenommenen Fotos
14. Observationsmaßnahmen Ende September/Anfang Oktober 2000 in Chemnitz
a) Art und Umfang der Maßnahme
b) Konkreter Ablauf und gewonnene Erkenntnisse
aa) Observation Kai S.
bb) Videoüberwachung Bernhardtstraße 11 durch das MEK Chemnitz
c) Aufnahme von Beate Zschäpe während der Videoüberwachung der Wohnung von Mandy Struck?
d) Parallele Observationsmaßnahmen des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen
e) Überprüfung von Anrufen aus Telefonzellen
15. Maßnahme am 23. Oktober 2000 in Chemnitz
a) Art und Umfang der Maßnahmen
b) Hintergrund der Maßnahmen
c) Bewertung der Fahndungssituation durch die Beteiligten
d) Vorbereitung der Maßnahmen am 23. Oktober 2000
e) Konkreter Ablauf der Maßnahmen
f) Überprüfung des Anrufes aus der Telefonzelle
g) Auswirkungen auf Maßnahmen des LfV Sachsen
16. Weitere Fahndungsmaßnahmen im Zeitraum 2000 bis 21. August 2001
a) Observation in Seelze bei Hannover am 30. September/1. Oktober 2000
b) Aufsuchen von Frauenärzten in Chemnitz
c) Hinweis auf Antreffen von Beate Zschäpe im Zug zwischen Bebra und Eisenach im August 2000
d) Grund dafür, dass es ansonsten nur wenige weitere Maßnahmen gab
e) Beendigung der Zielfahndung im August 2001
17. Fahndungsmaßnahmen August 2001 bis Juli 2003
a) Auswertung der bisherigen Maßnahmen nach Rückgabe der Fahndungsakten an die EG „TEX“
b) Aufforderung zu weiteren Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft im Frühjahr 2002 und Reaktion hierauf.
aa) Auftrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 20. Februar 2002 und Reaktion der Staatsanwaltschaft Gera hierauf
bb) Anregung von erneuten Zielfahndungsmaßnahmen durch das LKA Thüringen im September 2002
aaa) Die Anregung vom 6. September 2002
bbb) Die Reaktion der Staatsanwaltschaft nach der Anregung
c) Intensivierung der Fahndungsmaßnahmen im Jahr 2002
aa) Zeitlicher Ablauf
bb) Überprüfung von Personen
aaa) Jan Werner
bbb) Mandy Struck
ccc) Kai S.
ddd) Daniel H.
eee) Torsten S.
fff) Kay-Norman S.
ggg) Weitere Personen
cc) Nachforschungen bei Behörden und Institutionen
aaa) Ermittlungen bzgl. möglicher Telefonanschlüsse
bbb) Banken und Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung
ccc) Französische Fremdenlegion
ddd) Einschaltung der BKA-Verbindungs-beamten
eee) Bundeswehr
fff) MAD, BfV und BND
ggg) Sonstige Stellen
dd) Hinweise aus der Öffentlichkeit und deren Abarbeitung
aaa) Anonymer Anruf am 25. Juni 2002 und Observation der Eltern von Uwe Böhnhardt zwischen dem 26. und 28. Juni 2002
bbb) Hinweis auf Aufenthalt in Calgary/Kanada im Oktober/ November 2002
ccc) Hinweis auf Aufenthalt von Beate Zschäpe in München
III. Erkenntnisse und Maßnahmen des LfV Thüringen und getroffene Maßnahmen nach dem 26. Januar 1998
1. Aufgaben des LfV Thüringen
2. Organisation des LfV Thüringen in den 1990er Jahren
a) Informationswege im LfV Thüringen in den 1990er Jahren
b) Rechtliche Vorgaben für die „Auswertung“
c) Praxis der Auswertung in der Operation „Drilling“
3. Erteilung eines eigenständigen Suchauftrags an das LfV Thüringen
4. Einschätzung der Gefährlichkeit des Trios durch das LfV Thüringen zum Zeitpunkt des Untertauchens
5. Chronologie der Erkenntnisse des LfV Thüringen
6. Einzelne Maßnahmen des LfV Thüringen
a) Information des BfV und der LfV über das Untertauchen – Übersendung von Fotos des Trios
b) Kenntnis des LfV Thüringen von der in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Adress- und Telefonliste
c) Quellenmeldung über das Abschleppen des unfallbeschädigten Fluchtwagens von der BAB A4
d) Observationen mit Amtshilfe des BfV
5. bis 10. Juli 1998:
16. bis 22. März 1999:
17. bis 21. März 1999:
e) Amtshilfe durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz Berlin
f) Geldübergabe an Kapke in Coburg am 5. August 1998
aa) Chronologie der Schäfer-Kommission
aaa) 29. Juli 1998
bbb) 12. August 1998
bb) Ergänzende Angaben des Zeugen Schrader hierzu
cc) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika am 10. August 1998
g) Meldungen einer Gewährsperson aus dem Umfeld von Ralf Wohlleben
aa) Die Meldungen als solche
bb) Hinweise zur Identität der Hinweisgeberin
h) Hinweise des Brandenburger V-Mannes Piatto auf das Trio im Zeitraum August bis Oktober 1998
aa) Darstellung im Schäfer-Gutachten
bb) Die Meldungen des V-Mannes Piatto im Einzelnen
aaa) Deckblattmeldung vom 19. August 1998
bbb) Deckblattmeldung vom 9. September 1998:
ccc) Deckblattmeldung vom 16. September 1998
ddd) Deckblattmeldung vom 29. September 1998
eee) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998
cc) Besprechung in Potsdam bezüglich des weiteren Umgangs mit der Information am 15. oder 16. September 1998
aaa) Anlass und Datum der Besprechung
bbb) Teilnahme von Vertretern des BfV an dem Gespräch
ccc) Inhalt der Besprechung
In dem Vermerk vom 17. September 1998 heißt es hierzu :
dd) Weitergabe der Meldung durch Vertreter des LfV Thüringen an das LKA Thüringen?
ee) Suchmaßnahmen im zeitlichen Zusammenhang mit den Meldungen des V-Mannes Piatto
aaa) Maßnahmen des LKA Thüringen
bbb) Maßnahmen der LfV Thüringen und Sachsen
ff) Weiterer Umgang des LfV Thüringen mit den Quellenmeldungen
gg) Kontakt zwischen dem Mobiltelefon von Jan Werner und einem Mobiltelefon des Landes Brandenburg
aaa) Zeitpunkt der Telefonverbindungen/Zeitpunkt und Inhalt der SMS
„IM US#10 STAND ETWAS ZU B.B!“
„H[?“
„JA!“
„O.K.,DANKE! CS“
„DANKE F“R DEN ANRUF AM MONTAG.“
„HALLO. WAS IST MIT DEN BUMS?“
bbb) Maßnahmen des LKA Thüringen im Hinblick auf die festgestellten Kontakte
ccc) V-Mann Carsten Szepanski des Landes Brandenburg als Kommunikationspartner von Jan Werner
ddd) Kurznachricht vom 25. August 1998 („Was ist mit den Bums“) als Hinweis auf Waffenbeschaffung?
i) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV Thüringen im Fall „Drillinge“ vom 15. Juni 1999
j) Erkenntnisse und Quellenmeldungen zu Geldnöten des Trios und deren Ende
aa) Geldnöte des Trios
bb) Keine Geldsorgen mehr
k) Meldung vom 1. Februar 2000 („Dem Trio geht es gut“)
l) Observation eines Angehörigen der „Kameradschaft Jena“ in Hannover durch das LfV-Niedersachsen in Amtshilfe für das LfV Thüringen
m) Hinweis auf Jürgen H.: Meldung des MAD vom 6. Dezember 1999, die „drei Bombenbastler“ bewegten sich auf der Stufe von Rechtsterroristen
n) Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme bei Wohlleben
o) Kontaktaufnahme des Trios zur Quelle 2045 – Observation von Telefonzellen in Chemnitz
7. Ende der Suchmaßnahmen des LfV Thüringen - Hintergründe
8. Rückkehrverhandlungen des LfV Thüringen mit den Familien des Trios
a) Kontaktaufnahme am 11. März 1998
b) Rückkehrverhandlungen zwischen Oktober 1998 und März 1999
aa) Aussteiger-Gespräche mit der Familie Böhnhardt im Oktober und November 1998
bb) Mitteilung an den Rechtsanwalt im Dezember 1998, dass die Überwachungsmaßnahmen ruhen
cc) Schreiben von Rechtsanwalt Eisenecker für Beate Zschäpe
dd) Gespräch zwischen den Eltern von Uwe Böhnhardt und StA Mohrmann am 29. Februar 1999
ee) Gespräch zwischen dem Vizepräsidenten des LfV Thüringen, Nocken, und der Staatsanwaltschaft Gera
ff) Ende der Rückkehrverhandlungen im März 1999
9. Zusammenarbeit des LfV Thüringen mit dem LKA Thüringen
a) Ansprechpartner für das LfV Thüringen im LKA Thüringen
b) Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
c) In den Akten des LKA Thüringen dokumentierte Informationserlangung durch das LfV Thüringen
d) In den Akten des LfV Thüringen dokumentierte Informationsweitergabe an das LKA Thüringen
e) Diskrepanz der Zeugenaussagen in Bezug auf den Umfang der Informationsweitergabe durch das LfV Thüringen an das LKA Thüringen
f) Sicherheitslage im Innenministerium Thüringen
10. Verdacht der Unterstützung des Trios durch das LfV Thüringen
a) Brief des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das LfV im Jahr 1999
b) Vermerk des Zielfahnders Wunderlich vom 14. Februar 2001
aa) Inhalt des Vermerks
bb) Grund für die Erstellung des Vermerks
cc) Hintergrund und Entstehung dieser Vermutung
dd) Aussagen zu Gespräch und Vermerk
c) Weiterverbreitung der im Vermerk niedergelegten Punkte durch den Leiter der Zielfahndungsabteilung
aa) Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera beim LKA Thüringen vom 15. November 2001 und Antwort hierauf vom 29. November 2001
bb) Eingang der mitgeteilten Erkenntnisse in den Berichtsvorgang des Thüringischen Justizministeriums
d) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom 23. Oktober 2002
e) Überprüfung der Vorwürfe in den Jahren 2001 und 2002 durch den damaligen Präsidenten des LfV Thüringen Sippel
11. Verdacht der logistischen Unterstützung des Trios durch die Polizei in Thüringen
a) Untersuchung der fehlgeschlagenen Garagendurchsuchung durch das LfV Thüringen
b) Konkreter Verdacht auf Geheimnisverrat und Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten in den Jahren 1999 und 2000
aa) „Fitnessstudio“
bb) „Stan“
cc) Tod auf Kreta
dd) „Polizist 2“/„K.“
12. Ausübung der Fachaufsicht über das LfV Thüringen
13. Mögliche Abgabe des gesamten Falles durch das LfV Thüringen an das LfV Sachsen
IV. Maßnahmen des LfV Sachsen bei der Suche nach dem Trio
1. Maßnahmen in den Jahren 1998-1999
2. Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 12“
3. Weitere Maßnahmen
4. Benachrichtigung nach dem G 10-Gesetz
5. Kontakte des LfV Sachsen zu Thomas Starke
6. Aktenfund im LfV Sachsen im Juni 2012
7. Bewertung der Maßnahmen des LfV Sachsen durch sächsische Stellen
V. Tätigkeiten des BfV im Rahmen der Suche nach dem Trio
1. Mitteilungen an das BfV
2. Tätigkeiten des BfV aufgrund der genannten Mitteilungen
a) Bericht in der ND-Lage am 17. Februar 1998
b) Befragung der V-Leute im Februar/März 1998
aa) V-Mann „Q1“
bb) V-Mann „Q2“
cc) V-Mann „Q3“
dd) Sonstige V-Leute
ee) Zusammenfassung der Erkenntnisse
c) Weitere Maßnahmen?
d) Bewertung der Maßnahmen des BfV durch die Referatsleiterin Dobersalzka
VI. Erkenntnisse des MAD zum untergetauchtenTrio
1. Überblick
2. Einzelne Hinweise auf das Trio
a) Lagen dem MAD Hinweise auf eine angeblich geplante Flucht des Trios nach Südafrika vor?
b) Hinweise des MAD auf mögliche Kontaktpersonen des Trios aus einer Erkenntnismitteilung des BfV vom Juli 1999
c) Hinweise aus einer Befragung von Jürgen H. vom August 1999
d) Hinweise auf den Vertrieb des Spiels „Pogromoly“ vom Dezember 1999
e) Hinweise des MAD zum angeblichen „Tod der Bombenbastler auf Kreta“ vom Dezember 1999
f) Hinweise aus einer Befragung des Nico E. durch den MAD im April 2000
g) Bericht des MAD zu einer geplanten Kampagne des „THS“ mit Bezügen zum Trio
h) Hinweis des Tibor R. an den MAD auf Kontaktpersonen zum Trio von Ende 2000
i) Bericht des MAD mit Hinweisen zu Plänen des „THS“ und einer möglichen Beteiligung Böhnhardts und Mundlos
j) Hinweise aus einer Befragung des A. K. vom Oktober 2002
3. Hat sich der MAD gezielt an der Suche nach dem Trio beteiligt?
4. Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden
5. Weitergabe von Hinweisen an Staatsanwaltschaften oder LKA?
VII. Erkenntnisse des BND zum untergetauchten Trio
1. Beteiligung des BND an der Suche nach dem Trio im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abtauchen
2. Informationsaustausch im Verlauf der Suche nach dem Trio
3. Hinweise auf eine Flucht des Trios nach Südafrika
4. Vorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Rechtsextremisten
a) Hinweis des italienischen Geheimdienstes aus 2003
b) Weitere relevante Vorfälle im Ausland
5. Mitglieder des Trios als V-Personen des BND?
VIII. Kenntnisse staatlicher Stellen in Baden-Württemberg zum Verbleib des Trios
1. Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg
a) Kontakte des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-Württemberg
aa) Michael E.
bb) Barbara E.
cc) Hans-Joachim S.
b) Weitere Aufenthalte des Trios in Baden-Württemberg nach ihrem Untertauchen
c) Kontakte des Umfeldes des Trios nach Baden-Württemberg
d) Kontakte des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Szene in Baden-Württemberg
aa) Sylvia F.
bb) Hinweise auf weitere Kontaktpersonen
2. Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-Württemberg durch das LfV Baden-Württemberg
b) Mangelnder Zugang des LfV Baden-Württemberg zur rechten Szene im Raum Ludwigsburg
c) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum „Thüringer Heimatschutz“ und zum Trio
d) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu den Personen der Garagenliste und zu weiteren Kontaktpersonen des Trios aus Ludwigsburg
e) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten zwischen Rechtsextremisten aus Baden-Württenberg, Thüringen und Sachsen
f) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten des Trios nach Baden-Württemberg
g) Hinweisgeber Günter Stengel (Vorgang Erbse)
aa) Sachverhalt
bb) Bewertung des Sachverhaltes durch die Zeugen Dr. Rannacher, Schmalzl und Neumann
cc) Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses
dd) Einsichtnahme in Haftakten
3. Kenntnisse des Staatsschutzes Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-Württemberg durch den Staatsschutz
b) Kenntnisse des LKA Baden-Württemberg zum Trio und zum Unterstützerumfeld
c) Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu „Blood & Honour“ gewonnene Erkenntnisse
4. Zusammenarbeit zwischen LKA Baden-Württemberg und LfV Baden-Württemberg
IX. Prüfung von § 129a StGB und der Zuständigkeit des GBA
1. Rechtliche Grundlagen
Unter einer Vereinigung i. S. v. § 129a StGB ist
2. Prüfung des § 129a StGB durch die StA Gera
3. Prüfung des § 129a StGB durch den GBA
a) Der ARP-Vorgang
b) Die interne Evaluation des GBA
4. Bewertung im Gutachten der Thüringer Kommission
X. Weitere Tätigkeit der StA Gera nach dem Untertauchen des Trios
1. Keine Hinzuverbindung des Verfahrens wegen Auffindens von Briefbombenattrappen
2. Mögliche verjährungsunterbrechende Maßnahmen
a) Haftbefehlsneufassung vom 23. Juni 1998
b) Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2000
c) Weitere Unterbrechungsmaßnahmen
3. Einstellung des Verfahrens gegen das Trio wegen Verjährung zum 23. Juni 2003
4. Behandlung des Verfahrens gegen die weiteren Beschuldigten
XI. Eintritt der Vollstreckungsverjährung bzgl. Uwe Böhnhardt aus der Verurteilung im Puppentorso-Verfahren im Jahr 2007 – Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls und Suchmaßnahmen
1. Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungsverjährung
2. Möglichkeit eines Haftbefehls während des Strafverfahrens gemäß § 112 StPO
3. Möglichkeit eines Vollstreckungshaftbefehls gemäß § 457 StPO
4. Fahndungsmaßnahmen auf Grundlage des Vollstreckungshaftbefehls nach dem 23. Juni 2003
XII. Erkenntnisse staatlicher Stellen in Sachsen von 2005 bis 2008
1. Polizeiliche Ermittlungen zu einem Wasserschaden in der Polenzstraße 2 in Zwickau am 7. Dezember 2006
2. Operation „Grubenlampe“ des LfV Sachsen
3. Staatsschutz-Erkenntnisse der PD Zwickau
XIII. Erkenntnisse des BKA aus der Sicherstellung von Tonbändern im Jahr 2007
F. Česká–Mordserie
I. Überblick
1. Mord an Enver Şimşek am 9. September 2000
2. Mord an Abdurrahim Özüdoğru am 19. Januar 2001
3. Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001
4. Mord an Habil Kılıç am 29. August 2001
5. Mord an Mehmet Turgut 25. Februar 2004
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler
b) Problem der Identität des Opfers
6. Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005
7. Mord an Theodoros Boulgarides 15. Juni 2005
8. Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler
b) Schweigemarsch in Dortmund
9. Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler
b) Schweigemarsch in Kassel
II. Ermittlungen bis zum 4. Mord
1. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Enver Şimşek
a) Die Ermittlungen
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes (Hinweis des bayerischen Innenministers Dr. Beckstein)
2. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru
3. Ermittlungen in Hamburg nach dem Mord an Süleyman Taşköprü
a) Ermittlungsansätze
b) An den Ermittlungen beteiligte Einheiten
c) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes
4. Ermittlungen in München nach dem Mord an Habil Kılıç
5. Ermittlungstätigkeiten des BKA und ihre rechtlichen Grundlagen
a) Zentralstelle gemäß § 2 BKAG
b) § 4 BKAG Strafverfolgung
aa) Eigene Ermittlungszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 1 BKAG
bb) Auftragszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 2 BKAG
c) Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG
6. Beteiligung des BKA an den Ermittlungen vor Gründung der EG „Česká“
III. Ermittlungen ab dem vierten Mord
1. Einrichtung der Soko „Halbmond“ im Jahr 2001
2. Ermittlungen in Rostock nach dem Mord an Mehmet Turgut
3. Ermittlungen aufgrund des Ermittlungsansatzes Spezialmunition
4. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch das BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2004
a) Entscheidungsprozess und zentrale Besprechungen nach Aktenlage
aa) Arbeitsbesprechung in Rostock am 16. März 2004
bb) Telefonat eines Mitarbeiters des LKA Mecklenburg-Vorpommern mit einem Mitarbeiter des BKA am 31. März 2004
cc) Telefonkonferenz zwischen PP Mittelfranken und Bayerischem Staatsministerium des Innern am 14. April 2004
dd) Besprechung beim BKA in Wiesbaden am 20. April 2004 und Reaktionen der Länder hierauf
ee) Besprechung bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 29. April 2004 und Schreiben des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellung eines Übernahmeersuchens
ff) Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das BKA um Übernahme ergänzender struktureller Ermittlungen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG vom 15. Juni 2004
b) Aussagen der Zeugen
5. Beauftragung mit Strukturermittlungen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB durch die EG „Česká“ beim BKA am 23.06.2004
a) Ermittlungsschwerpunkt „Organisierte Kriminalität“
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes der Taten
6. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an İsmail Yaşar
7. Ermittlungen in München nach dem Mord an Theodoros Boulgarides
IV. Ermittlungen nach dem sechsten und siebten Mord
1. Einrichtung der BAO „Bosporus“ und Ermittlungen bis 2006
a) Aufbau der BAO „Bosporus“
Stand Mai 2006 MAT A BY-2/3d, Bl. 15
Stand 1. Juni 2006 MAT A BY-2/3e, Bl. 88
Stand 1. Juli 2007 MAT A BY-2/3e, Bl. 89
b) Beginn der Arbeit der BAO „Bosporus“
c) Prüfung der Zusammenhänge mit dem Kölner Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2004
d) Prüfung einer rechtsextremen Tatmotivation vor 2006
e) Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzämtern vor der 2. OFA 2006
f) München
2. Mitarbeit des BKA in der BAO „Bosporus“ ab Juli 2005
a) Einbindung von Verbindungsbeamten
b) Öffentlichkeitsarbeit
3. EDV-technische Vernetzung der beteiligten Dienststellen
4. Die 1. Operative Fallanalyse Bayern vom 22. August 2005 und die Haltung des BKA dazu
a) 1. Operative Fallanalyse vom 22. August 2005
b) Weitere Überlegungen
5. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Dönerstände
a) in Nürnberg
b) in München
V. Ermittlungen nach den letzten beiden Morden der Česká-Serie
1. Ermittlungen in Dortmund nach dem Mord an Mehmet Kubaşık (BAO „Kiosk“)
a) Die Ermittlungen
b) Hinweise nach dem 4. November 2011 auf das Trio
2. Ermittlungen in Kassel nach dem Mord an Halit Yozgat (MK „Café“)
3. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch das BKA im Jahr 2006
a) Zentrale Besprechungen und Vorlagen im Vorfeld der 180. IMK am 4./5. Mai 2006
aa) Besprechung bei der BAO „Bosporus“ am 11. April 2006
bb) ND-Lage am 12. April 2006
cc) Strategiebesprechung vom 19. April 2006
dd) Gespräch des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit den Chefs der Landeskriminalämter Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vom 20. April 2006
ee) Telefonat des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit dem Landespolizeipräsidenten Bayerns am 21. April 2006
ff) Gespräche des Vizepräsidenten und des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit Vertretern des BMI am 20. und 21. April 2006
gg) Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 26. April 2006
hh) Haltung der BAO „Bosporus“ im April 2006
ii) Schreiben des Bundeskriminalamtes an das BMI mit der Anregung der Übernahme zentraler Ermittlungen vom 2. Mai 2006
jj) Ministervorlage des BMI vom 3. Mai 2006 – Erhöhung der Belohnung
kk) Einladung des Landespolizeipräsidenten Bayerns vom 2. Mai 2006 zu einer Erörterung am Rande der 180. IMK am 4./5. Mai 2006
b) Aussagen der Zeugen zur Meinungsbildung im Vorfeld der 180. IMK
aa) Argumente des BKA für eine Übernahme der zentralen Ermittlungen nach Aussagen der Zeugen
bb) Argumente der Länder gegen eine zentrale Ermittlungsführung durch das BKA im Jahr 2006 nach Aussagen der Zeugen
cc) Haltung Bayerns zur weiteren Ermittlungsführung in der Česká-Mordserie im Vorfeld der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen
dd) Haltung des Bundesministeriums des Innern zu einer zentralen Ermittlungsführung durch das BKA im Vorfeld der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen
c) Die 180. IMK vom 4./5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen
aa) Vereinbarungen auf der IMK
bb) Einrichtung einer Steuerungsgruppe
aaa) Entscheidungsfindung im Rahmen der 180. IMK
(1) Kamingespräch
(2) Besprechung am Rande der IMK
bbb) Bewertung der Entscheidung für eine Steuerungsgruppe durch die Zeugen im Jahr 2006
d) Gespräche im Nachgang zur IMK
4. Überlegungen zu einer Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG
5. Konstituierung und Arbeit der Steuerungsgruppe
a) Konstituierung der Steuerungsgruppe am 17./18. Mai 2006
b) Struktur, Aufgaben, Sitzungsrhythmus
c) Tätigkeit der Steuerungsgruppe
6. Errichtung einer Informationssammelstelle in Nürnberg
7. Erhöhung der Auslobungssumme und Beteiligung des BKA
8. Die zweite Operative Fallanalyse Bayern vom 9. Mai 2006, die Haltung des BKA dazu und Schlussfolgerungen daraus
a) Aussagen der zweiten Operativen Fallanalyse
b) Bewertung der zweiten Operativen Fallanalyse durch die Steuerungsgruppe
c) Haltung des BKA zur zweiten Operativen Fallanalyse
aa) Synopse des BKA vom 17. August 2006
bb) Weitere Einschätzung des BKA
cc) Tätigkeiten des BKA mit Blick auf die Einzeltätertheorie
d) OFA-Methodenstreit
e) Die Ermittlungskonzeption aufgrund der 2. Operativen Fallanalyse
„3. Ermittlungskonzept ‚Einzeltäter‘
9. Die Medienstrategie
3. Unterstützung des BKA bei der Erstellung eines einheitlichen bundesweiten Fahndungsplakates in Bezug auf das Layout.
a) Möglicher rechtsextremer Hintergrund der Mordserie nicht Gegenstand der Medienstrategie
b) Bewertung der Medienstrategie durch die Steuerungsgruppe
10. Kritik im Ausschuss an der 2. Operativen Fallanalyse und der Medienstrategie
11. Einflussnahme des damaligen Bayerischen Innenministers Dr. Beckstein?
12. Weitere Operative Fallanalysen
a) Die Operative Fallanalyse Hamburg
b) Die Operative Fallanalyse Baden-Württemberg und daran anschließende Diskussionen
„Ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit
„a) Opferbild
c) Die FBI-Kurzanalyse
d) Vergleichende Operative Fallanalyse Mordserie – Nagelbombenanschlag
13. Ermittlungen nach der 2. OFA – Ermittlungsabschnitt Einzeltäter und Spur 195
a) Gewichtung der Ermittlungsschwerpunkte
b) Spur 195
aa) Beginn
c) Gefährderansprachen
d) Zusammenarbeit mit dem LfV Bayern
aa) Informationsgewinnung der BAO „Bosporus“ beim LfV Bayern von Juli 2006 bis Februar 2007
bb) Die Ermittlungen anhand der vom LfV Bayern übersandten Liste
e) Sonstige Ermittlungen des Unterabschnittes „Serientäter“
f) Abschluss der Spur 195
14. Rasterungen
5.5.1. Hoteldaten Kassel mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 445)
5.5.2 Hoteldaten Dortmund Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 453)
5.5.3. Hoteldaten Hamburg Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 603)
15. Weitere Ermittlungsmaßnahmen und Zusammenarbeit mit türkischen Behörden
a) Öffentlichkeitsarbeit
b) Möglicher Zusammenhang der Mordserie mit der Tat in Heilbronn
c) Sonstige Überlegungen zu Ermittlungsansätzen
d) Zusammenarbeit mit türkischen Behörden
aa) Hinweise auf eine Täterschaft der „Türkischen Hizbullah“
bb) Sonstige Kontakte zu türkischen Behörden
16. Ermittlungen in Hamburg (EG „061“) und Zusammenarbeit mit BAO „Bosporus“
a) Ermittlungsstand und Ermittlungsansätze
b) Zusammenarbeit mit LfV Hamburg
c) Einsatz eines Metaphysikers
17. Ermittlungen in Rostock (Soko „Kormoran“) und Zusammenarbeit mit BAO „Bosporus“
18. Überlegungen zu einer Übernahme zentraler Ermittlungen durch das BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2007
19. Auflösung der EG „Česká“ und Rückzug des BKA aus der Steuerungsgruppe im Mai 2010
20. Überlegungen im Hinblick auf die Ermittlungen in einem möglichen 10. Mordfall
VI. Rückblickende Bewertung der Ermittlungen durch die Beteiligten
1. Organisation der Ermittlungen – Koordinierung der polizeilichen Zusammenarbeit durch eine Steuerungsgruppe
a) Bewertung im Erfahrungsbericht des Leiters der BAO „Bosporus“
b) Bewertung durch andere Mitglieder der Steuerungsgruppe aus den Tatortländern
c) Bewertung durch das BKA
d) Bewertung durch das BMI
2. Gründe für die Nichtaufklärung der Mord-serie
3. Einschätzung eines Handlungsbedarfs beim BKA-Gesetz
VII. Sonderfragen zu den Ermittlungen
1. Waffenspur
a) Feststellung von Tatwaffe und Munition
b) Ermittlungen durch das BKA ab Juni 2004
c) Die Spur Česká mit verlängertem Lauf (Gutachten des BKA vom 22. Mai 2006)
aa) Ergebnis des BKA-Gutachtens
bb) Rechtshilfeersuchen und sonstige Ermittlungen bei der Firma Česká Zbrojovka in Brünn
aaa) Ermittlungen zur Česká mit verlängertem Lauf
bbb) Beschwerdebrief des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das tschechische Innenministerium
cc) Ermittlungen in die Schweiz ab 2006
aaa) Hinweis von Lothar M. im Jahr 2006
Im Jahr 2007 hat er das belegt […]“
bbb) Ermittlungen in der Schweiz
ccc) BKA-Gutachten vom 11. September 2008
ddd) Spur Anton G.
eee) Dauer der Rechtshilfeersuchen in die Schweiz
d) Zusammenarbeit mit dem BND
2. Durch die Ermittlungen ausgeräumter Verdacht gegen einen Mitarbeiter des LfV Hessen
a) Verdacht der Verstrickung eines Behördenmitarbeiters
aa) Ermittlungen gegen Andreas Temme
bb) Kontakte des Andreas Temme zu seinen V-Personen am Tattag
cc) Bemühungen der Ermittlungsbehörden zur Vernehmung der V-Personen von Andreas Temme
aaa) Rechtliche Grundlagen
(3) Der Empfänger darf die ihm übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt wurden.“
bbb) Nichterteilung einer Aussagegenehmigung für die Vernehmung der von Andreas Temme geführten V-Personen
ccc) Gründe für die Verweigerung der Aussagegenehmigung
dd) Befragung der Vertrauenspersonen durch das LfV Hessen
ee) Sonstige Ermittlungen zu den Vertrauenspersonen
b) Vernehmung des Andreas Temme im Ausschuss
3. Zentrale staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit?
a) Sammelverfahren
Sammelverfahren
b) Zuständigkeit Generalbundesanwaltschaft
aa) Prüfung der Voraussetzungen durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth
bb) Prüfung der Voraussetzungen durch den GBA
cc) Erkenntnisse des Ausschusses
aaa) Fehlinterpretation des Tatmotivs
bbb) Ausreichende Tatsachengrundlage für die Prüfung?
dd) Weitere Prüfung der Übernahme des Verfahrens durch den GBA nach neuem Hinweis
G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A.
I. Überblick über Tatgeschehen und Ermittlungen
II. Operative Fallanalysen
III. Handelte es sich um Zufallsopfer?
IV. Suche nach einer unbekannten weiblichen Person (uwP)
V. Tatverdacht gegen Angehörige der Minderheiten Sinti und Roma
VI. Zusammenarbeit mit anderen Behörden
VII. Im Ausschuss beleuchtete mögliche Ermittlungspannen
1. Späte Auswertung von blutigen Taschentüchern
2. Zeugenaussagen von besonderem Interesse
a) Zeugen, die Personen mit Blutflecken an der Kleidung gesehen haben
b) Zeugin, die Schüsse hörte
c) Umgang mit diesen Zeugen
3. Ringfahndung
a) Ablauf Ringalarmfahndung
b) Auswertung der Kontrolllisten
c) Wohnmobil-Mietvertrag
4. Auswertung des E-Mail-Kontos
5. Gutachten zum Schussverlauf
6. Verspätete Auswertung von Videoaufzeichnungen
VIII. Hinweis des Onkels von Michèle Kiesewetter
IX. Angebliche Hinweise der Auskunftsperson und späteren Informantin Krokus an das LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007
1. Behauptungen des Herrn Gronbach
2. Umgang mit Quelleneigenschaft von Krokus durch LKA Baden-Württemberg und LfV Baden-Württemberg
3. Tätigkeit der Auskunftsperson/Informantin Krokus für das LfV Baden-Württemberg
4. Hintergrundinformationen zu den von Krokus beobachteten Personen aus rechtsextremistischen Kreisen
5. Ermittlung der Krankenschwester und Bewertung ihrer Aussage
6. Bewertung des Sachverhaltes durch das LKA und das LfV Baden-Württemberg
7. Glaubwürdigkeit des Herrn Gronbach
X. Mitgliedschaft des Gruppenführers von Michèle Kiesewetter im „KKK“
XI. Spekulationen zum Tathergang und hierauf veranlasste Ermittlungen
1. Anfrage des stern vom 28. November 2011 und Antworten
2. Behauptungen des stern-Artikels „Mord unter den Augen des Gesetzes“
3. Erste Reaktionen auf die stern-Veröffentlichung
4. Bericht des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 25. Mai 2012
5. Aussagen der Zeugen Mögelin und Schmalzl
6. Maßnahmen des BKA zur Überprüfung des Sachverhalts
7. Ermittlungen zu einem US-amerikanischen Militärfahrzeug
8. Prüfvorgang des Generalbundesanwaltes – „Angeblicher Aufenthalt des M. K.“ zur Tatzeit in Deutschland
9. Welche Rolle spielte der MAD bei der Aufklärung?
H. Sprengstoffanschläge
I. Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse in Köln
1. Tatgeschehen und Ermittlungen der EG „Probst“
a) Überblick über das Tatgeschehen
b) Ablauf der Ermittlungen
2. Ermittlungen im Umfeld der Familie
3. Ermittlungen hinsichtlich eines politischen Hintergrundes
a) Rolle des Staatsschutzes
b) Sprengstoff und Rechtsextremismus
c) Rechtsextremistischer Hintergrund im Fall des Sprengfallenanschlags
4. Zusammenarbeit mit anderen Behörden
a) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler
b) Einbindung des Bundesamts für Verfassungsschutz
5. Abfrage Tatmittelmeldedienst
a) Definition und Zweck
b) Meldung und Datenerfassung im Tatmittelmeldedienst
c) Regelungen für die Speicherungen, Erfassungsfristen und Löschvorgaben
d) Regelungen für Zugriffsberechtigungen und Abfragemodalitäten
e) BKA – Ermittlungen im Fall des Sprengfallenanschlags
6. Damalige Kenntnisse der Ermittler über das Trio
a) Fahndungsplakate nach dem Untertauchen
b) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler
c) Eintragungen im Tatmittelmeldedienst
7. Einstellung und Asservatenvernichtung
II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln
1. Tatgeschehen und erste Reaktionen
a) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar 2012
b) Warum entfiel in den Lagemeldungen des LKA der zunächst enthaltene Hinweis auf einen möglichen terroristischen Anschlag?
aa) Meldungen des LKA: terroristischer Anschlag?
bb) Geschehen im Lagezentrum der Polizei Nordrhein-Westfalen
cc) Aussagen der Zeugen Weber, Wolf, Dr. Behrens
c) Kontaktaufnahme des BfV mit einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen
aa) Lagedokumentation
bb) Aussagen der Zeugen Weber, Hofmann und Dr. Möller
cc) Erkenntnisse des BfV zum Sachverhalt
d) Ausschluss eines rechtsextremistischen Hintergrundes kurz nach der Tat
aa) Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesinnenministers Schily
aaa) Öffentliche Äußerungen und Medienberichterstattung
bbb) Aussagen der Zeugen Schily und Dr. Behrens
ccc) Mögliche Wirkung von Äußerungen eines Ministers
bb) Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei am 10. Juni 2004
cc) Pressestatement des BfV am 10. Juni 2004
2. Ermittlungen der Kölner Polizei und des LKA Nordrhein-Westfalen
a) Überblick über den Verlauf der Ermittlungen
b) Vorhandensein von Tätervideos
c) Einbeziehung BKA
aa) Ablehnung des Hilfsangebots der Phänomenbereiche Staatsschutz und Allgemeine und Organisierte Kriminalität am Tattag
bb) Einbeziehung des BKA in anschließende Ermittlungen
aaa) Sprechzettel des BKA für ND-Lagen
3. Beantwortung des Erlasses des BMI vom 10.06.04 durch ST
4. OA (12) hat die Koordination des Vorganges von ST (21) übernommen; ST und ZD bleiben weiterhin eingebunden
5. Informationsgewinnung durch zwei Beamte (OA/ST) am 11.06.04 beim PP Köln mit Unterbreitung des Unterstützungsangebotes OA (12) im Rahmen § 2 III BKAG
6. Kontakt mit dem BfV besteht
7. Sollte auswertbares und qualitativ zu verbesserndes Bildmaterial aus einer in der Straße befindlichen Überwachungskamera gesichert werden können, ist beabsichtigt KI (22) einzubinden“
bbb) Aussagen der Zeugen Maurer und Schily
ccc) Aussagen der Zeugen Weber und Dr. Behrens
d) Tatmittelmeldedienst
e) Ankerpunkt Köln
f) Operative Fallanalysen
aa) Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2004
bb) Operative Fallanalyse des BKA vom 21. bis 25. Februar 2005
aaa) Schlussfolgerungen aus der Fallanalyse des BKA
g) Öffentliche Äußerungen der Ermittler zur Tat
aa) Pressetermin am 30. Juli 2004
bb) Öffentliche Äußerungen von OStA Wolf
cc) Öffentliche Äußerungen von KHK Weber
h) Schwerpunkt der Ermittlungen hinsichtlich möglicher Motive der Tat
aa) Aussage des Zeugen Weber
bb) Aussage des Zeugen Wolf
cc) Aussage des Zeugen Spliethoff
i) Hinweise auf einen rechtsextremistischen/ausländerfeindlichen Hintergrund
aa) Aussagen von Tatortzeugen
bb) Flugblatt in Kölner Straßenbahn
j) Konkrete Tatverdächtige mit rechtsextremistischem Hintergrund
k) Umgang mit Opfern
l) Zivilpolizisten am Tatort
m) Einsatz Verdeckter Ermittler
aa) Ziel des Einsatzes
bb) Hinweise während der verdeckten Ermittlungen auf einen rechtsextremistischen Hintergrund des Anschlags
n) Befragung einer Hellseherin
o) Gegenüberstellung: Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse und in der Keupstraße
3. Einbindung des nordrhein-westfälischen Innenministers Dr. Behrens
a) Der Anruf von Minister Dr. Behrens im Lagezentrum
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus in Nordrhein-Westfalen zur Tatzeit
5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen
a) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen zur Erkenntnisgewinnung und Zusammenarbeit der Kölner Polizei mit dem Verfassungsschutz
b) Kenntnisse des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen vom BfV Spezial Nr. 21
c) Quellenmeldungen des Verfassungsschutzes
d) Kritik am Verfassungsschutz aus den Ermittlungsbehörden
6. Aktivitäten des BfV
a) Erste Reaktionen des BfV zur Unterstützung der Ermittlungen
b) Analyse der Tätervideos
c) Dossier des BfV zum Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004: „Combat 18“
d) Sprechzettel des BfV für ND-Lage am 5. Oktober 2004
7. In welcher Weise war das BMI in die Ermittlungen eingebunden?
a) Erkenntnisse des BMI zum Nagelbombenanschlag
aa) Erstinformation des BMI durch das LKA Nordrhein-Westfalen und darauf erfolgte Reaktionen
bb) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004
cc) Unterrichtung des BMI durch BKA
dd) Ministervorlage vom 11. Juni 2004
ee) Vorbereitung Ministervorlage vom 16. Juni 2004
b) Kontakte zwischen Bundesinnenminister a. D. Schily und dem nordrhein-westfälischen Innenminister a. D. Dr. Behrens
c) Weitere Befassung von Bundesinnenminister Schily mit dem Vorgang
d) Erkundigungen des MAD – Aussage des Zeugen Huth
8. Prüfung einer Verfahrensübernahme durch den GBA
9. Einstellung des Verfahrens
I. Überfälle
I. Überblick
II. Ermittlungsführung
III. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen bei den Raubstraftaten
1. Modus Operandi
2. Fluchtmittel
3. Waffen
4. Besonderheiten bei der Tatbegehung
IV. Erkennen als Tatserie
V. Vermutete Tatmotive
VI. Ermittlungsmaßnahmen
1. Allgemeine Ermittlungsmaßnahmen
2. Auswertung der Bilder von Überwachungskameras
a) Aussehen der Täter
b) Verdacht auf Bundeswehrangehörige als Täter
c) Linkshänder
d) Fahrräder als Fluchtmittel
3. Hinweise aus Zeugenbefragungen
a) Phantombild
b) Anzahl der Täter
c) Angeblicher sächsischer Dialekt der Täter
4. Ringalarmfahndungen
5. Funkzellenabfragen im Tatortbereich
6. Öffentlichkeitsfahndung
7. Auslobung einer Belohnung
8. Veröffentlichung der Serie im LKA-Blatt Sachsen sowie im BKA-Blatt
VII. Operative Fallanalysen
1. Landeskriminalamt Sachsen
2. Landeskriminalamt Thüringen
VIII. Unerkannte Bezüge der Überfallserie zum Trio
1. Keine Berücksichtigung von Beschaffungskriminalität Untergetauchter als mögliches Tatmotiv
2. Linkshänder
3. Flucht auf Fahrrädern
J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen
I. Die Situation der Opfer und die Folgen rechtsextremistischer Straftaten
1. Rede der Preisträgerin des Genç-Preises 2013, Tülin Özüdoğru
2. Besondere Belastungen der Opfer des NSU und ihrer Angehörigen
a) Notwendigkeit fachgerechter Ermittlungen im Opferumfeld
b) Behandlung der Betroffenen im Ermittlungsverfahren
aa) Die Angehörigen der Mordopfer im Fokus der Ermittlungen
bb) Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Einsatz Verdeckter Ermittler gegen Angehörige der Mordopfer
cc) Problematische Zeugenvernehmungen
dd) Verdacht gegen das Umfeld der Mordopfer
ee) Reaktionen auf Verdacht der Angehörigen, die Morde seien rassistisch motiviert gewesen
ff) Familien der Opfer der Mordserie und der Sprengstoffanschläge in der Wahrnehmung der Ermittler
c) Erfahrungen der Opfer über die Ermittlungen hinaus
3. Mögliche Schäden der Opfer rassistischer und rechtsextremistischer Taten und deren Angehörigen, insbesondere der Betroffenen der Taten des NSU
4. Umgang mit Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Straftaten im Allgemeinen
II. Möglichkeiten des Ausgleichs der entstandenen Nachteile
1. Opferentschädigungsgesetz
2. Opferfonds für rechtsextremistische Straftaten
3. Weitere Möglichkeiten finanzieller Unterstützung
a) Stiftungen der Länder
b) Spenden für Nebenkläger
III. Beratungs- und Anlaufstellen für die Opfer
1. „Weißer Ring“
2. „ezra“
3. Beratungsangebot in Köln
IV. Schaffung von Orten des Gedenkens für die Opfer, insbesondere für die Opfer des NSU
K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten
I. Vernichtung von Akten im BfV nach dem 4. November 2011
1. Öffentliches Bekanntwerden und Unterrichtung des Untersuchungsausschusses
2. Kein Aktenvernichtungsstopp im BfV unmittelbar nach dem 4. November 2011
3. Grundlagen der Arbeitsweise und der Datei- und Aktenführung im BfV
a) Arbeitsweise des BfV
b) Rechtsgrundlagen und Praxis der Datei- und Aktenführung zur Auswertung und Beschaffung
aa) Führung von Dateien
bb) Führung von Akten
cc) G 10-Verfahren und Führung von G 10-Akten
aaa) G 10-Verfahren
bbb) Führung von G 10-Akten
c) Datenlöschung und Aktenvernichtung
aa) Regelung zur Löschung von Daten
bb) Regelungen zur Vernichtung von Akten
aaa) Rechtsauffassung des BfV zur Löschung von Beschaffungsakten
bbb) Rechtsauffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
ccc) Vereinbarung mit dem BfDI
cc) Vernichtung von G 10-Akten
d) Praxis der Aktenvernichtung im Beschaffungsbereich
aa) Richtwert für die Aufbewahrung
bb) Entscheidung über die Aktenvernichtung und Anordnung
cc) Beteiligte Stellen, Vier-Augen-Prinzip und Vernichtungsprotokoll
e) Datenschutzbeauftragter im BfV
4. Die Anordnung aus dem Jahre 2010 und die Aktenvernichtung im Januar 2011
5. Aktenvernichtung am 11. November 2011 und „einige Tage danach“
Es habe sich hierbei gehandelt um
a) Angaben des Referatsleiters Lingen
b) Ablauf der Aktenvernichtungen am 11. November 2011 und „einige Tage danach“
Die Kollegen seien aber ausgebildet, solche Akten zu lesen.
c) Berichterstattung an die Amtsleitung/Kenntnis der Amtsleitung von der Vernichtung
aa) Aussagen der Zeugen
bb) Aktenlage
d) Zusammengefasstes Prüfergebnis des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke
e) Rekonstruktion der Akten
Zur Rekonstruktion im Einzelnen:
1. Durchsicht von Fundstellen innerhalb der Abteilung 2
2. Weitere Durchsicht von Fundstellen außerhalb der Abteilung 2
f) Auswahl der Akten durch den Referatsleiter
aa) Kenntnisse des Referatsleiters aus früherer dienstlicher Befassung
bb) Recherche in der Forschungs- und Werbungsdatei
cc) Nachvollziehung der Suche mit den angegebenen Suchbegriffen über die Forschungs- und Werbungsdatei
dd) Informationsspeicherung in der Forschungs- und Werbungsdatei im Falle eines Zugriffs
ee) Recherche in NADIS?
g) Überprüfung möglicher Vernichtungsmotive
aa) Angst vor der Offenbarung nicht eingehaltener Löschungsfristen?
bb) Vernichtung von Akteninhalten mit NSU-Bezug?
aaa) Mitglieder des Trios als V-Leute oder Forschungs- und Werbungsfälle?
bbb) Kenntnisse des BfV von der Existenz des NSU?
cc) Vernichtung von Akteninhalten, die nichts mit dem NSU zu tun haben, aber gleichzeitig vertuscht werden sollten?
dd) Vernichtung der Existenz der Akten als solche?
ee) Fazit des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke, zum Motiv des Referatsleiters
h) Zusammenwirken des Referatsleiters mit weiteren Beteiligten
aa) Überprüfung der Telefonate des Referatsleiters
bb) Überprüfung des internen E-Mail-Verkehrs des Referatsleiters
6. Unmittelbare Maßnahmen im BfV in Reaktion auf das Bekanntwerden der Aktenvernichtung
a) Information des Bundesministeriums des Innern
b) Rücktritt des Präsidenten Fromm
c) Umsetzung des Referatsleiters Lingen und Disziplinarverfahren gegen diesen
d) Weitere Umsetzungen und Disziplinarverfahren
7. Ermittlungsverfahren
8. Weitere Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011
a) Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtungen im BfV
b) Umfang der Aktenvernichtung zwischen dem 4. November 2011 und dem 4. Juli 2012
c) Verlauf der Untersuchung
d) Öffentliche Berichterstattung
e) Ergebnis der Prüfung durch MinDirig Engelke
f) Vernichtung von 26 Anlagenordnern aus dem G 10-Bereich
Ihm scheine durch das Verfahren und die Abläufe plausibel:
aa) Rechtsgrundlage
bb) Querbezüge zum NSU
cc) Im Ausschuss problematisierte Einzelfälle
aaa) AO 774
bbb) AO 775
dd) Zeitabstand zwischen Anordnung und Vernichtung
ee) Vernichtung von Ordnern aus verschiedenen Maßnahmen zum gleichen Zeitpunkt
ff) Möglichkeit der Rekonstruktion von G 10-Anlagenordnern?
g) Vernichtung von Personenakten aus dem Bereich der „Auswertung“
aa) Rechtsgrundlage
bb) Umfang und Rekonstruktion
Die entsprechenden Personen seien nicht mehr aktiv gewesen.
h) Vernichtung von Beschaffungsakten aus dem Bereich Forschung und Werbung
Dabei habe es sich im Einzelnen gehandelt um
Es gebe keine Querverbindungen zum NSU.
i) Vergleich der Aktenvernichtung im Bereich Rechtsextremismus zu Vernichtungen in anderen Phänomenbereichen
9. Empfehlungen des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke
II. Erkenntnisse über das Aktenmanagement, die Aufbewahrung und die Löschung von Akten beim MAD
1. Aktenführung im MAD
2. Aktenvernichtung im MAD nach dem 4. November 2011
3. Vernichtung der MAD-Akte Mundlos im MAD
III. Aktenvernichtung bei Berliner Behörden
1. Bekanntwerden der Aktenvernichtung
2. Untersuchungen durch OStA Feuerberg hierzu
a) Einsetzung des Sonderermittlers Feuerberg durch den Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin
b) Akten der Gruppe „Landser“
c) Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“
3. Rekonstruktion der vernichteten Akten und Information des Untersuchungsausschusses hierüber
IV. Löschung von Handy-Daten durch die Bundespolizei auf Anweisung des BKA
L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem 4. November 2011
I. Maßnahmen des Bundes und der IMK
1. Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutz und zur Kooperation von Bund und Ländern
a) Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR)
b) Rechtsextremismusdatei (RED)
c) Polizeilicher Informations- und Analyseverbund
d) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand NADIS-neu
e) Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz“
2. Maßnahmen zur besseren Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder
a) Gemeinsame Datei Großschadenslagen (GED) Zwischenlösung
b) Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen PMK-rechts
c) Evaluierung des Definitionssystems PMK
d) Bessere Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität - rechts
e) Optimierungsmöglichkeiten der kriminalpolizeilichen Meldedienste im Zusammenhang mit der Erfassung von Spreng- und Brandvorrichtungen (SBV)
f) Waffenregister
3. Verfassungsschutzreform
a) Maßnahmen der Binnenreform im BfV
aa) Bereits umgesetzte Maßnahmen des BfV
bb) Im Rahmen der Binnenreform des BfV angestrebte Maßnahmen
cc) Weitere Maßnahmen im BMI-internen Planungsstadium
b) Arbeitsgruppe der IMK zum Thema „Personal, Aus- und Fortbildung, Akademie für Verfassungsschutz“
c) Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der Gesellschaft
d) Internetnutzung durch die Verfassungsschutzbehörden
e) Gremienstruktur
f) Koordinierungsrichtlinie
g) Standardisierung des VP-Einsatzes
h) Vorschläge der IMK zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes vom 23./24. Mai 2013
4. Weitere Maßnahmen
a) Anlaufstellen für Opfer
b) Maßnahmen beim GBA
c) Maßnahmen im Bundeshaushalt
d) Präventionsmaßnahmen
e) Maßnahmen im MAD
f) Maßnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
g) Unterwanderung von Rockergruppierungen durch rechtsextreme Kreise
II. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus vom 30. April 2013
1. Verfassungsschutz
2. Trennungsgebot
3. Verbesserung der Zusammenarbeit
a) BfV
b) Polizeibehörden
c) Zentrale/dezentrale Ermittlungsführung
d) Übermittlungsvorschriften auf Landes- und Bundesebene
e) Polizeibehörden und Verfassungsschutz
f) Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz
g) Geheimschutz/Verwertbarkeit eingestufter Informationen
4. Verdeckte Informationsgewinnung
5. Generalbundesanwalt
6. Dienst- und Fachaufsicht
7. Aus- und Fortbildung
III. Empfehlungen der Sachverständigen
1. Zur bestehenden Sicherheitsarchitektur
a) Sicherheitsbehörden allgemein
b) Verfassungsschutz
aa) Aufgabe des Verfassungsschutzes
bb) Personal und Ausbildung
cc) Vertrauenspersonen
dd) Zusammenlegung einzelner Verfassungsschutzämter der Länder
ee) Informationsaustausch der Verfassungsschutzbehörden
c) Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz
2. Gesetzesevaluierung
3. G 10-Kommission
4. Aufsicht und Kontrolle
5. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
6. Datensysteme
7. Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Institutionen
a) Gründung einer Stiftung als zentrale Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt
b) Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle
c) Gründung eines Instituts gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
d) Erweiterung der Opferberatungsstellen
e) Vergabe von Stipendien
8. Verbesserung der Behördenarbeit
a) Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure
b) Transparenz
9. Normensetzung
10. Polizeiarbeit
a) Neudefinition von Straftaten
b) Polizeiausbildung
c) Migranten im Polizeidienst
d) Persönliche Einstellungen Polizeibeamter und Optimierung von Arbeitsweisen
e) Profiling
11. Sonstige Verbesserungsvorschläge
a) Analytik
b) Prävention
c) Archivierung der Dokumente
d) Fachtagungen und Beratungsgremien
Dritter Teil: Gemeinsame Bewertungen
A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten
I. Česká-Mordserie
II. Polizistenmord
III. Sprengstoffanschläge
IV. Ermittlungen im Umfeld der Opfer
V. Mangelnde Offenheit für alternative Ermittlungsansätze
B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung
C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes
E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse
F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011
G. Schlussfolgerungen
I. Empfehlungen für den Bereich der Polizei
II. Empfehlungen für den Bereich der Justiz
III. Empfehlungen für den Bereich der Verfassungsschutzbehörden
IV. Empfehlungen für den Bereich Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden
H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung
Vierter Teil: Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen
A. CDU/CSU-Fraktion
B. SPD-Fraktion
Einleitung
I. Notwendigkeit des Einzelvotums
II. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Ausschussarbeit
1. Die Gefahren des Rechtsextremismus wurden auf allen Ebenen und über die gesamte Zeit hinweg verkannt und verharmlost
2. Strukturelle rassistische Vorurteile waren eine wesentliche Ursache für die fehlende Offenheit der Ermittlungen zu den Morden und Sprengstoffattentaten des NSU
3. Falsch verstandener Föderalismus hat sich als gravierendes Hemmnis effektiver Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden erwiesen
a) Es hätte eine zentrale polizeiliche Ermittlungsführung mit klaren Weisungsbefugnissen bewirkt werden müssen
b) Sämtliche Ermittlungen hätten in einem staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahren zusammengeführt werden müssen
c) Aus Sorge vor Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt wurden dieser und die Öffentlichkeit nicht sachgerecht informiert
4. Zusammenarbeit und Informationsaustausch haben nicht funktioniert: Abschottung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und fehlende Eigeninitiative haben das Handeln über weite Strecken bestimmt
a) Kein sachgerechter Informationsaustausch innerhalb der Polizei Thüringens
b) Konkurrenzdenken zwischen Verfassungsschutz und Polizei in Thüringen sowie Dilettantismus im Thüringer LfV
c) Unprofessionelle Kooperation zwischen bayerischer Polizei und Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz
d) Defizitäre Zusammenarbeit zwischen Thüringen und Sachsen
e) Unterlassene Informationsweitergabe durch das LKA Berlin
f) Beeinträchtigung der Arbeit des hessischen Polizei durch das LfV Hessen
g) Nur sporadische Einbeziehung des Bundesamtes für Verfassungsschutz
5. Eine Vielzahl handwerklicher Fehler in Justiz, Polizei und Verfassungsschutz taten ihr Übriges
a) Im Bereich der Justiz
b) Im Bereich der Polizei
c) Im Bereich des Verfassungsschutzes
6. Die festgestellten Auswüchse beim Einsatz von V-Personen im Verfassungsschutz müssen zu grundlegenden Reformen führen
7. Gravierende Fehler der Bundesregierung bei der Aufarbeitung der Vorgänge nach dem 4. November 2011 wären vermeidbar gewesen
III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1. Polizei
2. Justiz
3. Verfassungsschutz
a) Grundlegende organisatorische Maßnahmen
b) Stärkung der Zentralstellenfunktion des BfV
aa) Ermöglichung eigener Tätigkeit des BfV in den Ländern bei gewaltbezogenen Tätigkeiten und Bestrebungen
bb) Selbsteintrittsrecht des BfV in Einzelfällen
cc) Es muss eine gesetzliche Pflicht zum Informationsaustausch geben
c) Stärkere Öffnung gegenüber der Gesellschaft
d) Stärkung des Bundesdatenschutzbeauftragten
e) Maßnahmen zum V-Personen-Einsatz
aa) Gesetzliche Verankerung bundesweiter Rahmenbedingungen für die Quellenführung neben internen bundesweiten Standards
bb) Genehmigung der V-Personen-Einsätze im Einzelfall durch die G10-Kommission
cc) Nutzung des BfV als zentrale permanente Koordinierungsstelle
4. Parlamentarische Kontrolle
5. Stärkung der Zivilgesellschaft
IV. Ausblick
C. FDP-Fraktion
I. Geleitwort
II. Einleitung Einzelvoten FDP
III. Aktenvernichtung in den Diensten – Wir können nichts ausschließen
IV. Die Finanzierung und Gestaltung des Lebens in der Illegalität
V. Das Waffenarsenal des Trios
VI. Der NSU im Netzwerk von „Blood & Honour“
VII. Der Einsatz von V-Personen ist richtig, aber nur wenn er reformiert wird
VIII. Umgang mit den Opferfamilien
IX. Baden-Württemberg
X. BAO und Bayern
XI. Anschläge in Köln
XII. Weitere Stärkung des Generalbundesanwalts erforderlich
XIII. Kein Unterlaufen des § 4 BKAG durch informelle Innenministerkonferenz
XIV. Forderungen und Konsequenzen
XV. Anlagen
D. Fraktion DIE LINKE
I. Vorbemerkung
II. Vorwort
III. Einleitung
IV. Bewertungen im Kontext des Feststellungsteils
1. Die Česká-Mordserie
a) Struktureller bzw. institutioneller Rassismus und ethnisierende Zuschreibungen bei den Ermittlungen zur Česká-Mordserie und den Sprengstoffanschlägen in Köln
aa) Exkurs: Was verstehen wir unter strukturellem und institutionellem Rassismus
b) Struktureller und institutioneller Rassismus im Kontext der polizeilichen Ermittlungen
aa) Beispiel Operative Fallanalyse Baden-Württemberg 2007
bb) Ethnisierende Zuschreibungen
cc) Fatales Zusammenspiel: Ethnisierende Zuschreibungen und Wahrnehmungsdefizite bei rechter Gewalt durch die Polizei
dd) Exkurs: Antiziganismus
ee) Bearbeitung der Waffenspur durch das BKA
c) Reibungslose Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden in den Bereichen Organisierte Kriminalität, „Ausländerkriminalität“, PKK und Türkische Hizbullah
d) Fragwürdiger Umgang mit Informanten und V-Leuten im Bereich der „Organisierten Kriminalität“ sowie PKK und Türkische Hizubullah von Polizei und Verfassungsschutzämtern
2. Die Verantwortung der Verfassungsschutzämter im NSU-Komplex
a) Die Verantwortung des BfV
aa) Das BfV und dessen Versagen bei der Bewertung rechtsterroristischer Aktivitäten
b) Extremismusansatz und Frontstellung gegen Linke
c) Die Operation „Rennsteig“
d) Die V-Leute als zentrales Problem im NSU-Komplex
aa) Das V-Leute System im LfV Thüringen vor, während und nach dem Abtauchen des mutmaßlichen NSU-Kerntrios
bb) V-Personen des BfV im Kontext der Suche nach dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio
cc) Ein V-Mann des LfV Bayern
dd) Der V-Mann „Piatto“ des LfV Brandenburg
ee) VP 562 des LKA Berlin
ff) Quellenschutz behinderte die polizeiliche Fahndung erheblich
e) Exkurs: Polizisten mit einer Nähe zu Neonazis
f) Ergänzende Feststellungen zum Versagen des LKA Thüringen bei der Fahndung nach dem untergetauchten Trio
aa) Unvollständige Meldung zum Rohrbombenfund in der Garage Nr. 5 am 26. Januar 1998 an den Tatmittelmeldedienst des BKA – Behinderung bei der Suche nach den Tätern des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln
bb) Erste Hinweise auf Zwickau als möglichen Aufenthaltsort der untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ignoriert
g) Kritikwürdiges Verhalten der Länderinnenminister und des BMI angesichts einer Aktenlieferung aus Thüringen im Herbst 2012
V. Rechtliche Würdigung
1. Rechtsverstöße im NSU-Kontext bis zum 4.11.2011 auf unterschiedlichen Ebenen
a) Verstoß der Verfassungsschutzbehörden gegen gesetzliche Übermittlungspflichten
b) Strukturelle Verfassungswidrigkeit des Einsatzes von Vertrauenspersonen
c) Sorgfaltswidrige Führung, Anweisung und Überwachung von V-Leuten sowie Zurechenbarkeit ihres Wissensaufkommens und Verhaltens zum Verfassungsschutz
d) Verstoß gegen wechselseitige Unterrichtungs- und Übermittlungspflichten nach BVerfSchG und MAD-G
e) Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des Bundes nach Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG bei der Ausführung des Bundesverfassungsschutzgesetzes
2. Rechtswidriger Umgang mit Akten zum Rechtsextremismus durch Bundes- und Landesbehörden nach dem 4.11.2011
a) Rechtswidrige Aktenvernichtungen nach dem 4.11.2011 beim BfV und Aufsichtsversäumnisse des BMI insoweit
aa) Keine Gewissheit über fehlende NSU-Bezüge in den nach dem 4.11.2011 beim BfV vernichteten Akten und Vernichtungsmotive
bb) Anlagenordner zu Anträgen auf G 10-Maßnahmen
cc) Beschaffungsakten zur Operation Rennsteig u. a.
b) Vernichtung von Akten beim MAD
c) Vernichtung von Akten bei Berliner Behörden
VI. Schlussfolgerungen und Reformvorschläge der Fraktion DIE LINKE für eine Sicherheitsarchitektur nach der Selbstenttarnung des NSU
1. Vorab: Die Reaktionen und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und verantwortlichen Innenpolitiker seit dem 4.11.2011: Falsche Signale zur falschen Zeit
a) Zentrale Maßnahmen nach dem 4.11.2011
b) Alter Wein in neuen Schläuchen: Kosmetik statt Reformen bei den Verfassungsschutzbehörden
c) Behörden und Innenpolitiker schaffen unumkehrbare Tatsachen und relativieren damit die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses
d) Extremismusdoktrin auch im NSU-Zusammenhang
2. Das bisherige Bundesamt für Verfassungsschutz abschaffen und eine Koordinierungsstelle des Bundes plus Bundesstiftung „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ aufbauen
a) Das BfV in seiner jetzigen Form weicht erheblich von den Vorgaben des Grundgesetzes ab.
b) Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“
c) Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung über alle Erscheinungsformen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“
d) Den Beauftragten des Bundes für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BdfI) stärken
3. Eckpunkte zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der noch existierenden Geheimdienste
a) Grundsatz: Geheime Politikbereiche eingrenzen – öffentliche parlamentarische Kontrolle ausweiten
b) Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) durch einen ständigen Ausschuss für die Kontrolle der Nachrichtendienste (AKrND) ersetzen
c) Informationspflicht der Bundesregierung ausweiten
d) Frage- und Kontrollrechte der Abgeordneten stärken
e) Informationsansprüche der Fachausschüsse und Informationspflichten der Regierung ausweiten
4. Schlussfolgerungen im Bereich der Polizei
a) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle / unabhängige Polizeibeobachtung
b) Erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Polizeiaus- und Fortbildung, beim Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Polizei und der Polizeiforschung
aa) Aus- und Fortbildung verbessern
bb) Interkulturelle Kompetenz
cc) Polizeiforschung intensivieren
c) PMK-Rechts Erfassung reformieren und unabhängiges Monitoring sichern
d) Schutz für Whistleblower
5. Zivilgesellschaft stärken, Flüchtlinge integrieren und schützen
a) Bundesförderung verdoppeln und verstetigen
b) Kompetenzen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft einbeziehen
c) Extremismusklausel ersatzlos abschaffen
d) Kriminalisierung antifaschistischen Engagements beenden
e) Flüchtlinge integrieren statt rassistischer Hetzkampagnen
6. Rechte von MigrantInnen stärken – Ausgrenzung beenden
VII. Epilog
E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
I. Nach der Untersuchung besteht konkreter Handlungsbedarf
II. Politische Verantwortung wahrnehmen – nach Fehlleistungen persönliche Konsequenzen ziehen
1. Politische und persönliche Verantwortung auf Regierungsebene
2. Gefahr des Rechtsterrorismus über Jahre unterschätzt
3. Falsche Analyse ungeprüft übernommen
4. Stichwortgeber für einseitige Ermittlungen
5. Organisationsverantwortung für versagende Sicherheitsbehörden
6. Akzeptieren nicht überprüfter Behördenauskünfte
7. Kommunikationsblockaden zwischen Polizei und Nachrichtendiensten
III. Empfehlungen für den Bereich der Polizei und Staatsanwaltschaften
1. Gruppenbezogene Vorurteilstrukturen sichtbar machen und bekämpfen
2. Polizeikultur weiter demokratisieren
3. Rechtsmotivierte Gewalt erkennen
4. Transparente Strategieentwicklung gegen Rechtsextremismus
5. Polizei und Zivilgesellschaft
a) Strukturierter Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft
b) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle
c) Stärkung der Umsetzung internationaler Vorgaben
IV. Verfassungsschutz: Dem Totalversagen muss der Totalumbau folgen
1. Zäsur: Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und kompletter Neustart
2. Unabhängiges „Institut zur Analyse demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen“
3. Eine neue „Inlandsaufklärung“
4. Beendigung des Einsatzes von V-Leuten in der rechten Szene
5. Externe Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit neu aufstellen
a) Parlamentarische Kontrolle
b) G10-Kommission
c) Unabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder
6. Klare Trennung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Verfassungsschutz und Polizei
7. Informationsaustausch, Datenschutz und das Trennungsgebot
V. Demokratieoffensive und Prävention auf allen Ebenen
1. Jede Bagatellisierung muss ein Ende haben.
2. Aufklärung, Sensibilisierung und politische Bildung ausweiten
3. Förderung der Zivilgesellschaft
a) Weg mit der Extremismusklausel
b) Förderung mit Konzept und Perspektive: Stiftung Demokratieförderung
VI. Fazit:
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
I. Barbara E.
II. D. F.
III. Sylvia F.
IV. Alexander Gronbach
V. Andreas G.
VI. Henning H.
VII. KHK J.
VIII. Christian K.
IX. Sven Krüger
X. David Petereit
XI. Reinhard S.
XII. Hans-Joachim S.
XIII. Carsten Schultze
XIV. Achim S.
XV. Kay-Norman S.
XVI. J. T.
XVII. Patrick W.
XVIII. Jörg W.
XIX. Christian W.
XX. Ralf Wohlleben
Sechster Teil: Übersichten und Verzeichnisse
A. Abkürzungsverzeichnis
B. Übersicht der Ausschussdrucksachen
C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand
D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne Beiziehungsbeschluss zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien)
E. Verzeichnis der Sitzungen
F. Anlagen
I. Stenographische Protokolle
II. Dokumente