BT-Drucksache 17/14600

Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes

Vom 22. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14600
17. Wahlperiode 22. 08. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes*

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes wird zur Kenntnis genommen.

Berlin, den 22. August 2013

Der 2. Untersuchungsausschuss

Sebastian Edathy

Vorsitzender
Clemens Binninger

Berichterstatter
Dr. Eva Högl

Berichterstatterin

Stephan Stracke

Stellvertretender Vorsitzender
Hartfrid Wolff

Berichterstatter
Petra Pau

Berichterstatterin

Wolfgang Wieland

Berichterstatter
* Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 26. Januar 2012 (Bundestagsdrucksache 17/8453).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – III – Drucksache 17/14600

Geleitwort zum Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses

Als Ende 2011 die erschreckende Serie von Morden und Anschlägen der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“ bekannt wurde, löste das Ausmaß der Verbre-

chen Trauer und Betroffenheit aus. Aber auch Scham und Fassungslosigkeit, dass die

Sicherheitsbehörden der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg geplanten und

ausgeführten Verbrechen weder rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten; mehr

noch: dass Opfer und Angehörige während der Ermittlungen Verdächtigungen ausge-

setzt waren. Umso mehr sind wir uns der Verantwortung bewusst, alles mit den Mit-

teln des Rechtsstaates Mögliche zu tun, um die Ereignisse und ihre Hintergründe auf-

zuklären und sicherzustellen. Denn der Schutz von Leib und Leben und die von unse-

rer Verfassung garantierten Grundrechte haben in diesem Land Geltung für jeden, der

hier lebt, mit welcher Herkunft, mit welchem Glauben und mit welcher Orientierung

auch immer.

Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2012 einen Untersuchungsausschuss einge-

setzt. In 16 Monaten hat dieser Ausschuss einen wichtigen Beitrag zur sorgfältigen und

zügigen Aufklärung der Hintergründe und Zusammenhänge geleistet und Schlussfolge-

rungen für die zukünftige Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden gezogen.

Die gründliche, sachorientierte, überparteiliche Arbeit des Untersuchungsausschusses

unter dem Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD) ist in den Medien zurecht als ein Bei-

spiel hoher politischer Kultur und parlamentarischer Kompetenz gewürdigt worden.

Ich danke dem Vorsitzenden und allen Mitgliedern und Mitarbeitern für die geleistete

intensive Aufklärungsarbeit. Die gewonnenen Erkenntnisse und die auf dieser Grund-

lage entwickelten Reform- und Verbesserungsvorschläge sind nun Gegenstand der öf-

fentlichen Auseinandersetzung mit dem Ziel, jede Form von Extremismus oder Aus-

länderfeindlichkeit in unserem Lande entschlossen zu bekämpfen.

Prof. Dr. Norbert Lammert
Präsident des Deutschen Bundestages

Drucksache 17/14600 – IV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Demokratie in Deutschland erscheint uns heute allzu oft als schiere Selbstver-

ständlichkeit. Sie ist es nicht – ebenso wenig wie Zivilcourage. Und auch Toleranz

lässt sich leichter einfordern als leben. Was die Substanz eines lebendigen demokrati-

schen Gemeinwesens aber auszeichnet, ist die Unantastbarkeit der Überzeugung, dass

Minderheiten eigene Rechtsansprüche haben, über die Mehrheiten nicht verfügen

können. Dieser deutsche Staat, das ist die Botschaft des Untersuchungsausschusses

über seinen Abschlussbericht hinaus, hält unverrückbar und unwiderruflich an diesen

Prinzipien und Orientierungen fest, die nicht immer selbstverständlich, in der Demo-

kratie aber unverzichtbar sind.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – V – Drucksache 17/14600

Ü b e r s i c h t

Erster Teil: Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des

Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1

A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses ............................................................................. 1

B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit ..................................................................10

C. Verlauf der Untersuchung .......................................................................................................35

D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen ...................59

E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag ....................................................................68

F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung .................................................69

Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................71

A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten .......................................................71

B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen
Szene ..........................................................................................................................................75

C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der
Sicherheitsbehörden in Bezug auf Rechtsextremismus ......................................................137

D. V-Leute und Gewährspersonen ............................................................................................257

E. Suche nach dem Trio .............................................................................................................313

F. Česká–Mordserie ...................................................................................................................491

G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A. ........................................639

H. Sprengstoffanschläge .............................................................................................................663

I. Überfälle ..................................................................................................................................715

J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen .........................729

K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten ..............................................743

L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem
4. November 2011 ...................................................................................................................803

Dritter Teil: Gemeinsame Bewertungen ....................................................................................829

A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten ...................................833

B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung ......................................844

C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ....................................847

D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes .......................................................853

E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse ...................................856

F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011 ................................................................858

G. Schlussfolgerungen .................................................................................................................861

H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung .................................................865

Vierter Teil: Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen .....................................................869

A. CDU/CSU-Fraktion ...............................................................................................................869

B. SPD-Fraktion ..........................................................................................................................871

C. FDP-Fraktion .........................................................................................................................901

Drucksache 17/14600 – VI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

D. Fraktion DIE LINKE .............................................................................................................983

E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..............................................................................1031

Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs ...........................1043

Sechster Teil: Übersichten und Verzeichnisse.........................................................................1051

A. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................1051

B. Übersicht der Ausschussdrucksachen ................................................................................1057

C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand ..................................................1151

D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne
Beiziehungsbeschluss zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien) ...........................1299

E. Verzeichnis der Sitzungen ...................................................................................................1305

F. Anlagen .................................................................................................................................1311

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – VII – Drucksache 17/14600

I n h a l t

Erster Teil: Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des

Untersuchungsverfahrens .............................................................................................................. 1

A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses ............................................................................. 1

I. Bekanntwerden des Terror-Trios ................................................................................. 1

1. Bankraub von Eisenach und Wohnungsbrand in Zwickau ......................................... 1

2. Auffinden der Bekenner-DVD und der Česká 83 ...................................................... 1

3. Spekulationen über Verbindungen des Trios zum Verfassungsschutz ....................... 2

II. Gemeinsame Entschließung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag ................... 2

III. Diskussion über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ............................ 3

1. Bundesstaatliche Bedenken ........................................................................................ 3

2. Begleitung durch eine Bund-Länder-Expertenkommission ....................................... 4

IV. Einsetzungsantrag, Debatte und Plenarbeschluss ....................................................... 4

1. Gemeinsamer Einsetzungsantrag aller Fraktionen ..................................................... 4

2. Anträge zur Änderung der Anzahl der Ausschussmitglieder ..................................... 6

3. Plenardebatte und Einsetzung .................................................................................... 6

V. Konstituierung ............................................................................................................... 7

1. Mitglieder des Ausschusses ....................................................................................... 7

2. Bestimmung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden .................... 8

3. Benennung der Obleute und der Berichterstatter ....................................................... 8

4. Benannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen ....................................... 8

5. Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates ..................... 8

a) Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung ................................................. 8
b) Beauftragte der Mitglieder des Bundesrates ......................................................... 9

6. Ausschusssekretariat .................................................................................................10

B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit ..................................................................10

I. Ermittlungen des Generalbundesanwalts und Strafverfahren vor dem
Oberlandesgericht in München ...................................................................................10

1. Gegenseitige Rücksichtnahme ..................................................................................11

2. Regelmäßige Unterrichtung ......................................................................................12

3. Aktenzulieferung aus den laufenden Verfahren ........................................................12

a) Vor Anklageerhebung..........................................................................................12
b) Nach Anklageerhebung .......................................................................................12

4. Rücksicht auf das Strafverfahren: Fragenkreise ausgespart ......................................13

5. Übermittlung der Untersuchungsausschussprotokolle und sonstiger
Unterlagen .................................................................................................................13

II. Schäfer-Kommission .....................................................................................................14

1. Einsetzung und Auftrag .............................................................................................14

2. Ergebnisse der Ermittlungen der Schäfer-Kommission ............................................14

3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages ..............................................................................................................15

III. Bund-Länder-Experten-Kommission..........................................................................15

1. Einsetzung der Bund-Länder-Kommission ...............................................................15

2. Gesetzliche Grundlage und Auftrag ..........................................................................15

3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss .................................................16

a) Vorabgespräch am 8. März 2012 .........................................................................16
b) Weitere Berichterstattungen ................................................................................16

4. Ergebnis der Arbeit der BLKR ..................................................................................17

Drucksache 17/14600 – VIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

IV. Untersuchungsausschüsse in den Landtagen .............................................................17

1. Thüringen ..................................................................................................................17

a) Einsetzung und Auftrag .......................................................................................17
b) Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen

Bundestages .........................................................................................................22
2. Sachsen ......................................................................................................................22

3. Bayern .......................................................................................................................27

4. Diskussionen in anderen Ländern .............................................................................33

C. Verlauf der Untersuchung .......................................................................................................35

I. Gemeinsames Vorgehen, Einstimmigkeitsprinzip .....................................................35

II. Beschlüsse zum Verfahren ...........................................................................................35

1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen ............................35

2. Verzicht auf die Verlesung von Protokollen und Schriftstücken ..............................35

3. Verteilung von Verschlusssachen .............................................................................35

4. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Sitzungen ...........................................................36

5. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und
Ausschussmaterialien ................................................................................................36

6. Behandlung der Ausschussprotokolle .......................................................................38

7. Verpflichtung zur Geheimhaltung .............................................................................38

8. Fragerecht bei der Beweiserhebung ..........................................................................39

9. Behandlung von Beweisanträgen ..............................................................................39

10. Protokollierung der Ausschusssitzungen ...................................................................39

III. Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten und sonstigen Unterlagen ...............40

1. Beweisvorbereitung ...................................................................................................40

2. Aktenbeiziehung bei Behörden des Bundes ..............................................................40

a) Art und Herkunft des Beweismaterials ................................................................40
b) Akten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der

Verteidigung ........................................................................................................41
c) Verfügungsbefugnis des Bundes über Akten .......................................................42
d) Vorlage von Akten, die zur Freigabe zugeleitet wurden .....................................42

3. Beiziehung von Akten bei den Ländern im Wege der Amtshilfe ..............................42

a) Reichweite der Amtshilfe ....................................................................................42
b) Art der Beiziehungen ...........................................................................................43
c) Freistaat Thüringen ..............................................................................................43

4. Beiziehung von Akten beim Oberlandesgericht München ........................................43

5. Geheimschutz ............................................................................................................43

a) Nach der Geheimschutzordnung des Bundestages ..............................................44
b) „Geheimschutzstellenverfahren“ .........................................................................44
c) „Treptow-Verfahren“...........................................................................................44
d) Nachträgliche Einstufung ....................................................................................45

6. Vernichtung von Beweismaterial und Aktenschreddermoratorium ..........................45

IV. Beweiserhebung durch Anhörung von Sachverständigen und
Vernehmung von Zeugen .............................................................................................45

1. Sitzungstage ..............................................................................................................45

2. Strukturierung der Beweisaufnahme .........................................................................46

3. Sachverständigenanhörungen ....................................................................................46

4. Durchführung der Zeugenvernehmungen ..................................................................46

a) Die Zeugen ..........................................................................................................46
b) Dauer der Anhörungen und Vernehmungen ........................................................49
c) Nicht erschienene Zeugen ...................................................................................49

5. Vernehmungsgegenüberstellung ...............................................................................50

6. Schriftliche Befragung von Zeugen ..........................................................................50

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – IX – Drucksache 17/14600

a) Krankheitsbedingt ................................................................................................50
b) Offen gebliebene Fragen .....................................................................................50
c) Mangels Zeit ........................................................................................................50

7. Kommissarische Vernehmung ..................................................................................50

8. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht .............................................................50

9. Rechtlicher Beistand .................................................................................................51

10. Öffentlichkeit ............................................................................................................51

a) Ausschluss der Öffentlichkeit ..............................................................................51
b) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen .................................................51
c) Twittern aus öffentlicher Sitzung ........................................................................51

11. Einsichtsgewährung in Stenografische Protokolle vor Abschluss der
Untersuchung ............................................................................................................51

a) Mitglieder des Bundestages .................................................................................51
b) Untersuchungsausschüsse der Landtage ..............................................................51
c) Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige ...............................................51
d) Bund-Länder-Kommission ..................................................................................52
e) Bundesdatenschutzbeauftragter ...........................................................................52
f) Zeuge Luthardt ....................................................................................................52
g) Ermittlungsgruppe „Trio“ ....................................................................................52
h) Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern .................................................52
i) Wissenschaftliche Zwecke ..................................................................................52
j) OLG München .....................................................................................................52

V. Teilnahme der Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige ..........................52

VI. Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten ...................................................................52

1. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg ..................................................................52

a) Auftrag .................................................................................................................52
aa) Unterlagen des Generalbundesanwalts ..........................................................52
bb) Unterlagen des Bundeskriminalamtes und einiger

Landeskriminalämter .....................................................................................53
cc) Akten des LKA Thüringen, der Sächsischen Sicherheitsbehörden

sowie der BKA-Abteilung polizeilicher Staatsschutz ....................................54
dd) Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz .............................................54
ee) Brandenburger Operativakten ........................................................................54

b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ........................................................................54
c) Berichterstattung an den Ausschuss ....................................................................54
d) Ergebnis ...............................................................................................................55

2. Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache, Ulrich Hebenstreit ......................................55

a) Thüringer Aktenstreit ..........................................................................................55
b) Auftrag und Bestellung ........................................................................................55
c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ........................................................................57
d) Umfang des Aktenmaterials ................................................................................57
e) Freigabeverfahren ................................................................................................57
f) Aktenvorlage und Berichterstattung an den Ausschuss .......................................58
g) Tätigkeitsbericht ..................................................................................................58

D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen ...................59

I. Gedenkveranstaltung am Gendarmenmarkt .............................................................59

1. Einladung durch die Staatsspitzen und Schweigeminute ..........................................59

2. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel .........................................................59

3. Rede von Semiya Şimşek ..........................................................................................62

4. Rede von Gamze Kubaşık .........................................................................................63

5. Rede von İsmail Yozgat ............................................................................................63

II. Ombudsfrau der Bundesregierung Prof. Barbara John ...........................................63

III. Kontakte mit türkischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern ..................64

1. Besuche von Mitgliedern der Großen Türkischen Nationalversammlung ................64

2. Reisen in die Türkei ..................................................................................................64

Drucksache 17/14600 – X – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Gespräch mit dem Justizminister, Herrn Sadullah Ergin .....................................64
b) Gespräch mit dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Herrn Bekir

Bozdağ .................................................................................................................65
c) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses,

Herrn Ayhan Sefer Üstün und weiteren Ausschussmitgliedern ...........................65
d) Gespräch mit dem Vorsitzenden der deutsch-türkischen

Freundschaftsgruppe im türkischen Parlament, Herrn Akif Çağatay
Kılıç .....................................................................................................................66

e) Gespräch mit dem Stellvertretenden Außenminister, Herrn Botschafter
Naci Koru ............................................................................................................66

f) Gespräch mit dem stellvertretenden Präsidenten des Präsidiums des
Amtes für im Ausland lebende Türken und verwandte Volksgruppen,

Herrn Gürsel Dönmez ..........................................................................................66

IV. Treffen des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden mit
den Opfern des Nagelbombenanschlags in Köln ........................................................66

V. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ........................................................................67

VI. Treffen mit dem Bundespräsidenten ...........................................................................67

VII. Treffen mit dem Menschenrechtskommissar des Europarates ................................67

VIII. Einladung der Opfer zum Gespräch und zur Teilnahme an der
Plenardebatte ................................................................................................................67

E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag ....................................................................68

I. Gewährung rechtlichen Gehörs ...................................................................................68

1. Entscheidung über Gewährung rechtlichen Gehörs ..................................................68

2. Zustellung ..................................................................................................................68

3. Rückmeldungen und Stellungnahmen .......................................................................68

4. Nachträgliche Veröffentlichung von Textpassagen und von
Stellungnahmen .........................................................................................................68

II. Feststellung des Berichts ..............................................................................................68

III. Beratung im Plenum .....................................................................................................69

F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung .................................................69

I. Rückgabe von Beweismaterialien und Protokollen ...................................................69

II. Behandlung der Protokolle und Materialien ..............................................................70

Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt ............................................................................71

A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten .......................................................71

B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen
Szene ..........................................................................................................................................75

I. Werdegang des Trios vor deren Untertauchen ..........................................................75

1. Erkenntnisse zu den Personen ...................................................................................75

a) Uwe Böhnhardt ....................................................................................................75
b) Uwe Mundlos ......................................................................................................75
c) Beate Zschäpe ......................................................................................................75

2. Strafverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ..........................................76

a) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 18. März 1991 .................76
b) Uwe Mundlos (und ein weiterer Beschuldigter): gefährliche

Körperverletzung am 6. Juni 1991 .......................................................................76
c) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 25. Juli 1991 ....................76
d) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen im November 1991 ................76
e) Uwe Böhnhardt: Fahren ohne Fahrerlaubnis 1992 ..............................................76
f) Uwe Böhnhardt (und ein Mittäter): Entwenden von Fahrzeugen 1992 ...............77
g) Uwe Böhnhardt: Erpressung und gefährliche Körperverletzung

1992/1993 ............................................................................................................77
h) Beate Zschäpe: Diebstahl im Jahr 1994 ...............................................................77

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XI – Drucksache 17/14600

i) Uwe Mundlos u. a.: Volksverhetzung im August 1994 .......................................78
j) Uwe Mundlos: Herstellen von Kennzeichen verfassungswidriger

Organisationen im August 1994 ..........................................................................78
k) Uwe Böhnhardt: „Kreuzverbrennung“, Verwenden von Kennzeichen

verfassungswidriger Organisationen im Sommer 1995 .......................................78
l) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Verwenden von Kennzeichen

verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das

Waffengesetz im September 1995 .......................................................................79
m) Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, André Kapke: Puppentorso u. a. im

April 1996 ............................................................................................................79
n) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Holger Gerlach:

Illegaler Waffenbesitz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

im November 1996 ..............................................................................................79
o) Uwe Böhnhardt, André Kapke, Christian K.: Körperverletzung im

Dezember 1996 ....................................................................................................80
p) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke: Hausfriedensbruch bei

der Polizei u. a. im Januar 1997 ...........................................................................80
q) Uwe Böhnhardt: illegaler Waffenbesitz im April 1997 .......................................80
r) Uwe Böhnhardt, André Kapke: Körperverletzung im April 1997 .......................80

3. Sonstige polizeiliche Erkenntnisse ............................................................................81

a) Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und André Kapke: Plakatierung am
3. Mai 1995 ..........................................................................................................81

b) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Blumenbinde „Heß“ am 23.
November 1995 ...................................................................................................81

c) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke u. a.: Platzverweis am
9. März 1996 ........................................................................................................81

d) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos u. a.: Hausverbot in der
Gedenkstätte Buchenwald am 1. November 1996 ...............................................81

e) Skinhead-Konzert am 23. November 1996 ..........................................................81
f) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Anmeldung zu einer

Versammlung am 6. Januar 1997 ........................................................................81
4. Wehrpflicht von Böhnhardt und Mundlos .................................................................81

a) Uwe Böhnhardt ....................................................................................................81
b) Uwe Mundlos ......................................................................................................81

aa) Personalakte Mundlos ....................................................................................81
aaa) Erkenntnisse ........................................................................................81
bbb) Umgang mit Personalakte Mundlos nach dem 4. November

2011 ....................................................................................................84
bb) Befragung von Mundlos durch den MAD .....................................................85

aaa) Ablauf der operativen Bearbeitung von Mundlos durch den
MAD ...................................................................................................85

bbb) Gab es mehrere Befragungen von Mundlos durch den
MAD? .................................................................................................85

ccc) Gründe für die späte Befragung von Mundlos durch den
MAD ...................................................................................................86

ddd) Inhalt des Befragungsberichtes vom 8./9. März 1995 ........................86
eee) Bewertung des MAD-Befragungsberichtes: Wollte der

MAD Mundlos als Quelle anwerben?.................................................87
fff) Wer hat die Befragung von Uwe Mundlos durchgeführt? –

Erkenntnisgewinnung zum MAD-Vorgang Mundlos .........................88
ggg) Umgang mit MAD-Befragungsbericht nach dem

4. November 2011 ..............................................................................88
cc) Bewertung des Umgangs mit Uwe Mundlos bei der Bundeswehr .................90

5. Waren Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe V-Personen des
Verfassungsschutzes? ................................................................................................90

II. Entwicklung der rechtsextremistischen Szene in Thüringen in den
1990er/Anfang der 2000er Jahre .................................................................................91

1. „Anti-Antifa Ostthüringen“ und „Thüringer Heimatschutz“ .....................................91

2. „Kameradschaft Eichsfeld“ .......................................................................................95

3. Verankerung des Trios in der rechten Szene .............................................................96

Drucksache 17/14600 – XII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

III. Ermittlungsverfahren gegen die rechtsex-tremistische Szene Thüringen ...............97

1. Soko „REX“ – EG „TEX“ ........................................................................................97

a) Gründung der Soko „REX“ 1995 ........................................................................97
b) Auflösung der Soko „REX“ im Februar 1997 – Gründung der EG

„TEX“ ..................................................................................................................97
2. Weitere Dienststellen des LKA Thüringen ...............................................................98

a) ZEX .....................................................................................................................98
b) Soko „ReGe“ .....................................................................................................100

3. Ermittlungen gegen den „Thüringer Heimatschutz“ ...............................................100

a) Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen Tino Brandt und andere
mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung .............................................................100

b) Weitere „Strukturermittlungen“.........................................................................101
4. Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen, insbesondere in

Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer
Heimatschutzes“ ......................................................................................................102

5. Gräfenthal-Verfahren ..............................................................................................102

IV. Beobachtung des „Thüringer Heimatschutzes“ durch staatliche Stellen ..............106

1. Operation „Rennsteig“ ............................................................................................106

a) Entstehung der Operation „Rennsteig“ ..............................................................106
b) Gegenstand ........................................................................................................107
c) Durchführung ....................................................................................................108
d) Beteiligung des LfV Bayern ..............................................................................109
e) Kenntnis der beteiligten Behörden über die Quellen der anderen

Behörden bei gemeinsamen Werbungsoperationen? .........................................110
f) Ergebnis der Operation „Rennsteig“..................................................................110
g) Ende der Operation „Rennsteig“ .......................................................................110
h) Bewertung der Operation „Rennsteig“ durch die beteiligten Behörden ............111
i) Kenntnisse der Amtsleitung im BfV von der Operation „Rennsteig“ ...............112

2. Anschlussoperationen..............................................................................................113

V. Die Ermittlungen im Vorfeld der Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ..............114

1. Die Briefbombenattrappen ......................................................................................114

a) Thüringer Landeszeitung ...................................................................................114
b) Stadtverwaltung Jena .........................................................................................114
c) Polizeidirektion Jena..........................................................................................115
d) Gang und Ergebnis der Ermittlungen im „Briefbomben-Verfahren“ ................115

2. Die Kofferbomben im Jenaer Stadtgebiet ...............................................................115

a) Die sog. „Stadion-Bombe“ ................................................................................115
b) Ermittlungsmaßnahmen nach Auffinden der „Stadion-Bombe“ .......................116
c) Die sog. „Theater-Bombe“ ................................................................................116
d) Übereinstimmungen zwischen „Theaterbombe“ und „Stadionbombe“ .............117
e) Ermittlungsmaßnahmen zwischen September 1997 und Januar 1998 ...............117
f) USBV am Magnus-Poser-Denkmal, Nordfriedhof ............................................117

3. Ermittlungsmaßnahmen des LKA Thüringen zu den USBV, Böhnhardt
als möglicher Täter ..................................................................................................118

a) Zuständigkeit der EG „TEX“.............................................................................118
b) Hinweise auf mögliche Täter aus dem rechten Spektrum ..................................118
c) Garage als möglicher Ort, an dem die Bomben gebaut wurden ........................118

4. Auffinden der Garagen und Planung der Durchsuchungen .....................................119

a) Observation von Böhnhardt durch das MEK des LKA Thüringen und
weitere Ermittlungsmaßnahmen im Oktober 1997 ............................................119

b) Observation von Böhnhardt durch das LfV Thüringen im
November/Dezember 1997 ................................................................................119
aa) Auftrag bzgl. der Observation des LfV Thüringen durch das LKA

Thüringen? ...................................................................................................119
bb) Erkenntnisse durch die Observation des LfV Thüringen .............................122
cc) Mitteilung der Ergebnisse der Observation an das LKA Thüringen ............123

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIII – Drucksache 17/14600

aaa) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998 ..........................123
bbb) Mündliche Vorabinformation über das Ergebnis der

Observationsmaßnahmen ..................................................................123
ccc) Einstufung des Schreibens vom 8. Januar 1998 als „VS-

Vertraulich“ ......................................................................................123
c) Planung der Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ............................................124

aa) Verarbeitung der durch die Observation durch das LfV
gewonnenen Erkenntnisse über die Garagen und Beantragung

eines Durchsuchungsbeschlusses .................................................................124
bb) Konkrete Vorbereitung der Durchsuchungen ..............................................126

aaa) Erörterung einer möglichen Festnahme der Beschuldigten,
insbesondere von Uwe Böhnhardt, im Rahmen der

Durchsuchungen und abgesprochene Vorgehensweise für

den Fall des Fundes möglicher Beweismittel ...................................126
bbb) Vorbereitung in sonstiger Hinsicht ...................................................126
ccc) Festlegung eines Termins für die

Durchsuchungsmaßnahmen ..............................................................127
ddd) Verhinderung des Leiters der EG „TEX“, Dressler, an

diesem Tag wegen einer Fortbildungsmaßnahme .............................127
5. Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ......................................................................128

a) Ablauf ................................................................................................................128
aa) Durchsuchung Garage Nr. 5, Garagenverein an der Kläranlage e.

V. .................................................................................................................128
bb) Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und Nr. 7 ................................................128
cc) Kommunikation zwischen den Durchsuchungsteams ..................................128
dd) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft ................................................129

aaa) Kontaktaufnahmeversuch durch KK F. mit Staatsanwalt
Schultz ..............................................................................................129

bbb) Kontaktaufnahme von KHK L. mit Staatsanwalt Sbick ...................129
ee) Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt den Ort verließ .....................................129

b) Mögliche Fehler bei der Durchführung der Durchsuchungen ...........................130
aa) Auflistung aller Durchsuchungsobjekte in einem

Durchsuchungsbeschluss .............................................................................130
bb) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft ................................................130
cc) Mangelhafte Vorbereitung der Durchsuchungen .........................................130

c) Verhaftung des Trios am Tag der Durchsuchungen möglich? ..........................130
aa) Vor dem Auffinden der USBV und der weiteren Beweismittel in

der Garage Nr. 5 ...........................................................................................130
bb) Nach dem Auffinden der USBV in der Garage Nr. 5 ..................................131

d) Ergebnis der Garagen-Durchsuchungen ............................................................131
aa) Beweismittel, die auf eine Täterschaft des Trios bei den

Bombenfunden und den Briefbombenattrappen schließen lassen ................131
aaa) Beweise für die Herstellung der USBVen sowie der

Briefbomben in der Garage Nr. 5 .....................................................131
bbb) Beweise für die Anwesenheit von Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe in der Garage Nr. 5 .............................132
bb) Beweismittel, die auf die Planung weiterer Straftaten schließen

lassen – Menge des aufgefundenen Sprengstoffs .........................................132
cc) Beweismittel, die für die Fahndung nach dem Trio relevant waren .............133

e) Weitere Durchsuchungsmaßnahmen und Ad-hoc-Suchmaßnahmen am
26. Januar 1998 ..................................................................................................133

6. Weitere Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Gera und des LKA
Thüringen am 26./27./28. Januar 1998 zur Festnahme der Beschuldigten

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ..........................................................................134

a) Anordnung der vorläufigen Festnahme am 26. Januar 1996 .............................134
b) Ablehnung des Erlasses von Haftbefehlen am 27. Januar 1998 ........................134
c) Beantragung und Erlass von Haftbefehlen am 28. Januar 1998 ........................135

C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der
Sicherheitsbehörden in Bezug auf Rechtsextremismus ......................................................137

I. Ausprägungen und Verbreitung von Rechtsextremismus ......................................137

Drucksache 17/14600 – XIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1. Der Begriff des Rechtsextremismus ........................................................................137

a) Amtlicher und sozialwissenschaftlicher Rechtsextremismusbegriff .................137
b) Unterscheidung zwischen Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus ...........138

2. Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland ...................138

a) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Schroeder .....................................138
b) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Stöss .............................................139
c) Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland ...........................................139

3. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten ..........................................140

a) Täterstruktur, Verortung und Art der Straftaten ................................................140
b) Grundlage der Berechnung ................................................................................141
c) Gewalteskalation Anfang der 90er Jahre ...........................................................141
d) Überblick über Anstieg bzw. Rückgang der Straf- und Gewalttaten mit

rechtsextremistischem Hintergrund in den Jahren 1994 bis 2011 .....................142
4. Überblick über rechtsextremistische Milieus ..........................................................143

a) Rechtsextreme ...................................................................................................143
b) Skinheads ...........................................................................................................143
c) Neonazis ............................................................................................................144
d) Frauen in der Szene ...........................................................................................145

5. Aktions-, Handlungs- und Organisationsformen .....................................................145

a) Einstieg in die rechtsextremistische Szene ........................................................145
b) Aktionsformen ...................................................................................................145
c) Organisationsformen .........................................................................................147

6. Strategien der militanten Rechten ...........................................................................147

a) Finanzierung ......................................................................................................147
b) Vernetzung ........................................................................................................147
c) Bewaffnung .......................................................................................................148

7. Ausstieg ...................................................................................................................148

II. Rechtsextremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb
Thüringens...................................................................................................................149

1. „Blood & Honour“ ..................................................................................................149

a) „Blood & Honour“ International .......................................................................149
b) „Blood & Honour Division Deutschland“ .........................................................150
c) „Combat 18“ als bewaffneter Arm von „Blood & Honour“ ..............................155
d) Verbindungen zwischen „Blood & Honour” und dem Trio ..............................157
e) Mögliche Auswirkungen von „Blood & Honour“ und „Combat 18“

auf die Taten des Trios ......................................................................................162
f) Verbot der „Blood & Honour Division Deutschland“ und der

Jugendorganisation „White Youth“ ...................................................................165
g) Umgang mit Nachfolgeaktivitäten von „Blood & Honour“ ..............................166

2. „Hammerskins“ .......................................................................................................174

a) Zur Struktur und den Leitgedanken der „Hammerskins“ allgemein ..................174
b) „Hammerskins“ international ............................................................................176
c) „Hammerskins“ in Deutschland ........................................................................176
d) Verbindungen zwischen den „Hammerskins“ und dem Trio .............................177

3. „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ ...........................................................................178

a) Allgemeine Informationen zur „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ ..................178
b) Verbindungen zum Trio .....................................................................................179

4. „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren
Angehörige“ ............................................................................................................179

5. „Ku-Klux-Klan“ (KKK) ..........................................................................................180

a) Zur Entstehung des „KKK international“ ..........................................................180
b) Entwicklung des „KKK“ in Deutschland ..........................................................181
c) Verbindungen zwischen dem „KKK“ und dem Trio .........................................183

aa) Kreuzverbrennung im Jahr 1995 ..................................................................183
bb) Verbindungen der Quelle Q1 und eines weiteren Thüringer

Mitglieds zum „EWK KKK“ um Achim S. .................................................184
cc) Achim S. als mutmaßliche Kontaktperson des untergetauchten

Trios? ...........................................................................................................184

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XV – Drucksache 17/14600

d) Mitgliedschaft von Polizeibeamten des Landes Baden-Württemberg
im KKK .............................................................................................................184

e) Rolle des Achim S. im „Ku-Klux-Klan“ ...........................................................186
f) V-Personen im „EWK KKK“ ............................................................................187
g) Q1 und der „KKK“ ............................................................................................188
h) Aktivitäten des Carsten Szczepanski im Zusammenhang mit dem

„KKK“ ...............................................................................................................188
i) Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden in Bezug auf den „EWK

KKK“.................................................................................................................189
aa) Maßnahme des LfV Sachsen und des BfV ..................................................189
bb) Maßnahme des LfV BW und des BfV .........................................................189

III. Rolle der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bei der Beobachtung
der rechtsextremistischen Szene bis zum 4. November 2011 ..................................190

1. Überblick über die Sicherheitsarchitektur ...............................................................190

a) Dreigliedrigkeit der Inneren Sicherheit .............................................................190
b) Trennungsgebot .................................................................................................191
c) Zuständigkeit für die Bekämpfung des Rechtsextremismus ..............................192
d) Aufsichts- und Kontrollgremien ........................................................................192

aa) Kontrolle durch Aufsichtsbehörden .............................................................192
bb) Parlamentarische Kontrolle ..........................................................................192

2. Ermittlungsbehörden ...............................................................................................193

a) Abgrenzung der Zuständigkeit von GBA und
Landesstaatsanwaltschaften ...............................................................................193

b) Abgrenzung der Aufgaben der Polizeibehörden Bund/Land .............................194
aa) Zentralstellenfunktion ..................................................................................194
bb) Strafverfolgungszuständigkeit .....................................................................194
cc) Koordinierung bei der Strafverfolgung ........................................................194

3. Verfassungsschutz ...................................................................................................195

a) Abgrenzung der Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden der
Länder und des BfV ...........................................................................................195
aa) Aufgabenverteilung ......................................................................................195
bb) Zusammenarbeit ...........................................................................................195

b) Grundsätze der V-Personen-Führung ................................................................196
aa) Allgemeines .................................................................................................196
bb) Rechtlicher Rahmen .....................................................................................196
cc) Die Fachprüfgruppe .....................................................................................197
dd) Werbung von V-Leuten ...............................................................................198
ee) Dauer der V-Mann-Führung durch dieselbe Person ....................................198
ff) Zahlungen an V-Leute .................................................................................199
gg) Zusammenarbeit „Beschaffung“ – „Auswertung“ .......................................199
hh) Straftaten von V-Personen und Teilnahme von

Verfassungsschutzmitarbeitern hieran .........................................................199
ii) Folgen für die weitere Tätigkeit als V-Mann aufgrund der

Begehung von Straftaten ..............................................................................201
jj) Verbesserungsvorschläge des Zeugen Gabaldo ...........................................201

c) Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern .....................................202
d) Organisatorische Änderung im BfV ..................................................................203

aa) Organisation der Abteilung II des BfV bis 2006 ..........................................203
bb) Zusammenlegung der Abteilungen für Rechts- und

Linksextremismus im BfV (2006) ...............................................................204
aaa) Entscheidungsprozess nach Aktenlage .............................................204
bbb) Motive für die Entscheidung nach Angaben der Zeugen

Fromm, Dr. Hanning und Dr. Schäuble ............................................205
ccc) Bewertung der Entscheidung durch die Zeugen Fromm, Dr.

Hanning und Dr. Schäuble ................................................................207
cc) Organisation der Abteilung II des BfV nach 2006 .......................................208

4. Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern und
Ermittlungsbehörden ...............................................................................................209

a) Grundsätze des Informationsflusses zwischen
Verfassungsschutzämtern und Ermittlungsbehörden .........................................209

Drucksache 17/14600 – XVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

aa) Schnittstellenproblem der Behördenkooperation .........................................209
bb) Rechtliche Grundlagen der Übermittlung von Informationen durch

das BfV an Ermittlungsbehörden .................................................................210
cc) Rechtliche Grundlagen der Informationsübermittlung von

Landesverfassungsschutzbehörden an Ermittlungsbehörden .......................210
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit .............................................210
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel von Bayern

und Thüringen ...................................................................................210
dd) Übermittlung von Informationen von den Ermittlungsbehörden an

die Verfassungsschutzbehörden ...................................................................212
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit .............................................212
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel Bayerns und

Thüringens ........................................................................................212
ee) Informationelles Trennungsgebot?...............................................................212

aaa) Gutachten von Prof. Wolff................................................................212
bbb) Entscheidung des BVerfG vom 24. April 2013 zur

Antiterrordatei ..................................................................................213
ff) Quellenschutz ...............................................................................................215

b) Problematisierung der Verfassungsschutz-Quellenführung durch das
BKA – Positionspapier des BKA vom 3. Februar 1997 ....................................218

5. Militärischer Abschirmdienst (MAD) .....................................................................219

a) Aufgaben des MAD ...........................................................................................219
b) Beziehung zwischen LfV, BfV und MAD .........................................................220

6. Der Bundesnachrichtendienst ..................................................................................221

a) Aufgaben des BND ............................................................................................221
b) Aufsicht und parlamentarische Kontrolle ..........................................................221
c) Aufbau und Sitz des BND .................................................................................221
d) Grundlage und Arbeit des BND ........................................................................221
e) Zusammenarbeit mit anderen Behörden ............................................................222

7. Kooperationsformen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ............222

a) Überblick über Kooperationsformen und Gremien ...........................................222
aa) Innenministerkonferenz (IMK) ....................................................................222
bb) Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) ....................................222
cc) Gemeinsames Internetzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden

(GIZ) ............................................................................................................223
dd) Weitere Koordinierungsgremien ..................................................................223
ee) Kommunikationsdateien und-datenbanken ..................................................223

b) Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Kooperationsgremien .................224
aa) Trennungsgebot ...........................................................................................224
bb) Erfordernis einer Rechtsgrundlage zur datenschutzrechtlichen

Vereinbarkeit ...............................................................................................224
cc) Vorschläge ...................................................................................................224

IV. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch staatliche Stellen
seit Anfang der 90er Jahre .........................................................................................224

1. Einschätzung 1990 bis 2002 ....................................................................................224

a) Verfassungsschutzberichte des BfV 1990 bis 2002 ...........................................224
b) Sprechzettel für die PKK-Sitzungen am 29. April und am 27. Mai

1998 ...................................................................................................................225
c) Einschätzung durch die „Informationsgruppe Rechtsextremismus“

(IGR) .................................................................................................................226
aa) Tätigkeit der IGR .........................................................................................226
bb) Diskussion in der „Informationsgruppe Rechtsextremismus“ (IGR) ...........227

aaa) 18. IGR-Bund-/Ländertagung am 28./29. September 1999 ..............227
bbb) 19. IGR-Bund-/Ländertagung am 27./28. September 2000 ..............227
ccc) 20. IGR-Bund-/Ländertagung am 10./11. Januar 2001 .....................228
ddd) Gründe für unterschiedliche Bewertungen durch BfV und

BKA ..................................................................................................228
eee) Bewertung der Arbeit in der IGR .....................................................228

2. Einschätzung nach Verhinderung eines Anschlags durch „Kameradschaft
Süd“ 2003 ................................................................................................................229

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XVII – Drucksache 17/14600

a) Versuchter Anschlag durch „Kameradschaft Süd“ 2003 ...................................229
b) Einschätzung des BfV 2003: Gibt es eine braune RAF? ...................................229

aa) Antwortschreiben des BfV vom 14. September 2003 ..................................229
bb) Aussage des Zeugen Fritsche vor dem Untersuchungsausschuss ................230
cc) Aussage des Zeugen Fromm vor dem Untersuchungsausschuss .................230
dd) Aussagen der Zeugen Dobersalzka und Egerton vor dem

Untersuchungsausschuss ..............................................................................230
ee) Bewertung der damaligen Einschätzung durch den Zeugen Schily .............231

c) Bewertung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch
Verfassungsschutzbericht 2003 .........................................................................231

d) Arbeitstagung der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern
am 9. Oktober 2003 ...........................................................................................231

e) Einschätzung durch das BKA ............................................................................232
f) Bericht des BMI anlässlich der Münchner Vorkommnisse zur Sitzung

des Innenausschusses des Deutschen Bundestages ............................................233
g) Schlussfolgerungen der IGR ..............................................................................233

3. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21: Gefahr eines bewaffneten
Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis
2004 .........................................................................................................................234

4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus in
Verfassungsschutzberichten des BfV 2005 bis 2010 ..............................................236

5. Umgang mit Rechtsextremisten in der Bundeswehr ...............................................236

a) Rolle des MAD ..................................................................................................236
b) Werden Rechtsextremisten als Quellen des MAD geführt? ..............................237
c) Situation in den 90er Jahren ..............................................................................238
d) Untersuchungsausschuss „Rechtsextremismus in der Bundeswehr“

und anschließende Änderungen im Umgang mit Rechtsextremisten ................238
e) Umgang der Bundeswehr mit Rechtsex-tremisten aus dem Umfeld des

Trios...................................................................................................................239
aa) R. M. B.........................................................................................................240
bb) M. R. D. .......................................................................................................241
cc) André Eminger .............................................................................................241
dd) D. F. .............................................................................................................243
ee) A. G. .............................................................................................................243
ff) B. G. .............................................................................................................244
gg) M. G. ............................................................................................................244
hh) J. H. ..............................................................................................................244
ii) M. H. ............................................................................................................245
jj) Dr. Claus Nordbruch ....................................................................................246
kk) M. P. .............................................................................................................247
ll) David Petereit ..............................................................................................248
mm) T. Ro. ................................................................................................249
nn) T. R. .............................................................................................................250
oo) H.-J. S. .........................................................................................................251
pp) K. S. .............................................................................................................252
qq) T. S. ..............................................................................................................252
rr) Carsten Schultze...........................................................................................253
ss) S. T. ..............................................................................................................253
tt) R. W. ............................................................................................................254
uu) J. W. .............................................................................................................254

D. V-Leute und Gewährspersonen ............................................................................................257

I. V-Mann-Werbung und -Führung des LfV Thüringen ............................................257

1. Überblick .................................................................................................................257

2. Regelungen der Werbung und Führung von V-Leuten in Thüringen in den
90er-Jahren ..............................................................................................................257

3. Arbeitsweise des LfV Thüringen hinsichtlich der V-Mann-Werbung und -
Führung ...................................................................................................................258

4. Einfluss von Straftaten auf die Eignung als V-Person? ...........................................258

Drucksache 17/14600 – XVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Informationsfluss zwischen der StA Gera und
Verfassungsschutzbehörden außerhalb der Suche nach dem Trio ..........................259

6. Die V- und Gewährspersonen des LfV Thüringen im Umfeld des Trios im
Einzelnen .................................................................................................................259

a) VM 2045 „Otto“/VM 2150 „Oskar“ (Tino Brandt) ...........................................259
aa) Zur Person ....................................................................................................259
bb) Anwerbung ...................................................................................................260
cc) Einsatzgebiet von Tino Brandt .....................................................................261
dd) Erster Abschnitt der Tätigkeit als V-Mann („2045“/„Otto“) .......................261
ee) Erste Abschaltung ........................................................................................261
ff) Reaktivierung von Tino Brandt als VM 2150/„Oskar“ ................................262
gg) Zweite Abschaltung Tino Brandts ...............................................................262
hh) Nachbetreuung Brandts ................................................................................263
ii) Bewertung des Informationsgehalts der Meldungen Brandts ......................263
jj) Geld und Sachleistungen an Tino Brandt .....................................................265
kk) Ermittlungsverfahren gegen Brandt und eventuelle

Einflussnahmen des LfV ..............................................................................265
aaa) Gräfenthal-Verfahren ........................................................................266
bbb) Bedrohung von Polizeibeamten ........................................................267
ccc) „THS“-Verfahren ..............................................................................267
ddd) Angaben des Tino Brandt gegenüber Thorsten Heise.......................268
eee) Verdacht auf Einflussnahme des LfV im Übrigen ............................268
fff) Stellungnahmen der Mitarbeiter des LfV Thüringen ........................268

ll) Kenntnis des BfV über den Klarnamen der Quelle 2045/2150 ....................269
mm) Enttarnung Brandts ...........................................................................269

b) VM 2100 („Riese“/„Hagel“)..............................................................................270
c) VM „Küche“ ......................................................................................................271
d) „Alex“ ................................................................................................................272
e) Gewährsperson „Tristan“ ..................................................................................272
f) VM „Ares“.........................................................................................................273
g) VM „Günther“? .................................................................................................273
h) Weitere mögliche V-Leute ................................................................................274

II. Erkenntnisse und V-Leute des BfV ...........................................................................274

1. Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“ .........................................................................274

2. V-Leute des BfV mit möglichen Bezügen zum Trio ...............................................274

a) V-Mann Q1 ........................................................................................................274
aa) Kontakt mit Mundlos ...................................................................................275
bb) Eintragungen in den Kontaktlisten des Mundlos .........................................276
cc) Aktivitäten von Q1 im Zusammenhang mit dem „KKK“ ............................276
dd) Einschätzung der Quelle durch das BfV ......................................................276
ee) Vergütung von Q1........................................................................................277

b) V-Mann Q2 ........................................................................................................277
c) V-Mann Q3 ........................................................................................................277
d) Rolle der Fachprüfgruppe bei der V-Mann-Führung .........................................278
e) War Ralf Wohlleben ein V-Mann? ....................................................................278

aa) Dienstliche Erklärung von Dr. Förster vom 17. September 2012 ................278
bb) Berichte des BMI vom 5. Oktober 2012 und vom 18. November

2012 .............................................................................................................279
cc) Stellungnahme des Freistaates Thüringen vom 16. Oktober 2012 ...............280
dd) Zeugenaussagen von Dr. Förster ..................................................................280
ee) Ergebnis der Überprüfung der 76er-Liste ....................................................282

3. Hinweis des italienischen Geheimdienstes AISI .....................................................282

III. V-Leute des Verfassungsschutzes Brandenburg ......................................................283

1. Der V-Mann „Piatto“ des Verfassungsschutzes Brandenburg ................................283

a) Der V-Mann „Piatto“ .........................................................................................283
b) Vorleben des V-Mannes „Piatto“ vor dessen Anwerbung .................................284

aa) Verurteilungen vor 1994 ..............................................................................284
bb) „Ku-Klux-Klan“-Verfahren des Generalbundesanwalts ..............................284

aaa) Tatverdacht .......................................................................................284

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XIX – Drucksache 17/14600

bbb) Kreuzverbrennung in Halbe 1991 .....................................................284
ccc) Besitz von Sprengstoff ......................................................................284
ddd) Ausgang des Ermittlungsverfahrens des

Generalbundesanwalts ......................................................................284
cc) Mordversuch in Wendisch Rietz ..................................................................284
dd) Auswirkungen des Mordversuchs auf das Ermittlungsverfahren

des Generalbundesanwalts ...........................................................................287
c) Umstände der Verbindungsaufnahme des V-Mannes „Piatto“ zum

Verfassungsschutz Brandenburg .......................................................................287
aa) Kontaktaufnahme durch Szczepanski aus der Untersuchungshaft

heraus ...........................................................................................................287
bb) Umfang und Qualität der Quellenmeldungen ..............................................287
cc) Entlohnung des V-Mannes „Piatto“ .............................................................288

d) Mögliche Beweggründe des V-Mannes „Piatto“ für eine
Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz ...................................................288

e) Ablauf der Treffen mit „Piatto“ .........................................................................289
aa) Abholung von „Piatto“ an der JVA an den Tagen seines

Freiganges und „Verschaffung von Mobilität“ ............................................289
bb) Ausstattung mit einem Mobiltelefon ............................................................289

f) Bedenken gegen die Anwerbung innerhalb des Verfassungsschutzes
Brandenburg, Befragung einer außenstehenden Autoritätsperson durch

den Innenminister ..............................................................................................290
g) Erleichterungen bzgl. des Vollzugs der Haftstrafe/Vorzeitige

Entlassung aus der Haft .....................................................................................290
aa) Verdacht der Herstellung rechtsextremistischer Publikationen in

der JVA Brandenburg Ende 1996/Anfang 1997 – Maßnahmen
bzgl. „Piatto“ in diesem Zusammenhang .....................................................290
aaa) Der Verdacht als solcher ...................................................................290
bbb) Mögliche Beteiligung von „Piatto“ an der Herstellung der

Publikationen ....................................................................................290
ccc) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Brandenburg in

Bezug auf „Piatto“ ............................................................................291
bb) Erörterung einer möglichen Haftentlassung nach der Hälfte der

Haftzeit (gemäß § 57 Abs. 2 StGB) wegen der Aussage

Szczepanskis im sog. Dolgenbrodt-Prozess .................................................291
aaa) § 57 Abs. 2 Strafgesetzbuch .............................................................291
bbb) Aussage „Piattos“ im Dolgenbrodt-Prozess - Hintergrund ...............292
ccc) Entsprechende Zusage? ....................................................................292

cc) Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit entsprechend § 57 Abs. 1
StGB ............................................................................................................292
aaa) Voraussetzung einer Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit

gem. § 57 Abs. 1 StGB .....................................................................292
bbb) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts

Potsdam vom 1. Dezember 1999 ......................................................293
ccc) Mögliche Täuschung der Strafvollstreckungskammer unter

Mitwirkung des Verfassungsschutzes? .............................................293
ddd) Praktikum bei der Firma P. bereits im Jahr 1998? ............................294

h) Hinweise von „Piatto“ zum Trio/Artikel im Zine „White Supremacy“
durch eines der Mitglieder des Trios .................................................................294

i) Kontakte von Szczepanski nach Sachsen ..........................................................294
j) Weggang von Meyer-Plath Ende Oktober 1998 ................................................294
k) Enttarnung des V-Mannes „Piatto“ ...................................................................294
l) Änderung der Dienstvorschriften im Hinblick auf Vorstrafen von V-

Leuten ................................................................................................................295
2. Gruppierung „Nationalsozialistische Untergrundkämpfer Deutschlands“ ..............295

3. Toni S. .....................................................................................................................296

IV. V-Personen des Landeskriminalamts Berlin ............................................................297

1. VP 562 (Thomas Starke) .........................................................................................297

a) Persönlicher Hintergrund der VP 562 und Kontakte zu dem Trio .....................297
b) Anwerbung als V-Mann im November 2000 ....................................................298

Drucksache 17/14600 – XX – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

aa) Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit der rechtsextremen
Band „Landser“ ............................................................................................298
aaa) Das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts ......................298
bbb) Ermittlungen gegen Thomas Starke durch die

Staatsanwaltschaft Dresden ..............................................................298
bb) Anwerbevorgang im Zusammenhang mit der Vernehmung am 14.

November 2000 ............................................................................................299
aaa) Anwesenheit eines Beamten des LKA Berlin bei der

Vernehmung am 14. November 2000 in Dresden .............................299
bbb) Erörterung der Anwerbung innerhalb des LKA Berlin –

mögliches Telefonat mit dem Generalbundesanwalt ........................299
cc) Bedenken gegen die Anwerbung von Thomas Starke als V-Mann ..............300

aaa) Bedenken innerhalb des LKA Berlin ................................................300
bbb) Bedenken innerhalb des LKA Sachsen .............................................300
ccc) Mitteilung von beim LKA Sachsen vorliegenden Bedenken

an den Generalbundesanwalt/Ausräumen bestehender

Bedenken durch den Generalbundesanwalt ......................................301
dd) Zustimmung respektive Weisung des Staatsschutzes? .................................301
ee) Konsequenzen der Anwerbung von Thomas Starke für das

„Landser-Verfahren“ ....................................................................................302
ff) Feuerberg-Bericht ........................................................................................302

c) Hinweis der VP 562 mit Bezug zum Trio vom 13. Februar 2002 .....................303
aa) Meldung als solche und Ablauf des Treffens ...............................................303
bb) Weitergabe der Meldung durch den VP-Führer ...........................................303

aaa) Aktenlage ..........................................................................................303
bbb) Aussage des VP-Führers vor dem Untersuchungsausschuss ............304
ccc) Aussage des Zeugen Haeberer vor dem

Untersuchungsausschuss ...................................................................304
ddd) Untersuchung durch OStA Feuerberg ...............................................304
eee) Stellungnahme des LKA Thüringen .................................................305
fff) Aktenlage in Thüringen ....................................................................305

d) Weisungslage bzgl. der Weitergabe von VP-Informationen .............................306
e) Weitere Hinweise der VP 562 bzgl. Personen, die einen Bezug zum

Trio haben ..........................................................................................................306
f) Zusammenarbeit des Landes Berlin mit dem Untersuchungsausschuss

in Zusammenhang mit der VP 562 – Feuerberg-Gutachten des Landes
Berlin .................................................................................................................306
aa) Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses und

Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-1 durch das Land Berlin ............306
aaa) Beweisbeschluss BE-1 ......................................................................306
bbb) Beweisbeschluss BE-2 ......................................................................307

bb) Kenntniserlangung von der Existenz von VP 562 innerhalb des
LKA Berlin und Weitergabe an die Polizeiführung und an den

Senator für Inneres und Sport ......................................................................308
cc) Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Generalbundesanwalt

und der VP 562 ............................................................................................308
dd) Mitteilung des Generalbundesanwalts an den

Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungsausschusses .............................309
ee) Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-2 durch das Land Berlin ...........309

g) Einsetzung des Sonderermittlers OStA Feuerberg durch den Senator
für Inneres und Sport des Landes Berlin ...........................................................310

2. Weitere V-Personen des Landeskriminalamts Berlin ..............................................310

V. Erkenntnisse zu einer V-Person aus Bayern ............................................................311

E. Suche nach dem Trio .............................................................................................................313

I. Wohnungen des Trios nach dem Untertauchen aus heutiger Sicht ........................313

II. Maßnahmen des LKA Thüringen und anderer Polizeibehörden bei der
Suche nach dem Trio ..................................................................................................314

1. Rolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Fahndung .........................................314

2. Aufgabenverteilung innerhalb des LKA Thüringen ................................................315

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXI – Drucksache 17/14600

a) Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung zwischen Januar 1998 und
August 2001.......................................................................................................315
aa) Grundsätzliche Aufgaben der Zielfahndungsabteilung ................................315
bb) Aufgabenteilung zwischen der Zielfahndungsabteilung und der EG

„TEX“ ..........................................................................................................315
cc) Auslastung der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen

während der Suche nach dem Trio ...............................................................316
dd) Versagung personeller Unterstützung der Zielfahndungsabteilung .............316

b) Formale Beauftragung der Zielfahndungsabteilung nach dem 26.
Januar 1998? ......................................................................................................317
aa) Beauftragung der Zielfahndungsabteilung mit der Suche nach dem

Trio am 29. Januar 1998 ..............................................................................317
bb) Vorliegen eines Zielfahndungsantrags? .......................................................317

aaa) Notwendigkeit eines Zielfahndungsantrags ......................................317
bbb) Nichtvorliegen eines Zielfahndungsantrags ......................................318
ccc) Möglicher Hintergrund des Nichtvorliegens eines

Zielfahndungsantrags ........................................................................319
ddd) Mögliche Folgen des Nichtvorliegens eines

Zielfahndungsantrags ........................................................................319
c) Beendigung der Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung im August 2001 ...........320

3. Fahndungsmaßnahmen unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios im
Frühjahr 1998 ..........................................................................................................320

a) Weitere Durchsuchungen am 26. Januar 1998 ..................................................320
b) Absuche weiterer bekannter Anlaufstellen des Trios ........................................320
c) Fernsehsendung Kripo Live am 22. Februar 1998 .............................................320

aa) Hinweis auf Zimmer von Uwe Mundlos in Ilmenau ....................................320
bb) Hinweis auf D. F. aus Nürnberg ..................................................................320
cc) Hinweis auf Besuche in der JVA Waldheim ................................................321
dd) Hinweis auf die Gaststätte Zum Höller in Gera ...........................................321
ee) Hinweis auf die Nutzung des PKW von Ralf Wohlleben durch das

Trio ..............................................................................................................321
ff) Kurzobservationen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung .............322

d) Aufsuchen von Familienangehörigen ................................................................322
aa) 22. Februar 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe ....................................322
bb) 26. Februar 1998 – Mutter von Uwe Böhnhardt ..........................................322
cc) 18. März 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe ........................................322

aaa) Vermerk vom 19. März 1998 über das Treffen ................................322
bbb) Bitte des LfV Thüringen, nicht an Stefan A. heranzutreten ..............322

e) Telefonüberwachungsmaßnahmen ....................................................................323
f) Hinweis darauf, dass sich Personen in der Wohnung von Beate

Zschäpe aufhalten ..............................................................................................323
aa) Hinweis vom 9. März 1998 ..........................................................................323
bb) Hinweis vom 15. März 1998 ........................................................................324

g) Sonstige Fahndungsmaßnahmen in dieser Phase ...............................................324
aa) Fahndungsausschreibungen .........................................................................324
bb) Passsperre.....................................................................................................324
cc) Bankauskünfte .............................................................................................325
dd) Hinweis auf die Beerdigung des Großvaters von Uwe Böhnhardt ...............325
ee) Fahndungsmaßnahmen unter Einbeziehung der

Krankenversicherungen ...............................................................................325
ff) Hinweise auf einen Aufenthalt des Trios im Raum Köln im März

und im Mai 1998 ..........................................................................................325
gg) Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung ......................................325

4. Einsatz von Beamten des Bundeskriminalamts bei der EG „TEX“ im
Februar 1998 ...........................................................................................................326

a) Umfang der Tätigkeit.........................................................................................326
b) Situation bei der Ankunft der BKA-Beamten in Thüringen/Ablauf der

Zusammenarbeit/Kein Kontakt zur Zielfahndungsabteilung .............................326
c) Sammlung von Informationen im Rahmen der Zentralstellenfunktion

des BKA ............................................................................................................327

Drucksache 17/14600 – XXII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Unterstützung der Ermittlungen des LKA Thüringen/Keine Nennung
der Eigenschaft als BKA-Beamter bei der Abfassung von Vermerken .............327

e) Praktikum der Beamtin Beischer-Sacher beim LKA Thüringen im
Frühjahr 1997 ....................................................................................................328

5. Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Telefon- oder Adresslisten .......................328

a) Hintergrund........................................................................................................328
b) Inhalt der Adress- und Telefonliste ...................................................................328
c) Situation bei der EG „TEX“ im LKA Thüringen bei der Ankunft der

Beamten Brümmendorf und Beischer-Sacher ...................................................329
d) Auswertung des Asservats, in dem die Telefonliste enthalten war ....................329

aa) Konkrete Situation nach dem Auffinden der Liste durch KHK
Brümmendorf - Weitergabe der Telefonliste an den Leiter der EG

„TEX“, KHK Dressler? ...............................................................................329
bb) Vermerk vom 19. Februar 1998 ...................................................................330
cc) Die Abfassung des Vermerks vom 19. Februar 1998 ..................................331
dd) Übergabe des Vermerks vor Abreise am 26. Februar 1998 .........................331
ee) Benennung des Asservats (23.6 vs. 23 C) ....................................................332
ff) Weitere Asservate aus dem Pappkarton .......................................................332

e) Weitergabe der Telefonliste an die Zielfahndungsabteilung? ............................332
f) Auffinden einer weiteren Adress- und Telefonliste im Rahmen der

Ermittlungen durch das BKA nach dem 4. November 2011 .............................333
g) Unterrichtung des Untersuchungsausschusses durch das BKA in

diesem Zusammenhang .....................................................................................333
6. Briefe von Uwe Mundlos an inhaftierte Personen – Asservat 20.B.1 aus

der Garage an der Kläranlage ..................................................................................333

a) Auffindesituation ...............................................................................................333
b) Auswertung des Ordners ...................................................................................333
c) Inhalt der Briefe .................................................................................................334
d) Bewertung als mögliche Anlaufpunkte bzgl. der Flucht....................................334
e) Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu Thomas Starke und Torsten S.

haben .................................................................................................................335
7. Aufsuchen der Eltern von Uwe Mundlos durch Beamte des LKA

Thüringen und durch Mitarbeiter des LfV Thüringen im März 1998 .....................335

a) 6. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos .........................................................335
b) 18. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos – Vermerk vom 19. März

1998 ...................................................................................................................335
c) Kontakt des LfV Thüringen mit Eltern Mundlos am 11. März 1998

und Observationsmaßnahme ..............................................................................336
d) Aussagen der Zeugen zu diesem Vorgang .........................................................336

aa) Aussagen zum Besuch des LfV Thüringen bei Familie Mundlos ................336
bb) Aussagen zum Hinweis auf eine Zusammenarbiet des LfV

Thüringen mit Beate Zschäpe ......................................................................337
8. Anrufe bei Jürgen H. im März/April 1998 – Hinweise auf Aufenthalt in

Chemnitz bzw. in der Schweiz ................................................................................337

a) Anrufe im April 1998 bei Jürgen H. ..................................................................337
b) Anruf aus der Schweiz (Bereich Orbe/Yverdon) ...............................................338
c) Klärung der Identität des Anrufers und weitere Maßnahmen ............................340

9. Weitere Fahndungsmaßnahmen des LKA Thüringen zwischen März und
Dezember 1998 .......................................................................................................341

a) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen im Jahr 1998 .................................341
aa) Telefonüberwachung bei Jan Werner ...........................................................341

aaa) Hinweise auf Beteiligung von Jan Werner .......................................341
bbb) Überwachung des Festnetzanschlusses der Mutter von Jan

Werner ..............................................................................................341
ccc) Überwachung des Mobilfunkanschlusses von Jan Werner ...............342

bb) Telefonüberwachung bei Antje und Michael P., Limbach-
Oberfrohna ...................................................................................................343

cc) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen .................................................343
b) Observationsmaßnahmen ...................................................................................344

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXIII – Drucksache 17/14600

aa) Observation von Ralf Wohlleben am 22. April 1998 und im
August 1998 .................................................................................................344
aaa) 22. April 1998 ...................................................................................344
bbb) August 1998 ......................................................................................344

bb) Künstliche Nachfrage nach dem „Pogromly“-Spiel – Observation
von Jürgen H. Anfang August 1998 .............................................................344

c) Aufenthaltsermittlungen in Ungarn ...................................................................345
d) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika über Sofia .......................................345
e) Aufsuchen von Ralf Wohlleben und Juliane W. am 2. Juni 1998 .....................346
f) Weitere Ermittlungsmaßnahmen bis Ende 1998................................................346

aa) Einbruch in die Wohnung von Beate Zschäpe .............................................346
bb) Abarbeitung von Hinweisen.........................................................................347

10. Hinweise des V-Mannes Piatto bzgl. des Bestehens von Kontakten mit
Jan Werner und Antje P. – Besprechung hierzu in Brandenburg und
weitere Maßnahmen ................................................................................................347

11. Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr des Trios unter
Einschaltung von Rechtsanwälten ...........................................................................347

12. Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1999 ......................................................................347

a) Einzelne Fahndungsmaßnahmen .......................................................................347
aa) Abklärung der Anschriften von Thomas Starke, Hendrik L. und

Jan Werner in Chemnitz im April 1999 .......................................................347
bb) Hinweise im Mai 1999 bzgl. eines Aufenthalts in Rudolstadt .....................348
cc) Vernehmung von Jürgen H. in der Kaserne Mellrichstadt,

27. Mai 1999 ................................................................................................348
dd) Anschriftenüberprüfung im November 1999 in Jena ...................................349

b) Hintergründe für die geringe Fahndungsintensität in diesem Zeitraum .............349
13. Fahndungsmaßnahmen in Zusammenhang mit der Fernsehsendung Kripo

Live am 7. Mai 2000 ...............................................................................................349

a) Vorbereitung der Ausstrahlung unter Beteiligung anderer Stellen,
Hintergrund der Maßnahmen .............................................................................349

b) G 10-Maßnahmen ..............................................................................................352
c) Gewonnene Erkenntnisse ..................................................................................352

aa) Lichtbild einer Person vor dem Gebäude Bernhardstraße 11 .......................353
bb) Hinweis eines Berliner Polizeibeamten bzgl. des Aufenthalts von

Zschäpe und Mundlos in einem Biergarten in Berlin...................................354
cc) Weitere Hinweise .........................................................................................355
dd) Folgen des vor dem Wohnhaus von Mandy Struck

aufgenommenen Fotos .................................................................................355
14. Observationsmaßnahmen Ende September/Anfang Oktober 2000 in

Chemnitz .................................................................................................................355

a) Art und Umfang der Maßnahme ........................................................................355
b) Konkreter Ablauf und gewonnene Erkenntnisse ...............................................356

aa) Observation Kai S. .......................................................................................356
bb) Videoüberwachung Bernhardtstraße 11 durch das MEK Chemnitz ............356

c) Aufnahme von Beate Zschäpe während der Videoüberwachung der
Wohnung von Mandy Struck? ...........................................................................357

d) Parallele Observationsmaßnahmen des Landesamtes für
Verfassungsschutz Sachsen ...............................................................................357

e) Überprüfung von Anrufen aus Telefonzellen ....................................................358
15. Maßnahme am 23. Oktober 2000 in Chemnitz .......................................................359

a) Art und Umfang der Maßnahmen ......................................................................359
b) Hintergrund der Maßnahmen .............................................................................359
c) Bewertung der Fahndungssituation durch die Beteiligten .................................359
d) Vorbereitung der Maßnahmen am 23. Oktober 2000 ........................................360
e) Konkreter Ablauf der Maßnahmen ....................................................................360
f) Überprüfung des Anrufes aus der Telefonzelle .................................................361
g) Auswirkungen auf Maßnahmen des LfV Sachsen .............................................361

16. Weitere Fahndungsmaßnahmen im Zeitraum 2000 bis 21. August 2001 ................361

Drucksache 17/14600 – XXIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Observation in Seelze bei Hannover am 30. September/1. Oktober
2000 ...................................................................................................................361

b) Aufsuchen von Frauenärzten in Chemnitz.........................................................361
c) Hinweis auf Antreffen von Beate Zschäpe im Zug zwischen Bebra

und Eisenach im August 2000 ...........................................................................362
d) Grund dafür, dass es ansonsten nur wenige weitere Maßnahmen gab ...............362
e) Beendigung der Zielfahndung im August 2001 .................................................362

17. Fahndungsmaßnahmen August 2001 bis Juli 2003 .................................................362

a) Auswertung der bisherigen Maßnahmen nach Rückgabe der
Fahndungsakten an die EG „TEX“ ....................................................................362

b) Aufforderung zu weiteren Ermittlungen durch die
Generalstaatsanwaltschaft im Frühjahr 2002 und Reaktion hierauf. .................363
aa) Auftrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom

20. Februar 2002 und Reaktion der Staatsanwaltschaft Gera

hierauf ..........................................................................................................363
bb) Anregung von erneuten Zielfahndungsmaßnahmen durch das LKA

Thüringen im September 2002 .....................................................................363
aaa) Die Anregung vom 6. September 2002.............................................363
bbb) Die Reaktion der Staatsanwaltschaft nach der Anregung .................363

c) Intensivierung der Fahndungsmaßnahmen im Jahr 2002 ..................................364
aa) Zeitlicher Ablauf ..........................................................................................364
bb) Überprüfung von Personen ..........................................................................365

aaa) Jan Werner ........................................................................................365
bbb) Mandy Struck ...................................................................................366
ccc) Kai S. ................................................................................................367
ddd) Daniel H. ...........................................................................................367
eee) Torsten S. ..........................................................................................367
fff) Kay-Norman S. .................................................................................368
ggg) Weitere Personen ..............................................................................368

cc) Nachforschungen bei Behörden und Institutionen .......................................368
aaa) Ermittlungen bzgl. möglicher Telefonanschlüsse .............................368
bbb) Banken und Schutzgemeinschaft für allgemeine

Kreditsicherung ................................................................................368
ccc) Französische Fremdenlegion ............................................................368
ddd) Einschaltung der BKA-Verbindungs-beamten .................................369
eee) Bundeswehr ......................................................................................369
fff) MAD, BfV und BND ........................................................................369
ggg) Sonstige Stellen ................................................................................369

dd) Hinweise aus der Öffentlichkeit und deren Abarbeitung .............................369
aaa) Anonymer Anruf am 25. Juni 2002 und Observation der

Eltern von Uwe Böhnhardt zwischen dem 26. und

28. Juni 2002 .....................................................................................369
bbb) Hinweis auf Aufenthalt in Calgary/Kanada im Oktober/

November 2002 ................................................................................371
ccc) Hinweis auf Aufenthalt von Beate Zschäpe in München..................371

III. Erkenntnisse und Maßnahmen des LfV Thüringen und getroffene
Maßnahmen nach dem 26. Januar 1998 ...................................................................371

1. Aufgaben des LfV Thüringen..................................................................................371

2. Organisation des LfV Thüringen in den 1990er Jahren...........................................371

a) Informationswege im LfV Thüringen in den 1990er Jahren ..............................374
b) Rechtliche Vorgaben für die „Auswertung“ ......................................................375
c) Praxis der Auswertung in der Operation „Drilling“ ..........................................375

3. Erteilung eines eigenständigen Suchauftrags an das LfV Thüringen ......................378

4. Einschätzung der Gefährlichkeit des Trios durch das LfV Thüringen zum
Zeitpunkt des Untertauchens ...................................................................................379

5. Chronologie der Erkenntnisse des LfV Thüringen ..................................................379

6. Einzelne Maßnahmen des LfV Thüringen ..............................................................396

a) Information des BfV und der LfV über das Untertauchen –
Übersendung von Fotos des Trios .....................................................................396

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXV – Drucksache 17/14600

b) Kenntnis des LfV Thüringen von der in der Garage Nr. 5
aufgefundenen Adress- und Telefonliste ...........................................................396

c) Quellenmeldung über das Abschleppen des unfallbeschädigten
Fluchtwagens von der BAB A4 .........................................................................397

d) Observationen mit Amtshilfe des BfV...............................................................397
e) Amtshilfe durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz Berlin ...................398
f) Geldübergabe an Kapke in Coburg am 5. August 1998 ....................................399

aa) Chronologie der Schäfer-Kommission .........................................................399
aaa) 29. Juli 1998 .....................................................................................399
bbb) 12. August 1998 ................................................................................399

bb) Ergänzende Angaben des Zeugen Schrader hierzu .....................................399
cc) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika am 10. August 1998 ..................400

g) Meldungen einer Gewährsperson aus dem Umfeld von Ralf
Wohlleben .........................................................................................................400
aa) Die Meldungen als solche ............................................................................400
bb) Hinweise zur Identität der Hinweisgeberin ..................................................400

h) Hinweise des Brandenburger V-Mannes Piatto auf das Trio im
Zeitraum August bis Oktober 1998 ...................................................................401
aa) Darstellung im Schäfer-Gutachten ...............................................................401
bb) Die Meldungen des V-Mannes Piatto im Einzelnen ....................................401

aaa) Deckblattmeldung vom 19. August 1998 .........................................401
bbb) Deckblattmeldung vom 9. September 1998: .....................................401
ccc) Deckblattmeldung vom 16. September 1998 ....................................402
ddd) Deckblattmeldung vom 29. September 1998 ....................................402
eee) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998 ........................................402

cc) Besprechung in Potsdam bezüglich des weiteren Umgangs mit der
Information am 15. oder 16. September 1998 ..............................................402
aaa) Anlass und Datum der Besprechung .................................................403
bbb) Teilnahme von Vertretern des BfV an dem Gespräch ......................403
ccc) Inhalt der Besprechung .....................................................................403

dd) Weitergabe der Meldung durch Vertreter des LfV Thüringen an
das LKA Thüringen? ....................................................................................406

ee) Suchmaßnahmen im zeitlichen Zusammenhang mit den
Meldungen des V-Mannes Piatto .................................................................407
aaa) Maßnahmen des LKA Thüringen .....................................................407
bbb) Maßnahmen der LfV Thüringen und Sachsen ..................................408

ff) Weiterer Umgang des LfV Thüringen mit den Quellenmeldungen .............408
gg) Kontakt zwischen dem Mobiltelefon von Jan Werner und einem

Mobiltelefon des Landes Brandenburg ........................................................409
aaa) Zeitpunkt der Telefonverbindungen/Zeitpunkt und Inhalt

der SMS ............................................................................................409
bbb) Maßnahmen des LKA Thüringen im Hinblick auf die

festgestellten Kontakte ......................................................................410
ccc) V-Mann Carsten Szepanski des Landes Brandenburg als

Kommunikationspartner von Jan Werner .........................................410
ddd) Kurznachricht vom 25. August 1998 („Was ist mit den

Bums“) als Hinweis auf Waffenbeschaffung? ..................................410
i) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV Thüringen im Fall „Drillinge“

vom 15. Juni 1999 .............................................................................................411
j) Erkenntnisse und Quellenmeldungen zu Geldnöten des Trios und

deren Ende .........................................................................................................412
aa) Geldnöte des Trios .......................................................................................412
bb) Keine Geldsorgen mehr ...............................................................................414

k) Meldung vom 1. Februar 2000 („Dem Trio geht es gut“) .................................416
l) Observation eines Angehörigen der „Kameradschaft Jena“ in

Hannover durch das LfV-Niedersachsen in Amtshilfe für das LfV

Thüringen ..........................................................................................................416
m) Hinweis auf Jürgen H.: Meldung des MAD vom 6. Dezember 1999,

die „drei Bombenbastler“ bewegten sich auf der Stufe von
Rechtsterroristen ................................................................................................417

n) Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme bei Wohlleben ..........................................417

Drucksache 17/14600 – XXVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

o) Kontaktaufnahme des Trios zur Quelle 2045 – Observation von
Telefonzellen in Chemnitz .................................................................................418

7. Ende der Suchmaßnahmen des LfV Thüringen - Hintergründe ..............................418

8. Rückkehrverhandlungen des LfV Thüringen mit den Familien des Trios ..............419

a) Kontaktaufnahme am 11. März 1998 ................................................................419
b) Rückkehrverhandlungen zwischen Oktober 1998 und März 1999 ....................420

aa) Aussteiger-Gespräche mit der Familie Böhnhardt im Oktober und
November 1998 ............................................................................................420

bb) Mitteilung an den Rechtsanwalt im Dezember 1998, dass die
Überwachungsmaßnahmen ruhen ................................................................420

cc) Schreiben von Rechtsanwalt Eisenecker für Beate Zschäpe ........................421
dd) Gespräch zwischen den Eltern von Uwe Böhnhardt und StA

Mohrmann am 29. Februar 1999 ..................................................................421
ee) Gespräch zwischen dem Vizepräsidenten des LfV Thüringen,

Nocken, und der Staatsanwaltschaft Gera ....................................................421
ff) Ende der Rückkehrverhandlungen im März 1999 ........................................422

9. Zusammenarbeit des LfV Thüringen mit dem LKA Thüringen ..............................422

a) Ansprechpartner für das LfV Thüringen im LKA Thüringen ............................422
b) Vereinbarungen zur Zusammenarbeit ................................................................423
c) In den Akten des LKA Thüringen dokumentierte

Informationserlangung durch das LfV Thüringen .............................................424
d) In den Akten des LfV Thüringen dokumentierte

Informationsweitergabe an das LKA Thüringen ...............................................424
e) Diskrepanz der Zeugenaussagen in Bezug auf den Umfang der

Informationsweitergabe durch das LfV Thüringen an das LKA

Thüringen ..........................................................................................................426
f) Sicherheitslage im Innenministerium Thüringen ...........................................428

10. Verdacht der Unterstützung des Trios durch das LfV Thüringen ...........................428

a) Brief des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das LfV im Jahr
1999 ...................................................................................................................428

b) Vermerk des Zielfahnders Wunderlich vom 14. Februar 2001 .........................429
aa) Inhalt des Vermerks .....................................................................................429
bb) Grund für die Erstellung des Vermerks .......................................................429
cc) Hintergrund und Entstehung dieser Vermutung...........................................429
dd) Aussagen zu Gespräch und Vermerk ...........................................................429

c) Weiterverbreitung der im Vermerk niedergelegten Punkte durch den
Leiter der Zielfahndungsabteilung .....................................................................430
aa) Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera beim LKA Thüringen vom

15. November 2001 und Antwort hierauf vom 29. November 2001 ............430
bb) Eingang der mitgeteilten Erkenntnisse in den Berichtsvorgang des

Thüringischen Justizministeriums ................................................................431
d) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom 23. Oktober 2002 .............................431
e) Überprüfung der Vorwürfe in den Jahren 2001 und 2002 durch den

damaligen Präsidenten des LfV Thüringen Sippel ............................................431
11. Verdacht der logistischen Unterstützung des Trios durch die Polizei in

Thüringen ................................................................................................................432

a) Untersuchung der fehlgeschlagenen Garagendurchsuchung durch das
LfV Thüringen ...................................................................................................432

b) Konkreter Verdacht auf Geheimnisverrat und Kontakte von Thüringer
Polizeibeamten zu Rechtsextremisten in den Jahren 1999 und 2000 ................434
aa) „Fitnessstudio“ .............................................................................................434
bb) „Stan“ ..........................................................................................................434
cc) Tod auf Kreta ...............................................................................................435
dd) „Polizist 2“/„K.“ .........................................................................................435

12. Ausübung der Fachaufsicht über das LfV Thüringen .............................................436

13. Mögliche Abgabe des gesamten Falles durch das LfV Thüringen an das
LfV Sachsen ............................................................................................................437

IV. Maßnahmen des LfV Sachsen bei der Suche nach dem Trio ..................................437

1. Maßnahmen in den Jahren 1998-1999 ....................................................................437

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXVII – Drucksache 17/14600

2. Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 12“ ...................................................................440

3. Weitere Maßnahmen ...............................................................................................442

4. Benachrichtigung nach dem G 10-Gesetz ...............................................................443

5. Kontakte des LfV Sachsen zu Thomas Starke.........................................................444

6. Aktenfund im LfV Sachsen im Juni 2012 ...............................................................444

7. Bewertung der Maßnahmen des LfV Sachsen durch sächsische Stellen .................445

V. Tätigkeiten des BfV im Rahmen der Suche nach dem Trio ....................................446

1. Mitteilungen an das BfV .........................................................................................447

2. Tätigkeiten des BfV aufgrund der genannten Mitteilungen ....................................448

a) Bericht in der ND-Lage am 17. Februar 1998 ...................................................448
b) Befragung der V-Leute im Februar/März 1998 .................................................448

aa) V-Mann „Q1“ ..............................................................................................448
bb) V-Mann „Q2“ ..............................................................................................448
cc) V-Mann „Q3“ ..............................................................................................449
dd) Sonstige V-Leute .........................................................................................449
ee) Zusammenfassung der Erkenntnisse ............................................................449

c) Weitere Maßnahmen? ........................................................................................449
d) Bewertung der Maßnahmen des BfV durch die Referatsleiterin

Dobersalzka .......................................................................................................451

VI. Erkenntnisse des MAD zum untergetauchtenTrio ..................................................451

1. Überblick .................................................................................................................451

2. Einzelne Hinweise auf das Trio...............................................................................452

a) Lagen dem MAD Hinweise auf eine angeblich geplante Flucht des
Trios nach Südafrika vor? ..................................................................................452

b) Hinweise des MAD auf mögliche Kontaktpersonen des Trios aus einer
Erkenntnismitteilung des BfV vom Juli 1999 ....................................................452

c) Hinweise aus einer Befragung von Jürgen H. vom August 1999 ......................452
d) Hinweise auf den Vertrieb des Spiels „Pogromoly“ vom Dezember

1999 ...................................................................................................................453
e) Hinweise des MAD zum angeblichen „Tod der Bombenbastler auf

Kreta“ vom Dezember 1999 ..............................................................................453
f) Hinweise aus einer Befragung des Nico E. durch den MAD im April

2000 ...................................................................................................................453
g) Bericht des MAD zu einer geplanten Kampagne des „THS“ mit

Bezügen zum Trio .............................................................................................453
h) Hinweis des Tibor R. an den MAD auf Kontaktpersonen zum Trio von

Ende 2000 ..........................................................................................................453
i) Bericht des MAD mit Hinweisen zu Plänen des „THS“ und einer

möglichen Beteiligung Böhnhardts und Mundlos .............................................454
j) Hinweise aus einer Befragung des A. K. vom Oktober 2002 ............................454

3. Hat sich der MAD gezielt an der Suche nach dem Trio beteiligt? ..........................455

4. Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden .....................................455

5. Weitergabe von Hinweisen an Staatsanwaltschaften oder LKA? ...........................456

VII. Erkenntnisse des BND zum untergetauchten Trio ..................................................456

1. Beteiligung des BND an der Suche nach dem Trio im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Abtauchen .......................................................................456

2. Informationsaustausch im Verlauf der Suche nach dem Trio .................................457

3. Hinweise auf eine Flucht des Trios nach Südafrika ................................................458

4. Vorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Rechtsextremisten ......................458

a) Hinweis des italienischen Geheimdienstes aus 2003 .........................................458
b) Weitere relevante Vorfälle im Ausland .............................................................459

5. Mitglieder des Trios als V-Personen des BND? ......................................................459

VIII. Kenntnisse staatlicher Stellen in Baden-Württemberg zum Verbleib des
Trios .............................................................................................................................460

1. Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg ...........................................................460

Drucksache 17/14600 – XXVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Kontakte des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-
Württemberg ......................................................................................................460
aa) Michael E. ....................................................................................................460
bb) Barbara E. ....................................................................................................461
cc) Hans-Joachim S. ..........................................................................................461

b) Weitere Aufenthalte des Trios in Baden-Württemberg nach ihrem
Untertauchen......................................................................................................462

c) Kontakte des Umfeldes des Trios nach Baden-Württemberg ............................463
d) Kontakte des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Szene in

Baden-Württemberg ..........................................................................................463
aa) Sylvia F. .......................................................................................................463
bb) Hinweise auf weitere Kontaktpersonen .......................................................464

2. Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem
Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg .............464

a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-
Württemberg durch das LfV Baden-Württemberg ............................................464

b) Mangelnder Zugang des LfV Baden-Württemberg zur rechten Szene
im Raum Ludwigsburg ......................................................................................466

c) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum „Thüringer
Heimatschutz“ und zum Trio .............................................................................466

d) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu den Personen der
Garagenliste und zu weiteren Kontaktpersonen des Trios aus

Ludwigsburg ......................................................................................................467
e) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten zwischen

Rechtsextremisten aus Baden-Württenberg, Thüringen und Sachsen ...............467
f) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten des Trios nach

Baden-Württemberg ..........................................................................................468
g) Hinweisgeber Günter Stengel (Vorgang Erbse) ................................................468

aa) Sachverhalt ...................................................................................................468
bb) Bewertung des Sachverhaltes durch die Zeugen Dr. Rannacher,

Schmalzl und Neumann ...............................................................................470
cc) Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses ........................................471
dd) Einsichtnahme in Haftakten .........................................................................472

3. Kenntnisse des Staatsschutzes Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem
Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg .............472

a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-
Württemberg durch den Staatsschutz ................................................................472

b) Kenntnisse des LKA Baden-Württemberg zum Trio und zum
Unterstützerumfeld ............................................................................................472

c) Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu „Blood & Honour“
gewonnene Erkenntnisse ...................................................................................472

4. Zusammenarbeit zwischen LKA Baden-Württemberg und LfV Baden-
Württemberg ...........................................................................................................474

IX. Prüfung von § 129a StGB und der Zuständigkeit des GBA ....................................474

1. Rechtliche Grundlagen ............................................................................................474

2. Prüfung des § 129a StGB durch die StA Gera ........................................................475

3. Prüfung des § 129a StGB durch den GBA ..............................................................475

a) Der ARP-Vorgang .............................................................................................475
b) Die interne Evaluation des GBA .......................................................................477

4. Bewertung im Gutachten der Thüringer Kommission ............................................478

X. Weitere Tätigkeit der StA Gera nach dem Untertauchen des Trios ......................479

1. Keine Hinzuverbindung des Verfahrens wegen Auffindens von
Briefbombenattrappen .............................................................................................479

2. Mögliche verjährungsunterbrechende Maßnahmen ................................................479

a) Haftbefehlsneufassung vom 23. Juni 1998 ........................................................479
b) Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2000 .......................................................479
c) Weitere Unterbrechungsmaßnahmen .................................................................480

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXIX – Drucksache 17/14600

3. Einstellung des Verfahrens gegen das Trio wegen Verjährung zum 23.
Juni 2003 .................................................................................................................480

4. Behandlung des Verfahrens gegen die weiteren Beschuldigten ..............................482

XI. Eintritt der Vollstreckungsverjährung bzgl. Uwe Böhnhardt aus der
Verurteilung im Puppentorso-Verfahren im Jahr 2007 – Erlass eines
Vollstreckungshaftbefehls und Suchmaßnahmen ....................................................482

1. Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungsverjährung .............................................482

2. Möglichkeit eines Haftbefehls während des Strafverfahrens gemäß § 112
StPO ........................................................................................................................482

3. Möglichkeit eines Vollstreckungshaftbefehls gemäß § 457 StPO ..........................483

4. Fahndungsmaßnahmen auf Grundlage des Vollstreckungshaftbefehls nach
dem 23. Juni 2003 ...................................................................................................483

XII. Erkenntnisse staatlicher Stellen in Sachsen von 2005 bis 2008 ...............................483

1. Polizeiliche Ermittlungen zu einem Wasserschaden in der Polenzstraße 2
in Zwickau am 7. Dezember 2006...........................................................................483

2. Operation „Grubenlampe“ des LfV Sachsen ...........................................................486

3. Staatsschutz-Erkenntnisse der PD Zwickau ............................................................487

XIII. Erkenntnisse des BKA aus der Sicherstellung von Tonbändern im Jahr
2007 ..............................................................................................................................487

F. Česká–Mordserie ...................................................................................................................491

I. Überblick .....................................................................................................................491

1. Mord an Enver Şimşek am 9. September 2000 .......................................................491

2. Mord an Abdurrahim Özüdoğru am 19. Januar 2001 ..............................................491

3. Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 ......................................................491

4. Mord an Habil Kılıç am 29. August 2001 ...............................................................492

5. Mord an Mehmet Turgut 25. Februar 2004 .............................................................492

a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler ...........................492
b) Problem der Identität des Opfers .......................................................................493

6. Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005....................................................................493

7. Mord an Theodoros Boulgarides 15. Juni 2005 ......................................................493

8. Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 ..........................................................494

a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler ...........................494
b) Schweigemarsch in Dortmund ...........................................................................495

9. Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006..................................................................495

a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler ...........................495
b) Schweigemarsch in Kassel ................................................................................496

II. Ermittlungen bis zum 4. Mord ..................................................................................496

1. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Enver Şimşek .................................496

a) Die Ermittlungen ...............................................................................................496
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes (Hinweis des

bayerischen Innenministers Dr. Beckstein) .......................................................496
2. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru ...................497

3. Ermittlungen in Hamburg nach dem Mord an Süleyman Taşköprü ........................497

a) Ermittlungsansätze ............................................................................................498
b) An den Ermittlungen beteiligte Einheiten .........................................................499
c) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes ..........................................499

4. Ermittlungen in München nach dem Mord an Habil Kılıç ......................................499

5. Ermittlungstätigkeiten des BKA und ihre rechtlichen Grundlagen .........................499

a) Zentralstelle gemäß § 2 BKAG .........................................................................500
b) § 4 BKAG Strafverfolgung ................................................................................501

aa) Eigene Ermittlungszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 1 BKAG ........................501
bb) Auftragszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 2 BKAG .........................................502

c) Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG ..............................502

Drucksache 17/14600 – XXX – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Beteiligung des BKA an den Ermittlungen vor Gründung der EG „Česká“ ...........503

III. Ermittlungen ab dem vierten Mord ..........................................................................504

1. Einrichtung der Soko „Halbmond“ im Jahr 2001 ....................................................504

2. Ermittlungen in Rostock nach dem Mord an Mehmet Turgut .................................504

3. Ermittlungen aufgrund des Ermittlungsansatzes Spezialmunition ..........................505

4. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch
das BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2004 ..............................................................507

a) Entscheidungsprozess und zentrale Besprechungen nach Aktenlage ................508
aa) Arbeitsbesprechung in Rostock am 16. März 2004 .....................................508
bb) Telefonat eines Mitarbeiters des LKA Mecklenburg-Vorpommern

mit einem Mitarbeiter des BKA am 31. März 2004 .....................................508
cc) Telefonkonferenz zwischen PP Mittelfranken und Bayerischem

Staatsministerium des Innern am 14. April 2004 .........................................508
dd) Besprechung beim BKA in Wiesbaden am 20. April 2004 und

Reaktionen der Länder hierauf .....................................................................509
ee) Besprechung bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am

29. April 2004 und Schreiben des PP Mittelfranken an das

Bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellung eines

Übernahmeersuchens ...................................................................................510
ff) Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das

BKA um Übernahme ergänzender struktureller Ermittlungen unter

dem Gesichtspunkt des § 129 StGB gemäß

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG vom 15. Juni 2004 ......................................511
b) Aussagen der Zeugen.........................................................................................512

5. Beauftragung mit Strukturermittlungen unter dem Gesichtspunkt des
§ 129 StGB durch die EG „Česká“ beim BKA am 23.06.2004 ..............................514

a) Ermittlungsschwerpunkt „Organisierte Kriminalität“ .......................................515
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes der Taten ..........................516

6. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an İsmail Yaşar ...................................518

7. Ermittlungen in München nach dem Mord an Theodoros Boulgarides ...................518

IV. Ermittlungen nach dem sechsten und siebten Mord ...............................................519

1. Einrichtung der BAO „Bosporus“ und Ermittlungen bis 2006 ...............................519

a) Aufbau der BAO „Bosporus“ ............................................................................519
b) Beginn der Arbeit der BAO „Bosporus“ ...........................................................522
c) Prüfung der Zusammenhänge mit dem Kölner Nagelbombenanschlag

vom 9. Juni 2004 ...............................................................................................524
d) Prüfung einer rechtsextremen Tatmotivation vor 2006 .....................................525
e) Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzämtern vor der 2. OFA 2006 ..............526
f) München ............................................................................................................527

2. Mitarbeit des BKA in der BAO „Bosporus“ ab Juli 2005 .......................................527

a) Einbindung von Verbindungsbeamten...............................................................527
b) Öffentlichkeitsarbeit ..........................................................................................527

3. EDV-technische Vernetzung der beteiligten Dienststellen .....................................527

4. Die 1. Operative Fallanalyse Bayern vom 22. August 2005 und die
Haltung des BKA dazu ............................................................................................529

a) 1. Operative Fallanalyse vom 22. August 2005 .................................................529
b) Weitere Überlegungen .......................................................................................529

5. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Dönerstände .................................................530

a) in Nürnberg ........................................................................................................530
b) in München ........................................................................................................531

V. Ermittlungen nach den letzten beiden Morden der Česká-Serie ............................531

1. Ermittlungen in Dortmund nach dem Mord an Mehmet Kubaşık (BAO
„Kiosk“) ..................................................................................................................531

a) Die Ermittlungen ...............................................................................................531
b) Hinweise nach dem 4. November 2011 auf das Trio .........................................532

2. Ermittlungen in Kassel nach dem Mord an Halit Yozgat (MK „Café“) ..................533

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXI – Drucksache 17/14600

3. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch
das BKA im Jahr 2006 ............................................................................................534

a) Zentrale Besprechungen und Vorlagen im Vorfeld der 180. IMK am
4./5. Mai 2006....................................................................................................534
aa) Besprechung bei der BAO „Bosporus“ am 11. April 2006 ..........................534
bb) ND-Lage am 12. April 2006 ........................................................................534
cc) Strategiebesprechung vom 19. April 2006 ...................................................534
dd) Gespräch des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit den Chefs

der Landeskriminalämter Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-

Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein

vom 20. April 2006 ......................................................................................535
ee) Telefonat des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit dem

Landespolizeipräsidenten Bayerns am 21. April 2006 .................................536
ff) Gespräche des Vizepräsidenten und des Präsidenten des

Bundeskriminalamtes mit Vertretern des BMI am 20. und

21. April 2006 ..............................................................................................536
gg) Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom

26. April 2006 ..............................................................................................537
hh) Haltung der BAO „Bosporus“ im April 2006 ..............................................537
ii) Schreiben des Bundeskriminalamtes an das BMI mit der Anregung

der Übernahme zentraler Ermittlungen vom 2. Mai 2006 ............................538
jj) Ministervorlage des BMI vom 3. Mai 2006 – Erhöhung der

Belohnung ....................................................................................................540
kk) Einladung des Landespolizeipräsidenten Bayerns vom 2. Mai 2006

zu einer Erörterung am Rande der 180. IMK am 4./5. Mai 2006 .................541
b) Aussagen der Zeugen zur Meinungsbildung im Vorfeld der 180. IMK ............541

aa) Argumente des BKA für eine Übernahme der zentralen
Ermittlungen nach Aussagen der Zeugen ....................................................541

bb) Argumente der Länder gegen eine zentrale Ermittlungsführung
durch das BKA im Jahr 2006 nach Aussagen der Zeugen ...........................544

cc) Haltung Bayerns zur weiteren Ermittlungsführung in der Česká-
Mordserie im Vorfeld der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen ................545

dd) Haltung des Bundesministeriums des Innern zu einer zentralen
Ermittlungsführung durch das BKA im Vorfeld der 180. IMK nach

Aussagen der Zeugen ...................................................................................547
c) Die 180. IMK vom 4./5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen ........................549

aa) Vereinbarungen auf der IMK .......................................................................549
bb) Einrichtung einer Steuerungsgruppe ............................................................549

aaa) Entscheidungsfindung im Rahmen der 180. IMK ............................549
bbb) Bewertung der Entscheidung für eine Steuerungsgruppe

durch die Zeugen im Jahr 2006 .........................................................553
d) Gespräche im Nachgang zur IMK .....................................................................556

4. Überlegungen zu einer Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18
BKAG .....................................................................................................................556

5. Konstituierung und Arbeit der Steuerungsgruppe ...................................................557

a) Konstituierung der Steuerungsgruppe am 17./18. Mai 2006 .............................557
b) Struktur, Aufgaben, Sitzungsrhythmus ..............................................................557
c) Tätigkeit der Steuerungsgruppe .........................................................................558

6. Errichtung einer Informationssammelstelle in Nürnberg ........................................558

7. Erhöhung der Auslobungssumme und Beteiligung des BKA .................................559

8. Die zweite Operative Fallanalyse Bayern vom 9. Mai 2006, die Haltung
des BKA dazu und Schlussfolgerungen daraus .......................................................560

a) Aussagen der zweiten Operativen Fallanalyse ..................................................560
b) Bewertung der zweiten Operativen Fallanalyse durch die

Steuerungsgruppe ..............................................................................................561
c) Haltung des BKA zur zweiten Operativen Fallanalyse .....................................561

aa) Synopse des BKA vom 17. August 2006 .....................................................561
bb) Weitere Einschätzung des BKA ...................................................................563
cc) Tätigkeiten des BKA mit Blick auf die Einzeltätertheorie ...........................563

d) OFA-Methodenstreit ..........................................................................................565

Drucksache 17/14600 – XXXII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) Die Ermittlungskonzeption aufgrund der 2. Operativen Fallanalyse .................565
9. Die Medienstrategie ................................................................................................569

a) Möglicher rechtsextremer Hintergrund der Mordserie nicht
Gegenstand der Medienstrategie ........................................................................570

b) Bewertung der Medienstrategie durch die Steuerungsgruppe ...........................571
10. Kritik im Ausschuss an der 2. Operativen Fallanalyse und der

Medienstrategie .......................................................................................................573

11. Einflussnahme des damaligen Bayerischen Innenministers Dr. Beckstein? ...........573

12. Weitere Operative Fallanalysen ..............................................................................575

a) Die Operative Fallanalyse Hamburg .................................................................575
b) Die Operative Fallanalyse Baden-Württemberg und daran

anschließende Diskussionen ..............................................................................575
c) Die FBI-Kurzanalyse .........................................................................................577
d) Vergleichende Operative Fallanalyse Mordserie –

Nagelbombenanschlag .......................................................................................578
13. Ermittlungen nach der 2. OFA – Ermittlungsabschnitt Einzeltäter und

Spur 195 ..................................................................................................................579

a) Gewichtung der Ermittlungsschwerpunkte ........................................................579
b) Spur 195 ............................................................................................................579

aa) Beginn ..........................................................................................................579
c) Gefährderansprachen .........................................................................................580
d) Zusammenarbeit mit dem LfV Bayern ..............................................................580

aa) Informationsgewinnung der BAO „Bosporus“ beim LfV Bayern
von Juli 2006 bis Februar 2007 ....................................................................580

bb) Die Ermittlungen anhand der vom LfV Bayern übersandten Liste ..............585
e) Sonstige Ermittlungen des Unterabschnittes „Serientäter“ ................................586
f) Abschluss der Spur 195 .....................................................................................586

14. Rasterungen .............................................................................................................586

15. Weitere Ermittlungsmaßnahmen und Zusammenarbeit mit türkischen
Behörden .................................................................................................................588

a) Öffentlichkeitsarbeit ..........................................................................................588
b) Möglicher Zusammenhang der Mordserie mit der Tat in Heilbronn .................588
c) Sonstige Überlegungen zu Ermittlungsansätzen ................................................589
d) Zusammenarbeit mit türkischen Behörden ........................................................589

aa) Hinweise auf eine Täterschaft der „Türkischen Hizbullah“ .........................589
bb) Sonstige Kontakte zu türkischen Behörden .................................................590

16. Ermittlungen in Hamburg (EG „061“) und Zusammenarbeit mit BAO
„Bosporus“ ..............................................................................................................591

a) Ermittlungsstand und Ermittlungsansätze .........................................................591
b) Zusammenarbeit mit LfV Hamburg ..................................................................592
c) Einsatz eines Metaphysikers ..............................................................................593

17. Ermittlungen in Rostock (Soko „Kormoran“) und Zusammenarbeit mit
BAO „Bosporus“ .....................................................................................................593

18. Überlegungen zu einer Übernahme zentraler Ermittlungen durch das
BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2007 .....................................................................595

19. Auflösung der EG „Česká“ und Rückzug des BKA aus der
Steuerungsgruppe im Mai 2010 ..............................................................................598

20. Überlegungen im Hinblick auf die Ermittlungen in einem möglichen 10.
Mordfall ..................................................................................................................600

VI. Rückblickende Bewertung der Ermittlungen durch die Beteiligten ......................601

1. Organisation der Ermittlungen – Koordinierung der polizeilichen
Zusammenarbeit durch eine Steuerungsgruppe .......................................................601

a) Bewertung im Erfahrungsbericht des Leiters der BAO „Bosporus“ .................601
b) Bewertung durch andere Mitglieder der Steuerungsgruppe aus den

Tatortländern .....................................................................................................602
c) Bewertung durch das BKA ................................................................................603
d) Bewertung durch das BMI .................................................................................604

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXIII – Drucksache 17/14600

2. Gründe für die Nichtaufklärung der Mord-serie......................................................605

3. Einschätzung eines Handlungsbedarfs beim BKA-Gesetz ......................................607

VII. Sonderfragen zu den Ermittlungen ...........................................................................609

1. Waffenspur ..............................................................................................................609

a) Feststellung von Tatwaffe und Munition ...........................................................610
b) Ermittlungen durch das BKA ab Juni 2004 .......................................................611
c) Die Spur Česká mit verlängertem Lauf (Gutachten des BKA vom 22.

Mai 2006) ..........................................................................................................612
aa) Ergebnis des BKA-Gutachtens ....................................................................612
bb) Rechtshilfeersuchen und sonstige Ermittlungen bei der Firma

Česká Zbrojovka in Brünn ...........................................................................612
aaa) Ermittlungen zur Česká mit verlängertem Lauf ................................612
bbb) Beschwerdebrief des Bayerischen Staatsministeriums des

Innern an das tschechische Innenministerium ..................................614
cc) Ermittlungen in die Schweiz ab 2006 ..........................................................615

aaa) Hinweis von Lothar M. im Jahr 2006 ...............................................615
bbb) Ermittlungen in der Schweiz.............................................................617
ccc) BKA-Gutachten vom 11. September 2008 .......................................618
ddd) Spur Anton G. ...................................................................................618
eee) Dauer der Rechtshilfeersuchen in die Schweiz .................................619

d) Zusammenarbeit mit dem BND .........................................................................620
2. Durch die Ermittlungen ausgeräumter Verdacht gegen einen Mitarbeiter

des LfV Hessen .......................................................................................................622

a) Verdacht der Verstrickung eines Behördenmitarbeiters ....................................622
aa) Ermittlungen gegen Andreas Temme...........................................................622
bb) Kontakte des Andreas Temme zu seinen V-Personen am Tattag .................623
cc) Bemühungen der Ermittlungsbehörden zur Vernehmung der V-

Personen von Andreas Temme ....................................................................623
aaa) Rechtliche Grundlagen .....................................................................623
bbb) Nichterteilung einer Aussagegenehmigung für die

Vernehmung der von Andreas Temme geführten V-

Personen ...........................................................................................624
ccc) Gründe für die Verweigerung der Aussagegenehmigung .................630

dd) Befragung der Vertrauenspersonen durch das LfV Hessen .........................630
ee) Sonstige Ermittlungen zu den Vertrauenspersonen......................................631

b) Vernehmung des Andreas Temme im Ausschuss ..............................................631
3. Zentrale staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit? .....................................................633

a) Sammelverfahren ...............................................................................................633
b) Zuständigkeit Generalbundesanwaltschaft ........................................................634

aa) Prüfung der Voraussetzungen durch die Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth ............................................................................................634

bb) Prüfung der Voraussetzungen durch den GBA ............................................636
cc) Erkenntnisse des Ausschusses .....................................................................637

aaa) Fehlinterpretation des Tatmotivs ......................................................637
bbb) Ausreichende Tatsachengrundlage für die Prüfung? ........................637

dd) Weitere Prüfung der Übernahme des Verfahrens durch den GBA
nach neuem Hinweis ....................................................................................638

G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A. ........................................639

I. Überblick über Tatgeschehen und Ermittlungen.....................................................639

II. Operative Fallanalysen ...............................................................................................640

III. Handelte es sich um Zufallsopfer? ............................................................................641

IV. Suche nach einer unbekannten weiblichen Person (uwP) .......................................642

V. Tatverdacht gegen Angehörige der Minderheiten Sinti und Roma .......................642

VI. Zusammenarbeit mit anderen Behörden ..................................................................644

VII. Im Ausschuss beleuchtete mögliche Ermittlungspannen ........................................645

1. Späte Auswertung von blutigen Taschentüchern ....................................................645

Drucksache 17/14600 – XXXIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Zeugenaussagen von besonderem Interesse ............................................................646

a) Zeugen, die Personen mit Blutflecken an der Kleidung gesehen haben ............646
b) Zeugin, die Schüsse hörte ..................................................................................647
c) Umgang mit diesen Zeugen ...............................................................................647

3. Ringfahndung ..........................................................................................................647

a) Ablauf Ringalarmfahndung ...............................................................................647
b) Auswertung der Kontrolllisten ..........................................................................648
c) Wohnmobil-Mietvertrag ....................................................................................648

4. Auswertung des E-Mail-Kontos ..............................................................................649

5. Gutachten zum Schussverlauf .................................................................................649

6. Verspätete Auswertung von Videoaufzeichnungen ................................................649

VIII. Hinweis des Onkels von Michèle Kiesewetter ..........................................................650

IX. Angebliche Hinweise der Auskunftsperson und späteren Informantin
Krokus an das LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007 ........................................650

1. Behauptungen des Herrn Gronbach ........................................................................650

2. Umgang mit Quelleneigenschaft von Krokus durch LKA Baden-
Württemberg und LfV Baden-Württemberg ...........................................................651

3. Tätigkeit der Auskunftsperson/Informantin Krokus für das LfV Baden-
Württemberg ...........................................................................................................652

4. Hintergrundinformationen zu den von Krokus beobachteten Personen aus
rechtsextremistischen Kreisen .................................................................................653

5. Ermittlung der Krankenschwester und Bewertung ihrer Aussage ...........................655

6. Bewertung des Sachverhaltes durch das LKA und das LfV Baden-
Württemberg ...........................................................................................................655

7. Glaubwürdigkeit des Herrn Gronbach ....................................................................656

X. Mitgliedschaft des Gruppenführers von Michèle Kiesewetter im „KKK“ ............656

XI. Spekulationen zum Tathergang und hierauf veranlasste Ermittlungen ................657

1. Anfrage des stern vom 28. November 2011 und Antworten ...................................657

2. Behauptungen des stern-Artikels „Mord unter den Augen des Gesetzes“ ..............657

3. Erste Reaktionen auf die stern-Veröffentlichung ....................................................658

4. Bericht des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 25. Mai 2012 ....................659

5. Aussagen der Zeugen Mögelin und Schmalzl .........................................................659

6. Maßnahmen des BKA zur Überprüfung des Sachverhalts ......................................659

7. Ermittlungen zu einem US-amerikanischen Militärfahrzeug ..................................660

8. Prüfvorgang des Generalbundesanwaltes – „Angeblicher Aufenthalt des
M. K.“ zur Tatzeit in Deutschland ..........................................................................660

9. Welche Rolle spielte der MAD bei der Aufklärung? ..............................................661

H. Sprengstoffanschläge .............................................................................................................663

I. Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse in Köln .................................................663

1. Tatgeschehen und Ermittlungen der EG „Probst“ ...................................................663

a) Überblick über das Tatgeschehen ......................................................................663
b) Ablauf der Ermittlungen ....................................................................................663

2. Ermittlungen im Umfeld der Familie ......................................................................664

3. Ermittlungen hinsichtlich eines politischen Hintergrundes .....................................664

a) Rolle des Staatsschutzes ....................................................................................664
b) Sprengstoff und Rechtsextremismus .................................................................664
c) Rechtsextremistischer Hintergrund im Fall des Sprengfallenanschlags ............665

4. Zusammenarbeit mit anderen Behörden ..................................................................666

a) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler .........................................................666
b) Einbindung des Bundesamts für Verfassungsschutz .........................................666

5. Abfrage Tatmittelmeldedienst .................................................................................666

a) Definition und Zweck ........................................................................................666

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXV – Drucksache 17/14600

b) Meldung und Datenerfassung im Tatmittelmeldedienst ....................................667
c) Regelungen für die Speicherungen, Erfassungsfristen und

Löschvorgaben ..................................................................................................667
d) Regelungen für Zugriffsberechtigungen und Abfragemodalitäten ....................667
e) BKA – Ermittlungen im Fall des Sprengfallenanschlags ..................................668

6. Damalige Kenntnisse der Ermittler über das Trio ...................................................669

a) Fahndungsplakate nach dem Untertauchen .......................................................669
b) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler .........................................................669
c) Eintragungen im Tatmittelmeldedienst ..............................................................669

7. Einstellung und Asservatenvernichtung ..................................................................669

II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln ..................................................670

1. Tatgeschehen und erste Reaktionen ........................................................................670

a) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom
4. Januar 2012 ....................................................................................................670

b) Warum entfiel in den Lagemeldungen des LKA der zunächst
enthaltene Hinweis auf einen möglichen terroristischen Anschlag? ..................671
aa) Meldungen des LKA: terroristischer Anschlag? ..........................................671
bb) Geschehen im Lagezentrum der Polizei Nordrhein-Westfalen ....................672
cc) Aussagen der Zeugen Weber, Wolf, Dr. Behrens ........................................672

c) Kontaktaufnahme des BfV mit einem Mitarbeiter des
Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen .......................................................673
aa) Lagedokumentation......................................................................................673
bb) Aussagen der Zeugen Weber, Hofmann und Dr. Möller .............................673
cc) Erkenntnisse des BfV zum Sachverhalt .......................................................674

d) Ausschluss eines rechtsextremistischen Hintergrundes kurz nach der
Tat ......................................................................................................................674
aa) Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesinnenministers

Schily ...........................................................................................................674
aaa) Öffentliche Äußerungen und Medienberichterstattung .....................674
bbb) Aussagen der Zeugen Schily und Dr. Behrens .................................675
ccc) Mögliche Wirkung von Äußerungen eines Ministers .......................676

bb) Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei am 10. Juni 2004 ........................676
cc) Pressestatement des BfV am 10. Juni 2004 .................................................677

2. Ermittlungen der Kölner Polizei und des LKA Nordrhein-Westfalen ....................677

a) Überblick über den Verlauf der Ermittlungen ...................................................677
b) Vorhandensein von Tätervideos ........................................................................678
c) Einbeziehung BKA ............................................................................................679

aa) Ablehnung des Hilfsangebots der Phänomenbereiche Staatsschutz
und Allgemeine und Organisierte Kriminalität am Tattag ...........................679

bb) Einbeziehung des BKA in anschließende Ermittlungen ..............................681
aaa) Sprechzettel des BKA für ND-Lagen ...............................................681
bbb) Aussagen der Zeugen Maurer und Schily .........................................681
ccc) Aussagen der Zeugen Weber und Dr. Behrens .................................682

d) Tatmittelmeldedienst .........................................................................................683
e) Ankerpunkt Köln ...............................................................................................684
f) Operative Fallanalysen ......................................................................................685

aa) Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli
2004 .............................................................................................................685

bb) Operative Fallanalyse des BKA vom 21. bis 25. Februar 2005 ...................686
aaa) Schlussfolgerungen aus der Fallanalyse des BKA ............................687

g) Öffentliche Äußerungen der Ermittler zur Tat...................................................688
aa) Pressetermin am 30. Juli 2004 .....................................................................688
bb) Öffentliche Äußerungen von OStA Wolf ....................................................688
cc) Öffentliche Äußerungen von KHK Weber...................................................689

h) Schwerpunkt der Ermittlungen hinsichtlich möglicher Motive der Tat .............689
aa) Aussage des Zeugen Weber .........................................................................689
bb) Aussage des Zeugen Wolf............................................................................690
cc) Aussage des Zeugen Spliethoff ....................................................................691

i) Hinweise auf einen rechtsextremistischen/ausländerfeindlichen
Hintergrund........................................................................................................691

Drucksache 17/14600 – XXXVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

aa) Aussagen von Tatortzeugen .........................................................................691
bb) Flugblatt in Kölner Straßenbahn ..................................................................691

j) Konkrete Tatverdächtige mit rechtsextremistischem Hintergrund ....................692
k) Umgang mit Opfern ...........................................................................................693
l) Zivilpolizisten am Tatort ...................................................................................693
m) Einsatz Verdeckter Ermittler .............................................................................695

aa) Ziel des Einsatzes .........................................................................................695
bb) Hinweise während der verdeckten Ermittlungen auf einen

rechtsextremistischen Hintergrund des Anschlags .......................................697
n) Befragung einer Hellseherin ..............................................................................698
o) Gegenüberstellung: Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse und in

der Keupstraße ...................................................................................................698
3. Einbindung des nordrhein-westfälischen Innenministers Dr. Behrens ....................700

a) Der Anruf von Minister Dr. Behrens im Lagezentrum ......................................700
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus in

Nordrhein-Westfalen zur Tatzeit .............................................................................702

5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen ..................................703

a) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen zur
Erkenntnisgewinnung und Zusammenarbeit der Kölner Polizei mit

dem Verfassungsschutz .....................................................................................703
b) Kenntnisse des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen vom BfV

Spezial Nr. 21 ....................................................................................................705
c) Quellenmeldungen des Verfassungsschutzes ....................................................705
d) Kritik am Verfassungsschutz aus den Ermittlungsbehörden .............................705

6. Aktivitäten des BfV .................................................................................................706

a) Erste Reaktionen des BfV zur Unterstützung der Ermittlungen ........................706
b) Analyse der Tätervideos ....................................................................................706
c) Dossier des BfV zum Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004: „Combat

18“ .....................................................................................................................707
d) Sprechzettel des BfV für ND-Lage am 5. Oktober 2004 ...................................709

7. In welcher Weise war das BMI in die Ermittlungen eingebunden? ........................709

a) Erkenntnisse des BMI zum Nagelbombenanschlag ...........................................709
aa) Erstinformation des BMI durch das LKA Nordrhein-Westfalen

und darauf erfolgte Reaktionen ....................................................................709
bb) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004 .................................................710
cc) Unterrichtung des BMI durch BKA .............................................................710
dd) Ministervorlage vom 11. Juni 2004 .............................................................710
ee) Vorbereitung Ministervorlage vom 16. Juni 2004 .......................................711

b) Kontakte zwischen Bundesinnenminister a. D. Schily und dem
nordrhein-westfälischen Innenminister a. D. Dr. Behrens .................................712

c) Weitere Befassung von Bundesinnenminister Schily mit dem Vorgang ...........712
d) Erkundigungen des MAD – Aussage des Zeugen Huth ....................................712

8. Prüfung einer Verfahrensübernahme durch den GBA ............................................713

9. Einstellung des Verfahrens ......................................................................................713

I. Überfälle ..................................................................................................................................715

I. Überblick .....................................................................................................................715

II. Ermittlungsführung ....................................................................................................716

III. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen bei den Raubstraftaten ..........................717

1. Modus Operandi ......................................................................................................717

2. Fluchtmittel .............................................................................................................718

3. Waffen .....................................................................................................................718

4. Besonderheiten bei der Tatbegehung ......................................................................718

IV. Erkennen als Tatserie .................................................................................................718

V. Vermutete Tatmotive ..................................................................................................719

VI. Ermittlungsmaßnahmen ............................................................................................720

1. Allgemeine Ermittlungsmaßnahmen .......................................................................720

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXVII – Drucksache 17/14600

2. Auswertung der Bilder von Überwachungskameras ...............................................720

a) Aussehen der Täter ............................................................................................720
b) Verdacht auf Bundeswehrangehörige als Täter .................................................721
c) Linkshänder .......................................................................................................721
d) Fahrräder als Fluchtmittel ..................................................................................721

3. Hinweise aus Zeugenbefragungen ...........................................................................722

a) Phantombild .......................................................................................................722
b) Anzahl der Täter ................................................................................................722
c) Angeblicher sächsischer Dialekt der Täter ........................................................722

4. Ringalarmfahndungen .............................................................................................723

5. Funkzellenabfragen im Tatortbereich......................................................................723

6. Öffentlichkeitsfahndung ..........................................................................................723

7. Auslobung einer Belohnung ....................................................................................724

8. Veröffentlichung der Serie im LKA-Blatt Sachsen sowie im BKA-Blatt ...............725

VII. Operative Fallanalysen ...............................................................................................725

1. Landeskriminalamt Sachsen ....................................................................................725

2. Landeskriminalamt Thüringen ................................................................................726

VIII. Unerkannte Bezüge der Überfallserie zum Trio ......................................................726

1. Keine Berücksichtigung von Beschaffungskriminalität Untergetauchter
als mögliches Tatmotiv ...........................................................................................726

2. Linkshänder .............................................................................................................726

3. Flucht auf Fahrrädern ..............................................................................................727

J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen .........................729

I. Die Situation der Opfer und die Folgen rechtsextremistischer Straftaten ............729

1. Rede der Preisträgerin des Genç-Preises 2013, Tülin Özüdoğru.............................729

2. Besondere Belastungen der Opfer des NSU und ihrer Angehörigen.......................730

a) Notwendigkeit fachgerechter Ermittlungen im Opferumfeld ............................730
b) Behandlung der Betroffenen im Ermittlungsverfahren ......................................731

aa) Die Angehörigen der Mordopfer im Fokus der Ermittlungen ......................731
bb) Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Einsatz

Verdeckter Ermittler gegen Angehörige der Mordopfer ..............................731
cc) Problematische Zeugenvernehmungen ........................................................732
dd) Verdacht gegen das Umfeld der Mordopfer .................................................733
ee) Reaktionen auf Verdacht der Angehörigen, die Morde seien

rassistisch motiviert gewesen .......................................................................733
ff) Familien der Opfer der Mordserie und der Sprengstoffanschläge in

der Wahrnehmung der Ermittler ..................................................................733
c) Erfahrungen der Opfer über die Ermittlungen hinaus ........................................735

3. Mögliche Schäden der Opfer rassistischer und rechtsextremistischer Taten
und deren Angehörigen, insbesondere der Betroffenen der Taten des NSU ...........735

4. Umgang mit Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Straftaten im
Allgemeinen ............................................................................................................736

II. Möglichkeiten des Ausgleichs der entstandenen Nachteile .....................................736

1. Opferentschädigungsgesetz .....................................................................................736

2. Opferfonds für rechtsextremistische Straftaten .......................................................737

3. Weitere Möglichkeiten finanzieller Unterstützung .................................................738

a) Stiftungen der Länder ........................................................................................738
b) Spenden für Nebenkläger ..................................................................................739

III. Beratungs- und Anlaufstellen für die Opfer .............................................................739

1. „Weißer Ring“ .........................................................................................................739

2. „ezra“ ......................................................................................................................740

3. Beratungsangebot in Köln .......................................................................................740

Drucksache 17/14600 – XXXVIII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

IV. Schaffung von Orten des Gedenkens für die Opfer, insbesondere für die
Opfer des NSU .............................................................................................................740

K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten ..............................................743

I. Vernichtung von Akten im BfV nach dem 4. November 2011 ................................743

1. Öffentliches Bekanntwerden und Unterrichtung des
Untersuchungsausschusses ......................................................................................743

2. Kein Aktenvernichtungsstopp im BfV unmittelbar nach dem 4. November
2011 .........................................................................................................................744

3. Grundlagen der Arbeitsweise und der Datei- und Aktenführung im BfV ...............745

a) Arbeitsweise des BfV ........................................................................................745
b) Rechtsgrundlagen und Praxis der Datei- und Aktenführung zur

Auswertung und Beschaffung............................................................................746
aa) Führung von Dateien ....................................................................................746
bb) Führung von Akten ......................................................................................747
cc) G 10-Verfahren und Führung von G 10-Akten ............................................747

aaa) G 10-Verfahren .................................................................................747
bbb) Führung von G 10-Akten ..................................................................747

c) Datenlöschung und Aktenvernichtung...............................................................748
aa) Regelung zur Löschung von Daten ..............................................................748
bb) Regelungen zur Vernichtung von Akten ......................................................749

aaa) Rechtsauffassung des BfV zur Löschung von
Beschaffungsakten ............................................................................749

bbb) Rechtsauffassung des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit .........................................751

ccc) Vereinbarung mit dem BfDI .............................................................753
cc) Vernichtung von G 10-Akten .......................................................................754

d) Praxis der Aktenvernichtung im Beschaffungsbereich ......................................754
aa) Richtwert für die Aufbewahrung .................................................................754
bb) Entscheidung über die Aktenvernichtung und Anordnung ..........................755
cc) Beteiligte Stellen, Vier-Augen-Prinzip und Vernichtungsprotokoll ............756

e) Datenschutzbeauftragter im BfV .......................................................................756
4. Die Anordnung aus dem Jahre 2010 und die Aktenvernichtung im Januar

2011 .........................................................................................................................756

5. Aktenvernichtung am 11. November 2011 und „einige Tage danach“ ...................757

a) Angaben des Referatsleiters Lingen ..................................................................758
b) Ablauf der Aktenvernichtungen am 11. November 2011 und „einige

Tage danach“ .....................................................................................................758
c) Berichterstattung an die Amtsleitung/Kenntnis der Amtsleitung von

der Vernichtung .................................................................................................766
aa) Aussagen der Zeugen ...................................................................................766
bb) Aktenlage .....................................................................................................767

d) Zusammengefasstes Prüfergebnis des Sonderbeauftragten des BMI,
MinDirig Engelke ..............................................................................................770

e) Rekonstruktion der Akten ..................................................................................770
f) Auswahl der Akten durch den Referatsleiter .....................................................773

aa) Kenntnisse des Referatsleiters aus früherer dienstlicher Befassung ............773
bb) Recherche in der Forschungs- und Werbungsdatei ......................................774
cc) Nachvollziehung der Suche mit den angegebenen Suchbegriffen

über die Forschungs- und Werbungsdatei ....................................................774
dd) Informationsspeicherung in der Forschungs- und Werbungsdatei

im Falle eines Zugriffs .................................................................................774
ee) Recherche in NADIS? ..................................................................................775

g) Überprüfung möglicher Vernichtungsmotive ....................................................776
aa) Angst vor der Offenbarung nicht eingehaltener Löschungsfristen? .............776
bb) Vernichtung von Akteninhalten mit NSU-Bezug? .......................................777

aaa) Mitglieder des Trios als V-Leute oder Forschungs- und
Werbungsfälle? .................................................................................777

bbb) Kenntnisse des BfV von der Existenz des NSU? ..............................779

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XXXIX – Drucksache 17/14600

cc) Vernichtung von Akteninhalten, die nichts mit dem NSU zu tun
haben, aber gleichzeitig vertuscht werden sollten? ......................................781

dd) Vernichtung der Existenz der Akten als solche? ..........................................782
ee) Fazit des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke, zum

Motiv des Referatsleiters .............................................................................784
h) Zusammenwirken des Referatsleiters mit weiteren Beteiligten .........................784

aa) Überprüfung der Telefonate des Referatsleiters ...........................................785
bb) Überprüfung des internen E-Mail-Verkehrs des Referatsleiters ..................785

6. Unmittelbare Maßnahmen im BfV in Reaktion auf das Bekanntwerden
der Aktenvernichtung ..............................................................................................785

a) Information des Bundesministeriums des Innern ..............................................785
b) Rücktritt des Präsidenten Fromm ......................................................................785
c) Umsetzung des Referatsleiters Lingen und Disziplinarverfahren gegen

diesen .................................................................................................................786
d) Weitere Umsetzungen und Disziplinarverfahren ...............................................786

7. Ermittlungsverfahren ...............................................................................................787

8. Weitere Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011 ....................................787

a) Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtungen im BfV ......................................787
b) Umfang der Aktenvernichtung zwischen dem 4. November 2011 und

dem 4. Juli 2012 ................................................................................................788
c) Verlauf der Untersuchung .................................................................................788
d) Öffentliche Berichterstattung.............................................................................789
e) Ergebnis der Prüfung durch MinDirig Engelke .................................................789
f) Vernichtung von 26 Anlagenordnern aus dem G 10-Bereich ............................790

aa) Rechtsgrundlage ...........................................................................................791
bb) Querbezüge zum NSU .................................................................................791
cc) Im Ausschuss problematisierte Einzelfälle ..................................................792

aaa) AO 774 .............................................................................................792
bbb) AO 775 .............................................................................................793

dd) Zeitabstand zwischen Anordnung und Vernichtung ....................................793
ee) Vernichtung von Ordnern aus verschiedenen Maßnahmen zum

gleichen Zeitpunkt .......................................................................................794
ff) Möglichkeit der Rekonstruktion von G 10-Anlagenordnern? ......................795

g) Vernichtung von Personenakten aus dem Bereich der „Auswertung“ ...............795
aa) Rechtsgrundlage ...........................................................................................795
bb) Umfang und Rekonstruktion ........................................................................795

h) Vernichtung von Beschaffungsakten aus dem Bereich Forschung und
Werbung ............................................................................................................796

i) Vergleich der Aktenvernichtung im Bereich Rechtsextremismus zu
Vernichtungen in anderen Phänomenbereichen.................................................796

9. Empfehlungen des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke .....................797

II. Erkenntnisse über das Aktenmanagement, die Aufbewahrung und die
Löschung von Akten beim MAD ...............................................................................798

1. Aktenführung im MAD ...........................................................................................798

2. Aktenvernichtung im MAD nach dem 4. November 2011 ......................................798

3. Vernichtung der MAD-Akte Mundlos im MAD .....................................................799

III. Aktenvernichtung bei Berliner Behörden .................................................................800

1. Bekanntwerden der Aktenvernichtung ....................................................................800

2. Untersuchungen durch OStA Feuerberg hierzu.......................................................800

a) Einsetzung des Sonderermittlers Feuerberg durch den Senator für
Inneres und Sport des Landes Berlin .................................................................800

b) Akten der Gruppe „Landser“ .............................................................................800
c) Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“ ......................................................801

3. Rekonstruktion der vernichteten Akten und Information des
Untersuchungsausschusses hierüber........................................................................801

IV. Löschung von Handy-Daten durch die Bundespolizei auf Anweisung des
BKA..............................................................................................................................801

Drucksache 17/14600 – XL – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem
4. November 2011 ...................................................................................................................803

I. Maßnahmen des Bundes und der IMK .....................................................................803

1. Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutz
und zur Kooperation von Bund und Ländern ..........................................................803

a) Gemeinsames Abwehrzentrum gegen
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR) ..................................................803

b) Rechtsextremismusdatei (RED).........................................................................804
c) Polizeilicher Informations- und Analyseverbund ..............................................805
d) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand NADIS-neu ...............805
e) Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit zwischen Polizei und

Verfassungsschutz“ ...........................................................................................806
2. Maßnahmen zur besseren Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und

der Länder ...............................................................................................................806

a) Gemeinsame Datei Großschadenslagen (GED) Zwischenlösung ......................806
b) Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen PMK-rechts ...................807
c) Evaluierung des Definitionssystems PMK ........................................................807
d) Bessere Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität - rechts ................808
e) Optimierungsmöglichkeiten der kriminalpolizeilichen Meldedienste

im Zusammenhang mit der Erfassung von Spreng- und

Brandvorrichtungen (SBV) ................................................................................808
f) Waffenregister ...................................................................................................808

3. Verfassungsschutzreform ........................................................................................809

a) Maßnahmen der Binnenreform im BfV .............................................................809
aa) Bereits umgesetzte Maßnahmen des BfV ....................................................809
bb) Im Rahmen der Binnenreform des BfV angestrebte Maßnahmen ...............809
cc) Weitere Maßnahmen im BMI-internen Planungsstadium ............................810

b) Arbeitsgruppe der IMK zum Thema „Personal, Aus- und Fortbildung,
Akademie für Verfassungsschutz“ ....................................................................811

c) Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der
Gesellschaft .......................................................................................................811

d) Internetnutzung durch die Verfassungsschutzbehörden ....................................811
e) Gremienstruktur .................................................................................................812
f) Koordinierungsrichtlinie ....................................................................................812
g) Standardisierung des VP-Einsatzes ...................................................................812
h) Vorschläge der IMK zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes

vom 23./24. Mai 2013........................................................................................812
4. Weitere Maßnahmen ...............................................................................................813

a) Anlaufstellen für Opfer ......................................................................................813
b) Maßnahmen beim GBA .....................................................................................813
c) Maßnahmen im Bundeshaushalt ........................................................................813
d) Präventionsmaßnahmen .....................................................................................814
e) Maßnahmen im MAD ........................................................................................814
f) Maßnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen

und Jugend (BMFSFJ) .......................................................................................815
g) Unterwanderung von Rockergruppierungen durch rechtsextreme

Kreise.................................................................................................................815

II. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus
vom 30. April 2013 ......................................................................................................815

1. Verfassungsschutz ...................................................................................................815

2. Trennungsgebot .......................................................................................................816

3. Verbesserung der Zusammenarbeit .........................................................................816

a) BfV ....................................................................................................................816
b) Polizeibehörden .................................................................................................816
c) Zentrale/dezentrale Ermittlungsführung ............................................................816
d) Übermittlungsvorschriften auf Landes- und Bundesebene ................................817
e) Polizeibehörden und Verfassungsschutz ...........................................................817
f) Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz ........................................................817

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLI – Drucksache 17/14600

g) Geheimschutz/Verwertbarkeit eingestufter Informationen ................................817
4. Verdeckte Informationsgewinnung .........................................................................818

5. Generalbundesanwalt ..............................................................................................818

6. Dienst- und Fachaufsicht .........................................................................................818

7. Aus- und Fortbildung ..............................................................................................819

III. Empfehlungen der Sachverständigen........................................................................819

1. Zur bestehenden Sicherheitsarchitektur ..................................................................819

a) Sicherheitsbehörden allgemein ..........................................................................819
b) Verfassungsschutz .............................................................................................819

aa) Aufgabe des Verfassungsschutzes ...............................................................819
bb) Personal und Ausbildung .............................................................................820
cc) Vertrauenspersonen ......................................................................................820
dd) Zusammenlegung einzelner Verfassungsschutzämter der Länder ...............821
ee) Informationsaustausch der Verfassungsschutzbehörden ..............................821

c) Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ........................................821
2. Gesetzesevaluierung ................................................................................................821

3. G 10-Kommission ...................................................................................................822

4. Aufsicht und Kontrolle ............................................................................................822

5. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts .........................................................822

6. Datensysteme ..........................................................................................................822

7. Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Institutionen ..................................822

a) Gründung einer Stiftung als zentrale Anlaufstelle für Opfer rechter
Gewalt ...............................................................................................................822

b) Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle .................................823
c) Gründung eines Instituts gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ..............823
d) Erweiterung der Opferberatungsstellen .............................................................824
e) Vergabe von Stipendien .....................................................................................824

8. Verbesserung der Behördenarbeit ...........................................................................824

a) Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure ......................................................824
b) Transparenz .......................................................................................................825

9. Normensetzung .......................................................................................................825

10. Polizeiarbeit.............................................................................................................826

a) Neudefinition von Straftaten .............................................................................826
b) Polizeiausbildung ..............................................................................................826
c) Migranten im Polizeidienst ................................................................................827
d) Persönliche Einstellungen Polizeibeamter und Optimierung von

Arbeitsweisen ....................................................................................................827
e) Profiling .............................................................................................................827

11. Sonstige Verbesserungsvorschläge .........................................................................827

a) Analytik .............................................................................................................827
b) Prävention ..........................................................................................................828
c) Archivierung der Dokumente ............................................................................828
d) Fachtagungen und Beratungsgremien ................................................................828

Dritter Teil: Gemeinsame Bewertungen ....................................................................................829

A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten ...................................833

I. Česká-Mordserie .........................................................................................................834

II. Polizistenmord .............................................................................................................840

III. Sprengstoffanschläge ..................................................................................................841

IV. Ermittlungen im Umfeld der Opfer ..........................................................................843

V. Mangelnde Offenheit für alternative Ermittlungsansätze ......................................843

B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung ......................................844

C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ....................................847

Drucksache 17/14600 – XLII – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes .......................................................853

E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse ...................................856

F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011 ................................................................858

G. Schlussfolgerungen .................................................................................................................861

I. Empfehlungen für den Bereich der Polizei ...............................................................861

II. Empfehlungen für den Bereich der Justiz ................................................................863

III. Empfehlungen für den Bereich der Verfassungsschutzbehörden ..........................864

IV. Empfehlungen für den Bereich Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden ...........865

H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung .................................................865

Vierter Teil: Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen .....................................................869

A. CDU/CSU-Fraktion ...............................................................................................................869

B. SPD-Fraktion ..........................................................................................................................871

Einleitung ................................................................................................................................871

I. Notwendigkeit des Einzelvotums ...............................................................................872

II. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Ausschussarbeit.........................................873

1. Die Gefahren des Rechtsextremismus wurden auf allen Ebenen und über
die gesamte Zeit hinweg verkannt und verharmlost ................................................873

2. Strukturelle rassistische Vorurteile waren eine wesentliche Ursache für
die fehlende Offenheit der Ermittlungen zu den Morden und

Sprengstoffattentaten des NSU ...............................................................................877

3. Falsch verstandener Föderalismus hat sich als gravierendes Hemmnis
effektiver Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden erwiesen ...................880

a) Es hätte eine zentrale polizeiliche Ermittlungsführung mit klaren
Weisungsbefugnissen bewirkt werden müssen ..................................................881

b) Sämtliche Ermittlungen hätten in einem staatsanwaltschaftlichen
Sammelverfahren zusammengeführt werden müssen ........................................881

c) Aus Sorge vor Übernahme der Ermittlungen durch den
Generalbundesanwalt wurden dieser und die Öffentlichkeit nicht

sachgerecht informiert .......................................................................................882
4. Zusammenarbeit und Informationsaustausch haben nicht funktioniert:

Abschottung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und fehlende Eigeninitiative

haben das Handeln über weite Strecken bestimmt ..................................................882

a) Kein sachgerechter Informationsaustausch innerhalb der Polizei
Thüringens .........................................................................................................882

b) Konkurrenzdenken zwischen Verfassungsschutz und Polizei in
Thüringen sowie Dilettantismus im Thüringer LfV ..........................................883

c) Unprofessionelle Kooperation zwischen bayerischer Polizei und
Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz ...............................................883

d) Defizitäre Zusammenarbeit zwischen Thüringen und Sachsen .........................884
e) Unterlassene Informationsweitergabe durch das LKA Berlin ...........................884
f) Beeinträchtigung der Arbeit des hessischen Polizei durch das LfV

Hessen ...............................................................................................................884
g) Nur sporadische Einbeziehung des Bundesamtes für

Verfassungsschutz .............................................................................................884
5. Eine Vielzahl handwerklicher Fehler in Justiz, Polizei und

Verfassungsschutz taten ihr Übriges .......................................................................885

a) Im Bereich der Justiz .........................................................................................885
b) Im Bereich der Polizei .......................................................................................886
c) Im Bereich des Verfassungsschutzes .................................................................887

6. Die festgestellten Auswüchse beim Einsatz von V-Personen im
Verfassungsschutz müssen zu grundlegenden Reformen führen ............................888

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLIII – Drucksache 17/14600

7. Gravierende Fehler der Bundesregierung bei der Aufarbeitung der
Vorgänge nach dem 4. November 2011 wären vermeidbar gewesen......................890

III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen ....................................................................890

1. Polizei ......................................................................................................................891

2. Justiz........................................................................................................................893

3. Verfassungsschutz ...................................................................................................893

a) Grundlegende organisatorische Maßnahmen .....................................................894
b) Stärkung der Zentralstellenfunktion des BfV ....................................................894

aa) Ermöglichung eigener Tätigkeit des BfV in den Ländern bei
gewaltbezogenen Tätigkeiten und Bestrebungen .........................................894

bb) Selbsteintrittsrecht des BfV in Einzelfällen .................................................895
cc) Es muss eine gesetzliche Pflicht zum Informationsaustausch geben ...........895

c) Stärkere Öffnung gegenüber der Gesellschaft ...................................................895
d) Stärkung des Bundesdatenschutzbeauftragten ...................................................895
e) Maßnahmen zum V-Personen-Einsatz...............................................................895

aa) Gesetzliche Verankerung bundesweiter Rahmenbedingungen für
die Quellenführung neben internen bundesweiten Standards ......................896

bb) Genehmigung der V-Personen-Einsätze im Einzelfall durch die
G10-Kommission .........................................................................................896

cc) Nutzung des BfV als zentrale permanente Koordinierungsstelle .................896
4. Parlamentarische Kontrolle .....................................................................................897

5. Stärkung der Zivilgesellschaft .................................................................................897

IV. Ausblick .......................................................................................................................899

C. FDP-Fraktion .........................................................................................................................901

I. Geleitwort ....................................................................................................................901

II. Einleitung Einzelvoten FDP .......................................................................................901

III. Aktenvernichtung in den Diensten – Wir können nichts ausschließen ..................909

IV. Die Finanzierung und Gestaltung des Lebens in der Illegalität ..............................911

V. Das Waffenarsenal des Trios .....................................................................................919

VI. Der NSU im Netzwerk von „Blood & Honour“ ........................................................924

VII. Der Einsatz von V-Personen ist richtig, aber nur wenn er reformiert
wird ..............................................................................................................................935

VIII. Umgang mit den Opferfamilien .................................................................................938

IX. Baden-Württemberg ...................................................................................................939

X. BAO und Bayern .........................................................................................................945

XI. Anschläge in Köln .......................................................................................................948

XII. Weitere Stärkung des Generalbundesanwalts erforderlich ....................................952

XIII. Kein Unterlaufen des § 4 BKAG durch informelle
Innenministerkonferenz .............................................................................................954

XIV. Forderungen und Konsequenzen ...............................................................................956

XV. Anlagen ........................................................................................................................959

D. Fraktion DIE LINKE .............................................................................................................983

I. Vorbemerkung ............................................................................................................985

II. Vorwort ........................................................................................................................985

III. Einleitung ....................................................................................................................986

IV. Bewertungen im Kontext des Feststellungsteils .......................................................988

1. Die Česká-Mordserie...............................................................................................988

a) Struktureller bzw. institutioneller Rassismus und ethnisierende
Zuschreibungen bei den Ermittlungen zur Česká-Mordserie und den
Sprengstoffanschlägen in Köln ..........................................................................988
aa) Exkurs: Was verstehen wir unter strukturellem und

institutionellem Rassismus ...........................................................................989

Drucksache 17/14600 – XLIV – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Struktureller und institutioneller Rassismus im Kontext der
polizeilichen Ermittlungen ................................................................................990
aa) Beispiel Operative Fallanalyse Baden-Württemberg 2007 ..........................990
bb) Ethnisierende Zuschreibungen .....................................................................991
cc) Fatales Zusammenspiel: Ethnisierende Zuschreibungen und

Wahrnehmungsdefizite bei rechter Gewalt durch die Polizei ......................992
dd) Exkurs: Antiziganismus ...............................................................................993
ee) Bearbeitung der Waffenspur durch das BKA ..............................................993

c) Reibungslose Zusammenarbeit zwischen Polizei und
Verfassungsschutzbehörden in den Bereichen Organisierte

Kriminalität, „Ausländerkriminalität“, PKK und Türkische Hizbullah .............994
d) Fragwürdiger Umgang mit Informanten und V-Leuten im Bereich der

„Organisierten Kriminalität“ sowie PKK und Türkische Hizubullah
von Polizei und Verfassungsschutzämtern ........................................................995

2. Die Verantwortung der Verfassungsschutzämter im NSU-Komplex ......................995

a) Die Verantwortung des BfV ..............................................................................995
aa) Das BfV und dessen Versagen bei der Bewertung

rechtsterroristischer Aktivitäten ...................................................................995
b) Extremismusansatz und Frontstellung gegen Linke ..........................................997
c) Die Operation „Rennsteig“ ................................................................................998
d) Die V-Leute als zentrales Problem im NSU-Komplex ......................................999

aa) Das V-Leute System im LfV Thüringen vor, während und nach
dem Abtauchen des mutmaßlichen NSU-Kerntrios .....................................999

bb) V-Personen des BfV im Kontext der Suche nach dem
mutmaßlichen NSU-Kerntrio .....................................................................1000

cc) Ein V-Mann des LfV Bayern .....................................................................1001
dd) Der V-Mann „Piatto“ des LfV Brandenburg..............................................1001
ee) VP 562 des LKA Berlin .............................................................................1001
ff) Quellenschutz behinderte die polizeiliche Fahndung erheblich .................1002

e) Exkurs: Polizisten mit einer Nähe zu Neonazis ...............................................1002
f) Ergänzende Feststellungen zum Versagen des LKA Thüringen bei der

Fahndung nach dem untergetauchten Trio .......................................................1002
aa) Unvollständige Meldung zum Rohrbombenfund in der Garage Nr.

5 am 26. Januar 1998 an den Tatmittelmeldedienst des BKA –
Behinderung bei der Suche nach den Tätern des

Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln .......................................1002
bb) Erste Hinweise auf Zwickau als möglichen Aufenthaltsort der

untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ignoriert ....................1003
g) Kritikwürdiges Verhalten der Länderinnenminister und des BMI

angesichts einer Aktenlieferung aus Thüringen im Herbst 2012 .....................1003

V. Rechtliche Würdigung ..............................................................................................1003

1. Rechtsverstöße im NSU-Kontext bis zum 4.11.2011 auf unterschiedlichen
Ebenen ...................................................................................................................1003

a) Verstoß der Verfassungsschutzbehörden gegen gesetzliche
Übermittlungspflichten ....................................................................................1004

b) Strukturelle Verfassungswidrigkeit des Einsatzes von
Vertrauenspersonen .........................................................................................1004

c) Sorgfaltswidrige Führung, Anweisung und Überwachung von V-
Leuten sowie Zurechenbarkeit ihres Wissensaufkommens und

Verhaltens zum Verfassungsschutz .................................................................1005
d) Verstoß gegen wechselseitige Unterrichtungs- und

Übermittlungspflichten nach BVerfSchG und MAD-G ..................................1006
e) Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des Bundes nach Art. 84 Abs. 3

und Abs. 4 GG bei der Ausführung des

Bundesverfassungsschutzgesetzes ...................................................................1007
2. Rechtswidriger Umgang mit Akten zum Rechtsextremismus durch

Bundes- und Landesbehörden nach dem 4.11.2011 ..............................................1007

a) Rechtswidrige Aktenvernichtungen nach dem 4.11.2011 beim BfV
und Aufsichtsversäumnisse des BMI insoweit ................................................1007

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLV – Drucksache 17/14600

aa) Keine Gewissheit über fehlende NSU-Bezüge in den nach dem
4.11.2011 beim BfV vernichteten Akten und Vernichtungsmotive ...........1007

bb) Anlagenordner zu Anträgen auf G 10-Maßnahmen ...................................1008
cc) Beschaffungsakten zur Operation Rennsteig u. a. ......................................1009

b) Vernichtung von Akten beim MAD ................................................................1010
c) Vernichtung von Akten bei Berliner Behörden ...............................................1010

VI. Schlussfolgerungen und Reformvorschläge der Fraktion DIE LINKE für
eine Sicherheitsarchitektur nach der Selbstenttarnung des NSU .........................1010

1. Vorab: Die Reaktionen und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und
verantwortlichen Innenpolitiker seit dem 4.11.2011: Falsche Signale zur

falschen Zeit ..........................................................................................................1010

a) Zentrale Maßnahmen nach dem 4.11.2011 ......................................................1011
b) Alter Wein in neuen Schläuchen: Kosmetik statt Reformen bei den

Verfassungsschutzbehörden ............................................................................1014
c) Behörden und Innenpolitiker schaffen unumkehrbare Tatsachen und

relativieren damit die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses ...................1015
d) Extremismusdoktrin auch im NSU-Zusammenhang .......................................1015

2. Das bisherige Bundesamt für Verfassungsschutz abschaffen und eine
Koordinierungsstelle des Bundes plus Bundesstiftung „gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit“ aufbauen .........................................................................1016

a) Das BfV in seiner jetzigen Form weicht erheblich von den Vorgaben
des Grundgesetzes ab.......................................................................................1016

b) Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer,
rassistischer und antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen

sowie sonstiger Erscheinungsformen „gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit“ ...................................................................................1017

c) Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung
über alle Erscheinungsformen „gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit“ ...................................................................................1018

d) Den Beauftragten des Bundes für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BdfI) stärken ..................................................................1019

3. Eckpunkte zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der noch
existierenden Geheimdienste .................................................................................1019

a) Grundsatz: Geheime Politikbereiche eingrenzen – öffentliche
parlamentarische Kontrolle ausweiten .............................................................1019

b) Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) durch einen ständigen
Ausschuss für die Kontrolle der Nachrichtendienste (AKrND)

ersetzen ............................................................................................................1020
c) Informationspflicht der Bundesregierung ausweiten .......................................1020
d) Frage- und Kontrollrechte der Abgeordneten stärken .....................................1020
e) Informationsansprüche der Fachausschüsse und Informationspflichten

der Regierung ausweiten .................................................................................1020
4. Schlussfolgerungen im Bereich der Polizei ...........................................................1021

a) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle / unabhängige
Polizeibeobachtung ..........................................................................................1021

b) Erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Polizeiaus- und
Fortbildung, beim Anteil von Migrantinnen und Migranten in der

Polizei und der Polizeiforschung .....................................................................1022
aa) Aus- und Fortbildung verbessern ...............................................................1022
bb) Interkulturelle Kompetenz .........................................................................1022
cc) Polizeiforschung intensivieren ...................................................................1023

c) PMK-Rechts Erfassung reformieren und unabhängiges Monitoring
sichern .............................................................................................................1023

d) Schutz für Whistleblower ................................................................................1024
5. Zivilgesellschaft stärken, Flüchtlinge integrieren und schützen ............................1024

a) Bundesförderung verdoppeln und verstetigen .................................................1025
b) Kompetenzen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft einbeziehen ................1026
c) Extremismusklausel ersatzlos abschaffen ........................................................1026
d) Kriminalisierung antifaschistischen Engagements beenden ............................1026

Drucksache 17/14600 – XLVI – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) Flüchtlinge integrieren statt rassistischer Hetzkampagnen ..............................1026
6. Rechte von MigrantInnen stärken – Ausgrenzung beenden ..................................1028

VII. Epilog .........................................................................................................................1028

E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..............................................................................1031

I. Nach der Untersuchung besteht konkreter Handlungsbedarf ..............................1031

II. Politische Verantwortung wahrnehmen – nach Fehlleistungen
persönliche Konsequenzen ziehen ...........................................................................1031

1. Politische und persönliche Verantwortung auf Regierungsebene .........................1032

2. Gefahr des Rechtsterrorismus über Jahre unterschätzt ..........................................1032

3. Falsche Analyse ungeprüft übernommen ..............................................................1033

4. Stichwortgeber für einseitige Ermittlungen ...........................................................1033

5. Organisationsverantwortung für versagende Sicherheitsbehörden........................1034

6. Akzeptieren nicht überprüfter Behördenauskünfte ................................................1035

7. Kommunikationsblockaden zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ..............1035

III. Empfehlungen für den Bereich der Polizei und Staatsanwaltschaften ................1036

1. Gruppenbezogene Vorurteilstrukturen sichtbar machen und bekämpfen ..............1036

2. Polizeikultur weiter demokratisieren .....................................................................1036

3. Rechtsmotivierte Gewalt erkennen .......................................................................1037

4. Transparente Strategieentwicklung gegen Rechtsextremismus .............................1037

5. Polizei und Zivilgesellschaft .................................................................................1037

a) Strukturierter Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft ..........................1037
b) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle .............................................................1037
c) Stärkung der Umsetzung internationaler Vorgaben .........................................1038

IV. Verfassungsschutz: Dem Totalversagen muss der Totalumbau folgen ................1038

1. Zäsur: Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und kompletter
Neustart .................................................................................................................1038

2. Unabhängiges „Institut zur Analyse demokratie- und menschenfeindlicher
Bestrebungen“ .......................................................................................................1038

3. Eine neue „Inlandsaufklärung“ .............................................................................1038

4. Beendigung des Einsatzes von V-Leuten in der rechten Szene .............................1039

5. Externe Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit neu aufstellen ......................1039

a) Parlamentarische Kontrolle .............................................................................1039
b) G10-Kommission ............................................................................................1039
c) Unabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder .................1039

6. Klare Trennung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von
Verfassungsschutz und Polizei ..............................................................................1039

7. Informationsaustausch, Datenschutz und das Trennungsgebot .............................1039

V. Demokratieoffensive und Prävention auf allen Ebenen ........................................1040

1. Jede Bagatellisierung muss ein Ende haben. .........................................................1040

2. Aufklärung, Sensibilisierung und politische Bildung ausweiten ...........................1040

3. Förderung der Zivilgesellschaft.............................................................................1041

a) Weg mit der Extremismusklausel ....................................................................1041
b) Förderung mit Konzept und Perspektive: Stiftung

Demokratieförderung.......................................................................................1041

VI. Fazit: ..........................................................................................................................1041

Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs ...........................1043

I. Barbara E. .................................................................................................................1043

II. D. F. ............................................................................................................................1043

III. Sylvia F. .....................................................................................................................1043

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – XLVII – Drucksache 17/14600

IV. Alexander Gronbach ................................................................................................1043

V. Andreas G. .................................................................................................................1043

VI. Henning H..................................................................................................................1044

VII. KHK J. .......................................................................................................................1044

VIII. Christian K. ...............................................................................................................1044

IX. Sven Krüger ..............................................................................................................1044

X. David Petereit ............................................................................................................1044

XI. Reinhard S. ................................................................................................................1045

XII. Hans-Joachim S. .......................................................................................................1045

XIII. Carsten Schultze .......................................................................................................1047

XIV. Achim S. .....................................................................................................................1048

XV. Kay-Norman S. .........................................................................................................1049

XVI. J. T..............................................................................................................................1050

XVII. Patrick W. ..................................................................................................................1050

XVIII. Jörg W. .................................................................................................................1050

XIX. Christian W. ..............................................................................................................1050

XX. Ralf Wohlleben ..........................................................................................................1050

Sechster Teil: Übersichten und Verzeichnisse.........................................................................1051

A. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................1051

B. Übersicht der Ausschussdrucksachen ................................................................................1057

C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand ..................................................1151

D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne
Beiziehungsbeschluss zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien) ...........................1299

E. Verzeichnis der Sitzungen ...................................................................................................1305

F. Anlagen .................................................................................................................................1311

I. Stenographische Protokolle......................................................................................1311

II. Dokumente.................................................................................................................1313

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1 – Drucksache 17/14600

Erster Teil:
Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens

A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses

I. Bekanntwerden des Terror-Trios

1. Bankraub von Eisenach und Wohnungs-
brand in Zwickau

Am 4. November 2011 überfielen gegen 9 Uhr zwei mas-

kierte Männer mit Schusswaffen eine Filiale der Sparkas-

se in Eisenach in Thüringen. Vor dem Eintreffen der

örtlichen Polizei flüchteten die beiden Männer mit einer

Beute von 71 920 Euro auf Fahrrädern. Ein Passant teilte

einem Polizeibeamten mit, ihm seien zwei männliche

Radfahrer aufgefallen, die ihre Fahrräder schnell in ein in

der Nähe geparktes Wohnmobil luden, dessen amtliches

Kennzeichen mit „V“ begann, und damit zügig davonfuh-
ren. Kurz vor 12 Uhr fiel einer Funkstreife in einem

Wohngebiet in Eisenach-Stregda ein Wohnmobil mit

diesem Kennzeichen auf. Als sich die Polizisten dem

Wohnmobil näherten, vernahmen sie aus dem Innern des

Fahrzeugs mehrere Schüsse. Um 12.07 Uhr sahen die

Polizisten im Innenraum des Wohnmobils Rauch und

Feuer und riefen die Feuerwehr.

Nach Löschen des Brandes wurden im Innern des Wohn-

mobils zwei männliche Leichen mit Schussverletzungen

am Kopf aufgefunden. Die Bekleidung der Toten ent-

sprach den Zeugenaussagen zu den Bankräubern. Durch

Abgleich von Fingerabdrücken wurde noch am selben

Tag eine Leiche als Uwe Mundlos identifiziert. Dass es

sich bei der zweiten Leiche um Uwe Böhnhardt handeln

könnte, ergab sich erst am folgenden Tag.

In dem Wohnmobil wurden mehrere Schusswaffen ge-

funden. Es stellte sich heraus, dass zwei der aufgefunde-

nen Schusswaffen die damals entwendeten Dienstwaffen

der am 25. April 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin

Michèle Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen

waren.
1
Dieses Verbrechen war bislang nicht aufgeklärt.

Zu den toten Bankräubern wurde ermittelt, dass sie Mit-

glieder des rechtsextremistischen „Thüringer Heimat-
schutzes“ und am 26. Januar 1998 nach einer Durchsu-
chung, bei der funktionstüchtige Rohrbomben mit 1,4 kg

Sprengstoff TNT gefunden wurden, gemeinsam mit einer

Frau namens Beate Zschäpe untergetaucht waren.
2

1) Schreiben des Bundeskriminalamts an das Bundesministerium

des Innern vom 8. November 2011, MAT A BMI-4/30, Bd. 4,

Bl. 144.

2) Sprechzettel für den Präsidenten des Bundeskriminalamtes für

die ND-Lange am 8. November 2011 im Bundeskanzleramt,

MAT A BMI-4/30, Bd. 4, Bl. 144.

Ebenfalls am 4. November 2011 kam es kurz nach 15 Uhr

in einem Mehrfamilienhaus in der Frühlingsstraße 26 in

Zwickau-Weißenborn in Sachsen zu einer Explosion.

Mehrere Hauswände stürzten ein. Die stehen gebliebenen

Gebäudeteile brannten. Als die Feuerwehr gegen

16.30 Uhr die Löscharbeiten abgeschlossen hatte, waren

die verbliebenen Gebäudeteile einsturzgefährdet. Bei der

Suche nach Bewohnern, die in dem Haus zu Tode ge-

kommen sein konnten, stellte sich heraus, dass die Explo-

sion absichtlich herbeigeführt worden war. Nach Zeugen-

aussagen soll kurz vor der Explosion eine Bewohnerin das

Haus verlassen haben.

Am 7. November 2011 erließ das Amtsgericht Zwickau

gegen Beate Zschäpe einen Haftbefehl. Sie sei dringend

verdächtig, das Haus in der Frühlingsstraße 26 in Brand

gesetzt zu haben.
3
Frau Zschäpe stellte sich am folgenden

Tag der Polizei in Jena und wurde festgenommen.

Am 8. November 2011 wurden in dem Brandschutt in

Zwickau die Waffen, mit denen Frau Kiesewetter erschos-

sen und ihr Kollege angeschossen wurden, sowie die ihr

bei der Tat entwendete Handschelle gefunden.

2. Auffinden der Bekenner-DVD und der
Česká 83

Am 9. November 2011 wurde in der ausgebrannten Woh-

nung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau neben anderen

Waffen eine Pistole Marke Česká 83, Kaliber 7,65 mm
mit verlängertem Lauf sichergestellt. Zwei Tage später

stellten die Ermittlungsbehörden fest, dass mit dieser

Waffe in den Jahren 2000 bis 2006 neun Geschäftsleute

mit türkischen bzw. kurdischen und griechischen Wurzeln

erschossen worden waren. Hinter dieser Mordserie war

noch wenige Monate zuvor eine „mafiöse Organisation
türkischer Nationalisten in Deutschland“ oder die „Fuß-
ball-Wettmafia“ vermutet worden. Spekuliert worden
war, dass die Morde „die Rechnung für Schulden aus
kriminellen Geschäften oder die Rache an Abtrünnigen“
gewesen sei.

4

3) Haftbefehl des Amtsgerichts Zwickau vom 7. November 2011

– 310 Js 22128/11, MAT A GBA-4/3, Vorl. Sachakte Bd. 8,
Bl. 232; am 13. November 2011 ersetzt durch den Haftbefehl
des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs – 3 BGs 6/11 –,
MAT A GBA-4/1.

4) Der Spiegel vom 22. August 2011, „Versteck in der Schweiz –
Seit elf Jahren halten die sogenannten Döner-Morde die Polizei

in Atem. Nun könnte die Serie womöglich aufgeklärt werden,

doch die Staatsanwaltschaft verprellt ihren Informanten.“; Der
Spiegel vom 21. Februar 2011, „Düstere Parallelwelt – Acht
Türken und ein Grieche wurden mit derselben Tatwaffe er-

schossen. Es gibt Hinweise, dass eine Allianz türkischer Natio-

Drucksache 17/14600 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ebenfalls in dem Schutt in der Frühlingsstraße 26 wurden

am 10. November 2011 mehrere DVD-Datenträger und

Festplatten mit Videos gefunden. In den Videos bezeich-

net sich eine Gruppierung unter dem bis dahin unbekann-

ten Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU)
„als ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz
‚Taten statt Worte’“. Mittels Ausschnitten von Fernsehbe-
richten und Zeitungsartikeln werden die neun Morde an

den türkisch- bzw. kurdisch- und griechischstämmigen

Geschäftsleuten, die zwei Sprengstoffanschläge in Köln

am 19. Januar 2001 und am 9. Juni 2004 sowie der Mord

an der Polizistin in menschenverachtender Weise darge-

stellt.

Am 11. November 2011 übernahm der Generalbundes-

anwalt beim Bundesgerichtshof die Ermittlungen gegen

Frau Zschäpe unter anderem wegen des Verdachts der

Bildung einer terroristischen Vereinigung und beauftragte

das Bundeskriminalamt mit der Wahrnehmung der krimi-

nalpolizeilichen Aufgaben.
5
In der nachfolgenden Zeit

wurden die Ermittlungen auf weitere Personen erstreckt.

Bis Februar 2012 wurden neben Beate Zschäpe fünf Per-

sonen verhaftet (siehe unten: B.I., S. 10).

3. Spekulationen über Verbindungen des
Trios zum Verfassungsschutz

Unmittelbar nach der Klärung der Identität der Mitglieder

des Trios und deren Verbindungen zum „Thüringer Hei-
matschutz“ wurden Spekulationen geäußert, Verfas-
sungsschutzbehörden könnten mit dem Trio in Verbin-

dung gestanden und ihm möglicherweise 1998 zur Flucht

verholfen haben.
6
Nach dem Bekanntwerden der unterschiedlichen Alias-

namen, unter denen Frau Zschäpe in der Öffentlichkeit

aufgetreten war, wurde gefragt, ob sie über sogenannte

„legale illegale Papiere“ – Ausweisdokumente, die für
verdeckte Ermittler von Nachrichtendiensten ausgestellt

werden – verfügte.7 Erinnert wurde daran, dass beim
Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel ein

Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungs-

schutz anwesend gewesen war.
8
Dann wurde berichtet,
nalisten, Gangster und Geheimdienstler dahinter stehen könn-

te.“; Bild am Sonntag vom 13. Dezember 2009, „Was haben die
9 Döner-Morde mit der Fußball-Wettmafia zu tun?“.

5) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom

11. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 34.

6) Stuttgarter Zeitung vom 12. November 2011, „Mischen die
Geheimdienste mit?“; Frankfurter Allgemeine vom 14. No-
vember 2011, „Getrieben vom Hass“.

7) Bild vom 14. November 2011, „Polizei findet ‚legale illegale
Papiere’ – Schwerer Verdacht gegen Verfassungsschutz“; der
Freitag vom 17. November 2011, „Amt für Verfassungsgefähr-
dung“.

8) Frankfurter Allgemeine vom 15. November 2011, „Verdächti-
ger Verfassungsschützer“; Bild vom 15. November 2011, „Ge-
heimdienst-Skandal um Killer-Nazis! – War ein Verfassungs-
Schützer bei sechs Morden ganz in der Nähe?“.

dieser habe eine rechte Gesinnung und den Spitznamen

„kleiner Adolf“ getragen.9

Vom Thüringer Innenministerium wurde nach Pressebe-

richten bestätigt, dass ein V-Mann des Thüringer Verfas-

sungsschutzes eine führende Rolle im „Thüringer Heimat-
schutz“ wahrgenommen hatte.10 Zwischen dem Trio und
dem Thüringer Verfassungsschutz soll es aber zu keiner

Zeit eine Zusammenarbeit gegeben haben.
11

Bei einer

Prüfung des Trios auf Kontakte zum Landesamt hätten

nach Auskunft des Präsidenten des Landesamtes für Ver-

fassungsschutz Thüringen Thomas Sippel aber „letzte
Zweifel nicht beseitigt“ werden können.12

II. Gemeinsame Entschließung aller Fraktio-
nen im Deutschen Bundestag

Am 22. November 2011 brachten alle Fraktionen im

Deutschen Bundestag einen gemeinsamen Entschlie-

ßungsantrag unter dem Titel „Mordserie der Neonazi-
Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden“ ein13 und
vereinbarten eine Aussprache für den gleichen Tag.

Zu Beginn der Aussprache erhoben sich alle Abgeordne-

ten von ihren Plätzen. Im Namen aller Mitglieder des

Deutschen Bundestages brachte Bundestagspräsident

Dr. Norbert Lammert seine Trauer, Betroffenheit und

Bestürzung über die „erschreckende Serie von Morden
und Anschlägen einer kriminellen neonazistischen Ban-

de“ zum Ausdruck.

„Wir sind beschämt, dass die Sicherheitsbehörden
der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg

geplanten und ausgeführten Verbrechen weder

rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten.

Den Angehörigen gelten unsere Anteilnahme und

eine besondere Bitte der Entschuldigung für man-

che Verdächtigungen von Opfern und Angehöri-

gen, die sie während der Ermittlungen vor Ort er-

leben mussten.

Wir wissen um unsere Verantwortung. Wir sind

fest entschlossen, alles mit den Mitteln des Rechts-

staates Mögliche zu tun, die Ereignisse und ihre

Hintergründe aufzuklären und sicherzustellen, dass

der Schutz von Leib und Leben und die von unse-

rer Verfassung garantierten Grundrechte in diesem

Land Geltung haben – für jeden, der hier lebt, mit
9) Frankfurter Rundschau vom 16. November 2011, „In der Welt

des ‚kleinen Adolf’“; Frankfurter Allgemeine vom 16. Novem-
ber 2011, „Verfassungsschützer hatte ‚rechte Gesinnung’“; Die
Welt vom 17. November 2011, „Im Heimatort des ‚kleinen
Adolf’“.

10) Süddeutsche Zeitung vom 10. November 2011, „Die rätselhafte
Frau Z.“.

11) Thüringer Allgemeine vom 12. November 2011, „Bundesan-
waltschaft vermutet Jenaer Rechtsextreme hinter Mordserie“.

12) der Freitag vom 17. November 2011, „Amt für Verfassungsge-
fährdung“.

13) Bundestagsdrucksache 17/7771.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14600

welcher Herkunft, mit welchem Glauben und mit

welcher Orientierung auch immer.“14

Am Ende der Aussprache wurde der eingebrachte Ent-

schließungsantrag einstimmig angenommen.
15

In der

Entschließung heißt es, der Bundestag trauere um die

Ermordeten Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Sü-
leyman Taşköprü, Habil Kılıç, Yunus Turgut, İsmail
Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit
Yozgat und Michèle Kiesewetter und fühle mit den Ange-

hörigen. Es werde erwartet, dass die Morde mit aller Kon-

sequenz zügig aufgeklärt und Zusammenhänge dieser

Mordtaten und ihr rechtsextremistisches Umfeld umfas-

send ermittelt würden. Die Strukturen der Sicherheitsbe-

hörden müssten überprüft, Rechtsextremisten müsse ent-

schieden entgegengetreten werden.

„Rechtsextreme, Rassisten und verfassungsfeindli-
che Parteien haben in unserem demokratischen

Deutschland keinen Platz.“

Deshalb müsse die Bundesregierung prüfen, ob sich aus

den Ermittlungsergebnissen Konsequenzen für ein NPD-

Verbot ergeben.

„Wir müssen gerade jetzt alle demokratischen
Gruppen stärken, die sich gegen Rechtsextremis-

mus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus

engagieren. Wir werden prüfen, wo dem Hinder-

nisse entgegenstehen. Wir brauchen eine gesell-

schaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politi-

schen Extremismus und Gewalt das Wort zu erhe-

ben. Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem

Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle

Boden entzogen werden.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu

achten und zu schützen ist Verpflichtung aller

staatlichen Gewalt.“16

III. Diskussion über die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses

Bereits Mitte November 2011 wurden Forderungen nach

der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungs-

ausschusses laut.
17

Die Bundestagsfraktionen

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legten

sich frühzeitig auf einen Untersuchungsausschuss im

Bundestag fest.
18

Die FDP-Bundestagsfraktion schlug
14) Plenarprotokoll 17/141, S. 16757 (C/D).

15) Plenarprotokoll 17/141, S. 16776 (A).

16) Bundestagsdrucksache 17/7771.

17) Ulrich Maurer, in: Frankfurter Rundschau vom 15. November

2011, „Brauner Herbst“; Hartfrid Wolff und Renate Künast, in:
SPIEGEL ONLINE vom 15. November 2011, „Nazi-Mordserie
– Aufgeregter Aufgalopp der Politik-Aufklärer“; Bundesvor-
stand von Bündnis 90/Die Grünen, Frankfurter Allgemeine vom
16. November 2011, „Unterstützung für neues NPD-
Verbotsverfahren wächst“; Hartfrid Wolff, in: die Tageszeitung
vom 16. November 2011, „Erschreckende Einblicke“; Kurt
Beck in: Berliner Morgenpost vom 20. November 2011, „Mehr
Opfer rechter Gewalt als bekannt“.

18) Bspw. Renate Künast, Plenarprotokoll 17/141, S. 16767 (C).

vor, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) solle

einen Sonderermittler bestellen.
19

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-

Bundestagsfraktion Thomas Oppermann äußerte: „Ich
will, dass der ganze Bundestag in dieser Frage einig ist.“20
Der Konsens im Bundestages über den Kampf gegen

Rechtsextremismus müsse erhalten bleiben.
21

1. Bundesstaatliche Bedenken

Der damalige Erste Parlamentarische Geschäftsführer der

CDU/CSU-Bundestagsfraktion Peter Altmaier sprach sich

zunächst gegen einen Untersuchungsausschuss des Bun-

destages aus, da der Schwerpunkt der offenen Fragen die

Länder betreffe.
22

Der Vorsitzende des Bundestagsinnen-

ausschusses Wolfgang Bosbach warnte, es sei fraglich, ob

die betroffenen Länder Thüringen, Sachsen und Nieder-

sachsen einem Bundestagsgremium alle Akten zur Verfü-

gung stellen würden.
23

Auch in der SPD-

Bundestagsfraktion ging man davon aus, dass die Länder

einem Bundesgremium nicht zur Auskunft und zur Ak-

tenvorlage verpflichtet seien. Ohne Kooperation der Poli-

zei-, Justiz- und Verfassungsschutzbehörden der Länder

könne die Verantwortlichkeit für die Versäumnisse nicht

geklärt werden.
24

Ein Untersuchungsausschuss hätte nur

die Möglichkeit, „die Zuständigkeiten des Bundes zu
überprüfen“.25

Dem widersprach die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN unter Berufung auf eine Auskunft des

Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages
26

: Landes-

bedienstete müssten vor dem Bundestagsuntersuchungs-

ausschuss genauso wie Bundesbedienstete erscheinen und

aussagen. Beamte bräuchten zwar eine Aussagegenehmi-

gung ihres Dienstherrn. Diese sei jedoch zu erteilen, ohne

dass dem Dienstherrn ein Ermessen zustehe.
27
19) Neues Deutschland vom 14. Dezember 2011, „SPD weiter

gegen U-Ausschuss“.

20) Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 15. Dezember 2011,

„Politik untersucht Neonazi-Morde“.

21) Handelsblatt vom 15. Dezember 2011, „Neonazi-Morde:
Bundestag bereitet Aufarbeitung vor“.

22) Neues Deutschland vom 15. Dezember 2011, „Abgeordnete
sollen untersuchen“.

23) Financial Times Deutschland vom 25. November 2011,

„Schwarz-Gelb verhakt sich bei der Nazi-Aufklärung“.

24) Süddeutsche Zeitung vom 13. Dezember 2011, „Strittige Auf-
klärung der Mordserie“; Die Welt vom 16. November 2011,
„Auf der Suche nach einer Trauerfeier“.

25) Leipziger Volkszeitung vom 25. November 2011, „Drei Fragen
an Dieter Wiefelspütz, SPD-Innenexperte“.

26) Financial Times Deutschland vom 10. Januar 2012, „Bundestag
untersucht Naziterror“; Frankfurter Allgemeine Sonntagszei-
tung vom 8. Januar 2012, „Ausschuss soll NSU-Terror untersu-
chen“.

27) WD 3 – 3000 – 386/11.
Drucksache 17/14600 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Begleitung durch eine Bund-Länder-Exper-
tenkommission

Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD

schlugen zunächst vor, anstelle eines parlamentarischen

Untersuchungsausschusses eine Bund-Länder-

Expertenkommission einzurichten, die eine „Schwachstel-
lenanalyse“ erstellen sollte.28 Darauf einigten sich die
beiden Fraktionen mit Bundesinnenminister Dr. Hans-

Peter Friedrich.
29

Dem widersprachen Mitglieder der FDP-

Bundestagsfraktion sowie der Bundestagsfraktionen

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der

Abgeordnete Hartfrid Wolff erklärte, die Bund-Länder-

Kommission sei eine Sache der Regierungen und könne

eine parlamentarische Aufklärung durch einen Sonderer-

mittler des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr)

oder einen Untersuchungsausschuss nicht ersetzen.
30

Der

Abgeordnete Wolfgang Nešković wandte ein, die Aufklä-
rung dürfe nicht den verantwortlichen Sicherheitsbehör-

den überlassen werden. Die Fraktionsvorsitzende Renate

Künast wies darauf hin, dass eine Kommission weder

über Vorladungsrechte noch über Zwangsmittel verfüge.
31

Auf ihrer 193. Sitzung am 8. und 9. Dezember 2011 in

Wiesbaden beschloss die Ständige Konferenz der Innen-

minister und -senatoren der Länder (IMK) die Einsetzung

einer von Bund und Ländern paritätisch zu besetzenden

Regierungskommission:

„Die Länder unterstützen mit Nachdruck die Er-
mittlungen des Generalbundesanwaltes.

Die Innenminister und -senatoren der Länder und

der Bundesinnenminister halten es für erforderlich,

über die aktuellen Ermittlungen des GBA hinaus

zu prüfen, welche Schlussfolgerungen daraus not-

wendig erscheinen.

Die IMK bittet den BMI, eine paritätisch aus von

Bund und Ländern zu benennenden Experten be-

setzte Regierungskommission zeitnah mit dem Ziel

einzurichten, im Sinne eines Gesamtbildes die

Zusammenarbeitsformen der Sicherheitsbehörden

der Länder und des Bundes zu analysieren und zu

bewerten. Hierzu sollen in geeigneter Weise Zwi-

schenergebnisse des aktuellen Ermittlungskomple-

xes mit einbezogen werden. Durch eine schlanke

Gremienstruktur soll eine effiziente Vorgehens-

weise sichergestellt werden.
28) Handelsblatt vom 15. Dezember 2011, „Neonazi-Morde:

Bundestag bereitet Aufarbeitung vor“.

29) Süddeutsche Zeitung vom 6. Dezember 2011, „Kommission
soll Pannen aufklären“.

30) Financial Times Deutschland vom 25. November 2011,
„Schwarz-Gelb verhakt sich bei der Nazi-Aufklärung“.

31) Süddeutsche Zeitung vom 6. Dezember 2011, „Kommission
soll Pannen aufklären“.

Die Ergebnisse der Kommission sind auch der

IMK vorzulegen.“32

Mitte Januar 2012 einigten sich alle Bundestagsfraktionen

darauf, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der

von einer Bund-Länder-Kommission begleitet werden

solle.
33

IV. Einsetzungsantrag, Debatte und Plenarbe-
schluss

1. Gemeinsamer Einsetzungsantrag aller
Fraktionen

Am 24. Januar 2012 stellten die Bundestagsfraktionen

von CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜND-

NIS 90/DIE GRÜNEN folgenden Antrag:
34

„A. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag bekräftigt die mit den

Stimmen aller Fraktionen gefasste Entschließung

vom 22. November 2011, mit der er der Trauer um

die Opfer der Mordserie der rechtsextremistischen

Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund’
(NSU) Ausdruck gegeben und den Angehörigen

der Opfer sein Mitgefühl ausgesprochen hat.

Der Deutsche Bundestag wird im Rahmen seiner

verfassungsmäßigen Rechte alles tun, um seinen

Beitrag zu einer gründlichen und zügigen Aufklä-

rung und zu den notwendigen Schlussfolgerungen

zu leisten. Dabei geht es insbesondere auch um

Struktur und Arbeit der Sicherheits- und Ermitt-

lungsbehörden. Der Deutsche Bundestag respek-

tiert die Rechte der Landtage der Länder der Bun-

desrepublik Deutschland auf Aufklärung im Ve-

rantwortungsbereich der Länder.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass Bund und

Länder in einer gemeinsamen, paritätisch besetzten

Kommission von vier Experten die Aufklärung des

Sachverhaltes vorantreiben und Schlussfolgerun-

gen erarbeiten.

B. Der Deutsche Bundestag beschließt:

Es wird ein Untersuchungsausschuss gemäß Arti-

kel 44 des Grundgesetzes eingesetzt. Dem Unter-

suchungsausschuss sollen 11 ordentliche Mitglie-

der (Fraktion der CDU/CSU: 4 Mitglieder, Frakti-

on der SPD: 3 Mitglieder, Fraktion der FDP: 2

Mitglieder, Fraktion DIE LINKE.: 1 Mitglied,

Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 1 Mit-
32) Beschlussniederschrift über die 193. Sitzung der Ständigen

Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am
8./9. Dezember 2011 in Wiesbaden, Az. VI D 4.3.

33) Hamburger Abendblatt vom 19. Januar 2012, „Neonazi-Datei
stößt auf Kritik“; SPIEGEL ONLINE vom 23. Januar 2012,
„Untersuchungsausschuss – Neonazi-Aufklärer einigen sich auf
gemeinsamen Antrag“.

34) Bundestagsdrucksache 17/8453.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14600

glied) und eine entsprechende Anzahl von stellver-

tretenden Mitgliedern angehören.

I.

Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamt-

bild verschaffen zur Terrorgruppe ‚Nationalsozia-
listischer Untergrund’, ihren Mitgliedern und Ta-
ten, ihrem Umfeld und ihren Unterstützern sowie

dazu, warum aus ihren Reihen so lange unerkannt

schwerste Straftaten begangen werden konnten.

Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse

soll der Untersuchungsausschuss Schlussfolgerun-

gen für Struktur, Zusammenarbeit, Befugnisse und

Qualifizierung der Sicherheits- und Ermittlungs-

behörden und für eine effektive Bekämpfung des

Rechtsextremismus ziehen und Empfehlungen

aussprechen.

Der Untersuchungsausschuss soll dazu klären,

welche Informationen den Sicherheits- und Ermitt-

lungsbehörden vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 zu den Personen Uwe

Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, zu

den sie unterstützenden Personen und Organisatio-

nen sowie zu den der Terrorgruppe ‚Nationalsozia-
listischer Untergrund’ oder ihren Mitgliedern zu-
geordneten Straftaten vorlagen oder bei sachge-

rechtem Vorgehen hätten vorliegen müssen, wie

diese Erkenntnisse jeweils in den Behörden bewer-

tet wurden, wie sie gegebenenfalls zum damaligen

Zeitpunkt sachgerecht hätten bewertet werden

müssen und welche Aktivitäten durch die Behör-

den hinsichtlich dieser Personen und Straftaten je-

weils erfolgten oder bei sachgerechtem Vorgehen

hätten erfolgen müssen.

II. Der Untersuchungsausschuss soll insbesondere

klären,

1. ob Fehler oder Versäumnisse von Bundesbe-

hörden, auch in ihrem Zusammenwirken mit

Landesbehörden, die Bildung und die Taten der

Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Unter-
grund’ sowie deren Unterstützernetzwerk be-
günstigt oder die Aufklärung und Verfolgung

der von der Terrorgruppe begangenen Strafta-

ten erschwert haben;

2. in welcher Weise Kontakte der Mitglieder der

Gruppe, die jetzt als Terrorgruppe ‚Nationalso-
zialistischer Untergrund’ bekannt ist, zu rechts-
extremen und rechtsextremistischen Personen,

Kreisen oder Organisationen dazu beigetragen

haben, ihr terroristisches Handeln vorzuberei-

ten oder zu fördern;

3. ob und welche Hinweise vorlagen auf interna-

tionale Verbindungen der Terrorgruppe ‚Natio-
nalsozialistischer Untergrund’ und ihres Um-
felds und wie mit ihnen umgegangen wurde

und sachgerecht hätte umgegangen werden

müssen;

4. welche Rolle im Zusammenhang mit der Ter-

rorgruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund’,
ihrer Unterstützer sowie ihres Umfelds der Ein-

satz von sogenannten Vertrauenspersonen (V-

Personen) spielte,

– auf welcher rechtlichen und tatsächlichen
Grundlage der Einsatz jeweils erfolgte,

– ob der Einsatz von V-Personen und dessen
Führung ausreichend kontrolliert und evalu-

iert wurden,

– ob die für Einsatz und Führung von V-
Personen geltenden Vorschriften und inner-

behördlichen Vorgaben jeweils ausreichend

und sachgerecht waren,

– ob über V-Personen die Taten der Mitglie-
der der Gruppe ‚Nationalsozialistischer Un-
tergrund’ finanziell unterstützt oder in sons-
tiger Weise begünstigt wurden;

5. ob und gegebenenfalls wodurch es der Terror-

gruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund’
beziehungsweise ihrem Unterstützerumfeld

ermöglicht oder erleichtert wurde, an Spreng-

stoff, Waffen, falsche Personalpapiere, ver-

deckte Wohnungen und Unterstützungsgelder

zu gelangen;

6. ob und gegebenenfalls wann Anhaltspunkte

vorlagen, die für eine Strafverfolgungszustän-

digkeit auf Bundesebene gemäß § 120 Absatz 1

beziehungsweise Absatz 2 des Gerichtsverfas-

sungsgesetzes gesprochen hätten, und gegebe-

nenfalls warum keine Ermittlungen eingeleitet

worden sind;

7. ob die Vernichtung von Beweismitteln, Hin-

weisen oder sonstigen Daten über die NSU-

Mitglieder und ihr Unterstützerumfeld, die für

die heutigen Ermittlungen von Bedeutung hät-

ten sein können, durch Sicherheitsbehörden

jeweils im Einklang mit den einschlägigen

Vorschriften erfolgte.

III. Der Untersuchungsausschuss soll zudem prü-

fen,

1. welche Schlussfolgerungen im Blick auf den

Rechtsextremismus für die Struktur und Orga-

nisation der Sicherheits- und Ermittlungsbe-

hörden des Bundes, für die Zusammenarbeit

der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden auf

Bundes- und Landesebene und für die Gewin-

nung und den Austausch von Erkenntnissen der

Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des

Bundes und der Länder gezogen werden müs-

sen;

2. ob und wie bei Ermittlungsmaßnahmen Leid

für die Opfer von extremistischen Straftaten

und deren Angehörige wirksamer vermieden

werden muss und kann;

Drucksache 17/14600 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. ob und wie die Bekämpfung rechtsextremisti-

scher Gewalt in allen Bereichen (Repression,

Prävention, Sensibilisierung der verantwortli-

chen Stellen) verbessert werden muss und

kann.

IV. Der Deutsche Bundestag erwartet sich von der

Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten (§ 10 des

Untersuchungsausschussgesetzes) eine Beschleu-

nigung der Arbeit des 2. Untersuchungsausschus-

ses.

Der Deutsche Bundestag ist zuversichtlich, dass

zwischen dem 2. Untersuchungsausschuss und der

im Einvernehmen von Bund und Ländern berufe-

nen Expertenkommission Gespräche über eine

sinnvolle Kooperation geführt werden. Der Unter-

suchungsausschuss kann in seine Untersuchungen

zum Zusammenwirken von Bundes- und Landes-

behörden die Ergebnisse einbeziehen, die von zur

Aufklärung des Sachverhalts berufenen Sachver-

ständigen und Experten der Länder und von der im

Einvernehmen von Bund und Ländern berufenen

Expertenkommission erarbeitet wurden.“

2. Anträge zur Änderung der Anzahl der Aus-
schussmitglieder

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. stellte am 25. Januar

2012 den Änderungsantrag, statt elf lediglich acht ordent-

liche Ausschussmitglieder vorzusehen. Damit hätten die

beiden den Fraktionen DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angehörigen Ausschuss-

mitglieder die Möglichkeit, unabhängig von den übrigen

Ausschussmitgliedern eine Beweiserhebung zu erzwin-

gen.
35

Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

beantragte am 25. Januar 2012, die Zahl der ordentlichen

Ausschussmitglieder auf 15 zu erhöhen.
36

3. Plenardebatte und Einsetzung

Am 26. Januar 2012 verhandelte der Deutsche Bundestag

über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsaus-

schusses sowie über die beiden Änderungsanträge.

Vertreter aller Fraktionen zeigten sich schockiert darüber,

dass die Terrorgruppe NSU von Behörden unerkannt und

unbehelligt über viele Jahre Verbrechen begehen konnte.

Es sei ein schwer zu ertragender Gedanke, dass sich nach

dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im

demokratischen Deutschland über zehn Jahre hinweg ein

vom rassistischen Vernichtungswillen geprägter national-

sozialistischer Terror ausbreiten konnte. Deprimierend

sei, dass die Sicherheitsbehörden diese Verbrechen nicht

hätten verhindern können. Das Vertrauen in die Sicher-

heitsbehörden sei nachhaltig beeinträchtigt.
35) Bundestagsdrucksache 17/8463.

36) Bundestagsdrucksache 17/8464.

Über diesen Befund und in der Forderung nach lückenlo-

ser Aufklärung herrsche Konsens der demokratischen

Parteien. Daher sei es wichtig, sich nicht über Verfahrens-

fragen zu zerstreiten. Der Abgeordnete Sebastian Edathy

wies darauf hin, dass der gestellte Einsetzungsantrag der

erste von 39 sei, der von allen im Bundestag vertretenen

Fraktionen gemeinsam eigebracht worden sei.
37

Uneinheitlich wurden die Möglichkeiten einer parlamen-

tarischen Untersuchung eingeschätzt.

Für die CDU/CSU-Fraktion erklärte deren damaliger

Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Peter Altmaier,

nicht zu 100 Prozent überzeugt zu sein, dass ein Untersu-

chungsausschuss das „am besten geeignete Instrument“
für die Aufklärung sei. Eine Expertenkommission von

Bund und Ländern sei besser, weil „vieles von dem, was
aufzuklären sei, die Zuständigkeit der Länder sowie die

Schnittstellen zwischen einzelnen Ländern […] berührt“.
Weil aber wenigstens zwei Fraktionen der Auffassung

seien, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sei

angezeigt, habe sich seine Fraktion mit einer „Gesamtlö-
sung“ einverstanden erklärt, „die den Anliegen aller Sei-
ten in diesem Haus gerecht wird“. Nun müsse eine „ver-
nünftige Arbeitsteilung“ zwischen der Expertenkommis-
sion und dem Untersuchungsausschuss organisiert wer-

den.
38

Der Abgeordnete Thomas Oppermann erklärte für die

SPD-Fraktion, der Bundestagsuntersuchungsausschuss

habe nur begrenzte Möglichkeiten, Sachverhalte zu über-

prüfen, die im Bereich der parlamentarischen Verantwort-

lichkeit von Landesregierungen liegen. Um auch Vorgän-

ge in einzelnen Ländern untersuchen zu können, sei die

Verknüpfung von Untersuchungsausschuss und Bund-

Länder-Kommission richtig. Der Untersuchungsausschuss

solle neben der Sachverhaltsaufklärung auch als Gesetz-

gebungsenquete tätig werden und Vorschläge zur Verbes-

serung des Sicherheitssystems erarbeiten.
39

Für die FDP-Fraktion wies der Abgeordnete Hartfrid

Wolff auf die Zuständigkeit des Bundes bei der Regelung

der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden hin.

Daher habe seine Fraktion von Anfang an die Möglichkeit

eines Untersuchungsausschusses erwogen.
40

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Volker Beck, erklärte, nur

ein Untersuchungsausschuss könne Zeugen unter Wahr-

heitspflicht vorladen und zur Aussage zwingen.
41

Der

Abgeordnete Wolfgang Wieland ergänzte: Jeder Bürger

der Bundesrepublik habe vor einem Untersuchungsaus-

schuss zu erscheinen und auszusagen, und wenn er in

seiner Aussage beschränkt werde, sei das gerichtlich

überprüfbar.
42
37) Plenarprotokoll 17/155, S. 18548 (A).

38) Plenarprotokoll 17/155, S. 18539 ff.

39) Plenarprotokoll 17/155, S. 18541 f.

40) Plenarprotokoll 17/155, S. 18542 f.

41) Plenarprotokoll 17/155, S. 18544 f.

42) Plenarprotokoll 17/155, S. 18550 (B).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/14600

Der Abgeordnete Clemens Binninger erklärte, unabhängig

von einer rechtlichen Verpflichtung der Länder zur Vor-

lage von Akten erwarte er, dass sich bei der Aufklärung

der Mordserie niemand auf Zuständigkeiten zurückziehen

werde. Denn solch ein Verhalten wäre den Bürgern dieses

Landes nicht vermittelbar.
43

Dem Abgeordneten Hans-

Christian Ströbele gab er recht, dass die Länder zur Vor-

lage von Akten auch verpflichtet seien.
44

Vizepräsidentin Petra Pau und der Abgeordnete Volker

Beck warben dafür, die Zahl der Mitglieder des Untersu-

chungsausschusses so zu bestimmen, dass die Fraktionen

DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemein-

sam über ein eigenes Beweisantragsrecht verfügten.
45

Der

Abgeordnete Clemens Binninger sagte zu, auch Beweis-

anträge der Fraktionen DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu unterstützen. „Das ma-
chen wir gemeinsam“.46 Der Abgeordnete Sebastian Eda-
thy ergänzte, auch er gehe davon aus, dass Beweisanträge

im Ausschuss im Konsens beschlossen würden.
47

Während die beiden Änderungsanträge abgelehnt wurden,

beschloss der Deutsche Bundestag den unveränderten

Einsetzungsantrag einstimmig.
48

V. Konstituierung

Unter der Leitung von Bundestagspräsident Dr. Norbert

Lammert ist der 2. Untersuchungsausschuss am 27. Januar

2012 zu seiner konstituierenden Sitzung öffentlich zu-

sammengetreten.

1. Mitglieder des Ausschusses

Die Bundestagsfraktionen benannten folgende Abgeord-

nete als Mitglieder des Ausschusses:

Fraktion der CDU/CSU

Ordentliche Mitglieder

– Clemens Binninger

– Tankred Schipanski

– Armin Schuster (ab 16. Januar 2013)

– Stephan Stracke

– Elisabeth Winkelmeier-Becker (bis 16. Januar 2013)

Stellvertretende Mitglieder

– Florian Hahn

– Frank Heinrich

– Armin Schuster (bis 16. Januar 2013)
43) Plenarprotokoll 17/155, S. 18545 f.

44) Plenarprotokoll 17/155, S. 18546 (B).

45) Plenarprotokoll 17/155, S. 18543 f.

46) Plenarprotokoll 17/155, S. 18547.

47) Plenarprotokoll 17/155, S. 18548 (A).

48) Plenarprotokoll 17/155, S. 18552 (A).

– Nadine Schön (St. Wendel)

– Elisabeth Winkelmeier-Becker (ab 16. Januar 2013)

Fraktion der SPD

Ordentliche Mitglieder

– Sebastian Edathy

– Dr. Eva Högl

– Sönke Rix

Stellvertretende Mitglieder

– Iris Gleicke

– Daniela Kolbe (Leipzig)

– Aydan Özoğuz

Fraktion der FDP

Ordentliche Mitglieder

– Serkan Tören

– Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Stellvertretende Mitglieder

– Patrick Kurth (Kyffhäuser)

– Jimmy Schulz

Fraktion DIE LINKE.

Ordentliches Mitglied

– Vizepräsidentin Petra Pau

Stellvertretendes Mitglied

– Jens Petermann

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ordentliches Mitglied

– Wolfgang Wieland

Stellvertretendes Mitglied

– Hans-Christian Ströbele

Nach der Konstituierung des Untersuchungsausschusses

hat sich die Zusammensetzung wie folgt geändert:

Die Abgeordnete Halina Wawzyniak ist durch die Frakti-

on DIE LINKE. für die Sitzungen am 31. Januar 2013,

21. Februar 2013 und 25. April 2013 als ordentliches

Mitglied benannt worden; Abgeordnete Petra Pau ist für

diese Sitzung als ordentliches Mitglied abberufen worden.

Für die Sitzungen am 3./5. Juli 2012, 28. September 2012,

25. Oktober 2012, 30. November 2012, 14. Dezember

2012, 22./28. Februar 2013, 1./15./21. März 2013,

15./25. April 2013, ist die Abgeordnete Halina

Wawzyniak als stellvertretendes Mitglied benannt worden,

Abgeordneter Steffen Bockhahn ist am 16. Mai 2013 als

stellvertretendes Mitglied benannt worden; Abgeordneter

Jens Petermann ist für diese Sitzungen als stellvertreten-

des Mitglied abberufen worden.

Drucksache 17/14600 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Bestimmung des Vorsitzenden und des
stellvertretenden Vorsitzenden

Gemäß § 6 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes

(PUAG)
49

fiel nach den Vereinbarungen im Ältestenrat

der Fraktion der SPD das Vorschlagsrecht für die Be-

stimmung des Vorsitzes des Ausschusses zu. Für die

Bestimmung des stellvertretenden Vorsitzes stand gemäß

§ 7 Abs. 1 PUAG nach den Vereinbarungen im Ältesten-

rates der Fraktion der CDU/CSU das Vorschlagsrecht zu.

Auf Vorschlag der SPD-Fraktion hat der Ausschuss den

Abgeordneten Sebastian Edathy zu seinem Vorsitzenden

und auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion den Abgeord-

neten Stephan Stracke zu seinem stellvertretenden Vorsit-

zenden bestimmt.

3. Benennung der Obleute und der Berichter-
statter

Zu ihren Obleuten haben die Fraktionen benannt:

– Fraktion der CDU/CSU: Clemens Binninger

– Fraktion der SPD: Dr. Eva Högl

– Fraktion der FDP: Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

– Fraktion DIE LINKE.: Vizepräsidentin Petra Pau

– Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wolfgang
Wieland

Der Ausschuss hat die Obleute der Fraktionen zu Berich-

terstattern gemäß § 65 der Geschäftsordnung des Deut-

schen Bundestages (GOBT)
50

benannt.

4. Benannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Fraktionen

Fraktion der CDU/CSU:

– Dr. Andreas Feser

– Claudia von Cossel

– Dr. Philipp Molsberger

– Dan Kühnau

– Esther Uleer

Fraktion der SPD:

– Christian Heyer

– Anne Hawxwell

– Albrecht von Wangenheim

– Ingo Reichelt
49) Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

des Deutschen Bundestages vom 19. Juni 2001 (BGBl. I

S. 1142), geändert durch Artikel 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5.

Mai 2004 (BGBl. I S. 718).

50) Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt

geändert laut Bekanntmachung vom 7. Mai 2012 (BGBl. I

S. 1119).

Fraktion der FDP:

– Dr. Christian Lange

– Isabella Pfaff

– Christoph von Diest

– Anika Scharlau (ab 1. September 2012)

– Linda van Renssen

– Andrea Camaj (ab 2. Juli 2012)

– Claudia Kuhlow (ab 15. Januar 2013)

Fraktion DIE LINKE.:

– Dr. Jens Lehmann

– Dr. Gerd Wiegel (ab 1. März 2012)

– Heike Kleffner (ab 7. Mai 2012)

– Helmut Schroeder

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

– Martina Kant

– Christian Busold

– Tilo Fuchs

– Anton Brandt (ab 8. Juni 2012)

– Karsten Lüthke (ab 11. Dezember 2012)

5. Beauftragte der Mitglieder der Bundesre-
gierung und des Bundesrates

a) Beauftragte der Mitglieder der Bundesre-
gierung

Bundeskanzleramt

– Ministerialrat Dr. Sven-Rüdiger Eiffler

– Oberregierungsrätin Nina Herrmann

– Regierungsdirektor Dr. Michael Rensmann

– Regierungsamtmann Jens Hoffmann (ab Januar
2013)

– Paul Büttgenbach (6. Februar 2012 bis
21. September 2012)

Bundesministerium des Innern

– Ministerialdirigent Dr. Hans-Georg Maaßen (bis
18. Juli 2012)

– Ministerialdirigent Hans-Georg Engelke (ab 18. Juli
2012)

– Ministerialrat Richard Reinfeld

– Kriminaloberrat Christoph Schäfer

– Oberregierungsrätin Maren Stancke (bis 31. Juli
2012)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/14600

– Oberregierungsrat Andreas Schneider (bis
30. November 2012)

– Regierungsrat Florian Hauer (ab 22. Januar 2013)

Bundesministerium der Justiz

– Ministerialdirektor Thomas Dittmann

– Ministerialrat Dr. Michael Greßmann

– Richter am Landgericht Dr. Stefan Freuding

– Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Andreas
Christeleit

– Staatsanwältin Federica Sieben (ab 1. Februar 2013
bis 10. Juni 2013)

– Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Thomas Beck
(ab 2. April 2013)

– Staatsanwalt Ingo Kaiser

– Regierungsdirektorin Susanne Bunke

– Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Guido
Zöller (8. Februar 2012 bis 31. Januar 2013)

Bundesministerium der Verteidigung

– Ministerialrat Dr. Christoph Gramm

– Ministerialrat Dr. Willibald Hermsdörfer (2. Juli
2012 bis 24. September 2012)

– Regierungsdirektor Torsten Witz (ab 21. September
2012)

– Regierungsdirektor Ulf Bednarz

– Oberstleutnant Hartwig Tombers

– Oberregierungsrat Jürgen Daude

– Hauptmann Ingo Meyer

– Hauptmann Ralf Hufmann

– Oberstleutnant Dieter Frings (ab 22. März 2013)

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und

Jugend

– Birga Köhler (bis 23. Oktober 2012)

– Marc-Axel Hornfeck (ab 24. Oktober 2012)

– Constantin Stellmach (bis 4. Oktober 2012)

b) Beauftragte der Mitglieder des Bundesra-
tes

Baden-Württemberg

– Staatsanwalt Dr. Matthias Fahrner

– Kriminalrat Hartmut Keil

– Regierungsdirektor Gerd Armbruster

– Ministerialrat Andreas Mathäs

– Leitender Kriminaldirektor Martin Schatz

Bayern

– Ministerialrat Konrad Schober

– Kriminaldirektor Lothar Köhler (bis 8. Mai 2012)

– Oberregierungsrat Dr. Sebastian Rotter (ab 8. Mai
2012)

– Dr. Vincent Mayr

Berlin

– Regierungsrat Christian Sauer

– Regierungsrat Arne Herz

– Kriminaldirektor Oliver Tölle

– Leitender Senatsrat Christoph Braunbeck

Brandenburg

– Jürgen Seffern

– Dr. Jutta Jahns-Böhm

– Regierungsdirektorin Andrea Melbert

– Dr. Jörg Treffke

– Leitende Kriminaldirektorin Dr. Heike Wagner

Freie und Hansestadt Hamburg

– Dr. Andrea Berner

Hessen

– Regierungsoberrat Frederik Konstantin Schmitt

– Regierungsdirektor Arvid Steinbach (ab 1. März
2013)

Niedersachsen

– Ministerialrat Dietmar Pietsch

Nordrhein-Westfalen

– Regierungsdirektor Frank Matthias

– Carola Holzberg

Rheinland-Pfalz

– Regierungsrätin Juliane Nitzsche

Saarland

– Regierungsoberrätin Irina Stuhr

Sachsen

– Regierungsoberrat Dr. Matthias Falk

– Regierungsdirektorin Monika von Barnekow

– Ministerialrat Martin Johannes Strunden

Sachsen-Anhalt

– Ministerialrat Dr. Matthias Schuppe

– Regierungsrat Mathias Stempor (ab 2. November
2012)

Thüringen

– Regierungsdirektorin Christine Müllenbach

Drucksache 17/14600 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Ministerialdirigent Andreas Horsch

– Regierungsrat Dr. Carsten Schmidt

– Regierungsrätin Dr. Elisabeth Schellnack

– Ministerialdirigent Andreas Becker

6. Ausschusssekretariat

Leitung:

– Ministerialrat Harald Georgii

Stellvertretung:

– Regierungsdirektorin Barbara Blum

Referentinnen und Referenten:

– Regierungsdirektorin Beate Hasselbach (ab 10. April
2012)

– Regierungsdirektor Mark Krause (8. Oktober 2012
bis 31. Dezember 2012)

– Oberstaatsanwalt Dr. Hans-Joachim Lutz (ab
2. Dezember 2012)

– Staatsanwalt Johannes Jost (ab 2. Dezember 2012)

Büroleitung:

– Monika Labrenz

Erstsekretärin und Vorzimmer:

– Antje Herold (bis Juni 2012)

– Jana Schumann (ab 20. August 2012)

Zweitsekretärinnen:

– Marleen Hellmund

– Christina Sintara (ab 22. Mai 2013)

Geprüfte Rechtskandidatinnen:

– Julia von Eitzen (ab 1. April 2012)

– Alexandra Tsesis (ab 1. Juli 2012)

– Jane Engels (ab 8. April 2013)

– Theres Kirschner (ab 2. April 2013)

– Christiane Müller (ab 2. Februar 2013)

Studierende:

– Hans Rosenbaum

– Philipp Johannes Schulze (21. Mai bis 31. Oktober
2012)

– Janine Heidmeyer (ab 5. Juni 2012)

– Philipp Ehestädt (ab 21. November 2012)

– Friedrich Gröschner (ab 21. November 2012 )

Dem Ausschuss haben die Länder Bayern und Berlin

personelle Unterstützung geleistet durch Abordnung von

Oberstaatsanwalt Dr. Lutz und Staatsanwalt Jost.

B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit

I. Ermittlungen des Generalbundesanwalts
und Strafverfahren vor dem Oberlandesge-
richt in München

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof leitete

am 11. November 2011 gegen Beate Zschäpe ein Ermitt-

lungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts der

Bildung einer terroristischen Vereinigung ein
51

, das nach

und nach auf insgesamt 13 Beschuldigte – teilweise in
gesonderten Ermittlungsverfahren – erstreckt wurde.52

Am 13. November 2011 wurde Holger Gerlach festge-

nommen, unter dessen Namen das abgebrannte Wohnmo-

bil angemietet worden war. Er bekannte sich dazu, Beate

Zschäpe im Auftrag von Ralf Wohlleben einen Stoffbeutel

mit einer Waffe übergeben und Uwe Böhnhardt mit einem
51) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom

11. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 34.

52) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 22. März 2012,

MAT A GBA-4/1, Bl. 25 f.

Führerschein und einem Reisepass versorgt zu haben.
53

Am 24. November 2011 wurde André Eminger wegen des

Verdachts, Böhnhardt und Zschäpe seine Personalien und

die seiner Ehefrau zur Beantragung einer Bahncard zur

Verfügung gestellt und an der Herstellung des NSU-

Videos mitgewirkt zu haben, festgenommen.
54

Am

29. November 2011 wurde Ralf Wohlleben festgenom-

men, dem Beihilfe zum Mord in sieben Fällen durch Be-

schaffung einer Waffe vorgeworfen wurde.
55

Gegen
53) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom

24. Februar 2012 – 2 BJs 8/12, MAT A GBA-4/1, Bl. 187.

54) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
23. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 75.

55) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom
28. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 153; Vermerk des Generalbundesanwalts vom 22. März

2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 26.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/14600

Matthias Dienelt erging am 8. Dezember 2011
56

und

gegen Carsten Schultze am 31. Januar 2012 Haftbefehl
57

.

Das vom Generalbundesanwalt mit der Wahrnehmung der

kriminalpolizeilichen Ermittlungen beauftragte Bundes-

kriminalamt
58

richtete eine Besondere Aufbauorganisati-

on, die BAO „Trio“ ein, in der im März 2012 etwa 400
Beamte mitarbeiteten.

59
Mit Beschluss vom 28. Februar 2012 hat der Bundesge-

richtshof die Haftbeschwerde von Frau Zschäpe verwor-

fen. Diese sei dringend verdächtig, eine terroristische

Vereinigung gegründet und eine besonders schwere

Brandstiftung begangen zu haben.
60

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai

2012 den Haftbefehl gegen Holger Gerlach aufgehoben

und seine Freilassung angeordnet. Der Beschuldigte sei

weder der Beihilfe zum Mord noch der Unterstützung

einer terroristischen Vereinigung dringend verdächtig.
61

Auf Antrag des Generalbundesanwalts sind am 29. Mai

2012 Carsten Schultze und Matthias Dienelt freigelassen

worden. Carsten Schultze habe sich umfassend zum Tat-

vorwurf eingelassen und entscheidend zur Tataufklärung

beigetragen. Er habe sich glaubhaft von rechtsradikalem

Gedankengut abgewandt und seit spätestens 2001 keine

Kontakte mehr in rechtsextremistische Kreise gehabt.

Daher bestehe keine Fluchtgefahr mehr. Die gegen Matt-

hias Dienelt vorliegenden Verdachtsmomente würden die

Fortdauer der Untersuchungshaft im Lichte der Entschei-

dung des Bundesgerichtshofs zu Holger Gerlach nicht

tragen.
62

Am 14. Juni 2012 hat der 3. Strafsenat des Bundesge-

richtshofs den Haftbefehl gegen André Eminger aufgeho-

ben und seine Freilassung angeordnet. Der Beschuldigte

sei der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung

nicht dringend verdächtig. Seine Mitwirkung bei der

Herstellung des NSU-Videofilms sei nicht hinreichend

gesichert. Nicht hinreichend sicher sei auch, dass er bei

der Überlassung der Bahncards an das Trio gewusst oder

zumindest damit gerechnet habe, eine Gruppierung zu

unterstützen, deren Ziele auf die Begehung terroristischer

Anschläge gerichtet gewesen seien.
63
56) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom

8. Dezember 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 271.

57) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichthof vom

31. Januar 2012 – 2 BJs 9/12, MAT A GBA-4/1, Bl. 240.

58) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom
11. November 2011 – 2 BJs 162/11-2, MAT A GBA-4/1,
Bl. 34.

59) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 22. März 2012,
MAT A GBA-4/1, Bl. 22.

60) BGH vom 28. Februar 2012 – 2 BJs 162/11-2 –, MAT A GBA-
4/1, Bl. 50.

61) Beschluss vom 25. Mai 2012 – AK 14/12.

62) Pressemitteilung des GBA vom 29. Mai 2012 – 13/2012.

63) Beschluss des 3. Strafsenats vom 14. Juni 2012 – AK 17/12.

Am 8. November 2012 hat der Generalbundesanwalt vor

dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München

Anklage erhoben gegen

– Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft an der Ermor-
dung von acht Mitbürgern türkischer und einem Mit-

bürger griechischer Herkunft, an dem Mordanschlag

auf zwei Polizeibeamte in Heilbronn sowie an den

versuchten Morden durch die Sprengstoffanschläge

des „NSU“ in der Kölner Altstadt und in Köln-
Mülheim, an 15 bewaffneten Raubüberfällen, wegen

weiteren versuchten Mordes an einer Nachbarin und

zwei Handwerkern und wegen besonders schwerer

Brandstiftung,

– Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord an neun
Mitbürgern ausländischer Herkunft durch die Be-

schaffung der Tatwaffe Česká 83 nebst Schalldämp-
fer,

– Carsten Schultze wegen Beihilfe zum Mord an neun
Mitbürgern ausländischer Herkunft durch die Be-

schaffung der Tatwaffe Česká 83 nebst Schalldämp-
fer,

– André Eminger wegen Beihilfe zum Sprengstoffan-
schlag des „NSU“ in der Kölner Altstadt sowie we-
gen Beihilfe zum Raub und wegen Unterstützung der

terroristischen Vereinigung „NSU“ in jeweils zwei
Fällen und gegen

– Holger Gerlach wegen der Unterstützung der terro-
ristischen Vereinigung „NSU“ in drei Fällen.64

Der erste Termin der Hauptverhandlung vor dem Sechs-

ten Strafsenat des Oberlandesgerichts München gegen

Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, André Eminger, Holger

Gerlach, Carsten Schultze hat am 6. Mai 2013 stattgefun-

den.

1. Gegenseitige Rücksichtnahme

Am 1. März 2012 hat sich der Vorsitzende Sebastian

Edathy mit Staatssekretär Klaus Dieter Fritsche (BMI),

Staatssekretärin Dr. Birgit Grundmann (BMJ), General-

bundesanwalt Harald Range und Präsident Heinz Fromm

(BfV) getroffen, um einen schonenden Ausgleich zwi-

schen dem Anspruch und der Erwartung der Öffentlich-

keit auf Aufklärung und Transparenz und den schützens-

werten Belangen der Sicherheits- und Strafverfolgungs-

behörden zu verabreden.

Der Vorsitzende hat darauf hingewiesen, es müsse mög-

lich sein, substantielle Vernehmungen auch in öffentlicher

Sitzung durchzuführen. Nicht vermittelbar sei, wenn

Sachverhalte, die bereits breit in den Medien erörtert

worden seien, im Ausschuss in öffentlicher Sitzung nicht

angesprochen werden dürften. Dies müsse sowohl bei der

Einstufung von Unterlagen für den Ausschuss als auch bei
64) Pressemitteilung des Generalbundesanwalts vom 8. November

2012, 32/2012; MAT A BY-15 (Tgb.-Nr. 153/13 – GEHEIM).
Drucksache 17/14600 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der Erteilung von Aussagegenehmigungen für Bundesbe-

dienstete Berücksichtigung finden.

Für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der

Justiz hat Staatssekretärin Dr. Grundmann erklärt, Prob-

leme mit der Einstufung von Vorgängen seien nicht zu

erwarten. Allerdings dürften laufende Ermittlungen nicht

gefährdet werden. Der Generalbundesanwalt hat zugesagt,

er könne dem Ausschuss alle Akten, die dieser benötige,

liefern. Zur Sicherung laufender Ermittlungen könne es

gelegentlich zu Verzögerungen bei der Vorlage kommen.

Seine Behörde sowie das von ihm beauftragte Bundes-

kriminalamt verfügten über einen relevanten Aktenbe-

stand von mehreren tausend Ordnern. Mit den laufenden

Ermittlungen seien zehn Staatsanwälte befasst. Nur diese

könnten die Akten für den Untersuchungsausschuss zu-

sammenstellen. Das große Volumen der Aktenanforde-

rung werde daher für das Ermittlungsverfahren belastend

sein. Eine Präzisierung der Beweisbeschlüsse sei hilf-

reich.

Der Untersuchungsausschuss hatte am gleichen Tage

bereits beschlossen, zur Sichtung und Vorauswahl der für

die Erfüllung des Untersuchungsauftrages erforderlichen

Akten beim Generalbundesanwalt einen Ermittlungsbe-

auftragten zu bestellen (siehe hierzu: C.VI.1, S. 52). Da-

bei sollte bei der Übermittlung der Beweismittel an den

Untersuchungsausschuss insbesondere eine mögliche

Gefährdung des Strafverfahrens berücksichtigt werden.
65

2. Regelmäßige Unterrichtung

Der Generalbundesanwalt hat sich bereit erklärt, dem

Untersuchungsausschuss regelmäßig über den Stand sei-

ner Ermittlungen zu berichten.

Am 8. März 2012 hat der Generalbundesanwalt dem Aus-

schuss in einer nichtöffentlichen Beratungssitzung den

Film des NSU vorgeführt. Bundesanwalt Dr. Herbert

Diemer und der Leiter der Asservatenauswertung beim

BKA Martin Thode haben dem Ausschuss den Inhalt des

Videos, die Auffindsituation, die Verbreitung von Kopien

des Videos und seine Herstellung erläutert.
66

In der Beratungssitzung am 26. April 2012 hat das Bun-

deskriminalamt in Begleitung des Generalbundesanwalts

dem Ausschuss das Brettspiel „Pogromly“, das vom Trio
vertrieben worden sein soll, vorgelegt und erläutert.

67
EKHK Dirk Hetzel (BKA) hat den Stand der Ermittlun-

gen zu dem Spiel, insbesondere die Auffindsituation, die

Stückzahl sowie Erkenntnisse zu seiner Herstellung und

Verbreitung geschildert.

In der gleichen Sitzung hat EKHK Dirk Hetzel dem Aus-

schuss die von Überwachungskameras festgehaltenen

Bilder von den Banküberfällen vorgeführt und erläutert.
65) Protokoll-Nr. 4, S. 49 ff. i.V.m. Beweisbeschluss GBA-4.

66) Protokoll-Nr. 5, Wortprotokoll zu TOP 6, (Tgb.-Nr. 3/12 – VS-
VERTRAULICH).

67) Protokoll-Nr. 11, S. 10.

Am 28. September 2012 hat der Generalbundesanwalt die

Obleute des Ausschusses über den aktuellen Stand der

Ermittlungen unterrichtet.

3. Aktenzulieferung aus den laufenden Ver-
fahren

a) Vor Anklageerhebung

Von Erhebung der Anklage am 8. November 2012 hat der

Generalbundesanwalt dem Untersuchungsausschuss über

das Bundesministerium der Justiz Akten im Umfang von

circa 400 Stehordnern vorgelegt. Die Akten waren zu-

nächst von dem Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Bernd

von Heintschel-Heinegg gesichtet und auf Relevanz für

den Untersuchungsgegenstand geprüft worden (siehe

hierzu: C.VI.152).

b) Nach Anklageerhebung

Mit Anklageerhebung hat sich der Generalbundesanwalt

wegen § 478 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung

(StPO)
68

für die Vorlage verfahrensbefangener Akten für

nicht mehr zuständig gehalten und den Ausschuss an den

Sechsten Strafsenat des Oberlandesgerichts München

verwiesen. Im Ausschuss hingegen ist unter Hinweis auf

die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom

15. November 2012
69

zu dem Verlangen auf Aktenher-

ausgabe des Untersuchungsausschusses des baden-

württembergischen Landtages „EnBW-Deal“ und ein
Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen

Bundestages
70

die Auffassung vertreten worden, die Vor-

lagepflicht der Bundesregierung aus Artikel 44 Abs. 1 GG

gehe der fachgesetzlichen Regelung in der StPO vor.

Zur Klärung dieser Frage haben sich die Obleute am

16. Januar 2013 mit der Staatssekretärin aus dem Bun-

desministerium der Justiz Dr. Grundmann und General-

bundesanwalt Range getroffen. Staatssekretärin

Dr. Grundmann hat den Obleuten mitgeteilt, der Vorsit-

zende des Sechsten Strafsenats habe soeben entschieden,

dem Untersuchungsausschuss Einsicht in die zur Vorlage

beantragten Akten zu gewähren.
71

Eine Klärung des

Streits ist hierdurch überflüssig geworden.

In der Folge hat der Generalbundesanwalt dem Ausschuss

elf Akten einschließlich der Anklageschrift vorgelegt.
72
68) Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319),

zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Juli 2013

(BGBl. I S. 2182).

69) Az.: 4a VAs 3/12.

70) Giesecke, Anspruch des parlamentarischen Untersuchungsaus-

schusses auf Herausgabe von Akten in einem laufenden Straf-

verfahren, WD 3-3000-330/12.

71) Schreiben Oberlandesgericht München vom 16. Januar 2013,

MAT A BY-14.

72) MAT A BY-14/1 ff und BY-15.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/14600

4. Rücksicht auf das Strafverfahren: Fragen-
kreise ausgespart

Der Untersuchungsausschuss hat bei seiner Beweisauf-

nahme Fragenkreise bewusst ausgespart, die den Gegen-

stand des Strafverfahrens vor dem Oberlandesgericht

München betreffen. Beweismittel zu der Frage, ob die

dem Trio zugerechneten Taten tatsächlich von Mundlos,

Böhnhardt und Zschäpe begannen wurden, haben in der

Beweisaufnahme des Ausschusses nur für die Bewertung

der Arbeit der damals mit der Sachverhaltsaufklärung

betrauten Behörden eine Rolle gespielt. Verzichtet hat der

Ausschuss auch, Zeugen zu den Ereignissen am

4. November 2011 zu hören. Sowohl das Geschehen in

der Frühlingsstraße 26 in Zwickau als auch die Ereignisse

in Eisenach seien nach Auffassung der Mitglieder des

Ausschusses Gegenstand des Strafverfahrens vor dem

Oberlandesgericht München und dort zu klären.
73

5. Übermittlung der Untersuchungsaus-
schussprotokolle und sonstiger Unterla-
gen

Der Sechste Strafsenat des Oberlandesgerichts München

hat den Ausschuss im Wege der Amtshilfe ersucht, die

Protokolle über die durch den Untersuchungsausschuss

erfolgten Zeugenvernehmungen vorzulegen.
74

Ein ent-

sprechendes Ersuchen haben die Strafverteidiger der

Angeklagten Beate Zschäpe an den Ausschuss gerichtet.
75

Zunächst hat der Ausschuss entschieden, die Protokolle

erst nach Abschluss der Beweisaufnahme durch den

Untersuchungsausschuss vorzulegen.
76

Auf das Ersuchen

des Vorsitzenden des Sechsten Strafsenats
77

und der Ver-

teidiger von Frau Zschäpe
78

um frühzeitigere Übermitt-

lung hat der Ausschuss beschlossen, die Vernehmungen,

über die bereits ein endgültiges Protokoll vorliegt, förm-

lich abzuschließen und diese Protokolle bereits jetzt vor-

zulegen. Im Einzelnen hat der Ausschuss beschlossen
79

:

„Die Vernehmungen der in Anlage 9 aufgeführten
Zeugen ist gem. § 26 Abs. 2 PUAG abgeschlossen.

Dem Ersuchen des Vorsitzenden des Sechsten

Strafsenats des Oberlandesgerichts München in der

Strafsache gegen Beate Zschäpe und andere (Az: 6

St 3/12) um Vorlage der Protokolle über die durch

den Untersuchungsausschuss erfolgten Zeugenver-

nehmungen und Gewährung von Einsicht in diese

Protokolle durch die Verfahrensbeteiligten (A-

Drs. 382, 425) wird mit folgender Maßgabe statt-

gegeben:
73) Protokoll-Nr. 67, S. 7 f.

74) A-Drs. 382.

75) A-Drs. 378.

76) Protokoll-Nr. 58, S. 8 f.

77) A-Drs. 425.

78) A-Drs. 423.

79) Protokoll-Nr. 63, S. 9 f.

Vor der Vorlage der Protokolle mit einem Einstu-

fungsgrad von VS-VERTRAULICH und höher

wird den für die geheim zu haltenden Informatio-

nen zuständigen Stellen Gelegenheit zur Stellung-

nahme gegeben.“

Der Ausschuss hat nachfolgend die Zeugenvernehmungen

gemäß § 26 Abs. 2 PUAG abgeschlossen, sobald die von

den Zeugen vorgenommenen Korrekturen und Ergänzun-

gen eingegangen waren bzw. die Frist nach § 26 Abs. 2

PUAG verstrichen war. Jeweils unmittelbar nach Fertig-

stellung der endgültigen Protokolle bis zu einer Geheim-

haltungsstufe VS-NfD sind diese dem Oberlandesgericht

in digitaler Fassung zugeleitet worden.

Soweit sich die für die geheim zu haltenden Informatio-

nen zuständigen Stellen einverstanden erklärt haben, dem

Gericht die VS-VERTRAULICH und höher eingestuften

Protokolle gegebenenfalls bei Schwärzung bestimmter

Textteile vorzulegen, hat der Ausschuss die Protokolle

dem Gericht in digitaler Fassung übersandt.

Die Länder Brandenburg, Hessen und Nordrhein-

Westfalen haben keine Bedenken gegen die Vorlage er-

hoben. Der Freistaat Sachsen hat die Vorlage von

ungeschwärzten Protokollen von Auflagen abhängig ge-

macht:
80

„1. Eine Einsichtnahme der Verteidigung in das
Protokoll ist nur in der Geschäftsstelle des OLG

möglich. Das Protokoll ist dort unter den üblichen

Maßgaben zur Behandlung von VS-Material zu

verwahren. Den Verteidigern ist grundsätzlich

nicht zu gestatten, sich Ablichtungen oder Auszü-

ge aus dem Protokoll zu fertigen. Das Gericht hat

den Verteidiger zur Geheimhaltung unter Hinweis

auf die Strafbarkeit nach § 353b Abs. 2 StGB zu

verpflichten.

2. Sollte die Verteidigung das Protokoll oder Aus-

züge daraus für eine sachgerechte Verteidigung

zwingend benötigen, kann das OLG dem Verteidi-

ger die benötigten Passagen des Protokolls in Ab-

lichtung zur Verfügung stellen. Der Verteidiger

darf diese Passagen des Protokolls nur mit dem

Angeklagten, den Mitverteidigern und Sachver-

ständigen erörtern. Weitere Vervielfältigungen

sind unzulässig. Das Gericht hat ggf. die

Mitverteidiger und die Sachverständigen zur Ge-

heimhaltung unter Hinweis auf die Strafbarkeit

nach § 353 b Abs. 2 StGB zu verpflichten.

3. Sofern die Verteidigung das Protokoll oder Pas-

sagen daraus in der Hauptverhandlung verlesen

lassen will, ist zuvor eine Stellungnahme des

Deutschen Bundestages einzuholen, der sich mit

dem Sächsischen Staatsministerium des Innern ins

Einvernehmen setzt. Vorrang vor einer Verlesung

des Protokolls oder von Protokollauszügen sollte

die unmittelbare Befragung des Zeugen durch das

Gericht haben.
80) A-Drs. 504.

Drucksache 17/14600 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Kommt die Stellungnahme des Deutschen Bun-

destages zu dem Ergebnis, dass die Einführung des

Protokolls oder von Auszügen daraus in der

Hauptverhandlung aus Gründen des § 172 Nr. 1

und 2 GVG nicht möglich ist, ist die Öffentlichkeit

von der Verhandlung auszuschließen. Die anwe-

senden Personen sind gern. § 174 Abs. 3 Satz 1

GVG zur Geheimhaltung zu verpflichten.

5. Gleiches gilt bei der Verlesung der Entschei-

dungsgründe. Sollten hier geheimhaltungs-

bedürftige Passagen aus dem Protokoll zitiert wer-

den, ist ebenfalls die Öffentlichkeit auszuschließen

(§ 173 Abs. 2 GVG). Auch hier sind die anwesen-

den Personen gern. § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG zur

Geheimhaltung zu verpflichten.

6. Den Vertretern der Nebenklage ist eine Ein-

sichtnahme in das Protokoll nicht zu gestatten.“

Das Bundesministerium des Innern hat die Vorlage der

ungeschwärzten Protokolle abgelehnt. Die Kenntnisnah-

me von geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten könne

bei Vorlage nicht auf das Gericht und solche Personen,

die zum Geheimschutz verpflichtet sind, beschränkt wer-

den.
81

Der Ausschuss hat am 24. Juli 2013 beschlossen, entspre-

chend diesen Vorgaben zu verfahren.
82

Das Ersuchen des Vorsitzenden des Sechsten Strafsenats

um Vorlage einer vom Bundeskriminalamt für die Unter-

stützung der Arbeit des Ausschusses erstellten Liste mit

Personen, die zu dem möglichen Umfeld des Trios gehör-

ten (sogenannte „129er-Liste“) hat der Ausschuss abge-
lehnt. Das Gericht ist gebeten worden, sich an den Anklä-

ger in seinem Verfahren zu halten.
83

II. Schäfer-Kommission

1. Einsetzung und Auftrag

Am 23. November 2011 setzte der Innenminister des

Freistaates Thüringen als Antwort auf das Presseecho zu

Vorgängen im Landesamt für Verfassungsschutz eine

unabhängige Kommission ein, die sich mit dem Verhalten

der Thüringer Behörden und der Staatsanwaltschaften bei

der Verfolgung des „Zwickauer-Trios“ auseinandersetzten
sollte.

84
Zum Vorsitzenden der Kommission wurde der

Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof a. D. Dr.

Gerhard Schäfer bestimmt. Weitere Mitglieder der

Kommission waren der Bundesanwalt beim Bundesge-

richtshofs a. D. Volkhard Wache und der Leiter der Abtei-

lung Strafvollzug im Ministerium der Justiz und für Ver-

braucherschutz Rheinland-Pfalz Ministerialdirigent
81) A-Drs. 491.

82) Protokoll-Nr. 75, S. 8.

83) Protokoll-Nr. 63, S. 10.

84) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12.

Gerhard Meiborg.
85

Von Dezember 2011 bis Mai 2012

prüfte die Kommission, inwieweit die dem Trio zur Last

gelegte Gründung einer terroristischen Vereinigung durch

Unachtsamkeiten der Behörden des Freistaats Thüringen

begünstigt wurde.
86

Grundlage für die Arbeit der Schäfer-Kommission war

ein Werkvertrag zwischen dem Freistaat Thüringen und

der Kommission. Dieser beinhaltete folgenden Leistungs-

auftrag:

„Gegenstand des Vertrages ist die Erstellung eines
auf der Untersuchung aller Umstände betreffend

die Beziehung des sogenannten ‚Zwickauer Trios’
(Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe)

zu den Behörden und Staatsanwaltschaften beru-

henden Gutachtens, in dem auch eine Bewertung

der Tätigkeit dieser Behörden erfolgt. Insbesonde-

re sind die Tätigkeiten und Aktivitäten des Thürin-

ger Landesamtes für Verfassungsschutz (TLfV),

des Landeskriminalamtes (TLKA), sonstiger Poli-

zeibehörden, der Staatsanwaltschaften, der Gene-

ralstaatsanwaltschaft und deren jeweiligen Auf-

sichtsbehörden im Detail zu erfassen.“87

Die Kommission verfügte weder über hoheitliche Befug-

nisse noch war sie gegenüber Bediensteten des Freistaats

Thüringen weisungsbefugt. Sie war jedoch berechtigt, die

notwendigen Aufklärungstätigkeiten im Geschäftsbereich

des Thüringer Innenministeriums sowie bei der Thüringer

Staatsanwaltschaft durchzuführen. Insbesondere konnte

sie Akten anfordern sowie Mitarbeiter und ehemalige

Mitarbeiter befragen.
88

Die Tätigkeit erfolgte unabhängig

und weisungsfrei.
89

Der Schäfer-Kommission wurden

Räumlichkeiten in Erfurt zur Verfügung gestellt.
90

Ihr

Gutachten legte die Kommission am 14. Mai 2012 vor.
91

2. Ergebnisse der Ermittlungen der Schäfer-
Kommission

In ihrem Gutachten stellte die Kommission fest, dass den

Behörden vielfältige Fehler unterlaufen seien. Es seien

Fehler bei der Durchsuchung der Garagen am 28. Januar

1998 und bei der Zielfahndung nach dem Trio gemacht

worden. Das LKA Thüringen habe eine unstrukturierte,

„chaotische“ und lückenhafte Aktenführung. Die Zusam-
menarbeit innerhalb des LfV Thüringen, insbesondere die

Kommunikation und Informationsweitergabe sei „man-
gelhaft“. Eine effektive Zusammenarbeit zwischen dem
LfV Thüringen und dem LKA Thüringen sei nicht erfolgt.

Wichtige Quellenmeldungen, die Ermittlungsansätze

geboten hätten, seien dem LKA Thüringen nicht weiterge-

leitet worden. Zu der Zusammenarbeit zwischen der Poli-
85) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12.

86) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12.

87) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 12 f.

88) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 14.

89) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 15.

90) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 15.

91) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/14600

zei und dem Verfassungsschutz stellte die Kommission

fest, dass der gegenseitige Informationsaustausch ein

wichtiges und verbesserungswürdiges Element sei, um

sich überschneidende oder unkoordinierte Maßnahmen zu

verhindern. Die Kommission schlug vor, die Übermitt-

lungspflichten des LfV Thüringen durch weitere Rege-

lungen zu erweitern und zu präzisieren sowie die Fach-

aufsicht über das LfV Thüringen zu optimieren.
92

3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss des Deutschen Bundestages

Der Freistaat Thüringen hat das Gutachten der Schäfer-

Kommission dem Untersuchungsausschuss einschließlich

des eingestuften Fundstellenverzeichnisses zur Verfügung

gestellt.
93

Der Untersuchungsausschuss hat sämtliche in

dem Gutachten erwähnten Unterlagen beigezogen. Auch

die von der Schäfer-Kommission erstellten Anhörungs-

protokolle sind dem Ausschuss vorgelegt worden.
94

Der Untersuchungsausschuss hat die Mitglieder der Schä-

fer-Kommission in seiner 46. Sitzung am 13. Dezember

2012 öffentlich angehört.
95

III. Bund-Länder-Experten-Kommission

1. Einsetzung der Bund-Länder-Kommission

Am 24. November 2011 berief der Bundesminister des

Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, eine ministeriumsinter-

ne Expertenkommission zur Gesamtaufklärung der Vor-

gänge im Zusammenhang mit dem NSU ein. Mitglieder

der Expertenkommission sollten Staatssekretär a. D.

Dr. Hansjörg Geiger, der Präsident des Bundeskriminal-

amtes a. D. Dr. Ulrich Kersten und der ehemalige stell-

vertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontroll-

gremiums und frühere Abgeordnete Wolfgang Zeitelmann

sein. „Aus Respekt vor den anschließenden Überlegungen
des Deutschen Bundestages“, eine Bund-Länder-
Expertenkommission einzusetzen, wurde die vom BMI

geplante Kommission jedoch nicht tätig.
96

Auf ihrer 193. Sitzung am 8. und 9. Dezember 2011 be-

schloss die Ständige Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder (IMK) die Einsetzung einer von

Bund und Ländern paritätisch besetzten Regierungskom-

mission.
97

Am 6. Februar 2012 benannte die IMK in ei-

nem Umlaufbeschluss die Senatoren a. D. Dr. Erhart

Körting (ehemaliger Innensenator des Landes Berlin) und
92) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 262 ff.

93) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6.

94) MAT A TH-6/3.

95) A-Drs. 283-285, BB A-2, A-3, A-4; Schäfer, Wache, Meiborg,

Protokoll-Nr. 46.

96) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der

Fraktion DIE LINKE vom 27. April 2012, Drs. 17/ 9463, Bl. 2.

97) Beschlussniederschrift über die 193. Sitzung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am

8./9. Dezember 2012 in Wiesbaden, TOP 43: Einrichtung einer

Expertenkommission.

Heino Vahldieck (ehemaliger Innensenator des Landes

Hamburg) als Experten;
98

am 8. Februar 2012 benannte

die Bundesregierung Bundesanwalt beim Bundesgerichts-

hof a. D. Bruno Jost und Rechtsanwalt Prof. Dr. Eckhart

Müller als Experten. Die vierköpfige „Bund-Länder-
Kommission Rechtsterrorismus“ (BLKR) konstituierte
sich am 8. Februar 2012 im Bundesministerium des In-

nern in Berlin.

Am 17. September 2012 trat Senator a. D. Erhart Körting

zur Vermeidung des Anscheins der Befangenheit aus der

BLKR aus. Hintergrund war die mögliche Tätigkeit eines

mutmaßlichen NSU-Helfers als V-Person für das Berliner

Landeskriminalamt.
99

Mit Umlaufbeschluss vom

12. Oktober 2012 benannte die IMK Staatsminister a. D.

Karl Peter Bruch als neues Mitglied der BLKR.
100

2. Gesetzliche Grundlage und Auftrag

Die Einsetzung der Bund-Länder-Expertenkommission ist

auf die Organisationshoheit der Bundesregierung nach

Artikel 65 S. 2 des Grundgesetzes und der Landesregie-

rungen entsprechend ihrer Landesverfassungen gestützt

worden.
101

Die IMK bestimmte den Arbeitsauftrag der BLKR per

Umlaufbeschluss vom 6. Februar 2012:

„Die Straftaten des rechtsterroristischen ‚National-
sozialistischen Untergrund’ (NSU) zeigen deutlich,
dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus für

die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern eine

Daueraufgabe von hoher Priorität sein muss, die

ein ebenso energisches und nachhaltiges wie koor-

diniertes Vorgehen aller Sicherheitsbehörden ge-

gen den gewaltbereiten Rechtsextremismus not-

wendig macht. Insbesondere ist es erforderlich,

dass in diesem Bereich alle notwendigen und

rechtlich zulässigen Erkenntnisse von Polizei und

Verfassungsschutz frühzeitig zusammengeführt

sowie Optimierungsmöglichkeiten der fallbezoge-

nen Zusammenarbeit geprüft werden.

Vor diesem Hintergrund soll eine Experten-

Kommission das Ziel verfolgen, im Sinne eines

Gesamtbildes die Zusammenarbeitsformen der

Sicherheitsbehörden der Länder mit den Bundes-

behörden insbesondere bei der Bekämpfung des

gewaltbereiten Extremismus zu analysieren und zu

bewerten sowie Vorschläge für eine weitere Opti-

mierung ihrer Zusammenarbeit zu unterbreiten.

Dabei werden u. a. zu betrachten sein:
98) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19.

99) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19.

100) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19.

101) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der

Fraktion DIE LINKE vom 27. April 2012, Drs. 17/ 9463, Bl. 4.

Drucksache 17/14600 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– die bestehenden gesetzlichen Grundlagen für
die Verantwortlichkeiten und den Informati-

onsaustausch zwischen Bund und Ländern und

zwischen Verfassungsschutz und Polizei,

– die Funktionalität der Informations- und
Kommunikationsstrukturen,

– der Informationsaustausch in gemeinsamen
Kommunikationsplattformen,

– der grundsätzliche und der auf operative Ein-
zelfälle bezogene Informationsaustausch,

– die Thematik des Quellen- und Geheimschut-
zes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht,

– die Einrichtung gemeinsamer Auswerte- und
Analyseprojekte und

– die bestehende Abstimmung über offen und
verdeckt durchzuführende Maßnahmen der In-

formationsgewinnung.

Die Expertenkommission soll bei ihrer Arbeit in

geeigneter Weise Zwischenergebnisse des aktuel-

len Ermittlungskomplexes des GBA sowie die

sonstigen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder sowie Expertenwissen

aus Bund und Ländern mit einbeziehen.

In die Betrachtung sollen Erkenntnisse der Unter-

suchungsausschüsse des Bundes und der Länder

bzw. der eingesetzten Sonderermittler mit einbe-

zogen werden.

Ebenso einfließen sollen die Beschlüsse der IMK

zur Optimierung der Zusammenarbeit sowie die

Ergebnisse der durch die IMK eingerichteten Ar-

beitsgruppe von Polizei und Verfassungs-

schutz.“102

3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss

a) Vorabgespräch am 8. März 2012

Am 8. März 2012 hat zwischen den Mitgliedern der

BLKR und dem Ausschuss ein erstes Gespräch stattge-

funden. Bei diesem Gespräch sollte u. a. festgestellt wer-

den, welches Gremium an welcher Fragestellung arbeiten

werde.
103

Verabredet werden sollte die wechselseitige

Hilfe zwischen dem Ausschuss und der BLKR sowie die

Vermeidung von Doppelarbeit der beiden Gremien.
104

Senator a. D. Heino Vahldieck hat angemerkt, dass die

Arbeit der BLKR auf den Erkenntnissen der Untersu-

chungsausschüsse, der Schäfer-Kommission, des BKA

und des GBA aufsetzen und sich vor allem mit der The-
102) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 19 ff.

103) Edathy, Protokoll-Nr. 2, S. 11.

104) Edathy, Protokoll-Nr. 5, S. 38.

matik befassen werde, wo es Schwachstellen im Verhält-

nis zwischen Bund und Ländern gegeben habe und wo

sich die Sicherheitsarchitektur als ungeeignet erwiesen

habe. Nur in Einzelfällen wolle die BLKR selbst Befra-

gungen vornehmen.
105

Konsens hat zwischen der BLKR

und dem Ausschuss dahingehend bestanden, dass sich

eine gewisse Doppelarbeit nicht vermeiden lasse. Der

Abgeordnete Binninger hat vorgeschlagen, zumindest

nicht zur gleichen Zeit am selben Thema zu arbeiten,

sondern Themen zeitversetzt zu bearbeiten.

Verabredet worden ist, dass Kontakt zwischen der BLKR

und dem Ausschuss über die Sekretariate gehalten werde

und so ein Austausch der beiden Gremien stattfinden

könne. Ein erneutes Treffen sollte bei entsprechendem

Anlass vereinbart werden.
106

Der Ausschuss hat beschlos-

sen, dass dem Leiter der Geschäftsstelle der BLKR beim

BMI, MR Torsten Akmann, Zutritt zu allen Sitzungen der

Beweisaufnahme des Ausschusses gewährt wird.
107

b) Weitere Berichterstattungen

Am 14. Juni 2012 hat der Leiter der Geschäftsstelle der

BLKR, Torsten Akmann, dem Ausschuss über den Stand

der Arbeit der BLKR berichtet. Er hat u. a. von der Perso-

nalausstattung der BLKR und über die bisher geführten

Gespräche mit anderen Gremien und Behörden berichtet.

Den 1. Zwischenbericht der BLKR vom 16. Mai 2012 hat

er dem Ausschuss in dieser Sitzung vorgelegt.
108

Ihren 2. Zwischenbericht vom 27. November 2012
109

hat

die BLKR dem Untersuchungsausschuss am 7. Dezember

2012 vorgelegt und in der Beratungssitzung am

13. Dezember 2012 mündlich erläutert.
110

Die BLKR hat am 30. Januar 2013 ein weiteres Gespräch

mit dem Ausschuss vorgeschlagen. Dieses ist zunächst für

den 16. Mai 2013 angesetzt worden.
111

Aufgrund der

Erwartung der Innenminister der Länder, dass der Inhalt

dieses Gesprächs bis zu der am 24. Mai 2013 stattfinden-

den Innenministerkonferenz vertraulich bleiben müsse, ist

das Gespräch abgesagt worden, da dem Grundsatz der

Öffentlichkeit in dieser parlamentarischen Untersuchung

eine besondere Bedeutung zukomme.
112

Ein Gespräch zu

einem späteren Zeitpunkt hat nicht mehr stattgefunden.
105) Vahldieck, Protokoll-Nr. 5, S. 39.

106) Edathy, Protokoll-Nr. 5, S. 48.

107) Protokoll-Nr. 5, S. 48.

108) Zwischenbericht der Bund-Länder Expertenkommission
Rechtsterrorismus vom 16. Mai 2012, A-Drs. 167.

109) 2. Zwischenbericht der Bund-Länder Expertenkommission

Rechtsterrorismus vom 27. November 2012, MAT B BLK-2.

110) Protokoll-Nr. 45.

111) Edathy, Protokoll-Nr. 58, S. 6 f.

112) Protokoll-Nr. 71.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/14600

4. Ergebnis der Arbeit der BLKR

Ergebnis der Arbeit der BLKR ist der Abschlussbericht

vom 30. April 2013.
113

In diesem schlägt die BLKR Ver-

besserungen der Sicherheitsarchitektur vor (siehe unten:

Zweiter Teil L. II., S. 815). Sie hat betont, auch bei An-

wendung der von ihr entwickelten Vorschläge wären

weder die Straftaten des NSU schnell aufgeklärt worden,

noch hätten weitere Straftaten verhindert werden können.

Sie sei jedoch zuversichtlich, dass nach Umsetzung ihrer

Vorschläge Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt

würden.
114

IV. Untersuchungsausschüsse in den Landta-
gen

1. Thüringen

a) Einsetzung und Auftrag

Auf Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE., der

SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vom

18. Januar 2012
115

beschloss der Thüringer Landtag in

seiner 76. Sitzung am 26. Januar 2012 einstimmig, einen

Untersuchungsausschuss

„Mögliches Fehlverhalten der Thüringer Sicher-
heits- und Justizbehörden, einschließlich der zu-

ständigen Ministerien unter Einschluss der politi-

schen Leitungen, sowie der mit den Sicherheitsbe-

hörden zusammenarbeitenden Personen (so ge-

nannte menschliche Quellen) im Zusammenhang

mit Aktivitäten rechtsextremer Strukturen, insbe-

sondere des ‚Nationalsozialistischen Untergrunds’
(NSU) und des ‚Thüringer Heimatschutzes’ (THS)
und seiner Mitglieder sowie mögliche Fehler der

Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden bei der

Aufklärung und Verfolgung der dem NSU und ihm

verbundener Netzwerke zugerechneten Straftaten“

gemäß Art. 64 Abs. 1 S. 1 ThürVerf i. V. m. § 2 Abs. 1

ThürUAG und § 83 GOLT einzusetzen.
116

Wegen der politischen Diskussion über die Einsetzung

dieses Untersuchungsausschusses wird auf den Zwi-

schenbericht des Thüringer Untersuchungsausschusses

vom 7. März 2013 verwiesen.
117
113) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488.

114) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 365.

115) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/3902 vom

18. Januar 2012.

116) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/3969 vom
26. Januar 2012, zu Drucksache 5/3902, Bl. 1.

117) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/5810,

Rn. 10 ff.

Der Untersuchungsausschuss erhielt folgenden Auftrag:
118

„A. Untersuchungsgegenstand

I. Der Untersuchungsausschuss soll aufklären,

1. ob und in welchem Umfang die Gefahr der

Bildung militanter rechtsextremer Strukturen

in Thüringen durch die Landesregierung

falsch eingeschätzt wurden und somit deren

Herausbildung begünstigt wurde;

2. ob und in welchem Maße Thüringer Sicher-

heitsbehörden an Gründung und Aufbau so-

wie der Unterstützung rechtsextremer Struk-

turen in Thüringen, beispielsweise der „Anti-
Antifa Ostthüringen“ als Vorläufer des „Thü-
ringer Heimatschutzes“, durch den Einsatz
von Vertrauenspersonen (V-Personen) und

verdeckten Ermittlern beteiligt waren, diese

beförderten oder durch Unterlassen geeigneter

Maßnahmen duldeten und eingesetzte V-

Personen und verdeckte Ermittler an der

Durchführung oder Vorbereitung von Strafta-

ten sowie Aktivitäten, die sich gegen das

Grundgesetz richteten, beteiligt waren oder

diese begünstigten;

3. ob und in welchem Umfang Thüringer

Sicherheits- und Justizbehörden und die mit

ihnen zusammenarbeitenden Personen (so ge-

nannte menschliche Quellen) sowie die zu-

ständigen Ministerien die ihnen gesetzlich

übertragenen Befugnisse überschritten haben

und/oder bei dem Einsatz, beim Führen und

Beaufsichtigen von V-Personen bzw. ver-

deckten Ermittlern oder sonstigen Maßnah-

men im Zusammenhang mit der Beobachtung

rechtsextremer Strukturen und mit der Ver-

folgung und Aufklärung von durch diese be-

gangenen Straftaten gegen Rechtsvorschriften

verstoßen haben;

4. ob und inwiefern Thüringer Sicherheits- und

Justizbehörden und die mit ihnen zusammen-

arbeitenden Personen (so genannte menschli-

che Quellen) sowie die zuständigen Ministe-

rien rechtsextreme Strukturen und Personen

mangelhaft beobachtet und unzureichend

strafrechtlich oder im Rahmen der Gefahren-

abwehr gegen sie ermittelt und damit insbe-

sondere die Entstehung des ‚Nationalsozialis-
tischen Untergrunds’ ermöglicht oder begüns-
tigt haben;

5. ob und in welchem Maße unter Beachtung der

den Thüringer Sicherheits- und Justizbehör-

den tatsächlich vorliegenden Erkenntnisse

bzw. Erkenntnisse, die erlangt hätten werden

können, über Aufenthalt, Aktivitäten und
118) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/3969 vom

26. Januar 2012, zu Drucksache 5/3902, Bl. 1.

Drucksache 17/14600 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Straftaten durch Handeln oder Unterlassen

Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden

und der mit ihnen zusammenarbeitenden Per-

sonen (so genannte menschliche Quellen)

Straftaten, die dem ‚Nationalsozialistischen
Untergrund’ sowie dessen Unterstützern zu-
gerechnet werden, ermöglicht, begünstigt

oder erleichtert wurden;

6. ob und in welchem Maße durch Handeln oder

Unterlassen Thüringer Sicherheits- und Jus-

tizbehörden und mit ihnen zusammenarbei-

tender Personen (so genannte menschliche

Quellen) die Aufklärung und Verfolgung von

dem ‚Nationalsozialistischen Untergrund’
sowie dessen Unterstützern und seiner Netz-

werke zugerechneten Straftaten ver- oder be-

hindert worden ist;

7. ob alle rechtlichen und tatsächlich vorhande-

nen Möglichkeiten und Verpflichtungen zur

Aufklärung und damit Verhinderung von

Straftaten durch Thüringer Sicherheits- und

Justizbehörden in dem erforderlichen Maße

umgesetzt wurden;

8. ob und inwieweit Unzulänglichkeiten in der

Organisationsstruktur, bei der Ausübung der

den Thüringer Sicherheits- und Justizbehör-

den übertragenen Befugnisse, im Rahmen der

Dienst- und Fachaufsicht sowie im Rahmen

eines rechtlich gebotenen und zulässigen In-

formationsaustausches untereinander dazu

beigetragen haben, dass sich militante und

terroristische rechtsextreme Strukturen her-

ausbilden konnten, dass aus diesem Milieu

Straftaten begangen wurden sowie Maßnah-

men der Zielfahndung nach Mitgliedern des

‚Nationalsozialistischen Untergrundes’ er-
folglos blieben;

9. ob und in welchem Umfang Thüringer

Sicherheits- und Justizbehörden Kenntnis da-

rüber hatten, dass Sicherheitsbehörden des

Bundes und der Länder im Rahmen ihrer Tä-

tigkeit mit Mitgliedern rechtsextremer Struk-

turen in Thüringen nachrichtendienstlich zu-

sammenarbeiteten oder diese unterstützten

und wie durch Thüringer Sicherheits- und

Justizbehörden mit diesen Kenntnissen umge-

gangen wurde;

10. ob und inwieweit Unzulänglichkeiten in der

rechtlich gebotenen und zulässigen Zusam-

menarbeit zwischen Thüringer Sicherheits-

und Justizbehörden und Behörden des Bundes

und der Länder, einschließlich im Ausland,

mit dazu beigetragen haben, dass sich militan-

te und terroristische rechtsextreme Strukturen

herausbilden konnten und aus diesem Milieu

heraus Straftaten begangen wurden sowie

Maßnahmen der Zielfahndung nach Mitglie-

dern des ‚Nationalsozialistischen Untergrun-
des’ erfolglos blieben.

II. Der Untersuchungsausschuss soll gleichfalls

Schlussfolgerungen aus den Untersuchungs-

ergebnissen für zukünftige Maßnahmen zur

Stärkung der demokratischen Zivilgesell-

schaft und der Prävention von Rechtsextre-

mismus, die künftige Bekämpfung des

Rechtsextremismus, für eine verbesserte de-

mokratische und parlamentarische Kontrolle

der handelnden Behörden, für eine notwendi-

ge Neuorganisation der Sicherheitsbehörden

in Thüringen unter Beachtung bestehender

verfassungsrechtlicher Grenzen, einschließ-

lich der Änderung gesetzlicher Regelungen

und für die Verbesserung der Lage der tat-

sächlichen und potentiellen Opfer rechtsext-

remer und rassistischer Gewalt vorschlagen.

III. Zur Aufklärung des Untersuchungsgegen-

standes sind neben den zwingend einzubezie-

henden Beweismitteln auch alle Unterlagen,

Feststellungen und gewonnenen Erkenntnisse

der von der Thüringer Landesregierung ein-

gesetzten Untersuchungskommission (sog.

Schäfer-Kommission) sowie der so genannte

Gasser-Bericht hinzuzuziehen.

B. Der Thüringer Landtag erachtet nach bisher

vorliegendem Kenntnisstand auch die Beantwor-

tung folgender, sich aus dem Untersuchungsge-

genstand ergebender Fragen im Rahmen der Auf-

klärung des Untersuchungsauftrages für notwen-

dig, die der Untersuchungsausschuss in seine Ar-

beit insofern einbeziehen soll:

I. Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz

(TLfV):

1. Über welche Informationen verfügte das

TLfV über Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

durch die Beobachtung des ‚Thüringer Hei-
matschutzes’ (früher: ‚Anti-Antifa Ostthürin-
gen’) und der NPD seit dem Jahr 1994?

2. Welche Informationen wurden den Thüringer

Sicherheitsbehörden durch das führende Mit-

glied des ‚Thüringer Heimatschutzes’, Tino
Brandt, der bis zum Jahr 2001 Informant des

TLfV gewesen ist, über die drei Personen und

deren Aktivitäten zwischen 1994 und 2001

übermittelt?

3. Wann wurde der Hinweis auf Garagen in Je-

na, in denen Bombenattrappen von

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vermutet

wurden, an welche Behörden, Stellen oder

Personen weitergeleitet?

4. Wurden vor den Durchsuchungen am 26. Ja-

nuar 1998 Erkenntnisse des TLfV im Zu-

sammenhang mit den Aktivitäten des ‚Thü-
ringer Heimatschutzes’ und von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe an die Polizei und/oder

Justizbehörden weitergegeben und/oder Maß-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/14600

nahmen über das weitere Vorgehen mit diesen

abgesprochen?

5. Über welche Erkenntnisse verfügte das TLfV

über die Herkunft des am 26. Januar 1998 si-

chergestellten TNT sowie über die im Jahr

1997 in Jena aufgefundenen Sprengstoffe?

6. War das TLfV an dem Untertauchen der drei

Personen im Januar 1998 beteiligt oder in-

formiert? Wenn ja, wie und aus welchen Mo-

tiven? Wie wird dies auch rechtlich gerecht-

fertigt?

7. Gab es nach dem Untertauchen von

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Kenntnisse

oder Verdachtsmomente über tatsächliche

oder mögliche Aufenthaltsorte der Genann-

ten? Wenn ja, was wurde aufgrund solcher

Erkenntnisse oder Vermutungen im TLfV

veranlasst und inwieweit wurden solche

Kenntnisse oder Verdachtsmomente an ande-

re Behörden, Stellen oder Personen weiterge-

geben?

8. Wurden nach dem Untertauchen der Genann-

ten – unabhängig von den Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft und der Polizei – eigene
Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthalts

der genannten Personen eingeleitet und voll-

zogen? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundla-

ge beruhten diese Maßnahmen, wer hatte die-

se Maßnahmen angeordnet und welche ande-

ren Behörden, Stellen oder Personen wurden

über diese Maßnahmen in Kenntnis gesetzt?

9. Wurden Vertrauensleuten oder Gewährsper-

sonen in rechtsextremistischen Parteien oder

Kreisen Geld für die Übermittlung von In-

formationen und Hinweisen angeboten oder

gezahlt? Falls ja, welche Informationen er-

hielt das TLfV dadurch?

10. Hat das TLfV ein oder mehrere Exemplare

des so genannten Progromly-Spiels des NSU

erworben? Wenn ja, wie viele, zu welchem

Preis und zu welchem Zweck?

11. Sollte Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe oder

ihren Unterstützern ein Geldbetrag zum Er-

werb echter oder unechter Ausweisdokumente

zugeleitet werden? Wenn ja, warum sollten

die Genannten bei der Ausweisbeschaffung

unterstützt werden?

12. Über welche Kenntnis vom Aufenthalt der

drei gesuchten Personen verfügte das TLfV

zwischen 1998 und 2003?

13. Trifft es zu, dass Informationen über bzw.

Kenntnisse von Aufenthaltsorten von

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe überhaupt

nicht oder nur zeitverzögert an die Thüringer

Polizei und/oder die Justiz weitergeleitet

wurden?

14. Wurden Informationen über polizeiliche Er-

mittlungs- und Fahndungsmaßnahmen gegen

rechtsextremistische Parteien und Gruppie-

rungen an Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,

an Dritte oder Vertrauenspersonen der Ge-

nannten, insbesondere an Tino Brandt, wei-

tergegeben?

15. Bestanden seitens des TLfV nach dem Unter-

tauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschä-

pe direkt oder indirekt über Dritte Kontakt zu

einzelnen oder allen Genannten?

16. Verfügte das TLfV nach dem Untertauchen

von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über

Informationen, dass der V-Mann Tino Brandt

Kontakt zu den drei Flüchtigen hatte? Wenn

ja, ab wann waren dem TLfV diese Kontakte

bekannt, welche Maßnahmen hat es daraufhin

ergriffen und welche anderen Thüringer Be-

hörden, Stellen oder Personen wurden über

diese Kenntnisse unterrichtet?

17. Lagen dem TLfV Erkenntnisse darüber vor,

dass sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

den Strafverfolgungsbehörden stellen woll-

ten? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

18. Hat Beate Zschäpe versucht, Kontakt mit dem

TLfV aufzunehmen und wenn ja, wann und

mit welchem Ergebnis?

19. Trifft es zu, dass das TLfV im Auftrag des

Thüringer Innenministeriums Untersuchungen

zur Informationsweitergabe durch Polizeibe-

dienstete an rechtsextremistische Parteien und

Gruppierungen vorgenommen hat?

20. Welche Mitarbeiter im TLfV waren für die in

den Fragen 1 bis 19 genannten Maßnahmen

und/oder Kontakte federführend zuständig

und inwiefern ist es dabei zu Unzulänglich-

keiten in der internen Organisation des TLfV

gekommen?

21. Inwieweit und zu welchen Zeitpunkten lagen

dem TLfV Hinweise oder Erkenntnisse über

den Geldbedarf der flüchtigen Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe sowie über Geldsamm-

lungen aus rechtsextremistischen Parteien,

Vereinigungen oder Netzwerken zur Unter-

stützung der Genannten vor? Inwieweit gab es

Überlegungen oder Aktivitäten des TLfV, den

Genannten oder Mittelspersonen Gelder zuzu-

leiten? Wenn ja, zu welchen Zeitpunkten und

zu welchem Zweck?

22. Über welche Kenntnisse verfügte das TLfV

hinsichtlich des Aufenthalts der drei gesuch-

ten Personen zwischen 2003 und 2011?

23. Inwieweit verfügte das TLfV vor dem No-

vember 2011 über Erkenntnisse oder Ver-

dachtsmomente, dass Böhnhardt, Mundlos

Drucksache 17/14600 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und/oder Zschäpe Banküberfälle und Morde

verübten?

24. Inwieweit ist es zutreffend, dass eine sich auf

ein Täterprofil stützende Anfrage in den Jah-

ren 2005/2006 der für die Aufklärung der Se-

rienmorde an Migranten gebildeten Sonder-

kommission ‚Bosporus’ an die Landesämter
für Verfassungsschutz vom TLfV unbeant-

wortet blieb, obwohl eine Übereinstimmung

von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mit

dem Täterprofil gegeben war?

25. Hat das TLfV versucht oder ist es ihm gelun-

gen, Böhnhardt, Mundlos und/oder Zschäpe

als V-Personen anzuwerben und zu führen?

Welche Erkenntnisse hat das TLfV sich da-

raus versprochen oder im Fall der Führung

dabei gewonnen? Welche Geldbeträge oder

Sachleistungen haben die Genannten, falls sie

oder Einzelne von ihnen als V-Personen ge-

führt worden sein sollten, dafür vom TLfV

erhalten?

26. Wurden – wenn ja, in welchem Zeitraum –
andere Personen aus dem Umfeld oder aus

Unterstützernetzwerken der Genannten als V-

Personen geführt? Falls ja, welche Erkennt-

nisse wurden von diesen über Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe dem TLfV übermittelt

und wie wurde damit umgegangen?

27. Lagen oder liegen dem TLfV Hinweise vor,

dass einzelne oder alle Genannten mögli-

cherweise V-Personen anderer Landesämter

für Verfassungsschutz oder des Bundesamtes

für Verfassungsschutz oder Kontaktpersonen

anderer Sicherheitsbehörden des Bundes ge-

wesen sind?

28. Nach welchen Kriterien hat das TLfV Perso-

nen ausgewählt, um sie bei den Genannten

selbst oder im Umfeld der drei Gesuchten als

V-Personen zu verorten?

29. Inwieweit und durch welche Maßnahmen

wurde vom TLfV sichergestellt, dass Füh-

rungspersonen von V-Personen keine eigene

ideologische Nähe zu rechtsextremem Ge-

dankengut besitzen?

30. Wann zum ersten Mal, in welcher Form, wie

oft in Folge und mit welchen Inhalten hat das

TLfV über seine Erkenntnisse zu den Aktivi-

täten von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,

deren Untertauchen und ihren möglichen

Aufenthaltsorten und Aktivitäten aus dem

Untergrund heraus das Thüringer Innenminis-

terium und andere Behörden, insbesondere

das Landeskriminalamt und die zuständige

Staatsanwaltschaft, in Kenntnis gesetzt?

31. Inwieweit hat das TLfV bei Maßnahmen in

Bezug auf Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

seine ihm im Thüringer Verfassungsschutzge-

setz eingeräumten Befugnisse überschritten?

32. Inwieweit war im TLfV nach dem Ausschei-

den des damaligen Präsidenten im Sommer

2000 gewährleistet, dass sämtliche Führungs-

aufgaben der Behörde weitergeführt werden

konnten und gegebenenfalls Kontakte des

TLfV über V-Personen in den NSU oder des-

sen Umfeld weiter genutzt werden konnten?

33. Inwieweit lagen dem TLfV Hinweise darauf

vor, dass Holger G. und Ralf Wohlleben nach

dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe mit diesen in Kontakt standen

und diese unterstützten? Wenn Hinweise vor-

lagen, wann wurden entsprechende Informa-

tionen an andere Thüringer Behörden oder an

Sicherheitsbehörden des Bundes und anderer

Länder weitergegeben?

34. Inwieweit sind dem TLfV Informationen über

den Verbleib von Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe oder über deren Unterstützung durch

Dritte von den Sicherheitsbehörden anderer

Länder übermittelt worden und welche Kon-

sequenzen sind daraus seitens des TLfV ge-

zogen worden?

35. In welcher Form ist das TLfV am laufenden

Ermittlungsverfahren beteiligt, hat versucht

sich selbst zu beteiligen oder hat versucht,

Einfluss darauf auszuüben?

36. Ergeben sich aus dem so genannten Gasser-

Bericht Mängel in Struktur und Arbeit des

TLfV, die Einfluss auf den Umgang mit

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe und den

zugehörigen Ermittlungen zu diesen Personen

und ihrem Umfeld gehabt haben?

37. Welche Folgen wurden aus dem so genannten

Gasser-Bericht personell und strukturell ge-

zogen?

II. Thüringer Polizei/Thüringer Landeskriminal-

amt und Thüringer Innenministerium

1. Welche Personen im Thüringer Innenministe-

rium hatten federführend Kenntnis über die

unter Nummer I Fragen 1 bis 19 genannten

Maßnahmen des TLfV und welchen Mitarbei-

tern des Thüringer Innenministeriums oblag

in den Jahren 1994 bis einschließlich 2011

federführend die Dienst- und Fachaufsicht

über das TLfV?

2. Wann zum ersten Mal, in welcher Form, wie

oft in Folge und mit welchen Inhalten hat das

TLfV über seine Erkenntnisse zu den Aktivi-

täten von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,

deren Untertauchen und ihren möglichen

Aufenthaltsorten und Aktivitäten aus dem

Untergrund heraus das Thüringer Innenminis-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/14600

terium und/oder das Landeskriminalamt in

Kenntnis gesetzt?

3. Inwieweit trifft es zu, dass in den Jahren nach

1998 ein Zugriff auf die untergetauchten

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe durch die

Polizeibehörden wiederholt daran scheiterte,

dass Adressen von vermuteten Wohnungen

zwar korrekt, aber nicht mehr aktuell gewesen

sind?

4. Trifft es zu, dass es seitens der eingesetzten

Zielfahnder eine oder mehrere Beschwerden

über (vermutete) Behinderungen bei der Er-

greifung von Böhnhardt, Mundlos und Zschä-

pe gab? Wenn ja, wie und mit welchem Er-

gebnis wurde solchen Beschwerden nachge-

gangen?

5. Trifft es zu, dass es im Jahr 2002 ein Ge-

spräch zwischen dem damaligen Innenstaats-

sekretär und dem damaligen Justizstaatssekre-

tär zu der Problematik gegeben hat, ob und

inwieweit es zur Beeinträchtigung von Fahn-

dungsmaßnahmen der Polizei nach

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gekommen

ist? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

6. Inwieweit trifft es zu, dass Zielfahnder des

Thüringer Landeskriminalamtes kurz nach

dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe diese drei Personen in Chemnitz

aufgespürt hatten, der Einsatz von Polizeibe-

amten zur Festnahme der drei Gesuchten be-

vorstand und dieser Einsatz erst im letzten

Moment abgebrochen worden ist? Wenn die-

ser Sachverhalt zutrifft: Welcher Amtsträger

in welcher Thüringer Behörde hat den Ab-

bruch des genannten Einsatzes angeordnet

und aus welchen Gründen erfolgte dies? Trifft

es zu, dass sich die am bevorstehenden Ein-

satz beteiligten Beamten über den Abbruch

beschwert haben? Falls ja, bei wem? Trifft es

zu, dass es daraufhin ein Gespräch zwischen

Vertretern des Thüringer Innenministeriums

und den betreffenden Beamten gegeben hat?

Zwischen welchen Beamten und welchen

Vertretern des Thüringer Innenministeriums

hat zu welchem Zeitpunkt ein solches Ge-

spräch stattgefunden?

7. Gab es im Thüringer Innenministerium und

im TLfV Bestrebungen, die für Rechtsextre-

mismus zuständige Abteilung im TLfV nach

dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe personell und logistisch zu ver-

stärken und Maßnahmen zur Beobachtung

rechtsextremer Parteien und Organisationen

in Thüringen durch das TLfV auszuweiten?

Aus welchen Gründen und auf wessen Ent-

scheidung wurden die genannten Maßnahmen

durchgeführt oder nicht durchgeführt?

8. In welchem Umfang wurden im Bereich der

Thüringer Polizei Akten über die Ermittlun-

gen zum Aufenthalt von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe wann und durch wen vernichtet?

III. Thüringer Staatsanwaltschaft und Thüringer

Justizministerium

1. Welche Informationen lagen der zuständigen

Staatsanwaltschaft bei der Beantragung des

Durchsuchungsbeschlusses für die drei Gara-

gen in Jena im Januar 1998 tatsächlich vor?

Warum wurde die Durchsuchung nicht mit

einer vorläufigen Ingewahrsamnahme ver-

bunden?

2. Was führte dazu, dass die rechtskräftig ge-

wordene Verurteilung des Böhnhardt zu einer

Jugendhaftstrafe im Januar 1998 noch nicht

zum Haftantritt oder zu einem Vollstre-

ckungshaftbefehl führte?

3. Aufgrund welcher Erwägungen gelangte die

Staatsanwaltschaft Gera seinerzeit zur Auf-

fassung, dass der Verdacht auf Bildung einer

terroristischen Vereinigung nach § 129a

Strafgesetzbuch im Fall der Handlungen von

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nicht erfüllt

sei?

4. Trifft es zu, dass der Generalbundesanwalt

nach Kenntnis der Landesregierung später in

einer separaten Prüfung ebenfalls diese

Rechtsauffassung vertreten hat?

5. Welche Maßnahmen wurden bis zum Eintritt

der Verjährung der Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe vorgeworfenen Straftaten von Seiten

der Thüringer Justizbehörden veranlasst, um

die Beschuldigten zu ergreifen?

6. Haben das TLfV und die Polizei die zuständi-

ge Staatsanwaltschaft über ihre Erkenntnisse

zu den Aktivitäten von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe, deren Untertauchen und ihren

möglichen Aufenthaltsorten und Aktivitäten

aus dem Untergrund informiert? Wenn ja,

wann und mit welchem Inhalt?

7. Haben die Gesuchten selbst oder über Dritte

angeboten, sich zu stellen? Wenn ja, wer hat

ein solches Angebot übermittelt, war es mit

Bedingungen verknüpft, aus welchen Grün-

den ist es nicht dazu gekommen? Gab es sei-

tens der Thüringer Justizbehörden Bestrebun-

gen oder Versuche, die Gesuchten zur Selbst-

gestellung zu bewegen? Wenn ja, in welcher

Form und mit welchem Ergebnis?

8. Trifft es zu, dass es im Jahr 2002 ein Ge-

spräch zwischen dem damaligen Innenstaats-

sekretär und dem damaligen Justizstaatssekre-

tär zu der Problematik gegeben hat, ob und

inwieweit es zur Beeinträchtigung von Fahn-

dungsmaßnahmen der Polizei nach

Drucksache 17/14600 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gekommen

ist? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

9. Welche weiteren Besprechungen hat es zwi-

schen Vertretern des Thüringer Justizministe-

riums und Vertretern des Thüringer Innenmi-

nisteriums bzw. zwischen ihnen nachgeordne-

ten Behörden (Generalstaatsanwaltschaft,

Staatsanwaltschaften, TLfV, Thüringer Lan-

deskriminalamt) nach dem Untertauchen von

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hinsichtlich

der Festnahme der genannten Personen gege-

ben?

10. Aus welchen Gründen, aufgrund welcher

Rechtsgrundlage und auf wessen Veranlas-

sung wurden Beweismittel, insbesondere

Rohrbomben oder Bauteile hiervon, sowie

Tonbänder, die im Zusammenhang mit dem

NSU und Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

stehen, im Jahr 2003 oder danach vernichtet?

11. Welche Personen im Bereich der Thüringer

Justizbehörden waren federführend an den

genannten Maßnahmen in den Jahren 1997

bis einschließlich 2011 beteiligt?“

Der Ausschuss konstituierte sich am 16. Februar 2012.

Zur Vorsitzenden bestellte der Ausschuss die Abgeordne-

te Dorothea Marx (SPD) und zur stellvertretenden Vorsit-

zenden die Abgeordnete Martina Renner (DIE

LINKE.).
119

Am 7. März 2013 hat der Ausschuss einen Zwischenbe-

richt vorgelegt.
120

Zum Zeitpunkt der nächsten Wahl in

Thüringen im Jahr 2014 soll die Arbeit des Ausschusses

beendet sein.
121

b) Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-
ausschuss des Deutschen Bundestages

Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages

und der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundes-

tages haben am 1. März 2012 eine gemeinsame Sitzung

durchgeführt, bei welcher die Möglichkeiten einer Koope-

ration zwischen den Ausschüssen erörtert worden sind.
122

Insbesondere ist ein gegenseitiges Teilnahmerecht an den
119) http://www.thueringer-landtag.de/landtag/gremien-und-

rechtsgrundlagen/sonstige-

gremien/untersuchungsausschuss_5_1/.

120) Thüringer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/5810.

121) Protokoll über das Treffen von Mitgliedern des 2. Untersu-

chungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe natio-
nalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestages und
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus
und behördliches Handeln“ des Landtages Thüringen am
1. März 2012, Bl. 2.

122) Protokoll über das Treffen von Mitgliedern des 2. Untersu-

chungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe natio-
nalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestages und
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus
und behördliches Handeln“ des Landtages Thüringen am
1. März 2012.

Ausschusssitzungen, die Möglichkeit der gegenseitigen

Einsichtnahme in die Protokolle und ein Informationsaus-

tausch bezüglich der jeweils angeforderten Akten thema-

tisiert worden.
123

In seiner Sitzung vom 23. April 2012 hat der Untersu-

chungsausschuss des Thüringer Landtages auf der Grund-

lage eines Gutachtens der Landtagsverwaltung beschlos-

sen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Untersuchungs-

ausschuss des Bundestages begrüßt werde.
124

Den Mit-

gliedern, deren Stellvertretern und den Mitarbeitern des

Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

werde das Recht gewährt, an öffentlichen Sitzungen des

Thüringer Untersuchungsausschusses teilzunehmen. Für

nichtöffentliche und vertrauliche Sitzungen der Beweis-

aufnahme solle die Möglichkeit bestehen, ein Besuchs-

recht zur gewähren. Zutritt zu nichtöffentlichen und ver-

traulichen Beratungssitzungen könne nicht eingeräumt

werden. Dem Bundestagsuntersuchungsausschuss werde

die Möglichkeit eröffnet, die Sitzungsprotokolle des Thü-

ringer Untersuchungsausschusses in den Räumlichkeiten

des Landtages einzusehen. In Ausnahmefällen könne eine

Zusendung der Akten erfolgen. Von vertraulichen Sit-

zungsprotokollen werde lediglich ein Exemplar zur Ver-

fügung gestellt, welches nicht vervielfältigt werden dür-

fe.
125

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages hat in

seiner Sitzung vom 10. Mai 2012 beschlossen, dem Thü-

ringer Untersuchungsausschuss die gleichen Möglichkei-

ten einzuräumen.
126

Die beiden Untersuchungsausschüsse haben sich gegen-

seitig die Protokolle über ihre Beweisaufnahmesitzungen

in digitaler Fassung zur Verfügung gestellt. Mitglieder

beider Ausschüsse haben einzelne Beweisaufnahmesit-

zungen des jeweils anderen Ausschusses besucht.

2. Sachsen

Der 3. Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landta-

ges „Neonazistische Terrornetzwerke Sachsens“ ist seit
dem 17. April 2012 tätig.

127
Seine Einsetzung wurde in

der 51. Sitzung des Sächsischen Landtages am 7. März

2012 auf dringlichen Antrag von Abgeordneten der Frak-

tionen DIE LINKE., SPD und GRÜNE gemäß Art. 54

Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen beschlos-
123) Protokoll über das Treffen von Mitgliedern des 2. Untersu-

chungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe natio-
nalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestages und
Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus
und behördliches Handeln“ des Landtages Thüringen am
1. März 2012, Bl. 2 ff.

124) Schreiben des Thüringer Landtags vom 4. Mai 2012, A-Drs.

131.

125) Schreiben des Thüringer Landtags vom 4. Mai 2012, Bl. 2;
Beratungssitzung, Protokoll-Nr. 13 (nichtöffentliche Sitzung)

vom 10./11. Mai 2012, Bl. 14.

126) Beratungssitzung, Protokoll-Nr. 13 (nichtöffentliche Sitzung)
vom 10./11. Mai 2012, Bl. 14.

127) http://www.mdr.de/themen/nsu/folgen/nsu-u-

ausschuesse100_page-2_zc-ad1768d3.html.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/14600

sen.
128

Auftrag des Ausschusses ist zu ermitteln, inwie-

weit sächsische Behörden die Bildung oder das Untertau-

chen des NSU förderten bzw. welche Erkenntnisse den

sächsischen Sicherheitsbehörden zu welchen Zeitpunkten

vorlagen und wie diese verwertet wurden. Die erfolgten

Ermittlungen sollen nicht zuletzt unter rechtlichen Ge-

sichtspunkten und unter Beachtung möglicher Befugnis-

überschreitungen näher beleuchtet werden. Insbesondere

soll geprüft werden, ob die Landesbehörden durch Fehl-

verhalten und Fehlbewertungen die Aufklärung der Straf-

taten des NSU und das Auffinden des Trios erschwerten

oder die Bildung rechtsextremistischer Gruppierungen

begünstigten. Zusätzlich soll eine Darstellung von mögli-

chen Veränderungen der Sicherheitsstrukturen zur effek-

tiveren Bekämpfung rechter Gewalt sowie der Vermei-

dung von Leid für die Opfer und deren Angehörige erfol-

gen.
129

Der Untersuchungsausschuss soll untersuchen und aufklä-

ren:

„I. in Prüfung einer eventuellen Mitverantwor-
tung der Staatsregierung und der ihrer Fach-,

Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden

Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-

gen Behörden im Freistaat Sachsen die Um-

stände und Rahmenbedingungen für die Ent-

stehung und Entwicklung der als ‚Terrorzelle
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)’
bezeichneten neonazistischen Terrorgruppe,

deren personellen und organisatorischen Um-

feldes sowie etwaiger Unterstützungsnetz-

werke auf dem Territorium des Freistaates

Sachsen sowie das Ausmaß und die Folgen

des Agierens der Terrorgruppe ‚NSU’ sowie
sie unterstützender Netzwerke oder Einzel-

personen, insbesondere im Hinblick auf die

zurechenbare Begehung teils schwerster

Straftaten und sonstiger Rechtsverletzungen.

II. die Ursachen und Gründe sowie mögliche

Fehler und Versäumnisse der Staatsregierung

und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstauf-

sicht unterliegenden Sicherheits-, Justiz-,

Kommunal- und sonstigen Behörden im Frei-

staat Sachsen, die es ermöglichten oder mut-

maßlich sogar begünstigten, dass die Terror-

gruppe ‚NSU’, die ihr zuzurechnenden Unter-
stützernetzwerke und Einzelpersonen über ei-

nen so langen Zeitraum unerkannt und unge-

hindert gerade in Sachsen und von Sachsen

aus agieren und schwerste Straftaten begehen

konnten.

III. den jeweiligen Informations- und Erkenntnis-

stand der Staatsregierung und der ihrer Fach-,

Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden

Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-
128) Sächsischer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/8497.

129) http://www.mdr.de/themen/nsu/folgen/nsu-u-

ausschuesse100_page-2_zc-ad1768d3.html.

gen Behörden im Freistaat Sachsen zur Ter-

rorgruppe ‚NSU’, zu anderen mit dieser ggf.
kooperierenden neonazistischen Gruppierun-

gen, zu sie unterstützenden Personen und Or-

ganisationen sowie zu den der Terrorgruppe

‚NSU’ oder ihren Mitgliedern zuzurechnen-
den, zum Teil schwersten Straftaten und an-

deren Rechtsverletzungen sowie den diesbe-

züglichen Informations-, Erkenntnis- und Da-

tenaustausch mit den zuständigen Behörden

anderer Bundesländer oder des Bundes und

die jeweiligen Aktivitäten der zuständigen

sächsischen Sicherheits- und Justizbehörden

hinsichtlich dieser Personen, Netzwerke und

diesen zurechenbarer Straftaten, eingeschlos-

sen die kontinuierliche Unterrichtung bzw.

Inkenntnissetzung im Einzelfall der Staatsre-

gierung, deren Mitglieder bzw. der Vertreter

der zuständigen Staatsministerien hierüber

durch die jeweils handelnden Behörden.

IV. das Handeln oder mögliche Unterlassen sowie

etwaige Fehler und Versäumnisse der Staats-

regierung, deren Mitglieder bzw. der Vertre-

ter der zuständigen Staatsministerien bei der

rechtzeitigen Information, Unterrichtung oder

Übermittlung konkreter Erkenntnisse zur Ter-

rorgruppe ‚NSU’, zu anderen mit dieser ggf.
kooperierenden neonazistischen Gruppierun-

gen, zu sie unterstützenden Personen und Or-

ganisationen sowie zu den der Terrorgruppe

‚NSU’ oder ihren Mitgliedern sowie Unter-
stützern zuzurechnenden, zum Teil schwers-

ten Straftaten sowie den diesbezüglichen In-

formations-, Erkenntnis- und Datenaustausch

mit den zuständigen Behörden anderer Bun-

desländer oder des Bundes und die jeweiligen

Aktivitäten der zuständigen sächsischen

Sicherheits- und Justizbehörden hinsichtlich

dieser Personen, Netzwerke und diesen zure-

chenbarer Straftaten gegenüber dem Sächsi-

schen Landtag, insbesondere seinen zuständi-

gen Ausschüssen und besonderen parlamenta-

rischen Gremien (Parlamentarische Kontroll-

kommission [PKK], Parlamentarisches Kont-

rollgremium [PKG] und G10-Kommission

des Sächsischen Landtages).

V. etwaige konkrete Handlungen oder Unterlas-

sungen, mögliche Fehleinschätzungen,

Falschbewertungen sowie Versäumnisse der

Staatsregierung und der ihrer Fach-, Rechts-

und Dienstaufsicht unterliegenden Sicher-

heits-, Justiz-, Kommunal- und sonstigen Be-

hörden im Freistaat Sachsen, die die Bildung,

die Entwicklung und das Agieren der Terror-

gruppe ‚NSU’, der sie ggf. unterstützenden
Personen und Netzwerke sowie die Bildung,

die Entwicklung und das Agieren damit im

Zusammenhang stehender organisierter neo-

nazistischer Gruppen und Netzwerke begüns-

tigt, unterstützt oder gefördert bzw. die Auf-

Drucksache 17/14600 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

klärung, Verfolgung und Verhinderung von

diesen zurechenbaren teils schwersten Strafta-

ten und anderen Rechtsverletzungen er-

schwert oder zeitlich verschleppt haben.

VI. ggf. erforderliche Schlussfolgerungen hin-

sichtlich Struktur, Organisation, Zusammen-

arbeit, Befugnissen und Qualifizierung der

zuständigen Sicherheits-, Justiz-, Kommunal-

und sonstigen Behörden im Freistaat Sachsen

zur Einschätzung des Ausmaßes und der Ge-

fährlichkeit neonazistischer Strukturen im

Freistaat Sachsen und für eine effektive Be-

kämpfung rechter Gewalt und der sie tragen-

den Organisationen, Strukturen und Netzwer-

ke sowie mögliche diesbezügliche Empfeh-

lungen gegenüber dem Landtag und der

Staatsregierung.

Dazu sollen, bezogen jeweils auf den Zeitraum bis

zum 7. März 2012, insbesondere auch die nachfol-

gend aufgeführten Fragestellungen umfassend un-

tersucht, aufgeklärt und beantwortet werden:

1. Wann, auf welchem Weg, in welchen Zu-

sammenhängen und unter Übermittlung durch

welche Behörden und Stellen des Freistaates

Sachsen, des Bundes oder anderer Bundes-

länder erlangten die Staatsregierung und die

ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unter-

liegenden zuständigen Sicherheits-, Justiz-,

Kommunal- und sonstigen Behörden im Frei-

staat Sachsen konkrete Kenntnis davon, dass

Mitglieder der Terrorgruppe ‚NSU’ unter
Weiterführung bereits Ende der 90-er Jahre in

Thüringen unternommener schwerer Strafta-

ten nach dem bisherigen Erkenntnisstand in

den Jahren 2000 bis 2006 bundesweit zehn

Morde sowie Sprengstoff- und Brandanschlä-

ge, weitere zahlreiche Banküberfälle mit Waf-

fengewalt und andere schwere Rechtsverlet-

zungen begangen haben und dabei auf dem

Territorium des Freistaates Sachsen wohnhaft

waren bzw. von diesem aus operierten?

2. Über welche Informationen und Erkenntnisse

aufgrund eigener Aktivitäten und Maßnahmen

und/oder aufgrund der Übermittlung von In-

formationen, Hinweisen oder Mitwirkungser-

suchen durch Behörden anderer Bundeslän-

der, des Bundes oder aufgrund von Hinweisen

und Mitteilungen sonstiger Personen und Or-

ganisationen verfügten die Staatsregierung

und die ihrer Fach-, Rechts- und Dienstauf-

sicht unterliegenden zuständigen Sicherheits-,

Justiz-, Kommunal- und sonstigen Behörden

im Freistaat Sachsen zu welchem Zeitpunkt

zu den Personen Beate Zschäpe, Uwe

Böhnhardt und Uwe Mundlos sowie zu den

von diesen genutzten weiteren Identitäten

bzw. Aliasnamen, eingeschlossen die Infor-

mationen und Erkenntnisse zu den Vorgängen

und Hintergründen der Beschaffung und

Verwendung entsprechender Ausweis- und

Personaldokumente oder sonstiger Urkunden?

3. Inwieweit und in welcher Weise waren dabei

das Landesamt für Verfassungsschutz Sach-

sen (LfV Sachsen), das Landeskriminalamt

Sachsen (LKA Sachsen), der Polizeiliche

Staatschutz oder andere Behörden im Frei-

staat Sachsen, ggf. im Zusammenwirken mit

den zuständigen Behörden des Bundes oder

anderer Bundesländer, am ‚Untertauchen’
bzw. am Verbergen oder Tarnen von Beate

Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos

sowie weiterer mutmaßlicher Mitglieder und

Unterstützer der Terrorgruppe ‚NSU’ betei-
ligt, und aus welchen Motiven, mit dem Wis-

sen bzw. Zustimmung welcher vorgesetzten

Behörde oder welches die Aufsicht führenden

Staatsministeriums sowie auf welcher Recht-

grundlage und mit welcher rechtlichen Recht-

fertigung geschah dies?

4. Inwieweit, aus welchem Grund und Anlass, in

welchem Umfang, mit welchen Folgen und

mit welcher Rechtfertigung waren sächsische

Sicherheits- und Justizbehörden ggf. in die

Entstehung und den Aufbau sowie in die fi-

nanzielle, sachliche und organisatorische Un-

terstützung der Terrorgruppe ‚NSU’, deren
Mitglieder und Unterstützer sowie mit dieser

ggf. kooperierender neonazistischer und ande-

rer Strukturen, Organisationen und Vereine in

Sachsen und in anderen Bundesländern, ins-

besondere auch durch die von diesen Behör-

den geführten und genutzten sogenannten

Quellen bzw. Informationsgebern, Hinweis-

personen, Vertrauensleute, Gewährspersonen,

Auskunftspersonen oder andere Vertrauens-

personen (sog. Quellen und V-Leute) und

durch von diesen Behörden eingesetzte ver-

deckte Ermittler involviert?

5. Inwieweit wurden von Seiten des LfV Sach-

sen, des LKA Sachsen, des Polizeilichen

Staatsschutzes oder anderer Behörden in

Sachsen den von ihnen geführten sog. Quel-

len oder V-Leuten in neonazistischen und

rechten Strukturen, Organisationen, Vereinen

etc. Geldleistungen oder andere Vergünsti-

gungen seit dem Jahre 1998 generell sowie im

besonderen für die Übermittlung von Infor-

mationen und Hinweisen zu Uwe Mundlos,

Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sowie zu

anderen Mitgliedern und Unterstützern des

‚Thüringer Heimatschutzes’, später des
‚NSU’ und den mit dieser ggf. kooperieren-
den Gruppierungen, Organisationen und Ver-

einen angeboten oder gewährt, sowie welche

Informationen erhielten diese Behörden da-

durch?

6. Inwieweit und auf welcher Ministerial- oder

Behördenebene ist über die Einbeziehung des

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/14600

LfV Sachsen, des LKA Sachsen, des Polizei-

lichen Staatschutzes, des Mobilen Einsatz-

kommandos des damaligen Polizeipräsidiums

Chemnitz oder sonstiger Polizei-, Ermitt-

lungs- und Strafverfolgungsbehörden im Frei-

staat Sachsen in Maßnahmen der Zielfahn-

dung, Observation, Beobachtung und Über-

wachung bzw. in direkte und indirekte Ermitt-

lungshandlungen gegen die neonazistische

Terrorgruppe ‚NSU’ und deren Unterstützer-
umfeld entschieden worden, und in welcher

Weise wurde diese koordiniert sowie gegen-

über der Staatsregierung bzw. der für diese

die Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht verant-

wortenden Mitarbeiter der zuständigen

Staatsministerien beraten, abgesprochen und

ggf. unter Beachtung der Sachleitbefugnis der

Staatsanwaltschaft genehmigt?

7. Welche Informationen und Erkenntnisse auf-

grund welcher eigenen Maßnahmen und/oder

aufgrund von Übermittlungen und Hinweisen

durch Behörden anderer Bundesländer, des

Bundes sowie von Einzelpersonen, Organisa-

tionen und Strukturen hatten die Staatsregie-

rung und die ihrer Fach-, Rechts- und Dienst-

aufsicht unterliegenden Sicherheits-, Justiz-,

Kommunal- und sonstigen Behörden im Frei-

staat Sachsen zu welchem Zeitpunkt über et-

waige Unterstützer der Terrorgruppe ‚NSU’,
über Mitglieder der mit dieser ggf. kooperie-

renden neonazistischen Gruppierungen, über

Mitglieder und Unterstützer mit dem ‚NSU’
kooperierender weitere sonstiger Organisatio-

nen und Vereine sowie zu rechtsextremen und

rechtsextremistischen Personen, Kreisen oder

Organisationen und Vereinen, die mit der

Terrorgruppe ‚NSU’ bzw. deren Unterstüt-
zern in Verbindung standen bzw. von dieser

und ihrem Agieren Kenntnis hatten, und wie

wurden diese zur Aufklärung, Verfolgung

bzw. vorbeugenden Verhinderung von Straf-

taten sowie sonstigen Rechtsverstößen aufbe-

reitet und verwertet?

8. Welche Informationen, Erkenntnisse, Daten

und Hinweise zu den Mitgliedern der Terror-

gruppe ‚NSU’, zu deren Unterstützerumfeld,
zu diesem zurechenbaren rechtsextremisti-

schen und anderen Personen, Gruppierungen,

Organisationen und Vereinen haben die

Staatsregierung und die ihrer Fach-, Rechts-

und Dienstaufsicht unterliegenden Sicher-

heits-, Justiz-, Kommunal- und sonstigen Be-

hörden im Freistaat Sachsen zu welchen Zeit-

punkten an welche Behörden anderer Bundes-

länder oder des Bundes übermittelt oder an-

derweitig weitergegeben?

9. Welche Aktivitäten und Maßnahmen haben

die Staatsregierung und die ihrer Fach-,

Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden

Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-

gen Behörden im Freistaat Sachsen zu wel-

chen Zeitpunkten unternommen, vorbereitet

und realisiert, um die Mitglieder der Terror-

gruppe ‚NSU’ sowie deren Unterstützer aus
anderen neonazistischen Gruppierungen oder

über Mitglieder und Unterstützer mit dem

‚NSU’ kooperierender weitere sonstiger Or-
ganisationen und Vereine sowie Netzwerke

an der Planung, Vorbereitung und Durchfüh-

rung selbiger zurechenbarer teils schwerster

Straftaten zu hindern?

10. Welche Aktivitäten und Maßnahmen haben

die Staatsregierung und die ihrer Fach-,

Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden

Sicherheits-, Justiz-, Kommunal- und sonsti-

gen Behörden im Freistaat Sachsen zu wel-

chen Zeitpunkten selbstständig, im Zusam-

menwirken oder in Abstimmung mit Behör-

den anderer Bundesländer oder des Bundes

unternommen und durchgeführt, um die allen

derzeit vorliegenden Kenntnissen nach von

den Mitgliedern der Terrorgruppe ‚NSU’ und
deren Unterstützern begangenen Straftaten

und deren Täter aufzuklären, zu ermitteln und

zu verfolgen?

11. Welche Rolle haben im Zusammenhang mit

der Terrorgruppe ‚NSU’, ihres Unterstützer-
netzwerks sowie ihres personellen und orga-

nisatorischen Umfelds seitens der zuständigen

sächsischen Behörden der Einsatz von nach-

richtendienstlichen Mitteln nach § 5 i.V.m.

§ 4 SächsVSG (Vertrauensleute, Gewährsper-

sonen, Observationen, heimliche Bild- und

Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere, Tarnkenn-

zeichen usw.), die Anwendung der in § 5a

SächsVSG geregelten besonderen Befugnisse

sowie bezogen auf beteiligte Polizei- und

Strafverfolgungsbehörden der Einsatz ver-

deckter Ermittler und sonstiger nicht offen

ermittelnder Beamter nach Maßgabe der

§§ 38, 39 SächsPolG und der Anlage D zur

RiStBV (Gemeinsame Richtlinien der Justiz-

minister/-senatoren und der Innenminister/-

senatoren des Bundes und der Länder über die

Inanspruchnahme von Informanten sowie

über den Einsatz von Vertrauenspersonen [V-

Personen] und Verdeckten Ermittlern) im

Rahmen der Strafverfolgung gespielt, auf

welcher rechtlichen und tatsächlichen Grund-

lage erfolgte dieser Einsatz jeweils und in-

wieweit wurde der Einsatz ausreichend kon-

trolliert und evaluiert?

12. In welcher Weise, in welchem Umfang und

mit welchen Folgen kam es ggf. im Umgang

mit bzw. bei der Beobachtung und Verfol-

gung der Terrorgruppe ‚NSU’, ihres Unter-
stützernetzwerks bzw. ihres sonstigen perso-

nellen und organisatorischen Umfeldes sowie

bei der Verfolgung und Aufklärung von durch

diesen Personenkreis begangener Straftaten

Drucksache 17/14600 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zu etwaigen Überschreitungen der der Staats-

regierung, den zuständigen Staatsministerien,

den jeweiligen Mitgliedern der Staatsregie-

rung sowie den Behördenleitern und Bediens-

teten der jeweils handelnden Sicherheits-, Jus-

tiz und anderen Behörden, sowie den von die-

sen eingesetzten verdeckten Ermittlern ge-

setzlich übertragenen Befugnisse sowie von

diesen durch Tun oder Unterlassen begangene

mögliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften

beim Einsatz, Führen und Beaufsichtigen von

sog. Quellen und V-Leuten?

13. Welche Erkenntnisse hatten ggf. die Staatsre-

gierung und die ihrer Fach-, Rechts- und

Dienstaufsicht unterliegenden Sicherheits-,

Justiz-, Kommunal- und sonstigen Behörden

im Freistaat Sachsen zu welchen Zeitpunkten

selbständig oder aus der Abstimmung und

dem Zusammenwirken mit Behörden anderer

Bundesländer oder des Bundes betreffs der

Beschaffung von Sprengstoffen, Waffen, fal-

schen oder illegalen echten Ausweispapieren

bzw. vergleichbaren Urkunden, verdeckten

Wohnungen sowie der Zahlung oder Entge-

gennahme von Geldmitteln durch die Terror-

gruppe ‚NSU’ zum einen, sie unterstützende
Personen, neonazistische Gruppierungen so-

wie sonstige Organisationen oder Vereine

zum anderen?

14. Welche Informationen und Erkenntnisse auf-

grund welcher eigenen Maßnahmen und/oder

aufgrund von Übermittlungen und Hinweisen

durch Behörden anderer Bundesländer, des

Bundes sowie von Einzelpersonen, Organisa-

tionen und Strukturen hatten die Staatsregie-

rung und die ihrer Fach-, Rechts-, und

Dienstaufsicht unterliegenden Sicherheits-,

Justiz-, Kommunal- und sonstige Behörden

im Freistaat Sachsen zu welchem Zeitpunkt

über Aufrufe, Anleitungen und Unterstützun-

gen zur Bildung weiterer terroristischer neo-

nazistischer Zellen ‚analog’ dem ‚NSU’ durch
neonazistische Gruppierungen, Organisatio-

nen und Vereine und deren Mitglieder und

sonstige rechtsextreme und rechtsextremisti-

sche Personen und Kreise sowie dazu, dass

aufgrund oder infolge etwaiger solcher Aufru-

fe und Anleitungen nachweislich Tötungsde-

likte, Sprengstoff- oder Brandanschläge bzw.

sonstige schwere Straftaten mit erwiesener

oder mutmaßlicher rechtsextremer Tatmotiva-

tion in Sachsen begangen wurden, und wie

wurden derartige Erkenntnisse bewertet oder

hätten sie zum damaligen Zeitpunkt sachge-

recht bewertet werden müssen?

15. Ist, und wenn ja, in welcher Weise und mit

welchen Folgen durch mögliches Handeln

oder Unterlassen sowie durch Maßnahmen

beteiligter sächsischer Behörden die Bildung,

die Straftatbegehung oder sonstiges rechts-

widriges Agieren der Terrorgruppe ‚NSU’
sowie deren möglichen Unterstützernetzwer-

ke begünstigt, ‚abgeschirmt’ oder gar geför-
dert worden?

16. Inwieweit und in welcher Art und Weise ha-

ben etwaige Aktivitäten und Maßnahmen der

gegenüber der Terrorgruppe ‚NSU’ und ihren
Unterstützernetzwerken handelnden sächsi-

schen Behörden die Aufklärung, Verfolgung

und die ggf. mögliche Verhinderung der allen

derzeit vorliegenden Kenntnissen nach von

der Terrorgruppe ‚NSU’ bzw. von deren Mit-
gliedern und Unterstützern begangenen Straf-

taten erschwert, behindert oder zeitlich ver-

schleppt?

17. Ob und inwieweit tragen die Staatsregierung

und deren Mitglieder bzw. maßgebliche Ve-

rantwortungsträger von Staatsministerien und

die ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht

unterliegenden Sicherheits-, Strafverfolgungs-

, Justiz-, und sonstigen Behörden im Freistaat

Sachsen dafür Verantwortung, dass Mitglie-

der und Unterstützer der Terrorzelle ‚NSU’
ggf. durch sächsische Behörden, insbesondere

seitens oder mit Unterstützung des LfV Sach-

sen bzw. den jeweiligen Behörden anderer

Bundesländer und des Bundes mit neuen

Identitäts-, Personal- und Ausweispapieren

sowie sonstigen Urkunden versorgt worden

sind, mithin dadurch zur Verschleierung ihrer

tatsächlichen Identität und ihrer Aufenthalts-

orte mit der Konsequenz fehlender

Ermittelbarkeit bzw. Begünstigung der Fort-

setzung der Begehung schwerster Straftaten

durch die Terrorgruppe beigetragen wurde?

18. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt lagen

der Staatsregierung und der ihrer Fach-,

Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden

Sicherheits-, Strafverfolgungs-, Justiz- und

sonstigen Behörden im Freistaat Sachsen

konkrete Anhaltspunkte und/oder Anknüp-

fungstatsachen für eine Strafverfolgungszu-

ständigkeit des Bundes bzw. auf Bundesebene

gemäß § 120 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GVG vor,

und in welcher Weise, und wem gegenüber

wurden dahingehend Maßnahmen mit wel-

chem Ergebnis eingeleitet?

19. Inwieweit und mit welchen Folgen erfolgte

möglicherweise eine Vernichtung oder Unter-

drückung von Beweismitteln, Erkenntnissen,

Informationen, Informations- und Hinweisge-

bern, Hinweisen, sonstigen Daten oder Unter-

lagen zu den Mitgliedern der Terrorgruppe

‚NSU’, deren personellem und organisatori-
schem Unterstützerumfeld sowie zu mit die-

ser Terrorgruppe ggf. kooperierender neona-

zistischer und anderer Gruppierungen, Perso-

nen, Organisationen und Vereine, die für die

Ermittlungen von Bedeutung hätten sein kön-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/14600

nen, durch sächsische Behörden, und inwie-

weit entsprach dies generell bzw. im Einzel-

fall den diesbezüglichen einschlägigen

Rechtsvorschriften?

20. Inwieweit sind durch die sächsischen Behör-

den, die mit der Beobachtung, Aufklärung,

Ermittlung oder sonstigen Untersuchung der

von der Terrorgruppe ‚NSU’ bzw. mit dieser
Terrorgruppe ggf. kooperierenden neonazisti-

schen und anderen Gruppierungen sowie

sonstigen Unterstützern begangene oder ge-

förderte Straftaten befasst waren, die nach

den einschlägigen bundes- und landesrechtli-

chen Vorschriften geltenden Unterrichtungs-

und Informationspflichten gegenüber dem

Sächsischen Landtag, insbesondere dessen

zuständigen Ausschüssen und den von diesem

gebildeten besonderen parlamentarischen

Gremien (Parlamentarische Kontrollkommis-

sion [PKK], Parlamentarisches Kontrollgre-

mium [PKG] und G10-Kommission des

Sächsischen Landtages) sowie gegenüber der

Staatsregierung oder den zuständigen Staats-

ministerien beachtet und eingehalten bzw. aus

welchen Gründen und aus welchen erkennba-

ren Ursachen heraus nicht erfüllt worden?

21. Inwieweit sind die Staatsregierung, deren

Mitglieder und die Vertreter der jeweils zu-

ständigen Staatsministerien ihrerseits in die-

sem Zusammenhang den diesbezüglich nach

Bundes- und Landesrecht bestehenden Infor-

mations- und Unterrichtungspflichten gegen-

über dem Sächsischen Landtag, den zuständi-

gen Ausschüssen des Landtages und den vom

Sächsischen Landtag gebildeten besonderen

parlamentarischen Kontrollgremien nachge-

kommen, oder aus welchen Gründen und aus

welchen erkennbaren Ursachen heraus sind

diese Unterrichtungen und Informationen un-

terblieben bzw. unterlassen worden?

22. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt ist die

seinerzeitige Parlamentarische Kontrollkom-

mission des 3. Sächsischen Landtages im

Rahmen der Unterrichtungspflichten nach

§ 17 SächsVSG von der Einbeziehung des

Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen

in die Beobachtung von Personen, die im

Verdacht der Vorbereitung bzw. des Versuchs

von Sprengstoffanschlägen und mithin terro-

ristischen, die freiheitlich-demokratische

Grundordnung gefährdenden Handlungen

standen, mit nachrichtendienstlichen Mitteln,

unterrichtet worden, bzw. aus welchen sach-

lich und rechtlich gerechtfertigten Gründen

unterblieb das, und welche Mitglieder der

Staatsregierung bzw. zuständige Vertreter von

Staatsministerien und andere maßgebliche

Behördenvertreter tragen hierfür persönlich

die Verantwortung?

23. Welche Schlussfolgerungen zur wirksamen

Bekämpfung rechter Gewalt und der sie tra-

genden Organisationen, Strukturen und

Netzwerke sowie für eine effektive Präventi-

on, Aufklärung, Verfolgung und Verhinde-

rung von Straftaten rechter Gewalt sind ggf.

in Bezug auf Struktur, Aufbau und Organisa-

tion der Sicherheits-, Strafverfolgungs- und

Justizbehörden des Freistaates Sachsen, für

deren Zusammenarbeit sowie für die Gewin-

nung und den Austausch von Erkenntnissen

und Informationen mit den zuständigen Be-

hörden anderer Bundesländer und des Bundes

zu ziehen?

24. Inwieweit sind von den jeweils handelnden

sächsischen Behörden bei der Beobachtung,

Aufklärung und Ermittlung sowie Verfolgung

von der Terrorgruppe ‚NSU’ und deren
Unterstützerumfeld zurechenbaren Straftaten

die Rechte und schützenswerten Interessen

der betroffenen Opfer bzw. deren Hinterblie-

benen berücksichtigt worden, und welche

diesbezüglichen Schlussfolgerungen zur künf-

tigen Vermeidung und Begrenzung des Lei-

des der Opfer von Straftaten rechter Gewalt

bzw. der Angehörigen der von rechter Gewalt

Betroffenen sind hieraus zu ziehen?“130

Der sächsische Untersuchungsausschuss umfasst 19 Mit-

glieder, wobei der Vorsitz durch Patrick Schreiber (CDU)

und der stellvertretende Vorsitz durch Klaus Bartl (DIE

LINKE.) übernommen wurde.
131

Ein Bericht des Sächsischen Untersuchungsausschusses

ist noch nicht vorgelegt worden.
132

3. Bayern

Die Vollversammlung des Bayerischen Landtages hat am

4. Juli 2012 gemäß Art. 25 der Bayerischen Verfassung

den Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus in Bay-
ern – NSU“ eingesetzt.133 Der Ausschuss hat den Auftrag
erhalten zu ermitteln, inwieweit eine Fehleinschätzung

bayerischer Sicherheits- und Justizbehörden bezüglich der

Beobachtung rechtsextremistischer Strukturen und Aktivi-

täten in Bayern vorlag und ob diese die Bildung der

Gruppierung NSU begünstigte. Es sollte das Vorliegen

eines Fehlverhaltens hinsichtlich der Verfahren zur Er-

mittlung der Täter der Mordanschläge des NSU in Bayern

geprüft und Möglichkeiten für die Verbesserung der Be-

kämpfung rechtsextremistischer Gruppierungen und Akti-

vitäten sowie zur Optimierung der Ermittlungsverfahren
130) Sächsischer Landtag 5. Wahlperiode, Drucksache 5/8497.

131) http://www.landtag.sachsen.de/de/landtag/ausschuesse/
ausschuss.do/35.

132) http://www.mdr.de/themen/nsu/folgen/nsu-u-

ausschuesse100_page-2_zc-ad1768d3.html.

133) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150

vom 4. Juli 2012, Bl. 1,

https://www.bayern.landtag.de/de/482_9270.php.
Drucksache 17/14600 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sowie der Zusammenarbeit der Sicherheits- und Justizbe-

hörden Bayerns und des Bundes geschlussfolgert wer-

den.
134

Außerdem sollte der Umgang der Ermittler mit

Angehörigen beleuchtet werden.
135

Der Untersuchungsauftrag
136

lautete:

„A. Welche rechtsextremistischen Strukturen und
Aktivitäten sind im Zeitraum vom 01.01.1994

bis 04.07.2012 in Bayern und länderübergrei-

fend festgestellt worden und welche Maß-

nahmen haben bayerische Sicherheitsbehör-

den hiergegen mit welchen Ergebnissen er-

griffen?

1. Rechtsextremistische Aktivitäten in Bayern

im Untersuchungszeitraum

1.1. Welche Erkenntnisse über Art und Umfang

rechtsextremistischer Aktivitäten in Bayern

und über ein eventuelles Zusammenwirken

bayerischer Rechtsextremisten mit Rechtsext-

remisten in anderen Bundesländern lagen

welchen bayerischen Sicherheits- und Justiz-

behörden im Untersuchungszeitraum vor?

1.2. Wie viele und welche Strafverfahren wegen

rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher

Straftaten gab es im Untersuchungszeitraum

in Bayern, in wie vielen Fällen führten diese

Verfahren zu Verurteilungen, wie viele Ver-

fahren wurden eingestellt und aufgrund wel-

cher Kriterien wird ein rechtsextremistischer

oder fremdenfeindlicher Hintergrund ange-

nommen?

1.3. Wie wurde die Gefahr des Rechtsextremis-

mus in Bayern im Untersuchungszeitraum

seitens der Staatsregierung eingeschätzt und

welche Maßnahmen sind ergriffen worden,

um der Gefahr zu begegnen?

1.4. Welche Erkenntnisse hatten das BayLfV und

ggf. bayerische Polizeibehörden seit dem Jahr

1994 über die mutmaßlichen Täter der zwi-

schen 2000 und 2007 begangenen Mordan-

schläge bis zu deren Untertauchen im Januar

1998 und anschließend bis zur Festnahme ei-

ner mutmaßlichen Mittäterin am 08.11.2011

und über eventuelle Unterstützer und Sympa-

thisanten in Bayern?

1.5. Welche Erkenntnisse über Diskussionen in

der rechtsextremistischen Szene über die

Aufnahme des bewaffneten Kampfes und die

Herausbildung eines rechtsextremistischen

Terrorismus und die typischen Merkmale
134) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150

vom 4. Juli 2012, Bl. 1.

135) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150
vom 4. Juli 2012, Bl. 2.

136) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150

vom 4. Juli 2012, Bl. 2 ff.

rechtsterroristischer Handlungen hatten baye-

rische Sicherheits- und Justizbehörden ein-

schließlich der zuständigen Ministerien, der

Staatskanzlei und der politischen Entschei-

dungsträgerinnen und -träger vor dem Beginn

der Mordanschläge im September 2000 in

Bayern und welche diesbezüglichen Erkennt-

nisse haben sie seither und zu welchem Zeit-

punkt gewonnen?

1.6. Wie oft, bei welchen Treffen und mit welchen

Ergebnissen hat sich die Ständige Konferenz

der Innenminister (IMK) seit dem Untertau-

chen der mutmaßlichen Täter der Mordan-

schläge im Januar 1998 bis zum November

2011 mit dieser Thematik befasst?

1.7. Welche zusätzlichen und neuen Erkenntnisse

haben bayerische Sicherheitsbehörden seit

dem 04.11. 2011 über die Mitglieder des NSU

und ihre Unterstützer auf welchem Wege ge-

wonnen?

2. Wie gestaltete sich im Untersuchungszeit-

raum die Zusammenarbeit von Sicherheits-

und Justizbehörden sowie zwischen den je-

weils vorgesetzten Dienststellen bei der Be-

kämpfung von Rechtsextremismus und der

Verfolgung rechtsextremistisch motivierter

Straftaten?

2.1. Wie gestaltete sich im Einzelnen die Beach-

tung des Trennungsgebots und die Notwen-

digkeit der Zusammenarbeit zwischen den

Dienststellen der Polizei und Verfas-

sungsschutzbehörden sowie zwischen den je-

weils vorgesetzten Dienststellen?

2.2. Wie gestaltete sich im Untersuchungszeit-

raum die Zusammenarbeit zwischen dem

BayLfV und den Verfassungsschutzämtern

des Bundes und der Länder und den weiteren

Nachrichtendiensten des Bundes?

2.3. Welche Berichtspflichten obliegen dem

BayLfV gegenüber dem StMI und inwieweit

nimmt das StMI Einfluss auf die Arbeit und

Schwerpunktsetzung des BayLfV?

2.4. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwi-

schen der jeweils zuständigen Staatsanwalt-

schaft (StA) und ihren Ermittlungsbeamten?

2.5. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwi-

schen der jeweils örtlich zuständigen StA und

vorgesetzten Dienststellen?

2.6. Welche gesetzlichen Grundlagen und internen

Dienstanweisungen bestanden im Untersu-

chungszeitraum für die Abgabe von Ermitt-

lungsverfahren an den GBA und für die Zu-

ständigkeit des BKA und gab es im Zusam-

menhang mit dem Untersuchungsgegenstand

Meinungsverschiedenheiten zwischen den Po-

lizeibehörden, den Staatsanwaltschaften und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/14600

dem GBA hierüber und falls ja, wegen wel-

cher Fragen?

2.7. Welche Dateien werden von welchen Sicher-

heits- und Justizbehörden im Zusammenhang

mit Rechtsextremismus bzw. rechtsextremis-

tisch motivierten Straftaten geführt?

2.8. Über welche Erkenntnisse des BfV und des

Militärischen Abschirmdienstes (MAD) über

den Aufenthalt und die Aktivitäten von Mit-

gliedern oder mutmaßlichen Unterstützern des

NSU in Bayern sind welche bayerischen

Sicherheitsbehörden wann unterrichtet wor-

den?

2.9. Welche Kenntnisse hatten bayerische Sicher-

heitsbehörden über den Hintergrund und die

Ergebnisse der Operation ‚Rennsteig’, die zu
Verbindungen von Rechtsextremisten zwi-

schen Thüringen, Bayern und Soldaten einer

bayerischen Kaserne durchgeführt wurde und

bei der der MAD eingebunden war?

B. Mordanschläge in Bayern

1. Welche Erkenntnisse haben welche bayeri-

schen Sicherheits- und Strafverfolgungsbe-

hörden sowie die jeweils vorgesetzten Dienst-

stellen und die Staatsregierung seit dem Un-

tertauchen der mutmaßlichen Täter

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe am

26.01.1998 über diese Personen erlangt und

welche Aktivitäten haben sie daraufhin ent-

wickelt?

1.1. Wann haben welche bayerischen Sicherheits-

und Strafverfolgungsbehörden von wem und

wie Kenntnis von dem Untertauchen der o. g.

Personen und von dem gegen sie gehegten

Verdacht der Vorbereitung von Sprengstoff-

anschlägen erlangt und welche Behörde hat

daraufhin welche Maßnahmen ergriffen?

1.2. Welche Erkenntnisse hatten das BayLfV und

bayerische Polizeibehörden über die Zusam-

menarbeit zwischen den Organisationen ‚Thü-
ringer Heimatschutz’ und ‚Fränkischer Hei-
matschutz’ und die in diesen Organisationen
tätigen Personen und über ihre eventuellen

Verbindungen zu den mutmaßlichen Tätern

der Mordanschläge und deren Unterstützern?

1.3. Mit welchen Mitteln hat das BayLfV ab dem

26.01.1998 Informationen über die unterge-

tauchten Personen und ggf. ihre Unterstützer

in Bayern gesammelt und welche Erkenntnis-

se konnten dadurch gewonnen werden?

1.4. Hatte das BayLfV Kontakt zu dem als ‚Quelle
2045’ bzw. ‚Quelle 2150’ des Thüringischen
Landesamts für Verfassungsschutz bezeichne-

ten V-Mannes Tino Brandt, insbesondere

während seines Aufenthalts in Bayern und

falls ja, welche Informationen hat das

BayLfV von ihm vor und nach dem

26.01.1998 insbesondere über den Verbleib

der untergetauchten Personen und ihrer

Unterstützer in Bayern erhalten?

1.5. Hatten bayerische Sicherheitsbehörden

Kenntnis von den Aktivitäten des bekennen-

den Neonazis Gerhard Ittner, der wenige Tage

vor dem ersten Mordanschlag in Nürnberg u.

a. ein Flugblatt mit dem Text ‚1. September
2000, von jetzt an wird zurückgeschossen’
verteilt hat?

1.6. Hatten bayerische Sicherheitsbehörden

Kenntnisse über die Verbindungen des Verle-

gers Peter Dehoust zu den Untergetauchten

und eventueller Geldzahlungen für und an die

Gesuchten?

1.7. Welche Informationen hatten bayerischen

Sicherheitsbehörden über die jetzt nachträg-

lich den mutmaßlichen Tätern des NSU zu-

geordneten Überfälle und die jeweilige Vor-

gehensweise der Täter?

1.8. Trifft es zu, dass das BayLfV am 06.10.2003

ein Schreiben des Thüringer Landesamts für

Verfassungsschutz an das BfV zur Vorberei-

tung einer Tagung mit dem Thema ‚Gefahr
der Entstehung weiterer terroristischer Struk-

turen in der BRD’ nachrichtlich erhalten hat
und dass in diesem Zusammenhang der Fall

der seit dem 26.01.1998 untergetauchten Per-

sonen erwähnt worden ist?

2. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen

Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden

sowie ihre jeweils vorgesetzten Dienststellen

und die Staatsregierung nach dem ersten

Mordanschlag vom 09.09.2000 in Nürnberg

(Opfer: Enver Simsek) entwickelt?

2.1. Wer war bei der StA Nürnberg-Fürth zustän-

dig für die Ermittlungen zur Aufklärung des

Mordes an Enver Simsek?

2.2. Wie war die Sonderkommission (SoKo)

‚SIMSEK’ beim Polizeipräsidium Mittelfran-
ken personell besetzt?

2.3. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenaus-

wertung, Zeugenbefragung, Rasterfahndun-

gen, TKÜ, Einsatz verdeckter Ermittler etc.)

sind ergriffen worden und mit welchem Er-

gebnis?

2.4. Hat die StA über die Ermittlungen an den

GenStA berichtet und sind von dort Weisun-

gen zu den Ermittlungen erteilt oder Hinweise

gegeben worden und falls ja, mit welchem In-

halt?

2.5. Hat die SoKo ‚SIMSEK’ an das LKA und das
StMI berichtet und falls ja, wer war dort zu-

ständig und sind Weisungen zu den polizeili-

chen Ermittlungen erteilt oder Hinweise ge-

Drucksache 17/14600 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

geben worden und falls ja, mit welchem In-

halt?

2.6. Wer hatte im StMI, beim LKA, bei der SoKo

‚SIMSEK’ und bei der StA Nürnberg-Fürth
Kenntnis von der handschriftlichen Anmer-

kung ‚Bitte genau berichten. Ist ausländer-
feindlicher Hintergrund denkbar?’ des dama-
ligen StMI Dr. Beckstein am Rande eines Zei-

tungsartikels erhalten und wie haben das

StMI, die Polizeibehörden und die StA hie-

rauf reagiert und trifft es zu, dass der damali-

ge StMI Dr. Beckstein im Jahr 2006 noch

einmal eine entsprechende handschriftliche

Anmerkung auf einen Pressebericht gesetzt

hat?

2.7. Hat sich die SoKo ‚SIMSEK’ wegen der
Aufklärung des Mordes an das BayLfV ge-

wandt und falls ja, mit welchem Ansinnen

und falls nein, warum nicht?

2.8. Hat sich das BayLfV nach dem Mordanschlag

vom 09.09.2000 in Nürnberg auf eigene Initi-

ative, ohne entsprechende Anfrage der SoKo

‚SIMSEK’ um Informationen über einen
eventuellen rechtsextremistischen und/oder

ausländerfeindlichen Hintergrund des Mordes

bemüht und falls ja, auf Grund welcher Um-

stände und mit welchen Ergebnissen und wie

sind ggf. die Erkenntnisse verwertet worden?

3. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen

Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden

sowie die jeweils vorgesetzten Dienststellen

und die Staatsregierung nach den Mordan-

schlägen vom 13.06.2001 in Nürnberg (Op-

fer: Abdurrahim Özüdoğru) und vom
29.08.2001 in München (Opfer: Habil Kilic)

sowie den weiteren Mordanschlägen vom

27.06.2001 in Hamburg und vom 25.02.2004

in Rostock entwickelt?

3.1. Wer war bei den Staatsanwaltschaften Nürn-

berg-Fürth und München I zuständig für die

Ermittlungen zur Aufklärung der Morde an

Abdurrahim Özüdoğru und Habil Kilic?

3.2. Wie waren die Soko ‚Schneider’ beim PP
Mittelfranken und die Mordkommission 5 der

Münchner Kriminalpolizei jeweils personell

besetzt?

3.3. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenaus-

wertung, Zeugenbefragung, Rasterfahndun-

gen, TKÜ, Einsatz verdeckter Ermittler etc.)

sind ergriffen worden und mit welchem Er-

gebnis?

3.4. Was haben die objektiven Spuren und Zeu-

genbefragungen ergeben?

3.5. Trifft es zu, dass im September 2001 in Mün-

chen eine Besprechung zwischen den in

Nürnberg und München ermittelnden Polizei-

beamten, der StA Nürnberg-Fürth, Vertretern

des BKA und des StMI stattgefunden hat und

falls ja, wer hat daran teilgenommen, welche

Inhalte wurden besprochen und welche Ab-

sprachen über die Ermittlungsmaßnahmen

sind hierbei getroffen worden?

3.6. Aus welchen Gründen wurde ab dem

01.09.2001 beim PP Mittelfranken eine neue

Soko ‚Halbmond’ geschaffen, wie kam es zu
der Namensfindung, was war ihre Aufgabe

und inwieweit sind die bisherigen Mitarbeiter

der Soko ‚SIMSEK’ und der Soko ‚Schnei-
der’ in der neuen Soko ‚Halbmond’ tätig ge-
worden?

3.7. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit

der nach dem Mordanschlag vom 27.06.2001

in Hamburg dort gebildeten Soko ‚061’ und
wer hat entschieden, dass die Soko ‚Halb-
mond’ die Arbeit der Tatortdienststellen in
Nürnberg, München und Hamburg koordi-

niert und aus welchen Gründen?

3.8. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwi-

schen den an den jeweiligen Tatorten in

Nürnberg, München und Hamburg zuständi-

gen Staatsanwaltschaften und inwieweit ha-

ben die Staatsanwaltschaften die Ermitt-

lungsmaßnahmen koordiniert?

3.9. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Einsatz ver-

deckter Ermittler, TKÜ, Rasterfahndung etc.)

sind von der Soko ‚Halbmond’ ergriffen wor-
den und welche Ergebnisse haben sie jeweils

erbracht?

3.10. Welche Konsequenzen haben die Sokoen und

die Staatsanwaltschaften gezogen, nachdem

festgestellt worden war, dass die drei Morde

in Bayern und der Mord in Hamburg mit der-

selben Tatwaffe begangen worden sind?

3.11. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden,

um die Herkunft der Tatwaffe aufzuklären?

3.12. Welche Erkenntnisse sprachen dafür, als Tä-

ter der bis dahin vier Mordanschläge eine in-

ternational agierende kriminelle Vereinigung

zu vermuten?

3.13. Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für

die Übernahme der vier Ermittlungsverfahren

durch das BKA vor und falls ja, warum sind

die Verfahren nicht abgegeben worden?

3.14. Haben nach den vier Mordanschlägen Ge-

spräche mit dem BKA und ggf. dem GBA zur

Übernahme der Ermittlungen stattgefunden

und falls ja, auf wessen Initiative, wer hat da-

ran teilgenommen und wer hat entschieden,

dass die Verfahren nicht abgegeben werden?

3.15. Lagen der Soko ‚Halbmond’ Informationen
über die jetzt nachträglich den mutmaßlichen

Tätern des NSU zugeordneten Überfälle vor?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/14600

3.16. Hat sich das BayLfV nach den drei Mordan-

schlägen in Bayern auf Personen türkischer

Herkunft auf eigene Initiative, ohne entspre-

chende Anfrage der Soko ‚Halbmond’ um In-
formationen über einen eventuellen rechtsext-

remistischen und/oder ausländerfeindlichen

Hintergrund der Morde bemüht und falls ja,

auf Grund welcher Umstände und mit wel-

chen Ergebnissen und wie sind ggf. die Er-

kenntnisse verwertet worden?

3.17. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit der

Soko ‚Halbmond’ mit dem BayLfV und ande-
ren Nachrichtendiensten?

3.18. Hatte die Soko ‚Halbmond’ Kenntnis von
dem Bombenanschlag vom 09.06.2004 in

Köln und falls ja, welche Hinweise gab es,

dass hinter den Mordanschlägen und dem

Bombenanschlag von Köln die gleichen Täter

stecken könnten und wie wurden die Hinwei-

se in den Ermittlungsverfahren wegen der

Mordanschläge verwertet?

4. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen

Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden

sowie die vorgesetzten Dienststellen und die

Staatsregierung nach den Mordanschlägen

vom 09.06.2005 in Nürnberg (Opfer: Ismail

Yasar) und vom 15.06.2005 in München (Op-

fer: Theodorus Boulgarides) und den weiteren

Mordanschlägen vom 04.04.2006 in Dort-

mund, vom 06.04.2006 in Kassel und vom

25.04.2007 in Heilbronn entwickelt?

4.1. Wer war bei der StA München I zuständig für

die Ermittlungen zur Aufklärung des Mordes

an Theodorus Boulgarides?

4.2. Wie war die Soko ‚Theo’ bei der Münchner
Kriminalpolizei personell besetzt?

4.3. Wie kam es zu der Einrichtung der Besonde-

ren Aufbauorganisation (BAO) ‚Bosporus’ ab
dem 01.07.2005 beim PP Mittelfranken, wel-

che Zuständigkeiten und Befugnisse hatte sie

und wie kam es zu der Namensfindung?

4.4. Wie ist die BAO ‚Bosporus’ vorgegangen,
um die bisherigen Ermittlungen zu den fünf

Mordanschlägen in Bayern zu optimieren und

welche Ermittlungsmaßnahmen (Spurenaus-

wertung, Zeugenbefragung, Rasterfahndun-

gen, TKÜ; Einsatz verdeckter Ermittler etc.)

hat sie konkret ergriffen und mit welchen Er-

gebnissen?

4.5. Trifft es zu, dass alle bisherigen Erkenntnisse

der einzelnen Sonderkommissionen in ein

einheitliches Fallerfassungssystem eingege-

ben worden sind und dass hierfür ein Zeit-

aufwand von etwa einem halben Jahr erfor-

derlich war?

4.6. Trifft es zu, dass bei Europol, Interpol und

dem FBI wegen eventueller weiterer Fälle mit

ähnlicher Tatbegehung nachgefragt worden

ist und falls ja, mit welchen Ergebnissen?

4.7. Welche der für die einzelnen Tatorte zustän-

digen Staatsanwaltschaft hat nach der Ein-

richtung der BAO ‚Bosporus’ die Ermitt-
lungsverfahren übernommen, wie war sie per-

sonell besetzt?

4.8. Wie viele Dienstbesprechungen zwischen der

BAO ‚Bosporus’, dem StMI, dem BKA
und/oder den beteiligten Staatsanwaltschaften

haben seit dem Mordanschlag vom

15.06.2005 in München wann stattgefunden,

welche Inhalte und Ergebnisse hatten diese,

wer hat hierzu jeweils eingeladen und wer hat

daran teilgenommen?

4.9. Waren die Ermittlungsverfahren auch Gegen-

stand der IMK oder ihrer Arbeitskreise im

Jahr 2005 und falls ja, mit welchen genauen

Besprechungsinhalten und Ergebnissen?

4.10. Aufgrund welcher Umstände ist das Polizei-

präsidium München in der ersten Operativen

Fallanalyse (OFA) vom August 2005 zu der

Annahme gelangt, dass eine kriminelle Orga-

nisation Urheberin der Mordanschläge sein

könnte?

4.11. Wurden bayerischen Ermittlungsbehörden

darüber informiert, dass sich im Zusammen-

hang mit dem Mord an Halit Yozgat in Kassel

am 06.04.2006 ein Mitarbeiter des hessischen

Verfassungsschutzes im Nebenraum des Ta-

torts aufgehalten hatte, wenn ja wann, und

welche Schritte wurden daraufhin eingeleitet?

4.12. Wann hat die BAO ‚Bosporus’ erstmals mit
welchen Verfassungsschutzbehörden Kontakt

aufgenommen und mit welchem Ersuchen

(Informationen über die Opfer und ihr Umfeld

oder über die möglichen Täter)?

4.13. Trifft es zu, dass das BfV auf die Bitte der

BAO ‚Bosporus’ vom 17.02.2006, einen An-
sprechpartner zu benennen, nie geantwortet

hat?

4.14. Trifft es zu, dass die BAO ‚Bosporus’, nach-
dem das BayLfV lange Zeit keine Daten über

Rechtsextremisten aus dem Raum Nürnberg

geliefert hatte, auf sog. ‚Staatsschutzdaten’
zurückgegriffen hat und falls ja, nach welchen

Kriterien werden sog. ‚Staatsschutzdaten’ von
welcher Behörde auf welcher Rechtsgrundla-

ge erhoben und sind im konkreten Fall ent-

sprechende Daten ausgewertet worden und

falls ja, mit welchem Ergebnis?

4.15. Aus welchen Gründen ist im Dezember 2005

von wem eine weitere OFA in Auftrag gege-

ben worden, wann ist sie vorgelegt worden

Drucksache 17/14600 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und auf Grund welcher Umstände ist in dieser

OFA die Theorie vertreten worden, Urheber

der Mordanschläge könne auch ein ‚missi-
onsgeleiteter’ Einzeltäter mit Hass auf Aus-
länder, im speziellen auf Türken, sein?

4.16. Hat die Staatsanwaltschaft geprüft, ob bei der

Weiterverfolgung der Annahme, es könne

sich um einen Täter mit ggf. rechtsextremisti-

schem Hintergrund handeln, die Zuständig-

keit des Generalbundesanwalts (GBA) gege-

ben wäre und falls ja, mit welchem Ergebnis

und falls nein, warum nicht?

4.17. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden,

um der Vermutung nachzugehen, Urheber der

Mordanschläge könne ein ‚missionsgeleiteter‘
Einzeltäter sein?

4.18. Trifft es zu, dass auf Initiative des BKA im

März 2006 in Fürth und am 19.04.2006 in

Kassel Strategiebesprechungen stattgefunden

haben und falls ja, wer hat seitens der bayeri-

schen Sicherheits- und Justizbehörden daran

teilgenommen, welche Inhalte hatten diese

und welche Ergebnisse haben die Bespre-

chungen erbracht?

4.19. Welche Vereinbarungen zur Zuständigkeit

und zur Stoßrichtung der weiteren Ermitt-

lungsarbeit sind bei der IMK vom 04.05.2006

getroffen worden und aus welchen Erwägun-

gen?

4.20. Aus welchen Gründen ist von wem kurz nach

Vorlage der zweiten OFA eine weitere OFA

beim LKA Baden-Württemberg in Auftrag

gegeben worden, wann ist diese vorgelegt

worden und welchen Inhalt hatte sie?

4.21. Trifft es zu, dass zur Information der Öffent-

lichkeit eine Medienstrategie entwickelt wor-

den ist und falls ja, welchen Inhalt und wel-

che Zielrichtung hatte diese?

4.22. Wer war Adressat des Schreibens des US

Department of Justice/FBI aus dem Jahr

2007, wie kam es zu diesem Schreiben und

haben bayerische Sicherheits- und Justizbe-

hörden hiervon Kenntnis erhalten und inwie-

weit ist die dort vertretene Annahme eines

rassistischen Hintergrunds der Mordanschläge

überprüft worden?

4.23. Sind beim BayLfV oder einer Polizeibehörde

zu irgendeinem Zeitpunkt Dateien mit Infor-

mationen über die Mitglieder oder den Unter-

stützerkreis des NSU gelöscht worden und

falls ja, wann und auf welcher rechtlichen

Grundlage?

4.24. Wann sind die BAO ‚Bosporus‘ und die SG
aufgelöst worden und aus welchen Gründen

und wer wurde anschließend mit den weiteren

Ermittlungen betraut?

4.25. Trifft es zu, dass das Polizeipräsidium Mittel-

franken im Oktober 2011 verlangt hat, dass

auf der Homepage des BKA mit der Darstel-

lung der ungeklärten Mordfälle die Hinweise

auf Fahrräder und Phantombilder mutmaßli-

cher Täter entfernt werden und falls ja, wes-

halb?

4.26. Welchen Inhalt hatte der abschließende Be-

richt der BAO ‚Bosporus‘ von 2008?

5. Geheimdienstliche Erkenntnisse und Informa-

tion des Landtags

5.1. Ist das PKG (vormals PKK) des Landtags

vom StMI vor dem 04.11.2011 über die Mög-

lichkeit eines rechtsextremistischen oder

rechtsterroristischen Hintergrunds bzw. die

Möglichkeit eines OK-Hintergrunds der un-

geklärten fünf Mordanschläge in Bayern, der

durchgeführten Maßnahmen und eventuellen

Erkenntnissen des BayLfV hierzu informiert

worden und falls ja, wann und mit welchen

Inhalten und falls nein, warum nicht?

5.2. Sind im Laufe der Ermittlungen zu den fünf

Mordfällen in Bayern Maßnahmen im Sinne

des sog. G-10-Gesetzes durchgeführt worden

und falls ja, gegen welche Personen, und ist

der G-10-Kommission des Landtags hierüber

berichtet worden?

5.3. Haben im Laufe der Ermittlungen seit dem

Untertauchen des Trios nachrichtendienstli-

che Maßnahmen in Bayern stattgefunden, die

nicht vom BayLfV veranlasst worden sind,

wenn ja, um welche hat es sich gehandelt und

wer hat sie veranlasst?

6. Umgang mit den Angehörigen der Opfer

6.1. Trifft es zu, dass verdeckte Ermittler und/oder

V-Leute unter Legenden getarnt an die Ange-

hörigen der Opfer herangetreten sind und falls

ja, um welche Maßnahmen handelte es sich

hierbei im Einzelnen und welche Ermittlungs-

strategie lag dem zu Grunde?

6.2. War die zuständige Staatsanwaltschaft hierü-

ber informiert?

6.3. Welche Erkenntnisse haben die Ermittlungs-

behörden jeweils daraus gewonnen?

6.4. Gab es im Zusammenhang mit Maßnahmen

im Umfeld der Angehörigen Beschwerden

über diese Ermittlungsmethoden und das

Verhalten der Ermittler und falls ja, wie wur-

de diesen nachgegangen?

6.5. Auf welcher Grundlage erfolgte die Einschät-

zung des StMI, es sei ‚naheliegend, die
Drahtzieher des Verbrechens im Bereich der

organisierten Kriminalität zu suchen‘ und im
Umfeld der Opfer sei die Polizei auf eine

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/14600

‚Mauer des Schweigens‘ gestoßen (vgl. SZ
vom 26.04.2006)?

7. Welche Aktivitäten haben welche bayerischen

Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden

sowie die jeweils vorgesetzten Dienststellen

und die Staatsregierung seit dem 04.11.2011

bis 04.07.2012 entwickelt?

7.1. Wann sind die Ermittlungen wegen der fünf

ungeklärten Mordfälle in Bayern wieder auf-

genommen worden und sind die früheren

Sokoen bzw. BAOen wieder reaktiviert wor-

den?

7.2. Wie wurde die Zusammenarbeit zwischen den

bayerischen Sicherheits- und Strafverfol-

gungsbehörden und dem GBA und der beim

BKA neu geschaffenen BAO ‚Trio‘ neu orga-
nisiert?

7.3. Welche organisatorischen und ggf. personel-

len Veränderungen sind im BayLfV und ggf.

im StMI vorgenommen worden?

7.4. Welche Erkenntnisse hat die ab dem

19.12.2011 innerhalb des BayLfV zur Aufar-

beitung des Fallkomplexes eingerichtete Pro-

jektgruppe ‚Lageorientierte Sonderorganisati-
on NSU‘ bisher erbracht und welche Konse-
quenzen sind hieraus beim BayLfV gezogen

worden?

7.5. Welche Tätigkeiten hat die beim LKA zusätz-

lich eingerichtete KG ReTeEX Bayern bisher

entfaltet und mit welchen Ergebnissen?

7.6. Welches Ergebnis haben die Ermittlungen

über die Hersteller, Absender und Verteiler

einer comicartigen ‚Bekenner‘- DVD mit
Hinweisen auf die ungeklärten Sprengstoffan-

schläge in Köln in den Jahren 2001 und 2004,

die sog. Česká-Morde sowie den Mord an ei-
ner Polizistin in Heilbronn erbracht und gibt

es insbesondere Hinweise darauf, wer eine

dieser DVD in den Briefkasten einer Tages-

zeitung in Nürnberg eingeworfen hat?

7.7. Welche Informationen zum Untersuchungs-

gegenstand lagen der Staatsregierung zu wel-

chem Zeitpunkt vor und wie gestaltete sie ihre

Informationspolitik gegenüber dem Landtag

und der Öffentlichkeit?“137

Die Einsetzung des Ausschusses wurde mit der Intention

verbunden, den Opfern und ihren Angehörigen Respekt

zu zollen.
138

Der Ausschuss hat aus neun Mitgliedern bestanden. Zum

Vorsitzenden ist der Abgeordnete Franz Schindler (SPD)
137) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Auszug aus Drucksache

16/13150 vom 4. Juli 2012, Bl. 2 ff.

138) Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/13150

vom 4. Juli 2012, Bl. 2.

und zum stellvertretenden Vorsitzenden der Abgeordnete

Dr. Otmar Bernhard (CSU) bestellt worden.

In einem ersten Teil hat sich der Ausschuss mit Feststel-

lungen zu extremistischen Strukturen und Aktivitäten in

Bayern sowie länderübergreifend und den hiergegen er-

griffenen Maßnahmen der bayerischen Sicherheitsbehör-

den und deren Ergebnisse im Zeitraum vom 1. Januar

1994 bis zum 4. Juli 2012 beschäftigt. In einem zweiten

Teil hat sich der Ausschuss mit den Mordanschlägen in

Bayern, die dem NSU angelastet werden, auseinanderge-

setzt.
139

Die erste konstituierende Sitzung hat am 5. Juli

2012 stattgefunden, worauf insgesamt 31 Sitzungen ge-

folgt sind. Am 9. Juli 2013 hat sich der Untersuchungs-

ausschuss zu einer Beratung und Beschlussfassung über

den Schlussbericht getroffen.
140

Zwischen dem Bayerischen Untersuchungsausschuss und

dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages

sind die Stenografischen Protokolle über die Beweisauf-

nahme ausgetauscht worden.

4. Diskussionen in anderen Ländern

In den übrigen Tatortländern Baden-Württemberg, Freie

und Hansestadt Hamburg, Hessen, Mecklenburg-

Vorpommern und Nordrhein-Westfahlen sind keine

Untersuchungsausschüsse eingesetzt worden.

Ob ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden sollte,

ist in Hessen diskutiert worden. Hier haben SPD, DIE

GRÜNEN und DIE LINKE. die Einrichtung eines Unter-

suchungsausschusses in Erwägung gezogen;
141

sie wollten

jedoch vor der Beantragung eines Landtagsuntersu-

chungsausschusses die Ergebnisse des Untersuchungsaus-

schusses des Bundestages abwarten.
142

In Mecklenburg-Vorpommern ist von verschiedenen

Initiativen die Einsetzung eines Untersuchungsausschus-

ses gefordert worden.
143

Auch die Linksfraktion hat sich

für einen Untersuchungsausschuss eingesetzt.
144

Die Grü-

nen haben die Forderung jedoch im März 2013 abge-

lehnt.
145

Der Abgeordnete Johannes Saalfeld hat argu-

mentiert, dass ein Untersuchungsausschuss die für eine

Aufdeckung von Kontakten des Trios nach Mecklenburg-
139) https://www.bayern.landtag.de/de/482_9270.php.

140) Landtagsdrucksache 16/17740.

141) Frankfurter Rundschau vom 9. Juni 2012, „Rätsel um Neonazi-
Mord“; http://www.linksfraktion-
hessen.de/cms/abgeordnete/die-abgeordneten/hermann-

schaus/pressemitteilungen-mainmenu-272/3627-nsu-morde-

fuelle-gravierender-ungereimtheiten-nur-durch-
untersuchungsausschuss-aufzuloesen.html.

142) Frankfurter Rundschau vom 9. Juni 2012, „Rätsel um Neonazi-
Mord“.

143) Die Welt vom 3. Januar 2013, „Initiativen fordern NSU-
Untersuchungsausschuss in MV“.

144) http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-
vorpommern/nsu227.html.

145) http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-

vorpommern/nsu227.html.
Drucksache 17/14600 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Vorpommern notwendigen kriminalistischen Ermittlun-

gen nicht leisten könne.
146

In Baden-Württemberg hat die Fraktion DIE LINKE.
147

sowie die Jusos und die Grüne Jugend Baden-

Württemberg die Einsetzung eines Untersuchungsaus-

schusses des Landtages gefordert, um durch die Aufklä-

rung der Morde und der Rolle des baden-

württembergischen Verfassungsschutzes ein Zeichen für

die Opfer des NSU zu setzen.
148

Nicht zuletzt aufgrund

der Verbindungen einzelner Polizisten in Baden-

Württemberg zum „Ku-Klux-Klans“ sei ein Untersu-
chungsausschuss unverzichtbar.

149

146) http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-

vorpommern/nsu227.html.

147) Pressemitteilung DIE LINKE. Baden-Württemberg vom
15. Mai 2013,

http://www.die-linke-bw.de/nc/politik/presse/detail/

zurueck/presse/artikel/nsu-untersuchungsausschuss-fuer-baden-
wuerttemberg-gefordert/.

148) Bundespresseportal vom 1. Juli 2013, Grüne Jugend Baden-

Württemberg fordert NSU-Untersuchungsausschuss im Land-
tag.

149) Pressemitteilung Die Linke Baden-Württemberg vom 15. Mai

2013,
http://www.die-linke-bw.de/nc/politik/presse/detail/zurueck/

presse/artikel/nsu-untersuchungsausschuss-fuer-baden-

wuerttemberg-gefordert/.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/14600

C. Verlauf der Untersuchung

I. Gemeinsames Vorgehen, Einstimmigkeits-
prinzip

Die Obleute haben zu Beginn der Untersuchung verein-

bart, Beschlüsse über die Erhebung von Beweisen und

zum Verfahren möglichst einstimmig zu fassen. Hier-

durch werde das Gewicht des Ausschusses bei der Auf-

klärung erhöht und das Signal gegeben, dass im Bundes-

tag Konsens herrsche über die Notwendigkeit der Aufklä-

rung und der Kampf gegen den Rechtsextremismus An-

liegen aller Fraktionen sei.

Der Ausschuss hat alle 389 Beweisbeschlüsse einstimmig

gefasst. Die Reihenfolge der Vernehmung der 95 Zeugen

sowie der Anhörung von 16 Sachverständigen und sonsti-

gen Personen hat der Ausschuss einvernehmlich festge-

legt. Die Ermittlungsbeauftragten sind gemeinsam ausge-

wählt und bestellt worden. Auch die Beschlüsse zum

Verfahren sind einstimmig gefasst worden.

II. Beschlüsse zum Verfahren

1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter der Fraktionen

In seiner Sitzung am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss

gemäß § 12 Abs. 2 PUAG einstimmig beschlossen:
150

„Von den Fraktionen benannte Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter haben Zutritt zu allen Sitzungen

des Ausschusses, jedoch zu den VS-

VERTRAULICH oder höher eingestuften Sitzun-

gen nur, soweit sie die persönlichen Voraussetzun-

gen erfüllen.“

2. Verzicht auf die Verlesung von Protokollen
und Schriftstücken

Am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-

schlossen:
151

„Gemäß § 31 Abs. 2 Untersuchungsausschuss-
gesetz wird auf die Verlesung von Protokollen und

Schriftstücken verzichtet, soweit das Sekretariat

diese allen Mitgliedern des Ausschusses zugäng-

lich gemacht hat.“

3. Verteilung von Verschlusssachen

Am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss gemäß § 16 Abs. 1

PUAG einstimmig zunächst beschlossen:
152
150) Beschluss Nr. 1 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 6.

151) Beschluss Nr. 2 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 6.

„I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten
Verschlusssachen

Von den für den Ausschuss in der Geheimschutz-

stelle des Deutschen Bundestages eingehenden

VS-VERTRAULICH oder GEHEIM eingestuften

Beweismaterialien sind Ausfertigungen herzustel-

len und zwar für

1. die Fraktionen im Ausschuss je zwei,

2. das Sekretariat zugleich für den Vorsitzenden

und den stellvertretenden Vorsitzenden je eine.

Den Mitgliedern des Ausschusses sowie den von

den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern, die zum Umgang mit Verschlusssa-

chen ermächtigt und zur Geheimhaltung förmlich

verpflichtet sind, werden auf Wunsch die jeweili-

gen Exemplare ausgehändigt.

Die Mitglieder des Ausschusses und die von den

Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter bestimmen Räume, in denen der Geheim-

schutzbeauftragte des Deutschen Bundestages

Verwahrgelasse zur Aufbewahrung der Ausferti-

gung zur Verfügung stellen und unverzüglich die

gegebenenfalls weiteren notwendigen technischen

Sicherungsmaßnahmen treffen soll.

II. Verteilung der vom Untersuchungsaus-

schuss eingestuften Verschlusssachen

Für die vom 2. Untersuchungsausschuss selbst VS-

VERTRAULICH, VERTRAULICH gemäß § 2a

Geheimschutzordnung, GEHEIM, GEHEIM ge-

mäß § 2a Geheimschutzordnung oder ggf.

STRENG GEHEIM eingestuften Unterlagen und

Protokolle gilt Ziffer I. entsprechend.

III. Verteilung von ‚VS-Nur für den Dienstge-
brauch‘ eingestuften Unterlagen

‚VS-Nur für den Dienstgebrauch‘ (VS-NfD) ein-
gestufte Unterlagen werden verteilt und behandelt

gemäß Beschluss 5 zum Verfahren in Verbindung

mit der Geheimschutzordnung des Deutschen

Bundestages.“

Die Verteilung von Verschlusssachen ab einem Umfang

von 1 000 Seiten hat der Ausschuss in seiner Sitzung am

26. April 2012 einstimmig neu geregelt. Der Verfahrens-

beschluss hat hierdurch folgende Fassung erhalten:
153

I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten

Verschlusssachen
152) Beschluss Nr. 3 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 6 f.

153) Beschluss 3 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 11, S. 7, Anlage 6.

Drucksache 17/14600 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1. Von den für den Ausschuss in der Geheim-

schutzstelle des Deutschen Bundestages einge-

henden VS-VERTRAULICH oder GEHEIM

eingestuften Beweismaterialien sind Ausferti-

gungen herzustellen und zwar

- für die Fraktionen im Ausschuss je zwei,

- das Sekretariat zugleich für den Vorsitzen-

den und den stellvertretenden Vorsitzenden

je eine.

2. Ab einem Umfang von 1 000 Seiten wird pro

Fraktion nur ein Exemplar erstellt. Ab einem

Umfang von 15 000 Seiten wird ein gesonder-

tes Verfahren zwischen den Obleuten verein-

bart.

3. Den Mitgliedern des Ausschusses sowie den

von den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern, die zum Umgang mit Ver-

schlusssachen ermächtigt und zur Geheimhal-

tung förmlich verpflichtet sind, werden auf

Wunsch die jeweiligen Exemplare ausgehän-

digt.

4. Die Mitglieder des Ausschusses und die von

den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter bestimmen Räume, in denen der

Geheimschutzbeauftragte des Deutschen Bun-

destages Verwahrgelasse zur Aufbewahrung

der Ausfertigung zur Verfügung stellen und

unverzüglich die gegebenenfalls weiteren not-

wendigen technischen Sicherungsmaß-nahmen

treffen soll.

II. Verteilung der vom Untersuchungsaus-

schuss eingestuften Verschlusssachen

Für die vom 2. Untersuchungsausschuss selbst VS-

VERTRAULICH, VER-TRAULICH gemäß § 2a

Geheimschutzordnung, GEHEIM, GEHEIM ge-

mäß § 2a Geheimschutzordnung oder ggf.

STRENG GEHEIM eingestuften Unterlagen und

Protokolle gilt Ziffer I. entsprechend.

III. Verteilung von ‚VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH‘ eingestuften Unter-
lagen

‚VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH‘ (VS-
NfD) eingestufte Unterlagen werden verteilt und

behandelt gemäß Beschluss 5 zum Verfahren in

Verbindung mit der Geheimschutzordnung des

Deutschen Bundestages.

4. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Sitzun-
gen

Am 27. Januar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-

schlossen:
154
154) Beschluss Nr. 4 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 2, S. 8.

„Der Vorsitzende wird gemäß § 12 Abs. 3 Unter-
suchungsausschussgesetz dazu ermächtigt, die Öf-

fentlichkeit über die in nichtöffentlicher Sitzung

gefassten Beschlüsse des Ausschusses zu informie-

ren.

Hiervon unberührt bleibt das Recht der übrigen

Ausschussmitglieder, ihre Position hierzu öffent-

lich zu äußern.“

5. Verteilung von Ausschussdrucksachen,
Beweisbeschlüssen und Ausschussmate-
rialien

In seiner Sitzung am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss

einstimmig zunächst beschlossen:
155

„I. Die Ausschussmaterialien werden wie folgt
bezeichnet:

- MAT A sind Antworten auf Beschlüsse

zur Beweiserhebung;

- MAT B sind Beweismaterialien, die

nicht aufgrund eines Beweisbeschlusses,

sondern aufgrund freiwilliger Zusen-

dung eingehen;

- MAT C sind Materialien, die Bezug

zum Untersuchungsauftrag haben, aber

nicht die zu untersuchenden Vorgänge

dokumentieren, wie Verwaltungsent-

scheidungen in vergleichbaren Fällen,

allgemeine Dienstanweisungen und ähn-

liches, die nicht aufgrund von Beweis-

beschlüssen eingehen.

II. Verteilung von Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-

schussmaterialien in elektronischer Form

Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und

Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und

MAT C), die nicht VS-Vertraulich oder höher ein-

gestuft sind, werden vom Sekretariat in elektroni-

scher Form übermittelt. Soweit Unterlagen dem

Ausschuss nicht in elektronischer Form zur Verfü-

gung gestellt werden, besorgt das Sekretariat die

Ablichtung in elektronischer Form.

III. Verteilung von Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-

schussmaterialien in gedruckter Form

1. Von allen Ausschussdrucksachen, Beweisbe-

schlüssen und Ausschussmaterialien (MAT A,

MAT B und MAT C) verteilt das Sekretariat

auf Wunsch je ein gedrucktes Exemplar an die

- ordentlichen und stellvertretenden Mitglie-

der,
155) Beschluss Nr. 5 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 7 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/14600

- von den Fraktionen benannten Mitarbeite-

rinnen und Mitarbeiter,

- Beauftragten der Bundesregierung und des

Bundesrates.

2. MAT A, MAT B und MAT C mit einem Um-

fang ab 101 Seiten werden in je zwei Exempla-

ren an alle Fraktionen verteilt.

Bei besonders großem Umfang (über 1 000

Seiten) wird in der Regel von einer Verteilung

abgesehen und stattdessen ein Exemplar im

Sekretariat zur Verfügung gestellt; in Zweifels-

fällen verständigen sich der Vorsitzende und

die Obleute.

Das Anschreiben der abgebenden Stelle wird in

jedem Fall gemäß dem in Ziffer 1. beschriebe-

nen Verteiler versandt.“

In seiner Sitzung vom 26. April 2012 hat der Ausschuss

beschlossen, bei der Verteilung von der Differenzierung

nach der Größe der Unterlagen abzusehen. Der Verfah-

rensbeschluss hat folgende Fassung erhalten:
156

„I. Die Ausschussmaterialien werden wie folgt
bezeichnet:

- MAT A sind Antworten auf Beschlüsse

zur Beweiserhebung;

- MAT B sind Beweismaterialien, die

nicht aufgrund eines Beweisbeschlusses,

sondern aufgrund freiwilliger Zusen-

dung eingehen;

- MAT C sind Materialien, die Bezug

zum Untersuchungsauftrag haben, aber

nicht die zu untersuchenden Vorgänge

dokumentieren, wie Verwaltungsent-

scheidungen in vergleichbaren Fällen,

allgemeine Dienstanweisungen und ähn-

liches, die nicht aufgrund von Beweis-

beschlüssen eingehen.

II. Verteilung von Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-

schussmaterialien in elektronischer Form

1. Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und

Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und

MAT C) werden vom Sekretariat grundsätzlich

in elektronischer Form verfügbar gemacht –
und zwar

- vollständig, soweit Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüsse und Ausschussmateria-

lien (MAT A, MAT B und MAT C) nicht

VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft

sind;

- durch einen Hinweis beziehungsweise das

Übermittlungsschreiben, soweit Ausschuss-
156) Protokoll-Nr. 11, S. 7.

drucksachen, Beweisbeschlüsse und Aus-

schussmaterialien (MAT A, MAT B und

MAT C) VS-VERTRAULICH oder höher

eingestuft sind.

2. Verfügbar gemacht durch Übermittlung von

Dateien oder Datenträgern beziehungsweise

durch Zugriff auf ein gemeinsames Laufwerk

werden Ausschussdrucksachen, Beweisbe-

schlüsse und Ausschussmaterialien (MAT A,

MAT B und MAT C) für die

- ordentlichen und stellvertretenden Mitglie-

der,

- von den Fraktionen benannten Mitarbeite-

rinnen und Mitarbeiter

- Beauftragten der Bundesregierung und des

Bundesrates.

3. Soweit Unterlagen dem Ausschuss nicht in

elektronischer Form zur Verfügung gestellt

werden, besorgt das Sekretariat die Ablichtung

in elektronischer Form.

III. Verteilung von Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüssen und sonstigen Aus-

schussmaterialien in gedruckter Form

Von allen Ausschussdrucksachen, Beweisbe-

schlüssen und Ausschussmaterialien (MAT A,

MAT B und MAT C) verteilt das Sekretariat je ein

gedrucktes Exemplar an die Fraktionen und zwar

- vollständig, soweit Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien

(MAT A, MAT B und MAT C) nicht VS-

VERTRAULICH oder höher eingestuft sind;

- einen Hinweis beziehungsweise das Übermitt-

lungsschreiben, soweit Ausschussdrucksachen,

Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien

(MAT A, MAT B und MAT C) VS-

VERTRAULICH oder höher eingestuft sind.

Auf Wunsch erhält eine Fraktion von Ausschuss-

drucksachen, Beweisbeschlüssen und Ausschuss-

materialien (MAT A, MAT B und MAT C) im

Umfang von unter 1 000 Seiten ein weiteres

Exemplar.“

Abweichend von früheren Untersuchungsausschüssen

sind die Beweisbeschlüsse nicht chronologisch durch-

nummeriert worden. Je nach Adressat haben die Beweis-

beschlüsse, die an Bundesbehörden gerichtet worden sind,

eine dem Behördenkürzel entsprechende Bezeichnung

und die Beweisbeschlüsse, auf deren Grundlage die Län-

der um Amtshilfe ersucht worden sind, eine dem Länder-

kürzel entsprechende Bezeichnung erhalten. Die dem

Ausschuss aufgrund von Beweisbeschlüssen vorgelegten

Materialien haben eine mit der Bezeichnung der Beweis-

beschlüsse korrespondierende Nummerierung erhalten.

Dies hat die Zuordnung und Zusammenführung der teil-

weise sukzessive vorgelegten Beweismittel erleichtert.

Drucksache 17/14600 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Gegenüber früheren Untersuchungsausschüssen neu ge-

wesen ist die digitale Bereitstellung der Unterlagen. Das

Ausschusssekretariat hat sämtliche Materialien bis zu

einer Geheimhaltungsstufe VS-NUR FÜR DEN

DIENSTGEBRAUCH eingescannt und auf einem ge-

meinsamen Laufwerk von Sekretariat und Fraktionen, auf

welches nur das Sekretariat schreibenden Zugriff erhalten

hat, bereitgestellt. Sowohl die konkrete Bezeichnung der

Ausschussmaterialien als auch die digitalisierte Zurverfü-

gungstellung der Akten hat die Arbeit des Ausschusses

insgesamt erheblich erleichtert.

Mitarbeiter des Referates IT 1 der Bundestagsverwaltung

haben für den Ausschuss ein Suchwerkzeug entwickelt

und bereitgestellt, mit dem sich über den gesamten digita-

len Aktenbestand mit einem oder der Kombination meh-

rerer Begriffe gezielt Fundstellen in den Akten haben

finden lassen.

Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sowie die

von den Fraktionen benannten Mitarbeiter haben lesenden

Zugriff auf das Laufwerk erhalten. Den Beauftragten der

Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates ist

Gelegenheit gegeben worden, sich periodisch die auf dem

gemeinsamen Laufwerk zur Verfügung gestellten Unter-

lagen auf eine externe Festplatte zu kopieren.

6. Behandlung der Ausschussprotokolle

Am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-

schlossen:
157

„I. Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen

1. Die Protokolle der nichtöffentlichen Sitzungen

erhalten die ordentlichen Mitglieder des Aus-

schusses, ihre Stellvertreterinnen und Stellver-

treter sowie die Beauftragten der Bundesregie-

rung und des Bundesrates. Für die von ihr be-

nannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-

hält jede Fraktion ein Exemplar. Die Übermitt-

lung erfolgt als Kopie und zusätzlich in elekt-

ronischer Form.

2. Dritte haben grundsätzlich kein Recht auf Ein-

sichtnahme in die Protokolle der nichtöffentli-

chen Sitzungen und folglich auch nicht darauf,

dass ihnen Kopien solcher Protokolle überlas-

sen werden. Eine Ausnahme besteht nur ge-

genüber Behörden, wenn der Ausschuss ent-

schieden hat, Amtshilfe zu leisten.

II. Protokolle öffentlicher Sitzungen

1. Die Protokolle der öffentlichen Sitzungen wer-

den wie unter Punkt I.1. beschrieben zugeleitet,

darüber hinaus auf Antrag auch an Behörden,

wenn der Untersuchungsausschuss entschieden

hat, Amtshilfe zu leisten.
157) Beschluss Nr. 6 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 9.

2. Dritten kann Einsicht in die Protokolle gewährt

werden, wenn sie ein ‚berechtigtes Interesse
nachweisen‘ (Richtlinien für die Behandlung
der Ausschussprotokolle gemäß § 73 Abs. 3

GO-BT in der jeweils gültigen Fassung). Das

Vorliegen eines berechtigten Interesses prüft

der Vorsitzende. Die Entscheidung über die

Gewährung von Einsicht trifft der Ausschuss.

3. Den Zeugen ist zur Prüfung der Richtigkeit der

Protokollierung das Protokoll über ihre Ver-

nehmung zuzustellen (§ 26 Abs. 1 Untersu-

chungsausschussgesetz).

III. Protokolle VS-VERTRAULICH oder höher

eingestufter Sitzungen

Ist das Protokoll über die Aussage einer Zeugin

oder eines Zeugen VS-VERTRAULICH oder hö-

her eingestuft, so ist ihr bzw. ihm Gelegenheit zu

geben, dies in der Geheimschutzstelle des Deut-

schen Bundestages einzusehen. Eine Kopie erhält

sie bzw. er nicht.“

Von der Möglichkeit, Einsicht in die Protokolle zu ge-

währen, ist mehrfach Gebrauch gemacht worden (siehe

unten: IV.11, S. 51).

7. Verpflichtung zur Geheimhaltung

Am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-

schlossen:
158

„1. Die Mitglieder des Ausschusses sind aufgrund
des Untersuchungsausschussgesetzes, der Ge-

heimschutzordnung des Deutschen Bundesta-

ges, ggf. ergänzt um Beschlüsse des 2. Unter-

suchungsausschusses in Verbindung mit

§ 353b Abs. 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch zur Ge-

heimhaltung derjenigen Tatsachen und Ein-

schätzungen verpflichtet, die ihnen durch

Übermittlung der von amtlichen Stellen als VS-

VERTRAULICH bzw. VERTRAULICH und

höher eingestuften Unterlagen bekannt werden.

Der Ausschuss wird mit Blick auf die Einstu-

fung von übermittelten Unterlagen auf die Be-

achtung der Entscheidung des Bundesverfas-

sungsgerichts vom 17. Juni 2009 (BVerfG,

BvR 2 03/07) dringen.

2. Diese Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt

sich auch auf solche Tatsachen und Einschät-

zungen, die aufgrund von Unterlagen bekannt

werden, deren VS-Einstufung bzw. Behand-

lung als VS-VERTRAULICH oder höher so-

wie als VERTRAULICH oder höher durch den

Ausschuss selbst veranlasst oder durch den

Vorsitzenden, insbesondere unter Berücksich-

tigung der Entscheidung des Bundes-

verfassungsgerichts vom 17. Juli 1984
158) Beschluss Nr. 7 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 11.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/14600

(BVerfGE 67, S. 100 ff.) zur Wahrung des

Schutzes von Grundrechten (Betriebs- und Ge-

schäftsgeheimnisse, Steuergeheimnisse und in-

formationelles Selbstbestimmungsrecht) vor-

genommen wird.

3. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung entfällt,

wenn und soweit die aktenführende Stelle bzw.

der Untersuchungsausschuss die Einstufung als

VS-VERTRAULICH und höher bzw. die Be-

handlung als VERTRAULICH und höher auf-

hebt.

4. Im Übrigen gilt die Geheimschutzordnung des

Deutschen Bundestages.

5. Anträge, deren Inhalt geheimhaltungsbedürftig

ist, sind in der Geheimschutzstelle des Deut-

schen Bundestages zu hinterlegen. Über die

Hinterlegung sollen die Antragsteller das Sek-

retariat unterrichten.“

8. Fragerecht bei der Beweiserhebung

Die Fraktionen sind übereingekommen, das Fragerecht in

der Beweisaufnahme im Rahmen der sogenannten „Berli-
ner Stunde“ flexibel zu handhaben. Insbesondere sollte
die Möglichkeit bestehen, mit Zustimmung des gerade

vernehmenden Abgeordneten Zwischenfragen und Nach-

fragen zu stellen. Dem Vorsitzenden sollte für die Steue-

rung und Worterteilung ein Entscheidungsspielraum zu-

gestanden werden.

Diskutiert worden ist darüber, ob diese Flexibilität in den

Verfahrensbeschluss ausdrücklich aufgenommen werden

sollte. Schließlich hat der Ausschuss am 9. Februar 2012

einstimmig beschlossen:
159

„Der Ausschuss gestaltet das Fragerecht bei der
Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen

nach § 24 Abs. 5 und § 28 Abs. 1 Untersuchungs-

ausschussgesetz auf der Grundlage der Geschäfts-

ordnung des Deutschen Bundestages und der par-

lamentarischen Praxis bei den Aussprachen im

Plenum wie folgt:

I. Die Vernehmung zur Sache wird in zwei

Abschnitte aufgeteilt:

1. Im ersten Abschnitt stellt zunächst der

Vorsitzende, nachdem der Zeugin bzw.

dem Zeugen Gelegenheit zur Stellung-

nahme gegeben wurde, weitere Fragen

zur Aufklärung und Vervollständigung

der Aussage sowie zur Erforschung des

Grundes, auf dem das Wissen der Zeu-

gen beruht.

2. Der zweite Abschnitt besteht aus ein-

zelnen Befragungsrunden entsprechend
159) Beschluss Nr. 8 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 13.

der ‚Berliner Stunde‘, die den Ausspra-
chen im Plenum zugrunde gelegt wird.

a. Bei der Reihenfolge der Fraktionen

innerhalb der Befragungsrunden sind

die Fraktionsstärke und der Grund-

satz von Rede und Gegenrede zu be-

rücksichtigen.

b. In jeder Befragungsrunde beginnt

die Fraktion der CDU/CSU. Daran

schließt sich an die Befragung durch

die Fraktion der SPD, die Fraktion

der FDP, die Fraktion DIE LINKE.

und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN.

c. Für die Bemessung des Zeitanteils

der Fraktionen innerhalb der Befra-

gungsrunden wird die Verteilung der

Redezeiten im Plenum angewendet.

d. Um die Sachverhaltsaufklärung zu

fördern, kann der Vorsitzende eine

kurze Nachfrage eines Ausschuss-

mitglieds auch dann zulassen, wenn

sein Zeitkontingent erschöpft ist.

II. Anhörungen

Bei Anhörungen von Sachverständigen und

informatorischen Anhörungen wird ent-

sprechend der vorstehenden Regelungen

verfahren.“

Von der Möglichkeit, Zwischenfragen zu stellen, ist reger

Gebrauch gemacht worden.

9. Behandlung von Beweisanträgen

Am 9. Februar 2012 hat der Ausschuss einstimmig be-

schlossen:
160

„Zur ordnungsgemäßen Vorbereitung der Bera-
tungssitzungen sind Beweisanträge schriftlich bis

zum Freitag der Vorwoche, 12 Uhr (Eingang im

Sekretariat), einzureichen. Von dieser Frist kann

einvernehmlich abgewichen werden.“

Auf die Einhaltung der Frist ist regelmäßig verzichtet

worden, da sämtliche Beweisanträge von allen Fraktionen

gemeinsam eingebracht worden sind.

10. Protokollierung der Ausschusssitzungen

Gemäß § 11 PUAG hat der Ausschuss am 9. Februar

2012 zunächst einstimmig beschlossen:
161

„Die Protokollierung der Sitzungen des Ausschus-
ses gemäß § 11 Untersuchungsausschussgesetz

wird wie folgt durchgeführt:
160) Beschluss Nr. 9 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 15.

161) Beschluss Nr. 10 zum Verfahren, Protokoll-Nr. 3, S. 15.

Drucksache 17/14600 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1. Alle öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzun-

gen, die der Beweiserhebung oder sonstiger In-

formationsbeschaffung des Ausschusses die-

nen, sind stenografisch aufzunehmen.

2. Ergebnisse und wesentliche Argumente aller

Beratungssitzungen und Beratungen werden in

einem durch das Sekretariat zu fertigenden

Kurzprotokoll festgehalten. Auf Antrag von

mindestens einem Viertel seiner Mitglieder

lässt der Ausschuss von einer Beratungssitzung

ein stenografisches Protokoll fertigen – gege-
benenfalls in Form einer Abschrift der gemäß

GO-BT gefertigten Bandaufnahme.“

In seiner Sitzung am 8. März 2012 hat der Ausschuss den

Verfahrensbeschluss wie folgt neu gefasst:
162

„I. Die Protokollierung der Sitzungen des Aus-
schusses gemäß § 11 Untersuchungsaus-

schussgesetz wird wie folgt durchgeführt:

1. Alle öffentlichen und nichtöffentlichen

Sitzungen, die der Beweiserhebung oder

sonstiger Informationsbeschaffung des

Ausschusses dienen, sind stenografisch

aufzunehmen.

2. Ergebnisse und wesentliche Argumente

aller Beratungssitzungen und Beratun-

gen werden in einem durch das Sekreta-

riat zu fertigenden Kurzprotokoll fest-

gehalten. Auf Antrag von mindestens

einem Viertel seiner Mitglieder lässt der

Ausschuss von einer Beratungssitzung

ein stenografisches Protokoll fertigen –
gegebenenfalls in Form einer Abschrift

der gemäß GO-BT gefertigten Bandauf-

nahme.

II. Die vorläufigen Protokolle der Ausschuss-

sitzungen sind grundsätzlich zwei Tage vor

der nächsten Ausschusssitzung fertigzustel-

len und entsprechend dem Beschluss 6 zum

Verfahren zu verteilen.“

Der Ausschuss ist sich einig gewesen, dass in Absatz II

das Wort „grundsätzlich“ dahingehend zu verstehen sei,
dass es begründete Ausnahmen geben könne. Dies gelte

insbesondere dann, wenn zwei oder drei Sitzungswochen

aufeinander folgten.
163

III. Beweiserhebung durch Beiziehung von
Akten und sonstigen Unterlagen

1. Beweisvorbereitung

Der Ausschuss hat sich zu Beginn einen Überblick über

das verfügbare Aktenmaterial verschafft. Er hat hierzu
162) Protokoll-Nr. 5, S. 33.

163) Protokoll-Nr. 5, S. 33.

zunächst Aktenverzeichnisse und Datenpläne, Organi-

gramme sowie Übersichten und Zusammenstellungen aus

dem Exekutivbereich angefordert.
164

Beim Bundesminis-

terium des Innern hat er die für den Generalbundesanwalt

gefertigten und dem Parlamentarischen Kontrollgremium

vorgelegten Chronologien und Erkenntniszusammenstel-

lungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz beigezo-

gen.
165

2. Aktenbeiziehung bei Behörden des Bun-
des

a) Art und Herkunft des Beweismaterials

Gemäß Artikel 44 Abs. 1 des Grundgesetzes hat der Aus-

schuss beim Bundeskanzleramt sowie bei den Bundesmi-

nisterien des Innern, der Justiz und der Verteidigung Be-

weismittel beigezogen. Beim Bundeskanzleramt hat sich

die Beiziehung auch auf den Bundesnachrichtendienst,

beim Bundesministerium des Innern auch auf das Bun-

deskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungs-

schutz, beim Bundesministerium der Justiz auch auf den

Generalbundesanwalt und beim Bundesministerium der

Verteidigung auch auf das Amt für den Militärischen

Abschirmdienst bezogen. Zum einen sind sämtliche Ak-

ten, Dokumente, Dateien und sonstige sächliche Beweis-

mittel beigezogen worden, die im Untersuchungszeitraum

(1. Januar 1992 bis 8. November 2011) zum Untersu-

chungsgegenstand vorhanden waren. Zum anderen sind

auch die nachträglich entstandenen oder in behördlichen

Gewahrsam genommenen Beweismittel beigezogen wor-

den, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersuchungszeit-

raum bezogen haben.

Wegen des Umfanges der Unterlagen und zur Wahrung

der Belange der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendiens-

te und der Strafverfolgung ist in die Beiziehung der beim

Generalbundesanwalt, beim Bundeskriminalamt und beim

Bundesamt für Verfassungsschutz vorhandenen Beweis-

mittel ein Ermittlungsbeauftragter „zwischengeschaltet“
worden (siehe im Einzelnen unten: V, S. 52).

Darüber hinaus hat der Ausschuss die Bundesregierung zu

Einzelaspekten um Aktenvorlage ersucht.

Insbesondere beigezogen worden sind beim Bundesamt

für Verfassungsschutz

– die „Dienstvereinbarung Beschaffung" (DV-
Beschaffung) zum Einsatz von Vertrauenspersonen,

– eine Auflistung ausgewerteter Periodika, die dem
rechtsextremistischen Umfeld zugeordnet waren,

sowie alle Ausfertigungen derjenigen Ausgaben der

genannten Periodika, in denen die Stichworte "NSU"

bzw. "Nationalsozialistischer Untergrund" erwähnt

waren, insbesondere die Zeitschrift Der Weisse Wolf,

Ausgabe 1/2002, Nr. 18,
164) Protokoll-Nr. 3, S. 17 ff.

165) Protokoll-Nr. 2, S. 9 f.; Protokoll-Nr. 3, S. 16.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/14600

– sämtliche Unterlagen, die sich auf die im Jahr 2006
erfolgte Zusammenlegung der Abteilungen für

Rechts- und Linksextremismus im Bundesamt für

Verfassungsschutz beziehen,

– sämtliche Unterlagen zu der Frage, ob es in Deutsch-
land rechtsterroristische Strukturen gibt,

– sämtliche Unterlagen über Kontakte zu anderen
Behörden im Zusammenhang mit den Straftaten, die

dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ zugeord-
net werden,

– sämtliche Unterlagen zu der Vernichtung von Akten
im Bundesamt für Verfassungsschutz im November

2011, einschließlich aller Beschaffungsakten zur

Operation „Rennsteig“ und zum „Thüringer Heimat-
schutz“,

– Unterlagen zum „Ku-Klux-Klan“,

– sämtliche Unterlagen zur Zusammenarbeit mit dem
V-Mann des BfV Corelli,

– die Aufträge der Auswertungs- an die Beschaffungs-
einheiten zur Gewinnung von Informationen über

das abgetauchte Trio und sein Umfeld durch vom

BfV geführte Quellen (z. B. Lichtbildvorlagen o. ä.).

Beim Bundeskriminalamt sind insbesondere beigezogen

worden:

– die Akten zu dem von der Bundesanwaltschaft im
Jahr 1992 mit Bezug auf die Gründung bzw. die Ab-

sicht, einen deutschen Ableger der „White Knights
of the Ku-Klux-Klan“ zu gründen, geführten Verfah-
ren,

– die Abschriften von Tonaufzeichnungen über Ge-
spräche von Thorsten Heise und Tino Brandt,

– Unterlagen über die Aus- und Fortbildung über Poli-
zeibeamte in interkultureller Kompetenz und im

Umgang mit rechtsextremistisch motivierter Krimi-

nalität,

– sämtliche Unterlagen über die Bearbeitung eines
Telefonanrufes aus dem schweizerischen Orbe bzw.

Concise im April 1998,

– über die „Artgemeinschaft – Germanische Glau-
bensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung

e.V. (AGG)“.

Der Generalbundesanwalt ist unter anderem ersucht wor-

den um Vorlage

– der Prüfvorgänge zum Waffenfund in Jena 1998,

– einzelner Befragungsprotokolle aus dem Verfahren
des Generalbundesanwalts gegen Beate Zschäpe und

andere,

– Unterlagen zu führenden Personen von „Blood &
Honour“ und deren Nachfolgestrukturen,

– der Akten aus dem im Jahr 1992 mit Bezug auf die
Gründung bzw. die Absicht, einen deutschen Able-

ger der „White Knights of the Ku-Klux-Klan“ zu
gründen, geführten Ermittlungsverfahren.

Beim Bundesministerium der Verteidigung bzw. beim

MAD beigezogen worden sind unter anderem:

– die Operativakten zum „Thüringer Heimatschutz“
und zur Operation „Rennsteig“,

– die Unterlagen über die Wehrdienstzeit von Uwe
Mundlos und dem Umfeld des Trios, einschließlich

der Personal- und Disziplinarakten,

– Unterlagen zu dem Diebstahl und Verbleib von
Sprengstoff aus dem Munitionsdepot von

NVA/Bundeswehr nahe Großeutersdorf/Kahla in

Thüringen in den Jahren 1990 und 1991.

b) Akten aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung

Nach Artikel 45a Abs. 3 des Grundgesetzes findet „auf
dem Gebiet der Verteidigung“ Artikel 44 Abs. 1 des
Grundgesetzes, wonach der Bundestag einen Untersu-

chungsausschuss einsetzen kann oder muss, der in öffent-

licher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt,

keine Anwendung. Hieraus wird in der juristischen Litera-

tur ein Untersuchungsmonopol des Verteidigungsaus-

schusses des Bundestages für den Verteidigungsbereich

geschlossen.

Der Ausschuss hat gleichwohl Unterlagen des Bundesmi-

nisteriums der Verteidigung und des Amtes für den Mili-

tärischen Abschirmdienst beigezogen. Ihm ist es dabei

nicht um die Untersuchung von Aspekten der Landesver-

teidigung gegangen. Zu untersuchen waren die Erkennt-

nisse insbesondere des Militärischen Abschirmdienstes

über rechtsextremistische Entwicklungen in Deutschland

und im Besonderen über das Trio, seinen Verbleib nach

dem Abtauchen im Januar 1998 und die Bildung einer

terroristischen Vereinigung.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Beizie-

hungen von Beweismitteln Folge geleistet, allerdings

verbunden mit der Erklärung, es sei zur Vorlage nicht

verpflichtet. In dem Schreiben des Bundesministeriums

der Verteidigung vom 20. März 2012 an den Leiter des

Sekretariats heißt es:
166

„ich erlaube mir zunächst, auf folgende verfas-
sungsrechtliche Bewertung hinzuweisen, die be-

reits frühere Untersuchungsausschüsse mit Bun-

deswehrbezug beschäftigt hat:

Der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der

Verteidigung unterfällt aus verfassungsrechtlichen

Gründen nicht dem Untersuchungsrecht des

2. UA-17. WP Art. 45a Abs. 3 GG bestimmt, dass

Art. 44 Abs. 1 GG, der die verfassungsrechtliche

Grundlage für die Einsetzung des Untersuchungs-

ausschusses bildet, auf dem Gebiet der Verteidi-
166) MAT A BMVg-1.

Drucksache 17/14600 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gung keine Anwendung findet. Folglich ist dem

Bundestag das Recht entzogen, auf dem Gebiet der

Verteidigung einen vom Verteidigungsausschuss

unabhängigen eigenen Untersuchungsausschuss

einzurichten.

In Verteidigungsangelegenheiten hat vielmehr al-

leine der Verteidigungsausschuss das Recht und

die Pflicht, eine Angelegenheit zum Gegenstand

seiner Untersuchung zu machen und sich als

Untersuchungsausschuss zu konstituieren.

Da der Verteidigungsausschuss nicht beabsichtigt,

den auf ihn entfallenden Untersuchungsgegenstand

einer eigenen Untersuchung zu unterziehen, wird

das Bundesministerium der Verteidigung gleich-

wohl den Untersuchungsauftrag des 2. Untersu-

chungsausschusses der 17. Legislaturperiode ohne

Anerkennung einer Rechtspflicht durch Übersen-

dung von Akten und Gestellung von Zeugen aus

seinem Geschäftsbereich unterstützen.“

c) Verfügungsbefugnis des Bundes über Ak-
ten

Der Ausschussvorsitzende hat am 1. März 2012 mit den

Staatssekretären des Bundeministeriums des Innern und

des Bundesministeriums der Justiz sowie mit dem Präsi-

denten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und dem

Generalbundesanwalt unter anderem die Vorlage von

vertraulichen Akten des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz an den Ausschuss besprochen. Erörtert worden ist

die Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz dem

Ausschuss Akten vorlegen dürfe, in die Unterlagen oder

Informationen der Verfassungsschutzbehörden der Länder

eingeflossen sind. Staatssekretär Klaus Dieter Fritsche

hat erklärt, die Bundesregierung habe rechtlich geprüft,

ob die Länder bei der Vorlage von solchen Akten beteiligt

werden müssten. Ergebnis dieser Prüfung sei, dass die

Informationen mit der Übermittlung Bestandteil von Bun-

desakten geworden seien und der Bund somit das Verfü-

gungsrecht besitze. Die Länder hätten bei der Vorlage

dieser Akten an den Untersuchungsausschuss daher kein

Mitspracherecht. Anders verhalte es sich jedoch bei der

Einstufung dieser Unterlagen. Dort, wo Länder Zuarbeit

geleistet hätten und es sich um eingestufte Akten handele,

seien die Länder bei der Frage einer eventuellen Herab-

stufung zu beteiligen.
167

d) Vorlage von Akten, die zur Freigabe zuge-
leitet wurden

Im März 2012 übermittelte das LfV Sachsen dem MAD

ein von diesem verfasstes Übersendungsschreiben aus

dem Jahre 1995 mit der Bitte um Freigabe an den Unter-

suchungsausschuss. Mit dem Übersendungsschreiben

hatte der MAD seinerzeit dem LfV Sachsen ein Protokoll

über die Befragung von Uwe Mundlos durch den MAD
167) Protokoll-Nr. 5, S. 35.

zugeleitet. Im März 2012 war das Protokoll selbst weder

im LfV Sachsen noch im MAD vorhanden. Am 13. März

2012 erklärte der MAD die Freigabe zur Übersendung des

MAD-Schreibens aus 1995 an den Untersuchungsaus-

schuss gegenüber Sachsen. Mitte April 2012 übersandte

Sachsen die freigegebene Unterlage an den Untersu-

chungsausschuss. Auf Nachfrage erhielt der MAD das

Befragungsprotokoll am 29. August 2012 vom BfV. Der

MAD hat am 5. September 2012 der Vorlage des Befra-

gungsprotokolls durch das BfV an den Untersuchungs-

ausschuss zugestimmt. Dem Ausschuss hat der MAD das

Protokoll nicht vorgelegt.

Da für den 11. September 2012 vom Ausschuss geplant

war, den früheren Leiter der Abteilung Rechtsextremis-

mus des MAD als Zeugen zu vernehmen, ist die Nichtvor-

lage des Protokolls über die Befragung von Mundlos im

Ausschuss auf heftige Kritik gestoßen.
168

Mit der Über-

sendung an den MAD im August 2012 sei das Protokoll

Bestandteil der Akten des MAD geworden und von die-

sem vorzulegen gewesen.
169

Der Präsident des MAD hat

gegenüber dem Ausschuss erklärt, er sei davon ausgegan-

gen, dass das Dokument dem Ausschuss nur einmal und

zwar von der Behörde, in deren Bestand das Dokument

aufgefunden wurde, vorgelegt werde, also vom Bundes-

ministerium des Innern. Rückblickend wäre es besser

gewesen, dem Ausschuss das Protokoll auch durch sein

Haus vorzulegen.
170

Der Bundesminister der Verteidigung

hat am 12. September 2012 gegenüber dem Ausschuss-

vorsitzenden erklärt, es sei unsensibel gewesen, dass eine

Unterrichtung des Untersuchungsausschusses seitens

seines Hauses unterblieben sei. Die Hausleitung, auch er

selbst, sei bereits im März 2012 über eine Vernehmung

von Mundlos durch den MAD informiert gewesen.
171

3. Beiziehung von Akten bei den Ländern im
Wege der Amtshilfe

a) Reichweite der Amtshilfe

Der Ausschuss hat für seine Beweisaufnahme umfang-

reich auf Akten der Länder zugegriffen. Zu diesem Zweck

hat der Ausschuss die Länder um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG ersucht.

Am 29. März 2012 haben der Ausschussvorsitzende, der

stellvertretende Vorsitzende und die Obleute mit dem

Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Minister Lo-

renz Caffier, und den Vorsitzenden der Arbeitskreise II

und IV der IMK die Zulieferung von Akten der Länder

und der Innenministerkonferenz besprochen. Der Vorsit-

zende der Innenministerkonferenz, Minister Caffier, hat

mitgeteilt, die Innenminister seien sich auf ihrer Sitzung

am 22. März 2012 einig gewesen, im Rahmen der Amts-

hilfe ihren Beitrag zur Aufarbeitung der Hintergründe der
168) Protokoll-Nr. 27, S. 1.

169) Protokoll-Nr. 26, S. 37.

170) Protokoll-Nr. 26, S. 37.

171) Protokoll-Nr. 28, S. 8, A-Drs. 235.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/14600

durch die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Unter-
grund“ begangenen Straftaten zu leisten.

Anfängliche Bedenken, die Länder würden dem Aus-

schuss die angeforderten Akten nicht zur Verfügung stel-

len (siehe oben: A.III.1, S. 3), haben sich nicht bestätigt.

In keinem Fall hat ein Land ein Amtshilfeersuchen unter

Hinweis auf die Grenzen der Amtshilfe abgelehnt oder

bundesstaatliche Einwände erhoben.

Über die Vorlage von aufgrund von Beweisbeschlüssen

beigezogenen Akten hinaus haben die Länder den Unter-

suchungsausschuss im Wege der Amtshilfe durch zahlrei-

che Einzelauskünfte und Recherchen unterstützt.

b) Art der Beiziehungen

Von den „Tatortländern“172 beigezogen hat der Ausschuss
die Verfahrensakten der Justiz- und Polizeibehörden zu

den dem Trio zur Last gelegten Straftaten, soweit diese

nicht in das Verfahren des Generalbundesanwalts einge-

flossen waren. Insbesondere beigezogen worden sind

Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichtshefte,

Sonderhefte, Vermerke.

Von allen Ländern sind die Akten, die polizeiliche und

nachrichtendienstliche Erkenntnisse über das Trio und

sein Umfeld enthalten, sowie über sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckte

polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen mit oder zu diesen

Personen beigezogen worden. Ebenfalls von allen Län-

dern beigezogen worden sind die internen Regelungen

über Auswahl, Einsatz und Führung von Vertrauensper-

sonen. Als am meisten betroffenes Tatortland hat Bayern

durch eine schnelle, klar strukturierte Aktenlieferung den

baldigen Beginn der Beweisaufnahme ermöglicht.

Zu den an alle Länder gerichteten Beweisbeschlüssen, mit

denen Unterlagen mit Informationen zu dem Trio, seinem

Umfeld und Kontakten angefordert worden sind, haben

die Obleute gegenüber dem Vorsitzenden der IMK in dem

Gespräch vom 29. März 2012 konkretisiert, dass neben

den Personenakten der Beschuldigten in dem Verfahren

des Generalbundesanwalts auch die Sachakten zu den

Organisationen „Anti-Antifa Ostthüringen“, „Thüringer
Heimatschutz“ und „Blood & Honour“ von Interesse sind.
„Andere rechtsextremistische Strukturen“ seien von Inte-
resse, soweit sie mit dem NSU in Kontakt standen.

Von einigen Ländern sind Akten mit Bezügen zum „Ku-
Klux-Klan“ angefordert worden. Zu einer Reihe von
Einzelpersonen und Ereignissen hat der Ausschuss die

betreffenden Länder um Aktenvorlage ersucht.

c) Freistaat Thüringen

Besonders umfangreich hat der Freistaat Thüringen dem

Untersuchungsausschuss Akten vorgelegt.
172) Baden-Württemberg, Bayern, Freie und Hansestadt Hamburg,

Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen,

Sachsen und Thüringen.

Aufgrund von Beweisbeschluss TH-3 hat das Innenminis-

terium des Freistaats dem Ausschuss den gesamten Ak-

tenbestand des Landesamtes für Verfassungsschutz zur

Auswertung des Phänomenbereichs Rechtsextremismus

im Zeitraum 1991 bis Ende 2012 in einem Umfang von

ca. 1 500 Stehordnern zur Verfügung gestellt.
173

Zur Sich-

tung dieser Akten hat der Ausschuss die Ermittlungsbe-

auftragen Dr. Schäfer, Wache und Hebenstreit bestellt

(siehe unten: V, S. 52). Akten aus der „Beschaffung“174
des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz haben

die Mitglieder des Ausschusses in der Außenstelle des

Bundesamtes für Verfassungsschutz in Berlin-Treptow

einsehen können.
175

Die Thüringer Landespolizeidirektion hat dem Ausschuss

aufgrund von Beweisbeschluss TH-9 Verfahrensakten mit

Bezug zum „Thüringer Heimatschutz“ oder einem ver-
meintlichen Bezug im Umfang von über 800 Vorgängen

sowie weiteren 1 663 Vorgänge ohne weitere Prüfung

vorgelegt.

Das Thüringer Justizministerium hat dem Ausschuss ca.

1 200 Strafverfahrensakten zu Personen im Umfeld des

„Thüringer Heimatschutzes“ sowie eine Datenbank über
die Verfahren zur Verfügung gestellt.

176
4. Beiziehung von Akten beim Oberlandesge-
richt München

Beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München

sind die Anklageschrift vom 5. November 2012
177

sowie

eine Vielzahl von Einzeldokumenten aus den Ermitt-

lungsakten beigezogen worden, die der Ermittlungsbeauf-

tragte Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg als untersu-

chungsrelevant identifiziert hat.
178

5. Geheimschutz

Durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger

Informationen kann das Wohl des Bundes oder eines

Landes (Staatswohl) gefährdet werden.
179

Bundesregie-

rung und Bundestag sind zum Schutz des ihnen gemein-

sam anvertrauten Staatswohls gehalten, beiderseits wirk-

sam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von

Dienstgeheimnissen zu treffen.
180

Je nach der Bedeutung der Geheimhaltung von Informati-

onen für das Staatswohl sind dem Ausschuss Akten in

unterschiedlichen Verfahren vorgelegt worden.
173) MAT A TH-3/5 und MAT A TH-5/8.

174) Vorgänge über Werbung und Führung von V-Leuten.

175) MAT A TH-3/11.

176) MAT A TH-9/18 bis TH-9/25.

177) Beweisbeschluss BY-15.

178) Beweisbeschluss BY-14.

179) BVerfGE 67, 100 [134 ff.]; 124, 78 [123].

180) BVerfGE 67, 100 [136].

Drucksache 17/14600 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Nach der Geheimschutzordnung des Bun-
destages

§ 2 Abs. 2 bis 4 der Geheimschutzordnung des Deutschen

Bundestages
181

(GSO) unterscheidet vier Geheimhal-

tungsgrade für Verschlusssachen (VS):

„(2) Als STRENG GEHEIM eingestuft werden
VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Bestand

der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer

Länder gefährden würde.

(3) Als GEHEIM eingestuft werden VS, deren

Kenntnis durch Unbefugte die Sicherheit der Bun-

desrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder

gefährden, ihren Interessen oder ihrem Ansehen

schweren Schaden zufügen oder für einen fremden

Staat von großem Vorteil sein würde.

(4) Als VS-VERTRAULICH eingestuft werden

VS, deren Kenntnis durch Unbefugte den Interes-

sen oder dem Ansehen der Bundesrepublik

Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich

oder für einen fremden Staat von Vorteil sein

könnte.

(5) VS, die nicht unter die Geheimhaltungsgrade

STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS-

VERTRAULICH fallen, aber nicht für die Öffent-

lichkeit bestimmt sind, erhalten den Geheimhal-

tungsgrad VS-NUR FÜR DEN DIENSTGE-

BRAUCH.“

Den Geheimhaltungsgrad sowie seine etwaigen späteren

Änderungen bestimmt die herausgebende Stelle (§ 3

Abs. 2 GSO, §§ 8 f. VSA).

Über den Zugang zu Verschlusssachen und die Amtsver-

schwiegenheit bestimmt § 16 Abs. 1 PUAG:

„Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-
VERTRAULICH und höher, die der Untersu-

chungsausschuss eingestuft oder von einer anderen

herausgebenden Stelle erhalten hat, dürfen nur den

Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, den

Mitgliedern des Bundesrates und der Bundesregie-

rung sowie ihren Beauftragten zugänglich gemacht

werden. Ermittlungsbeauftragten, den von ihnen

eingesetzten Hilfskräften sowie den Mitarbeitern

und Mitarbeiterinnen der Mitglieder des Untersu-

chungsausschusses, des Sekretariats und der Frak-

tionen im Untersuchungsausschuss dürfen sie zu-

gänglich gemacht werden, soweit diese zum Um-

gang mit Verschlusssachen ermächtigt und zur

Geheimhaltung förmlich verpflichtet sind.“

Damit dürfen andere Mitglieder des Bundestages, die

nicht Mitglied des Untersuchungsausschusses sind, ab-

weichend von § 4 Abs. 2 GSO nicht über den Inhalt von
181) Anlage 3 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in

der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I

S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 7. Mai

2012 (BGBl. I S. 1119).

Unterlagen ab VS-VERTRAULICH in Kenntnis gesetzt

werden.

Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades STRENG

GEHEIM dürfen nur in der Sitzung und längstens für

deren Dauer ausgegeben werden (§ 7 Abs. 4 GSO). An-

sonsten, insbesondere zur Vorbereitung der Beweisauf-

nahme und zur Erstellung des Berichts, können sie von

den Berechtigten in der Geheimschutzstelle des Bundes-

tages eingesehen werden.

Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade GEHEIM

und VS-VERTRAULICH können an die Berichterstatter

des Ausschusses und in besonderen Fällen anderen Mit-

gliedern des Ausschusses bis zum Abschluss der Aus-

schussberatungen über den Beratungsgegenstand, auf den

sich die VS bezieht, ausgegeben und in den dafür zulässi-

gen VS-Behältnissen aufbewahrt werden. Gemäß § 16

Abs. 1 PUAG hat der Ausschuss beschlossen
182

, von den

in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages

eingehenden VS-VERTRAULICH oder GEHEIM einge-

stuften Beweismaterialien Ausfertigungen herzustellen

und zwar für die Fraktionen im Ausschuss je zwei, für das

Sekretariat, zugleich für den Vorsitzenden und den stell-

vertretenden Vorsitzenden je eine.

b) „Geheimschutzstellenverfahren“

Einige Verschlusssachen sind dem Ausschuss mit der

Maßgabe vorgelegt worden, dass diese nur in der Ge-

heimschutzstelle des Bundestages einsehbar sind. Dies hat

insbesondere Akten betroffen, die Hinweise auf die Iden-

tität nachrichtendienstlicher Quellen enthalten.

Mit dieser Maßgabe ist dem Ausschuss auch eine vom

Bundeskriminalamt erstellte Liste mit Personen vorgelegt

worden (sogenannte „129er-Liste“). Diese Liste führt die
Personen auf, zu denen das BKA das BfV um Erkenntnis-

se abfragte. In ihr ist angegeben, inwiefern diese Personen

mit dem Trio und seinem Umfeld in Kontakt standen.

c) „Treptow-Verfahren“

Höchst sensible Vorgänge sind dem Ausschuss zur Ein-

sicht in der Außenstelle des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz in Berlin-Treptow vorgelegt worden.

Anlass war, dass im Zuge der Vernichtung von Operativ-

akten im Bundesamt für Verfassungsschutz im November

2011 zu der Operation „Rennsteig“ der Verdacht aufkam,
das Trio oder dessen Umfeld könnte unter den Quellen

des Bundesamtes für Verfassungsschutz, auf deren Akten

sich der Vernichtungsvorgang bezogen hatte, gewesen

sein.
183

Daher war es zwingend notwendig, die in den

Beschaffungsakten enthaltenen Klarnamen der Quellen

offenzulegen. Mit Schreiben vom 2. Juli 2012 hat Staats-

sekretär Fritsche dem Ausschuss die Einsicht in sämtliche

Werbungsakten zum „Thüringer Heimatschutz“ und zur
182) siehe oben: C.II.3, S. 100.

183) Protokoll-Nr. 26, S. 15.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/14600

Operation „Rennsteig“ in ungeschwärzter Fassung einge-
räumt.

184
Die Einsichtnahme sollte in Abweichung von

Beschluss Nr. 3
185

zum Verfahren auf die Mitglieder des

Ausschusses begrenzt bleiben. Der Ausschuss hat sich

hiermit einverstanden erklärt.
186

In Bezug auf ihre Operativakten haben sich das Amt für

den Militärischen Abschirmdienst (MAD)
187

und der

Freistaat Thüringen
188

diesem Verfahren angeschlossen

und dem Ausschuss ebenfalls in der Außenstelle des BfV

in Treptow Einsicht in ungeschwärzte Akten gewährt.

d) Nachträgliche Einstufung

In Einzelfällen hat der Ausschuss ihm vorgelegte Akten

nachträglich eingestuft oder mit einem höheren Geheim-

haltungsgrad versehen.

In einigen der dem Ausschuss vorgelegten Akten haben

sich Informationen befunden, die aufgrund ihres

höchstpersönlichen Inhalts die Rechte der Betroffenen

erheblich berührten. Der Ausschuss hat am 25. Oktober

2012 beschlossen, diese Textstellen zur Wahrung der

Persönlichkeitsrechte insbesondere mit dem Verfahren

nicht in Zusammenhang stehender Dritter nach § 2a

Abs. 2 GSO mit dem Geheimhaltungsgrad VS-VER-

TRAULICH einzustufen.
189

Zum Schutz der Belange des Strafverfahrens vor dem

Oberlandesgericht München gegen Frau Zschäpe und

andere hat der Ausschussvorsitzende die dem Ausschuss

vorgelegte Anklageschrift nebst Anlagen gemäß Be-

schluss Nr. 7 zum Verfahren
190

, Ziffer 2 i. V. m. § 15

Abs. 1 Satz 2 PUAG vorläufig als GEHEIM eingestuft

und als Verschlusssache verteilen lassen.
191

6. Vernichtung von Beweismaterial und
Aktenschreddermoratorium

Am 27. Juni 2012 ist öffentlich bekannt geworden, dass

an dem Tage, an dem der Generalbundesanwalt die Er-

mittlungen gegen Beate Zschäpe wegen Mitgliedschaft in

einer terroristischen Vereinigung übernahm, im Bundes-

amt für Verfassungsschutz Akten zu der Operation

„Rennsteig“ im Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“
vernichtet wurden.

Anlässlich der bekannt gewordenen Vernichtung von

Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz im Novem-

ber 2011 zu der Operation „Rennsteig“ hat der damalige
Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz am

4. Juli 2012 das BfV angewiesen, alle Vernichtungen von
184) MAT A BfV-11/1.

185) siehe oben: C.II.3, S. 100.

186) Protokoll-Nr. 21a, S. 16.

187) Protokoll-Nr. 23, S. 10.

188) Protokoll-Nr. 30, S. 14.

189) Protokoll-Nr. 35, S. 10.

190) Siehe oben: C.II.7, S. 109.

191) MAT A BY-15.

Akten einschließlich von G 10-Unterlagen aus dem Be-

reich des Rechtsextremismus einzustellen.
192

Das Bun-

desministerium des Innern hat daraufhin angeordnet, dass

im gesamten Geschäftsbereich des Bundesministeriums

des Innern entsprechend zu verfahren sei. Bis zum Ab-

schluss der Arbeit des Untersuchungsausschusses würden

sowohl im Bundesamt für Verfassungsschutz als auch im

Bundeskriminalamt Akten mit Bezügen zum Rechtsex-

tremismus nicht mehr vernichtet.

Zur Sicherung der Aktenvorlage an den Ausschuss hat der

Vorsitzende Sebastian Edathy mit Schreiben vom

19. Juli 2012 den Chef des Bundeskanzleramtes und den

Bundeminister der Verteidigung sowie alle 16 Länder

ersucht zu verfügen, dass bis zur Beendigung der Arbeit

des Untersuchungsausschusses keinerlei Akten mit Bezü-

gen zum Rechtsextremismus vernichtet werden. Außer-

dem hat er gebeten, prüfen zu lassen, inwieweit nach dem

4. November 2011 Akten zum Phänomenbereich Rechts-

extremismus vernichtet worden sind.
193

Dem Ausschuss ist mitgeteilt worden, dass im Bundesamt

für Verfassungsschutz zwischen dem 4. November 2011

und dem 4. Juli 2012 weitere 310 Akten zu dem Bereich

Rechtsextremismus vernichtet worden seien. Im Amt für

den Militärischen Abschirmdienst sind in diesem Zeit-

raum 17 Akten zum Phänomenbereich Rechtsextremis-

mus vernichtet worden. Im November 2012 hat der Aus-

schuss erfahren, dass in der Berliner Verfassungsschutz-

abteilung im Sommer 2012 Akten vernichtet worden sind,

die für die Archivierung vorgesehen waren.

Der Ausschuss ist dem Verdacht nachgegangen, ob diese

Aktenvernichtungen dem Ziel gedient haben könnten, der

Aufklärung der Hintergründe der dem NSU zugerechne-

ten Verbrechen die notwendigen Beweismittel zu entzie-

hen. Er hat sowohl zu der Aktenvernichtung im BfV als

auch zu der im MAD und in der Berliner Verfassungs-

schutzbehörde Beweis erhoben (siehe unten: Zweiter Teil,

K, S. 743 ff.).

IV. Beweiserhebung durch Anhörung von
Sachverständigen und Vernehmung von
Zeugen

1. Sitzungstage

Für die Durchführung der Beweisaufnahme hat der Aus-

schuss die Donnerstage in den Plenarsitzungswochen als

Sitzungstage des Ausschusses bestimmt. Nach Zustim-

mung der Fraktionen hat der Präsident des Deutschen

Bundestages dem Ausschuss gemäß § 60 Abs. 3 GO-BT

für diese Tage eine Dauergenehmigung erteilt.

Ab Mai 2012 hat der Ausschuss mehrfach zusätzliche

Sitzungen durchgeführt, zunächst dienstags, später frei-

tags in Plenarsitzungswochen. Seit April 2013 hat der
192) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.

193) Protokoll-Nr. 25, S. 7.

Drucksache 17/14600 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ausschuss an jedem Montag einer Sitzungswoche eine

Sondersitzung durchgeführt.

2. Strukturierung der Beweisaufnahme

In seiner ersten öffentlichen Sitzung am 8. März 2012 hat

der Ausschuss die Ombudsfrau der Bundesregierung für

die Opfer und Opferangehörigen der sog. Zwickauer

Zelle, Frau Prof. Barbara John angehört. Im Anschluss

hat er Sachverständige zu der Situation von Opfern von

Gewaltdelikten und dem Angebot an Opferberatung ge-

hört.
194

Vor der Sachverhaltsaufklärung hat sich der

Untersuchungsausschuss in zwei Sachverständigenanhö-

rungen einen Überblick über die Sicherheitsarchitektur

und den Rechtsextremismus in Deutschland verschafft.
195

Der Ausschuss ist sich einig gewesen, die Untersuchung

in vier Komplexe aufzugliedern und diese in Abstimmung

mit den Untersuchungsausschüssen der Länder und der

Bund-Länder-Expertenkommission zu behandeln. In

seiner Sitzung am 1. März 2012 hat der Ausschuss be-

schlossen:
196

„Der 2. Untersuchungsausschuss gliedert den ihm
vom Untersuchungsauftrag des Deutschen Bundes-

tages vorgegebenen Untersuchungsgegenstand in

die folgenden vier Teilkomplexe:

Komplex 1: 1. 1. 1992 bis 1997 – Rechtsradikale
Milieus in der Bundesrepublik Deutschland in den

neunziger Jahren – insbesondere in Jena, in Thü-
ringen und Sachsen, Radikalisierung von

Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, zunehmende Ver-

festigung der späteren Terrorgruppe und erste

Straftaten;

Komplex 2: 1998 bis 2003 – Ermittlungen in Sa-
chen Sprengstoffdelikte, Abtauchen des Trios,

Maßnahmen von Verfassungsschutz, Polizei und

Staatsanwaltschaften insbesondere Thüringens und

Sachsens;

Komplex 3: 2000 bis 2007 – Mordserie und weite-
re Straftaten, intensive Ermittlungen;

Komplex 4: 2008 bis 8. 11. 2011 – Ende der
Mordserie, weitere Ermittlungen;

Bei der Entscheidung über die Reihenfolge der

Bearbeitung der Teilkomplexe wird der 2. Unter-

suchungsausschuss darauf achten, Doppelarbeit

mit anderen zur Aufklärung des Sachverhalts beru-

fenen Gremien zu vermeiden. Er wird deshalb mit

Komplex 3 die Sachverhaltsaufklärung beginnen.

3. Sachverständigenanhörungen

In seiner Sitzung am 8. März 2012 hat der Ausschuss

neben der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer
194) Protokoll-Nr. 6.

195) Protokoll-Nr. 8 und 10.

196) Protokoll-Nr. 4, S. 53.

und Opferangehörigen der sog. Zwickauer Zelle, Frau

Prof. Barbara John als Sachverständige die Expertin der

Opferhilfe-Organisation „Weißer Ring“, Frau Martina
Linke, zu Fragen des Opferschutzes und der Begleitung

im Strafverfahren sowie die Mitarbeiterin der mobilen

Opferberatungsstelle „ezra“, Frau Christina Büttner ge-
hört.

197
Am 22. März 2012 hat sich der Ausschuss einen Über-

blick zum Phänomenbereich Rechtsextremismus in der

Bundesrepublik Deutschland im Untersuchungszeitraum

und zu den Ansätzen, diesen in den Bereichen Repression,

Prävention und Sensibilisierung wirksam zu bekämpfen,

verschafft. Hierzu hat der Ausschuss die Sachverständi-

gen Andrea Röpke, Prof. Dr. Richard Stöss und Prof. Dr.

Klaus Schroeder gehört.
198

In einer Sachverständigenanhörung am 8. Mai 2012 haben

Prof. Dr. Christoph Gusy, Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange

und Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff dem Ausschuss

einen Überblick über die Entwicklung der Architektur

und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehör-

den des Bundes und der Länder bezüglich der Aufklärung

und Bekämpfung der Bedrohung durch den Rechtsextre-

mismus sowie zur Verhinderung und Verfolgung von

Straftaten mit derartigem Hintergrund gegeben.
199

Gegen Ende der Beweisaufnahme hat der Ausschuss

Experten gebeten, den Veränderungsbedarf im Umgang

mit den Themen Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus,

Opferangelegenheiten, Prävention und Aussteigerhilfen

zu formulieren. Als Sachverständige sind am 16. Mai

2013 angehört worden der Leiter der Polizeidirektion für

Aus- und Fortbildung und Bereitschaftspolizei des Landes

Schleswig-Holstein Jürgen Funk, die Ombudsfrau für die

Opfer und Opferangehörigen Prof. Barbara John, die

Wissenschaftlerin am Centrum für angewandte Politikfor-

schung der Universität München Britta Schellenberg, der

Diplom-Kriminalist Günter Schicht sowie der Gründer

der Initiative „Exit-Deutschland – Ausstiege aus dem
Rechtsextremismus“ Bernd Wagner.200

4. Durchführung der Zeugenvernehmungen

a) Die Zeugen

Der Ausschuss hat folgende Zeugenvernehmungen

durchgeführt:

Nr. Name Datum BB
Wie ver-

nommen

1
Ltd. KD Wolfgang

Geier
26.04.2012 Z-1 öffentlich

2
KOR a. D. Klaus

Mähler
26.04.2012 Z-2 öffentlich
197) Protokoll-Nr. 6.

198) Protokoll-Nr. 8.

199) Protokoll-Nr. 10.

200) Protokoll-Nr. 72, S. 37 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/14600

Nr. Name Datum BB
Wie ver-

nommen

3
EKHK Albert

Vögeler
26.04.2012 Z-3 öffentlich

4
Ltd. OStA

Dr. Walter Kimmel
10.05.2012 Z-4 öffentlich

5
EKHK Alexander

Horn
10.05.2012 Z-5 öffentlich

6
KHK Udo Haß-

mann
10.05.2012 Z-6 öffentlich

7
KHK Manfred

Pfister
10.05.2012 Z-12 öffentlich

8
KD Christian Hop-

pe
11.05.2012 Z-8 öffentlich

9
Ltd. RD Edgar

Hegeler
24.05.2012 Z-10 öffentlich

10

Präsident a. D.

Dr. Wolfgang

Weber

24.05.2012 Z-7 öffentlich

11 KD Lothar Köhler 24.05.2012 Z-13 öffentlich

12

Ministerpräsident

a. D. Günther

Beckstein

24.05.2012 Z-9 öffentlich

13
Vizepräsident a. D.

Bernhard Falk
14.06.2012 Z-11 öffentlich

14 KOR Felix Schwarz 14.06.2012 Z-15 öffentlich

15
EKHK Jörg

Deisting
14.06.2012 Z-14 öffentlich

16
Präsident BKA Jörg

Ziercke
28.06.2012 Z-18 öffentlich

17
LKD Gerald Hoff-

mann
28.06.2012 Z-16 öffentlich

18
KHK a. D. Edgar

Mittler
03.07.2012 Z-19 öffentlich

19
KHK Markus We-

ber
03.07.2012 Z-20

öffentlich/

nichtöffent-

lich

20
OStA a. D.

Josef Rainer Wolf
03.07.2012 Z-21 öffentlich

21 KOR Bert Gricksch 03.07.2012 Z-22 öffentlich

22
Referatsleiter

Lothar Lingen
05.07.2012 Z-33

nichtöffent-

lich

23

Erster Direktor

beim BND Wolf-

gang Cremer

05.07.2012 Z-24
öffent-

lich/geheim

24
Präsident BfV

Heinz Fromm
05.07.2012 Z-25

öffentlich/

nichtöffent-

lich

25 Andreas Temme 11.09.2012 Z-34 öffentlich

26

Direktor a. D. LfV

Hessen Lutz Irr-

gang

11.09.2012 Z-17 öffentlich

27 KOR Axel Mögelin 13.09.2012 Z-27 öffentlich

28 Erster StA 13.09.2012 Z-28 öffentlich

Nr. Name Datum BB
Wie ver-

nommen

Christoph Meyer-

Manoras

29

Regierungspräsi-

dent

Johannes Schmalzl

13.09.2012 Z-29 öffentlich

30 Günter S. 13.09.2012 Z-37 öffentlich

31
MDg a. D.

Dr. Hartwig Möller
27.09.2012 Z-23 öffentlich

32 KHK Werner Jung 27.09.2012 Z-30 öffentlich

33
Dr. Dietrich H.,

Direktor beim BND
27.09.2012 Z-35 öffentlich

34
Ministerpräsident

Volker Bouffier
28.09.2012 Z-36 öffentlich

35

Staatssekretär

Klaus-Dieter Frit-

sche, BMI

18.10.2012 Z-38 öffentlich

36
LKD P. H., Verfas-

sungsschutz NRW
18.10.2012 Z-47

nichtöffent-

lich

37
MDg Hans-Georg

Engelke, BMI
18.10.2012 Z-39 öffentlich

38

Vizepräsident

Jürgen Maurer,

BKA

25.10.2012 Z-40 öffentlich

39

Landespolizeipräsi-

dent Waldemar

Kindler

25.10.2012 Z-41 öffentlich

40 EKHK Ernst Setzer 25.10.2012 Z-42 öffentlich

41
MDg Hans-Georg

Engelke, BMI
26.10.2012 Z-39

nichtöffent-

lich/

geheim

42
Oberst a. D. Dieter

Huth
08.11.2012 Z-26 öffentlich

43

Kapitän zur See

Olaf Christmann,

MAD

08.11.2012 Z-46 öffentlich

44
Minister a. D.

Dr. Fritz Behrens
22.11.2012 Z-50 öffentlich

45

Bundesanwalt

Dr. Hans-Jürgen

Förster

22.11.2012 Z-48 öffentlich

46

MAD-Präsident

a. D. Karl-Heinz
Brüsselbach

29.11.2012 Z-43 öffentlich

47
MDg Dr. Christof

Gramm, BMVg
29.11.2012 Z-45 öffentlich

48 KOK Jens Merten 29.11.2012 Z-32 öffentlich

49

Staatssekretär a. D.

Dr. August Han-

ning

30.11.2012 Z-49 öffentlich

50
OStA beim BGH

Christian Ritscher
30.11.2012 Z-52 öffentlich

51
Bundesminister

Dr. Wolfgang
14.12.2012 Z-51 öffentlich

Drucksache 17/14600 – 48 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nr. Name Datum BB
Wie ver-

nommen

Schäuble

52
OStA Gerd Michael

Schultz
17.01.2013 Z-54 öffentlich

53 KHM Mario Melzer 17.01.2013 Z-55

öffentlich/

nichtöffent-

lich

54

LfV-Vizepräsident

a. D. Peter Jörg

Nocken

17.01.2013 Z-56 öffentlich

55
KHK Sven Wun-

derlich
31.01.2013 Z-60 öffentlich

56

LKA-Präsident

a. D.

Egon Luthardt

31.01.2013 Z-58 öffentlich

57
LfV-Präsident a. D.

Thomas Sippel
31.01.2013 Z-59 öffentlich

58
OStA Ralf Mohr-

mann
31.01.2013 Z-57 öffentlich

59

LfV-Vizepräsident

a. D. Peter Jörg

Nocken

21.02.2013 Z-56 öffentlich

60
LfV-Präsident a. D.

Dr. Helmut Roewer
21.02.2013 Z-62 öffentlich

61
Friedrich Karl

Schrader
21.02.2013 Z-63 öffentlich

62 Mike Baumbach 21.02.2013 Z-61 öffentlich

63
EKHK Jürgen

Dressler
22.02.2013 Z-71 öffentlich

64
KHK Michael

Brümmendorf
22.02.2013 Z-64 öffentlich

65
KHK’in Christiane
Beischer-Sacher

22.02.2013 Z-65 öffentlich

66
N. W., LfV Thürin-

gen
28.02.2013 Z-66 öffentlich

67
R. B., LfV Thürin-

gen
28.02.2013 Z-67 öffentlich

68
R. G., LfV Bran-

denburg
28.02.2013 Z-68

nichtöffent-

lich

69
EKHK Jürgen

Dressler
01.03.2013 Z-71 öffentlich

70
KHK Michael

Brümmendorf
01.03.2013 Z-64 öffentlich

71
MDg Hans-Georg

Engelke, BMI
01.03.2013 Z-39 öffentlich

72

EKHK Wolfgang

Jehle, LKA Sach-

sen

14.03.2013 Z-72 öffentlich

73

KHK Carsten

Külbel, PD Chem-

nitz

14.03.2013
Z-73

neu
öffentlich

74

KHK Michael

Andrä, PD Süd-

westsachsen

14.03.2013 Z-74 öffentlich

Nr. Name Datum BB
Wie ver-

nommen

75
MDg’n Christine
Hammann, BMI

15.03.2013 Z-75 öffentlich

76

Bundesminister

a. D.

Otto Schily

15.03.2013 Z-76 öffentlich

77
Joachim Tüshaus,

LfV Sachsen
21.03.2013 Z-77 öffentlich

78

Dr. Olaf

Vahrenhold, LfV

Sachsen

21.03.2013 Z-78 öffentlich

79
LfV-Präsident a. D.

Reinhard Boos
21.03.2013 Z-79 öffentlich

80

LfV-Präsident

Gordian Meyer-

Plath, Sachsen

15.04.2013 Z-80 öffentlich

81 G. B., BfV 15.04.2013 Z-81
nichtöffent-

lich

82 N., BfV 16.04.2013 Z-70
kommissa-

risch

83

ORR’in Bettina
Neumann, LfV

Baden-

Württemberg

18.04.2013 Z-83 öffentlich

84

Dr. Helmut

Rannacher, LfV

Baden-

Württemberg

18.04.2013 Z-84 öffentlich

85

KD Joachim Rück,

LKA Baden-

Württemberg

18.04.2013 Z-85 öffentlich

86
EKHK’in Angelika
Baumert, BKA

18.04.2013 Z-86 öffentlich

87 KHK P. S., Berlin 22.04.2013 Z-87
nichtöffent-

lich

88

Direktor LKA a. D.

Peter-Michael

Haeberer, Berlin

22.04.2013 Z-88 öffentlich

89

Staatssekretär

Bernd Krömer,

Berlin

22.04.2013 Z-89 öffentlich

90

KHK Dirk

Spliethoff, LKA

Nordrhein-

Westfalen

25.04.2013 Z-91 öffentlich

91
PK Stefan Voß, PP

Köln
25.04.2013 Z-93 öffentlich

92
PHK Peter Bau-

meister, PP Köln
25.04.2013 Z-92 öffentlich

93
KHK Ulrich

Gundlach, BKA
25.04.2013 Z-94 öffentlich

94 RD Gabaldo, BfV 25.04.2013 Z-82
nichtöffent-

lich

95
Richard Kaldrack,

BfV
13.05.2013 Z-95

nichtöffent-

lich

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/14600

Nr. Name Datum BB
Wie ver-

nommen

96
Sebastian Egerton,

BfV
13.05.2013 Z-96 öffentlich

97
Bert Kippenborck,

BfV
16.05.2013 Z-97

nichtöffent-

lich

98
Rita Dobersalzka,

BfV
16.05.2013 BfV-21 öffentlich

99
Michael Renzewitz,

BfV
16.05.2013 BfV-21

nichtöffent-

lich

100 Rainer Oettinger 24.06.2013 Z-99 öffentlich

b) Dauer der Anhörungen und Vernehmun-
gen

Sit-

zungs-

nr.

Beginn
Ende Dauer in h

geplant tatsächlich

6 14:00 14:07 17:33 3:26

8 10:00 10:07 16:03 5:56

10 10:00 10:17 13:58 3:41

12 10:00 10:28 21:23 10:55

14 10:00 10:08 22:14 12:06

15 09:00 09:07 12:22 3:15

17 08:30 08:32 22:17 13:45

19 10:00 10:02 22:02 12:00

21 10:00 10:10 20:47 10:37

22 09:00 10:43 20:57 10:14

24 09:00 09:03 23:20 14:17

27 10:00 12:05 21:47 9:42

29 10:00 11:23 0:08 12:45

31 10:00 10:02 17:56 7:54

32 12:00 12:06 17:17 5:11

34 10:00 10:40 22:15 11:35

36 10:00 10:17 22:55 12:38

37 09:00 09:06 12:53 3:47

39 10:00 10:09 21:07 10:58

41 10:00 10:47 21:14 10:27

43 10:00 10:35 21:45 11:10

44 09:00 09:12 16:46 7:34

46 13:00 13:05 16:53 3:48

47 12:00 12:07 16:13 4:06

49 10:00 10:28 21:02 10:34

51 10:00 10:35 22:25 11:50

53 10:00 10:18 22:47 12:29

54 09:00 09:05 15:47 6:42

56 10:00 10:20 20:48 10:28

57 09:00 09:27 15:24 5:57

59 10:00 10:17 18:22 8:05

60 09:00 09:02 15:16 6:14

62 10:00 10:31 20:33 10:02

64 14:00 14:15 21:45 7:30

65 09:00 12:12 21:02 8:50

66 14:00 14:12 22:38 8:26

68 10:00 10:13 21:02 10:49

70 14:00 15:04 22:03 6:59

72 10:00 11:04 21:50 10:46

74 13:15 14:23 16:15 1:52

GESAMT in Stunden: 349:20:00

Am Ende der 30. Sitzung hat der Vorsitzende Einverneh-

men darüber festgestellt, Zeugenvernehmungen möglichst

um 22.30 Uhr zu beenden.
201

c) Nicht erschienene Zeugen

Von einigen Zeugen, die sich auf ihre Ladung mit krank-

heitsbedingter Vernehmungsunfähigkeit entschuldigten,

hat der Ausschuss ein amtsärztliches Attest über die Ver-

nehmungsunfähigkeit verlangt. In zwei Fällen sind die

geladenen Zeugen auf dieses Verlangen hin vor dem

Ausschuss erschienen. Auf amtsärztliche Anordnung hat

der Ausschuss einem Zeugen Vernehmungspausen ge-

währt sowie einen Ruheraum mit Liegemöglichkeit zur

Verfügung gestellt.

Zwei geladene Zeugen sind zur Vernehmung nicht er-

schienen, weil sie nicht vernehmungsfähig waren:

– Ein Mitarbeiter des BfV, mit dem die Verfassungs-
schutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen un-

mittelbar nach dem Nagelbombenanschlag in Köln

gebeten wurde, Kontakt aufzunehmen, ist nach Aus-

kunft des BfV dauerhaft nicht vernehmungsfähig

gewesen.
202

Der Mitarbeiter hat dem Ausschuss je-
201) Protokoll-Nr. 30, S. 13.

202) MAT A BfV-14.

Drucksache 17/14600 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

doch einen Fragenkatalog schriftlich beantwortet

(siehe unten: 6.a), S. 50).

– Eine weitere Mitarbeiterin des BfV, die an der Ver-
nichtung von Akten im BfV im November 2011 be-

teiligt war, ist krankheitsbedingt nicht vom Aus-

schuss, sondern kommissarisch vom Ausschussvor-

sitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden ver-

nommen worden (siehe unten: 6.a), S. 50).

5. Vernehmungsgegenüberstellung

Wegen mangelnder Übereinstimmung der Aussagen der

Zeugen Dressler und Brümmendorf hat der Ausschuss am

22. Februar 2013 beschlossen, die beiden Zeugen gemäß

§ 24 Abs. 2 PUAG gemeinsam zu vernehmen.
203

6. Schriftliche Befragung von Zeugen

Der Ausschuss hat drei Zeugen schriftlich befragt.

a) Krankheitsbedingt

Ein Mitarbeiter des BfV, der wegen Vernehmungsunfä-

higkeit nicht vernommen werden konnte (siehe oben: 4.c),

S. 49), ist schriftlich befragt worden. Der Ausschuss hat

hierzu einen Fragenkatalog beschlossen
204

, den der Zeuge

schriftlich beantwortet hat.
205

b) Offen gebliebene Fragen

Der Sonderermittler des Bundesinnenministers zur Ak-

tenvernichtung im BfV, Ministerialdirigent Engelke, ist

am 18. und 26. Oktober 2012 als Zeuge vernommen wor-

den. Da in diesen Vernehmungen einige Fragen nicht

beantwortet werden konnten, hat sich der Ausschuss auf

einen Fragenkatalog geeinigt, der dem Zeugen zur schrift-

lichen Beantwortung übermittelt worden ist.
206

Die Fra-

gen sind mit dem am 11. Dezember 2012 vorgelegten

Ergänzungsbericht des Sonderermittlers beantwortet wor-

den.
207

c) Mangels Zeit

In der 51. Sitzung sollte Oberstaatsanwalt Mohrmann als

vierter Zeuge vernommen werden. Als erkennbar gewor-

den ist, dass der Zeuge an diesem Sitzungstag nicht mehr

würde vernommen werden können, hat sich der Aus-

schuss auf Fragen an den Zeugen zur schriftlichen Beant-
203) Protokoll-Nr. 52, S. 18.

204) Protokoll-Nr. 35, S. 7.

205) MAT A BfV-14/5.

206) Protokoll-Nr. 38, S. 7, A-Drs. 305.

207) MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr. 128/12 – GEHEIM); VS-NfD-
Fassung: MAT B BfV-2/9.

wortung geeinigt,
208

die der Zeuge mit Schreiben vom

5. März 2013 beantwortet hat.
209

7. Kommissarische Vernehmung

Nach einem ärztlichen Attest ist die an der Aktenvernich-

tung im BfV im November 2011 beteiligte Zeugin N.

dauerhaft nicht reisefähig gewesen.

Daraufhin hat der Ausschuss entsprechend § 223 StPO in

seiner Sitzung am 28. Februar 2013 beschlossen:
210

„Der 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages beauftragt die Mitglieder des Bundes-

tages Sebastian Edathy und Stephan Stracke, die

am 31. Januar 2013 beschlossene, krankheitsbe-

dingt an dem Erscheinen vor dem Untersuchungs-

ausschuss gehinderte Zeugin N. an ihrem Wohnort

zu dem in dem Beweisbeschluss Z-70 bezeichne-

ten Thema zu vernehmen.“

Die kommissarische Vernehmung der Zeugin N. ist durch

den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden

am 16. April 2013 in Köln in einem Hotel durchgeführt

worden. Die Zeugin hat zu der Vernehmung als Person

ihres Vertrauens ihre Abteilungsleiterin im BfV, Frau

Büddefeld, hinzugezogen. Der Stenografische Dienst des

Bundestages hat die Vernehmung protokolliert.
211

Im Ausschuss ist bedauert worden, dass der Eindruck

entstehen kann, eine Vorgesetzte wolle die Zeugenaussa-

ge beobachten.
212

Das wesentliche Ergebnis der kommissarischen Verneh-

mung hat der Vorsitzende zu Beginn der öffentlichen

Beweisaufnahmesitzung am 13. Mai 2013 vorgetragen

und hierdurch in die Beweisaufnahme eingeführt.
213

8. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungs-
recht

Nach § 22 Abs. 2 PUAG können Zeugen die Auskunft auf

Fragen verweigern, deren Beantwortung ihnen oder ihren

Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, einer Untersu-

chung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren aus-

gesetzt zu werden. Zu den „gesetzlich geordneten Verfah-
ren“ zählen auch Disziplinarverfahren.214

Wegen laufender disziplinarischer und möglicher straf-

rechtlicher Ermittlungen hat der Zeuge Lothar Lingen
208) Protokoll-Nr. 50, S. 12; A-Drs. 361; Protokoll-Nr. 51, S. 131.

209) MAT A Z-57/1.

210) Protokoll-Nr. 55, S. 10.

211) MAT A Z-70/4.

212) Protokoll-Nr. 65a, S. 7.

213) Protokoll-Nr. 70, S. 1 ff.

214) Glauben, in: Glauben/Brocker, PUAG, Gesetz zur Regelung

des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bun-

destages, Kommentar, 2011, § 22, Rn. 24.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/14600

teilweise von seinem Recht auf Auskunftsverweigerung

Gebrauch gemacht.
215

9. Rechtlicher Beistand

Zeugen dürfen einen rechtlichen Beistand ihres Vertrau-

ens zu der Vernehmung hinzuziehen (§ 20 Abs. 2 PUAG).

Davon haben fünf Zeugen Gebrauch gemacht:

– Der Zeuge Lothar Lingen ist in Begleitung von
Rechtsanwalt Volker van Bökel erschienen.

– Der Zeuge R. G. hat den Rechtsanwalt Dr. Butz Pe-
ters hinzugezogen.

– Der Zeuge Gordian Meyer-Plath hat in Begleitung
von Rechtsanwalt Dr. Butz Peters ausgesagt.

– Der Zeuge Peter-Michael Haeberer hat den Rechts-
anwalt Hansgeorg Birkhoff hinzugezogen.

– Der Zeuge Rainer Oettinger ist von dem Rechtsan-
walt Thomas Oelmayer begleitet worden.

10. Öffentlichkeit

a) Ausschluss der Öffentlichkeit

Der Ausschuss hat überwiegend Beweise in öffentlicher

Sitzung erhoben.

Von 95 Zeugen sind neun Zeugen ausschließlich unter

Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen worden, um

ihre Identität nicht preiszugeben. Vier weitere Zeugen

sind teilweise nichtöffentlich vernommen worden, weil

nach dem Gegenstand der Befragung gemäß § 14 PUAG

die Öffentlichkeit auszuschließen war.

Für die Vernehmung des Zeugen Oettinger, der in seiner

aktiven Zeit als Mitarbeiter des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz operativ tätig war, hat der Beauftragte des

Landes Baden-Württemberg unter anderem den Aus-

schluss der Öffentlichkeit beantragt, um seine Identität zu

schützen und eine Gefährdung seiner Person zu vermei-

den.
216

Der Ausschuss hat diesen Antrag abgelehnt und

stattdessen durch Sichtschutzwände gewährleistet, dass

die Öffentlichkeit den Zeugen nicht hat sehen können.
217

Daraufhin ist der Zeuge unter seinem Arbeitsnamen öf-

fentlich vernommen worden.
218

b) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sit-
zungen

Nach § 13 PUAG sind Ton- und Filmaufnahmen sowie

Ton- und Bildübertragungen von der Beweiserhebung in

öffentlicher Sitzung nicht zulässig. Stimmt die anzuhö-

rende oder zu vernehmende Person zu, kann der Aus-
215) Protokoll-Nr. 24, S. 4.

216) MAT Z-99/1.

217) Protokoll-Nr. 73a, S. 6 ff.

218) Protokoll-Nr. 74.

schuss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesen-

den Mitglieder beschließen, Aufnahmen und Übertragun-

gen zuzulassen.

Einige Rundfunksender bekundeten Interesse an einer

Live-Übertragung. Der Ausschuss hat dem nicht mit der

erforderlichen Mehrheit zugestimmt.

c) Twittern aus öffentlicher Sitzung

Der Ausschuss hat beraten, ob es zugelassen werden solle

und dürfe, aus öffentlichen Sitzungen zu twittern. Der

Geschäftsordnungsausschuss hat dem Untersuchungsaus-

schuss mitgeteilt, es stehe dem Ausschuss frei, wie er

damit verfahre. Mit der Übertragung von Bild und Ton

könne das Twittern nicht gleichgesetzt werden. Nach der

Hausordnung könne Besuchern, mit Ausnahme von Jour-

nalisten, neben der Benutzung von Handys auch das Mit-

führen von Computern untersagt werden. Damit wäre das

Twittern durch Nichtjournalisten unterbunden.

Mehrheitlich ist der Ausschuss zu der Auffassung gelangt,

zunächst nicht gegen das Twittern vorzugehen. Falls

festzustellen sei, dass das Twittern durch Nichtjournalis-

ten zu einem Missbrauch führe, behalte sich der Aus-

schuss vor, darüber neu zu befinden.
219

11. Einsichtsgewährung in Stenografische
Protokolle vor Abschluss der Untersu-
chung

a) Mitglieder des Bundestages

Mitgliedern des Bundestages, die nicht Mitglieder des

Ausschusses gewesen sind, haben auf Anforderung die

Protokolle des Ausschusses zur Einsicht erhalten, soweit

diese nicht VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft

gewesen sind (§ 16 Abs. 1 PUAG).

b) Untersuchungsausschüsse der Landtage

Der Ausschuss hat den Untersuchungsausschüssen der

Landtage von Thüringen und Bayern Einsicht in die Ste-

nografischen Protokolle durch Übersendung der endgülti-

gen Protokolle gewährt, soweit diese nicht VS-

VERTRAULICH oder höher eingestuft worden sind.
220

c) Ombudsfrau für die Opfer und deren An-
gehörige

Für die Unterrichtung der Opfer der dem NSU zugerech-

neten Straftaten und deren Angehörige hat die Ombuds-

frau der Bundesregierung Prof. Barbara John Einsicht in

die Stenografischen Protokolle erhalten.
219) Protokoll-Nr. 58, S. 7 f.

220) Protokoll-Nr. 13, S. 14.

Drucksache 17/14600 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Bund-Länder-Kommission

Die Bund-Länder-Expertenkommission hat die Stenogra-

fischen Protokolle des Ausschusses bis zu einer Geheim-

haltungsstufe VS-NfD über ihre Geschäftsstelle erhalten.

Am 24. Mai 2012 hat der Ausschuss beschlossen, dass der

Kommission im Einzelfall und nach Rücksprache mit den

Behörden, die für die in den Protokollen enthaltenen Ge-

heimnisse verantwortlich sind, auch höher eingestufte

Protokolle zugänglich gemacht werden.
221

e) Bundesdatenschutzbeauftragter

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informations-

freiheit Schaar hat um Einsicht in die Protokolle über die

öffentliche Vernehmung der Zeugen Fritsche und Engelke

gebeten. Beide Zeugen hätten in ihrer Vernehmung auf

die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten Bezug

genommen. Der Ausschuss hat dies abgelehnt, da der

Bundesdatenschutzbeauftragte als Zeuge in Betracht ge-

kommen sei.
222

f) Zeuge Luthardt

Der Zeuge Luthardt hat Einsicht in das Protokoll über die

Anhörung der Schäfer-Kommission begehrt, um sich

sachgerecht auf seine Vernehmung vorbereiten zu kön-

nen. Dies hat der Ausschuss abgelehnt.
223

§ 24 PUAG

sehe vor, dass Zeugen einzeln und in Abwesenheit von

später zu hörenden Zeugen vernommen würden. Daraus

folge, dass Zeugen auch die Protokolle von anderen Zeu-

gen nicht sichten dürften. Die Schäfer-Kommission sei

zwar nicht zeugenschaftlich gehört worden, sodass § 24

PUAG dem Wortlaut nach nicht passe. Sie habe sich aber

auch zu konkreten Sachverhalten geäußert.

g) Ermittlungsgruppe „Trio“

Der Ausschuss hat in seiner Sitzung am 13. Mai 2013

beschlossen, der Ermittlungsgruppe „Trio“ beim Bundes-
kriminalamt im Wege der Amtshilfe Einsicht in das Ste-

nografische Protokoll über die Vernehmung der Zeugen

Voß und PHK Baumeister zu gewähren, um prüfen zu

können, ob sich aus den Zeugenaussagen weitere Ermitt-

lungsansätze ergeben.
224

h) Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpom-
mern

Zur Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkom-

mission des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern

hat der Direktor des Landeskriminalamtes Mecklenburg-

Vorpommern im Wege der Amtshilfe Einsicht in das

Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Deisting
221) Protokoll-Nr. 16, S. 9.

222) Protokoll-Nr. 40, S. 9.

223) Protokoll-Nr. 48, S. 16.

224) Protokoll-Nr. 69, S. 13.

erhalten. Der Ausschuss hat am 17. Januar 2013 beschlos-

sen:
225

„Im Wege einer Einzelfallentscheidung wird dem
Direktor des LKA Mecklenburg-Vorpommern

Einsicht in das Stenografische Protokoll der 19.

Sitzung vom 14. Juni 2012 gewährt.“

i) Wissenschaftliche Zwecke

Zu wissenschaftlichen Zwecken hat der Ausschuss Ein-

sicht in die Stenografischen Protokolle über die Sachver-

ständigenanhörungen und die hierzu vorgelegten schriftli-

chen Stellungnahmen der Sachverständigen gewährt.
226

j) OLG München

Zur Übersendung von Protokollen an den Sechsten Straf-

senat des Oberlandesgericht München siehe oben: B.I.5

(S. 13).

V. Teilnahme der Ombudsfrau für die Opfer
und deren Angehörige

Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und

deren Angehörige Prof. Barbara John hat regelmäßig an

des Sitzungen des Ausschusses zur öffentlichen Beweis-

aufnahme teilgenommen.

VI. Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten

Nach § 10 PUAG hat der Untersuchungsausschuss jeder-

zeit das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mit-

glieder die Pflicht, zu seiner Unterstützung eine Untersu-

chung zu beschließen, die von einem oder einer Ermitt-

lungsbeauftragten durchgeführt wird.

1. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg

Am 8. März 2012 hat der Ausschuss als Ermittlungsbe-

auftragten zunächst zur Sichtung der Unterlagen des Ge-

neralbundesanwalts Prof. Dr. Bernd von Heintschel-

Heinegg bestellt.
227

Der Auftrag ist viermal erweitert

worden.

a) Auftrag

aa) Unterlagen des Generalbundesanwalts

Die Durchführung der Untersuchung durch einen Ermitt-

lungsbeauftragten und der Auftrag war bereits am 1. März

2012 beschlossen worden:
228
225) Protokoll-Nr. 48, S. 15.

226) Protokoll-Nr. 26, S. 25.

227) Protokoll-Nr. 5, S. 7.

228) Protokoll-Nr. 4, S. 49.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/14600

„1. Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersu-
chungsausschusses wird eine Untersuchung

durch einen Ermittlungsbeauftragten gemäß

§ 10 PUAG durchgeführt, um den Beweisbe-

schluss GBA-4 so zügig wie möglich umzu-

setzen.

2. Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist die

Sichtung und Vorauswahl der mit Beweisbe-

schluss GBA-4 durch den Untersuchungsaus-

schuss bereits förmlich beigezogenen Be-

weismittel hinsichtlich ihrer Bedeutung und

Erforderlichkeit für die Erfüllung des Unter-

suchungsauftrages, unabhängig davon, wo

sich die Beweismittel körperlich befinden.

3. Dabei soll der Ermittlungsbeauftragte insbe-

sondere auch den Gesichtspunkt möglicher

Gefährdungen der Zwecke des Strafverfah-

rens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Drit-

ter, insbesondere die Interessen der Angehö-

rigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick

auf die Übermittlung der Beweismittel an den

Untersuchungsausschuss berücksichtigen. Ei-

ne sachliche Auswertung der Akten ist nicht

Gegenstand des Ermittlungsauftrags.

4. Der Ermittlungsbeauftragte soll die beigezo-

genen Beweismittel möglichst rasch und Zug

um Zug nach Ermittlungs- beziehungsweise

Aktenkomplexen für den Ausschuss erschlie-

ßen.

5. Der Ermittlungsbeauftragte soll sich zunächst

durch Sichtung und informatorische Anhö-

rungen von mit der Aktenführung vertrauten

Personen einen Überblick über die beigezo-

genen Beweismittel verschaffen und im Ge-

spräch mit den Obleuten des Ausschusses er-

örtern, welche Kriterien und Schwerpunkte

hinsichtlich der Vorauswahl relevant sein sol-

len. In der Beratungssitzung vom 29. März

2012 soll er über Umfang, Systematik und

stichprobenartig erkundete Relevanz des bei-

gezogenen Materials für den Untersuchungs-

auftrag berichten.

6. Bereits während der Sichtung der Beweismit-

tel soll der Ermittlungsbeauftragte zur Be-

schleunigung des Untersuchungsverfahrens

im Einzelfall entscheiden, dass bestimmte

Beweismittel dem Ausschuss durch die her-

ausgebende Stelle unmittelbar und vorrangig

zugänglich gemacht werden sollen, ohne dass

es hierzu eines gesonderten Beschlusses des

Ausschusses bedarf.

7. Zum Abschluss seiner Tätigkeit legt der Er-

mittlungsbeauftragte dem Untersuchungsaus-

schuss eine zusammenfassende Übersicht

über die mit Beweisbeschluss GBA-4 beige-

zogenen Beweismittel vor, aus der erkennbar

wird, welche Beweismittel er bereits gegen-

über der herausgebenden Stelle als vorrangig

zu übermitteln konkretisiert hat und bei wel-

chen Beweismitteln er aus welchen Gründen

diese Notwendigkeit (vorerst) nicht gesehen

hat. Sollte die Übermittlung von Beweismit-

teln, die vom Ermittlungsbeauftragten als er-

forderlich angesehen wurden, von der heraus-

gebenden Stelle aus rechtlichen Gründen

verweigert werden, wird der Ermittlungsbe-

auftragte um eine gutachterliche Stellung-

nahme zu den von der herausgebenden Stelle

für die Nicht-Übermittlung vorgebrachten

Gründen gebeten.

8. Darüber hinaus soll der Ermittlungsbeauftrag-

te spätestens zum Abschluss seiner Tätigkeit

einen begründeten Vorschlag unterbreiten,

welche mit den im Zuständigkeitsbereich des

Generalbundesanwaltes geführten und für den

Untersuchungsauftrag relevanten Ermitt-

lungsverfahren zur Zeit oder in der Vergan-

genheit befasste Personen als Zeugen im

Untersuchungsausschuss sinnvollerweise ge-

hört werden sollten.

9. Auf die Verpflichtung des Ermittlungsbeauf-

tragten nach § 10 Abs. 3 PUAG, keine öffent-

lichen Erklärungen abzugeben, und auf das

Recht des Ermittlungsbeauftragten nach § 10

Abs. 4 PUAG, in angemessenem Umfang

Hilfskräfte einzusetzen, wird noch einmal

ausdrücklich hingewiesen.“

bb) Unterlagen des Bundeskriminalamtes und
einiger Landeskriminalämter

Am 10. Mai 2012 hat der Ausschuss den Auftrag des

Ermittlungsbeauftragten erweitert:
229

„Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist auch die
Sichtung und Vorauswahl der in dem Schreiben

des Ermittlungsbeauftragten auf A-Drs. 126 be-

zeichneten Unterlagen sowie der mit den folgen-

den Beweisbeschlüssen bereits förmlich beigezo-

genen Beweismitteln hinsichtlich ihrer Bedeutung

und Erforderlichkeit für die Erfüllung des Unter-

suchungsauftrages:

BKA-2; BW-4; BW-5; BY-4; BY-6; BY-7; NW-4;

NW-5.”

Diese Auftragserweiterung ist durch Beschluss vom 10.

Mai 2012 neu gefasst worden:
230

„Gegenstand des erteilten Ermittlungsauftrages
sind auch die Unterlagen, die vom 2. Untersu-

chungsausschuss durch Beweisbeschlüsse beim

GBA, beim BKA und bei den Polizei- und Justiz-

behörden der Länder Baden-Württemberg, Bayern,

Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und
229) Protokoll-Nr. 13, S. 13.

230) Protokoll-Nr. 16, S. 8.

Drucksache 17/14600 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nordrhein-Westfalen zur Aufklärung der Sachver-

halte beigezogen werden, die zum Komplex ‚2000
bis 2007 – Mordserie und weitere Straftaten, inten-
sive Ermittlungen‘ gemäß Ausschussbeschluss
vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstandes gehören.“

Durch Beschluss des Ausschusses vom 28. Juni 2012 ist

der Auftrag des Ermittlungsbeauftragten vom 1. März

2012 in der Fassung vom 24. Mai 2012 bis zum 31. De-

zember 2012 verlängert worden.
231

cc) Akten des LKA Thüringen, der Sächsi-
schen Sicherheitsbehörden sowie der
BKA-Abteilung polizeilicher Staatsschutz

Am 18. Oktober 2012 hat der Ausschuss beschlossen, den

Auftrag erneut zu erweitern:
232

„Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist auch die
Sichtung

1. der dem Ausschuss durch das Innenministeri-

um des Freistaates Thüringen mit Schreiben

vom 27. September 2012 (MAT B TH-3)

übersandten Akten,

2. der in der mit MAT A BMI-1/3 vom Bun-

desministerium des Innern vorgelegten Über-

sicht aufgeführten Akten des Bundeskrimi-

nalamtes sowie

3. die vom Beweisbeschluss SN-7 umfassten po-

lizeilichen Akten, insbesondere aus dem Be-

reich des Staatsschutzes zum Phänomen-

bereich Rechtsextremismus/Rechtsterroris-

mus.“

dd) Akten des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz

Am 8. November 2012 hat der Ausschuss beschlossen:

„Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist auch die
Sichtung der Akten des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz, die mit den Beweisbeschlüssen vom

9. Februar 2012

– BfV-4 (sämtliche Beweismittel, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen und im

Organisationsbereich des Bundesamtes für

Verfassungsschutz im Untersuchungszeitraum

1.1.1992 bis 8.11.2011 vorhanden waren) und

– BfV-5 (sämtliche Beweismittel, die den
Untersuchungsgegenstand betreffen und im

Organisationsbereich des Bundesamtes für

Verfassungsschutz nach dem 8.11.2011 ent-

standen oder in Gewahrsam genommen

worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf
231) Protokoll-Nr. 20, S. 9.

232) Protokoll-Nr. 33, S. 9.

den Untersuchungszeitraum 1.1.1992 bis

8.11.2011 beziehen)

beigezogen worden sind.

Die Untersuchung soll spätestens bis zu 31. März

2013 abgeschlossen werden.“

ee) Brandenburger Operativakten

Der Auftrag ist am 17. Januar 2013 um die Sichtung von

Protokollen erweitert worden, die das Land Brandenburg

aufgrund des Beweisbeschlusses BB-3 übersandt hat. Es

handelte sich hierbei unter anderem um Datenträger mit

über 2 000 im Rahmen von G 10-Maßnahmen angefalle-

nen Protokollen.
233

b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 PUAG haben Ermittlungsbeauf-

tragte das Recht, in angemessenem Umfang Hilfskräfte

einzusetzen. Die Bundestagsverwaltung hat dem Ermitt-

lungsbeauftragten zwei Referentenstellen, eine Sach-

bearbeiterstelle sowie eine Sekretärsstelle gewährt. Be-

schäftigt worden sind:

als Referenten:

– Oberregierungsrat Dr. Harald Dähne (vom März
2012 bis zum 31. August 2012),

– Oberstaatsanwalt Dr. Hans-Joachim Lutz (vom
1. April 2012 bis zum 30. November 2012)

234
,

– Oberstaatsanwalt Ralf Knispel (3. Dezember 2012
bis 31. März 2013),

– Regierungsdirektor Rolfdieter Bohm (3. Dezember
2012 bis 30. April 2013),

als Büroleiterin:

– Jutta Schneider-Schill,

als Sekretärin

– Christina Sintara.235

Oberstaatsanwalt Dr. Lutz ist dem Deutschen Bundestag

von der Bayerischen, Oberstaatsanwalt Knispel von der

Berliner Justiz und Regierungsdirektor Bohm vom Land-

tag Brandenburg abgeordnet worden.

c) Berichterstattung an den Ausschuss

Bereits in der Sitzung vom 29. März 2012 hat der Ermitt-

lungsbeauftragte Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg dem

Ausschuss einen ersten Bericht erstattet.
236

In der Folge

hat er den Ausschuss regelmäßig schriftlich und mündlich

über die Ergebnisse seiner Untersuchung unterrichtet.
233) Protokoll-Nr. 48, S. 10.

234) Ist anschließend ins Ausschusssekretariat gewechselt.

235) Ist anschließend ins Ausschusssekretariat gewechselt.

236) Protokoll-Nr. 9, S. 7 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/14600

d) Ergebnis

Mit insgesamt 50 Schreiben sind von dem Ermittlungsbe-

auftragten die untersuchungsrelevanten Akten bezeichnet

und zur Vorlage an den Ausschuss bei den aktenführen-

den Stellen angefordert worden.

Nach Sichtung von über 6 000 Stehordnern Akten hat der

Ermittlungsbeauftragte dem Ausschuss am 27. März 2013

seinen Abschlussbericht vorgelegt und damit seine her-

vorragende Arbeit dokumentiert.
237

2. Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache,
Ulrich Hebenstreit

a) Thüringer Aktenstreit

Mit Schreiben vom 27. September 2012 hat das Thüringer

Innenministerium mitgeteilt, es werde dem Untersu-

chungsausschuss 778 Ordner Akten des Thüringer Lan-

desamtes zur Verfügung stellen. Bei den Akten handele es

sich um den Aktenbestand zur Auswertung des

Phänomenbereichs Rechtsextremismus im Zeitraum 1991

bis Ende 2002 sowie zu dem Komplex „Blood & Honour“
bzw. „White Youth“ im Zeitraum 1991 bis Anfang 2012.
In einer weiteren Lieferung würden etwa 1 000 Aktenord-

ner des Phänomenbereichs Rechtsextremismus im Zeit-

raum 2003 bis 2012 übersandt. Eine inhaltliche Prüfung

der Akten sei nicht erfolgt.
238

Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der

übrigen Länder haben daraufhin Sicherheitsbedenken

gegen eine Vorlage dieser Akten an den Untersuchungs-

ausschuss angemeldet. Die Akten könnten Angaben über

von ihnen geführte Quellen enthalten. Der Freistaat Thü-

ringen ist gedrängt worden, die Aktenvorlage zu stoppen.

Daraufhin haben die Obleute am 2. Oktober 2012 be-

schlossen, die von Thüringen gelieferten Akten in der

Geheimschutzstelle des Bundestages zu belassen und eine

Einsichtnahme der Akten bis auf Weiteres zu unterbinden.

Auf Einladung des Ausschussvorsitzenden hat am

17. Oktober 2012 ein Gespräch der Obleute mit dem

Bundesminister des Innern sowie dem Vorsitzenden der

Innenministerkonferenz über den Umgang mit diesen

Akten stattgefunden. Der Vorsitzende der Innenminister-

konferenz hat darum gebeten, in den Akten

– personenbezogene Daten von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern,

– Klarpersonalien von Quellen und Zielpersonen,

– Fallbezeichnungen, quellenführende Behörden und
Organisationseinheit einschließlich Beschaffungsak-

tenzeichen,

– Hinweise auf die Intimsphäre von den in Quellen-
meldungen genannten Personen sowie
237) A-Drs. 424.

238) MAT A TH-3/5.

– erkennbare Bezüge zu ausländischen Nachrichten-
diensten

durch Schwärzungen unkenntlich zu machen. Außerdem

sollten alle sogenannten Deckblätter der Quellenmeldun-

gen entfernt werden.
239

In dem Gespräch mit dem Bundesinnenminister und dem

Vorsitzenden der Innenministerkonferenz ist zu dem

Umgang mit den Thüringer Verfassungsschutzakten ver-

einbart worden:

– Die Thüringer Akten würden weder zurückgesandt,
noch durch Verfassungsschutzbehörden des Bundes

oder der Länder geschwärzt.

– Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz werde
dem Ausschuss zu Beginn der kommenden Woche

einen Katalog mit Kriterien vorlegen, nach welchen

die Schwärzung von Akten geprüft werden solle.

– Der Untersuchungsausschuss werde für diese Akten
einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, der die Ak-

ten vorab sichte und die für den Ausschuss relevan-

ten Unterlagen zusammenstelle.

– Vertreter der Verfassungsschutzbehörden des Bun-
des und der Länder erhielten Gelegenheit, die zu-

sammengestellten Unterlagen zu lesen und Vor-

schläge für Schwärzungen zu unterbreiten.

– Über die Schwärzungen entscheide der Ermittlungs-
beauftragte. In Konfliktfällen setze sich der Aus-

schuss mit der Bundesregierung oder der betroffenen

Landesregierung auseinander.

– Mittels der elektronischen Fassung der Akten sollten
bei Bedarf geschwärtzte Stellen in den Akten nach-

träglich wieder sichtbar gemacht werden können, um

Personen identifizieren zu können, die als Zeuge in

Betracht kämen.
240

Auf Bitten des Ausschusses hat der Vorsitzende dieses

Ergebnis in einem Schreiben vom 22. Oktober 2012 an

den IMK-Vorsitzenden festgehalten. Er hat darin die

Erwartung des Ausschusses ausgedrückt, dass die Koope-

ration der Thüringer Landesregierung mit dem Deutschen

Bundestag respektiert werde und dem Freistaat Thüringen

hieraus keine Nachteile erwachsen dürften.

b) Auftrag und Bestellung

Am 26. Oktober 2012 hat der Ausschuss beschlossen:
241

„Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersu-
chungsausschusses wird für die Sichtung und Vor-

auswahl und gegebenenfalls Schwärzung der als

Materialie MAT A TH-3/5 vorgelegten Akten des

Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz
239) Schreiben des IMK-Vorsitzenden vom 19. Oktober 2012,

A-Drs. 287.

240) Protokoll-Nr. 33, S. 10 ff.

241) Protokoll-Nr. 35, S. 11.

Drucksache 17/14600 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zum Ermittlungsbeauftragten gemäß § 10 PUAG

bestellt:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a. D.

Dr. Gerhard Schäfer.

Die Untersuchung des Ermittlungsbeauftragten

soll bis zum 31. März 2013 abgeschlossen werden.

Dem Ermittlungsbeauftragten Dr. Gerhard Schäfer

werden zwei weitere Ermittlungsbeauftragte zur

Seite gestellt.

Die Ermittlungsbeauftragten werden bis zum Ab-

schluss ihrer Untersuchung durch vier Volljuristen

unterstützt.“

Der Ermittlungsauftrag und die Bestellung von Ermitt-

lungsbeauftragten ist am 8. November 2012 neu gefasst

worden:
242

„1. Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersu-
chungsausschusses wird eine Untersuchung

durch Ermittlungsbeauftragte gemäß § 10

PUAG durchgeführt, um die aufgrund der

Beweisbeschlüsse des Ausschusses vom Frei-

staat Thüringen aus dem Landesamt für Ver-

fassungsschutz beigezogenen beziehungswei-

se dem Untersuchungsausschuss zur Verfü-

gung gestellten Akten möglichst rasch und

Zug um Zug nach Ermittlungs- beziehungs-

weise Aktenkomplexen für den Ausschuss zu

erschließen.

2. Gegenstand des Ermittlungsauftrages ist die

Sichtung und Vorauswahl der benannten Ak-

ten hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Erfül-

lung des Untersuchungsauftrages. Eine sach-

liche Auswertung der Akten ist nicht Gegen-

stand des Ermittlungsauftrags.

3. Dabei sollen die Ermittlungsbeauftragten ins-

besondere auch den Gesichtspunkt möglicher

Gefährdungen der Zwecke des Strafverfah-

rens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Drit-

ter, insbesondere die Interessen der Angehö-

rigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick

auf die Übermittlung der Beweismittel an den

Untersuchungsausschuss berücksichtigen.

4. Die Ermittlungsbeauftragten sollen sich zu-

nächst durch Sichtung und informatorische

Anhörungen von mit der Aktenführung ver-

trauten Personen einen Überblick über die

beigezogenen Beweismittel verschaffen und

im Gespräch mit den Obleuten des Ausschus-

ses erörtern, welche Kriterien und Schwer-

punkte hinsichtlich der Vorauswahl relevant

sein sollen.

5. Unterlagen aus Aktenbeständen, die dem

Untersuchungsausschuss ohne Vorsichtung
242) A-Drs. 306; Protokoll-Nr. 38, S. 9.

eingestuft zugänglich gemacht wurden, prü-

fen die Ermittlungsbeauftragten nicht nur auf

ihre Relevanz für die Erfüllung des Untersu-

chungsauftrags, sondern auch darauf, ob ein-

zelne Worte oder Passagen – ohne Beein-
trächtigung der Erfüllbarkeit des Untersu-

chungsauftrags – unkenntlich gemacht wer-
den müssen, insbesondere weil sie die Identi-

fizierung von Personen ermöglichen würden,

deren Identität zu schützen ist. Die dazu von

der IMK dem Untersuchungsausschuss über-

mittelten Kriterien erhalten die Ermittlungs-

beauftragten zur Kenntnis.

6. Im Rahmen dieser Prüfung geben die Ermitt-

lungsbeauftragten zu den ausgewählten Do-

kumenten der herausgebenden Stelle (dem

Nachrichtendienst des Bundes oder dem Ver-

fassungsschutz eines Landes, von dem das

Dokument ursprünglich stammt), Gelegen-

heit, Vorschläge zu machen, welche einzelnen

Worte oder Passagen unkenntlich gemacht

werden sollten. Die Entscheidung, einzelne

Worte oder Passagen unkenntlich zu machen,

treffen die Ermittlungsbeauftragten. Die

Nachrichtendienste des Bundes und die Ver-

fassungsschutzbehörden der Länder können,

falls sie es für erforderlich halten, weitere

Worte oder Passagen unkenntlich zu machen,

beim Ausschuss einen Antrag auf eine Ent-

scheidung des Ausschusses stellen.

7. Zum Abschluss ihrer Tätigkeit legen die Er-

mittlungsbeauftragten dem Untersuchungs-

ausschuss eine zusammenfassende Übersicht

vor, aus der erkennbar wird, welche Beweis-

mittel sie als für die Erfüllung des Untersu-

chungsauftrags relevant erachtet haben und

bei welchen Beweismitteln sie aus welchen

Gründen diese Notwendigkeit nicht gesehen

haben.

8. Auf die Verpflichtung der Ermittlungsbeauf-

tragten nach § 10 Abs. 3 PUAG, keine öffent-

lichen Erklärungen abzugeben, und auf das

Recht der Ermittlungsbeauftragten nach § 10

Abs. 4 PUAG, in angemessenem Umfang

Hilfskräfte einzusetzen, wird noch einmal

ausdrücklich hingewiesen.

9. Zu Ermittlungsbeauftragten werden bestellt:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof

a. D. Dr. Gerhard Schäfer

Bundesanwalt a. D. Volkhard Wache

Richter am Bundesgerichtshof a. D. Ulrich

Hebenstreit

10. Die Untersuchung des Ermittlungsbeauftrag-

ten Dr. Gerhard Schäfer umfasst die dem

Ausschuss am 28. September 2012 vom In-

nenministerium des Freistaats Thüringen vor-

gelegten Akten (MAT A TH-3/5, Tgb.-Nr.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/14600

75/12 – GEHEIM) Ordner Nr. 1 bis 626. Die
Untersuchung des Ermittlungsbeauftragten

Volkhard Wache umfasst die dem Ausschuss

am 28. September 2012 vom Innenministeri-

um des Freistaats Thüringen vorgelegten Ak-

ten (MAT A TH-3/5, Tgb.-Nr. 75/12 –
GEHEIM) Ordner Nr. 627 bis 990, Ordner

Nr. Gremien 1 bis 97, Ordner Nr. Extr. 1 bis

97, Ordner Nr. GSRE 1 bis 8 sowie auf die

dem Ausschuss am 30. Oktober 2012 vom In-

nenministerium des Freistaats Thüringen vor-

gelegten Akten (MAT A TH-3/8a, Tgb.-Nr.

103/12 – GEHEIM) Ordner Nr. ARE (Aus-
wertung Rechtsextremismus aktuell) 1 bis

153. Die Untersuchung des Ermittlungsbeauf-

tragten Ulrich Hebenstreit umfasst die dem

Ausschuss am 30. Oktober 2012 vom Innen-

ministerium des Freistaats Thüringen vorge-

legten Akten (MAT A TH-3/8a, Tgb.-Nr.

103/12 – GEHEIM) Ordner Nr. GSRE 10,
Ordner Nr. 649 bis 1000 und Ordner Nr. 1001

bis 1259.“

c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Von den Ermittlungsbeauftragten beschäftigt worden

sind:

als Referenten:

– Oberregierungsrat Tim Heerhorst,

– Regierungsrat Alexander Leuxner,

– Rechtsanwältin Dr. Dominique Schimmel,

– Staatsanwalt Dr. Florian Rink,

als Büroleiterin:

– Oberamtsrätin Christa Reuther,

als Sekretärin

– Gabriele Rieger

Regierungsrat Leuxner ist von der Berliner Senatsverwal-

tung für Inneres und Sport, Staatsanwalt Dr. Rink von der

Justiz von Baden-Württemberg zum Deutschen Bundes-

tag abgeordnet worden.

d) Umfang des Aktenmaterials

Insgesamt sind 1 697 Ordner Akten zu sichten gewesen.

Die Unterlagen haben den Ermittlungsbeauftragten in

Papier in der Geheimschutzstelle zu Verfügung gestan-

den. Außerdem sind die Unterlagen in durchsuchbaren

Dateien auf vier besonders abgeschirmte Rechner aufge-

spielt worden.

Von diesen 1 697 Ordnern Akten haben die Ermittlungs-

beauftragten 220 Vorgänge in einem Umfang von 17

Ordnern für untersuchungsrelevant erachtet.

e) Freigabeverfahren

Soweit Unterlagen nicht nur Informationen aus Thüringen

enthalten haben, sind die betroffenen Länder oder der

Bund um Freigabe für eine Vorlage an den Ausschuss

ersucht worden.

Der Freistaat Bayern hat in Person des Ministerialdirigen-

ten Hubertus Andrä aus dem Bayerischen Staatsministeri-

um des Innern die zentrale Koordination der Freigabe von

Verschlusssachen übernommen.

Das Freigabeverfahren ist anfangs schleppend verlaufen,

weil einige der angesprochenen Verfassungsschutzbehör-

den nicht in der Lage gewesen sind, ihre Vorgänge an-

hand von Aktenzeichen aufzufinden. Erst nach einer

Übermittlung der freizugebenden Unterlagen haben diese

Behörden eine Bewertung vornehmen können. Größte

Schwierigkeiten hatte hierbei das Bundesamt für Verfas-

sungsschutz.

Regelmäßig ist es zu Unstimmigkeiten über die Notwen-

digkeit von Schwärzungen gekommen. Insbesondere das

Bundesamt für Verfassungsschutz hat für seine Schwär-

zungsvorschläge den Maßstab einer Veröffentlichung

angelegt, ungeachtet der Tatsache, dass der Einstufungs-

grad GEHEIM bei der Vorlage an den Ausschuss erhalten

bleiben sollte. Es hat anfangs auch verkannt, dass Anga-

ben über Arbeitsweisen und Methoden des Verfassungs-

schutzes sowie die Zusammenarbeit der Verfas-

sungsschutzbehörden untereinander nicht zu Schwärzun-

gen führen durften, sondern zentraler Kern des parlamen-

tarischen Aufklärungsinteresses gewesen sind.

Der Ausschuss hat gegenüber den Verfassungsschutzbe-

hörden in seiner Sitzung vom 14. März 2013 ankündigen

müssen, ein Ersuchen um Freigabe als bewilligt zu erach-

ten, wenn es nicht innerhalb von 14 Tagen beschieden

sei.
243

In der Ausschusssitzung am 21. März 2013 hat der Er-

mittlungsbeauftragte Dr. Gerhard Schäfer die Schwierig-

keiten in dem Freigabeverfahren geschildert: Insgesamt

sei in 140 Fällen über die Koordinierungsstelle in Mün-

chen ein Freigabeersuchen eingeleitet worden. 95 Fälle

beträfen das BfV, 45 Fälle die Länder sowie den MAD.

Die Länder und der MAD hätten insgesamt schnell und

gut geantwortet. Eine Ausnahme gelte für Niedersachsen.

Niedersachsen habe fünf Wochen gebraucht, um festzu-

stellen, dass ein Schriftstück bereits vernichtet worden

sei. Mecklenburg-Vorpommern habe auf eine Anfrage

vom 4. Februar 2013 am 20. Februar 2013 mitgeteilt, dass

die Akten nicht auffindbar seien. Daraufhin sei das

Schriftstück noch einmal gemailt worden. Eine Antwort

liege bisher nicht vor.

Problematisch seien die Antworten des BfV. Die ersten

Ersuchen an die Länder seien per E-Mail unter Angabe

des Aktenzeichens und der Blattzahl herausgegangen.

Daraufhin seien viele Akten nicht gefunden worden. Sein

Team sei daraufhin Ende Februar 2013 dazu übergegan-
243) Protokoll-Nr. 58, S. 9.

Drucksache 17/14600 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gen, die Akten über die Außenstelle des BfV in Treptow

einzuscannen und parallel an die Koordinierungsstelle in

Bayern und das konkret angesprochene Amt zu übersen-

den. Dies habe zu einer Beschleunigung des Verfahrens

beigetragen. Zuletzt sei auch das BfV schneller geworden.

Der vom Freistaat Bayern gestellte Koordinator, Ministe-

rialdirigent Andrä, hat schließlich dafür gesorgt, dass

keine ungenügenden Begründungen für Schwärzungen

mehr gegeben worden sind.
244

f) Aktenvorlage und Berichterstattung an
den Ausschuss

Die Ermittlungsbeauftragten haben die Obleute regelmä-

ßig über die gewonnenen Erkenntnisse auf dem Laufen-

den gehalten. Dem Ausschuss haben die Ermittlungsbe-

auftragten insgesamt 17 Ordner Unterlagen vorgelegt.
245

g) Tätigkeitsbericht

Mit Schreiben vom 23. April 2013 haben die Ermitt-

lungsbeauftragten den Ausschuss über ihre Tätigkeit

abschließend unterrichtet.
246
244) Protokoll-Nr. 61, S. 11 ff.

245) MAT A TH-3/EB01 bis TH-3/EB17.

246) A-Drs. 438.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/14600

D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen

I. Gedenkveranstaltung am Gendarmenmarkt

Um sich von der Bundesregierung über den Stand der

Ermittlungen unterrichten zu lassen, trat das Parlamenta-

rische Kontrollgremium des Bundestages am 15. Novem-

ber 2011 zu einer „informatorischen Anhörung“ zusam-
men. Gegenüber der Presse sagte der Vorsitzende des

Gremiums, Thomas Oppermann, die Bundesregierung

müsse einen „geeigneten Rahmen für eine Trauerveran-
staltung“ finden. „Die Demokratie schuldet den Opfern
Trauer. Wir dürfen die Angehörigen nicht alleine las-

sen.“247

Am 16. November 2011 sprach sich der Vorsitzende der

Türkischen Gemeinde in Deutschland Kenan Kolat für

eine Trauerfeier im Deutschen Bundestag aus. Die Ver-

wandten und Hinterbliebenen erwarteten die Solidarität

der Gesellschaft. Eine zentrale Feier sei notwendig, um

ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
248

Auch die In-

tegrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böh-

mer, sprach sich für eine nationale Trauerfeier aus.
249

Der Vorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Cem

Özdemir regte in einem Schreiben an den damaligen Bun-

despräsidenten Christian Wulff einen Staatsakt an. Es

müsse das Signal gesendet werden, dass Menschen nicht-

deutscher Herkunft „gleicher und gleichberechtigter Teil
unseres Landes sind und dass es kein ‚wir’ und ‚ihr’
gibt“.250 Dieser Forderung schlossen sich Altbundespräsi-
dent Walter Scheel und der frühere Bundesaußenminister

Hans-Dietrich Genscher in einem gemeinsamen Appell

an. Das Land müsse aufgerüttelt werden. „Ein Staatsakt
für die Opfer wäre angemessen. Die deutsche Geschichte

lehrt uns: Wehret den Anfängen.“251

1. Einladung durch die Staatsspitzen und
Schweigeminute

Nach einem Treffen des damaligen Bundespräsidenten

Christian Wulff mit Angehörigen der Mordopfer sowie

Verletzten verständigte sich der Bundespräsident mit

Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesver-

fassungsgericht auf eine gemeinsame Gedenkveranstal-

tung für die Opfer des NSU am 23. Februar 2012 im Kon-
247) Die Welt vom 16. November 2011, „Auf der Suche nach einer

Trauerfeier“.

248) Der Tagesspiegel vom 17. November 2011, „Für eine zentrale
Trauerfeier im Bundestag!“.

249) Kieler Nachrichten vom 18. November 2011, „Maria Böhmer
fordert nationale Trauerfeier“.

250) Die Welt vom 16. November 2011, „Grünen-Chef Özdemir
fordert angemessenen Staatsakt“.

251) Die Welt vom 18. November 2011, „BKA: Geheimdienste und
Polizei enger verzahnen“.

zerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin. Die Einladung

durch alle Verfassungsorgane sollte ein Zeichen des Zu-

sammenhalts und des Einstehens gegen jede Form von

Fremdenfeindlichkeit und Gewalt sein.

Eine Schülergruppe stellte zwölf Kerzen auf die Bühne –
zehn von ihnen standen für die zehn Mordopfer, eine elfte

für die unbekannten Opfer rechtsextremistischer Gewalt,

die zwölfte Kerze symbolisierte die „Hoffnung“. Die
Bundeskanzlerin hielt die zentrale Ansprache. Nach ihr

sprach zunächst die Tochter von Enver Şimşek, Frau
Semiya Şimşek. Ihr folgte die Tochter von Mehmet
Kubaşik, Frau Gamze Kubaşık. Den Schluss machte der
Vater von Halit Yozgat, Herr İsmail Yozgat.

Für zwölf Uhr mittags wurden die Bürgerinnen und Bür-

ger der Bundesrepublik Deutschland zur Teilnahme an

einer Schweigeminute aufgerufen.

2. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel

„Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident, sehr ge-
ehrter Herr Bundestagspräsident, sehr geehrter

Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts,

Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren,

ganz besonders aber: liebe Familien, die Sie einen

Angehörigen verloren haben oder selbst einen An-

schlag erleben mussten,

ich danke Ihnen, dass Sie heute zu dieser Gedenk-

veranstaltung gekommen sind.

Auf dem Podest links neben mir brennen Kerzen.

Es sind Kerzen für Menschen – für Menschen, de-
ren Leben ausgelöscht wurde, ausgelöscht durch

kaltblütigen Mord.

Enver Şimşek. Er wurde 38 Jahre alt und hatte sich,
seiner Frau und seinen beiden Kindern in Nürn-

berg den Traum vom eigenen Blumenhandel er-

füllt.

Abdurrahim Özüdoğru. Er half häufiger in einer
Änderungsschneiderei in Nürnberg aus. Dort tra-

fen ihn die tödlichen Schüsse. Er wurde 49 Jahre

alt und hinterlässt eine Tochter.

Süleyman Taşköprü. Er betrieb in Hamburg einen
Gemüsemarkt. Als er im Alter von 31 Jahren starb,

war seine Tochter gerade einmal drei Jahre alt.

Habil Kılıç. Wenige Monate vor seinem gewalt-
samen Tod im Alter von 38 Jahren hatte er in

München zusammen mit seiner Frau ein Lebens-

mittelgeschäft eröffnet. Die beiden haben eine

Tochter.

Drucksache 17/14600 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mehmet Turgut. Der 25-Jährige war gerade aus

Anatolien nach Rostock gekommen. Hoffnungen

und Träume begleiteten ihn. Er hatte keine Chan-

ce, sie zu verwirklichen.

İsmail Yaşar. Vor allem die Schulkinder der Nürn-
berger Nachbarschaft kamen häufig und gerne zum

Imbiss des Familienvaters. Er wurde 50 Jahre alt

und hinterlässt drei Kinder.

Theodoros Boulgarides. Der 41-jährige Vater von

zwei Kindern lebte in München und glaubte als

Geschäftsmann an seine Zukunft in Deutschland.

Mehmet Kubaşik. Er war mit seiner Frau nach
Deutschland gekommen, hatte mit ihr in Dortmund

einen Kiosk eröffnet und sich so eine Existenz

aufgebaut – für seine Tochter und die beiden jün-
geren Söhne. Er wurde 39 Jahre alt.

Halit Yozgat. Der 21-Jährige betrieb in seiner

Heimatstadt Kassel ein Internetcafé – bis die Mör-
der sein junges Leben auslöschten.

Michèle Kiesewetter. Die Polizistin zog für ihre

Polizeiausbildung von Thüringen nach Baden-

Württemberg. Sie war gerade einmal 22 Jahre alt,

als sie in Heilbronn in ihrem Dienstwagen ermor-

det wurde. Ihr neben ihr sitzender Kollege überleb-

te die Schüsse der Täter schwer verletzt.

Zehn brennende Kerzen – zehn ausgelöschte Le-
ben. Ihrer gedenken wir heute. Zehn Kerzen – sie
stehen für eine Mordserie in Deutschland von 2000

bis 2006, deren Täter bis 2011 und damit also über

mehr als zehn Jahre unentdeckt blieben – mitten
unter uns; beispiellos für unser Land.

Bevor wir die alles überragenden Fragen ‚Wie
konnte das geschehen?’, ‚Warum sind wir nicht
früher aufmerksam geworden?’, ‚Warum konnten
wir das nicht verhindern?’ beantworten, bitte ich
darum, dass wir schweigen. Schweigen, so wie

heute um 12 Uhr Beschäftigte im ganzen Land

schweigen werden. Gewerkschaften und Arbeitge-

ber haben das vereinbart.

Ich danke Ihnen.

Mit diesem Schweigen ehren wir die Opfer der

Mordserie einer Terrorgruppe, die ihren Kern seit

Ende der 90er Jahre in Thüringen hatte und die

sich den Namen ‚Nationalsozialistischer Unter-
grund’ gab. Wir ehren die Opfer dieser Terror-
gruppe; und wir erinnern gleichzeitig auch an die

Opfer weiterer schrecklicher Taten. Denken wir an

die Sprengstoff-Anschläge in Köln am 19. Januar

2001 und am 9. Juni 2004. Dabei wurden viele

Menschen verletzt. Einige von ihnen sind heute

unter uns. Dafür danke ich ihnen. Viele von ihnen

haben äußerliche Narben davongetragen. Wie sehr

die seelischen Wunden schmerzen, das können wir

nur ahnen.

Manchmal rütteln uns Berichte über skrupellose

rechtsextremistische Gewalttäter auf. Für einige

Tage bestimmen sie die Schlagzeilen der Nach-

richten. Manchmal bleibt auch der Name einer

Stadt als Tatort im Gedächtnis. Doch oft genug

nehmen wir solche Vorfälle eher nur als Randnotiz

wahr. Wir vergessen zu schnell – viel zu schnell.
Wir verdrängen, was mitten unter uns geschieht;

vielleicht, weil wir zu beschäftigt sind mit ande-

rem; vielleicht auch, weil wir uns ohnmächtig füh-

len gegenüber dem, was um uns geschieht.

Oder auch aus Gleichgültigkeit? Gleichgültigkeit –
sie hat eine schleichende, aber verheerende Wir-

kung. Sie treibt Risse mitten durch unsere Gesell-

schaft. Gleichgültigkeit hinterlässt auch die Opfer

ohne Namen, ohne Gesicht, ohne Geschichte.

Deshalb setzen wir hier ein Zeichen. Mit einer elf-

ten Kerze auf dem Podest. Sie haben wir entzündet

für alle bekannten wie unbekannten Opfer rechts-

extremistischer Gewalt. Auch ihnen ist diese Ge-

denkveranstaltung gewidmet. Zu jedem dieser

Menschen gehören eine Familie, Freunde und Be-

kannte. Ihr Leid, ihre Sorgen sind kaum zu ermes-

sen.

Die Menschenverachtung der rechtsextremisti-

schen Mörder ist letztlich unbegreiflich. Und doch

müssen wir versuchen zu ergründen, wie und

durch wen sie so geworden sind, wie sie geworden

sind. Wir müssen alles tun, damit nicht auch ande-

re junge Männer und Frauen zu solcher Men-

schenverachtung heranwachsen. Das sind wir den

Opfern, das sind wir ihren Angehörigen, das sind

wir uns allen schuldig.

Viele Hinterbliebene sind heute unter uns. Ich

weiß, wie schwer ihnen das gefallen ist. Sie haben

mir vorhin von ihrem großen Schmerz erzählt. Sie

haben mir erzählt, wie allein gelassen sie sich ge-

fühlt haben. Umso dankbarer bin ich, dass wir heu-

te gemeinsam hier sein können. Ich danke auch

den Angehörigen, die nachher ebenfalls das Wort

an uns richten werden: Herrn İsmail Yozgat,
Semiya Şimşek und Gamze Kubaşik.

Die meisten von ihnen blieben allein in ihrer Not.

Denn die Hintergründe der Taten lagen im Dun-

keln – viel zu lange. Das ist die bittere Wahrheit.
Nur wenige hierzulande hielten es für möglich,

dass rechtsextremistische Terroristen hinter den

Morden stehen könnten, nachdem bislang für ty-

pisch gehaltene Verhaltensmuster von Terroristen,

wie zum Beispiel Bekennerschreiben, nicht vorla-

gen. Das führte stattdessen zur Suche nach Spuren

im Mafia- und Drogenmilieu oder gar im Fami-

lienkreis der Opfer. Einige Angehörige standen

jahrelang selbst zu Unrecht unter Verdacht. Das ist

besonders beklemmend. Dafür bitte ich sie um

Verzeihung.

Nicht nur vergingen Jahre, ohne zumindest Fort-

schritte bei der Aufklärung der Taten zu erzielen.

Nein, diese Jahre müssen für Sie, liebe Angehöri-

ge, ein nicht enden wollender Albtraum gewesen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/14600

sein. In einem der Gespräche, die Altbundespräsi-

dent Wulff mit Hinterbliebenen geführt hat, fiel der

Satz – ich zitiere: ‚Wir wollten einfach nur wie
normale Menschen behandelt werden.’ Wie nor-
male Menschen – diese drei Worte zeigen ihre
ganze Verzweiflung. Wie schlimm muss es sein,

über Jahre falschen Verdächtigungen ausgesetzt zu

sein, statt trauern zu können?! Welche Qual ist es,

wenn Nachbarn und Freunde sich abwenden, wenn

sogar nächste Angehörige zweifeln?! Und wie

wird man fertig mit der Skepsis, ob die Sicher-

heitsbehörden wirklich alles Menschenmögliche

tun, um den Mord an dem Nächsten aufzuklären?!

Liebe Hinterbliebene, niemand kann Ihnen den

Ehemann, den Vater, den Sohn oder die Tochter

zurückbringen. Niemand kann die Jahre der Trauer

und der Verlassenheit auslöschen. Niemand kann

den Schmerz, den Zorn und die Zweifel ungesche-

hen machen. Aber wir alle können Ihnen heute

zeigen: Sie stehen nicht länger allein mit Ihrer

Trauer. Wir fühlen mit Ihnen. Wir trauern mit Ih-

nen.

Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-

land verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die

Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hin-

termänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerech-

ten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zustän-

digen Behörden in Bund und Ländern mit Hoch-

druck. Das ist wichtig genug, es würde aber noch

nicht reichen. Denn es geht auch darum, alles in

den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende

zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann.

Inzwischen wurde eine Bund-Länder-Kommission

zur Aufarbeitung des Rechtsterrorismus eingerich-

tet. Zudem haben im Landtag von Thüringen und

im Deutschen Bundestag Untersuchungsausschüs-

se ihre Arbeit aufgenommen. Erste Weichen für

eine bessere Zusammenarbeit zwischen Verfas-

sungsschutz und Polizei sowie zwischen den Lan-

des- und Bundesbehörden sind gestellt.

Wir tun dies, weil wir nicht hinnehmen, dass Men-

schen Hass, Verachtung und Gewalt ausgesetzt

werden. Wir tun dies, weil wir entschieden gegen

jene vorgehen, die andere wegen ihrer Herkunft,

Hautfarbe, Religion verfolgen. Überall dort, wo an

den Grundfesten der Menschlichkeit gerüttelt wird,

ist Toleranz fehl am Platz. Toleranz richtete sich

selbst zugrunde, wenn sie sich nicht vor Intoleranz

schützte.

‚Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller

staatlichen Gewalt.’ – So beginnt unser Grundge-
setz. Das war die Antwort auf zwölf Jahre Natio-

nalsozialismus in Deutschland, auf unsägliche

Menschenverachtung und Barbarei, auf den Zivili-

sationsbruch durch die Shoah. ‚Die Würde des
Menschen ist unantastbar.’ – Das ist das Funda-
ment des Zusammenlebens in unserem Land, der

freiheitlich-demokratischen Grundordnung der

Bundesrepublik Deutschland.

Wann immer Menschen in unserem Land ausge-

grenzt, bedroht, verfolgt werden, verletzt das die

Fundamente dieser freiheitlich-demokratischen

Grundordnung, verletzt es die Werte unseres

Grundgesetzes. Deshalb waren die Morde der Thü-

ringer Terrorzelle auch ein Anschlag auf unser

Land. Sie sind eine Schande für unser Land.

Zu meiner Arbeit als Bundeskanzlerin gehört es,

dass ich mir Videos von Tätern, zum Beispiel bei

Geiselnahmen, gelegentlich persönlich anschaue.

Ich habe mir auch das Video angeschaut, das jetzt

im Zuge der Ermittlungen gegen die Thüringer

Terrorzelle entdeckt wurde. Es ist mit Elementen

der bekannten Zeichentrickfilmserie mit dem rosa-

roten Panther gestaltet worden. In diesem Video

prahlen seine Macher mit den Morden und ver-

höhnen die Opfer. Etwas Menschenverachtende-

res, Perfideres, Infameres – sofern es solche Stei-
gerungsformen überhaupt gibt – habe ich in meiner
Arbeit noch nicht gesehen.

Ich habe mich gefragt: Wie kommen Menschen

dazu, so etwas zu denken und zu tun? Wer oder

was prägt extremistische Täter? Wie kann es sein,

dass solche Täter immer wieder Helfershelfer und

Anhänger finden? Wie schützen wir Menschen vor

Anfeindung und Bedrohung am besten?

Wir müssen uns eingestehen, dass wir dabei zum

Teil scheitern. Wir müssen uns eingestehen, dass

manchmal gerade dort, wo die Arbeitslosigkeit

hoch und die Abwanderung stark ist, oft auch die

vertrauten Strukturen der Jugendarbeit verloren

gehen, das Freizeitangebot schwindet – und die
Feinde unserer Demokratie das zu nutzen wissen.

Es ist ein schlimmer Zustand erreicht, wenn Neo-

nazis junge Menschen mit Kameradschaftsabenden

einfangen können, weil niemand sonst sich um

diese Jugendlichen kümmert. Es darf uns nicht ru-

hen lassen, wenn eine verfassungsfeindliche und

rechtsextremistische Partei junge Familien mit

Spielen und Festen ködern kann, weil andere das

nicht bieten.

Der Staat ist hier mit seiner ganzen Kraft gefor-

dert. Doch mit staatlichen Mitteln allein lassen

sich Hass und Gewalt kaum besiegen. Die Sicher-

heitsbehörden benötigen Partner: Bürgerinnen und

Bürger, die nicht wegsehen, sondern hinsehen –
eine starke Zivilgesellschaft. Diese lässt sich nicht

verordnen. Sie beruht darauf, dass sich jeder mit-

verantwortlich für das Ganze fühlt, dass jeder sei-

nen persönlichen Beitrag zu einem friedlichen Zu-

sammenleben leistet. Zivilgesellschaft wächst in

den Familien. Bereits in frühen Jahren erlernen

Kinder die Grundlagen eines verantwortungsbe-

wussten Miteinanders. Sie wächst in Freundes-

und Bekanntenkreisen. Sie wächst in Schulen,

Vereinen und im beruflichen Umfeld.

Drucksache 17/14600 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ich sehe auch viele ermutigende Zeichen, viele

Menschen, die sich für ein friedliches Miteinander

engagieren – zum Beispiel in Dresden, wo vor we-
nigen Tagen Tausende Bürgerinnen und Bürger

des Jahrestages der Bombardierung der Stadt ge-

dachten und sich dabei die Hände reichten. Mit

dieser Geste boten sie den Neonazis Einhalt, die

dieses Gedenken missbrauchen wollten. Tagtäglich

setzen zahlreiche kleine und größere Initiativen in

unserem Land Zeichen gegen Hass und Gewalt.

Ins Leben gerufen wurden sie von couragierten,

mutigen Menschen. Einige von ihnen sitzen hier

unter uns. Ich danke Ihnen stellvertretend für viele

andere in unserem Land. Ich danke den Stiftungen,

den Medien, den Lehrern und Geistlichen, den Un-

ternehmern, den Vertretern von Verbänden und

Vereinen, die alle mit ihren Möglichkeiten für ein

gedeihliches Miteinander werben und gegen Hass

und Gewalt eintreten.

Der Kampf gegen Vorurteile, Verachtung und

Ausgrenzung muss täglich geführt werden – in El-
ternhäusern, in der Nachbarschaft, in Schulen,

Kultur- und Freizeiteinrichtungen, in religiösen

Gemeinden, in Betrieben. Überall sollten wir ein

feines Gehör und Gespür für die kleinen Bemer-

kungen, die hingeworfenen Sätze entwickeln. So

manche Bemerkung nimmt man schnell mal auf

die leichte Schulter – nach dem Motto: Der oder
die meint das doch nicht so ernst.

Doch Intoleranz und Rassismus äußern sich kei-

neswegs erst in Gewalt. Gefährlich sind nicht nur

Extremisten. Gefährlich sind auch diejenigen, die

Vorurteile schüren, die ein Klima der Verachtung

erzeugen. Wie wichtig sind daher Sensibilität und

ein waches Bewusstsein dafür, wann Ausgrenzung,

wann Abwertung beginnt. Gleichgültigkeit und

Unachtsamkeit stehen oft am Anfang eines Prozes-

ses der schleichenden Verrohung des Geistes. Aus

Worten können Taten werden.

Der irische Denker Edmund Burke hat einmal ge-

sagt – ich zitiere: ‚Für den Triumph des Bösen
reicht es, wenn die Guten nichts tun.’ Ja, Demo-
kratie lebt vom Hinsehen, vom Mitmachen. Sie

lebt davon, dass wir alle für sie einstehen, Tag für

Tag und jeder an seinem Platz. Demokratie zu le-

ben mutet uns zu, Verantwortung zu übernehmen

für ein Zusammenleben in Freiheit – und damit für
ein Leben in Vielfalt. Gelingt dies, kann Vielfalt

ihren Reichtum zum Besten aller entfalten.

Deutschland hat diese Erfahrung in seiner Ge-

schichte immer wieder gemacht. Denn es ist auch

eine Geschichte der Auswanderung und der Zu-

wanderung. So wurden Brücken in alle Welt ge-

schlagen. Seinen Wohlstand verdankt Deutschland

zu einem guten Teil seiner Weltoffenheit und sei-

ner Neugier auf andere. Wir leben hierzulande von

Verschiedenheit, von den unterschiedlichsten Le-

benswegen. Deutschland – das sind wir alle; wir
alle, die in diesem Land leben; woher auch immer

wir kommen, wie wir aussehen, woran wir glau-

ben, ob wir stark oder schwach sind, gesund oder

krank, mit oder ohne Behinderung, alt oder jung.

Wir sind ein Land, eine Gesellschaft. Auch die, die

zu uns aus vielen Ländern dieser Welt kommen,

sind nicht einfach die Zuwanderer. Auch sie sind

vielfältig und unterschiedlich. Wir alle gemeinsam

prägen das Gesicht Deutschlands, unsere Identität

in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts –
getragen von unserem Grundgesetz und seinen

Werten, unserer freiheitlich-demokratischen

Grundordnung, formuliert in unserer Sprache.

Gemeinsam verteidigen wir alle, die wir uns zu

diesen Werten bekennen, die in unserer Verfas-

sung zu Beginn festgeschriebene unantastbare

Würde des Menschen.

Das ist die Botschaft der zwölften Kerze auf dem

Podest. Sie ist das Symbol unserer gemeinsamen

Hoffnung und Zuversicht für eine gute Zukunft.

Lassen Sie uns alle gemeinsam, jeder an seinem

Platz und nach seinen Möglichkeiten, für diese

Hoffnung und diese Zuversicht leben – zum Wohle
unseres Landes und seiner Menschen.“

3. Rede von Semiya Şimşek

„Hörst du das? Die Glöckchen. Das sind die
Schäfchen, die jetzt aus den Bergen runter ins Tal

kommen. Das tun sie immer in der Nacht. Mein

Papa erzählte gerne von sich und von seinen

Träumen. Ich liebte es, ihm zuzuhören. Er saß in

dieser warmen Sommernacht in unserem Garten in

der Türkei und aß Kirschen. Ich setzte mich zu

ihm und fragte ihn: Kannst du nicht schlafen?

Doch, Semiya, sagte er, ich möchte etwas hören.

Und so lauschten wir zusammen dem Klang der

Glöckchen der Schafe. Ich spürte, wie glücklich

mein Vater in diesem Moment war.

Ein Jahr später war mein Vater tot. Am 9. Septem-

ber 2000 wurde auf meinen Vater Enver Şimşek
geschossen. Er starb zwei Tage später im Kran-

kenhaus. Der erste Mord. Wir sollten keinen weite-

ren gemeinsamen Sommer mehr haben. Von einem

Tag auf den anderen änderte sich für uns alles, für

mich alles. Das alte Leben gab es nicht mehr. Mein

Vater war tot. Er wurde nur 38 Jahre alt. Ich finde

keine Worte dafür, wie unendlich traurig wir wa-

ren. Doch in Ruhe Abschied nehmen und trauern,

das konnten wir nicht.

Die Familien, für die ich hier heute spreche, wis-

sen, wovon ich rede. Elf Jahre durften wir nicht

einmal reinen Gewissens Opfer sein.

Immer lag da die Last über unserem Leben, dass

vielleicht doch irgendwer aus meiner Familie, aus

unserer Familie verantwortlich sein könnte für den

Tod meines Vaters. Und auch den anderen Ver-

dacht gab es noch: Mein Vater ein Krimineller, ein

Drogenhändler. Können Sie erahnen, wie es sich

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/14600

für meine Mutter angefühlt hat, plötzlich selbst ins

Visier der Ermittlungen genommen zu werden?

Und können Sie erahnen, wie es sich für mich als

Kind angefühlt hat, sowohl meinen toten Vater als

auch meine schon ohnehin betroffene Mutter unter

Verdacht zu sehen? Dass all diese Vorwürfe aus

der Luft gegriffen waren und völlig haltlos waren,

das wissen wir heute. Mein Vater wurde von Neo-

nazis ermordet. Soll mich diese Erkenntnis nun be-

ruhigen? Das Gegenteil ist der Fall. In diesem

Land geboren, aufgewachsen und fest verwurzelt,

habe ich mir über Integration noch nie Gedanken

gemacht. Heute stehe ich hier, trauere nicht nur um

meinen Vater und quäle mich auch mit der Frage:

Bin ich in Deutschland zu Hause? Ja klar bin ich

das. Aber wie soll ich mir dessen noch gewiss sein,

wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben

wollen. Und die zu Mördern werden, nur weil

meine Eltern aus einem fremden Land stammen?

Soll ich gehen? Nein, das kann keine Lösung sein.

Oder soll ich mich damit trösten, dass wahrschein-

lich nur Einzelne zu solchen Taten bereit sind?

Auch das kann keine Lösung sein.

In unserem Land, in meinem Land muss sich jeder

frei entfalten können. Unabhängig von Nationali-

tät, Migrationshintergrund, Hautfarbe, Religion,

Behinderung, Geschlecht oder sexueller Orientie-

rung. Lasst uns nicht die Augen verschließen und

so tun, als hätten wir dieses Ziel schon erreicht.

Meine Damen und Herren, die Politik, die Justiz,

jeder Einzelne von uns ist gefordert. Ich habe mei-

nen Vater verloren, wir haben unsere Familienan-

gehörigen verloren. Lasst uns verhindern, dass das

auch anderen Familien passiert. Wir alle gemein-

sam zusammen, nur das kann die Lösung sein.“

4. Rede von Gamze Kubaşık

„Ja, nur das kann die Lösung sein. Der türkische
Dichter Nâzım Hikmet hat ein Gedicht geschrie-
ben. Es drückte aus, wie wir alle empfinden und

wie wir gemeinsam leben wollen. Nâzım Hikmet
benutzte das Bild des Waldes und der Bäume. So

wollen wir auch leben, auf der Suche nach Einheit

in der Vielfalt. Zum Abschluss dieser Gedenkfeier

werden wir die Kerze der Hoffnung hinaustragen.

Sie steht für die Hoffnung auf eine Zukunft, die

von mehr Zusammenhalt geprägt ist.

Das Gedicht heißt ‚Leben’: Leben wie ein Baum,
einzeln und frei und brüderlich wie ein Wald. Das

ist unsere Sehnsucht.“

5. Rede von İsmail Yozgat

„Meine Damen und Herren, Exzellenzen, ich
möchte Sie alle herzlich begrüßen, vor allen Din-

gen unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ich

bin der Herr İsmail Yozgat. Mein Sohn starb in
meinen Armen am 6. April 2006 in dem Internet-

cafe, wo er erschossen wurde.

Ich möchte mich von ganzem Herzen bedanken bei

Herrn Altbundespräsident Christian Wulff. Wir

sind seine Gäste. Wir bewundern ihn, und ich

möchte mich bei allen bedanken, die diese Ge-

denkveranstaltung für uns gemeinsam ausrichten.

Und ich möchte mich herzlich bedanken bei mei-

ner Heimatstadt Kassel-Baunatal.

Ich habe Anschreiben bekommen von der Om-

budsfrau Frau Barbara John. Ich möchte mich

herzlich bei ihr bedanken. Unter anderem ist uns

materielle Entschädigung angeboten worden. Ich

möchte mich herzlich dafür bedanken, möchte aber

sagen, dass wir das nicht annehmen möchten.

Meine Familie möchte seelischen Beistand, keine

materielle Entschädigung. Wir haben anstelle des-

sen drei Wünsche:

Unser erster Wunsch ist, dass die Mörder gefasst

werden, dass die Helfershelfer und die Hintermän-

ner aufgedeckt werden. Das ist unser größter

Wunsch und unser Glaube. Und unser Vertrauen in

die deutsche Justiz ist groß.

Unser zweiter Wunsch ist, dass die Holländische

Straße – unser Sohn Halit Yozgat ist in der Hollän-
dische Straße 82 geboren worden, und er ist dort in

dem Ladengeschäft umgebracht worden – dass
diese Straße nach ihm benannt wird: Halit-Straße.

Unser dritter Wunsch ist, dass im Namen der zehn

Toten, im Angedenken an sie ein Preis ausgelobt

wird. Wir möchten gerne, unsere Familie, eine

Stiftung gründen und sämtliche Einnahmen spen-

den für Menschen, die krebskrank sind. Ich möchte

mich herzlich bedanken für die Gedenkveranstal-

tung und möchte Sie herzlich und mit höchster

Anerkennung grüßen.“

II. Ombudsfrau der Bundesregierung Prof.
Barbara John

Kontakt zu den Opfern der dem NSU zugerechneten

Straftaten und deren Angehörigen hat der Ausschuss über

die Ombudsfrau der Bundesregierung Prof. Barbara John

gehalten. Der Ausschuss hat sie am 8. März 2012 in öf-

fentlicher Sitzung angehört.
252

Frau Prof. John hat darauf hingewiesen, dass bisher nur

für die ermordete Polizeibeamtin in Heilbronn eine Ge-

denktafel errichtet worden sei. Der Vorsitzende, der stell-

vertretende Vorsitzende und die Obleute haben in einem

gemeinsamen Schreiben an die Oberbürgermeister bzw.

Bürgermeister der Städte, in denen die Morde verübt

worden seien, angeregt, Gedenktafeln für die Opfer zu

errichten.
253
252) Protokoll-Nr. 6.

253) Protokoll-Nr. 7, S. 10 f.

Drucksache 17/14600 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

III. Kontakte mit türkischen Parlamentariern
und Regierungsmitgliedern

Wegen der großen Resonanz des Bekanntwerdens des

rechtterroristischen Hintergrundes der Mordserie in der

Türkei hat der Untersuchungsausschuss Kontakte mit

türkischen Parlamentariern und Regierungsvertretern

gehalten.

1. Besuche von Mitgliedern der Großen Tür-
kischen Nationalversammlung

Anlässlich ihrer Teilnahme an der Gedenkveranstaltung

für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt (siehe oben: I,

S. 59) haben vier Mitglieder des Ausschusses für Men-

schenrechte der Großen Nationalversammlung der Türkei

unter der Leitung von Abgeordneter Ayhan Sefer Üstün

das Gespräch mit den Mitgliedern des 2. Untersuchungs-

ausschusses gesucht. Das Gespräch fand am 22. Februar

2012 in Begleitung von Botschafter Hüseyin Avni

Karslıoğlu in Berlin statt. Weitere Teilnehmer waren die
Abgeordneten Nevzat Pakdil, Mustafa Erdem, Ecder

Özdemir.

Die Delegation hat zum Ausdruck gebracht, dass das

Bekanntwerden des rassistischen Hintergrundes der

Mordserie an überwiegend türkischstämmigen Mitbürgern

in der Türkei zu großer Entrüstung und Enttäuschung

geführt habe. Fast jeder Bürger der Türkei habe eine Be-

ziehung zu Deutschland. Die Mordserie habe den Prozess

der Integration türkischstämmiger Bürger in Deutschland

in Frage gestellt. Nun bestehe die Erwartung, dass die

Hintergründe restlos aufgeklärt würden. Auf dem Unter-

suchungsausschuss laste eine große Verantwortung. Von

der Aufklärung hänge ab, ob die Beziehungen zwischen

Deutschland und der Türkei wieder gut werden könnten.

Die Delegation hat die Mitglieder des Untersuchungsaus-

schusses gebeten, nach Abschluss der Untersuchung in

die Türkei zu kommen, um über die Ergebnisse der Un-

tersuchung zu berichten. Interesse hat die Delegation an

der Übersetzung des Abschlussberichts in die türkische

Sprache bekundet.

Im Rahmen des Gästeprogrammes der Bundesrepublik

Deutschland ist es 9. Mai 2012 zu einem zweiten Ge-

spräch der Ausschussmitglieder mit türkischen Parlamen-

tariern gekommen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer

waren die Abgeordneten Tunca Toskay, Çigdem Münev-

ver Ökten, Nazmi Gür Safak Pavey, der stellvertretende

Leiter des Amtes für Auslandstürken Dr. Gürsel Dönmez

sowie zwei türkische Journalisten.

Am 17. April 2013 sollte vor dem Oberlandesgericht

München die Hauptverhandlung in dem Verfahren gegen

Beate Zschäpe und andere beginnen. Beim Prozessauftakt

wollten Abgeordneter Ayhan Sefer Üstün und Botschafter

Hüseyin Avni Karslıoğlu anwesend sein. Wegen Mängeln
im Akkreditierungsverfahren für Journalisten ist der Be-

ginn der Hauptverhandlung auf den 6. Mai 2013 verscho-

ben worden. In diesem Zusammenhang reiste eine Dele-

gation des Auswärtigen Ausschusses der Großen Natio-

nalversammlung der Türkei nach Berlin. Am 18. April

2013 haben sich die Vorsitzenden Sebastian Edathy und

Stephan Stracke mit der türkischen Delegation getroffen.

Die Delegation und der Botschafter haben im Anschluss

die Beweisaufnahme durch den Ausschuss mitverfolgt.
254

2. Reisen in die Türkei

Ausschussvorsitzender Sebastian Edathy führte an zwei

Tagen im November 2012 erste Gespräche mit Mitglie-

dern des Türkischen Parlaments und der Türkischen Re-

gierung in Ankara.

Am 14. und 15. Februar 2013 reisten der Vorsitzende

Edathy, der stellvertretende Vorsitzende Stephan Stracke

sowie die Obleute Clemens Binninger, Hartfrid Wolff,

Vizepräsidentin Petra Pau und Wolfgang Wieland in die

türkische Hauptstadt.

a) Gespräch mit dem Justizminister, Herrn
Sadullah Ergin

Der Minister würdigte die Arbeit des Untersuchungsaus-

schusses. Sie sei für Deutschland als Demokratie sehr

wichtig. In der Türkei habe man erlebt, wie sich ein Staat

der demokratischen Kontrolle durch das Parlament ent-

ziehen könne.

Das Wichtigste an der Arbeit des Ausschusses sei, das

verloren gegangene Vertrauen in den Staat wiederherzu-

stellen. Die Arbeit des Ausschusses sei sicherlich sehr

schwierig, weil der Ausschuss nicht nur Meinungen for-

mulieren könne, sondern Beweise sammeln müsse. Im

Ergebnis könne der Ausschuss friedensstiftend wirken.

Das Ausland verfolge wachsam, wie Deutschland mit

dem Skandal umgehe. Der Minister verglich die Morde

des NSU mit den Morden an dem Journalisten Hrant Dink

am 19. Januar 2007 in Istanbul sowie an christlichen

Missionaren am 18. April 2007 in Malatya.

Die Delegation erläuterte den Auftrag des Untersu-

chungsausschusses, den Stand der gewonnenen Erkennt-

nisse und den weiteren Zeitplan. Der Ausschuss treffe alle

Entscheidungen einstimmig. Ziel des Ausschusses sei es,

durch schonungslose Aufklärung verloren gegangenes

Vertrauen wiederherzustellen. Die Aufklärung sei auch

den Opfern und ihren Angehörigen geschuldet.

Ein Befund sei, dass die Polizei in Deutschland nicht

mehr auf der „Höhe der Zeit“ einer Einwanderungsgesell-
schaft sei. Es gebe die Forderung, mehr türkisch-

stämmige Polizeibeamte einzustellen, um interkulturelle

Kompetenz zu fördern und Vorurteile abzubauen. Der

Ausschuss wolle Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit

der Sicherheitsarchitektur machen. Es müsse eine die

Gesellschaft betreffende Präventionskultur geschaffen

werden. Dazu gehöre neben der Verbesserung der Ausbil-

dung von Polizei und Justiz auch zivilgesellschaftliches

Engagement.
254) Protokoll-Nr. 65, S. 1.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/14600

b) Gespräch mit dem Stellvertretenden Minis-
terpräsidenten, Herrn Bekir Bozdağ

Der stellvertretende Ministerpräsident bedankte sich beim

Deutschen Bundestag und bei den Mitgliedern des Aus-

schusses für die Aufklärungsarbeit. Besonders wichtig sei,

dass alle politischen Parteien an einem Strang zögen. Er

drückte seine Wertschätzung gegenüber der Bundeskanz-

lerin aus. Ihre Regierung habe sich um die Familien ge-

kümmert.

Angesichts der vielen gemachten Fehler bei den Ermitt-

lungen frage er sich, ob dies nur Unfähigkeit oder auch

Absicht gewesen sei. Der Ausschuss müsse auch untersu-

chen, ob in den Ermittlungen die falschen Fragen gestellt

oder die Ermittlungen bewusst behindert worden seien.

Noch wichtiger als die strafrechtlichen Ermittlungen

gegen Frau Zschäpe und andere sei, dass alle politischen

Repräsentanten solche und ähnliche Taten gemeinsam

verurteilten. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

von Politik, Justiz, Medien und Organisationen klarzustel-

len, dass Migranten keine Feinde seien. Die Aufklärungs-

arbeit des Ausschusses könne einen großen Beitrag dazu

leisten, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit zu bekämp-

fen.

Er zeigte sich besonders interessiert an den Vorschlägen

des Ausschusses zur Reform der Sicherheitsbehörden in

Deutschland.

Die Delegation teilte mit, der Ausschuss habe sich durch

seine Unabhängigkeit und Geschlossenheit Autorität in

Deutschland erarbeiten können. Er gehe allen Vorwürfen

und Vermutungen nach, insbesondere dem Verdacht,

staatliche Stellen hätten die Ermittlungen behindert oder

in die falsche Richtung gelenkt. Die Ernsthaftigkeit der

Ausschussarbeit zeige sich daran, dass der Ausschuss

habe durchsetzen können, auch geheimste Unterlagen der

Sicherheitsbehörden einsehen zu können. Die Bundesre-

gierung unterstütze dieses Bemühen als Zeichen des Wil-

lens zur Aufklärung.

Der Ausschuss habe in den Ermittlungsverfahren zur

Mordserie Fehler, Unstimmigkeiten und Unzulänglichkei-

ten finden können. Für absichtsvolles Vorgehen gebe es

bislang aber keinerlei Anhaltspunkte. Bis zum Ende der

Arbeit werde der Ausschuss mit Akribie allen Hinweisen

und neuen Fragen nachgehen und am Ende seine Ergeb-

nisse mit Fakten belegen.

Neben der Aufklärungsarbeit des Bundestagsausschusses

gebe es in drei Landtagen Untersuchungen, der General-

bundesanwalt ermittle gegen Frau Zschäpe und deren

Umfeld. Außerdem gebe es eine Expertenkommission.

Schon jetzt habe die Aufklärung zu Konsequenzen ge-

führt. Einige Verfassungsschutzpräsidenten seien zurück-

getreten. Es habe Disziplinarverfahren gegen Beamte

gegeben. Es sei ein gemeinsames Zentrum der Sicher-

heitsbehörden gegen Rechtsextremismus eingerichtet

worden.

Auf der Grundlage der Aufklärung würden weitere Kon-

sequenzen zu ziehen sein. Im Ausschuss gebe es den

Willen, dass zukünftig bei schweren Straftaten zum Nach-

teil von Migranten ein rechtsextremistischer Hintergrund

geprüft werden müsse. Der Opferschutz müsse verbessert

werden. Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichten-

dienste müsse gestärkt werden. Der Ausschuss trete dafür

ein, mehr türkischstämmige Polizisten zu gewinnen. Es

müsse für türkischstämmige Mitbürger normal sein, in

den deutschen Staatsdienst zu treten, ohne dies als Verrat

an ihrer Herkunft zu sehen. Die Polizei bekomme durch

türkischstämmige Mitarbeiter eine „breitere Sicht“. Dies
helfe gegen Islamophobie.

c) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Men-
schenrechtsausschusses, Herrn Ayhan
Sefer Üstün und weiteren Ausschussmit-
gliedern

Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses lobte

die Ausschussarbeit. Nur durch eine lückenlose Untersu-

chung könne die Wiederholung der Taten verhindert wer-

den. In der Untersuchung gehe es auch um ein Wiederher-

stellen der Gerechtigkeit. Die Aufklärung sei für das An-

sehen Deutschlands in der Welt von Bedeutung. Aner-

kennend äußerte er sich auch über den Bundespräsidenten

und die Bundeskanzlerin.

In der Türkei habe man Erfahrungen mit einem „tiefen
Staat“ gemacht. Gerade weil das Ansehen deutscher Be-
hörden in der Türkei sehr hoch sei, sei es schwer zu glau-

ben, dass in den Ermittlungen zu einer solchen Mordserie

zahlreiche Versäumnisse und Pannen vorgefallen seien.

Hierauf gründe die in der Türkei gestellte Frage, ob das

Trio über eine lange Zeit im Untergrund unentdeckt zehn

Morde und 14 Banküberfälle sowie zwei Anschläge be-

gangen haben könne, ohne von staatlicher Seite unter-

stützt oder gedeckt worden zu sein. Wenn es einen sol-

chen „tiefen Staat“ gebe oder ähnliche Parallelorganisati-
onen, würden sich die Probleme wiederholen. Nur wenn

sich der Ausschuss auf diese Fragestellung einließe, kön-

ne er solche Netzwerke zerschlagen.

Er äußerte sich besorgt über das Erstarken ausländer- und

islamfeindlicher Tendenzen in Deutschland. Anhand einer

Statistik legte er dar, dass Deutschland in Europa bei

Straftaten mit einem solchen Hintergrund an der Spitze

liege. Er rief den Ausschuss auf, sich für präventive Maß-

nahmen gegen Ausländerfeindlichkeit stark zu machen.

Die Delegation erläuterte ihr Vorgehen in der bisherigen

Arbeit und ihr weiteres Vorgehen bis zum Ende der

Wahlperiode. Alle fünf Fraktionen seien in dem Aus-

schuss vertreten. Die Mitglieder des Ausschusses nähmen

die Aufklärungsarbeit gemeinsam wahr. Zunächst habe

der Ausschuss die Ermittlungen zu der Mordserie und im

Anschluss die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden

geprüft.

Festgestellt werden könne, dass die Gefährlichkeit des

gewaltbereiten Rechtsextremismus über viele Jahre hin-

weg unterschätzt worden sei. Die Bekämpfung des

Rechtsextremismus müsse als gesamtgesellschaftliche

Aufgabe wahrgenommen werden. Es müsse gefragt wer-

den, wo rechtsextremistisches Gedankengut auf fruchtba-

ren Boden falle.

Drucksache 17/14600 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Eine Sensibilität für einen rechtsextremistischen Hinter-

grund der Mordserie habe gefehlt. Auch Politiker hätten

nicht danach gefragt. Die Polizei habe die Öffentlichkeit

über die Mordfälle teilweise einseitig informiert. Die

Medien hätten dies noch bis ins Jahr 2011 hinein nicht

hinterfragt. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden

sei mangelhaft gewesen. Vorhandenes Wissen sei nicht

hinreichend ausgetauscht worden. Dies liege unter ande-

rem daran, dass die Morde in fünf verschiedenen Bundes-

ländern, die Banküberfälle in weiteren Bundesländern

stattgefunden hätten. Mehrere Staatsanwaltschaften seien

zuständig gewesen. Der Ausschuss erwäge vorzuschla-

gen, dass bei länderübergreifenden Straftaten zukünftig

eine Staatsanwaltschaft und eine Polizeibehörde zuständig

sein sollen.

Besonders interessiere die Frage, ob die Untergetauchten

bei einer besseren Zusammenarbeit der Behörden gefun-

den worden wären oder ob staatliche Stellen Hinweise aus

der rechtsextremistischen Szene hatten, die zur Ergreifung

des Trios hätten führen müssen.

Für einen „tiefen Staat“ oder ähnliche Organisationen
gebe es keine Anzeichen. Auch wenn der Ausschuss allen

Hinweisen und Vermutungen nachgegangen sei, gebe es

bisher keine Hinweise darauf, dass Behörden die Täter

unterstützt oder gedeckt haben.

Das Interesse an der Arbeit des Untersuchungsausschus-

ses sei in Deutschland groß.

Abgeordneter Üstün fragte danach, ob die Untersuchung

des Ausschusses zu weiteren Strafverfahren führen werde.

Die Delegation verwies darauf, dass der Generalbundes-

anwalt neben dem Strafprozess in München weitere

Strukturermittlungen zum gewaltbereiten Rechtsextre-

mismus führe.

d) Gespräch mit dem Vorsitzenden der
deutsch-türkischen Freundschaftsgruppe
im türkischen Parlament, Herrn Akif
Çağatay Kılıç

Nach Erörterung derselben Fragen wie zuvor mit den

Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses zeigte sich

Abgeordneter Kılıç überzeugt von der Ernsthaftigkeit der
Arbeit des Ausschusses. Den Mitgliedern des Ausschus-

ses sei die Aufklärung offenbar eine Herzensangelegen-

heit. Die Untersuchung mache Hoffnung auf Verbesse-

rungen. Ein Mitglied des türkischen Parlaments zitierte

das türkische Sprichwort: „Verspätete Gerechtigkeit sei
keine Gerechtigkeit“. Im Falle des NSU sei das anders.
Der Untersuchungsausschuss stelle Gerechtigkeit wieder

her. Als sein Vorsitzender sei Edathy das „positive Ge-
sicht der deutschen Demokratie“.

Die Delegation betonte, es sei die Stärke einer Demokra-

tie, Missstände aufklären und dadurch Vertrauen wieder-

herstellen zu können. Nach der Aufklärung müssten auch

Konsequenzen gezogen werden. In Deutschland, aber

auch international, müsse Rassismus bekämpft werden.

Die Sicherheitsbehörden müssten besser aufgestellt wer-

den. Mit Opfern solcher Straftaten müsse anders umge-

gangen werden.

e) Gespräch mit dem Stellvertretenden Au-
ßenminister, Herrn Botschafter Naci Koru

Der stellvertretende Außenminister erinnerte an den

Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993. Es sei un-

fassbar, dass Menschen zu Zielscheiben werden, nur weil

sie Ausländer seien. Er habe alle Angehörigen der NSU-

Mordserie besucht. Bewegt habe ihn, als ihm eine Wittwe

berichtet habe, die Polizei habe ihr gesagt, ihr Mann sei in

Drogengeschäfte verwickelt gewesen. Daraufhin sei die

Frau von Türken in Deutschland und in der Türkei ge-

mieden worden. Auch noch nach dem Auffliegen der

Mordserie im Jahr 2011 seien Türken in Deutschland

Opfer von Ausländerfeindlichkeit. In einem Call-Center

zur Meldung ausländerfeindlicher Vorfälle würden re-

gelmäßig Rechtsextremisten anrufen und ausländerfeind-

liche Parolen äußern. Es reiche nicht, Rechtsterrorismus

zu bekämpfen. Ausländerfeindlichkeit als solche müsse

angegangen werden.

Die Arbeit des Ausschusses werde in der Türkei mit gro-

ßer Aufmerksamkeit verfolgt. Die drei Millionen tür-

kischstämmigen Menschen in Deutschland hätten Fami-

lienangehörige in der Türkei. Daher rühre eine große

Dankbarkeit in der Türkei für die Arbeit des Ausschusses.

Beeindruckt zeigte er sich von der Einigkeit im Ausschuss

und dem parteiübergreifenden Vorgehen seiner Mitglie-

der.

Die Delegation zeigte sich betroffen über die Fremden-

feindlichkeit in Deutschland. Die Mordserie sei eine Zu-

spitzung des Rechtsextremismus. Das Entsetzen über die

Mordserie müsse zu einer grundsätzlichen Auseinander-

setzung mit Fremdenfeindlichkeit führen. Dies sei nach

den Anschlägen in Solingen und Mölln unterblieben.

f) Gespräch mit dem stellvertretenden Präsi-
denten des Präsidiums des Amtes für im
Ausland lebende Türken und verwandte
Volksgruppen, Herrn Gürsel Dönmez

Der stellvertretende Präsident des Amtes für im Ausland

lebende Türken und verwandte Volksgruppen betonte die

außenpolitische Bedeutung der Arbeit des Ausschusses,

insbesondere für die Beziehungen zwischen Deutschland

und der Türkei. Der Ausschuss sei ein wichtiger Reprä-

sentant Deutschlands und eine Hilfe bei der Bekämpfung

der Ausländerfeindlichkeit. Er bot dem Ausschuss die

Unterstützung seines Amtes an.

IV. Treffen des Vorsitzenden und des stellver-
tretenden Vorsitzenden mit den Opfern des
Nagelbombenanschlags in Köln

Am 31. August 2012 trafen sich der Vorsitzende Sebas-

tian Edathy und der stellvertretende Vorsitzende Stephan

Stracke in Begleitung von Prof. Barbara John mit den

Opfern des Nagelbombenanschlags im Polizeipräsidium

Köln. Weitere Teilnehmer des Treffens waren Oberbür-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/14600

germeister Jürgen Roters und Polizeipräsident Wolfgang

Albers.

Zu Beginn des Gesprächs hat Frau John die Opfer des

Anschlages ermuntert, ihre Erlebnisse, aber auch die

Folgen der Tat und ihre aktuelle Lage zu schildern.

Von einigen Opfern ist geäußert worden, früh sei der

Verdacht aufgekommen, hinter dem Anschlag müssten

Rechtsextremisten stecken. Dies sei auch gegenüber der

Polizei geäußert worden. Die Hypothesen der Polizei,

insbesondere die Vermutung, der Anschlag könne mit

Schutzgelderpressung in Verbindung stehen, sei von An-

fang an unplausibel gewesen, weil der Anschlag auf eine

große und unbestimmte Personengruppe gerichtet wesen

sei.

Die Opfer berichteten über die erlittenen körperlichen und

psychischen Verletzungen durch den Anschlag sowie über

die teilweise andauernden Folgen. Barbara John fasst

diese Wortmeldungen mit dem Satz zusammen: „Die Tat
ist die Wirklichkeit der Opfer.“

Einige Opfer berichteten, belastend sei gewesen, von der

Polizei der Mitwirkung an dem Anschlag verdächtigt zu

werden. Verletzte seien erkennungsdienstlich behandelt

worden, bevor Kontakt zu Angehörigen ermöglicht wor-

den sei. Die Mutter eines Anschlagopfers hat sich be-

schwert, sie sei nicht darüber informiert worden, dass ihr

Sohn auf der Intensivstation gelegen habe. Später habe sie

bei der Polizei anzeigen wollen, dass die Papiere ihres

Sohnes gestohlen worden seien. Da habe sie erfahren,

dass ihr Sohn Tatverdächtiger sei und seine persönlichen

Gegenstände beschlagnahmt worden seien.

Eine Person hat sich enttäuscht über mangelnde Anteil-

nahme aus der Bevölkerung gezeigt. Gelobt worden ist

das Polizeipräsidium Köln. Der Opferschutzbeauftrage im

Polizeipräsidium Kriminalhauptkommissar Werner Ada-

mek habe sich bis an seine Grenzen für die Opfer einge-

setzt und ihnen geholfen.

In Folge des Gesprächs hat der Ausschuss beim General-

bundesanwalt Protokolle über die Vernehmung der Opfer

des Nagelbombenanschlages von 2004 in Köln angefor-

dert, um dem Vorwurf nachzugehen, die Opfer seien

unsachlich vernommen worden.
255

V. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Wegen öffentlicher Äußerungen im Zusammenhang mit

den Ermittlungen im Mordfall Kiesewetter (Zweiter Teil:

G.V, S. 642) haben sich die Obleute am 12. September

2012 mit dem Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher

Sinti und Roma Romani Rose getroffen. Herr Rose hat

vorgetragen, die Minderheit der Sinti und Roma werde im

Zusammenhang mit Kriminalität häufig unter General-

verdacht gestellt. Dies sei auch im Fall Kiesewetter ge-

schehen. Damals sei geäußert worden, es gebe „eine heiße
255) Protokoll-Nr. 26, S. 25.

Spur ins Zigeunermilieu“. In einem solchen Fall erwarte
er eine öffentliche Erklärung der Behörden.

VI. Treffen mit dem Bundespräsidenten

Zur Vorbereitung seines Treffens mit den Opfern der dem

NSU zugerechneten Straftaten und ihren Angehörigen hat

der Bundespräsident die Mitglieder des Ausschusses zu

einem Gespräch eingeladen, um sich über den aktuellen

Stand der Untersuchung informieren zu lassen.

Das Gespräch hat am 29. Januar 2013 im Schloss Belle-

vue stattgefunden. Über den Inhalt des Gesprächs ist

Vertraulichkeit vereinbart worden.

VII. Treffen mit dem Menschenrechtskommis-
sar des Europarates

Am 20. Februar 2013 haben sich die Obleute mit dem

Menschenrechtskommissar des Europarates Nils Raymond

Muižnieks getroffen. Der Menschenrechtskommissar hat
sich über das Instrument „Untersuchungsausschuss“,
seine Möglichkeiten und Grenzen unterrichten lassen

sowie über die Einschätzung des Ausschusses zu rechts-

extremistischen Tendenzen in Europa.

VIII. Einladung der Opfer zum Gespräch und
zur Teilnahme an der Plenardebatte

Der Ausschuss hat die Opfer der dem NSU zugerechneten

Straftaten und ihre Angehörigen zu einem Gespräch am

Tag der Beratung dieses Berichts im Plenum des Bundes-

tages eingeladen. Eröffnet werden soll das Gespräch

durch eine Begrüßung seitens des Bundestagspräsidenten

Prof. Dr. Norbert Lammert.

Die Gäste werden eingeladen, gemeinsam mit dem Bun-

despräsidenten die Beratung im Plenum von der Ehrentri-

büne aus zu verfolgen.

Drucksache 17/14600 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag

I. Gewährung rechtlichen Gehörs

Nach § 32 Abs. 1 PUAG ist Personen, die durch die Ver-

öffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten

erheblich beeinträchtigt werden können, vor Abschluss

des Untersuchungsauftrags Gelegenheit zu geben, zu den

sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Ab-

schlussberichts innerhalb von zwei Wochen Stellung zu

nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in

einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind.

Der wesentliche Inhalt der Stellungnahmen ist in dem

Bericht wiederzugeben (§ 32 Abs. 2 PUAG). Die Rege-

lung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Darstel-

lungen in dem Bericht eines Untersuchungsausschusses,

von denen faktische Beeinträchtigungen ausgehen kön-

nen, nach Artikel 44 Abs. 4 des Grundgesetzes einer ge-

richtlichen Überprüfung entzogen sind.
256

Persönlich-

keitsrechtsverletzungen, selbst wahrheitswidrige Äuße-

rungen muss der Betroffene hinnehmen und kann keiner-

lei Ansprüche vor Gericht geltend machen.
257

1. Entscheidung über Gewährung rechtlichen
Gehörs

Zur Grundlage für die Gewährung rechtlichen Gehörs hat

der Ausschuss die Feststellungen und Bewertungen in

einem vorläufigen Entwurf eines Abschlussberichts be-

stimmt.
258

Für die Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Ausschuss

auch Personen in Betracht gezogen, deren Namen im

Bericht abgekürzt werden. Für den Ausschuss ausrei-

chend gewesen ist, dass eine Person aufgrund der Anga-

ben im Bericht identifizierbar ist.

Als erhebliche Beeinträchtigung hat der Ausschuss insbe-

sondere die Nennung einer Person im Zusammenhang mit

Straftaten sowie die Bezeichnung einer Person als Mit-

glied oder Aktivist einer rechtsextremistischen Organisa-

tion oder als Kontaktperson oder sonstiges Umfeld des

Trios gewertet. In der bloßen Wiedergabe von bereits

veröffentlichten Angaben hat der Ausschuss keine

Rechtsbeeinträchtigung gesehen.

Der Ausschuss hat eine mögliche Beeinträchtigung bei 99

im Bericht erwähnten Personen gesehen.
256) Glauben, in: Glauben/Brocker, PUAG, Gesetz zur Regelung

des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bun-

destages, Kommentar, 2011, § 32, Rn. 1 ff.; Peters, Untersu-
chungsausschussrecht, Bund und Länder, 2012, Rn. 358.

257) Peters, a.a.O., Rn. 359.

258) A-Drs. 507 und 510; Protokoll-Nr. 75, S. 5.

2. Zustellung

Den Betroffenen sind die sie betreffenden Textteile per

Post zugestellt worden. Bei im Ausland aufhältigen Per-

sonen ist die Zustellung per E-Mail erfolgt. Einer ehema-

ligen V-Person sind die Textteile in Absprache mit dem

für diese zuständigen VP-Führer ebenfalls per E-Mail

zugestellt worden. Konnten keine Kontaktdaten ermittelt

werden, ist eine öffentliche Zustellung mittels einer Ver-

öffentlichung im Bundesanzeiger erfolgt.

3. Rückmeldungen und Stellungnahmen

Rückgemeldet haben sich Betroffene teils schriftlich, teils

telefonisch, teils per E-Mail.

In einem Fall hat die Stellungnahme des Betroffenen zu

der Streichung der sie betreffenden Angaben geführt. Es

hat sich herausgestellt, dass die Person aufgrund einer

Namensgleichheit verwechselt worden ist.

Auf das Ersuchen einiger Betroffener sind diese im Be-

richt durch die (weitere) Abkürzung ihres Namens und

Änderung oder Weglassung von weiteren Angaben ano-

nymisiert worden.

Soweit sich die Betroffenen zu den im Bericht gemachten

Ausführungen geäußert haben, sind ihre Stellungnahmen

oder deren wesentlicher Inhalt im Fünften Teil dieses

Berichts wiedergegeben (siehe unten: Fünfter Teil,

S. 1043).

4. Nachträgliche Veröffentlichung von Text-
passagen und von Stellungnahmen

Passagen, zu denen rechtliches Gehör zu gewähren war,

die Frist zur Stellungnahme bei Drucklegung aber noch

nicht abgelauften ist, sind unkenntlich gemacht und wer-

den erst in der endgültigen Bundestagsdrucksache veröf-

fentlicht.

In seiner Sitzung vom 22. August 2013 hat der Ausschuss

das Sekretariat beauftragt, noch ausstehende, aber fristge-

recht eingehende Stellungnahmen in den Bericht aufzu-

nehmen.

II. Feststellung des Berichts

In seiner 76. Sitzung am 22. August 2013 hat der Aus-

schuss auf der Grundlage des Entwurfs der Berichter-

statter vom 19. August 2013 diesen Bericht einstimmig

festgestellt. Er hat gemäß § 33 PUAG beschlossen:

„1. Der Untersuchungsausschuss stellt den Be-
richt der Berichterstatter vom 19. August 2013

in der Fassung der Ausschussdrucksache 555

– Gang des Verfahrens (Erster Teil), ermittelte

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/14600

Tatsachen (Zweiter Teil), Ergebnis der Unter-

suchung (Dritter Teil) und die Stellungnahmen

aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs

(Fünfter Teil) – gemäß § 33 Abs. 1 PUAG
fest.

2. Als Vierten Teil des Berichts stellt der Aus-

schuss die Ergänzenden Stellungnahmen der

Fraktionen auf den Ausschussdrucksachen

556 bis 560 fest.

3. Die noch geschwärzten Passagen in dem Be-

richt werden mit Ablauf der Frist für die Ge-

währung rechtlichen Gehörs nach § 32 PUAG

Schritt für Schritt offengelegt. Der Ausschuss

beauftragt das Ausschusssekretariat in Ab-

stimmung mit den federführend benannten

Mitarbeitern der Fraktionen mit der redaktio-

nellen Schlussbearbeitung der festgestellten,

zur Veröffentlichung als BT-Drs. bestimmten

Berichtsteile

4. Der Fünfte Teil des Berichts wird Schritt für

Schritt ergänzt um noch weitere fristgerecht

eingehende Stellungnahmen aufgrund Gewäh-

rung rechtlichen Gehörs.

5. Dem Bericht werden die Stenographischen

Protokolle über die Beweisaufnahme beige-

fügt, soweit sie nicht mit einem Geheimhal-

tungsgrad versehen sind.

6. Die festgestellten Teile des Berichts werden

als Bundestagsdrucksache veröffentlicht.

7. Die festgestellten Teile des Berichts werden

dem Deutschen Bundestag mit folgender Be-

schlussempfehlung vorgelegt:

‚Der Bundestag wolle beschließen:

Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses

wird zur Kenntnis genommen.‘“

III. Beratung im Plenum

Die Verhandlung dieses Berichts im Plenum des Bundes-

tages ist für den 2. September 2013 vorgesehen. Für die

Beratung angesetzt sind 90 Minuten.

Der Bundespräsident hat mitgeteilt, dass er an der Plenar-

beratung als Zuhörer teilnehmen will. Der Ausschuss hat

die Opfer und Angehörigen der dem NSU zugerechneten

Straftaten eingeladen, die Beratung von der Ehrentribüne

des Bundestages zu verfolgen.

F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung

I. Rückgabe von Beweismaterialien und Pro-
tokollen

Der Ausschuss hat am 22. August 2013 beschlossen:

„Beschluss zum Verfahren
Rückgabe von Beweismaterialien und

Mehrausfertigungen von Protokollen

1. Nach Kenntnisnahme des Abschlussberichtes

durch das Plenum des Deutschen Bundestages

geben

– die Mitglieder des 2. Untersuchungsaus-
schusses,

– die benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter der Fraktionen und

– die Beauftragten der Bundesregierung

gegenüber dem Sekretariat eine Erklärung ab,

dass verteilte Kopien der als VS-NUR FÜR

DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuften Be-

weismaterialien sowie die davon gezogenen

weiteren Kopien, soweit dies nicht bereits er-

folgt ist, vernichtet werden.

2. Die von der Geheimregistratur des Deutschen

Bundestages an

– die Mitglieder des 2. Untersuchungsaus-
schusses,

– die benannten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter der Fraktionen,

– die Beauftragten der Bundesregierung,

verteilten

– Kopien der VS-VERTRAULICH oder hö-
her eingestuften Beweismaterialien,

– die Mehrausfertigungen der VS-VER-
TRAULICH oder höher eingestuften Proto-

kolle des 2. Untersuchungsausschuss

sind bis zum Ablauf der 17. Wahlperiode des

Deutschen Bundestages der Geheimregistratur

zum Zwecke der Vernichtung zuzuleiten. Den

Beauftragten der Bundesregierung wird gestat-

tet, diese Kopien und Mehrausfertigungen mit

Zustimmung des Sekretariats selbst zu vernich-

ten.“

Drucksache 17/14600 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Behandlung der Protokolle und Materialien

„Beschluss vom 22. August 2013 zum Verfahren
Behandlung der Protokolle und Materialien nach

Kenntnisnahme des Abschlussberichtes durch den

Deutschen Bundestag

I. Protokolle

Der Untersuchungsausschuss empfiehlt gemäß

Ziffer II. Nr. 2 der Richtlinien gemäß § 73

Abs. 3 GO-BT:

1. Die Protokolle über die Beweisaufnahme,
soweit sie nicht VS-eingestuft sind, werden

in elektronischer Form mit dem Abschluss-

bericht veröffentlicht.

2. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH

und höher eingestufte Protokolle über Bera-

tungssitzungen und Sitzungen zur Beweis-

aufnahme durch Vernehmung von Zeugen

werden nach der Geheimschutzordnung des

Bundestages behandelt.

3. Protokolle über Beratungssitzungen werden

mit dem Vermerk „VS-NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH“ versehen. Der Ver-
merk verliert am 31. Dezember 2017 seine

Gültigkeit. Danach können diese Protokolle

von jedem eingesehen werden, der ein be-

rechtigtes Interesse geltend machen kann.

Über das Vorliegen eines berechtigten Inte-

resses entscheidet der Präsident.

II. Beweismaterialien (MAT)

Die zu Beweiszwecken gemäß § 18 PUAG

beigezogenen und sonst zugeleiteten Materia-

lien verbleiben wegen des besonderen Sachbe-

zuges bis zum Abschluss der im Zusammen-

hang mit der Terrorgruppe NSU personenbe-

zogen geführten Ermittlungsverfahren des Ge-

neralbundesanwalts in dem Gewahrsam der

Bundestagsverwaltung.

Soweit diese Materialien digital verfügbar sind,

erfolgt die Aufbewahrung ausschließlich in

dieser Form. Dies gilt auch für VS-

VERTRAULICH und höher eingestufte Akten.

Im Übrigen werden Kopien ebenso wie die

vom 2. Untersuchungsausschuss gefertigten

Kopien vernichtet, es sei denn, die herausge-

benden Stellen widersprechen. Die Vernich-

tung ist in einem Protokoll festzuhalten.“

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/14600

Zweiter Teil:
Feststellungen zum Sachverhalt

A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten

Zwischen 1998 und 2011 wurden zehn Morde, zwei

Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verübt, die

nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen des Gene-

ralbundesanwalts der Gruppierung „Nationalsozialisti-
scher Untergrund“ zugerechnet werden:

Am 9. September 2000 wurde zwischen 12.45 und 14.45

Uhr auf den 38-jährigen türkischen Blumenhändler Enver

Şimşek geschossen. Die Schüsse trafen ihn durch die
geöffnete Seitentür auf der Ladefläche seines Transpor-

ters, den er hinter seinem mobilen Blumenverkaufsstand

in der Liegnitzer Straße in Nürnberg geparkt hatte und in

dem er gerade Blumen sortierte. Zwei Tage später erlag er

seinen Verletzungen.

Am 13. Juni 2001 wurde der 49-jährige türkische Staats-

angehörige Abdurrahim Özüdoğru zwischen 16.10 und
21.25 Uhr im Ladenlokal seiner Änderungsschneiderei in

der Gyulaer Straße 1 in Nürnberg getötet.

Am 27. Juni 2001 wurde zwischen 10.45 und 11.24 Uhr

mit drei Kopfschüssen der 31-jährige türkische Gemüse-

händler Süleyman Taşköprü in seinem Gemüsegeschäft in
der Schützenstraße 39 in Hamburg erschossen.

Am 29. August 2001 schossen die Täter zwischen 10.35

und 10.50 Uhr im Frischmarkt der Familie Kılıç in der
Bad-Schachener-Straße 14 in München den hinter dem

Kassentresen stehenden 38-jährigen türkischen Gemüse-

händler Habil Kılıç mit der Pistole Česká 83 seitlich in
den Kopf.

Am 25. Februar 2004 töteten die Täter zwischen 10.10

und 10.20 Uhr in dem im Neudierkower Weg 2 in Ros-

tock gelegenen Döner-Imbiss den 25-jährigen türkischen

Staatsangehörigen Mehmet (genannt Yunus) Turgut.

Am 9. Juni 2005 schossen die Täter zwischen 9.50 und

10.15 Uhr auf den 50-jährigen türkischen Staatsangehöri-

gen İsmail Yaşar in seinem Döner-Imbiss in der
Velburger Straße 3 in Nürnberg und verletzten ihn töd-

lich.

Am 15. Juni 2005 töteten die Täter zwischen 18.36 und

19 Uhr den 41-jährigen griechischen Staatsangehörigen

Theodoros Boulgarides durch drei Schüsse in den Kopf in

dem von ihm zusammen mit einem deutschen Partner

betriebenen Schlüsseldienst in der Trappentreustraße 4 in

München.

Am 4. April 2006 betraten die Täter kurz vor 12.55 Uhr

den Kiosk in der Mallinckrodtstraße 190 in Dortmund

und erschossen den Inhaber, den 39-jährigen deutschen

Staatsangehörigen türkischer Abstammung Mehmet

Kubaşık.

Am 6. April 2006 wurde gegen 17 Uhr Halit Yozgat, der

21-jährige türkischstämmige Betreiber des in der Hollän-

dischen Straße 82 in Kassel gelegenen Internet-Cafés,

erschossen.

Über diese als „Česká-Serie“ bekanntgewordenen Ver-
brechen hinaus wurden zwei Sprengstoffanschläge in

Köln verübt, bei denen mindestens 23 Personen zum Teil

schwer verletzt wurden:

Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwi-

schen dem 19. und dem 21. Dezember 2000 wurde ein in

einer Christstollendose eingebauter Sprengsatz bestehend

aus einer mit etwa einem Kilogramm Schwarzpulver

befüllten Gasdruckflasche in dem iranischen Lebensmit-

telgeschäft des iranischen Staatsangehörigen D. M. in der

Probsteigasse 44-46 im Kölner Stadtteil Altstadt-Nord

hinterlegt. Der Täter gab vor, sein vergessenes Portemon-

naie holen zu wollen, und ließ den mit anderen Waren in

einem Einkaufskorb befindlichen Sprengsatz mit dem Ziel

zurück, dass der Inhaber oder eine dort tätige Person den

Sprengsatz bei der Entsorgung des Korbes auslösen und

dabei tödliche Verletzungen erleiden würde. Der Korb

wurde zunächst in einem rückwärtigen Aufenthaltsraum

aufbewahrt. Am 19. Januar 2001 öffnete die 19-jährige

Tochter des Inhabers, M. M., gegen 7 Uhr den Deckel der

Dose, wodurch der Sprengsatz zur Detonation kam und

die junge Frau schwere Verbrennungen und multiple

Schnittverletzungen erlitt.

Am 9. Juni 2004 brachten die Täter einen in einem Mo-

torradkoffer befindlichen, aus einer mit mindestens fünf

Kilogramm Schwarzpulver gefüllten Gasflasche und

10 cm langen Nägeln als Splittermaterial bestehenden

Sprengsatz auf dem Gepäckträger eines Fahrrades an und

stellten dieses Fahrrad vor dem Friseursalon des türki-

schen Staatsangehörigen Öczan Yıldırım in der
Keupstraße 29 in Köln-Mülheim ab. Gegen 16 Uhr brach-

ten sie den Sprengsatz ferngezündet mit dem Ziel zur

Detonation, so viele Kunden und Passanten wie möglich

zu töten oder zumindest zu verletzen. Durch die Druck-

welle und die Splitterwirkung wurden insgesamt 22 Per-

sonen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Es entstand

erheblicher Sachschaden.

Schließlich fielen zwei Polizeibeamte dem NSU zum

Opfer:

Am 25. April 2007 töteten die Täter die 22-jährige Poli-

zeimeisterin Michèle Kiesewetter und verletzten ihren

Kollegen, den zur Tatzeit 24-jährigen Polizeimeister Mar-

tin A., schwer. Kurz vor 14 Uhr traten die Täter von hin-

ten an den neben dem Trafohäuschen auf der Theresien-

wiese in Heilbronn geparkten Streifenwagen heran, in

dem Michèle Kiesewetter auf der Fahrerseite und Martin

Drucksache 17/14600 – 72 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A. auf der Beifahrerseite bei geöffneten Fahrzeugtüren

Pause machten. Aus kürzester Entfernung gaben sie je-

weils von schräg hinten Kopfschüsse auf die ahnungslo-

sen Beamten ab und nahmen ihnen ihre Dienstwaffen,

drei Magazine, Handschellen, ein Reizstoffsprühgerät,

eine Taschenlampe und ein Multifunktionswerkzeug ab.

Michèle Kiesewetter starb an den Folgen des Kopfschus-

ses aus der Pistole Radom, Mod. VIS 35, Kaliber 9 mm

Luger noch am Tatort, Polizeimeister A., den eine Kugel

aus der Pistole TOZ, Modell TT 33, Kaliber 7,62 mm

Tokarew, getroffen hatte, konnte durch intensivmedizini-

sche Behandlung gerettet werden.

Neben diesen Anschlägen erfolgten 15 bewaffnete Raub-

überfälle durch zwei Täter der Gruppierung:

Am 18. Dezember 1998 gegen 18 Uhr bedrohten die Täter

im EDEKA-Markt in der Irkutsker Straße 1 in Chemnitz

die Hauptkassiererin mit einer geladenen Schusswaffe

und erbeuteten die Tageseinnahmen in Höhe von etwa

30 000 DM. Auf der Flucht zu Fuß aus dem Supermarkt

schossen sie mehrfach gezielt auf Kopf und Brust eines

etwa 16-jährigen Jugendlichen, der sie verfolgte. Der

Jugendliche brach daraufhin die Verfolgung ab.

Am 6. Oktober 1999 gegen 16.45 Uhr bedrohten die Täter

in der Postfiliale in der Barbarossastraße 71 in Chemnitz

zwei Angestellte mit Waffen, gaben aus einer Schreck-

schusspistole einen Schuss ab und forderten Geld. Eine

der Angestellten übergab ihnen 5 700 DM aus dem Kas-

senbestand.

Am 27. Oktober 1999 gegen 11.45 Uhr bedrohten sie in

der Postfiliale in der Limbacher Straße 148 in Chemnitz

zwei Angestellte mit Pistolen, überwanden den Bedientre-

sen und verlangten Geld. Sodann nahmen sie, der eine aus

der Kasse und der andere aus dem Tresor im Lagerraum,

dessen Öffnung er zuvor durch Waffenvorhalt erzwungen

hatte, etwa 62 800 DM an sich.

Am 30. November 2000 um 11.07 Uhr bedrohten sie in

der Postfiliale in der Johannes-Dick-Straße 4 in Chemnitz

zwei Angestellte mit Faustfeuerwaffen und forderten

Geld. Die Beute betrug insgesamt 38 900 DM.

Am 5. Juli 2001 um 10.15 Uhr bedrohten sie in der Postfi-

liale in der Max-Planck-Straße 1a in Zwickau zwei Ange-

stellte mit Faustfeuerwaffen und einem Reizstoffgerät und

erbeuteten 74 700 DM. Zur Durchführung der Tat be-

sprühte ein Täter einen Kunden mit Reizgas, wodurch

dieser eine Augenreizung erlitt.

Am 25. September 2002 gegen 9 Uhr bedrohten sie in der

Sparkassenfiliale in der Karl-Marx-Straße 10 in Zwickau

drei Angestellte mit einem kurzläufigen Revolver sowie

mit Reizgassprühgeräten. Zur Durchführung der Tat be-

sprühten beide Täter die drei Angestellten und drei anwe-

sende Kunden mit Reizgas und verursachten dabei jeweils

Augen- und Hautreizungen. Die Beute betrug etwa 48 600

Euro.

Am 23. September 2003 gegen 10.30 Uhr bedrohten sie in

der Sparkassenfiliale in der Paul-Bertz-Straße 14 in

Chemnitz drei Angestellte jeweils mit einer Pistole. Ein

Täter entnahm, auf dem Tresen stehend, 435 Euro aus den

Kassenschubladen. Der andere Täter schlug hinter dem

Tresen einer Angestellten die Pistole auf den Kopf und

forderte sie auf, die Tresore zu öffnen. Dem kam die

Angestellte unter Hinweis auf die Zeitschlosssicherung

nicht nach. Die Täter flüchteten daraufhin, ohne weitere

Beute zu erlangen.

Am 14. Mai 2004 um 11.41 Uhr bedrohten sie in der

Sparkassenfiliale in der Albert-Schweitzer-Straße 62 in

Chemnitz die dort tätigen drei Angestellten und eine

Kundin und verlangten die Herausgabe von Geld. Der

eine Täter, bewaffnet mit einem Revolver Alfa Proj, Kali-

ber 38 Spezial, erzwang die Öffnung des Tresors und die

Herausgabe der darin befindlichen Banknoten und Reise-

schecks. Der andere Täter bedrohte die Angestellten im

Schalterbereich mit einer Pumpgun Mossberg Maverick

88 und schlug einer Angestellten den Gewehrkolben ins

Gesicht. Die Täter entnahmen aus den Schalterkassen

weitere Banknoten und entkamen mit Bargeld in Höhe

von 33 175 Euro und Reiseschecks im Wert von

4 250 Euro.

Am 18. Mai 2004 gegen 11.30 Uhr überfielen sie die

Sparkassenfiliale in der Sandstraße 37 in Chemnitz, be-

drohten die Angestellten mit Schusswaffen und erbeuteten

73 815 Euro.

Am 22. November 2005 bedrohten sie in der Sparkassen-

filiale in der Sandstraße 37 in Chemnitz gegen 17.10 Uhr

die anwesenden drei Angestellten und einen Kunden. Der

eine Täter war mit der Pumpgun Mossberg Maverick 88

bewaffnet, die er beim Betreten der Sparkasse durchlud,

und sicherte den Kundenbereich und die Beratungszim-

mer. Der andere Täter verlangte unter Drohung mit einem

Revolver und einer Handgranatenattrappe die Herausgabe

von Geld und die Öffnung des Tresors. Nachdem der

Filialleiter auf den Zeitschlossmechanismus hingewiesen

und akustischen Alarm ausgelöst hatte, mussten die Täter

ohne Beute fliehen.

Am 5. Oktober 2006 gegen 12 Uhr bedrohte ein Täter in

der Sparkasse in der Kosmonautenstraße 2 in Zwickau die

vier Angestellten im Schalterbereich mit dem Revolver

Alfa Proj, Kaliber .38 Spezial, und verlangte die Öffnung

des Tresors. Als ein Angestellter versuchte, ihn zu über-

wältigen, schoss er diesem in den Bauch. Weil ihn die

Angestellten von der Zeitschlosssicherung unterrichtet

hatten, floh er ohne Beute.

Am 7. November 2006 um 17.38 Uhr bedrohten sie in der

Sparkassenfiliale in der Kleinen Parower Straße 51-53 in

Stralsund die dort anwesenden sieben Angestellten. Der

eine Täter schoss mit einem Schreckschussrevolver Rich-

tung Decke und hielt neben den Angestellten auch drei

Kunden mit einer weiteren Pistole in Schach. Der andere

Täter erzwang mit einem silberfarbenen Revolver be-

waffnet die Öffnung des Tresors. Aus diesem sowie aus

den Kassen entnahm er insgesamt 84 995 Euro.

Am 18. Januar 2007 gegen 17.15 Uhr überfielen sie die

Sparkassenfiliale in der Kleinen Parower Straße in Stral-

sund auf die gleiche Art und Weise. Der eine Täter feuer-

te mit einem Schreckschussrevolver in die Decke und

hielt die Angestellte und Kunden mit einer weiteren

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/14600

Schusswaffe in Schach. Der andere Täter bedrohte eine

weitere Angestellte mit einem Revolver und erzwang so

die Öffnung des Tresors. Die Beute betrug 169 970 Euro.

Am 7. September 2011 gegen 8.45 Uhr bedrohten sie in

der Sparkassenfiliale in der Goethestraße 2 in Arnstadt die

Angestellten und verlangten die Öffnung der Tür zum

Kassenbereich sowie des Tresors. Der eine Täter entnahm

dem Kassenbestand 15 000 Euro.

Der letzte Raubüberfall führte zur Aufdeckung der Täter:

Am 4. November 2011 gegen 9.10 Uhr bedrohten Uwe

Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Am Nordplatz 13

gelegenen Sparkassenfiliale in Eisenach zwei anwesende

Kunden und drei der sechs Angestellten mit Faustfeuer-

waffen und forderten Geld. Die Beute betrug insgesamt

71 915 Euro, darunter 1 000 Euro Registriergeld.

Als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach der Tat in
dem in Eisenach-Stregda in der Straße Am Schafrain

geparkten Wohnmobil, in das sie sich geflüchtet hatten,

entdeckt wurden, feuerten sie aus einer Maschinenpistole

auf die sich zu Fuß nähernden Polizeibeamten. Nach dem

ersten Schuss hatte die Waffe eine Ladehemmung; die

Beamten waren in Deckung gegangen. Daraufhin setzten

sie das Wohnmobil in Brand. Uwe Mundlos erschoss

zunächst Uwe Böhnhardt und sodann sich selbst.

Die Darstellung der Taten beruht im Wesentlichen auf

dem Anklagesatz der Anklageschrift des Generalbundes-

anwalts beim Bundesgerichtshof vom 5. November 2012

gegen Beate Zschäpe u. a.
259

Darin werden die beschrie-

benen Taten der Gruppierung „Nationalsozialistischer
Untergrund“ zugerechnet, wobei als unmittelbar Tataus-
führende Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genannt

werden, Beate Zschäpe soll bei der Vorbereitung der

Taten und der Schaffung eines sicheren Rückzugsraumes

durch Tarnung an den Taten mitgewirkt haben.

Über die Gruppierung „Nationalsozialistischer Unter-
grund“ heißt es im Anklagesatz der Anklageschrift:

„Die Angeschuldigte Zschäpe und die am 4. No-
vember 2011 verstorbenen Uwe Böhnhardt und

Uwe Mundlos kamen in der Zeit zwischen dem

26. Januar 1998 und dem 18. Dezember 1998 in

Chemnitz überein, sich auf Dauer zu einem fest

organisierten Verband zusammenzuschließen mit

dem Ziel, aus der Illegalität heraus durch Mord-

und Sprengstoffanschläge ihre nationalsozialistisch

geprägten völkisch-rassistischen Vorstellungen

von einem „Erhalt der deutschen Nation“ zu ver-
wirklichen und die Veränderung von Staat und Ge-

sellschaft in diesem Sinne zu befördern. Nachdem

die Drei, die eine langjährige persönliche Bezie-

hung verband, bereits seit 1996 ideologisch moti-

vierte, vornehmlich gegen die jüdische

Mitbevölkerung gerichtete Straftaten begangen

hatten und wegen einer drohenden Festnahme im

Zusammenhang mit dem Bau von Rohrbomben am
259) MAT A BY-15 (Tgb.Nr. 153/13 – GEHEIM), Bl. 13 ff.

26. Januar 1998 untergetaucht waren, schotteten

sie sich von ihrem früheren persönlichen Umfeld

weitestgehend ab und lebten zu dritt in konspirati-

ven Wohnungen zusammen, die sie zuletzt durch

Alarmanlagen und andere Schutzeinbauten sicher-

ten. Zur Finanzierung ihres Lebens in der Illegali-

tät und ihrer Straftaten verübte die Gruppe insge-

samt 15 bewaffnete Raubüberfälle.

Sie ersannen ein Konzept, um ihre ideologischen

Auffassungen nach dem Grundsatz ‚Taten statt
Worte‘ umzusetzen. Danach sollten zunächst Men-
schen südeuropäischer, vornehmlich türkischer

Herkunft, durch die die Gruppe nach ihren völ-

kisch-rassistischen Vorstellungen den ‚Erhalt der
deutschen Nation‘ bedroht sah, willkürlich ausge-
wählt und durch hinrichtungsgleiche Erschießun-

gen getötet werden. Durch die Verwendung ein

und derselben Schusswaffe sollten diese Taten in

der Öffentlichkeit bewusst als serienmäßige Hin-

richtungen wahrgenommen werden. Zu diesem

Zweck beschafften sich die Angeschuldigte

Zschäpe sowie Böhnhardt und Mundlos spätestens

1999 oder Anfang 2000 über die

Mitangeschuldigten W. und S. die Pistole Česká 83
mit einem Schalldämpfer. Ferner sollte durch

Sprengstoffanschläge gleichzeitig eine größere

Anzahl von Opfern getroffen werden. Dadurch

sollte die durch die Mordanschläge hervorgerufene

Verunsicherung in den Bevölkerungsteilen mit

Migrationshintergrund noch verstärkt, das Ver-

trauen in den Staat geschwächt und die ausländi-

schen Mitbürger zum Wegzug veranlasst werden.

Nach außen traten sie ausschließlich unter Tarn-

namen, Legenden und mit gefälschten Personalpa-

pieren oder Berechtigungsscheinen auf. Um sich

unentdeckt bewegen und Straftaten ausüben zu

können, waren sie damit völlig aufeinander ange-

wiesen. Deshalb und mit Blick auf das gemeinsa-

me Ziel wurden Entscheidungen und Einzelaktio-

nen ausschließlich gemeinsam getroffen und vor-

bereitet, wobei sich jeder Einzelne dem Willen der

Gesamtheit unterordnete und auch die Straftaten in

einer aufeinander abgestimmten koordinierten Ar-

beitsteilung verübt wurden, ohne dass einem der

drei eine Anführerrolle zukam. Ihr auf Dauer ange-

legtes strafbares Wirken brachten sie mit dem Satz

‚Solange sich keine grundlegenden Änderungen in
der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollzie-

hen, werden die Aktivitäten weitergeführt‘ zum
Ausdruck und stellten es unter die Maxime ‚Taten
statt Worte‘. Spätestens ab dem Jahr 2001 gaben
sie sich den Namen ‚Nationalsozialistischer Unter-
grund (NSU)‘ und traten unter dieser Bezeichnung
ab 2002 durch die Versendung eines mit politi-

schen Zielen des ‚NSU‘ gefüllten Propagandabrie-
fes an mindestens zwei rechtsextremistisch gepräg-

te politische Magazine auch nach außen auf.

Ferner verschaffte sich die Vereinigung eine Viel-

zahl von Schusswaffen und Munition. Zuletzt ver-

fügten die Angeschuldigte Zschäpe, Böhnhardt

Drucksache 17/14600 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Mundlos über etwa 2,5 Kilogramm Schwarz-

pulver sowie ein Arsenal von 20 Schusswaffen,

darunter zwei Maschinenpistolen, und über 1 600

Patronen und andere Munitionsteile. Darüber hin-

aus konstruierten sie einen in einer Holzkiste

abgetarnten Schussapparat, der es ermöglichen

sollte, in der Öffentlichkeit und gleichwohl unbe-

merkt eine Salve von Schüssen abzugeben.

Ein Schwerpunkt ihres Lebens im Untergrund lag

in der Ausspähung von aus ihrer rechtsex-

tremistischen Sicht unerwünschten oder verhassten

politischen, religiösen und gesellschaftlichen Ein-

richtungen und Funktionsträgern sowie möglichen

Anschlagszielen. Allein aus insgesamt etwa 90.000

sichergestellten elektronischen Datensätzen ergibt

sich eine Sammlung von insgesamt 10 116 Namen

und Objekten. […]260

Eine unmittelbare Tatbekennung zu den Anschlä-

gen erfolgte zunächst nicht. Ab 2001 erstellte die

Vereinigung allerdings aus am Tatort selbst gefer-

tigten Lichtbildern sowie einschlägigen Ausschnit-

ten aus Zeitungen und Fernsehsendungen Video-

aufzeichnungen, in denen sie sich in zynischer, ih-

re Opfer verhöhnender und verunglimpfender Art

und Weise zu diesen zwölf Taten bekannten. Aus

diesen elektronischen Aufzeichnungen erstellten

sie spätestens ab Mai 2006 eine DVD, auf der die

Anschläge in Zeichentrickfilme der Comic-Serie

‚Paulchen Panther‘ eingearbeitet und dargestellt
sind und hielten sie in adressierten Briefumschlä-

gen bereit, um sie zu einem ihnen als geeignet er-

scheinenden Zeitpunkt propagandistisch geeigne-

ten Empfängern zukommen zu lassen. Mindestens

15 Exemplare dieser DVD versandte die Ange-

schuldigte Zschäpe in der Zeit zwischen dem

4. und 8. November 2011 zu Propaganda- und

Selbstbezichtigungszwecken im Sinne des ‚NSU‘
an politische, religiöse und kulturelle Einrichtun-

gen sowie an Presseunternehmen.“261

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat

Beate Zschäpe darüber hinaus auch wegen der

Inbrandsetzung des Hauses Frühlingsstraße 26 in Zwickau

angeklagt. Dort kam es am 4. November 2011 gegen

15.05 Uhr aufgrund einer Zündvorrichtung zu einer Ex-

plosion von Kraftstoff. Eine Mitbewohnerin des Hauses

konnte sich noch rechtzeitig retten.
260) Anklageschrift, MAT A BY-15 (Tgb.Nr. 153/13 – GEHEIM),

S. 11 f. (offen).

261) Anklageschrift, MAT A BY-15 (Tgb.Nr. 153/13 – GEHEIM),
S. 17 (offen).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/14600

B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen Szene

I. Werdegang des Trios vor deren Untertau-
chen

In Bezug auf den Werdegang von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe hat sich der Ausschuss von dem Grundsatz

leiten lassen, möglichst arbeitsteilig mit dem Untersu-

chungsausschuss des Thüringer Landtags zusammenzu-

wirken. Der Ausschuss hat zu diesem Komplex selbst

keine Zeugen vernommen, aber Akten ausgewertet und

die Erkenntnisse des Thüringer Untersuchungsausschus-

ses herangezogen. Vorrangig beleuchtet hat der Aus-

schuss das staatliche Handeln in Bezug auf das Trio in

den 90er Jahren. Von besonderem Interesse waren dabei

die zahlreichen Strafverfahren, die in diesen Jahren gegen

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe geführt wurden. Inten-

siv beleuchtet worden ist die Frage, ob die Strafverfol-

gungsbehörden und Gerichte in angemessener Form ge-

gen das kriminelle Treiben und das sich fortschreitende

Radikalisieren des Trios eingeschritten sind.

1. Erkenntnisse zu den Personen

a) Uwe Böhnhardt

Uwe Böhnhardt wurde am 1. Oktober 1977 in Jena gebo-

ren. Er hatte zwei ältere Brüder. Die Mutter war von Be-

ruf Lehrerin, der Vater Abteilungsleiter in einem Glas-

werk. 1988 verstarb Uwe Böhnhardts älterer Bruder.

Böhnhardt besuchte von 1984 bis 1992 die Hauptschule

in Jena. Im Jahr 1992 wurde er in ein Kinderheim in

Burgk bei Schleiz eingewiesen, welches er wegen began-

gener Straftaten nach nur zwei Wochen wieder verlassen

musste. Im April 1992, in der achten Klasse, besuchte

Böhnhardt eine Lernförderschule, von der er Anfang 1993

nach einem Einbruch in der Schule jedoch wieder verwie-

sen wurde. Er beendete seine schulische Laufbahn nach

acht Schuljahren mit dem Abschluss der 7. Klasse.

Im Zusammenhang mit zwei gegen ihn geführten Ermitt-

lungsverfahren befand sich Böhnhardt zwischen dem

5. Februar 1993 und dem 5. Mai 1993 sowie in der Zeit

vom 1. September 1993 bis 6. Dezember 1993 in Unter-

suchungshaft. Dort fiel er unter anderem wegen der

Drangsalierung eines Mithäftlings auf und wurde diszipli-

nar gemaßregelt, unter anderem durch kurzfristige Verle-

gung in den Erwachsenenvollzug. Außerdem baute er aus

dem Rohr einer Bettverstrebung, welches er mit Streich-

hölzern füllte, eine „Rohrbombe“.

Im Dezember 1993 begann Böhnhardt einen Förderlehr-

gang im Rahmen eines Berufsvorbereitungsjahres, wel-

cher bis zum Sommer 1994 andauerte. Danach absolvierte

er mit einem erfolgreichen Abschluss im Sommer 1996

eine zweijährige Lehre als Hochbaufacharbeiter. Nach der

Lehre wurde er von dem ausbildenden Betrieb übernom-

men und konnte dort bis zum Herbst 1996 arbeiten. We-

gen Arbeitsmangels wurde ihm die Kündigung ausge-

sprochen. Mit Ausnahme kurzfristiger Arbeitstätigkeiten

war Böhnhardt danach bis zum Abtauchen des Trios am

26. Januar 1998 arbeitslos. Bis zu diesem Tag lebte er bei

seinen Eltern in Jena.
262

b) Uwe Mundlos

Uwe Mundlos wurde am 11. August 1973 in Jena gebo-

ren. Sein Vater war Professor für Informatik an der Fach-

hochschule Jena, seine Mutter Verkäuferin in einem Le-

bensmittelgeschäft. Sein zwei Jahre älterer Bruder ist seit

seiner Geburt schwerbehindert. Nach Abschluss der zehn-

ten Klasse mit dem mittleren Bildungsabschluss absol-

vierte Mundlos ab dem 1. September 1990 eine Lehre als

Datenverarbeitungskaufmann, die er am 28. Februar 1994

abschloss.

Nach der Lehre leistete Mundlos vom 1. April 1994 bis

zum 31. März 1995 seinen Grundwehrdienst beim Pan-

zergrenadierbataillon 381 in Bad Frankenhausen. In der

Zeit vom 1. April 1995 bis zum 2. August 1995 war er

arbeitslos. Ab dem 3. August 1995 besuchte Mundlos das

Ilmenau-Kolleg zur Erlangung der Hochschulreife. Ab

Anfang Januar 1998 erschien er dort nicht mehr zum

Unterricht.
263

c) Beate Zschäpe

Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 als einziges Kind

von Annerose A. und dem rumänischen Staatsbürger

Valer B. in Jena geboren. In ihren ersten fünf Lebensjah-

ren wuchs Zschäpe vor allem bei ihren Großeltern auf.

1975 und 1978 heiratete ihre Mutter, Beate Zschäpe trug

jeweils den Nachnamen des Ehemanns ihrer Mutter. Am

1. September 1981 wurde Zschäpe eingeschult und be-

suchte von September 1984 bis Juni 1992 eine Oberschule

in Jena-Winzerla, welche sie nach der zehnten Klasse

abschloss.

Nach einer kurzen Anstellung als Malergehilfin begann

Beate Zschäpe am 1. November 1992 eine Ausbildung als

Gärtnerin für Gemüseanbau, da sie eine Ausbildung in

ihrem Wunschberuf als Kindergärtnerin nicht anfangen

konnte. Sie schloss die Lehre am 31. August 1995 ab.
262) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-

mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am

24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. BKA am 24. April
2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (28–30); Strafanzeige der
JVA Hohenleuben vom 11. März 1993, MAT A TH-1-15, Bl.

64; Aktennotiz der JVA Hohenleuben vom 24. März 1993,
MAT A TH-1-15, Bl. 87.

263) Vermerk des BKA (BAO „Trio“) vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1a, Bl. 83 ff. (84).

Drucksache 17/14600 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Danach war Zschäpe lediglich zwischen dem

16. September 1996 und dem 31. August 1997 im Rah-

men einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Stadtver-

waltung Jena als Malergehilfin beschäftigt.
264

2. Strafverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos
und Zschäpe

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sind

bereits zu Beginn der 90er Jahre strafrechtlich in Erschei-

nung getreten. Dabei handelte es sich zunächst um Straf-

taten aus dem Bereich der allgemeinen Kriminalität ohne

erkennbaren rechtsextremistischen Tathintergrund. Die

erste staatsschutzrelevante Straftat beging Uwe Mundlos

im Jahr 1994. Mundlos war es auch, der bereits 1991 die

erste Gewaltstraftat begangen hatte.

a) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger
Sachen am 18. März 1991

5 Js 4830/91

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr

vorhanden.

Mit Verfügung vom 25. Februar 1992 sah die Staatsan-

waltschaft Gera von einer Verfolgung ab (§ 45 Jugendge-

richtsgesetz).
265

b) Uwe Mundlos (und ein weiterer Beschul-
digter): gefährliche Körperverletzung am
6. Juni 1991

5 Js 14891/91

Polizeidienststelle: KPI Jena

Staatsanwaltschaft Gera

Kreisgericht Jena

Auf dem Nachhauseweg nach einem Gaststättenbesuch

bemerkten und verfolgten Mundlos und Stefan H. den

späteren Geschädigten. Während Mundlos den Geschä-

digten anrempelte, ihn auf eine Wiese zog und ihm kräftig

in die Magengegend trat, schlug H. den Geschädigten mit

der Faust. Ob die Beiden den Geschädigten aufforderten,

ihnen Geld zu geben, konnte letztlich nicht geklärt wer-

den.

Das Verfahren gegen Mundlos wurde von dem Verfahren

gegen H. abgetrennt. Mundlos erhielt am 6. Mai 1992 in

der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht Jena eine
264) Personenbericht des BKA zu Beate Zschäpe vom 20. April

2012, MAT A BY-14-1a, Bl. 521 ff.

265) BZR-Auszug, MAT A TH-2/6, nicht paginiert, Dokumentensei-

te 39.

Verwarnung (Maßnahme nach dem Jugendgerichtsge-

setz).
266

c) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger
Sachen am 25. Juli 1991

5 Js 12416/91

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr

vorhanden.

Mit Verfügung vom 27. Februar 1992 sah die Staatsan-

waltschaft Gera von einer Verfolgung ab (§ 45 Jugendge-

richtsgesetz).
267

d) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger
Sachen im November 1991

5 Js 2104/91

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Kreisgericht Jena

Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr

vorhanden.

Am 28. April 1992 stellte das Kreisgericht Jena das Ver-

fahren nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes (Ermahnung;

Erbringung von Arbeitsleistungen) ein.
268

e) Uwe Böhnhardt: Fahren ohne Fahrerlaub-
nis 1992

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Kreisgericht Jena

Zum Sachverhalt sind keine weiteren Informationen mehr

vorhanden.

Am 16. November 1992 wurde das Verfahren gegen

Böhnhardt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch das

Kreisgericht Jena gemäß § 47 JGG vorläufig eingestellt.

Böhnhardt wurde aufgegeben, nach näherer Weisung der

Jugendgerichtshilfe Jena 20 Stunden gemeinnützige Ar-

beiten zu erbringen und das Schuljahr an der Berufsförde-

rungsschule abzuschließen.
269

Die Weisungen befolgte

Böhnhardt nicht. Das Verfahren wurde später im Hinblick
266) MAT A TH-2/20, nicht paginiert, Dokumentenseite 26 ff.

267) BZR-Auszug, MAT A TH-2/6, nicht paginiert, Dokumentensei-
te 39.

268) BZR-Auszug, MAT A TH-2/6, nicht paginiert, Dokumentensei-

te 40.

269) Urteil des Kreisgerichts Jena-Stadt – Jugendschöffengericht –
vom 5. Mai 1993, Az. 512 Js 50876/93, MAT A TH-2/27, Bl.

122 ff. (124).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/14600

auf die unter f) aufgeführte Verurteilung gemäß § 154

Abs. 2 Strafprozessordnung nach Wiederaufnahme erneut

eingestellt.

f) Uwe Böhnhardt (und ein Mittäter): Ent-
wenden von Fahrzeugen 1992

512 Js 50876/93 (Mittäter: 512 Js 53568/93)

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Kreisgericht Jena / Bezirksgericht Gera

Im Jahre 1992 entwendete Böhnhardt in mehreren Fällen

Autos und fuhr mit diesen herum. Außerdem entwendete

er verschiedene weitere Gegenstände und leistete bei

einer Hausdurchsuchung Widerstand gegen Vollstre-

ckungsbeamte.

Am 5. Mai 1993 verurteilte das Kreisgericht Jena

Böhnhardt zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn

Monaten und behielt sich die Entscheidung über die

Strafaussetzung zur Bewährung vor.
270

Hiergegen legte

sein Verteidiger Berufung ein und beantragte unter ande-

rem ein Gutachten zur Frage der Reife Böhnhardts.
271

Mit

Urteil vom 3. August 1993
272

verwarf das Bezirksgericht

Gera die Berufung Böhnhardts mit der Maßgabe, dass die

Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausge-

setzt wird. Böhnhardts Mittäter wurde am 1. Oktober

1993 vom Amtsgericht – Jugendrichter – Jena zur Zah-
lung eines Geldbetrags verurteilt.

273
Aufgrund dieses

Verfahrens befand sich Böhnhardt in der Zeit zwischen

dem 5. Februar 1993 und dem 5. Mai 1993 in Untersu-

chungshaft in der JVA Hohenleuben, aus der er mithin am

Tag seiner Verurteilung entlassen wurde.

In der Untersuchungshaft kam Böhnhardt zunächst in eine

Zelle mit Sven R., der ab Mitte der 1990er in Rudolstadt

als Aktivist des „Thüringer Heimatschutzes“ und wegen
des Organisierens von Wehrsportübungen aufgefallen

war. Am 25. März 1993 baute Böhnhardt zum wiederhol-

ten Mal mit Mitgefangenen einen Knallkörper, indem er

Streichholzköpfe, Papier und anderes Material in eine

Bettverstrebung aus Metall füllte, das Rohr erwärmte und

dann zur Detonation brachte, wodurch sich das Rohr

erheblich verbog. Böhnhardt wurde als Anstifter festge-

stellt.
274

Als Disziplinarmaßnahme wurde er ab dem

29. März 1993 nicht mehr mit jugendlichen, sondern mit

erwachsenen Untersuchungshäftlingen in einer Zelle

untergebracht.
275

Zuvor hatte Böhnhardt sich mit weiteren

Untersuchungshäftlingen, darunter Sven R., auf seiner

Zelle an der Misshandlung eines Mitgefangenen beteiligt:

Der junge Mann musste das Essen für alle kochen, er

wurde in einen Schrank gesperrt und dort mit kaltem
270) MAT A TH-2/27, nicht paginiert, PDF-Seite 14 ff.

271) MAT A TH-2/27, nicht paginiert, PDF-Seite 23 ff.

272) MAT A TH-2/27, nicht paginiert, PDF-Seite 26 ff.

273) MAT A TH-2/28, nicht paginiert, PDF-Seite 16 ff.

274) MAT A TH-15, Bl. 87.

275) MAT A TH-15, Bl. 89.

Wasser und Reinigungsmitteln übergossen; zudem wurde

eine Plastiktüte angezündet und das heiße Plastik auf den

Rücken des jungen Mannes gedrückt, wodurch dieser

Brandverletzungen erlitt.
276

Wegen dieser Misshandlun-

gen stellte zwar am 11. März 1993 der Leiter der JVA

Hohenleuben Strafanzeige gegen Böhnhardt, R. und zwei

weitere Personen
277

, doch strafrechtliche Konsequenzen

folgten im Ergebnis nicht.

g) Uwe Böhnhardt: Erpressung und gefährli-
che Körperverletzung 1992/1993

512 Js 56060/93

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Böhnhardt forderte ab Juli 1992 in mehreren Fällen unter

Androhung von Schlägen Geldzahlungen von einem 16

Jahre alten Jugendlichen. Insgesamt erlangte er so über

200 DM sowie einen Kassettenrecorder im Wert von ca.

200 DM. Am 4. August 1993, nur einen Tag nach der

Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Gera, schlug

Böhnhardt den Geschädigten mit der Faust in den Magen

und trat ihn mit seinen mit Stahlkappen versehenen Schu-

hen so in den Augenbereich, dass dieser eine Gehirner-

schütterung erlitt und fünf Tage im Krankenhaus behan-

delt werden musste.

Am 6. Dezember 1993 verurteilte das Amtsgericht – Ju-
gendschöffengericht – Jena Böhnhardt unter Einbezie-
hung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Kreisgerichts

Jena vom 5. Mai 1993 (512 Js 50876/93) wegen Erpres-

sung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewäh-

rungsstrafe von zwei Jahren.
278

Aufgrund dieses Verfah-

rens befand sich Böhnhardt in der Zeit vom 1. September

bis 6. Dezember 1993 in Untersuchungshaft.

h) Beate Zschäpe: Diebstahl im Jahr 1994

541 Js 53417/95

Polizeidienststelle: PI Jena

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Am 26. Juli 1994 entwendete Beate Zschäpe in einem

REWE-Markt in Jena eine Schachtel Marlboro.

Das Amtsgericht Jena erließ gegen Zschäpe am 8. Juni

1995 einen Strafbefehl (20 Tagessätze a 25 DM), der am

18. Juli 1995 rechtskräftig wurde.
279

Im weiteren Verlauf

wurde diese Geldstrafe in eine Arbeitsauflage umgewan-
276) MAT A TH-15, 131 ff.

277) MAT A TH-15, Bl. 64.

278) MAT A TH-2/29, nicht paginiert, PDF-Seite 14 ff.

279) MAT A TH-2/30, nicht paginiert, PDF-Seite 14 f.

Drucksache 17/14600 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
delt (120 Stunden gemeinnützige Arbeit), welche Zschäpe

auch erfüllte.
280

i) Uwe Mundlos u. a.: Volksverhetzung im
August 1994

102 Js 4365/95

Polizeidienststelle: KPI Straubing

Staatsanwaltschaft Regensburg

Zweigstelle Straubing

Am 6. August 1994 nahm Mundlos gemeinsam mit Be-

kannten aus Chemnitz an einem Treffen rechter Szenean-

gehöriger an einem Baggersee bei Straubing teil, bei dem

rechtsextremistisches Liedgut gespielt wurde.

Es folgte ein Ermittlungsverfahren gem. § 130 StGB

gegen alle Teilnehmer.
281

Das Ermittlungsverfahren gegen

Mundlos wurde mit Verfügung vom 10. März 1995 nach

§ 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
282

j) Uwe Mundlos: Herstellen von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen im
August 1994

250 Js 33343/94

Polizeidienststelle: KPI Chemnitz

Staatsanwaltschaft Chemnitz

Amtsgericht Chemnitz

Am 13. August 1994 wurde Mundlos in Chemnitz von

einer Polizeistreife kontrolliert. Dabei wurden unter ande-

rem vier Visitenkarten, versehen mit der Anschrift von

Mundlos und einem Bild von Adolf Hitler, aufgefunden.

Am 29. Juni 1995 erließ das Amtsgericht Chemnitz we-

gen des Herstellens von Kennzeichen verfassungswidriger

Organisationen einen Strafbefehl von 20 Tagessätzen a

30 DM.
283

Gegen den Strafbefehl erhob Mundlos Ein-

spruch. Zur Hauptverhandlung am 12. Oktober 1995

erschien er nicht, so dass der Einspruch durch Urteil des

Amtsgerichts Chemnitz verworfen wurde.
284

Gegen dieses

Urteil legte Mundlos Berufung ein – allerdings verspätet.
Mit Beschluss vom 14. Februar 1996 verwarf das Amts-

gericht Chemnitz daher seine Berufung als unzulässig.
285

Da Uwe Mundlos zum Zeitpunkt der Tatbegehung

Grundwehrdienst leistete, war der gleiche Fall auch Ge-

genstand eines Verfahrens beim Truppendienstgericht

Süd in Kassel.
280) MAT A TH-2/30, nicht paginiert, PDF-Seite 16.

281) Lebenslauf Uwe Mundlos im Zusammenhang mit dem Ermitt-
lungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am

28. März 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 83 ff. (85).

282) MAT A BY-2 b I, Bl. 138 ff.

283) MAT A BMVg-6/2, Bl. 49 ff.

284) MAT A BMVg-6/2, Bl. 52 ff. (VS-NfD).

285) MAT A BMVg-6/2, Bl. 57 (VS-NfD).

k) Uwe Böhnhardt: „Kreuzverbrennung“,
Verwenden von Kennzeichen verfas-
sungswidriger Organisationen im Sommer
1995

114 Js 20864/96

Polizeidienststelle: LKA Thüringen

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Im Sommer 1995 zeigten mehrere Personen bei einer

Veranstaltung in einem Waldgebiet bei Jena den „Hitler-
gruß“/„Kühnengruß“. Bei dieser Veranstaltung erfolgte
auch eine „Kreuzverbrennung“. Mit Verfügung vom
7. Mai 1996 leitete die Staatsanwaltschaft Gera ein Ver-

fahren – zunächst gegen unbekannt – wegen Verwendens
verfassungswidriger Kennzeichen (§ 86a StGB) ein.

286
Weitere Verfahren wurden zu diesem Verfahren verbun-

den, wodurch Mundlos Beschuldigter wurde, der nicht an

der ‚Kreuzverbrennung‘, aber mutmaßlich an anderen
Straftaten teilgenommen hatte. Beate Zschäpe war in

diesem Verfahren Zeugin. Ihre Vernehmung
287

zeigt, dass

sie aussagebereit war. Zu sichergestellten Bildern
288

mehrfach befragt,
289

identifizierte sie bereitwillig abgebil-

dete Personen.
290

Nach umfangreichen Ermittlungen er-

hob die Staatsanwaltschaft am 15. August 1997 Anklage

beim Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Jena.291

Mit Beschluss vom 25. Januar 2000, zweieinhalb Jahre

nach Anklageerhebung, lehnte das Amtsgericht Jena die

Eröffnung des Hauptverfahrens in Sachen „Hitler-
gruß“/„Kühnengruß“ ab,292 da der „Hitlergruß“ oder
„Kühnengruß“ nur in einem Waldgebiet unter Ausschluss
der Öffentlichkeit gezeigt worden sei. Bezüglich der wei-

teren Verfahrensteile stellte das Amtsgericht mit Be-

schluss vom selben Tage das Verfahren gegen Böhnhardt

und Mundlos (siehe unten: B.I.2.n)-q), S. 79 ff.) nach

§ 205 StPO vorläufig ein, da die Beiden bereits seit zwei

Jahren untergetaucht waren.
293

Am 24. Januar 2005 wurde

das Verfahren gegen Böhnhardt und Mundlos wegen

Eintritts der Verfolgungsverjährung endgültig einge-

stellt.
294
286) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 65.

287) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 70 ff.

288) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 84 ff.

289) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 95 ff.

290) MAT A TH-2/31, nicht paginiert, PDF-Seite 104 ff.

291) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 22 ff.

292) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 161 f.

293) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 163 f.

294) MAT A TH-2/33, nicht paginiert, PDF-Seite 350.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/14600

l) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Ver-
wenden von Kennzeichen verfassungswid-
riger Organisationen und Verstoß gegen
das Waffengesetz im September 1995

114 Js 1035/96

Polizeidienststelle unbekannt

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Gera

Am 10. September 1995 trug Böhnhardt in Rudolstadt

offen eine Gürtelschnalle mit der Aufschrift „Blut und
Ehre“ und einem eingeritzten Hakenkreuz. Zusammen mit
Zschäpe und anderen Tätern warf er Handzettel auf Krän-

ze mit dem Aufdruck „Deutsche lernt wieder aufrecht zu
gehen. Lieber sterben als auf Knien leben. Schluss mit

dem Holocaust oder Deutscher willst Du ewig zahlen?“.
Außerdem bewarf Zschäpe die Gedenkstätte am Platz der

Opfer des Faschismus in Rudolstadt mit rohen Eiern.
295

Bei einer am gleichen Tag bei Böhnhardt in der Richard-

Zimmermann-Straße 11 in Jena durchgeführten Woh-

nungsdurchsuchung wurde in einem Schrank im Kinder-

zimmer des Angeklagten ein zweckentfremdeter Baulaser

sichergestellt, der zum Anleuchten oder Anstrahlen eines

Zieles oder der Beleuchtung einer Zieleinrichtung dient

und auf einem bearbeiteten Laufteil einer Luftdruckwaffe

mit dem Kaliber 4,5 mm befestigt war.

Am 13. Juni 1996 wurde Böhnhardt vom Amtsgericht –
Jugendschöffengericht – Jena unter Einbeziehung des
Urteils vom 6. Dezember 1993 zu einer Freiheitsstrafe

von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
296

Hierge-

gen legte Böhnhardt Berufung ein. In der Berufungsver-

handlung am 19. Dezember 1996 wurde das Verfahren –
aus nicht näher bekannten Erwägungen – nach § 153
Absatz 2 StPO (Geringfügigkeit) eingestellt.

297
m) Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, André
Kapke: Puppentorso u. a. im April 1996

114 Js 7630/96

Polizeidienststelle: KPI Jena

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena / Landgericht Gera

Am 13. April 1996 zwischen 1 Uhr und 1.20 Uhr wurde

an der Brücke der Bundesautobahn 4, Gemarkung Buche,

Ortsteil Pösen, ein Puppentorso aufgehängt. Der Puppen-

torso war mit einem gelben Judenstern und einer Spreng-

und Brandvorrichtung versehen. Diese bestand aus zwei,

mit Elektrokabeln an den Torso angeschlossenen Kartons

sowie einem Verkehrsschild mit der Aufschrift „Vorsicht
Bombe“. Auf einem der Kartons fand sich der Abdruck
des Mittelfingers der linken Hand Böhnhardts. Bei einer

Hausdurchsuchung in diesem Verfahren im Juni 1996
295) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 45, Rn. 55.

296) MAT A TH-2/14, nicht paginiert, PDF-Seite 64 ff.

297) MAT A TH-2/14, nicht paginiert, PDF-Seite 75 ff.

wurden bei Böhnhardt mehrere CDs mit volksverhetzen-

dem Inhalt gefunden. An dem Wochenende zum 12. April

1996 hatte sich der damalige Vorsitzende des Zentralrates

der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, in Weimar aufge-

halten.

Am 21. April 1997 verurteilte das AG – Jugendschöffen-
gericht – Jena Böhnhardt in Sachen Puppentorso, CDs
und einer früheren Tat (Erpressung/gefährliche Körper-

verletzung, 512 Js 56060/93, Gesamtstrafen) zu einer

Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
298

Das

Verfahren gegen André Kapke und Beate Zschäpe war

bereits am 15. November 1996 mangels hinreichenden

Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wor-

den.
299

Böhnhardt legte Berufung ein und wurde vom LG Gera

mit Urteil vom 16. Oktober 1997 in Bezug auf den „Pup-
pentorso“ freigesprochen. Wegen des Besitzes der CDs
sowie der einbezogenen früheren Straftat wurde

Böhnhardt zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren drei

Monaten verurteilt.
300

Das Urteil wurde im Dezember

1997 rechtskräftig. Gegen den – mittlerweile unterge-
tauchten – Böhnhardt erging am 12. Mai 1998 ein Voll-
streckungshaftbefehl. Ferner erging noch im Jahre 2006

ein europäischer Haftbefehl,
301

welcher erst nach Ablauf

der Vollstreckungsverjährung mit Verfügung vom

11. Dezember 2007 aufgehoben wurde.
302

n) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate
Zschäpe, Holger Gerlach: Illegaler Waffen-
besitz und Widerstand gegen Vollstre-
ckungsbeamte im November 1996

113 Js 21167/96

Polizeidienststelle: KPI Jena

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Am 9. November 1996 wurden Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe vorläufig festgenommen, um Straftaten zu ver-

hindern. In Böhnhardts Auto, in dem zudem auch Gerlach

saß, wurden dabei unter anderem folgende Gegenstände

gefunden, die teilweise dem Waffengesetz unterfallen:

Sturmhaube, Handbeil, Schlagstock, Faustkampfmesser,

Gaspistole, Messer, Luftdruckpistole, zwei Magazine mit

15 Gaspatronen, Poster mit Wehrmachtsmotiv. Bei der

Durchsuchung leistete Böhnhardt Widerstand.

Da es nicht möglich war die einzelnen Gegenstände ein-

zelnen Tatenverdächtigen zuzuordnen, wurde das Verfah-

ren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz am

12. August 1997 eingestellt.
303

Wegen des geleisteten
298) MAT A TH-2/4, nicht paginiert, PDF-Seite 178 ff.

299) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom
15. November 1996, MAT A TH-2/4, Bl. 667 f.

300) MAT A TH-2/29, nicht paginiert, PDF-Seite 36 ff.

301) MAT A TH-2/39, Bl. 1 ff. (37).

302) MAT A TH-2/39, Bl. 24.

303) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 204 ff.

Drucksache 17/14600 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wurde gegen

Böhnhardt am gleichen Tage Anklage erhoben.
304

Das

Verfahren wurde später zu dem „Kühnen“-Gruß-
Verfahren (114 Js 20864/96) verbunden.

305
o) Uwe Böhnhardt, André Kapke, Chris-
tian K.: Körperverletzung im Dezember
1996

511 Js 14306/97

Polizeidienststelle: PI Jena

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Am 1. Dezember 1996 kam es nachts vor einer Sparkasse

in Jena zu einer Auseinandersetzung zwischen den Be-

schuldigten und zwei weiteren Personen, in deren Verlauf

Böhnhardt auf ein bereits am Boden liegendes Opfer

mehrfach eintrat.

Am 29. September 1997 erhob die Staatsanwaltschaft

Anklage wegen Körperverletzung.
306

Das Verfahren wur-

de zu dem „Kühnen-Gruß“-Verfahren (14 Js 20864/96)
verbunden.

307
p) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André
Kapke: Hausfriedensbruch bei der Polizei
u. a. im Januar 1997

114 Js 437/97

Polizeidienststelle: LKA Thüringen

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Am 4. Januar 1997 gegen 2.39 Uhr begaben sich Mundlos

und Böhnhardt widerrechtlich auf das Gelände der Poli-

zeidirektion Jena. Als sie aufgefordert wurden, sich aus-

zuweisen und dazu in ein Gebäude der Polizeidirektion

Jena zu kommen, schlug Mundlos mit beiden Armen um

sich und traf dabei einen Polizisten in Bauchhöhe. Als die

Polizeibeamten danach die Umgebung absuchten, fiel

ihnen Kapke auf, der mit seinem Fahrzeug neben der

Eingangstür der Polizeidirektion parkte. Bei einer Kon-

trolle seines Pkw konnten eine CO2-Paint-Ball Waffe

aufgefunden werden, für die Kapke keine Erlaubnis hatte.

Am 17. Juli 1997 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage

gegen Böhnhardt (Hausfriedensbruch), Mundlos (Wider-

stand gegen Vollstreckungsbeamte) und Kapke (Verstoß

gegen das Waffengesetz).
308

Auch dieses Verfahren wur-
304) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 209 ff.

305) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 222.

306) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 419 ff.

307) Christian K. hat sich im Rahmen der Gewährung rechtlichen

Gehörs zu diesem Abschnitt geäußert.

308) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 355 ff.

de zu dem „Kühnen-Gruß“-Verfahren (114 Js 20864/96)
verbunden.

309
q) Uwe Böhnhardt: illegaler Waffenbesitz im
April 1997

543 Js 24583/97

Polizeidienststelle: PI Jena

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Am 16. April 1997 führte Böhnhardt in seinem Kfz ein

Luftdruckgewehr mit Zielfernrohr mit sich, für das er

keine Erlaubnis besaß.

Am 16. Oktober 1997 erließ das Amtsgericht Jena auf

Antrag der Staatsanwaltschaft Gera einen Strafbefehl, 50

Tagessätze a 30 DM.
310

Hiergegen legte Böhnhardt Ein-

spruch ein, erschien aber zu der Hauptverhandlung am

26. Mai 1998 nicht – das Trio war bereits untergetaucht.
Die Entscheidung wurde daher rechtskräftig.

311
Gegen

Böhnhardt erging ein Vollstreckungshaftbefehl, welcher

bis 2003 Bestand hatte.
312

r) Uwe Böhnhardt, André Kapke: Körperver-
letzung im April 1997

511 Js 30539/97

Polizeidienststelle: LKA Thüringen

Staatsanwaltschaft Gera

Amtsgericht Jena

Am 19. April 1997 gegen 1 Uhr wollte das spätere Opfer

einen Bekannten des Kapke wegen Trunkenheit aus dem

Jugendclub Modul (vormals Winzerclub) verweisen.

Daraufhin mischte sich Kapke ein und versetzte dem

Opfer einen Faustschlag auf den Mund. Nunmehr schlu-

gen auch Böhnhardt und weitere Bekannte auf das Opfer

ein. Dem schon am Boden Liegenden wurden noch meh-

rere Tritte versetzt.

Am 29.09.1997 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage

wegen Körperverletzung.
313

Das Verfahren wurde zu dem

„Kühnen-Gruß“-Verfahren (14 Js 20864/96) verbunden.
309) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 369.

310) MAT A TH-2/37, Bl. 27 ff.

311) MAT A TH-2/37, Bl. 354 f.

312) MAT A TH-2/37, Bl. 58.

313) MAT A TH-2/34, nicht paginiert, PDF-Seite 479 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/14600

3. Sonstige polizeiliche Erkenntnisse

a) Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und André
Kapke: Plakatierung am 3. Mai 1995

Am 3. Mai 1995 brachten Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe

und Kapke ohne Genehmigung Plakate mit dem Slogan

„8. Mai 1945 – 8. Mai 1995 Wir feiern nicht!! Schluss mit
der Befreiungslüge!“ an, unter Verstoß gegen § 45
Ordnungswidrigkeitengesetz.

314
b) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Blu-
menbinde „Heß“ am 23. November 1995

Am 23. November 1995 gaben Böhnhardt und Zschäpe in

einem Blumengeschäft eine Blumenbinde mit Schleife in

Auftrag mit der Aufschrift „In Gedenken an Rudolf Heß,
deine Jenaer Kameraden“.315

c) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André
Kapke u. a.: Platzverweis am 9. März 1996

Am 9. März 1996 erhielten Böhnhardt, Mundlos, Kapke

und weitere Personen wegen Tragens des Gau-

Abzeichens (Verwenden von Kennzeichen gemäß § 86a

StGB) und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz

einen Platzverweis; außerdem wurde ein Ermittlungsver-

fahren eingeleitet.
316

d) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos u. a.:
Hausverbot in der Gedenkstätte Buchen-
wald am 1. November 1996

Böhnhardt und Mundlos sowie sieben weitere Personen

besuchten die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald,

wobei Böhnhardt und Mundlos in uniformartiger Beklei-

dung („SA-Uniform“) auftraten. Aufgrund dieses Vorfalls
wurde Hausverbot durch die Leitung der Gedenkstätte

erlassen.
317

e) Skinhead-Konzert am 23. November 1996

Am 23. November 1996 traten Böhnhardt und Mundlos in

uniformartiger Bekleidung auf einem Skinhead-Konzert

im Studio-Live-Club in Apolda in Erscheinung.
318
314) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 44, Rn. 55.

315) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-
mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am

24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (31).

316) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 45, Rn. 55.

317) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-

mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am

24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (32).

318) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-

mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am

24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (32).

f) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Anmel-
dung zu einer Versammlung am 6. Januar
1997

Am 6. Januar 1997 überbrachte Böhnhardt eine Anmel-

dung zu einer Versammlung unter dem Motto „Für eine
schärfere Kontrolle der Polizei“. Als Veranstalter und
verantwortlicher Leiter war Mundlos aufgeführt. Die

Versammlung wurde durch eine Verbotsverfügung der

Stadt Jena untersagt.
319

4. Wehrpflicht von Böhnhardt und Mundlos

a) Uwe Böhnhardt

In Aktenvermerken des LKA Thüringen aus dem Sep-

tember 2002 ist festgehalten, dass Böhnhardt beim

Kreiswehrersatzamt Gera gemustert worden war, Unterla-

gen dazu aber nicht mehr vorlagen. Mit den Informatio-

nen aus diesen Vermerken konnte das Institut für Wehr-

medizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr

ermitteln, dass die Musterung am 17. Juni 1997 erfolgt

war und der Wehrpflichtige für tauglich befunden wurde.

In zwei daran anschließenden psychologischen EUF-

Untersuchungen (Eignungsuntersuchung und Eignungs-

feststellung) vom 9. und 16. September 1997 wurde die

Eignung von Böhnhardt verneint, Wehrdient leisten zu

können.
320

b) Uwe Mundlos

aa) Personalakte Mundlos

aaa) Erkenntnisse

Der Werdegang von Mundlos während seiner Bundes-

wehrzeit stellt sich auf der Grundlage der Bundeswehr-

personalakte wie folgt dar:

Mundlos leistete in der Zeit vom 1. April 1994 bis zum

31. März 1995 seinen Grundwehrdienst in Bad Franken-

hausen beim Panzergrenadierbataillon 381 ab.
321

Im An-

schluss an die allgemeine Grundausbildung, die er in der

Zeit vom 5. April 1994 bis zum 30. Juni 1995 absolvier-

te,
322

wurde er mit Wirkung zum 1. Juli 1994 zum Zwe-

cke der Dienstleistung zur 1. Kompanie Panzergrenadier-

bataillon 381 versetzt.
323

Vom 8. bis zum 23. August 1994

nahm er an der Spezialgrundausbildung zum Mörser-

schützen teil,
324

am 11. August 1994 erhielt er eine Kom-

mandierungsverfügung zum Kraftfahrlehrgang „Kraftfah-
319) Lebenslauf Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Er-

mittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, erstellt vom BKA am
24. April 2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 28 ff. (33).

320) MAT A BMVg-3/8.

321) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-6, Bl. 45.

322) MAT A BMVg-6, Bl. 22.

323) MAT A BMVg-6, Bl. 21.

324) MAT A BMVg-6, Bl. 44.

Drucksache 17/14600 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rer B kurz“ bei der Fahrschulgruppe 525 in Bad Franken-
hausen. Der Kommandierungszeitraum umfasste den 15.

bis 26. August 1994.
325

Am 13. August 1994 wollte sich Mundlos in Chemnitz-

Annaberg gemeinsam mit weiteren Neonazis an einer der

zahlreichen Aktionen der Neonaziszene anlässlich des

Todestages von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß beteili-

gen und wurde mit der Gruppe durch Polizeibeamte des-

halb kontrolliert. Mundlos und rund zehn weitere Neona-

zis wurden auf der Polizeichwache Chemnitz-Süd durch-

sucht, dabei fanden die Beamten bei ihm vier auf seine

Wohnanschrift lautende Visitenkarten mit einem aufge-

druckten Bild von Adolf Hitler sowie ein Bild von Rudolf

Heß. In seiner Wohnung wurden bei einer daraufhin in

derselben Nacht durchgeführten Hausdurchsuchung unter

anderem Propagandamittel der NPD gefunden. Mundlos

wurde gemeinsam mit anderen Neonazis für 36 Stunden

in polizeilichen Unterbindungsgewahrsam genommen und

am 15. August 1994 gegen 0.15 Uhr aus dem vorläufigen

Gewahrsam entlassen.
326

Wegen des Nichterscheinens zum Dienst am 15. August

1994 in der Zeit von 6.30 bis 16.30 Uhr wurde Mundlos

am 16. August 1994 von Hauptmann L. vernommen. Bei

dieser Vernehmung schilderte Mundlos u. a., dass man bei

ihm das Bild von Rudolf Heß und eine persönliche Visi-

tenkarte mit einem Portrait des Kopfes von Adolf Hitler

sowie Flugblätter der NPD und 15 Musikkassetten von

rechtsextremistischen Bands gefunden habe.
327

Am 16.

August 1994 wurde er vorzeitig vom Kraftfahrlehrgang

abgelöst.
328

Aus dienstlichen Gründen wurde er am

19. August 1994 wieder zur 6. Kompanie Panzergrenadi-

erbataillon 381 versetzt.
329

Am 12. September 1994 gab der Disziplinarvorgesetzte,

Hauptmann P., den Vorgang wegen des Verdachts des

Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Orga-

nisationen (§ 86a StGB) und der Volksverhetzung (§ 130

StGB) nach § 29 Abs. 3 WDO a. F. an die Staatsanwalt-

schaft Erfurt ab. In dem Abgabeschreiben führte Haupt-

mann P. u. a. aus:

„Die Kriminalpolizei in Chemnitz beabsichtigt,
den Fall ihrerseits an die Staatsanwaltschaft abzu-

geben. Eine Entlassung aus dem Wehrdienst ist

nicht vorgesehen, da es sich um einen Wehr-

pflichtigen handelt. Parallel zur Abgabe an die

Staatsanwaltschaft habe ich einen Antrag auf 7

Tage Disziplinararrest wegen Verstoß gegen § 8

Soldatengesetz ,Eintreten für die demokratische

Grundordnung‘ beim Truppendienstgericht Kassel
gestellt. Die Einleitung eines disziplinargerichtli-

chen Verfahrens ist nicht vorgesehen. Uwe
325) MAT A BMVg-6, Bl. 24.

326) MAT A BMVg-6, Bl. 33, 39, 54.

327) MAT A BMVg-6, Bl. 38, 39.

328) MAT A BMVg-6, Bl. 28.

329) MAT A BMVg-6, Bl. 29.

Mundlos erfüllte seinen Dienst bisher zur vollen

Zufriedenheit und fiel bisher nicht negativ auf“.330

Am gleichen Tag stellte Hauptmann P. den Antrag an das

Truppendienstgericht Kassel, einem beabsichtigten Dis-

ziplinararrest von sieben Tagen zuzustimmen. Eine hierzu

angehörte Vertrauensperson bewertete Mundlos wie folgt:

„Ich kenne den PG Mundlos nicht näher. Meines
Wissens nach hat [er] sich im dienstlichen Bereich

mit seiner Einstellung zurückgehalten. Sein Ver-

halten gegenüber den übrigen Kameraden der

Kompanie ist problemlos. PG Mundlos ist eher ein

Einzelgänger und nach meiner Einschätzung nicht

in der Lage andere mitzureißen und für seine Sa-

che zu begeistern.“331

Nach Darlegung der Tatvorwürfe heißt es in dem Antrag

an das Truppendienstgericht Kassel:

„Der Wehrbeauftragte hat sich in diesen Fall ein-
geschaltet und wird durch mich weiter unterrich-

tet.“332

Der derzeitige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundesta-

ges, Hellmut Königshaus, hat mit Schreiben vom

20. September 2012 mitgeteilt, er habe in seinem Amt

prüfen lassen, ob zu dem Vorgang noch Akten existieren

und festgestellt, dass dies nicht der Fall sei. Auch sonstige

Hinweise auf eine Befassung des Amtes mit dem in Rede

stehenden Vorkommnis seien nicht mehr vorhanden. Es

sei aber dennoch wahrscheinlich, dass der Wehrbeauftrag-

te sich seinerzeit mit dem Vorgang befasst habe. Zur

Begründung hat er ausgeführt:

„Bei den in Rede stehenden Vorwürfen gegen ei-
nen Soldaten hat nach den einschlägigen Vor-

schriften stets eine Meldung als ‚Besonderes Vor-
kommnis‘ zu erfolgen (ZDv 10/13 sowie ergän-
zende Vereinbarungen zwischen dem Bundesmi-

nisterium der Verteidigung und dem Amt des

Wehrbeauftragten), die auch der Wehrbeauftragte

erhält. Dieser greift jedes ihm durch das Bundes-

ministerium der Verteidigung gemeldete Besonde-

re Vorkommnis mit einem rechtsextremistischen

Bezug von Amts wegen auf, erbittet eine Stellung-

nahme der zuständigen Dienststelle und lässt sich

über Verlauf und Ausgang etwaiger Gerichts- oder

Disziplinarverfahren unterrichten. Die dabei ge-

wonnenen Erkenntnisse geben ihm zusammen mit

weiteren Berichten und bei Truppenbesuchen ge-

wonnenen Eindrücken die Möglichkeit, dem Deut-

schen Bundestag über etwaige rechtsradikale Ten-

denzen in der Truppe und die hieraus durch die zu-

ständigen Vorgesetzten gezogenen Konsequenzen

zu berichten. Im konkreten Fall hatte mein damals

amtierender Amtsvorgänger offenbar keinen An-
330) MAT A BMVg-6, Bl. 30, 31.

331) MAT A BMVg-6, Bl. 37.

332) MAT A BMVg-6, Bl. 32, 33.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/14600

lass, die hierzu getroffenen Maßnahmen zu bean-

standen. Der Fall wurde offenbar auch als Einzel-

fall gesehen, der keine negativen Rückschlüsse auf

die Gesamtlage zuließ.

Im Jahresbericht 1994 des Wehrbeauftragten des

Deutschen Bundestages (BT-Drs. 13/700, S. 15)

heißt es im Kapitel ‚Rechtsextremistisches Verhal-
ten der Soldaten‘: ‚Nach meiner Auffassung gibt
es keine rechtsextremistische Entwicklung der

Bundeswehr‘.“333

Mit Beschluss vom 23. September 1994 lehnte der Vor-

sitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Süd,

Kassel, den Antrag auf Zustimmung zum Disziplinarar-

rest vom 12. September 1994 ab. Zur Begründung führte

er u. a. aus:

„Es ist weder nach dem Tatvorwurf noch nach Ak-
tenlage nachgewiesen, dass der Soldat zu irgendei-

nem Zeitpunkt verfassungsfeindliches Schrift-,

Bild- oder Tongut verbreitet oder sich entspre-

chend geäußert hat. Der alleinige in privater Woh-

nung, privater Kleidung oder privaten Gegenstän-

den verborgene Besitz zu privatem Gebrauch von

radikalpolitischem, verfassungsfeindlichem Ge-

dankengut in Schrift, Bild- oder Tonform ohne –
hier nicht nachgewiesene – Verbreitung an Dritte,
erfüllt weder einen Straftatbestand noch den Tat-

bestand eines Dienstvergehens. Die NPD hat zwar

deutlich verfassungswidrige Ziele. Eine verfas-

sungswidrige Organisation i.S. §§ 86, 86a StGB ist

sie aber mangels entsprechender Entscheidung des

Bundesverfassungsgerichts nicht. Wenn der Soldat

ein Bildnis eines der größten Verbrecher der Ge-

schichte und seines Stellvertreters verborgen bei

sich führt und durch Vereinigung mit seiner Visi-

tenkarte sich mit deren Ideologie identifiziert, ist

zwar an seinem politischen Verstand zu zweifeln,

eine Straftat oder ein Dienstvergehen begeht er da-

durch aber nicht.“334

Der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstge-

richts Süd ging aufgrund des Schreibens des Disziplinar-

vorgesetzen davon aus, dass Mundlos nur eine Visitenkar-

te mit Hitler-Bild bei sich gehabt habe.
335

Am 28. September 1994 wurde Mundlos mit Wirkung

zum 1. Oktober 1994 zum Gefreiten ernannt.
336

Die Er-

kenntnisse über die rechtsextremistische Gesinnung von

Mundlos hatten keine Auswirkungen auf die für ihn be-

stehende Möglichkeit, an Schießübungen teilzunehmen.

So weist sein Schießbuch aus, dass er am 14. und
333) Schreiben des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages

vom 20. September 2012, MAT B BT-1, Bl. 2.

334) Beschluss des Truppendienstgerichtes Süd vom 23. September

1994, MAT A BMVg-6/2, Bl. 14 f.

335) Schreiben an das Truppendienstgericht vom 12. September

1994, MAT A BMVg-6/1, Bl. 17.

336) MAT A BMVg-6, Bl. 43.

15. November 1994 an verschiedenen Schießen – unter
anderem mit einem Maschinengewehr – teilnahm.337

Am 31. März 1995 beendete Mundlos seinen Grundwehr-

dienst.
338

In dem Dienstzeugnis vom 22. März 1995 wur-

de er wie folgt beurteilt:

„Gefreiter Mundlos war als Richtschütze für das
präzise Einstellen von optischen Geräten eines Ge-

fechtsfahrzeugs sowie die Koordination von Ar-

beitsabläufen verantwortlich. Als Gehilfe in der

Kompanieführungsgruppe arbeite er selbständig

und zuverlässig beim Erstellen von Schaubildern,

Statistiken und Übersichten.

Seine Führung war befriedigend.

In seiner Tätigkeit als Richtschütze und Gehilfe

des Kompanieführers hat er gute Leistungen ge-

zeigt.“339

Zum 1. April 1995 wurde Mundlos zum Obergefreiten

befördert.
340

Für den Zeitraum vom 15. Juni bis zum

31. August 1995 wurde Mundlos Mob-beordert, d. h. in

die Reserve eingeplant.
341

Über die tatsächliche Ableis-

tung einer Wehrübung liegen nach Mitteilung des BMVg

vom 9. Oktober 2012 jedoch keine Erkenntnisse vor. Ein

entsprechender Einberufungsbescheid hätte laut BMVg

nach geltenden Bestimmungen in die Personalakte aufge-

nommen werden müssen.
342

Wie bereits dargelegt worden ist, wurde Mundlos am

29. Juni 1995 mit Strafbefehl des Amtsgerichts Chemnitz

wegen Verstoßes gegen §§ 86, 86a Abs. 1, 2 und 4 StGB

zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen a 30 DM verur-

teilt.
343

Am 25. März 1996 wurde Mundlos mitgeteilt,

dass dieser Strafbefehl seit dem 13. Februar 1996 rechts-

kräftig sei.
344

Hieraufhin meldete der Rechtsberater des

Wehrbereichskommandos VII/13. Panzergrenadierdivisi-

on dem Kreiswehrersatzamt Jena am 5. August 1996 den

rechtskräftigen Strafbefehl des AG Chemnitz.
345

In einer

Aktennotiz des Kreiswehrersatzamtes Gera vom

23. Februar 1998 wurde festgehalten, dass z. Zt. bundes-

weit nach Mundlos wegen der Zugehörigkeit zur rechts-

extremistischen Szene und Mitwirkung an der Herstell-

lung von Bomben gefahndet werde. Als Verfügungspunkt

wurde in der Aktennotiz u. a. festgehalten: „Keine Mob-
Beorderung.“346
337) Schießbuch, MAT A BMVg-6, Bl. 70-77.

338) MAT A BMVg-6, Bl. 45.

339) Dienstzeugnis vom 22. März 1995, MAT A BMVg-6, Bl. 50.

340) MAT A BMVg-6, Bl. 3.

341) MAT A BMVg-6, Bl. 5.

342) Schreiben des BMVg vom 9. Oktober 2012, MAT A BMVg-

6/3, Bl. 6.

343) Siehe hierzu oben unter B. I. 2. j).

344) MAT A BMVg-6, Bl. 54 f.; MAT A BMVg-6/2, Bl. 52 f.

345) MAT A BMVg-6, Bl. 53.

346) MAT A BMVg-6, Bl. 58.

Drucksache 17/14600 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bbb) Umgang mit Personalakte Mundlos nach

dem 4. November 2011

Aufgrund von Presseanfragen des MDR und der Stuttgar-

ter Zeitung zum Wehrdienstverhältnis von Mundlos und

Böhnhardt wurde vom für die Koordinierung von Presse-

angelegenheiten zuständigen Referat WV/Z im BMVg am

12. Dezember 2011 eine Leitungsvorlage für den Staats-

sekretär im BMVg, Rüdiger Wolf, erstellt. Der pressever-

wertbaren Stellungnahme wurden Fax-Kopien aus der

Stammakte von Mundlos beigefügt,
347

die dem BMVg

auszugsweise am 7. Dezember 2011 vom Kreiswehrer-

satzamt Erfurt übermittelt worden waren.
348

Diese Unter-

lagen, bei denen es sich nach Aussage des Zeugen

Dr. Christof Gramm, dem damaligen Leiter des Auf-

sichtsreferats über den MAD, nur um einen Auszug aus

der Akte gehandelt haben soll,
349

wurden nach Rücklauf

der Leitungsvorlage im Dezember 2011 nach Angaben

des BMVg vernichtet.
350

In der Leitungsvorlage wurde

ausführlich über ein Strafverfahren und Disziplinarmaß-

nahmen gegen Mundlos berichtet.
351

In Vorbereitung einer Sondersitzung des Parlamentari-

schen Kontrollgremiums am 15. November 2011 ermittel-

te der MAD beim Bundesamt für Wehrverwaltung, dass

Mundlos vom 1. April 1994 bis 31. März 1995 Wehr-

dienst geleistet hatte. Im MAD selbst waren keine Unter-

lagen mehr zu Mundlos vorhanden.
352

Aufgrund von An-

fragen des BfV
353

und des BKA
354

an den MAD zu

Wehrdienstzeiten und Spezialausbildungen von Mundlos

stellte sich die Frage, wie mit Anfragen umgegangen

werden sollte, die sich nicht nur auf Erkenntnisse des

MAD bezogen. Am 15. Dezember 2011 entschied der

Abteilungsleiter II des MAD-Amtes, Kapitän zur See Olaf

Christmann, die Personalakte von Mundlos beim Kreis-

wehrersatzamt zur Einsichtnahme anzufordern. In einem

Schreiben an den Referatsleiter R/KS im BMVg, Dr.

Gramm, teilte Christmann mit:

„In diesem Zusammenhang hat KWEA Erfurt uns
am 15.12.2011 fernmündlich mitgeteilt, dass die

Personalakten des seinerzeit zuständigen KWEA

Gera durch das KWEA Erfurt übernommen wor-

den seien und dass dort doch noch eine ‚Restakte‘
zu Mundlos vorhanden sei.“
347) Leitungsvorlage vom 12. Dezember 2011, MAT A BMVg-6/3,

Bl. 6.

348) Sendebericht vom 7. Dezember 2011, MAT A BMVg-6, Bl. 61.

349) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 63.

350) Leitungsvorlage vom 12. Dezember 2011, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 6.

351) MAT A BMVg-6/2, Bl. 101 f.

352) Zusammenfassung des MAD, MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12
- VS-VERTRAULICH), Bl. 5 (VS-NfD).

353) Anfrage vom 14. November 2011, MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr.

54/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 5.

354) Anfragen vom 5. Dezember 2011, MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr.

54/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 5 und vom 4. Januar 2012,

MAT A MAD-5, Bl. 54.

Zudem bat er Dr. Gramm in dem Schreiben um grund-

sätzliche Klärung, wie mit Anfragen zu verfahren sei, bei

denen es nicht oder nicht nur um Erkenntnisse des MAD

gehe. In dem Schreiben führte er aus:

„Häufig sind für die ermittelnden Behörden Infor-
mationen von Interesse, die an anderer Stelle in der

Bundeswehr, insbesondere bei den Wehrersatzbe-

hörden vorliegen, bei deren Bewer-

tung/Einordnung in sicherheitsmäßiger Hinsicht

der MAD aber behilflich sein kann.“355

Am 26. Januar 2012 teilte das BMVg dem MAD mit, es

bestünden keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der

MAD auch im Falle seiner Unzuständigkeit eine an ihn

gerichtete Anfrage an die dritte Behörde weiterleite und

um Beantwortung ihm gegenüber bitte.
356

Unter Bezug-

nahme auf die Anfragen des BKA vom 5. Dezember 2011

und 4. Januar 2012 bat der MAD das Kreiswehrersatzamt

Erfurt am 17. Januar 2012 um Prüfung, ob dort Unterla-

gen zu Böhnhardt und Mundlos vorhanden seien.

Am 24. Februar 2012 wurde die Personalakte zu Mundlos

durch einen Mitarbeiter des MAD beim Kreiswehrersatz-

amt Erfurt abgeholt und in das MAD-Amt verbracht. Das

BMVg hat in diesem Zusammenhang in seinem Bericht

vom 9. Oktober 2012 betont, dass die Personalakte zu

keinem Zeitpunkt zum Aktenbestand des MAD gehört

habe. Das MAD-Amt sei lediglich befugt gewesen, die

Personalakte zu Mundlos im Rahmen von Erkenntnisan-

fragen anderer Behörden beim Kreiswehrersatzamt anzu-

fordern und sie in Kurierfunktion an das BKA weiterzu-

leiten.
357

Als Grund dafür, dass dem MAD diese Kurier-

funktion übertragen worden ist, hat der Zeuge

Brüsselbach ausgeführt, dass der MAD der klassische

Ansprechpartner für die Polizei in solchen Angelegenhei-

ten sei. Das BKA und verschiedene Stellen der BAO

hätten nicht von ungefähr beim MAD angefragt. Hierbei

sei es nicht nur darum gegangen, Unterlagen zu vielen

Personen zu eruieren und zusammenzustellen, sondern

auch abzuholen und zu transportieren. Zudem sei häufig

der MAD ebenfalls inhaltlich einbezogen worden.
358

Er

selbst habe die Akte nicht auf seinem Schreibtisch gehabt.

Sie sei ihm auch nicht vorgelegt worden.
359

Die Zeitdauer von zwei Monaten, bis man sich die Akte

besorgt habe, hat der Zeuge Brüsselbach damit begründet,

dass nicht klar gewesen sei, wo sich diese Akte denn nun

befinde, welche Teile sie noch enthalte und wer die in-

formationelle Verfügungsgewalt über die Akte überneh-

men solle. Dies sei erst im Januar 2012 entschieden wor-
355) Schreiben des MAD vom 6. Januar 2012, MAT A BMVg-6/2,

Bl. 118-119.

356) Schreiben des BMVg vom 26. Januar 2012, MAT A BMVg-

6/2, Bl. 126, 127.

357) Bericht des BMVg vom 9. Oktober 2012, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 7.

358) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 16.

359) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 17.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/14600

den.
360

Der Zeuge Dr. Gramm hat hierzu erklärt, es habe

umfangreicher Gespräche mit der Abteilung WV bedurft,

um diese davon zu überzeugen, dass die Personalakten

überhaupt hätten herausgegeben werden dürfen. In diesem

Zusammenhang seien rechtliche Probleme aufgeworfen

worden, die er nicht vertiefen wolle.
361

Am 7. März 2012 wurde die Personalakte dem BKA

übergeben. Dem Generalbundesanwalt, der mit Schreiben

vom 23. August 2012 um Vorlage der Personalakte zu

Mundlos gebeten hatte, wurde diese am 31. August 2012

übermittelt. Gleichzeitig wurde um Freigabe der Perso-

nalakte zur Vorlage beim Untersuchungsausschuss gebe-

ten. Das BMVg hat hierzu erklärt, dass zuvor der Vorrang

der Ermittlungen des GBA im Vordergrund gestanden

habe.
362

Die Freigabe des GBA wurde am 12. September

2012 erteilt.
363

Auf die Frage, warum der Zeuge Brüsselbach die Akte

nicht zu einem früheren Zeitpunkt dem Untersuchungs-

ausschuss übermittelt hat, hat dieser geantwortet:

„Mea culpa. Das gehört mit zu dem, was ich ver-
sucht habe auf die Fragen des Vorsitzenden zu er-

läutern. Das Ressortprinzip war für mich das Res-

sortprinzip. Das Ministerium hatte uns unsere

Aufgaben zugeteilt und hatte sich seine Aufgaben

zugeteilt, und jeder in seiner Verantwortung war

dafür zuständig, das zu tun, was im Rahmen dieses

Auftrages zu tun war. Unabhängig davon: Selbst-

verständlich hätte ich auch auf die Idee kommen

können, diese Akte vorher, bevor wir sie zum Bun-

deskriminalamt getragen haben, zu doubeln und

sie über das Ministerium an den Ausschuss zu ge-

ben.“364

Dem Ausschuss ist die Bundeswehrpersonalakte von

Mundlos in der Beratungssitzung am 13. September 2012

übermittelt worden, nachdem der Spiegel der Abg.

Dr. Eva Högl per SMS mitgeteilt hatte, dass ihm die Per-

sonalakte vorliege.
365

Zu dem späten Zeitpunkt der Über-

mittlung an den Untersuchungsausschuss hat der Zeuge

Dr. Gramm ausgeführt:

„Den Vorwurf mangelnder Umsicht müssen wir
uns auch für die Personalakte des Uwe Mundlos

gefallen lassen.“366
360) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 30.

361) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 74.

362) Bericht des BMVg vom 9. Oktober 2012, MAT A BMVg-6/3,
Bl. 7.

363) Schreiben des BMVg vom 13. September 2012, BMVg-6.

364) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 17.

365) Abg. Dr. Eva Högl, Protokoll-Nr. 43, S. 74, richtigerweise

muss es heißen: am 13. September 2012.

366) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 60.

bb) Befragung von Mundlos durch den MAD

aaa) Ablauf der operativen Bearbeitung von
Mundlos durch den MAD

Einem Datensatz aus dem früheren DV-System des MAD

„VERANDA“ ist zu entnehmen, dass am 23. August
1994 eine Meldung des Dienstvorgesetzten von Mundlos

an den MAD erfolgte, die Anlass für die operative Bear-

beitung von Mundlos durch den MAD war.
367

Im Sep-

tember und Oktober 1994 wurden Auskunftsersuchen an

das BfV, das LfV Sachsen und das LfV Sachsen-Anhalt

gerichtet. Eine erste Absicherungsberatung des Dienst-

vorgesetzten erfolgte im Oktober 1995.
368

Inhalt einer

solchen Absicherungsberatung ist nach Aussage des da-

maligen Leiters der Abteilung Rechtsextremismus beim

MAD, des Zeugen Oberst a. D. Huth üblicherweise die

Unterrichtung des Dienstvorgesetzten darüber gewesen,

dass es sich bei einer Person um einen Rechtsextremisten

handele, der nicht weiter mit Waffen und Munition um-

gehen solle.
369

Am 8./9. März 1995 – kurz vor dem Ende
seines Wehrdienstes – wurden Mundlos sowie fünf weite-
re Soldaten aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt

durch Angehörige des MAD befragt.
370

Zuvor war es in

der Kyffhäuserkaserne mehrfach zu rechtsextremen Vor-

fällen gekommen; mehrere der befragten Soldaten waren

durch das Abspielen indizierter neonazistischer Musik,

Grölen rechtsextremer Parolen und dem offenen Tragen

von Wehrmachtsinsignien und Hakenkreuzen aufgefallen;

einige hatten zudem einschlägige Straftaten begangen und

machten auch in ihrer MAD-Befragung aus ihren neona-

zistischen Einstellungen keinen Hehl.
371

Laut Datenaus-

zug der DV-Anwendung „VERANDA“ wurde am 27.
Juni 1995 die Feststellung getroffen:

„VFDL. HINTERGRUND: JA“372

bbb) Gab es mehrere Befragungen von Mundlos
durch den MAD?

Im Untersuchungsausschuss ist die Frage erörtert worden,

ob es mehrere Befragungen von Mundlos durch den MAD

gegeben hat. Anlass hierfür war ein Artikel in der Berli-

ner Zeitung vom 21. November 2012 mit dem Titel

„MAD befragte Mundlos offenbar mehrfach“, demzufolge
ein Schulfreund von Mundlos im Dezember 2011 und

März 2012 entsprechende Aussagen beim BKA gemacht

habe. Allerdings hat der Freund offenbar nicht eindeutig

zuordnen können, ob die vermeintlichen Befragungen

durch den Verfassungsschutz oder den MAD erfolgt sei-
367) VERANDA-Datensatz zur ND-Op 7-0538-94.

368) MAT A BMVg-6/1, Bl. 76.

369) Huth, Protkoll-Nr. 39, S. 68.

370) MAT A BfV-4/2, Bl. 23-25.

371) MAT A BfV-4/2, Bl. 11 f.

372) VERANDA-Datensatz, BMVg-6/1, Bl. 76, „VFDL“ bedeutet:
Verfassungsfeindlich.

Drucksache 17/14600 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
en.

373
Hierzu hat sich der Zeuge Brüsselbach in seiner

Vernehmung vor dem Ausschuss wie folgt geäußert:

„Wenn es mehrere Befragungen des MAD gege-
ben haben sollte, was der Artikel ja nicht expressis

verbis behauptet, sondern der Freund sagt:

,Verfassungsschutz/MAD‘, dann spricht dafür we-
nig. Denn bei den Aussteuerungen – siehe auch in
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und zum

Bundesamt für Verfassungsschutz – wären nach
meinem Dafürhalten und meiner Logik die ande-

ren Befragungen auch aufgetaucht, auch ausge-

steuert worden und müssten sich heute zwangsläu-

fig irgendwo dort wiederfinden im Gesamtkontext.

Meine These: Nicht auszuschließen ist, dass

Mundlos auch vom Verfassungsschutz befragt

worden ist in der Zeit; nicht in einer Kaserne.“374

Auch der Zeuge Dr. Gramm hat erklärt, er gehe davon

aus, dass es nur diese eine Befragung von Mundlos gege-

ben habe. Dies hat er wie folgt begründet:

„Der Charakter der Befragung und insbesondere
des Befragungsberichts deutet darauf hin, dass es

sich hier um die erste und wohl auch um die letzte

Befragung gehandelt hat; denn der Befragungsbe-

richt beginnt – so haben mir die Experten erklärt –
mit einer ausführlichen Darstellung seiner Vita.

Das ist das, was typischerweise bei einer Erstbe-

fragung einer Verdachtsperson da reinkommt. Und

dass nach dieser Befragung eine weitere Befra-

gung stattgefunden hat, ist jedenfalls äußerst un-

wahrscheinlich […] Er wurde ja zehn Tage später
entlassen, so dass in der Tat alles dafür spricht,

dass es nur diese eine Befragung gegeben hat.“375

Der Zeuge Huth hat ebenfalls ausgeschlossen, dass es

bereits vor der Befragung einen Erstkontakt des MAD zu

Mundlos gegeben habe. Es sei vor einer Befragung nicht

möglich gewesen, Kontakte zu Personen dieser Art auf-

zubauen. Wenn mehrfach Befragungen stattgefunden

hätten, wäre ein entsprechender Verweis im Protokoll auf

eine frühere Befragung erfolgt.
376

Anhaltspunkte dafür,

dass es mehrere Befragungen von Mundlos durch den

MAD gegeben hat, haben sich auch nicht dem Datenaus-

zug der DV-Anwendung „VERANDA“ entnehmen las-
sen.

377

373) Berliner Zeitung vom 21. November 2012, „MAD befragte

Mundlos offenbar mehrfach“; dem Ausschuss liegen die Proto-
kolle bisher nicht vor, da sie Teil der Ermittlungsakten sind.

374) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 19.

375) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 99.

376) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 54-56.

377) VERANDA-Datensatz, BMVg-6/1, Bl. 76.

ccc) Gründe für die späte Befragung von
Mundlos durch den MAD

Obwohl die Meldung des Dienstvorgesetzten bereits am

23. August 1994 erfolgte, fand erst am 8./9. März 1995

eine Befragung durch den MAD statt.
378

Eine Erklärung

für die lange Zeitdauer zwischen der Meldung und der

Befragung durch den MAD hat der Zeuge Brüsselbach

nicht geben können. Er hat hierzu ausgeführt, dass diese

fraglos zu lang sei. Zur Beurteilung der Zusammenhänge

müsse man anhand der gesamten Akte nachvollziehen,

welche Kontakte es gegeben habe, ob der MAD in der

Truppe gewesen sei und mit den Vorgesetzten, dem Dis-

ziplinarvorgesetzten bzw. dem nächsthöheren Vorgesetz-

ten, oder mit anderen aus der Gruppe, aus der Stube, aus

dem Zug gesprochen habe. Dies sei nach seiner Kenntnis

auch aus anderen Akten nicht ersichtlich. Nicht erst seit

seiner Zeit, sondern seit Längerem, wahrscheinlich seit

Ende der 90er Jahre, gebe es die Weisung, die zwischen

dem MAD und dem Ministerium so abgesprochen sei,

dass verzugslos zu befragen sei.
379

Der Zeuge Huth, der am 27. Juni 1995 das Schreiben zur

Übersendung des Befragungsberichtes an die Verfas-

sungsschutzbehörden unterschrieben hatte,
380

hat die

lange Zeitspanne von der Meldung durch den Dienstvor-

gesetzten bis zur Befragung damit begründet, dass der

MAD zunächst einmal Anfragen an Verfassungsschutz-

und Polizeibehörden gestellt habe.
381

Außerdem hat er

darauf hingewiesen, dass der MAD zum 1. Oktober 1994

umgegliedert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die

Aufgaben der Dezernate der sieben MAD-Gruppen der

Abteilung II in Köln zugefallen, die zuvor eine reine

Auswerteabteilung gewesen sei. Aus sieben Dezernaten

seien vier Beschaffungsdezernate, verteilt in Nord, Süd,

West und Ost, entstanden. Es könne sein, dass das Rück-

führen von Akten der sieben MAD-Gruppen ins Amt zu

Zeitverzögerungen geführt habe, die sonst nicht eingetre-

ten wären. Er könne nicht ausschließen, dass dies auch in

diesem Fall so gewesen sei.
382

Eine solch lange Dauer bis

zur Befragung wie im Fall Mundlos sei nicht üblich ge-

wesen.
383

ddd) Inhalt des Befragungsberichtes vom
8./9. März 1995

In seiner Befragung bezeichnete Mundlos sich als „Oi-
Skin“, er gehöre jedoch keiner politischen Par-
tei/Organisation an. Ihm ginge es lediglich darum, mit

seinen „Kumpels“ loszuziehen und Spaß zu haben. Kon-
takte zu Parteien habe er nicht gehabt. Lediglich bei Kon-

zerten oder in Lokalen seien zufällig Gespräche mit NPD-
378) Siehe hierzu B. I. 4. b) bb) aaa).

379) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 35.

380) Schreiben vom 27. Juni 1995, MAT A BfV-4/2, Bl. 5 ff.

381) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 13.

382) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 14.

383) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/14600

Mitgliedern entstanden. Die NPD bezeichnete er als

„Aso-Partei“, mit deren Ideologie und politischen Zielen
er sich nicht identifizieren könne.

Er selbst sei sowieso politisch unmotiviert und nicht an

einer Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Par-

tei/Organisation interessiert. Diese seien ihm in Sachen

Asylgesetz und Ausländerpolitik zu „radikal“. Gegen
Asylbewerber, die in ihrer Heimat politisch verfolgt seien

und in Deutschland Schutz und Hilfe bekämen, habe er

nichts. Asylbewerber, die nicht politisch verfolgt seien

und nach Deutschland kämen, um sich hier auf Kosten

des Staates ein schönes Leben zu machen, solle man so-

fort wieder ausweisen. Körperliche Gewalt würde er je-

doch auch gegen solche nicht anwenden. Zum Thema

Nationalsozialismus könne er nur soviel sagen, als dass er

die in der Zeit von 1933-1945 von den Nazis begangenen

Gewalttaten in keinster Weise verharmlose. Es sei

schlimm, was damals mit den Juden passiert sei.
384

Der MAD-Befragungsbericht von Mundlos schloss mit

folgender Anmerkung:

„Zu diesem Zeitpunkt wurde Mundlos, Uwe (6)
gefragt, ob er sich vorstellen könne, ihm bekannt-

gewordene Termine für Anschläge auf Asylanten-

heime der Polizei oder den Verfassungsschutzbe-

hörden zu melden. Diese Frage wurde durch

Mundlos, Uwe (6) verneint. Er selbst würde zwar

an solchen Aktionen nicht teilnehmen, könne sich

jedoch nicht vorstellen, mit den zuständigen Be-

hörden zu kooperieren.“385

Am 27. Juni 1995 wurden die Informationen aus der

MAD-Bearbeitung von Mundlos als Verdachtsperson dem

BfV und dem LfV Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin-

gen übermittelt. In dem Übersendungsschreiben wurde

mitgeteilt, dass Mundlos und fünf weitere Personen wäh-

rend ihrer Dienstzeit bei der Bundeswehr in Bad Franken-

hausen u. a. „durch gemeinsames Hören von Skin-Musik
und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Ver-

halten aufgefallen“ seien.386

eee) Bewertung des MAD-Befragungsberichtes:
Wollte der MAD Mundlos als Quelle an-
werben?

Die während der Befragung an Mundlos gerichtete Frage,

ob er sich vorstellen könne, ihm bekanntgewordene Ter-

mine für Anschläge auf Asylbewerberheime der Polizei

oder den Verfassungsschutzbehörden zu melden, hat

Anlass zu der Frage gegeben, ob es sich hierbei um einen

Versuch des MAD gehandelt habe, Mundlos als Quelle

anzuwerben.

In der Erklärung des Bundesministeriums der Verteidi-

gung vom 12. September 2012 wird dieser Vorgang wie

folgt bewertet:
384) MAT A BfV-4/2, Bl. 23-25.

385) MAT A BfV-4/2, Bl. 25.

386) Schreiben vom 27. Juni 1995, MAT A BfV-4/2, Bl. 5 ff.

„Dies ist kein Hinweis auf eine beabsichtigte Quel-
lenwerbung. Vielmehr entspricht diese Frage im

Rahmen der Befragung von Extremisten nach

Auskunft des MAD-Amtes dem geltenden Stan-

dard der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden.

Hätte Uwe Mundlos positiv geantwortet, wäre die-

se Information allenfalls für die zivilen Verfas-

sungsschutzbehörden von Interesse gewesen und

unverzüglich an diese weitergeleitet worden. Eine

Anwerbung von Uwe Mundlos als Quelle des

MAD war – soweit heute noch feststellbar – auf-
grund seiner nur noch geringen Restdienstzeit

nicht möglich und deswegen von vorneherein zu

keiner Zeit beabsichtigt.“387

Auch das MAD-Amt hat in seiner Zusammenfassung vom

25. September 2012 betont, dass Mundlos nicht als Quelle

geworben werden sollte. Zur Begründung wird angeführt,

dass in Befragungen von Verdachtspersonen grundsätz-

lich keine Quellenwerbung erfolge. Die Entscheidung

über einen Werbungsversuch treffe ein Vorgesetzter der

Befrager auf Grundlage des Befragungsberichtes.
388

Der Zeuge Huth hat sich hierzu wie folgt geäußert:

„An der Schule für Verfassungsschutz, Lehrgruppe
Bad Ems, wurden alle Ermittler darauf hingewie-

sen, bei Befragungen im Extremismusbereich die-

se Frage zu stellen, explizit. Aus zwei Gründen.

Der eine Grund war: Wie lässt sich die Person da-

rauf ein? Weil es schon für die Bewertung: ,Ist es

ein Extremist: ja oder nein?‘ sehr wichtig ist, wie
er sich verhält. Und in den anderen Fällen war es

einfach so: Wir haben durch diese Befragung die

Möglichkeit geschaffen für andere Behörden, spä-

ter eventuell auf Personen zuzugehen. Denn wir

konnten diese Personen gar nicht nutzen; wir woll-

ten sie auch gar nicht nutzen. Aber die Fragen

wurden aus diesen zwei Gründen gestellt. Das ist

einfach so, und das war Lehre des MAD an der

Schule für Verfassungsschutz. Deswegen ist ei-

gentlich die Nichtfragestellung in einem solchen

Befragungsbericht ein Fehler, ein ermittlungstakti-

scher Fehler.“389

Der Zeuge Huth ist dazu befragt worden, warum Mundlos

auf geplante Anschläge auf Asylbewerberheime ange-

sprochen worden sei. Ihm ist in diesem Zusammenhang

vorgehalten worden, aus einer Befragung eines Bekannten

von Mundlos durch das BKA ergebe sich, dass dieser vor

1996 ein Asylbewerberheim ausgespäht habe.
390

Der

Zeuge Huth hat hierauf geantwortet, dies könne ein Zufall

sein. Er wisse nicht, ob diese Information ihnen damals
387) A-Drs. 235, S. 3.

388) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 7
(VS-NfD).

389) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 6.

390) Zeugenvernehmung Tibor R. durch das BKA am 13. Dezember
2011, MAT A GBA-4/26, Bl. 26.

Drucksache 17/14600 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bei der Befragung vorgelegen habe. Er gehe eher nicht

davon aus.
391

Der Zeuge Brüsselbach hat erklärt, er schließe aus, dass

es sich um einen Anwerbeversuch gehandelt habe. Es

sehe auch nicht danach aus, dass damit ein möglicherwei-

se erfolgender späterer Anwerbeversuch für eine Verfas-

sungsschutzbehörde hätte vorbereitet werden sollen.
392

Wenn Mundlos die Frage bejaht hätte, dann hätte man

dies mit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr und mit

diesem Bericht der betreffenden Stelle übermitteln müs-

sen, unabhängig davon, was der Verfassungsschutz damit

gemacht und um welche Verfassungsschutzbehörde es

sich gehandelt hätte.
393

Weitere Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Frage-

stellung um einen Anwerbeversuch gehandelt hat, hat der

Ausschuss nicht feststellen können.

fff) Wer hat die Befragung von Uwe Mundlos
durchgeführt? – Erkenntnisgewinnung
zum MAD-Vorgang Mundlos

Mit einem als VS-Vertraulich eingestuften Schreiben vom

6. Februar 2013 hat der MAD mitgeteilt, welche beiden

Personen Mundlos mit hoher Wahrscheinlichkeit befragt

haben. Es hat zudem mitgeteilt, dass sich beide Befrager

nicht mehr konkret an die Befragung erinnern könnten.
394

ggg) Umgang mit MAD-Befragungsbericht nach
dem 4. November 2011

Der MAD-Befragungsbericht lag im MAD zum Zeitpunkt

der Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses nicht

mehr vor. Der MAD wusste daher zu diesem Zeitpunkt

nicht mehr, dass er früher einmal Mundlos befragt hat-

te.
395

Die Frage, wann das Amt Kenntnis darüber erlangt

hat, dass es einen Kontakt des MAD mit Mundlos gab, hat

der Zeuge Brüsselbach in seiner Zeugenvernehmung wie

folgt beantwortet:

„Wir wussten schon sehr früh, nämlich im No-
vember, dass Mundlos Wehrdienst geleistet hat in

der Bundeswehr anhand der entsprechenden Datei-

en der Bundeswehr, aber mehr nicht. Natürlich ha-

be ich schon im November nachforschen lassen,

ob es eine Akte gibt oder ob irgendjemand darüber

Kenntnis hat, dass der MAD in jener Zeit Mundlos

bearbeitet hat. Diese Nachforschungen sind ergeb-

nislos verlaufen. Erst am 8. oder 10. März wurde

mir die Anfrage von Sachsen mit der Bitte um

Freigabe der Unterlage für den dortigen Untersu-
391) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 51 f.

392) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 36.

393) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 37.

394) Schreiben vom 6. Februar 2013, MAT A MAD-6/3 (Tgb.-
Nr.78/13 – VS-VERTRAULICH).

395) Erklärung des BMVg vom 12. September 2012, A-Drs. 235,

S. 2.

chungsausschuss vorgelegt, und zwar schon mit

der schon stattgefunden habenden Nachfrage sei-

tens der Abteilung II des MAD-Amtes, wo denn

der ja eigentlich das Thema betreffende Befra-

gungsbericht sich befinden könnte. Ich wusste also

zu dieser Zeit gleichzeitig anhand der Unterlage,

die mir vorgelegt wurde: Es gibt die Anfrage von

Sachsen; es gibt eine Befragung des MAD aus je-

ner Zeit zu Mundlos und vier anderen Personen,

des Rechtsextremismus verdächtigen Bun-

deswehrangehörigen. Es gab, es gibt unsere Nach-

frage: ‚Warum ist der Befragungsbericht selbst
nicht dabei?‘, und die Antwort, man könne ihn
dort nicht feststellen. – Das war mein Stand am
8. oder 10. März des Jahres.“396

Tatsächlich beantragte das LfV Sachsen am 8. März 2012

beim MAD die Freigabe eines Dokuments des MAD zur

Vorlage bei der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus sowie bei den Untersuchungsausschüssen Deut-

scher Bundestag und Sächsischer Landtag. Bei dem Do-

kument handelte es sich um das Anschreiben des MAD an

BfV, LfV Sachsen, LfV Thüringen und LfV Sachsen-

Anhalt vom 27. Juni 1995, mit dem Auszüge aus Befra-

gungsberichten zu Mundlos und fünf weiteren Soldaten an

die angeschriebenen Behörden überstellt worden waren.

Aus dem Schreiben ging hervor, dass Mundlos und fünf

weitere Soldaten bei der Bundeswehr in Bad Frankenhau-

sen „durch gemeinsames Hören von Skin-Musik und
teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten

aufgefallen“ waren. Die Auszüge aus den Befragungsbe-
richten lagen dem Schreiben nicht bei.

397
Auf telefonische

Nachfrage des MAD vom 9. März 2012 teilte das LfV

Sachsen am 12. März 2012 schriftlich mit, dass die ent-

sprechenden Befragungsberichte dort nicht mehr vorhan-

den seien.
398

Über das Freigabeersuchen des LfV Sachsen unterrichtete

der MAD das zuständige Referat Kontrolle und Steuerung

(R/KS) im BMVg am 12. März 2012:

„Das vom LfV Sachsen in den dortigen Akten auf-
gefundene Dokument des MAD aus dem Jahre

1995 […] weist nunmehr erstmals darauf hin, dass
Mundlos seinerzeit offensichtlich durch den MAD

bearbeitet worden ist, befragt wurde und dass die

zu ihm angefallenen Informationen seinerzeit an

die zuständigen Behörden übermittelt wurden.“399

Am 13. März 2012 informierte der Referatsleiter,

Dr. Gramm, durch schriftliche Vorlage den Staatssekretär

im BMVg Wolf hierüber und teilte mit, dass der Freigabe
396) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 2, 3.

397) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 6; Bl. 87-91 (VS-NfD).

398) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 6; Bl. 92 (VS-NfD).

399) Schreiben des MAD vom 12. März 2012, MAT A MAD-5

(Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 93 (VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/14600

nichts entgegen stehe. Konkret führte er in dem Schreiben

aus:

„Es ist daher möglich und wahrscheinlich, dass
sich solche Übermittlungen des MAD in den Ak-

ten anderer Sicherheitsbehörden befinden – Daten,
die zwischenzeitlich beim MAD aufgrund fehlen-

der Speicherbefugnisse gelöscht wurden und von

deren Existenz der MAD nichts weiß. Der vorlie-

gende Vorgang ist ein solcher Fall. Die

lnformationen des MAD wurden nachweisbar an

vier Verfassungsschutzbehörden übersandt.“

Der Vorgang wurde von Herrn Dr. Gramm wie folgt

bewertet:

„Zwar könnte das Übermittlungsschreiben des
MAD – wenn es in den Focus medialer Berichter-
stattung geraten sollte – Anlass zu Spekulationen
über die Rolle des MAD geben. Gleichwohl ent-

lastet es den MAD, denn es macht deutlich, dass

der MAD die rechtmäßig gewonnenen

lnformationen tatsächlich weitergegeben hat.“400

Am 13. März 2012 erklärte der MAD die Freigabe gegen-

über Sachsen.
401

Die freigegebenen Unterlagen übermit-

telte Sachsen dem 2. Untersuchungsausschuss am

13. April 2012 im Rahmen von 15 als GEHEIM einge-

stuften Ordnern zu Beweisbeschluss SN-1.
402

Eine Unterrichtung des Ausschusses über die Existenz

eines MAD-Vorganges Mundlos durch den MAD nach

Zugang des Freigabeersuchens erfolgte nicht, obwohl

Akten des MAD bereits mit Beweisbeschluss MAD-2

vom 9. Februar 2012 beigezogen worden waren. Der

Zeuge Brüsselbach hat während seiner Vernehmung ein-

geräumt, dass diese Vorgehensweise unsensibel gewesen

sei.
403

Zu den Gründen für sein Handeln hat er ausgeführt,

sie hätten sich auf den Tatbestand ‚Freigabe eines Papiers
für den sächsischen Untersuchungsausschuss‘ fokussiert.
Zudem habe er sich bereits im November/Dezember 2011

mit seinen Juristen unterhalten und das Ministerium im

Dezember 2011 gefragt. Dann habe es einen Erlass gege-

ben, demzufolge es keinen rechtlichen Titel für die Her-

beischaffung von Unterlagen des MAD, des BMVg oder

von Dritten aus jenen Jahren gebe. Er habe es daher nicht

als seine Aufgabe angesehen, nach diesen Unterlagen zu

forschen und überall nachzufragen.
404

Auch der Zeuge

Dr. Gramm hat diesen Vorgang bedauert. Er hat einge-

räumt, dass ein gezielter Hinweis des BMVg auf die Be-

fragung des Mundlos durch den MAD angebracht gewe-

sen wäre. Er hat bedauert, dies damals nicht erkannt zu

haben:
400) Vorlage vom 13. März 2012, MAT A BMVg-6/2, Bl. 221, 222.

401) Erklärung des BMVg vom 12. September 2012, S. 2.

402) Anschreiben des LfV Sachsen, eingegangen am 13. April 2012,

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 8/12 – GEHEIM) (VS-NfD); Schrei-
ben des MAD vom 27. Juni 1995, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr.
8/12 – GEHEIM), Anlage 06, ohne Seitenzahl (VS-NfD).

403) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 3.

404) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 5.

„Allerdings haben wir – da haben unsere Kritiker
recht – einen Unterschied übersehen zwischen –
sagen wir mal – ‚rechtlich richtig‘ und ‚rechtlich
richtig und umsichtig‘. Ein gezielter Hinweis von
uns an Sie auf die Befragung des Uwe Mundlos

durch den MAD wäre angebracht gewesen. Ich

bedauere, dass wir das damals nicht erkannt ha-

ben.“405

Eine Anfrage an die Verfassungsschutzbehörden in Sach-

sen-Anhalt und Thüringen sowie an das BfV, ob dort der

Bericht noch vorliege, erfolgte nach Aussage des Zeugen

Brüsselbach in seiner Amtszeit nicht.
406

Der Zeuge Christmann hat hierzu erklärt, der Sachverhalt,

der auf dem Übersendungsschreiben gestanden habe,

nämlich das Hören von rechtsextremistischer Musik, sei

so zahlreich, dass er dahinter keine brisanten Inhalte ver-

mutet habe. Er habe keine koordinierende Ermittlungsrol-

le für den MAD gesehen, da der Vorgang 1995 mehreren

Behörden [den LfV Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü-

ringen] mit der damaligen Übermittlung des MAD mitge-

teilt worden sei.
407

Der Zeuge Dr. Gramm hat eingeräumt,

dass das BMVg dies ebenfalls nicht zum Anlass genom-

men hat, noch einmal von selbst an das BfV, an Thürin-

gen oder an Sachsen-Anhalt heranzutreten. Sie seien der

Auffassung gewesen, dass dies Aufgabe des MAD oder

der Sachsen gewesen sei.
408

Nach Dienstantritt des neuen MAD-Präsidenten Birken-

heier veranlasste dieser eine Nachfrage beim BfV, dem

Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt und

dem LfV Thüringen nach dem Befragungsbericht

Mundlos,
409

die mit Schreiben des MAD vom 1. August

2012 erfolgte.
410

Auf eine parlamentarische Anfrage des

Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, welche

rechtsextremen Äußerungen, Aktivitäten bzw. Mitglied-

schaften von Mundlos und Böhnhardt während oder vor

deren Wehrdienst festgestellt worden seien,
411

wurde

diesem mitgeteilt, dass es seinerzeit eine Befragung von

Mundlos durch den MAD gegeben habe.
412

Eine Unter-

richtung des gesamten Ausschusses ist zu diesem Zeit-

punkt nicht erfolgt.

Am 29. August 2012 hat das BfV dem MAD den Befra-

gungsbericht Mundlos mit der Bitte um Freigabe für das

BKA übersandt.
413

Das BMI hat mit Schreiben vom

11. September 2012 mitgeteilt, der Bericht sei aufgrund

eines Zahlendrehers nicht der am 10. August 1995 ange-
405) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 60.

406) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 5.

407) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 90.

408) Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 67.

409) Christmann, Protokoll-Nr. 43, S. 99.

410) Schreiben des MAD vom 1. August 2012, MAT A MAD-5,
(Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 104, 105 (VS-
NfD).

411) BT-Drucksache 17/10583, S. 34.

412) MAT A MAD-5 (Tgb.-Nr. 54/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 120 (VS-NfD).

413) Schreiben vom 29. August 2012, MAT A MAD-5, Bl. 121.

Drucksache 17/14600 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
legten Personenakte Mundlos, sondern einer thematisch

nicht einschlägigen Akte zugeführt worden. Er sei daher

erst am 28. August 2012 im Rahmen der sukzessiven

Durchsicht weiterer Aktenbestände im BfV aufgefunden

worden, was zur Folge gehabt habe, dass er dem Aus-

schuss nicht als Bestandteil der Personenakte Mundlos

zum Beweisbeschluss BfV-7 vorgelegt worden sei. Am

18. September 2012 übersandte auch das Innenministeri-

um Sachsen-Anhalt den dort ebenfalls noch in Kopie

vorhandenen MAD-Befragungsbericht von Mundlos und

den fünf anderen Soldaten vom März 1995.
414

Der amtie-

rende Leiter des sachsen-anhaltinischen Verfassungs-

schutzes Volker Limburg war am 13. September 2012

zurückgetreten, nachdem in einer Behörde die Kopie des

MAD-Befragungsprotokolls von Mundlos gefunden wor-

den war.

Nach Auffinden des Berichts ist der MAD mit Schreiben

vom 4. September 2012 um Freigabe gebeten worden. Die

Freigabe ist mit Schreiben vom 5. September 2012 erteilt

worden.
415

Der Befragungsbericht des MAD vom 27. Juni

1995 ist vom BMI in der 26. Sitzung des Ausschusses am

11. September 2012 vorgelegt worden.

Eine Recherche in der alten IT-Anwendung

„VERANDA“, der weitere Erkenntnisse zum MAD-
Vorgang zu entnehmen sind, ist am 19. September 2012

erfolgt.
416

Der Zeuge Brüsselbach hat ausgeführt, ihm und

den leitenden Mitarbeitern der Abteilung sei nicht be-

kannt gewesen, dass es noch Reste dieser Datei im MAD-

Amt gegeben habe. Erst im Nachhinein habe er erfahren,

dass ein findiger Mitarbeiter sich an die IT-Anwendung

erinnert habe. Die Abteilung Extremismusabwehr sei

bereits Mitte des Jahrzehnts auf die Datei EXA 21 umge-

stellt worden.
417

Nach Aussage des Zeugen Christmann

habe einer früheren Abfrage in dieser IT-Anwendung

zudem entgegen gestanden, dass die hierin enthaltenen

Datensätze aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben

anonymisiert worden seien. Eine Abfrage sei aber mit der

Archivnummer, die auf einem Dokument aus der damali-

gen Zeit vermerkt worden sei, möglich gewesen. Erst zu

einem späteren Zeitpunkt sei erkannt worden, dass die auf

dem Übersendungsschreiben des LfV Sachsen aufgeführ-

te Nummer eine alte Archivnummer sei.
418

cc) Bewertung des Umgangs mit Uwe Mundlos
bei der Bundeswehr

Mit Schreiben vom 24. September 2012 hat sich der

Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung,

Rüdiger Wolf, zu der damaligen dienstlichen Beurteilung

von Mundlos geäußert. Gemäß der Mitte der neunziger
414) MAT A ST-1/4.

415) Schreiben des BMI vom 11. September 2012, MAT A BfV-4/2,

S. 1.

416) VERANDA-Auszug vom 19. September 2012, MAT A BMVg-
6/1, Bl. 76 ff.

417) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 35.

418) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 87.

Jahre geltenden Erlasslage sei die Leistung des Soldaten

im Dienstzeugnis zusammenfassend zu bewerten gewe-

sen, wobei ein wohlwollender Maßstab anzulegen gewe-

sen sei. Nach Erkenntnis des BMVg seien in der Praxis

mehrheitlich die Noten „sehr gut“ bis „befriedigend“
vergeben worden. Die Vergabe der Note „befriedigend“
sei demnach wohl eher den Soldaten zuzuordnen, die in

der unteren Leistungshälfte angesiedelt gewesen seien.

Die zweimalige Beförderung von Mundlos hat Staatssek-

retär Wolf wie folgt gewürdigt:

„Auch wenn der damals zuständige Richter am
Truppendienstgericht Süd in seinem Beschluss

vom 23. September 1994 das Verhalten von Uwe

Mundlos nicht als Dienstvergehen gewertet hat,

lief dessen ungeachtet zum Zeitpunkt der Beförde-

rung von Uwe Mundlos zum Gefreiten bzw. zum

Obergefreiten ein inhaltsgleiches Strafverfahren.

Nach der damals geltenden Vorschriftenlage war

damit ein Beförderungshindernis gegeben und

Uwe Mundlos hätte nicht befördert werden dür-

fen.“419

Nach Aussage des Zeugen Huth sei zum damaligen Zeit-

punkt zwar das Strafverfahren, nicht aber die antidemo-

kratische Betätigung von Wehrpflichtigen ein Grund

gewesen, eine Beförderung zu versagen.
420

Festzustellen ist darüber hinaus, dass Uwe Mundlos unge-

achtet einer bereits im Oktober 1994 erfolgten Absiche-

rungsberatung
421

noch Mitte November 1994 weiter am

Maschinengewehr ausgebildet worden ist.
422

Nach einer

Erklärung hierfür befragt, hat der Zeuge Huth darauf

hingewiesen, dass Empfehlungen des MAD seinerzeit

nicht immer befolgt worden seien.
423

5. Waren Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe
V-Personen des Verfassungsschutzes?

In der Beweisaufnahme des Ausschusses sind keine tat-

sächlichen Anhaltspunkte dafür festgestellt worden, dass

Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe V-Personen des Ver-

fassungsschutzes waren oder von diesem im Rahmen

eines Werbungsvorhabens angesprochen wurden.

Der Zeuge B., BfV, hat über die im BfV vorhandenen

Dateien berichtet; in den Dateien sei das Trio nicht ver-

zeichnet gewesen.
424

Er hat darüber hinaus ausgeschlos-

sen, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe als Zielperso-
419) Schreiben vom 24. September 2012 von Staatssekretär Rüdiger

Wolf, MAT A -6/1, Bl. 3.

420) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 54 f.

421) Siehe unter B. I. 4. b) bb) aaa).

422) Siehe unter B. I. 4. b) aa) aaa).

423) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 70.

424) B., Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 41.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/14600

nen vom BfV vor dem 1. Januar 1996 bearbeitet worden

sind.
425

Die Ersterfassung des Trios in NADIS war zu folgenden

Zeitpunkten:

– Mundlos: 21. Februar 1995

– Zschäpe: 13. März 1995

– Böhnhardt: 8. Dezember 1995426

Wären Sie zuvor bereits Gegenstand eines Werbungsfalls

gewesen, dann wären sie nach Aussage des Zeugen En-

gelke zu diesem früheren Zeitpunkt bereits in NADIS

erfasst worden.
427

Darüber hinaus seien alle Ansprachen

im Bereich „Rechts“ aus dem Jahr 1995 vorhanden.428

Auch beim LfV Thüringen gab es kein „Forschungsvor-
haben Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt“.429 Allerdings hat
der Zeuge Baumbach, damals im Bereich „Forschung und
Auswertung“ im LfV Thüringen tätig, ausgesagt, dass vor
dem Untertauchen des Trios im LfV darüber gesprochen

worden sei, ob nicht jemand aus der Neonazi-Szene in

Jena als V-Person infrage komme. Zusammen mit mehre-

ren anderen Personen sei auch Beate Zschäpe genannt

worden.

Zu einem operativen Vorgang sei es allerdings nicht ge-

kommen. Auf die Frage, ob die Abstandnahme von einer

Anwerbung der Beate Zschäpe auf deren auch in den

Medien
430

thematisierten Drogenkonsum zurückzuführen

gewesen sei, antwortete der Zeuge Baumbach:

„Die Frau Zschäpe wurde dann dahin gehend fal-
len gelassen, weil in einem Gespräch mit dem

Herrn Wießner […] die Information geflossen ist,
dass sie wohl psychische Probleme hätte und des-

wegen diese Sache sehr kompliziert wäre. Und in

der Regel haben wir bei psychischen Problemen

dann von vornherein gesagt gehabt: Das tun wir

uns nicht an, das ist uns zu heikel.

Wie jetzt der Begriff auf die Drogen kommt, das

kann ich nicht sagen. Ich hatte nur vermutet ge-

habt, dass es vielleicht in die Richtung einer De-

pression geht und daraufhin irgendwelche Medi-

kamente vielleicht konsumiert werden.“431

Er gehe davon aus, dass die Überlegungen über eventuelle

psychische Probleme von Zschäpe auf die Quelle Otto

(Tino Brandt) zurückgegangen seien.
432

Der Zeuge Wießner, der damalige Vorgesetzte von Herrn

Baumbach im Bereich „Forschung und Werbung“, hat
425) B., Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 42.

426) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 27.

427) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 27 f.

428) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (GEHEIM), S. 17 f.

429) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 180.

430) z. B. Tagesspiegel-Online, 18. Januar 2013, „Wegen Drogen
keine Karriere beim Verfassungsschutz“.

431) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 178.

432) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 179.

demgegenüber ausgesagt, er könne sich an ein derartiges

Gespräch über eine eventuelle Anwerbung von Beate

Zschäpe nicht erinnern.
433

Es habe nie ernsthafte Vorha-

ben gegeben, die drei Personen anzusprechen, da sie

1996/97 beim LfV Thüringen nicht im Fokus gestanden

hätten.
434

II. Entwicklung der rechtsextremistischen
Szene in Thüringen in den 1990er/Anfang
der 2000er Jahre

Die als Sachverständige geladene Fachjournalistin Andrea

Röpke hat vor dem Untersuchungsausschuss das Umfeld,

in dem sich das Trio in den 1990er Jahren bewegte, wie

folgt beschrieben:

„[In den] 90er-Jahre[n] [...] war es eher so, dass
Pogromstimmung herrschte, dass der gesellschaft-

liche Mob von Neonazis in Gang gesetzt wurde,

dass die Stimmung sehr rassistisch, ausländer-

feindlich aufgeladen war. Die Pogromstimmung in

Hoyerswerda Anfang der 90er - so wird von vielen

angenommen - hatte auch ihren Einfluss auf die

Radikalisierung in Thüringen, auf das Umfeld des

,Thüringer Heimatschutzes‘ und der späteren
NSU-Anhänger. Es dauerte mehrere Tage. Es gab

dort Hetzszenen. Den Neonazis schlossen sich

teilweise normale Bürger – in Anführungsstrichen
– an bzw. es wurde applaudiert.“435

Der Zeuge Schrader, LfV Thüringen, hat ausgesagt, dass

prägende Ereignisse, mit denen Rechtsextremisten in der

Zeit von 1996 bis Anfang 1998 in Thüringen auf sich

aufmerksam gemacht hätten, im Wesentlichen Skin-

Konzerte sowie Aufzüge, beispielsweise zu Sommerson-

nenwendfeiern und anlässlich der Heß-Todestage, gewe-

sen seien.
436

Spektakuläre Straftaten aus der rechten Szene zu dieser

Zeit seien der an der Autobahn gefundene Puppentorso

und die Bombenattrappen gewesen. Ansonsten erinnere er

sich an „normale Straftaten“ wie Propagandadelikte und
dergleichen. Die Hauptschwerpunkte seien Jena und Saal-

feld-Rudolstadt gewesen.
437

1. „Anti-Antifa Ostthüringen“ und „Thüringer
Heimatschutz“

Insbesondere die „Anti-Antifa Ostthüringen“, später in
„Thüringer Heimatschutz“ (THS) umbenannt, spielte in
der rechtsextremen Szene Thüringens in den 1990er Jah-

ren eine besondere Rolle.

Die Sachverständige Röpke hat dargelegt:
433) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 27 f.

434) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 28.

435) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.

436) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 114.

437) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 114.

Drucksache 17/14600 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„Der ,Thüringer Heimatschutz‘ propagierte politi-
schen Aktivismus und Gewaltbereitschaft. Er ver-

stand sich vor allen Dingen auch als ,Organ der

Feindbeobachtung‘. „Anti-Antifa“-Arbeit, Aus-
spähen der politischen Gegner, Observierung, war

eine der wichtigsten Sachen, vor allen Dingen

auch, eine rechte Erlebniswelt zu schaffen. In die-

sem Milieu haben sich die drei entwickelt. Die

,Sektion Jena‘ wurde sogar von Uwe Böhnhardt
und Uwe Mundlos als stellvertretende Anführer

mit angeführt, und Beate Zschäpe war Mit-

glied.“438

1992 gründete der Hamburger Neonazi Christian Worch

die „Anti-Antifa“ – vorgeblich als Reaktion auf wachsen-
de Angriffe militanter Linksextremisten.

439
Ihre Propa-

ganda richtete sich darüber hinaus aber auch gegen Insti-

tutionen des demokratischen Rechtsstaats. Die „Anti-
Antifa“ war als informeller Zusammenschluss von
Rechtsextremisten ohne formale Mitgliedschaften oder

hierarchische Strukturen organisiert. Die verschiedenen

regionalen Gruppen standen untereinander in Kontakt und

wurden von anerkannten Führungsfiguren gegründet und

angeleitet. Das LfV Thüringen bewertete diese „organisa-
tionslose“ Verflechtung als anerkanntes Muster in der
rechtsextremen Szene.

440
Immer wieder war es seit den

frühen 1990er Jahren in Thüringen und insbesondere in

Jena und Umgebung zu Funden von Sprengstoff bei Neo-

nazis gekommen bzw. zum Auffinden von Sprengsätzen.

So war in einer Unterkunft für portugiesische Wanderar-

beiter in Stadtroda 1995 ein Sprengsatz gefunden worden,

der nur durch Zufall nicht zündfähig war. Zudem wurde

bei Henning H.,
441

einem weiteren Aktivisten des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ aus Jena, im April 1997 bei einer
Hausdurchsuchung ein Rohrbombenbausatz mitsamt

Metallteilen sowie eine Deutschlandkarte mit Markierun-

gen gefunden.
442

Seit Oktober 1994 war eine Gruppierung „Anti-Antifa
Ostthüringen“ bekannt, die sich ab Mai 1995 wöchentlich
traf. Die Zahl der Beteiligten erhöhte sich in vier Jahren

von anfangs 20 bis 1998 auf über ca. 120 Personen,

schließlich bis auf 160 Personen im Jahr 2000.
443

Nach

Einschätzung des LfV Thüringen bildete diese Gruppie-

rung ein „Sammelbecken für Neonazis“ aus dem Raum
Saalfeld/Rudolstadt, Gera, Jena, Sonneberg, Weimar,

Ilmenau, Gotha, Kahla und Nordbayern.
444
438) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.

439) Christian Worch hat sich zu diesem und zu dem folgenden Satz

im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs geäußert.

440) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1998, S. 38.

441) Henning H. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs

zu diesem Abschnitt Stellung genommen.

442) Einsatzbericht Landespolizei Thüringen vom 7. Juni 2997,
MAT A TH-1/1, Bl. 33 ff. (35).

443) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 56.

444) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1998, S. 38.

Jedenfalls ab 1996 trat die „Anti-Antifa Ostthüringen“
auch unter der Bezeichnung „Thüringer Heimatschutz“
(THS) auf

445
, seit Anfang 1997 war sie „hauptsächlich“446

unter diesem Namen aktiv. 1999 bezeichnete der Verfas-

sungsschutzbericht Thüringens den „THS“ als „unstruktu-
rierten Personenzusammenschluss“.447

Im Verfassungsschutzbericht Thüringen 1996 wird Tino

Brandt als Führungsmitglied der „Anti-Antifa/THS“ be-
zeichnet.

448
Während er auch im Verfassungsschutzbe-

richt 1999 noch als Führungsfigur bezeichnet wird
449

,

erscheint sein Name in den Verfassungsschutzberichten

2000 und 2001 nicht mehr im Zusammenhang mit dem

„THS“450. Tino Brandt war zugleich Leiter der im „THS“
führenden Sektion Rudolstadt/Saalfeld und wurde 2001

als V-Mann des LfV Thüringen enttarnt.
451

Gegenüber dem BKA schilderte Tino Brandt am 26. Ja-

nuar 2012 die Entstehung und Entwicklung des „THS“:

„Der ‚Thüringer Heimatschutz’ entwickelte sich
aus dem sogenannten Mittwochsstammtisch. Wir

trafen uns damals in der Gaststätte zum Goldenen

Löwen in Rudolstadt-Schwarza. Das Ganze hat

sich nach und nach entwickelt. Zunächst war ich

fast allein, dann kamen nach und nach Kameraden

aus der unmittelbaren Umgebung und später aus

dem Gesamt-Thüringischen Raum mit Ausnahme

Mühlhausen und Nordhausen dazu. Also zuletzt

trafen sich in dieser Gaststätte bis zu 100 Leute.

Nachdem wir zunächst Aufkleber hatten machen

lassen, die unserem Zusammenschluss den Namen

‚Anti-Antifa-Ostthüringen‘ gaben, entstand, nach-
dem mehr und mehr Leute aus dem gesamten thü-

ringischen Raum zu uns stießen, das Bedürfnis,

dies in der Namensgebung zum Ausdruck kommen

zu lassen. Es entstand das Bedürfnis, diesem Zu-

sammenschluss verschiedener Kameradschaften

(der Kameradschaften Saalfeld-Rudolstadt, Jena,

Gera, Ilmenau, Sonneberg) einen Namen zu geben,

der alle repräsentiert. Und so kam ich auf die Idee,

uns den Namen „Thüringer Heimatschutz“ zu ge-
445) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1996, MAT B

TH-3, Datei: 2862-163-2012 - mT.pdf, Bl. 12 ff., 36.

446) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 29;

online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt

e/5.pdf

447) Verfassungsschutzbericht Thüringen 1999, S. 52.

448) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1996, MAT B

TH-3, Datei: 2862-163-2012 - mT.pdf, Bl. 12 ff., 36.

449) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1998, S. 52.

450) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 1999, S. 56;

Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 29; on-

line abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt

e/5.pdf

451) Vgl. zur Enttarnung auch Verfassungsschutzbericht Freistaat
Thüringen 2001, S. 15; online abrufbar unter:

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt

e/5.pdf

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/14600

ben. Das war im Jahr 1995. Wir haben entspre-

chende Aufkleber drucken lassen und der Name

war allgemein akzeptiert. Es gab bei uns keine

Vereinssatzung oder Mitgliedsausweise, aber wir

haben gemeinsame Versammlungen und Schulun-

gen durchgeführt, haben Demonstrationen ange-

meldet und als ‚THS‘ an Demonstrationen teilge-
nommen. Dort trugen wir auch entsprechende

Transparente und führten bis zu 50 thüringische

Fahnen mit. Ferner betrieben wir eine Internet-

Homepage und ließen u. a. Aufkleber und Flug-

blätter sowie die ‚Neue Thüringer Zeitung‘, die
unregelmäßig erschien, drucken.

lntern war ich schon eine Führungsperson. Wir

waren aber mehrere Personen, die wichtige Ent-

scheidungen getroffen haben. Ich glaube, es waren

7-8 Personen, darunter André Kapke und der Ma-

rio Ralf B. Weil ich selbst aufgrund meiner politi-

schen Tätigkeit mit meinem Arbeitgeber keine

Probleme hatte, bin ich nach außen hin als Spre-

cher aufgetreten und wurde damit als Führungs-

person verstanden. Diesem Eindruck sind wir auch

nicht entgegengetreten.“452

Der „THS“ gliederte sich in die Sektionen bzw. Kamerad-
schaften Rudolstadt/Saalfeld, Jena, Sonneberg, Gera und

seit Juni 2000 Eisenach.
453

Er hatte erheblichen Einfluss auf die NPD, z. B. durch die

Mitarbeit in Landes- und in den Kreisverbänden: In den

zwölf Kreisverbänden in Thüringen stellte der „THS“
1999 vier Kreisvorsitzende; außerdem war er in diesem

Jahr mit sieben von zwölf Mitgliedern im NPD-

Landesvorstand Thüringen vertreten.
454

Der „THS“ propagierte auf seiner Homepage ein national-
revolutionäres Verständnis und nationales sozialistisches

Gedankengut:

„Wir sind systemkritisch und -feindlich und be-
kennen uns zum nationalen Sozialismus, zum

Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals und die

menschlich-moralische Ausbeutung durch dieses.

[…] Die Errichtung einer multikulturellen Gesell-
schaft ist eines der größten Verbrechen, was an der

Menschheit verübt wurde und wird. Das ist die

systematische Ausrottung kultureller Identitäten

und somit ganzer Völker.“455

Im Internet wurden darüber hinaus auch offen Drohungen

gegenüber politisch Andersdenkenden ausgesprochen,

wie etwa auf der Seite der Kameradschaft Gera:

„Diejenigen, die heute noch den Volksvertretern
zuarbeiten, werden wir uns merken! ...“ 456
452) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom

26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 255 f.

453) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 56.

454) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 56.

455) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.

456) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.

Dort war auch zu lesen, dass sich hier „der örtliche natio-
nalrevolutionäre Widerstand zusammengeschlossen“
habe.

457
Auf einer anderen Seite wurde eine Bildsequenz

veröffentlicht, bei der das Wort „Antifa“ zerschossen
wurde.

458
2001 war der „THS“ noch mit drei Mitgliedern im NPD-
Landesvorstand in Thüringen vertreten und stellte zwei

NPD-Kreisvorsitzende.
459

In diesem Jahr führte der Ver-

fassungsschutzbericht des Freistaats Thüringen aus:

„Nach wie vor stellte der ‚THS’ […] im Jahre 2001
das Bindeglied zwischen der freien Neonaziszene

und der NPD mit ihrer Jugendorganisation, den

JN, dar. Diese Scharnierfunktion kommt in der

Tatsache zum Ausdruck, dass führende ‚THS’-
Anhänger zugleich NPD/JN-Mitglieder sind und

innerhalb des Landesverbandes der NPD und der

JN einen nicht zu unterschätzenden Einfluss aus-

üben.“460

Darüber hinaus verwies er auf einen erweiterten Sympa-

thisantenkreis, der zu der etwa 170 Personen betragenden

Mitgliederzahl hinzugerechnet werden müsse.
461

Im Jahr 2002 trat der „THS“ als Personenzusammen-
schluss nicht mehr in Erscheinung. Laut Verfassungs-

schutzbericht des Freistaats Thüringen habe er für die

organisierte Neonaziszene stark an Bedeutung verloren.
462

Allerdings wurde die Anzahl der Mitglieder der Sektion

Eisenach, die auch unter der Bezeichnung „Nationales
und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen“ (NSAW)
agierte, in diesem Jahr auf 70 geschätzt.

463
Ab dem Jahr

2003 wurde der „THS“ in den Verfassungsschutzberich-
ten des Freistaats Thüringen nicht mehr aufgeführt.

464

457) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.

458) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2000, S. 57.

459) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 29;

online abrufbar unter:

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/5.pdf

460) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 7;

online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt

e/5.pdf

461) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2001, S. 7;
online abrufbar unter:

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt

e/5.pdf

462) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2002, S. 36;

online abrufbar unter:

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt
e/7.pdf

463) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2002, S. 11;

online abrufbar unter:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/schwerpunkt

e/7.pdf

464) Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2003; online
abrufbar unter:

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/abteilung2/2.

pdf

Drucksache 17/14600 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Dr. Roewer, von 1994 bis 2000 Präsident des

LfV Thüringen, hat zur Entstehung der Erkenntnisse des

LfV Thüringen ausgesagt:

„Man erfährt es dadurch, dass diese Gruppen
durch Gewalttaten auf sich aufmerksam machen.

Man erfährt es zunächst dadurch, dass ich natür-

lich auch bestrebt war, erst mal festzustellen: Wo

findet denn dieses Theater statt? Wir hatten das

Problem in Thüringen, dass sich bestimmte örtli-

che Schwerpunkte bildeten, wo es wirklich hand-

feste und sehr unangenehme Aus-

einandersetzungen zwischen jugendlichen Grup-

pen gab, deren einziges Kit jeweils in der Gruppe

war, dass sie sich als rechts oder links bezeichne-

ten. Das waren zum großen Teil Kinder, und die

schlugen dann aufeinander ein. Wir hatten wäh-

rend meiner Dienstzeit zunächst den Schwerpunkt

im Raum Altenburg. Da werden alle die Leute, die

dort leben, mit dem Kopf nicken. Und dann hatten

wir den Schwerpunkt im Raum Saal-

feld/Rudolstadt. Und dann ab dem Jahr 1997 wan-

derte der Schwerpunkt nach Jena. Warum das so

ist, weiß ich nicht. Es ist aber so.

Die Bemühungen der Behörde waren nach meiner

Anleitung darauf gerichtet, sich nicht mit diesen

Kindern auseinanderzusetzen, sondern festzustel-

len, wer die Rädelsführer hinter diesen Kindern

waren; denn die kommen ja meistens nicht von

selber auf die Idee, so aufeinander einzuschlagen,

wie es dann geschehen ist, mit vielen Verletzten

oft und einer hohen Dunkelziffer, die wir natürlich

nicht gekannt haben, weil diese Leute nicht zur Po-

lizei gegangen sind.“465

Der ,Thüringer Heimatschutz‘ war nach meiner
jetzigen Erinnerung eigentlich ein lockerer Zu-

sammenschluss, ein Name mehr, dem sich Leute

zurechneten oder nicht zurechneten. Das war kein

Verein. Es war keine Partei. […] Es war in bei
verschiedenen Jugendlichen, dass sie sagten: Wir

marschieren beim ,Thüringer Heimatschutz‘. - Das
waren Kinder. [… Einige Personen] haben […]
sich dann sozusagen selber mit Lorbeeren ge-

schmückt. Das ist ja in der rechtsextremen Szene

außerordentlich üblich, dass sich jeder Dritte da

zum Führer ernennt.“466

Auf die Frage, wo der Schwerpunkt des „THS“ gewesen
sei, hat der Zeuge Wießner angegeben:

„Der Schwerpunkt war in - - Was heißt: „in Saal-
feld“? Saalfeld hat eine Kameradschaft gehabt; Je-
na hat eine Kameradschaft gehabt; Gera hat eine

Kameradschaft gehabt; W. war in Eisenach selb-

ständig. Alles andere lief in Saalfeld-Gorndorf zu-

sammen. Und im Grunde genommen: ‚THS’, was
465) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 69.

466) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 70.

war TH- - Die, die - - Kapke - - Ich könnte Ihnen

jetzt die ganzen Kameradschaftsführer vielleicht

noch nennen: Kapke oder der in Gera oder sonst

was. Die haben gepocht auf ihre Eigenständigkeit.

Die waren sich einig bei gemeinsamen Aktionen.

Damals, wie das anfing, waren Demonstrationen.

Da waren sie sich einig: Wir nehmen da teil und

mobilisieren in unserem Umfeld.“467

Eine zentrale oder eigenständige Führung des „THS“
habe es nicht gegeben.

468
„Es war ein Begriff. Die Thüringer, wenn sie außer
Landes gegangen sind, haben sich firmiert unter

‚THS’. Aber hinter ‚THS’ waren selbstständige
Kameradschaften.“469

Über das innere Gefüge der Jenaer Szene habe man nur

wenige Kenntnisse gehabt. Der Zeuge Wießner hat ausge-

führt:

„Die Innenentwicklung der ‚Kameradschaft Jena‘
hat man, wenn man ehrlich ist, gar nicht mitbe-

kommen. Wir haben ja nur das bekommen, was

Wohlleben oder Kapke dem V-Mann erzählt ha-

ben. Vom Innenleben, wie die Struktur in Jena

war - dass sie immer gemeinsam aufgetreten sind,

ist ja unstrittig - - Aber wie das Innenleben und die

Hierarchie innen waren, kann ich Ihnen nicht sa-

gen.“470

Von November 1995 bis Ende 1997 ermittelten die Be-

hörden in Thüringen gegen zwölf Personen wegen des

Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung im

Sinne des § 129 StGB.
471

Die Rolle von Tino Brandt und

die Situation im „THS“ beschrieb ein im Rahmen des
damaligen Ermittlungsverfahrens vernommener Zeuge:

„Er [Tino Brandt] ist so eine Art Leitwolf der rech-
ten Szene in Thüringen. Mittwochs fuhr ich mit

Sonneberger Kameraden nach Saalfeld zum Mitt-

wochsstammtisch […]. Dort trafen wir uns mit an-
deren Kameradschaften, maßgeblich mit Tino

Brandt und den Saalfeldern. […] Tino Brandt teilt
dort sein Propagandamaterial Broschüre ‚Nation
Europa‘ und die Zeitung ‚Neues Thüringen‘ sowie
,Neues Franken‘ aus. Ansonsten wird ziemlich viel
Alkohol getrunken. Tino Brandt geht von Tisch zu

Tisch und fragt bei den einzelnen Kameradschaf-

ten nach, was wo los ist. Er gibt auch Anweisung

für geplante Unternehmen und was an den Wo-

chenenden abgehen soll. Das sind zum Teil rechte

Konzerte, Demos, Feste und Störfaktoren bzw.

Störaktionen. Die örtlichen Kameradschaften mel-

den dem Tino Brandt zum Beispiel wo es Proble-
467) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.

468) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.

469) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.

470) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.

471) Einzelheiten siehe B. III. 3. a).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/14600

me mit Asylanten gibt oder so und geben ihm In-

formationen. Der Tino Brandt organisiert dann die

Störaktionen. In Rudolstadt war im Sommer letz-

ten Jahres ein Multikulti-Fest. Das wollten wir stö-

ren. Brandt hat die Aktion geleitet. Die Vorberei-

tung und Absprachen dazu liefen über Handy.

Brandt sprach aber nie darüber, dass wir uns prü-

geln sollen. Er sagte mir einmal: ‚Immer am Rand
des Legalen zum Illegalen bleiben‘. […]

Freitags fanden in der Regel Schulungen statt, bei

Saalfeld, ,In der Schönen Aussicht‘. […] Vom Er-
zählen her weiß ich aber, dass dort unter der Lei-

tung von B. und Brandt sogenannte

,Rechtsschulungen‘ und ,Jungsturmbelehrungen‘
stattfinden. Bei diesen Belehrungen handelt es sich

um Umgang mit Polizei, Verhalten bei Festnah-

men, Vernehmungen und bei Demos. Es sollen

auch Filme gezeigt worden sein.“472

Von September 1998
473

bis 2001 prüfte das Thüringer

Innenministerium ein Verbot des „THS“ nach dem Ver-
einsgesetz. Das LfV Thüringen hielt in seiner Stellung-

nahme vom 7. Dezember 1998 Verbotsmaßnahmen gegen

den „THS“ nicht für zweckmäßig, da diese voraussicht-
lich zum Übertritt der Mitglieder in die NPD führen wür-

den. Daneben falle ins Gewicht, dass es keine dem „THS“
unmittelbar zuzuordnende Infrastruktur gebe, die bei

einem Verbot eingezogen werden könnte.
474

Die aufgrund eines Erlasses des Thüringer Innenministe-

riums vom 3. August 2000 geführten Vorermittlungen zur

Frage, ob beim „THS“ der Anfangsverdacht einer krimi-
nellen Vereinigung vorliege, führten bereits am 5. Sep-

tember 2000 zu einem Sachstandsbericht, wonach es sich

beim „THS“ und den mit ihm verbundenen Kamerad-
schaften um straff organisierte Vereine handele.

475
Mit

Schreiben vom 16. Januar 2001 legte das LKA Thüringen

auf die Frage des Thüringer Innenministeriums, ob es sich

beim „THS“ um einen Verein i. S. d. Vereinsgesetz han-
dele, hierzu nähere Tatsachen dar.

476
Im Februar 2001 zweifelten sowohl das LfV Thüringen

als auch das Thüringer Innenministerium erneut an einer

festen Vereinsstruktur.
477
472) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen I. S. vom 9. Juni

1996, MAT A TH-2/45, Bl. 420 ff., 421.

473) Vermerk des Thüringer Innenministeriums vom 12. September

1998, MAT B TH-3, Dateiname: MAT_B_TH-3_25-1202-

62012.pdf, Bl. 9 f.

474) MAT B TH-3, Dateiname: MAT_B_TH-3_25-1202-62012.pdf,

Bl. 24 ff., 26.

475) Sachstandsbericht des LKA Thüringen (Soko „ReGe“) vom
5. September 2000, MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-

3_25-1202-62012.pdf, Bl. 247 ff., 252; zum Vorermittlungsver-

fahren näher vgl. unten.

476) Sachstandsbericht des LKA Thüringen (Soko „ReGe“) vom
5. September 2000, MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-

3_25-1202-62012.pdf, Bl. 274 ff.

477) Schreiben des LfV Thüringen vom 14. Februar 2001, MAT B

TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 93 f.;

Vermerk des Thüringer Innenministeriums vom 16. Februar

2. „Kameradschaft Eichsfeld“

Thorsten Heise gründete 1995 an seinem niedersächsi-

schen Wohnsitz die „Kameradschaft Northeim“.478 Sie
trat im Jahr 1998 das erste Mal bei einem Aufmarsch in

Dresden in Erscheinung.
479

2002 zog Thorsten Heise nach

Fretterode/Thüringen und benannte die Kameradschaft in

„Kameradschaft Eichsfeld“ um.480 Das BKA stellte fest:

„Heise (…) propagiert stets den sogenannten ‚Na-
tionalen Widerstand‘, prangert ‚Justizwillkür ge-
gen national-bewusstes Gedankengut‘ an und un-
terstützt die ‚Anti-Antifa‘-Bewegung. Themen-
schwerpunkt scheint weiterhin die Anbindung der

Skinheads an die Neonaziszene zu sein und den

Zulauf von Jugendlichen zu dieser Szene zu stei-

gern. Hierzu nutzt Heise seine Verbindung zur

Skinhead-Musikbewegung, wobei er den Skin-

head-Gruppen ein Forum bei von ihm veranstalte-

ten Skinhead-Konzerten bietet und sie anschlie-

ßend durch CD-Veröffentlichungen noch öffent-

lich vermarktet.“481

Auf seinem Grundstück in Fretterode organisierte Thors-

ten Heise wöchentliche „Kameradschaftsabende“ mit ca.
15 Gästen.

482
Die Anzahl der Sympathisanten lag zwi-

schen 20 und 70 Personen, abhängig von der jeweiligen

Veranstaltung.
483

Neben seiner Führungsstellung in der „Kameradschaft
Eichsfeld“ hatte Heise auch eine zentrale Rolle in der
Kameradschaft „Arische Bruderschaft“, deren Treffpunkt
ebenfalls sein Wohnsitz in Fretterode war. Nach ihrem

Selbstverständnis war die „Arische Bruderschaft“ eine
übergeordnete Elite unter den Kameradschaften, bestand

aus den Führungskadern verschiedener Einzelkamerad-

schaften und unterstützte deren jeweilige Aktivitäten.

Organisatorisch verstand sie sich als feste Einheit, was

unter anderem durch das Tragen einheitlicher Bekleidung

(T-Shirts mit Aufschrift: „Die Arische Bruderschaft / Die
Jungs für’s Grobe“) auch nach außen hin zum Ausdruck
kommen sollte.

484
Zur „Ariogermanischen Kampfgemeinschaft Vandalen“
in Berlin, einer rechtsextremistischen Gruppe, die sich
2001, MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-

62012.pdf, Bl. 95 ff.

478) Vermerk des BKA vom 5. Mai 2004, MAT A BKA-2/2, Bl.

256.

479) Personagramm des BKA zu Thorsten Heise vom 24. Januar

2011, MAT A BKA-2/3, Bl. 2 ff., 6.

480) Vermerk des BKA vom 5. Mai 2004, MAT A BKA-2/2, Bl.

255.

481) Sachstandsbericht der BKA-Projektgruppe „Rechtsextremisti-
sche Kameradschaften“ von Dezember 2001, MAT A IMK-
1/5b, Bl. 886 ff., 912.

482) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2011, Bl. 55.

483) Sachstandsbericht der BKA-Projektgruppe „Rechtsextremisti-
sche Kameradschaften“ von Dezember 2001, MAT A IMK-
1/5b, Bl. 886 ff., 911.

484) Auswertebericht Niedersächsische Kameradschaften vom

6. August 2007, MAT A BKA-2/2, Bl. 401 ff.

Drucksache 17/14600 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
„rockerähnliche“ Strukturen gegeben hat und zu deren
Gründungsmitgliedern der ehemalige Sänger von „Land-
ser“, Michael R., gehört, hatte Heise auch Kontakt – als
Teilnehmer einer Vandalen-Feier im September 2002

anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Gruppierung.
485

Thorsten Heise war bis zu ihrem Verbot am 24. Februar

1995 in Niedersachsen Landesvorsitzender der „Freiheit-
lichen Deutschen Arbeiterpartei“. Am 11. September
2004 trat er gemeinsam mit Thomas W. („Steiner“) und
dem aus Bad Honnef stammenden Rechtsextremisten

Ralph T. der NPD bei.
486

Durch den Eintritt in die NPD

sollten Heise, W. und T. einen Beitrag zur Schaffung einer

„Volksfront von Rechts“ leisten und als Mittler zwischen
Partei und der militanten Kameradschaftsszene auftre-

ten.
487

Nach Einschätzung des BKA aus dem Jahr 2011 zählt

Heise zu den bekanntesten Neonazis Deutschlands, gilt

als überregionaler Verbreiter von Propagandamitteln und

ist Leitfigur der rechten Szene.
488

Er hat Kontakte zu Rechtsextremisten in verschiedenen

Bundesländern.
489

Auch Mitglieder von „Blood & Ho-
nour“ sollen sich regelmäßig in seinem Umfeld bewegt
haben.

490
Thorsten Heise ist in erheblichem Maße strafrechtlich in

Erscheinung getreten. Sein Bundeszentralregisterauszug

(Stand: 2. Januar 2012)
491

enthält 13 Einträge: Seine erste

Verurteilung (Tat: Volksverhetzung) erfolgte im Jahre

1986, es folgten zahlreiche weitere Verurteilungen wegen

Staatsschutzdelikten, Körperverletzungsdelikten etc.;

zuletzt wurde Heise am 3. Juli 2007 vom LG Mühlhausen

unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung

(Gesamtstrafenbildung) wegen Volksverhetzung zu einer

Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verur-

teilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde auf Bewährung

ausgesetzt (Bewährungszeit: drei Jahre sechs Monate).

3. Verankerung des Trios in der rechten Sze-
ne

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren Mitglieder der

„Kameradschaft Jena“, die später als „Sektion Jena des
THS“492 bezeichnet wurde.
485) Mail des LKA Berlin vom 4. Oktober 2002, MAT A BKA-2/2,

Bl. 165 ff.

486) BKA-Personagramm zu Heise, vom 24. September 2004, MAT
A BKA-2/2, Bl. 321 ff.

487) BfV-aktuell, 39/2004, MAT A BKA-2-2, Bl. 298 f.

488) Personagramm des BKA zu Thorsten Heise vom 24. Januar
2011, MAT A BKA-2/3, Bl. 2 f.

489) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2011, Bl. 32.

490) Vermerk des BKA vom 5. Mai 2004, MAT A BKA-2/2, Bl.
255.

491) MAT B TH-15, Bl. 3 ff.

492) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2001, S. 59 f.

Zwar bestritt der „THS“, dass die drei Personen Mitglie-
der gewesen seien:

So gaben im Februar 1998 der „THS“ und der „Nationale
Widerstand“ über das sogenannte „Nationale Info-
Telefon“ bekannt, dass sie sich von den „Terroristen“ aus
Jena distanzierten:

„Wie bundesweit durch die Medien bekannt, fand
man bei angeblichen ,Rechten‘ in Jena selbstge-
bastelte Bomben. Der ‚Nationale Widerstand‘ und
Thüringer Kameradschaften distanzieren sich in al-

ler Schärfe und haben mit den Terroristen nichts

zu tun, Terrorismus ist kein Mittel zur Bekämp-

fung des verhassten Systems.“493

Darüber hinaus stellte Tino Brandt am 22. September

2000 als Reaktion auf das Verbot der Gruppierungen

„Blood & Honour“ und „White Youth“ auf die Homepage
des „THS“ eine Pressemitteilung, in der es heißt, dass
„der Handlungswille des THS“ nie auf eine kämpferisch-
aggressive Form abgestellt habe. Weiter wurden neun

Personen genannt, die nie Mitglied des „THS“ gewesen
seien, darunter Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt. Da es

sich bei diesen vermutlich um Straftäter handele, würden

sie auch nicht als Mitglieder aufgenommen werden.
494

Diese Mitteilungen waren jedoch offenbar taktisch veran-

lasst. Tino Brandt sagte gegenüber dem BKA im Jahr

2012 aus, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zur

„Kameradschaft Jena“ gehörten. Sie seien auch bei man-
chen Führungstreffen des „THS“ gemeinsam mit André
Kapke beteiligt gewesen.

495
Zudem spricht für die Mitgliedschaft des Trios im „THS“
zum einen, dass Zschäpe am 2. Februar 1995 bei der

Stadtverwaltung Jena für die „Interessengemeinschaft
Thüringer Heimat-Schutz“ eine Demonstration anmelde-
te.

496
Sie führte auch das anschließende Kooperationsge-

spräch mit dem Rechtsamt der Stadt Jena, gemeinsam mit

Ralf Wohlleben.
497

Zum Zeitpunkt des Abtauchens des Trios im Januar 1998

waren Böhnhardt und Mundlos Stellvertreter des Sekti-

onsleiters André Kapke.
498

Zschäpe wird von der Polizei
493) Vermerk des BfV vom 20. Februar 1998, MAT A BfV-7/4

(Tgb.-Nr. 14/12 – GEHEIM), Fundstellen der Aktenauswertung
Thüringer Heimatschutz, Bl. 230 (offen).

494) MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf,

Bl. 352 f.; vgl. auch zum Datum und zur Auswertung:

Sachstandsbericht vom 28. September 2000, MAT B TH-3, Da-

teiname: 2862.00-26-1997 (Band 1) - oT.pdf, Bl. 191 f.

495) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom

26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 256.

496) Schreiben vom 2. Februar 1995, MAT B TH-3, Dateiname:
MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 479 f.

497) Vermerk vom 6. Februar 1995, MAT B TH-3, Dateiname:

MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 488 ff.

498) Schreiben des LfV Thüringen vom 3. Februar 1998, MAT A

TH-3/1 (Tgb.-Nr. 01/12 – GEHEIM), hier: Blatt 35 f. (VS-
NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/14600

im Oktober 1997 als aktives Mitglied der Sektion Jena

des „THS“ bezeichnet.499

Ein ehemaliges Mitglied der „Kameradschaft Jena“ sagte
am 21. Januar 1997 gegenüber der Polizei aus:

„Allgemein möchte ich sagen, dass ich 1995 an der
Gründung der ,KSJ‘, also ‚Kameradschaft Jena‘
beteiligt war. Wir wollten einen Verein unter

gleichgesinnten Rechten gründen. Bei der Grün-

dung waren die einschlägigen Kameraden Kapke,

Böhnhardt, Wohlleben, Gerlach, Mundlos [dieser

Name wurde gestrichen] u. a. dabei. Am Anfang

ging es noch ziemlich demokratisch zu, dann wur-

de es ziemlich parteilich streng und militärisch or-

dentlich. Ich hatte auch Stress mit Böhnhardt. Frü-

her drehte er irgendwelche Dinger und heute

macht er auf pikfein mit Uniform und so und spielt

SA-Mann. Skinheads bezeichnet er als assozial.

Auf Betreiben von Kapke, Mundlos [dieser Name

wurde gestrichen] und Böhnhardt wurde alles

straffer organisiert. Sie wollten von jedem 20,-

DM monatlich als Beitrag für die ,KSJ‘ haben, um
zu Konzerten zu fahren und Aktionen bzw. Veran-

staltungen zu finanzieren. Kapke, Böhnhardt und

Mundlos [dieser Name wurde gestrichen] stritten

sich auch um die Führungsrolle. Damals, also wa-

ren wir im harten Kern der ,KSJ‘ 5 bis 6 Mann.“500

Der Zeuge Baumbach, der im Referat Forschung und

Werbung des LfV Thüringen tätig war, hat angegeben,

ihm seien Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bereits vor

deren Abtauchen bekannt gewesen. Er hat ausgeführt:

„Sie waren ja sehr aktiv gewesen. Die Frau Zschä-
pe war relativ im Hintergrund gewesen, aber sie

war halt immer, eigentlich immer mit dabei. Ob sie

nun mit Uwe 1 oder Uwe 2 zusammen war, oder

die drei waren zusammen: Sie war eigentlich im-

mer irgendwo. Ich will jetzt nicht sagen: bei jeder

Veranstaltung, bei jedem Treffen. Aber man konn-

te damit rechnen, wenn einer von beiden auftauch-

te, dass dann vielleicht auch die Frau Zschäpe da

in der Nähe mit gewesen ist.“501

III. Ermittlungsverfahren gegen die rechtsex-
tremistische Szene Thüringen

1. Soko „REX“ – EG „TEX“

a) Gründung der Soko „REX“ 1995

Die Soko „REX“ (Sonderkommission Rechtsextremis-
mus), die dem polizeilichen Staatsschutz im LKA Thürin-

gen (Dezernat 61) zugeordnet war, wurde am 9. Novem-
499) Vermerk des LKA Thüringen vom 10. Oktober 1997, MAT A

TH-2/8, Bl. 583.

500) Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung von Tom T. vom

21. Januar 1997, MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff.

501) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.

ber 1995 im Zusammenhang mit der am gleichen Tag

erfolgten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen

zwölf Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB)

gegründet.
502

Aus dem Jahresbericht 1995 des Staats-

schutzes des LKA Thüringen geht hervor, dass die Soko

„REX“ jedenfalls im Jahr 1995 sieben Ermittlungsverfah-
ren abschließen und der Staatsanwaltschaft Gera vorlegen

konnte und dass sich zum Zeitpunkt der Berichtserstel-

lung acht weitere Ermittlungsverfahren in Bearbeitung

befanden.
503

Im Jahresbericht 1996 wurde neben dem

genannten Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen

Vereinigung in Bezug auf die „Anti-Antifa Ostthüringen“
aufgeführt, dass sich die Ermittlungen auf einen Kreis von

insgesamt 80 Tatverdächtigen wegen 43 Einzeltaten be-

ziehen, die teils allein und in unterschiedlicher Gruppen-

zusammensetzung begangen worden seien.
504

b) Auflösung der Soko „REX“ im Februar
1997 – Gründung der EG „TEX“

Am 25. Februar 1997 wurde die Soko „REX“ aufgelöst.
Die Ermittlungen im Verfahren wegen der „Stadionbom-
be“ wurden durch die neu gegründete EG „TEX“ (Ermitt-
lungsgruppe Terrorismus/Extremismus) fortgeführt.

Durch diese wurden auch die Ermittlungen wegen Bil-

dung einer kriminellen Vereinigung abgeschlossen.
505

Den Übergang zwischen der Soko „REX“ und der EG
„TEX“ hat der Zeuge Luthardt – damals amtierender
Leiter des LKA Thüringen – folgendermaßen geschildert:

„Hier muss ich auch was sagen - auch das ist da-
mals falsch rübergekommen -: Beim Landeskrimi-

nalamt gab es eine Ermittlungsgruppe TEX, hieß

die, Terrorismus-/Extremismusbekämpfung. Diese

Ermittlungsgruppe war schon existent, wo ich zum

Landeskriminalamt kam. Die ist kurz vor meinem

Erscheinen im Landeskriminalamt gegründet wor-

den. Sie war Nachfolger einer Soko, die es vorher

gegeben hat, die ihre Arbeit abgeschlossen hatte,

nämlich die hatte ein Verfahren nach § 129, krimi-

nelle Vereinigung ,Thüringer Heimatschutz‘, als
Auftrag gehabt. Das war abgeschlossen. Die zu-

geordneten Kräfte der anderen Polizeidienststellen

wurden wieder in ihre Heimatdienststellen entlas-

sen, und die Restanten, die daraus hervorgingen -

die gibt es immer bei so gewaltigen Komplexen -,

hat dann eine eigenständige Ermittlungsgruppe,
502) Schreiben des LKA Thüringen vom 5. Dezember 2012, MAT A

TH-12/3, Bl. 3 ff.; zu dem genannten Verfahren siehe Ziff. 3 in

diesem Abschnitt B.III.3.

503) Jahresbericht 1995 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-

lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-

9/1, Bl. 57.

504) Jahresbericht 1996 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-

lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-

9/1, Bl. 61.

505) Jahresbericht 1996 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-

lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-

9/1, Bl. 65.

Drucksache 17/14600 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die beim Dezernat Staatsschutz des Landeskrimi-

nalamts angesiedelt war - sieben, acht Leute waren

das -, übernommen.

Und diese Ermittlungsgruppe, weil auch immer

gesagt wird, die sind ins Nichts gefallen, die waren

nicht vorbereitet - - Die stammten aus dieser Son-

derkommission. Die sind zwei Jahre dort schon

mitgelaufen, und sie haben auch diese ganzen Er-

mittlungen im Vorfeld, nämlich mit diesem Pup-

pentorso, mit diesen Bombenattrappen am Theater

etc., Stadion, alles als Ermittlungsverfahren durch-

geführt.“506

Der Zeuge Dressler, der im Jahr 1997 zur EG „TEX“
stieß und deren Leiter wurde, hat diese Phase – auch im
Hinblick auf das Ermittlungsverfahren wegen der „Stadi-
onbombe“ – folgendermaßen beschrieben:

„Ich bin circa Mitte des Jahres 1997 von einem
anderen Arbeitsbereich in den Bereich des Staats-

schutzes umgesetzt worden und bin dort mit der

Leitung der Ermittlungsgruppe EG ‚TEX‘ beauf-
tragt worden, die zu dem Zeitpunkt aus circa drei

bis fünf Personen bestand; das wechselte perma-

nent etwas von der Stärke her. Ich habe dort die

Aufgabe vorgefunden, Ermittlungsverfahren, die

das LKA aufgrund des Polizeiaufgabengesetzes zu

bearbeiten hat, abzuarbeiten. Es handelte sich

hierbei ausschließlich um Ermittlungsverfahren

mit politisch motivierter Kriminalität. Dabei war

es schlicht egal, ob es sich um politisch motivierte

Kriminalität aus dem Linksspektrum, politisch mo-

tivierte Kriminalität im Ausländerwesen oder in

dem Rechtsbereich handelte. Den Schwerpunkt

bildete seinerzeit definitiv rechts; die anderen

Problemfelder kamen in den darauffolgenden Jah-

ren hinzu.

Als ich diese Aufgabe übernahm, wurde im Vor-

feld eine Soko aufgelöst. Teilweise waren deren

Mitarbeiter noch einige Wochen und Monate mit

im Arbeitsbereich, solange deren Abordnungen

noch aufrechterhalten wurden. Wenn die ausliefen,

verließen die Kollegen dann den Arbeitsbereich,

da sie meistens von der Landespolizei temporär

zugeordnet waren.

Wir brachten in der EG ‚TEX‘ in der Anfangspha-
se die in der Soko ‚REX‘ noch vorhandenen Ver-
fahren zum Abschluss und übernahmen teilweise

neue. In diesem Zusammenhang übernahm ich

damals das Verfahren der sogenannten Stadion-

bombe in Jena. In Jena wurde im September 96

während eines Fußballspiels eine Bombendrohung

telefonisch bei der Polizei eingegeben, und es

wurde mitgeteilt, dass im Stadion eine größere

Bombe liegen sollte. Es erfolgte daraufhin ein Ab-

suchen, in dessen Folge zunächst erst mal nichts
506) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 90.

gefunden wurde; aber Tage später wurde dann die-

se USBV-Attrappe festgestellt. Die wurde in der

Anfangsphase durch die Soko ‚REX‘ bearbeitet
und in der weiteren Folge dann von der EG ‚TEX‘
übernommen.“507

Unterschiede in der Verfahrensweise im Vergleich zur

Soko „REX“ hat der Zeuge Dressler wie folgt beschrie-
ben:

„Sie müssen sich bitte das so vorstellen: Wir haben
wirklich verfahrensorientiert gearbeitet. Im Gegen-

satz zur vorher existierenden Soko ‚REX‘ waren
wir schlicht und ergreifend auf die Abarbeitung

von Ermittlungsverfahren eingestellt und haben

das auch weitestgehend getan.“508

Gründe für die Auflösung der Soko „REX“ hat der Zeuge
Dressler nicht nennen können.

509
Die laufenden Ermitt-

lungsverfahren seien von der EG „TEX“ abgearbeitet
worden:

„Also, mit dem Auslaufen wurden die Strafverfah-
ren, die noch im Bestand waren, natürlich abgear-

beitet und entsprechend der Staatsanwaltschaft zu-

gearbeitet.“510

Die EG „TEX“, so Dressler, sei für alle Formen von
Extremismus und Terrorismus zuständig gewesen:

„Es gab keine Schwerpunktsetzung; das ist kor-
rekt. Die hieß Ermittlungsgruppe Extremis-

mus/Terrorismus, und die war zuständig für Abar-

beitung von Ermittlungsverfahren, egal welcher

extremistischen oder terroristischen Form.“511

2. Weitere Dienststellen des LKA Thüringen

Darüber hinaus existierten im LKA Thüringen weitere

Dienststellen, die sich im weiteren Sinne mit Rechtsex-

tremismus befassten. Hier sind insbesondere die ZEX und

die Soko „ReGe“ zu nennen.

a) ZEX

Bei der ZEX (Zentraleinheit zur Bekämpfung des politi-

schen Extremismus) handelte es sich um eine im Septem-

ber 1998 eingerichtete Koordinierungsstelle des LKA

Thüringen, die im Dienstgebäude des LfV Thüringen

untergebracht war.
512

In einem Erlass des Thüringer In-

nenministeriums vom 31. August 1998 sind die Details

der Einrichtung, wie etwa der genaue Zuschnitt der Zu-
507) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 2.

508) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 22.

509) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 57.

510) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 57.

511) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 59.

512) Jahresbericht 1998 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-

lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-

9/1, Bl. 73.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/14600

ständigkeit und die Personalausstattung im Einzelnen

genannt.
513

Die Aufgaben der ZEX werden im Jahresbericht 1998 des

LKA Thüringen über die Kriminalitätslage und Entwick-

lung bei Staatsschutzdelikten wie folgt umrissen:

„Aufgaben der ZEX sind:

- Informationsbeschaffung, insbesondere aus den

Bereichen der Polizeidirektionen (Kommissariate

33, ggf. Ermittlungsgruppen und Kontaktbereichs-

beamten) sowie Ordnungsbehörden über das Lan-

desverwaltungsamt Thüringen innerhalb Thürin-

gens und Anreicherung dieser Informationen mit

Erkenntnissen aus anderen Bundesländern.

- Erfassen und anschließende Bewertung der In-

formationen zusammen mit den vom TLfV ge-

wonnenen Erkenntnissen in Abstimmung mit dem

TLfV.

- Mehrfache wöchentliche Abstimmung zwischen

TLfV und der ZEX zur Bewertung der Auswer-

tungsergebnisse, welche erforderlichenfalls mit ei-

nem Entscheidungsvorschlag den Referaten 43/49

des Thüringer Innenministeriums (TIM) vorgelegt

werden, um sodann daraus resultierende polizeili-

che Maßnahmen koordiniert im Freistaat Thürin-

gen durchzuführen.“

Im Jahresbericht 1998 ist erwähnt, dass zweimal wöchent-

lich Besprechungen mit dem LfV Thüringen durchgeführt

worden seien, was sich bewährt habe. Insbesondere seien

Erkenntnisse zu beabsichtigten Skinhead-Konzerten zeit-

nah an das Innenministerium und die zuständigen Polizei-

stellen weitergeleitet worden.
514

Der Zeuge Luthardt hat bzgl. des Hintergrundes und des

Funktionierens der ZEX die folgenden Ausführungen

gemacht:

„Zum damaligen Zeitpunkt - auch das muss man
hier, denke ich, nochmals deutlich sagen - verfügte

die Thüringer Polizei und speziell das Landeskri-

minalamt nicht über die ausschlaggebenden Hin-

weise, um der drei habhaft zu werden. Heute weiß

ich, dass es Hinweise gegeben hat, aber die waren

nicht bei uns. Damals kannte ich das nicht. Ich

komme da auch noch mal zu einem Beispiel, um

das deutlicher zu machen.

Unter diesem Gesichtspunkt war das kriminalpoli-

zeiliche und kriminaltaktische Vorgehen zur dama-

ligen Zeit aus meiner Sicht sachgerecht, jedoch

aufgrund fehlender konkreter Angaben erfolglos.

Handwerkliche Fehler, wie Sie sie schon darge-

stellt haben, haben das natürlich noch erschwert.
513) Erlass des Thüringer Innenministeriums vom 31. August 1998

zur Einrichtung einer Zentraleinheit zur Bekämpfung des politi-

schen Extremismus, MAT A TH-8c, Bl. 1 ff.

514) Jahresbericht 1998 des LKA Thüringen über die Kriminalitäts-

lage und Entwicklung bei Staatsschutzdelikten, MAT A TH-

9/1, Bl. 74.

Aus heutiger Sicht muss ich einräumen, dass es

Defizite im Informationsaustausch gab. Ich muss

anerkennen, dass die Kooperation der Sicherheits-

behörden untereinander nicht so funktionierte, wie

man das eigentlich von Sicherheitsbehörden erwar-

tet.

Und ich möchte da noch einen Satz dazu sagen:

Das hing sehr stark von handelnden Personen ab.

Wir haben Musterbeispiele des Zusammengehens,

der Zusammenarbeit, und wir haben Sachen, wo es

einfach nicht funktioniert hat, weil Leute nicht

miteinander konnten. Es war sehr personenabhän-

gig, zeigt aber wieder, dass es ein Führungsprob-

lem gab und letztendlich ein Fachaufsichtsprob-

lem. Auch das muss man aus heutiger Sicht, denke

ich, so deutlich sagen.

Und weil wir das zumindest ein bisschen schon er-

kannt haben, haben wir damals, 1998 schon, die

sogenannte ZEX, Zentralstelle Extremismus-

bekämpfung, eine kleine Stabsstelle im Gebäude,

aber außerhalb der Räume des Landesamtes für

Verfassungsschutz, wo zwei Kollegen des Landes-

amtes und zwei Kollegen des LKAs damals zwei-

mal in der Woche einen Informationsaustausch be-

trieben haben, genau mit dem Ziel, die Informatio-

nen besser zusammenzuführen - -

Heute kann ich einschätzen: Hervorragend hat das

funktioniert im Rahmen von Einsatzlagen, also

Skin-Konzerte, Demonstrationslagen, wenn die

Nazis da aufgerufen haben usw. Da hat das hervor-

ragend funktioniert. Leider hat es bei der Fallbear-

beitung nicht so funktioniert. Warum das so ist,

kann ich nur raten. Ich sage einfach: Wir haben

zumindest strukturell festgelegt, dass alle Informa-

tionen auf diesem Gebiet ausgetauscht werden. Al-

so, ob das auf der anderen Seite genauso war, kann

ich nicht beurteilen. Da müsste ich wissen, was

dort für Informationen konkret vorhanden waren.

Das wusste ich natürlich nicht.“515

Der Zeuge Luthardt hat klargestellt, dass es sich bei der

ZEX um eine Stabsstelle, nicht um eine Ermittlungsein-

heit gehandelt habe. Ähnliche Strukturen gebe es auch

heute noch:

„Das haben wir ja heute auch noch. Ich hatte es ja
vorhin gesagt: Wir haben ein Bindeglied zwischen

Staatsschutz, Polizei und Landesamt für Verfas-

sungsschutz geschaffen, wo Informationen ausge-

tauscht werden. Heute nennen wir das in Thürin-

gen TIAZ; beim Bund heißt es GETZ. Das ist ge-

nau dieses Instrument, das auf Landesebene 1998 -

natürlich nicht mit dieser Qualität und mit dieser

Wirksamkeit - schon eingerichtet wurde, wo re-

gelmäßig Informationen ausgetauscht werden. Wir

machen seit 1998 in Thüringen einen gemeinsa-

men Sicherheitslagebericht zwischen Landesamt
515) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 91 f.

Drucksache 17/14600 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
und Landeskriminalamt über diese Zentrale. Das

ist deren Aufgabe: reine Informationszentrale zum

Informationsaustausch, zur Informationsverdich-

tung und -weitergabe.“516

b) Soko „ReGe“

Die Soko „ReGe“ war im August 2000 gegründet worden.
Ihre Aufgabe bestand darin, Initiativermittlungen zur

Aufhellung rechtsextremistischer Strukturen in Thüringen

zu führen.
517

Konkret bestand der Auftrag darin, entsprechende Struk-

turermittlungen bezüglich des „Thüringer Heimatschut-
zes“ zu führen und gemeinsam mit der Thüringer Gene-
ralstaatsanwaltschaft zu prüfen, ob eine erneute Einlei-

tung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts

der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129

StGB gegen die Mitglieder des „Thüringer Heimatschut-
zes“ oder einer anderen rechtsextremistischen Gruppie-
rung möglich ist.

518
Aus einem Schriftstück vom 16. Mai 2001 geht hervor,

dass durch die Soko „ReGe“ im Hinblick auf die Aufga-
benstellung insgesamt 156 Ermittlungsverfahren ausge-

wertet worden waren.
519

Ein zusammenfassender Bericht vom 20. April 2001

wurde der Staatsanwaltschaft Gera vorgelegt.
520

Offen-

sichtlich wurde von dort aus mitgeteilt, dass kein Anlass

bestehe, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gemäß

§ 129 StGB einzuleiten, weshalb am 21. November 2001

angeregt wurde, die Soko „ReGe“ wieder aufzulösen.521

Zuvor war durch die Leiterin möglicherweise noch ver-

sucht worden, die Soko „ReGe“ personell zu verstärken,
was sich aus einem (nicht unterzeichneten) Vermerk vom

16. Mai 2001 ergibt.
522

Am 21. Mai 2001 erfolgte zudem

ein Treffen mit dem Leiter der Soko „REX“ im LKA
Sachsen, EKHK Jehle. Ziel dieses Erfahrungsaustauschs

war es laut einem Vermerk vom 21. Mai 2001,

„bereits bewährte Strukturen, Arbeitsweisen und
Erkenntnisse der Soko ‚REX’ für die im TLKA
gebildete Soko ,Rechte Gewalt‘ (ReGe) kennen zu
lernen bzw. zu übernehmen.“523
516) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 114.

517) MAT A TH-9-2o, Bl. 366.

518) Sachstandsbericht der Soko „ReGe“ vom 21. November 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 81 (nicht unterzeichnet).

519) Schriftstück der Soko „ReGe“, datiert auf den 16. Mai 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 80.

520) Schriftstück der Soko „ReGe“, datiert auf den 16. Mai 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 80.

521) Schriftstück Soko „ReGe“ vom 21. November 2001, MAT A
TH-9/27, Bl. 81 (nicht unterzeichnet).

522) Schriftstück der Soko „ReGe“, datiert auf den 16. Mai 2001,
MAT A TH-9/27, Bl. 91.

523) Vermerk der Soko „ReGe“ vom 21. Mai 2001 (nicht unter-
zeichnet), MAT A TH-9/27, Bl. 85 ff. (87).

In den Akten befindet sich im Hinblick auf eine mögliche

Stärkung der Tätigkeit der Soko „ReGe“ sogar ein sieben
Seiten umfassender „Maßnahmeplan zur lntensivierung
der Arbeit der Soko „ReGe“ im Zusammenhang mit den
Strukturermittlungen zum ‚Thüringer Heimatschutz’“, der
auf den 14. Mai 2001 datiert.

524
Aus einem Protokoll vom 10. Juni 2002 ergibt sich

schließlich die Auflösung der Soko „ReGe“.525

Der Zeuge Dressler hat im Hinblick auf die Soko „ReGe“
bekundet:

„Die Soko ‚ReGe’, die entstand dann, wie gesagt,
2000, aber war auch neben uns, hatte mit uns

nichts zu tun, weil dort auch, wie vorher schon ei-

gentlich in der Soko ‚REX’, strukturelle Schwer-
punkte gesetzt waren und wir wirklich nur auf die

Abarbeitung von Ermittlungsverfahren eingestellt

waren. Mehr hätten wir auch nicht leisten kön-

nen.“526

3. Ermittlungen gegen den „Thüringer Hei-
matschutz“

a) Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen
Tino Brandt und andere mutmaßliche Mit-
glieder des „Thüringer Heimatschutzes“
wegen Bildung einer kriminellen Vereini-
gung

Am 14. November 1995 übersandte das LKA Thüringen,

Soko „REX“, der StA Gera einen Bericht über das einge-
leitete Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer krimi-

nellen Vereinigung gem. § 129 StGB gegen zunächst elf

Personen. Diese Personen sollten mutmaßliche Mitglieder

der Gruppierung „Anti-Antifa Ostthüringen“ bzw. „Thü-
ringer Heimatschutz“ sowie deren Untergruppierungen
mit der Bezeichnung „Kameradschaften“ in Jena, Gera
und Saalfeld sein. Als Anführer oder Organisatoren ver-

mutete das LKA Tino Brandt und Mario B. Bei der „Ka-
meradschaft Jena“ war als einzige Person André Kapke
aufgeführt. Ziel dieser mutmaßlichen kriminellen Verei-

nigung sei u. a. die gewaltsame Beseitigung des bestehen-

den Staatsgefüges und die Übernahme der Macht.
527

Am

23. August 1996 wurde das Verfahren auf die Person Kai

D. erweitert.
528

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren

nicht Beschuldigte in diesem Verfahren.

Der damals zuständige Staatsanwalt, der Zeuge Schultz,

hat zu diesem Verfahren ausgeführt:
524) Maßnahmeplan vom 14. Mai 2001, MAT A TH-9/27, Bl. 92 ff.

525) Protokoll zur Besprechung am 3. Juni 2002 (Entwurf, nicht

unterzeichnet), MAT A TH-9/27, Bl. 1 f.

526) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 58.

527) Bericht vom 13. November 1995, MAT A TH-2/41, Bl. 2 ff.

528) Abschlussbericht des LKA Thüringen vom 20. Oktober 1997,

MAT A TH-2/46, Bl. 653.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/14600

„Wir haben einmal ein Verfahren geführt wegen
Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen eine

Anzahl Rechtsradikaler, also überwiegend aus dem

Raum Saalfeld-Rudolstadt. Dieses Verfahren dau-

erte ungefähr zwei Jahre lang. Wir konnten am

Ende nach diversen Maßnahmen wie Beobachtun-

gen, Observationen letzten Endes keinen Beweis

dafür erbringen, keine konkreten Beweise, dass ei-

ne Vereinigung, der ,Thüringer Heimatschutz‘
oder die ‚Kameradschaft‘ oder wer auch immer,
gegründet worden wäre mit dem Zweck, Straftaten

zu begehen. Zwar haben einzelne Mitglieder oder

einzelne Leute, die wir den Vereinigungen zuord-

nen, alleine oder gemeinsam Straftaten begangen.

Aber dass diese Vereinigung jetzt zu dem Zwecke

gegründet worden war, Straftaten zu begehen, ha-

ben wir nicht feststellen können. Es gab öfter mal

Beobachtungen, dass im Wald Kriegsspiele veran-

staltet wurden oder öfter mal Treffen von Rechten

waren, aber unterm Strich hatten wir keine Perso-

nen. Zum Beispiel bei diesen Kriegsspielen im

Wald hatten wir keine Namen. Bei allen wesentli-

cheren Aktionen außer den Treffen hatten wir auch

keine Namen von Personen und auch keinen Be-

weis dafür, dass da aufgrund der Struktur der

Gruppe die Straftaten begangen wurden. Und des-

halb habe ich das Verfahren nach ungefähr zwei

Jahren einstellen müssen.“529

Einer der beiden Hauptbeschuldigten, Tino Brandt, war

zwar Vertrauensperson des LfV Thüringen. Den Ermitt-

lungsbehörden war dies jedoch nicht bekannt.
530

Der Abschlussbericht des LKA Thüringen vom 20. Okto-

ber 1997 führt unter der Überschrift: „Aktuelle Straftaten“
u. a. aus:

„Besonders erwähnenswert ist eine Straftatenserie
vom Jahreswechsel 1996/1997. Im Zeitraum vom

30.12.1996 bis 02.01.1997 wurden in insgesamt

drei Fällen Briefbombenattrappen in der Stadt Jena

abgelegt. Betroffen waren dabei die Lokalredakti-

on der TLZ, die Stadtverwaltung Jena sowie die

Polizeidirektion Jena. Im Rahmen der Ermittlun-

gen wurden insgesamt 15 Beschuldigte ermittelt.

Für eine festgestellte Speichelspur kam u. a. der

Beschuldigte Kapke in Frage. Das Verfahren wur-

de durch die Staatsanwaltschaft Gera einge-

stellt.“531

Zusammenfassend kam das LKA zu dem Ergebnis, dass

Strukturen im Sinne von § 129 StGB nicht nachgewiesen

werden konnten.
532

Die Staatsanwaltschaft Gera stellte

mit Verfügung vom 10. November 1997 das Ermittlungs-

verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Zur Begründung

führte sie – dem LKA teilweise nicht folgend – aus, dass
529) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 30.

530) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 5 f.

531) MAT A TH-2/46, Bl. 652 ff., 659.

532) MAT A TH-2/46, Bl. 663.

es sich zwar bei den überprüften Organisation um Verei-

nigungen im Sinne des § 129 StGB handeln möge; es sei

allerdings kein Nachweis zu erbringen gewesen, dass

deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist,

Straftaten zu begehen. Die Beschuldigten seien zwar im

genannten Zeitraum mehrfach – überwiegend im Bereich
von Gewalt- und Propagandadelikten – straffällig gewor-
den, ein Nachweis dafür, dass Straftaten von dieser Ver-

einigung bzw. den Vereinigungen ausgingen, sei jedoch

nicht möglich gewesen.
533

b) Weitere „Strukturermittlungen“

Mit Erlass des Thüringer Innenministeriums vom 3. Au-

gust 2000 wurde das LKA Thüringen gebeten, „Struktur-
ermittlungen“ gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ zu führen und gemeinsam mit der
Thüringer Generalstaatsanwaltschaft zu prüfen, ob die

Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Ver-

dachts einer Straftat nach § 129 StGB möglich ist. Am

7. August 2000 kam es zur Bildung der Sonderkommissi-

on „Rechte Gewalt“ (ReGe). Die in einem Zeitraum von
etwa einem Jahr durchgeführten Vorermittlungen ergaben

17 Personen als führende Mitglieder und etwa 200 Perso-

nen, die in Untergruppierungen mit den Namen „Kame-
radschaft“, „Sektion“ oder „Nationaler Widerstand“ orga-
nisiert waren. Carsten Schultze und Ralf Wohlleben wer-

den im Abschlussbericht des LKA Thüringen vom

31. August 2001 als Führungspersonen des „Thüringer
Heimatschutzes“ im Bereich Jena bezeichnet. In diesem
Abschlussbericht heißt es als Fazit:

„Nach hiesiger Bewertung begründen die vorlie-
genden Erkenntnisse keinen Anfangsverdacht, ein

Ermittlungsverfahren gegen den ,Thüringer Hei-

matschutz‘ wegen der Bildung einer kriminellen
Vereinigung einzuleiten. Gewisse Indizien (Uni-

form, Glatze, Bomberjacke usw.) sprechen dafür,

dass die Einzelpersonen untereinander in Bezie-

hung stehen, dass sie sich als einheitlicher Ver-

band fühlen. Anhaltspunkte für die Unterordnung

des Willens des Einzelnen unter den Willen der

Gesamtheit sind hingegen für die Erfüllung des

Tatbestandes nicht hinreichend belegt.

Der ‚Thüringer Heimatschutz‘ ist nach jetzigem
Verständnis eine rechte politische Plattform. Do-

minierend ist gegenwärtig Patrick W. als Einzel-

person, welcher mit wechselndem Erfolg versucht,

rechte Kräfte zu bündeln.

Ein im Sinne des § 129 StGB herausragendes Er-

eignis, wie der Sprengstoffanschlag auf den Dö-

ner-Imbiss T. am 09.08.2000 in Eisenach, wird

Patrick W. durch den Angeklagten Robert H. ange-

lastet, der Beweis dazu wurde aber noch nicht ge-

führt.

Am 12.07.2001 erfolgte eine Abstimmung mit der

Staatsanwaltschaft Gera, StA P., wobei dieser in-
533) MAT A TH-2/46, nach Bl. 663.

Drucksache 17/14600 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
formierte, dass aus seiner Sicht der § 129 StGB

bisher nicht erfüllt ist. Ein schriftliches Ergebnis

wird im September 2001 vorliegen.“534

Mit Schreiben vom 1. November 2001 teilte die Staats-

anwaltschaft Gera dem LKA Thüringen mit, dass ein

Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen

Vereinigung gem. § 129 StGB nicht eingeleitet werde.
535

4. Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaf-
ten in Thüringen, insbesondere in Verfah-
ren gegen mutmaßliche Mitglieder des
„Thüringer Heimatschutzes“

Dem Ausschuss fiel auf, dass eine Vielzahl von Verfahren

gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimat-
schutzes“ (THS) eingestellt wurde. Eine 33-seitige Über-
sicht der Polizei vom 16. Januar 2001 enthält eine Auf-

stellung von Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des

„THS“ von 1993 bis 2000 wegen Delikten, die im Zu-
sammenhang mit deren rechtsextremer Gesinnung stehen.

Über den Verfahrensausgang wurde in etwa 90 Fällen die

Einstellung des Verfahrens, lediglich in vier Fällen eine

Verurteilung, in weiteren vier Fällen eine Anklage sowie

in ebenfalls vier Fällen Freispruch vermerkt. In etwa 25

Fällen fehlt die Angabe über den Verfahrensausgang.
536

Auf den Vorhalt, ob er verstehe, wenn manche Bürger

sagten, sie hätten in den 90er-Jahren den Eindruck gehabt,

dass Neonazis fast Immunität hätten, hat der damals in der

Abteilung für politische Straftaten der Staatsanwaltschaft

Gera tätige Zeuge Schultz geantwortet:

„Das kann ich nicht verstehen, weil wir jedes Ver-
fahren sehr, sehr sorgfältig bearbeitet haben, weil

wir angeklagt haben, was möglich war. […] Ich
wollte gerade den Tino Brandt unbedingt hinter

Gitter bringen. Ich habe auch Sachen zur Anklage

gebracht mit sehr wackeligem Beweisergebnis, mit

dem Ergebnis, dass das dann vor Gericht einen

Freispruch oder eine Einstellung vor Gericht gab.

Es ist so, dass die Beweislage […] bei Gewalttaten
öfter sehr schwierig ist, dass sie auch bei Propa-

gandadelikten sehr, sehr schwierig ist. Wir haben

eingesperrt, was ging. Wir haben ermittelt, was

ging. Wir haben angeklagt, was ging.“537

Der Zeuge ist auch zu einem Schreiben des Thüringer

Innenministeriums an das Thüringer Justizministerium

vom 17. Mai 1997 befragt worden. Dieses Schreiben

drückt die Sorge des Innenministeriums über die Einstel-

lungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen aus,

u. a. bei Deliktsgruppen, die typischerweise von rechts-
534) MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 197 ff., 212 f.

535) MAT B TH-3, Dateiname: 2862.00-26-1997 (Band 2) - mT.pdf,

Bl. 353 f.

536) MAT B TH-3, Dateiname: MAT B TH-3_25-1202-62012.pdf,

Bl. 283 ff.

537) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 16.

extremen Personen begangen würden.
538

Dort heißt es

unter anderem:

„Das Thüringer Innenministerium möchte der Jus-
tiz, insbesondere auch den Staatsanwaltschaften,

natürlich nicht das Recht absprechen, in geeigne-

ten Fällen einer [von einem Gericht angeregten]

Einstellung zuzustimmen. Solange jedoch in be-

stimmten Rechtsbereichen – wie hier im Bereich
‚Rechts‘ – die Zahlen der Delikte und der Gewalt-
bereitschaft […] unentwegt von Jahr zu Jahr zu-
nehmen, können wir es uns aus politischen Grün-

den in der nächsten Zeit kaum noch leisten, in sol-

chen Fällen wegen ‚Geringfügigkeit‘ einzustellen.
Denn damit werden wir auf Dauer unglaubwürdig.

Nicht vergessen werden darf dabei auch die Tatsa-

che, dass die Polizei und Verfassungsschutz bei ih-

ren Ermittlungen u. U. erhebliche Anstrengungen

unternommen haben, um in diese Szene einzudrin-

gen und entsprechende Straftaten zu ermitteln; und

wenn dann keine Sanktionen des Staates folgen,

wird dies auch noch als Schwäche (‚des Systems‘)
ausgelegt.“

Der Zeuge Schultz hat ausgesagt, dass er dieses Schreiben

nicht kenne. Das Thüringer Justizministerium habe nicht

um Erklärung, Rechtfertigung oder Ähnliches gebeten.

Darüber hinaus hat er zu diesem Schreiben ebenfalls

angegeben:

„Wir haben angeklagt, was ging. Was wir einge-
stellt haben, das mussten wir einstellen, weil ein

Tatnachweis nicht zu erbringen war, bzw. wenn

Sie ‚Einstellung‘ sagen, kommt dazu, dass es ver-
schiedene Arten der Einstellung gibt. Wenn es eine

Einstellung nach § 170 Abs. 2 Strafprozess-

ordnung ist, dann ist ein Tatnachweis nicht zu füh-

ren. Es gibt aber auch andere Einstellungen: nach

§ 153, nach § 154, nach § 153a [StPO] und, und,

und. Das läuft allgemein auch unter dem Gesichts-

punkt ‚Einstellung‘, ist aber nicht immer gleichzu-
setzen mit ‚Tatnachweis nicht zu führen‘.“539

5. Gräfenthal-Verfahren

Am 27. Januar 1996, gegen 1 Uhr, kam es in einer Gast-

stätte in Gräfenthal, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, zu

einer Schlägerei, an der eine Vielzahl junger Personen aus

dem rechten Spektrum beteiligt war. Nachdem die Staats-

anwaltschaft am 28. Juni 1996 gegen Tino Brandt und elf

weitere Angeschuldigte Anklage vor dem Amtsgericht

Rudolstadt, Jugendschöffengericht, erhoben hatte
540

,

erging am 30. September 1997 das Urteil in erster Instanz.

Zum Sachverhalt wurde hier festgestellt:
538) MAT B TH-3, Dateiname: 2131-7-1997 -mT.pdf, Bl. 2 ff.

539) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 54 f.

540) MAT A TH-2/54, Bl. 40 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/14600

„Kurz nach Mitternacht begaben sich am 27. Janu-
ar 1996 etwa gegen 0.30 Uhr die Angeklagten Tino

Brandt, […] sowie weitere Angehörige der rechts-
orientierten Szene unter Benutzung von mehreren

Personenkraftwagen von Neuhaus am Rennweg

nach Gräfenthal in das dortige Gasthaus

,Schützenhaus‘. In dieser Gaststätte fand zu die-
sem Zeitpunkt eine Discotheken- bzw. Tanzveran-

staltung statt.

Die vorgenannte Gruppe hatte sich zunächst im

Jugendclub in Neuhaus am Rennweg getroffen,

dort reifte unter der Gruppe der Entschluss, nach

Gräfenthal in das ,Schützenhaus‘ zu fahren, um
dort bei dieser Diskothekenveranstaltung, von der

bekannt war, dass diese auch von linksorientierten

Kreisen besucht wird, Spaß zu haben und gegebe-

nenfalls ,Zecken aufzuklatschen‘.

Der Angeklagte Sebastian P. trug zu diesem Zeit-

punkt ein Aluminiumrohr versteckt bei sich, wel-

ches er zuvor aus dem PKW des Zeugen Ivo S.,

mit dem der Angeklagte P. nach Gräfenthal gefah-

ren war, geholt hatte.

Nach der Ankunft vor dem ,Schützenhaus‘ in
Gräfenthal begab sich die der ,rechten Szene‘ zu-
zuordnende Gruppe in einer Stärke von ca. 15 bis

20 Personen in die Gaststätte und verteilte sich

dort. Mindestens 15 Personen dieser Gruppe, da-

runter die Angeklagten Tino Brandt, […] gingen
die dortige Treppe hinauf, gelangten in die soge-

nannte ,Bierschwemme‘ - einen von der übrigen
Gaststätte räumlich getrennten Bereich, in dem

Bier ausgeschenkt wurde, - und stellten sich an die

dortige Biertheke. Der in der Gruppe befindliche

Angeklagte Sebastian P. hatte zuvor die von ihm

mitgeführte Aluminiumstange bei der Garderobe

im Eingangsbereich versteckt.

Die 15 an der Biertheke befindlichen Angehörigen

der zuvor bezeichneten Gruppierung verlangten

nunmehr von dem am Ausschank tätigen Zeugen

Mike B., dass er ihnen Bier ausschenken sollte.

Dies wurde seitens des Zeugen B. verweigert, da

die Veranstaltung kurz vor ihrem Ende stand und

der Wirt der Gaststätte, der Zeuge Thomas W., an-

gewiesen hatte, aus diesem Grunde keine weiteren

Getränke auszuschenken.

Aufgrund der hartnäckigen Weigerung des Zeugen

B., kein Bier mehr zu verkaufen, kam es aus dieser

Gruppe von ca. 15 Personen heraus, die fast alle

bereits in einem erheblich angetrunkenen Zustand

in die Gaststätte gelangt waren und auf die Weige-

rung sehr aggressiv und gereizt reagierten, durch

ein einverständliches Zusammenwirken zu tumult-

artigen Szenen und Ausschreitungen. Infolge der

Ausschreitungen kam es durch die vorgenannten

Mitglieder dieser Gruppierung zumindest zu – von
der Gruppe gebilligten und in Kauf genommenen –
Körperverletzungen und Sachbeschädigungen,

wodurch die Sicherheit der anwesenden Gäste

massiv gefährdet wurde.

Um die Aggressivität seiner angetrunkenen Beglei-

ter weiter anzuheizen, schrie der Angeklagte Tino

Brandt bewusst der Wahrheit zuwider in die Men-

ge, dass der Zeuge B. geäußert hätte, dass ,die Re-

publikaner-Schweine kein Bier kriegen‘, wobei der
Angeklagte Brandt dies in der Absicht tat, die Ag-

gressivität der rechtsgerichteten Gruppe weiter zu

steigern bzw. diese Personen noch mehr aufzuhet-

zen. Unter dem Eindruck dieser Äußerungen des

Angeklagten Brandt, der sich der Wirkung seiner

Äußerungen auf die alkoholisierten Mitglieder der

rechtsgerichteten Gruppe durchaus bewusst war,

wurde der Zeuge B. sodann durch den o. g. Perso-

nenkreis massiv bedroht. Um ihrer Forderung nach

dem Ausschank von Bier Nachdruck zu verleihen,

wurde er von bislang unbekannt gebliebenen Per-

sonen dieser rechten Gruppe festgehalten und ge-

schubst. Unmittelbar im Rahmen dieses Gesche-

hensablaufs wurde von dem gesondert Verfolgten

Norman R., der der rechtsorientierten Gruppe an-

gehörte und zu diesem Zeitpunkt auch bereits stark

alkoholisiert war, eine leere Bierflasche auf der

Theke direkt beim Spülbecken aufgeschlagen. So-

dann drohte der gesondert Verfolgte Norman R.

dem Zeugen B., dass er, falls kein Bier ausge-

schenkt wird, alles zerschlagen würde.

Parallel zu den vorgenannten Ereignissen wurden

durch unbekannt gebliebene Mitglieder der vorge-

nannten Gruppe Aschenbecher von den Tischen

geschmissen, mit Gläsern und Bierflaschen gewor-

fen sowie Tische und Stühle umgeworfen.

Aus dem Kreis der rechtsorientierten Gruppe, die

durch ihr äußeres Erscheinungsbild (Bomberja-

cken, Springerstiefel und Kurzhaarschnitte) auch

als geschlossene Gruppe sich von den übrigen

Gästen abhob, wurde sodann der Zeuge Sven K.

von drei oder vier nicht identifizierten Mitgliedern

am Kragen festgehalten, wobei einer ihm mit dem

Kopf gegen die Augenbrauen stieß und die o. g.

unbekannten Täter ihm noch weitere Kniestöße in

die Magengegend versetzten, so dass er zu Boden

ging. Aufgrund des Kopfstoßes erlitt der Zeuge K.

eine Platzwunde.

Der Zeuge Marco F. wurde währenddessen eben-

falls von unerkannt gebliebenen Tätern, die dieser

rechten Gruppierung angehörten, an der Treppe,

die sich ca. 2 bis 3 Meter entfernt von der Bierthe-

ke befand, gegen die Wand geschlagen, wobei der

Zeuge F. danach blutete. […]

In diesem Szenario grölte und brüllte die rechtsge-

richtete Gruppe Lieder und Parolen mit sogenann-

ten ,rechten Inhalten‘, wobei in den Texten u. a.
die Begriffe ,Adolf Hitler‘, ,Sieg heil‘ und ,SA
marschiert‘ enthalten waren. Während des Ge-
schehens erklärte der Angeklagte Sebastian P. ge-

genüber dem Zeugen Andreas S. auf dessen Frage,

„was das solle“, dass „alle fallen werden“.

Drucksache 17/14600 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Nachdem die Ausschreitungen in der Gaststätte

abgeklungen waren, begab sich die Mehrzahl der

Mitglieder der vorgenannten rechten Gruppierung

nach draußen vor die Gaststätte. Dort trafen sie auf

die Zeugin Nicole F. und den Zeugen Maurice P.,

der sich gerade auf dem Weg zur Gaststätte

‚Schützenhaus‘ befand, um die Zeugin Nicole F.
nach Hause zu fahren.

Die Angeklagten Angela H. und Simone O. stürz-

ten nun, nachdem sie von dem Zeugen Michael Z.

angestachelt worden waren, auf die Zeugin Nicole

F. zu, bedrängten diese, stießen sie vor sich her

und schlugen sie mit der Hand in das Gesicht bzw.

in den Halsbereich. Die Angeklagte Simone O.

sprühte unmittelbar danach der Zeugin F. mehr-

fach mit Reizgas aus ca. 20 Zentimeter Entfer-

nung, in das Gesicht, wodurch die Zeugin die Ori-

entierung verlor, ins Stolpern kam und zu Boden

fiel. Auf dem Boden liegend wurde die Zeugin F.

sodann von den Angeklagten Angela H. und Simo-

ne O. nochmals mehrfach geschlagen und mit dem

beschuhten Fuß in den Bauch- und Schienbeinbe-

reich getreten.

Dadurch erlitt die Zeugin Nicole F. erhebliche

Verletzungen, insbesondere waren die Bindehäute

der Augen aufgrund des Reizgases stark gerötet,

das linke Auge war angeschwollen, die linke

Wange und der Naseneingang waren gerötet und

am linken Oberschenkel erlitt die Zeugin ein grö-

ßeres Hämatom.

Als die aus der Gaststätte herauskommenden Mit-

glieder der rechtsorientierten Gruppierung vor dem

‚Schützenhaus‘ den Zeugen Maurice P. sahen und
ihn aufgrund seiner ,Irokesenfrisur‘ als vermeintli-
chen ,Linken‘ erkannten, wurde dieser zunächst
lautstark beschimpft und bedrängt. Der Angeklagte

Sebastian P., der zu diesem Zeitpunkt sich in ei-

nem deutlich alkoholisierten Zustand befand, be-

gab sich währenddessen zur Garderobe und holte

die dort deponierte Aluminiumstange.

Als dieser zurückkam und der Zeuge P. bereits ei-

nige Schläge von den Tätern erhalten hatte, ver-

suchte der Zeuge zu flüchten. Die Angeklagten

Sebastian P. […] verfolgten den Zeugen P. Als die
Angeklagten Sebastian P., […] den Zeugen ge-
stellt hatten, umringten sie denselben, schlugen

und traten abwechselnd, aber auch gemeinschaft-

lich handelnd, auf den Zeugen ein, der aufgrund

der Schläge und der Fußtritte zu Boden ging. Am

Boden liegend wurde auf den Zeugen weiter einge-

treten und geschlagen. Der Angeklagte Sebastian

P. benutzte hierbei das mitgeführte Aluminium-

rohr und schlug mit diesem mehrmals auf den

Zeugen P. - auch auf dessen Kopf - ein. Der Zeuge

P. erlitt hierbei schwerste Verletzungen […].

Erst als eine unbekannte Person rief, dass die Poli-

zei gerufen wurde, ließen die Angeklagten Sebas-

tian P. […] von dem Zeugen P. ab und verließen
den Tatort.“541

Sieben Personen, darunter Tino Brandt wurden zu Frei-

heits- bzw. Jugendstrafen, teilweise auf Bewährung verur-

teilt, drei Angeklagte wurden freigesprochen, gegen zwei

Angeklagte (Norman und Maik R.) wurde das Verfahren

abgetrennt. Hinsichtlich der meisten Personen wurde das

Urteil rechtskräftig, allerdings nicht gegen Tino Brandt

und zwei weitere Personen.

Zum Ablauf der Hauptverhandlung hat der Zeuge Schultz

ausgesagt:

„Details weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber, dass
das Verfahren ganz lange gedauert hat und ganz

viele Zeugen vernommen wurden. Dass Polizisten

oder irgendjemand gebeten wurde, sich kurzzufas-

sen, das habe ich nicht in Erinnerung. Ich bin dort

acht oder zehn Wochen nach Rudolstadt gefahren.

Also, das war kein kurzes Verfahren. Das war ein

umfangreiches, langes Verfahren mit umfang-

reicher Beweisaufnahme.“542

Die abgetrennten Verfahren gegen Norman und Maik R.

stellte das Amtsgericht Rudolstadt im September/Oktober

1999 ein. Das Gericht wendete mit Zustimmung der

Staatsanwaltschaft die Ermessensvorschriften der §§ 153

und 154 StPO an: Das Verfahren gegen Maik R. wurde

wegen geringer Schuld gem. § 153 Abs. 2 StPO einge-

stellt.
543

In dem Verfahren gegen Norman R. erfolgte eine

Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO, da er in einem ande-

ren Verfahren mittlerweile zu einem Jahr Jugendstrafe auf

Bewährung verurteilt worden war
544

und „um ein weiteres
langwieriges Strafverfahren mit äußerst ungewissem

Ausgang zu vermeiden“545. Der Leitende Oberstaatsan-
walt in Gera merkte in einem Bericht an das Thüringer

Justizministerium hierzu an:

„Insgesamt kann, hier bin ich mit Dezernent und
Abteilungsleiter einig, die Verfahrensbehandlung

durch die Gerichte meines Erachtens nicht befrie-

digen. Allein der Zeitfaktor bringt hier immer wie-

der Verfahren zum Scheitern, was gerade im

rechtsradikalen Milieu kriminalpolitisch höchst

problematisch erscheint. Der Aspekt der Verfah-

rensdauer wurde mit dem Landgerichtspräsidenten

wiederholt angesprochen.“546
541) MAT A TH-2/54, Bl. 90 ff., 106 ff.

542) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 28.

543) Beschluss des AG Rudolstadt vom 11. Oktober 1999, MAT A
TH-2/54, Bl. 160.

544) Beschluss des AG Rudolstadt vom 21. September 1999, MAT

A TH-2/54, Bl. 159.

545) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom 2. November 1999,

MAT A TH-2/54, Bl. 157 f.

546) Bericht vom 2. November 1999, MAT A TH-2/54, Bl. 157 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/14600

Nach mehrmaligen Sachstandsanfragen der Staatsanwalt-

schaft Gera und Vertröstungen des Landgerichts Gera
547

fand die Berufungshauptverhandlung gegen Tino Brandt

und die beiden weiteren Personen erst ab dem 28. Mai

2001 statt. Bei einer Person wurde die Freiheitsstrafe

nunmehr zur Bewährung ausgesetzt, da der Verurteilte

sich seit der Tat straffrei geführt hatte. Mit Urteil vom

25. Juni 2001 wurden Brandt und eine weitere Person

freigesprochen. Zur Begründung des Freispruchs von

Tino Brandt heißt es:

„Auch die Voraussetzungen einer Teilnahme in
Form der Anstiftung oder der Beihilfe lagen nach

den getroffenen Feststellungen beim Angeklagten

Brandt nicht vor. Es konnte lediglich nachgewie-

sen werden, dass der Angeklagte Brandt an der

Theke im Beisein mehrerer Personen aus der

Gruppe laut äußerte, der Wirt habe ihm gesagt, die

Republikaner-Schweine kriegen kein Bier. Mit

dieser Äußerung hatte er weder einen hinreichend

bestimmten Täter zu einer hinreichend bestimmten

Haupttat bestimmt noch hatte er hiermit einem be-

stimmten Täter zu dessen bestimmter Tat zumin-

dest psychische Beihilfe geleistet.

Dies könnte allenfalls angenommen werden, wenn

die Gruppe an der Theke die an alle gerichtete Äu-

ßerung des Angeklagten Brandt als ‚Startzeichen‘
aufgefasst und daraufhin einzelne Personen tatbe-

standliche Handlungen begangen hätten oder wenn

durch die Äußerung bei einzelnen Personen das

Gefühl, dass die Gruppe hinter ihnen stehe, ver-

stärkt worden wäre und dies ihre Handlungsbereit-

schaft erhöht hätte. Für eine solche Annahme

sprach allein, dass der Zeuge Norman R. zeitlich

unmittelbar nach der Äußerung des Angeklagten

Brandt, der in der Gruppe eine Führungsposition

innehatte, eine Bierflasche auf der Theke zerschlug

und dem Zeugen B. mit den Worten drohte, er

werde alles zerschlagen, wenn kein Bier ausge-

schenkt werde. Die zeitliche Einordnung der übri-

gen Handlungen - Drohung gegenüber dem Zeu-

gen W. bzw. Fußtritt gegen den Zeugen K. - konnte

in diesem Zusammenhang nicht aufgeklärt werden.

Gegen die Annahme, dass der Angeklagte Brandt

mit seiner Äußerung einen anderen zu einer Tat

bestimmte bzw. eine fremde Tat förderte, sprach

zunächst, dass es zu keinen weiteren Handlungen

kam. Obwohl die Personen aus der ‚rechten‘
Gruppe an der Theke in der Übermacht waren,

verhielten sie sich im weiteren Verlauf friedlich.

Darüber hinaus war schließlich nicht nachweisbar,

dass der Angeklagte Brandt die Äußerung mit dem

erforderlichen Anstifter- bzw. Gehilfenvorsatz tä-

tigte. Der Vorsatz des Teilnehmers einer Tat setzt

sowohl bei der Anstiftung als auch bei der Beihilfe

voraus, dass dem Teilnehmer der Täter und die
547) Vgl. Bericht vom 21. September 1999, MAT A TH-2/54, Bl.

155; Bericht vom 23. November 2000, MAT A TH-2/54, Bl.

171.

Tat, an der er teilnimmt, wenigstens in Umrissen

bekannt sind.

Dies war vorliegend nach den in der Berufungs-

hauptverhandlung getroffenen Feststellungen nicht

der Fall gewesen. Es war für den Angeklagten

Brandt völlig ungewiss, ob und gegebenenfalls

welche Reaktion auf seine Äußerung hin erfolgte.

Mag er auch billigend in Kauf genommen haben,

dass seine Äußerung zu aggressiven Reaktionen

von Personen aus der Gruppe führen würde, so

konnte er jedenfalls nicht damit rechnen, dass der

Zeuge Norman R. auf dem Tresen eine Flasche

zerschlug und dem Zeugen B. gegenüber sinnge-

mäß mit den Worten drohte, er werde alles zer-

schlagen, wenn kein Bier ausgeschenkt werde.

Ferner hatten die in der Berufungshauptverhand-

lung getroffenen Feststellungen nicht ergeben,

dass der Angeklagte Brandt auf eine Menschen-

menge einwirkte, um ihre Bereitschaft zu Gewalt-

tätigkeiten oder Bedrohungen zu fördern (3. Alt.).

Dem Angeklagten Brandt war auch ein aufwiegle-

rischer Landfriedensbruch nicht mit der erforderli-

chen Sicherheit nachzuweisen.

Zwar war die Äußerung des Angeklagten Brandt,

der Wirt habe ihm gesagt, die Republikaner-

Schweine kriegen kein Bier, objektiv geeignet, die

vor der Theke stehenden Personen aus der ‚rech-
ten‘ Gruppierung gegen den Wirt aufzubringen. Im
Anschluss an diese Äußerung kam es auch zu den

oben genannten tatbestandlichen Handlungen

durch den Zeugen Norman R. Es konnte jedoch

nicht bewiesen werden, dass der Angeklagte

Brandt mit der erforderlichen Absicht, die Bereit-

schaft der Menschenmenge zu Gewalttätigkeiten

und Bedrohungen zu fördern, handelte. Seiner ei-

genen Einlassung, der Einlassung des Angeklagten

W. und Zeugenaussagen war hierzu nichts zu ent-

nehmen. Es war daher weiter zu prüfen, ob eine

entsprechende Absicht aus äußeren Anhaltspunk-

ten abgeleitet werden konnte. Dafür sprach zu-

nächst, dass der Angeklagte Brandt als Wortführer

agierte und als solcher in der Gruppe offenbar

auch anerkannt wurde. Desweiteren war der Ange-

klagte Brandt nicht erheblich alkoholisiert, so dass

er die Wirkung seiner Äußerung auf die zum Teil

erheblich alkoholisierten Personen aus seiner

Gruppe abschätzen oder sogar berechnen konnte.

So musste ihm klar gewesen sein, dass der Begriff

‚Republikaner-Schweine‘, den der Zeuge B. an-
geblich gebraucht haben sollte, bei den Personen

an der Theke für Unruhe sorgen würde. Dass der

Angeklagte Brandt die Worte des Zeugen B. inso-

weit falsch wiedergab, lässt den Schluss zu, dass er

die Absicht hatte, die Personen aus seiner Gruppe

gegen den Zeugen B. aufzubringen und damit den

Druck auf den Zeugen B. zu erhöhen.

Gegen eine entsprechende Absicht des Angeklag-

ten Brandt sprachen nach Auffassung der Kammer

jedoch die gewichtigeren Argumente. So kam es

zu keiner konkreten Bedrohung oder zu körperli-

Drucksache 17/14600 – 106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
chen Angriffen gegenüber dem Thekenpersonal.

Weiterhin blieb es bei der eher geringfügigen

Sachbeschädigung der Theke durch den Zeugen

Norman R. Der Zeuge Norman R. wurde - wie be-

reits oben dargelegt - möglicherweise von Perso-

nen aus der eigenen Gruppe aus der ‚Bier-
schwemme‘ abgedrängt. Die weitere Drohung,
sich notfalls mit Gewalt Getränke zu holen, die -

wie bereits oben dargelegt - zeitlich nicht einge-

ordnet werden konnte, wurde im weiteren Verlauf

nicht in die Tat umgesetzt. Dabei wäre es ange-

sichts der Übermacht der Personen aus der ‚rech-
ten‘ Gruppierung für diese problemlos möglich
gewesen, die Theke zu stürmen und sich selbst mit

Bier zu versorgen.

Die Gruppe verließ im Gegenteil nach ca.

½ Stunde die Gaststätte, ohne dass es zum Aus-

schank von Bier gekommen war. Schließlich

sprach auch die Persönlichkeit des Angeklagten

gegen eine entsprechende Absicht, da er den Ein-

druck einer nicht aggressiven, eher im Hintergrund

wirkenden Person erweckte, die nicht unüberlegt

ein Risiko eingeht. Dazu passte nach Überzeugung

der Kammer die Teilnahme an einer nicht politisch

motivierten, spontanen Gewalttat nicht.

Aus diesen Gründen kam die Kammer zu dem Er-

gebnis, dass sich der Angeklagte Brandt nicht ei-

nes Landfriedensbruchs strafbar gemacht hat.“548

Die Staatsanwaltschaft Gera legte gegen das Urteil zu-

nächst Revision ein, nahm diese aber zurück, nachdem ihr

die schriftlichen Urteilsgründe mitgeteilt worden wa-

ren.
549

Zum Verdacht der Einflussnahme des Verfassungsschut-

zes auf dieses Verfahren wird auf die Ausführungen zu

Tino Brandt im Abschnitt D. I. 6.a) kk) aaa) verwiesen.

IV. Beobachtung des „Thüringer Heimat-
schutzes“ durch staatliche Stellen

1. Operation „Rennsteig“

Der Ausschuss hat sich für die Operation „Rennsteig“
zum einen wegen der Bemühungen des Verfassungs-

schutzes, den „Thüringer Heimatschutz“ aufzuklären,
interessiert, zum anderen wegen der Vernichtung von

Akten
550

, die im Zusammenhang mit dieser Operation

stehen.

a) Entstehung der Operation „Rennsteig“

Nach Angaben des Zeugen Lingen, Mitarbeiter des BfV,

sei 1996 mit der Operation „Rennsteig“ konzeptionell
548) MAT A TH-2/54, Bl. 188 ff., 249 ff.

549) Bericht vom 19. September 2001, MAT A TH-2/54, Bl. 187.

550) Dazu siehe unten.

begonnen worden. Ab 1997 sei man dann auch zusammen

mit dem MAD operativ vorgegangen, um Quellen zu

werben.
551

Am 5. Januar 1996 bat die Projekteinheit II 2 C (Unorga-

nisierte Militante, insbesondere Skinheads) im Projektbe-

reich II 2 (Neonazistische Aktivitäten) die Beschaffungs-

projekteinheit um die Werbung einer Quelle „im Bereich
der militanten rechtsextremistischen Szene im Raum

Rudolstadt/Saalfeld (Thüringen), die unter dem Namen

„Anti-Antifa Ostthüringen“ auftritt“. Begründet wurde der
Wunsch zum einen mit der Einleitung des Ermittlungsver-

fahrens im Herbst 1995 wegen Bildung einer kriminellen

Vereinigung, zum anderen mit Kontakten von führenden

Aktivisten der Gruppierung ins Ausland. Die durch eine

Quelle des LfV Thüringen (vermutlich „2045“ – Tino
Brandt) beschafften Informationen seien nicht ausrei-

chend.
552

Zum Zustandekommen der Operation „Rennsteig“ hat der
damalige Abteilungsleiter Rechtsextremismus im BfV,

der Zeuge Cremer, ausgeführt:

„Das ging zunächst einmal von Gesprächen zwi-
schen dem MAD und dem Referat aus, das zustän-

dig war für den ,Thüringer Heimatschutz‘, also das
Referat, was für gewaltbereiten Rechtsextremis-

mus zuständig war. Die Kollegen unterhielten sich,

dass der MAD Soldaten befragt und dass man auf-

grund dieser Befragung interessante Hinweise auf

mögliche Zielpersonen gewinnen kann. Und diese

Anfangsüberlegungen mündeten dann in Gesprä-

che mit der Landesbehörde Thüringen, in gemein-

same Gespräche, und dann schließlich in For-

schungs- und Werbungsoperationen, die dann in

unserem V-Mann-Führungsreferat bearbeitet wur-

den.“553

Die Überlegungen zur Beteiligung des MAD hat der Zeu-

ge Huth – damaliger Leiter der Abteilung Rechtsextre-
mismus im MAD – zusammen gefasst:

„Wir hatten sehr viele Bundeswehrangehörige oder
künftige Bundeswehrangehörige in diesem Be-

reich. […] Das ist einfach eine Frage der Alters-
struktur. Dieser neue ‚Thüringische Heimatschutz‘
setzte sich zusammen aus jungen Männern im Al-

ter von 18 bis 22 Jahren. Das ist unsere Wehr-

pflichtklientel gewesen. Von daher war die Wahr-

scheinlichkeit sehr hoch. Und es waren auch eben

[…] über die Gesamtlaufzeit des ,Thüringischen
Heimatschutzes‘ bestimmt 20 oder mehr Soldaten
mal in diesem ,Thüringer Heimatschutz‘ aufgefal-
len.“554
551) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 20 (nichtöffentlich).

552) Schreiben vom 5. Januar 1996, MAT A BfV-11 (Tgb.-Nr.
31/12 – GEHEIM), Anl. 01, Bl. 5 f.

553) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 70.

554) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/14600

„Nach meiner Erinnerung waren das Bundesamt
und Thüringen zusammen durch Besprechungen

der Auffassung, hier müsste man bündeln, weil un-

terschiedliche Verfassungsschutzbehörden hier In-

formationen hatten, und das müsste einen Namen

bekommen. Und das war ja die Operation

,Rennsteig‘ des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz und Thüringens. Wir haben als MAD, wenn

wir Informationen hatten, unter diesem Titel In-

formationen geliefert.“555

Hinzu sei gekommen, dass der „THS“ einen sehr großen
Sympathisantenkreis gehabt habe, in Spitzenzeiten 200

oder 250 Personen. In der übrigen Bundesrepublik habe

es nur kleinere Gruppen gegeben.
556

Laut einem Vermerk des BfV vom 2. September 1996

plante der MAD, 10-15 Personen zu rechtsextremisti-

schen Aktivitäten zu befragen. Da das LfV Thüringen

operatives Interesse an den zu befragenden Personen

äußerte, wurde mit dem MAD vereinbart, künftig in Ab-

sprache mit LfV/BfV vorzugehen. Es sollte eine koordi-

nierte Vorgehensweise zwischen MAD, LfV TH und BfV

erarbeitet werden.
557

Am 19. September 1996 wurde zwischen LfV TH, MAD

und BfV die koordinierte Vorgehensweise in der Operati-

on „Rennsteig“ besprochen. Das BfV skizzierte das Lage-
bild über die „Anti-Antifa-Ostthüringen“. Die Lageein-
schätzung wurde vom LfV Thüringen geteilt, während die

Vertreter des MAD die Ansicht vertraten, dass sich die

Gruppierung in Richtung Militanz und Gewaltaktionen

entwickele. Bis Ende 1996 sollten weitere sieben Ver-

dachtspersonen befragt werden.
558

Der Zeuge Lingen hat verneint, dass die Operation

„Rennsteig“ im Zusammenhang mit einer Mutmaßung
gestanden habe, dass es im Bereich des „Thüringer Hei-
matschutzes“ rechtsterroristische Bestrebungen gegeben
haben könne. Der „THS“ sei eine Kameradschaft unter
vielen, wenn auch eine sehr militante Kameradschaft

gewesen. Ansätze für Rechtsterrorismus habe man nicht

gesehen.
559

b) Gegenstand

Die von BfV, MAD und LfV Thüringen gemeinsam

durchgeführte Operation „Rennsteig“ hatte für jede der
beteiligten Behörden ein unterschiedliches Ziel:

So hat der Zeuge Cremer, von 1996 bis 2004 Abteilungs-

leiter Rechtsextremismus im BfV, ausgesagt, dass es bei

dieser Operation darum gegangen sei, in einer gemeinsa-

men Aktion von BfV, LfV Thüringen und MAD Quellen
555) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 6.

556) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.

557) Vermerk des BfV vom 2. September 1996, MAT A BfV-11,

(Tgb.-Nr. 31/12 – GEHEIM), Anl. 1 Ordner 1, Bl. 23 ff.

558) Vermerk des BfV, MAT A BfV-11, (Tgb.-Nr. 31/12 –
GEHEIM), Bl. 30 ff. (VS-VERTRAULICH).

559) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 43 (nichtöffentlich).

im Umkreis des „Thüringer Heimatschutzes“ zu gewin-
nen.

560
Der Zeuge Egerton, ebenfalls BfV, hat davon

gesprochen, dass darüber hinaus der Informationsaus-

tausch auswertungsseitig verstärkt werden sollte.
561

Demgegenüber hat der Zeuge Sippel, Präsident des LfV

Thüringen von 2000 bis 2012, die Operation generell auf

Werbungsmaßnahmen im Bereich Rechtsextremismus mit

Bezügen zur Bundeswehr bezogen:

„Für mich stellte sich das so dar, als geht es dabei
um gemeinsame Werbungsmaßnahmen vor allen

Dingen zwischen MAD und Thüringer Verfas-

sungsschutz im Bereich des Rechtsextremismus,

im Kern darum, Wehrpflichtige oder Zeitsoldaten,

die vor dem Ausscheiden ihres Dienstes, vor dem

Ablauf der Dienstzeit bei der Bundeswehr stehen,

abzuschöpfen oder für eine Zusammenarbeit mit

dem Verfassungsschutz zu gewinnen.“562

„Ich habe die Operation ,Rennsteig‘ in meiner
Amtszeit gesehen und verstanden als eine Maß-

nahme, die darauf abzielt, Bundeswehrangehörige,

die vor ihrer Entlassung stehen, abzuschöpfen, In-

formationen zu gewinnen, wenn sie aus dem

rechtsextremistischen Spektrum Thüringens ka-

men, sie zu befragen und gleichzeitig auch zu

überlegen, ob sie für eine Zusammenarbeit mit

dem Thüringer Landesamt als Quelle in Betracht

zu ziehen sind. Unter dem Gesichtspunkt habe ich

die Operation ,Rennsteig‘ verstanden. Das schließt
allerdings nicht aus, dass im Jahre 1997 die Ziel-

richtung eine ganz andere war, nämlich im Bereich

des ,Thüringer Heimatschutzes‘ Quellen zu wer-
ben, die Zugangslage zu verbessern. In meiner

Amtszeit hat das eine geringere Rolle gespielt. Der

,Thüringer Heimatschutz‘ war ja zu meiner Amts-
zeit dann schon fast in der Endphase.“563

Anders hat der Zeuge Brüsselbach, Präsident des MAD

von 2010 bis 2012, die Operation beschrieben. Er war von

1994 bis Anfang 1997 Leiter der Grundsatz- und Rechts-

abteilung des MAD-Amtes. Anschließend war er elf Jahre

im Bundesministerium der Verteidigung im Rahmen der

Dienstaufsicht über den MAD tätig, bevor er 2008 zu-

nächst als ständiger Vertreter des Amtschefs in das MAD-

Amt zurückkehrte.
564

Nach seiner Erinnerung war die

Operation „Rennsteig“ nicht eine Sammelaktion zur An-
werbung von Wehrpflichtigen, sondern eine gemeinsame

Aktion zur Sammlung von Informationen in Sachen

„Thüringer Heimatschutz“, „Kameradschaft Jena“ und
anderem.

565

560) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 65.

561) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 27.

562) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 150.

563) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 162.

564) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 8.

565) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 20.

Drucksache 17/14600 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Der Zeuge Christmann – derzeitiger Abteilungsleiter
Rechtsextremismus im MAD – hat aus den Dokumenten
des MAD den Schluss gezogen:

„Der MAD hat nicht eine identische Zielsetzung
wie BfV und LfV Thüringen verfolgt mit der Ope-

ration ,Rennsteig‘, also das Ziel gehabt, Quellen zu
werben, […] sondern die Aufgabenerfüllung MAD
blieb tatsächlich dieselbe, nämlich aus Be-

fragungen oder aus Informationen einer Quelle, die

aber mit anderer Zielrichtung, nämlich in der Zu-

ständigkeit MAD geführt wurde, Informationen

beizutragen.“566

Dass die beteiligten Behörden unterschiedliche Aufträge

hatten, wird auch durch den Vermerk des MAD vom

10. Februar 2000 über eine Besprechung zwischen Mitar-

beitern des MAD und des LfV Thüringen am 12. Januar

2000 deutlich:

„Beide Behörden stellen den aktuellen Sachstand
dar. Hierbei wurde deutlich, dass aufgrund der un-

terschiedlichen Aufträge auch unterschiedliche

Zielsetzungen verfolgt werden. Der [geschwärzt]

informierte das LfV TH über die Weiterverpflich-

tung des [geschwärzt] und legte nochmals dar,

dass es nicht Auftrag des [geschwärzt] sei, den

,Thüringer Heimatschutz‘ (THS) aufzuklären – mit
der besonderen Zielsetzung, [geschwärzt] –, son-
dern dieser vorrangig [geschwärzt] zu Soldaten im

‚THS’ Informationen beschaffen soll. Das LfV TH
stellte dar, dass Quellen bisher auch aus operativen

Gründen nicht gezielt nach zukünftigen Soldaten

gefragt würden. Anfallende Informationen aus der

Quellenführung auf zum Wehrdienst anstehende

Personen aber auch zu aktiven Soldaten würden

selbstverständlich an den MAD weitergegeben.

Einvernehmlich wurde deshalb festgelegt, dass zu-

künftig die Zielsetzung der beteiligten Behörden

mehr berücksichtigt wird. […]

Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die bis-

herige Zusammenarbeit zwischen LfV TH, dem

MAD – aber auch mit dem BfV weiterhin in der
Operation ,Rennsteig‘ zweckmäßig und notwendig
ist. Die ,Informationspolitik‘ wird – wie abgespro-
chen – zukünftig den Bedürfnissen der jeweiligen
Behörden angepasst.“567

Mit Schreiben vom 30. Juni 2012 an das LfV Thüringen

betonte der MAD darüber hinaus:

„Nach hiesigem Kenntnisstand haben das BfV und
das LfV Thüringen bis 2003 im Rahmen eines Pro-

jektes unter der Bezeichnung ‚Operation Renn-
steig‘ Informationen über die rechtsextremistische
Szene Thüringens, insbesondere den ‚Thüringer
566) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 105.

567) MAT A MAD-4/1 (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 219 f. (VS-NfD).

Heimatschutz‘ (THS) ausgetauscht. Der MAD hat
diesbezüglich anfallende Informationen, die er im

Rahmen seiner eigenen Aufgabenerfüllung (perso-

nenbezogene Einzelfallbearbeitungen zu Bundes-

wehrangehörigen) gewonnen hat, ab 1997 eben-

falls in diesen Informationsaustausch eingebracht.

Die entsprechenden Spontanübermittlungen des

MAD an das BfV und das LfV Thüringen wurden

mit dem Betreff ,Operation Rennsteig‘ bezeichnet,
um den beteiligten Verfassungsschutzbehörden die

Zuordnung dieser Informationen zu erleichtern.

Hierzu zählten Ergebnisse aus Befragungen von

Verdachtspersonen, ab 1999 dann auch Informati-

onen einer Quelle. Hierbei war der MAD zu keiner

Zeit bestrebt, den ‚THS’ aufzuklären. Der Quellen-
einsatz des MAD diente ausschließlich dazu, In-

formationen über verfassungsfeindliche Bestre-

bungen von Bundeswehrangehörigen zu sammeln

und Extremisten in der Bundeswehr zu identifizie-

ren.“568

c) Durchführung

Am 20. März 1997 fand in München eine Dienstbespre-

chung unter der Teilnahme von Mitarbeitern des BfV,

MAD und LfV Thüringen und LfV Bayern statt. Hierbei

kam es zu folgenden Festlegungen:

– „LfV BY beobachtet den entsprechenden Stammtisch
des fränkischen Heimatschutzes verstärkt.

– Das BfV verstärkt im thüring. Heimatschutz die
Werbung.

– MAD und BfV führen verstärkt Befragungen von
involvierten Soldaten durch.

– Der MAD prüft anhand beigefügter Liste ab, wer von
den infrage kommenden Personen noch bei der Bun-

deswehr ist oder eingezogen wird.

– Das LfV BY arbeitet weitere Zielpersonen heraus,
sofern vorhanden.

– Gegenseitiger Informationsaustausch mit Koordinie-
rung BfV.

– Quellenaktivitäten von Seiten Thüringens werden in
BY unterbunden, insbesondere Kameradschaftsgrün-

dungen.

– Der bisher gebräuchliche Name ‚Anti-Antifa Ostthü-
ringen‘ wird überdacht.“569

Zwischen dem LfV Thüringen und dem BfV erfolgte im

Übrigen eine Aufteilung nach geografischen Regionen.

Das LfV Thüringen bearbeitete den Raum Jena und Ru-
568) Schreiben vom 30. Juni 2012, gezeichnet vom Zeugen Christ-

mann, MAT A TH-9/3 (Tgb.-Nr. 39/12 – GEHEIM), Anl. 02
(VS-NfD).

569) MAT A TH-9/3, (Tgb-Nr. 39/12 – GEHEIM), hier: Bl. 543 f.
(VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/14600

dolstadt und das BfV die übrigen thüringischen Regionen.

Der MAD war schließlich für all die Fälle zuständig, in

denen Soldaten betroffen waren.
570

Das LfV Bayern betei-

ligte sich nicht.
571

Entsprechend den bereits zum Gegenstand der Operation

geschilderten unterschiedlichen Auffassungen haben die

vernommenen Zeugen leicht differierende Angaben darü-

ber gemacht, ob der MAD für den Verfassungsschutz

Quellen angeworben hat:

Der Zeuge Huth, hat dies verneint:

„Das war […] nicht unsere Aufgabe, es ist auch
nicht zulässig. Wenn der MAD Quellen geworben

hat, dann deshalb, weil in einer bestimmten Orga-

nisation Soldaten mehrfach vertreten waren und

weil diese Hinweise da waren. Dann waren wir be-

fugt und berechtigt, eigene Quellen zu suchen.

Aber natürlich ist in der Zusammenarbeit mit Ver-

fassungsschutz es so, dass man sich dann ab-

stimmt. Der MAD hat nie Quellen geführt, ohne

den Verfassungsschutz darüber zu informieren. Im

Vorwege der Quelle oder des Einschaltens der

Quelle wurde der Verfassungsschutz jedes Mal

aufgesucht, persönlich, und es wurde abgespro-

chen.“572

Bei der Operation „Rennsteig“ sei es ausgeschlossen
gewesen, dass der Verfassungsschutz Quellen des MAD

übernommen und anschließend weitergeführt habe.
573

Der

MAD habe vielmehr das BfV, das LfV Thüringen und

gegebenenfalls das LfV Bayern gleichzeitig über erlangte

Erkenntnisse informiert.
574

Daneben habe es eine Reihe

von Besprechungen auf Fachebene gegeben.
575

Der Zeuge Egerton, BfV, hat demgegenüber angegeben,

dass der MAD dem BfV bei der Werbung geholfen habe,

indem man Mitarbeiter des BfV an Befragungen habe

teilnehmen lassen. Allerdings:

„Solange sie [die Quellen] Dienstzeit hatten, ver-
blieben sie nämlich beim MAD und hätten dann

möglicherweise an die zivilen Behörden übergeben

werden sollen, also LfV oder BfV, nach Beendi-

gung der Dienstzeit. […] Ich weiß jetzt nicht, ob es
einen Fall gegeben hat, wo wir mit einer Werbung

mit dem MAD zusammen erfolgreich gewesen

sind.“576

Zur Durchführung der Operation durch das LfV Thürin-

gen hat der Zeuge Wießner, damaliger Leiter des Referats

„Forschung und Werbung“ im LfV Thüringen, ausgesagt,
570) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 70.

571) Dazu unten: B.IV.1.d) am Ende.

572) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.

573) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 9.

574) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 6 f.

575) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 42.

576) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 27.

dass das Ziel in erster Linie die Ansprache von Bundes-

wehrsoldaten gewesen sei:

„Also, alle, die in der rechtsextremistischen Szene
in Thüringen waren, wurden eingezogen oder hat-

ten sich verpflichtet. Das war ein Ansatzpunkt für

diese Operation ,Rennsteig‘.577

Es seien Listen erstellt worden, wer aus der Szene schon

bei der Bundeswehr sei. Das LfV Thüringen sei dann mit

dem MAD zu den Standorten gefahren, wo gemeinsame

Befragungen durchgeführt worden seien.

„Und dann konnten wir ja die Person einschätzen:
Ist das eventuell eine Möglichkeit, ihn für eine

Mitarbeit zu gewinnen oder nicht?“578

Hierbei habe nicht das LfV gefragt, sondern nur der

MAD-Kollege.
579

Wenn eine Person, die möglicherweise für eine Anspra-

che in Betracht gekommen sei, identifiziert worden sei,

habe das LfV außerhalb der Bundeswehr – z. B. am Hei-
matort – versucht, mit dieser noch einmal in Kontakt zu
kommen. Dies habe Wießner dann persönlich übernom-

men.
580

Der Zeuge Wießner hat darüber hinaus ausgesagt, dass

von der „Kameradschaft Jena“ des „THS“ André Kapke
und Ralf Wohlleben als mögliche V-Personen wegen ihrer

Vorstrafen nicht in Frage gekommen seien. Das LfV habe

allerdings Jürgen H. angesprochen; aus dieser Ansprache

sei jedoch nichts geworden.
581

Über das innere Gefüge der

Jenaer Szene habe man nur wenige Kenntnisse erlangt.
582

Der Zugang zum „THS“ sei schwierig gewesen:

„Wir haben das versucht in Gera, in anderen Ka-
meradschaften, in Saalfeld; es hat wirklich nicht

funktioniert. Es hat funktioniert vier Wochen, und

dann wurden die Leute unzuverlässig.“583

Nach der Aussage des Zeugen Huth, MAD, sei eine Be-

fragung der Quellen nach dem Aufenthaltsort des Trios

nicht Bestandteil der Operation „Rennsteig“ gewesen.584

d) Beteiligung des LfV Bayern

Das LfV Bayern sollte ebenfalls in die Operation „Renn-
steig“ eingebunden werden, war jedoch hierzu nicht be-
reit, da es nach Aussage des Zeugen Egerton, BfV, die

Rolle von Tino Brandt als Quelle des LfV Thüringen für
577) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 38 f.

578) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 39.

579) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 39.

580) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 39.

581) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6 f.; Jürgen H. gab jedoch 1999

dem MAD einen Hinweis auf das Trio, vgl. unten: E. III. 6. m).

582) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.

583) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.

584) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 12.

Drucksache 17/14600 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
den Zuständigkeitsbereich des LfV Bayern kritisch gese-

hen habe.
585

Dies wird durch einen Vermerk des BfV vom 22. Oktober

1996 bestätigt, in dem eine Besprechung zwischen BfV,

MAD und LfV Bayern thematisiert wird. Das BfV wies

hier auf überregionale Bezüge der „Anti-Antifa-
Ostthüringen“ hin und machte dringenden Forschungs-
und Werbungsbedarf geltend. Das LfV Bayern zeigte

dafür zwar Verständnis, wies aber auf Unstimmigkeiten

zwischen dem LfV Bayern und dem LfV Thüringen hin

(mangelnder Austausch der Quellenmeldungen zwischen

den Behörden). Das LfV Bayern bezeichnete Aktivitäten

eines VM in Coburg als Provokation ,da in dessen

Schlepptau viele Rechtsextremisten nach Bayern mitlau-

fen‘. Das LfV Bayern sah z. Zt. keinen Handlungsbedarf
für eigenes Tätigwerden. Zudem sei keine Zuständigkeit

des BfV gegeben. Das LfV Bayern werde künftig alle

§ 9 -Meldungen des BfV in diesem Bereich zurückwei-

sen.“586

Auch nach Einschätzung des Präsidenten des LfV Thü-

ringen a. D., Sippel, hat das Landesamt für Verfassungs-

schutz Bayern bei der Operation „Rennsteig“ keine Rolle
gespielt.

587
e) Kenntnis der beteiligten Behörden über die
Quellen der anderen Behörden bei ge-
meinsamen Werbungsoperationen?

Auf die Frage, ob das BfV bei einer solchen gemeinsamen

Werbungsoperation mit einem Landesamt wisse, welche

Quellen gleichzeitig oder parallel geführt werden, hat der

Zeuge Lingen angegeben:

„Nein, das wissen wir nicht. Es ist so, dass das
Bundesamt für Verfassungsschutz seine Operativ-

maßnahmen mit dem Land absprechen muss, um-

gekehrt aber nicht. In der Regel erfolgt das aller-

dings. Bei der gemeinten Festsetzung von Zielper-

sonen ist es so, dass man sagt: Diese oder jene Per-

son möchte man gerne anwerben. Das wird in Ge-

sprächen festgelegt. Und der weitere Verlauf der

Anwerbungsmaßnahmen des Landes ist uns nicht

bekannt. Dem Land ist aber bekannt, welchen

Sachstand die Operation des BfV hat.“588

Der Zeuge Huth hat für den MAD ebenfalls berichtet,

dass dieser dem jeweiligen LfV den Klarnamen der Quel-

le habe mitteilen müssen:

„Das ging gar nicht anders, weil sonst wäre der,
durch Auswertung und andere Dinge, ja permanent
585) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 26.

586) Vermerk des BfV vom 22. Oktober 1996, MAT A BfV-11, Anl.

1, Ordner 1 (Tgb.-Nr. 31/12 – GEHEIM), Bl. 87 (VS-
VERTRAULICH).

587) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 152.

588) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 21 (nichtöffentlich).

aufgeflogen. Die Quelle musste ja auch geschützt

werden.“589

Umgekehrt sei dem MAD aber nicht bekannt gewesen,

wen das BfV oder das LfV Thüringen angeworben hatte:

„Das war auch nicht für uns wichtig zu wissen,
weil wir mit diesen Quellennamen eh nichts hätten

anfangen können. Wenn unsere Quellen berichtet

haben, haben die Verfassungsschutzbehörden ja

die Informationen bekommen und konnten sehen,

wie sie ihre eigenen Quellen aufgeführt haben. Das

brauchten wir nicht zu wissen. Höchstens durch

Rückfragen konnte man vielleicht mal schließen:

Hier ist ein besonderes Interesse an einer Person;

vielleicht ist das die Quelle des Verfassungs-

schutzes.“590

Zur Frage, ob innerhalb der Operation auch darüber ge-

sprochen worden sei, welche Quellen die einzelnen Be-

hörden im „Thüringer Heimatschutz“ führte, hat der Zeu-
ge Nocken, LfV Thüringen, erklärt:

„Also, offiziell wurden die Quellen auch den ande-
ren Landesämtern oder dem Bundesamt nicht be-

nannt. Wenn natürlich der Auswerter in Köln auf-

grund der Meldungen, die eingehen, gewisse

Rückschlüsse ziehen kann und sagen kann: „Das
kann nur die Quelle so und so sein“, dann ist das in
Ordnung. Da wird aber nicht offiziell mitgeteilt,

wer die Quelle ist.“591

f) Ergebnis der Operation „Rennsteig“

Aus der Operation „Rennsteig“ resultierten acht erfolgrei-
che Werbungsfälle.

592
g) Ende der Operation „Rennsteig“

Der Zeuge Fromm, Präsident des BfV a. D., hat in seiner

Vernehmung auf die Frage, ob es eine Abschlussverfü-

gung zur Operation „Rennsteig“‘ gegeben habe, geant-
wortet, ihm sei berichtet worden, dass es keinen formellen

Abschluss gegeben habe.
593

Nach Angaben des Zeugen Lingen, BfV, sei die Operation

„Rennsteig“ bis 2002 gegangen und 2003 ausgelaufen.594
Er hat erläutert:

„Solche Werbungsfälle, die laufen nicht von Da-
tum A nach Datum B, sondern wenn wir 2001 ei-

nen Operativfall beginnen, dann kann der bis zur
589) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.

590) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8 f.

591) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 48.

592) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (GEHEIM), S. 5.

593) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 26.

594) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 20 (nichtöffentlich).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/14600

Übergabe in die V-Mann-Führung oder ans Land

durchaus auch noch länger dauern.“595

Über das Ende der Operation findet sich in den Akten

kein Vermerk oder ähnliches. Auch hatte keiner der ver-

nommenen Zeugen hieran eine Erinnerung. Der Zeuge

Huth, MAD, hat ausgeführt:

„Nein, nach meinem Kenntnisstand gab es kein of-
fizielles Ende der Operation ,Rennsteig‘. Solange
der ‚Thüringische Heimatschutz‘ stark war und
sich auch noch ausdehnte, gab es ja auch keinen

Anlass, das zu beenden.“596

Der Zeuge Lingen hat angegeben, dass es „vom Ord-
nungsgedanken“ her bei einer Operation wie „Rennsteig“
normalerweise einen Abschlussvermerk gebe.

597
Er hat

ergänzt:

„Jetzt müssen Sie aber sehen: Dabei handelt es
sich um das Bemühen, Quellen anzuwerben und

dann als V-Personen zu führen, und das […] be-
ginnt irgendwann mal mit den ersten Wer-

bungsmaßnahmen und läuft dann aber auch ir-

gendwann aus. Wenn damals der ,Thüringer Hei-

matschutz‘ nicht mehr so die Bedeutung hatte für
die Verfassungsschutzbehörden, [dann] hatten wir

die Werbungsmaßnahmen ja nicht abgebrochen,

sondern man hat sie weiterlaufen lassen in dem

Bestreben, diese Quellen dann in der Szene, die

tatsächlich physisch noch da war, die nur diesen

Namen nicht trug, unterzubringen und Informatio-

nen zu schöpfen.“598

So könne es sein, dass im Nachgang eine Quelle, die man

habe anwerben wollen, später für andere Dinge angewor-

ben werde. So lasse es sich erklären, dass vielleicht auch

im Jahre 2006 noch jemand aus der Operation „Renn-
steig“ angesprochen worden sei. Es sei zudem im BfV
Praxis, dass eine Quelle umgesteuert werde, wenn sie für

ein Beobachtungsobjekt nicht mehr in Frage komme.
599

Auch der Zeuge Egerton, BfV, hat ausgeführt:

„Einen formalen Abschluss hat es eigentlich nicht
gegeben, weil der ,Thüringer Heimatschutz‘ hat
sich ja nicht mit Beschluss aufgelöst, sondern er ist

mal irgendwann erodiert und quasi in alle Him-

melsrichtungen zerstreut worden. Das hat neben

der Enttarnung von ,2045‘, die in der Szene für
deutliche Irritationen gesorgt hat, auch damit zu

tun, dass die NPD sehr viel an Potenzial aufgeso-

gen hat. Also, die Aktion ist letztlich genauso be-

endet worden, wie der ‚THS’ verschwunden ist,
nämlich still und leise. Also, es gab kein formales
595) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 20 (nichtöffentlich).

596) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 8.

597) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 34 f. (nichtöffentlich).

598) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 34 (nichtöffentlich).

599) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 40 (nichtöffentlich).

Ende der Operation, soweit ich das mitbekommen

habe.“600

Der Zeuge Sippel, LfV Thüringen, hat in ähnlicher Weise

ausgeführt:

„Mir ist zumindest kein formaler Akt in Erinne-
rung, dass man sagt: Jetzt beenden wir die Opera-

tion ,Rennsteig‘. Man legt das fest, dokumentiert
das in einem Vermerk und sagt: Nun ist die ganze

Maßnahme beendet.“601

Nach Erinnerung des Zeugen Sippel lief die Operation

über 2003/2004 hinaus:

„Ich meine, das Interesse jetzt, dass der Verfas-
sungsschutz Wehrpflichtige vor dem Ausscheiden

aus der Bundeswehr gewinnt, ist ja nicht zu ir-

gendeinem Zeitpunkt beendet, dass man sagt:

,Jetzt haben wir im Prinzip alles abgearbeitet, was

abzuarbeiten ist‘, sondern diese Möglichkeiten, die
wirken ja fort, auch über 2003/2004 hinaus. Das

heißt, das Interesse des Verfassungsschutzes ging

über diesen Zeitrahmen hinaus.

Ich kann Ihnen aber konkret nicht sagen, wann es

den letzten Fall im Rahmen dieser Operation

,Rennsteig‘ gegeben hat. Aber nach meiner Erin-
nerung ging er über das Jahr 2003 und 2004 noch

hinaus.“602

Am 11. November 2011 wurden fünf Akten der Operation

„Rennsteig“ und zwei weitere Akten über V-Leute ver-
nichtet; lediglich eine V-Mann-Akte der Operation

„Rennsteig“ wurde nicht vernichtet (siehe unten: K.I.5,
S. 757 ff.).

h) Bewertung der Operation „Rennsteig“
durch die beteiligten Behörden

Nach Einschätzung des Zeugen Sippel, Präsident des LfV

Thüringen a. D., hat es sich bei der Operation „Rennsteig“
um keine zentrale Operation im Bereich des Rechtsextre-

mismus gehandelt.
603

Die Zusammenarbeit mit dem BfV

und dem MAD sei gut, konstruktiv und kooperativ gewe-

sen.
604

Zur Frage nach der Qualität der Operation „Rennsteig“
hat der Zeuge Cremer, BfV, folgende Kritik geübt:

„Es gab einen kurzen Vermerk, aus dem hervor-
geht, dass das BfV unzufrieden war, dass die Kol-

legen unzufrieden waren mit dem Ergebnis der

Operation. Es sind verhältnismäßig viele Anspra-

chen erforderlich gewesen, und die Ausbeute war

extrem schlecht. Die Quellen, die geworben wer-

den konnten, sind meines Erachtens auch nur rela-
600) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 28 (öffentlich).

601) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 150.

602) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 151.

603) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 163.

604) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 152.

Drucksache 17/14600 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tiv kurz geführt worden. Dann ergaben sich Prob-

leme im Hinblick auf die Zuverlässigkeit, den

Wahrheitsgehalt der Aussagen, sodass die dann

wieder eingestellt oder abgeschaltet werden muss-

ten.“605

Auf die Frage, ob die Operation ein Erfolg gewesen sei,

hat er geantwortet:

„Nein, es war sicherlich keine erfolgreiche Opera-
tion. Sie hat viele Ressourcen verschlungen. Wir

haben - ich weiß nicht - an die 40 oder mehr An-

sprachen durchgeführt, und letztendlich ist kaum

was, und vor allen Dingen nichts Bleibendes, dabei

rumgekommen.“606

Das habe an der Szene gelegen:

„Wir arbeiten hier im Bereich des gewaltbereiten
Rechtsextremismus. Die Leute, die wir da […] als
Quellen angeworben haben, waren zum Teil ver-

strickt in Straftaten, […] oder sie sind alle in der
Wolle gefärbte Rechtsextremisten, und da ist es

nicht verwunderlich, dass eine Zusammenarbeit -

zumindest eine längerfristige Zusammenarbeit -

nicht möglich ist.“607

Trotzdem hat der Zeuge Fritsche, von 1996 bis 2005

Vizepräsident des BfV, berichtet, die Evaluation der Ope-

ration „Rennsteig“ habe ergeben, „dass die Idee, diese
Operation durchzuführen, eine gute war.“608

Der Zeuge Egerton hat differenziert:

„Es kommt darauf an, wie man es sieht. Die Ope-
ration als solche war sinnvoll, weil wir nämlich

gesehen hatten: In Süd- und Ostthüringen gibt es

einen Schwerpunkt einer gewaltbereiten rechtsex-

tremistischen Szene, die durchaus relevante Ge-

walttaten, Gruppengewalttaten an den Tag legt und

ein großes Potenzial hat. Da mussten die Zugänge

verbessert werden, weil wir letztlich nur über eine

einzige Quelle verfügten. Insofern war die Ope-

ration als solche sinnvoll und durch die Zu-

sammenarbeit zwischen drei Behörden auch er-

folgreich. Wenn Sie darauf anspielen, ob wir unse-

re Zugangsbasis verbreitert haben, […] dann wür-
de ich sagen, war sie ein - - Na ja, ,Misserfolg‘
klingt so abschließend; aber sie war zumindest

kein Erfolg, weil die Quellen, die übrig geblieben

sind, zumindest für uns als Bundesamt, waren un-

zuverlässig, sie waren zum Teil mit schlechten

Zugängen behaftet. Also, ich hätte mir als Ausbeu-

te, von der Qualität der Quellen mehr erhofft oder

erwünscht.“609
605) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 80.

606) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 94.

607) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 81.

608) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.

609) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 27 (öffentlich).

Der Zeuge Wießner, LfV Thüringen, hat ausgesagt, dass

Aufwand und Ertrag der Operation „Rennsteig“ in keinem
Verhältnis gestanden hätten.

610
Der Zeuge Huth, MAD, hat hingegen ein positives Fazit

gezogen:

„Ich denke, diese gemeinsame Operation hat dazu
geführt, dass der Verfassungsschutzbereich Thü-

ringen wirklich bis in die kleinsten Verästelungen

wusste, was dort eventuell passiert und was passie-

ren könnte, und dass man hier auch entsprechend

gegensteuern konnte. Das war eine sehr gute Ope-

ration, die nach meinem Dafürhalten, was den

‚THS’ betrifft, auch erfolgreich war.“611

i) Kenntnisse der Amtsleitung im BfV von
der Operation „Rennsteig“

Der Präsident a. D. des BfV, Heinz Fromm, hat als Zeuge

ausgesagt, er könne sich an eine Operation „Rennsteig“
nicht erinnern und habe von dieser erst im November

2011 erfahren.
612

Er hat dies dadurch erklärt, dass sie

schon vier Jahre gelaufen sei, als er ins Amt gekommen

sei.
613

Dazu befragt, wie er es sich erkläre, dass der frühere

Präsident des BfV über diese Aktion bis zum Jahr 2011

nichts gehört habe, hat der ehemalige Leiter der für

Rechtsextremismus zuständigen Abteilung im BfV, der

Zeuge Cremer, erklärt:

„Der Präsident wird informiert über wesentliche
Operationen, wenn sie ein besonderes Risiko bein-

halten. Hierbei handelte es sich um eine routine-

mäßige Zusammenarbeit zwischen dem MAD und

den Kollegen in Thüringen zur Aufklärung einer

bestimmten Szene. Eine Unterrichtung des Präsi-

denten war da nicht geboten.“614

Der Zeuge Lingen hat demgegenüber ausgeführt:

„So was bekommt die Amtsleitung in jedem Fall
zur Kenntnis, dass es so einen Operativvorgang

gibt, dass es da Gespräche mit den Landesbehör-

den gibt, dass da Ergebnisse erzielt werden, dass

da Quellen geworben werden. Da können Sie da-

von ausgehen, dass die Amtsleitung Kenntnis hat

und die Amtsleitung gegebenenfalls auch Rück-

sprachen hält. Das ist gewohnte Praxis. Die Amts-

leitung nimmt allerdings an den Gesprächen, wie

man hier bestimmte Operationen durchführt und

nach welchen Regeln - - die bringt sich da nicht
610) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 40.

611) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 42.

612) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 5.

613) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.

614) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 84.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/14600

ein, sondern überlässt das den Fachabteilungen

bzw. den Landesbehörden.“615

Der Zeuge Fritsche, von 1996 bis 2005 Vizepräsident des

BfV, hat angegeben:

„Die [Operation] ist, glaube ich, im Frühjahr des
Jahres 96 gestartet; ich bin Vizepräsident gewor-

den im Herbst 96. Ich habe dann aber selbstver-

ständlich Kenntnis über die Operation gehabt, wo-

bei man sich das nicht so vorstellen darf, dass ich

in Operationen beteiligt bin als Vizepräsident,

sondern ich habe über die wesentlichen Erkennt-

nisse oder über die wesentlichen Ergebnisse - - bin

ich unterrichtet worden. Und diese Operation ist

geschuldet der Bewertung, die die Verfas-

sungsschutzbehörden damals gemeinsam durchge-

führt haben, nämlich dass diese Ka-

meradschaftsszene eine ganz bedeutende Struktur,

eine ganz bedeutende neue Struktur im Rechtsex-

tremismus ist und dass diese Szene aufgeklärt

werden muss.“616

Ihm sei erklärt worden,

„dass vor dem Hintergrund - ich war ja damals neu
in dem Amt - der Kameradschaften, der Bedeutung

der Kameradschaften vor allem in den neuen Län-

dern, der ,Anti-Antifa Ostthüringen‘, aus der dann
der ,Thüringer Heimatschutz‘ geworden ist, das
eine besondere Maßnahme ist, wo wir Amtshilfe

für die zuständige Landesbehörde leisten.“617

Die Zeugin Dobersalzka war in den Jahren 1998 bis 2006

zuständige Referatsleiterin im BfV für den Bereich

„Rechtsterrorismus“.618 Dieses Referat war zuständig für
die Suche nach dem untergetauchten Trio.

619
Sie hat an-

gegeben, den Operationsnamen „Rennsteig“ zu dieser
Zeit gekannt zu haben, aber mit der Operation nicht

dienstlich befasst gewesen zu sein.
620

Die Frage, ob es aus

ihrer Sicht nicht nützlich gewesen wäre, sich an einer

Operation zu beteiligen, in der militärisch ausgebildete

Personen angeworben oder ins Visier genommen würden,

hat sie verneint.
621

Sie hat weiter darauf verwiesen, dass

„Forschung und Werbung“ getrennt von der „Auswer-
tung“ gearbeitet hätten.622

2. Anschlussoperationen

Der Vizepräsident des BfV von Oktober 1996 bis No-

vember 2005, der Zeuge Fritsche, hat bekundet, dass es

nach seiner Kenntnis Anschlussoperationen gegeben
615) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 40 (nichtöffentlich).

616) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.

617) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.

618) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4.

619) Schreiben des BMI vom 16. Mai 2013, MAT A BfV-21/1.

620) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29.

621) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29.

622) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29.

habe, die teilweise andere Zielrichtungen gehabt hätten.
623

Der Grund für diese Nachfolgeoperationen habe nicht in

der Bewertung des Erfolgs oder Nichterfolgs der Operati-

on „Rennsteig“ gelegen, sondern an der Notwendigkeit,
gegen die rechtsextremistische Szene in den jeweiligen

Bereichen wiederholt etwas zu unternehmen.
624

Der ehemalige Präsident des BfV, der Zeuge Fromm, hat

in seiner Vernehmung angegeben, das BfV habe in der

Zeit von 2003 bis 2005 gemeinsam mit dem LfV Thürin-

gen eine ähnliche, wenn auch nicht so umfangreiche Ope-

ration wie die Operation „Rennsteig“ zur Aufklärung der
gewaltbereiten rechtsextremistischen Kameradschaftssze-

ne in Thüringen mit dem Namen „Zafira“ durchgeführt.625

An dieser Operation sei der MAD nicht beteiligt gewesen.

Hintergrund der Operation sei gewesen, dass in Thüringen

in den Jahren 2003 bis 2005 nach wie vor Bedarf zur

Aufklärung der rechtsextremistisch motivierten Szene

bestanden habe.
626

Der Präsident des LfV Thüringen von November 2000 bis

2012, der Zeuge Sippel, hat angegeben, er erinnere sich

nicht mehr genau, die Operation „Zafira“ könne eine
Folgemaßnahme, aber auch eine parallele Maßnahme zur

Operation „Rennsteig“ gewesen sein.627

Zur Durchführung der Operation „Zafira“ hat der Zeuge
Fromm ausgeführt, die erste Anspracheaktion habe im

Herbst 2003 stattgefunden, im Frühjahr 2004 die zweite

und Mitte 2004 eine dritte Ansprache. Zwei Personen

hätten sich insgesamt zu einer Zusammenarbeit bereiter-

klärt.
628

Nach Angaben des Zeugen Fromm seien im Rahmen

dieser Operation keine Zugänge zur Szene in Jena und

den später bekannt gewordenen NSU-Mitgliedern erlangt

worden.
629

In einem Schreiben des BfV vom 18. Juli 2012 heißt es

ergänzend, dass die Operation „Zafira“ im Gegensatz zur
Operation „Rennsteig“ nicht objektbezogen gewesen sei.
Aus der Operation „Zafira“ habe die Werbung von drei
Quellen resultiert. Unter den Zielpersonen hätten sich

keine Mitglieder des NSU und keine im Ermittlungsver-

fahren des GBA involvierten Beschuldigten befunden.
630

Eine weitere Operation, die Operation „Treibgut“ stand
nach Angaben des BfV in einem Schreiben vom 5. Okto-

ber 2012 im Kontext mit den mit anderen Landesbehör-

den durchgeführten Operationen „Normaplus“ (Berlin),
„Rasenmäher (Sachsen-Anhalt), „Panoramablick“ (Bran-
denburg) und „Obstwiese“ (Mecklenburg-Vorpommern).
Das BfV teilte weiter mit, dass die in Pressemeldungen
623) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33.

624) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 33 f.

625) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 47 (nichtöffentlich).

626) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 48 (nichtöffentlich).

627) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 151.

628) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 48 (nichtöffentlich).

629) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 48 (nichtöffentlich).

630) MAT B BfV-6 (Tgb.-Nr. 50/12 – GEHEIM), Anl. 01.

Drucksache 17/14600 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
aufgestellte Behauptung, die Operation „Treibgut“ sei
eine Nachfolgemaßnahme der Operation „Rennsteig“
gewesen, falsch sei. Die Operation „Treibgut“ habe sich
als Werbemaßnahme gegen das gesamte rechtsextremisti-

sche Spektrum bezogen, während sich die Operation

„Rennsteig“ ausschließlich auf die Aufklärung des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ gerichtet habe.

Die Operation „Treibgut“ sei im November 2000 geneh-
migt und um den Jahreswechsel 2000/2001 beendet wor-

den.

Eine hieraus entstandene 123 Personen umfassende Liste

habe die Grundlage der späteren Zielpersonen bilden

sollen. Diese Personenliste sei mit Schreiben vom

23. November 2000 an das LfV Thüringen mit der Bitte

um Vereinbarung eines Abstimmungs- und Arbeitsge-

sprächs übersandt worden. Vor der Terminierung dieses

Gesprächs sei die Maßnahme bereits beendet worden. Die

Einstellung sei auf mündliche Weisung des damaligen

zuständigen Referatsleiters beim BfV erfolgt. Die Gründe

für die Einstellung seien diesem heute nicht mehr erinner-

lich.

Das BfV betonte, dass das Trio nicht die genannten Such-

kriterien erfüllt habe, da Böhnhardt bis zu seiner Flucht

lediglich wegen Propagandadelikten und nicht wegen

Gewaltdelikten verurteilt gewesen sei sowie Mundlos und

Zschäpe nur im Verdacht gestanden hätten, Straftaten

begangen zu haben (keine Verurteilung, somit kein „fest-
stehender Täterkreis“).631

V. Die Ermittlungen im Vorfeld der Durchsu-
chungen am 26. Januar 1998

Im Oktober 1996, im September 1997 sowie im Dezem-

ber 1997 wurden im Stadtgebiet Jena drei mit Hakenkreu-

zen bemalte Koffer aufgefunden. In zwei dieser Koffer

wurden nicht funktionierende Sprengvorrichtungen ge-

funden, der zuletzt aufgefundene Koffer war leer. Die in

diesem Zusammenhang geführten Ermittlungen mündeten

schließlich in der Durchsuchungsmaßnahme vom

26. Januar 1998.

Zudem wurden um den Jahreswechsel 1996/97 an drei

Institutionen in Jena Briefbombenattrappen versandt.

Die Ermittlungen wurden in beiden Fällen getrennt von-

einander geführt. Anlass für die spätere Durchsuchung der

Garagen am 26. Januar 1998 war lediglich das Auffinden

der Koffer, nicht jedoch die versandten Briefbombenat-

trappen.

1. Die Briefbombenattrappen

Um den Jahreswechsel 1996/97 erhielten drei Institutio-

nen in Jena Briefbombenattrappen zugesandt, und zwar
631) Schreiben BfV an das BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A

BfV-4/6, (Tgb-Nr. 124/12 – GEHEIM).

die Redaktion der Thüringer Landeszeitung, die Stadt-

verwaltung Jena und die Polizeidirektion Jena.

a) Thüringer Landeszeitung

Am 31. Dezember 1996 bemerkte eine Redaktionsange-

stellte bei der Bearbeitung der Tagespost einen nur mit

einem „P“ beschrifteten Umschlag, den sie vorsichtig an
einer Ecke öffnete und hierbei weißes Styropor, eine

Batterie und Draht wahrnahm, weshalb sie sogleich die

Polizei verständigte.
632

Am Vorabend gegen 23.25 Uhr

hatte ein Redaktionsmitarbeiter zunächst ein Klappern am

Briefkasten bemerkt und kurze Zeit später eine vermutlich

junge weibliche Person mit schwarzer Bomberjacke,

Jeans und kurzen Haaren bemerkt, die möglicherweise

zuvor etwas in den Briefkasten eingelegt hatte. In dem

Briefumschlag befand sich neben der Bombenattrappe ein

Schreiben mit folgendem Wortlaut:

„VON LÜGE UND BETRUG / HABEN WIR
GENUG / DAS WIRD DER LETZTE SCHERZ

JETZT SEIN / AB 97 HAUT ES RICHTIG /

REIN !!!“

b) Stadtverwaltung Jena

Am 2. Januar 1997 entnahm ein Mitarbeiter der Stadtver-

waltung Jena dem Nachtbriefkasten einen braunen DIN

A5-Umschlag, der nicht beschriftet war.
633

Beim Öffnen

fiel eine Batterie aus dem Umschlag. In dem Umschlag

befand sich eine Styropor-Platte mit Aussparungen, Dräh-

ten, einer braunen formbaren Masse und einer Monozelle;

die Konstruktion war nicht explosionsfähig. Der Um-

schlag enthielt zudem einen Zettel, auf dem in Block-

buchstaben handschriftlich geschrieben stand:

„MIT BOMBENSTIMMUNG IN DAS
KAMPFJAHR 97, AUGE UM AUGE, ZAHN UM

ZAHN, DIESES JAHR IST DEWES DRAN !!!“,

wobei der Buchstabe „S“ regelmäßig als Rune geschrie-
ben war.

634
Aufgrund einer Zeitfunktion am Briefkasten

konnte festgestellt werden, dass der Briefumschlag vor

dem 30. Dezember 1996, 24 Uhr, eingeworfen worden

sein muss.
635
632) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des Kriminaldauer-

dienstes der Kriminalpolizei Jena vom 31. Dezember 1996,
MAT A TH-2/17, PDF-Bl. 63 ff.

633) Hierzu und im Folgenden: Auszug aus der Neuigkeitsmeldung

der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom 2. Januar 1997, MAT
A TH-2/17, Bl. 29.

634) Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

2. Januar 1997, MAT A TH-2/17, Bl. 30 ff. (32).

635) Gesprächsprotokoll über die Zeugenvernehmung des Poststel-

lenleiters der Stadtverwaltung Jena vom 9. Januar 1997, MAT

A TH-2/17, Bl. 61 ff. (61).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/14600

c) Polizeidirektion Jena

Ebenfalls am 2. Januar 1997 ging bei der Polizeidirektion

Jena ein brauner DIN A5-Umschlag ein, der mit der An-

schrift der Polizeidirektion Jena versehen war. Er enthielt

ebenfalls eine Styropor-Platte, Drähte, eine formbare

Masse und Batterien. Auch dieser Sendung war ein hand-

geschriebener Zettel beigefügt, der folgenden Text ent-

hielt:

„MIT BOMBENSTIMMUNG IN DAS
KAMPFJAHR 97, AUGE UM AUGE, ZAHN UM

ZAHN, DIESES JAHR KOMMT BUBIS

DRAN!!!“.

Auch hier war der Buchstabe „S“ stets als Rune gezeich-
net.

636
d) Gang und Ergebnis der Ermittlungen im
„Briefbomben-Verfahren“

Aufgrund der Aussage des Mitarbeiters der Thüringer

Landeszeitung, der die weibliche Person, die vermutlich

das Schreiben eingeworfen hatte, gesehen hatte, sowie

aufgrund übereinstimmender Fußspuren im Schnee fiel

der Verdacht zunächst auf Yvonne B., eine Angehörige

der rechten Szene in Jena.
637

Auf Grundlage dieser Er-

kenntnis kam es sodann – nach Erlass entsprechender
richterlicher Beschlüsse – zu Durchsuchungsmaßnahmen
und – zum Zwecke des Vergleichs mit möglichen Spei-
chelspuren auf den Briefumschlägen – zu Blutentnahmen
bei Yvonne B., Böhnhardt, Mundlos und Kapke.

638
Beate

Zschäpe erklärte sich freiwillig zu einer Blutentnahme

bereit. Insgesamt wurde das Ermittlungsverfahren gegen

15 Beschuldigte geführt.

Im Ergebnis konnte die zunächst verdächtigte Yvonne B.

von dem Mitarbeiter der Thüringer Landeszeitung im

Rahmen einer Gegenüberstellung nicht als die Person

wiedererkannt werden, die er am Abend des

30. Dezember 1996 gesehen hatte.
639

Durch kriminaltech-

nische Untersuchungen wurde eine weitgehende Überein-

stimmung der drei Briefbombenattrappen festgestellt.
640

Während eine vergleichende Analyse der Handschriften

mit den handgeschriebenen Zetteln, die den Bombenat-

trappen beigefügt waren, nicht weiterführte, wurde festge-

stellt, dass Uwe Böhnhardt, André Kapke und Beate

Zschäpe als Verursacher der Speichelspuren an den

Briefumschlägen in Betracht kommen.
641

Die Spuren
636) Aktenvermerk der Polizeiinspektion Jena vom 2. Januar 1997,

MAT A TH-2/17, Bl. 41 f.

637) Aktenvermerk der Soko „REX“ vom 7. Januar 1997, MAT A
TH-2/17, Bl. 46 ff.

638) Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Jena für die Woh-

nungen B., Böhnhardt, Mundlos und Kapke, MAT A TH-2/17,

Bl. 85 ff.

639) Aktenvermerk der Soko „REX“ vom 29. Januar 1997, MAT A
TH-2/17, Bl. nach 106 (nicht foliert).

640) Gutachten des Landeskriminalamts Thüringen vom 20. Januar
1997, MAT A TH-2/17, Bl. 471 f. des PDF-Dokuments.

641) Abschlussbericht vom 29. Mai 1997, MAT A TH-2/17, Bl. 573

ff. des PDF-Dokuments.

waren für eine zweifelsfreie Überführung jedoch nicht

ausreichend; auch darüber hinaus waren keine Spuren

vorhanden, die eine Überführung ermöglicht hätten.
642

Das bei der Staatsanwaltschaft Gera unter dem Aktenzei-

chen 114 Js 1212/97 geführte Ermittlungsverfahren wurde

folglich mit Verfügung von Staatsanwalt Schultz vom 18.

Juni 1997 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung man-

gels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
643

In einem Vermerk vom 6. August 1998 wurde durch

KHK Dressler das Ergebnis der durchgeführten kriminal-

technischen Untersuchungen zusammengefasst.
644

Bei den

Briefbombenattrappen wurde jeweils eine Knetmasse

verwendet, die sich nicht von der im Januar 1998 in der

Garage Nr. 5 aufgefundenen Knetmasse unterschied und

die über eine sehr seltene chemische Zusammensetzung

verfügte. In der Garage Nr. 5 wurde zudem ein Styropor-

Teil aufgefunden, das einem Teil aus einer der Briefbom-

benattrappen stark ähnelte und ähnliche Bearbeitungs-

merkmale aufwies. Eine Täterschaft von Böhnhardt,

Zschäpe und Mundlos sei daher wahrscheinlich.

Eine im Jahr 2000 aufgrund der technischen Weiterent-

wicklung auf dem Gebiet der DNA-Untersuchungen er-

neut durchgeführte molekulargenetische Untersuchung

erbrachte keine neuen Ergebnisse.
645

Das aus diesem

Grunde am 29. Juni 2000 wieder aufgenommene Ermitt-

lungsverfahren
646

wurde am 10. Dezember 2000 durch

Oberstaatsanwalt Villwock von der Staatsanwaltschaft

Gera erneut eingestellt.
647

2. Die Kofferbomben im Jenaer Stadtgebiet

a) Die sog. „Stadion-Bombe“

Am Sonntag, den 6. Oktober 1996 wurde gegen

14.30 Uhr durch spielende Kinder im Ernst-Abbé-Stadion

in Jena, in einem unter den Blöcken D und E verlaufen-

den Lagergang, eine rote Holzkiste mit Hakenkreuzsym-

bolen auf der Vorder-, Rück- und Oberseite und der Auf-

schrift „Bombe“ in abgelagerten Hochsprung-Schaum-
stoffmatten aufgefunden.

648
In der Kiste befanden sich
642) Behördengutachten des LKA Thüringen vom 3. März 1997,

MAT A TH-2/17, Bl. 547 ff. des PDF-Dokuments.

643) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom
18. Juni 1997, MAT A TH-2/57, Bl. 15 f. des PDF-Dokuments.

644) Hierzu und im Folgenden: Auswertungsbericht der EG „TEX“
bzgl. der kriminaltechnischen Untersuchungen vom 6. August

1998, MAT A TH-2/17, Bl. 408 ff. des PDF-Dokuments.

645) Behördengutachten vom 9. Oktober 2000, MAT A TH-2/17, Bl.

401 des PDF-Dokuments.

646) Wiederaufnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom

29. Juni 2000, MAT A TH-2/17, Bl. 391 f. des PDF-

Dokuments.

647) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom

10. Dezember 2000, MAT A TH-2/17, Bl. 403 des PDF-

Dokuments.

648) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk der Kriminalpolizei-

inspektion Jena vom 6. Oktober 1996, (KOM B.), MAT A TH-

2/10, Bl. 1370 ff., auch MAT A TH-1/5, Bl. 31 ff.

Drucksache 17/14600 – 116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
unter anderem ein mit Kieselsteinen und Dämmwolle

gefüllter Metallkanister und ein Metallrohr; die Kiste trug

die Aufschrift „Bombe“.

Dem Fund vorausgegangen war eine während eines Fuß-

ballspiels am Abend des 30. September 1996 gegen

19.52 Uhr eingegangene telefonische Bombendrohung.

Eine männliche Person mit Thüringer Dialekt, die von der

Polizeibeamtin, die den Anruf entgegennahm, auf etwa 20

Jahre geschätzt worden war, hatte in beherrschtem und

ruhigem Ton mitgeteilt, dass sich im Stadion, gegenüber

der Tribüne Block E, in den in den Gängen liegenden

Schaumstoffmatten Sprengsätze befänden.
649

Hieraufhin

hatten vor Ort befindliche Polizeibeamte unter Einsatz

eines Sprengstoffhundes den genannten Bereich abge-

sucht, waren jedoch nicht fündig geworden.
650

Es wurde

festgestellt, dass die aufgefundene USBV
651

keinen

Sprengstoff enthielt.

Die Ermittlungen wurden am 8. Oktober 1997 durch das

LKA Thüringen, Soko „REX“, übernommen.652

Das Ermittlungsverfahren wurde bei der Staatsanwalt-

schaft Gera unter dem Aktenzeichen 114 Js 20801/96

geführt.

b) Ermittlungsmaßnahmen nach Auffinden
der „Stadion-Bombe“

Die zwischen dem Auffinden der „Stadion-Bombe“ im
Oktober 1996 und der „Theater-Bombe“ im September
1997 geführten Ermittlungsmaßnahmen fokussierten sich

bereits auf Angehörige des rechten Spektrums in Jena. Es

konnte zunächst eine Person namens René S. ermittelt

werden, der nach der Aussage eines Zeugen dem rechten

Spektrum zuzurechnen sei, weil er eine Bomberjacke und

hohe Springerstiefel trage.
653

S. hatte im September 1996

nach einer entsprechenden Verurteilung nach Jugendstraf-

recht Arbeitsstunden im Ernst-Abbé-Stadion verrichtet.

Eine am 18. Dezember 1996 durchgeführte Hausdurchsu-

chung bei S. führte nicht zum Auffinden von Beweismit-

teln.
654

Es ergaben sich bereits in diesem Zeitraum vage

Hinweise darauf, dass Uwe Böhnhardt möglicherweise

zum Täterkreis gehören könnte: In seiner im Anschluss an

die Durchsuchung durchgeführten Beschuldigtenver-
649) Vermerk des Kriminaldauerdienstes der Kriminalpolizei Jena

vom 30. September 1996, MAT A TH-2/10, Bl. 1356 ff., auch

MAT A TH-1/5, Bl. 17 ff.

650) Beamtenbericht der Polizeiinspekton Jena vom 7. Oktober

1996, MAT A TH-2/10, Bl. 1365; auch MAT A TH-1/5, Bl. 22.

651) Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung.

652) Nicht datierter Vermerk des KD Schneider bzgl. der Verfah-

rensführung durch die Soko „REX“, MAT A TH-2/10, Bl.
1378.

653) Hierzu und im Folgenden: Vernehmungsprotokoll des Platz-

wartes des Ernst-Abbé-Stadions vom 23. Oktober 1996, MAT

A TH-1/5, Bl. 320 ff.; Sachstandsbericht des PK z. A. B. vom
18. November 1996.

654) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom

18. Dezember 1996, MAT A TH-1/5, Bl. 378 ff.

nehmung hatte S. angegeben, von André Kapke im Jahr

1994 gehört zu haben, dass Böhnhardt seinerzeit in eine

Sache mit einer Bombenattrappe verwickelt gewesen

sei.
655

Am 18. Dezember 1996 waren über die Durchsuchungs-

maßnahme bei René S. hinaus im sogenannten „Kühnen-
Gruß“-Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Gera
mit dem Aktenzeichen 114 Js 20864/96 Durchsuchungen

bei Tom T., Uwe Böhnhardt, Ralf Wohlleben, Holger

Gerlach, Stefan Apel, André Kapke, Mark Rüdiger H.,

Sven Kai R., Frank L. und Alexander Ricardo F. durchge-

führt worden.
656

Aus einem in den Ermittlungsakten des

Verfahrens bzgl. der „Stadion-Bombe“ enthaltenen Proto-
kolls über Asservate lässt sich schließen, dass die Durch-

suchungsmaßnahmen bei René S. und die Durchsu-

chungsmaßnahmen bei den o. g. Beschuldigten wegen des

Verstoßes gegen § 86a StGB zeitlich koordiniert stattfan-

den.
657

c) Die sog. „Theater-Bombe“

Am 2. September 1997 gegen 16 Uhr gaben zwei Kinder

am Bühneneingang des Theaterhauses Jena einen weißen

Plastikbeutel ab.
658

Dieser enthielt einen roten Koffer, auf

dem auf der Ober- und Unterseite in einem weißen Kreis

mit einem Durchmesser von 20 cm ein Hakenkreuz mit

einem Durchmesser von 14 cm abgebildet war. Der Mit-

arbeiter des Theaters, der von den Kindern angetroffen

worden war, ging zunächst davon aus, dass es sich bei

dem Koffer um ein Requisit des Theaters handelte, wes-

halb er ihn im Flur des Bühneneingangs abstellte. Als der

Koffer am nächsten Tag durch den technischen Leiter des

Theaters geöffnet wurde, stellte dieser als Inhalt einen

bombenähnlichen Gegenstand fest und benachrichtigte

die Polizei. Die Kinder wurden ermittelt und eines der

Kinder gab an, den Koffer in einer Plastiktüte steckend

zwischen einem Papierkorb und einer Mauer auf dem

Theatervorplatz eingeklemmt vorgefunden zu haben.
659

Die in der Folgezeit geführten Ermittlungen ergaben kei-

ne Hinweise auf Zeugen, die das Ablegen des Koffers vor

dem Theater gesehen hatten.
660

Anders als die „Stadionbombe“ enthielt die „Theaterbom-
be“ genügend Sprengstoff, um sprengfähig zu sein. Der
Zeuge Dressler führte zur „Theaterbombe“ aus:
655) Vernehmungsprotokoll des S. vom 18. Dezember 1996, MAT

A TH-1/5, Bl. 418.

656) Abschlussbericht des LKA Thüringen im Verfahren 0185-
000032-96/9 vom 9. Mai 1997, MAT A TH-1/5, Bl. 155 ff.

657) Übersicht „Asservierung“ vom 18. Dezember 1996, MAT A
TH-1/5, Bl. 411 ff.

658) Einsatzbericht der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

3. September 1997, MAT A TH-2/6, Bl. 34 f.

659) Aktenvermerk über die Vernehmung der Kinder Jan und Anne
M., MAT A TH-2/6, Bl. 25 ff.

660) Vermerk Umfeldermittlungen Theaterplatz vom 4. September

1997, MAT A TH-2/6, Bl. 32.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/14600

„In dieser USBV befand sich damals ein Rohr mit
circa 10 Gramm TNT, Schwarzpulver, war spreng-

fähig, aber nicht zündfähig, da die Zündquelle

fehlte. Das stellte natürlich die Gesamtsituation

schlagartig etwas anders dar, da wir da erstmals

die Situation hatten, dass hier mit wirklichen

Sprengmitteln gearbeitet wurde. Uns allen war zu

dem Zeitpunkt natürlich bewusst, dass wir hier auf

einer anderen Qualitätsstufe waren. Dementspre-

chend haben wir uns sehr bemüht, diese Täter nun

namentlich zu machen, und haben die uns als Kri-

minalpolizei zur Verfügung stehenden Mittel dafür

benutzt.“ 661

d) Übereinstimmungen zwischen „Theater-
bombe“ und „Stadionbombe“

Bereits kurz nach dem Auffinden der Bomben wurden

zahlreiche Übereinstimmungen der USBV vom Theater-

platz mit der USBV-Attrappe, die am 6. Oktober 1996 am

Ernst-Abbé-Stadion aufgefunden wurde, festgestellt.
662

So

glichen sich beide Gegenstände in der Art und Weise der

Farbauftragungen, die Farben stimmten auch als solche

überein und die jeweils verwendeten Metallrohre hatten

die gleiche Aufschrift, die auf den selben Hersteller hin-

wies.

Das Ermittlungsverfahren wurde bei der Staatsanwalt-

schaft Gera unter dem Aktenzeichen 114 Js 37149/97

wegen Vorbereitung eines Explosions- und Sprengstoff-

verbrechens u. a. (§ 311 b StGB
663

) geführt.

e) Ermittlungsmaßnahmen zwischen Sep-
tember 1997 und Januar 1998

Der Tatverdacht bzgl. der „Theater-“ und der „Stadion-
bombe“ fiel anfangs nicht auf Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe. Vielmehr wurde zunächst eine andere Person

beschuldigt. Diese Person wurde durch das Mobile Ein-

satzkommando (MEK) des LKA Thüringen an drei Tagen

observiert.
664

Eine Wohnungsdurchsuchung am

17. September 1997 verlief ergebnislos.
665

In der an-

schließenden Vernehmung bestritt die Person die Tatbe-

teiligung – die Einlassung konnte nicht widerlegt wer-
den.

666
Die Person war in Verdacht geraten, weil die auf

dem Theatervorplatz aufgefundene USBV der Bauart
661) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 2 f.

662) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 10. September 1997,

MAT A TH-2/6, Bl. 72; entspricht MAT A TH-1/1, S. 125.

663) § 311b in der Fassung der Neubekanntmachung des Strafge-

setzbuchs vom 10. März 1987, im Rahmen des 6. Strafrechtsre-
formgesetzes vom 26. Januar 1998 (ab dem 1. April 1998) als

§ 310 StGB weitergeltend (ohne Änderung in materieller Hin-

sicht).

664) Observationsberichte über Observationen am 9., 11. und

17. September 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 298 ff.

665) Durchsuchungsbericht vom 18. September 1997, MAT A TH-
1/1, Bl. 315 ff.

666) Vernehmungsprotokoll vom 18. September 1997, MAT A TH-

1/1, Bl. 318 ff.

nach einer bei der Person zuvor aufgefundenen Bomben-

attrappe glich.
667

Zeitgleich wurden umfangreiche Ermittlungen zur Her-

kunft der beim Bau der „Stadionbombe“ und der „Thea-
terbombe“ verwendeten Materialien geführt, insbesondere
in Bezug auf die Knetmasse

668
und die Stahlrohre.

669
f) USBV am Magnus-Poser-Denkmal, Nord-
friedhof

Am 26. Dezember 1997 wurde gegen 9.15 Uhr durch

einen Friedhofsmitarbeiter neben dem Magnus-Poser-

Denkmal am Nordfriedhof Jena ein roter Koffer entdeckt,

der auf der Vorder- und Rückseite mit Hakenkreuzen auf

weißem Grund besprüht war; der Koffer war leer.
670

Bei

Magnus Poser handelt es sich um einen in Jena geborenen

Kommunisten und Widerstandskämpfer gegen das NS-

Regime.
671

Im Rahmen der aufgenommenen Ermittlungen wurden die

Alibis von Zschäpe, Holger Gerlach, Mundlos und

Böhnhardt überprüft. Beate Zschäpe machte keine Anga-

ben
672

; bei Gerlach wurde festgestellt, dass er nach Han-

nover verzogen war
673

; Mundlos wurde nicht angetrof-

fen.
674

Böhnhardt wurde bei einem zweiten Versuch am

6. Januar 1998 durch KHK Dressler angetroffen, nach-

dem er sich bei einem ersten Versuch am

27. Dezember 1997 zunächst mit dem Fahrzeug eilig

entfernt hatte
675

, und machte ebenfalls keine Angaben;

seine Mutter, die bei der Befragung anwesend war, äußer-

te jedoch ihr Unverständnis darüber, dass er nicht mitteil-

te, mit drei Personen zusammen gewesen zu sein, da er

hier ja drei Zeugen habe, woraufhin Böhnhardt die Befra-

gung abbrach.
676

Da der Koffer in seiner Aufmachung und Gestaltung der

im Ernst-Abbé-Stadion aufgefundenen Kiste und dem am

Theaterplatz aufgefundenen Koffer entsprach und eine

kriminaltechnische Auswertung ergab, dass die für den
667) Vernehmungsprotokoll vom 18. September 1997, MAT A TH-

1/1, Bl. 318 ff. (319).

668) Ordner „Spur Knetmasse”, MAT A TH-1/1, Bl. 436 ff.

669) Ordner „Spur Rohr”, MAT A TH-1/1, Bl. 455 ff.

670) Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

26. Dezember 1997, MAT A TH-1/6, S. 243 ff.

671) http://de.wikipedia.org/wiki/Magnus_Poser, aufgerufen am
30. Januar 2013.

672) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Zschäpe,

MAT A TH-1/6, Bl. 318.

673) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Gerlach,
MAT A TH-1/6, Bl. 319.

674) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Mundlos,
MAT A TH-1/6, Bl. 321.

675) Vermerk der Kriminalpolizeiinspektion Jena vom

27. Dezember 1997 über Alibiüberprüfungen bei Böhnhardt,
MAT A TH-1/6, Bl. 320.

676) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 6. Januar 1998, MAT A

TH-1/6, Bl. 322.

Drucksache 17/14600 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Anstrich verwendeten Farben übereinstimmten, wurde der

Fund – trotz der Tatsache, dass der Koffer leer war –
seitens der Polizei erneut als USBV-Fund behandelt.

677
3. Ermittlungsmaßnahmen des LKA Thürin-
gen zu den USBV, Böhnhardt als mögli-
cher Täter

a) Zuständigkeit der EG „TEX“

Die Ermittlungen bzgl. der USBV-Funde in Jena wurden

durch die EG „TEX“ im LKA Thüringen geführt. Das
Recht des Landeskriminalamtes, die Ermittlungen an sich

zu ziehen, war in dieser Hinsicht sowohl nach dem Auf-

finden der „Stadionbombe“678 als auch nach dem Auffin-
den der „Theaterbombe“ ausgeübt worden. Der Zeuge
Luthardt – damaliger Leiter des LKA Thüringen – hat
hierzu geäußert:

„Ich war ja derjenige, der die Übernahme erklären
musste. Der Präsident oder der Vizepräsident - den

gab es aber nicht - ist grundsätzlich verantwortlich,

Straftaten an sich zu ziehen. Es gibt ein Polizeior-

ganisationsgesetz. Da ist geregelt: Wann ist ein

Landeskriminalamt originär zuständig, und wann

kann ein Landeskriminalamt Straftaten ziehen?

Das ist Ziehungsrecht. Wir haben das Ziehungs-

recht wahrgenommen, und ich habe das angeord-

net, dass der Fall zum Landeskriminalamt wan-

dert.
679„

b) Hinweise auf mögliche Täter aus dem
rechten Spektrum

In einem Vermerk vom 10. Oktober 1997 wurde durch die

EG „TEX“, KHK Dressler, das Ergebnis der bisherigen
Ermittlungen bzgl. der „Stadionbombe“ und der „Thea-
terbombe“ und mögliche Täter dargestellt.680 Ein Ver-
dacht auf das rechte Spektrum ergab sich dabei bereits aus

der Tatsache, dass sich Hakenkreuze auf den beiden At-

trappen befanden. Alle drei verwendeten Farben (weiß,

rot, schwarz), die Art und Weise der Gestaltung und der

Farbauftragung stimmten bei den bis dahin aufgefundenen

beiden Bombenattrappen überein. Beide USBVen enthiel-

ten ein Metallrohr mit übereinstimmender Aufschrift,

welches vom selben Hersteller stammte. Die Plastiktüte,

in der die „Theaterbombe“ aufgefunden war, stammte aus
einem Textilgeschäft, in dem Beate Zschäpe Stammkun-
677) Ergänzender Sachstandsbericht von KHK Dressler vom

12. Januar 1998, MAT A TH-2/7, Bl. 293 f. (294); entspricht

MAT A TH-1/2, Bl. 10 f.

678) Nicht datierter Vermerk des KD Schneider bzgl. der Verfah-
rensführung durch die Soko „REX“, MAT A TH-2/10, Bl.
1378.

679) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 88.

680) Hierzu und im Folgenden: Zusammenfassung der bisherigen

Ermittlungsergebnisse vom 10. Oktober 1997, MAT A TH-1/1,

Bl. 508 ff., und MAT A TH-2/6, Bl. 200 ff.

din war.
681

Die Holzkiste, in der die „Stadionbombe“
abgelegt war, und der hierbei verwendete Kanister

stammten aus dem Carl-Zeiss-Kombinat in Jena (bzw.

dessen Nachfolgebetrieben), in dem der Vater von Uwe

Böhnhardt seinerzeit tätig war. Hinzu kam, dass Uwe

Böhnhardt damals als Bauhilfsarbeiter arbeitete und bzgl.

weiterer zum Bau der USBVen verwendeten Materialien

(Rohrstücke, Granitsplit, Dämmwolle) ein Bezug zu Bau-

stellen nahe lag. Nicht zuletzt fiel auch aufgrund des im

„Puppentorso-Verfahren“ festgestellten Fingerabdrucks
Böhnhardts der Verdacht auf diesen und auf Angehörige

der „Kameradschaft Jena“. Auch die im Rahmen der
Ermittlungen wegen der Briefbomben durchgeführten

DNA-Untersuchungen führten dazu, dass von dem Täter-

kreis um Kapke, Böhnhardt und Zschäpe ausgegangen

wurde. In seiner Vernehmung hat der Zeuge Dressler die

Situation wie folgt beschrieben:

„Es gab eine Entwicklung. Wie gesagt, ich kam
Mitte 97 in diesen Arbeitsbereich. Es gab ja da ei-

ne Geschichte im Vorfeld schon, und Böhnhardt

hat ja insofern schon eine Spur hinter sich herge-

zogen. Es gab diese USBV im Stadion, wo er zu-

mindest mal Mitverdächtiger war. Dann gab es um

den Jahreswechsel 96/97 drei Briefbombenattrap-

pen, die versandt wurden an die Polizei, die Lokal-

redaktion der Thüringer Landeszeitung und, ich

glaube, das Ordnungsamt Jena, auch mit rechtem

Hintergrund. Und auch dort wurde diese Gruppe

schon um Böhnhardt, Kapke, Mundlos als Täter-

gruppe angesehen. Und wenn man all diese Dinge

aneinanderreihte und diese Beziehungen der ein-

zelnen Beweismittel noch ein bisschen berücksich-

tigte, war zumindest Böhnhardt eine Person, auf

die sich alles konzentrierte. […] Zum einen gab es
eine DNA-Mischspur an den Briefen, wo er mit

dabei war. Sein Fingerabdruck war auf der USBV

an der Puppe, die an der Autobahnbrücke hing.

Wir hatten Bauteile der USBV aus dem Bereich,

aus dem Stadion, die zum Teil aus dem früheren

Carl-Zeiss-Werk stammten. Und da ging es natür-

lich: Wer hatte Zugang? Wer kommt an solche

Gegenstände heran? Da gab es über seinen Vater

hin Optionen und Möglichkeiten. Und alle diese

Dinge zusammen führten einfach zu dem Schluss,

dass er zumindest der Dreh- und Angelpunkt ist.“
682

c) Garage als möglicher Ort, an dem die
Bomben gebaut wurden

Darüber hinaus lässt sich dem Vermerk vom

10. Oktober 1997 entnehmen, dass das LKA Thüringen

Kenntnis davon hatte, dass Böhnhardt zuvor versucht

hatte, eine Garage oder ein Gartengrundstück zu mie-
681) Niederschrift über die Durchführung einer Wahllichtbildvorlage

vom 30. September 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 187 ff.

682) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 23.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/14600

ten.
683

Aus Telefonüberwachungsmaßnahmen im Puppen-

torso-Verfahren war bekannt, dass Uwe Böhnhardt bereits

im Mai/Juni 1996 eine Garage gesucht hatte.
684

4. Auffinden der Garagen und Planung der
Durchsuchungen

a) Observation von Böhnhardt durch das
MEK des LKA Thüringen und weitere Er-
mittlungsmaßnahmen im Oktober 1997

Da bisherige, in anderen Verfahren durchgeführte Durch-

suchungsmaßnahmen bei den im Vermerk vom

10. Oktober 1997 genannten Personen aus der „Kamerad-
schaft Jena“ (André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe, Mark Rüdiger H., Holger Ger-

lach, Ralf Wohlleben, Stefan Apel) nicht zum Auffinden

von Beweismitteln geführt hatten sowie vor dem soeben

unter 3.c) dargestellten Hintergrund wurde vermutet, dass

sich die Bombenwerkstatt in einem angemieteten Raum

befinden könnte, mithin möglicherweise auf einem Gar-

tengrundstück oder in einer gemieteten Garage, also an

einem Ort, der den Ermittlungsbehörden bisher nicht

bekannt war. Um diese bisher unbekannten Objekte zu

ermitteln, sollte eine Observation Böhnhardts erfolgen.

Darüber hinaus sollte eine Kontenabfrage bei Kapke,

Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und Wohlleben durchge-

führt werden, um so regelmäßige Mietzahlungen für bis-

her unbekannte Objekte zu ermitteln.
685

Die Observation

Böhnhardts wurde am 30. September 1997 durch KHK

Dressler beantragt. Das MEK führte am 9., 15. und

22. Oktober 1997 Observationen Böhnhardts durch, die

jedoch keine weiteren Erkenntnisse erbrachten.
686

Dass

lediglich an drei Tagen eine Observation stattfand, war

nach Aussage der Zeugen der Tatsache geschuldet, dass

bei der Polizei Thüringen seinerzeit nur begrenzt Res-

sourcen für den Einsatz des die Observation durchführen-

den MEKs zur Verfügung standen. Der Zeuge Dressler

hat hierzu erklärt:

„Dementsprechend haben wir bei der Staatsan-
waltschaft eine Observation beantragt für den für

uns damals Hauptverdächtigen Uwe Böhnhardt

von vier Wochen. Die wurde von der Staatsan-

waltschaft auch angeordnet, wurde aber in der

Endkonsequenz im LKA nicht umgesetzt. Ledig-

lich drei Tage konnten realisiert werden, weil die

Kapazität nicht ausgereicht hat, die uns damals zur

Verfügung stand. […] Wenn Sie in einem Land
nur bestimmte Kapazitäten haben und es andere,

schwerwiegendere Fälle gibt wie Mord, Raub - ich

weiß nicht, was zu dem Zeitpunkt auf der Tages-
683) Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungsergebnisse vom

10. Oktober 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 508 ff. und MAT A TH-

2/6, Bl. 200 ff.

684) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 34, Rn. 32 f.

685) Aktenvermerk vom 13. Oktober 1997, MAT A TH-1/1, Bl. 522.

686) Observationsprotokolle des MEK Thüringen, MAT A TH-1/1,

Bl. 524 ff., 536, 539 f., 541 ff.

ordnung stand - entscheidet der Leiter der Abtei-

lung 3 bzw. der Präsident des LKA, wo diese Ob-

servationskräfte eingesetzt werden. Man ist in dem

Moment als Sachbearbeiter in der Situation, dass

man mit dem leben muss, was einem zugestanden

wird. […] Es gab ja einen Beginn dieser Maßnah-
me, dieser Vier-Wochen-Frist. Dann gab es natür-

lich die Information: Wir können heute nicht, wir

können heute nicht, wir haben eine andere Aufga-

be zugewiesen bekommen. - Das war auch mei-

nem Vorgesetzten bekannt. Nach den vier Wochen

gab es ein Ergebnis; da gab es entsprechende Ob-

servationsprotokolle, nämlich entsprechend für die

drei Tage drei Stück. Da war klar: So kommen wir

nicht weiter. - Denn ich war überzeugt davon,

wenn wir sozusagen diese dauerhafte Observation

umsetzen, dass wir zu diesem Objekt gelangen,

was für uns von Interesse war.“687

Im weiteren Verlauf der Ermittlungen wurden die bei der

AOK sowie beim Sozial- und Arbeitsamt der Stadt Jena

bekannten Daten (insbesondere dort bekannte frühere

Arbeitgeber und die Bankverbindungen) von Henning

H.,
688

André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Bea-

te Zschäpe und Ralf Wohlleben ermittelt.
689

b) Observation von Böhnhardt durch das LfV
Thüringen im November/Dezember 1997

aa) Auftrag bzgl. der Observation des LfV Thü-
ringen durch das LKA Thüringen?

Ob das LfV Thüringen Böhnhardt von sich aus observier-

te oder ob dies auf Anregung der EG „TEX“ aus dem
LKA Thüringen hin erfolgte, hat der Ausschuss nicht

klären können. Die Aussagen der Beteiligten widerspre-

chen sich in dieser Hinsicht – aus den Akten lässt sich
kein entsprechender Auftrag oder dergleichen des LKA

Thüringen entnehmen. Während die Mitarbeiter des LfV

Thüringen Nocken
690

, E.
691

und Schrader
692

in ihren An-

hörungen vor der Schäfer-Kommission bekundet haben,

dass das LfV Thüringen in dieser Hinsicht aus eigener

Initiative heraus tätig geworden sei, äußerten die LKA-

Mitarbeiter Dressler,
693

N.
694

und F.
695

in ihren Anhörun-
687) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 3.

688) Henning H. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs

zu diesem Abschnitt Stellung genommen.

689) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 22. Oktober 1997, MAT

A TH-1/1, Bl. 548 f.; Mehrere Schreiben des Arbeitsamtes Jena

aus dem November und Dezember 1997, MAT A TH-1/1, Bl.
551 ff.

690) Vermerk über die Befragung des Zeugen Nocken vor der Schä-

fer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 88 ff. (91).

691) Vermerk über die Befragung des Zeugen E. vor der Schäfer-

Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 190 ff. (191); E. gab an, kei-

ne sichere Erinnerung zu haben.

692) Vermerk über die Befragung des Zeugen Schrader vor der

Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 166 ff. (171).

693) Vermerk über die Befragung des Zeugen Dressler vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 47 ff. (47).

Drucksache 17/14600 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen vor der Schäfer-Kommission, dass die Initiative hier-

zu vom LKA Thüringen ausgegangen sei.

Aus einem internen Ermittlungsbericht des Leiters der EG

„TEX“, dem Zeugen Dressler, vom 23. Februar 1998696,
ergibt sich, dass Mitarbeiter des LfV Thüringen durch die

EG „TEX“ angesprochen und um die Observation gebe-
ten worden waren, was – neben dem zeitlichen Zusam-
menhang mit der ergebnislosen Observation des LKA

Thüringen im Oktober 1997 – einen Anhaltspunkt dafür
darstellt, dass die Observation von Seiten des LKA Thü-

ringen angeregt worden war. Der Zeuge Luthardt, seiner-

zeit Leiter des LKA, hat in seiner Zeugenvernehmung vor

dem Untersuchungsausschuss bekundet, das LfV Thürin-

gen habe die Observation im Auftrag des LKA Thüringen

durchgeführt.
697

Vor dem Untersuchungsausschuss haben die vernomme-

nen Zeugen in dieser Hinsicht ihre zuvor gemachten An-

gaben bestätigt. Der Zeuge EKHK Dressler hat den Vor-

gang folgendermaßen beschrieben:

„Ich bin daraufhin im November 97, also nach
dem Ende unserer Observationsmaßnahmen und

der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Gera, dass

die Konteneinsicht wohl mehrere Monate braucht,

bis sie umgesetzt wäre, weil mir dieser Umstand

schlicht und ergreifend einfach zu lang war - im

Gepäck diese gerade frisch abgelegte USBV; der

Auffindplatz ist in Jena -, zu dem damaligen Refe-

ratsleiter für rechts, dem Herrn Schrader, zum

Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen ge-

fahren. Dem habe ich meine Ermittlungsergebnisse

zur Kenntnis gegeben, habe gesagt, dass ich der

Überzeugung bin, dass Uwe Böhnhardt einer der

Dreh- und Angelpunkte um diese abgelegten

USBVs bzw. Attrappen ist, habe um Unterstützung

ersucht und gefragt, ob er eine Möglichkeit sieht,

uns in dieser Situation observationstechnisch zu

unterstützen.“ 698

Der Zeuge Luthardt hat erklärt:

„Es wurde das Landesamt für Verfassungsschutz
dann beauftragt, die Observation in unserem Auf-

trag durchzuführen.“699

Der Zeuge Schultz – damals zuständiger Staatsanwalt –
hat ausgeführt:
694) Vermerk über die Befragung des Zeugen N. vor der Schäfer-

Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 136 f. (136).

695) Vermerk über die Befragung des Zeugen F. vor der Schäfer-

Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 107 ff. (107).

696) Vermerk des Landeskriminalamts Thüringen, EG „TEX“, zum
Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung eines Explosions-

oder Strahlungsverbrechens gem. § 311b StGB u. a., vom

23. Februar 1998, MAT A TH-1/7, Bl. 57 ff. (59).

697) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 88.

698) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 4.

699) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 88.

„Und da hat das Landeskriminalamt lange ermittelt
und ist meiner Erinnerung nach nicht entscheidend

weitergekommen und hat dann das Landesamt für

Verfassungsschutz gefragt. Das Landeskriminal-

amt ist auch mit Observationen, glaube ich, nicht

weitergekommen. Dann haben sie das Landesamt

für Verfassungsschutz gefragt oder um Observati-

on gebeten oder um Amtshilfe gebeten.“700

Allerdings wurde seitens des damaligen Leiters der EG

„TEX“, Dressler, vor der Schäfer-Kommission auch
geäußert, dass Uwe Böhnhardt und das Auffinden der

Theaterbombe bereits vor der Observationsmaßnahme

beim Landesamt für Verfassungsschutz, namentlich bei

dem Mitarbeiter Schrader, bekannt gewesen seien.
701

Dressler hat dies vor dem Untersuchungsausschuss bestä-

tigt. Auf die Frage, ob Schrader mit dem Namen

Böhnhardt etwas habe anfangen können, äußerte EKHK

Dressler:

„Er kannte ihn, sagen wir mal so.“702

Im Gegensatz hierzu stehen die Aussagen der Zeugen, die

seinerzeit dem LfV Thüringen angehörten. Der damalige

Vizepräsident des LfV Thüringen, der Zeuge Nocken, hat

bekundet:

„Ein Auftrag des Landeskriminalamtes oder eine
Bitte des Landeskriminalamtes ist mir nicht be-

wusst. Es hätte ja dann sowieso eine Bitte oder ein

Auftrag oder eine Absprache auf verhältnismäßig

hoher Ebene sein müssen. Sachbearbeiter können

ja nicht sagen: Ich setze jetzt mal eben die Obser-

vationsgruppe des Landesamtes für Verfassungs-

schutz ein. Zumindest hätte man mit mir sprechen

müssen und in dem Falle womöglich der Leiter der

Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes,

und das war nicht der Fall. Also, ich habe das so in

Erinnerung, dass wir aus eigenem Antrieb uns mit

den Personen beschäftigt haben und nicht aufgrund

eines Auftrages.“703

sowie

„Auf Sachbearbeiterebene mal eben Anruf beim
LfV, und schon springen die mit ihrer Observation

da rein, das ist hanebüchen; das gibt es nicht. Eine

schriftliche Bitte des LKA ‚Übernehmt die Obser-
vation für uns!‘ habe ich nicht gesehen. Ich bin
nach wie vor fest der Überzeugung: Es kann auch

so was gewesen sein, aber da müsste vielleicht der

LKA-Chef mit dem Herrn Roewer gesprochen ha-

ben: ‚Übernehmt ihr das für uns?‘ - Mit mir ist
nicht geredet worden, schriftlich habe ich es auch

nicht gesehen. Ich gehe mal davon aus, dass wir
700) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 13.

701) Vermerk über die Befragung des Zeugen Dressler vor der
Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 47 ff. (48).

702) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 5.

703) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 9.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/14600

aufgrund eigener Erkenntnisse zu der Überlegung

gekommen sind, dass es eigentlich nur aus diesem

Personenkreis jemand gewesen sein kann.“704

Der Zeuge Schrader hat gegenüber dem Untersuchungs-

ausschuss bekundet, dass er den Auftrag zur Suche nach

den Bombenbauern und einer möglichen Werkstatt von

dem Präsidenten des LfV Dr. Roewer erhalten habe.

„Der rief mich eines Tages zu sich, nachdem also
zunächst die Puppe an der Autobahn gefunden

wurde. Das war Ende 97. Das muss im November,

Dezember 97 gewesen sein. Kurz darauf wurden

dann zwei Bombenattrappen gefunden. Die eine

war eine bloße Attrappe, das andere war eine

zündfähige, aber nicht zündbereite Bombenattrap-

pe in Jena, und das LKA kam da nicht weiter. Ich

wurde dann hochgerufen und wurde dann gebeten

[…] die Bombenbastler und nach Möglichkeit die
Werkstatt zu suchen.“705

Dr. Roewer sei zuvor von einer Besprechung zurückge-

kommen, die vermutlich im Innenministerium Thüringen

oder im LKA Thüringen stattgefunden habe.
706

Er habe zu

ihm gesagt, offenbar käme das LKA nicht weiter.
707

Schrader hat bekundet, das Trio sei dem LfV Thüringen

zudem nicht als solches bekannt gewesen. Konkret hat er

bekundet:

„Dieses Trio hatten wir am Anfang nicht auf dem
Schirm, muss ich ganz ehrlich sagen. Das begann

im Grunde erst intensiv zu werden, nachdem ich

gebeten wurde, die Bombenleger zu suchen und

die Bombenwerkstatt zu suchen.“708

Auf Nachfrage, wie der Kreis der zu observierenden Per-

sonen bestimmt wurde, hat der Zeuge Schrader ausgesagt:

„Sie müssen sich das so vorstellen, dass wir natür-
lich auch vom LKA unterrichtet wurden über das,

was da lief. Wir waren natürlich auch interessiert

daran, zu wissen, was das LKA für Erkenntnisse

über die Bombenattrappen hatte usw. Das war ja

auch unser Thema. Und dann fielen irgendwann

diese drei Namen auch. Das heißt, die Zschäpe war

am Anfang nicht dabei. Es fielen nur die Namen

Mundlos und Böhnhardt.“709

Es seien auch noch mehr Namen gefallen, da das Ermitt-

lungsverfahren wegen der Bombenattrappe gegen mehre-

re geführt wurde.

„Es gab damals die Brüder Kapke, der große und
der kleine Kapke. Es war Wohlleben da. Aber im

Zusammenhang mit diesen Bombengeschichten

waren mehr die beiden Namen Mundlos und
704) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 26.

705) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.

706) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.

707) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.

708) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.

709) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 115.

Böhnhardt, und das war dann auch unser Ansatz-

punkt, wobei wir zunächst analysiert haben, wen

wir aufnehmen können. Wenn man da anfängt zu

arbeiten, muss man ja sehen, wo man anfängt. Und

wir haben dann bestimmte Leute observiert, eben

auch Böhnhardt.“710

Insgesamt seien sechs Personen, die Gegenstand des

Strafverfahrens wegen der Bombenattrappe waren, obser-

viert worden. Zur Dauer und zum Umfang dieser Obser-

vationen hat der Zeuge Schrader angegeben:

„Die sind auch ein paar Tage observiert worden,
aber das wurde dann hinterher abgebrochen.

Nachdem wir diese Feststellung getroffen hatten,

haben wir das abgebrochen, weil es im Moment

keinen Grund gab. Die haben wir erst hinterher

wieder aufgenommen, nachdem die drei unterge-

taucht waren.“711

„Wir haben uns auf Böhnhardt und Mundlos kon-
zentriert, wir haben uns auf Kapke konzentriert

und auf Wohlleben. Das waren die drei, die auch

vorher öfter bei irgendwelchen Aufmärschen auf-

gefallen waren, wobei allerdings die Ermittlungen

des LKA sich zunächst einmal gegen Böhnhardt

gerichtet hatten damals und auch Mundlos. Wir

haben also sicherheitshalber alle vier aufgenom-

men […].712

Bereits nach zwei Tagen sei es dem LfV Thüringen ge-

lungen,

„Böhnhardt und Mundlos in einer sehr konspirati-
ven Art und Weise festzustellen und zu beobach-

ten, wo sie bestimmte Dinge eingekauft haben und

dann in eine bestimmte Garage verbracht haben.

Das war die berühmte Garage Nr. 5 an der Kläran-

lage, die - - wo sie also auch sich in einer be-

stimmten Art und Weise benommen haben, als sie

in die Garage reingegangen sind, dort eine Zeit

lang drin verblieben, wieder rauskamen, die Gara-

ge verschlossen haben. Das war also eine konspi-

rative Angelegenheit für uns.“713

Der Zeuge Schrader hatte bereits vor der Schäfer-

Kommission geäußert, dass das LfV Thüringen von sich

aus tätig geworden sei, wobei er hier einräumte, dass es

möglich sein könne, dass er mit dem Leiter der EG

„TEX“ im LKA Thüringen, Dressler, telefoniert habe.714

Der Zeuge Dr. Roewer hat sich in dieser Hinsicht nicht

konkret geäußert. Er bekundete:

„Es hat 1997 ein paar nicht bestätigte Gerüchte
gegeben, dass in der rechtsextremen Szene Leute
710) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 116.

711) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 119.

712) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 116.

713) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 116.

714) Vermerk über die Befragung des Zeugen Schrader vor der

Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 166 ff. (171).

Drucksache 17/14600 – 122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
mit Sprengstoff laborieren. Ich habe daraufhin

Weisung erteilt, dass die Behörde das unverzüglich

aufklärt. Es sind dann eine Reihe von Informatio-

nen zusammengetragen worden, die darauf hindeu-

teten, dass zu dem Gerücht drei Personen passen

würden: Das sind die heute bekannten Böhnhardt,

Zschäpe und Mundlos. Nachdem diese Informatio-

nen bei uns in der Behörde sozusagen vorrätig wa-

ren, sind sie unverzüglich an die Polizei abgeflos-

sen, da nach meiner Auffassung nunmehr im Wege

von Exekutivmaßnahmen zu klären war, ob das so

ist, ob es wirklich so ist, wie wir vermuteten. Und

wenn es so ist, war polizeilicher Zugriff mehr als

geboten. Damit war die Phase eins für das Landes-

amt abgeschlossen.“715

Wer die Weisung zu der Observation gegeben habe, wisse

er – Dr. Roewer – nicht mehr.716

In den Akten des LfV Thüringen ist kein Auftrag des

LKA Thüringen bzgl. einer Observation des Böhnhardt

enthalten. Die Akten zum Vorgang „Drilling“ enthalten
zunächst die Meldung des LKA Thüringen vom

5. September 1997 über das Auffinden der sog. „Theater-
Bombe“, die auch die Mitteilung enthält, dass die „Thea-
ter-Bombe“ TNT enthalte,717 sowie einen Vermerk der
Stadtverwaltung Jena.

718
Hieran angeschlossen ist ein

Ermittlungsauftrag des Mitarbeiters des LfV Thüringen,

E., vom 16. Oktober 1997 enthalten, in dem um Abklä-

rung der Personen Böhnhardt, Kapke, Mundlos und

Zschäpe gebeten wird.
719

Ein offensichtlich hieraufhin

erstellter Vermerk vom 6. November 1997 folgt so-

dann.
720

Hierauf folgt ein ebenfalls von dem Mitarbeiter

E. gezeichneter „Observationsauftrag“ bzgl. Uwe
Böhnhardt vom 14. November 1997.

721
Im Anschluss

enthalten die Akten das von dem Mitarbeiter des LfV

Thüringen A. gezeichnete Observationsprotokoll bzgl. der

Observation des Uwe Böhnhardt im Zeitraum 24. No-

vember bis 1. Dezember 1997, welches nebst Anlagen

insgesamt 16 Seiten umfasst.
722
715) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.

716) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 97.

717) Meldung des Innenministeriums Thüringen vom 5. September

1997, MAT A TH-2/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Bl. 1 f. (offen).

718) Vermerk der Stadtverwaltung Jena (Haupt- und Personalamt für

Oberbürgermeister) vom 5. September 1997, MAT A TH-2/1,

Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 3 f. (offen).

719) Ermittlungsauftrag vom 16. Oktober 1997, MAT A TH-2/1,

Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 5 (VS-NfD).

720) Vermerk über Personenerkenntnisse vom 6. November 1997,

MAT A TH-2/1, Anlage 1, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 7
ff. (VS-NfD).

721) Observationsauftrag vom 14. November 1997, MAT A TH-2/1,

Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 11 (VS-
Vertraulich).

722) Vermerk über Observation in Jena vom 2. Dezember 1997,

MAT A TH-2/1, Anlage 1, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 12
ff. (VS-Vertraulich, Skizzen VS-NfD).

bb) Erkenntnisse durch die Observation des
LfV Thüringen

Zwischen dem 24. November und dem 1. Dezember 1997

wurden durch das Landesamt für Verfassungsschutz Thü-

ringen Observationsmaßnahmen von Böhnhardt durchge-

führt.
723

Hierbei konnte am 24. November 1997 festge-

stellt werden, dass Böhnhardt gemeinsam mit Mundlos

Materialien aus seiner Wohnung in eine gegenüber der

Wohnung liegende Garage verbrachte. Hierbei handelte

es sich um die Garage Nr. 7. Die unmittelbar daneben

liegende Garage Nr. 6 gehörte dem Vater von Uwe

Böhnhardt. Am 25. November 1997 wurden Böhnhardt

und Mundlos sodann dabei beobachtet, wie sie zwei Liter

Brennspiritus und Gummiringe in verschiedenen Super-

märkten einkauften und diese Gegenstände jeweils in eine

bisher unbekannte Garage, die Garage Nr. 5 im Komplex

des „Garagenvereins an der Kläranlage e. V.“ in Jena-
Burgau, Göschwitzer Straße, verbrachten. Während sich

Böhnhardt und Mundlos während der Observation zu-

nächst wenig konspirativ verhalten hätten, so sei dies

während des Aufenthalts im Bereich der Garage Nr. 5

anders gewesen. Als Mieter der Garage konnte ein Herr

A. ermittelt werden.

Das Observationsprotokoll des LfV Thüringen umfasst

sechs Seiten zzgl. zwei Seiten mit Skizzen der Garagen-

anlage und eine acht Seiten umfassende Lichtbildmappe,

die Aufnahmen von Böhnhardt und Mundlos sowie Auf-

nahmen des Garagenkomplexes an der Kläranlage ent-

hält.
724

Auf den Aufnahmen ist die Garage Nr. 5 durch

einen nachträglich aufgezeichneten Pfeil gekennzeichnet.

Auf den Aufnahmen, die die Garagenanlage zeigen, sind

keine Personen abgebildet. Für den 25. November 1997,

mithin den zweiten Tag der Observation, verzeichnet das

Observationsprotokoll für 13.52 Uhr, dass Uwe

Böhnhardt und Uwe Mundlos den Supermarkt Kaufland

in Jena-Lobeda verlassen und zu einem Parkplatz in der

Göschwitzer Straße in Jena fahren, dort das Fahrzeug

parken, und sich zu einem Garagenkomplex am anderen

Ufer der Saale begeben. Erst um 14.18 Uhr seien beide

zurück zum Fahrzeug gekommen, um dann, nach dem

Einkauf von (vermutlich) Gummiringen im Supermarkt

Kaufland in Jena-Burgau um 14.30 Uhr wieder zurück zu

dem Parkplatz in der Göschwitzer Straße zu fahren, wo

beide die Fußgängerbrücke über die Saale überquert hät-

ten, um sich dort dann gegen 14.36 Uhr in die Garage Nr.

5 in der Garagenanlage des Garagenvereins an der Klär-

anlage zu begeben. Das Observationsprotokoll enthält

hierzu folgende Anmerkung:

„Anmerkung: Auffällig ist, daß nach dem Betreten
der Garage das Tor sofort wieder geschlossen
723) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an das

LKA Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 40 f.

724) Hierzu und im Folgenden: Vermerk über Observation in Jena
vom 2. Dezember 1997, MAT A TH-2/1, Anlage 1, (Tgb.-Nr.

09/12 - GEHEIM), Bl. 12 ff. (VS-VERTRAULICH, Skizzen

VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 123 – Drucksache 17/14600

wurde, des Weiteren besteht die Möglichkeit, mit

dem Fahrzeug zur Garage zu fahren.“

Darüber hinaus ist am Ende des Observationsprotokolls

vermerkt:

„Anmerkung: Im gesamten Observationsverlauf
verhält sich die ZP mit Ausnahme beim Betreten

der Garage in der Göschwitzer Straßen wenig kon-

spirativ oder auffällig.“

Der Zeuge Baumbach hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss bestätigt, die Eigentumsverhältnisse der Garage

abgeklärt zu haben.
725

Vor dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landta-

ges hat der Mitarbeiter A. des LfV Thüringen ausgesagt,

er habe diese Observation geleitet und sei als Einsatzleiter

selbst mit dabei gewesen. Die Anzahl der eingestezen

Observationskräfte habe geschwankt; nach A.s Erinnerung

seien es maximal zehn bis zwölf Personen gewesen.
726

Der Zeuge Wießner hat vor dem Ausschuss ausgesagt,

sein Referat sei nicht in die Observation eingebunden

gewesen. Die Observation sei über die V-Mann-Führung

gelaufen.
727

Auch sein Mitarbeiter, der Zeuge Baumbach,

sei nicht eingebunden gewesen.
728

Demgegenüber hat der Zeuge Baumbach in seiner Ver-

nehmung vor der Schäfer-Kommission mitgeteilt, er sei

bei der Observationsmaßnahme für die Abklärung der

Hintergrundinformationen zuständig gewesen, also zum

Beispiel für die Klärung, wer die Besitzer der jeweiligen

Garagen waren.
729

Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Baum-

bach angegeben, er habe tagsüber ermittelt und abends

die Observation mit verstärkt. Er hat erläutert:

„Personen, die aufgetaucht sind, jetzt abends auf-
grund der Observation, die wurden praktisch dann

von mir tagsüber abgeklärt, wurden dann - - Da

habe ich auch - - In Absprache mit der damaligen

Leitung gingen die Erkenntnisse von mir dann

gleich in den Observationsbericht, um das halt

auch zeitnah verfügbar zu machen.“730

cc) Mitteilung der Ergebnisse der Observation
an das LKA Thüringen

aaa) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Janu-
ar 1998

Spätestens mittels eines Schreibens vom 8. Januar 1998,

laut Eingangsstempel eingegangen beim LKA Thüringen
725) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 185 f.

726) MAT B TH-1/19, Bl. 113.

727) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 9.

728) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 9.

729) Baumbach, Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-

6/3, Bl. 235.

730) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 184.

am 9. Januar 1998, wurde die EG „TEX“ des LKA Thü-
ringen durch das LfV Thüringen über die Ergebnisse der

Observation in Kenntnis gesetzt.
731

Das von Vizepräsi-

dent Nocken gezeichnete Schreiben enthielt als Anlage

zwei mit der Hand angefertigte, nicht maßstabsgetreue

Skizzen, aus denen sich die Lage der Garage Nr. 5 an der

Kläranlage ergab. Darüber hinaus enthielt das Schreiben

detailliert die Personalien des Garagenmieters A. (Name,

Geburtsdatum und –ort, Anschrift), nicht jedoch die In-
formation, dass dieser Polizeibeamter ist. Zudem war die

Postfachanschrift des Garagenvereins an der Kläranlage

mitgeteilt worden. Das Schreiben enthielt die Einstufung

als VS-Vertraulich (amtlich geheimgehalten). Am

28. Januar 1998, also zwei Tage nach den Durchsu-

chungsmaßnahmen, wurde das Schreiben auf den Ver-

schlusssachengrad „Verschlusssache – Nur für den
Dienstgebrauch“ herabgestuft.

bbb) Mündliche Vorabinformation über das Er-
gebnis der Observationsmaßnahmen

Nach Aussage des Zeugen Dressler wurde das Ergebnis

der Observation jedoch bereits vorab mündlich dem LKA

Thüringen mitgeteilt. Dressler hat auf die Frage, wann er

über das Ergebnis der Observation informiert worden sei,

geäußert:

„Muss Anfang Dezember gewesen sein, mündlich,
telefonisch. Da habe ich gesagt: Das nützt mir

nichts. Ich brauche es, wie abgesprochen, in einer

verwertbaren Form.“732

ccc) Einstufung des Schreibens vom 8. Januar
1998 als „VS-Vertraulich“

Der Zeuge Dressler hat bekundet, dass er – bereits im
Rahmen der Anfrage bzgl. der Observation beim LfV

Thüringen im November 1997 – darauf gedrungen habe,
dass die erlangten Informationen in einem Strafverfahren

verwertbar sein müssten:

„Ich bin also zum Verfassungsschutz gefahren, ha-
be dem Herrn Schrader die Ermittlungsergebnisse

mitgeteilt, die wir in dem Zusammenhang haben,

und habe ihn gefragt, ob die Möglichkeit besteht,

dass uns der Verfassungsschutz an dieser Stelle

unterstützt, was aber auch nur Sinn macht, wenn

wir diese Ergebnisse anschließend offen zurückbe-

kommen, weil irgendwelche Einstufungen mir ge-

nauso wenig weiterhelfen. Das wurde mir von

Herrn Schrader zugesagt. Ich hatte zu dem Zeit-

punkt auch durchaus das Gefühl, dort auf offene

Ohren und Unterstützung zu stoßen.“733

Nachdem er – Dressler – darauf hingewiesen habe, dass
eine rein telefonische Information für ihn nicht verwertbar
731) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an das

LKA Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 40 ff.

732) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 6.

733) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 5.

Drucksache 17/14600 – 124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sei,

734
äußerte er auf den Vorhalt, dass dann etwa vier

Wochen später in der ersten Januarhälfte 1998 eine

schriftliche Mitteilung eingegangen sei:

„Da kam etwas Schriftliches. Da kam ein als […]
geheim gehaltenes Dokument an, was mich mehr

erstaunt hat, weil das genau das war, was nicht so

beantragt oder abgesprochen war.“735

Der Zeuge Nocken hat demgegenüber bekundet, dass die

Einstufung des Schreibens als „VS-Vertraulich“ üblich
gewesen sei:

„Ich hatte ja versucht, zu erklären: Als diese Bom-
ben vor dem Theater in Jena lagen, haben wir eine

nachrichtendienstliche Operation begonnen. In

dieser nachrichtendienstlichen Operation wurde

auch mit Observationen versucht festzustellen:

Wer käme als Täter denn da in Frage?

Diese nachrichtendienstliche Operation war eine

Verschlusssache; das ist richtig. Und da wir davon

ausgegangen sind, dass die - - Nein, da wir wuss-

ten, dass die Polizei auch ermächtigt ist zum Um-

gang mit Verschlusssachen, haben wir die so ein-

gestuft weitergegeben. Ja.
736„

Der Zeuge Schrader hat bekundet, er habe die Ergebnisse

der Observation Anfang Dezember 1997
737

in Form eines

Berichts zusammengefasst. Darüber hinaus habe das LfV

Thüringen die Zeichnungen angefertigt. Der Bericht und

die Zeichnungen seien dem LKA Thüringen übergeben

worden, wobei er zunächst eine Einstufung als

„GEHEIM“ vorgenommen habe.738

Die Einstufung sei aus Quellenschutzgründen erfolgt,
739

„um zunächst mal zu verschleiern, weil wir noch
nicht wussten, was wir noch zu tun hatten. Uns

kam es zunächst mal darauf an, dem LKA mitzu-

teilen, was wir entdeckt hatten.“740

Auch die eingestufte Weitergabe der Information habe

Sinn gemacht,

„die Polizei hat es ja so gehabt. Sie konnten sie ja
auch verwenden. Ob es nun eingestuft war oder

nicht, sie konnten es verwenden. Es sollte nur

nicht in die Akte rein, dass die Anwälte es nicht
734) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 6.

735) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 7.

736) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 58.

737) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 118.

738) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 117; aus den Akten ergibt sich

eine Einstufung als „VS-Vertraulich“, Observationsbericht des
LfV Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH-3/1, (Tgb.-
Nr. 9/12 – GEHEIM), Bl. 28 f. (VS-NfD).

739) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168.

740) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 117.

zur Kenntnis kriegten. Aber verwenden konnten

sie es ja. Dafür haben wir es ja rübergegeben.“741

Die Observationsmaßnahme war nach Aktenlage am

1. Dezember 1997 abgeschlossen. Die Mitteilung des

Ergebnisses der Observationsmaßnahme an das LKA

Thüringen erfolgte in einem vom damaligen Vizepräsi-

denten des LfV Thüringen, Nocken, unterzeichneten

Schreiben, erst über einen Monat später, am

8. Januar 1998.
742

Der Zeuge Schrader hat nicht erklären können, aus wel-

chem Grund die Übersendung des Berichts so lange ge-

dauert habe:

„Ich weiß nicht welchen, kann ich nicht sagen;
aber ich könnte mir schon vorstellen, dass das ei-

nen Grund gehabt hat.“743

Nach der Observation habe das LfV Thüringen zunächst

einmal keine weiteren Versuche unternommen, an zusätz-

liche Informationen zu gelangen, etwa darüber, mit wem

sich Böhnhardt und Mundlos im Anschluss getroffen

hätten oder ob weitere konspirative Einkäufe erfolgt sei-

en:

„Nein, wir haben danach zunächst mal Pause ge-
macht, um nicht aufzufallen; weil für uns war das

relativ klar, was sich dort abgespielt hatte, und nun

war es aus unserer Sicht am LKA […] die Sache
aufzuklären, einen Durchsuchungsbeschluss zu

erwirken, sich die Garagen anzusehen, zu sehen,

wem die Garagen gehörten. Wir sind davon ausge-

gangen, dass das nun in der Mache sei, und haben

nichts mehr davon gehört.“744

c) Planung der Durchsuchungen am 26. Ja-
nuar 1998

aa) Verarbeitung der durch die Observation
durch das LfV gewonnenen Erkenntnisse
über die Garagen und Beantragung eines
Durchsuchungsbeschlusses

Aus den Akten des LKA Thüringen ergibt sich, dass KHK

Dressler bereits am 5. Januar 1998 telefonische Rück-

sprache mit Staatsanwalt Schultz in Gera führte und die-

sem mitteilte, dass Erkenntnisse über „neue Objekte vor-
liegen“, welche durch die relevante Tätergruppe genutzt
würden.

745
Die Rücksendung der Ermittlungsakten wurde

durch Staatsanwalt Schultz von der Staatsanwaltschaft

Gera zugesichert. Aufgrund der neuen Erkenntnisse sollte
741) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168, in diesem Sinne auch

S. 117.

742) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998, MAT A TH

3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 - GEHEIM), Anlage 1, Bl. 40 (VS-NfD).

743) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 167.

744) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 117.

745) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk vom 5. Januar 1998,

MAT A TH-1/2, Bl. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125 – Drucksache 17/14600

zudem zunächst auf die am 13. Oktober 1997 vereinbarte

Kontenabfrage verzichtet werden. In dem Vermerk vom

5. Januar 1998 findet sich selbst kein Hinweis auf die

Herkunft der Erkenntnisse zu den „neuen Objekten“.
Diese werden dort auch nicht näher beschrieben. Erst in

einem Vermerk vom 12. Januar 1998 werden die Garage

Nr. 5 an der Kläranlage und die Garage Nr. 7 in der Ri-

chard-Zimmermann-Straße 11 näher bezeichnet.
746

Am

selben Tag, einem Montag, wurden zwei weitere Vermer-

ke von Mitarbeitern der EG „TEX“ verfasst, aus denen
sich Ermittlungen zu den Besitzern der jeweiligen Gara-

gen entnehmen lassen. Einer dieser Vermerke beinhaltet

Ermittlungsergebnisse zur Garage Nr. 7 in der Richard-

Zimmermann-Straße
747

; der weitere Vermerk beinhaltet

Ermittlungsergebnisse zum Mieter der Garage Nr. 5 im

Garagenverein an der Kläranlage e. V.. Hierbei handele es

sich um einen Herrn A., dessen weitere Personalien ermit-

telt wurden und in dem Vermerk genannt sind.
748

Ebenfalls am 12. Januar 1998 legte KHK Dressler in

einem „ergänzenden Sachstandsbericht“ die seit dem
vorangegangenen Sachstandsbericht vom 10. Oktober

1997 neu gewonnenen Erkenntnisse nieder und regte bei

der Staatsanwaltschaft Gera einen Durchsuchungsbe-

schluss für die Garage Nr. 5 des Garagenvereins an der

Kläranlage e. V., die Garage Nr. 7 in der Richard-

Zimmermann-Straße des Mieters Lutz W. und die daneben

liegende Garage Uwe Böhnhardts an.
749

Im Hinblick auf

die Garage Nr. 5 enthält der Vermerk Ausführungen dazu,

dass Beate Zschäpe den Geburtsnamen A. trage, dass zwar

ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei dem Gara-

genmieter Klaus A. um ihren Vater handele, nicht jedoch,

dass ein anderes Verwandtschaftsverhältnis bestehe.

Hiermit wurde begründet, an den Garagenbesitzer A. nicht

weiter heranzutreten. Über den Vermieter A. lagen keine

polizeilichen Erkenntnisse vor. Ausführungen dazu, dass

A. Polizeibeamter ist, enthält der ergänzende

Sachstandsbericht nicht, ebensowenig sind Ausführungen

dazu enthalten, auf welche Weise die Erkenntnisse zu den

genannten Garagen gewonnen wurden.

Da das Schreiben des LfV Thüringen, welches ausweis-

lich des Eingangsstempels am 9. Januar 1998 beim LKA

Thüringen eingegangen war, bis zum 28. Januar 1998 als

VS-Vertraulich eingestuft war
750

, erfolgte keine Bezug-

nahme auf das Schreiben des LfV Thüringen in den von

KHK Dressler verfassten Vermerken. Der Zeuge Dressler

hat vor dem Untersuchungsausschuss bekundet, er habe

vor dem Hintergrund der Erfahrung mit dem Freispruch

Böhnhardts vom im Puppentorso-Verfahren erhobenen
746) Aktenvermerk vom 12. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 7.

747) Aktenvermerk vom 12. Januar 1998, gezeichnet von PM’in D.,
MAT A TH-1/2, Bl. 9.

748) Vermerk vom 12. Januar 1998, „Ermittlungen zum Garagen-
verein an der Kläranlage e. V.“, gezeichnet von KK F., MAT A
TH-1/2, Bl. 8.

749) Hierzu und im Folgenden: Ergänzender Sachstandsbericht und
Antrag auf Durchsuchung vom 12. Januar 1998, MAT A TH-

1/2, Bl. 10 f.

750) MAT A TH-2/8, Bl. 572.

Hauptvorwurf die Herkunft der Hinweise sauber doku-

mentieren wollen und deshalb zunächst auf ein offen

verwertbares Schreiben des LfV Thüringen gedrungen.

Als schließlich am 9. Januar 1998 zwar ein Schreiben

eingegangen war, dieses aber als VS-Vertraulich einge-

stuft war, habe er – auch vor dem Hintergrund des USBV-
Fundes am Nordfriedhof am 26. Dezember 1997 –
schließlich nicht länger warten wollen. Konkret äußerte

Dressler auf den Vorhalt, ob er sich nach Ablauf von vier

bis fünf Wochen nach dem Ende der Observation einer

weiteren Bitte um eine offizielle Mitteilung, dem darauf

erfolgten Eingang eines eingestuften Schreibens, nicht

gesagt habe „Jetzt reicht es, jetzt muss ich auf jeden Fall
tätig werden“:

„So in etwa trifft es den Sachverhalt, genau.“751

Vor dem Hintergrund des „Ergänzenden
Sachstandsberichts“ vom 12. Januar 1998752 wurde am
16. Januar 1998 durch die Staatsanwaltschaft Gera

(Staatsanwalt Schultz) beim zuständigen Ermittlungsrich-

ter des Amtsgerichts Jena ein Durchsuchungsbeschluss

für die drei genannten Garagen gemäß §§ 103, 105 StPO

beantragt
753

, der durch das Amtsgericht Jena am

19. Januar 1998 unter dem Gerichtsaktenzeichen 7 Gs

31/98 erlassen wurde.
754

In dem Durchsuchungsbeschluss

werden alle drei Garagen unter Nennung ihrer Anschrift

aufgezählt.

Der Zeuge Schultz hat hierzu bekundet:

„Und dann kam ein, ich sage mal, dürrer Vermerk,
wonach, ich glaube, der Böhnhardt und der

Mundlos beobachtet worden waren, wie sie Spiri-

tus und irgendwelche Gummiringe in eine Garage

gebracht haben, deren Existenz dem Landeskrimi-

nalamt nicht bekannt war. Und es gab in dem Zu-

sammenhang noch zwei weitere Garagen - eine

gehörte wohl dem Vater oder war angemietet vom

Vater Böhnhardt - und eine dritte Garage - die be-

fand sich nebendran. Da wollten wir natürlich, um

in den Ermittlungen weiterzukommen, doch mal in

die Garagen reingucken. […]

Dann kam das Landeskriminalamt zu mir. Dann

habe ich gesagt: Ja, gut, das versuchen wir. - Dann

habe ich beim Ermittlungsrichter in Jena einen

Durchsuchungsbeschluss für alle drei Garagen be-

antragt. Den habe ich auch erhalten.“755
751) Dressler, Protokoll-Nr. 53, S. 9.

752) Ergänzender Sachstandsbericht und Antrag auf Durchsuchung

vom 12. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 10 f.

753) Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses vom
16. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 12 f.; MAT A TH-2/7, Bl.

295 f.

754) Hierzu und im Folgenden: Beschluss des Amtsgerichts Jena
vom 19. Januar 1998, Az. 7 Gs 31/98, MAT A TH-1/2, Bl. 14f.;

MAT A TH-2/7, Bl. 297 f.

755) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 13.

Drucksache 17/14600 – 126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bb) Konkrete Vorbereitung der Durchsuchun-

gen

Aufgrund des erlassenen Durchsuchungsbeschlusses fand

am 19. Januar 1998
756

eine Rücksprache zwischen Staats-

anwalt Schultz und den Beamten der EG „TEX“, nament-
lich KK F. und PM’in D., statt.

aaa) Erörterung einer möglichen Festnahme der
Beschuldigten, insbesondere von Uwe
Böhnhardt, im Rahmen der Durchsuchun-
gen und abgesprochene Vorgehensweise
für den Fall des Fundes möglicher Be-
weismittel

Aus einem von KK F. gefertigten Vermerk vom

12. Februar 1998 geht dabei hervor, dass eine Festnahme

der Beschuldigten „nicht in Betracht gezogen“ worden
sei. Vielmehr sei in dieser Hinsicht mit der Staatsanwalt-

schaft Rücksprache zu halten, wenn die Durchsuchungs-

maßnahmen zum Auffinden von Beweismitteln führen

würden.
757

Dies war durch den Zeugen Schultz in seiner

Anhörung vor der Schäfer-Kommission
758

und seiner

Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss bestätigt

worden. Schultz hat hierzu geäußert:

„Wir hatten noch nicht genug in der Hand, um ei-
nen dringenden Tatverdacht zu rechtfertigen, in

keiner Weise.“759

Hintergrund der in dieser Hinsicht zögerlichen Haltung

war zudem möglicherweise, dass das Schreiben des LfV

Thüringen, aus dem sich der Bezug Böhnhardts zu der

Garage Nr. 5 an der Kläranlage ergab, zu diesem Zeit-

punkt (19. Januar 1998) noch als „VS-Vertraulich“ einge-
stuft war und somit ein personeller Bezug zwischen Uwe

Böhnhardt, Uwe Mundlos und der Garage Nr. 5 an der

Kläranlage nicht dargelegt werden konnte.
760

Der Zeuge Dressler hat hierzu geäußert:

„Na, es ging schlicht und ergreifend darum, ob wir
diese Personen dann auch bei Eintreffen festneh-

men sollten. Das wurde von der Staatsanwaltschaft

sehr restriktiv gehandhabt. Das wurde ausge-

schlossen. […] Die Staatsanwaltschaft ging sehr
vorsichtig damals mit diesen Informationen um

und hat festgelegt, dass, sofern hier irgendwelche

Feststellungen getroffen sind, zunächst immer mit
756) Vermerk des Landeskriminalamts Thüringen, EG „TEX“, zum

Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung eines Explosions-

oder Strahlungsverbrechens gem. § 311b StGB u. a., vom 23.
Februar 1998 (Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998),
MAT A TH-2/7, Bl. 57 ff. (62).

757) Vermerk vom 12. Februar 1997, MAT A TH-1/7, Bl. 41 ff.
(42).

758) Vermerk über die Befragung von Staatsanwalt Schultz vor der

Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl. 306 ff. (313).

759) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 14.

760) Vermerk der EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, KHK Dressler,
KK F., (nicht unterzeichnet), MAT A TH-1/7, Bl. 87 ff. (92).

der Staatsanwaltschaft die weiteren Maßnahmen

abzusprechen sind. Wir haben noch versucht, ob

wir das möglicherweise über erkennungsdienstli-

che Maßnahmen abfedern könnten. Aber der da-

malige Beschuldigte Böhnhardt war unlängst zu

diesem damaligen Zeitpunkt vorher ED behandelt

worden, sodass auch diese Möglichkeit für uns zu-

nächst erst mal nicht bestand.“761

Für den Fall des Auffindens umfangreicher Beweismittel,

so war laut dem Vermerk von KHK Dressler und KK F.

vom 23. Februar 1998 mit Staatsanwalt Schultz vereinbart

worden, solle mit ihm telefonisch Rücksprache gehalten

und weitere Maßnahmen abgestimmt werden.
762

bbb) Vorbereitung in sonstiger Hinsicht

Eingegangen werden soll hier insbesondere auf die Frage,

ob mit der Möglichkeit, in den Garagen Sprengstoff zu

finden, ernsthaft gerechnet wurde und inwiefern im Vor-

feld in Erwägung gezogen wurde, dass die Garagen ver-

schlossen sein könnten.

(1) Möglichkeit des Auffindens von Spreng-
stoff

In einem weiteren Vermerk vom 9. Januar 1998, der zwar

keine Unterschrift trägt, in dem jedoch „Dressler, KHK“
als Sachbearbeiter genannt wird, wird aufgeführt, auf

welche Gegenstände bei der Durchführung der Durchsu-

chungen zu achten ist. Hierbei werden insbesondere ge-

nannt: „chemische Substanzen unbekannter Zusammen-
setzung, die geeignet erscheinen, Sprengstoffmischungen

herzustellen“ sowie „TNT oder andere Sprengmittel“.763

EKHK Dressler hat hierzu vor dem Untersuchungsaus-

schuss bekundet:

„Unser Ziel war, auch mit den Durchsuchungen
letzten Endes Vergleichsmaterialien festzustellen

und zu finden, mit denen wir diesen Leuten diese

Straftaten nachweisen können. Deswegen auch

keine USBV mit vor Ort, also, ich meine, jetzt

USBV-Einheit nicht mit vor Ort, sondern nur

Stand-by im LKA in Vorbereitung, falls wir wirk-

lich Sprengstoffe finden. Primär waren wir darauf

ausgerichtet, an diesem Tag, zu dieser Durchsu-

chung Vergleichsmaterialien und Beweismittel zu

finden, die die Täterschaft für die vorangegange-

nen drei Straftaten belegen lassen.“764

Hieraus folgt, dass letztendlich nicht mit dem Auffinden

signifikanter Mengen an Sprengmitteln gerechnet wurde,
761) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 12.

762) Vermerk der EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, KHK Dressler,
KK F., (nicht unterzeichnet), MAT A TH-1/7, Bl. 87 ff. (92).

763) Vermerk „Durchsuchung USBV-Attrappen“ vom 9. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 30.

764) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 127 – Drucksache 17/14600

ansonsten hätte es nahe gelegen, die USBV-Einheit nicht

lediglich auf Abruf im LKA (in Erfurt!) bereit zu halten,

sondern diese bereits bei den Durchsuchungsmaßnahmen

mit einzusetzen.

(2) Möglichkeit, dass die Garagen verschlos-
sen sein könnten

Ermittlungen zu der Frage, inwiefern die zu durchsuchen-

den Garagen verschlossen sein könnten, sind in den Un-

terlagen nur vereinzelt enthalten. Bei den zu dem Ver-

merk von KK F. vom 12. Januar 1998 führenden Ermitt-

lungen war lediglich im Hinblick auf die Garage Nr. 5 des

Garagenvereins an der Kläranlage e. V. festgestellt wor-

den, dass jeder Mieter einen Schlüssel zu dem Garagen-

komplex besitze und der ehrenamtliche Verwalter des

Garagenkomplexes den Zugang zum Garagenkomplex

gewährleisten könne.
765

Darüber hinaus ist den Akten

nicht zu entnehmen, dass die Möglichkeit, dass die Gara-

ge als solche verschlossen sein könnte, im Vorfeld der

Durchsuchungen überhaupt erörtert worden wäre oder

dass bereits ein Schlüsseldienst o. Ä. mit vor Ort anwe-

send war oder dass dies erwogen worden wäre.

Der Zeuge Dressler hat auf die Frage, ob denn die Feuer-

wehr vorab informiert war, dass eine Durchsuchung statt-

findet und eine mögliche Schlossöffnung im Raum steht,

bekundet:

„Ja. Es wird nie vorab ein Schlüsseldienst oder ei-
ne Feuerwehr informiert, dass wir eine Durchsu-

chung machen, sondern wir fragen üblicherweise:

,Welcher Ansprechpartner steht uns zur Verfü-

gung?‘, und wenn wir auf die Situation treffen,
wird der sozusagen beauftragt und angefordert.“766

Problematisch war, dass Garage Nr. 5 zusätzlich noch mit

einem Vorhängeschloss gesichert war. Diese Möglichkeit

hatte die Polizei bei der Planung der Durchsuchungsmaß-

nahmen nicht in Betracht gezogen. Im Vorfeld der Durch-

suchung wurde zwar eine Probe des Splits von den We-

gen innerhalb des Garagenkomplexes gesichert, dabei

aber nicht der Verschluss der Garage Nr. 5 in Augen-

schein genommen.
767

ccc) Festlegung eines Termins für die Durch-
suchungsmaßnahmen

Als Termin für die Durchsuchungsmaßnahmen wurde

Montag, der 26. Januar 1998, festgesetzt.
768

Ein Durchsu-

chungstermin bereits in der Vorwoche, am 21. oder

22. Januar, scheiterte an der Kräftelage im LKA Thürin-

gen. Aufgrund einer dezernatsübergreifenden Maßnahme
765) Vermerk vom 12. Januar 1998 zu Ermittlungen über den Gara-

genverein an der Kläranlage e.V., MAT A TH-1/2, Bl. 8.

766) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 15.

767) MAT A TH-1/2, Bl. 10 ff.; Dressler, Protokoll-Nr. 55, S. 44 ff.

768) Hierzu und im Folgenden: Vermerk zum Ermittlungsverfahren

vom 23. Februar 1998, MAT A TH-1/7, Bl. 57 ff. (60).

im LKA Thüringen seien Kräfte gebunden gewesen. Der

Zeuge Dressler hat hierzu ausgeführt:

„Und nachdem der Beschluss vorlag - ich weiß
nicht mehr genau, wann das war -, haben uns nur

noch operative Dinge davon abgehalten, das viel-

leicht noch zwei, drei Tage vorher zu tun. Soweit

ich mich erinnere, waren andere Maßnahmen, an-

dere Abteilungen, die das verhinderten, sodass der

26. der erstmögliche Zeitpunkt war, an dem wir

das umsetzen konnten.“ 769

ddd) Verhinderung des Leiters der EG „TEX“,
Dressler, an diesem Tag wegen einer Fort-
bildungsmaßnahme

Der Leiter der EG „TEX“, KHK Dressler, konnte am
26. Januar 1998 aufgrund einer lange geplanten Ausbil-

dungsmaßnahme im Bereich EDV nicht an den Durchsu-

chungsmaßnahmen teilnehmen. Diese wurden daher von

seinem Vertreter, KK F., geleitet. Seitens des Vorgesetz-

ten im LKA wurde darauf Wert gelegt, dass KHK Dress-

ler an der Fortbildungsveranstaltung teilnimmt. Der Zeu-

ge Dressler äußerte hierzu vor dem Untersuchungsaus-

schuss:

„Es ist ja so, dass Lehrgänge lange im Voraus ge-
plant werden in Behörden, und dieser Lehrgang

war offensichtlich schon ein Jahr vorher geplant

worden. Dieser Lehrgang ging von früh um sieben

bis 13 Uhr, und danach bin ich an die Arbeit ge-

gangen. Also, so lief das seinerzeit ab. Und der

Lehrgang ging - ich hatte es mir noch mal

rausgeschrieben - vom 19.01. bis 30.01.98.“770

Auf den Vorhalt, ob wegen der im Raume stehenden

möglichen Aushebung einer Bombenwerkstatt zur Debat-

te gestanden hätte, einen Tag lang nicht an der Fortbil-

dung teilzunehmen, äußerte der Zeuge Dressler:

„Für meinen Dezernatsleiter offensichtlich nicht;
denn der hat mich zu diesem Lehrgang ge-

schickt.“771

und fügte hinzu:

„Auch sicher in dem Vertrauen - Entschuldigung -,
dass mein Stellvertreter diese Dinge ordentlich

handhabt, und wir hatten es in den Nachmittags-

stunden der Vortage auch entsprechend ja vorbe-

reitet. Insofern kann ich es in Teilen nachvollzie-

hen, obwohl es mich natürlich nicht befriedigt

hat.“772
769) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.

770) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.

771) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.

772) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 13.

Drucksache 17/14600 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Durchsuchungen am 26. Januar 1998

a) Ablauf

Am Morgen des 26. Januar 1998 fand um 6 Uhr in der

Kriminalpolizeiinspektion Jena durch den Durchsu-

chungsleiter KK F. eine Einweisung der an den geplanten

Durchsuchungsmaßnahmen teilnehmenden Polizeibeam-

ten statt. Hierbei teilte ein Beamter der Kriminalpolizeiin-

spektion Jena mit, dass der Besitzer der Garage Nr. 5,

Herr A., ebenfalls Polizeibeamter in Jena sei.
773

Während

sich die für die Durchsuchungen in den Garagen Nr. 6

und 7 in der Richard-Zimmermann-Straße 11 zuständigen

Polizeibeamten bereits zum Durchsuchungsort begaben

und gegen 7 Uhr mit der Durchsuchung der Garagen

begannen, wurde seitens des Durchsuchungsleiters und

der für die Durchsuchung der Garage Nr. 5 zuständigen

Polizeibeamten in der Kriminalpolizeiinspektion Jena das

Eintreffen des Polizeibeamten A. abgewartet, der gegen

7 Uhr eintraf. Ab 6.45 Uhr waren sämtliche Garagen,

auch die Garage Nr. 5 an der Kläranlage, durch die

Schutzpolizei gesichert worden.

aa) Durchsuchung Garage Nr. 5, Garagenver-
ein an der Kläranlage e. V.

Nachdem der Besitzer der Garage Nr. 5, der Polizeibeam-

te A., gegen 7 Uhr in der Kriminalpolizeiinspektion Jena

eingetroffen war, wurde ihm der Durchsuchungsbeschluss

ausgehändigt. Er wurde kurz zum Sachverhalt befragt und

teilte mit, dass er die Garage seit Sommer 1996 an eine

weibliche Person vermietet habe.
774

A. begleitete die

Durchsuchungskräfte zur Garage Nr. 5, wo man gegen
8.15 Uhr eintraf.

775
Da Herr A. zwar für das Schloss in der

Mitte des Tores befindlichen Knebel, nicht jedoch für ein

ebenfalls angebrachtes Vorhängeschloss über einen

Schlüssel verfügte, wurde die Feuerwehr hinzugerufen,

die gegen 9 Uhr vor Ort eintraf und das Vorhängeschloss

schließlich öffnete. Die Kriminalkommissare F. und T.

stellten bei einer ersten Durchsicht ein in einem Schraub-

stock steckendes Rohrstück fest, welches am unteren

Ende zugequetscht und am oberen Ende mit einer Masse

verfüllt war, aus der zwei Drähte herausragten.
776

Es wur-

de vermutet, dass es sich hierbei um eine weitere USBV

handelt. Die Garage wurde daraufhin wieder verschlos-

sen, um Spezialkräfte des Dezernats 33 des LKA Thürin-

gen zur Sicherung des vermuteten Sprengstoffs anzufor-

dern, welche gegen 11 Uhr – aus Erfurt eingetroffen – mit
773) Hierzu und im Folgenden: Vermerk EG „TEX“ vom

23. Februar 1998, MAT A TH-2/7, Bl. 57 ff. (60).

774) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (60).

775) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungsbericht des LKA

Thüringen, EG „TEX“, vom 27. Januar 1998 über die Durchsu-
chung der Garage Nr. 5, MAT A TH-2/7, Bl. 307 ff. (308).

776) Protokoll der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-

amten F., MAT A TH-6/3, Bl. 107 ff. (109).

ihrer Arbeit begannen. Gegen 13 Uhr war die Durchsu-

chungsmaßnahme beendet.

bb) Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und Nr. 7

Die Durchsuchungsmaßnahmen in der Richard-

Zimmermann-Straße begannen sogleich nach der Einwei-

sung um etwa 7 Uhr.
777

Zunächst wurde die Wohnung der

Familie Böhnhardt aufgesucht, wo Uwe Böhnhardt und

dessen Mutter angetroffen wurden.
778

Beiden wurde ein

Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt. Während Frau

Böhnhardt den Durchsuchungsmaßnahmen nicht bei-

wohnte, öffnete Uwe Böhnhardt zunächst noch die Gara-

ge Nr. 6 und fuhr nach der Durchsuchung seinen in der

Garage abgestellten PKW nach draußen. Die Durchsu-

chung der Garage Nr. 6 war gegen 9.30 Uhr abgeschlos-

sen. Danach erfolgte die Durchsuchung der Garage

Nr. 7.
779

Hier wurden drei Farbspraydosen sichergestellt.

cc) Kommunikation zwischen den Durchsu-
chungsteams

In einem am 23. Februar 1998 angefertigten Vermerk ist

bzgl. der Kommunikation zwischen den Durchsuchungs-

teams festgehalten:

„Die Kommunikation zwischen den Durchsu-
chungskräften bestand mittels Funk, Arbeitskanal

der PD Jena.“780

Über den tatsächlichen Umfang der Kommunikation und

die genauen Zeitpunkte erfolgter Mitteilungen, etwa im

Hinblick auf die Frage, wann und auf welche Weise ge-

nau das Auffinden der Bombenwerkstatt dem Durchsu-

chungsteam in der Richard-Zimmermann-Straße mitge-

teilt wurde, finden sich keine konkreten Hinweise in den

Akten. Der Leiter des Durchsuchungsteams in der Ri-

chard-Zimmermann-Straße, N., bekundete in seiner Be-

fragung vor der Schäfer-Kommission, er wisse nicht

mehr, ob überhaupt Funkverkehr zwischen ihm und dem

anderen Durchsuchungsleiter bestanden habe, könne es

sich aber vorstellen.
781

Der Beamte M. hat davon berich-

tet, dass es Funkverkehr gegeben habe.
782
777) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,

Bl. 57 ff. (60).

778) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungsbericht des LKA

Thüringen vom 27. Januar 1998 über die Durchsuchung der Ga-

ragen in der Richard-Zimmermann-Straße, MAT A TH-2/7, Bl.

347 ff. (348).

779) Durchsuchungsbericht des LKA Thüringen vom 27. Januar

1998 über die Durchsuchung der Garagen in der Richard-

Zimmermann-Straße, MAT A TH-2/7, Bl. 347 ff. (349).

780) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (61).

781) Protokoll der Aussage von KHK N. vor der Schäfer-
Kommission, MAT A TH-6, Bl. 136 ff. (137).

782) Protokoll der Aussage des Polizeibeamten M. vor der Schäfer-

Kommission vom 2. Januar 2012, MAT A TH-6, Bl. 35 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129 – Drucksache 17/14600

dd) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft

aaa) Kontaktaufnahmeversuch durch KK F. mit
Staatsanwalt Schultz

Staatsanwalt Schultz war am 26. Januar 1998 krankheits-

bedingt dienstunfähig. Er war bereits in der Vorwoche

schwer erkrankt.

Nach Auffinden der vermuteten weiteren USBV in der

Garage Nr. 5 wurde durch Kriminalkommissar F. zwi-

schen 9.15 Uhr und 10 Uhr – offensichtlich in Unkenntnis
der Tatsache, dass dieser erkrankt war – mehrmals ver-
sucht, mit Staatsanwalt Schultz in Gera Kontakt aufzu-

nehmen.
783

Durch die Telefonvermittlung wurde mitge-

teilt, dass Staatsanwalt Schultz noch nicht im Haus sei.

bbb) Kontaktaufnahme von KHK L. mit Staats-
anwalt Sbick

Aufgrund der Tatsache, dass Kriminalkommissar F.

Staatsanwalt Schultz nicht erreichen konnte, wurde KHK

L. gegen 10.30 Uhr von KK F. gebeten, mit der Staatsan-

waltschaft Gera Kontakt aufzunehmen und das Ergebnis

der Durchsuchung bekannt zu geben.
784

KK F. konnte

daraufhin Staatsanwalt Sbick von der StA Gera erreichen,

welcher nach Kenntnisnahme vom bisherigen Ergebnis

der Durchsuchung der Garage Nr. 5 die Festnahme von

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie

– wegen Gefahr im Verzug ohne Einholung eines richter-
lichen Durchsuchungsbeschlusses – die Durchsuchung
aller dieser zugeordneter Objekte anordnete.

785
ee) Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt den Ort
verließ

Über den genauen Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt am

26. Januar 1998 die Örtlichkeit der Durchsuchung in der

Richard-Zimmermann-Straße verließ, gibt es unterschied-

liche Angaben:

In einem am 23. Februar 1998 durch KHK Dressler und

KK F. verfassten Vermerk wird ein Zeitraum zwischen

8.30 Uhr und 9 Uhr genannt
786

, wobei jedoch beide Per-

sonen nicht vor Ort in der Richard-Zimmermann-Straße

anwesend waren. Dieser Zeitraum liegt zeitlich vor dem

Auffinden der USBV in der Garage Nr. 5 nach dem Öff-

nen des Garagentores durch die Feuerwehr um ca. 9 Uhr.

In dem durch den Leiter der Durchsuchung in der Ri-

chard-Zimmermann-Straße, Kriminalhauptkommissar N.
783) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,

Bl. 57 ff. (61).

784) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von Kriminalhauptkom-

missar L. vom 26. Januar 1998, MAT A TH-2/7, Bl. 361 f.;
Protokoll der Befragungen der Schäfer-Kommission, Befragung

des Polizeibeamten F., Bl. 107 ff. (109).

785) Handschriftlicher Vermerk von Staatsanwalt Sbick (undatiert),
MAT A TH-2/15, Bl. 81 und 82, jeweils Rückseite.

786) Vermerk EG „TEX“ vom 23. Februar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 57 ff. (60).

verfassten Vermerk ist nicht ausdrücklich erwähnt, dass

Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verließ, sondern lediglich,

dass er zu Beginn der Durchsuchung der Garage Nr. 6

noch anwesend gewesen sei, am Ende jedoch nicht mehr,

wobei das Ende der Durchsuchung von Garage Nr. 6 mit

9.30 Uhr angegeben wird.
787

Zum Zeitpunkt der Mittei-

lung von dem Fund der USBV enthält dieser Vermerk

keine Angaben.

In den Befragungen durch die Schäfer-Kommission hat

der an den Durchsuchungsmaßnahmen beteiligte Beamte

T. bekundet, dass die Information über das Auffinden der

USBV jedenfalls erst bei der Durchsuchungsgruppe in der

Richard-Zimmermann-Straße eintraf, als Uwe Böhnhardt

die Örtlichkeit bereits verlassen hatte.
788

Die Polizeibeamten N., F. und D. hatten in ihren Befra-

gungen vor der Schäfer-Kommission keine konkreten

Erinnerungen mehr an die zeitlichen Abläufe vor Ort.
789

Der Polizeibeamte M., der an der Durchsuchung in der

Richard-Zimmermann-Straße beteiligt war, hat in einer

dienstlichen Äußerung vom 29. November 2011 noch

bekundet, dass er sich am 26. Januar 1998 gewundert

habe, dass Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verlassen durf-

te, obwohl in der anderen Garage Sprengstoff aufgefun-

den worden sei
790

, was dafür spreche, dass Böhnhardt die

Örtlichkeit trotz Kenntnis von dem aufgefundenen

Sprengstoff habe verlassen dürfen. Auch in seiner Ver-

nehmung vor der Schäfer-Kommission war er sich zu-

nächst sicher, dass Uwe Böhnhardt die Örtlichkeit verlas-

sen habe, als man bereits Kenntnis von dem Fund der

USBV gehabt habe, dass jedoch eine Festnahme ohne

Entscheidung des zuständigen Staatsanwalts nicht habe

erfolgen sollen.
791

Am Ende seiner Vernehmung äußerte

M. dann jedoch, dass er sich nicht mehr sicher sei, ob

Böhnhardt erst nach Kenntnis von der USBV in der Ga-

rage Nr. 5 weggefahren sei.
792

Der Leiter der EG „TEX“, KHK Dressler, der an den
Durchsuchungsmaßnahmen der Garagen selbst nicht

beteiligt war, äußerte, dass er davon ausgehe, dass der
787) Durchsuchungsbericht des LKA Thüringen vom 27. Januar

1998 über die Durchsuchung der Garagen in der Richard-

Zimmermann-Straße, MAT A TH-2/7, Bl. 347 ff. (348).

788) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-

amten T., MAT A TH-6/3, Bl. 19 ff., Bl. 19: „Und wir waren
noch nicht in der Garage drin. Und da hieß es, ob wir da noch

einen Grund haben, den Böhnhardt festzuhalten. Ich hörte das

über Funk.“

789) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten F., MAT A TH-6/3, Bl. 107 ff. (109); Befragung der Po-

lizeibeamtin D., MAT A TH-6/3, Bl. 71 ff. (72); Befragung des

Polizeibeamten N., MAT A TH-6/3, Bl. 136 f. (137).

790) Dienstliche Äußerung des Polizeibeamten M. vom

29. November 2011, MAT A TH-6/3, Bl. 41 ff. (43).

791) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-
amten M., MAT A TH-6/3, Bl. 35 ff. (36).

792) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-

amten M., MAT A TH-6/3, Bl. 35 ff. (40).

Drucksache 17/14600 – 130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beamte N., hätte er bereits von dem Fund der USBV

gewusst, Uwe Böhnhardt sicher festgenommen hätte.
793

b) Mögliche Fehler bei der Durchführung der
Durchsuchungen

aa) Auflistung aller Durchsuchungsobjekte in
einem Durchsuchungsbeschluss

Die Staatsanwaltschaft Gera beantragte am

16. Januar 1998 beim Amtsgericht Jena einen einzigen

Durchsuchungsbeschluss für drei Objekte, der auch in

dieser Form erlassen wurde.
794

Da die Durchsuchungen

nicht gleichzeitig stattfanden, erfuhr Uwe Böhnhardt

während der Durchsuchung seines Zimmers von der dro-

henden Durchsuchung der Garage, in der sich die Bom-

benbauwerkstatt befand.

Der Zeuge Schultz, der damals als Staatsanwalt den

Durchsuchungsbeschluss beantragt hatte, hat ausgesagt,

dass vor der Durchsuchung mit der Polizei besprochen

worden sei, alle drei Objekte zeitgleich zu durchsuchen.
795

Es sei auch heute noch üblich, dass alle Durchsuchungs-

objekte in einem einzigen Beschluss genannt werden. Er

habe sich zuletzt bei Kollegen erkundigt, die Ermittlungs-

verfahren im Zusammenhang mit organisierter Kriminali-

tät bearbeiteten. Auch das Computerformular sei entspre-

chend aufgebaut.
796

bb) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft

Es war nicht sichergestellt, dass problemlos mit der

Staatsanwaltschaft kommuniziert werden konnte (siehe

oben: a), S. 128). Offensichtlich war bei den Durchsu-

chungskräften nicht bekannt, dass Staatsanwalt Schultz

bereits in der Vorwoche erkrankt war, weshalb KK F.

zunächst versucht hatte, Staatsanwalt Schultz zu errei-

chen, bevor später durch KHK L. Staatsanwalt Sbick

erreicht wurde und sogleich die Festnahme anordnete.

Bei Anwesenheit eines Staatsanwaltes bei den Durchsu-

chungsmaßnahmen, welche in Nr. 3 der Richtlinien für

das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) vorgeschrie-

ben war, die seit 1991 auch in Thüringen galt, hätte sich

dieses Problem nicht gestellt. In „bedeutsamen oder in
rechtlich oder tatsächlich schwierigen Fällen“ „soll“ der
Staatsanwalt den Sachverhalt nach dieser Vorschrift vom

ersten Zugriff an selbst aufklären.

Bzgl. einer möglichen Festnahme von Böhnhardt ist die

Frage der Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft

dann relevant, wenn man die Aussage des Polizeibeamten

M. vor der Schäfer-Kommission zu Grunde legt. Dieser
793) Protokolle der Schäfer-Kommission, Befragung des Polizeibe-

amten D., MAT A TH-6/3, Bl. 24 ff. (30).

794) MAT A TH-2/7, Bl. 297 f.

795) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 15.

796) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 39.

hat dort bekundet, er sei sicher, dass zu einer Zeit, als

Böhnhardt noch am Durchsuchungsort in der Richard-

Zimmermann-Straße anwesend war, bekannt geworden

sei, dass die Kollegen bei der anderen Garage fündig

geworden seien. Es sei gesagt worden, dass keine Fest-

nahme erfolgen solle, weil man erst mit dem zuständigen

Staatsanwalt sprechen wollte.
797

Später hatte M. laut dem Protokoll allerdings auch mitge-

teilt, dass er sich am Ende der Befragung nicht mehr si-

cher sei, ob Böhnhardt erst nach Auffinden der Rohrbom-

ben die Örtlichkeit verlassen habe.
798

cc) Mangelhafte Vorbereitung der Durchsu-
chungen

Fehler können hier darin liegen, dass

– nicht bekannt war, dass es sich bei dem Garagenbe-
sitzer A. um einen Polizeibeamten handelte.

In diesem Fall wäre man möglicherweise trotz der

Übereinstimmung mit dem Geburtsnamen von Be-

ate Zschäpe an ihn herangetreten und hätte bereits

im Vorfeld der Durchsuchung ermittelt, dass Beate

Zschäpe die Garage Nr. 5 von ihm gemietet hatte,

was wiederum möglicherweise Auswirkungen auf

die Art und Weise der Vorbereitung der Durchsu-

chung gehabt hätte.

– nicht abgeklärt wurde, ob und, wenn ja, wie die Ga-
rage Nr. 5 verschlossen war und ggf. ein Schlüssel-

dienst oder die Feuerwehr von Anfang an mit vor Ort

gewesen war.

Man musste damit rechnen, dass die Garage Nr. 5

verschlossen ist.

– trotz der im Raume stehenden Suche nach Spreng-
stoff die entsprechende Einheit lediglich im LKA in

Erfurt in Bereitschaft stand, was einen weiteren Zeit-

verlust zur Folge hatte.

c) Verhaftung des Trios am Tag der Durchsu-
chungen möglich?

aa) Vor dem Auffinden der USBV und der wei-
teren Beweismittel in der Garage Nr. 5

Nach dem Ergebnis der Bewertung der Schäfer-

Kommission bestand vor dem Auffinden der USBV in der

Garage an der Kläranlage keine Möglichkeit für einen

Haftbefehl gegen Uwe Böhnhardt, da der hierfür gemäß
797) Protokoll der Aussage des Polizeibeamten M. vor der Schäfer-

Kommission vom 2. Januar 2012, MAT A TH-6, Bl. 35 ff. (36).

798) Protokoll der Aussage des Polizeibeamten M. vor der Schäfer-

Kommission vom 2. Januar 2012, MAT A TH-6, Bl. 35 ff. (40).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/14600

§ 112 StPO erforderliche dringende Tatverdacht nicht

vorgelegen habe.
799

Auch Staatsanwalt Schultz vertrat vor dem Untersu-

chungsausschuss des Thüringer Landtags die Ansicht, vor

der Garagendurchsuchung habe kein dringender Tatver-

dacht vorgelegen:

„Nein, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt - ein-
mal, weil wegen dieser Theaterbombe gegen ihn

bislang nur ein Anfangsverdacht bestand, da be-

stand nicht der für einen Haftbefehl notwendige

dringende Tatverdacht. Ein dringender Tatverdacht

bedeutet einen Tatverdacht allerhöchsten Grades,

der höher sein muss - zumindest für diesen Zeit-

punkt, an dem der Haftbefehl ausgestellt wird - als

ein Verdacht, den man später für die Anklage

braucht. Für die Anklage braucht man nur einen

hinreichenden Tatverdacht, für einen Haftbefehl

braucht man einen dringenden Tatverdacht. Dieser

dringende Tatverdacht war zu diesem Zeitpunkt

bei der Beweislage noch nicht gegeben.“800

bb) Nach dem Auffinden der USBV in der Ga-
rage Nr. 5

Nach dem Auffinden der USBV in der Garage an der

Kläranlage waren die Voraussetzungen eines Haftbefehls

gegen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe

gegeben. Die Anmietung der Garage durch Beate Zschäpe

und der entsprechende Bezug zu Uwe Böhnhardt, der sich

auch aus den Erkenntnissen aus der Telefonüberwachung

im Puppentorso-Verfahren ergab, sowie der aus der

Überwachungsmaßnahme des LfV Thüringen folgende

Bezug von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu der

Garage an der Kläranlage hätten einen dringenden Tat-

verdacht im Sinne von § 112 StPO begründet. Angesichts

der Höhe einer möglichen Strafe wäre der zusätzlich zum

dringenden Tatverdacht erforderliche Haftgrund der

Fluchtgefahr, insbesondere unter Berücksichtigung der

mittlerweile rechtskräftigen Jugendstrafe gegen Uwe

Böhnhardt, die im Puppentorso-Verfahren verhängt wor-

den war, gegeben gewesen. Die möglichen Gründe dafür,

weshalb es am 27. Januar 1998 nicht zur Beantragung von

Haftbefehlen durch die Staatsanwaltschaft Gera kam,

werden unten im Abschnitt B. V. 6. b) dargestellt.

d) Ergebnis der Garagen-Durchsuchungen

Die Durchsuchungsmaßnamen in der Garage Nr. 5 an der

Kläranlage führten zum Auffinden zahlreicher Beweis-

mittel, die für die Beweisführung zu den in Jena aufge-

fundenen Bomben und Bombenattrappen zielführend

waren; nicht zuletzt wurde auch eine größere Menge

Sprengstoff (ca. 1,4 kg TNT) gefunden. Darüber hinaus

wurden Gegenstände aufgefunden, die über mögliche

Kontaktpersonen des Trios in der rechten Szene Auskunft
799) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 77 f., Rn. 113-116.

800) Protokoll der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Thü-

ringer Landtages vom 3. Juli 2012, MAT B TH-1/4, Bl. 167.

geben. Das im Rahmen der Durchsuchung angefertigte

Sicherstellungsprotokoll führt insgesamt 61 Positionen

auf, die teilweise weitere Unterpositionen enthalten.
801

In

den Garagen Nr. 6 und Nr. 7 in der Richard-

Zimmermann-Straße wurden keine relevanten Beweismit-

tel aufgefunden.
802

aa) Beweismittel, die auf eine Täterschaft des
Trios bei den Bombenfunden und den
Briefbombenattrappen schließen lassen

Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Beweismittel

sowie weitere Indizien deuteten auf eine Täterschaft des

Trios bzgl. der in Jena aufgefundenen Bomben und Bom-

benattrappen sowie bzgl. der Versendung der Briefbom-

benattrappen durch das Trio hin. Es waren sowohl Indi-

zien dafür vorhanden, dass die USBVen sowie die Brief-

bomben in der Garage Nr. 5 hergestellt wurden als auch

dafür, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe in der Garage anwesend waren.

Nicht zuletzt deutete auch die Flucht des Trios nach dem

Auffinden der Garage Nr. 5 auf eine Täterschaft hin.

Durch die Staatsanwaltschaft Gera war dies entsprechend

gewertet worden. Oberstaatsanwalt Schultz hat hierzu

geäußert:

„Dass sie abgetaucht sind, werteten wir damals als
Schuldeingeständnis aller drei.“803

aaa) Beweise für die Herstellung der USBVen
sowie der Briefbomben in der Garage Nr. 5

Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Gegenstände

wurden ausführlich kriminaltechnisch untersucht, und

zwar unter anderem durch chemische, biologische und

trassologische
804

Gutachten. Die eingeholten Gutachten

sind in den Akten enthalten. Durch die EG „TEX“ wurde
eine ca. 25 Seiten umfassende Übersicht erarbeitet.

805
Exemplarisch seien die nachfolgenden Ergebnisse her-

ausgegriffen:

– Durch kriminaltechnische Untersuchungen konnte
unter anderem festgestellt werden, dass die Anstriche

der im Ernst-Abbé-Stadion und der vor dem Theater

abgestellten Holzkiste bzw. Koffer mit Farbresten der

weißen und schwarzen Farbe auf einem in der Garage

Nr. 5 aufgefundenen Bettlaken übereinstimmten.
806
801) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll bzgl. der Garage

Nr. 5 an der Kläranlage, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff.

802) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll der Garagen in

der Richard-Zimmermann-Straße, MAT A TH-1/2, Bl. 181 ff.

803) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 18.

804) Trassologie ist die Lehre von den technischen Formspuren

(beispielsweise Werkzeugspuren).

805) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,
MAT A TH-2/7, Bl. 533 ff.

806) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,

MAT A TH-2/7, Bl. 533.

Drucksache 17/14600 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– In einem roten Plastikeimer aufgefundene Farbreste

stimmten zudem mit der roten Farbe der Holzkiste

bzw. des Koffers aus dem Stadion und vom Theater-

platz überein.
807

– Auch die Zusammensetzung des Schwarzpulvers, das
in dem am Theaterplatz abgestellten Koffer enthalten

war, stimmte in der Zusammensetzung mit Substanz-

resten überein, die in einer Kunststoffschale in der

Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgefunden wur-

de.
808

Zu den Hinweisen, die auf eine Herstellung der Brief-

bomben in Garage Nr. 5 schließen lassen, wird auf die

Ausführungen oben im Abschnitt B. V. 1. d) verwiesen.

bbb) Beweise für die Anwesenheit von Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe in der Garage Nr. 5

An fünf in der Garage Nr. 5 aufgefundenen
809

Filterziga-

rettenresten konnten DNA-Spuren von Beate Zschäpe

festgestellt werden.
810

Auf zwei weiteren in der Garage Nr. 5 aufgefundenen
811

Filterzigarettenresten konnten DNA-Spuren von Uwe

Böhnhardt nachgewiesen werden.
812

Beate Zschäpe hatte die Garage Nr. 5 am 10. August 1996

von Herrn Klaus A. angemietet.
813

In seiner Vernehmung

durch die Polizei Jena am 28. Januar 1998 gab A. an, dass

Beate Zschäpe bei Abschluss des Mietvertrages in Beglei-

tung eines jungen Mannes bei ihm erschienen sei.
814

Wie bereits ausgeführt, wurde Uwe Böhnhardt am

25. November 1997 durch das LfV Thüringen observiert.

Hierbei wurde beobachtet, wie er in Begleitung von Uwe

Mundlos nach dem Kauf von Brennspiritus und Gummi-

ringen die Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgesucht

hatte, um die gekauften Gegenstände dort hinzubringen,

und sich beide hierbei konspirativ verhalten hatten.
815

Es wurden mehrere Unterlagen aufgefunden, die Uwe

Mundlos zugeordnet werden konnten, so zum Beispiel

dessen Reisepass und eine Meldebescheinigung sowie
807) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,

MAT A TH-2/7, Bl. 538.

808) Gesamtübersicht bzgl. kriminaltechnischer Untersuchungen,

MAT A TH-2/7, Bl. 540.

809) Nr. 34 des Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolls der

Garage Nr. 5, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff. (148).

810) Gutachten des LKA Thüringen vom 16. März 1998, MAT A
TH-1/2, Bl. 474 ff.

811) Nr. 34 des Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolls der

Garage Nr. 5, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff. (148).

812) Gutachten des LKA Thüringen vom 16. März 1998, MAT A

TH-1/2, Bl. 474 ff.

813) Mietvertrag für eine Garage vom 10. August 1996, MAT A
TH-1/2, Bl. 101 ff.

814) Vernehmungsprotokoll mit Klaus A., MAT A TH-1/2, Bl. 97 ff.

815) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 65 f., Rn. 83.

Mundlos zuzuordnende Mietunterlagen.
816

Darüber hinaus

sind auch die beiden aufgefundenen Adress- und Telefon-

listen, auf die weiter unten einzugehen sein wird, Uwe

Mundlos zuzuordnen, da auf diesen dessen Telefonnum-

mer zu der Anschrift Max-Steenbeck-Straße 12a als „ei-
gene Telefonnummer“ aufgeführt ist.817

bb) Beweismittel, die auf die Planung weiterer
Straftaten schließen lassen – Menge des
aufgefundenen Sprengstoffs

Aus den aufgefundenen Gegenständen ließ sich schließen,

dass weitere Straftaten geplant waren. Hierauf deutet

insbesondere der Fund von zwei weiteren Rohrbomben

sowie einer größeren Menge an Sprengstoff hin. Auf den

im Rahmen der Durchsuchung angefertigten Fotoaufnah-

men ist zu erkennen, dass zwei Rohrbomben, die jeweils

TNT enthielten, aufgefunden wurden. Eine der Rohrbom-

ben enthielt zudem Metallteile, u. a. Sechskant-Muttern.

Vor dem Hintergrund der bereits aufgefundenen USBV-

Attrappen konnte darauf geschlossen werden, dass beab-

sichtigt war, diese Rohrbomben zu verwenden.

Bzgl. der Menge des in der Garage Nr. 5 an der Kläranla-

ge aufgefundenen Sprengstoffs wird häufig eine Menge

von 1.392 Gramm genannt.
818

Die Herkunft dieser Zahl

konnte aus den dem Ausschuss vorliegenden Akten nur

bedingt nachvollzogen werden.

Unter den Ziffern 1, 2, 3, 5, 8, 9, 11 und 12 des Durchsu-

chungs- und Sicherstellungsprotokolls der Garage Nr. 5
819

sind die Gegenstände aufgeführt, die Sprengstoff enthiel-

ten oder hätten enthalten können. Besonders hervorzuhe-

ben ist hier die als Ziff. 9 in dem Protokoll erwähnte „Tü-
te mit rotem Klebeband“. Diese enthielt allein 500 – 750
Gramm des Sprengstoffs TNT.

Die Auswertung dieser Gegenstände erfolgte durch das

kriminaltechnische Dezernat des LKA Thüringen. Die

Ergebnisse sind in einem Auswertungsbericht vom

19. August 1998 niedergelegt.
820

Eine Mengenbestim-

mung lässt sich diesem Auswertungsbericht nicht ent-

nehmen.

Erst neun Monate später erfolgte eine Bestimmung der

Menge des Sprengstoffs. Hintergrund war eine entspre-

chende mündliche Verfügung von Staatsanwalt Mohr-
816) Nr. 20 A. 1 und 20 A. 4 des Durchsuchungs- und Sicherstel-

lungsprotokolls, MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff. (146).

817) Adress- und Telefonliste, Asservat Nr. 23.6.1, MAT A TH-1/2,

Bl. 283.

818) Z. B. Gutachten der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6, S. 72,

Rn. 99.

819) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll der Garagen in
der Richard-Zimmermann-Straße, MAT A TH-1/2, Bl. 181 ff.

820) Auswertungsbericht vom 19. August 1998, MAT A TH-1/2, Bl.

511 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/14600

mann vom 1. Dezember 1998 gegenüber EKHK Dress-

ler.
821

Die Ergebnisse der Mengenbestimmung sind in einem mit

„Ergänzung zum Auswertungsbericht“ überschriebenen
Vermerk vom 28. Dezember 1998 niedergelegt.

822
Hierin

sind folgende Mengenangaben genannt, wobei zu berück-

sichtigen ist, dass der Sprengstoff als solcher zwischen-

zeitlich vernichtet worden war und nur eine Schätzung

anhand der Raummaße erfolgte:

– Spur 1: Inhaltsstoffe unbekannt

– Spur 2: kein Sprengstoff

– Spur 3: 401,9 g TNT

– Spur 5: Inhaltsstoffe unbekannt

– Spur 8: 49,6 g TNT

– Spur 9: 500 – 750 g TNT

– Spur 11: keine Mengenbestimmung möglich

– Spur 12: 341,6 g TNT

Im Fall der Spur 9 wurde hierbei das Volumen des Be-

hältnisses mit der Masse gleichgesetzt, ohne die Dichte

des TNT zu berücksichtigen.

Addiert man die Mengen aus den Spuren 3, 8, 9 und 12,

so erhält man (wenn man bei Spur 9 500 g ansetzt) einen

Wert von 1 293,1 Gramm. Es liegt mithin nahe, dass die

zuvor erwähnte Mengenangabe von 1 392 Gramm, die

sich aus den Akten entnehmen lässt, Resultat eines Zah-

lendrehers ist. Ermittlungshandlungen, mit denen die

Herkunft des Sprengstoffs versucht wurde abzuklären,

konnte der Ausschuss nicht feststellen.

cc) Beweismittel, die für die Fahndung nach
dem Trio relevant waren

Darüber hinaus wurden in der Garage Nr. 5 an der Klär-

anlage auch Beweismittel aufgefunden, die bei der Suche

nach dem Trio nützlich waren oder bei fachgerechter

Auswertung jedenfalls hätten nützlich sein können, näm-

lich ein Ordner mit Schriftverkehr und zwei Adress- und

Telefonlisten. Hierauf wird im Abschnitt E. II. im Zu-

sammenhang mit den Suchmaßnahmen des LKA Thürin-

gen näher eingegangen. Ermittlungshandlungen zur Ab-

klärung der Herkunft des Sprengstoffs hat der Ausschuss

nicht feststellen können.

e) Weitere Durchsuchungsmaßnahmen und
Ad-hoc-Suchmaßnahmen am 26. Januar
1998

Im Anschluss an die Durchsuchungen der Garagen wur-

den am 26. Januar 1998 aufgrund der in der Garage Nr. 5
821) Telefonvermerk des Zeugen Dressler vom 1. Dezember 1998,

MAT A TH-1/3, Bl. 370.

822) Ergänzung zum Auswertungsbericht vom 28. Dezember 1998,

MAT A TH-1/2, Bl. 515.

aufgefundenen Beweismittel weitere Durchsuchungen

durchgeführt, die durch die Staatsanwaltschaft Gera ohne

Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses

wegen Gefahr in Verzug (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2

StPO) angeordnet worden waren.
823

Zweck der Durchsu-

chungen war sowohl die Suche nach dem Trio als auch

das Auffinden weiterer Beweismittel.

Im Einzelnen wurden am Nachmittag des 26. Januar 1998

die folgenden Objekte durchsucht:

– Wohnung von Beate Zschäpe in der
Schomerusstraße.

824
Hier wurde unter anderem ein „Pogromly“-Spiel,825
ein Morgenstern, eine Armbrust mit fünf Pfeilen und

Zielfernrohr, ein Wurfstern und ein Luftgewehr mit

Zielfernrohr sichergestellt.
826

Am 11. Februar 1998

wurde darüber hinaus der Keller durchsucht. Hier

wurde ein Paket Dämmwolle sichergestellt.
827

– Zimmer von Uwe Böhnhardt in der Wohnung seiner
Eltern, zwischen 16.53 Uhr und 18.05 Uhr.

828
Hier wurden unter anderem diverse Patronen für

CO2-Waffen sichergestellt.

– Wohnung von Uwe Mundlos, zwischen 15.25 Uhr
und 16.05 Uhr.

829
Hier erschien Juliane W., die damalige Freundin von

Ralf Wohlleben, die im Besitz der Wohnungsschlüs-

sel war, und gab an, sie habe am Vortag die Woh-

nungsschlüssel von Mundlos erhalten, um in der

Wohnung fernsehen zu können. Es wurde bemerkt,

dass sich in der Wohnung kein Fernsehgerät befand.

Zudem wurde festgestellt, dass der offensichtlich

einmal in der Wohnung befindliche Computer ent-

fernt worden war.

Darüber hinaus wurden am Nachmittag des

26. Januar 1998 weitere Suchmaßnahmen durchgeführt,
830

insbesondere wurden die Wohnungen von Ralf Wohlleben

und André Kapke und des Bruders von Uwe Böhnhardt

überprüft, um mögliche Kontaktorte herum wurde nach

den Fahrzeugen von Böhnhardt und Mundlos gesucht und
823) Vermerk von KK L. vom 26. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl.

201 f.

824) Durchsuchungsbericht von KK V. vom 2. Februar 1998, MAT

A TH-1/2, Bl. 229 ff.

825) Im Hinblick hierauf wurde ein gesondertes Ermittlungsverfah-

ren eingeleitet, vgl. Vermerk vom 23. März 1998, MAT A TH-

2/7, Bl. 396.

826) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 26. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 241 ff.

827) Durchsuchungsbericht vom 11. Februar 1998, MAT A TH-1/2,

Bl. 249.

828) Durchsuchungsbericht vom 27. Januar 1998, MAT A TH-2/7,

Bl. 371 f.

829) Durchsuchungsbericht vom 27. Januar 1998, MAT A TH-2/7,
Bl. 364 ff.

830) Hierzu und im Folgenden: Bericht über die Maßnahmen zur

Ergreifung der Tatverdächtigen, MAT A TH-1/3, Bl. 8 f.

Drucksache 17/14600 – 134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
die Gaststätte Heilsberg wurde überprüft. Auch die Eltern

von Uwe Böhnhardt wurden befragt.

6. Weitere Maßnahmen der Staatsanwalt-
schaft Gera und des LKA Thüringen am
26./27./28. Januar 1998 zur Festnahme der
Beschuldigten Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe

a) Anordnung der vorläufigen Festnahme am
26. Januar 1996

Auf Grund des Auffindens der Gegenstände in der Garage

Nr. 5 an der Kläranlage wurde durch Staatsanwalt Sbick

zunächst die vorläufige Festnahme von Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe angeordnet.
831

Durch den Staats-

anwalt wurde festgelegt, dass die drei Personen bis zur

Vorlage der Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft

am nächsten Tag in Verwahrung zu nehmen seien.

b) Ablehnung des Erlasses von Haftbefehlen
am 27. Januar 1998

Am 27. Januar 1998 kam es zu einer Besprechung in den

Räumen der Staatsanwaltschaft Gera, an der Staatsanwalt

Sbick, KHK Dressler und KK F. beteiligt waren.
832

Ein

Haftbefehl wurde an diesem Tag nicht beantragt, vielmehr

lässt sich einem von Staatsanwalt Sbick am selben Tag

verfassten Vermerk entnehmen:

„Bislang konnten die Beschuldigten durch objekti-
ve Indizien nicht an die Sprengsachen gebracht

werden, obwohl ansonsten Indizien für sie als Tä-

ter sprechen.“833

Das Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998
834

,

aus dem allein ein sicherer Bezug zwischen Böhnhardt

und Mundlos und der Garage Nr. 5 an der Kläranlage

hervorging, war an diesem Tag noch als „Verschlusssache
– Vertraulich“ eingestuft. Staatsanwalt Sbick hat vor dem
Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags dazu

ausgesagt:

„Das Hauptproblem für mich war, dass, als ich den
Bericht hatte, noch vertraulich draufstand und er

für mich nicht verwertbar war. Also ich habe den

nicht runtergestuft bekommen, sondern ich habe
831) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK L. vom 26. Januar

1998, MAT A TH-1/2, Bl. 201 f.; Vermerk von KOK D. und

KK F. vom 23. Februar 1998, MAT A TH-1/7, S. 87 ff. (91).

832) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK L. vom 26. Januar
1998, MAT A TH-1/2, Bl. 201 f.; Vermerk von Staatsanwalt

Sbick vom 27. Januar 1998, MAT A TH-2/15, Bl. 25 (Vorder-

und Rückseite); Vermerk von KK F. vom 27. Januar 1998,
MAT A TH-2/8, Bl. 565.

833) Vermerk von Staatsanwalt Sbick vom 27. Januar 1998, MAT A

TH-2/15, Bl. 25 (Vorder- und Rückseite).

834) Schreiben des LfV Thüringen an das LKA Thüringen vom

8. Januar 1998 über operative Maßnahmen des LfV Thüringen

in Jena, MAT A TH-1/3, Bl. 40 ff.

den Bericht dann so vorgehalten bekommen, ist

zwar vom Verfassungsschutz und wenn ich ihn

nicht in die Akte hängen kann, hilft er mir

nicht.“835

In den Akten der Staatsanwaltschaft Gera ist das Schrei-

ben zwar ebenfalls enthalten, jedoch gemeinsam mit ei-

nem Anschreiben des LfV Thüringen vom

28. Januar 1998, in dem von dort aus die Herabstufung

des Schreibens auf den Verschlussgrad „VS-Nur für den
Dienstgebrauch“ mitgeteilt wird.836

Der Zeuge Dressler war jedenfalls der Ansicht, dass ein

als „VS – Vertraulich“ eingestuftes Schreiben nicht Teil
der Ermittlungsakten werden dürfe. Er äußerte hierzu vor

dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages:

„Das kann ich lhnen nicht sagen, denn es kam
dann dieses Schreiben und das war VS-

VERTRAULICH und das ist üblicherweise eine

Form, wie sie nicht in den Gerichtsakten zu finden

sein sollte.“837

Die Äußerungen des Zeugen Dressler vor dem Untersu-

chungsausschuss des Bundestages deuten ebenfalls darauf

hin, dass das Schreiben des LfV Thüringen vom

8. Januar 1998 bei der Staatsanwaltschaft Gera am

27. Januar 1998 unbekannt war. Der Zeuge Dressler hat

hierzu bekundet:

„Herr Sbick war bis dahin nicht mein Ansprech-
partner. Das war der Herr Schultz. Der Herr Sbick

war in der unglücklichen Situation - sage ich jetzt

mal -, hier als Vertretungsanwalt in dieser Situati-

on agieren zu müssen. Er hat nach seiner Rechts-

auffassung so gehandelt und hat letzten Endes die-

se Entscheidung getroffen, die ich nicht kommen-

tieren möchte. […] Nach meinem Kenntnisstand
argumentierte die Staatsanwaltschaft seinerzeit so,

ihr fehlen die personellen Bezüge; die müssen erst

durch entsprechende Untersuchungen – das war
die Sbick-Version gewesen –, durch entsprechende
Versionen untermauert werden; sprich: DNA-

Anwesenheitsnachweise – an den Zigaretten wäre
das möglich gewesen – oder Dakty-Spuren. – Aber
wenn man natürlich im Hintergrund ein Observati-

onsprotokoll hat, was schlicht und ergreifend ein-

fach belegt, von einer staatlichen Stelle: ,Die Per-

sonen wurden dort festgestellt‘, dann wird das na-
türlich alles ersetzen. So. Und das war auch der

Grund, weswegen es dann - auf wessen Druck
835) Landtag Thüringen, UA 5/1, Protokoll der Vernehmung Sbick

vom 13. Mai 2013, Bl. 286.

836) Schreiben des LfV Thüringen an das LKA Thüringen vom

8. Januar 1998 über operative Maßnahmen des LfV Thüringen
in Jena, MAT A TH-2/8, Bl. 572 ff. und Schreiben des LfV

Thüringen an das LKA Thüringen vom 28. Januar 1998, MAT

A TH-2/8, Bl. 576.

837) Dressler laut Protokoll der 11. Sitzung des Untersuchungsaus-

schusses des Thüringer Landtages vom 3. Juli 2012, MAT B

TH-1/4, Bl. 17.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 135 – Drucksache 17/14600

auch immer - zu dieser Herabstufung und letzten

Endes wohl auch Übermittlung an die StA

ging.“838

Vor dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landta-

ges äußerte Dressler hierzu:

„Am 26. wurde ja die vorläufige Festnahme von
allen dreien angeordnet und am 27. wurde das auf-

gehoben und wurde umgewandelt in eine Aufent-

haltsfeststellung. Erst am 28.01., nachdem sozusa-

gen das LfV nun seine Zustimmung gegeben hatte,

dass dieser Vermerk Verwendung finden darf,

wurden die erlassen, weil dann der Bezug, nämlich

die Beobachtung der Personen am Objekt, nach-

vollziehbar war für die Staatsanwaltschaft.“839

c) Beantragung und Erlass von Haftbefehlen
am 28. Januar 1998

Am 28. Januar 1998 wurden durch Staatsanwalt Mohr-

mann Haftbefehle gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschä-

pe beantragt
840

und am selben Tag durch das Amtsgericht

Jena erlassen.
841

An der Sachlage hatte sich im Vergleich

zum Vortag Folgendes geändert: Das Schreiben des LfV

Thüringen vom 8. Januar 1998 war nunmehr durch das

LfV Thüringen auf den Verschlussgrad „Verschlusssache
– Nur für den Dienstgebrauch“ herabgestuft worden.

Am 23. Juni 1998 wurden die Haftbefehle auf Antrag der

Staatsanwaltschaft abgeändert, ergänzt und neu gefasst.
842

Erst jetzt wurden auch der dringende Tatverdacht einer

Straftat wegen der Sprengstofffunde in der Garage sowie

der „Stadion-Bombenattrappe“ und der „Magnus-Poser-
Gedenkstätten-Bombenattrappe“ in die Haftbefehle mit
einbezogen. Zuvor bezogen sich die Haftbefehle gegen

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe lediglich auf den drin-

genden Verdacht einer Straftat wegen des Ablegens der

„Theater-Bombe“.
838) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 50 f.

839) Aussage des Zeugen Dressler vor dem Untersuchungsausschuss

des Thüringer Landtages am 20. März 2013, MAT B TH-1/20,
Bl. 7.

840) Antrag auf Erlass von Haftbefehlen vom 28. Januar 1998, MAT

A TH-2/8, Bl. 578 ff.

841) Haftbefehle des Amtsgerichts Jena vom 28. Januar 1998, MAT

A TH-2/8, Bl. 586 f. (Zschäpe), Bl. 588 f. (Mundlos), Bl. 590 f.

(Böhnhardt).

842) Haftbefehle des Amtsgerichts Jena vom 23. Juni 1998, MAT A

TH-2/8, Bl. 603 ff. (Böhnhardt), 612 ff. (Mundlos), 621 ff.

(Zschäpe).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137 – Drucksache 17/14600

C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der Sicherheitsbehörden in
Bezug auf Rechtsextremismus

I. Ausprägungen und Verbreitung von
Rechtsextremismus

1. Der Begriff des Rechtsextremismus

a) Amtlicher und sozialwissenschaftlicher
Rechtsextremismusbegriff

Um den Rechtsextremismus von 1990 bis 2011 darzustel-

len, bedarf es der Erläuterung des Begriffs „Rechtsextre-
mismus“. Eine einheitliche Definition existiert nicht, der
Begriff wird unter Wissenschaftlern intensiv diskutiert

und ist von unterschiedlichen Vorstellungen geprägt.
843

Der Sachverständige Prof. Dr. Klaus Schroeder hat darge-

legt, Kern beim Begriff Rechtsextremismus sei die biolo-

gische, völkische Aufladung des Weltbildes. Aus einer

völkisch überlegenen Gesellschaft werde eine Ungleich-

heit/Ungleichwertigkeit abgeleitet, die Individuen, Eth-

nien oder Völker insgesamt betreffe. Diese Ungleich-

heit/Ungleichwertigkeit beziehe sich dabei auch auf ge-

sellschaftliche/soziale Gruppen der eigenen Ethnie wie

z. B. Obdachlose, Behinderte, Homosexuelle, Punks,

Linke etc.
844

. Bei empirischen Untersuchungen nehme die

ausländerfeindliche Einstellung den größten Raum ein.

Das nationale Bild von Rechtsextremisten sei generell

ausländerfeindlich, antisemitisch und antiparlamenta-

risch.
845

Er hat den Rechtsextremismus wie folgt definiert:

„Als rechtsextrem bezeichne ich Personen, Grup-
pen, Parteien, die eine Ungleichwertigkeit von

Menschen und Staaten/Nationen aus biologisti-

schen oder rassistischen bzw. ethnischen Motiven

begründen, die tief verwurzelte Vorurteile insbe-

sondere gegenüber Juden hegen, pauschal Auslän-

der ablehnen, westliche Werte verteufeln, ein den

Nationalsozialismus verharmlosendes Geschichts-

bild vertreten und die parlamentarische und plura-

listische Demokratie durch eine hierarchische,
843) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 44; Dr. Schroeder, Protokoll-Nr.

8, S. 6; Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „An-
merkungen zum Rechtsextremismus in Deutschland und Ant-

worten auf die Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die
Anhörung am 22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 1.

844) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 3.

845) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 6.

Führerfixierte politische Ordnung ersetzen wol-

len.“846

Er hat hinzugefügt, dass in der sozialwissenschaftlichen

Diskussion insbesondere strittig sei, ob Gewaltbereit-

schaft konstitutiv mit dazugehöre oder nicht.
847

Der Sachverständige Prof. Dr. Stöss hat ausgeführt, dass

Rechtsextremismus synonym für völkischen Nationalis-

mus zu verstehen sei.
848

Er hat weiter erläutert, dass die

völkische Komponente auf die Herstellung, Bewahrung

oder Stärkung einer angeblich der natürlichen Ordnung

entsprechenden ethnisch homogenen Volksgemeinschaft

abziele. Während die ethnopluralistische Variante von

einer prinzipiellen Gleichwertigkeit der Völker ausgehe,

gelte in der rassistischen Variante die eigene Ethnie im

Vergleich zu anderen Völkern als höherwertig und über-

legen. Beide Varianten lehnten die „Vermischung“ von
unterschiedlichen Ethnien strikt ab, diskriminierten

„fremdenvölkische“ Menschen und forderten ihre Aus-
weisung bzw. die „Rückführung“ in ihre Herkunftsländer.

Bei der nationalistischen Komponente gehe es um die

Herstellung, Bewahrung oder Stärkung des autonomen

Nationalstaats. Außenpolitisch bedeute völkischer Natio-

nalismus Großmachtstreben und eine feindselige Haltung

gegenüber anderen Staaten und Völkern. Primäres Anlie-

gen der deutschen Rechtsextremisten sei dabei die Voll-

endung der deutschen Einheit durch Rückgewinnung der

ehemaligen Ostgebiete oder sogar die Wiederherstellung

des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 bzw.

1939. Innenpolitisch bedeute völkischer Nationalismus

die hierarchisch strukturierte und auf eine Zentralinstanz

ausgerichtete Volksgemeinschaft.

Völkischer Nationalismus negiere die universellen Frei-

heits- und Gleichheitsrechte und richte sich gegen parla-

mentarisch-pluralistische Systeme, die auf der Volkssou-

veränität und dem Mehrheitsprinzip beruhten. Rechtsex-

tremismus strebe nach politischer Macht, um die beste-

hende staatliche Ordnung im Sinne des völkischen Natio-

nalismus umzugestalten. Er ziele auf die Delegitimierung

vor allem der politischen Ordnung, indem er ihre Werte,

Verfassung, Strukturen, Institutionen und Führungsgrup-

pen systematisch abwerte und verächtlich mache.
849
846) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen

zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die

Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 3.

847) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 45.

848) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 44; Sachverständigengutachten
von Dr. Stöss vom 15. März 2012, MAT A S-2/1, S. 1.

849) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,

MAT A S-2/1, S. 1 f.

Drucksache 17/14600 – 138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Prof. Dr. Stöss hat hinzugefügt, dass bei der Definition

des Begriffs zwischen dem sozialwissenschaftlichen und

dem amtlichen Begriff der Verfassungsschutzämter unter-

schieden werden müsse. Der sozialwissenschaftliche

Begriff sei umfassender als der der staatlichen Behör-

den.
850

Dass der amtliche Begriff, der ein interner Ar-

beitsbegriff ist und von Prof. Dr. Stöss für „ganz pragma-
tisch“ gehalten wird,851 vom sozialwissenschaftlichen
Begriff unterschieden werde, habe seinen Grund in unter-

schiedlichen Fragestellungen und Erkenntnisinteressen

von Wissenschaft und Behörde.
852

Die amtliche Terminologie der Verfassungsschutzbehör-

den wird auf der Homepage des Bundesamts für Verfas-

sungsschutz wie folgt dargestellt:

„Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen
verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz

konkretisierte fundamentale Gleichheit der Men-

schen richten und die universelle Geltung der

Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind

Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie

haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin

zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip

aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das

rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer

Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der

u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei

herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu

einer Ethnie, Nation oder ,Rasse‘ bestimme den
Wert eines Menschen. Offener oder immanenter

Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebun-

gen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle

Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretun-

gen treten zugunsten kollektivistischer

,volksgemeinschaftlicher‘ Konstrukte zurück (An-
tipluralismus).“853

b) Unterscheidung zwischen Rechtsextre-
mismus und Rechtsradikalismus

In Abgrenzung zum Rechtsextremismus wird der Rechts-

radikalismus gesehen. Die Sachverständigen Prof. Dr.

Schroeder und Prof. Dr. Stöss unterscheiden den Rechts-

extremismus vom Rechtsradikalismus insoweit, als dass

letzterer sich weit rechts, aber noch im Rahmen des Ver-

fassungsbogens bewege, Rechtsextremismus hingegen die

Grenze des von der Verfassung Erlaubten überschreite.
854

Auch der Verfassungsschutz definiert laut der Bundes-

zentrale für politische Bildung den Unterschied zwischen

Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus wie folgt:
850) Dr. Stöss, „Rechtsextremismus im Wandel“, S. 216.

851) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 45.

852) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 45.

853) http://www.verfassungsschutz.de.

854) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 2; Stöss, Protokoll-Nr. 8, S.
49.

„Als extremistisch werden die Bestrebungen be-
zeichnet, die gegen den Kernbestand unserer Ver-

fassung – die freiheitliche demokratische Grund-
ordnung – gerichtet sind. Über den Begriff des Ex-
tremismus besteht oft Unklarheit. Zu Unrecht wird

er häufig mit Radikalismus gleichgesetzt. So sind

z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche

Zweifel an der Struktur unserer Wirtschafts- und

Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund

auf verändern wollen, noch keine Extremisten.

Radikale politische Auffassungen haben in unserer

pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legiti-

men Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstel-

lungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass

er vom Verfassungsschutz beobachtet wird; jeden-

falls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer

Verfassungsordnung anerkennt.“855

Vor diesem Hintergrund unterschiedlicher Bedeutungen

der Begriffe wird in diesem Bericht von Rechtsextremis-

mus die Rede sein.

2. Entstehung und Entwicklung des Rechts-
extremismus in Deutschland

Für die Entstehung und Verbreitung des Rechtsextremis-

mus gibt es keine auch nur überwiegend akzeptierte wis-

senschaftliche Erklärung. So werden bei den verschiede-

nen Erklärungsansätzen einzelne Faktoren in den Vorder-

grund gestellt, ohne dass diese jedoch genau bestimmt

werden.
856

Mit Blick auf Deutschland sei heute unter der

Bevölkerung nur eine kleine Minderheit auszumachen,

die über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild

verfügt, wovon die höheren Anteile deutlich in den neuen

Bundesländern unter männlichen Jugendlichen zu ver-

zeichnen sind.
857

a) Darstellung des Sachverständigen Prof.
Dr. Schroeder

Vor dem Untersuchungsausschuss hat Prof. Dr. Schroe-

der zwei große Erklärungsmodelle zur Entstehung des

Rechtsextremismus vorgestellt:

Das erste Erklärungsmodell basiert auf sozioökonomi-

schen Gründen, wonach der Kapitalismus Ursache für die

Entstehung von Rechtsextremismus sei und aus der Mitte

der Gesellschaft komme. Diese sei von Abstiegsängsten

geplagt und suche deshalb einen Sündenbock, nämlich

Ausländer. Als historisches Gegenbeispiel dieses Modells

sei die DDR zu nennen, in der es auch vor der Wende

schon Rechtsextremismus gegeben hat (siehe unten). Prof.
855) http://www.bpb.de.

856) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 6.

857) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die

Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 4.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 139 – Drucksache 17/14600

Dr. Schroeder bezeichnet dieses Erklärungsmodell als

eher politisch denn als wissenschaftlich.

Das zweite Erklärungsmodell mit einem sozialisations-

theoretischen Hintergrund hält Prof. Dr. Schroeder für

überzeugender. Danach werden die Dispositionen, Ein-

stellungen und Mentalitäten, die später zum Rechtsextre-

mismus führen, schon früh ausgebildet, etwa in der Fami-

lie oder im Kindergarten etc. Gleiches wird hinsichtlich

der Gewaltbereitschaft angenommen. So sei festgestellt

worden, dass fast alle später Gewaltbereiten schon im

frühen Alter verhaltensauffällig gewesen seien, bevor ein

Zugang in die rechtsextreme Szene stattgefunden habe.
858

Prof. Dr. Schroeder hält dies jedoch nur für vage Aspekte,

die sich nicht generalisieren ließen. Denn so werde nicht

jeder Jugendliche, der in der Familie Gewalt erfahren

habe, später selbst gewalttätig. Er stellt fest, dass zwar

Rechtsextremisten überdurchschnittlich häufig zu Ge-

waltanwendung neigten, umgekehrt habe aber nur eine

Minderheit gewalttätiger Jugendlicher ein verfestigtes und

geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild.
859

Die

Entstehung des Rechtsextremismus unter jungen Men-

schen basiere auch auf fehlender Attraktivität der Demo-

kratie, der demokratischen Parteien und Jugendorganisa-

tionen. Die Jugendlichen wendeten sich von diesen in der

Folge ab und „extremistischen“ Gruppen zu.860

Prof. Dr. Schroeder hat weiter ausgeführt, dass Gewaltbe-

reitschaft und rechtsextremistische Einstellung eine Sache

des Bildungsgrades seien:

„Wir haben Schüler verschiedener Schulformen
befragt […]. Die Gewaltbereitschaft, aber auch
zumindest versatzstückmäßig die rechtsextreme

Einstellung, sinkt mit dem Bildungsgrad. Da hat

sich nichts geändert. Das heißt, unter Gymnasias-

ten, Gesamtschülern, Realschülern finden Sie rela-

tiv wenige, in Hauptschulen schon mehr, und wenn

Sie in die Berufsschulen gehen und dort die Schü-

ler des Berufsvorbereitungsjahrs fragen, dann ha-

ben Sie einen sehr hohen Anteil an gewaltbereiten

jungen Menschen, die zumindest rudimentär auch

rechtsextreme Einstellungen vertreten. Ich glaube,

dass zumindest von der sozialen Schichtung her

das zumindest subkulturell geprägte gewaltbereite

Potenzial weiterhin nicht aus der Mitte der Gesell-

schaft kommt.“

b) Darstellung des Sachverständigen Prof.
Dr. Stöss

Seit 1990 sind in Deutschland drei Entwicklungstenden-

zen des Rechtsextremismus laut Prof. Dr. Stöss besonders

hervorzuheben:
858) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 7.

859) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 7.

860) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 9.

– Zum einen sei ein dramatischer Rückgang um 60 %
des rechtsextremistischen Personenpotenzials zwi-

schen 1993 und 2010 zu verzeichnen gewesen, was

etwa 40 000 Personen ausmachte.

– Außerdem habe eine Gewichtsverlagerung von Ost
nach West stattgefunden (siehe unten).

– Als dritte Entwicklungstendenz hat Prof. Dr. Stöss
darauf hingewiesen, dass trotz der beschriebenen

quantitativen Abnahme des Personenpotenzials eine

Radikalisierung der rechtsextremen Szene stattgefun-

den habe, die mittlerweile exorbitante Ausmaße an-

genommen habe. Hierbei habe der Anteil der Perso-

nen besonders zugenommen, die aus den subkulturel-

len Milieus und dem Bereich der neonazistischen

Gruppierungen stammen von 1993 13 % auf 56 % im

Jahr 2010.
861

Prof. Dr. Stöss ist der Ansicht, dass sich die Gelegen-

heitsstrukturen und damit die Entfaltungsbedingungen vor

allem in Ostdeutschland für rechtsextremistischen Terro-

rismus verbessert hätten.
862

Prof. Dr. Schroeder hat zur allgemeinen Entwicklung des

Rechtsextremismus hervorgehoben, dass man einen Be-

deutungsverlust von Parteien und demgegenüber einen

Bedeutungsgewinn der autonomen Szene sowie der Ver-

breitung und Akzeptanz des nationalen Sozialismus im

rechtsextremistischen Milieu habe beobachten können.
863

c) Unterschiede zwischen Ost- und West-
deutschland

Nach der Wende zeigte sich, dass sich der Rechtsextre-

mismus in der DDR und der BRD nicht parallel verbreitet

und entwickelt hatte. Ursächlich hierfür hält Prof. Dr.

Schroeder, dass in der DDR die Problematik der Existenz

von Rechtsextremisten verdrängt bzw. ignoriert worden

sei. Dies habe dazu geführt, dass auch wenig Erkenntnisse

existierten, welche rechtsextremistischen Aktivitäten dort

vor der Wende herrschten:
864

„In der DDR, die offiziell entweder leugnete oder
verdrängte, dass es Ausländerfeindlichkeit und

Rechtsextremismus gab, war die Annahme ja auch,

dass sich mit der Beseitigung kapitalistischer Ver-

hältnisse solche Einstellungen nicht mehr heraus-

bilden können. Sie haben sich trotzdem herausge-

bildet. Sie sind sogar sehr verbreitet gewesen, wie

schriftlich dokumentiert wurde. Aber da ja alles

Böse aus dem Westen kam, konnte man keine sys-

temimmanenten Gründe hierfür finden.“
861) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3, 4.

862) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 5; Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8,
S. 9.

863) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 17.

864) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 8.

Drucksache 17/14600 – 140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auch der Sachverständige Wagner hat vor dem Untersu-

chungsausschuss erklärt, dass im Gemeinsamen LKA der

Neuen Bundesländer, in dem er tätig war, propagiert

wurde, dass der Rechtsextremismus nicht bedeutend und

auf einem absteigenden Ast sei. Dementsprechend sei

diesbezüglich die Analytik auch „dürftig“ gewesen.865

Prof. Dr. Stöss hat auch nach 1989 auf eine unzuverlässi-

ge Datenbasis bezüglich rechtsextremistischer Einstellun-

gen in Ost- und Westdeutschland hingewiesen, jedoch auf

zwei große Untersuchungen aus den Jahren 1994 und

1998 Bezug genommen. 1994 seien danach rechtsextre-

mistische Einstellungen in Westdeutschland weiter ver-

breitet gewesen als in Ostdeutschland, dies habe sich im

Jahr 1998 jedoch genau umgekehrt.
866

In Ostdeutschland

gebe es im Vergleich zu Westdeutschland mittlerweile

das Doppelte bis Dreifache an rechtsextremistischen Ge-

walttätern und Gewalttaten unter Berücksichtigung der

Bevölkerungszahlen.
867

So sei in Ostdeutschland der

Anteil an systemoppositionellen bzw. gewaltbereiten

Kräften von 36 % im Jahr 1993 auf 70 % im Jahr 2010

angestiegen.
868

Prof. Dr. Stöss hat jedoch auch angemerkt,

dass die Straf- und insbesondere die Gewalttaten mit

rechtsextremistischem Hintergrund in Ostdeutschland

immer schon stärker ausgeprägt gewesen seien als in

Westdeutschland, soweit man dies überblicken könne.
869

Viele westdeutsche Neonazi-Führer seien nach der Wende

in die neuen Bundesländer gegangen und hätten sich am

Aufbau von Strukturen beteiligt.
870

Dass die Neonazis ein

vergleichsweise leichtes Spiel beim Aufbau dieser Struk-

turen gehabt hätten, liege in der geringer ausgeprägten

Akzeptanz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

in Ostdeutschland und an der Tatsache, dass aufgrund des

Mauerfalls viele Jugendliche in den neuen Bundesländern

ohne Vorbild und ohne Orientierung dagestanden hät-

ten.
871

Als eine weitere Ursache für den o. g. Unterschied zwi-

schen den neuen und den alten Bundesländern hat Prof.

Dr. Schroeder die Tatsache gesehen, dass in der DDR die

Entnazifizierung nicht in die Familien vorgedrungen sei.

Er hat die Vermutung aufgestellt, dass in der Folge in den

neuen Bundesländern innerhalb einiger Familien ein NS-

nahes Geschichts- und Weltbild an die Nachfolgegenera-

tionen weitergetragen werde.
872

Auch hat Prof. Dr.
865) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 42.

866) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.

867) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 8.

868) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.

869) Siehe hierzu auch: Peter Sitzer, Wilhelm Heitmeyer, „Rechts-
extremistische Gewalt von Jugendlichen“, S. 4, in: „Aus Politik
und Zeitgeschichte“, 37/2007.

870) Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 18; Verfassungsschutzbericht 1990,

S. 19.

871) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die

Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 6.

872) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 42; Prof. Dr. Harald Welzer

hat das analog für Westdeutschland nachgewiesen (Lit. Welzer

u. a.: „Opa war kein Nazi“).

Schroeder erläutert, dass das Verhältnis zu Ausländern

aufgrund staatlicher Vorgaben in der DDR sehr ange-

spannt gewesen sei. Ausländer hätten als in Heimen un-

tergebrachte Vertragsarbeiter in der DDR gearbeitet. Da

sie nur eine begrenzte Zeit im Land hätten bleiben und

keine Familien hätten gründen dürfen, seien sie entspre-

chend von der „Normalbevölkerung“ isoliert und ohne
Kontakt zu dieser gewesen. Dies habe dazu geführt, dass

man Ausländern gegenüber ein spezifisches Verhalten

entwickelt habe.
873

Hierdurch bedingt würden Ostdeut-

sche und vor allem Jugendliche in einem stärkeren Maß

als Westdeutsche zu einer Toleranz gegenüber dem

rechtsextremistischen Milieu neigen, obgleich die breite

Mehrheit in Ost und West rechtsextremistische und anti-

/nichtzivile Einstellungen ablehne.
874

Die Sachverständige

Journalistin Röpke hat diese Entwicklung unter anderem

auch damit erklärt, dass alteingesessene neonazistische

Familien aus Westdeutschland sich sammelten und in die

neuen Bundesländer umsiedelten.
875

3. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und
Gewalttaten

876
a) Täterstruktur, Verortung und Art der Straf-
taten

Anfang der 90er und der folgenden Jahre lag der Schwer-

punkt rechtsextremistisch motivierter Straftaten
877

laut

Verfassungsschutzberichten vor allem im Westen

Deutschlands, vornehmlich im bevölkerungsreichsten

Bundesland Nordrhein-Westfalen.
878

Die Straftaten wur-

den im gesamten Beobachtungszeitraum überwiegend von

Jugendlichen oder jungen Erwachsenen männlichen Ge-

schlechts begangen.
879

Dabei wiesen überdurchschnittlich

viele Täter einen unterdurchschnittlichen Bildungsab-

schluss auf, waren von Arbeitslosigkeit betroffen oder in
873) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 26.

874) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die

Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 25.

875) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 41.

876) Als Grundlage für die Erfassung der Straf- und Gewalttaten

wurde als Definitionssystem der kriminalpolizeiliche Melde-
dienst „Staatsschutz“ verwendet, das laut den Verfassungs-
schutzberichten alle Straftaten erfasse, die aus einer extremisti-

schen Motivation heraus begangen wurden. Da es mehrfach zu
veränderten Erhebungsstrategien (so z. B. das sog. „PMK“
2001) kam, können die Zahlen teilweise nicht mit den Zahlen

des Vorjahres in unmittelbaren Vergleich gebracht werden.

877) Mit „Straftaten“ sind alle Gesetzesverletzungen mit rechtsext-
remistischem Bezug, einschließlich der Gewalttaten mit rechts-

extremistischem Bezug, gemeint. Gewalttaten mit rechtsextre-
mistischem Bezug, obwohl in den Straftaten mit rechtsextre-

mistischem Bezug enthalten, werden teils noch einmal geson-

dert aufgeführt. Straftaten und Gesetzesverletzungen sind syno-
nym zu verstehen.

878) Vgl. Verfassungsschutzberichte 1990 bis 2011.

879) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 75.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141 – Drucksache 17/14600

einfachen Arbeiterberufen tätig.
880

Insgesamt richteten

sich die rechtsextremistischen Gewalttaten „vor allem
gegen Fremde“, so der Verfassungsschutzbericht 1998.881
Die größte Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ma-

chen über die gesamten hier aufgezeigten Jahre die sog.

„Propagandadelikte“ aus.882

b) Grundlage der Berechnung

Grundlage der nachfolgend dargestellten Anzahl an

rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten sind die

Verfassungsschutzberichte des Bundesamts für Verfas-

sungsschutz. Zwar sind die Erhebungsmethoden für die

dort angegebenen Zahlen umstritten, insbesondere hin-

sichtlich der Zahl der Todesopfer rassistisch und rechts-

extremistisch motivierter Taten kann die Notwendigkeit

der Überprüfung und Einbeziehung weiterer Fälle nicht

bestritten werden.
883

Eindeutig belegt ist aber jedenfalls,

dass es zwischen 1990 und 1993 zu einem sprunghaften

Anstieg der Straf- und Gewalttaten kam und im Jahr 2000

nochmals ein Maximum erreicht wurde.
884

c) Gewalteskalation Anfang der 90er Jahre

In der am 22. März 2012 durchgeführten Anhörung hat

die Sachverständige Röpke ausgeführt, dass Anfang der

90er Jahre Pogromstimmung in Deutschland herrschte,

der gesellschaftliche Mob von Neonazis in Gang gesetzt

wurde und die Stimmung sehr rassistisch und ausländer-

feindlich aufgeladen war.
885

Während 1990 1 380 Geset-

zesverletzungen mit rechtsextremistischem Bezug (davon

128 Gewaltdelikte) erfasst wurden,
886

stieg die Zahl 1991

um das Fünffache im Vergleich zum Vorjahr, insbesonde-

re die rechtsextremistischen Brand- und Sprengstoffan-

schläge. Von den Rechtsextremisten wurde mit den The-

men Asylbewerber und Zuwanderung Propaganda ge-

macht. 1991 und 1992 kam es zu massiven rassistischen

Ausschreitungen.
887

So wurden in Hoyerswerda (Sachsen) zwischen dem

17. und 22. September 1991 vor Asylbewerberwohnhei-

men Polizeibeamte mit Stahlkugeln beschossen und Mo-

lotowCocktails geworfen. Zum Schutz der Bewohner

mussten diese in Unterkünfte anderer Städte unterge-

bracht werden.
888

Röpke hat hierzu noch einmal erläutert,
880) Peter Sitzer, Wilhelm Heitmeyer, „Rechtsextremistische Gewalt

von Jugendlichen“, S. 5, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“,
37/2007.

881) Verfassungsschutzbericht 1998, S. 19.

882) Vgl. Verfassungsschutzberichte 1990 bis 2011.

883) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/todesopfer-

rechter-gewalt.de.

884) Peter Sitzer, Wilhelm Heitmeyer, „Rechtsextremistische Gewalt
von Jugendlichen“, S. 4, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“,
37/2007.

885) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.

886) Verfassungsschutzbericht 1990, S. 124.

887) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 76.

888) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 81.

dass die dortigen Ausschreitungen und Hetzszenen meh-

rere Tage andauerten.
889

Diesem Ereignis folgte ein lang-

fristiger Nachahmungsschub mit mehrfachen Brandan-

schlägen auf Asylbewerberheime.
890

Die o. g. Pogrom-

stimmung, die ebenfalls die rassistischen Ausschreitungen

in Hoyerswerda bestimmte, habe nach Ansicht von Röpke

auch ihren Einfluss auf die Radikalisierung des „Thürin-
ger Heimatschutzes“ und damit auch auf die späteren
NSU-Anhänger gehabt.

891
1992 stieg die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten

noch einmal erheblich um 74 % – auf 2 584.892 Dabei
kamen nach amtlichen Angaben 17 Menschen ums Le-

ben.
893

Zu einer Zuspitzung kam es zwischen dem 22. und

28. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen. Bei den rassis-

tischen Ausschreitungen waren bis zu 1 200 Gewalttäter

beteiligt, die mit Molotow-Cocktails, Leuchtraketen und

Steinen gegen ein Wohnheim, in dem sich über hundert

Menschen aufhielten, in ihrer Mehrheit frühere ausländi-

sche Vertragsarbeiter der DDR, und gegen Polizisten

vorgingen. Diese Gewalttätigen wurden von bis zu 3 000

Schaulustigen und Sympathisanten unterstützt.
894

Diese

mancherorts zu beobachtende Zustimmung der Bevölke-

rung zu den tagelangen Ausschreitungen wurde in den

Jahren 1991 und 1992 als besonders erschreckend emp-

funden.
895

Am 23. November 1992 wurden in Mölln

(Schleswig-Holstein) Brandanschläge auf zwei bewohnte

Mehrfamilienhäuser verübt, in dessen Folge eine 51-

jährige Türkin, ihre 10-jährige Enkelin und ihre 14-

jährige Nichte den Tod fanden. Mehrere Personen erlitten

zum Teil schwere Verletzungen.
896

Auch danach kam es

wie 1991 noch lange zu Nachahmungstaten.
897

1993 wurden trotz eines Rückgangs der Gewalttaten mit

rechtsextremistischem Bezug um 15 % (auf 2 323) 20

Tötungsdelikte und 3 Sprengstoffanschläge verübt. Insge-

samt wurde festgestellt:

„Das Ausmaß erwiesener oder zu vermutender
rechtsextremistischer, insbesondere fremdenfeind-

licher Gewalttaten war auch im Jahr 1993 bedroh-

lich groß.“898

So wurde am 29. Mai in Solingen ein Mehrfamilienhaus

angezündet, das von der aus der Türkei stammenden Fa-

milie Genç bewohnt war. Dabei starben zwei Frauen und

drei Kinder. Sieben weitere Personen erlitten zum Teil
889) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.

890) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 82.

891) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.

892) Verfassungsschutzbericht 1992, S. 70.

893) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 79.

894) Verfassungsschutzbericht 1992, S. 75 f.

895) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 81; Verfassungsschutzbe-

richt 1992, S. 77.

896) Verfassungsschutzbericht 1992, S. 74 f.

897) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 82.

898) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 82.

Drucksache 17/14600 – 142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schwere Verletzungen.
899

Zu diesem Ereignis und dem

Anschlag 1992 in Rostock (siehe oben) hat die Sachver-

ständige Röpke vor dem Untersuchungsausschuss berich-

tet, dass die dortigen Täter, genauso wie Kay Diesner

(siehe unten), im Gefängnis als nationale Märtyrer gefei-

ert würden und der Kontakt zur rechtsextremistischen

Szene gehalten werde.
900

d) Überblick über Anstieg bzw. Rückgang der
Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremis-
tischem Hintergrund in den Jahren 1994
bis 2011

Nach der Eskalation rechtsextremistischer Straftaten in

den Jahren 1990 bis 1993, konnte 1994 ein Rückgang von

Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ver-

zeichnet werden.

1994 ging die Zahl der rechtsextremistischen Sprengstoff-

und Brandanschläge gegenüber dem Vorjahr von 314 auf

101 zurück.
901

Der Verfassungsschutz stellte fest, dass der

Rückhalt der Bevölkerung zur rechtsextremistischen Sze-

ne, wie er teilweise in den Jahren 1991, 1992 verzeichnet

wurde, nicht mehr in vergleichbarer Art und Weise be-

stand. Dies zeigte sich beispielsweise durch zahlreiche

„Lichterketten“ als Reaktion auf den Brandanschlag in
Mölln vom 23. November 1992 (siehe oben).

902
Jedoch

stiegen 1994 die Gesetzesverletzungen mit erwiesenem

oder zu vermutendem antisemitischen Hintergrund
903

um

127 %. Empörung im In- und Ausland rief in diesem Jahr

insbesondere ein Brandanschlag auf die Synagoge in

Lübeck in der Nacht zum 25. März 1994 und Ausschrei-

tungen auf dem Gelände der Gedenkstätte in Buchenwald

am 23. Juli 1994 hervor.
904

1995 war trotz eines Rückgangs der rechtsextremistischen

Gewalttaten um 44 %
905

die Brutalität der Gewalttäter

gegen ihre Opfer weiter erschreckend.
906

Die Zahl der

Brandanschläge mit rechtsextremistischem Bezug sank in

diesem Jahr auf 45.
907

Auch wenn 1995 im Vergleich zum

Vorjahr die Straftaten mit antisemitischem Hintergrund

(von 1 366 auf 1 155) zurückgingen, wurde der zweit-

höchste Stand antisemitischer Straftaten verzeichnet.
908

In

40 Fällen kam es auch zu Schändungen jüdischer Friedhö-
899) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 85.

900) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10.

901) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 82.

902) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 81.

903) „Antisemitische Straftaten“ sind auch in den aufgeführten
Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund enthalten und
werden hier wegen des besonderen Anstiegs noch einmal ge-

sondert dargestellt. Antisemitismus bezeichnet dabei alle heuti-

gen Erscheinungsformen der Judenfeindschaft, vgl.
www.bpb.de.

904) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 87.

905) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 101.

906) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 102.

907) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 97.

908) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 106.

fe und Gedenkstätten.
909

In den Folgejahren sank die Zahl

antisemitischer Straftaten wieder stetig.

Die Zahl der amtlich als rechtsextremistisch erfassten

Gewalttaten stieg 1997 wieder um 27 % an.
910

Hervorzu-

heben ist hierbei ein von dem Neonazi Kay Diesner am

19. Februar 1997 unternommener Mordversuch an einem

Buchhändler der Berliner Landesgeschäftsstelle der PDS.

Um sich einer Festnahme im Rahmen einer polizeilichen

Kontrolle seines Kraftfahrzeuges zu entziehen, ermordete

er am 23. Februar 1997 in Rosenburg (Schleswig-

Holstein) einen Polizisten und verletzte einen weiteren

schwer.
911

Die Sachverständige Röpke hat dazu ausge-

führt, dass Kay Diesner in radikalen Berliner Kamerad-

schaftsstrukturen sozialisiert worden sei und in der Szene

bis heute maßgebliche Beachtung erfahre, gar als Ikone

der Szene gelte.
912

Während die Zahl der erfassten rechtsextremistischen

Gewalttaten 1998 auf 708 sank
913

, stieg diese im Jahr

1999 wieder um 10 % an.
914

Am 23. Februar 1999 griff eine Gruppe von neonazisti-

schen Skinheads einen algerischen Staatsangehörigen in

Guben an. Beim Versuch zu fliehen trat der algerische

Staatsangehörige eine Eingangstür eines Plattenbaus ein

und verletzte sich dabei so schwer, dass er verblutete.
915

Ein Mosambikaner wurde am 15. August 1999 in Rosen-

heim von einem rechtsextremistischen 31-jährigen Mann

im Verlauf von Streitigkeiten durch Fußtritte und Faust-

schläge derart verletzt, dass er am 29. September 1999

seinen schweren Verletzungen erlag. Der Beschuldigte

machte bei seiner Vernehmung keinen Hehl aus seiner

ausländerfeindlichen Gesinnung.
916

Zwei Sprengstoffan-

schläge, einer am 19. Dezember 1998 auf das Grab des

ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden Dr.

Heinz Galinski in Berlin und am 9. März 1999 auf die

Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehr-
macht 1941-1944“ in Saarbrücken, fanden großen Zu-
spruch unter den Neonazis.

Im Jahr 2000 kam es zu einem starken Anstieg der erfass-

ten Straftaten (um 58,9 % im Vergleich zum Vorjahr) und

der Gewalttaten (33,8 % im Vergleich zum Vorjahr) mit

rechtsextremistischem Hintergrund. Am 27. Juli 2000

wurde in Düsseldorf ein nicht aufgeklärter Bombenan-

schlag verübt, dem zahlreiche Nachahmungstaten folg-

ten.
917

Zudem kam es zu zwei vollendeten Tötungsdelik-

ten. Am 11. Juni 2000 wurde ein Mosambikaner in Des-
909) Verfassungsschutzbericht 1995, S. 106.

910) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 14.

911) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 82.

912) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10; Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 11.

913) Verfassungsschutzbericht 1998, S. 24.

914) Verfassungsschutzbericht 1999, S. 18.

915) Verfassungsschutzbericht 1999, S. 19; Frank Jansen auf tages-

spiegel.de „Guben gedenkt – oder verdrängt“ vom
13. Februar 2009.

916) Verfassungsschutzbericht 1999, S. 19.

917) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 29.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 143 – Drucksache 17/14600

sau von drei Tätern im Stadtpark angegriffen. Er starb am

14. Juni an den Folgen der Tritte und Schläge, die ihm

zugefügt worden waren. In der Nacht zum 24. Juli wurde

in Ahlbeck (Mecklenburg-Vorpommern) ein Obdachloser

durch Tritte und Schläge gegen den Kopf getötet.
918

Am

20. April wurde ein Brandanschlag auf die jüdische Syna-

goge in Erfurt verübt. Auch kam es in diesem Jahr zu

zahlreichen Schändungen jüdischer Friedhofe (laut dem

Verfassungsschutzbericht 56, im Vorjahr 47).
919

Ab 2001 wurde bei der Aufzeichnung der Gewalt- und

Straftaten das Definitionssystem „PMK“ eingeführt, so-
dass ein direkter Vergleich mit den Vorjahreszahlen nicht

möglich ist.
920

2002 stiegen die rechtsextremistischen Gewalttaten zum

Vorjahr um 8,9 %, während 2003 ein geringer Rückgang

festgestellt wurde.
921

2005 stiegen die rechtsextremistischen Straftaten um

27,5 % auf 15 361 (im Vorjahr 12 051), die Gewalttaten

mit rechtsextremistischem Hintergrund um 23,5 % auf

958 (im Vorjahr 776) an.
922

Seit 1988 kam es in diesem

Jahr zum ersten Mal wieder zu Verurteilungen wegen der

Bildung einer terroristischen Vereinigung. So wurden die

Beteiligten der „Kameradschaft Süd“ um Martin Wiese
wegen des geplanten Anschlags auf die Grundsteinlegung

der jüdischen Synagoge in München verurteilt. Zudem

gab es eine Verurteilung der Mitglieder des „Freikorps
Havelland“, die 2004 angeklagt worden waren, Brandan-
schläge auf türkische und asiatische Geschäfte verübt zu

haben.
923

2006 stiegen die offiziell erfassten rechtsextremistischen

Straftaten um 14,6 %, die rechtsextremistischen Gewaltta-

ten um 9,3 %
924

, während es 2007 zu einem Rückgang der

rechtsextremistischen Straftaten um 2,4 % und einem

Rückgang der rechtsextremistischen Gewalttaten um

6,4 % kam. Von 2006 bis 2008 blieb die Anzahl der Straf-

und Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund

auf einem hohen Niveau.
925

2008 stieg die Zahl der Straf-

taten um 15,8 % (auf 19 894), die der Gewalttaten um

6,3 % (auf 1 042).
926

2010 sank die Zahl der Straftaten auf 15 905 und die der

Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund auf

762. 2011 lag die Zahl der Straftaten mit rechtsextremisti-
918) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 30.

919) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 31.

920) Verfassungsschutzbericht 2011, S. 35.

921) Verfassungsschutzbericht 2002, S. 29; Verfassungsschutzbe-
richt 2003, S. 31.

922) Verfassungsschutzbericht 2005, S. 33.

923) Verfassungsschutzbericht 2005, S. 56 f.

924) Verfassungsschutzbericht 2006, S. 23.

925) Verfassungsschutzbericht 2007, S. 47.

926) Verfassungsschutzbericht 2008, S. 35.

schem Hintergrund bei 16 142, die der Gewalttaten bei

755.
927

4. Überblick über rechtsextremistische Mili-
eus

Die rechtsextreme Szene besteht aus unterschiedlichen

Milieus. Nachfolgend wird dem Beispiel der Verfas-

sungsschutzberichte des Bundesamts gefolgt und nach

drei Personengruppen untergliedert:

a) Rechtsextreme

Rechtsextreme stellen den Oberbegriff für die Gruppie-

rungen der gewaltbereiten Rechtsextremen, den rechtsext-

remistischen Skinheads und den Neonazis dar. Zu deren

politischer und ideologischer Überzeugung sei auf den

oben erläuterten Begriff des „Rechtsextremismus“ ver-
wiesen.

Seit Hinzurechnung der Rechtsextremisten der neuen

Bundesländer im Jahr 1991
928

verringerte sich die Zahl

der Rechtsextremisten stetig. Waren es im Jahr 1994 noch

56 600
929

, so konnten im Jahr 2011 22 400 Rechtsextre-

misten verzeichnet werden.
930

Zu den Rechtsextremisten zählen auch die in den Verfas-

sungsschutzberichten genannten gewaltbereiten Rechts-

extremisten, die zu großen Teilen aus rechtsextremisti-

schen Skinheads bestehen.
931

Diese Zahl stieg hingegen in

den letzten Jahren stetig an. Waren es 1994 noch 5 400
932

gewaltbereite Rechtsextremisten, so stabilisierte sich die

Personenzahl in den letzten Jahren zwischen 9 000 und

10 000 Personen.
933

b) Skinheads

Ursprünglich hat sich die Skinhead-Bewegung in den

60er Jahren in Großbritannien entwickelt. Hierbei handel-

te es sich um eine unpolitische Jugend-Subkultur, die vor

allem spaßorientiert war und für ein besonderes Lebens-

gefühl der Arbeiterklasse stand.
934

Grundsätzlich rebellie-

ren Skinheads gegen die bürgerliche Gesellschaft und

versuchen sich von dieser durch Provokationen und einem

bewussten „Outsiderstatus“ abzugrenzen, u. a. durch
927) Vgl. http://www.statista.com, „Anzahl der Straftaten insgesamt

und der Gewalttaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hin-

tergrund in Deutschland von 2005 bis 2011“, Quelle: BKA.

928) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 75.

929) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 27.

930) Verfassungsschutzbericht 2011, S. 56.

931) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 24; Kurt Möller, Nils

Schuhmacher, „Ein- und Ausstiegsprozesse rechtsextremer

Skinheads“, S. 17, 18, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte“,
37/2007.

932) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 36.

933) Verfassungsschutzbericht 2011, S. 56.

934) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-

tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 19, 20.

Drucksache 17/14600 – 144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Trinkgelage, militantes Auftreten und eine

niedrigschwellige Gewaltbereitschaft.
935

So bedeutet auch

heute die Skinhead-Bewegung an sich nicht gleichzeitig,

rechtsextremistisch eingestellt oder gewalttätig zu sein.
936

Skinheads gelten nach den Verfassungsschutzbehörden

dann als rechtsextremistisch wenn sie:

„Konzerte von rechtsextremistischen Bands besu-
chen; oder

rechtsextremistisch motivierte Straftaten begehen;

oder

Mitglieder in rechtsextremistischen Organisationen

sind. Solche Organisationen können originäre

Skinhead-Gruppierungen wie die verbotene

„Blood & Honour“ (B&H) aber auch neonazisti-
sche Kameradschaften der NPD sein.“937

Der Verfassungsschutz hat dem Umstand Rechnung ge-

tragen, dass es auch unpolitische oder links ausgerichtete

Skinheads gibt und hat in den Verfassungsschutzberichten

die Bezeichnung „subkulturell geprägte und sonstige
gewaltbereite Rechtsextremisten“ eingeführt.938 Trotzdem
sei ein beachtlicher Teil der deutschen Skinheads rechts-

extrem eingestellt.
939

In den 90er Jahren veränderte sich die Skinhead-

Bewegung zunehmend. Nach der Wende zeigte sich, dass

neonazistische Skinheads in Ostdeutschland stärker politi-

siert und brutaler, außerdem besonders nationalistisch und

rassistisch ausgerichtet waren.
940

1997 wurde festgestellt,

dass in Ostdeutschland über die Hälfte der gesamtdeut-

schen Skinhead-Szene ansässig waren, welche einen

Großteil der gewaltbereiten Rechtsextremisten ausmach-

ten.
941

Nachdem es zu einem rapiden Anstieg der Anzahl der in

der Skinhead-Szene verorteten Personen, von im Jahr

1991 gezählten 4 200 Personen
942

bis 2002 auf über

10 000 kam, ist seitdem ein stetiger leichter Rückgang zu

verzeichnen.
943

Bereits seit 1993 ließ sich eine Veränderung im Erschei-

nungsbild der Skinheads beobachten, die sich, um äußer-

lich weniger stark aufzufallen, dem äußeren Erschei-
935) http://www.bpb.de.

936) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-
tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 19.

937) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum

Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 2.

938) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-

tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 19.

939) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-

tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 23.

940) Verfassungsschutzbericht 1990, S. 38.

941) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 83.

942) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 12.

943) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum

Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 3.

nungsbild von Normalbürgern anpassten.
944

Den typi-

schen Skinhead mit Glatze, Bomberjacke und Stiefeln

fand man zunehmend weniger.
945

Auch änderte sich der

Musikgeschmack hin zu Hardcore/Hatecore und Heavy

Metal.
946

Es konnte festgestellt werden, dass sich vor allem zwi-

schen Neonazis und Skinheads eine Mischszene bildete

und die Skinheads zunehmend in den von Neonazis orga-

nisierten Kameradschaften strukturell eingebunden wa-

ren.
947

Jedoch hat der Sachverständige Prof. Dr. Schroe-

der darauf hingewiesen, dass nicht von einem einheitli-

chen Milieu ausgegangen werden kann. Bei den rechtsex-

tremistischen Skinheads lasse sich nur ein diffus rechts-

extremes Gedankengut finden, während bei den Neonazis

ein verfestigtes, am Nationalsozialismus angelehntes

Welt- und Menschenbild zu finden sei. Neonazis strebten

den Umsturz der demokratischen und pluralistischen

Gesellschaft mit einer am historischen nationalsozialisti-

schen Vorbild orientierten Ordnung an, während rechts-

extremistische Skinheads ihre rassistischen und biologis-

tischen Überzeugungen oft willkürlich gewaltsam ausleb-

ten.
948

c) Neonazis

Mit dem Begriff „Neonazismus“ werden im Rechtsextre-
mismus Personenzusammenschlüsse und Aktivitäten

charakterisiert, die sich zum Nationalsozialismus beken-

nen und die Errichtung eines Führerstaats nach dem Vor-

bild des „Dritten Reiches“ anstreben. In unterschiedlichen
Ausprägungen definiert sich dieses rechtsextremistische

Spektrum vor allem über eine inhaltliche Bezugnahme zur

NS-Ideologie.
949

Die Neonazis werden vom Niedersächsischen Innenmi-

nisterium wie folgt definiert:

„Der Neonazismus bezeichnet eine in der Traditi-
on des Nationalsozialismus stehende politische

Strömung. Neonazis streben einen nach dem Füh-

rungsprinzip ausgerichteten Staatsaufbau an, der

auf der Vorstellung einer rassistisch verstandenen

Volksgemeinschaft gründet und bei dem der Ein-

zelne seine Interessen unter Verzicht auf die im

Grundgesetz konkretisierten Individualrechte dem

Wohl der Volksgemeinschaft unterordnet. […] Je-
944) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 95.

945) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum
Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 5.

946) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Kompetenzzentrum

Rechtsextremismus, Stand: März 2009, S. 4.

947) Verfassungsschutzbericht 2002, S. 23.

948) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 5.

949) http://www.bpb.de.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145 – Drucksache 17/14600

der Neonazi ist zwar ein Rechtsextremist, aber

nicht jeder Rechtsextremist ist ein Neonazi.“950

Festzuhalten ist, dass sich von 1997 bis 2007 das Perso-

nenpotenzial der Neonazis um insgesamt 80 % auf 4 200

Personen erhöhte.
951

d) Frauen in der Szene

Zumeist heißt es, dass nur ein geringer Anteil von Frauen

in der rechtsextremistischen Szene zu verzeichnen sei.

Dieser liege bei etwa 10 %.
952

Die Sachverständige Röpke hat vor dem Untersuchungs-

ausschuss ausgeführt, dass es in den radikalen militanten

Hintergrundstrukturen aber immer schon wichtige Frauen

gegeben habe. Auch bei Problemen mit der rechtsextre-

men Szene und Veranstaltungen, die Röpke im Rahmen

ihrer journalistischen Tätigkeit aufsuchte, sei aufgefallen,

dass es häufig Frauen gewesen seien, die eine problemati-

sche Situation angestachelt und dafür gesorgt hätten, dass

Röpke und ihre Begleiter rausgeworfen worden seien.

Röpke hat angemerkt, dass sie über die Jahre hinweg ein

großes Potenzial an fanatischen Frauen entdeckt habe.
953

So habe sich die Gruppierung „Wiking-Jugend“, die sehr
militant gewesen sei, zu fast 40 % aus Frauen rekrutiert.

Auch die „HNG“ (siehe unten) sei maßgeblich von Frau-
en geführt worden.

954
So hätten beispielsweise auch zur

Kerngruppe der „Kameradschaft Süd“ zwei Frauen ge-
hört.

955
Gerade auch im Umfeld des NSU seien auffällig

viele Frauen aufgetaucht, die bewusst eine Zelle im Un-

tergrund unterstützt hätten.
956

5. Aktions-, Handlungs- und Organisations-
formen

a) Einstieg in die rechtsextremistische Szene

Der Sachverständige Prof. Dr. Stöss hat vor dem Untersu-

chungsausschuss ausgeführt, dass der Einstieg in die

rechtsextremistische Szene zumeist über zufällige Kon-

takte bzw. Gespräche mit Rechtsextremisten erfolge. Als

wichtig hat er dabei besonders die Teilnahme an rechts-

extremen Veranstaltungen, Jugendlagern, Konzerten,

Besuchen von Szenetreffpunkten, Mitgliedschaften und

kontinuierliche Mitarbeit in rechtsextremen Gruppen

hervorgehoben.
957

Prof. Dr. Stöss hat aber auch betont,
950) Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integra-

tion, „Neonazistische Kameradschaften, Rechtsextreme Skin-
heads, Rechtsextremistische Musik“, S. 5.

951) Kurt Möller, Nils Schuhmacher, „Ein- und Ausstiegsprozesse
rechtsextremer Skinheads“, S. 17, in: „Aus Politik und Zeitge-
schichte“, 37/2007.

952) Stöss, „Rechtsextremismus im Wandel“, S. 154.

953) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 22.

954) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 17.

955) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 22.

956) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 17.

957) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.

dass die Einstiegswege noch so gut wie nicht erforscht

seien. Aus Biografien Rechtsextremer sei jedoch zu er-

kennen, dass sich an dem o. g. Set von spezifischen Ver-

haltensweisen orientiert werde und ein Erstkontakt über

eher niederschwellige Freizeitaktivitäten stattfinde.
958

Er

hat jedoch bezweifelt, dass es typische Karrieremuster

vom Einstieg in die Szene mit Ende im rechtsextremisti-

schen Terrorismus gebe.
959

Auch der Sachverständige Prof. Dr. Schroeder hat ausge-

führt, dass ein Werdegang von vielen Zufälligkeiten ab-

hängig sei, etwa in welche Szene man rutsche und in

welcher Region oder Stadt man lebe. Außerdem sei eine

entsprechende Disposition nötig (siehe oben).
960

Durch

die o. g. Kontaktanbahnungen werde im Sinne einer Ideo-

logie der Volksgemeinschaft das Gemeinschaftsgefühl

gefördert und vertieft.
961

Der zweite Schritt in die rechtsextremistische Szene sei

die Verfestigung des rechtsextremen Weltbildes. Dieses

werde beispielsweise über Musik und Gruppenerlebnisse

vermittelt. Hier erhielten die jungen Menschen zum Teil

zum ersten Mal eine Form der Anerkennung. Prof. Dr.

Schroeder hat in seinem Gutachten noch einmal betont,

dass die Bedeutung von Musik für das rechtsextreme

Milieu nicht überschätzt werden könne. Die Musik emoti-

onalisiere, fördere die Gewaltbereitschaft und diene der

Verbreitung von Feindbildern.
962

Der dritte Schritt sei der Einstieg in die permanente Ge-

waltanwendung, den Terrorismus. Hier könne man jedoch

nicht mehr von etwaigen Dispositionen ausgehen, da kein

Automatismus bestehe von einem Rechtsextremisten zu

einem Rechtsterroristen zu werden, sondern es um Einzel-

fall-Dispositionen gehe.
963

b) Aktionsformen

Prof. Dr. Stöss hat vor dem Untersuchungsausschuss über

drei verschiedene strategische Optionen von Aktionsfor-

men berichtet.
964

– Die erste sei die politische Opposition innerhalb des
Systems, welche sich aus den rechtsextremen Partei-

en, Selbsthilfeorganisationen und Glaubensgemein-

schaften zusammensetze.
965

Hier versuche der

Rechtsextremismus vor allem mit legalen Mitteln
958) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 4.

959) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 5.

960) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 7.

961) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 20.

962) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die

Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, MAT A S-2/2, S. 20.

963) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 8.

964) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 2.

965) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 2.

Drucksache 17/14600 – 146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

seine Macht auszubauen und politische Entscheidun-

gen zu beeinflussen.
966

– Die zweite sei die politische Opposition gegen das
System, worunter die NPD seit 1996/97 zu fassen sei

sowie neonazistische Aktionsgruppen, Kamerad-

schaften, Netzwerke, einige Jugendorganisationen

und rechtsextreme Subkulturen. Hier bediene man

sich gegebenenfalls auch illegaler Praktiken.
967

– Die dritte sei der Kulturkampf von rechts, welche aus
Kulturorganisationen wie die Gesellschaft für freie

Publizistik, Verlage, Vertriebe und Medien beste-

he.
968

Die intellektuellen Vordenker bemühten sich,

die geistigen Grundlagen für einen erfolgreichen

Rechtsextremismus zu schaffen und die Ideologie

zeitgemäß zu formulieren, auf bestehende Stimmun-

gen zuzuschneiden und gegebenenfalls veränderten

Bedingungen anzupassen.
969

Für diese drei Optionen stehe dem Rechtsextremismus ein

Set aus spezifischen Verhaltensweisen mit unterschiedli-

chen Eskalationsstufen zur Auswahl. Letztere würden

sich nach dem Grad der ideologischen Verfestigung, nach

der Integration in rechtsextreme Organisations- und

Kommunikationszusammenhänge sowie nach der Radika-

lität der Verhaltensweisen bemessen u.v.m.
970

Zur Durchsetzung der politischen Ziele habe laut Prof.

Dr. Stöss innerhalb des Untersuchungszeitraums eine

Konzentration der Aktivitäten der rechtsextremistischen

Szene auf einzelne Kampagnen stattgefunden. So seien

insbesondere drei Kampagnen hervorzuheben:

– Die „Überfremdungskampagne“, die darauf abgezielt
habe, Ängste davor zu erzeugen oder zu verstärken,

dass die Mehrheitsgesellschaft Opfer einer unbe-

grenzten Einwanderung sei und damit ihre Identität

verliere.

– Die „Antiglobalisierungskampagne“, die eine Erwei-
terung der „Überfremdungskampagne“ dargestellt
habe, habe einen guten Resonanzboden aufgrund des

Schutzbedürfnisses gegen tatsächliche oder vermeint-

liche äußere und innere Bedrohungen (wie Abhän-

gigkeit vom Weltmarkt, Immigration, Sozialmiss-

brauch, sogenannte Ausländerkriminalität etc.) gebo-

ten.

– Die „Antiislamkampagne“, in der sich die beiden
oben genannten Kampagnen verbunden hätten, und

die durch die Anschläge am 11. September 2001 in

den USA ausgelöst worden sei. Seither entwickle

sich die Islamfeindschaft zu einer neuen Qualität des
966) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,

S. 4.

967) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,

S. 5.

968) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 2.

969) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,

S. 5.

970) Dr. Stöss, Protokoll-Nr. 8, S. 3.

Rassismus. Diese Kampagne zeichne sich jedoch

auch dadurch aus, dass sie sich auf demokratische

Werte berufe und deshalb eine breite Resonanz in der

Bevölkerung finde.
971

Prof. Dr. Schroeder hat in seinem Gutachten ausgeführt,

dass seit einigen Jahren auch von einigen rechtsextremis-

tischen Gruppen Themen, inhaltliche Versatzstücke und

Aktionsformen von Linksextremen kopiert würden. So sei

zum Beispiel der sogenannte nationale „Schwarze Block“
äußerlich kaum vom linksautonomen „Schwarzen Block“
zu unterscheiden.

972
Diese Gruppen setzten vor allem auf

den „Straßenkampf“ und griffen mit verschiedenen Mit-
teln ihre politischen Kontrahenten und Vertreter der

Staatsmacht an.

Im Rahmen des von der NPD propagierten „Kampfes um
die Straße“ nahmen seit Ende der 90er Jahre Demonstra-
tionen der Nazi-Szene zu. Hierbei ging es vor allem da-

rum, in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen zu können.
973

Auch wenn ab 2002 eine gewisse Demonstrationsmüdig-

keit festzustellen war
974

, blieb die Strategie bestehen,

möglichst viele Demonstrationen zu organisieren.
975

Be-

sondere Aufmerksamkeit erhielt dabei die jährlich durch-

geführte Rudolf-Heß-Gedenkfeier,
976

welche im Jahr

2004 verboten wurde. Die Zahl der Demonstrationen

blieb nach einem Rückgang in den Jahren 2006
977

und

2007
978

hoch. Teilweise war ein massives Polizeiaufgebot

nötig, um schwere Zusammenstöße mit Gegendemonst-

ranten zu verhindern.
979

Die Sachverständige Röpke hat hierzu bemerkt, dass sich

die Neonazis bezüglich ihrer Aktionsfelder gerade um-

strukturierten. So würden Demonstrationen und Aufmär-

sche uninteressanter und hätten für viele Regionen nur

noch Symbolcharakter. Mittlerweile würden vor allem

Feste veranstaltet.
980

Als Beispiel hat Röpke allein in

Mecklenburg-Vorpommern die Veranstaltung von fünf

Kinderfesten innerhalb eines Jahres genannt. So versuche

die Szene vor allem die sog. „Erlebniswelt Rechts“ aus-
zuweiten.

981

971) Sachverständigengutachten von Dr. Stöss vom 15. März 2012,

S. 2 ff.

972) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, S. 16.

973) Verfassungsschutzbericht 1997, S. 68.

974) Verfassungsschutzbericht 2002, S. 23.

975) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 34.

976) Verfassungsschutzbericht 2003, S. 51; Verfassungsschutzbe-
richt 2004, S. 58

977) Verfassungsschutzbericht 2006, S. 59.

978) Verfassungsschutzbericht 2007, S. 54.

979) Verfassungsschutzbericht 2008, S. 66.

980) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 52.

981) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 53.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147 – Drucksache 17/14600

c) Organisationsformen

Prof. Dr. Schroeder hat in seinem Gutachten ausgeführt,

dass sich nach dem Verbot rechtsextremer Vereinigungen

in den 90er Jahren etwa seit der Jahrtausendwende die

rechtsextreme und hier speziell die Neonazi-Szene flexi-

bilisiert und modernisiert habe. So sei die Zahl von Ka-

meradschaften, die mittlerweile von „autonomen Nationa-
listen“ abgelöst oder ergänzt würden, stark angestiegen.982

Prof. Dr. Schroeder hat auch aufgezeigt, welche Organi-

sationsformen allgemein in der rechtsextremistischen

Szene zu finden seien: Er differenziert zwischen

– einer subkulturell geprägten Szene und „freien Kräf-
ten“, die nicht über ein geschlossenes rechtsextremes
Weltbild verfügen würden,

– autonomen Nationalisten und nationalen Sozialisten,
die zunehmend konspirativ in kleinen Gruppen agie-

ren würden,

– kleinen neonazistischen Gruppen und Organisationen
sowie

– den größeren Parteien wie DVU, Republikanern und
der NPD, wobei nur noch letztere eine Rolle spielen

würde.
983

6. Strategien der militanten Rechten

a) Finanzierung

Zu der Frage, wie sich die rechtsextreme Szene finanzie-

re, hat Röpke ausgeführt, dass es mittlerweile in der neo-

nazistischen Szene typisch sei, sich selbstständig zu ma-

chen, um die Finanzierung zu gewährleisten und – nicht
immer erfolgreich – Wirtschaftsstrukturen aufzubauen. So
finde man beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern

fast kein subkulturelles Milieu mehr, sondern viele Unter-

nehmer. Es gebe vor allem in Norddeutschland oder Nie-

dersachsen einige Taxi- und Fuhrunternehmen sowie

Abriss- und Bauunternehmen, die dann auch nur national

gesinnte Auszubildende einstellten und Geschäftspartner

aus diesem Bereich suchten.
984

In großen Städten gebe es

überdies Konglomerate aus Neonazis und dem Rotlicht-

milieu. Hier seien Neonazis in Security-Firmen engagiert

und als Türsteher beschäftigt. Auch gebe es Hinweise auf

Aktivitäten im Prostitutionsbereich.
982) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen

zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die

Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am
22. März 2012“, S. 5.

983) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen
zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, S. 17.

984) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 46.

Mit Blick auf die Finanzierung des NSU-Trios seien auch

unter anderen Rechtsextremisten Banküberfälle kein Ein-

zelfall, um sich finanzieren zu können.
985

b) Vernetzung

Bereits 1993 gelang es der rechtsextremistischen Szene,

sich durch den Fortschritt der Informationstechnik neue

Möglichkeiten der Strukturierung und Vernetzung zu

schaffen, was eine kurzfristige Mobilisierung der Szene

und überregionalen Informationsaustausch ermöglichte.
986

Es konnte beobachtet werden, dass der Organisationsgrad

der Rechtsextremisten wuchs. So wurde gegen einige

kleinere Gruppierungen von Rechtsextremisten wegen des

Verdachts der Bildung von terroristischen oder kriminel-

len Vereinigungen ermittelt, in einem Fall auch Anklage –
gegen Mitglieder der verbotenen „Nationalen Offensive“
im Raum Witten – wegen Bildung einer kriminellen Ver-
einigung erhoben.

987
Die neonazistischen Skinheads, die

den größten Anteil der Gewalttaten verübten, bestanden

zumeist aus losen Zusammenschlüssen.
988

1994 zeichnete sich weiter ab, dass die Rechtsextremisten

die informationelle Vernetzung ausnutzten, um die nicht

vorhandene Struktur in der Szene überwinden zu kön-

nen.
989

So wurden vor allem Mailboxen und Info-

Telefone zur Kommunikation eingesetzt.
990

Der Aufbau

des „Thule Netzes“ für die Nazi-Szene wurde maßgeblich
von Kai D., einem V-Mann des LfV Bayern, vorangetrie-

ben.

2001 konnte ein starker Anstieg von rechtsradikalen

Homepages verzeichnet werden, der mit 1 300 Seiten

einen Höchststand erreichte (2000: 800; 1999: 330)
991

und

eine zunehmende Vernetzung der Neonazis in Kamerad-

schaften festgestellt werden.
992

Die Vernetzung zwischen

den Kameradschaften und der Skinhead-Szene nahm

ebenfalls weiter zu.
993

Dieses Phänomen konnte auch in

den folgenden Jahren festgestellt werden.
994

Zu Vernet-

zungen mit anderen Kameradschaften verhalfen hier ins-

besondere das Internet und die seit Jahren bestehenden

Aktionsbündnisse.
995

Auch Prof. Dr. Schroeder hat hierzu

ausgeführt, dass eine Verlinkung über das Internet zwi-

schen den Neonazis bestehe und man verfolgen könne,

wie und was sie kommunizierten.
996

Er hat erläutert, dass

bundesweit zumindest eine lose Vernetzung zwischen den
985) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 47.

986) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 147.

987) Verfassungsschutzbericht 1993, S. 93.

988) Verfassungsschutzbericht 1991, S. 75.

989) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 81.

990) Verfassungsschutzbericht 1994, S. 158 ff.

991) Verfassungsschutzbericht 2001, S. 131.

992) Verfassungsschutzbericht 2001, S. 28.

993) Verfassungsschutzbericht 2001, S. 46.

994) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 34; Verfassungsschutzbe-
richt 2006, S. 58.

995) Verfassungsschutzbericht 2006, S. 58.

996) Dr. Schroeder, Protokoll-Nr. 8, S. 42.

Drucksache 17/14600 – 148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Rechtsextremisten bestehe, auf regionaler Ebene diese

Vernetzung jedoch dichter gestrickt sei.
997

c) Bewaffnung

1996 wurde eine vermehrte Bewaffnung der rechtsextre-

mistischen Szene festgestellt, was dadurch unterstützt

wurde, dass durch offene Grenzen, den Rückzug der rus-

sischen Streitkräfte aus Deutschland und den Krieg im

ehemaligen Jugoslawien viele illegale Waffen auf den

Markt kamen.
998

Eine konkrete Einschätzung über den

möglichen Gebrauch dieser Waffen und ihre Funktion für

die Szene findet sich nicht in den Verfassungsschutzbe-

richten.

1998 wurde wiederholt bemerkt, dass unter den Neonazis

viele „Waffenfetischisten“ zu finden seien. Diese sam-
melten Sprengstoff und Waffen und machten sich mit

deren Gebrauch vertraut, was laut Verfassungsschutzbe-

richt ein Risiko für die innere Sicherheit darstellte. So

wird in dem Verfassungsschutzbericht 1998 auch das Trio

erwähnt, welches in Jena mit vier funktionsfähigen Rohr-

bomben gefunden wurde. Es wurde festgehalten, dass

keine konkreten Anschläge beabsichtigt worden seien.
999

Eine konkrete Einschätzung über den möglichen Ge-

brauch dieser Waffen und ihre Funktion für die Szene

findet sich nicht in den Verfassungsschutzberichten dieser

Zeit.

Im Jahr 2000 konnten einige konkrete Planungen für den

Einsatz von Sprengstoff und Waffen festgestellt werden.

Diese Planungen erfolgten nicht nur durch Einzelperso-

nen, sondern auch durch Kleinstgruppen.
1000

Die „Kameradschaft Süd“ unter Martin Wiese plante für
November 2003 einen Sprengstoffanschlag anlässlich der

Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums in Mün-

chen.

2004 wurden wiederholt bei Rechtsextremisten Waffen

und Sprengstoff beschlagnahmt.
1001

Dieser Waffenbesitz

wurde zwar vor allem auf die Affinität der rechtsextremis-

tischen Szene für Waffen zurückgeführt, jedoch wurde

auch bemerkt, dass dem die Gefahr innewohnt, Waffen

und Sprengstoff spontan für schwerste Straftaten zu nut-

zen.
1002

Röpke hat außerdem berichtet, dass aus einem

internen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz

aus dem Jahr 2004 hervorgehe, dass es in diesem Jahr im

Vergleich zum Vorjahr zu einer Verdoppelung der Funde

von Waffen, Munition und Sprengstoff gekommen sei.
997) Sachverständigengutachten von Dr. Schroeder, „Anmerkungen

zum Rechtsextremismus in Deutschland und Antworten auf die
Fragen des 2. Untersuchungsausschusses für die Anhörung am

22. März 2012“, S. 20.

998) Verfassungsschutzbericht 1996, S. 97.

999) Verfassungsschutzbericht 1998, S. 24.

1000) Verfassungsschutzbericht 2000, S. 37.

1001) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 34.

1002) Verfassungsschutzbericht 2004, S. 47.

Außerdem habe es 15 Homepages im Internet mit Bom-

benbauanleitungen für Neonazis gegeben.
1003

7. Ausstieg

Der Sachverständige Wagner hat sich vor dem Untersu-

chungsausschuss zu einem möglichen Ausstieg von Per-

sonen aus der rechtsextremistischen Szene geäußert. Er

halte die Deradikalisierung für eine wichtige Methode, da

Repression nicht die entscheidende Wirkung habe. Mitt-

lerweile sei bezüglich der Repression ein Lernfeld ent-

standen, wie man sich staatlicher Beeinflussung, staatli-

cher Sanktionen, Gerichten, Gefängnissen etc. entziehen

könne.

Man müsse deshalb das Täterfeld Stück für Stück beein-

flussen und Täter „absaugen“. Seine im Jahr 2000 ge-
gründete Initiative EXIT-Deutschland versuche, in dieses

Spektrum hineinzukommen.
1004

Auf Nachfrage des Unter-

suchungsausschusses, was konkret bewirkt werden könne,

hat der Sachverständige Wagner erläutert, Mittelpunkt der

Arbeit seiner Initiative sei, ein öffentlich wahrnehmbares

Angebot für ausstiegswillige militante Neonazis zu schaf-

fen.
1005

Die Initiative mache Personen Angebote, die

rechtsextremistischen Strukturen zu verlassen.
1006

Die

Deradikalisierung betreffe dabei nicht nur die Frage des

Ausstiegs, es gehe auch um die Schaffung von System-

aufstellungen in Kommunen oder in Regionen, wo

Schwerpunkte des Rechtsextremismus existierten. Ziel sei

es, vor Ort entsprechende Kräfte zu installieren, die auf

die Mentalitäts- und Ideologiestruktur der Menschen

einwirken und sie dazu bringen könnten, über ihr Tun

nachzudenken.
1007

Zum einen könnten die Rechtsradika-

len in ihrer aktuellen Mentalitätsstruktur erkannt und

etwaige Missgefühle aufgegriffen werden. In dieser Men-

talitätsfalle könnte man die Leute, etwa durch Sozialarbei-

ter, Polizeibeamte oder Mitarbeiter des Justizvollzugs,

ansprechen und „dort abholen“.1008 Eine zweite Ebene sei
der Ideologiebruch bei Führungskadern innerhalb der

Organisationen. Dies müsse man erkennen, was durch die

Ansprache kenntnisreicher Leute verwirklicht werden

könne. Allerdings handle es sich um ein hochsensibles

und problematisches Thema, weil man nicht wisse, wel-

che Leute die Ansprache durchführen sollten.
1009

Hingewiesen hat der Sachverständige Wagner darauf,

dass die Mitglieder der rechten Szene nicht unterschätzt

werden dürften. Sowohl als Gruppe als auch als Persön-

lichkeiten stellten sie lernende und sich erweitert reprodu-

zierende Systeme dar. Die Rechtsextremisten seien weder
1003) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 10,11.

1004) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.

1005) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 49.

1006) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 44.

1007) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 44.

1008) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 50.

1009) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 50.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149 – Drucksache 17/14600

kenntnisarm noch unbeleckt gegenüber weltanschaulichen

Fragen.
1010

Als sehr tragfähiges Modell habe sich laut dem Sachver-

ständigen Wagner außerdem die Hilfe für Familien, deren

Angehörige im Rechtsextremismus aktiv seien, herausge-

stellt. Dieses Konzept beinhalte spezielle, harte Anforde-

rungen um einerseits die Strafverfolgung sicherstellen zu

können und gleichzeitig ausstiegsorientiert über die Eltern

an die Täter heranzukommen. Dieses Konzept sei auf-

grund der Finanzierungspolitik des Bundes und der Län-

der jedoch wieder ins Hintertreffen geraten. Zudem gebe

es Bemühungen des Bundesfamilienministeriums, Mög-

lichkeiten zu erschließen, auch rechtsradikale Eltern an-

zusprechen und zum Ausstieg zu bewegen.
1011

II. Rechtsextremistische Milieus mit Bezügen
zum Trio außerhalb Thüringens

1. „Blood & Honour“

„Blood & Honour“ ist ein rechtsextremes Netzwerk, das
in den 80er Jahren in Großbritannien gegründet wurde,

um der neonazistischen Skinhead-Szene eine eigene

Struktur zu verleihen.
1012

Ziel war die Verbreitung der

nationalsozialistischen Weltanschauung – insbesondere
durch rechtsextremistische Musik und durch Publikatio-

nen.
1013

1994 gründete die Organisation einen Ableger in

Deutschland – die „Blood & Honour Division Deutsch-
land“.1014 Diese Gruppierung galt bereits Ende der 90er
Jahre als eine der gefährlichsten rechtsextremen Organisa-

tionen in Deutschland.
1015

Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe hatten intensive Kontakte zu „Blood & Honour“-
Mitgliedern – sowohl vor ihrer Flucht als auch später im
Untergrund. Sie wurden aus der Organisation heraus

unterstützt – zum Beispiel durch Thomas Starke, einen
führenden „Blood & Honour“-Funktionär aus Sachsen
und späteren V-Mann des LKA Berlin, der dem Trio unter

anderem den Sprengstoff besorgte, der bei der Garagen-

durchsuchung am 26. Januar 1998 gefunden wurde,
1016

und der später zu einem der wichtigsten Fluchthelfer des

Trios wurde.
1017

Mit „Combat 18“ verfügt „Blood & Honour“ über einen
„bewaffneten Arm“.1018 In zahlreichen Publikationen aus
1010) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 51.

1011) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 50.

1012) Verfassungsschutzbericht 1999 (BfV), S. 27.

1013) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1014) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1015) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 38.

1016) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 59 ff.; Welt am Sonntag vom

23. September 2012, S. 11, „Die Version des Thomas Starke.“.

1017) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 41.

1018) Röpke, „Im Untergrund, aber nicht allein“, 30. April 2012,
veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.

dem Umfeld von „Blood & Honour“ und „Combat 18“
werden Strategien zum Leben im Untergrund und zur

Durchführung militanter Aktionen beschrieben, die dem

Trio als Vorbild für seine Taten gedient haben könn-

ten.
1019

In zwei Versionen des NSU-Videos wird Musik der

Gruppe „Noie Werte“ eingespielt – eine der wichtigsten
Bands aus dem „Blood & Honour“-Spektrum.1020

Die „Blood & Honour Division Deutschland“ wurde im
September 2000 verboten.

1021
Ehemalige Mitglieder blie-

ben jedoch weiter in Kontakt – sie organisierten Konzerte,
vertrieben Musik und Propagandamaterial. Auf der inter-

nationalen Website von „Blood & Honour“ gibt es ein
Forum – die aktivsten User kommen nach wie vor aus
Deutschland.

1022
a) „Blood & Honour“ International

„Blood & Honour“ wurde 1987 in Großbritannien ge-
gründet – von Ian Stuart Donaldson, dem Sänger und
Anführer der britischen Skinhead-Band

„Skrewdriver“.1023

Donaldson hat die Bewegung nach der nationalsozialisti-

schen Parole „Blut und Ehre“ benannt. „Blut und Ehre“
war zum einen die Losung der Hitlerjugend, zum anderen

war das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der
deutschen Ehre“ eines der Nürnberger Rassegesetze von
1935.

Ziel von „Blood & Honour“ ist die Verbreitung der natio-
nalsozialistischen Ideologie, insbesondere über die Musik

verschiedener Neonazi-Bands, aber auch durch Zeitschrif-

ten – sogenannte Fanzines – und über das Internet. Auf
der Website werden Unmengen an Propagandamaterial

zum Download angeboten, unter anderem NS-Filme und

Mein Kampf als E-Book. Es gibt sogar ein eigenes „Blood
and Honour” Radio, das rund um die Uhr Hassmusik
spielt.

1024
„Blood & Honour“-Gründer Donaldson kam 1993 bei
einem Verkehrsunfall ums Leben. Seine Organisation

existiert nach wie vor und hat inzwischen in vielen Län-

dern sogenannte „Divisionen“. Die genaue Zahl der Mit-
glieder ist nicht bekannt – ein „Blood & Honour“-Forum,
das 2008 gehackt wurde, hatte zum damaligen Zeitpunkt

mehr als 30 000 Nutzer.
1025
1019) Näheres hierzu unter C.II.1.c).

1020) MAT A GBA-4/3 (DVD), Vorl. SA 10, Bl. 61.

1021) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1022) Scharfenberg, „Von Wölfen und Menschen“, veröffentlicht auf
der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“ am 5. Januar
2012.

1023) MAT A BMI-4/0037, Bl. 178.

1024) Scharfenberg, „Von Wölfen und Menschen“, veröffentlicht auf
der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“ am 5. Januar
2012.

1025) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 24.

Drucksache 17/14600 – 150 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bereits 1999 wurde auf der englischsprachigen Internet-

seite von „Blood & Honour“ ausgeführt:

„Die Blood & Honour-Bewegung muss eigentlich
nicht vorgestellt werden. Seitdem diese von unse-

rem gefallenen Helden, Ian Stuart Donaldson, ge-

gründet wurde, hat sie sich stets als führende Be-

fürworterin des Weißen Stolzes und als durchset-

zende Kraft der Weißen Macht bewährt. Heute

gibt es B&H-Gruppen in fast allen weißen Ländern

und unser Ziel ist es, diese durch mehr als einen

einfachen Namen zu vereinen. Eine Zusammenar-

beit hat in Skandinavien ausgezeichnet funktio-

niert, mit dynamischen Ortsgruppen in fast allen

nordischen Ländern. Es ist höchste Zeit, dass diese

Zusammenarbeit sich auf die ganze Welt aus-

dehnt.“1026

b) „Blood & Honour Division Deutschland“

Die „Blood & Honour Division Deutschland“ wurde 1994
in Berlin gegründet

1027
– mit dem Ziel, auch in Deutsch-

land neonazistische politische Inhalte und Musik zu ver-

breiten.
1028

In der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg
Vorwärts beschrieb sich die Organisation selbst als

„national-revolutionäre Bewegung, der Adolf Hit-
lers Ideale zugrunde liegen.“1029

In einem „Mitteilungspapier für Bewerber“ bezeichnete
sich „Blood & Honour“ als

„überparteiliche Skinheadorganisation, die es sich
zur Aufgabe gemacht hat, die nationals…sche
Weltanschauung auf dem musikalischen Sektor zu

verbreiten.“1030

„Blood & Honour“ geriet schnell ins Visier der Behörden.
1996 wurde die Organisation erstmals im Verfassungs-

schutzbericht des BfV erwähnt:

„In Deutschland trat sie 1995 in Erscheinung; sie
organisierte Skinhead-Konzerte in Brandenburg,

Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Ziel der

‚Blood & Honour‘-Bewegung (‚The Independent
Voice of Rock Against Communism‘) ist es, eine
autonome Struktur für die Skinhead-Szene – vor-
wiegend im Musikbereich – zu schaffen und über
die Musik die Szene neonazistisch zu beeinflussen.

Durch die Veranstaltung von Konzerten konnte sie

ihre Stellung innerhalb der deutschen Skinhead-

Szene wesentlich stärken.“1031
1026) http://bloodandhonour.com/germ88 - MAT A GBA-3/53a,

PDF-Bl. 61.

1027) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1028) MAT A BMI-4/0037, Bl. 179.

1029) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 47.

1030) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1031) Verfassungsschutzbericht 1996 (BfV), S. 101.

Bei den Konzerten, die „Blood & Honour“ deutschland-
weit veranstaltete, führten Musikgruppen sogenannte

„Skinhead-Musik“ auf – Liedtexte mit neonationalsozia-
listischen bzw. rassistischen und gewaltverherrlichenden

Textpassagen.
1032

„Bei diesen Konzerten treten vielfach Bands auf,
die bereits Lieder mit rassistischen und volksver-

hetzenden Texten veröffentlicht haben, zu denen

lndizierungen oder Gerichtsbeschlüsse vorliegen.

Die Konzerte werden zunehmend konspirativ or-

ganisiert und ohne Genehmigung durchgeführt.

Die Teilnehmer werden zu bestimmten Trefforten

geladen und dann kurzfristig mittels Mobiltelefon

zu dem Veranstaltungsort gelotst. Die Teilnehmer

sind sogar bereit, Anfahrten von mehreren hundert

Kilometern auf sich zu nehmen. Bei diesen Kon-

zerten treten neben deutschen Skinbands auch in

der rechten Szene renommierte Bands aus Eng-

land, Kanada und Italien auf.“1033

„Blood & Honour“ veröffentlichte auch zahlreiche Publi-
kationen.

Im Frühjahr 1997 erschien erstmals das Fanzine Blood &

Honour Division Deutschland. Das Magazin hatte eine

Auflage von 3 000 Exemplaren.
1034

Das BfV stufte es als

„offizielles Sprachrohr der Bewegung“ ein. Zu lesen
waren darin vor allem Berichte zu neonazistischen Skin-

head-Konzerten und Interviews mit neonazistischen Skin-

head-Bands, außerdem wurden Anzeigen zu Bezugsquel-

len für rechtsextremistische, teilweise illegale Musik

veröffentlicht.
1035

In Ausgabe Nr. 9 – auf dem Titelblatt mit zwei Haken-
kreuzen versehen

1036
– hieß es wörtlich:

„Unser Ziel im neuen Jahrtausend ist das Ziel und
der Traum des alten Jahrtausends: Großdeutsch-

land! Ohne Geschichtslügen, Gesinnungsterror und

rassenfremde Elemente, in den völkerrechtlich gül-

tigen Grenzen von 1914.“1037

In Ausgabe Nr. 3 wurde unter Bezugnahme auf den „Ku-
Klux-Klan“ gefordert:

„Die Patrioten von heute müssen sich auf den
größten aller Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten,

und dafür muss man geheime Strukturen schaffen

und bereit sein, sein Leben zu opfern.“1038
1032) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1033) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 61.

1034) MAT A BMI-3/2, PDF-Bl. 102 f.

1035) MAT A BMI-4/0037, Bl. 179.

1036) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1037) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1038) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 151 – Drucksache 17/14600

Über ein „Ian Stuart Memorial Konzert“ am 21. Septem-
ber 1996 in Großbritannien wurde berichtet:

„Chingford Attack begeisterte durch haßerfüllte
Gesänge gegen Ni…, J… und andere Schmarot-
zer.“1039

Am Ende der Ausgabe Nr. 3 waren Grußadressen abge-

druckt. In der Rubrik „Ausdrücklich keine Grüße an:“
hieß es:

„…alle mit dem Namen Ignaz, …!!! Wir scheissen
auf Euch!!!!“1040

Unterschrieben waren die Grußadressen mit „B&H, 88“ –
die „88“ stand für „Heil Hitler“.1041

Das Fanzine Blood & Honour Division Deutschland ver-

öffentlichte auch zahlreiche Interviews mit rechtsextre-

mistischen Bands – unter anderem mit der Gruppe „Peop-
le Haters“, die in Ausgabe Nr. 2 auf die Frage, wen sie
hassen, antworteten:

„Alle Menschen, außer weiße Nationalisten!!!“1042

Ein Mitglied der US-Band „Grinded Nig“ erklärte auf die
Frage, was er machen würde, wenn seine Schwester mit

einem Farbigen nach Hause käme, er würde seiner

Schwester den „Scheiß-Kopf abschlagen“ und „anschlie-
ßend den Ni… mit der Axt bearbeiten.“1043

Ein Mitglied der brasilianischen Gruppe „Brigada NS“
wird gefragt, ob er das brasilianische Fußball-

Nationalteam unterstütze, obwohl „verdammt viele
Schwarze“ unter den Spielern seien. Seine Antwort:

„Für uns sind das Zirkus-Artisten. Affen! …die
Fußballmannschaften sind durchsetzt von diesen

Unterm…en, …es ist einfach widerwärtig!“1044

In der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg Vorwärts
wird offen zu Gewalt aufgerufen:

„Unsere Slogans sind nicht nur beeindruckende
Aussagen von ideologischen Extremisten. Es sind

ernst gemeinte Worte und Aufrufe zu den Waffen

zu greifen. Dies ist ES, und diejenigen, die nicht

bereit sind, das ultimative Opfer zu erbringen, um

die Zukunft unseres arischen Ursprungs zu sichern,

sollen jetzt aufhören zu lesen…“1045

Und weiter:

„Nun stellt sich die Frage: Wann kommt es zum
großen Knall? Wann werden endlich genug weiße

Leute aufhören, für die jüdische, multikulturelle
1039) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 147.

1040) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 145.

1041) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 145.

1042) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1043) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 157.

1044) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 161.

1045) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

Gesellschaft zu arbeiten? Je eher es geschieht, des-

to größer sind unsere Chancen für den Endsieg.

Als Krieger des politischen Untergrunds sollten

wir Anarchie und Chaos verbreiten.

In diesem Moment sind schon Kameraden da

draußen – in Britannien und Irland, in Deutschland
und Polen, in der Slowakei und Ungarn… Und die
versuchen alles, damit unsere arische Rasse weiter

existiert. Lasst uns ihnen eine kompromisslos harte

und helfende Hand entgegenstrecken, um ihnen

Hilfe in diesem unseren gemeinsamen Kampf für

eine weißere und strahlendere Welt anzubieten –
WHATEVER IT TAKES!“1046

Autor von Der Weg Vorwärts ist Max Hammer. Bei

Hammer handelt es sich um den skandinavischen Rechts-

extremisten Erik Nilsen, einen Aktivisten der „Blood &
Honour“-Szene.1047 Im Zusammenhang mit der Einwan-
derung Farbiger schrieb Hammer in Der Weg Vorwärts:

„Wir wissen, und es ist wissenschaftlich und statis-
tisch erwiesen, daß die Flut farbiger Einwanderer –
nicht jetzt, nicht morgen, aber sehr, sehr bald – die
weißen Europäer zu einer Minderheit werden las-

sen. Mit anderen Worten, wir werden das letzte

bißchen Kontrolle, das wir noch über unsere eige-

nen Länder haben, verlieren. Das dreckige Ge-

socks wird dann über uns herrschen, während un-

sere jüdischen Regierungen im Hintergrund wie

immer die Fäden in der Hand halten. … Falls es
nicht bald einen Gegenschlag in Form einer Endlö-

sung gibt, um dieses Problem zu bewältigen, wird

die oben beschriebene dunkle Zukunft unser Ende

sein.“1048

1998 erschien unter dem Titel White Supremacy
1049

eine

eigene Publikation der „Blood & Honour-Sektion Sach-
sen“.1050 Für dieses Magazin soll Uwe Mundlos mindes-
tens einen Artikel verfasst haben.

1051
Das BfV bewertete die „Blood & Honour“-
Veröffentlichungen im Verfassungsschutzbericht 2000

wie folgt:

„Aus den Publikationen der Organisation ergab
sich eine rassistische, antisemitische, den Natio-

nalsozialismus glorifizierende Haltung. ,Blood &

Honour‘ trat für eine auf die Überhöhung der wei-
ßen Rasse gerichtete Politik ein und lehnte funda-

mentale Prinzipien der freiheitlichen demokrati-

schen Grundordnung zugunsten eines völkisch eli-
1046) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 207 ff.

1047) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 2.

1048) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 86.

1049) „Weiße Überlegenheit“.

1050) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 36, Rn. 37.

1051) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301; MAT A

BB-1, PDF-Bl. 30.

Drucksache 17/14600 – 152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tären und nationalistischen Politikverständnisses

ab.“1052

Die politischen Ziele von „Blood & Honour“ ergaben sich
aus dem „25-Punkte-Programm“ – benannt nach dem
Parteiprogramm der NSDAP. Darin hieß es unter Punkt

13:

„Die Blood & Honour Bewegung richtet sich nach
rassischen und nicht nach nationalistischen Ge-

sichtspunkten aus. Völker, die der weißen Rasse

angehören, sind als solche zu respektieren. … Die
Zusammenarbeit mit ALLEN pro-weißen Organi-

sationen und Gruppierungen weltweit ist Pflicht!

Tschechen, Ungarn und Russen bilden hierbei kei-

ne Ausnahme. Anfeindungen gegenüber Angehö-

rigen der osteuropäischen Völker sind ausdrück-

lich untersagt! Erst die Rasse, dann die Nation!

Diese Aussage ist keinesfalls mehr Grundlage für

Diskussionen!“1053

Die „Blood & Honour Division Deutschland“ war in die
Bezirksdirektionen Süddeutschland, Mitteldeutschland

und Norddeutschland unterteilt. Auf der nächsten Ebene

folgten Sektionen.

„Alle Sektionen sind zur Zusammenarbeit im
Rahmen der Division verpflichtet. Die Division ist

als eine Familie anzusehen und auch als solche zu

behandeln. Unterschiedliche Meinungen sind zu

respektieren dürfen aber nicht zu Konfrontationen

zwischen den einzelnen Sektionen oder Direktio-

nen führen.“ 1054

Sektionen waren unter anderem in Bayern, Berlin, Bran-

denburg, Süd-Brandenburg, Thüringen, Saar, Baden,

Westfalen, Franken, Süd-Hessen, Nord-Hessen, Weser-

Ems, Nordmark und Sachsen.
1055

Hauptsitz der „Division
Deutschland“ war in Berlin,1056 die Berliner Sektion hatte
innerhalb der „Division Deutschland“ die Führungsrol-
le.

1057
Auf Sektions-, Bereichs- und Bundesebene gab es regel-

mäßige Treffen. Insbesondere bei den Treffen auf Bun-

desebene wurden Entscheidungen getroffen, die für alle

„Blood & Honour“-Untergliederungen bindend waren.1058
Demokratische Entscheidungsprozesse waren im „25-
Punkte-Programm“ von „Blood & Honour“ ausdrücklich
nicht vorgesehen:

„Blood & Honour Deutschland ist KEINE Partei
oder Organisation im Sinne einer Partei. Demokra-

tie hat keine Substanz innerhalb der Divisions-
1052) Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV), S. 41.

1053) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 43.

1054) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42.

1055) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1056) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), PDF-Bl. 5.

1057) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 61.

1058) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 17.

struktur. Meinungen und Vorschläge sind einzig

über die nächsthöhere Instanz zu entrichten.“1059

Als Funktionäre von „Blood & Honour“ konnten zumin-
dest die in der Verbotsverfügung des BMI vom 12. Sep-

tember 2000 genannten Personen gewertet werden. Dies

sind Stephan Thomas L. (Divisionsleiter), Marcel D.

(Bereichsleiter Mitte), Uwe A. (Bereichsleiter Nord),

Achim P. (Bereichsleiter Süd), Dieter R., Bernd P., Sven

S., Torben K. und Mike B. – wobei Mike B. als Initiator
und Führungsperson der Jugendorganisation „White
Youth“ anzusehen war.1060

Die „Blood & Honour Division Deutschland“ hatte auch
Kontakte zur NPD. Am 26. Juli 2000 verschickte die

„Blood & Honour Sektion Weser-Ems“ eine Presseerklä-
rung über das Faxgerät des Bremer NPD-

Landesverbandes.
1061

Darin protestierte „Blood & Ho-
nour“ gegen die Auflösung eines Konzerts am 22. Juli
2000 im niedersächsischen Holvede – und drohte indirekt
mit Gewalt gegen Polizisten:

„Absolut unverständlich ist es, daß sich einige Be-
amte immer noch fragen, warum Menschen wie

Kai Diesner auf Polizisten schießen. Bei diesem

Verhalten (der Vorfall an diesem Wochenende ist

ja kein Einzelfall) sollten sie sich besser fragen,

warum die anderen dies nicht machen.“

Unterzeichnet war die Presseerklärung

„mit dem uns z. Zt. verbotenen Gruß.“1062

Damit war offensichtlich der verbotene „Hitlergruß“
gemeint.

1063
Im Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV) wurde das Kon-

zert in Holvede als Beispiel dafür genannt, dass die Poli-

zei bei der Auflösung von neonazistischen Skinhead-

Konzerten, insbesondere bei Veranstaltungen, die von

„Blood & Honour“-Mitgliedern organisiert wurden, im-
mer häufiger mit aggressiven Reaktionen sowie mit ge-

walttätigem Widerstand konfrontiert werde.
1064

Der damalige Bremer NPD-Landeschef Jörg Wrieden

erklärte gegenüber der Zeitung taz, wenn man von „nahe-
stehenden Organisationen“ gebeten werde, etwas weiter-
zuverbreiten, dann tue man das. Wrieden bestätigte „Kon-
takte auf informeller Ebene“ zwischen „Blood & Honour“
und seiner Partei.

1065

1059) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42.

1060) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 9; vgl. auch: Verbotsverfügung

des BMI vom 12. September 2000, MAT A BMI-3/0022, Bl. 1-

33.

1061) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 230.

1062) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 231.

1063) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 68.

1064) Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV), S. 45.

1065) taz Bremen vom 25. Juli 2000, S. 21, „NPD hilft Rechtsextre-
misten“ – MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 23.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153 – Drucksache 17/14600

In den Jahren 1998, 1999 und 2000 nutzte „Blood & Ho-
nour“ mehrfach NPD-Veranstaltungen für bundesweite
öffentliche Auftritte.

1066
Die Partei wurde auch im „25-Punkte-Programm“ von
„Blood & Honour“ erwähnt:

„Die NPD ist als einzig vertretbares Mittel der
Demokratie zu unterstützen.“1067

Insgesamt hatte „Blood & Honour“ in Deutschland zeit-
weise bis zu 240 Mitglieder

1068
– zum Aufnahmeverfah-

ren für neue Mitglieder hieß es Anfang 1999 in einer

englischsprachigen Publikation:

„Das bedeutet, dass nicht schlechthin jeder als
Mitglied der ,Blood & Honour‘-Familie bezeichnet
werden kann – man muss sich zunächst bei der
entsprechenden Sektion bewerben. Die ,Blood &

Honour‘-Mitgliedschaft kann nur unter Auflagen
erworben werden.“1069

Interessenten mussten laut dem „25-Punkte-Programm“
eine „Prüfphase“ durchlaufen:

„Das Eintrittsalter für Mitglieder der B&H Divisi-
on Deutschland wird auf 21 Jahre festgesetzt. […]
Die Anwärterschaft beträgt mindestens 6 Monate,

kann aber nach oben offen gestaltet werden. […]
Für Anwärter auf die Mitgliedschaft bei ‚B&H’ ist
ein Bürge zu stellen, der ebenso für Verfehlungen

seines Schützlings verantwortlich zu zeichnen ist.

Bei Vergehen des entsprechenden Anwärters ist er

aus der Sektion zu entfernen.“1070

1997 wurde in Thüringen die Jugendorganisation „White
Youth“ gegründet – mit dem Ziel, Jüngere an die „Blood
& Honour“-Bewegung heranzuführen. Der Jugendorgani-
sation gehörten nach eigenen Angaben bis zu 100 Perso-

nen an, es gab regelmäßige monatliche Treffen und eine

eigene Publikation mit dem Titel Voice of the White

Youth.
1071

Im Fanzine von „White Youth“ wird im Nach-
wort „mit einem freundlichen S… H…!“ gegrüßt.1072

„Blood & Honour“ gewann für die neonazistische Skin-
head-Subkultur immer stärker an Bedeutung. Insbesonde-

re die von „Blood & Honour“ veranstalteten Konzerte
galten in der Szene als attraktiv und zogen Teilnehmer

aus ganz Deutschland an. So gelang es „Blood & Honour“
schnell, den Einfluss auszubauen.

1073
Im Verfassungs-

schutzbericht 2000 (BfV) hieß es:
1066) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 8.

1067) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42.

1068) Verfassungsschutzbericht 1999 (BfV), S. 27.

1069) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1070) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 42 f.

1071) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A
BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1072) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1073) Verfassungsschutzbericht 1999 (BfV), S. 27.

„Durch die Organisation von Skinhead-Konzerten,
die Herausgabe ihres Fanzines sowie infolge der

herausragenden Stellung ihrer Mitglieder in den

regionalen Szenen konnte sie weit über ihren Mit-

gliederbestand hinaus Einfluss auf das Milieu aus-

üben.“1074

Im Sprechzettel zur IGR-Tagung am 27. September 2000

wurde unter der Überschrift „Rechtsextremistische Skin-
head-Szene und -Musik“ ebenfalls die Bedeutung von
„Blood & Honour“ hervorgehoben:

„Innerhalb der subkulturellen und damit eher or-
ganisationsunwilligen Skinheadszene ist es der in-

ternational aktiven Skinhead-Gruppierung ,Blood

& Honour‘ seit Mitte der 90er Jahre gelungen,
szeneinterne Strukturen auch in Deutschland zu

entwickeln. ,Blood & Honour‘ vertritt ein am Na-
tionalsozialismus orientiertes, rassistisches Welt-

bild. Über die Skinhead-Musik und das von der

,Blood & Honour Division Deutschland‘ in einer
Stückzahl von über 3 000 Exemplaren aufgelegte

Fanzine nimmt ,Blood & Honour‘ – weit über die
in den Sektionen organisierten rund 200 Mitglieder

hinaus – starken Einfluss auf die Skinhead-Szene.
Im Vordergrund der Aktivitäten steht die rechtsex-

tremistische Skinhead-Musik, die auf von ,Blood

& Honour‘-Anhängern konspirativ organisierten
Konzerten verbreitet wird. Diese Veranstaltungen

gehören zu den größten Skinhead-Konzerten in

Deutschland, bei ihnen kommt es häufig zu Straf-

taten der Volksverhetzung.“1075

Auch „Blood & Honour“ selbst war die steigende Bedeu-
tung der deutschen Division bewusst. In einer englisch-

sprachigen Publikation hieß es Anfang 1999:

„Die deutsche ,Blood & Honour‘-Bewegung ist ei-
ne der größten in Europa. Eine Besonderheit be-

steht darin, dass sie über eine feste Organisations-

struktur verfügt.“1076

Wie gut organisiert die Strukturen von „Blood & Honour“
waren, zeigte sich beispielsweise an einem ausgeklügelten

Mobilisierungssystem, mit dessen Hilfe es der Organisa-

tion immer wieder gelang, den Veranstaltungsort rechts-

extremer Konzerte zu verschleiern.
1077

Dies ging soweit,

dass es genaue Anweisung gab, nach denen bei der Suche

nach geeigneten Sälen zu verfahren war:

„Das Beste ist immer, wenn der Wirt weiß, um
welche Veranstaltung es sich handelt, und wenn er

es selber anmeldet, dadurch hat die Polizei dann

keine Chance mehr, es zu verbieten. Der Konzert-

ort muss bis zum letzten Moment geheim bleiben,

außer euch darf keiner wissen, daß ihr einen Saal

gefunden habt und wo. Wenn ihr einen Saal ge-
1074) Verfassungsschutzbericht 2000 (BfV), S. 40.

1075) MAT A BMI-3/2, PDF-Bl. 102 f.

1076) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1077) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 186.

Drucksache 17/14600 – 154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

funden habt, dann schreibt an unser regionales

Postfach, […] Bei erfolgreich durchgeführter Ver-
anstaltung winken dem Finder des Saals 50,- DM

pro 100 Mann (500,- DM bei 1000 Mann).“1078

Der ehemalige BND-Präsident Dr. August Hanning hat

am 22. November 2012 vor dem Untersuchungsausschuss

ausgesagt:

„Deswegen ist mir ,Blood & Honour‘ noch in be-
sonderer Weise in Erinnerung, weil das, glaube

ich, eine der gefährlichsten Organisationen war,

die damals existierte.“1079

Im Verfassungsschutzbericht Sachsen aus dem Jahr 2001

wurde die Gruppierung als „wichtigstes und einfluss-
reichstes Netzwerk innerhalb der rechtsextremistischen

Skinhead-Szene“ bezeichnet.1080

Auch der Thüringische Verfassungsschutzbericht 1999

ließ keinen Zweifel an der Bedeutung von „Blood & Ho-
nour“ für die neonazistische Skinhead-Szene:

„In Deutschland gibt es seit 1995 eine ,Division‘
der ,Blood & Honour‘-Bewegung. Mit 150 bis 200
Anhängern gilt sie als die einflussreichste Skin-

head-Gruppierung. Die deutsche Division wiede-

rum gliedert sich in Sektionen, wobei die Berliner

hier eine führende Rolle einnehmen. In Thüringen

gibt es seit 1997 eine Sektion der ,Blood & Ho-

nour‘-Bewegung.“1081

Die Thüringer Verfassungsschützer schrieben im Bericht

des Jahres 1999 auch über die Jugendorganisation „White
Youth“:

„Einen weiteren Organisationsansatz lieferte die
Ende 1997 in Thüringen gegründete ,White

Youth‘-Bewegung. Auch deren Anhänger wollen
junge Leute organisieren und sie an ,ältere‘ Kame-
raden binden […] Angehörige der ,Blood & Ho-
nour‘-Sektion und der ,White Youth‘-Bewegung
organisierten in Thüringen gemeinsam Skinhead-

Konzerte und Partys.“1082

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hatte

Ende der 90er Jahre mit Marcel D. einen V-Mann im

„Blood & Honour“-Netzwerk. Marcel D. war Kassenwart
der „Blood & Honour Division Deutschland“ und außer-
dem Chef der „Sektion Thüringen“. Ab Oktober 1996
arbeitete er für das Thüringer Landesamt für Verfassungs-

schutz. Marcel D. wurde dort als „Quelle 2100“ geführt,
sein Tarnname war Hagel, sein Spitzname Riese.

1083
Me-

dienberichten zufolge soll er sich fast 160mal mit Verfas-

sungsschützern getroffen haben
1084

und neben Tino
1078) MAT A BMI-3/0018, PDF-Bl. 31.

1079) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 38.

1080) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2001, S. 18.

1081) Verfassungsschutzbericht Thüringen 1999, S. 57.

1082) Verfassungsschutzbericht Thüringen 1999, S. 58.

1083) Näheres hierzu unter D.I.6.b)..

1084) Thüringer Allgemeine vom 11. September 2012, S. 3, „Verfas-
sungsschutz soll V-Leute aktiv beeinflusst haben“.

Brandt der wichtigste V-Mann des Thüringer Landesam-

tes für Verfassungsschutz in der Neonazi-Szene gewesen

sein.
1085

Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Ver-

fassungsschutz stuften Marcel D. in Befragungen als gute

Quelle ein, er habe richtige Informationen zeitnah gelie-

fert.
1086

Bei einem Neonazikonzert im November 1999

soll Marcel D. Geld für das untergetauchte Trio gesam-

melt haben.

Zum damaligen LfV-Vizepräsidenten Peter Jörg Nocken

hatte Marcel D. Medienberichten zufolge ein besonders

enges Verhältnis. Unter anderem SPIEGEL ONLINE
1087

und die Thüringer Allgemeine
1088

berichteten 2012 von

dem Verdacht, dass Nocken D. vor einer Razzia gewarnt

haben soll. Im September 2000 gab es im Zusammenhang

mit dem Verbot von „Blood & Honour“ bundesweit
Durchsuchungen

1089
– bei Marcel D. hielt sich der Erfolg

des Einsatzes in Grenzen: Die Polizisten sollen den Be-

richten zufolge eine „klinisch reine Wohnung“ vorgefun-
den haben. Ob Marcel D. tatsächlich gewarnt wurde und

– falls ja – ob diese Warnung von Nocken kam, konnte
nicht aufgeklärt werden. Nocken selbst hat dies vehement

bestritten. Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundes-

tages hat Nocken am 26. Februar 2013 gesagt:

„Ich habe keine Quelle selber geführt, keine. Ich
kenne – den Tino Brandt habe ich von Person nicht
gekannt, die anderen Quellen habe ich auch von

Person nicht gekannt. … Auch keinen Kontakt mit
denen gehabt.“1090

Nocken hatte zuvor bereits vor dem Thüringer Untersu-

chungsausschuss gesagt, er habe nie Kontakt zu Marcel

D. gehabt, er kenne den Mann nicht und habe ihn nie

gesehen.
1091

Er wisse nicht einmal, dass Marcel D. Sekti-

onschef von „Blood & Honour“ in Thüringen gewesen
sei:

„Das ist möglich, dass er das war, aber das ist mir
nicht mehr erinnerlich.“1092

Auch der damalige Präsident des Thüringer Landesamtes

für Verfassungsschutz Dr. Helmut Roewer hat ausgesagt,

keine Erinnerung an einen V-Mann namens Marcel D. zu

haben:

„Jetzt aus der Erinnerung sagt mir das nichts. Ich
kann nicht ausschließen, dass ich die Namen
1085) SPIEGEL ONLINE vom 10. September 2012, „NSU-

Untersuchungsausschuss – Wir hatten schon genug Flaschen
aus dem Westen“.

1086) MAT B TH-1/5, S. 256; MAT A TH-6/3, S. 158.

1087) SPIEGEL ONLINE vom 10. September 2012, „NSU-
Untersuchungsausschuss – Wir hatten schon genug Flaschen
aus dem Westen“.

1088) Thüringer Allgemeine vom 17. Juli 2012, S. 1, „Hochrangiger
Geheimdienstler soll heute im Landtag auspacken“.

1089) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), PDF-Bl. 43.

1090) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.

1091) MAT B TH-1/7, S. 85.

1092) MAT B TH-1/7, S. 89.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155 – Drucksache 17/14600

dienstlich zur Kenntnis genommen habe, aber in

der Erinnerung sagt mir das jetzt nichts, nein.“1093

In den Akten des Thüringer Landesamtes für Verfas-

sungsschutz finden sich kaum Hinweise auf Marcel D.

Nach einem Bericht der Thüringer Allgemeinen gibt es zu

den insgesamt 158 Treffen zwischen Marcel D. und Ver-

fassungsschutzmitarbeitern nur einen einzigen Treffbe-

richt, der eine solche Zusammenkunft dokumentiere
1094


laut SPIEGEL ONLINE findet sich in den Akten des Thü-

ringer Landesamtes für Verfassungsschutz überhaupt kein

solcher „Treffbericht“, lediglich allgemeine Zusammen-
fassungen seien noch auffindbar.

1095
Im Zwischenbericht

des Untersuchungsausschusses des Thüringischen Land-

tages vom 7. März 2013 heißt es dazu:

„Ungereimtheiten gibt es auch um die Akten zu
diesem V-Mann. So sind die Treffberichte bereits

kurz nach der Abschaltung des V-Mannes fast

vollständig aus der Beschaffungsakte entfernt

worden. Die Landesregierung war nicht in der La-

ge, den Verbleib der Berichte zu klären oder Aus-

kunft zu geben, wer diese Entfernung vorgenom-

men oder verantwortet hat und warum dies ge-

schah.“1096

Im Oktober 2000 wurde Marcel D. auf Initiative von

Nocken abgeschaltet – nach der Suspendierung von Dr.
Roewer leitete Nocken das Thüringer Landesamt für Ver-

fassungsschutz zu diesem Zeitpunkt kommissarisch.

Grund für die Abschaltung – so der spätere Präsident des
Thüringischen LfV Thomas Sippel vor dem Untersu-

chungsausschuss des Bundestages – sei gewesen, dass
Marcel D. Widerspruch gegen die „Blood & Honour“-
Verbotsverfügung eingelegt habe:

„Nachdem bekannt war, dass ich meinen Dienst in
Thüringen am 15. November aufnehmen werde,

hat mich Herr Nocken aufgesucht anlässlich eines

dienstlichen Termins in Köln in meinem Dienst-

zimmer in Köln und hat mir von einem Fall berich-

tet im Bereich der ,B & H‘-Szene und fragte mich,
wie er mit diesem Fall umgehen solle, ob er die

Zusammenarbeit mit diesem V-Mann beenden sol-

le. Es ging wohl darum, dass diese Quelle, die im

,B & H‘-Bereich angesiedelt war, gegen die Ver-
botsverfügung des Innenministeriums, des Bundes-

innenministeriums, Widerspruch eingelegt hat, und

ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht entscheiden

könne, weil ich ja noch Bundesbeamter sei. Aber

so, wie er mir das schildert – er hat vorgeschlagen,
ihn abzuschalten –, sei das doch ganz plausibel,
ihn abzuschalten, bat aber um Verständnis, dass
1093) MAT B TH-1/8, S. 21.

1094) Thüringer Allgemeine vom 11. September 2012, S. 3, „Verfas-
sungsschutz soll V-Leute aktiv beeinflusst haben“.

1095) SPIEGEL ONLINE vom 10. September 2012, NSU-

Untersuchungsausschuss – Wir hatten schon genug Flaschen
aus dem Westen“.

1096) Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses des Thüringi-

schen Landtags vom 7. März 2013, S. 541, Rn. 1087.

ich mich, was die Sachentscheidung anbelangt, da

zurücknehmen muss, weil ich noch Bundesbeam-

ter gewesen bin.“1097

Die damals in Thüringen verantwortlichen Verfassungs-

schützer haben heute kein allzu großes Wissen mehr über

„Blood & Honour“.

Auf die Frage, was denn „Blood & Honour“ eigentlich
sei, antwortete der damalige Vizepräsident des Thüringer

Landesamtes für Verfassungsschutz Nocken vor dem

Untersuchungsausschuss des Thüringischen Landtags:

„Das ist eine rechtsextreme Organisation, die sich
sehr an die SS-Geschichte anlehnt.“1098

Und auf Nachfrage, ob er etwas ausführlicher antworten

könne:

„Ist mir nichts weiter in Erinnerung.“1099

Die Jugendorganisation „White Youth“ kannte Nocken
überhaupt nicht.

1100
Auch Nockens Vorgesetzter, der damalige Präsident des

Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Dr.

Roewer, konnte Fragen nach „Blood & Honour“ vor dem
Untersuchungsausschuss des Thüringischen Landtags

nicht beantworten.
1101

Der Zeuge Egerton, der von 1994 bis zum Jahr 2000 im

BfV mit der subkulturellen, gewaltbereiten rechtsextre-

mistischen Szene befasst war, hat sich zur Gewaltausrich-

tung dieser Gruppierung wie folgt geäußert:

„In Großbritannien war man tatsächlich mal aktiv
auch mit terroristischen Anschlägen, also Brief-

bomben. Wenn man sich ,Blood & Honour‘ in
Deutschland anschaut als potenziellen Träger sol-

cher Strategien - - da haben wir eine Militanz-

ausrichtung oder eine Gewaltausrichtung in dieser

Hinsicht eigentlich nie festgestellt. Eher im Gegen-

teil, es gab die Diskussion, auch auf der Führungs-

ebene, wo so was angesprochen worden ist, ob die

deutsche Division sich mit solchen Schriften be-

fasst und auch entsprechende Aktivitäten an den

Tag legt. Das ist relativ einhellig verworfen wor-

den.“1102

c) „Combat 18“ als bewaffneter Arm von
„Blood & Honour“

Die Gruppe „Combat 18“ entstand 1992 in Großbritanni-
en. Das englische Wort „Combat“ bedeutet „Kampf“ oder
„Schlacht“. Die „18“ steht für den ersten („A“) und den
achten („H“) Buchstaben des Alphabets, stellvertretend
für den Namen Adolf Hitler. Die Gruppierung dokumen-
1097) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 145.

1098) MAT B TH-1/7, S. 128.

1099) MAT B TH-1/7, S. 128.

1100) MAT B TH-1/7, S. 93.

1101) MAT B TH-1/8, S. 18.

1102) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 55.

Drucksache 17/14600 – 156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tiert damit ihre Verbundenheit mit Hitler und ihre Identi-

fikation mit der Ideologie des Dritten Reiches.
1103

„Combat 18“ rekrutierte sich fast ausnahmslos aus Perso-
nen mit hoher Gewaltbereitschaft. Zu den Zielen hieß es

in einem BKA-Papier vom 16. März 2006:

„Die Ziele der britischen Gruppierung sind u. a.
die zwangsweise Rückführung sämtlicher Nicht-

Weißen in ihre Heimatländer; Zerschlagung der

IRA und Vernichtung jeder Person, welche briti-

sche Soldaten und Zivilisten tötet; Exekution aller

Schwulen, Weißen, die sich mit Farbigen abgeben;

Aufbau der Streitkräfte; Ausmerzung aller Juden

und Schaffung eines weißen Commonwealth be-

stehend aus Europa, den USA, Südafrika und

Australien. Weiterhin strebt sie an, ,Britannien‘
wirtschaftlich unabhängig zu machen und eine all-

gemeine Umerziehung und Wiedereinführung an-

ständiger Werte zur Förderung einer gesunden

weishäutigen Gesellschaft, frei von jüdischem Ein-

fluß und falschen Vorstellungen von ,Freiheit und

Demokratie‘ herbeizuführen.“1104

Nach dem Tod des „Blood & Honour“-Gründers Ian
Stuart Donaldson nahm „Combat 18“ eine bedeutende
Rolle innerhalb des rechtsextremen Netzwerks ein.

1105
Auch wenn es intern teilweise zu Machtkämpfen kam,

galt „Combat 18“ als bewaffneter Arm von „Blood &
Honour“.1106 So enthielt eines der von „Combat 18“ ver-
wendeten Logos den Schriftzug „C18 – THE OFFICIAL
ARMED WING OF Blood & Honour“, beide Organisati-
onen betrieben gemeinsame Internetseiten.

In der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg Vorwärts
hieß es zu „Combat 18“:

„Wir brauchen eine Organisation wie Combat 18,
… und wir brauchen sie nicht nur zum Schutz und
als Abwehr. C18 muß als der bewaffnete Arm der

Blood & Honour-Bewegung agieren. … Es gibt
viele Wege, Furcht und Terror unter den Feinden

zu verbreiten. Einschüchterung, Drohungen und

Schläge haben den roten Bastarden über Jahre

hinweg gut gedient. Glaubt ihr nicht, dass der

Zahltag für sie lange überfällig ist?“1107

Auf dem Album „Sounds of Racial Hatred“1108 der Grup-
pe „Hate Society“ wurde unter anderem der Titel
„B & H“ veröffentlicht. Dieses Lied enthielt folgende
Textpassagen:

„Ich glaube an B & H; Blut und Ehre, C18; Ich
glaube an B & H; Blut und Ehre, Kampf 18; Ver-

geßt nicht unsere Terrormaschine; […] ; Mit C 18
1103) MAT A SN-2/3-19, PDF-Bl. 166.

1104) MAT A SN-2/3-19, PDF-Bl. 168.

1105) MAT A SN-2/3-19, PDF-Bl. 167.

1106) Röpke, „Im Untergrund, aber nicht allein“, 30. April 2012,
veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.

1107) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 14.

1108) „Klänge rassistischen Hasses“.

wurde eine Waffe entwickelt; Gefährlich für die

Roten und anderen; Abschaum; […] ; Aber mit der
Zeit gab es viele Gerüchte; Daß C 18 nicht ein Teil

von uns ist; Aber es ist der bewaffnete Arm von

Blut und Ehre.“1109

Nach Erkenntnissen der britischen Sicherheitsbehörden

agiert „Combat 18“ konspirativ und nach dem System des
„führerlosen Widerstands“ („Leaderless Resistance“).
Erklärtes Ziel war es, „Furcht und Terror unter den Fein-
den zu verbreiten“. Kurz vor dem ersten Mord der Česká-
Serie im September 2000 wurden bereits einige andere

europäische Länder von gewalttätigen Aktionen erschüt-

tert, die zumindest teilweise dem „Combat 18“-Umfeld
zugeschrieben wurden:

„1999 verübten neonazistische Attentäter aus dem
C18-Umfeld mehrere Bombenanschläge in Eng-

land mit vielen Opfern; in Schweden gab es eine

Reihe von Banküberfällen, zwei Polizisten wurden

dabei in der Nähe von Malexander erschossen. Im

selben Jahr wurden ein Journalist und dessen acht-

jähriger Sohn bei einem Bombenanschlag auf ihr

Auto schwer verletzt. Im Oktober 1999 starb der

Gewerkschafter Björn Söderberg, kaltblütig hinge-

richtet von Neonazis.“ 1110

Britische C-18 Aktivisten, darunter der Sänger der Blood

& Honour-Band „No Remorse“ unterhielten enge Bezie-
hungen zu deutschen Neonazis.

1111
So berichtete ein C-18

Aussteiger im Dezember 2001 in einem Interview mit der

britischen Zeitschrift Searchlight u. a.:

„Wir haben zum Beispiel gemeinsam die Ausflüge
nach Deutschland gemacht. […] Man ist in den
Bus gesprungen, hat ein paar Lagen Bier mitge-

nommen, ein Paar Socken und ein Paar Hosen und

dann ging es los auf einen wilden Trip.“

Der Aussteiger berichtete außerdem, er sei Ende 1998

aufgefordert worden, nach Deutschland zu reisen, „um
dort ein paar Bomben zu bauen und sie abzuschicken”.1112

Unter gewaltbereiten Rechtsextremisten in Deutschland

genoss „Combat 18“ hohe Anerkennung.1113 Gruppierun-
gen und Einzelpersonen verwendeten die Bezeichnung

„C18“, um die eigene Gefährlichkeit zu unterstreichen,1114
der Name „Combat 18“ stand für die Verbreitung von
Angst und Schrecken sowie für die Anwendung von Ge-
1109) MAT A GBA-3/47c-3, PDF-Bl. 218.

1110) Röpke, „Im Untergrund, aber nicht allein“, 30. April 2012,
veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung.

1111) Vgl. MAT A BY-1/6, Bl. 60 ff.; MAT A BfV-4/14 -
Erläuterungen (VS NfD); Nick Lowles, in: „White Riot“ – The
violent story of Combat 18, S. 113 ff., Milo Books /2001.

1112) Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54/Winter 2001/2002, S. 31
„‚Combat 18’ inside! – Nazi-Informant Darren Wells über die
Terrorgruppe ‚C-18’”, ausführlich in: Searchlight international,
Ausgabe Nr. 318/Dezember 2001, „Why I turned my back on
C18 – an exclusive interview with ex-nazi Darren Wells“, S. 5.

1113) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 35.

1114) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 39.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 157 – Drucksache 17/14600

walt.
1115

Szeneintern diente das Bekenntnis zu „Combat
18“ der persönlichen Aufwertung – man wollte damit
suggerieren, dass man einer kämpferischen Elite angehö-

re.
1116

2001 gründete sich „Combat 18 Pinneberg“. Die
Gruppe wurde durch Klemens O. (stellv. Leiter der ehem.

„Blood & Honour“-Sektion Nordmark) und Marco H.
(Mitglied der ehem. „Blood & Honour“-Sektion
Nordmark) geleitet. In einem Bericht des BKA vom

19. Juli 2004 hieß es zu „Combat 18 Pinneberg“:

„Ihr wird vorgeworfen, als Vereinigung den Han-
del mit inkriminierten Tonträgern, den Vertrieb

von Szenentextilien sowie die Erpressung von

,rechten‘ Tonträgervertrieben und Abstrafungsak-
tionen gegen Aussteiger bzw. Konkurrenten

durchgeführt zu haben. Ferner führte die Vereini-

gung Security-Dienste bei Skinheadkonzerten im

In- und Ausland durch.“1117

Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelte wegen des

Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
1118

Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurden am

28. Oktober 2003 in Schleswig-Holstein, Hamburg und

Niedersachsen insgesamt 52 Objekte durchsucht.
1119

Zu diesen Durchsuchungen erklärte der Parlamentarische

Staatssekretär beim BMI, Fritz Rudolf Körper, am

12. November 2003 auf eine Anfrage der Abgeordneten

Petra Pau:

„Im Rahmen der Exekutivmaßnahmen am 28. Ok-
tober 2003 wurden bei Beschuldigten diverse Gas-

pistolen sowie Hieb- und Stichwaffen festgestellt.

Die diesbezügliche waffenrechtliche Einordnung

dauert derzeit noch an. Bei einem der Beschuldig-

ten – es handelt sich um den Rädelsführer der
Gruppierung ‚Combat 18 Pinneberg‘ – wurde eine
so genannte scharfe Schusswaffe sichergestellt. Er

befindet sich seit dem 28. Oktober 2003 aufgrund

eines Haftbefehls des AG Flensburg vom 27. Ok-

tober 2003 wegen Mitgliedschaft in einer kriminel-

len Vereinigung im Sinne des § 129 des Strafge-

setzbuches in Untersuchungshaft.“1120

In einem vom BKA verfassten „Lagebericht zur 155.
Tagung der AG Kripo“ im Jahr 2004 hieß es zu der Grup-
pe „Combat 18 Pinneberg“:

„Ihr Ziel war die Herstellung einer funktionieren-
den Struktur für den Handel mit rechten Tonträ-

gern in Schleswig-Holstein, um u. a. rechtsextre-

mistisches Gedankengut zu verbreiten. Zu den

Mitgliedern der Gruppierung liegen einschlägige

Erkenntnisse vor, die ihre rechtsextremistische
1115) MAT A TH-3/10, Gremien, 099-32-2010, Bl. 184.

1116) MAT A BfV-4, Bl. 39.

1117) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 200.

1118) StA Flensburg, Az: 108 Js 568/02.

1119) MAT A SN-2/3-18, Bl. PDF-Bl. 51.

1120) Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht der 74. Sitzung

vom 12. November 2003, S. 1.

Einstellung belegten. Zwei der Tatverdächtigen

waren Funktionäre der ehemaligen ,Blood & Ho-

nour Sektion Nordmark‘. Darüber hinaus unter-
hielt ‚Combat 18 Pinneberg’ u. a. Kontakte zu
Funktionären der ehemaligen ‚Blood & Honour
Sektion Niedersachsen’, rechten Gruppierungen
aus Hildesheim/NI, Peter Borchert (ehem. Lan-

desvorsitzender der NPD in Schleswig-Holstein)

sowie ins Rotlichtmilieu und zu der Rockergruppe

‚Hells Angels’ in Kiel.“1121

Hinweise darauf, dass die Gruppierung die Absicht hatte,

Terror-Anschläge zu begehen, gab es laut dem BfV je-

doch nicht.
1122

Auch lagen nach Erkenntnissen des BfV

keine Hinweise auf engere Verbindungen zwischen

„Combat 18 Pinneberg“ und der britischen „Combat 18“-
Organisation vor – auf eine entsprechende Anfrage des
BKA zu „Combat 18“ antwortete das BfV im Jahr 2002,

„dass diese Organisation in der Bundesrepublik
nicht existent sei. Die StA Flensburg führe zwar

seit Mitte 2002 in Pinneberg ein Ermittlungsver-

fahren wegen Verstoßes gegen § 129 StGB (Bil-

dung einer kriminellen Vereinigung) gegen eine

Gruppe, die sich Combat 18 Pinneberg nennt, den-

noch ist nach Einschätzung des BfV die Combat

18 Pinneberg (früher Kameradschaft Pinneberg)

um die Aktivisten S., O. und B. kein deutscher Ab-

leger der gleichnamigen britischen Organisation

und verfolge auch nicht deren Ziele.“1123

Im März 2005 begann vor dem Landgericht Flensburg der

Prozess gegen fünf Mitglieder von „Combat 18 Pinne-
berg“. Die Anklage warf ihnen Bildung einer kriminellen
Vereinigung, Verstoß gegen das Waffengesetz und räube-

rische Erpressung vor. Das Gericht sah den Tatbestand

der Bildung einer kriminellen Vereinigung jedoch als

nicht erfüllt an. Am 25. April 2005 wurden vier der An-

geklagten zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt.

d) Verbindungen zwischen „Blood & Honour”
und dem Trio

„Die oben genannten gehören in Jena zum harten
Kern der BLOOD AND HONOUR Bewe-

gung.“1124

Die in dem Vermerk des LKA Thüringen vom

15. September 1998 „oben genannten“ waren: Uwe
Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Zwar wa-

ren die drei nach heutigen Erkenntnissen selbst keine

„Blood & Honour“-Mitglieder, sie hatten aber intensive
Kontakte zu Aktivisten des Netzwerks. Sowohl vor ihrem

Abtauchen als auch später im Untergrund wurden sie aus

dem Umfeld der Organisation massiv unterstützt.
1121) MAT A TH-3/10, Gremien, 099-32-2010, Bl. 182-184.

1122) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 39.

1123) MAT A BKA-2/46, Bl. 599.

1124) MAT A TH-1/20, PDF-Bl. 347.

Drucksache 17/14600 – 158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Am 25. März 2001 berichtete die Quelle Tristan dem

Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, dass

Mundlos bereits seit 1996 intensive Kontakte zur Chem-

nitzer Skinhead-Szene gehabt habe. Insbesondere sei er

mit zwei „Blood & Honour“-Mitgliedern befreundet ge-
wesen, die er regelmäßig in Jena und Chemnitz besucht

oder bei Skinhead-Konzerten getroffen habe.
1125

Einem

Bericht der Zeitung taz zufolge war Mundlos ab 1996

regelmäßig auf solchen Konzerten,
1126

laut der Süddeut-

schen Zeitung hat Böhnhardt sogar geholfen, „Blood &
Honour“-Konzerte in Thüringen zu organisieren.1127

In der am 26. Januar 1998 in Jena durchsuchten Garage

Nr. 5 („Kläranlage“) wurde die Broschüre „Blood & Ho-
nour“, Ausgabe Nr. 2/96 sichergestellt.1128 Darin war
unter der Überschrift „Politik“ ein Artikel veröffentlicht,
in dem es unter anderem hieß:

„Vergegenwärtigen wir uns doch einmal was das
Fremdwort ,Politik‘ eigentlich bedeutet. Wenn im
Bonner Schwätzerparlament über irgendwelche

Steuern geschwafelt wird, nennt man das Politik.

[…] Man muss sich nicht jeden Tag in Uniform
schmeißen, ‚Sieg Heil‘ brüllend und Flugblätter
um sich werfend durch die Gegend ziehen. Das

nutzt natürlich unseren Gegnern. Man braucht

auch nicht in seinen eigenen vier Wänden hocken

und bei Kerzenschein auf den Umsturz warten…
Gelingt es uns, mit Phantasie und Humor, aber

auch mit der nötigen Entschlossenheit und Ernst-

haftigkeit, eine nicht angreifbare, gut vernetzte

Bewegung von unabhängig agierenden Gruppen zu

werden, so wird uns das Schicksal den Sieg nicht

versagen. Nur: Wir dürfen nicht auf einen eventu-

ell irgendwann mal auftauchenden Führer warten,

darauf das immer jemand kommt und sagt, was zu

tun ist. Nein! Jeder ist dazu aufgerufen, etwas zu

tun! LEADERLESS RESISTANCE ist die Devi-

se!“1129

Thomas Starke
1130

– „Blood & Honour“-Funktionär aus
Sachsen – sagte in seiner Vernehmung durch das BKA:

„Die Drei fanden dass schon gut, waren aber nicht
Mitglied. Sie waren bei Konzerten mal dabei, aber

es war eigentlich nicht deren Richtung.“1131

Thomas Starke stand auf zwei Telefonlisten, die am

26. Januar 1998 bei der Garagen-Durchsuchung gefunden

wurden.
1132

Er kommt aus Chemnitz, war in der dortigen
1125) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 2, Bl. 322

(VS-VERTRAULICH).

1126) taz vom 7. April 2012, S. 5, „Internationale der Nationalisten“.

1127) Süddeutsche Zeitung vom 10. Dezember 2011, S. 6, „Extreme
Verbindungen“.

1128) MAT A TH-1/2, PDF-Bl. 302.

1129) Blood & Honour Division Deutschland, Ausgabe 2/96; MAT A

BMI-3/0018, PDF-Bl. 183.

1130) Zu Thomas Starke siehe auch Abschnitt D. IV.1.

1131) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 31 f.

1132) MAT A TH-1/2, Bl. 277-283; MAT A GBA 4/34, PDF-Bl. 179,
183.

rechten Szene eine Schlüsselfigur und gehörte zu den

Anführern von „Blood & Honour“ in Sachsen.1133 Der
Beschuldigte Holger Gerlach sagte am 17. Januar 2012 in

seiner Vernehmung durch das BKA:

„Ich weiß, dass Herr S. zusammen mit einem Jan
(Anmerkung: vermutlich Jan Werner) Konzerte

für ‚Blood & Honour’ organisiert hat. Man kann
sagen, dass Herr S. die große Nummer in Chem-

nitz war, d. h. sein Wort hatte auf jeden Fall Ge-

wicht.“1134

Für das Trio war Thomas Starke eine der wichtigsten

Kontaktpersonen bei „Blood & Honour“. Verbindungen
bestanden bereits seit Mitte der 90er Jahre. Dem Untersu-

chungsausschuss liegen Briefe vor, die Starke Anfang

1995 aus der JVA Waldheim an Mundlos geschrieben

hat.
1135

Starke war auch dabei, als Böhnhardt und

Mundlos 1996 in SA-ähnlichen Uniformen im Konzentra-

tionslager Buchenwald aufmarschierten. Mit Beate

Zschäpe war er sogar kurzzeitig liiert
1136

– zu dem Ver-
hältnis äußerte sich Starke nicht nur in seiner Verneh-

mung durch das BKA, sondern im September 2012 auch

in einem Interview mit der Zeitung Welt am Sonntag:

„Es war keine richtige Beziehung, sondern eher
eine Affäre. Ich hätte mir allerdings mehr ge-

wünscht. … Fast immer hatte sie die anderen
beiden dabei. Sie hatte immer nur die beiden Uwes

im Kopf.“1137

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hatte

bereits am 8. September 1998 einen Hinweis auf die Be-

ziehung zwischen Starke und Zschäpe – und damit auf
einen Kontakt zwischen dem Trio und „Blood & Ho-
nour“. V-Mann Marcel D. lieferte damals die Informati-
on, dass Zschäpe „zuletzt mit dem Chemnitzer „Blood &
Honour“-Mitglied Starke liiert“ gewesen sei.1138

Starke war es auch, der dem Trio den Sprengstoff besorg-

te, der am 26. Januar 1998 bei der Garagen-Durchsuchung

gefunden wurde. In seiner Vernehmung durch das BKA

sagte er dazu:

„Ja, das stimmt, ich habe ihn besorgt, und zwar
war das im Jahr 1996 oder 1997 als mich Mundlos

fragte, ob ich Sprengstoff besorgen könnte. Wozu

er das braucht, hat er mir nicht gesagt und ich habe

auch nicht gefragt.“1139
1133) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 13.

1134) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 19.

1135) Unter Anderem: MAT A GBA-4/33a, PDF-Bl. 12 ff; siehe
hierzu auch Abschnitte C.II.4 und E.II.6. im Hinblick auf die in

der Garage an der Kläranlage aufgefundenen Briefe an Uwe

Mundlos.

1136) MAT A GBA-4/1, PDF-Bl. 148.

1137) Welt am Sonntag vom 23. September 2012, S. 11, „Die Version
des Thomas Starke“.

1138) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 185, Rn. 312.

1139) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 44; Welt am Sonntag vom

23. September 2012, S. 11, „Die Version des Thomas Starke“.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159 – Drucksache 17/14600

Diese Angaben von Thomas Starke werden von dem

Beschuldigten Holger Gerlach bestätigt. Gerlach sagte

am 12. Januar 2012 in seiner Vernehmung beim BKA

aus, dass das Trio ihm gegenüber erklärt habe, den

Sprengstoff von Starke bekommen zu haben:

„Einer von den Dreien hat mir erzählt, dass der
Sprengstoff von Thomas Starke stammte. Das

wurde mir im Rahmen eines der ersten Gespräche

nach dem Untertauchen der Drei erzählt. Wann das

genau war, weiß ich nicht mehr. Ich kann nicht ge-

nau sagen, ob das bei einem Treffen in Zwickau

oder bei einem anderen Treffen war.“1140

Der Kontakt zwischen Starke und dem Trio hielt auch,

nachdem die Beziehung mit Beate Zschäpe beendet war.

Nach dem Abtauchen des Trios am 26. Januar 1998 war

Starke erste Anlaufstelle. Der Beschuldigte Gerlach gab

am 17. Januar 2012 in seiner Vernehmung durch das

BKA an:

„Zu Beginn ihrer Flucht haben sie Herrn Starke
aufgesucht. Dieser hat sie aber nicht in seiner

Wohnung aufgenommen, sondern an andere Per-

sonen weitergereicht. Bei den Personen dürfte es

sich meiner Meinung nach um Angehörige der

,Blood & Honour‘-Sektion Sachsen gehandelt ha-
ben. Das erscheint mir logisch, weil diese sich für

politische Aktivisten gehalten haben.“1141

Starke selbst räumte sowohl in seinen Vernehmungen

durch das BKA als auch im Interview mit der Zeitung

Welt am Sonntag ein, dass er derjenige war, der dem Trio

im Januar 1998 das erste Versteck besorgte.

„Die haben gesagt, dass sie Ärger mit der Polizei
haben. Eigentlich nahmen die das ganz lustig. Ich

habe ihnen angeboten, dass sie bei mir schlafen

können. Das wollten sie nicht. Deshalb habe ich

sie bei einem Freund einquartiert.“1142

Bei diesem Freund – so Starke – habe es sich um Thomas
Ro. gehandelt – ebenfalls „Blood & Honour“-Mitglied.

„Ro., Thomas hat gesagt, dass sie bei ihm eine
Nacht unterkommen könnten. […] Ro. war ,88‘
und ,B&H‘1143 […] So nach ca. zwei Wochen hat
der Ro. dann gesagt, dass die Drei bei ihm raus

müssen. Ich habe dann weitere Leute aus der Sze-

ne angesprochen, von denen ich wusste, dass sie

alleine wohnten.“ 1144

Möglicherweise war das Trio in dieser Zeit auch öfter bei

Starke selbst in der Wohnung. Ein damaliger Nachbar von
1140) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 18.

1141) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 19 f.

1142) Welt am Sonntag vom 23. September 2012, S. 11, „Die Version
des Thomas Starke“.

1143) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 34.

1144) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 41.

Starke in Chemnitz hat angegeben, er habe Mundlos 1998

dort mehrfach gesehen.
1145

Die Verbindungen zu „Blood & Honour“ ermöglichten
nicht nur den ersten Unterschlupf des Trios – sie hielten
offenbar auch in der Illegalität: Starke blieb mit dem Trio

in Kontakt. Am 20. November 1999 erhielt das Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz einen weiteren Hinweis

des V-Mannes Marcel D. Er gab an, er habe Starke am

13. November 1999 am Rande eines neonazistischen

Skinhead-Konzerts im thüringischen Schorba finanzielle

Unterstützung für das Trio angeboten. Starke habe abge-

lehnt – mit der Begründung, die Drei bräuchten kein Geld
mehr, weil sie „jobben“ würden.1146

Im entsprechenden Vermerk des Thüringer Landesamtes

für Verfassungsschutz vom 24. November 1999 hieß es,

„dass Thomas Starke, aus Dresden, ,B & H‘-
Mitglied in Sachsen, beim Skinheadkonzert am 13.

November 1999 in Schorba von dem ,B&H‘-
Sektionsführer ,Riese‘ eine finanzielle Spende für
die ,Drei‘ angeboten worden sei, worauf er spontan
geantwortet habe, dass die ,Drei‘ kein Geld mehr
brauchen würden, weil sie ,jobben‘ würden. Weite-
re Angaben seien von Starke nicht gemacht wor-

den und von ,Riese‘ keine weiteren Fragen zu den
,Drei‘ an Starke gestellt worden.1147

Am 25. Januar 2012 bestritt Starke diesen Sachverhalt in

seiner Vernehmung als Beschuldigter gegenüber dem

BKA. Er sei zwar bei diesem Konzert gewesen, ein Ge-

spräch mit diesem Inhalt habe es aber nicht gegeben:

„An das Konzert kann ich mich erinnern, weil es
das einzige Konzert war, das in Thüringen stattge-

funden hat. Der Sektionsführer war Marcel D.,

Spitzname ,Riese‘, der muss bei diesem Konzert da
gewesen sein. Das Gespräch wie oben beschrieben

hat definitiv nicht stattgefunden. Ich kann nicht

sagen, ob ich damals Kenntnis über die finanzielle

Situation des Trios hatte oder nicht. Ich bin damals

davon ausgegangen, dass das Trio Chemnitz ver-

lassen hatte, da man nichts mehr von ihm gehört

hat.“1148

Starke will zu der Zeit, zu der das Gespräch mit dem V-

Mann Marcel D. stattgefunden haben soll, schon seit fast

anderthalb Jahren keinen Kontakt mehr zum Trio gehabt

haben:

„Den letzten Kontakt zu Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe hatte ich … Das muss so im Mai/Juni ´98
gewesen sein. Kurz danach bin ich nämlich wegen

meiner Arbeit nach Dortmund gegangen. Es war

eher bis etwa Mitte Mai ´98.“1149
1145) Schäfer-Gutachten , MAT A TH-6, S. 122, Rn. 224.

1146) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 15.

1147) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 2, Bl. 254
(VS-VERTRAULICH).

1148) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 36.

1149) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 97 f.

Drucksache 17/14600 – 160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Zusammenhang mit dem durch die Staatsanwaltschaft

Dresden geführten Verfahren, das in Zusammenhang mit

der neonazistischen Band „Landser“ stand,1150 wurde am
13. November 2000 Starkes Wohnung durchsucht – bei
dieser Durchsuchung wurden unter anderem handschrift-

liche Notizen mit persönlichen Daten von Mundlos und

Zschäpe gefunden.
1151

Der Generalbundesanwalt fasst das Verhältnis zwischen

Starke und dem Trio nach aktuellen Ermittlungen folgen-

dermaßen zusammen:

„Die enge persönliche Verflechtung des Beschul-
digten mit den Mitgliedern des ,NSU‘ und deren
Unterstützerkreis wird auch dokumentiert durch

den Umstand, dass er zeitweise mit Beate Zschäpe

liiert war und sich Kontaktdaten zu Mitgliedern

des ,NSU‘ und deren mutmaßlichen Unterstützern
notiert hat. Außerdem erfordert das Liefern von

Sprengstoff und die Vermittlung einer konspirati-

ven Wohnung ein besonderes Nähe- und Vertrau-

ensverhältnis der beteiligten Personen.“1152

Neben dem Kontakt zu Starke hatte das Trio enge Ver-

bindungen zu einem weiteren führenden „Blood & Ho-
nour“-Mitglied – zu Jan Werner, dem Sektionschef der
Organisation in Sachsen.

Gegen Jan Werner lief im August 1998 im Zusammen-

hang mit einem anderen Ermittlungsverfahren eine TKÜ-

Maßnahme. Am 25. August 1998 um 19:21 Uhr sendete

Jan Werner eine SMS mit folgendem Inhalt:

„Hallo, was ist mit den Bums“

Empfänger dieser Nachricht war ein Handy, das auf das

Innenministerium des Landes Brandenburg
1153

registriert

war.
1154

Es war zu diesem Zeitpunkt an den V-Mann

Piatto des Verfassungsschutzes Brandenburg ausgegeben

worden.
1155

Mit „Bums“ waren offenbar Waffen gemeint.

Nach einem Konzert der „Blood & Honour Sektion Süd-
brandenburg“ am 5. September 1998 in Hirschfeld melde-
te die Quelle Piatto des LfV Brandenburg, Jan Werner

habe den Auftrag, die drei neonazistischen Skinheads mit

Waffen zu versorgen. Die dafür erforderlichen Gelder

habe die „Blood & Honour Sektion Sachsen“ bereitge-
stellt. In der entsprechenden Deckblattmeldung hieß es:

„Einen persönlichen Kontakt zu den drei sächsi-
schen Skinheads soll Jan Werner haben. Jan Wer-

ner soll zur Zeit den Auftrag haben, die drei Skin-

heads mit Waffen zu versorgen. Gelder für diese
1150) Zu diesem Ermittlungsverfahren siehe eingehend unten Ab-

schnitt D. IV.b)aa).

1151) MAT A GBA-4/30, PDF-Bl. 21.

1152) MAT A GBA-4/1, Bl. 140.

1153) Mitteilung des Mobilfunkanbieters, MAT A TH-1/9, S. 272

1154) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 99, Rn 181.

1155) Zum V-Mann Piatto des Landes Brandenburg eingehend siehe

Abschnitt D. III. 1.

Beschaffungsmaßnahme soll die ,Blood & Honour

Sektion Sachsen‘ bereitgestellt haben. Die Gelder
stammen aus Einnahmen aus Konzerten und dem

CD-Verkauf.“

Nach der Entgegennahme der Waffen – noch vor der
beabsichtigten Flucht nach Südafrika – soll das Trio einen
weiteren Überfall planen, um mit dem Geld sofort

Deutschland verlassen zu können.“1156

Diese Information gab das Brandenburger Innenministe-

rium am 9. September 1998 sowohl an das thüringische

als auch an das sächsische Landesamt für Verfassungs-

schutz weiter.
1157

Offenbar verliefen die Bemühungen des Jan Werner zu-

mindest anfangs nicht sonderlich erfolgreich. Nach einem

Skinhead-Konzert am 26. September 1998 in Munzig

meldete eine Quelle des LfV Brandenburg, dass sie am

Rande dieses Konzerts erfahren habe,

„dass Jan Werner bei seinen Versuchen, die drei
flüchtigen Neonazis aus Thüringen mit Waffen zu

versorgen, noch nicht erfolgreich war und die Ver-

suche fortsetzt.
1158

Diese Information gab das Brandenburger Innenministe-

rium am 2. Oktober 1998 an das Thüringer Landesamt für

Verfassungsschutz weiter.
1159

Am 10. Oktober 1998 erfuhr eine Quelle des LfV Bran-

denburg am Rande eines „Blood & Honour“-Treffens in
Sachsen von Jan Werner persönlich,

„dass dieser noch immer auf der Suche nach Waf-
fen für die drei flüchtigen thüringischen Neonazis

ist.“1160

Diese Information gab das Brandenburger Innenministe-

rium am 14. Oktober 1998 an das Thüringer Landesamt

für Verfassungsschutz weiter.
1161

Aus den Quellenmeldungen ergibt sich nur, dass Jan

Werner versucht hat, Waffen zu besorgen – nicht aber,
dass diese Versuche am Ende auch erfolgreich waren. Der

Generalbundesanwalt schließt dies nach aktuellen Ermitt-

lungen aber auch nicht aus:

„Aufgrund des Umstandes, dass die Gruppierung
um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe

Mundlos in der Folgezeit bis zum 4. November

2011 nach den bisherigen Ermittlungen tatsächlich
1156) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 3, Bl. 50

(VS-VERTRAULICH).

1157) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 3, Bl. 47
(VS-VERTRAULICH).

1158) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 133

(VS-VERTRAULICH).

1159) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 132

(VS-VERTRAULICH).

1160) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 135
f. (VS-VERTRAULICH).

1161) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 1, Bl. 135

(VS-VERTRAULICH).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 161 – Drucksache 17/14600

über einen großen Fundus an Schusswaffen ver-

fügte, nachdem in der Frühlingsstraße 26 in Zwi-

ckau und in dem Wohnmobil in Eisenach insge-

samt 20 Schusswaffen unterschiedlicher Bauart si-

chergestellt wurden, bestehen begründete Anhalts-

punkte dafür, dass die aus den Erkenntnisberichten

offensichtlich hervorgehenden Bemühungen des

Beschuldigten Werner tatsächlich von Erfolg ge-

tragen waren und er der Gruppierung eine oder

mehrere Schusswaffen zur Verfügung stellen

konnte.

[…]

Indem die Gruppierung um Beate Zschäpe, Uwe

Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Zeit nach dem

September 1998 Raubüberfälle auf Banken verüb-

te, wie es dem Bemühen des Beschuldigten Wer-

ner um Beschaffung von Waffen zugrunde lag, be-

stehen daher zureichende tatsächliche Anhalts-

punkte dafür, dass mit einer vom Beschuldigten

Werner beschafften Schusswaffe ein oder mehrere

Banküberfälle von der Gruppierung begangen

wurden.“1162

Nach Erkenntnissen des LfV Sachsen kontaktierte Jan

Werner die Flüchtigen möglicherweise am 7. Mai 2000

persönlich in Berlin.
1163

An diesem Tag hat sich Jan Wer-

ner dort aufgehalten. Am selben Tag will ein Polizist auch

Mundlos und Zschäpe in Berlin gesehen haben – in einem
Biergarten, gemeinsam mit zwei weiteren Erwachsenen

und zwei Kindern. Bei diesen beiden anderen Erwachse-

nen könnte es sich um Jan Werner und um eine Bekannte

des Jan Werner gehandelt haben. Die Frau lebte damals in

Berlin, hatte mindestens zwei Kinder, gehörte der ein-

schlägigen Szene an und wurde am 7. Mai 2000 mehrfach

von Jan Werner angerufen.
1164

Das LKA Berlin erhielt am 13. Februar 2002 einen Hin-

weis darauf, dass Jan Werner auch zu dieser Zeit noch in

Kontakt mit dem Trio stand:

„Jan Werner soll zur Zeit zu drei Personen aus
Thüringen, die per Haftbefehl gesucht werden,

Kontakt haben. Die VP kann diese nicht nament-

lich benennen, erklärt aber, dass diese wegen Waf-

fen- und Sprengstoffbesitz gesucht werden.“1165

Der Hinweis stammte von der Quelle „VP 562“.1166 Quel-
le „VP 562“ ist inzwischen enttarnt: es handelte sich um
Thomas Starke, den das LKA Berlin in dem in Zusam-

menhang mit der Neonazi-Band „Landser“ geführten
Verfahren als V-Person angeworben hatte.

1167
Eine Wei-

tergabe dieses Hinweises zum damaligen Zeitpunkt an
1162) MAT A GBA-4/1, PDF-Bl. 135.

1163) Siehe hierzu auch die eingehende Darstellung der Fahndungs-
maßnahmen rund um die Ausstrahlung der Sendung Kripo Live

am 7. Mai 2000 unter E.II.13.

1164) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, 175, 176, Rn. 301.

1165) MAT A SN-7/15a, Bl. 52.

1166) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, S. 42.

1167) Zum V-Mann Thomas Starke siehe eingehend unter D. IV.1).

andere Behörden – insbesondere an Thüringen oder Sach-
sen – ist nicht dokumentiert und konnte auch nicht festge-
stellt werden.

1168
Der Generalbundesanwalt fasst das Verhältnis zwischen

Werner und dem Trio nach aktuellen Ermittlungen fol-

gendermaßen zusammen:

„Die enge Anbindung des Beschuldigten Werner
an die Gruppierung um Beate Zschäpe, Uwe

Böhnhardt und Uwe Mundlos wird zum einen

durch die Qualität der bereits erwähnten Unterstüt-

zungshandlung in Form des Bemühens um die Be-

schaffung von Schusswaffen belegt. Es ist auf-

grund kriminalistischer Erfahrung bei lebensnaher

Auslegung des Sachverhalts davon auszugehen,

dass mit einer solchen Aufgabe für die Gruppie-

rung nur eine Person beauftragt wird, die ein be-

sonderes Vertrauen der Mitglieder genießt und

über deren Loyalität sich die Mitglieder zuvor in

hinreichendem Maße vergewissert haben. Außen-

stehende Personen, bei denen ein nicht zu kalkulie-

rendes Risiko der Weitergabe dieser Informationen

an Dritte bestanden hätte, wäre für die damals be-

reits im Untergrund befindlichen Mitglieder der

Gruppierung eine nicht zu kalkulierende und tole-

rierende Gefahr der Entdeckung und Enttarnung

gewesen. Der Verdacht, dass die enge Anbindung

auch noch einen längeren Zeitraum nach den Be-

mühungen um die Beschaffung von Schusswaffen

bestand, wird durch die Erkenntnisse des Landes-

amtes für Verfassungsschutz Sachsen aus der Mit-

te des Jahres 2000 belegt, nach denen der Beschul-

digte Werner in telefonischem Kontakt zu weiteren

Personen aus dem Umfeld der Gruppierung ge-

standen haben soll. Dabei soll der Beschuldigte

Versorgungsfahrten für die Gruppierung organi-

siert und dabei von den drei Flüchtigen angefor-

derte persönliche Gegenstände an diese übergeben

haben.“1169

Die „Blood & Honour Sektion Sachsen“, deren Chef Jan
Werner war, gab mit White Supremacy ein eigenes Fan-

zine heraus. In Ausgabe Nr. 1/98 dieser Publikation ver-

fasste ein Mitglied des Trios einen Artikel. Darin heißt es

unter anderem:

„Doch sollte sich jeder im klaren sein, dass mit
Konzerten allein keine Schlacht zu gewinnen ist.

Konzerte sind und bleiben ein reines Freizeitver-

gnügen und haben mit dem Kampf nur soviel zu

tun, dass sie für uns das stärkende Mittel sind,

welches uns die Kraft für den weiteren Weg gibt.

[…]

Lassen wir aber die nationalen Parteien in … (un-
leserlich), so ist dies ein verdeckter Schulter-

schluss mit dem roten und dem antideutschen
1168) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, S. 42; siehe hierzu unter

D.IV.1.b)ff).

1169) MAT A GBA-4/1, Bl. 127.

Drucksache 17/14600 – 162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Pack. Denn diese Subjekte wollen unser Volk und

unser Land, mit all seinen Bestrebungen am Boden

liegen sehen, was ihr mit Euerem passiven Verhal-

ten unterstützt. Also denkt immer daran: Wer nicht

bereit ist sich aktiv am Kampf und der Bewegung

zu beteiligen, der unterstützt passiv alles was sich

gegen unser Volk und unser Land und unsere Be-

wegung richtet!!!“1170

Der Autor blieb anonym.
1171

Medienberichten zufolge soll

der Artikel von Uwe Mundlos stammen.
1172

Auch die

Quelle Piatto (Carsten Szczepanski) berichtete, dass „ein
Mitglied des sächsischen Skinhead-Trios“ den Artikel auf
S. 26 der Publikation White Supremacy verfasst habe.

1173
Enge Kontakte zwischen dem Trio und „Blood & Ho-
nour“-Mitgliedern meldete der V-Mann Tino Brandt. Als
„Quelle 2045“ beim Thüringer Landesamt für Verfas-
sungsschutz berichtete er am 1. Februar 2000, dass ein

Chemnitzer „Blood & Honour“-Mitglied am Rande einer
NPD-Veranstaltung mitgeteilt habe, dem Trio gehe es gut.

Bei dem „Blood & Honour“-Mitglied soll es sich um
Andreas G. gehandelt haben.

1174
In der entsprechenden

Deckblattmeldung des Thüringer Landesamtes für Ver-

fassungsschutz heißt es:

„Während einer Schulungspause unterhielten sich
zwanglos Ralf Wohlleben, X.

1175
und Quelle als X.

von einem Chemnitzer ‚B&H’-Mann (…) ange-
sprochen worden sei (…). Der namentlich nicht
bekannte Chemnitzer habe dann gesagt, dass sie

sich keine Gedanken machen brauchten, den ,Drei‘
gehe es gut. Daraufhin sei er sofort von Ralf Wohl-

leben verärgert unterbrochen worden, dass dies

hier keinen etwas anginge und er mit seinen Äuße-

rungen noch Zoff bekommen würde.“1176

Das Trio war unter den „Blood & Honour“-Anhängern
bekannt – und wurde unterstützt. Der ehemalige Vize-
Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungs-

schutz Nocken hat vor dem Untersuchungsausschuss des

Thüringischen Landtags ausgesagt:

„Ich weiß nur, dass die Blood-&-Honour-Leute bei
ihren Konzerten mal wohl aufgerufen haben, ir-
1170) White Supremacy 1/98, S. 26; MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12

GEHEIM), Anl. 2, Bl. 268 (offen).

1171) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301; MAT A

BB-1, PDF-Bl. 30.

1172) Süddeutsche Zeitung vom 10. Dezember 2011, S. 6, „Extreme
Verbindungen“.

1173) Meldungen des V-Mannes Piatto, Nr. 124/98 vom 19. August

1998, MAT A BB-1, S. 25 ff. (30) und Nr. 142/98 vom

16. September 1998, MAT A BB-1, S. 38 ff. (42) – eingehend
zu dem V-Mann Piatto siehe unter D.III.1. und zu seiner Rolle

bei der Suche nach dem Trio unter E.II.10.

1174) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301.

1175) Name im Dokument ausgeschrieben.

1176) MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 GEHEIM), Anl. 2, Bl. 278

(VS-VERTRAULICH).

gendwen, als die schon im Untergrund waren, ir-

gendwelche Spenden zu sammeln.“1177

SPIEGEL ONLINE berichtet unter Berufung auf einen

„Szenekenner“, dass es noch im Jahr 2008 eine geheime
„Blood & Honour“-Veranstaltung gegeben habe, bei der
für das Trio gesammelt worden sei.

1178
Das Trio nutzte „Blood & Honour“-Musik für das NSU-
Video. In zwei Versionen des Videos wird Musik der aus

Baden-Württemberg stammenden Nazi-Band „Noie Wer-
te“ um den Sänger und Rechtsanwalt Stefan H. verwendet
– in einer Version wird das Lied „Kraft für Deutschland“
eingespielt, in einer zweiten Version der Song „Am Puls
der Zeit“.1179 Für die Sachverständige Röpke ist dies ein
Signal der NSU-Leute an die eigene Szene

1180
– „Noie

Werte“ war nach ihren Angaben eine der wichtigsten
Bands im „Blood & Honour“-Spektrum:

„Noie Werte kann man eigentlich als Anfangs-
struktur von ,Blood & Honour‘ in Deutschland be-
zeichnen. Zumindest ist es eine Anfangs-

umfeldstruktur von ‚Blood & Honour’.“1181

Einige „Noie Werte“-Mitglieder führten „German-British
Friendship“ – dabei handelte es sich um ein Plattenlabel
und einen Musikversand. „German British Friendship“
trug ab Mitte der 90er Jahre maßgeblich zur Ausbreitung

des „Blood & Honour“-Netzwerks von Großbritannien
nach Deutschland bei.

1182
e) Mögliche Auswirkungen von „Blood &
Honour“ und „Combat 18“ auf die Taten
des Trios

Im Umfeld von „Blood & Honour“ und „Combat 18“
kursierten zahlreiche Strategiepapiere – beispielsweise
mit Handlungsanweisungen zum Leben im Untergrund

und zur Durchführung militanter Aktionen. Diese Strate-

gien sind unter anderem in der „Blood & Honour“-
Broschüre Der Weg Vorwärts, im Feldhandbuch und in

der „Combat 18“-Publikation Der politische Soldat veröf-
fentlicht. Diese Veröffentlichungen stehen auf der inter-

nationalen Homepage von „Blood & Honour“ zum
Download bereit. Die Inhalte zeigen erhebliche Parallelen

sowohl zu den Taten des Trios als auch zum Leben des

Trios im Untergrund auf.

So heißt es in der „Blood & Honour“-Broschüre Der Weg
Vorwärts:

„Unsere revolutionäre Bewegung sollte sich darauf
konzentrieren, politische Soldaten zu rekrutieren,

die bereit sind, auch wirklich zu kämpfen. …
1177) MAT B TH-1/7, S. 130.

1178) SPIEGEL ONLINE vom 3. Dezember 2011, „Szenekontakte
der Terrorzelle: Blut, Ehre, Hass“.

1179) MAT A GBA-4/3 (DVD), Vorl. SA 10, Bl. 61.

1180) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 64 f.

1181) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 64.

1182) MAT A GBA-4/3 (DVD), Vorl. SA 10, Bl. 62.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 163 – Drucksache 17/14600

Diese Anwärter mögen bereit sein, für ihre Über-

zeugung zu sterben, aber sie sind sicherlich keine

verrückten Selbstmordkandidaten.“1183

Die Publikation Der Weg Vorwärts diente dem Bundes-

minister des Innern zur Begründung der Verbotsverfü-

gung der „Blood & Honour Division Deutschland“.1184
Der Autor – der skandinavische Rechtsextremist Max
Hammer (Erik Nilsen)

1185
– veröffentlichte im Jahr 2000

auch das Field Manual
1186

. Hammer selbst sieht dieses

Buch als „Betriebshandbuch für den B&H-Kämpfer“. Im
Vorwort schrieb er:

„Unsere Hauptpriorität liegt mit Sicherheit darin,
ZU HANDELN und zu wissen, WIE gehandelt

werden muss. Und WANN gehandelt werden

muss, nämlich JETZT.“1187

Hammer wirbt für die Strategie des „führerlosen Wider-
stands“ (Leaderless Resistance), einer hierarchiefreien,
zellenorientierten Handlungsweise zur Durchführung von

militanten Aktionen:
1188

„In Skandinavien – insbesondere in Schweden und
Dänemark – gibt es gegenwärtig gut organisierte
NS-Bewegungen, die wissen, worauf es ankommt.

Sie sind bereit, legal zu arbeiten, wenn die

,Demokratie‘ sie nur lässt. Sie sind aber ebenso be-
reit, ihren modus operandi zu ändern, wenn es kei-

ne andere Möglichkeit gibt. Einheit bedeutet Stär-

ke, und eine Bewegung starker Einzelkämpfer

multipliziert, vorausgesetzt, dass sie gut organisiert

ist, diese Stärke mit der Zahl ihrer Mitglieder. Auf

der anderen Seite arbeiten einige Kameraden am

besten auf eigene Faust. Ihre Aktionen sind so an-

gelegt, dass sie eine absolute Anonymität erfor-

dern. Keine Organisation könnte die Verantwor-

tung dafür übernehmen, ohne dass sie ihren lega-

len Status für immer verlieren würde. […] Diese
einsamen weißen Wölfe gilt es zu respektieren,

und man muss sie in Ruhe gewähren lassen, um

die schlimmsten Feinde unserer Rasse zur Strecke

zu bringen. Auch wenn diese Leute keine Hilfe

oder Unterstützung erwarten, so verdienen sie

doch Anerkennung und Verständnis.“1189

Und weiter:

„Wenn jemand tatsächlich den riskanten Weg des
aktiven bewaffneten Widerstands wählt, sollte er

jeglichen Kontakt zu denen meiden, die den lega-

len Widerstand gewählt haben, damit er die tägli-
1183) MAT A SN-2/3-33, Bl. 8.

1184) Weiteres zum Verbot unter C.II.1.f).

1185) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 2.

1186) Feldhandbuch.

1187) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 373.

1188) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 2.

1189) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 423 f.

che politische Arbeit nicht gefährdet und diese mit

dem Stempel des Terrorismus versehen wird.“ 1190

Hammer schildert beispielhaft Aktivitäten des sogenann-

ten „Lasermannes“ in Schweden. Beim „Lasermann“
handelt es sich um den schwedischen Rechtsextremisten

John W.A. Ausonius. Aktuelle Recherchen des BfV führ-

ten im Zusammenhang mit dem „Lasermann“ zu folgen-
den Ergebnissen:

„John W.A. Ausonius, geb. 12. Juli 1953 in Stock-
holm als Wolfgang Alexander Zaugg (benannte

sich zunächst in John W.A. Stannerman und an-

schließend in John W.A. Ausonius um), Sohn eines

nach Schweden ausgewanderten Schweizers und

einer nach Schweden ausgewanderten Deutschen,

verübte von August 1991 bis Januar 1992 in

Stockholm und Uppsala (Schweden) zehn frem-

denfeindliche Mordanschläge auf insgesamt elf

Personen, zunächst mittels eines Gewehrs mit La-

servorrichtung (was in der Presse zu der Namens-

gebung ,Laser Mann‘ führte), später mit einem
Revolver. Eine Person kam bei den Anschlägen

ums Leben, die übrigen wurden z. T. schwer ver-

letzt. Ausonius verübte die Anschläge aus Frem-

denhass. Zu seinen Opfern hatte er zuvor keinerlei

persönliche Beziehungen. […] Ausonius wurde
nach einem Bankraub am 12. Juni 1992 gefasst

und 1994 wegen Mordes zu lebenslanger Frei-

heitsstrafe verurteilt. Erst im Jahr 2000 bekannte er

sich zu seinen Taten. Im gleichen Zeitraum, in

dem die Morde passierten, hatte ein Bankräuber 18

Banken in Stockholm überfallen und war nach je-

dem Überfall mit einem Fahrrad geflüchtet. Ver-

mutlich handelte es sich dabei um Ausonius

(Ausonius bekannte sich im Jahr 2000 nicht nur zu

den Anschlägen, sondern auch zu 20 Banküberfäl-

len).“1191

Der Weg Vorwärts und das Feldhandbuch waren auch

den deutschen Sicherheitsbehörden frühzeitig bekannt,

wurden vom BfV im Jahr 2002 zunächst jedoch als nicht

relevant für die deutsche Szene angesehen. Dies lässt sich

aus dem Protokoll einer Besprechung zwischen BfV und

BKA am 20. November 2002 entnehmen:

„Das BfV bewertet die beiden Strategiepapiere
,The way forward‘ und ,Field Manual‘ als die Pri-
vatmeinung eines ‚Blood&Honour’ Aktivisten in
Schweden, vermutlich Eric Nielsen, alias Eric

Blücher. Ihre Wirkung auf die deutsche

‚Blood&Honour’ Bewegung ist nach Auffassung
des BfV nicht gegeben.“1192

Das BKA sah dies damals anders:

„Durch Uz wurde dem BfV erklärt, dass nach der-
zeitiger Einschätzung eine Fernwirkung der Stra-
1190) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 579.

1191) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 3 f.

1192) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 605.

Drucksache 17/14600 – 164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tegiepapiere auf die deutsche ‚Blood&Honour’
Bewegung nicht auszuschließen sei.“1193

Im Januar 2012 sah das BfV Parallelen zwischen den in

den genannten Publikationen veröffentlichten Handlungs-

anweisungen und den Taten des Trios – insbesondere in
folgenden Punkten:

– Mordanschläge auf Menschen mit Migrationshinter-
grund – ohne einen persönlichen Bezug zu diesen
Personen gehabt zu haben;

– Banküberfälle zur Eigenfinanzierung;

– Flucht mit dem Fahrrad;

– Leben mit falschen Identitäten;

– Fluchtpunkt Südafrika (wenn auch vom NSU-Umfeld
nur geplant);

– Mietfahrzeug.

Im Ergebnis stellte das BfV fest:

„Es besteht die Möglichkeit, dass die Jenaer
Rechtsextremisten durch die im Jahr 2000 veröf-

fentlichte Publikation ,Field Manual‘ Kenntnis von
den durch Ausonius verübten Anschlägen auf Aus-

länder erhalten haben und dessen Vorgehensweise

als ,Blaupause‘ für die Taten des ,Trios‘ diente.
Zudem bestanden zwischen der deutschen und

skandinavischen ,Blood & Honour‘-Bewegung
insbesondere Ende der 1990er Jahre und zu Beginn

des neuen Jahrtausends Kontakte, durch die das

,Trio‘ möglicherweise über die Vorgehensweise
und Taten des Ausonius informiert war.“1194

Genaue Handlungsanleitungen für das Leben im Unter-

grund und für die Durchführung von Anschlägen fanden

sich auch in Publikationen von „Combat 18“. Darin wur-
de all denjenigen der Kampf angekündigt, die als „Gefahr
für die weiße Rasse“ angesehen wurden oder in Oppositi-
on zum Nationalsozialismus standen.

„Der Kampf soll von Einzelkämpfern (,lone wol-
fes‘) oder in Form eines führerlosen Widerstandes
(,leaderless resistance‘) geführt werden.“1195

Im „Combat 18“-Handbuch Der politische Soldat hieß es
sinngemäß:

„Die Taktik des ,einsamen Wolfs‘ ist bei weitem
der beste Ansatz. Du bist niemandem gegenüber

verantwortlich für den erfolgreichen Abschluss

Deines Plans und Deine persönliche Sicherheit

liegt allein in Deinen Händen. Wenn Dein Plan –
aus welchen Gründen auch immer scheitert – dann
musst Du nur Dir selbst Vorwürfe machen. Wenn

Dein Plan Erfolg hat, wird Dein Mut für Dich

sprechen.
1193) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 605.

1194) MAT A BfV-5/1, PDF-Bl. 5.

1195) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 39.

Die einzige Alternative zur Taktik des ‚einsamen
Wolfs‘ besteht darin, eine aktive Zelle von Kame-
raden zu bilden, in der Informationen und Verant-

wortlichkeiten geteilt werden. Der Erfolg einer

Zelle ist abhängig von der Qualität der einzelnen

Mitglieder dieser Zelle und von dem absoluten

Vertrauen, das zwischen den Mitgliedern bestehen

muss.

Wenn Du glaubst, dass Du in einer Position bist, in

der Du eine aktive Zelle bilden kannst, musst Du

Dir absolut sicher sein, dass die Mitglieder, die Du

für diese Zelle rekrutieren willst, vertrauenswürdig

sind und die nötige Einsatzbereitschaft mitbringen.

Womit auch immer das ZOG
1196

die Mitglieder der

Zelle bedroht – seien es Drohungen, Einschüchte-
rungsversuche oder große Mengen Bargeld für In-

formationen – Du musst Dir sicher sein, dass die
Mitglieder Deiner Zelle dem Druck standhalten.

Nur dann, wenn Du ehrlich sagen kannst, dass Du

den von Dir gewählten Mitgliedern vertraust wie

Dir selbst, nur dann solltest Du darüber nachden-

ken, eine aktive Zelle zu bilden.“1197

Das Buch Der politische Soldat ist ebenfalls auf den ein-

schlägigen Internetseiten abrufbar, auch heute noch.

In der „Combat 18“-Publikation „Stormer – Die Deutsche
Fassung Nr. 1“ ungefähr aus dem Jahr 2002, die damals
auch das BfV ausgewertet hat, heißt es:

„Immer wieder wird in der nationalen Bewegung
der ‚militante Kurs‘ diskutiert. Oft ist von ‚gewalt-
samen Aktionen gegen den Staat die Rede‘ die
dann schon sehr ‚terroristische Züge‘ annehmen
können. Wer würde sich nicht gern einmal den ein

oder anderen Richter, Staatsanwalt oder Politiker

vorknöpfen? In die Luft sprengen, erschießen usw.

[…]

Eine persönliche Einschätzung der momentanen

Situation, lässt nur den Eindruck zu, das ein ‚mili-
tantes und bewaffnetes Vorgehen‘ gegen diesen
Staat und seine Vasallen keinerlei Erfolgsaussich-

ten hätte. […]

Dennoch braucht man nicht untätig zuzuschauen.

Die Zeit für Aktionen ist längst gekommen. Aller-

dings greift man nicht ZOG direkt an! Gegner und

Volksfeinde gibt es genug. […] Nicht mehr die
Staatsanwälte, Richter oder Systempolitiker sind

das Ziel. Antifas, Drogendealer, ausländische Zu-

hälter und Kriminelle, sowie der ein oder andere

Kleinunternehmer der vorwiegend billige auslän-

dische Arbeitskräfte beschäftig, werden oder soll-

ten von nun an ins Visier genommen werden. Der

Vorteil wäre auch, das niemand darum heulen
1196) ZOG = Zionist Occupied Government = „Zionistisch besetzte

Regierung“.

1197) Übersetzung aus „The National Socialist Political Soldiers
Handbook“.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165 – Drucksache 17/14600

würde wenn es ab und an mal einen

Zuhälterkanacken oder Dealer treffen würde. Auch

der Fahndungsdruck durch ZOG wäre nicht sehr

groß.“1198

Nach dem Nagelbombenanschlag in der Kölner

Keupstraße am 9. Juni 2004 erstellte das BfV ein Dossier,

in dem es unter anderem untersuchte, ob es Verbindungen

zwischen dieser Tat und Aktivitäten und Konzepten von

„Combat 18“ gab.1199 Insbesondere wurden Parallelen
zwischen dem Anschlag in Köln und mehreren Nagel-

bombenanschlägen in London geprüft, bei denen im April

1999 insgesamt drei Menschen getötet und mehr als hun-

dert Menschen verletzt wurden. Bei den Opfern handelte

es sich überwiegend um Migranten und Migrantinnen

britisch-pakistanischer Herkunft und um Homosexuelle.

Die Anschläge in London wurden zunächst „Combat 18“
zugerechnet. Bei dem Täter handelte es sich um einen

britischen Neonazi, der u. a. in einer Abspaltung von

„Combat 18“ organisiert war.1200 Sein Ziel war nach eige-
ner Aussage der „Beginn eines Rassekrieges“.1201

Seine Taten fanden bei „Combat 18“ aber zumindest
Beachtung: In der zweiten Ausgabe der Publikation

Stormer wurde dazu aufgefordert, Copeland’s „heroische
Taten“ nachzuahmen.1202 Dazu war unter der Überschrift
„How to build a Dave Copeland Special“ eine detaillierte
Anleitung zum Nachbau des von Copeland verwendeten

Nagelbombentyps veröffentlicht.
1203

Ob das Trio Kenntnis von dieser Publikation und den

darin veröffentlichten Texten im Zusammenhang mit den

Anschlägen in London hatte, ist unklar. Ein Vergleich

zwischen der im Stormer veröffentlichten Bombenbauan-

leitung und dem in Köln verwendeten Sprengsatz ergab

laut dem BfV nur „unwesentliche Übereinstimmungen“:

„Zusammenfassend ist zu bemerken, dass bei der
Zusammensetzung der Kölner Bombe, insbesonde-

re in Bezug auf deren Zündung, von einem gewis-

sen technischen Verständnis des Täters auszuge-

hen ist. Im Vergleich dazu weist die Copeland-

Bombe einen weitaus schlichteren Aufbau auf, der

auch von Personen mit weniger ausgeprägten

technischen Fertigkeiten nachvollzogen werden

kann.“1204

Das BfV ging im Juli 2004 ohnehin davon aus, dass die

„Combat 18“-Publikationen in der deutschen Szene zu-
mindest nicht allgemein verbreitet waren:

„Die an C18 orientierten Publikationen ,Stormer‘
(deutsche Fassung) und ,Totenkopf-Magazin‘ pro-
1198) Stormer Nr. 1 (Die Deutsche Fassung), „Whatever it Takes“,

Teil 1; Schreibfehler im Original.

1199) Vgl. dazu auch H.II.6.c).

1200) MAT A BfV-4, Bl. 36 f., Antifaschistisches Infoblatt Nr. 51/

S. 60 f.

1201) MAT A BfV-4, Bl. 36 f.

1202) MAT A BfV-4, Bl. 37.

1203) MAT A BfV-4, Bl. 45.

1204) MAT A BfV-4, Bl. 38.

pagierten das Prinzip des ,leaderless resistance‘.
Im ,Totenkopf-Magazin‘ wurde zudem eine deut-
sche Übersetzung der englischen Ausarbeitung

,practical Revolution – Guidelines For White
Survival‘ veröffentlicht. Darin werden – in relativ
allgemeiner Form – die Bildung von kleinen Zel-
len zu maximal vier Personen, eine Bewaffnung,

Geldbeschaffung sowie sichere Verstecke und eine

Ausbildung gefordert. Die genannten Publikatio-

nen sind bislang in der deutschen rechtsextremisti-

schen Szene nicht allgemein verbreitet.“1205

Zu der Frage, inwieweit die in den genannten Publikatio-

nen beschrieben Handlungsweisen dem Trio als Vorbild

gedient haben könnten, hat Klaus-Dieter Fritsche, BfV-

Vize-Präsident von 1996 bis 2005, am 18. Oktober 2012

vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Ich weiß natürlich nicht, weil ich nicht, weil wir
alle nicht in die Köpfe vor allem von Frau Zschäpe

hineinschauen können und Frau Zschäpe sich auch

entsprechend noch nicht geäußert hat, ob solche

Materialien bei dem Entschluss, diese Morde zu

begehen, eine Rolle gespielt haben. Dazu haben

wir keine Erkenntnisse gehabt.“1206

f) Verbot der „Blood & Honour Division
Deutschland“ und der Jugendorganisation
„White Youth“

Fast zeitgleich mit dem ersten Mord der Česká-Serie im
September 2000 wurden die „Blood & Honour Division
Deutschland“ und die Jugendorganisation „White Youth“
verboten. Am 12. September 2000 erging die Verbotsver-

fügung des Bundesinnenministeriums
1207

– drei Tage
zuvor, am 9. September 2000, war der aus dem hessischen

Schlüchtern stammende türkische Blumenhändler Enver

Şimşek getötet worden.
1208

Zum „Blood & Honour“-Verbot hat der damalige Bun-
desinnenminister Otto Schily am 15. März 2013 vor dem

Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Blood & Honour, […], war eine Organisation, die
in massiver Weise nazistische und antisemitische

und rechtsextremistische Propaganda betrieben

hat. Wir haben dieses Verbotsverfahren vor diesem

Hintergrund für geboten gehalten, auch um ein

Zeichen zu setzen.“1209

Rechtsgrundlage für das Verbot war § 3 VereinsG. Die

wesentlichen Punkte der Verbotsverfügung waren:
1210
1205) MAT A BKA-2/46, PDF-Bl. 50.

1206) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 35.

1207) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1208) MAT A GBA-4/1, PDF-Bl. 144.

1209) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 64.

1210) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

Drucksache 17/14600 – 166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Die „Blood & Honour Division Deutschland“ und die
„White Youth“ richten sich gegen die verfassungs-
mäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerver-

ständigung.

– Die „Blood & Honour Division Deutschland“ und die
„White Youth“ sind verboten. Sie werden aufgelöst.

– Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die „Blood
& Honour Division Deutschland“ und die „White
Youth“ zu bilden oder bestehende Organisationen als
Ersatzorganisationen fortzuführen.

Begründet wurde das Verbot unter anderem damit, dass

„Blood & Honour“ in Programm, Vorstellungswelt und
Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem National-

sozialismus aufweise. Die Organisation bekenne sich zu

Hitler und zu anderen führenden Nationalsozialisten und

strebe eine Überwindung der verfassungsmäßigen Ord-

nung an. Gleiches gelte für die Jugendorganisation „Whi-
te Youth“, denn diese habe das Ziel, junge Menschen an
die „Blood & Honour“-Bewegung und damit auch an
deren Ziele heranzuführen.

1211
Die Verfügung vom 12. September 2000 war an neun

Personen adressiert – darunter auch Marcel D., damals
noch V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfas-

sungsschutz. Sie wurde am 14. September 2000 vollzo-

gen.
1212

Im Zusammenhang mit dem Vollzug wurden am selben

Tag bundesweit Exekutivmaßnahmen durchgeführt. Es

gab Durchsuchungen bei insgesamt 37 führenden „Blood
& Honour“-Mitgliedern,1213 auch bei Marcel D.1214 Im
Rahmen dieser Durchsuchungen wurden Ton- und Bild-

träger, Propagandamaterialien, schriftliche Unterlagen der

Organisation, Bekleidungsgegenstände, Aufnäher, Com-

puter, Fanzines und weitere Gegenstände sichergestellt –
unter anderem Kassetten und CDs mit Titeln wie „Solda-
tenlieder Waffen SS“ und „Blue Eyed Devils Holocaust
2000“, mehrere Reichskriegsflaggen, ein T-Shirt mit der
Aufschrift „Hitler European Tour 1939-1945“ und diverse
„Blood & Honour“-Veröffentlichungen.1215

Gegen das Verbot wurde Widerspruch eingelegt, der

jedoch zurückgewiesen wurde. Daraufhin klagten zwei

„Blood & Honour“-Funktionäre gegen das Verbot – einer
von ihnen war Marcel D., was für das LfV Thüringen

Anlass war, ihn als Quelle abzuschalten. Das Bundesver-

waltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. Juni

2001 ab,
1216

seitdem ist das Verbot bestandskräftig. In der

entsprechenden Pressemitteilung des Bundesverwaltungs-

gerichtes hieß es:
1211) Zusammenfassende Darstellung der Ausführungen in der

Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000: MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1212) Verbotsverfügung des BMI vom 12. September 2000, MAT A

BMI-3/0022, Bl. 1-33.

1213) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), Bl. 32 ff.

1214) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), Bl. 42-52.

1215) MAT B TH/3 2864.21-1-2004 (Band 1), Bl. 32 ff.

1216) BVerwG, 6. Senat, 6 A 1/01, Urteil vom 13. Juni 2001.

„Gegen das Verbot hatten zwei führende Mitglie-
der dieser Organisationen im eigenen Namen Kla-

ge erhoben. Da grundsätzlich nur eine Vereinigung

selbst gegen ihr Verbot klagen kann, wurde die

Klage im März 2001 mit dem Ziel umgestellt, dass

,Blood & Honour Division Deutschland‘ und
,White Youth‘ Kläger sein sollen. Das Bundes-
verwaltungsgericht, hat entschieden, dass diese

Umstellung als Klageänderung zu beurteilen ist

und nicht zu einer zulässigen Klage geführt hat.

Die Klage der verbotenen Organisationen ist näm-

lich verspätet. Die einmonatige Klagefrist gegen

die Verbotsverfügung war bei der Klageänderung

im März 2001 verstrichen.“1217

Inzwischen ist „Blood & Honour“ nicht nur in Deutsch-
land verboten, sondern seit 2010 auch in Spanien

1218
und

seit 2012 in Russland.
1219

In Ungarn hat das Budapester

Stadtgericht am 28. Oktober 2005 das Verbot der ungari-

schen Gruppierung „Ver es Becsület“ („Blut und Ehre“)
bestätigt.

1220
g) Umgang mit Nachfolgeaktivitäten von
„Blood & Honour“

Nach dem Verbot von „Blood & Honour“ informierte das
„Aktionsbüro Norddeutschland“ in einer Mitteilung
„‘Blood & Honour‘ verboten!“ rechte Aktivisten wie
folgt:

„Vorsicht Staatsfalle!! Kameradengruppen, die
sich vor dem Verbot unter dem Begriff ‚Blood and
Honour‘ organisiert hatten (z. B. als ‚Sektion‘,
‚Kameradschaft’ o.ä.), sollten sich jetzt auf keinen
Fall in der gleichen Zusammensetzung einen neu-

en Gruppennamen geben – das würde vom Staat
als ‚Fortführung‘ des verbotenen Vereins ‚Blood
and Honour‘ gewertet und kann mit mehrjährigen
Haftstrafen geahndet werden!

Wir raten allen betroffenen Kameraden/-gruppen:

Arbeitet überhaupt nicht mehr unter gruppenspezi-

fischen Namen! Verzichtet auf irgendwelche grup-

penspezifischen Abzeichen! Sammelt Euch und

arbeitet anonym, als freie Aktivisten. Feste Struk-

turen sind für den Staat viel zu leicht greifbar und

können verboten werden. Aber wie will der Staat

verbieten, was keinen Namen und keine Strukturen

hat? Organisieren könnt ihr Euch auch ohne Orga-

nisation. Die Vernetzung des politischen Wider-

standes findet auf informeller Ebene statt, nicht auf

struktureller. Um die Kräfte des Widerstandes auf

eine immer breiter werdende Basis zu stellen, be-
1217) MAT B TH-3/Übergabe Bundestag 28.09.2012 Nr.

51932/Übergabe Landtag 24.08.2012/1202-7-2011 Band 1,

PDF-Bl. 81.

1218) MAT A BMI-5/0058, PDF-Bl. 14.

1219) Rianovosti vom 29. Mai 2012, „Russian Supreme Court Bans
Blood & Honour“.

1220) MAT A BMI-5/0058, PDF-Bl. 19.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 167 – Drucksache 17/14600

darf es schon lange nicht mehr der ‚hochoffiziel-
len‘ Zusammenarbeit dieser oder jener Partei, son-
dern einer flächendeckenden Kommunikation! Ein

konstruktiver Informationsfluß zwischen den ver-

schiedensten unabhängigen Kameraden/-gruppen

schafft eine echte Vernetzung auf informeller Ebe-

ne. Eine Ebene, auf der alle staatlichen Verbotsin-

strumente wirkungslos sind!“1221

Das BKA ging bereits am 12. Oktober 2000 – also gut
einen Monat nach dem Verbot – davon aus, dass „Blood
& Honour“ versuchen würde, in Deutschland aktiv zu
bleiben:

„Nach dem Verbot der Organisationen dürfte auch
weiterhin versucht werden, Skinhead-Musik zu

vertreiben und propagandistisch insbesondere auch

im Internet in Erscheinung zu treten. Es ist auch

davon auszugehen, dass es weiter Versuche geben

wird, Konzerte konspirativ vorzubereiten und

durchzuführen. Beim polizeilichen Einschreiten

ist, insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol-

konsum, mit situativer Gewalt zu rechnen. Darüber

hinaus könnte das Verbot in der rechten Szene eine

Trotzreaktion unter dem Motto ,Jetzt erst recht!‘
nach sich ziehen.“1222

In der Tat: Auch wenn sich auf Bundesebene laut den

Verfassungsschutzberichten keine organisatorischen

Strukturen mehr feststellen ließen, pflegten ehemalige

„Blood & Honour“-Aktivisten zumindest auf regionaler
Ebene weiter enge Kontakte.

1223
So wurde eine Vielzahl von Aktivitäten festgestellt, die

den Anfangsverdacht der Fortführung der verbotenen

Vereinigung begründeten.
1224

Auf die Frage, ob neben einem Verbot nicht noch weitere

Maßnahmen erforderlich seien, hat der damalige Bundes-

innenminister Otto Schily vor dem Ausschuss ausgesagt:

„Es ist ein Vollzug natürlich erforderlich, und auch
die weitere Beobachtung ist erforderlich von de-

nen, die sich vielleicht in die Illegalität zurückzie-

hen. Aber Sie wissen ja auch, weil Sie das NPD-

Verbotsverfahren hier angesprochen haben, es ist

immer ein Argument: Na ja, was passiert denn

beim Verbot, die Leute sind ja nach wie vor da,

und dann sind sie in der Illegalität, und da kann

man sie nicht mehr so gut beobachten. – Das halte
ich für kein tragendes Argument. Das ist meine

Überzeugung.“1225
1221) Aktuelle Infos vom Aktionsbündnis Norddeutschland, „Blood

& Honour” verboten!,
http://www.widerstand.com/termine/buero.htm, Ausdruck vom

18. September 2000, MAT A SN-1/12 b, Bl. 321, 322.

1222) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 62.

1223) Verfassungsschutzbericht 2005 (BfV), S. 60.

1224) MAT A SN-2/3/44, Bl. 4.

1225) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 65.

Am 25. November 2000 fand in Annaburg/Sachsen-

Anhalt ein Konzert unter dem Motto „Hallo Otto, trotz
Verbot sind wir nicht tot“ statt. Mit „Otto“ war der dama-
lige Bundesinnenminister Schily gemeint. Zu diesem

Konzert waren ca. 1 000 Angehörige der rechten Szene

aus ganz Deutschland und aus der Schweiz angereist. Die

Veranstaltung wurde durch die Polizei aufgelöst. Im Be-

richt des LKA Sachsen-Anhalt hieß es:

„Bei der Tatortaufnahme wurde am Eingang zum
Kino- und Kultursaal eine aufgesprühte

,Lebensrune‘; rechts und links davon die Buchsta-
ben ,B‘ und ,H‘ und darunter ,Hallo Otto, trotz
Verbot sind wir nicht tot‘ festgestellt. Aufgrund
dessen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen

Verdachts der Fortführung einer verbotenen Ver-

einigung eingeleitet. […] Im Rahmen der Tatortar-
beit wurden mehrere vorbereitete Brandflaschen,

eine Reizgasgranate, Abschussbecher für Leucht-

körper, diverse Steinhaufen sowie eine Zufahrts-

sperre aufgefunden. Zudem belegen Reste eines

vermutlichen Banners und die Aussage mehrerer

Teilnehmer, dass im Saal eine ,Hakenkreuzfahne‘
und die ,Blood & Honour‘-Fahne gehangen ha-
ben.“1226

Die Beamten stellten fest, dass sowohl Besucher als auch

Organisationshelfer des Konzerts zum Teil enge Verbin-

dungen zur „Blood & Honour Division Deutschland“
hatten. Auch zeigten sich organisatorische Strukturen, die

darauf gerichtet waren, den Veranstaltungsort geheim zu

halten. So wurde bekannt, dass

„über SMS zu einem ,B&H‘-Konzert eingeladen
wurde; Mitteilungen zum Konzertort über Tele-

fonketten getätigt wurden; Wegbeschreibungen an

Teilnehmer an einem Treffpunkt nahe der Auto-

bahnabfahrt A9/Coswig verteilt wurden.
1227

Neben dem Konzert in Annaburg gab es weitere Veran-

staltungen, bei denen ehemalige „Blood & Honour“-
Mitglieder organisatorisch eingebunden oder verantwort-

lich waren. Im Protokoll der 22. Bund-/Ländertagung der

IGR vom 11./12. September 2002 hieß es zur Organisati-

onsstruktur:

„Nach den bisherigen Ermittlungen lasse sich fest-
stellen, dass es neben einer Führungsebene Ver-

antwortliche für die finanziellen Belange und für

Auslandskonzerte unter Beteiligung des verbote-

nen Vereins gebe. Die Konzerttermingestaltung

obliege lediglich zwei bis drei Personen, die die

Führungsebene einbeziehen, die Konzertaufrufe

erfolgten über SMS und E-Mails im Schneeball-

system. Vier Stunden vor den Konzerten würden

Info-Telefone geschaltet und Großtreffpunkte be-

kanntgegeben. Dort gebe es dann eine Karte mit

Treffort oder die Interessierten würden im Konvoi

von den Veranstaltern zum Zielort gelotst. Am ei-
1226) MAT A SN-2/3-33, Bl. 11 f.

1227) MAT A SN-2/3-33, Bl. 12.
Drucksache 17/14600 – 168 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gentlichen Veranstaltungsort gebe es Einlasskon-

trollen und einen Security-Dienst. Pro Besucher

müssten 10 – 15 € entrichtet werden; das Geld
werde verteilt bzw. fließe in die Reste der früheren

Bundeskasse der verbotenen Organisation.“

So fanden beispielsweise auch Konzerte im niedersächsi-

schen Kaarßen-Laave am 23. September 2000 und im

niedersächsischen Tostedt am 29. September 2001

statt.
1228

Zum Konzert in Tostedt stellte das BfV fest:

„Folgende offene Erkenntnisse deuten darauf hin,
dass das Konzert eine ‚B & H’-Veranstaltung war:
Die Kasse am Eingang war mit in der Szene be-

kannten Personen besetzt, die als ehemalige

Brandenburger ‚B & H’-Mitglieder erkannt wur-
den. In der Anfahrtsskizze, die verteilt wurde, wird

die Veranstaltung als ,Ian Stuart Memorial‘ dekla-
riert.“1229

Zu den genannten Konzerten sowie grundsätzlich zu Er-

kenntnissen über mögliche Nachfolgeaktivitäten von

„Blood & Honour“ erfolgte im August 2002 eine Anfrage
des ZDF-Politmagazins Frontal 21 an das BMI. In einem

Antwortentwurf des BMI hieß es zunächst:

„Ehemalige ‚B & H’-Mitglieder organisierten meh-
rere Konzerte. Diese sind jedoch nicht schon des-

halb als ‚B & H’-Konzerte und damit als Nachfol-
geaktivitäten der verbotenen Organisation zu wer-

ten. Letzteres trifft auf die Konzerte am 23. Sep-

tember 2000 in Kaarßen-Laave (Niedersachsen),

am 25. November 2000 in Annaburg (Sachsen-

Anhalt) und am 29. September 2001 in Tostedt

(Niedersachsen) zu, bei denen frühere ‚B & H’-
Strukturen in der Organisation zum Tragen ka-

men.“1230

Der Verfasser dieses Entwurfs ging davon aus, dass es

sich bei den Konzerten in Kaarßen-Laave, in Annaburg

und in Tostedt um „B & H“-Konzerte und somit um
Nachfolgeaktivitäten der verbotenen Organisation handel-

te. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des BfV, die in

Ausgabe 18/2002 des BfV aktuell zusammengefasst wur-

den:

„Öffentliche, eindeutig als ,Blood & Honour‘-
Nachfolgeaktivitäten zu wertende Aktionen waren

seit dem Verbot nur noch in wenigen Fällen zu be-

obachten. Hierzu zählten vor allem die beiden (of-

fen als ,Blood & Honour‘-Veranstaltungen dekla-
rierten) Skinhead-Konzerte am 21. September

2000 in Kaarßen-Laave (Niedersachsen) und am

25. November 2000 in Annaburg (Sachsen-

Anhalt). […] Die letzte Veranstaltung, die einen
Zusammenhang mit der verbotenen Organisation

erkennen ließ, war ein Skinhead-Konzert am

29. September 2001 in Tostedt (Niedersachen).
1228) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 93.

1229) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 108.

1230) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 259.

Hier hatte das BfV Informationen gewonnen, die

auf ein enges und arbeitsteiliges Zusammenwirken

ehemaliger ,Blood & Honour‘-Mitglieder aus ver-
schiedenen früheren Sektionen hindeuteten.“1231

In der Antwort des BMI an Frontal 21 vom 2. September

2002 wurden die genannten Konzerte ausdrücklich nicht

als „Nachfolgeaktivitäten“ von „Blood & Honour“ be-
zeichnet. In dem Schreiben hieß es stattdessen:

„Ehemalige ‚B & H’-Mitglieder organisierten meh-
rere Konzerte. Diese sind jedoch nicht schon des-

halb als ‚B & H’-Konzerte und damit als Nachfol-
geaktivitäten der verbotenen Organisation zu wer-

ten. Jedoch kamen bei Konzerten am 23. Septem-

ber 2000 in Kaarßen-Laave (Niedersachsen), am

25. November 2000 in Annaburg (Sachsen-Anhalt)

und am 29. September 2001 in Tostedt (Nieder-

sachsen) frühere ‚B & H’-Strukturen in der Organi-
sation zum Tragen. An der Aufklärung der konspi-

rativen Vorbereitungsaktivitäten für diese Konzer-

te war auch das BfV beteiligt. Hierdurch konnten

polizeiliche Maßnahmen ergriffen werden. Auf-

grund der Konzerte in Annaburg und Tostedt hat

die Staatsanwaltschaft Halle gegen früher führende

‚B & H’-Aktivisten ein Ermittlungsverfahren we-
gen des Verdachts des Verstoßes gegen ein Verei-

nigungsverbot (§ 85 StGB) eingeleitet.“1232

In der entsprechenden Pressemeldung zum Frontal 21-

Bericht hieß es dann:

„Das Bundesinnenministerium hingegen wertet die
Auswirkungen des ,Blood and Honour‘-Verbotes
als durchweg positiv. Die bundesweiten Strukturen

von ,Blood and Honour‘ seien entweder zerschla-
gen oder handlungsunfähig.“1233

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwalt-

schaft Halle führte das LKA Sachsen-Anhalt am 25. April

2002 Exekutivmaßnahmen gegen 32 Personen durch.

Bundesweit wurden 43 Objekte durchsucht:
1234

„Bei den Durchsuchungen konnten zahlreiche be-
weiserhebliche Gegenstände, insbesondere mehre-

re dutzend PC-Anlagen und Handys, ‚Blood and
Honour’ Bezugsgegenstände wie Zeitschriften, ca.
1200 CDs, T-Shirts, Cover und zahlreiche Kriegs-

waffen, Waffen (Karabiner, MP-Teile, Revolver,

pp.) sowie diverses Schriftmaterial (Notizbücher,

Kalender, Kontounterlagen) aufgefunden und be-

schlagnahmt werden.“1235

Das LKA Sachsen-Anhalt hatte dem BKA gestattet, BMI

und GBA vorab über diese Durchsuchungen zu informie-

ren. Das LfV Sachsen-Anhalt und das BfV sollten aus

„ermittlungstaktischen Gründen“ nicht über die Maßnah-
1231) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 111 (VS-NfD).

1232) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 231.

1233) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 113.

1234) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 279.

1235) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 100.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 169 – Drucksache 17/14600

men unterrichtet werden. Nach Ansicht des im BfV zu-

ständigen Gruppenleiters Baldus fürchtete das LKA Sach-

sen-Anhalt, dass die Verfassungsschützer ihre Quellen

über die bevorstehenden Exekutivmaßnahmen informie-

ren könnten
1236

Das LKA Sachsen-Anhalt kam im Zuge der Ermittlungen

zu dem Ergebnis, dass es noch immer ein Zusammenge-

hörigkeitsgefühl ehemaliger „Blood & Honour“-
Aktivisten gebe – diese würden gemeinsam wirken und
arbeitsteilig handeln:

„Das Eintreten für die Ziele von ‚B & H’ wird auch
dadurch sichtbar, dass insbesondere der Kontakt zu

europäischen ‚B & H’-Divisionen bzw. deren
mutmaßlichen Führungspersonen aufrechterhalten

wird sowie für deren Konzerte geworben und teil-

genommen wird.“1237

Die Ermittlungen führten am 12. März 2008 unter ande-

rem zur Verurteilung von fünf Personen durch das Land-

gericht Halle wegen der Unterstützung des organisatori-

schen Zusammenhalts einer unanfechtbar verbotenen

Vereinigung. Im Urteil hieß es unter anderem:

„Nachdem das Verbot der Organisation aufgrund
der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

vom 13. Juni 2001 unanfechtbar war, unterstützten

die Angeklagten durch die nachstehend festgestell-

ten, tateinheitlich begangenen Einzelhandlungen

den trotz des Verbots noch vorhandenen bzw. fort-

bestehenden organisatorischen Zusammenhalt der

,Blood & Honour Division Deutschland‘, indem
sie die bis zum Verbot u. a. verfolgten Ziele der

,B & H‘, die die Angeklagten kannten und für sich
billigten, nämlich die Weiterverbreitung des NS-

Gedankenguts unter jungen Leuten vor allem

durch Skinheadkonzerte mitorganisierten.“1238

Das Gericht sah es unter anderem als erwiesen an, dass

sich die Angeklagten arbeitsteilig an der Organisation des

Konzertes im niedersächsischen Tostedt beteiligt hat-

ten.
1239

Bis zum 1. November 2011 wurden dem BKA insgesamt

113 Sachverhalte bekannt, die einen Bezug zu „Blood &
Honour“ aufwiesen. Dabei handelte es sich überwiegend
um Verstöße gegen das StGB und das VereinsG, die im

Zusammenhang mit dem Verbot der Organisation stan-

den, sowie um Mitteilungen zum Konzertgeschehen.
1240

Das BKA kam zu folgendem Ergebnis:

„Nach bisherigen Feststellungen liegt eher der
Verdacht nahe, dass es noch einen Fortbestand von
1236) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 80.

1237) MAT A SN-2/3-33, PDF-Bl. 51.

1238) LG Halle, 8. Große Strafkammer, 28a KLs 1/2006.

1239) MAT B TH-3\TLKA_B&H_006-6012-10-2012-

17867_2012\B&H_
sonst._Unterlagen_93_EG_5_0313_09834_B&H_Urteil, PDF-

Bl. 23 ff.

1240) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 97.

Teilorganisationen oder den Zusammenschluss

von mehreren Sektionen zu einem funktionieren-

den Ganzen gibt, die die Ziele der ‚Blood & Ho-
nour’-Bewegung weiterverfolgen. Die Auswertung
ergab, dass eine Vielzahl der Sektionsleiter und

deren Stellvertreter weiterhin in dem für die ‚Blood
& Honour’ typischen Betätigungsfeld, dem Kon-
zertgeschehen, involviert sind.“1241

Auch die Bundesregierung erkannte die Kontakte zwi-

schen ehemaligen „Blood & Honour“-Funktionären – sah
darin jedoch keine Fortführung der verbotenen Organisa-

tion auf Bundesebene. In der Antwort auf eine Kleine

Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der PDS-

Fraktion hieß es am 30. Mai 2002, Organisationsstruktu-

ren gebe es lediglich regional:

„Seit dem Verbot der Gruppierung im September
2000 sind keine konkreten Erkenntnisse bekannt

geworden, die auf bundesweit angelegte Fortfüh-

rungsbestrebungen der Skinhead-Organisation

,Blood & Honour‘ (B & H) bzw. ihrer Jugendor-
ganisation ‚White Youth’ hinweisen. Eine Füh-
rungsstruktur, die mit der früheren Divisionsfüh-

rung vergleichbar wäre, existiert nach hiesigen Er-

kenntnissen auf Bundesebene weiterhin ebenso

wenig wie eine auf der Ebene der früheren so ge-

nannten Bezirksdirektionen. Allerdings wurden

Erkenntnisse über ein Zusammenwirken von Akti-

visten verschiedener früherer ‚B & H’-Sektionen
bekannt. Auf dieser Ebene liegen einzelne Hinwei-

se auf Aktivitäten ehemaliger ‚B & H’-Mitglieder
bzw. auf Organisationstrukturen vor, die auf Be-

mühungen um die Aufrechterhaltung oder Wieder-

herstellung der früheren Handlungsfähigkeit und

die öffentliche Präsenz von ‚B & H’ hindeuten.
Zudem bestehen frühere persönliche Verbindun-

gen ehemaliger ‚B & H’-Mitglieder zum Teil
fort.“1242

Und weiter:

„Der Großteil der früheren Mitglieder und Funkti-
onäre hat sich mit dem ‚B & H’-Verbot abgefun-
den. Die zunächst bekundete Absicht, ‚B & H’ als
Organisation bundesweit weiter zu führen, ist nicht

umgesetzt worden. Insofern sind durch ehemalige

‚B & H’-Mitglieder keine bundesweiten Alternativ-
strukturen aufgebaut worden. Sofern regionale

Strukturen bestehen, gründen sich diese auf per-

sönliche Beziehungen, die bereits vor dem Verbot

bestanden.“1243

Auch dem BfV lagen 2003 Hinweise vor, nach denen

einige Personen auf regionaler Ebene versuchten, „Blood
& Honour“-Strukturen neu zu errichten. Im Ergebnispro-
tokoll der 23. IGR-Bund-/Ländertagung am 15./16. Okto-

ber 2003 hieß es dazu:
1241) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 113.

1242) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 103.

1243) MAT A BMI-3/0023, PDF-Bl. 104.

Drucksache 17/14600 – 170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Um sich zur ,Blood & Honour‘-Bewegung zu be-
kennen und dies durch das Tragen von Kleidungs-

stücken mit ,Blood & Honour‘-Aufdruck zu mani-
festieren, wirken Personen aus Hessen und Thü-

ringen bei der Produktion von T-Shirts und Sweat-

Shirts mit dem Aufdruck des Logos von ,Blood &

Honour‘ und dem Zusatz ,Deutschland‘ bzw. den
alten Sektionsbezeichnungen ,Süd-Hessen‘,
,Thüringen‘ und ,Franken‘ zusammen.“1244

2003 konnten bei 41 ehemaligen „Blood & Honour“-
Funktionären Aktivitäten festgestellt werden.

1245
In Süd-

westdeutschland organisierten ehemalige „Blood & Ho-
nour“-Mitglieder neonazistische Skinhead-Konzerte und
Veranstaltungen. 2003 stellten die Behörden Tonträger

mit dem Titel „Blood & Honour Deutschland – Trotz
Verbot nicht tot“ sicher.1246

Der Zeuge Egerton hat ausgeführt, dass das BfV ab

2003/2004 wieder die Neugründung von Strukturen in

Süd- und Westdeutschland gesehen habe. Allerdings seien

Personen in Erscheinung getreten, die der verbotenen

Division vorher nicht angehört hätten.
1247

Im Juni 2003 gab es im Zusammenhang mit den Ermitt-

lungen wegen des Verdachts der Fortführung von „Blood
& Honour“ eine Dienstbesprechung zwischen dem Staats-
anwalt beim BGH Ritscher und KHK N. vom BKA.

Thema war insbesondere die Frage einer Übernahme der

Ermittlungen durch den GBA. Staatsanwalt Ritscher lehn-

te dies ab:

„Eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts zur
Verfolgung dieser Tat ist, wie ich KHK N. erläu-

tert habe, derzeit jedoch nicht gegeben, da die ge-

mäß § 74a Abs. 2 GVG erforderliche besondere

Bedeutung, die eine Übernahme des Verfahrens in

die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundes-

anwalts ermöglichte, vor allem aufgrund der nur

regionalen Ausdehnung der möglicherweise fort-

geführten Vereinigung nicht besteht.“1248

Vom 29. bis zum 31. Oktober 2004 fand unter dem Motto

„10 Jahre Division Deutschland“ eine Jubiläumsfeier für
die deutsche „Blood & Honour“-Vereinigung statt.1249

Am 23. Dezember 2004 wandte sich das BfV an den

GBA – und regte eine erneute Prüfung an:

„Aus Sicht des BfV haben sich die Anhaltspunkte
für einen Verstoß gegen das Vereinigungsverbot

jedoch verdichtet. Darüber hinaus besteht die Ge-

fahr, dass aufgrund der Vielzahl der Verfahren

wertvolle Erkenntnisse über personelle und organi-

satorische Verbindungen und damit über eine

überregionale Struktur von ehemaligen Aktivisten
1244) MAT A BMI-3/14, PDF-Bl. 19.

1245) B&H_01-04-00196; F._Jens_08041978_Band2, Bl. 23.

1246) Verfassungsschutzbericht 2003 (BfV), S. 43.

1247) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 40.

1248) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 154.

1249) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 222.

der verbotenen Vereinigung nicht entsprechend

gewichtet werden können. Nach Auffassung des

BfV ist die Federführung einer Strafverfolgungs-

behörde wünschenswert.“1250

Allerdings war auch das BfV der Ansicht, dass es Struktu-

ren lediglich im Bereich der früheren „Blood & Honour“-
Sektionen gebe, also auf regionaler Ebene. Auf Bundes-

ebene sei dies auszuschließen:

„Auch mehr als vier Jahre nach dem Verbot der
neonazistischen Skinhead-Organisation ‚Blood &
Honour’ in Deutschland gehen von einer Reihe
früherer ‚B & H’-Aktivisten sowie von neu zur
Szene hinzugekommenen Rechtsextremisten Akti-

vitäten aus, die in ihrer Gesamtheit als Bestrebun-

gen gewertet werden müssen, die alten Organisati-

onsstrukturen und Handlungsformen der verbote-

nen Vereinigung aufrechtzuerhalten oder wieder-

zubeleben. […] Aktuell liegen den Verfas-
sungsschutzbehörden Hinweise darauf vor, dass

sich im regionalen Bereich auf der Ebene der frü-

heren Sektionen Strukturen verfestigt oder neu ge-

bildet haben. […] Demgegenüber kann eine bun-
desweite Steuerung analog zur früheren Divisions-

leitung allem Anschein nach ausgeschlossen wer-

den.“1251

„Auch wenn allem Anschein nach keine Hierar-
chie- und Weisungsstrukturen auf einer höheren

Ebene als derjenigen der Sektionen existieren, geht

das BfV mittlerweile von überregionalen Nachfol-

gebestrebungen aus.“1252

Neben dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft

Halle liefen inzwischen weitere Verfahren gegen ehema-

lige „Blood & Honour“-Funktionäre und neue Aktivisten
wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen

Vereinigung gemäß § 85 StGB.
1253

Am 24. Februar 2005 fand beim BKA ein Informations-

austausch zu „Blood & Honour“ statt – dabei wurde er-
neut eine Übernahme der Ermittlungen durch den GBA

angeregt. Der Staatsanwalt beim BGH Ritscher schrieb in

einem Vermerk:

„Die Vertreter der drei beteiligten Staatsanwalt-
schaften, Oberstaatsanwalt Schmengler, Staatsan-

walt Bogs und Staatsanwältin Niesen, äußerten

übereinstimmend ihre Auffassung, dass allein eine

Übernahme sämtlicher Verfahren durch den Gene-

ralbundesanwalt eine sachgerechte Strafverfolgung

gewährleisten könne. Zur Begründung wurde im

wesentlichen auf das überregionale Tätigwerden

der Vereinigung, insbesondere von Hartwin K.

hingewiesen. Entgegenstehenden rechtlichen Ge-

sichtspunkten insbesondere aus § 74a Abs. 2 GVG,
1250) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 209.

1251) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 243 f.

1252) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 255 f.

1253) Vgl. Übersicht: MAT A GBA-53a, PDF-Bl. 216 ff. und PDF-

Bl. 253 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171 – Drucksache 17/14600

zeigten sich die beteiligten Ermittlungsbeamten

wenig aufgeschlossen. […] Ich habe den beteilig-
ten Vertretern der Staatsanwaltschaften mitgeteilt,

dass nach der gegenwärtigen Sachlage eine Über-

nahme der Verfahren durch den Generalbundes-

anwalt nicht möglich sei, da es bei vorläufiger

Bewertung der Umstände an einer besonderen Be-

deutung des Falles gemäß § 74a Abs. 2 GVG feh-

le.“ 1254

Am 16. Juni 2005 stellte das LKA Thüringen bei einer

Fahrzeugkontrolle einen Karton mit zahlreichen T-Shirts

sicher. Die meisten dieser T-Shirts waren auf der Vorder-

seite mit dem Schriftzug „Blood & Honour/C18 – Sup-
port your local section“ bedruckt, auf der Rückseite mit
dem Schriftzug „Blood & Honour“ is our voice, Combat
18 is our choice“. Zwei weitere T-Shirts hatten den Auf-
druck „Wer A sagt“ (Vorderseite), „muss auch dolf sa-
gen“ (Rückseite). Ein weiteres T-Shirt war auf der Rück-
seite mit dem Schriftzug „Buchenwald statt Disneyland“
bedruckt.

1255
Am 30. August 2005 regte erstmals auch das BMI gegen-

über dem BMJ eine Übernahme der Ermittlungen durch

den GBA an. Die Zeugin Christine Hammann, damals

Referatsleiterin P II 5 im BMI (Nationale Angelegenhei-

ten der Bekämpfung von Terrorismus und politisch moti-

vierter Kriminalität), hat dazu am 15. März 2013 vor dem

Untersuchungsausschuss ausgesagt:

„Es trifft zu, dass wir in den Jahren nach dem Ver-
bot aus verschiedenen Ländern Meldungen, Ver-

dachtsmeldungen, bekommen haben, die auf eine

Fortführung der Tätigkeit von ‚Blood & Honour’
hindeuteten. […] Die Ermittlungsverfahren taten
sich im Grunde schwer, jedes für sich darzulegen,

dass es Teil eines strukturierten Wiederaufbaus der

Organisation war. Vor dem Hintergrund hatten wir

im BMI 2005 uns an den BMJ gewandt mit der

Bitte, zu prüfen, ob der GBA im Auftrag BMJ die

Übernahme solcher Verfahren erwägen könn-

te.“1256

In dem entsprechenden von der Zeugin Hammann ver-

fassten Schreiben hieß es damals:

„Aufgrund der bundesweiten zu verzeichnenden
Aktivitäten möglicher ‚Blood & Honour’ Struktu-
ren wird vor dem Hintergrund der Verbotsverfü-

gung des BMI die Prüfung der Übernahme geeig-

neter ‚Blood & Honour’ Verfahren durch den GBA
angeregt.“1257

Der GBA lehnte eine Übernahme der Ermittlungen am

20. September 2005 ab. Zur Begründung hieß es, es spre-

che nichts dafür,
1254) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 232 f.

1255) MAT A GBA-3/53a, PDF-Bl. 307.

1256) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 7.

1257) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 390.

„dass der verbotenen Vereinigung ,Blood & Ho-
nour Division Deutschland‘ vergleichbare Organi-
sationsstrukturen wieder aufgebaut wurden oder

auch nur angestrebt werden. Sofern überhaupt von

Personenzusammenschlüssen gesprochen werden

kann, bleiben diese gegenwärtig auf persönliche

Kontakte innerhalb einzelner Regionen im süd-

deutschen Raum beschränkt.“

Insbesondere aufgrund dieser Tatsache sei keine „beson-
dere Bedeutung“ des Falles gegeben. Die Verfolgung von
Straftaten nach § 85 StGB unterfalle gemäß § 74a Abs. 1

Nr. 2, Abs. 2 GVG jedoch nur dann der Zuständigkeit des

GBA, wenn eine solche „besondere Bedeutung“ vorlie-
ge.

1258
Das BMJ teilte diese Auffassung.

1259
Ende 2005 liefen bei den Staatsanwaltschaften Karlsruhe,

Frankfurt am Main, Koblenz, München I, Gera und Dres-

den Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das

Vereinigungsverbot. Am 14. Dezember 2005 wandte sich

die Staatsanwaltschaft Karlsruhe an den GBA – und regte
eine Übernahme der Ermittlungen durch den GBA an:

„Gerade die Erkenntnisse der beteiligten Staatsan-
waltschaften in der Gesamtschau belegen, dass die

verbotene Organisation weitergeführt wird. Die

Führung von zahlreichen Einzelverfahren, mit dem

jeweiligen Ziel des Tatnachweises der Fortführung

einer ,Blood & Honour‘-Nachfolgeorganisation,
birgt gerade unter diesen Umständen die Gefahr,

dass nicht jeder Staatsanwaltschaft sämtliche Er-

kenntnisquellen und Erkenntnisse zur Verfügung

stehen, um diese in die jeweiligen Ermittlungen

einzubeziehen. Die Darstellung und der Nachweis

der Fortführung einer Folgeorganisation mit bun-

desweiten Strukturen erscheint unter diesen Um-

ständen als nahezu ausgeschlossen.“1260

Der GBA lehnte eine Übernahme der Ermittlungen am

10. Januar 2006 ab. Auch von anderen beteiligten Staats-

anwaltschaften liegen dem Untersuchungsausschuss An-

fragen an den GBA vor, in denen eine Übernahme der

Ermittlungen durch den GBA angeregt wurde:

– Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft München vom
21. Dezember 2005

1261
– Ablehnung des GBA vom

20. Januar 2006;
1262

– Anfrage der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main
vom 12. Januar 2006;

1263
– Anfrage der Staatsanwaltschaft Koblenz vom
23. Januar 2006

1264
– Ablehnung des GBA vom

13. Februar 2006;
1265
1258) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl 406 ff.

1259) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl 405.

1260) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 21.

1261) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 81 ff.

1262) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 191 ff.

1263) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 198 ff.

1264) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 288 ff.

Drucksache 17/14600 – 172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera vom
25. Januar 2006

1266
– Ablehnung des GBA vom

28. Februar 2006.
1267

Der GBA begründete seine ablehnende Haltung in allen

Fällen damit, dass dem Fall die für eine Übernahme er-

forderliche „besondere Bedeutung“ fehle.1268 In dem
Schreiben an die Staatsanwaltschaft Gera definierte der

GBA die „besondere Bedeutung“ folgendermaßen:

„Besondere Bedeutung meint deshalb nicht nur,
dass dem Fall eine höhere Bedeutung als einer an-

deren Strafsache zukommt. Vielmehr ist dieser

Begriff im Kontext der §§ 74a, 120 GVG (Zustän-

digkeitsverteilung für ,kleine‘ und ,große‘ Staats-
schutzsachen) zu sehen. Hieraus folgt, dass der

Fall gerade als Staatsschutzangelegenheit von be-

sonderer Bedeutung sein muss. Es muss sich um

staatsschutzgefährdende Delikte von erheblichem

Gewicht handeln, wobei zur Beurteilung eine Ge-

samtwürdigung der Umstände und Auswirkungen

der Tat unter besonderer Berücksichtigung ihres

Angriffs auf das jeweils betroffene Rechtsgut des

Gesamtstaats angezeigt ist.“1269

Am 7. März 2006 wurden in mehreren Bundesländern

zeitgleich Exekutivmaßnahmen gegen ehemalige Funkti-

onäre und gegen neue Aktivisten der „Blood & Honour
Division Deutschland“ durchgeführt. Die Koordination
lag beim BKA. Insgesamt wurden mehr als 120 Objekte

durchsucht – dabei wurden zahlreiche Beweismittel si-
chergestellt, insbesondere Computer, Handys, Fanzines,

T-Shirts mit „Blood & Honour“-Aufdruck, Plakate, diver-
se Abzeichen sowie eine Vielzahl von Tonträgern – aber
auch Waffen: so wurden in Bayern eine funktionsfähige

Handgranate und zwei ebenfalls funktionsfähige Faust-

feuerwaffen gefunden.
1270

In einer Mitteilung des BMI an

das BKA hieß es am 9. März 2006:

„Aus dem Abschlussbericht vom 8. März 2006
geht hervor, dass aufgrund der Vielzahl der erho-

benen Beweismittel im Rahmen der bundesweit

durchgeführten Exekutivmaßnahmen am 7. März

2006 die Verdachtslage der Fortführung der im

Jahr 2000 durch den BMI verbotenen Vereinigung

,Blood & Honour‘ weiter verdichtet werden konn-
te. Nach Grobsichtung der Asservate haben sich

ferner weitere Hinweise auf überregionale Verbin-

dung sowie internationale Kontakte ergeben.“1271

Die Durchsuchungsaktion war die umfangreichste Exeku-

tivmaßnahme seit dem Verbot von „Blood & Honour“.1272
1265) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 294 ff.

1266) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 302 ff.

1267) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 347 ff.

1268) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 74 ff.

1269) MAT A GBA-3/53b, PDF-Bl. 349.

1270) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 187.

1271) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 16.

1272) MAT A GBA-3/57, (Tgb.-Nr. 85/13 VS-VERTRAULICH),

Bl. 4 (offen verwertbar).

Das BfV ging inzwischen davon aus, dass auf regionaler

Ebene nicht nur „Blood & Honour“-Strukturen existier-
ten, sondern dass sich sogar wieder Sektionen gebildet

hatten:

„Derzeit geht das BfV davon aus, dass ‚B & H’-
Sektionen in Baden-Württemberg, Franken, Bay-

ern, Hessen, der Pfalz und in Thüringen existieren.

Der aktuelle Mitgliederbestand dürfte sich auf ins-

gesamt rund 50 Personen belaufen. Der von den

jetzigen Durchsuchungsmaßnahmen betroffene

Personenkreis setzt sich zum Teil aus diesem Mit-

gliederbestand, aber auch aus anderen Szeneakti-

visten zusammen, bei denen das BfV einen Bezug

zu ‚B & H’ verneint.“1273

Das BKA ging im wöchentlichen Lagebericht vom

10. März 2006 sogar noch weiter – und sprach von
„bundesweiten Strukturen“:

„Die in den derzeitigen Ermittlungsverfahren
erkennbaren überregionalen Bezüge und verfah-

rensübergreifenden Kontakte der Tatverdächti-

gen konkretisieren den Verdacht, dass weiterhin

bundesweite Strukturen der verbotenen Vereini-

gung existieren.“1274

Vor diesem Hintergrund wandte sich das BMI am 15. Juni

2006 erneut an das BMJ:

„Nach alledem scheint es angezeigt, die Möglich-
keit einer Übernahme durch den GBA auf der

Grundlage dieser neuen Erkenntnisse erneut zu

prüfen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie gegen-

über dem GBA auf eine dahingehende Prüfung

hinwirken und mir deren Ergebnis mitteilen könn-

ten.“1275

Der GBA prüfte erneut – und lehnte am 31. Juli 2006 ein
zweites Mal ab. Mit der Begründung, dass dem Fall nach

wie vor die für eine Übernahme durch den GBA erforder-

liche „besondere Bedeutung“ fehle:

„Ob die Kontakte, die die Beschuldigten nach den
bisherigen Ermittlungen möglicherweise auch über

Ländergrenzen hinweg pflegten, eine überregiona-

le Organisationsstruktur belegen, oder ob diese

Kontakte nicht vielmehr dem bloßen Austausch

von Informationen […] dienen, ist nicht abschlie-
ßend geklärt, kann hier aber dahinstehen. Selbst

wenn einzelne Beschuldigte gegen ein bundesweit

ausgesprochenes Vereinigungsverbot nunmehr

überregional verstießen, führt dies nicht zwangs-

läufig dazu, dass dem Fall eine solche Bedeutung

zukäme, dass das Verfahren nunmehr abweichend

von der gesetzlichen Regel des § 74a Abs. 1 GVG

nun in Bundeszuständigkeit geführt und letztlich
1273) MAT A GBA-3/57, (Tgb.-Nr. 85/13, Bl. 3 VS-

VERTRAULICH).

1274) MAT A BMI-4/3007, PDF-Bl. 10.

1275) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 38.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 173 – Drucksache 17/14600

durch ein Oberlandesgericht abgeurteilt werden

müsste.

Neben dem Organisationsgrad einer verbotenen,

aber weitergeführten Vereinigung ist für die Be-

deutung des Falles maßgebend, ob und gegebenen-

falls in welchem Umfang diese Vereinigungen Tä-

tigkeiten ausübt, die sie aus der Masse vergleich-

barer Vereinigungen heraushebt. Zu dieser Frage

konnten weiterführende Erkenntnisse aber auch

durch die Exekutivmaßnahmen vom 7. März 2006

(noch) nicht gewonnen werden.

[…]

Es wurden […] im Wesentlichen nur Computer,
Tonträger, T-Shirts, Transparente sowie Fotoalben

beschlagnahmt. Hinweise darauf, dass die Be-

schuldigten über die bereits seit längerem bekann-

ten – für sich genommen überwiegend legalen –
Aktivitäten (Organisation von Konzerten, Vertrieb

von Bild- und Tonaufnahmen dieser Konzerte so-

wie von T-Shirts und sonstigen Gegenständen mit

,Blood & Honour‘-Bezug) andere, bedeutsame,
gegebenenfalls auch strafbare, Tätigkeiten entfaltet

hätten, haben sich nicht ergeben. Bei den federfüh-

rend von der Staatsanwaltschaft München I betrie-

benen Exekutivmaßnahmen in Bayern wurden

zwar unter anderem eine funktionsfähige Hand-

granate, eine Pistole und eine durchbohrte

Schreckschusswaffe aufgefunden und beschlag-

nahmt; dass diese Gegenstände zu einer möglichen

Fortführung von ,Blood & Honour‘ in Bezug ste-
hen, ist indes nicht erkennbar.“1276

Das BMJ teilte diese Auffassung.
1277

Nach den Durchsuchungen im Jahr 2006 gingen die Ver-

suche ehemaliger „Blood & Honour“-Aktivisten, die
früheren Strukturen aufrecht zu erhalten und auf dem Feld

der neonazistischen Skinhead-Musikszene aktiv zu blei-

ben, nach Einschätzung der Behörden deutlich zurück.
1278

Im Oktober 2007 fand im BKA in Meckenheim eine Ar-

beitstagung zum Thema „Fortführung der verbotenen
B&H-Division Deutschland“ statt:

„Im Rahmen der Tagung wurden die Auswerteer-
gebnisse zu den anlässlich der bundesweiten

Durchsuchungsmaßnahmen im März 2006 sicher-

gestellten Asservate sowie die aktuellen Sachstän-

de in den jeweiligen Ermittlungsverfahren disku-

tiert. Es wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der

Durchsuchungsmaßnahmen in Baden-

Württemberg, Bayern und Hessen regionale

‚B & H’-Strukturen zu verzeichnen waren. In na-
hezu allen Bundesländern hatten bekannte Funkti-

onäre der Vereinigung ‚B & H’-typische Aktivitä-
ten (z. B. Organisation und Durchführung von Mu-
1276) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 40 ff.

1277) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 39.

1278) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 174.

sikveranstaltungen, Produktion und Vertrieb von

Tonträgern, Textilien, Merchandisingartikeln

usw.) entfaltet.“1279

Insgesamt liefen zu diesem Zeitpunkt Ermittlungsverfah-

ren gegen mehr als hundert Beschuldigte. Das BKA sah

die Erfolgsaussichten skeptisch:

„Fraglich ist, ob es angesichts der Beweislage in
den Strafverfahren zu Anklageerhebungen kom-

men wird. Die Länge und die unterschiedliche

Verfahrens- und Ermittlungsdauer sowie der Ver-

zicht auf eine zentrale staatsanwaltschaftliche Er-

mittlungsführung könnten sich als nicht vorteilhaft

erweisen.“1280

Im August 2008 gelang es einer „Daten-Antifa“, die Zu-
gangs-Codes zum „Blood & Honour“-Netzwerk in den
USA zu knacken.

1281
Mehr als 30 000 Datensätze wurden

kopiert und im Internet zum Download bereitgestellt.
1282

Darunter waren auch ca. 800 Datensätze mit Deutschland-

Bezug.
1283

Das BKA sicherte diese Daten und wertete sie

aus:

„Das gehackte Forum dient deutschsprachigen
Nutzern zum persönlichen Austausch mit Gleich-

gesinnten. Sie bilden dabei keine erkennbaren fes-

ten und dauerhaften Strukturen. Hinweise auf

Strukturen, die auf einen Fortbestand der in

Deutschland verbotenen rechtsextremistischen

Bewegung ‚B&H-Division Deutschland‘ und ihrer
Jugendorganisation ‚White Youth‘ hindeuten,
wurden nicht festgestellt.“1284

Im Jahr 2008 erschien der Sampler „Blood & Honour –
Voices of Solidarity 2“, der volksverhetzende Liedtexte
von deutschen rechtsextremistischen Musikgruppen ent-

hält, die den Holocaust leugnen und den Nationalsozia-

lismus verherrlichen – unter anderem war darauf das Lied
„Führer Adolf“ der Gruppe „Sonderkommando
Dirlewanger“ veröffentlicht, in dem es unter anderem
hieß:

„Die guten Nürnberger Gesetze, ach wie brauchen
wir sie jetzt, wo man Millionen Parasiten über un-

sere Grenzen lässt. Die Antifa will uns aufhalten,

auch unser Club hat schon gebrannt, Roland Frei-

sler spricht das Urteil: Wir stellen Euch Pack an

die Wand.“1285

In den Verfassungsschutzberichten des BfV wurde ab

2007 über keine größeren Aktivitäten aus den Reihen von

„Blood & Honour“ mehr berichtet.
1279) MAT A BMI-4/0037, PDF-Bl. 188.

1280) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 201 f.

1281) MAT A GBA-3/54, PDF-Bl. 188.

1282) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 24.

1283) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 82 f.

1284) MAT A GBA-3/55, PDF-Bl. 116.

1285) Verfassungsschutzbericht 2008 (BfV), S. 111.

Drucksache 17/14600 – 174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dennoch wird bis heute auf der Internationalen Home-

page der Gruppierung unter der Rubrik „Kontakte“ auch
„Blood & Honour Deutschland“ aufgeführt – mit dem
Hinweis, dass der Name in Deutschland verboten sei, und

dass die deutsche Abteilung deshalb über „B & H Great
Britain“ kontaktiert werden müsse.1286

Auf der Seite wird auch ein Forum betrieben, in dem

offenbar vor allem deutsche User aktiv sind. Eine Repor-

terin des Magazins Stern schrieb dazu im Januar 2012 in

einem Artikel mit dem Titel „Von Wölfen und Men-
schen“:

„Die englischsprachige ‚Blood & Honour‘-
Website bietet 14 450 Mitgliedern ein umfassen-

des Forum mit 75 Unterforen, 13 davon in deut-

scher Sprache. Mindestens 1 373 User stammen

aus Deutschland, sie tragen krude Namen wie

‚88DeutschesReich88‘, ‚Waffen SS‘, ‚Dr. Goeb-
bels‘, ‚türkenjäger‘, ‚auschwitzforniggers‘ oder
‚WeiSSe Wut‘. Die Profilbilder zeigen Hitler oder
Rudolf Heß, Hakenkreuze oder SS-Runen. Typi-

sche Szenecodes, wie ‚88‘ für ‚Heil Hitler‘ oder
‚14‘ für die ‚14 Words‘ fehlen in kaum einem Fo-
rumsbeitrag, genauso wenig wie der obligatorische

‚deutsche GruSS‘ als Standardfloskel. Die Anzahl
der deutschen User könnte sogar noch höher lie-

gen, die Angabe einer Nationalität ist freiwillig. Im

Jahr 2008 machten Hacker über 30 000 Datensätze

aus dem ‚Blood & Honour‘ Forum öffentlich und
stellten fest, dass deutsche Nutzer mit Abstand am

aktivsten waren.“1287

2. „Hammerskins“

a) Zur Struktur und den Leitgedanken der
„Hammerskins“ allgemein

Die „Hammerskins“ sind eine neonazistische Vereini-
gung, die das Ziel hat, eine „Hammerskin-Nation“ zu
gründen, welche aus allen weißen Skinheads bestehen

soll.
1288

1986 wurden die „Hammerskins“ in den USA (Texas)1289
gegründet, wobei es mittlerweile viele Ableger in ver-

schiedenen Ländern der Welt gibt.
1290

Das Motto der

„Hammerskins“ lautet:

„Hammerskins forever, forever Hammerskins“1291
1286) Vgl.:

http://www.bloodandhonourworldwide.co.uk/home1.html.

1287) Scharfenberg, „Von Wölfen und Menschen“, veröffentlicht auf
der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“ am 5. Januar
2012.

1288) Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, Bl. 123.

1289) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

1290) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.

1291) http://www.antifa-bremen.org/enemy/hammerskins-und-das-

chapter-bremen.html.

Ihre Ideologie ist ausgerichtet auf Vorstellungen über

Rassismus und Antisemitismus.
1292

Auch ist teilweise eine

neonationalsozialistische Prägung zu erkennen.
1293

Ihr

Leitmotto sind die sogenannten „14 words“ des US-
Terroristen David Lane:

1294
„Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die
Zukunft für die weißen Kinder sichern.“

Zu betonen sei, so die Sachverständige Röpke, außerdem

die starke Gewaltbereitschaft der „Hammerskins“ vor
allem gegen politische Gegner und Migranten, wobei sich

die „Hammerskins“ hauptsächlich durch ihre Erfahrungen
aus dem Gefängnis hervortun und sich damit Respekt

verschaffen.
1295

Teilweise werden sie als

„eine der gefährlichsten Neonazi-Organisationen
überhaupt“1296

beschrieben. Waffen, Sprengstoff und Sprengsätze besor-

gen sich die „Hammerskins“ ohne Probleme.

Seit dem Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000
breiten sich die „Hammerskins“ vor allem im Musik- und
Konzertbereich der rechtsextremen Rockszene aus.

1297
Die ursprüngliche Konkurrenz um die Vorherrschaft in

der Nazi-Skinszene der beiden Gruppierungen wurde

offiziell für beendet erklärt.
1298

Im August 1999 fand

sogar ein „United“-Treffen statt, welches die Gemein-
samkeiten der Gruppierungen unterstreichen und eine

Zusammenarbeit fördern sollte.
1299

Insofern bilden die

„Hammerskins“ eine Art Nachfolgeorganisation der
„Blood & Honour“.1300

Grundsätzlich verfügen die „Hammerskins“ jedoch nicht
über so starke Strukturen wie beispielsweise „Blood &
Honour“.1301 Um eine gesteigerte Gefahr der
Angreifbarkeit zu vermindern, sind sie nach dem Prinzip

der „Leaderless Resistance“ strukturiert, was bedeutet,
dass eine übergeordnete Führung entfällt

1302
und sich

stattdessen einzelne Gruppierungen gründen, die autonom

planen und handeln.
1303

Charakteristisch für die „Ham-
merskins“ ist, dass sie sich als Elite der Nazi-Skinszene
mit politisch-weltanschaulichem Anspruch verstehen.

1304

1292) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.

1293) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 84.

1294) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

1295) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 13.

1296) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.

1297) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 24, 33

1298) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 33.

1299) http://www.blog.schattenbericht.de/2011/12/nur-eine-gang-

von-vielen

1300) Dossier Thomas „Ace” G.: führender Neonazi und „NSU“-
Helfer, MAT A SN-7/2a, Bl. 4.

1301) Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, Bl. 123.

1302) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 13.

1303) www.antifa-bremen.org, „Hammerskins und das Chapter
Bremen“.

1304) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 175 – Drucksache 17/14600

„Sie streben die Umwandlung der eher unverbind-
lich-subkulturellen Nazi-Skin-Szene in eine diszi-

plinierte politische Kaderorganisation an.“1305

Jeder, der sich ihnen anschließen möchte, muss einen

besonderen Auswahlprozess durchlaufen. So ist erforder-

lich, dass eine Probezeit durchlaufen wird sowie eine

Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene seit mehreren

Jahren besteht.
1306

Dies hat zur Folge, dass die Mitglieder

der „Hammerskins“ oft ältere Personen sind, die nicht
selten bereits als Führungspersonen anerkannt sind.

1307
Neben körperlicher und psychischer Belastbarkeit sind

auch der Verzicht auf Drogen und die volle Kontrolle

über Alkoholgenuss Voraussetzungen für eine Aufnah-

me.
1308

Ausschlaggebend ist auch „Reinrassigkeit“ sowie
Kameradschaftlichkeit.

1309
Eine Aufnahme erfolgt nur auf

Empfehlung.
1310

„Aber nicht jeder kann Hammerskin werden. Hier-
für bedarf es einer Reihe an Proben und Bedin-

gungen. Aber wer einmal zu dieser verschworenen

Bruderschaft dazugehört, der kann verdammt stolz

auf sich sein. Es ist wirklich nicht einfach Ham-

merskin zu werden. […] Die Hammerskins sind
eine Gemeinschaft der Elite.“1311

Die Anerkennung als Anwärter („Prospector of the Nati-
on“) sowie die einstimmige Ernennung als Mitglied er-
folgt auf europäischer Ebene auf dem sogenannten

„EOM“, dem „European Officers Meeting“.1312

Ein einflussreiches Mitglied der „Hammerskins“ aus dem
Bereich Sachsen äußerte sich in einer Veröffentlichung

zur Bedeutung in den Kreis der „Hammerskins“ aufge-
nommen worden zu sein:

„HS bedeutet für mich persönlich Bruderschaft
und zu einer verschworenen Gemeinde elitärer NS

zu gehören, die bereit sind, durch Taten etwas zu

verändern. Es ist für mich der höchste Ausdruck

einer Gemeinschaft und des Kampfes für unsere

R…e. HS vereint weiße Nationen und baut eine
eigene Nation aller!“1313

Als Symbol haben die „Hammerskins“ zwei gekreuzte
Zimmermannshämmer, die für die Kraft der „weißen
Arbeiterklasse“ stehen.1314
1305) MAT A BND-5a, Bl. 181.

1306) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.

1307) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 3 (VS-

VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).

1308) http://www.antifa-bremen.org, „Hammerskins und das Chapter
Bremen“.

1309) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1997, Bl. 15.

1310) Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2005, Bl. 73.

1311) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1997, Bl. 15, aus: Bericht

über „Hammerskins“ in Stormfront 88 Nr. 4.

1312) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 103.

1313) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2001, Bl. 18.

1314) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.

„Soll heißen, zu der Rasse gehören, die durch die
Arbeit der Hand und nicht durch die Macht des

Geldes oder das Ausbeuten der Arbeitskraft.“1315

Außerdem ist ein Ärmelband Erkennungszeichen, sowie

ein graues T-Shirt für Anwärter und ein schwarzes für

Mitglieder.
1316

Jedes Mitglied zahlt einen monatlichen Beitrag, welcher

der Europakasse zufließt und beispielsweise dazu dient,

inhaftierte „Hammerskins“ oder auch andere Mitglieder in
bestimmten Situationen zu unterstützen (beispielsweise

durch Kreditgewährung oder Übernahme von Anwalts-
1317

oder Flugkosten
1318

.
1319

Im Jahr 2001 betrug der Bei-

trag 20 DM pro Person,
1320

wobei die Kasse einen Betrag

im unteren fünfstelligen Bereich aufwies.
1321

Die Einzah-

lung erfolgt auf den Europatreffen.
1322

Unterstützt werden beispielsweise die Schweizer „Ham-
merskins“ von dem Netzwerk „Crew 38“.1323 Hierbei
steht die Zahl 3 für den Buchstaben C (crossed) und die

Zahl 8 für den Buchstaben H („Hammerskins“).1324 Ur-
sprünglich steht die Bezeichnung „Crew 38“ für ein Be-
kleidungslabel, wobei die Gewinne anteilig in die jeweili-

ge Chapterkasse und in die Europakasse fließen soll-

ten.
1325

Außerdem gilt das Tragen von T-Shirts mit dem

Aufdruck „Crew 38“ als Zeichen dafür, dass es sich um
einen offiziellen „Hammerskins“-Anwärter handelt.1326

Regelmäßig finden überregionale Koordinierungstreffen

statt.
1327

Man unterscheidet zwischen Treffen auf nationa-

ler Ebene, die als „National Officers Meeting“ („NOM“)
bezeichnet werden und dem bereits erwähnten „European
Officers Meeting“ („EOM“) auf europäischer Ebene.1328
1315) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 3 (VS-

VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).

1316) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket

12.4 (1), Bl. 85 (VS-VERTRAULICH).

1317) MAT A MAD-2/8, (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.3,

Bl. 231 (VS-VERTRAULICH).

1318) BfV Erkenntnisaustausch mit MAD, MAT A MAD-2/8, (Tgb.-

Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-

VERTRAULICH).

1319) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket
12.1, Bl. 82 (VS-VETRAULICH).

1320) MAD, Übermittlung von Quelleninformationen, MAT A MAD-

2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.1, Bl. 82, Paket
12.4, Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-VETRAULICH).

1321) BfV Erkenntnisaustausch mit dem MAD, MAT A MAD-2/8

(Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-
VERTRAULICH).

1322) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket

12.1, Bl. 82 (VS-VETRAULICH).

1323) http://www.hammerskins.ch/crew38.html.

1324) http://www.hammerskins.ch/crew38.html.

1325) BfV Erkenntnisaustausch mit dem MAD, MAT A MAD-2/8

(Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.4 (2), Bl. 306 (VS-

VERTRAULICH).

1326) Treffbericht vom 28. März 2002, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr.

215/13 GEHEIM), Paket 12.3, Bl. 262 (VS-

VERTRAULICH).

1327) Verfassungsschutzbericht Thüringen 2004, Bl. 16.

1328) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.

Drucksache 17/14600 – 176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sogar ein weltweites Treffen ist einmal im Jahr angesetzt,

man spricht vom „World Officers Meeting“
(„WOM“).1329 Es werden jeweils Vollmitglieder der ein-
zelnen Chapter entsendet.

1330
Des Weiteren organisieren die „Hammerskins“ verschie-
dene Skin-Konzerte.

1331
Bands wie „Hetzjagd“, „Deutsch

Stolz Treue“ und „Frontalkraft“ werden zu den „Ham-
merskins“ gerechnet.1332 Nicht selten finden Konzerte
statt, die unter der Beteiligung der NPD zustande ge-

kommen sind.
1333

Gegenüber anderen Gruppierungen schotten sich die

Mitglieder der „Hammerskins“ grundsätzlich ab, aller-
dings wird teilweise auch an Festen anderer Skinhead-

Gruppen teilgenommen.
1334

b) „Hammerskins“ international

Seit den 90er Jahren sind die „Hammerskins“ weltweit in
vielen verschiedenen Ländern vertreten, wobei sie sich

auf Landesebene in Divisionen unterteilen.
1335

Beispielsweise existieren Gruppierungen in den USA,

Kanada, Europa (Großbritannien, Irland, Niederlande,

Griechenland, Frankreich, Portugal, Italien, Schweiz,

Polen, Tschechische Republik), Australien und Neusee-

land.
1336

Am stärksten sind die „Hammerskins“ in den USA vertre-
ten.

1337
Hier gelten sie auch als besonders gewaltbereit vor

allem gegen Dunkelhäutige, Latinos und Homosexuel-

le.
1338

„Die US-Bürgerrechtsorganisation Anti-
Defamation League hält die ‚Hammerskins’ für die
gewalttätigste und am besten organisierte Skin-

head-Organisation der USA.“1339

Insbesondere wird auf den Besitz der „Hammerskins“ von
Waffen aufmerksam gemacht.

1340
So erschoss ein Mit-

glied im August 2012 sechs Menschen in einem Sikh-

Tempel in Wisconsin.
1341

Auch gegen Verräter wird massiv vorgegangen. Bei-

spielsweise soll der Chef der „Hammerskins“ Niederlande
1329) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.

1330) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.

1331) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.

1332) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

1333) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

1334) Skinhead-Broschüre 2003, MAT A BY-5/1f, Bl. 104.

1335) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 84.

1336) MAT A BND-5a, Bl 182.

1337) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.172/13 GEHEIM), Bl. 2 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).

1338) MAT A BND-5a, Bl. 181.

1339) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.

1340) MAT A BND-5a, Bl 181.

1341) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

für das FBI bzw. die Polizei gearbeitet haben,
1342

was zur

Folge hatte, dass gegen diese eine überregionale, gewalt-

same Aktion unter Teilnahme der „Hammerskins“ USA
stattfinden sollte.

1343
Als besonders aktiv gelten auch die Schweizer „Hammer-
skins“, die viele – auch internationale – Treffen durchfüh-
ren.

1344
c) „Hammerskins“ in Deutschland

Seit 1991 sind die „Hammerskins“ auch in Deutschland
bekannt.

1345
Mirko H. gründete 1993 in Sebnitz den säch-

sischen Teil der „Hammerskins“ als eine der ersten
„Hammerskin“-Gruppierungen in Deutschland.1346

Auf regionaler Ebene liegt eine Gliederung in „Chapter“
vor.

1347
Am einflussreichsten sind die Chapter Westmark (Rhein-

land-Pfalz, Südhessen, Saarland)
1348

, Bremen, Bayern und

Sachsen.
1349

Allerdings hat das Chapter Berlin eine Art

Führungsposition inne.
1350

Aber auch in Mecklenburg-

Vorpommern und Norddeutschland sind die „Hammer-
skins“ mittlerweile vertreten.1351 Ebenso sind Sektionen in
Brandenburg, Thüringen, Baden-Württemberg und

Schleswig-Holstein bekannt.
1352

Das Chapter Bremen

stellt eines der ältesten deutschen Chapter dar.
1353

Laut Presseverlautbarungen soll aus einem internen Be-

richt des BKA
1354

hervorgehen, dass die Mitgliedschaft

von 193 Personen bei den „Hammerskins“ in Deutschland
bekannt sei.

1355
Hiervon hat etwa die Hälfte Straftaten wie

Volksverhetzung oder Gewaltdelikte begangen.
1356

Es ist

jedoch schwierig, die Mitglieder zu erkennen, da diese ihr

Symbol nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur bei inter-

nen Treffen sichtbar tragen.
1357

Dies dient vor allem dem
1342) MAD, BfV/LfV, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13

GEHEIM), Paket 12.3, Bl. 204 (VS-VERTRAULICH).

1343) MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket 12.3,

Bl. 235 (VS-VERTRAULICH).

1344) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1998, Bl. 15.

1345) http://www.verfassungsschutz.hessen.de/irj/LfV_Internet?cid

=8bd3b01e1ebadb0d4fbd2bcebbf2d46e

1346) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen S. vom 7. August
2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 248 ff. (249) (PDF).

1347) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 84.

1348) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

1349) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.

1350) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 5 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).

1351) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 13.

1352) MAT A BND-5a, Bl. 182.

1353) http://www.antifa-bremen.org, „Hammerskins und das Chapter
Bremen“.

1354) Der interne Bericht des BKA liegt dem UA nicht vor.

1355) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“; Zeit-online
vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-Neonazis“.

1356) taz vom 11. Januar 2013, „Hetzjagd auf der Bühne“.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 177 – Drucksache 17/14600

Zweck, Ermittlungen gegen die „Hammerskins“ wegen
der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu verhin-

dern.
1358

Es wird als Verräter bezeichnet, wer Informatio-

nen über die „Hammerskins“ weitergibt.1359

Einer der wohl bekanntesten „Hammerskins“ in Deutsch-
land ist Sven Krüger aus Jamel, südlich von Schwerin,

1360
der im August 2011 wegen unerlaubten Waffenbesitzes

und gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Haftstrafe von vier

Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. Sven Krüger

gilt als Führungsperson der „Hammerskins“ in Mecklen-
burg-Vorpommern, unterhielt ein Kommunalmandat der

Partei und war von 2010 bis 2011 Beisitzer im Landes-

vorstand der NPD.
1361

Die „Hammerskins“ veröffentlichten zwischen 1992 und
1998

1362
unter Mirko H. die Fanzine Hass Attacke.

1363
Hass Attacke gilt als einflussreichstes Sprachrohr der

deutschen „Hammerskins“.1364 Offizielle „Hammerskins“-
Fanzine ist das aus Berlin stammende Fanzine Wehrt

euch.
1365

Am 18. Juli 2002 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen

„Hammerskins“-Mitglieder wegen des Verdachts der
Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die Staats-

anwaltschaft Dresden eingeleitet.
1366

Diesbezüglich wur-

den am 16. Juli 2002 über 40 Wohnungsdurchsuchungen

bei Mitgliedern in sieben verschiedenen Bundesländern

durchgeführt, bei welchen unter anderem CDs, Waffen

und Munition, Hard- und Software, Dokumente und T-

Shirts beschlagnahmt wurden.
1367

Noch in den Jahren

2003 und 2004 fanden diese Ermittlungen in den jährli-

chen Verfassungsschutzberichten Sachsens Erwäh-

nung.
1368

Sie wurden jedoch wieder eingestellt.
1369

Grund-

sätzlich könnte eine Beurteilung als kriminelle Vereini-

gung lediglich aufgrund der Vorstrafen verschiedener

Mitglieder erfolgen, da den „Hammerskins“ als Gruppe
1357) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-

Neonazis“.

1358) Dossier Thomas „Ace” G.: führender Neonazi und „NSU“-
Helfer, MAT A SN-7/2a, Bl. 4.

1359) ZEIT ONLINE vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-
Neonazis“.

1360) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 24.

1361) Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Er-

folgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens, Stand:
9. November 2012, S. 123.

1362) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2011, Bl. 85.

1363) http://gamma.noblogs.org/archives/1221.

1364) MAT B TH-3/Übergabe Bundestag 28.09.2012_Nr.

51932/Übergabe Landtag 31.08.2012/2101-13-2012 (Band 1)

einschl. 338 a+b mT, „Rechtsextremistische Skinhead-
Musikvertriebe in Deutschland“, Bl. 44.

1365) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.172/13 GEHEIM), Bl. 5 (VS-

VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).

1366) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2002, Bl. 16.

1367) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2002, Bl 16.

1368) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2003, Bl. 19; Verfassungs-
schutzbericht Sachsen 2004, Bl. 23.

1369) Dossier Thomas „Ace” G.: führender Neonazi und „NSU“-
Helfer, MAT A SN-7/2a, Bl. 4.

keine derartigen Rechtsverstöße nachzuweisen sind.
1370

Problematisch bei einer Verbotsverhängung auf Bundes-

ebene ist zusätzlich, dass es eine starke regionale und

eigenständige Organisation der Chapter zu verzeichnen

gibt, was bedeutet, dass jedes einzelne Bundesland ein

Verbot verhängen müsste.
1371

In Sachsen fanden die „Hammerskins“ im Jahr 1996
erstmalig Erwähnung im Verfassungsschutzbericht.

1372
1999 wurden sie als Beobachtungsobjekt in die „Über-
sicht rechtsextreme Bestrebungen“ aufgenommen.1373 Im
selben Jahr wurde den sächsischen „Hammerskins“ trotz
guter Verbindungen der Mitglieder in andere Bundeslän-

der allerdings eine nur untergeordnete Bedeutung auf-

grund geringer Mitgliederzahl und geringem Einfluss

zugewiesen.
1374

Bereits im Jahr 2002 erwähnte der Ver-

fassungsschutz in seinem jährlichen Bericht ausdrücklich

bezüglich der „Hammerskins“, dass deren Bedeutung für
Sachsen abgenommen habe.

1375
d) Verbindungen zwischen den „Hammer-
skins“ und dem Trio

Ermittlungen im Umfeld des NSU ergaben, dass es nicht

nur enge Verbindungen des Trios oder deren Kontaktper-

sonen zu „Blood & Honour“, sondern auch zu den
„Hammerskins“ gab.1376 So stammt beispielsweise der
„Döner-Killer-Song“ von einem Sänger und einem Pro-
duzenten, die sich im Umfeld der „Hammerskins“ beweg-
ten. Die Produktionsfirma hatte ihren Sitz in Chem-

nitz.
1377

Hinweisen zufolge hatten sie Kontakte zu Unter-

stützern des NSU.
1378

Beispielsweise war ein Firmenpart-

ner des Produzenten des Songs ein enger Bekannter von

Mundlos.
1379

Auch der Gründer der sächsischen „Hammerskins“ Mirko
H. stand zumindest mit Kontaktpersonen des Trios in

Verbindung. Wegen der Beteiligung unter anderem an der

Herstellung der „Landser“-CD „Ran an den Feind“ verur-
teilte das Landgericht Dresden Mirko H. am 19. Dezem-

ber 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah-

ren.
1380

Im Rahmen seines Gewerbes schleuste dieser

tausende legaler und illegaler CDs durch ganz Europa und
1370) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 GEHEIM), Paket

12.1, Bl. 75 (VS-VERTRAULICH).

1371) Skinhead-Broschüre, Skinheads Bayern 2002, MAT A BY-
5/1e, Bl. 89 f.

1372) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1996, Bl. 14 f.

1373) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.172/13 GEHEIM), Bl. 2 (VS-
VERTRAULICH, Auszug offen verwertbar).

1374) Verfassungsschutzbericht Sachsen 1999, Bl. 19.

1375) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2002, Bl. 15.

1376) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.

1377) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.

1378) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 14.

1379) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 36.

1380) Urteil des LG Dresden vom 19. Dezember 2001, MAT A GBA-

3/47a-35, Bl. 465 ff.

Drucksache 17/14600 – 178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

war unter anderem an der Erstellung deutscher Nazirock-

CDs beteiligt.
1381

So erfolgte auch die Herstellung der „

“-CD „Ran an den Feind“ unter seiner Beteiligung.1382
Mirko H. hatte von Jan Werner den Auftrag erhalten, das

Cover und das Booklet fertig zu stellen und das Pressen

der CDs zu übernehmen.
1383

Weiterhin hatte Thomas G. („Ace“) seinen engen Kontakt
zu André Kapke und Ralf Wohlleben über die „Hammer-
skins Nations“.1384 Im Jahr 2005 wurde ein neonazisti-
sches Hatecore-Forum gehackt, wodurch ein von Thomas

G. genutztes Passwort offengelegt wurde: der Name von

Mandy Struck.
1385

Mandy Struck stammt aus Erlabrunn

bei Johanngeorgenstadt im Erzgebirgskreis in Sachsen

und hat Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe 1998 in Chem-

nitz dabei unterstützt, unerkannt zu bleiben
1386

und nach

eigenen Angaben möglicherweise den Kontakt zwischen

dem Trio und André Eminger vermittelt.
1387

Mit Thomas

G. stand sie während seiner Haft in Briefkontakt und war

mit ihm nach seiner Entlassung 2004 kurz befreundet.
1388

„Blood & Honour“ und die „Hammerskins“ beschreibt sie
als wegen Konzertorganisation und Geld zerstritten.

1389
Nach Medienberichten hatte auch Malte R.
1390

, der als

Anführer des „Hammerskin Chapter Westmark“ für das
Europa-Treffen im Odenwald verantwortlich war, Kon-

takte zu Personen im Umfeld des Trios und zum „Thürin-
ger Heimatschutz“.1391

Als Hinweis auf eine Verbindung zwischen den

„Hammerkins“ und dem Trio muss auch ein Anruf aus
Concise im Kanton Waadt in der Schweiz an eine Kon-

taktperson in Jena angesehen werden, bei dem mutmaß-

lich Mundlos Unterstützungsleistungen in Auftrag gab.
1392

Auffällig ist hierbei, dass am selben Tag – ebenfalls in
1381) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Starke vom

14. Januar 2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 272 ff. (274)

(PDF); Berliner Zeitung, Artikel vom 03. November 2003, „Die
erstaunliche Nazikarriere des V-Manns Mirko H.“.

1382) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Starke vom

14. Januar 2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 272 ff. (274)

(PDF).

1383) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen S. vom 31. Juli

2002, MAT A GBA-3/47a-28, S. 245 ff. (246) (PDF).

1384) Röpke, Protokoll-Nr. 8, S. 32.

1385) http://www.blog.schattenbericht.de/2011/12/nur-eine-gang-

von-vielen.

1386) Mandy Struck, Vernehmung am 15. Dezember 2011, MAT A

BY-14/1-1 PDF-Bl. 148 ff. (152 f.).

1387) Mandy Struck, Vernehmung am 15. Dezember 2011, MAT A

BY-14/1-1 PDF-Bl. 148 ff. (165).

1388) Mandy Struck, Vernehmung am 30. Dezember 2011, MAT A

GBA-16a, PDF-Bl. 59 ff. (65 ff.).

1389) Mandy Struck, Vernehmung am 30. Dezember 2011, MAT A
GBA-16a, PDF-Bl. 59 ff. (66).

1390) http://gamma.noblogs.org/archives/1221.

1391) Zeit-online vom 1. Februar 2013, „Die Untergrund-Neonazis“.

1392) Fax des beauftragten Verbindungsbeamten Gundlach, MAT A

TH-1/20, Bl. 58; LKA TH, Erkenntnisse TKÜ Maßnahmen,

MAT A TH-1/15, Bl. 140 f.

Concise – ein „Hammerskins“-Konzert mit 300 Teilneh-
mern (auch aus Deutschland) stattfand.

1393
Auch Thomas R., dessen Anschrift sich auf den in der

Garage in Jena am 26. Januar 1998 sichergestellten Tele-

fonlisten des Mundlos befindet, war nach dem Verbot von

„Blood & Honour“ bei den „Hammerskins“ aktiv.“

Weiterhin liegen gute Verbindungen der „Hammerskins“
zum „Ku-Klux-Klan“ und „WAR“ („Weißer Arischer
Widerstand“1394) vor,1395 sowie Kontakte der sächsischen
„Hammerskins“ zu „Combat 18“.

3. „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“

a) Allgemeine Informationen zur „Weißen
Bruderschaft Erzgebirge“

Die Kameradschaft „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“
(WBE) war nur kurze Zeit aktiver Teil der Neonazi-Szene

in Sachsen. Sie wurde im Jahr 2000 in Lauter in Sachsen

gegründet
1396

und löste sich bereits Ende 2001 aufgrund

von internen Streitigkeiten wieder auf.
1397

Mitte 2000

hatte die „WBE“ etwa 19 Mitglieder.1398 Die „WBE“
gelangte durch eine Veröffentlichung ins Visier der Be-

hörden.
1399

Im Fokus der Kameradschaft lag die Unter-

stützung bereits bestehender rechtsextremistischer Grup-

pierungen, nicht aber mit diesen in Konkurrenz zu tre-

ten.
1400

Die Formulierungen zu ihren Zielen:

„Die Reinheit der wundervollsten Rasse.“1401

und

„White Pride heißt unsere Religion“1402

galten dabei als Leitgedanken.

Sie selbst bezeichneten sich als

„Die Pro Weiße Organisation im Erzgebirge“

und gingen somit einer stark rassistischen Grundeinstel-

lung nach.
1403

Hierbei verfolgten sie den Gedanken der

„14 Worte“ als Anleitung zum Handeln:1404
1393) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 69, 76.

1394) MAT A BND-5a, Bl. 127.

1395) MAT A BND-5a, Bl. 181.

1396) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8.

1397) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 41.

1398) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 39.

1399) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, Bl. 46.

1400) Verfassungsschutzbericht Sachsen 2001, Bl. 23 f.

1401) SPIEGEL ONLINE vom 22. September 2012, „NSU-
Ermittlungen: Das Kreuz mit den Neonazis“.

1402) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 39.

1403) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8 f.

1404) Andrä, Protokoll-Nr. 59, Bl. 90.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 179 – Drucksache 17/14600

„Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die
Zukunft für die weißen Kinder sichern.“

Das Erkennungszeichen waren zwei gekreuzte Hämmer

mit einem Adler, in dem sich eine weiße Faust befand.
1405

Die „WBE“ veröffentlichte im Jahr ihrer Gründung einen
Rundbrief, der in Heften mit dem Titel „The Aryan Law
& Order“ insgesamt zweimal erschien und die rassistische
Einstellung der Organisation deutlich zum Ausdruck

brachte.
1406

Ebenso verhielt es sich mit einem in dem

Skinhead-Fanzine Foier Frei Nr. 13 veröffentlichtem

Aktivisten-Interview.
1407

Bereits seit Entstehung der „WBE“ oder kurz danach war
diese Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen.

1408
Im Jahr 2006 soll es noch einige Treffen der gescheiterten

Kameradschaft in der sogenannten „Nazi-WG“ in der
Allendestraße 122 in Zwickau gegeben haben.

1409
Hier

entstanden in den beiden folgenden Jahren die „Nationa-
len Sozialisten Zwickau“.1410

b) Verbindungen zum Trio

Mitglieder der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ waren
Maik E., André Eminger und Matthias D.

1411
André

Eminger ist heute Angeklagter, Matthias D. Beschuldigter

im Verfahren gegen die Terrorgruppe NSU. Unter dem

Namen beider wurden Wohnungen gemietet, die das Trio

genutzt hat. Maik E., André Eminger und Matthias D.

wurden auch der Neonazi-Gruppierung „Brigade Ost“ in
Sachsen zugeordnet.

1412
Am 29. Juli 2000 fand eine Ver-

anstaltung (Konditionsmarsch mit ca. 20 Teilnehmern in

Johanngeorgenstadt)
1413

statt, auf welcher außerdem

Thomas Starke und Andreas G. als Teilnehmer anwesend

gewesen sein sollen.
1414

Auch Jan Werner soll zu diesem

Treffen angereist sein.
1415

Zwischen der „Weißen Bruder-
schaft Erzgebirge“ und dem „Blood & Honour“-Netzwerk
bestanden auch sonst enge Verflechtungen.
1405) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-

ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 41.

1406) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8 f.

1407) MAT A BE-3/8-Lagebericht Nr. 14, Bl. 8 f.

1408) Boos, Protokoll-Nr. 62, Bl. 118.

1409) Auszug gamma Nr. 193, 2/2012, Der „nationalsozialistische
Untergrund“ und seine Helfer – konspirative Kameraden, MAT
A GBA-4/19, Bl. 432.

1410) Auszug gamma Nr. 193, 2/2012, Der „nationalsozialistische
Untergrund“ und seine Helfer – konspirative Kameraden, MAT
A GBA-4/19, Bl. 432.

1411) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur Wei-

ßen Bruderschaft Erzgebirge, MAT A SN-7/2d, Bl. 39 f.

1412) SPIEGEL ONLINE vom 22. September 2012, „NSU-
Ermittlungen: Das Kreuz mit den Neonazis“.

1413) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 41.

1414) LfV SN, Anfrage des BKA vom 15. Dezember 2011 zur „Wei-
ßen Bruderschaft Erzgebirge“, MAT A SN-7/2d, Bl. 40.

1415) Boos, Protokoll-Nr. 62, Bl. 118.

4. „Hilfsorganisation für nationale politische
Gefangene und deren Angehörige“

Seit 1994 hatte Mundlos Kontakt zu inhaftierten Personen

aus der rechtextremistischen Szene gehalten. Die Intensi-

tät dieser Kontakte zeigen die Briefe von und an Mundlos,

die bei der Durchsuchung am 26. Januar 1998 gefunden

wurden
1416

: 65 Briefe an und 26 Briefe von Mundlos aus

der Zeit vom 16. Februar 1994
1417

bis zum 24. April

1997.
1418

Hauptbriefpartner sind Thomas Starke und Tors-

ten S., die beide damals in der JVA Waldheim eine Haft-

strafe verbüßten. Die Briefe mischen Persönliches und

Politisches: So schreibt Mundlos bereits Ende 1995, ange-

sichts der zahlreichen Spitzel bleibe nur, den Kampf in

kleinen autonomen Gruppen fortzusetzen.
1419

Thomas

Starke, von 1994 bis 1996 in der JVA Waldheim in Haft,

gibt in seinen aktuellen Vernehmungen an, dort von

Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe auch besucht worden

zu sein.
1420

„Gefangenenbetreuung“ dieser Art hatte bis zu ihrem
Verbot am 21. September 2011 die 1979 gegründete

„Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und
deren Angehörige e.V.“ betrieben. Unter dem Motto
„drinnen wie draußen eine Front“ war die „HNG“ ein
wichtiges Bindeglied zwischen den rechtsextremistischen

Parteien und den sogenannten „freien Kameradschaften“.
Sie verfolgte das Ziel, die rechtsextremistische Szene in

Deutschland organisationübergreifend zu stärken und auf

deren Radikalisierung hinzuwirken.
1421

Aus dem Umfeld

des Trios engagierte sich Mandy Struck für die Ziele der

„HNG“ – sie pflegte eine Briefpartnerschaft mit dem in
der JVA Straubing einsitzenden Richard L.

1422
und hat ihn

dort auch besucht.
1423

Die langjährige „HNG”-
Bundesvorsitzende Ursula Müller ist auf der Telefonliste

von Mundlos vermerkt.
1424

Aus der Zeit danach hat der

Ausschuss in den umfangreichen Akten zur „HNG“ keine
Beziehung zum Trio gefunden.

1425
Da Jan Werner wäh-

rend seiner Haft in der JVA Moabit in Briefkontakt zu

Maik E. und André Eminger stand
1426

, hat der Ausschuss

zur Prüfung entsprechender Kontakte zu wenigen Perso-

nen Haftakten erbeten und erhalten:
1416) MAT A GBA-11/1.

1417) MAT A GBA-11/1, Bl. 8.

1418) MAT A GBA-11/1, Bl. 236.

1419) MAT A GBA-11/1, Bl. 180.

1420) MAT A GBA-4/30, Bl. 27.

1421) MAT A BMI-10/1a, Bl. 183 ff.

1422) Mandy Struck, Vernehmung am 15. Dezember 2011, MAT A

BY-14/1-1, Bl. 148 ff. (163).

1423) Mandy Struck, Vernehmung am 14. März 2012, MAT A BY-

14/1-1, Bl. 208 ff., (217).

1424) MAT A TH-1/2, Bl. 283 f.

1425) MAT A BMI-10/1a bis MAT A BMI-10/1j und MAT A BMI-

11/1a bis MAT A BMI-11/1j.

1426) MAT A BE-3/13, Bl. 100, Bl. 163, Bl. 213.

Drucksache 17/14600 – 180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Markus F.: Gefangenenpersonalakte nicht mehr ver-
fügbar, da Haft (Mai 1998 bis Juni 2002) länger zu-

rückliegend
1427

– Mirko H.: Haft in JVA Dresden1428 und JVA Baut-
zen

1429
, in den Unterlagen zu Besuchen und Kontak-

ten kein Hinweis auf das Trio oder auf Personen aus

dessen näherem Umfeld

– Kai S.: in der Haftzeit1430 keine Kontakte in die
rechtsextreme Szene

5. „Ku-Klux-Klan“ (KKK)

Der Ermittlungsbericht zum Mordfall Kiesewetter weist

darauf hin, dass der Gruppenführer der ermordeten Poli-

zistin mehrere Jahre zuvor kurzzeitig Mitglied im „Ku-
Klux-Klan“ (KKK) war. 1431 Der Ausschuss hat deshalb
untersucht, ob belegbare Kontakte zwischen dieser Grup-

pierung und dem Trio bestanden haben. Zur Präsenz von

V-Personen in der betreffenden „KKK“-Gruppe hat die
Stuttgarter Zeitung in einem Artikel vom 27. Mai 2013

gefragt:

„Ist der ‚KKK’ von Hall in Wahrheit ein Honigtopf
gewesen, als Köder aufgestellt von baden-

württembergischen Sicherheitsstrategen, um näher

an die rechte Szene heranzukommen?“1432

Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses, ob der

„KKK“ als eine Art „Testballon“ gedient habe, hat die
Zeugin Neumann, damalige Referatsleiterin „Rechtsex-
tremismus“ im LfV Baden-Württemberg, geantwortet,
dass dieser Eindruck täusche und hat die Vermutung nicht

bestätigen können.
1433

a) Zur Entstehung des „KKK international“

Der „KKK“ wurde in Amerika in den Wirren des Bürger-
kriegs 1865 in der Kleinstadt Pulaski/TE gegründet. Ziel

war es, die traditionelle Lebensweise, insbesondere die

Rassentrennung, in den Südstaaten zu erhalten.
1434

Erster

Gründer war Nathan Bedford Forrest, der den Klan nach

wenigen Jahren auflöste, weil dieser zu gewalttätig wur-

de.
1435
1427) MAT A SN-17.

1428) MAT A SN-18f Teil 2, MAT A SN 18g bis 18k, MAT A SN-

18l bis 18m Teil 1.

1429) MAT A SN-18l bis 18m Teil 2.

1430) MAT A BY-18.

1431) Ermittlungsbericht vom 20. Juli 2012, MAT A GBA-4/19, Bl.

55; ausführlich hierzu unter C.II.5.d) und G.X.

1432) Stuttgarter-Zeitung.de vom 27. Mai 2013, „Schlechte Nachrich-
ten aus Krokusland“.

1433) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 23.

1434) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum

European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-

Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (52).

1435) „History of the KKK“, MAT A BW-10/2, Bl. 463.

1915 kam es zu einer Neugründung des „KKK“ in den
USA, der sich seitdem „Knights of the Ku Klux Klan“
nennt. Nachdem er Anfang der 20er seine größte Mitglie-

derzahl mit circa drei Millionen Anhängern
1436

erreichte,

verlor er Ende der 20er Jahre wieder an Bedeutung.
1437

1954 erhielt er erneuten Zulauf, als die Rassentrennung in

den Schulen aufgehoben wurde. Der „KKK“ ist seit der
Neugründung im Jahr 1915 keine einheitliche Organisati-

on mehr, sondern besteht vielmehr aus kleinen, voneinan-

der unabhängigen Gruppierungen, die später auch in

Deutschland jeweils eigenständige Ableger bildeten.
1438

Der „KKK“ ist antisemitisch ausgerichtet, steht für ein
„freies, weißes, gesundes“ Amerika und die Vorherrschaft
der weißen Rasse und bedient sich dabei pseudoreligiöser

Rituale.
1439

Bekanntestes Ritual ist die sog. „Kreuzver-
brennung/-erleuchtung“ der maskierten Kapuzenmänner
im Blickfeld des Opfers, welche als letzte Warnung an

den „schwarzen Mann“ gemeint ist, dem danach der
Strick oder eine andere Art der Tötung droht.

1440
Der

„KKK“ ist für seinen blutigen Terror bekannt, zu dem
Hetzjagden, Lynchjustiz und Fememorde gehören.

1441
Im

Jahr 1992 wurde festgehalten, dass sich trotz der Zersplit-

terung einzelne Mitglieder und örtliche Gruppen des

„KKK“ wiederholt an schwersten Straftaten gegen farbige
US-Bürger und Minderheiten beteiligten, worunter

Sprengstoffanschläge und Morde sowie Schießereien und

Brandstiftungen zählten.
1442

Während in den 80er Jahren

in den USA noch über 10 000 Personen Mitglieder beim

„KKK“ waren1443, erschien 2006 ein Mitgliederbestand
von ca. 5 000 Personen als realistisch.

1444

1436) Zusammenfassender Vermerk des BfV an den MAD vom

11. Mai 1999, MAT A BfV-15, Bl. 184.

1437) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (26).

1438) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche

rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-

Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (52, 53).

1439) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum

European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-

Württemberg“ MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).

1440) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Mai 1995 gegen Cars-

ten Szczepanski (Az.: 25 Ks 39/94 (26 Js 270/92)), MAT A BB-

9/1e, Band I, Bl. 12 ff. (15).

1441) Aus Verfassungsschutz aktuell 3/92 des LfV Baden-
Württemberg, Rechtsextremismus, MAT A GBA-10a, Bl. 567

ff. (568).

1442) Schlussbericht des BKA vom 4. August 1992, MAT A GBA -
10c, Bl. 236.

1443) Zusammenfassender Vermerk des BfV an den MAD vom

11. Mai 1999, MAT A BfV-15, Bl. 185.

1444) http://archive.adl.org, „About the Ku Klux Klan“;
http://www.politische-bildung-brandenburg.de, „Ku Klux
Klan”.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 181 – Drucksache 17/14600

b) Entwicklung des „KKK“ in Deutschland

Anfang der 20er Jahre gab es in Deutschland einen Able-

ger des amerikanischen „KKK“ unter dem Namen „Der
deutsche Orden des feurigen Kreuzes“, der aber im Zuge
des Nationalsozialismus nicht geduldet und dann beendet

wurde.
1445

In der Presse wurde außerdem spekuliert, dass

in den 60er Jahren der „KKK“ in Deutschland ca. 2 000
Mitglieder hatte und es vor allem auf amerikanischen

Stützpunkten zu Kreuzverbrennungen gekommen sei.

München sei damals die Hochburg des „KKK“ in
Deutschland gewesen.

1446
1980 wurde der nächste Versuch des „KKK“ bekannt, auf
deutschem Boden Fuß zu fassen: Im Raum Bitburg-

Wittlich wurde durch Angehörige der US-

Stationierungskräfte unter Mitwirkung deutscher Gesin-

nungsgenossen eine Untergruppe der „Knights of the Ku-
Klux-Klan“ des Donald (Don) Black (Alabama/USA)
gegründet.

1447
Als der Gründer der Gruppierung im Jahr

1991 in die USA zurückversetzt wurde, verebbten die

Aktivitäten.
1448

Im selben Jahr (1991) kam es zu einer

Neugründung einer Gruppierung des „KKK“.1449 Hierfür
hatten sich viele Einzelaktivisten, insbesondere Skin-

heads, als Mitglieder beworben.
1450

Der BND hielt bezüg-

lich eines in Berlin gegründeten Ablegers im Jahr 2002

fest:

„Der Berliner Clan zeichnete sich vor allem durch
Gewalt gegen Schwarze aus und fiel wiederholt

durch das Legen von Rohrbomben auf.“1451

Der Anführer („Imperial Dragon“) des Ablegers „White
Knights of the Ku Klux Klan“ in Amerika, Dennis W.
Mahon, reiste 1991 durch Deutschland.

1452
Seine Reise

war eine geheime Propagandatour mit dem Ziel, die in
1445) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).

1446) Lutz Bucklitsch, in: Politik & Zeitgeschehen „European White
Knights of the Ku Klux Klan – Realm of Germany“,
http://hajofunke.wordpress.com, vom 26. Februar 2013; MAT

A GBA-10t, Bl. 85.

1447) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).

1448) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum

European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-

Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).

1449) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum

European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche

rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-
Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).

1450) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,

MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (372).

1451) Aktuelle Kurzfassungen wichtigster rechtsradikaler US-

Gruppen mit intern. Ausrichtung unter „INTN-ORG“ (Stand
2002), MAT A BND-5a, Bl. 334 ff. (362).

1452) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).

diesen Jahren herrschende Ausländerfeindlichkeit zu

nutzen, um in Deutschland Fuß zu fassen. RTL-Explosiv

berichtete über eine angebliche Gründungsveranstaltung

eines Ablegers des „KKK“ in Königs Wusterhausen in
Brandenburg, an der auch D. Mahon teilnahm, bei der es

u. a. zu einer Kreuzverbrennung kam. Unter Anwesenheit

von 20 bis 50 Mitgliedern wurden Hakenkreuzfahnen

gezeigt und verfassungsfeindliche Lieder gesungen.
1453

Anwesend waren vor allem Mitglieder des Berliner Able-

gers des „KKK“ unter Führung von Carsten Szczepanski.
Nicht klar ist, ob die Veranstaltung für die Presse ledig-

lich inszeniert war, um Aufmerksamkeit zu erlangen, wie

es vom BND angenommen wurde.
1454

Auch gab es in diesem Jahr Hinweise neben dem Berliner

Ableger um Carsten Szczepanski auf Ableger des „KKK“
in Elmshorn und Herford.

1455
Ermittlungsverfahren des

GBA im Jahr 1993 bezüglich dieser beiden Ableger gem.

§ 129a StGB wurden gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels

hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
1456

Vereinzelt gab es nach den soeben genannten Gescheh-

nissen in den folgenden Jahren Hinweise, dass deutsche

Rechtsextremisten „KKK“-typische Symbole und Hand-
lungen benutzten oder Propagandamaterial des amerikani-

schen „KKK“ in Umlauf brachten.1457

Im Jahr 1998 wurde eine Internetseite bekannt, die sich

als Homepage der deutschen Sektion des „KKK“ ausgab
(EWK KKK). Diese Homepage war jedoch nur kurzzeitig

im Internet abrufbar.
1458

Die Zeugin Neumann hat hierzu

vor dem Untersuchungsausschuss angemerkt, dass es

bezüglich dieser Internetseiten Vernehmungen, Observie-

rungen und Durchsuchungen gegeben habe, an deren

Ende die Erkenntnis stand, dass es sich bundesweit um

eine Gruppe von 20 Personen handelte, die mit dem

„EWK KKK“ in Verbindung gebracht werden konnten.
Jedoch habe es sich dabei um keine einheitliche Struktur

gehandelt, sondern vielmehr um Einzelpersonen, die
1453) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (27).; Zwischen-
bericht Ermittlungen vom 21. Januar 1992 gegen Mahon und

Carsten S., MAT A GBA-10a, Bl. 331 ff. (335).

1454) Aktuelle Kurzfassungen wichtigster rechtsradikaler US-
Gruppen mit intern. Ausrichtung unter „INTN-ORG“ (Stand
2002), MAT A BND-5a, Bl. 334 ff. (362).

1455) Aktuelle Kurzfassungen wichtigster rechtsradikaler US-
Gruppen mit intern. Ausrichtung unter „INTN-ORG“ (Stand
2002), MAT A BND-5a, Bl. 334 ff. (362).

1456) Einstellungsverfahren bzgl. des Teilkomplexes Herford/ Biele-
feld vom 25. Mai 1993 durch den GBA, MAT A GBA-10h, Bl.

100 ff.; Teilabtrennung- und einstellung des Ermittlungsverfah-

rens gegen Carsten S. u. a. vom 25. September 1992 durch den
GBA, MAT A GBA-10n, Bl. 92 ff; vgl. hierzu ausführlich un-

ter D. III. 1. b) bb).

1457) Zusammenfassender Bericht des BfV vom 24 März 1999, MAT
A BW-10/1, Bl. 13 ff. (15).

1458) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum
European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche

rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-

Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).
Drucksache 17/14600 – 182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Kontakt zu dem Leiter des Klans, Achim S., in Baden-

Württemberg hätten aufnehmen wollen.
1459

Am 1. Oktober 2000 wurde der „European White Knights
of the Ku-Klux-Klan – Realm of Germany“ (EWK KKK)
durch Achim S. offiziell gegründet. Die ca. 20 Mitglieder

kamen aus unterschiedlichen Bundesländern und waren

über das Internet oder durch direkte Ansprachen gewor-

ben worden.
1460

Im Jahre 2001 wurde der „EWK KKK“
von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der

Länder zum Beobachtungsobjekt erhoben. Zuvor waren

die Gruppen des „KKK“ als rechtsextremistischer Ver-
dachts- bzw. Prüffall behandelt worden.

1461
Insgesamt hält

der Bericht des LfV Baden-Württemberg vom

9. März 2012 fest, dass der „EWK KKK“ versucht habe,
rassistisches Gedankengut zu verbreiten, um eine gesell-

schaftliche Ordnung zu errichten, die dem Gleichheits-

grundsatz des Grundgesetzes sowie dem darin garantier-

ten Persönlichkeitsrecht widerspreche.
1462

Diese Einschätzung wird auch durch eine Veröffentli-

chung des „EWK KKK“ bestätigt:

„Das Hauptaugenmerk unserer Bemühungen liegt
zwar auf der Erhaltung der weißen Rasse in einem

weißen Europa, dennoch stehen wir selbstver-

ständlich patriotisch zu unserem jeweiligen Vater-

land. Wir achten Kultur und Geschichte anderer

Völker, nehmen aber das Recht auf Wahrung der

eigenen internationalen Identität.

Wir glauben weder an die Mehr- oder Minderwer-

tigkeit bestimmter Rassen, sehen aber keinerlei

Veranlassung uns im Rahmen der Neuen Weltord-

nung in einem Schmelztiegel der Kulturen aufzu-

lösen.

Kann ich Mitglied werden bei den EWK? […] Wir
lehnen Bewerber ab, die nicht weißer Hautfarbe

sind oder jüdische Vorfahren besitzen.

Die European White Knights stehen für den Erhalt

der Völker der Welt sowie Völkerverständigung,

lehnen aber Rassenvermischung strikt ab!“1463

Der Zeuge Thomas R. gab in seiner Zeugenvernehmung

vom 13. März 2013 gegenüber dem BKA an, dass er auch

Mitglied im „EWK KKK“ gewesen sei. Zum Zeitpunkt
seines Eintritts in die Gruppierung habe der Klan schon

bestanden. Den Kontakt zu Achim S. habe er über einen
1459) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 21.

1460) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28).

1461) Bericht IM Baden-Württemberg vom 14. August 2012 „Kon-
takte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum

European White Knights of the Ku Klux Klan, Mögliche
rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei Baden-

Württemberg“, MAT A BW-10/5b, Bl. 45 ff. (53).

1462) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (374, 375).

1463) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,

MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (374, 375).

„IRC-Chat“ namens „Holocaust“ erhalten. Daraufhin sei
Thomas R. mehrmals zu Achim S. nach Schwäbisch Hall

gefahren. Bei diesen Besuchen hätten Treffen des Klans

in der Wohnung des Achim S. stattgefunden.
1464

In der

Wiener Neustadt sei er in der Folgezeit neben drei oder

vier anderen Personen als offizielles Mitglied des Klans

aufgenommen worden. Dieses Aufnahmeritual habe in

der Wohnung einer Person namens Geralf, der innerhalb

des Klans im Rang eines „Imperial Wizard“ stand, statt-
gefunden.

1465
Thomas R. sei als „Kleagle“ dafür zuständig

gewesen, Mitglieder anzuwerben, die ihm von Achim S.

zuvor vermittelt worden seien. Dies hätte bei den Perso-

nen Sven M., Martin E. und Michael S. zum Erfolg, d. h.

zu einer Aufnahme in den Klan geführt.

Thomas R. berichtete von weiteren Aufnahmetreffen im

Raum Nürnberg und in einer Burgruine in Schwäbisch

Hall. Bei dem Treffen in der Burgruine habe es auch eine

Kreuzverbrennung nach amerikanischem Vorbild gege-

ben.
1466

Nach Ansicht von Thomas R. habe sich der Klan

aufgelöst, nachdem Achim S. Klangelder veruntreut habe

und verschwunden sei.
1467

Im Bericht des LKA Baden-Württemberg vom

9. März 2012 wurde ebenfalls vermerkt, dass der „EWK
KKK“ aufgrund interner Meinungsverschiedenheiten
auseinanderbrach und seine Aktivitäten zum Erliegen

kamen. So konnten seit Ende 2003 keine Aktivitäten des

„EWK KKK“ mehr in Baden-Württemberg festgestellt
werden.

1468
Ursache dafür war auch eine konzertierte

Anspracheaktion mehrerer Verfassungsschutzämter bei

Klanmitgliedern im August 2002, die zu Unruhen inner-

halb des Klans führte.
1469

Am 5. November 2003 wurde vom LfV Sachsen ver-

merkt, dass die bisherige Homepage des „EWK KKK“
um Achim S. unter der ursprünglichen URL nicht mehr

erreichbar sei, jedoch eine neue Homepage von einem

Denis Leyn aus Petal, USA eingerichtet worden sei.
1470

Nach einem Gespräch mit dem Domain-Betreiber dieser

Internetseite und dem Hinweis auf den rechtsextremisti-

schen Hintergrund der Homepage am 28. Januar 2004,

wurde die Homepage vom Domain-Betreiber umgehend

abgestellt.
1471

In den letzten Monaten soll es jedoch wieder Hinweise

auf deutsche Ableger des „KKK“ gegeben haben. So
1464) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch

das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (27).

1465) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch

das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (29).

1466) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch

das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (39).

1467) Zeugenvernehmung des Thomas R. vom 13. März 2013 durch

das BKA, MAT A GBA-4/42, Bl. 15 ff. (37).

1468) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (375).

1469) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,

MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (374), so auch Neumann, Proto-
koll-Nr. 65, S. 22; weitere Ausführungen hierzu unter C.II.5.i).

1470) Vermerk vom 24. November 2003, MAT A SN-1/12, Bl. 14.

1471) Vermerk vom 29. Januar 2004, MAT A SN-1/12, Bl. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183 – Drucksache 17/14600

berichtete die Süddeutsche Zeitung am 24. Oktober 2012

über eine Kreuzverbrennung, die im Februar 2011 stattge-

funden haben soll. Auch gebe es im Internet Spuren von

vier „KKK“-Gruppen aus Deutschland.1472 Einen Inter-
netauftritt eines „KKK“-Ablegers aus Nordrhein-
Westfalen gebe es seit Juli 2011. Bei diesem seien keine

besonderen Aktivitäten festzustellen. Die Gruppe bestün-

de aus unter zehn Mitgliedern, von denen einige jedoch

bereits als Rechtsextremisten einschlägig bekannt sei-

en.
1473

Im Mai 2013 wurde zudem bekannt, dass auch im

Raum Schwäbisch-Hall ein Ableger des „KKK“ gegrün-
det worden sei. Hierbei scheine es sich um eine Sektion

von weniger als zehn Mitgliedern zu handeln.
1474

c) Verbindungen zwischen dem „KKK“ und
dem Trio

Der Untersuchungsausschuss hat näher beleuchtet, in-

wieweit es zwischen den unterschiedlichen Vorkommnis-

sen um deutsche Ableger des „KKK“ und dem Trio Ver-
bindungen gibt.

aa) Kreuzverbrennung im Jahr 1995

Im Sommer 1995 trafen sich neben Beate Zschäpe und

Uwe Böhnhardt 20 bis 30 Personen in einem Waldstück

in Oßmaritz bei Jena. Bei diesem Treffen wurden eine

Kreuzverbrennung, ein typisches Ritual des „KKK“,
durchgeführt sowie der Hitler- und der sogenannte

Kühnengruß gezeigt.
1475

Der Einleitung des Verfahrens lag der Zufallsfund von

durch Beate Zschäpe erstellten Fotos zugrunde. Die Fotos

wurden bei ihr anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung

am 10. September 1995 gefunden.
1476

Diese Durchsu-

chung stand im Zusammenhang mit dem Verdacht gegen

Beate Zschäpe wegen Verwendens von NS-Kennzeichen

gem. § 86a StGB während eines Treffens von Rechtsex-

tremisten am 10. September 1995 am Platz der Opfer des

Faschismus in Rudolstadt.
1477

Auf den sichergestellten

Fotos waren Personen, die den Hitler- und den sogenann-

ten Kühnengruß entboten, sowie ein brennendes Kreuz zu

erkennen. Zu den gefundenen Fotos gab sie am Tag der

Sicherstellung an:

„Die angesprochenen Bilder habe ich selbst aufge-
nommen. Der Zeitpunkt der Aufnahmen lag nicht

sehr lange vor der Filmentwicklung zurück. Ei-
1472) Süddeutsche.de, vom 24. Oktober 2012 „Die Maske der Rassis-

ten“.

1473) DIE WELT Online, vom 1 Februar 2013, „Der Ku-Klux-Klan
existiert auch in NRW“.

1474) DIE WELT online, vom 5. Mai 2013 „Ku-Klux-Klan wieder im
Südwesten aktiv“; Stuttgarter-Zeitung.de, vom 4. Mai 201 „Ku-
Klux-Klan in Baden-Württemberg wieder aktiv“.

1475) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Gera vom

15. August 1997 MAT A TH-2/33, Bl. 579 ff.

1476) Sicherstellungsprotokoll vom 10. September 1995, MAT A
TH-2/31, Bl. 11 ff.

1477) Beschuldigtenvernehmung von Beate Zschäpe am

12. Oktober 1995, MAT A TH-2/31, Bl. 6 ff.

gentlich wollte ich nur das brennende Kreuz auf-

nehmen; dass die Personen beim Entbieten des

Hitlergrußes aufgenommen wurden, war reiner Zu-

fall.

Die ganze Sache fand oberhalb von Winzerla im

Waldgebiet statt. Dort waren ca. 15 Fahrzeuge mit

Personen der rechten Szene angereist, wobei es

sich etwa zur Hälfte um Personen, welche sich in

der Gaststätte Weinberg in Saalfeld treffen, han-

delte.“1478

Beate Zschäpe war im Verfahren, das im Zusammenhang

mit der Kreuzverbrennung geführt wurde, Zeugin, ver-

mutlich weil sie selbst auf den Fotos nicht beim Zeigen

des Hitler- bzw. Kühnengrußes zu erkennen war.

Als Zeugin gab sie am 28. Juni und insbesondere am

5. August 1996 Auskunft über die auf den Fotos abgebil-

deten Personen. Allerdings strich sie die Angabe „mit
Kühnengruß“ im Protokoll bei den von ihr benannten
Personen durch.

1479
Der Zeuge Melzer hat die Aussagebereitschaft von Beate

Zschäpe dahingehend erklärt, sie habe „mit einer an den
Tag gelegten Bauernschläue“ angegeben, dass die auf den
Fotos aufgenommene Kreuzverbrennung in Tschechien

stattgefunden habe und die Handlung deshalb nicht straf-

bar gewesen sein könne.
1480

Tatsächlich hat Beate Zschä-

pe in der Vernehmung vom 5. August 1996 ausgesagt:

„Die Feiern mit den brennenden Kreuzen waren
einmal in der Tschechei und das andere mal möch-

te ich nicht sagen, wo das war.“1481

Zschäpe hatte jedoch bereits bei der ersten Vernehmung

vom 10. September 1995 als Ort der Kreuzverbrennung

Jena-Winzerla bezeichnet.
1482

Im Übrigen konnte anhand der Vernehmungen der Be-

schuldigten Tom T.
1483

und Kai F.
1484

ermittelt werden,

dass die Fotos aus Jena und nicht aus Tschechien stamm-

ten. Dazu führte der Beschuldigte Tom T. konkret aus:

„Ergänzend muss ich sagen, dass Kreuzverbren-
nungen nur im Wald um Jena stattfanden, also

speziell bei der Fliegerscheune. Das Kreuzver-
1478) Beschuldigtenvernehmung (in dem Verfahren wegen des

Vorfalls vom 10. September 1995) von Beate Zschäpe am

12. Oktober 1995, MAT A TH-2/31, Bl. 6 ff. (9)

1479) Zeugenvernehmung von Beate Zschäpe, vom 28. Juni 1996,

MAT A TH-2/31, Bl. 24 f.; Zeugenvernehmung von Beate
Zschäpe vom 5. August 1996, MAT A TH-2/31, Bl. 50 ff.

1480) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 91.

1481) Zeugenvernehmung von Beate Zschäpe vom 5. August 1996,
MAT A TH-2/31, Bl. 50 ff., 52.

1482) Siehe oben in diesem Abschnitt.

1483) Beschuldigtenvernehmung von Tom T. vom 21. Januar 1997,
MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff. (176, 177).

1484) Beschuldigtenvernehmung von Kai F. vom 14. Mai 1997, MAT

A TH-2/32, Bl. 560 ff. (561).

Drucksache 17/14600 – 184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

brennen war Geigel und Nachgemache vom ,Ku

Klux Klan’.“1485

Die Staatsanwaltschaft Gera erhob am 15. August 1997

Anklage gegen Uwe Böhnhardt sowie sieben weitere

Personen, darunter André Kapke, Ralf Wohlleben und

Holger Gerlach, wegen Verwendens von Kennzeichen

einer nationalsozialistischen Organisation.
1486

Die Eröffnung des Verfahrens wurde am 25. Januar 2000,

also zweieinhalb Jahre nach Erhebung der Anklage, vom

Amtsgericht Jena mit der Begründung abgelehnt, dass die

Kreuzverbrennung selbst keine strafbare Handlung dar-

stelle und der Hitler- bzw. Kühnengruß unter Ausschluss

der Öffentlichkeit gezeigt worden und somit ebenfalls

nicht strafbar sei. So heißt es in der Begründung des

Nichteröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts Jena:

„Das Merkmal des öffentlichen Verwendens wird
von der Rechtsprechung nicht bejaht, wenn das

Kennzeichen lediglich von durch persönliche Be-

ziehung verbundene Personen bzw. Personenkreise

wahrgenommen werden kann und nicht nach au-

ßen dringt. So lag es hier.“1487

bb) Verbindungen der Quelle Q1 und eines
weiteren Thüringer Mitglieds zum „EWK
KKK“ um Achim S.

In Bezug auf das Trio hat der Untersuchungsausschuss

neben der Tatsache, dass der Gruppenführer der ermorde-

ten Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter zeitweilig Mit-

glied im „EWK KKK“ war1488, außerdem festgestellt,
dass die Quelle Q1 des BfV, die in einer Kontaktliste des

Mundlos aufgeführt war
1489, Kontakt zum „KKK“ hatte.

Zugleich gab sie Informationen als V-Mann über den

„EWK KKK“ an den Verfassungsschutz weiter. Außer-
dem hatte Q1 im Jahr 1995, einige Jahre vor dem Unter-

tauchen des Trios unmittelbar Kontakt zu Uwe

Mundlos.
1490

Zudem gab es auch ein Thüringer Mitglied im „EWK
KKK“ namens René H., der aus Eisenach stammte1491 und
bei „Blood & Honour“ aktiv war.

cc) Achim S. als mutmaßliche Kontaktperson
des untergetauchten Trios?

Ein im Rahmen der Suchoperation „Terzett“ nach dem
untergetauchten Trio gefertigter Vermerk des LfV Sach-
1485) Beschuldigtenvernehmung von Tom T. vom 21. Januar 1997,

MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff. (176, 177).

1486) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Gera vom

15. August 1997 MAT A TH-2/33, Bl. 579 ff.

1487) Beschluss des AG Jena (Az. 114 Js 20864/96 2 Ls jug) vom
25. Januar 2000, MAT A TH-2/33, Bl. 688 f. (689).

1488) Näheres hierzu unter C.II.5.d) und G.X.

1489) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.

1490) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.

1491) Vermerk des LfV BW vom 9. März 2012, MAT A BW-11/4,

Bl. 202 ff. (208).

sen vom 7. März 2000 enthält eine „Zusammenstellung
möglicher Kontaktpersonen“ aus der rechtsextremisti-

schen Skinhead-Szene.
1492

Als einzige Person außerhalb

von Sachsen wird Achim S. genannt. Da zu diesem Ver-

merk keine weiteren Informationen in den Akten zu fin-

den sind, hat der Ausschuss Fragen an die Länder Baden-

Württemberg und Sachsen gerichtet. Das Innenministeri-

um Baden-Württemberg hat mit Schreiben vom 18. Juli

2013 („Zwischenbericht“)
1493

geantwortet, dass dieser

Vermerk damals nicht beim LfV Baden-Württemberg

eingegangen sei. Erkenntnisse zu dem in dem Vermerk

genannten Fall „Terzett“ sowie Erkenntnisse zu den wei-
teren auf der Liste genannten Personen mit Wohnsitz

außerhalb Baden-Württembergs hinsichtlich etwaiger

Bezüge zum NSU lägen beim LfV Baden-Württemberg

nicht vor. Eine abschließende Auswertung der Akten

stehe noch aus. Mit Schreiben vom 22. Juli 2013
1494

hat

das LfV Sachsen den Ausschuss darüber informiert, dass

sich der im Rahmen der Operation „Terzett“ verfasste
Vermerk nicht auf mögliche Kontaktpersonen des Trios

bezogen habe. Vielmehr handele es sich um Kontaktper-

sonen von Andreas G., der Zielperson einer am 9. März

2000 eingeleiteten Observationsmaßnahme war. Hinter-

grund für die Observation seien Erkenntnisse des LfV

Thüringen gewesen, wonach G. berichtet habe, „dass es
den dreien gut gehe.“ Die Liste habe als Handreichung für
die Observationskräfte der Observation des G. dienen

sollen. Damit sollte die Identifizierung von Kontaktperso-

nen des Zielobjekts erleichtert werden. Achim S. sei dem

LfV Sachsen damals aufgrund eines Ermittlungsverfah-

rens aus dem Jahre 1993 wegen Hausfriedensbruchs und

Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Orga-

nisationen in Chemnitz bekannt gewesen. Dies ergebe

sich auch aus einem Schreiben des LfV Baden-

Württemberg vom 18. Juli 1994 an das LfV Sachsen.

d) Mitgliedschaft von Polizeibeamten des
Landes Baden-Württemberg im KKK

Der Ausschuss hat sich damit befasst, ob es Verbindun-

gen des „KKK“ zur Polizei in Baden-Württemberg gab.
Ausgangspunkt dieser Prüfung war die Feststellung, dass

der am Tattag verantwortliche Gruppenführer der ermor-

deten Polizistin Michèle Kiesewetter
1495

sowie ein weite-

rer Polizist aus Baden-Württemberg zeitweilig Mitglied

im „KKK“ waren.

Timo H. wurde ebenso wie ein weiterer Polizeibeamter,

Jörg W., Ende 2001 über den Bruder eines Mitgliedes im

Klan, der Polizeibeamter war, als Mitglied des „EWK
KKK“ geworben. Beide waren Vollmitglieder. Jörg W.
1492) MAT A SN-1/12a, S. 30.

1493) Schreiben des baden-württembergischen Innenministeriums
vom 18. Juli 2013, MAT B BW-1.

1494) Übersendungsschreiben des LfV Sachsen vom 22. Juli 2013,

MAT B SN-3, (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 1 ff. (VS-NfD).

1495) Siehe hierzu weiteres auch Näheres hierzu unter C.II.5.d) und

G.X.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185 – Drucksache 17/14600

trat im Mai/Juni 2002, Timo H. im August/September

2002 wieder aus dem „EWK KKK“ aus. Das LfV Baden-
Württemberg hat mitgeteilt, weitere Mitgliedschaften von

Polizeibeamten seien ihm nicht bekannt.
1496

Wie einem Bericht des Innenministeriums Baden-

Württemberg vom 20. August 2012 zu entnehmen ist,

welcher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden

ist, informierte das LfV Baden-Württemberg das Landes-

polizeipräsidium bereits am 3. Juni 2002 in einem persön-

lichen Gespräch über die Mitgliedschaft beider Polizeibe-

amter im „EWK KKK“. Im Mai 2004 bat das Innenminis-
terium Baden-Württemberg das Bereitschaftspolizeipräsi-

dium und die Landespolizeidirektion Stuttgart, diszipli-

narrechtliche Ermittlungen zu veranlassen.
1497

In den

Einlassungen legte der Rechtsvertreter von Timo H. dar,

dass es sich um eine vorübergehende Fehlorientierung

gehandelt habe. Da die beteiligten Personen bei den Tref-

fen sehr zuvorkommend und nett miteinander umgegan-

gen seien und auch viel über die Bibel und das Christen-

tum gesprochen worden sei, habe er der Organisation

primär christliche Ansätze unterstellt.
1498

Auch der

Rechtsvertreter des zweiten betroffenen Beamten legte

dar, dass der „KKK“ eine Art „Kirchenersatz“ für seinen
Mandanten dargestellt habe, er selbst aber nie auf rechts-

extremem oder rassistischem Boden gestanden habe.
1499

Die Tatsache, dass Timo H. Mitglied des „KKK“ gewesen
sei, erfuhr der Einsatzführer Andreas R. im Jahr 2005 von

einem Ermittler, als er als dessen Vorgesetzter um eine

Stellungnahme gebeten wurde.
1500

Die Prüfung disziplina-

rischer Maßnahmen gegen Timo H. wurde am 11. April

2005 mit einer Zurechtweisung im Sinne von § 6 Abs. 2

LDO beendet.
1501

Gegen den zweiten Beamten, Jörg W.,

erging eine Rüge. Der Bericht des Innenministeriums

Baden-Württemberg vom 20. August 2012 stellte fest,

eine Entfernung dieses Beamten aus dem Dienst sei nicht

mehr möglich gewesen. Weshalb gegen ihn jedoch nicht

unverzüglich eine Disziplinarverfügung mit einer anderen

Maßnahme oder ein förmliches Disziplinarverfahren

erlassen bzw. durchgeführt worden sei, lasse sich nicht

mehr aufklären. Im Fall des zweiten Beamten, Timo H.,

seien die Erkenntnisse erstmals im September 2002

vorhaltbar gewesen. Damals hätte bei unverzüglichem

Tätigwerden auch die Entlassung aus dem Dienst wegen
1496) Bericht des LfV BW vom 9. März 2012, MAT A GBA-4/19,

Bl. 369 ff, Bl. 379.

1497) Bericht des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
20. August 2012, „Kontakte von zwei baden-
württembergischen Polizeibeamten zum European White
Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)“,
http://www.innenministerium.baden-

wuerttemberg.de/fm7/2028/Bericht_KKK.pdf.

1498) Schreiben vom 1. September 2004, MAT A GBA-4/19, Bl. 393

ff.

1499) Schreiben vom 2. November 2004, MAT A BW-6, Bl. 1152 ff.

1500) Opferumfeldermittlungen – Maßnahme 321 vom 20. März
2012, GBA-4/19, Bl. 353.

1501) MAT A GBA-4/19, Bl. 396 ff.

mangelnder Bewährung geprüft werden können. Beide

Beamte seien weiterhin im Polizeidienst.
1502

Der Untersuchungsausschuss hat die Frage erörtert, ob es

neben Timo H. und Jörg W. noch weitere Polizeibeamte

im „KKK“ gegeben hat. Aus einem Bericht des LfV Ba-
den-Württemberg vom 9. März 2012 geht hervor, dass

diesem keine weiteren Mitgliedschaften von Polizeibeam-

ten im „KKK“ bekannt seien,1503 drei weitere Polizeibe-
amte jedoch Kontakt zum „EWK KKK“ gehabt hätten.
Allerdings erteilte das BfV nur bezüglich Timo H. und

Jörg W. die Freigabe zu einem Personalgespräch,
1504

da

die Erkenntnisse bezüglich der anderen weder vorhaltbar

noch belegbar gewesen seien.
1505

Die Zeugin Neumann hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss auf Nachfrage nicht genau beziffern können, wie

viele Polizeibeamte am „KKK“ interessiert waren.1506 Der
Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 Präsident

des LfV Baden-Württemberg war, hat dazu erklärt, dass

es sich wohl um drei Personen gehandelt habe, die zu-

mindest Kontakte zum „EWK KKK“ hatten. Dieser Ver-
dacht habe sich im Verlauf der Ermittlungen jedoch nicht

erhärtet.
1507

Auch Achim S. selbst habe mehrfach erwähnt,

dass es nur zwei Polizeibeamte im „EWK KKK“ gebe,
und er mit diesen auch sehr schnell unzufrieden gewesen

sei, da diese sich nicht mehr gemeldet hätten und kein

Interesse mehr am „EWK KKK“ zeigten.1508 Im Juli 2002
führte Achim S. aus, dass er keine weiteren Polizeibeam-

ten aufnehmen wolle, da er fürchte, dass damit Spitzel die

Organisation unterwandern könnten.
1509

Es spreche des-

halb aus Sicht des Zeugen Dr. Rannacher nichts dafür,

dass mehr als zwei Polizeibeamte Mitglieder des „EWK
KKK“ gewesen seien.1510

In einem Artikel der taz vom 9. Februar 2013 wurde be-

richtet, dass Achim S. in einem Abschöpfungsgespräch

den Verfassungsschutz wissen ließ, dass zehn bis zwanzig

Stuttgarter Polizisten am Klan interessiert gewesen sei-
1502) Bericht des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

20. August 2012, „Kontakte von zwei baden-
württembergischen Polizeibeamten zum European White

Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK)“,
http://www.innenministerium.baden-
wuerttemberg.de/fm7/2028/Bericht_KKK.pdf.

1503) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,

MAT A GBA-4/19, Bl. 371 ff. (379).

1504) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (23).

1505) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (16).

1506) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 17-18.

1507) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 50.

1508) Dr.Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 50.

1509) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 GEHEIM), Bl. 2302,

2303 (VS-VERTRAULICH).

1510) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 53.

Drucksache 17/14600 – 186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

en.
1511

Dazu hat der Zeuge Dr. Rannacher vor dem Unter-

suchungsausschuss ausgeführt:

„Es gab einen […] Hinweis […] des BfV, dass es
angeblich im Stuttgarter Bereich eine Einheit gebe,

wo es eine Art Stammtisch von einigen Beamten

gebe, die sehr radikal seien. Das ist aber auch nie

in irgendeiner Weise verifiziert worden. Es gab

keinerlei Bestätigungen in diese Richtung.“1512

Im September 2002 wurde dem LfV Baden-Württemberg

bekannt, dass es einen Hinweisgeber geben müsse, der

Achim S. mit vertraulichen Informationen, zunächst per E-

Mail, dann über ein „Chat-Gespräch“ versorgt hatte.1513
Aufgrund des Chatgesprächs hätten Rückschlüsse auf

einen „Spitzel“ gezogen werden können, da der Hinweis-
geber Achim S. in dem Gespräch vor einem solchen in den

eigenen Reihen warnte. In einem Schreiben vom

14. Oktober 2012 führte der ehemalige Präsident des LfV

Baden-Württemberg, Dr. Rannacher, zu diesem Sachver-

halt aus, der V-Mann habe über einen beachtlichen Zu-

gang zur rechtsextremen Szene verfügt. Die Informatio-

nen zum „EWK KKK“ seien dagegen lediglich Rander-
kenntnisse gewesen.

1514
Die Zeugin Neumann hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss am 18. April 2013 ausgesagt, dass zunächst nicht

klar gewesen sei, aus welchem Bereich der Hinweisgeber

stamme, da eine Vielzahl von Personen mit dem Gesamt-

komplex „KKK“ innerhalb des LfV Baden-Württemberg
beschäftigt gewesen seien.

1515
Ab September bis Ende

2002 wurden aufwendige Aufklärungsmaßnahmen auf

Grundlage des o. g. Chatprotokolls durchgeführt, um den

Hinweisgeber ausfindig zu machen. Da im Chat-Gespräch

auch Informationen preisgegeben wurden, die man zuvor

aus der G 10-Maßnahme gegen Achim S. erhalten hatte,

musste der entsprechende Chatpartner in dieser Stelle

tätig gewesen sein.
1516

Im Verlauf der Ermittlungen erhärtete sich der Verdacht

auf einen bestimmten Beamten aus dem LfV. Laut Aus-

sage des Zeugen Dr. Rannacher reichte die Erkenntnisba-

sis jedoch nicht aus, um offiziell ein Straf- oder Diszipli-

narverfahren einzuleiten.
1517

Es wurde daher die Sicher-

heitslösung gewählt, den Beamten mit dem Vorwurf zu

konfrontieren. Grund dafür war auch die mögliche Quel-

lengefährdung bei Einleitung eines Disziplinarverfah-
1511) taz online, MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 GEHEIM), Bl.

1668 (VS-VERTRAULICH).

1512) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 59.

1513) Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem Euro-

pean White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom

24. Oktober 2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff (12, 20).

1514) MAT A BW-11/3, Bl. 56 ff. (56, 57).

1515) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 20.

1516) Schreiben Dr. Rannacher an Bube vom 15. Oktober 2012,
MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (12); Dr. Rannacher, Protokoll-Nr.

65, S. 64.

1517) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 64

rens.
1518

Die Konfrontation fand im Rahmen eines Perso-

nalgesprächs im Februar 2003 statt.
1519

Dem Beamten

wurde mit sofortiger Wirkung die Ermächtigung zum

Umgang mit Verschlusssachen entzogen und Hausverbot

erteilt. Der Beamte gab bei dem Gespräch nicht zu, die

ihm vorgeworfene Handlung begangen zu haben, bestritt

sie aber auch nicht. Mit seiner Abordnung zum Regie-

rungspräsidium Stuttgart war er einverstanden.
1520

Dem

Regierungspräsidium Stuttgart wurde mitgeteilt, dass die

Abordnung aufgrund eines Sicherheitsvorkommnisses

erfolgte. Details wurden hierzu nicht erläutert.
1521

e) Rolle des Achim S. im „Ku-Klux-Klan“

Achim S. gehörte nach eigenen Angaben seit ca. 1990 der

rechtsextremistischen Szene an und wurde in der Presse

als ehemaliger V-Mann des LfV Baden-Württemberg

bezeichnet.
1522

Diesem Verdacht hat Achim S. in einem

Interview mit der Bild widersprochen.
1523

Vom Untersu-

chungsausschuss ist die Rolle von Achim S. als Gründer

und Leiter des „EWK KKK“ näher beleuchtet worden.

1994 wurde von Achim S. eine Skinhead-Band unter dem

Namen „Wolfsrudel“ gegründet. 1997 fand er neue
Bandmitglieder und gründete die Band „Höllenhunde“,
welche 1999 aufgelöst wurde. Anschließend gründete er

die Band „Celtic Moon“. Die Band „Wolfsrudel“ bestand
daneben als Soloprojekt weiter. Zwischen 1998 und 2000

trat Achim S. bei zahlreichen Veranstaltungen im gesam-

ten Bundesgebiet auf, u. a. bei Veranstaltungen der NPD

und den „Jungen Nationaldemokraten“.1524

Achim S. gehörte nach eigenen Angaben zwischen 1998

und 2000 den „International Knights of the Ku Klux
Klan“ an. Er verließ diese im Jahr 2000, gründete am
1. Oktober 2000 die „European White Knights of the Ku
Klux Klan“1525 und agierte dort unter dem Pseudonym
1518) Schreiben Dr. Rannacher an Bube vom 15. Oktober 2012,

MAT A BW-11/3, Bl. 56 ff. (57, 58); Stellungnahme zum
Schreiben des LfV vom 29. Oktober 2012 durch einen Mitar-

beiter des LfV, MAT A BW-11/3, Bl. 68 f. (68).

1519) Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungs-
schutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem Euro-

pean White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom

24. Oktober 2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (12); Vermerk
über das Personalgespräch mit dem Hinweisgeber: MAT A

BW-11/3, Bl. 53 f.

1520) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 64; Sicherheitsproblem
2002 beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-

Württemberg im Zusammenhang mit dem European White

Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom 24. Oktober

2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (12).

1521) Aktenvermerk vom 15. Oktober 2012 eines Mitarbeiters des

LfV an Bube, MAT A BW-11/3, Bl. 110 ff. (111).

1522) taz.de, vom 20. Februar 2013 „ Die Reue des Rassisten-Chefs“
oder Stuttgarter-Zeitung-de, vom 27. Mai 2013 „Mit Rassisten
unter einer Decke“.

1523) Bild.de vom 4. November 2012 „Die Beichte der Kapuze“.

1524) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,

MAT A BW-11/4, Bl. 202 ff. (207).

1525) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28).
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 187 – Drucksache 17/14600

„Ryan Davis“.1526 Achim S. wurde kurz danach in den
USA auf einer sog. „Rallye“ zum Klan-Führer („Grand-
Dragon“) ernannt.1527

Am 14. Oktober 2000 wurde die Wohnung von Achim S.

aufgrund eines Ermittlungsverfahrens durchsucht. Dabei

wurden zahlreiche Tonträger, sowie Material, welches die

Mitgliedschaft beim „KKK“ belegte, beschlagnahmt.1528
Mit Urteil vom 15. Dezember 2000 wurde er wegen Ver-

wendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisa-

tionen (§ 86a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB), gemeinschaftli-

cher Volksverhetzung (§§ 130 Abs. 2 Nr. 1 a, b, d, Abs. 4;

25 Abs. 2 StGB) und gemeinschaftlicher Verbreitung

einer Schrift nach dem Gesetz über die Verbreitung ju-

gendgefährdender Schriften (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 6

GjSM, § 25 Abs. 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von

fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.
1529

Im Jahr 2001 wurde der „EWK KKK“ zum Beobach-
tungsobjekt des Verfassungsschutzes erhoben. In der

Folgezeit wurden Observationsmaßnahmen, besonders bei

einer sog. „Jahresrallye“ des „EWK KKK“ am
12./13. Juli 2002 vorgenommen. Zwischen dem 4. Juli

2002 und dem 27. Juli 2002 fand eine G 10-Maßnahme

gegen Achim S. statt.
1530

Am 31. August 2002 folgte eine

Anspracheaktion mehrerer Verfassungsschutzämter bei

Mitgliedern und Sympathisanten des „EWK KKK“.1531
Nachdem sich der Klan-Anführer Achim S., augenschein-

lich vor allem aufgrund familiärer Probleme
1532

, nach der

Anspracheaktion zunächst vom „EWK KKK“ zurückge-
zogen hatte, wurde er Ende 2002 offiziell, auch aufgrund

anderweitiger Verfehlungen, aus dem „EWK KKK“ aus-
geschlossen. Die Klanstrukturen in Baden-Württemberg

wurden durch Gerald P., der zunächst die Ämter von

Achim S. übernommen hatte, im Frühjahr 2003 aufgelöst,

obwohl noch einige Personen dem „KKK“ in der Folge
zugerechnet werden konnten.

1533
Trotzdem vermerkte das

LfV Baden-Württemberg, dass seit Ende 2003 keine Ak-

tivitäten des „EWK KKK“ mehr festgestellt werden konn-
ten.

1534

1526) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,

MAT A BW-11/4, Bl. 202 ff. (207).

1527) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,
Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28).

1528) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. März 2012,
MAT A BW-11/4, Bl. 202 ff. (207) .

1529) Urteil des AG Ellwangen vom 15. Dezember 2000 (Az.

1 Ls 11 Js 6877/99 hw), MAT A BW-10/1, Bl. 146 ff.

1530) Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungs-

schutz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem Euro-

pean White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK) vom
24. Oktober 2012, MAT A BW-11/3, Bl. 9 ff. (20).

1531) Vgl. ausführlich unter C.II.5.h).

1532) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 2731 ff.

1533) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 2783 ff. (2786).

1534) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom

8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (28, 29).

f) V-Personen im „EWK KKK“

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob im „KKK“
V-Leute aktiv waren.

Der Ausschuss hat festgestellt, dass das LfV Baden-

Württemberg ab Mitte der 90er Jahre eine V-Person ge-

führt hatte, die aus einem NPD-Kreisverband und einer

Skinhead-Szene berichtete.
1535

In einem Bericht vermerk-

te das LfV Baden-Württemberg, dass die V-Person in

ihrer Zeit als Quelle nachrichtenehrlich, jedoch nicht

zuverlässig gewesen sei.
1536

Über den Internetchat „Combat 18“ teilte die V-Person
mit, dass sie Mitglied im „KKK“ sei. Gegenüber ihrem V-
Mann-Führer hatte diese Mitgliedschaft jedoch nie zuvor

eine Erwähnung gefunden. Als die V-Person anschließend

damit konfrontiert wurde, bestritt sie die Aktivitäten und

leugnete die Mitgliedschaft im KKK. Durch eine Polizei-

Mail im September 2000 im Nachgang zu einer

Gefährderansprache wurde die Mitgliedschaft jedoch

bestätigt. Da auch ihre Kontakte im Skinhead-Bereich und

im Bereich der NPD kontinuierlich abnahmen, wurde die

V-Person wegen Unzuverlässigkeit im November 2000

abgeschaltet.
1537

Nach ihrer Abschaltung nahm das BfV erstmalig im

Sommer 2002 im Rahmen der Gefährderansprache
1538

Kontakt zu der V-Person auf. Eine erneute Kontaktauf-

nahme zum LfV Baden-Württemberg erfolgte auf Initiati-

ve der ehemaligen V-Person Mitte 2003, woraufhin ein

Treffen mit ihr und einem Mitarbeiter des LfV stattfand.

Die ehemalige V-Person hatte angekündigt, umfangreiche

Informationen zum „KKK“ offenbaren zu wollen und
suchte dafür einen adäquaten Ansprechpartner.

1539
Der

Zeuge Dr. Rannacher hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss ausgeführt, dass das BfV an einem solchen Ge-

spräch ausgesprochen interessiert gewesen sei.
1540

Die

ehemalige V-Person des LfV Baden-Württemberg über-

gab anlässlich dieser Gespräche u. a. einige Unterlagen,

die Einblick in die Denkstrukturen des „EWK KKK“
boten und gab Namen von aktiven und ehemaligen Mit-

gliedern preis. Auch ging es in den Gesprächen um einen

anonymen Hinweisgeber aus den Reihen des LfV Baden-

Württemberg sowie um die Zugehörigkeit zweier Polizei-

beamter zum „EWK KKK“ bzw. um Interessensbekun-
dungen mehrerer Polizeibeamter an dieser Organisation.

Ein Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg wies beim

letzten Gespräch die ehemalige V-Person darauf hin, dass

es keinen Anlass für eine weitere Kontaktaufnahme ge-
1535) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),

Bl. 4929 ff. (4929).

1536) MAT A BW-10/4 (Tgb.-Nr.144/13 – GEHEIM).

1537) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 4929 ff. (4230).

1538) vgl. ausführlich unter C.II.5.h).

1539) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr.143/13 – VS-VERTRAULICH) Bl.
1662 ff., 1667 ff.

1540) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 52.

Drucksache 17/14600 – 188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

be.
1541

Im Herbst 2012 meldete sich die ehemalige V-

Person via E-Mail beim LfV Baden-Württemberg und bat

darin um Kontaktaufnahme. Auf Weisung der Präsidentin

wurde dies unterlassen.
1542

g) Q1 und der „KKK“

Der Zeuge G. B. hat vor dem Untersuchungsausschuss

erläutert, wie es zum Einsatz von Q1 im Bereich des

„KKK“ gekommen sei. Nach Rücksprache und auf aus-
drückliches Drängen der V-Mann-Führung sei Q1 dann in

diesem Bereich angesetzt worden.
1543

Er berichtete in der

Folgezeit ab Ende der 1990er oder Anfang der 2000er

Jahre mehrfach und intensiv über den „KKK“ in Deutsch-
land. Dies war möglich, da er in engem Kontakt zu maß-

geblichen Kreisen in Deutschland stand.
1544

Eine Er-

kenntnisanfrage des BKA beantwortete das LfV im

Sommer 2012. Darin teilte es mit, Kontakte zu anderen

Mitgliedern des „EWK KKK“ seien nicht belegbar. Den
Verfassungsschutzbehörden lagen Anfang der 2000er

Jahre Informationen über Mitglieder des „KKK“ vor,
insbesondere auch aus dem Kreis von Polizeibeamten aus

Baden-Württemberg, über den Aufbau und Strukturen des

„KKK“ in Deutschland, die Verbindungen zu den USA,
über Publikationen sowie über Veranstaltungen der rassis-

tischen Vereinigung.
1545

Festzustellen bleibt auch, dass sich Q1 auf einer Kontakt-

liste von Mundlos befand.
1546

h) Aktivitäten des Carsten Szczepanski im
Zusammenhang mit dem „KKK“

Carsten Szczepanski gab in der Rolle als V-Mann in ins-

gesamt fünf Gesprächen im Jahr 1998 Hinweise zum

Trio.
1547

Auch er stand im Zusammenhang mit „KKK“-
Aktivitäten:

Im September/Oktober 1991 wurden Flugblätter des

„KKK“ sowie die Zeitschrift Das Feuerkreuz des „KKK“
in Berlin verteilt. Im Oktober 1991 berichtete der Fern-

sehsender RTL in der Sendung Explosiv über ein im Vor-

monat stattgefundenes Treffen von „KKK“-Anhängern.
Dort fand eine Kreuzverbrennung statt, Hakenkreuzfah-

nen wurden gezeigt und der „Hitlergruß“ entboten. Unter
Beteiligung des amerikanischen Klanangehörigen Mahon

wurde diese Veranstaltung durch Carsten Szczepanski in

Halbe, Landkreis Königs Wusterhausen, organisiert. Auf-

grund dieses Sachverhalts wurde am 30. Oktober 1991 ein

Ermittlungsverfahren durch die Polizei in Königs Wuster-
1541) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr.143/13 – VS-VERTRAULICH),

Bl. 1662 ff., 1667 ff.

1542) MAT A BW-10/4 (Tgb.-Nr. 144/13 – GEHEIM).

1543) G.B., Protokoll-Nr. 64, Bl. 14, 15 (GEHEIM).

1544) G.B., Protokoll-Nr. 64, S. 15 (GEHEIM).

1545) Vermerk des BfV vom 12. Februar 2001, hierzu MAT A BfV-

4/10 Bd. I (Tgb.-Nr. 172/13 GEHEIM), Bl. 35-45

1546) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.

1547) Siehe unter E.III.6.h)bb) und D.III.1.k).

hausen eingeleitet, das später an den Generalbundesan-

walt abgegeben wurde.
1548

Im Dezember 1991 wurde in Berlin eine von Carsten

Szczepanski angemietete Wohnung in einem verwahrlos-

ten Zustand durch die Vermieter aufgefunden. Die hinzu-

gezogene Polizei fand in der Wohnung vier Rohrbomben-

körper, chemische Substanzen und Flugblätter des

„KKK“.

Das Verfahren des GBA nach § 129a StGB richtete sich

gegen Carsten Szczepanski, Mahon und 33 weitere Be-

schuldigte wegen des Verdachts der Gründung bzw. Mit-

gliedschaft oder Unterstützung einer Teilorganisation des

amerikanischen „KKK“, wurde jedoch am 1. September
1992 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels eines hinrei-

chenden Tatverdachts eingestellt und aufgrund der damit

entfallenen Zuständigkeit des GBA an die Staatsanwalt-

schaft Berlin zur Verfolgung der verbliebenen strafrecht-

lichen Vorwürfe abgegeben.
1549

Übrig blieben am Ende bzgl. Carsten Szczepanski die

Tatvorwürfe Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz (weil er

Nitro-Methan in seinem Besitz hatte), ggf. Vorbereitung

eines Sprengstoffverbrechens, Verstöße gegen § 86a

StGB wegen Zeigen des Hitlergrußes und Zeigen einer

Hakenkreuzfahne, zwei Vergehen nach § 131 StGB we-

gen Herstellung und Verbreitung zweier Ausgaben der

Zeitschrift Feuerkreuz und Urkundendelikte wegen des

Besitzes von fremden Reisepässen.
1550

Der GBA stellte in seiner Einstellungsbegründung fol-

gendes fest:

„Es ist davon auszugehen, dass Mitglieder des
KKK auch Katalogstraftaten im Sinne des

§ 129 a StGB begehen, dies jedoch nicht auf alle

Zweige des Klans zutrifft. Es muss deshalb zwi-

schen ihnen unterschieden werden, weil nach dem

Ergebnis der Ermittlungen verschiedene Klans in

Deutschland Fuß gefasst bzw. zu fassen versucht

haben, von denen einige die Anwendung von Ge-

walt ausdrücklich ablehnen und das Vereinsleben

auf harmlose Rituale beschränkt haben, so dass ih-

re etwaigen Teilorganisationen auf deutschem Bo-

den den Tatbestand des § 129 a StGB nur dann er-

füllen könnten, wenn sie eigene, weitergehende

Ziele verfolgten. Da die deutschen KKK-Gruppen

untereinander nicht verbunden sind – es bestehen
nur einige persönliche Kontakte zwischen den

Mitgliedern – und auch keine gemeinsame Dach-
organisation haben, müssen sie jeweils einzeln

überprüft werden (AZ.: 2 BJs 12/92-2).“1551
1548) Schlussbericht des BKA vom 4. August 1992, MAT A GBA-

10c, Bl. 212 ff. (214).

1549) Teilabtrennung und -einstellung des GBA vom 1. September

1992, MAT A GBA-10e, Bl. 222 ff. (222, 229).

1550) Teilabtrennung und -einstellung des GBA vom 1. September
1992, MAT A GBA-10e, Bl. 222 ff.

1551) Teilabtrennung und -einstellung des GBA vom 1. September

1992, MAT A GBA-10e, Bl. 222 ff. (223).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189 – Drucksache 17/14600

Dabei hatten bis zur Einstellung des Ermittlungsverfah-

rens nach § 129a StGB drei der Beschuldigten vollendete

oder versuchte Tötungsdelikte aus rechtsextremen Moti-

ven begangen und befanden sich – bis auf Carsten
Szczepanski – deshalb in Untersuchungshaft, als der Ge-
neralbundesanwalt das Ermittlungsverfahren einstellte:

Stefan S., Carsten Szczepanski und Norman Z.
1552

Stefan

S. misshandelte am 18. März 1992 mit einem weiteren

Naziskinhead den 53-jährigen Seemann Gustav

Schneeclaus in Buxtehude so schwer, dass er an den Fol-

gen der Verletzungen starb. Zuvor hatte Schneeclaus

Hitler als „großen Verbrecher“ bezeichnet. Die Bundes-
regierung erkennt Gustav Schneeclaus als Opfer rechter

Gewalt an.
1553

Stefan S. und sein Mittäter wurden wegen

Totschlags zu Haftstrafen von sechs bzw. acht Jahren

verurteilt. Carsten Szczepanski war der Anführer, als am

9. Mai 1992 eine Gruppe von einem Dutzend Naziskins

den nigerianischen Lehrer und Asylbewerber Steve E. in

einer Diskothek in Wendisch Rietz (Brandenburg) unter

„Ku Klux Klan“-Rufen lebensgefährlich misshandelte.
Norman Z. schlug am 29. August 1992 nachts in Berlin-

Charlottenburg mit einem Baseballschläger auf den woh-

nungslosen Kunstmaler Günther Schwannecke und einen

weiteren Obdachlosen ein und fügte Schwannecke dabei

einen tödlichen Schädelbruch zu. Norman Z. wurde we-

gen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren

Haft verurteilt. Die Bundesregierung nennt Schwannecke

1993 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage

als Todesopfer rechter Gewalt.
1554

Mit Urteil vom 13. Februar 1995 wurde Carsten

Szczepanski vom Landgericht Frankfurt/Oder zu acht

Jahren Haft wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft

an einem nigerianischen Staatsbürger verurteilt. Bei der

am 8. Mai 1992 verübten Tat, an der sieben weitere Per-

sonen beteiligt waren und einige dem Tatgeschehen folg-

ten wurden „Ku Klux Klan“-Rufe im Chor getätigt. Diese
Rufe sollten als Tötungsaufforderung gelten und die

Gruppe anstacheln. In dem Urteil des Landgerichts wur-

den beschlagnahmte Materialien zum „KKK“ zitiert, die
aus dem Besitz des Carsten Szczepanski stammen und

teilweise von diesem verfasst wurden.
1555

Beispielsweise

wird aus der von Carsten Szczepanski verfassten rassisti-

schen Druckschrift Feuerkreuz wie folgt zitiert:

„- Ku Klux Klan –

das war die letzte Warnung, danach gibt es den

Strick, sie kommen immer bei Nacht, sie lieben es

Menschen zu quälen, ihr Haß gilt allen Farbigen

und jüdischen Amerikanern. Die Kapuzenmänner
1552) MAT A GBA-10e, Bl. 63.

1553) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-

09/todesopfer-rechte-gewalt/seite-4.

1554) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-
09/todesopfer-rechte-gewalt/seite-4.

1555) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, MAT A

BB-9/1g, Bl. 15 ff.

träumen von einer reinen arischen Nation. Die Ge-

sellschaft der Mörder ist weiß.“1556

Auch heißt es in dem Urteil zu der Einstellung von Cars-

ten Szczepanski:

„In der erhofften Tötung des Steve E. erblickte der
Angeklagte überdies die Verwirklichung der von

ihm tief verinnerlichten Ziele des ‚Ku-Klux-Klans’
und die Gelegenheit, diese Methoden exemplarisch

zu vollziehen.“1557

i) Maßnahmen der Verfassungsschutzbehör-
den in Bezug auf den „EWK KKK“

aa) Maßnahme des LfV Sachsen und des BfV

Ab Mitte des Jahres 2001
1558

wurde das Mitglied des

„EWK KKK“ Martin E. vom Landesverfassungsschutz
Sachsen näher beleuchtet und observiert.

1559
Auch eine

Erkenntnisanfrage zu seiner Mutter und dessen Lebensge-

fährten wurde vorgenommen.
1560

bb) Maßnahme des LfV BW und des BfV

Am 31. August 2002 fand eine konzertierte

Anspracheaktion der Mitglieder des „EWK KKK“ durch
das BfV und einiger Landesbehörden für Verfassungs-

schutz statt. Ziel war es, eine Verunsicherung der Szene

zu bewirken.
1561

Hierzu fand am 22. August 2002 eine Besprechung im

BfV statt, bei der beschlossen wurde, die Mitglie-

der/Sympathisanten des „EWK KKK“ um Achim S., de-
ren Fahrzeuge in der Nähe einer „KKK“-Veranstaltung
am 12./13. Juli 2002 festgestellt worden waren, gezielt

anzusprechen. Primäre Zielsetzung der Anspracheaktion

war die Informationsgewinnung. Die Sympathisan-

ten/Mitglieder sollten außerdem auf die Risiken ihrer

Mitarbeit beim „KKK“ hingewiesen und darüber infor-
miert werden, dass der „KKK“ in den USA eine zutiefst
rassistische Organisation sei, die auch vor schwersten

Straftaten nicht zurückschrecke. Es sollte erreicht werden,

dass diese Personen in der Folge möglichst aus eigenem

Antrieb Abstand vom „EWK KKK“ nehmen würden.1562
Die Anspracheaktion fand wie geplant durch Mitarbeiter
1556) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, MAT A

BB-9/1g, Bl. 15 ff. (77).

1557) Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, MAT A

BB-9/1g, Bl. 15 ff. (97).

1558) Gesprächsnotiz vom 13. September 2001, MAT A SN-12/1,

Bl. 82.

1559) Ermittlungsbericht vom 29. April 2002, MAT A SN-12/1,

Bl. 36.

1560) Erkenntnisse zum Lebensgefährten der Mutter des Martin E.,
MAT A SN-12/1, Bl. 41.

1561) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zum EWK KKK,

Mitgliedschaft von Polizeibeamten in dieser Organisation vom
8. August 2012, MAT A BW-11/4, Bl. 15 ff. (23).

1562) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),

Bl. 2401 f.

Drucksache 17/14600 – 190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der Landesverfassungsschutzbehörden am 31. August

2002 in fünf Bundesländern gleichzeitig statt.
1563

Der BfV vermerkte am 26. September 2002 zur

Anspracheaktion, dass die Aktion die Zielpersonen über-

rascht getroffen und verunsichert hätte. Es sei davon aus-

zugehen, dass einige Mitglieder ihren Verbleib im „EWK
KKK“ kritisch überdenken würden. Außerdem wurde den
Landesverfassungsschutzämtern anheim gestellt, zur

weiteren Informationsgewinnung die Zielpersonen gege-

benenfalls nochmals zu kontaktieren.
1564

Die Zeugin Neumann hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss ausgeführt, dass die Anspracheaktion ein Erfolg

gewesen sei, da bezüglich des „EWK KKK“ seit Ende
2002/Anfang 2003 keine Erkenntnisse mehr angefallen

seien. Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses,

warum eine solch gezielte Beendigungsaktion vorge-

nommen wurde, obwohl der Klan nach vorheriger Ein-

schätzung der Zeugin Neumann noch so unterschwellig in

seinen Aktionen gewesen sei, dass es keine Anknüp-

fungspunkte für ein Ermittlungsverfahren gegeben ha-

be
1565

, hat diese ausgeführt, dass man frühzeitig habe

einschreiten wollen, damit sich nicht etwas Größeres

entwickle. Dies sei aber auch der einzige Fall gewesen,

bei dem man eine derartige Anspracheaktion zur Beendi-

gung einer Gruppierung angewandt hätte. In anderen

Fällen wisse man oft nicht so frühzeitig, dass sich Struk-

turen bildeten, weshalb eine derartige Ansprache oftmals

nicht möglich sei.
1566

Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses, ob bei der

bundesweiten Anspracheaktion die beiden Polizeibeamten

ebenfalls angesprochen worden seien, konnte die Zeugin

Neumann sich nicht daran erinnern.
1567

Der Zeuge Dr.

Rannacher erklärte hierzu, dass dies nach seiner Erinne-

rung nicht geschehen sei, vermochte sich jedoch nicht

mehr an den Grund dafür zu erinnern.
1568

Der Zeuge Oet-

tinger, von 1981 bis Januar 2013 im Landesamt für Ver-

fassungsschutz Baden-Württemberg tätig, hat hierzu vor

dem Untersuchungsausschuss erklärt, dass die Adressaten

der Gefährderansprache auf Grundlage einer vorherigen

Feststellung von Kfz-Kennzeichen im Vorfeld der „Jah-
resrallye“1569 ausgewählt wurden. Die beiden Polizeibe-
amten seien bei diesem Treffen nicht zugegen gewesen.

Eine entsprechende Gefährderansprache der beiden Poli-

zeibeamten wäre mangels vorhaltbarer Beweise dement-

sprechend nicht zu rechtfertigen gewesen und sei deshalb

nicht erfolgt. Erst durch den Ankauf eines PCs vom Ver-

mieter des Achim S. im Februar 2003, auf denen Fotos der

beiden Polizeibeamten gespeichert gewesen seien, hätten
1563) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),

Bl. 2397.

1564) MAT A BW-10/3 (Tgb.-Nr. 143/13 VS-VERTRAULICH),
Bl. 2397 ff. (2400).

1565) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 21, 22.

1566) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 22.

1567) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 25.

1568) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 65.

1569) Näheres hierzu unter C.II.5.i).

dem LfV BW konkrete Beweise der Mitgliedschaft im

„EWK KKK“ vorgelegen, sodass entsprechende Diszipli-
narmaßnahmen hätten eingeleitet werden können.

1570
III. Rolle der Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden bei der Beobachtung der rechts-
extremistischen Szene bis zum 4. Novem-
ber 2011

1. Überblick über die Sicherheitsarchitektur

Der Untersuchungsausschuss hat mehrere Sachverständi-

ge zur Struktur der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden

sowie ihrer Rolle bei der Beobachtung der rechtsextremis-

tischen Szene angehört
1571

und Gutachten
1572

hierzu ange-

fordert.

Die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutsch-

land lässt sich zunächst in die Bereiche der äußeren und

inneren Sicherheit untergliedern. Die äußere Sicherheit

betrifft die Verteidigung gegen äußere Angriffe und die

Sicherung des internationalen Friedens. Die innere Si-

cherheit ist dreigliedrig:
1573

Es wird zunächst aufgrund

des sogenannten Trennungsgebotes zwischen Polizeibe-

hörden und nachrichtendienstlichen Behörden unterschie-

den. Innerhalb der Polizeibehörden erfolgt eine weitere

Differenzierung nach präventiver und repressiver Tätig-

keit.

Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik

Deutschland gibt es Sicherheitsbehörden zudem auf Bun-

des- und auf Landesebene. Dabei sind die Länder primär

zuständig. Für den Bund gilt das Enumerationsprinzip.
1574

a) Dreigliedrigkeit der Inneren Sicherheit

Man unterscheidet repressive, präventiv-polizeiliche und

präventiv-nachrichtendienstliche Maßnahmen.

Die Strafverfolgung obliegt insbesondere den Staatsan-

waltschaften und Strafgerichten, aber auch der Polizei.

Die präventiv-polizeiliche Tätigkeit betrifft die Beseiti-

gung von Gefahren für polizeiliche Schutzgüter. Es geht

um die Beseitigung tatsächlich bestehender, konkreter

Gefährdungen, wobei die Aufklärung des Sachverhalts

eine wichtige Vorstufe darstellt.

Der Polizei ist im Sicherheitsgefüge mithin eine sowohl

repressive als auch präventive Aufgabe zugeschrieben.
1570) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 19 f.; Näheres zu den Diszipli-

narmaßnahmen unter C.II.5.d).

1571) Vgl. Protokoll-Nr. 10 vom 29. März 2012.

1572) Vgl. zum Folgenden insbesondere: Gusy, Gutachten für den

2. Untersuchungsausschuss der 17. WP des Deutschen Bundes-
tages zum Beweisbeschluss S-1, MAT A S-1 und Dr. Wolff,

Überblick über die Entwicklung der Architektur und Arbeits-

weise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Bundes
und der Länder, MAT A S-1/1.

1573) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 10 f.

1574) Vgl. hierzu im Einzelnen C.III.2 und C.III.3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191 – Drucksache 17/14600

Den sowohl zur Sicherung des staatlichen Strafanspruchs

als auch zur Gefahrenabwehr erforderlichen weitgehen-

den Befugnissen der Behörden stehen wegen der Grund-

rechtsrelevanz dieser Befugnisse erhebliche rechtsstaatli-

che Sicherungen der Betroffenen gegenüber.

Demgegenüber erfolgt die präventiv-

nachrichtendienstliche Aufklärung im Vorfeld der polizei-

lichen Gefahr – im Bereich der Verdachtslagen – und
damit unabhängig vom Vorliegen konkretisierbarer An-

haltspunkte für das Bevorstehen einer Gefahrenlage oder

einer Straftat.
1575

Nachrichtendienste sind im Wesentli-

chen beschränkt auf die Sammlung von Informationen,

um Strukturen, Zusammenhänge und Entwicklungspoten-

ziale bestimmter Bestrebungen und Gruppen aufklären zu

können. Darunter fallen Bestrebungen gegen die freiheit-

lich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die

Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder gegen die

gesetzliche Amtsführung ihrer Organe.

Zusammenfassend hat der Sachverständige Prof. Dr.

Wolff erklärt:

„Die Behörde, die alles weiß – Nachrichtendienste
–, soll nicht alles dürfen, und die Behörde, die al-
les darf – Polizei – soll nicht alles wissen.“1576

Die beschriebene Aufgliederung soll den Schutz der Frei-

heitsrechte des Bürgers sichern und die Gefahrenabwehr

effektuieren, indem jeder Behörde die für sie am besten

geeigneten Aufgaben zugeordnet werden.
1577

b) Trennungsgebot

Die strukturelle Trennung der Zuständigkeiten für die

Aufklärung legaler Handlungen einerseits und für die

Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung andererseits, ist

auf das sog. Trennungsgebot zurückzuführen, welches

durch den „Polizeibrief“ der Alliierten Militärgouverneu-
re an den Parlamentarischen Rat begründet wurde.

1578
Das

Schreiben vom 14. April 1949 enthielt die Ermächtigung,

eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Errich-

tung eines Nachrichtendienstes im Grundgesetz zu veran-

kern:

„2. Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestat-
tet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von

Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bun-

desregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten.

Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse ha-

ben.”1579
1575) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Sicherheits- und Ermittlungsbehör-

den des Bundes und der Länder – Aufklärung und Bekämpfung
des Rechtsextremismus, Deutscher Bundestag, Wissenschaftli-
che Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 5.

1576) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.

1577) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.

1578) Der Wortlaut ist abgedruckt bei Dr. Gusy, Das verfassungs-

rechtliche Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichten-

diensten, ZRP 1987, S. 45.

1579) Vgl. Nehm, Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot

und die neue Sicherheitsarchitektur, NJW 2004, S. 3289 f.

Historisch wird diese Vorgabe der Alliierten auf die Er-

fahrungen mit den „Sicherheitsbehörden“ im Dritten
Reich zurückgeführt.

1580
Mit Inkrafttreten des Deutschlandvertrags vom 5. Mai

1955 und der alliierten Verzichtserklärungen kann der

„Polizeibrief” nach überwiegender Meinung heute keine
rechtliche Wirkung mehr entfalten.

1581
In der juristischen

Fachliteratur ist umstritten, ob das Trennungsgebot nun

ein Prinzip des einfachen Gesetzesrechts darstellt oder –
so die wohl herrschende Meinung – Verfassungsrang
besitzt.

1582
Als Grundlage werden zwei Normen aus dem

Grundgesetz und das Rechtsstaatsprinzip, welches sich

insbesondere aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitet, genannt.

Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG spricht von „Zentralstellen“ für
die genannten Aufgaben von Polizei und Verfassungs-

schutz, nicht von einer einzigen Zentralstelle.
1583

Auch

Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG trennt zwischen dem kriminal-

polizeilichen und den nachrichtendienstlichen Bereichen.

Das Trennungsgebot lässt sich in mehrere Ebenen unter-

gliedern
1584

:

Das organisatorische Trennungsgebot besagt, dass es zwei

getrennte Behörden für Polizei und Nachrichtendienste

geben muss. Diese dürfen nicht zusammengelegt wer-

den.
1585

Dadurch soll eine Kumulation der jeweiligen –
weitreichenden – Befugnisse in einer Hand verhindert
werden.

Auf einer weiteren Ebene steht das kompetenzielle oder

befugnisrechtliche Trennungsgebot. Es bestimmt die

Aufgabenverteilung sowie die unterschiedlichen Befug-

nisse der jeweiligen Behörden gegenüber den Bürgern.

Gleichzeitig verbietet es eine Verschiebung von Aufgaben

oder eine wechselseitige Unterstützung, die zu einer Um-

gehung dieser Bestimmungen führen würde. Polizeiliche

Befugnisse wie die Festnahme, Wohnungsdurchsuchung

oder Mittel der Gewaltanwendung dürfen die Nachrich-

tendienste daher nicht erhalten.
1586

Das personelle Trennungsgebot besagt, dass eine Person

nicht gleichzeitig für die Polizei und den Verfassungs-

schutz tätig sein darf.

Eine weitere Ebene stellt das informationelle Trennungs-

gebot dar, welches die Erhebung sowie den Austausch

von Informationen betrifft, die durch die jeweils spezifi-

schen Eingriffsbefugnisse erlangt worden sind. Diese

Fragen sind in der Fachliteratur umstritten.
1587

Das Bun-

desverfassungsgericht hat dazu im April 2013 geurteilt.
1580) Ausführlich zum Trennungsgebot: Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 9

ff. und Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 17-21.

1581) Nehm, Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot und die

neue Sicherheitsarchitektur, NJW 2004, S. 3290.

1582) BVerfG, 1 BvR 1215/07 vom 24. April 2013.

1583) Dr. Gusy, ZRP 1987, S. 45, 46 f.

1584) Vgl. zum Trennungsgebot Gusy, MAT A S-1, Bl. 9 ff.

1585) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.

1586) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.

1587) Siehe hierzu ausführlich unter C.III.3.c).

Drucksache 17/14600 – 192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Zuständigkeit für die Bekämpfung des
Rechtsextremismus

Durch die funktionale Trennung zwischen Polizei und

Nachrichtendiensten gibt es eine Vielzahl von Sicher-

heits- und Ermittlungsbehörden, die mit der Aufklärung

sowie der Bekämpfung des Rechtsextremismus befasst

sind.

Zunächst ist immer eine Zuständigkeit des Verfassungs-

schutzes gegeben, sobald sich rechtsextremistische Be-

strebungen gegen die freiheitlich demokratische Grund-

ordnung richten. Parallel hierzu wird eine polizeiliche

Zuständigkeit begründet, sobald Straftaten bevorstehen

oder begangen werden oder eine konkrete Gefahr für

polizeilich geschützte Rechtsgüter besteht. Hierbei kann

es um die Benutzung von NS-Kennzeichen gehen, aber

auch um Nötigung, Bedrohung oder Straftaten nach dem

Versammlungsgesetz.

Folglich gibt es einen breiten Bereich der Doppelzustän-

digkeit, für den Zusammenarbeits- und Unterstützungs-

pflichten gelten.
1588

Probleme können in diesem Zusam-

menhang unter anderem dadurch entstehen, dass relevante

Informationen bei verschiedenen Behörden anfallen, ohne

an einer Stelle zusammengeführt zu werden oder dadurch,

dass die beteiligten Behörden aufgrund politischer Vorga-

ben unterschiedliche Aufklärungsstrategien verfolgen und

sich gegenseitig behindern.
1589

Problematisch ist weiter-

hin, wenn die Behörden in einem konkreten Fall unter-

schiedliche Ziele verfolgen. Beispielsweise will ein Nach-

richtendienst eine bestimmte Organisation beobachten,

während die Polizei von ihr ausgehende Gefahren abweh-

ren will. Die polizeiliche Aufgabenerfüllung erfordert

häufig Aktivitäten, die nach außen hin sichtbar sind und

von den Betroffenen bemerkt werden. Dieser Umstand

kann eine Observation durch den Nachrichtendienst verei-

teln.
1590

Für die Gefahrenabwehr sowie die Strafverfolgung im

Zusammenhang mit rechtsextremistischen Straftaten sind

auf Landesebene die Landespolizeibehörden und auf

Bundesebene unter bestimmten Umständen das Bundes-

kriminalamt (BKA) sowie die Bundespolizei zuständig.

Die Sachleitungskompetenz für die Strafverfolgung liegt

bei der Staatsanwaltschaft und in bestimmten Fällen beim

Generalbundesanwalt.

Zu den Nachrichtendiensten zählen hingegen die Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder, das Bundesamt für

Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst sowie

der Militärische Abschirmdienst.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Sicher-

heitsarchitektur auf den Prinzipien der Arbeitsteilung,

Bundestaatlichkeit und Kooperation basiert.
1591
1588) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 21 f.

1589) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 41.

1590) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 21 f.

1591) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 1.

d) Aufsichts- und Kontrollgremien

aa) Kontrolle durch Aufsichtsbehörden

Für den Bund und die Länder gilt ein grundgesetzlich

vorgeschriebenes Hierarchieprinzip, nach dem die Auf-

sicht von der Stelle wahrgenommen wird, in deren Ge-

schäftsbereich eine Behörde organisiert ist. Die politische

Verantwortung gegenüber dem Parlament trägt dabei

derjenige, der im Rahmen der Aufgabenverteilung die

oberste Aufsicht hat.
1592

Das Bundesministerium des Innern übt sowohl die Fach-

als auch die Rechtsaufsicht über das BfV
1593

sowie über

das BKA aus. Auch die Bundespolizei untersteht gemäß

Art. 57 Abs. 2 S. 2 BPolG unmittelbar dem BMI und

damit dessen fachlichen und rechtlichen Weisungsrech-

ten.

Der BND ist gemäß § 1 Abs. 1 BNDG dem Geschäftsbe-

reich des Bundeskanzleramtes zuzuordnen und unterliegt

mithin dessen Fach- und Rechtsaufsicht.

Der MAD ist gemäß § 1 MADG dem Bundesministerium

der Verteidigung unterstellt und dessen Fach- und

Rechtsaufsicht unterworfen.

Der GBA ist dem Geschäftsbereich des Bundesministeri-

ums der Justiz untergeordnet und untersteht gemäß § 147

GVG dessen Aufsicht.

Das Recht der Aufsicht und Leitung hinsichtlich aller

staatsanwaltschaftlichen Beamten eines Landes steht der

betreffenden Landesjustizverwaltung zu. Ein General-

staatsanwalt hat die Aufsicht über alle Beamten der

Staatsanwaltschaften seines Bezirks.

Auf Landesebene sind die jeweiligen Landesinnenmini-

sterien für die Aufsicht über ihre Polizeibehörden sowie

ihre Verfassungsschutzbehörden zuständig. Dies ergibt

sich aus den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen

zum Polizei- und Verfassungsschutzrecht.

bb) Parlamentarische Kontrolle

Wie alle anderen Organe, Einrichtungen und Tätigkeits-

felder der vollziehenden Gewalt des Bundes unterliegt die

nachrichtendienstliche Tätigkeit der Kontrolle des Deut-

schen Bundestages.
1594

Nur über die parlamentarische

Kontrolle ist das Tätigwerden der Nachrichtendienste
1592) Vgl. hierzu und zum Folgenden: Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl.

43 ff., Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 60 ff.

1593) Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG.

1594) BVerfGE 124, 161 (191); Wolff, Der nachrichtendienstliche

Geheimschutz und die parlamentarische Kontrolle, JZ 2010,
S. 173 (175); Achterberg/Schulte in: v. Mangoldt/Klein/Starck,

Kommentar zum Grundgesetz Bd. 2, Art. 45d, Rn. 12; Kret-

schmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Grundgesetz
Kommentar, 12. Auflage 2011, Art. 45d, Rn. 5, 7;

Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrich-

tendienste, NVwZ 2000, S. 387 (389).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193 – Drucksache 17/14600

demokratisch legitimiert.
1595

Da die parlamentarische

Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit wegen des

notwendigen Schutzes der betroffenen Sachmaterie auf

besondere Geheimhaltung angewiesen ist, ist diese Auf-

gabe dem eigens dafür geschaffenen Parlamentarischen

Kontrollgremium zugewiesen worden.
1596

Mit der Einfü-

gung des Artikel 45d ins Grundgesetz (GG) hat dies der

Verfassungsgeber nunmehr klargestellt: Das Gremium hat

die Aufgabe der „Kontrolle der nachrichtendienstlichen
Tätigkeit des Bundes“.1597 Kontrollrahmen, Organisation
und Befugnisse des Gremiums sind im Gesetz über die

parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätig-

keit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG) gere-

gelt.

Nicht umfasst von der Kontrolle des PKGr des Bundesta-

ges sind die Verfassungsschutzbehörden der Länder.

Deren Kontrolle obliegt den Landtagen.

2. Ermittlungsbehörden

a) Abgrenzung der Zuständigkeit von GBA
und Landesstaatsanwaltschaften

Die Strafverfolgung ist nach der Kompetenzverteilung des

Grundgesetzes (Art. 30, 92 GG) grundsätzlich Ländersa-

che. Art. 96 Abs. 5 GG regelt jedoch, dass bestimmte

Strafsachen der Gerichtsbarkeit des Bundes unterlie-

gen,
1598

beispielsweise das Gebiet des Staatsschutzes (Art.

96 Abs. 5 Nr. 5 GG). Durch Bundesgesetz kann vorgese-

hen werden, dass Gerichte der Länder die Gerichtsbarkeit

des Bundes ausüben. § 120 Gerichtsverfassungsgesetz

(GVG) überträgt die Gerichtsbarkeit des Bundes auf die

Oberlandesgerichte. Die zentrale Zuständigkeit des Gene-

ralbundesanwalts beim Bundesgerichtshof wird hierdurch

nicht beeinträchtigt. Er übt das Amt des Staatsanwalts

auch vor den im ersten Rechtszug zuständigen Oberlan-

desgerichten aus (§§ 142a, 120 Abs. 1 und 2 GVG).

Primär ist die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts

für die Staatsschutzdelikte wie zum Beispiel Friedens-,

Hoch- und Landesverrat, aber auch insbesondere die

Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB)

gegeben. Hier ist der Generalbundesanwalt grundsätzlich

zur Strafverfolgung berufen, es sei denn, es handelt sich

um Fälle minderer Bedeutung (§§ 120 Abs. 1, 142a Abs.

2 und 3 GVG).

§ 120 Abs. 2 GVG behandelt demgegenüber die Fallkons-

tellationen, in denen der Generalbundesanwalt das Recht

hat, mit Blick auf einen möglichen Staatsschutzbezug und

wegen der „besonderen Bedeutung“ des Falles die Ermitt-
lungen und das Strafverfahren zu übernehmen (sog. Evo-
1595) Hermes, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage,

Supplementum 2010, Art. 45d, Rn. 1.

1596) Gesetzesbegründung zu Artikel 45d GG, Drs. 16/12412, S. 4.

1597) Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom
17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1977).

1598) Voßkuhle in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum

Grundgesetz, 5. Auflage, Art. 96, Rn. 24.

kationsrecht). Gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG begründen

zum Beispiel Gewalttaten, wie Mord, Totschlag, erpresse-

rischer Menschenraub, Geiselnahme und Vorbereitung

eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens unter fol-

genden Voraussetzungen das Evokationsrecht des Gene-

ralbundesanwalts: Die Tat muss hier nach den Umständen

bestimmt und geeignet sein,

a) den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu

beeinträchtigen,

b) Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik

Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen

oder zu untergraben,

c) die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutsch-

land stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts

oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beein-

trächtigen oder

d) den Bestand oder die Sicherheit einer internationa-

len Organisation zu beeinträchtigen.

Außerdem muss eine besondere Bedeutung des Falles

vorliegen. Nur dann kann der Generalbundesanwalt seine

Zuständigkeit annehmen und den Fall an sich ziehen. Die

Rechtsprechung des BGH stellt an die Bejahung der „be-
sonderen Bedeutung“ strenge Anforderungen: Eine be-
sondere Bedeutung des Falles liegt danach nur vor, wenn

es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtsgutver-

letzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erhebli-

chem Gewicht handelt, das die Schutzgüter des Gesamt-

staates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass

ein Einschreiten des GBA und eine Aburteilung durch ein

Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist.

Dem GBA steht hierbei kein Beurteilungsspielraum zu,

seine Entscheidung über die Annahme der Zuständigkeit

ist im Falle der Anklage in vollem Umfang gerichtlich

überprüfbar.
1599

Bei der Prüfung der Zuständigkeit des Generalbundesan-

walts gilt zunächst der Maßstab des § 152 Abs. 2 StPO,

d. h. es müssen „zureichende Anhaltspunkte“ für eines der
in den Katalogen des § 120 GVG aufgeführten Delikte

vorliegen. Auf dieser Rechtsgrundlage des § 152 Abs. 2

StPO ist die aktive Ausschöpfung aller verfügbaren Er-

kenntnisquellen zulässig und geboten. In Betracht kom-

men nicht nur hausinterne Abklärungen und Erkenntnis-

anfragen an Polizei und Nachrichtendienste, sondern auch

konkrete Aufträge an das BKA. Gegebenenfalls ist auch

die (informatorische) Befragung von Personen erforder-

lich. Im Übrigen soll fallbezogen eine Information durch

die bereits ermittelnde Staatsanwaltschaft im Rahmen von

Nr. 202 RiStBV erfolgen.
1600

Nr. 202 RiStBV lautet:
1599) BGH, Beschl. vom 22. Dezember 2000, BGHSt. 46, 238, 253

(„Eggesin“). Im Ermittlungsverfahren unterliegt die Annahme
der „besonderen Bedeutung“ einer lediglich eingeschränkten
Überprüfbarkeit, vgl. Diemer, Erhebungen des Generalbundes-
anwalts zur Klärung des Anfangsverdachts im Rahmen von

ARP-Vorgängen, NStZ 2005, 666, 667 (Willkürgrenze).

1600) Vgl. Diemer, Erhebungen des Generalbundesanwalts zur Klä-
rung des Anfangsverdachts im Rahmen von ARP-Vorgängen,

NStZ 2005, 666, 667.

Drucksache 17/14600 – 194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlan-
desgerichte im ersten Rechtszug gehören

(1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer

zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten

Rechtszug gehörenden Straftat (§ 120 GVG,

Art. 7, 8 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes)

ergibt, übersendet der Staatsanwalt mit einem Be-

gleitschreiben unverzüglich dem Generalbundes-

anwalt.

(2) Das Begleitschreiben soll eine gedrängte Dar-

stellung und eine kurze rechtliche Würdigung des

Sachverhalts enthalten sowie die Umstände ange-

ben, die sonst für das Verfahren von Bedeutung

sein können. Erscheinen richterliche Maßnahmen

alsbald geboten, so ist hierauf hinzuweisen. Das

Schreiben ist dem Generalbundesanwalt über den

Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmit-

telbar bei gleichzeitiger Übersendung von Ab-

schriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten.

(3) Der Staatsanwalt hat jedoch die Amtshandlun-

gen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzuge

ist; dringende richterliche Handlungen soll er nach

Möglichkeit bei dem Ermittlungsrichter des Bun-

desgerichtshofes (§ 169 StPO) beantragen. Vor

solchen Amtshandlungen hat der Staatsanwalt,

soweit möglich, mit dem Generalbundesanwalt

Fühlung zu nehmen; Nr. 5 findet Anwendung.

(4) Die Pflicht der Behörden und Beamten des Po-

lizeidienstes, ihre Verhandlungen in Strafsachen,

die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im

ersten Rechtszug gehören, unmittelbar dem Gene-

ralbundesanwalt zu übersenden (§ 163 Abs. 2

Satz 1 StPO; § 142a Abs. 1 GVG), wird durch

Abs. 1 nicht berührt.“

b) Abgrenzung der Aufgaben der Polizeibe-
hörden Bund/Land

In der bundesstaatlichen Sicherheitsarchitektur Deutsch-

lands haben primär die Länder die Zuständigkeit, die

Sekundärzuständigkeit des Bundes ist auf die durch das

Grundgesetz zugewiesenen konkreten Aufgaben be-

grenzt.
1601

Dies ergibt sich für das Verhältnis der Landes-

kriminalämter zum Bundeskriminalamt aus § 1 Abs. 3

BKAG, wonach grundsätzlich die Länder für die

„Verfolgung sowie die Verhütung von Straftaten
und die Aufgaben der sonstigen Gefahrenabwehr“

zuständig sind. Eine Beteiligung des BKA kommt in drei

Varianten in Betracht: Im Rahmen seiner Zentralstellen-

funktion (a), aufgrund eigener oder übertragener Strafver-

folgungszuständigkeit (b) und zu Koordinierungszwecken

im Rahmen der Strafverfolgung (c).
1601) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 4.

aa) Zentralstellenfunktion

Regelungen zur Zentralstellenfunktion des BKA finden

sich in § 2 BKAG. Danach wird das BKA in Fällen von

„Straftaten mit länderübergreifender, internationa-
ler oder erheblicher Bedeutung“

unterstützend tätig. Hierzu unterhält es diverse Informati-

onssammlungen, wertet die darin enthaltenen Daten aus

und übermittelt so gewonnene Erkenntnisse an die betrof-

fenen Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der

Länder.

Das BKA unterhält ferner zur Unterstützung der Polizeien

des Bundes und der Länder bei der Gefahrenabwehr so-

wie bei der Strafverfolgung zentrale, u. a. erkennungs-

dienstliche, Einrichtungen und Sammlungen. Auf Ersu-

chen der Länder unterstützt es die Polizeien des Weiteren

bei deren Datenverarbeitung. Unter die Zentralstellen-

funktion des BKA wird darüber hinaus auch die Zustän-

digkeit für die kriminaltechnische Forschung, das Erstel-

len von Statistiken und der Bereich der Aus- und Fortbil-

dung gefasst.

bb) Strafverfolgungszuständigkeit

Das BKA nimmt in bestimmten Bereichen der internatio-

nalen und der schweren Kriminalität selbst Strafverfol-

gungsaufgaben wahr. Dabei wird es gemäß § 4 Abs. 1

BKAG entweder aufgrund eigener (originärer) Ermitt-

lungszuständigkeit oder gemäß § 4 Abs. 2 BKAG auf-

grund eines Auftrages tätig.

Die originäre Zuständigkeit besteht

– bei bestimmten schweren Straftaten mit Auslandsbe-
zug,

– bei Straftaten, die sich gegen Bundesorgane richten,
wenn von politischen Motiven auszugehen ist,

– in Fällen bestimmter international organisierter Straf-
taten,

– und wenn Schutzgüter des Bundes selbst betroffen
sind.

Darüber hinaus kann die Zuständigkeit des BKA durch

einen Auftrag des Generalbundesanwalts, durch das Ersu-

chen einer zuständigen Landesbehörde oder durch eine

Zuweisung des Bundesinnenministers ausgelöst werden.

cc) Koordinierung bei der Strafverfolgung

§ 18 BKAG regelt die Koordinierungsfunktion des BKA

für die Fälle, in denen eine Straftat den Bereich mehrerer

Länder berührt oder ein Zusammenhang mit einer anderen

Straftat in einem anderen Land besteht und daher die

einheitliche Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben

auf dem Gebiet der Strafverfolgung angezeigt ist.

Das Bundeskriminalamt weist nach Unterrichtung der

betroffenen Behörden im Einvernehmen mit einem Gene-

ralstaatsanwalt und einer obersten Landesbehörde eines

Landes diesem Land alle polizeilichen Aufgaben auf dem

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 195 – Drucksache 17/14600

Gebiet der Strafverfolgung zu, die mit dieser Straftat

zusammenhängen. Innerhalb eines Landes ist dann grund-

sätzlich das Landeskriminalamt zuständig. Die oberste

Landesbehörde kann an dessen Stelle jedoch auch eine

andere Polizeibehörde im Land für zuständig erklären.

Insgesamt normiert also nur § 4 BKAG Exekutivbefug-

nisse für das Bundeskriminalamt. Im Übrigen handelt es

sich um rein informationelle Funktionen des Amtes.

3. Verfassungsschutz

a) Abgrenzung der Aufgaben von Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder und des
BfV

Gemäß § 3 Abs. 1 BVerfSchG besteht die Aufgabe der

Verfassungsschutzämter auf Bundes- wie auf Landesebe-

ne insbesondere darin, Informationen, Nachrichten und

Unterlagen zu sammeln über

„1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche de-
mokratische Grundordnung, den Bestand oder die

Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet

sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der

Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes

oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele

haben,

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche

Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes

für eine fremde Macht,

3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Geset-

zes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf

gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige

Belange der Bundesrepublik Deutschland gefähr-

den,

4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Geset-

zes, die gegen den Gedanken der Völkerverständi-

gung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbe-

sondere gegen das friedliche Zusammenleben der

Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) ge-

richtet sind.“

Darüber hinaus wirken die Verfassungsschutzbehörden

gemäß § 3 Abs. 2 BVerfSchG bei Sicherheitsüberprüfun-

gen mit.

aa) Aufgabenverteilung

Die Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt für

Verfassungsschutz (BfV) und den Landesverfas-

sungsschutzämtern (LfV) ergibt sich aus § 5 BVerfSchG.

Es gilt das Enumerationsprinzip: § 5 Abs. 1 BVerfSchG

regelt die grundsätzliche Zuständigkeit der Landesbehör-

den für das Sammeln und Auswerten von Informationen,

Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. Für das BfV ist

eine Zuständigkeit dementsprechend nur in bestimmten

Fällen vorgesehen: Wenn Bestrebungen und Tätigkeiten

im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1-4 BVerfSchG

– sich ganz oder teilweise gegen den Bund richten,

– sich über den Bereich eines Landes hinaus erstrecken
oder

– auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland
berühren.

Des Weiteren ist das BfV auf Ersuchen eines LfV zustän-

dig. Grundsätzlich muss es stets im Benehmen mit der

Landesbehörde für Verfassungsschutz handeln und diese

über alle Unterlagen informieren, deren Kenntnis für das

Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich

ist.

Sofern rechtsextremistische Bestrebungen i.S.v. § 3

BVerfSchG in einem Bundesland existieren, dürfen sie

vom dortigen Landesamt für Verfassungsschutz aufge-

klärt werden. Haben sie darüber hinaus Relevanz für

mehrere Länder oder den Bund, darf auch das Bundesamt

für Verfassungsschutz tätig werden. Es erfolgt dann eine

gegenseitige Unterrichtung. So kann in einer Reihe von

Fällen eine parallele Zuständigkeit begründet sein.
1602

bb) Zusammenarbeit

In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes sind Bund

und Länder gemäß § 1 Abs. 2 und 3 BVerfSchG ver-

pflichtet, insbesondere durch gegenseitige Unterstützung

und Hilfeleistung zusammenzuarbeiten. Diese Zusam-

menarbeit geht inhaltlich über die Pflicht zur Hilfeleis-

tung hinaus, die aufgrund allgemeinen Amtshilferechts

besteht.
1603

Nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG übermitteln die

Landesbehörden für Verfassungsschutz von ihnen ge-

sammelte Informationen, Auskünfte, Nachrichten und

Unterlagen dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie

den anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz,

„soweit es für deren Aufgabenerfüllung erforder-
lich ist“.

Problematisch erscheint, dass das

Erforderlichkeitskriterium durch den Absender anders als

durch den Adressaten beurteilt werden könnte. Dem Be-

richt der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus

lässt sich eine Interpretation des § 5 Abs. 1 BVerfSchG

dahingehend entnehmen, dass die jeweiligen Landesbe-

hörden für Verfassungsschutz selbst beurteilen sollen,

welche Informationen für die Aufgabenerfüllung des BfV

notwendig sein könnten. Dies kritisiert die Kommission

insofern, als dass die Relevanz einer Information für das

Bundesamt für Verfassungsschutz aus diversen Gründen

falsch eingeschätzt werden und diesem in der Folge eine

essentielle Information entgehen könnte.
1604

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

ist die Regelung des § 5 Abs. 1 BVerfSchG so auszule-

gen, dass die Verfassungsschutzbehörden anderen Verfas-

sungsschutzbehörden Informationen zur Verfügung stel-

len müssen, ohne diese vorher selbst zu bewerten, um
1602) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 15.

1603) BVerwGE 69, 53.

1604) Bericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,

A-Drs. 488, Rn. 452 ff.

Drucksache 17/14600 – 196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einer Gesamtbewertung der ersuchenden Verfassungs-

schutzbehörde nicht vorzugreifen. Hiervon seien nur

solche Informationen ausgenommen, die mit Sicherheit

als unerheblich für die Auswertung der anderen Verfas-

sungsschutzbehörde angesehen werden könnten, wie

bedeutungslose Tatsachen oder als unrichtig erkannte

Informationen.
1605

Zur Erfüllung der Unterrichtungspflicht sind die Verfas-

sungsschutzbehörden verpflichtet, beim Bundesamt für

Verfassungsschutz gemeinsame Dateien zu führen (§ 6

Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG).

Die Informationsübermittlung in der Gegenrichtung er-

folgt indirekt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz

unterrichtet gemäß § 5 Abs. 3 BVerfSchG die Landesbe-

hörden für Verfassungsschutz über alle Unterlagen, deren

Kenntnis für das Land zum Zweck des Verfassungsschut-

zes erforderlich ist. Es übermittelt folglich nicht den In-

halt der Unterlagen, sondern informiert die Landesbehör-

den lediglich, über welche Unterlagen es verfügt.
1606

b) Grundsätze der V-Personen-Führung

Der Ausschuss hat sich mit der Führung von Vertrauens-

personen („V-Mann“) im BfV und in den Verfas-
sungsschutzbehörden der Länder befasst, insbesondere im

Bereich Rechtsextremismus.

aa) Allgemeines

Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden ihre

„menschlichen Quellen“ zur Informationsgewinnung: Ein
Informant ist eine Person, die in Einzelfällen oder gele-

gentlich und unaufgefordert den Verfassungsschutzbehör-

den Informationen aus dem Umfeld eines Beobachtungs-

objektes anbietet.
1607

Ein „V-Mann“ wird dagegen vom
Verfassungsschutz „geführt“ und „gesteuert“, das heißt
dass der V-Mann beauftragt wird, bestimmte Informatio-

nen zu beschaffen. Der Verfassungsschutz muss sich

auftragsgemäßes Handeln des V-Mannes zurechnen las-

sen.
1608

Darüber hinaus nutzen die Verfassungsschutzbe-

hörden „Gewährspersonen“. Diese sind keine V-Personen
oder Informanten, sondern leisten logistische oder sonsti-

ge Hilfe
1609

, z. B. in dem sie ihre Wohnung für geheim-

dienstliche Zwecke zur Verfügung stellen. Aus einer

solchen Wohnung können z. B. verdächtige Personen

beobachtet werden.
1610
1605) BVerwGE 69, 53, Rn. 67.

1606) Vgl. zum Informationsfluss zwischen den Verfassungsschut-
zämtern auch C.III.3.c).

1607) BfV,Glossar,

http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/informant.

1608) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 39 f.

1609) DV nd-Mittel Baden-Württemberg, Stand: Dezember 1998,

Ziffer 1.2.5.

1610) http://www.verfassungsschutz-

mv.de/cms2/Verfassungsschutz_prod/Verfassungsschutz/conte

nt/de/_Service/Lexikon/H/index.jsp.

Durch ihre Anwerbung werden Vertrauensleute weder zu

Angehörigen des öffentlichen Dienstes noch zu beliehe-

nen Hoheitsträgern, denn die Lieferung von Informatio-

nen dient zwar der Aufgabenerfüllung der Nachrichten-

dienste, ist selbst aber keine hoheitliche Tätigkeit der

Vertrauensleute.
1611

Zu den Grenzen des Einsatzes von V-Leuten führt der

„Leitfaden Beschaffung“ der Schule für Verfassungs-
schutz, Stand 1/91, Folgendes aus:

„Er wird nur dort eingesetzt, wo mit anderen Mit-
teln der Erkundung mit Rücksicht auf die Erheb-

lichkeit und den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit

der das öffentliche Wohl gefährdet ist, eine ausrei-

chende Beobachtung nicht mehr sicherzustellen

ist.

Die gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes

darf nicht ins Gegenteil verkehrt werden. So dür-

fen VM nicht am Aufbau extremistischer Organi-

sationen, illegaler Kader in Betrieben, der Grün-

dung und Leitung links- und rechtsextremistischer

Terroristengruppen beteiligt sein.“1612

bb) Rechtlicher Rahmen

Der Einsatz von V-Leuten durch das BfV beruht auf

folgenden Regelungen:

Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der

Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und

über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesver-

fassungsschutzgesetz – BVerfSchG) enthält zum Einsatz
von V-Leuten in § 8 Absatz 2 BVerfSchG die Regelung,

dass V-Leute eingesetzt werden dürfen:

„Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Me-
thoden, Gegenstände und Instrumente zur heimli-

chen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz

von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Ob-

servationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarn-

papiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese

sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die

auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher

Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvor-

schrift bedarf der Zustimmung des Bundesminis-

ters des Innern, der das Parlamentarische Kontroll-

gremium unterrichtet.“

Die Verfassungsschutzgesetze der Länder enthalten eben-

falls Regelungen über die Zulässigkeit des Einsatzes von

V-Personen.1613

Die Ausgestaltung des Quelleneinsatzes (das „Wie“) ist
nicht gesetzlich ausgestaltet. In Bund und Ländern beste-

hen jedoch spezielle, als Verschlusssache eingestufte
1611) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 188.

1612) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 16.

1613) Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 1 BayVSG, Art. 6 Abs. 1 ThVSG.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197 – Drucksache 17/14600

Dienstvorschriften für die Informationsbeschaffung.
1614

Die zuständigen Abteilungs- und Behördenleitungen

sind in die Entscheidung über die Werbung und den

Einsatz von Vertrauensleuten eingebunden. Nicht vor-

gesehen ist hierbei die Einbeziehung der Gerichte, der

Aufsichtsbehörden oder der parlamentarischen Kontroll-

gremien.
1615

cc) Die Fachprüfgruppe

Die Werbung und Führung von V-Personen wird im Bun-

desamt für Verfassungsschutz von einer sogenannten

„Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und Kontrolle“
(FPG) begleitet. Sie ist der Behördenleitung direkt unter-

stellt und dient als Kontrollinstrument.

Der Leiter der Fachprüfgruppe im BfV, der Zeuge

Gabaldo, hat ausgesagt, dass neben ihm in der Fachprüf-

gruppe momentan vier Fachprüfer tätig seien. Es handele

sich dabei um einen Fachprüfer für den Bereich „Auslän-
derextremismus und Islamismus“, sowie je einen Fach-
prüfer für „Rechtsextremismus“, „Linksextremismus“ und
„Spionageabwehr“.1616 Die Fachprüfgruppe sei 1986 ins
Leben gerufen worden.

1617
Die Fachprüfgruppe habe ein uneingeschränktes Akten-

einsichtsrecht in alle Operativakten des BfV. Sie müsse

darüber hinaus seitens der Fachabteilung über jeden V-

Mann bereits in der Werbungsphase informiert werden.

Ansonsten bestehe die Pflicht zur Beteiligung bei beson-

ders risikoreichen, sicherheitsrelevanten Geschehnissen.

Darüber hinaus könne sich die Fachprüfgruppe grundsätz-

lich die Fälle aussuchen. Die Prüfungsgesichtspunkte

seien Rechtmäßigkeit des Handelns, Zweckmäßigkeit des

Handelns und unter fachlichen Gesichtspunkten, ob ope-

rativ handwerklich sauber, korrekt, entsprechend den

Standards gearbeitet wurde.
1618

Außerdem prüfe die Fachprüfgruppe die Zahlakten:

„Wir sehen, was an Prämien und Auslagen an die
V-Leute geflossen ist. Wir schließen uns dann

auch kurz mit der ‚Auswertung’ und fragen dort
nach, wie die ‚Auswertung’ die Qualität der Mel-
dungen bewertet, ob die Zahlungen auch wirklich

in dieser Höhe gerechtfertigt sind. Wir fragen na-

türlich auch immer wieder und erwarten das auch

in den Vermerken von den V-Mann-Führern, dass

sie dort reinschreiben, wie der V-Mann das Geld

verwendet. Es ist ja auch immer ein Sicherheits-

problem. Wenn ein V-Mann viel Geld in die Hän-

de bekommt und dieses Geld dann in auffälliger

Art und Weise ausgibt. […]
1614) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 193.

1615) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 194.

1616) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 2.

1617) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 8.

1618) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 6.

Die ‚Auswertung’ bewertet das Meldeaufkommen
in diesem Jahr dieses V-Manns. Und das ist auch

immer sehr aufschlussreich für uns dann, ob sich

das dann im Grunde genommen deckt mit den

Zahlungen oder ob es da eine Diskrepanz gibt;

denn wenn die Prämien beantragt werden, dann

entscheidet ja nicht die ‚Auswertung‘ darüber, ob
die Prämienhöhe gerechtfertigt ist, sondern das

bleibt dann intern im operativen Bereich. Die Vor-

gesetzten des jeweiligen V-Mann-Führers zeich-

nen das dann ab, die Prämienhöhe.“1619

Über die Prüfberichte werde der zuständige Beschaf-

fungsleiter, der Referatsleiter sowie der Sachbearbeiter

informiert. In wichtigen Fällen, in ganz besonders brisan-

ten Fällen, werde auch über den Abteilungsleiter die

Amtsleitung eingeschaltet.
1620

Im Jahr 2012 seien für das BfV verbindliche Standards

festgelegt worden, um den operativ tätigen Mitarbeitern

eine Orientierung zu geben, worauf von Beginn eines

Falles an geachtet werden solle. Wollten zukünftig opera-

tive Mitarbeiter von diesen Standards abweichen, müssten

sie den Vorgang zwingend der Fachprüfgruppe vorlegen.

Dann müsse ein Konsens erzielt werden, notfalls müsse

die Amtsleitung eine Entscheidung treffen. Die Fachprüf-

gruppe könne den Fachabteilungen keine Weisungen

erteilen. Sie könne nur Empfehlungen aussprechen, Anno-

tationen, Voten abgeben.
1621

Die neuen Standards seien entwickelt worden, weil fest-

gestellt worden sei, dass unter den V-Leuten „mehr als
nur ein paar schwarze Schafe“ seien. Darüber hinaus
seien fragwürdige Operationen durchgeführt worden.

Dass die Fachprüfgruppe dies hingenommen habe, liege

aus der Sicht des Zeugen Gabaldo an Folgendem:

„Die Fachprüfgruppe lebt von der Qualität ihrer
Mitarbeiter, der Fachprüfer. Es hat im Bereich

‚Rechtsextremismus‘ in den letzten Jahren - ich
spreche jetzt von den letzten 10, 15 Jahren - leider

eine hohe Fluktuation von Fachprüfern im rechten

Bereich gegeben. Und es ist eben erforderlich, dass

sich die Leute wirklich vernünftig einarbeiten

können über einen längeren Zeitraum, sich spezia-

lisieren können. Das war leider in der Vergangen-

heit nicht immer gewährleistet. Dann steht und

fällt das Ganze auch mit der Leitung einer Fach-

prüfgruppe; auch das ist ein wichtiger Punkt. Diese

Leitung muss konfliktfähig sein und auch -willig

sein, weil diese Tätigkeit macht keine Freude.“1622

Die Notwendigkeit der Fachprüfgruppe hat der Zeuge

Gabaldo darüber hinaus folgendermaßen begründet:

„Sie werden nie einen V-Mann-Führer hören, der
sagt: ‚Der V-Mann hat schlechte Arbeit geliefert‘,
1619) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 30 f.

1620) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 6.

1621) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 6.

1622) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 7.

Drucksache 17/14600 – 198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

weil dann würde das auf ihn zurückfallen. […] Die
Identifikation ist eben sehr hoch oft mit den V-

Leuten, auch mit der Leistung, der Arbeit der V-

Leute, weil man eben dann den V-Mann-Führer

natürlich mit ins Spiel bringt und sagt: Wenn der

V-Mann gut ist, dann ist auch der V-Mann-Führer

gut. - Dann ist das ein förderungswürdiger Beam-

ter, und dann macht der Karriere. Das sind die Ge-

dankengänge, die dahinterstehen, und deshalb

muss es irgendwo eine ‚Spaßbremse‘ geben an ir-
gendeiner Stelle.“1623

Innerhalb der Verfassungsschutzbehörden der Länder

existieren teilweise ebenfalls Fachprüfgruppen, allerdings

in anderer Form als beim BfV. Der Zeuge Gabaldo, Lei-

ter der Fachprüfgruppe im BfV, hat die Ausgestaltung in

einzelnen Bundesländern beschrieben:

„Es gibt meines Wissens in Sachsen einen Mitar-
beiter, der sich mit diesen Aufgaben beschäftigt,

einen Mitarbeiter - das müssen Sie sich vorstel-

len -, der sich damit beschäftigt. Der hat aber dann

nicht nur Fachprüfgruppenaufgaben, sondern dann

auch noch Aufgaben wohl der Innenrevision zu

bewerkstelligen. Meines Wissens gibt es auch

noch in Berlin zarte Ansätze einer solchen Fach-

prüfgruppe, aber nicht so, wie wir das im BfV

praktizieren, einfach weil das Personal dafür in

den Ländern nicht vorhanden ist. Das ist purer Lu-

xus in den Ländern.“1624

dd) Werbung von V-Leuten

Die für die Werbung zuständigen Mitarbeiter der Verfas-

sungsschutzbehörden sprechen Personen an, bei denen sie

zuvor eine grundsätzliche Eignung als V-Person festge-

stellt haben. Der Zeuge Gabaldo hat die wichtigsten

Auswahlkriterien geschildert:

„Er muss volljährig sein. […] Die Vorstrafen müs-
sen sich in Grenzen halten, heißt: Wer wegen Ver-

brechen vorbestraft ist im Sinne des § 12 Abs. 1

Strafgesetzbuch, scheidet in der Regel komplett

aus. In der Regel, ja, also wirklich in 99 Prozent

der Fälle. […] Und dann natürlich auch erhebliche
Vergehen, also wenn hier Körperverlet-

zungsdelikte am laufenden Band, gefährliche Kör-

perverletzung oder Ähnliches - - Das wäre dann

auch schon für uns ein Punkt, wo wir in der Regel

die Segel streichen.

Dann kommt hinzu: Berufsgeheimnisträger im

Sinne des § 53 Abs. 1 Strafprozessordnung sind

auch in der Regel tabu.“1625
1623) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 10.

1624) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 33.

1625) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 14.

Ein Mitarbeiter des damaligen Referats „Forschung und
Werbung“ im LfV Thüringen, Mike Baumbach, hat als
Zeuge angegeben, es sei

„wichtig in diesem Bereich, dass man auch wisse,
wie die Leute aussehen, wie sie sich verändern.“

Er sei daher auch bei Observationen von Veranstaltungen

oder Kundgebungen mitgefahren.
1626

„Man geht da nah dran, man beobachtet sie, man
ist - - ich will nicht sagen: ein Teil von ihnen ein

Stückchen weit. Aber ich muss mir auch eine Mei-

nung bilden.“1627

Der Zeuge Baumbach hat angegeben, psychische Proble-

me seien im Regelfall ein Ausschlusskriterium für eine

Anwerbung gewesen.
1628

Auch Alkoholsucht wäre ein

Ausschlusskriterium im Vorfeld einer Anwerbung gewe-

sen.
1629

Die erweiterten Ermittlungen würden mit der Anlage

eines sogenannten Forschungsbogens beginnen. Ein sol-

cher Forschungsbogen sei etwa 25 Seiten lang.
1630

Solan-

ge die Mitarbeit nicht klar sei, werde auch kein Tarnname

und kein Aktenzeichen vergeben.
1631

Der Zeuge Baumbach hat weiter angegeben, dass im LfV

Thüringen eine eigene Aktenhaltung existiert habe bezüg-

lich Personen, die infrage gekommen wären als V-Leute,

aber nicht gewollt hätten, die von vornherein nicht infrage

gekommen seien oder auch solche, die man geworben

habe.
1632

Abgelegt worden seien diesbezügliche Unterla-

gen im Bereich der „Forschung und Werbung“ in einem
Stahlschrank, zu dem er und der Referatsleiter, Herr

Wießner, Zugang gehabt habe.
1633

Diesbezügliche Er-

kenntnisse seien nicht an die ‚Auswertung‘ gegangen; es
habe sich um Erkenntnisse gehandelt, die die ‚Auswer-
tung‘ nicht unbedingt etwas angegangen hätten.1634

ee) Dauer der V-Mann-Führung durch dieselbe
Person

Der Zeuge Gabaldo hat es als Problem bezeichnet, dass

oftmals die Verbindungen zwischen einem V-Mann und

einem V-Mann-Führer oder einer V-Mann-Führerin über

zu viele Jahre andauern. Er hat dies folgendermaßen be-

gründet:

„Das Verhältnis wird zu vertraut, die professionel-
le Distanz fehlt dann, und dann erfahren die V-

Leute eben auch zu viel von den V-Mann-Führern,
1626) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.

1627) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.

1628) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 178.

1629) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 182.

1630) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 181.

1631) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 181 f.

1632) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.

1633) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 184.

1634) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 184.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 199 – Drucksache 17/14600

weil das Verhältnis eben zu vertraulich wird. Und

da haben wir ja jetzt versucht, auch Konsequenzen

zu ziehen aus diesem Umstand, und wollen eigent-

lich zukünftig, dass eine solche Verbindung spä-

testens nach fünf Jahren - - dass da ein Wechsel in

der Führung herbeigeführt werden soll.“1635

Er hat jedoch auch die bisherige Theorie beleuchtet:

„Die Verantwortlichen in dem Bereich haben ge-
sagt, dass dieses Vertrauensverhältnis - - Je enger

es ist zwischen V-Mann-Führer und dem V-Mann,

desto besser ist das Ganze, weil zu vermuten ist,

dass dann der V-Mann eben auch mehr an Infor-

mationen preisgibt. Ein V-Mann wird uns nie all

das sagen, was er weiß. Aber unser Ziel muss es

sein, möglichst an die 100 Prozent nahe ranzukom-

men. Und je enger das Verhältnis zwischen einem

V-Mann-Führer und einem V-Mann ist, desto hö-

her ist der Prozentsatz dessen, was er uns preis-

gibt.“1636

ff) Zahlungen an V-Leute

Der Zeuge Gabaldo hat ausgesagt, dass die Höhe der vom

BfV an die V-Leute gezahlten Prämien maßgeblich von

der Menge und Qualität der von der jeweiligen Quelle

gelieferten Informationen abhingen. Daneben komme es

auch auf den Schwierigkeitsgrad an, die Informationen zu

beschaffen, insbesondere die eigene Gefährdung. Deshalb

werden auch in den verschiedenen Phänomenbereichen

unterschiedliche Summen gezahlt, weil die Quellen unter-

schiedlich gefährdet seien.
1637

Die Höhe der Prämie entscheide grundsätzlich der Refe-

ratsleiter, in bestimmten Fällen sei auch die Fachprüf-

gruppe beteiligt.
1638

gg) Zusammenarbeit „Beschaffung“ – „Aus-
wertung“

Die Zusammenarbeit zwischen „Beschaffung“ und „Aus-
wertung“ stellt sich nach der Aussage des Zeugen
Gabaldo folgendermaßen dar:

Der V-Mann-Führer leitet die Meldungen über die Infor-

mationen der Quelle (versehen mit einem roten Deckblatt)

an die „Auswertung“. Die „Auswertung“ beurteilt die
Wertigkeit einer Quellenmeldung mit den Abstufungen

von 1 bis 7. Anschließend wird das Deckblatt wieder an

den V-Mann-Führer zurückgesandt, so dass dieser die

Zuverlässigkeit der Informationen erfährt.
1639

Die Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus hat zur

Arbeit der „Auswertung“ ausgeführt:
1635) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 8.

1636) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 9.

1637) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 15 f.

1638) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 39.

1639) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 30 f.

„Methodisch arbeitet die Auswertung im Grund-
satz so, dass sie z. B. offen zugängliche Er-

kenntnisquellen (Internet, Publikationen, usw.)

analysiert und gegebenenfalls Aufträge an die mit

der Informationsbeschaffung befassten Arbeitsein-

heiten (sogenannte Beschaffung) erteilt. Diese er-

heben dann die benötigten Informationen, ferti-

gen Unterlagen hierüber an und übermitteln sie an

die Auswertung. Die gewonnenen Informationen

werden dort im Hinblick auf den gesetzlichen

Auftrag der Verfassungsschutzbehörden ausge-

wertet. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden

schließlich in geeigneter Form vor allem an politische

Entscheidungsträger, Aufsichts- und andere Sicher-

heitsbehörden oder die Öffentlichkeit (z. B. Ver-

fassungsschutzberichte) weitergegeben. Soweit

sich aus der Bewertung der Informationen neue

Fragestellungen ergeben, werden weitere Informa-

tionen hierzu erhoben.“1640

In der Regel wissen die Auswerter nicht den Klarnamen

des V-Mannes. Der Zeuge Egerton hat jedoch ausgesagt,

dass ein „umtriebiger“ Auswerter, der sich für den Klar-
namen interessiert, den Klarnamen herausfinden könne.

Weiter hat er ausgeführt:

„Es ist nicht schädlich und in einigen Fällen sogar
nützlich. Denken Sie daran: Der Auswerter be-

kommt zum Beispiel einen Gefährdungs-

sachverhalt auf den Tisch, von einer anderen Stel-

le, in der eine Quelle akut bedroht ist. Kennt er den

Klarnamen nicht, kann er zum Beispiel den zu-

ständigen V-Mann-Führer auch nicht vorwarnen.

Also, ich empfand es immer als sehr sinnvoll für

mich, Quellen zu kennen. Ich habe nicht aktiv

nachgefragt, aber irgendwann sind die Namen halt

mal bekannt. Ich glaube, die Zusammenarbeit zwi-

schen ‚Auswertung‘ und ‚Beschaffung‘ wird da-
durch auch vertrauensvoller und effizienter.“1641

hh) Straftaten von V-Personen und Teilnahme
von Verfassungsschutzmitarbeitern hieran

Da sich der V-Mann auch im kriminellen Milieu bewegt,

besteht die Gefahr, dass er sich strafbar macht. Um Ver-

fassungsschutzbehörden einen Einblick in nach außen

abgeschottete terroristische, kriminelle oder verbotene

Gruppierungen zu ermöglichen, müssen die Quellen die-

sen Personenstrukturen nahe kommen. Dabei besteht vor

allem das Risiko der Verwirklichung von Organisations-

straftatbeständen, insbesondere wegen Mitgliedschaft in

oder Unterstützung von verbotenen, kriminellen oder

terroristischen Vereinigungen i. S. v. §§ 84 Abs. 2, 129,

129a, b StGB oder wegen Zuwiderhandlungen gegen
1640) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 14.

1641) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 25 f.

Drucksache 17/14600 – 200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Vereinsverbote i. S. v. § 20 Abs. 1 VereinsG oder ein

Vereinigungsverbot i. S. v. § 85 Abs. 2 StGB.
1642

Die Tätigkeit als V-Mann stellt grundsätzlich keinen

strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund dar.
1643

Einzelne

Verfassungsschutzgesetze wie beispielsweise in Branden-

burg (§ 6 Abs. 7 BbgVerfSchG) und Niedersachsen (§ 6

Abs. 3 NVerfSchG) beinhalten allerdings eine Rechtferti-

gungsnorm bei der Verwirklichung von Organisationsde-

likten beim VM-Einsatz.

Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hat zu

der Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem Vertrieb von

rechtsextremistischen Schriften ausgeführt:

„Da die Verbreitung von Kennzeichen verfas-
sungswidriger Organisationen oder volksverhet-

zender Schriften innerhalb der rechtsextremisti-

schen Szene meines Erachtens stets den Schutz-

zweck verletzt, also auch dann, wenn dies durch

einen V-Mann des Verfassungsschutzes in Verfol-

gung von ,integeren Fernzielen‘ geschieht, sind
meiner Meinung nach auch in diesen Fällen die

Tatbestände der §§ 86 Abs. 1 StGB bzw. 130

Abs. 2 StGB erfüllt. Daher darf der Verfassungs-

schutz derartige Handlungen auch nicht ‚erlauben‘,
wenn er so die Verbreitung durch ein aktives Tun

im Rechtssinn veranlasst, weil sich dessen Ange-

hörige sonst selbst der Gefahr einer strafrechtli-

chen Verfolgung aussetzen würden. Dies wäre

meines Erachtens im Fall eines Vertriebs einer

volksverhetzenden CD, die einen Mordaufruf ge-

gen bestimmte Personen zum Gegenstand hat,

auch unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Tö-

tung zu prüfen, wenn im Rahmen des vom Verfas-

sungsschutzes ‚erlaubten Vertriebes‘ ein Empfän-
ger einen derartigen Mordaufruf umsetzt. Daher

darf der Verfassungsschutz meines Erachtens ei-

nen derartigen Vertrieb allenfalls ‚dulden‘, das
heißt, ein Einschreiten im Rechtssinne unterlassen,

weil er ja bekanntlich keine Strafverfolgungsbe-

hörde ist und ihn damit grundsätzlich keine

Rechtspflicht zum Einschreiten trifft.

Falls es aber im Rahmen des Einsatzes von V-

Leuten des Verfassungsschutzes zu Straftaten nach

§ 86 a Abs. 1 und § 130 Abs. 2 StGB kommen

sollte und deren Begehung dem Erreichen des

Fernziels förderlich sein sollte, die Hintermänner

rechtsextremistischer Vertriebsnetze aufzudecken,

um diese zerschlagen zu können, ist dies bei der

Strafzumessung zu berücksichtigen. Gegebenen-

falls kommt auch die ebenfalls entsprechend an-

wendbare Vorschrift des § 86 Abs. 4 in Betracht,

wonach das Gericht von einer Bestrafung absehen

kann, wenn die Schuld gering sein sollte.“1644
1642) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-

terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 669.

1643) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-

terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 675 ff.

1644) Schreiben vom 13. August 2002, MAT A BB-13a, Bl. 53 ff.

Die anderen Generalstaatsanwälte äußerten ihre Überein-

stimmung mit dieser Rechtsauffassung.
1645

Der Zeuge Gabaldo hat die rechtlichen Rahmenbedin-

gungen als Problem bezeichnet. Für die Mitarbeiter vor

Ort, die V-Mann-Führer, aber auch die Werber und die

Vorgesetzten bestünde die Gefahr, dass sie sich strafbar

machten, wenn V-Leute in extremistischen oder gar terro-

ristischen Bereichen eingesetzt werden. Wenn aus ge-

waltorientierten Bereichen Informationen bezogen werden

sollen, sei dies nicht mit Menschen möglich, „die die
Voraussetzung der Verbeamtung auf Lebenszeit erfüllen

oder die Voraussetzung der Priesterweihe“. Diese V-
Leute seien Personen, die sich in gewaltorientierten Be-

reichen bewegen und das Vertrauen der dort tätigen Akti-

visten genießen müssten. Die V-Leute seien keine Demo-

kraten, sondern sie blieben Extremisten. Um an Informa-

tionen zu kommen, müssten sie sich zwangsläufig strafbar

machen:

„Nehmen Sie eine verbotene Organisation; wir ha-
ben einen V-Mann in einer verbotenen rechten Or-

ganisation. Der muss sich zwangsläufig in dieser

verbotenen Organisation betätigen, wenn wir In-

formationen aus dieser Organisation beziehen wol-

len, und macht sich dann schon per se gemäß § 20

Vereinsgesetz strafbar, allein durch das Sich-

Betätigen in einer verbotenen Organisation. Wie

sollen wir sonst Informationen aus dieser Organi-

sation beziehen, wenn nicht durch einen V-Mann,

der sich in dieser Organisation bewegt? Ein Au-

ßenstehender wird keine Informationen aus der

Organisation bekommen - zumindest nicht die, die

uns interessieren -, und das ist unser Problem.

Und das Haus ist bisher davon ausgegangen, dass

diese Aktivitäten, diese Organisationsdelikte, […]
gerechtfertigt sind durch den Rechtferti-

gungsgrund, der nirgendwo im Strafgesetzbuch

steht, den das Bundesamt für Verfassungsschutz

bzw. die Leitung des Hauses aber immer für sich

in Anspruch genommen hat, nämlich die Wahr-

nehmung eines Dienst- und Amtsrechtes, das eben

abgeleitet ist aus der gesetzlichen Befugnis, V-

Leute einzusetzen, die ja im Verfassungsschutzge-

setz gewährleitet wird.

Bisher sind wir davon ausgegangen. [Wir] sind

aber jetzt vor kurzem durch das Oberlandesgericht

Düsseldorf eines Besseren belehrt worden, das sich

ja mit einem Fall beschäftigt hat, mit einem V-

Mann des BND [….]. Und das Oberlandesgericht
Düsseldorf hat entschieden, dass dieser Rechtferti-

gungsgrund eben nicht anerkannt wird von den

Gerichten.
1646

Auch mittlerweile alle General-
1645) Niederschrift über die wesentlichen Ergebnisse der Arbeitsta-

gung des Generalbundesanwalts, mit den Generalstaatsanwäl-

tinnen und Generalstaatsanwälten vom 20./21. November 2002,
MAT A BB-13a, Bl. 144 ff.

1646) Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. September 2011, Az. III-5

StS 5/10, nicht veröffentlich, S. 104 (zitiert nach dem Ab-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 201 – Drucksache 17/14600

staatsanwälte, die zu diesem Rechtfertigungsgrund

befragt worden sind, haben gesagt: Wir lehnen

diesen Rechtfertigungsgrund ab. Der existiert für

uns nicht, findet keine Anerkennung. Das heißt im

Klartext, dass unsere ganzen V-Leute nach mo-

mentaner Rechtslage, die wir in verbotenen Orga-

nisationen einsetzen, sich strafbar machen, und wir

damit machen uns auch strafbar, weil wir steuern

diese V-Leute ja in diesen Organisationen.“ 1647

Zur Bewertung hat er ausgesagt:

„Das ist einfach indiskutabel, weil letztendlich die
Existenz zum Teil dann unserer Kollegen daran

hängt, nämlich der Beamtenstatus kann auch dabei

verloren gehen. Wenn hier unsere Kollegen - gera-

de, wenn es um Staatsschutzdelikte geht oder Ähn-

liches, mit hohen Strafandrohungen - dann wirk-

lich verurteilt würden, dann würde das notfalls die

Existenz dieser Kollegen bedeuten, und das führt

auch in unserem Haus mittlerweile zu einem er-

heblichen Maß an Verunsicherung bei den im ope-

rativen Bereich eingesetzten Mitarbeitern, die

wirklich Angst um ihre Existenz haben bei Aus-

übung dieses Jobs.“1648

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen sei es nicht mög-

lich, mit den bisherigen Mitteln gewaltbereite Strukturen

bzw. terroristische Strukturen aufzuklären.
1649

Deshalb

stünden derzeit Aufwand und Nutzen in einem Missver-

hältnis.
1650

Er hat jedoch die Notwendigkeit von V-Leuten

betont:

„Aber […] wir müssen natürlich dranbleiben; denn
aus den verbotenen Organisationen werden dann

andere Organisationen, und es gibt Nachfolgeor-

ganisationen. Diese Entwicklungen müssen wir na-

türlich irgendwo mitbekommen, um dann auch an-

schließend diese Nachfolgeorganisationen wieder

verbieten zu können. […] Denn die hören ja nicht
auf, zu existieren.“ 1651

ii) Folgen für die weitere Tätigkeit als V-Mann
aufgrund der Begehung von Straftaten

Begeht die V-Person nach Anwerbung eine Straftat, so

wird nach der Aussage des Zeugen Gabaldo folgender-

maßen differenziert:

„Wenn jetzt ein V-Mann während der Zu-
sammenarbeit mit uns eine Straftat begeht: […]
schlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterroris-
mus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, RdNr. 669).

1647) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 4 f.

1648) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 40.

1649) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 23; die Bund-

Länder-Kommission Rechtsterrorismus sieht dies ähnlich kri-

tisch, vgl. Abschlussbericht vom 30. April 2013, A-Drs. 488,
Rn. 673.

1650) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 32.

1651) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 4 f.

Wenn das eine Straftat war, ein Verbrechen im

Sinne des § 12 Abs. 1 [StGB], wird der V-Mann

sofort abgeschaltet. Da gibt es überhaupt keine

Diskussionen. […]

Im Bereich Vergehen, […] wenn ich da bei gefähr-
licher Körperverletzung oder Ähnlichem bin: Auch

da hört der Spaß für uns sehr schnell auf, auch da

würden wir aus heutiger Sicht eine solche Verbin-

dung einstellen.

Was schon mal vorgekommen ist, ist, dass ein V-

Mann in Untersuchungshaft gelangt ist aufgrund

seiner Tätigkeit für uns. Wir haben ihn im Prinzip

dazu gebracht, dass er diese Tätigkeit ausübt, und

infolge dieser Tätigkeit, des Sich-Betätigens bei-

spielsweise für eine verbotene Organisation, ist ein

Verfahren gegen ihn eingeleitet worden. Im

schlimmsten Fall ist er sogar in Untersuchungshaft

genommen worden. In einem solchen Fall können

wir den V-Mann natürlich nicht hängen lassen;

denn er ist ja aufgrund seiner Tätigkeit für uns in

diese Situation, in diese missliche Situation über-

haupt geraten. Aber das waren dann wirklich De-

likte, die eben nicht die Qualität eines Verbrechens

oder Ähnliches hatten, sondern das waren dann

Organisationsdelikte, und damit müssen wir leben.

Sonst, wie gesagt, können wir jetzt schon die V-

Mann-Führung direkt einstellen. Sonst können wir

unseren Job wirklich nicht mehr machen. Und

dann ist die Zusammenarbeit mit ihm dann den-

noch fortgesetzt worden anschließend.“1652

jj) Verbesserungsvorschläge des Zeugen
Gabaldo

Der Zeuge Gabaldo hat zur Frage der Zusammenarbeit

mit V-Personen ausgeführt:

„Wir müssten den Mut haben, V-Leute, die eben
nicht nur die Voraussetzung der Verbeamtung auf

Lebenszeit erfüllen, sondern eben durchaus auch

andere Eigenschaften aufweisen, mit denen zu-

sammenzuarbeiten, um im gewaltorientierten Be-

reich arbeiten zu können. Aber das, denke ich,

wird sich nicht durchsetzen lassen, auch rein poli-

tisch nicht durchsetzen lassen. Aber der Mut müss-

te dann da sein. Man muss sich dazu bekennen,

dass das eben Extremisten sind, die hier für den

Staat gegen Geld arbeiten. Wenn ich da mit der

Moralkeule komme, klar, dann kann ich damit um

mich schlagen. Aber es ist nun mal ein Fakt: Ich

werde diese Organisationen ohne V-Leute niemals

aufklären können. Und diese V-Leute haben dann

eben bestimmte Eigenschaften und bestimmte Le-

bensläufe, die sich nicht mit unseren Idealvorstel-

lungen decken. Ja, das ist so, und damit müsste ich

dann leben - notfalls. Wenn ich dazu nicht gewillt

bin, dann muss ich ganz klar sagen: Dann hat es
1652) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 37 f.

Drucksache 17/14600 – 202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

keinen Sinn, dann brauche ich dieses Instrumenta-

rium nicht mehr zwingend, und dann werde ich

eben nur noch unterrichtet über nicht gewaltorien-

tierte Bereiche.“1653

Darüber hinaus hat er vorgeschlagen:

Zunächst müsse das Personalauswahlverfahren für die

hauptamtlichen Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehör-

den optimiert werden. Momentan würden Generalisten

(Beschaffung und Auswertung) gesucht. Da aber für jede

Tätigkeit bestimmte Fähigkeiten vorhanden sein müssten,

sollten diese schon bei einem Auswahlverfahren erkannt

und berücksichtigt werden. Anschließend müsse gezielt

auf die neue Aufgabe ausgebildet werden.
1654

Auch die Organisationsformen seien zu starr:

„Wenn ich feststelle, dass wir in einem bestimm-
ten Bereich erhebliche Zugangsdefizite haben,

dann muss es möglich sein, dass wir ein Projekt

spontan bilden, in dem sich ein Auswerter, ein Be-

schaffer befindet, möglicherweise ein G10-

Vorauswerter. Für dieses Projekt steht ein Obser-

vationstrupp zur Verfügung, und die arbeiten da-

ran, in einem bestimmten Bereich jetzt einen Zu-

gang zu erschließen, arbeiten ganz eng vernetzt in

einem Großraumbüro zusammen und tauschen sich

aus, so wie eine Sonderkommission bei der Polizei

oder Ähnliches. Da sind wir oft in diesen Referats-

strukturen zu sehr noch verhaftet und zu unflexi-

bel. Da würde ich mir mehr Flexibilität wünschen

bei uns im Haus. Aber das muss ich Ihnen ganz

ehrlich sagen: Das ist völlig utopisch, völlig uto-

pisch.“1655

Im Übrigen stimme die Struktur der Sicherheitsbehörden

nicht. 16 Landesämter für Verfassungsschutz seien nicht

erforderlich. Im Sicherheitsbereich sei der Föderalismus

völlig untauglich.
1656

Der Zeuge Gabaldo hat beklagt, dass der Untersuchungs-

ausschuss „das Leben des Verfassungsschutzes nahezu
lahmgelegt“ habe:

„Seitdem dieser Ausschuss hier existiert bzw. die-
se ganze NSU-Affäre ans Tageslicht gerückt ist,

sind wir damit beschäftigt, Vorgänge aufzu-

arbeiten oder letztendlich immens an Akten einzu-

sehen, frühere Akten etc., Zusammenstellungen zu

machen.“1657

Darüber hinaus habe sich viel getan, es gebe viel Bewe-

gung und Verbesserungsvorschläge:

„Das V-Mann-Wesen ist überdacht worden - ganz
klar, selbstverständlich. Letztendlich haben wir ja

im BfV relativ früh reagiert und haben diese Stan-
1653) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 12.

1654) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 12.

1655) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 12 f.

1656) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 32 f.

1657) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 16.

dards ja dann kreiert, diese Qualitätsstandards für

die Werbung von V-Personen und auch für die

Führung von V-Personen.“1658

c) Informationsfluss zwischen Verfas-
sungsschutzämtern

§ 1 Abs. 2 und 3 BVerfSchG bestimmt, dass Bund und

Länder verpflichtet sind, in Angelegenheiten des Verfas-

sungsschutzes zusammenzuarbeiten – auch in Form von
gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung.

Nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG sammeln die Landesbehör-

den für Verfassungsschutz Informationen, Auskünfte,

Nachrichten und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufga-

ben, werten diese aus und übermitteln sie dem Bundesamt

für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Ver-

fassungsschutz, soweit es für deren Aufgabenerfüllung

erforderlich ist. Zur Erfüllung dieser Unterrichtungs-

pflicht sind die Verfassungsschutzbehörden gem. § 6

BVerfSchG verpflichtet, gemeinsame Dateien (das soge-

nannte „Nachrichtendienstliche Informationssystem“,
abgekürzt: „NADIS“) zu führen, die sie im automatisier-
ten Verfahren nutzen. Diese Dateien enthalten nur die

Daten, die zum Auffinden von Akten und der dazu not-

wendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf gem. § 5

Abs. 2 BVerfSchG in einem Lande im Benehmen mit der

Landesbehörde für Verfassungsschutz Informationen,

Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen sammeln, sofern

die weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 S. 1

BVerfSchG erfüllt sind.

Die Zusammenarbeit des BfV mit den Landesbehörden

für Verfassungsschutz im Rahmen des § 5 BVerfSchG

war bis Dezember 2012 in der Richtlinie für die Zusam-

menarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und

der Landesbehörden für Verfassungsschutz gemäß Be-

schluss der Innenminister vom 26. November 1993

(Koordinierungsrichtlinie) geregelt.
1659

Nach § 3 der Koordinierungsrichtlinie sammeln die Lan-

desbehörden für Verfassungsschutz im Zuständigkeits-

bereich ihres Landes oder in anderen Ländern im Ein-

vernehmen mit der jeweiligen Landesbehörde für Ver-

fassungsschutz Informationen, Auskünfte, Nachrichten

und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, werten

sie aus und übermitteln sie im erforderlichen Umfang

unverzüglich dem BfV und den anderen betroffenen

Ländern für Verfassungsschutz. Im Gegenzug unter-

richtet gem. § 4 Abs. 1 das BfV die Landesbehörden

für Verfassungsschutz unverzüglich im erforderlichen

Umfang über alle Unterlagen sowie die Ergebnisse

seiner Auswertung. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 weisen sich

BfV und LfV gegenseitig auf Erkenntnislücken hin. Im
1658) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 16.

1659) MAT A TH-3/6, Ordner II., Anlage 5 (Tgb.-Nr. 78/12
(GEHEIM)), Bl. 55a f. (Änderungen zum 15. Dezember

2011, VS-NfD), Bl. 56 ff. (Stand: 1. Juni 2004, VS-NfD), Bl.

66 ff. (Stand: 1. August 2003, VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203 – Drucksache 17/14600

Bereich einer anderen Landesverfassungsschutzbehör-

de darf eine Landesverfassungsschutzbehörde nur im

Einvernehmen mit dieser tätig werden (§ 10 Abs. 1

Satz 1).

Eine herausgehobene Funktion kam dem BfV bis De-

zember 2011 lediglich im Bereich der zentralen Aus-

wertung bei der Spionageabwehr (§ 6 Koordinierungs-

richtlinie) sowie bei der Beobachtung des gewaltberei-

ten islamistischen Terrorismus (§ 6a Koordinierungs-

richtlinie) zu, nicht aber im Bereich des gewaltbereiten

Rechtsextremismus.
1660

Die Schäfer-Kommission hat ausgeführt, die §§ 1 und

5 BVerfSchG verdeutlichten, dass im Rahmen der

Zusammenarbeit Abstimmungs- und Unterrichtungs-

pflichten eine wesentliche Rolle spielten. Verallgemei-

nernd sei festzuhalten,

„dass sich alle Verfassungsschutzbehörden über
alle relevanten Sachverhalte, die ihnen bekannt

werden, zu unterrichten haben. Auch die von der

örtlichen Zuständigkeit her gesehen nicht (un-

mittelbar) betroffene Behörde benötigt im Zwei-

fel Informationen, um bereits vorhandene Er-

kenntnisse zu vervollständigen oder ein Gesche-

hen sachgerecht zu beurteilen.

Die gesetzliche Einschränkung in § 5 Abs. 1

BVerfSchG ‚soweit es für deren Aufgabenerfül-
lung erforderlich ist‘ erlaubt jedoch der zu Er-
kenntnissen gekommenen Verfassungsschutzbe-

hörde unterschiedliche Übermittlungen etwa im

Verhältnis zu einer anderen Landesbehörde und

gegenüber dem BfV. Mit Rücksicht auf die Zent-

ralstellenfunktion des BfV dürfte diesem jedenfalls

– abgesehen von besonders begründeten Ausnah-
men – umfänglich zu berichten sein, da andernfalls
nicht feststellbar ist, ob Bestrebungen im Sinne des

§ 3 Abs. 1 BVerfSchG sich über den Bereich eines

Landes hinaus erstrecken und damit die Zustän-

digkeit des BfV nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG

begründen.“1661

In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass Quel-

lenschutz das notwendige Mindestmaß an Zusammen-

arbeit nicht beeinträchtigen dürfe:

„Er darf daher einer Informationsübermittlung
zwischen deutschen Sicherheitsbehörden nicht

entgegengehalten werden. Die Sicherheitsbe-

hörden sind insgesamt für den Quellenschutz

verantwortlich, nicht jede Sicherheitsbehörde al-

lein – und erst recht nicht gegeneinander.“1662

Die Zusammenarbeit mit den Landesbehörden hinsicht-

lich der V-Mann-Werbung und V-Mann-Führung wird
1660) Koordinierungsrichtlinie mit Stand: 1. Juni 2004, MAT A TH-

3/6, Ordner II., Anlage 5 (Tgb.-Nr. 78/12 – GEHEIM),
Bl. 56 ff. (VS-NfD).

1661) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 221, Rn. 388 f.

1662) Dr. Gusy, ZRP 2012, S. 230 ff.

nach der Aussage des Zeugen Gabaldo, Leiter der Fach-

prüfgruppe im BfV, in der Praxis folgendermaßen ge-

handhabt:

„Wenn wir [das BfV] V-Leute anwerben wollen in
den Ländern, dann haben wir ja immer sogenann-

tes Gastrecht, kann man sagen. Dann müssen wir

das Benehmen herstellen mit den Ländern, und wir

müssen den Ländern gegenüber die Klardaten un-

serer Zielpersonen, die wir als V-Leute anwerben

wollen, mitteilen gemäß § 5 Abs. 2 Bundesverfas-

sungsschutzgesetz. Das Benehmen muss herge-

stellt werden. Das heißt, die Länder wissen, wer

unsere V-Leute sind. Wir müssen die dann auch

über den weiteren Verlauf der Operation immer

regelmäßig unterrichten. Nur, umgekehrt müssen

die Länder das nicht.“1663

Der Zeuge Gabaldo hat darüber hinaus ausgesagt, dass

der Bund sich darum bemüht habe, eine aussagekräftige

V-Mann-Datei ins Leben zu rufen, aus der hervorgehen

sollte, wer auf welcher Zugangsebene als Quelle geführt

wird. Dadurch könne beurteilt werden, ob die Quelle

steuernden Einfluss auf Organisationen ausüben kann.

Die Bundesländer seien jedoch nicht bereit, dem BfV die

Klarnamen ihrer Quellen und deren Positionen in den

jeweiligen Beobachtungsobjekten mitzuteilen.
1664

In

Koordinierungsgesprächen teilten die LfVs allerdings

manchmal mit, wo die V-Leute tätig seien.
1665

Darüber hinaus gebe es unter dem Stichwort „strukturelle
Quellenoptimierung“ ein Abstimmungsverfahren, bei dem
quantitative Angaben über die Einsatzbereiche der V-

Leute mitgeteilt werden.
1666

d) Organisatorische Änderung im BfV

aa) Organisation der Abteilung II des BfV bis
2006

Die Abteilung II des BfV hieß zunächst „Rechtsextre-
mismus und -terrorismus“ und war von 1992 bis 1994 in
drei Projektbereiche unterteilt: Auswertung Rechtsextre-

mismus, Auswertung Rechtsterrorismus und Beschaf-

fung.
1667

Die Umstrukturierung zum 12. Dezember 1994 ergab

folgende Gliederung der Abteilung II: Neben dem Mana-

gementteam gab es die Projektbereiche „Unterstüt-
zung/Controlling“, „Neonazistische Aktivitäten“ und
„Sonstige rechtsextremistische Aktivitäten“. Im Bereich
II 2 („Neonazistische Aktivitäten“) war eine Projektein-
heit angesiedelt, die sich mit kriminellen terroristischen

Gruppen beschäftigte. Eine Trennung von „Auswertung“
1663) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 18 f.

1664) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 17.

1665) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 41.

1666) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 44.

1667) Organigramm vom 11. Juni 1992, MAT A BfV-3 (Tgb.-Nr.

02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 4 (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und „Beschaffung“ kann dem Organigramm nicht ent-
nommen werden. Allerdings fehlen in den übersandten

Unterlagen Angaben zu der Organisation unterhalb der

Projekteinheit.
1668

Die Zeugin Dobersalzka, Referatsleite-

rin beim BfV, hat ausgesagt, dass die Quellenführung und

die Auswertung jeweils in demselben Referat angesiedelt

waren.
1669

1998 kam der Projektbereich „Scientology“ hinzu. Der
Projektbereich II 2 hieß nunmehr: „Neonazistische Be-
strebungen/Gewaltbereite“.1670

Bis zum Jahr 2006 blieb diese Organisation im Wesentli-

chen – bis auf einige Änderungen – bestehen.

Die Personalstärke der Abteilung II betrug im Jahr 1992

127,75 Stellen.
1671

Sie stieg bis 1994 auf 209,75 Stellen

an
1672

, reduzierte sich dann jedoch wieder zunächst auf

185 Stellen im Jahr 1999
1673

und auf 167 Stellen im Jahr

2006
1674

.

bb) Zusammenlegung der Abteilungen für
Rechts- und Linksextremismus im BfV
(2006)

Im August 2006 wurde im BfV die Abteilung 2 (Rechts-

extremismus) mit der Abteilung 3 (Linksextremismus) zu

einer Abteilung „Deutscher Extremismus“ zusammenge-
legt.

Aus dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Organi-

grammen ergibt sich, dass vor der Zusammenlegung im

Januar 2006 insgesamt 167 Mitarbeiter in der Abteilung 2

des BfV beschäftigt waren, während es im Januar 2007

noch 135 Mitarbeiter in den Bereichen der Abteilung 2,

die sich mit Rechtsextremismus befassten, waren – was
einer Verminderung um circa 20 Prozent entspricht.

1675
Der Ausschuss hat sich mit den Hintergründen dieser

Organisationsentscheidung sowie der Frage nach deren

Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des BfV im Be-

reich des Rechtsextremismus befasst.

aaa) Entscheidungsprozess nach Aktenlage

Auf Bitten des BMI legte der damalige Präsident des BfV,

Heinz Fromm, dem BMI am 19. Juni 2006 einen Bericht
1668) Organigramm vom 12. Dezember 1994, MAT A BfV-3 (Tgb.-

Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 9 (VS-NfD).

1669) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 12.

1670) Organigramm vom 5. Juli 1998, MAT A BfV-3 (Tgb.-Nr.

02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 20 (VS-NfD).

1671) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 1992, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 77 (VS-NfD).

1672) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 1994, MAT A BfV-3

(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 79 (VS-NfD).

1673) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 1999, MAT A BfV-3

(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 84 (VS-NfD).

1674) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 2006, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 91 (VS-NfD).

1675) MAT A BfV-3 (Tgb-Nr.02/12, VS–VERTRAULICH), Bl. 49
(VS-NfD).

über eine mögliche „Neuausrichtung des BfV zur Errei-
chung von Synergieeffekten und zum Zwecke einer wei-

teren personellen Verstärkung der Abteilungen „Islamis-
mus und islamischer Terrorismus“ vor.1676 Ende Juni
2006 fand zu dieser Thematik ein Gespräch zwischen

Staatssekretär Dr. Hanning, dem Präsidenten des BfV,

Fromm, und den drei betroffenen Abteilungsleitern Z, P

und IS im BMI statt.
1677

Der BfV-Präsident, Fromm, favorisierte eine Zusammen-

legung von Abteilung 3 (Linksextremismus) und 5 (Aus-

länderextremismus). Eine Zusammenlegung dieser Abtei-

lungen biete sich an, da in der Abteilung Ausländerextre-

mismus nahezu ausschließlich Bestrebungen mit linksex-

tremistischem Ursprung beobachtet würden. Von einer

Zusammenlegung der Abteilung 2 (Rechtsextremismus)

und der Abteilung 3 (Linksextremismus) riet BfV-

Präsident Fromm hingegen „dringend“ ab. Konkret äußer-
te er sich mit Schreiben vom 22. Juli 2006 an das BMI

wie folgt:

„Nach hiesiger Einschätzung sind fachlich vertret-
bare Alternativen zu der geplanten Zusammenle-

gung der Abteilungen 3 und 5 nicht gegeben. Ins-

besondere steht einer Zusammenlegung der Abtei-

lungen 2 (Rechtsextremismus) und 3 (Linksextre-

mismus) zu einer gemeinsamen Abteilung ‚Deut-
scher Extremismus‘ die aktuelle Entwicklung im
Beobachtungsbereich ‚Rechtsextremismus‘ entge-
gen. Die jüngsten rechtsextremistischen/fremden-

feindlichen Übergriffe auf Ausländer sowie die

medienwirksamen Aktivitäten der rechtsextremis-

tischen Szene zeigen die fortdauernde Notwendig-

keit einer intensiven Bearbeitung dieses Bereichs.

Je nach Erkenntnislage kann es ggfs. künftig er-

forderlich werden, den Personalansatz der Abtei-

lung 2 durch Umschichtungen von Mitarbeitern zu

erhöhen. Im Übrigen kann m. E. nicht ausge-

schlossen werden, dass im Fall von künftigen öf-

fentlichkeitswirksamen Ereignissen mit rechtsext-

remistischem Bezug eine Zusammenlegung der

Abteilung Rechtsextremismus mit anderen Organi-

sationseinheiten als Vernachlässigung dieser

Schwerpunktaufgabe missverstanden und als

mitursächlich für mangelhafte Aufklärung im Vor-

feld bewertet werden könnte. Hiervon möchte ich

dringend abraten.“1678

Mit weiterem Schreiben vom 14. August 2006 legte der

damalige BfV-Präsident Fromm dar, dass beide Varianten

– also die vom BfV geplante Zusammenlegung der Abtei-
1676) Schreiben Präsident Fromm an das BMI vom 19. Juni 2006,

MAT A BMI-6/1 (Tgb.-Nr. 21/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1 bis 14.

1677) Präsentation des BfV, MAT A BMI-6/1 (Tgb.-Nr. 21/12, VS-
VERTRAULICH, Auszug VS-NfD), Bl. 48, 52, 60, sowie In-

formationsvermerk Referat IS an StS Dr. Hanning vom 23. Juni

2006, MAT A BMI-6/1 (Tgb.-Nr. 21/12 – VS-VER-
TRAULICH, Auszug VS-NfD), Bl. 64 ff.

1678) Schreiben Präsident Fromm an das BMI vom

22. Juli 2006, MAT A BMI-6a, Bl. 140 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 205 – Drucksache 17/14600

lungen 3 und 5 einerseits und die vom BMI geplante

Zusammenlegung der Abteilungen 2 und 3 andererseits –
aus organisatorischer Sicht identische Synergieeffekte

erzielen würden. Diese könnten durch eine

Aufgabenpriorisierung zu Lasten des Bereichs „Deutscher
Linksextremismus“ erwirtschaftet werden, die aus Sicht
des BfV durch Reduzierung der Werbungsmaßnahmen

fachlich vertretbar sei.
1679

Das BMI folgte dem nicht. In einer Stellungnahme des

Referats IS 1 an StS Dr. Hanning vom 22. August 2006

heißt es vielmehr:

„Die vom BfV angeführten Argumente sind weit-
gehend politischer Natur und können aus

fachaufsichtlicher Sicht nicht mitgetragen wer-

den.“1680

An anderer Stelle machte das Referat P II 1 geltend, dass,

soweit sich der Bericht des BfV-Präsidenten Fromm vom

22. Juli 2006 aus politischen Gründen gegen eine Zu-

sammenlegung der Abteilungen 2 und 3 ausspreche, dies

außerhalb der Bewertungszuständigkeit des BfV liege. Im

Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass eine Zusammen-

legung der Bereiche Linksextremismus und säkularer

Ausländerextremismus politisch auch als Relativierung

des letztgenannten Phänomenbereichs missdeutet werden

könne.
1681

Mit Erlass des BMI vom 8. September 2006 wurde dem

BfV schließlich mitgeteilt, dass sich Staatsekretär

Dr. Hanning für eine Zusammenlegung der Abteilungen 2

und 3 ausgesprochen habe. Als Gründe wurden angeführt:

„Erhöhte Synergieeffekte aufgrund der größeren
Schnittmenge der Aufgabenbereiche Rechts- und

Linksextremismus im Vergleich zu einer Zusam-

menlegung mit dem Bereich Ausländerextremis-

mus;

ein ganzheitlicher Ansatz bei der Bekämpfung des

‚Deutschen Extremismus‘, insbesondere auch vor
dem Hintergrund der gestiegenen Auseinanderset-

zungen zwischen Links- und Rechtsextremisten;

auch im Bereich der Prävention, der geistig-

politischen Auseinandersetzung mit dem Extre-

mismus und dem Entgegenwirken extremistischer

Einflussnahme bzw. der Anwerbung neuer Anhä-

nger erscheint ein ganzheitlicher Ansatz erfolgver-

sprechender;

eine parallele Entwicklung zu den im BMI und im

BKA zusammengefassten Zuständigkeiten für

Links- und Rechtsextremismus.“1682
1679) Schreiben des Präsidenten Fromm an das BMI, Abteilung IS,

vom 14. August 2006, MAT A BMI-6a, Bl. 143 ff.

1680) Vorlage Referat IS 1 an StS Dr. Hanning vom 22. August 2006,

MAT A BMI-6a, Bl. 136 ff.

1681) E-Mail Referat PII1 vom 1. August 2006, MAT A BMI-6a,
Bl. 81.

1682) Erlass des Organisationsreferats Z 2 des BMI vom

8. September 2006, MAT A BMI-6b, Bl. 161 f. (VS-NfD).

bbb) Motive für die Entscheidung nach Anga-
ben der Zeugen Fromm, Dr. Hanning und
Dr. Schäuble

Der damalige BfV-Präsident, Heinz Fromm, hat vor dem

Untersuchungsausschuss als Zeuge ausgesagt, es sei Ab-

sicht gewesen, nicht die Schlagkraft zu senken, sondern

die Personalzahl im BfV durch Zusammenschieben von

Organisationseinheiten zu reduzieren.
1683

Zu der Entscheidung, die Abteilungen Links- und Rechts-

extremismus im BfV zusammenzulegen, hat sich der

damals verantwortliche Staatsekretär im BMI, der Zeuge

Dr. August Hanning, vor dem Untersuchungsausschuss

zusammenfassend wie folgt geäußert:

„Aufgrund von Haushaltskürzungen und im Hin-
blick auf die Bedrohung durch den islamistischen

Terrorismus musste im Jahr 2006 eine Entschei-

dung darüber getroffen werden, wie die Aufgaben

des Bundesamtes für Verfassungsschutz neu orga-

nisiert werden sollten. Dazu habe ich nach meiner

Erinnerung mehrere Gespräche mit den berührten

Fachabteilungen des Hauses und dem Präsidenten

des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herrn

Fromm, geführt, und ich habe die verschiedenen in

Betracht kommenden Möglichkeiten intensiv prü-

fen lassen. Im Ergebnis stellte sich die Alternative

heraus, entweder die Bereiche Rechts- und Links-

terrorismus in einer Abteilung zusammenzufas-

sen […] oder den Bereich Linksextremismus mit
dem Bereich Ausländerextremismus zusammenzu-

legen. Es gab für beide Entscheidungen durchaus

vertretbare Argumente. […]

Ich habe diese Frage dann unter Beteiligung der

Fachabteilung und Zentralabteilung in einer be-

sonderen Steuerungsgruppe noch mal intensiv prü-

fen lassen. Dabei habe ich dann die Frage gestellt,

mit welcher Lösung die größten Effizienzgewinne

zu erwarten seien. Die Prüfung kam dann zu dem

Ergebnis, dass die Synergieeffekte bei einer Zu-

sammenlegung der Abteilungen 2 und 3, das heißt

Rechts- und Linksextremismus, wohl am größten

seien.

Ein weiteres Argument war die Struktur im Bun-

deskriminalamt. Auch dort waren die

Phänomenbereiche Rechts- und Linksextremismus

in einer Gruppe innerhalb der Abteilung ST orga-

nisiert. Ich habe dann vor der abschließenden Ent-

scheidung noch mal mit Präsident Fromm darüber

gesprochen, und im Ergebnis hat er dann – und das
ist jedenfalls meine Erinnerung – auch diese Ent-
scheidung akzeptiert.

Ich möchte noch mal betonen, dass das keine

Sachentscheidung war im Hinblick auf Ressourcen

und Schwerpunkte. Wir waren gezwungen, damals

eine Revision der Abteilungen vorzunehmen, und

wir haben dann versucht, eben den Sparzwängen
1683) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 35.

Drucksache 17/14600 – 206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Rechnung tragend, hier die beste Lösung zu fin-

den. Am besten wäre natürlich gewesen, man hätte

genügend Ressourcen gehabt, um sozusagen die

beiden Abteilungen aufrechtzuerhalten. Aber das

war aus den Darlegungen, die ich eben gemacht

habe, leider nicht möglich und aufgrund der Spar-

zwänge.“1684

Danach gefragt, ob er es nicht für vertretbar gehalten

habe, dafür zu werben, die Kapazitäten, die man im Be-

reich von Analysefähigkeit und im Umgang mit extremis-

tischen Erscheinungsformen brauche, zur Verfügung

gestellt zu bekommen statt von gerade verfügbaren Mit-

teln auszugehen, hat der Zeuge Dr. Hanning geantwortet:

„das klingt sehr gut. Ich würde Sie mal einladen,
bei einem Gespräch mit Haushältern dabei zu sein.

Ich habe jetzt nicht mehr die Ehre, die zu führen.

Da weht natürlich ein etwas anderer Wind. Da

wird gesagt: Wir müssen hier eine Kürzung er-

bringen. Im Sicherheitsbereich ist schon lange

nicht mehr gekürzt worden. Bitte sorgt mal dafür,

dass Ihr Effizienzsteigerungen erreicht.“1685

Der damals verantwortliche Bundesinnenminister, der

Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble, hat ausgeführt, dass man

im Jahr 2006 – auch im Vorfeld der Fußballweltmeister-
schaft – eine besonders starke Bedrohung durch den isla-
mistischen Terrorismus empfunden habe. Auch vor dem

Hintergrund der Olympischen Spiele im Jahre 1972 habe

man alles darangesetzt, die Fußballweltmeisterschaft 2006

nicht nur zu einer heiteren Fußballweltmeisterschaft wer-

den zu lassen, sondern auch, die Sicherheit zu gewährleis-

ten, was angesichts der verschiedenen Spielorte und der

neuen Dimension für die Sicherheitslage durch Public

Viewing eine Riesenaufgabe gewesen sei. Er hat an die

fehlgeschlagenen Kofferbombenanschläge vom Juli 2006

und an die sogenannte Sauerland-Gruppe erinnert, die

gezeigt hätten, dass die Bedrohung durch den islamisti-

schen Terrorismus eine reale gewesen sei. Um die Sicher-

heitsbehörden von Bund und Ländern, Polizei und Ver-

fassungsschutzbehörden in einem Zentrum zu einer star-

ken informellen Zusammenarbeit zu bringen, habe man

das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum in Berlin einge-

richtet. Im Zuge dieser Arbeiten sei beim BfV auch eine

Abteilung zur Beobachtung des islamistischen Terroris-

mus in Berlin eingerichtet worden. Angesichts dieser

Vorgaben, auch durch Haushaltsentscheidungen, sei es

notwendig geworden, durch die Zusammenlegung anderer

Abteilungen eine Abteilung einzusparen. Die Entschei-

dung, welche Abteilungen zusammenzulegen waren, sei

im Rahmen einer Abwägung der Vor- und Nachteile

getroffen worden. Der Vorschlag, die Abteilungen für

Links- und Rechtsterrorismus zusammenzulegen, habe

ihm eingeleuchtet. Damit sei keine Minderbewertung,

geringere Gefährdungseinschätzung oder Ähnliches ver-

bunden gewesen.
1686

Er sei dem fachlichen Votum seines
1684) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3 ff.

1685) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 17

1686) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3.

Hauses
1687

und insbesondere dem Votum seines Staats-

sekretärs, dem Zeugen Dr. Hanning, gefolgt.
1688

An ein

direktes Gespräch mit Herrn Fromm in dieser Angelegen-

heit könne er sich nicht erinnern.
1689

Auf Nachfrage hat der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble

erklärt, er habe es nicht so in Erinnerung, dass die Zu-

sammenlegung der beiden Abteilungen den Grund gehabt

habe, Personal einzusparen. Man habe vielmehr eine

zusätzliche Abteilung geschaffen im Bereich des islamis-

tischen Terrorismus, und um die Zahl der Abteilungen im

BMI nicht zu erhöhen, habe man innerhalb der durch den

Haushalt vorgegebenen Begrenzungen Prioritäten setzen

müssen. Damit sei nicht verbunden gewesen, Links- oder

Rechtsextremismus als weniger gefährlich oder weniger

beobachtungswert anzusehen.
1690

Im Rahmen des vorge-

gebenen Haushalts für das BfV habe man versucht, die

Aufgaben des BfV möglichst effizient wahrzunehmen.

Zur Frage, ob Verhandlungen zur Beibehaltung beider

Abteilungen gegenüber dem BMF bzw. gegenüber den

Haushältern im Parlament angestoßen worden seien, hat

der Zeuge Dr. Schäuble ausgeführt:

„Es ist nicht so gewesen. Ich glaube auch […] es
führt in die Irre, Ihre Untersuchungen, wenn Sie

glauben würden, es sei hier eine politische Präfe-

renz je nach der parteipolitischen Zusammenset-

zung der jeweiligen Bundesregierung gewesen. Ich

bin zweimal Innenminister gewesen in zwei unter-

schiedlichen Koalitionen. Ich kann in der Wahr-

nehmung der Verantwortung für die Sicherheit un-

serer Bürger mit allen Fehlern, die wir machen,

mit allen Schwächen, die wir alle haben – Aber
dass es da Präferenzen gibt, dass man aus politi-

schen Gründen Gefahren der einen oder anderen

mehr bekämpft, das habe ich nie erlebt, und das

würde ich auch für meine Vorgänger und für mei-

ne Nachfolger insgesamt für ausgeschlossen anse-

hen. Das halte ich für völlig undenkbar.

Nein, der Punkt war: Wir waren konfrontiert, oder

wir haben es so gesehen aufgrund fachlicher Bera-

tungen und Beurteilungen – so wie sich eben poli-
tische Meinungsbildungen und Entscheidungen er-

geben –, dass wir mit einer verstärkten Bedro-
hungslage aus dem Gesamtfeld des islamistischen

Terrorismus konfrontiert wurden, zusätzlich – was
ja die Bedrohungslage auch verschärft nach der

Einschätzung aller fachlichen Behörde – im Vor-
feld und im Umfeld in der Vorbereitung auf die

Fußballweltmeisterschaft.“1691

Danach befragt, wie die im Erlass des BMI vom

8. September 2006 für die Zusammenlegung der Abtei-

lungen 2 und 3 angeführte Begründung eines „ganzheitli-
1687) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3, 7, 40.

1688) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 5.

1689) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 5.

1690) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 5.

1691) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 28.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207 – Drucksache 17/14600

chen Ansatz zur Bekämpfung des deutschen Extremis-

mus“1692 zu verstehen sei, hat der Zeuge Dr. Hanning
ausgeführt, dazu müsse man in erster Linie die Verfasser

des Papiers befragen, er könne nur versuchen, diese Aus-

sage zu interpretieren. Es gebe durchaus Querverbindun-

gen zwischen Rechts- und Linksextremisten. Das fange an

bei den Rechts- und den Linksautonomen, wo es be-

stimmte Strukturen gebe. Deutscher Extremismus sei

schon ein Grundproblem.
1693

Der Zeuge Dr. Schäuble hat

erklärt:

„Ich meine, mich zu erinnern, ich erinnere mich
ziemlich, dass wir eine prioritäre Gefahrensituati-

on, Bedrohungslage aus dem islamistischen Terro-

rismus gesehen haben.

[…]

Dann war für mich klar, dass wir bei einer be-

grenzten Kapazität für den Verfassungsschutz ver-

suchen müssen, Effizienz zu steigern, indem wir

zwei Abteilungen zusammenlegen, wenn wir eine

neue in Berlin bilden. Dann war die Abwägung:

Welche Abteilungen legt man zusammen? Da sind

dann Argumente für beide Seiten vorgetragen

worden, und ich bin dem Votum meines Hauses,

des Abteilungsleiters und Bericht des Staatssekre-

tärs, gefolgt und würde auch heute in der Rück-

schau nicht erkennen, warum die Entscheidung

nicht richtig gewesen sein soll, zumal sie auch

nicht dazu geführt hat, dass der Rechtsextremis-

mus nicht weiter durch den Verfassungsschutz

sorgfältig beobachtet wurde. Wir haben ja die Be-

obachtung des Rechtsextremismus […] nicht ein-
gestellt, sondern intensiv und erfolgreicher als in

den Jahren zuvor fortgesetzt. Aber darüber hinaus,

also diese weitergehenden - - Terroristen, mit dem

einheitlichen Extremismusbegriff in Deutschland,

das würde mich ein bisschen - - dem würde ich

nicht zu viel Gewicht beigemessen haben.“1694

ccc) Bewertung der Entscheidung durch die
Zeugen Fromm, Dr. Hanning und Dr.
Schäuble

Der damalige Präsident des BfV, der Zeuge Heinz

Fromm, hat vor dem Untersuchungsausschuss ausgeführt,

sein Vorschlag sei ein anderer gewesen. Als klar gewor-

den sei, in welche Richtung es gehen solle, habe er das

noch einmal sehr deutlich gemacht:

„Das halte ich für falsch, auch politisch falsch, die
Selbstständigkeit dieser Abteilungen aufzuge-

ben.“1695

Er hat weiter ausgeführt:
1692) Erlass des Organisationsreferats Z 2 des BMI vom

8. September 2006, MAT A BMI-6b, Bl. 161 f. (VS-NfD).

1693) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.

1694) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 39.

1695) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 35.

„Es sind also zwei Aspekte. Einmal: Die Schlag-
kraft, wenn ich Ihren Begriff aufgreifen darf, die

sank natürlich. Das war auch Absicht, nicht die

Schlagkraft zu senken, sondern die Personalzahl zu

reduzieren auch durch Zusammenschieben von

Organisationseinheiten, und zum anderen das Sig-

nal, das damit verbunden war, dass die Bekämp-

fung des Rechtsextremismus von ihrer Bedeutung

her sank. Das war ein klares Signal, was natürlich

nicht nur außerhalb des BfV im Verfassungs-

schutzverbund registriert worden ist, sondern auch

bei den eigenen Mitarbeitern. Insofern besteht im-

mer natürlich die Gefahr, dass man dann nicht

mehr so motiviert ist, als wenn man das Gefühl

hat, die eigene Arbeit ist von besonderer Bedeu-

tung.

Wenngleich ich von jedem erwarte, dass – egal,
für welche Aufgabe er steht – er die nach besten
Kräften zu leisten hat, auch wenn das eine Aufga-

be ist, die in der Prioritätenliste ein bisschen weiter

unten ist, ist doch Tatsache, dass, wenn ich so ein

Signal setze, natürlich auch die Motivation mögli-

cherweise beeinträchtigt wird. All das hat eine

Rolle gespielt. Und der Umstand, dass wir – ich
habe die Zahlen hier – doch deutlich von Beginn
der 2000er-Jahre bis dann zum Ende dieses Jahr-

zehnts in der Personalausstattung reduziert worden

sind, hat sicher auch etwas mit Schlagkraft am En-

de zu tun.“1696

Demgegenüber haben die Zeugen Dr. August Hanning

und Dr. Wolfgang Schäuble die damals getroffene Ent-

scheidung vor dem Untersuchungsausschuss gerechtfer-

tigt.

Auf Nachfrage, ob er es für richtig halte, dass nach der

Zusammenlegung der Abteilungen Links- und Rechtsex-

tremismus ungefähr 20 Prozent weniger Personal für den

Rechtsextremismus zuständig gewesen sei, als zuvor, hat

der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt, man müsse den Ver-

fassungsschutz insgesamt sehen. Die Bedrohung von der

islamistischen Seite sei damals sehr viel stärker gewesen

als die Bedrohung durch Rechtsextremisten. Hätte man

nicht entsprechende Vorsorge getroffen, wäre man nicht

so erfolgreich gewesen, größte Anschläge in Deutschland

zu verhindern, wie zum Beispiel den vereitelten Versuch

der Sauerland-Attentäter, die mit erheblicher krimineller

Energie vorgegangen seien und darin geschwelgt hätten,

Hunderte von Toten durch extremistische Anschläge

herbeizuführen. Aus damaliger Sicht sei es die richtige

Entscheidung gewesen, den Schwerpunkt auf den Bereich

Islamismus zu legen.
1697

Eine höhere Aufmerksamkeit der

einen Herausforderung zu widmen, heiße nicht, gegen-

über einer anderen Herausforderung die Augen zu schlie-

ßen. Begrenzte Ressourcen müssten nach Prioritäten ein-
1696) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 35 f.

1697) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 18.

Drucksache 17/14600 – 208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gesetzt werden. Die vorgenommene Priorisierung sei

damals richtig gewesen.
1698

Die Annahme, man habe den Rechtsextremismus irgend-

wie im Griff oder würde ihn schon überschauen, sei im

Nachhinein jedoch sicherlich eine falsche gewesen.
1699

Mit dem Wissen von damals habe man aber, so glaube er,

die richtige Entscheidung gefällt. Das Bedrohungsszena-

rio „Einzeltäter-Thüringen“ habe man damals nicht gese-
hen. Dass man in der Retrospektive dies anders habe

machen können, stehe außer Frage. Aber Einzeltäter zu

identifizieren sei sehr schwierig. Und die Vorstellung,

man könne durch noch mehr Personal das Problem sofort

lösen, halte er für eitel.
1700

Dr. Hanning hat weiterhin ausgeführt, dass auch eine

Entscheidung für eine Zusammenlegung der Bereiche

Linksextremismus und Ausländerextremismus aus seiner

Sicht Probleme mit sich gebracht hätte, denn Linksextre-

mismus in Deutschland sei nicht nur Ausländerextremis-

mus. Das halte er schon fast für eine Diskreditierung des

Ausländerbereichs.
1701

„Also, wenn Sie so wollen, waren alle Varianten
nicht besonders komfortabel. Sie waren eigentlich

schlecht. Eigentlich hätten wir alles aufrechterhal-

ten müssen, aber wir hatten auch unsere Haus-

haltszwänge. Ich meine, Sie müssen von den vor-

handenen Mitteln ausgehen. Sie müssen die

Knappheit verwalten, Sie müssen Prioritäten set-

zen, und Sie können das natürlich nur anhand der

bekannten Bedrohungsszenarien machen. Wenn

Sie Dinge nicht kennen – wie hier in diesem Fall
die Geschichte NSU –, dann können Sie nicht ent-
sprechend dem NSU auslegen. Sie können nur ge-

gen bekannte Bedrohungsszenarien agieren.“1702

Insgesamt sei das Bundesamt für Verfassungsschutz unter

Bundesinnenminister Dr. Schäuble nach Angaben des

Zeugen Dr. Hanning aber gestärkt worden:
1703

„Wir haben, glaube ich – ‚wir‘ heißt: Minister
Schäuble –, auf meinen Vorschlag hin die Mittel
für das Bundesamt für Verfassungsschutz erheb-

lich gesteigert. Wir haben ein besonderes Pro-

gramm aufgelegt. Wir haben zusätzliche Stellen

akquiriert. Wir haben die Abteilung Islamismus

hier gegründet in Berlin. Ich habe in einigen

Staatssekretärsrunden mit den Ländern das Thema

Verfassungsschutz thematisiert. Wir haben ge-

meinsam über Verbesserungen nachgedacht. Wir

haben eine Prüfung im Bundesamt für Verfas-

sungsschutz veranlasst, wie wir die Effizienz stei-

gern können. Ich glaube, Minister Schäuble hat

sich wie kein Minister zuvor um den Bereich Ver-
1698) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 18.

1699) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.

1700) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 29.

1701) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.

1702) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 28.

1703) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 18.

fassungsschutz gekümmert, und wir haben auch

beachtliche Verbesserungen dort erreicht. Also, in-

soweit ist Ihre Botschaft, wenn auch in anderer

Form, durchaus damals umgesetzt worden. Wir

haben, glaube ich, wenn ich mir die früheren In-

nenminister anschaue, in einem Bereich Verfas-

sungsschutz sehr viel mehr getan als alle früheren

Innenminister.“1704

Der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble hat dargelegt, dass er

die Entscheidung auch in der Rückschau für richtig hal-

te.
1705

Er sei dem fachlichen Votum des Ministeriums

gefolgt und das würde er auch heute, in der Rückschau

seiner Erfahrungen wieder so halten.
1706

Er sei auch nicht der Meinung, dass das BfV durch diese

Entscheidung in seiner Aufgabe der präventiven Beobach-

tung des Rechtsextremismus irgendwie geschwächt wor-

den sei. Wo immer genügend Erkenntnisse vorgelegen

hätten, um rechtlich einwandfreie Verbotsmaßnahmen

rechtsextremistischer Vereinigungen zu ergreifen, habe

man diese erfolgreich ergriffen.
1707

Die vom derzeitigen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter

Friedrich getroffene Entscheidung, die Abteilungen wie-

der zu trennen und erneut eine eigenständige Abteilung

„Rechtsextremismus“ im BfV einzurichten, hat der Zeuge
Dr. Schäuble gleichwohl nicht als einen Fehler bezeich-

net. Es sei ein Zeichen für das Funktionieren von Syste-

men, wenn man einmal getroffene Entscheidungen, die

man aus der damaligen Sicht nicht für falsch halten müs-

se, später anders trifft.
1708

cc) Organisation der Abteilung II des BfV nach
2006

Zum 1. März 2008 wurde die Referatsgruppe 2C und 2D

zusammengelegt zur Referatsgruppe 2C (Auswertung

Rechtsextremismus, Scientology Organisation). Diese

Referatsgruppe hatte sechs Referate.
1709

Bis zum Oktober

2011 blieb diese Struktur der Abteilung II erhalten.
1710

Der Personalstand blieb in dieser Zeit ungefähr gleich. Im

Januar 2011 hatte die Abteilung II 125,92 belegte Stel-

len.
1711
1704) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 17 f.

1705) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3, 39.

1706) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 3, 7, 40.

1707) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 36.

1708) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 40.

1709) Organigramm vom 1. März 2008, MAT A BfV-3 (Tgb.-Nr.

02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 54 (VS-NfD).

1710) Vgl. Organigramm vom 1. Oktober 2011, MAT A BfV-3
(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 65 (VS-NfD).

1711) Tabelle über belegte Stellen vom Januar 2011, MAT A BfV-3

(Tgb.-Nr. 02/12 – VS-VERTRAULICH), Bl. 96 (VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209 – Drucksache 17/14600

4. Informationsfluss zwischen Verfas-
sungsschutzämtern und Ermittlungsbe-
hörden

a) Grundsätze des Informationsflusses zwi-
schen Verfassungsschutzämtern und Er-
mittlungsbehörden

aa) Schnittstellenproblem der Behördenko-
operation

Professor Dr. Gusy hat in seinem Gutachten für den

Untersuchungsausschuss zur Behördenkooperation – vor
Erlass des Urteils des BVerfG vom 24. April 2013, 1 BvR

1215/07
1712

– ausgeführt:

„Behördenkooperation ist rechtlich kein Ausnah-
mefall ‚gewöhnlicher‘ Behördenarbeit. Sie soll
letztlich dazu dienen, nicht allein den isolierten

Behördenzweck, sondern den jeweils wahrzuneh-

menden Verwaltungszweck zu fördern. Solange

die zu beteiligenden Behörden diesen Zweck mit

gemeinsamer Aufgabenstellung und kompatiblen

Mitteln wahrnehmen sollen, ist dies kein Problem.

Schnittstellenprobleme entstehen jedoch, wenn die

einzelnen Behörden mit unterschiedlichen Zielset-

zungen und unterschiedlichen Mitteln an die je-

weilige Aufgabe herangehen. Hier können sich

Unterschiede zwischen Polizei und Verfas-

sungsschutzbehörden ergeben.

Aufgabe der Polizei ist

– die Aufklärung von Straftaten, ggf. durch Ein-
leitung von Strafverfahren, nach dem Legali-

tätsprinzip: Spätestens zu diesem Zeitpunkt er-

fahren Betroffene von den getroffenen Maß-

nahmen oder

– die Abwehr von Gefahren durch eigenes Ein-
schreiten nach dem Opportunitätsprinzip: Sol-

che Maßnahmen können Betroffene bemer-

ken, müssen es aber nicht in jedem Fall. Ein

Anspruch auf Information über getroffene

Maßnahmen besteht nicht.

Demnach mündet polizeiliche Aufgabenerfül-

lung vielfach, aber nicht stets in Aktivitäten,

welche nach außen hervortreten und von Be-

troffenen bemerkt werden können. Zu solchen

Handlungen ist die Polizei im Rahmen des

Legalitätsprinzips sogar verpflichtet.

– Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Auf-
klärung von Bestrebungen, bestimmten Straf-

taten u. a. im Vorfeld. Dieser Aufklärungsauf-

trag dauert an, solange von Personen oder Or-

ganisationen überhaupt noch zukünftige Risi-

ken ausgehen können. Der Beobachtungsauf-

trag hört insbesondere mit Straftaten oder der
1712) NJW 2013, 1499 ff.; vgl. hierzu unter C.III.4.a)ee)bbb).

Realisierung von Gefahren nicht auf. Von der

(fortdauernden) Aufklärung erfahren Betrof-

fene regelmäßig nichts.

Sobald sich konkrete Gefahren im Über-

schneidungsbereich von Verfassungsschutz

und Polizei zeigen, können die Aufträge dem-

nach divergieren: Die Polizei soll Gefahren

abwehren oder Verfahren einleiten; die Ver-

fassungsschutzbehörden sollen aufklären.

Konkret bedeutet dies:

– Informiert der Verfassungsschutz die Polizei,
kann es geschehen, dass Betroffene von den

gegen sie getroffenen Aufklärungsmaßnahmen

erfahren und ggf. mit Abwehr- oder Strafver-

folgungsmaßnahmen konfrontiert sind. Da-

durch fallen sie als Beobachtungsobjekte für

die Zukunft weitgehend aus. Damit wird die

polizeiliche Aufgabe erfüllbar, diejenige des

Verfassungsschutzes aber ggf. beeinträchtigt.

Zumindest dieser Effekt kann den Verfas-

sungsschutz dazu bewegen, von einer Infor-

mation der Polizei abzusehen. Der genannte

Kollisionsfall ist bislang rechtlich nicht gere-

gelt und in Rechtsprechung und Rechtswis-

senschaft nicht bearbeitet.

– Informiert die Polizei den Verfassungsschutz,
so ist dies allein nicht geeignet, ihre Aufgabe

zu beeinträchtigen. Es können allerdings Ver-

suche der Verfassungsschutzbehörden ermög-

licht werden, potentiell Betroffene unter Hin-

weis auf eigene gesetzlich vorgesehene Auf-

gaben dem polizeilichen Zugriff zu entziehen.

Dies kann entweder unmittelbar oder mit

nachrichtendienstlichen Methoden oder auf

dem Umweg über die Einschaltung gemein-

samer Aufsichtsbehörden geschehen. Auch

dieser Fall ist gesetzlich nicht geregelt und

durch Rechtsprechung und Rechtswissen-

schaft nicht aufgearbeitet. Auch in diesem Fal-

le können mögliche negative Rückwirkungen

auf die eigene Arbeit die Polizei dazu bewe-

gen, von einer Information der Verfas-

sungsschutzbehörden abzusehen.

Das Schnittstellenproblem Kooperation lässt

sich demnach so zusammenfassen: Die

Rechtsordnung hält nicht nur positive

Incentives für die Kooperation beider Stellen

bereit. Vielmehr finden sich auch negative

Incentives, welche einer Kooperation im Ein-

zelfall entgegenstehen können. Diese folgen

weniger aus bestimmten Einzelregelungen als

vielmehr aus unterlassenen Regelungen – so-
wohl im Außen- wie auch im Innenrecht – und
den aus ihnen folgenden Prognose- und Ein-

schätzungsschwierigkeiten.“1713
1713) Gutachten vom 20. März 2012, MAT A S-1, Bl. 21 f.

Drucksache 17/14600 – 210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bb) Rechtliche Grundlagen der Übermittlung
von Informationen durch das BfV an Er-
mittlungsbehörden

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG ist das BfV ver-

pflichtet, den Staatsanwaltschaften und der Polizei von

sich aus die ihm bekanntgewordenen Daten zu übermit-

teln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass

die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von

Staatsschutzdelikten i. S. v. §§ 74a, 120 GVG erfor-

derlich ist.

Darüber hinaus dürfen nach § 20 Abs. 2 Satz 1

BVerfSchG die Polizeibehörden das BfV zur Verhinde-

rung von Staatsschutzdelikten um Übermittlung der er-

forderlichen Informationen ersuchen, was für das BfV

eine Übermittlungspflicht auslöst.

Ersucht im Übrigen eine Ermittlungsbehörde das BfV um

die Übermittlung von Informationen, so darf das BfV

gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG der Bitte nachkom-

men, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforder-

lich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der

freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst

für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Das BfV

hat insoweit ein Ermessen, das sich aber gegebenenfalls

zu einer Pflicht zur Informationsweitergabe reduzieren

kann.

Einschränkungen der Übermittlungspflicht enthält darüber

hinaus § 23 BVerfSchG (Übermittlungsverbote), welcher

lautet:

„Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses
Abschnitts unterbleibt, wenn

1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass

unter Berücksichtigung der Art der Informationen

und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen

des Betroffenen das Allgemeininteresse an der

Übermittlung überwiegen,

2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfor-

dern oder

3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen

entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung

gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von

Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die

nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt

unberührt.“

Der Zeuge Gabaldo, Leiter der Fachprüfgruppe im BfV,

hat darauf hingewiesen, dass in bestimmten Fällen eine

Übermittlungspflicht auch aufgrund des § 138 StGB

(Nichtanzeige geplanter Straftaten) besteht: Erhält ein

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Kenntnis von Straf-

taten, die im Katalog des § 138 StGB aufgeführt sind, so

muss er die Polizei benachrichtigen, andernfalls macht er

sich selbst nach § 138 StGB strafbar.
1714
1714) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 5.

Bei der Überwachung der Telekommunikation und des

Postverkehrs durch Verfassungsschutzbehörden sieht § 4

Abs. 4 G10 spezielle Regelungen für die Übermittlung

von Informationen an die Polizei vor.
1715

Für den MAD gelten gem. §§ 11, 12 MADG dieselben

Regelungen wie für das BfV.

cc) Rechtliche Grundlagen der Informations-
übermittlung von Landesverfas-
sungsschutzbehörden an Ermittlungsbe-
hörden

aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit

Im Falle einer länderübergreifenden Zusammenarbeit

regelt § 21 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG eine Übermittlungs-

verpflichtung der LfV an die Staatsanwaltschaften und

Polizeibehörden im gleichen Umfang wie beim BfV.

bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am
Beispiel von Bayern und Thüringen

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG gilt diese soeben

genannte Verpflichtung zur Informationsübermittlung

nicht zwischen den Behörden desselben Landes.

Die Regelungen in den Ländern sind unterschiedlich

ausgestaltet. Wegen der Vielzahl der Regelungen werden

nur die rechtlichen Grundlagen in Thüringen und Bayern

dargestellt
1716

:

Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayVSG darf das LfV Bayern

personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermit-

teln, wenn dies zur Aufgabenerfüllung des LfV erforder-

lich ist oder wenn die öffentliche Stelle die Daten zum

Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung

oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit ein-

schließlich der Strafverfolgung benötigt. Diese Vorschrift

betrifft damit insbesondere die Informationsübermittlung

an Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Übermittlung ist in

das Ermessen des LfV gestellt. Eine Einschränkung auf

bestimmte Delikte oder Phänomenbereiche (namentlich

Staatsschutzdelikte) enthält das Gesetz ebenso wenig wie

eine Übermittlungsverpflichtung für das LfV in bestimm-

ten Fällen.

Art. 14 Abs. 1 BayVSG in der Fassung vom 1. Januar

2003 bis 31. Juli 2008 lautet:

„(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf
personenbezogene Daten an öffentliche Stellen

übermitteln, wenn das zur Erfüllung seiner Aufga-

ben nach diesem Gesetz erforderlich ist oder wenn
1715) Vgl. auch die Ausführungen im Abschlussbericht der Bund-

Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013,

A-Drs. 488, Rn. 71 ff.

1716) Hinsichtlich der Länder Brandenburg, Hessen, Niedersach-
sen und Sachsen vgl. den Abschlussbericht der Bund-

Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013,

A-Drs. 488, Rn. 101 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211 – Drucksache 17/14600

die öffentliche Stelle die Daten zum Schutz der

freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder

sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit ein-

schließlich der Strafverfolgung benötigt; das Lan-

desamt für Verfassungsschutz hat die Übermitt-

lung aktenkundig zu machen. Gleiches gilt, wenn

der Empfänger die personenbezogenen Daten zur

Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben be-

nötigt, sofern er dabei auch zum Schutz der frei-

heitlichen demokratischen Grundordnung beizu-

tragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Si-

cherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat.

Der Empfänger darf die übermittelten Daten, so-

weit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu

dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermit-

telt wurden, es sei denn, dass das Landesamt für

Verfassungsschutz einer anderen Verwendung für

Zwecke nach den Sätzen 1 und 2 zugestimmt hat.

Satz 1 gilt auch für die Übermittlung personenbe-

zogener Daten innerhalb des Landesamts für Ver-

fassungsschutz.“

Die aktuell in Bayern geltende Vorschrift des Art. 14 Abs.

1 BayVSG ist lediglich im Wortlaut, aber nicht im Inhalt

geändert.
1717

Die Informationsübermittlung durch das Landesamt für

Verfassungsschutz ist in § 14 Abs. 1 des Thüringer Ver-

fassungsschutzgesetzes (ThürVSG) geregelt. Dieser laute-

te in der Fassung vom 6. November 1991 bis zum 27. Juni

2002:

„(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf,
soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an

andere Behörden und öffentliche Stellen personen-

bezogene Daten zur Erfüllung seiner Aufgaben

nach § 2 Abs. 1, 4 und 5 übermitteln. Zu anderen

Zwecken darf es, soweit gesetzlich nichts anderes

bestimmt ist, personenbezogene Daten nur über-

mitteln an:

1. den Bundesnachrichtendienst und den Militäri-

schen Abschirmdienst, soweit tatsächliche An-

haltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung

für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben er-

forderlich ist;

2. die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden,

wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen,

dass die Übermittlung erforderlich ist:

a) zur Verhütung oder Verfolgung der in §§ 74a

und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genann-

ten Straftaten oder sonstiger Straftaten, bei denen

aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Tatver-

dächtigen oder dessen Verbindung zu einer Orga-

nisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlie-

gen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10

Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten

Schutzgüter gerichtet sind;
1717) Im letzten Satz heißt es nunmehr statt „Übermittlung“: „Wei-

tergabe“.

b) zur Verfolgung der in § 100a Strafprozessord-

nung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten

im Rahmen der organisierten Kriminalität;

3. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend

tätig sind, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür

bestehen, dass dies zu ihrer Aufgabenerfüllung er-

forderlich ist und die Übermittlung der Abwehr ei-

ner im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr

oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Num-

mer 2 genannten Straftaten sowie von Verbrechen,

für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorlie-

gen, dient;

4. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn

tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass

die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben er-

forderlich ist und der Empfänger die Daten zum

Schutz der freiheitlich demokratischen Grundord-

nung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Si-

cherheit benötigt.“1718

Nach dem Wortlaut des § 14 ThürVSG (a. F.) lag es hier

ebenfalls (wie in Bayern) im Ermessen des Thüringer

Landesamtes für Verfassungsschutz, ob und in welchem

Umfang Informationen an die Strafverfolgungsbehörden

herausgegeben werden.

Hierin bestand eine gravierende Abweichung vom Bun-

desrecht, denn nach dem BVerfSchG sind das Bundesamt

für Verfassungsschutz (§ 20 BVerfSchG) und die Landes-

ämter für Verfassungsschutz (§ 21 Abs. 1 BVerfSchG)

verpflichtet, in bestimmten Fällen Informationen an die

Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln (siehe oben).

Die Thüringer Regelung war nach Ansicht der Schäfer-

Kommission nicht verfassungskonform. Sie kommt zu

folgendem Schluss:

„Ungeachtet seines Wortlauts ist § 14 ThürVSG
(Anm.: a. F.) dahingehend auszulegen, dass bei

dem Verdacht schwerer Straftaten, etwa bei Ver-

brechen nach §129a StGB eine Übermittlungs-

pflicht des Verfassungsschutzes anzunehmen ist.

Das Bundesverfassungsgericht führt in ständiger

Rechtsprechung aus:

‚Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die
Berücksichtigung der Belange einer funktionsfähi-

gen Strafrechtspflege, ohne die Gerechtigkeit nicht

zum Durchbruch verholfen werden kann. Es be-

steht daher die verfassungsrechtliche Pflicht des

Staates, eine funktionsfähige Strafrechtspflege zu

gewährleisten.‘ Diese Grundsätze verbieten es, die
Weitergabe von Erkenntnissen zu schwerwiegen-

den Straftaten an die Strafverfolgungsbehörden in

das Ermessen des Verfassungsschutzes zu legen.

Dem können auch nicht die Bedürfnisse des Quel-
1718) § 14 ThürVSG, gültig vom 6. November 1991 bis zum

27. Juni 2002.

Drucksache 17/14600 – 212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lenschutzes und die Funktionsfähigkeit des Verfas-

sungsschutzes entgegengehalten werden.“1719

Inzwischen ist § 14 ThürVSG dem Bundesrecht angepasst

worden. Seit dem 18. August 2012 besteht auch in Thü-

ringen eine Informationspflicht des Landesamts für Ver-

fassungsschutz gegenüber der Staatsanwaltschaft und den

Polizeibehörden (§ 14 Abs. 2 ThürVSG). Diese ist sogar

noch weitergehender als auf Bundesebene. Das LfV Thü-

ringen muss bereits dann Daten übermitteln, wenn tat-

sächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese

Übermittlung zur Verhinderung von Verbrechen dient, für

deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen.

Die in Bayern in Art. 17 BayVSG sowie in Thüringen in

§ 15 ThürVSG
1720

geregelten Übermittlungsverbote

stimmen mit den Übermittlungsverboten nach § 23

BVerfSchG überein.

dd) Übermittlung von Informationen von den
Ermittlungsbehörden an die Verfas-
sungsschutzbehörden

Übermittlungspflichten und -befugnisse existieren auch in

die umgekehrte Richtung, d. h. von den Ermittlungsbe-

hörden zu den Verfassungsschutzbehörden.

aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG sind Polizei und

Staatsanwaltschaft sowohl gegenüber dem BfV als auch

gegenüber den Landesbehörden für Verfassungsschutz

verpflichtet, Informationen hinsichtlich solcher Tatsa-

chen, die den Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes

im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 u. 4 BVerfSchG betref-

fen, zu übermitteln, sofern ein Gewaltbezug besteht. Die

Bestrebungen müssen sich entweder bereits durch die

Anwendung von Gewalt, mindestens jedoch durch ent-

sprechende Vorbereitungshandlungen auszeichnen.

Hinsichtlich aller übrigen Informationen, die Bestrebun-

gen im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG betreffen, besteht

gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG eine Übermitt-

lungsbefugnis von Polizei und Staatsanwaltschaft an die

Landesbehörden für Verfassungsschutz und an das BfV.

Hierbei müssen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte

dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Aufgabener-

füllung des Verfassungsschutzes erforderlich ist. Diese

weitergehende Übermittlungsbefugnis, für die ein Ge-

waltbezug nicht erforderlich ist, ist in das Ermessen der

übermittelnden Behörde gestellt.

Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeld-

verfahren (RiStBV) des Bundes und der Länder enthalten

in Nr. 205 für den Staatsanwalt Hinweise auf die ein-

schlägigen Vorschriften des Verfassungsschutzrechts.
1719) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 202, Rn. 348, 349.

1720) Keine Änderung gegenüber der früher geltenden Fassung.

Die Regelungen des § 18 Abs. 1 und 2 BVerfSchG gelten

allerdings nicht bei der Übermittlung von Informationen

innerhalb desselben Bundeslandes.

bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am
Beispiel Bayerns und Thüringens

In Bayern besteht gemäß Art. 12 Abs. 1 BayVSG eine

Übermittlungspflicht für Polizei und Staatsanwaltschaft,

sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass

die Übermittlung für die dem LfV Bayern durch das

Gesetz zugewiesene Aufgabe erforderlich sein kann. Ein

die Übermittlungspflicht nach Art. 12 BayVSG ein-

schränkendes Übermittlungsverbot ist gesetzlich nicht

geregelt.

In Thüringen sieht § 12 Abs. 1 ThürVSG vor, dass Polizei

und Staatsanwaltschaft von sich aus Informationen über

bestimmte Straftaten dem LfV übermitteln.

In beiden Ländern ist das LfV gemäß Art. 13 Abs. 1

Satz 1 BayVSG, § 13 Abs. 1 ThürVSG befugt, im Rah-

men seiner Aufgabenerfüllung Übermittlungsersuchen an

Polizei und Staatsanwaltschaft zu richten, womit eine

entsprechende Übermittlungspflicht der ersuchten Behör-

de korrespondiert.

Auch in diesem Bereich gilt Nr. 205 RiStBV.

Bei besonders sensiblen Daten, nämlich solchen Informa-

tionen, welche die Ermittlungsbehörden aus Maßnahmen

erlangt haben, die nur bei dem Verdacht bestimmter Straf-

taten erhoben werden dürfen, besteht die Einschränkung

des § 477 Abs. 2 StPO. Der Verfassungsschutz darf in

diesen Fällen Auskunft über die Daten nur verlangen,

wenn die Voraussetzungen des § 18 BVerfSchG vorlie-

gen, d. h. bei Gewaltbezug.

ee) Informationelles Trennungsgebot?

aaa) Gutachten von Prof. Wolff

Prof. Wolff hat in seinem Gutachten, das er vor Erlass des

Urteils des BVerfG vom 24. April 2013, 1 BvR 1215/07,

für den Ausschuss erstattet hat, das Vorliegen eines in-

formationellen Trennungsgebotes zwischen Nachrichten-

diensten und Polizei verneint. Im Einzelnen hat er ausge-

führt:

„Die strengste Stufe des Trennungsgebotes bildet
ein Verbot der informationellen Zusammenarbeit.

Danach wäre nicht nur eine Vergleichbarkeit der

Eingriffsbefugnisse oder ein Zusammenwirken bei

Eingriffen unzulässig, sondern auch der Austausch

von Informationen, die durch jeweils spezifische

Eingriffsbefugnisse erlangt wurden. Zum Teil wird

angenommen, ein Verbot der informationellen Zu-

sammenarbeit folge aus dem Befugnis bezogenen

Trennungsgebot, da dieses ansonsten ‚weitgehend
wirkungslos‘ sei, wenn zwischen den Behörden ein

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213 – Drucksache 17/14600

unbeschränkter Datenaustausch stattfinden dürf-

te.
1721

Eine zumindest grundsätzliche Trennung der

jeweiligen Informationsbestände sei daher vonnö-

ten.
1722

Der Datenaustausch müsse auf Informatio-

nen beschränkt werden, die der Datenempfänger

mit den ihm zugestandenen Kompetenzen auch

selbst hätte erheben dürfen (‚doppelter Vorbe-
halt‘). Ein solch strenges informationelles Tren-
nungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Po-

lizei aus Organisationsrecht ist, soweit ersichtlich,

nirgends ausdrücklich geregelt. […]

c) Die Frage des informationellen Trennungsge-

bots

Demgegenüber wird man die Existenz eines in-

formationellen Trennungsgebots grundsätzlich

nicht annehmen können.
1723

Die Grenzen für den

Informationsfluss ergeben sich aus den Grundrech-

ten und nicht aus dem organisatorischen Tren-

nungsgebot. Sinn und Zweck des Trennungsgebots

ist nicht die informationelle Abschottung von

Nachrichtendiensten und Polizei. Der eigentliche

Kerngedanke des Trennungsgebots liegt in den

zwei anderen genannten Funktionen und diese ver-

langen gerade nicht nach einer informationellen

Trennung. Vielmehr liegt der Informationsaus-

tausch von den Nachrichtendiensten weggerade im

Sinn des Trennungsgebots. Die Nachrichtendienste

üben eine rein informationelle Hilfsfunktion für

andere (dann zum Handeln Berufene) aus; sie sind

– wie der Name schon sagt – ‚Nachrichten‘-
Dienst, d. h. Informationsquelle für andere.

1724
Die

Informationsweitergabe von Nachrichtendiensten

an Regierung und in verminderter Form auch an

die Polizei ist die Kehrseite und Konsequenz des

Trennungsgebotes.
1725

Soll ihre Tätigkeit als

,Nachrichten‘-Dienst nicht partiell vergebens und
sinnlos sein, sind sie darauf verwiesen, ihre Infor-

mationen an diejenigen weiterzugeben, die die er-

forderlichen Konsequenzen zu ziehen in der Lage

sind. Wenn das Grundgesetz selbst etwa einen

,Verfassungsschutz‘ vorsieht, so ist davon auszu-
gehen, dass dieser auch einen tatsächlichen Beitrag

zum Schutz der Verfassung leisten können soll.

Eine über die organisatorische und funktionale

Trennung hinausgehende völlige Abschottung der

vorhandenen Datenbestände würde die vom

Grundgesetz (und den Alliierten) ausdrücklich

vorgesehenen Nachrichtendienste in ihrer Schutz-
1721) Baumann, Vernetzte Terrorismusbekämpfung oder Trennungs-

gebot?, DVBl 2005, 798, 800.

1722) Schapper, Rechtsstaatliche Fundierung der Informationsverar-

beitung bei Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten,
DRiZ 1987, 222, 223.

1723) Vgl. nur Götz, HStR IV (Fn. 14), 2006, § 85, Rn. 40.

1724) Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung, S. 406 f.

1725) Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und

Ordnung, S. 411 f.

funktion für die genannten Rechtsgüter weitgehend

entwerten.

Eine Regel, dass man stets nur solche Informatio-

nen übermittelt bekommen darf, die man selbst

von Verfassungs wegen hätte erheben dürfen, lässt

sich aus der Verfassung nicht herleiten. Die Recht-

sprechung des BVerfG bestätigt dies.
1726

Auch das

Verbot der Amtshilfe verlangt kein Informations-

verbot. Eine mit dem Amtshilfeverbot bewirkte

‚Befugnisleihe‘, ist zu unterscheiden, wenn die Po-
lizei im Rahmen ihrer regulären Arbeit und für ih-

re eigenen Zwecke Informationen erhebt und diese

auch für die Nachrichtendienste relevant sind. Die

Kooperation von Behörden mit unterschiedlichen

Aufgaben und Befugnissen ist für ein funktionie-

rendes Staatswesen von essentieller Bedeutung

und auch in der Praxis gang und gäbe. Das Grund-

gesetz selbst geht im Rahmen der Gesetzgebungs-

kompetenzen erkennbar von einer Zusammenar-

beit von Bund und Ländern aus (Art. 73 Abs. 1 Nr.

10 GG). Weiter sind die normativen Anknüp-

fungspunkte für ein organisatorisches und ein

Aufgaben bezogenes Trennungsgebot im Grund-

gesetz schon gering genug. Ein informationelles

Trennungsgebot können sie nicht begründen. Eine

Umgehung des organisatorischen und funktionalen

Trennungsprinzips wird durch einen punktuellen

Informationsaustausch nicht bewirkt, da durch die

Beschränkung der Zusammenarbeit auf bestimmte

Schutzgüter der Verlust der Funktion der organisa-

torischen Trennung ausgeschlossen ist. Weiter wä-

re ein informationsrechtliches Trennungsgebot

auch nicht in der Lage, die notwendigen Maßstäbe

für die Frage der Reichweite einer ausnahmsweise

zulässigen Zusammenarbeit zu bieten.“1727

bbb) Entscheidung des BVerfG vom 24. April
2013 zur Antiterrordatei

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schließt hinge-

gen aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbe-

stimmung auf ein informationelles Trennungsprinzip.

Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten

und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht

werden; Einschränkungen der Datentrennung sind nur

ausnahmsweise zulässig. Im Rahmen der Beurteilung der

Zulässigkeit einer gemeinsamen Antiterrordatei der

Sicherheitsbehörden hat das Bundesverfassungsgericht

allgemein ausgeführt:
1726) BVerfGE 100, 313 ff. geht gerade von der Zulässigkeit der

Weitergabe von solchen Informationen des Nachrichtendienstes

an Polizeien aus, die aus einem nachrichtendienstlichen Eingriff

in Art. 10 GG gewonnen worden waren, der den Polizeien in
dieser Form nicht hätte erlaubt werden dürfen; zutreffend

Lisken/Denninger, in: dies., Handbuch, 2007, C, Rn. 120.

1727) Gutachten vom März 2012, MAT A S-1/1, S. 17 ff.; ähnlich
auch die Ausführungen im Abschlussbericht der Bund-Länder-

Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, A-Drs.

488, Rn. 23 f.

Drucksache 17/14600 – 214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Die Zusammenführung von Daten der Nachrich-
tendienste und der Polizeibehörden [hat] erhöhtes

Gewicht und unterliegt grundsätzlich verfassungs-

rechtlich engen Grenzen. Denn Polizeibehörden

und Nachrichtendienste haben deutlich voneinan-

der unterschiedene Aufgaben. Dementsprechend

unterliegen sie hinsichtlich der Offenheit ihrer

Aufgabenwahrnehmung sowie bezüglich der Da-

tenerhebung grundlegend verschiedenen Anforde-

rungen.

(aa) Den Nachrichtendiensten kommt die Aufgabe

zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefähr-

dungslagen zu betreiben. Ihr Datenzugriff dient

dabei zugleich verschiedenartigen und weit gefass-

ten Zielen wie dem Schutz vor verfassungsfeindli-

chen Bestrebungen im Inland und vor innerstaatli-

chen Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste,

dem Schutz vor gewaltbereiten Bestrebungen, die

den gesamten Bereich der ‚auswärtigen Belange‘
gefährden, oder dem Schutz vor Bestrebungen, die

gegen den Gedanken der Völkerverständigung

oder das friedliche Zusammenleben der Völker ge-

richtet sind (vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG, § 1 Abs. 2

BNDG, § 1 Abs. 1 MADG sowie § 1 Abs. 1 i. V.

m. § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 G 10). Sie haben

mannigfaltige Bestrebungen auf ihr Gefahrenpo-

tenzial hin allgemein zu beobachten und sie gerade

auch unabhängig von konkreten Gefahren in den

Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 122, 120 <145>).

Diesem vorfeldbezogenen Aufgabenspektrum ent-

sprechend haben die Nachrichtendienste weitrei-

chende Befugnisse zur Datensammlung, die weder

hinsichtlich der konkreten Tätigkeitsfelder spezi-

fisch ausdefiniert noch hinsichtlich der jeweils

einzusetzenden Mittel detailscharf ausgestaltet

sind. Für die Behörden des Verfassungsschutzes

umfassen sie Methoden und Instrumente zur heim-

lichen Informationsbeschaffung wie etwa den Ein-

satz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen,

Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen,

Tarnpapiere und Tarnkennzeichen (vgl. § 8 Abs. 2

BVerfSchG; § 6 Abs. 1 LVSG Baden-

Württemberg).

Nach § 5 G 10 darf der Bundesnachrichtendienst

zur Informationsgewinnung in bestimmten Fällen

mit dem Instrument der strategischen Überwa-

chung internationale Telekommunikationsbezie-

hungen nach bestimmten Suchbegriffen durchfil-

tern (vgl. BVerfGE 100, 313 <368 ff.> zur Vor-

gängervorschrift des § 3 Abs. 1 G 10 a.F.). Unbe-

schadet der auch hier differenzierten verfassungs-

rechtlichen Anforderungen, die nicht Gegenstand

des vorliegenden Verfahrens sind, spiegeln diese

Befugnisse die Weite der Aufgaben der Nachrich-

tendienste und zeichnen sich durch relativ geringe

Eingriffsschwellen aus. Überdies sammeln die

Nachrichtendienste Daten grundsätzlich geheim.

Der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung

gilt für sie nicht, und sie sind von Transparenz-

und Berichtspflichten gegenüber den Betroffenen

weithin freigestellt.

Entsprechend gering sind die Möglichkeiten indi-

viduellen Rechtsschutzes. Zum Teil werden diese

sogar ganz durch eine politische Kontrolle ersetzt

(vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG). Im Gegenzug und

zum Ausgleich zu der Weite dieser Datenerhe-

bungsbefugnisse ist die Zielrichtung der Aufklä-

rung begrenzt. Unbeschadet näherer Differenzie-

rungen zwischen den verschiedenen Diensten be-

schränkt sie sich im Wesentlichen darauf, funda-

mentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als

Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und

hierüber zu berichten, um eine politische Einschät-

zung der Sicherheitslage zu ermöglichen. Ziel ist

nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die

politische Information. So ist Aufgabe der Tätig-

keit des Bundesnachrichtendienstes nicht die Be-

kämpfung von Straftaten als solchen, sondern

übergreifend die Gewinnung von Erkenntnissen

über das Ausland, die von außen- und sicherheits-

politischer Bedeutung für die Bundesrepublik

Deutschland sind. In Form von Lageberichten,

Analysen und Berichten über Einzelerkenntnisse

soll die Bundesregierung in den Stand gesetzt wer-

den, Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und

ihnen - politisch - zu begegnen (vgl. BVerfGE

100, 313 <371>). Entsprechend zielt auch die Auf-

klärung der Verfassungsschutzbehörden nicht un-

mittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von

konkreten Straftaten oder die Vorbereitung ent-

sprechender operativer Maßnahmen. Auch hier be-

schränkt sich die Aufgabe der Dienste auf eine Be-

richtspflicht gegenüber den politisch verantwortli-

chen Staatsorganen beziehungsweise der Öffent-

lichkeit (vgl. BVerfGE 130, 151 <206>).

Dieser auf die politische Vorfeldaufklärung be-

schränkte Auftrag der Nachrichtendienste spiegelt

sich auch in einer Beschränkung ihrer Befugnisse:

Polizeiliche Befugnisse haben sie nicht, und sie

dürfen auch im Wege der Amtshilfe nicht die Poli-

zei um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst

nicht befugt sind (vgl. § 8 Abs. 3 BVerfSchG, § 2

Abs. 3 BNDG, § 4 Abs. 2 MADG, § 3 Abs. 4 des

Hessischen Gesetzes über das Landesamt für Ver-

fassungsschutz [VerfSchutzG HE]). Im Falle eines

Übermittlungsersuchens dürfen sie grundsätzlich

nur solche Daten übermitteln, die bei der ersuchten

Behörde bereits bekannt sind oder aus allgemein

zugänglichen Quellen entnommen werden können

(vgl. etwa § 17 Abs. 1 BVerfSchG - auch i. V. m.

§ 8 Abs. 3 Satz 2 BNDG und § 10 Abs. 4 MADG -

, § 8 Abs. 2 Satz 2 VerfSchutzG HE, § 19 Abs. 1

i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 HmbVerfSchG).

(bb) Von diesem Aufgaben- und Befugnisprofil

unterscheidet sich das der Polizei- und Sicher-

heitsbehörden grundlegend. Ihnen obliegt die Ver-

hütung, Verhinderung und Verfolgung von Strafta-

ten sowie die Abwehr von sonstigen Gefahren für

die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ihre Auf-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 215 – Drucksache 17/14600

gaben sind geprägt von einer operativen Verant-

wortung und insbesondere der Befugnis, gegen-

über Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls

auch mit Zwang durchzusetzen. Dabei sind ihre

Aufgaben gesetzlich differenziert umgrenzt und

durch ein materiell wie verfahrensrechtlich vielfäl-

tig abgestuftes Arsenal von Handlungsbefugnissen

unterlegt. Unbeschadet gewisser Aufgaben auch

dieser Behörden schon im Vorfeld von Gefahren,

sind ihnen Befugnisse gegenüber Einzelnen grund-

sätzlich nur aus konkretem Anlass verliehen; Vo-

raussetzung ist in der Regel, dass Anhaltspunkte

für einen Tatverdacht oder eine Gefahr vorliegen.

Diesem Aufgabenprofil entsprechen auch die Da-

tenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse dieser

Behörden. Sie sind, da sie letztlich Zwangsmaß-

nahmen bis hin zu Eingriffen in die persönliche

Freiheit vorbereiten und begründen können, ge-

setzlich wesentlich enger und präziser gefasst als

diejenigen der Nachrichtendienste sowie vielfältig

voneinander abgegrenzt. Entsprechend setzen

grundsätzlich auch diese auf den Umgang mit Da-

ten bezogenen Befugnisse - bei vielfältigen Abstu-

fungen im Einzelnen - einen konkreten Anlass, et-

wa eine Gefahr oder einen Tatverdacht voraus.

Soweit der Gesetzgeber die Erhebung personenbe-

zogener Daten ausnahmsweise anlasslos vorsorg-

lich oder zur bloßen Verhütung von Gefahren oder

Straftaten erlaubt, ist dies besonders rechtferti-

gungsbedürftig und unterliegt gesteigerten verfas-

sungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE

125, 260 <318 ff., 325 ff.>).

Entsprechend handelt die Polizei grundsätzlich of-

fen und folgt auch ihr Umgang mit Daten ganz

überwiegend dem Grundsatz der Offenheit. Zwar

setzt die Aufgabenwahrnehmung der Polizeibe-

hörden in erheblichem Umfang auch Ermittlungen

voraus, die gegenüber den Betroffenen zunächst

verdeckt erfolgen. Jedoch werden damit nur be-

stimmte, durch konkrete Verdachtsmomente unter-

legte Aufklärungsmaßnahmen oder -phasen abge-

schirmt, die die prinzipielle Offenheit der polizei-

lichen Arbeit unberührt lässt. Vor allem werden

insofern die ermittelten Daten bei sich anschlie-

ßenden Maßnahmen gegenüber Einzelnen - wie

der Erhebung der Anklage oder dem Erlass einer

Polizeiverfügung - offengelegt und wird dem Be-

troffenen Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu ver-

halten. Auch die Ermittlungen selbst werden, so-

weit möglich, offen geführt. Im Strafverfahren

zeigt sich dies beispielhaft an den zahlreichen An-

hörungs-, Akteneinsichts- und Verteidigungsrech-

ten des Beschuldigten, an der offenen Durchfüh-

rung von Wohnungsdurchsuchungen (vgl. § 106

StPO), den Vorgaben für die Nutzung von vor-

sorglich gespeicherten Daten (vgl. BVerfGE 125,

260 <353>) sowie der grundsätzlich öffentlichen

und mündlichen Verhandlung am Ende des Ankla-

gevorwurfs im Strafverfahren. Der Einsatz ver-

deckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) und heimliche

Datenerhebungen mit technischen Mitteln

(§§ 100a ff. StPO) sind demgegenüber nur aus-

nahmsweise und unter bestimmten Bedingungen

zulässig.

Entsprechend unterliegt die Polizei auch im Be-

reich der Gefahrenabwehr dem Grundsatz der of-

fenen Datenerhebung (vgl. § 21 Abs. 3 BPolG;

§ 19 Abs. 1 PolG Baden-Württemberg; Art. 30

Abs. 3 BayPAG).

Die Rechtsordnung unterscheidet damit zwischen

einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die

auf eine operative Aufgabenwahrnehmung hin

ausgerichtet und durch detaillierte Rechtsgrundla-

gen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt

arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Be-

obachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politi-

schen Information und Beratung beschränkt sind

und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte

Rechtsgrundlagen stützen können. Eine Geheim-

polizei ist nicht vorgesehen.

(cc) Regelungen, die den Austausch von Daten der

Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermögli-

chen, unterliegen angesichts dieser Unterschiede

gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderun-

gen. Aus dem Grundrecht auf informationelle

Selbstbestimmung folgt insoweit ein informatio-

nelles Trennungsprinzip.

Danach dürfen Daten zwischen den Nachrichten-

diensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht

ausgetauscht werden. Einschränkungen der Daten-

trennung sind nur ausnahmsweise zulässig. Soweit

sie zur operativen Aufgabenwahrnehmung erfol-

gen, begründen sie einen besonders schweren Ein-

griff. Der Austausch von Daten zwischen den

Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein

mögliches operatives Tätigwerden muss deshalb

grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen

Interesse dienen, das den Zugriff auf Informatio-

nen unter den erleichterten Bedingungen, wie sie

den Nachrichtendiensten zu Gebot stehen, recht-

fertigt. Dies muss durch hinreichend konkrete und

qualifizierte Eingriffsschwellen auf der Grundlage

normenklarer gesetzlicher Regelungen gesichert

sein; auch die Eingriffsschwellen für die Erlan-

gung der Daten dürfen hierbei nicht unterlaufen

werden.“1728

ff) Quellenschutz

Die Übermittlung von Informationen durch Verfas-

sungsschutzbehörden an die Ermittlungsbehörden steht im

Spannungsfeld zum Quellenschutz: Die Verfas-

sungsschutzbehörden sind verpflichtet, ihre Erkenntnis-

quellen zu schützen. Dies beruht auf § 23 Nr. 2

BVerfSchG bzw. den entsprechenden Regelungen in den
1728) BVerfG, Urteil vom 24. April 2013, 1 BvR 1215/07, Rn. 115

ff., NJW 2013, 1499.

Drucksache 17/14600 – 216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verfassungsschutzgesetzen der Länder. Danach ist die

Übermittlung von Informationen verboten, sofern „über-
wiegende Sicherheitsinteressen“ entgegenstehen. Hierun-
ter sollen nach Auffassung der Bund-Länder-Kommission

Rechtsterrorismus Gründe des Quellenschutzes, des

Schutzes operativer Maßnahmen und sonstige Geheimhal-

tungsgründe fallen. Vorrangiges Ziel des Schutzes

menschlicher Quellen sei der Schutz ihrer Identität, bei

sonstigen Quellen der Schutz der Art und Weise der

Informationsgewinnung.
1729

Die Richtlinien für den Quellenschutz in Meldungen und

Berichten der Behörden für Verfassungsschutz vom 13.

Oktober 1975 enthalten folgende Regelungen:

„1. ‚Quellenschutz‘ umfasst alle Maßnahmen, die
erforderlich und geeignet sind, eine nachrichten-

dienstliche Quelle gegen eine Enttarnung und de-

ren Folgen zu schützen. Der Quellenschutz dient

dem Schutz der Quelle und der weiteren Informa-

tionsgewinnung; er ist bei allen auf dem geheimen

Meldeweg erlangten Informationen zu beachten.

2. Bei erhöhter Gefährdung der Quelle kennzeich-

nen die Behörden für Verfassungsschutz ihre Mel-

dungen und Berichte mit dem Stempelaufdruck

‚Quellenschutz‘. Eine solche Kennzeichnung ist
nur nach sorgfältiger Prüfung der Notwendigkeit

zulässig; ggf. sind nur Teile der Meldung mit die-

sem Vermerk zu versehen. Ferner ist zu prüfen, ob

eine zeitliche Begrenzung des Quellenschutzes

möglich ist. Die Frist ist zu vermerken.

3. Unbeschadet der Berichtspflicht gegenüber der

vorgesetzten Stelle werden die mit ‚Quellenschutz‘
gekennzeichneten Meldungen weitergegeben

3.1 innerhalb der jeweiligen Behörde für Verfas-

sungsschutz uneingeschränkt,

3.2 zwischen den Verfassungsschutzbehörden nach

den Koordinierungsrichtlinien;

4. Vor jeder Weitergabe an Stellen außerhalb der

Behörden für Verfassungsschutz ist die Einwilli-

gung der herausgebenden Dienststelle einzuholen.

4.1 BND und MAD werden nach Maßgabe der

Zusammenarbeitsrichtlinien unterrichtet.

4.2 Ausländische Dienste werden unterrichtet, so-

weit dies im gemeinsamen Interesse zur Klärung

eines Sachverhalts erforderlich ist.

4.3 Andere Stellen dürfen nur inhaltlich und so un-

terrichtet werden, dass Rückschlüsse auf die Quel-

le ausgeschlossen sind.

5. Bei der Verkartung aus Meldungen, die mit

‚Quellenschutz‘ gekennzeichnet sind, ist ein ent-
sprechender Hinweis auf der Karteikarte anzubrin-

gen.
1729) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-

terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 236.

6. Die Vorschriften der Verschlusssachenanwei-

sung bleiben unberührt.“1730

Bei V-Leuten besteht aufgrund deren Grundrecht auf

Leben und körperliche Unversehrtheit eine Fürsorge-

pflicht des Staates. Da eine Identifizierung des V-Mannes

zu Verfolgungsmaßnahmen aus dem Milieu des V-

Mannes führen kann, gibt eine Verfassungsschutzbehörde

in der Regel Daten an eine Ermittlungsbehörde lediglich

beschränkt weiter, so dass die Gefahr einer Enttarnung

der Quelle minimiert ist.
1731

Der Zeuge Gabaldo, Leiter der Fachprüfgruppe im BfV,

hat auf die Erforderlichkeit einer Abwägung zwischen

§ 20 Abs. 1 und § 23 Bundesverfassungsschutzgesetz

hingewiesen. Um Leib, Leben, körperliche Integrität von

Personen, von Menschen und auch von Sachwerten höhe-

rer Art oder höherem Wert zu schützen, würden selbstver-

ständlich Informationen weitergegeben werden.
1732

Der Zeuge Nocken, Vizepräsident des LfV Thüringen

vom 1. Februar 1997 bis 26. Januar 2001, hat in seiner

Vernehmung ausgeführt:

„Ein Dienst, der das den Quellen gegebene Ver-
sprechen, niemandem deren Identität zu verraten,

nicht halten kann, ist in kürzester Zeit im nationa-

len und im internationalen Bereich arbeitsunfähig.

Häufig ist es erst der geheime Mitarbeiter, welcher

die alles entscheidende Information liefert. Ein

Nachrichtendienst muss daher alle Maßnahmen er-

greifen, die erforderlich und geeignet sind, eine

nachrichtendienstliche Quelle gegen Enttarnung

und deren Folge zu schützen. Insbesondere dürfen

solche Informationen an Stellen außerhalb der Be-

hörden für Verfassungsschutz nur mit Einwilli-

gung der quellenführenden Stellen weitergegeben

werden.

Grundlage eines solchen umfassenden Quellen-

schutzes ist das im Bereich des Verfassungsschut-

zes herrschende Opportunitätsprinzip. Eine Preis-

gabe von Informationen und ihrer Quelle vor der

Zeit vereitelt nicht nur eine erfolgreiche Aufklä-

rung oder gefährdet den Hinweisgeber, sondern

beeinträchtigt auch die in der Zukunft für die Ver-

fassungsschutzarbeit unerlässliche Quellenwer-

bung.

Insbesondere die Fürsorgepflicht des Staates ge-

genüber geheimen Mitarbeitern hindert den Ver-

fassungsschutz an der schranken- und schutzlosen

Offenlegung seiner Informationsbeziehungen, der

Preisgabe der Identität des geheimen Mitarbeiters.

So würde es einen Verstoß gegen die Fürsorge-

pflicht bedeuten, wenn der Verfassungsschutz, ei-

nem öffentlich entstandenen Druck - Verdächti-

gungen in den Medien oder in politischen Gremi-
1730) MAT B BfV-7b.

1731) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-

terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 237 ff.

1732) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 217 – Drucksache 17/14600

en - weichend, die Namen von V-Leuten unaufge-

fordert bekannt gibt. Eine solche Fürsorge- und

Schutzpflicht besteht auch im Hinblick auf die Ge-

richte fort.

Das wiederum bedeutet, dass Quellenmeldungen

grundsätzlich nicht an die Exekutive weitergege-

ben werden dürfen.“1733

„Bei Kompetenzüberschneidungen zwischen Poli-
zei und Verfassungsschutz ist im Zweifel ein mög-

liches Strafverfolgungsinteresse dem Schutz der

Quellen unterzuordnen.“1734

Die Regelungen zum Übermittlungsverbot in

§ 15 ThürVSG sind allerdings nach Auffassung der

Schäfer-Kommission vor dem Hintergrund der Recht-

sprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Funkti-

onsfähigkeit der Strafrechtspflege zu sehen.
1735

Zwar

sieht auch die Schäfer-Kommission im Quellenschutz

ein wichtiges Anliegen jedes Nachrichtendienstes –
nicht zuletzt, um Leib und Leben der Quellen zu

schützen. Sie hebt jedoch hervor:

„Quellenschutz ist aber kein absoluter Wert,
auch wenn dies in manchen Äußerungen von

Beamten des TLfV so anklang. Auch bei der

Auslegung dieser Vorschrift gilt es, den Belan-

gen einer funktionsfähigen Strafrechtspflege ge-

recht zu werden.“1736

Der „Leitfaden des Arbeitskreises II (Innere Sicherheit)
und des Arbeitskreises IV (Verfassungsschutz) der Stän-

digen Konferenz der Innenminister und -senatoren der

Länder zur Optimierung der Zusammenarbeit zwischen

Polizei und Verfassungsschutz“ hält fest, dass in Fällen,
in denen eine umfassende Informationsweitergabe nicht

möglich sei, zu prüfen sei, inwieweit zumindest eine

Unterrichtung der Polizei möglich sei.
1737

Die Schäfer-Kommission hat in ihrem Bericht die Auffas-

sung vertreten, dass oft auch bereits eine Zusammenfas-

sung samt Auswertung genüge, so dass eine Übermittlung

des Quellenberichts im Wortlaut nicht zwingend erforder-

lich sei.
1738

Auch der ehemalige Präsident des LfV Thüringen,

Sippel, hat in seiner Vernehmung vor dem Untersu-

chungsausschuss unterstrichen, dass Quellenschutz

nicht absolut zu sehen sei und dieser nicht so weit ge-

hen dürfe, dass quellengeschützte Informationen, wenn

sie zur Aufklärung schwerer Straftaten erforderlich

seien, auch an Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungs-

behörden weitergegeben werden müssen und sich dafür
1733) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125.

1734) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.

1735) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 202, Rn 349.

1736) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 203, Rn. 351.

1737) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 203, Rn. 351.

1738) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 203, 204, Rn. 351.

auch Wege fänden, um dem Quellenschutz Rechnung

zu tragen.
1739

Der ehemalige Referatsleiter Rechtsextremismus im LfV

Thüringen, Schrader, hat als Zeuge erklärt, solange der

Personenkreis sehr klein sei, müsse die Quelle so ge-

schützt werden, dass keine Rückschlüsse auf diese Quelle

möglich seien.
1740

Es spiele keine Rolle, um welche Dinge

es da gehe, egal um welche Meldung. Solange noch ein

Rückschluss auf die Quelle möglich sei, unterliege „die
Geschichte“ dem Quellenschutz.1741 Dies gelte auch für
die Strafverfolgung. Der Quellenschutz sei wichtiger.

1742
Der Zeuge Sippel, Präsident des LfV Thüringen von 2000

bis zum 3. Juli 2012, hat auf Nachfrage vor dem Untersu-

chungsausschuss eingeräumt, ihm sei kein Fall erinner-

lich, wo eine enttarnte Quelle schwere Konsequenzen an

Leib und Leben über sich habe ergehen lassen müssen;

mit solchen Konsequenzen müsse man aber durchaus

rechnen.
1743

Aus Abschriften von Tonbändern aus dem Jahr 2007

(siehe unten: E.XIII, S. 487) lässt sich der Eindruck ge-

winnen, dass V-Leute des Verfassungsschutzes genau um

den Stellenwert des Quellenschutzes wissen und dies auch

für ihre Position nutzen. So hat z. B. Tino Brandt in ei-

nem Gespräch mit Thorsten Heise geäußert:

„Brandt: So, und, also äh, dass Thüringer VS und
Polizei (unverständlich) aktiv selten zusammenar-

beiten. Die werden nie ne Quelle, äh, der Polizei

offenlegen. Machen die prinzipiell nicht.

Brandt: Das, das äh heißt viele Sachen haben ein-

fach auch nur deswegen funktioniert, weil man

wusste wie äh, der Dienst funktioniert. Der Dienst

hat eigentlich ein ganz wichtiges Motto, das heißt

Quellenschutz.“1744

Der Quellenschutz gilt im Übrigen auch für V-Leute,

denen die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermitt-

lungsverfahrens Vertraulichkeit zusichert und die von

Polizeibehörden geführt werden, so dass auch diese Be-

hörden bei der Weitergabe von Informationen, die durch

den Einsatz von V-Leuten gewonnen wurden, vorsichtig

sein müssen.
1745
1739) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 161.

1740) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.

1741) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.

1742) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.

1743) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 159,160.

1744) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT

A GBA-12, S. 24-25; zu den Bändern im Einzelnen unter
E.XIII.

1745) Vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechts-

terrorismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Rn. 243 f.

Drucksache 17/14600 – 218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Problematisierung der Verfassungsschutz-
Quellenführung durch das BKA – Positi-
onspapier des BKA vom 3. Februar 1997

Das BKA problematisierte in einer internen Vorlage aus

September 1996 Schwierigkeiten im Zusammenhang mit

der Quellenführung des Verfassungsschutzes im Bereich

des Rechtsextremismus: Einige Aktionen der rechtsex-

tremistischen Szene seien so maßgeblich, teilweise aus-

schließlich von Quellen des Verfassungsschutzes organi-

siert, dass fraglich sei, ob diese Aktionen ohne deren

Beteiligung stattgefunden hätten. Einige konkrete Fälle

werden genannt. Es wurde angeregt, die Problematik mit

dem Präsidenten des BfV zu erörtern. Das BMI geht auf-

grund der Aktenlage davon aus, dass dies am 27. Novem-

ber 1996 geschehen ist. Ergebnis dieses Gespräches war,

dass der Themenkomplex „Zusammenarbeit zwischen
BfV und BKA“ auf der Arbeitsebene erörtert werden
solle. Zur Vorbereitung dieses Gespräches erstellte das

BKA das Positionspapier vom 3. Februar 1997 und über-

sandte es dem BfV.
1746

In dem Positionspapier wird als dessen Ausgangspunkt

angeführt, dass aus Sicht des BKA Quellenaktivitäten

verantwortlich seien für die (damals) zunehmende Diver-

genz zwischen Verfassungsschutz und exekutiven Maß-

nahmen. In insgesamt zehn Thesen, erläutert durch kon-

krete Fallbeispiele, setzte sich das BKA kritisch mit der

Quellenführung des BfV auseinander, wobei nach eigenen

Angaben

„bewusst teilweise überzogene Formulierungen“

benutzt worden seien.

Neben der These, dass Quellen unter dem Schutz des

Verfassungsschutzes maßgeblich in führenden Positionen

an der Vorbereitung von Aktionen mitwirkten, die ohne

die Quellen ggf. nicht in dieser Form bzw. Größenord-

nung stattgefunden hätten, umfassen die Thesen zusam-

mengefasst den Vorwurf, dass die Verfassungsschutzbe-

hörden zum einen ihre Quellen – mehrheitlich überzeugte
Rechtsextremisten – in erheblichem Maße finanziell un-
terstützten, vor Exekutivmaßnahmen schützten, warnten

und über Umgehungsmöglichkeiten informierten und zum

anderen keine, unzureichende oder verspätete Informatio-

nen an die Polizei weitergäben.
1747

Die damals vertretenen Thesen lauten im Einzelnen:

„These 1: Vertrauenspersonen (VP)/Quellen des
Verfassungsschutzes (VS) wirken maßgeblich in

führenden/exponierten Positionen an der Vorberei-

tung von Veranstaltungen/Versammlungen/Aktio-

nen mit. Es besteht die Gefahr, dass Quellen sich

gegenseitig zu größeren Aktionen anstacheln. So-

mit erscheint es fraglich, ob bestimmte Aktionen
1746) Bericht des BMI zum Positionspapier des BKA mit Stand:

14. Dezember 2012, MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 –
GEHEIM), Anl. 02 (VS-NfD).

1747) Bericht des BMI zum Positionspapier des BKA mit Stand:

14. Dezember 2012, MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 –
GEHEIM), Anl. 02 (VS-NfD).

ohne die innovativen Aktivitäten dieser Quellen

überhaupt in der späteren Form stattgefunden hät-

ten! Auch ist der ‚Brandstifter-Effekt‘ nicht unwe-
sentlich, da statistisch nachweisbar insbesondere

nach sog. ‚Gedenktagen‘ ein Ansteigen z. B. anti-
semitischer Straftaten zu verzeichnen ist. […]

These 2: Aus Quellenschutzgründen werden War-

nungen an die Exekutive/Schutzpolizei erst so spät

weitergeleitet, dass Aktionen nicht mehr verhin-

dert werden können. […]

These 3: Da Quellen i. d. R. gut über die aktuellen

technischen Möglichkeiten der Exekutive infor-

miert sind, z. B. im Rahmen der Telekommunika-

tionsüberwachung (TKÜ), liegt die Vermutung

nahe, dass entsprechende Kenntnisse vom VS

vermittelt werden. […] Es bestehen konkrete An-
haltspunkte, dass dadurch Maßnahmen der Straf-

verfolgungsbehörden vereitelt oder unterlaufen

werden. […]

These 4: […] Erst durch Übernahme recht hoher
Telefongebühren, Reisekosten und Bereitstellung

entsprechender Technik ist die Mehrzahl der Quel-

len überhaupt sowohl finanziell als auch materiell

in der Lage, Kontakte zu knüpfen und aufrecht zu

erhalten. […]

These 5: Die Exekutive [gemeint ist wohl: die Po-

lizei] ist über Person und Tätigkeit von Quellen in

der Regel nicht unterrichtet. Es besteht die Gefahr,

dass die Zusammenarbeit zwischen Quelle und VS

im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen aufge-

deckt wird und somit ggfs. die VS-Maßnahme ins

Leere läuft oder Ermittlungsverfahren aufgrund

falscher Quellenmeldungen eingeleitet werden.

[…]

These 6: Wird der VS über die Durchführung von

Exekutivmaßnahmen informiert, werden die Quel-

len oft vorher gewarnt. Es war festzustellen, dass

diese Warnung innerhalb der Szene ‚an gute Ka-
meraden‘ weitergegeben wird. […]

These 7: Wird der VS über ein bereits laufendes

Ermittlungsverfahren oder die Einleitung eines

Ermittlungsverfahrens gegen eine Quelle oder die-

ser nahestehenden Person informiert, so zieht der

VS seine Quelle zu deren Schutz zurück. Der

Quellenführer gibt Anweisungen zum Verhalten

gegenüber der Exekutive. Es besteht die Gefahr,

dass Ermittlungs- und Beweisansätze vernichtet

und strafprozessuale Maßnahmen verhindert wer-

den. […]

These 8: Der VS versucht, durch die Presse oder

eigenes Verhalten enttarnte Quellen dadurch zu

schützen, dass er eine Zusammenarbeit leugnet

oder verschleiert. Bei laufenden Ermittlungsver-

fahren besteht die Gefahr, dass dadurch sowohl der

VS als auch die Exekutive bzw. deren jeweilige

Tätigkeit von den Medien in der Öffentlichkeit als

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219 – Drucksache 17/14600

nicht rechtsstaatlich handelnd diffamiert werden.

[…]

These 9: Quellen des VS, die im Rahmen von Er-

mittlungsverfahren als Straftäter festgestellt wur-

den, werden weder angeklagt noch verurteilt und

unterliegen somit auch für die Szene erkennbar

keinem Verfolgungsdruck. Es besteht die Gefahr,

dass diese gerade dadurch im kameradenkreis der

Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden verdäch-

tigt werden. […]

These 10: Die Mehrzahl der Quellen sind nach

dem Ergebnis der Ermittlungen überzeugte

Rechtsextremisten. Bei diesen entsteht der Ein-

druck, unter dem Schutz des VS im Sinne ihrer

Ideologie ungestraft handeln zu können und die

Exekutive nicht ernst nehmen zu müssen. […]“1748

Über die weitere Behandlung dieses Positionspapiers

heißt es in dem Bericht des BMI vom 14. Dezember

2012:

„Nach Eingang dieses Positionspapiers im BfV im
Februar 1997 hat der damalige Präsident des BfV

[…] verfügt, dass in dem vereinbarten Gespräch
auf Arbeitsebene mit dem BKA zuerst klargestellt

werden müsse, dass BfV keine Strafverfolgungs-

oder –verhinderungsbehörde sei. Danach seien die
weitgehend naiven oder zum Teil diskriminieren-

den Vorstellungen zurückzuweisen.

Laut einem BKA-internen Vermerk aus März 1997

betreffend den ‚aktuellen Sachstand zum Positi-
onspapier‘ wurde das Thema auf Abteilungsleiter-
ebene am Rande der IGR-Sitzung im Februar 1997

zwischen dem BfV und BKA besprochen und sei-

en weitere Gespräche auf Gruppenleiterebene an-

gestrebt. (Informationen zu Inhalt und Ergebnis

solcher Gespräche enthalten die vorliegenden Un-

terlagen nicht.) […]

Mit Datum ‚April 1997‘ findet sich in den BfV-
Akten der Entwurf eines Schreibens an das BMI,

das eine Unterrichtung über das Positionspapier

des BKA und eine Stellungnahme des BfV zu die-

sem enthält. Zudem ist ihm ein Entwurf eines

Antwortschreibens des BfV an das BKA beigefügt.

In seiner umfangreichen Stellungnahme weist das

BfV die implizit in dem Positionspapier erhobenen

Vorwürfe zurück, indem es jeder einzelnen These

des BKA widerspricht und eine Gegenposition

vertritt. Zunächst sei das BKA von falschen

Grundlagen ausgegangen, die Thesen des BKA be-

ruhten insbesondere auf einer Fehleinschätzung

der Einwirkungsmöglichkeiten auf Verfassungs-

schutzquellen. Diese befänden sich nicht wie vom

BKA angenommen in so maßgeblichen Schlüssel-

positionen, dass sie den Ablauf von Aktionen der

rechten Szene wesentlich steuern oder beeinflussen

könnten. Überdies setze der Verfassungsschutz
1748) MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 – GEHEIM), Anl. 01.

seine Quellen zur Beobachtung, nicht aber zur

Steuerung rechtsextremistischer Bestrebungen ein.

Es sei davon auszugehen, dass Quellen auch ohne

ihren Quellenstatus die gleichen Aktivitäten entwi-

ckelt hätten. Schließlich würde der Verfassungs-

schutz seine Quellen auch nicht in der vom BKA

behaupteten Form informieren, (finanziell) unter-

stützen, warnen oder gar vor Straftaten schützen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Stellungnahme tat-

sächlich versandt worden ist, sind nicht erkennbar.

[…]

In einem BfV-internen Vermerk vom 22. Mai

1997 wird zu einem sog. Präsidentengespräch am

20. Mai 1997 festgehalten, dass nach einem Aus-

tausch der gegenseitigen Positionen die Amtslei-

tungen darüber übereinkamen, dass die jeweiligen

Standpunkte deutlich herausgearbeitet worden sei-

en. […]

Eine schriftliche Einbeziehung des BMI hat nicht

stattgefunden.“1749

5. Militärischer Abschirmdienst (MAD)

a) Aufgaben des MAD

Der Militärische Abschirmdienst ist Teil der Streitkräfte-

basis (SKB) der Bundeswehr und einer der drei Nachrich-

tendienste auf Bundesebene. Während das Bundesamt für

Verfassungsschutz (BfV) für die Inlands- und der Bun-

desnachrichtendienst (BND) für die Auslandsaufklärung

zuständig sind, befasst sich der MAD mit Angelegenhei-

ten, die die Bundeswehr betreffen. Er nimmt für den Ge-

schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

(BMVg) die Aufgaben einer Verfassungsschutzbehörde

wahr. Sein Auftrag ist es, zum Erhalt der militärischen

Sicherheit und der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr

beizutragen. Er nimmt auch an deren Auslandseinsätzen

teil. Im Rahmen dieser Einsatzabschirmung umfasst die

Abschirmung von Bundesangehörigen sämtliche Aktivitä-

ten, die die Sicherheit der Truppe gefährden.

Grundlage seiner Arbeit ist das Gesetz über den Militäri-

schen Abschirmdienst (MADG)
1750

. Danach besteht seine

Kernaufgabe in der Informationssammlung und -auswer-

tung zu Zwecken der Spionage-/Sabotageabwehr und der

Extremismus-/Terrorismusabwehr, soweit sich diese Be-

strebungen gegen den Geschäftsbereich des Bundesminis-

teriums der Verteidigung richten oder von Personen aus-

gehen, die diesem Geschäftsbereich angehören (§ 1

Abs. 1 MADG). Nach § 1 Abs. 3 MADG i.V.m. dem

Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) wirkt der MAD

auch an Sicherheitsüberprüfungen mit (personeller Ge-
1749) Bericht des BMI zum Positionspapier des BKA mit Stand:

14. Dezember 2012, MAT A BKA-2/44a (Tgb.-Nr. 134/12 –
GEHEIM), Anl. 02 (VS-NfD).

1750) Gesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, S. 2954), zuletzt

geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011

(BGBl. I S. 2576).

Drucksache 17/14600 – 220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

heim- und Sabotageschutz). Im Rahmen des materiellen

Geheimschutzes berät er bei technischen Sicherungsmaß-

nahmen zum Schutz von Anlagen und Objekten.

Der MAD gliedert sich in fünf Abteilungen, darunter die

Abteilung II „Extremismus-/Terrorismus-/Spionage- und
Sabotageabwehr“. Sie ist für die Sammlung und Auswer-
tung sämtlicher Informationen zuständig, die von Perso-

nen des Geschäftsbereichs des BMVg ausgehen oder sich

gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen des

BMVg richten.
1751

Die Verfassungsschutzbehörden des

Bundes und der Länder beobachten verfassungsfeindliche

Entwicklungen und Organisationen oder Gruppierungen,

die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische

Grundordnung wenden. Der MAD nimmt diese Verfas-

sungsschutzaufgaben wahr gegenüber Personen, die dem

Geschäftsbereich des BMVg angehören oder in ihm tätig

sind. Im Einzelfall übt er Verfassungsschutzaufgaben

auch gegenüber Ehegatten und Lebenspartnern von Bun-

deswehrangehörigen und im Benehmen mit der zuständi-

gen Verfassungsschutzbehörde auch gegenüber Personen

aus, die mit Bundeswehrangehörigen zusammenarbeiten

(§ 2 MADG). Er klärt den Einzelfall durch Faktensamm-

lung zu Personen auf, wenn tatsächliche Anhaltspunkte

für entsprechende Bestrebungen von Bundeswehrangehö-

rigen vorliegen. Hierzu können nachrichtendienstliche

Methoden und Mittel eingesetzt werden, wie zum Beispiel

menschliche Quellen oder die Observation (§ 4 MADG

i.V.m. § 8 BVerfSchG).

In der Praxis bedeutet dies, dass der Aufgabenbereich

Extremismus- und Terrorismusabwehr Extremisten in der

Bundeswehr identifiziert, diese beobachtet und dazu bei-

trägt, deren Bestrebungen gegen die Bundeswehr zu un-

terbinden. Dabei arbeitet er mit Dienststellenleitern und

Disziplinarvorgesetzten anlassbezogen zusammen und

berät sie darüber hinaus in allgemeinen Fragen der

Extremismusabwehr und unterrichtet die Leitung des

BMVg sowie die militärische Führung der Bundeswehr

über die Lage im Bereich des Extremismus/Terrorismus.

Nach § 3 MADG arbeitet der MAD eng mit den Verfas-

sungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zusam-

men.

Die zweite gesetzliche Aufgabe des Aufgabenbereichs ist

das Führen und Bewerten der „Abschirmlage“ im Bereich
der Extremismus-/Terrorismusabwehr als Beitrag zur

Beurteilung der militärischen Sicherheitslage. Dies bein-

haltet die Auswertung von Informationen über entspre-

chende Bestrebungen bzw. Aktivitäten, die sich von au-

ßen gegen den Geschäftsbereich des BMVg richten (§ 1

Abs. 2 MADG). Hierfür steht ihm nicht die Befugnis zu,

personenbezogene Daten zu erheben (§ 4 Abs. 1 Satz 2

MADG).
1751) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Sicherheits- und Ermittlungsbehör-

den des Bundes und der Länder – Aufklärung und Bekämpfung
des Rechtsextremismus, Deutscher Bundestag, Wissenschaftli-

che Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 5.

b) Beziehung zwischen LfV, BfV und MAD

Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben arbeitet der MAD

eng mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und

der Länder zusammen. So holt er in Verdachtsfällen bei

allen ihm zur Verfügung stehenden Quellen (insbesondere

Verfassungsschutzämtern und Polizeibehörden) Informa-

tionen ein.

Seit Dezember 2004 ist der MAD mit Angehörigen der

Abteilung II (siehe oben) in das Gemeinsame Terroris-

musabwehrzentrum (GTAZ) eingebunden und arbeitet

hier zusammen mit den Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder daran, die internationale Terrorismusbe-

kämpfung zu verbessern. Am benachbarten Gemeinsamen

Internetzentrum (GIZ) ist der MAD seit 2007, am Ge-

meinsamen Abwehrzentrum Rechts (GAR) seit Ende

2011 beteiligt.

Der MAD unterstützt die Arbeit des BfV und der LfV.

Dabei bilden von diesen beobachtete extremistische Or-

ganisationen für die Arbeit des MAD „lediglich“ den
Aktionsrahmen. Zwar fallen zu solchen Organisationen

im Rahmen der Tätigkeit des MAD ebenfalls Informatio-

nen im sogenannten ,,Sach- und Ermittlungszusammen-

hang“ an, die der MAD an die zuständige Verfassungs-
schutzbehörde aussteuert. Auf den Bewertungen von

Verfassungsschutzbehörden ,,aufsetzend“, versucht der
MAD jedoch – wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass
sich Angehörige des Geschäftsbereiches in extremisti-

schen Organisationen oder gegen die Bundeswehr enga-

gieren – jeden einzelnen Soldaten und seine Kontakte zu
extremistischen Funktionären und Gewalttätern zu identi-

fizieren.
1752

Da der MAD grundsätzlich keine Informationen über

Personen sammeln darf, die der Bundeswehr noch nicht

oder nicht mehr angehören, ist seine Zuständigkeit zeit-

lich begrenzt. Er kommuniziert daher in diesen Fällen mit

den vor oder nach ihm zuständigen Behörden. Die Zeugen

Huth und Dr. Gramm haben vor dem Untersuchungsaus-

schuss erläutert, dass man zu Zeiten der Wehrpflicht mit

dem „Bitte um Beteiligung“-Verfahren (BuB) versucht
habe, zu verhindern, dass bestimmte extremistisch einge-

stellte Personen zur Bundeswehr kommen. Dabei habe der

MAD die zivilen Verfassungsschutzämter um Informatio-

nen im Vorfeld der Einberufung gebeten.
1753

Auch im

umgekehrten Fall, wenn verdächtige Personen die Bun-

deswehr verließen, würden, so der Zeuge Christmann,

gesammelte Erkenntnisse an die zivilen Behörden über-

mittelt.
1754

Nach Aussage des Zeugen Brüsselbach, hat der MAD

auch dann, wenn von ihm geführte Quellen aus der Bun-
1752) Hintergrundinformation zur Sprechzettelempfehlung für den

Generalinspekteur der Bundeswehr zur Sitzung des Verteidi-
gungsausschusses am 30. November 2011, MAT A BMVg-4,

Bl. 51 f. (VS-NfD).

1753) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 40; Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43,
S. 78. Näheres zum Umgang mit Rechtsextremisten in der

Bundeswehr unter C. IV. 5.

1754) Christmann, Protokoll-Nr. 26, S. 41.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221 – Drucksache 17/14600

deswehr ausschieden, in bestimmten Fällen Kontakt mit

den dann zuständigen Behörden aufgenommen.
1755

Häufi-

ger seien in dieser Konstellation jedoch die zivilen Ver-

fassungsschutzbehörden von sich aus an den MAD mit

der Bitte herangetreten, diese zu fragen, ob Quellen des

MAD nicht nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr

für sie als Quelle weiterarbeiten wollten.
1756

Auch in

diesen Fällen treffe den MAD eine „Fürsorge- und Nach-
sorgepflicht“, sodass dieser in der Regel Kontakt mit der
neuen Verfassungsschutzbehörde und mit deren Einver-

ständnis auch zu der Quelle halte.
1757

6. Der Bundesnachrichtendienst

a) Aufgaben des BND

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist neben BfV und

MAD einer der drei Nachrichtendienste des Bundes und

zuständig für die Auslandsaufklärung. In § 1 Abs. 2

Satz 1 BNDG
1758

wird seine Aufgabe wie folgt definiert:

„Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Ge-
winnung von Erkenntnissen über das Ausland, die

von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung

für die Bundesrepublik Deutschland sind, die er-

forderlichen Informationen und wertet sie aus.“

Dabei gibt die Bundesregierung die Aufklärungsschwer-

punkte in einem Auftragsprofil vor.
1759

Der BND unter-

stützt die Bundesregierung bei deren sicherheits- und

außenpolitischen Entscheidungen und die Bundeswehr bei

ihren Auslandseinsätzen. Außerdem arbeitet er auch im

Krisenstab des Auswärtigen Amtes mit.

b) Aufsicht und parlamentarische Kontrolle

Der Bundesnachrichtendienst unterliegt der Dienst- und

Fachaufsicht des Bundeskanzleramtes. Seine Arbeit wird

auch vom Parlamentarischen Kontrollgremium und der

G 10-Kommission kontrolliert. Außerdem prüft der Bun-

desbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,

ob der BND bei seiner Arbeit die datenschutzrechtlichen

Vorschriften einhält.
1760

c) Aufbau und Sitz des BND

Der Bundesnachrichtendienst gliedert sich derzeit in

zwölf Fachabteilungen, eine weitere Abteilung zur Ab-

wehr von Cyberspionage ist geplant. An der Spitze des
1755) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 27.

1756) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 27.

1757) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 28.

1758) Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20. Dezember
1998 (BGBl. I, S. 2954, 2979), zuletzt geändert durch Art. 3

des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2576).

1759) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Aufgaben/aufgaben
_node.html.

1760) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Gesetzliche_ Kon-

trolle/gesetzliche_kontrolle_node.html.

Aufbaus steht der Präsident des Bundesnachrichtendiens-

tes, dem drei Vizepräsidenten unterstehen.

Seinen Hauptsitz hat der BND zurzeit noch in Pullach

(Bayern), eine neue Zentrale in Berlin wird gerade ge-

baut.
1761

Darüber hinaus existieren weitere – zum Teil
getarnte – Dienststellen im In- und Ausland.

d) Grundlage und Arbeit des BND

Grundlage für die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes

ist seit 1990 das Gesetz über den Bundesnachrichten-

dienst (BNDG). Dort sind Organisation, Aufgaben und

Befugnisse des BND geregelt. Insbesondere ermächtigt

das BNDG den BND, zur Erfüllung seiner Aufgaben

Daten zu erheben, zu speichern und zu nutzen. Gemäß § 2

Abs. 3 BNDG stehen dem BND keine polizeilichen bzw.

Weisungsbefugnisse zu; ebenso wenig darf er die Polizei

im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu

denen er selbst nicht befugt ist. Maßgeblich sind ferner

das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fern-

meldegeheimnisses (G 10-Gesetz), das Gesetz über die

parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätig-

keit des Bundes (PKGr-Gesetz) sowie das Gesetz über die

Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüber-

prüfungen des Bundes (SÜG).

In der Praxis versorgt der Bundesnachrichtendienst die

Bundesregierung, Ministerien, Behörden und auch die

Bundeswehr umfassend mit belastbaren Informatio-

nen.
1762

Er informiert dabei sowohl über wichtige politi-

sche, wirtschaftliche sowie technische Entwicklungen und

militärische Fragestellungen, als auch über abstrakte oder

konkrete Bedrohungen für die Sicherheit der Bundesre-

publik.
1763

Dabei bedient er sich verschiedener Methoden,

um Informationen zu gewinnen, und setzt auch nachrich-

tendienstliche Mittel ein. Diese gliedern sich in vier Auf-

klärungsarten: Die Informationsgewinnung mittels

menschlicher Quellen (HUMINT)
1764

, die technische

Beschaffung über das Ausfiltern der weltweiten Daten-

ströme (SIGINT)
1765

, die Informationsgewinnung durch

Satelliten und Luftbilder (IMINT)
1766

sowie die systema-

tische und gezielte Beschaffung von frei verfügbaren

Informationen (OSINT).
1767
1761) http://www.bnd.bund.de/DE/Einblicke/Standorte/Standorte

_node.html.

1762) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Aufgaben/aufgaben

_node.html.

1763) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Aufgaben/aufgaben

_node.html.

1764)

http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsgewi
nnung/ HUMINT/humint_node.html.

1765)

http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsgewi
nnung/ SIGINT/sigint_node.html.

1766)

http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsgewi
nnung/ MINT/imint_node.html.

1767) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Informationsge

winnung/ OSINT/osint_node.html.
Drucksache 17/14600 – 222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Abhängig vom Abnehmer der Informationen werden

diese unterschiedlich aufbereitet, etwa als Spitzen-, Re-

gel-, Krisen- oder Kooperationsbericht.

e) Zusammenarbeit mit anderen Behörden

Neben dem Informationsaustausch mit anderen nationalen

Nachrichtendiensten, ist die Zusammenarbeit mit den

Inlandsbehörden besonders in den Bereichen Terrorismus

und Organisierte Kriminalität von großer Bedeutung.

Dabei koordiniert der Chef des Bundeskanzleramtes die

Zusammenarbeit des BND mit dem BfV und dem MAD

sowie die Kooperation dieser drei Nachrichtendienste mit

anderen Behörden und Dienststellen.
1768

7. Kooperationsformen der Sicherheitsbe-
hörden des Bundes und der Länder

Der vom Untersuchungsausschuss geladene Sachverstän-

dige Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange hat Steuerung, Koor-

dination und den Austausch von Daten als die „zentrale“
Herausforderung der Sicherheitsbehörden beschrieben.

1769
Zu ihrer Bewältigung existieren verschiedene Zentren und

Plattformen.
1770

Allen gemeinsam ist die räumliche und

personelle Nähe der Amtsträger. Auch die Bündelung von

Fachwissen und die Möglichkeit eines schnellen Aus-

tauschs sind charakteristische Merkmale der Einrichtun-

gen, die ein effektives Vorgehen ermöglichen sollen. Eine

feste Struktur besitzen die Zentren und Plattformen je-

doch nicht.
1771

Die strategische und lageorientierte Zu-

sammenarbeit erfolgt daher nahezu gesetzesfrei.
1772

a) Überblick über Kooperationsformen und
Gremien

Um die Koordination der einzelnen Sicherheitsbehörden

zu gewährleisten, existieren zahlreiche gemeinsame Koo-

perationsformen sowie verschiedene Datenbanken.

aa) Innenministerkonferenz (IMK)

Die „Ständige Konferenz der Innenminister und –sena-
toren der Länder“, auch Innenministerkonferenz (IMK)
genannt, besteht seit dem Jahr 1954. Die IMK stellt eine

Zusammenarbeitsform im Bereich der Innenpolitik dar.

Sie hat sechs ständige Arbeitskreise gebildet, die die Sit-

zungsthemen vorbereiten. Insbesondere sind hier der

Arbeitskreis II (AK II) und der Arbeitskreis IV (AK IV)

zu nennen.
1768) http://www.bnd.bund.de/DE/Arbeitsfelder/Kooperationen/

Kooperationen_node.html.

1769) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 6.

1770) Ein Überblick über zahlreiche Kooperationsgremien findet sich

in der Anlage des Sachverständigengutachtens von Dr. Gusy,
MAT A S-1, Anlage 2.

1771) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 25 f.

1772) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 23.

Der AK II setzt sich mit Themen aus den Bereichen Öf-

fentliche Sicherheit und Ordnung auseinander, wobei die

Gefahrenabwehr, Polizeiangelegenheiten und Terroris-

musabwehr den Hauptarbeitsbereich darstellen. Im AK II

sind die Leiter der Polizeiabteilungen der Landesinnen-

ministerien, der Präsident des BKA, der Abteilungsleiter

Öffentliche Sicherheit des BMI und der Präsident der

Deutschen Hochschule für Polizei vertreten. Entscheidun-

gen erfolgen durch Beschlussfassung.
1773

Der AK II ist

weiter untergliedert in Arbeitsgemeinschaften. Von Inte-

resse ist hier die Arbeitsgemeinschaft Kriminalpolizei

(AG Kripo), die sich aus den Leitern der Landeskriminal-

ämter zusammensetzt. Daneben gibt es noch den Unter-

ausschuss „Recht und Verwaltung“ (RV), den Unteraus-
schuss „Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“
(UA FEK) sowie die Vorschriften-Kommission (VK).

Der AK IV ist organisatorisch wie der AK II aufgebaut

und beschäftigt sich mit Themen des Verfassungsschut-

zes.
1774

Von den Abwehrzentren unterscheiden sich die Arbeits-

kreise erheblich. Die Arbeitskreise kommen punktuell

zusammen, sie bilden keine permanente Einrichtung, ihre

Themenfelder sind deutlich abstrakter, das Gebiet der

Zusammenarbeit deutlich breiter und die beteiligten Per-

sonen üblicherweise in Leitungsfunktionen tätig. Die

Arbeitskreise sind anders als die Abwehrzentren in Aus-

richtung nicht daraufhin angelegt, operative Aktionen zu

unterstützen.
1775

bb) Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum
(GTAZ)

Das GTAZ ist eine 2004 in Berlin eingerichtete Koordi-

nierungsstelle von Sicherheitsbehörden der Länder und

des Bundes, welche dazu dienen soll, die operative Arbeit

zur internationalen Terrorismusbekämpfung zu verbes-

sern.
1776

Ihr Aufgabenfeld ist auf die Bekämpfung des

islamistischen Terrorismus beschränkt.

Gegenwärtig sind 40 Behörden am Gemeinsamen Terro-

rismusabwehrzentrum beteiligt: Neben dem Bundesamt

für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt auch

die Verfassungsschutzbehörden der Länder und die Lan-

deskriminalämter sowie der Generalbundesanwalt, die

Bundespolizei, das Zollkriminalamt, das Bundesamt für

Migration und Flüchtlinge, der Bundesnachrichtendienst

und der Militärische Abschirmdienst.

Die GTAZ ist selbst keine Behörde und hat keine eigenen

Befugnisse. Vielmehr entnehmen die beteiligten Behör-

den ihre Kompetenzen und Befugnisse ihren jeweiligen

Rechtsgrundlagen. Es existiert ferner keine gemeinsame
1773) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30.

1774) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30.

1775) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30.

1776) Vgl. hierzu und zum Folgenden:

http://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-

islamismus-und-islamistischer-terrorismus/gemeinsames-

terrorismusabwehrzentrum-gtaz.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 223 – Drucksache 17/14600

Datei des GTAZ, jedoch wurden zwei Informationssys-

teme eingerichtet, die nunmehr den zentralen Bestandteil

des Kooperationsgremiums bilden: Eine polizeiliche und

eine nachrichtendienstliche Informations- und Analyse-

stelle: PIAS und NIAS. Mitglieder beider Stellen arbeiten

in verschiedenen Arbeitsgruppen eng zusammen. Diese

Arbeit vollzieht sich in täglichen Lagebesprechungen,

operativem Informationsaustausch, Absprachen über

Ressourcenbündelungen, Fallauswertungen, Strukturana-

lysen und Gefährdungsbewertungen sowie Kompetenzab-

sprachen. Durch die Kooperation sollen unter anderem die

Kommunikationswege und damit der Austausch vorhan-

dener Informationen verbessert, die Früherkennung mög-

licher Bedrohungen erleichtert und operative Maßnahmen

besser abgestimmt werden.

Der Sachverständige Dr. Wolff hat in seinem Gutachten

dargelegt, dass eine Befragung von Funktionsträgern, die

mit dem GTAZ in Berührung kamen, ein uneingeschränkt

positives Bild des Kooperationsgremiums ergeben ha-

be.
1777

cc) Gemeinsames Internetzentrum der deut-
schen Sicherheitsbehörden (GIZ)

Nach dem Vorbild des GTAZ wurde Anfang 2007 das

Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) gegründet. Ziel die-

ses Zentrums ist die Bündelung der Ressourcen im Be-

reich der Internetauswertung zum islamistischen Terro-

rismus.
1778

Im GIZ sind Vertreter des Bundesamts für

Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts, des Bun-

desnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdiens-

tes sowie des Generalbundesanwalts tätig. Es sind mithin

ausschließlich Bundesbehörden beteiligt. Dennoch erfolgt

ein ständiger Austausch mit den Länderbehörden. Die

Aufgabe des GIZ besteht insbesondere darin, islamisti-

sche Websites, einschlägige Newsgroups, Foren und

Chatrooms zu beobachten und deren Informationsgehalt

auszuwerten. Dabei wird ausschließlich das offene, frei

zugängliche Internet überwacht. Es wird ein Bericht über

die Ergebnisse der Recherche verfasst und den Koopera-

tionspartnern zur Verfügung gestellt.
1779

dd) Weitere Koordinierungsgremien

Weitere Koordinierungsgremien mit Bezug zum Rechts-

extremismus sind die Kommission Staatsschutz (K ST),

die Bund-Länder-Arbeitsgruppe PMK-rechts, die Koordi-

nierungsgruppe Politisch motivierte Kriminalität-rechts

(KG PMK-rechts), die Amtsleitertagung der Verfas-

sungsschutzbehörden (ALT), die Arbeitsgemeinschaft der

Leiter der Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminal-

amt (AG Kripo), die Arbeitsgruppe Operativer Informati-

onsaustausch Rechtsextremismus (AG OIREX) und die
1777) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 27.

1778) http://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-
islamismus-und-islamistischer-terrorismus/gemeinsames-

internetzentrum-giz.

1779) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 28 f.

Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung

rechtsextremistischer/-terroristischer Gewaltakte

(IGR).
1780

Hervorzuheben ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe PMK-

rechts (BLAG PMK-rechts), die im Februar 2009 einge-

richtet wurde.
1781

Diese ist für die Überprüfung, Fort-

schreibung und Aktualisierung des Berichts zum polizei-

lichen „Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung der PMK-
rechts – VS-NfD –“ zuständig und stellt diesbezüglich
Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Bekämp-

fung der PMK-rechts vor. In der BLAG sind das BKA,

die Landeskriminalämter der Länder Bayern, Branden-

burg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und

Sachsen-Anhalt sowie der Generalbundesanwalt vertre-

ten. Sie untersteht der K ST und trifft sich auf der Ebene

der Sachbearbeiter.
1782

Die KG PMK-rechts stellt eine Weiterentwicklung der

Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung

rechtsextremistischer/-terroristischer, insbesondere frem-

denfeindlicher Gewaltakte (IGR) dar, die in einem späte-

ren Teil dieses Berichts näher erläutert wird.
1783

In diesem

Sinne soll die KG PMK-rechts alle Personen der rechten

Szene – sowohl aus dem Bereich Extremismus als auch
aus dem Bereich Terrorismus – erfassen und strukturelle
sowie personenbezogene Bekämpfungsansätze darle-

gen.
1784

Die ALT ist für die Abstimmung der Verfassungsschutz-

behörden des Bundes und der Länder z. B. bezüglich der

Extremismusbekämpfung zuständig, berät übergeordnete

Instanzen und setzt politische Vorgaben um.
1785

Hervorzuheben ist weiterhin die AG Kripo, die im Be-

reich der Kriminalitätsbekämpfung für die Koordination

zwischen den Polizeien von Bund und Ländern zuständig

ist und ebenfalls übergeordnete Instanzen berät oder poli-

tische Vorgaben im polizeilichen Bereich umsetzt.
1786

ee) Kommunikationsdateien und-datenbanken

Neben zahlreichen Gremien existiert auch eine Vielzahl

von Kommunikationsdateien und –datenbanken der
Sicherheitsbehörden.

1787
Ein Überblick findet sich als

Anlage zum Gutachten von Prof. Dr. Gusy, der als Sach-
1780) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 30 f.

1781) BT-Drs. 17/8535 vom 2. Februar 2012, S. 13

1782) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-

schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 42.

1783) Siehe hierzu ausführlich unter Punkt C.IV.1.c)aa).

1784) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-

schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 42 f., vgl. auch
BT-Drs. 17/7902, S. 14 f.

1785) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-

schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 41.

1786) Schröder/Tsesis/von Eitzen, Deutscher Bundestag, Wissen-

schaftliche Dienste, WD 3 – 3000 – 026/12, S. 42.

1787) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 19.

Drucksache 17/14600 – 224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

verständiger vor dem Untersuchungsausschuss angehört

worden ist.
1788

b) Rechtliche Probleme im Zusammenhang
mit Kooperationsgremien

Die Kooperationsgremien werfen aufgrund ihrer Zusam-

mensetzung, aber auch wegen der Grundrechtsrelevanz

ihres Handelns juristische Fragen auf.

aa) Trennungsgebot

Die Kooperation zwischen Polizeibehörden und nachrich-

tendienstlichen Behörden könnte rechtliche Probleme

hinsichtlich der Einhaltung des Trennungsgebotes hervor-

rufen.

Das organisatorische Trennungsgebot gebietet die Unab-

hängigkeit von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden,

auch wenn sie sich funktional annähern.
1789

Die Befugnis-

se dürfen sich nicht überschneiden, die Behörden nicht

zusammengelegt werden.
1790

Diese wird durch verschie-

dene Kooperationsformen relativiert. Die mitwirkenden

Institutionen sind jedoch als gleichberechtigte Partner

verbunden. Außerdem werden lediglich Vertreter der

Behörden tätig, was nicht als Zusammenschluss der Be-

hörden gesehen werden kann. Weiterhin besteht die Ko-

operation vorwiegend im Austausch von Informationen.

Gerade diese Informationsweitergabe ist Auftrag des

Nachrichtendienstes.
1791

Darüber hinaus erfolgt keine

organisatorische Eingliederung. Ein Verstoß gegen das

organisatorische Trennungsgebot wird hierin daher nicht

gesehen.
1792

In kompetenzieller Hinsicht sei kein Verstoß gegen das

Trennungsgebot anzunehmen, da die Behörden im Rah-

men der Kooperationszentren lediglich gemeinsame Ab-

sprachen treffen.
1793

Zum informationellen Trennungsgebot hat das Bundes-

verfassungsgericht am 24. April 2013 geurteilt (siehe

oben unter 4.a)ee)bbb)).
1794

bb) Erfordernis einer Rechtsgrundlage zur
datenschutzrechtlichen Vereinbarkeit

Da die Zusammenarbeit in den Zentren eine Weitergabe

personenbezogener Daten erfordert, könnte § 4 Bundesda-

tenschutzgesetz (BDSG) oder entsprechende Regeln der

Landesdatenschutzgesetze eingreifen. In jedem Fall ver-

langt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

eine Rechtfertigung in Gestalt einer Rechtsgrundlage.
1788) Dr. Gusy, MAT A S-1, Anlage 2.

1789) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 4.

1790) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.

1791) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 11.

1792) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 31 f.

1793) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 32.

1794) BVerfG, 1 BvR 1215/07 vom 24. April 2013.

Erfasst sind hiervon auch mündliche Übermittlungen.

Grundsätzlich können sich die beteiligten Behörden auf

die jeweils für sie geltenden entsprechenden Rechtsgrund-

lagen stützen. Diese umfassen jedoch unter Umständen

keine derart enge Zusammenarbeit, weshalb vertreten

wird, es bedürfe einer eigenen Rechtsgrundlage für die

Informationsübermittlung im Rahmen der Behördenko-

operation.
1795

Ein organisatorischer oder verfahrensrechtlicher Aus-

gleich für die Gefahr des rechtsgrundlosen Austauschs

von personenbezogenen Daten durch entsprechend spezi-

elle rechtliche Grundlagen fehle. Hier könne an einen

Datenschutzbeauftragten für Kooperationsgremien ge-

dacht werden. Zu beachten sei andererseits auch, dass der

Informationsaustausch vorrangig strategische, seltener

personenbezogene Daten erfasse.
1796

cc) Vorschläge

Wegen des Fehlens von rechtlichen Grundlagen bzw. von

verfahrensrechtlichen oder organisatorischen Absicherun-

gen
1797

hat der Sachverständige Prof. Dr. Lange Regelun-

gen für Aufsichts- und Kontrollzuständigkeiten gefor-

dert.
1798

Auch der Sachverständige Prof. Dr. Wolff forder-

te Sicherungsmechanismen, die der Gefahr der Verlet-

zung von Regelungen des Datenschutzes vorbeugen.
1799

Von Prof. Dr. Wolff wird die Arbeit der Kooperations-

gremien überwiegend als positiv bewertet,
1800

Prof.

Dr. Gusy vertritt hingegen, dass ihre Leistungsfähigkeit

und Effektivität als gering einzuschätzen sei.
1801

IV. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterro-
rismus durch staatliche Stellen seit Anfang
der 90er Jahre

1. Einschätzung 1990 bis 2002

a) Verfassungsschutzberichte des BfV 1990
bis 2002

Wie aus den Verfassungsschutzberichten des BfV von

1990 bis 2002 zu ersehen ist, schätzte das BfV die Gefahr

des Rechtsterrorismus in diesen Jahren als eher gering

ein. So stellte der Verfassungsschutzbericht 1992 fest,

dass 1992 zwar gegen einige kleinere Gruppierungen

wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen

oder kriminellen Vereinigung ermittelt worden sei. Die

weitaus überwiegende Zahl der militanten Rechtsextre-

misten gehöre jedoch keiner festgefügten militanten Or-
1795) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 34.

1796) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 35.

1797) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 36.

1798) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 4.

1799) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.

1800) Dr. Wolff, MAT A S-1/1, Bl. 25 f.

1801) Dr. Gusy, MAT A S-1, Bl. 24.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225 – Drucksache 17/14600

ganisation an, sondern finde sich in losen Gruppierungen

auf lokaler bzw. regionaler Ebene zusammen.
1802

Struktu-

rierte Gruppen wie beispielsweise die „Wehrsportgruppe
Hoffmann“, die Mitte der 80er Jahre das Lagebild des
Rechtsterrorismus prägten, seien laut Verfassungsschutz-

bericht 1994 in diesem Jahr die Ausnahme.
1803

Im Verfassungsschutzbericht von 1995 stellte das BfV

fest:

„Auf Dauer angelegte strukturierte Gruppen, die
zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele schwere

Straftaten wie Brand- und Sprengstoffanschläge

oder Tötungsdelikte begehen, existierten 1995

nicht. Rechtsextremistisch motivierte Gewalt […]
wurde von Einzeltätern oder zumeist spontan ent-

standenen Gruppen ausgeübt und nicht von rechts-

terroristischen Organisationen.“1804

Im Verfassungsschutzbericht 1996 wurde eine Distanzie-

rung der meisten Rechtsextremisten von terroristischer

Gewalt als Mittel der Politik festgestellt. Gründe hierfür

sah das BfV in der politischen Stabilität Deutschlands, der

ablehnenden Haltung der großen Mehrheit der Bevölke-

rung gegenüber dem Rechtsextremismus und rechtsex-

tremistischer Gewalt sowie der Schwäche des gewaltbe-

reiten rechtsextremistischen Lagers. Zudem befürchte die

rechtsextremistische Szene staatliche Gegenmaßnahmen,

die ihren politischen Handlungsspielraum weiter ein-

schränke. Das BfV stellte das Fehlen einer für den be-

waffneten Kampf notwendigen Unterstützerszene sowie

einer Strategiedebatte zur gewaltsamen Systemüberwin-

dung fest.
1805

Die Verfassungsschutzberichte von 1997 und 1998 stell-

ten übereinstimmend fest, dass es zur Zeit keine rechtster-

roristischen Gruppen in Deutschland gebe.
1806

Im Verfas-

sungsschutzbericht 1998 wurde ausgeführt:

„Zur Zeit gibt es in Deutschland keine rechtsterro-
ristischen Organisationen oder Strukturen. Zum

einen mangelt es hierfür an einer auf die aktuelle

Situation in Deutschland bezogenen Strategie zur

gewaltsamen Überwindung des Systems, zum an-

deren fehlen geeignete Führungspersonen und fi-

nanzielle Mittel. Auch fehlen Unterstützerszene

und logistische Voraussetzungen, die für einen

wirkungsvollen, aus dem Untergrund heraus ge-

führten Kampf unabdingbar sind.“1807

Konträr zu der hier getroffenen Einschätzung steht die

Aussage des ehemaligen Präsidenten des BfV, Heinz

Fromm, der im Ausschuss folgende Sicht vertreten hat:

„Die Erfahrungen aus den 80er, aber dann vor al-
lem auch aus den 90er Jahren waren, dass es aus
1802) Verfassungsschutzbericht BfV 1992, S. 81.

1803) Verfassungsschutzbericht BfV 1994, S. 93.

1804) Verfassungsschutzbericht BfV 1995, 113.

1805) Verfassungsschutzbericht BfV 1996, 97, 98.

1806) Verfassungsschutzberichte BfV 1997, S. 81, BfV 1998, S. 24.

1807) Verfassungsschutzbericht BfV 1998, S. 24.

dem Bereich der rechtsextremistischen Szene Ter-

roranschläge gegeben hat, die nicht immer Perso-

nenschäden verursacht haben, die aber eindeutig

terroristische Züge trugen. Denken Sie an den An-

schlag auf die Wehrmachtsausstellung in Saarbrü-

cken im Jahr 1999. Denken Sie an den Spreng-

stoffanschlag auf das Grab des früheren Vorsit-

zenden des Zentralrats der Juden, Galinski, hier in

Berlin. Denken Sie an den Mordanschlag von Kay

Diesner auf einen Buchhändler hier in Berlin. Die

Reihe könnte noch fortgesetzt werden.“1808

Auch zu Beginn des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhun-

derts sah das BfV keine Anhaltspunkte für handlungsfä-

hige terroristische Strukturen und kein Konzept für einen

zielgerichteten bewaffneten Kampf. Gleichwohl bestehe

weiterhin die Gefahr, dass Einzelne oder Kleinstgruppen

auch schwere Anschläge begingen.
1809

Der Verfassungs-

schutzbericht von 2002 gelangte zudem zu dem Ergebnis,

dass militante Rechtsextremisten Terrorismus ablehnten,

da dieser nur „das System“ stärke und im Volk auf Un-
verständnis treffe. Zudem seien sie sich des hohen Entde-

ckungsrisikos bewusst.
1810

b) Sprechzettel für die PKK-Sitzungen am
29. April und am 27. Mai 1998

In Vorbereitung der am 29. April und am 27. Mai 1998

stattfindenden Sitzungen der Parlamentarischen Kontroll-

kommission wurde vom BfV ein Sprechzettel zu dem

Thema „Entwicklung rechtsextremistischer Gewalttaten
in 1997 – mögliche terroristische Ansätze?“ erstellt. Hie-
rin wurden mehrere Vorfälle beschrieben, bei denen die

Polizei im Rahmen von Durchsuchungen bei Rechtsex-

tremisten sowohl Waffen als auch Sprengstoffvorrichtun-

gen beschlagnahmt hatte. Bei einem der aufgeführten

Vorfälle handelte es sich um die Wohnungs- und Gara-

gendurchsuchung des Trios Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe, die am 26. Januar 1998 in Jena stattgefunden

hatte. In beiden Sprechzetteln wurde hierzu wortgleich

ausgeführt:

„Am 26. Januar 1998 durchsuchte die Polizei nach
Hinweisen der Verfassungsschutzbehörde Thürin-

gen in Jena die Wohnungen der Mitglieder des

‚Thüringer Heimatschutzes‘ (THS) Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe so-

wie eine von diesen genutzte Garage. Es bestand

der Verdacht, daß die drei Personen an der Herstel-

lung mehrerer selbstgefertigter, überwiegend nicht

zündfähiger Sprengkörper bzw. Bombenattrappen

beteiligt waren, die zwischen Oktober 1996 und

Dezember 1997 im Raum Jena aufgefunden wur-

den. In der Garage stellte die Polizei u. a. vier

funktionsfähige Rohrbomben sicher. Gegen die
1808) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 51.

1809) BMI, Verfassungsschutzbericht 2001, S. 43.

1810) BMI, Verfassungsschutzbericht 2002, S. 37.

Drucksache 17/14600 – 226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

drei Tatverdächtigen erging Haftbefehl. Sie sind

derzeit flüchtig.“1811

Das BfV führte in seiner Stellungnahme aus, dass sich aus

den Beispielfällen keine Hinweise auf eine terroristische

Bedrohung ableiten ließen:

„Bei den genannten Beispielfällen zeigt sich nur
insoweit eine neue Qualität rechtsextremistischer

Bedrohung, als bei Durchsuchungen vermehrt

selbstgebaute und funktionsfähige Sprengkörper

aufgefunden wurden. Hieraus lassen sich aber kei-

ne Hinweise auf eine konkrete terroristische Be-

drohung (Stichwort: ‚Braune RAF‘) ableiten. Die
Täter hatten in keinem Fall den Entschluss gefasst,

einen Anschlag zu begehen. Die Bomben in Thü-

ringen dienten der bloßen Drohung, ohne dass ein

darüber hinausgehendes Ziel erkennbar geworden

wäre. Die Täter folgten nach bisherigen Erkennt-

nissen – hinsichtlich der Vorgehensweise und
Zielauswahl – auch keiner terroristischen Konzep-
tion.

[…]

Derzeit gibt es in Deutschland keine rechtsterroris-

tischen Organisationen oder Strukturen. Zum einen

mangelt es hierfür an geeigneten Führungsperso-

nen, logistischen Voraussetzungen und finanziel-

len Mitteln. Zum anderen fehlt die Unterstützer-

Szene, die für einen nachhaltigen, aus der Illegali-

tät heraus geführten bewaffneten Kampf unab-

dingbar ist. Auch eine Strategiedebatte zur gewalt-

samen Systemüberwindung findet im rechtsextre-

mistischen Lager – wenn überhaupt – nur in gerin-
gem Umfang statt, so existiert keine ausformulierte

Theorie, die Gewalttaten zur Durchsetzung politi-

scher Ziele fordert und zugleich legitimiert“1812

Allerdings sah das BfV ein Potenzial gewaltbereiter

Rechtsextremisten, die in emotionalen Stresssituationen

auch ohne langfristige Planung und intellektuelle Konzep-

te Waffen einsetzen könnten. Es gebe daher alle Hinweise

auf Waffenbesitz in der rechtsextremistischen Szene

grundsätzlich an die Strafverfolgungsbehörden ab.
1813

Die Zeugin Dobersalzka, die von Anfang 1998 bis Okto-

ber 2006 als Referatsleiterin im BfV mit dem Thema

Rechtsextremismus befasst war, hat ausgesagt, dass die in

dem Sprechzettel verwendete Formulierung „Derzeit gibt
es in Deutschland keine rechtsterroristischen Organisatio-

nen“ ungewöhnlich gewesen sei. Normalerweise sei die
Formulierung verwendet worden, es seien keine rechtster-

roristischen Organisationen erkennbar. Die Notwendig-
1811) Sprechzettel für PKK-Sitzung am 29. April 1998, MAT A

BMI-4/59, Bl. 124, 125; Sprechzettel für PKK-Sitzung am

27. Mai 1998, MAT A BMI-4/53, Bl. 213 ff

1812) Sprechzettel für PKK-Sitzung am 29. April 1998, MAT A

BMI-4/59, Bl. 124, 125; Sprechzettel für PKK-Sitzung am

27. Mai 1998, MAT A BMI-4/53, Bl. 213 ff

1813) Sprechzettel für PKK-Sitzung am 29. April 1998, MAT A

BMI-4/59, Bl. 125; Sprechzettel für PKK-Sitzung am 27. Mai

1998, MAT A BMI-4/53, Bl. 215, 216.

keit für diese Formulierung habe sich bereits daraus erge-

ben, dass es definitorische Unterschiede für den Begriff

des Rechtsterrorismus in der Zusammenarbeit von Ver-

fassungsschutz sowie Polizei und Generalbundesanwalt

ergeben hätten.
1814

Sie hätten im BfV den Begriff Rechts-

terrorismus nie so definiert, wie es der Begriff der terro-

ristischen Vereinigung nahelege und wie auch von der

Polizei oder vom GBA als Maßstab genommen werde,

sondern das BfV habe nach den Ansätzen gesucht.
1815

c) Einschätzung durch die „Informations-
gruppe Rechtsextremismus“ (IGR)

aa) Tätigkeit der IGR

Ende 1992 beschlossen die Innenminister des Bundes und

der Länder, eine „Informationsgruppe zur Beobachtung
und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer,

insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte“ (Informati-
onsgruppe Rechtsextremismus – IGR) zu gründen. Mit-
glieder der IGR waren der Generalbundesanwalt, das

Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungs-

schutz und die Landesbehörden von Justiz, Polizei und

Verfassungsschutz. Die Geschäftsführung oblag dem

BfV. Aufgaben der IGR waren u. a.:

– konzeptionelle Grundfragen der Zusammenarbeit,

– einheitliche Erfassungskriterien und Begriffsbestim-
mungen des gewalttätigen Rechtsextremismus,

– Intensivierung des Erkenntnisaustausches zwischen
Verfassungsschutz, Polizei und Justiz,

– Analysen zur Sicherheitslage,

– Beobachtungs- und Bekämpfungsinstrumentarien,

– regionale personen- und sachbezogene Beobach-
tungs- und Bekämpfungsschwerpunkte,

– taktische und operative Fragen,

– Bündelung der Bekämpfungsressourcen,

– Fortschreibung bestehender und Entwicklung neuer
Beobachtungs- und Bekämpfungskonzepte.

Im Rahmen von IGR-Sitzungen wurden u. a. folgende

Themen und Sachverhalte erörtert:

– Absprachen im Vorfeld und Nachgang von Exeku-
tivmaßnahmen,

– Durchführung gemeinsamer Bewertungen von Sach-
verhalten und Ermittlungskomplexen,

– Bedeutsame Demonstrationen, bei denen die Sicher-
heitsbehörden Abstimmungsbedarf sahen,
1814) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 15, 17.

1815) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 227 – Drucksache 17/14600

– Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten sowie
Erörterung etwaiger Maßnahmen der Sicherheitsbe-

hörden hierauf,

– Fragen der Zusammenarbeit zwischen den Sicher-
heitsbehörden – insbesondere im Hinblick auf eine
Verbesserung und Optimierung der Kooperation,

– Zusammenarbeit im Vorfeld von sportlichen Großer-
eignissen,

– Juristische Entwicklungen mit Relevanz für die
Sicherheitsbehörden,

– Vorträge von Gastreferenten im Rahmen der IGR-
Sitzungen zur Vorstellung von Projekten (z. B. ein

Vortrag von „Jugendschutz.net“).1816

Die Sitzungen der IGR wurden in unregelmäßigen Ab-

ständen in der Regel ein- bis zweimal jährlich durchge-

führt. Die letzte IGR-Sitzung fand im Jahr 2007 statt.
1817

bb) Diskussion in der „Informationsgruppe
Rechtsextremismus“ (IGR)

Während der Tagungen der „Informationsgruppe zur
Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-

terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewalt-

akte“1818 (IGR Bund-/Ländertagungen) wurden Lagebil-
der Rechtsextremismus/-terrorismus aus Sicht des Bun-

deskriminalamts und des Bundesamts für Verfassungs-

schutz aufgezeigt und erörtert.

aaa) 18. IGR-Bund-/Ländertagung am
28./29. September 1999

In einem „Aktuellen Lagebild Rechtsextremismus“, das
für die IGR-Bund-/Ländertagung am 28./29. September

1999 erstellt wurde, führte das BfV aus, dass es derzeit

keine rechtsextremistische Organisation gebe, die zur

Durchsetzung ihrer politischen Ziele schwere Straftaten

begehe oder terroristische Aktionen plane. Eine „Braune
Armee Fraktion“ existiere nicht. Für einen planmäßigen,
auf Dauer angelegten terroristischen Kampf zur Durchset-

zung politischer Ziele fehle die breite Akzeptanz in der

neonazistischen Szene und damit das notwendige Unter-

stützerumfeld für einen aus der Illegalität heraus geführ-

ten Kampf. Außerdem fehle es an Logistik und einem

Konzept, wonach mit bestimmten Angriffen bestimmte

politische Ziele erreicht werden sollten. Das BfV stellte

allerdings fest, dass auch gewalttätige Einzeltäter ein

unkalkulierbares Risiko für die innere Sicherheit darstell-
1816) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der

Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/10278, Abteilungen,
Gremien und Dateien deutscher Sicherheitsbehörden für den

Kampf gegen Rechtsextremismus, BT-Drs. 17/10465, S. 6

1817) Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom 23.

November 2011 auf eine Frage der Abg. VP'n Petra Pau (DIE

LINKE.), S. 14, 15; eine Aufstellung der Sitzungen im Zeit-
raum von 1995 bis 2007 ist der BT-Drs. 17/10465, S. 5 zu ent-

nehmen.

1818) Näheres zur dieser Informationsgruppe unter C.IV.1.c)aa).

ten. Da einige Personen in der rechtsextremistischen Sze-

ne über Schusswaffen und Sprengstoff verfügten, bestehe

ein erhebliches Gefahrenpotential, das sich in kaum

vorhersehbarer Weise realisieren könne.
1819

bbb) 19. IGR-Bund-/Ländertagung am
27./28. September 2000

Zu einer veränderten Einschätzung gelangte das BfV in

dem Lagebild, welches es bei der IGR-Bund-

/Ländertagung am 27./28. September 2000 vorlegte. Das

BfV wies darauf hin, dass sich Waffen- und Sprengstoff-

funde bei Rechtsextremisten seit November 1999 gemehrt

hatten. Es stellte fest, dass diese Waffen zum Zweck von

Angriffen auf den politischen Gegner beschafft worden

seien und sah in den Funden sichtbare Zeichen der gestie-

genen Gefährlichkeit militanter rechtsextremistischer

Bestrebungen. Unter Zugrundelegung einer weitgefassten

Definition des Terrorismus gelangte das BfV zu der Auf-

fassung, dass sich hierin Ansätze für eine terroristische

Bedrohung zeigten. Außerdem stellte es fest, dass sich

Stimmen gehäuft hätten, die Gewalt als Mittel zur Durch-

setzung politischer Ziele befürworteten. In diesem Zu-

sammenhang verwies es auf die neonazistische Publikati-

on Hamburger Sturm, die am 10. August 2000 von der

Hamburger Behörde für Inneres verboten worden war.

Als Auslöser der gewaltbejahenden Diskussion sah das

BfV u. a. die positiven Reaktionen der Szene auf die

ungeklärt gebliebenen Sprengstoffanschläge am 19. De-

zember 1998 in Berlin auf das Grab des ehemaligen Vor-

sitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Ga-

linski und am 9. März 1999 in Saarbrücken auf die Aus-

stellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht
1941 bis 1944“ an.1820

Zu einer hiervon abweichenden Bewertung der Situation

gelangte das BKA in seinem Lagebild. Demnach lautete

das Resümee einer Arbeitstagung des BKA mit in den

Ländern für die Bekämpfung des Rechtsextremismus/-

terrorismus zuständigen Sachbearbeitern, dass es einen

Rückgang von Straftaten um ca. 10 % und eine insgesamt

stabile Lage gebe. Sie sei gekennzeichnet durch das Feh-

len terroristischer Strukturen, das Fehlen einer zentralen

Steuerung von Straftaten und das Fehlen von Führungs-

persönlichkeiten.
1821

Das BKA stellte fest:

„Es liegen derzeit keine Erkenntnisse über die
Existenz terroristischer Strukturen, das Entstehen

einer ‚Braune Armee Fraktion‘ vor. Bei den ge-
genwärtig feststellbaren Gewalttaten handelt es

sich nicht um organisierte, geplante und arbeitstei-

lig oder mit dem Ziel der Systemüberwindung be-

gangene Straftaten.“1822
1819) BfV, Sprechzettel zur Tagung der IGR am 29./30. September

1999, MAT A BMI-3/12, Bl. 26, 27 (VS-NfD).

1820) BfV, Sprechzettel zur Tagung der IGR am 27. September 2000,
MAT A BMI-3/2, Bl. 93, 94 (VS-NfD).

1821) Lagebild Rechtsextremismus/-terrorismus aus Sicht des Bun-

deskriminalamtes, MAT A BMI-3/2, Bl. 88 (VS-NfD).

1822) MAT A BMI-3/2, Bl. 91 (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auf die Erörterungen in der IGR hat der Zeuge Cremer,

der von 1996 bis 2004 Leiter der Abteilung Rechtsextre-

mismus im BfV war, zur Beantwortung der Frage Bezug

genommen, ob das BfV das Entstehen rechtsterroristi-

scher Strukturen falsch eingeschätzt habe, und ausgeführt:

„In der Sitzung der Bund-Länder-Sitzung der IGR
– Informationsgruppe zur Beobachtung und Be-
kämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer,

insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte –
vom 27. bzw. 28. September 2000 hat das BfV auf

die Gefahr der Bildung von Ansätzen für rechtster-

roristische Bestrebungen hingewiesen. […] Auf
die von solchen Personen ausgehende Gefahr, auch

von Einzelpersonen ausgehende Gefahr, wie bei-

spielsweise auf den Attentäter Fuchs in Österreich

oder auch den Unabomber in den USA, wurde

ausdrücklich hingewiesen. Die Polizeibehörden

und der Generalbundesanwalt verwiesen demge-

genüber auf die Tatbestandsmerkmale des § 129a

und warnten vor der drohenden Be-

griffsverwirrung, wenn der Terrorismusbegriff des

§ 129a durch die Verfassungsschutzbehörden aus-

geweitet würde. Dieser Argumentation, dieser

nachvollziehbaren Argumentation haben wir uns

dann im Folgenden auch in unserer Berichterstat-

tung angeschlossen […] Auf den IGR-Tagungen
der Jahre 1999, 2000 und 2001 wurde immer wie-

der auf die Gefahr insbesondere von Sprengstoff-

anschlägen durch Einzelpersonen und Kleingrup-

pen deutlich hingewiesen.“1823

Nach Auskunft des Zeugen Cremer wurde bei der 19.

IGR-Bund-/Ländertagung am 27./28. September 2000 die

Frage diskutiert, wie der Terrorismusbegriff zu definieren

sei. Der Vertreter des BfV wies darauf hin, dass die seit

Jahren von den Verfassungsschutzbehörden benutzte

Definition des Terrorismus weder eine zielgerichtete

Vereinigung von mindestens drei Personen noch ein

Agieren aus dem Untergrund mit entsprechender Logistik

und Unterstützerszene zwingend voraussetze. Vor diesem

Hintergrund sah das BfV durchaus Ansätze für einen

Rechtsterrorismus in der jüngeren Entwicklung. Demge-

genüber sprachen sich die Vertreter der Landeskriminal-

ämter und des Generalbundesanwalts gegen eine Auswei-

tung der Definition des Rechtsterrorismus aus. Gerade

auch wegen der Wirkung in der Öffentlichkeit müsse sich

diese am Begriff der terroristischen Vereinigung im Sinne

des § 129a StGB orientieren, um Abgrenzungsprobleme

zu vermeiden. Als Ergebnis der Diskussion stellten die

Vertreter der IGR schließlich übereinstimmend fest, dass

derzeit kein Rechtsterrorismus in Deutschland feststellbar

sei.
1824
1823) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 67.

1824) Ergebnisprotokoll über 19. Bund-/Ländertagung IGR,

27./28. September 2000, MAT A BMI -3/2, Bl. 77-78 (VS-

NfD).

ccc) 20. IGR-Bund-/Ländertagung am
10./11. Januar 2001

Zu ähnlichen Einschätzungen gelangten BfV und BKA

bei der 20. IGR-Bund-Ländertagung am 10./11. Januar

2001. In dem Lagebild, welches das BKA vorlegte, stellte

es die anhaltende Relevanz dieses Kriminalitätsbereiches

sowie eine weiterhin bestehende Gewaltbereitschaft in

nicht unerheblichem Maße fest. Es konstatierte aber auch,

dass es derzeit keine Erkenntnisse über die Existenz terro-

ristischer Strukturen gebe.
1825

Das BfV hielt die steigende

Zahl von Gewalttaten für besorgniserregend. Seit einein-

halb Jahren gebe es zunehmend Stimmen, die Gewalt als

Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele befürworteten.

Auch hätten sich im Jahr 2000 Waffen- und Sprengstoff-

funde bei Rechtsextremisten gehäuft. Bisher habe es aber

an der Absicht und in aller Regel auch an der Fähigkeit

gefehlt, diese gezielt zu Anschlägen einzusetzen. Es kön-

ne aber nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Grup-

pierungen oder Einzelpersonen Anschläge planten und

ausführten.
1826

ddd) Gründe für unterschiedliche Bewertungen
durch BfV und BKA

Als Grund für eine unterschiedliche Einschätzung der

rechten Gewalt durch BKA und BfV hat der Zeuge

Fromm genannt, dass es aufgrund der unterschiedlichen

Kompetenzen eine unterschiedliche Wahrnehmung gebe.

Die Polizei konzentriere sich auf Einzelvorgänge, auf

Fallkomplexe, auf Organisationsdelikte und terroristische

Vereinigungen. Beim Verfassungsschutz sei der Blick

dagegen stärker auf Strömungen, auf Strategien, auf die

Bewertung dieser Strömungen und auf die Schlussfolge-

rungen, die sich daraus für mögliches militantes Verhalten

ergäben, gerichtet. Im Kontext mit der IGR könne er dies

aber nicht belegen.
1827

eee) Bewertung der Arbeit in der IGR

Die Arbeit in der IGR hat der Zeuge Ziercke kritisch

bewertet. In der IGR habe ein Informationsaustausch über

die Lage stattgefunden. Man habe die Lage beurteilt, sich

die Konzepte angeschaut und diese in den 90er Jahren

weiterentwickelt. Dies habe aber nicht ausgereicht. Er

sehe das große Versagen darin, dass man in den 90er Jah-

ren nicht etwas geschaffen habe, wie es heute der Fall

sei.
1828

Dem entgegen hat der Zeuge Cremer sich lobend über die

Zusammenarbeit in der IGR geäußert. Die IGR als In-

strument von Polizei und Verfassungsschutz des Bundes

und der Länder sei damals ein durchaus erfolgreiches

Instrument gewesen. Insbesondere habe die Kooperation

zwischen BfV und BKA dazu beigetragen, dass hier in
1825) Sprechzettel BKA, MAT A BMI-3/2, Bl. 151-154.

1826) Lagebild BfV, MAT A BMI-3/2, Bl. 155-158 (VS-NfD).

1827) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 53.

1828) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 78.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229 – Drucksache 17/14600

vielen Sitzungen – etwa fünf oder mehr Sitzungen pro
Jahr – das Verständnis füreinander deutlich gewachsen
sei.

1829
Der Zeuge Ritscher, der nach eigenen Angaben als für

rechtsterroristische Straftaten zuständiger OStA beim

BGH mehr als einmal an IGR-Tagungen teilgenommen

hat, hat in ihnen ebenfalls einen wertvollen Austausch

gesehen.
1830

2. Einschätzung nach Verhinderung eines
Anschlags durch „Kameradschaft Süd“
2003

a) Versuchter Anschlag durch „Kamerad-
schaft Süd“ 2003

Im Dezember 2001 wurde auf Initiative des Neonazis

Norman B. die „Kameradschaft Süd“ gegründet. Sie stell-
te den wichtigsten Personenzusammenschluss von Neo-

nazis im Raum München dar und fungierte als Dachver-

band für Stammtischrunden und neonazistische Skinhead-

Kameradschaften. Ab März 2002 übernahm Martin Wiese

die Leitung der „Kameradschaft Süd“. Am 18. und
28. August 2003 sowie am 9. September 2003 wurden bei

Hausdurchsuchungen von Mitgliedern der „Kamerad-
schaft Süd“ Sprengstoff, Handgranaten, Munition, Waf-
fen, Sturmhauben und schriftliche Unterlagen sicherge-

stellt. Die Ermittlungen ergaben, dass Wiese und weitere

Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ einen Anschlag für
den 9. November 2003 auf die Grundsteinlegung für ein

jüdisches Gemeindezentrum in München geplant
1831

und

später andere Anschlagsziele im München erörtert hat-

ten.
1832

In der sich anschließenden öffentlichen Diskussi-

on prägte der damalige bayerische Innenminister Dr.

Günther Beckstein das Schlagwort „Braune RAF“.1833 Am
4. Mai 2005 verurteilte der 6. Strafsenat des Bayerischen

Obersten Landesgerichts Martin Wiese und drei weitere

Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ zu mehrjährigen
Freiheitsstrafen.

1834
b) Einschätzung des BfV 2003: Gibt es eine
braune RAF?

aa) Antwortschreiben des BfV vom 14. Sep-
tember 2003

Nach dem vereitelten Sprengstoffanschlag durch Mitglie-

der der „Kameradschaft Süd“ 2003 stellte sich die Frage,
1829) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 68.

1830) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 100.

1831) MAT A BKA-3a, Bl. 1-6 (VS-NfD).

1832) BMI, Verfassungsschutzbericht 2003, S. 25

1833) Die Zeit vom 18. September 2003, „Die Sprengköpfe“; Frank-
furter Allgemeine Zeitung vom 16. September 2003,
„Beckstein: Schily unprofessionell“.

1834) MAT A BMI-4/58 (Tgb.-Nr. 26/12 – GEHEIM), Bl. 100 (of-
fen).

ob die im Verfassungsschutzbericht des BfV von 2002

getroffene Feststellung, wonach es keine rechtsterroristi-

schen Gruppierungen und keine Bestrebungen zum Auf-

bau eines zielgerichteten „bewaffneten Kampfes“ ge-
be,

1835
aufrechterhalten werden könne. Der Unterabtei-

lungsleiter P II im BMI Ministerialdirigent Gerhard

Schindler legte dem BfV einen Fragenkatalog vor, in dem

u. a. gefragt wurde, ob BfV und BKA die Lage falsch

eingeschätzt hätten. Zudem bat er um eine Bewertung der

öffentlichen Warnung des damaligen bayrischen Innen-

ministers Dr. Beckstein vor einer völlig neuen Dimension

rechtsextremistischer Gewalt, einer Art „brauner RAF“.
In seinem Antwortschreiben vom 14. September 2003

antwortete der damalige Vizepräsident des Bundesamtes

für Verfassungsschutz Klaus-Dieter Fritsche, es bedürfe

weiterer Detailerkenntnisse aus dem Verfahren gegen die

„Kameradschaft Süd“, um zu beurteilen, ob die Feststel-
lung aus dem Verfassungsschutzbericht 2002, es gebe

keine rechtsterroristischen Gruppierungen und Bestrebun-

gen zum Aufbau eines zielgerichteten bewaffneten Kamp-

fes, aufrecht erhalten werden könne.

Zu der Frage, ob es eine braune RAF gebe führte Fritsche

in dem Schreiben aus:

„Bei einem Vergleich mit der RAF muss zumin-
dest das wesentliche Merkmal dieser terroristi-

schen Bestrebungen berücksichtigt werden. Die

RAF führte ihren bewaffneten Kampf aus der Ille-

galität heraus. Das heißt, die Gruppe lebte unter

falscher Identität, ausgestattet mit falschen Perso-

naldokumenten und Fahrzeugdubletten in konspi-

rativen Wohnungen. Dies erforderte ein hohes

Know-how und ein Sympathisantenumfeld, das

bereit war, den bewaffneten Kampf aus der Illega-

lität zu unterstützen. Zur Finanzierung dieses

Kampfes wurden Raubüberfälle begangen.

Absichten, einen Kampf aus der Illegalität heraus

mit den damit verbundenen Umständen zu führen,

sind in der rechten Szene nicht erkennbar. Es gibt

derzeit auch keine Anhaltspunkte, dass eine solche

Gruppe ein Umfeld finden würde, das ihr einen

solchen Kampf ermöglicht. Die gewaltbejahenden

Äußerungen in der rechten Szene sind in letzter

Zeit seltener geworden. Kritische Äußerungen

auch zu den jüngst bekannt gewordenen Ereignis-

sen in der ‚Kameradschaft SÜD‘ deuten eher da-
rauf hin, dass es ein solches potentielles Unterstüt-

zungsfeld nicht gibt. Auch lebten die Mitglieder

der ‚Kameradschaft SÜD‘ nicht in der Illegalität.
Nach dem bisherigen Kenntnisstand des BfV gibt

es auch keine Hinweise, dass die Gruppe über ein

entsprechendes Know-how, finanzielle Mittel oder

ein Unterstützerumfeld für einen solchen Kampf

verfügte.

In der Presse wird angeführt, dass es im Rechtsex-

tremismus sehr wohl ein potentielles Unterstützer-

feld gebe. Hierzu wird auf drei Bombenbauer aus
1835) BMI, Verfassungsschutzbericht 2002, S. 37.

Drucksache 17/14600 – 230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Thüringen verwiesen, die seit mehreren Jahren

‚abgetaucht‘ seien und dabei sicherlich die Unter-
stützung Dritter erhalten hätten. Dem ist entgegen-

zuhalten, dass diese Personen auf der Flucht sind

und – soweit erkennbar – seither keine Gewalttaten
begangen haben. Deren Unterstützung ist daher

nicht zu vergleichen mit der für einen bewaffneten

Kampf aus der Illegalität.“1836

bb) Aussage des Zeugen Fritsche vor dem
Untersuchungsausschuss

Der Zeuge Fritsche hat in seiner Vernehmung vor dem

Untersuchungsausschuss deutlich gemacht, dass er zu

dem damaligen Zeitpunkt inhaltlich zu der in dem Schrei-

ben enthaltenen Aussage gestanden habe. Das Schreiben

sei zwar von den Fachabteilungen erstellt worden. Er

habe es als Vizepräsident aber nicht nur in einer Kurier-

funktion unterschrieben, sondern habe die Aussage da-

mals auch für plausibel gehalten. Nach den Kenntnissen,

die er aus Besprechungen zu Rechtsextremismus und

Rechtsterrorismus bzw. Gewaltbereitschaft von Rechts-

extremisten gewonnen habe, habe er das, was seine Mit-

arbeiter aufgeschrieben hätten, für richtig gehalten und

das Schreiben aus diesem Grund unterschrieben.
1837

Zum

damaligen Zeitpunkt sei die einhellige Bewertung der

Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder

sowie auch der Polizeibehörden gewesen, dass die Zer-

schlagung der „Kameradschaft Süd“ im Herbst 2003
einen erheblichen Abschreckungseffekt in der Szene

hinterlassen habe. Niemand habe sich zu diesem Zeit-

punkt vorstellen können, dass eine Terrorgruppe namens

NSU bereits vier Menschen mit Migrationshintergrund

kaltblütig umgebracht habe.
1838

Zudem hat der Zeuge Fritsche, heute beamteter Staatssek-

retär im Bundesinnenministerium, zum Ausdruck ge-

bracht, dass er die Vergleichbarkeit des NSU und der

RAF auch heute noch für nicht abschließend geklärt halte.

Bei der RAF habe es sich um eine andere Organisations-

form gehandelt, innerhalb derer es eine Hierarchie gege-

ben habe. Zudem seien wesentlich mehr Personen betei-

ligt gewesen. Im Moment wisse man noch nicht, wie viel

Unterstützer des NSU tatsächlich Kenntnis von den Taten

des NSU gehabt hätten. Dies sei Teil des Ermittlungsver-

fahrens. Die damalige Bewertung sei gewesen, dass von

der Organisationsform, die das Unterstützerumfeld der

RAF gehabt habe, im rechtsterroristischen Bereich nichts

bekannt sei.
1839
1836) MAT A BMI-4/58 (Tgb.-Nr. 26/12 – GEHEIM), Bl. 26-23

(offen).

1837) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 14.

1838) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 9.

1839) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 32.

cc) Aussage des Zeugen Fromm vor dem
Untersuchungsausschuss

Der Zeuge Fromm hat erklärt, der Blick sei bei der dama-

ligen Einschätzung zu eng gewesen. Man hätte andere

Möglichkeiten ins Auge fassen müssen. Man habe be-

stimmte Merkmale wie Illegalität und Unterstützerumfeld

nicht für möglich gehalten. Aus heutiger Sicht habe man

zumindest eine unvollständige Analyse gehabt.
1840

Zudem

hat er erklärt:

„Die Verfassungsschutzberichte des Bundes über
all die Jahre weisen ganz eindeutig aus, dass die

Gefahr gesehen wurde, dass sich kleine, kleinste

Gruppen auch dazu entschließen könnten, schwere

Terroranschläge zu verüben, dass es aber in der

Neonaziszene insgesamt – nicht aus pazifistischen
Gründen, sondern aus taktischen Gründen – keinen
Trend gibt, den bewaffneten Kampf aufzunehmen.

Aber die Gefahr – das hat sich ja auch realisiert in
dem Fall der ‚Kameradschaft Süd‘ –, dass es ter-
roristische Anschläge geben könnte aus der Neo-

naziszene heraus, die ist schon gesehen worden.

Was nicht gesehen worden ist, ist, dass es eine sol-

che offenbar abgeschottete illegale Zelle gab, die

das verübt. Und die Schlussfolgerung daraus war:

Wenn es, wie in dem Fall der ‚Kameradschaft Süd‘
zu einem Anschlagsvorhaben von nicht in der Ille-

galität lebenden Leuten kommt, werden wir das

mitkriegen. […] Was nicht gesehen worden ist, ist
dass es Illegale gibt, die Zellen bilden und dann

ohne Umfeld, was man immer als Voraussetzung

angesehen hat, oder ohne erkennbares Umfeld sol-

che Straftaten verüben.“1841

dd) Aussagen der Zeugen Dobersalzka und
Egerton vor dem Untersuchungsaus-
schuss

Die Zeugin Dobersalzka, die als Referatsleiterin von 1998

bis 2006 im BfV mit dem Thema Rechtsextremismus

befasst war, hat sich zu der Fragestellung „Gibt es eine
braune RAF?“ wie folgt geäußert:

„[…] ich möchte aber an der Stelle die Gelegen-
heit wahrnehmen und auf dieses leidige Thema zu

sprechen kommen: Gab es eine braune RAF? Das

steckt ja so ein bisschen auch dahinter. Es hat uns -

- Diese Fragestellung: ‚Gibt es eine braune RAF?‘,
die hat mich persönlich immer furchtbar verärgert.

Und ich kann Ihnen auch sagen, warum. Das war

gar nicht unser Ansatz, zu fragen: ‚Sind die
Rechtsextremisten das, was die RAF früher war?‘,
sondern wir haben die Bedrohungslage für die Op-

fer gesehen, beispielsweise hier Anfang der 90er-

Jahre diese pogromartigen Ausschreitungen. Mir

persönlich ist das, ehrlich gesagt, von der Bewer-

tung her - - oder nicht mir persönlich, sondern aus
1840) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 10.

1841) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 50.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231 – Drucksache 17/14600

Opfersicht ist es von der Bewertung her völlig

egal, ob eine Tat aus strukturierten, langfristig ge-

planten Operationen hervorgeht oder von pogrom-

artigen Ausschreitungen. Und ich finde sogar, dass

die Bedrohungslage für die Opfer bei pogromarti-

gen Ausschreitungen, so wie wir sie Anfang der

90er-Jahre besonders hatten, wesentlich größer ist,

weil […].“1842

Der Zeuge Egerton, der von 1994 bis zum Jahr 2000 im

BfV mit der subkulturellen, gewaltbereiten rechtsextre-

mistischen Szene befasst war, hat die vom BfV vorge-

nommene Einschätzung, ob es eine braune RAF gebe, wie

folgt erklärt:

„Die Frage war: Gibt es eine braune RAF? Und
der Ausgangspunkt war: Hat das BfV Strukturen

erkannt, die RAF-ähnlich sind, also zum Beispiel

Kommandoebene mit Unterstützerumfeld, mögli-

cherweise auch militant, was also auch Anschläge

begeht? Und diese Strukturierung hat das BfV

nicht erkannt. Es hat sie auch in Form des Trios

nicht gegeben. Das war ja auch keine Kaderorga-

nisation mit Unterstützerumfeld.“1843

ee) Bewertung der damaligen Einschätzung
durch den Zeugen Schily

Der Zeuge Schily hat sich zu der damals vorgenommenen

Einschätzung durch den Vizepräsidenten des BfV Frit-

sche wie folgt geäußert:

„Mein Eindruck ist: Es war eine Fehleinschätzung
dieses Gefahrenpotenzials. Diese Gruppen - so

eben auch diese Kleingruppe, die hier genannt

wird - hat man eigentlich - glaube ich nach alle-

dem, was ich da nachvollziehen kann - immer

mehr so gesehen, dass die mehr ‚harmlosere Din-
ge‘ machen, dass sie mal irgendwie eine Bomben-
attrappe oder scheußliche Nazi- und antisemitische

Propaganda machen oder mal einen Brandanschlag

machen. Aber dass diese Gruppe in der Lage ist,

Kapitalverbrechen zu begehen, das hat man nicht

gesehen.“1844

Die Frage, ob die Gefahr des Rechtsextremismus nach

dem 11. September 2001 unterschätzt worden sei, hat er

verneint. Sie sei aber nicht so hoch eingeschätzt worden

wie die des islamistischen Terrorismus. Er glaube nicht,

dass der Rechtsextremismus in seiner Bedrohung von den

Sicherheitsbehörden unterschätzt worden sei. Es sei nur

das Ausmaß der Bedrohung nicht erkannt worden.
1845
1842) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 17.

1843) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 34.

1844) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 72.

1845) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 72, 73.

c) Bewertung der Gefahr des Rechtsterroris-
mus durch Verfassungsschutzbericht 2003

Auch nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch

den Generalbundesanwalt wegen Bildung einer terroristi-

schen Vereinigung gegen die „Kameradschaft Süd“ wurde
die Bewertung vorangegangener Verfassungsschutzbe-

richte nicht grundlegend revidiert. So sah das BfV im

Verfassungsschutzbericht 2003 keine Anhaltspunkte für

terroristische Absichten anderer Rechtsextremisten. Auf

die bekannt gewordenen Anschlagspläne habe die rechts-

extremistische Szene überwiegend ablehnend reagiert.
1846

Der Verfassungsschutzbericht 2003 stellte fest:

„Die rechtsextremistische Szene in Deutschland
zeigte sich für terroristische Strategien wenig emp-

fänglich. Innerhalb der rechtsextremistischen Sze-

ne war keine intensiv geführte Gewaltdiskussion

festzustellen. Nur wenige Äußerungen sprachen

sich für die systematische Anwendung von Gewalt

aus. Ein Klima, das die Entstehung terroristischer

Strukturen begünstigen würde, bestand nicht.

Gleichwohl übt nach wie vor das Konzept des

‚leaderless resistance‘ eine gewisse Faszination auf
Rechtsextremisten aus. Die Vorstellung, als Teil

einer größeren Bewegung einen gemeinsamen

großen ‚Krieg gegen das System‘ zu führen, könn-
te bei einigen rechtsextremistischen Einzelperso-

nen oder Kleinstgruppen die Bereitschaft schüren,

schwerste Straftaten zu begehen.“1847

d) Arbeitstagung der Verfassungsschutzbe-
hörden von Bund und Ländern am 9. Ok-
tober 2003

Auf einer Arbeitstagung der Verfassungsschutzbehörden

von Bund und Ländern, die am 9. Oktober 2003 in Köln

stattfand, wurde vor dem Hintergrund des verhinderten

Sprengstoffanschlags durch Mitglieder der „Kamerad-
schaft Süd“ erörtert, ob sich daraus Hinweise auf ähnliche
Gruppierungen ableiten ließen, von denen eine Gefahr der

Entstehung terroristischer Strukturen im Rechtsextremis-

mus in Deutschland ausgehe.
1848

Die Zeugin Dobersalzka,

die als Referatsleiterin im BfV im Zeitraum von 1998 bis

2006 für Rechtsextremismus zuständig war, hat ausge-

führt, man sei nach dem Bekanntwerden des Falls Wiese

sehr alarmiert gewesen und habe diese Tagung kurzfristig

einberufen. Im Vorfeld dieser Tagung habe man einen

Fragenkatalog an alle LfV versandt, in dem nach An-

haltspunkten für weitere ähnliche Gruppen gefragt wor-

den sei:

„Wir hatten uns bestimmte Kriterien überlegt, die
ich jetzt nicht mehr alle parat habe, und haben die-

se Kriterien abgefragt. Also: Gibt es bei euch Per-
1846) BMI, Verfassungsschutzbericht 2003, S. 25.

1847) BMI, Verfassungsschutzbericht 2003, S. 41.

1848) Ergebnisprotokoll der Arbeitstagung der Verfassungsschutzbe-

hörden vom 10. Oktober 2003, MAT A BMI-4/43, Bl. 55-61

(VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sonen, die Waffen beschaffen wollen? Gibt es bei

euch eine Gewaltdiskussion? - Es waren mehrere

ähnliche Kriterien, wie sie jetzt für die RED ver-

wendet werden. Und auf diese Abfrage haben wir

von allen LfV eine schriftliche Antwort bekom-

men. Diese Fälle sind alle zusammengefasst wor-

den.“1849

Den Fragenkatalog beantwortete das Thüringer Landes-

amt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 6. Oktober

2003. Zu der Frage nach Anhaltspunkten für Waffen-

bzw. Sprengstoffbesitz führte es aus, zwar sei eine erheb-

liche Zahl von Personen im Zusammenhang mit dem

Besitz von Waffen im Datenbestand des Thüringer Lan-

desamtes für Verfassungsschutz vorhanden. Dabei hande-

le es sich jedoch nicht um aktuelle Fälle. Eine Entwick-

lung hin zum Terrorismus sei in diesen Fällen nicht er-

kennbar. In Bezug auf Sprengstoff sei die Situation in

Thüringen vergleichbar. Hier habe es in der Vergangen-

heit gewisse Aktivitäten hinsichtlich der Durchführung

von Anschlägen bzw. der angestrebten Beschaffung von

Sprengmitteln gegeben. Anhaltspunkte hätten aber nicht

verifiziert werden können bzw. hätten sich im Nachhinein

als falsch erwiesen. Mit Blick auf die potenzielle Gefähr-

lichkeit von Sprengstoffen wurden fünf dem Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz bekannt gewordene

Fälle dargestellt. Neben drei Fällen, die sich im Jahr 2000

ereignet hatten – hierunter u. a. ein Sprengstoffanschlag
auf einen Döner-Imbiss in Eisenach durch Danny P. und

Robert H. am 10. August 2000 – und einem Ereignis aus
dem Jahr 1997 fanden auch Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe Erwähnung:
1850

„26.01.1998, Durchsuchung bei Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Im Rahmen der

Exekutivmaßnahmen wurden u. a. diverse pyro-

technische Gegenstände, chemische Substanzen,

Kabel, Rohrstücke und vorbereitete Rohrbomben

sowie diverses Schriftgut aufgefunden. Die betrof-

fenen Personen sind aufgrund der Maßnahmen

‚abgetaucht‘. Das staatsanwaltliche Ermittlungs-
verfahren ist zwischenzeitlich eingestellt worden.

Der Aufenthalt dieser Personen ist nach wie vor

unbekannt.“1851

Als Ergebnis der Arbeitstagung wurde festgestellt, dass

Anzeichen für Anschlagsplanungen von Rechtsextremis-

ten zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich seien. Auch

gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich innerhalb

von Gruppierungen konspirativ arbeitende Zirkel gebildet

hätten.
1852

Die Verfassungsschutzbehörden gelangten zu

folgender Bewertung:
1849) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 19.

1850) Schreiben des TLfV vom 6. Oktober 2003, MAT A TH-3/6,
Ordner 4 (Tgb.-Nr. 78/12 – GEHEIM), Bl. 23-26 (offen).

1851) Schreiben des TLfV vom 6. Oktober 2003, MAT A TH-3/6,

Ordner 4 (Tgb.-Nr. 78/12 – GEHEIM), Bl. 26 (offen).

1852) Ergebnisprotokoll der Arbeitstagung der Verfassungsschutzbe-

hörden vom 10. Oktober 2003, MAT A BMI-4/43, Bl. 55-61

(VS-NfD).

„Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung terroris-
tischer Bestrebungen ist ein Gewalt bejahendes

Klima in der rechtsextremistischen Szene. Die

Gewaltbereitschaft in der Neonazi- und

Skinheadszene ist sicherlich hoch. Dies kommt in

den Vorstrafen auch vieler Kameradschaftsange-

höriger wegen Körperverletzung zum Ausdruck.

Hierbei handelt es sich jedoch um die Bereitschaft

zu spontaner Gewalt, nicht jedoch zu geplanten

terroristischen Aktionen. Die Bejahung von Ge-

walt als Mittel zur Erreichung politischer Ziele ist

nach wie vor nicht erkennbar. Anders als in den

Jahren 1999/2000 wird derzeit keine intensive

Gewalt bejahende Diskussion geführt. Die bisheri-

gen Reaktionen der rechtsextremistischen Szene

lassen kaum Zustimmung zu beabsichtigten terro-

ristischen Aktionen des Wiese erkennen.“1853

Festgehalten wurde, dass die Verfassungsschutzbehörden

die Beobachtung insbesondere der Gruppierungen, bei

denen militante Aktionen möglich erschienen, verstärken

sollten. Konkrete Gefährdungshinweise sollten unverzüg-

lich der Polizei übermittelt werden. Das Ergebnisproto-

koll wurde vom BKA voll inhaltlich mitgetragen.
1854

e) Einschätzung durch das BKA

Das BKA, ebenfalls durch das BMI nach seiner Einschät-

zung befragt, verneinte in seinem Schreiben vom

14. September 2003 gleichfalls die Existenz einer „Brau-
nen RAF“. Eine solche würde eine über Jahre gewachsene
festgefügte rechtsterroristische Organisation voraussetzen.

Nach übereinstimmender Bewertung von BfV und BKA

seien in den zurückliegenden Jahren keine Anzeichen

erkennbar, welche die Gründung oder die Existenz einer

auf planmäßige Begehung schwerster Straftaten ausge-

richteten dauerhaften Organisation belegten. Das BKA

empfahl daher, den Begriff „Braune RAF“ zu vermeiden,
was aber nichts an der Gefährlichkeit sich kurzfristig

zusammenschließender gewaltbereiter Täter ändere.

Hinsichtlich der Frage, ob die rechte Szene unter Kontrol-

le der Sicherheitsbehörden sei, verwies das BKA darauf,

dass sich aus den vorliegenden Erkenntnissen keine Hin-

weise auf terroristische Strukturen ableiten ließen. Wenn-

gleich es einräumte, dass den Sicherheitsbehörden nicht

alle Entwicklungen in der rechten Szene bekannt würden,

verwies es auf die Verfassungsschutzdienststellen, die in

großem Umfang verdeckte Aufklärung betrieben. Seit

2000 habe es einzelne vollendete oder vorbereitete

Sprengstoffanschläge auf jüdische Friedhöfe, Asylbewer-

berunterkünfte und Geschäfte ausländischer Mitbürger

gegeben. Diese hätten aber nach Art und Weise ihrer

Ausführung bzw. Vorbereitung nicht die im Fall Wiese

deutlich werdende Dimension gezeigt. Die Rahmenbedin-

gungen für den erforderlichen rechtzeitigen und kontinu-
1853) MAT A BMI-4/43, Bl. 59 (VS-NfD).

1854) MAT A BMI-4/43, Bl. 60, 61.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 233 – Drucksache 17/14600

ierlichen Erkenntnisaustausch der Sicherheitsbehörden

hielt das BKA für ausreichend.
1855

In einer Pressemeldung vom 27. Dezember 2004 mit der

Überschrift „BKA sieht keine Terrorgefahr von Rechts-
extremisten“ ließ der Präsident des Bundeskriminalamtes
Jörg Ziercke mitteilen:

„Das Bundeskriminalamt sieht derzeit keine Ter-
rorgefahr von Rechts. Die Kameradschaft Süd um

den in München angeklagten Neonazi Martin Wie-

se, die einen Bombenanschlag auf das Jüdische

Gemeindezentrum geplant haben soll, betrachtet

BKA-Präsident Jörg Ziercke gegenwärtig als Ein-

zelfall: Wir haben keine Erkenntnisse, dass es ak-

tuell rechtsterroristische Strukturen in Deutschland

gibt, sagte er der Nachrichtenagentur AP. Doch

trotz der aufwendigen Ermittlungen gegen den in-

ternationalen Terrorismus haben die deutschen

Sicherheitsbehörden auch die hiesige Neonazi-

Szene genau im Visier: Die Bekämpfung des

Rechtsextremismus wird auch angesichts der Ge-

fahr durch den islamistischen Terrorismus nicht

vernachlässigt, betonte Ziercke: Wir und auch der

Verfassungsschutz beobachten die Szene sehr ge-

nau. Vor dem Hintergrund der Wahlerfolge rechter

Parteien bei den Landtagswahlen in Sachsen und

Brandenburg sagte Ziercke: Aufmerksam müssen

wir sein, was den Bereich Rechtsextremismus an-

geht, was sich im Bereich der NPD entwickelt,

dass bisher ungebundene Rechtsextremisten sich

nun dort parteipolitisch engagieren. Das muss alle

mit hoher Sorge erfüllen. Derzeit lasse sich be-

obachten, dass der Rechtsextremismus oft nicht

mehr in Springerstiefeln daher komme, sondern

versuche, sich einen legalen Anstrich zu geben.

Dies sei offenbar der Versuch, sich als integrierter

Bestandteil der Gesellschaft darzustellen.“1856

Der Zeuge Ziercke hat hierzu ausgesagt, die Gefähr-

dungsanalyse werde als Produkt einer gemeinsamen Erör-

terung von BfV, BND und BKA getroffen. Hierbei habe

man sich auch auf das BfV gestützt. Die Einschätzung des

Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sei in erster

Linie Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz,

denn in dieser Szene seien Verfassungsschützer und nicht

die Polizei aufgestellt. Die Polizei versuche, die bei ihr

aufgelaufenen Straftaten mit den Meinungen des Verfas-

sungsschutzes in Einklang zu bringen. Die Meinung, die

das Bundesamt für Verfassungsschutz 2004 vertreten

habe, habe das Bundeskriminalamt so übernommen.
1857
1855) Schreiben des BKA vom 14.09.2003 an das BMI, MAT A

BMI-4/58 (Tgb.-Nr. 26/12 – GEHEIM), Bl. 24 - 30 (VS-NfD).

1856) MAT A BMI-4/53, Bl. 42.

1857) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 25.

f) Bericht des BMI anlässlich der Münchner
Vorkommnisse zur Sitzung des Innenaus-
schusses des Deutschen Bundestages

Am 22. Oktober 2003 legte das BMI dem Innenausschuss

des Deutschen Bundestages einen Bericht über die aktuel-

len Gefahren des Rechtsterrorismus anlässlich der

Münchner Vorkommnisse vor. Es gelangte hierin zu dem

Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte für bestehende

terroristische Strukturen innerhalb der rechtsextremisti-

schen Szene gebe. Auch stehe derzeit nach Einschätzung

des Verfassungsschutzes die Begehung schwerster Straf-

taten nicht zur Diskussion. Es könne aber nicht ausge-

schlossen werden, dass Einzelpersonen oder Kleingrup-

pen den Fall „Wiese/Kameradschaft Süd“ zum Anlass von
Anschlägen nähmen, um zu zeigen, dass die Szene in der

Lage sei, solche Taten wie die jetzt vereitelte zu begehen.

Es gebe eine hohe Affinität der Szene zu Waffen. Als

Ausblick wurde in dem Bericht festgestellt:

„Das Münchner Ermittlungsverfahren gegen Mar-
tin Wiese u. a. belegt, dass wir trotz beachtlicher

Erfolge im Kampf gegen den Rechtsextremismus

jederzeit mit exzessiven Gewaltanwendungen

durch rechte Extremisten rechnen müssen. Auch

die rückläufige Entwicklung der Fallzahlen poli-

tisch motivierter Kriminalität – rechts – bieten in-
sofern keinen Anlass für eine Entwarnung. Die

Bedeutung der Bekämpfung des internationalen is-

lamistischen Terrorismus darf nicht zur Nachläs-

sigkeit im Kampf gegen den menschenverachten-

den Rechtsextremismus im eigenen Land führen.

Vielmehr sollten Instrumente, die sich im Kampf

gegen den islamistischen Terrorismus als erfolg-

reich erwiesen haben, auch bei der Bekämpfung

des gewaltbereiten Rechtsextremismus genutzt

werden.“1858

Der Bundesinnenminister habe das BKA gebeten, ein

„operatives Informations- und Analyseboard Kamerad-
schaften“ auf Bundesebene unter Federführung des BKA
einzurichten. Ziel sei es, die Gewaltorientierung sowie

überregionale und internationale Vernetzungen rechtsex-

tremistischer Kameradschaften zu erkennen und zu analy-

sieren.
1859

g) Schlussfolgerungen der IGR

Auf seiner 23. Bund-/Ländertagung am 15./16. Oktober

2003 befasste sich die IGR mit dem wegen der Münchner

Vorkommnisse eingeleiteten Verfahren des GBA wegen

des Verdachts der Bildung und Unterstützung einer terro-

ristischen Vereinigung u. a. gegen Wiese. Die Bewertung

der IGR entsprach fast wörtlich den bei der Arbeitstagung

der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern

getroffenen Feststellungen. Die IGR hielt ebenfalls die

verstärkte Beobachtung von Gruppierungen, bei denen

militante Aktionen möglich erschienen für geboten. Kon-
1858) MAT A BMI-4/44, Bl. 30.

1859) MAT A BMI-4/44, Bl. 3-31.

Drucksache 17/14600 – 234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

krete Gefährdungshinweise sollten unverzüglich der Poli-

zei übermittelt werden.
1860

Mit Blick auf diese überein-

stimmende Analyse wurde auf die Einrichtung einer ge-

sonderten IGR-Arbeitsgruppe, die eine weitere Analyse

und Bekämpfungsstrategien entwickelt, verzichtet.
1861

3. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21:
Gefahr eines bewaffneten Kampfes deut-
scher Rechtsextremisten – Entwicklungen
von 1997 bis 2004

In einem Bericht BfV Spezial Nr. 21 vom Juli 2004
1862

stellte das BfV Sachverhalte aus den Jahren 1997 bis

2004 dar, aus denen sich die Gefahr eines bewaffneten

Kampfes von deutschen Rechtsextremisten bis hin zur

Bildung rechtsterroristischer Strukturen ergeben könnte.

Hierbei handelte es sich um Einzelfalldarstellungen wie

beispielsweise den Fall des Kay Diesner, der am 19. Feb-

ruar 1997 einen Buchhändler niedergeschossen und einen

Polizisten ermordet hatte, den Sprengstoffanschlag auf

das Galinski-Grab in Berlin am 19. Dezember 1998 oder

den Sprengstoffanschlag auf die „Wehrmachtsausstel-
lung“ in Saarbrücken. Ausführlich wurden hierin auch die
Rohrbombenfunde in Jena behandelt. In dem Bericht

führte das BfV aus:

„Rohrbombenfunde in Jena

1997 lagen Anhaltspunkte dafür vor, dass drei

Mitglieder des neonazistischen ‚Thüringer Hei-
matschutzes‘ (THS) im Raum Jena Rohrbomben-
anschläge vorbereiteten.

Nach Hinweisen der LfV Thüringen durchsuchte

die Polizei am 26. Januar 1998 in Jena die Wohn-

objekte von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und

Beate Zschäpe sowie eine von diesen genutzte Ga-

rage. In der Garage stellte die Polizei vier funkti-

onsfähige Rohrbomben sicher. Gegen die drei Tat-

verdächtigen erging Haftbefehl. Die Beschuldigten

flüchteten daraufhin.

Im Zeitraum zwischen April 1996 und Dezember

1997 waren im Raum Jena selbstgefertigte

Sprengkörper bzw. Bombenattrappen aufgefunden

worden. In einem der Fälle verurteilte das Landge-

richt Gera Böhnhardt in der Berufungsinstanz am

16. Oktober 1997 zu einer Jugendstrafe von zwei

Jahren und drei Monaten, die er noch nicht antre-

ten musste. Böhnhardt hatte im April 1996 zwei

Bombenattrappen an einer Autobahnbrücke bei Je-

na an einem Puppentorso befestigt, der die Auf-

schrift ‚Jude‘ trug. Während des laufenden Verfah-
rens gegen Böhnhardt und auch noch nach seiner

Verurteilung hatten sich weitere damit zusammen-
1860) Anlage 3 zum Ergebnisprotokoll der 23. Bund-/Ländertagung,

MAT A BMI-3/14, Bl. 18-21.

1861) Ergebnisprotokoll der 23. Bund-/Ländertagung, MAT A BMI-
3/14, Bl. 10.

1862) MAT A BKA-2/46, Bl. 2-49 (VS-NfD); Der Text ist bis auf die

Quellenmeldungen identisch mit dem BfV Spezial Nr. 19.

hängende Vorfälle ereignet. So fanden am 3. Sep-

tember 1997 zwei Kinder auf dem Theatervorplatz

in Jena einen rot angemalten Koffer, auf dem sich

zwei Hakenkreuze im weißen Kreis befanden. Im

Koffer wurde eine Unkonventionelle Spreng- und

Brandvorrichtung (USBV) sichergestellt, die mit

ca. zehn Gramm TNT gefüllt, jedoch bereits am 6.

Oktober 1996 im Jenaer ‚Ernst-Abbe-Stadion‘ si-
chergestellt worden war. Am 26. Dezember

1997 wurde auf einem Friedhof in Jena wiederum

ein rot angestrichener, mit zwei Hakenkreuzen

versehener Koffer festgestellt.

Es ist zu vermuten, dass die Flüchtigen auch an

diesen betreffenden Vorfällen beteiligt waren.

Hinweise dafür, dass mittels der sichergestellten

Rohrbomben konkrete tatsächliche Anschläge ge-

plant waren liegen nicht vor. Auch haben sich kei-

ne Anhaltspunkte für weitere militante Aktivitäten

der Flüchtigen ergeben.

Im Juni 2003 hat die Staatsanwaltschaft Gera das

Ermittlungsverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe wegen Eintritts der Verfolgungsver-

jährung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.“1863

Der Zeuge Kippenborck, der von Ende 1999 bis 2006 als

Sachbearbeiter in dem für Rechtsterrorismus zuständigen

Referat im BfV tätig war, hat ausgesagt, er habe den Bei-

trag zu den Jenaer Bombenbastlern zu dem Bericht beige-

steuert. Der wesentliche Grund dafür, diese Gruppe dort

aufzunehmen, sei vermutlich gewesen, dass es dem Trio

gelungen sei, für einen längeren Zeitraum abzutauchen.

Zu der Zeit, als die Broschüre entstanden sei, sei der Fall

nicht mehr aktiv bearbeitet worden. Vor Aufnahme dieser

Passage in das BfV Spezial habe er nicht mehr mit den

Thüringer Kollegen darüber gesprochen.
1864

Die Frage,

wie man zu der Einschätzung habe kommen können, es

gebe keine Anhaltspunkte für weitere militante Aktivitä-

ten des Trios, obwohl sich das Trio einer Quellenmeldung

des LfV Brandenburg zufolge habe bewaffnen wollen, hat

der Zeuge nicht beantworten können.
1865

Der Bericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die meisten

Rechtsextremisten zumindest aus taktischen Erwägungen

terroristische Anschläge und die Bildung terroristischer

Gruppen ablehnten. Sie hätten die Befürchtung, dass

derartige Planungen den Sicherheitsbehörden nicht ver-

borgen bleiben und verstärkte Strafverfolgungsmaßnah-

men nach sich ziehen würden. Einzelne Akteure hätten

allerdings 1999 öfter und aggressiver als in den Vorjahren

szeneintern eine gewaltorientiertere Strategie zur Durch-

setzung politischer Ziele gefordert.

Das BfV wies auf die Popularität des Konzepts eines

„Leaderless Resistance“ (führerloser Widerstand) hin.
Hierbei handele es sich um eine Anfang der 90er Jahre
1863) Bericht BfV Spezial Nr. 21 vom Juli 2004, MAT A BKA-2/46,

Bl. 17-18 (VS-NfD).

1864) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 6.

1865) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 43, 44.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 235 – Drucksache 17/14600

von dem US-amerikanischen Rechtsextremisten Louis

Beam formulierte Strategie, der zufolge geheime Wider-

standszellen auf gemeinsamer ideologischer Basis den

Staat bekämpften, ohne dass es eine einheitliche Führung

oder eine organisatorische Verbindung untereinander

gebe. Zudem führte das BfV aus, dass die britische neo-

nazistische Gruppierung „Combat 18“ („C18“) zuneh-
mend Bedeutung gewinne. Programmatisch habe „C18“
Ende der 90er Jahre den Aufbau eines nationalsozialisti-

schen Staates angestrebt, in dem „weiße Arier“ auf eige-
nem Land frei von multikulturellen Einflüssen leben und

arbeiten könnten. Zur Verwirklichung dieses Ziels habe

sie einen gewalttätigen Untergrundkampf propagiert.

Feinde seien alle Nicht-Weißen, Juden, Kommunisten und

„Rassenschänder“. Seit Ende 2002 habe es wiederholt
Gewaltaufrufe von Rechtsextremisten gegeben, bei denen

Verbindungen zu „C18“ hergestellt worden seien. So sei
im Totenkopf-Magazin eine deutsche Übersetzung der

englischen Ausarbeitung „Practical Revolution –
Guidelines For White Survival“ veröffentlicht worden.
Darin würden die Bildung kleiner Zellen zu maximal vier

Personen, eine Bewaffnung, Geldbeschaffung sowie si-

chere Verstecke und Ausbildung gefordert.

Das BfV bewertete die Aufrufe zum bewaffneten Kampf

als Aktionen von Einzelpersonen ohne organisatorischen

Hintergrund. Diese Ideen würden jedoch auf ein Potenzial

gewaltbereiter Rechtsextremisten treffen, die für die Idee,

einer starken, kampfbereiten Elite anzugehören, durchaus

empfänglich sei. Im Ergebnis stellte das BfV fest:

„Derzeit sind in Deutschland keine rechtsterroristi-
schen Organisationen und Strukturen erkennbar.

[…]

Für einen planmäßigen Kampf aus der Illegalität

heraus, wie ihn auf linksextremistischer Seite die

‚Rote Armee Fraktion‘ (RAF) und die ‚Bewegung
2. Juni‘ praktizierten, mangelt es an einer auf die
aktuelle Situation in Deutschland bezogenen Stra-

tegie zur gewaltsamen Überwindung des ‚Sys-
tems‘. Es fehlen geeignete Führungspersonen, Lo-
gistik und finanzielle Mittel. Ungeachtet der Tat-

sache, das es den ‚Bombenbastlern von Jena‘ jah-
relang gelungen war, sich ihrer Verhaftung zu ent-

ziehen, gibt es keine wirkungsvolle Unterstützer-

szene, um einen nachhaltigen Kampf aus dem Un-

tergrund heraus führen zu können.

Möglich ist derzeit allenfalls ein von

Kleinstgruppen oder Einzelpersonen (lone wulf)

geführter ‚Feierabendterrorismus‘. Daraus ergeben
sich zum einen Grenzen in methodischer Hinsicht.

Brand- oder Sprengstoffanschläge, auch mit Brief-

bomben sind solchen Tätern eher möglich als

komplexe Tatabläufe wie Entführungen oder das

Errichten eines technisch aufwändigen Hinter-

halts.“1866
1866) MAT A BKA-2/46, Bl. 48.

Die Zeugin Dobersalzka, die von Anfang 1998 bis Okto-

ber 2006 als Referatsleiterin im BfV für Rechtsextremis-

mus zuständig war, hat ausgesagt, die Formulierung,

„derzeit sind in Deutschland keine rechtsterroristischen
Organisationen und Strukturen erkennbar“ sei gewählt
worden, weil es definitorische Unterschiede zwischen

Verfassungsschutz, Polizei und Generalbundesanwalt

gegeben habe. Wenn das BfV dargelegt hätte, es gebe in

Deutschland Rechtsterrorismus, dann hätte es dies mit

keinem Einzelfall belegen können. Zudem hat sie erklärt:

„Die Fälle, die wir an die Polizei weitergegeben
haben, sind gerade nicht nach § 129 a verfolgt und

abgeurteilt worden, sondern sie sind in der Regel

eingestellt worden. Das galt auch für Fälle, in de-

nen Waffen sichergestellt wurden. Da sind relativ

kleine Verurteilungen rausgekommen, oder es

hieß: Die Gruppe, die Sie uns gemeldet haben, will

zwar Anschläge begehen und befasst sich mit

Bombenbau und trifft sich regelmäßig, aber tut uns

leid, BfV, die sind nicht strukturiert genug. - Das

hat man uns gesagt. Verstehen Sie, was ich mei-

ne?“1867

Auf die Frage, wie es zu erklären sei, dass die im BfV

Spezial enthaltene Formulierung „es fehlen geeignete
Führungspersonen, Logistik und finanzielle Mittel“ fast
wortgleich bereits im Sprechzettel für die PKK-Sitzung

für den 27. Mai 1998 enthalten sei und ob es in sechs

Jahren keine weiteren Erkenntnisse gegeben habe, hat die

Zeugin erklärt:

„Das, was für uns erkennbar war, hat sich in dem
Zeitpunkt ja auch nicht geändert. Wir haben An-

sätze gesehen [….]

Wir haben nicht diese Strukturen gesehen. Und ob

diese Strukturen in dieser Form im aktuellen Fall

vorhanden waren, das wird die Hauptverhandlung

erweisen. Das ist ja auch eine Kleingruppe gewe-

sen nach dem, was man bisher weiß. Also, so

falsch war die Einschätzung nicht.“1868

Die Frage, wie man mit Blick auf die im BfV Spezial

zuvor beschriebene Strategie zu „Combat 18“ zu einer
widersprüchlichen Schlussfolgerung habe kommen kön-

nen, hat sie wie folgt beantwortet:

„,Combat 18‘ und das, was da beschrieben wurde,
das waren Konzepte. Das waren nicht bestehende

Strukturen. Wir haben darauf hingewiesen, und

das hat sich in den Fällen - - Es gab mehrere Fälle,

die gerade Anfang - - also Ende 98 bis 2001 in

dem Zeitraum waren, die wir als gefährlich ange-

sehen haben, wo wir gesagt haben: Das könnten

Ansätze für so was sein.“1869
1867) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 17.

1868) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 16.

1869) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 16.

Drucksache 17/14600 – 236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterro-
rismus in Verfassungsschutzberichten des
BfV 2005 bis 2010

Der Verfassungsschutzbericht des BfV aus dem Jahr 2005

stellte fest, dass erstmals seit dem Jahr 1998 wieder Urtei-

le gegen Mitglieder rechtsextremistischer Gruppierungen

wegen des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen

Vereinigung ergangen seien. In diesem Zusammenhang

wird auf die Verurteilung von elf Jugendlichen bzw. Her-

anwachsenden durch das Brandenburgische Oberlandes-

gericht zu teils mehrjährigen Jugendstrafen verwiesen.

Die Beteiligten hatten sich nach den Feststellungen des

Gerichts unter der Bezeichnung „Freikorps“ bzw. „Frei-
korps Havelland“ organisiert, um mit systematisch ge-
planten Brandanschlägen ausländische Imbissbetreiber

einzuschüchtern und zur Aufgabe ihres Geschäfts zu

nötigen. Auffallend sei, dass die noch sehr jungen Betei-

ligten nicht in anderen rechtsextremistischen Organisatio-

nen aktiv gewesen seien oder sich politisch betätigten. Im

Weiteren verwies das BfV auf die Verurteilung von acht

Angehörigen der „Kameradschaft Süd“ durch das Bayeri-
sche Oberste Landesgericht.

1870
Über diese genannten

Verurteilungen hinaus schätzte das BfV die Gefahr des

Rechtsterrorismus als eher gering ein. So führte es aus:

„Der überwiegende Teil der rechtsextremistischen
Szene lehnt aus taktischen Gründen Gewaltanwen-

dung zur Systemüberwindung ab. Eine terroristi-

sche Vereinigung gilt als allzu leicht zu enttarnen,

ein Terroranschlag als wenig erfolgversprechend.

Darüber hinaus befürchtet man, terroristische Ak-

tivitäten könnten verstärkte Kontroll- und Fahn-

dungsmaßnahmen auslösen und so den eigenen

Handlungsspielraum weiter beschränken.“1871

In den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2006 bis

2010 stellte das BfV fest, dass keine rechtsterroristischen

Strukturen erkennbar seien.
1872

5. Umgang mit Rechtsextremisten in der
Bundeswehr

a) Rolle des MAD

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

wie die Bundeswehr mit rechtsextremistisch eingestellten

Bundeswehrangehörigen umgegangen ist. Die Prüfung

möglicher extremistischer Bestrebungen einer Person

obliegt dem MAD. Dienstrechtliche Befugnisse hat der

MAD dagegen nicht.
1873

Das Meldeverfahren innerhalb der Bundeswehr bei Vor-

liegen besonderer Vorkommnisse ist in der Zentralen
1870) Näheres zu dem Vorgang unter C.IV.2.

1871) Verfassungsschutzbericht BfV 2005, S. 56, 57.

1872) Verfassungsschutzberichte BfV 2006, S. 53; BfV 2007, S. 56;
BfV 2008, S. 60; BfV 2009, S. 63; BfV 2010, S. 57.

1873) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 34.

Dienstvorschrift (ZDv) 10/13 „Besondere Vorkommnis-
se“ geregelt. Zu melden sind dem Amt für den Militäri-
schen Abschirmdienst (MAD) und dem Bundesministeri-

um der Verteidigung (BMVg) nach Nr. 206 Vorkomm-

nisse, bei denen Anzeichen für Bestrebungen vorliegen,

die

– gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,

– gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes
oder eines Landes,

– gegen den Gedanken der Völkerverständigung und

– insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben
der Völker

gerichtet sind.
1874

Die Rolle des MAD hat der Zeuge Huth, von 2000 bis

2010 Leiter der Abteilung Extremismus-

/Terrorismusabwehr im MAD, in seiner Vernehmung wie

folgt beschrieben:

Wesentliche Aufgabe der Extremismusabwehr des MAD

sei die Beobachtung einzelner extremismusverdächtiger

Bundeswehrangehöriger. Dabei setze der MAD die

Dienstvorgesetzten der Verdachtspersonen bei Beginn

einer Operation in Kenntnis. Im Zuge personenbezogener

Operationen würden erforderlichenfalls nachrichten-

dienstliche Mittel wie menschliche Quellen oder Observa-

tionen eingesetzt.
1875

Es würden alle denkbaren Quellen

wie Verfassungsschutz- und Polizeibehörden angeschrie-

ben, um Informationen zu einer Verdachtsperson zu er-

langen. Wenn genügend Material vorhanden sei, werde

eine möglichst zeitnahe Befragung durchgeführt. Das

Ergreifen abwehrender Maßnahmen obliege nicht dem

MAD, sondern der Truppe.
1876

Über das Ergebnis der

MAD-Ermittlungen würden die Dienstvorgesetzten ab-

schließend unterrichtet.
1877

Ob eine Befragung so substan-

ziell sei, dass die Verfassungsschutzbehörden unterrichtet

würden, obliege der Entscheidung der Auswertung des

MAD.
1878

Nach Angaben des Zeugen Brüsselbach, der vom 1. April

2008 bis zum 31. Januar 2010 Direktor beim MAD und

vom 1. Februar 2010 bis Juni 2012 Präsident des Amtes

für den Militärischen Abschirmdienst war,
1879

werde

lange bevor die personalbearbeitende Dienststelle schrift-

lich über die vorwerfbaren Sachverhalte unterrichtet wer-

de und eine Entscheidung treffen könne, der Dienst- und

Disziplinarvorgesetzte bei der ersten Unterrichtung vom

MAD dazu angehalten, dass der unter Verdacht Stehende

keine Spezialausbildung, keine Sprengstoffausbildung

und keine Beförderung mehr erhalte. Wenn sich der Ver-
1874) Deutscher Bundeswehrkalender 2010/I mit auszugsweisem

Abdruck der ZDv 10/13.

1875) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 2.

1876) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 3, 5, 13.

1877) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 2.

1878) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 5.

1879) MAT A MAD-1, Anlage 2.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 237 – Drucksache 17/14600

dacht im Hinblick auf eine rechtsextremistische Betäti-

gung bestätigt habe, erhalte die betreffende Person das

zusätzliche Ettikett „erkannter Extremist“, was bedeute,
dass es bestätigte Informationen gebe, wonach sich je-

mand extremistisch betätige. Zugang zu Verschlusssachen

erhalte jemand nur nach einer Sicherheitsprüfung durch

den MAD. Wenn sich erst nach einer Ermächtigung zum

Umgang mit Verschlusssachen höher als NfD herausstel-

le, dass jemand ein Extremist sei, werde ihm der Sicher-

heitsbescheid rückwirkend wieder entzogen.
1880

Der

MAD selbst entscheide weder über die Erteilung eines

Sicherheitsbescheides noch über die Beförderung oder

Nichtbeförderung. Die Entscheidung über die Erteilung

eines Sicherheitsbescheides obliege den Geheimschutzbe-

auftragten der Streitkräfte bzw. der Wehrverwaltung.

Über die Beförderung oder Nichtbeförderung entscheide

die personalbearbeitende Dienststelle.
1881

Grundsätzlich darf der MAD keine Informationen zu

Personen sammeln, die der Bundeswehr noch nicht ange-

hören. Zu Zeiten der Wehrpflicht habe man dieses Prob-

lem nach Aussagen der Zeugen Huth und Dr. Gramm mit

Hilfe des sogenannten „Bitte um Beteiligung“ (BuB)-
Verfahrens gelöst und damit im Vorfeld verhindert, dass

bestimmte extremistisch eingestellte Personen zur Bun-

deswehr kommen. Dieses Verfahren haben die Zeugen

wie folgt beschrieben: Mangels eigener Zuständigkeit

habe der MAD die zivilen Verfassungsschutzämter um

entsprechende Informationen im Vorfeld gebeten. Die

zuständigen Kreiswehrersatzämter seien angeschrieben

und gebeten worden, die bevorstehende Einberufung

mitzuteilen. Anschließend habe überprüft werden können,

ob es Hinderungsgründe wie beispielsweise „gewaltberei-
ter Rechtsextremist“ oder „Führungsperson“ gegeben
habe. Dann habe dafür gesorgt werden können, dass die

Person nicht einberufen werde.
1882

Der Bundeswehr ist zwar schon im Bewerberstadium eine

Verfassungstreueprüfung möglich.
1883

Der Verfassungs-

treueprüfung sind jedoch rechtliche Grenzen gesetzt. So

darf keine anlasslos, pauschale Anfrage bezüglich Bewer-

berinnen und Bewerbern bei Verfassungsschutzbehörden

stattfinden. Dem stehen die Grundsätze der Bundesregie-

rung vom 17. Januar 1979, die auf einem grundlegenden

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beruhen, entge-

gen.
1884

Die Entscheidung verlangt für Anfragen an die

Verfassungsschutzbehörden die Geltung des Grundsatzes

der Verhältnismäßigkeit und verbietet eine routinemäßige

Durchführung von Anfragen. Die Prüfung muss einzel-

fallbezogen sein und Anfragen dürfen nur dann erfolgen,

wenn tatsächlich Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die

Bewerberin oder der Bewerber die Voraussetzungen für

die Einstellung oder Übernahme in den öffentlichen
1880) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 49.

1881) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 51.

1882) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 40; Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43,

S. 78

1883) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 36.

1884) Beschluss des BVerfG vom 22. Mai 1975, Az.: 2 BvL 13/73.

Dienst nicht erfüllt. Auch die Zweckbindung der §§ 18

Abs. 3 und 19 Abs. 1 BVerfSchG schließt die verdachts-

unabhängige Erhebung, Übermittlung und Nutzung sen-

sibler Bewerberdaten zu Einstellungszwecken nicht

ein.
1885

Der Zeuge Dr. Gramm hat darauf hingewiesen, dass er

das MAD-Gesetz für lückenhaft halte, da es keine Mög-

lichkeit vorsehe, für Bewerber bei der Bundeswehr eine

NADIS-Abfrage
1886

durchzuführen:

„Die Bundeswehr ist nach wie vor ein – überspitzt
formuliert – interessanter Arbeitgeber für Extre-
misten jeglicher Couleur. Wo lernt man sonst den

Umgang mit Waffen, mit Sprengstoffen und mit

ähnlichen Materialien? Aus diesem Grund ist die

Prävention natürlich besonders wichtig. Es kommt

in Zukunft noch mehr darauf an, sicherzustellen,

dass nicht die Falschen zu den Streitkräften kom-

men. Wir glauben, dass da alle Instrumente, die

dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, genutzt

werden sollten. Ein Instrument, was es sonst gibt,

was hier aber aufgrund mangelnder Zuständigkeit

des MAD ins Leere geht – übrigens auch eine an-
dere Stelle der Bundeswehr kann das wohl nicht –,
ist die NADIS-Abfrage.“1887

Zudem hat der Zeuge Dr. Gramm darauf hingewiesen,

dass nicht in allen Fällen gesetzliche Übermittlungspflich-

ten für den MAD vorhanden seien. Diese Lücke des Ge-

setzes werde durch Weisungen aus dem Jahr 1997 ge-

schlossen.
1888

Die interne Weisung vom 28. Oktober 1997 wurde durch

eine weitere Weisung vom 24. November 2010 dahin

gehend ergänzt, dass die Unterrichtung der Disziplinar-

vorgesetzten schriftlich und so früh wie möglich zu erfol-

gen hat. In einem weiteren internen Erlass vom 21. De-

zember 1998 wurden die Möglichkeiten, gegen Extremis-

ten und Verdachtspersonen in der Bundeswehr vorzuge-

hen, dargestellt und Prüfungspflichten im bisherigen Um-

gang mit Datenübermittlungen des MAD verdeutlicht.
1889

b) Werden Rechtsextremisten als Quellen des
MAD geführt?

Der Zeuge Huth hat ausgesagt, dass überzeugte Rechts-

extremisten nicht als Quellen des MAD geführt worden

seien:

„Ich glaube nicht, dass wir als MAD rechtsextreme
Soldaten geführt haben. Wir haben Soldaten ge-

führt als Quellen, die in irgendeiner Verbindung zu

einem rechtsextremistischen Bereich waren.
1885) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 36.

1886) Siehe Abkürzungsverzeichnis.

1887) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 68.

1888) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 84.

1889) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 34, 35.

Drucksache 17/14600 – 238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Rechtsextremismus, das ist noch etwas anderes, da

gehört Ideologie, da gehört Überzeugung dazu und

auch Handeln. Wir haben also mit Personen gear-

beitet, die beispielsweise mal ein Skin-Konzert be-

sucht haben aus Neugier oder die an ihrem Ort ir-

gendwo mal eingeladen waren und in irgendeine

Jugendgruppe reingerutscht waren. Der MAD hat

– das war bei uns wirklich Konsens und Verbot –
nie einen Funktionär angepackt, nie jemanden an-

gepackt, der in der Partei weiter oben angesiedelt

war oder in einer Gruppe. Also, wir haben, glaube

ich, Rechtsextremisten, die wir, gestempelt und

gesiegelt, als solche der Truppe übermittelt hätten,

nicht geführt. Das waren keine Rechtsextremis-

ten.“1890

Diese Aussage hat der Zeuge Brüsselbach, der von 1997

bis 2008 das für die Rechts- und Fachaufsicht des MAD

zuständige Referat im BMVg geleitet hat, bestätigt. Von

1998 bis zu seinem Ausscheiden im BMVg habe die Wei-

sung des Staatssekretärs bestanden, keine Rechtsextremis-

ten in der Bundeswehr als Quellen zu werben. Es hätten

daher nur ehemalige Angehörige von rechtsextremisti-

schen Organisationen und solche geworben werden dür-

fen, die sich glaubhaft vom Rechtsextremismus distan-

ziert und vollumfänglich zur freiheitlichen demokrati-

schen Grundordnung dieses Landes bekannt hätten.
1891

Der Zeuge Dr. Gramm hat ausgeführt, dass diese Sachla-

ge bis zum heutigen Tag bestehe. Es gebe eine klare Wei-

sung aus dem Jahr 2008, der zufolge jedenfalls für

Dienstgrade
1892

die Anwerbung von Extremisten oder

ehemaligen Extremisten als Quelle ausnahmslos unzuläs-

sig sei. Dies bedeute, dass die Möglichkeiten des Diens-

tes, überhaupt noch Quellen zu gewinnen, stark einge-

schränkt seien.
1893

c) Situation in den 90er Jahren

Nach Aussage des Zeugen Huth hat es in den 1990er

Jahren teilweise Probleme in der Zusammenarbeit mit der

„Truppe“ gegeben. So habe es dort ein Erkenntnisdefizit
gegeben, woran man einen Extremisten erkennen könne.

Bereits 1992 habe der MAD daher Maßnahmen gegen

Rechtsextremisten getroffen:

„Wir haben damals angefangen, zu informieren,
und eine Schriftenreihe entwickelt, um der Truppe

überhaupt mal mitzuteilen: Was ist denn ein

Rechtsextremist? Es gab kein Grundlagenmaterial.

Und da hat der MAD begonnen, das auf Einheits-

ebene zu verteilen, woran man so einen Extremis-

ten erkennt, dass es bestimmte Worte gibt, ‚88‘
oder ‚18‘. Wer konnte damit etwas anfangen? Das
wusste in der Truppe kein Kompaniechef oder

Zugführer. Wenn die Soldaten da irgendwas ge-
1890) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 16, 17.

1891) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 37.

1892) Soldaten oberhalb der Laufbahngruppe der Mannschaften.

1893) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 86.

macht und gesagt haben und man war nicht infor-

miert, was das eigentlich bedeutet, konnte man

auch noch nicht rückschließen: Hier habe ich ei-

nen, der möglicherweise Extremist ist.“ 1894

Nicht immer habe man die aus Sicht des MAD notwendi-

gen Maßnahmen ergriffen oder aber unverzüglich gehan-

delt. Die Gründe hierfür hat der Zeuge Huth wie folgt

beschrieben:

„Der wehrpflichtige Rechtsextremist hat ja selten
in der Truppe wirklich Propaganda gemacht. Der

wollte sein Handwerk lernen. Und deswegen ha-

ben wir auch in den Anfängen große Probleme ge-

habt, Dienstvorgesetzte zu überzeugen, dass dieser

Mensch kein guter Soldat ist – weil er handwerk-
lich ein guter Soldat war; seine Ideologie stimmte

aber nicht. Das war eben das Problem. Überzeu-

gungsarbeit musste da geleistet werden, dass der

nicht Zeitsoldat werden durfte. Nachher hatten wir

klare Regeln durch das Ministerium, wo die

Dienstvorgesetzten Dinge befolgen mussten. Aber

in den Anfängen war es für den MAD manchmal

schwierig.“1895

Wehrpflichtige aus der Truppe zu entfernen, sei in den

90er Jahren schwierig gewesen. Dies sei in der Regel

nicht erfolgt. Rechtsextremisten seien dann im Normalfall

unter Sonderaufsicht gestellt und von bestimmten Ausbil-

dungsgängen ausgenommen worden. Sie hätten keine

Spreng- und Spezialausbildungen mehr erhalten. Fast

immer sei die Bundeswehrführung aber der Anregung des

MAD gefolgt, dass jemand kein Zeitsoldat werden sol-

le.
1896

d) Untersuchungsausschuss „Rechtsextre-
mismus in der Bundeswehr“ und an-
schließende Änderungen im Umgang mit
Rechtsextremisten

Im Dezember 1997 waren verschiedene rechtsextremisti-

sche Vorfälle im Zusammenhang mit der Bundeswehr

Gegenstand der Presseberichterstattung. So berichtete

unter anderem Der Spiegel über einen Vortrag des

Rechtsterroristen Manfred Roeder am 24. Januar 1995 vor

Angehörigen des Akademiestabes der Führungsakademie

der Bundeswehr in Hamburg. Das NDR-Magazin Pano-

rama griff unentgeltliche Materiallieferungen der Bun-

deswehr an das unter anderem von Roeder gegründete

Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk auf. Der Stern

veröffentlichte einen Artikel zu rechtsextremistischen

Aktivitäten einiger Soldaten an der Luftlande-

/Lufttransportschule in Altenstadt/Schongau. Bild am

Sonntag gab die sogenannte eidesstattliche Versicherung

eines Grundwehrdienstleistenden wieder, der regelmäßig

stattfindende rechtsextremistische Vorfälle in der 5.

Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 313 im nieder-
1894) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 21.

1895) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 10.

1896) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 26.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 239 – Drucksache 17/14600

sächsischen Varel behauptete. Der Fernsehsender Pro 7

strahlte Aufzeichnungen eines in den Diensträumen der

Luftlande-/Lufttransportschule hergestellten Videos aus,

das Bundeswehrsoldaten bei der Darstellung nationalsozi-

alistischer Grußformeln und Zeichen zeigte.
1897

Zur Klärung dieser Vorfälle wurde im Januar 1998 ein

Untersuchungsausschuss eingesetzt, der nach Aussagen

des Zeugen Brüsselbach umfangreiche Änderungen im

Umgang mit Rechtsextremisten zur Folge gehabt habe.

„Ich war von 97 ff. im Ministerium für die Rechts-
und Fachaufsicht zuständig. Ich habe mitgewirkt

an der Zuarbeit des Ministeriums für den damali-

gen Untersuchungsausschuss ‚Rechtsextremisti-
sche und andere Vorfälle in der Bundeswehr‘. Ich
weiß – ich habe das im letzten oder vergangenen
Jahr noch mal gelesen – hinsichtlich des Ab-
schlussberichtes aus jener Zeit, dass der MAD in

diesem Abschlussbericht gut wegkommt, das Mi-

nisterium, die Bundeswehr nicht so gut. Das weiß

ich noch; das erinnere ich auch. In der Folge dieses

Ausschusses – jetzt habe ich nicht genau die Zeit;
wann war der Abschlussbericht, wann war der

Ausschuss zu Ende, erinnere ich nicht mehr – hat
es ja verschiedene Kommissionen gegeben, eine

Kommission geleitet von dem späteren Generalin-

spekteur General von Kirchbach, die sogenannte

Von-Kirchbach-Kommission, die umfänglichste

Maßnahmenkataloge in Sachen Rechtsextremis-

mus in der Bundeswehr, Bearbeitung, Folgen,

Maßnahmen, Verantwortung usw. festgelegt ha-

ben.

Der MAD hat seine Weisungen erhalten: Also,

Einführung von schriftlichen Informationspflichten

zu Verdachtsfällen, bestätigten Verdachtsfällen,

also erkannten Extremisten, nicht erkannten Ex-

tremisten, Unterrichtung der Inspekteure durch den

Präsidenten des MAD in regelmäßigen Abständen

über diese Phänomene, Unterrichtung der örtlichen

Vorgesetzten und Dienstellenleiter durch unsere

MAD-Stellenleiter und viele Maßnahmen mehr,

die die Truppe in eigener Verantwortung vorzu-

nehmen hatte, was die Unterrichtung, Verfolgung,

Ahndung und Berichte über das Veranlasste an das

Ministerium angeht. Also, das ganze Volumen die-

ser Papiere, die nicht bei mir, sondern nur zum

Teil in meiner Verantwortung entstanden sind, da-

nach an anderer Stelle, umfasst sicher einen halben

bis ganzen Leitz-Ordner. Deshalb muss man ein

wenig auf die Zeit achten. Ich habe den Eindruck

gewonnen in jener Zeit, dass vieles viel besser ge-

worden ist, was dann gemacht wurde, aber dass

nicht alles durchgedrungen ist, was der MAD in-

formiert, vorgeschlagen und weitergegeben

hat.“1898
1897) Bericht des Untersuchungsausschusses „Rechtsextremismus in

der Bundeswehr“, BT-Drs. 13/11005, S. 11.

1898) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 25.

In Fällen, in denen ein Kommandeur nicht entsprechend

reagiert habe, habe die klare Weisung bestanden, dieses

seitens des MAD vorzutragen. In diesen Fällen habe die

Leitung des BMVg direkt interveniert. Es sei bei den

Staatssekretären und Ministern, mit denen er zusammen-

gearbeitet habe, immer ein ständiges Thema gewesen,

dass es in Sachen Rechtsextremismus keinerlei Kompro-

missbereitschaft geben dürfe.
1899

Auch der Zeuge Huth hat dargelegt, dass sich Ende der

90er Jahre die Situation gebessert habe. Hier hätten sich

neue Regularien des Verteidigungsministeriums sehr

segensreich ausgewirkt.
1900

Nunmehr sei eindeutig und

verbindlich für die jeweiligen Dienstverhältnisse geregelt,

welche Maßnahmen durch die zuständigen Stellen zu

ergreifen seien. Insbesondere seien erkannte Extremisten

nicht als Zeitsoldaten übernommen oder aber, sofern sie

schon Zeitsoldaten gewesen seien, vorzeitig entlassen

worden. Gewalttätige Rechtsextremisten und Funktionäre

seien sogar als Wehrpflichtige gem. § 29 Wehrpflichtge-

setz vorzeitig entlassen worden, was vor Schaffung der

Erlasslage fast nie der Fall gewesen sei.
1901

e) Umgang der Bundeswehr mit Rechtsex-
tremisten aus dem Umfeld des Trios

Im Folgenden wird dargelegt, wie die Bundeswehr mit

Personen verfuhr, die Dienst in der Bundeswehr ableiste-

ten und die aufgrund verschiedenster Tatbestände auf der

vom BKA erstellten sog. „41er“-Liste bzw. einer der in
Weiterentwicklung dieser Liste vom GBA erstellten sog.

„100er“-, „129er“- oder „122er“-Liste aufgeführt sind. In
der sog. „41er“-Liste teilte das BKA dem Untersuchungs-
ausschuss die mit Stand 23. März 2012 bekannten Be-

schuldigten im Ermittlungsverfahren des Generalbundes-

anwalts im Zusammenhang mit dem NSU und das mut-

maßliche Unterstützerumfeld des NSU mit. Aufgeführt

wurden 41 Personen, darunter 13 Beschuldigte im NSU-

Verfahren.
1902

Am 5. Juli 2012 hat der Ausschuss das BMI um Mittei-

lung gebeten, welche nachrichtendienstlichen Einsätze

und verdeckte Polizeimaßnahmen gegen die Personen auf

dieser Liste durchgeführt wurden.
1903

Hieraufhin hat das

BMI dem Ausschuss am 27. September 2012 die sog.

„100er“-Liste zur Einsicht in der Geheimschutzstelle
vorgelegt. Aufgeführt worden sind Personen, zu denen

das BKA Erkenntnisse des BfV eingeholt hat.
1904

Am

18. Oktober 2012 hat das BKA zunächst intern die sog.

„129er“-Liste erstellt. Auf dieser Liste sind Personen
aufgeführt worden, die im Rahmen der Ermittlungen auf

Erkenntnisse aus dem Phänomenbereich PMK Rechts
1899) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 26.

1900) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 10.

1901) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 37.

1902) Schreiben des BMI vom 27. Februar 2012, MAT A BKA-2,

S. 1, 2.

1903) Beweisbeschluss BMI-7.

1904) Sog. „100er-Liste“, MAT A BMI-7/2 (Tgb.-Nr. 50/12 – VS-
VERTRAULICH).

Drucksache 17/14600 – 240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

überprüft worden sind, sowie Personen mit etwaigen

Bezügen zum Trio oder weitere Beschuldigte. Auf Anfor-

derung des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Bernd von

Heintschel-Heinegg hat der GBA diese Liste am 4. März

2013 dem Untersuchungsausschuss vorgelegt.
1905

Am

15. Mai 2013 wurde dem Ausschuss eine neue Liste, die

sog. „122er“-Liste, vorgelegt. Auf dieser Liste sind weite-
re 19 Personen mit nachgewiesenen Kontakten zum

Unterstützerumfeld des Trios aufgeführt. Weitere sieben

Personen sind zu Personen mit solchen Kontakten „hoch-
gestuft“ worden.1906

Nicht jede der auf einer der genannten Listen aufgeführ-

ten Personen ist für das NSU-Verfahren gleich relevant.

Vielmehr handelt es sich um Personen, die im Ermitt-

lungsverfahren des GBA – aus welchem Grund auch
immer – in Erscheinung getreten sind und dann in einem
mehrstufigen Verfahren beim Bundesamt für Verfas-

sungsschutz hinsichtlich der dort vorliegenden Erkennt-

nisse abgefragt wurden.
1907

Gemeinsam ist allen genann-

ten Personen, dass sie dem rechtsextremistischen Umfeld

des Trios zuzuordnen sind.

Am Beispiel von Personen, die für das aktuelle Verfahren

gegen die Terrorgruppe von Bedeutung sind oder für die

Radikalisierung und das „Untertauchen“ von Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe von Bedeutung waren, wird im

Folgenden knapp dargestellt, wie die Bundeswehr mit

diesen rechtsextremistisch eingestellten Personen verfah-

ren ist und ob vorliegenden Erkenntnissen hierzu konse-

quent genug nachgegangen wurde.

aa) R. M. B.

R. M. B. hatte ab 1997 eine aktive Führungsrolle im

„THS“ inne und war seit 1994 in der rechtsextremen
Szene aktiv, insbesondere in der „Anti-Antifa Ostthürin-
gen“.1908 Laut Mitteilungen des LfV Thüringen und des
BfV habe seit 1995 ein Kennverhältnis zwischen B. und

dem Trio bestanden. So hätten 1995 bis Ende 1997 im

Rahmen der Aktivitäten in der „Anti-Antifa Ostthürin-
gen“ und im „THS“ gemeinsame Aktionen und Treffen
stattgefunden.

1909
Aus der Personalakte des BMVg ergibt

sich, dass B. vom 1. Juli 1996 bis zum 30. April 1997

Wehrdienst leistete.
1910

Bereits am 21. August 1996, also kurz nach Beginn seiner

Wehrdienstzeit, wurde B. konkret zu seinen Aktivitäten in

der rechtsextremistischen Szene vom MAD befragt, da

insoweit Erkenntnisse vorlagen, dass er am Rudolf-Hess-

Gedenktag in Worms teilgenommen hatte. Hierzu gab er
1905) Sog. „129er-Liste“, MAT A GBA-4/36b (Tgb.-Nr. 93/13 – VS-

VERTRAULICH).

1906) GBA-4/39 (Tgb.-Nr. 121/13 – VS-VERTRAULICH).

1907) Unterrichtung des BKA in der Obleutebesprechung vom
13. Juni 2013.

1908) Bericht des Thüringer LKA vom 27. September 2012, MAT A

TH-9/10-2b, Bl. 3 ff. (9).

1909) Ermittlungsverfahren gegen Ralf Wohlleben, BKA, BAO

„Trio“ vom 4. Juni 2012, MAT A BY-14e, Bl. 121 ff. (226).

1910) Personalakte zu R. M. B., MAT A BMVg-3a, Bl. 56, 63 ff.

an, dass die Wochenenden zu seinem Privatleben gehör-

ten, worüber er mit dem MAD nicht sprechen wolle. Mit

dem Begriff „Rechtsextremisten“ könne er nichts anfan-
gen. Er erklärte, dass er weder innerhalb noch außerhalb

der Bundeswehr in der rechtsextremen Szene aktiv sei. B.

wurde zudem konkret gefragt, ob ihm Tino Brandt be-

kannt sei, worauf er angab, ihn nur vom „Hörensagen“ zu
kennen.

1911
Dass eine Weiterleitung dieser Befragung

oder der Erkenntnisse über B.s Aktivitäten an die Dienst-

vorgesetzten B.s erfolgte, lässt sich den Akten nicht ent-

nehmen.

Vom MAD und BMVg wurden umfangreiche Erkenntnis-

se über die Aktivitäten B.s im Zusammenhang mit dem

„THS“ gesammelt.1912 So geht aus einer Akte des BMVg
hervor, dass auch B. die in der rechtsextremistischen

Szene verbreitete Ansicht vertrat, Verwendungen in der

Bundeswehr anzustreben, um die dort erhaltenen Ausbil-

dungen zu gegebener Zeit gewinnbringend für die Ziele

der Szene nutzen zu können
1913

B. beantragte bereits am 19. August 1996, seinen Wehr-

dienst um vier Monate zu verlängern.
1914

Dieser Antrag

wurde jedoch am 12. September 1996 aufgrund unter-

durchschnittlicher Leistungen B.s abgelehnt:

„Die bisher gezeigten Leistungen des Kan. B. M.
liegen unter dem Durchschnitt. Engagement, geis-

tige Flexibilität, körperliche Belastbarkeit und ein

überdurchschnittliches Leistungsbild sind notwen-

dig, um bei möglichen Kriseneinsätzen zu unter-

stützen.

Diese geforderten Merkmale sind bei Kan. B. M.

nicht im notwendigen Maße feststellbar.“ 1915

Am 12. Dezember 1996 wurde er mit Wirkung zum

1. Januar 1997 vom Gefreiten zum Obergefreiten beför-

dert.
1916

Eine von B. angestrebte Verpflichtung zum Soldaten auf

Zeit im Anschluss an seine Wehrdienstzeit erfolgte im

Ergebnis nicht. In einer ärztlichen Begutachtung vom

4. März 1997 wurde B. auf seine gesundheitliche Eignung

zum Offizier des Truppendienstes und zur Teilnahme an

einer Einzelkämpferausbildung begutachtet. Aus der

ärztlichen Begutachtung ergibt sich, dass B. bezüglich der

Teilnahme an einem Einzelkämpferlehrgang für verwen-

dungsfähig erklärt wurde. Seinem Personalstammblatt
1911) Befragung durch das MAD vom 21. August 1996, MAT A

MAD-2/6, Bl. 11 ff. (12-14).

1912) MAT A MAD-4/1, Bl. 42 (Tgb.-Nr. 26/12 - VS-

VERTRAULICH); MAT A BMVg-5/4, Ordner 1, Bl. 34 (Tgb.-

Nr. 43/12 – VS-VERTRAULICH).

1913) MAT A BMVg-5/4, Bl. 75 (Tgb.-Nr. 43/12 – VS-
VERTRAULICH).

1914) Beantragung der Wehrpflichtverlängerung vom
19. August 1996, MAT A BMVg-3a, Bl. 26.

1915) Stellungnahme des nächsten Disziplinarvorgesetzten zur ge-

wünschten Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstes vom
12. August 1996, MAT A BMVg-3a, Bl. 25.

1916) Beförderungsschreiben vom 12. Dezember 1996, MAT A

BMVg-3a, Bl. 39.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241 – Drucksache 17/14600

Soldat (PSBS) lässt sich eine solche Ausbildung jedoch

nicht entnehmen.
1917

Eine Verpflichtungserklärung zum Soldaten auf Zeit für

zwölf Jahre unterschrieb B. am 6. März 1997.
1918

Die

Bewerbung B.s wurde von seinen Vorgesetzten uneinge-

schränkt und ohne Stellungnahmen am 12. März 1997

bzw. 13. März 1997 befürwortet.
1919

So vermerkte insbe-

sondere der Vorgesetzte:

„OG B. ist ein eher zurückhaltender und stets über-
legt handelnder Wehrpflichtiger, der entgegen-

kommend, diszipliniert und kameradschaftlich sei-

nen Dienst versieht. Geistige Flexibilität, auffal-

lendes weit überdurchschnittliches Interesse am

innenpolitischen Geschehen und ein fundiertes

Grundlagenwissen im Bereich der Rechtsstruktu-

ren der Bundesrepublik Deutschland zeichnen ihn

aus.

Diese Fähigkeiten kann er gut im Rahmen seiner

Ausbildung zur Geltung bringen, so daß er sich

stets in allen Bereichen vom Durchschnitt abhebt.

Er ist zielstrebig und äußerst ehrgeizig, erfaßt Auf-

träge richtig und setzt diese umsichtig zur vollsten

Zufriedenheit seiner Vorgesetzten um.

OG B. ist körperlich voll belastbar. Motiviert, en-

gagiert und äußerst ausdauernd beteiligt er sich am

Batteriesport, sowie auf freiwilliger Basis am Er-

gänzungsprogramm der in der Ausbildung befind-

lichen Offiziersanwärter.“1920

Im Dienstzeugnis vom 30. April 1997 wurden seine Leis-

tungen mit „gut“ bewertet.1921

B. stellte im Jahr 1998 Anträge auf Zulassung zur Lauf-

bahn der Offiziere des Truppendienstes bzw. der Offiziere

der Reserve des Truppendienstes. Diese wurden mangels

Eignung am 17. August 1998 bzw. am 15. August 2000

abgelehnt. Insbesondere wurde bzgl. des letztgenannten

Antrags im Ablehnungsbescheid und im Widerspruchsbe-

scheid auf die Erkenntnisse des MAD verwiesen, wonach

B. Mitglied im „Thüringer Heimatschutz“ war.1922

Vorabinformationen des MAD zu dem rechten Hinter-

grund B.s, die spätestens im August 1996 bekannt waren,

scheinen ausweislich des VERANDA-Auszuges des

MAD erfolgt zu sein, da zweimal eine „mündliche Mittei-
lung des dienstlichen Vorgesetzten“ vermerkt wurde.
Jedoch wird, obwohl der Datensatz darauf schließen lässt,
1917) Ärztliche Mitteilung für die Personalakte vom 12. März 1997,

MAT A BMVg-3a, Bl. 41.

1918) Verpflichtungserklärung bei der Berufung in das Dienstverhält-
nis eines Soldaten auf Zeit vom 6. März 1997, MAT A BMVg-

3a, Bl. 42.

1919) Stellungnahmen der Dienstvorgesetzten, MAT A BMVg-3a,
Bl. 43 ff.

1920) Stellungnahme des Hptm. und BttrChef Rückert vom

13. März 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 44.

1921) Dienstzeugnis vom 30. April 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 51.

1922) Ablehnungsschreiben vom 17. Juni 1998, 15. August 2000 und

6. Oktober 2000, MAT A BMVg-3a, Bl. 56, 63-65.

dass B.s Aktivitäten als Schulungsleiter und Führungsper-

son des „THS“ identifiziert wurden, ein „verfassungs-
feindlicher Hintergrund“ mit „nein“ vermerkt.1923 Wenn-
gleich ihm der Zugang zur Offizierslaufbahn mit Blick

auf seinen rechtsextremistischen Hintergrund verschlos-

sen blieb, konnte er seinen Wehrdienst regulär ableisten.

Nach Abschluss seines Wehrdienstes nahm B. ein Jura-

studium auf und war weiter in der rechten Szene aktiv und

veranstaltete dort u. a. Rechtsschulungen.
1924

bb) M. R. D.

M. R. D. war Mitglied der „Weißen Bruderschaft Erzge-
birge“ und seit seiner Kindheit mit André Eminger be-
freundet.

1925
Er wird verdächtigt, dem Trio nach dessen

Untertauchen zwei Wohnungen in Zwickau (Polenzstra-

ße 2 und Frühlingsstraße 26) angemietet zu haben. Die

dort angefallenen Mietzinsbeträge sollen von seinem

Konto bezahlt worden sein.
1926

D. leistete vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Oktober 1998

seinen Grundwehrdienst als Milan- und Panzerfaustschüt-

ze in der 4. Kompanie des Jägerbataillons 371 in Marien-

berg.
1927

Sein Wunsch, nach dem Grundwehrdienst frei-

willigen Wehrdienst zu leisten, wurde im Einberufungs-

bescheid zum Grundwehrdienst vom 10. November 1997

ohne Begründung abgelehnt.
1928

Am 30. Juni 1998 wurde

er mit Wirkung zum 1. Juli 1998 vom Gefreiten zum

Obergefreiten befördert.
1929

In seinem Dienstzeugnis vom

13. Oktober 1998 wurde er mit „gut“ bewertet.1930 Aus
den Akten geht nicht hervor, dass dem MAD bezüglich D.

Erkenntnisse vorgelegen hätten.

cc) André Eminger

André Eminger war Mitglied der „Weißen Bruderschaft
Erzgebirge“ und seit seiner Kindheit mit M. R. D. be-
freundet, der derzeit Beschuldigter im NSU-Verfahren

ist.
1931
1923) Anschreiben des MAD 19. November 2012, MAT A MAD-2/6,

Bl. 1; VERANDA-Auszug des MAD vom 1. August 2012,

MAT A MAD-2/6, Bl. 6.

1924) MAT A MAD-4/1, Bl. 254, 276 f. (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-
VERTRAULICH).

1925) Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Schreiben des

GBA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 22 ff. (267);
vgl. bzgl. der Bundeswehrzeit des André Eminger unter

C.IV.5.e)cc).

1926) Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Schreiben des

GBA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 22 ff. (26).

1927) Dienstzeugnis vom 13. Oktober 1998, MAT A BMVg-3a, Bl.

93.

1928) Einberufungsbescheid zum Grundwehrdienst vom

10. November 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 85.

1929) Beförderungsschreiben vom 30. Juni 1998, MAT A BMVg-3a,
Bl. 93.

1930) Dienstzeugnis vom 13. Oktober 1998, MAT A BMVg-3a, Bl.

93.

1931) Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Schreiben des

GBA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/1, Bl. 22 ff. (267);

vgl. bzgl. M. R. D. unter C.IV.5.e)bb)

Drucksache 17/14600 – 242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

André Eminger soll im Jahre 1999 eine erste konspirative

Wohnung für das Trio zur Verfügung gestellt und Wohn-

mobile angemietet haben. Außerdem soll er dem Trio die

BahnCard von sich und seiner Frau überlassen haben. Der

Kontakt des Trios zum Ehepaar Eminger soll bis zuletzt

intensiv gewesen sein. André Eminger wurde im Novem-

ber 2011 in Brandenburg verhaftet. Der Haftbefehl wurde

Mitte Juni 2012 vom BGH aufgehoben. Am

8. November 2012 wurde vom GBA vor dem Staats-

schutzsenat des OLG München Anklage wegen Beihilfe

zum Sprengstoffanschlag des „NSU“ in der Kölner Alt-
stadt sowie wegen Beihilfe zum Raub und wegen Unter-

stützung der terroristischen Vereinigung „NSU“ in jeweils
zwei Fällen gegen André Eminger erhoben.

André Eminger leistete seinen Grundwehrdienst vom

1. November 1999 bis zum 31. August 2000 in der

4. Kompanie des Panzeraufklärungsbataillons 13

(4./PaAufklBtl 13) der Bundeswehr in Gotha, zuletzt im

Rang eines Gefreiten.
1932

Dem Wunsch André Emingers, über die gesetzlich festge-

legte Dauer des Grundwehrdienstes von zehn Monaten

hinaus einen zusätzlichen Wehrdienst von dreizehn Mo-

naten zu leisten und an besonderen Auslandsverwendun-

gen teilzunehmen
1933

, wurde wegen eines Strafverfahrens

nicht entsprochen.
1934

Aufgrund des Erscheinungsbildes André Emingers und

einer Äußerung gegenüber einem Bundeswehrangehöri-

gen am 3. November 1999 wurde André Eminger am

10. November 1999 von OLt T. vernommen und mit dem

Verdacht der rechtsextremistischen Gesinnung konfron-

tiert. Auf die Frage, ob er ein Anhänger rechtsextremen

Gedankenguts sei, antwortete er:

„Ich denke nationalsozialistisch, aber nicht nach
dem Führerprinzip. Nationalsozialismus sollte

nicht unbedingt mit Hitler verbunden werden. Ich

habe an genehmigten Demonstrationen teilge-

nommen, z. B. am 01.05.98 in Leipzig und in

Dresden gegen die Wehrmachtsausstellung.“1935

Auf die Frage, ob er seine politische Einstellung mit dem

Dritten Reich verbindet, antwortete André Eminger:

„Nein, ich stehe zur Arbeiterklasse, das 3. Reich
schadete der Arbeiterklasse. Ich gehöre und gehör-

te keiner Partei oder Vereinigung an. Ich bin Skin-

head aus der Arbeiterklasse und nicht in erster Li-
1932) Wehrdienstbescheinigung vom 14. Juni 2000, MAT A BMVg-

3a, Bl. 133.

1933) Erklärung zur Ableistung einer zusätzlichen Wehrdienstzeit von

dreizehn Monaten vom 15. Juni 1999, MAT A BMVg-3a,
Bl. 114.

1934) Entscheidung über die Heranziehung von Ungedienten zum

Wehrdienst wegen eines Strafverfahrens vom 23. August 1999,
MAT A BMVg-3a, Bl. 116.

1935) Anhörung vom 10. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.

123.

nie politisch. Ich bin zuerst Skinhead und nicht na-

tionalsozialistisch.“1936

Auf die Frage, ob er ein Rassist sei, wich André Eminger

aus. Er sei gegen „kriminelle Ausländer und Deutsche,
insbesondere gegen Drogen, sie zerstören unser Volk“. Er
sehe darin nichts Ungesetzliches.

1937
André Eminger gab an, dass er eine Tätowierung mit dem

Schriftzug „Blut und Ehre“ trage, da er die militärische
Leistung der SS bewundere. Des Weiteren ließ er sich

eine schwarz-weiß-rote Flagge tätowieren.
1938

Auch der

MAD befragte André Eminger am 6. März 2000 zu seiner

rechtsextremen Einstellung.
1939

Hier gab er an, in den

letzten Jahren einige Skinheadkonzerte besucht zu haben,

1998 an einer Demonstration gegen die Wehrmachtsaus-

stellung in Dresden sowie im Mai 1998 an einer NPD-

Veranstaltung in Leipzig teilgenommen zu haben.
1940

Zur

politischen Einstellung André Emingers wurde festgehal-

ten:

„Er sei nicht rechtsradikal, denke nur national bzw.
nationalsozialistisch. Nationalsozialismus müsse

nichts mit Hitler zu tun haben, es müsse auch kei-

ne Diktatur sein. Er stehe zu seinem Land und hät-

te auch gerne länger bei der Bundeswehr dienen

wollen, was aber nicht geklappt hätte. […]

Das III. Reich sei abgesehen von der Diktatur und

der Judenverbrennung nicht schlecht gewesen. Der

Nationalsozialismus sei eine Staatsform, die man

eigentlich auch demokratisch umsetzen könne,

momentan aber mit keiner Partei in Deutschland.

[…]

Das (jetzige) politische System lehne er ab.“1941

Im Dienstzeugnis wurde seine Führung mit durchschnitt-

lich bewertet.
1942

Dem VERANDA-Datensatz des MAD lässt sich entneh-

men, dass seine Dienstvorgesetzten am

1. Dezember 1999, 3. April 2000 und 10. August 2000

mündlich unterrichtet wurden. Auch wurde ein verfas-

sungsfeindlicher Hintergrund bejaht.
1943

Trotzdem musste

André Eminger seinen Wehrdienst weiter regulär ableis-

ten.
1936) Anhörung vom 10. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.

123.

1937) Anhörung vom 10. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.

123.

1938) MAT A BMVg-3a, Bl. 124.

1939) Befragung von André Eminger vom 6. März 2000 durch den

MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 14 ff.

1940) Befragung von André Eminger vom 6. März 2000 durch den
MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 14 ff. (15, 16).

1941) Befragung von André Eminger vom 6. März 2000 durch den

MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 14 ff. (18, 19).

1942) Dienstzeugnis vom 30. August 2000, MAT A BMVg-3a, Bl.

137.

1943) VERANDA-Auszug des MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 12.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 243 – Drucksache 17/14600

dd) D. F.

D. F.
1944

ist der Bruder von Jacqueline Wohlleben und

Schwager von Ralf Wohlleben.
1945

Von 2005 bis 2007 war

er Besitzer eines Lokals in Oberweißbach,
1946

in dem am

18. März 2006 eine Veranstaltung der rechten Szene

durch Patrick W. angemeldet wurde.
1947

Er hatte eine lose

Beziehung zu Beate Zschäpe, die nach eigenen Aussagen

nur ein paar Wochen andauerte,
1948

und kannte Mundlos

und Böhnhardt seit 1992 durch den Jugendklub

Winzerla.
1949

Außerdem kannte er den Vater der ermorde-

ten Michèle Kiesewetter, der Pächter oder Besitzer des

Gasthofes „Kräutergarten“ war.1950

F. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Juli 1994 bis

zum 30. Juni 1995 in der 2. Kompanie des Gebirgsjäger-

bataillons 231 in Bad Reichenhall.
1951

In der Zeit vom 3. November 1994 bis zum

9. November 1994 sowie vom 18. November 1994 bis

zum 2. Dezember 1994 blieb er dem Bundeswehrdienst

schuldhaft fern. F. verlor für diesen Zeitraum seine Bezü-

ge.
1952

Zusätzlich musste er eine Disziplinarbuße in Höhe

von 150 DM entrichten.
1953

Aus dem Dienstzeugnis geht hervor, dass die privaten

Probleme des Soldaten sich auf seine dienstliche Tätigkeit

übertrugen. Die Leistungen als Gebirgsjäger und die Füh-

rung wurden als mangelhaft beurteilt.
1954

F. wurde nicht

befördert.

ee) A. G.

A. G. spielte ab 2001 als Gitarrist in der Band „Noie Wer-
te“. Er stammt aus dem einstigen Netzwerk „Blood &
Honour“ in Sachsen und zog vor einigen Jahren nach
Baden-Württemberg.

1955
Zwischen 2000 und 2002 wurde
1944) D. F. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs zu

diesem, Abschnitt Stellung genommen.

1945) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff (363).

1946) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A

BY-14/1c, Bl. 363 ff. (365).

1947) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A

BY-14/1c, Bl. 363 ff. (368).

1948) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A
BY-14/1c, Bl. 363 ff. (370).

1949) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A

BY-14/1c, Bl. 363 ff. (391).

1950) Zeugenvernehmung des D. H. F. vom 16. Januar 2012, MAT A

BY-14/1c, Bl. 363 ff. (369).

1951) Wehrdienstbescheinigung vom 18. Mai 1995, MAT A BMVg-
3a, Bl. 186.

1952) Schreiben vom 14. Dezember 1994, MAT A BMVg-3a, Bl.

181; Änderungsmeldung Soldaten vom 16. Dezember 1994,
MAT A BMVg-3a, Bl. 183.

1953) Schreiben vom 18. Dezember 1994, MAT A BMVg-3a, Bl.

182.

1954) Dienstzeugnis vom 20. Juni 1995, MAT A BMVg-3a, Bl. 188.

1955) Anschreiben des IM BW vom 27. August 2012, MAT A BW-

8/3, Bl. 1 ff. (3).

er vom Verfassungsschutz abgehört, weil er Zugang zum

engeren Unterstützerkreis des Trios hatte.
1956

A. G. war vom 1. Januar 1996 bis zum 30. April 1997

Angehöriger der Bundeswehr im Instandsetzungsbatail-

lon 220 in Dornstadt.
1957

Ursprünglich war seine Grund-

wehrdienstzeit auf zwölf Monate festgesetzt, aufgrund

einer Gesetzesänderung verkürzte sich diese Zeit jedoch

auf zehn Monate, weshalb G. am 2. Januar 1996 einen

entsprechenden Änderungsbescheid zum Einberufungsbe-

scheid erhielt.
1958

Am 5. September 1996 beantragte G.

den freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst für sechs Mona-

te.
1959

Die Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes wur-

de von seinen Vorgesetzten befürwortet,
1960

sodass er eine

sechsmonatige Weiterverpflichtung als Elektronikmecha-

niker einging.
1961

G. wurde am 29. November 1996 mit Wirkung zum

1. Dezember 1996 vom Gefreiten zum Obergefreiten
1962

und am 24. März 1997 mit Wirkung zum 1. April 1997

zum Hauptgefreiten
1963

befördert. Gleichwohl wurde in

G.‘s Dienstzeugnis vermerkt, dass seine Führung lediglich
„befriedigend“ war.1964 Im Fragebogen zur Mobilma-
chungsverwendung gab G. an, dass er bereit sei, sich

weiter für die Bundeswehr zu engagieren.
1965

Im September 1997 wurde ein verhängtes Strafur-

teil/Strafbefehl
1966

gegen G. vom Kreiswehrersatzamt

Chemnitz vermerkt. Die Option, den Wehrpflichtigen

„nicht zum Wehrdienst heranzuziehen“, wie auf dem
Formularblatt vorgegeben, wurde jedoch nicht gewählt.

Vielmehr wurde die andere Option bevorzugt, den Wehr-

dienstpflichtigen „weiterhin zum Wehrdienst heranzuzie-
hen“.1967

G. wurde von Seiten der Bundeswehr und des MAD nicht

als Extremist erkannt oder ist diesen nicht als solcher
1956) LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013, Bericht zu

Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg

(Stand: Januar 2013), MAT A GBA-13, Bl. 53 ff. (148).

1957) Wehrdienstbescheinigung vom 22. April 1997, MAT A BMVg-

3a, Bl. 264.

1958) Änderungsbescheid zum Einberufungsbescheid vom
2. Januar 1996, MAT A BMVg-3a, Bl. 249.

1959) Antrag und Verpflichtungserklärung vom 5. September 1996,

MAT A BMVg-3a, Bl. 259.

1960) Antrag und Verpflichtungserklärung vom 5. September 1996,

MAT A BMVg-3a, Bl. 259; Abgabenach-

richt/Zwischenbescheid vom 25. September 1996, MAT A
BMVg-3a, Bl. 261.

1961) Dienstzeugnis vom 22. April 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 265.

1962) Beförderungsbescheid vom 29. November 1996, MAT A
BMVg-3a, Bl. 262.

1963) Beförderungsbescheid vom 24. März 1997, MAT A BMVg-3a,

Bl. 263.

1964) Dienstzeugnis vom 22. April 1997, MAT A BMVg-3a, Bl. 265.

1965) Fragebogen zur Mobilmachungsverwendung, MAT A BMVg-

3a, Bl. 268.

1966) Aus den Akten geht nicht hervor, wegen welcher Tat ein Straf-

befehl bzw. Strafurteil ergangen ist.

1967) MAT A BMVg-3a, Bl. 274.

Drucksache 17/14600 – 244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

durch sein Verhalten aufgefallen. Dafür spricht auch seine

16-monatige Wehrdienstzeit und die Beförderungen.

ff) B. G.

G. war in den Jahren 1997 bis 2000 in der „Kamerad-
schaft Kassel“ aktiv, die von seinem Stiefbruder geleitet
wurde. Nach eigenen Angaben war er während seiner

Bundeswehrzeit dort nicht mehr tätig,
1968

hatte jedoch

noch Kontakt zu Personen aus der rechten Szene.
1969

Für

das LfV Hessen war er von 2001 bis Mitte 2007 als V-

Mann tätig.
1970

G. leistete vom 2. Januar 2002 bis zum 31. Oktober 2002

seinen Wehrdienst als Ladeschütze sowie als Wach- und

Sicherungssoldat in der 2. Kompanie des Panzerbatail-

lons 64.
1971

Nach einer Verkürzung des Grundwehrdienstes von zehn

auf neun Monate, welche am 1. Januar 2002 in Kraft trat,

erhielt G. am 2. Februar 2002 einen entsprechenden Än-

derungsbescheid zum Einberufungsbescheid.
1972

G. bean-

tragte daraufhin am 4. September 2002 eine Verlängerung

seiner Wehrdienstzeit um einen Monat, was ihm mit

Schreiben vom 19. September 2002 bewilligt wurde.
1973

Am 27. Juli 2002 wurde G. mit Wirkung zum 1. Juli 2002

vom Gefreiten zum Obergefreiten befördert.
1974

In seinem

Dienstzeugnis vom 19. Oktober 2002 erhielt G. die Note

„gut“.1975 Der Hauptmann Ullwig führte im Dienstzeugnis
aus:

„Seine Leistungen haben stets meine volle Aner-
kennung gefunden. Zu jeder Zeit hat er seine Auf-

gaben zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllt.

Ich bedauere diesen wertvollen Mitarbeiter zu ver-

lieren.“1976

Obwohl G. vor seiner Bundeswehrzeit in der rechten

Szene aktiv war und ab dem Jahr 2000 strafrechtlich in

Erscheinung trat, liegen in den Akten weder Erkenntnisse

des MAD noch des BMVg zu seiner rechten Gesinnung

vor.
1968) Zeugenvernehmung des B. G. vom 26. April 2012 durch das

BKA, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff. (5).

1969) Zeugenvernehmung des B. G. vom 26. April 2012 durch das
BKA, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff. (7).

1970) Zeugenvernehmung des B. G. vom 26. April 2012 durch das

BKA, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff. (7).

1971) Dienstzeugnis des B. G. vom 19. Oktober 2002, MAT A

BMVg-3a, Bl. 210, 211.

1972) Änderungsbescheid zum Einberufungsbescheid vom
2. Februar 2002, MAT A BMVg-3a, Bl. 222.

1973) Änderungsbescheid zum Einberufungsbescheid vom 19. Sep-

tember 2002, MAT A BMVg-3a, Bl. 214.

1974) Beförderungsschreiben vom 27. Juni 2002, MAT A BMVg-3a,

Bl. 217.

1975) Dienstzeugnis des B. G. vom 19. Oktober 2002, MAT A
BMVg-3a, Bl. 210, 211.

1976) Dienstzeugnis vom 19. Oktober 2002, MAT A BMVg-3a, Bl.

210, 211.

gg) M. G.

Eine Telefonnummer von M. G. ist auf der Telefonliste

von Mundlos vermerkt. M. G. gehörte der „HNG“ an und
war mit Birger D. und Ursula Müller gut bekannt. Direk-

ten Kontakt zum Trio hatte er nicht.
1977

G. leistete vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 seinen

Grundwehrdienst in der Bundeswehr und war als Flieger

in der 13. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment 2

eingesetzt.
1978

Erkenntnisse des MAD oder des BMVg zu

extremistischen Gesinnungen sind nicht ersichtlich.

hh) J. H.

J. H. war eine Kontaktperson des Trios bis 1998/99 und

enger Freund von Ralf Wohlleben. H. tätigte Kurierdiens-

te für das Trio im Auftrag von Wohlleben und wurde seit

April 1998 vom LKA TH durch TKÜ überwacht.
1979

J. H. war vom 4. Januar 1999 bis zum

19. November 1999 Grundwehrdienstleistender im Pan-

zergrenadierbataillon 352, Mellrichstadt und dort als

Richtschütze eingesetzt.
1980

Da er seinen Dienst aufgrund eigenmächtiger Abwesen-

heit erst am 23. Januar 1999 antrat, wurde seine Dienst-

zeit mit Verfügung des Befehlshabers Wehrbereich

VI/Kommandeur 1. Gebirgsdivision bis zum

19. November 1999 verlängert.
1981

Aus einem hand-

schriftlichen Vermerk des Kreiswehrersatzamtes Gera

vom 16. Juni 1999 ergibt sich, dass H. einen Antrag auf

Kriegsdienstverweigerung (KDV-Antrag) gestellt hatte

und daher der Meinung war, dem Dienst fernbleiben zu

dürfen.
1982

Am 30. Juni 1999 wurde H. mit Wirkung zum

1. Juli 1999 zum Obergefreiten befördert.
1983

Der MAD befragte im August/September 1999
1984

H. zu

seinen Kontakten in die rechte Szene und explizit zum

Trio. In dieser Befragung räumte er ein, für das Trio Ku-

rierdienste geleistet zu haben.
1985

In der
1977) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.

155 ff. (175).

1978) Wehrdienstbescheinigung, MAT A BMVg-7/4, Bl. 80.

1979) Gutachten der Schäfer-Kommission, Bl. 141.

1980) Wehrdienstbescheinigung vom 17. November 1999, MAT A

BMVg-3a, Bl. 333; Dienstzeugnis vom 19. November 1999,

MAT A BMVg-3a, Bl. 335.

1981) Schreiben bzgl. des Nachdienens der Wehrpflichtzeit vom

20. Oktober 1999, MAT A BMVg-3a, Bl. 328, 329.

1982) Handschriftlicher Vermerk vom 16. Juni 1999, MAT A BMVg-
3a, Bl. 319.

1983) Beförderungsschreiben vom 30. Juni 1999, MAT A BMVg-3a,

Bl. 320.

1984) Datum des Befragungsberichts: 15. September 1999, laut

VERANDA-Eintrag Tag der Befragung möglicherweise der

24. August 1999; laut VERANDA-Eintrag erste Befragung des
H. wohl bereits am 1. Juni 1999 (liegt dem Untersuchungsaus-

schuss nicht vor), MAT A MAD-2/3, Bl. 4 ff.

1985) Näheres hierzu unter E.VI.2.c).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245 – Drucksache 17/14600

Sachverhaltsdarstellung zur Befragung wurde außerdem

vermerkt:

„Angesprochen auf Bw-Angehörige aus dem
Raum JENA äusserte VP mit süffisantem Lächeln:

Sie nenne wie schon erwähnt keine Namen. Weil

sie derzeit über wenig Freizeit verfüge, habe sie

keinen Kontakt. Sie habe auch derzeit weniger

Kontakt zur NPD, Schwerpunkt seien persönliche

Interessen. Seit der letzten Befragung hätte sie an

keiner NPD-Veranstaltung teilgenommen. Nach

der Bundeswehrzeit, wenn sie wieder mehr Zeit

habe und in der Spedition arbeite, werde dies wie-

der der Fall sein. […] Er stimme mit den Thesen
der NPD überein und werde nach der Bundes-

wehrzeit wieder aktiv werden.“1986

Weiter wurde über die Vernehmung mit H. vermerkt:

„Es bestünden Verbindungen zur ‚Kameradschaft
JENA‘ sowie freundschaftliche Verbindungen zur
‚THS‘-Kameradschaft. Er sei auch nicht bereit,
sich von diesen Gruppierungen zu distanzie-

ren.“1987

H. gab an, das Trio habe sich bereits auf der Stufe von

Rechtsterroristen bewegt. Auch er befürworte derartige

Aktionen und würde wieder klassische Unterstützerfunk-

tionen leisten.
1988

Eine entsprechende Benachrichtigung an die personalbe-

arbeitende Dienststelle durch den MAD, dass H. als Ex-

tremist bekannt sei, erfolgte laut VERANDA-Auszug des

MAD am 23. August 1999. Ein verfassungsfeindlicher

Hintergrund wurde mit „ja“ vermerkt. Im Juni 1996 wur-
de eine sog. „Absicherungsberatung“ vorgenommen.1989
Am 4. November 1999 wurde mit H. im Auftrag der per-

sonalbearbeitenden Stelle durch den Kompaniechef ein

Personalgespräch geführt. In diesem wurde ihm eröffnet,

dass er nach Erkenntnissen des MAD als Extremist er-

kannt sei. Eine disziplinare Prüfung ergebe derzeit keinen

Handlungsbedarf, eine Nichteignung für seinen Dienst-

posten liege nicht vor. Eine weitere Förderung und Beför-

derung sowie Weiterverpflichtung als FWDL oder SaZ

wurde ausgeschlossen, genauso wie eine Auslandsver-

wendung. Eine Äußerung durch H. erfolgte nicht.
1990

Im Dienstzeugnis vom 19. November 1999 wurde er

insgesamt mit „gut“ bewertet. Insbesondere wird ausge-
führt:
1986) Aussage des Befragten vom 15. September 1999/

24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff. (9, 10).

1987) Aussage des Befragten vom 15. September 1999/

24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff. (10).

1988) Aussage des Befragten vom 15. September 1999/

24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff. (11, 12); Näheres

hierzu unter E.VI.2.c).

1989) VERANDA-Auszug des MAD, MAT A MAD-2/3, Bl. 6, 7.

1990) Vermerk über ein Personalgespräch vom 4. November 1999,

MAT A BMVg-3a, Bl. 331.

„Herr Obergefreiter H. zeichnet sich durch einen
guten Leistungswillen und Einsatzbereitschaft aus.

Sein Auftreten ist von Kameradschaft geprägt und

bringt ihm die Anerkennung und den Respekt aller

ein.“1991

ii) M. H.

M. H. führte die sächsische Sektion der „Hammerskins“
an.

H. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Januar 1997

bis zum 22. August 1997 in der 3. Kompanie des Panzer-

grenadierbataillons 381, als Richtschütze in Bad Franken-

hausen und später in der 4. Kompanie des Panzergrenadi-

erbataillons 381 als Panzergrenadier.
1992

Ursprünglich war

sein Grundwehrdienst bis zum 31. Oktober 1997 ange-

setzt.
1993

H. erklärte sich zudem am 10. Oktober 1996

bereit, während der Grundwehrzeit an besonderen Aus-

landsverwendungen teilzunehmen. Eine entsprechende

Verwendung lässt sich den Akten nicht entnehmen.
1994

Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 wurde H. zum Obergefrei-

ten befördert.
1995

Am 22. August 1997 erhielt H. seine fristlose Entlassung

gem. § 29 Abs. 2 Nr. 6 des Wehrpflichtgesetzes aus dem

Bundeswehrdienst.
1996

Vorangegangen war dieser Ent-

scheidung eine in der Nacht vom 17. zum 18. August

1997 durchgeführte Polizeikontrolle seines Pkws. Bei

dieser wurden mehrere E-Mails mit NS-Inhalt sowie Fo-

tos gefunden, auf denen H. bei einem Konzert von rechts-

radikalen Skinheads in Ungarn den „Hitlergruß“ zeig-
te.

1997
Dieser Sachverhalt wurde der Bundeswehr von der Poli-

zei mitgeteilt. Daraufhin erging am 18. August 1997 ein

Beschluss des Truppendienstgerichtes Süd, 1. Kammer, in

welchem die Durchsuchung des Spindes, der privaten

Behältnisse und der Dienststube H.s angeordnet wur-

de.
1998

Aufgrund der bei der ebenfalls am 18. August 1997

durchgeführten Durchsuchung gefundenen und beschlag-

nahmten Gegenstände bestätigte sich der Verdacht, H.
1991) Dienstzeugnis vom 19. November 1999, MAT A BMVg-3a, Bl.

335.

1992) Versetzungsverfügung vom 31. Oktober 1997, MAT A BMVg-

7/2, Bl. 23.

1993) Ärztliche Mitteilung für Personalakte vom 1. Januar 1997,

MAT A BMVg-7/2, Bl. 15.

1994) Erklärung zum freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst und zur
Bereitschaft für eine Teilnahme an besonderen Auslandsver-

wendungen, MAT A BMVg-7/2, Bl. 11 f. (12).

1995) Beförderungsschreiben vom 30. Juni 1997, MAT A BMVg-7/2,
Bl. 24.

1996) Bescheid vom 22. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 43 f.

1997) Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom
18. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 29.

1998) Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom

18. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 29.

Drucksache 17/14600 – 246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

besitze nationalsozialistische Symbole und Materialien

und pflege Kontakte in die rechtsextremistische Szene.
1999

Am 19. August 1997 wurde H. durch den Hauptmann W.

bzw. durch den Hauptmann S. vernommen.
2000

Den Vor-

wurf des Hptm. S., dass sich H. aktiv in der rechtsextre-

mistischen Szene betätige, stritt H. in der Vernehmung ab,

bestätigte aber, dass er Herausgeber der Zeitschrift Hass

Attacke sei. Jedoch würden in dieser, obwohl als Fanzine

in der Skinhead-Szene vertrieben, weder politische Moti-

vationen begründet, noch rechtsradikales Gedankengut

verbreitet.
2001

Am 20. August 1997 fand eine weitere

Vernehmung H.s durch den Hptm. S. statt.
2002

Auch wur-

de dessen Stubenkamerad Thomas H. am 19. August 1997

durch den Oberleutnant S. vernommen. Diesem seien

jedoch keine rechtsextremistischen Aktivitäten H.s aufge-

fallen.
2003

Am 19. August 1997 wurde durch den Hptm. W. eine

Kurzbeurteilung H.s abgegeben, in der er H. wie folgt

beschrieb:

„OG H. hat sich problemlos in der Kompaniefüh-
rungsgruppe der 4./PzGrenBtl 381 integriert. Sei-

nen Kameraden gegenüber verhält er sich stets

korrekt und ist ein guter Kamerad. Seine dienstli-

chen Leistungen als Kraftfahrer B sind gut und ge-

ben zu keinerlei Kritik Anlaß. In und außer Dienst

gibt er sich stets korrekt. Aufträge hat er bisher zur

vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erle-

digt. In sowie außer Dienst gab es keine Anlässe

zur Klage.“2004

Am 20. August 1997 wurde durch den Hptm. W. dem

Wehrbereichskommando VII. und 13. Panzergrenadierdi-

vision der Antrag auf Entlassung H.s gem. § 29 Abs. 1

Nr.6 WPflG gestellt.
2005

Hierin wird ausgeführt:

„Bei o. g. Soldaten wurden durch die Polizei Bil-
der sichergestellt, auf denen der Soldat u. a. auf ei-

nem Konzert der Nationalsozialistischen Skins von

Viharsarok in Ungarn beim Praktizieren des ‚Hit-
1999) Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom

21. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 30.

2000) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 31; aufgrund der Un-

vollständigkeit der Personalakte an dieser Stelle, kann den Do-

kumenten nicht der Inhalt der Vernehmung mit W. entnommen
werden;

Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom

19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 35 ff.

2001) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom

19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 35 ff. (37).

2002) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
20. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 38; auch an dieser

Stelle ist die Personalakte unvollständig und der Vernehmungs-

inhalt nicht Bestandteil der Akte.

2003) Niederschrift über die Vernehmung eines Zeugen vom

19. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 32.

2004) Kurzbeurteilung vom 19. August 1997, MAT A BMVg-7/2,
Bl. 34.

2005) Schreiben vom 20. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 25,

26.

lergrußes‘ zu erkennen ist. Weiterhin ist er Mither-
ausgeber und Verteiler der Zeitschrift Hass Atta-

cke, in der über Musikgruppen berichtet wird, die

eindeutig der rechtsextremen Szene zuzuordnen

sind. Weiterhin verstieß er gegen das Kriegswaf-

fenkontrollgesetz durch den illegalen Besitz von 6

Schuß Gewehrmunition, die ebenfalls durch die

Polizei sichergestellt wurden. […]

Nach Sachlage ist OG H. der rechtsextremen Sze-

ne zuzuordnen. Die Entlassung gem. § 29 Abs. 1

Nr. 6 WPflG wird beantragt und befürwortet.“2006

Daraufhin veranlasste das Wehrbereichskommando nach

§ 29 Abs. 2 Nr. 6 des (WPflG) die Entlassung H.s aus der

Bundeswehr. In seinem Entlassungsschreiben wird zur

Begründung u. a. neben den von Hptm. W. schon genann-

ten Vorwürfen aufgeführt:

„Jeder Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik
Deutschland treu zu dienen […] und für die Erhal-
tung der freiheitlichen demokratischen Grundord-

nung einzutreten […]. Nach Ihrem Verhalten sind
Sie der rechtsradikalen Szene zuzuordnen und bie-

ten keine Gewähr dafür, den genannten Pflichten

nachzukommen.

Die militärische Ordnung wäre im Falle Ihres Ver-

bleibens im Dienst ernstlich gefährdet.“2007

Darüber hinaus verlor H. nach § 30 Wehrpflichtgesetz

seinen Dienstgrad.
2008

Auch der MAD hatte zahlreiche Erkenntnisse zur Person

H., die sich nicht allein auf dessen Wehrdienstzeit be-

schränken.
2009

So gewann der MAD auch Informationen

zu H., als dieser als Leiter der „Hammerskin-Sektion“
Sachsen agierte. Hierbei wurde auch erkennbar, dass H. –
wie auch andere Führungspersonen in der rechtsextremis-

tischen Szene – eine Affinität zur Waffen- und Schieß-
ausbildung in der Bundeswehr hat.

2010
jj) Dr. Claus Nordbruch

Dr. Claus Nordbruch ist ein „rechtsgerichteter Publi-
zist“2011, der seit etwa 1986 in Südafrika lebt.2012 Er tritt
beispielsweise als Referent auf verschiedenen Veranstal-

tungen von einschlägigen Organisationen auf oder ver-
2006) Schreiben vom 20. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 25,

26.

2007) Bescheid vom 22. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 43 f.

(44).

2008) Bescheid vom 22. August 1997, MAT A BMVg-7/2, Bl. 43 f.

(44).

2009) MAD, MAT A MAD-2/8 (Tgb.-Nr. 215/13 - GEHEIM), Bl. 18.

2010) Aktenvermerk vom 15. März 2000, MAT A MAD-2/8, Pa-

ket12.4 (VS-VERTRAULICH) (Tgb.-Nr. 215/13 - GEHEIM),
Bl. 114.

2011) Schlussbericht: Komplexverfahren „Landser“ des Generalbun-
desanwaltes beim Bundesgerichtshof vom 15. Januar 2001,
MAT A SN-2/3-14, Bl. 95.

2012) E-Mailverkehr zur BKA-Anfrage um „Amtshilfe“ bzgl. Neona-
zi-Aktivitäten in ZAF, MAT A BND-3/1a, Bl. 242.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247 – Drucksache 17/14600

fasst Artikel, die etwa in der Deutschen Stimme veröffent-

licht wurden.
2013

Auch referierte Dr. Nordbruch im Jahr

1999 vor Anhängern des „THS“.2014 Durch ihn soll eine
internationale Verbindung zu Unterstützern des NSU-

Umfelds bestanden haben.
2015

Dr. Nordbruch rief bei-

spielsweise in einem Neonazi-Fanzine zu Treffen in Afri-

ka und dem Gebrauch von Waffen auf.
2016

In Südafrika

sollen Schulungen für den militärischen Bereich für „mit-
teldeutsche Jugendliche“ stattgefunden haben.2017 André
Kapke und M. B. sollen beispielsweise im August 1998 zu

einem „Arbeitseinsatz“ zu Dr. Nordbruch nach Südafrika
gereist sein.

2018
Südafrika soll weiterhin als Fluchtort für

das Trio vorgesehen gewesen sein.
2019

Auch zu Wohlleben

hatte Dr. Nordbruch Kontakt.
2020

Dr. Nordbruch war vom 1. Juli 1982 bis zum 30. Juni

1986
2021

Angehöriger der Bundeswehr
2022

. Ursprünglich

hatte Dr. Nordbruch sich auf zwölf Jahre in der Laufbahn

der Offiziere des Truppendienstes mit Studium verpflich-

tet.
2023

Vom 19. Oktober 1982 bis zum 26. März 1983 nahm

Dr. Nordbruch an einem Offizieranwärterlehrgang teil

und absolvierte diesen mit der Offiziersprüfung.
2024

Am

18. Mai 1983 wurde er zum Fahnenjunker befördert.
2025

Vom 4. Juli 1983 bis zum 30. September 1983 war er als

Gruppenführer tätig.
2026

Am 7. Februar 1984 erfolgte die

Beförderung zum Fähnrich
2027

, am 12. November 1984

zum Oberfähnrich.
2028

Eine Neufestsetzung der Dienstzeit

auf sechs Jahre (bis zum 30. Juni 1988) erfolgte am
2013) BfV, Ausführungen zu NPD-Bezügen der Verfahrensbeteiligten

des GBA im Fall „NSU“, MAT A GBA-16a, Bl. 218.

2014) Henze, Wortprotokoll über die 5. Sitzung des Untersuchungs-

ausschusses „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des
Thüringer Landtags vom 23. April 2012, MAT B TH-1/1, Bl.

39.

2015) Vermerk vom 6. Dezember 2011, Bezüge im NSU-Komplex

zur NPD- und in das Ausland, MAT A BK-4h, Bl. 54.

2016) MAT A BKA-2/5, Bl. 115.

2017) Sachstandsbericht zu Ralf Wohlleben vom 4. Juni 2012, Nach-

richtendienstliche Erkenntnisse des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz, MAT A BY-14/1e, Bl. 155.

2018) Sachstandsbericht zu Ralf Wohlleben vom 4. Juni 2012, Nach-

richtendienstliche Erkenntnisse des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz, MAT A BY-14/1e, Bl. 155.

2019) Vermerk vom 6. Dezember 2011, Bezüge im NSU-Komplex

zur NPD- und in das Ausland, MAT A BK-4h, Bl. 54.

2020) Sprechzettel ST BAO „Trio“ vom 2. Januar 2012, MAT A
BMI-5-0076, Bl. 338 ff. (352).

2021) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 409.

2022) Ernennung durch Bundesminister der Verteidigung, MAT A
BMVg-3b, Bl. 486

2023) Zusatzfragebogen zum Bewerbungsbogen, Anlage 7, MAT A

BMVg-3b, Bl. 371.

2024) Lehrgangszeugnis, MAT A BMVg-3b, Bl. 374.

2025) Planstelleneinweisung, MAT A BMVg-3b, Bl. 527.

2026) Nachweis- und Beurteilungsvermerk über Truppenverwendung,
MAT A BMVg-3b, Bl. 381.

2027) Planstelleneinweisung, MAT A BMVg-3b, Bl. 539.

2028) Planstelleneinweisung, MAT A BMVg-3b, Bl. 545

22. August 1985.
2029

Mit Wirkung vom 1. Juli 1985 wur-

de Dr. Nordbruch zum Leutnant befördert.
2030

Durch Verfügung des Personalstammamtes der Bundes-

wehr vom 18. Dezember 1985 wurde Dr. Nordbruch dann

jedoch vom Studium der Pädagogik an der Universität der

Bundeswehr in München abgelöst. Ablösungsgrund war

der Vorwurf, in der Nacht vom 29. auf den 30. August

1985 bei einer Feier mit anderen Soldaten Schallplatten

mit Reden von Hitler, Göring und Goebbels sowie mit

Märschen und Marschliedern aus dem Dritten Reich ge-

spielt und dazu gesungen zu haben. Ferner sollen Gesprä-

che mit rassistischen und obszönen Inhalten bezüglich

jüdischer Frauen geführt worden und „Sieg Heil“-Rufe
erfolgt sein.

2031
Insofern bestand der Verdacht, dass

Dr. Nordbruch mit den „nationalsozialistischen Erschei-
nungsformen und Ansichten“ sympathisierte und damit an
einem „Charaktermangel“ leide.2032 Zusätzlich wurde die
Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft München I we-

gen des Verdachts von Straftaten nach den §§ 86a, 130

StGB abgegeben.
2033

Zum 30. Juni 1986 erfolgte der Dienstaustritt.
2034

Das Strafverfahren gegen Dr. Nordbruch wurde mit Ver-

fügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Mün-

chen I vom 15. Januar 1986 eingestellt.
2035

kk) M. P.

M. P. besuchte Jan Werner am 11. Februar 2002 in der

Untersuchungshaft. Im Jahr 1998 wollte seine Ehefrau

A. P. Beate Zschäpe nach dem Untertauchen des Trios

ihren Bundespersonalausweis zur Verfügung stellen.
2036

P. ist seit Jahren in der rechten Szene aktiv und betreibt

einen rechten Szeneladen in Aue.
2037

Zuvor betrieb P.

einen Szeneladen in Limbach. Er gründete im Jahr 1994

die rechte Szeneband „AEG“ („Auf eigene Gefahr“).2038
Zudem war er in der „Blood & Honour“-Gruppierung
Sachsen aktives Mitglied. Zu P. liegen ab 1991 bis 2008

eine Vielzahl von Eintragungen zu Staatsschutzdelikten in

Sachsen vor, häufig im Zusammenhang mit seinem Ge-
2029) Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses, MAT A

BMVg-3b, Bl. 389.

2030) Ernennung durch den Bundesminister der Verteidigung, MAT
A BMVg-3b, Bl. 552.

2031) Ablösung vom Studium, MAT A BMVg-3b, Bl. 396 f.

2032) Ablösung vom Studium, MAT A BMVg-3b, Bl. 396 f (397).

2033) Abgabe an die Staatsanwaltschaft, MAT A BMVg-3b, Bl.

560 f.

2034) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 409.

2035) Verfügung Ermittlungsverfahren u. a. gegen N., StA München,

MAT A BMVg-3b, Bl. 450 f.

2036) Rechtsextreme Bestrebungen in Königs Wusterhausen aus dem
Jahr 1998, MAT A BB-1, PDF-Bl. 34 ff. (36).

2037) Schreiben der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher-

schutz Berlin vom 19. April 2013, MAT A BE-3/11, Bl. 1;
Schreiben des LKA Thüringen vom 29. Juni 2000, MAT A TH-

1/15, Bl. 29 ff. (32).

2038) Vermerk des LKA Sachsen, MAT A SN-2/3-5, Bl. 71.

Drucksache 17/14600 – 248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

werbe.
2039

Im Jahr 1991 wurde er zudem wegen Landfrie-

densbruch verurteilt, im Jahr 1992/1993 wegen Volksver-

hetzung.
2040

P. leistete vom 1. Januar 1991 bis zum

31. Dezember 1991 seinen Grundwehrdienst zunächst im

Panzergrenadierbataillon 62 und ab dem 27. März 1991

im Verdichtungsdepot 17 in Torgau.
2041

Zuletzt hatte er

den Rang eines Gefreiten.
2042

Auffälligkeiten bezüglich extremistischer Bestrebungen

von P. sind weder in den Akten des MAD, noch des

BMVg vermerkt, obwohl P. während seiner Bundeswehr-

zeit im Jahr 1991 wegen Landfriedensbruch verurteilt

wurde.

ll) David Petereit

David Petereit ist seit den 90er Jahren Aktivist in der

neonazistischen Szene Mecklenburg-Vorpommerns.
2043

Seit 2005 ist er Mitglied der NPD.
2044

Heute ist Petereit

stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Mecklen-

burg-Vorpommern sowie Vorsitzender des NPD-

Kreisverbandes Mecklenburg-Mitte.
2045

Seitdem die NPD

wieder im Schweriner Landtag vertreten ist, ist Petereit

Mitglied der Fraktion als MdL.
2046

Bis zu deren Verbot

war er außerdem Mitglied der „Mecklenburgische Akti-
onsfront“.2047

Als Herausgeber des Fanzine Der Weisse Wolf wird er mit

der ersten öffentlichen Erwähnung des NSU in dem Vor-

wort der Ausgabe 1/2002 (Nr. 18) in Verbindung ge-

bracht.
2048

Hier erfolgte eine Danksagung an den NSU.
2049
2039) Aktenvermerk der PD Südwestsachen vom 10. Februar 2012,

MAT A SN-2/4g, Bl. 5 f. (6).

2040) Personagramm zu Jan Werner, MAT A SN-2/3-5, Bl. 56 ff.

(60).

2041) Wehrdienstbescheinigung vom 9. Dezember 1991, MAT A
BMVg-7/5, Bl. 170.

2042) Truppenausweis des M. P., MAT A BMVg-7/5, Bl. 171.

2043) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-
nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A

BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).

2044) Vermerk BKA vom 29. März 2012, MAT A BY-14/1b, Bl. 153
(155).

2045) http://www.landtag-mv.de/landtag/abgeordnete/petereit-

david.html vom 17. Juni 2013.

2046) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-

nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A

BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).

2047) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-

nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A

BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).

2048) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-

nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A

BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).

2049) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-

nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A

BY-14/1b, Bl. 139 ff. (140).

Weiterführende Hinweise zu Verbindungen von Petereit

zum NSU liegen nicht vor.
2050

Petereit leistete vom 1. September 1999 bis zum 31. Juli

2001 Wehrdienst
2051

bei der 1. bzw. 3. Kompanie des

Panzerflugabwehrkanonenbataillons 141.
2052

Zuletzt wur-

de er als Stabsdienstsoldat eingesetzt.
2053

Am 26. Oktober 1999 beantragte Petereit die Verlänge-

rung seines zehnmonatigen Grundwehrdienstes auf 23

Monate.
2054

Zu diesem Zeitpunkt hatte Petereit keinerlei

Eintragungen im Disziplinarbuch.
2055

Dieser Antrag auf

freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst wurde bewilligt.
2056

Am 18. November 1999 bewarb sich Petereit für die

Teilnahme am Auslandseinsatz KFOR.
2057

Auch führte Petereit im Rahmen seiner Ausbildung ver-

schiedene Schießübungen durch.
2058

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 erhielt er eine Be-

förderung zum Gefreiten.
2059

Die Beförderung zum Ober-

gefreiten erfolgte mit Wirkung vom 1. März 2000.
2060

Ein weiterer Antrag von Petereit für einen Auslandsein-

satz (KFOR/SFOR) erfolgte am 26. April 2000
2061

, dieser

wurde jedoch mit Schreiben vom 3. Mai 2000 unter Hin-

weis auf die erneute Berücksichtigung bei frei werdenden

Kapazitäten abgelehnt.
2062

Eine erneute Beförderung, diesmal zum Hauptgefreiten,

erfolgte mit Wirkung vom 1. Juni 2000.
2063

Nachdem Petereit die Grundwehrausbildung abgeschlos-

sen hatte, wurde er als Gehilfe im Geschäftszimmer der

Personalabteilung Panzerflugabwehrkanonenregiment 14

eingesetzt.
2064

Schließlich wurde gegen Petereit ein 5-tägiger Diszipli-

nararrest beantragt, da dieser am 8. November 2000 in der

Kaserne Mecklenburgische Schweiz, Basepohl im Frei-
2050) BfV, Schreiben an das Bundesministerium des Innern, Erwäh-

nung des NSU im Weissen Wolf vom 28. März 2012, MAT A
BY-14/1b, Bl. 139 ff. (141).

2051) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 58.

2052) Versetzungs- und Kommandierungsverfügung, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 27.

2053) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-7/3, Bl. 59.

2054) Verlängerungsantrag, MAT A BMVg-7/3, Bl. 43 ff.

2055) Auszug aus dem Disziplinarbuch Teil I, MAT A BMVg-7/3,

Bl. 47.

2056) Änderung des Einberufungsbescheides, MAT A BMVg-7/3,
Bl. 48.

2057) Antrag auf Teilnahme am Auslandseinsatz Geconkfor, MAT A

BMVg-7/3, Bl. 32.

2058) Schießbuch, MAT A BMVg-7/3, Bl. 112 ff.

2059) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 31.

2060) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 50.

2061) Antrag auf Teilnahme am Auslandseinsatz KFOR/SFOR, MAT

A BMVg-7/3, Bl. 51.

2062) Ablehnung Antrag Auslandseinsatz, MAT A BMVg-7/3, Bl.
54.

2063) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 55.

2064) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-7/3, Bl. 59.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 249 – Drucksache 17/14600

zeitbüro Lieder von Frank Rennicke mit Gitarrenbeglei-

tung geübt habe.

„Ferner hat er eine Kopie des Liederbuches ‚Alle
meine Lieder von Anfang an‘ von Frank Rennicke
im militärischen Sicherheitsbereich der Kaserne

Mecklenburgische Schweiz in vorgenannter Tätig-

keit verwendet, obwohl er am 04.09.1999
2065

ak-

tenkundig belehrt wurde. Er hätte zu dem wissen

können und müssen, daß durch die geographische

Lage des Freizeitbüros direkt am Eingang der Ka-

serne KMS Soldaten von den Liedern Kenntnis er-

langen könnten, was dann auch tatsächlich bei den

Streifensoldaten geschah.“2066

In seiner Vernehmung gab Petereit seine Tätigkeiten

grundsätzlich zu.
2067

Die Tatsachen, dass einige Lieder

von Frank Rennicke indiziert sind, sowie dass er keine

politische Betätigung in der Kaserne und in Uniform

unternehmen darf, waren Petereit bekannt.
2068

Er äußerte

jedoch, dass er sich keiner Schuld bewusst sei, da das

Liederbuch seiner Ansicht nach nicht unter die am

4. September 1999 erfolgte Belehrung
2069

falle. Er habe

die Lieder extra im Freizeitbüro geübt, wo andere außer-

halb des Raumes nichts mehr hören könnten, um sich

nicht der Gefahr einer politischen Betätigung auszuset-

zen.
2070

Dass eines der Lieder die „Auschwitz-Lüge“
enthalte, habe er erst auf Nachfrage bei der Vernehmung

erkannt.
2071

Die Angelegenheit wurde am

10. November 2000 an die Staatsanwaltschaft weiterge-

geben.
2072

Der Disziplinararrestantrag wurde am 25. Januar 2001

vom Truppendienstgericht Nord abgelehnt.
2073

Begründet

wurde diese Entscheidung damit, dass man dem Soldaten

nicht nachweisen könne, exakt die Stellen gesungen und

geübt zu haben, die rechtsextremistisches Gedankengut

enthalten.
2074

Auch eine absichtliche Störung anderer

Soldaten durch seinen Gesang könne nicht bestätigt wer-

den, da er sich diesbezüglich extra in einem abgeschlos-

senen Raum aufgehalten habe.
2075

Ein Verstoß sei zwar
2065) Vgl. MAT A BMVg-7/3, 142 f.

2066) Antrag auf Disziplinararrest, MAT A BMVg-7/3, Bl. 129.

2067) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom

9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).

2068) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom
9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).

2069) Belehrung über die straf- und dienstrechtlichen Folgen des

Verwendens von Propagandamitteln rechtsradikaler Organisati-

onen im Bereich der Bundeswehr, MAT A BMVg-7/3, Bl. 142.

2070) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom

9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).

2071) Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom

9. November 2000, MAT A BMVg-7/3, Bl. 131 ff. (132).

2072) Antrag auf Disziplinararrest, MAT A BMVg-7/3, Bl. 129 f.

2073) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-

7/3, Bl. 170 ff.

2074) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff.

2075) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-

7/3, Bl. 170 ff. (171).

objektiv gegeben, jedoch fehle es an einem subjektiven

Tatvorwurf, da Petereit unter anderem entsprechende

Dienstvorschriften nicht gekannt habe und die Belehrung

vom 4. September 1999 hierfür nicht ausreiche.
2076

Des

Weiteren fehle bezüglich der „Auschwitz-Lüge“ das
Merkmal der Öffentlichkeit sowie ein Hinweis, dass

Petereit die Judenvernichtung billige, leugne oder ver-

harmlose.
2077

Ein

„gewisses Mindestmaß an Gewicht und Evidenz
der Pflichtverletzung“2078

sei nicht gegeben, da

„dem Soldaten nicht nachgewiesen werden kann,
daß er auch antisemitische, ausländerfeindliche

oder sonst rechtsextremistische Zeilen gesungen

hat.“2079

Insofern erfolgten keine aktenkundigen Disziplinarmaß-

nahmen gegen Petereit. Die Tatsache, dass er im Rahmen

seiner Wehrdiensttätigkeit rechtsextremistisches Gedan-

kengut aufwies bzw. dass er sich bewusst mit diesem

auseinandersetzte und im Rahmen von Liedern verherr-

lichte, fand folglich letztlich keine disziplinarrechtliche

Beachtung.

Am 16. Oktober 2001 wurde Petereit stattdessen der

Einberufungsbescheid zur Alarmreserve zugestellt.
2080

Petereit bekundete sein Interesse an künftigem freiwilli-

gem Engagement als Reservist auch bezüglich von Aus-

landseinsätzen im Rahmen einer Erstbefragung mit Da-

tum vom 5. Juni 2005.
2081

Eine Beorderung erfolgte im

März 2006
2082

. Diese wurde jedoch mit Wirkung vom

21. November 2007 wieder aufgehoben.
2083

Die Aufhe-

bung erfolgte aus organisatorischen Gründen, nicht auf-

grund des vorangegangenen Vorfalls.
2084

mm) T. Ro.

T. Ro. war Mitglied bei der „Blood & Honour“-
Gruppierung und kannte das Trio in den 90er Jahren von

unterschiedlichen Veranstaltungen.
2085

Nach Untertau-

chen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe am

26. Januar 1998 quartierten diese sich circa zwei bis drei
2076) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-

7/3, Bl. 170 ff. (171).

2077) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-

7/3, Bl. 170 ff. (172).

2078) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-
7/3, Bl. 170 ff. (172).

2079) Beschluss im Arrestzustimmungsverfahren, MAT A BMVg-

7/3, Bl. 170 ff. (172).

2080) Einberufungsbescheid, MAT A BMVg-7/3, Bl. 68

2081) Erstbefragung, Dienstzeugnis, MAT A BMVg-7/3, Bl. 65.

2082) Mitteilung einer Beorderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 77.

2083) Aufhebung einer Beorderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 80.

2084) Aufhebung einer Beorderung, MAT A BMVg-7/3, Bl. 80.

2085) Vermerk des BKA vom 16. Mai 2012 im Ermittlungsverfahren
gegen Beate Zschäpe zum Auftrag PR vom 15. Mai 2012 zur

Zugehörigkeit des Trios zu „Blood & Honour“, MAT A GBA-
15a, Bl. 97 ff. (98).

Drucksache 17/14600 – 250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wochen in Ro.s Wohnung ein.
2086

In seiner Vernehmung

ging der Beschuldigte Starke davon aus, dass Ro. auch

nach deren Auszug weiter Kontakt zum Trio hatte.
2087

Ro.

selbst gab in seiner Vernehmung an, das Trio 2000 oder

2001 zwei- bis dreimal in Zwickau besucht zu haben.
2088

Ro. leistete vom 3. Januar 1994 bis zum

31. Dezember 1994 seinen Grundwehrdienst in der 5.

Kompanie des Pionierbataillons 701 in Gera.
2089

Seine

Allgemeine Grundausbildung absolvierte Ro. vom

3. Januar 1994 bis zum 30. März 1994 im oben genannten

Bataillon.
2090

Zudem schloss Ro. vom 5. April 1994 bis

zum 30. Juni 1994
2091

eine Spezialgrundausbildung ab,

bei der er die Lehrfächer „Gerät für den Pionierdienst“,
„Sprengen“, „Anlegen von Sperren“ und „Überwinden
von Sperren“ besuchte.2092 Ro. wurde am 1. Januar 1995
vom Gefreiten zum Hauptgefreiten befördert.

2093
Aus der Personalakte Ro.s bei der Bundeswehr ist nicht

ersichtlich, ob er während seiner Grundwehrdienstzeit

rechtsextremistisch aufgefallen ist oder als Rechtsextre-

mist eingestuft wurde. Akten des MAD zu Ro. gibt es

nicht.

nn) T. R.

T. R. ist ehemaliges Vorstandsmitglied der NPD in Thü-

ringen und war in den 90er Jahren im „THS“ aktiv.2094
Nach eigenen Angaben hat er sich vor einigen Jahren von

der rechten Szene distanziert.
2095

Beate Zschäpe und Uwe

Mundlos habe er Anfang der 90er Jahre im „Winzerclub“
in Jena kennengelernt, Uwe Böhnhardt erst im Jahr

1998.
2096

Nach Untertauchen des Trios 1998 habe er kei-

nen Kontakt mehr zu diesem gehabt und auch deren Auf-

enthaltsort nicht gekannt.
2097
2086) Personenbericht des BKA vom 20. April 2012 im Ermittlungs-

verfahren zu Beate Zschäpe, MAT A GBA-14/1a, Bl. 521 ff.

(553); Bericht des BKA vom 2. August 2012, Erkenntnisse zu

der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung Nationalsozialis-
tischer Untergrund, MAT A GBA-14/1e, Bl. 239 ff. (304).

2087) Beschuldigtenvernehmung des Thomas Starke durch das BKA

vom 25. Januar 2012, MAT A GBA-4/30, Bl. 23 ff. (43).

2088) Sachstandsbericht des BKA vom 27. März 2012 im Ermitt-

lungsverfahren zu Beate Zschäpe, MAT A GBA-14/1b, Bl. 388

ff. (395).

2089) Wehrdienstbescheinigung von November 1994, MAT A

BMVg-7/2, Bl. 143 .

2090) Lehrgangszeugnis der Allgemeinen Grundausbildung vom
22. März 1994, MAT A BMVg-7/2, Bl. 136.

2091) Datum ist aus den Akten nicht deutlich lesbar.

2092) Lehrgangszeugnis zur Spezialgrundausbildung, MAT A
BMVg-7/2, Bl. 140; Gesamtnotenüberlick, MAT A BMVg-7/2,

Bl. 141.

2093) Truppenausweis des T. Ro., MAT A BMVg-7/2, Bl. 123.

2094) Zeugenvernehmung des T. R. vom 13. Dezember 2011, MAT A

GBA-4/26, Bl. 17 ff. (19).

2095) Erkenntnisse des GBA vom 10. Dezember 2011, MAT A GBA-

4/26, Bl. 12 ff. (14).

2096) Erkenntnisse des GBA vom 10. Dezember 2011, MAT A GBA-
4/26, Bl. 12 ff. (14).

2097) Zeugenvernehmung des T. R. vom 13. Dezember 2011, MAT A

GBA-4/26, Bl. 17 ff. (20).

R. leistete von 1. März 2000 bis zum 31. Dezember 2000

seinen Grundwehrdienst bei der 2. Kompanie des Panzer-

artilleriebataillons 55 in Homberg ab.
2098

Bereits im April 1995 unterschrieb R. eine Bereitschafts-

erklärung, sich an Friedensmissionen der Vereinten Nati-

onen im Ausland beteiligen zu wollen.
2099

Eine Reaktion

auf diese Erklärung ist aus der Personalakte nicht ersicht-

lich und auch R. erklärte in einer Befragung durch den

MAD, dass er sich bei der Bundeswehr habe freiwillig

melden wollen, dies aber „nicht geklappt“ habe.2100

Während seines Grundwehrdienstes wurde R. als Richt-

kanonier an der Panzerhaubitze M 109 A36 und im Um-

gang mit Explosivstoffen speziell ausgebildet. Nach sei-

ner erfolgreichen Spezialgrundausbildung wurde R. an der

M 109 A36 als Munitions- und Ladekanonier weiterge-

bildet. Zudem nahm R. vom 4. Mai 2000 bis zum

11. Mai 2000 an einer Wachausbildung der 2. PzArt.Btl.

55 teil.
2101

Darüber hinaus absolvierte er vom

21. März 2000 bis zum 24. März 2000 eine Ausbildung

als Helfer im Sanitätsdienst.
2102

Im Laufe seines Grundwehrdienstes wurde R. am

1. September 2000 vom Gefreiten zum Obergefreiten

befördert.
2103

Über Auffälligkeiten zur Person R. in Bezug auf Rechts-

extremismus ist in der Personalakte nichts zu finden.

Jedoch fand während seiner Zeit bei der Bundeswehr eine

Befragung des MAD statt.
2104

In diesem Gespräch beant-

wortete R. sehr offen die ihm gestellten Fragen und erläu-

terte seinen Einstieg in die Szene sowie seine politischen

Einstellungen. So erklärte R. beispielsweise:

„Im 3. Reich seien nicht so viele Juden getötet
worden, wie immer behauptet werde, ob 6 oder 2

Millionen, wer wisse das schon. Schließlich sei er

nicht dabei gewesen, aber wenn 6 Millionen ver-

gast worden wären, stünden die Leute heute noch

am Ofen. Die Problematik der Ausschwitzlüge sei

ihm bekannt.

Adolf Hitler sei ein Mann, der etwas erreicht habe.

Vom Gefreiten im 1. Weltkrieg zum Reichskanzler

sei eine große Leistung. Er sei ein großer Mann
2098) Einberufung zum Grundwehrdienst vom 16. Januar 2000 und

Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,

Bl. 20, 46.

2099) Auskunft über die Bereitschaft, den Wehrdienst in Truppentei-

len abzuleisten, die für Friedensmissionen der Vereinten Natio-

nen eingesetzt werden können, MAT A BMVg-3/1, Bl. 18.

2100) Befragung von T. R. aus dem Jahr 2000, MAT A MAD-2/5,
Bl. 2.

2101) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,

Bl. 46.

2102) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,

Bl. 46.

2103) Beförderungsschreiben vom 15. August 2000, MAT A BMVg-
3/1, Bl. 41.

2104) Die Befragung datiert laut Mitteilung des BMVg vom

15. November 2000, MAT B BMVg-1, Bl. 1.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251 – Drucksache 17/14600

gewesen, sonst wären ja wohl nicht so viele hinter

ihm hergelaufen.“2105

Der MAD beschrieb R. in einer sich an die Befragung

anschließenden Beurteilung als einen offenen, freundli-

chen jungen Mann.
2106

Seine Offenheit bewertete der

MAD mit der Tatsache, dass sich R. bewusst war, bei

einem gesetzeskonformen Verhalten durch die Verfas-

sungsschutzbehörden nicht angreifbar zu sein. Grund für

die Auskunftsbereitschaft könne sein, dass er im Auftrag

der Szene versuchen sollte, Informationen über die Ar-

beitsweise des MAD zu beschaffen. Es solle aber auch die

Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sich R. in

einem Umbruch befinde und zögerlichen Kontakt zum

Ausstieg aus der Szene suche, wofür einige Dinge sprä-

chen.
2107

Weiter heißt es:

„Selbst wenn die Befrager nachbohrten und das
berechtigte Interesse an bestimmten Internas ver-

deutlichten, blieb die VP freundlich. Sie zeigte so-

gar Verständnis für die Belange des MAD und bat

darum, auch sie zu verstehen, nichts erzählen zu

können. Die VP wird als glaubwürdig beurteilt.

Insgesamt gesehen, insbesondere aufgrund ihrer

eigenen Einlassungen, ist die VP als Rechtsextre-

mist in der Bundeswehr zu sehen.

[…] Die VP ist in der Szene JENA stark verhaftet
und zählt dem Anschein nach zum engeren Kreis

des THS.“2108

Eine Weiterleitung der gewonnen Erkenntnisse durch den

MAD an die Dienstvorgesetzten von R. ist laut dem

VERANDA-Auszug am 9. August 2000 erfolgt.
2109

Nach

der Befragung wurde bezüglich R. vermerkt:

„Nach Auffassung besteht eine kleine Chance mit
der VP weiter in Kontakt zu bleiben und diese

möglicherweise an das LfV/TH übergeben zu kön-

nen.“2110

Am 19. Dezember 2000 gab es ein Treffen mit R., Vertre-

tern des MAD und Vertretern des LfV Thüringen.
2111

Beim LfV Thüringen betätigte sich R. in den Jahren von

Ende 2000 bis Mai 2001 im Anschluss tatsächlich mehr-

fach als Hinweisgeber.
2112

Am 29. Oktober 2002 wurde vom MAD der Soldat A. K.

befragt, der angab, dass R. Wehrsportübungen geleitet

habe, bei denen er seine „Rekruten“ körperlich bestrafte,
2105) Befragung von T. R., MAT A MAD-2/5, Bl. 5.

2106) Beurteilung zur Person des Befragten, MAT A MAD-2/5, Bl. 9.

2107) Beurteilung der Person des Befragten, MAT A MAD-2/5, Bl. 9,

10.

2108) Beurteilung zur Person des Befragten, MAT A MAD-2/5, Bl. 9.

2109) VERANDA-Auszug des MAD, MAT A MAD-2/5, Bl. 11.

2110) Beurteilung zur Person des Befragten, MAT A MAD-2/5,

Bl. 10.

2111) Erkenntnisse zu T. R. , MAT B BMVg-1, Bl. 1.

2112) Erkenntnisse des GBA vom 10. Dezember 2011, MAT A GBA-

4/26, Bl. 12 ff. (14).

und dass R. im Jahr 2000 an der Schändung eines jüdi-

schen Denkmals in Jena beteiligt war. Diese Erkenntnisse

finden in der Personalakte von R. keine Beachtung, da die

Befragung des Soldaten K. im Jahr 2002, also nach der

Grundwehrzeit von R., stattfand.
2113

Dem Dienstzeugnis, welches nur unvollständig vorliegt,

lässt sich eine abschließende Benotung R.s nicht entneh-

men.
2114

Seine Wehrdienstzeit konnte R. trotz der Offen-

legung seiner rechtsextremistischen Einstellung gegen-

über dem MAD regulär ableisten und sogar an einer Spe-

zialausbildung mit hochexplosiven Stoffen
2115

teilnehmen.

oo) H.-J. S.

Ein aus den Jahren 1995 bis 1997 stammender Schriftver-

kehr, der am 26. Januar 1998 in der vom Trio angemiete-

ten Garage gefunden wurde, belegt, dass H.-J. S. sowohl

Böhnhardt, Mundlos als auch Zschäpe persönlich kann-

te.
2116

In den Jahren ab 1994 sei es zu regelmäßigen ge-

genseitigen Besuchen gekommen.
2117

Auch staunte

Mundlos im Jahr 1996 in einem der Briefe, der an Thomas

Starke adressiert war, über die Waffen, die S. besitze.
2118

Nicht klar ist, ob es sich dabei um echte Waffen oder um

Deko-Waffen handelte.
2119

Gegen S. wurden 2009 wegen

Verstoßes gegen das Waffengesetz, Besitz von erlaubnis-

pflichtiger Munition und verbotenen Gegenständen i. S. d.

Waffengesetzes und wegen Volksverhetzung Verfahren

eingeleitet.
2120

S. befand sich auch auf der in der angemie-

teten Garage des Trios am 26. Januar 1998 gefundenen

Adressliste.
2121

Vom 1. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1992 leistete S. seinen

Grundwehrdienst und war zuletzt in der Nachschubkom-

panie 280 in Dornstadt eingesetzt. Dort war er für die

ordnungsgemäße Lagerung und den Transport von Muni-

tion verantwortlich.
2122

Mit Wirkung zum 1. Juni 1992

wurde S. zum Hauptgefreiten d. R. befördert.
2123

In sei-

nem Dienstzeugnis werden sowohl seine Führung als
2113) Befragung des Soldaten A. K. vom 29. Oktober 2002, MAT A

MAD-2/5, Bl. 14 ff.

2114) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,
Bl. 46.

2115) Dienstzeugnis vom 18. Dezember 2000, MAT A BMVg-3/1,

Bl. 46.

2116) Vermerk des BKA vom 13. Juni 2012 zum Ermittlungsverfah-

ren gegen Thomas Starke, MAT A GBA-13, Bl. 279 ff. (280).

2117) Zeugenvernehmung von Barbara E. durch das BKA vom

24. Juli 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 329 ff. (334).

2118) Bericht zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-

Württemberg durch das LKA Baden-Württemberg (Stand: Ja-
nuar 2013), MAT A GBA-13, Bl. 282 ff. (294, 295).

2119) Zeugenvernehmung von Barbara E. durch das BKA vom

24. Juli 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 329 ff. (349).

2120) Anschreiben des IM BW vom 9. April 2013, MAT A BW-13b,

Bl. 1 ff. (8).

2121) Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 282, 283.

2122) Dienstzeugnis vom 10. Juni 1992, MAT A BMVg-7/5, Bl. 252.

2123) Beförderungsschreiben vom 16. Juni 1992, MAT A BMVg-7/5,

Bl. 247.

Drucksache 17/14600 – 252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch die Leistungen seiner Tätigkeit als Nachschubsoldat

mit „sehr gut“ bewertet.2124

Erkenntnisse zu rechtsextremistischen Bezügen während

oder vor seiner Wehrdienstzeit sind weder den Akten des

MAD noch des BMVg zu entnehmen. Allerdings bat der

MAD mit Schreiben vom 15. Februar 1997 um umgehen-

de, verdeckte Mitteilung, sollte der Wehrpflichtige zu

Wehrübungen einberufen werden oder sich freiwillig zum

Wehrdienst melden. Eine Begründung hierfür geht aus

dem Schreiben nicht hervor.
2125

pp) K. S.

K. S. war der Freund von Mandy Struck, was im Rahmen

von Observationsmaßnahmen zu Böhnhardt festgestellt

wurde.
2126

Als vermutliche Kontaktperson des Böhnhardt

wurde auch S. selbst im Jahr 2000 observiert.
2127

Die

Maßnahmen waren jedoch ergebnislos und wurden inso-

fern eingestellt.
2128

Bezüglich S. ergibt sich aus der Personalakte, dass dieser

vom 1. April 1995 bis zum 31. Januar 1996 Wehrdienst

leistete
2129

und zuletzt als Flugabwehrraketenbediener

Patriot in der 2. Staffel eingesetzt war.
2130

Mit Wirkung

zum 1. Oktober 1995 erfolgte eine Beförderung zum

Gefreiten,
2131

mit Wirkung zum 1. Februar 1996 zum

Obergefreiten der Reserve.
2132

Weitere Ausbildungen

erfolgten zum Soldaten der Luftwaffensicherheitsgruppe,

zum Helfer im Sanitätsdienst und zum

ABC/Selbstschutzsoldat.
2133

Während seiner Grundaus-

bildung erlernte S. das Schießen mit verschiedenen Waf-

fen.
2134

Aus einem Erkenntnisaustausch von Juli 1995 zwischen

dem MAD und dem LfV Bayern geht hervor, dass eine

Verbindung des S. zur rechtsextremistischen Skinhead-

Szene und ein gegen ihn anhängiges Verfahren nach § 86

a StGB bekannt waren.
2135

Das LfV Bayern sendete im

Rahmen dieses Erkenntnisaustauschs am 24. Juli 1995 an

den MAD eine Erkenntnisauflistung zu S., aus welcher

die Teilnahme an Skinhead-Auseinandersetzungen (u. a.

Ruhestörung und Randale), die Mitgliedschaft in einer

Skinhead-Gruppierung sowie die Verurteilung aufgrund
2124) Dienstzeugnis vom 10. Juni 1992, MAT A BMVg-7/5, Bl. 252.

2125) Schreiben des MAD vom 15. Februar 1997, MAT A BMVg-

7/5, Bl. 256.

2126) LKA TH, Anlage zu TKÜ-Maßnahmen des Dezernats
12/Zielfahndung vom 7. März 2003, MAT A TH-2/16, Bl. 327

ff. (330).

2127) Ersuchen Unterstützung des LKA TH, MAT A SN-7/9, Bl. 43,
Observationsbericht S. vom 5. Oktober 2000, Bl. 47 ff.

2128) Schäfer-Bericht, MAT A TH-6, Bl. 142, Rn. 283.

2129) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 663.

2130) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-3b, Bl. 661.

2131) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 658.

2132) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 659.

2133) Dienstzeugnis, MAT A BMVg-3b, Bl. 661

2134) Schießbuch, MAT A BMVg-3b, Bl. 621 f.

2135) Erkenntnisaustausch, MAT A MAD-2/6, Bl. 25.

des § 86 a StGB aus dem Jahr 1992 hervorgehen.
2136

Insofern lagen über S. in der Zeit seiner Ableistung des

Grundwehrdienstes Informationen darüber vor, dass er

sich in rechtsextremistischen Kreisen bewegte und auch

rechtsextremistisch motivierte Tätigkeiten durchführte.

Aus den Akten geht nicht hervor, dass diesbezüglich

Gegenmaßnahmen unternommen wurden.

qq) T. S.

T. S. wurde 2002 vom LG Berlin wegen Verwendens von

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu zwei

Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. In diesem

Urteil wurde auch ausgeführt, dass S. seit Jahren in der

rechten Szene verankert sei.
2137

Eine Quelle des PP Dort-

mund gab zudem an, S. zusammen mit Mundlos am

1. April 2006, drei Tage vor dem Mord an Mehmet

Kubaşik in Dortmund, am dortigen Bahnhof gesehen zu
haben.

2138
Etwaige Kontakte zum Trio, bis auf die unbe-

stätigte Mitteilung der Quelle, sind aus den übersandten

Unterlagen nicht ersichtlich.

S. leistete seinen Grundwehrdienst vom 4. Oktober 1994

bis zum 30. September 1995 in der 5. Kompanie des Pan-

zerbataillons 373 (Heer) in Doberlug-Kirchhain.
2139

Ab

dem 1. Januar 1995 wurde S. als Militärkraftfahrer auf

dem Kampfpanzer Leopard 1A5 ausgebildet.
2140

S. wurde

einmalig am 1. April 1995 zum Gefreiten befördert.
2141

Wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erhielt er am

31. Mai 1995 eine Förmliche Anerkennung. In dieser wird

ausgeführt:

„Er hat während des Truppenübungsplatzaufent-
halts auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück vom

05.05.95 bis 26.05.95 als Panzerfahrer die beiden

anderen Kraftfahrer und Lehrgangsteilnehmer des

MFT-Zuges der 6. Kompanie mit angeleitet und

dabei ein überdurchschnittliches Verantwortungs-

bewusstsein sowie besonders hohe Einsatzbereit-

schaft gezeigt.“2142

Rechtsextremistische Erkenntnisse zu S. lagen dem

BMVg offensichtlich nicht vor. Auch in den Akten des

MAD finden sich keine Dokumente, die belegen, dass S.

dem MAD auffällig geworden sei. Jedoch richtete sich am

23. April 1997 ein Ersuchen des MAD an das Kreiswehr-

ersatzamt Cottbus, mit der Bitte auf Unterrichtung vor

„Einplanung/Einberufung des Wehrpflichtigen zu einer
2136) Erkenntnisaustausch, MAT A MAD-2/6, Bl. 26.

2137) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002,

Az. (502) 81 Js 3900/02 KLs (36/02), MAT A GBA-15c/,

Bl. 62 ff.

2138) Bericht des BKA im Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschä-

pe vom 13. Dezember 2011, MAT A GBA-15c/, Bl. 8 ff. (8).

2139) Wehrdienstbescheinigung, MAT A BMVG-3/10, Bl. 38.

2140) Dienstzeugnis vom 27. September 1995, MAT A BMVg-3/10,

Bl. 40.

2141) Beförderungsschreiben vom 31. März 1995 zum 1. April 1995,
MAT A BMVg-3/10, Bl. 34.

2142) Förmliche Anerkennung vom 31. Mai 1995, MAT A BMVg-

3/10, Bl. 35.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 253 – Drucksache 17/14600

Wehrübung“.2143 Hierbei stellt sich die Frage nach dem
Hintergrund der Unterrichtungsbitte durch das MAD.

rr) Carsten Schultze

Carsten Schultze gehörte der „Kameradschaft Jena“ an,
welche zu den Sektionen des „THS“ zählt.2144 Schultze
stand aufgrund dieser Mitgliedschaft neben Wohlleben

und Kapke mit dem Trio in enger Verbindung.
2145

Teil-

weise war Schultze sogar einzige Kontaktperson des

Trios.
2146

Beispielsweise stieg er im März 1999 in die

ehemalige Wohnung der Zschäpe ein, um Sachen für

diese zu holen
2147

und überwies im April 1999 Spenden-

gelder für die geflüchteten Drei.
2148

Am 20. Mai 1999 soll

ein NPD-Kreisverband in Jena gegründet worden sein,

dessen Vorsitz Schultze übernahm.
2149

Ab Ende 2000 beteiligte sich Schultze aus persönlichen

Gründen nicht mehr an politischen Aktivitäten, trat aus

seinen Ämtern aus und zog sich aus der rechtsextremisti-

schen Szene zurück.
2150

Er äußerte letztlich während des

Ermittlungsverfahrens, dass er für die Waffenbesorgun-

gen und -übergaben an das Trio mitverantwortlich

war.
2151

Über Schultze liegt dem Bundesverteidigungsministerium

keine Personalakte vor.

Am 29. Juni 1999 wurde vom BMVg in einem Treffbe-

richt vermerkt, dass bei einer Einberufung von Schultze

zum Grundwehrdienst zwingend die Aufnahme einer

nachrichtendienstlichen Operation im Aufgabenbereich

Extremismus-/Terrorismusabwehr erforderlich sei.
2152

Ebenfalls im Jahr 1999 lagen dem MAD Informationen

vor, dass Schultze künftig eine verstärkte Rolle im „THS“
zukommen würde.

2153

2143) Schreiben des MAD vom 23. April 1997, MAT A BMVg-3/10,

Bl. 49.

2144) Auswertevermerk zum „Thüringer Heimatschutz“ vom
20. Dezember 2011, MAT A BY-14/1a, Bl. 48 ff. (53).

2145) Auswertevermerk zum „Thüringer Heimatschutz“ vom
20. Dezember 2011, MAT A BY-14/1a, Bl. 48 ff. (65).

2146) Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, Erkenntnisse zu

den Personen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, MAT A BY-

14/1a, Bl. 67 (78 f.).

2147) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Uwe Mundlos (Anlage

A), MAT A BY-14/1a, Bl. 67 (106).

2148) Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, Erkenntnisse zu

den Personen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, MAT A BY-

14/1a, Bl. 67 (78).

2149) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Carsten Schultze, MAT
A BY-14/1a, Bl. 428 (433).

2150) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Carsten Schultze, MAT

A BY-14/1a, Bl. 428 (436).

2151) BKA; Auswertung der Angaben der Beschuldigten, MAT A

BY-14/1a, Bl. 494 f.

2152) Treffbericht, MAT A BMVg-5/4, (Tgb.-Nr. 43/12 – VS-
VERTRAULICH) Bl. 41 ff. (47).

2153) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1238.

Des Weiteren war in den Akten des MAD vermerkt, dass

Schultze zum Kreisverbandsvorsitzenden eines NPD-

Kreisverbandes in Jena gewählt wurde.
2154

Schultze erhielt nach eigenen Angaben einen Einberu-

fungsbescheid zur Ableistung des Grundwehrdienstes.
2155

Jedoch teilte das Kreiswehrersatzamt ihm kurzfristig mit,

dass von einer Einberufung Abstand genommen wer-

de.
2156

Hierüber sei Schultze sehr verärgert gewesen, da er

unbedingt für den Dienst an der Waffe habe ausgebildet

werden wollen.
2157

ss) S. T.

S. T. wurde als mutmaßlicher Aktivist des „THS“ genannt
und war in der Kameradschaft/Sektion Saalfeld-

Rudolstadt aktiv.
2158

Letztere Erkenntnis war bereits im

Jahr 1995 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen

Verdachts eines Verstoßes gegen § 129 StGB bekannt.
2159

S. T. leistete vom 1. April 1996 bis zum 31. Januar 1997

seinen Grundwehrdienst als Kraftfahrzeug- und Panzer-

schlosser, zuletzt in der 1. Kompanie des Transportbatail-

lons 133 in Erfurt.
2160

Mit Wirkung zum 1. Oktober 1996

wurde S. T. zum Obergefreiten befördert.
2161

In seinem

Dienstzeugnis wurden seine Führung mit „befriedigend“,
seine Leistungen mit „gut“ bewertet.2162

Dem VERANDA-Auszug lässt sich entnehmen, dass S. T.

durch den MAD mehrfach befragt wurde. Die Gespräche

fanden am 18. Juni 1996
2163

, am 9. Juli 1996
2164

und am

16. Januar 1997
2165

statt. Er wurde im VERANDA-

Auszug als Angehöriger und Aktivist der „Anti-Antifa
Ostthüringen“ bewertet, ein verfassungsfeindlicher Hin-
tergrund wurde bejaht. Der MAD stellte am

3. November 1997 ein Ersuchen auf Nichtheranziehung

zu Wehrübungen. Außerdem wurden das LfV Thüringen,
2154) MAT A MAD-4/1 (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),

Bl. 41 f.

2155) BfV, Erkenntniszusammenstellung zu Carsten Schultze, MAT

A BY-14/1a, Bl. 428 (435).

2156) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 769.

2157) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr.18/12 – VS-VERTRAULICH),
Bl. 1847.

2158) MAT B TH-3 2862.00-26-1997 (Band 2), PDF-Bl. 37.

2159) Bericht im Ermittlungsverfahren des LKA Thüringen vom

13. November 1995, MAT A TH-2/41, Bl. 2 ff. (4).

2160) Dienstzeugnis vom 20. Januar 1997, MAT A BMVg-3/14,

Bl. 290.

2161) Beförderungsschreiben vom 30. September 1996, MAT A
BMVg-3/14, Bl. 288.

2162) Dienstzeugnis vom 20. Januar 1997, MAT A BMVg-3/14,

Bl. 290.

2163) Befragung durch den MAD vom 18. Juni 1996, MAT A

BMVg-3/14, Bl. 324 ff.

2164) Befragung durch den MAD vom 9. Juli 1997, MAT A BMVg-
3/14, Bl. 337 ff.

2165) Befragung durch den MAD vom 16. Januar 1997, MAT A

BMVg-3/14, Bl. 345 ff.

Drucksache 17/14600 – 254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das LfV Bayern und das BfV über den Sachstand zu S. T.

informiert.
2166

In der Befragung des MAD vom 18. Juni 1996 wurde zu

den Ausführungen von S. T. festgehalten:

„Eine SaZ-4 Freiwilligenbewerbung (FA-Süd) sei
aus gesundheitlichen Gründen negativ beschieden

worden bzw. die Einberufung nach TH ermögliche

es der VP, die kameradschaftl./ freundschaftlichen

Kontakte im Bereich

RUDOLSTADT/SAALFELD zu pflegen/zu inten-

sivieren, daher sei der GWD bis dato ,optimal ge-

laufen‘. […]2167

Auf die Frage, wie die VP z. B. Rechtsextremisten

beurteile, die in der Bw Dienst leisten, antwortete

sie, daß hier bei der richtigen Definition des

Rechtsextremisten eine Gefährdung der Streitkräf-

te durchaus erkennbar ist, z. B. was Waffenbe-

schaffungsversuche, Beeinflussung von Soldaten

od. politische Agitation usw. betrifft. Derartige

Aktivitäten würde T., S. nicht befürworten, da sich

der größte Teil der Wehrpflichtigen aufgrund des

Alters/der Unerfahrenheit der Tragweite entspre-

chender Handlungsweisen nicht bewußt ist/die Ge-

fahren nicht erkennt.“2168

In der Befragung des MAD vom 9. Juli 1996 gab S. T. an,

dass der MAD akzeptieren müsse, dass er auch während

der Ableistung des Wehrdienstes seine Kontakte zur „An-
ti-Antifa“ und weiteren Komplexen aufrecht erhalten
werde sowie an Veranstaltungen, Treffen usw. teilnehmen

werde.
2169

Auch führte S. T. in einer weiteren Befragung

am 16. Januar 1997 durch den MAD aus, dass er sich als

politisch aktiver Nationalist verstehe und auch in Zukunft

verstehen werde, der nur ein national geprägtes Deutsch-

land akzeptieren könne:

„Denn klar ist, daß es so wie bisher nicht in dieser
Republik weitergehen kann; die Zeit wird zeigen,

welche Staatsform dann die Bürger fordern wer-

den.“

„Die Demokratie/die derzeitige Parteienlandschaft
ist doch für die Probleme verantwortlich, also

müssen diese abgeschafft werden.“2170

Trotz seiner eindeutigen rechtsextremistischen Einstel-

lung konnte S. T. seinen Wehrdienst regulär ableisten.
2166) VERANDA-Auszug, MAT A BMVg-3/14, Bl. 317.

2167) Befragung durch den MAD vom 18. Juni 1996, MAT A

BMVg-3/14, Bl. 324 ff. (324).

2168) Befragung durch den MAD vom 18. Juni 1996, MAT A

BMVg-3/14, Bl. 324 ff. (333).

2169) Befragung durch den MAD vom 9. Juli 1996, MAT A BMVg-
3/14, Bl. 337 ff. (342).

2170) Befragung durch den MAD vom 16. Januar 1997, MAT A

BMVg-3/14, Bl. 345 ff. (346 f.).

tt) R. W.

R. W. gehörte laut dem BKA in den 90er Jahren der rech-

ten Skinheadszene in Jena an und spielte mit Tom Turner

in der Band „Vergeltung“. Anfang der 90er Jahre war er
zudem mit Uwe Mundlos befreundet, bis sich dieser stär-

ker politisch orientierte.
2171

Die Zeugin Ulrike P. erklärte

in ihrer Vernehmung vom 6. Juni 2012, dass sie sich vor

1996 in einer Clique mit Böhnhardt, Mundlos und Zschä-

pe befunden hätte, in der auch W. zugegen war.
2172

In

einem Informationsschreiben über die Anmeldung einer

Demonstration des „Thüringer Heimatschutzes“ vom
8. Februar 1995, welche von Zschäpe abgegeben wurde,

wurde W. als stellvertretender Leiter der Demonstration

aufgeführt. In diesem Informationsschreiben wurde zu-

dem erwähnt, dass W. wegen Landfriedensbruch und

Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Or-

ganisationen einschlägig vorbestraft sei.
2173

W. war au-

ßerdem auf der am 26. Januar 1998 in der vom Trio an-

gemieteten Garage gefundenen Adressliste aufgeführt.
2174

W. leistete vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Oktober 1997

seinen Grundwehrdienst als Pipelinepionier in der Spezi-

alpionierkompanie 700 in Tautenhain.
2175

Am

23. Juni 1997 wurde W. mit Wirkung zum 1. Juli 1997

vom Gefreiten zum Obergefreiten befördert.
2176

Trotz der Vorbestrafung W.s wegen Landfriedensbruch

und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger

Organisationen und seiner Zugehörigkeit zum „THS“
bereits vor seiner Bundeswehrzeit, sind weder aus den

Akten des BMVg noch aus denen des MAD Erkenntnisse

zu W. vermerkt.

uu) J. W.

Gegen J. W. wurde am 23. Januar 2012 ein Ermittlungs-

verfahren mit dem Vorwurf der Unterstützung des NSU

als terroristischer Vereinigung ab 2002 und wegen Beihil-

fe zu besonderes schwerem Raub im Jahr 1998 eingelei-

tet.
2177

Er soll dem Trio etwa im September 1998 eine

Schusswaffe besorgt und zur Verfügung gestellt haben,

damit dieses Raubüberfalle begehen konnte.
2178

W. hatte
2171) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012 zum Ermittlungsverfah-

ren gegen Beate Zschäpe und den Ermittlungen zu den Telefon-

listen des Mundlos, MAT A GBA-4/34, Bl. 155 ff. (173).

2172) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012 zum Ermittlungsverfah-
ren gegen Beate Zschäpe und den Ermittlungen zu den Telefon-

listen des Mundlos, MAT A GBA-4/34, Bl. 155 ff. (165, 166).

2173) Information über die Anmeldung einer Demonstration in Jena

für den 11. 2. 1995 durch die „Interessengemeinschaft Thürin-
ger Heimatschutz“, MAT B TH_25-1202-62012, Bl. 481 ff.
(481, 482).

2174) Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 282, 283.

2175) Versetzungsverfügung vom 16. Juni 1997, MAT A BMVg-

7/2, Bl. 180.

2176) Beförderungsschreiben vom 23. Juni 1997, MAT A BMVg-7/2,

Bl. 181.

2177) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (123).

2178) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,

Bl. 120 ff. (124).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 255 – Drucksache 17/14600

insofern offensichtlich ein enges Vertrauensverhältnis zu

Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos.
2179

Auch ist W. mehr-

fach polizeilich in Erscheinung getreten bzw. lagen zur

Zeit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bereits

verschiedene Urteile gegen ihn vor:

W. wurde

„durch das Amtsgericht Chemnitz vom 28. No-
vember 2000 (14 Ls 230 Js 47667/98) wegen

Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verwen-

den von Kennzeichen verfassungswidriger Organi-

sationen in zwei Fällen und durch das Landgericht

Dresden vom 6. Juni 2005 (14 KLs 205 Js

6377/00) wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit

Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole

und Verbreiten von Propagandamitteln verfas-

sungswidriger Organisationen“

verurteilt.
2180

„Daneben ist der Beschuldigte W. ausweislich der
Mitteilung des Landeskriminalamts Sachsen in den

Jahren 1998 bis 2005 mehrfach im Zusammenhang

mit gleichgelagerten Delikten polizeilich aufgefal-

len.“2181

Weiterhin war er Leiter der sächsischen Sektion von

„Blood & Honour“.2182

W. leistete vom 1. April 1996 bis zum 31. Januar 1997

Wehrdienst.
2183

Eingesetzt wurde er als Transportsoldat in

der 3. und 6. Kompanie des Transportbataillons 133.
2184

Während seiner Grundausbildung erfolgten verschiedene

Schießübungen.
2185

W. wurde der Status des Sicherungs-

soldaten zuerkannt.
2186

Die Beförderung zum Gefreiten

erfolgte mit Wirkung vom 1. Juli 1996
2187

, die Beförde-

rung zum Obergefreiten mit Wirkung zum

1. Oktober 1996.
2188

Am 11. Dezember 1996
2189

führte der MAD eine Befra-

gung von W. durch, in welcher dieser aussagte, dass er

„seit ca. 1993 zur Chemnitzer-Skin-Szene“

gehöre.
2190
2179) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,

Bl. 120 ff. (127 f.).

2180) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,

Bl. 120 ff. (128).

2181) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,
Bl. 120 ff. (128).

2182) GBA, Ermittlungsverfahren gegen J. B. W., MAT A GBA-4/1,

Bl. 120 ff. (128).

2183) Wehrdienstzeitbescheinigung, MAT A BMVg-3b, Bl. 720.

2184) Einberufungsbescheid, MAT A BMVg-3b, Bl. 705, Verset-

zungsverfügung, MAT A BMVg-3b, Bl. 721.

2185) Schießbuch, MAT A BMVg-3b, Bl. 679 ff.

2186) Lehrgangszeugnis, -nachweis, MAT A BMVg-3b, Bl. 712.

2187) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 714.

2188) Empfangsbekenntnis Beförderung, MAT A BMVg-3b, Bl. 715.

2189) Auszug VERANDA-Datensatz, MAT A MAD-2/2, Bl. 4.

2190) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9.

„Diese Zugehörigkeit sei auf seinen Freundeskreis
und seine Vorliebe für Musik – insbesondere Skin-
Musik – zurückzuführen. Dementsprechend sei
seine Zugehörigkeit zur Skin-Szene nicht politisch

motiviert.“2191

Weiterhin war dem MAD spätestens durch diese Befra-

gung bekannt, dass W. Herausgeber der Zeitschrift Foier

frei ist, worüber er auch engen Kontakt zu M. H. und

M. P. hatte.
2192

W. räumte ein, dass aufgrund eines Arti-

kels, der in diesem Fanzine erschienen ist, zum Befra-

gungszeitpunkt ein Verfahren nach § 86a StGB anhängig

war.
2193

Außerdem sei er zwar selbst kein Mitglied von

„Blood & Honour“, habe aber zumindest Verbindungen
zu Mitgliedern dieser Organisation und besuche regelmä-

ßig verschiedene Skin-Veranstaltungen.
2194

Aus dem

VERANDA-Datensatz mit Bearbeitungszeit einer nach-

richtendienstlichen Operation vom 7. Juni 1996 bis zum

16. April 1997 geht hervor, dass ein verfassungsfeindli-

cher Hintergrund des W. verneint wurde.
2195

Im selben

Auszug des VERANDA-Datensatzes wurde W. jedoch als

„aktives Mitglied der rechtsextremistischen
Skinheadszene Blood & Honour“

bezeichnet.
2196
2191) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9.

2192) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9.

2193) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9 ff.

(10).

2194) Befragung von W. durch MAD, MAT A MAD-2/2, Bl. 9 ff.
(10).

2195) Auszug VERANDA-Datensatz, MAT A MAD-2/2, Bl. 4.

2196) Auszug VERANDA-Datensatz, MAT A MAD-2/2, Bl. 5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 257 – Drucksache 17/14600

D. V-Leute und Gewährspersonen

I. V-Mann-Werbung und -Führung des LfV
Thüringen

1. Überblick

Zum Einsatz von menschlichen Quellen im Rahmen der

Suche nach dem Trio durch das Thüringer Landesamt für

Verfassungsschutz stellte die Schäfer-Kommission fest:

„Das TLfV führte seinerzeit zwei V-Leute, die
nach dessen Abtauchen auch Informationen zum

Trio lieferten. Hierbei handelte es sich um die für

die Beobachtung des Trios sehr wichtige Quelle

2045/2150 [= Tino Brandt] mit den Decknamen

‚Otto‘/‚Oskar‘ und um die Quelle 2100. […]
Schließlich existierten als Informanten des TLfV

noch die Gewährspersonen Tristan und Alex sowie

Gelegenheitsinformanten, die jedoch alle eine un-

tergeordnete Rolle spielten.

Das TLfV erhielt von den vorgenannten Personen

von Februar 1998 bis Dezember 2001 zum TRIO

insgesamt etwa 47 Quellenmitteilungen, wobei der

ganz überwiegende Teil von dem V-Mann 2045/

2150 stammte.“2197

Nach Angaben des damaligen Vizepräsidenten des LfV

Thüringen, des Zeugen Nocken, waren im LfV Thüringen

in den Jahren 1997 bis 2001 sechs oder sieben, jedenfalls

aber unter zehn V-Leute im Einsatz.
2198

Ihm seien alle

Quellen des LfV sowohl mit ihren Klar- als auch in aller

Regel mit ihren Arbeitsnamen bekannt gewesen.
2199

2. Regelungen der Werbung und Führung
von V-Leuten in Thüringen in den 90er-
Jahren

Dienstvorschriften für die Anwendung nachrichtendienst-

licher Mittel gab es damals nicht. Der Zeuge Nocken hat

hierzu ausgesagt:

„So heißt es da in § 6 Abs. 2 [Thüringer Verfas-
sungsschutzgesetz] wörtlich:

Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer

vom Innenministerium zu erlassenen Dienstvor-

schrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für

die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen

regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentari-

schen Kontrollkommission zu übersenden.
2197) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 145 f.

2198) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.

2199) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 22 f.

Dies ist in der Tat nie geschehen, obwohl ich

mehrfach mit dem Fachaufsichtsreferat darüber

gesprochen und die Erarbeitung dieser Vorschrift

verlangt habe. In der praktischen Arbeit haben wir

als zuständige Beamte des Thüringer Landesamtes

in der Interimszeit die Dienstvorschrift des Bun-

desamtes zur Anwendung gebracht. Dabei gilt als

rechtlich unproblematisch die Anwerbung und

Führung zum Beispiel von Schatzmeister oder Per-

sonen mit ähnlichen Funktionen. Insbesondere

enthielten die Dienstvorschriften seinerzeit […]
kein generelles Verbot, Spitzenfunktionäre einer

Organisation zu werben oder zu führen. Das be-

deutete konkret: Zentral platzierte Quellen mit Zu-

gang zu den Entscheidungsgremien haben den

Vorteil, mithilfe weniger V-Leute ein realistisches

Bild über Ziele, Methoden, Aktivitäten und Pla-

nungen einer extremistischen Gruppe als Ganzes

zu gewinnen. Lagebilder, die auf Zugängen von V-

Leuten zu Spitzenentscheidungen basieren, sind

präziser als solche, die sich auf Informationen von

Mitläufern beschränken. Je höher ein V-Mann in

der extremistischen Gruppe angesiedelt ist, desto

wertvoller ist er für die Erfüllung des gesetzlichen

Beobachtungsauftrages.

Die erreichte hohe Hierarchiestufe muss nicht un-

bedingt zum Abbruch der Informationsbeschaf-

fung führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ei-

ne Gruppe sich nicht mehr nur im Sinne einer ver-

fassungsfeindlichen Ideologie äußert, sondern sich

aggressiv-kämpferisch radikalisiert. Die staatliche

Sicherheitsgewährpflicht steht dann einer Pflicht

zum Ausstieg aus der Informationsbeziehung, das

heißt einem gewissermaßen selbstverordneten In-

formationsverzicht, entgegen.

Alle diese Voraussetzungen waren bei der Be-

obachtung der Neonazis aus Jena voll erfüllt und

die Bearbeitung auch mit Quellen daher in allen

Ausprägungen rechtmäßig.“2200

Dieser Einschätzung hat der Zeuge Sippel, der Nachfolger

von Dr. Roewer im Amt des LfV-Präsidenten ab 2000,

teilweise widersprochen:

„Was den Sachgehalt der Aussage von Herrn No-
cken anbelangt, dass, je höher eine Quelle angesie-

delt ist in der Hierarchie, desto wertiger die Infor-

mationen sind, mag er ja richtig liegen in der Aus-

sage. Je höher eine Person angesiedelt ist in der

Hierarchie, desto mehr bekommt sie mit. Ein

Kreisverbandsmitglied, ein Mitläufer wird weniger
2200) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 128 f.

Drucksache 17/14600 – 258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

erfahren über die strategischen Planungen einer

Partei als jemand, der oben im Vorstand sitzt und

selbst die Strategie mitbestimmt.

Auf der anderen Seite muss man natürlich sehen,

dass die Informationserlangung dann ihre Grenzen

findet, wenn der Verfassungsschutz Gefahr läuft,

selbst die Zielrichtung des Beobachtungsobjektes

mit zu beeinflussen und zu bestimmen, das heißt,

die Staatsfreiheit dieser Organisation - das ist ja

vom Bundesverfassungsgericht auch im Rahmen

des NPD-Verbotsverfahrens thematisiert worden -

gefährdet ist. Und insofern bin ich der Auffassung,

dass man mit Personen, die die Zielrichtung dieses

Beobachtungsobjektes entscheidend mitbestim-

men - das ist sehr weich formuliert, und das ist

auch auslegbar; das ist interpretierbar; aber ich

denke, man kann auch mit dieser Interpretierung

zu klaren Entscheidungen kommen - - dass mit

diesen Personen eine Zusammenarbeit nicht statt-

finden kann.“2201

Infolge dessen habe er bereits am 4. Dezember 2000, drei

Wochen nach seinem Amtsantritt, eine Hausverfügung

erlassen, wonach künftig keine V-Leute mehr geführt

werden durften, die die Zielsetzung des Beobachtungsob-

jekts entscheidend bestimmen.
2202

Eine Dienstvorschrift “Beschaffung“ für das Thüringer
Landesamt für Verfassungsschutz wurde erst zum 1. Mai

2002 in Kraft gesetzt.
2203

3. Arbeitsweise des LfV Thüringen hinsicht-
lich der V-Mann-Werbung und -Führung

Vor einer Ansprache bedarf es nach Aussage des Zeugen

Wießner, damaliger Leiter des Referats „Forschung und
Werbung“ im LfV Thüringen, einer Genehmigung durch
den Beschaffungsleiter oder den Präsidenten.

2204
Der

Werber betreut einen V-Mann nach der Anwerbung zu-

nächst etwa ein Vierteljahr und gibt ihn dann an die V-

Mann-Führung ab.
2205

Im Regelfall findet ein Übergabe-

gespräch statt, wenn eine Quelle an einen anderen Quel-

lenführer übergeht.
2206

Der ehemalige Präsident des LfV Thüringen, Dr. Roewer,

hat ausgesagt, dass er auch selbst V-Leute angeworben

und geführt habe.
2207

Er hat dargelegt:

„Also mit der Führung, das ist so eine Geschichte.
Was mich angeht, ist es so gewesen, dass über

mich Anwerbungen deswegen stattgefunden ha-

ben, weil ich bekannt genug war bei verschiedenen
2201) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 156.

2202) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 136.

2203) MAT A TH-3/6, Ordner II, Anlage 5, (Tgb.-Nr. 78/12 – Ge-
heim), Bl. 74-111 (VS-VERTRAULICH).

2204) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.

2205) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 4.

2206) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.

2207) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 93.

Veranstaltungen oder in der Öffentlichkeit, dass

Leute mich angesprochen haben.“2208

Er hat bestritten, die V-Mann-Führung deshalb übernom-

men zu haben, weil er kein Vertrauen zu seinen eigenen

V-Mann-Führern gehabt habe, und hierzu erklärt:

„Nein, das ist anders. Wenn der Kontakt mit dem
Behördenleiter zustande kommt, wird er gut daran

tun, sozusagen erst mal weiterzugucken, wie das

geht mit dieser Quelle. Es sei denn, er traut sich

nicht.“2209

Ende 1995 oder Anfang 1996 wurde im LfV Thüringen

die „Auswertung“ und „Beschaffung“ organisatorisch
zusammengeführt.

2210
So war der Zeuge Schrader von

1996 bis 1999 Referatsleiter „Beschaffung und Auswer-
tung für Rechtsextremismus“. In diesem Referat waren
drei Beschaffer, zwei Ermittler und etwa zehn Auswer-

ter.
2211

Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, es sei nicht

unüblich gewesen, dass die Beschaffer erst einmal die

Akten behalten und erst, wenn bestimmte Schritte abge-

schlossen worden seien, der „Auswertung“ übergeben
hätten.

2212
Der Zeuge Wießner hat angegeben, das bis dahin von ihm

geleitete Referat „Forschung und Werbung“ sei 1998
abgeschafft worden. Mit der gesamten Reform habe sich

die Struktur des Landesamtes für Verfassungsschutz total

geändert. Danach sei jedes Referat für Forschung, Wer-

bung, V-Mann-Führung, Auswertung etc. selbst verant-

wortlich gewesen.
2213

4. Einfluss von Straftaten auf die Eignung als
V-Person?

Der Zeuge Nocken hat angegeben, wenn das LfV von

einer Straftat einer Quelle erfahre, müsse man überlegen,

ob trotz dieser Straftaten die Quelle weiter geführt oder

abgeschaltet werde.
2214

Er hat erklärt:

„Wir sagen den Quellen, sie sollen keine Straftaten
begehen. Wenn das natürlich irgendwelche Dinge

sind, die dann auftauchen, dann müssen Sie die

eben akzeptieren, diese Strafen, und dann muss

man überlegen, ob man die Quelle abschaltet.“2215
2208) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 93.

2209) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 93.

2210) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.

2211) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.

2212) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

2213) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.

2214) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.

2215) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 259 – Drucksache 17/14600

5. Informationsfluss zwischen der StA Gera
und Verfassungsschutzbehörden außer-
halb der Suche nach dem Trio

Der Ausschuss hat sich mit der Frage befasst, wie der

Informationsfluss zwischen den Ermittlungsbehörden und

dem Verfassungsschutz in Thüringen erfolgte. Im Raum

stand der Verdacht, dass der Verfassungsschutz bei den

Ermittlungsbehörden Informationen abschöpfte, diese

Informationen jedoch nutzte, um seine V-Leute vor Er-

mittlungsmaßnahmen zu schützen, seinerseits aber den

Ermittlungsbehörden nur wenige Erkenntnisse übermittel-

te.

Oberstaatsanwalt Schultz hat hierzu ausgesagt, 1996 und

1997 habe es einen regen Informationsaustausch gegeben:

„Das sah so aus, dass Mitarbeiter des Verfassungs-
schutzes und auch des MAD häufig zu uns in die

Behörde gekommen sind und Akteneinsicht ge-

nommen haben. Hinterher sage ich jetzt natürlich:

Die Informationen oder die Gespräche, die wir von

denen erhalten haben, waren wenig bis null. Es

waren also kaum brauchbare Informationen. Man

hat sich nur mal allgemein unterhalten. Umgekehrt

haben die uns natürlich eher abgeschöpft, weil die

Akteneinsicht bekommen haben und auch erfahren

haben, was sie wollten. […]

Der Mitarbeiter saß in meinem Büro, und wir ha-

ben uns unterhalten. Da haben wir uns auch mal -

ich weiß jetzt keine Details mehr - häufig über die

rechte Szene natürlich unterhalten oder auch mal

über den und über den. Beispielsweise ein Mitar-

beiter des MAD hat vielleicht mal gesagt: ‚Der
möchte zu uns in die Bundeswehr‘ oder: ‚Der
möchte vielleicht in der Bundeswehr Karriere ma-

chen; deshalb möchte ich wissen, was der hier ge-

macht hat.‘ Das habe ich gemeint mit Erfahrungs-
austausch. Es war kein Erfahrungsaustausch in

dem Sinne, dass ich Neuigkeiten erfahren habe,

eher dass der Verfassungsschutz oder der MAD

Neuigkeiten erfahren haben.“2216

Alle paar Wochen sei ein Mitarbeiter eines Verfassungs-

schutzamtes gekommen und habe Einsicht in Ermitt-

lungsakten genommen.
2217

Es habe sich meistens um

Vorgänge gehandelt, die die rechte Szene betroffen hät-

ten. Der MAD habe sich für Personen interessiert, die zur

Bundeswehr eingezogen werden sollten oder bei der Bun-

deswehr waren. Bei dem Verfassungsschutz sei es wohl

meistens mehr um Personen aus der rechten Szene gegan-

gen.
2218

Der Zeuge Nocken, damaliger Vizepräsident des LfV

Thüringen, hat ausgesagt, dass die Akteneinsicht jeweils

aufgrund eines Ermittlungsauftrages der Auswertung im

Rahmen der Informationsbeschaffung vorgenommen
2216) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 6.

2217) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 6 f.

2218) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 8.

worden sei.
2219

Der Zeuge Baumbach, ebenfalls Mitarbei-

ter des LfV, hat angegeben, er habe Einsicht in staatsan-

waltliche Ermittlungsakten genommen, allerdings nur in

abgeschlossene Verfahren.
2220

Zum Informationsfluss zwischen den Ermittlungsbehör-

den und dem LfV Thüringen hat dessen ehemaliger Präsi-

dent, der Zeuge Dr. Roewer, ausgesagt:

„dass wir - jedenfalls ich - die wöchentlichen
Zusammenkünfte der Behördenleiter dazu benutzt

haben, um sozusagen hin und her Informationsde-

fizite und auch Informationen auszutauschen, […]
also auf der Behördenleiterebene in erster Linie

Defizite zu besprechen, die dann sozusagen in die

eigene Behörde umgesetzt worden sind, damit die

handelt.

[…] Ich kann jetzt keine konkreten Fälle nennen.
Aber es hat einen größeren Ermittlungsvorgang

gegeben, den wir angestoßen haben, im Kurdenbe-

reich, wenn ich das richtig erinnere.“2221

Außerdem sei für die praktische Informationsweitergabe

an die Polizei eine eigene „Truppe“ im LfV Thüringen
installiert worden:

„Die hieß ZEX. Und das waren Kriminalpolizis-
ten - fünf an der Zahl, wenn ich es richtig in Erin-

nerung habe. Und die wurden unter der Woche

mehrfach bedient mit den Erkenntnissen, die aus

dem Amt stammten. […] Ob das zu Defiziten in
der Polizei führte, konnte ich nur dadurch sozusa-

gen überprüfen, wenn ich entsprechende Hinweise

aus der Polizei bekommen hatte.“2222

6. Die V- und Gewährspersonen des LfV Thü-
ringen im Umfeld des Trios im Einzelnen

a) VM 2045 „Otto“/VM 2150 „Oskar“ (Tino
Brandt)

aa) Zur Person

Im Verfassungsschutzbericht Thüringens von 1996 wird

Tino Brandt als Führungsmitglied der „Anti-Antifa Ost-
thüringen/THS“ genannt.2223 Der Verfassungsschutzbe-
richt Thüringens von 1999 bezeichnet den „Thüringer
Heimatschutz“ (THS) als „unstrukturierten Personenzu-
sammenschluss“. Er stehe unter der Führung Tino
Brandts, gliedere sich in vier Sektionen und habe erhebli-

chen Einfluss in der NPD.
2224
2219) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 27.

2220) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 189 ff.

2221) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 86.

2222) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 86.

2223) Verfassungsschutzbericht des Freistaates Thüringen von 1996,

MAT B TH-3, Datei: 2862-163-2012 - mT.pdf, Bl. 12 ff., 36.

2224) Verfassungsschutzbericht des Freistaates Thüringen von 1999,

S. 52 f.

Drucksache 17/14600 – 260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Brandt war auch in der NPD vernetzt: Am 24. Januar

1999 stellte er einen Aufnahmeantrag in die NPD. Kurz

darauf, am 11. Februar 1999, wurde er Beisitzer im NPD-

Kreisvorstand Saalfeld/Rudolstadt und am 3. März 1999

Beisitzer im NPD Landesvorstand sowie Landessprecher

der NPD. Am 29. April 2000 wurde Brandt stellvertreten-

der Landessprecher der NPD.
2225

Der Zeuge Wießner, Werber und zeitweiliger V-Mann-

Führer von Tino Brandt, hat ausgesagt, dass Brandt Mit-

glied der Szene und nicht gerade auf Seiten des Staates

gewesen sei.
2226

Brandt habe auch gebremst werden müs-

sen, als er nach dem stellvertretenden Vorsitz der NPD in

Thüringen gestrebt habe:

„Er war Pressesprecher. Das hat man zähneknir-
schend bis zur Amtsleitung mitgetragen. Aber das

andere hat man nicht mehr mitgetragen, wenn er,

was weiß ich, als Vorschlag des ‚THS‘ zur Über-
nahme - - dass er dann zweiter Vorsitzender der

NDP in Thüringen macht.“2227

Der Zeuge Bode, ebenfalls ehemaliger V-Mann-Führer

von Tino Brandt, hat ihn folgendermaßen charakterisiert:

„Tino Brandt war ein Rechtsextremist durch und
durch. Der hat 24 Stunden, rund um die Uhr, von

seinen Schlafenszeiten vielleicht abgesehen - - war

der Rechtsextremist. Das heißt, er war um-

fangreich vernetzt, bundesweit vernetzt, zum Teil

Kontakte ins Ausland, die zwar nicht sehr bedeu-

tend waren, aber die waren da, und er hätte sich

die auch jederzeit schaffen können. Von daher ge-

sehen: Ja, es ist immer höchst problematisch, einen

V-Mann zu führen, der praktisch auf so einer Ebe-

ne ist, weil er dann natürlich immer irgendwo

auch, ich sage einmal, Mitbestimmer - böse Zun-

gen sagen: Bestimmer - ist. Das kann man nicht

ausschließen. Allein deswegen muss man so einen

V-Mann einbremsen, weil er einem sonst als V-

Mann um die Ohren fliegt.“2228

„Der war auch schwer führbar; keine Frage. Der ist
uns zum Teil auch aus dem Ruder gelaufen, und

wir mussten ihn mäßigen und bremsen. Das ist uns

wahrscheinlich zum großen Teil gelungen. Aber es

ist uns bestimmt nicht bis ganz zum letzten Punkt

gelungen, so wie wir es gern gehabt hätten. Das ist

so in dem Geschäft. Das kann so sein.“2229

bb) Anwerbung

Der Zeuge Wießner, der Brandt im August 1994 anwarb,

hat ausgesagt, die Anwerbung Brandts sei „mit Segnung
des Präsidenten“ Dr. Roewer erfolgt. Hauptgrund der
2225) Chronologie des LfV Thüringen, MAT A TH-9/4b (Tgb.-

Nr. 40/12 – GEHEIM), P-Akte Bd. 1, Bl. 287-289.

2226) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 44.

2227) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 45.

2228) Bode, Protokoll-Nr. 65, S. 71.

2229) Bode, Protokoll-Nr. 65, S. 107.

Anwerbung sei die desolate Kenntnislage zu den soge-

nannten Heß-Aufmärschen gewesen. Es habe kaum Zu-

gänge oder nur untergeordnete Zugänge in den rechtsex-

tremistischen Bereich gegeben. Plötzlich seien in Südthü-

ringen Flugschriften einer „Anti-Antifa“ aufgetaucht. Sie
hätten dann entschieden, hier einzusteigen. Schließlich

hätten sie ermittelt, dass Brandt und eine weitere Person

hinter der Firmierung „Anti-Antifa“ standen. Nachdem
das LfV Thüringen später erfahren habe, dass die weitere

Person weggezogen sei, sei nur noch Brandt übriggeblie-

ben, weshalb er angeworben worden sei.
2230

Nach Angabe des damaligen Präsidenten des LfV Thürin-

gen, Dr. Roewer, als Zeuge vor dem Untersuchungsaus-

schuss erfolgte die Anwerbung Brandts auf seine Veran-

lassung hin. Er hat ausgesagt:

„Es ist in der Tat so, dass ich Herrn Nocken und
seine Hintersassen massiv bedrängt habe, sich nun

endlich eigene Standbeine in der rechtsextremen

Szene zu beschaffen, sprich: Quellen anzuwerben.

Das ist das ganz übliche Geschäft bei Nachrich-

tendiensten. Als ich die Behörde übernommen ha-

be, hatte die Behörde nicht eine einzige Quelle -

keine -, sodass das Informationsaufkommen auch

entsprechend war, nämlich gar keins.

Die Anwerbung von Brandt ist erfolgt nach meiner

Erinnerung nach einer längeren sogenannten For-

schungsphase. Das heißt, man beguckt sich die

möglichen Kandidaten, die für eine Anwerbung als

Agent oder V-Mann oder Quelle, wie Sie wollen,

infrage kommen. Und dann kommt sozusagen der

entscheidende Moment: Man spricht sie an. Es

geht also einer hin und macht einen Wer-

bungsversuch. Das muss nicht unbedingt einer

sein, der sagt: ‚Guten Tag, ich heiße soundso und
komme vom Landesamt für Verfassungsschutz‘,
sondern das kann auch eine Anwerbung unter Le-

gende sein. Derjenige muss das erst mal gar nicht

wissen, mit wem er es zu tun hat. Ist in vielen Fäl-

len auch vernünftig.“2231

„Ich habe die Einzelheiten der Anwerbung von
Brandt nicht mehr in Erinnerung, kann aber nur

sagen, dass er, nachdem die Anwerbung erfolgt ist,

relativ brauchbare Erkenntnisse offensichtlich in

die Behörde gebracht hat, was das Tun dieser

rechtsextremen, sehr unangenehmen, sehr schwer

zu beobachtenden Szene anging.“2232

Zum Zeitpunkt seiner Anwerbung sei Brandt „noch ein
relativ unbeschriebenes Blatt“ gewesen.2233

Der Zeuge Wießner hat darüber hinaus angegeben, er

habe Brandt entsprechend der Praxis zunächst ein Viertel-
2230) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3 f.

2231) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.

2232) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.

2233) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 65.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 261 – Drucksache 17/14600

jahr
2234

bzw. vier Monate
2235

betreut und ihn dann an die

V-Mann-Führung abgegeben.

cc) Einsatzgebiet von Tino Brandt

Nach Aussage des Zeugen Bode sei Ziel des Einsatzes der

Quelle gewesen, Erkenntnisse über die Struktur des „Thü-
ringer Heimatschutzes“ sowie über dessen Personenkreis
und Aktivitäten zu gewinnen.

2236
Daneben sei er die wich-

tigste Quelle für die Suche nach dem Trio gewesen. Die

Erkenntnisse der Quelle zum Trio stammten nach Anga-

ben des Zeugen Wießner ausschließlich von Ralf Wohlle-

ben.
2237

Tino Brandt sagte gegenüber dem BKA im Jahr 2012

über seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz folgendes

aus:

„Es war eigentlich so, dass ich überwiegend über
meine tagespolitischen Aktivitäten dem Verfas-

sungsschutz berichtet habe. Dabei ging es um Zah-

len zu Demonstrationsteilnahmen, Teilnehmern an

bestimmten Treffen, Interpretationen von Äuße-

rungen, die im rechtsextremen Raum kursierten,

Prognosen zu politischen Entwicklungen, bei-

spielsweise wenn verschiedene Personen oder

Gruppierungen zur Zusammenarbeit aufeinander

trafen. […] Ich erhielt vom Verfassungsschutz
auch keine Aufträge, bestimmte Veranstaltungen

zu besuchen. Ich kann mich auch nicht erinnern,

dass ich gezielt Informationen zu einem bestimm-

ten Personenkreis sammeln sollte. Dies gilt mit

Ausnahme der Fahndungsarbeit nach Zschäpe,

Böhnhardt und Mundlos. […] Es war eher so, dass
ich jedes Mal das berichtete, was sich seit dem

letzten Treffen mit dem Verfassungsschutz in der

Szene ereignet hatte. Das war dann auch nicht so

viel, weil wir uns zum Schluss nahezu wöchentlich

trafen.“2238

dd) Erster Abschnitt der Tätigkeit als V-Mann
(„2045“/„Otto“)

Ab dem 27. Januar 1995 wurde Brandt von der V-Mann-

Führung als Mitarbeiter (Quelle 2045 Otto) geführt.
2239

Im Jahr 1995 ging die VM-Führung von F., der Brandt

zunächst übernommen hatte, an den Zeugen Bode

über.
2240
2234) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.

2235) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 42.

2236) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.

2237) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 20.

2238) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom

26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 255.

2239) Chronologie des LfV Thüringen vom 8. Mai 2001, MAT A TH-
9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 – GEHEIM), P-Akte Bd. 1, Bl. 287 ff.

2240) Vermerk vom 28. Mai 2001 über die V-Mann-Führer, MAT A

TH-9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 - Geheim), P-Akte Bd. 1, Bl. 290.

Der Zeuge Bode hat angegeben, „gefühlt von etwa 1995
bis 1998“ der für Brandt zuständige VM-Führer gewesen
zu sein.

2241
Der Zeuge Wießner hat dargelegt, er habe

Brandt aus organisatorischen Gründen
2242

im Juli oder

August 1998 wieder als V-Mann-Führer übernommen.
2243

Die erneute Übertragung der VM-Führung auf ihn sei

zum einen mit einer Strukturreform begründet worden.
2244

Zum anderen sei die „Auswertung“ mit den Berichten der
bisherigen V-Mann-Führung zum Teil unzufrieden gewe-

sen.
2245

Demgegenüber hat der Zeuge Bode ausgesagt, ihm habe

nie jemand gesagt, dass man unzufrieden sei mit seinen

Berichten.
2246

Tino Brandt sei als Quelle wieder zu Herrn

Wießner übergegangen, weil man nicht mehr den Mix

gewollt habe, dass ein V-Mann-Führer aus dem Bereich

„links“ zugleich im Bereich „rechts“ tätig sei. Er habe
auch zwischenzeitlich im Bereich „links“ mehr zu tun
gehabt und es sei ihm ganz recht gewesen, nicht mehr auf

„zwei Hochzeiten zu tanzen“.2247

An ein Übergabegespräch, welches normalerweise statt-

finde, wenn eine Quelle an einen anderen Quellenführer

übergehe, hat der Zeuge Bode sich nicht erinnern können.

Er könne ein solches aber auch nicht ausschließen. Er

müsse dazu sagen, dass sein Verhältnis zu seinem Kolle-

gen Wießner schlecht gewesen sei.
2248

Hierfür habe es

sowohl persönliche als auch dienstliche Gründe gegeben.

Zu den dienstlichen Gründen gehöre, dass nach seiner

Ansicht das ehemalige Referat „Forschung und Werbung“
sich sowohl in den Bereichen „rechts“ wie auch „links“
wenig Mühe gegeben habe, Quellen zu akquirieren.

2249
ee) Erste Abschaltung

Brandts erste Abschaltung als Quelle erfolgte auf Wei-

sung des damaligen Präsidenten des LfV Thüringen, Dr.

Roewer, im Mai 2000.
2250

Das genaue Datum war der 29. Mai 2000.
2251

Der Zeuge Dr. Roewer hat angegeben, er habe Brandt

abschalten lassen,

„weil ich der Überzeugung war, dass dieser Mann
als V-Mann in meiner Behörde nichts zu suchen

hatte. […] Mein Eindruck aus den Überwachungs-
maßnahmen, die wir gegenüber Herrn Brandt

durchgeführt haben, war der, dass er uns mit der
2241) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 92.

2242) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 4.

2243) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 43.

2244) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.

2245) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.

2246) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 90.

2247) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.

2248) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.

2249) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 79.

2250) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 38.

2251) Chronologie des LfV Thüringen vom 8. Mai 2001, MAT A TH-

9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 – GEHEIM), P-Akte Bd. 1, Bl. 287 ff.

Drucksache 17/14600 – 262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zeit aus dem Ruder gelaufen ist. Ich weiß nicht, ob

Sie sich das vorstellen können: Es ist anfangs nicht

ganz klar zu sehen, ob ein V-Mann das tut, also ob

er sozusagen hinter dem Rücken des Nachrichten-

dienstes auch andere Dinge tut, die der Nachrich-

tendienst weder gutheißt noch die ihm bekannt

sind. Im Falle des V-Manns Brandt ist dies der

Fall gewesen, und das hat mich eben veranlasst,

gegen den ausdrücklichen Wunsch der Mitarbeiter

der Extremismusabteilung ein rigoroses Ende mit

Herrn Brandt zu veranstalten. Und das ist auch

gemacht worden: Die Abschaltung ist durchgeführt

worden.“2252

Hinzu sei gekommen, dass das BfV den Verdacht geäu-

ßert habe, der V-Mann-Führer habe einen zu engen Kon-

takt zu seiner Quelle. Eine Prüfung dieses Verdachts sei

jedoch nicht erforderlich gewesen, da er sowieso fest

entschlossen gewesen sei, die Abschaltung durchzufüh-

ren. Er habe dann gleich die V-Mann-Führung ausge-

wechselt.
2253

Die Thüringer Schäfer-Kommission hat aus der Aktenlage

allerdings den Schluss gezogen, dass die Gründe der Ab-

schaltung woanders lagen, nämlich in der Übernahme des

Amtes des stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD

Thüringen sowie in einem Interview vor dem Landespar-

teitag am 29. April 2000, welches im MDR-Fernsehen

ausgestrahlt wurde.
2254

Der Zeuge Bode hat ebenfalls angegeben, dass

Dr. Roewer dem V-Mann-Führer Wießner und seiner

Quelle Tino Brandt nicht mehr getraut habe. Er habe die

ganze Verbindung in Frage gestellt. Der Zeuge Bode habe

Brandt dann im Auftrag von Dr. Roewer abschalten müs-

sen.
2255

Eine Nachbetreuung habe nicht stattfinden sollen:

„Das war aus meiner Sicht in dem Fall so, wie es
mir Herr Roewer damals vermittelt hat: erstens ge-

rechtfertigt, und zweitens hatte der Tino Brandt zu

dem Zeitpunkt sowieso noch Schulden; die haben

wir ihm großzügigerweise erlassen. Ich weiß nicht,

es war, glaube ich, ein Betrag zwischen 4 000 und

6 000 - vermute ich; ich weiß es nicht; also so ge-

fühlt - D-Mark damals. Da haben wir gesagt: ‚Das
ist Abschaltprämie genug‘, indem wir einfach sa-
gen - - Wir hätten ja objektiv keine Möglichkeit

gehabt, das Geld von ihm zurückzufordern, ohne

dass die nachrichtendienstliche Verbindung da-

durch letztendlich aufgeflogen wäre. Also, das wä-

re ja eine komische Art von Nachtreten gewesen

gegenüber einem V-Mann, den man abschaltet.

Damit hat sich das dann erledigt gehabt für uns.

Für mich war das normal, ihn abzuschalten und zu

sagen: Damit hat es sich, damit ist Schluss.“2256
2252) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 65.

2253) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 110.

2254) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 182.

2255) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 84.

2256) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 91.

Der Zeuge Dr. Roewer hat darüber hinaus geschildert,

dass der alte V-Mann-Führer allerdings noch einmal mit

Tino Brandt telefoniert habe. Er sei in eine vom LfV

geschaltete „Telefonfalle hineingelaufen“.2257

Der Zeuge Wießner hat dies aus seiner Sicht folgender-

maßen geschildert:

„Er kam an und sagte, obwohl der Treff vereinbart
war: Er wird abgeschaltet, es findet nichts mehr

statt. - Auch der Beschaffungsleiter hat gesagt:

Das geht nicht so. Wir müssen ordnungsgemäß

diese Geschichte abwickeln dann. […]

Ich bin zu dem Termin hingefahren mit Weisung

hier des Beschaffungsleiters, bin vom Termin zu-

rückgekommen, sofort einbestellt worden von

Roewer, Roewer die größten Vorwürfe gemacht.

Er hat - und das war das Allerfieseste, was ich bis-

her erlebt habe - mein Handy abhören lassen in

dieser Zeit. Der wusste genau, wann ich wie und

wo ich den Termin gemacht habe mit der Quelle,

obwohl er gesagt hat: Es gibt nichts mehr. Es wird

ab sofort die Zusammenarbeit beendet. Wenn der

in der Gosse landet, das interessiert ihn alles

nicht.“2258

ff) Reaktivierung von Tino Brandt als VM
2150/„Oskar“

Nachdem Dr. Roewer im Juni 2000 suspendiert wurde,

übernahm der Vizepräsident Nocken für kurze Zeit über-

gangsweise die Aufgaben des Präsidenten. Im Juli 2000

ließ er Tino Brandt als V-Mann reaktivieren. Dies sei

nach Angaben des Zeugen Nocken nicht nur wegen des

Vorfalls Trio, sondern auch wegen der anderen Informati-

onen der Quelle geschehen. Die Tätigkeit von Tino

Brandt als V-Mann sei dann ganz normal weitergelau-

fen.
2259

gg) Zweite Abschaltung Tino Brandts

Der Nachfolger von Dr. Roewer als Präsident des LfV

Thüringen, der Zeuge Sippel, hat dargelegt, dass er am

4. Dezember 2000 eine Verfügung erlassen habe, wonach

künftig V-Leute „weder die Zielsetzung noch die Aktivi-
täten eines Beobachtungsobjekts entscheidend bestim-

men“ dürfen.2260 Hintergrund seien für ihn die Aufregung
rund um die Enttarnung des V-Mannes Thomas D. gewe-

sen. Ihm sei daran gelegen gewesen, auszuschließen, dass

V-Leute in Führungspositionen vom LfV Thüringen ge-

führt werden. In der ihm von seinem Vizepräsidenten,

Nocken, vorgelegten Liste sei auch Brandt aufgeführt

gewesen. Er habe sich daraufhin mit seinen Mitarbeitern

besprochen und dann die Entscheidung getroffen, Brandt
2257) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 110.

2258) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 26.

2259) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 38.

2260) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 156 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 263 – Drucksache 17/14600

abzuschalten.
2261

Um die erneute Abschaltung Brandts

habe es eine kontroverse Diskussion im LfV gegeben.

Vizepräsident Nocken habe sich sehr für diesen einge-

setzt, ebenso Herr Wießner.
2262

Die Abschaltung Brandts

sei dann kurz darauf am 17. Januar 2001 erfolgt.
2263

Der Zeuge Sippel hat ausgeführt:

„Also, für mich stand die Abschaltung im Vorder-
grund, zu sagen: Wir arbeiten nicht mit einem

Rechtsextremisten zusammen, der ja nicht nur

stellvertretender Landesvorsitzender der NPD war,

sondern diese Partei ja faktisch geführt hat. - Es

gab zwar noch einen Vorsitzenden, aber das war

ein recht schwacher Mann. Und die Partei selbst ist

von Brandt geführt worden. Also, für mich stand

außer Frage, dass wir mit Tino Brandt nicht als V-

Mann zusammenarbeiten können. Und nachdem

mir berichtet worden ist, alles, was Brandt erzählt

hat, alles, was er berichtet hat, weiß auch die Poli-

zei - - ich davon ausgehen muss, nach der Enttar-

nung von Brandt ist er in der rechtsextremistischen

Szene geächtet.“2264

hh) Nachbetreuung Brandts

Der Zeuge Sippel hat angegeben, er habe eine Nachbe-

treuung Brandts, die zum Ziel haben sollte, ihn zum

Rückzug aus dem Rechtsextremismus oder der Aufgabe

seiner Führungsämter zu bewegen autorisiert. Aufträge

hätten an Brandt aber nicht mehr erteilt werden dürfen.
2265

Am 8. Mai 2001 fand der letzte Nachbetreuungstreff mit

Brandt statt.
2266

Im Rahmen der Nachbetreuung hätten

nach Angaben des Zeugen Wießner sechs Treffen stattge-

funden.
2267

Der Zeuge Sippel hat über die Nachbetreuung berichtet:

„Ja, es gab die Nachbetreuungstreffen dann bis zur
Enttarnung, und das Amt hatte danach auch noch

mit ihm Kontakt, als es um die Frage geht, ob Tino

Brandt gefährdet ist durch seine Enttarnung. Ich

kann mich erinnern, dass er uns berichtet hat, dass

ihm eine Patrone zugesandt worden ist in einem

Umschlag, also eine unmissverständliche Dro-

hung, die das darstellen sollte, und er hat sich an

uns gewandt. Wir haben damals die Polizei auch

eingeschaltet und mit der Polizei gesprochen, ob

und welche Schutzmaßnahmen für Brandt erfor-

derlich sind. Insofern gab es noch Kontakt mit

ihm. […]
2261) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 136.

2262) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144.

2263) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 137.

2264) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 159.

2265) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 137.

2266) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.

2267) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.

Ich denke, dass er alles erzählt hat, was er erzählen

konnte bis dahin, und dass er durch die Enttarnung

in dem rechtsextremistischen Spektrum natürlich

auch geächtet war, dass er geschnitten wurde, dass

er nun keinen Zugang mehr hatte.“2268

Der V-Mann-Führer Wießner vermerkte am 14. Mai 2001

über seine Treffen mit Tino Brandt im Rahmen der Nach-

betreuung:

Ziel der Nachbetreuung sei gewesen, die Quelle zum

Ausstieg aus der Szene und zum Rückzug von ihren Par-

teifunktionen sowie der Einschränkung ihrer Szene-

Aktivitäten zu bewegen. Während der Nachbetreuungs-

phase habe die Quelle alle Ausstiegsangebote immer

wieder aus persönlichen und politischen Gründen strikt

abgelehnt. Nur zum Rückzug aus Parteifunktionen und

Szene-Aktivitäten sei die Quelle bereit gewesen, die auf

Drängen des V-Mann-Führers auch nachweislich von ihr

vollzogen worden seien (Rückzug vom Amt des NPD-

Pressesprechers am 4. Februar 2001, Kündigung des Pro-

vidervertrages für den „THS“, den die Quelle auf ihren
Namen abgeschlossen hatte). Ein Rücktritt beim Parteitag

am 21. Januar 2001 als stellvertretender Landesvorsitzen-

der der NPD sei von der Quelle zwar angedacht, aber aus

politischer Überzeugung nicht vollzogen worden. In der

Nachbetreuung seien keine Aufträge an die Quelle erteilt

und keine Deckblattberichte gefertigt worden.
2269

ii) Bewertung des Informationsgehalts der
Meldungen Brandts

Tino Brandt wurde nach Angaben des Zeugen Wießner

als sehr vertrauenswürdige Quelle mit der Beurteilung

„B2“ eingestuft.2270

Der V-Mann-Führer Wießner hat angegeben, 80 bis 90

Prozent dessen, was Brandt gemeldet habe, sei zutreffend

gewesen.
2271

Die Hinweise habe man überprüfen können,

wenn sie sich auf Veranstaltungen der rechten Szene

bezogen hätten:

„Wenn er zum Beispiel einen Hinweis gibt auf ein
Konzert oder eine Veranstaltung und legt exakte

Zahlen vor, die sich nachher bestätigen - - Wenn

ich sage: Zum Tag der nationalen Jugend und so

weiter - - es kommen 500 oder - - Im Konkreten

konnte er Ihnen berichten, wie die Veranstaltung

läuft und wer zugegen ist, wer kommt usw. Das

hat er gehabt. Und das ist das, was man gegenche-

cken konnte. Ich habe gesagt: Diese 80, 90 Prozent

bezogen sich allein auf diese Veranstaltungen,

die - was weiß ich - von der NPD oder vom ‚THS‘
2268) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 158.

2269) MAT A TH-9/4b (Tgb.-Nr. 40/12 - GEHEIM), P-Akte Bd. 1,
Bl. 274 f.

2270) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.

2271) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 8.

Drucksache 17/14600 – 264 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

oder den Kameradschaften ausgerichtet worden

sind.“2272

Er hat verneint, dass die Fälle, in denen Brandt nicht die

Wahrheit gesagt habe, das untergetauchte Trio betroffen

hätten.
2273

Er hat aber auch eingeschränkt, dass manche

Meldungen aufgrund des fehlenden weiteren Zugangs

zum „THS“ nicht kontrollierbar gewesen seien:

„Sie konnten ja nicht abklären, wenn er jetzt zum
Beispiel sich zu dem W. oder anderen eingelassen

hat: Er macht das und das und das. - Das konnten

Sie gar nicht mehr kontrollieren. Oder: Die ‚Ka-
meradschaft Gera‘ oder die ‚Kameradschaft Jena‘
hat diese Aktion gegen die Stadt vor oder so was. -

Das konnten Sie gar nicht gegenkontrollieren, weil

der zweite Mann gefehlt hat.“2274

Zudem hätten die Erkenntnisse nicht richtig ausgewertet

werden können. Sie seien vielmehr im Auswertungsrefe-

rat liegen geblieben und nicht an das BfV und die anderen

Landesämter weitergeleitet worden.
2275

Die Fälle, in denen Brandt nicht die Wahrheit gesagt

habe, seien zum Beispiel gewesen,

„dass er sich nicht ausgelassen hat über andere,
[…] über Kameradschaftsführer. Da hat er nur
herumgedruckst. Wenn Sie persönliche Informati-

onen haben wollten über bestimmte Leute, dann

hat er herumgedruckst bis zum Gehtnichtmehr,

und insbesondere aus seinem Umfeld in Saalfeld-

Rudolstadt.“2276

Auch der Zeuge Bode hat Tino Brandt als gute Quelle
2277

und die Qualität der Informationen Brandts als „hochwer-
tig“ bezeichnet,

„allerdings mit der Einschränkung, dass es an an-
deren Zugängen mangelte und zum Teil Informati-

onen nicht abgeglichen werden konnten mit ande-

ren Zugängen.“2278

Auf Vorhalt, dass den Akten häufig nur zu entnehmen sei,

in welcher Weise Veranstaltungen durchgeführt worden

seien, es aber an weitergehenden Informationen fehle, hat

der Zeuge Bode entgegnet, er könne anhand von Beispie-

len erläutern, dass auch weitergehend berichtet worden

sei:

„Zum Beispiel die berühmten ‚Heß-Gedenktage‘,
wenn die anstanden, da waren wir über die Quelle

Brandt zu der Zeit wirklich immer sehr, sehr gut

informiert über die Absichten der Thüringer Szene,

also über die Absichten des ‚THS‘. Von daher ha-
be ich mir da überhaupt nichts vorzuwerfen, dass
2272) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.

2273) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.

2274) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.

2275) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 41.

2276) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 56.

2277) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 78.

2278) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 95.

irgendwas nicht berichtet worden wäre. - Das ist

nur exemplarisch.“2279

Die Schäfer-Kommission hat keine Zweifel am Wahr-

heitsgehalt der Meldungen Brandts geäußert. Abschlie-

ßend heißt es:

„Die Kommission hat geprüft, ob die Quelle An-
lass hätte haben können, das TLfV in die Irre zu

führen, weil in der rechten Szene die V-Mann-

Tätigkeit bekannt war oder doch vermutet wurde.

Sie hat dafür keine Anhaltspunkte gefunden. Zwar

bestanden entsprechende Verdachtsmomente in

der Szene, diese waren jedoch eher vage und

stammten teilweise aus einer Zeit, die deutlich vor

der Flucht des TRIOs lag. Den Mitarbeitern des

TLfV war die mit einem solchen Gerücht verbun-

dene Gefahr bewusst. Durch taktische Vorgehens-

weise im Umgang mit ihrem V-Mann achteten sie

deshalb darauf, diesem Gerücht entgegenzuwirken.

Beeinträchtigungen des Informationsgehaltes wur-

den nicht wahrgenommen.“2280

Der Zeuge Egerton, Auswerter im BfV, hat ausgesagt,

dass er im Hinblick auf die Quelle Tino Brandt den V-

Mann-Führer, den Auswerter und den Referatsleiter als

sehr kompetent und auch als leistungsstark empfunden

habe:

„Wenn man sich anschaut, wie die Führung von
‚2045‘ im Hinblick auf das Trio erfolgt ist: Das ist
durchaus professionell, das ist kreativ gewesen,

und es war durchaus ein Ausweis einer Leistungs-

fähigkeit in diesem Bereich des Thüringer Am-

tes.“2281

Am 21. Januar 1997 gab ein Mitglied der rechten Szene in

Jena gegenüber der Polizei zu Protokoll:

„Zu Brandt muss ich sagen, haben ich und viele
andere Kameraden kein Vertrauen mehr. Brandt

arbeitet mit staatlichen Organen zusammen. Er

versucht, den Boss in der Szene zu spielen, und

dann steht der Verfassungsschutz im Konzert. […]
Von Frank L. weiß ich, dass man dem Brandt in

dieser Hinsicht nicht trauen kann. Er arbeitet mit

dem Verfassungsschutz.“2282

Tino Brandt äußerte gegenüber dem BKA im Jahr 2012:

„Sicher hat es einmal Dinge gegeben, von denen
ich versucht habe, sie nicht zu berichten. Und

wenn ich berichtet habe, war es stets wahrheitsge-

mäß. Für mich galt der Grundsatz der Quellenehr-

lichkeit, den ich ernst genommen habe. Im Übri-

gen war mir natürlich klar, dass das TLfV versu-
2279) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 95.

2280) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 184.

2281) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 24.

2282) MAT A TH-2/31, Bl. 174 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 265 – Drucksache 17/14600

chen wird, meine Angaben mit nachrichtendienst-

lichen Mitteln zu überprüfen.“2283

jj) Geld und Sachleistungen an Tino Brandt

Nach den Feststellungen der Thüringer Schäfer-

Kommission zahlte das LfV Thüringen von 1995 bis 2001

insgesamt etwa 200 000 DM an Prämien und Erstattung

von Auslagen an Tino Brandt.
2284

Diese Summe hat der Zeuge Sippel als „exorbitant hoch“
bezeichnet. Deswegen habe er auch bereits zu Beginn

seiner Amtszeit für Thüringen eine Richtlinie zur Begren-

zung der Zahlungen an V-Leute erlassen.
2285

Der Zeuge Bode hat die Summe relativiert:

„Mein Gott, in der Summe mag das jetzt nach viel
klingen; aber Sie müssen die Zeiträume sehen, Sie

müssen die Hochwertigkeit der Quelle - - Die

Quelle war zweifellos hochwertig. Dieses Amt hat

sich auf dieser Quelle ein Stück weit auch ausge-

ruht, zurückgelehnt und gesagt - das sage ich jetzt

einmal; das ist jetzt meine persönliche Meinung -:

Wir brauchen keine anderen Zugänge, wir brau-

chen keine anderen Quellen. - Das Amt hat sich

wahrscheinlich immer gesagt: Das ist gut angeleg-

tes Geld. - Ich habe nie Kritik von meinen Vorge-

setzten diesbezüglich erfahren, dass es zu viel ist

oder so. Es ist ja nicht so, dass ich das Geld ausge-

geben hätte und andere hätten nicht gewusst, was

für Gelder da fließen. So ist es ja nicht.“2286

Der Zeuge Wießner hat dargelegt, dass Brandt das Geld in

bar erhalten habe. Er selbst habe das Geld ebenfalls bar

erhalten und mit Quittung weitergereicht. Der Abteilungs-

leiter „Beschaffung“, Herr Nocken, habe zuvor zustimmen
müssen.

2287
Tino Brandt sagte gegenüber dem BKA im Jahr 2012 zur

Verwendung des Geldes aus:

„Das Geld, das ich vom Verfassungsschutz be-
kommen habe, habe ich in wesentlichen Teilen für

meine politische Arbeit aufgewendet. Gleich die

erste Kohle ist beispielsweise in Aufkleber inves-

tiert worden. Im übrigen müssen Sie sich vorstel-

len, dass politische Arbeit immer eine Menge Geld

kostet. Bei mir sind erhebliche Telefonkosten an-

gefallen. Ich habe erhebliche Reisekosten gehabt,

Benzin und Hotels mussten bezahlt werden. Ich

habe auch schon Mal Geldstrafen für den André

Kapke bezahlt. Am Ende meiner Tätigkeit kann
2283) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom

26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 265.

2284) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S 182, Rn. 305.

2285) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 149.

2286) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 75.

2287) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 47.

ich sagen, dass es für mich persönlich ein Null-

summenspiel war.“2288

Die Angaben von Tino Brandt gegenüber der rechtsex-

tremen Szene, er habe das vom Verfassungsschutz erhal-

tene Geld in diese Szene investiert, hielt der Zeuge Wieß-

ner für eine Schutzbehauptung:

„Ich sage Ihnen ganz offen - die rechte Szene; das,
was er da gedruckt hat, diese 200 oder 300 Flyer

für den ‚THS‘ -: Der musste das sagen; denn es ist
ganz außergewöhnlich, dass einer enttarnt wird

und in seinem Umfeld wohnen bleibt. Er musste

das sagen.“2289

Der Zeuge Bode ist ebenfalls dieser Ansicht gewesen.

Allerdings:

„Natürlich können Sie nicht ausschließen, dass
Gelder, die Sie einem V-Mann, der so bis in die

Haarspitzen Rechtsextremist ist - - Dass der sein

Geld, was er bekommt, auch in Richtung Rechts-

extremismus in irgendeiner Form investiert, das ist

doch ganz klar; das liegt doch auf der Hand.“2290

Der im Januar 1998 für Brandt zuständige V-Mann-

Führer, der Zeuge Bode, hat ausgesagt, er wisse nicht

explizit, ob Tino Brandt Auslagen für Anwaltskosten

erstattet worden seien; wahrscheinlich aber ja, er vermute

dies.
2291

Dass sich eine Anwaltsrechnung von 12. Januar

1998 in den Akten befinde, erkläre er sich damit, dass

vermutlich Brandt diese mitgebracht und erstattet haben

wollte.
2292

Es sei nicht unüblich gewesen, Quellen solche

Dinge - in welcher Form auch immer - zu erstatten.
2293

Er

halte es für möglich, dass das LfV Thüringen bei Tino

Brandt mehr als eine Anwaltsrechnung übernommen

habe.
2294

kk) Ermittlungsverfahren gegen Brandt und
eventuelle Einflussnahmen des LfV

Gegen Tino Brandt, liefen von 1993 bis 2000 mindestens

13 Ermittlungsverfahren.
2295

Eine rechtskräftige Verurtei-

lung kann allerdings nicht festgestellt werden. Der Zeuge

Schultz, damals zuständiger Staatsanwalt, hat ausgesagt:

„Ich wollte gerade den Tino Brandt unbedingt hin-
ter Gitter bringen. Ich habe auch Sachen zur An-

klage gebracht mit sehr wackeligem Beweisergeb-
2288) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Tino Brandt vom

26. Januar 2012, MAT A BY-14/1c, Bl. 252 ff., 254.

2289) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 14.

2290) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 79.

2291) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 92.

2292) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 93.

2293) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 93.

2294) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 93.

2295) Übersicht der Polizei vom 16. Januar 2001 (Aufstellung von

Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des THS von 1993
bis 2000 wegen Delikten, die im Zusammenhang mit deren

rechtsextremer Gesinnung stehen), MAT B TH-3, Dateiname:

MAT_B_TH-3_25-1202-62012.pdf, Bl. 283 ff.

Drucksache 17/14600 – 266 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nis, mit dem Ergebnis, dass das dann vor Gericht

einen Freispruch oder eine Einstellung vor Gericht

gab. Es ist so, dass die Beweislage […] bei Ge-
walttaten öfter sehr schwierig ist, dass sie auch bei

Propagandadelikten sehr, sehr schwierig ist. Wir

haben eingesperrt, was ging. Wir haben ermittelt,

was ging. Wir haben angeklagt, was ging.“2296

aaa) Gräfenthal-Verfahren

In einem Verfahren wegen eines gewalttätigen Angriffs in

Gräfenthal am 27. Januar 1996 wurde Tino Brandt in

erster Instanz vom Amtsgericht Rudolstadt zu einer Frei-

heitsstrafe auf Bewährung verurteilt, in zweiter Instanz

jedoch vom Landgericht Gera freigesprochen. Der Sach-

verhalt wurde bereits oben dargestellt.
2297

In diesem Verfahren soll das LfV Thüringen versucht

haben, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Der

Zeuge Melzer, beim LKA Thüringen in der Soko „Rex“
eingesetzt gewesen, hat vor dem Untersuchungsausschuss

ausgesagt:

„Der mit den Ermittlungen befasste Staatsanwalt
war der Herr Gerd Schultz, der Staatsanwalt

Schultz, und dieser Staatsanwalt sagte mir damals,

dass er Besuch von zwei Herren vom Landesamt

für Verfassungsschutz gehabt hätte. Diese zwei

Herren hätten ihm gesagt, dass meine Ermittlungen

wohl eher einer Hexenjagd ähneln, die ich gegen

den Tino Brandt anstelle, und der Tino Brandt wä-

re wohl nicht der Anstifter zu diesem schweren

Landfriedensbruch gewesen, und man solle doch

auf mich Einfluss nehmen und die Ermittlungen

einstellen. Ich habe mich dann mit dem Herrn

Staatsanwalt Schultz darüber unterhalten und habe

ihm das noch mal alles erörtert. Der Herr Staats-

anwalt Schultz - was ich sehr gut fand - hat sich

nicht beirren lassen, hat gesagt: Herr Melzer, wir

ermitteln weiter. - Es war aber damals schon be-

kannt, dadurch, dass wir sehr viele Informationen

aus der Szene hatten, dass der Herr Tino Brandt

Quelle des Thüringer Landesamts für Verfassungs-

schutz ist.“2298

„Und, wie gesagt, ich erinnere mich zum Beispiel
auch an die Vorbereitung der Verhandlung gegen

Brandt, Amtsgericht Rudolstadt. Da hat mich vor

der Verhandlung auch der Richter konfrontiert:

‚Herr Melzer, wissen Sie was von Todeslisten in
der rechten Szene?‘, und ich konnte ihm nur sagen:
‚Ja, passen Sie auf, ich habe davon gehört. Wir ha-
ben Hinweise.‘ – ‚Ja wer steht da drauf?‘ - Ich sa-
ge: ‚Ja, Topkandidaten sind wohl Sie, der Staats-
anwalt und meine Wenigkeit.‘ - Ja und danach
ging dieses ganze Verfahren ja ziemlich vor den
2296) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 16.

2297) Siehe hierzu oben im Abschnitt B. II. 5.

2298) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 64.

Baum. Also, der Herr Brandt ist ja dann als Anstif-

ter im Prinzip nicht verurteilt worden.“2299

Der damalige verfahrensführende Staatsanwalt, der Zeuge

Schultz, hat hingegen ausgesagt, dass der Besuch des

Verfassungsschützers in keinem besonderen Bezug zu

einem Verfahren gestanden habe, auch nicht zu

Gräfenthal. Den Besuch des Verfassungsschützers habe er

einem Polizeibeamten erzählt, der danach einmal bei ihm

gewesen sei. Er glaube, es sei Herr Melzer vom LKA

gewesen.
2300

Zum Besuch des Verfassungsschützers hat

der Zeuge Schultz ausgesagt:

„Es kam […] irgendwann […], ich vermute in den
Jahren 1996 oder 1997 - zu einer Begegnung in

meinem Büro. […] Bei einem dieser Gespräche
sagte ein Vertreter des Verfassungsschutzes sinn-

gemäß […]: Warum wollen Sie denn ausgerechnet
den Tino Brandt hinter Gitter bringen? Dann habe

ich gesagt: Ich halte ihn für den Führer der rechten

Szene. Und er hat auch schon oft Glück gehabt,

und es ist schon für ihn sehr günstig gelaufen. Na-

türlich wollen wir den Führer der rechten Szene

hier hinter Gitter bringen, so schnell wie mög-

lich. - Dann hat er weiter ganz allgemein gespro-

chen, und zwar ein paar Kriterien angesprochen,

die beispielsweise der Verfassungsschutz anlegen

würde an Mitarbeiter oder an Informanten, dass es

also jemand aus der Führungsspitze sein sollte,

dass es jemand sein sollte, der unbedingt nicht an

Gewalttaten beteiligt ist im Regelfall.

Das konnte oder sollte, weiß ich nicht, bei mir im

Hinterkopf den Verdacht nähren, dass der Tino

Brandt ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes

sein konnte. Ich wusste allerdings nicht, ob das

ernst gemeint war, was er gesagt hat, ob das nur

theoretisch gemeint war, ob er sich nur brüsten

wollte oder ob er vielleicht von einem richtigen

Mitarbeiter ablenken wollte, indem er jetzt einen

gewissen Verdacht auf Tino Brandt lenkt. Das

wusste ich alles nicht. Aber da hatte ich zum ersten

Mal so Kenntnis erhalten, nenne ich es mal, dass

der Tino Brandt mit dem Verfassungsschutz zu-

sammenarbeiten könnte.

Grundsätzlich war das, was mir dieser Mitarbeiter

gesagt hat, auf Tino Brandt zutreffend. Im Regel-

fall war er eben nicht ein Gewalttäter. [...] Meis-

tens blieb er in der Tat im Hintergrund und hat das

Ganze eher gelenkt. Und er war in der Füh-

rungshierarchie ziemlich weit oben. Das war das

erste Mal, als jemand so einen Verdacht geäußert

hat oder als mir das im Hinterkopf blieb. […]

Ich habe das nicht als Einflussnahme gesehen, eher

als Hinweis. Ich habe mich auch nicht beeinflussen

lassen; denn ich habe weiterhin Verfahren gegen
2299) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 110.

2300) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 27.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 267 – Drucksache 17/14600

Tino Brandt bearbeitet, weiterhin forciert und wei-

terhin angeklagt, wo es nur ging.“2301

Auf Nachfrage, ob man ihm nach seiner Einschätzung

versucht habe verstehen zu geben, Brandt sei ein Infor-

mant des LfV Thüringen und er solle bezüglich seiner

Ermittlungen ein bisschen zurückhaltend, sein, hat der

Zeuge Schultz geantwortet:

„Das könnte sein, ja. Also, er könnte auch das Ge-
genteil beabsichtigt haben: Er wollte mir vorma-

chen, dass der Tino Brandt Mitarbeiter des Verfas-

sungsschutzes ist, während es sicherlich ein ande-

rer war. Also, es gibt auch andere Interpretations-

möglichkeiten. Aber es war vordergründig, glaube

ich, schon darauf angelegt, ich solle eher den Tino

Brandt in Ruhe lassen, weil er Mitarbeiter des Ver-

fassungsschutzes sei.“2302

bbb) Bedrohung von Polizeibeamten

Darüber hinaus gab es am 6. November 1996 ein Ereignis

in Rudolstadt: Bei einer Fahrzeugkontrolle wurden zwei

Polizeibeamte aus einer Gruppe von ca. 15 bis 20 Perso-

nen heraus bedroht, die der rechten Szene zuzurechnen

war. Die Beamten wurden durch Sven R. aufgefordert, die

Waffen abzulegen und zu kämpfen. Aufgrund der Situati-

on musste die Fahrzeugkontrolle abgebrochen werden.

Zudem wurden die Beamten durch die Gruppe kurzzeitig

daran gehindert, in ihren Streifenwagen einzusteigen.

Dieser wurde leicht beschädigt.
2303

Auch Tino Brandt war

als Teil der Gruppe vor Ort anwesend.

Das unter dem Aktenzeichen 113 Js 19774 / 96 bei der

Staatsanwaltschaft Gera geführte Ermittlungsverfahren

wurde bzgl. Tino Brandt am 17. April 1997 gemäß § 170

Abs. 2 StPO eingestellt. Sven R. wurde am 27. Januar

1998 durch das Amtsgericht Rudolstadt wegen Landfrie-

densbruchs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten

verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt

wurde.
2304

ccc) „THS“-Verfahren

Von November 1995 bis November 1997 ermittelte das

LKA Thüringen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Gera

gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimat-
schutzes“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Beschuldigter in diesem Verfahren war auch Tino Brandt.

Das Verfahren wurde bereits oben näher dargestellt.

In diesem Verfahren gingen die Ermittlungsbehörden

davon aus, dass Tino Brandt Mutmaßungen über bevor-

stehende Ermittlungsmaßnahmen anstellte. In einem

Vermerk heißt es:
2301) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 5 f.

2302) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 5.

2303) Vermerk vom 7. November 1996, MAT A TH-9/2i-Saalfeld-
136, Bl. 374.

2304) Übersicht über Justizakten Thüringen, MAT A TH-9/17-22,

Zeilen 6599 und 6601.

„Am Donnerstag, den 01.08.1996, um 09.30 Uhr,
wurde in der Staatsanwaltschaft Gera mit Herrn

OStA Schultz darüber beraten, ob für den o.a.

Fernmeldeanschluss im Hinblick auf die bevorste-

henden ‚Heßtage‘ beim zuständigen Ermittlungs-
richter beim Amtsgericht Rudolstadt die Anord-

nung zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs

gem. § 100a StPO beantragt werden kann.

Herr Schultz erklärte Unterzeichner, dass er vor

kurzem vom Landesamt für Verfassungsschutz in

Thüringen die Mitteilung erhalten habe, dass Tino

Brandt selber wörtlich äußerte:

‚Ich weiß, dass gegen mich ein Ermittlungsverfah-
ren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung

geführt wird. Ich bin deshalb sicher, dass meine

Telefongespräche alle abgehört werden. Aus die-

sem Grund verhalte ich mich bis zum Ende des

Verfahrens ruhig.‘

Diese Äußerung von Tino Brandt stamme aus ei-

ner nicht gerichtsverwertbaren Maßnahme des

Landesamtes für Verfassungsschutz. Nachdem es

seitens des LfV, den sachbearbeitenden Staats-

schutzstellen der Polizei sowie des LKA keine

konkreten Hinweise gibt, dass die Gruppierung um

Tino Brandt während der ‚Heßtage‘ irgendwelche
strafbaren Handlungen plant, hält die Staatsan-

waltschaft Gera die Überwachung des Fernmelde-

verkehrs bei Tino Brandt nicht für opportun. Auch

im Hinblick auf die Äußerung des Tino Brandt,

dass er die Überwachung seiner Telefongespräche

bereits vermutet, ist die Überwachung wenig er-

folgversprechend.

Sollten sich nachträglich weitere Hinweise erge-

hen, wird ein Antrag neuerlich geprüft.“2305

Ohne dass sich aus den Akten ein Grund für eine Aufgabe

dieser Zurückhaltung ergibt, beantragte die Staatsanwalt-

schaft Gera am 6. August 1996 die Überwachung eines

von Tino Brandt mutmaßlich genutzten Telefonanschlus-

ses.
2306

Diese Maßnahme lief vom 7. August 1996 bis

zum 15. März 1997. Der Auswertungsvermerk stellte fest,

dass Tino Brandt und seine Gesprächspartner eine „starke
Gesprächsdisziplin“ zeigten, da sie damit rechneten, ab-
gehört zu werden.

2307
Der Zeuge Schultz hat zu der angesprochenen Mitteilung

des LfV Thüringen über Tino Brandt ausgesagt, er könne

sich nicht daran erinnern.
2308

Jedoch habe ihn Tino Brandt

während einer Sitzungspause einer Hauptverhandlung auf

dieses Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Verei-

nigung angesprochen. Er habe daraufhin mit der Polizei

darüber gesprochen, woher Tino Brandt Kenntnisse über
2305) Vermerk des LKA Thüringen vom 1. August 1996, MAT A

TH-2/45, Bl. 430 f.

2306) Verfügung vom 6. August 1996, MAT A TH-2/45, Bl. 434 ff.

2307) Auswertungsvermerk vom 28. Oktober 1997, MAT A TH-2/45,

Bl. 516 ff.

2308) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 53.

Drucksache 17/14600 – 268 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dieses Verfahren haben könne. Die Sache sei dann ir-

gendwie im Sande verlaufen. Tino Brandt sei in vielen

Verfahren vernommen worden, weshalb es möglich sei,

dass er im Rahmen einer Vernehmung hierauf angespro-

chen worden sei.
2309

ddd) Angaben des Tino Brandt gegenüber
Thorsten Heise

Tino Brandt brüstete sich gegenüber Thorsten Heise in

einem von diesem am 20. Januar 2007 offenbar heimlich

aufgezeichneten Gespräch, das seine Tätigkeit für das

LfV Thüringen behandelte, darüber, dass er vor Haus-

durchsuchungen gewarnt worden sei, sodass für ihn ledig-

lich zwei Durchsuchungen durch bayerische Behörden

unerwartet geschehen seien. Das Wortprotokoll lautet

auszugsweise:

„Brandt (B): … wenn auf einmal vermehrt Haus-
durchsuchungen kommen. Gut, ist dann natürlich

schon sehr praktisch, wenn ich einen Tag vorher

weiß, dass die kommen. […]

B: lch sach mal so, dass war bis auf zwei Haus-

durchsuchungen, die der Freistaat Bayern gegen

mich veranlasst hat, äh, wo ichs nicht vorher wuss-

te, war das sonst so in Coburg, dass äh, die ham ja

(unverständlich) Computerattrappen mitgenom-

men. Die ham ja jedes Mal äh, äh, Beschlagnahme

für meinen Computer gehabt und ähm, ich hab

dann äh, Uraltcomputer da zusammengezimmert,

äh, (unverständlich) bei ner Hausdurchsuchung

nen Computerexperten extra mitgeschleppt. […]

B: (unverständlich) Schwachsinn (unverständlich)

bin dann zum Bahnhof gelatscht und hab den

Computer ins Schließfach getan und... (unver-

ständlich) oder so.“2310

„B: Äähm, man hat das auch richtig gemerkt, weil
es hieß auf einmal, riefen sie bei mir an auf Arbeit,

bei Nation Europa und äh mer können erstmal

nicht mehr bei Dir anrufen, weil Handy und Dings

ist Papi. Sach, LKA hängt drinne oder der große

Bruder hängt drinne, sprich Bundesverfassungs-

schutz.“2311

„B: So, und also das hat man regelrecht äh, ge-
merkt, also die ham gesagt, also die und die Num-

mer geht nicht, äh, hol Dir, hol Dir ne Extra-Card

oder irgendwas äh, zum kommunizieren. […]

B: Ham gesagt, hier hundert Euro, äh hundert

Mark (unverständlich) äh hier hast hundert Mark,

hol Dirs schnell. Soll Dein Bruder holen oder so

damit es nicht auf Deinen Namen Iäuft. Und ich

soll auch nicht äh damit sonst wann telefonieren
2309) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 47.

2310) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, Bl. 24.

2311) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT

A GBA-12, Bl. 25.

wegen äh der Stimmenerkennung. Server-

Stimmenerkennung läuft, also.“2312

„A [= Thorsten Heise]: Schön zu wissen, dass der
Verfassungsschutz die nationale Bewegung in

Thüringen aufgebaut hat. Das ist schon... ja... sehr

cool.

B: lch hoff ja, n bisschen was, hab ja auch ich ge-

macht, also.“2313

Der Zeuge Sippel hat es für möglich gehalten, dass Brandt

die Dinge so dargestellt hat, um gegenüber seinem Kame-

raden nicht als Verräter zu erscheinen:

„Er hat versucht, zu erklären, dass er im Prinzip
keinen Verrat begangen hat, sondern seine Verbin-

dung mit dem Verfassungsschutz dazu genutzt hat,

für die rechtsextremistische Szene auch Aufbau zu

betreiben. Das halte ich für plausibel. Aber ich

kann auch nicht ausschließen, dass das, was

Brandt H. gegenüber gesagt hat, der Wahrheit ent-

spricht.“2314

eee) Verdacht auf Einflussnahme des LfV im
Übrigen

Der Zeuge Dressler hat über eine Durchsuchung bei Tino

Brandt berichtet:

„Kollegen aus der EG „TEX“ haben eine Durchsu-
chung in Coburg seinerzeit realisiert, und üblicher-

weise findet das ja gegen 6 Uhr morgens statt. Und

wenn man dann hinkommt und jemand dann schon

sozusagen mit der Kaffeetasse in der Hand auf ei-

nen wartet, ist das nicht der übliche Zustand. Und

wenn man dann noch einen Untersuchungsgegen-

stand wie einen Rechner sucht und dann in der

ganzen Wohnung nur ein Uraltmodell ohne Fest-

platte findet, dann ist das schon sehr - - mit sehr

vielen Fragen behaftet.

Ich habe diese Situation so geschildert - - von den

Kollegen, denen das so passiert ist - und jetzt muss

ich wieder sagen: Ich weiß nicht, wo ich diese In-

formation jetzt herhabe, weil ich wirklich nicht

mehr weiß, ob ich es in der Presse gelesen habe

oder anderweitig gehört habe.“2315

fff) Stellungnahmen der Mitarbeiter des LfV
Thüringen

Der Zeuge Nocken, damaliger Vizepräsident des LfV

Thüringen, hat sich „dagegen verwahrt“, dass seitens des
LfV Thüringen versucht worden sein soll, auf die Staats-

anwaltschaft Einfluss dahingehend auszuüben, dass be-
2312) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT

A GBA-12, S. 26.

2313) Auswertungsvermerk des BKA vom 21. November 2012, MAT
A GBA-12, S. 58.

2314) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 148.

2315) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 54.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 269 – Drucksache 17/14600

stimmte Verfahren beendet oder gar nicht aufgenommen

werden sollen. Er hat in diesem Zusammenhang auf eine

am Wochenende vom 24. bis zum 26. August 2012 be-

kannt gewordene Information verwiesen, dass angeblich

ein oder mehrere Polizisten die Szene gewarnt hätten.
2316

Er selbst habe Tino Brandt nicht vor Strafverfolgungs-

maßnahmen gewarnt, da er ihn überhaupt nicht gekannt

habe. Er sei sich auch sicher, dass keiner seiner Mitarbei-

ter Tino Brandt informiert habe; dies wäre dann gegen

seinen Willen und sein Wissen geschehen.
2317

Der Zeuge Wießner, LfV Thürigen, hat angegeben, dass

er Tino Brandt erst 1998 als V-Mann übernommen habe.

Er habe ihn nie gewarnt.
2318

Der Zeuge Bode, V-Mann-

Führer von Brandt von 1994 bis 1998, hat ebenfalls ver-

neint, Brandt vor Ermittlungsmaßnahmen gewarnt zu

haben. Er habe gar nicht gewusst, wann die Polizei durch-

suche. Im Übrigen habe er seine Quelle „eingestellt“:

„Gerade eine hochrangige Quelle habe ich natür-
lich immer so geführt, dass ich gesagt habe: Du

weißt, wer du bist, und du weißt, dass der Staats-

schutz dich auch auf dem Radarschirm hat. Und

die können jederzeit deine Wohnung durchsu-

chen. - Im Übrigen habe ich ihm auch Sachen ab-

genommen, die er in seinem Auto hatte oder so

[…] und der Auswertung zugeführt.“2319

Zu dem Verdacht von Warnungen der Polizei an Beschul-

digte hat der Zeuge Dr. Roewer ausgesagt:

„Für diesen Verdacht gab es zunächst erst mal den
allgemeinen Hinweis oder den allgemeinen An-

haltspunkt, dass es in der Polizei jemanden gab,

der in die rechtsextreme Szene offensichtlich Poli-

zeiinformationen weitergab, und dieser Verdacht

war sehr konkret dadurch, dass in der rechtsextre-

men Szene eine Bildfahndungsmappe über poli-

zeilich erkannte Rechtsextremisten auftauchte, und

diesem Verdacht war schon nachzugehen.“2320

Dies sei vermutlich 1998 gewesen.
2321

ll) Kenntnis des BfV über den Klarnamen der
Quelle 2045/2150

Der Zeuge Egerton, der nach eigenen Angaben die Opera-

tion „Rennsteig“ mit initiierte, hat angegeben, er habe
weit vor deren Aufdeckung von der Existenz der Quelle

„2045“ des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz
gewusst.

2322
Informell habe er auch den Klarnamen ge-

wusst:
2316) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 128.

2317) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 15.

2318) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 14.

2319) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 80 f.

2320) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.

2321) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 107.

2322) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 25.

„Das BfV wusste es nicht, aber ich wusste es, ja,
und ich glaube, einige Kollegen wussten es auch.

[…]

Wenn man allerdings ein bisschen, na ja, zwischen

den Zeilen zu lesen vermag, viele Kontakte unter-

hält, auf privater und dienstlicher Ebene, auch - ich

sage mal - die Meldungen liest, welchen Zugang

die dortigen Quellen haben, Vergleichsmeldungen

heranzieht, dann ist es eigentlich gerade bei sol-

chen hochrangigen Quellen oftmals kein großes

Problem, an den Klarnamen ranzukommen. Es gibt

eben manche Sachen, die nur einige wenige Leute

kennen können.“2323

Auch der Zeuge Renzewitz (bis 1999 Auswertung Rechts-

terrorismus im BfV) hat ausgesagt, in der „Auswertung“
des BfV habe zumindest ein Verdacht bestanden, dass

Brandt V-Mann des LfV Thüringen sei.
2324

Zum einen aus

diesem Grund aber auch wegen seiner Hochrangigkeit im

„THS“ sei er nicht als V-Mann des BfV in Betracht gezo-
gen worden.

2325
Der Zeuge Fritsche, von Oktober 1996 bis November

2005 Vizepräsident des BfV, hat angegeben, dass das BfV

die V-Mann-Tätigkeit von Tino Brandt nicht gekannt

habe. Er hat weiter ausgeführt:

„Sonst hätten wir dies im Zuge des NPD-
Verbotsverfahrens nicht als Beleg für das Aggres-

siv-Kämpferische eingeführt. Denn Sie kennen ja

die Diskussion, die nicht erst seit dem Einstel-

lungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts er-

folgte, dass eine Staatsfreiheit vorliegen muss. Das

sind ja auch die Kriterien, die in dem Einstel-

lungsbeschluss eine Rolle spielen, die für ein etwa-

iges neues NPD-Verbotsverfahren eine Rolle spie-

len, und das war nicht bekannt, obwohl die Lan-

desbehörden nach meiner Kenntnis damals alle

aufgefordert worden sind, zu den Materialien, die

in dem Verbotsantrag mit eingeführt werden, zu

erklären, dass es sich um quellenfreies Material

handelt.“2326

mm) Enttarnung Brandts

Im Mai 2001 wurde die V-Mann-Eigenschaft von Tino

Brandt in der Presse kolportiert. Der Zeuge Wießner hat

vermutet, dass ein Mitarbeiter des LfV, möglicherweise

im Auftrag des ehemaligen Präsidenten Dr. Roewer, die

Enttarnung von Tino Brandt veranlasst habe. Er hat als

Indiz genannt:

„Am Tag vor der Enttarnung ist ein OG-Leiter an-
gerufen worden, abends um 22 Uhr, und ist gefragt

worden, ob er am nächsten Tag aus dem Dienst-

ausgleich kommen kann, um eine Treffabsiche-
2323) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 25.

2324) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72, S. 21 (nichtöffentlich).

2325) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72, S. 21 (nichtöffentlich).

2326) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 60.

Drucksache 17/14600 – 270 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rung zu machen. Und üblich war zu diesem Zeit-

punkt - es war Nachsorge -, dass da kein Treff mit

Observation stattfand; war nicht notwendig. Und

dann haben andere Leute, Observanten, den Job

übernommen. Das weiß man bisher. Den Auftrag,

den ich vorhin zitiert habe, hat S. gegeben, und S.

war eng liiert mit Roewer. Das ist aus heutiger

Sicht nur eine Retourkutsche gewesen aufgrund

dieser Veröffentlichung ‚Küche‘, und dann kam
von dieser Seite: Es bebt hier alles.“2327

Bei diesem letzten Treffen mit Brandt im Mai 2001 habe

dann wohl jemand von der Thüringer Allgemeinen Zei-

tung fotografiert.
2328

Der Zeuge Sippel hat die Enttarnung ähnlich geschildert:

„Es war so, dass Tino Brandt sich mit seinem
ehemaligen V-Mann-Führer, der ihn ja dann zu be-

treuen hatte, in einer Gaststätte in Coburg getrof-

fen hat. Und dieses Treffen ist verdeckt fotogra-

fiert worden. Das heißt, es gab dann Bilder von Ti-

no Brandt und auch von dem V-Mann-Führer

Wießner, die dann in der Presse veröffentlicht

worden sind.

Die Kenntnis, dass Tino Brandt Quelle des Verfas-

sungsschutzes war, war allerdings schon vor der

Veröffentlichung in der Thüringer Allgemeinen

bekannt. […]

Herr Nocken war der Auffassung, dass Tino

Brandt verraten worden sei durch einen Mitarbei-

ter aus dem Haus oder durch Mitarbeiter aus dem

Haus. Er hat nicht gewusst, wer das gewesen sein

könnte, sondern hat vermutet, es seien Personen

aus dem Umfeld von Dr. Roewer. […]

Dem bin ich nachgegangen. Wir haben Mitarbeiter

befragt. Wir haben auch die Polizei eingeschaltet.

Ich glaube mich zu erinnern, dass wir Strafanzeige

erstattet haben wegen Geheimnisverrats. Aller-

dings wurde nicht aufgeklärt, wer wirklich dahin-

tergesteckt hat.“2329

Die Enttarnung habe die Quellenwerbung und –führung
sehr erschwert.

2330
Der Zeuge Nocken hat ausgeführt, dass mit der Enttar-

nung von Tino Brandt und der daraufhin erfolgten sofor-

tigen Beendigung der Zusammenarbeit keine Möglichkeit

mehr bestanden habe, an das Trio heranzukommen. Man

hätte eine neue Quelle anwerben und langsam dahin plat-

zieren müssen, um wieder Informationen zu bekom-

men.
2331

Er sei der festen Überzeugung, wenn das LfV

Thüringen in Ruhe hätte weiterarbeiten können – entwe-
der mit Quelle 2045 oder mit einer weiteren Quelle –,
2327) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 60 f.

2328) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 60 f.

2329) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144 f.

2330) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144.

2331) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 37.

hätte man gute Chancen gehabt, den Aufenthaltsort des

Trios zu entdecken und damit möglicherweise Schlimme-

res zu verhindern.
2332

Der Zeuge Sippel hat diese Argumentation als hypothe-

tisch bezeichnet. Dem könne man entgegenhalten, dass

auch drei Jahre mit Tino Brandt das Trio nicht gefunden

worden sei. Die Abschaltung, aber vor allem die Offenba-

rung der Zusammenarbeit in den Medien habe aber dem

LfV Thüringen die Quellenwerbung und -führung erheb-

lich erschwert, auch vor dem Hintergrund, dass ein Jahr

zuvor bereits Thomas D. enttarnt worden sei. Bei Rechts-

extremisten, mit denen man habe zusammenarbeiten wol-

len, habe die Befürchtung bestanden, enttarnt zu wer-

den.
2333

Auch nach Brandts Enttarnung habe das LfV Thüringen

noch Kontakt zu Brandt gehabt in Bezug auf die Frage,

ob dieser durch die Enttarnung gefährdet sei. Er könne

sich erinnern, dass Brandt berichtet habe, ihm sei in ei-

nem Umschlag eine Patrone zugeschickt worden. Mit der

Polizei habe man daraufhin über eventuelle Schutzmaß-

nahmen gesprochen.
2334

Nach Angaben des ehemaligen LfV-Präsidenten Sippel

hat es nach der Enttarnung Tino Brandts – mit Ausnahme
der Erteilung einer Aussagegenehmigung in einem Straf-

verfahren – keine Zusammenarbeit mehr mit Brandt ge-
geben.

2335
Dieser sei aber unmittelbar nach dem Abschal-

ten noch Zielobjekt einer G10-Maßnahme gewesen. Da-

nach sei dieser – zumindest für das LfV erkennbar – nicht
mehr in dem besonderen Maße in der rechtsextremisti-

schen Szene aktiv gewesen, dass dies eine Beobachtung

gerechtfertigt hätte.
2336

b) VM 2100 („Riese“/„Hagel“)

Marcel D. war Kassenwart der „Blood & Honour“-
Gruppierung. Nach Aussage des Zeugen Nocken sei er

„eigentlich nur mit Konzerten beschäftigt“ gewesen. Er
habe sich um die Ausrichtung irgendwelcher Musikveran-

staltungen gekümmert.
2337

Vor dem Thüringer Untersu-

chungsausschuss gab er an, die relativ hochrangige Funk-

tion der Quelle habe man akzeptieren müssen, da sonst

Informationen nicht zu erlangen gewesen seien.
2338

Bei

einer Sektion, die wie die Thüringer mehr oder weniger

unbedeutend sei, könne man das noch dulden.
2339

Vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss sagte der

Mitarbeiter des LfV, Wießner, Marcel D. sei 1995 oder

1996 geworben worden.
2340

Der Zeuge Schrader bezeich-
2332) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 129.

2333) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 144.

2334) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 158.

2335) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 164.

2336) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 164 f.

2337) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 20.

2338) Nocken, LT-TH, MAT B TH-1/7, S. 89.

2339) Nocken, LT-TH, MAT B TH-1/7, S. 92.

2340) Wießner, LT-TH, MAT B TH-1/5, Bl. 61.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 271 – Drucksache 17/14600

nete ihn als eine Quelle, die an herausgehobener Position

bei „Blood & Honour“ tätig gewesen sei.2341 Er habe
Informationen geliefert, über die andere Verfassungs-

schutzämter nur gestaunt hätten.
2342

Der Zeuge Wießner hat ausgesagt, erste Hinweise zum

Trio mit Bezug zu Chemnitz und Jan Werner seien von

der Quelle 2100 gegeben worden. Er habe diese Quelle

vertretungsweise in der Hoffnung und mit dem speziellen

Auftrag geführt, dass sie Informationen zum Trio liefern

werde. Ansonsten sei die Quelle 2100 von einem Kolle-

gen im Amt geführt worden, der auch im V-Mann-Referat

beschäftigt gewesen sei. Herr Nocken sei dies nicht gewe-

sen.
2343

Zur Abschaltung der Quelle hat der Zeuge Sippel erklärt,

er sei im Oktober 2000, kurz vor seinem Wechsel ins

LfV, auf seiner früheren Arbeitsstelle beim BfV vom

Vizepräsidenten Nocken aufgesucht und um Rat gefragt

worden. Die Quelle 2100 habe gegen das Verbot von

„Blood & Honour“ durch das BMI Widerspruch einge-
legt. Herr Nocken habe den Zeugen Sippel gefragt, ob er

die Zusammenarbeit mit diesem V-Mann beenden solle.

Der Zeuge Sippel habe Herrn Nocken erklärt, dies noch

nicht entscheiden zu können, da er noch Bundesbeamter

sei, jedoch vorgeschlagen, die Quelle abzuschalten.
2344

Im Jahr 2002 sei dann die Quelle in der Szene enttarnt

worden:

„Ich glaube, das ist erfolgt durch eine § 100a-
Maßnahme der Polizei in Sachsen-Anhalt, in der

ein Gespräch zwischen der Quelle und einem V-

Mann-Führer aufgezeichnet worden ist, und durch

die Akteneinsicht des Anwalts - wenn ich das rich-

tig in Erinnerung habe - ist das dann auch der Sze-

ne bekannt geworden. Wir hatten danach auch mit

der Quelle besprochen, welche Schutzmaßnahmen

zu veranlassen sind, und diese Quelle ist vermöbelt

worden in der Szene. Das hat sie uns berichtet, und

der V-Mann-Führer hat auch damals niedergelegt,

dass sie Schrammen im Gesicht gehabt hat, ein

blaues Auge und mächtig Prügel eingesteckt hat.

Das heißt, es kann durchaus zu körperlicher Ge-

walt kommen. In dem Fall waren es Blessuren.

Aber ich denke, dass man es im Bereich des ge-

waltbereiten Rechtsextremismus auch mit Perso-

nen zu tun hat, die wir gar nicht kalkulieren kön-

nen, die in ihren Handlungen schwer einzuschät-

zen sind für uns, sodass es für mich durchaus

denkbar ist, dass es auch im Rahmen einer Enttar-

nung zu weit mehr Konsequenzen führen kann, als

dass man mit einer Tracht Prügel überzogen

wird.“2345
2341) Schrader, LT-TH, MAT B TH-1/5, Bl. 229.

2342) Schrader, LT-TH, MAT B TH-1/5, Bl. 256.

2343) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 31 f.

2344) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 145.

2345) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 160.

c) VM „Küche“

Bei dem VM mit dem Decknamen Küche handelt es sich

um den im Jahr 2000 enttarnten Thomas D. Dieser war

vom 23. Januar 1996 bis zum 22. August 1997 für das

LfV Thüringen tätig.
2346

Der Zeuge Dr. Roewer hat zum V-Mann Thomas D. Fol-

gendes ausgeführt:

„Zunächst gab es einen Selbstanbieter. […] Das
war der verurteilte Rechtsextremist D., den ich hier

deswegen auch nenne, weil er sich ja selbst ir-

gendwann mal geoutet hat als ehemalige Quelle

des Amtes, der auch ein völlig harter, also unbe-

streitbarer Rechtsextremist war, ein rechtsextremer

Straftäter zudem, der von einem Mitarbeiter von

mir, der da besonders erfahren war, abgeschöpft

wurde - unter Sprit gesetzt und abgeschöpft; das

war die Methode.“2347

Auf Nachfrage, was „unter Sprit gesetzt“ bedeute, hat der
Zeuge erklärt:

„Die sind saufen gegangen, und dann hat er ihn
abgeschöpft.“ […] Dieser Mann ist eine Weile
lang als Quelle von uns benutzt worden. Und erst,

als er deutlich anfing, die Wirklichkeit von der

Fantasie nicht mehr zu unterscheiden, haben wir

uns seiner entledigt. Sie dürfen sich dieses Ge-

schäft nicht als besonders vornehm vorstellen. Die

Selbstanbieter sind natürlich darauf aus - - Die

wollen irgendwas. Meistens wollen sie Geld. Im

Fall des gerade geschilderten D. war es so - nach

meiner jetzigen Erinnerung zumindest -: Der hatte

in der Tat ein Ziel, nämlich er glaubte, dass, wenn

er seine Kumpels verpfeift an die Verfassungs-

schutzbehörde, ihn das vor weiteren Strafverfol-

gungsmaßnahmen schützt. Der fürchtete nichts so

sehr, wie erneut einrücken zu müssen. Und bei

diesen Abschöpfmanövern ist ihm dann gesagt

worden: Es gibt ein ganz sicheres Mittel vor dem

nächsten Einrücken in den Knast: Das ist, keine

Straftaten mehr zu begehen; außerordentlich siche-

res Mittel.“2348

Nachdem in der ZDF-Sendung Kennzeichen D vom

7. Juni 2000 über eine Zusammenarbeit des LfV Thürin-

gen mit dem führenden Rechtsextremisten Thomas D. und

die Zahlungen des LfV an diesen berichtet worden war

und in die Öffentlichkeit auch Informationen und Mutma-

ßungen über die Heron-Verlagsgesellschaft mbH Erfurt

und deren Verbindungen zum LfV gelangt waren, wurde

Dr. Roewer vom Dienst suspendiert.
2349

Der im Zuge dieser Affäre vom Thüringer Innenministe-

rium beauftragte Rechtsanwalt Dr. Gasser fasste die Er-
2346) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 15.

2347) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.

2348) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 71.

2349) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 1.

Drucksache 17/14600 – 272 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

kenntnisse zu Thomas D. in seinem Bericht vom 23. Au-

gust 2000 zusammen.

Danach handelt es sich bei Thomas D. um einen Rechts-

extremisten, der im Spitzenbereich der Bewegung anzu-

siedeln war. Thomas D. war nach eigenen Angaben An-

fang der 90er Jahre Landesvorsitzender der NPD-

Thüringen und 1995/96 u. a. Bundesvorsitzender der

Deutsch Nationalen Partei (DNP). Er selbst bezeichnete

sich in einem Schreiben vom 18. März 1996, das dem

LfV Thüringen vorlag, als „einen der führenden Neona-
zis“ der Bundesrepublik Deutschland. Während Thomas
D. Tätigkeit für das LfV Thüringen erfolgten insgesamt

93 dokumentierte Treffen, er erhielt für seine Tätigkeit

insgesamt 21 980 DM und zusätzlich 6 800 DM an Spe-

sen (Gesamtsumme 28 780 DM).
2350

Thomas D. wandte sich am 18. Januar 1996 erstmals

fernmündlich an das Landesamt für Verfassungsschutz in

Thüringen und bat um ein Gespräch. Bei dem ersten Tref-

fen am 23. Januar 1996 gab Thomas D. an, er wolle künf-

tig zwar weiterhin als Rechtsextremist aktiv sein, die

Gesetze werde er aber beachten. Bei dem ersten Treffen

führte er ergänzend an, er plane, dem LfV alle seine Akti-

vitäten mitzuteilen und erwarte als Gegenleistung, dass er

„strafrechtlich beraten werde“.2351

Als Konsequenz aus den Vorgängen um Thomas D.

schlug Dr. Gasser vor, die operativen Mitarbeiter des LfV

Thüringen anzuweisen, künftig keine Personen der Füh-

rungsebene extremistischer Organisationen als V-Leute

mehr zu führen und dies in einer Dienstanweisung eindeu-

tig zu regeln.
2352

d) „Alex“

Alex war kein förmlich verpflichteter V-Mann. Er gab

dem LfV Thüringen 1998 lediglich einige Hinweise zum

Trio, die laut Schäfer-Gutachten allerdings nicht bedeut-

sam gewesen seien.
2353

Das LfV Thüringen teilte dem BKA mit Schreiben vom

21. März 2013 mit, dass es einen Werbungsfall Alex mit

der Zielperson Andreas R. gegeben habe. Am 7. April

1998 habe eine Ansprache stattgefunden. In der Folge sei

es zu neun „Treffs“ oder Tagesobservationen gekommen,
die letzte Maßnahme sei für den 15. September 1998

dokumentiert. Ein Grund der Beendigung habe nicht

festgestellt werden können.
2354

Andreas R. gab gegenüber dem BKA an, der eigentliche

Auftrag des LfV Thüringen habe darin bestanden, dem

LfV Einblicke in die Jugendszene zu verschaffen. Er sei

weder konkret zu Organisationsstrukturen (z. B. „THS“)
2350) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 13 f.

2351) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 13 f.

2352) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 26.

2353) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 150, 153, 155.

2354) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA vom 21. März 2013,

MAT A TH-3/14/2 (Tgb.-Nr. 198/13 - GEHEIM), S. 2 f. des

Schreibens.

und auch nicht zu einzelnen Personen oder Straftaten

befragt worden. Das Trio sei nur hinsichtlich des Trans-

ports des PKW thematisiert worden.
2355

In die Flucht des

Trios sei er in keiner Weise eingebunden gewesen. Er

habe zwar im Februar 1998 ein defektes Fahrzeug auf

Bitten des Kapke abgeholt. Er habe aber erst kurze Zeit

später erfahren, dass es das Auto des Trios gewesen

sei.
2356

Gegenüber dem LfV Thüringen hatte er allerdings

am 29. Juli 1998 noch bestritten, das Fahrzeug abge-

schleppt zu haben. Dies wertete der damalige V-Mann-

Führer Wießner als glaubhaft und vermerkte dies auf der

entsprechenden Deckblattmeldung über die Information

von Tino Brandt vom 20. Februar 1998.
2357

Aus der Zusammenstellung der Erkenntnisse des LfV

Thüringen ergibt sich, dass Andreas R. von 1992 bis 2003

immer wieder im Zusammenhang mit seiner rechtsextre-

mistischen Gesinnung auffiel. 1995 wurde er wegen be-

sonders schweren Landfriedensbruchs zu einer Freiheits-

strafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.
2358

e) Gewährsperson „Tristan“

Tristan war eine Gewährsperson, die Hinweise zum Trio

gab.
2359

Das BKA schloss aus Mitteilungen des BfV und

dem Bericht der Thüringer Schäfer-Kommission, dass es

sich bei Tristan um die Person T. R. handelt. T. R. gab

von Ende 2000 bis Mai 2001 mehrere Hinweise an das

LfV Thüringen.
2360

Am 1. Dezember 2011 meldete er sich

beim BKA und teilte mit, es sei in der rechten Szene nach

dem Untertauchen des Trios ein offenes Geheimnis gewe-

sen, dass Wohlleben und Kapke den Aufenthaltsort des

Trios kannten und sie logistisch unterstützten. Er habe

damals bei der Fernsehsendung Aktenzeichen XY-ungelöst

angerufen, als nach dem Trio gefahndet worden sei.
2361

T. R. wurde 2001 von den Ermittlungsbehörden als Sym-

pathisant der „Jenaer Kameradschaft“ angesehen.2362
2355) Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 19. März 2013,

MAT B GBA-4 (Tgb.-Nr. 91/13 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1
ff., 23.

2356) Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 19. März 2013,

MAT B GBA-4 (Tgb.-Nr. 91/13 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1
ff., 17 ff.

2357) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA vom 21. März 2013,

MAT A TH-3/14/2 (Tgb.-Nr. 198/13 - GEHEIM), S. 3 des

Schreibens.

2358) Vermerk des LfV Thüringen vom 14. Oktober 2003, MAT A

TH-3/EB12 (Tgb.-Nr. 101/13 – VS-VERTRAULICH).

2359) Vgl. oben sowie Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 177,

184.

2360) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA vom 7. Dezember
2012, MAT A GBA-13, Bl. 344.

2361) Vermerk des BKA vom 1. Dezember 2012, MAT A GBA-4/26,

Bl. 5 f.

2362) Übersicht über die Personen des Thüringer Heimatschutzes,

MAT B TH-3, Dateiname: 2862.00-26-1997 (Band 2) - mT.pdf,

Bl. 309.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 273 – Drucksache 17/14600

f) VM „Ares“

Ares war Kreisvorsitzender in der Thüringer NPD. Der

Zeuge Sippel hielt diese Position eines V-Mannes für kein

Problem:

„Denn Beobachtungsobjekt ist für uns der Landes-
verband der NPD. Man kann auch darüber nach-

sinnen, ob jemand, der im Landesvorstand ist,

auch die Führungsfunktion bestimmt, oder ob es

ein Vorsitzender sein muss oder ein Stellvertreter.

Ich glaube, das sind Fragen, die man im Einzelfall

klären muss.

Der Kreisvorsitzende [Ares], der ja sehr umstritten

war auch innerhalb seiner Partei, der auch große

Widersacher hatte innerhalb seiner Partei, war

nicht in der Lage, die Zielrichtung des Landesver-

bandes zu bestimmen.“

Er habe zwar 2008 versucht, den Landesvorsitzenden der

NPD zu stürzen, sei jedoch gescheitert, weil er die Mehr-

heit der Partei nicht hinter sich gehabt habe. Dies zeige,

dass er gerade nicht in der Lage gewesen sei, die Zielrich-

tung zu bestimmen.
2363

Die Thüringer Allgemeine Zeitung berichtete am 5. De-

zember 2012, dass Ares sich gegenüber dem MDR selbst

als ehemaliger V-Mann zu erkennen gegeben habe. Zwi-

schen 2006 und 2010 habe er regelmäßig Informationen

an das LfV Thüringen geliefert. 2007 habe er einen Spit-

zel in die Fraktion der Thüringer Linke eingeschleust, der

allerdings rasch aufgeflogen sei. Sein V-Mann-Führer sei

eingeweiht gewesen und habe ihn bestärkt.
2364

Dem Artikel zufolge stellte das LfV Thüringen den Sach-

verhalt anders dar: Ares habe sich im Mai 2006 selbst

angeboten und sei bis September 2007 als V-Mann im

Bereich Rechtsextremismus geführt worden. Die Zusam-

menarbeit sei wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit

beendet worden. Einzelne NPD-Aktionen seien durch die

Behörde weder initiiert noch unterstützt worden.
2365

g) VM „Günther“?

Nachdem der damalige LfV-Präsident Dr. Roewer im

August 2000 in den Ruhestand versetzt worden war, wur-

den in seinem Panzerschrank mehrere Quittungen aufge-

funden, welche mit Günther unterschrieben waren.

Der Ausschuss hat nicht feststellen können, ob es im LfV

Thüringen einen V-Mann Günther gab. Keiner der ver-
2363) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 172 f.

2364) thüringer-allgemeine.de, „Ehemaliger Erfurter NPD-Chef
enttarnt sich als früherer V-Mann“, Artikel vom 5. Dezember
2012.

2365) thüringer-allgemeine.de, „Ehemaliger Erfurter NPD-Chef
enttarnt sich als früherer V-Mann“, Artikel vom 5. Dezember
2012.

nommenen Zeugen hat ausgesagt, er kenne diesen V-

Mann.
2366

Der Zeuge Sippel hat ausgesagt:

„Mein damaliger Vertreter Herr Nocken […] hat
mir […] Quittungen vorgelegt, die Herr Roewer
ausgestellt hat, über Zahlungen, die an diese Per-

son gegangen sind, ein sogenannter Günther. Und

es fanden sich auch in den Akten keine Hinweise

auf die Identität dieses Günther. Es ließ sich für

mich nicht klären, wer sich hinter dieser Person

verbirgt. Und Herr Dr. Roewer hat auch in Verfah-

ren, die wir auch im Zusammenhang mit Scha-

densersatzforderungen gegen ihn anhängig ge-

macht haben, die Identität dieses Günther nicht of-

fengelegt.

Ich gehe davon aus, dass dieser Günther mit die-

sem Vorgang NSU nicht in Zusammenhang

steht.“2367

„Ich kann mir vorstellen, dass es vielleicht gar kei-
nen V-Mann ,Günther‘ gegeben hat, sondern dass
es darum ging, Gelder umzuschichten im Lan-

desamt. Der Vorwurf stand ja auch im Raum, war

auch Gegenstand eines Strafverfahrens, dass sich

dieser Sachverhalt dahinter verbirgt. Ich hatte aber

auch mit Herrn Nocken darüber gesprochen, ob er

sich vorstellen könnte, dass sich hinter ,Günther‘
jemand verbergen könnte, der mit dem Trio im Zu-

sammenhang steht, vielleicht einer von diesen

dreien, die abgetaucht sind. Herr Nocken sagte, das

könnte er mit fast hundertprozentiger Sicherheit

ausschließen; das glaubt er nicht.“2368

Der Zeuge Dr. Roewer hat auf die Frage nach dem V-

Mann Günther zunächst zurückgefragt:

„Was geht Sie das an? […] Was hat das mit dem
Thema des Untersuchungsausschusses zu tun?“2369

Schließlich hat er erklärt, es habe sich um keine Quelle

aus dem rechtsextremen Bereich gehandelt.
2370

Einen

Günther, der mit dem Thema des Untersuchungsaus-

schusses und dem gesamten Bereich Rechtsextremismus

zu tun hat, habe es in seiner Dienstzeit nicht gegeben.
2371

Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, dass Dr. Roewer in

Besprechungen über Quellenmeldungen des Günther, der

im Spionagebereich eingesetzt gewesen sei, gesprochen

habe. Berichte habe der Zeuge Schrader jedoch nicht

gesehen.
2372

Er glaube, dass es einen V-Mann Günther gar

nicht gegeben habe.
2373
2366) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 24; Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 91;

Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 23.

2367) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 135.

2368) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 170.

2369) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 83 f.

2370) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 84.

2371) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 88.

2372) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 149.

2373) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 150.

Drucksache 17/14600 – 274 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

h) Weitere mögliche V-Leute

Der Zeuge Baumbach hat bekundet, nach dem Abtauchen

des Trios habe man im LfV Thüringen Überlegungen

angestellt, gezielt nach Personen zu suchen, die als V-

Personen in Frage kommen würden, um bei der Suche zu

helfen. Er könne sich aber heute nicht mehr erinnern, wer

dies konkret gewesen sei.
2374

Über Wohlleben sei zwar

geredet, er sei aber gleich ausgeschlossen worden, weil er

zu gefestigt gewesen sei.
2375

Nach Aussage des Zeugen Wießner seien von der „Kame-
radschaft Jena“ des „THS“ André Kapke und Ralf Wohl-
leben als mögliche V-Personen wegen ihrer Vorstrafen

nicht in Frage gekommen.
2376

Der Zeuge Nocken hat ausgeschlossen, dass in seiner

Dienstzeit (bis 2001) Ralf Wohlleben als V-Mann ange-

worben worden sei.
2377

Der Zeuge Wießner hat darüber hinaus ausgesagt, dass in

Jena drei Werbungsvorhaben gelaufen seien, unter ande-

rem ein Werbungsversuch von Jürgen H.
2378

Jürgen H.

sei aber gleich verraten worden:
2379

„Das lief schief. Und dann war Tristan. Nach ei-
nem Vierteljahr konnten Sie das Ding auch im

Grunde genommen beenden.“2380

Nach Angaben des Zeugen Schrader habe das LfV Thü-

ringen seinen Quellen Geld für verbindliche Hinweise

nach dem Aufenthaltsort des Trios angeboten.
2381

II. Erkenntnisse und V-Leute des BfV

1. Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“

Die Ausgabe 18 des Neonazi-Magazins Der Weisse Wolf

(Schreibweise wie im Original) aus dem Jahr 2002 enthält

auf Seite 2 unterhalb des Vorwortes eine Danksagung:

„Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen
;-) Der Kampf geht weiter…“2382

Dieses wurde im Jahr 2002 von David Petereit verant-

wortlich herausgegeben, dem heutigen MdL der NPD in

Mecklenburg-Vorpommern.
2383

Petereit hatte zuvor einen

Brief mit dem Absender „NSU“ sowie eine Geldspende
2374) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 183.

2375) Baumbach, Protokoll-Nr. 53, S. 179.

2376) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6 f.; Jürgen H. gab jedoch 1999

dem MAD einen Hinweis auf das Trio, siehe hierzu Abschnitt

E. III. 6. m).

2377) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 49.

2378) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 28.

2379) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6 f.; Jürgen H. gab jedoch 1999
dem MAD einen Hinweis auf das Trio, siehe hierzu Abschnitt

E. III. 6. m).

2380) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 7.

2381) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 170 f.

2382) MAT A BY-14/1b, Bl. 143.

2383) MAT A BfV-4/12 (VS-NfD).

erhalten.
2384

Einen solchen Brief fand man später auch in

der ausgebrannten Wohnung des Trios in der Frühlings-

straße.
2385

Diese Ausgabe wurde für das BfV von der Quelle Q1

beschafft.
2386

Der damals im BfV hierfür in der Projekteinheit II 2 E

(Neonazis)
2387

zuständige Auswerter, der Zeuge Egerton,

hat angegeben, er habe über einen Hinweis der BfV-

Quelle Q1 von dem Magazin erfahren und es deshalb

beschaffen lassen. Die logistische Unterstützung von Q1

für das Magazin sei ihm nicht bekannt gewesen. Die Re-

levanz dieser Passage habe er nicht gesehen, weshalb er

auch keinen konkreten Auftrag zur Ermittlung der Bedeu-

tung des Kürzels „NSU“ beispielsweise an Q1 gegeben
habe. Er hat hierzu weiter ausgeführt:

„Ich bin auch heute noch der Meinung, dass man
aufgrund dieses einzigen Satzes, der zudem noch

als ironisch gekennzeichnet worden ist, eigentlich

keine inhaltliche Relevanz hätte herauslesen kön-

nen. Ein unbestimmter Dank an eine Gruppe, die

keiner kennt, die zudem noch mit einem Smiley

versehen ist, da hätte man fast schon hellseheri-

sche Fähigkeiten benötigt.“2388

Abkürzungen und Danksagungen seien in rechtsextremis-

tischen Publikationen die Regel gewesen.
2389

Wenn bei

100 bis 150 rechtsextremistischen Publikationen pro Jahr

jede Abkürzung bei den Landesbehörden nachgefragt

worden wäre, wäre der Verfassungsschutz lahmgelegt

worden und es wären zu 100% Fehlanzeigen entstan-

den.
2390

Der Auswerter in der Projekteinheit „Rechtsterrorismus“,
der Zeuge Kippenborck, hat angegeben, dass ihm Der

Weisse Wolf allenfalls im Bereich „Gewaltdiskussion“
aufgefallen sei. Den Begriff „NSU“ habe er dort nicht
wahrgenommen.

2391
2. V-Leute des BfV mit möglichen Bezügen
zum Trio

Das BfV führte folgende V-Leute, die jedenfalls zum

Umfeld des Trios Kontakt hatten:

a) V-Mann Q1

Q1 war aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in der Lage,

im gesamten Bundesgebiet unterwegs zu sein. Der Zeuge

G. B. hat zum Werdegang von Q1 bis zu seiner Anwer-
2384) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 18.

2385) MAT A BY-14/1, Bl. 125 (pdf).

2386) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 4.

2387) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 8.

2388) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 15 f.

2389) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 66 f.

2390) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 20 f.

2391) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 3 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 275 – Drucksache 17/14600

bung als V-Mann des BfV in den 1990er Jahren berichtet,

dass er um den Zeitpunkt der Wende, also Anfang der

1990er Jahre, sein Elternhaus verlassen habe und erstmal

„ein bisschen in der Republik unterwegs gewesen“ sei.
Während dieser Zeit habe er auch Kontakt zur rechten

Szene bekommen und sei dann über verschiedene rechts-

extremistische Organisationen in Kontakt zu einer später

verbotenen neonazistischen Organisation gekommen. Der

Führer dieser Gruppe habe ihn dann sozusagen in die

Zentrale geholt. Das sei Anfang der 1990er Jahre gewe-

sen. Danach habe er sich mit dem Anführer überworfen

und habe sich schließlich an die Polizei eines Bundeslan-

des gewandt mit dem Hinweis, er könne der Polizei einige

wertvolle Informationen liefern, wenn diese ihm auch

helfen. Er sei dann von verschiedenen Sicherheitsbehör-

den in verschiedenen Bundesländern weitergereicht wor-

den und dann schließlich durch ein LfV als Informant

geworben worden. Im Folgejahr sei er dem BfV überge-

ben worden. Seit den 1990er Jahren sei also das BfV mit

der Quellenführung bedacht und habe ihn später zum V-

Mann hochgestuft.
2392

Q1 sei in den Jahren 1997/1998 zur Beobachtung der

rechtsextremistischen Internetszene eingesetzt worden.
2393

Das BfV habe die Internetaktivitäten von Q1 zunächst

nicht überwacht, da das BfV keinen Zugriff gehabt habe.

Als jedoch gegen ihn wegen der Einstellung von histori-

schen Bildern auf der Homepage ein Ermittlungsverfah-

ren eingeleitet und er auch wegen Verwendens von Kenn-

zeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt

worden sei, habe das BfV die Internetaktivitäten des Q1

so organisiert, dass nichts mehr ohne Kontrolle durch das

BfV eingestellt werden habe können.
2394

Vor einigen

Jahren sei jedoch erneut eine rechtskräftige Verurteilung

erfolgt, weil Q1 Individualrechtsgüter Dritter durch Ver-

öffentlichung von deren personenbezogenen Daten ver-

letzt habe. Diese Personen hätten Strafantrag wegen der

Verletzung des Rechts am eigenen Bild gestellt.
2395

Das BKA bezeichnete Q1 als Namensgeber und Initiator

einer neonazistischen Gruppierung.
2396

Annähernd während des gesamten Untersuchungszeit-

raums – mit einer Unterbrechung – war Q1 als V-Mann
des BfV tätig.

2397
Der Zeuge G. B. hat angegeben, dass ihm persönliche

Kontakte von Q1 zu „Combat 18“ nach England nicht
bekannt seien. Allerdings habe es über das Internet Kon-

takte gegeben, die Q1 an das BfV weitergegeben habe.
2398
2392) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 2 f.

2393) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 3.

2394) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 14.

2395) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 29.

2396) MAT A BKA-3/0002, Bl. 98 ff., 165.

2397) Vgl. Beurteilung von Q1 durch das BfV vom 13. Januar 2012
für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2011, MAT A

BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 2 ff.

2398) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 20.

Bemerkenswert an der Quelle ist, dass Q1 als einzige

Quelle des BfV zumindest einmaligen Kontakt mit einem

Mitglied des Trios hatte, sein Name auf Kontaktlisten des

Mundlos eingetragen ist, er im Auftrag des BfV Kontakt

zum Herausgeber der Fanzine Der Weisse Wolf hatte, in

dem sich im Editorial des Heftes 18 aus dem Jahr 2002

die bekannte Danksagung an den NSU findet und er auch

im Bereich „KKK“ aktiv war, zu dem möglicherweise ein
Bezug im Zusammenhang mit dem Mord und versuchten

Mord in Heilbronn am 25. April 2007 besteht.

aa) Kontakt mit Mundlos

Es sind beim BfV zwei Deckblattmeldungen vorhanden,

die auf einen persönlichen Kontakt von Q1 mit Mundlos

einige Jahre
2399

vor dem Abtauchen des Trios zurückge-

hen. Der V-Mann-Führer fasst die Mitteilung von Q1

folgendermaßen zusammen:

„Durch Kontakt zu Uwe Mundlos […] erfuhr der
VM, dass ca. 30 Personen einen Zusammenschluss

unter der Bezeichnung ,Kameradschaft Jena‘ ge-
bildet haben. Neben Mundlos, der bis Ende März

1995 seinen Grundwehrdienst in Bad Frankenhau-

sen ableistet, bekam der VM von diesem [zwei nä-

her bezeichnete Personen] als Ansprechpartner ge-

nannt. Die Kameradschaft ist nach Bekunden von

Mundlos vorwiegend in der ,Anti-Antifa‘ Arbeit
aktiv.“2400

Darüber hinaus erfuhr Q1 von Mundlos, dass demnächst

ein Skin-Konzert in Dresden stattfinden werde.
2401

Die

genauen Umstände des Zusammentreffens von Q1 und

Mundlos ergeben sich aus den Meldungen nicht. Der

Zeuge G. B., seit Ende der 1990er Jahre V-Mann-Führer

von Q1, hat vermutet, dass der Kontakt zwischen Q1 und

Mundlos in Sachsen im Bereich der Bundeswehr erfolgt

sei, da zu der damaligen Zeit beide Soldaten gewesen

seien.
2402

Nachdem Q1 ab dem 11. November 2011 allgemein zu

seinen Kontakten zum Trio kontaktiert worden war, be-

fragte ihn der V-Mann-Führer des BfV am 10. April 2012

zu den beiden Deckblattmeldungen. Q1 gab an, die Mel-

dungen seien nicht von ihm. Der seinerzeit zuständige

VM-Führer gab gegenüber dem BfV an, keine detaillierte

Erinnerung an die Berichterstattung zu haben. Das BfV

folgerte jedoch aufgrund des in der Meldung enthaltenen

Hinweises zur Ableistung des Grundwehrdienstes durch

Mundlos bis Ende März 1995, dass die Meldung von Q1

stamme.
2403
2399) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 7.

2400) Deckblattmeldung des BfV, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/12 - GEHEIM), Bd. 1, Teilband 1, Bl. 1 ff.

2401) Deckblattmeldung des BfV, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.

172/12 - GEHEIM), Bd. 1, Teilband 1, Bl. 5 ff.

2402) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 6 f.

2403) Vermerk vom 11. April 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.

172/13 - GEHEIM), Bd. 1, Teilband 4, Bl. 52 ff.

Drucksache 17/14600 – 276 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bb) Eintragungen in den Kontaktlisten des
Mundlos

Das BKA wurde aufgrund der Eintragung in der Kontakt-

liste des Mundlos auf Q1 aufmerksam. Im Frühjahr 2012

richtete das BKA eine Erkenntnisanfrage zu Q1 an das

BfV.
2404

Die Fachprüfgruppe empfahl am 27. Februar 2012, aktiv

auf das BKA zuzugehen und den V-Mann-Status zu of-

fenbaren, weil „gerade im Hinblick auf die im Zusam-
menhang mit der NSU-Aufklärung erhobenen Vorwürfe

des mangelnden Informationsaustausches zwischen den

Sicherheitsbehörden […] eine andere Vorgehensweise
nicht durchhaltbar (U-Ausschuss)“ erscheine. Außerdem
solle der Sachverhalt bei Q1 hinterfragt werden.

2405
Demgegenüber hielt es der Vizepräsident des BfV am

28. Februar 2012 für angemessen, zunächst eine dringen-

de intensive Nachbefragung des V-Mannes und zugleich

erneute Sichtung der V-Mann-Akte gemeinsam mit der

Fachprüfgruppe vorzunehmen. Anschließend und abhän-

gig von der Befragung und der Sichtung solle das BKA

informiert werden.
2406

Der damalige Präsident des BfV

schloss sich diesem Vorschlag an.
2407

Am 29. Februar teilte ein Mitarbeiter der Abteilung II

unter Hinweis auf die „Spitzenquelle im Bereich Kame-
radschaft, Musikszene etc.“ der Amtsleitung mit, dass
„eine Offenlegung der VM-Eigenschaft gegenüber BKA
und BMI […] zu einer erheblichen Gefährdung der Ver-
bindung mit unabsehbaren Folgen einerseits in Bezug auf

die […] gelieferten Informationen, andererseits in Bezug
auf seine Person (Gefährdung/Versorgungsfall)“ führen
würde, hingegen die Offenlegung keinen Erkenntnisge-

winn für das BKA erbrächte.
2408

Die Amtsleitung schloss

sich dem am 9./11. März 2012 an.
2409

Vom 12. März bis 18. April 2012 erfolgten mehrere Be-

fragungen von Q1 zu seinen Kontakten zum Trio.
2410

Am

12. Juni 2012 ermahnte ihn der V-Mann-Führer, bei der

bevorstehenden BKA-Vernehmung die Wahrheit zu sagen

und seine V-Mann-Eigenschaft zu verschweigen.
2411

Das BKA vernahm Q1 im Frühsommer 2012 als Zeugen.

Er gab an, keine Begründung dafür zu haben, warum sein

Name auf der Kontaktliste von Mundlos erscheine. Er
2404) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl.

29 ff.

2405) Vermerk vom 27. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.

172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 21.

2406) Vermerk vom 28. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.

172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 22.

2407) Vermerk vom 28. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 22.

2408) Vermerk vom 29. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.

172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 49.

2409) Vermerk vom 28. Februar 2012, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.

172/13 - GEHEIM), Ordner 4, Bl. 50.

2410) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 6,
Bl. 1159 - 1189.

2411) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/13 - GEHEIM), Ordner 6,

Bl. 1190 ff.

verwies auf die Möglichkeit eines Kontaktes während

seiner Bundeswehrzeit bzw. auf seinen damals unterhal-

tenen Handel mit Demobändern. Er habe zu keiner Zeit

Kontakte zu einer der drei Personen gehabt. Er sei früher

in der rechten Szene aktiv gewesen, was allerdings in der

letzten Zeit stark nachgelassen habe.
2412

Das BKA hielt

die Angaben von Q1 für glaubhaft.
2413

cc) Aktivitäten von Q1 im Zusammenhang mit
dem „KKK“

Q1 stand mit Wissen und Billigung des BfV im Kontakt

zum European „White Knights of Ku-Klux-Klan“.

dd) Einschätzung der Quelle durch das BfV

Der Zeuge G. B., der Q1 seit 1999 führte, hat ihn als zu-

verlässig bezeichnet. Maßgeblich seien insbesondere

wichtige Informationen aus dem Bereich der Entwicklung

in der Kameradschaftsszene, der „Autonomen Nationalis-
ten“ und dem rechtsextremistischen Musikbereich.2414 Q1
sei eine der Spitzenquellen des BfV gewesen.

2415
Es habe

auch einige Informationen von Q1 gegeben, die an die

Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden seien

und dort zu Ermittlungsverfahren geführt hätten, z. B. im

Zusammenhang mit einer Internetplattform zur Veräuße-

rung von rechtsextremistischer Musik.
2416

Das BfV habe nie etwas unternommen, um Q1 aus straf-

prozessualen Maßnahmen herauszuhalten, obwohl es

mehrere strafrechtliche Aktivitäten gegen die Quelle

gegeben habe. Diese seien zudem für die Reputation der

Quelle im rechtsextremistischen Umfeld von Vorteil

gewesen.
2417

Q1 sei nach Auffassung des Zeugen G. B. zu keinem

Zeitpunkt Neonazi gewesen, sondern er sei vom BfV in

die neonazistische Szene geschickt worden.
2418

Der Zeuge Kaldrack – der Vertreter des V-Mann-Führers
G. B. in den 1990er Jahren, nach dem Jahr 2000 für ein

halbes Jahr und Mitte des letzten Jahrzehnts – hat sich
ähnlich geäußert.: Er habe keine Äußerung von Q1 fest-

stellen können, die ihn als typischen überzeugten Rechts-

extremisten identifiziert hätten. Er sei sicherlich, als er

Anfang der 90er-Jahre in den Westen gegangen ist, ein

Rechtsextremist gewesen, aber auch ein Suchender.

Nachdem er sich damals als Selbstanbieter erst der Polizei

und dann dem LfV angeboten hat, dürfte ein Lernprozess

eingetreten sein, was sich auch darin zeige, dass er in den

zwei Jahren, in denen er vom BfV abgeschaltet war, sich
2412) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.

2413) Fundstelle ist dem Untersuchungsausschuss bekannt.

2414) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 10.

2415) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 12.

2416) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 19.

2417) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 20.

2418) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 30.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 277 – Drucksache 17/14600

weitestgehend aus der Szene gelöst hatte. Er halte ihn

daher nicht für einen „Nazihardliner“.2419

Der Leiter der Fachprüfgruppe im BfV, der Zeuge

Gabaldo, hat sich der im Ausschuss geäußerten Bewer-

tung angeschlossen, dass der Führer des V-Mannes Q1

aufgrund seiner Nähe zu seiner Quelle diesen hinsichtlich

seiner Persönlichkeit und Wertigkeit nicht mehr richtig

beurteilen könne.
2420

Die Fachprüfgruppe habe irgend-

wann in den letzten beiden Jahren auf das zu enge Ver-

hältnis zwischen V-Mann-Führung und Q1 hingewiesen.

Es sei dann aber nichts passiert.
2421

ee) Vergütung von Q1

Der Zeuge G. B. hat angegeben, dass er die genaue Sum-

me der Vergütung von Q1 nicht wisse, es sei jedenfalls

weniger als die in der Presse veröffentlichte Summe der

angeblich gezahlten Beträge. Dies sei mehr als angemes-

sen gewesen, da die Informationen noch mehr wert gewe-

sen seien. Hinzu seien andere Unterstützungsleistungen

für die von der Quelle verauslagten Kosten gekommen,

z. B. Reisekosten.
2422

Die außergewöhnliche Höhe der

Prämie beruhe darauf, dass Q1 eine der Spitzenquellen

des BfV gewesen sei.
2423

b) V-Mann Q2

Q2 war von 1999 bis 2001 V-Person des BfV mit den

Einsatzschwerpunkten rechtsextremistische Musikszene

in Sachsen und Aufklärung eines internationalen Neona-

zinetzwerkes.
2424

Er war nach eigenem Bekunden in der

Szene breit bekannt. Der Zeuge Kaldrack, ab November

1999 V-Mann-Führer von Q2, hat ausgesagt, die Fach-

prüfgruppe habe nie bestritten, dass es sich bei Q2 um

eine Quelle gehandelt habe, die es wert sei, weitergeführt

zu werden.
2425

Der Zeuge Kaldrack hat weiter angegeben, dass er sich

nicht daran erinnern könne, Q2 Fotos des Trios vorgelegt

zu haben. Normalerweise käme ein solcher Auftrag von

der „Auswertung“. Es habe auch keinen Anlass hierfür
gegeben, weil Q2 keine Bezüge nach Jena gehabt ha-

be.
2426

c) V-Mann Q3

Q3 stammte aus Sachsen und war von 1992 bis 2002 V-

Mann des BfV.
2427

Die Vorlage der Fotos des Trios an ihn

im Februar oder März 1998 erbrachte keine Hinweise.
2428
2419) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 15.

2420) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68, S. 9.

2421) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68 (nichtöffentlich), S. 9.

2422) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 11.

2423) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 12.

2424) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.

2425) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 12.

2426) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5.

2427) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.

Gegenüber dem BKA gab Q3 an, das Trio nicht zu ken-

nen. Aus dem Umfeld des Trios kannte er allerdings Su-

sann und André Eminger., Thomas Starke und Jan Wer-

ner.

Zu der zeitlichen Übereinstimmung von Mietwagen-

anmietungen Mitte Juni 2001 und Ende August 2001 mit

den Morden an Abdurrahim Özüdoğru in Nürnberg und
an Habil Kiliç in München erklärte er zum einen, sich an

die Anmietung von Mitte Juni 2001 nicht erinnern zu

können, und zum anderen, dass die Anmietungen von

Ende August 2001 mit seiner damaligen Berufsausübung

zusammenhängen müssten.
2429

Eine Person gab an, sie habe Mundlos und Böhnhardt

nach deren Abtauchen in Begleitung von Q3 auf einer

Sportveranstaltung gesehen. Q3 habe diese Person ge-

fragt, ob sie Waffen besorgen könne.
2430

In einem Vermerk aus dem Jahre 2012 fasste das BfV den

Einsatz von Q3 zusammen:

„Q3 berichtete über das gesamte Spektrum der Ak-
tivitäten rechtsextremer Skinheads und war für die

Erstellung eines umfassenden und zutreffenden

Lagebildes besonders wichtig für das BfV.

Schwerpunkte seiner umfangreichen und wahr-

heitsgetreuen Berichterstattung waren einerseits

geplante und stattgefundene Skinkonzerte. …

Die Führung des äußerst erfolgreichen VM gestal-

tete sich schwierig, da dieser ein typischer Vertre-

ter der subkulturellen Skinheadszene ist.

Überwiegend aus szenetypischen Rechtsverstößen

resultieren mehrere Verurteilungen zu Geldstrafen.

… Diese – vom BfV nicht genehmigten – Delik-
te mussten im konkreten Fall hingenommen wer-

den, da ansonsten die Führung einer Quelle mit

derartig guten Zugängen wie Q3 in der

Skinheadszene nicht möglich gewesen wäre. …
Schwere Straftaten (z. B. Gewaltdelikte) sind wäh-

rend der VM-Führung nicht aufgetreten. …

Dem BfV liegen keine Hinweise vor, dass Q3 im

Zeitraum der Zusammenarbeit jemals Kontakte zu

dem Personenkreis des Trios Mundlos, Böhnhardt

und Zschäpe unterhalten hat.“2431

Q3 sei eine „wertige“ Quelle gewesen:

„Ich kann nur sagen, dass Q3 in den ersten Jahren
seiner Führung - so das Votum der Auswertung -

eigentlich die einzig wirklich relevante Quelle in

dem subkulturellen Bereich in den neuen Bundes-

ländern war. […] Die hat dazu beigetragen, dass
wir in den ersten Jahren beispielsweise durch

Lichtbildvorlagen, durch viele Konzerte und Kon-

zertteilnahmen in der Lage waren, viele spätere
2428) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5 f.

2429) MAT A GBA-4/38.

2430) MAT A GBA-4/36a (Tgb.-Nr. 169/12, 1. Eingang - GEHEIM).

2431) MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr. 172/12 - GEHEIM), Ordner 6, Bl.

1284.

Drucksache 17/14600 – 278 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

‚B & H‘-Mitglieder zu identifizieren, dass wir bei-
spielsweise - ich meine, es war Mitte der 90er-

Jahre

- - hat Q3 durch seine Teilnahme fast über 30

Konzerte bundesweit abgedeckt. Er konnte be-

richten über die Führungsfiguren in der Szene, er

konnte über Zusammensetzung von Bands berich-

ten, welche Art von Texten gesungen werden, ob

es illegale Texte waren, ob es strafbare Texte wa-

ren, und so hat er eben viele Einzelinformationen

geliefert, die die Auswertung befähigt hat, in den

ersten Jahren ein Lagebild zu erstellen, was weiter

dazu führte, dass spätere Quellen - - oder dass die

Zuverlässigkeit später geworbener Quellen anhand

der von Q3 gebrachten Informationen auch über-

prüft werden konnte.

Also, nach Einschätzung der Auswertung war Q3

eine wertige Quelle, weil sie viel dazu beigetragen

hat, dass wir dunkle Flecken im Osten halt aufhel-

len konnten.“2432

Zu dem geschilderten Ermittlungsverfahren wegen des

Erwerbs zahlreicher indizierter rechtsextremistischer CDs

hat der Zeuge Kaldrack ausgesagt, dass dies ohne die

Zustimmung des BfV geschehen sei:

„Das war eigentlich ein Punkt, wo er schon mal
kurz vor der Abschaltung stand. Weil es damals

eigentlich aufgrund […] dieser Menge […] ein
Grenzfall [war]. Wir hätten eigentlich auch vorge-

habt, die gegebenenfalls vom Markt zu nehmen,

dass er die nicht vertreibt, weil es die widerliche

CD war . Aber die waren halt schon verkauft. Er

hat mir das selber gebeichtet, bevor uns das Er-

mittlungsverfahren bekannt wurde. Er ist nachher

ja auch noch verhört worden dazu im LKA einen

ganzen Tag, wenn ich mich richtig erinnere. Aber

er hatte es mir vorher schon gebeichtet, und ich

hatte meine Vorgesetzten davor schon darüber un-

terrichten können. […]

Ich habe ihn erst mal in die Stiefel gestellt. Ich ha-

be ihm eine massive Prämienkürzung durchgezo-

gen, und, wie gesagt, ich habe ihm auch gesagt:

Wenn so etwas noch mal vorkommt, dann ist Fei-

erabend. […]

Das Verfahren wurde nachher eingestellt, 2004

oder 2005. Die Haupttäter wurden verurteilt, und

da sein Tatbeitrag wohl nur ein sehr geringer war

bei der Gesamtzahl, ist sein Verfahren eingestellt

worden.“2433

Über die Dauer von zehn Jahren zahlte das BfV an Q3

durchschnittlich knapp 300 Euro pro Monat.
2434
2432) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 11.

2433) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 20 f.

2434) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 16.

d) Rolle der Fachprüfgruppe bei der V-Mann-
Führung

Als Kontrollinstrument bei der V-Mann-Führung im BfV

dient die der Behördenleitung direkt unterstehende

„Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und Kontrolle“
(FPG). Sie hat die Aufgabe, die nachrichtendienstliche

Informationsgewinnung des BfV in Bezug auf ihre sach-

gerechte Bearbeitung zu begleiten und dabei besonders

auch auf die Einhaltung gesetzlicher und dienstlicher

Vorschriften zu achten.
2435

Vor allem bei den Fragen der

Anwerbung einer Quelle, dem Umgang mit möglicher-

weise strafrechtsrelevantem Verhalten, der Bewertung

und der Abschaltung einer Quelle war die FPG bei allen

drei zuvor genannten Quellen nach den Unterlagen des

Ausschusses befasst. Sie befürwortete – bis auf die zuvor
ausdrücklich erwähnten Fragen – die Art und Weise der
Führung der Quellen Q1, Q2 und Q3. Dem Votum der

FPG zu kritischen Fragen sei weit überwiegend gefolgt

worden.
2436

e) War Ralf Wohlleben ein V-Mann?

aa) Dienstliche Erklärung von Dr. Förster vom
17. September 2012

Mit Schreiben vom 21. September 2012 unterrichtete der

Generalbundesanwalt (GBA) das Bundesministerium des

Innern (BMI) über eine dienstliche Erklärung des frühe-

ren Ministerialdirigenten im BMI Dr. Förster vom

17. September 2012.
2437

Darin nahm Dr. Hans-Jürgen

Förster Bezug auf seine frühere Tätigkeit im BMI im

Rahmen des 2003 gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens.

Dr. Förster war von Juni 2000 bis März 2006 der ständi-

ge Vertreter des Abteilungsleiters Innere Sicherheit.
2438

In

seiner Abteilung wurde das NPD-Verbotsverfahren be-

trieben.
2439

Wörtlich heißt es in der dienstlichen Erklärung

von Dr. Förster:

„Den Abteilungen ‚Innere Sicherheit‘ und ‚Verfas-
sungsrecht‘ des BMI oblag dort die Federführung
für den Antrag der Bundesregierung im NPD-

Verbotsverfahren. In diesem Verfahren vor dem

Bundesverfassungsgericht erlangte alsbald die

Frage der Anzahl gleichzeitig in Bundes- und Lan-

desvorständen der Partei eingesetzter V-Leute der

Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung

(vgl. BVerfGE 107, 339). Ich erinnere mich an ei-

ne Besprechung im BMI, in der einer Runde ein

Papier im etwa DIN A3-Format präsentiert wurde,

das in vertikaler Aufreihung nacheinander Kalen-

derjahre verzeichnete und in das untereinander ho-

rizontale (wohl farbige) Linien für einzelne V-

Leute eingetragen waren, und zwar mit Beginn
2435) MAT A BB-13a, Bl. 440.

2436) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68, S. 11.

2437) MAT A GBA-4/23, Auszug offen.

2438) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 77, 118.

2439) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 78.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 279 – Drucksache 17/14600

und Ende deren V-Mann-Tätigkeit. Aus den glei-

che (vertikal markierte) Zeiträume abdeckenden

horizontalen Strichen und deren Anzahl ergab sich

dann die Anzahl im betreffenden Vorstand gleich-

zeitig tätiger V-Leute und der genaue Zeitraum

von Gleichzeitigkeit(en). Wohl zu Beginn oder

Ende der waagerechten Striche war jeweils der

Name der V-Person angegeben, für die der Strich

stand.

Ein Kuriosum dabei war eine Namensähnlichkeit

von zwei V-Personen auf dem beschriebenen Pa-

pier, die mir allein aus diesem Grunde in Erinne-

rung geblieben sind bzw. mit der Berichterstattung

[…] wieder ins Bewusstsein kamen: Einer hieß
[…], einer […]. Weitere Personalien erinnere ich
von keinem der beiden Vorgenannten; auch nicht,

ob dort neben Nachnamen überhaupt weitere Per-

sonalien der V-Leute angegeben waren, was aber

eher nicht der Fall war.“2440

bb) Berichte des BMI vom 5. Oktober 2012 und
vom 18. November 2012

Staatssekretär Fritsche hat dem Ausschuss mit Schreiben

vom 5. Oktober 2012 einen Bericht des BMI zur „Aufklä-
rung eines Hinweises auf eine mögliche ‚V-Mann-
Eigenschaft‘ des Ralf Wohlleben“ vorgelegt.2441 Hierin hat
das BMI dargelegt, welche Maßnahmen eingeleitet wor-

den seien, um das von Dr. Förster beschriebene Doku-

ment aufzufinden. So seien einschlägige Aktenbestände

des BMI, des BfV und des BKA gesichtet sowie ausge-

wählte Mitarbeiter des BMI und des BfV zur Existenz

eines solchen Dokumentes befragt worden.

Im Datenbestand des BMI sei in keinem der gesichteten

Aktenordner das von Dr. Förster beschriebene Dokument

gefunden worden. Es seien lediglich zwei Aktenstücke

aufgefunden worden, die in optischer bzw. inhaltlicher

Hinsicht dem Hinweis von Dr. Förster nahekämen. Ein

als VS-VERTRAULICH eingestuftes Aktenstück des

BfV trage den Titel „VM des BfV in den NPD-
Vorständen von 1996 bis heute“. Diese Übersicht enthalte
in vertikaler Aufreihung aufeinanderfolgende Kalender-

jahre 1996 bis 2002 und darunter 8 horizontale farbige

Linien, denen acht Namen zugeordnet seien. Die beiden

von Dr. Förster genannten Namen kämen in dem Doku-

ment nicht vor. Ein weiteres offenes Aktenstück liste die

Mitglieder des Landesvorstandes der NPD Thüringen im

Jahr 2003 tabellarisch auf und setze diese in Bezug zu

Fundstellen in der Materialsammlung zum NPD-

Verbotsverfahren. In diesem Aktenstück kämen beide

Namen vor. Hinweise auf eine mögliche Quelleneigen-

schaft dieser Personen enthalte das Dokument aber nicht.

Ergänzend zu der Sichtung dieses Aktenbestandes habe

Dr. Förster den VS eingestuften Aktenbestand im BMI

selbst gesichtet, das Dokument aber nicht aufgefunden.
2440) MAT A GBA-4/23 (Auszug offen).

2441) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95.

Eine Sichtung des einschlägigen BfV-Aktenbestandes

habe ergeben, dass in keinem der gesichteten rund 150

Aktenordner das beschriebene Dokument aufgefunden

worden sei. Dieses Ergebnis sei durch eine ergänzende

kursorische Sichtung des BfV-Aktenbestandes durch eine

Mitarbeiterin des BMI bestätigt worden. Auch habe

Dr. Förster zehn von ihm für maßgeblich erachtete Be-

schaffungsakten des BfV gesichtet, das Dokument aber

nicht gefunden. Eine Suche im digitalen Aktenbestand des

BKA mit den Namen beider Personen sei ebenfalls ergeb-

nislos geblieben.

Außerdem sei zur Klärung der V-Mann-Eigenschaft

Wohllebens ein „Negativ-Testat“ des BfV eingeholt wor-
den. Das BfV habe am 24. September 2012 bestätigt, dass

Wohlleben weder als Quelle noch als „Forschungs- und
Werbungsfall“ geführt worden sei. In dem Bericht ist
allerdings auch auf folgenden Sachverhalt hingewiesen

worden:

„Festgestellt werden konnte lediglich, dass seitens
BfV im Jahr 1999 angedacht worden war, einen

Werbungsversuch im Hinblick auf Wohlleben ein-

zuleiten. Dies sei jedoch laut BfV nicht weiterver-

folgt worden. Aus einer handschriftlichen Notiz

eines BfV-Mitarbeiters gehe hervor, dass aufgrund

der Werbungsabsicht des BfV das LfV Thüringen

zum damaligen Zeitpunkt kontaktiert worden sei.

Dieses habe nachdrücklich von einem Werbungs-

versuch abgeraten, da eine entsprechende erste

Ansprache Wohllebens durch das LfV Thüringen

und das LKA Thüringen bereits erfolgIos verlau-

fen seien (vgl. Anlage 4). Dementsprechend sei ei-

ne Kontaktaufnahme seitens BfV zu Wohlleben zu

keinem Zeitpunkt erfolgt.“2442

Ergänzend hierzu ist folgender Sachverhalt geschildert

worden:

„Der Aktenbestand des BfV weist ein Schreiben
des Wohlleben aus dem Jahr 2004 aus, mit wel-

chem dieser dem LfV Thüringen seine Hilfe anbie-

tet. Aus dem Wortlaut des Schreibens wird deut-

lich erkennbar, dass es sich hierbei um eine offen-

kundige Provokation handelt. Der weitere Fort-

gang ist aus der BfV-Akte nicht ersichtlich.“2443

In dem Bericht wird zudem mitgeteilt:

Das BKA, die BPol sowie sämtliche LKÄ hätten bestä-

tigt, dass Wohlleben nicht als Quelle, Informant oder

Ähnliches geführt worden sei. Elf LKÄ hätten darüber

hinaus bestätigt, keine Anwerbungsversuche in Bezug auf

Wohlleben unternommen zu haben. Mit BMI-Erlass vom

26. September bzw. 4. Oktober 2012 seien BfV und BKA

bzw. BPol um Übersendung dienstlicher Erklärungen

aller VM- bzw. VP-Führer gebeten worden, die seit 1995

im Fachbereich Rechtsextremismus bzw. im
2442) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,

Bl. 7.

2443) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,

Bl. 11.

Drucksache 17/14600 – 280 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität

rechts tätig gewesen seien. Da noch nicht alle Erklärun-

gen vorlägen, werde hierzu nachberichtet.
2444

Der Bericht des BMI kommt zu folgender Schlussbewer-

tung:

„Damit könnte die Erinnerung von Herrn Dr. F.
insgesamt an bestehende Dokumente geknüpft

sein, die in dem entscheidenden Detail in seiner

Erinnerung unzutreffend verknüpft wurden: Ein

Dokument, das Wohlleben als V-Mann aufführt,

existierte und existiert nach den Feststellungen des

BMI nicht. Auch ergibt sich aus der gedankliche

Verknüpfung der vorhandenen Dokumente keine

Schlussfolgerung auf Wohlleben als V-Mann.“2445

Dem Bericht vom 5. Oktober 2012 ist ein Vermerk über

eine Befragung des Dr. Förster vom 26. September 2012

beigefügt worden. Hierin hat Dr. Förster erklärt, die Be-

sprechung im BMI sei nach der Antragsschrift der Bun-

desregierung an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

erfolgt. Auf dem Dokument habe nur der Nachname von

Wohlleben ohne Vornamen gestanden. Er habe daher

niemals behauptet, dass es sich gerade um den Beschul-

digten Ralf Wohlleben gehandelt habe.
2446

Mit Schreiben vom 18. November 2012 hat das BMI

mitgeteilt, dass die noch ausstehenden Negativ-Testate

sowie eine noch durchzuführende Befragung eines BMI-

Mitarbeiters mit negativem Ergebnis nachgeholt worden

seien.
2447

cc) Stellungnahme des Freistaates Thüringen
vom 16. Oktober 2012

Das Innenministerium des Freistaates Thüringen hat unter

Bezugnahme auf den vom BMI geschilderten Sachver-

halt, Wohlleben habe dem LfV Thüringen im Jahr 2004

seine Hilfe angeboten, am 16. Oktober 2012 eine ergän-

zende Stellungnahme abgegeben.
2448

Es hat ein Schreiben

des Thüringer LfV beigefügt, in dem dieses die Einschät-

zung des BMI teilt, dass das Schreiben von Wohlleben an

den Thüringer Verfassungschutz eine Provokation gewe-

sen sei, und mitteilt, dass es nicht zu einer Zusammenar-

beit des Thüringer LfV mit Wohlleben geführt habe. Bei

dem genannten Schreiben handele es sich um eine an

einen großen Adressatenkreis gerichtete E-Mail vom

13. Juni 2004. In seiner E-Mail beziehe sich Wohlleben

auf eine Forschungs- und Werbungsmaßnahme des LfV

Thüringen, in welcher sich ein älterer Mitarbeiter des LfV
2444) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,

Bl. 6-9.

2445) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,

Bl. 13.

2446) Anlage 7 zum Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A

BMI-5/96 (Tgb.-Nr. 94/12 - GEHEIM), Anlage 7 (offen).

2447) Schreiben des BMI vom 18. November 2012, MAT A BMI-
5/97 (Tgb.-Nr. 115/12 - GEHEIM – ohne Anlagen VS-NfD).

2448) Stellungnahme des Freistaates Thüringen vom 16. Oktober

2012, MAT A BMI-5/95.

Thüringen aus operativen Gründen als Großvater der

Zielperson ausgegeben habe.

Das Schreiben von Wohlleben hatte folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Sippel,

mit Freuden erfuhr ich dieser Tage, dass Ihre Be-

hörde nun auch einen Spezial – Service für Ar-
beitslose Nationalisten anbietet.

Das will ich mir nicht entgehen lassen, zumal ich

auch erfuhr dass das Ganze kostenlos ist.

Der Service ,Opa VS sucht Arbeit‘ scheint mir ge-
nau der richtige zu sein, um endlich wieder in der

Arbeitswelt Fuß zu fassen.

Ich bitte Sie hiermit, mir einen passenden Großva-

ter (nett, nicht über 80, humorvoll) aus Ihrem Re-

pertoire herauszusuchen.

Sie müssen wissen, dass ich das neuerliche soziale

Engagement Ihrer Behörde sehr löblich finde. Nun

endlich ist es mir auch gelungen in meinem Inne-

ren Ihrer Behörde eine Existenzberechtigung zuzu-

schreiben.

Ich versichere hiermit, dass ich Ihre kommenden

Mühen zu würdigen wissen werde.

Zum Abschluss möchte ich Sie noch bitten, mir

eventuell weitere vorhandene Dienstleistungsan-

gebote zukommen zu lassen.

Ich bedanke mich bereits im Voraus.

Mit bestem Gruß

Ralf Wohlleben“2449

dd) Zeugenaussagen von Dr. Förster

Der Zeuge Dr. Förster hat in seiner Vernehmung ausge-

führt, der Sachverhalt, an den er sich erinnere, habe im

Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren gestan-

den. Der Antrag der Bundesregierung sei am 30. Januar

2001 beim BVerfG eingegangen, die beiden anderen

Anträge von Bundestag und Bundesrat Ende März 2001.

Anfang 2002 hätten sich unendlich viele V-Mann-

Problematiken ergeben. Im Zuge einer Besprechung im

BMI habe er den Namen Wohlleben und den besagten

anderen Namen auf einem Papier gesehen:

„In dem Zusammenhang kann ich mich erinnern
an ein Papier, von dem ich meine, das es eher nicht

DIN-A4, sondern eine Nummer größer gewesen

ist, in dem angegeben sind in waagerechten Ko-

lonnen verschiedene Jahre und Daten. In diese

waagerechten Datenkolonnen sind eingetragen in

Form von waagerechten Strichen eine gewisse An-

zahl von V-Leuten – ich glaube, sogar in farbigen
Strichen; ich denke, mich zu erinnern, in farbigen

Strichen –, und die Namen dieser V-Leute waren
2449) E-Mail vom 13. Juni 2004, MAT A TH-3/7, Bl. 3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 281 – Drucksache 17/14600

entweder am rechten oder am linken Rand dieser

Striche verzeichnet. Was ist der Sinn von diesem

Papier gewesen? Durch diese Einteilung, waage-

recht und senkrecht, konnte man sehen, inwiefern

Überschneidungen von V-Leuten stattfanden, weil

die waagerechten Striche markierten einen Beginn

der V-Mann-Tätigkeit und das Ende, was die Ver-

fassungsschützer ‚abschalten‘ nennen. In dem
Moment, wo sich farbige – glaube ich jedenfalls,
farbige – Striche überschnitten, konnte man sagen,
dass mehr als ein V-Mann in der NPD dann gewe-

sen ist. Ein solches Papier glaube ich im BMI ge-

sehen zu haben im Zuge einer Besprechung, und

ich denke, dass es kein im BMI selbst erstelltes

Papier gewesen ist.“2450

Er glaube, dass das Papier vom BfV gekommen sei, wisse

aber nicht, ob es nur V-Leute des Bundesamtes beinhaltet

habe.
2451

Zudem könne er sich nicht daran erinnern, wie

viele Namen in dem Papier aufgeführt worden seien. Er

wisse nur diese beiden bemerkenswerten Nachnamen.
2452

Eine nähere Eingrenzung des Zeitraums für die Bespre-

chung hat der Zeuge nicht vornehmen können. Er hat

erklärt, dass sie nach Eingang der Anträge beim BVerfG

stattgefunden habe.
2453

Ausdrücklich ausgeschlossen hat

der Zeuge, dass es sich bei der Besprechung, an die er

sich erinnere, um die Besprechung vom 19. Januar 2002

gehandelt habe, zu der er am 28. Januar 2002 eine Minis-

tervorlage erstellt habe. Beide Besprechungen hätten

nichts miteinander zu tun.
2454

Zudem hat der Zeuge aus-

gesagt, dass an der Besprechung der harte Kern vom BMI

und ein Mitarbeiter des BfV teilgenommen hätten.
2455

Daran, wer genau als Vertreter des BfV an der Bespre-

chung teilgenommen habe, hat sich der Zeuge nicht erin-

nert:

„Denn so ähnlich wie der harte Kern bei uns, gab
es zwei, den Abteilungsleiter Rechtsextremismus

Cremer und, ich glaube den Gruppenleiter, Jung.

Das waren unsere Hauptansprechpartner, und im

Zweifel war es so, dass einer von den beiden mit

diesem Papier in der Hand an der Besprechung

teilgenommen hat […] Ich weiß es wirklich nicht.
Aber das waren die Hauptansprechpartner.“2456

Der Zeuge Dr. Förster hat ausgesagt, er habe sich an

diesen Sachverhalt erinnert, nachdem Ralf Wohlleben

Ende November 2011 festgenommen worden sei. An-

schließend habe er geprüft, ob diese Erinnerung auch

stimme und sie auch unter juristischen Gesichtspunkten

geprüft, weil die Preisgabe dieser Erinnerung den Straf-

tatbestand des § 353b StGB erfüllen könne. Ende No-

vember 2011 sei er zu seinem für Spionagedelikte zustän-
2450) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 78.

2451) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 87.

2452) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 102.

2453) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 86.

2454) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 120.

2455) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 123.

2456) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 100.

digen Abteilungsleiter beim GBA gegangen und habe ihm

den Sachverhalt vorgetragen. Dieser wiederum habe den

Sachverhalt dem Abteilungsleiter Terrorismus vorgetra-

gen. Wenige Tage später, im Dezember 2011, habe ihn

der für das NSU-Verfahren zuständige Bundesanwalt

Dr. Diemer angesprochen:

„und zwar mit dem Bemerken – wir haben sonst
keine Berührung; wir haben uns mehr zufällig ge-

troffen, irgendwo auf dem Flur -: ‚Deine Zeugen-
vernehmung wird sich nicht vermeiden lassen‘,
oder: ‚ist unumgänglich‘, so in dem Sinne. Und
zwar war für mich deutlich der Hintergrund: Du

hast dich aber möglicherweise strafbar gemacht,

Herr Kollege. – Das war der Hintergrund für diese
Aussage, für diesen Text, den ich deswegen auch

in Erinnerung habe: ,Wir werden wohl nicht drum

herumkommen, dich zu vernehmen‘, oder: ,Du
musst dich auf eine Vernehmung einstellen‘.“2457

Dr. Diemer habe ihn weder aufgefordert, den Sachverhalt

aufzuschreiben, noch ihn zu einer Befragung eingeladen.

Ende 2011 habe er den eigentlichen Sachbearbeiter ge-

troffen, den Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Wein-

garten, dem er seine komplette Erinnerung auch noch

einmal berichtet habe. Im Frühjahr 2012 habe er Dr. Die-

mer erneut getroffen und er habe ihn gefragt, ob denn

noch mit seiner Vernehmung zu rechnen sei. Eine dritte

Begegnung mit ihm habe am 19. Juli 2012 stattgefunden.

Bei dieser dritten Begegnung habe Dr. Diemer ihn aufge-

fordert, sein Wissen aufzuschreiben.
2458

Die von ihm daraufhin erstellte dienstliche Erklärung sei

vom GBA über das BMJ nur verkürzt an das BMI weiter-

gegeben worden.
2459

Dadurch sei unter den Tisch gefallen,

dass er aufgefordert worden sei, sein Wissen aufzuschrei-

ben.
2460

Die schließlich weitergegebene Erklärung sei

durch einen ersten Absatz wie folgt zu ergänzen:

„Bei einem Zusammentreffen mit dem Kollegen
Dr. Diemer heute hatte ich nachgefragt, ob ich

noch mit meiner Vernehmung als Zeuge im oben

genannten Verfahren zu rechnen hätte. Hinter-

grund meiner Frage war, dass Dr. Diemer als Er-

mittlungsführer im NSU-Komplex mir vor gerau-

mer Zeit eine solche Vernehmung in Aussicht ge-

stellt hatte, und zwar vor dem Hintergrund meiner

Bekundung über eine mögliche V-Mann- Eigen-

schaft eines Wohlleben nach Bekanntwerden der

Verhaftung des Ralf Wohlleben. Dr. Diemer be-

antwortete meine eingangs wiedergegebene Frage

dahin, dass meine Bekundung im Ermittlungsver-

fahren aufgenommen worden sei und der frühere

Leiter des LfV Thüringen, Roewer, in eigener

Vernehmung eine V-Person Wohlleben ausge-

schlossen habe, worauf ich entgegnete, dass ich
2457) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 80.

2458) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 80-82.

2459) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 82.

2460) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 82.

Drucksache 17/14600 – 282 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht sagen könnte, dass ein Wohlleben V-Person

gerade jenes LfV gewesen sei. Dr. Diemer bat

mich dann, ich möge mein Wissen aufschreiben,

was nachfolgend geschieht.“2461

Zudem sei der Erklärung folgender abschließende Absatz

hinzuzufügen:

„Die Klarnamen von (auch ehemaligen) V-
Personen unterliegen der Geheimhaltung. Wegen

möglicher Relevanz, zumindest für das GBA-

Ermittlungsverfahren gegen Ralf Wohlleben, und

der herausragenden Bedeutung der strafrechtlichen

Aufklärung der NSU-Verbrechen überhaupt hielt

ich es für angezeigt, den oben im zweiten Absatz

wiedergegebenen Sachverhalt bei der Bundesan-

waltschaft dienstlich bekannt zu machen. Dabei

hatte ich die zusätzliche Nennung des Namens

ebenfalls abgewogen und dies aus Plausibilitäts-

gründen für meine schließlich länger zurücklie-

gende und zumal eher einen Detailumstand betref-

fende Erinnerung für unverzichtbar gehalten.“2462

Auf die Frage, warum er sich nicht als Erstes an das BMI

gewandt habe, hat der Zeuge Dr. Förster erklärt, er habe

es für zielführender gehalten, die Erinnerung an die wei-

terzugeben, die in Zukunft damit arbeiten sollten.
2463

Warum er zwischendurch keinen Kontakt mit seinen

früheren Kollegen aufgenommen habe, hat er wie folgt

begründet:

„Ich glaube, mir hätte das nicht geholfen. Ich habe
meine Erinnerung für mich geprüft, und die ist de-

finitiv. Wenn die anderen mir gesagt hätten: ,Wir

erinnern uns nicht‘, dann hätte ich das registriert,
aber damit auch nicht mehr machen können. Ich

meine, ich sehe die Menschen vor mir, die das mit

dieser Ähnlichkeit auch beschmunzelt haben.“2464

Zudem werde er sich hüten, Zeugen zu beeinflussen.
2465

Der Zeuge Dr. Förster hat während seiner Vernehmung

noch einmal als Ergebnis seiner Aktenauswertung darge-

legt, dass er das Papier weder bei seiner Suche beim BMI

noch beim BfV gefunden habe:

„Die Aufgabe war, dieses Papier – an das ich mich
erinnere, mit diesen waagerechten Kolonnen und

den möglicherweise farbigen horizontalen Strichen

für die V-Leute und mit diesen beiden Namen – zu
finden. Dieses Papier habe ich weder beim BMI

noch im BfV gefunden; aber es gab in beiden Ak-

ten ein sehr ähnliches Papier, und zwar von der

Machart: farbige Striche und diese Kolonnen, de-

finitiv DIN A4 und nicht 3, wie ich vielleicht eher

meinte, und nicht mit den Namen rechts oder links,
2461) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 83.

2462) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 83.

2463) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 85.

2464) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 97.

2465) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 98.

sondern mit acht Namen, zwei Klarnamen, einer

davon war der – -“2466

ee) Ergebnis der Überprüfung der 76er-Liste

In dem Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012 ist auf

einen Vermerk aus dem Jahr 2002 hingewiesen worden,

in dem 76 Seitenfundstellen von Namensnennungen in

einem Schriftsatzentwurf zum NPD-Verbotsverfahren

aufgeführt worden seien. Diesen Vermerk habe Dr. Förs-

ter besonders hervorgehoben. Das BMI hat dargelegt,

eine Quelleneigenschaft des Wohlleben lasse sich aus dem

Vermerk aus dem Jahr 2002 nicht herleiten. Die Auflis-

tung habe als Grundlage des BfV zum Abgleich mögli-

cher Quelleneigenschaften gedient und fuße auf bloßen

Vermutungen des BfV. Sie dokumentiere damit gerade

die fehlende Erkenntnislage des BfV hinsichtlich der

Führung von Quellen in der NPD durch die Länder. Denn

trotz Intervenierens auf höchster politischer Ebene hätten

die Länder damals nicht dazu bewogen werden können,

ihre Quellen selbst gegenüber dem BfV offenzulegen.
2467

Mit Blick auf die in dem Vermerk enthaltenen Ausfüh-

rungen, es könne sich bei den in 76 Fundstellen genannten

Personen, u. a. auch Ralf Wohlleben, um Quellen der

Verfassungsschutzbehörden handeln,
2468

ist das BMI in

der Zeugenvernehmung von Dr. Förster gebeten worden,

dem Ausschuss das Ergebnis der Überprüfung dieser

76er-Liste mitzuteilen. Mit Schreiben vom 28. November

2012 hat das BMI dargelegt, dass am 28. November 2012

vier Mitarbeitern des BMI Einsichtnahme in ein durch

BfV-Mitarbeiter überbrachtes Dokument ermöglicht wor-

den sei. Bei dem Dokument habe es sich um einen als

„GEHEIM-Quellenschutz“ eingestuften Vermerk vom
4. März 2002 mit dem Betreff „NPD-Verbot, hier: Über-
prüfung der Namenslisten der Schriftsätze der Antragstel-

ler auf nd-Verbindungen zum BfV“ gehandelt. In dem
Vermerk werde unter anderem das Ergebnis der Überprü-

fung der in Anlage 8 enthaltenen Namen mitgeteilt. Wohl-

leben sei hierin nicht als Person, zu der seitens des BfV

nach damaliger Prüfung nd-Verbindungen bestünden bzw.

bestanden hätten, genannt. Der Name Wohlleben sei in

dem gesamten Dokument nicht enthalten.
2469

3. Hinweis des italienischen Geheimdienstes
AISI

Mit Schreiben vom 24. Februar 2003 informierte der

italienische Inlandsnachrichtendienst Agenzia

Informazioni e Sicurezza Interna (AISI) das BfV darüber,

„dass bei einem internationalen neonazistischen
Treffen am 16./17. November 2002 in Waas-
2466) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 94.

2467) Bericht des BMI vom 5. Oktober 2012, MAT A BMI-5/95,

Bl. 12.

2468) Schreiben des BMI vom 18. November 2012, MAT A BMI-
5/97 (Tgb.-Nr. 115/12 - GEHEIM), Bl. 22 (VS-NfD).

2469) Schreiben des BMI vom 28. November 2012, MAT A BMI-

5/98.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 283 – Drucksache 17/14600

munster/Belgien, an dem Führungspersonen der

italienischen Bewegungen ‚Fronte Sociale
Nazionale‘ (Nationale Soziale Front), ‚Forza
Nuova‘ (Neue Kraft) und ‚Nuovo Ordine Europeo
— N. O. E.‘ (Neue Europäische Ordnung) teilge-
nommen haben, unter den stärker in Erscheinung

tretenden Personen [zwei] mit den italienischen

Teilnehmern in Kontakt stehende deutsche Staats-

angehörige anwesend waren.“2470

Zwei Personen, Dirk P. und W., wurden darin genannt.

Dirk P. soll

„ein Bindeglied zwischen den deutschen Extremis-
ten und den italienischen Pendants [sein]. Letzterer

soll insbesondere auf ein in Deutschland existie-

rendes und von Jürgen Rieger koordiniertes Netz

neonazistischer militanter Elemente hingewiesen

haben, die mit geheimen Aktivitäten befasst

sind.“2471

Das BfV hat mit Schreiben vom 28. November 2012 die

weitere Bearbeitung dieses Hinweises folgendermaßen

geschildert:

„Zur Frage der seinerzeit im Jahr 2003 im BfV er-
folgten Bewertung dieses Hinweises und der hie-

rauf ergriffenen Maßnahmen ist festzustellen, dass

die genannten Personen vom zuständigen Fachre-

ferat im Nachrichtendienstlichen Informationssys-

tem (NADIS) abgefragt wurden. Hierbei ergab

sich für die Person W. ein Treffer, die Person P.

hingegen war zum damaligen Zeitpunkt nicht als

Rechtsextremist bekannt und somit vom System

nicht erfasst. Eine Erstspeicherung erfolgte im Jahr

2005. Warum eine Speicherung nicht schon im

Jahr 2003 erfolgte, ist hier nicht mehr nachvoll-

ziehbar. Weiterführende Bearbeitungsschritte er-

folgten nicht. Festzuhalten ist jedoch, dass sich aus

dem Schreiben des italienischen Dienstes vom

21.02.2003 keine Hinweise auf den NSU oder an-

dere identifizierbare militante Netzwerke von Ne-

onazis ergaben. Eine Verbindung von Jürgen Rie-

ger zum NSU konnte durch bisherige Ermittlungen

zum NSU-Komplex nicht bestätigt werden und

scheint aus Sicht des BfV auch äußerst unwahr-

scheinlich.“2472

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 teilte AISI mit,

dass im Nachgang zu dem o. g. internationalen Neonazi-

Treffen vom November 2002 die teilnehmenden italieni-

schen Rechtsextremisten berichtet hätten, sie hätten von

der Existenz eines Netzwerks militanter europäischer

Neonazis erfahren. Dieses bilde eine „halb im Untergrund
befindliche autonome Basis, losgelöst von offiziellen

Verbindungen zu den einschlägig bekannten Bewegun-

gen“ und sei in der Lage, mittels spontan gebildeter Zel-
len kriminellen Aktivitäten nachzugehen. Von dem deut-
2470) MAT A BMI-13, Bl. 8.

2471) MAT A BMI-13, Bl. 8.

2472) MAT A BMI-13, Bl. 2 ff.

schen Neonazi-Führer Dirk P. sei berichtet worden, es

gebe in Deutschland ein Netzwerk militanter Neonazis,

dem auch Jugendliche angehörten und die unter der Lei-

tung des damaligen stellvertretenden NPD-Vorsitzenden

Jürgen Rieger geheimen Aktivitäten nachgingen.
2473

Das BfV hat in dem Schreiben vom 28. November 2012

betont, dass das Schreiben von AISI vom 21. Februar

2003 zwar den Hinweis auf ein angeblich in Deutschland

existierendes und von Rieger koordiniertes Netz neonazis-

tischer militanter Elemente enthalte, jedoch keinen Hin-

weis auf ein derartiges europäisches Netzwerk. Der Hin-

weis auf ein internationales Netzwerk militanter europäi-

scher Neonazis sei dem BfV vielmehr erst mit erwähntem

Schreiben vom 14. Dezember 2011 bekannt geworden.
2474

III. V-Leute des Verfassungsschutzes Bran-
denburg

1. Der V-Mann „Piatto“ des Verfassungs-
schutzes Brandenburg

Der Untersuchungsausschuss hat sich ausführlich mit dem

V-Mann Piatto des Verfassungsschutzes Brandenburg

beschäftigt, insbesondere mit den Umständen seiner An-

werbung, seiner Vita, der Art und Weise seiner Führung

durch den Verfassungsschutz Brandenburg und mit den

Umständen seiner Enttarnung. Der Untersuchungsaus-

schuss hat hierzu die ehemaligen V-Mann-Führer des V-

Mannes Piatto, die Zeugen R. G. und Meyer-Plath, ver-

nommen.
2475

Der V-Mann Piatto gab im August und

September 1998 mehrere Hinweise, die das Trio, seinen

Aufenthalt und seine Kontaktpersonen betrafen. Auf die

Rolle dieser Hinweise und die nach Erlangung dieser

Hinweise ergriffenen Maßnahmen selbst wird im Ab-

schnitt E. eingegangen.

a) Der V-Mann „Piatto“

Bei dem V-Mann Piatto handelt es sich um Carsten

Szczepanski. Szczepanski wurde 1970 geboren und wuchs

in West-Berlin auf.
2476

Nach einer Ausbildung bei der

Deutschen Bundespost wurde er 1991 wegen seiner poli-

tischen Gesinnung aus dem öffentlichen Dienst entlassen.

Nachdem er durch einen Mitbewohner in den Jahren

1989/1990 mit rechtsextremem Gedankengut in Kontakt

gekommen war, zog er nach Königs Wusterhausen und

fand dort im rechtsextremistischen Milieu Aufnahme.

Jedenfalls zu Beginn des Jahres 1991 befasste sich

Szczepanski intensiv mit dem amerikanischen „Ku-Klux-
Klan“ und erstellte durch Übersetzungen von Texten des
2473) Schreiben vom 14. Dezember 2011, MAT A 7/3 (Tgb.-Nr.

13/12 - GEHEIM), Fundstellen der Aktenauswertung Ralf
Wohlleben, Bl. 378 ff., 381 (VS-NfD).

2474) MAT A BMI-13, Bl. 2 ff.

2475) Mitteilung der V-Mann-Führer der Quelle Piatto durch das
Land Brandenburg vom 11. Januar 2013, MAT A BB-8.

2476) Hierzu und im Folgenden: Urteil des Landgerichts Frank-

furt/Oder vom 13. Februar 1995, MAT A BB-9i, Bl. 5 ff.

Drucksache 17/14600 – 284 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

seinerzeit in Amerika führenden Mitglieds des „Ku-Klux-
Klanes“ die Zeitschrift Feuerkreuz, durch die er in der
rechtsradikalen Szene bundesweit bekannt wurde. Später

war er wesentlich an der Erstellung des neonazistischen

Fanzine United Skins beteiligt.

Nach seiner Enttarnung im Jahr 2000 wurde Szczepanski

in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen.

b) Vorleben des V-Mannes „Piatto“ vor des-
sen Anwerbung

aa) Verurteilungen vor 1994

Szczepanski wurde 1989 wegen öffentlichen Tragens

eines Keltenkreuzes (§ 86a StGB), im September 1993

wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in

Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und im Ok-

tober 1993 wegen Sachbeschädigung jeweils durch das

Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilt.
2477

Im letzten

Fall hatte Szczepanski einen Kleinbus der „Sozialistischen
Jugend Deutschlands – Die Falken“ in Brand gesetzt.

bb) „Ku-Klux-Klan“-Verfahren des Generalbun-
desanwalts

aaa) Tatverdacht

Im Jahr 1992 war gegen Szczepanski durch den General-

bundesanwalt wegen des Verdachts der Bildung einer

terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) ermittelt wor-

den. Szczepanski (und 33 weitere Beschuldigte) standen in

Verdacht, versucht zu haben, in der Bundesrepublik

Deutschland eine Teilorganisation des amerikanischen

„Ku-Klux-Klan“ (KKK) zu gründen.2478 Dieser Verdacht
ergab sich aus mehreren Einzelaspekten:

bbb) Kreuzverbrennung in Halbe 1991

Im Oktober 1991 berichtete der Fernsehsender RTL in der

Sendung Explosiv über ein im Vormonat stattgefundenes

Treffen von „Ku-Klux-Klan“-Anhängern unter Beteili-
gung eines US-amerikanischen Klanangehörigen in Hal-

be/Landkreis Königs Wusterhausen, bei dem ein Kreuz-

verbrennungsritual durchgeführt worden war.
2479

In dem

Fernsehbeitrag wurden die rassistischen Gewalttaten in

Hoyerswerda durch den interviewten US-amerikanischen

Klanangehörigen gutgeheißen.

Szczepanski hatte bei einer Vernehmung eingeräumt, nach

Kontaktaufnahme mit dem US-amerikanischen
2477) Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 13. Februar 1995,

MAT A BB-9i, Bl. 5 ff. (13).

2478) Vermerk von Bundesanwalt Beese vom 13. Februar 1992, MAT

A GBA-10a, Bl. 342 ff.

2479) Hierzu und im Folgenden: Mitschrift des Fernsehbeitrags in

RTL-Explosiv (Sendung vom 8. Oktober 1991) durch die Berli-

ner Polizei, MAT A GBA-10a, Bl. 329 f.

Klanangehörigen gemeinsam mit anderen die Kreuzver-

brennungszeremonie organisiert zu haben.
2480

ccc) Besitz von Sprengstoff

In einer zuvor von Szczepanski bewohnten Wohnung, die

dieser jedoch zwischenzeitlich verlassen hatte, wurden im

Dezember 1991 Rohrbombenkörper aufgefunden.

Im Zwischenbericht des BKA vom 28. April 1992 heißt

es hierzu:

„Durch Zeugenhinweis erhielt die Polizei Kenntnis
von einer Wohnung in O-1058 Berlin, Prenzlauer

Berg 17, in der Szczepanski gelebt, diese zwi-

schenzeitlich jedoch verlassen hatte. Die Wohnung

wurde am 8.12.91 durchsucht. Es konnten zahlrei-

che schriftliche Unterlagen sowie Schriftverkehr

sichergestellt werden, die den Verdacht belegten,

Szczepanski betätige sich für den ,Ku-Klux-Klan –
White Knights in Berlin‘.

Aufgefunden wurden vier Rohrbombenkörper

(Metallhülsen, ca. 5 cm Durchmesser mit aufge-

schweißtem Rohr) sowie chemische Substanzen,

die nach erstem Gutachten der polizeilichen Unter-

suchungsstelle Berlin für die Herstellung von ex-

plosivfähigen Selbstlaboraten geeignet sind.“2481

ddd) Ausgang des Ermittlungsverfahrens des
Generalbundesanwalts

Das Ermittlungsverfahren wurde bzgl. Szczepanski am

1. September 1992 an die Staatsanwaltschaft Berlin abge-

geben, nachdem die durch das Bundeskriminalamt ge-

führten Ermittlungen den Tatverdacht gemäß § 129a

Strafgesetzbuch nicht erhärtet hatten und die Zuständig-

keit des Generalbundesanwalts für die Führung der Er-

mittlungen damit entfallen war. Übrig blieben am Ende

bzgl. Szczepanski die Tatvorwürfe des Verstoßes gegen

das Sprengstoffgesetz (weil er Nitro-Methan in seinem

Besitz hatte), der Vorbereitung eines Sprengstoffverbre-

chens, Verstöße gegen § 86a Strafgesetzbuch wegen Zei-

gens des Hitlergrußes und Zeigens einer Hakenkreuzfah-

ne, zwei Vergehen nach § 131 StGB wegen Herstellung

und Verbreitung zweier Ausgaben der Zeitschrift Feuer-

kreuz und Urkundendelikte wegen des Besitzes von frem-

den Reisepässen.
2482

cc) Mordversuch in Wendisch Rietz

Die schwerwiegendste Tat von Carsten Szczepanski liegt

im Mordversuch in Wendisch Rietz, für den er zu einer

Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde.
2480) Ermittlungsbericht des BKA vom 28. April 1992, MAT A

GBA-10e, Bl. 83 ff.

2481) Ermittlungsbericht des BKA vom 28. April 1992, MAT A
GBA-10e, Bl. 83 ff.

2482) Abgabevermerk des Generalbundesanwalts vom 1. September

1992, MAT A GBA-10e/, Bl. 222 ff. (225 f.).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 285 – Drucksache 17/14600

Am 8. Mai 1992 kam es in Wendisch Rietz am Südende

des Scharmützelsees (Brandenburg) dazu, dass eine

Gruppe von ca. 15 Personen, zu der auch Szczepanski

gehörte, einen nigerianischen Asylbewerber, der in Wen-

disch Rietz untergebracht war und dort die Diskothek

„Olli’s Disco“ besuchte, zunächst durch Zeigen des Hit-
lergrußes bedrängte, dann mit Gewalt aus der Diskothek

zog, ihn draußen zunächst mit einer Gaspistole bedrohte,

dann durch Schläge und Tritte so lange auf ihn eintrat, bis

dieser bewusstlos wurde, und ihn dann in das Hafenbe-

cken stieß, wo er 30 bis 40 Sekunden lang unter Wasser

lag. Der Geschädigte konnte durch andere Gäste der Dis-

kothek gerettet werden, wurde schwer verletzt und musste

intensivmedizinisch behandelt werden.
2483

In dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren hatte

die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder im Juli 1993 zu-

nächst lediglich Anklage wegen gefährlicher Körperver-

letzung vor dem Kreisgericht Fürstenwalde erhoben.
2484

Nachdem weitere Beteiligte aus der Gruppe im Dezember

1993 wegen Beihilfe zum versuchten Mord zu Jugend-

strafen zwischen drei und vier Jahren verurteilt worden

waren,
2485

wurde die Anklage gegen Szczepanski wegen

gefährlicher Körperverletzung vor dem Kreisgericht Fürs-

tenwalde im Februar 1994 zurückgenommen.
2486

Mit Verfügung vom 27. April 1994 beantragte die Staats-

anwaltschaft Frankfurt/Oder Haftbefehl gegen

Szczepanski
2487

, der am 3. Mai 1994 erlassen wurde.
2488

Am selben Tag wurde Szczepanski in Untersuchungshaft

genommen.
2489

Am 18. Oktober 1994 wurde schließlich

Anklage wegen versuchten Mordes erhoben.
2490

Gegen den Mittäter M. war bereits zwei Tage nach der

Tat, am 10. Mai 1992, Haftbefehl erlassen worden und am

10. Dezember 1992 war die Verurteilung erfolgt, eben-

falls zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren.
2491

Im Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom

13. Februar 1995, in dem Szczepanski (neben dem weite-

ren Haupttäter Kai M., der im Folgenden als Zeuge be-
2483) Bericht der Polizei Frankfurt/Oder vom 15. Mai 1992, MAT A

GBA-10b, Bl. 134 ff.

2484) Anklageschrift vom 21. Juli 1993, MAT A BB-9/1i, Bd. II, Bl.

265 ff.

2485) Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Dezember 1993,
MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 22 ff.

2486) Rücknahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder

vom 25. Februar 1994, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 5 ff.

2487) Verfügung vom 27. April 1994, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl.

58.

2488) Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht Fürsten-
walde, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 70 f.

2489) Aufnahmeersuchen des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht

Fürstenwalde an die Justizvollzugsanstalt Königs Wusterhausen
vom 3. mai 1994, MAT A BB-9/1i Bd. III, Bl. 72 f.

2490) Anklageschrift und Anklagebegleitverfügung der Staatsanwalt-

schaft Frankfurt/Oder vom 18. Oktober 1994, MAT A BB-9/1i,
Bd. IV, Bl. 6 ff.

2491) Urteil des Bezirksgericht Frankfurt/Oder vom 10. Dezember

1992, MAT A BB-9/1i, Bd. III, Bl. 158 ff.

zeichnet wird) als Angeklagter bezeichnet wird, heißt es

zum Tatverlauf unter anderem:

„Wenige Minuten später wurde der Nigerianer auf
der Discothekentanzfläche erneut umdrängt und

mit Äußerungen wie ,Heil Hitler‘, ‚Ausländer
raus‘ angepöbelt. Dies bemerkte der Zeuge Kai M.
und er beschloss rasch, sich an die Spitze des Trei-

bens zu stellen, um die Mitglieder der größtenteils

rechtsradikal geprägten Gruppe zu beeindrucken,

und um sich aus Geltungssucht – zumindest vorü-
bergehend – zu deren Anführer aufzuschwingen.
Er begab sich mit den Worten ‚Muss ich denn alles
allein machen‘ und zu seinem Gesprächspartner
äußernd ‚den Neger mache ich jetzt platt‘ zur
Tanzfläche. Dort nahm er Steve E. zunächst die

Mütze ab, in die er Bier zu schütten versuchte,

nahm dann sein Opfer, das sich nicht wehrte und

dem er körperlich weit überlegen war, in den

‚Schwitzkasten‘ und begann schließIich mehrfach
wuchtig gegen Kopf und Körper des so fixierten

Opfers zu schlagen.

Hierbei rief er, haßerfüllt und in der Absicht, Steve

E. zu töten, wiederholt: ‚Jetzt mach ich den Neger
platt‘.

Der Angeklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt

unmittelbar bei M. Er war, sobald er den Beginn

der Aktivitäten M.s wahrgenommen hatte, augen-

blicklich aufgestanden, hatte ein Gespräch mit der

Zeugin D., der er gerade eine Liebeserklärung

machte, abgebrochen und sich zu M. begeben, um

das Geschehene aus nächster Nähe zu verfolgen

und mitzuerleben.

Als die Ordnungskräfte die Schlägerei bemerkten,

die Musik sofort ausstellten und die Tanzfläche

voll ausleuchteten, zerrte M. das Opfer unter wei-

teren wuchtigen Schlägen und begleitet von den

ihn inzwischen anfeuernden umstehenden Grup-

penmitgliedern, unter ihnen der Angeklagte, hin-

aus in den Vorraum. Der Angeklagte hatte wie

auch alle anderen in dieser Sache bereits verurteil-

ten Gruppenmitglieder spätestens bei diesem

Rauszerren anhand seiner Äußerungen und seines

brutalen Vorgehens erkannt, daß der wuchtig ein-

schlagende M. tatsächlich den Tod des Opfers her-

beiführen wollte.

Dem vor Angst und Verzweiflung laut um Hilfe

rufenden Opfer gelang es zunächst, sich an einem

Eisengitter im Vorraum festzuhalten. Sofort dräng-

te sich der überwiegende TeiI der Gruppe, darunter

der Angeklagte, abschirmend als Traube um M.

und sein wehrloses Opfer, um zur Hilfe eilende

Gäste und insbesondere Ordner und Sicherheits-

personal der Discothek vom Eingreifen abzuhal-

ten.

Der Angeklagte Carsten Szczepanski beschloß spä-

testens jetzt, sich die Gewaltbereitschaft Kai M.s

und die angeheizte, im Kern von Rassenhaß getra-

gene Stimmung der Gruppe, aus der vereinzelt be-

Drucksache 17/14600 – 286 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

reits lautere und hemmungslosere ausländerfeind-

liche Anfeuerungen erfolgten, zunutze zu machen

und diese Situation zur Tötung des dunkelhäutigen

E. voranzutreiben.

Hierzu begann er repetitiv und rhythmisch zu ru-

fen: ‚Ku-Klux-Klan‘ und wiederholte diesen Ruf
lauter und solange bis nach und nach große Teile

der den M. umringenden Gruppe einstimmten; so-

dann steigerte er Lautstärke und Tempo des Mann-

schaftschores, der zuletzt stakkatoartig und hem-

mungslos brüllend den M. mit diesem Ruf anfeuer-

te. Kai M., immer wieder schreiend: ‚Ich bring ihn
um! Ich bring ihn um!‘, folgte in der Ausführung
seiner Schläge und Tritte dem durch den Mann-

schaftschor vorgegebenen Rhythmus. Auf einen,

ein Tötungsritual des ‚Ku-Klux-Klan‘ aufgreifen-
den, Zuruf aus der Gruppe: ‚Warum hat denn nie-
mand einen Strick? Aufhängen, das Schwein!‘
entgegnete er: ‚Ist doch egal ob ich ihn draußen
aufhänge oder ihm hier drinnen das Genick bre-

che‘ und schlug Steve E. in Tötungsabsicht mit
dem Kopf gegen das Gitter, an dem sich das Opfer

immer noch festklammerte.

Der Zeuge K., dem es in diesem Moment gelungen

war, die Traube zu durchbrechen, sprang, die To-

desgefahr für E. vor Augen, dem M. auf den Rü-

cken, wurde aber durch vier Mitgliedern der Trau-

be sofort wieder weggezerrt. M. ließ kurz vom Op-

fer ab, wandte sich über die Störung erzürnt zum

Zeugen, der ihn nunmehr mit Worten zum Ablas-

sen zu bewegen versuchte. Er zog den Zeugen mit

der linken Hand in dessen Genick packend zu sich

heran und, mit der rechten Faust drohend zu einem

Schlag ins Gesicht des Zeugen ausholend entgeg-

nete er ihm sinngemäß: ‚Ich will nichts von Dir,
ich will nur den Neger und wenn Du mir noch

einmal in die Quere kommst, dann bringe ich Dich

um.‘

Der noch immer von vier Mann umdrängte und

nunmehr verängstigte Zeuge K. wurde wieder aus

der Traube geschoben und zwar mit den Worten:

‚Laß das, wir sind in der Überzahl, das [ist] ein
Neger, das ist kein Mensch, den machen wir kalt‘;
auch den zur Hilfe herbeigeeilten Zeugen H., E.

und N. gelang es nicht, durch die Traube zu M. und

seinem Opfer vorzudringen.

Unterdessen leitete der stets inmitten der Traube

um M. befindliche Angeklagte den Chor der auf-

gehetzten Meute durch das Geschehen. Er variierte

dabei gelegentlich die textlichen Vorgaben der

Gruppe mit ‚White Power‘ und der Mannschafts-
chor folgte. Vereinzelte Gruppenmitglieder riefen

auch ‚Niggerschwein, Niggersau‘ und ähnliches,
während der Angeklagte stets sorgsam darauf ach-

tete, daß die aufgeheizte Situation fortbestand.

Sowie die anfeuernden Rufe abschwollen, peitsch-

te er das Geschehen durch weiteres Rufen wieder

an, kräftigte dabei insbesondere den ‚Ku-Klux-
Klan‘-Chor, den er, wann immer er schwächer zu

werden drohte, stets erfolgreich erneuerte. Der

Angeklagte hatte dabei die Ziele des ‚Ku-KIux-
Kian‘ für sich übernommen und war sich der Be-
deutung dieses Rufes in der konkreten Situation,

nämlich als Tötungsaufforderung an M., bewußt.

Von den ihn anfeuernden Rufen des Mannschafts-

chores beflügelt gelang es M. schließlich, so heftig

an Steve E. zu reißen, daß er das Eisengitter, an

dem sich das Opfer noch immer anklammerte, aus

der Verankerung hob, wodurch beide zu Fall ka-

men. M. rappelte sich sofort auf und tracktierte,

nunmehr gemeinsam mit mehreren, von Mann-

schaftschor aufgepeitschten Mitgliedern der Trau-

be, das inzwischen schon wie bewußtIos am Bo-

den liegende Opfer mit weiteren Tritten und Faust-

schlägen.

Unter weiterem Geschrei und Anfeuerungsrufen

zerrte M., immer noch von der Traube umringt,

den bewußtlosen oder jedenfalls schwer benom-

menen E. an den Armen wie ein Stück Fleisch

durch das Foyer in Richtung Ausgang, während

der Angeklagte dieses Geschehen jubelnd umtanz-

te.

Auf der Terrasse ließ M. sein Opfer mit dem Ge-

sicht auf den Boden fallen. Auf Zurufe der aufge-

peitschten Meute ‚Töte ihn, umbringen das
Schwein‘ und ‚Ku-Klux-Klan‘, die an Intensität
weiter zugenommen hatten, trat er mit seinem mit

Turnschuhen bekleideten Fuß dem Opfer wieder-

holt und wuchtig gegen den Kopf und sprang

mehrfach auf E.s Schädel, während der Angeklag-

te M.s Tritte und Sprünge aus etwa ein Meter Ent-

fernung verfolgte.

Spätestens jetzt hatte E. endgültig das Bewußtsein

verloren. Nach weiteren Tritten gegen den Körper

seines Opfers zerrte M. den bewußtlosen E. von

der Terrasse in Richtung Scharmützelsee. Auf die

Rufe der durch den Mannschaftschor in Verzü-

ckung geratenen Zeugin D. ‚Hat denn niemand
Benzin, einen Kanister Benzin, anstecken die Koh-

le, verbrennt das Schwein‘ hielt M. inne und such-
te sein Feuerzeug. Der Angeklagte begrüßte diese

Idee mit lautem Gelächter und als der Zeuge P.,

der vor den Konsequenzen einer Menschenver-

brennung zurückschreckte, einen Ordner zum Ein-

greifen bewegen wollte und dem Angeklagten sei-

ne Bedenken mitteilte, hielt dieser ihm die Worte

entgegen: ‚So schnell stirbt man nicht‘.

M. hatte inzwischen sein Feuerzeug hervorgeholt

und versuchte den Nebenkläger an dessen Jacke

anzuzünden, um ihn zu verbrennen. Als ihm dies

mangels Benzin mißlang, erscholl aus der in

Extase versetzten Meute der Ruf: ‚Ertränken das
Schwein‘. Der durch die Gruppe hochstimulierte
und von ihr noch immer gegen helfende Gäste ab-

gedeckte M. ließ daraufhin von den Verbren-

nungsversuchen ab, packte sein bewusstloses Op-

fer, schleppte es zum Seeufer und warf es, da es

noch röchelte, bäuchlings soweit ins Wasser, daß

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 287 – Drucksache 17/14600

nur noch die Unterschenkel und Füße über die

Wasseroberfläche ragten.“2492

Bzgl. der erlittenen Verletzungen des Geschädigten Steve

E. wird im Urteil wie folgt ausgeführt:

„Steve E. erlitt bei dem brutalen Geschehen le-
bensgefährliche Verletzungen und war extrem

unterkühIt. Er hatte ein schweres Lungenödem in-

folge einer Süßwasseraspiration, ein Schädelhirn-

trauma - Hirnkontusion rechts temporal, ein allge-

meines Hirnödem, Cephalhämatom frontal und

rechts temporal, eine Toraxprellung, ein stumpfes

Bauchtrauma, mehrere Schürf- und Prellwunden

im Bereich der Stirn, über beiden Jochbögen, am

Thorax und an beiden Rippenbögen, eine Platz-

wunde am linken äußeren Augenwinkel sowie eine

Burbusprellung erlitten. Der Notarzt musste, um

E.s Leben zu erhalten, vor Ort einen Luftröhren-

schnitt durchführen sowie eine Intubationsbeat-

mung, die wegen einer Druckumkehr und infolge

einer auf die Hirnschädigung zurückzuführenden

Verminderung der Schutzreflexe hochkritisch ver-

lief. E. schwebte noch bis zum 16.05.1992 in Le-

bensgefahr, lag längere Zeit im Koma und musste

drei Wochen auf der Intensivstation und später

zwei Wochen in der neurologischen Abteilung be-

handelt werden.

Das tieftraumatisierte Opfer ist noch heute in psy-

chologischer Behandlung und wird dies auch auf

nicht absehbare Zeit bleiben. Trotz zunehmender

Besserung leidet der Lehrer infolge des brutalen

Übergriffs noch immer unter regelmäßigen Alp-

träumen, erheblichen Konzentrationsstörungen, be-

trächtlichen Kopfschmerzen und Angstattacken in

der Öffentlichkeit.“2493

dd) Auswirkungen des Mordversuchs auf das
Ermittlungsverfahren des Generalbundes-
anwalts

Die Tatsache, dass während des Mordversuchs in Wen-

disch Rietz unter anderem durch Szczepanski mehrmals

die Hetzparolen „Ku-Klux-Klan“ angestimmt worden
waren, hatte keinen Einfluss auf das soeben unter bb)

beschriebene Ermittlungsverfahren des Generalbundes-

anwalts, obwohl dem Generalbundesanwalt diese Tat

(begangen am 8. Mai 1992) bekannt geworden war,
2494

bevor er das Ermittlungsverfahren wegen Bildung terro-

ristischer Vereinigungen gemäß § 129a StGB am

1. September 1992 einstellte: Aus einem Bericht des Ge-

neralbundesanwalts an das Bundesjustizministerium vom

29. Mai 1992 geht hervor, dass aus Sicht des Generalbun-
2492) Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 13. Februar 1995,

MAT A BB-9i, Bd. VII, Bl. 5 ff. (16 ff.)

2493) Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 13. Februar 1995,

MAT A BB-9i, Bd. VII, Bl. 4 ff. (23).

2494) Bericht des Polizeipräsidiums Frankfurt(Oder) vom 15. Mai

1992, eingegangen beim BKA am 25. Mai 1992 , MAT A

GBA-10b, Bl. 134 ff.

desanwalts kein Verdacht dafür bestünde, dass die Tat

vom 8. Mai 1992

„wegen der Zugehörigkeit der Täter zum ‚Ku-
Klux-Klan‘ und in Erfüllung des Vereinszwecks
begangen“2495

worden sei.

c) Umstände der Verbindungsaufnahme des
V-Mannes „Piatto“ zum Verfassungsschutz
Brandenburg

aa) Kontaktaufnahme durch Szczepanski aus
der Untersuchungshaft heraus

Carsten Szczepanski wandte sich von sich aus am

8. Juli 1994 aus der Untersuchungshaft, in der er wegen

der Geschehnisse in Wendisch Rietz am 8. Mai 1992 zu

diesem Zeitpunkt seit ca. zwei Monaten einsaß, in einem

Brief an die Verfassungsschutzbehörden des Landes

Brandenburg und erbat Informationen,
2496

nachdem er

sich in einem Bericht des Verfassungsschutzes erwähnt

sah.
2497

Infolge dessen kam es ab dem 2. August 1994 zu

regelmäßigen Treffen von Mitarbeitern der Beschaffungs-

abteilung der Verfassungsschutzbehörde mit Szczepanski

Auch der Zeuge R. G. suchte ihn im Gefängnis auf.
2498

bb) Umfang und Qualität der Quellenmeldun-
gen

Der Zeuge Meyer-Plath, seinerzeit Auswerter beim Ver-

fassungsschutz, hat berichtet, dass der Umfang der Er-

kenntnismöglichkeiten des Verfassungsschutzes Bran-

denburg im Jahr 1994 – also bevor Szczepanski seine
ersten Informationen weitergab – zunächst stark begrenzt
gewesen sei. Gleichzeitig sei die Bedrohungslage für Leib

und Leben von Personen, die von Rechtsextremen als

Feindbilder angesehen wurden, aber auch die Bedrohung

durch rechtsextremistische Propaganda in diesem Zeit-

raum erheblich gewesen.
2499

Die in Brandenburg vorhan-

denen Erkenntnisse seien zum größten Teil Nebenproduk-

te anderer Behörden, wie beispielsweise des BfV, des

MAD, der Polizei und des Verfassungsschutzes Berlin

gewesen. Die Verbesserung der Erkenntnismöglichkeiten

durch die Quelle Piatto im Jahr 1994 hat der Zeuge

Meyer-Plath, folgendermaßen beschrieben:

„Plastiktütenweise gelangten so Briefe, rechtsex-
tremistische Publikationen, insbesondere soge-

nannte Fanzines, auf meinen Tisch. Plötzlich er-

öffneten sich dadurch für mich und meine Kolle-

gen in der ‚Auswertung‘ Einblicke in rechtsextre-
2495) Bericht des Generalbundesanwalts an den Bundesminister der

Justiz vom 29. Mai 1992, MAT A GBA-10b, Bl. 213 ff. (215).

2496) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3.

2497) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 2.

2498) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 2.

2499) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3.

Drucksache 17/14600 – 288 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mistische Strukturen in Brandenburg, aber auch

bundesweit und international, die auf Anhieb unser

Lagebild und das anderer Verfassungsschutzbe-

hörden verbesserten. Es war ein Quanten-

sprung.“2500

Ähnlich hat dies auch der Zeuge R. G. beschrieben.
2501

Der Umfang der Informationen sei laut Meyer-Plath des-

halb so groß und die Qualität so gut gewesen, weil

Szczepanski aufgrund seiner Verurteilung wegen versuch-

ten Mordes in der rechtsextremen Szene großes Ansehen

genossen habe – weite Teile der rechtsextremen Szene
hätten es daher als ihre Pflicht angesehen, mit ihm zu

kommunizieren und ihn auf dem Laufenden zu halten.
2502

Die Tatsache, dass Szczepanski nach seiner Verlegung in

den offenen Vollzug Ende August 1997
2503

regelmäßig

Zeiten außerhalb der Justizvollzugsanstalt verbrachte,

führte laut Meyer-Plath zu einer weiteren Verbesserung

von Qualität und Quantität der gelieferten Informationen:

„In den Jahren 1997 und 1998 war der Informant
nach Bewertung der ‚Auswertung‘ noch besser
geworden. Er konnte nun dank regelmäßiger Zei-

ten außerhalb der Justizvollzugsanstalt wieder nä-

her an die Szene heran. Er war weiterhin überall

gern gesehen, jeder vertraute ihm, jeder sprach mit

ihm, er sog alles auf wie ein Schwamm und be-

richtete ausführlich, obwohl er wusste, dass seine

Informationen für die Szene in jeder Hinsicht teuer

wurden. Eine Vielzahl rechtsextremistischer Kon-

zerte konnte durch seine rechtzeitigen Informatio-

nen aufgelöst werden, zum Beispiel am 28. März

1998 in Kirchmöser, am 5. September 1998 in

Hirschfeld und am 12. September 1998 am

Krummenseer See. Jedes Mal entstand dadurch ein

erheblicher finanzieller Schaden für die Szene, ei-

nige Rechtsextremisten wurden strafrechtlich ver-

folgt.“2504

Der Zeuge R. G. hat ausgeführt, dass die Treffen etwa 14-

tägig stattgefunden hätten, als Szczepanski „Freigänger“
gewesen sei.

2505
cc) Entlohnung des V-Mannes „Piatto“

Nach Aussage des Zeugen Meyer-Plath habe Szczepanski

zwischen 1994 und 2000 insgesamt ca. 50 000 DM für

seine Informationen erhalten.
2506

In der Phase bis Oktober

1998 erhielt er 300 DM pro Treffen, je nach Wertigkeit

der Informationen.
2500) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3.

2501) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 4.

2502) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 3 f.

2503) Schreiben des Leiters der JVA Brandenburg an die Staatsan-

waltschaft Frankfurt/Oder vom 10. März 1998, MAT A BB-
9/1e, Bl. 128 ff.

2504) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.

2505) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 5.

2506) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.

Befragt, ob dies nach seiner Einschätzung eine hohe oder

niedrige Entlohnung gewesen sei, hat der Zeuge Meyer-

Plath ausgeführt, dass er die Entlohnung für angemessen

erachtet habe. Einen Teil des Geldes habe Szczepanski im

Beisein von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes so-

gleich ausgegeben, beispielsweise für Videospiele oder

Fußball-Fanartikel.
2507

Darüber hinaus habe Szczepanski auch Auslagenerstatt-

ungen erhalten; dass er auch mit einem Fahrzeug ausge-

stattet worden wäre, war dem Zeugen Meyer-Plath nicht

erinnerlich.
2508

d) Mögliche Beweggründe des V-Mannes
„Piatto“ für eine Zusammenarbeit mit dem
Verfassungsschutz

Als mögliche Beweggründe für die Zusammenarbeit von

Szczepanski mit dem Verfassungsschutz wurde durch den

Zeugen Meyer-Plath genannt, dass sich Szczepanski mög-

licherweise aufgrund der Aussagen seiner Kammeraden

im Prozess bzgl. des Mordversuchs an Steve E. „verpfif-
fen“ gefühlt habe. Zudem sei es ihm jedoch „sicher“ auch
um eine Perspektive, um eine möglichst kurze Haftzeit

und um das Geld gegangen.
2509

Bzgl. der Frage, inwiefern sich Szczepanski der rechtsex-

tremen Szene letztendlich noch verbunden gefühlt hatte

oder ob er die Szene eigentlich schon hätte verlassen

wollen, jedoch vor dem Hintergrund der Informationsbe-

schaffung noch dort verblieb, hat der Zeuge Meyer-Plath

ausgeführt:

„Wo genau sozusagen diese Grenze jetzt bei
Szczepanski war - ich hatte das in meinem Ein-

gangsstatement erwähnt -, ist mir bis heute nicht

ganz klar: inwieweit er sich diesen Menschen in

irgendeiner Form auch noch verbunden fühlte,

aber trotzdem sie nach Strich und Faden verraten

hat, oder ob er sich sozusagen schon gelöst hat und

gesagt hat: Möglicherweise hilft es mir für meine

Perspektive, für eine möglichst - aus seiner Sicht -

frühzeitige Haftentlassung und auch aus materiel-

len Gründen, weiter in der Szene zu verbleiben. -

Ich werde das nicht völlig auflösen können, diese

Frage. Sie ist ein Dilemma, und sie ist irgendwo

auch, wenn Sie wollen, schizophren.“2510

Dass Szczepanski den Verfassungsschutz Brandenburg

bewusst benutzt haben könnte, um nach der Haftentlas-

sung weiter in der rechtsextremen Szene aktiv sein zu

können, hat der Zeuge Meyer-Plath nicht bestätigt:

„Nein, zu meiner Phase, also bis Oktober 1998,
hatte ich diesen Eindruck überhaupt nicht. Da-

durch, dass er so intensiv auch über die Dinge be-

richtete, die der Szene richtig wehtaten, die Logis-
2507) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 32.

2508) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 33.

2509) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.

2510) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 30 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 289 – Drucksache 17/14600

tik der Szene eben auch zu stören und zu zerstören,

hatte ich überhaupt nicht diesen Eindruck. Er

wusste, dass, wenn er Informationen weitergibt,

daraus Schaden für die Szene entsteht. Es wäre al-

so aus seiner Sicht völlig kontraproduktiv gewe-

sen.“2511

Der Zeuge R. G. hat gegenüber dem Untersuchungsaus-

schuss die Ansicht vertreten, Szczepanski habe „die ganze
Geschichte“ bereut.2512

Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass stets die Frage

im Raum gestanden habe, inwiefern

„die Bereitschaft von Carsten Szczepanski, seine
angeblichen Kameraden nach Strich und Faden zu

verraten, als Abwendung vom Rechtsextremismus,

wo er doch zu diesem Zweck äußerlich mit der

Szene verbunden bleiben musste“2513,

habe gelten können. Die in dieser Hinsicht zu treffenden

Entscheidungen seien, so Meyer-Plath, „außerhalb und
oberhalb“ seines Arbeitsbereichs getroffen worden.

e) Ablauf der Treffen mit „Piatto“

aa) Abholung von „Piatto“ an der JVA an den
Tagen seines Freiganges und „Verschaf-
fung von Mobilität“

Den Ablauf der Treffen mit Szczepanski nach dessen

Verlegung in den offenen Vollzug 1997 hat der Zeuge

Meyer-Plath wie folgt beschrieben:

„Der Ablauf war in der Regel so, dass mein Kolle-
ge G. [den] S. an der JVA oder später an seiner

Ausbildungsstelle abholte, ihn zu Behördengän-

gen, privaten Terminen oder in die Nähe von An-

gehörigen der rechtsextremistischen Szene fuhr,

um dort Informationen zu beschaffen, um ihn am

Abend wieder in die JVA zurückzubringen. Ich

stieß meistens in Restaurants zur vertieften Infor-

mationsaufnahme hinzu.

Meine Aufgabe aufgrund meines Aus-

wertungshintergrundes war es, so viel Infor-

mationen wie möglich aus dem Informanten her-

auszuholen. Der sprudelte zwar auch von sich aus,

durch gezieltes Fragen und Nachhaken konnte die

Qualität der Informationsgewinnung aber noch ge-

steigert werden. Außerdem konnte so aktuell be-

ratschlagt werden, welche Prioritäten für den

nächsten Ausgang vorlagen.“2514

Darüber hinaus hat der Zeuge Meyer-Plath die folgende

Beschreibung für den Ablauf der Trefftage verwendet:
2511) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 31.

2512) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 12.

2513) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 4.

2514) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.

„Die Mobilität war ab dem Moment, wo er die
Haftanstalt für kürzere, später ja auch für längere

Zeiten verlassen konnte, eine Herausforderung für

die Beschaffer, für G. und mich. In der Regel war

es so, dass G. ihn an der Justizvollzugsanstalt, spä-

ter dann an der Ausbildungsstätte abholte, um ihm

somit Mobilität zu verschaffen, sei es für private

Erledigungen, familiäre Dinge, aber auch um ihn

logistisch in die Lage zu versetzen: Wie komme

ich denn an diese Szenen, Strukturen, Organisatio-

nen oder Einzelpersonen heran?“2515

bb) Ausstattung mit einem Mobiltelefon

Szczepanski war durch den Verfassungsschutz Branden-

burg seit Beginn der ersten Ausgänge Mitte 1997 mit

einem Mobiltelefon ausgestattet worden.
2516

Dieses Mobiltelefon, so Meyer-Plath, habe Szczepanski

nicht mit in die Justizvollzugsanstalt hinein nehmen dür-

fen.
2517

Ob Szczepanski das Mobiltelefon stets wieder

abgegeben hatte, als er die Justizvollzugsanstalt wieder

betreten habe, ist dem Zeugen Meyer-Plath nicht mehr

erinnerlich gewesen.
2518

Folglich hat er auch nicht aus-

schließen können, dass Szczepanski das ihm durch den

Verfassungsschutz überlassene Mobiltelefon in der Jus-

tizvollzugsanstalt nutzte.
2519

Meyer-Plath hat es jedoch

auch für möglich gehalten, dass Szczepanski das Mobilte-

lefon möglicherweise bei anderen Rechtsextremen hinter-

legt habe, während er sich in der JVA befand.
2520

Mögli-

che Kontaktaufnahmen mit dem an Szczepanski ausgege-

benen Mobiltelefon könnten sich auch dadurch erklären,

das Szczepanski zuweilen mehrere Tage aus der Haft

abwesend gewesen sei.
2521

Anlässlich der durch das LKA Thüringen im Rahmen der

Suchmaßnahmen nach dem Trio geschalteten TKÜ-

Maßnahme bei Jan Werner wurde das an Szczepanski

ausgegebene Mobiltelefon als ein Mobiltelefon identifi-

ziert, das an das Innenministerium des Landes Branden-

burg ausgegeben worden war.
2522

Davon sei der Verfas-

sungsschutz Brandenburg nach Aussage des Zeugen

Meyer-Plath durch eine Kollegin des BfV unterrichtet

worden.
2523

Auf welche Weise das BfV seinerseits die

entsprechende Information erhielt, hat Meyer-Plath nicht

sagen können. Die Tatsache, dass das Mobiltelefon über-

haupt durch die Polizei insoweit identifiziert werden

konnte, als dass es an das Innenministerium Brandenburg
2515) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 24.

2516) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.

2517) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.

2518) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 26.

2519) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 27.

2520) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 27.

2521) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 44.

2522) Mitteilung des Mobilfunkbetreibers an das LKA Thüringen,

MAT A TH-1/9, Bl. 272.

2523) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 44.

Drucksache 17/14600 – 290 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ausgegeben worden war, hat Meyer-Plath als „operativen
Super-GAU“ bezeichnet.2524

f) Bedenken gegen die Anwerbung innerhalb
des Verfassungsschutzes Brandenburg,
Befragung einer außenstehenden Autori-
tätsperson durch den Innenminister

Der Zeuge Dr. Förster, der im November 1996 Leiter der

Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium Bran-

denburg wurde, hat berichtet, dass er Bedenken gegen die

Führung Szczepanskis als V-Mann hatte, nicht zuletzt

aufgrund von dessen Vorleben. Weder Staatssekretär

noch Minister seien damals darüber informiert gewesen,

dass der Verfassungsschutz Brandenburg den wegen

versuchten Mordes zu acht Jahren Haft verurteilten V-

Mann Piatto führte.

Dr. Förster habe Innenminister Alwin Ziel über Piatto

unterrichtet. Man sei zu dem Schluss gekommen, eine

außenstehende Autoritätsperson um Rat zu fragen, ob es

moralisch vertretbar sei, einen V-Mann wie Piatto zu

führen.

Wörtlich hat Dr. Förster in seiner Vernehmung ausge-

sagt:

„Ich war entsetzt, diesen V-Mann zu haben. Minis-
ter wusste davon nichts; Staatssekretär wusste da-

von nichts. Dann bin ich zum Minister gegangen

und habe ihn von diesem ,Zufallsfund‘ unterrichtet
und gesagt: So einen V-Mann darf man nicht ha-

ben. Der wird sofort abgeschaltet, sofort; versuch-

ter Mord, acht Jahre. - Auf der anderen Seite ist es

natürlich so, dass so einer auch was weiß. Was den

bei uns zu acht Jahren Freiheitsstrafe bringt, macht

den bei den anderen zum Märtyrer. Wir haben

dann folgenden Weg beschritten: Wir haben einen

Mann konsultiert – der tot ist -, Ziel und ich, zu
dem der Innenminister Ziel eine sehr enge persön-

liche Beziehung hatte. In diese Beziehung wurde

ich dann auch einbezogen bei einer Mehrzahl von

Besuchen, weil so ein Pressesprecher und Bürolei-

ter, was ich ja zunächst mal war in Brandenburg,

das geht auch nur mit einer engen persönlichen

Beziehung mit dem Minister.“2525

sowie weiter:

„Und dieser Mann hat gesagt, weil ja so eine Quel-
le euch eben auch Erkenntnisse geben kann, die

präventiv nutzbar sind, würde er die Frage ,Darf

man mit so einem überhaupt zusammenarbeiten?‘
mit ,muss man‘ beantworten. Und nach dieser sehr
bewegenden Begegnung sind wir gemeinsam, der

Minister und ich, ins Parlamentarische Kontroll-

gremium gegangen, mit der gleichen Frage.“2526
2524) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.

2525) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 133.

2526) Dr. Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 134.

Um wen es sich bei der von dem Zeugen Dr. Förster

genannten Person handelt, hat der Ausschuss nicht ermit-

telt.

Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, von diesem Vor-

gang seinerzeit keine Kenntnis erlangt zu haben, sondern

dies erst aus der Presse erfahren zu haben.
2527

Die bei ihm bestehenden Bedenken seien durch den da-

maligen Abteilungsleiter Dr. Förster jedoch auch mit den

Mitarbeitern, hauptsächlich auf der Ebene der Referatslei-

ter beraten worden.
2528

Dabei sei das Unbehagen des

Abteilungsleiters bzgl. der Quelle deutlich zum Ausdruck

gekommen.

Im Hinblick auf seine eigene Person hat Meyer-Plath

bekundet, dass er in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der

Führung von Szczepanski als V-Mann auf die Expertise

der Juristen innerhalb des Verfassungsschutzes vertraut

habe.
2529

g) Erleichterungen bzgl. des Vollzugs der
Haftstrafe/Vorzeitige Entlassung aus der
Haft

aa) Verdacht der Herstellung rechtsextremisti-
scher Publikationen in der JVA Branden-
burg Ende 1996/Anfang 1997 – Maßnah-
men bzgl. „Piatto“ in diesem Zusammen-
hang

aaa) Der Verdacht als solcher

Nach dem Wechsel des Zeugen Meyer-Plath von der

Auswertungsabteilung zur Beschaffungsabteilung inner-

halb des Verfassungsschutzes Brandenburg am

19. Dezember 1996 gab es öffentliche Hinweise darauf,

dass in der JVA Brandenburg rechtsextremistische Publi-

kationen hergestellt würden.
2530

Im Rahmen der daraufhin

eingeleiteten Ermittlungen wurden durch die Justiz für

rechtsextreme Häftlinge Ausgangs- und Fernmeldesperren

verhängt und verschärfte Postkontrollen angeordnet.

Hiervon sei auch Szczepanski, der zu dieser Zeit in der

JVA Brandenburg einsaß, betroffen gewesen.

bbb) Mögliche Beteiligung von „Piatto“ an der
Herstellung der Publikationen

Im Neonazi-Fanzine Wehrpass, Ausgabe 2/1996, findet

sich auf Seite 30 die folgende Ausführung:

„United Skins Nr. 8. Was der Carsten dort hinter
Gittern vollbracht hat, grenzt schon an Zauberei.

Das Zine hat ganze 48 Seiten und ist randvoll mit

Konzert- und Sachberichten. Über die JVA Bran-
2527) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 12.

2528) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 56.

2529) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 37.

2530) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 291 – Drucksache 17/14600

denburg, in welcher er sich zurzeit befindet, ist

auch ein sehr interessanter Bericht drin.“2531

Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu bekundet, dass es sich

hierbei möglicherweise um eine Darstellung von

Szczepanski als Märtyrer durch mögliche andere Perso-

nen, die das Zine erstellt haben, gehandelt haben könne.

Die Justiz habe jedenfalls auf entsprechende Berichter-

stattung der Zeitung Junge Welt entsprechende Prüfungen

vorgenommen und „nicht festgestellt, dass die Publikatio-
nen in der Haft erstellt“ worden seien.2532 Jedoch hat der
Zeuge Meyer-Plath nicht völlig ausschließen können,

dass Szczepanski an der Erstellung von Neonazifanzines

mitwirkte.
2533

Der Zeuge R. G. hat – auf Vorhalt – hierzu keine Anga-
ben gemacht und darauf hingewiesen, dass er nicht als

Auswerter tätig gewesen sei.
2534

ccc) Maßnahmen des Verfassungsschutzes
Brandenburg in Bezug auf „Piatto“

Infolge der unter aaa) genannten Einschränkungen kam es

der Schilderung des Zeugen Meyer-Plath zu Folge zu

einer starken Einschränkung des Informationsflusses. Ab

dem 10. Januar 1997 sei es deshalb dazu gekommen, dass

die daraus resultierende Lage auf Weisung des Abtei-

lungsleiters durch den Zeugen Meyer-Plath gegenüber der

Justizvollzugsanstalt und dem Justizministerium darge-

stellt und Vorschläge für mögliche Ausnahmen für den

Häftling Szczepanski unterbreitet worden seien.
2535

Aus einem Vermerk vom 12. März 1997, den der Zeuge

Meyer-Plath selbst verfasst hat, geht Folgendes hervor:

„Wie zuvor in Gesprächen […] vereinbart, soll die
verschärfte Postkontrolle, bei der eingehende wie

ausgehende Post textlich kontrolliert wird, im Lau-

fe des März für die betroffenen Rechtsextremisten,

darunter die Quelle, aufgehoben werden. Die An-

staltsleitung sieht in den Ergebnissen der seit De-

zember laufenden verschärften Postkontrollen kei-

ne Anhaltspunkte, die eine Weiterführung rechtfer-

tigen.

Bis zum Ende der verschärften Postkontrolle ist

diese zentral bei Herrn […] angesiedelt, der diese
textlich nur pro forma durchführt.“2536

Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass es bei diesem

Gespräch um die Umsetzung einer durch das Justizminis-

terium getroffenen Entscheidung gegangen sei.
2537
2531) Vorhalt der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Pau

gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 18.

2532) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 18.

2533) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 19.

2534) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 22.

2535) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 4, 13.

2536) Vorhalt des Vorsitzenden gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-

Nr. 64, S. 14 f., aus MAT A BB-7/2, Teil 1, Vermerk vom 13.

März 1997 (Tgb-Nr. 156/13 - GEHEIM).

Bereits im Januar 1997 war in einem Vermerk niederge-

legt worden, dass seitens des Justizministeriums Bran-

denburg einem Vorschlag bzgl. der Kontrolle von

Szczepanskis Post zugestimmt worden sei. Konkret heißt

es in dem Vermerk:

„Die Vertreter des MdJBE stimmten deshalb ei-
nem Vorschlag zu, dass die Postkontrolle der

rechtsextremistischen Häftlinge von einem einzi-

gen Bediensteten der JVA durchgeführt werden

soll, der in die Zusammenarbeit eingeweiht wird.

Dieser wird dann die Post Szczepanskis ungehin-

dert ein- und ausgehen lassen.“2538

und weiter:

„Einvernehmen herrschte darüber, dass
Szczepanski seinen rechtsextremistischen Brief-

partnern nur sehr verschlüsselt mitteilen darf, dass

sie nun wieder unbesorgt Post in die JVA Bran-

denburg einrichten können. Keinesfalls will das

Ministerium Angriffsflächen für die Presse bie-

ten.“2539

Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu bekundet, dass er im

Auftrag des Abteilungsleiters gegenüber den Justizbehör-

den die Lage geschildert habe.
2540

Die Justizvertreter

hätten darum gewusst, dass Szczepanski Informationen

geliefert habe. Auf dieser Grundlage sei durch die Justiz

entschieden worden.

Ab dem 12. März 1997 sei es dann zu einer Beendigung

der unter aaa) genannten Einschränkungen gekommen.
2541

bb) Erörterung einer möglichen Haftentlas-
sung nach der Hälfte der Haftzeit (gemäß
§ 57 Abs. 2 StGB) wegen der Aussage
Szczepanskis im sog. Dolgenbrodt-
Prozess

aaa) § 57 Abs. 2 Strafgesetzbuch

§ 57 Abs. 2 StGB besagt, dass unter bestimmten Umstän-

den eine Entlassung unter Aussetzung der restlichen Frei-

heitsstrafe zur Bewährung bereits nach der Hälfte der

ausgeurteilten Haftstrafe möglich ist. Das Gesetz verlangt,

dass „die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der
verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des

Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorlie-

gen“, die die Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe
zur Bewährung rechtfertigen. Zusätzlich muss die Ausset-
2537) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 15.

2538) Vorhalt des Abgeordneten Binninger gegenüber Meyer-Plath,

Protokoll-Nr. 64, S. 16, aus MAT A BB-7/2, Teil 1, Vermerk

vom 14. Januar 1997 (Tgb-Nr. 156/13 - GEHEIM).

2539) Vorhalt des Vorsitzenden gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-

Nr. 64, S. 16, aus MAT A BB-7/2, Teil 1, Vermerk vom 14. Ja-

nuar 1997 (Tgb-Nr. 156/13 - GEHEIM).

2540) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S.

16.

2541) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.

Drucksache 17/14600 – 292 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB unter ande-

rem „unter Berücksichtig des Sicherheitsinteresses der
Allgemeinheit verantwortet werden“ können, wobei bei
der Entscheidung „insbesondere die Persönlichkeit der
verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat,

das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechts-

guts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug,

ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berück-

sichtigen“ sind, „die von der Aussetzung für sie zu erwar-
ten sind.“2542

bbb) Aussage „Piattos“ im Dolgenbrodt-
Prozess - Hintergrund

Szczepanski hatte im Jahr 1995 im Verlauf des sog.

Dolgenbrodt-Prozesses vor dem Landgericht Frank-

furt/Oder umfangreich ausgesagt. Hintergrund des Ver-

fahrens war ein Brandanschlag auf eine noch leer stehen-

de, für Asylbewerber vorgesehene Unterkunft im bran-

denburgischen Dolgenbrodt im November 1992 wenige

Tage bevor die Unterkunft bezogen werden sollte. Hier

bestand der Verdacht, dass die Täter aus der Gemein-

schaft der Bewohner des Ortes zu ihrer Tat angestiftet

worden sein könnten. Durch seine Aussage habe

Szczepanski zur Aufklärung der Taten beigetragen, wes-

halb ihm, so der Zeuge Meyer-Plath, seitens der Justiz die

Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung bereits nach

der Hälfte der Haftzeit in Aussicht gestellt worden sei.

ccc) Entsprechende Zusage?

Der Zeuge Meyer-Plath hat bzgl. einer Aussetzung der

Reststrafe zur Bewährung aufgrund der Aussage im

Dolgenbrodt-Prozess nach Ablauf der Halbstrafe bekun-

det, er habe den Akten entnommen, dass sich der Verfas-

sungsschutz in Gesprächen mit der Justiz gegen ein sol-

ches Vorgehen ausgesprochen habe, da Szczepanski hier-

durch sofort in Spitzelverdacht geraten wäre.
2543

In einem Vermerk vom 9. Februar 1996, der nach Aussa-

ge des Zeugen Meyer-Plath vom Beschaffungsreferat

stammt, heißt es hingegen:

„Schon aus diesem Grunde muss von hier aus da-
rauf geachtet werden, dass die Zusage der Staats-

anwaltschaft vom 6.9.95 hinsichtlich der Ableis-

tung einer Halbstrafe auch eingehalten wird.“2544

Ohne diese Vermerke genauer zu benennen hat der Zeuge

Meyer-Plath sodann bekundet, dem Ausschuss lägen auch

„andere Vermerke“ vor. Insbesondere im Jahr 1997 habe
der Verfassungsschutz darauf hingewiesen, dass eine

Halbstrafe sich gegenüber der Szene nicht darstellen lasse

und „absurd“ sei. Letztendlich sei dies aber eine Ent-
2542) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.

2543) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 5.

2544) Vorhalt des Vorsitzenden gegenüber Meyer-Plath, Protokoll-

Nr. 64, S. 13.

scheidung der Justiz gewesen, die der Verfassungsschutz

nicht zu kommentieren habe.
2545

Seitens der Justiz war die Aussetzung der Reststrafe zur

Bewährung nach Ableistung der Halbstrafe auch im Hin-

blick auf die Aussage im Dolgenbrodt-Prozess jedenfalls

mit Schreiben vom 29. Januar 1998 abgelehnt worden,
2546

nachdem sich Szczepanski mit Schreiben vom

2. Januar 1998 an die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder

gewandt hatte und um Mitteilung einer möglichen Prog-

nose für den Zeitpunkt seiner Haftentlassung gebeten

hatte.
2547

Am 12. Januar 1999
2548

beantragte Szczepanski gegenüber

der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder eine Haftentlas-

sung zum 1. April 1999.
2549

Durch die Staatsanwaltschaft

wurde dieser Antrag gemäß § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO

befürwortet (wörtlich: „beantragt“).2550 Nach der mündli-
chen Anhörung durch die für die Entscheidung zuständige

Strafvollstreckungskammer, zu der es erst Ende April

1999 kam, nahm Szczepanski diesen Antrag jedoch wie-

der zurück und beantragte statt dessen die Entlassung

nach Ablauf von zwei Dritteln der Haftzeit.
2551

cc) Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit ent-
sprechend § 57 Abs. 1 StGB

aaa) Voraussetzung einer Haftentlassung nach
2/3 der Haftzeit gem. § 57 Abs. 1 StGB

Im Gegensatz zu der bereits oben erwähnten Möglichkeit

der Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung

(und damit Haftentlassung) bereits nach Vollstreckung

der Hälfte der verhängten Strafe ist diese Möglichkeit

nach Vollstreckung von zwei Dritteln der verhängten

Strafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB nicht an das Vorliegen

„besonderer Umstände“ geknüpft, die bzgl. der „Gesamt-
würdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person

und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs“ vorlie-
gen müssen.

Die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach zwei

Dritteln der Haftzeit setzt – neben der Einwilligung des
Verurteilten und der Verantwortbarkeit unter Berücksich-

tigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit – ge-
2545) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 13.

2546) Verfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder vom

29. Januar 1998, MAT A BB-9/1e, Bd. I, Bl. 110 ff.

2547) Schreiben von Szczepanski, datiert vom 2. Januar 1997 (mit

Umschlag, auf dem ein Eingangsstempel der Staatsanwaltschaft

Frankfurt/Oder vom 5. Januar 1998 aufgebracht ist), MAT A

BB-9/1e, Bd. I, Bl. 107 f.

2548) Das Datum „12. Januar 1998“ war lt. Szczepanski ein Versehen,
vgl. MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 37.

2549) Antrag des Verurteilten Szczepanski auf vorzeitige Haftentlas-
sung, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 5.

2550) Vermerk und Verfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt

(Oder) vom 19. Januar 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 13.

2551) Protokoll der mündlichen Anhörung des Verurteilten

Szczepanski am 20. April 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl.

37.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 293 – Drucksache 17/14600

mäß § 57 Abs. 1 StGB voraus, dass bei der Entscheidung

„insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person,
ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei

einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der

verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse

und die Wirkungen […], die von der Aussetzung für sie
zu erwarten sind“, berücksichtigt werden.

bbb) Beschluss der Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts Potsdam vom 1. Dezem-
ber 1999

Mit Beschluss vom 1. Dezember 1999, der am

15. Dezember 1999 rechtskräftig wurde, wurde die gegen

Szczepanski bis dahin noch nicht vollstreckte Reststrafe

zur Bewährung ausgesetzt.
2552

Mit Schreiben vom

15. Dezember 1999 wurde die JVA Brandenburg ange-

wiesen, Szczepanski sofort zu entlassen.
2553

In dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom

1. Dezember 1999 heißt es unter anderem:

„Seit dem 06.04.1999 ist er bei der Firma P. in
Limbach als Vertriebsassistent und Werbegestalter

angestellt. Die Firma P. plant im Raum Berlin eine

Zweigstelle zu eröffnen, die den Gefangenen so-

dann übernehmen wolle seit März 1999 habe er in

Königs Wusterhausen eine Wohnung. Stabile sozi-

ale Bindungen bestünden zu seinen Eltern zu sei-

ner Lebensgefährtin und weiteren Bekannten.

Von der rechten Szene habe er sich gelöst und er-

klärt, er sei dieser entwachsen.“2554

sowie:

„Er hat dem Gericht gegenüber überzeugend dar-
gestellt, dass er zu den „alten Kameraden“ keinen
Kontakt mehr habe und dass im Übrigen auch die-

se mittlerweile nachgereift seien.“2555

Hinweise darauf, dass es der Richterin der Strafvollstre-

ckungskammer bekannt war, dass die in dem Beschluss

genannte „Firma P.“ aus Limbach einen Neonazi-
Szeneladen betreibt und die geplante „Zweigstelle“ in der
Eröffnung eines weiteren Szeneladens im Raum Berlin

bestehen könnte, sind nicht aktenkundig.
2552) Hierzu und im Folgenden: Beschluss der Strafvollstreckungs-

kammer des Landgerichts Potsdam vom 1. Dezember 1999,

MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 80 ff.

2553) Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder an die JVA

Brandenburg vom 15. Dezember 1999, MAT A BB-9/1e, Bd.

II, Bl. 98.

2554) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts

Potsdam vom 1. Dezember 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl.

80 ff. (83).

2555) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts

Potsdam vom 1. Dezember 1999, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl.

80 ff. (86).

Mit mehreren Schreiben, unter anderem vom

22. Februar 1999
2556

und 16. Juni 1999,
2557

hatte sich

Szczepanski zuvor an die Strafvollstreckungskammer

gewandt und – im Schreiben vom 22. Februar 1999 –
unter detaillierter Darlegung seiner Situation, jedoch ohne

Hinweis auf eine Tätigkeit für den Verfassungsschutz,

seine vorzeitige Haftentlassung beantragt. Im Schreiben

vom 16. Juni 1999 hatte er die zugesagte Begutachtung

im Hinblick auf eine Entlassung im August 1999 ange-

mahnt.

ccc) Mögliche Täuschung der Strafvollstre-
ckungskammer unter Mitwirkung des Ver-
fassungsschutzes?

Direkte Kontakte zwischen der Strafvollstreckungskam-

mer des Landgerichts Potsdam und dem Innenministerium

des Landes Brandenburg sind nicht aktenkundig und auch

von den Zeugen R. G. und Meyer-Plath nicht berichtet

worden.

Der Verfassungsschutz Brandenburg hatte (unter Nutzung

des insoweit korrekten Briefkopfs des Ministeriums des

Innern) im Januar 1997 bei der Staatsanwaltschaft Frank-

furt/Oder eine Abschrift des Urteils gegen Szczepanski

angefordert.
2558

Eine Person, die über Kenntnisse des

Aufbaus des Ministerium des Innern des Landes Bran-

denburg verfügt, wäre so in der Lage gewesen, anhand

des Aktenzeichens zu erkennen, dass sich der Verfas-

sungsschutz jedenfalls für Szczepanski interessiert.

Aus einem Vermerk vom 14. Juli 1999 geht hervor, dass

in einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Justizmi-

nisteriums Brandenburg durch die Mitarbeiterin angege-

ben worden sei, wer der zuständigen Strafvollstreckungs-

kammer vorstehe und deshalb Auskunft über bevorste-

hende Entlassungen geben könnte.
2559

Dass diese Infor-

mation bewusst erfragt worden wäre, legt der Vermerk

nicht nahe.

Mit Vertretern des Brandenburger Justizministeriums war

im Januar 1997 erörtert worden, inwiefern eine frühere

Haftentlassung möglich ist. In einem Vermerk vom

14. Januar 1997 heißt es hierzu:

„Der Briefkontakt des Häftlings Szczepanski zeige
deutlich, dass er sich von seinen ehemaligen Ge-

sinnungskameraden nicht distanziert habe. Das

Argument, dass er dies nur für die Sicherheitsinte-

ressen des Staates tue, wurde zwar von den Vertre-
2556) Schreiben von Szczepanski an die Strafvollstreckungskammer

des Landgerichts Potsdam vom 22. Februar 1999, MAT A BB-

9/1e, Bd. II, Bl. 30.

2557) Schreiben von Szczepanski an die Strafvollstreckungskammer

des Landgerichts Potsdam vom 16. Juni 1999, MAT A BB-

9/1e, Bd. II, Bl. 47.

2558) Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Branden-

burg an die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder vom 16. Januar

1997, MAT A BB-9/1e, Bd. I, Bl. 100.

2559) Vermerk des Ministerium des Innern des Landes Brandenburg

vom 14. Juli 1999, MAT A BB-7/2 (Tgb.-Nr. 91/12 -

GEHEIM), Bd. 1, Reiter 1999.

Drucksache 17/14600 – 294 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tern des Ministeriums akzeptiert. Für eine vorzeiti-

ge Haftentlassung wäre dies allerdings keine ein-

schlägige Begründung, da auch das Wirken als

Verräter keine günstige Sozialprognose erlau-

be.“2560

Der Zeuge R. G. ist ebenfalls zu einem Brief von

Szczepanski an die Strafvollstreckungskammer befragt

worden. Er hat hierzu angegeben, an dem Brief nicht

beteiligt gewesen zu sein und Szczepanski in dieser Hin-

sicht auch nicht beraten zu haben.
2561

ddd) Praktikum bei der Firma P. bereits im Jahr
1998?

Der Zeuge R. G. hat die ab dem Frühjahr 1998 bestehende

Tätigkeit bei der Firma P. als „Gefälligkeitsgeschichte“
umschrieben. Michael P. und seine Frau hätten

Szczepanski einen Gefallen tun wollen, um so weitere

Freigänge erreichen zu können.
2562

Gearbeitet habe

Szczepanski dort nicht, er sei „kaum da“ gewesen.2563

h) Hinweise von „Piatto“ zum Trio/Artikel im
Zine „White Supremacy“ durch eines der
Mitglieder des Trios

Im Zeitraum August bis Oktober 1998 gab Szczepanski

Hinweise zu dem inzwischen (seit Januar 1998) unterge-

tauchten Trio. Er stand in Kontakt zu Jan Werner, der

dem Trio in dieser Zeit eine Waffe habe besorgen sollen

und zu Antje P., die sich bereit erklärt habe, der weibli-

chen Person des Trios ihren Pass zur Verfügung zu stel-

len.

Auf die in diesem Zusammenhang von Szczepanski gelie-

ferten Hinweise sowie auf die weiteren Folgen dieser

Hinweise wird unten im Abschnitt E. III.6. h) näher ein-

gegangen werden.

i) Kontakte von Szczepanski nach Sachsen

Szczepanski verfügte über eine Vielzahl von Kontakten zu

Rechtsextremisten bundesweit. Der Kontakt zu den säch-

sischen Rechtsextremisten Antje P. und Michael P. und

Jan Werner sei, so der Zeuge Meyer-Plath, bereits 1994

zu Stande gekommen, als Szczepanski von diesen Perso-

nen in der Haft unterstützt worden sei.
2564

j) Weggang von Meyer-Plath Ende Oktober
1998

Der Zeuge Meyer-Plath unterbrach Ende Oktober 1998

zunächst seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz Bran-

denburg, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer
2560) Vorhalt ggü. dem Zeugen Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 31.

2561) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 14.

2562) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 12.

2563) R. G., Protokoll-Nr. 56 (geheim-herabgestuft), S. 13.

2564) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 22.

Bundestagsabgeordneten zu arbeiten.
2565

Erst im Jahr

2001 setzte er seine Tätigkeit für den Verfassungsschutz

Brandenburg als Referatsleiter „Auswertung“ fort, wes-
halb er im Hinblick auf den Zeitraum zwischen November

1998 und der Enttarnung von Szczepanski im Sommer

2000 aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen

konnte.

Eine Übergabe des V-Mannes Szczepanski als V-Mann-

Führer sei nicht erforderlich gewesen, da durch den ande-

ren V-Mann Führer, den Zeugen R. G., Kontinuität ge-

währleistet gewesen sei.
2566

k) Enttarnung des V-Mannes „Piatto“

Die Umstände der Enttarnung von Szeczepanski lassen

sich der als GEHEIM eingestuften Chronologie zur Been-

digung der Zusammenarbeit mit Piatto entnehmen.
2567

Kurz zusammengefasst lief die Enttarnung demnach fol-

gendermaßen ab:

19. Juni 2000:

Piatto wurde von einem Dritten belaset, er sei an einer

Straftat im Zusammenhang mit einer Rohrbombe betei-

ligt. Deshalb stimmt der Staatssekretär des Innenministe-

riums einer Beendigung der Zusammenarbeit mit der

Quelle Piatto zu.

Der genannte Dritte hatte am 12. Juni 2000 in einer Ver-

nehmung durch das LKA Berlin ausgesagt, Carsten

Szczepanski habe gemeinsam mit anderen Personen einen

Sprengstoffanschlag als Racheakt für die Zerstörung

seines Fahrzeuges durchführen wollen.
2568

Das Verfahren

gegen diese Person war allerdings durch einen Hinweis

von Carsten Szczepanski überhaupt erst eingeleitet wor-

den.
2569

27. Juni 2000:

Eine Gewährsperson teilt mit, dass ihr ein Polizeibeamter

bestätigt habe, dass Piatto ein Informant der Polizei sei.

Tatsächlich fand ein solches Telefonat wohl statt! Inwie-

fern dieser Polizeibeamte überhaupt mit dem Verfas-

sungsschutz Brandenburg zusammenarbeitete, war nicht

ersichtlich.

30. Juni 2000:

Beendigungserklärung bzgl. der V-Mann-Tätigkeit.

10. Juli 2000:
2565) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S.

39.

2566) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 48, 63.

2567) Hierzu und im Folgenden: Chronologie, MAT A BB-7/2b
(Tgb.-Nr. 150/13 Geheim), Ordner 2000, PDF-Bl. 165-167.

2568) Vernehmungsprotokoll vom 12. Juni 2000, MAT A BB-14d,

Bd. I, Bl. 110 ff. (117 f.).

2569) Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Potsdam an die

Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg vom 3. Juni 2013,

MAT A BB-14d, Bd. VIII, Bl. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 295 – Drucksache 17/14600

Enttarnung von Piatto durch den Spiegel-Artikel „Führer
der Meute“ – durch den Artikel ist ein klarer Rückschluss
auf die Identität von Piatto möglich. Zudem wurde be-

richtet, dass der Geschädigte des versuchten Mordes von

1992 in Wendisch Rietz noch Schmerzensgeldforderun-

gen in Höhe von ca. 50 000 DM habe.

14. Juli 2000:

Aufnahme von Piatto in ein Zeugenschutzprogramm.

Die Enttarnung von Szczepanski als V-Mann ist im Aus-

schuss nicht weiter erörtert worden.

Im Rahmen der Beweisaufnahme ist aus einem Briefver-

kehr zwischen der Parlamentarischen Kontrollkommissi-

on und dem Ministerium des Innern Brandenburgs aus

dem Jahr 2000 zitiert worden, in dem es im Zusammen-

hang mit einer Gewährsperson, die den Verdacht gehabt

habe, dass Szczepanski mit der Polizei zusammengearbei-

tet habe, heißt:

„Die Gewährsperson habe sich daraufhin telefo-
nisch an einen ihr seit Jahren persönlich bekannten

Polizeibeamten beim Polizeipräsidium Potsdam

gewandt und ihm vorgehalten, dass Szczepanski

offenkundig Spitzel der Polizei sei. Der Beamte

habe bestätigt, dass Szczepanski mit der Polizei zu-

sammenarbeite und hierfür auch Geld erhalte.“2570

Der Zeuge Meyer-Plath hat es – in diesem Zusammen-
hang befragt – für äußerst unwahrscheinlich gehalten,
dass Szczepanski neben dem Verfassungsschutz sein Wis-

sen auch anderen Bereichen angeboten habe.
2571

Am 10. Juli 2000 erschien im Nachrichtenmagazin Der

Spiegel der Artikel „Führer der Meute“.2572 In dem Artikel
wurde die Verurteilung von Szczepanski wegen versuch-

ten Mordes und die genauen Hintergründe sowie die

Verwicklung von Szczepanski im Zusammenhang mit der

Kreuzverbrennung dargestellt sowie ausgeführt, dass er

regelmäßig Informationen an den Verfassungsschutz des

Landes Brandenburg liefere.

Auf welche Weise der Spiegel von den entsprechenden

Informationen Kenntnis erlangte, ist nicht bekannt.

Am 19. November 2001 erhob die Staatsanwaltschaft

Potsdam Anklage gegen Szczepanski wegen Verstoßes

gegen das Waffengesetz. Szczepanski wurde verdächtigt,

vor dem 9. Juli 2000 ein Repetiergewehr „JG Anschütz
Nr. 9469, Cal. 22 l. r.“ an eine andere Person weitergege-
ben zu haben.

2573
Szczepanski wurde deswegen am

9. Dezember 2002 zu einer Geldstrafe von 120 Tagessät-

zen zu je 15 Euro verurteilt.
2574

Diese Verurteilung führte
2570) Vorhalt des Abgeordneten Binninger ggü. dem Zeugen Meyer-

Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 21.

2571) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 20.

2572) Der Spiegel vom 10. Juli 2000, „Führer der Meute“, S. 38 ff.

2573) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 16. Mai
2001, MAT A BB-9/1e, Bd. II, Bl. 162 ff.

2574) Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 9. Dezember 2002, MAT

A BB-14b, Bd. V, Bl. 1 ff.

nicht zum Widerruf der Bewährungsentscheidung bzgl.

der Haftstrafe vom 1. Dezember 1999.

l) Änderung der Dienstvorschriften im Hin-
blick auf Vorstrafen von V-Leuten

Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass die Führung

eines V-Mannes mit Vorstrafen, wie sie bei Piatto vor-

handen gewesen seien, heute nicht mehr möglich sei.
2575

Die Dienstvorschriften für die „Beschaffung“ würden die
Führung als V-Mann verbieten, wenn die Person Körper-

verletzungsdelikte oder gravierendere Straftaten begangen

hätte. Bei den von dem Zeugen genannten Dienstvor-

schriften handelt es sich um innerhalb der Verfassungs-

schutzbehörde geltende Verwaltungsvorschriften.

Zum Hintergrund der erfolgten Neuregelung befragt, ist

der Zeuge Meyer-Plath auf das Kriterium der Vermittel-

barkeit eingegangen. Spätestens seit 2003 spiele dies eine

Rolle. Es finde ein Abwägungsprozess statt, in dem die

Frage gestellt werde:

„Sollen wir mit dieser Person sprechen, ja oder
nein? - Da heißt es, glaube ich, mehr als damals:

Vom Ende her denken. Wäre es denn vermittelbar,

wenn es bekannt würde?“2576

2. Gruppierung „Nationalsozialistische Un-
tergrundkämpfer Deutschlands“

Am 5. August 1999 ging im Innenministerium Branden-

burg eine E-Mail ein, in der als Absender eine Gruppie-

rung namens „Nationalsozialistische Untergrundkämpfer
Deutschlands“ genannt war.2577

Der Inhalt der E-Mail lautet wie folgt:

„Tach und Heil Euch,

na, Ihr Spitzenpolitiker ! Es kotzt uns so langsam

richtig an, was hier in unserem schönen Branden-

burger Land so abgeht.

Jetzt wird hier ein Bündnis nach dem anderen ge-

gründet, der Deutsche Steuerzahler bezahlt natür-

lich, aber was bringt das ganze ???

Wann begreift Ihr endlich, das in Mitteldeutsch-

land das Bekenntniss zur Nationalen Weltanschau-

ung stets wächst ? Wir lassen uns nicht knechten

Wir fordern Meinungsfreiheit, Ihr habt keine Nar-

renfreiheit ! Behandelt national gesinnte Menschen

wie jeden anderen auch, das schreibt nun mal das

völlig überalterte Grundgesetz vor, und dies auch

in Brandenburg ! Mit eurer sogenannten MEGA

Truppe, kommt Ihr Euch ja mächtig stark vor, was

?
2575) Hierzu und im Folgenden: Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64,

S. 11.

2576) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 52.

2577) Ausdruck einer E-Mail vom 5. August 1999, MAT A BB-10,

Bl. 4.

Drucksache 17/14600 – 296 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Eine Truppe von dummen Idioten ! Eure Erfolge

sind doch lächerlich, eure Verbote komplett zu-

rückzuweisen.

Laßt uns unsere Musik hören, wenn jeder Nigger

in Deutschland singen darf, werden wir wohl auch

unsere deutschen Lieder genießen dürfen, sei es zu

Hause oder auch auf Konzerten, und zwar auch in

Brandenburg ! Laßt uns marschieren und uns das

RECHTE WORT sprechen ! Und damit wir diese

Sachen durchsetzen können fordern wir die Ab-

schaffung der MEGA, und den Rücktritt des In-

nenministers, unserem Stasianhänger und Anti -

Deutschen, Herrn Alwin Ziel !

Nieder mit diesem Penner, und seinem Multikultu-

rellen Weltbild !

I Macht Brandenburg freier, macht Hohen Neuen-

dorf freier, und somit die Welt um einem Volks-

verräter ärmer !

Widerstand, wir nehmen die Waffen zur Hand, und

auf Wiedersehen Herr ZIEL !

Die Uhr tickt, und das Ultimatum läuft ! Wir ste-

hen bereit, und werden handeln !

Auf unseren Sieg und Ihre Niederlage !

Mit freundlichen Grüßen,

National Sozialistische Untergrundkämpfer

Deutschlands“2578

Auch Szczepanski wurde hierzu im August 1999 befragt,

konnte jedoch keine Angaben machen.
2579

Der Zeuge R.

G. hat sich ebenfalls nicht an eine solche Gruppierung

erinnern können.
2580

Durch die Polizei konnte der Telefonanschluss ermittelt

werden, von dem aus die E-Mail versandt worden war.
2581

Gegen den in Bayern ansässigen Inhaber des Anschlusses

wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung einge-

leitet, das durch das LKA Bayern geführt wurde.
2582

Das

Ermittlungsverfahren wurde später durch die Staatsan-

waltschaft Potsdam nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt,

da der tatsächliche Versender der E-Mail nicht ermittelt

werden konnte – bei dem Provider waren im Rahmen
einer Probenutzung rein fiktive Daten eingegeben worden

und eine Ermittlung des tatsächlichen Versenders der E-

Mail war nicht möglich.
2583
2578) Ausdruck einer E-Mail vom 5. August 1999, MAT A BB-10,

Bl. 4.

2579) Deckblattmeldung vom 11. August 1999, MAT A BB-10, Bl.

13 ff. (17).

2580) R. G., Protokoll-Nr. 56 (geheim-herabgestuft), S. 4; Protokoll
Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 17.

2581) Vermerk des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg

vom 31. August 1999, MAT A BB-10, Bl. 33 f.

2582) Fernschreiben des LKA Brandenburg, MAT A BB-10, Bl. 35 f.

2583) Verfügung des Generalbundesanwalts vom 13. März 2000,

MAT A GBA-3/56, Bl. 56 f.

Auf Anregung von Dr. Förster wurde durch den General-

bundesanwalt geprüft, ob Anlass zur Übernahme des

Ermittlungsverfahrens wegen eines möglichen Verdachts

einer Straftat nach § 129 StGB besteht, was nach entspre-

chender Prüfung verneint wurde, da sich aus der E-Mail

keine konkreten Anhaltspunkte für das tatsächliche Be-

stehen einer aus einer Mehrzahl von Personen bestehen-

den Gruppierung hätten entnehmen lassen können.
2584

3. Toni S.

Toni S. und der V-Mann Piatto kannten sich jedenfalls

seit 1998.
2585

Toni S. war von Sommer 2000 bis zu seiner

Festnahme durch die Polizei am 23. Juli 2002 V-Mann

des LfV Brandenburg.
2586

Die V-Mann-Werbung geschah

nach den Feststellungen des Landgerichts Berlin (im

Strafverfahren gegen Toni S.), indem Druck auf ihn aus-

geübt wurde:

„Dem Brandenburger Landesamt für Verfassungs-
schutz (LfV) war schon zu einem frühen Zeitpunkt

bekannt, dass der gesondert Verfolgte L., der in der

rechtsextremistischen Szene führend tätig war, ei-

nen Tonträger mit brisantem Inhalt aufgenommen

hatte und diesen veröffentlichen wollte. Im Som-

mer 2000, zu einer Zeit, als der Angeklagte [Toni

S.] und die gesondert Verfolgten B. und H. sich be-

reits über die Herstellung und den Vertrieb der CD

‚Noten des Hasses‘ geeinigt hatten, sprachen des-
halb zwei Beamte des Brandenburger Verfas-

sungsschutzes […], den Angeklagten an, um ihn
als V-Mann zu werben. Hierbei setzten sie den

Angeklagten mit dem Hinweis unter Druck, im

Weigerungsfall strafrechtliche Ermittlungen wegen

eines ihnen bekannten, von dem Angeklagten be-

gangenen Verkehrsdelikts zu veranlassen. Der An-

geklagte erklärte sich daraufhin nach kurzer Be-

denkzeit zu einer Zusammenarbeit mit dem Brand-

enburger Verfassungsschutz bereit.“2587

Die weitere Zusammenarbeit zwischen Toni S. und sei-

nem V-Mann-Führer hat das LG Cottbus im Verfahren

gegen den V-Mann-Führer folgendermaßen beschrieben:

„Der gesondert verfolgte Toni S. war in der rechts-
extremistischen Szene aktiv und unterhielt in […]
ein Geschäft zum Verkauf rechtsextremistischer

Devotionalien. Er war zudem seit Anfang 2000

Vertrauensmann des Brandenburgischen Landes-

amtes für Verfassungsschutz. Er sollte Informatio-

nen über die Produktion der CD ,Noten des Has-

ses‘ mit volksverhetzendem Inhalt von der rechts-
extremen Musikgruppe ,White Arian Rebels‘
2584) Verfügung des Generalbundesanwalts vom 27. April 2000,

MAT A GBA-3/56, Bl. 59 f.

2585) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 46.

2586) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, MAT A GBA-
3/47a-5, Bl. 76 ff., 88 ff.

2587) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, MAT A GBA-

3/47a-5, Bl. 76 ff., 88 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 297 – Drucksache 17/14600

sammeln. Um die Produktionswege des Tonträgers

zu ermitteln, genehmigte und unterstützte der

Brandenburgische Verfassungsschutz den Toni S.

bei der Produktion in dem Zeitraum 2001 bis 2002.

Es handelte sich dabei um die 2 000 Stück umfas-

sende Zweitauflage des Tonträgers. Diese sollte im

Ausland produziert und sodann in die Bundesre-

publik eingeführt und vertrieben werden.

Der Beschuldigte ist Mitarbeiter des Brandenbur-

gischen Verfassungsschutzes und war der V-

Mann-Führer des Toni S. Dementsprechend unter-

stützte er diesen - in Abstimmung und auf Wei-

sung seiner Vorgesetzten - bei der Produktion der

CD. Er gab dem Toni S. ein Gefühl der Sicherheit

vor den Strafverfolgungsbehörden. So teilte er ihm

wiederholt mit, er werde sich im Falle der Enttar-

nung für diesen bei seinen Vorgesetzten einsetzen.

Von den Vertrauensleuten sei noch niemand verur-

teilt worden.

Nach den bisherigen Ermittlungen bestehen Ver-

dachtsmomente dahingehend, dass der Beschuldig-

te von den – durch den Verfassungsschutz nicht
genehmigten – Aktivitäten des Toni S. Kenntnis
hatte und diese nicht an seine Vorgesetzten weiter-

leitete. Er ist zudem verdächtig, den Toni S. wie-

derholt aufgefordert zu haben, seine Wohn- und

Geschäftsräume von strafrechtlich relevanten De-

votionalien freizuhalten bzw. diese vorsorglich

auszulagern. Außerdem besteht nach den bisheri-

gen Erkenntnissen der Tatverdacht, dass der Be-

schuldigte dem Toni S. im Oktober 2001 einen von

strafrechtlich relevanten Inhalten bereinigten

Computer übergab, um diesen im Falle von Haus-

durchsuchungen sicherstellen zu lassen und damit

von dem eigentlichen PC des Toni S., welcher

strafrechtlich relevante Inhalte enthielt, abzulen-

ken. So kam es, dass anlässlich einer Durchsu-

chung im März 2002 in der Wohnung des Toni S.

der bereinigte Computer sichergestellt wurde, die

Strafverfolgungsbehörden aufgrund des Fehlens

von Hinweisen über die Aktivitäten des Toni S. auf

dem PC jedoch keine weiteren Erkenntnisse er-

langte. Erst eine Durchsuchung am 20./21. Juli

2002 führte zur Auffindung seines Lagers in C.

und damit zur Aufklärung des Ausmaßes der von

ihm durchgeführten Handlungen.“2588

Toni S. wurde am 11. November 2002 vom LG Berlin

wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidri-

ger Organisationen, Volksverhetzung u. a. zu einer Frei-

heitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die

Verurteilung beruhte unter anderem auf dem bereits ge-

nannten Vertrieb der CD „Noten des Hasses“.2589
2588) Beschluss des LG Cottbus vom 24. Februar 2005, MAT A NW-

6f, Bl. 138 ff., 139 f.

2589) Urteil des LG Berlin vom 11. November 2002, MAT A GBA-

3/47a-5, Bl. 76 ff.

Das gegen den V-Mann-Führer von Toni S. eingeleitete

Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafverei-

telung wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Cott-

bus
2590

mit Beschluss des Landgerichts Cottbus vom

24. Februar 2005 gem. § 153 Abs. 2 StPO durch das Ge-

richt eingestellt.
2591

Toni S. verzog nach seiner Haftentlassung nach Dort-

mund.
2592

Dort soll er nach den Aussagen einer polizeili-

chen V-Person angeblich kurz vor dem Mord an Mehmet

Kubaşik am 4. April 2006 Kontakt zu Mundlos gehabt
haben.

2593
Toni S. wurde vom BKA am 14. Februar 2012

als Zeuge vernommen. Er bestritt einen Kontakt zu

Mundlos.
2594

IV. V-Personen des Landeskriminalamts Ber-
lin

Das LKA Berlin führte mehrere V-Personen in der rechts-

extremistischen Szene, die Hinweise auf Personen gaben,

die in Zusammenhang mit dem Trio standen. Untersucht

hat der Ausschuss die Rolle der VP 562 des LKA Berlin.

1. VP 562 (Thomas Starke)

a) Persönlicher Hintergrund der VP 562 und
Kontakte zu dem Trio

Der spätere V-Mann des LKA Berlin, Thomas Starke, war

bereits in der DDR für die Abteilung I der Kriminalpoli-

zei der Volkspolizei als Informant tätig.
2595

Hier lieferte er

Informationen über Personen, die heute als Hooligans

bezeichnet werden, im Zusammenhang mit Fußballspielen

in Chemnitz.

Bei der Durchsuchung der Garage Nr. 5 an der Kläranlage

am 26. Januar 1998 wurde ein Aktenordner aufgefunden,

der unter anderem Briefe von Thomas Starke an Uwe

Mundlos enthielt. Der an der Auswertung der Asservate

mitwirkende BKA-Beamte Brümmendorf wies in einem

Vermerk, der vom 19. Februar 1998 datiert,
2596

sowie in

einem weiteren handschriftlichen Vermerk
2597

auf die
2590) Antragsentwurf vom September 2004, MAT A BB-13a, Bl. 672

ff.; vgl. auch Bericht der Staatsanwaltschaft Cottbus vom
28. Dezember 2004, MAT A BB-13a, Bl. 672 ff.

2591) Beschluss des LG Cottbus vom 24. Februar 2005, MAT A NW-

6f, Bl. 138 ff.

2592) Schreiben des LKA Nordrhein-Westfalen vom 30. März 2012,

MAT A GBA-15c, Bl. 146 f.

2593) Siehe hierzu unten im Abschnitt F. V. 1. b).

2594) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Toni S. vom

4. April 2006, MAT A NW-12, (Tgb.-Nr. 99/13 – VS-
VERTRAULICH), Ordner 5, Bl. 352 ff. (offen).

2595) Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno-

logie vom 24. September 2012 an den Ausschussvorsitzenden,

MAT B BMWi-1, Bl. 1 ff. (2).

2596) Vermerk vom 19. Februar 1998 über Asservatenauswertung

Mundlos, Ass. 20. B. 1 und 23.6, MAT A TH-1/2.

2597) Handschriftlicher Vermerk, undatiert, MAT A TH-1/3, Bl. 751.

Drucksache 17/14600 – 298 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verbindung zwischen Uwe Mundlos und Thomas Starke

hin.
2598

Auch auf der in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Adress-

und Telefonliste ist Thomas Starke, sogar unter Nennung

seiner damaligen Anschrift, aufgeführt.
2599

Im August 1998 wurde die Zielfahndungsabteilung des

LKA Thüringen auf Thomas Starke aufmerksam, da die-

ser zu den in der rechten Szene Chemnitz relevanten Per-

sonen gehörte. Es kam zu einer TKÜ-Maßnahme durch

die Zielfahndung des LKA Thüringen, die vom 4. August

bis zum 4. September 1998 andauerte,
2600

in deren Rah-

men jedoch keine Erkenntnisse bzgl. des Aufenthalts des

Trios gewonnen werden konnten.

Am 9. April 1999 wurde durch Beamte der Zielfahndung

des LKA Thüringen die Anschrift des Thomas Starke in

Chemnitz aufgesucht. Hierbei wurde festgestellt, dass

dieser zwischenzeitlich nach Dresden verzogen war. Ein

Nachbar gab jedoch an, Uwe Mundlos im Jahr zuvor (also

1998) öfter vor der Wohnung von Thomas Starke gesehen

zu haben.
2601

Am 15. April 1999 wurde Thomas Starke daraufhin von

Beamten der Zielfahndung in Dresden aufgesucht. Er gab

an, Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos zu kennen – diese
seien im Januar 1998 zuletzt bei ihm zu Hause in Chem-

nitz gewesen.
2602

Am 23. Januar 2001 wurde Thomas Starke in Dresden

von KHK Wunderlich erneut zum Verbleib des Trios

befragt. Hier gab er an, letztmalig Ende 1997 mit dem

Trio Kontakt gehabt zu haben.
2603

Aus der im Rahmen des NSU-Ermittlungsverfahrens

durch den Generalbundesanwalt angelegten Personenakte

zu Thomas Starke ergibt sich, dass Thomas Starke nach

Aussage mehrerer Zeugen der „Verantwortliche“ für das
Untertauchen des Trios Ende Januar 1998 gewesen sei.

2604
Zudem besteht der Verdacht, dass der in der Garage auf-

gefundene Sprengstoff durch Thomas Starke organisiert

wurde.

Im Rahmen der nach dem 4. November 2011 durch den

Generalbundesanwalt geführten Ermittlungen wurde

bekannt, dass Thomas Starke im Jahr 1998 im Rahmen

der Flucht Hilfe geleistet hat. Hierzu war er zum Teil

geständig. Die hierzu vorhandenen Erkenntnisse wurden

bereits oben unter C. II. 1. d) dargestellt.
2598) Zum Ganzen: siehe unten im Abschnitt E. II. 6.

2599) Telefonliste, MAT A TH-1/2, Bl. 283.

2600) Übersicht über TKÜ-Maßnahmen des LKA Thüringen, MAT A
TH-1/4, Bl. 4.

2601) Aktenvermerk von KHK I. und KOM’in L. vom 12. April 1999,
MAT A TH-1/15, Bl. 356 f.

2602) Aktenvermerk von KHK I. und KOM’in L. vom 19. April 1999,
MAT A TH-1/15, Bl. 288 f.

2603) Vermerk von KHK Wunderlich vom 23. Januar 2001, MAT A
TH-1/15, Bl. 279.

2604) Hierzu und im Folgenden: Zusammenfassung der Ermittlungen

zu Thomas Starke, MAT A BY-14/1b, Bl. 37 f.

b) Anwerbung als V-Mann im November 2000

aa) Ermittlungsverfahren in Zusammenhang
mit der rechtsextremen Band „Landser“

Im zweiten Halbjahr 2000 wurden parallel jedenfalls zwei

Ermittlungsverfahren geführt, die mit der rechtsextremen

Band „Landser“ in Zusammenhang standen, und zwar
zum einen das Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzei-

chen 2 BJs 22/00-4 des Generalbundesanwalts und zum

anderen das Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen

205 Js 63577/00 der Staatsanwaltschaft Dresden.

aaa) Das Ermittlungsverfahren des General-
bundesanwalts

Das durch den Generalbundesanwalt unter dem Aktenzei-

chen 2 BJs 22/00-4 geführte Verfahren betraf den Tat-

vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung

(§ 129 StGB) in Bezug auf die rechtsextreme Band

„Landser“, unter anderem vor dem Hintergrund der
„Landser“-CD „Ran an den Feind“.

Mit Verfügung vom 27. Juli 2000 hatte der Generalbun-

desanwalt das Verfahren gegen zunächst vier namentlich

bekannte Beschuldigte eingeleitet.
2605

Im Rahmen der

Ermittlungen wurde darüber hinaus eine namentlich noch

unbekannte Person mit der Alias-Bezeichnung Otto als

der „Zentralverteiler“ der CDs bezeichnet;2606 das Ermitt-
lungsverfahren des Generalbundesanwalts wurde darauf-

hin mit Verfügung vom 8. November 2000 auf diese

Person erweitert, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht

namentlich bekannt war.
2607

bbb) Ermittlungen gegen Thomas Starke durch
die Staatsanwaltschaft Dresden

Gleichzeitig wurde durch die Staatsanwaltschaft Dresden

unter dem Aktenzeichen 205 Js 63577/00 wegen Volks-

verhetzung (§ 130 StGB) bzw. wegen Verwendung von

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a

StGB) ermittelt. Hintergrund war hier nicht der Vorwurf

der Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die

Existenz der Band „Landser“, sondern die in Zusammen-
hang mit dem Vertrieb der CDs der Band, insbesondere

der CD „Ran an den Feind“ möglicherweise begangenen
o. g. Delikte.

Hier stand Thomas Starke im Verdacht, am Vertrieb der

CD beteiligt zu sein.

Die enge Verwebung beider Ermittlungsverfahren im

Hinblick auf den Vertrieb der CDs von „Landser“ ist
hierbei offenkundig.
2605) Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 27. Juli

2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 62 ff.

2606) Vermerk des LKA Berlin vom 7. November 2000, MAT A
GBA-3/47a-1, Bl. 263.

2607) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 8. November 2000,

MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 293 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 299 – Drucksache 17/14600

Im November 2000 kam es in diesem Ermittlungsverfah-

ren zunächst zu Durchsuchungsmaßnahmen und am

14. November 2000 zur Vernehmung von Thomas Starke

durch das LKA Sachsen in Dresden.
2608

Bei der Durchsuchung wurde auch ein Notizbuch von

Thomas Starke sichergestellt, in dem auf der letzten Seite

die Namen und Geburtsdaten von Beate Zschäpe und Uwe

Mundlos eingetragen waren.
2609

bb) Anwerbevorgang im Zusammenhang mit
der Vernehmung am 14. November 2000

aaa) Anwesenheit eines Beamten des LKA Ber-
lin bei der Vernehmung am 14. November
2000 in Dresden

In der Vernehmung am 14. November 2000 äußerte sich

Thomas Starke umfangreich, zum Teil auch geständig.
2610

Gleichzeitig soll Thomas Starke hierbei angegeben haben,

über die Angaben in seiner Vernehmung hinausgehende

Angaben zur rechten Szene machen zu können.
2611

Zu den Umständen der Anwerbung hat der Zeuge P. S.,

V-Mann-Führer von Thomas Starke, vor dem Untersu-

chungsausschuss angegeben, dass es im Vorfeld der An-

werbung Gespräche zwischen dem Generalbundesanwalt

und der EG „Rechts“ des LKA Berlin gegeben habe, die
im Auftrag des Generalbundesanwalts die Ermittlungen

im „Landser“-Verfahren geführt habe und dass hierbei
„der Wunsch entstanden“ sei, einen Anwerbeversuch zu
unternehmen.

2612
Die Anwerbung sei dann unmittelbar im

Anschluss an die Vernehmung im LKA Sachsen er-

folgt.
2613

Bei der Vernehmung selbst sei er, P. S., nicht

zugegen gewesen, wohl aber ein anderer Beamter des

LKA Berlin, seiner Erinnerung nach KHK T.
2614

In einer im Innenausschuss des sächsischen Landtags

durchgeführten Befragung hat der dort anwesende Vertre-

ter des LKA Sachsen, Dr. M., ausgesagt, dass Vertreter

des LKA Berlin bei der Vernehmung anwesend gewesen

seien.
2615

Im Protokoll der Sitzung des Innenausschusses

heißt es:
2608) Vernehmungsprotokoll bzgl. der Vernehmung von Thomas

Starke vom 14. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl.

331 ff.

2609) Notizbuch, sichergestellt bei Thomas Starke, MAT A SN-2/3-

15, Bl. 403 ff. (469).

2610) Vernehmungsprotokoll bzgl. der Vernehmung von Thomas
Starke vom 14. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl.

331 ff.

2611) MAT A BE-2/1, Anl. 1, (Tgb.-Nr. 67/12 Geheim), Bl. 51 ff.

2612) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 13.

2613) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 14.

2614) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 14.

2615) Hierzu und im Folgenden: Protokoll der 40. Sitzung des

Innenaussusses des Sächsischen Landtages vom 2. Oktober

2012, MAT A SN-4/23, Bl. 2 ff. (zu TOP 2).

„Am 14. November 2000 habe dann in Dresden
die Beschuldigtenvernehmung stattgefunden, an

der zwei Beamte des LKA Berlin teilgenommen

hätten. Das LKA Sachsen habe bezüglich der Be-

schuldigtenvernehmung außer der Vernehmung

keinerlei Aktenrückhalt. Es habe mehrere Ver-

nehmungspausen gegeben, in denen sich die Be-
amten des LKA Berlin offensichtlich mit Herrn

Starke
2616

unterhalten hätten. Nach der Verneh-

mung seien sie auch zusammen mit Herrn Starke

weggegangen. Den lnhalt der Gespräche der Berli-

ner Beamten mit Herrn Starke kenne das LKA

Sachsen nicht. Das LKA Sachsen habe keine akti-

ve Kenntnis aus der damaligen Zeit darüber, was

besprochen worden sei und ob die Berliner Beam-

ten Herrn Starke zur Quelle gemacht und eine ent-

sprechende Vertraulichkeit zugesagt hätten.“

Die Vernehmungsbeamten des LKA Sachsen seien be-

fragt worden, hätten sich jedoch lediglich an die Anwe-

senheit der Berliner Beamten erinnern können, ohne An-

gaben zu Gesprächsinhalten zwischen Thomas Starke und

den Berliner Beamten machen zu können.

Dass Thomas Starke dem LKA Sachsen als V-Person

angeboten worden sei, erschließe sich aus dem Akten-

rückhalt des LKA Sachsen nicht. In einer Mitteilung an

einen Journalisten
2617

2012 sei dies nur deshalb geäußert

worden, weil in einem Telefonat durch das LKA Berlin

zuvor mitgeteilt worden sei, dass das LKA Berlin seiner-

zeit Thomas Starke dem LKA Sachsen als V-Mann ange-

boten habe.

Der Zeuge Jehle, damaliger Leiter der Soko „REX“, hat
vor dem Untersuchungsausschuss geäußert, an die Ver-

nehmung am 14. November 2000 keine Erinnerung mehr

zu haben.
2618

bbb) Erörterung der Anwerbung innerhalb des
LKA Berlin – mögliches Telefonat mit dem
Generalbundesanwalt

Der damalige Leiter Polizeilicher Staatsschutz, Zeuge

Haeberer, hat im Hinblick auf den Verlauf der Ereignisse

im Zusammenhang mit der Vernehmung der VP 562 die

folgenden Angaben gemacht:

„Die spätere VP 562 ist an einem Mittwoch des
Novembers 2000 vernommen worden von der da-

mals bestehenden EG ‚Rechts‘ die sich auch mit
dem ‚Landser‘-Verfahren beschäftigte, die das
‚Landser‘-Verfahren auch geführt hat. Im An-
schluss daran kam es, so, wie es dann der spätere

VP-Führer dargelegt hat, zu einer Besprechung

gegen 16 Uhr.
2616) Name im Originalprotokoll ausgeschrieben

2617) E-Mail des Pressesprechers des LKA Sachsen an eine Journa-

listin vom 20. September 2012, MAT A SN-7/15, Bl. 31.

2618) Jehle, Protokoll Nr. 59 (öffentlich), Bl. 25.

Drucksache 17/14600 – 300 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Darauf hingewiesen, dass die Person, die betroffen

worden ist im Vertrieb, die also Beteiligter im Be-

triebsverfahren [sic!] war und damit strafrechtlich

inkriminiert, geworben werden sollte, hat er seine

Rechtsbedenken geltend gemacht und gesagt, dass

das ja wohl eigentlich nicht geht. Daraufhin ist er

darauf hingewiesen worden, dass der GBA aber

zugestimmt habe, und soweit ich jetzt weiterhin

dem Vermerk entnehmen konnte, hat es mögli-

cherweise auch ein Telefonat während des Gesprä-

ches mit dem GBA gegeben. Der Vermerk ist da

nicht sehr aussagekräftig.

Ergebnis der Besprechung an diesem Tag war,

dass alle Gesprächspartner sich einig waren, dass

man diese Person als Vertrauensperson gewinnen

sollte. An diesem Gespräch haben teilgenommen

der VP-Führer selber, der Ermittlungsgruppenlei-

ter, die Kommissariatsleiterin und der Inspektions-

leiter.“2619

Einem Vermerk des Zeugen P. S. vom 16. November

2000 kann entnommen werden, dass KHK T. sich zu-

nächst am 14. November 2000 gegen 16 Uhr telefonisch

aus Sachsen gemeldet habe und nach dortigen Ansprech-

partnern für VP-Aufgaben gefragt habe, die ihm daraufhin

durch P. S. genannt worden seien.
2620

Am 15. November

2000 habe KHK T. dann mitgeteilt, dass es durch das

LKA Sachsen abgelehnt worden sei, die Person als V-

Mann zu führen. Darauf hin habe es eine Besprechung

gegeben – der Vermerk bezeichnet hier vier Teilnehmer.
Bzgl. des Verhältnisses der beiden Ermittlungsverfahren

habe KHK T. mitgeteilt, dass „die Person nicht in das hier
geführte Ermittlungsverfahren involviert“ sei. Die durch
das LKA Sachsen geführten Ermittlungen richteten sich

gegen einen Personenkreis, der trotz bestehender Kontak-

te gesondert agiere. Durch alle Beteiligten sei daraufhin

die Führung als V-Person beschlossen worden. Der Gene-

ralbundesanwalt sei telefonisch unterrichtet worden und

wünsche die Führung der V-Person.

Mit Schreiben vom 30. November 2000 wurde sodann

durch das LKA Berlin beim Generalbundesanwalt um

Zustimmung zur Geheimhaltung der Identität von VP 562

nachgesucht.
2621

Die Vertraulichkeitszusage durch den Generalbundesan-

walt erfolgte mit Schreiben vom 18. Dezember 2000 –
ausschließlich mit Bezug auf das „Landser-
Verfahren“.2622
2619) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 16.

2620) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von P. S. vom 16. Novem-
ber 2000, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 1,

Bl. 49 f.

2621) Schreiben des LKA Berlin an den Generalbundesanwalt vom
30. November 2000, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 -

GEHEIM), Anlage 1, Bl. 4 f.

2622) MAT A BE 2/1, Anl. 1, (Tgb.-Nr. 67/12 Geheim), Bl. 6 f.

cc) Bedenken gegen die Anwerbung von
Thomas Starke als V-Mann

aaa) Bedenken innerhalb des LKA Berlin

Der Zeuge KHK P. S. hat geschildert, selbst Bedenken

gegen die Führung von Thomas Starke als V-Mann ge-

habt zu haben, weil dieser als Mittäter in Betracht ge-

kommen wäre:

„Es gab bei der Anwerbungsphase das Problem,
dass, aus meiner Sicht zumindest, die VP 562

möglicherweise in Mittäterschaft steht zu den Per-

sonen, die in dem infrage stehenden Ermittlungs-

verfahren involviert waren, und insofern ist klar

festzustellen, dass die Anwerbung sicherlich be-

denklich war.

Ich habe nicht rechtswidrig gehandelt, weil aus

meiner Sicht war er - - stand er möglicherweise in

Mittäterschaft oder kam uns, um die einfache

Form zu nehmen, als möglicher Zeuge später im

Verfahren in Betracht im Falle einer Gerichtsver-

handlung, und diese Situation ist für den Umstand,

jemanden als VP zu führen, eher fragwürdig. Aber

meine Einwände damals wurden geregelt durch die

Generalbundesanwaltschaft. Das Verfahren wurde

abgetrennt von ihm und weiter bei der StA Dres-

den geführt, und somit war eine Führung möglich,

wenn auch sicherlich kritisch zu betrachten.“2623

bbb) Bedenken innerhalb des LKA Sachsen

In einem Vermerk vom 17. November 2000 wurde durch

den Zeugen P. S. dargestellt, dass KHK K. vom LKA

Sachsen erhebliche rechtliche Bedenken bezüglich einer

Befragung des Starke und einer eventuellen vertraulichen

Behandlung dieser Daten geäußert habe, welche durch

P. S. insoweit geteilt wurden, als dass nur eine begrenzte

vertrauliche Behandlung möglich sei und „hierzu ausführ-
liche Absprachen mit der StA bzw. GBA vorzunehmen“
seien.

2624
Gegenüber dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge

P. S. geäußert, dass seitens des LKA Sachsen ebenfalls

Bedenken geäußert worden seien – man habe von dort
mitgeteilt, dass man „weiteren Gesprächen eigentlich
nicht positiv gegenüber steht“. Bei seinen Gesprächspart-
nern habe es sich, wenn er sich recht erinnere, um Herrn

Jehle und einen weiteren Polizeibeamten gehandelt.
2625

Der Zeuge Jehle hat in seiner Vernehmung bekundet, ihm

sei nicht bekannt, dass das LKA Berlin dem LKA Sach-

sen Thomas Starke als V-Mann angeboten habe.
2626
2623) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 3.

2624) Bericht des Zeugen P.S. vom 17. November 2000, MAT A BE-
2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 1, Bl. 51 ff. (51).

2625) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 19.

2626) Jehle, Protokoll Nr. 59 (öffentlich), S. 24.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 301 – Drucksache 17/14600

ccc) Mitteilung von beim LKA Sachsen vorlie-
genden Bedenken an den Generalbundes-
anwalt/Ausräumen bestehender Bedenken
durch den Generalbundesanwalt

Die bestehenden Bedenken seien – so der Zeuge P. S. –
letztendlich jedoch durch den Generalbundesanwalt aus-

geräumt worden, weshalb die Anwerbung schließlich

durchgeführt worden sei.
2627

Zwar sei die erfolgte Anwer-

bung dem LKA Sachsen nicht mitgeteilt worden,
2628

er,

P. S., gehe aber davon aus, dass zumindest ein Mitarbeiter

des LKA Sachsen, der seinerzeit an dem „Gespräch“
beteiligt gewesen sei, auch gewusst habe, dass die An-

werbung vollzogen sei.
2629

Er, P. S., denke nicht, dass

beim Generalbundesanwalt bekannt gewesen sei, dass es

innerhalb eines anderen LKAs auch Bedenken gegen die

Anwerbung gegeben habe.
2630

Inwiefern die in Berlin bekannten Bedenken des LKA

Sachsen an den Generalbundesanwalt mitgeteilt worden

waren, ist nicht aktenkundig. Der Zeuge Haeberer hat

hierzu bekundet:

„Ob die Bedenken aus Sachsen weitergetragen
worden sind, vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß

es auch gar nicht. Das spielt auch gar keine Rolle,

wenn die Bedenken aus Berlin weitergetragen

worden sind, die ja, rechtlich gesehen, wohl die

gleichen gewesen sein dürften.“2631

Aktenkundig sei laut dem Zeugen Haeberer jedoch, dass

die in Berlin bestehenden Bedenken mitgeteilt worden

seien.
2632

Aus dem Vermerk des Zeugen P. S. vom

16. November 2000, in dem auf die schon erwähnte Be-

sprechung zur Anwerbung am 15. November 2000 einge-

gangen wird, geht hervor, dass die bestehenden Bedenken

erörtert wurden und man nach Kenntnisnahme der Risi-

ken (TKÜ-Maßnahmen durch das LKA Sachsen, mögli-

ches Zeugenschutzprogramm bei Aufdeckung) die Füh-

rung als V-Person beschlossen habe.
2633

Danach heißt es

wörtlich:

„Die Generalbundesanwaltschaft wurde telefo-
nisch unterrichtet und wünscht die Führung der

Person als V-Person im Sinne des Ermittlungsver-

fahrens, unter Berücksichtigung der geltenden

Rechtslage.“

Weitere Ausführungen bzgl. des Telefonats mit dem Ge-

neralbundesanwalt – etwa zum Umfang etwaiger zuvor
2627) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 29.

2628) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 30.

2629) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 31.

2630) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 38.

2631) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 35.

2632) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 34.

2633) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von P. S. vom 16. Novem-

ber 2000, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 1,

Bl. 49 f. (50).

erörterter Bedenken – lassen sich dem Vermerk nicht
entnehmen.

dd) Zustimmung respektive Weisung des
Staatsschutzes?

Der Zeuge P. S. hat bekundet, dass auch der damalige

Leiter der Staatsschutzabteilung des LKA Berlin,

Haeberer, der Anwerbung seinerzeit zugestimmt habe.
2634

Der Zeuge Haeberer hat hierzu ausgeführt, dass er von

dem Vorgang als solchem auf jeden Fall durch Zeichnung

eines Dienstreiseantrages am 11. Dezember 2000 Kennt-

nis erlangt habe.
2635

Er war sich sicher, dass er darüber informiert wurde, dass

eine V-Person angeworben worden war.
2636

Den Zeit-

punkt dieser Information hat Haeberer nicht nennen kön-

nen.
2637

Die bei der VP 562 vorliegende rechtliche Besonderheit

sei ihm jedoch nicht erinnerlich, deshalb gehe er davon

aus, dass er diese Besonderheit eben nicht erfahren ha-

be.
2638

Er hat ergänzt:

„Ich sage aber auch ganz freimütig: Wenn ich es
erfahren hätte, dass also hier ein solches Problem

bestanden hätte, hätte ich die Entscheidung des

GBA akzeptiert und hätte sicherlich als dem Herrn

des Verfahrens, der ja ein Prozesshindernis zu be-

seitigen hatte, nicht eingeredet.“2639

In dem durch den Berliner Oberstaatsanwalt Feuerberg

im Auftrag des Berliner Senators für Inneres und Sport,

Frank Henkel, erstatteten „Bericht über die Sonderermitt-
lungen im Geschäftsbereich des Senators für Inneres und

Sport in Berlin in Zusammenhang mit der Aufklärung der

Taten der Terrorgruppierung ,NSU‘“ (im Folgenden:
„Feuerberg-Bericht“) wird ausgeführt:

„November 2000

VP 562 wird durch einen VP-Führer des LKA Ber-

lin für Ermittlungen in der rechten Musikszene auf

Weisung von Herrn H. in Dresden angeworben

und als VP geführt.

GBA gibt Vertraulichkeitszusage für VP 562

ab.“2640

Auf entsprechenden Vorhalt hat der Zeuge Haeberer

Folgendes ausgeführt:

„Eine Weisung hätte ich hier gar nicht erteilen
können, weil die Anwerbung einer solchen Person

ist ohne Staatsanwaltschaft nicht möglich. Wenn
2634) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 28.

2635) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 17.

2636) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 20 f.

2637) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 23.

2638) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 17.

2639) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 17.

2640) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 19.

Drucksache 17/14600 – 302 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der GBA sagt: ,Nein, mache ich nicht‘, dann kön-
nen wir nicht anwerben. - Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Ich war in dieser Diskussion um

die Anwerbung dieses Menschen nicht beteiligt.

Mehr kann ich dazu nicht sagen. Warum der Zeuge

diese Erinnerung meint zu haben, kann ich mir nur

so vorstellen, dass in aller Regel, wenn es denn da-

rum ging, entsprechende Anweisungen aus der Ab-

teilung zu bekommen, mein Name da irgendwo

drunter stand. Dann steht er aber auch drauf, wenn

ich da unterschreibe.“2641

sowie:

„Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob Herr
Feuerberg diese Weisung, anzuwerben, überhaupt

mit mir besprochen hat, weil Herr Feuerberg durf-

te mit mir über diese Akte gar nicht reden. Ich war

damals noch nicht verpflichtet. Das habe ich ihm

auch gesagt. Ich sage es einfach mal so. Er konnte

mir also den Vermerk, den ich heute kenne, ja

auch nicht so vorlesen.

Grundsätzlich, ganz klar: Nachdem es passiert

war, habe ich bestimmt nicht mehr widersprochen.

Das habe ich vorhin schon gesagt; dazu stehe ich

auch. Es gab nämlich keinen Grund, so etwas zu

tun. Aber eine Weisung habe ich nicht erteilt.“2642

Die in einem Vermerk vom 7. März 2012 erfolgte Dar-

stellung des Zeugen P. S.,
2643

die VP sei auf seine –
Haeberers – Weisung hin geworben worden, hat der Zeu-
ge Haeberer dementsprechend als „schlichtweg unrich-
tig“ zurückgewiesen.2644

ee) Konsequenzen der Anwerbung von Tho-
mas Starke für das „Landser-Verfahren“

Bereits kurz vor der Vernehmung vom

14. November 2000 hatte sich im Ermittlungsverfahren

2BJs 22/00-4 des Generalbundesanwalts herausgestellt,

dass es sich bei Thomas Starke um die bisher als Otto

bekannte Person handelte, die am 8. November 2000 als

Beschuldigter in dieses Verfahren aufgenommen worden

war.
2645

Offensichtlich vor dem Hintergrund der im Raume ste-

henden Anwerbung von Thomas Starke als V-Mann am

14. November 2000 wurde in dem durch den Generalbun-

desanwalt geführten Ermittlungsverfahren 2 BJs 22/00-4

bezüglich Thomas Starke nunmehr gemäß §§ 154 Abs. 1
2641) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 42 f.

2642) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 43.

2643) Vermerk von KHK S. vom 7. März 2012, MAT A BE-2/1

(Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 3, S. 3.

2644) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 18.

2645) Vermerk des LKA Berlin vom 11. November 2000, MAT A

GBA-3/47a, Bl. 329.

bzw. 154a Abs. 1 Strafprozessordnung von der Verfol-

gung abgesehen.
2646

In dem hierzu verfassten Vermerk des Generalbundesan-

walts heißt es:

„Aus der Niederschrift über die Vernehmung des
Thomas Starke

2647
vom 14. November 2000 in dem

Ermittlungsverfahren 205 Js 63577/0 der Staats-

anwaltschaft Dresden geht hervor, dass Starke mit

dem hier als ,unbekannt‘ alias Otto geführten Be-
schuldigten identisch ist.

Gegen Starke wird in dem o. g. Verfahren der

Staatsanwaltschaft Dresden der Vorwurf erhoben,

die neue CD der Gruppe ,Landser‘ mit dem Titel
,Ran an den Feind‘ in großer Stückzahl verkauft
und sich dadurch gemäß § 130 StGB strafbar ge-

macht zu haben. Neben diesem Vorwurf fällt die in

dem CD-Verkauf möglicherweise zugleich liegen-

de Unterstützertätigkeit im Sinne des § 129 StGB

nicht beträchtlich ins Gewicht. Aus diesem Grund

sowie aus kriminaltaktischen Erwägungen er-

scheint es geboten, bezüglich Starke in vorliegen-

dem Verfahren von der weiteren Verfolgung abzu-

sehen.“2648

Die Vernehmung von Thomas Starke durch das LKA

Sachsen ist in diesem Vermerk in den Akten des General-

bundesanwalts vorgeheftet und handschriftlich mit „Ko-
pie zur Information“ überschrieben.2649

Die Anklageerhebung vor dem Kammergericht erfolgte

am 9. September 2002 mittels einer 176 Seiten umfassen-

den Anklageschrift, hierin ist Thomas Starke als Zeuge

genannt.
2650

Das Urteil gegen die Bandmitglieder erging im Jahr 2004

und endete mit Verurteilungen zu Freiheitsstrafen. Der

Haupttäter R. wurde zu einer Freiheitstrafe von drei Jah-

ren und sechs Monaten verurteilt, die anderen beiden

Angeklagten zu Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur

Bewährung ausgesetzt wurden.
2651

ff) Feuerberg-Bericht

Im Feuerberg-Bericht wird vor dem Hintergrund der

schon im Jahr 2000 geltenden Nr. 4 c) in Anlage D zu den

Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV)

die Ansicht vertreten, dass die bereits anfänglich bekannte
2646) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des Generalbundesanwalts

vom 15. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 370.

2647) Name im Original ausgeschrieben.

2648) Vermerk des Generalbundesanwalts vom 15. November 2000,

MAT A GBA-3/47a-1, Bl. 370.

2649) Vernehmungsprotokoll bzgl. der Vernehmung von Thomas
Starke vom 14. November 2000, MAT A GBA-3/47a-1, Bl.

331 ff.

2650) Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 9. September
2002, MAT A GBA-3/47a-8, Bl. 16 ff.

2651) Urteil des Kammergerichts vom 22. Dezember 2003, MAT A

GBA-3/47a-8, Bl. 310 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 303 – Drucksache 17/14600

mögliche Tatbeteiligung zum Ausschluss der Anwerbung

als V-Mann hätte führen müssen.
2652

Begründet wird dies

damit, dass in der genannten Vorschrift, die sich mit der

Frage der Bindung an die Vertraulichkeitszusicherung

durch die Staatsanwaltschaft beschäftigt, geregelt ist, dass

die Vertraulichkeitszusicherung dann entfalle, wenn sich

im Nachhinein eine Tatbeteiligung der V-Person heraus-

stelle. Daher müsse eine bereits anfänglich bekannte Tat-

beteiligung erst recht zur Ablehnung führen.

c) Hinweis der VP 562 mit Bezug zum Trio
vom 13. Februar 2002

aa) Meldung als solche und Ablauf des Tref-
fens

Thomas Starke lieferte als V-Mann umfangreiche Infor-

mationen zu den Vertriebsstrukturen rechtsradikaler Mu-

sik in Sachsen, vor allem bzgl. der Szene rund um Jan

Werner.

Am 13. Februar 2002 kam es zu einer Mitteilung in Be-

zug auf das Trio, die folgenden Inhalt hatte:

„Jan Werner soll zur Zeit zu drei Personen aus
Thüringen, die per Haftbefehl gesucht werden,

Kontakt haben. Die VP kann diese nicht nament-

lich benennen. Erklärt aber, dass diese wegen Waf-

fen und Sprengstoffbesitz gesucht werden.“ 2653

Zum Ablauf des Treffens hat der Zeuge P. S. geschildert,

dass er sich mit der VP in einer Gaststätte getroffen ha-

be.
2654

Über den Inhalt der Meldung, die das Trio betraf, hat der

Zeuge P. S. vor dem Untersuchungsausschuss berichtet:

„Beim Treffen selber berichtete die VP 562 ne-
benbei, dass Jan Werner Kontakt habe, so habe sie

es von Dritten, zu drei Personen, die per Haftbe-

fehl gesucht werden, aus Thüringen.“2655

Nach dem Treffen habe es eine telefonische Rücksprache

mit der VP gegeben.
2656

Hierzu hat P. S. bekundet:

„Ich habe auf dem Rückweg meine handschriftli-
chen Notizen gelesen. Der Satz war halt dadurch

auffällig, den ich damals aufgeschrieben habe,

dass nur drei gesuchte Personen - - Damit kann

man wenig anfangen. Darum wollte ich weitere In-

formationen haben zu diesen drei Gesuchten. Da

kam halt noch der Nachsatz: wegen Sprengstoff-

und Waffendelikten gesucht.“2657
2652) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6,

Bl. 38.

2653) Schreiben des LKA Berlin an das LKA Sachsen vom 21. Sep-

tember 2012, MAT A SN-7/15a, Bl. 45.

2654) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.

2655) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 6.

2656) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.

2657) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.

Seiner Erinnerung nach sei der Hinweis auf Thüringen

bereits im Rahmen des Gesprächs erfolgt.
2658

Den Hinweis auf den Kontakt W.s mit den drei Personen

habe die VP von Dritten erlangt.
2659

Von wem genau die

Information stammte, habe P. S. ihn, so „denke“ er, ge-
fragt, er wisse aber nicht mehr, was die VP darauf gesagt

habe.
2660

Die VP habe gesagt, diese Information durch

Dritte erhalten zu haben, und „könne nicht sagen, um wen
es sich handelt, um was es sich handelt, wie die überhaupt

in angeblichem Kontakt stehen oder, oder, oder.“2661

Ob er die VP nach weiteren, ergänzenden Informationen

gefragt habe, sei nicht dokumentiert und das wisse er –
P. S. – auch nicht mehr.2662

bb) Weitergabe der Meldung durch den VP-
Führer

aaa) Aktenlage

Die oben zitierte Meldung über das Trio ist im Treffbe-

richt vom 14. Februar 2002 erwähnt, und zwar auf der

zweiten Seite des Berichts in der ersten Hälfte des dritten

von insgesamt neun Absätzen.
2663

Der Treffbericht enthält

zum ganz überwiegenden Teil Meldungen der VP aus der

Musikszene, rund um CD-Lieferungen der Gruppe

„Landser“.

Direkt nach dem genannten Treffbericht enthalten die

Akten einen Vermerk, der ebenfalls durch den Zeugen

P. S. gezeichnet wurde und vom 20. Februar 2002 da-

tiert.
2664

In diesem Vermerk sind große Teile der in dem

Treffbericht aufgeführten Meldungen enthalten, jedoch

nicht vollständig. Auch die Meldung bzgl. des Kontakts

von Jan Werner mit den drei Personen enthält der Ver-

merk nicht. Handschriftlich ist auf der ersten Seite des

Vermerks oben notiert: „Kopie f. VP-Akte 562“.

Hieran schließt sich ein weiterer Treffbericht mit der VP

562 vom 28. Februar 2002 an, in dem keine Bezüge zu

Kontakten von Jan Werner mit den drei Personen enthal-

ten sind.
2665

Auch darüber hinaus ist eine Weitergabe der Meldung

vom 13. Februar 2002, soweit sie das Trio betraf, nicht

aktenkundig.
2658) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 7.

2659) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 42.

2660) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 42.

2661) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 17.

2662) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 10.

2663) Hierzu und im Folgenden: Treffbericht mit VP 562 vom

14. Februar 2002, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM),
Anl. 3, Bl. 77 ff.

2664) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des Zeugen P. S. vom

20. Februar 2002, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM),
Anl. 3, Bl. 80 f.

2665) Treffbericht mit VP 562 vom 28. Februar 2002, MAT A BE-2/1

(Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Anl. 3, Bl. 80 f.

Drucksache 17/14600 – 304 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Haeberer hat zur Aktenlage bekundet:

„Dazu ist zu sagen, dass sich in der Akte selber in
der Tat kein Hinweis findet, wie und auf welchem

Wege die Information weitergegeben worden

ist.“2666

bbb) Aussage des VP-Führers vor dem Unter-
suchungsausschuss

Befragt nach dem Umgang mit der Information hat der

Zeuge P. S. bekundet:

„Ja. A) Ich habe es geschrieben, so aufgenommen;
b) Ich kann hier nicht belegen, dass ich es weiter-

geleitet habe.“2667

sowie, im weiteren Verlauf der Befragung:

„Ich sagte bereits: Es war bei dieser VP so, auch in
dem Monat von mir dokumentiert, dass wir alles

lückenlos weitergegeben haben.“2668

Zum Modus der Weitergabe von Meldungen der VP hat

der Zeuge P. S. bekundet, dass die Weitergabe stets an die

Kommissariatsleitung der EG „Rechts“ im LKA Berlin
erfolgt sei.

2669
Konkret hat er ausgeführt:

„Ja. Ich kann mich schon daran erinnern. Ich bin
auch der Überzeugung - da können wir lange da-

rüber reden -, dass ich es weitergegeben habe.

Bloß, ich kann es nicht belegen. Damit bleibt es

erst einmal bei mir. Wir haben tägliche Bespre-

chungen gehabt bzw. nicht tägliche Besprechun-

gen: Wenn wir Daten haben, haben wir eine Be-

sprechung durchgeführt. Diese Besprechungen

wurden auch dokumentiert. Die Dokumentationen

liegen nicht mehr vor; sie sind vernichtet. Wir ha-

ben nach jedem Treffen mit der K-Leitung gespro-

chen, die Daten lückenlos weitergegeben und dann

besprochen, was wie verwendet wird, ob ein Ak-

tenbericht erforderlich ist, ob ein VS-NfD-Bericht

ausreicht, die Daten schon vorhanden sind, oder,

oder, oder. Hier fehlen mir leider die Belege. Ich

hätte es zumindest handschriftlich notieren müs-

sen: ,ist bekannt‘ oder: ,mündlich weitergegeben‘.
Das habe ich nicht gemacht.“2670

Auf die daraufhin gestellte Frage, wem er seiner Erinne-

rung nach über diesen konkreten Hinweis auf drei mit

Haftbefehl gesuchte Thüringer weitergegeben habe, hat

der Zeuge P. S. bekundet:

„Ich habe nicht gesagt, dass ich diesen konkreten
Hinweis - - Wenn, war es so, dass wir nach dem

Treffen alle Dinge, neue Informationen, die ange-
2666) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 19.

2667) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 6.

2668) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.

2669) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.

2670) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.

fallen sind, besprochen haben. In dem Fall war es

EKK S. a. D. (?) und EKK T.“2671

Zudem habe es bei der Führung der VP 562 nach jeden

Treffen eine Besprechung gegeben, da aufgrund der im

Raume stehenden Tatbeteiligung der VP die Anwerbung

der VP für die Führung heikel (wörtlich: „ein heißer
Ritt“) gewesen sei.2672

ccc) Aussage des Zeugen Haeberer vor dem
Untersuchungsausschuss

Der Zeuge Haeberer hat aus eigener Anschauung keine

Angaben dazu machen können, ob die Information nach

Thüringen weitergegeben worden ist oder nicht. Wie

bereits erwähnt hat er bekundet, dass sich aus den Akten

kein entsprechender Hinweis entnehmen lasse.
2673

Durch den Zeugen ist die Möglichkeit für den V-Mann-

Führer, eine Weitergabe der Information nach Thüringen

durchzuführen, wie folgt beschrieben worden:

„Er hätte es nicht selbst tun müssen. Aber er hätte
dann, wenn er der Meinung war: ,Diese Informati-

on muss weitergegeben werden‘, es entweder über
die Ermittlungsgruppe tun können oder aber über

die zentrale Koordinierung. Das ist so geregelt

gewesen.“2674

Letztendlich sei, so Haeberer, nicht einmal eine in den

Akten enthaltene Kopie eines Vermerks, in dem Informa-

tionen einer Meldung zusammengefasst werden, ein Be-

leg dafür, dass die Information – sei es innerhalb des
LKA oder gar nach außen – weitergegeben worden sei.2675

Eine Weitergabe der Information wäre jedoch zu doku-

mentieren gewesen, wobei die Form der Dokumentation

nicht vorgeschrieben gewesen sei.

„Also erstens, es hätte dokumentiert werden müs-
sen, wenn es das Haus verlassen hat, oder doku-

mentiert werden sollen. Ich sagte ja, die Dokumen-

tation ist mangelhaft, wenn nicht gar ganz

schlecht. Es gab keine extra Formvorschrift. Sie

soll jetzt eingeführt werden; es gab sie aber jeden-

falls bis 2011 nicht.“2676

ddd) Untersuchung durch OStA Feuerberg

Der Feuerberg-Bericht enthält im Hinblick auf die mögli-

che Weitergabe der Information der VP die folgenden

Ausführungen:

„Zu den zentralen Fragen der vorliegenden Unter-
suchung gehört, diejenige, ob der VP-Hinweis

vom 13.2.2002, wonach W. drei Personen kenne,
2671) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.

2672) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich), S. 8.

2673) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 19.

2674) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 24.

2675) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 27.

2676) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 38.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 305 – Drucksache 17/14600

die wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes mit

Haftbefehl gesucht würden, weitergegeben wurde.

Die dazu geführten Befragungen und Recherchen

haben kein belastbares Bild ergeben: Soweit die

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch zu Angaben

in der Lage waren, konnte sich jedenfalls niemand

von ihnen an eine Weitergabe über den Bereich

der Ermittlungsgruppe Rechts hinaus erinnern.

Entsprechende Aufzeichnungen oder Protokolle

von Besprechungen konnten nicht festgestellt wer-

den. Das durch die angehörten Personen vermittel-

te Bild, das durchaus den hiesigen Erfahrungswer-

ten entspricht, umfasste eine zunächst informelle

Informationsübermittlung, an deren Ende die Ent-

scheidung der Sachbearbeitung stand, welche In-

formationen in aktenverwertbarer Weise benötigt

würden. Dabei wurde zugleich erkennbar, dass das

nötige ,Rüstzeug‘, mit weitergehenden Hinweisen
kompetent umzugehen, durchaus bestand. Eine tat-

sächliche Informationsübermittlung über die Gren-

zen der Berliner Polizei hinaus konnte jedoch nur

in einem Einzelfall festgestellt werden; allerdings

nicht bei den hier in Rede stehenden Hinweisen

der VP 562. Die über die Innenministerien der

Länder Thüringen und Sachsen gesteuerten Anfra-

gen nach dem Erhalt eines entsprechenden Hin-

weises wurden durch die dortigen nachgeordneten

Sicherheitsbehörden ebenso negativ beantwortet,

wie Anfragen an andere Stellen.

Dies alles beweist nicht, dass der Hinweis nicht

weitergegeben worden ist. Denkbar wäre insbe-

sondere ein fernmündlicher Hinweis an eine

Dienststelle außerhalb Berlins, der innerhalb der

dortigen Ermittlungen berücksichtigt worden ist,

ohne ihn gesondert zu dokumentieren. Hierfür

könnte die Vernehmung durch das LKA Thüringen

sprechen, die am 13. Mai 2002 mit der einzig be-

nannten Kontaktperson Jan Werner zur Frage des

Verbleibs der gesuchten Personen ohne Erfolg

durchgeführt wurde.“2677

eee) Stellungnahme des LKA Thüringen

Das LKA Thüringen hat – nach Veröffentlichung des
Feuerberg-Berichts im Januar 2013 – zu den Feststellun-
gen im Feuerberg-Bericht bzgl. einer möglichen Weiter-

gabe der Information bzgl. möglicher Kontakte des Trios

zu Jan Werner Stellung genommen.
2678

Das LKA Thüringen ist hierin dem Eindruck entgegen

getreten, dass die Vernehmung von Jan Werner im Mai

2002 auf der Weitergabe des Hinweises aus dem Februar

2002 basiert haben könnte. Vielmehr habe diese Verneh-

mung einen gänzlich anderen Hintergrund gehabt, näm-

lich die Intensivierung der Fahndung nach dem Trio nach
2677) Feuerberg-Bericht, Zweiter Teil, Buchstabe H, MAT B BE-6,

Bl. 42 f.

2678) Hierzu und im Folgenden: Stellungnahme des LKA Thüringen

vom 28. Februar 2013, MAT B TH-13/, Bl. 2 ff.

Abschluss der Zielfahndung nach Vorlage des Zwischen-

berichts zur Aktenauswertung vom 12. März 2002.

Ausweislich der Aktenlage Ende April 2002 sei durch die

Bundesanwaltschaft darauf hingewiesen worden, dass

durch das LKA Berlin in den Jahren zuvor TKÜ-

Maßnahmen bei Jan Werner geschaltet worden seien.

Daraufhin habe der ermittelnde Beamte des LKA Thürin-

gen mit KHK T. vom LKA Berlin Kontakt aufgenommen,

um die erlangten TKÜ-Inhalte mit den Namen des Trios

abzugleichen.

Die zeitliche Nähe von Hinweis und Befragung könne

lediglich als Zufall angesehen werden und sei jedenfalls

nicht Folge eines Hinweises des LKA Berlin. Vielmehr

hätte das Vorliegen des Hinweises Observationsmaßnah-

men gegenüber Jan Werner zur Folge gehabt und gerade

keine offene Befragung: „Der mit der Auswertung beauf-
tragte Beamte hätte in jedem Fall weitergehende Ermitt-

lungshandlungen veranlasst.“, heißt es in der Stellung-
nahme des LKA Thüringen folglich weiter.

fff) Aktenlage in Thüringen

Aus den Akten des LKA Thüringen geht nicht hervor,

dass ein entsprechender Hinweis dort eingegangen ist.

Einem bereits in der Stellungnahme des LKA Thüringen

erwähnten, auf den 29. April 2002 datierten Vermerk

kann entnommen werden, dass im Hinblick auf die ge-

plante Vernehmung von Jan Werner durch KHK K. zu-

nächst telefonische Rücksprache mit OStA Siegmund vom

Generalbundesanwalt erfolgte.
2679

OStA Siegmund äußer-

te hierbei keine Bedenken gegen eine Befragung von Jan

Werner und wies zudem darauf hin, dass dem W. keinerlei

Zusagen gemacht werden könnten. Darüber hinaus wurde

in dem Gespräch mit OStA Siegmund bekannt, dass durch

das LKA Berlin im Zusammenhang mit dem genannten

Verfahren eine TKÜ-Maßnahme bzgl. Jan Werner ge-

schaltet worden war.

Im Hinblick auf diese TKÜ-Maßnahme erfolgte dann ein

Telefonat mit dem LKA Berlin, KHK T., in dem dieser

zusagte, die ihm durchgegebenen Namen der drei Be-

schuldigten als Suchbegriffe in die TÜ-Datei einzugeben

und zu überprüfen, ob diese in den Gesprächen des Jan

Werner eine Rolle spielten.

Eine Rückmeldung des LKA Berlin in dieser Hinsicht ist

nicht aktenkundig;
2680

ebensowenig, dass eine Mitteilung

im Hinblick auf den Hinweis des V-Mannes vom

13. Februar 2002 erfolgt wäre.
2679) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. (nicht unter-

zeichnet) vom 29. April 2002, mit undatiertem Zusatz über ein

Telefonat mit dem LKA Berlin, KHK T., MAT A TH-1/15, Bl.
347.

2680) Siehe hierzu auch MAT B TH-13, Schreiben des LKA Thürin-

gen, Bl. 4.

Drucksache 17/14600 – 306 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Weisungslage bzgl. der Weitergabe von
VP-Informationen

Die Weisungslage in Bezug auf V-Personen ist – samt
ihrer historischen Dimension am Ende der 90er Jahre –
durch den Zeugen Haeberer im Rahmen seiner Verneh-

mung intensiv dargestellt worden, jedoch ohne dass der

Zeuge darauf eingegangen ist, inwiefern eine Weitergabe

von Informationen einer Quelle an die zentrale VP-

Führung innerhalb des LKA im Jahr 2002 vorgeschrieben

war oder unterbleiben sollte.
2681

Auf die Frage nach der Existenz einer sog. „Haeberer-
Weisung“ hat der Zeuge Haeberer bekundet:

„Es gibt diese Weisung Haeberer nicht.“2682

Feuerberg führte hierzu aus, dass Haeberer als Staats-

schutz-Leiter darauf hingewirkt habe, dass der frühere

LKA-Leiter Voß eine Weisung erlasse, die besagt habe,

dass die Meldungen der VPen nur innerhalb der Staats-

schutzabteilung des LKA weitergegeben werden dürfen

und nicht auch an die zentrale V-Mann-Führungsstelle.
2683

Hintergrund sei gewesen, dass andere Behörden ihre

Teilnahme am gemeinsamen Informationsaustausch da-

von abhängig gemacht hätten, dass eine Weitergabe der

Informationen nur innerhalb des pol. Staatsschutzes erfol-

ge. Dieser Vorschlag sei umgesetzt worden. Dies sei mit

der Senatsverwaltung für Inneres abgestimmt gewesen.

e) Weitere Hinweise der VP 562 bzgl. Perso-
nen, die einen Bezug zum Trio haben

Die weiteren Meldungen von VP 562 mit Bezug zum Trio

bzw. mit Bezug zu Personen, die ebenfalls im Hinblick

auf das Trio bekannt wurden, sind im Folgenden aufge-

zählt. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Mel-

dungen, die Informationen zu Jan Werner und den Struk-

turen des Musikvertriebes und über die Herstellung von

CDs beinhalten.

Meldung vom 9. August 2001:
2684

„Sczepanski hat Jan Werner Waffen, genaue Ein-
grenzung nicht möglich, angeboten. Werner hat

dieses Angebot offensichtlich abgelehnt. Gerüch-

ten zur Folge hat Sczepanski diese Waffen unbe-

kannten Personen oder Gruppen im Bereich Pots-

dam angeboten.“

Meldung vom 5. September 2002:
2685

„Weiterhin kann sie Angaben zu einem Zeitungs-
bericht machen, wo über den Schimpanski2686 be-

richtet wird.“
2681) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 6 ff.

2682) Haeberer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 11.

2683) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-5,

(138/13 Geheim), Bl. 53.

2684) MAT A BE-2/1, Anl. 3, (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 72 f.

2685) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 123 f.

2686) Schreibweise im Original

Meldung vom 27. August 2003:
2687

„Interessant erscheint dabei eine Person mit dem
Familiennamen S. oder S., der in Ludwigsburg

wohnhaft war. Er ist ca. 190 cm groß. Bis zum

Jahr 2001 war er dafür bekannt, mit Waffen zu

handeln. Welche Waffen genau angeboten wurden,

ist der VP nicht bekannt. Die VP wurde gebeten,

sich um diese Person zu kümmern und aktuelle In-

formationen zu Wohnanschrift, Namen, angebote-

ne Waffen usw. zu besorgen.“

Meldung vom 20. Dezember 2005:
2688

Zum Server „netzspeicher 24“:

„Die VP konnte diesbezüglich angeben, dass der
Server netzspeicher 24 von einem Ralf

WOHLLEBEN aus Jena, Jenaische Straße 25, be-

trieben wird. Er soll zu einem Netzwerk freier

Kameradschaften und der NPD gehören. […] W.
soll u. a. wegen Nötigung vorbestraft sein, da er

zusammen mit André KAPKE und anderen Jenaer

Neonazis zwei Frauen zu Aussagen über die Jenaer

Antifa-Szene gezwungen haben soll. Er soll wei-

terhin im Thüringer Heimatschutz aktiv sein.“

Eine Weitergabe der Meldung an andere Behörden ist –
soweit es die hier genannten Meldungen betrifft – ledig-
lich bzgl. der Meldung vom 20. Dezember 2005 akten-

kundig.

f) Zusammenarbeit des Landes Berlin mit
dem Untersuchungsausschuss in Zusam-
menhang mit der VP 562 – Feuerberg-
Gutachten des Landes Berlin

Im Hinblick auf die VP 562 war auch die Zusammenar-

beit des Landes Berlin mit dem Untersuchungsausschuss,

hierbei insbesondere der Zeitpunkt der Vorlage der In-

formation, dass die VP 562 existiert und dass und in wel-

chem Umfang sie bzgl. des Trios Hinweise gegeben hat,

Gegenstand der Berichterstattung, weshalb auch hierauf

eingegangen werden soll.

aa) Beweisbeschlüsse des Untersuchungs-
ausschusses und Beantwortung des Be-
weisbeschlusses BE-1 durch das Land
Berlin

aaa) Beweisbeschluss BE-1

Am 1. März 2012 hat der Untersuchungsausschuss be-

schlossen:

„Es wird Beweis erhoben […] durch

Beiziehung
2687) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 255 f.

(256).

2688) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl. 362 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 307 – Drucksache 17/14600

sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die in der Senatsverwal-

tung für Inneres und Sport des Landes Berlin als

der für den Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde des Landes Berlin und

insbesondere im Organisationsbereich von deren

Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also

Informationen enthalten über die Terrorgruppe

‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insbe-

sondere […] Thomas Starke, […] - also die Perso-
nen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den

Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2

bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-

2 Ermittlungen führt

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also In-

formationen enthalten über den Zeitraum vom

01.01.1992 bis zum 08.11.2011,

und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaus-

tausch von Bund und Ländern betreffen, also In-

formationen enthalten, die mit Stellen des Bundes

– hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungs-
schutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militä-

rischen Abschirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt – ausgetauscht
wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht

werden können, […]

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Senatskanzlei des Landes Berlin bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde.“2689

Die Beantwortung des Beweisbeschlusses erfolgte mittels

am 10. Mai 2012 im Sekretariat des Untersuchungsaus-

schusses eingegangenen Schreibens. Hinweise auf Tho-

mas Starke enthielt das Antwortschreiben nicht.

Ausweislich des Feuerberg-Berichts war der Beweisbe-

schluss am 12. März 2012 in der Senatskanzlei eingegan-

gen und war sodann am 17. März 2012 in der Abteilung I

der Senatsverwaltung für Inneres und Sport eingegangen,

von wo aus er an die insoweit federführende Abteilung II

(Verfassungsschutz) weitergeleitet wurde.
2690

Von dort

aus wurde die Verfügung zur Beantwortung des Beweis-

beschlusses am 3. Mai 2012 durch die Abteilungsleiterin

abgezeichnet und an die Hausleitung gesandt.

Bzgl. der Reichweite des Beweisbeschlusses BE-1, insbe-

sondere im Hinblick darauf, ob der Beweisbeschluss auch

die Mitteilung von bei der Polizei vorhandenen Informa-
2689) Beweisbeschluss BE-1 des Untersuchungsausschusses.

2690) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6,

Bl. 28 f.

tionen beinhaltet, wird im Feuerberg-Bericht festgehal-

ten:

„Nach hiesigem Verständnis waren mit BE-1 aus-
schließlich Unterlagen und Informationen des Ver-

fassungsschutzes und der Senatsverwaltung für In-

neres und Sport im Rahmen ihrer Fachaufsicht

über den Verfassungsschutz vorzulegen bzw. mit-

zuteilen. Diese Formulierungen des Beweisbe-

schlusses sind in etwa gleichlautend an andere

Bundesländer versandt worden. Nachfragen bei

anderen Bundesländern haben ergeben, dass der

erste Beweisbeschluss ganz überwiegend als ein

Beweisbeschluss aufgefasst wurde, der ausschließ-

lich die Vorlage von Akten, Unterlagen und In-

formationen der Verfassungsschutzämter betraf

und auch so umgesetzt wurde. Nach hiesiger

Kenntnis führte erst eine Nachfrage des Landes

Nordrhein-Westfahlen zur Reichweite des BE-1

zum Erlass des Beschlusses BE-2.“2691

bbb) Beweisbeschluss BE-2

Am 5. Juli 2012 hat der Untersuchungsausschuss den

Beweisbeschluss BE-2 gefasst, in dem es heißt:

„Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum ge-
samten Untersuchungsauftrag […] wird die Se-
natsverwaltung für Inneres und Sport des Landes

Berlin im Wege des Ersuchens um Amtshilfe […]
gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstli-

cher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermitt-

lungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nach-

geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung

der Art der Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-

sammenhang standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt […] berücksichtigt wur-
den.“2692

Der Beweisbeschluss ist am 9. Juli 2012 vorab per Mail

im Referat II B der Senatsverwaltung für Inneres und

Sport eingegangen.
2693

Am 12. Juli 2012 ist dann das

Übermittlungsschreiben der Senatskanzlei an die Senats-

verwaltung für Inneres und Sport erfolgt. Nachdem der

Generalbundesanwalt am 24. Juli 2012 den Ermittlungs-

beauftragten des Untersuchungsausschusses, Prof. Dr. von

Heintschel-Heinegg, in Kenntnis gesetzt hatte (siehe un-

ten: dd), S. 309), erfolgte am 26. Juli 2012 die Abstim-

mung bzgl. der Formulierung des Antwortschreibens mit

dem Generalbundesanwalt zur Vorgehensweise und zum

Inhalt der Antwort auf den Beweisbeschluss BE-2. Bereits

am 1. August 2012 hat der Generalbundesanwalt das

Antwortschreiben des LKA an den Untersuchungsaus-
2691) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 53.

2692) Beweisbeschluss BE-2.

2693) Hierzu und im Folgenden: Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6,

Bl. 29 f.

Drucksache 17/14600 – 308 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schuss genehmigt. Die Beantwortung des Beweisbe-

schlusses ist dann am 13. September 2012 erfolgt (siehe

unten: ee), S. 309), was im Feuerberg-Bericht unter ande-

rem mit „Krankheit und Urlaub von II B 1 und II B“ be-
gründet wird.

bb) Kenntniserlangung von der Existenz von
VP 562 innerhalb des LKA Berlin und Wei-
tergabe an die Polizeiführung und an den
Senator für Inneres und Sport

Ausweislich des Feuerberg-Berichts ergab sich der fol-

gende Ablauf:

„07.03.2012

Die BAO TRIO übersendet ein Schreiben an das

LKA Berlin, in dem um Überprüfung von 15 Na-

men gebeten wird. Das LKA Berlin sichtet noch

am selben Tag Lichtbilder. Hierbei wird die ehe-

malige VP des LKA Berlin, VP 562, erkannt.

08.03.2012

Die Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Frau

Koppers, wird über die VP 562 informiert.

09.03.2012

Die Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Frau

Koppers, informiert telefonisch den Innensenator,

Frank Henkel, über die Verbindung von VP 562,

die als VP des LKA Berlin geführt wird, im Zu-

sammenhang mit den Ermittlungen der Bundesan-

waltschaft.“2694

Der Zeuge Krömer hat diesen Ablauf in seiner Verneh-

mung bestätigt
2695

und hat angegeben, selbst „am
24. April 2012 in einer gemeinsamen Besprechung mit

Senator Henkel, der Polizeivizepräsidentin und dem Di-

rektor des Landeskriminalamts davon erfahren“ zu ha-
ben,

2696
mithin also noch vor der Beantwortung des Be-

weisbeschlusses BE-1.

cc) Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen
dem Generalbundesanwalt und der VP 562

Am 20. März 2012 fand in Karlsruhe beim Generalbun-

desanwalt ein Gespräch zwischen Vertretern des General-

bundesanwalts und Polizeivizepräsidentin Koppers sowie

weiteren Vertretern der Berliner Polizei statt, in dem über

die Existenz der VP 562 berichtet wurde.

In dem Gespräch wurde auch thematisiert, inwiefern die

Existenz der VP 562 geheimhaltungsbedürftig sei, wobei

über die genaue Reichweite der hier getroffenen Abspra-

chen unterschiedliche Darstellungen der Beteiligten exis-

tieren.
2694) Feuerberg-Bericht, MAT A BE-6, Bl. 27.

2695) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 51 f.

2696) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 55.

Auf schriftliche Anfrage hat der Generalbundesanwalt

mitgeteilt, dass es bei keinem der Kontakte mit der Berli-

ner Polizei „eine Anweisung, Aufforderung oder Bitte des
Generalbundesanwalts gegeben“ habe, „die Informationen
nicht an den Untersuchungsausschuss weiterzugeben“.2697

Die Vize-Polizeipräsidentin von Berlin, Koppers, hat

bzgl. des Treffens mit Vertretern des Generalbundesan-

walts in Karlsruhe am 20. März 2012 vor dem Innenaus-

schuss des Berliner Abgeordnetenhauses am

18. September 2013 wie folgt bekundet:

„Wie zuvor bei den beteiligten Mitarbeitern mei-
ner Behörde bestand von Anfang an auch mit den

nun beteiligten Vertretern der Bundesanwaltschaft

Einvernehmen darüber, dass der Vorgang unter

voller Ausnutzung des rechtlich zulässigen Rah-

mens gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu

gestalten sein würde. Im Verlauf des Abstim-

mungsprozesses wurde deutlich, dass alle in die

dortigen Ermittlungen eingebrachten Informatio-

nen der Polizei Berlin auch dem NSU-

Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt

werden. Vor diesem Hintergrund war im Ergebnis

der Abstimmung klar, dass die Informationen mei-

ner Behörde zunächst in geeigneter Weise an die

Bundesanwaltschaft übermittelt und erst dann von

dort dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung

gestellt werden, wenn keine Gefährdung der lau-

fenden Ermittlungen mehr zu befürchten wäre.“2698

Der Feuerberg-Bericht stellt hierzu fest:

„Dabei entziehen sich die Unterredungen, die es in
Karlsruhe gab, einer endgültigen Beurteilung, denn

deren Inhalt wird von den Beteiligten in Teilen un-

terschiedlich dargestellt. Indizien sind für beide

Sichtweisen erkennbar geworden; zwingende Be-

lege für eine bestimmte Version konnten indessen

nicht festgestellt werden. Der Unterz. hat mit den

aktiv an den Erörterungen Beteiligten gesprochen.

Auch unter Zuhilfenahme der anschließenden Kor-

respondenz bleibt letztlich zweifelhaft, ob von Sei-

ten des GBA der Wunsch erkennbar wurde, von

einer Unterrichtung des Bundestagsuntersuchungs-

ausschusses über die Tatsache des VP-Einsatzes

einstweilen abzusehen. Die Beteiligten aus der

Sphäre der Berliner Polizei haben in Ihren Darle-

gungen im Innenausschuss, in einer Presseerklä-

rung und unmittelbar gegenüber dem Unterzeich-

ner zum Ausdruck gebracht, dass dort nicht spezi-

ell von einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber

dem Untersuchungsausschuss des Bundestages,

sondern von einer Verschwiegenheitspflicht jedem

gegenüber ausgegangen wurde, was auch mit der

von allen Beteiligten bestätigten Äußerung eines

Bundesanwaltes korrespondiert, mit einer Behand-
2697) Schreiben des Generalbundesanwalts an die Abgeordnete Dr.

Högl vom 19. September 2012, Ausschussdrucksache 252.

2698) Protokoll der Sitzung des Innenausschusses des Berliner Abge-

ordnetenhauses vom 18. September 2013, MAT B BE-1, Bl. 15.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 309 – Drucksache 17/14600

lung im Untersuchungsausschuss sei zu rech-

nen.“2699

Der Zeuge Krömer hat bekundet, das Land Berlin habe

sich an die Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Gene-

ralbundesanwalt gebunden gefühlt.

„Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich hatte ja in der
Beantwortung der Frage von Herrn Binninger be-

reits deutlich gemacht, dass wir uns in dem Span-

nungsverhältnis zwischen der Vertraulichkeitsver-

einbarung, dem Schutz der V-Person und der mög-

lichen Information des Bun- -, also dieses Aus-

schusses und auch des Berliner Abgeordnetenhau-

ses befunden haben. Und natürlich gab es dann

letztendlich den Ausschlag - - Oder nicht ‚natür-
lich‘; es gab dann letztendlich den Ausschlag, dass
wir uns an die Vertraulichkeitsvereinbarung mit

dem Generalbundesanwalt gebunden fühlten, und

deshalb erst, nachdem diese dann zu einem we-

sentlich späteren Zeitpunkt durch Informationen

des Generalbundesanwaltes an den Bundestags-

untersuchungsausschuss aufgehoben war, wir dann

auch unsererseits die entsprechenden Informatio-

nen nachgeschoben haben.“2700

Ob der Zeuge Krömer bei seiner Aussage auf den Zeit-

punkt der Mitteilung des Generalbundesanwalts an den

Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-

Heinegg am 24. Juli 2012 abstellte oder auf den Zeit-

punkt, an dem die dem Ermittlungsbeauftragten vorlie-

gende Information seitens des Ermittlungsbeauftragten

mit Einwilligung des Generalbundesanwalts an den

Untersuchungsausschuss weitergegeben wurde (am

13. September 2012 – siehe hierzu sogleich unter dd)),
bleibt unklar. Auch die Tatsache, dass bereits am 1. Au-

gust 2012 mit dem Generalbundesanwalt Einvernehmen

bzgl. des Antwortschreibens auf den Beweisbeschluss

BE-2 erzielt wurde, bleibt bei der Antwort unerwähnt.

dd) Mitteilung des Generalbundesanwalts an
den Ermittlungsbeauftragten des Untersu-
chungsausschusses

Die Existenz der VP 562 wurde dem Ermittlungsbeauf-

tragten des Untersuchungsausschusses, Prof. Dr. von

Heintschel-Heinegg, am 24. Juli 2012 durch den General-

bundesanwalt mitgeteilt, jedoch mit dem Hinweis, den

Vermerk dem Untersuchungsausschuss erst dann vorzule-

gen, wenn hierfür das Einverständnis des Generalbundes-

anwalts vorliege.
2701

Konkret heißt es hierzu im Ab-

schlussbericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von

Heintschel-Heinegg:

„Am 24. Juli 2012 informierte der Generalbundes-
anwalt den Ermittlungsbeauftragten darüber, dass

nach Auskunft des Landeskriminalamts Berlin
2699) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 64.

2700) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 56.

2701) Bericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-

Heinegg, A-Drs. 424, S. 24.

Thomas Starke dort seit dem Jahr 2000 als V-

Person geführt worden sei. Im Jahr 2002 habe die-

ser berichtet, er wisse etwas über den möglichen

Aufenthaltsort von drei Personen aus Thüringen,

die per Haftbefehl wegen eines Sprengstoffdelikts

gesucht würden.

Über Vernehmungsprotokolle von Thomas Starke

verfügte der Generalbundesanwalt nicht. Der Ge-

neralbundesanwalt erwartete, dass das Land Berlin

diese Vernehmungsprotokolle dem Ausschuss vor-

legen werde. Zu diesem Vorgang übergab der Ge-

neralbundesanwalt dem Ermittlungsbeauftragten

einen Vermerk mit dem Hinweis, diesen Vermerk

dem Untersuchungsausschuss erst dann vorzule-

gen, wenn hierfür das Einverständnis des General-

bundesanwalts vorliegt. Als in den folgenden Wo-

chen das Land Berlin zu Thomas Starke dem

Untersuchungsausschuss keine Akten vorlegte, er-

hielt der Ermittlungsbeauftragte vom Generalbun-

desanwalt am 13. September 2012 vor Beginn der

Sitzung des Untersuchungsausschusses den Hin-

weis, nunmehr den Untersuchungsausschuss über

den Sachverhalt zu informieren und den vom Ge-

neralbundesanwalt übergebenen Vermerk an den

Untersuchungsausschuss zu übergeben.“

ee) Beantwortung des Beweisbeschlusses
BE-2 durch das Land Berlin

Der Beweisbeschluss BE-2 wurde mit Schreiben vom

13. September 2012, eingegangen im Sekretariat des

Untersuchungsausschusses am selben Tag, beantwor-

tet,
2702

wobei auf die Existenz einer V-Person hingewie-

sen wurde.

Die Personen- und Einsatzakte der im Landeskriminalamt

geführten V-Person VP 562 ging – mit Schreiben von
diesem Tag – am 18. September 2012 im Sekretariat des
Untersuchungsausschusses ein.

2703
Mit Schreiben vom

5. Oktober 2012 erfolgten – in sehr geringem Umfang –
weitere Ergänzungen.

2704
Der Zeuge P. S. hat in seiner Vernehmung bekundet, er

habe die VP 562 im Sommer 2012 in Dresden aufgesucht,

um diese danach zu befragen, ob er die Vertraulichkeits-

zusicherung selbständig aufgeben würde.
2705

Es fanden zwei Gespräche statt, und zwar am

14. September 2012
2706

und am 16. September 2012.
2707
2702) MAT A BE-2 (Tgb.-Nr. 65/12 - GEHEIM).

2703) Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 18. September

2012, MAT A BE-2/1, Bl. 1 f. (Tgb.-Nr. 67/12 - GEHEIM), Bl.
1 f. (Schreiben offen).

2704) Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. Oktober

2012, MAT A BE-2/1 (Ergänzung) (Tgb.-Nr. 90/12 -
GEHEIM), Bl. 1 f. (Schreiben offen).

2705) P. S., Protokoll-Nr. 66 (nichtöffentlich) , S. 38.

2706) Protokoll vom 14. September 2012, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr.
67/12 - GEHEIM), Anl. 01, Bl. 19 f.

2707) Protokoll vom 16. September 2012, MAT A BE-2/1 (Tgb.-Nr.

67/12 - GEHEIM), Anl. 01, Bl. 16.

Drucksache 17/14600 – 310 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Verlauf des ersten Gesprächs wurden der VP Schutz-

maßnahmen angeboten. Im Verlauf des zweiten Ge-

sprächs verweigerte die VP 562 die Aufgabe der Vertrau-

lichkeitszusicherung – vielmehr bestand sie auch weiter-
hin auf Vertraulichkeit.

Bezüglich der Frage, weshalb die Beantwortung des Be-

weisbeschlusses trotz Vorlage des mit dem Generalbun-

desanwalt abgestimmten Antwortschreibens des LKA

Berlin am 1. August 2012 erst am 13. September 2012

erfolgte, hat der Zeuge Krömer bekundet:

„Es mussten ja auch noch schwierige Fragen ge-
klärt werden, wie zum Beispiel die Frage ,Wie ist

es mit der Vertraulichkeit, mit der Behandlung

dieses eingestuften Materials? In welcher Form

soll das verschickt werden?‘ und Ähnliches mehr.
Ich finde, dass das Landeskriminalamt an dieser

Stelle gründlich und auch relativ zügig gearbeitet

hat.“2708

„Ja, und dann musste auch noch der Gesamtkom-
plex natürlich, da wir ja gelernt hatten, auch mit

der Verfassungsschutzabteilung abgestimmt wer-

den. Und als das passiert ist, am 13. September,

habe ich dann dieses Schreiben schlussgezeichnet

und habe -.“2709

„Ich glaube, dass an so einer Stelle Gründlichkeit
vor Schnelligkeit geht. Und ich kann die Abläufe

innerhalb des Landeskriminalamtes und der Abtei-

lung 2 hier nicht kritisieren. Wir befanden uns

auch noch mitten in der Ferienzeit. Und natürlich

haben ich auch und der Senator ständig darauf ge-

drängt, dass wir gerne diesen Beweisbeschluss,

der, wie gesagt, mit keiner Fristsetzung verbunden

war […].“2710

g) Einsetzung des Sonderermittlers OStA
Feuerberg durch den Senator für Inneres
und Sport des Landes Berlin

Mit Wirkung vom 1. Oktober 2012 wurde durch den

Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin, Bürger-

meister Frank Henkel, vor dem Hintergrund des auch im

Zusammenhang mit der Unterrichtung des Untersu-

chungsausschusses entstandenen Presseechos in Bezug

auf die VP 562 der Berliner OStA Feuerberg als Sonder-

ermittler eingesetzt. Der Auftrag des Sonderermittlers

bestand darin zu prüfen,

„ob bei der Auswahl und Anwerbung der fragli-
chen Vertrauensperson Thomas Starke des LKA,

bei ihrer weiteren Führung und bei der Auswer-

tung und Verarbeitung der durch sie erlangten In-

formationen alle einschlägigen rechtlichen und

fachlichen Erfordernisse beachtet wurden. Das be-

zieht sich auch auf die Frage möglicher Vorstrafen
2708) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 63 f.

2709) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 64.

2710) Krömer, Protokoll-Nr. 66 (öffentlich), S. 64.

der Vertrauensperson oder auf die Weitergabe re-

levanter Informationen an andere betroffene

Dienststellen. Ebenso soll er sich mit der Frage be-

fassen, ob nach Aufdeckung der NSU-Verbrechen

im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung

für Inneres und Sport Fehler gemacht wurden. Zu-

dem werden von der Arbeit Erkenntnisse erwartet,

wie das Führen von Vertrauensleuten und der Um-

gang mit dabei gewonnenen Erkenntnissen noch

verbessert werden kann“.2711

Das Ergebnis der Tätigkeit des Sonderermittlers wurde in

dem auch in diesem Abschnitt schon mehrfach zitierten

„Bericht über die Sonderermittlungen im Geschäftsbe-
reich des Senators für lnneres und Sport in Berlin im

Zusammenhang mit der Aufklärung der Taten der Terror-

gruppierung ‚NSU‘“ (hier bezeichnet als „Feuerberg-
Bericht“) niedergelegt, der der Öffentlichkeit am
14. Januar 2013 vorgestellt wurde. Dem Untersuchungs-

ausschuss lag dieser Bericht sowohl in der offenen Fas-

sung als auch in einer weiteren, detaillierteren Fassung

vor, die durch das Land Berlin als „GEHEIM“ eingestuft
worden war.

2. Weitere V-Personen des Landeskriminal-
amts Berlin

Neben der VP 562 wurden innerhalb des LKA Berlin

noch weitere V-Personen geführt, die Hinweise im Zu-

sammenhang mit bekannten Kontaktpersonen des Trios

lieferten. In dem auf den Beweisbeschluss BE-3 über-

sandten Schreiben vom 6. November 2012 heißt es hier-

zu:

„Die Stellungnahme des LKA Berlin an die Abtei-
lung II der Senatsverwaltung für Inneres und Sport

(VS-Geheim) enthält u. a. die Kriminalakte von

Jan Werner, welche beim LKA Berlin geführt

wurde. Ferner werden Auszüge aus Treffberichten

von zwei VP’en aufgeführt, die jedoch keinen er-
kennbaren NSU-Bezug haben.“2712

Der Untersuchungsausschuss hat diese Materialien ge-

prüft.

Auch weitere, durch das Land Berlin im Zusammenhang

mit V-Personen übersandte Unterlagen sind durch den

Untersuchungsausschuss geprüft worden.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2013 hat die Senatsverwal-

tung für Inneres und Sport den Sachstand zu den ergän-

zenden Mitteilungen weiterer Treffberichte erläutert. In

dem von Staatssekretär Krömer gezeichneten Schreiben,

heißt es konkret:

„(Anrede),
2711) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 9.

2712) Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des

Landes Berlin, Staatssekretär Krömer, an den Vorsitzenden des
Untersuchungsausschusses vom 6. November 2012, MAT A

BE-3/3 (Tgb.-Nr. 110/12 - GEHEIM), Bl. 1 f. (2), Schreiben als

solches VS-NfD.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 311 – Drucksache 17/14600

gerne entspreche ich Ihrer Bitte und schildere Ih-

nen den Sachstand zu den ergänzenden Mitteilun-

gen weiterer Treffberichte der VP 620. Aus meiner

Sicht haben die nunmehr aufgefundenen Treffbe-

richte keine NSU-Relevanz, dennoch handelt es

sich um eine erneute unbegreifliche Schlamperei

bei dem LKA. Es gibt für einen solchen Fehler

keine Rechtfertigung.“2713

Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass Innensenator Hen-

kel die Polizei angewiesen habe, alle VP-Akten aus dem

Phänomenbereich „Rechts“ unverzüglich in die Innen-
verwaltung zu verbringen, wo diese von einer Auswerte-

gruppe gründlich geprüft werden sollen.

Am 31. Mai 2013 hat Staatssekretär Krömer mitgeteilt,

dass die Akten (40 Ordner) in der Senatsverwaltung für

Inneres und Sport eingetroffen seien und die 14 Personen

umfassende Auswertegruppe unter Leitung einer Leiten-

den Polizeidirektorin nunmehr ihre Arbeit aufgenommen

und am 27. Mai 2013 mit der Auswertung begonnen ha-

be.
2714

V. Erkenntnisse zu einer V-Person aus Bay-
ern

Auf den am 26. Januar 1998 während der Durchsuchung

der Garage in Jena aufgefundenen beiden Telefonlisten

des Uwe Mundlos ist eine aus Bayern stammende Person

verzeichnet.
2715

Jedenfalls wurde die hier verzeichnete

Handynummer nach den Erkenntnissen des LKA Thürin-

gen im sog. „THS“-Verfahren Ende 1996/Anfang 1997
von dieser Person genutzt. Zuvor und danach war jedoch

Tino Brandt der Nutzer dieses Handys.
2716

Diese Person

war in dem Zeitraum von 1987 bis 1998 V-Person des

LfV Bayern, die zur Beobachtung der Gruppierungen

„Nationale Front“, „Deutsche Alternative“ und „Nationale
Liste“ eingesetzt wurde. Außerdem sollte sie über rechte
Mailbox-Aktivitäten (z. B. über das T.-Netz) und die

Planung und Durchführung von Heß-Märschen berichten.

Einen Auftrag zur Beobachtung des „Thüringer Heimat-
schutzes“ hatte sie nicht. Das LfV Bayern konnte keinen
direkten persönlichen Kontakt zwischen ihr und dem Trio

feststellen. Allerdings hätten sowohl diese Person als auch

Mundlos und Böhnhardt vor deren Abtauchen die Wehr-

machtsausstellung am selben Tage besucht. Nach einer

Mitteilung des LfV Bayern habe die V-Person nie über

das Trio berichtet, nach ihrer Abschaltung habe sie sich

aus der rechten Szene gelöst.
2717
2713) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des Staatssekretärs für

Inneres des Landes Berlin vom 15. Mai 2013, MAT A BE-3/17.

2714) Schreiben des Staatssekretär für Inneres des Landes Berlin vom

31. Mai 2013, MAT A BE-3/19.

2715) MAT A TH-1/11, Bl. 180, Abkürzung des Nachnamens im

Original.

2716) Vermerk des LKA Thüringen, MAT A TH-2/45, Bl. 492.

2717) Bericht des LfV Bayern an das Bayerische Staatsministerium

des Innern, MAT A BY-12 (Tgb.-Nr. 135/12 - GEHEIM), Bl.

13 ff.

Noch während ihrer Tätigkeit als V-Person für das LfV

führte der GBA ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung

einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB (Thule-

Netzwerk) gegen diese Person. Ihr wurde vorgeworfen, zu

Straftaten gegen Anhänger der Antifa-Szene aufgefordert

zu haben.
2718

In der Einstellungsverfügung des GBA zu

dem Verfahren heißt es:

„Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen erga-
ben sich nicht nur zahlreiche logistische und tech-

nische Unterstützungshandlungen […] durch X;
vielmehr steht auch fest, dass ohne die von dem

Beschuldigten X unterhaltene Mailbox eine Veröf-

fentlichung der von dem ehemals Beschuldigten Z.

erstellten Listen von ‚linken‘ Personen und Orga-
nisationen im sogenannten Thule-Netz nicht mög-

lich gewesen wäre. Desweiteren war diese Ver-

breitung im Thule-Netz die Grundvoraussetzung

für die spätere Übernahme der Daten in das Inter-

net […].

Der Beschuldigte X hat sich zum Tatvorwurf nicht

eingelassen, jedoch in anderem Zusammenhang

Andeutungen dahingehend gemacht, dass er Mit-

arbeiter des Verfassungsschutzes sei. Auf entspre-

chende Nachfrage hat der Verfassungsschutz des

Freistaates Bayern gegenüber dem Generalbundes-

anwalt mündlich bestätigt, dass diese Information

zutrifft. Allerdings sei die Mitarbeit von X im Lau-

fe des Jahres 1998 beendet worden […].

Somit ist davon auszugehen, dass X bei seinen

Unterstützungshandlungen für A. Z. entweder ge-

rechtfertigt oder zumindest einem angesichts der

Sachlage unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß

§ 17 StGB unterlegen war.

Das Ermittlungsverfahren ist daher gemäß § 170

Abs. 2 StPO einzustellen.“2719

Kontakte dieser Person nach Thüringen und insbesondere

zu Tino Brandt werden durch das „THS“-Verfahren des
LKA Thüringen aus den Jahren 1995 bis 1997 deut-

lich.
2720

Sie war ein Beschuldigter dieses Verfahrens.

Mehrere Telefonanschlüsse dieser Person und von Tino

Brandt wurden über mehrere Monate hinweg überwacht.

Hierbei wurden ihre Kontakte zu Tino Brandt und ande-

ren Personen in Thüringen deutlich, ohne dass allerdings

eine strafbare Handlung nachgewiesen werden konnte. Im

Auswertungsvermerk über die Telekommunikationsüber-

wachungsmaßnahmen werden Kontakte zu André Kapke,

Jena, genannt. Die Namen des Trios erscheinen hier aber

nicht.
2721

Ein weiterer Beleg für eine Verbindung dieser Person

nach Thüringen ist das von Thorsten Heise am 20. Januar

2007 aufgezeichnete Gespräch mit Tino Brandt (dazu
2718) Durchsuchungsprotokoll, MAT A GBA-3/58e, Bl. 41.

2719) MAT A GBA-3/58e, PDF-Bl. 478 f.

2720) Abschlussbericht des LKA Thüringen vom 30. Oktober 1997,

MAT A TH-2/46, Bl. 660 f.

2721) MAT A TH-2/45, Bl. 516 ff.

Drucksache 17/14600 – 312 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bereits oben im Abschnitt D. I. 6 a) kk) ddd)). Tino

Brandt erzählt hier, er habe jahrelang mit dieser Person zu

tun gehabt. Später habe sich herausgestellt, dass sie für

das LfV Bayern gearbeitet habe.
2722

Im weiteren Verlauf

des Gesprächs wurde sie von Tino Brandt als eine Person

bezeichnet, die mit ihm gemeinsam bei Sitzungen – zum
Beispiel zur Vorbereitung von Rudolf-Heß-Kund-

gebungen – mitgewirkt habe.2723
2722) MAT A GBA-12, Bl. 11 ff., 17.

2723) MAT A GBA-12, Bl. 11 ff., 56.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 313 – Drucksache 17/14600

E. Suche nach dem Trio

I. Wohnungen des Trios nach dem Untertau-
chen aus heutiger Sicht

Das Trio nutzte den Ermittlungen des Generalbundesan-

walts zufolge nach dem Untertauchen folgende Wohnun-

gen:
2724

Unmittelbar nach ihrem Untertauchen am 26. Januar 1998

wohnten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zunächst für

etwa zwei Wochen bei Thomas Ro. in Chemnitz, Fried-

rich-Viertel-Straße 85. Diese Bleibe hatte ihnen Thomas

Starke vermittelt.

Von etwa Februar 1998 bis August/September 1998 ver-

bargen sich die Drei in Chemnitz, Limbacher Straße 96,

bei Max-Florian B. Max-Florian B. gab gegenüber dem

BKA an, dass seine Freundin Mandy Struck das Trio im

Februar 1998 in seiner Wohnung untergebracht habe.

Von etwa September 1998 bis März 1999 hielt sich das

Trio mutmaßlich in Chemnitz, Altchemnitzer Straße 12

auf. Nach den Ermittlungen des BKA mietete Carsten R.

die Wohnung für das Trio an. Die Mietzahlungen erfolg-

ten bar bei Banken.

Aus im Brandschutt des Objekts Frühlingsstraße 26 in

Zwickau gefundenen Unterlagen geht hervor, dass André

Eminger vom 16. April 1999 bis 31. August 2000 eine

Wohnung in Chemnitz, Wolgograder Allee 76, angemie-

tet hatte. Das BKA geht davon aus, dass diese Wohnung

durch das Trio genutzt wurde. Der Mietzins wurde auch

hier durch Bareinzahlungen bei Banken beglichen.

Ebenfalls im Brandschutt des Objekts Frühlingsstraße 26

in Zwickau wurde ein Mietvertrag für eine Wohnung in

der Heisenbergstraße 6 in Zwickau gefunden. Das Miet-

verhältnis bestand vom 1. Juli 2000 bis 31. Mai 2001. Als

Mieter war hier Max-Florian B. eingetragen. Dieser gab

allerdings gegenüber dem BKA an, dass er diese Woh-

nung nicht angemietet habe. Bei dem Namen Max-

Florian B. handelte es sich um eine Aliaspersonalie von

Uwe Mundlos.
2725

Der Mietzins sowie Nebenkosten wie

Strom wurden von einem Konto, das auf den Namen

Max-Florian B. lautete, beglichen. Die Zahlungseingänge

des Kontos beruhten hauptsächlich auf Bareinzahlungen.

Von Mai 2001 bis Mai 2008 wohnte das Trio vermutlich

in Zwickau in der Polenzstraße 2. Im Brandschutt des

Gebäudes Frühlingsstraße 26 in Zwickau fand sich ein

entsprechender Mietvertrag. Das Mietverhältnis bestand

den Ermittlungen des BKA zufolge vom 1. Mai 2001 bis
2724) Personenbericht des BKA zu Beate Zschäpe vom 20. April

2012, MAT A BY-14/1a, Bl. 521, 553 ff.

2725) Vermerk des BKA vom 13. Juli 2012, MAT A BY-14/1a, Bl.

41, 44 f.

1. Mai 2008. Als Mieter erscheint hier Matthias D. Dieser

überreichte dem BKA im Rahmen seiner Zeugenverneh-

mung einen Untermietvertrag, abgeschlossen mit Max-

Florian B. Vom 24. Januar 2003 bis 25. Januar 2005

erfolgten die Mietzinszahlungen vom Konto des Matthias

D. Auf diesem Konto erscheinen in dieser Zeit unregel-

mäßige Einzahlungen. Dieses Konto wurde auch für

Rückzahlungen hinsichtlich der Wohnungen Polenzstraße

2 und Frühlingsstraße 26 genutzt. Nach Januar 2005 wur-

de der Mietzins wieder durch Bareinzahlungen bei Ban-

ken für das Vermieterkonto beglichen.
2726

Seit dem Frühjahr 2008 wohnte das Trio in der Frühlings-

straße 26 in Zwickau. Der Mietvertrag über diese Woh-

nung sieht einen Mietbeginn für den 1. März 2008 vor.

Als Mieter ist in dem Mietvertrag wiederum D. eingetra-

gen. Auch hier bestand ein Untermietvertrag zwischen

Matthias D. und Max-Florian B. Das Trio nutzte diese

Wohnung den Ermittlungen des BKA zufolge bis zum

4. November 2011. An diesem Tag brannte das Haus ab.

Der Mietzins wurde durch Bareinzahlungen bei Banken

beglichen. Hinsichtlich dieser Bareinzahlungen erfolgte

eine Geldwäscheverdachtsanzeige der Deutschen Bank

vom 21. November 2011. Die Deutsche Bank wurde auf-

grund von Medienberichten auf das Trio aufmerksam und

überprüfte daraufhin das Vermieterkonto auf Bareinzah-

lungen.
2727

Zusammengefasst ergibt sich folgende Übersicht:

Zeitraum Adresse Mieter

26. Januar 1998 bis

ca. 9. Februar 1998

Chemnitz

Friedrich-Viertel-

Straße 85

Thomas Ro.

Februar 1998 bis

August/September

1998

Chemnitz

Limbacher Straße

96

Max-Florian B.

September 1998 bis

März 1999

Chemnitz

Altchemnitzer

Straße 12

Carsten R.

April 1999 bis

31. August 2000

Chemnitz

Wolgograder Allee

76

André Eminger

1. Juli 2000 bis

31. Mai 2001

Zwickau

Heisenbergstraße 6

„Max-Florian B.“

1. Mai 2001 bis

1. Mai 2008

Zwickau

Polenzstraße 2

Matthias D. bzw.

„Max-Florian B.“

1. März 2008 bis Zwickau Matthias D. bzw.
2726) Vermerk des BKA vom 14. Februar 2012, MAT A BY-14/1a,

Bl. 412 ff.

2727) Schreiben der Deutschen Bank vom 21. November 2011, MAT

A BY-14/1d, Bl. 477 ff.

Drucksache 17/14600 – 314 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. November 2011 Frühlingsstraße 26 „Max-Florian B.“

II. Maßnahmen des LKA Thüringen und ande-
rer Polizeibehörden bei der Suche nach
dem Trio

1. Rolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen
der Fahndung

Die Staatsanwaltschaft trägt gem. §§ 152, 160 StPO die

Verantwortung für die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmä-

ßigkeit, aber auch für die Gründlichkeit des Ermittlungs-

verfahrens.
2728

Da die Fahndung Teil des Ermittlungsver-

fahrens ist, gilt die Verantwortung auch für diesen Teil

des Verfahrens.

Das Schäfer-Gutachten führt im Hinblick auf die Zusam-

menarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft Gera und dem

LKA Thüringen aus:

„Die Zusammenarbeit zwischen dem TLKA und
der StA bei der Suche nach dem Trio wurde von

beiden Seiten positiv bewertet. Die von der Kom-

mission angehörten Staatsanwälte und die Beam-

ten des TLKA haben die Zusammenarbeit überein-

stimmend als gut bezeichnet.

Kritisch angemerkt wurde von einem Beamten der

StA lediglich, dass er mit der Aktenführung des

TLKA nicht einverstanden gewesen sei. Die Akten

seien in Teilen nicht zu durchblicken gewesen.

Auch der Informationsfluss zwischen der Ziel-

fahndung und der StA wurde überwiegend als po-

sitiv, zumindest aber als ausreichend bewertet.

Dies überrascht, da alle angehörten Staatsanwälte,

die in Thüringen gängige Praxis bestätigt haben,

dass Zielfahndungsakten der StA nicht vorgelegt

werden.

Einer der angehörten Beamten der Staatsanwalt-

schaft hat zur Begründung und Rechtfertigung die-

ser Praxis ausgeführt:

‚Zielfahndungsakten habe ich noch nie gesehen.
Bis heute nicht. Die Staatsanwaltschaft vertraut auf

die Ordentlichkeit der Arbeit der Zielfahndung. Es

wäre ansonsten zu viel Aufwand für uns, die kom-

plette Zielfahndungsarbeit begleiten zu müssen.‘

Diese Einschätzung ist falsch und die Praxis um-

gehend zu ändern. Selbstverständlich müssen

sämtliche Akten und Ermittlungsvorgänge der

Staatsanwaltschaft vorgelegt werden. […]

Bei den TKÜ-Maßnahmen hat sich die StA alle

Anregungen des TLKA auf Durchführung einer

TKÜ-Maßnahme zu eigen gemacht und entspre-

chende Anträge bei Gericht gestellt, obwohl nur

wenige der Anregungen ausreichend begründet
2728) Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 55. Aufl., vor § 141

GVG, Rn. 1.

und belegt waren. Erst im Oktober 2000 machten

StA und Gericht deutlich, dass die Genehmigung

weiterer TKÜ-Maßnahmen nur noch dann vertret-

bar sei, wenn sich neue konkrete Fahndungsansät-

ze ergäben.

Vom 04.02.1998 bis 02.11.2000 hat das TLKA

insgesamt 37 TKÜ-Maßnahmen angeregt, davon

sechs auf Verlängerung der Maßnahmen. Die An-

regungen waren nur soweit sie Anschlüsse des

Trios, deren Eltern und den Anschluss von Wohl-

leben betrafen, in sich schlüssig. Die übrigen An-

regungen stützten sich vornehmlich auf nicht näher

begründete Vermutungen, die von einer TKÜ-

Maßnahme Betroffenen hätten Kontakt zu den Be-

schuldigten. Woher die in den Anregungen des

TLKA dargestellten Erkenntnisse stammten, ist im

Wesentlichen nicht ersichtlich. In der Regel wurde

nur pauschal zusammengefasst: ‚es wurde be-
kannt’. Die kritiklose Übernahme der Anregungen
des TLKA überrascht umso mehr, als die StA in

die Fahndungsmaßnahmen der Zielfahndung nicht,

jedenfalls nicht ausreichend, eingebunden war.

Denn die Zielfahndungsakten lagen nicht vor.

Es ist geboten, mit den ermittelnden Beamten zu

erörtern, welche Maßnahmen der weiteren Aufklä-

rung des Sachverhalts und einer erfolgreichen

Fahndung dienen könnten, zum Beispiel ob eine

Auswertung der TKÜ-Maßnahmen und Observa-

tionen Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort der

Beschuldigten zulassen. Ob dies geschehen ist,

konnte nicht festgestellt werden. Dokumentiert

sind solche Informationen nicht. Es kann rückbli-

ckend nicht bewertet werden, ob sich die Nichtvor-

lage der Zielfahndungsakten im Ermittlungsver-

fahren gegen das Trio objektiv ausgewirkt hat.

Fest steht aber, gerade in einem derart brisanten

Verfahren, dass die StA während des Verfahrens

nicht vollumfänglich informiert war.“2729

Der damals zeitweise zuständige Staatsanwalt, der Zeuge

Schultz, hat zu diesem Vorwurf ausgesagt:

„Wir haben einiges in die Verantwortung der Poli-
zei, des Landeskriminalamtes, der Zielfahndung

gelegt, weil die ja die Fahndung durchgeführt ha-

ben. Wir waren ja da selber nicht beteiligt. Das

waren ja die Polizeibeamten, die das alles gemacht

haben und die das vor Ort gemacht haben. Deshalb

haben wir das mit denen selbstverständlich be-

sprochen. Wir haben aber zum Beispiel uns nicht

jedes Mal die ganzen sechs, acht Bände Akten vor-

legen lassen in so einem Falle, wie ich eben gesagt

habe: Wir schalten jetzt eine TÜ, oder wir haben

aus einer TÜ erfahren, dass es zu irgendeiner

Geldübergabe oder zu irgendeiner Observation

kommen soll. - Dann habe ich die strafprozessua-

len Maßnahmen getroffen bzw. habe die beim Ge-

richt beantragt. Und weil das sehr oft Eilmaßnah-
2729) MAT A TH-6, Bl. 236 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 315 – Drucksache 17/14600

men waren, habe ich mir natürlich nur den letzten

Band oder die letzten zwei Bände angeguckt und

nicht mehr den ersten Band bei Seite 1.
2730

„Selbstverständlich haben wir uns mit der Ziel-
fahndung abgestimmt. […] Man muss natürlich
aber auch sehen: Die Zielfahndung hatte auch

teilweise noch andere Fälle. Die waren personell

sehr gering besetzt, und sie konnten alle möglichen

Ermittlungen nicht entsprechend ausführen. Sie

waren nicht gut genug dazu besetzt.

Und auch bei uns ist es so: Ich hatte nicht nur die-

sen einen Fall. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt mo-

natlich vielleicht 40, 50 von diesen Fällen oder von

neuen Fällen. Ich habe auch Mordverfahren bear-

beitet, hatte im Jahr noch, was weiß ich, acht oder

zehn Morde. Man kann sich mit diesem einen Fall,

wo die drei jetzt verschwunden sind - - hat man

einfach nicht die Zeit, sich hinzusetzen. Es ist

nicht wie im Fernsehen, dass wir nur die eine Akte

haben. Wir können uns nicht ganz lange hinsetzen

und die ständig Seite für Seite durchblättern, bis

uns jetzt hier irgendwas auffällt. Dazu ist eine

Staatsanwaltschaft nicht gut genug besetzt, nicht

gut genug ausgerüstet. Das ist nicht möglich.“2731

Der Zeuge Wunderlich hat es als wesentlich erschwerend

bezeichnet, dass die Zielfahndung mit sechs verschiede-

nen Staasanwälten kommuniziert habe. Nach jedem Refe-

ratswechsel auf Seiten der Staatsanwaltschaft habe man

jedesmal von vorne beginnen müssen. Der jeweils zustän-

dige Staatsanwalt habe alle bisherigen Fahndungsschritte

ungesehen übernehmen müssen.
2732

Obwohl die Zielfahndung erhebliche Anstrengungen

unternahm, um das Trio zu finden, äußerte die Staatsan-

waltschaft Bedenken hinsichtlich der Beweislage: In

einem Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen

vom 5. Januar 2001 heißt es:

„Angemerkt sei an dieser Stelle der Einwand der
zuständigen Staatsanwaltschaft, welche zu beden-

ken gibt, dass die Beweislage in diesem Verfahren

äußerst gering und eine mögliche spätere Verurtei-

lung aller drei befragten Personen fraglich ist.“2733

2. Aufgabenverteilung innerhalb des LKA
Thüringen

a) Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung zwi-
schen Januar 1998 und August 2001

Die polizeilichen Ermittlungen im Hinblick auf die im

Stadtgebiet Jena aufgefundenen drei Koffer („Theater-
2730) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 34.

2731) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 37.

2732) Wunderlich, Protokoll-Nr. 49, S. 45.

2733) Auszug aus dem ZFK-Jahresbericht vom 5. Januar 2001, MAT

B TH-3, Dateiname: 4110-S-18-1997 TJM S.PDF, Bl. 75.

bombe“, „Stadionbombe“ und der Koffer am Nordfried-
hof), die die Durchsuchungsmaßnahmen am 26. Januar

1998 zur Folge hatten, wurden innerhalb des LKA Thü-

ringen durch die Ermittlungsgruppe Terroris-

mus/Extremismus (EG „TEX“) geführt, die seinerzeit
dem Dezernat 61 des LKA Thüringen, dem polizeilichen

Staatsschutz, zugeordnet war.
2734

Im Rahmen der Suche

nach dem Trio kam es darüber hinaus zum Tätigwerden

der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen.

aa) Grundsätzliche Aufgaben der Zielfahn-
dungsabteilung

Zielfahndungsabteilungen sind bei den Landeskriminal-

ämtern und beim Bundeskriminalamt eingerichtete Spezi-

alabteilungen, die für die intensive Fahndung nach beson-

ders gefährlichen Straftätern zuständig sind. Hierbei be-

dienen sich die in der Zielfahndung tätigen Polizeibeam-

ten in der Regel sämtlicher strafprozessualer Möglichkei-

ten zur Suche, wobei im vorliegenden Fall insbesondere

Telefonüberwachungsmaßnahmen (§ 100a StPO) zu nen-

nen sind. Die Zielfahndungsabteilungen sind hierbei von

den Ermittlungsabteilungen in den jeweiligen Landeskri-

minalämtern organisatorisch getrennt.

bb) Aufgabenteilung zwischen der Zielfahn-
dungsabteilung und der EG „TEX“

Nach Auswertung der Akten lässt sich erkennen, dass

auch während der Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung

bis August 2001 zahlreiche Fahndungsmaßnahmen durch

Beamte der EG „TEX“ durchgeführt wurden. Hierbei
handelt es sich insbesondere um die Fahndungsmaßnah-

men, die büromäßig durchgeführt werden konnten, wie

beispielsweise die Koordination der Öffentlichkeitsfahn-

dung, die Durchführung der Fahndungsausschreibungen,

etc. Andere Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die

Durchführung der Telekommunikationsüberwachungs-

maßnahmen sowie darüber hinaus die Fahndung „vor
Ort“ wurden hingegen durch die Zielfahndungsabteilung
durchgeführt. Im Rahmen der Darstellung einzelner

Fahndungsmaßnahmen wird erläutert, welche Stelle je-

weils tätig wurde.

Der in der Zielfahndung tätige Polizeibeamte Wunderlich

hat gegenüber dem Untersuchungsausschuss seine Rolle

als Zielfahnder und die Zusammenarbeit mit der EG

„TEX“ im Zusammenhang mit einer bestimmten Fahn-
dungsmaßnahme, die von ihm gemeinsam mit einer Be-

amtin der EG „TEX“ wahrgenommen wurde, wie folgt
beschrieben:

„Der Herr Dressler hatte diese Maßnahme initiiert,
war eigentlich auch mein Vorgesetzter, muss man

sagen, zu dem Zeitpunkt. Ich war ja ein Teil dieser

EG „TEX“ mit der Abklärung Operativmaßnah-
men.“2735
2734) Siehe hierzu bereits oben im Abschnitt B. III. 1. b).

2735) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 31.

Drucksache 17/14600 – 316 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Dressler hat als Leiter der EG „TEX“ die
Zusammenarbeit mit der Zielfahndungsabteilung folgen-

dermaßen beschrieben:

„Der normale Dienstbetrieb war so, dass wir natür-
lich der Fahndung all die Dinge gegeben haben,

die wir für fahndungsrelevant hielten, die für sie

sozusagen hilfreich waren. Im Gegenzug hat die

Fahndung an uns gegebenenfalls Anfragen gestellt,

wenn sie auf Informationen gestoßen sind, die sie

nicht einordnen konnten oder die anderweitig einer

Abklärung bedurften. Es gab hier bei uns die

Trennung, dass der operative Teil durch die Ziel-

fahndung komplett abgedeckt wird, und wir ma-

chen den administrativ-öffentlichen Teil, und so

sind wir an der Stelle auch verfahren.“2736

cc) Auslastung der Zielfahndungsabteilung
des LKA Thüringen während der Suche
nach dem Trio

Der Zeuge Wunderlich, der mit der Zielfahndung nach

dem Trio befasst war, hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss zu der Frage der allgemeinen Belastung der Ziel-

fahndungsabteilung des LKA Thüringen ausgeführt:

„Wir haben seit Bestehen unseres kleinen Kom-
mandos – Gründungsdatum 1994 – über 170
schwere Zielfahndungsfälle beenden können, auch

in verschiedenen Ländern. Unabhängig davon ha-

ben wir unterstützend für andere Dienststellen im

eigenen Land oder auch anderer Bundesländer

oder auch für Dienststellen im Ausland über 500

Personen lokalisiert und festnehmen lassen. […]
Wir haben seit Bestehen etwa 180, 181 Fälle über-

nommen. Davon sind 170 beendet. Das heißt also,

wir haben noch 11 offene Verfahren.“2737

Bezüglich des Zeitraums, innerhalb dessen die Zielfahn-

dungsabteilung mit der Suche nach dem Trio befasst war,

hat der Zeuge Wunderlich bekundet:

„Wir haben in dem Fahndungszeitraum nach den
drei Personen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

insgesamt weitere 47 Zielfahndungsanträge be-

kommen, wovon wir 45 auch mit Lokalisierung

und Festnahme lösen konnten. Hier handelte es

sich um Tötungsdelikte, Erpressungsdelikte, räu-

berische Delikte, also um richtig schwere Strafta-

ten mit angedrohten Freiheitsstrafen von fünf Jah-

ren und mehr, um bereits vorangegangene Delikte,

Personen mit mehreren Haftbefehlen und, wie ich

schon sagte, eine Vielzahl von Tötungsdelik-

ten.“2738

Insbesondere während der Suche nach dem sog. „Satans-
mörder Möbus“ zwischen Mitte 1999 und August 2000
2736) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 62.

2737) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 4.

2738) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 6.

sei die Suche nach dem Trio für mindestens zehn Monate

in den Hintergrund gerückt.
2739

dd) Versagung personeller Unterstützung der
Zielfahndungsabteilung

Vor dem Hintergrund nicht ausreichend vorhandener

Kenntnisse zur Struktur der rechtsextremen Szene war

von Seiten der Zielfahndung bereits in einem sehr frühen

Stadium der Suche darum gebeten worden, Beamte mit

Kenntnissen der rechtsextremen Szene innerhalb der

Zielfahndungsabteilung einzusetzen. Der Zeuge Wunder-

lich hat hierzu ausgeführt:

„Bereits von Anfang an - zum Zeitpunkt der Über-
nahme dieses Fahndungsfalles nach den drei Rech-

ten - waren wir personell eigentlich gar nicht in der

Lage, diesen Sachverhalt zu leisten. Es ist also im

Vorfeld bereits um die Zuführung von zwei Beam-

ten gebeten worden, wobei einer sogar namentlich

benannt wurde damals - der Kollege Melzer, der

wohl schon hier war -, weil er unseres Erachtens

da den meisten Hintergrund hatte in diesem Be-

reich. Diese Unterstützung ist abgelehnt wor-

den.“2740

Zum konkreten Ablauf hat Wunderlich bekundet:

„Also, die ganzen Gespräche in diese Richtung
wurden von dem Herrn I. geführt, der ja nun leider

verstorben ist, weil auch zwischen dem Herrn I.

und dem Herrn Melzer ein wesentlich noch besse-

res Verhältnis, als ich vielleicht mit ihm habe, be-

stand. Also, Herr I. hatte diesen Umstand angeregt.

Der ist auch dienstlich mehrmals vorangetrieben

worden, allerdings ergebnislos, und ein Austausch

mit dem Herrn Melzer hat insofern dann nicht un-

bedingt stattgefunden, weil er nicht zur EG ‚TEX‘,
glaube ich, gehörte zu dem Zeitpunkt. Ich glaube,

er war da schon Korruption oder woanders. […]
Nun bitte ich auch um Verständnis, dass natürlich

nicht jeder Polizist alles wissen muss. Und wer

eben nun mal nicht dazugehört, ist auch informativ

abgeschnitten. Aus heutiger Sicht muss ich sagen,

dass der damalige Dezernatsleiter, der Herr

Liphardt, vielleicht die Tragweite nicht verstanden

hat oder auch - - Ich kann es mir nicht anders er-

klären. Es ist auf jeden Fall mehrfach abgelehnt

worden. Es gab also viele Gespräche - die gingen

so über zwei, drei Wochen -, die der Herr I. ge-

führt hat, dann immer mit dem Ergebnis: Wir krie-

gen den Kollegen nicht. - Eigentlich waren ja zwei

avisiert, und Hintergrund war auch nicht, dass sie

fahndungsmäßig helfen, sondern dass sie uns in

dem Bereich Fahndungsansatz strukturell sagen,

wie die Szene draußen agiert und wie die funktio-

niert.“2741
2739) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.

2740) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 56.

2741) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 66 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 317 – Drucksache 17/14600

Der Zeuge Melzer hat in dieser Hinsicht bekundet:

„Des Weiteren hat sich das Zielfahndungskom-
mando Thüringen auch darum bemüht, dass ich

abgeordnet werde in dieses Zielfahndungskom-

mando, weil ich natürlich derjenige war, der die

am besten kannte. Also, ich hatte ja im Prinzip die

Vernehmung mit Böhnhardt gemacht, mit der

Zschäpe. Ich kannte eben - - Ich hatte den Bezug

zu den Hinweisgebern, auch wenn sie keine VPs

geworden sind, was ich ja sehr bedaure. Ich habe

ja trotzdem einen persönlichen Bezug gehabt. Ich

hätte die Leute auch wieder irgendwie animieren

können, mir irgendwelche Hinweise zu geben. Ich

kannte das gesamte Spektrum der rechten Szene.

Es war nicht möglich, dass ich dort eingesetzt

wurde. Es wurde verhindert damals seitens des

Kollegen Liphardt vom Staatsschutz und vom Kol-

legen Werner, obwohl sich der Jürgen I., ich glau-

be, mehrere Wochen darum bemüht hat. Das war

halt wirklich nicht möglich. Es wurde abgelehnt,

und das war es.“2742

Im Hinblick auf den Hintergrund der möglichen Ableh-

nung der Tätigkeit von KHM Melzer bei der Zielfahndung

hat der Zeuge Luthardt, damals kommissarischer Leiter

des LKA Thüringen, bekundet:

„Ich weiß nur, dass im Kollegenkreis, also im Füh-
rungskreis, Herr Melzer keinen guten Namen hat

im LKA. […] Er wird als der Zauberlehrling, der
aus dem Bauch alles herauszaubert und dann Luft-

blasen erzeugt - - So wird er eingeschätzt. Ich

könnte mir vorstellen, dass dann jemand in der

Hierarchieebene gesagt hat: Wir brauchen Leute,

auf die man sich verlassen kann, die funktionie-

ren.“2743

b) Formale Beauftragung der Zielfahndungs-
abteilung nach dem 26. Januar 1998?

aa) Beauftragung der Zielfahndungsabteilung
mit der Suche nach dem Trio am 29. Janu-
ar 1998

Zu unterscheiden ist zwischen der Beauftragung der Ziel-

fahndungsabteilung bei der Suche nach dem Trio einer-

seits und dem Vorliegen eines sog. Zielfahndungsantrags

andererseits.

Die Beauftragung der Zielfahndungsabteilung erfolgte

aufgrund einer Weisung von PD Luthardt.
2744

Im Gutachten der Schäfer-Kommission wird zu dieser

Frage im Abschnitt „Maßnahmen und Ergebnisse des
TLKA“ unter Hinweis auf den 29. Januar 1998 wie folgt
ausgeführt:
2742) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 87.

2743) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 106.

2744) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 90.

„Am gleichen Tag übernahm die Zielfahndung des
TLKA auf Weisung des Behördenleiters die Fahn-

dungsmaßnahmen.“2745

Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Luthardt

zur Frage der Beauftragung der Zielfahndungsabteilung

bekundet:

„Ich habe dann - das ist auch meine persönliche
Verantwortung - eine Zielfahndung angeord-

net.“2746

Im weiteren Verlauf der Befragung hat der Zeuge

Luthardt dargelegt, dass es – er denke, Ende Januar 1998
– eine schriftliche Weisung an den Leiter der Abteilung 1
im LKA Thüringen, zu der seinerzeit auch die Zielfahn-

dungsabteilung gehörte, bzgl. der Einleitung einer Ziel-

fahndung gegeben habe.
2747

Der Leiter der Abteilung 1

habe diese Weisung dann umgesetzt, so etwas erfolge

dann jedoch mündlich. Die entsprechenden Papiere seien

dazu nicht mehr vorhanden.

Der Zeuge Wunderlich, der seinerzeit in der Zielfahn-

dungsabteilung des LKA tätig war und später sogar Leiter

der Zielfahndungsabteilung wurde, hat hierzu vor dem

Untersuchungsausschuss bekundet:

„Ich habe im Zuge meiner Tätigkeit als Zielfahn-
der am 29.01.98 den Auftrag erhalten, die drei Per-

sonen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe zu suchen,

das heißt also, zu lokalisieren, zu identifizieren,

gegebenenfalls festzunehmen.“ 2748

In den Akten enthalten ist bzgl. des Beginns der Tätigkeit

der Zielfahndungsabteilung lediglich ein kurzer Vermerk

des Leiters der EG „TEX“, KHK Dressler, vom 2. Febru-
ar 1998, in dem es hierzu heißt:

„Am heutigen Tage wurden Absprachen mit Herrn
Deterding, Wunderlich und Liphardt getroffen.

Dementsprechend übernimmt das Dez. 12
2749

die

weiteren Fahndungsmaßnahmen.“2750

bb) Vorliegen eines Zielfahndungsantrags?

aaa) Notwendigkeit eines Zielfahndungsantrags

Inwiefern im Jahr 1998 für die Tätigkeit der Zielfahn-

dungsabteilung des LKA Thüringen eine wie auch immer

geartete förmliche oder nicht förmliche, mündliche oder

schriftliche Weisung bzw. ein Zielfahndungsantrag der

Leitungsebene des LKA Thüringen oder der zuständigen

Staatsanwaltschaft überhaupt erforderlich war, ist von den
2745) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 89, Rn. 150.

2746) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 90.

2747) Hierzu und im Folgenden: Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 93 f.

2748) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 2.

2749) Dezernat 12 war zu diesem Zeitpunkt die Zielfahndungsabtei-
lung des LKA Thüringen.

2750) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 2. Februar 1998, MAT

A TH-1/3, Bl. 179.

Drucksache 17/14600 – 318 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hierzu vernommenen Zeugen nicht eindeutig beantwortet

worden.

Die Strafprozessordnung sieht in dieser Hinsicht keine

besonderen Förmlichkeiten wie etwa einen Zielfahn-

dungsantrag der Staatsanwaltschaft oder der Leitungsebe-

ne für die Durchführung von Zielfahndungsmaßnahmen

vor. Eine Notwendigkeit kann sich jedoch aus polizeiin-

ternen Vorschriften ergeben.

Der Zeuge Wunderlich hat das Fehlen eines Zielfahn-

dungsantrags der Staatsanwaltschaft und das Nichtvorlie-

gen eines sog. Einleitungs-Fernschreibens bzgl. der Ziel-

fahndung in seiner Aussage vor dem Untersuchungsaus-

schuss thematisiert. Auch in einem Aktenvermerk aus

dem Oktober 2000 wird das Fehlen eines Zielfahndungs-

antrags und eines Einleitungs-Fernschreibens erwähnt.

bbb) Nichtvorliegen eines Zielfahndungsantrags

Im Ergebnis ist nicht ersichtlich, dass ein Zielfahndungs-

antrag gestellt wurde und die Zielfahndung als solche

mithin eingeleitet wurde.

In einem Vermerk von KHK Wunderlich vom 19. Okto-

ber 2003 ging dieser bereits auf den fehlenden Zielfahn-

dungsantrag ein. Wunderlich war zu diesem Zeitpunkt

nach dem Ausscheiden seines Vorgängers KHK I. Leiter

der Zielfahndungsabteilung. Wunderlich führte aus:

„Das Zielfahndungskommando des TLKA war im
Zeitraum vom 29.01.1998 bis 22.08.2001 in unter-

schiedlicher personeller Stärke sowie mit mehreren

Unterbrechungen im Fahndungszeitraum im Ab-

schnitt Ermittlung/Fahndung für die Abteilung 6

eingesetzt. Für die Fahndung nach den drei mut-

maßlichen Tätern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

und Beate Zschäpe bestand Haftbefehl wegen des

Verdachtes der Vorbereitung eines Sprengstoff-

oder Strahlungsverbrechens. Für die Fahndungs-

maßnahmen bestand kein Zielfahndungsantrag.

Die Beamten der Zielfahndung wurden lediglich

zur Ermittlung und Abarbeitung von Fahndungs-

ansätzen eingesetzt.“2751

Auch im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Untersu-

chungsausschuss ist Wunderlich auf diesen Aspekt einge-

gangen:

„Zielfahndung war es durch Auftragslage meines
Abteilungsleiters in Form der Festlegung meines

damaligen Behördenleiters. Jedoch muss ich hin-

zufügen, dass durch die Staatsanwaltschaft, die zu-

ständige Staatsanwaltschaft Gera, zum damaligen

Zeitpunkt kein originärer Zielfahndungsantrag ge-

stellt wurde. Der Grund hierfür lag auch laut Be-

gründung der Staatsanwaltschaft in der dünnen
2751) Vermerk des LKA Thüringen vom 9. Oktober 2003 zur Sitzung

des Innenausschusses Thüringen am 23. Oktober 2003, Verfas-

ser Wunderlich, MAT A TH-1/24, Bl. 166.

Beweislage und im wahrscheinlich geringen

Strafmaß.“ 2752

Auch ein Einleitungs-Fernschreiben habe es nach der

Aussage des Zeugen Wunderlich nicht gegeben. Wunder-

lich hat hierzu bekundet:

„Was hier ganz interessant ist, vielleicht den Sach-
verhalt etwas klärt: Eine Zielfahndung wird bun-

desweit immer mit Fernschreiben eingeleitet. Also,

sie wird bundesweit allen Dienststellen mitgeteilt.

[…] So ein Fernschreiben hat es einfach nie gege-
ben.“2753

Nach der Aktenlage wird die Frage des fehlenden Ziel-

fahndungsantrags erstmals Anfang Oktober 2000 proble-

matisiert. In den Akten befindet sich hierzu ein Vermerk

von KOR Liphardt vom 6. Oktober 2000, in dem es unter

anderem heißt:

„Wie durch KOR Schmidt am heutigen Tag mitge-
teilt wurde, hat der Behördenleiter entschieden,

nach den flüchtigen Tatverdächtigen Mundlos,

Böhnhardt und Zschäpe (weitere Personalien be-

kannt) eine Zielfahndung einzuleiten.“2754

Auf dem Vermerk befindet sich unter dem maschinenge-

schriebenen Text ein handschriftlicher Zusatz, in dem es

heißt:

„Hallo Peter,

zu diesem Papier gab es nachträglich Diskussio-

nen. Die Info erhielt ich vom AL 1
2755

. Später stell-

te sich heraus, dass sie aber in Bezug auf eine Ent-

scheidung des BL
2756

nicht so fest war, sondern der

BL lediglich einen Antrag durch das D 61
2757

an-

geregt hatte. Ggf. sei die StA mit ins Boot zu neh-

men. Ich habe Wolfgang noch einmal informiert.

Hintergrund ist die Reise der Zielfahnder in der

nächsten Woche nach Sachsen. Dazu will man ei-

ne saubere Rechtsgrundlage haben. Wir hätten

noch bis Mo.-Mittag Zeit. (Unterschrift unleser-

lich)“2758

Laut dem Zeugen Wunderlich könnte es sich bei dem

Verfasser des handschriftlichen Zusatzes möglicherweise

um den damaligen Abteilungsleiter der Abteilung 1 des

LKA, KOR Schmidt, handeln.
2759

Im oberen Teil des Dokuments findet sich darüber hinaus

eine handschriftliche Verfügung, offensichtlich vom
2752) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 3.

2753) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 77.

2754) Vermerk von KOR Liphardt vom 6. Oktober 2000, MAT A

TH-1/24, Bl. 64.

2755) „AL 1“ bedeutet wahrscheinlich: Abteilungsleiter 1.

2756) „BL“ bedeutet wahrscheinlich: Behördenleiter.

2757) Dezernat 61 war seinerzeit das Staatsschutzdezernat, zu dem

auch die EG „TEX“ gehörte.

2758) Handschriftlicher Zusatz auf dem Vermerk von KOR Liphardt

vom 6. Oktober 2000, MAT A TH-1/24, Bl. 64.

2759) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 84.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 319 – Drucksache 17/14600

11. Oktober 2000, überschrieben mit DL 61,
2760

in der es

heißt:

„DL 61 Durch den AL 1 wird ein Eröffnungsak-
tenvermerk für den in der Zielfahndung vorhande-

nen Vorgang gefertigt, welchen ich, rückwirkend

datiert, unterschreibe. Ein EröffnungsFS in der

BRD erfolgt nicht mehr. (Unterschrift unleserlich),

11/10“

Der Zeuge Luthardt hat in seiner Vernehmung nicht dar-

legen können, wie der Vermerk zu verstehen ist.
2761

ccc) Möglicher Hintergrund des Nichtvorliegens
eines Zielfahndungsantrags

Der Zeuge Wunderlich hat bzgl. eines möglichen Hinter-

grundes für die unterbliebene Stellung eines Zielfahn-

dungsantrags auf eine Rücksprache und entsprechende

Empfehlung des BKA hingewiesen:

„Wir haben im BKA nachgefragt, ob es sinnvoll
wäre, nach diesen Personen aufgrund des Modus

Operandi bzw. der ihnen zur Last gelegten Straftat

eine Zielfahndung einzuleiten. Der Hinweis war

der, den wir damals auch so verstanden haben: Es

ist ja lediglich eine USBV
2762

aufgefunden wor-

den, die auch nicht ganz klar einer Person zuge-

ordnet werden konnte, und es hat keine Schäden

im Vorfeld gegeben. Das heißt, es gab keinen Ein-

satz von sprengähnlichen Gegenständen, es ist also

kein wirtschaftlicher und auch kein Personenscha-

den entstanden. Somit hatte man uns empfohlen -

ich war damals übrigens nicht der Verantwortliche

im Bereich Zielfahndung - - Mein damaliger Leiter

hat in Rücksprache mit dem BKA entschieden,

diese Fahndungsmaßnahmen unterstützend zu füh-

ren.“2763

ddd) Mögliche Folgen des Nichtvorliegens eines
Zielfahndungsantrags

Der Zeuge Wunderlich hat zu der Frage, welche Folgen

das Nichtvorliegen des Zielfahndungsantrags hatte, wie

folgt ausgeführt:

„Wir haben unterteilt in ‚Zielfahndung’ und „un-
terstützende Fahndungsfälle“. Die Suche nach den
drei Rechten war für uns ein unterstützender Fahn-

dungsfall, weil wir keinen Auftrag von einer

Staatsanwaltschaft hatten. […] Wir haben unsere
eigene Dienststelle unterstützt, die Abteilung, die

mit der Durchsuchung beauftragt war, als auch

dann die Ermittlungsgruppe „TEX“, die im Prinzip
unser Know-how dafür benutzt hat, diese Personen
2760) Seinerzeit war KHK Dressler Leiter des Dezernats 61 (EG

„TEX“).

2761) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 119.

2762) USBV = Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung.

2763) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.

zu lokalisieren und festzunehmen. Wir waren ver-

antwortlich für die Fahndungsmaßnahmen. Wir

haben die Fahndungsmaßnahmen auch genauso

betrieben wie in einem Zielfahndungsfall. Da gibt

es eigentlich keine Abstriche.“2764

Als möglichen Unterschied hat der Zeuge Wunderlich

ausgeführt, dass Ermittlungsmaßnahmen im Ausland

leichter gewesen wären:

„Geändert hätte sich der Umstand, dass Auslands-
überprüfungen einfacher gewesen wären, weil wir

einen Zielfahndungsfall gehabt hätten, der im

BKA registriert ist. Ja, und die Sache wäre einfach

sauberer gewesen, muss ich jetzt mal sagen.“2765

Einschränkend hat der Zeuge Wunderlich bzgl. des Unter-

schiedes zu einem Zielfahndungsfall weiter ausgeführt:

„Das heißt, dass wir genauso arbeiten, wie wenn es
ein Zielfahndungsfall wäre. Der einzige Unter-

schied besteht darin, dass bei originären schweren

Zielfahndungsfällen dieser Sachverhalt dann viel-

leicht in die zweite Reihe rückt.“2766

Die Fahndung nach dem Trio sei in den Hintergrund ge-

treten, als die Zielfahndungsabteilung den Auftrag be-

kommen habe, die Fahndung nach dem „Satansmörder
Möbus“ durchzuführen. Hierzu hat Wunderlich ausge-
führt:

„Ich kann ein gutes Beispiel bringen, nämlich den
Satansmörder Möbus; in Thüringen war das eine

sehr bekannte Geschichte. Wir haben auch hier

den Auftrag bekommen, den Herrn Möbus zielge-

richtet und schnellstmöglich zu bekommen. In die-

sem Zusammenhang hat das die Fahndungsmaß-

nahmen nach den drei Rechten, kann man sagen,

für mindestens zehn Monate eingeschränkt, wenn

nicht sogar gestört.“2767

Allerdings, so Wunderlich weiter, wäre unter Umständen

auch in dem Fall, in dem die Suche nach dem Trio ein

originärer Zielfahndungsfall gewesen wäre, eine

Priorisierung möglich gewesen:

„Er wäre dann auch ein Zielfahndungsfall unter
vielen gewesen. Aber ich bitte um Verständnis:

Wenn wir ein Tötungsdelikt haben oder jemand als

Mörder rumsaust, wo eben weitere Straftaten be-

gangen werden können, dass da natürlich wir uns

zu dritt irgendwie auch - - Wir müssen uns arran-

gieren mit den Fällen. Das ist - - Wir sind perso-

nell im Prinzip sowieso - ohne den Fall mit den

drei Rechten - unterbesetzt gewesen, und die drei

Rechten haben wir zusätzlich auch noch mit bear-

beitet. Ich versuche, es mal so darzustellen.“2768
2764) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 4 f.

2765) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 47.

2766) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.

2767) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 5.

2768) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 47.

Drucksache 17/14600 – 320 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Beendigung der Tätigkeit der Zielfahn-
dungsabteilung im August 2001

Im August 2001 endete die Tätigkeit der Zielfahndungs-

abteilung im Rahmen der Suche nach dem Trio. In einem

Vermerk vom 22. August 2001 ist dargestellt, dass an

diesem Tage die Zielfahndungsunterlagen (insgesamt

sieben Aktenordner) an die EG „TEX“ übergeben wur-
den.

2769
In dem durch KHK Wunderlich erstellten

Übergabevermerk heißt es:

„Die Fahndung […] ist durch den Sachbereich
Zielfahndung personell und logistisch nicht zu rea-

lisieren, da hierfür ein Ermittlungsbereich für das

rechtsextreme Spektrum erforderlich ist.

Die bestehenden Haftbefehle rechtfertigen nicht

die Einleitung einer Zielfahndung. Zur Lokalisie-

rung und möglichen Festnahme ist eine vorausge-

hende Strukturermittlung notwendig.

Ergänzend sei bemerkt, dass in den Ermittlungen

der Zielfahndung festgestellt wurde, dass durch

das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz

parallel Ermittlungs- und Observationsmaßnahmen

durchgeführt wurden.“2770

Ab August 2001 war die EG „TEX“ alleine für die Suche
nach dem Trio zuständig.

3. Fahndungsmaßnahmen unmittelbar nach
dem Abtauchen des Trios im Frühjahr 1998

a) Weitere Durchsuchungen am 26. Januar
1998

Wie bereits dargestellt wurde
2771

, wurden im Anschluss

an die Durchsuchung der Garagen am 26. Januar 1998 auf

Anordnung von Staatsanwalt Sbick die Wohnungen von

Zschäpe, Mundlos und das Zimmer von Böhnhardt durch-

sucht. Neben der Suche nach weiteren Beweismitteln

dienten diese Durchsuchungsmaßnahmen auch dem Auf-

finden von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.

b) Absuche weiterer bekannter Anlaufstellen
des Trios

Am 30. und 31. Januar 1998 wurden durch die EG „TEX“
die dort bekannten Anschriften von Mitgliedern der

rechtsextremistischen Szene in Jena, Saalfeld und Rudol-

stadt aufgesucht und überprüft.
2772

Mit eingebunden wur-

den ebenfalls die Polizeidirektion in Coburg und die Poli-

zei in Hannover zur Überprüfung der Anschriften von

Tino Brandt und Holger Gerlach. Auch nach den PKWs
2769) Übergabevermerk vom 22. August 2001, MAT A TH-1/24, Bl.

85.

2770) Übergabevermerk vom 22. August 2001, MAT A TH-1/24, Bl.

85.

2771) Vgl. hierzu oben Abschnitt B. V. 5. e).

2772) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk von KHK Dressler

vom 3. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 77.

von Böhnhardt und Mundlos wurde Ausschau gehalten,

wobei ermittelt wurde, dass der PKW von Böhnhardt vor

dessen Wohnung abgestellt war.

c) Fernsehsendung Kripo Live am 22. Febru-
ar 1998

Bereits knapp vier Wochen nach dem Untertauchen des

Trios am 26. Januar 1998 wurden in der MDR-

Fernsehsendung Kripo Live am 22. Februar 1998 um

19.50 Uhr Fahndungsersuchen nach den drei flüchtigen

Personen ausgestrahlt.
2773

Die Sendung wurde mehrmals,

unter anderem auch im Sender Freies Berlin, wiederholt.

Im Anschluss hieran gingen zahlreiche Hinweise aus der

Bevölkerung bzgl. des Aufenthalts des Trios ein. In einem

Vermerk mit Stand 3. März 1998 werden insgesamt 28

Einzelhinweise aufgezählt.
2774

Keiner der Hinweise führte

zur Ergreifung des Trios.

Exemplarisch seien hier die folgenden Hinweise genannt:

aa) Hinweis auf Zimmer von Uwe Mundlos in
Ilmenau

Der erste Hinweis, der bereits 15 Minuten nach Ausstrah-

lung des Fahndungsaufrufs einging, betraf das Zimmer

von Uwe Mundlos in einem Wohnheim in Ilmenau. Ein

Anrufer teilte mit, dass Uwe Mundlos bereits seit einein-

halb Jahren ein Zimmer im Wohnheim des „Ilmenau
Colleg“ besitze, welches er auch besuche. Noch am sel-
ben Abend zwischen 23 Uhr und 23.50 Uhr erfolgte die

Durchsuchung dieses Zimmers durch die Beamten der

Zielfahndung Harzer, I. und Wunderlich.
2775

Auf die

Beamten wirkte das Zimmer so, als sei es fluchtartig

verlassen worden.

Im Internatszimmer waren mehrere unbekannte Anschrif-

ten aufgefunden worden. Die am 22. Februar 1998 in

diesem Zusammenhang durchgeführte Überprüfung einer

Person im Raum Kahla verlief ohne Ergebnis.
2776

bb) Hinweis auf D. F. aus Nürnberg

Am 23. Februar 1998 meldete sich eine Frau K. und teilte

mit, dass ihr Beate Zschäpe persönlich bekannt sei. Sie

wies darauf hin, dass Beate Zschäpe im Okto-

ber/November 1997 mit einem D. F.
2777

aus Nürnberg

befreundet gewesen sei und sich möglicherweise dort
2773) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des LKA Thüringen,

KHK Dressler, vom 3. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 241.

2774) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live und

Fahndungsmaßnahmen in Printmedien, Stand 3. März 1998,

MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff.

2775) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungsbericht von KHK

Harzer vom 23. Februar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 255.

2776) Vermerk von KOK Wunderlich vom 24. Februar 1998, MAT A
TH-1/3, Bl. 285.

2777) D. F. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs zu

diesem Abschnitt Stellung genommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 321 – Drucksache 17/14600

aufhalten könnte.
2778

Eine weitere Abklärung dieses Hin-

weises ist aus den Akten nicht zu entnehmen. Auch die

Schäfer-Kommission hat moniert, dass diesem Hinweis

nicht nachgegangen wurde.
2779

Im Rahmen der durch den Generalbundesanwalt nach

dem 4. November 2011 geführten Ermittlungen wurde D.

F. zu Kontakten zum Trio befragt.
2780

Er gab an, dass er

über drei bis fünf Wochen mit Beate Zschäpe eine Bezie-

hung geführt habe. Er habe sie im Winzererclub in Jena

kennengelernt, ebenso wie Böhnhardt und Mundlos. Nach

dem Abtauchen habe er keinen Kontakt mehr zu dem Trio

gehabt.

D. F. ist (über seine Schwester) mit Ralf Wohlleben ver-

schwägert
2781

und war von 1995 bis August 1998 in

Nürnberg wohnhaft.
2782

Vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007 war

D. F. Pächter eines Lokals in Oberweißbach, dem Ort, aus

dem auch Michèle Kiesewetter stammte.
2783

cc) Hinweis auf Besuche in der JVA Waldheim

Ebenfalls am 23. Februar 1998 meldete sich unter Bezug-

nahme auf die Kripo Live-Sendung der Leiter der Justiz-

vollzugsanstalt Waldheim/Sachsen und teilte unter Nen-

nung konkreter Besuchsdaten mit, dass ein Bediensteter

ihn darauf hingewiesen habe, dass Mundlos, Zschäpe und

Kay Norman S. im Jahr 1997 mehrmals Thorsten S. in der

Justizvollzugsanstalt besucht hatten.
2784

Hinweise auf Kontakte zu Thorsten S. während dessen

Haft in der JVA Waldheim waren auch bei der Durchsu-

chung der Garage aufgefunden worden.
2785

dd) Hinweis auf die Gaststätte Zum Höller in
Gera

Am 26. Februar 1998 gegen 14.48 Uhr meldete sich ano-

nym eine männliche Person und teilte mit, dass er die

gesuchten Personen, insbesondere Mundlos gemeinsam

mit weiteren Personen, darunter eine Frau, seit mehreren

Tagen in der Gaststätte Zum Höller in Gera gesehen ha-
2778) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live und

Fahndungsmaßnahmen in Printmedien, Stand 3. März 1998,

MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (245).

2779) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 112, Rn. 192.

2780) Vernehmungsprotokoll D. F., MAT A BY-14/1c, Bl. 363 ff.

(370 f.).

2781) Sachakten des Generalbundesanwalts, Erkenntnisse zu D. F.,

MAT A BY-14/1b, Bl. 40 ff. (47).

2782) Sachakten des Generalbundesanwalts, Erkenntnisse zu D. F.,
MAT A BY-14/1b, Bl. 40 ff. (44).

2783) Sachakten des Generalbundesanwalts, Erkenntnisse zu D. F.,

MAT A BY-14/1b, Bl. 40 ff. (45).

2784) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand

3. März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (245).

2785) Vgl. hierzu noch unten Abschnitt E. II. 6.

be.
2786

Eine Überprüfung dieses Hinweises ist nicht ak-

tenkundig.

ee) Hinweis auf die Nutzung des PKW von Ralf
Wohlleben durch das Trio

In den Akten ist zudem ein auf den 4. April 1998 datier-

tes, mit der Ortsangabe Jena versehenes Faxschreiben

enthalten, welche in der Faxleiste die Datumsangabe

03/05/98 enthält. Das Schreiben als solches ist nicht un-

terzeichnet und an Herrn Dreßler, Soko „REX“, gerichtet.
In dem Schreiben wird Folgendes mitgeteilt:

„Sehr geehrter Herr Dreßler,

nach dem Hinweis vom 22.2. im Anschluss an die

Sendung Kripo Live (die Zeugin der Hausdurchsu-

chung von 26.1.98 in der Leipziger-Str. in Jena

und gleichzeitige Kontaktperson der ‚Bombenbast-
ler‘ betreffend), möchten wir Ihnen heute mittei-
len, dass Herr Ralf Wohlleben und seine Freundin

in engem Kontakt mit den ‚sogenannten Bomben-
bastlern‘ stehen. Insbesondere wurde der PKW
von Herrn Wohlleben (ein weißer Peugeot 205 XS)

mit großer Wahrscheinlichkeit bis vor wenigen

Tagen von den oben erwähnten Personen genutzt.

Seit ungefähr zwei Tagen steht das Fahrzeug ohne

Kennzeichen wieder hinter dem Haus Prüssing-Str.

11/Jena-Göschwitz, in dem Herr Wohlleben mit

seiner Freundin lebt.“2787

Handschriftlich ist auf dem Schreiben Folgendes hinzuge-

fügt:

„Fax d. Herrn Mundlos, meldet sich am 5.3.98,
9.20 nochmals telef. und wiederholte die o. g. An-

gabe. Info an die Zielfahndung (Paraphe) Herrn

Deterding 5.3.98 / 11.00

R – AL 3 wegen MEK, nicht 14 T. nicht möglich,
Info DL 61 (Paraphe)“

Weitere Maßnahmen in Bezug auf den PKW erfolgten

nicht, allerdings wurden die Eltern von Uwe Mundlos am

6. März 1998 durch Mitarbeiter der Zielfahndungsabtei-

lung aufgesucht, wobei auch Angaben zum PKW gemacht

wurden.
2788

Am Abend des 22. Februar 1998 hatte sich

der Vater von Uwe Mundlos im Anschluss an die Aus-

strahlung der Kripo Live-Sendung zweimal telefonisch bei

der Polizei gemeldet.
2789

Hierbei hatte er sich über die

bisherigen Maßnahmen der Polizei beschwert und ange-

kündigt, in der Folgewoche in anwaltlicher Begleitung bei

der Polizei zu erscheinen. Zudem erkundigte er sich nach

der Telefonnummer des Präsidenten des LKA.
2786) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand

3. März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (247).

2787) Hierzu und im Folgenden: Fax-Anschreiben, datiert auf den

4. April 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 297.

2788) Siehe hierzu unten unter E. II. 7. a) und b).

2789) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand 3.

März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (243 f.).

Drucksache 17/14600 – 322 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ff) Kurzobservationen aufgrund von Hinwei-
sen aus der Bevölkerung

Am 26. Februar 1998 fand zwischen 9.30 Uhr und 11.30

Uhr eine Observation im Bereich Johannesstra-

ße/Johannestor/Wagnergasse im Bereich eines dort be-

findlichen Verkaufsladens statt.
2790

Bereits am

25. Februar 1998 war zwischen 15 und 16 Uhr aufgrund

eines Hinweises einer Bürgerin eine Observationsmaß-

nahme im Bereich des Cafés Junkersand erfolgt. Beide

Maßnahmen wurden durch die Zielfahndungsabteilung

des LKA Thüringen durchgeführt.

Am 7. März 1998 erfolgte aus einer Telefonzelle in Jena-

Lobeda ein anonymer Hinweis darauf, dass sich Mundlos

und Böhnhardt auf einem Konzert im Kulturhaus Zum

Bären in Jena-Lobeda aufhalten sollen.
2791

Eine durch die

EG „TEX“ im LKA sofort durchgeführte Überprüfung
und kurze Observation verliefen ergebnislos.

d) Aufsuchen von Familienangehörigen

aa) 22. Februar 1998 – Großmutter von Beate
Zschäpe

Am 22. Februar 1998 wurde in Jena die Großmutter von

Beate Zschäpe, Frau A., durch Beamte der Zielfahndung

aufgesucht. Diese gab, ebenso wie die zufällig in der

Wohnung anwesende Mutter von Beate Zschäpe, an,

Beate Zschäpe seit dem 26. Januar 1998 nicht mehr gese-

hen zu haben.
2792

bb) 26. Februar 1998 – Mutter von Uwe
Böhnhardt

Am 26. Februar 1998 wurde die Mutter von Uwe

Böhnhardt durch die Beamten I. und Wunderlich von der

Zielfahndungsabteilung aufgesucht und zum Aufenthalt

ihres Sohnes befragt. Sie gab ebenfalls an, ihren Sohn seit

dem 26. Januar 1998 nicht mehr gesehen zu haben und

keine Angaben zum Aufenthaltsort machen zu können.

cc) 18. März 1998 – Großmutter von Beate
Zschäpe

aaa) Vermerk vom 19. März 1998 über das Tref-
fen

Am 18. März 1998 wurde durch die Beamten Wunderlich

und D. (Zielfahndung der EG „TEX“) erneut die Groß-
mutter von Beate Zschäpe in Jena aufgesucht, die jedoch

in ihrer Wohnung nicht angetroffen werden konnte.
2793
2790) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK Schirmacher vom

27. Februar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 288.

2791) Hierzu und im Folgenden: Vermerk der EG „TEX“ vom
8. März 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 303.

2792) Vermerk von KOK Wunderlich vom 24. Februar 1998, MAT A

TH-1/4, Bl. 285.

2793) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 315 f.

Eine Nachbarin, Frau H., erklärte, dass sie die Großmutter

von Beate Zschäpe sehr gut kenne und dass die Großmut-

ter den Aufenthaltsort von Beate Zschäpe nicht kenne. In

dem Vermerk heißt es weiter:

„Weiterhin sagte sie, dass das Verhältnis zwischen
Zschäpe, Beate und ihrem Cousin, dem [A.], Ste-

fan, […] ein sehr inniges war und wenn jemand
etwas wüsste, dann er, wobei sie nicht glaubt, dass

er den Aufenthaltsort kennt.

[…]

Auf eine Befragung […] des [A.], Stefan wurde
derzeit aufgrund entsprechender Umstände ver-

zichtet.“2794

bbb) Bitte des LfV Thüringen, nicht an Stefan A.
heranzutreten

In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss

hat der Beamte der Zielfahndung, Wunderlich, berichtet,

dass man auf eine Befragung des Stefan A. trotz dieses

Hinweises bewusst verzichtet habe. Hintergrund sei eine

generelle Bitte des LfV Thüringen gewesen, nicht an

Rechtsradikale heranzutreten, um in der Szene keine

Unruhe zu stiften. Wunderlich hat hierzu bekundet:

„Andererseits möchte ich aber noch mal auf den
Hinweis verweisen, dass das LfV Thüringen uns

gebeten hat, im rechtsradikalen Milieu nicht Unru-

he zu machen. Sie hätten das wohl im Griff. […]
Ich hatte keine Erfahrungswerte mit der Zusam-

menarbeit eines Landesamtes für Verfassungs-

schutz - egal, welches Bundeslandes - oder über-

haupt mit Nachrichtendiensten. Wenn der Ein-

druck erweckt wird - ich will es mal ganz vorsich-

tig sagen -, dass man gemeinsam an einem Strang

zieht, um die drei Rechten zeitnah zu bekommen,

und man eine sogenannte Aufgabenteilung be-

spricht: ‚Also die normalen, personenbezogenen
behördlichen Fahndungsmaßnahmen oder auch

operativen Maßnahmen durch uns, aber in dem

rechtsradikalen Spektrum - da sind wir gut dabei -

lasst uns das mal machen, bringt da keine Unruhe

rein’, dann habe ich mich an diese Absprache ge-
halten.“

Zu einem möglichen Ansprechen des Stefan A. hat der

Zeuge Wunderlich bekundet:

„Die Maßnahmen haben wir abgestimmt, und wie
ich Ihnen vorhin schon sagte, wurden wir gebeten,

das Ansprechen nicht unbedingt zu machen.“2795

Auf die Frage, ob diese Bitte in Bezug auf Stefan A. ge-

äußert worden sei, hat Wunderlich bekundet:

„Ja, soweit ich mich erinnere, ist das so gewesen,
insgesamt, was Rechtsradikale betraf.“2796
2794) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 315 f.

(316).

2795) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 35.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 323 – Drucksache 17/14600

e) Telefonüberwachungsmaßnahmen

In den Akten ist eine Übersicht über die im Jahr 1998

durchgeführten Telefonüberwachungsmaßnahmen bei der

Suche nach dem Trio enthalten.
2797

Bereits ab dem 4. Februar 1998 (bis 28. Februar 1998)

kam es zu Telefonüberwachungsmaßnahmen bei den

Eltern von Uwe Böhnhardt.
2798

Hintergrund waren die

Geburtstage des Vaters von Uwe Böhnhardt am

14. Februar 1998 und der Mutter am 17. Februar 1998.
2799

Das Mobiltelefon von Uwe Böhnhardt wurde ab dem

18. Februar 1998 (bis zum 17. März 1998) überwacht.
2800

Die Überwachung des Festnetzanschlusses von Ralf

Wohlleben begann am 5. März 1998 und dauerte bis zum

25. Juli 1998 an.
2801

Der Festnetzanschluss von Jürgen H.

wurde ab dem 10. März 1998 bis zum 9. August 1998

überwacht.
2802

Ab Mai 1998 begannen weitere Telefon-

überwachungsmaßnahmen.
2803

Die Anregungen für die Überwachung der Telefonan-

schlüsse erfolgte in den Fällen der Eltern Böhnhardt und

des Ralf Wohlleben durch die EG „TEX“.2804 Die Über-
wachung des Mobiltelefons von Böhnhardt erfolgte auf-

grund von aus der Auswertung von Bankunterlagen er-

langten Erkenntnissen, die durch die im Februar 1998 im

LKA Thüringen tätige BKA-Beamtin Beischer-Sacher

erfolgt war. Beischer-Sacher hatte in einem Vermerk auf

die Existenz des Mobilfunkanschlusses hingewiesen.
2805

Der Anschluss von Jürgen H. wiederum wurde auf Anre-

gung der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen

überwacht.
2806

Hintergrund der Anregung der Überwachungsmaßnahme

bei Jürgen H. war, dass sich aus der am 5. März 1998

gestarteten Abhörmaßnahme bei Ralf Wohlleben Hinwei-
2796) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 35.

2797) Übersicht über die Maßnahmen der Telefonüberwachung, MAT

A TH-1/4, Bl. 4 f.

2798) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Festnetzanschluss

von J. und B. Böhnhardt (Deutsche Telekom AG), MAT A TH-

1/4, Bl. 9 ff.

2799) Vermerk bzgl. Anregung der Telefonüberwachung bei den

Eltern von Uwe Böhnhardt vom 3. Februar 1998, MAT A TH-

1/4, Bl. 11.

2800) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Mobilfunkan-

schluss von Uwe Böhnhardt (Mannesmann Mobilfunk GmbH),

MAT A TH-1/4, Bl. 75 ff.

2801) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Festnetzanschluss

von Ralf Wohlleben, MAT A TH-1/4, Bl. 93 ff.

2802) Unterlagen zur Telefonüberwachung für den Festnetzanschluss

von Jürgen H., MAT A TH-1/4, Bl. 121 ff.

2803) Siehe hierzu unten im Abschnitt E. II. 9. a).

2804) Anregung zur Beantragung einer TÜ-Maßnahme (bzgl. der
Eltern von Uwe Böhnhardt) vom 3. Februar 1998, MAT ATH

1-4/, Bl. 11 ff.; Anregung zur Beantragung einer TÜ-

Maßnahme (bzgl. Ralf Wohlleben) vom 3. März 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 95 f.

2805) Anregung zur Beantragung eine TÜ-Beschlusses (bzgl. des

Mobiltelefons von Uwe Böhnhardt) vom 18. Februar 1998,
MAT A TH-1/4, Bl. 78 f.

2806) Antrag zur Telekommunikationsüberwachung (bzgl. Jürgen

H.), MAT A TH-1/4, Bl. 123.

se darauf ergeben hätten, dass das untergetauchte Trio

über den Anschluss von Jürgen H. Kontakt zu Ralf Wohl-

leben aufnehme. In dem hierzu verfassten Vermerk heißt

es:

„Durch die bereits bestehende Telefonüberwa-
chung bei Wohlleben, Ralf, […] wurden am 06.03.,
07.03. und 08.03. drei Anrufe registriert. Es be-

steht der Verdacht, daß unsere Zielpersonen von

diesem Anschluß Kontakt zu Wohlleben aufge-

nommen haben.“2807

Der Inhalt dieser drei Anrufe ist nicht aktenkundig.

Konkrete Hinweise auf den Aufenthaltsort ergaben sich

aus den hier aufgeführten Telefonüberwachungsmaßnah-

men bis Ende März 1998 nicht.

Telefonüberwachungsmaßnahmen bei weiteren Kontakt-

personen des Trios, insbesondere bei den Eltern von Uwe

Mundlos, bei Angehörigen von Beate Zschäpe (hier wäre

möglicherweise der Cousin Stefan A. in Frage gekommen)

oder bei anderen Personen, die der EG „TEX“ als mögli-
che Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ bekannt
geworden waren, erfolgten in dieser Phase nicht.

Die Umsetzung und Auswertung der Telefonüberwa-

chungsmaßnahmen oblag der Zielfahndungsabteilung des

LKA Thüringen.

Auf entsprechende Weisung der Staatsanwaltschaft Gera

(Staatsanwalt Schultz) sollte die Löschung der Abhörbän-

der selbständig durch die Zielfahndungsabteilung des

LKA Thüringen erfolgen.
2808

f) Hinweis darauf, dass sich Personen in der
Wohnung von Beate Zschäpe aufhalten

aa) Hinweis vom 9. März 1998

Aus einem Vermerk der EG „TEX“, KHK Dressler, vom
9. März 1998 geht hervor, dass sich der Hausmeister des

Hauses, in dem sich die Wohnung von Beate Zschäpe

befand, bei der Polizei Jena gemeldet und mitgeteilt habe,

dass am vorangegangenen Wochenende eine Fahne auf

dem Balkon aufgestellt worden sei und dass entsprechen-

de Prüfungshandlungen „durch Zielfahndung im ZW mit
EG ‚TEX‘ realisiert“ würden.2809 Eine nochmalige Nach-
frage der Polizei Jena ergab, dass es auch möglich sei,

dass sich die Fahne bereits zuvor dort befunden habe,

jedoch durch starken Wind unter dem Balkonboden her-

vor geweht sei.
2810

Aus einem von KK Fahner (EG

„TEX“) gezeichneten Vermerk vom 10. März 1998 geht
2807) Antrag zur Telekommunikationsüberwachung bzgl. Jürgen H.

vom 9. März 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 123.

2808) Vermerk von KK Fahner vom 11. März 1998, MAT A TH-1/4,
Bl. 90, Auflistung von Maßnahmen der Telefonüberwachung

vom 2. Dezember 1998 (KK S.), MAT A TH-1/4, Bl. 6 ff.

2809) Vermerk vom 9. März 1998 (KHK Dressler), MAT A TH-1/3,
Bl. 306.

2810) Vermerk vom 9. März 1998 (PM’in D.), MAT A TH-1/3, Bl.
307.

Drucksache 17/14600 – 324 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hervor, dass „im Rahmen einer Fahndungsüberprüfung“
vor Ort nachgesehen wurde und dass in der Wohnung von

Beate Zschäpe eine schwarz-weiß-rote Fahne festgestellt

wurde, die unterhalb der Balkonbrüstung heraushing.

Anlässlich dieses Vorgangs seien keine Anzeichen festge-

stellt worden, dass die Wohnung von der Beschuldigten

oder anderen Personen betreten worden sei.
2811

Durch

Öffnung des Schlosses an der Wohnungstür sei überprüft

worden, ob es sich noch um das Schloss handelte, wel-

ches nach den Durchsuchungsmaßnahmen am 26. Januar

1998 auf Veranlassung der Polizei eingebaut wurde.

bb) Hinweis vom 15. März 1998

Aus einem Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion

Jena, datierend vom 15. März 1998, ergibt sich, dass sich

am 15. März 1998 gegen 23 Uhr eine Nachbarin, Frau P.,

der Wohnung von Beate Zschäpe bei der örtlichen Polizei

meldete und mitteilte, dass sie seit ca. zwei Tagen Geräu-

sche aus der Wohnung von Beate Zschäpe gehört habe,

aktuell Musik und Schritte, und zudem das Flimmern des

Fernsehers von ihrem Balkon aus gesehen habe.
2812

Ein

weiterer Nachbar bestätigte, dass auch er am Abend Ge-

räusche aus der Wohnung von Beate Zschäpe wahrge-

nommen habe.

Darauf erfolgte eine Überprüfung der Wohnung durch die

Kriminalpolizei Jena, nachdem die Feuerwehr zum Öff-

nen der Wohnungstür hinzugezogen worden war. In der

Wohnung wurde niemand angetroffen, jedoch wurde

festgestellt, dass sich im nicht in Betrieb befindlichen

Kühlschrank frische und unverdorbene Lebensmittel

befanden; eine geöffnete Packung Toastbrot war weich

und frisch. Zudem war der Briefkasten geleert worden.

Durch die Feuerwehr Jena wurde daraufhin der Schließ-

zylinder ausgetauscht. Die Schlüssel wurden dem Krimi-

naldauerdienst Jena übergeben. Eine Observation der

Wohnung erfolgte nicht.

Eine wie auch immer geartete Beteiligung von Beamten

der EG „TEX“ oder der Zielfahndungsabteilung an die-
sem Vorgang ist nicht ersichtlich.

Der Zeuge Wunderlich gab an, dieser Hinweis sei „mit
Sicherheit überprüft worden“, er könne jedoch aufgrund
des Zeitablaufs hierzu keine genaueren Angaben mehr

machen.“2813

Es ist nicht aktenkundig, dass das an diesem Tag durch

die Feuerwehr Jena ausgebaute Schloss der Wohnungstür

im Hinblick darauf überprüft wurde, ob es sich um das-

selbe Schloss handelte, welches anlässlich der Durchsu-

chungsmaßnahme am 26. Januar 1998 eingebaut worden

war und welches sich am 10. März 1998, also fünf Tage
2811) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 10. März 1998 (KK

Fahner), MAT A TH-1/3, Bl. 308.

2812) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk der Kriminalpolizei-

inspektion Jena vom 15. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 311 f.

2813) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 61.

vor dem hier beschriebenen Vorfall, noch in der Woh-

nungstür befand.

g) Sonstige Fahndungsmaßnahmen in dieser
Phase

aa) Fahndungsausschreibungen

Am 28. Januar 1998 um 18.11 Uhr wurde über Fern-

schreiben allen Landeskriminalämtern sowie dem BKA

das Fahndungsersuchen und die Bitte um Verhaftung des

Trios nebst einer kurzen Schilderung des Sachverhalts

mitgeteilt.
2814

Am 29. Januar 1998 erfolgte die Fahndungsausschreibung

in den polizeilichen Fahndungssystemen, dem SIS

(Schengener Informationssystem) und im INPOL (Infor-

mationssystem der deutschen Landespolizeien).
2815

Unter Hinweis auf eine mögliche Nutzung durch das

gesuchte Trio wurde der auf Mundlos zugelassene PKW

Ford am 30. Januar 1998 ebenfalls zur Fahndung ausge-

schrieben.
2816

Erst am 7. August 1998 erfolgte durch die Staatsanwalt-

schaft Gera das Ersuchen um internationale Fahndung zur

Festnahme zwecks Auslieferung an das Bundeskriminal-

amt.
2817

In den Formularen war durch Setzen eines Kreu-

zes in den entsprechenden Kästchen darauf hingewiesen

worden, dass die Gesuchten gewalttätig und bewaffnet

seien.

In den Akten ist darüber hinaus ein Schreiben vom

14. September 1998 enthalten, in dem die Staatsanwalt-

schaft Gera das LKA Thüringen darum bittet, die Fahn-

dung auf sämtliche Staaten der Welt auszuweiten.
2818

Die

Ersuchen vom 7. August 1998 enthalten keine Beschrän-

kungen, sondern erstrecken sich ebenfalls auf alle Länder,

weshalb das Schreiben vom 14. September 1998, was an

das LKA Thüringen, nicht aber an das BKA gerichtet ist,

keine Erweiterung bzgl. des Ersuchens vom

7. August 1998 an das BKA darstellt.

bb) Passsperre

Am 2. Februar 1998 wurde durch KHK Dressler von der

EG „TEX“ veranlasst, dass beim Einwohnermeldeamt
2814) Fernschreiben des LKA Thüringen vom 28. Januar 1998, MAT

A TH-1/2, Bl. 261.

2815) Anträge auf Ausschreibungen im INPOL und im SIS vom

29. Januar 1998 nebst Begleitpapieren, MAT A TH-1/3, Bl. 147

ff. (Böhnhardt), MAT A TH-1/3, Bl. 156 ff. (Mundlos) und
MAT A TH-1/3, Bl. 163 ff. (Zschäpe).

2816) Antrag auf Ausschreibung eines PKW zur Sachfahndung vom

30. Januar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 170 f.

2817) Ersuchen der Staatsanwaltschaft Gera um internationale Fahn-

dung zur Festnahme zwecks Auslieferung vom 7. August 1998,

MAT A TH-1/3, Bl. 192 ff. (Zschäpe), Bl. 196 ff. (Böhnhardt).
Bl. 202 ff. (Mundlos).

2818) Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera vom 14. September

1998, MAT A TH-1/3, Bl. 191.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 325 – Drucksache 17/14600

Jena ein Sperrvermerk für die Ausgabe von Reisepässen

an Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eingetragen wird.
2819

Mit einem weiteren Schreiben vom 1. Oktober 1998 wur-

de die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme bestätigt und

darum gebeten die Polizei zu benachrichtigen, sollte eine

der drei Personen beim Einwohnermeldeamt erschei-

nen.
2820

cc) Bankauskünfte

Am 17. Februar 1998 traten die in dieser Zeit bei der EG

„TEX“ tätigen BKA-Beamten KHK Brümmendorf und
KHK’in Beischer-Sacher an die Sparkasse Jena heran, um
die dort geführten Girokonten der drei Gesuchten zu

überprüfen.
2821

Die Überprüfung ergab als einzige Auffäl-

ligkeit, dass am 11. Februar 1998 um 16.46 Uhr vom

Girokonto des Böhnhardt ein Betrag von 1 800 DM abge-

hoben worden war.
2822

Diese Abhebung war, so wurde

ermittelt, von einem Geldautomaten in der

Wanderslebener Straße in Jena aus erfolgt. Die Auswer-

tung des Überwachungsvideos verlief ergebnislos.
2823

In der Folgezeit wurden die Umsätze der Konten von

Böhnhardt, Mundlos und Kapke seitens der Sparkasse

Jena regelmäßig an die EG „TEX“ mitgeteilt, zuletzt im
Oktober 1999.

2824
Bzgl. des Kontos von Mundlos wurden Auskünfte bei der

Deutschen Bank eingeholt, die entsprechenden Unterlagen

wurden seitens der Bank mit Schreiben vom

27. Februar 1998 übersandt.
2825

Hieraus ergaben sich

keine Anhaltspunkte bzgl. des Aufenthaltsortes.

dd) Hinweis auf die Beerdigung des Großva-
ters von Uwe Böhnhardt

Am 31. März 1998 erschien in der Thüringer Landeszei-

tung eine Todesanzeige, in der das Ableben eines Otto

Böhnhardt und der Zeitpunkt der Beerdigung bekannt

gegeben wurden.
2826

Ermittlungen ergaben, dass es sich

hierbei um den Großvater von Uwe Böhnhardt handel-

te.
2827

Daraufhin erfolgte eine polizeiliche Überwachung
2819) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 2. Februar 1998, MAT

A TH-1/3, Bl. 71.

2820) Schreiben des LKA Thüringen an das Einwohner- und Melde-

amt der Stadt Jena vom 1. Oktober 1998, MAT A TH-1/3, Bl.
74.

2821) Vermerk von KHK Brümmendorf vom 17. Februar 1998, MAT

A TH-1/3, Bl. 470 f.

2822) Hardcopy bzgl. der Kontoumsätze vom 16. Februar 1998, MAT

A TH-1/3, Bl. 482.

2823) Vermerk von KHK Dressler vom 26. Februar 1998, MAT A
TH-1/3, Bl. 698.

2824) Mitteilungen der Sparkasse Jena, MAT A TH-1/3, Bl. 533 ff.,

688 ff.

2825) Schreiben der Deutschen Bank vom 27. Februar 1998, MAT A

TH-1/3, Bl. 710 f.

2826) Anzeige aus der Thüringer Landeszeitung vom 31. März 1998,
MAT A TH-1/3, Bl. 321.

2827) Telefax der Polizeidirektion Jena an die EG „TEX“ vom
3. April 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 320.

der Trauerfeier. Durch zwei Beamte der Zielfahndung

wurde mitgeteilt, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

an der Beerdigung nicht teilgenommen hatten und nicht

im Umfeld gesehen wurden.
2828

ee) Fahndungsmaßnahmen unter Einbezie-
hung der Krankenversicherungen

Im Mai 1998 wurde durch die EG „TEX“ versucht, bzgl.
Beate Zschäpe über die AOK Jena sowie bzgl. Uwe

Mundlos über die Barmer Ersatzkasse mögliche Arztbe-

suche zu recherchieren. Aufgrund des Abrechnungsmodus

der gesetzlichen Krankenkassen, der arztbezogen und

nicht patientenbezogen abläuft, war eine Erlangung von

Erkenntnissen nicht möglich. Bzgl. Uwe Böhnhardt er-

folgte keine entsprechende Recherche, da dieser nach dem

Ergebnis durchgeführter Ermittlungen nach dem

31. März 1998 nicht mehr krankenversichert war.
2829

ff) Hinweise auf einen Aufenthalt des Trios im
Raum Köln im März und im Mai 1998

Am 18. März 1998 ging beim LKA Thüringen eine E-

Mail eines Hinweisgebers aus Köln ein, der angab, er sei

sich „fast sicher“, dass er Beate Zschäpe in Begleitung
von Uwe Böhnhardt am 21. Februar 1998 gegen

18.30 Uhr am Messegelände in Köln gesehen habe, wobei

sich Zschäpe über die durch den Hinweisgeber durchge-

führte Aufstellung von Halteverbotsschildern „aufgeregt“
habe.

2830
Am 11. Mai 1998 meldete sich telefonisch eine Hinweis-

geberin beim LKA Thüringen und teilte mit, dass sie am

selben Tage gegen 8.30 Uhr auf dem Weg zur Arbeit aus

einem neben ihr haltenden Fahrzeug heraus nach ihrer

Mobilfunknummer gefragt worden sei. Die Hinweisgebe-

rin gab an, dass es sich bei dem Beifahrer um Uwe

Böhnhardt gehandelt habe. Bei dem Fahrer könnte es sich

um Uwe Mundlos gehandelt haben.
2831

In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, dass die Zielfahn-

dung des LKA Thüringen oder die EG „TEX“ diese Hin-
weise weiter abgeklärt hätten.

gg) Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeits-
fahndung

Neben den Fahndungshinweisen in der Fernsehsendung

Kripo Live wurde auch mit klassischen Mitteln der Öf-

fentlichkeitsfahndung nach dem Trio gesucht. Aus der

Öffentlichkeit gingen zahlreiche Hinweise auf den Auf-
2828) Vermerk der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen vom

3. April 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 319.

2829) Aktenvermerk von KHK Dressler vom 19. Mai 1998, MAT A

TH-1/3, Bl. 772.

2830) E-Mail vom 18. Mai 1998 an das LKA Thüringen, MAT A TH-
1/3, Bl. 314.

2831) Vermerk über eine Hinweisentgegennahme vom 11. Mai 1998,

MAT A TH-1/3, Bl. 332.

Drucksache 17/14600 – 326 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

enthalt des Trios ein - letztlich ergab sich jedoch keine

„heiße Spur“.

Am 20. Februar 1998 wurden die Fahndungshinweise auf

der Homepage des LKA Thüringen veröffentlicht.
2832

Am 16. April 1998 wurde der Fahndungsaufruf in Ausga-

be Nr. 73/98 des Bundeskriminalblatts veröffentlicht.
2833

Auf der Homepage des BKA wurde er im November

1998 veröffentlicht.
2834

In dem Aufruf wird darauf hinge-

wiesen, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt unter

Umständen im Besitz von Schusswaffen sind.
2835

In der Thüringer Landeszeitung wurde das Fahndungser-

suchen ebenfalls mehrfach veröffentlicht.
2836

Darüber

hinaus berichteten auch andere Zeitungen über die „Bom-
benbauer von Jena“.

Zur Erhöhung des Fahndungsdrucks wurde durch den

Leitenden Oberstaatsanwalt in Gera am 28. Mai 1998 für

Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, eine Be-

lohnung in Höhe von 3 000 DM ausgesetzt.
2837

4. Einsatz von Beamten des Bundeskriminal-
amts bei der EG „TEX“ im Februar 1998

a) Umfang der Tätigkeit

Im Februar 1998 waren insgesamt drei Beamte des Bun-

deskriminalamtes innerhalb des LKA Thüringen tätig. In

der achten Kalenderwoche (16. bis 20. Februar 1998)

waren KHK Brümmendorf und KHK’in Beischer-Sacher
in Thüringen tätig,

2838
in der neunten Kalenderwoche (23.

bis 27. Februar 1998) war neben KHK Brümmendorf

noch KK z. A. P. in Thüringen.
2839

Zu den Hintergründen

der Tätigkeit hat der Zeuge Brümmendorf ausgeführt:

„Es wurde ja auch durch den Kriminalpolizeili-
chen Meldedienst bekannt, dass Durchsuchungs-

maßnahmen stattgefunden hatten Ende Januar,

nachdem ja die Kofferbombe festgestellt worden

ist, die ja auch durch den Kriminalpolizeilichen

Meldedienst mitgeteilt wurde, und es war seiner-

zeit durchaus geübte Praxis der Gruppe 2, ST 2,

sich mit den Bundesländern in Verbindung zu set-

zen, bei solchen durchaus relevanten Straftaten
2832) Ausdruck von der Homepage des LKA Thüringen vom

22. Februar 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 227 ff.

2833) Bundeskriminalblatt Ausgabe 73/98 vom 16. April 1998, MAT

A TH-1/3, Bl. 233.

2834) Telefax des BKA vom 24. November 1998, MAT A TH-1/19,

Bl. 27f.

2835) Textentwurf des BKA vom 24. November 1998, MAT A TH-

1/19, Bl. 28.

2836) Zeitungsberichte aus der Thüringer Landeszeitung, MAT A
TH-1/17, Bl. 93, 100.

2837) Verfügung der Staatsanwaltschaft Gera, gezeichnet und gebil-

ligt durch den Leitenden Oberstaatsanwalt, vom 28. Mai 1998,
MAT A TH-1/4, Bl. 183 f.

2838) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 95 f.

2839) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 65.

auch Unterstützung anzubieten, um einerseits na-

türlich personelle Mängel auszugleichen, die bei

den Landeskriminalämtern das eine oder andere

Mal vorlagen, aber auch dazu, Informationen für

das eigene Haus natürlich, für die Zentralstellen-

funktion, die das Bundeskriminalamt hat, ja wahr-

nehmen zu können, und zum Dritten auch - in dem

Fall war es dann auch so -, um für den General-

bundesanwalt oder im Hinblick auf die Einschal-

tung des Generalbundesanwaltes im Sinne des

129a als Organisationsdelikt Informationen zu

sammeln und weiterzutransportieren.“2840

Auch die Zeugen Zierke und Maurer haben in ihren Ver-

nehmungen bestätigt, dass BKA-Beamte in dem genann-

ten Zeitraum in Thüringen tätig waren.
2841

b) Situation bei der Ankunft der BKA-
Beamten in Thüringen/Ablauf der Zusam-
menarbeit/Kein Kontakt zur Zielfahn-
dungsabteilung

Der Zeuge Brümmendorf hat beschrieben, wie sich die

Situation innerhalb der EG „TEX“ bei der Ankunft der
BKA-Beamten darstellte:

„Die Kollegen des LKA waren sehr intensiv mit
der Bearbeitung vorwiegend der kriminaltechni-

schen Untersuchung beschäftigt. Das war mein

Eindruck. Die hatten sehr viele Untersuchungsan-

regungen an Spezialdienststellen zu schreiben. Der

Ermittlungsführer war selbst mit den Schreibtätig-

keiten beschäftigt. Die beiden anderen Kollegen,

also die Kollegin und der Kollege, hatten auch um-

fangreiche Tätigkeiten in diesem Bereich zu tun.

Zeugenvernehmungen standen seinerzeit nicht an.

Wir sind freundlich und sehr willkommen gehei-

ßen worden, zumindest von dem Herrn - - von die-

sem Untersuchungsteam, das meines Erachtens

personell zu schwach war eigentlich für diese Auf-

gabenstellung, und sind, nachdem wir unsere Plät-

ze dann uns gesucht hatten in diesen drei Büros,

die ich in Erinnerung habe, zunächst mal einge-

führt worden durch einen kurzen Vortrag des Ver-

fahrensführers, haben uns dann die Akten ge-

schnappt - so muss man sagen - und haben uns zu-

nächst mal in die Akten vertieft, Aktenstudium be-

trieben.“2842

Die Arbeitsbelastung der Beamten der EG „TEX“ sei, so
Brümmendorf weiter, sehr hoch gewesen. Zeit für Bespre-

chungen sei nicht geblieben:

„Also, aus meiner damaligen Erinnerung heraus
kann ich sagen, dass alle drei Kollegen engagiert,

aber auch immer zeitlich sehr lange - also bis in

die Abendstunden hinein, auch am Wochenende -
2840) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 65.

2841) Zierke, Protokoll-Nr. 21, S. 3.; Maurer, Protokoll Nr. 36, S. 26.

2842) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 327 – Drucksache 17/14600

gearbeitet haben und sich für uns dann im Grunde

genommen auch wenig Zeit nehmen konnten. Wir

haben unsere Aufgaben - das heißt also auch die

Kontoermittlungen - dann selbstständig durchge-

führt, haben in die Asservate reingeguckt, haben

die Aktenordner ausgewertet. Jeder hat seinen

Aufgabenbereich abgearbeitet. Es waren keine

großen zeitlichen Möglichkeiten nach meiner Er-

innerung für die drei, die eingesetzten Personen,

sich mit uns näher zu unterhalten.“2843

Ein Kontakt zur Zielfahndungsabteilung habe laut

Brümmendorf nicht bestanden:

„Also, es gab keine Gesprächsrunden, insbesonde-
re mit der Zielfahndung; die waren auch räumlich

getrennt. Ich habe also in der ganzen Zeit nie einen

Besuch dort im Thüringer - - also in den Ge-

schäftsräumen, Büroräumen festgestellt.“2844

Auch die Beamtin Beischer-Sacher hat einen Kontakt zur

Zielfahndungsabteilung verneint.
2845

c) Sammlung von Informationen im Rahmen
der Zentralstellenfunktion des BKA

Auf der Grundlage der nach der Garagendurchsuchung

von der EG „TEX“ übermittelten Informationen wurde im
BKA am 16. Februar 1998 ein erster Vermerk an den

Generalbundesanwalt erstellt, in dem der bis dahin be-

kannte Sachverhalt zwecks Prüfung eines Anfangsver-

dachts einer Straftat nach §§ 129 bzw. 129a StGB zu-

sammengefasst wurde.
2846

Daran anschließend enthält der durch die BKA-Beamten

Brümmendorf und Beischer-Sacher verfasste Vermerk für

den Generalbundesanwalt vom 17. Februar 1998 eine

Darstellung der von den Beamten vor Ort gesammelten

Informationen. Die beim BKA geführten Akten lassen

jedoch nicht erkennen, dass im Februar 1998 eine Aus-

wertung bzw. eine weitere inhaltliche Prüfung in dieser

Hinsicht vorgenommen worden wäre. Der Vermerk vom

17. Februar 1998 ist in den Akten des BKA nicht enthal-

ten.
2847

Es ist lediglich eine Weiterleitung an den Gene-

ralbundesanwalt erkennbar, wo sich der Vermerk in den

Akten des Prüfvorgangs 3 APR 32/98-2 befand.
2848
2843) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 85.

2844) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 85.

2845) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 100.

2846) MAT A GBA-2, Bl. 14-16.

2847) Geprüft wurden hier die Akten MAT A BKA-2/1 (Personener-
kenntnisse Böhnhardt), MAT A BKA-2/5 (Personenerkenntnis-

se Mundlos) und MAT A BKA-2/12 (Personenerkenntnisse

Zschäpe).

2848) Vermerk „Zusammenfassende Übersicht der bei der EG „TEX“
geführten Ermittlungsverfahren“ vom 17. Februar 1998, MAT
A GBA-2, Bl. 20 ff.

d) Unterstützung der Ermittlungen des LKA
Thüringen/Keine Nennung der Eigenschaft
als BKA-Beamter bei der Abfassung von
Vermerken

Darüber hinaus unterstützten die drei Beamten die im

Zeitraum ihrer Anwesenheit zu erfüllenden Aufgaben des

Landeskriminalamts. Hierzu gehörte die Auswertung von

in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Beweismitteln ebenso

wie die Prüfung von Fahndungsansätzen.

Aus den Akten ist dabei zu erkennen, dass im Wesentli-

chen die folgenden Maßnahmen durch die BKA-Beamten

durchgeführt wurden:

– Auswertung des Asservats Nr. 20 B. 1 des Sicherstel-
lungsprotokolls der Durchsuchung der Garage Nr. 5

(hierin waren Briefe von Uwe Mundlos an Strafge-

fangene enthalten),
2849

– Auswertung des Asservats Nr. 23.6 des Sicherstel-
lungsprotokolls der Durchsuchung der Garage Nr. 5

(hierin war die Telefonliste enthalten, mit der sich der

Untersuchungsausschuss intensiv befasst hat),
2850

– Ermittlungsmaßnahmen bei Banken,2851

– Ermittlungsmaßnahmen bei Krankenkassen und an-
deren Institutionen,

2852
– Anregung einer TKÜ-Maßnahme für das Mobiltele-
fon von Uwe Böhnhardt.

Bzgl. der letztgenannten Maßnahme hat die Zeugin

Beischer-Sacher erläutert, wie es zu dieser Anregung

konkret kam:

„Ja, das war ja - - Das hatte sich ja aus der Finanz-
ermittlung ergeben. Da hatten wir ja auf einem

Konto festgestellt, dass er von Mannesmann ir-

gendwie so ein D2-Handy hatte, auf jeden Fall ei-

ne Nummer, und da habe ich das dann ange-

regt.“2853

Mit der Auswertung der Asservate war nach Aussage der

Zeugin im Zeitraum ihres Aufenthalts in Thüringen ledig-

lich der Zeuge Brümmendorf befasst. Die Zeugin

Beischer-Sacher hat hierzu ausgesagt:

„Nein, also, Asservatenauswertung habe ich jetzt
in der Form nicht gemacht.“2854

Bei der Abfassung von Vermerken wurde durch die in

Thüringen tätigen BKA-Beamten nicht auf ihre Eigen-

schaft als BKA-Beamte hingewiesen, sodass bei der Lek-

türe der jeweils erstellten Vermerke nicht erkennbar ist,
2849) siehe noch unten unter E. II. 6.

2850) siehe noch unten unter E. II. 5.

2851) siehe hierzu bereits oben, E. I. 3. g) cc).

2852) siehe hierzu bereits oben, E. I. 3. g) ee).

2853) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 98.

2854) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 97.

Drucksache 17/14600 – 328 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dass diese von einem BKA-Beamten verfasst wurden.
2855

Der Zeuge Brümmendorf hat diesen Umstand damit er-

klärt, dass die im Schreibprogramm des LKA Thüringen

seinerzeit automatisch generierte Maske einen entspre-

chenden Dokumentenkopf vorgesehen habe.
2856

Dass hier

im Einzelfall keine entsprechende Änderung erfolgt sei,

sei ein „handwerklicher Fehler“ gewesen.2857

e) Praktikum der Beamtin Beischer-Sacher
beim LKA Thüringen im Frühjahr 1997

Bereits im Jahr 1997 hatte die Beamtin Beischer-Sacher

für vier Wochen beim LKA Thüringen hospitiert.
2858

Aus

diesem Zeitraum waren ihr bereits die Namen von Zschä-

pe, Böhnhardt und Mundlos bekannt.
2859

Hier war sie

bereits an den Ermittlungen beteiligt, die in diesem Zeit-

raum wegen der Ende September 1996 aufgefundenen

„Stadionbombe“ beim LKA Thüringen stattfanden. Auch
dem Zeugen Melzer war die Zeugin Beischer-Sacher aus

dieser Zeit bekannt.
2860

5. Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen
Telefon- oder Adresslisten

a) Hintergrund

Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen in der Garage

Nr. 5 an der Kläranlage am 26. Januar 1998 wurden –
neben den Rohrbomben und ca. 1,4 kg TNT – zahlreiche
Dokumente und andere Schriftstücke sichergestellt, da-

runter auch zwei Adress- und Telefonlisten.

Eine dieser Adress- und Telefonlisten wurde bereits im

Jahre 1998 durch den seinerzeit bei der EG „TEX“ im
LKA Thüringen tätigen BKA-Beamten Brümmendorf im

Asservat 23 C aus der Garage, einem Pappkarton, aufge-

funden und bewertet.

Darüber hinaus wurde im Jahr 2012 im Rahmen der Er-

mittlungen des Generalbundesanwalts in den seinerzeit in

der Garage Nr. 5 an der Kläranlage sichergestellten As-

servaten in dem damals als Asservat 20.A.3 bezeichneten

Asservat, einer Plastiktüte mit der Aufschrift REWE, eine

weitere Adress- und Telefonliste zu Tage gefördert, die

offensichtlich eine Fortführung der Adress- und Telefon-

liste aus dem Asservat 23 C darstellt.

b) Inhalt der Adress- und Telefonliste

Auf der Vorderseite der Adress- und Telefonliste waren

39 Telefonnummern in Computerschreibweise und 13
2855) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68, 90; Beischer-Sacher,

Protokoll-Nr. 54, S. 101.

2856) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68.

2857) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 90.

2858) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 95.

2859) Hierzu und im Folgenden: Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54,

S. 96.

2860) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 107.

Telefonnummern handschriftlich notiert.
2861

In zehn Fäl-

len sind zusätzlich Postanschriften notiert. Die Liste ist

nach den Rubriken „Ort“, „Straße“, „Name“ und
„Telefonnr.“ von links nach rechts in vier Spalten aufge-
teilt. Unter der Anschrift „Jena Winzerla“, „Max-
Steenbeck-Str 12“ sind im in Computerschreibweise aus-
gefüllten Teil in zwei Fällen in der Rubrik „Name“ die
Einträge „eigene Telefonnr. Fk“ bzw. „eigene Telefonnr.“
aufgeführt. Hierbei handelt es sich um die damalige An-

schrift der Eltern von Uwe Mundlos.
2862

Zudem ist Uwe

Mundlos selbst nicht aufgeführt, wohl aber Uwe

Böhnert
2863

und Beate Zschäpe. Damit dürfte gesichert

sein, dass Uwe Mundlos diese Adressliste verfasste. Ne-

ben Personen aus Jena und Stadtroda sind auch insgesamt

zehn Personen aus Chemnitz, unter anderem Thomas

Starke und Hendric L., vier Telefonnummern aus Lud-

wigsburg, vier Telefonnummern aus Rostock und zwei

Telefonnummern aus Nürnberg notiert. Die offensichtlich

nachträglich handschriftlich aufgeführten Nummern sind

zumeist Mobilfunknummern, zudem ist eine Nummer

ohne Vorwahl hinter dem handgeschriebenen Namen

Wohlleben notiert.

Die Adress- und Telefonliste findet sich in Band 2 der

dem Untersuchungsausschuss durch das Land Thüringen

zur Verfügung gestellten Akten zunächst auf Bl. 282,
2864

wobei die Liste durch Abrisse an Faltfalzungen in mehre-

re Teile zerfallen ist. Es befindet sich ein Asservatenauf-

kleber, auf dem unter anderem vermerkt ist: „Lfd. Nr.
Sicherst. Nachw. 23.6.1“, sowie „SB: Dressler“, über den
Fragmenten.

Auf Bl. 283 der Akten befindet sich offensichtlich eine

Kopie, wobei die Fragmente an den oberen Teil angelegt

wurden, wodurch sich sodann das Gesamtdokument

ergibt.
2865

Die Adress- und Telefonliste ist in den Akten des LKA

Thüringen darüber hinaus in Band 11 der Akten auf Bl.

180 enthalten (siehe unten: e),S. 332 bzgl. einer mögli-

chen Weitergabe an die Zielfahndungsabteilung). In den

Akten der Staatsanwaltschaft Gera findet sich diese Liste

ebenfalls.
2866

Aufgrund der Tatsache, dass die Liste als solche im Rah-

men der Fahndungsmaßnahmen des LKA Thüringen

offensichtlich keine Verwendung gefunden hatte und im

Hinblick darauf, dass neben Personen aus Jena, dem Her-

kunftsort des Trios und vor allem aus Chemnitz, dem

ersten Anlaufpunkt auf der Flucht des Trios, auch Perso-

nen aus Nürnberg und Rostock aufgeführt sind, also aus

Orten, in denen dem NSU zugerechnete Morde begangen

wurden, sowie Personen aus Ludwigsburg, die im Rah-
2861) Hierzu und im Folgenden: Telefonliste, MAT A TH-1/2, Bl.

283.

2862) exemplarisch: Vermerk vom 9. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl.

305.

2863) unrichtige Schreibweise im Original.

2864) Telefon- und Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 282.

2865) Telefon- und Adressliste, MAT A TH-1/2, Bl. 283.

2866) Telefon- und Adressliste, MAT A TH-2/7, Bl. 412.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 329 – Drucksache 17/14600

men der Ermittlungen zum Mordfall Michèle Kiesewetter

eine Rolle spielten, hat sich der Untersuchungsausschuss

mit Fragen befasst, die die Liste betreffen. Befragt wur-

den hierzu die Zeugen Dressler und Wunderlich vom

LKA Thüringen sowie Brümmendorf und Beischer-

Sacher vom BKA. In der Sitzung des Untersuchungsaus-

schusses am 1. März 2013 kam es im Hinblick auf die

Liste dann zu einer weiteren, diesmal gemeinsamen Ver-

nehmung der Zeugen Dressler vom LKA Thüringen und

Brümmendorf vom BKA.

c) Situation bei der EG „TEX“ im LKA Thü-
ringen bei der Ankunft der Beamten
Brümmendorf und Beischer-Sacher

Die Situation in der EG „TEX“ beim Eintreffen der Be-
amten Brümmendorf und Beischer-Sacher wurde bereits

oben im Abschnitt E. II. 4. b) dargestellt.

Der Zeuge Brümmendorf hat ausgeführt, dass sich, soweit

er die Lage habe überschauen können, sämtliche Asserva-

te aus der Garage in der Dienststelle befunden hätten.
2867

d) Auswertung des Asservats, in dem die
Telefonliste enthalten war

aa) Konkrete Situation nach dem Auffinden
der Liste durch KHK Brümmendorf - Wei-
tergabe der Telefonliste an den Leiter der
EG „TEX“, KHK Dressler?

Der Zeuge Brümmendorf hat beschrieben, dass – nach der
Ankunft der BKA-Beamten im LKA Thüringen – der
dortige Verfahrensführer Dressler ihn dazu aufgefordert

habe, den Inhalt eines in einem der dortigen Räume abge-

stellten Pappkartons im Hinblick auf mögliche Fahn-

dungsansätze auszuwerten.
2868

Nachdem dann zunächst

die Asservate gesichtet und Aufkleber angebracht worden

seien,
2869

sei er nach Auffinden der Liste zugleich an

Herrn Dressler herangetreten und habe ihn auf diese hin-

gewiesen:

„Ich bin deshalb natürlich, als ich gerade diese Lis-
te gefunden habe, unmittelbar zum Herrn Dressler,

dem Verfahrensführer, gegangen und habe gesagt:

Hier, guck dir die Liste an. Die ist bei den Asser-

vaten dabei, vermutlich Mundlos zuzuordnen. Wie

können wir die verwerten? Hast du da andere In-

formationen? Hast du die Liste schon mal gese-

hen? - Das hat er verneint.“2870

sowie:

„Er hat sich die Liste angeschaut, und ich habe ge-
sagt: ‚Kennst du die Liste?‘, und er hat gesagt: Ja,
das sind die Leute um Böhnhardt, Mundlos und
2867) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 67.

2868) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 68 f.

2869) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 69.

2870) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 69.

Zschäpe. Die haben wir in den letzten drei Jahren

seit 95, 96, 97 ja gut auf - - sagen wir mal, unter

Wind gehabt, haben sie mehrfach in verschiedens-

ten Ermittlungsverfahren untersucht, die Personen.

- Ich habe ihm deshalb auch vorgeschlagen, dass

ich mich mit den Asservaten - insbesondere mit

diesem Asservat, wo es um die Personennamen

geht - zurückhalte, weil ich diese Personen so de-

tailliert wie er nie kennen konnte natürlich.

Ich habe mich deshalb in meinem Asser-

vatenauswertungsvermerk, den Sie vor sich haben,

das sehen Sie ja auch, sehr bezogen auf eher

Organisationsdeliktsüberlegungen, aber auch im

Hinblick auf Strafnachweise, die also Tatbeteili-

gungen möglicherweise Dritter der ‚Kamerad-
schaft Jena‘ nachweisen; denn das ist auch eine
Bewertung, die wir direkt am 16.02. schon mitbe-

kommen haben vom Herrn Dressler, und aber

auch von Herrn F. und der Frau D., dass die Be-

schuldigten, die für die Tat Verantwortlichen, aber

auch die Unterstützer alle aus der der ‚Kamerad-
schaft Jena‘ stammen sollten.“2871

Der Zeuge Brümmendorf hat bekundet, dass er diesen

ersten Hinweis auf die Liste sogleich am 16. Februar 1998

an den Beamten Dressler weitergegeben habe.
2872

Der Zeuge Dressler hat in seiner Vernehmung am

22. Februar 2013 nicht in Abrede stellen wollen, dass ihn

der BKA-Beamte Brümmendorf auf eine Adressliste hin-

gewiesen haben könnte.
2873

Zur genauen Abklärung des Umgangs mit der sicherge-

stellten Liste hat der Untersuchungsausschuss nach der

nacheinander erfolgten Vernehmung beider Zeugen am

22. Februar 2013 am 1. März 2013 eine weitere Zeugen-

vernehmung durchgeführt, in der die Zeugen Dressler und

Brümmendorf gemeinsam vernommen wurden.

In dieser Vernehmung am 1. März hat der Zeuge Dressler

auf Vorhalt unter anderem der eben zitierten Aussagen

des Zeugen Brümmendorf ausgeführt:

„Also, zum Ersten: Ich bewundere ja dieses Erin-
nerungsvermögen des Kollegen Brümmendorf und

will es auch - - muss es erst mal so hinnehmen, da

ich ja kein besseres habe. Das habe ich auch bei

der letzten Vernehmung hier so kundgetan. Ich

kann mich an diesen Sachverhalt in der Form nicht

erinnern. Das muss ich so sagen. Das war auch der

Grund dafür, weswegen ich Herrn Brümmendorf

ungefähr 14 Tage vor unserer ersten Vernehmung

hier angerufen habe in Meckenheim und habe ihn

gefragt zu dieser Liste, da mir da jeglicher Bezug

fehlt. Herr Brümmendorf, mit dem habe ich mich

nur dahin gehend unterhalten und habe ihn gefragt:

Was war nun mit der Liste? Mir fehlt da wirklich
2871) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 70.

2872) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.

2873) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 28.

Drucksache 17/14600 – 330 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

jeder Faden. - Er hat mir gesagt, er versteht auch

nicht diese Aufregung um diese Liste, letzten En-

des wären das bundesweit bekannte Rechte gewe-

sen, die jeder kannte, wer die sind. Und so sind wir

auseinandergegangen.

Ich habe ihn nicht angerufen, um irgendwelche

Absprachen zu treffen, sondern weil ich, nachdem

das Thema sozusagen hochkam, mich wirklich

nicht daran erinnern konnte. Er hat mir daraufhin

noch einen Presseartikel per E-Mail zugesandt, wo

das Gegenstand war, oder der beinhaltete mehr

oder weniger diesen Sachverhalt mit dieser Liste.

Über diesen Punkt komme ich leider nach wie vor

nicht hinaus.“2874

bb) Vermerk vom 19. Februar 1998

Wie bereits dargestellt erfolgte die Auswertung des As-

servats, in dem die Adress- und Telefonliste enthalten

war, durch den beim LKA Thüringen kurzfristig zur Un-

terstützung eingesetzten BKA-Beamten KHK

Brümmendorf.
2875

Am 19. Februar 1998 verfasste KHK Brümmendorf einen

Vermerk, auf dem er die bis dahin vorliegenden Ergebnis-

se der Auswertung festhielt.
2876

Später wurde der Ver-

merk nochmals – unter Bezugnahme auf ein am 26. Feb-
ruar 1998 geführtes Telefonat, welches einen anderen Teil

des Vermerks betraf – ergänzt.2877 Der in den Akten des
LKA Thüringen enthaltene Vermerk enthält am unteren

Ende zwar die Zeile „gez. Brümmendorf, KHK“, ist je-
doch nicht unterzeichnet. Zudem ist auf der ersten Seite

oben handschriftlich das Zeichen „-E-“ sowie in einem
Kasten die Worte „Ass-auswert“ aufgebracht. Weiterhin
sind an einigen Stellen Unterstreichungen mit Textmarker

durchgeführt worden und am rechten Rand des Textes –
ebenfalls mit Textmarker – in mehreren Fällen Ausrufe-
zeichen bzw. Fragezeichen gesetzt.

Der Vermerk findet sich ebenfalls in den Akten der

Staatsanwaltschaft Gera.
2878

Dort findet sich ebenfalls

keine Unterschrift am Ende des Vermerks und ebensowe-

nig die handschriftlichen Zusätze, die Unterstreichungen

mit Textmarker oder eine Kennzeichnung mit „-E-“ als
Entwurf auf dem Dokument. Zudem ist ein im Vermerk

aus den LKA-Akten noch vorhandener größerer Abstand

zwischen zwei Absätzen auf Seite 3 des Vermerks zu-

sammengezogen worden. Der Zeuge Schultz hat bekun-
2874) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 7.

2875) Siehe hierzu bereits oben unter E. II. 4. d).

2876) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über
Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20.B.1 und 23.6, MAT A

TH-1/2, Bl. 277 ff.

2877) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.

2878) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über

Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20 B. 1 und 23.6, MAT A

TH-2/7, Bl. 403 ff.

det, zu der Telefonliste könne er überhaupt nichts sa-

gen.
2879

Unter Punkt 3 enthält der Vermerk Ausführungen im

Hinblick auf die „Auswertung zum Asservat 23.6 (div.
schriftl. Unterlagen und Propagandamaterial)“, wobei
unter der Unter-Überschrift 3.1 zunächst festgestellt wird,

dass das Asservat keine unmittelbaren Hinweise auf den

Tatvorwurf enthalte.
2880

Unter der weiteren Unter-

Überschrift „Auswertung im Hinblick auf Zufallsfunde“
finden sich sodann Ausführungen zur Auswertung der

Liste:

„Unter den lose in einem Papp-Karton abgelegten
Asservaten befand sich eine Liste mit ca. 35 Ad-

ressen und Telefon-Nummern; die offenbar mit PC

geschriebene Liste wurde handschriftlich ergänzt.

Die Liste dürfte Mundlos zuzuordnen sein, da in

der 9. Zeile der Liste unter der Adresse des

Mundlos, Max-Steenbeck-Str. 12a, Jena, der Ver-

merk ‚eigene Telefonnr. Fk.‘ eingetragen ist.

Wie alt diese Namensliste ist, kann nicht beurteilt

werden. Die einseitige, DIN-A4-formatige Liste

wird im weiteren als Asservat 23.6.1 bezeichnet.

Bei den Adressen dürfte es sich um Kontaktperso-

nen des Mundlos handeln. Der Eintrag ‚KSJ
0171/XXXXXX‘ weist möglicherweise darauf hin,
dass für die ‚Kameradschaft Jena‘ ein eigenes Te-
lefon bereitstand/bereitsteht.

Insoweit ist nicht auszuschließen, daß die ‚Kame-
radschaft Jena‘ im Sinne einer Organisation über
eine eigene Logistik verfügt bzw. verfügt hat und

die auf der Liste bezeichneten Namen dieser Ka-

meradschaft angehören könnten.

Weitere Hinweise auf eine mögliche Struktur der

‚Kameradschaft Jena‘ ergeben sich aus diesem As-
servat nicht.“

In Bezug auf in dem genannten Pappkarton darüber hin-

aus aufgefundene Notizzettel, auf denen Anschriften von

weiteren Personen, unter anderem aus Koblenz, Mainz-

Gonsenheim und Erolzheim notiert waren,
2881

wird im

darauffolgenden Absatz des Vermerks ausgeführt:

„Bei den weiterhin aufgefundenen Notizzetteln mit
Adressen handelt es sich zum Teil um Adressen

bekannter Personen der rechtsextremistischen,

bundesdeutschen Szene; die Adressen dürften kei-

nen unmittelbaren Bezug zu einer möglicherweise

existierenden ‚Kameradschaft Jena‘ haben und
sind nach hiesiger Bewertung für das hier geführte

Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung.“
2879) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 48.

2880) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über
Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20. B. 1 und 23.6, MAT

A TH-1/2, Bl. 277 ff. (278).

2881) Notizzettel, MAT A TH-1/2, Bl. 301 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 331 – Drucksache 17/14600

Trotz der Struktur der Absätze in dem Vermerk ist nicht

eindeutig zu erkennen, ob sich die Formulierung „ohne
Bedeutung für das hier geführte Ermittlungsverfahren“
nur auf die Notizzettel oder auch auf die Telefonliste

bezieht – insbesondere da sich der Vermerk nicht geson-
dert zur Relevanz dieser Telefonliste verhält.

cc) Die Abfassung des Vermerks vom 19. Feb-
ruar 1998

Der soeben unter bb) auszugsweise zitierte Vermerk wur-

de von KHK Brümmendorf verfasst. Zu den Umständen

der Formulierung des Vermerks sowie dazu, dass der

Vermerk nicht unterzeichnet und in den Akten des LKA

Thüringen mit einem „-E-“ versehen wurde, sowie dazu,
was im Hinblick auf die Abfassung eines Vermerks be-

sprochen wurde, hat der Zeuge Brümmendorf erklärt:

„Meine letztendliche Entscheidung bzw. Abspra-
che mit dem Herrn Dressler war so, dass ich ge-

sagt habe - ich kenne die individuellen Beziehun-

gen dieser Personen zu den drei Flüchtigen über-

haupt nicht, ich kann sie nicht beurteilen, ich ken-

ne die verwandtschaftlichen Beziehungen mögli-

cherweise nicht, die freundschaftlichen Beziehun-

gen nicht, ich kenne die Organisationsbeziehun-

gen, die diese Personen mit den drei Flüchtigen

haben, nicht, ich kenne die Arbeitsstellen der

Flüchtigen nicht und die Beziehungen dieser Per-

sonen zu diesen drei Flüchtigen nicht -: Ich werde

einen Entwurf schreiben, aber mich mit dieser Lis-

te nicht näher beschäftigen. - Deshalb ist dieser

Asservatenauswertevermerk auch einerseits ge-

kennzeichnet als Entwurf - wie Sie oben das E se-

hen; das ist meine Schrift. […]

- Ja. - Wenn Sie den Asservatenauswertevermerk

so lesen: Da sind einige Brüche drin, und es wird

überhaupt nicht auf diese Namensliste Bezug ge-

nommen, sondern es geht im Wesentlichen eigent-

lich um andere Sachverhalte, die ich hier ausge-

wertet habe. Die Absprache war - und wenn Sie

sich den Asservatenaufkleber ansehen, der, nehme

ich an, auch bei Ihnen zu sehen ist.“2882

[…]

„- und der Sachbearbeiter ist als Herr Dressler hier
eindeutig definiert.“2883

Bzgl. der weiteren Arbeitsaufteilung im Hinblick auf die

Auswertung der Liste hat der Zeuge Brümmendorf weiter

ausgeführt:

„Diese Namenslistenüberprüfung war Aufgabe des
Herrn Dressler; das war die Absprache. Ich habe

mich auf die - - einerseits auf die anderen Asserva-

te, die im Weiteren ja durchaus ausführlicher be-

handelt worden sind, zurückgezogen und habe die-
2882) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 71.

2883) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 71.

se Liste untersucht im Hinblick darauf, ob ‚Kame-
radschaft Jena‘ da eine Rolle spielt; aber die Liste
hätte einer besonderen Aufarbeitung bedurft.

Und es gab zum damaligen Ermittlungszeitpunkt

nicht die geringsten Hinweise auf eine dieser von

Ihnen bezeichneten Städte; das war aber auch die

Einschätzung vom Herrn Dressler.“2884

Im Ausschuss wurde insofern kritisiert, dass gerade ein

zur Unterstützung der Thüringer Polizei entsandter Mitar-

beiter des Bundeskriminalamtes weniger die auf der Liste

aufgeführten Mitglieder Jenaer Kameradschaften überprü-

fen, sondern sich vielmehr vorrangig mit der bundeswei-

ten Dimension der Liste hätte befassen sollen.

Die Zeugin Beischer-Sacher hatte keine konkrete Erinne-

rung mehr an die Adress- und Telefonliste bzw. an deren

Auswertung.
2885

dd) Übergabe des Vermerks vor Abreise am
26. Februar 1998

Vor der Abreise der BKA-Beamten am 26. oder 27. Feb-

ruar 1998 sei der Vermerk laut dem Zeugen Brümmendorf

dann an den Zeugen Dressler übergeben worden. Hierzu

hat der Zeuge Brümmendorf erklärt:

„Weil, wenn Sie sehen, in diesem Dokument ist
noch mal unter Bezug, Ziffer 2 ein Telefonat er-

wähnt vom 26.02.98. Der 19.02. ist also schon gar

nicht mehr aktuell gewesen. Das heißt also, ich

habe dieses Asservat oder diese Auswertung auf

den Seiten 277 bis 79 am 26.02. - kurz vor unserer

Abreise - dem Herrn Dressler als Entwurf gege-

ben, habe ihm natürlich gesagt: ‚Was macht die
Telefonliste?‘, und auch auf diese weiteren Ver-
stöße nach dem StGB hingewiesen.“2886

Auf die Frage, warum er denn nicht das Datum des Ent-

wurfs (19. Februar 1998) geändert habe, hat er erklärt:

„Da ich mir sowieso klar war, dass er das Ganze
als Entwurf bekommt, als Zulieferung, als Anre-

gung, und er ohnehin wohl die Verdächtigen oder

Straftatenanschuldigungen bzw. Verdachtslage

weitergeben muss an die Staatsanwaltschaft; dass

also dieser Asservatenauswertungsvermerk nutzen

kann. Und mir war klar, dass er natürlich auch zu

dieser Namensliste was sagen musste.“2887

Der Zeuge Dressler hat hierzu ausgeführt:

„Es gibt da natürlich ein Problem für mich; das
muss ich so sagen. Bei der Auswertung von Asser-

vaten ist es üblicherweise so, dass derjenige, der

die Asservate auswertet und eine entsprechende

Beurteilung dieser Gegenstände und Dinge vor-
2884) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 73.

2885) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 98.

2886) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.

2887) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 76.

Drucksache 17/14600 – 332 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nimmt, diese dann abschließend unterschreibt.

Entwürfe in Sachen Auswertungsprotokolle sind

mir insofern nicht wirklich bekannt, muss ich sa-

gen. Es hätte auch wenig Sinn gemacht, wenn wir

den Entwurf übernommen hätten und hätten den

im Anschluss noch ergänzt oder anders verändert;

denn die Feststellungen, die der Kollege

Brümmendorf in diesem Vermerk getroffen hat,

hat er ja getroffen letzten Endes, und die kann man

insofern dann nicht so einfach übernehmen, noch

bisschen was dazuschreiben und dann eine neue

Unterschrift druntersetzen. Das ist nicht üblich,

und ich denke, das macht das BKA üblicherweise

sonst auch nicht.“2888

ee) Benennung des Asservats (23.6 vs. 23 C)

Die Telefonliste wurde im Hinblick darauf, dass sie nach

Kenntnis des Zeugen Brümmendorf aus einem Asservat

mit der Bezeichnung „23.6“ stammt, als Asservat
„23.6.1“ bezeichnet. Ein Asservat mit der Bezeichnung
„23.6“ ist jedoch im Durchsuchungs- und Sicherstel-
lungsprotokoll bzgl. der Garage Nr. 5 an der Kläranlage

vom 26. Januar 1998 nicht genannt.
2889

Dort ist jedoch unter der Bezeichnung „23 C“ ein „Papp-
karton C“ aufgeführt. Dieses Asservat wird wie folgt
näher beschrieben: „diverse Papiere und lose Blätter in
Karton verpackt“. Im Hinblick darauf, dass auch im Ver-
merk vom 19. Februar 1998 ein „Papp-Karton“ genannt
wird

2890
sowie im Hinblick darauf, dass durch das BKA

nach Übernahme der Asservate nach dem 4. November

2011 sämtliche als „23.6.X“ bezeichneten Asservate in
dem Pappkarton mit der Aufschrift „23 C“ aufgefunden
wurden,

2891
ist zu vermuten, dass es sich hierbei um einen,

aus welchen Gründen auch immer, erfolgten Lesefehler

des Zeugen Brümmendorf handelt, der bei der Auswer-

tung des Inhalts des Pappkartons entstand, und letztend-

lich das Asservat „23 C.“ gemeint ist. Auch das BKA
trifft in einem Schreiben vom 28. Februar 2013 eine ent-

sprechende Feststellung bzgl. der Benennung des Asser-

vats.
2892

ff) Weitere Asservate aus dem Pappkarton

Neben der Telefonliste befanden sich in dem Pappkarton

noch weitere Schriftstücke, die zum Teil unter den Ziffern

„23.6.2“ bis „23.6.6“ feinasserviert wurden, darunter eine
Liste, auf der Kfz-Kennzeichen von Zivilfahrzeugen der
2888) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 10.

2889) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungs- und Sicherstel-
lungsprotokoll vom 26. Januar 1998 (bzgl. Garage Nr. 5 an der

Kläranlage), MAT A TH-1/2, Bl. 144 ff.

2890) Vermerk vom 19. Februar 1998 über Asservatenauswertung
Mundlos, Ass. 20.B.1 und 23.6, MAT A TH-1/2, Bl. 277 ff.

(278).

2891) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-
ausschuss vom 28. Februar 2013, MAT A 2/51, Bl. 1 f.

2892) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-

ausschuss vom 28. Februar 2013, MAT A 2/51, Bl. 1 f.

Polizei Thüringen aufgeführt sind, sowie zahlreiche Auf-

kleber, Broschüren und Flugblätter mit rechtsradikalem

Inhalt, die der BKA-Beamte P. in einem Vermerk, der auf

den 25. Februar 1998 datiert, zusammengefasst hatte.
2893

Darüber hinaus wurde noch ein Notizzettel mit Adressen

vorgefunden, auf dem insgesamt fünf Personen aufgeführt

sind
2894

und der – wie bereits dargestellt – auch im Aus-
wertevermerk von KHK Brümmendorf Erwähnung fin-

det.
2895

e) Weitergabe der Telefonliste an die Ziel-
fahndungsabteilung?

In den Ermittlungsakten des LKA Thüringen ist die Liste

nicht nur im Zusammenhang mit der Auswertung der

Asservate in Band 2 enthalten, sondern zusätzlich auch in

Band 11 der Akten auf Bl. 180.
2896

Hierbei handelt es sich

um einen der insgesamt sechs Ordner, die Zielfahndungs-

unterlagen enthalten. Der Aktenband enthält zahlreiche,

bereits aus anderen Ordnern bekannte Unterlagen, Obser-

vationsberichte und Daten aus TKÜ-Maßnahmen aus

unterschiedlichen Zeiträumen.

Der Zeuge Wunderlich hat bekundet, er habe damals

keine Kenntnis von der Adress- und Telefonliste er-

langt.
2897

Er wies in seiner Vernehmung von sich aus

darauf hin, dass er die Liste im Rahmen der Vorbereitung

auf seine Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsaus-

schuss in einem der Fahndungsbände aufgefunden habe,

bekundete jedoch zusätzlich, er habe bei der Durchsicht

der Fahndungsbände festgestellt, dass die Fahndungsbän-

de nicht mehr in dem Zustand seien, in dem er sie im

August 2001 an die EG „TEX“ übergeben habe:

„Also, diese Telefonliste habe ich dort erstmalig
festgestellt, auch etwas mit Erschrecken in dem

Zusammenhang der Folgetaten und der Orte, die

dort verzeichnet sind. Es ist für mich nicht nach-

vollziehbar, wie die Liste in einem dieser Bände

auftaucht. Hinzu kommt, dass ich bei der Durch-

sicht der Fahndungsbände festgestellt habe, dass

das also nicht die Bände sind in der Form, wie wir

sie übergeben haben. Das ist für mich ein sehr

wichtiger Aspekt, bis hin, dass ich festgestellt ha-

be, dass ein Band gar nicht von uns war. Ein

Fahndungsband mit unserer Beschriftung hatte

keinen Inhalt zu unseren Unterlagen. Also, um das

vielleicht etwas plastisch zu schildern: Ich hatte

den Eindruck, als ob diese Unterlagen irgendwann

mal zusammengestellt, -geheftet wurden. Sie ent-

sprachen allerdings nicht der Qualität der Überga-

be durch uns am 22.08.01.“2898
2893) Vermerk über die Auswertung des Asservats Nr. 23.6 vom

25. Februar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 295 ff.

2894) Blatt mit Notizen, undatiert, MAT A TH-1/2, Bl. 301.

2895) siehe hierzu oben E. II. 5. d) bb).

2896) Adress- und Telefonliste, MAT A TH-1/11, Bl. 180.

2897) Hierzu und im Folgenden: Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 7.

2898) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 333 – Drucksache 17/14600

Für ein nachträgliches „Frisieren“ der Akten hat der Aus-
schuss neben der Vermutung von KHK Wunderlich aller-

dings keine Anhaltspunkte gefunden.

f) Auffinden einer weiteren Adress- und Tele-
fonliste im Rahmen der Ermittlungen
durch das BKA nach dem 4. November
2011

Im Rahmen der Ermittlungen des Generalbundesanwalts

nach dem 4. November 2011 wertete das BKA erneut die

in der Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgefundenen

Asservate aus. Die Asservate waren am 31. Januar 2012

durch das LKA Thüringen an das BKA übergeben wor-

den.
2899

Bei der Auswertung einer im Durchsuchungs- und Sicher-

stellungsprotokoll der Garage Nr. 5 an der Kläranlage als

Nr. 20 A 3 bezeichneten Plastiktüte mit der Aufschrift

REWE wurde hierbei eine weitere Adress- und Telefonlis-

te zu Tage befördert.
2900

Diese weitere Adress- und Tele-

fonliste stellt offensichtlich eine vom Verfasser im Ver-

hältnis zur ersten Liste erweiterte Version dar, da auf der

ursprünglich bekannten Liste noch handschriftlich einge-

tragene Namen auf der neu bekannt gewordenen Liste

ebenfalls in Computerschrift eingetragen wurden und

zudem weitere Namen, die auf der ursprünglich bekann-

ten Liste nicht genannt werden, zusätzlich handschriftlich

genannt werden.
2901

Auf der Rückseite der neu aufgefun-

denen Liste befinden sich zudem – in offensichtlich unter-
schiedlichen Handschriften eingetragen – weitere Namen
und Telefonnummern.

Die neu bekannt gewordene Liste war den Beamten

Brümmendorf und Dressler nicht bekannt.
2902

g) Unterrichtung des Untersuchungsaus-
schusses durch das BKA in diesem Zu-
sammenhang

Nachdem die Übergabe der Asservate aus der Garage

Nr. 5 seitens des LKA Thüringen an das BKA am 31.

Januar 2012 erfolgt war, erfolgte dort die Auswertung. In

einem Vermerk des BKA vom 6. März 2012 werden

beide Adress- und Telefonlisten aufgeführt.
2903

Der

Untersuchungsausschuss ist mit Schreiben des BKA vom

28. Februar 2013, das in der Beweisaufnahmesitzung am

1. März 2013 verteilt wurde, darüber unterrichtet worden.

An diesem Tag hatte der Ausschuss die Zeugen Dressler

und Brümmendorf geladen, um in der Beweisaufnahme-

sitzung vom 22. Februar 2013 gemachte Angaben der

Zeugen nochmals zu überprüfen. In einem Schreiben des
2899) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-

ausschusses vom 28. Februar 2013, MAT A BKA-2/51, Bl. 1 f.

2900) Schreiben des BKA an den Vorsitzenden des Untersuchungs-

ausschusses vom 28. Februar 2013, MAT A BKA-2/51, Bl. 1 f.

2901) Adress- und Telefonliste, MAT A BKA-2/51, Bl. 36.

2902) Dressler und Brümmendorf, Protokoll-Nr. 57, S. 3.

2903) Vermerk der BAO „Trio“ vom 6. März 2012, MAT A BKA-
2/51, Bl. 27 ff.

BKA vom 28. Januar 2013, in dem ebenfalls Bezug auf

die ursprünglich bekannte Adress- und Telefonliste ge-

nommen wird, wird die neu aufgefundene Adress- und

Telefonliste nicht erwähnt.
2904

In dem Schreiben vom 28. Januar 2013 wurde die Ar-

beitsweise der BKA-Beamten in Thüringen im Februar

1998 umfangreich erörtert. Der Zeuge Brümmendorf hat

bekundet, er habe im Zuge der Vorbereitung seiner Ver-

nehmung durch den Untersuchungsausschuss nicht mit

Vorgesetzten über die Adress- und Telefonliste oder über

weitere Notizzettel gesprochen.
2905

Informationen zu der von ihm bewerteten Telefonliste

hatte KHK Brümmendorf im BKA auch 1998 nicht wei-

tergegeben: Weder die Telefonliste selbst noch der Aus-

wertungsvermerk von KHK Brümmendorf hierzu fanden

Eingang in die Bestände des BKA. In seiner Vernehmung

hat der Zeuge Brümmendorf hierzu ausgeführt:

„Nein, ich habe überhaupt nichts mitgenommen
aus den damaligen Unterlagen.“2906

Und weiter:

„Ich sehe das ein, dass das ein Fehler war […],
dass diese Liste auch nicht mit mir den Weg ins

BKA gefunden hat und dort noch mal gecheckt

worden ist bzw. dort auch einer weiteren intensi-

ven Untersuchung hätte zugeführt werden kön-

nen.“2907

6. Briefe von Uwe Mundlos an inhaftierte
Personen – Asservat 20.B.1 aus der Gara-
ge an der Kläranlage

a) Auffindesituation

Im Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll der

Garage Nr. 5 an der Kläranlage sind unter der lfd. Nr. 20

zwei „REWE-Plastiktüten“ (A. u. B.) aufgeführt.2908 Die
Plastiktüte B enthielt ausweislich des Protokolls neben

anderen Gegenständen, wie etwa Fotos und Negativen

und einer Liste mit Kennzeichen von Polizeifahrzeugen

einen Aktenordner mit der Aufschrift „Informatik Grund-
lagen“, der im Protokoll als Asservat „20 B. 1“ aufgeführt
wird.

b) Auswertung des Ordners

Die Auswertung dieses Ordners erfolgte – ebenso wie im
Falle des Asservats „23 C“ – durch den BKA-Beamten
Brümmendorf, der hierüber den auch schon im Zusam-
2904) Schreiben des BKA an den Bundesminister des Innern, MAT B

BKA-1, Bl. 2 f.

2905) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 91.

2906) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 57, S. 21.

2907) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 57, S. 45.

2908) Hierzu und im Folgenden: Durchsuchungs- und Sicherstel-

lungsprotokoll vom 26. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 144

ff. (146).

Drucksache 17/14600 – 334 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

menhang mit der Auswertung des Asservats „23 C.“ ge-
nannten Vermerk anfertigte, der vom 19. Februar 1998

datiert.
2909

In dem Vermerk wird in Bezug auf den Aktenordner

zunächst festgestellt, dass dieser im Hinblick auf den

Tatvorwurf des seinerzeit einschlägigen § 311b StGB

(Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbre-

chens) „nicht von Relevanz“ sei. Im Hinblick auf den
Inhalt wird in dem Vermerk ausgeführt:

„Der Aktenordner enthält umfangreichen Schrift-
verkehr zwischen Mundlos, Uwe (Spitzname:

Elch) und Torsten S. (w. P. b.), derzeit in der JVA

Waldheim einsitzend, sowie zum einschlägig vor-

bestraften Thomas Starke (w. P. b.).“

Zudem wurde in dem Ordner eine Fotografie aufgefun-

den, die André Kapke zeigt und auf der dieser den Hitler-

gruß entbietet. In diesem Zusammenhang wird im Ver-

merk auf eine mögliche Strafbarkeit dieses Verhaltens

gemäß § 86a StGB hingewiesen.

Bzgl. des Auswertevorgangs hat der Zeuge Brümmendorf

bekundet:

„Ich habe den Aktenordner mit dem Schriftverkehr
zwischen Mundlos und Thomas Starke und ande-

ren - Torsten S. war auch dabei, in diesem Ordner

enthalten - durchgeblättert. Diese - - Der Tipp,

dass es Thomas Starke eventuell mit einer beson-

deren oder eine besondere Nähe gegeben habe, hat

sich für mich aufgetan durch die Häufigkeit des

Schriftkontaktes und durch die möglicherweise er-

kennbare emotionale Nähe der beiden. Aber es war

aus dem Bauchgefühl heraus ein Tipp. Es war -

und das bleibt es auch in meinen Augen, in meiner

Erinnerung noch - als Möglichkeit, als Tipp, aber

nicht als Tatsache, dass ich sagen kann: Da kriegen

wir Erfolg.“2910

c) Inhalt der Briefe

Die Briefe an sich, die dem Untersuchungsausschuss

vorlagen, enthalten allgemeinen Informationsaustausch

über Erlebnisse des Verfassers und geben auf diese Weise

auch Auskunft über Strukturen innerhalb der rechten

Szene. So wird beispielsweise in einem undatierten Brief

an Thomas Starke von einem Besuch des Trios an Ostern

in Ludwigsburg berichtet, wo man bei „Uschi“ und bei
„S.“ untergekommen sei.2911 Beide Personen waren unter
dieser Bezeichnung auch auf der in der Garage Nr. 5

aufgefundenen Adress- und Telefonliste aufgeführt.
2912

In

dem Brief wird auch darauf Bezug genommen, dass diese
2909) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 19. Februar 1998 über

Asservatenauswertung Mundlos, Ass. 20.B.1 und 23.6, MAT A

TH-1/2, Bl. 277 ff.

2910) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 80 f.

2911) Hierzu und im Folgenden: Brief (undatiert), überschrieben mit

„Hallo Thomas!!!“, MAT A GBA-11/1, Bl. 213 ff.

2912) Siehe hierzu oben unter E II. 5.

Personen über Waffen verfügen. Aufgrund einer Bezug-

nahme auf den dem „Puppentorso-Verfahren“ zu Grunde
liegenden Vorfall liegt es nahe, dass dieser Brief in zeitli-

cher Nähe zu Ostern 1996 verfasst wurde.

d) Bewertung als mögliche Anlaufpunkte
bzgl. der Flucht

Die Personen Thomas Starke und Torsten S. wurden

durch Brümmendorf als mögliche Fluchtpunkte des Trios

bewertet. Dies ergibt sich aus einem handschriftlichen

Vermerk des Zeugen Brümmendorf, in dem es unter ande-

rem heißt:

„1. Aus Ass. 20 B. 1- Garage 5 -

– Hinweis auf Thomas Starke

auf Thorsten S.

als mögl. Unterschlupf

– APIS / EMA“2913

Im Folgenden befasst sich der Vermerk mit Ermittlungs-

maßnahmen bei der Sparkasse und bei der Deutschen

Bank Jena.

Der Zeuge Brümmendorf hat bestätigt, dass dieser Ver-

merk von ihm stamme.
2914

Er habe diesen Vermerk am

Ende der ersten Woche seines Aufenthalts bei der EG

„TEX“ hinterlassen, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht
sicher gewesen sei, ob die BKA-Beamten in der darauf-

folgenden Woche erneut in Thüringen tätig werden wür-

den:

„Das ist meine Handschrift, ja. Dieses Schriftstück
ist eine Notiz, die ich am 20.02. hinterlassen habe,

kurz vor unserer Abreise Richtung Meckenheim.

Das ist sozusagen der Hinweis - diesen Zettel habe

ich natürlich auch dem Ermittlungsführer überge-

ben -: Guckt mal nach, APIS, EMA-

Datenabgleich.

[…]

Er hat die Liste zunächst entgegengenommen; und

es war eigentlich eine Aufgabenliste. Unter Ziffer

2 und 3 sind ja Telefonnummern notiert, weil es

war Freitag und es war nicht klar, ob wir in der da-

rauffolgenden Woche mit der gleichen Personen-

konstellation zurückkommen, habe ich, falls auch

am Wochenende oder am darauffolgenden Mon-

tag, Dienstag Telefonate erforderlich waren, diese

Liste schnell zusammengestellt und habe natürlich

unter Ziffer 1 das dem Herrn Dressler gegeben,

habe gesagt: Könnte sein. Also, es war für mich

aus dem - - Nur aus der Menge des Schriftverkehrs

ergibt sich bei mir nicht unbedingt der Verdacht,
2913) Handschriftlicher Vermerk, undatiert, MAT A TH-1/3, Bl. 751.

2914) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 81.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 335 – Drucksache 17/14600

dass es da einen Unterschlupf oder eine Bereitstel-

lung [gab].“2915

Ob es dann in der zweiten Woche seines Aufenthalts

weitere Gespräche im Hinblick auf seinen handschriftli-

chen Vermerk gegeben hat, war dem Zeugen

Brümmendorf nicht erinnerlich – er „denke aber“, dass
man darüber gesprochen habe.

2916
Unterhalten habe man

sich lediglich über das „Bauchgefühl“ des Zeugen
Brümmendorf im Hinblick auf die möglichen Fluchtpunk-

te bei Thomas Starke und Torsten S., jedoch ohne dass

weitere Maßnahmen daraufhin erfolgten.
2917

e) Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu
Thomas Starke und Torsten S. haben

Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu Thomas Starke und

Torsten S. haben, sind in zeitlicher Nähe zu dem Einsatz

der BKA-Beamten in Thüringen Ende Februar 1998 nicht

aktenkundig.

Im Zusammenhang mit der Kripo Live-Sendung im MDR

war durch den Leiter der JVA Waldheim/Sachsen am

23. Februar 1998 ebenfalls darauf hingewiesen worden,

dass Mundlos, Zschäpe und Kay Norman S., Torsten S. in

der dortigen Haft besucht hatten.
2918

Thomas Starke wird erstmals im August 1998 aktenkun-

dig.
2919

Im Rahmen der Durchführung von Ermittlungen

bzgl. von Anrufen bei Jürgen H. wurden Personen ermit-

telt, die in der rechten Szene in Chemnitz relevant sind.

Aus dem hierbei angelegten Vermerk geht nicht hervor,

dass der Zielfahndungsabteilung, die diese Ermittlungen

vornahm, die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Briefe

bekannt waren.

Ermittlungsmaßnahmen, die Torsten S. betreffen, sind erst

ab dem Jahr 2002 aktenkundig.
2920

7. Aufsuchen der Eltern von Uwe Mundlos
durch Beamte des LKA Thüringen und
durch Mitarbeiter des LfV Thüringen im
März 1998

a) 6. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos

Am 6. März 1998 wurden die Eltern von Uwe Mundlos

durch den Beamten der Zielfahndungsabteilung, Wunder-

lich, und die in der EG „TEX“ tätige Beamtin, PM’in D.,
aufgesucht. Auf dem hierzu gefertigten, von PM’in D.
2915) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 81.

2916) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 82.

2917) Brümmendorf, Protokoll-Nr. 54, S. 85.

2918) Protokoll über Anrufe zur MDR-Sendung Kripo Live (Stand

3. März 1998), MAT A TH-1/3, Bl. 243 ff. (245).

2919) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich,
offenkundig falsch datiert mit 3. August 1997, zur Beantragung

von TKÜ-Maßnahmen, MAT A TH-1/4, Bl. 231 und Bl. 242.

2920) Siehe hierzu unten, E. II. 17. c) bb) eee).

gezeichneten Vermerk, ist KHK Dressler von der EG

„TEX“ als Sachbearbeiter genannt.2921

Die zunächst an ihrer Arbeitsstelle aufgesuchte, später in

der Wohnung weiter vernommene Mutter von Uwe

Mundlos habe sich hiernach sehr einsichtig gezeigt und

habe angegeben, seit dem 26. Januar 1998 keinen Kontakt

mehr zu ihrem Sohn gehabt zu haben und auch keine

Hinweise auf seinen Aufenthaltsort zu haben. Seitens der

Freundin von Ralf Wohlleben, Juliane W., sei sie gebeten

worden, ein Konto für ihren Sohn einzurichten und ihr die

Kreditkarte auszuhändigen. Da sie der Juliane W. jedoch

nicht traue, habe sie dies nicht getan. Der Vater von Uwe

Mundlos, der später hinzu kam, gab an, für eine Zusam-

menarbeit mit der Polizei zur Verfügung zu stehen, je-

doch nicht als Ermittler fungieren zu wollen. Er teilte

weiter mit, dass sein Sohn und Ralf Wohlleben die PKW

getauscht hätten. Die Eltern von Mundlos hätten den

PKW ihres Sohnes von Wohlleben abgeholt, der PKW des

Wohlleben, ein weißer Peugeot, habe einige Tage später

wieder vor der Haustür des Wohlleben gestanden, jedoch

ohne Kennzeichen.

Eine Überwachung des Telefonanschlusses der Eltern von

Uwe Mundlos fand im gesamten Monat März 1998 nicht

statt. Erst ab dem 18. Mai 1998 erfolgte hier eine

TKÜ.
2922

b) 18. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos –
Vermerk vom 19. März 1998

Am 18. März 1998 kam es zu einem weiteren Treffen des

Beamten der Zielfahndungsabteilung, Wunderlich, und

der Beamtin der EG „TEX“, PM´in D., mit den Eltern von
Uwe Mundlos in einem Schnellrestaurant in der Nähe der

Autobahn in Jena. Auch in diesem Fall ist auf dem hierzu

gefertigten, von PM’in D. gezeichneten Vermerk, KHK
Dressler von der EG „TEX“ als Sachbearbeiter ge-
nannt.

2923
Anlässlich des Treffens wurde durch KOK Wunderlich

zunächst mitgeteilt, dass keine Anhaltspunkte in Bezug

auf den Aufenthaltsort des Trios vorlägen. Im Anschluss

wurden zwei konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die

Eltern bei der Suche nach dem Trio behilflich sein könn-

ten. Zum einen wurde vorgeschlagen, eine Tasche mit

persönlichen Gegenständen zu packen, um durch Überga-

be an Juliane W. den Weg der Tasche verfolgen zu kön-

nen; zum anderen wurde vorgeschlagen, ein Girokonto zu

eröffnen und die Bankkarte an Juliane W. weiterzugeben,

um so festzustellen, wann, wo und durch wen Geldabhe-

bungen erfolgen würden.

Beide Vorschläge wurden durch die Eltern abgelehnt.
2921) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Dressler vom

9. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 305.

2922) Auflistung von Maßnahmen der Telefonüberwachung vom
2. Dezember 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 6 ff.

2923) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk vom 19. März 1998,

MAT A TH-1/3, Bl. 315 f.

Drucksache 17/14600 – 336 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Weiter heißt es in dem Vermerk über das Treffen:

„Herr Mundlos äußerte während der gesamten Un-
terredung offen sein Mißtrauen über die Zusam-

menarbeit mit der Polizei und darüber, daß seiner

Meinung nach ‚nicht mit offenen Karten gespielt
wird’, was sich größtenteils auf Veröffentlichun-
gen in der Presse begründen läßt.

Abschließend betonten beide Elternteile des

Mundlos, daß sie eine derartige Zusammenarbeit

mit der Polizei derzeit ablehnen, jedoch bei Kon-

taktaufnahmeversuchen und sonstigen Anhalts-

punkten über den Verbleib der drei Personen bzw.

des Sohnes, die Polizei verständigen werden.“2924

Während in Bd. 3 der LKA-Sachakten (MAT A TH-1/3)

eine Version des Vermerks vom 19. März 1998 enthalten

ist, in dem die Erwähnung eines Briefes durch den Vater

von Uwe Mundlos nicht angesprochen wird, und der –
trotz entsprechender Unterschriftszeile – nur von PM’in
D. und nicht von KOK Wunderlich gezeichnet wurde,

findet sich in Bd. 1 der LKA-Fahndungsauswertungsakten

(MAT A TH-1/15) eine Version desselben Vermerks, der

von KOK Wunderlich und von PM’in D. gezeichnet wur-
de, und die folgenden zusätzlichen Absatz enthält:

„Außerdem sagte Herr Mundlos, dass er den Ver-
dacht hegt, dass Leute von beiden Seiten gekauft

bzw. bezahlt werden. Er teilte mit, dass er einen

anonymen Brief erhalten hat. Dieser Brief war von

Hand geschrieben und hatte die Größe DIN A4.

Inhalt des Briefes war, dass vermutlich die Zschä-

pe, Beate, als Informantin des Verfassungsschutzes

fungierte und dafür bezahlt wurde. Weitere Anga-

ben zum Brief wollte Herr Mundlos nicht machen.

In diesem Zusammenhang erwähnte Herr

Mundlos, dass auch einigen Leuten aus der dorti-

gen Szene aufgefallen sei, dass der Cousin der

Zschäpe, Beate, der A., Stefan, trotz einer Vielzahl

von Delikten nie rechtlich zur Verantwortung ge-

zogen wurde und in angetrunkenem Zustand geäu-

ßert haben soll, dass er einen guten Draht zur Poli-

zei habe und ihm so schnell nichts passiere. Das

Verhältnis zwischen der Zschäpe und dem A. soll

nach Angaben des Mundlos sehr gut gewesen

sein.“2925

c) Kontakt des LfV Thüringen mit Eltern
Mundlos am 11. März 1998 und Observati-
onsmaßnahme

Dem Schäfer-Gutachten lässt sich entnehmen, dass am

11. März 1998, also zwischen den Treffen mit den Poli-

zeibeamten am 6. und 18. März 1998, ein Kontakt zwi-

schen Mitarbeitern des LfV Thüringen und Familie

Mundlos stattfand. Im Schäfer-Gutachten heißt es hierzu:
2924) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/3, Bl. 315.

2925) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/15, Bl. 186.

„Zwei Beamte des LfV Thüringen suchen Familie
Mundlos zum Zwecke einer möglichen Kontaktan-

bahnung mit deren Sohn auf. Im Rahmen des Ge-

sprächs bitten sie Prof. Dr. Mundlos, Kontakt zum

LfV Thüringen nur über öffentlichen Fernsprecher

aufzunehmen.“2926

Zudem heißt es im Schäfer-Gutachten, dass der Vater von

Uwe Mundlos am 11. März 1998 durch das LfV Thürin-

gen observiert wurde.

Anlass des Besuchs des LfV Thüringen war, so lässt sich

einem „Gedächtnisprotokoll“ des LfV Thüringen-
Mitarbeiters Elsner über das Treffen mit den Eltern von

Mundlos, welches jedoch erst am 3. Juni 1998 gefertigt

wurde, entnehmen, dass der Vater von Uwe Mundlos

gegenüber dem damaligen Präsidenten des LfV Thürin-

gen, Dr. Roewer, die Angst geäußert habe, die Polizei

könne bei einer möglichen Festnahme seines Sohnes

überreagieren und von der Schusswaffe Gebrauch ma-

chen.
2927

Dem Vater von Mundlos sei daraufhin angebo-

ten worden, dass das LfV Thüringen im Falle einer mög-

lichen Gestellung den Sohn zur Polizei begleiten könne,

um so die Gefahr des Schusswaffengebrauchs abzuwen-

den. Nachdem die Mutter von Uwe Mundlos später hin-

zugestoßen war, sei dieses Angebot wiederholt worden,

jedoch auch darauf hingewiesen worden, dass man den

Kontakt möglichst durch öffentliche Fernsprecheinrich-

tungen aufnehmen solle. Der Vater des Mundlos habe

deutlich gemacht, auf dieses Hilfsangebot eingehen zu

wollen.

Durch die Polizei wurden im März 1998 keine Telefonü-

berwachungsmaßnahmen bei den Eltern von Uwe

Mundlos durchgeführt. TKÜ-Maßnahmen fanden hier erst

zwischen dem 18. und 24. Mai 1998 statt.
2928

d) Aussagen der Zeugen zu diesem Vorgang

aa) Aussagen zum Besuch des LfV Thüringen
bei Familie Mundlos

Der Zeuge Wunderlich hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss bekundet, von dem Besuch von Mitarbeitern des

LfV Thüringen bei den Eltern von Uwe Mundlos erst

anlässlich der Befragung durch Mitglieder der Schäfer-

Kommission am 15. Februar 2012 erfahren zu haben.
2929
2926) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 151, unter dem

11. Februar 1998.

2927) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 3. Juni 1998, MAT A

TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 - GEHEIM), Bl. 120f. (VS-

VERTRAULICH).

2928) Übersicht über TKÜ-Maßnahmen des LKA Thüringen im Jahr

1998, MAT A TH-1/4, Bl. 6.

2929) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 72.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 337 – Drucksache 17/14600

bb) Aussagen zum Hinweis auf eine
Zusammenarbiet des LfV Thüringen mit
Beate Zschäpe

Bzgl. der Äußerung des Vaters von Uwe Mundlos über

den Brief, in dem der Hinweis auf eine Tätigkeit von

Beate Zschäpe als Informantin enthalten gewesen sein

soll, hat der Zeuge Wunderlich vor dem Untersuchungs-

ausschuss bekundet:

„Ja, er hat also einerseits gesagt, dass er wüsste,
dass die Frau Zschäpe eine Quelle des Verfas-

sungsschutzes wäre. […] Auf Nachfrage, wie er
dazu kommt, wie er zu dieser Erkenntnis gelangt,

hat er mitgeteilt, dass er wohl einen Zettel oder ein

Blatt in seinem Briefkasten gefunden hatte, wo das

drauf vermerkt gewesen wäre. Absender, weitere

Details zu diesem Blatt Papier wollte er nicht ma-

chen. Ja, ja, wir haben auch gefragt, ob die Mög-

lichkeit besteht, dass wir dieses Blatt mal sehen

können, dass wir uns das mal anschauen können,

selbst bewerten können. Wir haben ihm auch ver-

sucht einzureden, dass da bestimmt nur einer ihn

ärgern will und steckt dort das in den Briefkasten,

um Unruhe zu stiften.

[…]

Also, wir haben ihm eigentlich versucht die Sache

auszureden, immer mit dem Hintergrund, dieses

Blatt Papier im Original mal selbst sehen zu dür-

fen. Und dem ist er nicht gefolgt und auch nicht

nachgekommen, und - -“2930

Befragt, weshalb er die Angaben des Vaters von Uwe

Mundlos für glaubhaft erachtet habe, hat der Zeuge Wun-

derlich bekundet:

„Ja, weil es keinen Anlass dafür gab, dass ein Va-
ter, der seinen Sohn sucht und ja in der weiteren

Folge sogar vermisst gemeldet hat - - Warum soll

er das erfinden? Also, das ist ja alles - - das ist ja

zu viel Details der Erfindung: Briefkasten, weißes

Blatt Papier, handgeschrieben. Das waren zu viele

Informationen. Die Information alleine, sie würde

dafür arbeiten, da kann man noch sagen: Gut, das

hat er sich ausgedacht. Aber er hat es ja in Details

beschrieben.“2931

Der Zeuge Wunderlich hat zudem bekundet, dass die

entsprechende Information an die Staatsanwaltschaft, das

LfV Thüringen und die EG „TEX“ weitergegeben wurde.
Nach dem Ergebnis befragt hat Wunderlich geäußert:

„Negativ, also alles negativ. Diese Information ist
der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden, dem LfV

und dem LKA. LKA natürlich insofern der Sach-

bearbeitung, die ja meines Erachtens sogar mit da-

bei war. Also, da war ja der Informationsfluss so-

wieso schon gegeben. Aber die Bewertung dieses
2930) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 32.

2931) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 33.

Hinweises, die konnte ich nicht vornehmen. Ich

hatte auch keine Möglichkeit, das LfV als Zeugen

zu befragen. Das geht nicht. Ich habe also nur die-

sen Hinweis geben können, dass wir folgende In-

formation erlangt haben, und habe nachgefragt, ob

es dafür Hinweise gibt oder Möglichkeiten, dass

das stimmen könnte. Das wurde verneint.“2932

Hinweise auf eine wie auch immer geartete Tätigkeit von

Beate Zschäpe für das LfV Thüringen hat der Ausschuss

nicht gewonnen.

8. Anrufe bei Jürgen H. im März/April 1998 –
Hinweise auf Aufenthalt in Chemnitz bzw.
in der Schweiz

a) Anrufe im April 1998 bei Jürgen H.

Im Rahmen der bei Jürgen H. (Festnetzanschluss) erfolg-

ten Telefonüberwachungsmaßnahmen konnten im April

1998 mehrere Anrufe aufgezeichnet werden, deren Inhalt

auf eine Hilfestellung beim Abtauchen des Trios hindeu-

teten.
2933

Die meisten Anrufe wurden aus Telefonzellen

im Bereich Chemnitz abgesetzt, ein Anruf kam aus

Concise/Kanton Waadt/Schweiz. Darüber hinaus erfolg-

ten weitere Anrufe aus Telefonzellen in Chemnitz, bei

denen keine Nachrichten hinterlassen wurden.

Die Klärung der Herkunft der Anrufe erfolgte jeweils

zeitnah. Aus von KOK Wunderlich angelegten Vermer-

ken vom jeweiligen Folgetag lässt sich jeweils bereits der

genaue Standort der Telefonzellen entnehmen.
2934

Im Einzelnen handelte es sich um die folgenden Anrufe:

1. Anruf am 17. März 1998, 18.54 Uhr, aus Chemnitz,
Telefonzelle Franz-Mehring-Straße:

Es wurde keine Nachricht hinterlassen.

2. Anruf am 11. April 1998, 17.10 Uhr, aus
Concise/Kanton Waadt/Schweiz, Rue de la Gare

2935
:

Hinterlassene Nachricht:

„Ja Jürgen, paß auf, ich hab da eine Nachricht für
den Ralf. Sag ihm bitte, er soll am Montag 14.00

Uhr an demselben Treffpunkt sein wie vor zwei

Wochen und soll aber bitte äh vorher aber noch bei

Böni’s Eltern vorbeifahren und äh Klamotten oder
sowas kaufen. Es ist ganz wichtig, er soll am Mon-

tag 14.00 Uhr sein bei dem Treffpunkt wo wir vor
2932) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 32.

2933) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom
23. Juli 1998, MAT A TH-1/15, Bl. 140 f.

2934) Vermerk von KOK Wunderlich vom 17. April 1998, Ge-

sprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A TH-1/19,
Bl. 182 und Vermerk von KOK Wunderlich vom 21. April

1998, Gesprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A

TH-1/19, Bl. 184.

2935) Zur Herkunft des Anrufs: Mitteilung des BKA-

Verbindungsbeamten Gundlach vom 16. April 1998, MAT A

TH-1/20, Bl. 58.

Drucksache 17/14600 – 338 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zwei Wochen äh auch schon waren. Alles klar.

Tschüß.“

3. Anruf am 16. April 1998, 16.43 Uhr, aus Chemnitz-
Klaffenbach, Telefonzelle Würschnitztalstraße 25

2936
:

Hinterlassene Nachricht:

„Hallo Jörg, diese Nachricht is nochmal für den
Ralf, und jetze is Sonntag, 14.00 Uhr, selbe Stelle,

und jetzt muß er aber unbedingt kommen. Das ist

ganz wichtig. Soll vorher zu Uwe’s Mutter, dort
Geld holen. Wir brauchen viel Geld und soll dort,

äh einen Videorecorder holen und Klamotten und

was weiß ich noch alles, en Haufen Zeug. Und er

muss unbedingt Sonntag, 14.00 Uhr dort sein. Es

ist ganz wichtig. Es kann jetzt keine Ausrede

nochmal kommen. Er muss unbedingt…“

4. Anruf am 20. April 1998, 20.41 Uhr, aus Chemnitz,
Telefonzelle Haydnstraße 20a

2937
:

Hinterlassene Nachricht:

„Hallo, diese Nachricht ist für Ralf. Er soll bitte
Mittwoch, 18.00 Uhr, am Treffpunkt ZWEI sein.

Er weiß schon Bescheid. Alles klar, danke.“

5. Anruf am 22. April 1998, 19.02 Uhr, aus Chemnitz,
Telefonzelle Hoffmannstraße 22:

Es wurde keine Nachricht hinterlassen.

Aus einem Vermerk vom 23. Juli 1998, in dem die Anrufe

einzeln dargestellt werden, geht Folgendes hervor:

„Durch eine Vielzahl weiterer TKÜ-Maßnahmen
wurde festgestellt, dass durch den H. nach Abhö-

ren seines Anrufbeantworters dieser den Wohlle-

ben, Ralf an einem unbekannten Ort über den Ge-

sprächsinhalt in Kenntnis setzte. Hierbei soll es in

der weiteren Folge zu Kontaktaufnahmen und

Übergaben an einem Parkplatz der BAB 4 in der

Nähe von Jena gekommen sein. Dabei erschien

vermutlich eine Person mit einem kleinen PKW,

welche in einer anderen TKÜ mit der ‚Lange’ be-
zeichnet wurde.“2938

Weitere Vermerke, etwa über mögliche Observations-

maßnahmen bei Jürgen H. oder Ralf Wohlleben in zeitli-

chem Zusammenhang mit den Anrufen oder über den

konkreten Inhalt der in dem Vermerk genannten „Vielzahl
weiterer TKÜ-Maßnahmen“ sind in den dem Untersu-
chungsausschuss vorliegenden Akten nicht enthalten,

sodass sich die genaue Herkunft der hier zitierten Er-

kenntnisse nicht klären lässt.
2936) Vermerk von KOK Wunderlich vom 17. April 1998, Ge-

sprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A TH-1/19,
Bl. 182.

2937) Vermerk von KOK Wunderlich vom 21. April 1998, Ge-

sprächsprotokoll zur Telefonüberwachung, MAT A TH-1/19,
Bl. 184.

2938) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A

TH-1/15, Bl. 140 f. (141).

Aus einem Vermerk von KHK K. (EG „TEX“) vom
5. September 2002 ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt

eine erneute Auswertung der Anrufe erfolgt war.
2939

Hier-

bei wurde anhand der Anruflisten festgestellt, dass von

dem Anschluss des Jürgen H. am 11. April 1998 um

20.33 Uhr und am 16. April 1998 um 19.09 Uhr Gesprä-

che auf den Anschluss von Ralf Wohlleben geführt wur-

den. Die Inhalte dieser Gespräche waren nicht mehr er-

kennbar, da keine entsprechenden Vermerke hierüber in

den Akten aufgefunden wurden.

b) Anruf aus der Schweiz (Bereich Or-
be/Yverdon)

Bzgl. des Anrufs vom 11. April 1998 erfolgte zeitnah eine

Klärung der in diesem Zusammenhang vorhandenen

Schweizer Telefonnummer. Aus einem Telefax des LKA

Thüringen (Fernkopie Nr. 419) vom 14. April 1998 geht

hervor, dass – unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch
zwischen KHK I., dem damaligen Leiter der Zielfahn-

dungsabteilung im LKA Thüringen und dem Verbin-

dungsbeamten des BKA in der Deutschen Botschaft in

Bern, KHK Gundlach – darum gebeten wurde, geeignete
Fahndungsmaßnahmen im Bereich des angegebenen Tele-

fonanschlusses einzuleiten.
2940

Aus einem am 14. April 1998 am Nachmittag versandten

Telefax des LKA Thüringen (Fernkopie Nr. 431) an das

BKA geht unter anderem Folgendes hervor:

„Bemerkungen: Durch Maßnahmen der Telefon-
überwachung wurde festgestellt, dass über eine

Kontaktperson Bekleidungsgegenstände für eine

der gesuchten Personen an einen derzeit unbekann-

ten Ort am 13.04.98 übernommen wurden. Hierbei

rief die Kontaktperson am 11.04.98 17.10 Uhr aus

einer öffentlichen Telefonzelle im Bereich Or-

be/Yverdon (Schweiz) einen überwachten An-

schluss in Jena (Thüringen) an. […] Zur Abklä-
rung des Telefonanschlusses in der Schweiz wurde

bereits Rücksprache mit dem Verbindungsbeamten

des BKA KHK Gundlach geführt.“2941

Darüber hinaus wurde das BKA gebeten, die Fahndung

auf die Schweiz auszuweiten. Staatsanwalt Sbick von der

Staatsanwaltschaft Gera habe hierum gebeten und für den

Fall der Festnahme des Trios die Stellung eines Ersuchens

um Auslieferung zugesagt.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Faxes war mithin

bereits eine Übergabe am 13. April 1998 bekannt gewor-

den, der genaue Standort der Telefonzelle war dem Ver-

fasser des Telefaxes, dem damaligen Leiter der Zielfahn-
2939) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. (EG „TEX“)

vom 5. September 2002 über Anrufe im April 1998, MAT A

TH-1/19, Bl. 175.

2940) Fernkopie Nr. 419 des LKA Thüringen vom 14. April 1998,

MAT A TH-1/20, Bl. 345.

2941) Hierzu und im Folgenden: Fernkopie Nr. 431, undatiert, des
LKA Thüringen an das BKA, MAT A TH-1/11, Bl. 114. sowie

mit Faxabdruck vom 14. April 1998, 15.07 Uhr, MAT A BKA-

8, Bl. 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 339 – Drucksache 17/14600

dungsabteilung im LKA Thüringen, KHK I., jedoch of-

fensichtlich noch nicht bekannt.

Mit Faxschreiben vom 16. April 1998 wurde durch KHK

Gundlach schließlich mitgeteilt:

„Über die Bundespolizei konnte ermittelt werden,
dass es sich bei dem Telefonanschlussinhaber, wie

bereits vorab fernmündlich mitgeteilt, tatsächlich

um eine Telefonzelle handelt. Diese befindet sich

am Bahnhof, Rue de la Gare (Bahnhofstraße), in

1426 Concise (Kanton Waadtland). Nähere Abklä-

rungen sind veranlasst.“2942

Unterlagen über die erbetenen Fahndungsmaßnahmen im

Bereich des Telefonanschlusses oder über die veranlass-

ten weiteren Abklärungen sind in den Akten, die dem

Untersuchungsausschuss vorliegen, nicht enthalten.

Aus dem Staatsschutzbericht 1998 des Eidgenössischen

Justiz- und Polizeidepartements der Schweiz geht hervor,

dass am 11. April 1998 in Concise ein als Geburtstagsfei-

er getarntes neonazistisches Skinhead-Konzert mit 150 bis

300 Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich, Italien,

Polen, Australien und der Schweiz stattfand.
2943

Der Zeuge Gundlach hat in seiner Vernehmung vor dem

Untersuchungsausschuss den soeben dargestellten, aus

den Akten zu entnehmenden Ablauf bestätigt, jedoch auch

dargelegt, an den Vorgang selbst zunächst keine Erinne-

rung mehr gehabt zu haben. Er hat bekundet:

„Ich habe dann festgestellt anhand der Unterlagen,
die mir zugekommen waren, dass in der Tat offen-

sichtlich ein Anruf erfolgt war aus dem Landes-

kriminalamt Thüringen. Diesem Anruf folgte of-

fenbar ein Fax, das an mich gesandt worden ist -

das Ganze hat sich wohl abgespielt am 14.04.1998

-, und in dem Fax wurde dann ein Sachverhalt

mitgeteilt und darum gebeten, dass ich eine Tele-

fonanschlussinhaberfeststellung durchführe, die

dann auch erfolgt ist. Ich habe dann - - Das ist

auch nicht mehr in meiner Erinnerung, aber ich

schließe aus dem Vorgang, den ich hier habe lesen

können, dass eine Anschlussinhaberfeststellung er-

folgt ist, und zwar handelte es sich da bei diesem

Anschluss um eine Telefonzelle. Das konnte ich

offenbar direkt mitteilen, und das wurde dann zwei

Tage später bestätigt, und bestätigt auch dadurch,

dass ich ein Fax zurückgeschickt habe an das Lan-

deskriminalamt Thüringen und das Bundeskrimi-

nalamt nachrichtlich beteiligt habe.“2944

Bzgl. des Aspekts, dass in den von den Thüringer Ermitt-

lern verfassten Dokumenten durchgängig von einem „An-
ruf aus Orbe“ die Rede war und ist, obgleich der Anruf
nach dem Ergebnis der Klärungen aus dem Ort Concise
2942) Telefax der Deutschen Botschaft in Bern an das LKA Thürin-

gen und an das BKA, MAT A TH-1/19, Bl. 179.7

2943) Staatsschutzbericht 1998 des Eidgenössischen Justiz- und

Polizeidepartements der Schweizer Eidgenossenschaft, S. 35.

2944) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 64.

(ca. 15 km von Orbe entfernt) erfolgte, hat der Zeuge

Gundlach ausgesagt:

„Bei der Telefonnummer, die abzuklären war, war
anhand der Telefonnummer an sich schon ersicht-

lich, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um

eine Telefonzelle handelt.“2945

sowie auf den Vorhalt, dass der aus der Telefonnummer

ersichtliche Vorwahlbereich die am Neuenburger See

gelegenen Orte Concise, Yverdon und Orbe umfasse und

er sodann ermittelt habe, dass die Telefonzelle selber in

Concise stand:

„Es geht um den 024er-Bereich, und das ist der
nördliche Teil vom gesamten Waadtland und be-

trifft nicht nur drei Orte. Es sind also diverseste

Orte, die mit 024 beginnen, ja.“2946

Es erscheint daher naheliegend, dass zunächst – im Rah-
men des Telefonats zwischen KOK Gundlach und KHK I.

am oder vor dem 14. April 1998 – im Rahmen einer Vor-
einschätzung mitgeteilt worden war, dass der Anruf aus

einer Telefonzelle im Bereich Orbe/Yverdon stammen

könnte. Mit Telefax vom 16. April 1998 wurde dann der

exakte Standort mitgeteilt. Die Benutzung des Terminus

„Bereich Orbe/Yverdon“, mithin eine letztendlich wenig
exakte Angabe, spricht ebenfalls für diese Möglichkeit.

Auch nachdem mit Fax vom 16. April 1998 den Thürin-

ger Ermittlern der korrekte Herkunftsort des Anrufs,

Concise, mitgeteilt wurde, blieb dieser Umstand unbe-

rücksichtigt – es wurde weiterhin von einem Anruf aus
Orbe ausgegangen. Damit fand die Möglichkeit, einen

Zusammenhang mit dem Skinhead-Konzert vom Tage des

Anrufs zu erkennen, zu keinem Zeitpunkt Eingang in die

Thüringer Akten.

Im Hinblick auf die seitens des Zeugen Gundlach im

Telefax vom 16. April 1998 mitgeteilten „näheren Abklä-
rungen“, die durch die Bundespolizei (der Schweiz) ver-
anlasst seien, finden sich in den Akten des LKA Thürin-

gen keine weiteren Aktenbestandteile. Hierzu befragt,

konnte der Zeuge Gundlach keine weiteren Auskünfte

geben, teilte jedoch mit, dass entsprechende Meldungen

auch über den Interpol-Meldeweg nach Deutschland hät-

ten mitgeteilt werden können. Gundlach hat hierzu kon-

kret geäußert:

„Ich gehe davon aus, dass ich sofort die Bundespo-
lizei informiert habe und um weitere Abklärung

gebeten habe.“2947

Auf die Frage, ob die daraufhin eingeholten Informatio-

nen der Schweizer Polizeibehörden durch den Zeugen

Gundlach nach Deutschland weitergeleitet worden seien,

hat der Zeuge Gundlach geäußert:

„Das ist die Frage, weil ja parallel am selben Tage,
als ich die Information erhalten habe, ein Interpol-
2945) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 65.

2946) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 66.

2947) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 66.

Drucksache 17/14600 – 340 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Fernschreiben mit der Erweiterung der Fahndung

an Interpol Schweiz ergangen ist, auch mit einer

näheren Sachverhaltsdarstellung. Ich gehe da mal

davon aus, dass auch dieses Fahndungsersuchen

entsprechend in der Schweiz umgesetzt worden ist

und nähere Fahndungsmaßnahmen dann über den

üblichen Weg koordiniert worden sind. Also, die

ursprüngliche Aufgabe, die mir offenbar zustand in

dem Moment, war die schnelle Übermittlung der

Information: Um was handelt es sich bei dieser Te-

lefonnummer?“2948

sowie:

„In der Regel, wenn man bestimmte Ersuchen, die
zu keinem Ergebnis führen, an die Behörden wei-

terleitet, heißt das noch lange nicht, dass man ein

sogenanntes Nullergebnis zurückbekommt. Es ist

durchaus denkbar aufgrund dieser Sachlage, die

mir auch später zur Kenntnis gelangt ist, dass der

eigentliche Fahndungsaufruf und die eigentliche

Fahndungserweiterung in Richtung Schweiz über

Interpol gelaufen ist, dass dann sämtliche Maß-

nahmen auch über die schweizerische Interpolstel-

le koordiniert worden sind und diese Interpolstelle

dann auch entsprechend rückmeldet. Es ist eher

das Gegenteil der Fall von dem, was Sie sagen,

dass es eher wahrscheinlich ist, dass Interpol dann

eine Rückmeldung gibt, als dass ich eine Rück-

meldung bekomme und die dann weiterleite.“2949

Das am 11. April 1998 in Concise stattgefundene Skin-

head-Konzert war dem Zeugen Gundlach unbekannt.

Hierzu hat er geäußert:

„Also, von diesem Skinhead-Konzert, das sagt mir
hier gar nichts. Ich hätte dann vielleicht schon er-

wartet, dass mir so was mitgeteilt würde. Die An-

frage ging ja drei Tage später raus. Da hätten sich

vielleicht die schweizerischen Behörden dann auch

erinnern können, dass ein solches Konzert stattge-

funden hat. Mir war das offensichtlich nicht be-

kannt; sonst hätte ich das mit Sicherheit mitge-

teilt.“2950

c) Klärung der Identität des Anrufers und
weitere Maßnahmen

Die Identität des Anrufers konnte zunächst nicht geklärt

werden. In einem Vermerk vom 26. Mai 1998
2951

und in

dem schon erwähnten Vermerk vom 23. Juli 1998 ist

dieser als „noch unbekannte männliche Person“ bezeich-
net.

2952
Hieraus kann geschlossen werden, dass seitens der

Polizei davon ausgegangen wurde, dass es sich bei dem
2948) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 68.

2949) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 69.

2950) Gundlach, Protokoll-Nr. 68, S. 69.

2951) Vermerk von KOK Wunderlich zur Beantragung von TKÜ-
Maßnahmen vom 26. Mai 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 210 f.

2952) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A

TH-1/15, Bl. 140 f.

Anrufer – jedenfalls in den Fällen, in denen Nachrichten
hinterlassen wurden – in allen Fällen um dieselbe Person
handelte.

Aus dem Vermerk vom 26. Mai 1998 geht zudem hervor,

dass sich die Zielfahndungsabteilung zunächst erhoffte,

durch eine Verlängerung der TKÜ-Maßnahmen bei Wohl-

leben und Jürgen H. die Identität des Anrufers klären zu

können, weshalb zunächst die Verlängerung dieser Maß-

nahmen sowie die Überwachung der Telekommunikation

angeregt wurde.
2953

Auch am 23. Juli 1998 war die Identi-

tät des Anrufers weiter unbekannt.
2954

Aus einem Vermerk, der mit dem Datum 3. August 1997

versehen ist, geht sodann hervor, dass seitens der Ziel-

fahndungsabteilung offensichtlich Ermittlungen zur rech-

ten Szene in Chemnitz erfolgt waren.
2955

Auf welche

Weise dies erfolgte, ist nicht vermerkt. Es wurde ange-

regt, TKÜ-Maßnahmen gegen Jan Werner, Thomas Star-

ke und Hendrik L. durchzuführen. Aus dem Gesamtzu-

sammenhang des Vermerks (Aktenfundstelle, daraufhin

ergangener TKÜ-Beschluss, dargestellte Erkenntnisse)

kann geschlossen werden, dass der Vermerk tatsächlich

vom 3. August 1998 stammt. Nachdem auf Grundlage

dieses Vermerks noch am 3. August 1998 der Erlass ent-

sprechender Beschlüsse durch die Staatsanwaltschaft

Gera beantragt worden war, kann – nachdem die Maß-
nahmen begonnen wurden – aus einem Vermerk vom
11. August 1998 Folgendes entnommen werden:

„Es konnte ermittelt werden, dass der W., Jan eine
Kontaktperson zu den Gesuchten ist und Wissen

zum gegenwärtigen Verbleib der Personen haben

könnte.“2956

Auf welche Art diese Ermittlungen vorgenommen wur-

den, lässt sich dem Vermerk nicht entnehmen.

Aus einem Vermerk vom 9. September 1998 geht schließ-

lich hervor, dass Jan Werner als der Anrufer aus den

Telefonzellen im April 1998 identifiziert wurde. Wörtlich

heißt es in Bezug auf Jan Werner:

„Dieser konnte auf Grund der bestehenden TKÜ-
Maßnahmen als Anrufer aus Telefonzellen im Ap-

ril 1998 identifiziert werden.“2957

Auch diesem Vermerk lässt sich nicht entnehmen, auf

welche Weise Jan Werner als der Anrufer aus den Tele-

fonzellen identifiziert werden konnte. Eine nicht fernlie-

gende Möglichkeit besteht darin, dass ein Stimmenver-
2953) Vermerk von KOK Wunderlich zur Beantragung von TKÜ-

Maßnahmen vom 26. Mai 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 210 f.

2954) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A

TH-1/15, Bl. 140 f.

2955) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich,
datiert mit 3. August 1997, zur Beantragung von TKÜ-

Maßnahmen, MAT A TH-1/4, Bl. 231 und Bl. 242.

2956) Vermerk von KOK Wunderlich vom 11. August 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 245.

2957) Vermerk von KOK Wunderlich vom 9. September 1998, MAT

A TH-1/4, Bl. 269.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 341 – Drucksache 17/14600

gleich vorgenommen wurde. Ein entsprechendes Sachver-

ständigengutachten findet sich nicht in den Akten.

Jürgen H. wurde am 27. Mai 1999 in einer Kaserne im

bayerischen Mellrichstadt durch KOK Wunderlich be-

fragt. Dem hierzu durch KOK Wunderlich angefertigten

Vermerk ist – soweit er die Anrufe im April 1998 betrifft
– zu entnehmen, dass Uwe Böhnhardt selbst der Anrufer
gewesen sein soll. In dem Vermerk heißt es:

„Durch den Wohlleben wurde er im April 1998
gebeten, Telefonanrufe entgegenzunehmen und

Kurierfahrten durchzuführen. Dabei wurde auf

dem privaten Telefonanschluss des H. durch den

gesuchten Böhnhardt mehrere Male angerufen. In

diesen Gesprächen teilte der Böhnhardt mit, wel-

che Bekleidungsgegenstände und wieviel Geld der

Wohlleben besorgen soll. Mit diesen Informatio-

nen ging H. zu Wohlleben und teilte diese münd-

lich mit. Desweiteren wurde H. von Wohlleben be-

auftragt, diese Dinge mit seinem Privatfahrzeug an

einen weiteren Kurier nach Zwickau zu bringen.

Wohlleben gab zu verstehen, dass hierfür die A4

genutzt werden sollte, um schnell das Ziel zu er-

reichen. H. sollte darauf achten, dass ihm kein

Fahrzeug folgt. In Zwickau angekommen, kam ei-

ne für ihn unbekannte männliche Person auf ihn zu

und übernahm die mitgebrachten Sachen.“2958

Die Aussage des H. widerspricht in mehreren Aspekten

den zuvor gewonnenen Erkenntnissen der Zielfahndungs-

abteilung. So war durch die Zielfahndungsabteilung da-

von ausgegangen worden, dass Jan Werner der Anrufer

gewesen sei. Darüber hinaus ergab sich aus dem Vermerk

vom 23. Juli 1998 auch nicht, dass Jürgen H. Übergaben

in Zwickau durchgeführt hatte, sondern lediglich, dass

Übergaben auf einem nahe Jena gelegenen Parkplatz an

der Bundesautobahn 4 (BAB 4) stattfanden. Inwiefern H.

hier möglicherweise die Unwahrheit berichtet hatte bzw.

inwiefern er von Kurierfahrten berichtete, die zu einem

späteren Zeitpunkt durchgeführt worden waren, oder

inwiefern die Aussage des H. dazu führte, die bisherige

Position bzgl. des Anrufers neu zu überdenken, ist nicht

aktenkundig. Weiterhin ist nicht aktenkundig, inwiefern

auf den zu diesem Zeitpunkt (Mai 1999) neuen Hinweis

auf Zwickau eingegangen wurde oder ob dies zu weiteren

Maßnahmen führte. Dem Vermerk lässt sich auch nicht

entnehmen, dass H. zu weiteren Details der in Zwickau

erfolgten Übergaben (z. B. Identität oder jedenfalls Be-

schreibung der Person, mit der er sich traf, genaue Ört-

lichkeit, genutzte Kraftfahrzeuge, etc.) befragt wurde.

In einer durch das BKA am 28. Februar 2012 durchge-

führten Vernehmung hat Jürgen H. angegeben, dass der

Anruf vom 11. April aus Concise/Schweiz durch Uwe
2958) Vermerk von KOK Wunderlich vom 27. Mai 1999 über die

Befragung des H., Jürgen, in Mellrichstadt, MAT A TH-1/20,

Bl. 323.

Mundlos selbst erfolgt sei. Er sei sich dahingehend sicher,

er habe Mundlos an der Stimme erkannt.
2959

9. Weitere Fahndungsmaßnahmen des LKA
Thüringen zwischen März und Dezember
1998

a) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen
im Jahr 1998

aa) Telefonüberwachung bei Jan Werner

aaa) Hinweise auf Beteiligung von Jan Werner

In Bezug auf Jan Werner kam es zu zwei TKÜ-

Maßnahmen. Zwischen dem 4. August 1998 und dem

11. August 1998 wurde der Festnetzanschluss der Mutter

von Jan Werner überwacht, weil man vermutete, dass Jan

Werner auch diesen Anschluss für Telefongespräche

nutzte. Zwischen dem 4. August 1998 und dem

24. September 1998 wurde dessen Mobiltelefon über-

wacht.

Auf Jan Werner war die Zielfahndung des LKA Thürin-

gen aufmerksam geworden, weil Ermittlungen ergeben

hatten, dass er zum rechten Spektrum in Chemnitz gehöre.

Hintergrund der Telefonüberwachung bei Jan Werner

war, dass zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt war, von

wem im April 1998 mehrere Mitteilungen auf einem

Anrufbeantworter von H. hinterlassen worden waren,

wobei die Anrufe zumeist aus Telefonzellen innerhalb

von Chemnitz erfolgten (siehe hierzu oben unter 8.).

bbb) Überwachung des Festnetzanschlusses
der Mutter von Jan Werner

Aufgrund einer entsprechenden Anregung der Zielfahn-

dungsabteilung des LKA Thüringen vom

3. August 1998
2960

wurde am selben Tag durch die Staats-

anwaltschaft Gera beim Amtsgericht Jena der Erlass eines

entsprechenden Beschlusses zur Überwachung des Fest-

netzanschlusses der Mutter von Werner in Chemnitz (und

auch bzgl. der Mobilfunktelefone von Hendrik L. und

Thomas Starke) beantragt.
2961

Am 4. August 1998 wurde

der entsprechende Beschluss erlassen.
2962

Weder auf dem Anregungsvermerk der Zielfahndung

noch auf dem Antrag der Staatsanwaltschaft ist dabei
2959) Protokoll über die Vernehmung von Jürgen H. am 28. Februar

2012, MAT A BY-14/1-1, Bl. 6 ff. (22).

2960) Vermerk von KOK Wunderlich zur Anregung von TKÜ-

Maßnahmen, MAT A TH-1/4, Bl. 242.

2961) Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur Überwachung der
Telekommuikation bzgl. Hendrik L. (Mobilfunk), Thomas Star-

ke (Mobilfunk) und Jan Werner (Festnetz, Anschluss der Mut-

ter), MAT A TH-1/4, Bl. 234 f.

2962) Beschluss des Amtsgerichts Jena bzgl. der Überwachung der

Telekommunikation vom 4. August 1998, Az. 7 Gs 332/98,

MAT A TH-1/9, Bl. 141.

Drucksache 17/14600 – 342 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

erwähnt, dass eine mögliche Flucht des Trios nach Südaf-

rika im Raume steht. Vielmehr wird zur Begründung

lediglich der Verdacht angeführt, der Betroffene könne

bei der Flucht behilflich sein und telefonisch Kontakt

aufnehmen. Der richterliche Beschluss vom 4. August

1998 erwähnt demgegenüber Folgendes:

„Auch liegen Hinweise vor, dass die Beschuldig-
ten sich demnächst in das Ausland, namentlich

Südafrika, absetzen werden.“2963

Durch wen der Richter über diese im Raume stehende

Möglichkeit informiert wurde, ist den Akten nicht zu

entnehmen.

Die Überwachung des Festnetzanschlusses der Mutter von

Jan Werner dauerte bis zum 11. August 1998 an. Einem

Vermerk von diesem Tag ist zu entnehmen, dass keine

Informationen erlangt werden konnten.
2964

Gleichzeitig

wird in dem Vermerk die Überwachung des Mobilfunk-

anschlusses von Jan Werner (sowie von Sigfried Sch.)

angeregt und mitgeteilt, dass am 9. August 1998 auf ei-

nem Autobahnrastplatz der BAB 4 in der Nähe von Jena

eine Übergabe bisher unbekannter Gegenstände durchge-

führt wurde. Wer bei dieser Übergabe zugegen war und

woher diese Kenntnis stammt, ist nicht erwähnt; lediglich,

dass das Treffen von einem Sigfried Sch. aus Chemnitz

organisiert worden sei.

ccc) Überwachung des Mobilfunkanschlusses
von Jan Werner

Nachdem die Überwachung des Festnetzanschlusses der

Mutter von Jan Werner fruchtlos verlaufen war, regte die

Zielfahndungsabteilung am 11. August 1998 an, nunmehr

den Mobilfunkanschluss von Jan Werner zu überwachen

(neben dem Mobilfunkanschluss von Sigfried Sch.).
2965

Aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft Gera vom

selben Tage
2966

wurde – ebenfalls am selben Tag – durch
das Amtsgericht Jena ein entsprechender Beschluss ge-

fasst, der die Überwachung der Telekommunikation für

einen Monat anordnete.
2967

Am 10. September 1998 wur-

de in einem weiteren Beschluss die TKÜ-Maßnahme bis

zum 24. September 1998 verlängert.
2968

Dem vorausge-

gangen war ein entsprechender Anregungsvermerk von

KOK Wunderlich von der Zielfahndung des LKA Thürin-

gen vom 9. September 1998, in dem neben der Verlänge-
2963) Beschluss des Amtsgerichts Jena bzgl. der Überwachung der

Telekommunikation vom 4. August 1998, Az. 7 Gs 332/98,

MAT A TH-1/9, Bl. 141.

2964) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom

11. August 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 245.

2965) Vermerk von KOK Wunderlich vom 11. August 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 245.

2966) Antrag der Staatsanwaltschaft Gera auf Erlass eines Beschlus-

ses über TKÜ-Maßnahmen vom 11. August 1998, MAT A TH-
1/4, Bl. 246 f.

2967) Beschluss des Amtsgerichts Jena, Az. 7 Gs 346/98, vom

11. August 1998 über TKÜ-Maßnahmen eines Mobilfunkan-
schlusses von Jan Werner, MAT A TH-1/4, Bl. 244.

2968) Beschluss des Amtsgerichts Jena, Az. 7. Gs 346/98, vom

10. September 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 252 f.

rung der TKÜ des Mobiltelefons von Jan Werner auch

eine TKÜ bei einer Frau A. angeregt wird, und in dem es

unter anderem heißt:

„So wurde aus dem Umfeld des Werner wie auch
der A. bekannt, dass drei rechte Personen (2 Män-

ner und 1 Frau) im Bereich Chemnitz unterge-

taucht sind und in den nächsten Tagen in das Aus-

land gebracht werden sollen. Hierzu notwendige

Ausweisdokumente seien noch in Arbeit.“2969

Ob der hier niedergelegte Hinweis auf eine Flucht ins

Ausland und mögliche Ausweisdokumente aus einer

TKÜ-Maßnahme stammt oder auf andere Weise der Ziel-

fahndung bekannt wurde, ist dem Vermerk nicht zu ent-

nehmen. Aufgrund der Benutzung des Terminus „aus dem
Umfeld“ besteht auch die Möglichkeit, dass der entspre-
chende Hinweis nicht durch TKÜ-Maßnahmen erlangt

wurde.

Aus einem weiteren Vermerk vom 15. September 1998

geht sodann hervor, dass durch die Überwachung des

Mobiltelefons von Jan Werner auch Erkenntnisse darüber

erlangt wurden, dass Jan Werner ein führender Kopf der

„Blood & Honour“-Bewegung Sachsen sei und in diesem
Zusammenhang Musikgruppen aus dem Ausland

Auftrittsmöglichkeiten in Deutschland verschaffe und

über ihn der Absatz von CDs, T-Shirts und Zeitschriften

aus dem rechten Spektrum gesteuert werde und er als

Kraftfahrer sehr mobil sei.
2970

Am 16. und 25. August 1998 wurden von dem überwach-

ten Mobiltelefon von Jan Werner insgesamt drei SMS an

ein Mobiltelefon mit der Rufnummer 0172/3922XXX

versandt.
2971

Eine Überprüfung der Rufnummer erfolgte

offenbar erst Ende November 1998: Durch eine Form-

blattmitteilung wurde durch den Mobilfunkanbieter am

26. November 1998 mitgeteilt, dass die Rufnummer

0172/3922XXX an das Ministerium des Innern des Lan-

des Brandenburg ausgegeben war.
2972

Nähere Ermittlungen hierzu, wie etwa eine Anfrage an

das Land Brandenburg sind nicht aktenkundig.

Detaillierte Ausführungen zu diesem Vorgang finden sich

im Abschnitt E. III. 6. h) in den Ausführungen zu Hinwei-

sen des V-Mannes Piatto des Verfassungsschutzes Bran-

denburg.
2969) Vermerk der Zielfahndung vom 9. September 1998, MAT A

TH-1/17, Bl. 140.

2970) Vermerk des LKA Thüringen vom 15. September 1998 über
Maßnahmen der Telefonüberwachung bei Jan Werner, MAT A

TH-1/19, Bl. 197.

2971) S-Records des Mobiltelefons von Jan Werner, MAT A TH-1/9,
Bl. 272.

2972) Mitteilung der Mannesmann Mobilfunk GmbH vom 26. No-

vember 1998, MAT A TH-1/10, Bl. 365.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 343 – Drucksache 17/14600

bb) Telefonüberwachung bei Antje und
Michael P., Limbach-Oberfrohna

Zwischen dem 8. Oktober und dem 7. November 1998

erfolgte eine TKÜ-Maßnahme bzgl. des Festnetzanschlus-

ses von Michael P. in Limbach-Oberfrohna. Darüber

hinaus wurde zwischen dem 15. Oktober und dem

15. November 1998 ein auf Michael P. eingetragener

Mobilfunkanschluss überwacht.

In einem Vermerk vom 7. Oktober 1998, durch den sei-

tens der Zielfahndung des LKA Thüringen die Beantra-

gung eines entsprechenden Beschlusses bei der Staatsan-

waltschaft angeregt wird, heißt es unter Nennung der

Namen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos:

„In Auswertung der bereits angeordneten Überwa-
chung der einzelnen Anschlüsse und umfangrei-

cher Ermittlungen wurde festgestellt, dass in der

rechten Chemnitzer Szene (BLOOD AND

HONOUR) über die gesuchten Personen gespro-

chen wurde.

Weiterhin wurde dienstlich bekannt, dass die nach-

folgend aufgeführte Person Kontakt zu o. g. Perso-

nen unterhält.

Hierbei handelt es sich um

P., Antje

[…]

Die P. ist Betreiberin eines Szeneladens in Chem-

nitz und unterhält eine Vielzahl von Kontakten in

das europäische Ausland.“2973

Unter Bezugnahme auf diesen Vermerk beantragte die

Staatsanwaltschaft Gera am 7. Oktober 1998 die Überwa-

chung des auf Michael P. eingetragenen Festnetzan-

schlusses.
2974

Der entsprechende Beschluss des Amtsge-

richts Jena erging noch am selben Tag.
2975

Ein weiterer Vermerk von KOK Wunderlich vom

14. Oktober 1998 enthält ähnliche Hinweise bzgl. Micha-

el P. Unter der Überschrift „Zielfahndung: Böhnhardt,
Mundlos, Zschäpe“ heißt es darin:

„In Auswertung der bereits angeordneten Überwa-
chung der einzelnen Anschlüsse und umfangrei-

cher Ermittlungen wurde festgestellt, dass in der

rechten Chemnitzer Szene (BLOOD AND

HONOUR) über die gesuchten Personen gespro-

chen wurde.

Weiterhin wurde dienstlich bekannt, dass die nach-

folgend aufgeführte Person Kontakt zu o. g. Perso-

nen unterhält.
2973) Vermerk von KOK Wunderlich vom 7. Oktober 1998 zur

Beantragung einer TKÜ-Maßnahme, MAT A TH-1/4, Bl. 277.

2974) Antrag der Staatsanwaltschaft Gera auf Erlass eines Beschlus-

ses zur Überwachung der Telekommunikation vom 7. Oktober
1998, MAT A TH-1/4, Bl. 275 f.

2975) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 7. Oktober 1998, Az. 7

Gs 427/98, MAT A TH-1/4, Bl. 278 f.

Hierbei handelt es sich um

P., Michael

[…]

Der P. ist der Ehemann von Antje P., welche eben-

falls Wissen über den momentanen Aufenthalt der

gesuchten Personen haben müsste.

Dienstlich wurde bekannt, dass beide Personen be-

absichtigen in der Zeit vom 23.10. bis 25.10.1998

in die Republik Ungarn zu reisen, um an einem

Rockkonzert der rechten Szene teilzunehmen.

Durch einen anonymen Hinweisgeber wurde am

12.09.1998 telefonisch mitgeteilt, dass sich zwei

der gesuchten Personen in der Republik Ungarn

aufhalten sollen.“2976

Der Anregung entsprechend beantragte die Staatsanwalt-

schaft die Überwachung des Mobilfunkanschlusses von

Michael P. am 14. Oktober 1998.
2977

Der entsprechende

Gerichtsbeschluss erging am 15. Oktober 1998.
2978

Weitere Vermerke über das Ergebnis der TKÜ-

Maßnahmen sind in den Akten nicht vorhanden. Ebenso-

wenig finden sich Anhaltspunkte für eine Einschaltung

der Behörden in Ungarn zwischen dem 23. und

25. Oktober 1998 oder zu einem anderen Zeitpunkt wäh-

rend der Überwachung dieser beiden Telefonanschlüsse.

In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, auf welche Weise

ein möglicher Kontakt zwischen dem gesuchten Trio und

Antje bzw. Michael P. „dienstlich bekannt“ wurde.

cc) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen

Neben den bereits aufgeführten TKÜ-Maßnahmen erfolg-

ten im Jahr 1998 weitere TKÜ-Maßnahmen, und zwar:

– der Eltern von Uwe Böhnhardt (Festnetzanschluss)
zwischen dem 4. Februar 1998 und dem

28. Februar 1998

– des Mobiltelefons von Uwe Böhnhardt zwischen dem
18. Februar und dem 17. März 1998

– von Ralf Wohlleben (Festnetz) zwischen dem 5. März
und dem 25. Juli 1998

– von Rayk F. zwischen dem 4. und 26. Mai 1998

– von Thomas Se. (Festnetz) zwischen dem 5. und
26. Mai 1998

– der Eltern von Uwe Mundlos zwischen dem 18. und
24. Mai 1998 – hier rechnete die EG „TEX“, KHK
2976) Vermerk von KOK Wunderlich vom 14. Oktober 1998 zur

Beantragung einer TKÜ-Maßnahme, MAT A TH-1/4, Bl. 287.

2977) Antrag der Staatsanwaltschaft Gera auf Erlass eines Beschlus-
ses zur TKÜ vom 14. Oktober 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 285 f.

2978) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 15. Oktober 1998, Az. 7

Gs 443/98, MAT A TH-1/4, Bl. 288.

Drucksache 17/14600 – 344 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dressler, mit einer Kontaktaufnahme aufgrund des

Geburtstages der Mutter von Uwe Mundlos
2979

– des REWE-Markts (Festnetz), in dem die Mutter von
Uwe Mundlos seinerzeit arbeitete, zwischen dem

18. und 24. Mai 1998

– von Conny C. (Festnetz) zwischen dem 28. Mai und
dem 10. Juni 1998

– von Hartwig B. (Festnetz) zwischen dem 28. Mai und
dem 10. Juni 1998

– von Holger Gerlach (Festnetz) zwischen dem 5. und
7. Juni 1998

– von Hendrik L. (Mobilfunk) zwischen dem 4. und
11. August 1998 die Anregung der Zielfahndung zu

dieser TKÜ erfolgte gemeinsam mit der Anregung

zur Überwachung des Anschlusses der Mutter von

Jan Werner

– von Thomas Starke (Mobilfunk) zwischen dem
4. August und dem 4. September 1998

– von Sigfried S. (Mobilfunk) zwischen dem
11. August und dem 10. September 1998

– von Angela A. zwischen dem 10. September und dem
5. Oktober 1998

Hinweise über die bei diesen Telekommunikationsüber-

wachungen gewonnenen Erkenntnisse sind nicht akten-

kundig. Die jeweiligen Verbindungsdaten (S-Records)

sind jedoch erhalten.

b) Observationsmaßnahmen

aa) Observation von Ralf Wohlleben am
22. April 1998 und im August 1998

aaa) 22. April 1998

Am 22. April 1998 wurde Ralf Wohlleben im Stadtgebiet

Jena observiert – es ergaben sich keine relevanten Er-
kenntnisse.

2980
In dem hierüber verfassten Vermerk findet

sich kein Hinweis auf den Anlass der Observation.

bbb) August 1998

Aus einem Vermerk vom 6. September 1998 ergibt sich,

dass jedenfalls am 12. August 1998 eine Observation von

Ralf Wohlleben stattfand.
2981

Dieser befand sich zu die-

sem Zeitpunkt in Hannover, von wo aus er aus einer Tele-
2979) Anregungen zur Beantragung von TKÜ-Maßnahmen bzgl. des

Anschlusses der Eltern von Uwe Mundlos und des Anschlusses
der Arbeitsstelle der Mutter von Uwe Mundlos vom 14. Mai

2000, MAT A TH-1/4, Bl. 200 f.

2980) Vermerk der Zielfahndung über Observation am 22. April 1998
im Stadtgebiet Jena, MAT A TH-1/20, Bl. 330.

2981) Hierzu und im Folgenden: Vermerk der Zielfahndungsabteilung

vom 6. September 1998, MAT A TH-1/20, Bl. 50.

fonzelle heraus telefonierte. Durch die Zielfahndungsab-

teilung wurde daher am 6. September 1998 angeregt,

rückwirkend die Verbindungsdaten der Telefonzelle zu

erheben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechender

Gerichtsbeschluss herbeigeführt wurde.

bb) Künstliche Nachfrage nach dem
„Pogromly“-Spiel – Observation von Jür-
gen H. Anfang August 1998

Zwischen dem 3. August 1998 und dem 6. August 1998

wurde Jürgen H. nahezu durchgehend observiert.
2982

Der Anlass dieser Observationsmaßnahme lässt sich indi-

rekt aus einem Vermerk vom 23. Juli 1998 rückschlie-

ßen.
2983

Eigentlicher Hintergrund dieses Vermerkes war

die Anregung, die Telefonüberwachungsmaßnahmen bei

Jürgen H. um weitere zwei Wochen zu verlängern, was

auch erfolgte.
2984

Sowohl in dem Vermerk vom 23. Juli

1998 als auch in dem daraufhin ergangenen Beschluss des

Amtsgerichts Jena wird ausgeführt, dass beabsichtigt sei,

eine „künstliche Nachfrage“ nach dem „Pogromly“-Spiel
zu veranlassen. Konkret wird in dem Vermerk ausgeführt:

„Dem Zielfahndungskommando des LKA Erfurt
wurde dienstlich bekannt, dass die drei gesuchten

Personen zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts

sowie der seit 29.01.1998 andauernden Flucht, ein

sogenanntes ‚Pogromly‘ herstellen. Dabei handelt
sich um eine rechtsradikal veränderte Version des

Gesellschaftsspiels ‚Monopoly‘. Ermittlungen ha-
ben ergeben, dass der H. die bereits hergestellten

Spiele in bisher unbekannter Größenordnung auf-

bewahrt.

Desweiteren ist beabsichtigt, in den nächsten Ta-

gen eine künstliche Nachfrage zu diesem Spiel zu

veranlassen. Hierbei verspricht sich die Zielfahn-

dung eine telefonische Kommunikation bei H. und

Erkenntnisse zum gegenwärtigen Aufenthalt der

Gesuchten.“

Auch in dem Beschluss des Amtsgerichts Jena zur Tele-

fonüberwachung ist eine ähnliche Formulierung enthalten.

Die Herkunft der Kenntnisse bzgl. des „Pogromly“-Spiels
ist nicht aktenkundig. Möglicherweise stammen diese aus

den zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Telefonüberwa-

chungsmaßnahmen. Allerdings ist auch denkbar, dass ein

entsprechender Hinweis durch das LfV Thüringen gege-

ben wurde, da im zeitlichen Zusammenhang mit der ge-

nannten Maßnahme auch dort Maßnahmen stattfanden

und Hinweise vorlagen, die das „Pogromly“-Spiel betra-
fen.
2982) Observationsberichte des Dezernats 31 des LKA Thüringen

(Mobiles Einsatzkommando, MAT A TH-1/4, Bl. 159 ff. (3.8.),

163 ff. (4.8.), 166 ff. (5.8.), 169 ff. (6.8.).

2983) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom
23. Juli 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 155.

2984) Beschluss des Amtsgerichts Jena, Az. 7 Gs 321/98, vom

27. Juli 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 156.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 345 – Drucksache 17/14600

Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung von Beate

Zschäpe am 26. Januar 1998 war ein solches „Pogromly“-
Spiel in deren Wohnung aufgefunden worden.

2985
Aus dem Gutachten der Schäfer-Kommission ergibt sich,

dass im Zeitraum vor dem 23. Juli 1998 auch beim Lan-

desamt für Verfassungsschutz Hinweise auf das

„Pogromly“-Spiel vorlagen.

So wurde das LfV Thüringen durch die Quelle 2045 (Tino

Brandt) bereits am 12. Mai 1998 darüber informiert, dass

André Kapke regelmäßig Kontakt zum Trio habe und dass

Kapke (und nicht H.!) das Spiel verkaufe. Der Erlös sei

für das Trio bestimmt.
2986

Am 12./13. Juli 1998, also ca. zwei Monate später, teilte

die Quelle 2045 in einer E-Mail dem LfV Thüringen

Weiteres zum „Pogromly“-Spiel mit. In diesem Zusam-
menhang seien Kapke, Wohlleben und H. genannt wor-

den.
2987

Zwischen dem 14. und 17. Juli 1998, also ca. 14

Tage vor der oben genannten, durch die Zielfahndungsab-

teilung des LKA Thüringen initiierte Observation H.s,

war es daraufhin zu einer Observation H.s durch das LfV

Thüringen gekommen. Anlass war auch hier der Ver-

dacht, dass sich bei H. ein Depot des „Pogromly“-Spiels
befinde.

Konkret wird in der E-Mail berichtet, dass die Quelle,

also Tino Brandt, und André Kapke, den H., der gerade

umziehe, sowohl an dessen alter als auch an dessen neuer

Anschrift aufgesucht haben. Eigentlich hätte Wohlleben

die Spiele holen sollen und es sei Kapke nicht recht gewe-

sen, dass Wohlleben die Spiele nicht geholt habe und

Brandt deshalb mitbekommen habe, bei wem Kapke die

Spiele ausgelagert habe.
2988

Am 17. Juli 1998 teilte die Gewährsperson Alex dem LfV

Thüringen mit, er glaube, das „Pogromly“-Spiel werde in
Spanien produziert und dass er eines der Spiele für das

LfV Thüringen beschaffen wolle.
2989

Am 11. August 1998, also nur wenige Tage nach dem

Ende der Observation H.s durch das LKA Thüringen am

6. August 1998, kam es schließlich zu einer Ansprache

H.s durch das LfV Thüringen zum Zwecke eines Wer-

bungsversuchs.
2990

Konkrete Anhaltspunkte, dass im Hinblick auf H. ein

Informationsaustausch zwischen LfV Thüringen und
2985) Bericht über die Durchsuchung der Wohnung von Beate Zschä-

pe am 26. Januar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 229 ff.

2986) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 152, Hinweis vom

12. Mai 1998.

2987) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 153, Hinweis vom

12./13. Juli 1998

2988) E-Mail vom 12. Juli 1998, MAT A TH-3/1, Anl. 2 (Tgb.-Nr.

09/12 - GEHEIM), Bl. 89 (VS-VERTRAULICH).

2989) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 153, Hinweis vom
17. Juli 1998.

2990) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 154, Hinweis vom

23. Juli 1998; durch Jürgen H. wurde der Werbungsversuch bei
dessen Vernehmung in der Kaserne in Mellrichstadt am 27. Mai

1999 bestätigt, vgl. Vermerk von KOK Wunderlich vom

27. Mai 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 323 f.

LKA Thüringen stattfand, sind nicht aktenkundig, eben-

sowenig das Gegenteil.

c) Aufenthaltsermittlungen in Ungarn

Am 12. September 1998 teilte eine anonym gebliebene

Person, die angab, aus München anzurufen, mit, dass sie

das Trio am Plattensee in Ungarn im Ort Boglar gesehen

habe. Die drei Personen hätten dort für ein Jahr ein Haus

gemietet, dessen Standort näher beschrieben wurde, und

nutzten einen PKW mit Jenaer Kennzeichen.
2991

Einem

Vermerk des BKA-Verbindungsbeamten der Deutschen

Botschaft in Budapest vom 24. September 1998 ist zu

entnehmen, dass vor Ort eine Überprüfung vorgenommen

wurde.
2992

Das beschriebene Haus wurde aufgefunden.

Weder dort, noch in der Umgebung fanden sich Hinweise

auf das flüchtige Trio, wobei hier – unter Vorlage von
Lichtbildern – vor Ort Befragungen dort ansässiger Per-
sonen vorgenommen worden seien.

Der Hinweis auf den Aufenthalt in Ungarn fand zudem

Eingang in einen Vermerk vom 14. Oktober 1998, in dem

die Zielfahndung die Überwachung des Mobiltelefons von

Michael P. anregte. Hier sei dienstlich bekannt geworden,

dass Michael und Antje P. vom 23. bis 25. Oktober nach

Ungarn reisen wollten.
2993

d) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika
über Sofia

Zwischen dem 6. und 8. August 1998 erfolgten Fahn-

dungsmaßnahmen bzgl. eines Fluges von Frankfurt am

Main über Sofia nach Südafrika.
2994

Aus der Ablaufdo-

kumentation lässt sich entnehmen, dass seitens der EG

„TEX“ (nicht der Zielfahndung) umfangreiche Koordina-
tionsmaßnahmen mit dem BKA (dort zuständig: KHK

Brümmendorf), dem Verbindungsbeamten des BKA in

Sofia / Bulgarien, der Staatsanwaltschaft Gera sowie auch

dem LfV Thüringen (dort zuständig: Schrader, Wiesner)

stattfanden.

Zum Hintergrund der Maßnahme ist in der Ablaufdoku-

mentation in den Akten des LKA Thüringen Folgendes

vermerkt:

„Hintergrund:

Durch das LfV Thüringen wurde bekannt, dass die

amtsbekannten Personen Brehme und Kapke beab-

sichtigen über Bulgarien nach Südafrika zu reisen.

Es besteht der Verdacht, die mit Haftbefehl ge-
2991) Vermerk über den Eingang einer Mitteilung vom 12. September

1998, MAT A TH-1/19, Bl. 162.

2992) Hierzu und im Folgenden: Telefax der Botschaft der BRD vom

24. September 1998, MAT A TH-1/19, Bl. 165 f.

2993) Vermerk von KOK Wunderlich vom 14. Oktober 1998, MAT A

TH-1/4, Bl. 287; siehe hierzu bereits oben unter E. H. 4. b) bb).

2994) Hierzu und im Folgenden: Dokumentation des Ablaufs und der
Informationen bzgl. Fahndungsmaßnahmen im Zusammenhang

mit dem Hinweis auf eine Flucht nach Südafrika über Sofia,

MAT A TH-1/3, Bl. 379 ff.

Drucksache 17/14600 – 346 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

suchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe würden

in Sofia zusteigen und mit nach Südafrika flie-

gen.“2995

Aus dem Schäfer-Gutachten ergibt sich der Hinweis, dass

die Quelle 2045 (Tino Brandt) am 29. Juli 1998 dem LfV

Thüringen von einem Gespräch mit Kapke am

24. Juli 1998 berichtet habe.
2996

Hierin habe Kapke mitge-

teilt, 1 800 DM für das Trio zu benötigen, um diese end-

gültig aus Jena wegzubringen. Kapke habe Brandt gebe-

ten, seinen Arbeitgeber um ein entsprechendes Darlehen

zu bitten. Brandt äußerte die Vermutung, dass geplant sei,

das Trio nach Südafrika zu verbringen.

In den Akten des LfV Thüringen ist bzgl. des Fluges

lediglich ein Notizzettel enthalten, auf dem die Flugzeiten

handschriftlich notiert sind.
2997

Auch im LfV Thüringen ist nicht aktenkundig, woher die

Vermutung stammt, das Trio könne bei dem geplanten

Flug in Sofia zusteigen.

Durch das LfV Thüringen erfolgte zwischen dem

26. Juli 1998 und dem 6. August 1998 eine Observation

des Kapke. Hierbei wurde festgestellt, dass der Betreiber

des Verlages Nation und Europa am 4. und

5. August 1998 in Coburg aufgesucht wurde. Am

5. August 1998 sei eine Übergabe von 1 800 DM erfolgt.

Ermittlungen zufolge solle das Geld für die drei flüchti-

gen Rechtsextremen verwendet werden.
2998

Aus der Ablaufdokumentation des LKA Thüringen lässt

sich entnehmen, dass am 7. August 1998 um 12 Uhr eine

Besprechung stattfand, an der seitens des LfV Thüringen

die Mitarbeiter Schrader, Wiesner und W. teilnahmen.

Danach lägen Hinweise vor, dass die Gesuchten noch

nicht in Besitz von Pässen seien.

Letztendlich konnte das Trio auf dem Flug nicht festge-

stellt werden.
2999

Es wurde lediglich festgestellt, dass

Kapke und Brehme über Sofia nach Südafrika flogen.

Flankierend zu den Maßnahmen wurde am

7. August 1998 über das BKA bzgl. aller drei Beschuldig-

ter ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft Gera nach Bulga-

rien gesteuert, in dem darum nachgesucht wurde, die drei
2995) Nach Ansicht der Schäfer-Kommission lasse sich dieser For-

mulierung nicht entnehmen, woher der Verdacht, das Trio wol-

le in Sofia zusteigen, herrühre; vgl. Schäfer-Gutachten, MAT A

TH-6, Bl. 114, Rn. 200.

2996) Hierzu und im Folgenden: Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6,

Bl. 154, Hinweis vom 29. Juli 1998.

2997) Handschriftlicher Vermerk des LfV Thüringen, MAT A TH-

3/1, Anl. 2, (Tgb.-Nr. 09/12 - GEHEIM), zwischen Bl. 94 und

Bl. 95.

2998) Vermerk vom 10. August 1998 über mündlichen Observations-

auftrag bzgl. Kapke vom 22. Juni 1998, Observation vom

26. Juli bis 6. August 1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 -
GEHEIM), Anlage 1, Bl. 109 ff. (VS-VERTRAULICH).

2999) Mitteilung von Interpol Sofia an das BKA (Interpol Wiesba-

den), MAT A BKA-2/5, Bl. 64.

Beschuldigten vorläufig in Auslieferungshaft zu neh-

men.
3000

e) Aufsuchen von Ralf Wohlleben und Julia-
ne W. am 2. Juni 1998

Am 2. Juni 1998 wurden Ralf Wohlleben und Juliane W.,

die damalige Freundin des Wohlleben, an deren Wohnan-

schrift in Jena aufgesucht und nach dem Aufenthalt des

Trios befragt. Beide machten keine Angaben, weder zum

Aufenthalt des Trios, noch zu Strukturen der rechtsextre-

men Szene.
3001

f) Weitere Ermittlungsmaßnahmen bis Ende
1998

Den Akten lassen sich darüber hinaus die folgenden wei-

teren Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1998 entnehmen:

aa) Einbruch in die Wohnung von Beate
Zschäpe

Am 26. August 1998 wurde bei der Kriminalpolizei Jena

bekannt, dass gegen 12.20 Uhr eine männliche Person

gewaltsam in die Wohnung von Beate Zschäpe in der

Schomerusstraße 5 eingedrungen war.
3002

Die Tür war

offensichtlich eingetreten worden. Der durch Nachbarn

als ca. 23-jähriger Mann mit kurzen schwarzen Haaren

und roter Jacke beschriebene Täter konnte trotz Absuche

der Umgebung zu Fuß und im Funkstreifenwagen nicht

ergriffen werden.
3003

Die Beteiligung einer weiteren Per-

son ist nicht aktenkundig.

Im Rahmen der Ermittlungen des Generalbundesanwalts

wurde der im NSU-Prozess Angeklagte Carsten Schultze

vernommen.
3004

Er hat bzgl. des Einbruchs am

26. August 1998 angegeben, dass er telefonisch durch

Mundlos und Böhnhardt gebeten worden sei, aus der

Wohnung von Beate Zschäpe Ausweispapiere und Akten-

ordner zu holen, was er auch getan habe. Jürgen H. sei

ebenfalls beteiligt gewesen und habe „Schmiere“ gestan-
den. Darüber hinaus habe er auch eine Fahne vom Balkon

mitgenommen. Die Ausweispapiere habe er dann wei-

sungsgemäß an der Fliegerscheune in Jena vergraben, die

Aktenordner seien teilweise verbrannt, teilweise in der

Rhoda bei Rothenstein versenkt worden.
3000) Ersuchen um vorläufige Inhaftnahme, MAT A TH-2/60, Bl.

1 ff. (bzgl. Mundlos), MAT A TH-2/61, Bl. 1 ff. (bzgl. Zschä-
pe), MAT A TH-2/62, Bl. 1 ff. (bzgl. Böhnhardt).

3001) Aktenvermerk von POM’in L. und KOK Wunderlich vom
2. Juni 1998, MAT A TH-1/20, Bl. 321.

3002) Bericht der KPI Jena vom 27. August 1998, MAT A TH-1/7,

Bl. 240.

3003) Einsatzprotokoll von POM G., Polizeiinspektion Jena, MAT A
TH-1/7, Bl. 243.

3004) Sachstandsbericht zu Ralf Wohlleben der BAO „Trio“, MAT A
BY-14/1e, Bl. 181.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 347 – Drucksache 17/14600

bb) Abarbeitung von Hinweisen

Darüber hinaus wurden bis Ende 1998 weitere Hinweise,

die vereinzelt aus der Bevölkerung eingingen, abgearbei-

tet.
3005

10. Hinweise des V-Mannes Piatto bzgl. des
Bestehens von Kontakten mit Jan Werner
und Antje P. – Besprechung hierzu in
Brandenburg und weitere Maßnahmen

Im Zeitraum August bis Oktober 1998 lagen dem Verfas-

sungsschutz des Landes Brandenburg mehrere Hinweise

des dort geführten V-Mannes Piatto vor, die unter ande-

rem beinhalteten, dass Jan Werner aus Chemnitz den

Auftrag habe, Waffen für das Trio „für weitere Überfälle“
zu besorgen und dass Antje P. dem Trio ihren Pass zur

Verfügung stellen wollte.
3006

Der Vorgang wird detailliert im Abschnitt E. III. 6. h)

dargestellt.

Der Zeuge Wunderlich hat bekundet, von diesen Hinwei-

sen keine Kenntnis erhalten zu haben.
3007

Der Zeuge

Luthardt hat im Hinblick darauf, dass aus dem Schäfer-

Gutachten hervorgehe, dass er von diesem Vorgang unter-

richtet worden sei, bekundet, dass er sich hieran nicht

erinnern könne und deshalb davon ausgehe, dass er nicht

derjenige sei, der mit der Aussage im Schäfer-Gutachten

gemeint sei.
3008

11. Verhandlungen über eine mögliche Rück-
kehr des Trios unter Einschaltung von
Rechtsanwälten

Zwischen Oktober 1998 und März 1999 wurden Verhand-

lungen zwischen Rechtsanwälten des Trios und dem LfV

Thüringen über eine mögliche Rückkehr des Trios ge-

führt.

Die Vorgänge werden detailliert im Abschnitt E. III. 8. b)

dargestellt.

12. Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1999

a) Einzelne Fahndungsmaßnahmen

Im Gegensatz zu den umfangreichen Fahndungsmaßnah-

men im Jahr 1998 war die Intensität der Fahndungsmaß-

nahmen im Jahr 1999 deutlich geringer. Letztendlich

lassen die durch das LKA Thüringen (Zielfahndung und

EG „TEX“) im Jahr 1999 durchgeführten Maßnahmen
erkennen, dass in diesem Zeitraum nur eine sehr geringe

Fahndungsintensität vorlag.
3005) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 109 f.

3006) Deckblattmeldung 140/98 vom (vermutlich) 9. September
1998, MAT A BB-1, Bl. 32 ff. (36).

3007) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 21.

3008) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 109.

aa) Abklärung der Anschriften von Thomas
Starke, Hendrik L. und Jan Werner in
Chemnitz im April 1999

Am 9. April 1999 wurden durch die Beamten der Ziel-

fahndung des LKA Thüringen, I. und L., die Anschriften

von Thomas Starke, Hendrik L. und Jan Werner in

Chemnitz aufgesucht.
3009

An der Anschrift von Thomas Starke in der Heinrich-

Schütz-Straße 18 wurde festgestellt, dass die Wohnung

leer stand. Ein Nachbar erkannte Uwe Mundlos auf einer

Wahllichtbildvorlage wieder und gab an, diesen im ver-

gangenen Jahr (1998) dort mehrfach auf dem Flur, auf

dem er regelmäßig rauche, gesehen zu haben. Seit dem

Auszug von Starke sei die Wohnung jedoch leer. Letzte-

res wurde durch eine weitere Nachbarin, die die unter der

Wohnung von Starke gelegene Wohnung bewohnte, be-

stätigt. Durch die Briefträgerin wurde die neue Anschrift

von Starke in Dresden mitgeteilt.

Hendrik L. wurde ebenfalls in seiner Wohnung aufge-

sucht. Er gab an, die gesuchten Personen nicht zu kennen

und keine Angaben zu deren Aufenthalt machen zu kön-

nen.

An der Anschrift von Jan Werner wurde dieser nicht

angetroffen. Ein befragter Nachbar erkannte auf den ihm

vorgelegten Fahndungsfotos keine Person wieder.

Die am 9. April 1999 in Erfahrung gebrachte Anschrift

von Thomas Starke in Dresden wurde durch die Beamten

der Zielfahndung am 15. April 1999 aufgesucht.
3010

An der zunächst aufgesuchten Anschrift wurde in Erfah-

rung gebracht, dass Starke bei einer Frau M. gewohnt

habe, jedoch verzogen sei. Über die Hausverwaltung

konnte sodann die neue Anschrift und der Arbeitsplatz

von Frau M. in Erfahrung gebracht werden. Am Arbeits-

platz aufgesucht erkannte Frau M. keines der Mitglieder

des Trios wieder und gab an, an ihrer neuen Anschrift

nach wie vor mit Starke zusammenzuleben.

Starke wurde daraufhin an der neuen Wohnanschrift auf-

gesucht. Er erklärte, dass ihm Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe bekannt seien und dass Mundlos und Zschäpe

letztmals im Januar 1998 bei ihm zu Hause in Chemnitz

gewesen seien, anlässlich eines Besuchs bei Torsten S. in

der Haft. Er äußerte weiter, zum Aufenthalt des Trios

keine Angaben machen zu können – er habe die „politi-
sche Schiene“ verlassen und sei nunmehr eher an Musik
und Konzerten interessiert. Ggf., so Starke weiter, würde

sich das Trio bei alten „Parteifreunden“ aufhalten.

Die zunächst aufgesuchte Anschrift, die am 9. April 1999

durch die Briefträgerin in Chemnitz mitgeteilt worden
3009) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK I. und KOM’in

L., MAT A TH-1/15, Bl. 356 f.

3010) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk von KHK I. und

KOM’in L. vom 19. April 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 339 f.

Drucksache 17/14600 – 348 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

war, war auch in einer von dem Mobiltelefon von Starke

versandten SMS am 25. August 1998 genannt worden.
3011

bb) Hinweise im Mai 1999 bzgl. eines Aufent-
halts in Rudolstadt

Am 5. Mai 2000 erkannte ein aus einem anderen Anlass

in der Polizeiinspektion Eisenberg erschienener Bürger

Uwe Böhnhardt auf dort aushängenden Fahndungsbildern

wieder und teilte mit, dass er diesen das letzte Mal ca.

drei Wochen zuvor auf einer Feier in Rudol-

stadt/Schwarza gesehen habe.
3012

In der durch die Ziel-

fahndungsabteilung am darauf folgenden Tag durchge-

führten Befragung gab der Hinweisgeber darüber hinaus

an, Böhnhardt zuletzt am 27. März 1999 bei einem Kon-

zert in einer Gaststätte in Rudolstadt gesehen zu haben

und nannte weitere drei Personen namentlich, die ggf.

weitere Hinweise geben könnten.
3013

Weitere Maßnahmen

bzgl. dieses Hinweises sind nicht aktenkundig.

cc) Vernehmung von Jürgen H. in der Kaserne
Mellrichstadt, 27. Mai 1999

Am 27. Mai 1999 wurde Jürgen H. in der Kaserne in

Mellrichstadt durch die Beamten Wunderlich (Zielfahn-

dung) und Dressler (EG „TEX“) in Anwesenheit des
Kompaniechefs vernommen.

3014
H. leistete zu dieser Zeit

seinen Wehrdienst bei dem in Mellrichstadt liegenden

Panzergrenadierbatallion 352.

Im Rahmen der Befragung machte H. Angaben zu seinem

Verhältnis zu Wohlleben und Böhnhardt und zu Anrufen

im April 1998 durch Böhnhardt. Ob es sich hierbei um

die Anrufe handelt, bei denen Nachrichten auf dem An-

rufbeantworter des Jürgen H. hinterlassen wurden, ist

unklar, liegt aber aufgrund des Gesprächsinhaltes nahe. In

dem Vermerk heißt es:

„Durch den Wohlleben wurde er im April 1998
gebeten, Telefonanrufe entgegenzunehmen und

Kurierfahrten durchzuführen. Dabei wurde auf

dem privaten Telefonanschluss des H. durch den

gesuchten Böhnhardt mehrere Male angerufen. In

diesen Gesprächen teilte der Böhnhardt mit, wel-

che Bekleidungsgegenstände und wieviel Geld der

Wohlleben besorgen soll. Mit diesen Informatio-

nen ging H. zu Wohlleben und teilte diese münd-

lich mit. Desweiteren wurde H. von Wohlleben be-

auftragt, diese Dinge mit seinem Privatfahrzeug an

einen weiteren Kurier nach Zwickau zu bringen.

Wohlleben gab zu verstehen, dass hierfür die A4
3011) S-Records der Mobilfunküberwachung bei Thomas Starke,

MAT A TH-1/8, Bl. 337 ff. (402), lfd. Nummer 723.

3012) Vermerk der Polizeiinspektion Eisenberg vom 6. Mai 1999,
MAT A TH-1/3, Bl. 354.

3013) Vermerk von KOK Wunderlich und KOM‘in O. vom 6. Mai
1999, MAT A TH-1/3, Bl. 355.

3014) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich vom

27. Mai 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 323 f.; MAT A TH-1/15,

138 f.

benutzt werden sollte, um schnell das Ziel zu er-

reichen. H. sollte darauf achten, dass ihm kein

Fahrzeug folgt. In Zwickau angekommen, kam ei-

ne für ihn unbekannte männliche Person auf ihn zu

und übernahm die mitgebrachten Sachen.“

Zum gegenwärtigen Aufenthaltsort des Trios habe H.

keine Angaben machen können.

Darüber hinaus teilte H. mit, durch das Landesamt für

Verfassungsschutz wegen einer Zusammenarbeit ange-

sprochen worden zu sein. Nach einer Bedenkzeit habe er

eine Zusammenarbeit abgelehnt.

Am Ende des Gesprächs habe H. seine Mobilfunknummer

mitgeteilt und sich zur Zusammenarbeit bei der Fahn-

dungsmaßnahme bereiterklärt.

Wenige Minuten nach der Befragung sei ein Herr Müller

vom MAD erschienen und habe sich nach dem Grund und

dem Inhalt der vorangegangenen Befragung erkundigt.

Zuletzt wird in dem Vermerk ausgeführt:

„Aus Sicht der Zielfahndung des LKA Erfurt sind
keine weiteren Maßnahmen durch die Bundeswehr

oder den MAD erforderlich.“

In den Zeugenvernehmungen vor dem Untersuchungsaus-

schuss haben die an der Befragung beteiligten Beamten

Wunderlich und Dressler bzgl. der Befragung Angaben

gemacht.

Dressler hat geäußert, dass der MAD-Mitarbeiter „nicht
besonders glücklich“ darüber gewesen sei, dass die Be-
fragung ohne sein Wissen stattgefunden habe – als einen
„Zwischenfall größerer Art“ wollte Dressler dies jedoch
nicht wahrgenommen haben.

3015
Darüber hinaus ging

Dressler auch davon aus, dass Wunderlich den Mitarbei-

ter des MAD gebeten habe, ihn über weitere Erkenntnisse

auf dem Laufenden zu halten, konnte sich jedoch nicht

konkret an eine entsprechende Aufforderung erinnern. Im

Weiteren sei der MAD dann offensichtlich eigenständig

weiter tätig geworden.
3016

Wunderlich hat hierzu vor dem Untersuchungsausschuss

bekundet, dass der Mitarbeiter des MAD bereits während

der Befragung erschienen sei und zunächst durch die

Polizeibeamten gebeten worden sei, der Befragung nicht

zu folgen.
3017

Später habe man die hierdurch entstandene

Situation dann jedoch bereinigen können und den MAD-

Mitarbeiter gebeten, nochmals an den H. heranzutreten

und hierbei die Möglichkeiten der Bundeswehr (mögliche

Beförderungen, etc.) zu nutzen, über die die Polizei nicht

verfüge. Hintergrund sei gewesen, so Wunderlich, dass

man geahnt habe, dass H. mehr wisse, als er preisgegeben

habe. Das persönliche Gespräch mit dem MAD-

Mitarbeiter sei nicht in dem erstellten Protokoll er-

wähnt.
3018
3015) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 42.

3016) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 48.

3017) Hierzu und im Folgenden: Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 25.

3018) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 40.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 349 – Drucksache 17/14600

Auf Nachfrage hat KHK Wunderlich im Ausschuss aller-

dings eingeräumt, es könne sein, dass der Mitarbeiter des

MAD – wie es auch im Vermerk niedergelegt ist3019 – erst
dann erschienen sei, als die Befragung bereits beendet

war und sie danach noch mit H. gesprochen hätten.
3020

Eine Rückmeldung hierzu sei durch den MAD gegenüber

dem LKA Thüringen jedoch nicht erfolgt.
3021

Wunderlich

hat jedoch erklärt, er sei davon ausgegangen, dass eine

solche Mitteilung erfolgen würde, wenn entsprechende

Erkenntnisse vorlägen.
3022

Bzgl. einer späteren Kontaktaufnahme mit H. über die

erfragte Mobilfunknummer hat Dressler bekundet, eine

spätere Kontaktaufnahme habe durch Wunderlich erfol-

gen sollen. Er ging davon aus, dass in dieser Hinsicht eine

Abstimmung zwischen ihm und Wunderlich erfolgt

war.
3023

Wunderlich hat hierzu bekundet, dass Dressler in

der Folge „wohl“ einen telefonischen Kontakt mit H.
aufgebaut habe und H. hierbei mitgeteilt habe, nun doch

nicht zur Zusammenarbeit bereit zu sein.
3024

Es ist nicht aktenkundig, dass die Erkenntnisse aus einer

durch den MAD am 15. September 1999 durchgeführten

Befragung („Die drei Bombenbastler hätten sich schon
auf der Stufe von Rechtsterroristen bewegt, die mit einer

gewissen Zielsetzung eine Veränderung dieses Staates

herbeiführen wollten“) an die EG „TEX“ bzw. die Ziel-
fahndung des LKA Thüringen weitergegeben wurden.

3025
Der Zeuge Dressler hat bekundet, er habe hiervon im

Rahmen seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss

zum ersten Mal gehört.
3026

Auch der Zeuge Wunderlich

hat im Rahmen seiner Vernehmung indirekt bestätigt,

dass ihn diese Information nicht erreicht habe.
3027

dd) Anschriftenüberprüfung im November
1999 in Jena

Am 18. November 1999 wurden durch Beamte der Ziel-

fahndung die Anschriften von Böhnhardt, Mundlos,

Zschäpe, H. und Kapke in Jena sowie der Alle Weltladen

in Jena-Burgau ergebnislos überprüft.
3028

Die Überprü-

fung der Anschrift von Wohlleben ergab, dass dieser ver-

zogen ist; eine Abprüfung der neuen Anschrift sei für den

nächsten Tag vorgesehen. Bzgl. der Freundin des Wohlle-

ben, Juliane W., wurde das Friseurgeschäft in Jena-

Lobeda/West aufgesucht. Die Filialleiterin teilte mit, dass
3019) Vermerk von KHK Wunderlich vom 27. Mai 1999, MAT A

TH-1/20, Bl. 323 f.

3020) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 40.

3021) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 26.

3022) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 69.

3023) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 54.

3024) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 69.

3025) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 171.

3026) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 42.

3027) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 69.

3028) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KK K. (Zielfahndung)

vom 18. November 1999, MAT A TH-1/20, Bl. 310.

diese wieder bei ihren Eltern wohne, was als möglicher

Hinweis auf eine Beendigung der Beziehung zu Wohlle-

ben gewertet wurde, weshalb eine Überprüfung in der

nächsten Zeit erfolgen solle. Darüber hinaus ist in dem

Vermerk ausgeführt, dass auch alle bekannten Anschrif-

ten im Raum Chemnitz demnächst überprüft werden soll-

ten. Hierfür wurde ein möglicher Termin genannt.

Ein Herantreten an Juliane W. bzw. eine Überprüfung der

bekannten Anschriften in Chemnitz in der nachfolgenden

Zeit ist nicht aktenkundig.

b) Hintergründe für die geringe Fahndungsin-
tensität in diesem Zeitraum

Bezüglich des Zeitraums 1999/2000 hat der Zeuge Wun-

derlich angegeben, dass die Zielfahndungsabteilung hier

mit anderen Suchmaßnahmen belastet gewesen sei:

„Deshalb habe ich diesen Sachverhalt Möbus ger-
ne zum Anlass genommen, den wir im Dezember

99 bekommen haben und im August 2000 lösen

konnten. Und in diesem Zeitraum - das sind ja nun

fast zehn Monate - blieb im Prinzip fast alles ande-

re liegen - man muss das so sagen -, weil natürlich

eine gewisse Priorität da war.“3029

13. Fahndungsmaßnahmen in Zusammenhang
mit der Fernsehsendung Kripo Live am
7. Mai 2000

a) Vorbereitung der Ausstrahlung unter Be-
teiligung anderer Stellen, Hintergrund der
Maßnahmen

Am 7. Mai 2000 wurde in der MDR-Sendung Kripo Live

erneut ein Fahndungsaufruf nach dem Trio veröffentlicht.

Vorausgegangen waren umfangreiche Koordinationsmaß-

nahmen, an denen neben dem LKA Thüringen auch das

LKA Sachsen sowie die Landesämter für Verfassungs-

schutz Sachsen und Thüringen beteiligt waren.

Am 26. April 2000 fand zwischen 14 und 15 Uhr in

Chemnitz eine Besprechung statt, an der seitens des LfV

Thüringen die Herren Nocken und Wiesner, seitens des

LKA Thüringen Herr Wunderlich von der Zielfahndung

und seitens des LfV Sachsen Frau H. und Herr L. teil-

nahmen.
3030

Ausweislich des durch den Leiter des Refe-

rats 21 im sächsischen LfV, Herrn L., verfassten Ergeb-

nisprotokolls einigten sich die Beteiligten bzgl. der Sen-

dung am 7. Mai 2000 im Wesentlichen auf die später auch

realisierte Vorgehensweise unter Nennung der jeweiligen

Zuständigkeiten:

– G 10-Maßnahmen gegen mehrere Personen aus Thü-
ringen durch das LfV Thüringen;
3029) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 6.

3030) Hierzu und im Folgenden: Ergebnisprotokoll zur Besprechung

mit LfV und LKA Thüringen am 26. April 2000, MAT A SN-

7/16e, Bl. 3 f.

Drucksache 17/14600 – 350 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– TKÜ-Maßnahmen durch das LKA Thüringen;

– Observationen und G 10-Maßnahmen durch das
sächsische LfV (ggü. Andreas G., Jan Werner, Tho-

mas Starke und Kai R.);

– bzgl. des Ablaufs wurde vereinbart, dass die TKÜ-
Stellen zur Sendung live besetzt sein sollen und un-

tereinander Kontakt halten;

– ein Hinweis auf Chemnitz soll nach Auffassung des
LKA Thüringen in der Sendung nicht erfolgen;

– alle beteiligten Dienststellen sollen die gegenseitige
Erreichbarkeit sicher stellen.

In dem Ergebnisprotokoll ist zum Hintergrund der Maß-

nahmen zu diesem Zeitpunkt Folgendes vermerkt:

„Hintergrund für diese wiederholte Fahndungsaus-
strahlung sind die neuen Hinweise der letzten Wo-

chen und der aktuelle Druck aus Thüringen nach

einem Spiegel-Bericht
3031

über die ‚neuen intelli-
genten Rechten‘, wobei die seit fast zwei Jahren
verschwundenen Terzett-Mitglieder als Beispiele

genannt wurden.“

Welche Hinweise als die „neuen Hinweise der letzten
Wochen“ zu verstehen sind, wird nicht näher ausgeführt.

Bezüglich der im Vorfeld der Maßnahme im Mai 2000

erfolgten Abläufe hat der Zeuge Tüshaus die folgenden

Angaben gemacht:

„Greifbare Informationen erhielt das LfV Sachsen
erstmals wieder im Februar 2000. Erst zu diesem

Zeitpunkt hat sich das LfV Thüringen wieder ent-

schlossen, uns einzubinden. Im Februar 2000 ging

zunächst telefonisch von dort der Hinweis ein,

dass ein sächsischer Rechtsextremist im Januar

2000 auf einer NPD-Schulungsveranstaltung in

Thüringen gesagt haben soll, dass es den dreien

gut gehe. Später wurde diese Person als Andreas

P. identifiziert.

[…]

P. - Entschuldigung, G., Andreas G. - Dieser neu-

erliche und aus unserer Sicht seit Jahren erste kon-

krete Hinweis, der die Zielrichtung Chemnitz und

das Umfeld des W. bestätigte, wurde zum Anlass

umfangreicher Auswertungen und operativer

Maßnahmen zum Raum Chemnitz genommen. Im

Rahmen von vier über den März verteilten Obser-

vationen und zwei weiteren im April wurde das

persönliche Umfeld von G. und W. in Chemnitz

beleuchtet. Es bestand die Überlegung, eine dauer-

haft angelegte Observationsmaßnahme im Umfeld

des G. zu beginnen. Zu diesem Zweck wurde ver-

sucht, seine regelmäßigen Anlaufpunkte festzustel-

len.
3031) Gemeint ist wohl der Artikel „Druck von der Straße“ in der

Spiegel-Ausgabe 12/2000 (20. März 2000), S. 33.

Anfang April 2000 traf sich das LfV Sachsen mit

dem LfV Thüringen zu einem Erkenntnis-

austausch. In diesem wurde die Meldung zu G.

mündlich um weitere Erkenntnisse zu Sachsen er-

gänzt, insbesondere um den Hinweis, dass man

Kenntnis von einem Telefonat, mutmaßlich von

Böhnhardt, aus Chemnitz hatte. Bei dieser Gele-

genheit wurde vom LfV Thüringen auch die Ab-

sicht bekundet, mit weiteren technischen Überwa-

chungsmaßnahmen im Mai zu beginnen.

Hiervon wussten wir also, als wir im April 2000

auch davon erfuhren, dass die Zielfahndung im

Mai einen erneuten öffentlichen Fahndungsaufruf

beabsichtigt, um zu neuen Ansätzen zu gelangen.

Auf unsere Anregung hin wurde durch das LfV

Thüringen der Vorschlag angenommen, die ein-

zelnen Bemühungen rund um die Öffentlichkeits-

arbeit zusammenzuführen. Demnach sollten, auf

die Öffentlichkeitsfahndung abgestimmt, Maß-

nahmen des LfV Thüringen und LfV Sachsen er-

folgen. Im Rahmen von mehreren Besprechungen

mit dem LfV Thüringen und dem LKA Thüringen

wurde deshalb zur Flankierung der öffentlichen

Fahndung am 7. Mai 2000 in der Fernsehsendung

Kripo Live ein Maßnahmenpaket abgestimmt, das

Observation durch Polizei und Verfassungsschutz

Thüringens und des LfV Sachsen im zeitlichen

Umfeld der Ausstrahlung vorsah. Zugleich sollten

weitere technische Maßnahmen erfolgen, die auf

diesen Sitzungen zwischen den beteiligten Behör-

den – also LfV Sachsen, LfV Thüringen und LKA
Thüringen, Zielfahndung – abgestimmt wurden.

Über diese Maßnahmenabstimmung wurde das

LKA Sachsen durch das LfV Thüringen wegen

dessen örtlicher Zuständigkeit informiert und in

die anschließenden Observationsmaßnahmen ein-

bezogen. Dies sollte auch dem Zweck dienen, dass

im Falle notwendig werdender Polizeimaßnahmen

entsprechend Kräfte vor Ort sind; das heißt, wenn

es zu einer Feststellung der Gesuchten kommt,

dass dann auch jemand da ist, der unter Umständen

Festnahmen durchführen kann.“3032

sowie:

„Die Idee war: Wir sind zu dem Zeitpunkt dieses
öffentlichen Fahndungsaufrufes koordiniert – so-
wohl durch LfV Sachsen, Thüringen wie LKA

Thüringen – mit bestimmten technischen Maß-
nahmen dabei, um Reaktionen auf diesen öffentli-

chen Fahndungsaufruf gegebenenfalls abzugreifen.

Und zum Zweiten sind für diesen entscheidenden

Zeitraum des Öffentlichkeitsaufrufes eine ganze

Reihe von Personen observiert worden. Und das

hat man sich aufgeteilt. Das ist Gegenstand dieser

von mir auch angesprochenen Besprechung

26. April gewesen, dass man da gesagt hat: Wir
3032) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 5 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 351 – Drucksache 17/14600

haben Zielperson 1, 2, 3, 4, 5; die und die macht

das LfV Thüringen, die und die macht das LfV

Sachsen. - Und wir hatten dann von uns aus noch

das LKA Sachsen mit eingebunden. Denn genau

die Überlegung, die auch gerade schon mal eine

Rolle spielte: ‚Wenn die denn dann auftauchen,
dann nutzen uns die Observationsautos des Verfas-

sungsschutzes nicht, sondern dann brauche ich je-

mand, der die dann gegebenenfalls auch feststellt

und dingfest macht‘ - - Deshalb, so die ausdrückli-
che Begründung auch, ist im Nachgang zu dieser

Besprechung 26. April von unserer Seite aus zuge-

gangen worden auf das LKA. Der Fall ist darge-

stellt worden, das LKA ist eingebunden worden.

Das LKA hat selber eine ZP, eine Zielperson,

übernommen und war deshalb vor Ort für den Fall

der Fälle.“3033

Der Zeuge Boos hat die Vorbereitung der Maßnahmen im

Mai 2000 wie folgt geschildert:

„Der Kernpunkt der Phase vier ist allerdings eine
konzertierte Aktion aller beteiligten Sicherheitsbe-

hörden in Sachsen und Thüringen, die stattgefun-

den hat auf Anregung des LfV Sachsen, als das

LKA Thüringen den Entschluss gefasst hatte, in

der Öffentlichkeit mithilfe der Sendung Kripo live

nach den drei Flüchtigen zu fahnden. Das LfV

Sachsen hatte dort vorgeschlagen, dann sollten

sich das LKA Thüringen, das LfV Sachsen, das

LfV Thüringen und, später auch hinzugezogen, das

LKA Sachsen zusammensetzen und die Maßnah-

men gemeinsam absprechen, die man zur Beglei-

tung dieser Öffentlichkeitsfahndung macht, um das

Kontaktumfeld zu beobachten.

Es sind verschiedene Observationsmaßnahmen

verteilt worden unter den Behörden, G10-

Maßnahmen. Herausnehmen möchte ich nur die

Mandy Struck. Die ist neu ins Visier geraten, zu-

mindest sofern es das Visier des LfV Sachsen be-

trifft, weil ein Bild bekannt geworden war von ei-

ner Demonstration aus dem Jahr 1998, kurz vor

dem Untertauchen in Dresden. Dort haben Frau

Zschäpe und Mandy Struck zusammen ein Banner

getragen. Man ging also davon aus: Wenn die so

nah vor dem Untertauchen zusammen gesehen

werden, dass Kontakte da sind. – Deshalb wurde
sie mit in die Maßnahmen einbezogen – soweit mir
bekannt, deshalb. Mandy Struck wurde observiert

während der Öffentlichkeitsfahndung von dem

LKA Thüringen. Das LfV Sachsen hat sie zusam-

men mit Jan Werner und Böhnhardt, Mundlos

usw. in eine G10-Maßnahme einbezogen.“3034

Bzgl. des Aufenthalts in Chemnitz lagen den beteiligten

Behörden im April 2000 unter anderem die folgenden

Hinweise vor:
3033) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 34 f.

3034) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 92 f.

– die im April 1998 bei Jürgen H. eingegangenen
Nachrichten auf dem Anrufbeantworter im Jahr

1998
3035

,

– die Identifikation von Mundlos durch den früheren
Nachbarn von Thomas Starke in Chemnitz als dessen

mehrmaliger Besucher im Jahr 1998
3036

,

– der Hinweis darauf, dass Mundlos in dem Fanzine
White Supremacy von „Blood & Honour“ Sachsen
einen Artikel verfasst hat und dass daher ein mögli-

cher Kontakt zu Thomas Starke und Jan Werner be-

steht,

– die Äußerung von Andreas G. aus Chemnitz am
29. Januar 2000 auf einer NPD-Veranstaltung in Thü-

ringen, dass es „den Dreien“ gut gehe sowie die Re-
aktion von Wohlleben hierauf als der zu diesem Zeit-

punkt aktuellste Hinweis
3037

,

– die Hinweise, die durch den V-Mann Piatto des Ver-
fassungsschutzes Brandenburg zu Kontakten des

Trios mit Jan Werner und Antje P. im Au-

gust/September 1998 gegeben worden waren
3038


hier ist jedoch unklar, inwiefern dieser Hinweis bei

der Vorbereitung der Maßnahme berücksichtigt wur-

de.

In dem zur Vorbereitung der Maßnahme gestellten Antrag

auf Durchführung der G 10-Maßnahme sind diese Hin-

weise (bis auf den letztgenannten Hinweis) jedenfalls zur

Begründung des Aufenthaltes in Chemnitz genannt.
3039

Im Vorfeld der Maßnahme kam es sodann entsprechend

der Vereinbarung zum Austausch der jeweiligen Erreich-

barkeiten und weiteren Koordinierungsmaßnahmen.
3040

Es erfolgten die folgenden Maßnahmen:

– zwischen dem 6. und 8. Mai 2000 wurden fünf Per-
sonen durch fünf Observationsteams im Bereich

Chemnitz überwacht (drei Teams des LfV Sachsen,

ein Team des LKA Sachsen und ein Team des LKA

Thüringen);
3041

– es erfolgten G 10-Maßnahmen durch das sächsische
LfV gegenüber vier Personen.
3035) Siehe hierzu oben unter E. II. 8.

3036) Siehe hierzu bereits oben unter E. II. 12. a) aa).

3037) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 172 f. (Meldung vom 1.

Februar 2000).

3038) Siehe hierzu noch unter E. III. 6. h).

3039) Antrag auf Anordnung einer G 10-Maßnahme vom 28. April

2000, MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr. 07/12 - GEHEIM).

3040) Exemplarisch: Telefax des LfV Thüringen an das LfV Sachsen

und das LKA Thüringen vom 5. Mai 2000, MAT A TH-1/17,

Bl. 221 f.; Gesprächsnotiz des LfV Sachsen vom 3. Mai 2000,
MAT A SN-7/16e, Bl. 5 ff.

3041) Übersicht über die Verteilung der Einsatzkräfte und Erreichbar-

keiten, MAT A TH-1/17, Bl. 222.

Drucksache 17/14600 – 352 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) G 10-Maßnahmen

Die vom LfV Sachsen durchzuführenden G 10-

Maßnahmen gegenüber Jan Werner, Mandy Struck, And-

reas G., Thomas Starke und dem Trio wurden mit Schrei-

ben vom 28. April 2000 durch das Landesamt für Verfas-

sungsschutz beim Sächsischen Innenminister für den

Zeitraum von drei Monaten (5. Mai bis 5. August 2000)

beantragt
3042

, welche am 3. Mai 2000 durch den Innenmi-

nister angeordnet wurden. Nach Anhörung der G 10-

Kommission am 4. Mai 2000
3043

begannen die Maßnah-

men am 5. Mai 2000. Hiervon betroffen waren TKÜ-

Maßnahmen bzgl. zweier Mobilfunkanschlüsse und des

Festnetzanschlusses von Andreas G., des Festnetzan-

schlusses von Jan Werner, eines Mobilfunkanschlusses

von Thomas Starke und eines Mobilfunkanschlusses von

Mandy Struck. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren

ebenfalls als Betroffene der Maßnahme genannt. Mit

Schreiben vom 4. Mai 2000 wurde darüber hinaus eine

Erweiterung der G 10-Maßnahme auf einen Mobiltelefon-

anschluss von Jan Werner beantragt, die sodann – nach

Anhörung der G 10-Kommission am 4. Mai 2000 eben-

falls am 5. Mai 2000 angeordnet wurde.

Die Überwachung des Anschlusses von Mandy Struck

erfolgte ab dem 15. Mai 2000 durch das LKA Thürin-

gen.
3044

In dem acht Seiten umfassenden Antrag vom

28. April 2000 wird zur Begründung der Maßnahmen auf

die bisher vorliegenden Erkenntnisse zu den durch das

Trio begangenen Straftaten zurückgegriffen. Weitere neue

Erkenntnisse sind in dem Antrag nicht genannt. Bzgl. der

einzelnen Personen wird deren Verbindung zum Trio

dargestellt, wobei bzgl. der einzelnen Personen folgende

Unterstützungshandlungen dargestellt werden:

– bzgl. Andreas G. wird dessen Mitgliedschaft bei
„Blood & Honour“ Sachsen, dadurch bestehende
Kontakte zu Jan Werner und die Tatsache dargelegt,

dass er im Januar 2000 die Nachricht überbrachte,

den Dreien gehe es gut;

– bzgl. Jan Werner werden von ihm abgesetzte Tele-
fonanrufe unter konspirativer Nutzung von Telefon-

zellen genannt;
3045

– bzgl. Thomas Starke wird ebenfalls dessen Mitglied-
schaft bei „Blood & Honour“ genannt und darüber
hinaus die Tatsache, dass ein Nachbar von Thomas
3042) Hierzu und im Folgenden: Antrag des Präsidenten des sächsi-

schen LfV an den sächsischen Staatsminister des Innern auf

Durchführung von G 10-Maßnahmen vom 28. April 2000,

MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM).

3043) Schreiben des Vorsitzenden der G 10-Kommission des Sächsi-

schen Landtages an den Sächsischen Innenminister vom 4. Mai

2000, MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM), Schreiben
als solches ist VS-NfD.

3044) Antrag auf Anordnung von zwei TKÜ-Maßnahmen vom

15. Mai 2000, verfasst durch den Beamten K., MAT A TH-
1/17, Bl. 143.

3045) Hiermit sind möglicherweise die Anrufe auf dem Anrufbeant-

worter von Jürgen H. im April 1998 gemeint

Starke Uwe Mundlos als einen Besucher von Thomas

Starke identifizierte, was Thomas Starke in einer po-

lizeilichen Vernehmung bestätigt habe;

– bzgl. Mandy Struck wird ausgeführt, dass diese eine
Woche vor dem Abtauchen des Trios am

26. Januar 1998 gemeinsam mit Beate Zschäpe eine

Fahne getragen habe und dass diese gemeinsam mit

Thomas Starke eine Straftat mit rechtsextremisti-

schem Hintergrund begangen habe.

Bemerkenswert ist hier, dass bzgl. Jan Werner nicht aus-

geführt wird, dass Erkenntnisse darüber vorhanden seien,

dass dieser nach Informationen des Brandenburger V-

Mannes Piatto im August/September 1998 eine Waffe für

einen weiteren Überfall für das Trio habe organisieren

wollen.
3046

In dem Antrag wird darüber hinaus eine Bewertung der

bisher vorliegenden Erkenntnisse vorgenommen.
3047

Ins-

besondere wird dargestellt, dass in der Intensität der Straf-

tatenbegehung eine deutliche Steigerung bis hin zu

schwersten Straftaten feststellbar sei und dies darauf hin-

deute, dass ein Wille zur Fortsetzung der Straftaten beste-

he. Die Tatsache, dass bisher trotz Einsatz polizeilicher

Spezialkräfte keine Festnahme gelungen sei, sei ein An-

haltspunkt dafür, dass die Flucht möglicherweise von

vornherein geplant gewesen sei und dass diese ohne Un-

terstützung nicht möglich gewesen sei. Hieraus wird im

Ergebnis geschlossen:

„Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie
terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung

einen gemeinsamen Zweck verfolgen.“

Der Zeuge Boos hat im Hinblick auf den G 10-Antrag im

Rahmen seiner Vernehmung bekundet:

„Sie können die G-10-Maßnahme nur begründen –
und sie ist auch so begründet worden –, wenn Sie
sich mit dem befassen, wofür Sie Anhaltspunkte

haben, dass sie es tun. Und das muss ein Tun sein,

das auf Gewalt gerichtet ist, mindestens auf Ge-

walt gerichtet ist, zur Erreichung extremistischer

Ziele. Anders kriegen Sie keine G-10-Maßnahme

begründet. So ist es dann auch begründet wor-

den.“3048

c) Gewonnene Erkenntnisse

Die durchgeführten Maßnahmen führten im Ergebnis

nicht zum Auffinden des Aufenthaltsorts des Trios. Insbe-

sondere die durchgeführten G 10-Maßnahmen (TKÜ)

erbrachten keine Erkenntnisse. Folgende Erkenntnisse

konnten gewonnen werden:
3046) Siehe hierzu bereits oben unter E. II. 10. bzw. unten unter

E. III. 6. h).

3047) Antrag des Präsidenten des sächsischen LfV an den sächsischen

Staatsminister des Innern auf Durchführung von G 10-
Maßnahmen vom 28. April 2000, MAT A SN-1/1 (Tgb.-Nr.

07/12 - GEHEIM), Bl. 7 des Antrags.

3048) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 104.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 353 – Drucksache 17/14600

aa) Lichtbild einer Person vor dem Gebäude
Bernhardstraße 11

Bei der Observation der Zielperson Mandy Struck, die

durch das LfV Thüringen durchgeführt wurde, wurde vor

deren Wohnanschrift in der Bernhardstraße 11 am

6. Mai 2000 um 18.52 Uhr, mithin vor Ausstrahlung der

Kripo Live-Sendung, beobachtet, wie eine unbekannte

männliche Person, von der ein Foto angefertigt wurde,

gemeinsam mit Kai S., dem Freund von Mandy Struck,

das Haus verließ, und mit einem PKW davonfuhr.
3049

Die

Person war zuvor nicht beim Betreten des Hauses beo-

bachtet worden. Beide Personen verbrachten sodann von

einem anderen Ort innerhalb von Chemnitz Möbelstücke

zur Wohnanschrift von Mandy Struck und betraten das

Gebäude wieder. Danach verließen sie es jedenfalls bis

zum Abbruch der Observation um 22.30 Uhr nicht wie-

der.

Die angefertigten Fotos finden sich ebenfalls in den Ak-

ten.
3050

Aus dem Observationsbericht ergibt sich nicht, dass bzgl.

dieser Person nach deren Ansichtigwerden irgendwelche

Maßnahmen erfolgt wären, wie beispielsweise die Infor-

mation der anderen Observationsteams oder der Einsatz-

leitung. Offensichtlich gingen die die Observation durch-

führenden Personen nicht davon aus, dass es sich bei der

fotografierten Person um Böhnhardt oder Mundlos han-

deln könnte.

Ausweislich eines Schreibens des LfV Thüringen an das

LKA Thüringen vom 15. Mai 2000 fand am 10. Mai 2000

ein Gespräch im LfV Thüringen statt. Das Schreiben,

welches an den damaligen kommissarischen Leiter des

LKA Thüringen, Luthardt, gerichtet war, enthält einen

Hinweis auf die Identität des Kai S. sowie darauf, dass

bzgl. der weiteren Person keine weiteren Erkenntnisse

vorlägen.
3051

Zudem wird auf eine Ähnlichkeit von Kai S.

mit Mundlos und der anderen Person mit Böhnhardt hin-

gewiesen. Das Schreiben trägt zwar das Datum vom

15. Mai 2000, jedoch ist auf dem Schreiben oben ein

Faxaufdruck mit dem Datum des 24. Mai, 14.55 Uhr, zu

erkennen. Auch die auf dem Schreiben aufgebrachten

Marginalien datieren vom 24. und 25. Mai 2000.

In dem Schreiben wird zudem darauf hingewiesen, dass

das LfV Thüringen die Identitäten der Personen nicht

klären könne. Insoweit wurde um entsprechende Klärung

auf polizeilichem Wege gebeten.

Der Zeuge Luthardt konnte vor dem Untersuchungsaus-

schuss keine Angaben zu dem Schreiben machen. Er

kenne weder das Schreiben, noch den Unterzeichner,
3049) Observationsbericht vom 9. Mai 2000, MAT A TH-1/17, Bl.

223 ff. (226); Schreiben des LfV Thüringen an das LKA Thü-
ringen vom 15. Mai 2000, MAT A TH-1/24, Bl. 61.

3050) Lichtbild „UM 2“ (Kontaktperson zu S., Kai), MAT A TH-3/1,
(Tgb.-Nr. 09/12 - GEHEIM), Anl. 02, Bl. 309 (VS-
VERTRAULICH), sowie MAT A TH-1/17, Bl. 144.

3051) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an das

LKA Thüringen vom 15. Mai 2000, MAT A TH-1/24, Bl. 61.

noch seien die Handzeichen auf dem Schreiben von

ihm.
3052

Auch der Inhalt des Schreibens sage ihm

nichts.
3053

Aus einem durch einen Beamten der Zielfahndung gefer-

tigten Vermerk geht hervor, dass die Information, dass

Böhnhardt vor der Wohnanschrift von Mandy Struck mit

Kai S. gesehen worden sei, dort jedenfalls am

15. Mai 2000 vorlag und dass auf dieser Grundlage sofor-

tige Telekommunikationsmaßnahmen bei Kai S. und

Mandy Struck angeregt wurden.
3054

Die sodann zwischen

dem 15. Mai und 19. Juni 2000 auf den Mobiltelefonen

bei Kai S. und Mandy Struck durchgeführten TKÜ-

Maßnahmen erbrachten keine Hinweise auf den Aufent-

halt des Trios.
3055

Der Zeuge Wunderlich hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss bemängelt, dass die Kenntnis bzgl. der Fotoauf-

nahme durch das LfV Thüringen nicht sofort an das LKA

Thüringen weitergeleitet worden war:

„Aber erinnerlich ist mir der Umstand - ich glaube,
es war in Chemnitz, die Bernhardstraße 11 -, wo

ein möglicher Umzug stattgefunden haben soll.

Wir haben aber leider Gottes diese Information

erst zehn Tage später bekommen. Nun ist natürlich

jedem klar, dass ich nach zehn Tagen die Perso-

nen, die beim Umzug geholfen haben, dort nicht

mehr antreffen werde. Da wir das natürlich nicht

ausklären konnten und auch nicht ausschließen

und die gemachten Fotos mit hoher Wahrschein-

lichkeit darauf schließen ließen, dass es vielleicht

Böhnhardt ist, sind wir eben davon ausgegangen,

dass diese Information zu spät war.“3056

Bzgl. des Fotos hat der Zeuge Tüshaus bekundet:

„Im Zusammenhang mit diesem Paket wurde eine
Mandy Struck, die vom LKA Thüringen auf diesen

Vorbesprechungen ins Spiel gebracht wurde, vom

LfV Thüringen observiert. Aus dieser Observation

ergaben sich nach späterer Meldung des LfV Thü-

ringen vom 7. Juli 2000 Fotos, die die Kontaktauf-

nahmen einer Person zeigten, die dem Gesuchten

Böhnhardt ähnlich sieht. Die Fotos hat das LfV

Thüringen am 15. Mai an das LKA Thüringen ge-

sandt.“3057

Der Zeuge Boos hat bzgl. des Fotos bekundet:

„Die Öffentlichkeitsfahndung ging los, die Obser-
vationen gingen los, und während der Observation

der Mandy Struck und ihres Lebensgefährten
3052) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 121.

3053) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 122.

3054) Antrag auf Anordnung von zwei TKÜ-Maßnahmen vom

15. Mai 2000, verfasst durch den Beamten K., MAT A TH-
1/17, Bl. 143.

3055) Schreiben der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen an

die Staatsanwaltschaft Gera vom 29. Juni 2000, MAT A TH-
1/24, Bl. 146.

3056) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 53.

3057) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 6.

Drucksache 17/14600 – 354 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tauchte eine Kontaktperson auf, die man für

Böhnhardt hielt. Deshalb wurde unverzüglich das

Foto von dem LfV Thüringen an das LKA Thürin-

gen geschickt. Das LKA Thüringen hat daraufhin

auch sofort unsere Telefonüberwachungsmaßnah-

me übernommen.“3058

Die auf Grundlage eines entsprechenden Auftrags der

Zielfahndungsabteilung vom 30. Mai 2000 durchgeführte

vergleichende Untersuchung der Fotoaufnahmen durch

das Bundeskriminalamt war am 23. Juni 2000 abge-

schlossen.
3059

Im Ergebnis wurde Folgendes festgestellt:

Für einen sicheren Detailvergleich mit einem Bild von

Böhnhardt war die Bildaufnahme vom 6. Mai 2000 von

zu geringer Qualität. Es konnte daher lediglich ein allge-

meiner Vergleich durchgeführt werden, der jedoch ledig-

lich eine tendenzielle Aussage treffen kann. Hierbei ergab

sich, dass die Ähnlichkeit darauf hindeute, dass es sich

um Böhnhardt handele.

Zur Frage der Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der

Person auf dem Foto um Böhnhardt handele, hat der Zeu-

ge Boos bekundet:

„Das LKA Thüringen hat ferner das BKA gebeten,
die Identität der abgebildeten Kontaktperson fest-

zustellen. Dann hieß es danach - das war im Juli

2007, dass die abgebildete Person - ja, in unseren

Akten steht: mit 90-prozentiger Wahrscheinlich-

keit ; wir haben keine schriftliche Übermittlung;

das steht da nur als Ergebnis mündlicher Übermitt-

lung - zu 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Böhnhardt sei.“3060

Später, am 23. Oktober 2000, wurde Mandy Struck durch

Beamte der Zielfahndung Thüringen in Chemnitz aufge-

sucht. Sie gab hierbei an, dass es sich bei der Person auf

dem Bild um einen Daniel H. handele. Daniel H. wurde

daraufhin ebenfalls aufgesucht. Hierbei wurde festgestellt,

dass es sich nicht um Böhnhardt handelte; vielmehr wur-

de die aufgenommene Person als der Daniel H. identifi-

ziert.
3061

In einem Fernsehbericht der ARD am 14. April 2013

wurde Stefan A., der Cousin von Beate Zschäpe, zu dem

aufgenommenen Foto befragt und äußerte, dass es sich

bei der Person auf dem Foto um Uwe Böhnhardt gehan-

delt habe.
3062
3058) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 93.

3059) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des Bundeskriminalamtes

an das LKA Thüringen vom 23. Juni 2000 zum Ergebnis der

Vergleichsuntersuchung, MAT A TH-1/17, Bl. 261 f.

3060) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 93.

3061) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 23. Oktober

2000, MAT A TH-1/20, Bl. 365 f.; Vermerk über Zusammen-
fassung der Fahndungsmaßnahmen, MAT A TH-1/16, Bl. 297

f. (298).

3062) ARD-Bericht vom 14. April 2013.

bb) Hinweis eines Berliner Polizeibeamten
bzgl. des Aufenthalts von Zschäpe und
Mundlos in einem Biergarten in Berlin

Nach Ausstrahlung der Sendung Kripo Live am 7. Mai

2000 ging beim LKA Sachsen ein Hinweis eines Polizei-

beamten aus Berlin ein, der angab, das Trio am 7. Mai

2000 zwischen 13 und 14 Uhr in einem Biergarten in

Berlin-Prenzlauer Berg gesehen zu haben.
3063

Durch das

LKA Berlin, welches durch das LKA Thüringen um so-

fortige Abklärung gebeten worden war, wurde der Poli-

zeibeamte am Nachmittag des 8. Mai 2000 vernommen

und gab an, als Objektschützer der Synagoge in der

Rykestraße in einem der Synagoge gegenüber in der

Knaackstraße gelegenen Restaurant eine Personengruppe

wahrgenommen zu haben, die aus zwei Frauen, zwei

Männern und zwei Kindern bestand.
3064

Auf einer ihm

vorgelegten Wahllichtbildvorlage erkannte der Beamte

Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt wieder, wobei er

angab, sie gegen 16 Uhr nochmals in der

Imanuelkirchstraße vor dem Polizeiabschnitt 77 gesehen

zu haben. Er gab darüber hinaus an, dass die beiden Kin-

der beim Verlassen des Lokals von der anderen weibli-

chen Person an den Händen geführt wurden. Die zweite

männliche Person erkannte er nicht wieder. Die Aussage

des Polizeibeamten wurde durch die Staatsschutzabtei-

lung des LKA Berlin als glaubhaft eingeschätzt.
3065

Die ebenfalls vernommene Serviererin aus dem Restau-

rant erkannte Beate Zschäpe lediglich zu 50 Prozent wie-

der und erklärte zudem, die Personen seien erst nach 14

Uhr im Lokal erschienen.
3066

Aus einem Vermerk des LfV Sachsen geht hervor, dass

Werner ab dem 5. Mai auf einer dreitägigen Musikveran-

staltung in Berlin weilte, vermutlich auf einem Punk-

bzw. Oi!-Festival in Berlin-Treptow, das vom 5. bis

7. Mai 2000 stattfand. Werner sei hier von zwei männli-

chen und zwei weiblichen Personen begleitet worden.
3067

Aus den Akten des LfV Sachsen ist ersichtlich, dass sich

dessen Mobiltelefon am 7. Mai 2000 ebenfalls im Stadt-

bereich Berlin befand. Um 11.53 Uhr wurde es in der

Nähe des Flughafens Tempelhof aufgenommen; um 14.15

Uhr wurde es in der Nähe der Siegessäule aufgenom-

men.
3068
3063) Hierzu und im Folgenden: Fernschreiben des LKA Thüringen

an das LKA Berlin vom 7. Mai 2000, MAT A TH-1/20, Bl.

484 f.

3064) Hierzu und im Folgenden: Protokoll über die Vernehmung des

Zeugen Frank R., MAT A TH-1/20, Bl. 133 ff.

3065) Aktenvermerk des LKA Thüringen vom 15. Mai 2000, MAT A

TH-1/20, Bl. 170.

3066) Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Magdalena S.,
MAT A TH-1/20, Bl. 126.

3067) Undatierter Bericht des LfV Sachsen, MAT A SN-1/2 (Tgb.-

Nr. 08/12 - GEHEIM) (VS-VERTRAULICH).

3068) Ausschnitt aus einem Stadtplan von Berlin mit eingezeichneten

Standorten, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM), Do-

kument als solches nicht eingestuft.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 355 – Drucksache 17/14600

cc) Weitere Hinweise

Am 7. und 8. Mai 2000 gingen unter anderem zwei weite-

re Hinweise beim LKA Thüringen ein.
3069

Aus einem

Vermerk vom 9. Mai 2000 ergibt sich, dass zunächst am

7. Mai 2000 eine weibliche Mitteilerin Hinweise zum

Aufenthalt der Personen gab. Dem Vermerk lässt sich

nicht entnehmen, welchen Inhalt diese Hinweise hatten.

Weiterhin sei am 8. Mai 2000 ein Anruf eingegangen, in

dem eine Person mitteilte, Angaben nur nach Zusicherung

der ausgelobten Belohnung machen zu wollen. Um beide

Anrufer zu ermitteln, wurde durch die Staatsanwaltschaft

Gera die Herausgabe der Verbindungsdaten zu den An-

schlüssen des LKA Thüringen angeordnet.
3070

Ob ent-

sprechende Rufnummern ermittelt werden konnten, ist

unklar. Die Herkunft der in den Akten enthaltenen Über-

sicht „AM-WIN“ für den 7. Mai 2000 ist unklar – die
Übersicht enthält für die entsprechenden Zeiträume keine

weiterführenden Erkenntnisse.
3071

Insgesamt war das Hinweisaufkommen jedoch äußerst

gering. Der damalige Leiter der Soko „Rex“ in Sachsen,
der Zeuge Jehle, hat sich hierzu wie folgt geäußert:

„Einen ersten Abschluss erfuhr diese Öf-
fentlichkeitsfahndung aus sächsischer Sicht mit

dem Ergebnisfernschreiben des LKA Sachsen vom

8. Mai 2000, also am Tage nach der Sendung. Die-

ses enthält im Wesentlichen den Hinweis darauf,

dass nach Ausstrahlung der TV-Fahndung keine

Hinweise mit Sachsen-Bezug eingingen und sich

somit keine Fahndungsansätze in Sachsen ergaben.

Das bedeutet im Klartext, dass trotz einer bundes-

weiten Ausstrahlung der Fahndung kein Bürger

über verdächtige Wahrnehmungen im Raum Sach-

sen zu berichten wusste.“3072

dd) Folgen des vor dem Wohnhaus von Mandy
Struck aufgenommenen Fotos

Der Zeuge Tüshaus hat bekundet, das vor der Wohnung

von Mandy Struck aufgenommene Foto habe zur Folge

gehabt, dass das LfV Sachsen später Anstrengungen un-

ternommen habe, eine konspirative Wohnung in der

Bernhardtstraße anzumieten, was dann im September

2000 auch erfolgte. Konkret hat Tüshaus ausgesagt:

„Die vom LfV Sachsen durchgeführten techni-
schen Maßnahmen führten nicht zu einschlägigen

Erkenntnissen in Bezug auf den Verbleib, ebenso

die Observation im Umfeld des Fahndungsaufru-

fes. Einziges verwertbares Ergebnis, einzige neue

Spur war also diese Kontaktaufnahme von jeman-

dem, der Böhnhardt ähnlich sah, in Richtung
3069) Hierzu und im Folgenden: Antrag auf Herausgabe rückwirken-

der Verbindungsdaten vom 9. Mai 2000, MAT A TH-1/17, Bl.

117.

3070) Anordnung der Staatsanwaltschaft Gera vom 10. Mai 2000,
MAT A TH-1/20, Bl. 296.

3071) Übersicht „AM-WIN“, MAT A TH-1/20, Bl. 297.

3072) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 3.

Mandy Struck. Deshalb wurden in diese Richtung

weitere Observationen durchgeführt, die allerdings

keine unmittelbaren Ergebnisse hatten. Das LfV

Sachsen hat deshalb die Anmietung einer konspi-

rativen Wohnung beschlossen, um den Wohnsitz

von Mandy Struck und ihres Freundes, die Bern-

hardstraße, zu observieren. Aus früheren Observa-

tionen war der Aufenthalt des Paares, nämlich die

Bernhardstraße, bekannt geworden. Ich gehe im

Folgenden auf diese Observation besonders ein,

weil sie Gegenstand relativ intensiver Medienbe-

richterstattung war.“3073

sowie:

„Eine geeignete Wohnung wurde Ende September
angemietet und im Zeitraum zwischen 29. Sep-

tember bis zum 15. Oktober sowie zwischen dem

21. Oktober bis 25. Oktober benutzt.“3074

14. Observationsmaßnahmen Ende Septem-
ber/Anfang Oktober 2000 in Chemnitz

a) Art und Umfang der Maßnahme

Zwischen dem 29. September 2000 und dem 2. Oktober

2000 erfolgten intensive Überwachungsmaßnahmen in

Chemnitz. Hintergrund war hierbei der anstehende Ge-

burtstag von Uwe Böhnhardt am 1. Oktober sowie die

Tatsache, dass man zu diesem Zeitpunkt davon ausging,

dass das am 6. Mai 2000 vor dem Gebäude Bernhardstra-

ße 11 bei einer Überwachungsmaßnahme angefertigte

Foto Uwe Böhnhardt zeigt, weshalb man erwartete,

Böhnhardt hier anzutreffen.

Es erfolgten Observationsmaßnahmen gegenüber Kai S.

und Mandy Struck sowie aus einer eigens zu diesem

Zweck angemieteten Wohnung eine Überwachung des

Hauseingangs der Bernhardtstraße 11 mittels einer Vi-

deokamera.

Mit Schreiben vom 18. September 2000 regte KHK Wun-

derlich die Durchführung von TKÜ-Maßnahmen unter

anderem bei Kai S., Mandy Struck und den Eltern von

Uwe Böhnhardt in Jena an.
3075

Am 21. September 2000

wurden TKÜ-Maßnahmen bzgl. der Mobilfunkanschlüsse

von Mandy Struck und Kai S. bis zum Ablauf des 1. Ok-

tober 2000 angeordnet.
3076

Mehreren Aktenstücken, die von vor dem 25. September

2000 datieren, ist zu entnehmen, dass für diesen Tag vor-

mittags im Polizeipräsidium Chemnitz eine Einsatzbe-

sprechung vorgesehen war:
3073) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 6.

3074) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7 – siehe hierzu sogleich in E. II.
14.

3075) Schreiben des LKA Thüringen an die Staatsanwaltschaft Gera

vom 18. September 2000, MAT A TH-1/10, Bl. 1 f.

3076) Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 21. September 2000,

MAT A SN-7/16b, Bl. 102 f. (Mandy Struck) und Bl. 106 f.

(Kai S.).

Drucksache 17/14600 – 356 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In einem Vermerk von KHK Wunderlich vom 15. Sep-

tember 2000 wird dargelegt, dass KHK Wunderlich von

einem Referatsleiter L. aus dem LfV Sachsen kontaktiert

wurde, der darauf hinwies, dass das LfV Sachsen eine

Langzeitdokumentation des Hauses Bernhardtstraße 11 in

Chemnitz durchführen wolle, die der Strukturermittlung

im rechtsradikalen Milieu dienen solle.
3077

Anlässlich

dieses Gesprächs habe man sich auf eine Besprechung am

25. September 2000 um 10 Uhr im Polizeipräsidium

Chemnitz verständigt. Hieran werde auch der Leiter des

MEK Chemnitz teilnehmen.

Der damalige Präsident des LfV Sachsen, der Zeuge

Boos, hat hierzu bekundet:

„Das war einfach ein Telefonat des zuständigen
Referatsleiters aus dem Rechtsextremismus mit

dem LKA Thüringen: Wenn wir jetzt eine Dauer-

observation machen an dem Wohnobjekt Mandy

Struck, sind dadurch polizeitaktische Interessen

beeinträchtigt? Und die Antwort war: Nein, macht

ruhig.“3078

Weiter ist einem Fernschreiben des LKA Thüringen vom

22. September 2000 zu entnehmen, dass eine Einsatzbe-

sprechung für den 25. September 2000, 11 Uhr, geplant

sei.
3079

Diesem Fernschreiben ist als Einsatzauftrag für die

geplante Maßnahme Folgendes zu entnehmen:

– „Ermittlung des Aufenthalts des Boehnhardt

– durchgängige Observation des S.

– Ermittlung Kontaktbild

– Erstellung Bewegungsbild

– Festnahme im Zusammenwirken mit der Zielfahn-
dung des TLKA“.3080

Die Besprechung am 25. September 2000 fand unter Be-

teiligung des LfV Sachsen, des Polizeipräsidiums Chem-

nitz und der Zielfahndung des LKA Thüringen (KHK

Wunderlich und ein weiterer Mitarbeiter) statt. Die Ziel-

fahndung des LKA Thüringen bat unter anderem das

MEK des Polizeipräsidiums Chemnitz, im Falle einer

Identifizierung des Böhnhardt während der Observation,

diesen „nach eigenem Ermessen“ festzunehmen.3081.

Am 26. September 2000 wurde die Durchführung des

MEK-Einsatzes beantragt.
3082

In dem Antrag, der durch

einen Kriminaloberrat gezeichnet wurde, ist KHK Wun-

derlich als Sachbearbeiter genannt.
3077) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Wunderlich vom

15. September 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 19.

3078) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 97.

3079) Hierzu und im Folgenden: Fernschreiben des LKA Thüringen,

MAT A SN-7/16b, Bl. 20 f., 22.

3080) Fernschreiben des LKA Thüringen, MAT A SN-7/16b, Bl.

20 f., 22.

3081) Behördeninterne Mail des LfV Sachsen vom 26. September
2000, MAT A SN-1-12a, Bl. 75.

3082) Hierzu und im Folgenden: Auftrag zur Durchführung eines

MEK-Einsatzes, MAT A SN-7/16b, Bl. 23.

b) Konkreter Ablauf und gewonnene Er-
kenntnisse

aa) Observation Kai S.

Kai S. wurde zwischen dem 30. September 2000, 11.50

Uhr, und dem 1. Oktober 2000, 24 Uhr, durch das MEK

Chemnitz observiert.
3083

Hierbei wurde unter anderem

festgestellt, dass am Abend des 30. September durch Kai

S. eine Diskothek in Klingenthal aufgesucht wurde. Im

Laufe des 30. September 2000 telefonierte S. in zwei

Fällen von Telefonzellen aus, wobei sich dem Observati-

onsbericht jeweils die genaue Lage sowie die Stations-

und Standortnummern dieser Telefonzellen entnehmen

lassen.

bb) Videoüberwachung Bernhardtstraße 11
durch das MEK Chemnitz

Zwischen dem 27. September 2000, 20 Uhr, und dem

2. Oktober 2000, 8.56 Uhr, wurde das Gebäude

Bernhardtstraße 11 in Chemnitz mittels Videoaufzeich-

nung überwacht.
3084

Der Zeuge Külbel hat diesen Einsatz wie folgt beschrie-

ben:

„Erste Maßnahme: 27. September 2000, 20.00
Uhr, bis 2. Oktober 2000, 8.55 Uhr. Da wurde mit

Videotechnik in Chemnitz das Haus Bernhardstra-

ße 11 überwacht. Das geschah ohne durchgehende

personelle Besetzung. Dies war ein Auftrag des

Landeskriminalamts Thüringen, Dezernat 12, Ziel-

fahndungskommando. Ziel aufgrund des Auftrages

war es, Kai S. zu observieren. S. war eine mutmaß-

liche Kontaktperson des Böhnhardt. Die Observa-

tion des S. erfolgte, um den Böhnhardt zu lokali-

sieren und festzunehmen. Ausweislich des Video-

protokolls wurden in den fünf Tagen vom 27. Sep-

tember 2000 bis 2. Oktober 2000 348 Bewegungen

am Haus Bernhardstraße 11 festgestellt. Zum Bei-

spiel: Weibliche Person betritt oder männliche

Person verlässt. Zum S.: Der S. betrat während der

Videoaufzeichnung - laut Videoprotokoll - erst-

mals das Wohnhaus Bernhardstraße 11 am

29. September 2000 um 22.53 Uhr. Bis zum Ab-

schluss der Videoaufzeichnung am 2. Oktober

2000 um 8.56 Uhr betrat und verließ der S. das

Wohnhaus Bernhardstraße 11 insgesamt weitere

elfmal. Böhnhardt hingegen war nicht zu se-

hen.“3085
3083) Hierzu und im Folgenden: Observationsbericht des MEK

Chemnitz vom 5. Oktober 2000, MAT A TH-1/11, Bl. 312 ff.

(inhaltsgleich mit MAT A SN-7/16b, Bl. 27 ff.).

3084) Protokoll der Videoaufzeichnung des MEK Chemnitz, MAT A

TH-1/11, Bl. 326 ff; inhaltsgleich: MAT A SN-7/16b, Bl. 41 ff.

3085) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 46.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 357 – Drucksache 17/14600

Gegenüber dem Einwand, eine Videoüberwachung wäre

nicht zielführend im Hinblick auf eine mögliche Fest-

nahme, hat der Zeuge Külbel erläutert:

„Es sollten ja Hinweise und Feststellungen ge-
macht werden, um den S. als Kontaktperson zum

Böhnhardt oder Kontakte zum Böhnhardt festzu-

stellen, und das kann, wenn aus personellen oder

aus einsatztechnischen Gründen eine bemannte

Observation nicht möglich ist, mit Technik erfol-

gen.
3086

Ich kann Ihnen nur aus meinem Erfahrungsschatz

heraus darlegen, dass es häufig so war, dass, bevor

eine personelle Observation durchgeführt wird, mit

Videotechnik - - und die Bernhardstraße 11 war

die für uns vom Auftraggeber bekannt gegebene

Adresse des S.“3087

c) Aufnahme von Beate Zschäpe während der
Videoüberwachung der Wohnung von
Mandy Struck?

Im Bericht der Videoauswertung wurde unter der lfd.

Nummer 248 für den 29. September 2000, 17.19 Uhr,

festgehalten, dass sich eine weibliche und eine männliche

Person kurze Zeit im Bereich der Haustür aufhielten.

Anders als bei anderen Personen ist hier nicht notiert, dass

die Personen das Haus betreten oder verlassen hätten.

Zuvor, um 15.28 Uhr, ist festgehalten, dass Mandy Struck

das Haus (mit einem Hund) betreten hatte. Es ist nicht

festgehalten, dass Mandy Struck das Haus vor 17.19 Uhr

wieder verlassen hätte. Die von beiden Personen angefer-

tigte Videoaufnahme befindet sich bei den Akten.
3088

Das LKA Thüringen ging hier zunächst davon aus, dass

es sich bei der weiblichen Person um Beate Zschäpe han-

delt, weshalb für den Zeitraum zwischen dem 9. Oktober

2000 und dem 19. Oktober 2000 offensichtlich weitere

Fahndungsmaßnahmen geplant waren.
3089

Aus einem

Vermerk von KHK Wunderlich vom 12. Oktober 2000

ergibt sich auch, dass zwischen dem 9. und dem 12. Ok-

tober 2000 „polizeiliche Ermittlungen“ in Chemnitz
durchgeführt wurden, jedoch bleibt unklar, welche Maß-

nahmen hier konkret durchgeführt wurden.
3090

Die Einholung eines Gutachtens, wie im Falle des Fotos,

welches am 6. Mai 2000 angefertigt worden war, erfolgte

in diesem Fall nicht.

Im Januar 2012 wurde das Foto durch das BKA ausge-

wertet. Ergebnis der Auswertung war, dass es sich bei der

weiblichen Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um
3086) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 63.

3087) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 64.

3088) Videoausschnitte, MAT A TH-1/11, Bl. 352 ff.

3089) Vermerk von KHK Wunderlich vom 6. Oktober 2000, MAT A
SN-7/16b, Bl. 138 f.

3090) Vermerk von KHK Wunderlich vom 12. Oktober 2000, MAT A

TH-2/12, Bl. 167.

Beate Zschäpe handelte.
3091

Auch die Schäfer-

Kommission war nach Inaugenscheinnahme des Fotos

dieser Ansicht.
3092

d) Parallele Observationsmaßnahmen des
Landesamtes für Verfassungsschutz
Sachsen

Der Zeuge Külbel, seinerzeit Leiter des MEK Chemnitz,

hat bekundet, dass ihm nicht bekannt sei, in welcher Form

das LfV Sachsen seinerzeit in Chemnitz tätig gewesen

sei.
3093

Ihm sei lediglich aus den ihm vorliegenden Unter-

lagen bekannt, dass es in dieser Hinsicht Absprachen

gegeben hätte.

Der Zeuge Vahrenhold hat hierzu bekundet, dass es um-

fangreiche eigene Maßnahmen des LfV Sachsen gegeben

habe:

„Eine geeignete Wohnung wurde Ende September
angemietet und im Zeitraum zwischen

29. September bis zum 15. Oktober sowie zwi-

schen dem 21. Oktober bis 25. Oktober benutzt.

Diese Langzeitobservation war ausdrücklich mit

dem LKA Thüringen abgestimmt. Auf Nachfrage

zum Einsatzbeginn hat das LKA Thüringen das

LfV darüber informiert, dass man den Hinweis ha-

be, am 30. September und/oder 1. Oktober könne

es zu einem Kontakt zwischen Böhnhardt und dem

Freund der S. kommen; Böhnhardts Geburtstag

war am 1. Oktober. LKA Thüringen beabsichtigte,

in diesem Zeitraum selbst zu observieren. Das

LKA Thüringen teilte schließlich am 28. Septem-

ber einen Einsatzbeginn vom 30. September für

ein Mobiles Einsatzkommando mit, welches beim

Erkennen des Böhnhardt diesen nach eigener La-

gebeurteilung festnehmen werde. Das LfV besetzte

flankierend die konspirative Wohnung im Zeit-

raum vom 30. September bis 1. Oktober mit Mit-

arbeitern, die im Falle des Auftauchens der Ge-

suchten die vor Ort anwesenden MEK-Kräfte in-

formieren sollten. Die Erreichbarkeit des MEK

war sichergestellt, ein entsprechender Kontakt ist

auch dokumentiert.

Allerdings verlief dieser Observationszeitraum oh-

ne Ergebnisse. Nach Feststellung des LfV traten

allerdings zuvor, am 29. September, gegen

17.20 Uhr eine männliche und eine weibliche Per-

son an das Objekt heran und gingen dann wieder.

Von der die Videoaufzeichnung prüfenden Obser-

vation wurde die Sequenz in Prints gefertigt und

angemerkt, dass die Personen Ähnlichkeiten mit

Böhnhardt und Zschäpe hätten. Die Videoprints

liegen dem LKA Thüringen heute vor. Allerdings

hat eine Überprüfung durch das BKA ergeben,
3091) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 120, Rn. 216

3092) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 120, Rn. 216.

3093) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 64.

Drucksache 17/14600 – 358 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht

um die Gesuchten gehandelt hat.“3094

Auf den Vorhalt, das MEK habe von den Maßnahmen des

LfV Sachsen nichts gewusst, hat der Zeuge Tüshaus ent-

gegnet:

„Das entspricht nicht unserer Aktenlage. Also,
zum einen weist unsere Aktenlage mehrere Ge-

spräche des damaligen Referatsleiters Rechtsex-

tremismus in dem Zusammenhang mit dem Thü-

ringer LKA - das war ja Auftragsteller - - und zum

Zweiten gibt es gerade hinsichtlich dieser Obser-

vation ja den Auftrag, im Falle des Erkennens von

Zielpersonen das MEK zu unterrichten. Insofern

bestand auch eine Informationsverbindung mit

dem MEK, das vor Ort war, und soviel ich weiß,

hat auch ein konkreter Kontakt stattgefunden. Das

heißt, die wussten voneinander, dass sie da waren.

Also, das würde sich für mich jetzt nicht erschlie-

ßen, dass da jetzt der Kollege sagt, das MEK wuss-

te nicht, dass das LfV auch vor Ort war.“3095

In Bezug auf die Frage, weshalb dann eine parallele Ob-

servation stattgefunden habe, hat der Zeuge Tüshaus

geäußert:

„Es ging um den Zugriff, genau. Und in der Situa-
tion hatte das LfV letztendlich drei Möglichkeiten.

Entweder man schaltet die eigene Anlage über den

Zeitraum ab und sagt: Na ja, die sind da, dann

brauchen wir nicht. - Die zweite Möglichkeit war:

Wir lassen das Ding laufen und gucken uns am

Montag an, was am Wochenende passiert ist. - Die

dritte Möglichkeit war: Nein, wir besetzen unsere

konspirative Wohnung auch, stellen den Kontakt

her mit dem MEK, unterstützen das MEK, wenn

uns irgendwas auffällt und beobachtet wird, und

sagen denen Bescheid, damit der Zugriff realisiert

würde. - Das Dritte ist gemacht worden; aus mei-

ner Sicht auch das Vernünftigste.“3096

Der Zeuge Boos hat ebenfalls bestätigt, dass es parallel zu

den polizeilichen Observationsmaßnahmen auch solche

des LfV Sachsen gegeben habe. Boos hat hierzu bekun-

det:

„Wir haben aber darüber hinaus dann eine Dauer-
observation vorbereitet am Wohnobjekt Struck und

ihres Lebensgefährten in Chemnitz, um Erkennt-

nisse zu gewinnen: Gibt es dort Kontakte zu den

Gesuchten, oder halten sie sich sogar in der Woh-

nung auf? - Diese Dauerobservation haben wir

ausdrücklich mit dem LKA Thüringen abgespro-

chen. Wir haben die Frage gestellt, ob polizeitakti-

sche Gründe dagegen sprechen, was dort verneint

wurde. Dennoch hat die Polizei parallel auch eine
3094) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.

3095) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 32.

3096) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 33.

Observation dort durchgeführt. Diese Observation

fand dann im September/Oktober statt.“3097

Aus den Akten des LfV Sachsen ergibt sich, dass im

Rahmen der Maßnahmen „Terzett“ im LfV Sachsen be-
reits im Juli 2000 Überlegungen im Hinblick auf die An-

mietung einer konspirativen Wohnung zur Observation

der Wohnanschrift von Mandy Struck in der Bernhard-

straße 11 stattfanden.
3098

Mitte September konnte sodann

eine in der Nähe gelegene Wohnung angemietet werden,

wobei im Rahmen des Abschlusses des Mietvertrages

bekannt wurde, dass auch die Polizei im gleichen Gebäu-

de ebenfalls eine Wohnung angemietet hatte.
3099

Aus den

dem Ausschuss vorliegenden Protokollen ergibt sich, dass

die Wohnung durch Mitarbeiter des LfV Sachsen zwi-

schen dem 30. September 2000, 12 Uhr, und dem

1. Oktober 2000, 23 Uhr, besetzt war.
3100

Für den

29. September 2000 liegen mithin lediglich Videoauf-

nahmen vor. Bei den in den Akten des LfV Sachsen ent-

haltenen Videoaufnahmen handelt es sich um dieselben

Aufnahmen wie in den Akten des LKA Thüringen. Auch

in dem Observationsbericht des LfV Sachsen heißt es,

dass Ähnlichkeiten zwischen den aufgenommenen Perso-

nen und den Gesuchten „festgestellt werden“ können.

e) Überprüfung von Anrufen aus Telefonzel-
len

Am 5. Oktober 2000 erließ das Amtsgericht Jena über die

Staatsanwaltschaft Gera auf Anregung der Zielfahndung

des LKA Thüringen in Bezug auf die beiden Telefonzel-

len, aus denen Kai S. im Verlauf des 30. September 2000

Gespräche geführt hatte, Beschlüsse zur Herausgabe der

rückwirkenden Verbindungsdaten für den jeweiligen

Gesprächszeitraum.
3101

In den Akten der Staatsanwaltschaft Gera ist ein Telefax-

Sendebericht enthalten, der die Übersendung der Be-

schlüsse an das LKA Thüringen (Rufnummer

0361/3411xxx) dokumentiert.
3102

Es ist weder aktenkundig, dass in Ausführung des ergan-

genen Beschlusses eine entsprechende Anfrage an die

Deutsche Telekom gestellt worden wäre, noch ist akten-

kundig, dass eine solche Anfrage beantwortet worden

wäre.
3097) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 93.

3098) Vermerk vom 24. Juli 2000, MAT A SN-1/2, Anl. 01 (Tgb.-Nr.

08/12 - GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).

3099) Vermerk des Referats 13 des LfV Sachsen, datiert vom
13. September 2000, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 -

GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).

3100) Hierzu und im Folgenden: Observationsbericht bzgl. der Maß-
nahme Terzett 12. vom 5. Oktober 2000, MAT A SN-1/2 (Tgb.-

Nr. 08/12 - GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).

3101) Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 5. Oktober 2012, MAT
A TH-2/12, Bl. 147 (Telefonzelle in Chemnitz) und Bl. 149

(Telefonzelle in Klingenthal).

3102) Sendebericht vom 5. Oktober 2000, MAT A TH-2/12, Bl. 158.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 359 – Drucksache 17/14600

15. Maßnahme am 23. Oktober 2000 in Chem-
nitz

a) Art und Umfang der Maßnahmen

Am 23. Oktober 2000 kam es in Chemnitz erneut zu

Fahndungsmaßnahmen, insbesondere zu einer Observati-

on des Freundes von Mandy Struck, Kai S.
3103

und einem

offenen Ansprechen beider Personen.
3104

b) Hintergrund der Maßnahmen

In einem Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen

vom 13. Oktober 2000 wird der Hintergrund des geplan-

ten Einsatzes am 23. Oktober 2000 wie folgt beschrieben:

„Durch die Zielfahndung des TLKA wurden um-
fangreiche Maßnahmen zur Personenfeststellung

der o. g Gesuchten im Raum Chemnitz durchge-

führt.

Ausgangspunkt waren zwei vorliegende Videose-

quenzen vom 06.05.2000 und vom 29.09.2000, auf

denen eine männliche und eine weibliche Person

dargestellt sind, bei denen es sich mit großer

Wahrscheinlichkeit um die gesuchten Personen

Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe handelt.

Beide Personen haben sich im unmittelbarem Um-

feld der bekannten Personen Mandy Struck und

Kai S. aufgehalten. Die männliche Person hatte

nachweislich am 06.05.00 Kontakt mit Kai S.

Während der Ermittlungen der Zielfahndung in

Chemnitz wurde der Personenkreis um Mandy

Struck und Kai S. überprüft.

Es konnte festgestellt werden, daß beide Personen

der rechten Szene in Chemnitz zugeordnet werden

können.“3105

Im Hinblick auf die konkrete Planung des Ablaufs lässt

sich dem Vermerk Folgendes entnehmen:

„Es wird beabsichtigt am 23./24.10.2000 die Per-
sonen S. und S. offen anzusprechen. Um die Folge-

reaktionen beider Personen nachvollziehen zu

können, erfolgt im Zeitraum vom 23.10. -

25.10.2000 eine Observation dieser Personen. Die

Realisierung erfolgt durch das MEK Chemnitz mit

Unterstützung der Zielfahndung Sachsen und Thü-

ringen. Für die Vorbereitung und Absicherung der

Maßnahme wurde durch den Richter Hovemann

die TKÜ zu den Anschlüssen beider Personen be-

schlossen.
3103) Observationsbericht des MEK Sachsen vom 24. Oktober 2000,

MAT A SN-7/16b, Bl. 76 ff.

3104) Vermerk der Zielfahndung über Ermittlungen in Chemnitz am
23. Oktober 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 142 f.

3105) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober

2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.

Geplant ist, dass zwei Beamte der Zielfahndung

Thüringen am 23./24.10.2000 in Chemnitz die Ko-

ordination der Maßnahme übernehmen und gleich-

zeitig den Kontakt zu den Personen Struck und S.

aufnehmen.“3106

c) Bewertung der Fahndungssituation durch
die Beteiligten

Dem Vermerk lässt sich im Hinblick auf die Fahndungssi-

tuation die folgende Bewertung entnehmen:

„Für die Zielfahndung gibt es derzeitig keine wei-
teren Fahndungsansätze.

[…]

Ergeben sich aus dem Einsatz vom 23. ./24.10.00

keine weiteren Fahndungsansätze, erscheint eine

weitere Bearbeitung durch die Zielfahndung nicht

gerechtfertigt. Es müßten für diesen Fall neue um-

fangreiche Strukturermittlungen durchgeführt wer-

den, welche mit dem Personalbestand der Ziel-

fahndung nicht realisierbar sind.“3107

Seitens der Staatsanwaltschaft und durch den zuständigen

Ermittlungsrichter wurden die geplanten Maßnahmen

offensichtlich als vorläufig letzte Fahndungsmöglichkeit

gewertet. Konkret heißt es in dem Vermerk hierzu:

„Am 12.10.2000 gab es ein Gespräch zwischen der
Zielfahndung und dem zuständigen Staatsanwalt

Villwock, sowie dem zuständigen Richter

Hovemann.

[…]

Durch den zuständigen Richter Hovemann wurde

mitgeteilt, dass er keine weiteren TKÜ-

Maßnahmen in diesem Fahndungsvorgang anord-

nen wird, wenn sich keine weiteren konkreten

Fahndungsansätze begründen lassen.

Durch den zuständigen Staatsanwalt Villwock

wurde darauf verwiesen, dass die Beweislage in

diesem Strafverfahren sehr vage ist und somit der

Ausgang des Verfahrens offen. Es wurde durch

den Staatsanwalt und Richter auf die Verhältnis-

mäßigkeit der Fahndungsmaßnahmen verwie-

sen.“3108

Ebenfalls im Zeitraum zwischen den Maßnahmen Ende

September/Anfang Oktober 2000 und am 23. Oktober

2000 fand innerhalb des LKA Thüringen eine Erörterung

bzgl. der Beauftragung der Zielfahndungsabteilung statt,

die bereits oben im Abschnitt E. II. 2. b) bb) bbb) darge-

stellt wurde.
3106) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober

2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f. (141).

3107) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober
2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.

3108) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober

2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.

Drucksache 17/14600 – 360 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Vorbereitung der Maßnahmen am 23. Ok-
tober 2000

Zur Vorbereitung der Maßnahmen erfolgte am 12. Okto-

ber 2000 eine Besprechung mit dem Leiter des MEK

Chemnitz und der „Zielfahndung Sachsen“.3109

Ebenfalls am 12. Oktober 2000 waren durch den Ermitt-

lungsrichter am Amtsgericht Jena zwei Beschlüsse erlas-

sen worden, in denen TKÜ-Maßnahmen bzgl. der Mobil-

funkanschlüsse von Kai S. und Mandy Struck angeordnet

wurden.
3110

Am 16. Oktober 2000 wurde der MEK-Einsatz für den

23. Oktober 2000 durch KHK Wunderlich schriftlich in

Auftrag gegeben.
3111

e) Konkreter Ablauf der Maßnahmen

Die Observation von Kai S. erfolgte durch das MEK

Chemnitz am 23. Oktober 2000 zwischen 6.40 Uhr und

16.45 Uhr, wobei die Observation zwischen 12.40 Uhr

und 14.07 Uhr „auf Anweisung der sachbearbeitenden
Dienststelle“ unterbrochen wurde.3112

Um 12.50 Uhr wurde Kai S. dann durch vier Polizeibeam-

te, darunter KHK Wunderlich, in der Wohnung von Man-

dy Struck in der Bernhardstraße 11 aufgesucht.
3113

In

seiner Begleitung begaben sich die Polizeibeamten dann

zur Wohnung von Kai S. in der Hainstraße 96, die gegen

13.05 Uhr betreten wurde. In beiden Wohnungen wurden

keine weiteren Personen festgestellt. Dem Kai S. wurde

darüber hinaus das am 6. Mai 2000 aufgenommene Foto

von der bislang unbekannten Person gezeigt, die ihm

„beim Umzug geholfen“ hatte – hierzu machte Kai S.
keine Angaben. Er wurde sodann zur Wohnanschrift von

Mandy Struck in der Bernhardstraße 11 zurückgebracht.

Gegen 14.10 Uhr wurde schließlich Mandy Struck durch

KHK Wunderlich und KK K. von der Zielfahndung des

LKA Thüringen an ihrer Arbeitsstelle aufgesucht. Mandy

Struck identifizierte die Person auf dem Foto als Daniel

H. Nachdem zunächst noch ein Mike K. aufgrund eines

Hinweises von Mandy Struck im Hinblick auf möglichen

Waffenbesitz aufgesucht worden war, begab sich KHK

Wunderlich – nunmehr wieder in Begleitung von KK K.
und den beiden weiteren Polizeibeamten, die auch schon

beim Aufsuchen von Kai S. beteiligt waren – gegen 15.50
Uhr zur Wohnung von Daniel H., der gegen 16.20 Uhr
3109) Vermerk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober

2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.

3110) Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 12. Oktober 2000, MAT
A SN-7/16b, Bl. 104 f. (Mandy Struck) und, MAT A SN-7/16b,

Bl. 108 f. (Kai S.).

3111) Auftrag zur Durchführung eines MEK-Einsatzes vom
16. Oktober 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 24.

3112) Observationsbericht des MEK Chemnitz vom 24. Oktober

2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 76 ff. (79).

3113) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Wunderlich und

KK K. über Ermittlungen in der Stadt Chemnitz am 23. Oktober

2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 142 f.

erschien. Es wurde festgestellt, dass es sich bei ihm nicht

um Böhnhardt handelte.

Nachdem um 14.07 Uhr die Observation von Kai S. vor

der Bernhardstraße 11 durch die Kräfte des MEK Chem-

nitz wieder aufgenommen worden war, wurde festgestellt,

wie dieser gegen 14.18 Uhr die Wohnung verließ und sich

mit seinem Fahrzeug zu einer nahegelegenen Telefonzelle

begab, aus der er ca. acht Minuten lang telefonierte.
3114

Im Observationsbericht ist der Standort der Telefonzelle

(Lutherstraße 20), die Standortnummer (15 M 10) und die

elfstellige Zellennummer genannt.

Sodann begab sich Kai S. zu seiner Wohnung in der Hain-

straße 96, die er nach ca. 15 Minuten mit einem Pappkar-

ton (50x50 cm) wieder verließ. Er begab sich anschlie-

ßend gegen 14.51 Uhr zu einem nahe gelegenen Garagen-

komplex, wo er einen Fassgrill aus einer Garage holte und

ca. 20 Minuten lang etwas verbrannte. Währenddessen

erschienen zwei männliche Personen am Garagenkom-

plex, denen Kai S. öffnete. Um 15.11 Uhr verließ Kai S.

den Garagenkomplex und fuhr mit seinem Fahrzeug da-

von, wobei er gegen 15.19 Uhr außer Kontrolle geriet,

nachdem er in zwei Fällen über Parkplätze gefahren war,

ohne dort zu parken. Erst um 16.35 Uhr wurde sein Fahr-

zeug beim Durchfahren der Bernhardstraße kurzzeitig

festgestellt. Um 16.45 Uhr wurde die Observation von

Kai S. „nach Rücksprache mit der sachbearbeitenden
Dienststelle“ beendet.

Der Leiter der MEK, der Zeuge Külbel, hat angegeben, er

habe es hier das einzige Mal erlebt, dass ein Observati-

onseinsatz auf Anweisung unterbrochen wurde, um die

Zielperson zu vernehmen.
3115

Er könne sich nicht daran

erinnern, dass das MEK damals über den Grund für diese

Unterbrechung informiert worden sei. Auf die Frage, ob

eine solche Information nicht hilfreich gewesen wäre, hat

der Zeuge geantwortet:

„Das MEK stellt Tatsachen fest. […] Also es gab
keine Probleme während des Einsatzverlaufes. Die

Zielperson ist nicht verloren gegangen. Es hat kei-

ne Situation gegeben, die die Observation oder den

Einsatz des MEK erschwert hat. Aus dem Grund

kann man jetzt im Nachhinein sagen, das wäre

nicht zwingend notwendig gewesen, das zu erklä-

ren. Natürlich kann man das machen.“3116

Der Ausschuss hat hinterfragt, ob das MEK hätte eingrei-

fen müssen, als die Zielperson Gegenstände verbrannt hat.

Der Zeuge Külbel hat geantwortet, es habe für das Mobile

Einsatzkommando in dieser Situation überhaupt keinen

Handlungsbedarf gegeben, dort einzuschreiten, die Sache

aufzuklären und festzustellen, was dort verbrannt wurde.

Dies sei absolut unüblich. Die Maßnahmen seien aus-

schließlich verdeckte Maßnahmen. Die Einheiten, die in
3114) Hierzu und im Folgenden: Observationsbericht des MEK

Chemnitz vom 24. Oktober 2000, MAT A SN-7/16b, Bl. 76 ff.
(79 ff.)

3115) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 47.

3116) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 68.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 361 – Drucksache 17/14600

dieser Form arbeiten, seien darauf angewiesen, dass die

Maßnahmen nicht erkannt werden, um das Einsatzziel,

den Einsatzerfolg, nicht zu gefährden. In einem solchen

Fall müssten andere Polizeikräfte tätig werden. Er könne

sich zwar nicht mehr an die Situation erinnern, er gehe

jedoch davon aus, dass dieses Verhalten unmittelbar an

das Zielfahndungskommando Thüringen weitergegeben

worden sei.
3117

Wenn allerdings zum Beispiel Gefahr für

Leib und Leben bestünde, also ein anstehendes Tötungs-

delikt oder eine schwere Körperverletzung, und damit die

Gefahrenabwehr über der Strafverfolgung stünde, dann

wäre die Eingriffsschwelle bei einer Observationsmaß-

nahme überschritten.
3118

Er könne keine Fehler des MEK

feststellen.
3119

f) Überprüfung des Anrufes aus der Telefon-
zelle

Auch vorliegend kann den Akten entnommen werden,

dass eine Überprüfung der Telefonzelle stattfinden sollte.

In den Akten befindet sich ein von der Staatsanwaltschaft

Gera an die Deutsche Telekom gerichtetes Schreiben, in

dem um Mitteilung der rückwirkenden Verbindungsdaten

für die genannte Telefonzelle gebeten wird.
3120

Das

Schreiben trägt im oberen Bereich einen Faxaufdruck, der

das Datum „23.10.00“ und die Uhrzeit „16:13“ sowie die
Rufnummer „00361341xxxx“ – eine Rufnummer inner-
halb des LKA Thüringen enthält. In dem Schreiben ist die

Anschrift der Telefonzelle, die Standortnummer (1510)

und – als Rufnummer der Telefonzelle – die im Observa-
tionsbericht als Zellennummer angegebene elfstellige

Nummer angegeben. Ob das Schreiben an die Deutsche

Telekom weitergeleitet wurde ist ebensowenig aktenkun-

dig wie eine wie auch immer geartete Reaktion der Tele-

kom auf dieses Schreiben.

g) Auswirkungen auf Maßnahmen des LfV
Sachsen

Im Hinblick auf die erfolgte Ansprache von Mandy Struck

hat der Zeuge Tüshaus bekundet, dass vor diesem Hinter-

grund weitere Maßnahmen des LfV Sachsen obsolet ge-

worden seien:

„In einem Vermerk des LfV vom 25. Oktober, also
zwei Tage später, wird festgehalten: Dienstlich

wurde bekannt, dass das im Auftrag- jetzt kommt

die Fallbezeichnung - formulierte Ziel der Obser-

vation - also diese technische Dauerobservation

der Bernhardstraße - nicht umsetzbar ist. Die

Maßnahme wird aus diesem Grund nicht fortge-

setzt. - Dies ist im Licht der am 23. Oktober er-

folgten Ansprache nachvollziehbar. Die Polizei hat
3117) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 52 f.

3118) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 53 f.

3119) Külbel, Protokoll-Nr. 59, S. 59.

3120) Hierzu und im Folgenden: Schreiben der Staatsanwaltschaft

Gera an die Deutsche Telekom vom 23. Oktober 2000, MAT A

TH-1/20, Bl. 284.

zu diesem Zeitpunkt Mandy Struck befragt, ob sie

etwas von den Gesuchten wüsste, sie hat Observa-

tionsfotos vorgelegt, sodass der Betroffenen und

ihrem Freund die Maßnahmen um sie herum deut-

lich wurden. Eine weitere technische Observation

des Wohnobjekts ergab deshalb keinen Sinn.“3121

Aus dem Observationsbericht im Fall „Terzett 11“ geht
hervor, dass der genannte Garagenkomplex sowie die

Wohnung Bernhardstraße 11 durch das LfV Sachsen

zwischen dem 21. und 26. Oktober 2000 durch verdeckte

Videographie überwacht wurde. Aus dem erstellten Pro-

tokoll sind die dargestellten Maßnahmen des LKA Thü-

ringen und die sich aus dem Observationsbericht des

MEK ergebenden Handlungen von Kai S., soweit sie sich

in dem Garagenkomplex und an der Wohnung Bernhard-

straße 11 abspielten, dokumentiert.
3122

16. Weitere Fahndungsmaßnahmen im Zeit-
raum 2000 bis 21. August 2001

a) Observation in Seelze bei Hannover am
30. September/1. Oktober 2000

Zeitgleich mit den Maßnahmen in der Bernhardtstraße 11

in Chemnitz war geplant, die Eltern von Uwe Böhnhardt

anlässlich eines Besuchs auf der Weltausstellung EXPO

2000 in Hannover zu observieren. Aus einem Telefax-

Schreiben vom 29. September 2000 gehen die Details des

Auftrags des LKA Thüringen an das LKA Niedersachsen

hervor.
3123

Es wurde vermutet, dass es in Hannover zu

einem Treffen zwischen Böhnhardt, seinen Eltern und

dem zwischenzeitlich nach dort verzogenen Holger Ger-

lach kommen könnte. Aus diesem Grund wurden die

Anschlüsse der Mutter von Holger Gerlach in Hannover

und von Erhard S., einem Verwandten der Mutter von

Uwe Böhnhardt, zwischen dem 29. September 2000 und

dem 1. bzw. 2. Oktober 2000 überwacht, ohne dass sich

Erkenntnisse zum Aufenthalt des Trios ergeben hätten.
3124

Auch die Observationsmaßnahmen erbrachten keine Er-

mittlungsansätze.
3125

b) Aufsuchen von Frauenärzten in Chemnitz

Am 30. und 31. März 2000 wurden durch die Beamten

Wunderlich und O. zahlreiche Frauenärzte, deren An-

schriften zuvor über die Ärztekammer in Erfahrung ge-

bracht wurden, in Chemnitz aufgesucht und unter Vorlage

eines Bildes von Beate Zschäpe danach befragt, ob diese
3121) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.

3122) Observationsbericht im Fall „Terzett 11“, MAT A SN-1/2, Anl.
01 (Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM), (VS-VERTRAULICH).

3123) Telefax-Schreiben des LKA Thüringen an das LKA Niederach-

sen vom 29. September 2000, MAT A TH-1/20, Bl. 97 f.

3124) Vermerk über die Beendigung der TKÜ vom 4. Oktober 2000,
MAT A TH-1/17, Bl. 183.

3125) Vermerk über Auswertung der Fahndungsunterlagen vom

7. März 2002, MAT A TH-1/24, Bl. 2 ff. (8).

Drucksache 17/14600 – 362 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dort als Patientin in Erscheinung getreten sei.
3126

Die

Lichtbilder wurden jeweils in den Praxen belassen. Er-

kenntnisse wurden nicht erlangt.

c) Hinweis auf Antreffen von Beate Zschäpe
im Zug zwischen Bebra und Eisenach im
August 2000

Am 11. August 2000 erschien der damals 23-jährige Do-

minic G. aus einem anderen Anlass bei der Polizei in

Waltershausen, wo er auf einem Fahndungsplakat Beate

Zschäpe wiedererkannte.
3127

Er gab an, dass die Frau sich

ihm auch als „Beate“ vorgestellt habe und er diese am
7. August 2000 im InterRegio zwischen Bebra und Eise-

nach getroffen habe. Konkret habe er die Frau in einem

Zugabteil angetroffen und angesprochen. Die Frau sei –
wie er – in Eisenach aus dem Zug gestiegen und im
Bahnhof in Richtung Ausgang gelaufen. Sie habe ihm

gegenüber angegeben, in Eisenach als Friseurin zu arbei-

ten.

d) Grund dafür, dass es ansonsten nur weni-
ge weitere Maßnahmen gab

Möglicher Hintergrund für die sehr geringe Fahndungsin-

tensität nach den Maßnahmen am 23. Oktober 2000 ist,

dass in dem Gespräch zwischen KHK Wunderlich mit

dem zuständigen Staatsanwalt und dem Ermittlungsrichter

im Vorfeld der Maßnahme am 23. Oktober 2000 bekundet

worden war, dass weitere richterliche Beschlüsse bzgl.

weiterer Fahndungsmaßnahmen nicht erlassen würden.
3128

Darüber hinaus war in einem Vermerk vom 12. Oktober

2000 durch KHK Wunderlich auch dargelegt worden,

dass im Falle des Scheiterns der Maßnahme vom

23. Oktober 2000 eine weitere Tätigkeit der Zielfahn-

dungsabteilung nicht gerechtfertigt sei und umfangreiche

Strukturermittlungen im rechtsextremen Spektrum erfor-

derlich seien.

Es ist auch nicht aktenkundig, dass nach der Maßnahme

am 23. Oktober 2000 der Erlass weiterer Beschlüsse, etwa

auf Durchführung weiterer TKÜ-Maßnahmen, durch die

Zielfahndung des LKA Thüringen angeregt worden wä-

re.
3129

Auch im Jahresbericht 2000 der Zielfahndung vom

5. Januar 2000 findet sich ein entsprechender Hinweis.

Konkret heißt es hier in Bezug auf die Suche nach dem

Trio:

„Die Spezialität der Ermittlungstätigkeit hat ge-
zeigt, dass die Zielfahndung personell nicht in der
3126) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KOK Wunderlich und

KOM’in O., undatiert, MAT A TH-1/20, Bl. 354 ff.

3127) Hierzu und im Folgenden: Protokoll über die Vernehmung von
Dominic G. vom 12. August 2000, MAT A TH-1/3, Bl. 358.

3128) Siehe hierzu oben unter E. II. 15 c) mit Hinweis auf den Ver-

merk von KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober 2000,
MAT A SN-7/16b, Bl. 140 f.

3129) KHK Wunderlich und KK K. vom 13. Oktober 2000, MAT A

SN-7/16b, Bl. 140 f.

Lage ist, ein derartig verzweigtes Beziehungsge-

flecht, wie es sich in der rechten Szene darstellt,

aufzuarbeiten. Aus Sicht der Zielfahndung ist die

Lokalisierung der gesuchten Personen nur durch

eine Soko für diesen Fahndungsfall realisierbar.

Sollte es in absehbarer Zeit zu einer Vergrößerung

des Bereiches Staatsschutz im TLKA kommen,

wäre eine Übernahme der Fahndung nach dem

o. g. sinnvoll. Angemerkt sei an dieser Stelle der

Einwand der zuständigen Staatsanwaltschaft, wel-

che zu bedenken gibt, dass die Beweislage in die-

sem Verfahren äußerst gering und eine mögliche

spätere Verurteilung aller drei beteiligten Personen

fraglich ist.“3130

e) Beendigung der Zielfahndung im August
2001

Am 22. August 2001 wurde die Zielfahndung beendet.
3131

17. Fahndungsmaßnahmen August 2001 bis
Juli 2003

a) Auswertung der bisherigen Maßnahmen
nach Rückgabe der Fahndungsakten an
die EG „TEX“

Nach Beendigung der Tätigkeit der Zielfahndungsabtei-

lung im August 2001 erfolgte im Jahr 2002 eine Auswer-

tung der bisher vorliegenden Fahndungsakten durch die

nunmehr für die Suche nach dem Trio allein zuständige

EG „TEX“.3132 In dem hierbei durch KHK K. erstellten
Vermerk sind eine Vielzahl der bis zu diesem Zeitpunkt

durchgeführten Fahndungsmaßnahmen explizit erwähnt.

Unter Punkt 10 des Vermerks werden weitere Ermitt-

lungsansätze aufgezählt. Neben der Anregung einiger

Standardmaßnahmen wird unter Punkt 10.4 angeregt, bei

den Landesämtern für Verfassungsschutz Sachsen und

Thüringen anzufragen, ob die Gesuchten mit einer neuen

Identität versehen worden seien und wie dies rechtlich zu

bewerten sei. Hintergrund dieser Anregung ist mögli-

cherweise, dass bei der Aktenauswertung ein Vermerk des

Zielfahnders Wunderlich vom 13. Oktober 2000
3133

auf-

fiel, in dem – ohne Angabe eines möglichen Hintergrun-
des oder einer Begründung – festgestellt wird, dass die
Gesuchten sich möglicherweise eine neue Identität zuge-

legt haben könnten (erwähnt unter Punkt 8.4.).

Unter Punkt 10.10 des Vermerks wird zudem konstatiert,

dass eine Kontaktaufnahme mit den Eltern der Gesuchten

und mit dem Cousin von Beate Zschäpe, Stefan A., aus
3130) Jahresbericht 2000 der Zielfahndungsabteilung des LKA Thü-

ringen vom 5. Januar 2001, MAT A TH-2/59, Bl. 75.

3131) Vgl. hierzu schon oben unter E. II. 2. c).

3132) Hierzu und im Folgenden: Vermerk „Auswertung der Fahn-
dungsunterlagen“ vom 7. März 2002, MAT A TH-1/24, Bl.
2 ff.

3133) Vermerk von KHK Wunderlich vom 13. Oktober 2000, MAT A

TH-1/24, Bl. 89 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 363 – Drucksache 17/14600

taktischen Gründen nicht angebracht erscheine, ohne dass

dies näher begründet wird.

Eine Kontaktaufnahme mit Stefan A. ist auch nicht akten-

kundig.

b) Aufforderung zu weiteren Ermittlungen
durch die Generalstaatsanwaltschaft im
Frühjahr 2002 und Reaktion hierauf.

aa) Auftrag der Thüringer Generalstaatsan-
waltschaft vom 20. Februar 2002 und Reak-
tion der Staatsanwaltschaft Gera hierauf

Im Hinblick auf den Bericht vom 17. Januar 2002 war

durch die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft am

20. Februar 2002 der Auftrag an die Staatsanwaltschaft

Gera erfolgt, mit dem Leiter der Zielfahndung nochmals

„die Möglichkeiten der Durchführung einer Zielfahndung
und deren Erfolgsaussichten eingehend zu erörtern.“3134
Dies wurde auch dem Thüringer Justizministerium mitge-

teilt.
3135

Als Reaktion auf diesen Auftrag wurde am 24. Mai 2002

der am 7. März 2002 durch KHK K. erstellte Auswerte-

vermerk an die Generalstaatsanwaltschaft übersandt und

mitgeteilt, dass das LKA Thüringen den darin auf Seite 9

(Punkt 10) genannten Ermittlungsansätzen nachgehen

werde.
3136

Eine Rücksprache mit der Zielfahndung ent-

sprechend dem Auftrag ist nicht ersichtlich; ebensowenig

eine Monierung der nicht erfolgten Rücksprache durch

die Generalstaatsanwaltschaft.

bb) Anregung von erneuten Zielfahndungs-
maßnahmen durch das LKA Thüringen im
September 2002

aaa) Die Anregung vom 6. September 2002

Am 6. September 2002 kam es zu einem Gespräch bei der

Staatsanwaltschaft Jena, an dem ausweislich eines Ver-

merks von KHK Dressler vom selben Tag seitens der

Staatsanwaltschaft Gera die Staatsanwälte Schultz und

Petzel, seitens der EG „TEX“ die Beamten KHK Dressler
und KHK K. teilnahmen.

3137
Laut dem Vermerk wurde

durch die EG „TEX“ hierbei angefragt, ob seitens der
Staatsanwaltschaft die Bereitschaft bestünde, im Zusam-

menhang mit einer durch das BKA durchgeführten Ziel-

fahndung die zu erwartenden Anträge auf TKÜ-
3134) Schreiben der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft an den

Leiter der Staatsanwaltschaft Gera vom 20. Februar 2002, MAT
A TH-2/16, Bl. 311.

3135) Schreiben der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft an das

Thüringer Justizministerium vom 20. Februar 2002, MAT A
TH-2/59, Bl. 80.

3136) Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das

Thüringer Justizministerium (über die Thüringer Generalstaats-
anwaltschaft) vom 24. Mai 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 81 ff.

3137) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Dressler vom

6. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 139.

Maßnahmen, Observationen und Postkontrollen zu stellen

und sonstige Maßnahmen zu unterstützen, die von der

Einholung eines Gerichtsbeschlusses abhängig sind. Hin-

tergrund war, dass eine solche grundsätzliche Zusage

erforderlich sei, bevor eine konkrete Unterstützung durch

das BKA erfolge. Seitens beider Staatsanwälte sei über-

einstimmend zugesagt worden, in dieser Angelegenheit

Rücksprache mit den Vorgesetzten zu halten und die

Maßnahmen unter den besonderen Umständen des Falles

zu prüfen. Eine schriftliche Antwort innerhalb von zwei

Wochen sei zugesichert worden.

Eine entsprechende schriftliche Antwort ist nicht akten-

kundig.

Dem Gespräch vom 6. September 2002 war ein Gespräch

der Beamten der EG „TEX“ beim BKA am
4. September 2002 vorausgegangen. In dem Gespräch, an

dem seitens des BKA vier Beamte der Zielfahndungsab-

teilung und seitens der EG „TEX“ KHK Dressler und
KHK K. teilnahmen, wurden mögliche Unterstützungs-

maßnahmen bzgl. der Fahnung nach dem Trio durch die

Zielfahndungsabteilung des BKA erörtert.
3138

Hierbei

kamen mehrere Maßnahmen zur Sprache, wie etwa ein

kompletter Abgleich der Verfahrensakten der Polizei und

der Staatsanwaltschaft. Bzgl. möglicher Maßnahmen

wurde erörtert, dass eine mögliche Kontaktperson mit

„kompletten Überwachungsmaßnahmen“ belegt werden
könne, also mit einer längerfristigen Observation und mit

TKÜ-Maßnahmen. Zudem könne das BKA bei der Aus-

wertung der Akten unterstützend tätig werden, um ein

neues Fahndungskonzept zu erstellen.

bbb) Die Reaktion der Staatsanwaltschaft nach
der Anregung

Eine wie auch immer geartete Absprache zwischen der

Staatsanwaltschaft Gera und der Thüringer Generalstaats-

anwaltschaft in Bezug auf die Anregung der EG „TEX“
vom 6. September 2002 ist nicht aktenkundig.

In dem am 23. Oktober 2002 erstatteten Bericht des Lei-

tenden Oberstaatsanwaltes in Gera an das Thüringer In-

nenministerium (Berichtsverfasser: Staatsanwalt/GL

Schultz) wurden die Beweislage des Verfahrens sowie die

bisher durchgeführten Fahndungsmaßnahmen zunächst

zusammenfassend dargestellt und darauf hingewiesen,

dass die Maßnahmen trotz des ansonsten sehr erfolgrei-

chen Zielfahndungskommandos erfolglos geblieben seien.

Im Hinblick darauf, ob weitere Fahndungsmaßnahmen

Erfolg versprechen, heißt es:

„Es ist nicht auszuschließen, dass angesichts des
bekannten Hintergrundes – eine oder mehrere der
gesuchten Beschuldigten waren oder sind mit gro-

ßer Wahrscheinlichkeit Mitarbeiter des Thüringer

Landesamtes für Verfassungsschutz Fahn-

dungsmaßnahmen ins Leere gehen. Dafür könnte

auch sprechen, dass die Eltern der Beschuldigten,
3138) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. vom 6. Sep-

tember 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 142 f.

Drucksache 17/14600 – 364 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die in der Anfangszeit der Fahndung häufig Kon-

takt zur Polizei und zum Landeskriminalamt auf-

genommen und sich beunruhigt gezeigt hatten,

diese Kontakte nunmehr meiden, so dass sie offen-

sichtlich über den Aufenthaltsort oder zumindest

die persönliche Situation der Beschuldigten infor-

miert sind.

Weitere Fahndungsmaßnahmen wären nunmehr

nur unter Einschaltung des Bundeskriminalamtes

und mit sehr großem finanziellen und personellen

Aufwand durchzuführen. Dabei müssten u. a. Tele-

fonüberwachungs- und Observationsmaßnahmen

sowohl der Eltern als auch der Verwandten und

Bekannten aller Beschuldigten über einen längeren

Zeitraum durchgeführt werden. Diese Maßnahmen

scheinen aber angesichts der bisherigen Ergebnisse

4-jähriger Fahndung wenig Erfolg versprechend.

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Be-

weislage und der Tatsache, dass am 23.06.2003

Strafverfolgungsverjährung eintritt, beabsichtige

ich, es bei der bestehenden Fahndungsausschrei-

bung zu belassen und zuzuwarten.“3139

Als Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte ein Auftrag

der Generalstaatsanwaltschaft an die Staatsanwaltschaft

Gera, mittels dessen die Staatsanwaltschaft um Prüfung

gebeten wurde, ob TKÜ- oder Observationsmaßnahmen

ggf. stichprobenartig vorgenommen werden könnten.
3140

Wann der auf den 6. November 2002 datierende Auftrag

bei der Staatsanwaltschaft Gera einging, ist nicht akten-

kundig.

Einem von KHK Dressler am 20. November 2002 ver-

fassten Vermerk ist zu entnehmen, dass am Vortag telefo-

nisch durch Staatsanwalt Schultz mitgeteilt worden sei,

dass durch die Staatsanwaltschaft nach Rücksprache mit

der Generalstaatsanwaltschaft eine Entscheidung bzgl. der

Fahndungsangelegenheit getroffen worden sei.
3141

Unter

Berücksichtigung der Beweislage im Verfahren, der zu

erwartenden Fahndungskosten, der baldigen Verjährung

sowie der Verhältnismäßigkeit sei man zum Entschluss

gekommen, ohne konkreten neuen Fahndungsansatz die

Fahndung nicht zu intensivieren und keine umfangreiche

neue Fahndungsaktion durchzuführen, zumal erhebliche

Zweifel bestünden, unter diesen Umständen die erforder-

lichen gerichtlichen Beschlüsse zu erlangen. Sollten sich

neue konkrete Fahndungsansätze ergeben, sei man jeder-

zeit bereit, diesen zu folgen und diese zu unterstützen.

Gegenüber der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft wur-

de am 25. November 2002 unter Bezugnahme auf den

Randbericht vom 6. November 2002 berichtet, dass ver-
3139) Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das Thü-

ringer Justizministerium vom 23. Oktober 2002, MAT A TH-
2/59, Bl. 101 ff. (103).

3140) Randbericht der Generalstaatsanwaltschaft Thüringen vom

6. November 2002 zum Bericht der Staatsanwaltschaft Gera
vom 23. Oktober 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 104.

3141) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK Dressler vom

20. November 2002, MAT A TH-1/24, Bl. 84.

anlasst worden sei, Kontakt mit den „jeweiligen“ BKA-
Verbindungsbeamten in den „betreffenden“ Auslandsver-
tretungen der BRD aufzunehmen, um zu klären, ob sei-

tens des Trios ggf. neue Pässe beantragt worden seien.
3142

Telefonüberwachungs-, Observations- und weitere Maß-

nahmen sollten bei begründetem Verdacht „weiter
schwerpunktmäßig durchgeführt werden.“ Berichtsverfas-
ser war auch hier Staatsanwalt/GL Schultz.

Hierzu ist zu bemerken, dass das LKA Thüringen bereits

im September 2002 an das BKA wegen einer Kontaktauf-

nahme zu BKA-Verbindungsbeamten herangetreten

war.
3143

c) Intensivierung der Fahndungsmaßnahmen
im Jahr 2002

aa) Zeitlicher Ablauf

In einem Vermerk von KHK K. von der EG „TEX“ vom
10. Januar 2003 wurden die bis zu diesem Zeitpunkt

durch die EG „TEX“ vor dem Hintergrund der erfolgten
Aktenauswertung – unabhängig von einer möglichen
Zielfahndungsübernahme durch das BKA – zahlreichen
Überprüfungsmaßnahmen bzgl. bisher bekannter Perso-

nen sowie bei verschiedenen Behörden und anderen Insti-

tutionen aufgeführt.
3144

Seitens der EG „TEX“ des LKA
Thüringen wurden die Fahndungsmaßnahmen im Jahr

2002 und 2003 im Wesentlichen von KHK K. von der EG

„TEX“ bearbeitet, was sich aus einer Vielzahl von durch
diesen angefertigten Vermerken zu einzelnen Fahn-

dungsmaßnahmen ablesen lässt.

Aus den Akten des LKA Thüringen lässt sich hierbei der

folgende Ablauf rekonstruieren:

Nachdem am 7. März 2002 die Auswertung der bisheri-

gen Fahndungsmaßnahmen erfolgt war, kam es am

12. März 2002 zunächst zu einer Kontaktaufnahme mit

dem LKA Sachsen, um dort vorhandene Erkenntnisse zu

verschiedenen Personen, die bei der Aktenauswertung als

mögliche Kontaktpersonen des Trios aufgefallen waren,

abzufragen.
3145

Konkret wurde um die Mitteilung von

Erkenntnissen über folgende Personen nachgesucht:

Hendrik L., Thomas Starke, Doris und Jan Werner, Sieg-

fried Sch., Michael und Antje P., Willy B., Katarzyna R.,

Martina F., Mandy Struck, Daniel H., Kai S. und Ronald

A. Diese Anfrage wurde am 8. April 2002 ausführlich

durch das LKA Sachsen beantwortet.
3142) Hierzu und im Folgenden: Bericht des Leitenden Oberstaatsan-

walts in Gera an das Thüringer Justizministerium vom 23. Ok-

tober 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 105 f.

3143) Vermerk vom 20. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 144,
siehe auch unter bei E. II. 18. c) cc) ddd).

3144) Hierzu und im Folgenden: Vermerk zu Überprüfungsmaßnah-
men von KHK K. vom 10. Januar 2003, MAT A TH-1/15, Bl.

6 ff.

3145) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LKA Sachsen an das
LKA Thüringen vom 8. April 2002 mit Bezug auf eine Anfrage

vom 12. März 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 205 ff. (verkehrt ge-

heftet).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 365 – Drucksache 17/14600

Der Zeuge Jehle hat hierzu geäußert:

„Im Jahr 2002: Mit Schreiben vom 12. März 2002
wandte sich das LKA Thüringen direkt an mich

und übersandte eine Auflistung der in den vergan-

genen Jahren durch Thüringer Kräfte überwachten

Telefonanschlüsse und die Namen der jeweiligen

Anschlussinhaber. Es wurde um Übermittlung von

eventuell zu diesen Personen vorliegenden Er-

kenntnissen gebeten. Dieses Ersuchen diente of-

fensichtlich dazu, gegebenenfalls neue Ansatz-

punkte für weiterführende Fahndungsmaßnahmen

zu erlangen. Diesem Wunsch des LKA Thüringen

wurde etwa zwei Wochen später entsprochen. Das

von meinem Stellvertreter bearbeitete und von mir

unterzeichnete Schreiben beinhaltet Erkenntnisse

zu den 14 angefragten Personen, soweit welche

vorlagen. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren

nicht Gegenstand dieser Anfrage, wohl aber andere

Personen, die in Sachsen als Rechtsextremisten

bekannt waren und zu denen wir die vorhandenen

Erkenntnisse mitteilten.“3146

In der Folge kam es bzgl. einiger der in dem Schreiben

aufgeführten Personen zu weiteren Ermittlungsmaßnah-

men, die im Folgenden ausführlich dargestellt werden.

Bzgl. anderer Personen wurden jedoch trotz der erfolgten

Anfrage und Erkenntnismitteilung keine weiteren Ermitt-

lungsmaßnahmen durchgeführt. Gründe hierfür sind nicht

bekannt. Konkret handelt es sich um Thomas S., Michael

und Antje P., Hendrik L. und Siegfried Sch.

Nachdem am 12. April 2002 die Beantwortung der An-

frage durch das LKA Sachsen erfolgt war, kam es am

23. April 2002 zu einer Besprechung zwischen KHK K.

von der EG „TEX“ und den Beamten Wagner und
Hickmann

3147
von der Soko „REX“ des LKA Sachsen in

der LKA-Außenstelle im Polizeipräsidium Chemnitz.
3148

Ergebnis der Besprechung war hierbei unter anderem,

Torsten S., Mandy Struck, Kai S., Daniel H. und Jan

Werner näher abzuklären bzw. an diese heranzutreten und

eine Recherche bei der Bundesversicherungsanstalt für

Angestellte in Chemnitz vorzunehmen. Seitens des Fan-

Betreuers des Chemnitzer FC, KHK Rücker, sollte ver-

sucht werden, Erkenntnisse aus diesem Spektrum zu ge-

winnen.

Wie geplant kam es dann am 7. Mai 2002 zu weiteren

Ermittlungsmaßnahmen durch die EG „TEX“ des LKA
Thüringen in Chemnitz.

3149
Hierbei wurden die Anschrif-

ten von Torsten S. und Mandy Struck aufgesucht – beide
3146) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 3 f.

3147) Die Teilnehmer ergeben sich aus dem Faxdeckblatt vom
29. April 2002 zur Übersendung des Besprechungsvermerks an

das LKA Sachsen vom 29. April 2002, MAT A TH-1/15, Bl.

309

3148) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 29. April 2002 über

die Absprache weiterer Ermittlungsschritte am 23. April 2002,

MAT A TH-1/15, Bl. 311.

3149) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des LKA Thüringen vom

13. Mai 2002 über Ermittlungsmaßnahmen am 7. Mai 2002,

MAT A TH-1/15, Bl. 271.

wurden nicht angetroffen. Jan Werner wurde aufgesucht

und befragt.
3150

Zuvor war seitens der Soko „REX“ des
LKA Sachsen eine Prüfung der Anschrift von Daniel H.

erfolgt, dieser wurde jedoch nicht angetroffen.

Weitere Vernehmungen von Mandy Struck, Kai S., Daniel

H. und Torsten S. waren für den 23. Juli 2002 angesetzt

worden, wobei keine der geladenen Personen erschien.

Parallel hierzu erfolgte die Abklärung der Personalien des

Trios bei verschiedenen öffentlichen und privaten Stellen,

was unter cc) ausführlich dargestellt wird.

Wie bereits dargestellt wurde die im September 2002 an

die Staatsanwaltschaft Gera herangetragene Anregung,

mittels Einschaltung der Zielfahndungsabteilung des

BKA die Suche nach dem Trio wieder zu intensivieren,

durch die Staatsanwaltschaft Gera nicht angenommen.
3151

Folglich kam es ab Ende 2002 bis zum Eintritt der Ver-

jährung im Juni 2003 nur noch zu vereinzelten Fahn-

dungsmaßnahmen.

bb) Überprüfung von Personen

Mit der Überprüfung der einzelner Personen wurde

schließlich im Mai 2002 begonnen. Im Einzelnen wurden

hierbei die nachfolgend genannten Maßnahmen durchge-

führt.

aaa) Jan Werner

In Bezug auf Jan Werner war durch das LKA Sachsen im

Schreiben vom 8. April 2002 bereits darauf hingewiesen

worden, dass dieser in einem vom Generalbundesanwalt

geführten Verfahren
3152

zwischenzeitlich vom Vollzug der

Untersuchungshaft verschont worden war.
3153

Am 29. April 2002 erfolgte im Hinblick auf eine geplante

Befragung des Jan Werner zum Verbleib des Trios durch

KHK K. telefonische Rücksprache mit OStA Siegmund

vom Generalbundesanwalt.
3154

OStA Siegmund äußerte

hierbei keine Bedenken gegen eine Befragung von Jan

Werner und wies zudem darauf hin, dass dem Jan Werner

keinerlei Zusagen gemacht werden könnten. Darüber

hinaus wurde in dem Gespräch mit OStA Siegmund be-

kannt, dass durch das LKA Berlin im Zusammenhang mit
3150) Siehe hierzu sogleich ausführlich unten unter E. II. 17. c) bb)

aaa).

3151) Siehe hierzu bereits unter E. II. 17. b) bb).

3152) Hierbei handelte es sich um das sog. „Landser-Verfahren“ des
Generalbundesanwalts (Az. 1 BJs 22/00-4), welches schließlich

zur Anklage vor dem Kammergericht Berlin führte; siehe hier-

zu bereits oben unter D. IV. 1. b) aa).

3153) Beschluss des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom

19. März 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 361 ff.; zu diesem Ermitt-

lungsverfahren insgesamt siehe auch die Aktenbände des Gene-
ralbundesanwalts MAT A GBA-3/47a (insgesamt 75 Stehord-

ner).

3154) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. (nicht unter-
zeichnet) vom 29. April 2002, mit undatiertem Zusatz über ein

Telefonat mit dem LKA Berlin, KOK T., MAT A TH-1/15, Bl.

347.

Drucksache 17/14600 – 366 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dem genannten Verfahren eine TKÜ-Maßnahme bzgl. Jan

Werner geschaltet worden war.

Im Hinblick auf diese TKÜ-Maßnahme erfolgte dann ein

Telefonat mit dem LKA Berlin, KOK T., in dem dieser

zusagte, die ihm durchgegebenen Namen der drei Be-

schuldigten mit den Daten aus der TKÜ-Maßnahme ge-

gen Jan Werner elektronisch abzugleichen und so zu

überprüfen, ob diese in den Gesprächen von Jan Werner

eine Rolle spielten.

Eine Rückmeldung des LKA Berlin in dieser Hinsicht ist

nicht aktenkundig.
3155

Am 7. Mai 2002 wurde Jan Werner sodann durch die

Beamten des LKA Thüringen, KHK Honauer und KHK

K. und den Beamten des Polizeipräsidiums Chemnitz,

KHM H., an seiner Wohnanschrift in Chemnitz aufge-

sucht.
3156

Hierbei gab Jan Werner an, damals keinerlei

Kontakt zum Trio gehabt zu haben und jetzt zu haben.

Entsprechende Vorhalte bestritt Jan Werner. Bei den

Polizeibeamten entstand der Eindruck, dass Jan Werner

keine Informationen gegenüber der Polizei habe preisge-

ben wollen.

Konkret heißt es in dem über das Gespräch angefertigten

Vermerk:

„Der zur Zeit gegen Auflagen aus der U-Haft ent-
lassene Jan Werner wurde in der Wohnung seiner

Mutter, Doris W., U. N. L. 253, Chemnitz, ange-

troffen. Die Wohnung Ulmenstraße 39 in 09120

Chemnitz, die er seinerzeit zusammen mit seiner

Freundin bewohnte, ist seinen Angaben nach auf-

gelöst.

Jan Werner wurde Grund des Aufsuchen erklärt,

Dazu gab er an, daß er damals deswegen schon

von einem Reporter des Spiegel aufgesucht wurde

und er diesen zu Thomas S. geschickt habe. Er

selbst habe von der Fahndung nach den drei Per-

sonen von Presseberichten Kenntnis bekommen,

kenne die drei Personen jedoch nicht persönlich.

Er habe keinen persönlichen Kontakt zu den Drei-

en gehabt.

Auf den Hinweis zur Belohnung bemerkte Jan

Werner, dass er in der auf ihn zukommenden Ge-

richtsverhandlung mit 2 bis 3 Jahren Haft rechne

und zudem ca. 30 000 DM Schulden habe. Eine

Belohnung nütze ihm nichts. In Chemnitz laufe

beim polizeilichen Staatsschutz ebenfalls noch ein

Verfahren gegen ihn und andere Personen wegen

einer „Landser“-Geschichte. Hier kenne er jedoch
den Ermittlungsstand nicht.

Jan Werner ist zur Zeit arbeitslos.
3155) Siehe hierzu auch MAT B TH-13, Schreiben des LKA Thürin-

gen, Bl. 4.

3156) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk von KHK K. vom

13. Mai 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 271.

Die Ausführungen von Jan Werner werden so ein-

geschätzt, dass er nicht bereit ist sein Wissen

preiszugeben.“3157

Es ist in den Akten des LKA Thüringen kein Hinweis

darauf vorhanden, dass seitens des LKA Berlin mitgeteilt

worden wäre, dass dort Hinweise zu Kontakten von Jan

Werner mit dem Trio vorhanden waren und zwar weder in

zeitlichem Zusammenhang mit der Befragung am 7. Mai

2002 noch zu einem anderen Zeitpunkt.
3158

bbb) Mandy Struck

Mandy Struck war zunächst durch Beamte des LKA Thü-

ringen am 7. Mai 2002 an ihrer Wohnanschrift aufge-

sucht, jedoch nicht angetroffen worden.
3159

Sie war sodann für den 23. Juli 2002 zur Vernehmung

beim Polizeipräsidium Chemnitz vorgeladen worden,

wobei die Vernehmung durch KHK K. von der EG

„TEX“ durchgeführt werden sollte.3160 Ebenso wie die
anderen für diesen Tag vorgeladenen Zeugen erschien sie

nicht.

Der am 24. Juli 2002 vor der Kaserne in Bad Frankenhau-

sen durch Beamte der EG „TEX“ befragte Daniel H. gab
an, Mandy Struck sei zwischenzeitlich nach München

verzogen, jedoch nicht zu dem dort ebenfalls wohnenden

Kai S.

Nach diesem Zeitpunkt sind bis zum 23. April 2003 keine

Maßnahmen in Bezug auf Mandy Struck aktenkundig.

An diesem Tag wurde die Kriminalinspektion in Schwa-

bach um die Vernehmung der zwischenzeitlich in

Büchenbach gemeldeten Mandy Struck ersucht.
3161

Eine Vorladung scheiterte hier dann daran, dass Mandy

Struck zwischenzeitlich nach Johanngeorgenstadt verzo-

gen war. Dies wurde dem LKA Thüringen am

6. Mai 2003 durch die Polizei Schwabach mitgeteilt.
3162

Über die sodann eingeschaltete Polizeidirektion Aue

gelang schließlich am 21. Mai 2003 die Vorladung von

Mandy Struck, die jedoch erklärte, in einer polizeilichen
3157) Aktenvermerk von KHK K. vom 13. Mai 2002, MAT A TH-

1/15, Bl. 271.

3158) Siehe hierzu auch: Schreiben des LKA Thüringen vom

28. Februar 2012 (Stellungnahme zum Feuerberg-Gutachten

des Landes Berlin), MAT B TH-13 Bl. 2 ff.

3159) Aktenvermerk über Fahndungsmaßnahmen am 7. Mai 2002
vom 13. Mai 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 325.

3160) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des LKA Thüringen

vom 25. Juli 2002 über Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002,
MAT A TH-1/15, Bl. 322.

3161) Schreiben des LKA Thüringen an die Kriminalinspektion in

Schwabach vom 23. April 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 321.

3162) Schreiben der Polizei Schwabach an das LKA Thüringen

betreffend Mandy Struck vom 6. Mai 2003, MAT A TH-1/15,

Bl. 313.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 367 – Drucksache 17/14600

Vernehmung keine Angaben machen zu wollen, sondern

lediglich vor Gericht.
3163

In Bezug auf die daraufhin seitens des LKA Thüringen an

die Staatsanwaltschaft Gera mit Schreiben vom

4. Juni 2003 herangetragene Anregung, Mandy Struck

richterlich vernehmen zu lassen,
3164

ist keine Maßnahme

der Staatsanwaltschaft Gera mehr aktenkundig.

ccc) Kai S.

Nachdem durch die Soko „REX“ des LKA Sachsen An-
fang Mai 2002 zunächst Ermittlungen zur Wohnung von

Kai S. in der Hainstraße 96 durchgeführt worden wa-

ren,
3165

wurde auch Kai S. für den 23. Juli 2002 zur Zeu-

genvernehmung vorgeladen.
3166

Auch er erschien nicht.

Obwohl am 24. Juli 2002 durch Daniel H. mitgeteilt wur-

de, dass Kai S. mit erstem Wohnsitz in München gemel-

det sei und über das Einwohnermeldeamt Chemnitz ermit-

telt werden konnte, dass Kai S. weiterhin mit Zweitwohn-

sitz in Chemnitz gemeldet war,
3167

sind in der Folgezeit

zunächst keine weiteren Versuche aktenkundig, Kai S. zu

vernehmen.

Am 12. Mai 2003 wurde Kai S. durch Beamte des LKA

Bayern in der JVA Landsberg am Lech vernommen.
3168

Er gab an, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nicht zu

kennen.

ddd) Daniel H.

Auch bzgl. Daniel H. waren durch das LKA Sachsen mit

Schreiben vom 8. April 2002 die dort vorhandene Er-

kenntnisse mitgeteilt worden,
3169

und auch er erschien

nicht zur Vernehmung am 23. Juli 2002, zu der er geladen

worden war,
3170

meldete sich jedoch telefonisch von sei-

ner Kaserne aus und wies auf seinen Wehrdienst hin. Am

24. Juli 2002 wurde er dann vor der Kaserne in Bad Fran-

kenhausen durch Beamte des LKA Thüringen befragt. Er

gab hierbei an, dass er nichts davon mitbekommen habe,

dass drei Personen aus der rechten Szene Jena in Chem-

nitz untergetaucht seien und könne hierzu keine Angaben

machen. Neben der bereits erwähnten Angabe, dass Man-
3163) Protokoll der Vernehmung von Mandy Struck am 21. Mai 2003,

MAT A TH-1/15, Bl. 307 f.

3164) Schreiben des LKA Thüringen an die Staatsanwaltschaft Gera
vom 4. Juni 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 302.

3165) Ermittlungsbericht des LKA Sachsen vom 2. Mai 2002, MAT

A TH-1/15, Bl. 215.

3166) Ladung vom 9. Juli 2002, Mat A TH-1/15, Bl. 211.

3167) Aktenvermerk des LKA Thüringen vom 25. Juli 2002 über

Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002, MAT A TH-1/15, Bl.
322

3168) Protokoll über die Vernehmung von Kai S. am 12. Mai 2003,

MAT A TH-1/14, Bl. 69.

3169) Schreiben des LKA Sachsen an das LKA Thüringen vom

8. April 2002 mit Bezug auf eine Anfrage vom 12. März 2002,

MAT A TH-1/15, Bl. 205 ff. (verkehrt geheftet).

3170) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk des LKA Thüringen

vom 25. Juli 2002 über Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002,

MAT A TH-1/15, Bl. 322.

dy Struck nach München verzogen sei, gab er an, dass er

deren Wohnung in der Bernhardstraße 11 in Chemnitz

übernommen habe, da Mandy Struck einen Nachmieter

gesucht habe.

eee) Torsten S.

Bzgl. Torsten S. wurde am 7. Mai 2002 dessen Anschrift

aufgesucht.
3171

Über den Briefträger wurde ermittelt, dass

an dieser Anschrift tatsächlich Post angenommen wird.

Sodann wurde Torsten S. für den 23. Juli 2002 zu einer

Vernehmung vorgeladen, zu der er nicht erschien; jedoch

wurde festgestellt, dass er sich zwischenzeitlich beim

Einwohnermeldeamt umgemeldet hatte.
3172

Später wurde Torsten S. dann erneut zur Vernehmung am

23. Oktober 2002 in Chemnitz vorgeladen, erschien je-

doch nicht.
3173

Eine weitere Ladung erfolgte dann durch das LKA Sach-

sen zum 8. Mai 2003,
3174

nachdem durch das LKA Thü-

ringen am 23. April 2003 eine entsprechende Aufforde-

rung erfolgt
3175

und am 24. April 2003 durch das LKA

Sachsen die Ladungsanschrift vor Ort überprüft worden

war.
3176

Auch hier erschien Torsten S. nicht zur Verneh-

mung.
3177

Hiernach erfolgte jedenfalls am 9. Mai 2003

eine Nachschau an der Wohnanschrift des Torsten S.,

wobei „über weitere Personen, die in seiner Wohnung
verkehren bzw. aufhältig sind“, nichts in Erfahrung ge-
bracht werden konnte. Ein Nachbar gab an, dass Torsten

S. sich sehr selten in der Wohnung aufhalte, das Haus früh

verlasse und erst spätabends nach Hause käme.

Der Zeuge Jehle hat sich hierzu wie folgt geäußert:

„2003: Wiederum etwa zehn Monate später, näm-
lich am 23. April 2003, ersuchte das LKA Thürin-

gen auf der vereinbarten bilateralen Schiene den

REA Chemnitz um eine Zeugenvernehmung der

Person, die im Jahre 1998 als Insasse der JVA

Waldheim mehrmals von Mundlos und Zschäpe

besucht worden war. Abgeschlossen wurde dieses

Vernehmungsersuchen mit Schreiben vom 30. Mai

2003 des REA Regionaler Ermittlungsabschnitt

Chemnitz an das LKA Thüringen, in dem mitge-

teilt wurde, dass der Zeuge der Vorladung keine
3171) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk vom 13. Mai 2002

über Ermittlungsmaßnahmen vom 7. Mai 2002, MAT A TH-

1/15, Bl. 271.

3172) Aktenvermerk des LKA Thüringen vom 25. Juli 2002 über

Maßnahmen am 23. und 24. Juli 2002, MAT A TH-1/15, Bl.

322.

3173) Aktenvermerk vom 23. Oktober 2002 (KHK K.), MAT A TH-
1/15, Bl. 258.

3174) Ladungsschreiben des LKA Sachsen an Torsten S. vom

28. April 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 252.

3175) Schreiben des LKA Thüringen an das LKA Sachsen vom

23. April 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 254.

3176) Vermerk der Soko „REX“ des LKA Sachsen vom 24. April
2003, MAT A TH-1/15, Bl. 251.

3177) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LKA Sachsen an das

LKA Thüringen vom 30. Mai 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 250.

Drucksache 17/14600 – 368 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Folge leistete. Weitere Ermittlungen im sozialen

Umfeld hatten ergeben, dass er oft tagelang nicht

zu Hause ist, weshalb keine Chance bestand, ihn

dort anzutreffen und zu vernehmen. Mir ist in der

Folgezeit nicht bekannt geworden, ob danach

durch die federführende Dienststelle gesetzlich

mögliche Zwangsmaßnahmen gegen diesen Zeu-

gen in die Wege geleitet wurden.“3178

fff) Kay-Norman S.

Am 15. Juli 2002 wurde über die Justizvollzugsanstalt

Waldheim, in der Torsten S. bis Ende Januar 1998 eine

Haftstrafe absaß
3179

ermittelt, dass Beate Zschäpe und

Uwe Mundlos bei ihrem Besuch bei Torsten S. am

12. Dezember 1997 von Kay-Norman S. begleitet worden

waren.
3180

Dies war bereits im Jahr 1998 durch den Leiter

der JVA mitgeteilt worden.
3181

Erst fast ein Jahr später, am 6. Juni 2003, wurde Kay-

Norman S. an seiner Wohnanschrift in Jena aufgesucht,

jedoch nicht angetroffen.
3182

Eine Vernehmung erfolgte

schließlich am 12. Juni 2003. Hierbei teilte Kay-Norman

S. unter anderem mit, dass bei dem Besuch in der JVA

Waldheim keine Äußerungen über eine mögliche bevor-

stehende Flucht oder über den Bau von Bomben oder eine

Garage gefallen seien. Einen Aufenthaltsort des Trios

kenne er nicht.

ggg) Weitere Personen

Die Überprüfung weiterer Personen erfolgte nicht mehr.

Insbesondere im Hinblick auf Antje und Michael P., Tho-

mas S. und Stefan A. ist nicht aktenkundig, aus welchen

Gründen eine solche Überprüfung nicht erfolgte.

cc) Nachforschungen bei Behörden und Insti-
tutionen

Einige der Ermittlungsmaßnahmen in diesem Zeitraum

wurden in Absprache mit dem LKA Thüringen durch die

sächsische Polizei vorgenommen. Der Zeuge Jehle hat

dies wie folgt beschrieben:

„Aus den weiteren Aktenbestandteilen aus dem
Jahr 2002 ergibt sich, dass im Folgenden eine un-

mittelbare bilaterale Zusammenarbeit zwischen

dem LKA Thüringen und dem zu meiner Organi-

sationseinheit gehörenden Regionalen Ermitt-

lungsabschnitt - oder REA - in Chemnitz stattfand.

Zwischen April und Juni 2002 führten die Mitar-

beiter dieses REA Chemnitz auf Ersuchen des

LKA Thüringen eine Reihe sogenannter Routine-
3178) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 4.

3179) Siehe hierzu bereits oben, E. II. 6.

3180) Aktenvermerk vom 15. Juli 2002, MAT A TH-1/15, Bl. 263.

3181) Siehe hierzu oben im Abschnitt E. II. 3. c) cc).

3182) Hierzu und im Folgenden: Aktenvermerk zur Auskunftsperson

S., datiert auf den 10. Juni 2003, MAT A TH-1/15, Bl. 297 f.

fahndungsmaßnahmen durch, wie zum Beispiel

Anfragen und Ermittlungen beim Verband Deut-

scher Rentenversicherungsträger, Anfragen und

Ermittlungen bei der Bundesversicherungsanstalt

für Angestellte und Vereinbarung von Gesprächs-

terminen für Fahnder des LKA Thüringen, die ei-

genständig in Chemnitz ermittelten. Die in diesem

Zusammenhang geführten Ermittlungen führten

leider nicht zu weiteren Ansatzpunkten, die es er-

möglicht hätten, den Aufenthalt des Trios zu loka-

lisieren. Letztendlich wurden diese Negativergeb-

nisse mit Fax vom 19.06.2002 durch den Sachbe-

arbeiter des REA Chemnitz zusammengefasst und

dem LKA Thüringen übersandt.“3183

aaa) Ermittlungen bzgl. möglicher Telefonan-
schlüsse

Am 29. August 2002 wurde über die Regulierungsbehör-

de für Post und Telekommunikation überprüft, ob Zschä-

pe, Böhnhardt und Mundlos aktuell Telefonanschlüsse

unterhalten.
3184

Die jeweiligen Mitteilungen, in denen

sämtliche mögliche Provider dargestellt waren, war in

allen drei Fällen negativ.

bbb) Banken und Schutzgemeinschaft für all-
gemeine Kreditsicherung

Im Juni 2002 erfolgte eine erneute Abklärung der bereits

bekannten Bankkonten des Trios. Bzgl. Zschäpe und

Böhnhardt wurde am 10. Juni 2002 durch KHK K. von

der EG „TEX“ nochmals die Sparkasse Jena aufgesucht,
wobei sich jedoch keine neuen Erkenntnisse über einen

möglichen Aufenthaltsort ergaben.
3185

Mundlos betreffend

ergab eine mit Schreiben vom 15. Juli 2002 durch die

Deutsche Bank beantwortete Anfrage ebenfalls keine

neuen Erkenntnisse.
3186

Eine Anfrage bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine

Kreditsicherung (Schufa) ergab ebenfalls keine neuen

Erkenntnisse, wobei durch die Schufa darauf hingewiesen

wurde, dass nicht sämtliche Eröffnungen von Girokonten

automatisch erfasst würden.
3187

ccc) Französische Fremdenlegion

Auf eine über das BKA gesteuerte entsprechende Anfrage

teilte der französische Verbindungsbeamte beim BKA am
3183) Jehle, Protokoll-Nr. 59, S. 4.

3184) Auskunftsersuchen gem. § 90 TKG vom 29. August 2002,

MAT A TH-1/15, Bl. 83 ff. (bzgl. Böhnhardt), mit Antwort;
MAT A TH-1/15, Bl. 191 ff. (bzgl. Mundlos), mit Antwort;

MAT A TH-1/15, Bl. 399 ff. (bzgl. Zschäpe), mit Antwort.

3185) Aktenvermerk der EG „TEX“ vom 10. Juni 2002, MAT A TH-
1/16, Bl. 19.

3186) Schreiben der Deutschen Bank an das LKA Thüringen vom

15. Juli 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 37.

3187) Vermerk über Anfrage bei der Schufa vom 6. Juni 2002, MAT

A TH-1/16, Bl. 52, und Schreiben der Schufa an das LKA Thü-

ringen vom 21. Juni 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 55.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 369 – Drucksache 17/14600

2. Januar 2013 mit, dass Böhnhardt und Mundlos bei der

französischen Fremdenlegion nicht bekannt seien.
3188

Zudem wurde durch das BKA mitgeteilt, dass ausländi-

sche weibliche Personen durch die Fremdenlegion nicht

verpflichtet werden.
3189

ddd) Einschaltung der BKA-Verbindungs-
beamten

Die EG „TEX“ wandte sich zudem an das BKA und erör-
terte, inwiefern an die BKA-Verbindungsbeamten im

Ausland herangetreten werden könnte. Seitens des BKA

wurde mitgeteilt, dass eine solche Maßnahme nur dann

Sinn ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Auf-

enthalt der Gesuchten in einem bestimmten Land vorlä-

gen; eine pauschale Information aller Verbindungsbeam-

ten sei durch das BKA noch nie erfolgt.
3190

Mit dem BKA-Verbindungsbeamten in Südafrika wurde

vor dem Hintergrund eines möglichen Aufenthalts der

Gesuchten dort und wegen möglicher Verbindungen zu

dem in Südafrika ansässigen Dr. Nordbruch Kontakt

aufgenommen.
3191

Der Verbindungsbeamte teilte darauf-

hin mit, dass Dr. Nordbruch bei der Deutschen Botschaft

in Pretoria bekannt sei.
3192

Bzgl. des Trios teilte er mit zu

beabsichtigen, die Fingerabdrücke der drei Gesuchten mit

dem Bestand des „Department of Homeland Affairs“ in
Südafrika abgleichen zu lassen.

Eine Mitteilung über das Ergebnis dieser Überprüfung ist

nicht aktenkundig.

eee) Bundeswehr

Die Wehrdienstdaten von Uwe Mundlos konnten Mitte

Juli 2002 über die Bundeswehr ermittelt werden. Neben

den Wehrdienstzeiten wurde durch die Bundeswehr mit-

geteilt, dass Mundlos bereits in seiner Bundeswehrzeit

durch seine rechtsradikale Gesinnung aufgefallen sei und

was daraufhin veranlasst wurde.
3193

Zudem wurden die

Namen von sechs weiteren Personen mitgeteilt, die sei-

nerzeit gemeinsam mit Mundlos Wehrdienst geleistet

hatten. Eine Rückfrage beim damaligen Kompaniefeld-

webel ergab keine weiterführenden Erkentnnisse. Bzgl.

Uwe Böhnhardt war zunächst mitgeteilt worden, dass

dieser Kriegsdienstverweigerer gewesen sei. Später stellte
3188) Schreiben des französischen Verbindungsbeamten vom

2. Januar 2013, MAT A TH-1/16, Bl. 147.

3189) Telefax des BKA an das LKA Thüringen vom 3. Januar 2013,

MAT A TH-1/16, Bl. 146.

3190) Vermerk vom 20. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 144.

3191) Schreiben des LKA Thüringen an den BKA-

Verbindungsbeamten in Südafrika vom 24. Oktober 2002,
MAT A TH-1/16, Bl. 120 und Bl. 121 (Ergänzung).

3192) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des Verbindungsbeamten

des BKA in Südafrika an das LKA Thüringen vom 25. Oktober
2002, MAT A TH-1/16, Bl. 118 f.

3193) Hierzu und im Folgenden: Vermerk vom 15. Juli 2002, MAT A

TH-1/16, Bl. 167.

sich heraus, dass Böhnhardt seinerzeit ausgemustert wor-

den war.
3194

fff) MAD, BfV und BND

Das BKA war zudem mit Fax vom 20. August 2002 um

Klärung gebeten worden, ob beim MAD, beim BfV und

beim BND Erkenntnisse zum Trio vorlägen.
3195

Mit Fax

vom 17. September 2002 wurde durch das BKA mitge-

teilt, dass beim MAD und beim BND keine Erkenntnisse

bzgl. des Aufenthaltsortes vorlägen.
3196

Beim MAD lägen

lediglich Erkenntnisse bzgl. des Wehrdienstes von

Mundlos in den Jahren 1994 und 1995 in Bad Franken-

hausen vor. Bzgl. des BfV läge keine Antwort vor, man

gehe jedoch aufgrund des Zeitablaufs von Fehlanzeige

aus.

ggg) Sonstige Stellen

Rückfragen beim Bundeszentralregister, bei den Renten-

versicherungsanstalten, beim Einwohnermeldeamt Jena,

beim früheren Vermieter von Beate Zschäpe, bei der Kfz-

Zulassungsstelle Jena, bei der Führerscheinstelle in Jena,

beim Sozialamt, beim Jugendamt und beim Arbeitsamt

erfolgten und erbrachten ebenfalls keine Hinweise auf den

Aufenthaltsort.
3197

An das Auswärtige Amt wurden insgesamt 100 Fahn-

dungsblätter zur Verteilung in den Auslandsvertretungen

sowie Ausfertigungen der Haftbefehle übersandt.
3198

dd) Hinweise aus der Öffentlichkeit und deren
Abarbeitung

aaa) Anonymer Anruf am 25. Juni 2002 und
Observation der Eltern von Uwe Böhnhardt
zwischen dem 26. und 28. Juni 2002

Am 25. Juni 2002 ging bei der Polizeiinspektion Jena

gegen 2.10 Uhr über die Notrufnummer 110 ein etwa eine

Minute und 50 Sekunden langer Anruf ein.
3199

Der männ-

liche, durch den den Anruf entgegennehmenden Polizei-

beamten als ca. 30 bis 40 Jahre alt geschätzter Anrufer

gab an, Uwe Mundlos in Lobeda-Ost gesehen zu haben,

wo dieser „durch die Gegend“ laufe, entweder in Rich-
tung des Wohnortes der Familie Böhnhardt, oder er halte
3194) Vermerk vom 13. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 163.

3195) Telefax des LKA Thüringen an das BKA vom 20. August 2002,

MAT A TH-1/16, Bl. 164 f.

3196) Hierzu und im Folgenden: Telefax des BKA an das LKA
Thüringen vom 17. September 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 162.

3197) Vermerk vom 10. Januar 2003 über die erfolgten Überprü-

fungsmaßnahmen, MAT A TH-1/16, Bl. 6 ff.

3198) Schreiben des LKA Thüringen an das Auswärtige Amt vom

1. Oktober 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 222 und vom 10. Okto-

ber 2002, MAT A TH-1/16, Bl. 227.

3199) Hierzu und im Folgenden: Vermerk der Polizeiinspektion Jena

vom 26. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 3 und Bandabschrift

des Notrufs, MAT A TH-1/18, Bl. 7.

Drucksache 17/14600 – 370 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sich bei einem Sven B. auf. Konkret hatte das Gespräch

den folgenden Inhalt:

„Anrufer: Ja, guten Tag. Suchen Sie eigentlich
noch einen Uwe Mundlos?

Polizei: Uwe Mundlos?

Anrufer: Da müssten Sie mal im Computer nach-

gucken, weil, der ist eigentlich ziemlich gefährlich

gewesen. Der ist noch mit zwei anderen zusam-

men, den habe ich vorhin gerade gesehen, dass er

bei einem Sven B. ist oder bei einem Uwe

Böhnhardt, bei den Eltern, weil, der läuft jetzt ge-

rade durch die Gegend und macht hier viele Leute

an und ich glaube, ich habe den erkannt.

Polizei: Wo denn?

Anrufer: Hier in Lobeda-Ost.

Polizei: In Lobeda-Ost?

Anrufer: In Lobeda-Ost. Entweder ist der Richtung

seinen Eltern gelaufen, Böhnhardt, Brigitte oder

Jürgen, oder er ist hier bei dem Sven B. oder B. in

der Binswanger Straße. Weil, das ist sein guter

Kumpel, ist das.

Polizei: Wie heißen Sie?

Anrufer: Kann ich nicht sagen, weil, dann bin ich

ja selber, habe ich ein Problem mit den dreien,

deswegen kann ich das nicht sagen. O.K, dann ge-

hen Sie mal dem nach.

Polizei: Das nützt mir ja nichts, ich brauche ja et-

was Näheres. Böhnhardt, Brigitte. Seine Mutter,

oder was?

Anrufer: Ja, das müsste seine Mutter sein und Jür-

gen sein Vater. Aber es kann natürlich auch sein,

dass er zu dem Sven B. in der Binswanger Straße

oder B. oder B., glaube ich war das. Weil, ich

glaube, ich habe den gesehen jetzte.

Polizei: Und wo haben Sie den gesehen?

Anrufer: Lobeda-Ost. An der zweiten Kaufhalle

und der ist Richtung ersten Kaufhalle gelau-

fen.“3200

Aus den Einsatzunterlagen der Polizeiinspektion Jena

geht hervor, dass gegen 2.37 Uhr der Polizeivollzugs-

dienst (als „PvD der PD Jena“ abgekürzt) verständigt
wurde und dass sodann durch einen Streifenwagen zwi-

schen 2.40 Uhr und 3.30 Uhr ein Einsatz in Jena-Lobeda

erfolgte.
3201

Welche Maßnahmen durch den Streifenwa-

gen genau vorgenommen wurden, ist nicht aktenkundig.

Am Mittag des 25. Juni 2002 wurden sodann durch Be-

amte der EG „TEX“ zwei in der örtlichen Umgebung
wohnhafte Personen namens „Sven B.“ bzw. „Sven B.“
3200) Bandabschrift des Notrufs, MAT A TH-1/18, Bl. 7.

3201) Mitteilung der DGL der PI Jena vom 25. Juni 2001, MAT A

TH-1/18, Bl. 4.

aufgesucht, ohne dass Hinweise auf das Trio erlangt wer-

den konnten.
3202

Über die Staatsanwaltschaft Gera wurde zudem beim

Amtsgericht Jena ein Beschluss zur Herausgabe der zu-

rückliegenden Verbindungsdaten des Notruftelefons bean-

tragt und erlassen.
3203

Der Polizeinotruf war seinerzeit an

zwei in dem Beschluss genannte Rufnummern der Polizei

Jena weitergeschaltet.

Zudem wurde durch die Staatsanwaltschaft Jena (Staats-

anwalt Petzel) wegen Gefahr in Verzug angeordnet, dass

sämtliche Mobilfunkbetreiber über Anrufe auf den beiden

weitergeschalteten Rufnummern mit Jenaer Vorwahl im

Zeitraum 25. Juni 2002, 2 Uhr bis 2.20 Uhr, Auskunft zu

erteilen haben.
3204

Eine entsprechende Anordnung bzgl. Anrufen auf der

Notrufnummer 110 ist nicht ersichtlich.

Die eingeholten Auskünfte erbrachten keine Hinweise auf

die Rufnummer, von der aus der Anruf erfolgte.

Auch die Wohnanschrift der Eltern von Uwe Böhnhardt

wurde am 26. Juni 2002 durch einen Beamten der EG

„TEX“ aufgesucht, wobei an die Familie Böhnhardt hier-
bei nicht herangetreten wurde.

3205
Der Eingang des Anrufs war zudem Anlass für die Durch-

führung von Observationsmaßnahmen gegenüber den

Eltern von Uwe Böhnhardt.
3206

Nachdem zunächst über

den Arbeitgeber des Vaters von Uwe Böhnhardt ermittelt

worden war, dass dieser zwischen dem 24. Juni und dem

12. Juli 2002 Erholungsurlaub genommen habe, wurde

die Observationsmaßnahme zwischen dem 28. Juni 2002,

20 Uhr, und dem 30. Juni 2002, 8 Uhr, vorgenommen,

sodann jedoch abgebrochen, obwohl die Maßnahme bis

zum 7. Juli 2002 beantragt war.
3207

Antragsgemäß wurde lediglich die Observation der Woh-

nung der Eltern von Uwe Böhnhardt genehmigt, nicht

aber die Observation der Eltern selbst.
3208

Dieser Hintergrund des Observationseinsatzes hatte zur

Folge, dass, nachdem am 29. Juni 2002 beobachtet wor-

den war, wie die Eltern von Uwe Böhnhardt ihr Fahrzeug

mit Gepäck beladen und nahezu alle Fenster der Woh-

nung verschlossen hatten, die Wohnung nur noch einen

Tag lang weiter beobachtet wurde.
3209

Eine weitere Ob-
3202) Vermerk von KHK K. vom 26. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl.

13.

3203) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 25. Juni 2002, Az. 7 Gs

355/02, MAT A TH-1/18, Bl. 9.

3204) Ausfertigung der Anordnung der Staatsanwaltschaft Jena vom
27. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 84.

3205) Vermerk vom 26. Juni 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 30.

3206) Anordnung der Staatsanwaltschaft Gera vom 27. Juni 2002,
MAT A TH-1/18, Bl. 35 f.

3207) Antrag auf Einsatzanordnung vom 27. Juni 2002, MAT A TH-
1/18, Bl. 40; Vermerk der EG „TEX“ vom 1. Juli 2002, MAT A
TH-1/18, Bl. 48.

3208) Einsatzbefehl Nr. 41-00/02, MAT A TH-1/18, Bl. 46.

3209) Vermerk von KHK Eimecke vom 1. Juli 2002, MAT A TH-

1/18, Bl. 48.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 371 – Drucksache 17/14600

servation der Eltern von Uwe Böhnhardt erfolgte nicht

mehr.

Am 13. August 2002 erschien auf Vorladung nunmehr

Sven B. zur Vernehmung und gab an, als Student des

Wirtschaftsingenieurwesens an der FH Jena zwar den

Vater von Uwe Mundlos namentlich zu kennen, jedoch

weiter keine Verbindungen zum Trio zu haben.
3210

bbb) Hinweis auf Aufenthalt in Calgary/Kanada
im Oktober/ November 2002

Am 1. November 2002 ging über das BKA ein Hinweis

darauf ein, dass sich Uwe Böhnhardt möglicherweise in

Kanada aufhalten könnte.
3211

Eine Person war beim Deut-

schen Club in Calgary vorstellig geworden und habe

angegeben, dass in seinem Hotelzimmer eingebrochen

worden sei und seine Papiere und sein Bargeld gestohlen

wurden.
3212

Einer Mitarbeiterin des deutschen Honorar-

konsulats und einer weiteren Person seien die Fahndungs-

fotos vorgelegt worden – diese hätten bestätigt, dass es
sich bei der Person um Böhnhardt gehandelt habe. Ge-

genüber dem Hotelmanager hatte sich die Person jedoch

als Alexander O. vorgestellt. In der Folge konnte die Per-

son tatsächlich als Alexander O. identifiziert werden, was

schließlich am 15. November 2002 durch den Verbin-

dungsbeamten des BKA an der Deutschen Botschaft in

Washington mitgeteilt wurde.
3213

ccc) Hinweis auf Aufenthalt von Beate Zschäpe
in München

Im Februar 2003 ging ein Hinweis ein, dass Beate Zschä-

pe als Serviererin in einem Café in der Türkenstraße in

München arbeite.
3214

Durch die bayerische Polizei wurden

die Inhaber des Cafés abgeklärt,
3215

der zuständige Ge-

werbebeamte
3216

, der Hinweisgeber
3217

sowie der Schicht-

leiter
3218

und der Geschäftsführer
3219

des Cafés vernom-

men. Während der Hinweisgeber darauf bestand, Beate

Zschäpe in dem Café gesehen zu haben, wurde sie weder
3210) Aktenvermerk vom 13. August 2002, MAT A TH-1/18, Bl. 78.

3211) Telefax des BKA-Verbindungsbeamten der Deutschen Bot-
schaft in Washington D. C. /USA vom 1. November 2002,

MAT A TH-1/19, Bl. 57.

3212) Hierzu und im Folgenden: Vermerk von KHK K. vom
11. November 2002, MAT A TH-1/19, Bl. 40 f.

3213) Telefax des BKA-Verbindungsbeamten der Deutschen Bot-

schaft in Washington D. C. /USA vom 15. November 2002,

MAT A TH-1/19, Bl. 135.

3214) E-Mail vom 12. Februar 2003, MAT A TH-1/14, Bl. 16.

3215) Erkenntnismitteilung über den Hinweisgeber und das V.-Café
vom 24. Februar 2003, MAT A TH-1/14, Bl. 26.

3216) Protokoll über die Wahllichtbildvorlage bei POM H. vom

25. Februar 2003, MAT A TH-1/14, Bl. 40.

3217) Protokoll über die Vernehmung von Martin L. vom 9. Mai

2003, MAT A TH-1/14, Bl. 56.

3218) Protokoll über die Vernehmung von Armin B. vom 15. Mai
2003, MAT A TH-1/14, Bl. 60 f.

3219) Protokoll über die Vernehmung von Reza K. vom 21. Mai

2003, MAT A TH-1/14, Bl. 62 f.

vom Schichtleiter noch vom Geschäftsführer wiederer-

kannt.

III. Erkenntnisse und Maßnahmen des LfV
Thüringen und getroffene Maßnahmen
nach dem 26. Januar 1998

1. Aufgaben des LfV Thüringen

Das LfV Thüringen wurde durch das Thüringer Verfas-

sungsschutzgesetz (ThürVSG) vom 29. Oktober 1991,

verkündet am 5. November 1991, errichtet. Es untersteht

als obere Landesbehörde unmittelbar dem Thüringer

Innenministerium. Die Aufgaben des Amtes sind in

§ 2 Abs. 1 ThürVSG festgelegt. Nach dieser Vorschrift ist

Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz, den

zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erfor-

derlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die

freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand

und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen.

Zur Erfüllung dieser Aufgaben beobachtet das Landesamt

für Verfassungsschutz

„1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche de-
mokratische Grundordnung, den Bestand oder die

Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet

sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der

Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes

oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel

haben;

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche

Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes

für eine fremde Macht;

3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundge-

setzes, die durch Anwendung von Gewalt oder da-

rauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswär-

tige Belange der Bundesrepublik Deutschland ge-

fährden;

4. frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen

und Tätigkeiten der Aufklärung und Abwehrdiens-

te der ehemaligen DDR im Geltungsbereich dieses

Gesetzes.“

Das LfV Thüringen beobachtet in den gesetzlich festge-

legten Feldern. Voraussetzung für die Sammlung und

Auswertung von Informationen ist das Vorliegen tatsäch-

licher Anhaltspunkte.

2. Organisation des LfV Thüringen in den
1990er Jahren

In den Anfangsjahren war das LfV Thüringen in die Ab-

teilungen „Zentrale Dienste“, „Auswertung“, „Beschaf-
fung“ und „Spionageabwehr“ aufgeteilt. Die Zahl der
Mitarbeiter betrug im Jahr 1994 68, im Jahr 1995 75. Von

Drucksache 17/14600 – 372 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

April 1994 bis Juni 2000 wurde das Landesamt von

Dr. Helmut Roewer geleitet.
3220

Nachdem im Jahre 1996 verschiedene Liegenschaften

aufgegeben wurden und das Amt in der Haarbergstraße 61

in Erfurt zusammengeführt worden war, änderte der da-

malige Präsident Dr. Roewer auch die Organisationsstruk-

tur des Amtes grundlegend.
3221

Im LfV Thüringen gab es

fortan nur noch drei Abteilungen:

– Abteilung 1 „Zentralabteilung“,

– Abteilung 2 „Politischer Extremismus“ (Abteilungs-
leiter Vizepräsident Nocken), sowie

– Abteilung 3 „Nachrichtendienste“ (kommissarisch
durch Dr. Roewer wahrgenommen).

Die Abteilung 2 war neben weiteren Referaten in Links-

extremismus (Referat 21) und Rechtsextremismus (Refe-

rat 22 = Referatsleiter war der Zeuge Schrader, ab

15. Dezember 1999 Herr Schäfer) aufgeteilt, jeweils mit

den Arbeitsgebieten „Beschaffung“ und „Auswertung“.

Der Zeuge Dr. Roewer hat angegeben:

„Bei meinem Eintreffen in Thüringen gab es zwei
Abteilungen für Extremismus, nämlich eine Aus-

werte- und eine Beschaffungsabteilung. Die wur-

den - legen Sie mich jetzt nicht auf den Monat fest

oder aufs Jahr - meines Erachtens Ende 95 oder

Anfang 96 zusammengelegt und Herrn Nocken un-

terstellt. Und die beiden Nachrichtendienstzweige

der ‚Beschaffung‘ und der ‚Auswertung‘ wurden
sozusagen jeweils in den Fachbereich Rechtsex-

tremismus, Linksextremismus und Ausländerex-

tremismus unterteilt, ebenso wie es eben, in etwas

größerer Form, auch im Bundesamt für Verfas-

sungsschutz der Fall war.“3222

Zur Begründung dieser grundlegenden Änderung der

Organisationsstruktur wurde in dem Verfassungsschutz-

bericht für das Jahr 1996 angegeben, die Gliederung der

Fachabteilungen orientiere sich an den beiden unter-

schiedlichen Beobachtungsfeldern Politischer Extremis-

mus und Fremde nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Die

klassische Zweigliederung in „Beschaffung“ und „Aus-
wertung“ aufzugeben, erscheine angesichts des knappen
Personalbestands des Amtes und unter dem Gesichtspunkt

der Effektivitätssteigerung sinnvoll.
3223

Innerhalb des Amtes wurde diese – bundesweit umstritte-
ne, in einem Teil der Verfassungsschutzbehörden durch-

geführte, von anderen klar abgelehnte – Organisationsän-
derung von den aus dem nachrichtendienstlichen Bereich

stammenden Mitarbeitern teilweise als fachlicher Fehler

angesehen, weil die Bereiche „Beschaffung“ und „Aus-
3220) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 52, S. 61.

3221) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 3.

3222) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.

3223) Verfassungsschutzbericht für den Freistaat Thüringen 1996,

S. 8.

wertung“ bei Nachrichtendiensten aus Gründen der Ge-
heimhaltung streng voneinander zu trennen seien.

3224
Die Umstrukturierung hatte zur Folge, dass Referats- und

auch Abteilungsleiter jeweils für die Arbeitsgebiete „Be-
schaffung“ und „Auswertung“ in einer Person zuständig
waren. Die mit einer organisierten Trennung der Arbeits-

bereiche „Beschaffung“ und „Auswertung“ in verschie-
denen Abteilungen erstrebte gegenseitige Kontrolle sei

dadurch – so die Schäfer-Kommission – nicht mehr ge-
währleistet gewesen. Eine solche sei zwar auch bei der

damals gewählten Organisationsform denkbar, habe aber

tatsächlich nicht stattgefunden.
3225

Nach der Enttarnung des V-Mannes Küche und der Sus-

pendierung des Präsidenten Dr. Roewer Anfang Juni 2000

beauftragte das Thüringer Innenministeriums den späteren

Thüringer Innenminister, Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz

Gasser, mit einer Untersuchung von Einzelvorgängen und

deren Auswirkung auf die Funktionsweise des Landesam-

tes für Verfassungsschutz. In dem am 23. August 2000

vorgelegten Untersuchungsbericht über in den Medien

dargestellte Vorgänge in dem Thüringer Landesamt für

Verfassungsschutz und deren Auswirkungen auf die

Funktionsweise des Amtes (so genannter „Gasser-
Bericht“) stellte dieser unter anderem fest, dass das Orga-
nigramm des Amtes (Datum: 20. Juni 2000) in wesentli-

chen Punkten die tatsächliche Organisation nicht wieder-

gegeben habe, irreführend gewesen sei und selbst die

Referatsleiter zum Teil falsch aufgeführt worden seien.

Ein Geschäftsverteilungsplan des Amtes habe laut eines

Schreibens des Präsidenten des Amtes vom 8. März 2000

an das Thüringer Innenministerium bisher nicht exis-

tiert.
3226

Die Befragungen Dr. Gassers ergaben folgende tatsächli-

che Organisationsänderungen gegenüber dem Organi-

gramm vom 20. Juni 2000: Das Referat 14 (Observation,

Technik, Personenschutz) war aufgelöst. Die Observati-

onskräfte waren auf die beiden Fachabteilungen verteilt

und führten neben Observationsaufgaben zusätzliche

Ermittlungs- und Auswertungstätigkeiten durch. Das

Referat 22 (Rechtsextremismus – ehemals Referatsleiter
Schrader) existierte seit September 1999 nicht mehr. Die

Aufgaben des Referats wurden von dem neu gebildeten

Referat 25 (Neue Formen des Extremismus) mit über-

nommen. Im Übrigen sei die interne Aufgabenverteilung

innerhalb des Referats 25 für die Mitarbeiter unklar gewe-

sen. Einzelne Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass

innerhalb des Referats „Arbeitsgruppen“ weiterbestünden.
Derartige Arbeitsgruppen seien offenbar bei Errichtung

des Referats 25 durch mündliche Anweisung des Behör-

denleiters, Dr. Roewer, gebildet worden und hatten Be-

richte über die von ihnen bislang wahrgenommenen Auf-

gabenfelder zu erstellen, um den Referatsleiter 25 kundig

zu machen. Diese Arbeitsgruppen seien dann nicht aufge-

löst worden, sodass eine klare Aufgabenzuteilung ein-
3224) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 6.

3225) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 186, Rn 314.

3226) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 373 – Drucksache 17/14600

schließlich einer Vertretungsregelung nicht vorhanden

gewesen sei. Darüber hinaus sei auch das Referat 24 (For-

schung und Werbung) seitens des Behördenleiters Dr.

Roewer aufgelöst worden, angeblich aufgrund eines per-

sönlichen Konflikts zwischen dem Referatsleiter und dem

Behördenleiter. Es habe sich hier um ein ganz wesentli-

ches Referat gehandelt, da diesem die Werbung von Quel-

len zugekommen sei und diese Aufgabe nur von beson-

ders ausgesuchten und geschulten Spitzenkräften wahrge-

nommen werden könne. Die Aufgaben dieses Referates

waren fortan auf die einzelnen Referate der beiden Fach-

abteilungen verteilt.
3227

Der Zeuge Wießner hat vor dem Untersuchungsausschuss

angegeben, er habe das Referat Forschung und Werbung

seit seinem Wechsel vom LfV Hessen nach Thüringen im

Dezember 1993 geleitet.
3228

Das Referat sei im Jahr 1993

gegründet worden.
3229

Bis zu diesem Zeitpunkt habe diese

Aufgabe im Grunde genommen das BfV gemacht.
3230

Das

Referat habe aus ihm selbst und einem Ermittler – dem
ebenfalls vom Ausschuss gehörten Zeugen Baumbach –
bestanden.

3231
Dessen Aufgabe habe darin bestanden, zu

„ermitteln, Nachbarschaftsbefragungen, alles was
dazu gehört.“3232

In diesem Referat sei entschieden worden, wer angespro-

chen werden solle hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit

dem Verfassungsschutz.

Auch der Zeuge Wießner hat darauf verwiesen, dass sich

mit der Reform die Struktur des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz total geändert habe. Danach sei jedes Referat

für Forschung, Werbung, V-Mann-Führung etc. selbst

verantwortlich gewesen.
3233

Nach Auffassung des Zeugen

Bode habe die Unzufriedenheit mit der im Referat 24

durchgeführten Akquise – sowohl in den Bereichen rechts
wie auch links – zur Abschaffung dieses Referats ge-
führt.

3234
Ende 1995 oder Anfang 1996 wurden im LfV Thüringen

die Bereiche „Auswertung“ und „Beschaffung“ organisa-
torisch zusammengeführt.

3235
Nach Angaben des Zeugen

Schrader, der von 1996 bis 1999 Referatsleiter „Beschaf-
fung und Auswertung für Rechtsextremismus“ war3236,
habe man hierdurch einen schnellen und guten Überblick

über das Informationsaufkommen und das, was daraus

gemacht wurde, verschaffen können.
3237
3227) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 5.

3228) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3, S. 22.

3229) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.

3230) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.

3231) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 3.

3232) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 6.

3233) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 65.

3234) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 79.

3235) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.

3236) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.

3237) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.

„Ich empfand das deswegen als ganz angenehm,
weil man dann zunächst die ‚Beschaffung‘ ken-
nenlernte. Man sah, was die ‚Beschaffung‘ brach-
te. Man konnte es an die ‚Auswertung‘ weiterge-
ben. Man konnte der ‚Auswertung‘ Tipps geben.
Man konnte mit der ‚Auswertung‘ besprechen, was
man machte, wie es weiterging. Von daher habe

ich das ganz gut empfunden. Ich denke mal, dass

es höchstens Probleme gegeben hätte bei der Ab-

schottung. Das ist ja ursprünglich eine Frage der

Abschottung der Behörde gewesen, und wenn ei-

ner also alles weiß, ist das natürlich immer eine

Frage der Abschottung, der mangelnden Abschot-

tung.“3238

Ohne Observationskräfte habe das Referat aus 14, 15

Mitarbeitern bestanden. Unter diesen seien drei Beschaf-

fer und zwei Ermittler beschäftigt gewesen. Die Ermittler

hätten Personen abgeglichen und bei Behörden Erkundi-

gungen eingezogen.
3239

Dr. Gasser kam zu dem Ergebnis, dass sich das LfV Thü-

ringen im Jahre 2000 „in einem labilen Zustand“ befun-
den habe und die Funktionsfähigkeit in Teilbereichen

„gestört“ gewesen sei.3240

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Schäfer-

Kommission. In seiner Vernehmung als Zeuge vor dem

Untersuchungssauschuss hat Dr. Schäfer ausgefüht:

„[…] die Organisation war desolat. Die Behörde
hat sich mit internen Schwierigkeiten aufgerieben.

Es kam dann zwischen dem Präsidenten und einem

schwachen Vizepräsidenten und zwischen dem

Präsidenten und dem Referatsleiter, [Herr Schra-

der], der gleichzeitig Personalratsvorsitzender war,

zu fürchterlichen Personalquerelen wegen der Per-

sonalpolitik des Präsidenten, der der Meinung war:

Man muss den Dienst öffnen, das Ganze global se-

hen; Historiker und Kirchengeschichtler müssen

hinein. Die müssen den Verfassungsschutz jetzt

kritisch hinterfragen. - Das hatte zur Folge, dass

die Beförderungsstellen für den gehobenen Dienst

belegt waren. Es gab einen Aufstand. Die haben

gestritten und nicht mehr gearbeitet.“3241

Auch die vom Untersuchungsausschuss gehörten Zeugen

haben sich teilweise kritisch über den Zustand des LfV

Thüringen in den 1990er Jahren geäußert und über inhalt-

liche und persönliche Differenzen berichtet. Konflikte

zwischen dem Präsidenten Dr. Roewer und dem Referats-

leiter „Rechtsextremismus“, dem Zeugen Schrader, führ-
ten schließlich zu dessen Suspendierung im Jahr 1999.

Der Zeuge Schrader hat angegeben, ihm sei nach seiner

Rückkehr aus dem Urlaub im Juni/Juli 1999, mitgeteilt
3238) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 130.

3239) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 113.

3240) Gasser-Bericht, MAT A TH-7/1, S. 5.

3241) Dr. Schäfer, Protokoll-Nr. 46, S. 15 f.

Drucksache 17/14600 – 374 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

worden, ein anderer habe das Referat „Rechtsextremis-
mus“ übernommen.

„Das war dann jemand, mit dem die Mannschaft
nicht zusammenarbeiten wollte, und dann ist das

so weitergeplätschert. Und was dann daraus ge-

worden ist, kann ich Ihnen nicht dann mehr sagen.

Jedenfalls, ich habe dann ein Rumpfreferat von

vier Leuten übernommen und bin dann drei Mona-

te später suspendiert worden.“3242

Er sei mit sieben, acht Disziplinarverfahren belegt wor-

den, die sich bis 2009 in die Länge gezogen hätten, und

dann rehabilitiert worden. Es sei auch eine finanzielle

Abgeltung erfolgt.
3243

Der Zeuge Sippel, der als Nachfolger des im Juni 2000

suspendierten Präsidenten Dr. Roewer im November

2000
3244

das Amt als Präsident des LfV Thüringen über-

nahm, hat ausgesagt, bei seinem Amtsantritt habe sich das

Amt in „keinem guten Zustand“ befunden.3245

Der Zeuge Bode hat angegeben, spätestens zum Zeitpunkt

des Konflikts zwischen Herrn Schrader und Dr. Roewer

habe im LfV Thüringen ein

„sehr, sehr übles Klima in diesem Haus insgesamt
[geherrscht]. Also, es gab dann die loyalen

Roewer-Leute. Es gab dann diejenigen, die Roewer

bekämpft haben, und es gab die Neutralen. So

kann man das mal in etwa klassifizieren. Mag sein,

dass es dazwischen auch noch Leute gab, die sich

nicht entscheiden konnten oder wollten oder was

weiß ich.“3246

Aufgrund dieser Querelen im Hause habe die Arbeit „ei-
gentlich darnieder“ gelegen.3247

Der Zeuge Dr. Roewer hat vor dem Ausschuss ausgesagt,

er bestreite nicht, dass es außerordentliche Schwierigkei-

ten in der Behörde gegeben habe.
3248

Dies liege teilweise

auch in den Mitarbeitern selbst begründet, von denen

einige das Tempo, welches er in der Behörde vorgelegt

habe, nicht ausgehalten hätten.
3249

Die Schilderungen im

Gasser-Bericht hat er „nicht nur als ehrverletzend, son-
dern auch weitestgehend unwahr“ bezeichnet.3250

a) Informationswege im LfV Thüringen in den
1990er Jahren

Der Zeuge Schrader hat erläutert, wenn ein „Beschaffer“
eine Nachricht erhalte, werte er diese aus und gebe sie
3242) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 132.

3243) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 131.

3244) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 133.

3245) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 133.

3246) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 85.

3247) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 85.

3248) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.

3249) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 89.

3250) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 89.

dann an die „Auswertung“, und dann müsse gesehen
werden:

„Ist das eine Nachricht für bestimmte Personen,
für Personenkreise, für Organisationen, für ir-

gendwas? Und die werden dann dort zu-

sammengeführt.“3251

Er hat erläutert:

„Sie müssen sich das so vorstellen: Die Nach-
richten, die beschafft werden, kommen einmal in

Form von Berichten von V-Leuten, dann aus ir-

gendwelchen Publikationen und, wenn es irgend-

welche Dinge gibt, TKÜs bzw. Postüberwachung.

Das sind die üblichen Wege. Oder wenn Berichte

von anderen Behörden kommen.“3252

Solange es „um irgendwelche normalen Informationen“,
etwa über Organisationen, über Personen, über Skin-

Konzerte oder Aufmärsche gegangen sei, sei dies die im

LfV Thüringen geübte Praxis gewesen.
3253

„Alles, was von den Beschaffern reinkam - seien
es nun V-Mann-Berichte, sei es aus anderen Quel-

len, seien es G-10-Maßnahmen - - liefen alle über

meinen Schreibtisch, und dann war es bei der

Auswertung so, dass jeder Sachbearbeiter be-

stimmte Gebiete hatte. Meistens war es nach Per-

sonengruppen sortiert. Dann habe ich dort Ver-

merke draufgemacht oder auch nicht. Wenn es nö-

tig war, wenn ich das für nötig gehalten habe, habe

ich da Vermerke draufgemacht und bin dann in der

Regel zu dem Auswerter rübergegangen oder zu

der Auswerterin und habe dann mit der bespro-

chen, was zu machen ist. Viele Dinge waren stan-

dardisierte Dinge. Dazu brauchte man nichts zu

sagen. Das waren einfach Deckblattmeldungen, die

wurden durchgelesen, und die Ämter, die davon

betroffen waren, wurden dann informiert. Da gab

es keine große Geschichte.

Da, wo aber Nachfolgedinge zu machen waren, da,

wo Personen abzuklären waren, wo Sachen abzu-

klären waren, wo was Neues war, haben wir das

besprochen und haben dann besprochen, wie wir

weiter vorzugehen hatten, und haben dann auch

notfalls der ‚Beschaffung‘ den Auftrag erteilt, oder
ich habe mit dem Beschaffer gesprochen. Ich bin

selber auch teilweise mit rausgefahren, wenn es

gewisse Dinge waren. Also, ich kannte die V-

Leute alle. Teilweise bin ich auch mit da rausge-

fahren und habe mit denen selber gesprochen, habe

denen selber Aufträge erteilt, habe auch bestimmte

Dinge nachgefragt. Aber wenn ich da war, wenn

ich nicht gerade im Urlaub oder krank war, ging

das alles über den Schreibtisch und sonst, wenn ich

nicht da war, über Herrn Wießners Schreibtisch,
3251) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 128.

3252) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 128.

3253) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 128 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 375 – Drucksache 17/14600

und dann wurde das mit der ‚Auswertung‘ bespro-
chen.

3254
Der Zeuge Bode (ehemaliger V-Mann-Führer Tino

Brandts) hat ausgesagt, über wichtige Informationen sei

ein Austausch erfolgt. Man habe sich täglich unterhalten.

Der Grundsatz „Kenntnis nur wenn nötig“ sei im LfV
Thüringen „nicht optimal gelebt“ worden. Der ganze
Beschaffungsbereich im LfV Thüringen sei ein sehr klei-

ner Bereich gewesen.
3255

b) Rechtliche Vorgaben für die „Auswertung“

Für den Arbeitsbereich „Auswertung“ existierte seinerzeit
im LfV Thüringen die vom damaligen Präsidenten des

LfV Thüringen erlassene „Dienstvorschrift für die Aus-
wertung für das Thüringer Landesamt für Verfassungs-

schutz“ (DV-A TH).3256

Die „Auswertung“ dient der Gewinnung von Erkenntnis-
sen über Bestrebungen und Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1

ThürVSG. Die Erkenntnisse werden den zuständigen

Stellen übermittelt, um diesen zu ermöglichen, rechtzeitig

die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zu diesem

Zweck werden Informationen auf tatsächliche Anhalt-

punkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen hin über-

prüft (§ 1 DV-A TH). Die DV-A TH regelt unter anderem

die Bewertung von Informationen, den Umgang mit die-

sen, auch unter Berücksichtigung des Quellenschutzes,

sowie die Aktenführung.

Die für die Aufgabenerfüllung des LfV Thüringen rele-

vanten Informationen sind von der „Auswertung“ zu
bewerten. Zunächst sind die einzelnen Mitteilungen im

Hinblick auf ihre Wertigkeit zu beurteilen (§ 3 Abs. 3, 4

DV-A TH). Quelleninformationen sind von den für die

„Auswertung“ zuständigen Mitarbeitern nach einem be-
stimmten Schema zu bewerten: (Von 1 = Die Information

ist von anderer Stelle bestätigt und damit als wahr anzu-

sehen, wenn sie in wesentlichen Einzelheiten mit Er-

kenntnissen zum selben Sachverhalt übereinstimmt und

nachweislich nicht von derselben Quelle der bereits vor-

liegenden Information oder von demselben Dritten

stammt, bis 7 = Die Information ist unwahr, wenn sie

durch andere Informationen, die mindestens mit „2“ be-
wertet sind, widerlegt wird (§ 3 Abs. 3 DV-A TH)).

Die Schäfer-Kommission hat darauf verwiesen, dass

Grundlage für eine funktionierende „Auswertung“ jedoch
sei – ohne, dass es hierfür einer Regelung bedürfe – dass
der Auswerter sämtliche Informationen kenne.

3257
Der Grad der Zuverlässigkeit der Quelle selbst wird nicht

durch die „Auswertung“, sondern durch den Führer der
Quelle, also den Beschaffer, nach den Regelungen für die
3254) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 165 f.

3255) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 76

3256) MAT A TH-3/6, Ordner II, Anlage 5, (Tgb.-Nr. 78/12

GEHEIM), Bl. 176-230 (VS-NfD).

3257) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6/1, S. 187 Rn. 317.

DV-B TH beurteilt (§ 3 Abs. 3 DV-A TH, § 12 Abs. 8

DV-B TH).

Der Bewertung der Informationen einer Quellenmeldung

ist die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Quelle auf dem

Arbeitsdeckblatt beizufügen. Dem Führer der Quelle

werden die Informationsbewertungen mitgeteilt (§ 3

Abs. 4 DV-A TH, § 3 Abs. 5 DV-A TH).

Nach Analyse und Auswertung der Nachrichten hat der

Auswerter zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche wei-

teren Informationen über den Beschaffer beizubringen

sind; entsprechende Vermerke sind in den Vorgängen

schriftlich niederzulegen (§ 5 DV-A TH).

Die Übermittlung von Informationen regelt § 6 DV-A

TH. Hierin ist unter anderem bestimmt, dass Informatio-

nen einschließlich personenbezogener Informationen

grundsätzlich schriftlich zu übermitteln sind. Bei mündli-

cher Übermittlung ist ihr wesentlicher Inhalt in einem

Aktenvermerk festzuhalten.

Schließlich ist Aufgabe des Auswerters, die gewonnenen

Erkenntnisse in einer Gesamtanalyse schriftlich darzustel-

len und entsprechende Auswertungsberichte zu fertigen

(§ 19 Abs. 1 DV-A TH).

c) Praxis der Auswertung in der Operation
„Drilling“

Die Schäfer-Kommission hat in ihrem Gutachten festge-

stellt, dass eine den oben genannten Grundsätzen entspre-

chende Auswertung im LfV Thüringen im Fall der Suche

nach dem Trio nicht erfolgt und diese mangelhaft gewe-

sen sei. Die „Auswertung“ sei allenfalls gelegentlich mit
den Informationen der „Beschaffung“ befasst worden.
Wäre dies regelmäßig geschehen, hätte die „Auswertung“
nach Auffassung der Schäfer-Kommission die Brisanz der

Meldungen im Gesamtzusammenhang erfassen und dafür

sorgen können, dass das LKA Thüringen davon Kenntnis

nimmt.
3258

Diese Aussage hat Dr. Schäfer vor dem Untersuchungs-

ausschuss noch einmal bekräftigt. Er hat ausgesagt, eine

Auswertung sei erstmals durch die von ihm geleitete

Kommission vorgenommen worden. Er hat ausgeführt:

„Diese Auswertung haben wir erstmals vorge-
nommen, als es uns mit den Meldungen irgend-

wann etwas unheimlich wurde. Die wichtigsten

Meldungen haben wir in eine zeitliche Reihenfolge

gebracht und auf einem Flipchart aufgetragen. Als

wir damit fertig waren, sind uns die Augen über-

gegangen. Da lag plötzlich alles klar vor Augen.

Wir haben das dann den Zeugen oder den Anzuhö-

renden gezeigt; die wurden bleich. Der Referatslei-

ter Schrader sagte: Um Gottes willen! Natürlich,

klar; die haben in der Zeit den Banküberfall ge-
3258) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Rn. 485, S. 264.

Drucksache 17/14600 – 376 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

macht. - Er fügte aber gleich hinzu: Zu dem Zeit-

punkt war ich nicht mehr im Dienst.“3259

Zuständig für die Auswertung zum Bereich „THS“ und
Neonazis war der inzwischen verstorbene Herr E., Referat

22 – Rechtsextremismus. Dieser habe vor der Schäfer-
Kommission angegeben, er habe vieles nur tröpfchenwei-

se erfahren, was hauptsächlich am Referatsleiter, Herrn

Schrader, gelegen habe, der eher „vor dem Schreibtisch
als hinter dem Schreibtisch“ tätig gewesen sei und des-
halb eher mit Herrn Wießner als Beschaffer zu tun gehabt

habe.
3260

Die Akte „Drilling“ zu den operativen Vorgän-
gen im Zusammenhang mit der Suche nach dem Trio

habe der Beschaffer, Herr Wießner, geführt; von Unterla-

gen aus dieser habe er nur Kenntnis erlangt, wenn er in

Vertretung gehandelt habe.
3261

Da er nicht alle Informati-

onen bekommen habe, habe er auch nicht auswerten kön-

nen. Sein Referatsleiter, Herr Schrader, habe ihm nicht

alles gegeben und auch ohne ihn Observationsaufträge

erteilt; er habe ihm dies zwar gesagt, doch das habe nichts

geändert.
3262

Einen Zusammenhang zwischen den Geld-

nöten des Trios und dem Umstand, dass sie irgendwann

kein Geld mehr brauchten, habe er nicht gesehen.
3263

Er

habe zum Trio keine Diagramme erstellt, Vergleiche

gezogen und die einzelnen Informationen nicht aufgear-

beitet.
3264

Auf Vorhalt hin habe Herr E. erklärt, er kenne die über-

wiegende Akte „Drilling“ nicht.3265

Eine Erklärung für das Vorenthalten von Informationen

habe er nicht.
3266

Informationen seien weitergegeben

worden, wenn dadurch der Quellenschutz nicht gefährdet

worden sei.
3267

Wenn er Informationen weitergegeben

habe, habe er stets
3268

bzw. in der Regel
3269

Aktennotizen

angefertigt.

Der Zeuge Nocken hat vor dem Untersuchungssauschuss

angegeben, die relevanten Informationen seien an die

Polizei weitergeleitet worden. Er bestreite nicht, dass
3259) Dr. Schäfer, Protokoll-Nr. 46, S. 8.

3260) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

193.

3261) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

193.

3262) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
193.

3263) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

195.

3264) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

195.

3265) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
197.

3266) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

197.

3267) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

192.

3268) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.
192.

3269) E., Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3, Bl.

193.

einzelne Meldungen nicht dokumentiert weitergegeben

worden seien. Hierzu hat er erklärt:

„Die Information der Polizei konnte aus operativen
und Quellenschutzgründen nicht dokumentiert er-

folgen. Ich bin aber sehr sicher, dass die Mitarbei-

ter der Zielfahndung des Thüringer Landeskrimi-

nalamtes in persönlichen Gesprächen sehr wohl

unterrichtet wurden.“3270

Dies mache er daran fest,

„weil wir ständig mit den Kollegen der Zielfahn-
dung zusammengesessen haben und die Informati-

onen ausgetauscht haben. Da war ich zum großen

Teil selber mit beteiligt. Aber der Referatsleiter

und die anderen Mitarbeiter aus meinem Bereich

waren ebenfalls öfter mit denen - - Die sind auch

mit uns observationsmäßig unterwegs gewesen,

die Zielfahnder.“3271

Nach Auffassung des Zeugen Nocken habe im Fall „Dril-
ling“ „aus guten Gründen“ ein besonderes Vorgehen
gewählt werden müssen. Er hat ausgeführt:

„Wenn eine Überlappung der Zuständigkeit und
eine nahezu identische Zielsetzung bei Nachrich-

tendienst oder Polizei gegeben sind, sind die übli-

chen Regeln nicht eins zu eins übertragbar, da in

derartigen Fällen das Risiko des Quellenschutzes

und des Scheiterns der Operation wesentlich höher

ist. Wenn - wie vorliegend - Polizei und Verfas-

sungsschutz in absolutem Einzelfall bei Straftaten

nach denselben Personen fahnden, müssen diese

Regeln zugunsten der operativen Sicherheit des

Verfassungsschutzes modifiziert werden.“3272

Es treffe zu, dass der „Auswertung“ nicht alle operativen
Informationen vorgelegt worden seien. Das sei aber eine

korrekte und übliche Verfahrensweise. Die Behauptung,

der Auswerter müsse alle Informationen kennen, sei

„schlicht und ergreifend falsch. Er bekommt längst
nicht ungeprüft alles, was auf dem geheimen Mel-

deweg herangeschafft wird. Er bekommt lediglich

das, was er für die Analyse benötigt.“

In der Regel kenne der Auswerter nicht einmal den Klar-

namen der Quelle.

„Gerade in brisanten Operationen, die ein erhöhtes
Risiko für die Enttarnung der Quellen bergen,

muss schon die Beschaffungseinheit die von den

Quellen gelieferten Informationen auf Plausibilität,

Wahrheitsgehalt und Seriosität prüfen, bevor sie in

die ‚Auswertung‘ gegeben werden. Das gilt insbe-
sondere, wenn die Exekutive von operativen An-

sätzen des Verfassungsschutzes weiß und dement-

sprechend Informationen erwartet. Man nennt dies
3270) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.

3271) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.

3272) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 377 – Drucksache 17/14600

operative Vorauswertung. Sie wird bei Nachrich-

tendiensten in der ganzen Welt betrieben.“3273

Es sei auch praktische Übung, dass der Quellenschutz im

Vordergrund stehe.
3274

„So veranlasste uns die besondere Situation nach
der Flucht der Neonazis, eine nachrichtendienstli-

che Operation zu beginnen, mit dem Ziel, den

Aufenthaltsort der drei Flüchtigen zu ermitteln.

Diese nachrichtendienstliche Operation verlangte

eine besonders geschützte Verfahrensweise, um

das Ziel der Operation und die dabei beteiligten

Quellen nicht zu gefährden. [….]

Auswertung wird immer in eine bestimmte Rich-

tung betrieben. Man wertet Informationen auf be-

stimmte Inhalte aus. Man muss ein Ziel haben, was

erreicht werden soll. Bei der nachrichtendienstli-

chen Bearbeitung eines Falles können und dürfen

das nie neue Ermittlungsansätze für die Polizei

sein. Vorliegend war Ziel das Entdecken des Auf-

enthaltsortes der flüchtigen Neonazis. Wir wollten

mit dieser nachrichtendienstlichen Operation die

Täter lokalisieren und von der Polizei festnehmen

lassen, so wie es ja schon am Tag der Durchsu-

chung der Garagen am 26. Januar 1998 in Jena

versucht worden war.“3275

Alle Informationen seien beim Referatsleiter „Rechtsex-
tremismus“, Schrader, zusammengelaufen.3276

„Er konnte und musste diejenigen seiner Mitarbei-
ter informieren, die Kenntnis haben sollten. So war

es möglich, dass Informationen, die auf nachrich-

tendienstlichem Weg beschafft wurden, direkt und

ohne Umweg durch Nachbefragung der Quelle,

Ermittlungen oder andere Informationen verifiziert

werden konnten, bevor sie dann zur eigentlichen

‚Auswertung‘ gingen. Erst wenn davon auszuge-
hen ist, dass eine Information als hinreichend si-

cher und bestätigt angesehen werden kann, wird

sie in die schon vorhandenen Erkenntnisse einge-

ordnet und in Sach- oder Personenakten zusam-

mengeführt.“3277

Der Zeuge Schrader hat ausgeführt, im LfV Thüringen

seien nur vier Personen über den Gesamtvorgang „Dril-
ling“ informiert gewesen.

„Es waren damals bei uns im Haus vier Leute, die
von den ganzen Vorgängen wussten. Das war der

Auswerter teilweise, das war mein Vertreter, der

Herr Wießner, das war mein Chef, der Herr No-

cken, und ich. Wir wussten von diesen Dingen,

und wir haben immer zusammen besprochen, wie

wir mit diesen Dingen umgehen. Was wir damals
3273) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.

3274) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.

3275) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119.

3276) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 120.

3277) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 120.

verhindern wollten - und das war der Hauptgrund,

warum wir nicht alles an die ‚Auswertung‘ weiter-
gegeben haben -, war, dass die ‚Auswertung‘, so
wie es richtig gewesen wäre, dann sofort diese

Meldung gestreut hätte, weil uns die Quelle immer

wieder sagte: Vorsicht, sobald wir zu sehr nach-

fragen, werden die Schotten runtergelassen, und

dann erfahren wir nichts mehr. - Und daher haben

wir die Masse dieser Meldungen zunächst mal bei

der ‚Beschaffung‘ gelassen und haben gesehen,
wie wir weiterkamen, und haben dann erst sukzes-

sive, nach und nach, diese Dinge an die ‚Auswer-
tung‘ bzw. an die Ämter gegeben, die es wissen
mussten. Die Einzigen, die das fast immer mitge-

kriegt haben, war die Polizei, weil wir uns prak-

tisch jeden Tag getroffen haben.“3278

Von dem grundsätzlich geübten Verfahren in der Zusam-

menarbeit zwischen „Beschaffung“ und „Auswertung“ sei
bei der Suche nach dem Trio abgewichen worden, weil

„bei dem Trio war es ja so […] Da haben wir zu-
nächst mal die ganzen Meldungen - so viele waren

es ja im Grunde gar nicht - bei der ‚Beschaffung‘
belassen, um zu sehen, wie wir weiter vorgingen.

Wir wollten nicht so viel Staub aufwirbeln. Vor al-

len Dingen wollten wir nicht die ganzen Landes-

ämter, die nur informativ zu beteiligen waren,

noch nicht direkt informieren, um nicht so viel

Staub aufzuwirbeln, weil die Quelle ein paar Mal

gesagt hat - -„3279

Die Meldungen seien daher zunächst einmal nicht an den

Auswerter, Herrn E., weitergeleitet worden.

„Einige Dinge gingen an Herrn E., die er weiter
bearbeiten konnte, die unproblematisch waren, und

das, was problematisch war, haben wir bei uns bei

der ‚Beschaffung‘ gelassen. Die hat Herr Wießner
geführt, die Akte, und von da aus ging es dann

weiter, haben wir dann weiter besprochen, wie wir

weiter vorgehen würden.“3280

Als in diesem Sinne „problematisch“ hat er Informationen
bezeichnet,

„wo wir unmittelbar nachfragen mussten, wo wir
noch Dinge zu klären hatten. Oder zum Beispiel

hier auch diese Geschichte mit der Brandenburger

Geschichte, das haben wir also nicht der ‚Auswer-
tung‘ gegeben, sondern haben es erst beim Be-
schaffer gelassen, weil uns diese Meldungen zu

dem Zeitpunkt noch zu heiß waren. Wir mussten ja

auch gegenüber Brandenburg rechtfertigen, was

wir damit gemacht hatten.“3281

Auf die Frage, ob der Auswerter im Fall des Trios seinen

Dienstpflichten nachgekommen sei, indem er zeitgerecht
3278) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 124.

3279) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

3280) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

3281) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

Drucksache 17/14600 – 378 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sämtliche ihm von der „Beschaffung“ zur Verfügung
gestellten Informationen ausgewertet habe, hat der Zeuge

Schrader geantwortet:

„Das, was er gekriegt hat, hat er auch gemacht, ja.
Aber er hat so viel nicht gekriegt von uns. Wir ha-

ben erst mal die Akten beim Beschaffer gelassen.

So viel hat er nicht gesehen davon.“3282

Die Nichtweitergabe der Informationen an den Auswerter

im Fall des Trios hat der Zeuge Schrader auch mit Prakti-

kabilitätserwägungen begründet:

„Wir waren ständig mit Observationen, mit TKÜ-
Maßnahmen befasst, und da hätte ich jedes Mal

wieder rübergehen müssen, die Akte holen. Darum

haben wir gesagt: Wir lassen jetzt erst die Akte

beim Beschaffer, und so, wie wir bestimmte

Schritte abgeschlossen haben, geben wir sie dann

zur ‚Auswertung‘ rüber. - Das habe ich damals so
angeordnet, und wir haben das damals so für rich-

tig gehalten.“3283

Nach Einschätzung des Zeugen Schrader sei der Beschaf-

fer durch das gewählte Verfahren nicht zum verdeckten

Auswerter geworden. Es sei nicht unüblich, dass die Be-

schaffer teilweise die Akten behielten.
3284

Der Zeuge Dr. Roewer hat sich verwundert gezeigt, dass

der Referatsleiter „Rechtsextremismus“, Schrader, ange-
geben habe, bei der Suche nach dem Trio die Informatio-

nen nicht vollständig an die „Auswertung“ weitergeleitet
zu haben. Die Gründe, weshalb dieser so gehandelt habe,

sehe er im Moment nicht.
3285

Nach Ansicht des vom Ausschuss angehörten Dr. Schäfer

hätte es im Rahmen der Dienstaufsicht auffallen müssen,

dass der „Auswertung“ nicht alle Informationen zugeleitet
worden seien. Er hat ausgeführt, er sei in einer Akte auf

„ein wunderbares Lagebild eines Auswerters ge-
stoßen, 20 Seiten, toll gemacht, erstklassig, aller-

dings zu einem völlig nebensächlichen, un-

wesentlichen Thema. Da hatte der Präsident oder

Vizepräsident - ich weiß es nicht mehr genau - bei

seinem Handvermerk hinzugefügt: „sehr gute Ar-
beit“. Ich frage mich nur: Warum hat er nicht ge-
merkt, dass solche Lagebilder von anderen Aus-

wertern nicht kamen? - Das ist das Problem.“3286

3. Erteilung eines eigenständigen Suchauf-
trags an das LfV Thüringen

Der Zeuge Dr. Roewer hat dargelegt, das LfV Thüringen

habe unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios zunächst

zwei Maßnahmen ergriffen:
3282) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

3283) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

3284) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

3285) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 91.

3286) Dr. Schäfer, Protokoll-Nr. 46, S. 56.

„Die bei der Durchsuchung festgestellten Tatsa-
chen […] legten offen, dass es sich um eine Bom-
benbauerwerkstatt handelte. Es ging nunmehr um

die Vollstreckung mehrerer Haftbefehle, für die

das Amt keinerlei Zuständigkeit besaß. Dennoch

sind zwei voneinander unabhängige Maßnahmen

durchgeführt worden, und zwar eine Maßnahme,

die sich darauf richtete, durch eine eigenständige

Suchoperation festzustellen, wo die mutmaßlichen

Täter abgeblieben sind, und die zweite Maßnahme

war die, festzustellen, ob bei dem missglückten

Zugriff und anderen Dingen eventuell Dinge nicht

richtig gelaufen sind bzw. sogar Absicht im Spiel

gewesen ist.“3287

Auf die Frage, von wem das LfV Thüringen nach dem

26. Januar 1998 beauftragt worden sei und wie der kon-

krete Auftrag gelautet habe, hat der Zeuge Dr. Roewer

geantwortet, der Auftrag sei aus einer Leitungsbespre-

chung im Thüringer Innenministerium erfolgt. Nach dem

Abtauchen habe es mehrere Gespräche zwischen ihm,

Herrn Dr. Dewes [damaliger Thüringer Innenminister]

und Herrn Lehnert [damaliger Staatssekretär im Thüringer

Innenministerium] gegeben.
3288

Herr Dr. Dewes sei nicht

nur entsetzt, sondern erzürnt über den Vorgang gewesen

und dann sei dies so besprochen worden.
3289

Auch wenn die Suche nach Untergetauchten Sache der

Polizei sei, habe er dies für richtig gehalten.
3290

Es sei

nicht gesetzeswidrig gehandelt worden.
3291

Das LfV Thü-

ringen habe nichts anderes getan, als der Polizei zuzuar-

beiten.
3292

Der Zeuge Nocken hat auf die Frage, warum das LfV

Thüringen überhaupt nach dem Trio gesucht habe, geant-

wortet:

„Es ist richtig, dass das eine Aufgabe der Polizei
war. Da die Täter aber aus dem rechtsextremen

Milieu stammen und wir glaubten, mit unseren

Zugangsmöglichkeiten und Informationsbeschaf-

fungsmöglichkeiten dazu beitragen zu können, den

Aufenthaltsort der drei zu suchen und zu finden,

deswegen sind wir da mit eingestiegen, begleitend

und hilfsweise. Wir haben niemals die Sachleitung

dieser Geschichte übernommen oder der Fahn-

dung, sondern das ist immer in Händen der Polizei

gewesen.“3293

Der Zeuge Schrader hat ausgesagt:

Nachdem sie untergetaucht waren, habe ich damals

noch Roewer gesagt - - Ich sage: ‚Herr Roewer,
Sie wissen’ - nachdem die also untergetaucht wa-
3287) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.

3288) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90, 96, 99.

3289) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 99.

3290) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.

3291) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.

3292) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 90.

3293) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 379 – Drucksache 17/14600

ren -, ‚dass wir für untergetauchte Straftäter nicht
zuständig sind. Das ist Sache der Polizei.’ Dann
hat er gesagt: Das spielt keine Rolle. Suchen Sie

die drei Leute.
3294

4. Einschätzung der Gefährlichkeit des Trios
durch das LfV Thüringen zum Zeitpunkt
des Untertauchens

Der damalige Präsident des LfV Thüringen, der Zeuge

Dr. Roewer, hat ausgesagt, er habe im Februar 1998 bei

einem Radiointerview darauf hingewiesen, dass das Trio

gefährlich sei, worauf das Abtauchen nach einer begange-

nen Straftat hindeute. Aufgrund dieser erkannten Gefähr-

lichkeit habe das LfV sich mit eigenem Personal und

eigenen Ideen an den Suchmaßnahmen beteiligt, obwohl

es primär zur Fahndung nicht zuständig gewesen sei.
3295

Der Zeuge Schrader, damaliger Leiter der „Auswertung
Rechtsextremismus“ im LfV, hat keine Qualifizierung der
Gefährlichkeit des Trios abgegeben. Es sei ihnen natürlich

klar gewesen, dass das Trio Bomben bauen konnte:

„Das waren also keine Spielzeugdinge mehr. So
eine Puppe, da kann man noch drüber trefflich

streiten; aber in dem Moment, wo man eine zünd-

fähige Bombe bauen kann, hört der Spaß auf. […]
Von da aus war für uns klar, dass die also nicht

mehr als spielende Kinder anzusehen waren. […]
Für uns waren das Straftäter. Das waren Straftäter,

die gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz versto-

ßen hatten.“3296

Er habe damals jedoch nicht den Eindruck gehabt, sie

seien Terroristen gewesen.
3297

Zur Begründung hat er

ausgeführt:

„Natürlich können Sie sagen: Wer Bomben baut,
ist ein Terrorist. Selbstverständlich ist das so. Nur,

wissen Sie, ich muss noch mal sagen: Wenn man

so stümperhaft an so was rangeht und die Staats-

anwaltschaft danach noch drei Tage braucht, um

Haftbefehle zu erlassen, dann kann es doch so

schlimm gar nicht gewesen sein.“3298

5. Chronologie der Erkenntnisse des LfV
Thüringen

Die nachfolgende Übersicht basiert auf der von der Schä-

fer-Kommission erstellten Chronologie über die Auswer-

tung der Akten des LfV Thüringen, deren Angaben vom

Untersuchungsausschuss anhand der ihm vorliegenden

Unterlagen überprüft worden sind. Im Rahmen des nach-

folgenden Abschnitts E. III. 6. wird auf einzelne Meldun-

gen näher eingegangen.
3294) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 156.

3295) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 75 f.

3296) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 156 f.

3297) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 135.

3298) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 158.

Die in der Chronologie genannten Vermerke anderer

Behörden, beispielsweise des LKA Thüringen, sind vor-

liegend aufgeführt, da sie sich in den Akten des LfV Thü-

ringen fanden.

Datum Ereignis

2.2./3.2.1998 Anforderung eines Lichtbildes betref-

fend Marko K. durch das LfV Thü-

ringen vom LfV Sachsen und Obser-

vation von K. mit dem Ziel der Fest-

stellung, ob es zu einer Kontaktauf-

nahme zwischen ihm und den Flüch-

tigen kommt.

Der Anlass für die Observation ist

nicht erkennbar. Im Ergebnis kann

eine Kontaktaufnahme zwischen K.

und den Flüchtigen nicht festgestellt

werden.
3299

3.2./4.2.1998 Schreiben des LfV Thüringen an das

BfV, alle LfVs und TIM Thüringer

Innenministerium mit einer

Sachverhaltsdarstellung zu den den

Flüchtigen vorgeworfenen Straftaten,

der Durchsuchung vom 26. Januar

1998 sowie der anschließenden

Flucht mit der Bitte um dortige Er-

kenntnismitteilung.
3300

4.2./5.2.1998 Telefonat zwischen einem Beamten

des BfV und einem Beamten des LfV

Thüringen, Inhalt nicht vermerkt,

Schreiben des LfV Thüringen an das

BfV und an alle LfV unter Beifügung

von Fotos der Gesuchten zur dortigen

Quellenvorlage.
3301

9.2.1998 Schreiben des BfV (wöchentliche

Information) an das LfV Thüringen,

u. a. zum Fall „Rohrbomben in Jena“.
(BfV aktuell Nr. 7/98)

„Obwohl ein Teil der Angehörigen
des ‚THS‘ bereits durch Gewalttaten
aufgefallen ist, liegen keine Hinweise

vor, nach denen diese Gruppe syste-

matisch Gewalt plant oder vorberei-

tet. Es ist daher – vorbehaltlich der
weiteren Ermittlungen – davon aus-
zugehen, dass die drei Tatverdächti-

gen unabhängig vom ‚THS‘ agieren.“
3302

3299) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148, Rn. 301.

3300) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148, Rn. 301.

3301) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148, Rn. 301.

3302) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 148/149, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 380 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

13.2.1998 Telefonat zwischen einem Beamten

des LfV Thüringen und LfV Bayern

zu Informationen über mögliche

Kontakte von Mundlos zu Ernst T.

09. März 1998: Eingang des Ant-

wortschreibens des LfV Bayern:

Mundlos habe gute Kontakte zu Ernst

T., er könne dort untergetaucht sein.

Ernst T. ist ein landesweit bekannter

Neonazi, Gründer der „Deutsche
Bürgerwehr“ und „IHV“ (Hilfe für
politische Gefangene).

Nach Aktenlage erfolgte über diese

Information keine Mitteilung an das

LKA Thüringen.
3303

16.2.1998 Quelle 2045 informiert über den

Kontakt zwischen Kapke und Frank

S. (ab Januar 1998 NPD-

Bundesvorstandsmitglied) in Berlin,

um möglicherweise Adressen für die

Flüchtigen für einen Unterschlupf im

Ausland zu erhalten. Eine zweite

Möglichkeit sei, man wolle über S.,

der in Berlin mit Rita B. einen

Wohnmobilverleih betreibe, ein ent-

sprechendes Fahrzeug für die Flüch-

tigen besorgen. Nachdem Kapke sich

in der Folgezeit nicht mehr für Aus-

landsadressen interessiert hatte, ging

die Quelle davon aus, dass den Flüch-

tigen möglicherweise ein Wohnmobil

zur Verfügung gestellt worden sei.

Maßnahme vom

17. Februar/27. Februar 1998: Infor-

mationsaustausch zwischen dem LfV

Thüringen und dem LfV Berlin zum

Zwecke der Überprüfung des Wohn-

mobilverleihs von Rita B. und Frank

S., beide der rechten Szene zugehö-

rig.

Nach Aktennotiz des BfV vom März

1998 soll das LfV Thüringen dem

LKA Thüringen in diesem Zusam-

menhang „relevante Anlaufadressen“
übermittelt haben.

In den Akten des LKA Thüringen

findet sich keine entsprechende Do-

kumentation.

Quelle 2045 gibt im Rahmen ihrer

Mitteilung zudem an, sie vertrete die

Auffassung, nur Wohlleben und Ju-

liane W. hätten wahrscheinlich direk-

ten Kontakt zu den Flüchtigen. Diese

Informationen wurden nach Aktenla-
3303) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 149, Rn. 301.

ge nicht an das LKA Thüringen wei-

tergeleitet.
3304

16.2.1998 Fax des LKA Thüringen an das LfV

Thüringen mit der Mitteilung, bei der

Durchsuchung der Wohnung von

Mundlos am 26. Januar 1998 sei

Juliane W. mit einem Schlüssel er-

schienen und habe vorgegeben, dort

fernsehen zu wollen; tatsächlich habe

sich in der Wohnung kein TV-Gerät

befunden.

Observation von Juliane W. durch

das LfV Thüringen.

Nach Aktenlage erfolgte keine Mit-

teilung des Observationsergebnisses

an das LKA Thüringen.

Im Rahmen der Observation wurden

Kontakte von W. zu Kapke und Quel-

le 2045 beobachtet.

Nach Aktenlage erfolgt über die

Observationsergebnisse keine Mittei-

lung an das LKH Thüringen.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.
3305

20.2.1998 Fernschreiben des TIM, mit dem

Betreff „Informationsaustausch in
Staatschutzsachen“; inhaltlich wird
u. a. mitgeteilt, der „THS“ und der
Nationale Widerstand distanzierten

sich von den sog. Terroristen aus

Jena.

Dieses Fernschreiben geht u. a. auch

an das BKA und an sämtliche

LKÄ.
3306

20.2.1998 Deckblattmeldung Quelle 2045:

Die Quelle habe über Kapke (= Leiter

der Sektion Jena des „THS“) erfah-
ren, dass ein „THS“-Aktivist wahr-
scheinlich am 16. Februar 1998 nach

Dresden gefahren sei, um dort den

unfallbeschädigten PKW von Wohl-

leben abzuschleppen. Mit diesem

Fahrzeug seien die auf der Flucht

befindlichen Drei offensichtlich un-

terwegs gewesen. Quelle 2045 ver-

mutete, die drei Personen hielten sich

im Raum Dresden auf oder seien dort

gewesen, da Mundlos Kontakt zur

dortigen Szene habe, die dort durch
3304) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3305) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 149, Rn. 301.

3306) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 381 – Drucksache 17/14600

die Gefangenenbetreuung, die

Mundlos machte, entstanden sei-

en.
3307

Handschriftlicher Aktenvermerk vom

20. Juli 1998: GP Alex habe glaubhaft

mitgeteilt, dass Andreas R. sich im

Februar bzw. Anfang 1998 nicht in

Sachsen/Dresden aufgehalten habe

und von ihm auch kein Fahrzeug von

der BAB A4 abgeschleppt worden

sei.
3308

24.2.1998 Allgemeine Ermittlungen des LfV

Thüringen zur Person Wohllebens

und dessen Umfeld.
3309

24.2.1998 Eingang eines umfassenden Berichts

des LKA Thüringen zu den Ermitt-

lungsverfahren gegen das Trio sowie

Übersendung der Fahndungsunterla-

gen an das LfV Thüringen.

Der Bericht wird vom LKA Thürin-

gen auch an die StA Gera und die

Generalstaatsanwaltschaft Gera über-

sandt.
3310

Anfang März

1998

Mündlicher und schriftlicher Infor-

mationsaustausch zwischen dem LfV

Thüringen und dem BND bzgl. der

Bombenwerkstatt in Jena.

BND 5. März 1998: Eigene Erkennt-

nisse liegen nicht vor.
3311

11.3.1998 Zwei Beamte des LfV Thüringen

suchen im März 1998 Familie

Mundlos zum Zweck einer möglichen

Kontaktanbahnung mit deren Sohn

auf.

Maßnahme des LfV Thüringen: Ob-

servation Prof. Mundlos am 11. März

1998.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.

Am 2. Juni 1998 fragt Prof. Mundlos

telefonisch beim LfV Thüringen nach

dem dortigen Sachstand, er selbst

habe keinen Kontakt zu seinem

Sohn.
3312
3307) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3308) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3309) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 151, Rn. 301.

3310) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3311) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3312) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 151, Rn. 301.

18.3./

20.3.1998

Anfrage des LfV Thüringen beim

LfV Rheinland Pfalz bezüglich mög-

licher Kontakte von Mundlos zu

Ernst T. mit negativem Ergebnis.
3313

3.5.1998 DBM zu Quelle 2045: Die Quelle

geht davon aus, dass Kapke bei Dr.

Nordbruch in Südafrika ein Versteck

für das Trio gesucht habe.
3314

12.5.1998 Vermerk über eine Information der

Quelle 2045: Kapke habe regelmäßig

Kontakt zum Trio, er verkaufe das

Spiel „Pogromoly“ in der Szene zu
einem Preis von 100 DM, der Ver-

kaufserlös solle der finanziellen Un-

terstützung des Trios dienen. Die

Einnahmen seien aber von Kapke

unterschlagen und zweckentfremdet

worden.

Information des LKA Thüringen vom

23. Juli 1998: Aktenvermerk der

Zielfahndung, wonach „dienstlich
bekannt“ wurde, dass die Drei zum
Zwecke ihrer Finanzierung das Sze-

nespiel herstellen sollen.

Das LKA Thüringen informiert die

StA Gera entsprechend mit der Folge,

dass eine TKÜ-Maßnahme gegen

Jürgen H., der im Verdacht steht, die

Spiele aufzubewahren, verlängert

wird.
3315

2.6.1998 Schreiben des LfV Thüringen an das

BfV mit der Bitte um technische

Unterstützung in Form eines Spurfol-

getrupps für die Durchführung von

Observationen.
3316

22.6. bis

25.6.1998

Observation einer unbekannten Ziel-

person in Jena durch das LfV Thürin-

gen mit Unterstützung des BfV; die

Zielperson tritt mit Juliane W. und

Wohlleben in Verbindung.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation des LKA Thüringen.
3317

12./13.7.1998 E-Mail von Quelle 2045 vom 12. Juli

1998 an das LfV Thüringen zum

Szenespiel „Pogromly“ und dessen
3313) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 151/152, Rn. 301.

3314) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

3315) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

3316) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

3317) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 382 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

möglichen Aufbewahrungsort;

Kapke, Wohlleben und Jürgen H.

werden in diesem Zusammenhang

genannt.
3318

14.7. bis

17.7.1998

Observation von Jürgen H. durch das

LfV Thüringen wegen des Verdachts,

dass sich bei ihm ein Depot für das

Spiel befinde – es werden keine Er-
kenntnisse gewonnen.

Mitteilung der Observation an das

BfV im November 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3319

17.7.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Gewährsperson

Alex vom 14. Juli 1998: Dieser glau-

be, das Spiel „Pogromly“ werde in
Spanien hergestellt und über Szene-

angehörige in Deutschland vertrie-

ben, er werde versuchen, ein Spiel für

das LfV Thüringen zu beschaffen.
3320

23.7.1998 Aktenvermerk der Zielfahndung,

wonach „dienstlich bekannt“ wurde,
dass die Drei zum Zwecke ihrer Fi-

nanzierung das Szenespiel herstellen

sollen.

Das LKA Thüringen informiert die

StA Gera entsprechend mit der Folge,

dass eine TKÜ-Maßnahme gegen

Jürgen H., der im Verdacht steht, die

Spiele aufzubewahren, verlängert

wird.
3321

23.7.1998 Aktenvermerk des LKA Thürin-

gen/Zielfahn-dung zu einer TKÜ

betreffend Jürgen H. Dieser erhielt

u. a. im März/April 1998 drei Anrufe

aus Chemnitz, in denen mitgeteilt

wurde, man benötige viel Geld für

das Trio; zudem erhielt Jürgen H.

klare Anweisungen für Wohlleben,

der Kleidung und Geld mit Unterstüt-

zung der Eltern Böhnhardt besorgen

sollte; diese Sachen sollte Wohlleben

sodann für das Trio übergeben. Der

Anrufer teilte Jürgen H. ebenfalls

konkrete Übergabetreffpunkte für

Wohlleben mit.
3318) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.

3319) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.

3320) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.

3321) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

Maßnahme des LfV Thüringen:

Treffabsicherung am 11. August

1998, Ansprache von Jürgen H.

durch das LfV Thüringen zum Zwe-

cke eines Werbungsversuchs.

14. August - 12. Oktober 1998: G 10-

Maßnahme gegen Personen aus dem

Umfeld des Trios.

Mitteilung der Information an das

BfV im November 2011.
3322

29.7.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045: Sie

berichtet von einem Gespräch mit

Kapke vom 24. Juli 1998, in dem

Kapke mitgeteilt habe, er benötige

1 800 DM für das Trio, um sie „end-
gültig aus Jena wegzubringen“.
Kapke habe die Quelle 2045 gebeten,

mit dessen Arbeitgeber Dehoust in

Coburg zu sprechen, ob dieser einen

Kredit geben können; Wohlleben

habe bereits in der Vergangenheit

einen Kredit aufgenommen, er könne

derzeit keine Mittel zur Verfügung

stellen. Quelle 2045 vermutet, dass

eine Verbringung der Drei nach Süd-

afrika zu Dr. Nordbruch geplant sei.

Maßnahme des LfV Thüringen vom

26. Juli - 6. August 1998: Observati-

on von Kapke durch das LfV Thürin-

gen mit Unterstützung des BfV mit

Spurfolgesender.

Laut der Schäfer-Kommission bezieht

sich diese Observation auf einen

mündlichen Auftrag vom 22. August

1998, sie war somit ohnehin geplant,

die neuen Erkenntnisse zum Trio

wurden nunmehr berücksichtigt.

Observationserkenntnisse: Kapke

trifft sich mit Mario B. zwei Stunden

in einem PKW, Jürgen H. wird mit

Wohlleben und Juliane W. beobach-

tet; Kapke fährt mit Sven K. am 4./5.

August 1998 zu Dehoust nach Co-

burg, offensichtlich um das Geld für

Reisepässe zu holen; die Geldüberga-

be soll am 5. August 1998 erfolgt

sein, ohne das diese im Observati-

onsbericht näher dargestellt wird.

Ob das LKA Thüringen informiert

wurde, ist nach Aktenlage nicht er-

kennbar.

Mitteilung der Information durch das

LfV Thüringen an das BfV im No-
3322) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 383 – Drucksache 17/14600

vember 2011.
3323

30.7.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Gewährsperson

Alex: Dessen Bemühungen, ein Sze-

nespiel Porgromly für sich und seine

Kameraden zu beschaffen, sei erfolg-

los geblieben.
3324

10.8.1998 Ermittlungsergebnis des LfV Thürin-

gen zur Person Sven K.: keine beson-

deren Erkenntnisse.
3325

10.8.1998 Schreiben des Bundesgrenzschutz

Flughafen Frankfurt/Main an das LfV

Thüringen mit Übersendung der

Flugunterlagen betreffend Kapke und

Mario B. nach Südafrika.

Information des LKA Thüringen und

der StA Gera.

Nach erfolgter Information an die

StA Gera wird von dort aus unver-

züglich ein Fahndungsersuchen an

das BKA gestellt.

Mitteilung der Information an das

BfV im November 2011.
3326

11.8.1998 Vermerk eines Beamten des LfV

Thüringen zu geplanten G 10-

Maßnahmen gegen Wohlleben und

Jürgen H.mit einem Erkenntnisbe-

richt; dieser enthält eine Zusammen-

fassung der bisherigen Erkenntnisse

zu den Kontaktpersonen Wohlleben,

Kapke, Jürgen H. und Mario B. sowie

Hinweise auf Chemnitz.

Ermittlungsergebnis zu Mario B.: B.

wird als überdurchschnittlich intelli-

gent, gerissen und ruhig beschrieben;

er sei kein Gewalttyp aber radikal in

Denken und Agitation; man gehe

davon aus, dass B. von Personen im

Hintergrund finanziell unterstützt

werde.

Nach Aktenlage war nicht erkennbar,

ob und welche Erkenntnisse zu die-

sem Zeitpunkt auch dem LKA Thü-

ringen bekannt sind. In einem zu-

sammenfassenden Vermerk des LKA

Thüringen vom 31. August 1998 sind
3323) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154/155, Rn. 301.

3324) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.

3325) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.

3326) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.

diese Erkenntnisse nicht niederge-

legt.
3327

12.8.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Kapke teilt der Quelle mit, er sei am

4./5. August 1998 bei Dehoust in

Coburg gewesen und habe von die-

sem 1 500 DM erhalten, die er für

einen neuen Passfälscher benötige;

allerdings fordere dieser 1 800 DM

für die Herstellung der Pässe für das

Trio. Der ursprüngliche Passfälscher

habe sich mit den bereits zuvor über-

gebenen 1 500 DM abgesetzt, ohne

die Pässe zu liefern.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation an das LKA Thüringen.

Mitteilung dieser Information an das

BfV im November 2011.
3328

18.8.1998 Das BfV teilt Informationen über

eigene Fälle zur rechten Szene in

Thüringen mit, jedoch ohne Bezug

zum Trio.
3329

18.8.1998 Schreiben des LfV Thüringen an das

BfV, vermutlich Informationsaus-

tausch zum Fall.
3330

20.8.1998 LfV Thüringen - Vermerk über eine

Information der Quelle 2045: Die

Quelle berichtet über ein Gespräch

mit Wohlleben und Jürgen H. über

den gescheiterten Anwerbeversuch

betreffend Jürgen H. (siehe

11. August 1998).
3331

32. KW 1998 Eingang von Auszügen der Zeit-

schrift BfV aktuell Nr. 32/98 beim

LfV Thüringen; es sind u. a. Informa-

tionen zu Dr. Nordbruch enthal-

ten.
3332

2.9.1998 Quellenmitteilung der Verfassungs-

schutzbehörde Brandenburgs. Laut

Antje P. seien drei sächsische Skin-

heads (zwei Männer und eine Frau)

zur Zeit wegen verschiedener Strafta-
3327) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 155, Rn. 301.

3328) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156, Rn. 301.

3329) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156, Rn. 301.

3330) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156, Rn. 301.

3331) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 156/157, Rn. 301.

3332) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 384 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ten auf der Flucht vor der Polizei.

Dieser Fall sei medienbekannt. Die

Drei wollen sich angeblich innerhalb

der nächsten drei Wochen mit gelie-

henen Pässen nach Südafrika abset-

zen und dort in eine neue Identität

schlüpfen.

Maßnahme vom 7. September 1998:

Telefonate zwischen dem LfV Thü-

ringen, der VS-Behörde des „anderen
Bundeslandes“ und dem LfV Sachsen
zu Erkenntnissen über Antje P.

11./16. September 1998: Observation

der Antje P. durch das LfV Thüringen

und das LfV Sachsen.

Nach Aktenlage ist nicht dokumen-

tiert, dass diese aktuelle Information

über die Fluchtpläne des Trios sowie

die veranlasste Observation an das

LKA Thüringen mitgeteilt wurden.

Allerdings sind mutmaßliche Flucht-

pläne dem LKA Thüringen bekannt,

u. a. aus dem Umfeld von Jan Werner

und A. Die durchgeführte Observati-

on erbrachte keine neuen Erkenntnis-

se; die Observation am 16. September

1998 steht im Zusammenhang mit

Informationen Brandenburgs, die

unter dem Datum 14. September

1998 dargestellt werden.
3333

9.9.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

Informationen eines Gelegenheitsin-

formanten zu Wohlleben, Jürgen H.

und Zschäpe; keine wesentlichen

Erkenntnisse.
3334

9.9.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information von Quelle 2100:

Zschäpe sei zuletzt mit dem Chem-

nitzer B&H-Mitglied Thomas Starke

liiert gewesen; im Frühsommer seien

bei einem Konzert Spenden in Höhe

von 700 DM für das Trio gesammelt

worden.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation an das LKA Thüringen.
3335

14.9.1998 Eingang einer Quellenmitteilung der

VS-Behörde Brandenburgs: Die

Quelle teilt mit, Jan Werner (Leiter

B&H Sachsen) habe zur Zeit den

Auftrag, die Drei mit Waffen zu
3333) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157, Rn. 301.

3334) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157, Rn. 301.

3335) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 157/158, Rn. 301.

versorgen. Gelder für diese Beschaf-

fungsmaßnahme solle die B&H Sek-

tion Sachsen bereitgestellt haben.

Nach der Entgegennahme der Waffen

– noch vor der beabsichtigten Flucht
nach Südafrika – solle das Trio einen
weiteren Überfall planen, um mit

dem Geld sofort Deutschland verlas-

sen zu können. Der weiblichen Per-

son der Trios werde Antje P. (Mit-

glied B&H Sachsen) ihren Pass zur

Verfügung stellen. Antje P. und Jan

Werner seien unabhängig voneinan-

der und ohne Wissen des anderen für

die Drei tätig.

Maßnahme vom 15. oder

16. September 1998: Beratung zwi-

schen dem LfV Thüringen, dem LfV

Sachsen und dem LfV eines anderen

Bundeslandes im Hinblick auf erhal-

tene Informationen; eine bereits lau-

fende Observationsmaßnahme gegen

P. durch das LfV Thüringen und das

LfV Sachsen wird am

16./17. September 1998 fortgeführt,

es ergeben sich keine Erkenntnisse.

Mitteilung dieser Beratung an das

BfV durch das LfV Sachsen im No-

vember 2011.
3336

(Weitere Schreiben der Verfassungs-

schutzbehörde Brandenburg vom

2. Oktober 1998 und 14. Oktober

1998 – siehe dort: Jan Werner sei
immer noch auf der Suche nach Waf-

fen für die Flüchtigen, bisher noch

nicht erfolgreich.)

15.9.1998 Vermerk des LKA Thüringen zu

einer TKÜ gegen Jan Werner vom

11. September bis zum 15. September

1998: Es werden allgemeine Informa-

tionen zu dessen Person dargelegt,

insbesondere, dass er ein führender

Kopf der B&H Szene in Sachsen und

in der rechten Szene auch internatio-

nal tätig sei; das Wort „Waffen“ wird
in dem Vermerk nicht erwähnt.

Der Zeitpunkt des Eingangs dieses

Vermerks beim LfV Thüringen ist

nach Aktenlage nicht erkennbar,

ebenfalls nicht, wer ihn angefordert

hat.
3337

18.9.1998 Deckblattmeldung der VS-Behörde
3336) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 158, Rn. 301.

3337) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 158/159, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 385 – Drucksache 17/14600

Brandenburgs an das LfV Thüringen

zu Jan Werner und den Flüchtigen:

Es wird u. a. mitgeteilt, ein Angehö-

riger des „sächsischen Skinhead-
Trios“ habe einen Artikel in der Sze-
ne-Zeitschrift White Supremacy ver-

fasst.
3338

28.0.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Bei einem Seminar in Coburg sei im

Gespräch mit Dr. Nordbruch das Trio

kein Thema gewesen.
3339

2.10./

14.10.1998

Zwei weitere Quellenmitteilungen der

VS-Behörde Brandenburgs, beim

LfV Thüringen jeweils eingegangen

am 6. und 15. Oktober 1998: Beide

Mitteilungen haben zum Inhalt, Jan

Werner (Leiter B&H Sachsen) sei

noch immer auf der Suche nach Waf-

fen für das Trio, er setze die Suche

fort.

15./16. Oktober 1998: Observation

von Jan Werner im Rahmen einer

Operation „Pappmaschee“ durch das
LfV Sachsen.

In den Akten des LfV Thüringen

findet diese Observation laut Schäfer-

Kommission keine Erwähnung, es ist

nicht erkennbar, ob das LfV Thürin-

gen Kenntnis von der Maßnahme hat.

Ebenfalls erfolgt nach Aktenlage

keine Information über den Inhalt der

Quellenmitteilung an das LKA Thü-

ringen.
3340

15.10.1998 Deckblattmeldung des LfV Thürin-

gen zu Quelle 2045: Kapke habe ihr

mitgeteilt, das Trio sei an sicherer

Stelle, benötige aber Geld, da sie

nicht arbeiten könnten und dadurch

große finanzielle Probleme hätten;

Kapke selbst habe derzeit keinen

Kontakt zu ihnen und wolle dies auch

nicht.

Weiterleitung der Deckblattmeldung

durch das LfV Thüringen an das BfV,

sowie an die LfV Berlin, Mecklen-

burg-Vorpommern und Sachsen am
3338) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301.

3339) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301.

3340) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159/160, Rn. 301.

4. November 1998.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation an das LKA Thüringen.
3341

16.10.1998 Schreiben des BfV an das LfV Thü-

ringen mit der Bitte um

Sachstandsmitteilung, insbesondere

zum Ergebnis operativer Maßnah-

men.

Antwortschreiben des LfV Thüringen

vom 3. November 1998: Die Einstel-

lung einer Maßnahme wird mitgeteilt,

ebenfalls die Zusammenarbeit mit

dem LfV Sachsen und Brandenburg

sowie der Erkenntnisstand, dass sich

das Trio ggf. in Sachsen aufhalte.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation des LKA Thüringen.
3342

19.10.1998 Zwei Mitarbeiter des LfV Thüringen

führen ein sog. „Aussteiger-
Gespräch“ mit der Familie
Böhnhardt; es soll eruiert werden, ob

sich ihr Sohn möglicherweise freiwil-

lig stellen würde.

Nach Aktenlage sind das LKA Thü-

ringen und die StA zu diesem Zeit-

punkt noch nicht eingebunden.
3343

26.10. bis

29.10.1998

LfV Thüringen - Observation von

Jürgen H. in Jena mit dem Ziel, des-

sen Arbeitsstelle sowie die genauen

Zeiten abzuklären, wann die Zielper-

son ihr Wohnobjekt betritt und ver-

lässt.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.
3344

3.11.1998 Antwortschreiben des LfV Thüringen

auf das Schreiben des BfV vom

16. Oktober 1998: Die Einstellung

einer (Überwachungs-)Maßnahme

wird mitgeteilt, ebenfalls die Zusam-

menarbeit mit den LfV Sachsen und

Brandenburg. Es werde davon ausge-

gangen, dass sich die Flüchtigen nach

wie vor im Inland, möglicherweise in

Sachsen aufhalten.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation des LKA Thüringen.
3345
3341) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.

3342) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.

3343) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.

3344) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160/161, Rn. 301.

3345) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 386 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4.11.1998 Zweites (Aussteiger-) Gespräch des

LfV Thüringen mit den Eltern

Böhnhardts: Diese erklären sich be-

reit, mit Unterstützung eines Rechts-

anwalts in anstehende

Aussteigerverhandlungen einzustei-

gen; Bedingung sei jedoch, dass alle

Verfolgungsmaßnahmen (Beobach-

tung und TKÜ) gegen sie eingestellt

werden müssten.

In dem Gespräch wird seitens des

LfV Thüringen in Aussicht gestellt,

das LKA Thüringen und die StA

einzuschalten, um die gestellten Be-

dingungen abzusprechen. Die Kos-

tenübernahme für Vertrauensperso-

nen wird zugesagt.
3346

6.11.1998 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information eines Gelegenheits-

informanten. Dieser berichtet Allge-

meines zu Wohlleben und Kapke und

zudem, dass Wohlleben in der Szene

auf Fragen nach dem Trio stets mit

Unwissenheit reagiere.
3347

10.11.1998 Telefonat zwischen dem LfV Thürin-

gen und dem BfV zu einer G 10-

Maßnahme mit lediglich allgemeinem

Inhalt.
3348

10.11.1998 Schreiben des BfV an das LfV Thü-

ringen unter Bezugnahme auf Telefo-

nat vom 10. November 1998 zu ei-

nem zu überprüfenden Objekt Jan

Werners, welches als CD-Lager in

Betracht komme.

Information des LfV Thüringen an

die Zielfahndung, dass das Objekt als

Versteck für ein CD-Lager vermutet

wird und keine Exekutivmaßnahmen

Thüringens notwendig seien.
3349

27.11.1998 Schreiben des BfV an das LfV Thü-

ringen betreffend „USBV in Jena“
mit der Bitte um Unterrichtung über

die Zusammenarbeit mit Sachsen und

Brandenburg und weitere geplante

Maßnahmen. Es wird eine gemein-
3346) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.

3347) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.

3348) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.

3349) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.

same Besprechung angeboten.

Antwort des LfV Sachsen am

21. Dezember 1998, dass keine weite-

ren Maßnahmen geplant seien.
3350

18.12.1998 Überfall auf EDEKA-Markt in

Chemnitz.
3351

18.12.1998 Schreiben des LfV Thüringen an

Rechtsanwalt Thaut (Bevollmächtig-

ter der Eltern Böhnhardts) mit der

Zusicherung, dass bis zum Abschluss

der Verhandlungen mit der Familie

Böhnhardt keine Überwachungsmaß-

nahmen gegen diese oder ihn als

Rechtsanwalt eingeleitet oder fortge-

führt würden.

Die Schäfer-Kommission konnte

nicht ermitteln, ob zu diesem Zeit-

punkt das LKA Thüringen und die

StA eingebunden waren.

Erörterung des LfV Thüringen (No-

cken) mit der StA Gera (Mohrmann)

am 12. März 1999 (siehe dort).
3352

21.12.1998 Schreiben des LfV Sachsen an das

BfV, nachrichtlich an das LfV Thü-

ringen und das LfV Brandenburg, zu

USBV in Jena: Durch die dort durch-

geführten Maßnahmen habe sich der

Beitrag des LfV Sachsen erübrigt,

man plane keine weiteren Aktivitäten.

Es ist nicht nachvollziehbar um wel-

che Maßnahmen und um welchen

Beitrag es sich hier handelt.
3353

1999

15.1.1999 Vermerk über die Information eines

Gelegenheitsinformanten: Dieser teile

u. a. mit, über das Trio werde in der

Szene nicht gesprochen, Wohlleben

und Kapke hätten das Motto ausgege-

ben: „Keiner wisse was, keiner sage
was.“; alle Szene-Leute hielten sich
daran.

Mitteilung dieser Information an das

BfV im November 2011.
3354
3350) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161/162, Rn. 301.

3351) A-Drs. 225.

3352) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.

3353) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.

3354) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 387 – Drucksache 17/14600

28.1.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Wohlleben habe ihr am 23. Januar

1999 mitgeteilt, er plane Kontakt mit

Rechtsanwalt Dr. Eisenecker in

Goldenbow (MV) aufzunehmen für

eine anwaltliche Vertretung Zschäpes

zwecks Rückkehrverhandlungen.

Das Trio beklage immer lauter seine

finanzielle Situation, da die Geldquel-

len langsam versiegten, auch die

Familie Böhnhardt sei nicht mehr in

der Lage, sie weiterhin finanziell zu

unterstützen.

Mitteilung dieser Information an das

BfV im November 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3355

5.2.1999 Observation in Goldenbow.
3356

8.2.1999 Vermerk des LfV Thüringen zur

Observation in Goldenbow vom

8. Februar 1999 über eine Informati-

on der Quelle 2045: Wohlleben habe

ihr am 30. Januar 1999 in einem

„Vieraugen-Gespräch“ mitgeteilt, er
plane am 5. Februar 1999 nach

Goldenbow (Mecklenburg Vorpom-

mern) zu RA Dr. Eisenecker zu fah-

ren; zudem habe er die Quelle gebe-

ten, eine anrufbare Telefonzelle in

Coburg zu suchen und ihm die

Nummer mitzuteilen; über die Tele-

fonzelle wollten die Flüchtigen mit

der Quelle sprechen; Quelle 2045

habe daraufhin am 4. Februar 1999

Wohlleben eine entsprechende Ruf-

nummer übersandt.

Maßnahme am 5. Februar 1999: Ob-

servation von Wohlleben und Carsten

Schultze in Goldenbow durch das

LfV Mecklenburg Vorpommern auf

Bitte des LfV Thüringen; es werden

zwei männliche Personen in einem

PKW, zugelassen auf Wohlleben, in

Goldenbow festgestellt.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3357
3355) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162/163, Rn. 301.

3356) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.

3357) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.

5.2. bis

31.3.1999

G 10-Maßnahme gegen Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe und Telefon-

zellen in Chemnitz.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3358

8.2.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Am 6. Februar 1999 habe Wohlleben

der Quelle 2045 mitgeteilt, er sei mit

Schultze bei Rechtsanwalt Dr.

Eiseecker in Goldenbow gewesen;

am 7. Februar 1999 habe Wohlleben

Quelle 2045 mitgeteilt, dass seit den

Kontakten in der Familie Böhnhardt

zum Verfassungsschutz Wirbel um

die Drei gemacht werde, sie stünden

seitdem wieder im Blickpunkt der

Verfolgungsbehörden. Deshalb sei

für alle Beteiligten erhöhte Vorsicht

geboten, aus diesem Grund könne

sich auch der Anruf von den Dreien

für die Quelle verzögern.

Nach Einschätzung von Quelle 2045

seien für den beabsichtigen Anruf in

der Telefonzelle nur finanzielle

Gründe vorstellbar.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3359

15.2.1999 Handschriftlicher Vermerk des LfV

Thüringen über eine Information der

Quelle 2045: Wohlleben habe der

Quelle am 13. Februar 1999 mitge-

teilt, sie müsse in der kommenden

Woche am 17. oder 18. Februar 1999

mit dem besagten Anruf rechnen.

Der Anruf kam nach Aktenlage nicht

zustande.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3360

21.2.1999 Handschriftlicher Vermerk des LfV

Thüringen über eine Information der

Quelle 2045: Wohlleben habe Quelle

2045 einen neuen Anruftermin am

22. Februar 1999 mitgeteilt.

Maßnahme vom 22. Februar 1999:

Rufnummer-Abklärung zu öffentli-

chen Fernsprechern in Chemnitz.

Der Anruf kam nach Aktenlage er-

neut nicht zustande.
3358) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.

3359) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163/164, Rn. 301.

3360) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 388 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3361

22.2.1999 Von einem Münz-Fernsprecher in

Chemnitz wird „eine der bekannten
Telefonzellen in Coburg angerufen“
(G 10!).

Der Quelle 2045 wurde ein Mitschnitt

des Gesprächs vorgespielt, wobei sie

den Anrufer als Uwe Böhnhardt iden-

tifizierte.

Mitteilung dieser Information an das

BfV im November 2011.
3362

6.3.1999 Handschriftlicher Vermerk des LfV

Thüringen über eine Information der

Quelle 2045: Wohlleben habe Quelle

2045 einen neuen Anruftermin am

8. März 1999 mitgeteilt.

Maßnahme vom 8. März 1999 (sowie

6. April 1999): Observation von vier

Telefonzellen in Chemnitz durch das

LfV Thüringen; die Maßnahme er-

bringt keine Erkenntnisse.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3363

8.3.1999 Observation von vier festgelegten

Telefonzellen in Chemnitz.
3364

8.3.1999 Gesprächsnotiz von Quelle 2045 zum

Inhalt eines am 8. März 1999 stattge-

fundenen Telefonats mit Böhnhardt:

Wesentliches Thema seien die Geld-

nöte der Flüchtigen gewesen; sie

hätten bereits Pässe und suchten

einen Aufenthalt im Ausland.

Quelle 2045 sei sich sicher, dass der

Anrufer Böhnhardt gewesen sei.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3365

15.03.1999 Schreiben des LfV Thüringen an das

BfV mit der Bitte um Observations-

unterstützung nach vorheriger telefo-

nischer Rücksprache vom 12. März

1999.
3366
3361) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301.

3362) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166/167, Rn. 301.

3363) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301; S. 167, Rn.

301.

3364) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164, Rn. 301.

3365) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 164/165, Rn. 301 f.

3366) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn. 301.

15.3.1999 Gesprächsnotiz von Quelle 2045 über

ein Gespräch mit Carsten Schultze

am 13. März 1999: Schultze habe

angegeben, dass nunmehr er telefoni-

schen Kontakt zum Trio habe, da sich

Wohlleben zu beobachtet fühle.

Quelle 2045 berichtet zudem über ein

Gespräch mit Wohlleben, der angege-

ben habe, ganz guten Kontakt zu Frau

Böhnhardt zu haben und mit dieser

zusammen einmal das Trio besucht

zu haben. Daher wisse Wohlleben

auch, dass Mundlos für die Skinhead-

Szene schreibe und dieses in Sachsen

gedruckt werde. Nach Angaben von

Wohlleben werde noch immer Geld

für die Drei benötigt.

Mitteilung der Information an das

BfV im Dezember 2011.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation des LKA Thüringen.
3367

15.3. bis

21.3.1999

Observation von vier Telefonzellen

sowie den Wohnobjekten von Tho-

mas Starke, Jan Werner und A. in

Chemnitz durch das LfV Thüringen;

die Observation erbringt keine Er-

kenntnisse.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation des LKA Thüringen.
3368

16.3. bis

22.3.1999

Observation von Wohlleben in Jena

durch das BfV; die Maßnahme er-

bringt keine Erkenntnisse.

Nach Aktenlage erfolgt keine Infor-

mation des LKA Thüringen.
3369

17.3.1999 bis

21.3.1999

Observationsmaßnahme des BfV in

Amtshilfe für das LfV Thüringen

gegen Schultze (ohne Erfolg).

Bemerkung der Schäfer-Kommission:

Ggf. erfolgt die Observation aufgrund

der Gesprächsnotiz der Quelle 2045

vom 15. März 1999; allerdings bat

ein Beamter des LfV Thüringen das

BfV bereits am 13. März 1999 telefo-

nisch um Unterstützung für eine

Observation.
3370
3367) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn. 301.

3368) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

3369) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

3370) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 389 – Drucksache 17/14600

19.3.1999 Fax des LfV Thüringen (Nocken) an

Rechtsanwalt Thaut, in dem mitge-

teilt wird, dass keine weiteren Ver-

handlungen in der Angelegenheit der

Familie Böhnhardt und Rückkehr des

Trios erfolgen würden.

Daraufhin übersendet RA Thaut seine

Abschlussrechnung an das LfV Thü-

ringen.

Mitteilung an das BfV im Juni 1999.

Nach Aktenlage ist nicht erkennbar,

inwieweit das LKA Thüringen und

die StA Gera zu diesem Zeitpunkt

eingebunden sind.
3371

22.3.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

mehrere Informationen der Quelle

2045:

Quelle 2045 erkennt bei einem Tele-

fonmitschnitt vom 22. Februar 1999

aus einer Telefonzelle in Chemnitz

eindeutig Böhnhardt als Anrufer

wieder. Auf einem der Quelle 2045

vorgelegten Lichtbild aus einer Ob-

servation am 19. März 1999 in

Chemnitz erkennt er Böhnhardt nicht.

(Dieser Telefonmitschnitt resultiert

aus einer G 10-Maßnahme vom 5.

Februar 1999 bis 1. März 1999 be-

treffend eine Telefonzelle in Coburg

– siehe hierzu bereits unter dem
22. Februar 1999)

Quelle 2045 berichtet weiterhin,

Wohlleben sei über eine von ihr über-

gebene Spende in Höhe von 500 DM

sehr froh gewesen, da das Trio drin-

gend Geld benötige.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3372

24.3.1999 Observation des Wohnobjekts von

Ronald A. in Chemnitz durch das LfV

Thüringen; die Maßnahme erbringt

keine Erkenntnisse.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3373

6.4.1999 Observation von vier Telefonzellen in

Chemnitz durch das LfV Thüringen

mit anschließender Überprüfung

eines Anrufers durch das LfV Sach-

sen; es werden keinen neuen Er-
3371) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

3372) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167/168, Rn. 301.

3373) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167, Rn. 301.

kenntnisse erlangt.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3374

9.4.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information von Quelle 2045:

Wohlleben bittet die Quelle, Thorsten

Heise nach sicheren Adressen für die

Flüchtigen im Ausland zu fragen, da

dieser angeblich einen großen aus-

ländischen Bekanntenkreis habe.
3375

vermutlich

Mitte April

1999

LfV Thüringen: Eingang der Kopie

eines Schreibens des BKA vom

30. März 1999, gerichtet an das LKA

Thüringen, zu einer im Büro des

Vorsitzenden des Zentralrats der

Juden in Deutschland eingegangenen

Briefbombenattrappe.
3376

(Tatmittelmeldedienst: Ähnlicher

Aufbau wie bei den Briefbombenat-

trappen zwischen dem 31. Dezember

1996 und dem 1. Januar 1997 in Je-

na.)

Vermutlich

Mai 1999

Vermerk zwischen dem LKA Thü-

ringen/Ziel-fahndung und dem LfV

Thüringen über gelöschte Telefon-

aufzeichnungen.

Nach Aktenlage ist nicht erkennbar,

um welche Aufzeichnungen es sich

handelt.
3377

6.5.1999 Vermerk der Polizeiinspektion Eisen-

berg, es gebe Hinweise, dass sich

Böhnhardt öfter in Rudols-

tadt/Schwarza aufhalten solle.

Diese Information erreicht auch das

LKA Thüringen.
3378

10.5.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Thorsten Heise habe der Quelle 2045

mitgeteilt, er sei bereit, nach Woh-

nungen für das Trio im In- und Aus-

land zu suchen.

Wohlleben habe Quelle 2045 mitge-

teilt, derzeit sei sein Kontakt zum
3374) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167, Rn. 301.

3375) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 167/168, Rn. 301.

3376) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.

3377) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.

3378) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 390 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Trio abgebrochen, er habe Kamera-

den in Sachsen beauftragt, die Situa-

tion zu überprüfen;

Schultze habe Quelle 2045 mitgeteilt,

er sei im März 1998 in die Wohnung

von Beate Zschäpe eingestiegen, um

dort Sachen zu holen, sei jedoch

gestört worden.

Mitteilung dieser Information an das

BfV im November 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation an das LKA Thüringen.
3379

17.5.1999 Deckblattmeldung zu Quelle 2045:

Die Quelle teilt mit, Kapke bestreite

die ihm vorgeworfene Unterschla-

gung von Geldern für das Trio; er

habe z. B. 2 500 DM an einen Pass-

fälscher gezahlt, der das Geld ge-

nommen, aber keine Pässe geliefert

habe.
3380

26.5.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Quelle 2045 habe am 15. Mai 1999

ein vertrauliches Gespräch über die

drei Flüchtigen mit Holger Gerlach

(früheres „THS“-Mitglied), Schultze
und Wohlleben geführt, in dem Wohl-

leben mitgeteilt habe, sein Kontakt zu

den Dreien sei wiederhergestellt;

auch sei Thorsten Heise bereit, Un-

terstützung für einen Auslandaufent-

halt für die Flüchtigen zu leisten;

Wohlleben habe zudem Gerlach ge-

beten, „aus räumlichen Gründen“ in
dieser Sache Kontakt zu Thorsten

Heise aufzunehmen, um an dessen

Auslandskontakte heranzukommen.

Schultze habe Quelle 2045 mitgeteilt,

er habe letztmalig Anfang April 1999

mit einer Barüberweisung Spenden-

gelder für die Drei nach Sachsen

überwiesen.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3381

15.6.1999 Vorläufiger Abschlussvermerk des

LfV Thüringen zur USBV Jena im

Fall „Drillinge“. U. a. wird ausge-
führt, dass bereits seit 1998 Hinweise

auf einen Aufenthalt der Drei in
3379) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168, Rn. 301.

3380) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 168/169, Rn. 301.

3381) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169, Rn. 301.

Chemnitz vorliegen. Zudem ist ver-

merkt, dass zwischenzeitlich beim

LfV Thüringen „eindeutige Hinwei-
se“ vorlägen, dass die Flüchtigen
nunmehr im „nördlichen Bereich der
Bundesrepublik“ untergebracht wer-
den sollen.

Information: BfV, nachrichtlich LfV

Sachsen, LfV Brandenburg, LfV

Mecklenburg Vorpommern, LfV

Niedersachsen.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3382

18.6.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Holger Gerlach habe Quelle 2045

mitgeteilt, er habe mit Thorsten Heise

über Kontaktadressen für die Drei

noch nicht gesprochen.
3383

6.8.1999 bis

6.9.1999

G 10-Maßnahme gegen Personen im

Umfeld des Trios.
3384

11.8. bis

13.8.1999

Observation von Holger Gerlach in

Hannover durch das LfV Niedersach-

sen mit dem Ziel, Feststellungen zu

einem möglichen Kontakt zu Thors-

ten Heise wegen der Wohnungssuche

für die Flüchtigen zu treffen. Im

Rahmen der Observation wurde fest-

gestellt, dass sich Wohlleben bei

Holger Gerlach aufhielt und beide in

Telefonzellen telefoniert haben. Ein

Kontakt zu Thorsten Heise wurde

nicht festgestellt.

Das LKA Thüringen wurde vom LfV

Thüringen informiert.
3385

6.9.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine „amtlich bekannt gewordene“
Information, wonach sich Böhnhardt

öfter zu Hause aufhalten solle.

Diese Information (von Mitte August

1999) stamme vom ehemaligen Prä-

sidenten des LfV Thüringen, der

diese Mitteilung aus dem Bereich der

Universität Jena erhalten haben will.

Ein zweiter gleichlautender Hinweis

soll aus dem Kollegenkreis der Frau

Böhnhardt stammen und den Mitar-
3382) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169/170, Rn. 301.

3383) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169, Rn. 301.

3384) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 170, Rn. 301.

3385) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 170, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 391 – Drucksache 17/14600

beitern des LfV Thüringen am

6. September 1999 mitgeteilt worden

sein.

Diese Information wurde laut Akten-

vermerk der Zielfahndung mitge-

teilt.
3386

29.9.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Schultze habe bei der Quelle 2045

nachgefragt, ob sie Kontakt zu Manf-

red R. habe wegen der Beschaffung

von Auslandsadressen, da sich die

Sache mit Thorsten Heise hinziehe

und bisher zu keinem Ergebnis ge-

kommen sei; es würde aber „unbe-
dingt“ ein neuer Aufenthaltsort benö-
tigt. Quelle 2045 habe den Eindruck,

dass Schultze derzeit allein Kontakt

zu dem Trio halte, allerdings könne er

sich nicht vorstellen, dass Schultze

eigenmächtig ohne Einbindung von

Wohlleben handele.
3387

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.

6.10.1999 Überfall auf die Postamt-Filiale 06,

Barbarossastraße in Chemnitz-

Altendorf.
3388

27.10.1999 Überfall auf die Postamt-Filiale,

Limbacher Straße 148 in Chemnitz-

Hutholz.
3389

24.11.1999 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2100

(Riese):

Die Quelle teilte mit, Thomas Starke

aus Dresden, B&H-Mitglied in Sach-

sen, habe eine ihm angebotene finan-

zielle Spende spontan abgelehnt, da

die Drei kein Geld mehr brauchten,

weil sie „jobben“ würden.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3390

6.12.1999 Schreiben des MAD an das BfV

sowie an das LfV Thüringen (na-

mentlich VP Nocken) mit Auszügen

aus einem Befragungsbericht des
3386) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171, Rn. 301.

3387) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171, Rn. 301.

3388) A-Drs. 225.

3389) A-Drs. 225.

3390) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171, Rn. 301.

Jürgen H. vom 15. September 1999.

Jürgen H. habe mitgeteilt, er gehe

davon aus, dass sich die Drei auf-

grund des zu erwartenden Strafmaßes

nicht den Behörden stellen würden.

Szeneintern werde von einem Straf-

maß von zehn Jahren ausgegangen,

weil man ein Exempel gegen Rechts

statuieren wolle. Die drei Bomben-

bastler hätten sich schon auf der Stufe

als Rechtsterroristen bewegt, die mit

einer gewissen Zielsetzung eine Ver-

änderung des Staates herbeiführen

wollten.

Er würde jederzeit wieder als Kurier

fungieren. Er sei der einzige gewesen,

der sich bereit erklärt habe, die Ku-

rierfunktion zu übernehmen.

Bemerkung der Schäfer-Kommission:

Dieses Schreiben befand sich nicht in

den vom LfV Thüringen ursprünglich

übersandten Akten, da es seinerzeit

offensichtlich nicht zu den Akten

„Drilling“ geheftet worden ist.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.
3391

Vermerk des LfV Thüringen vom

2. Februar 2012: „Das beigefügte
Aktenstück wurde im Jahr 1999 unter

einem NPD-Aktenzeichen gebucht

und abgelegt (die Aussagen des Jür-

gen H. beziehen sich überwiegend

auf die NPD). Ungeachtet des seiner-

zeit festgestellten Bezugs zu dem

Fallkomplex (‚betr. Drilling’, siehe
Aktenfeld des Schreibens (hand-

schriftliche Anmerkung)) wurde es

nicht in Kopie Bestandteil des Vor-

gangs ‚Drilling’. Bei der Bearbeitung
der Erkenntnisanfrage zu Jürgen H.

wurde es aufgefunden […]“

22.12.1999/

31.1.2000

In einem Treffbericht des MAD vom

20. Dezember 1999 wird der angebli-

che Tod der drei Flüchtigen auf Kreta

erwähnt.

Diese Information wurde dem LfV

Thüringen (22. Dezember 1999) und

dem BfV zunächst telefonisch und

dann „im Rahmen der Operation
‚Rennsteig’“ schriftlich am 30. Januar
1999 übermittelt.

(Zu „Kreta“ auch DBM zu Quelle
2045 am 6. Januar 2000 (s.u.))

Maßnahme: Rücksprachen zwischen
3391) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171/172, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 392 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dem LfV Thüringen, dem BfV und

dem MAD.

Das Ergebnis eines (laut Schäfer-

Kommission) beabsichtigten Auswer-

tungsgesprächs ist nicht aktenkundig.

Information des LKA Thüringen.
3392

2000

6.1.2000 Deckblattmeldung zu Quelle 2045:

Quelle 2045 berichtet ebenfalls, von

Mario Brehme über das Gerücht „Tod
auf Kreta“ informiert worden zu sein.
Ihr sei nicht sicher bekannt, woher

die Meldung stamme (Kameraden

von Mario Brehme, die das von Be-

reitschaftspolizisten erfahren haben

wollen).
3393

1.2.2000 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Bei einer NPD-

Schulungsveranstaltung am

29. Januar 2000 habe ein Chemnitzer

B&H-Mitglied, vermutlich Andreas

G., mitgeteilt, „den ‚Dreien’ gehe es
gut“. Er sei daraufhin sofort von
Wohlleben verärgert unterbrochen

worden, „dass dies hier keinen etwas
anginge und er mit seinen Äußerun-

gen noch Zoff bekommen würde.“

Wohlleben habe Quelle 2045 zudem

mitgeteilt, weiterhin halte allein

Carsten Schultze den Telefonkontakt

zum Trio und dies auch nur noch im

Notfall, weil er abredewidrig gegen-

über zwei Szeneaktivisten über den

Telefonkontakt gesprochen habe.

Dies gefährde die gesamte Aktion

und insbesondere ihn, Holger Ger-

lach und Thorsten Heise, weil die

Drei „in nächster Zeit weggebracht
werden sollten.“

Anmerkung des LfV Thüringen:

Telefongespräch mit Herrn L. vom

LfV Sachsen am 9. Februar 2000:

Sachsen will „operativ massiv ein-
steigen“.

Schriftliche Information des LfV

Sachsen am 23. Februar 2000.
3394

15.3.2000 Vermerk des LfV Thüringen zur
3392) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301.

3393) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301.

3394) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172/173, Rn. 301.

Hintergrundklärung Juliane W.: keine

besonderen Erkenntnisse.
3395

26.4.2000 Besprechung zwischen dem LfV

Thüringen, dem LfV Sachsen und

dem LKA Thüringen /Zielfahndung

in Chemnitz (Teilnehmer: N., W., W.,

L.).

Laut Ergebnisprotokoll des LfV

Sachsen war Hauptthema die geplan-

te Kripo-Live-Sendung am 7. Mai

2000. Hintergrund für diese wieder-

holte Fahndungsausstrahlung seien

die neuen Hinweise der letzten Wo-

chen und der aktuelle Druck in Thü-

ringen nach einem Bericht des Nach-

richtenmagazins Der Spiegel über die

„neuen intelligenten Rechten“, wobei
die verschwundenen Terzett-

Mitglieder als Beispiele genannt

werden.

Es wurde die Durchführung folgender

Maßnahmen vereinbart:

Ausstrahlung der Sendung am 7. Mai

2000,

ursprünglich (wegen Sitzung der

G 10-Kommission) ab dem 10. Mai

2000 geplante G 10-Maßnahmen

gegen Quelle 2045, Mario Brehme,

Schultze und K. sollen vorverlegt

werden. „Sollte dies nicht klappen
wird das LKA Thüringen eine kurz-

fristige Maßnahmen nur gegen den,

so vom LfV Thüringen nicht genann-

ten, Verbindungsmann vom Terzett

nach Thüringen, Carsten Schultze,

beantragen.“

Observation von Stefan und Roland

A. sowie Mandy Struck durch das

LKA Thüringen.

Observation von Andreas G., Jan

Werner, Thomas Starke und Kay R.

durch das LfV Sachsen, hierzu soll

auch ein G 10-Antrag vom LfV Sach-

sen gestellt werden.

In der Sendung soll nach Auffassung

des LKA Thüringen kein Hinweis auf

Sachsen oder Chemnitz erfolgen.
3396

3.5. bis

3.8.2000

G 10-Maßnahme gegen Personen aus

dem Umfeld des Trios.
3397
3395) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.

3396) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.

3397) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 393 – Drucksache 17/14600

4.5.2000 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2045:

Quelle 2045 berichtet, Schultze habe

am 26. April 2000 angefragt, ob sie

bereit sei, in den nächsten drei Wo-

chen ein Handy zu einem Familien-

mitglied zu bringen, da aus familiären

Gründen dringend ein Kontakt von

einem Abgetauchten zu den Eltern

gewünscht werde. Schultze könne

dies wegen seiner polizeilichen

Überwachung nicht selbst machen

und suche einen zuverlässigen Ver-

trauten, der zurzeit in Jena nicht zu

bekommen sei. Quelle 2045 habe sich

einverstanden erklärt.

Nicht verifizierbar ist ob es zu einer

Handyübergabe gekommen ist.
3398

Maßnahme: Observation der Mutter

Mundlos am 19. Mai 2000, 13:30 Uhr

– 19:15 Uhr) an ihrem 50. Geburtstag
durch das LfV Thüringen. Es werden

keine Erkenntnisse erlangt.

Mitteilung der Information an das

BfV im November 2011.

Mitteilung der Observation an das

BfV im Dezember 2011.
3399

5.5.2000 Schreiben des LfV Thüringen an das

LKA Thüringen und das LfV Sach-

sen: Es handelt sich vermutlich um

Informationen zur beabsichtigten

Observation von Mandy Struck nach

Ausstrahlung der Sendung Kripo-Live

am 7. Mai 2000.
3400

6.5 bis

7.5.2000

Observation von Mandy Struck in

Chemnitz. Während dieser Observa-

tion werden zahlreiche Fotos gefer-

tigt, die unter anderem Mandy Struck,

ihren damaligen Lebensgefährten Kai

S. sowie eine weitere – unbekannte –
männliche Person zeigen.

Auf einer Aufnahme vom 6. Mai

2000 ist Mandy Struck zu sehen, wie

sie gemeinsam mit Kai S. einen Ein-

kaufswagen zu ihrem Auto schiebt.

Eine andere Aufnahme zeigt eine

unbekannte männliche Person, die

das Haus in der Bernhardtstraße 11,

in dem Mandy Struck wohnt, verlässt.
3398) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, 174, Rn. 301.

3399) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173,174, Rn. 301.

3400) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 174, Rn. 301.

Am 6. Mai 2000 fotografieren LfV

Thüringen-Mitarbeiter diese Person.

Die Person hat nach Auffassung des

LfV Thüringen große Ähnlichkeit mit

Uwe Böhnhardt. Das LfV Thüringen

bittet das LKA Thüringen um polizei-

liche Abklärung, das LKA Thüringen

schaltet das BKA ein.
3401

10.5.2000 Gespräch im LfV Thüringen mit

einem Beamten des LKA Thüringen

über die Observationsmaßnahme am

6./7. Mai 2000.

Information des LKA Thüringen.

Nach Aktenlage ist der genaue Inhalt

des Gesprächs nicht feststellbar; ggf.

werden die im Rahmen der Observa-

tion gefertigten Bilder übergeben.
3402

15.5.2000 Schreiben des LfV Thüringen zu

einer Observationsmaßnahme in

Chemnitz am 6. Mai 2000 (hier Man-

dy Struck) im Fall „Terzett“ an das
LKA Thüringen mit folgender Bitte:

„Das LfV Thüringen weist hiermit
auf die Ähnlichkeit des S., Kay mit

Mundlos, Uwe und der unbekannten

männlichen Person mit Böhnhardt,

Uwe hin. Da das LfV Thüringen nicht

in der Lage ist, die Frage der Identitä-

ten zu klären, bitte ich um Abklärung

auf polizeilichem Wege“. Informati-
on der StA Gera.

3403
19.5.2000 Observation der Mutter von Uwe

Mundlos, die an diesem Tag Geburts-

tag hatte durch das LfV Thürin-

gen.
3404

25.5.2000 Schreiben des LfV Sachsen an das

LfV Thüringen zu Erkenntnissen aus

einer dort geschalteten G 10-

Maßnahme: Danach soll sich Jan

Werner, ein Unterstützer der Drei, am

7. Mai 2000 in Berlin aufgehalten

haben. Ein Polizist will Mundlos und

Zschäpe am selben Tag ebenfalls in

einem Biergarten in Berlin gesehen

haben (Identifizierung anhand vorge-

legter Lichtbilder) in einer Personen-

gruppe von vier Erwachsenen und

zwei Kindern. Zudem wurde festge-
3401) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 174/175, Rn. 301.

3402) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 175, Rn. 301.

3403) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 175, Rn. 301.

3404) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 173, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 394 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stellt, dass eine in Berlin wohnhafte

persönliche Bekannte von Jan Wer-

ner mindestens zwei Kinder hatte.

Diese Bekannte gehörte ebenfalls der

einschlägigen Szene an und wurde

am 7. Mai 2000 mehrfach von Jan

Werner kontaktiert.

Nach Bewertung des LfV Sachsen

kontaktierte Werner die Flüchtigen

möglicherweise am 7. Mai 2000 in

Berlin. Unabhängig davon ging das

LfV Sachsen davon aus, dass sich die

Flüchtigen im Raum Chemnitz auf-

hielten.

Information des BfV (durch Sach-

sen).
3405

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.

5.6.2000 Deckblattmeldung des LfV Sachsen

zu einer dortigen Quelle aus der

rechtsextremistischen Skinhead-

Szene in Sachsen: dieser Quelle wur-

den bereits zum zweiten Mal Bilder

der Flüchtigen vorgelegt, diese seien

ihr jedoch nicht bekannt.
3406

20.6./

21.6.2000

Persönliche Unterredung zwischen

dem damaligen Staatssekretär des

TIM Thüringer Innenministeri-

um (Brüggen) und einem Beamten

des LfV Thüringen, dass das LfV

Thüringen zu keinem Zeitpunkt Kon-

takt zum Trio gehalten und dieses

unterstützt habe. Ein entsprechendes

Schreiben sendet das LfV an das

TIM.
3407

5.7./6.7.2000 Das LfV Thüringen unterrichtet das

LfV Sachsen telefonisch über den

derzeitigen Sachstand im Fall Trio

und fragt nach weiteren Observati-

onsmöglichkeiten. Es wird zudem

mitgeteilt, die Zielfahndung des LKA

Thüringen habe die Observation in

Chemnitz eingestellt.

In einem handschriftlichen Vermerk

weist ein Beamter des LfV Thüringen

in diesem Zusammenhang darauf hin,

dass der Observationsantrag für

Sachsen präzise gestellt werden müs-
3405) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 175/176, Rn. 301.

3406) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 176, Rn. 301.

3407) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 176, Rn. 301.

se; Missverständnisse könnten nicht

geduldet werden.
3408

7.7.2000 Schreiben des LfV Thüringen an das

LfV Sachsen mit der Bitte, als Fol-

gemaßnahme eine weitere Observati-

on von Mandy Struck in Chemnitz

durchzuführen, da der begründete

Verdacht bestehe, der Lebensgefährte

von Mandy Struck habe Kontakt zu

Böhnhardt.
3409

7.8.2000 Telefonische Anforderung eines

Observationsberichts beim LfV Sach-

sen durch das LfV Thüringen.

Ein entsprechender Observationsbe-

richt befindet sich laut Schäfer-

Kommission nicht in den Akten.
3410

9.9.2000 In Nürnberg wird der 38-jährige

Enver Şimşek, Inhaber eines Blumen-
handels, mit mehreren Schüssen aus

zwei Pistolen getötet.
3411

3.11.2000 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2150:

Wohlleben teilt Mario Brehme, Kapke

und der Quelle 2150 in einem persön-

lichen Gespräch am 27. Oktober 2000

mit, er sei von einem Stern-

Journalisten auf die Flüchtigen aus

Jena angesprochen worden. Für die

Vermittlung eines Kontaktes bzw.

eines Interview-Termins sei der Jour-

nalist bereit, 50 000 bis 60 000 DM

zu zahlen. Wohlleben habe sich Be-

denkzeit erbeten.

Eine Vermittlung kommt nicht zu-

stande, da Wohlleben die Sache als zu

gefährlich für das Trio eingestuft

hat.
3412

30.11.2000 Überfall auf die Post-Filiale 50, Jo-

hannes-Dick-Straße 4 in Chem-

nitz.
3413

2001

19.1.2001 Bei der Explosion eines in einer
3408) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 176, Rn. 301.

3409) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.

3410) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.

3411) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.

3412) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.

3413) A-Drs. 225.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 395 – Drucksache 17/14600

Christstollendose eingebauten

Sprengsatzes in einem iranischen

Lebensmittelgeschäft in der Probstei-

gasse in Köln wird die 19 Jahre alte

Tochter des Besitzers schwer ver-

letzt.
3414

28.3.2001 Vermerk über eine Information der

Gewährsperson Tristan (Tibor R.):

Diese teilt mit, Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe seien ihm alle persön-

lich bekannt, nach Szene-

Informationen seien sie vermutlich in

Chemnitz untergetaucht; Mundlos

habe seit 1996 intensive Kontakte zur

Chemnitzer Skin-Szene. Die Namen

befreundeter B&H-Mitglieder werden

mitgeteilt. Mundlos und diese B&H-

Mitglieder hätten sich regelmäßig in

Jena oder Chemnitz besucht.
3415

Mitteilung dieser Information an das

BfV im Dezember 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.

Handschriftlicher Vermerk eines

Beamten des LfV Thüringen (No-

cken): „Diese Information ist es wert,
einen neuen Versuch zu starten, die

‚Drillinge’ zu lokalisieren.“

10.4.2001 Vermerk des LfV Thüringen über

eine Information der Quelle 2150 (=

Oskar = Quelle 2045): Die Quelle

teilt mit, sie habe Wohlleben diskret

gefragt, ob die Drei weiter finanzielle

Unterstützung benötigten, da sie

500 DM spenden könne. Wohlleben

habe daraufhin „cool“ geantwortet,
dass die Quelle das Angebot verges-

sen solle, da nach seinen letzten In-

formation die Drei kein Geld mehr

benötigten, weil sie in der Zwischen-

zeit schon wieder „so viele Sa-
chen/Aktionen gemacht hätten“, was
die Quelle allerdings zum Eigen-

schutz nicht wissen dürfe und solle.

Auch planten Mundlos und

Böhnhardt ins Ausland (Südafrika)

zu fliehen, Zschäpe beabsichtige,

zurückzubleiben; sie werde sich nach

der Abreise der Zwei ins Ausland den

Behörden stellen.
3416

Mitteilung dieser Information an das
3414) MAT A NW-6h, S. 3

3415) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 177, Rn. 301.

3416) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178, Rn. 301.

BfV im Dezember 2011.

Nach Aktenlage erfolgte keine In-

formation des LKA Thüringen.

23.5.2001 bis

22.8.2001

G 10-Maßnahme des LfV Thüringen

gegen Quelle 2045.
3417

29.5.2001 Erklärung von zwei Beamten des LfV

Thüringen (VP Nocken und Wießner),

das Trio sei weder durch das LfV

Thüringen unterstützt noch gedeckt

worden.
3418

13.6.2001 In Nürnberg wird der 48-jährige

türkische Änderungsschneider Ab-

durrahim Özüdoğru in seinen Ge-
schäftsräumen durch zwei Kopf-

schüsse getötet.
3419

27.6.2001 In Hamburg wird der 30-jährige tür-

kische Gemüsehändler Süleyman

Taşköprü in seinem Geschäft mit drei
Schüssen aus zwei verschiedenen

Waffen getötet.
3420

5.7.2001 Überfall auf die Post-Filiale, Max-

Planck-Straße 1a, in Zwickau-

Eckersbach.
3421

29.8.2001 In München wird der 38-jährige Ha-

bil Kilic, Inhaber eines Obst- und

Gemüsehandels, in seinem Geschäft

mit zwei Kopfschüssen getötet.
3422

2002

7.1.2002 Schreiben des BfV an das LfV Thü-

ringen mit Übersendung einer eige-

nen Deckblattmeldung vom

19. Dezember 2001: Die Quelle des

BfV teilt mit, Mirco E. und Quelle

2045 hätten Kontakt zur Redaktion

des Stern aufgenommen, um für ei-

nen angeblich exklusiven Beitrag

zum Möbius-Prozess ein Interview zu

geben: Gleichzeitig wolle Quelle

2045 über seine USA-Reise, finan-

ziert durch das LfV Thüringen, be-
3417) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178, Rn. 301.

3418) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178, Rn. 301.

3419) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.

3420) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.

3421) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 24. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Max-Planck-

Straße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 95 ff.

3422) MAT A GBA 4/1, Bl. 135.

Drucksache 17/14600 – 396 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

richten. Das Unterfangen sei jedoch

gescheitert, da die Reporter nur an

Informationen über die noch flüchti-

gen Rohrbombentäter interessiert

gewesen seien.
3423

4.3.2002 Vermerk des Präsidenten des LfV

Thüringen (Sippel) über ein Gespräch

mit dem damaligen Staatssekretär im

TIM, wonach das LfV Thüringen die

drei Flüchtigen nicht unterstützt und

keinen von ihnen als Quelle geführt

habe.
3424

6. Einzelne Maßnahmen des LfV Thüringen

a) Information des BfV und der LfV über das
Untertauchen – Übersendung von Fotos
des Trios

Mit Schreiben vom 3. Februar 1998 informierte das Lan-

desamt für Verfassungsschutz Thüringen das BfV und

alle Landesbehörden für Verfassungsschutz über die

Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Zu-

gleich bat das Landesamt um Mitteilung von Erkenntnis-

sen zu möglichen Aufenthaltsorten des Trios. Die ange-

schriebenen Behörden wurden gebeten, sofern Erkennt-

nisse zu einem Unterschlupf im Ausland (Niederlande

oder Dänemark) vorliegen sollten, diese mitzuteilen.
3425

Aufgrund welcher Erkenntnisse der Hinweis auf das Aus-

land und insbesondere auf die Niederlande und Dänemark

erfolgte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Mit Schreiben

vom 4. Februar 1998 wurde das Thüringer Innenministe-

rium über die Informationsweiterleitung an das BfV und

die LfV informiert.
3426

Mit Telefaxschreiben vom

5. Februar 1998 wurden darüber hinaus Lichtbilder des

Trios an sämtliche Landesverfassungsschutzämter und an

das BfV übersandt.
3427

Eine Rückmeldung ist lediglich durch das LfV Berlin

ersichtlich: Hier wurde mit Schreiben vom 13. Februar

1998 mitgeteilt, dass keine Erkenntnisse vorlägen und es

wurde – offensichtlich hatte es hier eine Überschneidung
gegeben – um Übersendung von Lichtbildern gebeten.3428
Mit Schreiben vom 22. März 1998 teilte das LfV Berlin
3423) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 178/179, Rn. 301.

3424) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 179, Rn. 301.

3425) Schreiben des LfV Thüringen vom 3. Februar 1998, MAT A

TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), hier: Bl. 35 f.
(VS-NfD).

3426) Schreiben des LfV Thüringen vom 4. Februar 1998, MAT A

TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), hier: Bl. 39 f.
(VS-NfD).

3427) Faxschreiben vom 5. Februar 1998, MAT A TH-3/1, Anlage

01, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), hier: Bl. 43 ff. (VS-NfD).

3428) Schreiben des LfV Berlin an das LfV Thüringen vom

13. Februar 1998, MAT A TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12

– GEHEIM), Bl. 75. (VS-NfD).

mit, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe „in der
rechtsextremen und neonazistischen Szene in Berlin nicht

in Erscheinung getreten“ seien.3429 Reaktionen anderer
LfV sind nicht aktenkundig.

b) Kenntnis des LfV Thüringen von der in der
Garage Nr. 5 aufgefundenen Adress- und
Telefonliste

In den Akten des Vorgangs „Drilling“ des LfV Thüringen
ist die in der Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufgefunde-

ne und im Februar 1998 durch den BKA-Beamten

Brümmendorf in einem Vermerk erwähnte Adress- und

Telefonliste nicht enthalten.
3430

In den Akten des LfV

Thüringen enthalten ist jedoch die ebenfalls bei der

Durchsuchung der Garage Nr. 5 an der Kläranlage aufge-

fundene Liste mit Kfz-Kennzeichen von Zivilfahrzeugen

des LKA Thüringen, die sich im gleichen Asservat 23.C

befand und die ebenfalls in dem Vermerk von KHK

Brümmendorf erwähnt wird, in dem dieser auch die Ad-

ress- und Telefonliste erwähnt.
3431

Bei der in den Akten

des LfV Thüringen enthaltenen Liste mit Kfz-

Kennzeichen handelt es sich offensichtlich um eine Fax-

Kopie: Am oberen Rand der Liste ist der Aufdruck

„-JAN-1998 13:50 LKA Thüringen Dezernat 61“ vorhan-
den. Zudem ist auf der ersten Seite handschriftlich der

Vermerk aufgebracht worden: „sichergestellt bei
Mundlos, Uwe (…) am 26.01.98“.3432

Gegenüber dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge

Nocken bekundet, er habe von der Existenz einer solchen

Liste erst in den Tagen vor seiner Vernehmung vor dem

Untersuchungsausschuss aus der Presseberichterstattung

erfahren. Im Hinblick darauf, ob die Liste für das LfV

nützlich gewesen wäre, hat er ausgeführt:

„Ich weiß jetzt nicht, wer drauf war, aber ich könn-
te mir vorstellen, dass da natürlich Ansatzpunkte

drin gestanden haben, die uns auch weitergebracht

hätten bei der Suche.“3433

Auch der Zeuge Wießner, der Tino Brandt seit Mitte 1998

als V-Mann geführt hat, hat bekundet, dass er mit dieser

Liste etwas hätte anfangen können, wenn er sie gesehen

hätte.
3434

Er habe diese Liste aber nie gesehen. Er wunde-

re sich heute, dass so eine Liste existiert habe.

Der V-Mann-Führer Tino Brandts zum Zeitpunkt des

Abtauchens des Trios, der Zeuge Bode, hat ebenfalls

angegeben, ihm sei die Liste nur aus der Zeitung be-
3429) Schreiben des LfV Berlin an das LfV Thüringen vom 22. März

1998, MAT A TH-3/1, Anlage 01, (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Bl. 124. (VS-NfD).

3430) Siehe hierzu oben unter E. II. 5.

3431) Vermerk vom 19. Februar 1998, MAT A TH-1/2. Bl. 277 ff.

3432) Liste mit Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugtypen, MAT A TH-

3/1, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 01, Bl. 126 f. (Do-
kument selbst nicht eingestuft).

3433) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 59 f.

3434) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 17.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 397 – Drucksache 17/14600

kannt.
3435

Auf Nachfrage, ob dem LfV Thüringen eine

solche Liste bei der Suche nach den Flüchtigen weiterge-

holfen hätte, hat der Zeuge ausgeführt:

„Ja, mit Sicherheit hätte das operative Maßnahmen
möglicherweise hinter sich hergezogen. Von daher

gehe ich davon aus, dass der Verfassungsschutz

nie im Besitz dieser Liste war, weil die Durchsu-

chung hat die Polizei gemacht, und die Polizei

stellt ja ihre Asservate nicht dem Verfassungs-

schutz anschließend zur Verfügung. Also, insoweit

bin ich mir ziemlich sicher, dass die nie den Ver-

fassungsschutz erreicht hat, diese Liste, jedenfalls

nicht auf dem Wege über die Durchsuchung, viel-

leicht durch Informationen über die Polizei; das

weiß ich nicht.“3436

c) Quellenmeldung über das Abschleppen
des unfallbeschädigten Fluchtwagens von
der BAB A4

Laut einer Deckblattmeldung vom 20. Februar 1998 habe

Tino Brandt von Kapke (Leiter der Sektion Jena des

„THS“) erfahren, dass ein namentlich bekannter „THS“-
Aktivist (Andreas R.)

3437
wahrscheinlich am

16. Februar 1998 nach Dresden gefahren sei, um dort den

durch einen Unfall beschädigten PKW von Wohlleben

abzuschleppen. Mit diesem Fahrzeug seien die auf der

Flucht befindlichen Drei offensichtlich unterwegs gewe-

sen. Tino Brandt habe vermutet, die drei Personen hielten

sich im Raum Dresden auf oder seien dort gewesen, da

Mundlos Kontakt zur dortigen Szene habe, die durch die

Gefangenenbetreuung, die Mundlos gemacht habe, ent-

standen seien.
3438

Bei Andreas R. handelt es sich um die Gewährsperson

Alex des LfV Thüringen, die im April 1998 erstmals an-

gesprochen worden sei.
3439

Nach einem handschriftlichen

Aktenvermerk des LfV Thüringen vom 20. Juli 1998 habe

die Gewährsperson Alex „glaubhaft“ mitgeteilt, dass R.
sich im Februar bzw. Anfang 1998 nicht in Sach-

sen/Dresden aufgehalten habe und von ihm auch kein

Fahrzeug von der BAB A4 abgeschleppt worden sei.
3440

Gegenüber dem BKA hat Andreas R. jedoch im März

2013 nunmehr angegeben, im Februar 1998 auf Bitten des

Kapke ein defektes Fahrzeug abgeholt zu haben. Er habe
3435) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 108.

3436) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 108.

3437) MAT A TH 3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 109
f. (VS-VERTRAULICH).

3438) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn 301; Deckblatt-

meldung vom 20. Februar 1998, MAT A TH 3/1, (Tgb.-Nr.
9/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 109 f. (VS-VERTRAULICH).

3439) Schreiben des LfV Thüringen an das BKA, MAT A TH-3/14/2

(Tgb.-Nr. 198/13 – GEHEIM), Bl. 1 des Schreibens.

3440) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn 301; MAT A TH

3/1 (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 90 (VS-
VERTRAULICH).

aber erst kurze Zeit später erfahren, dass es das Auto des

Trios gewesen sei.
3441

Nach Aktenlage leitete das LfV Thüringen die Deck-

blattmeldung an die Verfassungsschutzbehörden in Bran-

denburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-

Vorpommern, Berlin, Sachsen und an das BfV weiter.
3442

d) Observationen mit Amtshilfe des BfV

In Einzelfällen leistete das BfV auf Bitte des LfV Thürin-

gen technische und personelle Unterstützung bei der

Durchführung von Observationen möglicher Kontaktper-

sonen der Flüchtigen. Hierbei handelte es ich um folgende

Fälle:

22. bis 25. Juni 1998:

Observation einer unbekannten Zielperson in Jena durch

das LfV Thüringen mit Unterstützung des BfV; die Ziel-

person trat mit Juliane W. und Wohlleben in Verbin-

dung.
3443

5. bis 10. Juli 1998:

Observation von André Kapke in Jena durch das LfV

Thüringen mit Unterstützung eines konventionellen Ob-

servationstrupps des BfV. Es wurde eine enge Beziehung

zwischen Kapke, Wohlleben und Juliane W. festge-

stellt.
3444

Der Zeuge Egerton, Auswerter im BfV, hat hierzu ausge-

sagt:

„Wir hatten im Jahr 1998 in Thüringen eine Ob-
servation gegen André Kapke unterstützt. Das war

aber meines Wissens auch das Einzige, was wir

tatsächlich aktiv dazu beitragen konnten. Es war

von Anfang an auch festgeschrieben, dass das LfV

Thüringen für die Suche nach diesen Dreien zu-

ständig sein sollte. Es gab also relativ früh eine

Festlegung bei uns und ich glaube auch eine Fest-

legung bei Thüringen. Von daher waren die Zu-

ständigkeiten von Anfang an relativ eindeutig ge-

klärt. Wir haben uns in dieser ersten Phase eigent-

lich nur in der Funktion einer Amtshilfe gesehen,

also nicht als zuständige und federführende Be-

hörde.“3445

„Das ist […] auf Beschaffungsebene gelaufen -,
und es gibt darüber meines Wissens auch keinen

Observationsbericht, zumindest keinen, der bei uns

mal im Rahmen der Aufarbeitung aufgetaucht wä-

re.
3441) Protokoll über die Zeugenvernehmung vom 19. März 2013,

MAT B GBA-4 (Tgb.-Nr. 91/13 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1

ff., 17 ff.

3442) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 223, Rn. 395.

3443) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

3444) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 153, Rn. 301.

3445) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 15.

Drucksache 17/14600 – 398 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Also, jetzt im Nachhinein weiß ich das, dass die

nämlich Kapke als Kontaktperson aufklären woll-

ten. Also, es gab damals natürlich aus dem Quel-

lenaufkommen von ‚2045‘ die Information, die
wir - tja - nur rudimentär hatten, dass Kapke Kon-

taktperson zu den drei Flüchtigen ist. Und darauf-

hin hat Thüringen unsere Observation, eigentlich

unter Umgehung der ‚Auswertung‘, also quasi
auch meiner Person und des Referates 22F dann

auch, darum gebeten, eine Observationsgruppe in

Amtshilfe zugeteilt zu bekommen, und das ist

dann auch entsprechend passiert.“3446

Das BfV stattete das Auto von Tino Brandt (Quelle 2045)

mit Verfolgertechnik aus. Der Zeuge Bode hatte als V-

Mann-Führer von Brandt diesen angewiesen, André

Kapke das Auto „unterzujubeln“:

„Unsere Hoffnung bestand darin, dass Kapke uns
zu den dreien führt, was dann letztlich nicht erfolgt

ist.“3447

26. Juli bis 6. August 1998:

Observation von André Kapke in Jena durch das LfV

Thüringen mit Unterstützung des BfV mit Spurfolgesen-

der. Observationserkenntnisse: Kapke fuhr mit Sven K.

am 4./5. August zu D. nach Coburg, offensichtlich um

Geld für Reisepässe zu holen; die Geldübergabe soll am

5. August 1998 erfolgt sein, ohne dass diese im Observa-

tionsbericht näher dargestellt wird.
3448

16. bis 22. März 1999:

Observation Wohllebens in Jena durch das BfV; die Maß-

nahme erbrachte keine Erkenntnisse.
3449

Der Zeuge

Egerton hat über den Einsatz eines Flugzeugs im Rahmen

der Observation berichtet:

„Das hört sich heute dramatisch an, war aber da-
mals den technischen Möglichkeiten geschuldet.

[…] Das war ein Flugzeug, was der Spurfolge
diente. Die Spurfolge war damals noch nicht mit

GPS ausgerichtet, sondern mit Kreuzpeilung, das

heißt, Sie brauchten zwei unterschiedliche Fix-

punkte, einen davon meist am Fahrzeug, der zwei-

te hat sich dann je nach Gegebenheit in der Luft

befunden. Es war allerdings auch eine Kreuzpei-

lung mit zwei Fahrzeugen möglich. Das ist also ein

rein technisches Detail. Im Zuge der Entwicklung

des GPS oder der Möglichkeiten, GPS-Sender ent-

sprechend zu nutzen, hat sich das Flugzeug dann

auch ad absurdum geführt.“3450

Die Observation habe dadurch zwar durchgeführt werden

können, das Trio sei jedoch nicht aufgespürt worden.
3451
3446) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 51.

3447) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 73.

3448) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154 f., Rn. 301.

3449) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

3450) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 60.

3451) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 60.

17. bis 21. März 1999:

Observation Schultzes in Jena durch das BfV; die Maß-

nahme erbrachte keine Erkenntnisse.
3452

Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf die Maßnahmen

des BfV in Thüringen ausgesagt:

„Ja, wir haben umfangreiche Observationsmaß-
nahmen gemacht, zunächst durch konventionelle

Observation mit Manpower und Fahrzeugen. Das

ist aber dann sehr schnell schiefgegangen, weil Sie

müssen sich zurückversetzen ins Jahr 98/99. Da-

mals gab es auf den Straßen von Thüringen noch

mehr Trabis und Wartburgs als BMWs und VWs

wie heute, und da die Kölner nur mit diesen gro-

ßen Fahrzeugen anrückten, war da nicht viel zu

machen. Können Sie sich ja vorstellen: Da war

dann nicht viel zu machen. […] Dadurch ist also
auch - - sind die Observationen zwei-, dreimal

schiefgegangen. Dann sind wir umgestiegen auf

Spurfolge. Spurfolge heißt also, präparieren von

Fahrzeugen, von deren Fahrzeugen. Und wir sind

dann sogar so weit gegangen, dass wir also Fahr-

zeuge präpariert haben mit Abhöreinrichtungen in-

nendrin und Spurfolgedingen und haben dann die

mithilfe des Bundes aus einem Flugzeug über

mehrere Wochen observiert. […] Wissen Sie, auch
das muss man sehen: So ein Mann wie Wohlleben

ist drüben aufgewachsen. Der kannte das. Und wer

aufpasste, konnte sogar an der Kleidung feststel-

len, ob der aus dem Westen oder aus dem Osten

kam. Das war damals so. Das muss man ganz ein-

fach sehen. Die Ossis hatten damals, wenn ich das

mal so sagen darf in Anführungsstrichen, das Geld

noch nicht. Die Kleidung war entweder ostzonale

Kleidung, oder es war billigere Kleidung. Im Wes-

ten war das anders. Also, wenn man etwas auf-

passte, konnte man da schon Gegenmaßnahmen

ergreifen.“3453

e) Amtshilfe durch die Landesbehörde für
Verfassungsschutz Berlin

Am 16. Februar 1998 informierte VM Otto das LfV Thü-

ringen über Kontakte zwischen André Kapke aus der

Führungsebene der „Kameradschaft Jena“ und Frank
Schwerdt (ab Januar 1998 NPD-

Bundesvorstandsmitglied) in Berlin, um möglicherweise

Adressen für die Flüchtigen für einen Unterschlupf im

Ausland zu erhalten. Eine zweite Möglichkeit sei, man

wolle über Schwerdt, der in Berlin mit der ebenfalls der

rechten Szene zugehörigen Rita B. einen Wohnmobilver-

leih betreibe, ein entsprechendes Fahrzeug für die Flüch-

tigen besorgen. Nachdem Kapke sich in der Folgezeit

nicht mehr für Auslandsadressen interessiert hatte, ging
3452) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

3453) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 399 – Drucksache 17/14600

die Quelle davon aus, dass den Flüchtigen möglicherwei-

se ein Wohnmobil zur Verfügung gestellt worden sei.
3454

Am 17. Februar und 27. Februar 1998 fand ein Informati-

onsaustausch zwischen dem LfV Thüringen und der Lan-

desbehörde für Verfassungsschutz Berlin statt, in dem um

Überprüfung des Wohnmobilverleihs von Rita B. und

Frank S. gebeten wurde. Die Landesbehörde für Verfas-

sungsschutz Berlin teilte dem LfV Thüringen als Ergebnis

der Überprüfung mit, dass auf dem rückwärtigen Teil des

Geländes zwei Wohnmobile ohne amtliche Kennzeichen

abgestellt seien. Dem äußeren Anschein nach seien sie

unbewohnt. Eine Überprüfung sei nicht möglich, da die

Toreinfahrt des Grundstücks verschlossen sei. Auf dem

Dokument des Thüringer Landesamtes für Verfassungs-

schutz findet sich die handschriftliche Schlussverfügung

„z.d.A.“ („zu den Akten“).3455

Nach einer Aktennotiz des BfV vom März 1998 soll das

LfV Thüringen dem LKA Thüringen in diesem Zusam-

menhang „relevante Anlaufadressen“ übermittelt ha-
ben.

3456
In den Akten des LKA Thüringen findet sich

keine entsprechende Dokumentation.

f) Geldübergabe an Kapke in Coburg am
5. August 1998

aa) Chronologie der Schäfer-Kommission

aaa) 29. Juli 1998

In der im Schäfer-Gutachten enthaltenen Chronologie ist

unter dem 29. Juli 1998 vermerkt, dass die Quelle 2045

(Tino Brandt) an diesem Tag von einem Gespräch mit

Kapke am 24. Juli 1998 berichtete.
3457

Kapke hätte mitge-

teilt, er benötige 1 800 DM für das Trio, um diese endgül-

tig aus Jena wegzubringen. Kapke habe die Quelle gebe-

ten, mit dessen Arbeitgeber Dehoust in Coburg wegen

eines Kredites zu sprechen, da Wohlleben keine Mittel zur

Verfügung stellen könne. Die Quelle vermutete, man

wolle das Trio nach Südafrika zu Dr. Nordbruch verbrin-

gen. Zwischen dem 26. Juli und dem 6. August 1998 kam

es daher, wie soeben geschildert, zu einer Observation des

Kapke durch das LfV Thüringen mit Unterstützung des

BfV, wobei hier Spurfolgesender eingesetzt wurden. Die

Observation ergab unter anderem, dass Kapke am 4. und

5. August 1998 mit Sven K. nach Coburg fuhr, offensicht-

lich um das Geld für Reisepässe zu holen. Die Geldüber-

gabe als solche soll am 5. August 1998 erfolgt sein, ohne

dass diese im Observationsbericht näher dargestellt wird.
3454) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3455) Bericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,

A-Drs. 488, S. 133, Rn. 289.

3456) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3457) Hierzu und im Folgenden: Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6,

Bl. 154 f.

bbb) 12. August 1998

Unter dem 12. August ist in der Chronologie vermerkt,

Kapke habe der Quelle 2045 (Tino Brandt) mitgeteilt,

dass er am 4. und 5. August 1998 bei Dehoust in Coburg

gewesen sei und von diesem 1 500 DM erhalten habe. Der

Passfälscher fordere jedoch 1 800 DM. Der ursprüngliche

Passfälscher habe sich mit den zuvor übergebenen

1 500 DM abgesetzt, ohne die Pässe zu liefern.

bb) Ergänzende Angaben des Zeugen
Schrader hierzu

Der Zeuge Schrader hat in seiner Vernehmung von einem

Vorgang berichtet, in dem Geld für Pässe durch das LfV

Thüringen über die Quelle Brandt weitergeleitet wurde.

Dieser Vorgang habe jedoch nach dem Aufenthalt von

Kapke in Südafrika gelegen, wobei es jedoch naheliegt,

dass Schrader den Vorgang im August 1998 meint.

Schrader hat Folgendes berichtet:

„Und dann hieß es also, die wollen versuchen, die
ins Ausland zu bringen. Klar, weil der Fahndungs-

druck sehr stark wurde, mussten sie also irgendwie

raus, und wir wussten, dass dieser Dr. Nordbruch

eine Farm hatte in Südafrika, und wir wussten

auch - das war aber dann schon Ende 98 -, dass

Kapke dort auch gewesen ist. Kapke ist auf der

Farm gewesen einige Wochen, ist dann zurückge-

kommen, und dann hat uns die Quelle berichtet,

dass er also versuchen will, Pässe zu besorgen. Er

hätte da einen Russen an der Hand. Nur die Pässe

sollten also 2 000 oder 2 500 Euro kosten, und sie

wissen nicht, wie sie an das Geld kämen. Haben

die Dehoust wohl gefragt; Dehoust hat, glaube ich,

ein paar Hundert Euro dazugegeben, aber sie ka-

men auf die Summe nicht. Und daraufhin - - […]
Ja, Entschuldigung, ja klar. Pardon! D-Mark! Wir

haben dann im Amt überlegt - Herr Nocken, Herr

Wießner und ich -, wie wir das machen, und sind

dann zu dem Ergebnis gekommen, dass wir über

die Quelle das Geld ihm zuführen, aber eben so,

dass die Quelle erklären konnte, wie sie an das

Geld rankommt, teilweise mit Dehousts Hilfe, teil-

weise mit Sammlungen usw. Den haben wir dann

langsam das Geld zusammenkratzen lassen, damit

es in der Szene glaubwürdig ist, und dann hat

Kapke dieses Geld bekommen.

Wir wussten aber auch zu dem Zeitpunkt, haben da

aber, muss ich ganz ehrlich sagen, noch nicht so

dran gedacht, dass Kapke - - Der hatte immer

Geldprobleme. Dann hat er das Geld gekriegt, und

dann haben wir gesagt: Jetzt müssen wir abwarten.

Und ich habe dann direkt über den Verbindungs-

beamten des TIM, den Herrn Walentowski, BKA,

Verbindungsbeamter, sofort das in die Wege gelei-

tet, weil das der gleiche Flugweg war, den Kapke

auch genommen hatte da runter. Daher sind wir

auf diesen Weg gekommen. Und dann auf einmal

hieß es: Ja, der Kapke hat das Geld dem Passfäl-

scher gegeben; der ist damit stiften gegangen. Und

Drucksache 17/14600 – 400 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dann kriegte aber später die Quelle raus, dass

Kapke das Geld wohl genommen hat, um seine

Schulden zu begleichen.“3458

cc) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika
am 10. August 1998

Wie bereits im Abschnitt E. II. 9. d) dargestellt, erfolgten

aufgrund der auch hier dargestellten Meldung der Quelle

vom 29. Juli 1998 zwischen dem 6. und 8. August 1998

Maßnahmen zur Überprüfung eines Fluges nach Südafri-

ka unter Mitwirkung des BKA und des LKA Thüringen.

g) Meldungen einer Gewährsperson aus dem
Umfeld von Ralf Wohlleben

aa) Die Meldungen als solche

Zwischen September 1998 und Januar 1999 gingen insge-

samt drei Meldungen einer Gewährsperson ein, die über

das persönliche Umfeld mehrerer Personen aus der

rechtsextremen Szene in Jena, hierbei insbesondere aus

dem Umfeld von Ralf Wohlleben berichtete. Aus den

Akten ergibt sich dabei nicht, dass alle drei Meldungen

von derselben Person stammen.

Die Informationen der Gewährspersonen beinhalteten

dabei keine Hinweise zum Aufenthaltsort des Trios.

Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Meldun-

gen:

– Meldung vom 9. September 1998

Informationen über Wohlleben, H. und Zschäpe
3459

Die Informationen wurden bei drei Treffen am 3.

August, 14. August und 9. September 1998 gewon-

nen. Neben Informationen zu den persönlichen Ver-

hältnissen (Einkommen, Berufstätigkeit) bzgl. Wohl-

leben und H. wurde über Beate Zschäpe mitgeteilt,

dass diese einen „neuen Liebhaber“ habe. Auf Licht-
bildern habe die Person Werner, Starke und L. aus

Chemnitz nicht identifizieren können. Zudem sei die

Person bereit, die Mutter von Uwe Mundlos auf ihrer

Arbeitsstelle zu kontaktieren.
3460

– Meldung vom 6. November 1998

Allgemeine Informationen zu Wohlleben und Kapke,

Mitteilung, dass Wohlleben in der Szene auf Fragen

nach dem Trio stets mit Unwissenheit reagiere.
3461

Aus dem Vermerk geht hervor, dass „seit ca. 14 Ta-
gen bei Besuchen in der Wohnung Wohlleben“
Unterhaltungen über den Verbleib der drei Personen
3458) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 144 f.

3459) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 157.

3460) Vermerk (undatiert) über Mitteilungen eines Informanten, MAT
A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 –GEHEIM), Anlage 2, Bl. 122 ff.
(VS-VERTRAULICH).

3461) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 161.

stattfänden, dass jedoch alle, auch Wohlleben, immer

nur mit Unwissenheit antworteten. Die Fragen wür-

den meist von Conny C. gestellt.
3462

– Meldung vom 15. Januar 1999

Es wird unter anderem mitgeteilt, dass über das Trio

in der Szene nicht gesprochen werde. Wohlleben und

Kapke hätten das Motto ausgegeben: „Keiner wisse
was, keiner sage was!“; alle Szene-Leute hielten sich
daran.

3463
bb) Hinweise zur Identität der Hinweisgeberin

Der Zeuge Wießner hat vor dem Untersuchungsausschuss

die Existenz einer „Nahbeobachterin gegen Wohlleben“,
die man auch als Gewährsperson bezeichnen könne, be-

stätigt – und damit auch, dass es sich um eine Frau han-
delte. Er hat jedoch nicht bestätigt, dass es sich bei dieser

Person auch um die Person handelt, von der die eben

genannten Meldungen stammen.
3464

Aus den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Ak-

ten ergeben sich indirekt Hinweise darauf, dass es sich bei

der von dem Zeugen Wießner genannten Nahbeobachterin

um die damalige Freundin von Ralf Wohlleben, Juliane

W., gehandelt haben könnte.

In einem Umschlag befand sich unter anderem ein hand-

geschriebenes Dokument, auf dem im unteren Bereich die

Worte

„Fall W.3465, Juliane (DN Jule)3466

Spur Chemnitz“

stehen.
3467

Darüber hinaus war in einem weiteren, im

gleichen Umschlag enthaltenen handschriftlich erstellten

Dokument unter der Angabe „Mutter Jule“ eine Telefon-
nummer und die damalige Wohnanschrift der Mutter von

Juliane W. vermerkt.
3468

Zudem waren in dem Umschlag unter anderem drei Quit-

tungen enthalten, die jeweils mit dem Namen „Wießner,
ROAR“ gezeichnet sind und in zwei Fällen Zahlungen
über 200 DM, in einem Fall eine Zahlung über 100 DM

darstellen. Als Betreff ist „Prämie an einen Informanten
im Fall Drilling“ bzw. „Gewährsperson im Fall ,Drilling‘;
3462) Vermerk vom 6. November 1998 über Mitteilungen eines

Informanten, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 145 ff. (VS-VERTRAULICH).

3463) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 162; Vermerk vom

15. Januar 1999 über Mitteilungen eines Informanten, MAT A

TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 2, Bl. 162 ff.
(VS-VERTRAULICH).

3464) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 57.

3465) Name wird im Dokument ausgeschrieben.

3466) Der Buchstabe „D“ ist nicht eindeutig zu erkennen.

3467) Vermerk vom 6. November 1998 über Mitteilungen eines

Informanten, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM),
Anlage 3, Bl. 38l.

3468) Schriftstück (undatiert), MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Anlage 3, Bl. 38.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 401 – Drucksache 17/14600

Prämie“ genannt. Als Ort ist jeweils „Jena“ bzw. „Raum
Jena“ angegeben.3469

Juliane W. hat in ihrer Vernehmung durch das BKA am

24. Januar 2012 im Hinblick auf Kontakte zum Verfas-

sungsschutz nach dem Abtauchen des Trios die folgenden

Angaben gemacht:

„Ich wurde dann in der Folge auch von zwei Män-
nern vom Verfassungsschutz auf der Arbeitsstelle

aufgesucht und auf dem Heimweg angesprochen,

die mich hinsichtlich der Drei befragten. Ich teilte

diesen bereits damals mit, dass ich nicht weiß, wo

die Drei sich aufhalten. Sie gaben mir sogar mehr-

fach Geld, damit ich mich kundig mache bzw.

rausbekomme wo sie sich aufhalten. Da ich nicht

weiterhelfen konnte hat sich der Kontakt dann er-

ledigt. Wie bereits gesagt habe ich den Ralf dahin-

gehend mehrmals angesprochen, wobei ich immer

die gleiche Antwort bekam, dass er keinen Kontakt

zu den Dreien hat und nicht weiß wo sie sind.“3470

h) Hinweise des Brandenburger V-Mannes
Piatto auf das Trio im Zeitraum August bis
Oktober 1998

Im Zeitraum August bis Oktober 1998 erhielt der Verfas-

sungsschutz Brandenburg über den V-Mann Piatto
3471

mehrere Meldungen, die einen Bezug zum Trio hatten. Im

Rahmen dieser Meldungen kam es Mitte September 1998

zu Besprechungen im Innenministerium Brandenburg, an

denen auch Mitarbeiter des LfV Thüringen und des LfV

Sachsen teilnahmen. Unklar ist, inwiefern das LfV Thü-

ringen die in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen

Informationen an das LKA Thüringen weitergab.

aa) Darstellung im Schäfer-Gutachten

Im Schäfer-Gutachten werden – wie sich der unter E. III.
5. dargestellten Chronologie entnehmen lässt – unter den
Daten 2., 14. und 18. September und 2. und 14. Oktober

1998 die einzelnen Meldungen dargestellt, die dem LfV

Thüringen durch den Verfassungsschutz Brandenburg

zugingen. Zudem wird dargestellt, dass eine Mitteilung in

Bezug auf diese Meldungen an den damaligen Präsiden-

ten des LKA erfolgt sei und dass unklar sei, weshalb

dieser die Meldung hausintern nicht weitergeleitet ha-

be.
3472
3469) Quittungen vom 14. August 1998, 18. August 1998 und

9. September 1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 –
GEHEIM), Anlage 3, Bl. 38t und Bl. 38u.

3470) Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Juliane W. durch

das BKA vom 24. Januar 2012, MAT A BY-14/1d, Bl. 210 ff.

(213).

3471) Allgemein zum V-Mann Piatto (Carsten Szepanski) siehe

bereits oben im Abschnitt D. III. 1.

3472) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 157 - 160.

bb) Die Meldungen des V-Mannes Piatto im
Einzelnen

Im Zeitraum August bis Oktober 1998 lieferte der V-

Mann Piatto die folgenden Meldungen, die Bezug zum

Trio hatten:

aaa) Deckblattmeldung vom 19. August 1998

Die Deckblattmeldung vom 19. August 1998 (Nr.

124/98)
3473

lautete auszugsweise:

„Laut Antje P. sind drei sächsische Skinheads
(zwei Männer und eine Frau) zur Zeit wegen ver-

schiedener Straftaten auf der Flucht. Dieser Fall

sei medienbekannt. Die drei, von denen einer ano-

nym Artikel für die Publikation White Supremacy

geschrieben habe, wollen sich angeblich innerhalb

der nächsten drei Wochen mit ‚geliehenen Pässen’
nach Südafrika absetzen und dort in neue Identitä-

ten schlüpfen.“

Das Treffen mit dem V-Mann war durch den Zeugen

Meyer-Plath gemeinsam mit dem Zeugen R. G. wahrge-

nommen worden. Der Zeuge Meyer-Plath hat in Bezug

auf das Treffen bekundet:

„Diese Informationen, Herr Vorsitzender, meine
Damen und Herren Abgeordnete, verbuchten wir

in der Meldung unter ‚Verschiedenes‘. Der Sach-
verhalt sagte uns damals gar nichts. Wir hatten das

nicht auf dem Radar.“3474,

sowie:

„Der erste Hinweis – wie ich in meinem Eingangs-
statement geschildert habe – kam mehr oder weni-
ger, nein, er kam aus heiterem Himmel für uns

beide Brandenburger Beschaffer, die diesen Hin-

weis entgegengenommen haben. Wir haben ihn

deshalb ja auch unter ‚Verschiedenes‘ eingruppiert
in der Hoffnung, dass die ‚Auswertung‘ das dann
einordnen kann. Also, er hat völlig von sich aus

über diesen Personenkreis berichtet, der ihm ja of-

fensichtlich auch nicht bekannt war. Für ihn waren

es zu Beginn ja sächsische Skinheads, die unterge-

taucht waren.“3475

bbb) Deckblattmeldung vom 9. September 1998:

Die Deckblattmeldung vom 9. September 1998
3476

(Nr.

140/98) lautete auszugsweise
3477

:

„Einen persönlichen Kontakt zu den drei Skin-
heads (siehe Deckblattmeldung vom 19.08.1998)
3473) Deckblattmeldung vom 19. August 1998, MAT A BB-1, S. 25

ff. (30).

3474) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.

3475) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 21.

3476) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6.

3477) Deckblattmeldung vom 9. September 1998, MAT A BB-1, S.

32 ff. (36).

Drucksache 17/14600 – 402 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

soll Jan Werner haben. Jan Werner soll zur Zeit

den Auftrag haben, ‚die drei Skinheads mit Waffen
zu versorgen‘. Gelder für diese Beschaffungsmaß-
nahmen soll die ‚Blood & Honour‘-Sektion Sach-
sen bereitgestellt haben. Die Gelder stammen aus

Einnahmen aus Konzerten und dem CD-Verkauf.

Vor ihrer beabsichtigten Flucht nach Südafrika soll

das Trio einen weiteren Überfall nach dem Erhalt

der Waffen planen, um mit dem Geld sofort

Deutschland verlassen zu können. Der weiblichen

Person des Trios will Antje P. ihren Pass zur Ver-

fügung stellen. P. und Werner sollen unabhängig

voneinander und ohne Wissen des anderen für die

drei tätig sein.“

Auch dieses Treffen, bei dem Piatto die dieser Meldung

zu Grunde liegenden Angaben machte, nahmen die Zeu-

gen Meyer-Plath und R. G. gemeinsam wahr.

Zu der Herkunft der Informationen hat der Zeuge Meyer-

Plath bekundet:

„Herr Abgeordneter, ich habe da keine persönli-
chen Erinnerung mehr an diese Gespräche. Aber es

spricht dafür, dass er klar gesagt hat: ‚Das habe ich
einerseits von ihm‘, also von Jan Werner, und un-
abhängig davon, auch durch Gespräche mit Antje

P.‘“3478

Mit Jan Werner und Antje P. habe Carsten Szczepanski

schon lange Kontakt gehabt:

„Er hatte eine Vielzahl von Kontakten zu Rechts-
extremisten bundesweit, die ihn insbesondere auch

in der Haft unterstützt haben, und zu denen gehör-

ten schon in den Jahren 94 Rechtsextremisten aus

dem Raum Chemnitz/Limbach-Oberfrohna, insbe-

sondere auch die Personen Jan Werner, Antje P.,

Michael P.“3479

ccc) Deckblattmeldung vom 16. September
1998

Die Deckblattmeldung vom 16. September 1998 (Nr.

142/98)
3480

lautete auszugsweise:

„Ein Angehöriger des ‚Sächsischen Skinhead-
Trios‘ hat den Artikel auf Seite 26 der Publikation
‚White Supremacy‘ verfasst.“

Der Zeuge Meyer-Plath hat bekundet, dass das dieser

Meldung zu Grunde liegende Treffen mit Carsten

Szepanski durch den Zeugen R. G. allein wahrgenommen

wurde.
3478) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 49.

3479) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 22.

3480) Deckblattmeldung vom 16. September 1998, MAT A BB-1, S.

38 ff. (42).

ddd) Deckblattmeldung vom 29. September
1998

Die Deckblattmeldung vom 29. September 1998 (Nr.

150/98)
3481

lautete auszugsweise:

„Am Rande des Konzerts erfuhr die Quelle, dass
Jan Werner bei seinen Versuchen, die drei flüchti-

gen Neonazis aus Thüringen mit Waffen zu ver-

sorgen, noch nicht erfolgreich war und die Suche

fortsetzt.“

eee) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998

Die Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998 (Nr.

158/98)
3482

lautete auszugsweise wie folgt:

„Gesprächsweise konnte die Quelle von Werner
erfahren, dass dieser immer noch auf der Suche

nach Waffen für die drei flüchtigen thüringischen

Neonazis ist.“

Dieser Meldung vorausgegangen war ein Treffen, was

nach Aussage des Zeugen Meyer-Plath am 9. Oktober

1998 stattfand. Den Akten sei, so der Zeuge Meyer-Plath,

bezüglich dieses Treffens Folgendes zu entnehmen:

„Die Quelle erhielt den Auftrag, die weitere Ent-
wicklung der ‚Blood & Honour‘-Spaltung zu ver-
folgen. Darüber hinaus erhielt sie erneut den Auf-

trag, Erkenntnisse zu den drei flüchtigen Thüringer

Neonazis zu beschaffen. Aus diesen beiden Grün-

den wird die Quelle am Wochenende nach Chem-

nitz und Dresden reisen.“3483

Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu weiter bekundet:

„Das war also jetzt nicht: ‚Sollte dir ein Dritter da-
von erzählen, hör nicht zu!‘, sondern: Nutze alle
Gesprächskontakte, die du hast. Wenn dann noch

mehrere dazukommen – gerne, aber natürlich auch
die, die schon vorher offensichtlich bereit gewesen

sind – aus welchen Gründen und ob wahrheitsge-
mäß oder nicht –, solche Informationen zu ge-
ben.“3484

cc) Besprechung in Potsdam bezüglich des
weiteren Umgangs mit der Information am
15. oder 16. September 1998

Am 15. oder 16. September 1998 fand im Innenministeri-

um in Potsdam im Hinblick auf die Quellenmeldung Nr.

140/98 eine Besprechung statt.
3485

Über das Gespräch

existiert ein Vermerk, der das Datum 17. September 1998

trägt und der durch einen Teilnehmer aus dem LfV Sach-
3481) Deckblattmeldung vom 29. September 1998, MAT A BB-1, S.

44 ff. (49).

3482) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998, MAT A BB-1, S. 52

ff. (56).

3483) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 7.

3484) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 49.

3485) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 158.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 403 – Drucksache 17/14600

sen angefertigt wurde.
3486

Der Vermerk vom

17. September 1998, der sich nach Aussage des Zeugen

Meyer-Plath seit dem 22. November 2011 auch in den

Akten des Verfassungsschutzes Brandenburg befände, sei

kein

„abgestimmtes Protokoll, sondern ein Vermerk ei-
nes Mitarbeiters des sächsischen Verfassungs-

schutzes. In diesem Vermerk ist festgehalten, dass

über die Frage, wie die Informationen von

Szczepanski zu den drei flüchtigen Personen an die

Thüringer Polizei übermittelt werden können, be-

raten wurde und dass darüber eine Vorgehenswei-

se abgestimmt wurde.“3487

aaa) Anlass und Datum der Besprechung

Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf den Anlass der

Besprechung geschildert:

„Wir haben zunächst diese Deckblattmeldung auf
dem Postweg bekommen – von Brandenburg, mei-
ne ich, wäre das so gewesen – und wollten dann
mit Brandenburg telefonisch klarkommen, dass

wir das weitergeben können. Das haben die

Brandenburger vehement abgelehnt. Dann haben

wir noch mit Sachsen Verbindung aufgenommen

und haben dann von uns aus vorgeschlagen, dass

wir darüber eine Besprechung führen, damit wir

diese Meldung weitergeben können, und sind dann

meines Wissens erst nach Potsdam gefahren, ha-

ben dann darüber gesprochen. Und es muss auch

bei uns in den Akten einen Vermerk geben; denn

ich weiß, ich habe damals noch einen Vermerk ge-

fertigt, etwa mit dem – – ungefähr sinngemäß, dass
also wir entgegen der Meinung der Brandenburger

trotzdem diese Meldung an die Polizei weiterge-

ben. Das muss irgendwo in den Akten stehen.“3488

Der Zeuge Tüshaus vom LfV Sachsen, der an dem Ge-

spräch selbst nicht beteiligt war, hat im Hinblick auf das

Datum des Gesprächs und auf die Tatsache, dass der

Vermerk über das Gespräch das Datum vom

17. September 1998 trage, bekundet:

„Dieses Gespräch wird in dem Vermerk mit dem
17. September datiert, was ich allerdings jetzt im

Nachhinein für unwahrscheinlich halte; der Ver-

merk selbst datiert vom 17., und die Chronologie

lässt sich eigentlich nur logisch dann erschließen,

wenn man das erste Gespräch auf den 16. legt.“3489
3486) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.

78/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 20 – 21b (Doku-
ment selbst ist VS-VERTRAULICH).

3487) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 6 f.

3488) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 161 f.

3489) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8.

An der Besprechung in Potsdam nahmen vom LfV Thü-

ringen die Zeugen Nocken und Schrader teil.
3490

bbb) Teilnahme von Vertretern des BfV an dem
Gespräch

Eine Teilnahme des BfV sei nach Angaben der Zeugin

Dobersalzka wegen einer kurzfristigen Verlegung des

Besprechungsortes nicht möglich gewesen.
3491

Die Zeugin

Dobersalzka war in den Jahren 1998 bis 2006 zuständige

Referatsleiterin im BfV für den Bereich „Rechtsterroris-
mus.“3492 Dieses Referat war zuständig für die Suche nach
dem untergetauchten Trio.

3493
Die Zeugin hat ausgesagt,

dass die Besprechung zunächst in Thüringen habe statt-

finden sollen, was naheliegend gewesen sei.
3494

Sehr

kurzfristig sei die Besprechung aber nach Potsdam verlegt

worden, so dass ihre Vertreterin, die bereits auf dem Weg

nach Thüringen gewesen sei, nicht mehr habe teilnehmen

können.
3495

Wer an der Besprechung teilgenommen habe,

entziehe sich ihrer Kenntnis.
3496

Sie habe von der Bespre-

chung, obwohl es an diesem Tag zugesagt worden sei,

kein Protokoll erhalten.
3497

Auch in den dem Ausschuss

übersandten Akten des BfV findet sich kein entsprechen-

der Hinweis.

Auch der Zeuge Kippenborck (Sachbearbeiter im Referat

„Rechtsterrorismus“ des BfV) hat ausgesagt, nach seinem
Kenntnisstand habe seitens des BfV deshalb niemand an

dieser Besprechung teilgenommen, weil der Ort des Tref-

fens kurzfristig verlegt worden sei.
3498

Dass eine Sitzung

so kurzfristig verlegt werde, dass ein Vertreter des BfV

nicht mehr teilnehmen könne, sei ein ungewöhnlicher

Vorgang.
3499

ccc) Inhalt der Besprechung

In der Besprechung ging es darum, in welcher Form die

Deckblattmeldung Nr. 140/98 für die Fahndung nutzbar

gemacht werden kann.

In dem Vermerk vom 17. September 1998 heißt es hier-

zu
3500

:
3490) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 51, Schrader, Protokoll-Nr. 53;

S. 137.

3491) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).

3492) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4 (nichtöffentlich).

3493) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 4 f. (nichtöffentlich);

Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 11 f.

3494) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 28 (nichtöffentlich).

3495) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).

3496) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).

3497) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 29 (nichtöffentlich).

3498) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 44 (nichtöffentlich).

3499) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 47 (nichtöffentlich).

3500) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.

78/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 20 – 21b (Doku-
ment selbst ist VS-VERTRAULICH).

Drucksache 17/14600 – 404 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Ziel der Beratung war es, Maßnahmen festzule-
gen, die den Nachrichtengeber (Quelle BB) nicht

gefährden.“

Im Hinblick auf die erfolgten Festlegungen heißt es in

dem Vermerk weiter unter anderem:

„1. IM Brandenburg ist grundsätzlich nicht bereit,
die Quellenmeldung als solches für die Polizei

freizugeben.

2. Ggf. Erstellung eines Behördenzeugnisses

durch BfV, da Unterstützung von dort zuge-

sagt.

3. LfV Thüringen informiert ohne Nennung der

Herkunft der Information das LKA Thüringen

über den Sachverhalt – Behandlung der Hin-
weise mit hoher Sensibilität wird vorausge-

setzt.“

Der Zeuge Boos hat bezüglich der Besprechung und ihres

Ergebnisses bekundet:

„Die Phase zwei beginnt mit der Meldung aus dem
LfV Brandenburg vom 14.09., dass Jan Werner

den Auftrag gehabt haben soll, Waffen zu beschaf-

fen, damit mit den Waffen weitere Überfälle be-

gangen werden können und damit die drei Flüchti-

gen aus der Beute der Überfälle dann auch nach

Südafrika fliegen könnten. Antje P., ebenfalls eine

bekannte Rechtsextremistin aus Sachsen, aus dem

‚Blood & Honour‘- und dem Jan-Werner-Umfeld,
wolle der Zschäpe einen Pass zur Verfügung stel-

len.

Diese Information ist von Brandenburg an das LfV

Sachsen, an das LfV Thüringen und auch an das

BfV gegeben worden. Sie führte dazu, dass jetzt

das LfV Sachsen sich aktiv mit einbrachte, und es

wurde eine gemeinsame Besprechung der beteilig-

ten Verfassungsschutzbehörden durchgeführt. Ziel

war es, über die Weitergabe der Information an die

Polizei zu beraten. Das war natürlich das vorran-

gigste aller Ziele, das jetzt anstand.

Dazu war es natürlich erforderlich, dass die nach-

richtengebende Stelle oder der Nachrichteneigner,

also das LfV Brandenburg, auch dafür seine Zu-

stimmung erteilt. Anderenfalls war eine Weiterga-

be nicht zulässig.

Dieses Ergebnis der Besprechung war, dass das

LfV Brandenburg einer schriftlichen Weitergabe

dieser Meldung nicht zugestimmt hat. Das LfV

Brandenburg hat aber gesagt, die Meldung kann

ohne Angabe der Herkunft der Meldung und nicht

schriftlich, also mündlich, weitergegeben werden

an das LKA Thüringen.

Das war eine Angelegenheit jetzt zwischen dem

LfV Brandenburg als nachrichtengebende Stelle,

LfV Thüringen als nachrichtenweitergebende Stel-

le und dann letztendlich zum LKA Thüringen als

empfangende Stelle. Das LfV Sachsen hatte inso-

fern keine aktive Rolle.“3501

Der Zeuge Vahrenhold hat hierzu bekundet:

„Also Brandenburg hat eine klare Linie gefahren.
Die haben gesagt: Das LfV Thüringen darf infor-

mell das LKA Thüringen informieren. - Das wurde

in Richtung Thüringen gesagt, nicht in Richtung

Sachsen. Eine schriftliche Information wurde da-

mals verweigert.“3502

Der Zeuge Schrader hat ausgeführt, der Verfassungs-

schutz Brandenburg habe die Meldung nicht freigeben

wollen:

„Wir haben ja mit den Brandenburgern einen rich-
tigen Disput gehabt, weil die Brandenburger sag-

ten: Wir geben diese Meldungen nicht frei. Wir

geben sie nicht frei.“3503

Auch die Vertreter aus dem LfV Sachsen hätten in der

Besprechung in Potsdam zunächst die Meinung vertreten,

„dass man das weitergeben muss; aber für die
stellte sich die Frage nicht, weil es hier um Thü-

ringer ging.“3504

Der Zeuge Nocken hat ebenfalls angegeben, eine förmli-

che Weiterleitung der Meldung habe die quellenführende

Dienststelle strikt untersagt.
3505

„Wir haben mehrfach das Landesamt befragt, ob
wir diese Meldung weitergeben können. Man hat

uns mehrfach gesagt, nein, das ginge nicht. Dann

ist es nicht in meiner Macht, zu sagen: Es geht

doch.“3506

Ein leitender Beamter der Brandenburger Verfassungs-

schutzbehörde, so Nocken, habe dem LfV Thüringen

„einen Maulkorb verpasst“.3507

Der Zeuge Tüshaus hat bekundet, dass zunächst noch im

Raum gestanden habe, dass durch das BfV ein Behörden-

zeugnis über die Meldung ausgestellt werde, wodurch

auch eine schriftliche Weitergabe der Meldung möglich

gewesen wäre. Später habe das LfV Brandenburg jedoch

in dieser Hinsicht sein Einverständnis verweigert. Kon-

kret hat Tüshaus bekundet:

„Eine Idee war: Wir machen das neutral; das BfV,
das die Meldung auch hat, sagt: ‚Uns ist dienstlich
bekannt geworden, dass’, und dann wird der Sach-
verhalt neutral geschildert. […] Das hätten wir
auch machen können. Dann hätten wir allerdings

natürlich eine mehr oder weniger falsche Spur ge-

legt. Ich weiß nicht, ob das so ganz korrekt gewe-
3501) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90 f.

3502) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 79 f.

3503) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 137.

3504) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 137.

3505) Nocken, Protokoll Nr. 49, S. 121.

3506) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.

3507) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 19.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 405 – Drucksache 17/14600

sen wäre. Das BfV hat, so der Vermerk, angebo-

ten, so etwas zu machen. Das ist in dem ersten Teil

über das erste Gespräch so festgehalten worden.

Im zweiten Teil, also am 21. September, habe ich

dann festgehalten: Das will das quellenführende

Land nicht mehr.“3508

Am 21. September 1998 habe es, so Tüshaus, ein vermut-

lich telefonisches weiteres Gespräch gegeben. Der hierü-

ber verfasste handschriftliche Vermerk stamme von

ihm.
3509

In dem handschriftlichen Vermerk heißt es zu der

Weitergabe der Quelleninformation:

„Brandenburg hält die Forderung nach Quellen-
schutz aufrecht, die Meldung darf nicht in einer

Weise verwertet werden, die ggf. eine Offenba-

rung nach außen nach sich zieht.“3510

Der Zeuge R. G., seinerzeit einer der V-Mann-Führer der

Quelle Piatto hat bekundet, er erinnere sich nicht an das

Treffen im Innenministerium Brandenburg:

„Null Erinnerung, und ich kann Ihnen nichts sa-
gen. Das kann da so stehen. Ich habe - - Ich kenne

diese Besprechung nicht. Ich habe daran keine Er-

innerung, und das müssen Sie mir so abnehmen.

Ich weiß es nicht.“3511

Aus dem Vermerk vom 17. September 1998 geht hervor,

dass eine Person an dem Treffen teilnahm, die den Nach-

namen von R. G. trug.
3512

Der Zeuge Meyer-Plath hat angegeben, an der Bespre-

chung nicht teilgenommen zu haben.
3513

Darüber hinaus

hat er im Hinblick auf den Vermerk, der auf den 17. Sep-

tember 1998 datiert, bekundet:

„Aus dem Vermerk vom 17.09. - ich kann die ge-
nauen Beweggründe jetzt der einzelnen handeln-

den Akteure nicht nachvollziehen; ich war nicht

dabei - geht der Geist hervor, es ginge um die Fra-

ge des Wie man diese Informationen weitergibt,

nicht des Ob. Das heißt, das war offenbar davon

geprägt, zu sagen: Wir haben eine brisante Infor-

mation, die unbedingt die Polizei erreichen muss,

wir brauchen aber einen Weg, der - und das wird

aus dem Vermerk deutlich - es möglich macht, die

Quelle weiterzuführen.“3514

Allgemein in Bezug auf die damalige Arbeitsweise hat

der Zeuge Meyer-Plath bekundet, was ihm nach Kennt-
3508) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 9 f.

3509) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 9.

3510) Handschriftlicher Zusatz zum Vermerk vom 17. September

1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr. 78/12 – GEHEIM), Ordner 1,
Anlage 4, Bl. 21 (Dokument selbst ist VS-VERTRAULICH).

3511) R. G., Protokoll-Nr. 56 (nichtöffentlich), S. 16.

3512) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.

78/12 –GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 20 f. (Dokument
selbst ist VS-VERTRAULICH).

3513) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 7.

3514) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 64.

nisnahme des aus den 17. September 1998 datierenden

Vermerks im November 2011 aufgefallen sei:

„Da sind mir sofort vier Dinge aufgefallen, die
heute Standard wären im Verfassungsschutz, die

damals offensichtlich in dieser Form nicht beachtet

wurden. Das Erste ist: Wo war das Bundesamt für

Verfassungsschutz? Immerhin ging es bei diesem

Sachverhalt um Flucht ins Ausland - eine originäre

Zuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz, wenn es um Auslandsbezüge von Extre-

misten geht. Das Zweite ist: Wo war die abge-

stimmte Protokollierung? Bei einem Sachverhalt

einer solchen Brisanz wäre es aus meiner Sicht

oder ist es heute absolut State of the Art, zu sagen:

Wir müssen ein Protokoll der gemeinsamen Vor-

gehensweise abstimmen. Was mir ebenfalls fehlt,

ist die Frage: Welche zukünftigen Meilensteine

setzen wir uns? Das, was dort verabredet ist: gu-

cken, ob es funktioniert; aber spätestens an dem

und dem Tag kommen wir wieder zusammen und

gucken, ob uns das jetzt weitergebracht hat oder

nicht. Und die vierte Frage: Spätestens bei diesem

nächsten Treffen wäre aus meiner Sicht in Form

eines Infoboards, so wie das heute gewährleistet

ist, eben auch die Einbindung der Polizei Thürin-

gens und Sachsens notwendig gewesen. Das fällt

an diesem Schriftstück auf. Man sieht daran, dass

wir 15 Jahre weiter sind im Sicherheitsverbund

Verfassungsschutz und Polizei, dass heute völlig

anders gearbeitet würde, als das damals der Fall

war. Das ist auch etwas, wenn Sie mich fragen,

Frau Vizepräsidentin: Was hätten Sie anders ge-

macht? - Spätestens bei der Frage, als ich - - Ich

weiß nicht mehr genau, warum ich an dieser Be-

sprechung nicht teilgenommen habe. Aber als ich

dann wieder in den Dienst kam - - gehe ich davon

aus, dass mich meine Kollegen unterrichtet haben,

gesagt haben: So und so, das war jetzt passiert, das

ist hier verhandelt worden, und so und so ist das

Weitergehen. Dass ich diese vier Punkte hätte an-

mahnen müssen und sagen müssen: Das kann es

aber jetzt nicht gewesen sein. Wir mögen als

Brandenburger aus dieser Veranstaltung rausge-

gangen sein mit dem Gefühl: Das läuft. - - Aber

nachzuhaken, spätestens nach ein paar Tagen und

Wochen, und zu sagen: Haben wir das jetzt im

Griff, ist das bei der Polizei so angekommen, dass

da auch gehandelt werden kann? - Das ist etwas,

was ich mir vorwerfe und mir wahrscheinlich bis

zum Lebensende vorwerfen muss. Ob es dann ge-

reicht hätte, weiß ich nicht. Aber das ist aus meiner

Sicht ein ganz entscheidender Punkt.“3515
3515) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 40.

Drucksache 17/14600 – 406 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dd) Weitergabe der Meldung durch Vertreter
des LfV Thüringen an das LKA Thüringen?

Im Hinblick auf die Weitergabe der Meldung widerspre-

chen sich die Aussagen der Zeugen aus dem LfV Thürin-

gen und aus dem LKA Thüringen.

Der Zeuge Schrader hat erklärt, dass das LfV Thüringen

mit den Ermittlern selbst nicht über diese Quellenmel-

dung bezüglich einer Bewaffnung des Trios gesprochen

habe.
3516

Die Zeugen Nocken und Schrader haben vor dem Unter-

suchungsausschuss übereinstimmend erklärt, sie hätten

die Meldung über eine Bewaffnung des Trios dem Präsi-

denten des LKA, Herrn Luthardt, zukommen lassen.

Die Zeugen Nocken und Schrader haben angegeben, sie

seien gemeinsam noch am Abend der Unterredung nach

Erfurt ins Landeskriminalamt gefahren, um Herrn

Luthardt diesen Sachverhalt vorzutragen.
3517

In einem

anderen Teil seiner Vernehmung hat der Zeuge Nocken

ausgesagt, man sei „nach der Tagung oder nach dem Tag
der Zusammenkunft“ beim LKA-Chef gewesen.3518

Der Zeuge Schrader hat ausgesagt:

„Wir sind extra abends, weil wir nicht wussten,
wie wir diese Meldung anders rüberbringen soll-

ten - - Sie war uns einfach zu heiß, um sie auf der

Arbeitsebene rauszuplaudern, und darum sind wir

extra abends hingefahren zu Luthardt und haben

ihm das gesagt.
3519

Der Zeuge Nocken hat dargelegt, die von der anderen

Landesbehörde eigentlich strikt untersagte Weitergabe sei

dennoch erfolgt und zwar mündlich an den Präsidenten

des LKA in einem vertraulichen Gespräch.
3520

„Wir haben es trotzdem getan, nicht dokumentiert,
aber auf mündliche Art und Weise dem Präsiden-

ten des LKA in einem vertraulichen Gespräch - -

Richtig, wir dachten, das ist die korrekt- - die ein-

zig vernünftige Art und Weise, damit um-

zugehen.“3521

„Wir sind nach der Besprechung, meine ich, direkt
noch abends ins Landeskriminalamt gefahren und

haben den Herrn Luthardt diesen Sachverhalt vor-

getragen, haben gesagt: Wir können es dir eigent-

lich gar nicht sagen; denn Brandenburg sagt Nein,

und zwar ausdrücklich Nein. Wir tun es aber trotz-

dem.“3522
3516) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 125.

3517) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126; Nocken, Protokoll-Nr. 53,
S. 3, S. 18.

3518) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 53.

3519) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.

3520) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.

3521) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.

3522) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18.

Die Meldung sei in „geeigneter Form“ dem Präsidenten
des LKA vorgetragen worden.

3523
„In geeigneter Form“

bedeute:

„ […] wir haben es ihm mündlich vorgetragen, oh-
ne dass er einen schriftlichen Vermerk davon ge-

kriegt hat. […] Die geeignete Form ist das Münd-
liche.“3524

Der Zeuge Nocken hat die Informationsweitergabe in

diesem Fall als „unverantwortlich offen“ bezeichnet.3525
Es wäre

„eigentlich unsere Pflicht gewesen, sie für uns zu
behalten.“3526

„Es ist kein Affront gegenüber diesem Land. Aber
wenn dieses Landesamt strikt um Quellenschutz

bittet und den Quellenschutz in den Vordergrund

stellt, dann ist es sehr schwierig für uns, einfach

diesen Quellenschutz zu missachten und diese

Meldung an die Polizei weiterzugeben; denn da

wird auch die Quelle des Landesamtes extrem ge-

fährdet.“3527

Der Zeuge Schrader hat ausgeschlossen, dass bei dieser

mündlichen Unterrichtung nur der Aspekt „Antje
P./Chemnitz“ erwähnt worden und der Aspekt „Waffen“
weggefallen sei. Er hat ausgesagt:

„Nein, das kann nicht sein, weil es ja nur um diese
Waffen ging - in erster Linie.“3528

Ob auch der weitere Aspekt der Meldung – Flucht nach
Südafrika – bei dieser Unterrichtung detailliert angespro-
chen worden sei, könne er nicht sagen.

3529
Der Zeuge Nocken hat angegeben, dass sämtliche der in

der Meldung enthaltenen Informationen – geplanter Über-
fall, Warten auf Waffen sowie Pläne, sich nach Südafrika

abzusetzen – bei der Besprechung angesprochen worden
seien. Er und Herr Schrader hätten das, was bei der Be-

sprechung angesprochen worden sei, auch dem Präsiden-

ten des LKA mitgeteilt.
3530

Auf Nachfrage zum konkreten

Inhalt der Mitteilung hat er einschränkend geäußert:

„Jetzt kann ich Ihnen nicht mehr genau sagen,
welche Einzelheiten ich da gesagt habe.“3531

Auf die Frage, ob das LfV Thüringen Herrn Luthardt

untersagt habe, die Meldung bezüglich einer Bewaffnung

an die Fahndung weiterzugeben, hat der Zeuge Schrader

geantwortet:
3523) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 40.

3524) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 40.

3525) Nocken, Protokoll Nr. 49, S. 121.

3526) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 4.

3527) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 3.

3528) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 137.

3529) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.

3530) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 53.

3531) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 40.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 407 – Drucksache 17/14600

„Nein, das haben wir so nicht gesagt. Wir haben
Herrn Luthardt nur gesagt, er möge mit dieser In-

formation vorsichtig sein. Wir hätten das auf unse-

re Kappe genommen, das zu sagen, damit Leute,

wenn Leute an die drei rangingen, damit rechnen

müssten, dass sie im Besitz von Waffen seien, aus

Eigenschutzgründen.“3532

Auf Nachfrage, ob man Herrn Luthardt die Meldung

mitgeteilt habe mit der Bitte, dass sie nicht aktenkundig

werde, hat der Zeuge Nocken geantwortet:

„Man sagt: in geeigneter Form.- Richtig.3533

Der damalige kommissarische Leiter des LKA Thüringen,

der Zeuge Luthardt hat auf den Vorhalt, dass im Schäfer-

Gutachten dargestellt sei, dass der Präsident des LKA

seinerzeit über das Gespräch in Brandenburg persönlich

unterrichtet worden sei, bekundet:

„Erst mal: Ich habe lange überlegt. Ich habe den
Schäfer-Bericht ja auch ausführlich gelesen. Ich

kriege das nicht auf die Reihe, diese Aussage dort,

weil an so ein Gespräch hätte ich mich erinnert.

Also, ganz verkalkt bin ich noch nicht, auch wenn

ich schon etwas älter bin. Wie ich mich kenne, von

meiner Persönlichkeit, wüsste ich, wie ich reagie-

re. Und da ich nicht reagiert habe, gehe ich davon

aus, dass ich nicht gemeint bin. Es ist natürlich so:

Man hat oftmals den Namen „Präsident LKA“ -
das ist heute auch üblich -, obwohl dann vielleicht

ein Abteilungsleiter oder ein Dezernatsleiter das

gemacht hat.

Ich habe auch die Zeitabläufe mal rekon-struiert,

wo ich da war. Ich war gar nicht an-wesend, so-

dass es woanders aufgelaufen sein muss. Und ich

finde nicht, wo es aufgelaufen ist. Ich hatte ja da-

mals den Abteilungsleiter 1, später 6, Peter Wer-

ner, mit den Operativmaßnahmen beauftragt ge-

habt, weil ich nicht rumkam. Er kann sich aber

auch nicht, oder: konnte sich auch nicht erinnern

an so ein Gespräch. Das ist also äußerst schwierig,

das jetzt nachzuvollziehen. Mehr kann ich wirklich

nicht sagen. Wenn ich es wüsste, würde ich es Ih-

nen sagen.

Das andere, was Herrn Wunderlich angeht, noch

mal mit den Waffen hier, und auch Gespräch: Das

waren Vermutungen, das war ein - ich sage es mal

- Bauchgefühl. Das war eine reine präventive Sa-

che. Weil ich immer sage: Man muss auch über

solche Sachen reden, nicht, dass tatsächlich etwas

dran ist, und hinterher eskaliert die Lage. Also, da

war ich sicher sehr offen, aber es gab nichts Kon-

kretes.

Und wenn wir gewusst hätten - das sage ich auch;

auch da hätte ich eine andere Schlussfolgerung ge-

zogen -, dass Waffen eine Rolle gespielt hätten -
3532) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.

3533) Nocken, Protokoll Nr. 53, S. 18.

also, das können Sie wirklich glauben; und wenn

wir zehn andere Vorgänge in die Ecke geschmis-

sen hätten -: Da hätten wir aber - ich sage es mal -

Priorität eins, drei Sterne geschossen und hätten

das gemacht. Das wussten wir aber nicht. Deswe-

gen haben wir es auch nicht gemacht.“3534

Der damalige Leiter der Zielfahndung des LKA, der Zeu-

ge Wunderlich, hat vor dem Untersuchungsausschuss

verneint, über die Versuche des Trios, Waffen zu beschaf-

fen, unterrichtet worden zu sein. Er hat bekundet:

„Nein, weil dann wären wir auch - - Logischer
Schluss: Wir wären gar nicht mehr alleine los und

hätten Ermittlungen durchgeführt. Wir hätten ein

Spezialeinsatzkommando dabeigehabt.“3535

„Wir hatten keine Kenntnis von dem Sachstand
unseres polizeilichen Gegenübers. Das ist rich-

tig.“3536

Auch den Akten des LKA Thüringen konnte kein Hinweis

darauf entnommen werden, dass diesem die Meldung

„dienstlich bekannt“ sei.

Auf Vorhalt, dass der damalige Präsident des LKA,

Luthardt, vor dem Untersuchungsausschuss angegeben

habe, an die Unterrichtung keine Erinnerung zu haben, hat

der Zeuge Schrader erklärt:

Wenn er sich daran nicht erinnert - ich kann Ihnen

jetzt nicht sagen, warum. Ich will ihm auch gar

nichts unterstellen, aber ich bleibe dabei -„3537

Auch der Zeuge Nocken hat angegeben, er könne nicht

beurteilen, warum Herr Luthardt keine Erinnerung an die

Meldung habe.
3538

Auch in dem schon erwähnten Vermerk vom

17. September 1998 ist vermerkt, dass eine „Besprechung
mit dem Präsidenten des LKA TH“ erfolgt sei. Dieser
habe für die Umsetzung der Maßnahmen einen schriftli-

chen Bericht gefordert, „um beim Amtsrichter Beschlüsse
für TÜ und Observation zu beantragen.“3539

ee) Suchmaßnahmen im zeitlichen Zusam-
menhang mit den Meldungen des V-
Mannes Piatto

aaa) Maßnahmen des LKA Thüringen

Die im Rahmen der Fahndung nach dem Trio durchge-

führten Maßnahmen des LKA Thüringen zwischen Au-

gust und Oktober 1998 in Bezug auf Jan Werner und
3534) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 109.

3535) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 21.

3536) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 22.

3537) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 126.

3538) Nocken, Protokoll Nr. 53, S. 4.

3539) Vermerk vom 17. September 1998, MAT A TH-3/6 (Tgb. Nr.

78/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 4, Bl. 21 (Dokument
selbst ist VS-VERTRAULICH).

Drucksache 17/14600 – 408 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Antje und Michael P. sind im Abschnitt E. II. 9. a) darge-

stellt worden.

Die gegen Jan Werner erfolgte TKÜ-Maßnahme war

bereits vor Eingang der ersten Meldung des V-Mannes

Piatto eingeleitet worden. In einem Schreiben des LKA

Thüringen an das LfV Thüringen vom 15. September

1998, in dem diese TKÜ-Maßnahme mitgeteilt wird, wird

nicht erwähnt, dass Jan Werner beauftragt wäre, Waffen

zu organisieren.
3540

Die gegen Antje und Michael P. im Oktober 1998 durch-

geführten TKÜ-Maßnahmen wurden in zeitlicher Hinsicht

erst nach Vorliegen der Informationen des Brandenburger

V-Mannes Piatto durchgeführt. Zudem ist in den Anre-

gungsvermerken stets davon die Rede, dass ein möglicher

Zusammenhang zu diesen Personen „dienstlich bekannt“
geworden sei.

3541
bbb) Maßnahmen der LfV Thüringen und Sach-
sen

Die Maßnahmen des LfV Sachsen, die in zeitlichem Be-

zug zu der Besprechung in Brandenburg stehen, werden

unter E. IV. 1. dargelegt werden.

Am 15. und 16. Oktober 1998 erfolgte eine Observation

von Jan Werner im Rahmen einer Operation „Pappma-
schee“ durch das LfV Sachsen. In den Akten des LfV
Thüringen findet diese Observation keine Erwähnung; es

ist nicht erkennbar, ob das LfV Thüringen Kenntnis von

der Maßnahme hat. Ebenfalls erfolgte nach Aktenlage

keine Information über den Inhalt der Quellenmitteilung

an das LKA Thüringen.
3542

ff) Weiterer Umgang des LfV Thüringen mit
den Quellenmeldungen

Auf die Frage, ob dem LfV Thüringen bei der Formulie-

rung in der Quellenmeldung, soweit diese richtig wieder-

gegeben sei, das Trio plane „weitere Überfälle“, der Ge-
danke gekommen sei, dass das Trio bereits zuvor – zwi-
schen Abtauchen des Trios und Aufkommen des Hinwei-

ses – Überfälle verübt habe und man diesem Gedanken
Bedeutung beigemessen habe, hat der Zeuge Nocken

ausgeführt:

„Genau das hat uns ja so stutzig gemacht. Es hieß:
weitere Überfälle. Das setzt ja voraus, es hat schon

Überfälle oder zumindest einen Überfall gegeben.

Uns war aber überhaupt nicht klar und bekannt, ob

es überhaupt einen Überfall gab. Das hat uns ja

auch so kritisch gemacht, was die Meldung als

Ganzes betrifft.“3543

Er hat ergänzt, das Wissen um Überfälle
3540) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159, Rn. 301 (Datum:

2. Oktober/14. Oktober).

3541) Siehe hierzu oben unter E. II. 9. a) bb).

3542) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 159/160, Rn. 301.

3543) Nocken, Protokoll Nr. 53, S. 54.

„hat ja die Polizei. Aber wo soll ich denn nach ei-
nem Überfall suchen? Es ist ja die Frage, wo man -

-- Das kann ja überall gewesen sein.“3544

Auf Nachfrage, ob seitens des LfV Thüringen eine allge-

meine Anfrage bei der Polizei in Thüringen oder Sachsen

durchgeführt worden sei, ob es Raub- oder Banküberfälle,

begangen durch zwei männliche Täter oder ein Trio, ge-

geben habe, hat der Zeuge Nocken ausgesagt:

„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das ge-
macht haben. Das hätte man machen können.

Ja.“3545

In Bezug auf den weiteren Umgang mit der Quellenmel-

dung hat der Zeuge Nocken angegeben:

„Da ist aber nie mehr wieder was gekommen, so-
weit ich das in meiner Erinnerung habe. Das blieb

eine Einzelmeldung des anderen Bundeslandes.

Ergänzend: Aus keinem anderen Bereich weder

des BfV - - noch die Sachsen noch wir haben ir-

gendeinen Hinweis, dass da was dran gewesen sein

könnte und was da dran gewesen - - Sie sind ja

auch schließlich nicht nach Südafrika gereist. Ei-

nen Überfall hat es vorher auch noch keinen gege-

ben. Insofern: Hätte man gesagt: ‚Einen Überfall
gab es da schon, das war nämlich der und der, und

jetzt kommt ein weiterer‘, dann wäre das vielleicht
noch ein bisschen konkreter geworden. Aber es

war für uns eine unbestätigte Meldung einer Quel-

le, die wir gar nicht beurteilen konnten und wo uns

das Land gesagt hat: Der Quellenschutz bleibt be-

stehen, egal, was kommt.“3546

Das LfV Thüringen habe

„sicherlich in Besprechungen mit dem anderen
Bundesland immer wieder mal gefragt und gehört:

Hat sich da was Neues getan?“3547

Auch bezüglich eventueller Erkundigungen bei der Poli-

zei nach dem Umgang mit der Meldung hat der Zeuge

Nocken erklärt:

„Da kann ich mich nicht dran erinnern, dass wir
mit der Polizei darüber gesprochen [haben].“3548

Bezüglich einer Nachfrage bei Herrn Luthardt hat er

bekundet:

„Den habe ich nicht mehr gefragt, was daraus ge-
worden ist.“3549

Der Zeuge Wießner hat ausgesagt, von der Besprechung

in Brandenburg sei ihm berichtet worden. Ihm sei auch

gesagt worden, die Meldung sei an die Polizei weiterge-
3544) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 54.

3545) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 54.

3546) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 40.

3547) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 41.

3548) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 18; S. 40.

3549) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 41.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 409 – Drucksache 17/14600

geben worden.
3550

Ob Herr Wunderlich die Meldungen

gekannt habe, wisse er nicht.
3551

Nicht eindeutig ist auch die Aussage des Zeugen Wießner

zu der Frage, ob im LfV Thüringen die Meldung bezüg-

lich der Waffen bei Quellen nachgefragt worden sei.

Der Zeuge Wießner hatte im Rahmen der Ermittlungen

nach dem 4. November 2011 in seiner Vernehmung durch

das BKA ausgesagt, er wisse nichts von einer Meldung

bezüglich Waffen.
3552

Diese Aussage hat er vor dem Aus-

schuss damit erklärt, dass der Bericht im Referat „Rechts-
extremismus“ in der „Auswertung“ eingegangen sei und
man dort zwischen „Auswertung“ und „Beschaffung“ –
mit der der Zeuge befasst war – unterschieden worden
sei.

3553
Der Zeuge hat aber bestätigt, dass er den Bericht

paraphiert habe. Auf Vorhalt, dass man doch nur para-

phiere, wenn man eine Meldung auch zur Kenntnis neh-

me, hat der Zeuge Wießner erklärt:

„Aber, […], Sie glauben doch, dass danach gefragt
worden ist, gerade bei Waffen und Sprengstoff

oder sonst was. Da ist doch garantiert nachgefragt

worden, und wenn da ein Ergebnis gekommen wä-

re, wäre das – .“3554

Gegenüber der Quelle [Tino Brandt] sei bezüglich einer

Bewaffnung

„Hundertprozentig […] nachgefragt worden.“3555

Seine Aussage gegenüber dem BKA, er wisse nichts von

Waffenbeschaffung, hat er damit erklärt, dass er nach 13

Jahren keine Details mehr gewusst habe. Auch die Erin-

nerung an seine Paraphierung sei erst erfolgt, als ihm von

der Schäfer-Kommission das Blatt gezeigt worden sei. Er

müsse ehrlich sagen, dass er sich an den Vorgang nicht

mehr habe erinnern können.
3556

Er sei aber überzeugt:

„Wenn da Waffen, Sprengstoff etc., so was als
Meldung kam, wäre gefragt worden, und wenn ein

Ergebnis gekommen wäre, wäre das auch doku-

mentiert worden.“3557

Auf Nachfrage hat er erklärt:

„Ich kann es heute nicht mehr sagen, ob ich die
Quelle danach gefragt habe. Ich kann es wirklich

nicht.“3558
3550) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 36.

3551) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 36.

3552) Zeugenvernehmung Wießner, vom 24. Januar 2012, MAT A

BY-14-1d, S. 206.

3553) Hierzu und im Folgenden: Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.

3554) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.

3555) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.

3556) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.

3557) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 66.

3558) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 67.

gg) Kontakt zwischen dem Mobiltelefon von
Jan Werner und einem Mobiltelefon des
Landes Brandenburg

aaa) Zeitpunkt der Telefonverbindun-
gen/Zeitpunkt und Inhalt der SMS

Im Rahmen der durch das LKA Thüringen durchgeführ-

ten TKÜ beim Mobiltelefon von Jan Werner
3559

wurde

dem LKA Thüringen bekannt, dass zwischen dem über-

wachten Mobiltelefon von Jan Werner (Rufnummer

0172/3521XXX) und einem Mobiltelefon mit der Ruf-

nummer 0172/3922XXX zwischen dem 15. und 30. Au-

gust 1998 mehrere Gespräche stattfanden und SMS-

Kurznachrichten versandt wurden. Im Einzelnen lässt sich

aus den hierzu noch vorliegenden sogenannten S-Records

bezüglich der Kontakte Folgendes entnehmen, wobei

anzumerken ist, dass bei den SMS nicht feststellbar ist, ob

diese angenommen oder versandt wurden, und bei den

Telefongesprächen unklar ist, ob die Verbindungen über-

haupt zu Stande kamen und wie lange eine Verbindung

dauerte:

– Verbindung am 23. Juli 1998, 15.30 Uhr3560

– Verbindung am 26. Juli 1998, 19.21 Uhr3561

– Verbindung am 15. August 1998, 22.45 Uhr, abge-
hend

3562
(vom Mobiltelefon von Jan Werner)

– Verbindung am 15. August 1998, 23.11 Uhr, abge-
hend

3563
– SMS vom 16. August 1998, 2.07 Uhr3564:

„BITTE UM 8.45 UHR MICH MIT DEINER
STIMME BEL[STIGEN. JAN“

– Verbindung am 16. August 1998, 8.47 Uhr, einge-
hend

3565
(auf dem Mobiltelefon von Jan Werner)

– SMS vom 16. August 1998, 11.48 Uhr3566:

„IM US#10 STAND ETWAS ZU B.B!“

– SMS vom 16. August 1998, 11.55 Uhr:

„H[?“3567
3559) Siehe hierzu oben unter E. II. 9. a) aa)

3560) Verbindungsdatenübersicht zum Anschluss 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 162.

3561) Verbindungsdatenübersicht zum Anschluss 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 162.

3562) S-Records bzgl. der TKÜ bzgl. der Rufnummer
0172/3521XXX, MAT A TH-1/9, Bl. 200.

3563) S-Records bzgl. der TKÜ bzgl. der Rufnummer

0172/3521XXX, MAT A TH-1/9, Bl. 200.

3564) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 200.

3565) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 200.

3566) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 201.

3567) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 201.

Drucksache 17/14600 – 410 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Verbindung am 16. August 1998, 12.14 Uhr, einge-
hend

3568
– SMS vom 20. August 1998, 13.24 Uhr3569:

„IST DAS PAKET AN HENNING
UNTERWEGS? CS@“

– SMS vom 20. August 1998, 13.25 Uhr3570:

„JA!“

– SMS vom 20. August 1998, 13.30 Uhr3571:

„O.K.,DANKE! CS“

– SMS vom 20. August 1998, 13.31 Uhr3572:

„DANKE F“R DEN ANRUF AM MONTAG.“

– SMS vom 20. August 1998, 14.03 Uhr3573:

„KEINE GELEGENHEIT, DA OHNE HANDY!
BIN JETZT GERADE IM UNTERICHT! CS“

– Verbindung am 23. August 1998, 16.53 Uhr, einge-
hend

3574
– Verbindung am 25. August 1998, 19.19 Uhr, abge-
hend

3575
– SMS vom 25. August 1998, 19.21 Uhr3576:

„HALLO. WAS IST MIT DEN BUMS?“

– SMS vom 26. August 1998, 12.25 Uhr3577:

„AM SONNTAG INNERHALB DES D2
NETZES UND VON D2 ZUM FESTNETZ

KOSTENLOS TELEFONIEREN.

MANNESMANN FEIERT 5 MIO.KUNDEN“

– Verbindung am 30. August 1998, 9.45 Uhr, abge-
hend

3578
(der nachfolgende Anruf ist 40 Sekunden später ver-

zeichnet)
3568) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 201.

3569) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 234.

3570) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 234.

3571) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 235.

3572) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 235.

3573) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 235.

3574) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 252.

3575) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 272.

3576) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 272.

3577) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,
MAT A TH-1/9, Bl. 278.

3578) S-Records bzgl. der TKÜ bei der Rufnummer 0172/3521XXX,

MAT A TH-1/9, Bl. 313.

Aufzeichnungen des Inhalts der Gespräche sind nicht

erhalten.

bbb) Maßnahmen des LKA Thüringen im Hin-
blick auf die festgestellten Kontakte

Durch das LKA Thüringen wurde am 10. November 1998

beim Mobilfunkbetreiber um Mitteilung des Inhabers der

Mobilfunknummer 0172/3922XXX gebeten. Die Mittei-

lung erfolgte am 26. November 1998. Inhaber der seit

dem 21. November 1997 aktiven Rufnummer war das

Ministerium des Innern des Landes Brandenburg.
3579

Es

ist nicht ersichtlich, dass im Hinblick hierauf weitere

Maßnahmen des LKA Thüringen erfolgt wären.

ccc) V-Mann Carsten Szepanski des Landes
Brandenburg als Kommunikationspartner
von Jan Werner

Der Zeuge Meyer-Plath hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss bestätigt, dass das Mobiltelefon mit der Rufnum-

mer 0172/3922XXX im Zeitraum der aufgezählten Kon-

takte an den V-Mann Piatto ausgegeben gewesen sei:

„Es hat sich ja später ergeben - das kann man der
Akte entnehmen -, dass bei einer TKÜ, ich glaube,

des Landeskriminalamtes Thüringen herausge-

kommen ist, dass dieses Handy, das Piatto zur

Verfügung gestellt wurde, auf das Innenministeri-

um des Landes Brandenburg angemeldet war. Das

würde man heute als operativen Super-GAU be-

zeichnen.“3580

Für Carsten Szepanski als Kommunikationspartner spricht

zusätzlich, dass einige der SMS mit dem Kürzel „CS“
enden.

ddd) Kurznachricht vom 25. August 1998 („Was
ist mit den Bums“) als Hinweis auf Waf-
fenbeschaffung?

Insbesondere vor dem Hintergrund der Deckblattmeldung

vom 9. September 1998, in der Carsten Szepanski melde-

te, Jan Werner habe den Auftrag, dem Trio Waffen zu

besorgen,
3581

könnte der Inhalt der Kurznachricht als

möglicher Hinweis auf eine Waffenbeschaffung betrach-

tet werden. Auf entsprechende Nachfrage hat der Zeuge

Meyer-Plath hierzu bekundet:

„Das ist reine Spekulation. Ich kann das Wort
‚Bums‘ jetzt im Nachgang gemeinsam mit Ihnen
versuchen zu interpretieren. Es kann eine Vielzahl

von Bedeutungen haben. Welche es konkret in die-

ser SMS hatte, kann ich Ihnen nicht sagen.“3582
3579) Mitteilung der Mannesmann Mobilfunk GmbH vom 26. No-

vember 1998, MAT A TH-1/10, Bl. 365.

3580) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 25.

3581) Siehe hierzu oben E. III. 6. h) bb) bbb).

3582) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 28.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 411 – Drucksache 17/14600

Nach Aussage des Zeugen Meyer-Plath dürfte die Kurz-

nachricht Carsten Szepanski nicht erreicht haben, denn

das Mobiltelefon sei zuvor ausgetauscht worden. In dieser

Hinsicht hat der Zeuge Meyer-Plath bekundet:

„Dort kann man dann weiterhin entnehmen, dass
zu diesem Zeitpunkt dieses Innenministeriums-

handy aus Gründen der Konspiration - das war ja

nun bekannt geworden, dass das problematisch ist

– abgeschaltet worden ist und ersetzt wurde durch
eines, was legendiert zugelassen war, sodass wir

davon ausgehen, dass diese SMS zum Zeitpunkt -

Sie hatten es gesagt - 19.21 Uhr bereits auf einem

toten, nicht mehr aktiven Handy gelandet ist und

auch die, falls es noch nachfolgende SMS gegeben

hat - - Es hat vorher, glaube ich, auch einen Tele-

fonversuch von Werner zu diesem Handy gegeben,

was zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aktiv war.“3583

Anders als die Schäfer-Kommission hat der Untersu-

chungsausschuss keine Anhaltspunkte dafür gefunden,

dass sich das Mobiltelefon des Innenministeriums Bran-

denburg zum Zeitpunkt der SMS am 25. August 1998 in

Chemnitz befand.

Bekannt geworden sei die Tatsache, dass eine TKÜ-

Maßnahme des LKA Thüringen gegen das Mobiltelefon

von Jan Werner erfolge, durch eine Mitteilung des BfV.

Der Zeuge Meyer-Plath hat hierzu bekundet:

„Ich habe bei der Vorbereitung auf den heutigen
Termin in der Aktenlage gefunden, dass dies wohl

ein Hinweis des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz war - was auf welchen Wegen, habe ich

jetzt nicht mehr erinnerlich -, und mitbekommen,

dass eine TKÜ-Maßnahme des thüringischen

LKA, meine ich, eben gegen den Betroffenen

Werner lief und in dessen Rahmen das eben so

rausgekommen war. Und darüber hat uns die Kol-

legin - ich glaube, es war eine Kollegin - des Bun-

desamtes für Verfassungsschutz unterrichtet, so-

dass wir daraus den Schluss zogen: Das war jetzt

aber nicht State of the Art nachrichtendienstlicher

Legendierung von Kommunikationswegen, wes-

wegen dann am 25. ein anderes Handy zur Verfü-

gung gestellt wurde.“3584

i) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV
Thüringen im Fall „Drillinge“ vom 15. Juni
1999

Am 15. Juni 1999 verfasste der Referatsleiter „Rechtsex-
tremismus“ im LfV Thüringen, der Zeuge Schrader, einen
„Vorläufigen Abschlussvermerk im Fall ‚Drillinge’“, der
ausweislich der Akte des LfV dem BfV, sowie nachricht-

lich auch den Landesämtern Sachsen, Brandenburg,
3583) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 28.

3584) Meyer-Plath, Protokoll-Nr. 64, S. 44.

Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen übersandt wur-

de.
3585

In diesem wird u. a. ausgeführt, dass bereits seit 1998

Hinweise auf einen Aufenthalt von Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe in Chemnitz vorhanden seien. Zudem ist

vermerkt, dass zwischenzeitlich beim LfV Thüringen

„eindeutige Hinweise“ vorlägen, dass die Flüchtigen
nunmehr im „nördlichen Bereich der Bundesrepublik“
untergebracht werden sollen.

3586
Wörtlich heißt es im Vorläufigen Abschlussvermerk des

LfV Thüringen:

„Im Frühsommer des Jahrs 1998 bat dann das
TLKA erneut das TLfV um Amtshilfe bei der

Fahndung nach den drei gesuchten ‚Bombenbast-
lern’. Unter der Fallbezeichnung ‚Drillinge’ wur-
den daraufhin durch das TLfV umfangreiche Ob-

servationsmaßnahmen mit großzügiger Unterstüt-

zung des BfV durchgeführt. Im Zuge dieser Er-

mittlungen sowie der Zusammenarbeit mit der

Zielfahndung des TLKA konnte festgestellt wer-

den, dass ein bestimmter Personenkreis um den

Neonazi André Kapke aus Jena unmittelbare Ver-

bindung zu den drei Gesuchten hat. Über die Szene

wurde bekannt, dass die drei Gesuchten

monopolyartige Spiele mit dem Namen

‚Pogromly’ fertigen, die dann der Szene für je DM
100,- verkauft würden und von denen der Lebens-

unterhalt der Gesuchten u. a. bestritten werden

sollte. Über Bestellung und Aufkauf derartiger

Spiele sollte versucht werden, an den Aufenthalts-

ort der Gesuchten heranzukommen.

Wie heute bekannt ist, wurden die im Zuge des

Aufkaufs der Spiele erhaltenen Gelder neben ande-

ren Geldern von A. Kapke unterschlagen und

zweckentfremdet verwendet.

Auch im August, September und Oktober 1998

durchgeführte G 10-Maßnahmen, gegen bekannte

weitere Rechtsextremisten im Raume Jena, führten

zu keinem greifbaren Ergebnis.

Ende Oktober 1998 begannen erste Gespräche

vom TLfV ausgehend mit den Eltern des Gesuch-

ten Uwe Böhnhardt in Jena mit dem Ziel, den

Sohn Böhnhardt und/oder alle drei Gesuchten zu

einer freiwilligen Gestellung zu bewegen. Der von

den Eltern daraufhin als Vertrauensperson benann-

te Rechtsanwalt aus Gera erwies sich jedoch als

offenbar der Angelegenheit nicht gewachsen. Ob-

wohl die Eltern des Uwe Böhnhardt an einer frei-

willigen Gestellung sehr interessiert waren, gelang

es dem Rechtsanwalt nicht, die erforderliche Ver-

bindung zur Szene herzustellen, so dass nach hie-

sigem Eindruck die freiwillige Gestellung letztend-

lich durch die Verbindungsleute innerhalb der
3585) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169/170, Rn. 301.

3586) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 169 f., Rn. 301

Drucksache 17/14600 – 412 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Szene zunichte gemacht wurde. Deshalb wurde mit

dem Schreiben vom 19.03.1999 dem Rechtsanwalt

das Ende der Verhandlungen mitgeteilt.

Nachdem es in der Folgezeit gelang, eine Quelle

des TLfV in die unmittelbare Nähe der Verbin-

dungsleute der Jenaer Extremistenszene zu den

Drillingen zu bringen, erfolgte in der Zeit vom 16.-

22.03.99 eine (vorerst letzte) Observationsmaßna-

me wiederum mit großzügiger Unterstützung des

BfV Köln. Leider führte auch diese Maßnahme

nicht zum gewünschten Erfolg.

Im Verlaufe des Jahres 1998 und des I. Quartals

1999 waren an den Observations- und G 10-

Maßnahmen neben dem BfV die LfV`s Sachsen,

Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern be-

teiligt. Insgesamt verdichten sich während des ge-

samten Zeitraums die Hinweise darauf, dass die

drei Flüchtlinge zunächst im Februar/März 1998

mit Hilfe sächsischer Rechtsextremisten in den

Raum Chemnitz verbracht würden. Auf Grund des

Überwachungs- und Fahndungsdruckes im Som-

mer 1998 sollte dann eine weitere Verbringung ins

Ausland (vermutlich Süd-Afrika) erfolgen. Wie

heute bekannt, scheiterte auch diese Ausreise letzt-

endlich an der Unterschlagung bestimmter Gelder

durch den Rechtsextremisten A. Kapke in Jena.

Spätestens seit März 1999 verdichten sich wieder

die Hinweise darauf, dass sich die drei Gesuchten

wiederum im Raum Chemnitz aufhalten würden.

Auch dort durchgeführte umfangreiche Observati-

onsmaßnahmen mit Unterstützung des LfV Sach-

sen, erbrachten zwar gewisse Kontaktpersonen und

mögliche Verbindungswege, führten jedoch eben-

falls nicht zur Feststellung des Aufenthaltsortes

der drei Gesuchten.

Seit April 1999 versucht nun das TLfV im Wege

der Quellenführung an das Auftragsziel heranzu-

kommen. Dies gestaltet sich deshalb besonders

schwierig, da für die Verbindung zu den drei Ge-

suchten offenbar nur ein einziger Angehöriger der

Jenaer-Szene in Frage kommt. Die Verbindung

schafft dieser auf ständig wechselnden Wegen oh-

ne Benutzung herkömmlicher Kommunikations-

mittel. Da die Quelle selbst nicht zu Jenenser-

Szene gehört, ist es um so schwieriger, in den in-

neren Logistikzirkel vorzustoßen.

Zwischenzeitlich liegen hier eindeutige Hinweise

darauf hin vor, dass die ‚Drillinge’ nunmehr im
nördlichen Bereich der Bundesrepublik unterge-

bracht werden sollen. Kontaktaufnahmen zu na-

mentlich bekannten Rechtsextremisten sind hier

bekannt. Erste Kontaktgespräche mit dem beteilig-

ten LfV haben stattgefunden. Es bleibt nunmehr

abzuwarten, wieweit es der Quelle gelingt, mög-

lichst zeitnahe Informationen auf den Aufenthalts-

ort der drei Gesuchten zu erhalten.

Zu gegebener Zeit wird das TLfV unaufgefordert

nachberichten.“3587

Nach Aktenlage erfolgte über diesen Vermerk keine In-

formation des LKA Thüringen.

j) Erkenntnisse und Quellenmeldungen zu
Geldnöten des Trios und deren Ende

aa) Geldnöte des Trios

In der ersten Zeit nach dem Abtauchen verfügte das LfV

Thüringen über eine Vielzahl von Hinweisen dahinge-

hend, dass sich das Trio in Geldnöten befand. Die einzel-

nen Hinweise stellen sich wie folgt dar:

Im März und April 1998 wurde der Festnetzanschluss von

Jürgen H. aus Telefonzellen in Chemnitz und einer Tele-

fonzelle in Concise/Schweiz angerufen. Auf dem Anruf-

beantworter wurden offensichtlich für Ralf Wohlleben

bestimmte Nachrichten hinterlassen.
3588

Ein Hinweis auf

Geldsorgen des Trios lässt sich dem Anruf vom 16. April

1998, 16.43 Uhr, entnehmen, der aus einer Telefonzelle in

Chemnitz-Klaffenbach abgesetzt wurde. In der auf dem

Anrufbeantworter hinterlassenen Nachricht heißt es unter

anderem:

„Soll vorher zu Uwe’s Mutter, dort Geld holen.
Wir brauchen viel Geld…“3589

Eine Mitteilung des LfV Thüringen über diese Anrufe ist

erst im Zusammenhang mit einem von KOK Wunderlich

(LKA Thüringen) verfassten Vermerk, der auf den

23. Juli 1998 datiert, ersichtlich.
3590

Im LfV Thüringen bestand in der Anfangszeit des Abtau-

chens des Trios der Verdacht, dass durch Verkauf des

Szene-Spiels „Pogromly“ Einnahmen für deren Lebens-
unterhalt erzielt werden sollten. In einem Vermerk des

LfV Thüringen vom 12. Mai 1998 über eine Information

der Quelle 2045 (Tino Brandt) wurde festgehalten, dass

Kapke regelmäßig Kontakt zum Trio habe und er das

Spiel „Pogromly“ in der Szene zu einem Preis von
100 DM verkaufe,

3591
wovon jeweils 50 DM für Material

und 50 DM für das Trio bestimmt gewesen seien.
3592

Der Verkaufserlös habe der finanziellen Unterstützung

des Trios dienen sollen. Die Einnahmen seien aber von

Kapke unterschlagen und zweckentfremdet worden. Am
3587) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV Thüringen vom

15. Juni 1998, MAT A TH 3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
hier: Anlage 2, Bl. 231-233.

3588) Die Anrufe wurden bereits im Abschnitt E. II. 8. a) im Einzel-
nen dargestellt.

3589) Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen vom 23. Juli

1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09-12 – GEHEIM), Anlage 02,
Bl. 58 f. (Dokument ohne Einstufung).

3590) Vermerk der Zielfahndung des LKA Thüringen vom 23. Juli

1998, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09-12 – GEHEIM), Anlage 02,
Bl. 58 f. (Dokument ohne Einstufung).

3591) Schäfer-Gutachten, MAT TH-6, S. 152, Rn. 301.

3592) Schäfer-Gutachten, S. 195, Rn. 336.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 413 – Drucksache 17/14600

23. Juli 1998 erhielt das LfV Thüringen vom LKA Thü-

ringen die Information, dass „dienstlich bekannt“ gewor-
den sei, dass das Trio zum Zwecke seiner Finanzierung

das Szene-Spiel herstelle.
3593

Der Zeuge Wießner hat erklärt, Brandt, den er zu diesem

Zeitpunkt aber nicht als V-Mann geführt habe, habe für

das LfV Thüringen ein solches Spiel besorgt. Später habe

er mit Brandt über das Spiel gesprochen, und da habe

dieser

„ja eingesehen im Grunde genommen, dass mit
diesem Spiel oder mit dem Verkaufserlös dieses

Spiels überhaupt kein Lebensunterhalt … zu leis-
ten ist. Die haben sich ja vorgestellt, dass das hun-

dertfach dann … “3594

Über den Inhalt des Spiels habe man aber nicht gespro-

chen.
3595

Im Juli 1998 versuchte Kapke, Geld für Pässe für die

Flüchtigen aufzutreiben. Dieser habe ausweislich eines

Vermerks des LfV Thüringen vom 29. Juli 1998 Tino

Brandt am 24. Juli 1998 mitgeteilt, er benötige 1 800 DM

für das Trio, um sie endgültig aus Jena wegzubringen.

Kapke habe Brandt gebeten, bei seinem Arbeitgeber

Dehoust in Coburg nachzufragen, ob dieser einen Kredit

geben könne. Wohlleben habe bereits in der Vergangen-

heit einen Kredit aufgenommen, er könne derzeit keine

Mittel zur Verfügung stellen.
3596

Aus einem Vermerk des LfV Thüringen vom

9. September 1998 über eine Information der Quelle 2100

(Riese) geht hervor, dass im Frühsommer des Jahres 1998

bei Skin-Konzerten in Heilsberg Spenden für das Trio

gesammelt worden seien. Bei einem Konzert habe Kapke

Spendengelder in Höhe von 700 DM kassiert und später

dem Veranstalter mitgeteilt, dass das Geld angekommen

sei.
3597

In einer Deckblattmeldung des LfV Thüringen vom

15. Oktober 1998 zu einer Meldung Tino Brandts heißt

es, dass Kapke mitgeteilt habe, das Trio sei zwar an siche-

rer Stelle, benötige aber Geld, da sie nicht arbeiten könn-

ten und dadurch große finanzielle Probleme hätten.
3598

Diese angespannte finanzielle Lage des Trios wird auch

noch in einem Vermerk des LfV Thüringen vom

28. Januar 1999 festgehalten. Tino Brandt habe erneut

berichtet, dass schnellstmöglich etwas geschehen müsse,

weil das Trio immer lauter seine finanzielle Situation

beklage, da die Geldquellen langsam versiegten. Auch die
3593) Schäfer-Gutachten, MAT TH-6, S. 152, Rn. 301.

3594) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 54.

3595) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 54.

3596) Schäfer-Gutachten, S. 195, Rn. 336;

3597) Schäfer-Gutachten, S. 157/158, Rn. 301; MAT A TH-3/1

(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 3, Bl. 44 f. (VS-
VERTRAULICH).

3598) Schäfer-Gutachten, S. 160, 301; MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 9/12

– GEHEIM), hier: Anlage 1, Bl. 141-143 (VS-
VERTRAULICH).

Familie Böhnhardt sei nicht mehr in der Lage, das Trio

weiterhin finanziell zu unterstützen.
3599

Aus einem Vermerk des LfV Thüringen vom 8. Februar

1999 geht hervor, dass Tino Brandt mitgeteilt habe, dass

ein sich in Planung befindlicher Anruf des Trios in einer

Telefonzelle, der wegen der Suche nach dem Trio sehr

riskant sei, nur finanzielle Gründe haben könne.
3600

In einer Notiz über ein Gespräch mit Tino Brandt vom

8. März 1999 zum Inhalt eines an diesem Tag stattgefun-

denen Telefonats mit Böhnhardt geht hervor, dass das

wesentliche Thema des Telefonats die Geldnöte der

Flüchtigen gewesen sei.
3601

Laut einer Notiz des LfV Thüringen vom 22. März 1999

über ein Gespräch mit Tino Brandt habe er von Wohlle-

ben erfahren, dass Mundlos für ein Magazin der Skin-

head-Szene schreibe, welches in Sachsen gedruckt werde.

Wohleben habe diese Information von der Mutter

Böhnhardts erhalten. Nach Angaben Wohllebens benötige

das Trio aber weiterhin Geld.
3602

In einem Vermerk des LfV Thüringen vom 22. März 1999

über mehrere Meldungen Tino Brandts heißt es unter

anderem, dieser habe berichtet, Wohlleben sei über eine

von ihm übergebene Spende in Höhe von 500 DM sehr

froh gewesen, da das Trio dringend Geld benötige.
3603

Dem LfV Thüringen lagen zudem Informationen vor, dass

Carsten Schultze mit Banküberweisungen „Spendengelder
für die Drei“ „nach Sachsen“ transferiert habe. Aus einem
Vermerk des LfV Thüringen vom 26. Mai 1999 über eine

Information Tino Brandts, die er aus einem Gespräch mit

Holger Gerlach, Carsten Schultze und Ralf Wohlleben

habe, geht hervor, dass Carsten Schultze mitgeteilt habe,

er habe letztmalig Anfang April 1999 mit einer Barüber-

weisung Spendengelder für das Trio nach Sachsen über-

wiesen. Wohlleben habe noch erklärt, dass Carsten

Schultze seine Sache gut und korrekt mache.
3604
3599) Schäfer-Gutachten, S. 162/163, Rn. 301; MAT A TH-3/1

(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 160 f. (VS-
VERTRAULICH).

3600) Schäfer-Gutachten, S. 163/164, Rn. 301; MAT A TH-3/1

(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 164 ff. (VS-
VERTRAULICH).

3601) Schäfer-Gutachten, S. 164/165, Rn 301 f.; zu den Anrufen in

einer Telefonzelle in Coburg siehe auch noch unten im Ab-

schnitt 6. n)

3602) Schäfer-Gutachten, TH-6, S. 165, Rn 301; MAT A TH-3/1

(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 199. (VS-
VERTRAULICH).

3603) Schäfer-Gutachten, S. 167/168, Rn. 301; MAT A TH-3/1

(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 194-198 (VS-
VERTRAULICH).

3604) Schäfer-Gutachten, S. 169, Rn. 301; MAT A TH-3/1 (Tgb.-

Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 226-227 (VS-
VERTRAULICH).

Drucksache 17/14600 – 414 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bb) Keine Geldsorgen mehr

Zum Ende des Jahres 1998 sowie im Jahr 1999 wurden in

Chemnitz die ersten vier Überfälle verübt, die dem Trio

zur Last gelegt werden:

– Am 18. Dezember 1998 wurden umgerechnet ca.
15 500 Euro bei einem Überfall auf einen EDEKA-

Markt in Chemnitz erbeutet3605

– Am 6. Oktober 1999 erbeuteten die Täter umgerech-
net ca. 3 000 Euro bei einem Überfall auf eine Postfi-

liale in Chemnitz3606

– Am 27. Oktober 1999 fand ein weiterer Überfall auf
eine Chemnitzer Postfiliale statt, bei dem umgerech-

net ca. 34 500 Euro erbeutet wurden.3607

– Am 30. November 2000 kam es zu einem weiteren
Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz, bei dem die

Täter umgerechnet ca. 19 600 Euro erbeuteten.3608

Zur gleichen Zeit setzten sich die Hinweise auf Geldsor-

gen des Trios nicht fort. Aus dem November 1999 sowie

dem April 2001 liegen vielmehr Quellenmeldungen vor,

aus denen sich möglicherweise ableiten lässt, dass das

Trio keine Geldsorgen mehr hatte.

Die erste Quellenmeldung betrifft eine abgelehnte Geld-

spende. Aus einem Vermerk des LfV Thüringen vom

24. November 1999 über eine Information der Quelle

2100 (Riese) geht hervor, dass Riese mitgeteilt habe,

Thomas Starke aus Dresden, Mitglied von „B&H“ in
Sachsen, habe eine ihm angebotene finanzielle Spende für

das Trio spontan abgelehnt, da die Drei kein Geld mehr

brauchten, weil sie „jobben“ würden.3609

Der Zeuge Nocken hat zum Umgang des LfV Thüringen

mit dieser Meldung ausgeführt:

„Dies war eine Information aus zweiter Hand, also
vom Hörensagen. Die Nachricht stammte von ei-

ner anderen Person aus Sachsen, deren Zuverläs-

sigkeit nicht eingeschätzt werden konnte.“3610

Er hat darauf verwiesen, dass man sich sogar die Frage

gestellt habe, wer aus der rechten Szene als eventueller

Arbeitgeber infrage kommen könnte.
3605) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juli

2012 zum Schweren Raub im EDEKA-Markt in Chemnitz,

MAT A GBA-4/25a, Bl. 39 ff.

3606) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale

Barbarossastraße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 44 ff.

3607) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 23. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Limbacher Stra-

ße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 60 ff.

3608) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Poststelle Johannes-Dick-

Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 72 ff.

3609) Schäfer-Gutachten, S. 171, Rn. 301, vgl.: MAT A TH-3/1
(Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 254 (VS-
VERTRAULICH).

3610) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

„Eine Nachfrage bei der Quelle hat zudem erge-
ben, gemeint sei tatsächlich ein Job, eventuell eine

illegale Beschäftigung bei einem Szeneangehöri-

gen.“3611

Bereits vor dieser Meldung habe eine andere Quelle des

LfV Thüringen gemeldet, Uwe Mundlos schreibe für die

Skinhead-Szene in Sachsen Berichte, die auch dort ge-

druckt würden. Er hat in diesem Zusammenhang auf die

Quellenmeldung Tino Brandts vom 15. März 1999 ver-

wiesen.
3612

Dies sei seinerzeit der Ansatz gewesen, zu

versuchen, mögliche Arbeitsstellen der Untergetauchten

zu ermitteln.

Auf Nachfrage, wie das LfV Thüringen den Begriff „job-
ben“ interpretiert habe, hat der Zeuge Nocken ergänzt:

„da haben wir nachgefragt bei der Quelle, und die
hat gesagt: Meint eine Nebentätigkeit, meint eine

möglicherweise illegale Tätigkeit. Zusätzlich hat-

ten wir kurz davor einen Hinweis, dass einer der

drei - ich weiß jetzt nicht mehr genau, wer es war;

ich glaube, der Herr Mundlos - - dass Mundlos in

einer Szenezeitschrift Artikel verfassen würde.

Wir haben das absolut so gesehen, dass das eine

Nebentätigkeit geringer Art ist, weil das auch den

anderen Informationen entsprach, die wir hat-

ten.“3613

Laut der vom Zeugen Nocken in Bezug genommenen

Quellenmitteilung vom März 1999 hat Wohlleben nach

Angaben Brandts jedoch in dieser zugleich mitgeteilt,

dass immer noch Geld für die Drei benötigt werde.
3614

Der Zeuge Nocken hat erklärt, an keiner Stelle sei beim

LfV der Gedanke aufgekommen, einen Banküberfall in

Betracht zu ziehen. Er hat die Auffassung vertreten, auch

der Hinweisgeber Thomas Starke habe nichts von Bank-

überfällen gewusst. Dies hat er unter anderem aus Anga-

ben von Thomas Starke gegenüber der Presse gefolgert. In

einem Bericht der Welt am Sonntag vom 23. September

2012 habe Thomas Starke selbst berichtet, dass er von

Brandanschlägen und Morden nichts mitbekommen ha-

be.
3615

In diesem Zusammenhang hat er darauf verwiesen,

dass Thomas Starke nach eigenen Angaben zwischen

Mitte 1996 und April 1997 mit Beate Zschäpe liiert und

ab dem Jahr 2000 für mehr als zehn Jahre selbst Quelle

des LKA Berlin war. Daher lohne es sich, diese Informa-

tion genauer zu betrachten.
3616

Der Zeuge hat ausgeführt:

„Kurz nach der zur Debatte stehenden Meldung
wurde Thomas Starke vom LKA Berlin als VM

verpflichtet. Wenn er damals tatsächlich von

Banküberfällen der Gesuchten gewusst hätte, wäre

dies der Führungsdienststelle mit Sicherheit mitge-
3611) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

3612) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn 301.

3613) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 5.

3614) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 165, Rn 301.

3615) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

3616) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 415 – Drucksache 17/14600

teilt worden. Da das aber nicht der Fall gewesen

ist, bestätigt sich die Einschätzung, dass es sich

nicht um Überfälle gehandelt haben kann, wenn

Starke vom Jobben sprach. In dem Interview mit

der Welt am Sonntag vom 23. September 2012 be-

richtet Sarke selbst, dass er von Banküberfällen,

Sprengstoffanschlägen und Morden nichts mitbe-

kommen habe. Und weiter wörtlich: ‚Ich bin da-
von ausgegangen, dass sich das Trio wenige Mo-

nate nach dem Abtauchen ins Ausland abgesetzt

haben muss’.“

Diese Einschätzung habe auch dem damaligen Er-

kenntnisstand des LfV Thüringen entsprochen. Im gesam-

ten Zeitraum nach dem Abtauchen sei ausschließlich von

Flucht ins Ausland die Rede gewesen und von der Frage,

ob man sich stellen solle. Banküberfälle oder Mordan-

schläge seien nie Thema gewesen.
3617

Der Zeuge Nocken hat die Frage aufgeworfen:

„Wenn selbst ein Szeneangehöriger, der mit Beate
Zschäpe liiert war und später jahrelang als VM

dem LKA Berlin zu Diensten war, nichts von

Banküberfällen wusste: Wie kann man dann vom

LfV Thüringen erwarten, genau diese Bewertung

zu treffen?“3618

Nach Angaben des Zeugen Nocken sei es bei einem sol-

chen Sachverhalt aus nachrichtendienstlicher Sicht nicht

„nach den Regeln der Kunst“, den von keiner weiteren
Quelle bestätigten Sachverhalt an die Exekutive weiterzu-

geben. Die Gesamtumstände der Nachricht, die bei der

Bewertung der Quellenmeldung eine Rolle gespielt hät-

ten, hätten damals zu dem Ergebnis geführt, die Meldung

nicht weiterzugeben.
3619

Das LfV Thüringen habe nach Angaben des Zeugen No-

cken auch nichts von Banküberfällen gewusst.
3620

Als

Verfassungsschutz werde man über solche üblicherweise

auch nicht informiert.
3621

Auch der Zeuge Schrader, der bis Juni 1999 zuständiger

Referatsleiter für „Rechtsextremismus“ war, hat angege-
ben:

„Die Banküberfälle spielten damals zu meiner Zeit
noch keine Rolle. Ich sage das noch einmal: Zu

meiner Zeit haben Banküberfälle keine Rolle ge-

spielt.“3622

Der Zeuge Schrader hat ausgesagt:

„Ich hatte damals dann auch im Jahr 99 mit
Roewer durch den Personalrat so viel Probleme, so
3617) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

3618) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

3619) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.

3620) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 122.

3621) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.

3622) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 147.

dass ich mich also praktisch immer von der Ge-

schichte entfernte.“3623

Auch die Meldung vom April 2001 betrifft die Ablehnung

einer Spende an das Trio:

In einem Vermerk des LfV Thüringen vom 10. April 2001

ist dargelegt, dass Tino Brandt Wohlleben diskret gefragt

habe, ob das Trio weiter finanzielle Unterstützung benö-

tigte, da er 500 DM spenden könne. Wohlleben habe da-

raufhin „cool“ geantwortet, dass Brandt das Angebot
„vergessen solle“, da nach seiner letzten Information die
Drei kein Geld mehr benötigten, weil sie in der Zwi-

schenzeit schon wieder „so viele Sachen/Aktionen ge-
macht hätten“, was Brandt allerdings zum Eigenschutz
nicht wissen dürfe und solle.

3624
Der Zeuge Nocken hat erklärt:

„Wenn es bei der Meldung den Verdacht auf straf-
bare Handlungen - etwa Banküberfälle - gegeben

hätte, wäre dies sicher mitgeteilt worden. Auch im

weiteren Verlauf der Operation ist das nie wieder

Thema gewesen. Eine Bestätigung blieb aus.“ 3625

Der Zeuge Nocken hat darüber hinaus darauf verwiesen,

dass der weitere Inhalt der Quellenmitteilung gewesen sei,

dass Böhnhardt und Mundlos ins Ausland hätten fliehen

wollen und Zschäpe sich den Behörden stelle wolle. Dies

habe man aus Quellenschutzgründen nicht an die Polizei

weitergegeben.

„Zu diesem Zeitpunkt war eine Information an die
Polizei nach Abwägung der Interessenlage nicht

angebracht. Es hätte keine Ansatzpunkte für weite-

re polizeiliche Ermittlungen gegeben. Demgegen-

über war es sinnvoll, die Spur operativ weiter zu

verfolgen. Bei einer Weitergabe wäre dem Thürin-

ger LfV die Kontrolle über die laufende Operation

aus den Händen geglitten. Bei Kompetenzüber-

schneidungen zwischen Polizei und Verfassungs-

schutz ist im Zweifel ein mögliches Strafverfol-

gungsinteresse dem Schutz der Quelle unterzuord-

nen.“

Nach Angaben des Zeugen Nocken habe das LfV Thürin-

gen die Meldungen „Jobben“ und „Sachen und Aktionen“
aus damaliger Sicht für zu unbedeutend gehalten, um bei

einer Weitergabe der Information die noch laufende Ope-

ration des LfV Thüringen sowie die berichtende Quelle zu

gefährden. Das LfV Thüringen sei zum damaligen Zeit-

punkt noch fest davon ausgegangen,

„dass die Operation zur Entdeckung des Aufent-
haltsorts der drei Gesuchten führen würde – und ja
auch fast geführt hat.“3626
3623) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.

3624) Schäfer-Gutachten, S. 178, Rn. 301; MAT A-TH 3/1 (Tgb.-

Nr. 9/12 – GEHEIM), hier: Anlage 2, Bl. 325/326 (VS-
VERTRAULICH).

3625) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.

3626) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 124.

Drucksache 17/14600 – 416 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Nocken hat es als unbestritten bezeichnet, dass

keine dokumentierte Weitergabe der Meldungen „Job-
ben“/„Die Drei machen Sachen/Aktionen“ gibt. Die In-
formation der Polizei habe aus operativen und Quellen-

schutzgründen nicht dokumentiert erfolgen können. Er sei

sich aber sehr sicher, dass die Mitarbeiter der Zielfahn-

dung des Thüringer LKA in persönlichen Gesprächen

sehr wohl unterrichtet worden seien.
3627

In Bezug auf die Banküberfälle und deren Verknüpfung

mit den Untergetauchten hat der Zeuge Nocken die Ver-

antwortlichkeit bei den Strafverfolgungsbehörden veror-

tet. Er hat ausgesagt:

„Wenn sich in einer Stadt wie Chemnitz mehrere
Banküberfälle ereignen, deren Täter unbekannt

sind, dann müsste den Strafverfolgungsbehörden

vor Ort auch in den Sinn kommen, dass Personen,

die sich im Untergrund bzw. auf der Flucht befin-

den, dringend Geld brauchen. Den sächsischen

Behörden war Anfang Oktober zum Zeitpunkt des

ersten ungeklärten Banküberfalles längst bekannt,

dass sich die Verdächtigen aus Thüringen in oder

bei Chemnitz aufhalten könnten. Warum bedarf es

da eines zusätzlichen Hinweises an die Polizei,

dass die Flüchtigen Geld brauchen, um Banküber-

fälle mit unbekannten Tätern zu prüfen?

An dieser Stelle drängen sich kriminalpolizeiliche

Ansatzpunkte auf, die hätten verfolgt werden kön-

nen.“3628

k) Meldung vom 1. Februar 2000 („Dem Trio
geht es gut“)

Unter dem 1. Februar 2000 wird im Schäfer-Gutachten

die Meldung des V-Mannes Brandt aufgeführt, in der

dieser mitteilt, dass im Rahmen einer Schulungsveranstal-

tung der NPD am 29. Januar 2000 ein Chemnitzer „Blood
& Honour“-Mitglied, vermutlich Andreas G., geäußert
habe, dass es dem Trio gut gehe.

3629
Er sei daraufhin von

Wohlleben verärgert unterbrochen worden, dass dies hier

keinen etwas anginge und er wegen seinen Äußerungen

noch „Zoff“ bekommen werde. Weiterhin hätte Wohlle-
ben mitgeteilt, dass lediglich Schultze den Kontakt zum

Trio halte, jedoch nur im Notfall, weil Schultze

abredewidrig über den Telefonkontakt gesprochen habe.

Hierdurch werde die gesamte Aktion gefährdet, weil die

drei in nächster Zeit weggebracht werden sollen. Weiter

ist im Schäfer-Gutachten vermerkt, dass das LfV Sachsen

am 9. Februar und am 23. Februar 2000 fernmündlich und

schriftlich informiert worden seien.

Aus dem in den Akten des LfV Thüringen enthaltenen

Treffvermerk ergibt sich, dass das Treffen in der Jugend-
3627) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 119 f.

3628) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 123.

3629) Hierzu und im Folgenden: Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6,

Bl. 172 f.

herberge Froschmühle in Eisenberg stattfand.
3630

Ein

namentlich nicht bekannter „Chemnitzer B&H-Mann“
habe gegenüber einem Angehörigen der Jenaer Szene

geäußert, „den Drei‘en geht es gut“, woraufhin die Person
von Wohlleben wie im Schäfer-Gutachten dargestellt,

verärgert unterbrochen worden sei. Aus dem Treffver-

merk ergibt sich, dass der namentlich nicht bekannte

„B&H“-Mann in Begleitung eines weiteren „B&H“-
Mannes mit einem auf Jan Werner zugelassenen Fahr-

zeug erschienen waren. Brandt habe Jan Werner jedoch

nicht als eine der beiden Personen in einer Lichtbildvorla-

ge erkannt. Aus einem handschriftlich auf dem Treffver-

merk aufgebrachten weiteren Vermerk geht hervor, dass

am 9. Februar 2000 ein Telefonat mit dem LfV Sachsen

geführt wurde. Hierzu ist vermerkt:

„SN will ‚operativ massiv einsteigen’ u. die
Chemnitzer Szene aufklären“

Einer E-Mail des LfV Thüringen an das LfV Sachsen

vom 23. Februar 2002 lässt sich entnehmen, dass „der
Sprecher […] im Nachgang mittels LiBi-Vorlage als G.,
Andreas […] identifiziert“ wurde.3631

Die Maßnahmen, die das LfV Sachsen im Jahr 2000

durchführte, werden im Abschnitt E. IV. 2. im Einzelnen

dargestellt werden.

l) Observation eines Angehörigen der „Ka-
meradschaft Jena“ in Hannover durch das
LfV-Niedersachsen in Amtshilfe für das
LfV Thüringen

Vom 11. bis 13. August 1999 observierte die Landesbe-

hörde für Verfassungsschutz Niedersachsen auf Bitte des

LfV Thüringen Holger Gerlach in Hannover, da ein mög-

licher Kontakt zu Thorsten Heise wegen der Wohnungs-

suche des Trios vermutet wurde.

Im Laufe der Observation wurde auch die Anwesenheit

Wohllebens festgestellt. Gerlach und Wohlleben telefo-

nierten mehrfach aus öffentlichen Telefonzellen, obwohl

sie über Mobilfunktelefone verfügten. Ein Kontakt von

Holger Gerlach zu Thorsten Heise wurde nicht beobach-

tet. Das LfV Thüringen informierte das LKA telefonisch

über das Observationsergebnis.
3632

„H. hieß der eine, und dann gab es ja den [G.], der
von Thüringen nach Niedersachsen gezogen ist.“

Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, er sei wegen dieser

Observation noch mit Herrn Wießner nach Niedersachsen

gefahren. Auf seine entsprechende Bitte hätten
3630) Hierzu und im Folgenden: Treffvermerk mit Quelle 2045 vom

1. Februar 2000, MAT A TH-3/1, Anlage 02, (Tgb.-Nr. 09/12 -
GEHEIM), Bl. 278 f. (VS-VERTRAULICH).

3631) E-Mail des LfV Thüringen vom 23. Februar 2000 an das LfV

Sachsen, MAT A TH-3/1, Anlage 02, (Tgb.-Nr. 09/12 -
GEHEIM), Bl. 286 (VS-VERTRAULICH).

3632) Bericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,

A-Drs. 488, S. 142, Rn. 319.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 417 – Drucksache 17/14600

„ … die Niedersachsen gesagt, da haben sie kei-
ne Zeit zu. Das haben sie dann ein oder zwei Tage

gemacht, und dann haben sie aufgehört.“3633

Auf Gerlach sei der Thüringer Verfassungsschutz ge-

kommen, weil dieser vor seinem Umzug nach Nieder-

sachsen Mitglied der Sektion Jena des „THS“ gewesen
sei, aber

„auch über unsere Szene. Ich kann Ihnen heute
nicht mehr genau sagen, wo das herkam. Diese

Details habe ich nicht mehr parat. Aber wir hatten

den auch auf der Pfanne. Ich bin extra noch mit

ihm nach Niedersachsen gefahren, aber die Nie-

dersachsen haben gesagt: Wir können das ein,

zwei Tage machen, dann ist Schluss“.3634

Das Argument von den Niedersachsen, die Observation

auf 48 Stunden zu begrenzen, sei gewesen, dass dort kein

Personal zur Verfügung gestanden habe.
3635

Der Zeuge Nocken hatte ausgesagt, keine Erinnerung

mehr an eine Observation in Niedersachsen zu haben.
3636

m) Hinweis auf Jürgen H.: Meldung des MAD
vom 6. Dezember 1999, die „drei Bomben-
bastler“ bewegten sich auf der Stufe von
Rechtsterroristen

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 informierte der

MAD das BfV sowie das LfV Thüringen über Ergebnisse

einer Befragung des Bundeswehrangehörigen H. vom

15. September 1999.

Jürgen H. hatte nach dem Untertauchen des Trios zu

diesem Kontakt und konnte zumindest über Mittelsmän-

ner mit den Untergetauchten kommunizieren.
3637

In der Meldung des MAD heißt es:

„Nach der Mittagspause angesprochen auf den
Komplex ‚Jenaer Bombenbastler’: H., Jürgen (1)
würde jederzeit wieder als Kurier fungieren. Dies

sehe er unter dem Kameradschaftsaspekt. Er gehe

davon aus, dass sich die in der Illegalität Lebenden

aufgrund des zu erwartenden Strafmaßes nicht den

Behörden stellen. Szeneintern werde von einem

Strafmaß von 10 Jahren ausgegangen, weil man

ein Exempel gegen rechts statuieren wolle.

Die drei Bombenbastler hätten sich schon auf der

Stufe als Rechtsterroristen bewegt, die mit einer

gewissen Zielsetzung eine Veränderung des Staa-

tes herbeiführen wollten. Auch H., Jürgen (1)

würde im Rahmen einer Revolution derartige Ak-

tionen befürworten und sich daran beteiligen, aber
3633) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.

3634) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.

3635) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 143.

3636) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 59.

3637) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 141, Rn 281.

nur, wenn Gewalt das einzige mögliche Mittel sei,

Zielvorstellungen zu erreichen.“3638

Die Meldung ist abgezeichnet vom Vizepräsidenten des

LfV Thüringen, Nocken. Handschriftlich ist hierauf „Dril-
ling“ notiert. In die zu diesem Komplex angelegten Ord-
nern des LfV Thüringen mit der Bezeichnung „Drilling“
wurde sie jedoch nicht eingefügt. Sie befindet sich viel-

mehr heute in einem vom LfV Thüringen so bezeichneten

„Ordner 4“, in dem nach dem 4. November 2011 Doku-
mente, die nicht in den einzelnen Fallordnern enthalten

sind und die in anderen Akten des LfV Thüringen gefun-

den wurden, aufgenommen sind.
3639

Zur Bewertung dieser Meldung durch das LfV Thüringen

hat der Zeuge Nocken ausgeführt:

„Wir […] haben gesagt: Aha, da mag sich mögli-
cherweise eine Entwicklung ergeben haben, die bei

uns noch nicht bekannt war, und dass man weiter

intensiv daran arbeiten muss, die drei irgendwo zu

lokalisieren. Also, die Intensität der Versuche, die

zu lokalisieren, hat dann zugenommen.“3640

Auf Nachfrage, ob man bei einer intensiveren Ermittlung

das LKA mit einbeziehe, hat der Zeuge Nocken ausge-

führt:

„Das kann mit einbezogen werden. Aber wenn es
diese nachrichtendienstliche Operation ist, machen

wir das zunächst einmal mit eigenen Mitteln, dass

wir zum Beispiel die Quellen noch mal ansprechen

und die Sinne schärfen: Achtet besonders drauf,

Informationen aus dem und dem und dem Bereich

zu bekommen. Das könnte das, könnte das, könnte

das sein. - Das ist einfach auch eine Zusammenar-

beit mit den Informanten, die man hat.“3641

Möglicherweise sei diese Information der Zielfahndung

nicht mitgeteilt worden.
3642

Nach Aktenlage erfolgte keine Unterrichtung des

LKA.
3643

n) Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme bei
Wohlleben

Nicht in den Akten des LfV Thüringen enthalten sind

Erkenntnisse darüber, dass Wohlleben über ein Mobiltele-

fon verfügt habe, das der Kontaktaufnahme mit dem Trio

gedient habe.

Der Zeuge Wießner hat hierzu vor dem Untersuchungs-

ausschuss bekundet:
3638) MAT A MAD-2/3, S. 11 (VS-NfD), MAT A BfV 7/1, (Tgb.-

Nr. 10/12 – GEHEIM), Bl. 190-195 (VS-NfD).

3639) MAT A TH-3/6, Ordner I, Anlage 4, (Tgb.-Nr. 78/12 –
GEHEIM), Bl. 128-132 (VS-NfD).

3640) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 143.

3641) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 42.

3642) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 42.

3643) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 171/172, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 418 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Wir hatten zum Beispiel eine große Maßnahme.
Wir wussten auch über ‚2045‘, dass das Kontaktte-
lefon in der Wohnung Wohlleben in einem be-

stimmten Raum liegt. Wir haben alles versucht, zu

unternehmen, an dieses Telefon zu kommen.“3644

und, auf entsprechende Nachfrage:

„Das war das Telefon nur für das Trio. Das wuss-
ten wir auch von ihm. Und da haben wir versucht,

selbst über eine sogenannte Nahbeobachterin, die

Zugang zur Wohnung hatte - - War nicht möglich.

War nicht möglich, dranzukommen.“3645

Das LfV Thüringen habe sogar gewusst, dass das Mobil-

telefon in einem bestimmten Raum der Wohnung von

Wohlleben gelegen habe. Der Präsident des LfV habe

gewollt, dass man die SIM-Karte aus dem Mobiltelefon

heraushole oder das Handy insgesamt besorge. Andere

technische Möglichkeiten, an die Daten des Mobiltelefons

heranzukommen, habe man seinerzeit nicht genutzt.
3646

Der Zeuge Bode (V-Mann-Führer Tino Brandts) konnte

sich an eine Meldung, dass Wohlleben über ein Mobiltele-

fon zur Kontaktaufnahme mit dem Trio verfügte, nicht

erinnern.
3647

o) Kontaktaufnahme des Trios zur Quelle
2045 – Observation von Telefonzellen in
Chemnitz

Im Februar 1999 meldete die Quelle 2045 (Tino Brandt)

mehrmals, dass das Trio mit ihm über eine anrufbare

Telefonzelle in Coburg Kontakt aufnehmen wolle.
3648

Aus

der Meldung vom 8. Februar 1999 ergibt sich, dass

Brandt Wohlleben die Rufnummer einer solchen Telefon-

zelle mitgeteilt habe.
3649

Nachdem zunächst mehrere

geplante Telefonate nicht zustande gekommen waren,

kam es am 22. Februar 1999 – nachdem Wohlleben
Brandt zuvor mitgeteilt hatte, dass ein Gespräch doch

nicht zustande käme
3650

– schließlich zu einem Gespräch,
das jedoch – wohl aufgrund der vorangegangen Mittei-
lung Wohllebens – nicht von Brandt angenommen wur-
de.

3651
Brandt identifizierte den Anrufer später jedoch als
3644) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 29.

3645) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 29.

3646) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 35.

3647) Bode, Protokoll-Nr. 56, S. 74.

3648) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163 f., Meldungen unter
dem Datum 8. Februar 1999, 15. Februar 1999, 21. Februar

1999, 6. März 1999, S. 166 f., Meldung unter dem Datum

22. März 1999.

3649) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163 f., Meldung unter

dem Datum 8. März 1999.

3650) Handschriftlicher Zusatz vom 22. Februar 1999 zum Vermerk

betr. VM 2045 vom 8. Februar 1999, MAT A TH-3/1, Anlage

02, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 164 ff. (165a) (VS-
VERTRAULICH).

3651) Vermerk betr. VM 2045 vom 22. März 2013, MAT A TH-3/1,

Anlage 02, (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 194 ff. (196) (VS-
VERTRAULICH).

Böhnhardt.
3652

Nachdem Brandt mitgeteilt hatte, dass für

den 8. März 1999 ein weiteres Gespräch geplant sei, wur-

den durch das LfV Thüringen an diesem Tag vier Tele-

fonzellen in Chemnitz observiert, ohne dass diese Maß-

nahme Anhaltspunkte auf das Trio erbracht hatte. Ein

Telefonat mit Brandt erfolgte jedoch am 8. März 1999.

Brandt war sich sicher, dass Böhnhardt der Anrufer ge-

wesen sei. Thema des Gesprächs seien die Geldnöte des

Trios gewesen.
3653

Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf diese Anrufe

lediglich ausgeführt:

„Es gab aber wohl Anrufe aus Chemnitz an be-
stimmte Telefonzellen. In Coburg gab es mal ei-

nen - erinnere ich mich - Hinweis.“3654

7. Ende der Suchmaßnahmen des LfV Thü-
ringen - Hintergründe

Aus den Akten des LfV Thüringen lässt sich entnehmen,

dass nach der Enttarnung Tino Brandts als VM des LfV

Thüringen im Mai 2001 keine weiteren Maßnahmen zur

Lokalisierung des Trios durchgeführt wurden und auch

keine weiteren Quellenmeldungen mehr eingingen. Die

letzte Meldung Brandts mit Bezug auf das Trio ist für den

10. April 2001 verzeichnet – danach sind keine weiteren
Suchmaßnahmen oder Quellenmeldungen in den Akten

des LfV Thüringen mehr verzeichnet.

Der Zeuge Nocken hat hierzu bekundet:

„Die Suche nach dem Trio war für mich abge-
schlossen in dem Moment, als die wichtigste Quel-

le, nämlich der Tino Brandt, an die Presse verraten

wurde und sozusagen die Zusammenarbeit sofort

beendet werden musste. Damit war uns der Zu-

gang zu Informationen, die irgendwo an das Trio

herankamen, verschüttet. Dann hätte man eine

neue Quelle anwerben und langsam dahin platzie-

ren müssen, um dann wieder Informationen zu be-

kommen. Damit war für mich die Wahrscheinlich-

keit, noch zum Erfolg zu kommen, sehr ge-

ring.“3655

Der Zeuge Schrader hat hierzu bekundet, dass die Enttar-

nung Brandts ein großer Rückschlag gewesen sei:

„Ich denke aber auch, um das auch ganz ehrlich zu
sagen, dass seinerzeit, nachdem ich weg war, die

Enttarnung der Quelle 2045 - - dass das auch ein

sehr großer Rückschlag war; denn danach hatte

unser Amt praktisch keine Zugänge mehr. Das

muss man sehen.“3656
3652) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166 f., Meldung unter

dem Datum 22. März 1999.

3653) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163 f., Meldung unter

dem Datum 8. März 1999.

3654) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 141.

3655) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 37.

3656) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 147.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 419 – Drucksache 17/14600

Der Zeuge Sippel hat, befragt nach weiteren Suchmaß-

nahmen nach dem Trio ab dem Jahr 2002, bekundet:

„Ich kann mich daran nicht erinnern. Wir haben
uns natürlich um das Umfeld gekümmert - aller-

dings nicht primär, um den Aufenthaltsort der drei

zu ermitteln, sondern weil es sich eben bei Kapke

und Wohlleben um sehr aktive, bis in die jüngste

Vergangenheit, Rechtsextremisten handelte. Aber

wir haben keine weiteren aktiven Suchmaßnahmen

nach diesem Trio mehr veranlasst.“3657

8. Rückkehrverhandlungen des LfV Thürin-
gen mit den Familien des Trios

a) Kontaktaufnahme am 11. März 1998

Im Abschnitt E. II. 7. c) wird bereits darauf eingegangen,

dass die Eltern von Uwe Mundlos am 11. März 1998

durch Mitarbeiter des LfV Thüringen aufgesucht wurden.

Von diesem Besuch wurde die Zielfahndung des LKA

Thüringen laut dem Zeugen Wunderlich nicht informiert.

Der Zeuge Wunderlich hat bekundet, hiervon erst anläss-

lich der Befragung durch Mitglieder der Schäfer-

Kommission am 15. Februar 2012 erfahren zu haben.
3658

Im Schäfer-Gutachten heißt es zu dem Treffen:

„Zwei Beamte des TLfV suchen im März 1998
Familie Mundlos zum Zweck einer möglichen

Kontaktanbahnung mit deren Sohn auf. Im Rah-

men des Gesprächs bitten sie Prof. Dr. Mundlos,

Kontakt zum TLfV nur über öffentliche Fernspre-

cher aufzunehmen.

Maßnahme des TLfV: Observation Prof. Mundlos

am 11.03.1998.“3659

Der Zeuge Nocken hat sich zu diesem Vorgang wie folgt

geäußert:

„Es ist folgendermaßen gewesen: dass der Herr
Dr. Roewer auf einer Veranstaltung, glaube ich, in

Jena den Vater von Mundlos getroffen hat und der

in irgendeiner Weise mit dem Herrn Roewer ver-

einbart hat, dass mal jemand zu ihm kommen sol-

le. Und daraufhin hat Herr Roewer den Angestell-

ten S. geschickt, und der hat den E. mitgenom-

men.“,3660

und:

„Ich habe mit dem Beamten E., der dabei war, dem
Auswerter, der leider Gottes mittlerweile verstor-

ben ist, darüber noch gesprochen nach dem Schä-

fer-Bericht. Er hat mir gesagt, die Familie Mundlos

habe gesagt, sie sprechen überhaupt nur mit uns,
3657) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 139.

3658) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 72.

3659) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 151.

3660) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 46.

wenn sichergestellt wird, dass von diesem Ge-

spräch und von dem Kontakt zu ihnen die Polizei

nichts mitkriegt. Sollten sie in Erfahrung bringen,

dass die Polizei irgendetwas mitkriegt, würden sie

den Kontakt sofort abbrechen. - Das war seine

Auskunft an mich.

Ich war aber bei dem Gespräch nicht dabei. Der S.

hat das geführt im Auftrag von Roewer. Der E. hat

mir das so erzählt; das ist das Einzige, was ich Ih-

nen sagen kann. Der hat mir jedenfalls eindeutig -

eindeutig - gesagt, dass das absoluter Wunsch der

Familie Mundlos war, nichts, aber auch nicht den

leisesten Hinweis der Polizei zu geben, weil sie

dann befürchten würden, dass irgendwas schief-

läuft.“3661

Der Zeuge Dr. Roewer hat zu den Hintergründen des

Gesprächs die folgenden Angaben gemacht:

„Wer von den Eltern das genau war, weiß ich nicht
mehr. Der Kontakt ist ja über mich zustande ge-

kommen, und zwar bei einem meiner Auftritte in

Jena. Da ist dieser Gesprächskontakt zustande ge-

kommen – […] - und dann durch einen Mitarbeiter
von mir fortgeführt worden.“3662

Ob es sich um einen Elternteil von Böhnhardt oder

Mundlos gehandelt habe, war dem Zeugen Dr. Roewer

nicht mehr erinnerlich.
3663

Zur Frage der Motivation der Eltern hat Dr. Roewer hin-

zugefügt:

„Also, wenn ich das gerade noch sagen darf: Mir
ist deutlich in Erinnerung eben sozusagen dieses

Auftaktgespräch; so was merkt man sich. Ich krie-

ge bloß das Gesicht jetzt nicht mehr richtig dazu.

Und in diesem Auftaktgespräch, das mit mir ge-

führt wurde, ging es darum, ob ich in der Lage sein

würde, für eine Beendigung dieses Untertauchens

zu sorgen. Und dann habe ich gesagt: Ja, dann

möchte man mir doch sagen, wo die Betreffenden

sind, und auch gefragt, warum man mich das fragt:

Wieso ich? […] Und die Antwort war: Diese El-
tern - die sich wohl kannten, vermute ich - hatten

die Befürchtung, dass die Meldung ‚Unsere Kinder
sind da und da’ mit einem polizeilichen Zugriff
enden würde, der blutig ausgehen würde. Das war

die Furcht der Eltern. Jedenfalls so ist es bei mir

angekommen. Und die Frage war, ob ich dagegen

was unternehmen könnte.“3664

Dr. Roewer hat bekundet, er habe daraufhin zugesagt, er

könne organisieren, dass eine Festnahme unblutig ablaufe.

Weitere Zusagen habe er nicht gemacht:
3661) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 46.

3662) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 72.

3663) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 72.

3664) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 72 f.

Drucksache 17/14600 – 420 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Ganz im Gegenteil. Dieser Elternteil, von dem ich
Ihnen jetzt nicht mehr sagen kann, ob er Mundlos

oder Böhnhardt hieß, war der Meinung, dass es

mithilfe des Verfassungsschutzes möglich sein

würde, ihre Kinder um die Strafverfolgung drum

herumzubringen. Da habe ich gesagt, das sei aus-

geschlossen, könnte ich ausschließen. Aber beim

freiwilligen Stellen - hier ging es ja um diesen

Sprengstoffversuch - könnte ich mir vorstellen,

dass es auf das Strafmaß irgendwelche Auswir-

kungen hat; das ja.“3665

„Sinn der Übung“, so Dr. Roewer, sei es gewesen, im
Umfeld der Eltern eine Quelle zu installieren, der die

Eltern sich dann in Bezug auf den ihnen bekannten Auf-

enthaltsort offenbaren würden. Vor seiner Entlassung sei

ihm dies, so Dr. Roewer, jedoch nicht gelungen.
3666

Die

Entlassung des Zeugen Dr. Roewer als Präsident des LfV

Thüringen erfolgte im Jahr 2000 – mehr als zwei Jahre
nach dem Gespräch mit den Eltern von Uwe Mundlos im

März 1998.

b) Rückkehrverhandlungen zwischen Okto-
ber 1998 und März 1999

Nach den ersten Gesprächen sowohl des LKA als auch

des LfV Thüringen im März 1998 mit den Eltern von Uwe

Mundlos hat das LfV Thüringen ab Oktober 1998 Rück-

kehrverhandlungen auch mit der Familie Böhnhardt ge-

führt.

aa) Aussteiger-Gespräche mit der Familie
Böhnhardt im Oktober und November 1998

Ein erstes sog. Aussteiger-Gespräch fand am 19. Oktober

1998 statt. Dabei sollte herausgefunden werden, ob sich

Böhnhardt möglicherweise freiwillig stellen würde.
3667

Ein zweites Gespräch folgte am 4. November 1998. Da-

nach erklärten sich die Eltern Böhnhardts dazu bereit,

wenn die Beobachtung und TKÜ gegen sie eingestellt

werden würde.
3668

Um diese Bedingungen abzusprechen,

hat das LfV Thüringen angekündigt, auch das LKA Thü-

ringen und die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
3669

Auch die Übernahme von Kosten für einen Rechtsanwalt

als Vertrauensperson wurde in diesem zweiten Gespräch

zugesagt.
3670

Im Hinblick auf die Gesprächsführung hat der Zeuge

Schrader ausgesagt, dass es auch deshalb schwer gewesen

sei, ein Vertrauensverhältnis zu den Eltern aufzubauen,

weil Frau Böhnhardt geäußert habe, sie sei durch einen

LKA-Beamten bedroht worden:
3665) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 73.

3666) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 73 f.

3667) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 160, Rn. 301.

3668) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.

3669) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 161, Rn. 301.

3670) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 151 f.

„Ich habe erst mit den Eltern mehrere Verhand-
lungsrunden - - Da war Herr Wießner mit dabei.

Das war übrigens auch so etwas, Herr Wieland;

das muss man auch mal laut sagen: Wir haben also

zwei, drei Verhandlungsrunden erst mal führen

müssen, bis die Frau Böhnhardt uns überhaupt ver-

traut hat, weil Frau Böhnhardt uns gesagt hat,

zweimal gesagt hat, sie sei von einem bestimmten

Beamten des LKA regelrecht bedroht worden. Der

hätte durchblicken lassen, dass es sein könne,

wenn sie ihren Sohn nicht preisgebe, dass er dann

irgendwann mal bei einer Fahndungsmaßnahme

erschossen würde. […] Wir haben dann mehrere
Verhandlungsrunden mit der Frau Böhnhardt ge-

macht. Dann hat die Frau Böhnhardt später - - hat

dann darauf bestanden, dass wir über einen

Rechtsanwalt gehen würden, nämlich diesen Herrn

Thaut.“3671

Bei dem von Frau Böhnhardt genannten „bestimmten
Beamten“ habe es sich um den Zielfahnder Wunderlich
gehandelt.

3672
Im Dezember 1998 stellte Rechtsanwalt Thaut dem LfV

Thüringen eine erste Rechnung in Höhe von 833,20 DM

für drei Gespräche im November 1998.
3673

Aus der Rech-

nung geht hervor, dass es zu zwei Gesprächen von jeweils

zwei Stunden in Jena gekommen war. Unter Nennung des

Datums 20. November 1998 werden zudem Kosten für

ein „Gespräch mit Behördenleiter der Staatsanwaltschaft
(eine Stunde)“ geltend gemacht.

Bereits in diesem Stadium, so der Zeuge Schrader, sei

ihm klar gewesen, dass weder die Eltern noch der Rechts-

anwalt Kontakt zu Uwe Böhnhardt gehabt hätten:

„Ich bin dann bei Herrn Thaut gewesen, alleine,
habe da mit ihm drüber verhandelt und habe dann

spätestens bei ihm gemerkt, dass keiner von denen

eine unmittelbare Verbindung zu den dreien hatte,

und damit war die Sache gestorben.“3674

bb) Mitteilung an den Rechtsanwalt im Dezem-
ber 1998, dass die Überwachungsmaß-
nahmen ruhen

Am 18. Dezember 1998 wurde dem Bevollmächtigten der

Eltern Böhnhardts, Rechtsanwalt Thaut, mitgeteilt, dass

für den Zeitraum der Verhandlungen keine Überwa-

chungsmaßnahmen gegen ihn und die Familie Böhnhardt

durchgeführt würden.
3675

Inwiefern das LKA Thüringen

und die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt bereits

eingebunden waren, ist nicht aktenkundig.
3671) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 138 f.

3672) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139.

3673) Hierzu und im Folgenden MAT A TH-3/1, (Tgb.-Nr. 9/12 –
GEHEIM), Anlage 2, Bl. 155 (VS-NfD).

3674) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139.

3675) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162, Rn. 301.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 421 – Drucksache 17/14600

cc) Schreiben von Rechtsanwalt Eisenecker
für Beate Zschäpe

Mit Schreiben vom 7. März 1999, eingegangen bei der

Staatsanwaltschaft Gera am 10. März 1999, meldete sich

Rechtsanwalt Eisenecker aus Goldenbow.
3676

Unter Ver-

weis auf eine dem Schreiben beiliegende Vollmachtsur-

kunde, die handschriftlich mit dem Namenszug „Beate
Zschäpe“ unter Angabe des Datums „27.02.99“ gezeich-
net ist,

3677
wird um Akteneinsicht gebeten. Zudem heißt

es in dem Schreiben:

„Desweiteren darf ich nach dem möglichen Proce-
dere anfragen.“3678

In Bezug auf die Kontaktaufnahme Zschäpes mit Rechts-

anwalt Dr. Eisenecker in Goldenbow ist Folgendes be-

kannt:

Ende Januar 1999 erreichte das LfV Thüringen eine Mel-

dung der Quelle 2045: Wohlleben habe geäußert, das Trio

klage immer lauter über seine finanzielle Situation, die

Geldquellen versiegten langsam und auch die Familie

Böhnhardt sei nicht mehr in der Lage, sie zu unterstüt-

zen.
3679

Er habe zudem angedeutet, dass André Kapke

wegen seiner permanenten polizeilichen Beobachtung seit

Mitte 1998 keinen Kontakt zum Trio habe.
3680

Außerdem

habe Wohlleben der Quelle mitgeteilt, er wolle mit RA

Dr. Eisenecker in Goldenbow (Mecklenburg-

Vorpommern) über eine anwaltliche Vertretung Zschäpes

für Rückkehrverhandlungen sprechen.
3681

Dieses Treffen

mit Dr. Eisenecker werde am 5. Februar 1999 stattfin-

den.
3682

An diesem Tag wurden Wohlleben und Carsten

Schultze in Goldenbow durch das LfV Mecklenburg-

Vorpommern auf Bitte des LfV Thüringen observiert.
3683

Dabei wurden ein älteres Pärchen und später zwei männ-

liche Personen in einem PKW, zugelassen auf Wohlleben,

festgestellt.
3684

dd) Gespräch zwischen den Eltern von Uwe
Böhnhardt und StA Mohrmann am
29. Februar 1999

In der Rechnung des Rechtsanwalts Thaut, die dieser nach

Abschluss der Angelegenheit an das LfV Thüringen stell-

te, ist als Rechnungsposten unter Nennung des (kalenda-

risch nicht existenten) 29. Februar 1999 auch eine ein-
3676) Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Eisenecker an die Staatsan-

waltschaft Gera vom 7. März 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 249.

3677) Vollmachtsurkunde für Rechtsanwalt Dr. Eisenecker vom

27. Februar 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 250.

3678) Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Eisenecker an die Staatsan-
waltschaft Gera vom 7. März 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 249.

3679) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162 f., Rn. 301.

3680) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 160 (VS-VERTRAULICH).

3681) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 162 f., Rn. 301.

3682) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 160 (VS-VERTRAULICH).

3683) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.

3684) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 163, Rn. 301.

stündige „Besprechung mit Böhnhardts und OStA Mohr-
mann in Gera“ vermerkt.3685

ee) Gespräch zwischen dem Vizepräsidenten
des LfV Thüringen, Nocken, und der
Staatsanwaltschaft Gera

In den Akten des LfV Thüringen befindet sich ein Ver-

merk zu einem Gespräch am 12. März 1999 zwischen

Nocken und einem für das Verfahren zuständigen Staats-

anwalt bei der Staatsanwaltschaft Gera über Vereinbarun-

gen im Fall einer freiwilligen Selbststellung des Trios,

wie eine Beschränkung der U-Haft auf zwei Wochen im

Gegenzug für ein umfassendes Geständnis der Beschul-

digten.
3686

Ein Hinweis auf dieses Gespräch ist in den

Akten der Staatsanwaltschaft nicht zu finden.
3687

Der

genannte Vermerk, der von dem Vizepräsidenten des

LfV, Nocken, gezeichnet ist, datiert vom 15. März 1999.

Über das Gespräch zwischen Nocken und dem Staatsan-

walt am 12. März 1999 heißt es in Bezug auf das „Ergeb-
nis:

„1. Herrn Rechtsanwalt Thaut wurde mitgeteilt,
dass die Drillinge für ca. zwei Wochen in

Untersuchungshaft genommen werden, um die

vollständigen Geständnisse und Aussagen

aufnehmen zu können. Thaut hat erklärt, dazu

erst die Familie und die Betroffenen befragen

zu müssen, da zunächst davon die Rede war,

den Haftbefehl gegen die Drillinge nach Ge-

stellung sofort aufzuheben.

2. Es stört das Vorhaben der Staatsanwaltschaft

nicht, wenn das LfV Thüringen die Zusage an

Rechtsanwalt Thaut und die Familie

Böhnhardt (gegen sie keine Überwachungs-

maßnahmen durchzuführen) zurücknimmt

bzw. das Ende der Verhandlungen zwischen

Rechtsanwalt Thaut und LfV Thüringen er-

klärt wird. Möglicherweise kann diese Maß-

nahme sogar die Rückkehrwilligkeit der Dril-

linge erhöhen.

3. Eine Fortführung der Verhandlungen – mögli-
cherweise mit einem anderen Rechtsanwalt –
ist nicht vorgesehen.“3688

Der Zeuge Nocken hat im Hinblick auf das Gespräch

erklärt:

„Also, ich meine - bin mir jetzt nicht mehr hun-
dertprozentig sicher -, dass für den Fall, dass keine

weiteren Straftaten als die Bombe, die da am Thea-
3685) Rechnung von Rechtsanwalt Thaut an das LfV Thüringen,

MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), An-
lage 2, Bl. 184 (VS-NfD).

3686) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 234, Rn. 428.

3687) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 234, Rn. 428 sowie

S. 122, Rn. 246.

3688) Vermerk zu Vereinbarungen mit der Staatsanwaltschaft Gera,

MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM), An-
lage 2, Bl. 177 (VS-VERTRAULICH).

Drucksache 17/14600 – 422 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ter in Jena deponiert worden war - - wenn keine

weiteren Straftaten mehr dazugekommen sind und

ein volles Geständnis abgelegt würde, eine Unter-

suchungshaft von vielleicht zwei Wochen zur De-

batte stehen könnte. Also, so in dieser Art und

Weise ist dann mit der Staatsanwaltschaft da ver-

handelt worden.“3689

Der Zeuge Schrader hat diese Angaben im Wesentlichen

bestätigt:

„Nein, nein, die Absprache mit Herrn Koeppen
war folgendermaßen: Herr Koeppen hat gesagt,

wenn sich der Herr Böhnhardt stellt, erstens frei-

willig stellt, zweitens in der Zwischenzeit keine

schwerwiegenden Straftaten begangen hat und

drittens umfänglich aussagt, dann wird er den

Haftbefehl nach der Vernehmung aufheben und er

kann nach Hause, und die Verhandlung muss dann

sehen, was sich ergibt. Er hat keine Zusagen ge-

macht. Er hat nur die Zusage gemacht, dass er den

Haftbefehl, wenn er aussagt, keine strafbaren

Handlungen und sich stellt - - zunächst der Haftbe-

fehl bis zur Verhandlung ausgesetzt würde. Nur

das war die einzige Zusage.“3690

ff) Ende der Rückkehrverhandlungen im März
1999

Am 19. März 1999 teilte Rechtsanwalt Thaut dem LfV

Thüringen mit, weitere Verhandlungen würden nun nicht

mehr erfolgen.
3691

Eine Abschlusskostenrechnung folgte

am 25. März 1999.
3692

Das LfV Thüringen hatte zuvor,

am 19. März 1999, die gemachten Zusagen hinsichtlich

der Unterlassung weiterer Maßnahmen gegen die Familie

Böhnhardt zurückgenommen.
3693

Der Zeuge Nocken hat im Rahmen seiner Vernehmung

bzgl. des Scheiterns der Rückkehrverhandlungen bekun-

det:

„Die Familie Böhnhardt hat das Angebot der
Staatsanwaltschaft später abgelehnt, weil sie einen

Rechtsbeistand beigezogen hatten, der ihnen gera-

ten hat, das nicht anzunehmen.“3694

Der Zeuge Schrader hat im Hinblick auf eine mögliche

Kommunikation der Eltern mit Böhnhardt und Zschäpe

bekundet:

„Es ist aus meiner Sicht daran gescheitert, dass
weder die Eltern Böhnhardt - zu dem Zeitpunkt,

als wir die Verhandlungen geführt haben; später

mag das anders gewesen sein - - dass weder die El-
3689) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 28.

3690) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 139.

3691) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 166, Rn. 301.

3692) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 184 (VS-NfD).

3693) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 181 (VS-NfD).

3694) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 28.

tern Böhnhardt noch der Rechtsanwalt Thaut un-

mittelbar Verbindung zu den dreien hatten. Die

Verbindung lief damals nur über Wohlleben.

Kapke war damals auch schon aus dem Rennen.

Die lief nur über Wohlleben, und Wohlleben hat

diese Erkenntnisse gar nicht weitergegeben. Das

haben wir später über die Quelle erfahren.“3695

Am 23. März 1999 hält das LKA Thüringen in einem

Vermerk fest, der Leiter der Staatsanwaltschaft Gera

(Koeppen) habe mitgeteilt, weitere Verhandlungen zwi-

schen der Staatsanwaltschaft und den Rechtsanwälten des

Trios werde es nicht geben. Diesen sei jedoch mitgeteilt

worden, das Trio habe trotz einer Intensivierung der

Fahndungsmaßnahmen die Möglichkeit, sich zu stel-

len.
3696

In seiner schriftlichen Anhörung durch den Untersu-

chungsausschuss hat der Zeuge Mohrmann auf die Frage,

welche Erkenntnisse er zu der Entscheidung habe, keine

weiteren Verhandlungen über die Rückkehr des Trios zu

führen, bekundet, dass er an die damals getroffene Ent-

scheidung keine Erinnerung mehr habe:

„Ich habe nur noch ganz vage Erinnerungen über
Verhandlungen bezüglich der freiwilligen Rück-

kehr des Trios. Über Erinnerungen an eine im Jah-

re 1999 in der Staatsanwaltschaft Gera getroffene

Entscheidung, keine weiteren Verhandlungen über

eine mögliche freiwillige Rückkehr des Trios mehr

zu führen, verfüge ich nicht.“3697

Rechtsanwalt Dr. Eisenecker wurde am 29. März 1999

durch Staatsanwalt Mohrmann darüber informiert, dass

die beantragte Akteneinsicht unter Hinweis auf § 147

Abs. 2 StPO [laufende Ermittlungen] verweigert wer-

de.
3698

9. Zusammenarbeit des LfV Thüringen mit
dem LKA Thüringen

a) Ansprechpartner für das LfV Thüringen im
LKA Thüringen

Der Zeuge Schrader hat angegeben, das LfV Thüringen

sei bereits kurze Zeit nach dem Untertauchen des Trios

vom LKA Thüringen angewiesen worden, im Fall „Dril-
ling“ nicht mehr mit dem Staatsschutz, sondern nur mit
der Zielfahndung zu sprechen.

3699
Auch der Zeuge Nocken hat die Zielfahndung als einzigen

Ansprechpartner des LfV Thüringen bezeichnet. Er hat

ausgeführt:
3695) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 138.

3696) MAT A TH-3/1 („Drilling“), (Tgb.-Nr. 9/12 – GEHEIM),
Anlage 2, Bl. 182 (VS-NfD).

3697) Mohrmann, MAT A Z-57-1, Bl. 2.

3698) Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera an Rechtsanwalt

Dr. Eisenecker vom 29. März 1999, MAT A TH-2/16, Bl. 252.

3699) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 167.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 423 – Drucksache 17/14600

„Nachdem sich das Thüringer LfV entschlossen
hatte, aufgrund der besonders günstigen Zugangs-

lage eine Operation zur Entdeckung des Aufent-

haltsortes der Neonazis zu beginnen, wurde vom

Thüringer Landeskriminalamt die Sondereinheit

‚Zielfahndung‘ als ausschließlicher Ansprechpart-
ner für das LfV Thüringen benannt. Warum nicht

der polizeiliche Staatsschutz die Aufgabe bekom-

men hat, nach den Flüchtigen zu fahnden, ist mir

unbekannt.
3700

Auch mit der ZEX
3701

oder der EG „TEX“ habe das LfV
Thüringen nach diesem Auftrag über das Trio nicht mehr

gesprochen:

„Wenn es um normale Aufmärsche ging, wenn es
um Veranstaltungen ging, dann kriegte das die

ZEX; aber ansonsten - in diesem Fall ‚Drillinge’ -
hatten wir die Anweisung, nur mit der Zielfahn-

dung zu sprechen.“3702

Mit der Soko „REX“ beim LKA Thüringen habe das LfV
Thüringen bis zu deren Auflösung „teilweise“ im Rahmen
der freitäglichen Lagen zusammengearbeitet.

3703
Der Zeuge Schrader hat ausgesagt, die Kommunikation

mit dem Thüringer Landeskriminalamt sei in der Regel

von ihm oder Herrn Wießner geführt worden.
3704

b) Vereinbarungen zur Zusammenarbeit

Der Zeuge Nocken hat angegeben, mit der Zielfahndung

habe man zwar nicht regelmäßig, aber häufig zusammen-

gesessen und Informationen ausgetauscht.
3705

Bei einigen

dieser Besprechungen sei er selbst dabei gewesen.
3706

Die

Besprechungen seien auch spontan einberufen worden:

„Man rief sich morgens zusammen und sagte: Wir
müssen uns noch mal unterhalten. Wie gehen wir

denn da und da - - Wie machen wir da und da wei-

ter? - So. Und dann sind die gekommen, dann hat

man gesagt: Wie ist der neueste Stand der Dinge? -

So. So ist die Zusammenarbeit gewesen.
3707

Der Zeuge Wunderlich hat in Bezug auf den Austausch

mit dem Verfassungsschutz angegeben:

„Wir hatten also einen wöchentlichen Austausch,
mindestens einmal.“3708

Zudem hat Wunderlich im Hinblick auf die Dokumentati-

on der Treffen mit dem Verfassungsschutz bekundet:
3700) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125 .

3701) Siehe hierzu die Erläuterungen im Abschnitt B. III. 2. a).

3702) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 167.

3703) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 157.

3704) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 166.

3705) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.

3706) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.

3707) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.

3708) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 32.

„Ja, es war für uns der erste und einzige Fall bis-
her, wo wir mit dem Verfassungsschutz zusam-

mengearbeitet haben, und interessant ist schon der

Umstand der Erstbesprechung, dass alles, was wir

da besprechen, nirgendwo dokumentiert werden

darf. Wir haben uns an diese Absprache gehalten,

weil wir uns ganz einfach versprochen haben, dass

wir dadurch Informationen bekommen, die zum

Aufenthalt der drei führen.“3709

Der Zeuge Nocken hat ebenfalls geäußert, dass eine ent-

sprechende Vereinbarung über die Dokumentation be-

standen habe:

„Dazu kam, dass das Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz aufgrund fehlender Erfah-

rungswerte bei der Zusammenarbeit mit der Ziel-

fahndung nicht wusste, wie dort mit sensiblen In-

formationen umgegangen wird.

Hätte ich damals geahnt, dass die Zusammenarbeit

mit der Zielfahndung so wie geschehen verlaufen

würde, hätte ich auf einen anderen Ansprechpart-

ner im Fall ‚Drilling’ bestanden. Insbesondere die
spätere Behauptung der Zielfahndung, das Thürin-

ger Landesamt für Verfassungsschutz hätte die

Neonazis gedeckt, geschützt oder gar als Quelle

geführt, ist so falsch wie empörend.

Unter dieser Maßgabe ist die dann eingesetzte In-

formationsweitergabe an die Polizei zu werten.

Davon ausgehend und wegen der besonderen

Geheimhaltungsnotwendigkeit der Operation wur-

de vereinbart, dass Informationen an die Zielfahn-

dung nur ohne Aktenvermerk oder anderen Rück-

halt gegeben werden könnten. Damit war die Ziel-

fahndung auch einverstanden, […].“3710

Der Zeuge Nocken hat hierzu in seiner zweiten Verneh-

mung weiter ausgeführt:

„Und wir hatten gebeten - das ist richtig dargestellt
vom Herrn Wunderlich -: Lasst das bitte nicht ak-

tenkundig werden; denn dann haben wir unsere

Probleme mit dem Quellenschutz. Ihr müsst das

einfach nur zur Kenntnis nehmen und euch so ver-

halten, dass das eben uns nicht zur Last fällt.“3711

Der Zeuge Schrader hat vor dem Untersuchungsausschuss

angegeben, der Leiter der Zielfahndung, Wunderlich,

habe bei Observationen dabei sein dürfen, aber ihm sei

gesagt worden, er dürfe nichts aufschreiben.
3712

Wunder-

lich sei „einige Male“ bei Observationen des LfV Thürin-
gen dabei gewesen. Er hat erklärt:

„Ich kann das nicht mehr genau sagen; aber ich
weiß, dass er einige Male mitgefahren ist und auch

einige Male bei Besprechungen mit dabei war, und
3709) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 23 f.

3710) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125 f.

3711) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 17.

3712) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168.

Drucksache 17/14600 – 424 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zwar dergestalt, dass wir uns in Jena an der Auto-

bahn getroffen haben und von dort aus dann den

Einsatz besprochen haben. - Damals waren die

Kölner da, und da war Wunderlich sehr häufig da-

bei. So, wenn er darüber keine Dings macht, dann

ist das wahrscheinlich darauf zurückzuführen, weil

wir ihn gebeten hatten, über diese Dinge keine

Niederschriften zu machen. Aber ich weiß, dass er

dabei war. […], ob jetzt nun zwölfmal oder acht-
mal, das kann ich nicht sagen, aber er ist einige

Male mit dabei gewesen.“3713

Hierauf habe sich Wunderlich eingelassen, da die Anwe-

senheit der Polizei bei Observationen des Verfassungs-

schutzes normalerweise nicht üblich sei. Der Zeuge

Schrader hat erläutert:

„Es war auch normalerweise bei uns im Haus ver-
boten, von der Polizei jemanden mitzunehmen.

Auch da habe ich mich weit aus dem Fenster raus-

gehangen. Der Einzige, der das wusste, war der

Herr Nocken. Normalerweise ist es unüblich - es

ist auch regelrecht verboten -, dass wir von der Po-

lizei bei uns in Obs.-Fahrzeugen welche mitneh-

men.“3714

Auch der Zeuge Nocken hat ausgesagt,

„Die Sachsen haben Observationsmaßnahmen ge-
fahren aufgrund der Informationen, die ausge-

tauscht wurden. Der Herr Wunderlich hat - also,

ich bin sehr sicher - einige Observationseinsätze

mit uns gefahren, was absolut außergewöhnlich ist.

Ich kann mich nicht - ich bin ja nun auch lange im

Verfassungsschutz gewesen - erinnern, dass jemals

bei uns ein Polizist im Auto saß bei der Fahndung

nach irgendwelchen Straftätern.“3715

Der Zeuge Wunderlich hat auf die Frage, wie oft er denn

in dem Zeitraum, als der Mitarbeiter Wießner noch im

LfV Thüringen tätig gewesen sei, bei Observationen an-

wesend war, erklärt:

„Ein einziges Mal.“3716

Auf den Vorhalt, dass der Zeuge Wunderlich vor dem

Ausschuss erklärt habe, er sei nur bei einer einzigen Ob-

servation dabei gewesen, hat der Zeuge Schrader erwi-

dert:

„Und wenn wir hinterher ein paarmal nachzählen,
dann sind ist es vielleicht noch drei-, vier- oder

fünfmal gewesen, nicht? Nein, nein, also, ich kann

es Ihnen nicht anders sagen; es tut mir leid.“3717
3713) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 168.

3714) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.

3715) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 13.

3716) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 71.

3717) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.

Wenn Wunderlich sich heute daran nicht mehr erinnere,

könne er nicht sagen, warum dies so sei.
3718

Der Zeuge Wießner hat hierzu bekundet:

„Das ging ja so weit, dass auch Schraders Billi-
gung oder der Amtsleitung - - dass selbst der Wun-

derlich bei Treffen - ich muss das noch mal sagen:

bei Treffen - mitgefahren ist und hat Nahbeobach-

tungen Wohlleben - - saß mit im Auto und hat den

ganzen Treff mitbekommen. Der Wunderlich ist

über alle Geschichten unterrichtet worden; ist na-

türlich alles mündlich gelaufen.“3719

c) In den Akten des LKA Thüringen doku-
mentierte Informationserlangung durch
das LfV Thüringen

In den Akten des LKA Thüringen finden sich keine aus-

drücklichen Vermerke über aus Mitteilungen des LfV

Thüringen erlangte Erkenntnisse im Rahmen der Suche

nach dem Trio. Der Terminus „Es wurde dienstlich be-
kannt“ (o. Ä.) findet sich – wie im Abschnitt E. II. darge-
stellt – jedoch immer wieder in den Akten des LKA Thü-
ringen.

Auch zur gemeinsam zwischen LfV Thüringen und LKA

Thüringen durchgeführten Observation in Chemnitz am

6. und 7. Mai 2000 ist ein Informationsaustausch in den

Akten dokumentiert.
3720

d) In den Akten des LfV Thüringen dokumen-
tierte Informationsweitergabe an das LKA
Thüringen

Nach der am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen

„Dienstvorschrift für die Auswertung“ (DV-A TH) war
das LfV Thüringen zur Dokumentation verpflichtet. § 6

Abs. 2 DV-A TH bestimmt:

„Informationen einschließlich personenbezogener
Daten sind grundsätzlich schriftlich zu übermit-

teln. Bei mündlicher Übermittlung ist der wesent-

liche Inhalt unter Auflistung der im einzelnen mit-

geteilten Informationen in einem Aktenvermerk

festzuhalten.“3721

Aus den Akten sind nur wenige Fälle ersichtlich, in

denen Informationen vom LfV Thüringen an das LKA

Thüringen weitergeleitet wurden: Von nahezu 50 beim

LfV Thüringen eingegangenen Mitteilungen von V-

Leuten und Informanten zum Trio sind nur in wenigen

Fällen Hinweise auf eine Weiterleitung der Erkennt-

nisse an das LKA Thüringen in den Akten zu fin-
3718) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.

3719) Wießner, Protokoll-Nr. 56, S. 32.

3720) Vgl. hierzu eingehend im Abschnitt E. II. 13.

3721) MAT A TH-3/6, Ordner II, Anlage 5, (Tgb.-Nr. 78/12 –
GEHEIM), Bl. 176-189 (VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 425 – Drucksache 17/14600

den.
3722

Dabei handelte es sich um folgende Meldun-

gen:

17./27. Februar 1998:

Informationsaustausch zwischen dem LfV Thüringen und

dem LfV Berlin zum Zwecke der Überprüfung des

Wohnmobilverleihs von Rita B. und Frank S., die beide

der rechten Szene angehören.
3723

Nach einer Aktennotiz des BfV von März 1998 soll das

LfV Thüringen dem LKA Thüringen in diesem Zusam-

menhang „relevante Anlaufadressen“ übermittelt haben.
In den Akten des LKA Thüringen findet sich keine ent-

sprechende Dokumentation.
3724

Zuvor hatte am 16. Februar 1998 die Quelle 2045 über

einen Kontakt zwischen Kapke und Frank S. in Berlin

informiert, um möglicherweise Adressen für die Flüchti-

gen für einen Unterschlupf im Ausland zu erhalten; eine

zweite Möglichkeit sei, man wolle über Frank S., der in

Berlin mit Rita B. einen Wohnmobilverleih betreibe, ein

entsprechendes Fahrzeug für die Flüchtigen besorgen.
3725

23. Juli 1998:

Aktenvermerk der Zielfahndung, wonach „dienstlich
bekannt“ wurde, dass die Drei zum Zwecke ihrer Fi-
nanzierung ein Szenespiel herstellen sollen.

3726
Das LKA Thüringen informiert die StA Gera entspre-

chend mit der Folge, dass eine TKÜ-Maßnahme gegen

Jürgen H., der im Verdacht steht, die Spiele aufzube-

wahren, verlängert wird.
3727

Mitteilung der Information an das BfV im Juni

1999.
3728

Über den Verkauf des Spiels hatte die Quelle 2045

bereits zuvor informiert, dies wurde in einem Vermerk

vom 12. Mai 1998 festgehalten: Kapke habe regelmä-

ßig Kontakt zum Trio; er verkaufe das Szenespiel

„Pogromoly“; der Erlös sei für das Trio.3729

26. Juli bis 6. August 1998:

Observation Kapkes in Jena durch das LfV Thüringen mit

Unterstützung des BfV mit Spurfolgesender.
3722) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 207, Rn. 358.

3723) ELKOM des LfV Berlin vom 27. Februar 1998, MAT A TH-

3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 107 (VS-NfD).

3724) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150, Rn. 301.

3725) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 150; Deckblattmeldung
der Quelle 2045 (Tino Brandt) vom 16. Februar 1998, MAT A

TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Anlage 1, Bl. 113 f. (VS-
VERTRAULICH).

3726) Vermerk von KOK Wunderlich vom 23. Juli 1998, MAT A

TH-1/4, Bl. 155.

3727) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 27. Juli 1998, MAT A
TH-1/4, Bl. 156.

3728) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152, Rn. 301.

3729) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 152.

Das LfV Thüringen informiert das LKA Thüringen zu-

mindest über die mutmaßlich geplante Flucht der Drei

nach Südafrika über Sofia.
3730

Mitteilung der Information an das BfV im November

2011.

Diese Observation bezieht sich auf einen mündlichen

Auftrag vom 22. Juni 1998, sie war somit ohnehin ge-

plant; die neuen Erkenntnisse zum Trio werden nunmehr

berücksichtigt.

Observationserkenntnisse: Kapke trifft sich mit Mario

Brehme zwei Stunden in einem Pkw; Jürgen H. wird mit

Wohlleben und Juliane W. beobachtet; Kapke fährt mit

Sven K. am 4./5. August zu Dehoust nach Coburg, offen-

sichtlich um das Geld für Reisepässe zu holen; die Geld-

übergabe soll am 5. August 1998 erfolgt sein, ohne dass

diese im Observationsbericht näher dargestellt wird; ob

das LKA Thüringen über diese Einzelheiten informiert

worden ist, ist nach der Aktenlage nicht erkennbar.
3731

Hintergrund dieser Maßnahmen waren Informationen der

Quelle 2045, die in einem Vermerk vom 29. Juli 1998

festgehalten worden sind: Die Quelle berichtet von

einem Gespräch mit Kapke vom 24. Juli 1998, in dem

Kapke mitteilt, er benötige 1 800 DM für das Trio, um sie

endgültig aus Jena wegzubringen. Kapke habe die Quelle

gebeten, mit dessen Arbeitgeber Dehoust in Coburg zu

sprechen, ob dieser einen Kredit geben könne; Wohlleben

habe bereits in der Vergangenheit einen Kredit aufge-

nommen, er könne derzeit keine Mittel zur Verfügung

stellen. Die Quelle vermutet, dass ein Verbringen der Drei

nach Südafrika zu Dr. Claus Nordbruch geplant sei.
3732

14. September 1998:

Hier ist die Weitergabe der Information (Quellenmeldung

des Landes Brandenburg) an den Präsidenten des LKA

Thüringen aktenkundig.
3733

Der Untersuchungsausschuss

hat hierzu eigene Untersuchungen angestellt, die im Ab-

schnitt E. III. 6. h) dargestellt werden.

22. Dezember 1999:

Quelleninformation über den angeblichen Tod der Drei

auf Kreta.

Rücksprachen zwischen dem LfV Thüringen, dem BfV

und dem MAD.

Information des LKA Thüringen.
3730) Dokumentation des Ablaufes und der Informationen, MAT A

TH-1/3, Bl. 379.

3731) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 154 f., Rn. 301; Obser-

vationsbericht bzgl. der Observation von Jürgen H. vom 3.-6.
August 1998, MAT A TH-1/4, Bl. 159 ff.

3732) Siehe hierzu bereits oben unter E. III. 6. f).

3733) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 158, Rn. 301.

Drucksache 17/14600 – 426 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Gerücht soll von einem Beamten des LKA Thüringen

verbreitet worden sein. Das Ergebnis eines beabsichtigten

Auswertungsgesprächs ist nicht aktenkundig.
3734

Für die meisten Informationen, die beim LfV Thürin-

gen aufgelaufen sind, finden sich in den Akten keine

Hinweise auf eine Weiterleitung an das LKA Thürin-

gen – das betrifft auch die zahlreichen Hinweise auf
die immer prekärer werdenden Geldnöte des Trios, die

zwei Quellenmitteilungen von Oktober 1998, wonach

die Suche nach Waffen für das Trio fortgesetzt werde,

die wiederkehrenden Hinweise auf ihren Aufenthalt in

Chemnitz beziehungsweise Sachsen und schließlich

die Mitteilungen, dass die Flüchtigen kein Geld mehr

benötigten, weil sie „jobben“ und so viele „Sa-
chen/Aktionen“ gemacht hätten.3735

e) Diskrepanz der Zeugenaussagen in Bezug
auf den Umfang der Informationsweiterga-
be durch das LfV Thüringen an das LKA
Thüringen

In den Vernehmungen durch den Untersuchungssau-

schuss haben die Zeugen aus dem Bereich der Thürin-

ger Polizei ihre bereits vor der Schäfer-Kommission

gemachten Angaben, das LfV Thüringen habe nicht

oder nicht vollständig informiert, noch einmal bekräf-

tigt:

Der Zeuge Wunderlich hat ausgesagt:

„Nun gibt es ja diesen Kommissionsbericht [Schä-
fer-Gutachten], den ich als Basis wirklich sehr gut

finde. Dort sind ja die ganzen einzelnen Informati-

onen aufgelistet, und für mich war das schon er-

schreckend, was an Informationen da war, was im

Zuge der Zusammenführung natürlich für uns ganz

klare Fahndungsansätze gebracht hätte.“3736

Auch der damalige Präsident des LKA Thüringen,

Luthardt, hat als Zeuge ausgesagt:

„Heute weiß ich, dass wir etwa – vielleicht – ein
Drittel der Informationen bekommen haben, was

dort bekannt war. Aber damals habe ich das

nicht erkannt.“3737

Ähnlich hatte sich zuvor auch der Zeuge Melzer (LKA

Thüringen) geäußert.
3738

Der Zeuge Dressler (EG „TEX“) hat sich zu der Frage,
inwiefern der Polizei bestimmte Informationen vorla-

gen, folgendermaßen geäußert:

„Ich kann nicht für die Polizei reden. Ich weiß,
dass es mir nicht zugänglich gemacht wurde.“3739
3734) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 172, Rn. 301; vgl. zum

Ganzen oben unter E. III. 11. b) cc).

3735) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 208, Rn. 360.

3736) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 22.

3737) Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 107.

3738) Melzer, Protokoll-Nr. 49, S. 76.

Wunderlich habe sich, so Dressler, schon damals über

den spärlichen Informationsfluss beklagt.
3740

Konkret

habe sich Wunderlich laut Dressler geäußert:

„Na, dass er immer zu spät komme zu bestimmten
Informationen, oder immer kurz, ein paar Tage zu

spät sozusagen, um die Spur dann noch aufnehmen

zu können. Ich kann Ihnen jetzt kein konkretes

Beispiel nennen.“3741

Der Zeuge Wunderlich hat weiterhin vor dem Untersu-

chungsausschuss geäußert, soweit die Zielfahndung Quel-

lenmeldungen seitens des LfV Thüringen überhaupt erhal-

ten habe, seien diese aus Sachsen gekommen. Er hat aus-

gesagt:

„dieser Eindruck ist ja auch entstanden durch die
vielen Besuche, die wir in Sachsen hatten. Ich ha-

be das vorhin ja an einem Beispiel geschildert,

dass wir eben dort Informationen bekommen ha-

ben, wo wir gefragt haben: ‚Wo habt ihr das
her?‘ – ‚Wir haben das von Thüringen.‘ - Und
Thüringen hat uns eben zwei, drei Tage vorher ge-

sagt, sie haben nichts. - Das hat nicht gepasst.“3742

Auf Vorhalt dieser Aussage hat der Zeuge Schrader erwi-

dert:

„Das würde bedeuten, dass ich den Sachsen das
gesagt habe, und die Sachsen haben es dann in der

Zielfahndung gesagt, was ich ihnen vorher erzählt

habe. Also, das macht für mich keinen Sinn. […]
ich kann Ihnen das nicht anders sagen, als ich es

eben auch gesagt habe. Ich kann nicht ausschlie-

ßen, dass ich möglicherweise die eine oder andere

Meldung nicht weitergegeben habe. Aber an be-

stimmte Meldungen kann ich mich sehr genau er-

innern. Und wenn die Leute kein Erinnerungsver-

mögen mehr haben, weiß ich nicht, wie ich das er-

klären soll.“3743

Nach Aussage des Zeugen Schrader liegt der Grund für

die fehlende Information des Staatsschutzes in der An-

weisung, im Fall der Suche nach dem Trio nur mit der

Zielfahndung zu sprechen. Aus diesem Grunde habe der

Staatsschutz bereits zu einem sehr frühen Stadium keine

Informationen über das Trio mehr vom LfV Thüringen

erhalten:
3744

Der Zeuge Schrader hat hierzu erklärt:

„Die konnten gar nichts wissen, wenn sie es nicht
von ihrer Zielfahndung wussten. Und Schäfer

schreibt ja auch an irgendeiner Stelle, dass die

Zielfahndung überfordert war. Und wenn heute die

Staatsschutzleute behaupten - der Dressler oder

wie sie alle heißen -, sie hätten von uns nichts ge-

kriegt: Das stimmt. Wir waren angewiesen, mit der
3739) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 21.

3740) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 21.

3741) Dressler, Protokoll-Nr. 54, S. 21.

3742) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 59.

3743) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 151.

3744) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 427 – Drucksache 17/14600

Zielfahndung zu reden. Und wenn der Dressler

jetzt sagt: ‚Ich habe von denen nichts gekriegt’,
dann hat er völlig recht damit, weil wir mit der

Zielfahndung gesprochen haben.“3745

Der Zeuge Nocken hat behauptet, dass die Informatio-

nen des LfV sehr wohl an die Zielfahndung weiterge-

geben worden seien, nur sei diese Weitergabe münd-

lich erfolgt und nicht in den Akten dokumentiert wor-

den:

„Die Information der Polizei konnte aus operativen
und Quellenschutzgründen nicht dokumentiert er-

folgen. Ich bin aber sehr sicher, dass die Mitarbei-

ter der Zielfahndung des Thüringer Landeskrimi-

nalamtes in persönlichen Gesprächen sehr wohl

unterrichtet wurden.“3746

Und auf Nachfrage:

„Weil wir ständig mit den Kollegen der Zielfahn-
dung zusammengesessen haben und die Informati-

onen ausgetauscht haben. Da war ich zum großen

Teil selber mit beteiligt.“3747

Und im Hinblick auf die oben erwähnte Dokumentation

der Weitergabe nur in wenigen Fällen:

„Dennoch wurden fünf Quellenmeldungen an die
Zielfahndung sogar dokumentiert weitergegeben,

eine Vielzahl weiterer Meldungen in persönlichen

Gesprächen ohne Dokumentation übermittelt.

Die Mitarbeiter der Zielfahndung haben sich in der

Zeit der Zusammenarbeit auch nie bei meinen Mit-

arbeitern oder mir selbst wegen mangelnder Er-

kenntnisweitergabe beschwert. Es ist für mich äu-

ßerst befremdlich, wenn die Schäfer-Kommission

heute bemängelt, dass keine Unterlagen über die

Informationsweitergabe vorhanden sind. Der

Grund dafür ist ja klar: Es war der Wunsch des

Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz,

dem das Thüringer Landeskriminalamt nachge-

kommen ist. Man kann also schlimmstenfalls die

fehlende Dokumentation rügen, aber niemals zu

dem Ergebnis kommen, eine Informationsweiter-

gabe habe gar nicht stattgefunden.“3748

Der Zeuge Schrader hat angegeben, zwischen dem LfV

Thüringen und der Zielfahndung sei die Formulierung

„dienstlich wurde bekannt“

abgesprochen gewesen, wenn die Zielfahndung Informa-

tionen ohne Hinweis auf das LfV Thüringen habe ver-

wenden wollen.
3749

Die Ermittlungsansätze des LKA

Thüringen, die sich die Schäfer-Kommission nicht habe
3745) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 152.

3746) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.

3747) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 121.

3748) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125 f.

3749) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 133.

erklären können, seien letztlich vom LfV Thüringen ge-

kommen.
3750

Die Zusammenarbeit mit der Zielfahndung hat der Zeuge

Nocken insgesamt kritisch bewertet. In seiner ersten Ver-

nehmung vor dem Untersuchungsausschuss hat er geäu-

ßert:

„Warum nicht der polizeiliche Staatsschutz die
Aufgabe bekommen hat, nach den Flüchtigen zu

fahnden, ist mir unbekannt. Dazu kam, dass das

Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz auf-

grund fehlender Erfahrungswerte bei der Zusam-

menarbeit mit der Zielfahndung nicht wusste, wie

dort mit sensiblen Informationen umgegangen

wird.“3751

Er hat diese Aussage in seiner zweiten Vernehmung er-

läutert:

„Es war eine neue Situation. Der Verfassungs-
schutz arbeitet in der Regel nicht mit den Ziel-

fahndungskommandos der Landeskriminalämter

oder der Polizeien zusammen, sondern in der Re-

gel mit den Staatsschutzabteilungen oder mit den

Staatsschutzbereichen.

In diesem Fall hat uns das Landeskriminalamt ge-

sagt: Wir möchten gerne - - die Fahndung durch

die Zielfahndung betrieben werden, dass die von

der Zielfahndung betrieben werden. - Da muss

man auch - - Gerade in dem nachrichtendienstli-

chen Geschäft - und das wissen vielleicht auch vie-

le von Ihnen, die hier ja lange Erfahrung haben -,

gerade in dem Geschäft der Dienste und der Poli-

zei wird vieles aufgrund von vertrauensvoller Zu-

sammenarbeit geregelt. Und wir wussten nicht:

Wie handelt die Zielfahndung Informationen, die

wir ihnen geben, und wo platzen die dann wieder

auf, wo kommen die raus, oder was wird damit

gemacht? In den Staatsschutzbereichen, da ist eine

längere Zusammenarbeit schon gang und gäbe ge-

wesen, da weiß man, dass man sich aufeinander

verlassen kann. Das heißt aber nicht, dass man sich

auf die Zielfahndung nicht verlassen kann. Ich war

eigentlich von dem Gedanken ganz angetan, dass

man sagt: ‚Okay, hier gibt es eine Sondereinheit
der Polizei, die sich ganz speziell um einzelne, mit

Haftbefehl gesuchte Personen kümmert, das muss

ja eigentlich eine höhere Qualität sein’, wusste
aber nicht: Wie behandeln die unsere vertraulichen

Informationen?“3752

Auch der Zeuge Schrader hat vor der Schäfer-

Kommission angegeben, dass „bestimmt 90 Prozent“
der Informationen weitergegeben worden seien ohne

diese zu dokumentieren.
3753

Dass die Zielfahndung,
3750) Schrader, LT-TH, MAT B TH-1/5, S. 204.

3751) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 125.

3752) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 13.

3753) Schrader, Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3,

Bl. 171.

Drucksache 17/14600 – 428 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Herr Wunderlich, nicht über die Waffen informiert

worden sei, halte er für unwahrscheinlich.
3754

f) Sicherheitslage im Innenministerium
Thüringen

Nach Angaben des Zeugen Nocken hat im Thüringer

Innenministerium Ende der 90er Jahre Donnerstagsnach-

mittag eine „Sicherheitslage“ stattgefunden, an der unter
anderem stets auch Vertreter des LKA Thüringen und des

LfV Thüringen teilgenommen hätten.
3755

Bei dieser sei

der Informationsfluss zwischen den Behörden niemals

kritisiert worden.

„Auf Ebene des Landes Thüringen gab es zusätz-
lich das Instrument der sogenannten Sicherheitsla-

ge, die turnusmäßig donnerstags in den Nachmit-

tagsstunden stattfand. Teilnehmer waren hier min-

destens der Leiter oder Vertreter der Polizeiabtei-

lung des TIM, das TLKA, das Thüringer LfV, die

Leiter und Vertreter der Polizeidirektionen, die

Leiter der Aufsichtsreferate Kriminalpolizei und

Verfassungsschutz des Thüringer Innenministeri-

ums sowie betroffene Staatsanwaltschaften.

Bei dieser Lagebesprechung wurden die in den ge-

nannten Behörden vorliegenden Erkenntnisse aus-

getauscht und weitere Maßnahmen abgesprochen.

Der außerordentlich erfahrene Referatsleiter ‚Kri-
minalpolizei’ und auch der Referatsleiter ‚Verfas-
sungsschutz’ haben nicht ein einziges Mal den In-
formationsfluss zwischen den beteiligten Behörden

kritisiert oder auch nur Vorschläge zur Verbesse-

rung gemacht. Wie soll unter diesen Vorausset-

zungen ein Informationsdefizit entstanden sein?

Wie kann es bei dieser Sachlage möglich sein, die

Vorfälle um die drei Straftäter aus Jena auch nur

bruchstückhaft zu verschweigen?

Mir ist auch nicht bekannt, dass sich eine oder

mehrere Dienststellen, die Teilnehmer der Sicher-

heitslage waren, über einen mangelnden Informa-

tionsaustausch beschwert hätten. […]“3756

10. Verdacht der Unterstützung des Trios
durch das LfV Thüringen

a) Brief des Leitenden Oberstaatsanwalts in
Gera an das LfV im Jahr 1999

Oberstaatsanwalt Schultz hat ausgesagt, er habe 1999
3757

für den Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Gera einen

Brief an den Leiter des LfV Thüringen verfasst, um zu

erfahren, ob der Verfassungsschutz etwas mit dem Ver-
3754) Schrader, Anhörung der Schäfer-Kommission, MAT A TH-6/3,

Bl. 177, 182.

3755) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 127.

3756) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 127.

3757) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 52.

schwinden des Trios zu tun habe. Dieser Brief habe 20

oder 22 Fragen enthalten, die ein Mitarbeiter des Landes-

kriminalamtes ausgearbeitet habe. Man habe Auskunft

über Kenntnisse des LfV begehrt, z. B. über den mögli-

chen Aufenthaltsort der drei gesuchten Personen, deren

eventuelle Mitarbeit für das LfV Thüringen und eine

eventuelle Unterstützung des Trios durch das LfV.
3758

Hintergrund dieses Schreibens sei der Verdacht eines

Mitarbeiters des LKA, vermutlich KHK Wunderlich ge-

wesen, wonach das Trio deshalb so blitzartig unterge-

taucht und die Fahndung erfolglos sei, weil das LfV Thü-

ringen das Trio möglicherweise unterstützt habe.
3759

Die-

sen Verdacht habe er, der Zeuge Schultz, geteilt, da er

sich gewundert habe, dass Uwe Böhnhardt bei der ersten

Durchsuchung anwesend war. Er habe allerdings damals

nicht mehr in Erinnerung gehabt, dass es sich bei dem

Durchsuchungsobjekt um die Wohnung bzw. Garage

seiner Eltern handelte, weshalb seine dortige Anwesenheit

leicht zu erklären sei. Heute nehme er nicht mehr an, dass

einer von den drei Personen Informant des Verfassungs-

schutzes gewesen sei.
3760

Zur Beantwortung des Schreibens der StA Gera seien ein

oder zwei Personen der Leitungsebene des LfV erschie-

nen, wohl Herr Nocken oder Dr. Roewer.
3761

Alle Fragen

seien mit „Nein“ beantwortet worden, sie hätten keine
Kenntnis. Keiner vom Trio wäre ein Mitarbeiter usw.

3762
In den dem Ausschuss übersandten Akten befinden sich

weder dieser Brief noch ein Vermerk über ein Gespräch

mit dem LfV Thüringen. Auch die Vertreter der Thüringi-

schen Landesregierung haben angegeben, in den Akten

des LfV oder der Staatsanwaltschaft derartige Unterlagen

nicht gefunden zu haben.
3763

Von den im Ausschuss befragten Mitarbeitern des LfV

Thüringen hat lediglich der Zeuge Nocken angegeben,

dass er diesen Brief kenne, jedoch sonst keine Erinnerung

habe, weder an den Inhalt noch an eine Antwort des

LfV.
3764

Die Zeugen Sippel und Dr. Roewer haben ange-

geben, sich an einen derartigen Brief nicht erinnern zu

können.
3765

Der Zeuge Schrader hat angegeben, dass er

als damaliger Referatsleiter von einem derartigen außer-

gewöhnlichen Schreiben hätte erfahren müssen. Er kenne

es jedoch nicht.
3766
3758) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 9 ff.

3759) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 9 ff.

3760) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 53.

3761) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 12 f.

3762) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 9.

3763) Horsch und Becker, Protokoll-Nr. 49, S. 28 f.

3764) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 43.

3765) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 143; Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53,

S. 77 f.

3766) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 125.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 429 – Drucksache 17/14600

b) Vermerk des Zielfahnders Wunderlich vom
14. Februar 2001

aa) Inhalt des Vermerks

Am 14. Februar 2001 verfasste der Beamte der Zielfahn-

dungsabteilung des LKA Thüringen, KHK Wunderlich,

unter dem Betreff „Zuarbeit – Gesprächsrunde Behörden-
leiter – Präsident LFV“ einen Vermerk zur Vorbereitung
einer Gesprächsrunde des LKA-Präsidenten mit dem

Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungs-

schutz, in der er die Tatsache, dass die Fahndungsmaß-

nahmen nach dem Trio bisher erfolglos geblieben waren,

wie folgt begründete:

„Während der Fahndungsmaßnahmen wurde fest-
gestellt, dass durch das LFV Thüringen bereits vor

der Durchsuchung Maßnahmen im Bezug auf die

gesuchten Personen durchgeführt wurden.

– Die Befragung von Kontaktpersonen und Fa-
milienangehörigen führte zu dem Schluß, dass

mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der gesuch-

ten Personen als Quelle durch den Verfas-

sungsschutz geführt wurde.

– Durch Führungskräfte des LKA Erfurt wurde
mehrfach angedeutet, dass die Fahndungs-

maßnahmen des ZFK in der Vergangenheit

kurz vor dem Erfolg standen, jedoch erfolglos

bleiben mussten.

– Die durch das LfV Thüringen an hiesige
Dienststelle übermittelten Daten bzgl. der

Aufenthaltsörtlichkeiten erwiesen sich stets

zum Zeitpunkt der Überprüfungen als richtig

aber längst inaktuell.

– Die Zusammenarbeit mit dem LfV Sachsen
ergab eine unterschiedliche Informations-

übermittlung und den Verdacht, dass durch

das LfV Thüringen wichtige Fahndungsdaten

zurückgehalten wurden.“3767

bb) Grund für die Erstellung des Vermerks

Nach dem Grund für die Erstellung des Vermerks befragt

hat der Zeuge Wunderlich gegenüber dem Untersu-

chungsausschuss erläutert, dass er aufgefordert worden

sei, innerhalb kurzer Zeit einen Sprechzettel für den sei-

nerzeit amtierenden LKA-Präsidenten zu fertigen:

„Man muss vielleicht auch den Hintergrund der
Entstehung dieses Vermerks kennen. Ich bin also

aufgefordert worden – und hatte dazu auch nur
wenige Minuten Zeit; ich habe das der Kommissi-

on damals schon mitgeteilt –, in fünf Thesen – al-
so, mir war sogar die Anzahl der Thesen vorgege-

ben – ohne Begründung – auch das wurde vorge-
geben – einen Sprechzettel zu fertigen, mit dem
3767) Vermerk von KHK Wunderlich vom 14. Februar 2001, MAT A

TH-1/17, Bl. 210.

mein damals amtierender LKA-Präsident die Mög-

lichkeit hat, dem Präsidenten des LfV einige Fra-

gen zu stellen. Ich kenne nicht den Hintergrund

des Gesprächs, auch nicht den Umfang, und habe

ganz einfach hier, ja, mein Herz mal ergriffen und

habe mir gesagt: Okay, jetzt tun wir diese Version,

Hypothesen, über die wir schon lange nachdenken,

über die wir auch in unserem Bereich offen spre-

chen, mal zu Papier bringen und schauen mal, wie

es ausgeht. – Ich bin mir der Tragweite dieser Hy-
pothesen und Versionen bewusst – gar keine Frage
–, obwohl ich auch sagen will: Es ist eine Fortfüh-
rung der Hypothesen und Versionen meines Kol-

legen I. Das ist also eine gemeinsame Auffassung,

[…]“3768

cc) Hintergrund und Entstehung dieser Ver-
mutung

Wunderlich hat in seiner Anhörung durch die Schäfer-

Kommission angegeben, dass es zwei konkrete Anhalts-

punkte gegeben habe, die in dem Vermerk vom

14. Februar 2001 ihren Niederschlag gefunden hätten, und

zwar

– die Aussage des Vaters von Uwe Mundlos, er habe in
seinem Briefkasten ein DIN-A4-Schreiben vorgefun-

den, in dem mitgeteilt worden sei, dass Beate Zschä-

pe Mitarbeiterin des LfV Thüringen sei;
3769

– die Aussage des seinerzeit die Dienstgeschäfte des
Präsidenten des LKA Thüringen ausfüllenden Poli-

zeidirektors Luthardt ihm gegenüber, „wir bekämen
sie nie“.3770

dd) Aussagen zu Gespräch und Vermerk

Der damalige Präsident des LfV, der Zeuge Sippel, hat

hierzu in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-

schuss geäußert, dass er glaube, das Gespräch habe statt-

gefunden. Er habe jedoch keine Erinnerung an den Zeit-

punkt und den genauen Inhalt dieses Gesprächs.
3771

Er

könne sich allerdings nicht daran erinnern, dass das LKA

sich über mangelnde Informationen beklagt hätte. Herr

Nocken habe jedoch von sich aus erwähnt, dass alle In-

formationen übermittelt worden seien.
3772

Der Zeuge Sippel hat darüber hinaus angegeben, er habe

im Zusammenhang mit diesem Treffen innerhalb des LfV

Thüringen Gespräche geführt, mindestens mit Herrn

Wießner und Herrn Nocken. Die Aussagen seien glaub-
3768) Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 44.

3769) Aktenvermerk vom 19. März 1998, MAT A TH-1/15, Bl.
186 f., siehe hierzu bereits oben unter E. II. 7. b) (Besuch am

18. März 1998)

3770) Aussage des Zeugen Wunderlich vor der Schäfer-Kommission,
MAT A TH-6/3, Bl. 119.

3771) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 142.

3772) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 142.

Drucksache 17/14600 – 430 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

würdig gewesen, weshalb er sich auch darauf verlassen

habe.
3773

Der Zeuge Nocken, Vizepräsident des LfV a. D., hat zum

Vorwurf der Unterstützung des Trios nach dessen Unter-

tauchen ausgesagt:

„Ich weiß, dass der Herr Wunderlich seit 2001,
spätestens seit 2001, ständig behauptet, das Lan-

desamt für Verfassungsschutz hätte seine schüt-

zende Hand über diese Gruppe gehalten. Und das

ist absolut zurückzuweisen. In keinster Art und

Weise haben wir mit einem der drei auch nur den

geringsten Kontakt gehabt. Und er behauptet das

seit 2001. Gebetsmühlenartig erklärt er das jedem

neuen Minister, jedem neuen Staatssekretär, der

gekommen ist. [Ich] wurde […] immer wieder zi-
tiert. Auch als ich schon pensioniert war, musste

ich […] eine dienstliche Erklärung abgeben: Habt
ihr, oder habt ihr nicht? Der Herr Wunderlich hat

es nicht verkneifen können, dass er mal irgendei-

nen mit Zielfahndung Gesuchten nicht hat fest-

nehmen können. Das muss ihn getrieben ha-

ben.“3774

c) Weiterverbreitung der im Vermerk nieder-
gelegten Punkte durch den Leiter der Ziel-
fahndungsabteilung

aa) Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera beim
LKA Thüringen vom 15. November 2001
und Antwort hierauf vom
29. November 2001

Am 15. November 2001 erfolgte eine Anfrage seitens der

Staatsanwaltschaft Gera (Bearbeiter: Staatsanwalt Petzel)

an das LKA Thüringen, in der die Frage gestellt wurde,

„ob dort Anhaltspunkte für ein Tätigwerden des
Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz im

Zusammenhang mit dem Verschwinden der Be-

schuldigten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vor-

liegen.“3775

Das Schreiben führte zunächst zu interner Kommunikati-

on innerhalb des LKA Thüringen, insbesondere zu der

gerade erwähnten Rücksprache von EKHK’in Lipprandt
mit KHK Wunderlich.

3776
Die Beantwortung des Schreibens erfolgte am

29. November 2001.
3777

In einer von KHK Wunderlich
3773) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 142.

3774) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 14.

3775) Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera vom 15. November

2001, MAT A TH-1/15, Bl. 1.

3776) Handschriftlicher Vermerk vom 21. November 2001 auf einem

Schreiben der Staatsanwaltschaft Gera vom 15. November

2001, MAT A TH-1/15, Bl. 1.

3777) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LKA Thüringen an

den Leiter der Staatsanwaltschaft Gera vom 29. November

2001 nebst Anlagen, MAT A TH-2/16, Bl. 344 ff.

verfassten Anlage zu diesem Schreiben wurde darauf

hingewiesen, dass im Rahmen der bisher durchgeführten

Zielfahndungsmaßnahmen mehrfach festgestellt und

schriftlich dargestellt worden sei, dass das LfV Thüringen

unter dem Synonym „Drilling“ eigene Ermittlungs- und
Observationsmaßnahmen durchgeführt habe.

3778
Als wei-

tere Anlagen wurde der die Suche nach dem Trio betref-

fende Auszug aus dem Jahresbericht 2000 der Zielfahn-

dung, der Vermerk vom 14. Februar 2001 sowie der

Übergabevermerk vom 22. August 2001, in dem die

Rückgabe der Fahndungsakten an die EG „TEX“ doku-
mentiert wird, mit übergeben.

Eine substantiierte Begründung für eine mögliche Unter-

stützung des Trios durch das LfV Thüringen ist hierin

ebensowenig enthalten wie die Nennung konkreter Fakten

für eine solche Unterstützung. Vielmehr wird lediglich

dargestellt, dass auch durch das LfV Thüringen Ermitt-

lungs- und Observationsmaßnahmen erfolgten.

In einem in den Akten des LKA Thüringen noch enthalte-

nen Antwortentwurf vom 26. November 2001, in dem als

Sachbearbeiterin EKHK’in Lipprandt, die damalige Leite-
rin der Abteilung 2, zu der seinerzeit auch die EG „TEX“
gehörte, genannt ist, war zunächst noch – wenn auch sehr
indirekt und ohne Nennung entsprechender Fakten – da-
rauf hingewiesen worden, dass zwar keine Anhaltspunkte

für ein Tätigwerden des LfV Thüringen „im
Zusamenhang mit dem Verschwinden“ des Trios vorlä-
gen, dass jedoch die Tatsache, dass die drei Beschuldigten

lange Zeit trotz intensiver Fahndung unbekannten Auf-

enthalts seien, die Vermutung nahelege, dass sie Unter-

stützung erhielten.
3779

Danach hieß es:

„Wer sie unterstützte ist hier nicht bekannt.

Eine Nachfrage Ihrerseits beim LfV Thüringen

wird angeregt.“

Zwei handschriftlichen Vermerken, die sich auf dem

Schreiben befinden, ist zu entnehmen, dass dazu aufge-

fordert wurde, konkrete Fakten zu nennen. Hierzu heißt es

in dem unten rechts aufgebrachten handschriftlichen

Vermerk:

„Wir sind Tatsachenmenschen und stellen höchs-
tens Versionen auf. Bitte konkret berichten, was

vorliegt, eingeleitet ist und was wir aus den Akten

wissen.“

Zudem wurde eine Wiedervorlage nach drei Tagen ver-

fügt.

In dem auf der linken Seite etwas weiter unten aufge-

brachten Vermerk heißt es sodann:

„Wir wissen nichts über ZA [Zusammenarbeit] des
LfV in diesem Fall; daß weiß ZF Hr. Wunderlich.
3778) Vermerk von KHK Wunderlich vom 28. November 2001

(Anlage zum Schreiben vom 29. November 2001, MAT A TH-

2/16, Bl. 345.

3779) Hierzu und im Folgenden: Schreiben des LfV Thüringen an die

Staatsanwaltschaft Gera vom 26. November 2001 (Entwurf),

MAT A TH-1/15, Bl. 2.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 431 – Drucksache 17/14600

Seine Ergebnisse/Erkenntnisse schreibe ich nicht

nieder.“

Die Beantwortung des Schreibens erfolgte sodann am

29. November 2001. Die Bearbeitung des Antwortschrei-

bens erfolgte durch KHK Wunderlich.

bb) Eingang der mitgeteilten Erkenntnisse in
den Berichtsvorgang des Thüringischen
Justizministeriums

Das Schreiben vom 29. November 2001 fand sodann –
nebst sämtlichen Anlagen, unter anderem auch des Ver-

merks von KHK Wunderlich vom 14. Februar 2001 –
Eingang in einen Bericht der Staatsanwaltschaft Gera an

die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft, der am

17. Januar 2002 erstattet wurde. Zu den durch das LKA

Thüringen übersandten Unterlagen heißt es konkret:

„Aus diesen Unterlagen geht m.E. deutlich hervor,
dass sich das LfV mit den gesuchten Personen be-

fasst hat und möglicherweise noch befasst. Den-

noch beabsichtige ich nicht, mit der Bitte um

Überlassung von Erkenntnissen an das LfV heran-

zutreten, da ich mir davon keinen Erfolg verspre-

che.“3780

Dem daraufhin am 4. Februar 2002 durch die Thüringer

Generalstaatsanwalt erstatteten Bericht an das Thüringer

Justizministerium waren die vom LKA Thüringen über-

sandten Unterlagen ebenfalls beigefügt.
3781

Seitens der

Generalstaatsanwaltschaft war beabsichtigt, die „dem
Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Problematik“
im Rahmen eines Treffens mit dem Präsidenten des LfV

Thüringen zu erörtern.

Innerhalb des Thüringer Justizministeriums wurde der

Bericht der Generalstaatsanwaltschaft nebst den entspre-

chenden Anlagen schließlich am 15. Februar 2002 dem

Staatssekretär vorgelegt.
3782

In der Folge fand am 4. März 2002 ein Gespräch zwi-

schen den Staatssekretären des Innenministeriums und des

Justizministeriums statt.
3783

Den Akten des LfV Thürin-

gen lässt sich entnehmen, dass durch den Präsidenten des

LfV Thüringen, Sippel, seinerzeit aus Anlass des Ge-

sprächs an den Staatssekretär im Innenministerium be-

richtet worden war. Ein von Sippel selbst gefertigter

Vermerk enthält die Aussage, dass anlässlich der aktuel-

len Rückfrage erneut an den ehemaligen Vizepräsidenten

Nocken sowie an den ehemaligen VM-Werber Wießner
3780) Verfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts Sauter vom

17. Januar 2002, MAT A TH-2/16, Bl. 307.

3781) Hierzu und im Folgenden: Bericht der Thüringer Generalstaats-

anwaltschaft an das Thüringer Justizministerium vom 4. Febru-

ar 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 71 ff.

3782) Vermerk des Thüringer Justizministeriums vom 13. Februar

2002, gezeichnet vom Staatssekretär am 15. Februar 2002,

MAT A TH-2/59, Bl. 80.

3783) Hierzu und im Folgenden: Vermerk des Präsidenten des LfV

Thüringen Sippel vom 4. März 2002, MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr.

09/12 – GEHEIM), Anlage 02, Bl. 330 (VS-VERTRAULICH).

herangetreten worden war. Beide hätten angegeben, dass

keine nachrichtendienstliche Verbindung zu einem der

Mitglieder des Trios jemals bestanden habe und dass sich

auch den Akten eine solche Verbindung nicht habe ent-

nehmen lassen.

Am 31. Mai 2002 fand das geplante Treffen des Thürin-

ger Generalstaatsanwalts mit dem Präsidenten des LfV

Thüringen statt, bei dem die „im Bericht des Leiters der
Staatsanwaltschaft Gera vom 17. Januar 2002 angespro-

chene Problematik erörtert“ wurde.3784

d) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom
23. Oktober 2002

In einem von Staatsanwalt/GL Schultz am

23. Oktober 2002 verfassten Bericht im Rahmen des die

Suche nach dem Trio betreffenden Berichtsvorgangs des

Thüringer Justizministeriums wird im Zusammenhang mit

der Erörterung möglicher Erfolgsaussichten weiterer

Fahndungsmaßnahmen die Vermutung geäußert, eines

oder mehrere Mitglieder des Trios seien mit großer Wahr-

scheinlichkeit Mitarbeiter des LfV Thüringen. Konkret

heißt es:

„Es ist nicht auszuschließen, dass angesichts des
bekannten Hintergrundes – eine oder mehrere der
gesuchten Beschuldigten waren oder sind mit gro-

ßer Wahrscheinlichkeit Mitarbeiter des Thüringer

Landesamtes für Verfassungsschutz – Fahn-
dungsmaßnahmen ins Leere gehen.“3785

Weder seitens der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft

noch seitens des Thüringer Justizministers wurde auf

diese Ausführung in irgendeiner aktenkundig gewordenen

Form eingegangen. Die genannte Passage ist in den beim

Thüringer Justizministerium geführten Akten zum Teil

unterstrichen worden – durch wen, ist nicht bekannt.

e) Überprüfung der Vorwürfe in den Jahren
2001 und 2002 durch den damaligen Präsi-
denten des LfV Thüringen Sippel

Der Zeuge Sippel hat angegeben, im Mai 2001 habe ihn

der damalige Thüringer Innenminister Köckert mit dem

Verdacht konfrontiert, dass ein Mitglied des Trios Quelle

des Verfassungsschutzes sei und der Verfassungsschutz

wisse, wo die drei Abgetauchten sich aufhielten.
3786

Er

habe daraufhin getrennte Gespräche mit seinem Vertreter,

Herrn Nocken, sowie mit Herrn Wießner, der zu diesem

Zeitpunkt als V-Mann-Führer Tino Brandts aktiv gewe-

sen, aber auch in die Suchmaßnahmen eng eingebunden

gewesen sei. Beide hätten den Verdacht von sich gewie-

sen. Herr Nocken habe zusätzlich erklärt, er verstehe gar
3784) Randbericht von Oberstaatsanwalt Schwarz vom 6. Juni 2002,

MAT A TH-2/59, Bl. 100.

3785) Hierzu und im Folgenden: Bericht des Leitenden Oberstaatsan-
walts in Gera an das Thüringer Justizministerium vom

23. Oktober 2002, MAT A TH-2/59, Bl. 101 ff. (103).

3786) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 137.

Drucksache 17/14600 – 432 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht, wie dieser Verdacht aufgekommen sei; die Zusam-

menarbeit mit der Polizei sei sehr eng gewesen, man habe

immer an einem Tisch gesessen und Informationen ausge-

tauscht.
3787

Im Jahr 2002 sei er noch einmal vom damaligen Staatsek-

retär im Thüringer Innenministerium, Herrn Scherer, auf

diesen Sachverhalt angesprochen worden, woraufhin er

erneut mit Herrn Wießner und Herrn Nocken gesprochen

habe, die ihm das Gleiche erzählt hätten, wie im Jahr

zuvor.
3788

11. Verdacht der logistischen Unterstützung
des Trios durch die Polizei in Thüringen

a) Untersuchung der fehlgeschlagenen Gara-
gendurchsuchung durch das LfV Thürin-
gen

Der Zeuge Dr. Roewer hat dargelegt, dass das LfV Thü-

ringen nach der missglückten Durchsuchung der Garage

und dem Abtauchen des Trios am 26. Januar 1998 mit

einer von der Extremismusabteilung unabhängigen Ar-

beitsgruppe versucht habe, herauszufinden, ob bei der

Durchsuchung der Garagen möglicherweise absichtlich

etwas schiefgelaufen sei.
3789

Diese Arbeitsgruppe sei bereits älteren Datums gewesen

und habe nach der Erinnerung des Zeugen Dr. Roewer aus

1995 oder Anfang 1996 gestammt. Sie sei auf Weisung

des - mittlerweile verstorbenen -, damaligen Staatssekre-

tärs Dr. Krämer entstanden und darauf ausgerichtet gewe-

sen,

„das Amt in Ermittlungstätigkeit zu setzen gegen-
über einer ungeahnten Vielzahl von polizeilichen

Informationspannen, die so weit gingen, dass der

Minister, der Staatssekretär und ich die Meinung

hatten, dass die Sicherheit des Landes ernsthaft ge-

fährdet sei durch den ständigen unerlaubten Infor-

mationsabfluss aus der Polizei, der dann sozusagen

in der weiteren Folge zu Exekutivpannen führ-

te.“3790

In diesen Ermittlungsvorgang seien die Vorgänge im

Zusammenhang mit der Flucht des Trios integriert wor-

den.

Die Details hierzu seien ihm nicht mehr alle erinnerlich,

aber er könne so viel sagen,

„dass für das Misslingen des Zugriffs mir je-
denfalls jetzt keinerlei Tatsachen bekannt gewor-

den sind oder jedenfalls keine Tatsachen erinner-

lich sind, die auf einen absichtlichen Fehlzugriff

hindeuten würden - so schwer er auch verständlich

war.
3787) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 138.

3788) Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 138.

3789) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.

3790) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.

Diese frohe Botschaft vermag ich allerdings für

den weiteren Verlauf der Operationen nicht auf-

rechtzuerhalten, weil nach meiner deutlichen Erin-

nerung immer wieder Einzelheiten aus der Fahn-

dung nach dem Trio nach draußen gingen - wofür

es einen relativ einfachen Kontrollmechanismus

gab, nämlich den, dass es immer wieder gezielte

Presseanfragen zu Einzelheiten der Operationen

bei mir gab, die sicherlich nicht von mir gekom-

men sind.“3791

Weiter hat Dr. Roewer ausgeführt:

„Für diesen Verdacht gab es zunächst erst mal den
allgemeinen Hinweis oder den allgemeinen An-

haltspunkt, dass es in der Polizei jemanden gab,

der in die rechtsextreme Szene offensichtlich Poli-

zeiinformationen weitergab, und dieser Verdacht

war sehr konkret dadurch, dass in der rechtsextre-

men Szene eine Bildfahndungsmappe über polizei-

lich erkannte Rechtsextremisten auftauchte, und

diesem Verdacht war schon nachzugehen.“3792

Nach Auffassung des Zeugen Dr. Roewer habe die Öf-

fentlichkeit – speziell die rechtsextremistische Szene – zu
schnell vom Abtauchen des Trios erfahren, wodurch die

Ermittlungsarbeit erschwert worden sei. Auf Nachfrage

hat er erläutert:

„Fahndung und Öffentlichkeit passen in manchen
Fällen nicht zusammen. Manchmal passt es zu-

sammen, wenn man nämlich eine öffentliche

Fahndung macht, aber manchmal passt es auch

nicht. [...] In dem Anfangsstadium hat es garantiert

nicht gepasst.
3793

Nach Angaben des Zeugen Dr. Roewer hat das LfV Thü-

ringen

„auftragsgemäß illegalen Informationsabfluss aus
der Thüringer Polizei systematisiert.“3794

Hierzu habe man zunächst die Presse ausgewertet. Und

dann

„macht man sozusagen eine systematische Prüfung
und versucht, festzustellen, ob sich ein bestimmter

Typus da erkennen lässt und ob es bestimmte so-

zusagen ordentliche Schwerpunkte gibt oder ob es

sozusagen Sachzugriffsgesichtspunkte gibt, und

dann versucht man sozusagen, zu sagen: Wer kann

das sein? Das ist doch ganz normal.“ 3795

Die diesbezüglich im LfV Thüringen angelegten Akten,

habe er selbst gesehen. Wie umfangreich der Aktenbe-
3791) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 62.

3792) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.

3793) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 99.

3794) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 103.

3795) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 103.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 433 – Drucksache 17/14600

stand gewesen sei, ob es sich dabei um einen oder um 20

Ordner gehandelt habe, wisse er nicht mehr.
3796

Das Thüringer Innenministerium sei über die Untersu-

chung informiert gewesen.

„Soweit ich mich erinnere, ging der Auftrag von
dem damaligen Staatssekretär Dr. Krämer aus, und

die - - Es muss - sonst ergibt das in meinem Kopf

keinen Sinn - sozusagen die Fortsetzung der Maß-

nahme besprochen worden sein im Nachklapp zum

Untertauchen des Trios, mit Dewes [damaliger

Thüringer Innenminister] und/oder Lehnert [dama-

liger Staatssekretär im Thüringer Innenministeri-

um]. Aber ich kann das nur vermuten.“3797

Es sei nicht irgendwie um irgendwelche Kleinigkeiten

gegangen. Es habe in Thüringen offensichtlich ein paar

bemerkenswerte Informationspannen bei der Polizei ge-

geben, wo ganze Fahndungsmaßnahmen zerschlagen

worden seien. Bei dieser Maßnahme sei es um die Frage

gegangen,

„um es in den Verfassungsschutztext, Gesetzestext
zu gießen, ob hier sozusagen die Sicherheit des

Landes beeinträchtigt ist, ob es Leute gibt, die die

Sicherheit des Landes gefährden.“

Dafür, dass die Sicherheit des Landes Thüringen durch

das Agieren der Polizei in Thüringen gefährdet worden

sei, habe es Anhaltspunkte gegeben.

Der Zeuge Dr. Roewer hat in diesem Zusammenhang

ausgeführt:

„Sie können sich wahrscheinlich die Situation
nicht richtig vorstellen, die in einem neuen Bun-

desland kurz nach seiner Gründung in der Polizei

vorzufinden war. Die Situation war insofern au-

ßerordentlich komplex, weil dort eine Vielzahl von

oder die Masse der dann Beamte gewordenen

ehemaligen Volkspolizisten nicht nur zu Frohsinn

Anlass gab, weil es oft sehr schwer festzustellen

war, wer da wer war, weil die Möglichkeit bestan-

den hatte, die Personalakten einer Eigenbereini-

gung zu unterziehen, was in Ostdeutschland mög-

lich war, bevor die Einheit Deutschlands herge-

stellt wurde. Und auch von dieser Möglichkeit

wurde reichlich Gebrauch gemacht.“3798

Gegen den damaligen Präsidenten des LKA Thüringen,

Luthardt, der aus der Volkspolizei gekommen war, habe

sich dieser Verdacht nicht gerichtet. Der Zeuge Dr.

Roewer hat dazu erklärt:

„Herr Luthardt ist Gegenstand einer außerordent-
lich intensiven Sicherheitsüberprüfung gewesen,

die auch meinen Schreibtisch passiert hat, wenn

ich mich richtig erinnere. Diese Sicherheitsüber-

prüfung war notwendig, nicht nur weil er eine be-
3796) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 104.

3797) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 104.

3798) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 104.

stimmte Dienststellung innehaben sollte oder dann

auch innehatte, sondern weil es eine große Zahl

von außerordentlich schwierigen und entehrenden

Vorwürfen gegen ihn gab, denen das Amt dann

nachgegangen ist und die sich dann alle als haltlos

herausgestellt haben.“3799

Der Verfassungsschutz habe eigene Ermittlungen durch-

geführt und die Polizei „sicherheitshalber nicht darüber
informiert.“3800

Als Chef einer Sicherheitsbehörde habe man ein gewisses

Grundmisstrauen. Das Grundmisstrauen des Verfassungs-

schutzes in Thüringen gegenüber der Thüringer Polizei

sei „reichlich bedient“ worden.3801

Auf Nachfrage, ob dieses Grundmisstrauen dazu geführt

habe, nicht alles, was er gewusst habe, mit den Kollegen

zu teilen oder eine Informationsweitergabe in Richtung

des LKA gestoppt zu haben, hat der Zeuge Dr. Roewer

erklärt:

„Sie irren sich da grundlegend, weil das eine Frage
der Schwerpunktsetzung war. Wir wollten, dass

diese Leute festgenommen werden. Diese Zusam-

menarbeit hat stattgefunden zwischen meiner

Extremismusabteilung und den entsprechenden

Gremien des Landeskriminalamtes. Und das ande-

re war die Geschichte, dass man mit einigem Miss-

trauen geguckt hat, ob - und wenn ja, welche - In-

formationen aus dem Bereich Rechtsextremismus

oder Rechtsextremismusbekämpfung aus der Poli-

zei abfließen. Für dieses Misstrauen gab es An-

haltspunkte, und dafür war auch eine andere Ar-

beitseinheit zuständig, die von der

Extremismusabteilung völlig abgeschottet gearbei-

tet hat.“3802

Mit den Ermittlungen über die Polizei sei im LfV Thürin-

gen Oberregierungsrat K. beauftragt worden. Dieser habe

das Referat „Spionageabwehr“ geleitet und solche
Sonderaufträge mit erledigt, weil die Ermittlungen dem

Ermittlungstypus in seinem üblichen Arbeitsbereich sehr

ähnlich gewesen seien.
3803

„Bei dem lief dieser Sammelvorgang, solche Din-
ge zu sammeln, zu systematisieren und in Einzel-

fällen auch Ermittlungen zu machen.“3804

Er wisse nicht mehr, wie die Untersuchung ausgegangen

sei. Es könne sein, dass er aus dem Dienst ausgeschieden

sei, bevor die Untersuchungen abgeschlossen gewesen

seien.
3805
3799) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.

3800) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.

3801) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 105.

3802) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 106.

3803) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 106.

3804) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 107.

3805) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 106.

Drucksache 17/14600 – 434 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Dr. Roewer hat den Verdacht geäußert, dass

die einschlägigen Akten nach seinem Ausscheiden aus

dem Dienst vernichtet worden seien. Zur Begründung

dieses Verdachts hat er ausgeführt:

„Gegen mich ist ein Prozess geführt worden mit
allerlei außerordentlich entehrenden Vorwürfen.

Dieser Prozess ist dann eingestellt worden, und ich

hatte das hohe Vergnügen, während dieser 50 Pro-

zesstage, die ich da im Strafgericht gesessen habe,

immer wieder zu hören, dass Akten, die offensicht-

lich vorhanden waren, nicht mehr vorhanden sind,

und das fand ich irgendwie sehr bemerkenswert.

Und dann wurde das sozusagen - - Durch Zeugen-

beweis wurde jeweils das Gegenteil belegt.“3806

b) Konkreter Verdacht auf Geheimnisverrat
und Kontakte von Thüringer Polizeibeam-
ten zu Rechtsextremisten in den Jahren
1999 und 2000

Seit den Jahren 1999/2000 bestand der Verdacht, dass

Thüringer Polizeibeamte in insgesamt vier Fällen Kontak-

te zu Rechtsextremisten hatten, an Treffen von Organisa-

tionen wie dem „Thüringer Heimatschutz“ (THS) teil-
nahmen bzw. mit deren Mitgliedern sympathisierten oder

ihnen Details zu möglichen Polizeieinsätzen verrieten.

Diese Informationen erhielt das LfV Thüringen vom

MAD und vom BfV.

Der ehemalige Vizepräsident des LfV Thüringen No-

cken hat hierzu bekundet:

„Vor dem Hintergrund der am Wochenende 24. bis
26. August 2012 bekannt gewordenen Information,

dass ein oder mehrere Polizisten Warnungen ge-

genüber der Szene gemacht haben sollen, ist die

voreilige Behauptung, das sei durch Bedienstete

des LfV geschehen, von besonderem Gewicht und

macht deutlich, wie hier mit dem Ruf von Mitar-

beitern des Thüringer Landesamtes für Verfas-

sungsschutz umgegangen wurde.“3807

Seit September 2012 liegen zu diesen Vorwürfen

Untersuchungsberichte sowohl des LfV Thüringen
3808

als auch des LKA Thüringen
3809

vor.

aa) „Fitnessstudio“

Am 23. Juli 1999 übersandte der MAD dem LfV Thü-

ringen einen Hinweis: Die Rechtsextremisten Andreas
3806) Dr. Roewer, Protokoll-Nr. 53, S. 107.

3807) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 128.

3808) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a.

3809) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September

2012, MAT A TH-9/10-2b.

R., Sven R. und Sven L. seien Besucher eines Fitness-

studios. In diesem Fitnessstudio trainiere auch ein

jüngerer Polizeibeamter aus Saalfeld oder Rudolstadt

– dieser gebe den genannten Rechtsextremisten Tipps
aus seinen Tätigkeitsfeldern, die die Szene situations-

bedingt umsetzen könne.
3810

Sven L. war selbst Polizeianwärter, das Ausbildungs-

verhältnis wurde allerdings zum 26. April 1995 wegen

einer Mitgliedschaft in der „Wiking Jugend“ been-
det.

3811
Diese Information erregte im LfV Thüringen offenbar

Aufmerksamkeit, denn sie wurde farblich markiert. Ob

bzw. welche Schritte das LfV Thüringen damals un-

ternahm, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Insbeson-

dere ist nicht dokumentiert, ob das LfV Thüringen die

Information an die Polizei weiterleitete oder ob die

Polizei auf anderem Wege Kenntnis von dem Ver-

dacht erlangte.
3812

Die Identität des Polizisten ist bis

heute nicht bekannt.
3813

Zwar hat das LfV Thüringen am

21. August 2012 einen Polizeibeamten namentlich be-

nannt,
3814

die Existenz dieses Polizisten konnte aber

laut LKA Thüringen weder bestätigt noch ausge-

schlossen werden.
3815

bb) „Stan“

Das LfV Thüringen erhielt am 23. Juli 1999 noch

einen weiteren Hinweis des MAD über eine Meldung

einer Quelle: auf einer Geburtstagsfeier des Rechtsex-

tremisten Mario Brehme sei ein Polizeibeamter zu

Gast gewesen. Die Feier habe am 9. Juli 1999 im

Schrebergarten der Eltern des Mario Brehme stattge-

funden – insgesamt seien etwa 20 Personen anwesend
gewesen. Der Polizist leiste Dienst in Rudolstadt – er
sei mit dem Namen Stan angesprochen worden und
3810) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 2 f.

3811) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-

len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 4.

3812) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 2.

3813) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September

2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 3.

3814) MAT A TH-9/10a-NEU, (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM),
Anlage 1 (VS-VERTRAULICH).

3815) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September

2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 435 – Drucksache 17/14600

kenne Mario Brehme, da beide dieselbe Schule be-

sucht hätten.
3816

Auch diese Information wurde im LfV Thüringen

farblich markiert. Eine Weiterleitung an die Polizei ist

nicht dokumentiert, aus den Akten ergibt sich auch

nicht, dass das LfV Thüringen selbst in irgendeiner

Weise tätig wurde.
3817

Der Polizist ist inzwischen ermittelt worden. Er wurde

am 28. August 2012 zum Sachverhalt befragt. Er gab

an, Mario Brehme aus der Schulzeit zu kennen. Er

könne sich erinnern, dass er im Jahr 2008 (!) auf einer

Feier im Schrebergarten der Eltern des Mario Brehme

gewesen sei. Diese Feier habe er allerdings bereits

nach wenigen Minuten wieder verlassen, weil dort

auch eine rechtsgerichtete Personengruppe zu Gast

gewesen sei. Zwischen 1998 und 2000 – und somit
zum fraglichen Zeitpunkt – habe er überhaupt keinen
Kontakt zu Mario Brehme gehabt. Laut LKA Thürin-

gen beendete der Polizist seine Ausbildung im Jahr

1998. Im Anschluss wurde er in der Bereitschaftspoli-

zei eingesetzt. Dort hatte er – wenn überhaupt – nur
beschränkten Zugang zu den polizeilichen Informati-

onssystemen, so dass es das LKA Thüringen als un-

wahrscheinlich ansieht, dass er zum damaligen Zeit-

punkt überhaupt in der Lage gewesen wäre, dienstli-

che Geheimnisse zu verraten. Hinweise über Verbin-

dungen des Polizisten zur rechten Szene liegen dem

LKA Thüringen nicht vor.
3818

cc) Tod auf Kreta

Am 10. Dezember 1999 fand im Gymnasium Bad

Blankenburg ein Weihnachtsball statt. An diesem Ball

nahm auch ein ehemaliger Abiturient der Schule teil

(damals ca. 20 bis 22 Jahre alt). Dieser habe behaup-

tet, Beamter des gehobenen Dienstes beim LKA Thü-

ringen in Erfurt zu sein. Schwerpunktmäßig würde er

bei Einsätzen im Drogenmilieu und im Rahmen von

verdeckten Ermittlungen tätig sein. Der angebliche

LKA-Beamte habe geäußert, dass die „drei mutmaßli-
chen Rechtsterroristen“ („Bombenbastler“) auf Kreta
tot aufgefunden worden seien.

3819

3816) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 2 f.

3817) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 3.

3818) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-

len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September

2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 6 f.

3819) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-
len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September

2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 6 f.

Diese Information erhielt das LfV Thüringen am

22. Dezember 1999 vom MAD zunächst telefonisch.

Einem entsprechenden Vermerk ist handschriftlich

hinzugefügt, dass noch am selben Tag telefonisch

auch das LKA Thüringen informiert wurde. Aus einer

weiteren Notiz auf dem Vermerk ergibt sich, dass für

den 12. Januar 2000 eine Arbeitsbesprechung geplant

war – offenbar zwischen LKA Thüringen und LfV
Thüringen – ob diese Besprechung tatsächlich statt-
fand, ist nicht bekannt.

3820
Am 31. Januar 2000 erhielt das LfV Thüringen die

Hinweise noch einmal schriftlich vom MAD.
3821

In diesem Bericht teilte der MAD den zwischenzeit-

lich bekannt gewordenen Namen des angeblichen

LKA-Mitarbeiters mit. Dieser war zum Zeitpunkt der

angeblichen Äußerungen seit gut zwei Monaten im

Polizeivorbereitungsdienst. Im LKA Thüringen war er

zu keinem Zeitpunkt tätig. Sollte er sich tatsächlich zu

einem angeblichen Tod des Trios auf Kreta geäußert

haben, sei dies eine Falschdarstellung – er war weder
in der behaupteten Funktion tätig, noch konnte er über

entsprechende Informationen verfügen.
3822

Die Meldung vom angeblichen Tod des Trios auf Kre-

ta erreichte auch das LKA Thüringen, und zwar bereits

Anfang Januar 2000. In einem Telefax wurde durch

das Staatsschutzdezernat des LKA Thüringen über das

LKA beim BKA-Verbindungsbeamten in der Deut-

schen Botschaft in Athen darum gebeten, den Sach-

verhalt zu prüfen.
3823

Am 28. Februar 2000 erfolgte

ein Antwortfax der Deutschen Botschaft Athen: Er-

kundigungen beim Honorarkonsul in Heraklion/Kreta

hätten ergeben, dass es auf Kreta keinen Verkehrsun-

fall gegeben habe, bei dem drei Deutsche oder drei

nicht identifizierte junge Menschen ums Leben ge-

kommen seien.
3824

dd) „Polizist 2“/„K.“

1999 gab es Hinweise aus der rechten Szene, nach

denen ein Polizeibeamter Informationen zu geplanten

Polizeiaktionen an den „THS“ weitergegeben habe.
Die Hinweise stammten von einer Quelle, die sich

damals in Erprobung beim BfV befand. Kontaktperson
3820) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 3 f.

3821) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT
A TH-9/10-2a, Bl. 3.

3822) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-

len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an
Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September

2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 8 ff.

3823) Fernkopie des LKA Thüringen vom 7. Januar 2000, MAT A
TH-1/19, Bl. 168 f. (verkehrt herum geheftet).

3824) Telefax des BKA-Verbindungsbeamten bei der Deutschen

Botschaft Athen, MAT A TH-1/19, Bl. 170 f.

Drucksache 17/14600 – 436 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

des Polizisten soll danach Enrico K. gewesen sein. K.

war zum damaligen Zeitpunkt Kassenwart des NPD-

Kreisverbands Saalfeld/Rudolstadt und Mitglied des

„THS“ in der Sektion Saalfeld/Rudolstadt.3825

Die befragte frühere Quelle hat am 5. Dezember 2011

angegeben, dass es damals in der rechtsextremisti-

schen Szene Saalfelds durchgängig Gerüchte gegeben

habe, nach denen Polizeibeamte aus der Region Sze-

neangehörige vor Polizeiaktionen gewarnt hätten. In

diesem Zusammenhang sei davon gesprochen worden,

dass K. eine Kontaktperson in der Polizeiinspektion

Saalfeld gehabt habe. Allerdings habe K. in der Szene

als „Aufschneider“ gegolten. Polizisten beschrieben K.
als „totalen Spinner“, der von der rechten Szene nicht
ernst genommen werde. K. habe „mit seiner großen
Klappe“ versucht, sich in der Szene „nach oben zu
arbeiten“ – dies sei ihm aber nicht gelungen. Ein im
Januar 2012 angeforderter Bundeszentralregister-

Auszug zu K. enthält insgesamt elf Einträge.
3826

Der in den Medien
3827

genannte Polizeibeamte hat am

6. Dezember 2011 eine dienstliche Erklärung zu den

Vorwürfen abgegeben. Danach habe es Kontakte zu K.

ausschließlich im Rahmen polizeilicher Maßnahmen

gegeben. Er habe gegenüber K. mehrfach freiheitsent-

ziehende Maßnahmen vollzogen – Hintergrund seien
meist keine politisch motivierten Straftaten gewesen,

sondern Gewalttätigkeiten des K. in betrunkenem Zu-

stand gegenüber seinen eigenen Eltern. In diesem

Zusammenhang sei auch er selbst von K. bedroht wor-

den.
3828

Hinweise auf eine mögliche Bevorzugung des K.

durch den Polizeibeamten ergeben sich nach Auffas-

sung des LKA Thüringen nicht.
3829

Von Kollegen, mit denen er damals zusammengearbei-

tet hat, wird der Polizeibeamte als „absolut loyaler
Polizeibeamter“ beschrieben, der keinesfalls „rechtes
Gedankengut“ vertrete. Er sei engagiert und vertrau-
enswürdig.

3830

3825) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 4.

3826) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 5 f.

3827) Vgl. unter anderem Spiegel Online vom 24. August 2012

und vom 30. August 2012.

3828) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und
Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 5.

3829) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-

len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 11.

3830) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten

Das LKA Thüringen sieht keine Hinweise darauf, dass

es sich bei P2 tatsächlich um die Kontaktperson der

Rechtsextremen gehandelt hat, von der in den Deck-

blattmeldungen einer Quelle des BfV die Rede war.
3831

Dennoch hatte der Sachverhalt für den Polizisten P2

berufliche Konsequenzen. Er war am 1. März 2011

zum LfV Thüringen versetzt und dort als V-Mann-

Führer im Bereich „Rechtsextremismus“ eingesetzt
worden. Am 7. Dezember 2011 musste er diese Positi-

on wieder aufgeben. P2 wurde zur Polizeidirektion

Erfurt abgeordnet, am 7. Juni 2012 mündete diese

Abordnung in eine Versetzung.
3832

12. Ausübung der Fachaufsicht über das LfV
Thüringen

Der Zeuge Nocken hat zu dieser Thematik vor dem Unter-

suchungsausschuss ausgeführt:

„Im Thüringer Innenministerium arbeitete in der
Abteilung 2 auch das Referat Verfassungsschutz

als Fachaufsicht über das LfV Thüringen. Wäh-

rend der gesamten Operation wurde von dieser

Stelle nicht ein einziges Mal wegen der Arbeit da-

nach nachgefragt, angeregt, bemängelt oder auch

nur kommentiert. Die Zusammenarbeit mit der Po-

lizei wurde in keinster Weise kritisiert oder nur

hinterfragt. Die Fachaufsicht war aus Sicht des

Thüringer LfV nicht spürbar. Die Schäfer-

Kommission schreibt dazu lediglich auf Seite 266,

Randnummer 489: ‚Das zuständige Referat des
TIM hat Überlegungen angestellt, wie die Fach-

aufsicht über das LfV Thüringen weiter optimiert

werden kann‘.

Dieser Umstand kann allerdings als Beleg dafür

gewertet werden, dass aus Sicht des Ministeriums

an der Zusammenarbeit Verfassungsschutz/Polizei

keine Kritik notwendig war. Dies konnte wegen

der Mitarbeit in den oben genannten Gremien auch

beurteilt werden.“3833

Die Fachaufsicht sei aber insofern eingebunden gewesen,

weil bei jeder wöchentlichen Lagebesprechung darüber

gesprochen worden sei, wer was wann wo tue. Ob die

Fachaufsicht jede Besprechung mit der Staatsanwaltschaft

oder jeden Kontakt mit dem LKA mitbekommen habe,

könne er ihnen nicht sagen; aber hätte sie eigentlich haben
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 6.

3831) Thüringer Polizei Landeskriminalamt, Bericht zu Verdachtsfäl-

len des Geheimnisverrats durch Thüringer Polizeibeamte an

Rechtsextremisten in den Jahren 1999/2000 vom 27. September
2012, MAT A TH-9/10-2b, Bl. 11.

3832) LfV Thüringen, Verdachtsfälle des Geheimnisverrats und

Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten
in den Jahren 1999 und 2000 vom 27. September 2012, MAT

A TH-9/10-2a, Bl. 6.

3833) Nocken, Protokoll-Nr. 49, S. 127.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 437 – Drucksache 17/14600

müssen. Gefragt, angeregt oder kritisiert worden sei aber

nie.
3834

Der Zeuge Schrader hat angegeben, er habe keine Fach-

aufsicht oder Kontrolle durch das Thüringer Innenminis-

terium wahrgenommen.
3835

Der Kontakt zum Thüringer

Innenministerium sei allein über den Präsidenten, Dr.

Roewer, gelaufen.
3836

13. Mögliche Abgabe des gesamten Falles
durch das LfV Thüringen an das LfV Sach-
sen

Der Zeuge Schrader hat berichtet, dass diskutiert worden

sei, den gesamten Fall, also die Suche nach dem Trio, an

das LfV Sachsen abzugeben. In zeitlicher Hinsicht hat

Schrader keine Einordnung vorgenommen. Das LfV

Sachsen habe dieses Ansinnen jedoch zurückgewiesen.

Schrader hat auf die Frage, ob man den Fall nicht nach

Sachsen hätte abgeben können, geantwortet:

„Das hätten wir gerne getan. … Es gab damals
mein Pendant in Sachsen. Das war der Herr - ein

bayerischer Kollege - Oberrat Sowieso. Vielleicht

fällt er mir nachher noch ein. Mit dem habe ich

x-mal gesprochen. Da sind wir ein paarmal - - Herr

Nocken war auch mal mit dabei. Wir waren in

Dresden. … Die waren personell noch dünner
dran wie wir, und der hat gesagt: Mach, was du

willst, aber lass mich außen vor. Wir haben dafür

keine Zeit und kein Personal. - Wir hätten das ger-

ne abgegeben. Wir waren ja im Grunde auch gar

nicht mehr zuständig, wenn man ehrlich ist. Das

hätten die Sachsen übernehmen müssen. Aber im-

mer dann - - Die Sachsen haben zu uns gesagt: Das

hat keinen Zweck. Dafür haben wir keine Leute.

Können wir gar nicht machen. Macht das selber. -

Und dadurch sind wir tagelang in Chemnitz gewe-

sen mit unserer Obs.-Gruppe.“3837

Die von dem Zeugen erwähnten Überlegungen sind in den

Akten des LfV Thüringen nicht belegt.

Der Zeuge Tüshaus vom sächsischen Verfassungsschutz

hat zu diesem Aspekt Folgendes bekundet:

„Was den Verfassungsschutz angeht, so ist die Si-
tuation ja folgende gewesen: dass die Anknüp-

fungspunkte, die Informationsausgangspunkte für

die Suche nach den Geflüchteten eigentlich weiter

in Thüringen waren. Die Thüringer hatten dort Er-

kenntnislagen über die Personen, die die Flucht

unterstützten, die logistisch da einiges steuerten

und die das bewegten. Diese Erkenntnisse waren

von dort. Das heißt, auch das, was um die Flucht

herum geschehen ist, war ja dann letztendlich kei-

ne rein sächsische, sondern eine gemischte säch-
3834) Nocken, Protokoll-Nr. 53, S. 37.

3835) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 131.

3836) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 131.

3837) Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 141 f.

sisch-thüringische Lage. Da wäre es sicherlich

richtiger gewesen, insgesamt das BfV im Rahmen

seiner Zentralstellenfunktion mit einzuschalten;

denn da ist sowohl die Landessicht A wie die Lan-

dessicht B - wir hatten während der ganzen Zeit

eigentlich kein aktives Informationsaufkommen -

nur eine beschränkte gewesen.“3838

Der Zeuge Boos, seinerzeit Leiter des LfV Sachsen, hat

zu diesem Aspekt bekundet:

„Also erst mal: Dass wir uns da um die Dinge auch
gekümmert haben und uns engagiert auch mit ein-

gebracht haben, das zeigen zum Beispiel die Vor-

gänge in 2000. Es war das LfV Sachsen, das hin-

gegangen ist und gesagt hat: Bitte Maßnahmen ko-

ordinieren, damit wir koordiniert das Kontaktum-

feld beobachten. - Wir selbst sind mit allem, was

wir da zu Gebote hatten an Möglichkeiten, Obser-

vationen, G 10, auch über längere Zeit reingegan-

gen. Wir waren, glaube ich, letztendlich die Ver-

fassungsschutzbehörde, die am längsten noch beo-

bachtet hat in dem Bereich mit G-10-Maßnahmen.

Das weiß ich jetzt nicht genau; aber zumindest

sind wir bis 2002 - - Insofern: Mit langen Fingern,

nicht zu eigen - den Begriff finde ich jetzt nicht - -

Aus meiner Sicht beschreibt er das nicht, was pas-

siert ist. Wir haben uns damals engagiert mit ein-

gebracht.

Wenn es allerdings darum geht, ob wir uns in der

Federführung gesehen haben: Das nicht. Wir ha-

ben uns nicht in der Federführung bei der - - ja,

nicht in der federführenden Zuständigkeit gese-

hen.“3839

IV. Maßnahmen des LfV Sachsen bei der Su-
che nach dem Trio

Unter der Bezeichnung „Terzett“ ergriff das LfV Sachsen
im Jahr 2000 insgesamt zwölf Observationsmaßnahmen,

die das Umfeld des Trios, also letztendlich die Suche nach

diesem, betrafen. Einige der hier auftretenden Kontakt-

personen waren bereits zuvor seit 1998 immer wieder –
auch in anderem Zusammenhang – das Ziel von Maß-
nahmen der Behörde.

1. Maßnahmen in den Jahren 1998-1999

Erste Hinweise darauf, dass sich das Trio in Sachsen

aufhalten könnte, erreichten das LfV Sachsen im Februar

1998. Der Zeuge Tüshaus hat vor dem Ausschuss erläu-

tert:

„Wenige Wochen später, Februar, wurde das LfV
Sachsen zunächst mündlich und dann durch einen

Bericht des LfV Thüringen über eine dort gewon-

nene Quellenmeldung in Kenntnis gesetzt, dass das
3838) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 11.

3839) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 101.

Drucksache 17/14600 – 438 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auto eines Rechtsextremisten, mit dem die drei

wohl bei der Flucht unterwegs gewesen seien, aus

Dresden abgeschleppt wurde. Die Quelle vermute-

te, dass sich die drei Gesuchten im Raum Dresden

aufhalten oder zumindest aufgehalten hätten, da

Mundlos über viele Szenekontakte nach Dresden

verfüge, die durch die Gefangenenbetreuung ent-

standen seien. Zugleich ging es in dem Bericht

auch um Kontakte nach Berlin und um das Bemü-

hen, sich ins Ausland abzusetzen. Das LfV Sach-

sen hatte keine eigenen Erkenntnisse in Bezug auf

den Aufenthalt der Gesuchten. Da schlossen sich

in der Folgezeit auch keine ergänzenden Meldun-

gen an. Heute wissen wir, dass die Vermutung der

Quelle, die Flucht der drei hätte auf Dresden ge-

zielt, unzutreffend war.“3840

Dies ist auch von dem Zeugen Boos bestätigt worden:

„Die erste konkrete Meldung haben wir dann im
Februar 98 bekommen; das war die Meldung, dass

die drei Flüchtigen mit einem Fahrzeug in den

Raum Dresden gebracht worden sein sollen. Das

Auto war verunfallt und musste deshalb zurückge-

holt werden. Die Quelle damals - es war eine

Quelle des LfV Thüringen - vermutete auch, dass

die drei Gesuchten im Raum Dresden seien, weil

der Mundlos aus der Gefangenenbetreuung Kon-

takte dorthin hatte.“3841

Maßnahmen zur Suche nach dem Trio wurden zu diesem

Zeitpunkt noch nicht ergriffen. Ab April 1998 war das

Umfeld von Zschäpe, Bönhardt und Mundlos aber Ge-

genstand verschiedener Observationen des LfV Sachsen,

die aus anderen Gründen (Musikszene um Jan Werner)

eingeleitet worden waren. Dabei handelt es sich um diese

beiden Maßnahmen:

– „Dönhoff II“ vom 23. bis zum 24. April 1998: Ziel
der Observation waren Bewegungsbilder und Foto-

grafieren von Jan Werner, Michael P. sowie Antje P.

in Wilsdruff, Limbach-Oberfrohna und Chemnitz

sowie das Ermitteln von Kontaktpersonen.
3842

– Im Rahmen der Beobachtung eines Treffens der
„Blood & Honour“-Sektion Sachsen wurde bekannt,
dass Antje P. gegenüber den anderen Teilnehmern

des Treffens angeregt habe, man solle die politische

Arbeit im Untergrund in Form von Anschlägen

durchführen. Dies sei von den Teilnehmern abgelehnt

worden.
3843
3840) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.

3841) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90.

3842) Observationsauftrag (VS-VERTRAULICH), Einsatzplan (VS-

NfD) vom 22. April 1998 und Observationsbericht (VS-
VERTRAULICH) vom 27. April 1998, MAT A SN-1/2 (Tgb.-

Nr. 08/12 - GEHEIM).

3843) Bericht über die Beobachtung der rechtsextremen
Skinheadszene am 14. Juni im Jugendclub Wilsdruff (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2, Anl. 1, (Tgb.-Nr. 08/12 -

VS-VERTRAULICH).

– „Brennessel“ am 26. Juli 1998: Bei der Observation
eines Landgasthofs in Limbach bei Wilsdruff sollten

die Teilnehmer eines Treffens der „Blood & Ho-
nour“-Sektion Sachsen festgestellt werden.3844

Erst ab September 1998 war das LfV Sachsen in die Su-

che nach dem Trio eingebunden. Der Zeuge Tüshaus hat

vor dem Ausschuss erläutert, Anlass für die Maßnahmen

sei eine Unterstützungsbitte für Observationen durch des

LfV Thüringen gewesen, nachdem dieses vom LfV Bran-

denburg neue Erkenntnisse im Bereich „Blood & Ho-
nour“ erhalten hatte.3845 Nach einer dieser Meldungen
habe der sächsische Rechtsextremist Jan Werner ver-

sucht, Waffen für die flüchtigen Rechtsextremisten zu

beschaffen.
3846

Das Trio plane einen weiteren Überfall

und die Flucht nach Südafrika, wobei sie von Jan Werner

und Antje P. – jeweils unabhängig voneinander – unter-
stützt werden sollten.

3847
Daraufhin hätten mehrere Ge-

spräche zwischen dem quellenführenden LfV Branden-

burg und den LfV Thüringen und Sachsen darüber stattge-

funden, wie die Polizei zu informieren sei.
3848

Diese fan-

den nach Aussage des Zeugen Tüshaus wohl am 16. und

21. September 1998 statt.
3849

Auch mit dem BfV habe

man sich in dieser Frage abgestimmt. Um seine Quellen

zu schützen, habe das LfV Brandenburg darauf bestanden,

dass die Information nur vertraulich, nicht jedoch schrift-

lich, an die zuständigen Fahndungsstellen weitergeleitet

werden dürfe.
3850

Der Zeuge Vahrenhold hat dazu ausge-

führt:

„Also Brandenburg hat eine klare Linie gefahren.
Die haben gesagt: Das LfV Thüringen darf infor-

mell das LKA Thüringen informieren. - Das wurde

in Richtung Thüringen gesagt, nicht in Richtung

Sachsen. Eine schriftliche Information wurde da-

mals verweigert.“3851

Vor dem Hintergrund dieser Quellenmeldung aus Bran-

denburg habe das LfV Sachsen mehrere Observations-

maßnahmen eingeleitet, die nach Aussage des Zeugen

Tüshaus dazu dienten,

„ … auf anderem Weg als durch die direkte Vor-
lage der Meldung des quellenführenden Landes

verwertbare Sachverhalte zu gewinnen und an die

Polizei zu geben. So erfolgten im September 1998

mehrere Observationen der entscheidenden Perso-

nen, teils mit Unterstützung des BfV.“3852
3844) Observationsauftrag vom 24. Juli 1998 und –bericht vom

29. Juli 1998 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM).

3845) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.

3846) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.

3847) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3.

3848) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3 f.

3849) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8 f.

3850) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 3 f.

3851) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 79 f.

3852) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 439 – Drucksache 17/14600

In einer Erkenntnismitteilung des LfV Sachsen an das

BfV und das BKA nach dem 4. November 2011 am

29. November 2011 ist festgehalten, Antje P. habe am

14. Juni 1998 bei einem Treffen der „Blood & Honour“-
Sektion Sachsen angeregt, die politische Arbeit im Unter-

grund in Form von Anschlägen durchzuführen.
3853

Der

Zeuge Tüshaus hat sich vor dem Ausschuss nicht mehr

darin erinnern können, ob auch diese Erkenntnis bei den

Gesprächen zwischen den LfV zu der Suche nach dem

Trio eine Rolle gespielt hat.
3854

Im Einzelnen wurden die folgenden Maßnahmen gegen

die mutmaßlichen Unterstützer des Trios und weitere

Personen aus dem „Blood & Honour“-Umfeld durchge-
führt:

– „Harmonium“ vom 11. bis zum 12. September 1998:
Ziel der Observation von Jan Werner, Antje P. und

Thomas Starke war es insbesondere, Kontaktperso-

nen aus Thüringen zu identifizieren.
3855

– „Kuhglocke“ vom 17. bis zum 22. September 1998:
Durch die Observation von Antje P. sollten Hinweise

auf den konkreten Veranstaltungsort für ein großes

Skinheadkonzert der „Blood & Honour“-Sektion
Sachsen am 26. September 1998 erlangt werden.

3856
– „Glockenspiel“ vom 25. bis zum 28. September
1998: Die Observation von Antje P. sollte ihre Kon-

takte zur Skinhead-Szene und zu „Blood & Honour“
sowie deren Intensität feststellen. Da sie einen Szene-

laden („Sonnentanzladen“ in Chemnitz) betrieb, ver-
mutete das LfV Sachsen, dass sie als Multiplikatorin

szeneinterne Informationen verbreitete.
3857

– „Pappmaschee“ vom 15. bis zum 16. Oktober 1998:
Ziel der Observation von Jan Werner und Steffi F.

waren Bewegungsbilder und das Feststellen von

Kontaktpersonen.
3858

Eine weitere Maßnahme („Odeon“ im Oktober 1998) war
geplant. Im Rahmen dieser hätten G 10-

Beschränkungsmaßnahmen gegen Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe sowie gegen Jan Werner, dessen Mutter und

Thomas Starke
3859

wegen der Mitgliedschaft beim „Thü-
3853) MAT A SN-7/2 b, S. 24.

3854) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 23 ff.

3855) Observationsauftrag vom 10. September 1998 und –bericht
vom 14. September 1998 (beides VS-VERTRAULICH), MAT
A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3856) Observationsauftrag vom 16. September 1998 und -bericht vom

28. September 1998 (beides VS-VERTRAULICH) sowie Ein-
satzplan vom 18. September 1998 (VS-NfD), MAT A SN-1/2

(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3857) Observationsauftrag vom 22. September 1998 und -bericht vom
2. Oktober 1998 (beides VS-VERTRAULICH) sowie Einsatz-

plan vom 23. September 1998 (VS-NfD), MAT A SN-1/2

(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3858) Observationsbericht vom 21. Oktober 1998 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3859) Vorschlag für eine Beschränkungsmaßnahme vom 9. Oktober

1998 (GEHEIM), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

ringer Heimatschutz“ („THS“, früher: „Anti-Antifa Ost-
thüringen“) erfolgen sollen.3860 Dazu hat der Zeuge
Tüshaus berichtet:

„Zu einer Umsetzung des eigenen Antrags für eine
Telefonüberwachung kam es nicht, da eine andere

Verfassungsschutzbehörde bereits laufende Maß-

nahmen in dieser Richtung betrieb und durch eine

Erweiterung dieser Maßnahmen der Zweck abge-

deckt wurde.“ 3861

Die oben dargestellten mit den anderen Verfas-

sungsschutzbehörden abgesprochenen Maßnahmen zur

Informationserhebung führte das LfV Sachsen auch über

das Jahr 1998 hinaus fort:
3862

– „Kuhglocke Folgemaßnahme“ vom 18. bis zum
19. März 1999: Ziel der erneuten Observation von

Antje P. war das Feststellen von Kontaktpersonen.
3863

– „Bratsche“ vom 19. bis zum 20. November 1999:
Durch die Observation von Jan Werner gelang es,

wie geplant, den Veranstaltungsort für ein geplantes

Skinhead-Konzerts der „Blood & Honour“-Sektion
Sachsen am 20. November 1999 in einer Gaststätte in

Limbach festzustellen.
3864

Die Observation wurde am

Folgetag fortgesetzt, um auch Ausweichorte bei ei-

nem eventuellen Verbot zu identifizieren; zu einer

Ersatzveranstaltung mit den angereisten Musikern

nach einer Verbotsverfügung am Nachmittag des

20. November 1999 kam es nicht.
3865

Insgesamt gewann das LfV Sachsen durch diese Maß-

nahmen keine neuen Erkenntnisse über den Aufenthaltsort

des Trios. Der Zeuge Tüshaus hat vor dem Ausschuss

resümiert:

„Die einzige neue Information zum Trio, die sich
aus sächsischer Sicht für das Jahr 1999 nachvoll-

ziehen lässt, ist der vorläufige Abschlussvermerk

des LfV Thüringen vom Juni 1999. […] In diesem
Bericht vom Juni 1999 wird unter anderem gesagt,

dass sich im Frühjahr 1999 Erkenntnisse verdichtet

hätten, nach denen sich die Gesuchten in Chemnitz

aufhielten; mittlerweile lägen aber eindeutige

Hinweise dafür vor, dass das Trio nunmehr im

nördlichen Bereich der Bundesrepublik unterge-

bracht werden solle. Der Bericht nennt weder die

Erkenntnisse, die zu der Verdichtung der Hinweise

in Bezug auf Chemnitz geführt hätten, noch, wel-
3860) Schäfer-Gutachten, S. 226, Rn. 405.

3861) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 4 und in diesem Sinne auch

S. 48 f.

3862) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 4.

3863) Observationsauftrag vom 18. März 1999 und –bericht vom
29. März 1999 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM).

3864) Observationsbericht vom 24. November 1999 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 -
GEHEIM).

3865) Vermerk vom 22. November 1999 (VS-NfD), MAT A SN-1/2

(Tgb.-Nr. 08/12 - GEHEIM).

Drucksache 17/14600 – 440 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

che neueren Erkenntnisse auf Norddeutschland

deuten.

Aus den zwischenzeitlich zusammengeführten Er-

kenntnissen wissen wir, dass es dem LfV Thürin-

gen im Frühjahr 1999 gelungen war, Kenntnis von

einem Telefonat zu erhalten, das mutmaßlich

Böhnhardt von einer Telefonzelle in Chemnitz aus

führte. Diese Information war nicht nur eine Bestä-

tigung der bestehenden Erkenntnislage - bisher

konnten nur die Kontaktpersonen und Informati-

onsmittler der Region Chemnitz zugeordnet wer-

den -; jetzt lag ein Hinweis auch darauf vor, dass

sich die Gesuchten selbst dort aufhalten. […]

Für das Jahr 1999 weist der Schäfer-Bericht über

die vorgenannten Sachverhalte hinaus drei Mel-

dungen auf, die die Bezüge der Gesuchten nach

Sachsen bestätigen, die uns jedoch nicht berichtet

wurden: […] und schließlich als dritte Meldung
aus dem November 1999 der Hinweis oder die In-

formation, dass Thomas Starke, der gerade schon

angesprochene Vertraute von Jan Werner, eine

ihm angebotene Spende für die drei abgelehnt ha-

be, da sie kein Geld mehr brauchten, weil sie job-

ben würden. In diese gesamte Entwicklung des

Falls 1999 wurde das LfV Sachsen sachlich nicht

eingebunden. Von der Sachverhaltung her wurde

der Fall durch das LfV Thüringen als sein Fall be-

handelt.“3866

Auch der Zeuge Boos hat darauf hingewiesen, dass be-

stimmte Informationen nicht an das LfV Sachsen weiter-

geleitet worden seien:

„Es waren aber zu der Zeit - jetzt gehe ich zum
LKA Thüringen - wesentliche Informationen

schon beim LKA Thüringen aus Telefonüberwa-

chungsmaßnahmen angefallen, dass aus Telefon-

zellen in Chemnitz Telefongespräche geführt wor-

den sind mit Kontaktpersonen zu den drei Gesuch-

ten, dass aus Telefonzellen in Chemnitz Telefon-

anrufe geführt worden sind, wo es darum ging,

Gegenstände für die drei Gesuchten, persönliche

Gegenstände und Geld, soweit ich mich erinnere,

zu beschaffen.

Diese Information war nur in Thüringen. Sie ist

später wohl dadurch in Thüringen auch angerei-

chert worden, dass es sich bei dem Anrufer aus der

Chemnitzer Telefonzelle um Jan Werner, einen

bekannten Rechtsextremisten aus dem

„Blood & Honour“-Umfeld in Sachsen, handelt -
uns zu dieser Zeit nicht bekannt.“3867

Auch das Parlamentarische Kontrollgremium Sachsens

stellte in seiner nachträglichen Prüfung der Vorgänge fest,

dass das LfV Sachsen mit Informationen unterversorgt
3866) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 5.

3867) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90.

war, die nötigen Informationen aber auch nicht eingefor-

dert habe.
3868

2. Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 12“

Im Frühjahr 2000 (also über ein Jahr nach dem Hinweis

aus Brandenburg im September 1998) kam es zur ersten

der Maßnahmen, die als „Terzett“ bezeichnet werden. In
der Folge wurden im Jahr 2000 insgesamt zwölf Maß-

nahmen durchgeführt, die jeweils den Namen „Terzett“
tragen, darunter auch eine G 10-

Beschränkungsmaßnahme (Telefonüberwachung) zwi-

schen Mai und August 2000.

Auslöser der Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 6“
(März/April 2000) war der aus Thüringen übermittelte

Hinweis aus dem Januar 2000, dass Andreas G. (gehört

zum Umfeld Jan Werner in Chemnitz, ebenfalls „Musik-
szene“) in Thüringen der dortigen Quelle (Tino Brandt)
berichtet habe, „den Dreien geht es gut“.3869 In der Folge-
zeit kam es bis einschließlich April 2000 zu insgesamt

sechs Maßnahmen, von denen Andreas G. betroffen war

(„Terzett“ bis „Terzett 6). Hierbei wurde festgestellt, dass
sich Andreas G. zuweilen höchst konspirativ verhielt

(überfuhr rote Ampeln, etc.). Hinweise auf den Aufenthalt

des Trios ergaben sich jedoch nicht. Der Hinweis, dass

die Quelle des LfV Brandenburg Waffen für das Trio

besorgen wolle, wurde nicht in konkrete Maßnahmen –
wie etwa das Auswerten von Banküberfällen – umgesetzt.
Im Einzelnen wurden folgende Observationen durchge-

führt:

– „Terzett“ Februar 2000/Observation vom 9. bis zum
11. März 2000: Von den Observationsmaßnahmen

erhoffte man sich grundlegende Erkenntnisse zu Um-

fang und Struktur der militanten Skinhead- und Ka-

meradschaftsszene im Raum Chemnitz sowie Hin-

weise auf das Versteck des Trios.
3870

Als erste Ziel-

person wurde Andreas G. ausgewählt.
3871

Im Rahmen

dieser Maßnahme konnte der Kontakt G.s zu Jan

Werner bestätigt werden.
3872

– „Terzett II“ vom 21. bis zum 23. März 2000: In einer
Folgemaßnahme wurde dann neben Andreas G. auch

Kay R. observiert, der als dessen „Chauffeur“ in Er-
scheinung getreten sei.

3873
Im Observationsbericht

wird dokumentiert, Andreas G. verhalte sich „auffäl-
lig konspirativ“, er schaue sich beim Gehen öfter um
3868) MAT A SN-4/19, Bl. 12.

3869) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 5 f.

3870) Schreiben vom 7. Februar 2000 (GEHEIM), MAT A SN-1/2
(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3871) Ermittlungsauftrag vom 29. Februar 2000, Observationsauftrag

vom 2. März 2000 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-
1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3872) Observationsauftrag vom 2. März 2000 (VS-VERTRAULICH),

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3873) Observationsauftrag vom 13. März 2000 und Ergänzung vom

20. März 2000 (beides VS-VERTRAULICH), MAT A SN-1/2

(Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 441 – Drucksache 17/14600

und warte an einer Kreuzung im dunklen Seitenbe-

reich.
3874

– „Terzett III“ vom 24. März 2000: Vor seiner geplan-
ten Abreise nach England sollte ein Bewegungsbild

von Jan Werner erstellt sowie Kontaktpersonen iden-

tifiziert werden.
3875

– „Terzett IV“ vom 30. März bis zum 1. April 2000:
Da die Erkenntnisse der Maßnahmen „Terzett I und
II“ nicht ausreichend seien, wurde eine erneute Ob-
servation von Andreas G. durchgeführt.

3876
– „Terzett V“ vom 5. April bis zum 7. April 2000:
Aufgrund des in den vorigen Maßnahmen festgestell-

ten „intensiven Kontakts“ zu Andreas G., wurde Kay
R. erneut für eine Observationsmaßnahme ausge-

wählt. Ziel war es, Erkenntnisse über das „einschlä-
gige Kontaktumfeld“ von Andreas G. hinaus zu er-
halten.

3877
– „Terzett VI“ vom 18. bis zum 20. April 2000: Tho-
mas Starke wurde wegen seines Kontakts zu den

Zielpersonen der bisherigen „Terzett“-Maßnahmen
sowie zum Trio überwacht.

3878
Im Mai 2000 gab es aus Anlass der Fernsehsendung Kri-

po Live, in deren Rahmen nach dem Trio gefahndet wur-

de, konzertierte Maßnahmen der Landesämter für Verfas-

sungsschutz Thüringen und Sachsen, der Zielfahndung

des LKA Thüringen sowie der Polizei Sachsen, in deren

Rahmen es zu zwei Maßnahmen des LfV Sachsen kam:

– Maßnahme „Terzett 7“, in deren Rahmen insgesamt
sechs Zielpersonen observiert wurden (G., W., Struck,

L., S.).
3879

– G 10-Maßnahme „Terzett“, in deren Rahmen mehre-
re Telefonanschlüsse überwacht wurden, und zwar

bis Mitte August 2000 (G., W., Struck, S.).
3880

Weitere Maßnahmen folgten dann bis Juli 2000 („Terzett
8“ bis „Terzett 10“):

– „Terzett 8“ vom 2. bis zum 4. Juni 2000: Da im
Rahmen von „Terzett 7“ bekannt wurde, dass das
Trio am 7. Mai 2000 in Berlin gesehen worden sei,
3874) Observationsbericht vom 23. März 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3875) Observationsauftrag vom 20. März 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3876) Observationsauftrag vom 20. März 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3877) Observationsauftrag vom 27. März 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3878) Observationsauftrag vom 10. April 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3879) Dokument vom 28. April 2000, MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr.

08/12 - GEHEIM), Dokument ist VS-NfD.

3880) siehe hierzu eingehend E. II. 13. b).

und Jan Werner sich an diesem Tag ebenfalls in Ber-

lin aufgehalten haben soll, hat das LfV Sachsen eine

Kontaktaufnahme zwischen Werner und dem Trio

nicht ausgeschlossen.
3881

Daher sollte Werner wäh-

rend seines erneuten Aufenthalts in Berlin observiert

werden.
3882

– „Terzett 9“ vom 12. bis zum 14. Juli 2000: Im Rah-
men von „Terzett 7“ wurde festgestellt, dass Kai S.
während eines Umzuges Kontakt zu Böhnhardt ge-

habt haben könnte. Daher sollte dieser observiert

werden.
3883

Außerdem wurde vermutet, dass die

Wohnung S.s Ausrichtungsort für rechtsextremisti-

sche Veranstaltungen sein könnte.
3884

– „Terzett 10“ am 22. Juli 2000: Mangels neuer Er-
kenntnisse durch die vorige Maßnahme, wurde eine

erneute Überwachung S.s durchgeführt.
3885

Eine Er-

kenntnis dieser letzten beiden Maßnahmen war, dass

sich S. hauptsächlich an der Meldeadresse seiner Le-

bensgefährtin Mandy Struck aufhalte.
3886

Diese Woh-

nung wurde dann Gegenstand einer Langzeitobserva-

tion im Rahmen der Maßnahme „Terzett 11“ (siehe
unten).

Im September/Oktober gab es dann weitere Maßnahmen,

bei denen man sich neue Erkenntnisse durch einen mögli-

chen Kontakt zwischen S. und Böhnhardt erhoffte:

– „Terzett 11“ vom 11. September bis zum 11. Oktober
2000: Da die letzten beiden kurzzeitigen Observatio-

nen nur wenig Erkenntnisse geliefert hätten, wurde

nun eine Langzeitobservation des Wohnhauses

Struck/S. in der Bernhardstraße 11 in Chemnitz

durchgeführt.
3887

Dafür wurde eigens eine gegenüber

dem Hauseingang Bernhardstraße 11 gelegene kon-

spirative Wohnung angemietet.
3888

– „Terzett 12“ vom 29. September bis zum 1. Oktober
2000: Vor dem Hintergrund einer möglichen Ge-

burtstagsfeier Böhnhardts wurden S. sowie das

Wohnhaus Struck/S. und ein Garagenkomplex mittels

einer laufenden durchgehenden Videodokumentation

erneut überwacht.
3889

Auf diesen Aufnahmen waren
3881) Observationsauftrag vom 29. Mai 2000 (VS-VERTRAULICH),

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3882) Observationsauftrag vom 29. Mai 2000 (VS-VERTRAULICH),

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3883) Observationsauftrag vom 6. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH),

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3884) Observationsauftrag vom 6. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH),

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3885) Observationsauftrag vom 17. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH),

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3886) Schreiben vom 24. Juli 2000 (VS-VERTRAULICH), MAT A

SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3887) Observationsauftrag vom 14. August 2000 (VS-
VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3888) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 6.

3889) Observationsauftrag vom 27. September 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

Drucksache 17/14600 – 442 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch zwei unbekannte Personen zu sehen, bei denen

eine Ähnlichkeit mit Zschäpe und Böhnhardt festge-

stellt werden konnte.
3890

Gleichzeitig fanden auch Maßnahmen der sächsischen

Polizei statt. Diese führte eine Videoüberwachung durch,

was durch den Landespolizeipräsidenten Merbitz vor dem

Innenausschuss des Freistaates Sachsen bestätigt worden

war.
3891

Außerdem observierte die sächsische Polizei den

Freund von Mandy Struck, Kai S.
3892

Auch diese Maß-

nahmen, die bereits oben unter E. II. 14 dargestellt wur-

den, erbrachten keine konkreten Hinweise auf das flüchti-

ge Trio.

Im Vorläufigen Abschlussbericht der Parlamentarischen

Kontrollkommission des Sächsischen Landtages vom

22. Juni 2012 heißt es zu den Maßnahmen im Septem-

ber/Oktober 2000:

„lm Zeitraum vom 29.09.2000 bis zum 25.10.2000
führte das LfV Sachsen eine permanente Videoob-

servation aus einer sog. ‚Konspirativen Wohnung‘
in Chemnitz durch. Die Maßnahme geht auf den

im LfV Sachsen von Sicherheitsbehörden aus an-

deren Bundesländern eingegangenen Hinweis zu-

rück, Böhnhardt und zwei weitere mutmaßliche

Helfer würden sich in Chemnitz aus Anlass des

Geburtstags von B. treffen. Die Maßnahme blieb

ohne nennenswerten Erfolg, sieht man davon ab,

dass auf einer wenige Sekunden betragenden Vi-

deosequenz zwei Personen zu sehen sind. Die

Identität dieser Personen blieb dem LfV Sachsen

unbekannt. Aus heutiger Sicht wäre eine Observa-

tion der Wohnung durch Beamte des LfV für einen

längeren Zeitraum erforderlich gewesen. Ob diese

Art der Observation aus den vorliegenden Infor-

mationen im Jahr 2000 angezeigt war, konnte nicht

abschließend geklärt werden.“3893

Am 23. Oktober 2000 kam es zu einer offenen Ansprache

von Mandy Struck und Kai S. durch die Zielfahndung des

LKA Thüringen,
3894

in deren Rahmen beiden Personen

die am 6. Mai 2000 anlässlich der Observation angefertig-

ten Bilder einer Person, die für Uwe Böhnhardt gehalten

wurde, gezeigt wurden.
3895

Der Zeuge Tüshaus hat be-

kundet, dass vor diesem Hintergrund weitere Maßnahmen

bzgl. Mandy Struck und Kai S. obsolet geworden seien.

Tüshaus hat hierzu geäußert:

„In einem Vermerk des LfV vom 25. Oktober, also
zwei Tage später, wird festgehalten: Dienstlich

wurde bekannt, dass das im Auftrag - jetzt kommt

die Fallbezeichnung - formulierte Ziel der Obser-
3890) Observationsbericht vom 5. Oktober 2000 (VS-

VERTRAULICH), MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 –
GEHEIM).

3891) MAT A SN-4/8, S. 6.

3892) MAT A SN-7/16b, S. 27 ff.

3893) MAT A SN-4/19, S. 9.

3894) Siehe hierzu oben E. II. 15.

3895) Siehe hierzu oben E. II. 13. c) aa).

vation - also diese technische Dauerobservation

der Bernhardstraße - nicht umsetzbar ist. Die

Maßnahme wird aus diesem Grund nicht fortge-

setzt. - Dies ist im Licht der am 23. Oktober er-

folgten Ansprache nachvollziehbar. Die Polizei hat

zu diesem Zeitpunkt Mandy Struck befragt, ob sie

etwas von den Gesuchten wüsste, sie hat Observa-

tionsfotos vorgelegt, sodass der Betroffenen und

ihrem Freund die Maßnahmen um sie herum deut-

lich wurden. Eine weitere technische Observation

des Wohnobjekts ergab deshalb keinen Sinn.“3896

3. Weitere Maßnahmen

Flankierend zu den „Terzett“-Observationen hat das LfV
Sachsen noch weitere Maßnahmen durchgeführt:

– „Gewinnung Nahbeobachter“ am 18. April 2000: Im
Rahmen der bisherigen Maßnahmen sei der „Club
M“ in Chemnitz als Treffpunkt für die Zielpersonen
bekannt geworden; aufgrund der örtlichen Gegeben-

heiten seien Observationsmaßnahmen jedoch nur be-

grenzt möglich, daher sollte versucht werden, einen

Nahbeobachter zu gewinnen.
3897

Der damalige Abtei-

lungsleiter Tüshaus weist in einem Schreiben drauf

hin, man habe festgestellt, dass sich Angehörige der

Szene gegenüber sicherheitsbehördlichen Maßnah-

men sensibel zeigten.
3898

– Der Zeuge Tüshaus hat vor dem Ausschuss von ei-
nem Informationsgespräch mit Mandy Struck im Ja-

nuar 2001 berichtet:

„Im Rahmen der Bearbeitung wurde Mandy Struck
im Januar 2001 auch vom LfV angetroffen und ein

Informationsgespräch mit ihr geführt. Dort stritt

sie allerdings ab, mehr in die Szene involviert zu

sein, und wolle sich auch aus ihr lösen. Irgendei-

nen weiter gehenden Informationsaustausch mit

dem LfV lehnte sie ab.“3899

Auf die Frage, ob man versucht habe, Mandy Struck

als V-Person zu gewinnen, hat sich der Zeuge Tüshaus

wie folgt geäußert:

„[…] man hat einfach erst mal das Gespräch ge-
sucht. Also, ich denke, alles Weitere wäre dann die

zweite Frage gewesen. Dann hätte man auch erst

klären können, wenn sie denn gesprächsbereit ge-

wesen wäre: Wie weit ist ihre Einbindung? Wie

weit hängt sie mit drin? Und davon hätte so etwas

erst abhängig gemacht werden können. Hier ging

es jetzt erst mal um ein Informationsgespräch. […]

Hier wäre in jedem Fall die Sachlage so unklar

gewesen, dass man sich das sehr, sehr gut hätte
3896) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.

3897) Schreiben vom 18. April 2000 (VS-VERTRAULICH), MAT A

SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3898) Schreiben vom 18. April 2000 (VS-VERTRAULICH), MAT A

SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM).

3899) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 443 – Drucksache 17/14600

überlegen müssen, ob man da tatsächlich jetzt eine

langfristige Beziehung eingeht. Denn das ist ja nun

mal Fakt gewesen: Wir sind hier praktisch im un-

mittelbaren Umfeld von exekutiven Maßnahmen.

Und dort dann jemanden als V-Person einzufüh-

ren, würde das Verfahren - - oder passt einfach

nicht zu dem Gesamtverfahren, wenn ich mich da

dann sozusagen mit einer Quelle in den Gesamt-

komplex mit einflechte.“3900

Neue Erkenntnisse, die andere Behörden nach dem Jahr

2000 erlangten, wurden nicht immer an das LfV Sach-

sen weitergeleitet, so der Zeuge Tüshaus vor dem Aus-

schuss:

„Ausweislich der Aufbereitung oder Aufarbeitung
insbesondere des Schäfer-Berichts wissen wir heu-

te, dass im Jahr 2001, also in der späteren Zeit,

noch relevante Informationen anfielen, die aller-

dings nicht dem LfV berichtet wurden, insbeson-

dere die Meldung vom 18. März 2001, es sei in der

Szene bekannt, dass die drei in Chemnitz unterge-

taucht seien, sowie eine Erkenntnis vom April

2001, wonach ein Rechtsextremist angebotenes

Geld abgelehnt habe für die drei, da es die drei

nicht mehr benötigen; sie würden Aktionen ma-

chen, von denen der Anbieter besser nichts wissen

solle.“3901

Auf die Frage, was das LfV Sachsen aus entsprechenden

Informationen geschlossen hätte, hat der Zeuge Tüshaus

geantwortet:

„Das ist schwierig, zu spekulieren. Aus heutiger
Sicht ist man natürlich geneigt, nichts anderes zu

sagen als: Das wäre für uns der Anhaltspunkt ge-

wesen, dann doch vielleicht nicht nur darüber

nachzudenken: ‚Wo sind sie denn?‘ - das war ja
sozusagen dann doch schon in den ersten Phasen

der prägende Gedanke -, sondern noch stärker da-

rüber nachzudenken: Was machen sie denn jetzt?.

Das wäre, denke ich, eine Schlüsselfrage in dem

Fall gewesen.“3902

4. Benachrichtigung nach dem G 10-Gesetz

Im Hinblick auf die anlässlich der Kripo Live-Sendung

am 7. Mai 2000 eingeleitete G 10-Maßnahme „Terzett“,
die die Überwachung von mehreren Telefonanschlüssen

umfasste (s. o.), ergab sich im weiteren Verlauf in den

Jahren 2006 bis 2010 die Feststellung, dass das Trio noch

immer nicht auffindbar war.

Nach Abschluss von sog. G 10-Maßnahmen (Maßnah-

men, die in Artikel 10 Grundgesetz eingreifen, also insbe-

sondere Telekommunikationsüberwachung) besteht ge-

mäß § 12 G 10-Gesetz die Verpflichtung, die von der

G 10-Maßnahme betroffenen Personen darüber zu infor-
3900) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 21 f.

3901) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 7.

3902) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 12.

mieren, dass die G 10-Maßnahme durchgeführt wurde.

Hierdurch soll das im Grundgesetz verbürgte Recht auf

Rechtsschutz gegen alle staatlichen Eingriffe (Artikel 19

Abs. 4 GG) gewährleistet werden, denn Rechtsschutz ist

nur dann möglich, wenn der Betroffene auch weiß, dass

es überhaupt eine Maßnahme gegeben hat.

Zur Erfüllung dieser Verpflichtung wurden die Betroffe-

nen Thomas Starke, Mandy Struck, Jan Werner und And-

reas G. im Oktober 2009 über die Maßnahmen zwischen

Mai und August 2000 informiert. Gleichzeitig wurde

festgestellt, dass Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nicht

auffindbar sind, sodass eine Mitteilung nicht möglich

war.
3903

Der Zeuge Vahrenhold hat vor dem Ausschuss

erläutert:

„[…] haben wir uns dann entschieden, die G-10-
Maßnahme den Betroffenen mitzuteilen. Es gab

noch einmal eine Rundfrage unter den Verfas-

sungsschutzbehörden, ob es Erkenntnisse zum

Verbleib der drei Gesuchten gibt. Das wurde von

allen Verfassungsschutzbehörden verneint, sodass

an diese drei Personen auch die Maßnahme natür-

lich nicht mitgeteilt werden konnte, aber eben an

die anderen Personen.“3904

In der Folgezeit wurden innerhalb des Innenministeriums

Sachsen Überlegungen angestellt, wie hier weiter zu ver-

fahren ist, wobei lediglich überlegt wurde, wie im Falle

einer rechtlich bestehenden Informationsverpflichtung,

die wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen tat-

sächlich nicht erfüllt werden kann, verwaltungsrechtlich

korrekt zu verfahren ist und welche Maßnahmen zur Er-

mittlung des Aufenthaltsortes in einem solchen Fall zuläs-

sig bzw. erforderlich sind.
3905

Zu bemerken ist insbesondere, dass die Unauffindbarkeit

des Trios in den Jahren 2009 und 2010 innerhalb des LfV

bzw. des Innenministeriums Sachsen jedenfalls nach

Aktenlage nicht die Frage aufwarf, weshalb die Aufent-

haltsorte des Trios weiterhin nicht bekannt waren. Aus

den in den Akten enthaltenen Vermerken lässt sich der

Schluss ziehen, dass der Fall, dass von G 10-Maßnahmen

betroffene Personen nicht auffindbar sind, nicht alltäglich

ist, weil ansonsten keine derart intensiven Überlegungen

zum korrekten Vorgehen erforderlich gewesen wären.
3903) MAT A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM), Schreiben des

LfV Sachsen an das IM SN vom 6. Oktober 2009 (VS-NfD).

3904) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 53.

3905) Vgl. hierzu nur MAT A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 GEHEIM),

Schreiben des LfV Sachsen an das IM SN vom 18. Oktober
2010 (VS-NfD) und MAT A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 –
GEHEIM), Vermerk zur Sitzung am 3. Dezember 2010 vom

6. Dezember 2010 des Zeugen Tüshaus (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 444 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Kontakte des LfV Sachsen zu Thomas
Starke

Auch das LfV Sachsen hatte Kontakte zu dem durch das

LKA Berlin als V-Mann geführten Thomas Starke.
3906

Der Zeuge Boos hat hierzu bekundet:

„Mit dem hat es einen Kontakt gegeben, aber von
vornherein nicht mit dem Ziel, ihn als V-Mann zu

werben, sondern nur, um ein Informationsgespräch

zu führen, also nur ein einmaliger Kontakt, um In-

formationen zu bekommen, mehr nicht.“3907

Als V-Mann habe man Thomas Starke nicht gewinnen

wollen.
3908

Auch Thomas Starke habe Kontakt zum LfV

Sachsen abgelehnt. Hierzu hat der Zeuge Boos geäußert:

„Ich habe gesagt, dass es ein Kontaktgespräch mit
ihm gegeben hat und er gesagt hat: Ich möchte mit

dem LfV Sachsen keinen Kontakt haben.“3909

6. Aktenfund im LfV Sachsen im Juni 2012

Im Juni 2012 wurden in einem Mitarbeiter-Tresor im

Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen unter anderem

Akten aus dem G 10-Vorgang „Drilling“ des LfV Thürin-
gen aus dem Jahr 1998 und Unterlagen zur G 10-

Maßnahme „Terzett“ aus dem Jahr 2000 aufgefunden.
Vor dem Hintergrund hausinterner Büroumzüge hatte ein

Mitarbeiter den in seinem Dienstzimmer aufgestellten

Tresor ausgeräumt und dabei im toten Winkel eines In-

nenfaches seiner Aussage nach nicht von ihm stammende

Aktenteile, die das Trio betrafen, aufgefunden.
3910

Stahl-

schränke dieser Art finden sich in mehreren Mitarbeiter-

büros des LfV Sachsen und dienen der Verwahrung der

eingestuften Materialien, die die Mitarbeiter für ihre tägli-

che Arbeit benötigen.

Dieser Vorgang gab offiziell Anlass zum Rücktritt des

Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, dem

Zeugen Reinhard Boos. Seine Gründe hat er vor dem

Ausschuss zusammengefasst:

„Ja, gerne. Das ist ganz einfach. Ich hatte - -
Glaubwürdigkeit war in dem Fall für mich - - mir

persönlich - - Das war meine innere Stütze, meine

innere Säule, um in dieser für mich auch nicht

leichten Situation nach dem November 2011 die

Dinge dort zu machen oder meine Aufgabe dort zu

erfüllen.

Ich hatte dann eben, als ich auch mich hausintern

vergewissert hatte usw., was man halt so tut, bes-

ten Wissens und Gewissens gesagt, dass wir jetzt

alles, was wir nach - - alles, was zu berücksichti-

gen ist, berücksichtigt haben zur Aufklärung dieses
3906) Siehe hierzu oben unter D. IV. 1.

3907) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 96.

3908) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 96.

3909) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 111.

3910) Beschreibung des Fundorts mit Fotografien im Harms-Bericht,

MAT B SN-1, S. 21-24.

Sachverhalts, die Unterlagen alle gesichtet sind,

der Bericht daraus erstellt ist und wir damit eine

solide und vollständige Grundlage haben. Dafür

habe ich mein Wort gegeben, dass das so ist.

Und wenige Zeit später kommt dann - - kommen

dann Mitarbeiter des LfV und haben Unterlagen

mit NSU-Bezug, G-10-Unterlagen - ist ja be-

kannt -, die genau diese Aussage in ihrer Glaub-

würdigkeit beeinträchtigen. Und dann habe ich

schlicht und einfach gesagt: Wenn meine Glaub-

würdigkeit beeinträchtigt ist, dann sehe ich mich

nicht mehr in der Lage, in dieser Situation weiter-

zumachen, weil es nur mit Glaubwürdigkeit aus

meiner Sicht geht.“3911

In der Folgezeit wurden diese Vorkommnisse im Auftrag

des sächsischen Innenministeriums durch eine Kommissi-

on, die von der früheren Generalbundesanwältin Prof.

Monika Harms geführt wurde, untersucht. Am 20. Febru-

ar 2013 stellte die Kommission einen Bericht (im Folgen-

den: „Harms-Bericht“) vor, der unter anderem eine detail-
lierte Untersuchung der Aktenfunde in dem Tresor ent-

hält.
3912

Neben der Darstellung des Vorgangs um die Aktenfunde

enthält der Bericht eine Darstellung der Struktur des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz Sachsen und Vorschläge

für die Zukunft. Interessant ist jedoch vor allem die Dar-

stellung der Aktenfunde. Im Wesentlichen enthält der

Bericht hier die folgenden Passagen:

„Anlass für das Auffinden der Unterlagen war ein
hausinterner Umzug von Mitarbeitern des Referats

21 ‚Auswertung Rechtsextremismus, -terrorismus‘
im LfV. Der neu in dieses Zimmer eingewiesene

Mitarbeiter A räumte am 10.07.2012 mehrere sich

im obersten Fach eines Stahlschrankes befindende

Ordner des früheren Bearbeiters B aus und brachte

diese in das Zimmer des nunmehr dafür zuständi-

gen Bearbeiters C. Bei Rückkehr in sein neues Ar-

beitszimmer sah er, dass aufgrund der Entnahme

der vorher sehr dicht stehenden Aktenordner links

hinter einem Vorsprung im Stahlschrank eine Um-

laufmappe umgefallen war, die er vorher nicht ge-

sehen hatte. Auch dem bereits länger in dem Zim-

mer tätigen Mitarbeiter D war diese Akte nicht be-

kannt.

Diese aufgefundenen Unterlagen enthielten u. a.

ältere G 10-Protokolle des BfV und sind der An-

lass der Prüfung durch die Expertenkommission,

da man bis dahin davon ausgegangen war, dass

diese Unterlagen im LfV nicht mehr vorhanden

seien.“3913

Das Auffinden der Unterlagen war nicht zuletzt auch

deshalb brisant, weil am 8. Mai 2012 gegenüber der Par-
3911) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 106.

3912) Harms-Bericht, MAT B SN-1, S. 21-34.

3913) Harms-Bericht, MAT B SN-1, S. 21.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 445 – Drucksache 17/14600

lamentarischen Kontrollkommission im Sächsischen

Landtag über die NSU-Vorgänge in Bezug auf Sachsen

Bericht
3914

erstattet wurde. Bereits zur Erstellung des

Berichts war innerhalb des Landesamtes für Verfassungs-

schutz – vergeblich – nach den später aufgefundenen
G 10-Protokollen des BfV gesucht worden.

3915
Zur Relevanz des Aktenfundes für die Suche nach dem

Trio hat sich der Zeuge Boos folgendermaßen geäußert:

„In dem Bericht steht eindeutig, dass es keinerlei
Anhaltspunkte - - dass das, was dort gefunden

worden ist, also diese G-10-Protokolle - - dass da

keine Erkenntnisse drin sind, die wesentlich waren

für - - oder keine wesentlichen Erkenntnisse drin

waren, die zum Auffinden der Gesuchten geführt

hätten oder gar dazu geführt hätten, zu entdecken,

dass sie diese Straftaten begehen. Es sind Proto-

kolle, die normalerweise hätten vernichtet werden

müssen.“3916

Die aufgefundene Umlaufmappe enthielt die folgenden

Unterlagen:

– G 10-Protokolle des BfV aus dem Jahr 1998 über
eine G 10-Maßnahme gegen Jan Werner (laut dem

Harms-Bericht enthielten diese Protokolle keine

Hinweise auf das Trio).

– Dokumente, die sich auf die G 10-Maßnahme „Ter-
zett“ beziehen, und zwar im Einzelnen:

- Internes Schreiben der G 10-Stelle des LfV an
die Fachabteilung zur G 10-Maßnahme „Ter-
zett“ (Mai bis August 2000), beigeschlossene
Kopien der Anordnung des damaligen Innen-

ministers (vom 3. Mai 2000) und des dieser vo-

rausgegangenen Antrages (vom 28. April

2000).

- Kopien von zwei G 10-Anträgen des LfV Thü-
ringen vom 13. und 18. August 1998 (Herkunft

laut Harms-Kommission unklar, da keine Re-

gistrierung dieser Papiere im LfV Sachsen); In-

teressant hier: Anträge sind in vielen Passagen

wortidentisch mit dem G 10-Antrag in der

G 10-Maßnahme „Terzett“ vom 28. April
2000

3917
, der durch den Zeugen Tüshaus ge-

zeichnet und von dem Zeugen Dr. Vahrenhold

bearbeitet wurde!

– Weitere Unterlagen, die mit Zschäpe, Mundlos und
Böhnhardt in Zusammenhang stehen, nämlich:
3914) MAT A SN 1/3, (Tgb.-Nr. 23/12 – GEHEIM).

3915) Siehe zum Ganzen auch presseöffentlich: „Die Akten-Panne
und kein Ende“ in der Leipziger Volkszeitung vom 13. Juli
2012, S. 5; „Ulbig unter Druck“ in der Sächsischen Zeitung
vom 13. Juli 2012, S. 6; „Verfassungsschutz stolpert über 100
Seiten mit Abhörprotokollen“ in der Sächsischen Zeitung vom
13. Juli 2012, S. 6.

3916) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 107.

3917) Antrag G 10-Maßnahme „Terzett“ vom 28. April 2000, MAT
A SN-1/1, (Tgb.-Nr. 07/12 – GEHEIM).

- Internetausdruck vom 25. Februar 1998 mit ei-
nem Fahndungsaufruf des LKA Thüringen zu

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe (zweifach),

- zwei (vermutlich Farbkopien von) Fotos von
Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von polizei-

lichen Lichtbildern aus den Jahren 1995 und

1996, Polizeistelle Jena,

- vier Schwarzweißkopien von Fotos von Uwe
Mundlos, Beate Zschäpe und weiteren Perso-

nen bei einer Demonstration,

- zwei Schwarzweißkopien von Fotos einer De-
monstration in Dresden vom Januar 1998, auf

denen Beate Zschäpe mit einer anderen weibli-

chen Person (vermutlich Mandy Struck) zu se-

hen ist,

- acht (vermutlich Farbkopien von) Fotos von
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe

und drei weiteren unbekannten männlichen

Personen.

7. Bewertung der Maßnahmen des LfV Sach-
sen durch sächsische Stellen

Nach dem 4. November 2011 kam es auch in Sachsen zu

verschiedenen Untersuchungen des Vorgehens des LfV

Sachsen bei der Suche nach dem Trio. Der Zeuge Tüshaus

hat vor dem Ausschuss eingestanden:

„An der schweren Niederlage der Sicherheits-
behörden, wie es einmal formuliert wurde, hat aber

auch das LfV Sachsen seinen Anteil. Ich habe es

bereits einleitend genannt: Wir waren nicht hartnä-

ckig genug und haben nicht tief genug gegra-

ben.“3918

Einer der Hauptkritikpunkte ist immer wieder die man-

gelnde Zusammenführung von Informationen. So hat der

Zeuge Tüshaus eingeräumt,

„dass es in der Situation und in der Konstellation
weder vom Ergebnis noch von den Voraussetzun-

gen sinnvoll war, dass das Thüringen für sich al-

leine gemacht hat, sondern meiner Auffassung

nach ist das ein Fall, der bundesweit hätte koordi-

niert werden müssen, weil er auch die verschie-

densten Aspekte über die verschiedenen Landes-

grenzen gehabt hat.“3919

„Abgesehen von der Unterrichtung des BfV - das
ist das, was mir jetzt zumindest noch akut oder

selbst auch präsent ist nach dem Gespräch über die

Meldung aus dem quellenführenden Land -, dass

ich da das BfV unterrichtet habe: ‚So und so ist der
Stand, so und so sieht die Meldung aus, so und so

ist das erste Abstimmungsergebnis, für uns erge-

ben sich daraus die und die Konsequenzen, da
3918) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 8.

3919) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 15.

Drucksache 17/14600 – 446 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

müsstet ihr mit einsteigen, zum Beispiel in Bezug

auf die Observation, aber auch in Bezug auf tech-

nische Maßnahmen’, das ist der einzige Punkt, wo
ich das jetzt aktiv erleben kann. Das ist aber si-

cherlich eines der größten Defizite gewesen von

uns, dass wir nicht darauf hingewirkt haben, dass

die verschiedenen Stränge, die dort entwickelt

wurden, irgendwo mal zusammengefasst wurden.

Das ist richtig.“3920

Ähnlich hat die Situation auch der Zeuge Vahrenhold

bewertet:

„Aus meiner Sicht hat es vor allen Dingen an der
Kommunikation gelegen und am Informationsaus-

tausch. Das ist der zentrale Punkt. […]

Also, Sachsen war ja hier an der Stelle nicht feder-

führend. Ich sehe das Problem der Kommunikati-

onsmängel vor allen Dingen eben an der federfüh-

renden Stelle. Das ist erst mal die Stelle, die dafür

sorgen muss, dass sich alle in irgendeiner Weise

zusammenfinden, dass die Informationen auch da-

hin kommen, wo sie hinmüssen.“3921

Auf die Frage, was er heute anders machen würde, hat der

Zeuge Vahrenhold angegeben, er

„würde sicherstellen, dass eben, auch wenn ich
jetzt den Eindruck habe: ‚Da läuft irgendwas
schief und da werden wir vielleicht kurzgehalten

mit Informationen’ - - würde ich versuchen, si-
cherzustellen, dass die Informationen fließen, dass

die koordinierende Stelle sich auch wirklich als

koordinierende Stelle verhält und die Maßnahmen,

die dann im Informationsaustausch erforderlich

sind, dann auch tut. Das ist aus meiner Sicht ein

Mangel, der bei den Fällen, die mir aus der Ge-

genwart bekannt sind und aus der jüngeren Ver-

gangenheit bekannt sind, so nicht mehr stattfin-

det.“3922

In diese Richtung hat sich auch der Zeuge Boos geäußert:

„Und ich muss sagen: Auch das LfV Sachsen hat
an der Stelle, obwohl es nicht federführend zu-

ständig war, das mit Gewissheit nicht - - Aber

auch das LfV Sachsen hätte, sobald es dann auch

erkennen konnte oder erkannt haben sollte - erken-

nen konnte -, dass dort ein Koordinierungsdefizit

ist, sich einbringen können und müssen, um zu sa-

gen: Das muss doch mal alles auf einen Tisch ge-

legt werden, damit wir auch ein zusammenfassen-

des Erkenntnis- und Lagebild haben.“3923

Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Boos auch eingeräumt,

dass
3920) Tüshaus, Protokoll-Nr. 62, S. 30.

3921) Dr. Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 61.

3922) Dr. Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 63.

3923) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 90.

„das LfV hätte darauf hinwirken müssen, dass er-
kennbare Koordinationsdefizite, in wessen Zustän-

digkeit die Koordination auch immer jetzt gewesen

wäre - - Oder sagen wir es anders: dass das LfV

auf Koordinationsdefizite mehr hätte achten müs-

sen und bei erkennbaren Koordinationsdefiziten

hätte auch sagen müssen: Jetzt müssen wir uns zu-

sammensetzen und alle Informationen zusammen-

stellen.

Und wenn Sie so wollen, ist das dann auch meine

Verantwortung, dass ich darauf nicht hingewirkt

habe. Das ist richtig, ja.“3924

Im Vorläufigen Bericht des Sächsischen Staatsministeri-

ums des Innern zum Fallkomplex „Nationalsozialistischer
Untergrund“, Vorlage an den Innenausschuss des Sächsi-
schen Landtages (Stand 25. Juni 2012)

3925
heißt es hierzu:

„Es ist festzustellen, dass es bereits in der ersten
Phase – und dann mit Ausnahme einzelner Phasen
durchgehend – Defizite bei dem Zusammenwirken
der Sicherheitsbehörden gegeben hat. lnsbesondere

hat eine systematische und kontinuierliche Zu-

sammenführung der vorhandenen Erkenntnisse bei

den beteiligten Behörden nicht stattgefunden.

Dementsprechend fehlte eine durchgehende und

konsistente Koordination. Zuständig waren vor-

rangig das LKA Thüringen (als bundesweit zu-

ständige Zielfahndungsbehörde) und das LfV Thü-

ringen.“3926

In dem Vorläufigen Abschlussbericht der Parlamentari-

schen Kontrollkommission des Sächsischen Landtages

vom 22. Juni 2012 wird hierzu ausgeführt:

„Ungeachtet der vorstehenden mangelhaften in-
formellen Zusammenarbeit, ist die PKK allerdings

der Auffassung, dass das LfV Sachsen, obgleich

nur auf Ersuchen eingebunden, gerade auch die

fragmentarischen lnformationen einerseits mit

mehr Nachdruck und anderseits auch selbstständig

hätte auswerten müssen.“3927

V. Tätigkeiten des BfV im Rahmen der Suche
nach dem Trio

Der Ausschuss hat sich damit befasst, welche Maßnah-

men das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Unterstüt-

zung der Suche nach dem Trio traf und ob sie ausreichend

waren.

Bis zum Abtauchen des Trios wertete der Zeuge Egerton

in dem für die subkulturelle, gewaltbereite rechtsextre-

mistische Szene zuständigen Referat die Meldungen über

das Trio aus. Mit dem Abtauchen des Trios ging die Zu-

ständigkeit für diesen Fall, d. h. die Begleitung der Suche,
3924) Boos, Protokoll-Nr. 62, S. 110.

3925) MAT A SN-4/20.

3926) MAT A SN-4/20, S. 7.

3927) MAT A SN-4/19, S. 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 447 – Drucksache 17/14600

an das Terrorismusreferat über.
3928

Dort bearbeiteten den

Fall als Hauptsachbearbeiter zunächst der Zeuge

Renzewitz bis zum 31. August 1999
3929

und anschließend

bis 2006 der Zeuge Kippenborck
3930

. Referatsleiterin war

von Anfang 1998 bis Oktober 2006 die Zeugin

Dobersalzka.
3931

1. Mitteilungen an das BfV

Das BfV erhielt während der Suche nach dem Trio insbe-

sondere folgende Erkenntnisse:

– 27. Januar 1998: PD Erfurt teilte die Durchsuchung
am 26. Januar 1998 sowie das Ergebnis mit.

3932
– 3. Februar 1998: Das LfV Thüringen teilte den Sach-
verhalt ebenfalls mit und fragt Erkenntnisse an.

3933
– 10. Februar 1998: Das LfV Thüringen übersandte
Fotos des Trios.

3934
– 2. März 1998: Mitteilung vom LfV Thüringen: Laut
Quellenmeldung hatten die drei Flüchtigen einen Au-

tounfall mit dem PKW von Ralf Wohlleben. Die

Quelle gehe davon aus, dass sie von Rita B. ein

Wohnmobil erhalten hätten.

Das BfV merkte hier im März 1998 an:

„Dieser konkrete Sachverhalt wurde dem BKA
nicht mitgeteilt, da der Personenkreis, in dem die

Informationen anfielen, zu klein war. Das LfV

Thüringen hat aber dem LKA alle bekannten An-

laufadressen übermittelt. Die Anlaufstelle in Berlin

wurde ohne relevante Erkenntnisse überprüft. Wei-

tere Maßnahmen sind derzeit nicht geplant. Das

LfV Thüringen geht davon aus, dass sich die

Flüchtigen nach wie vor im Raum Jena aufhal-

ten.“3935

Der Zeuge Cremer, damaliger Abteilungsleiter Rechtsex-

tremismus im BfV, hat hierzu ausgesagt, er entnehme den

Akten, dass man die Entscheidung der Landesbehörde,

die Information nicht weiterzuleiten, akzeptiert habe.
3936

– 20. März 1998: Das LfV Thüringen übersandte eine
Abschrift des Urteils des Landgerichts Gera vom
3928) Egerton, Protokoll-Nr. 70 (öffentlich), S. 11.

3929) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 10.

3930) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 2.

3931) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 2.

3932) Fernschreiben von PD Erfurt vom 27. Januar 1998, MAT A

BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 3 f. (VS-NfD).

3933) Schreiben des LfV Thüringen vom 3. Februar 1998, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 5 f. (VS-NfD).

3934) Schreiben des LfV Thüringen vom 10. Februar 1998, MAT A

BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 20 ff. (VS-NfD).

3935) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 53 ff. (VS-
VERTRAULICH).

3936) Cremer, Protokoll-Nr. 24 (GEHEIM), S. 9.

16. Oktober 1997 gegen Uwe Böhnhardt („Puppen-
torso“-Verfahren).3937

– 11. September 1998: Mitteilung vom LfV Branden-
burg: Jan Werner soll den Auftrag haben, die drei

Skinheads mit Waffen zu versorgen. Gelder für diese

Beschaffungsmaßnahme soll die „Blood & Honour“-
Sektion Sachsen bereitgestellt haben. Nach der Ent-

gegennahme der Waffen – noch vor der beabsichtig-
ten Flucht nach Südafrika – soll das Trio einen weite-
ren Überfall planen, um mit dem Geld Deutschland

sofort verlassen zu können. Der weiblichen Person

will Antje P. ihren Pass zur Verfügung stellen. P. und

Werner sollen unabhängig voneinander und ohne

Wissen des anderen für die drei tätig sein.

Das BfV merkte hierzu im September 1998 an:

„Eine für den 16. September 1998 geplante ge-
meinsame Besprechung (LfV BB, SN, TH und

BfV) in Dresden wurde kurzfristig nach Potsdam

verlegt, so dass eine Teilnahme des BfV nicht

möglich war. Das BfV soll umfassend informiert

werden und an ggf. weiteren Besprechungen teil-

nehmen.“3938

– 2. Oktober 1998: Mitteilung vom LfV Brandenburg:
Am Rande eines Konzerts berichtet Jan Werner, sei-

ne Versuche zur Versorgung der drei Flüchtigen mit

Waffen seien nicht erfolgreich gewesen. Er werde die

Versuche jedoch fortsetzen.
3939

– 15. Juni 1999: Vorläufiger Abschlussvermerk des
LfV Thüringen.

3940
– 6. Dezember 1999: Mitteilung des MAD über eine
Aussage des Jürgen H.: Danach gehe Jürgen H. da-

von aus, dass sich die Flüchtigen aufgrund des zu er-

wartenden Strafmaßes nicht den Behörden stellen

würden. Szeneintern werde von einem Strafmaß von

zehn Jahren ausgegangen, weil man ein Exempel ge-

gen Rechts statuieren wolle. Die drei „Bombenbast-
ler“ hätten sich schon auf der Stufe von Rechtsterro-
risten bewegt, die mit einer gewissen Zielsetzung ei-

ne Veränderung dieses Staates herbeiführen woll-

ten.
3941
3937) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 69 ff.

(offen).

3938) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 103 ff. (VS-
VERTRAULICH).

3939) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 134 ff. (VS-
VERTRAULICH).

3940) MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 162 ff.

3941) Dieses Schreiben des MAD findet sich nur in den Personenak-

ten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, MAT A BfV-7/1 (Tgb.-

Nr. 10/12 – GEHEIM), Anl. 01, Bl. 190 ff.; Anl. 02, Bl. 226 ff.,
Anl. 03, Bl. 194 ff. (jeweils VS-NfD), aber nicht in der Akte

„Rohrbombenfunde in Jena“, MAT A BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13
– GEHEIM).

Drucksache 17/14600 – 448 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– 21. August 2002: Erkenntnisanfrage des BKA zu
möglichen Aufenthaltsorten des Trios.

3942
– 18. September 2003: Mitteilung der StA Gera, dass
das Verfahren gegen das Trio wegen Verjährung ein-

gestellt worden sei.

2. Tätigkeiten des BfV aufgrund der genann-
ten Mitteilungen

a) Bericht in der ND-Lage am 17. Februar
1998

Die Rohrbombenfunde in Jena nahm die Abteilung 2 des

BfV zum Anlass für einen Sprechzettel für die nachrich-

tendienstliche Lage im Bundeskanzleramt (ND-Lage)

vom 17. Februar 1998. Als Bewertung des BfV wird

ausgeführt:

„Die Verfassungsschutzbehörden warnen seit An-
fang der 90-er Jahre vor der Gefahr der zuneh-

menden Bewaffnung innerhalb der rechtsextremis-

tischen Szene. […]

Zwar vertreten Rechtsextremisten die These, dass

das demokratische System eines Tages aufgrund

von wirtschaftlichen und politischen Schwierigkei-

ten zwangsläufig zusammenbrechen werde und sie

für diesen Tag ‚X‘ mit Waffen und Sprengstoffen
gerüstet sein müssten. Bislang fehlt es in der

rechtsextremistischen Szene jedoch an einer

rechtsterroristischen Ideologie. Anders als bei der

‚Bajuwarischen Befreiungsarmee’ in Österreich
oder den linksextremistischen ‚Antiimperialisti-
schen Zellen’ liegt auch den aktuellen Waffen- und
Sprengstofffunden in Jena, als auch in Berlin oder

Meerane nach bisherigen Erkenntnissen – insbe-
sondere hinsichtlich der Vorgehensweise und Ziel-

auswahl – keine rechtsterroristische Konzeption
zugrunde. Vielmehr handelt es sich um unabhän-

gig handelnde Einzelpersonen, die eher durch die

von Waffen und Sprengstoff ausgehenden Faszina-

tion als durch eine terroristische Zielsetzung moti-

viert werden.

Für das Entstehen einer ‚braunen RAF’ fehlt es ih-
nen darüber hinaus an Kampferfahrung sowie an

logistischen Voraussetzungen und dem Unterstüt-

zerumfeld, die ein Agieren im Untergrund erfor-

dert.

Vor diesem Hintergrund sieht das BfV derzeit kei-

ne konkret ‚drohende neue Qualität rechtsextre-
mistischer Gewalt’, sondern nur eine Bestätigung
seiner bisherigen Einschätzung.“3943
3942) Schreiben des BKA vom 21. August 2002, MAT A BfV-23

(Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 189 – 191 (offen).

3943) Sprechzettel für die ND-Lage am 17. Februar 1998, MAT A

BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 33 ff. (VS-NfD).

b) Befragung der V-Leute im Februar/März
1998

Nach dem Eingang der Lichtbilder des Trios am 10. Feb-

ruar 1998 verfügte ein Sachbearbeiter beim BfV u. a.:

„4 Fotosätze an I.2.F.12 z. Weiterleitung an VMF

V-Mann-Führer übergeben.“

Außerdem sollten die Fotos an drei ausländische Nach-

richtendienste (Niederlande, Schweden und Dänemark)

weitergeleitet werden.
3944

Konkrete Quellen werden in der

Verfügung nicht genannt. Der Zeuge Renzewitz, der zu-

ständige Auswerter in der Projekteinheit „Rechtsterroris-
mus“ von 1991 bis Ende August 1999,3945 hat ausgesagt,
dass sein Vertreter die Verfügung zur Vorlage der Licht-

bilder an die V-Leute getroffen habe.
3946

aa) V-Mann „Q1“

Q1 war mehr als ein Jahrzehnt als V-Mann des BfV bun-

desweit tätig.
3947

Es sind beim BfV zwei Deckblattmel-

dungen vorhanden, die auf einen persönlichen Kontakt

von Q1 mit Mundlos einige Jahre
3948

vor dem Abtauchen

des Trios, zurückgehen.
3949

Ob Q1 im Februar/März 1998 von seinem V-Mann-

Führer nach seinen Kenntnissen zum Trio befragt wurde,

hat der Ausschuss nicht feststellen können, da keine Un-

terlagen hierüber existieren und der als Zeuge vernomme-

ne V-Mann-Führer G. B. erst seit 1999 diese Tätigkeit

ausübte.

bb) V-Mann „Q2“

Q2 war ab Ende der 1990er Jahre V-Person des BfV in

Sachsen und sollte dort Informationen zur rechtsextremis-

tischen Musikszene sammeln.
3950

Der Zeuge Kaldrack, V-Mann-Führer von Q2, hat ausge-

sagt, dass er sich nicht daran erinnern könne, Q2 Fotos

des Trios vorgelegt zu haben. Normalerweise käme ein

solcher Auftrag von der „Auswertung“. Es habe auch
keinen Anlass hierfür gegeben, weil Q2 keine Bezüge

nach Jena gegeben habe.
3951

Da der Zeuge Kaldrack erst

nach dem Abtauchen des Trios V-Mann-Führer von Q2

war und keine schriftlichen Unterlagen über einen Vorhalt
3944) Vfg. ohne Datum (evtl. geschwärzt), MAT A BfV-22 (Tgb.-Nr.

214/13 – GEHEIM), Bl. 11.

3945) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 10.

3946) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 13 f.; vgl. auch
das Schreiben des BfV vom 27. Mai 2013, wonach die Verfü-

gung Dieter Nagode getroffen habe, MAT A BfV-22/1 (Tgb.-

Nr. 225/13 – GEHEIM).

3947) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 2 f.

3948) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 7.

3949) Deckblattmeldung des BfV, MAT A BfV-4/10 (Tgb.-Nr.
172/12 – GEHEIM), Bd. 1, Teilband 1, Bl. 1 ff., 5 ff.

3950) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.

3951) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 449 – Drucksache 17/14600

von Fotos im Februar/März 1998 existieren, kann dieser

Vorhalt nicht festgestellt werden.

cc) V-Mann „Q3“

Q3 war von 1992 bis 2002 V-Mann des BfV Sachsen.
3952

Der Zeuge Kaldrack, der damalige V-Mann-Führer von

Q3, hat ausgesagt, dass er Q3 im Auftrag der „Auswer-
tung“ im Februar oder März 1998 die Fotos des Trios
vorgelegt habe. Q3 habe gesagt, er würde sie nicht kennen

und könne auch weder mit deren Namen etwas anfangen

noch zu deren Hintergrund irgendwas sagen.
3953

Nach

Auffassung des Zeugen Kaldrack hätte Q3 Informationen

an ihn weitergegeben, wenn er etwas zum Trio hätte sa-

gen können. Er hätte nämlich eine erhebliche Sonderprä-

mie bekommen, wenn es gelungen wäre, das Trio mit

seiner Hilfe aufzuspüren.
3954

dd) Sonstige V-Leute

Der Zeuge G. B. hat angegeben, dass er den von ihm

geführten rechtsextremistischen Quellen die Fotos gezeigt

habe. Alle hätten angegeben, sie wüssten nichts über das

Trio. Auf die Frage, ob er später noch einmal nachgefragt

habe, hat der Zeuge geantwortet:

„Es sind immer wieder fortlaufend mal Befragun-
gen gewesen. Ob jetzt speziell zu Mundlos,

Böhnhardt und Zschäpe, ist mir jetzt nicht erinner-

lich. Allerdings muss man in dem Zusammenhang

ja auch sagen. Es ist ja nicht zwingend Aufgabe

der Verfassungsschutzbehörden, […] Täter, die
[…] mit Haftbefehl gesucht werden, […] unbe-
dingt ausfindig zu machen. Dass natürlich nach

solchen Personen im Rahmen der täglichen verfas-

sungsschutzrelevanten Arbeit auch recherchiert

wird, ist klar. Nur, jetzt dieser Drang […], den ich
aus Ihrer Frage so herauslese.

3955
Ob die Quellen aus dem „Thüringer Heimatschutz“, die
im Rahmen der Operation „Rennsteig“ angeworben wur-
den, im Februar/März 1998 zum Aufenthaltsort des Trios

befragt wurden, ist nicht bekannt. Der die Aktenvernich-

tung im BfV im November 2011 anordnende Referatslei-

ter, der Zeuge Lingen, hat in seiner Zeugenvernehmung

angegeben, er habe zwar von der Operation „Rennsteig“
Kenntnis gehabt, sei allerdings beruflich in diese nicht

involviert gewesen, sodass er keine Angaben darüber

machen könne, inwieweit die damals im Rahmen der

Operation „Rennsteig“ geworbenen Quellen des BfV auch
gezielt nach dem Trio befragt worden seien oder hätten

befragt werden sollen.
3956
3952) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 4.

3953) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5 f.

3954) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (GEHEIM), S. 2.

3955) G. B., Protokoll-Nr. 64 (GEHEIM), S. 27.

3956) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 41 (nichtöffentlich).

ee) Zusammenfassung der Erkenntnisse

Hinweise eines V-Mannes des BfV zum Verbleib des

Trios, aber auch „Fehlanzeigen“, sind nicht vorhanden.
Eine Rückmeldung der V-Mann-Führer an die „Auswer-
tung“ ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Daher kann
nicht festgestellt werden, ob alle V-Leute aus dem rechten

Bereich tatsächlich befragt wurden. Die Zeugin

Dobersalzka, Referatsleiterin der Projekteinheit „Rechts-
terrorismus“ von Anfang 1998 bis Oktober 2006, hat
ausgesagt, dass es keinen schriftlichen Rücklauf der V-

Mann-Führer gegeben habe. Aber:

„Wir haben ja Besprechungen durchgeführt, und
da war halt nichts.“3957

Der Zeuge Renzewitz hat ausgeführt, dass der V-Mann-

Führer üblicherweise selbstständig der „Auswertung“
melde, sofern eine Quelle eine Person auf den Lichtbil-

dern erkenne. Es könne aber auch sein, dass der Auswer-

ter bei dem V-Mann-Führer während einer Begegnung

auf dem Flur nachfrage. In der Regel gehe man allerdings

von einer Fehlanzeige aus, wenn der V-Mann-Führer

nicht von selbst etwas mitteile. Der Auswerter vertraue

darauf, dass der V-Mann-Führer den Auftrag nicht ver-

gesse.
3958

c) Weitere Maßnahmen?

Weitere Aufträge an die V-Mann-Führer, insbesondere

nach Februar 1998, haben sich nicht feststellen lassen.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Quelle Q1, die –
was dem BfV aufgrund der bereits am 10. August 1995

angelegten P-Akte
3959

zu Mundlos bekannt war – mindes-
tens einmal mit diesem Kontakt hatte.

Der Zeuge Renzewitz, bis Ende August 1999 der zustän-

dige Auswerter, hat angegeben, dass üblicherweise nur

anlassbezogen bei den Quellen erneut nachgefragt werde,

zum Beispiel wenn es neue Hinweise auf den Aufent-

haltsort der Gesuchten gegeben hätte.
3960

Die bei der

Durchsuchung am 26. Januar 1998 durch das LKA Thü-

ringen aufgefundenen Telefonlisten habe er nie gese-

hen.
3961

Der Zeuge Kippenborck, als Nachfolger des Zeugen

Renzewitz Auswerter von Ende 1999 bis 2006, hat ausge-

sagt, dass ihm der Kontakt von Q1 zu Mundlos
3962

wohl

nicht aufgefallen sei, obwohl er die P-Akte gelesen habe.
3957) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 7.

3958) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 13.

3959) Verfügung vom 10. August 1995, MAT A BfV-4/3 (Tgb.-Nr.

80/12 – GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, Bl. 1 ff.; die Deckblattmel-
dungen finden sich in der P-Akte, MAT A BfV-4/3 (Tgb.-Nr.

80/12 – GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, auf Bl. 66 – 68 und 4 – 6.

3960) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 17.

3961) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 25.

3962) Dazu bereits oben bei den Ausführungen zu Q1; vgl. auch die

Fundstellen in der P-Akte: Deckblattmeldung, MAT A BfV-4/3
(Tgb.-Nr. 80/12 – GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, Bl. 67 f. sowie
Deckblattmeldung, MAT A BfV-4/3 (Tgb.-Nr. 80/12 –
GEHEIM), Anl. 02, 2. Teil, Bl. 5 f.

Drucksache 17/14600 – 450 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Deshalb habe er auch keinen konkreten Auftrag zur Be-

fragung von Q1 erteilt.
3963

Auch hinsichtlich anderer V-

Leute habe er keinen erneuten Auftrag zum Vorhalt der

Fotos erteilt.
3964

Der Fall hätte während der Zeit, in der er

in dieser Projekteinheit tätig gewesen sei, nicht in seinem

Fokus gestanden, da es keinen „Anfasser“ oder keine
„Veranlassung“ gegeben habe, auf breiter Basis zu ermit-
teln. Der Zeuge hat sich auch an keine sonstigen konkre-

ten Tätigkeiten erinnern können.
3965

Nur bis Mitte/Ende

1998 habe das BfV aktiv nach dem Trio gesucht.
3966

Der Zeuge Kaldrack, V-Mann-Führer von Q2 und Q3, hat

bestätigt, dass es einen weiteren Auftrag, die Quellen

nach dem Trio zu befragen, seines Wissens nach nicht

gegeben habe. Dies hätte auch keinen Sinn gemacht:

„Wenn die Quelle die Leute nicht kennt und keine
Angaben dazu machen kann, dann hätte es ja aus

Sicht der ‚Auswertung‘ meiner Ansicht nach auch
wenig gebracht, mich ein Jahr später noch mal zu

befragen: Kennst du die denn jetzt? - Sie waren ja

schon untergetaucht.“3967

Der Zeuge Kippenborck hat darüber hinaus angegeben,

dass der Fall in der Einarbeitungsphase ein Thema gewe-

sen sei. Die Fallkonstellation sei diskutiert worden. Es

habe aber „wenig Anfasser“ gegeben. Er habe von der
Abteilungsleitung oder Referatsgruppenleitung auch keine

Weisung erhalten, tätig zu werden. Eigeninitiative sei

wegen Arbeitsüberlastung nicht möglich gewesen:

„Man hatte eben auch die anderen Sachen noch zu
bearbeiten, und dann war es auch zu der Zeit so:

Sie bearbeiten ja nicht nur TE-Fälle, also Terro-

rismusfälle, sondern eben auch das Tagesgeschäft.

Das heißt, das BMI möchte einen Bericht haben -

sehr aufwendig zu fertigen; da geht sehr viel Zeit

drauf. Da ist beispielsweise […] eine Sprechzettel-
vorlage für den Präsidenten zu fertigen; da geht

ebenso viel Zeit drauf. Oder aber verschiedene an-

dere Stellen sind - - Das muss jetzt nicht mal im

Bereich TE angesiedelt sein. Zum Beispiel um ei-

nen Bericht über die ‚Anti-Antifa‘ zu fertigen, geht
ebenso viel Zeit drauf. Um jetzt initiativ tätig zu

werden, sage ich mal ganz einfach, hat man auch

nur gewisse Zeitfenster. Und sich mit so etwas

auseinanderzusetzen, das auch in Form zu bringen,

dass operative Maßnahmen da vielleicht mal grei-

fen, das ist ein verdammter Aufwand.“3968

Der Zeuge Renzewitz hat den Fall jedoch als besonders

eingestuft:

„Es war ein besonderer Fall, sage ich jetzt mal,
von mehreren, der sicherlich herausragend war
3963) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 35 f.

3964) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 3.

3965) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 30 f.

3966) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 41 f.

3967) Kaldrack, Protokoll-Nr. 70 (nichtöffentlich), S. 5.

3968) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 32.

durch das Abtauchen, vielleicht weniger durch das

Auffinden der Rohrbomben, möglicherweise in der

Menge der Rohrbomben. Aber Waffenfunde, das

Auffinden von Sprengkörpern, Gewalttaten allge-

mein, das war Gegenstand unserer täglichen Ar-

beit. Insofern sind wir tagtäglich damit umgegan-

gen. Die Besonderheit war in der Tat das Abtau-

chen. Wir hatten einen Parallelfall, wo auch je-

mand offensichtlich abgetaucht war, nach dem ge-

sucht wurde.“3969

Auch die Referatsleiterin der Zeugen Kippenborck und

Renzewitz, die Zeugin Dobersalzka, hat ausgesagt, dass

das BfV das Trio als sehr gefährlich eingestuft habe.
3970

Sie hat die Maßnahmen des BfV zusammenfassend dar-

gestellt:

„Wir haben das LfV angeschrieben. Wir haben um
bessere Fotos gebeten. Wir haben die Quellenmel-

dungen danach gesichtet, ob Hinweise da drin

sind, die man verwerten kann. Ich habe der Akte

entnommen, dass der Sachbearbeiter die - - dass

uns aufgefallen war, dass eine Quellenmeldung ei-

nes anderen LfV - ich weiß jetzt nicht mehr, wel-

ches LfV - auf drei Flüchtige hingewiesen hat,

aber ein falsches Bundesland angegeben hat. Da

haben wir darauf hingewirkt, dass diese Meldung

eben auch an das zuständige LfV Thüringen ge-

schickt wurde.

Wir haben umfangreich bei Observationen unter-

stützt. Wir haben die Möglichkeit geprüft, ob wir

eigene Maßnahmen G 10 machen könnten. Das

wäre nicht möglich gewesen, weil ja entsprechen-

de Maßnahmen schon im LfV liefen. Wir haben

daraufhin das LfV gebeten, uns die Ergebnisse der

dortigen Maßnahmen mitzuteilen. Das hat das LfV

leider nicht gemacht, und zwar mit der Be-

gründung: Die Maßnahme ist inzwischen einge-

stellt. Es haben sich keine Hinweise auf Kontakte

ergeben.

Ich hätte - wenn Sie jetzt sicherlich fragen werden:

Ja, warum haben Sie denn nicht gesagt: ‚Schickt es
uns trotzdem’? - nicht die Möglichkeit gehabt, die-
se Informationen trotzdem anzufordern. Wenn mir

das Land sagt: ‚Diese Informationen waren irrele-
vant’, dann sind sie irrelevant, und dann haben die
mich nicht zu interessieren.“3971

Mit Schreiben vom 27. November 1998 bat das BfV das

LfV Thüringen um Unterrichtung über die operative Zu-

sammenarbeit mit den Landesbehörden für Verfassungs-

schutz Sachsen und Brandenburg in Bezug auf die

„USBV in Jena“ und weitere geplante Maßnahmen. In
dem Schreiben heißt es weiter, dass insbesondere mögli-

che geplante weitere Maßnahmen von Interesse seien, die,

sofern gewünscht, in einer gemeinsamen Besprechung
3969) Renzewitz, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 20.

3970) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 7.

3971) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (öffentlich), S. 24.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 451 – Drucksache 17/14600

erörtert werden könnten.
3972

Das LfV Sachsen teilte mit

Schreiben vom 21. Dezember 1998 mit, dass sich sein

Beitrag durch die „dort durchgeführte Maßnahme“ erle-
digt habe. Es seien in Sachsen keine weiteren Maßnah-

men geplant.
3973

Eine Reaktion des LfV Thüringen auf

das Schreiben des BfV vom 27. November 1998 ist nicht

feststellbar. Im März 1999 bat allerdings das LfV Thürin-

gen um Amtshilfe durch die Observationsgruppe des BfV,

die auch gewährt wurde.
3974

Ein Hinweis im Vorläufigen Abschlussvermerk des LfV

Thüringen vom 15. Juni 1999, wonach das Trio nunmehr

von Unterstützern, namentlich von der Person Thorsten

Heise, im nördlichen Bereich der Bundesrepublik unter-

gebracht werden sollte, nahm das BfV zum Anlass, weite-

re Operativmaßnahmen durchzuführen. Keine dieser

Maßnahmen ergab jedoch Hinweise auf den derzeitigen

Aufenthaltsort der Flüchtigen.

Bei Thorsten Heise handelt es sich um die Person, bei der

das BKA am 30. Oktober 2007 durchsuchte und ein Ton-

band mit der Aufzeichnung eines Gesprächs mit Tino

Brandt u. a. über das Trio fand. Schließlich ist heute be-

kannt, dass Böhnhardt von Holger Gerlach dessen Reise-

pass und Führerschein zur Verwendung als Alias-

Personalie erhielt.
3975

Die Einstellung des Verfahrens Mitte 2003 nahm der

Zeuge Kippenborck auf Weisung seiner Referatsleiterin

im September 2003 in den Wochenbericht des BfV (Kurz

notiert) auf.
3976

Die Referatsleiterin, die Zeugin

Dobersalzka, hat ausgesagt, dass sie dies veranlasst habe,

weil ihr die Einstellung unbefriedigend erschienen sei.
3977

Die Amtsleitung thematisierte die Einstellung des Verfah-

rens in der ND-Lage im Bundeskanzleramt am

23. September 2003.
3978

d) Bewertung der Maßnahmen des BfV durch
die Referatsleiterin Dobersalzka

Die Zeugin Dobersalzka hat erklärt, dass die Maßnahmen

des BfV angemessen gewesen seien, da das BfV nicht in

ein laufendes Ermittlungsverfahren der polizeilichen

Zielfahndung eingreifen könne und zudem nicht alle In-

formationen des LfV vorhanden gewesen seien:

„Das LfV hatte nach eigenem Willen die Federfüh-
rung und hat sich aus der Maßnahme auch nicht
3972) Schreiben BfV vom 27. November 1998, MAT A BfV-23

(Tgb.-Nr. 229/13 - GEHEIM), Bl. 120 (VS-NfD).

3973) Schreiben LfV SN vom 21. Dezember 1998, MAT A BfV-23

(Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 130 (VS-NfD).

3974) Schreiben des LfV Thüringen vom 15. März 1999, MAT A
BfV-23 (Tgb.-Nr. 229/13 – GEHEIM), Bl. 136 (VS-
VERTRAULICH), zur Amtshilfe bei der Observation vgl. oben

im Abschnitt E. III. 6. d).

3975) Vermerk des BKA vom 13. Juli 2012, MAT A BY-14/1a, Bl.

119 ff., 152 ff.

3976) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72 (nichtöffentlich), S. 33.

3977) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72 (offentlich), S. 31.

3978) Gesprächsvermerk über die ND-Lage vom 23. September 2003,

MAT A BfV-4/8 (Tgb.Nr. 80/13 – GEHEIM), Bl. 46 ff.

herausdrängen lassen. Ich hätte in diesem Fall, der

von der Polizei operativ bearbeitet wurde, der vom

LfV operativ bearbeitet wurde, von dem ich nicht

wusste, welche Ergebnisse, welche Inhalte die

TKÜ-Maßnahmen haben, von dem ich nicht wuss-

te, welche Quellenmeldungen vorlagen, von dem

ich nicht einmal wusste, wer die Quellen sind und

wer nicht und wie ich diese Quellen einzuschätzen

habe, nur blind herumstolpern können. Ich hätte

mehr Schaden anrichten können als Gutes tun.“3979

VI. Erkenntnisse des MAD zum
untergetauchtenTrio

1. Überblick

Ende der 1990er Jahre und zu Beginn der 2000er Jahre

sammelte der MAD ausgiebig Informationen zu Personen

der rechtsextremistischen Szene Thüringens. Hierbei

handelte es sich auch um Informationen zum „Thüringer
Heimatschutz“. Ziel war es, Extremisten in der Bundes-
wehr zu identifizieren.

3980
Da sich der „Thüringer Hei-

matschutz“, der nach Einschätzung des MAD in Spitzen-
zeiten 200 bis 250 Sympathisanten hatte, aus jungen

Männern im Alter von 18 bis 22 Jahren zusammensetzte,

gab es in diesem Bereich sehr viele Bundeswehrangehöri-

ge.
3981

Der MAD hat mitgeteilt, eine Quelle des MAD habe

während ihrer Inanspruchnahme als Gewährsperson im

Jahr 1999 und ihres Einsatzes als Vertrauensmann von

2000 bis 2003 dem MAD Informationen zu 52 Personen

in diesem Bereich mitgeteilt, die daraufhin als Verdachts-

personen bearbeitet worden seien. Ein direkter Kontakt

der Quelle zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, die be-

reits 1998 untertauchten, habe nicht bestanden. Zweimal

habe die Quelle Informationen zu Mundlos und

Böhnhardt geliefert, die sie von Dritten erhalten habe. In

dem einen Fall sei es um eine Aufzählung bedeutsamer

Personen im „Thüringer Heimatschutz“ gegangen, in dem
anderen Fall um den mutmaßlichen Auslandsaufenthalt

der drei untergetauchten Personen. Diese Informationen

habe der MAD an das BfV und LfV Thüringen weiterge-

leitet.
3982

Weitere Hinweise auf das Trio erlangte der MAD auch im

Rahmen von Befragungen verschiedener Verdachtsperso-

nen.
3979) Dobersalzka, Protokoll-Nr., S. 24 f.

3980) Schreiben des MAD vom 16. November 2011, MAT A MAD-3

(Tgb.-Nr. 72/12 – GEHEIM), Bl. 21, 22 (VS-NfD).

3981) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 7, 8.

3982) Schreiben des MAD vom 16. November 2011, MAT A MAD-3

(Tgb.-Nr. 72/12 – GEHEIM), Bl. 21, 22 (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 452 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Einzelne Hinweise auf das Trio

a) Lagen dem MAD Hinweise auf eine angeb-
lich geplante Flucht des Trios nach Südaf-
rika vor?

Nach Erkenntnissen des MAD verbrachte Kapke 1998

mehrere Wochen auf der in Südafrika gelegenen Farm des

Dr. Nordbruch. Dort seien der Erwerb und die Nutzung

von Schusswaffen und Sprengmitteln sehr einfach mög-

lich gewesen. Hinweise auf eine mögliche Flucht des

Trios nach Südafrika lagen dem MAD nicht vor.
3983

b) Hinweise des MAD auf mögliche Kontakt-
personen des Trios aus einer Erkenntnis-
mitteilung des BfV vom Juli 1999

Hinweise auf das Trio erhielt der MAD auch vom BfV.

So teilte das BfV dem MAD in einer Erkenntnismittei-

lung vom 20. Juli 1999 mit:

„Kapke, der seit 11. Februar 1999 NPD-Mitglied
gewesen sein soll, habe sich aus persönlichen

Gründen auch aus der ‚Kameradschaft Jena‘ des
‚THS‘ zurückgezogen. Gegenüber ‚THS‘-
Angehörigen habe er sich beklagt, dass Ralf Wohl-

leben nur noch gegen ihn hetze und Lügen über

ihn verbreite. Der Vorwurf von Wohlleben, er habe

Spendengelder für die drei Flüchtigen aus Jena

(Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe) unterschlagen,

sei unwahr. Er habe z. B. 2.500,- DM an einen

Paßfälscher gezahlt, der das Geld genommen, aber

keine Pässe geliefert habe.“3984

c) Hinweise aus einer Befragung von Jürgen
H. vom August 1999

Im August/September 1999 erfolgte eine Befragung von

Jürgen H. durch den MAD.
3985

H. hatte nach dem Unter-

tauchen des Trios zu diesem Kontakt und konnte zumin-

dest über Mittelsmänner mit den Untergetauchten kom-

munizieren. Diese Spur war nach Ansicht der Schäfer-

Kommission die richtige und wahrscheinlich die wichtigs-

te Spur, welche die Zielfahndung des LKA Thüringen

hatte, in der weiter und umfangreich hätte ermittelt wer-

den müssen.
3986
3983) Meldung des MAD, MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 –

GEHEIM), Ordner 1, Anlage 1 (VS-VERTRAULICH); Mel-

dung des MAD, MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 –
GEHEIM), Ordner 1, Anlage 1 (VS-VERTRAULICH).

3984) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 - VS-VERTRAULICH),

Unterordner 3.7, Bl. 1274 ff., 1276.

3985) Datum des Befragungsberichts: 15. September 1999, laut
VERANDA-Eintrag Tag der Befragung möglicherweise der

24. August 1999; laut VERANDA-Eintrag erste Befragung des

H. wohl bereits am 1. Juni 1999 (liegt dem Untersuchungsaus-
schuss nicht vor), MAT A MAD-2/3, Bl. 4 ff.

3986) Gutachten der Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, S. 141,

Rn 281.

Auf Nachfrage des MAD bezüglich des Aufenthaltsorts

des Trios, erklärte die Vedachtsperson H.:

„Sie habe derzeit keine Verbindung zu den ‚Bom-
benbastlern‘ aus Jena, deren Aufenthaltsort sei ihm
nicht bekannt.“3987

Außerdem äußerte er sich wie folgt zum Trio:

„ … H.; Jürgen (1) würde jederzeit wieder als
Kurier fungieren. Dies sehe [er] unter dem Kame-

radschaftsaspekt. Er gehe davon aus, dass sich die

in Illegalität Lebenden aufgrund des zu erwarten-

den Strafmaßes nicht den Behörden stellen. Szene-

intern werde von einem Strafmaß von zehn Jahren

ausgegangen, weil man ein Exempel gegen rechts

statuieren wolle. Die drei Bombenbastler hätten

sich schon auf der Stufe als Rechtsterroristen be-

wegt, die mit einer gewissen Zielsetzung eine Ver-

änderung dieses Staates herbeiführen wollen. Auch

H., Jürgen (1) würde im Rahmen einer Revolution

derartige Aktionen befürworten und sich daran be-

teiligen, aber nur, wenn Gewalt das einzige mögli-

che Mittel sei, Zielvorstellungen zu erreichen …
Er wiederholte, er würde wieder klassische Unter-

stützerfunktionen leisten.“3988

Zu diesem Vorgang erfolgte am 6. Dezember 1999 eine

spontane Datenübermittlung des MAD an das BfV
3989

und

das LfV Thüringen.
3990

Laut Gutachten der Schäfer-

Kommission wurde das Schreiben vom LfV Thüringen

seinerzeit offensichtlich nicht zu den dort geführten Akten

„Drilling“ geheftet. Nach Aktenlage sei auch keine Unter-
richtung des LKA Thüringen hierüber erfolgt.

3991
An diesen Vorgang, bei dem gezielt vom MAD nach dem

Trio gefragt wurde, hat sich der Zeuge Huth, der damals

Leiter der „Beschaffung“ gewesen war, nicht mehr erin-
nern können.

3992
Auf Nachfrage, ob es sinnvoll gewesen

wäre, die Information auch an das LfV Bayern weiterzu-

geben, da die Befragung in Mellrichstadt in Bayern statt-

gefunden habe, hat der Zeuge Huth geantwortet:

„Man könnte so was machen und das weit streuen,
aber letztlich säßen dann zig Behörden auf ir-

gendwelchen Informationen, und keiner wüsste

was der andere hat.“3993
3987) Aussage des Befragten vom 15. September

1999/24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff., 9.

3988) Aussage des Befragten vom 15. September

1999/24. August 1999, MAT A MAD-2/3, Bl. 9 ff., 11, 12.

3989) Schreiben des MAD vom 6. Dezember 1999, MAT A BfV-7/1
(Tgb.-Nr. 10/12 – GEHEIM), Bl. 191 ff. (VS-NfD).

3990) Schreiben des MAD vom 6. Dezember 1999, MAT A MAD-

2/3, Bl. 10 ff.

3991) Schäfer-Gutachten, MAT A TH-6, Bl. 171, 172.

3992) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 22.

3993) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 58.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 453 – Drucksache 17/14600

d) Hinweise auf den Vertrieb des Spiels
„Pogromoly“ vom Dezember 1999

In einem Bericht des MAD vom 10. Dezember 1999

erfolgte ein Hinweis auf den Vertrieb des Spiels

„Progromly“. In der Meldung hieß es, dass szeneintern
durch André Kapke und Tino Brandt ein „Gesellschafts-
spiel“ mit Namen „Pogromoly“ vertrieben werde. Das
Spiel sei 1998 in den Szenen für DM ca. 100,-- veräußert

worden, um die in die Illegalität abgetauchten „THS“-
Aktivisten aus Jena („Bombenbastler“) finanziell zu un-
terstützen.“3994

Diese Information wurde vom MAD am 31. Januar 2000

im Rahmen einer spontanen Datenübermittlung an das

BfV und das LfV Thüringen weitergeleitet.
3995

e) Hinweise des MAD zum angeblichen „Tod
der Bombenbastler auf Kreta“ vom De-
zember 1999

Am 31. Januar 2000 informierte der MAD das BfV und

das LfV Thüringen im Rahmen einer spontanen Daten-

übermittlung, wonach die drei „Bombenbastler“ angeblich
auf Kreta gestorben seien. Zusammenfassend hieß es in

dem Bericht:

Am 10. Dezember 1999 habe ein Weihnachtsball im

Gymnasium Bad Blankenburg stattgefunden. An diesem

Ball nahm auch ein ehemaliger Abiturient der Schule teil.

Dieser habe behauptet, Beamter des gehobenen Dienstes

beim LKA Thüringen in Erfurt zu sein. Schwerpunktmä-

ßig würde er bei Einsätzen im Drogenmilieu und im

Rahmen verdeckter Ermittlungen tätig sein. Der angebli-

che LKA-Beamte habe geäußert, dass die „drei mutmaßli-
chen Rechtterroristen („Bombenbastler“) auf Kreta tot
aufgefunden worden seien. Der Wahrheitsgehalt dieser

Information könne nicht beurteilt werden. Der Name des

angeblichen LKA-Mitarbeiters habe mittlerweile heraus-

gefunden werden können. Es sei beabsichtigt, diesen

Sachverhalt mit dem LKA persönlich zu erörtern.
3996

Über diesen Sachverhalt hatte der MAD das LfV Thürin-

gen bereits vorab telefonisch am 22. Dezember 2000

unterrichtet. Auf dem Vermerk wurde handschriftlich

festgehalten:

„251 m. d. B. den Vermerk den Unterlagen hinzu-
zufügen, die die Grundlage der Arbeitsbespre-

chung am 12.1. in Köln bilden.“3997

Ob eine solche Besprechung stattgefunden hat, ist den

Akten nicht zu entnehmen.
3998

Eine nachträgliche Recher-
3994) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 - VS-VERTRAULICH),

Unterordner 3.7, Bl. 1481.

3995) MAT A MAD-2, (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Unterordner 3.7, Bl. 1488 ff., 1510.

3996) Schreiben des MAD vom 31. Januar 2000, MAT A TH-9/10a-

NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 1.

3997) Telefonvermerk des LfV Thüringen vom 22. Dezember 1999,

MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner
1, Anlage 3 (VS-VERTRAULICH).

che des LKA Thüringen ergab, dass es sich um einen

damaligen Polizeikommissarsanwärter handelte, der zum

Zeitpunkt der angeblichen Äußerungen erst zwei Monate

im Vorbereitungsdienst und nie im LKA beschäftigt war.

Im April 2004 wurde er auf eigenen Antrag aus dem Be-

amtenverhältnis entlassen.
3999

f) Hinweise aus einer Befragung des Nico E.
durch den MAD im April 2000

Am 7. April 2000 erfolgte eine Befragung von Nico E.

durch den MAD. Nico E. gab an, auf einer Geburtstags-

feier Wohllebens habe er 1993 u. a. Kapke, Mundlos und

Böhnhardt kennengelernt. Man könne dies als seinen

Einstieg in die rechte Szene bezeichnen. In dieser Gruppe

habe er Anerkennung erhalten. Böhnhardt habe ihm eine

getragene Bomberjacke geschenkt. 1994 habe er einmal

mit Kapke, Wohlleben, Mundlos und Böhnhardt Gotcha

gespielt.
4000

Zu diesem Vorgang erfolgte am 16. Mai 2000

eine spontane Datenübermittlung des MAD an das LfV

Thüringen.
4001

g) Bericht des MAD zu einer geplanten Kam-
pagne des „THS“ mit Bezügen zum Trio

In einem Bericht des MAD wurden u. a. Ausführungen zu

einer „Internet-Kampagne“ des „THS“ gemacht. Darin
enthalten waren auch Hinweise auf das Trio. Die Kam-

pagne sei vom „THS“ als Reaktion auf das „B&H“-
Verbot ersonnen worden, um auf Umwegen etwaige poli-

zeiliche Maßnahmen gegen den „THS“ abzuwehren.
Eingebunden in diese Kapagne, so der MAD-Bericht,

seien u. a. Ralf Wohlleben sowie die drei Jenaer Bomben-

bastler.
4002

Im Rahmen der spontanen Datenübermittlung wurden

BfV und LfV Thüringen zeitnah hierüber durch den MAD

unterrichtet.
4003

h) Hinweis des Tibor R. an den MAD auf Kon-
taktpersonen zum Trio von Ende 2000

Am 1. Dezember 2011 meldete sich Tibor R. beim BKA

und gab an, persönlich mit Böhnhardt, Mundlos und
3998) Schreiben des LfV Thüringen vom 27. September 2012, MAT

A TH 9/10a-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 1 (VS-
NfD), S. 3 des Schreibens; Telefonvermerk des LfV Thüringen

vom 22. Dezember 1999, MAT A TH 9/10a-NEU (Tgb.-

Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 1, Anlage 3 (VS-
VERTRAULICH).

3999) Bericht des LKA Thüringen vom 27. September 2012, MAT A

TH 9/10b-NEU (Tgb.-Nr. 96/12 – GEHEIM), Ordner 2, S. 9,
10 des Schreibens (VS-VERTRAULICH).

4000) Auszug aus dem Befragungsbericht des MAD vom 7. April

2000, MAT A MAD-2/4, Bl. 1 ff., 4.

4001) Auszug aus dem Befragungsbericht des MAD vom 7. April

2000, MAT A MAD-2/4, Bl. 1 ff., 1.

4002) MAT A MAD-4, (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 6, Bl. 1869 ff., 1878.

4003) MAT A MAD-4, (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 6, Bl. 1908 ff., 1913.

Drucksache 17/14600 – 454 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zschäpe bekannt zu sein. Er sei in den 90er Jahren Ord-

nungsdienstleiter bei der NPD gewesen und habe zusam-

men mit Mundlos ein Asylbewerberheim in Jena ausge-

späht. Auf mehreren Konzerten in Chemnitz und Berlin

seien zu Spenden für „untergetauchte Kameraden“ und
für den „Thüringer Heimatschutz“ gesammelt worden.
Obwohl nie offen darüber gesprochen worden sei, sei

bekannt gewesen, für welche Kameraden die Spenden

eigentlich gesammelt worden seien.
4004

In einer Zeugenvernehmung am 13. Dezember 2011 gab

Tibor R. gegenüber dem BKA an, es sei nach dem Abtau-

chen des Trios ein offenes Geheimnis in der rechten Sze-

ne Thüringens gewesen, dass Wohlleben und Kapke den

Aufenthaltsort des Trios gekannt bzw. dieses logistisch

unterstützt hätten. Er selbst sei Ende 2000 während seines

Grundwehrdienstes von Mitarbeitern des MAD zum Ver-

bleib des Trios befragt worden. Bereits zu diesem Zeit-

punkt habe er auf Wohlleben und Kapke verwiesen, da

diese bestimmt mehr über die Personen wüssten. Vom

Verfassungsschutz sei auch jemand gekommen, dem er

dies auch mitgeteilt habe.
4005

Nach Einschätzung des BKA handelt es sich bei Tibor R.

um die Gewährsperson Tristan. Dieser äußerte gegenüber

dem BfV am 25. März 2001, dass er die drei flüchtigen

Personen persönlich kenne und dass sie nach Szeneinfor-

mationen vermutlich in Chemnitz untergetaucht seien.
4006

Nach Angaben des LfV Thüringen wurde R. während

seiner Grundwehrzeit zunächst durch Angehörige des

MAD befragt. Diese Befragungen hätten offenbar dazu

gedient, die Verbindungen R.s in die rechtsextremistische

Szene zu erhellen. Eine Fokussierung des Gesprächs auf

die drei Flüchtigen sei aus den gesichteten Unterlagen

nicht ersichtlich.
4007

Aus einem Befragungsbericht des MAD, der laut Mittei-

lung des Bundesministeriums der Verteidigung das Da-

tum vom 15. November 2000 trägt,
4008

geht nicht hervor,

dass R. während der Befragung nach dem Trio gefragt

wurde.
4009

Nach Mitteilung des MAD soll es am 19. De-

zember 2000 ein Treffen gegeben haben, an dem sowohl

R. als auch Vertreter des Thüringer LfV und des MAD

teilgenommen haben sollen. Ein Bericht über dieses Tref-

fen liege dem MAD nicht vor, so dass der Wahrheitsge-

halt der Angaben, nicht bewertet werden könne.
4010

Im
4004) Hinweisaufnahme des BKA vom 1. Dezember 2011, MAT A

GBA-4/26, Bl. 5 ff., 6.

4005) Zeugenvernehmung Tibor R. durch das BKA vom 13. Dezem-

ber 2011, MAT A GBA-4/26, Bl. 27 ff., 20, 26.

4006) Vermerk des BKA vom 28. August 2012, MAT A GBA 4/26,

Bl. 30 ff.; Vermerk zum Fall „Drilling“ vom 28. März 2001,
MAT A TH-3/1 (Tgb.-Nr. 09/12 – GEHEIM), Bl. 322 (offen).

4007) Schreiben des LfV Thüringen vom 19. Dezember 2011, MAT

A GBA-4/26, Bl. 37.

4008) Schreiben des BMVG vom 28. Dezember 2012, MAT B

BMVg-1, Bl. 1.

4009) Befragung von Tibor R., MAT A MAD-2/5, Bl. 5.

4010) Schreiben des BMVg vom 28. Dezember 2012, MAT B

BMVg-1, Bl. 1; ein Beleg hierfür konnte in den Thüringer Ak-

ten nicht gefunden werden.

Rahmen dieses sowie eines weiteren Treffens habe R.

geäußert, die „Bombenbauer“ persönlich zu kennen. In
dieser Phase sei eine nachrichtendienstliche Zusammen-

arbeit mit R. begonnen worden, in dessen Rahmen er sich

auch mehrfach über die Personen Kapke und Wohlleben

geäußert habe.
4011

i) Bericht des MAD mit Hinweisen zu Plänen
des „THS“ und einer möglichen Beteili-
gung Böhnhardts und Mundlos

In einem Bericht des MAD von Mitte März 2001 wurde

über Planungen berichtet, die Führung innerhalb des

„THS“ neu zu organisieren. Hierzu sollte eine Führungs-
struktur mit ausgewählten Personen aufgebaut werden.

Als potenzielle Mitglieder der Elite-Führungsstruktur

wurden auch Böhnhardt und Mundlos genannt, die zu

diesem Zeitpunkt in der Illegalität lebten. Eine Integration

dieser Personen sei jedoch erst möglich, wenn diese ihr

Leben im Untergrund aufgegeben hätten.
4012

Im Zusam-

menhang mit dem Aufbau einer neuen Führungsebene

seien offensichtlich auch Maßnahmen gegen mögliche

„Verräter“ geplant worden. Dabei seien auch Maßnahmen
denkbar, die den Tod eines Menschen bewusst in Kauf

nahmen.
4013

Diese Information wurde dem BfV und dem LfV Thürin-

gen im Rahmen einer spontanen Datenübermittlung am

2. April 2001 übermittelt.
4014

j) Hinweise aus einer Befragung des A. K.
vom Oktober 2002

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 informierte der

MAD das BfV und das LfV Thüringen über eine Befra-

gung des Wehrdienstleistenden A. K. vom 29. Oktober

2002. K. hatte Kontakte zur Skinheadszene in Jena und

zur NPD. Er war enge Kontaktperson von André

Kapke,
4015

besuchte (mindestens) einmal Wohlleben und

ihm war Tibor R. bekannt.
4016

K. wurde vom MAD befragt und seine Äußerung wie

folgt zusammengefasst:

„Zu A., Stefan gab VP4017 an, dass ein Mitschüler
von A.s Bruder Kontakte zu einem der drei Tatver-

dächtigen gehabt habe, die im Verdacht stehen, an

der Herstellung mehrerer, überwiegend nicht zünd-

fähiger Sprengkörper bzw. Bombenattrappen be-
4011) Schreiben LfV Thüringen an BKA BAO „Trio“ vom 19. De-

zember 2011, MAT A GBA-4/26, Bl. 37.

4012) MAT A MAD-2 (Tgb.-Nr. 18/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 3, Bl. 31,3q..

4013) Schreiben des MAD vom 23. November 2011, MAT A MAD-3

(Tgb.-Nr. 72/12 – GEHEIM), Bl. 44 (VS-VERTRAULICH).

4014) MAT A MAD-4/1 (Tgb.-Nr. 26/12 – VS-VERTRAULICH),
Ordner 7, Bl. 2152 ff, 2156.

4015) Befragungsbericht des MAD vom 29. Oktober 2002, MAD-2/5,
Bl. 26.

4016) MAT A MAD-2/5, Bl. 27, 28.

4017) VP=Verdachtsperson.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 455 – Drucksache 17/14600

teiligt gewesen zu sein, die im Zeitraum von Sep-

tember 1996 bis Dezember 1997 im Bereich Jena

aufgefunden worden waren. K., Alexander (1) habe

A., Stefan auf den Aufenthaltsort der mit internati-

onalem Haftbefehl gesuchten Mitglieder des

‚THS‘ (Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt) angespro-
chen, der aber auch keine Informationen über den

Aufenthaltsort der Gesuchten habe.“4018

Nach Ermittlungen des LfV Thüringen aus dem Jahre

1999, dem BfV mitgeteilt im November 2011, hat Stefan

A. jedoch, anders als von K. behauptet, keine Geschwis-

ter. Nach Angaben des BfV erfolgten ausweislich der

Aktensichtung aufgrund des vagen und zeitlich undatier-

ten Hinweises keine operativen Maßnahmen.
4019

3. Hat sich der MAD gezielt an der Suche
nach dem Trio beteiligt?

Den Ausschuss hat interessiert, ob sich der MAD gezielt

an der Suche nach dem Trio beteiligte, da der MAD in

den Jahren 1999, 2000 und 2002 sehr gezielt nach den

„Bombenbastlern“ fragte. Hierdurch entstand der Ein-
druck, dass irgendjemand im MAD – und sei es im Auf-
trag einer anderen Behörde – „sehr intensiv und dauernd
hellwach dieses Trio auf dem Radar“ gehabt habe.4020

Der Zeuge Huth, der von 1996 bis 2000 Gruppenleiter

„Beschaffung“ in der Abteilung „Extremismus-
/Terrorismusabwehr“ war, hat ausgesagt, er sei als Leiter
„Beschaffung“ insoweit mit den vom MAD durchgeführ-
ten Befragungen betraut gewesen, als er alle Befragungs-

und Quellenberichte gesehen habe und für diese verant-

wortlich gewesen sei. Wenngleich er um dieses Trio ge-

wusst habe, weil hierüber in der Szene manchmal gespro-

chen worden sei, könne er sich nicht daran erinnern, dass

das Trio bei ihnen ständig Gesprächsgegenstand gewesen

sei und dass in diesem Zusammenhang Namen genannt

worden seien. Er wolle dies aber auch nicht ausschließen.

Ihm seien zwei Berichte in Erinnerung, wonach man nun

Geld für das Trio durch den Verkauf von Musik-CDs oder

sonstigen Dingen auftreibe. Ein- oder zweimal seien In-

formationen an den MAD gelangt, wonach Personen in

den Untergrund gegangen sein sollen. Dem MAD sei aber

nicht bekannt gewesen, dass es sich bei einer Person des

Trios um einen ehemaligen Soldaten gehandelt habe. Der

Spitzname „Jenaer Bombenbauer“ sei ihm kein Begriff
gewesen.

4021
Zu einem späteren Zeitpunkt der Befragung hat der Zeuge

Huth eingeräumt, dass der Beschaffungsbereich Ost und
4018) Befragungsbericht des MAD vom 29. Oktober 2002, MAD-2/5,

Bl. 24.

4019) Chronologie der Erkenntnisse und operativen Maßnahmen nach

Abtauchen der Mitglieder der terroristischen Vereinigung
„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) (1998-2001),
MAT A BfV-2/3, (Tgb.-Nr. 4/12 – GEHEIM), S. 29 (nicht
durchpaginiert).

4020) Vorhalt aus der Befragung des Zeugen Huth, Protokoll-Nr. 39,

S. 23.

4021) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 10, 11.

die Auswerter im MAD Informationen zum Trio gehabt

haben müssten und diese Sache dann auch verfolgt hätten.

Er habe hier offenbar eine Erinnerungslücke.
4022

Eine

logische Erklärung hierfür sei, dass eine andere Behörde

nach dem Aufenthaltsort des Trios nachgefragt habe.

Möglich sei, dass die Verfassungsschutzbehörden über

eine eigene Quelle Hinweise auf einen Bundeswehrange-

hörigen in einer Organisation erhalten hätten, die sie an

den MAD weitergegeben hätten. Dies sei möglicherweise

mit der Bitte verbunden worden, den Bundeswehrangehö-

rigen zum Aufenthaltsort des Trios zu befragen.
4023

Denkbar sei auch, dass auf einer Beschaffertagung über

den Fall gesprochen worden sei und die „Beschaffung“
des MAD dies umgesetzt habe.

4024
In Betracht käme aber

auch, dass eine direkte Besprechung zwischen dem Bun-

desamt für Verfassungsschutz, dem LfV Thüringen und

dem MAD stattgefunden habe.
4025

Grundsätzlich seien

aber nicht immer dieselben Personen mit dieser Angele-

genheit befasst gewesen.
4026

Der Zeuge Brüsselbach, der – mit kurzer Unterbrechung
in den Jahren 2008 bis 2010 – von 1989 bis 2010 in ver-
schiedenen Funktionen und zuletzt als dessen Präsident

im MAD tätig war, hat hierzu ausgeführt:

„Jetzt, Herr Abgeordneter, betrifft das nicht meine
Zeit im Amt, also nur das, was ich retrospektiv

jetzt nach dem 04. bzw. 08.11.2011 aus den Akten

entnommen habe. … Ob es einen Auftrag - in
Anführungszeichen - gab, kann ich nicht sagen.

Ich habe keinen Auftrag gesehen. Ich habe keine

gemeinsame Entschließung der Sicherheitsbehör-

den gesehen, nach ihnen zu suchen. Aber die gan-

zen Befragungsberichte, die ich gelesen habe, so-

fern darin die drei oder eine von diesen drei Perso-

nen vorkommen, die lesen sich für mich im Nach-

hinein so, als wenn alle Beteiligten, hier der MAD,

gefragt haben. Wenn sich Gelegenheit gab, sprich

Personen aus der Szene, aus diesem geografischen

Bereich, dann wurde danach gefragt; das war mein

Eindruck. Nicht durchgängig; aber wenn es Anlass

gab in den Befragungen - welchen Anlass auch

immer; ich kenne da die Gesamtzusammenhänge

aller Akten nicht -, dann wurde danach ge-

fragt.“4027

4. Zusammenarbeit mit anderen Verfas-
sungsschutzbehörden

Der Zeuge Huth hat ausgeführt, der MAD habe die Hin-

weise, die er erhalten habe, an die zuständige Verfas-

sungsschutzbehörde, das LfV Thüringen, und gleichzeitig

an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet.
4022) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 25, 30.

4023) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 29.

4024) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 31.

4025) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 32.

4026) Huth, Protokoll-Nr. 25, S. 31.

4027) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 41.

Drucksache 17/14600 – 456 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Er glaube nicht, dass es in diesem Fall eine Rückmeldung

der anderen Verfassungsschutzbehörden in dem Sinne

gegeben habe, dass ein Hinweis besonders wichtig sei

oder dass weitere Hinweise einer bestimmten Quelle

hilfreich seien. Wenn es eine solche Rückmeldung gege-

ben hätte, dann würde er sich daran erinnern. Allerdings

seien Rückfragen generell relativ selten gewesen.
4028

Es

sei nicht Aufgabe des MAD nachzuprüfen, was der Ver-

fassungsschutz mit den von ihm weitergeleiteten Informa-

tionen mache.
4029

Eine Nachfrage habe sich auch aus

Höflichkeit verboten. Er habe sich darauf verlassen müs-

sen, dass die Behörde mit seinen Informationen sachge-

recht umgehe.
4030

5. Weitergabe von Hinweisen an Staatsan-
waltschaften oder LKA?

Auf die Frage, warum die unter E. VI. 2. dargelegten

Erkenntnisse teilweise nicht an das LKA Thüringen oder

die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden

seien, hat der Zeuge Huth geantwortet, dass in der Opera-

tion „Rennsteig“ die entsprechenden Stellen BfV und
Thüringen durch den MAD informiert worden seien.

Diese hätten alle Informationen gesammelt, um sie zu

verarbeiten. Es sei dann Aufgabe der anderen Behörden

gewesen, die Informationen weiterzuleiten. Nach dem

Verständnis des MAD habe es daher keiner Einzelaktion

oder einer Unterrichtung der Staatsanwaltschaften be-

durft.
4031

VII. Erkenntnisse des BND zum untergetauch-
ten Trio

1. Beteiligung des BND an der Suche nach
dem Trio im zeitlichen Zusammenhang mit
dem Abtauchen

Den Ausschuss hat die Frage beschäftigt, inwieweit der

Bundesnachrichtendienst an der Suche nach dem Trio

unmittelbar nach dessen Abtauchen beteiligt war. Aus den

dem Ausschuss vom BND vorgelegten Akten ergibt sich

folgendes Bild:

Am 26. Januar 1998, direkt nach der Aushebung der

Bombenwerkstatt in Jena, gelangte eine Nachricht über

das Bundeskriminalamt zum BND.
4032

Darin wurde der

BND darüber informiert, dass

„ihnen [Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt] ein

Vergehen gem. § 315b [StGB] Vorbereitung eines

Explosions- und Strahlungsverbrechens zur Last

gelegt [wird].
4028) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 11, 12.

4029) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 33.

4030) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 34.

4031) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 23, 25.

4032) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
54 (VS-VERTRAULICH).

Lt. LKA u. LfV Thüringen ist die Bombenwerk-

statt eine Einzeltat der mit Haftbefehl Gesuchten u.

hat nichts mit den sonstigen Aktivitäten des ‚Thü-

ringer Heimatschutz‘ zu tun. … “4033

Das Trio befände sich auf der Flucht und fliehe vermut-

lich in die USA. Als Zwischenaufenthaltsländer kämen

Belgien, die Niederlande oder Dänemark in Betracht.

Weiter wurde darüber informiert, dass das Trio sich ver-

mutlich noch in Deutschland aufhielte und „einige Opera-
tionen und eine Observation“

liefen.
4034

In einer Sondersitzung des Parlamentarischen

Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages zum The-

ma Rechtsextremismus vom 30. November 2011 erklärte

der Leitungsstab des BND nach der Sichtung der früher

genutzten Datenbank des BND „ZIBLEX“, bei der Nach-
richt vom 26. Januar 1998 habe es sich um die „einzige
(…) Information zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe“
gehandelt, die an den BND gerichtet worden sei.

4035
In den Akten des BND befindet sich eine Lagemeldung

des LKA Thüringen vom 27. Januar 1998. In dieser La-

gemeldung wurde darüber informiert, dass im Rahmen

eines Ermittlungsverfahrens bei der Durchsuchung der

Werkstatt

„diverse pyrotechnische Gegenstände, ein Luft-
druckgewehr, eine CO 2 Pistole, diverse chemi-

sche Substanzen, Kabel, Rohrstücke und vorberei-

tete Rohrbomben, diverse Farben, Knetmasse und

Schriftgut gefunden und sichergestellt wurden.“4036

Die Namen der drei Beschuldigten wurden in dieser La-

gemeldung nicht genannt.

Am 26. Februar 1998 erhielt der BND eine Ergänzung der

Information des LfV Thüringen vom 26. Januar 1998 über

das Verbindungsreferat „AB 50“. Danach hielten sich
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe weiterhin in Deutsch-

land auf und es liefe eine Observation. Seitens des LfV

Thüringen sei spekuliert worden, das Trio könnte Unter-

stützung aus Belgien, den Niederlanden, insbesondere von

dem führenden niederländischen Rechtsextremisten H.,

oder aus Dänemark, insbesondere von R., erhalten. Beide

Informationen wurden in die Datenbasis des BND

eingepflegt.
4037

Der BND übermittelte am 3. Juli 1998 eine Meldung zu

H. mit möglicher Adresse in den Niederlanden an das

BfV und – über die deutsche Residentur des BND in Den
4033) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.

54 (VS-VERTRAULICH).

4034) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
54 (VS-VERTRAULICH).

4035) Auswertung des BND, MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr.

19/12 – GEHEIM), Bl. 45 (VS-NfD).

4036) MAT A BND-2/1, Bl. 2 f.

4037) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.
45 (VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 457 – Drucksache 17/14600

Haag – an die Niederlande. Eine Reaktionen hierauf fin-
det sich in der Datenbank des BND nicht.

4038
Der damalige Präsident des LfV Thüringen Thomas

Sippel berichtete dem Innen-, Justiz- und Verfassungsaus-

schuss des Landtages Thüringen am 10. Januar 2012, dass

„eine erste Information am 3. Februar 1998 durch
das TLfV an alle Verfassungsschutzbehörden ge-

gangen sei, in der auf die Drei hingewiesen und

der Sachzusammenhang dargestellt worden sei. In

diese Informationsübermittlung sei die Aufforde-

rung eingebunden gewesen, Ermittlungen, die im

Zusammenhang zum Auffinden dieser drei Abge-

tauchten stünden, dem TLfV mitzuteilen. In diese

Aufforderung sei auf telefonischem Wege auch der

Bundesnachrichtendienst einbezogen worden.“ 4039

Am 5. März 1998 nahm der BND Kontakt zum LKA und

LfV Thüringen auf und übersandte ein Schreiben, in wel-

chem für die Übermittlung

„detaillierter Auskünfte zum Rechtsextremis-
mus/Aufhebung einer Bombenwerkstatt in Jena“

gedankt wurde. Der BND teilte in dem Schreiben mit,

dass keine eigenen Erkenntnisse des BND zu Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe vorlägen. Es bestünde jedoch

„hiesigerseits … grundsätzliches Interesse an In-
formationen über Verbindungen deutscher Rechts-

extremisten ins Ausland“.4040

Der Zeuge Dr. Hanning, Präsident a. D. des BND von

1998 bis 2005, hat auf die Frage, ob er sich in seiner

Funktion als BND-Präsident an die „Jenaer Bombenbau-
er“ erinnere, geantwortet:

„Also, als Präsident bin ich damit nicht befasst

gewesen, also … unmittelbar in meiner Verant-
wortung als Präsident des Bundesnachrichten-

dienstes, … außerhalb der ND-Lage. Es kann
sein, dass da Informationsaustausch auf der Fach-

ebene stattgefunden hat, aber das hat mich als Prä-

sident nicht erreicht . …

… Ich weiß, dass es immer einen Austausch gab
zwischen dem Bundesnachrichtendienst und den

Sicherheitsbehörden der Länder und Polizei, und

wenn da gefahndet wird, wird üblicherweise bei

allen Behörden nachgefragt, ob da Erkenntnisse

vorliegen. Das vermute ich, dass das auch in die-

sem Fall so war. Das kann ich natürlich nicht aus-

schließen. Aber in dem Sinne, dass ich als Präsi-

dent jetzt damit befasst wurde, dass das sozusagen

eine besondere Bedeutung hatte oder dass ich hätte
4038) MAT A BND-3, Ordner 10, (Tgb.-Nr. 19/12 – GEHEIM), Bl.

45 (VS-NfD).

4039) Sippel, Nichtöffentliches Ergebnisprotokoll der 36. und 37.

Sitzung des Innen-, Justiz- und Verfassungsausschusses des
Landtages Thüringen am 10. Januar 2012, MAT A TH-5, Bl.

37.

4040) MAT A BND-2/1, Bl. 4; MAT A TH-1/7, Bl. 102.

agieren müssen als Präsident, da kann ich mich

nicht dran erinnern.“4041

Auf die Nachfrage, warum ein untergetauchtes Trio, wel-

ches wegen der Vorbereitung von gefährlichen Spreng-

stoffverbrechen gesucht werde, nicht „von besonderer
Bedeutung“ sei, hat der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt:

„Wenn das ein ausländischer Terrorist oder Agent
gewesen wäre, der die Sicherheit der Bundesre-

publik Deutschland bedroht hätte, wäre das ver-

mutlich ein wichtiger Vorgang gewesen, …
wenn das ein Vorgang ist in der Obhut der Polizei-

behörden der Länder, die hier im Inland suchen,

mit Sicherheit nicht.

Jedenfalls nicht für den Bundesnachrichten-

dienst.“4042

Der Bundesnachrichtendienst sei zuständig für Vorgänge

im Ausland.
4043

2. Informationsaustausch im Verlauf der Su-
che nach dem Trio

Am 21. August 2002 leitete das BKA im Auftrag des

LKA Thüringen eine Erkenntnisanfrage an den BND

weiter. Dabei ging es um mögliche Erkenntnisse des BND

zum Aufenthaltsort des Trios mit dem Hinweis, dass diese

mit internationalem Haftbefehl gesucht würden.
4044

Der

BND antwortete dem BKA am 2. September 2002, dem

BND lägen keine eigenen Erkenntnisse zu Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe vor.
4045

Im Juli 2004 erhielt der BND das vom BfV erstellte Heft

BfV Spezial 19, welches detaillierte Informationen über

die Rohrbombenfunde in Jena enthielt.
4046

Der Ausschuss hat den langjährigen Leiter des Referats

„Aufklärung“ bzw. „Beschaffung“ im Bereich Waffen-
handel und gegenwärtig für Waffenhandel zuständigen

Abteilungsleiter beim BND als Zeugen vernommen. Auf

die Frage, ob er in Bezug auf die Zusammenarbeit zwi-

schen dem BND und anderen Behörden Verbesserungs-

bedarf sehe, hat der Zeuge Dr. H. erklärt:

„Also, das ist eigentlich ein eingespieltes Verfah-
ren. Wie gesagt, wenn ein Ermittlungsverfahren

läuft, dann ist eigentlich für den BND bis auf die

Erkenntnisanfrage eigentlich nichts mehr zu tun.

Wir können ja nicht parallel irgendwelche Maß-

nahmen ergreifen, wenn eine polizeiliche Ermitt-

lung läuft.“4047
4041) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 10.

4042) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 10, 11.

4043) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.

4044) MAT A BND-2/1, Bl. 31 ff.

4045) MAT A BND-2/1, Bl. 27.

4046) Offene Version BfV Spezial 21 in MAT A BKA-2/46, Bl. 17 f.

4047) Dr. H., Protokoll-Nr. 31, S. 86.

Drucksache 17/14600 – 458 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes,

der Zeuge Dr. Hanning, hat ergänzt, der Auslandsnach-

richtendienst sei in der Zeit bis 2005 in die Ermittlungen

in keiner Weise eingebunden gewesen.

„Es gab Fragen und Ähnliches, aber wir haben da
keine eigenständige Rolle gespielt als Bundesnach-

richtendienst.

Ich bin ein großer Anhänger des Trennungsgebo-

tes. Die Polizei ist an das Legalitätsprinzip gebun-

den, und aus gutem Grund darf die Polizei erst er-

mitteln, wenn ein Anfangsverdacht nach der Straf-

prozessordnung vorliegt. Ich glaube, diese Model-

le, die ja in der Sache – das ist zwar besetzt, der
Begriff, aber in der Sache ist es eine geheime

Staatspolizei – das sollten wir auf keinen Fall tun.
Ich halte das für rechtstaatlich ganz bedenklich.

Ich habe auch immer große Probleme damit ge-

habt, wenn die Polizei beginnt, nachrichtendienst-

lich zu arbeiten. Nein, ich glaube, es macht sehr

viel Sinn, wenn man beide Stränge durchaus ge-

trennt lässt, aber den Informationsaustausch zwi-

schen beiden Strängen vernünftig organisiert, und

daran – das haben wir ja wohl in der Praxis erlebt
– hat es durchaus gemangelt. Aber ich glaube, da
kann man einiges verbessern.“4048

3. Hinweise auf eine Flucht des Trios nach
Südafrika

Seit Mai 1998 finden sich in den Akten deutscher Sicher-

heitsbehörden Hinweise auf eine möglicherweise bevor-

stehende Flucht des Trios nach Südafrika.
4049

Personen im

Umfeld des Trios, insbesondere Mitglieder des „Thürin-
ger Heimatschutzes“, pflegten Kontakte nach Südafrika.
Einige Bekannte des Trios unternahmen Reisen zu dem

auf einer eigenen Farm in Südafrika lebenden Rechtsex-

tremisten Dr. Claus Nordbruch. Umgekehrt hielt Dr.

Nordbruch Vorträge in Deutschland, auch beim „Thürin-
ger Heimatschutz“.4050

In den vom BND übermittelten Unterlagen finden sich

keine Anfragen anderer Behörden an den BND zu einer

geplanten Flucht des Trios nach Südafrika vor dem Be-

kanntwerden des NSU im November 2011.
4051

Der Zeuge

Dr. Hanning hat gegenüber dem Ausschuss bekundet,

ihm hätten in seiner damaligen Funktion als BND-

Präsident über die Verbindungen des Umfeldes des Trios

nach Südafrika keine Erkenntnisse vorgelegen.
4052

Nach

Auskunft des Zeugen Dieter Huth, Leiter der Abteilung

„Rechtsextremismus“ im MAD von 2000 bis 2010, sei
4048) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3.

4049) Zusammenfassend siehe Antwort MAD an BAO „Trio“ (BKA)
vom 30. Januar 2012, MAT A MAD-3, (Tgb.-Nr. 72/12 – VS-
VERTRAULICH), Bl. 380-397 (VS-VERTRAULICH); so

auch der Zeuge Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 81.

4050) MAT A BE-3/7g-1, Bl. 49.

4051) MAT A BND-3/1c, Bl. 56.

4052) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 22 f.

zumindest vom MAD diese Erkenntnis nicht an den BND

übermittelt worden. Auf die Frage, warum eine Übermitt-

lung der Information seitens des MAD an den BND nicht

stattgefunden habe, hat er erklärt, dass eine solche Infor-

mationsweitergabe nicht üblich sei:

„Auch das ist eine Sache, die für uns nicht üblich
war. Das hat nach unserem Dafürhalten das Bun-

desamt für Verfassungsschutz mit dem Bundes-

nachrichtendienst direkt gemacht.“4053

Was zu übermitteln ist, sei immer auch eine Frage der

Auslegung der Gesetze. Auf den Vorhalt, dass ein

Rechtsextremist aus Südafrika nach Deutschland zurück-

gekehrt sei, nachdem er sich dort auf einen bewaffneten

Kampf gegen die Bundesrepublik vorbereitet habe, hat

der Zeuge erwidert:

„Dann haben wir diese Information weitergeleitet
an das zuständige Landesamt und das Bundesamt

für Verfassungsschutz. Es mag sein, dass wir mit

dem BND hier Gespräche geführt haben, aber

formelle Übermittlungen, meine ich, sind mir nicht

geläufig in der Zeit.“4054

4. Vorgänge im Zusammenhang mit auslän-
dischen Rechtsextremisten

a) Hinweis des italienischen Geheimdienstes
aus 2003

In einem Schreiben des italienischen Inlandsnachrichten-

dienstes Agenzia Informazioni e Sicurezza Interna (AISI)

aus dem Jahr 2003
4055

wurde

„von einem internationalen Treffen von Neonazis
im November 2002 in Belgien [berichtet], an dem

auch deutsche Neonazis teilgenommen hätten.

Namentlich werden von AISI die Personen Udo W.

und Dirk P. genannt. Letzterer habe bei der Veran-

staltung ein von Jürgen R. angeführtes in Deutsch-

land existierendes militantes Netzwerk erwähnt,

welches mit geheimen Aktivitäten befasst sei. Das

Schreiben schloss mit der Bitte um Mitteilung

möglicher weiterer Erkenntnisse zu den aufgeführ-

ten Personen und zu möglichen Hintergrundinfor-

mationen zu dem genannten geheimen Netz-

werk.
4056

Ob der BND über den Hinweis des italienischen Nach-

richtendienstes AISI informiert wurde und Maßnahmen

eingeleitet wurden, hat der damalige BND-Präsident Dr.

Hanning als Zeuge vor dem Ausschuss nicht aufklären

können:
4053) Dieter H., Protokoll-Nr. 39, S. 24.

4054) Dieter H., Protokoll-Nr. 39, S. 24.

4055) MAT A BMI-13 S. 7 f. – Näheres unter D. II. 3.

4056) Schilderung durch das BMI vom 28. November 2012, MAT A

BMI-13, Bl. 2.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 459 – Drucksache 17/14600

„Wenn Sie … ich sage mal jede Woche zwei,
drei dieser Meldungen bekommen, dann schätzen

Sie das natürlich auch ein bisschen anders ein. Es

gibt natürlich gerade im Terrorbereich eine Un-

menge von Hinweisen: Da hat sich eine Gruppe

gebildet, da hat sich eine Gruppe gebildet. …
Wenn Sie jetzt im Nachhinein sich das anschauen,

dann sagen Sie: Ja, warum hat man das nicht? …

Mit dem Wissen von heute, ja, natürlich. … Ist
der italienische Dienst sozusagen in diesem Punkte

verlässlich, ist er zuverlässig? … Worauf gründet
sich diese Meldung? Dann müsste man ja Residen-

ten in Rom hinschicken und fragen: Was ist denn

sozusagen der Hintergrund? …

Ich weiß jetzt nicht, wie man mit dem Vorgang

hier genau umgegangen ist. Natürlich wäre das ein

Ansatz gewesen. Ob damals schuldhaft dem nicht

nachgegangen ist oder nicht, das wage ich nicht zu

beurteilen. Das müsste man wirklich im Gesamt-

kontext der Meldung sich dann anschauen.“4057

Auf die Frage, aus welchem Grunde diesem Ansatz nicht

nachgegangen wurde, hat der Zeuge ausgeführt:

„Man müsste versuchen, die Namen rauszukrie-
gen, und man müsste vor allem noch mal die Ver-

lässlichkeit der Quelle nachfragen, klar. …

Die Gesamtbewertung, da müsste man einfach

schon mehr Informationen haben. Da müsste man

noch mal das damalige Meldungsbild haben, die

damalige Gesamtlage, die Bedrohungslage

… .“4058

b) Weitere relevante Vorfälle im Ausland

John W. A. Ausonius, bekannt als der „Laserman“, verüb-
te zwischen 1992 und 1993 in Schweden zehn fremden-

feindliche Mordanschläge, ohne die Opfer zu kennen. Im

gleichen Zeitraum überfiel Ausonius 18 Banken und

flüchtete stets mit dem Fahrrad.
4059

Das Bundesamt für

Verfassungsschutz hat am 20. September 2012 die Taten

des Schweden als mögliche Blaupause für den NSU be-

zeichnet.

Im Jahre 1995 sprengte der US-amerikanische „Oklaho-
ma-Attentäter“ Timothy McVeigh ein Bundesgebäude in
Oklahoma in die Luft und tötete dabei 168 Menschen. Im

April 1999 verübte David Copeland in London drei Na-

gelbombenanschläge. Auch diese Taten werden als

rechtsmotiviert angesehen. Copeland war zeitweise Mit-

glied der British National Party (BNP) und schloss sich

danach dem National Socialist Movement an.

Zu der Beobachtung derartiger Unternehmungen auslän-

discher Rechtsextremisten durch den BND hat der Zeuge

Dr. Hanning erklärt:
4057) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 23 f.

4058) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 23 f.

4059) Hierzu und zum Folgenden: MAT A BfV-5/1.

„Ich kann Ihnen das jetzt aus meiner Erinnerung
nicht präzise sagen; aber wir haben die Situation in

Schweden schon beobachtet. Nach meiner Erinne-

rung war es im Wesentlichen das BfV. Das Bun-

desamt für Verfassungsschutz ist ja im Berner

Club
4060

eingebunden, und die haben da eine sehr

gute Zusammenarbeit. … Und da gab es auch -
ich meine - Vorträge vom BfV gerade zu der

schwedischen Situation. … Im Grunde hätte uns

… die Situation in Schweden – und da gab es
immer gewisse Querverbindungen nach Deutsch-

land – noch stärker beunruhigen müssen.“4061

Auf die Frage, welche rechtsextremistischen Vorgänge im

Ausland durch den BND beobachtet wurden, hat der Zeu-

ge Dr. Hanning erläutert:

„Es gab immer so ein bisschen eine Arbeitsteilung,
dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich

um diese Dinge stärker gekümmert hat als wir. Wir

haben uns sehr stark um den islamistischen Be-

reich gekümmert als Bundesnachrichtendienst,

auch gerade dort, und das BfV hat auch häufiger in

den ND-Lagen vorgetragen zu diesen Querverbin-

dungen und zu den ähnlichen Problemen in ande-

ren europäischen Ländern.

… Nach 2001 war erst mal der Islamismus die
Priorität, weil erstens hatten wir die Anschläge in

Madrid und London, zweitens war die große Sor-

ge, dass auch in Deutschland ähnliche Anschläge

wie 9/11 stattfanden; wir hatten Erkenntnisse, dass

auch Europa Ziel dieser Anschläge war. Und des-

wegen haben wir das eindeutig priorisiert. Ich hat-

te aber auch nicht den Eindruck … dass das jetzt
vernachlässigt worden ist, weil ich mich durchaus

erinnere, dass das Bundesamt für Verfassungs-

schutz auch dazu [zum Rechtsextremismus] vorge-

tragen hat.“4062

Zu der Beobachtung ausländischer rechtsextremistischer

Gruppierungen wie dem „Ku-Klux-Klan“, die versuchten,
sich in Deutschland zu etablieren, hat der Zeuge Dr. Han-

ning ausgeführt:

„[Beim] Ku-Klux-Klan ist mir nicht in Erinnerung,
dass die hier in Deutschland jedenfalls seinerzeit

eine Rolle spielten, dass ich mich als BND-

Präsident hätte damit befassen müssen. Also, das

ist mir nicht mehr in Erinnerung.“4063

5. Mitglieder des Trios als V-Personen des
BND?

Spekulationen in den Medien, der BND könnte Mitglieder

des Trios als V-Personen angeworben haben, um interna-
4060) Zusammenschluss der Inlandsnachrichtendienste innerhalb der

EU, plus Norwegen und Schweiz.

4061) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 21 f, S. 30, 31.

4062) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 31.

4063) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 40.

Drucksache 17/14600 – 460 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tionale Söldnerstrukturen auf dem Balkan, zu denen

Böhnhardt und Mundlos enge Verbindungen gehabt ha-

ben sollen, aufzudecken,
4064

haben die vom Ausschuss

vernommenen Zeugen nicht bestätigt. Der Zeuge

Dr. Hanning (damaliger Referatsleiter „Auswer-
tung/Prolieferation“) hat die Frage, ob ihm dies im Rah-
men seiner beruflichen Tätigkeit beim BND bekannt

geworden sei, verneint.
4065

Der Zeuge Dr. Hanning hat

angegeben:

„Das Thema, was Sie gerade ansprechen: … ich
kann mich nicht erinnern, dass wir das als Bundes-

nachrichtendienst bearbeitet haben. Das müsste

dann eher vom Bundesamt für Verfassungsschutz

bearbeitet worden sein; denn das sind ja offenbar

erkannte Neonazis gewesen oder erkannte jeden-

falls Leute der Rechtsextremisten, die mit Sicher-

heit Spuren auch hier im Inland hinterlassen ha-

ben. Also, mir als BND-Präsident ist das damals

nicht als Problem in Erinnerung.“4066

Aufgrund der Medienberichterstattung wurde nach einer

BND-internen E-Mail eine Abfrage der Datenbank

ZIBLEX durchgeführt. Hierbei soll kein Treffer zu den in

den Medienberichten erwähnten Personen erzielt worden

sein.
4067

VIII. Kenntnisse staatlicher Stellen in Baden-
Württemberg zum Verbleib des Trios

1. Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg

Aufgrund von Zeugenaussagen sowie der Auswertung

weiterer Asservate ist festzustellen, dass sich die Mitglie-

der des NSU seit Beginn der 90er Jahre und auch während

der Zeit ihres Untertauchens wiederholt in Baden-

Württemberg aufhielten.
4068

Der Kontakt zu Personen aus

Ludwigsburg, die ab Mitte/Ende der 90er Jahre in der

rechten Szene Baden-Württembergs verkehrten, entstand

über Marcus F., der aus Chemnitz nach Baden-

Württemberg verzogen war und in Stuttgart die Berufs-

schule besuchte. Dieser Kontakt festigte sich durch ge-

meinsame Besuche bei Rechtsrockveranstaltungen.
4069

Verbindungen zum Trio und weiteren Personen aus der

rechten Szene in Sachsen und Thüringen wurden über
4064) Insbesondere in den Stuttgarter Nachrichten vom 21. Dezember

2011 „Warb der BND das Neonazi-Trio an? Thüringens Lin-
ken-Fraktionschef Ramelow über Erkenntnisse der Geheim-

dienste zur NSU – und ihre Unterstützungsleistungen“.

4065) Dr. H., Protokoll-Nr. 31, S. 90.

4066) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 32.

4067) MAT A BND-3/1c, Bl. 56.

4068) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg

vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 59.

4069) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu
Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg

vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 68.

„Mittelsmänner“ wie Markus F. und Thomas Starke auf-
gebaut und verfestigt.

4070
Die Bezugspunkte des Trios nach Baden-Württemberg

waren zum Zeitpunkt der Feststellungen des Untersu-

chungsausschusses durch die damit befassten Ermitt-

lungsbehörden allerdings noch nicht ausermittelt, so dass

die unten dargestellten Bezüge nicht abschließend darge-

stellt werden konnten. Sie sind auch in ihrer Qualität und

Quantität nicht endgültig erfasst.
4071

a) Kontakte des NSU zu Personen der Gara-
genlisten aus Baden-Württemberg

Bei den Kontaktpersonen in Ludwigsburg handelte es sich

um Michael E., Barbara E. und Hans-Joachim S. Diese

Namen finden sich auf den am 26. Januar 1998 in der

Garage in Jena aufgefundenen Telefonlisten des Uwe

Mundlos. Von Seiten der Thüringer Behörden wurden

unmittelbar nach Auffinden der Telefonlisten keine Er-

mittlungsmaßnahmen zu den dort aufgeführten Personen

durchgeführt.
4072

Erst nach dem 4. November 2011 erfolg-

te eine Auswertung der Telefonlisten
4073

sowie eine Ver-

nehmung der dort genannten Personen.
4074

aa) Michael E.

Enge Beziehungen unterhielt der NSU zu Michael E.

Dieser war Mitglied der Szene-Band „Streitmacht“.4075 In
einer Zeugenvernehmung beim BKA am 24. Juli 2012

sagte Barbara E. aus, Kontakte zwischen Michael E. und

dem Trio hätten nach ihrer Kenntnis spätestens seit 1994

bestanden. Sie habe gemeinsam mit Michael E. im Früh-

jahr 1994 in Jena oder Gera ein Konzert besucht. Über-

nachtet hätten sie bei Markus F. in Chemnitz. Bei diesem

Besuch hätten sie auch Zschäpe und Mundlos getroffen.

Später habe das Trio Michael E. besucht. Weitere gegen-

seitige Besuche hätten in der Zeit von Frühjahr 1994 bis

Dezember 2000 oder Winter/Frühjahr 2001 stattgefunden.

Die Besuche in Ludwigsburg seien häufig gewesen und

hätten am Anfang bestimmt alle vier Wochen stattgefun-

den, wobei Böhnhardt nicht so häufig dabei gewesen sei.

Hans-Joachim S., Michael E., Markus F. und Barbara E.

hätten bei ihren Besuchen in Chemnitz immer bei Enrico
4070) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu

Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 66.

4071) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu

Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg

vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff. Der Untersu-

chungsausschuss hat sich in der Beratungssitzung am 18. April

2013 noch einmal durch das BKA zu dieser Thematik berichten
lassen. Siehe Protokoll der Sitzung Nr. 65 a.

4072) Weiteres zur Auswertung der Garagenliste unter E. II. 5.

4073) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
155 ff.

4074) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4075) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu

Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg

vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., 65.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 461 – Drucksache 17/14600

R. geschlafen. Bei den gegenseitigen Besuchen habe es

sich nicht nur um Konzertbesuche gehandelt, sondern

man habe sich auch einfach so getroffen. Es sei nie darü-

ber gesprochen worden, dass das Trio gesucht werde und

auf der Flucht sei. Sie könne auch nicht sagen, ob Michael

E. dies gewusst habe.
4076

Das Bestehen freundschaftlicher Beziehungen zwischen

Michael E. und dem NSU wurde auch durch die sog.

„Mundlos-Briefe“ bestätigt. So schrieb Mundlos am
8. Februar 1995 an Thomas Starke, sie seien bei Michael

E. zu Besuch gewesen. Sie hätten ihn und weitere Perso-

nen zu Silvester eingeladen, Michael E. habe aber wegen

eines „internen Streits“ zwei Tage vorher abgesagt.4077 In
einem Brief unbekannten Datums teilte Mundlos Torsten

S. die Adresse von Michael E. mit.
4078

Zudem berichtete

er in einem Brief an Thomas Starke, der zwischen dem

14. und 19. April 1996 verfasst worden sein soll,
4079

dass

Michael E. kurz vor Ostern mit anderen Kameraden eine

Band „Streitmacht“ gegründet habe.4080 2003 starb Mi-
chael E.

4081
Nach Aussage von Barbara E. war keiner

vom Trio bei der Beerdigung anwesend.
4082

bb) Barbara E.
4083

Wie bereits soeben unter aa) dargelegt, bestätigte Barbara

E. in einer Zeugenvernehmung beim BKA am 24. Juli

2012, Kontakte zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt

gehabt zu haben. Diese seien freundschaftlicher Natur

gewesen. Ihre Kontakte zum Trio seien ausschließlich

über Michael E. gelaufen, den sie bereits seit 1986/1987

über ihren Bruder und über die „Rockfabrik“ gekannt
habe. Zschäpe habe sich als einzige nicht szenetypisch

gekleidet, was ausschlaggebend dafür gewesen sei, dass

sie sie mit nach Hause zum Übernachten habe nehmen

können. Da sie später einen anderen Partner gehabt habe,

dem der Kontakt zu dieser Szene nicht gefallen habe,

habe sie sich zurückgezogen. Ende 2000 bzw. Anfang

2001 habe sie Mundlos und Zschäpe letztmalig gesehen.
4076) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4077) Brief vom 8. Februar 1994 (vermutlich 1995), MAT A GBA-

4/33a, Bl. 16 ff, 17.

4078) Brief unbekannten Datums, MAT A GBA-4/33a, Bl. 134;

Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu Er-

kenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg vom

24. Januar 2013, MAT A GBA 13, Bl. 65.

4079) So der Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg

zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg
vom 24. Januar 2013, MAT A GBA 13, Bl. 65.

4080) Brief unbekannten Datums, MAT A GBA-4/33a, Bl. 219.

4081) Bericht zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-
Württemberg vom 14. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53

ff., 68.

4082) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff., 207.

4083) Barbara E. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs

zu den Abschnitten bb) und cc) Stellung genommen.

Diese seien definitiv mit dem Auto ohne weitere Beglei-

tung angereist.
4084

Barbara E. gab an, keine wirkliche politische Einstellung

zu haben und kein rechtes Gedankengut zu besitzen. Der

„Thüringer Heimatschutz“ und eine „Kameradschaft
Jena“ sagten ihr nichts. Die dem Trio zugerechneten
Straftaten vor deren Abtauchen seien ihr nicht bekannt

gewesen. Auch habe sie nicht gewusst, dass die beiden

auf der Flucht gewesen seien. Sie sehe fast kein Fernse-

hen und habe von der Öffentlichkeitsfahndung damals

nichts mitbekommen. Ihr sei nicht bekannt, dass das Trio

weitere Anlaufpunkte in Baden-Württemberg gehabt

habe.
4085

cc) Hans-Joachim S.

Kontakte zum Trio unterhielt nach Aussage von Barbara

E. auch Hans-Joachim S.
4086

Er kam Anfang der 1990er

Jahre in die rechte Szene nach Ludwigsburg.
4087

Laut

Aussage von Barbara E. war Hans-Joachim S. von Ende

1991 bis Oktober 1994 mit ihr liiert.
4088

Hans-Joachim S. war ebenfalls an den gegenseitigen

Besuchen mit dem Trio beteiligt.
4089

In einem Brief von

Mundlos an Thomas Starke, den er zwischen dem

14. April 1996 und 19. April 1996 verfasst haben soll,

berichtete Mundlos über seinen Kontakt zu Hans-Joachim

S. So berichtete er, Hans-Joachim S. habe zwar böse

Witze über „Ossis“ gerissen und das gute Thüringen
„Dunkeldeutschland“ genannt, aber ansonsten sei es doch
recht angenehm gewesen. Zschäpe und Böhnhardt hätten

bei Barbara E. übernachtet, er und Kay Norman S.
4090

bei

Hans-Joachim S. Zudem zeigte sich Mundlos erstaunt

über die Waffen, welche die Ludwigsburger hätten. Es sei

fast schon ein kleiner Waffenladen.
4091

Dies bezog sich

möglicherweise auf die Waffen von Hans-Joachim S.
4092

Der Kontakt zum Trio soll Mitte der 1990er Jahre geendet

haben.
4093
4084) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4085) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A
GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4086) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4087) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.

167.

4088) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4089) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff.

4090) Mit dem in dem Brief genannten Spitznamen ist Kay Norman S.

gemeint, siehe hierzu Schreiben des LKA Baden-Württemberg

vom 24. Januar 2013, Bl. 53 ff., Bl. 68.

4091) Brief von Mundlos an Thomas Starke unbekannten Datums,

MAT A GBA-4/33a, Bl. 219 ff., 220.

4092) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.
167.

4093) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.

167.

Drucksache 17/14600 – 462 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Am 27. August 2003 gab die V-Person Thomas Starke

des LKA Berlin einen Hinweis auf Hans-Joachim S.

Hierzu wurde vom LKA festgehalten:

„Interessant erscheint dabei eine Person mit dem
Familiennamen S. oder S., der in Ludwigsburg

wohnhaft war. Er ist ca. 190 cm groß. Bis zum

Jahr 2001 war er dafür bekannt, mit Waffen zu

handeln. Welche Waffen genau angeboten wurden,

ist der VP nicht bekannt. Die VP wurde gebeten,

sich um diese Person zu kümmern und aktuelle In-

formationen zu Wohnanschrift, Namen, angebote-

ne Waffen usw. zu besorgen.“4094

Für den Untersuchungsausschuss war von Interesse, ob

Hans-Joachim S., genannt „Waffen-S.“ tatsächlich Waf-
fenhändler war. Hierzu wurde in dem Bericht des LKA

Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013 ausgeführt, die

Bezeichnung „Waffen-S.“ hätte relativiert werden können.
Es handele sich nach Zeugenaussagen bloß um Dekor-

Waffen und Wichtigtuerei.
4095

Tatsächlich gab Barbara E.

in ihrer Vernehmung beim BKA an, bei Hans-Joachim S.

könne es sich niemals um einen Waffenhändler handeln.

Sie habe bei ihm zu keiner Zeit scharfe Schusswaffen

gesehen. Dazu sei er viel zu feige.
4096

Thomas Starke gab dagegen in seiner Beschuldigtenver-

nehmung an, er habe die Information, dass Hans-Joachim

S. mit Waffen gehandelt haben soll, im zweiten Halbjahr

1996 von Mundlos bekommen. Mehr Informationen habe

er nicht. Er könne nicht sagen, bis zu welcher Zeit Hans-

Joachim S. mit Waffen gehandelt haben soll.
4097

Im Jahr

2009 zeigte die Ehefrau von Hans-Joachim S. ihn nach

einem häuslichen Streit und einer Körperverletzung an.

Sie erklärte, ihr Mann sei sehr gewaltbereit und im Besitz

mehrerer Waffen. Die Wohnung wurde durchsucht und es

wurden mehrere Waffen, Deko-Waffen, Waffenutensilien

und Munition sichergestellt. 20 Patronen waren funktions-

fähig.
4098

Außerdem wurden 2009 Gegenstände, die zur

Verherrlichung des Nationalsozialismus geeignet sind, u.

a. 145 CDs mit rechtsradikalem Hintergrund, Hakenkreu-

ze, Uniformteile, Bücher, Hitlerbüsten, Fahrtenmesser mit

„Blut und Ehre“ und Hakenkreuz aufgefunden.4099 Bei
seiner Vernehmung räumte Hans-Joachim S. am 21. Ja-

nuar 2009 ein, mit seiner Ehefrau rechtsradikale Musik

gehört und in rechtsradikalen Kreisen verkehrt zu haben,
4094) MAT A BE-2/1, Anl. 3 (Tgb-Nr. 67/12 – GEHEIM), Bl. 255 f.,

256.

4095) Bericht des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zu

Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-Württemberg

vom 24. Januar 2013, MAT A GBA 13, Bl. 65.

4095) Bericht zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach Baden-

Württemberg vom 14. Januar 2013, MAT A GBA-13, Bl. 53
ff., 68.

4096) Zeugenvernehmung von Barbara E. vom 24. Juli 2012, MAT A

GBA-4/34, Bl. 195 ff., Bl. 235.

4097) Beschuldigtenvernehmung des BKA vom 5. Juni 2012, MAT A

GBA-4/30, Bl. 122 ff., 125.

4098) Schreiben der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 23. Februar
2012, MAT A GBA-13, Bl. 221.

4099) Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg, Stand:

30. März 2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 169.

von denen er sich aber mittlerweile losgesagt habe.
4100

In

diesem Verfahren wurde er wegen Verstoßes gegen das

Waffengesetz, Besitz von erlaubnispflichtiger Munition

und verbotenen Gegenständen i. S. d. Waffengesetzes und

wegen Volksverhetzung vom Amtsgericht Vaihingen zu

90 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt.
4101

b) Weitere Aufenthalte des Trios in Baden-
Württemberg nach ihrem Untertauchen

Asservatenauswertungen wie beispielsweise Bildaufnah-

men, Kontaktdaten und Stadtplänen lässt sich entnehmen,

dass das Trio nach seinem Untertauchen nicht nur die

oben genannten Kontakte zu den Personen der Garagen-

listen pflegte, sondern sich auch bei anderen Gelegenhei-

ten in Baden-Württemberg aufhielt. So wurde im Brand-

schutt der Wohnung in Zwickau, Frühlingsstraße 26 eine

CD gefunden, auf der sich insgesamt zehn Bilddateien

befanden, die am 25. Juni 2003 erstellt wurden. Den Bil-

dern ist zu entnehmen, dass sich Böhnhardt am 25. Juni

2003 zwischen 13.37 Uhr und 14.10 im Bereich der

Nordbahnhofstraße in Stuttgart u. a. vor einem Grill-

Bistro und vor einem Lebensmittelgeschäft aufhielt und

dort mehrfach fotografiert wurde. Die auf den Fotos dar-

gestellten Situationen legen nahe, dass hier zwei mögliche

spätere Anschlagsziele ausgekundschaftet wurden und

dies durch die Fotos dokumentiert wurde.
4102

Beim Abgleich mit Daten von Campingplätzen in Baden-

Württemberg wurde festgestellt, dass sich in der Zeit vom

24. bis zum 26. Juni 2003 ein Max B. und ein Ralf B. auf

dem Campingplatz „Cannstatter Wasen“ aufhielten. Da
der Zeuge Max B. angab, sich niemals auf diesem Cam-

pingplatz aufgehalten zu haben, ist davon auszugehen,

dass von Böhnhardt und Mundlos Alias-Personalien ge-

nutzt wurden. Auch eine Handschriftenvergleichsuntersu-

chung ergab, dass der sich auf dem Meldeschein des

Campingplatzes befindende Schriftzug mit hoher Wahr-

scheinlichkeit von Mundlos stammt.

Im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 in Zwickau wur-

den außerdem Stadtpläne von Heilbronn, Ludwigsburg

und Stuttgart mit Markierungen verschiedener Örtlichkei-

ten aufgefunden. Diese Pläne waren ab 2003 bis 2006 im

Handel.
4103

Die Ermittlungsgruppe „Rechts“, die am
17. November 2011 zur Aufklärung möglicher Bezüge zu

relevanten Personen und Gruppierungen aus dem NSU-

Verfahren eingerichtet wurde,
4104

gelangte zu der Bewer-

tung, dass es sich bei den Markierungen mit an Sicherheit

grenzender Wahrscheinlichkeit um mögliche Anschlags-
4100) Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg, Stand:

30. März 2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 169.

4101) Schreiben der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 23. Februar

2012, MAT A GBA-13, Bl. 221.

4102) Ermittlungsbericht des Bundeskriminalamtes, Stand: 20. Juli

2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 34 ff, 98, 99.

4103) Ermittlungsbericht des Bundeskriminalamtes, Stand: 20. Juli
2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 34 ff, 92-97.

4104) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 55.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 463 – Drucksache 17/14600

ziele in Baden-Württemberg handelte, die ausgespäht

wurden, was mit dem Campingplatzaufenthalt und dem

Aufenthalt in der Nordbahnhofstraße in Stuttgart korres-

pondiert.
4105

c) Kontakte des Umfeldes des Trios nach
Baden-Württemberg

Festgestellt werden konnte, dass auch Personen aus dem

Umfeld des NSU Bezugspunkte nach Baden-

Württemberg hatten bzw. haben:

– Thomas R. war Mitglied des „EWK“ und Kontakt-
person zu Achim S., dem Leiter des „EWK KKK“
Deutschland

4106
und Kontaktperson zu Mundlos.

Thomas R. hatte Kontakt zu Markus F., über den das

Trio Personen aus Ludwigsburg kennenlernte.
4107

– Jan Werner, Thomas Starke und Tino Brandt hielten
sich im Zeitraum von 1998 bis 2011 zeitweilig in Ba-

den-Württemberg auf.
4108

Ungesicherten Informatio-

nen zufolge soll auch Thomas Starke in Baden-

Württemberg gewohnt haben.
4109

Während seiner Be-

schuldigtenvernehmung beim BKA sagte Starke aus,

dass der Kontakt nach Baden-Württemberg durch

Markus F. entstanden sei, der in Ludwigsburg lernte.

Er selbst sei vier Mal dort gewesen: ein Mal in Heilb-

ronn auf einer „1000-Dosen-Party“, ein Mal auf ei-
nem Konzert in Stuttgart, ein Mal auf einer Party bei

Stuttgart und ein Mal auf einer Party in Ludwigs-

burg.
4110

– Andreas G. arbeitet aktuell in Baden-Württemberg
und war Mitglied der Band „Noie Werte“. Er stammt
aus dem einstigen Netzwerk „Blood & Honour“ in
Sachsen und ist im Jahr 2002 aus Chemnitz in den

Südwesten Baden-Württembergs umgesiedelt.
4111

– Jan Werner arbeitet ebenfalls aktuell in Baden-
Württemberg.

4112
Ende Januar 2012 wurde gegen ihn

ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er den spä-

teren Gründern des NSU 1997 oder 1998 eine Waffe

besorgt haben soll.

– Ralf Wohlleben, Jan Werner, Andreas G. und Tho-
mas Starke verfügen über nachweisliche Kontakte in
4105) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff, Bl. 60.

4106) Näheres zum EWK KKK unter C. II. 5.

4107) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.

4108) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.

4109) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 73.

4110) Beschuldigtenvernehmung vom 5. Juni 2012, MAT A GBA-
4/30, Bl. 203 ff., 204.

4111) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62; Beschuldigtenvernehmung
Thomas Starke vom 15. Februar 2012, GBA-4/30, Bl. 69 ff.

4112) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.

die „Blood & Honour“-Szene und andere Rechts-
rock-Musikverteilernetze nach Baden-Württemberg.
4113

Wohlleben, Starke, Werner und G. hatten bereits vor dem

Untertauchen des Trios im Jahr 1998 Kontakte zum Trio.

Sie waren über manifeste und rechte Netzwerkstrukturen

miteinander verbunden. Gemeinsam ist ihnen zudem, dass

sie in der rechtsextremistischen Szene in Thüringen oder

Sachsen oder in der verbotenen kriminellen Vereinigung

„Blood & Honour“ aktiv waren und Verbindungen zu
Verteilernetzwerken von „rechter Musik“ oder „rechten
Bands“ hatten oder selbst Veranstalter oder Verteiler
waren.

4114
d) Kontakte des Trios zu weiteren Personen
aus der rechten Szene in Baden-
Württemberg

In einem Bericht vom 24. Januar 2013 teilte das LKA

Baden-Württemberg mit, dass es Kontakte des NSU oder

dessen Umfelds auch in die Regionen Heilbronn, Schwä-

bisch Hall, Rems-Murr-Kreis und Stuttgart gegeben ha-

ben soll. Auch soll sich das Trio bereits vor der Tat in

Heilbronn aufgehalten haben. Eine abschließende Bewer-

tung könne diesbezüglich jedoch zum derzeitigen Zeit-

punkt noch nicht abgegeben werden.
4115

aa) Sylvia F.

Sylvia F., geb. E.,
4116

wohnte von 1995 bis 1997 in

Erolzheim (Oberschwaben). Sie nahm zwischen 1994 und

1996 an mehreren neonazistischen Skinhead-Treffen in

Bayern und Baden-Württemberg sowie Versammlungen

der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene

und deren Angehörige e.V. (HNG) in Hessen und Rhein-

land-Pfalz teil. Bis zumindest 2007 war sie Funktionärin

der „HNG“.4117 In ihrer Zeugenvernehmung beim BKA
am 22. Januar 2013 gab sie an, sie könne keine Angaben

mehr dazu machen, seit wann sie im Vorstand der „HNG“
tätig gewesen sei. Ungefähr 2001/2002 habe sie diese

Tätigkeit aufgegeben.
4118

Die Tätigkeit für den „HNG“
habe sie ausgeübt, um etwas Gutes für Gefangene zu

tun.
4119
4113) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 62.

4114) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 71, 72.

4115) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70.

4116) Sylvia F. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs zu

diesem Abschnitt Stellung genommen.

4117) Vermerk des BKA vom 19. Juli 2012, MAT A GBA-4/34, Bl.

125 ff., 173.

4118) Zeugenvernehmung des BKA vom 22. Januar 2013, MAT A
GBA-18, Bl. 4 ff., 5.

4119) Zeugenvernehmung des BKA vom 22. Januar 2013, MAT A

GBA-18, Bl. 4 ff., 5.

Drucksache 17/14600 – 464 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sylvia F., geb. E., schrieb Mundlos am 11. Januar 1997

einen Brief, in dem sie sich dafür bedankte, dass Mundlos

die Unterlagen eines Norberts überarbeitet und geprüft

habe. Weiterhin führte sie aus:

„Sehr erfreulich, dass Ihr bei den leidigen Haus-
durchsuchungen vorgesorgt habt. Denn leider gibt

es einige Kameraden welche nicht so informiert

sind.“4120

Zu dem Brief befragt, gab sie in ihrer Zeugenvernehmung

beim BKA am 22. Januar 2013 an, der Inhalt des Briefes

sage ihr nichts. Sie könne sich auch nicht an eine Person

namens Uwe Mundlos erinnern. Sie habe zum damaligen

Zeitpunkt viele Kontakte gehabt.
4121

Aus einer Erkenntniszusammenstellung zur Publikation

Der Weisse Wolf geht hervor, dass Sylvia F., geb. E., in

einer Ausgabe des Weissen Wolfes im Jahr 1997 als An-

sprechpartnerin für die „Angehörigen der inhaftierten
Kameraden“ genannt wurde. In einer weiteren Ausgabe,
die vermutlich Ende 1997 erschien, wurde ein mit „Syl-
via“ unterschriebenes Grußwort abgedruckt, das vermut-
lich Sylvia F. zuzuordnen ist. Zudem wird angenommen,

dass für Ausgaben, die im Frühjahr 1998 sowie auch

Mitte/Ende 2000 erschienen, Sylvia F. und ihr Ehemann,

Maik F., die Herausgabe des Fanzines zu verantworten

hatten.
4122

bb) Hinweise auf weitere Kontaktpersonen

Als Beispiele für mögliche weitere Bezüge nach Baden-

Württemberg sind zu nennen:

– Festzustellen ist, dass in der Wohnung des Trios in
der Frühlingsstraße 26 in Zwickau ein Personalaus-

weis von Sascha J. aufgefunden wurde. Sascha J.

stammte aus Zwickau, ließ sich aber von der Stadt

Neudenau einen Personalausweis ausstellen. Bei der

Adresse handelte es sich um eine Unterkunft für Sai-

sonarbeiter bei der Fa. Kaufland. Zudem benutzte

Zschäpe 2011 ein Handy, das auf den Namen seiner

Ehefrau angemeldet war.
4123

– Von Maik S., der in Laupheim/Ulm wohnt, wurde im
Brandschutt eine Krankenversicherungskarte aufge-

funden. Er hat keine plausible Erklärung dafür. Ihm

sei diese Karte abhanden gekommen, das Trio kenne

er nicht.
4124
4120) Brief von Sylvia E. an Mundlos, MAT A GBA-13, Bl. 199.

4121) Zeugenvernehmung des BKA vom 22. Januar 2013, MAT A

GBA-18, Bl. 4 ff., 6, 7.

4122) Schreiben des BfV vom 6. Juli 2012, GBA-15a, Bl. 110 ff.

4123) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70; Gesamtvermerk zur miss-

bräuchlichen Nutzung von Aliaspersonalien durch Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe vom 13. Juli 2012, Bl. 119 ff., 158.

4124) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,

MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70.

– Zudem wurden die Kontaktdaten eines Reinhard
S.

4125
aus Geislingen/a.d. Steige in einem in der Früh-

lingsstraße 26 in Zwickau aufgefundenen Notebook

festgestellt.
4126

– In den aktuellen Ermittlungsakten zum Heilbronner
Polizistenmord findet sich der Hinweis eines Zeugen

(F. H., als Mitläufer der rechten Szene zugeordnet),

wonach es in Deutschland neben dem NSU als

„zweite radikalste Gruppe“ die „Neoschutzstaffel“
(NSS) gebe. NSU und NSS hätten sich – Datum un-
bekannt – zu einer gemeinsamen Veranstaltung in
Öhringen (Baden-Württemberg) getroffen. Der Hin-

weis konnte nicht verifiziert werden.
4127

– Am 29. Oktober 2011 erhält Beate Zschäpe eine SMS
von einem Handy, das auf einen „D. M.“ in Stuttgart
zugelassen ist. Dort wohnt eine Frau M. (* 1928), die

eine Tochter hat. Die Familie erklärt, mit dem Namen

„D. M.“ nichts anfangen zu können.4128

2. Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zum Trio, zu seinem Unterstützerumfeld
und zu Bezügen des Trios nach Baden-
Württemberg

a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten
Szene in Baden-Württemberg durch das
LfV Baden-Württemberg

Der Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 Präsi-

dent des LfV Baden-Württemberg war, hat in seinem

einleitenden Statement vor dem Untersuchungsausschuss

ausgeführt, die Institution Verfassungsschutz habe als

Frühwarnsystem des demokratischen Staates in diesem

konkreten Bereich versagt. Die Verfassungsschützer

könnten nicht von dem Vorwurf freigesprochen werden,

nicht weit genug gedacht und nicht treffsicher genug

analysiert zu haben.
4129

Das Problem der Gewaltbereit-

schaft von Rechtsextremisten sei zwar nicht unterschätzt

worden, es sei aber kein Hinweis auf rechtsterroristische

Strukturen gesehen worden. Er hat hierzu ausgeführt:

„ … ich erinnere mich auch an meinen letzten Be-
richt, den ich verantworten durfte, für das Jahr

2004 -, dass wir sehr deutlich auf die Gewaltbe-

reitschaft hingewiesen haben, auf das Waffenprob-

lem hingewiesen haben. All die Dinge sind schon

genannt worden und die Gefährlichkeit. Aber der

eigentliche Schritt zum Rechtsterrorismus mit all

dem Umfeld, der ist damals von keiner Seite gezo-
4125) Reinhard S. hat im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs

zu diesem Abschnitt Stellung genommen.

4126) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 24. Januar 2013,
MAT A GBA-13, Bl. 53 ff., Bl. 70.

4127) Ermittlungsbericht Soko „Parkplatz“ vom 30. März 2012, MAT
A GBA-4/19, Bl. 205.

4128) Vermerk des BKA zur Verkehrsdatenaushebung vom 11. Juni

2012, MAT A BY-14/1b, Bl. 516.

4129) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 40.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 465 – Drucksache 17/14600

gen worden. Wir haben gesagt: erhebliches Ge-

waltpotenzial, aber im Grunde kein Hinweis auf

rechtsterroristische Strukturen. - Das mag feinfüh-

lig klingen, und das mag man aus heutiger Sicht

auch kritisieren. Aber das war - ich sage noch

mal - im Zweifel ein Teil der Fehleinschätzungen,

dass man im Grunde dann den entscheidenden

weiteren Schritt damals zumindest nicht gegangen

ist. Aber auf die Gefahr wurde schon aufmerksam

gemacht, und es war uns auch bewusst.“4130

Der Bericht des LfV Baden-Württemberg aus dem Jahr

2004 bestätigt die Einschätzung, dass die Gewaltbereit-

schaft von Rechtsextremisten durchaus gesehen wurde.

So heißt es in diesem Bericht:

„Auch 2004 zeugten einzelne dieser Taten von ei-
ner Skrupellosigkeit, die darauf schließen lässt,

dass die jeweiligen Täter schwerste, womöglich

tödliche Verletzungen auf Seiten der Opfer fahr-

lässig oder bewusst in Kauf nahmen.“4131

Dass der Organisationsgrad der Rechtsextremisten dage-

gen unterschätzt wurde, belegt ein Auszug aus Bericht des

LfV Baden-Württemberg aus dem Jahr 2003:

„Skinheads, die für die meisten rechtsextremisti-
schen Gewalttaten im Land verantwortlich sind,

weisen in aller Regel die in dieser Definition vo-

rausgesetzte Nachhaltigkeit im Kampf für politi-

sche Ziele nicht auf, meist fehlt es bereits an einer

deutlich strukturierten und artikulierten politischen

Zielsetzung. Kennzeichen dieser Subkultur sind

zudem Unfähigkeit und mangelnder Wille zu kon-

kreter Organisierung. Geringere Intellektualität,

Desinteresse an ideologischen Fragen sowie rein

‚Spaß’-orientiertes Verhalten, beispielsweise ex-
zessiver Alkoholgenuss, und die daraus resultie-

rende Disziplinlosigkeit machen meist schon eine

kontinuierliche Mitarbeit in einer bereits vorhan-

denen Organisation schwierig bis unmöglich.

Anders stellt sich die Lage in der Neonaziszene

dar. Zwar ist auch hier der Organisationsgrad ver-

gleichsweise gering, doch liegt dies vorwiegend

daran, dass die neonazistischen Strukturen in

Deutschland in den 90er-Jahren durch zahlreiche

Organisationsverbote weitgehend zerschlagen

wurden.“4132

Der Zeuge Dr. Rannacher hat weiterhin ausgeführt, das

Problem der Skin-Szene und -Konzerte habe landesweit

bestanden. Schwerpunkte dieser Szene habe es im Groß-

raum Stuttgart gegeben, zu dem auch Ludwigsburg zu

zählen sei, sowie im Rhein-Neckar-Raum, teilweise auch

am Bodensee und im kleineren Umfang im Raum Heil-

bronn.
4130) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 55.

4131) Bericht des LfV Baden-Württemberg 2004, S. 119.

4132) Bericht des LfV Baden-Württemberg 2003, S. 146, 147.

Auch der Zeuge Schmalzl, der von August 2005 bis De-

zember 2007 Präsident des LfV Baden-Württemberg war,

hat dargelegt, dass zu seiner Amtszeit das Thema Rechts-

terrorismus in seiner Bedeutung als nachhaltig geführter

Kampf zur Durchsetzung rechtsextremistischer Ziele

mittels Anschläge von allen Sicherheitsbehörden verkannt

worden sei. Es sei lediglich für möglich gehalten worden,

dass Einzelpersonen den Fall Wiese zum Anlass nehmen

könnten, Anschläge zu verüben. Schlussfolgerung hieraus

sei eine verstärkte Beobachtung und eine Übereinkunft

gewesen, konkrete Gefährdungslagen unmittelbar an die

Polizei zu melden.
4133

Bei den Bund-Länder-Tagungen

habe das Thema Rechtsterrorismus so gut wie keine Rolle

gespielt. In Baden-Württemberg habe es keine Hinweise

auf konspirative Gruppen, innerhalb von Kameradschaf-

ten oder sonstigen Vereinigungen gegeben, die es darauf

angelegt hätten, systematisch von politischen Gegnern

Daten zu sammeln. Auch habe es keine Hinweise auf

Anschlagsplanungen, Waffen und Sprengstoff in Baden-

Württemberg gegeben. Dennoch habe man sich an der

einen oder anderen Stelle Sorgen gemacht und sei repres-

siv gegen neonazistische Organisationen vorgegangen.

Dies habe vor allem die Skinhead-Szene und die Musik-

szene betroffen.
4134

Der Zeuge Schmalzl hat weiterhin dargelegt, in Zusam-

menarbeit mit der Polizei habe man versucht präventiv zu

wirken und aufzuklären. Das LfV Baden-Württemberg

habe eine eigene Skin-Broschüre herausgebracht, die

vielen Menschen geholfen habe. Gleichzeitig sei es ge-

meinsam mit der Polizei gelungen, auch große Konzerte

mit 450 Besuchern aufzulösen. Die Praxis diesbezüglich

hat der Zeuge Schmalzl wie folgt beschrieben:

„Deswegen haben wir in guter Kooperation mit der
Polizei versucht, als erstes die Kasse und vielleicht

die Musikinstrumente zu beschlagnahmen oder die

CDs, die dort verkauft wurden. Wir sind dort bis

an die Grenzen gegangen. Wenn Konzerte unter

freiem Himmel waren, dann wurde mal ein Land-

wirt zu Hilfe gerufen, der noch schnell das Feld

gedüngt hat.

Wir waren also wirklich sehr kreativ; aber es hat

eines auch hervorgerufen: dass sich diese Szene

immer konspirativer verhalten hat. Man hat es als

Privatparty dann getarnt. Da nützt dir dann auch

die Vermieteransprache nichts, weil man gedacht

hat, es ist eine Geburtstagsparty und derglei-

chen.“4135

Der Zeuge Schmalzl hat betont, es sei richtig gewesen,

sich auf den Bereich der Skin-Musik zu konzentrieren.

Frühzeitig sei aber erkannt worden, dass sich dieser Be-

reich irgendwann ins Internet verlagern werde. Es habe

ihn daher sehr gefreut, dass die Landesregierung finanzi-

elle Mittel zum Aufbau eines Internetkompetenzzentrums
4133) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 100.

4134) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 101.

4135) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 108.

Drucksache 17/14600 – 466 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

für die Bereiche Islamismus und Rechtsextremismus zur

Verfügung gestellt habe.
4136

Der Zeuge Schmalzl hat außerdem dargelegt, dass es nach

dem „Blood&Honour“-Verbot in seiner Amtszeit in Ba-
den-Württemberg große Durchsuchungen gegeben habe.

Dies habe aber zur Folge gehabt, dass sich die Szene noch

mehr zurückgezogen habe. Es sei enorm schwer, in diese

konspirativen Strukturen vorzustoßen.
4137

Der gewaltbe-

reite Rechtsextremismus sei in Baden-Württemberg im-

mer existent gewesen. Sie seien sich aber ziemlich sicher

gewesen, im Vergleich zu anderen Ländern ordentlich

aufgestellt zu sein, um in Erfahrung bringen zu können,

wenn es eine vergleichbare terroristische Gruppe wie dem

NSU mit baden-württembergischen Wurzeln gegeben

hätte.
4138

b) Mangelnder Zugang des LfV Baden-
Württemberg zur rechten Szene im Raum
Ludwigsburg

Der Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 das

LfV Baden-Württemberg leitete, hat dargelegt, dass sich

die Zugangslage in Ludwigsburg für das LfV ausgespro-

chen schwierig gestaltete:

„Das Problem war nicht zuletzt auch - wenn ich
noch einen anderen Ort nennen kann: Ludwigs-

burg - die Zugangslage, die sich für uns teilweise

ausgesprochen schwierig gestaltet hat. Wir haben

natürlich Werbungsversuche gemacht, wobei wir

uns von vornherein im Klaren waren, dass es in

der Skinhead-Szene ausgesprochen schwierig und

problematisch vor allem auch ist, hier V-Leute zu

führen, Stichwort ‚Alkohol’, Stichwort ‚Gewaltbe-
reitschaft’. Das heißt, wir sind hier mit einer er-
heblichen Vorsicht ans Werk gegangen. Leute, wo

wir meinten, die sind nicht führbar, etwa wegen zu

großem Alkoholgenuss oder zu starker Gewaltbe-

reitschaft, sind von vornherein ausgeschaltet oder

ausgesondert worden. Wir haben auch in den von

Ihnen zitierten Räumen Versuche gemacht.

Ich bin jetzt nicht in der Lage, noch zu sagen, in-

wieweit das von Ihnen genannte Gebiet Mos-

bach/Heilbronn damals positiv abgedeckt war. Das

habe ich schlicht und einfach nicht mehr präsent.

Ich weiß nur, dass gerade der Großraum Stutt-

gart/Ludwigsburg immer ein - ja, ich will nicht sa-

gen - weißes Gebiet blieb, aber jedenfalls ausge-

sprochen schwierig - - von der VP-Führung her

dort überhaupt Informanten zu gewinnen.“4139

Die Zeugin Neumann, die von 1993 bis 2011 Referatslei-

terin für den Bereich Rechtsextremismus im LfV Baden-

Württemberg war, hat bestätigt, dass das LfV Baden-
4136) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 109.

4137) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 108.

4138) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 109.

4139) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 44.

Württemberg im Raum Ludwigsburg nicht genügend

Informationen erhalten habe. Auch in Stuttgart hätten sie

sich gewünscht, mehr Informationen zu bekommen. Dies

sei aber leider nicht der Fall gewesen.
4140

Das Problem des mangelnden Zugangs in einigen Regio-

nen hat der Zeuge Dr. Rannacher wie folgt bewertet:

„Ich muss allerdings sagen - das muss in Gottes
Namen auch akzeptiert und toleriert werden -: Auf

Teufel komm raus irgendeinen Zugang zu schaf-

fen, nur um vielleicht mehr oder weniger unzuver-

lässige Informationen zu erhalten, das kann es ja

auch nicht sein. Und ich sage Ihnen jetzt etwas,

was Sie mir vielleicht um die Ohren hauen: Wir

sind nicht allzuständig im Land. Ich bekenne mich

zu den weißen Flecken, weil ich zumindest nie den

Ehrgeiz hatte, das Land nun dicht mit einem Netz

zu überziehen, dass uns also gar nichts entgeht.

Dass das hier tragische Formen angenommen hat,

zumindest in anderen Ländern und ja dann am En-

de bei uns auch in Heilbronn, das ist die ganze

Tragik der Situation.“4141

c) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zum „Thüringer Heimatschutz“ und zum
Trio

Dem LfV Baden-Württemberg wurden seit Anfang der

90er Jahre zahlreiche Personenlisten des LfV Thüringen

übersandt, welche anlässlich einzelner Treffen und Ver-

anstaltungen angefertigt wurden. Ausführlich wurde über

den „Thüringer Heimatschutz“ berichtet. In diesem Zu-
sammenhang tauchten auch Namen der mutmaßlichen

Unterstützer des Trios auf.
4142

Zu den in den Akten ge-

nannten Personen gehörten u. a. André Kapke, Mario

Brehme, Tino Brandt, Patrick W., Carsten Schultze,

Thorsten Heise, Holger Gerlach, Frank Schwerdt und

Ralf Wohlleben
4143

also allesamt Personen, die zum Unter-

stützerkreis des Trios zu zählen sind.
4144

Der Zeuge Dr.

Rannacher hat ausgesagt, aufgrund von Besuchen eines

Liedermachers aus Baden-Württemberg, Rennicke, bei

Veranstaltungen der NPD, der JN und von Skinheads in

Thüringen, hätten dem LfV Baden-Württemberg Quellen-

berichte vorgelegen, in denen gelegentlich auch Mundlos

und Böhnhardt genannt worden seien.

Zudem lässt sich den Akten entnehmen, dass beim LfV

Baden-Württemberg am 6. Februar 1998 ein Schreiben

des Thüringer LfV einging, mit dem alle Verfas-

sungsschutzbehörden über die dem Trio zugerechneten

Straftaten, ihre Flucht nach der Garagendurchsuchung

und ihre Mitgliedschaft im „Thüringer Heimatschutz“
unterrichtet wurden. In dem Schreiben wurde gefragt, ob
4140) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 8.

4141) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 69.

4142) MAT A BW-1/1 Anlagen 1 bis 5 (Tgb.-Nr. 42/12 – GEHEIM).

4143) MAT A BW-1/3 (Tgb.-Nr. 127/13 – VS-VERTRAULICH).

4144) 41-er Liste, MAT A BKA-2, Anlage zum Übersendungsschrei-

ben vom 27. Februar 2012.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 467 – Drucksache 17/14600

es Hinweise auf einen möglichen Aufenthalt der drei

Flüchtigen gebe oder ob Hinweise darauf vorlägen, dass

diese möglicherweise Unterschlupf im Ausland suchen

würden.
4145

Der Zeuge Dr. Rannacher hat ausgesagt, nach Eingang

dieses Schreibens sei es hausintern im gesamten Referat

„Rechtsextremismus“ gestreut worden. Es sei an alle
Außenstellen, die operativ die V-Mann-Führer bündelten,

weitergegeben worden. Erweiterungen, dass es zu einem

späteren Zeitpunkt Hinweise über den Aufenthalt der drei

gegeben habe, seien ihm nicht bekannt.
4146

Die Zeugin Neumann hat ausgesagt, ihr sei der Fall si-

cherlich bekannt gewesen. Er sei mit Sicherheit bei Ta-

gungen thematisiert worden, die regelmäßig stattgefunden

hätten. Konkret könne sie sich aber nicht mehr an den Fall

erinnern. Auch habe sie in den Protokollen nichts mehr

hierzu finden können. Es habe auch keine Bezüge nach

Baden-Württemberg gegeben. Die Namen des Trios seien

ihr erst nach dem 4. November 2011 präsent gewor-

den.
4147

d) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zu den Personen der Garagenliste und zu
weiteren Kontaktpersonen des Trios aus
Ludwigsburg

Zu den Personen der Garagenliste lagen dem LfV Baden-

Württemberg folgende Erkenntnisse vor:

– Zu Sylvia F., geb. E., sollte das LfV Baden-
Württemberg im Mai 1999 im Auftrag des BfV ein

Lichtbild beschaffen, was im Ergebnis nicht möglich

war, da der Bundespersonalausweis in Bayern ausge-

stellt worden war. Die Ermittlungen erfolgten im

Rahmen einer Abklärung von Mitgliedern der „Hilfs-
organisation für nationale politische Gefangene und

deren Angehörige e.V.“.4148

– Für Michael E. lag ein Eintrag des LfV Baden-
Württemberg aufgrund seiner Teilnahme an einem

nationalen Skintreffen bei Neckarwestheim vor, das

im Zeitraum vom 9. bis zum 12. April 1993 statt-

fand.
4149

– Ein Eintrag des LfV Baden-Württemberg zu Hans-
Joachim S. bezog sich auf die Teilnahme an einem

Skinhead-Treffen in Geislingen-Binsdorf am 20. Ap-

ril 1996. Dieses Treffen fand anlässlich des 104. Ge-

burtstages von Adolf Hitler statt.
4150

Weitere Einträge
4145) Schreiben des Thüringer LfV vom 3. Februar 1998, MAT A

BW-1/3 (Tgb.-Nr. 127/13 – VS-VERTRAULICH), Bl. 1325,
1326 (offen).

4146) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 43.

4147) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 7.

4148) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

9. April 2013, MAT A BW-13a, Bl. 3.

4149) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 28. April 1993,
MAT A BW-13a, Bl. 6-11.

4150) Befragungsbericht des MAD vom 20. November 1997 und

28. Januar 1998, MAT A BW-13a, Bl. 25.

bezogen sich auf die Teilnahme von Hans-Joachim S.

an Skinhead-Treffen am 26. Januar 1996
4151

und am

7. September 1996.
4152

Die Zeugin Neumann hat ausgesagt, die Personen von der

Garagenliste, die aus Baden-Württemberg stammten,

seien ihr völlig unbekannt gewesen. Erst in der Nach-

schau habe sie festgestellt, dass es zu zweien dieser Per-

sonen, nämlich zu Hans-Joachim S. und Michael E.

Fundstellen in ihren Aktenbeständen gegeben habe. Zu

beiden Personen hätten sich drei oder vier Einträge ge-

funden, bei denen es sich um keine herausragenden Er-

eignisse gehandelt habe. Es sei um Teilnahmen an Szene-

treffen und Musikveranstaltungen gegangen, die durchaus

üblich in der Szene seien. Ihrer Einschätzung nach hande-

le es sich um „normale Mitläufer“. Auch weitere Perso-
nen aus Ludwigsburg, mit denen sich das Trio regelmäßig

getroffen habe, wie beispielsweise Torsten S. und Markus

F., seien ihr nicht bekannt.
4153

Der Zeuge Dr. Rannacher hat ausgesagt, an eine der Per-

sonen, die im Zusammenhang mit der „Ludwigsburg-
Connection“ genannt worden seien, Andreas G., könne er
sich erinnern. Das LfV Baden-Württemberg habe ver-

sucht, Andreas G. genau zu beobachten. Allerdings sei

man über Skinhead-Konzerte, die Andreas G. mitgestaltet

habe, nicht hinausgekommen. Eine Fortsetzung von

„Blood & Honour“-Aktivitäten sowie weitere Kontakte
habe man nicht erkennen können. Hier hätten Informatio-

nen auch deshalb gefehlt, weil man in diesem Raum kei-

nen ertragreichen Zugang gehabt habe.
4154

e) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zu Kontakten zwischen Rechtsextremisten
aus Baden-Württenberg, Thüringen und
Sachsen

Die Zeugin Neumann hat dargelegt, ihr seien direkte Be-

züge zwischen Rechtsextremisten aus Thüringen oder

Sachsen und Baden-Württemberg nicht bekannt gewesen.

Zwar seien durchaus Rechtsextremisten aus Sachsen und

Thüringen nach Baden-Württemberg gereist. Die Kontak-

te seien aber nach ihrer Kenntnis nicht sehr intensiv ge-

wesen. Einen Austausch zwischen den Verfas-

sungsschutzbehörden habe es gegeben, es sei aber nicht

immer möglich gewesen, die an einer Szeneveranstaltung

teilnehmenden Personen namentlich zu benennen.
4155

Daran, dass von Seiten des LfV Sachsen Reisebewegun-

gen Chemnitzer Neonazis mitgeteilt worden seien, könne

sie sich nicht erinnern. Hierzu sei in den Akten nichts

mehr auffindbar.
4156

Auch seien ihr keine Personen aus

dem „Blood & Honour“-Umfeld wie beispielsweise Jan
4151) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 30. Januar 1996,

MAT A BW-13a, Bl. 27 ff.

4152) E-Mail vom 13. September 1996, MAT A -BW-13a, Bl. 30 ff.

4153) Neumann, Protokoll-Nr. 65, 3 bis 5.

4154) Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 61.

4155) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 3 bis 5.

4156) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 7.

Drucksache 17/14600 – 468 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Werner bekannt geworden, die sich beruflich oder privat

in Baden-Württemberg aufgehalten hätten.
4157

Der Zeuge Schmalzl hat ausgesagt, von Bezügen zwi-

schen Neonazigruppierungen aus Sachsen und Thüringen

zu Vertretern dieser Gruppierungen in Baden-

Württemberg habe sein Amt nur abstrakt gewusst. Es sei

eine der Lehren, die man aus dem Fall ziehen könne, dass

man viel mehr auch personenbezogen arbeiten müsse.
4158

Über Bezüge von Tino Brandt nach Baden-Württemberg

war keinem der vor dem Untersuchungsausschuss ver-

nommenen Zeugen des LfV Baden-Württemberg etwas

bekannt. So haben die Zeugen Neumann, Dr. Rannacher

und Schmalzl übereinstimmend erklärt, von Kontakten

Tino Brandts nach Baden-Württemberg hätten sie nichts

gewusst. Insbesondere hätten sie keine Kenntnis davon

erhalten, dass Tino Brandt in Baden-Württemberg ein

Haus erworben habe.
4159

Der Zeuge Dr. Rannacher hat die Frage, ob man als regi-

onales LfV vom ursprünglichen LfV informiert werde,

wenn sich Wohnsitzverlagerungen von Rechtsextremisten

ergäben, grundsätzlich bejaht. Es habe nach der Wieder-

vereinigung eine Absprache gegeben, dass bei Wohnsitz-

verlagerungen in ein anderes Bundesland eine entspre-

chende Erkenntnismitteilung weitergegeben werde, wenn

die betreffende Person von einiger Bedeutung sei. Ob dies

in den konkreten Fällen geschehen sei, könne er nicht

mehr sagen.
4160

Das vorhandene Erkenntnisdefizit hat die Zeugin Neu-

mann wie folgt bewertet:

„Die Erkenntnis hat uns einfach gefehlt über diese
Reisebewegung, über die Personen, die sich da of-

fenbar über Jahre unerkannt in der Szene Baden-

Württembergs haben bewegen können, ohne dass

wir das mitbekommen haben. Ich finde das auch

ganz schrecklich.

Die Erklärung: Tja, es sind weder Informationen

von außen an uns herangebracht worden, die da

lauten, ‚Da kommen jetzt welche’, und vor allen
Dingen haben die Informationen aus unserem ei-

genen Informationsaufkommen einfach gefehlt.

Und das liegt - davon bin ich überzeugt - einfach

daran, dass unsere Erkenntnislage oder Er-

kenntnissituation, die Zugangslage in diesem Be-

reich einfach nicht gut genug war. Anders kann ich

mir das nicht erklären. Ich will jetzt nicht sagen,

wir hätten mehr Quellen gebraucht - vielleicht

mehr, vielleicht andere, vielleicht bessere -, aber

auf jeden Fall Leute, die in diesem Bereich drin

sind, in dieser Szene, und die vielleicht dann mit-

bekommen hätten: „Da kommen welche mit Na-
men“ - oder meinetwegen auch Unbekannte - ‚aus
4157) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 7.

4158) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 118.

4159) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 8; Dr. Rannacher, Protokoll-Nr.

65, S. 70; Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 113.

4160) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 61.

Sachsen, aus Thüringen, woher auch immer’, und
uns das gemeldet hätten.“4161

Zu der Frage, woran es liegt, dass man von Quellen das

ein oder andere nicht erfahre, hat der Zeuge Dr.

Rannacher ausgeführt, man könne nie hundertprozentig

sicher sein, dass eine Quelle – selbst, wenn sie als eini-
germaßen zuverlässig eingestuft werde – alles sage. Dies
scheine im Fall des Trios der Fall gewesen zu sein.

4162
f) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg
zu Kontakten des Trios nach Baden-
Württemberg

Mit Schreiben vom 9. April 2013 teilte das Innenministe-

rium Baden-Württemberg mit, Hinweise zu Kontakten

des Trios zur rechtsextremen Szene und zur

„Blood & Honour“ Bewegung, hätten in den Akten des
LfV Baden-Württemberg nicht gefunden werden kön-

nen.
4163

Der Zeuge Dr. Rannacher hat ausgesagt, ihm sei nie et-

was davon bekannt geworden, dass das Trio über zwei-

einhalb Jahre nach dem Abtauchen noch Besuchskontakte

zu Personen aus Ludwigsburg hatte. Diesen Vorgang

kenne er nur aktuell aus den Medien.
4164

Der Zeuge Schmalzl, der von August 2005 bis Dezember

2007 Präsident des LfV Baden-Württemberg war, hat

ausgeführt, sie hätten in Baden-Württemberg keine Hin-

weise auf den NSU gehabt, weder vom BfV noch von den

regionalen Landesämtern in Sachsen und Thüringen.
4165

Auch seien ihm keine Personen oder Gruppierungen aus

dem Umfeld von „Blood & Honour“ und „Combat18“ in
Baden-Württemberg oder andere Gruppierungen bekannt,

die rechtsterroristische Neigungen offenbart hätten und

Ankerpunkt für den NSU hätten sein können.
4166

g) Hinweisgeber Günter Stengel (Vorgang
Erbse)

aa) Sachverhalt

Am 23. November 2011 wandte sich Günter Stengel, ein

ehemaliger Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg, an

das BKA und gab an, Erkenntnisse bezüglich der Vor-

gänge Heilbronn und Rechtsterrorismus zu haben.
4167

Gegenüber dem BKA trug er im Folgenden vor, bereits

2003 von einem Informanten Informationen u. a. zu

Mundlos und einer Organisation namens NSU erhalten zu
4161) Neumann, Protokoll-Nr. 29, S. 27.

4162) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 62.

4163) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom
9. April 2013, MAT A BW-13b, Bl. 4.

4164) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 43.

4165) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 101.

4166) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 113.

4167) BAO-Erfassungsbeleg vom 23. November 2011, MAT A GBA-

4/20, Bl. 42, 43.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 469 – Drucksache 17/14600

haben. Der Kontakt sei damals über einen Pfarrer in

Flein/Heilbronn zustande gekommen. Der Informant habe

außer zu Rechtsradikalen in Thüringen auch über einen

Mossad-Agenten und einen ungeklärten Mordfall in

Stuttgart berichtet. Der Kontakt des Informanten zu

rechtsradikalen Kreisen aus Thüringen sei während einer

Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal zustan-

de gekommen und danach fortgesetzt worden. Der Infor-

mant habe zu einem späteren Zeitpunkt Mundlos in Thü-

ringen aufgesucht. Dieser sei im Gegenzug auch 2003 in

Heilbronn gewesen. Der Informant sei seinerzeit als

„nicht seriös“ eingestuft worden. Im Jahr 2005 habe sich
der Informant an den damaligen Vorsitzenden des Bun-

destagsinnenausschusses, Abg. Edathy, gewandt, was zu

einer Berichterstattung an das BfV geführt habe. Im Ver-

merk des BKA zu Herrn Stengel wurde festgehalten, dass

dieser einen sehr glaubwürdigen Eindruck gemacht ha-

be.
4168

In seiner hieraufhin durchgeführten Zeugenvernehmung

am 25. November 2011 führte Herr Stengel ergänzend

aus, sein Informant sei zwei- bis dreimal von seinen Thü-

ringer Freunden in Heilbronn besucht worden. Bis auf den

Namen Mundlos erinnere er sich aber an keinen Namen

mehr, den sein Informant genannt habe. Der Informant

habe angegeben, dass die Thüringer mit ihm in Heilbronn

eine Gruppe hätten aufbauen wollen, deren Finanzierung

über Banküberfälle erfolgen sollte. Des Weiteren habe

man auch gegen Ausländer vorgehen wollen. Konkret sei

die Rede davon gewesen, „Ausländer plattzumachen“
oder sie zu einem Wohnortwechsel zu zwingen. Die Thü-

ringer seien der Meinung gewesen, dass es an der Zeit sei,

aus der Planungsphase in die Aktionsphase einzutreten.

Sie seien an den Informanten herangetreten, um dessen

gute Ortskenntnisse in Nord-Württemberg zu nutzen.

Ergänzend erklärte Herr Stengel während der Zeugenver-

nehmung, er habe 2003 zu den vom Informanten genann-

ten drei Themen jeweils einen Bericht geschrieben. Die

Berichte seien aber nach Überprüfung durch den damali-

gen Hausjuristen im LfV Baden-Württemberg aus daten-

schutzrechtlichen Gründen und aufgrund der Vorgaben

des Verfassungsschutzgesetzes vernichtet worden. Das

Wesentliche habe er in einem drei oder vier Seiten umfas-

senden Bericht zusammengefasst, der noch beim LfV

Baden-Württemberg verwahrt sein müsse. Seines Erach-

tens müsse der Bericht in einem Ordner beim „personel-
len Geheimschutz“ abgelegt sein. Dies sei ein Ordner für
Mitteilungen von offenbar verwirrten Personen.

4169
Am 29. November 2011 wurde der Pfarrer, an den sich

der Informant seinerzeit gewandt hatte, als Zeuge ver-

nommen. Er konnte sich noch daran erinnern, dass ein

Mann sich in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2003 an

ihn gewandt hatte, meinte aber, dass nicht vom Thema

Rechtsextremismus gesprochen worden sei. Er könne

nicht ausschließen, dass der Name Mundlos gefallen sei.
4168) Vermerk des BKA vom 12. Januar 2012, MAT A GBA-4/20,

Bl. 4, 5.

4169) Zeugenvernehmung bei der Soko „Parkplatz“ vom 25. Novem-
ber 2011, MAT A GBA-4/20, Bl. 12 ff.

Das Kürzel „NSU“ habe er bis vor Kurzem nicht ge-
kannt.

4170
In einem Vermerk vom 12. Januar 2012 hielt

das BKA fest, dass eine Vernehmung des Pfarrers keine

weiterführenden Informationen oder Ermittlungsansätze

ergeben hätte. Außerdem sei O. niemals in der JVA

Bruchsal inhaftiert gewesen.
4171

In seiner Vernehmung am 2. Dezember 2011 bestätigte

der damalige Informant, Herr O., mit Herrn Stengel vom

LfV Baden-Württemberg gesprochen zu haben. Er gab

aber an, keine Erkenntnisse zu Verbindungen von Rechts-

extremisten aus dem Raum Heilbronn in die neuen Bun-

desländer zu haben. Auch habe er keine Kontakte zu

rechtsradikalen Personen aus Thüringen gehabt. Der Na-

me Mundlos sage ihm nichts. Den Begriff NSU kenne er

nur im Zusammenhang mit „Audi-NSU“. Bei dem Ge-
spräch mit Herrn Stengel sei weder der Name Mundlos

noch der Begriff NSU gefallen. Der Informant räumte

allerdings ein, unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen

zu leiden, da er während seiner Tätigkeit in der JVA Han-

nover als Tischler Möbelteile mit isozyanathaltigem

Zweikomponentenlack lackiert habe.
4172

Am 9. Dezember 2011 wandte sich das LKA Baden-

Württemberg im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zum

NSU schriftlich an das LfV Baden-Württemberg mit

Fragen zu diesem Sachverhalt.
4173

In einer Stellungnahme

vom 29. Dezember 2011 an das LKA Baden-

Württemberg teilte das LfV Baden-Württemberg mit, dass

es den von Herrn Stengel behaupteten Sachverhalt nicht

bestätigen könne. In dem als „Verschlusssache – Vertrau-
lich – amtlich geheimgehalten“ eingestuften Vermerk aus
dem Jahr 2003 über das Gespräch mit Herrn O. seien

keine Hinweise auf den „Thüringer Heimatschutz“, den
NSU, Mundlos oder andere rechtsextremistische oder

rechtsterroristische Aktivitäten im Raum Heilbronn oder

anderswo zu finden. Bei dem Informanten, Herrn O. han-

dele es sich um eine verwirrte Persönlichkeit, deren

Glaubwürdigkeit als nicht sonderlich hoch einzustufen

sei.
4174

Am 13. Januar 2012 kam es zu einem Informationsaus-

tausch zwischen Kollegen des LKA Baden-Württemberg

und des LfV Baden-Württemberg. Anlässlich dieses Ge-

spräches wurde den Kollegen der betreffende Aktenver-

merk von Herrn Stengel aus dem Jahr 2003 vorgelegt. In

einem Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg zu

diesem Gespräch heißt es:
4170) Zeugenvernehmung vom 29. November 2011, MAT A GBA-

4/20, Bl. 377 ff.

4171) Vermerk des BKA vom 12. Januar 2012, MAT A GBA-4/20,
Bl. 4 ff., 5.

4172) Zeugenvernehmung vom 8. Dezember 2011, MAT A GBA-

4/20, Bl. 27 ff.

4173) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 9. Dezember

2011, MAT A BW-6/2, Anlage 2 (Tgb-Nr. 27/12 – VS-
VERTRAULICH) Bl. 1041(VS-NfD).

4174) Schreiben des LfV Baden-Württemberg vom 29. Dezember

2011, MAT A BW-6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 – VS-
VERTRAULICH), Bl. 1078 ff. (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 470 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Gleich zu Beginn des Treffens wurde den Kolle-
gen der betreffende Aktenvermerk vorgelegt. Sie

bestätigten nach dessen Kenntnisnahme, dass Herr

O. bei seiner Vernehmung auf Grund des Hinwei-

ses von Herrn Stengel keinerlei Angaben zur NSU

bzw. zu einer Person namens ‚Mundlos’ machen
konnte. So habe er wohl glaubhaft versichert, we-

der zur Organisation noch zu in diesem Umfeld

handelnden Personen je Kontakt gehabt zu haben.

Die Kollegen [….] betrachteten die Spur somit als
ausermittelt und erledigt.“4175

Tatsächlich enthält der Vermerk des Herrn Stengel vom

12. August 2003 keine Hinweise auf den heute von ihm

behaupteten Sachverhalt.
4176

Vielmehr befasste sich der

Vermerk mit anderen Sachverhalten, wie beispielsweise

den Kontakten des Informanten zum isrealischen Ge-

heimdienst Mossad. Abschließend führte Herr Stengel in

dem Vermerk aus:

„Herr Torsten O. hat nach Meinung von UZ. Prob-
leme bei Wahrnehmungsempfindungen und zeigt

deutlich Symptome, die auf Realitätsverlust in Be-

zug auf Geschehensabläufe hindeuten. Er mischt

offenbar Gelesenes mit z. T. Erlebtem und fügt

diese Erkenntnisse zu seiner Wahrheit zusam-

men.“4177

In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss

hat der Zeuge Stengel ausgesagt, er könne sicher bezeu-

gen, dass die beiden Begriffe, der Name Mundlos und die

Organisation NSU, während des Gespräches mit dem

Informanten gefallen seien.
4178

An den NSU könne er sich

deshalb gut erinnern, weil es das alte Kennzeichen von

Neckarsulm sei.
4179

Der Name Mundlos sei ihm in Erinne-

rung geblieben, weil sie darüber einen Spaß gemacht

hätten. An fünf weitere Namen, die sein Informant ge-

nannt habe, könne er sich dagegen nicht mehr erin-

nern.
4180

Er müsse aber zugeben, dass er dem Informanten

damals nicht geglaubt habe.
4181

Er habe damals drei Be-

richte gefertigt. Einer habe sich mit der Mossad-Sache,

einer mit dem Rotlichtmilieu und einer mit dem Rechtsex-

tremismus befasst. Die Juristen im LfV Baden-

Württemberg hätten die Berichte geprüft.
4182

Sie hätten

ihm gesagt, es entspreche nicht dem Datenschutz diese

Daten zu erheben. Das LfV beobachte nur Institutionen,

die vom Innenministerium genannt worden seien, und

registriere keine Einzelpersonen. Er habe die Berichte
4175) Aktenvermerk des LfV Baden-Württemberg vom 27. Januar

2012, MAT A BW 6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 VS-

VERTRAULICH), Bl. 1088 (VS-NfD).

4176) Vermerk vom 12. August 2003, MAT A BW-6/2, Anlage 2

(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1059, 1060.

4177) Vermerk vom 12. August 2003, MAT A BW-6/2, Anlage 2
(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 1059 ff., 1060.

4178) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 75.

4179) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 80.

4180) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 83.

4181) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 75

4182) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 76.

daraufhin wieder vernichtet. Das Einzige was er habe

erreichen können, sei eine NADIS-Speicherung gewe-

sen.
4183

Der Zeuge Stengel hat weiterhin dargelegt, der Informant

sei mit seinen Behauptungen an viele andere Personen

und Institutionen, u. a. an Abgeordnete, das Justizministe-

rium, den Auswärtigen Ausschuss und das Regierungs-

präsidium, herangetreten.
4184

Außerdem habe der Infor-

mant hierzu ein Buch geschrieben, das er u. a. auch an

den damaligen Vorsitzenden des Bundestagsinnenaus-

schusses, Abg. Edathy, geschickt habe.
4185

Anhaltspunkte

dafür, dass das Buch tatsächlich existiert, hat der Aus-

schuss nicht finden können.

Der Zeuge Stengel hat ausgeführt, nach der Übersendung

des Buches an den Vorsitzenden des Bundestagsinnenaus-

schusses sei ein Kollege vom BfV, der dort Mitglied des

Leitungsstabes des Präsidenten gewesen sei, aufgrund der

NADIS-Speicherung im Jahr 2005 an ihn herangetreten

und habe ihn um Informationen zu dem Informanten

gebeten.
4186

Diese habe er ihm zur Verfügung gestellt,

was eine Rüge seines Vorgesetzten und des Präsidenten

zur Folge gehabt habe, da er es versäumt habe, den Vor-

gang zuvor juristisch von dem Hausjuristen des LfV Ba-

den-Württemberg prüfen zu lassen.
4187

Von dem Sachver-

halt seien aufgrund verschiedener Besprechungen der

damalige Referatsleiter, der Abteilungsleiter und der

damalige Präsident unterrichtet gewesen.
4188

Ein Ge-

spräch mit dem Präsidenten Schmalzl habe im Jahr 2005

stattgefunden.
4189

bb) Bewertung des Sachverhaltes durch die
Zeugen Dr. Rannacher, Schmalzl und
Neumann

Der Zeuge Dr. Rannacher hat erklärt, Herr Stengel sei ein

qualifizierter Beamter des gehobenen Dienstes mit vieler-

lei Erfahrungen gewesen. Er könne insofern dessen Be-

hauptungen nicht abschließend bewerten. Es ergäben sich

aber aus seiner Sicht eine ganze Reihe erheblicher Zwei-

fel an dem Wahrheitsgehalt dieses Sachverhaltes. Zum

einen hat er ausgeführt, dass die Person des Hinweisge-

bers nicht unproblematisch gewesen sei. Dieser sei im

Grunde genommen nicht führbar gewesen, weil er über

das Ziel hinausgeschossen sei und selbst Dinge erfunden

habe. So habe der Hinweisgeber eine Aktion angekündigt,

die sich so nicht bestätigt habe, was dazu geführt habe,

dass man nach Absprache mit dem Landeskriminalamt

die Zusammenarbeit mit dem Hinweisgeber nach wenigen
4183) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 75.

4184) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 86.

4185) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 86.

4186) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 3.

4187) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 79, 80.

4188) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 89.

4189) Stengel, Protokoll-Nr. 29 (nichtöffentlich), S. 2.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 471 – Drucksache 17/14600

Monaten aufgegeben habe.
4190

Weiterhin hat er zur Person

des Hinweisgebers ausgeführt:

„Er hat es, wie gesagt, dann immer wieder probiert
und kam mit den absonderlichsten Informationen,

die immer absonderlicher wurden. Er glaubte, den

Palme-Mord aufklären zu können. Er glaubte, den

Barschel-Mord aufklären zu können, und hat sich

mit solchen Informationen sowohl an uns als auch,

glaube ich, an eine Vielzahl, wie das ja häufig der

Fall ist, von anderen Institutionen - prominenten -

gewandt, sodass wir also jeglichen Kontakt abge-

brochen hatten.“4191

Zudem hat der Zeuge Dr. Rannacher ausführlich darge-

legt, dass die Darlegungen von Herrn Stengel, wonach er

sich mit dem Hausjuristen unterhalten habe, welcher ihm

abgeraten habe, die Hinweise in den Bericht aufzuneh-

men, vollständig der Arbeit des LfV Baden-Württemberg

widersprächen. Im Einzelnen hat er folgende Argumente

vorgetragen:

„Wenn es einen Vorgang gab, etwa so bei einer
Befragung mit verschiedenen Komponenten, etwa

hier Spionageabwehrbereich plus Rechtsextremis-

mus, dann hätte es nach uralter Tradition zwei

Möglichkeiten gegeben: Entweder der Vermerk

wird in doppelter Ausfertigung gemacht - einer

geht in die Abteilung Spionageabwehr, der andere

zum Bereich Rechtsextremismus -, oder man hätte

einen zweiten Vermerk gemacht und hätte den an

den Bereich Rechtsextremismus geschickt.

Nachdem in dem Vermerk, den er nun abgeliefert

hat damals, überhaupt nichts drinsteht, unterstelle

ich mal, dass dies damals auch nicht der Fall war;

aber ich kann es letztlich nicht mit Gewissheit sa-

gen. Wenn er nachgefragt hätte, dann hätte natür-

lich nahegelegen, nachdem es ja angeblich um

rechtsextremistische Bestrebungen hätte gehen sol-

len, im Bereich Rechtsextremismus der ‚Auswer-
tung‘ nachzufragen, und spätestens dann - ich
glaube, der Name Mundlos soll ja gefallen sein -

hätte man über eine banale NADIS-Abfrage, selbst

wenn man den Namen vielleicht nicht präsent hat-

te, erkennen können: Tatsächlich, der ist ja ge-

speichert über Thüringen; das heißt, da muss mög-

licherweise was dran sein.

Also, der Weg, den er beschritten haben will, wäre

völlig ungewöhnlich: Aber ich kann hier nicht de-

finitiv sagen: Das stimmt nicht, was er gesagt hat. -

Es wäre nur sehr ungewöhnlich und für mich des-

halb insgesamt in der Summe sehr zweifelhaft.“4192

Der Zeuge Schmalzl, der ab August 2005 Präsident des

LfV Baden-Württemberg war, hat ausgesagt, er könne

sich nicht daran erinnern, dass ein Gespräch während
4190) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 45.

4191) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 46.

4192) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 46.

seiner Amtszeit mit Herrn Stengel zu diesem Vorgang

stattgefunden habe.
4193

Herr Stengel sei krankheitshalber

auf eigenen Wunsch wegen Dienstunfähigkeit in den

Ruhestand versetzt worden.
4194

Die Zeugin Neumann, die von 1993 bis 2011 Referatslei-

terin für den Bereich „Rechtsextremismus/Auswertung“
im LfV Baden-Württemberg war, hat erklärt, sie wolle die

Angaben von Herrn Stengel nicht bewerten. Wenn er aber

die Informationen in Kombination der Begriffe

„Mundlos“, „NSU“ und „Thüringen“ gegeben hätte, dann
hätte dieser Vorgang auf ihrem Schreibtisch oder dem

ihrer Mitarbeiter landen müssen. Dann wären bei ihnen

alle Alarmglocken angegangen und sie hätten den Fall

dem LfV Thüringen zukommen lassen.
4195

cc) Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheim-
nisses

Die Stellungnahme des LfV Baden-Württemberg vom

29. Dezember 2011 an das LKA Baden-Württemberg

enthielt den Hinweis, dass sich Herr Stengel durch seine

Aussage bei der Polizei wegen der Verletzung des

Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhal-

tungspflicht nach § 353b StGB strafbar gemacht haben

könnte.
4196

Den Akten ist weiterhin zu entnehmen, dass sich das für

den personellen Geheimschutz zuständige Referat bereit

erklärte, ein Gespräch mit Herrn Stengel zu führen, um

ihn an seine Pflichten zu erinnern, wobei man die Frage,

ob dieser sich nach § 353b StGB strafbar gemacht habe,

eher verneinte. Konkret wurde in einer internen E-Mail

des Verfassungsschutzes unbekannten Datums ausgeführt:

„Gleichwohl halte ich es, wie bereits eingangs ge-
sagt, für vernünftig, ein persönliches Gespräch mit

Herrn Stengel zu führen. Vielleicht kann man ihn

auf diese Weise veranlassen, sich zunächst einmal

an unser Amt zu wenden, bevor er seine spekulati-

ven Einschätzungen an die Polizei weitergibt und

so einen erheblichen Arbeitsaufwand verur-

sacht.“4197

Kritik ist im Ausschuss daran geübt worden, dass es nicht

im Sinne eines gemeinsamen Interesses an einer Aufklä-

rung sei, auf die eventuelle strafrechtliche Verantwortung

hinzuweisen, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter des Ver-

fassungsschutzes sich nach dem 4. November 2011 an die

Polizei wende. Der Zeuge Stengel hat hierzu bei seiner

Vernehmung vor dem Ausschuss erklärt, es sei im Nach-
4193) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 104.

4194) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29 – (nichtöffentlich), S. 5.

4195) Neumann, Protokoll-Nr. 65, S. 9.

4196) Schreiben des LfV Baden-Württemberg vom 29. Dezember

2011, MAT A BW-6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 – VS-
VVERTRAULICH), Bl. 1078 ff. (VS-NfD).

4197) MAT A BW 6/2, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 27/12 – VS-
VERTRAULICH) Bl. 1082 (offen).

Drucksache 17/14600 – 472 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hinein betrachtet ein Fehler gewesen, dem BKA einen

Hinweis zum NSU gegeben zu haben.
4198

dd) Einsichtnahme in Haftakten

Mit dem Ziel, offengebliebene Fragen zur Aussage des

Zeugen Stengel zu klären, hat der Ausschuss beim Jus-

tizministerium Baden-Württemberg die Haftakten des

damaligen Hinweisgebers O. durch Beweisbeschluss

angefordert. Aus diesen ergibt sich, dass O. in der Zeit

des Bestehens des NSU zwischen 1998 und 2011 in kei-

ner Justizvollzugsanstalt des Landes in Haft war
4199

– dort
also auch nicht, wie laut der Aussage des Zeugen Stengel

behauptet, von Mundlos besucht worden sein konnte.

3. Kenntnisse des Staatsschutzes Baden-
Württemberg zum Trio, zu seinem Unter-
stützerumfeld und zu Bezügen des Trios
nach Baden-Württemberg

a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten
Szene in Baden-Württemberg durch den
Staatsschutz

Der Zeuge KD Rück, der vom 1. Oktober 1999 bis zum

6. Oktober 2005 Leiter der auch für Rechtsextremismus

zuständigen Inspektion „Auswertung/Information“ in der
Abteilung „Staatsschutz“ des LKA Baden-Württemberg
war,

4200
hat ausgeführt, maßgeblich sei im Großraum

Stuttgart bzw. Heilbronn/Ludwigsburg Anfang der 2000er

Jahre im Bereich des Rechtsextremismus eine Gruppie-

rung namens „Furchtlos & Treu“ gewesen. Hierbei habe
es sich um eine Organisation gehandelt, in der Personen

aktiv gewesen seien, die sich zuvor bei „Blood & Ho-
nour“ bis zu deren Verbot engagiert hätten.4201 Diese
Organisation sei insbesondere mit repressiven polizeili-

chen Mitteln bekämpft worden. Ihre Aktivitäten seien

intensiv überwacht worden. Für ein Verbot habe es seines

Wissens nie gereicht.
4202

Eine Musikband, die der Staatsschutz besonders im Blick

gehabt habe, sei die Band „Noie Werte“ gewesen. Ein
Kriterium in der Bekämpfungskonzeption in Baden-

Württemberg sei gewesen, jedes Skin-Konzert und

rechtsgerichtete Konzert möglichst zu unterbinden.
4203

Im Raum Stuttgart/Ludwigsburg habe der Staatsschutz

keinen guten Zugang der Szene über V-Personen gehabt.

Zu den Gründen hierfür hat er ausgeführt:

„Es ist immer schwierig, Personen in bestim-
mten - - oder im Umfeld zu gewinnen. Das hängt
4198) Stengel, Protokoll-Nr. 29, S. 82.

4199) MAT A BW-18-a bis 18-h.

4200) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

9. April 2013, BW-12/1

4201) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 77.

4202) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.

4203) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.

manchmal von Unwägbarkeiten ab, wie in der

Szene grundsätzlich gedacht wird, in einer regio-

nalen Szene. Oder: Wenn eine regionale Szene re-

lativ klein oder klein ist und in sich stark verwo-

ben, ist es schwieriger, dort jemanden herauszu-

brechen, als wenn Sie viel - wie soll ich sagen? -

Laufkundschaft in diesen Gruppen haben.“4204

Eine Zusammenarbeit mit Thüringen und/oder Sachsen

bei Ermittlungsverfahren habe es nicht gegeben. Ledig-

lich bei einem Ermittlungsverfahren wegen einer Nach-

folgeorganisation von „Blood & Honour“ habe es Kon-
takte zu sechs Staatsanwaltschaften in der übrigen Repub-

lik und damit u. a. auch nach Gera gegeben.
4205

Was dort

konkret im Einzelnen passiert sei, könne er nicht sa-

gen.
4206

b) Kenntnisse des LKA Baden-Württemberg
zum Trio und zum Unterstützerumfeld

Der Zeuge KD Rück hat ausgeführt, vor dem 4. Novem-

ber 2011 habe er keine Berührungspunkte zu dem Trio

gehabt. Er sei nie mit einer Adressliste konfrontiert wor-

den, welche bei der Durchsuchung der Garage von

Böhnhardt in Thüringen gefunden worden sei.
4207

In alten Sachakten, die er zur Vorbereitung der Zeugen-

einvernahme gelesen habe, seien ihm die Namen Michael

E. und Hans-Joachim S. begegnet.
4208

Von Kontakten

zwischen Chemnitzer und Ludwigsburger Rechtsextre-

misten habe er nichts mitbekommen. Der Name Markus

F. sage ihm nichts.
4209

Auch könne er sich nicht an eine

Erkenntnisabfrage zu Rechtsextremisten erinnern, die

ihren Wohnsitz nach Baden-Württemberg verlegt hät-

ten.
4210

c) Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens
zu „Blood & Honour“ gewonnene Erkennt-
nisse

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu „Blood &
Honour“ wurden in den Jahren 2003 bis 2006 u. a. Maß-
nahmen der Telekommunikationsüberwachung durchge-

führt. In diesem Zusammenhang wurde mehreren Be-

schuldigten vorgeworfen, zumindest eine Teilorganisation

der verbotenen Vereinigung mit dem Ziel aufrechtzuer-

halten, die alte Organisation wiederzubeleben. Bei den

Recherchen zu den Beweisbeschlüssen BW-2 und BW-8,

mit denen nach Einsätzen operativer nachrichtendienstli-

cher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaß-

nahmen zu Personen der sog. „41er Liste“ gefragt worden
war, ergaben sich Bezüge von Beschuldigten aus dem
4204) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 82.

4205) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 79.

4206) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 84.

4207) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 75.

4208) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 77.

4209) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.

4210) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 78.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 473 – Drucksache 17/14600

Ermittlungsverfahren „Blood & Honour“ des LKA Ba-
den-Württemberg zu Beschuldigten aus dem Verfahren

des Generalbundesanwalts zum NSU bzw. zu Personen

der sog. „41er-Liste“.4211

So gab es folgende fünf Treffer zu Ralf Wohlleben, der

Beschuldigter im Verfahren des GBA gegen den NSU ist:

– Ralf Wohlleben war Anschlussinhaber der Rufnum-
mer 03641/211xxx, 07747 Jena, Jenaische Straße 25.

– Bei einer Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldig-
ten K. wurde eine CD aufgefunden, auf welcher in

einem Worddokument mit der Bezeichnung „e-
mailadressen“ zwei Mal der Eintrag „Kontakt@ralf-

wohlleben.de“ festgestellt wurde.

– Das LKA Baden-Württemberg wertete aufgrund des
Kontaktes des Beschuldigten André Kapke zu einem

Beschuldigten H. eines Ermittlungsverfahrens der

Polizei Ludwigshafen die Mobiltelefoneinträge des

H. aus. Hierbei wurde unter dem Namen André

Kapke die Festnetznummer 03641/211xxx von Ralf

Wohlleben sowie unter dem Namen Ralf die Handy-

nummer 0163/2475xxx, deren Anschlussinhaberin

die Ehefrau von Ralf Wohlleben war, festgestellt.
4212

Die Ehe besteht seit 2005.
4213

Eine Liste mit ermittel-

ten Anschlussinhabern enthält außerdem ebenfalls

den Eintrag Ralf Wohlleben, Jenaische Straße 25,

07745 Jena.

– ln einer E-Mail vom 9. Juni 2005 befindet sich der
Auszug eines lnternetbeitrags zu einer möglichen

Verlagerung des „Fests der Völker“ von Jena nach
Altenburg. In diesem Beitrag wird Ralf Wohlleben als

Anmelder des „Jenaer Nazifestes“ bezeichnet, der
wiederholt in Altenburg gesichtet worden sei.

– ln Protokollen der Telefonüberwachung ergaben sich
mehrere Treffer, die darauf schließen lassen, dass der

Beschuldigte H. des Verfahrens der Polizei Ludwigs-

hafen CDs und T-Shirts bei seinem Freund Ralf

Wohlleben für eine Abholung durch den Beschuldig-

ten Kapke gelagert hatte, da er selbst verhindert war.

Vermutlich kam es zumindest am 9. August 2004,

nach vorausgegangenen Telefonaten, zu einem per-

sönlichen Kontakt zwischen dem Beschuldigten

Kapke und Ralf Wohlleben.
4214
4211) Das Innenministerium Baden-Württemberg hat allerdings

darauf hingewiesen, dass eine vollständige manuelle Sichtung

polizeilicher Akten wegen des damit verbundenen personellen
und zeitlichen Aufwandes nicht möglich sei. Zudem könne

nicht ausgeschlossen werden, dass ehemals durchgeführte ver-

deckte Maßnahmen der letzten 20 Jahre aus verfahrens- bzw.
datenschutzrechtlichen Gründen bereits gelöscht seien, Bericht

des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 27. August

2012, MAT A BW-8/3, Bl. 9.

4212) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

27. Oktober 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 5.

4213) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ zu Ralf Wohlleben, MAT A
BY-14/1e, Bl. 23.

4214) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

27. Oktober 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 5, 6.

Zu Jan Werner ergaben sich in diesem Zusammenhang

folgende drei Treffer:

– In einem überwachten Telefonat im Juni 2004 zwi-
schen dem Beschuldigten Kapke und dem Beschul-

digten H. des Verfahrens der Polizei Ludwigshafen

wurde ein „Jan, der Werner aus Chemnitz“ erwähnt.
Aufgrund des lnhalts des Telefonats und den polizei-

lichen Erkenntnissen, wonach Jan Werner Betreiber

des Labels „Movement Records“ und für den Ver-
trieb von Musik-CDs mit rechtsgerichtetem Hinter-

grund verantwortlich war, geht das Innenministerium

Baden-Württemberg davon aus, dass es im Telefonat

des Beschuldigten Kapke um Jan Werner ging.

– Der Beschuldigte L. telefonierte im Mai 2005 mit
einem „Ed“ in den Vereinigten Staaten von Amerika.
In dem Telefonat wurden auch Probleme mit Jan

Werner in Bezug auf „Landser“ angesprochen.

– Der Nutzer einer Rufnummer, dessen Anschluss Jan
Werner zugeordnet wird, schrieb im September 2005
eine Kurznachricht an den Beschuldigten Kapke, in
welcher es um den Versand von CDs geht.

4215
Zudem wurden zu folgenden Personen weitere Treffer

festgestellt:

– Im Rahmen der Auswertung der Mobilfunkgerätein-
träge des Beschuldigten H. des Verfahrens der Poli-

zei Ludwigshafen durch das LKA Baden-

Württemberg konnte der Eintrag Thomas G. mit zu-

geordneter Rufnummer festgestellt werden. An-

schlussinhaber der Rufnummer war eine Frau aus

Meuselwitz, über die keine polizeilichen Erkenntnis-

se beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg vor-

liegen.

– Außerdem konnte der Eintrag Frank Schwerdt mit
zugeordneter Rufnummer festgestellt werden. An-

schlussinhaber war Frank Schwerdt aus Berlin.

– Mehrere Einträge gab es zu Thorsten Heise. Bei meh-
reren überwachten Gesprächen wurde über Thorsten

Heise gesprochen bzw. war er selbst Gesprächspart-

ner und nutzte hierbei eine auf sich registrierte Tele-

fonnummer. Bei diesen Telefonaten wurde haupt-

sächlich der Tausch von Musik-CD's der rechten

Szene bzw. Geschäfte mit diesen besprochen. Zudem

wurde Thorsten Heise als Veranstalter von Konzerten

und als Redner bei Veranstaltungen thematisiert und

als Parteifunktionär der NPD erwähnt. Bei einem Te-

lefonat im April 2005 fiel der Begriff „Raubüberfall“.
Zu diesem Gespräch liegen dem LKA keine weiteren

Erkenntnisse vor. In den Telekommunikationsüber-

wachungsmaßnahmen des Ermittlungsverfahrens gab

es eine weitere Stelle mit dem Begriff „Raubüber-
fall“. Dieses Gespräch hatte einen vom Beschuldigten
Kapke verübten Raubüberfall zum Gegenstand, bei

dem die Eintrittskasse eines getarnten Skinkonzerts
4215) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

27. Oktober 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 6.

Drucksache 17/14600 – 474 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Raubgut war. Wegen des Überfalls leitete die Staats-

anwaltschaft Frankfurt/Main ein Ermittlungsverfah-

ren gegen Kapke ein und beauftragte das hessische

LKA mit den Ermittlungen.
4216

Zu dem Ergebnis der Recherchen im Zusammenhang mit

dem Ermittlungsverfahren „Blood & Honour“ stellte das
Innenministerium Baden-Württemberg fest, es hätten sich

keine Bezüge zu begangenen Taten oder drohenden Ge-

fährdungen durch den NSU oder ihren vermutlichen Mit-

gliedern ergeben. Verdeckte polizeiliche Maßnahmen im

Rahmen des Ermittlungsverfahrens „Blood & Honour“
des LKA Baden-Württemberg hätten sich nicht gezielt

gegen Personen der sog. „41er-Liste“ gerichtet. Vielmehr
seien Personen der Recherchelisten von solchen Maß-

nahmen betroffen gewesen.
4217

4. Zusammenarbeit zwischen LKA Baden-
Württemberg und LfV Baden-Württemberg

Der Zeuge Dr. Rannacher, der von 1995 bis 2005 Präsi-

dent des LfV Baden-Württemberg war, hat dargelegt, dass

die Zusammenarbeit mit dem LKA während seiner Amts-

zeit deutlich verbessert worden sei. Allerdings habe es

auch eine gewisse Konkurrenzsituation gegeben. Konkret

hat er hierzu ausgeführt:

„Beide Häuser sind nicht nur räumlich benachbart,
sondern treffen sich ja nun auch in vielen Dingen

ihres Aufgabenbereichs, und gerade das baden-

württembergische Landeskrimi- nalamt hat sehr in-

tensiv, sehr früh mit VPs und dann auch VEs gear-

beitet, was natürlich gewisse Überschneidungen

mit unserem Bereich des Verfassungsschutzes er-

geben hat. Wir haben dann logischerweise ver-

sucht, uns gegenseitig etwas abzustimmen, aller-

dings nicht - wie Sie vielleicht denken oder hof-

fen -, dass nun Klarnamen gelaufen sind, sondern

man hat natürlich gesagt - etwa, wenn das LKA

einen VE platzieren wollte -: Gibt es Probleme mit

euch? Seid ihr da vielleicht schon vertreten? - Also

eine allgemeine Abstimmung, das hat es schon ge-

geben. Tiefer ist es aber nicht gegangen. Also, es

ging natürlich nicht so weit, dass etwa wir eine

Quellenliste übergeben haben und das LKA umge-

kehrt auch. Das nicht, aber eine Abstimmung, dass

man hier nicht etwa mehrfach vertreten ist, das hat

es schon gegeben.“4218

Der Zeuge Schmalzl, der von August 2005 bis Dezember

2007 Präsident des LfV Baden-Württemberg war, hat

ausgeführt, zwischen Verfassungsschutz und Polizei habe

es eine enge Zusammenarbeit gegeben. Dies sei nicht

zuletzt darauf zurückzuführen, dass es eine gezielte Per-

sonalentwicklung und einen Personalaustausch zwischen
4216) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

27. August 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 6, 7.

4217) Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

27. August 2012, MAT A BW-8/3, Bl. 6, 7.

4218) Dr. Rannacher, Protokoll-Nr. 65, S. 53.

Verfassungsschutz und Polizei gegeben habe. 50 Prozent

der Mitarbeiter seien ehemalige Polizeivollzugsbeamte.

Es habe einen Verbindungsbeamten beim LKA gegeben

und es hätten gegenseitige Hospitations- und Informati-

onsbesuche stattgefunden.
4219

Der Zeuge Rück hat ergänzend ausgeführt, dass ab Spät-

herbst 2000 im Rahmen der Schwerpunktsetzung Be-

kämpfung des Rechtsextremismus wöchentliche Treffen

mit Verantwortlichen des LfV zur Intensivierung des

Informationsaustausches eingerichtet worden seien. Seit

Mai 2004 sei ein ständiger Verbindungsbeamter des LfV

in die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes

auf Sachbearbeiterebene entsandt worden. Dieser Verbin-

dungsbeamte sei ab diesem Zeitpunkt an Fach- und Füh-

rungsbesprechungen der Abteilung Staatsschutz beteiligt

gewesen.
4220

IX. Prüfung von § 129a StGB und der Zustän-
digkeit des GBA

Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage befasst, ob in

Bezug auf den Garagenfund am 26. Januar 1998 in Jena

eine Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts

beim Bundesgerichtshof in Betracht gekommen wäre.

1. Rechtliche Grundlagen

Nach §§ 142a, 120 Abs. 1 Nr. 6 des Gerichtsverfassungs-

gesetzes (GVG) ist bei einem klassischen Staatsschutzde-

likt wie § 129a StGB (Bildung einer terroristischen Ver-

einigung) die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts

gegeben (dazu s. o.). Die Ziele und Tätigkeiten einer

Vereinigung müssen sich auf bestimmte, in § 129a Abs. 1

StGB genannte Taten beziehen, damit von einer terroristi-

schen Vereinigung gesprochen werden kann.

Zwar war die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens

nach § 311b StGB in der damals gültigen Fassung
4221

keine Katalogtat im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB a. F.

Jedoch war die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion

gem. § 311 Abs. 1 StGB a. F., auf die sich das Delikt des

§ 311b StGB a. F. bezog, im Katalog des § 129a Abs. 1

Nr. 3 StGB a. F. enthalten. Die maßgeblichen Vorschrif-

ten lauteten:

„311b Vorbereitung eines Explosions- oder Strah-
lungsverbrechens

(1) Wer zur Vorbereitung

1. eines bestimmten Unternehmens im Sinne des

§ 310b Abs. 1 oder des § 311a Abs. 2 oder

2. einer Straftat nach § 311 Abs. 1, die durch

Sprengstoff begangen werden soll,
4219) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 101.

4220) Rück, Protokoll-Nr. 65, S. 73.

4221) Bekanntmachung der Neufassung des Strafgesetzbuches vom

10. März 1987, BGBl. I 1987, S. 945.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 475 – Drucksache 17/14600

Kernbrennstoffe, sonstige radioaktive Stoffe,

Sprengstoffe oder die zur Ausführung der Tat er-

forderlichen besonderen Vorrichtungen herstellt,

sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder

einem anderen überlässt, wird in den Fällen der

Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis

zu zehn Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jah-

ren bestraft.

§ 311 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernener-

gie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion

herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines an-

deren oder fremde Sachen von bedeutendem Wert

gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter ei-

nem Jahr bestraft.

§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke

oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1. Mord, Totschlag oder Völkermord (§§ 211, 212

oder 220a),

2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den

Fällen des § 239a oder des § 239b oder

3. Straftaten nach § 305a oder gemeingefährliche

Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 308, 310b

Abs. 1, des § 311 Abs. 1, des § 311a Abs. 1, der

§§ 312, 315 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 316c

Abs. 1 oder des § 319 zu begehen, oder wer sich

an einer solchen Vereinigung als Mitglied betei-

ligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu

zehn Jahren bestraft.“

Im vorliegenden Fall bestand der Verdacht, dass das Trio

das aufbewahrte TNT für einen Sprengstoffanschlag,

somit für eine Tat gem. § 311 Abs. 1 StGB a. F. nutzt. Da

§ 311 Abs. 1 StGB a. F. im Katalog des § 129a Abs. 1 Nr.

3 StGB a. F. aufgeführt ist, kam grundsätzlich eine An-

wendung dieser Vorschrift in Betracht. Die Katalogtat

muss nicht bereits begangen, lediglich die Zwecke oder

die Tätigkeit der Vereinigung müssen auf die Katalogtat

gerichtet sein.
4222

Unter einer Vereinigung i. S. v. § 129a StGB ist

„die auf eine gewisse Dauer berechnete organisa-
torische Vereinigung einer Anzahl von Personen

zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens

des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit

gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich der-

art in Beziehung stehen, dass sie sich untereinan-

der als einheitlicher Verband fühlen.“4223
4222) Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 129a,

Rn. 48.

4223) BGHSt 28, 147.

2. Prüfung des § 129a StGB durch die StA
Gera

Nach Nr. 202 Abs. 1 und 2 der Richtlinien über das Straf-

und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sind Vorgänge, aus

denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Ober-

landesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Straftat

ergibt, unverzüglich durch die Staatsanwaltschaft dem

Generalbundesanwalt zu übersenden.

Der zuständige Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft

Gera, OStA Mohrmann, wurde vom LKA Thüringen am

16. Februar 1998 darauf hingewiesen, dass das BKA eine

Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 129a StGB anre-

ge.
4224

Auch im Bericht von OStA Mohrmann an den

Generalstaatsanwalt in Thüringen vom 17. Februar 1998

wird eine beabsichtigte Prüfung des § 129a StGB ange-

sprochen.
4225

Ein Vermerk über die Prüfung des § 129a

StGB oder eine Information des GBA findet sich aller-

dings nicht in der Akte. Der damals zuständige Staatsan-

walt, der Zeuge Schultz, hat angegeben, dass er hieran

keine Erinnerung mehr habe.
4226

3. Prüfung des § 129a StGB durch den GBA

a) Der ARP-Vorgang

Am 13. Februar 1998 legte der GBA aufgrund von Mel-

dungen mehrerer Medien über ein durch die Polizei in

Thüringen aufgefundenes mutmaßliches „Bombenlabor“
von Rechtsextremisten einen Prüfvorgang für ein Staats-

schutzstrafverfahren (ARP-Vorgang) an. Am gleichen

Tage unterrichtete das BKA den GBA telefonisch über

die Thüringer Geschehnisse.
4227

In der Folgezeit ließ sich der GBA durch das BKA über

die Vorgänge in Jena unterrichten:

Am 17. Februar 1998 übersandte das BKA dem GBA

einen Bericht vom 16. Februar 1998 über das Verfahren

der StA Gera gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

wegen des Verdachts der Straftaten gem. §§ 126, 311b

a. F., 86a StGB zur Prüfung eines Anfangsverdachts einer

Straftat nach §§ 129 bzw. 129a StGB. In dem Bericht

vom 16. Februar 1998 werden die in der Garage aufge-

fundenen Gegenstände beschrieben. Zu den Beschuldig-

ten heißt es:

„Die drei o. g. Beschuldigten sind Mitglieder der
‚Kameradschaft Jena’ innerhalb des sog. ‚Thürin-
ger Heimatschutz’ (THS).

Anmerkung: Laut VS-Bericht Nr. 7/98 ist der

„THS“ ein Geflecht mehrerer kaum strukturierter
Kameradschaften mit Verbindungen zu der Partei

‚Die Republikaner’ und zu der zwischenzeitlich
4224) Vermerk des LKA Thüringen vom 16. Februar 1998, MAT A

TH-2/8, Bl. 686.

4225) MAT A TH-2/15, Bl. 70 ff.

4226) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 56.

4227) MAT A GBA-2, Bl. 8 ff.

Drucksache 17/14600 – 476 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

aufgelösten rechtsextremistischen Organisation

„Die Nationalen e.V.“ des Frank S. aus Berlin.
Dem sog. „THS“ gehören insgesamt ca. 100 Per-
sonen an. Böhnhardt und Mundlos sind sog. ‚stell-
vertretende Kameradschaftsführer’ der „KS Jena“.

Gegen Böhnhardt und sechs weitere Personen war

bereits am 18.12.96 nach §§ 126 und 86a StGB

sowie gegen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und

drei weitere Personen am 28.01.97 nach § 126

StGB und WaffGesetz durchsucht worden. Bei der

ersteren Durchsuchung waren neben Propaganda-

material auch Unterlagen gefunden worden, die

auf die Ausspähung von thüringischen Sicher-

heitsbehörden hinweisen. Im Januar 1997 wurde

neben Waffen auch Material sichergestellt, das zur

Herstellung von Briefbombenattrappen dienen

könnte. Anhand eines am Tatort gesicherten Fin-

gerabdrucks konnte Böhnhardt nachgewiesen wer-

den, am 13.04.1996 an einer Autobahnbrücke bei

Jena eine Puppe mit der Beschriftung ‚Jude’ auf-
gehängt und sie mit einem Elektrokabel mit zwei

auf der Brücke abgestellten Bombenattrappen ver-

bunden zu haben. Im Berufungsverfahren zu einer

am 21.04.97 erfolgten Verurteilung sei Böhnhardt

zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt

worden. Haftantrittstermin steht noch nicht fest.

Zu insgesamt fünf weiteren Sachverhalten aus den

Jahren 1996/1997 liegen Erkenntnisse vor, bei de-

nen Böhnhardt als möglicher Täter beteiligt gewe-

sen sein dürfte. So war am 06.10.1996 eine USBV

(Bombenattrappe) am ‚Ernst-Abbe-Stadion’ ge-
funden worden. Am 02.09.1997 war ein rot ange-

malter Koffer mit zwei Hakenkreuzen in weißem

Kreis auf dem Theaterplatz in Jena aufgefunden

worden, in dem sich eine Rohrbombe mit 10 gr

TNT befand, die jedoch nicht zündfähig gewesen

sei. Es wurden teilweise technische Übereinstim-

mungen mit dem Fund vom 06.10.96 festgestellt.

In der Zeit vom 30.12.1996 bis 02.01.1997 gingen

‚Briefbombenattrappen’ mit Begleitschreiben, in
denen der thüringische Innenminister und der Vor-

sitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland,

Ignatz Bubis, bedroht wurden, bei der Polizeidirek-

tion Jena, der Stadtverwaltung in Jena und der Lo-

kalredaktion der Thüringer Landeszeitung ein. […]

Neben den im Fs [Fernschreiben] des LKA Thü-

ringen angeführten sichergestellten Gegenständen

(u. a. vorbereitete Rohrbomben) sei eine Gesamt-

menge von zwei Kg TNT (gegossenes Granulat

unbekannter Herkunft) gefunden worden.

Nach dem bisher vorliegenden kriminaltechni-

schen Untersuchungsergebnis können wesentliche

Übereinstimmungen einiger verwendeter Bauteile

der Rohrbomben, wie Modellierknetmasse, Rohre,

Elektrokabel, mit Teilen aus den o.a. fünf weiteren

Straftaten nachgewiesen werden, zuletzt mit einer

am 26.12.1997 auf einem Friedhof in Jena gefun-

denen Bombenattrappe mit identischem Rohrstück.

Lt. Darstellung des Sb. [Sachbearbeiters] LKA

Thüringen sind zu keinem der vorstehenden Sach-

verhalte Bekennungen eingegangen, lediglich die

Gegenstände als solche waren durch aufgemalte

Hakenkreuze eindeutig der rechten Szene zuzu-

ordnen.

Bisher lägen keine Anhaltspunkte für eine Beteili-

gung oder auch nur Kenntnisnahme durch andere

Personen vor, alle vorliegenden Beweise deuteten

auf eine alleinige Täterschaft dieser drei Personen

als Splittergruppe. Es sei jedoch derzeit ein deutli-

cher Solidarisierungseffekt innerhalb der rechten

Szene Thüringens erkennbar. Eine Prüfung der

Sachverhalte hinsichtlich einer Tatbestandsmäßig-

keit nach den §§ 129 und 129a StGB sei bisher

weder von der Polizei noch von der Staatsanwalt-

schaft vorgenommen worden.

Laut eigener Einschätzung der Sb. LKA TH Thü-

ringen handele es sich jetzt nur noch um einen

Fahndungsfall. Die Beweislage sei nach Abschluss

der kriminaltechnischen Untersuchungen gegen

die drei Beschuldigten ausreichend. Demnach hät-

ten die bisherigen Aktionen der Beschuldigten le-

diglich ihre Gewaltbereitschaft demonstrieren sol-

len; man gehe jedoch davon aus, dass zu einem

späteren Zeitpunkt tatsächlich Anschläge hätten er-

folgen sollen. Weiter geht das LKA Thüringen

derzeit von der Annahme aus, dass die Beschuldig-

ten sich entweder nach Belgien, Niederlande oder

USA absetzen könnten. Konkrete Hinweise liegen

hierfür jedoch nicht vor. Da nach Mitteilung des

LKA Thüringen die Herkunft der ca. 2 Kg TNT

(es ist weder der Bundeswehr noch einem der

ehemaligen Ostblockländer zuzuordnen) völlig

ungeklärt ist, wird der vorstehende Sachverhalt zur

Unterrichtung und rechtlichen Würdigung hin-

sichtlich einer nicht auszuschließenden Tatbe-

standsmäßigkeit nach §§ 129 und/oder 129a StGB

vorsorglich übersandt.“4228

Mit Schreiben vom 18. Februar 1998 übersandte das BKA

einen zusammenfassenden Bericht, verfasst von KHK

Brümmendorf und KHK´in Beischer-Sacher. Zur Bewer-

tung heißt es hier:

„Die bisherigen Ermittlungen haben ergeben, dass
als führende Personen die derzeit flüchtigen

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe anzusehen sind.

Nach hiesigen Erkenntnissen sind die drei Perso-

nen lediglich in der Stadt Jena aktiv gewesen.

Hinweise auf überregionale Aktivitäten liegen

nicht vor. Die bekanntgewordenen Personenkon-

takte beziehen sich ausschließlich auf den Perso-

nenkreis der regional agierenden ‚Kameradschaft
Jena’. Unterstützungshandlungen dürften nach den
hier vorliegenden Erkenntnissen lediglich von den

Mitgliedern der ‚Kameradschaft Jena‘ geleistet
worden sein. Eine Prüfung der Einleitung eines
4228) MAT A GBA-2, Bl. 14 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 477 – Drucksache 17/14600

Ermittlungsverfahrens gem. § 129, 129a StGB

wurde von der sachbearbeitenden Dienststelle

TLKA LKA Thüringen über die zuständige

Staatsanwaltschaft an die Generalstaatsanwalt-

schaft nach Bekanntwerden der Tatzusammenhän-

ge veranlasst.

Die in Jena begangenen Straftaten können durch

Tatmittelbeweis in Zusammenhang gebracht wer-

den, so dass damit einhergehend die Täterschaft

von Mitgliedern der ‚Kameradschaft Jena’ erkenn-
bar ist; einen Hinweis auf eine Straftatenbegehung

im Namen der ‚Kameradschaft Jena’ oder des
‚Thüringer Heimatschutz’ bzw. der ‚Ostthüringer
Anti-Antifa’ ergibt sich aus hiesiger Aktenlage
und den Ermittlungen nicht.

(vgl. Ermittlungsverfahren der StA Gera gg. Mit-

glieder des ‚Thüringer Heimatschutzes’ bzw. der
ident. Organisation ‚Ostthüringer Anti-Antifa’ we-
gen Verdachts des Verstoßes gegen § 129 StGB

…)

Anhaltspunkte für weitere geplante Straftaten mit

Ausnahme der am 26.01.98 aufgefundenen vorbe-

reiteten Rohrbomben sind, insbesondere nach

Flucht der drei Hauptverdächtigen, nicht vorhan-

den. Insoweit ist die ‚Kameradschaft Jena‘ nach
den hier vorliegenden Erkenntnissen vergleichbar

mit anderen Kameradschaften z. B. den Berliner

Kameradschaften Marzahn/Treptow. Durch das

Ermittlungsverfahren der StA Gera gem. § 129

StGB gg. den ‚Thüringer Heimatschutz’ wurden
die personellen Verbindungen zu den Kamerad-

schaften Thüringens aus Gera, Jena und Saalfeld

hinreichend beleuchtet. Wenngleich die ‚Kamerad-
schaft Jena’ danach intensive Kontakte zum ‚Thü-
ringer Heimatschutz’ unterhält, so belegen die Er-
mittlungen, dass die in den unter Ziff. 1-4 darge-

stellten Straftaten, nicht so zu werten sind, dass sie

im Namen und für die „Kameradschaft Jena“ oder
im Namen und für den ‚Thüringer Heimatschutz’
durchgeführt wurden.“4229

Der Abschlussbericht des LKA Thüringen zum „THS“-
Verfahren vom 20. Oktober 1997 wurde ebenfalls beige-

fügt.
4230

Das BKA erwähnt in beiden Schreiben nicht, dass KHK

Brümmendorf und KHK´in Beischer-Sacher Mitarbeiter

des BKA waren und vor Ort das LKA Thüringen unter-

stützten (dazu s. o.). Die Zeugen Beischer-Sacher und

Brümmendorf haben ausgesagt, sie hätten den Bericht

eigens zur Information des GBA mit Blick auf die Prü-

fung einer Strafbarkeit gem. § 129a StGB und damit auf

eine mögliche Zuständigkeit des GBA verfasst.
4231
4229) MAT A GBA-2, Bl. 20 ff.

4230) MAT A GBA-2, Bl. 27 ff.

4231) Beischer-Sacher, Protokoll-Nr. 54, S. 102; Brümmendorf,

Protokoll-Nr. 54, S. 85.

Etwa ein Jahr später, am 8. Februar 1999, bat der GBA

das BKA um Mitteilung des Sachstandes.
4232

An die StA

Gera richtete der GBA keine Anfrage.

Das BKA antwortete mit Schreiben vom 9. März 1999

und teilte zur Prüfung der Zuständigkeit des GBA mit:

„Aufgrund des inhaltlichen und des personellen
Zusammenhangs der […] dargestellten Straftaten
und der möglichen Involvierung der Gruppierun-

gen ‚Thüringer Heimatschutz’ und ‚Anti-Antifa-
Ostthüringen’ bei den Straftaten, ist eine Prüfung
der Sachverhalte im Hinblick auf die Einleitung

eines Ermittlungsverfahrens gem. §§ 129/129a

StGB durch die StA Gera im Februar 98 erfolgt.

Nach Auffassung der zuständigen Staatsanwalt-

schaft handelt es sich bei den Haupttatverdächti-

gen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe um Einzeltäter, die die Straftaten weder

für, noch im Namen der beiden Gruppierungen

oder einer eigens gegründeten Gruppierung, be-

gangen haben. Nach Einschätzung der Staatsan-

waltschaft Gera dürften Böhnhardt und Mundlos

die treibenden Kräfte gewesen sein.

Die Kontakte der Haupttäter zu den Gruppierun-

gen ‚Thüringer Heimatschutz’ und ‚Anti-Antifa-
Ostthüringen’ wurden bereits im Rahmen des Er-
mittlungsverfahrens der StA Gera, Az.: 116 Js

17874/95 (ehemals: 250 Js 17874/95), im Hinblick

auf den möglichen Tatvorwurf des Verstoßes gg.

§§ 129/129a StGB, intensiv untersucht; das dies-

bezügliche Ermittlungsverfahren wurde 1997 je-

doch eingestellt, weil der Tatvorwurf nicht belegt

werden konnte.“4233

Nachdem der Sachbearbeiter beim GBA in der Folgezeit

monatlich eine Wiedervorlage verfügt hatte, ließ er am

12. August 1999 die Verfahrensakte weglegen.
4234

Bis

zum November 2011 blieb die Akte weggelegt.

Außer den genannten Passagen finden sich in der Verfah-

rensakte keine Bemühungen zur Aufklärung, ob das Trio

eine Vereinigung i. S. v. § 129a StGB (feste Gruppen-

struktur) gegründet hat. Schließlich ist kein Abschluss-

vermerk zur Prüfung der Zuständigkeit des GBA vorhan-

den.

b) Die interne Evaluation des GBA

Der interne Evaluationsbericht des GBA vom 20. Dezem-

ber 2011 kam zu dem Ergebnis, dass eine Zuständigkeit

des GBA nicht vorlag. Im Bericht heißt es zur Bewertung:

„Aus den der Bundesanwaltschaft auf Anfrage
mitgeteilten polizeilichen und staatsanwaltschaftli-

chen Erkenntnissen ergab sich kein Anfangsver-

dacht für Straftaten, die in die Verfolgungszustän-
4232) MAT A GBA-2, Bl. 76.

4233) MAT A GBA-2, Bl. 42 f.

4234) MAT A GBA-2, Bl. 84.

Drucksache 17/14600 – 478 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

digkeit der Bundesanwaltschaft fallen könnten. Ei-

ne genuin eigene Verfolgungszuständigkeit hätte

die Bundesanwaltschaft zum damaligen Zeitpunkt

lediglich bei zureichenden Hinweisen auf das Be-

stehen einer festgefügten (terroristischen) Vereini-

gung (§ 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG a.F.) mit dem Ziel

der damals im Gesetz normierten Katalogtaten

(§ 129a Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB a.F.) bejahen kön-

nen. § 311b StGB a.F. war jedoch ebenso wenig

wie § 126 StGB oder § 86a StGB Katalogtat des

§ 129a StGB a.F. Da weder Hinweise auf eine fes-

te Gruppenstruktur, noch solche auf Katalogtaten

des § 129a StGB a.F. mitgeteilt worden waren,

mussten die Ermittlungen von Gesetzes wegen

durch die örtlich zuständigen Landesstaatsanwalt-

schaften weitergeführt werden. Auch eine evokati-

ve Zuständigkeit nach § 120 Abs. 2 GVG kam

nicht in Betracht, da insbesondere § 311b StGB

a.F. keine Katalogtat des § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG

a.F. war.“4235

Der Generalbundesanwalt Range beauftragte die ehemali-

ge Vorsitzende Richterin am BGH, Prof. Dr. Rissing-van

Saan, den internen Bericht der Evaluierungsgruppe des

GBA auf Plausibilität und Schlüssigkeit zu prüfen und zu

bewerten, ob der rechtliche Rahmen bei der Beurteilung

der Zuständigkeit des GBA eingehalten wurde. Die Vor-

sitzende Richterin am BGH a. D. Prof. Dr. Rissing-van

Saan teilte in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2012

die Auffassung des Evaluationsberichts, wobei sie insbe-

sondere auf die fehlenden Voraussetzungen für die An-

nahme einer Vereinigung i. S. v. §§ 129, 129a StGB ab-

stellte:

„Dafür, dass der genannten Dreier-Gruppe gegen-
über der ‚Kameradschaft Jena’ ein ausreichendes
Maß an organisatorischer Selbstständigkeit zukam,

in der überdies verbindliche Regeln für das Han-

deln zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels gal-

ten und jeder von ihnen sich unter Zurückstellung

seiner individuellen Meinung einem übergeordne-

ten Gesamtwillen unterworfen haben könnte, fehl-

te jeder Hinweis.“4236

4. Bewertung im Gutachten der Thüringer
Kommission

Im Gutachten der Thüringer Schäfer-Kommission heißt

es:

„Dringender Tatverdacht wegen Bildung einer
kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1

StGB

Ausweislich der Akten des TLKA und des TLfV

gab es vor dem 26.01.1998 keine ausreichenden

Erkenntnisse darüber, dass sich die Mitglieder der

‚Kameradschaft Jena’ oder Böhnhardt, Mundlos
4235) MAT A GBA-2, Bl. 131; zur Annahme einer Katalogtat i. S. v.

§ 129a StGB vgl. aber oben unter a).

4236) MAT A GBA-2, Bl. 220.

und Zschäpe im genannten Sinn zur Begehung von

Straftaten im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB zu-

sammengefunden hätten. Die ‚Kameradschaft Je-
na’ stellte sich lediglich dar als ‚eine rechtsorien-
tierte Gruppierung, deren Mitglieder teilweise als

Verantwortliche für verschiedene Straftaten mit

politischer rechtsextremistischer Motivation, teil-

weise für Aktionen mit rechtsgerichtetem Hinter-

grund im Bereich Jena ermittelt wurden’. Eine da-
rüber hinausgehende Organisations- und Koordi-

nationsstruktur war nicht ersichtlich. Die von ein-

zelnen beziehungsweise mehreren Mitgliedern der

‚Kameradschaft Jena’ in wechselnder Zusammen-
setzung nachweislich durchgeführten Aktionen ab

August 1994 waren Einzeltaten, meist Verstöße

gegen die §§ 86, 86a StGB. Ebenso wenig finden

sich vor dem 26.01.1998 Anhaltspunkte dafür,

dass sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im

oben angegebenen Sinne vereinigt hätten. Sie wa-

ren lediglich aktive, miteinander befreundete Mit-

glieder der ‚Kameradschaft Jena’, die Einzeltaten
verübten beziehungsweise sich daran beteiligten.

Dringender Tatverdacht wegen Bildung einer ter-

roristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1

StGB

In diesem Sinne fiel auch die Beurteilung des Ge-

neralbundesanwaltes und des Bundesgerichtshofs

aus, wie sie in dem auf die Beschwerde der Beate

Zschäpe gegen den Haftbefehl des Ermittlungs-

richters des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2011

ergangenen Beschluss vom 28.02.2012 wiederge-

geben ist. Dieser Bewertung schließt sich die

Kommission an. Danach waren die Voraussetzun-

gen einer terroristischen Vereinigung im Sinne des

§ 129a Abs. 1 StGB erst nach der Durchsuchung

der Garagen am 26.01.1998 erfüllt.

Die Durchsuchungen nahmen Uwe Böhnhardt,

Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zum Anlass, un-

ter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen,

sich zu einer eigenständigen Gruppierung zusam-

menzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen

Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Ver-

hältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hin

zu einem an der nationalsozialistischen Ideologie

ausgerichteten System unterzuordnen und dieses

Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waf-

fengewalt weiterzuverfolgen.“4237
4237) MAT A TH-6, Bl. 80 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 479 – Drucksache 17/14600

X. Weitere Tätigkeit der StA Gera nach dem
Untertauchen des Trios

1. Keine Hinzuverbindung des Verfahrens
wegen Auffindens von Briefbombenattrap-
pen

Zum Jahreswechsel 1996/1997 wurden in Jena drei Brief-

bombenattrappen eingeworfen. Die Briefe enthielten die

gleiche Knetmasse wie die Kofferbombe vor dem Theater

in Jena. Als Spurenverursacher kamen aufgrund von

DNA-Analysen Böhnhardt, Kapke und Zschäpe in Be-

tracht. Das Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwalt-

schaft Gera am 18. Juni 1997 ein,
4238

also bevor die Tat

wegen des Deponierens der Bombe vor dem Theater in

Jena geschah.

Die Polizei wies sowohl in diesem Verfahren mit Ver-

merk vom 6. August 1998
4239

als auch in dem Koffer-

bomben-Verfahren mit Telefonat vom 1. Dezember

1998
4240

auf einen möglichen Zusammenhang hin und

regte die Wiederaufnahme des Briefbomben-Verfahrens

und eine Verbindung mit dem Kofferbomben-Verfahren

an.

Eine Reaktion der Staatsanwaltschaft kann den Akten

nicht entnommen werden.

2. Mögliche verjährungsunterbrechende
Maßnahmen

a) Haftbefehlsneufassung vom 23. Juni 1998

Die Staatsanwaltschaft Gera erwirkte am 23. Juni 1998

eine Neufassung der Haftbefehle.
4241

Diese Neufassung

hatte gem. § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StGB eine Unterbre-

chung der Verjährung zur Folge.

b) Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2000

Das Amtsgericht Jena erließ am 3. Juli 2000 einen Be-

schluss zur Durchsuchung der Räume der Deutschen

Bank zur Erlangung von Kontounterlagen von Uwe

Mundlos. Der Beschluss lautet:

„In der Ermittlungssache gegen Uwe Mundlos,
geb. am 11.08.1978 in Jena, wohnh.: zuletzt Ha-

selstrauchweg 3, 07745 Jena-Cospeda, ledig,

deutsch, und sieben andere wegen des Verdachts

der Vorbereitung eines Explosions- und Spreng-

stoffverbrechens wird die Durchsuchung der Ge-

schäftsräume und anderer Räume der Deutschen

Bank 24 in Jena, Karl-Marx-Allee 4, angeordnet,

weil zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur
4238) MAT A TH-2/17, Bl. 222 ff.

4239) MAT A TH-2/17, PDF-S. 408 ff. (ab hier nicht mehr paginiert).

4240) Vermerk von OStA Mohrmann vom 1. Dezember 1998, MAT

A TH-2/8, Bl. 789.

4241) MAT A TH-2/8, Bl. 609 ff.

Auffindung von Beweismitteln, insbesondere von

Unterlagen zum Giroverkehr des Kontos […], füh-
ren wird. Die vorgefundenen Gegenstände sind in

Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise si-

cherzustellen. Für den Fall, dass sie nicht freiwillig

herausgegeben werden, wird hiermit ihre Be-

schlagnahme angeordnet (§§ 94, 98, 103, 105

StPO).

Mit der Durchsuchung und der etwaigen Be-

schlagnahme wird hiermit das LKA Thüringen be-

auftragt. Die Durchführung der Durchsuchung

mag durch die freiwillige Herausgabe der gesuch-

ten Beweismittel abgewendet werden.

Gründe:

Nach den bisherigen Ermittlungen ist der Beschul-

digte der vorbezeichneten Straftat zureichend ver-

dächtigt. Der Fortgang des Strafverfahrens ist

durch das Untertauchen des Beschuldigten ge-

hemmt. Es steht zu erwarten, dass die Auswertung

der Kontounterlagen Rückschlüsse auf den Auf-

enthalt des Beschuldigten ermöglichen wird. Für

die Ermittlungen sind die o. g. Beweismittel von

erhöhter Bedeutung, so dass die Anordnung auch

im Hinblick auf die Schwere der Tat und die Stär-

ke des Tatverdachtes erforderlich und nicht unver-

hältnismäßig ist.“4242

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Gera vom 29. Juni

2000 enthält darüber hinaus lediglich den Hinweis, dass

Uwe Mundlos das genannte Konto bei der Deutschen

Bank unterhielt. Ein Sachverhalt, der dem Beschuldigten

zur Last gelegt wurde, wird jenseits der Benennung des in

Rede stehenden Delikts hier ebenfalls nicht dargestellt.
4243

Zur Frage, ob dieser Durchsuchungsbeschluss gem. § 78c

Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ebenfalls die Verjährung unter-

brach, hat Oberstaatsanwalt Mohrmann, der damalige

Abteilungsleiter, in seinem Schreiben an den Ausschuss

ausgeführt:

„Nach dem Wortlaut des § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB
könnte der Durchsuchungs- und

Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Jena

vom 03.07.2000 eine verjährungsunterbrechende

Maßnahme gewesen sein.

Da sich der Beschluss des Amtsgerichts Jena nach

dem Rubrum und nach den Gründen nur gegen den

Beschuldigten Uwe Mundlos richtete, hätte die

Verjährungsunterbrechung gemäß § 78c Abs. 4

StGB allerdings nur gegenüber diesem Beschul-

digten und nicht gegenüber den weiteren Beschul-

digten wirken können.

Meines Erachtens dürfte dem Beschluss des Amts-

gerichts Jena vom 03.07.2000 aber keine verjäh-

rungsunterbrechende Wirkung zukommen, weil er
4242) MAT A TH-2/11, Bl. 1864.

4243) MAT A TH-2/11, Bl. 1852 f.

Drucksache 17/14600 – 480 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen

nicht erfüllt. Neben der Bezeichnung der Straftat

sind tatsächliche Angaben über den Inhalt des

Vorwurfs erforderlich, sofern sie nach dem Ermitt-

lungsergebnis ohne weiteres möglich sind und den

Zwecken der Strafverfolgung nicht zuwiderlaufen

(vgl. Meyer-Goßner, Kommentar zur Strafpro-

zessordnung, 55. Auflage, § 105 Rdnr. 5). Der Be-

schluss des Amtsgerichts Jena beschränkt sich auf

den Betreff‚ Verdacht der Vorbereitung eines Ex-
plosions- und Sprengstoffverbrechens’. Nähere tat-
sächliche Angaben zu den dem Beschuldigten zur

Last gelegten Taten fehlen vollständig, obwohl sie

möglich gewesen wären. Daher dürfte dem Be-

schluss vom 03.07.2000 aufgrund der fehlenden

tatsächlichen Konkretisierung eine verjährungsun-

terbrechende Wirkung nicht zukommen.

Hinzufügen möchte ich, dass es Aufgabe des zu-

ständigen Richters des Amtsgerichts Jena gewesen

wäre, einen inhaltlich ausreichend bestimmten Be-

schluss zu erlassen. Die Staatsanwaltschaft wäre

verpflichtet gewesen, auf den Erlass eines den

Mindestanforderungen entsprechenden Beschlus-

ses hinzuwirken. Gründe, weswegen dies seiner-

zeit nicht erfolgt ist, sind mir nicht bekannt.“4244

Hierzu ist festzustellen: Im Rubrum des Durchsuchungs-

beschlusses des Amtsgerichts ist von Uwe Mundlos „und
sieben anderen“ die Rede. Da eine Unterbrechungswir-
kung in der Regel gegen jeden bekannten Beschuldigten

eintreten soll, selbst wenn im Rubrum nur ein bestimmter

Beschuldigter aufgeführt ist,
4245

dürfte dies erst recht

gelten, wenn (wie hier) in dem Beschluss weitere – nicht
namentlich genannte – Personen aufgezählt wurden.

In der Tat gilt, dass Anordnungen, die keinerlei tatsächli-

che Anhaltspunkte über den Inhalt des Vorwurfs enthal-

ten, obwohl das nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis

ohne Weiteres möglich und für die Strafverfolgung nicht

abträglich gewesen wäre, keine verjährungsunterbrechen-

de Wirkung entfalten können.
4246

Nennen Durchsu-

chungs- und Beschlagnahmeanordnungen weder die dem

Beschuldigten zur Last liegenden Taten, noch bezeichnen

sie die beweiserheblichen Unterlagen hinreichend kon-

kret, sondern sprechen nur von den Unterlagen, die zur

Aufklärung des – nicht näher bezeichneten – Sachverhalts
dienlich sind, können sie die Verfolgungsverjährung nicht

unterbrechen.
4247

Im vorliegenden Fall wurden die den

Beschuldigten zur Last gelegten Taten ihrer

Deliktsbezeichnung nach genannt
4248

und die beweiser-

heblichen Unterlagen als Unterlagen zu einem bestimm-
4244) MAT A Z-57/1.

4245) Beck Online-Kommentar StGB, Stand: März 2013, § 78c Rn. 3;

BGH NStZ 2011, 711; OLG Hamburg wistra 1993, 272.

4246) Kühl, StGB, 27. Auflage 2011, § 78c Rn. 6.

4247) BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99, NStZ 2000,

427.

4248) Auf die zumindest vorzunehmende Bezeichnung des Straftatbe-

standes nimmt auch der BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5

StR 226/99, NStZ 2000, 427, Bezug.

ten Girokonto hinreichend konkretisiert. Dies alles steht

der Rechtsauffassung von Oberstaatsanwalt Mohrmann

entgegen, wonach der Durchsuchungsbeschluss keine

verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten konnte.

Dem Ausschuss ist zudem ein bemerkenswerter zeitlicher

Ablauf von Ereignissen aufgefallen: Am 15. September

2003 erwähnt Der Spiegel im Rahmen eines Artikels über

die Gefahr von Rechtsterrorismus in Deutschland, dass

1998 in einer Garage in Jena 1,4 kg TNT gefunden wur-

den, die Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos und Zschä-

pe seitdem erfolgos sei und die Taten zu verjähren droh-

ten.
4249

Am gleichen Tag stellt die Staatsanwaltschaft das

Verfahren ein. Am 22. September 2003 schrieb Der Spie-

gel, die Vorwürfe gegen das Trio seien seit dem 23. Juni

2003 verjährt.
4250

c) Weitere Unterbrechungsmaßnahmen

Weitere Unterbrechungsmaßnahmen erfolgten nicht.

Beispielsweise fand eine erneute Erweiterung des Haftbe-

fehls vom 23. Juni 1998 im Hinblick auf die Briefbom-

benattrappen (dazu s. o.) nicht statt. Auch weitere Durch-

suchungsbeschlüsse, z. B. hinsichtlich Personen, die im

Verdacht standen, das Trio zu unterstützen, können der

Akte nicht entnommen werden.

3. Einstellung des Verfahrens gegen das Trio
wegen Verjährung zum 23. Juni 2003

Mit Verfügung vom 15. September 2003 stellte Staatsan-

walt P. das Verfahren gegen das Trio wegen Verjährung

ein. Der Abteilungsleiter nahm hiervon Kenntnis. Es heißt

in der Verfügung:

„Die letzte verjährungsunterbrechende Handlung
erfolgte mit dem am 23.06.1998 neu gefassten

Haftbefehl vom 28.01.1998. Danach ist am

23.06.1998 Verjährung eingetreten.“4251

Weitere Ausführungen zur Verjährungsproblematik oder

den anzuwendenden Vorschriften finden sich in der Ein-

stellungsverfügung nicht. Hingegen hat das Thüringer

Justizministerium in einem Vermerk vom 19. September

2003 Überlegungen zur Verjährungsproblematik zu Pa-

pier gebracht. Es heißt hier:

„Soweit dies ohne Akteneinsicht […] beurteilt
werden kann, wurden die Ermittlungen der Staats-

anwaltschaft Gera und die in diesem Ermittlungs-

verfahren ergangenen Haftbefehle zu Recht zentral

auf die Vorschrift der Vorbereitung eines Spreng-

stoffverbrechens gemäß § 311b Abs. 1 Ziff. 2

StGB a. F. i. V. m. § 311 Abs. 1 StGB a. F. ge-

stützt. […]
4249) Der Spiegel vom 15. September 2003, „Völlig neue Dimensi-

on“.

4250) Der Spiegel vom 22. September 2003, „Ab in den Untergrund“.

4251) MAT A TH-2/11, Bl. 1915.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 481 – Drucksache 17/14600

Aufgrund der Strafandrohung des § 311b Ziff. 2, 2.

Alternative StGB a. F. („von 6 Monaten bis zu 5
Jahren“) betrug die Verjährungsfrist gemäß § 78
Abs. 3 Ziff. 4 StGB 5 Jahre. […]

Die letzte verjährungsunterbrechende Maßnahme

war der Erlass der erweiterten Haftbefehle am

23.06.1998. Weitere verjährungsunterbrechende

Maßnahmen kamen nicht in Betracht. Anlass für

weitere Beschlagnahme- oder Durchsuchungsan-

ordnungen i. S. v. § 78c Ziff. 4 StGB waren nach

Auffassung der Staatsanwaltschaft Gera nicht ge-

geben (laut Auskunft OStA S. vom 19.09.2003).

[…]

Von einem Nichteintritt der Verjährung wäre nur

dann auszugehen, falls die von der Staatsanwalt-

schaft Gera zum Gegenstand ihrer Ermittlungen

gemachten Taten entgegen bisheriger Bewertung

tatsächlich Strafgesetze mit einer Strafandrohung

von mehr als 5 Jahren Höchststrafe betreffen. So-

weit der Vorsitzende des Vereins der Strafvertei-

diger in Erfurt, Rechtsanwalt K., laut TA-Bericht

vom 18.09.2003 zu bedenken gibt, dass die Taten

auch als Verabredung zu einem Sprengstoffverbre-

chen gem. § 30 Abs. 2 StGB i. V. m. § 311 Abs. 1

StGB a. F. (dann würde die Verjährungsfrist 20

Jahre betragen, § 78 Abs. 3 Ziff. 2 StGB) gewertet

werden könnten, ist dem zu widersprechen. Eine

Verabredung i. S. des § 30 Abs. 2 StGB ist nach

der Rechtsprechung die ernstliche Einigung von

mindestens zwei Personen, an der Verwirklichung

eines bestimmten Verbrechens mitzuwirken. Die

Verabredung muss nach Wort, Zeit und Inhalt hin-

reichend konkretisiert sein. Bloße Vorbesprechun-

gen und –planungen sind noch keine Verabredung.
Vorliegend hat man zwar Vorrichtungen und

Sprengstoffe gefunden. Um zündfähige Bomben

handelte es sich jedoch nicht. Aufgrund des lü-

ckenhaft gebliebenen Ermittlungsbildes ist weder

bekannt, was mit den Sprengstoffen konkret ge-

schehen sollte, noch ob und in welcher Beteiligung

die Beschuldigten Berührung zu diesen Spreng-

stoffen hatten. Die diesbezüglichen Erkenntnisse

sind viel zu vage, als dass man sie als Verbre-

chensverabredung i. S. des § 30 Abs. 2 StGB be-

werten könnte.

Ebenfalls in der TA vom 18.09.2003 wird der Je-

naer Strafrechtsprofessor A. mit der Frage wieder-

gegeben, warum nicht wegen Bildung einer terro-

ristischen Vereinigung ermittelt wurde (dann wür-

de die Verjährungsfrist 10 Jahre betragen). Dazu

ist Folgendes zu sagen:

Die Vereinigung i. S. des § 129a StGB ist der auf

eine gewisse Dauer angelegte Zusammenschluss

von mindestens drei Personen, die bei Unterord-

nung des Willens des Einzelnen unter den Willen

der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen

und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie

sich untereinander als einheitlichen Verband füh-

len.

Konkrete Anhaltspunkte für einen derartigen Or-

ganisationsgrad lagen und liegen im vorliegenden

Fall jedoch nicht vor. Darüber hinaus setzt § 129a

StGB voraus, dass die terroristische Vereinigung

darauf gerichtet ist, mehrere selbständige Katalog-

taten (hier in Betracht kommend: Herbeiführung

einer Sprengstoffexplosion gem. § 311 StGB a. F.)

zu begehen. Ob der aufgefundene Sprengstoff

überhaupt zu einem späteren Zeitpunkt zu einer

Explosion gebracht werden sollte oder ob – z. B.
zur bloßen Verbreitung von Angst und Schrecken

– es bei nicht zündfähigen Vorrichtungen bleiben
sollte, ist nicht bekannt. Die Ermittlungen haben

jedenfalls keine Erkenntnisse erbracht, dass meh-

rere Sprengstoffexplosionen geplant waren.

Fazit:

- Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem.

§ 170 Abs. 2 StPO erscheint sachgerecht,

- die Verjährungsproblematik wäre nicht aufge-

kommen, wenn die Zielfahndung des TLKA, die

ansonsten große Erfolge aufzuweisen hat, auch

diesmal die Festnahme hätte durchführen können.

- Der Eintritt der Verjährung hätte weiter hinaus-

geschoben werden können, wenn eine weitere,

richterliche Durchsuchungsanordnung erfolgt wä-

re, für die aber laut Staatsanwaltschaft Gera kein

Anlass bestanden hatte.

- Selbst wenn aufgrund anderer rechtlicher Um-

stände die Verjährung jetzt noch nicht eingetreten

wäre, besagt dies nicht, dass damit der Weg frei

wäre für einen erfolgreichen Abschluss des Ver-

fahrens. Die grundlegenden Probleme (Dürftigkeit

des Ermittlungsergebnisses und flüchtige Tatver-

dächtige) blieben bestehen.“4252

Im Rahmen der Prüfung der §§ 30 Abs. 2, 311 Abs. 1

StGB a. F. (Verbrechensverabredung) werden in dem

Papier keine Ausführungen zu den bereits am 6. Oktober

1996, 2. September 1997 und 26. Dezember 1997 (kurz

vor der Durchsuchung) an öffentlichen Plätzen in Jena

deponierten Bomben und Bombenattrappen gemacht.

Diese Taten hätten gegebenenfalls in die Abwägung, ob

der dringende Tatverdacht einer Verbrechensverabredung

vorliegt, einfließen können.

Das Gutachten der Thüringer Schäfer-Kommission be-

wertete die Verjährungsproblematik folgendermaßen:

„Nach der Durchsuchung am 26.01.1998 mit den
Funden in der Garage Nummer 5 (Kläranlage)

wurden gegen das Trio vom Amtsgericht Jena am

28.01.1998 Haftbefehle erlassen. Diese wurden auf

Antrag der StA Gera am 23.06.1998 wegen des

dringenden Verdachts von Vergehen nach § 311 b

Abs. 1 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 6, § 86 Abs. 1 Nr. 1

in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB, § 40

Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Nr. 2
4252) MAT B TH-3, Datei: 4110-S-18-1997 TJM S, Bl. 143 ff.

Drucksache 17/14600 – 482 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

SprengstoffG, §§ 52, 53, 25 StGB, §§ 1, 105 JGG

neu gefasst.

Nach § 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB bestand eine Verjäh-

rungsfrist von fünf Jahren, weil es sich bei sämtli-

chen in den Haftbefehlen vom 28.01.1998 aufge-

führten Delikten um solche handelte, die im

Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als ei-

nem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind. Durch

die neu gefassten Haftbefehle vom 23.06.1998

wurde die Verjährung nach § 78 c Nr. 5 StGB un-

terbrochen. Die Verfolgungsverjährung trat daher

mit dem 22.6.2003 ein, da weitere Unterbre-

chungsmaßnahmen rechtlich nicht möglich waren.

Hinzuweisen ist im Übrigen darauf, dass auch bei

der Annahme einer kriminellen Vereinigung

(§ 129 StGB) sofern den Strafverfolgungsbehör-

den dazu tatsächliche Anhaltspunkte bekannt ge-

wesen wären – am 22.6.2003 Verfolgungsverjäh-
rung eingetreten wäre. Denn § 129 StGB enthält

keine höhere Strafandrohung als die in den neu ge-

fassten Haftbefehlen benannten Straftatbestände.

Anders wäre es dann gewesen, wenn die Strafver-

folgungsbehörden vom TLfV umfassend unterrich-

tet worden wären. Dann hätte möglicherweise der

Anfangsverdacht eines Verbrechens des § 129a

StGB angenommen werden können. Das Verfah-

ren hätte an den GBA abgegeben werden müssen.

Damit hätte eine Verjährungsfrist von zehn Jahren

begonnen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB).“4253

Oberstaatsanwalt Mohrmann hat gegenüber dem Aus-

schuss angegeben, dass die Einstellungsverfügung nicht

zu beanstanden sei. Verfolgungsverjährung sei eingetreten

gewesen.
4254

4. Behandlung des Verfahrens gegen die
weiteren Beschuldigten

Das Kofferbomben-Verfahren richtete sich auch gegen

Ralf Wohlleben, Henning H. und André Kapke.
4255

Es

erfolgte eine Vielzahl von Telefonüberwachungen, darun-

ter bei Ralf Wohlleben, allerdings mit Blick auf seine

mutmaßliche Stellung als Kontaktperson zum Trio.
4256

Sonstige Ermittlungshandlungen gegen die

Mitbeschuldigten zur Aufklärung, ob sie an den Taten

beteiligt waren, konnten der Akte nicht entnommen wer-

den, obwohl André Kapke als Führer der „Kameradschaft
Jena“ sowie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als seine
Stellvertreter bezeichnet wurden. Darüber hinaus kam

aufgrund von DNA-Analysen André Kapke neben Uwe
4253) MAT A TH-6, S. 234.

4254) Schreiben vom 5. März 2013, MAT A Z-57/1.

4255) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera an das Thüringer Ministe-

rium für Justiz und Europaangelegenheiten vom 13. November

1997, MAT A TH-2/15, Bl. 19 ff.

4256) Beschluss des AG Jena vom 4. März 1998, MAT A TH-2/13,

PDF-S. 131 (unpaginiert), Beschluss des AG Jena vom 28. Mai

1998, MAT A TH-2/15, Bl. 112.

Böhnhardt und Beate Zschäpe als Spurenverursacher im

Briefbombenattrappen-Verfahren in Betracht. Die Knet-

masse dieser Briefbombenattrappen stimmte jedoch mit

derjenigen überein, die bei der Kofferbombe vor dem

Theater in Jena festgestellt wurde.
4257

Ebenfalls nicht feststellbar waren Vernehmungen dieser

Personen. Schließlich wurde das Ermittlungsverfahren

gegen Kapke, Wohlleben und H. am 28. November 2003

wegen Verjährung eingestellt.
4258

XI. Eintritt der Vollstreckungsverjährung bzgl.
Uwe Böhnhardt aus der Verurteilung im
Puppentorso-Verfahren im Jahr 2007 – Er-
lass eines Vollstreckungshaftbefehls und
Suchmaßnahmen

1. Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungs-
verjährung

Bezüglich der Verurteilung Uwe Böhnhardts im sog.

„Puppentorso“-Verfahren zu einer Jugendstrafe von zwei
Jahren und drei Monaten trat zehn Jahre nach Rechtskraft

des Urteils, mithin am 10. Dezember 2007, gemäß § 79

Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 6 StGB Vollstre-

ckungsverjährung ein.
4259

Bis zu diesem Tag hätte die

Möglichkeit bestanden, ihn bei Antreffen festzunehmen

und die ausgeurteilte Strafe zu vollstrecken.

2. Möglichkeit eines Haftbefehls während des
Strafverfahrens gemäß § 112 StPO

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen, die zu

einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, sich selbst der

Strafvollstreckung stellen, nachdem sie nach Rechtskraft

des Urteils zur Vollstreckung der Strafe durch die Justiz-

vollzugsanstalt geladen werden. Wenn Anhaltspunkte

dafür bestehen, dass der Verurteilte flüchten wird, kann

jedoch auch schon zuvor ein Haftbefehl gemäß § 112

StPO erlassen werden, beispielsweise mit Verkündung

des Urteils oder auch schon zuvor. Gegen Uwe Böhnhardt

war im Moment der Verurteilung im Puppentorso-

Verfahren am 16. Oktober 1997
4260

kein Haftbefehl bean-

tragt worden und das Landgericht Gera hatte auch nicht

von sich aus einen Haftbefehl erlassen, wohl vor dem

Hintergrund, dass Böhnhardt zu sämtlichen Gerichtsver-

handlungen freiwillig erschienen war. Auch bei der in

erster Instanz erfolgten Verurteilung durch das Amtsge-

richt Jena, als noch eine Jugendstrafe von drei Jahren und
4257) Vermerk des LKA Thüringen vom 10. Oktober 1997, MAT A

TH-2/6, Bl. 200 ff.

4258) MAT A TH-2/11, Bl. 1919.

4259) Zur Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Gera im Puppen-
torso-Verfahren siehe oben B. I. 2. m).

4260) Urteil des Landgerichts Gera vom 16. Oktober 1997, MAT A

TH-2/4, Bl. 830 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 483 – Drucksache 17/14600

sechs Monaten verhängt worden war,
4261

war kein Haftbe-

fehl ergangen oder beantragt worden.

3. Möglichkeit eines Vollstreckungshaftbe-
fehls gemäß § 457 StPO

Eine weitere gesetzliche Möglichkeit zum Erlass eines

Haftbefehls sieht § 457 StPO vor. Ein solcher sog. Voll-

streckungshaftbefehl kann durch die für die Vollstreckung

der Strafe zuständige Stelle erlassen werden, wenn eine

rechtskräftig verurteilte Person der Ladung zum Strafan-

tritt nicht folgt oder er ansonsten der Flucht verdächtig ist.

Vor diesem Hintergrund erging am 12. Mai 1998 zur

Vollstreckung der ausgeurteilten Strafe ein Vollstre-

ckungshaftbefehl gegen Uwe Böhnhardt,
4262

nachdem

dieser der Ladung zum Antritt der Strafe vom 18. März

1998, die ihm am 25. März durch Übergabe an seine

Mutter zugestellt worden war,
4263

nicht gefolgt war.

Der Zeuge Schultz hat im Hinblick auf die Möglichkeit

einer Festnahme des Böhnhardt vor dem 26. Januar 1998

bekundet:

„Der Böhnhardt war in diesem anderen Verfahren,
in dem er zwei Jahre und drei Monate gekriegt hat,

bislang nicht flüchtig. Die Taten, die dort abgeur-

teilt worden waren, lagen alle schon länger zurück.

Er ist zur Hauptverhandlung der ersten Instanz ins

Amtsgericht Jena gekommen. Er ist zur Beru-

fungshauptverhandlung - ich glaube, die war im

Oktober - im Landgericht Gera erschienen. Er hat-

te keine Anstalten gemacht zur Flucht. Deshalb

konnte in diesem Verfahren ein Haftbefehl nicht

ergehen. Ein Vollstreckungshaftbefehl nach § 457

der Strafprozessordnung erfordert eine Flucht. Er

lebte damals in Jena, er lebte bei seiner Familie in,

sagen wir mal, trotzdem geordneten sozialen Ver-

hältnissen. Er hatte keine Anstalten zur Flucht ge-

troffen. Ich konnte ihn also vorher nicht festneh-

men.“4264

4. Fahndungsmaßnahmen auf Grundlage des
Vollstreckungshaftbefehls nach dem
23. Juni 2003

Weder im Zeitraum nach dem 23. Juni 2003 noch zuvor

lassen sich aus den Böhnhardt betreffenden Vollstre-

ckungsakten des Puppentorso-Verfahrens intensivere

Fahndungsanstrengungen entnehmen. Am 9. Juli 2004

wurde die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Strafe

von dem ursprünglich wegen der Vollstreckung einer

Jugendstrafe zuständigen Jugendrichter gemäß § 85

Abs. 6 Jugendgerichtsgesetz auf die Staatsanwaltschaft
4261) Urteil des Amtsgerichts Jena vom 21. April 1997, MAT A TH-

2/4, Bl. 747 ff.

4262) Ladung zum Strafantritt vom 18. März 1998, MAT A TH-2/5,

Bl. 25.

4263) Postzustellungsurkunde vom 25. März 1998, MAT A TH-2/5,

Bl. 27.

4264) Schultz, Protokoll-Nr. 49, S. 14.

Gera übertragen.
4265

Nach Eingang der Akten dort erfolg-

te die Ausschreibung zur Fahndung und im Januar 2006

erging schließlich ein Europäischer Haftbefehl.
4266

Ver-

mutlich vor dem Hintergrund fehlender Ausfertigungen

des ursprünglichen Vollstreckungshaftbefehls vom 12.

Mai 1998, die für die Durchführung der weiteren Fahn-

dung benötigt wurden, erging am 9. Februar 2006 erneut

Vollstreckungshaftbefehl gegen Böhnhardt.
4267

Nach Eintritt der Vollstreckungsverjährung wurden die

Akten schließlich mit Verfügung vom 12. Januar 2008

weggelegt.
4268

XII. Erkenntnisse staatlicher Stellen in Sach-
sen von 2005 bis 2008

1. Polizeiliche Ermittlungen zu einem Was-
serschaden in der Polenzstraße 2 in Zwi-
ckau am 7. Dezember 2006

Der Ausschuss hat sich mit einem Vorgang von Ende

2006/Anfang 2007 befasst, der zur Entdeckung des unter-

getauchten Trios hätte führen können. Das Trio wohnte zu

dieser Zeit in einer Erdgeschosswohnung in der Polenz-

straße 2 in Zwickau unter dem Namen „D.“.

Nach der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Zwi-

ckau, Az.: 223 Js 2227/07, ergibt sich folgender Sachver-

halt:

Am 7. Dezember 2006 um 17.18 Uhr zeigte Martin F. bei

dem Polizeirevier Zwickau-West an, dass an diesem Tag

eine unbekannte Person in seiner Wohnung im 1. Stock

des Gebäudes Polenzstraße 2 in Zwickau während seiner

Abwesenheit die Wasserhähne aufgedreht habe, sodass

ein Wasserschaden in der Wohnung und am Haus ent-

standen sei. Er wohne mittlerweile in der Döhnerstraße,

die alte Wohnung habe er zum 15. Dezember 2006 ge-

kündigt, sie sei jedoch noch nicht vollständig geräumt

gewesen. Er vermute, dass der 15-jährige Nachbarsjunge

Patrick K. dies verursacht habe, da außer ihm und seinen

Familienangehörigen nur die Familie K. einen Schlüssel

zur Wohnung habe.
4269

Die Polizei nahm daraufhin die Ermittlungen wegen

Sachbeschädigung auf und vernahm Patrick K. am nächs-

ten Tag als Zeugen. Er gab an:

„Am gestrigen Tag, 07.12, gegen 14:00 Uhr klin-
gelte an der Wohnungstür der Freund der Lisa, die

im Erdgeschoss wohnt. Den Namen des Freundes

kenne ich nicht. Die sagten zu mir, dass in der ge-
4265) Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 9. Juli 2004, MAT A

TH-2/5, Bl. 49.

4266) Europäischer Haftbefehl vom 16. Januar 2006, MAT A TH-2/5,
Bl. 47 ff.

4267) Vollstreckungshaftbefehl vom 9. Februar 2006, MAT A TH-

2/5, Bl. 82.

4268) Verfügung vom 17. Januar 2008, MAT A TH-2/5, Bl. 104.

4269) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Martin F. vom

7. Dezember 2006, MAT A SN-9, Bl. 11 ff.

Drucksache 17/14600 – 484 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

genüberliegenden Wohnung des F. Wasser laufen

soll. Sie beauftragten mich, zu der Familie F. zu

gehen, die umgezogen war und jetzt auf der Dö-

nerstraße [Schreibweise wie im Protokoll] wohnt.

[…]

Die Lisa bat mich, doch die Familie wiederherzu-

holen oder bzw. den Schlüssel zu holen, damit wir

in der jetzt leer stehenden Wohnung mal nach-

schauen könnten. Da fiel mir ein, dass meine Mut-

ter ja eigentlich den Schlüssel der Familie F. be-

kommen hat, da wir noch selbst Sachen in der

Wohnung der F.'s haben und die dort jederzeit hät-

ten rausholen können.

Ich holte den Schlüssel, schloss auf und begab

mich in die Wohnung. Nach dem Öffnen der

Wohnung betrat ich diese zuerst und der Freund

der Lisa und sein Kollege folgten mir. Ich begab

mich in die dortige Küche und sah, dass ein Was-

serhahn voll aufgedreht war. Den Wasserhahn

drehte ich zu und damit war die Sache erledigt. Li-

sas Freund bat mich, dass ich jetzt doch den Herrn

F. herholen soll, damit er den Schaden begutachten

kann. Ich begab mich dann zu F.'s und da der Herr

F. auf Arbeit war, holte ich Frau F. her. Sie begab

sich mit in die Wohnung. Als Frau F. eintraf, be-

fanden sich ich, die Frau F., die Lisa, ihr Freund

und dessen Kollege in der Wohnung. Bis zu dieser

Zeit hatten Lisa, ihr Freund und der Kollege be-

reits schon alles aufgewischt. Sie benutzten diverse

Handtücher und Bettlaken. Für mich erschien die

Wohnung wieder halbwegs abgetrocknet.“4270

Ebenfalls am 8. Dezember 2006 wollten zwei Polizeibe-

amte den Schaden in der Wohnung der „Fam. D.“ besich-
tigen. Dies gelang ihnen jedoch nicht, „da die Familie
nicht zu Hause war“.4271

Die Polizeidirektion Südwestsachsen lud die von Patrick

K. erwähnte „Lisa D.“ vor. Da sie jedoch nicht zu ihrer
Vernehmung am 9. Januar 2007 erschien, versuchte die

Polizei erfolglos ihre Telefonnummer durch öffentliche

sowie polizeiliche Systeme zu ermitteln. Hierbei stellte

sich heraus, dass eine „Lisa D.“ nicht verzeichnet war.4272
Daraufhin erkundigte sich die Polizei beim Einwohner-

meldeamt in Zwickau. Die Auskunft ergab, dass eine Frau

„Lisa D.“ dort nicht bekannt war. In der Polenzstraße 2
war jedoch eine Person namens Matthias D. gemeldet. In

dem Vermerk heißt es weiter:

„Durch Unterzeichner wurde in der Folge das
Wohnhaus aufgesucht. Dort wurde in der Woh-

nung D. Frau Susann E., geb. […] angetroffen.
Auf Befragen hin gibt sie an, dass sie den Spitz-

namen Lise hat und daher für manche Leute als Li-

sa D. gehalten wird. Matthias D. ist ihr Bekannter,
4270) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Patrick K. vom

8. Dezember 2006, MAT A SN-9, Bl. 15 ff.

4271) Vermerk vom 8. Dezember 2006, MAT A SN-9, Bl. 20.

4272) Vermerk vom 9. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 23.

er ist aber als LKW-Fahrer beruflich unterwegs.

Frau E. wurde erklärt, dass sich eine Zeugenver-

nehmung wegen der Sachbeschädigung erforder-

lich macht. Da sie gleich vor Ort dazu nicht bereit

war, wurde mit ihr ein Termin am 11.01.2007,

06:30 Uhr, in der Dienststelle vereinbart.
4273

Am 9. Januar 2007 vernahm die Polizei außerdem den

Zeugen Martin F. erneut. Zu möglichen Zeugen befragt

nannte er:

„Die Lisa, die unter uns wohnt. Sie müsste D. hei-
ßen. Das habe ich über meinen Bruder und meine

Frau erfahren. Die Lisa hätte es ihnen erzählt. Mir

selber hat sie es nicht erzählt. Sie hatte am Tag mit

dem Wasserschaden vormittags Fußtritte bei uns in

der Wohnung gehört. Wir können es nicht gewe-

sen ein.“

Außerdem zeigte er an, dass aus der Wohnung verschie-

dene Gegenstände entwendet worden seien.
4274

Am 11. Januar 2007 um 6.35 Uhr vernahm derselbe Poli-

zeibeamte, der bereits am 9. Januar 2007 Kontakt zu „Li-
sa D. bzw. Susann E.“ hatte, diese Person. Sie gab sich
erneut als Susann E. aus und wies sich laut Protokoll

durch einen Personalausweis aus. Sie erklärte:

„Normalerweise wohne ich mit meinem Mann An-
dré Eminger in Zwickau, Dortmunder Str. 12. Wir

halten uns aber hin und wieder in der Wohnung

unseres Kumpels Mathias D. auf. Er ist Lkw-

Fahrer und im Fernverkehr tätig, daher ist er tags-

über viel unterwegs. Wir kümmern uns in seiner

Wohnung um seine Katzen. lm Haus sind mir die

Familien K. und auch F. ziemlich gut bekannt. Ich

hatte bisher aber immer den Eindruck, dass sie gut

zusammengehalten haben. Sie haben in den Som-

mermonaten viel zusammen gefeiert, und ich weiß,

dass sie gegenseitig auch die Wohnungsschlüssel

in Besitz hatten. So, wie ich es mitbekam, sind sie

gegenseitig in der Wohnung ein und aus gegangen.

Dass es irgendwelche Anfeindungen unter den

beiden Familien gab, habe ich am Anfang nicht

mitbekommen, erst nach dieser Sache mit dem

Wasserschaden.

An dem Tag, als dieser Wasserschaden passiert ist,

es müsste ein Donnerstag gewesen sein, war ich

vormittags unterwegs. Ich denke, ich habe gegen

8:00 oder 9:00 Uhr früh die Wohnung zum Ein-

kaufen verlassen und kam irgendwann am frühen

Nachmittag zurück. Als ich zurück kam, war eine

Aufregung im Haus. Als ich in die Wohnung kam,

standen bei uns im Bad Eimer. Ich sah, dass oben

von der Decke Wasser herunter tropfte. Dann ging

ich in die 1. Etage. Dort war die Wohnung der

Familie F. geöffnet. In der Wohnung waren mein

Ehemann, der Sohn der Familie K. und die Tochter
4273) Vermerk vom 9. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 24.

4274) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Martin F. vom

9. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 25 ff., 27.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 485 – Drucksache 17/14600

sowie die Freundin des jungen K. Ich kann die

Vornamen bzw. die genauen Namen nicht benen-

nen. Sie waren damit beschäftigt Wasser aufzuwi-

schen. So, wie sie es mir erzählten, war die Hälfte

schon weggewischt. Ich ging dann sofort zum

Hausmeister. […] Er wohnt zwei Eingänge weiter,
ich schätze, es ist die Polenzstr. 6. Ich sagte ihm,

was passiert ist, und er kam mit mir zurück in die

Polenzstr. 2. Seine Tochter hat uns ebenfalls be-

gleitet. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen

Frage: Aus Vernehmungen geht hervor, dass Sie

sich am Vormittag dieses 07.12.06 in Ihrer Woh-

nung aufgehalten haben. Von Ihrer Wohnung aus

hätten Sie Geräusche in der oberen Wohnung

wahrgenommen. Damit ist die Wohnung der Fami-

lie F. gemeint. Was können Sie dazu sagen?

Antwort: Das kann so nicht stimmen. Ich weiß

nicht, wer zu dieser Behauptung kommt. Ich war

an dem Vormittag in der Stadt unterwegs. Ich höre

auch das erste Mal davon. Mein Mann war jedoch

zu Hause gewesen, vielleicht kann er mehr dazu

sagen. Ich kann aber sagen, dass man Geräusche in

der oberen Wohnung sehr stark hört. Es handelt

sich um einen Altbau, der teilweise saniert ist.

Durch die Zimmerdecken hört man jegliche Ge-

räusche, damit meine ich Laufgeräusche, Musik,

teilweise auch lauter geführte Gespräche. […]

Frage: Ist Ihnen ein Schaden an Ihrer Wohnung

bzw. Ihren persönlichen Gegenständen entstanden?

Antwort: Nein, wir selber hatten an unseren per-

sönlichen Sachen keinen Schaden. Ich muss dazu

sagen, dass es bereits vorher einen Wasserschaden

gab. Aus diesem Grund haben wir Badmöbel aus

Metall, also aus wasserfesten Teilen, gekauft. Der

Schaden, der an der Wohnung entstanden ist, ist

eigentlich dem Vermieter entstanden. Dieser ist

mittlerweile behoben. Wir hatten lediglich die Un-

annehmlichkeiten. Mehr kann ich dazu nicht sa-

gen.

Ende der Vernehmung: 6:50 Uhr“4275

Am selben Tag um 6.53 Uhr, also direkt nach dieser Ver-

nehmung von „Susann E.“, vernahm derselbe Polizeibe-
amte eine Person, die sich als André Eminger bezeichnete

und freiwillig, das heißt ohne Vorladung, erschien. Diese

Person wies sich laut Protokoll durch einen Personalaus-

weis aus und erklärte:

„Zusammen mit meiner Frau wohne ich norma-
lerweise in Zwickau in der Dortmunder Str.12.

Meine Frau ist die Susann E. Hin und wieder hal-

ten wir uns in der Wohnung unseres Kumpels Ma-

thias D. auf. Unser Kumpel ist seit etwa einem

halben bis einem Dreivierteljahr Fernfahrer und
4275) Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Susann E. vom

7. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 30 ff.

daher viel unterwegs. Seit dieser Zeit sind wir auch

hin und wieder in seiner Wohnung.

An den Tag mit diesem Wasserschaden kann ich

mich noch recht gut erinnern. Ich kann jedoch das

Datum nicht mehr benennen. Ich weiß aber, dass

ich am Vormittag gegen 8:00 oder 9:00 Uhr in das

Büro meiner Firma gegangen bin. Ich selber habe

die Fa. […]. Ich beschäftige mich mit Mediendigi-
talisierung und Webdesign. Irgendwann gegen

Mittag oder kurz nach Mittag bin ich zum Mathias

in die Wohnung zurückgefahren. Ich war etwa 10

Minuten dort in der Wohnung und wollte auf Toi-

lette gehen. Dabei bemerkte ich, dass bei uns im

Bad das Wasser von der Decke lief. Damit meine

ich das Bad vom Mathias. Zu diesem Zeltpunkt

war meine Frau auch nicht da.

Ich ging sofort in die obere Wohnung und klingel-

te. Es hat aber niemand geöffnet. Durch die ge-

schlossene Wohnungstür hörte ich ein Zischen

oder Rauschen. Daraufhin klingelte ich bei den

Nachbarn der gegenüberliegenden Wohnung. Ich

kann nicht sagen, wie diese Leute heißen. Im All-

gemeinen kümmere ich mich nicht besonders um

die Hausleute. Ich bin nicht so ein geselliger Typ.

Es öffnete mir der Sohn von dieser Familie. Es ist

ein etwa 16- bis 17jähriger Jugendlicher. Ich fragte

ihn nach der Telefonnummer von den Mietern der

Nachbarwohnung oder ob er Kontakt zu diesen

hat. Daraufhin antwortete er, dass er einen Schlüs-

sel für diese Wohnung hat. Er holte den Schlüssel

und öffnete in meinem Beisein die Wohnungstür

der Nachbarwohnung. Er selber ging allein in die

Wohnung. Wir waren zu dem Zeitpunkt nur zu

zweit. Ich blieb kurz vor der Wohnung stehen.

Kurz nachdem er in die Wohnung ging, hörte ich,

wie es aufhörte zu rauschen. Dann kam seine

Freundin dazu. Auch hier kann ich nicht sagen,

wie sie heißt. Sie ging ebenfalls in die Wohnung

und ich folgte ihr. In der Wohnung sah ich, wie der

Flur, die Küche und das zweite Zimmer von links -

ich vermute, es war ein Gästezimmer – wasser-
überflutet waren. Ich kann es nicht mehr genau

einschätzen, aber ich denke, in der Kirche stand

das Wasser 1 bis 2 cm hoch. Ich ging zurück in

unsere Wohnung, ich meine die Wohnung vom

Mathias. Dort stellte ich im Bad erst einmal einen

Eimer unter die Lampe, weil es dort herunter tropf-

te. Dann nahm ich mir einen weiteren Eimer und

irgendwelche Lappen. Ich ging wieder hinauf in

die andere Wohnung. Dort haben wir dann ange-

fangen das Wasser aufzuwischen. Als ich wieder

in die obere Wohnung zurückkam, waren auch

noch andere Leute mit dort. Aber auch hier kann

ich nicht sagen, wer das gewesen ist. Ich schätze,

wir haben etwa eine halbe oder eine Dreiviertel-

stunde lang Wasser aufgewischt. Dann kam ir-

gendwann meine Frau dazu. […]

Frage: Haben Sie am Vormittag des 07.12.06, be-

vor Sie in Ihre Firma gegangen sind, in der oberen

Drucksache 17/14600 – 486 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wohnung Geräusche mitbekommen, dass sich dort

jemand aufhält?

Antwort: Nein. Ich bin direkt von meiner richtigen

Hauptwohnung Dortmunder Str. 12 aus in das Bü-

ro gefahren. Von dort aus bin ich nach dem Mittag

oder um die Mittagszeit in die Wohnung Polenzstr.

2 gefahren.

Frage: Ist an Ihren persönlichen Sachen ein Scha-

den entstanden?

Antwort: Nein, bei uns nicht. Mehr kann ich zur

Sache eigentlich nicht sagen.

Ende der Vernehmung: 7:15 Uhr“4276

Martin F. wurde am 17. Januar 2007 zu den Widersprü-

chen zwischen seiner Aussage vom 9. Januar 2007 und

derjenigen von Susann E. vernommen. In dem Protokoll

heißt es:

„In Ihrer Vernehmung vom 07.12.2006 gaben sie
an, dass ihnen Frau D. erzählte, sie hätte in Ihrer

Wohnung an dem Vormittag gehört wie jemand

die Tür aufgeschlossen und die Wohnung betreten

hat. Der richtige Name von der Frau Lisa D. ist

Susann E. Sie gab in ihrer Vernehmung an, dass

sie an dem Vormittag des 07.12.2006 nicht in der

Wohnung war. Was können Sie dazu sagen?

Antwort: Dann sagt sie die Unwahrheit. Sie hat

mir an dem 07.12.2006, als ich nach dem Wasser-

schaden im Haus war, erzählt, dass sie die Geräu-

sche gehört hat. Das war im Treppenhaus auf der

Etage wo wir gewohnt haben. Es standen noch et-

liche andere Leute im Haus die das auch gehört

haben könnten. Unser Hausmeister […] stand un-
mittelbar mit dabei. Er müsste es mitbekommen

haben wie die Frau E. mir das erzählte.“4277

Eine Vernehmung der Freundin des Patrick K., Jennifer,

findet sich nicht in der Akte. Auch der von Patrick K.

erwähnte „Kollege des Freundes von Lisa“ wurde von der
Polizei nicht ermittelt.

Auffällig bei den Vernehmungen der sich als Ehepaar E.

ausgebenden Personen waren folgende Punkte:

Während sich „André Eminger“ immer wieder korrigierte,
wenn er die Wohnung des Matthias D. als „unsere Woh-
nung“ bezeichnete, sprach „Susann E.“ durchgehend von
„unserer Wohnung“. Sie will dort auch übernachtet ha-
ben, bevor sie die Wohnung zum Einkaufen verließ und

anschließend wieder zurückkehrte. Demgegenüber sagte

„ihr Mann André Eminger“ zunächst aus, er sei von der
Arbeit in die Wohnung „zurückgefahren“; später gab er
allerdings an, er sei von seiner „Hauptwohnung“ in der
Dortmunder Straße zur Arbeit gefahren, habe also die

Nacht nicht in der Wohnung des Matthias D. verbracht.
4276) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen André Eminger

vom 7. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 34 ff.

4277) Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Martin F. vom

15. Januar 2007, MAT A SN-9, Bl. 70 f.

Schließlich sprachen beide davon, dass ihnen kein Scha-

den an ihren persönlichen Sachen entstanden sei, „Susann
E.“ erläuterte dies noch, indem sie auf die Anschaffung
von Badmöbeln aus Metall hinwies.

In der Akte finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass

die Polizei diese Widersprüche hinterfragt hätte.

Die Staatsanwaltschaft Zwickau stellte mit Verfügung

vom 27. Juli 2007 das Ermittlungsverfahren gegen Pat-

rick K. wegen Diebstahls u. a. nach § 170 Abs. 2 StPO

ein. In der Abschlussverfügung heißt es, es habe kein

Nachweis erbracht werden können, dass der Beschuldigte

sich zur Tatzeit tatsächlich in der Wohnung F. aufgehal-

ten habe.
4278

2. Operation „Grubenlampe“ des LfV Sach-
sen

Nach Aussage des Zeugen Vahrenhold, des damaligen

Präsidenten des LfV Sachsen erfolgte in dieser Zeit eine

Observation des André Eminger durch das LfV Sachsen

unter der Bezeichnung Operation „Grubenlampe“.4279

Im Operationsauftrag des LfV Sachsen vom 19. Oktober

2006 heißt es:

„Die ZP [Zielperson] war Mitglied der mittlerwei-
le inaktiven Kameradschaft ‚Weiße Bruderschaft
Erzgebirge’ und vielfacher Teilnehmer an
Skinheadkonzerten und sonstigen rechtsextremisti-

schen Szene- (typischen) Veranstaltungen, auch

überregional sowie international. Diese Aktivitäten

beschränkten sich auf einen Zeitraum zwischen

1998 und 2003.

Im Juni 2006 gelangte das BfV (Außenstelle Ber-

lin) zu der Erkenntnis, dass die ZP die Absicht ha-

ben soll, in Zwickau eine neue Kameradschaft zu

gründen.“4280

Ziel der Maßnahme war, ein Bewegungsbild von André

Eminger zu erstellen und dabei seine Kontakte zu Ange-

hörigen der rechtsextremistischen Szene sowie die Teil-

nahme an Szeneaktivitäten zu dokumentieren.
4281

Die Observation des André Eminger wurde vom 5. bis

8. Dezember 2006 durchgeführt. Am 7. Dezember 2006,

dem Tag des Wasserschadens in der Polenzstraße, begann

die Observation um 12 Uhr am Wohnort des André Emin-

ger in Zwickau, Dortmunder Straße 12, und dauerte bis

20.30 Uhr. Dem Observationsbericht zufolge verließ

André Eminger um 14.49 Uhr seine Wohnung und fuhr
4278) Verfügung der Staatsanwaltschaft Zwickau, MAT A SN-9,

Bl. 145 ff.

4279) Vahrenhold, Protokoll-Nr. 62, S. 71.

4280) MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).

4281) Observationsauftrag des LfV Sachsen vom 19. Oktober 2006,

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 487 – Drucksache 17/14600

mit dem PKW zur Arbeitsstelle, die er um 17.05 Uhr

wieder verließ.
4282

Die „Auswertung“ vermerkte auf dem Observationsbe-
richt, dass einschlägige, zur ZP vorliegende Informatio-

nen mittels der Observation nicht bestätigt werden konn-

ten.
4283

Den Unterlagen des LfV Sachsen zu André Eminger kann

darüber hinaus entnommen werden, dass Mitarbeiter des

LfV Sachsen mit dem Leiter des Staatssschutzes der Poli-

zeidirektion Südwestsachsen, Herrn Andrä, und dessen

Stellvertreter am 2. November 2006 einen „Erkenntnis-
austausch“ durchführten. Thema war u. a. André Eminger.
Die Polizei schätzte, dass André Eminger innerhalb der

rechtsextremistischen Szene in der Region eine herausge-

hobene Stellung innehabe. Das LfV Sachsen teilte diese

Auffassung. Die seit dem 19. Oktober 2006 beabsichtigte

Observation des André Eminger für Anfang Dezember

2006 wurde während der Besprechung vom 2. November

2006 nicht erörtert.
4284

3. Staatsschutz-Erkenntnisse der PD Zwickau

Der Zeuge Andrä war bei der für Zwickau zuständigen

Polizeidirektion Südwestsachsen von 2005 bis 2008 Lei-

ter des Dezernats Staatsschutz. Er hat ausgesagt:

„Ein paar statistische Eckdaten: Hinsichtlich der
von uns zu bearbeitenden Ermittlungsverfahren im

Phänomenbereich ‚politisch motivierte Kriminali-
tät – rechts’ hielten wir im relevanten Zeitraum im
Vergleich innerhalb Sachsens keine hervorgeho-

bene Rolle inne. Straftaten, die von gefestigten,

rechts motivierten Gruppierungen begangen wur-

den, wie das Verfahren gegen ‚Sturm 34’, waren in
diesem Zeitraum durch uns nicht zu bearbeiten.

Trotzdem war politisch motivierte Kriminalität –
rechts Bearbeitungsschwerpunkt, so zum Beispiel

im Jahre 2005 waren dies insgesamt 265 Strafta-

ten, wohingegen ganze fünf Straftaten des Phä-

nomenbereichs politisch motivierte Kriminalität –
links zu bearbeiten waren. Diese Tendenz setzte

sich über die Jahre fort. […]

In den knapp vier Jahren, die ich als Leiter dieses

Dezernates in Zwickau gearbeitet habe, sind die

drei Personen des Trios in keiner Hinsicht und

auch im Übrigen nicht durch politisch motivierte

Straftaten aufgefallen. Auch lagen uns keinerlei

Fahndungsersuchen bzw. Hinweise auf den ver-

meintlichen Wohnort Zwickau vor.
4282) Observationsbericht des LfV Sachsen vom 12. Dezember 2006,

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).

4283) Observationsbericht des LfV Sachsen vom 12. Dezember 2006,

MAT A SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03
(unpaginiert).

4284) Vermerk des LfV Sachsen vom 3. November 2006, MAT A

SN-1/2 (Tgb.-Nr. 08/12 – GEHEIM), Anl. 03 (unpaginiert).

Warum wurden die Täter nicht gefasst? Diese Fra-

ge stellt sich sicherlich jeder Polizist, nicht nur in

Zwickau. Für einen Kriminalisten wie mich ist

diese Tatsache tatsächlich ein harter Knochen. Wie

schon erwähnt, sind diese Personen zu keinem

Zweitpunkt auf unserem Schirm aufgetaucht. Auch

lagen die meisten Taten außerhalb unseres Zustän-

digkeitsbereiches bzw. gab es keine Hinweise auf

einen Zusammenhang der durch das Trio begange-

nen Taten. So, wie sich der Sachverhalt heute dar-

stellt, obwohl das Trio in Zwickau lebte, haben

sich die Täter offensichtlich aus politischen Aktio-

nen der regionalen Szene ferngehalten.“4285

Die Organisation „Blood & Honour“ habe in Zwickau
keine Rolle gespielt.

4286
Der polizeiliche Staatsschutz habe zu keinem Zeitpunkt

Informanten in der rechten Szene geführt. In Sachsen sei

im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes das Führen

von Vertrauenspersonen bzw. Informanten „in der Form“
nicht zulässig. Ob das LfV Sachsen Vertrauenspersonen

in Zwickau geführt habe, wisse er nicht.
4287

An den Ermittlungen zur Aufklärung der Banküberfälle in

Zwickau sei der polizeiliche Staatsschutz nicht beteiligt

gewesen.
4288

XIII. Erkenntnisse des BKA aus der Sicherstel-
lung von Tonbändern im Jahr 2007

Der vom Ausschuss eingesetzte Ermittlungsbeauftragte

Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg hat im Zuge der Aus-

wertung der BKA-Akten einen Vorgang festgestellt, der

Erkenntnisse des BKA zum Trio aus den Jahren 2007 bis

2009 zum Gegenstand hat. Das BKA hat hierzu versi-

chert, dass der Ermittlungsbeauftragte dem BKA hierbei

zuvorgekommen sei; das BKA wäre auch ohne die Hin-

weise des Ermittlungsbeauftragten auf diesen Vorgang

aufmerksam geworden.
4289

Bei dem Vorgang handelt es sich um ein Ermittlungsver-

fahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen

Thorsten Heise wegen des Verdachts der Volksverhet-

zung. Am 30. Oktober 2007 durchsuchte das BKA das

Anwesen von Thorsten Heise in Thüringen. Ziel der

Durchsuchungsmaßnahme war das Auffinden von Be-

weismitteln, um Hinweise auf die Beteiligung des Thors-

ten Heise an der Produktion und dem Vertrieb strafrecht-

lich relevanter rechtsextremistischer Tonträger zu erlan-

gen. Dabei wurden im Büro u. a. drei Kassetten für ein

Diktiergerät sichergestellt.
4290
4285) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 75 ff.

4286) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 89.

4287) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 79.

4288) Andrä, Protokoll-Nr. 59, S. 88.

4289) Germano, Protokoll-Nr. 65, S. 102 f.

4290) Vermerk des BKA vom 4. Mai 2009, MAT A BKA-2/46, Bl.

114.

Drucksache 17/14600 – 488 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Zeugin EKHK´in Baumert, BKA, hat ausgesagt, dass

sie an der Durchsuchung beteiligt gewesen sei.
4291

Die

Führung dieses Verfahrens habe sie erst im September

2008 übernommen.
4292

Ziel des Verfahrens sei es gewe-

sen, den Weg von rechtsextremen CDs nachzuverfolgen,

von der Pressung in Australien über die Lieferung nach

Dänemark und nach Deutschland. Außerdem sollten die

Verantwortlichen ermittelt werden.
4293

Als erstes seien die Zufallsfunde (2 100 CDs und Waffen)

abgearbeitet worden. Von Dezember 2007 bis Mitte 2008

seien Zeugen vernommen worden.
4294

Die sichergestellten Diktierkassetten wurden erst im Mai

2009 ausgewertet. Der Auswertungsvermerk vom 4. Mai

2009 stellt fest, dass es sich beim Inhalt der Diktierkasset-

ten Nr. 1 und Nr. 2 um Mitschnitte von Gesprächen des

Thorsten Heise mit zwei weiteren Personen handelt. Der

Hauptgesprächspartner des Thorsten Heise wurde als Tino

Brandt identifiziert. In einer Anlage zum Vermerk vom

4. Mai 2009 wurden die im Gespräch erwähnten Namen

aufgelistet. Darunter waren folgende Namen:

„Beate SCHÄFER (oder) SCHÄDLER (phon.)

Uwe (oder) Udo MUNDLOS (phon.)

Udo BÖHMER (phon.)“

Zu diesen Personen heißt es:

„(letztgenannten 3 Personen seien verschwun-
den)“4295

Der Vermerk vom 4. Mai 2009 schließt mit dem Satz:

„Eine unmittelbare Verfahrensrelevanz ist nicht er-
sichtlich.“4296

Der Ausschuss hat hinterfragt, warum die Auswertung der

Kassetten erst nach mehr als eineinhalb Jahren erfolgt ist.

Die Zeugin Baumert hat hierzu ausgesagt, dass andere

Verfahren priorisiert worden seien. Die Asservate seien

nur dann ausgewertet worden, wenn Zeit gewesen sei.

Jeder, der gerade Zeit gehabt habe, habe sich ein Asservat

genommen. Es sei hinzugekommen, dass zu dem Zeit-

punkt schon festgestanden habe, dass bei dem Verfahren

selbst wohl keine Verurteilung zu erwarten sei. Andere

Verfahren seien deshalb vorgezogen worden.
4297

Auf die

Frage, ob sie den Zeitpunkt der Auswertung angemessen

finde, hat die Zeugin geantwortet:

„Ich hätte gern mehr Leute gehabt, die das machen
könnten. Dann wäre es wahrscheinlich auch

schneller gegangen.“4298
4291) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 90.

4292) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 93.

4293) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 90.

4294) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 92.

4295) MAT A BKA-2/46, Bl. 116.

4296) MAT A BKA-2/46, Bl. 115.

4297) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 94.

4298) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 95.

Sie seien insgesamt sieben Mitarbeiter gewesen, die sich

in diesem Zeitraum mit vier Verfahren gegen Thorsten

Heise sowie vier weiteren Verfahren in diesem Zusam-

menhang beschäftigt hätten.
4299

Die Auswertung sei von

einer Auswertekraft vorgenommen worden, die lediglich

habe aufschreiben sollen, was zu hören sei, insbesondere

ob der Gegenstand des Verfahrens (CD-Produktion und

-Vertrieb) betroffen sei. Die Auswertekraft sei keine Kri-

minalistin mit Kenntnissen im Phänomenbereich rechts-

extreme Kriminalität gewesen.
4300

Der Vermerk sei nicht an das LKA Thüringen gesteuert

worden, da das Asservat nicht als wichtig angesehen

worden sei.
4301

Es sei allerdings üblich, die Namen abzu-

fragen, sie sei sich jedoch nicht sicher, ob dies damals

geschehen sei.
4302

Das nunmehr im November 2012 erstellte Wortprotokoll

der Kassetten ergab, dass das aufgezeichnete Gespräch

am 20. Januar 2007 stattgefunden hat. Darüber hinaus

wurden folgende das Trio betreffende Passagen festge-

stellt, die im Vermerk vom 4. Mai 2009 nicht enthalten

sind:

Tino Brandt äußerte, das Trio habe in der Zwischenzeit

„andere Sachen machen müssen, um sich über Wasser zu
halten“, dadurch habe es neue Verjährungsfristen gege-
ben. Das LfV Thüringen habe in Bezug auf das Trio den

„Thüringer Heimatschutz“ für den legalen Arm einer
Terrorbewegung gehalten.

4303
Weiter thematisierte Tino

Brandt eine angebliche Sammlung für das Trio. Im Mai

2001 habe Tino Brandt das letzte Mal mit ihnen telefo-

niert. Danach habe Wohlleben als einziger Kontakt zum

Trio gehabt.
4304

Angesichts dieser nur teilweisen Auswertung der Kasset-

ten hat die Zeugin Baumert eingeräumt, die Auswertung

sei damals nicht angemessen erfolgt. Sie hat dies folgen-

dermaßen erklärt:

„Aber es ist einfach an das Verfahren angegliedert
worden, weil da nichts mehr zu holen war. Es

wurde halt nur noch zugesehen, dass die Verfah-

ren, die Asservate durchkamen. Wenn also noch

irgendwas gefunden worden wäre für unser Ver-

fahren, hätten wir es natürlich ausgewertet. […]

Ich hatte mein Verfahren, das ich irgendwie abar-

beiten muss, das ich also bearbeiten muss. Und ich

hatte andere Verfahren, die halt höherwertiger wa-

ren, die also aktueller waren. Wir hatten ja im Au-

gust halt tatsächlich in Dänemark die Festnahmen

gemacht und auch die Durchsuchung. Und da sa-

ßen jetzt Leutchen ein, da lief die Rechtshilfe, die

kam auch Anfang 2009, und da mussten wir halt
4299) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 100.

4300) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 97.

4301) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 101.

4302) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 111.

4303) Vermerk vom 21. November 2012, MAT A GBA-12, Bl. 30.

4304) Vermerk vom 21. November 2012, MAT A GBA-12, Bl. 53 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 489 – Drucksache 17/14600

zusehen, dass wir diese Asservate eher ausgewertet

kriegen.“4305

Es sei in ihrem Verfahren um CDs und nicht um eine

Terrorbewegung gegangen, weshalb sie im Rahmen ihres

Verfahrens „so gearbeitet habe“.4306

Die Zeugin hat außerdem ausgesagt, sie wisse auch nicht,

warum das BKA nicht gegen Thorsten Heise wegen der

Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201

StGB ermittelt worden sei, obwohl es nahegelegen ha-

be.
4307

Zur Erklärung hat sie angegeben, dass es in dem

Ausgangsverfahren um CDs gegangen sei. Ein neues

Verfahren hätte auch nicht weitergeholfen.
4308

Es sei nicht

um ein Personenverfahren gegen Thorsten Heise gegan-

gen.
4309

Die Kassette 3 enthielt laut dem Vermerk vom 4. Mai

2009 unter anderem die Aufzeichnung eines Gesprächs

zwischen Thorsten Heise und einem Danny/Daniel in

einem PKW. Der Vermerk hält fest, dass es in diesem

Gespräch um verschwundene Eintrittsgelder für ein Kon-

zert in Höhe von ca. 20 000 DM ging. Thorsten Heise

habe diese Summe von seinem Gesprächspartner ver-

langt.
4310

Auch diese Kassette wertete das BKA im November 2012

erneut aus. Danach habe zwar das genaue Datum des

Gesprächs nicht festgestellt werden können, die wieder-

holte Thematisierung von DM-Beträgen lasse allerdings

den Schluss zu, dass das Gespräch vor der Euro-

Einführung zum 1. Januar 2002 erfolgt sei. Neben den

bereits im Vermerk vom 4. Mai 2009 genannten ver-

schwundenen Eintrittsgeldern war bei dem aufgenomme-

nen Gespräch zwischen Thorsten Heise und Danny auch

von Geld „für den Kampf“ bzw. von der Beschaffung von
Waffen die Rede. Außerdem erwähnte Thorsten Heise

Gruppen im ganzen Bundesgebiet, die sich „reichlich mit
Waffen versorgen“.4311

Thorsten Heise gab hierzu im Rahmen einer Zeugenver-

nehmung vom 13. Dezember 2012 an, lediglich eine

Drohkulisse vorgespiegelt zu haben, um Daniel zur Rück-

zahlung der entwendeten Gelder zu bewegen.
4312
4305) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 98 f.

4306) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 99.

4307) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 95.

4308) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 109 f.

4309) Baumert, Protokoll-Nr. 65, S. 113.

4310) MAT A BKA-2/46, Bl. 114.

4311) Auswertungsvermerk des BKA vom 27. November 2012, MAT

A GBA-12, Bl. 8 ff., 10.

4312) MAT A GBA-12, Bl. 129 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 491 – Drucksache 17/14600

F. Česká–Mordserie

I. Überblick

1. Mord an Enver Şimşek am 9. September
2000

Am 9. September 2000 wurde in Nürnberg Enver Şimşek
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-

mittlungen im Januar 2002 folgendes fest:

„Der 38jährige türkische Blumenhändler Enver
Şimşek wurde am 9. September 2000, in der Zeit
zwischen 12.45 bis 14.45 Uhr, an seinem mobilen

Blumenstand in Nürnberg, Liegnitzer Straße, mit 8

Schüssen niedergestreckt. Das Opfer wurde um

15.15 Uhr, im Laderaum seines für Blumentrans-

port benutzten Lieferwagens, einem Mercedes

‚Sprinter‘ aufgefunden und verstarb zwei Tage
später im Nürnberger Süd-Klinikum, ohne das

Bewusstsein wiedererlangt zu haben. […]

Insgesamt wurden zwei Projektile Kal. 6,35 mm

(eine Hülse) und vier Projektile Kal. 7,65 mm

(fünf Hülsen) aufgefunden.

Bei der Waffe des Kal. 7,65 mm handelt es sich

um eine Selbstladepistole Česká, Modell 83, Kal.
7,65 mm Browning. Der Waffenhersteller mit Kal.

6,35 mm konnte nicht festgestellt werden.

Aufgrund der bisherigen Ermittlungen und Aus-

wertung der Spuren ist davon auszugehen, dass

Enver Şimşek von zwei bewaffneten Tätern regel-
recht hingerichtet wurde. Şimşek muss sich dabei
im Laderaum seines Transporters aufgehalten ha-

ben, während die Täter aller Wahrscheinlichkeit

nach die Schüsse von außen stehend durch die ge-

öffnete Schiebetür abgaben.

Die Familie Şimşek betreibt im hessischen
Schlüchtern einen Blumengroßhandel, dem ein

Blumenfachgeschäft angegliedert ist. Dazu gehör-

ten noch drei mobile Blumenstände, ähnlich dem

in Nürnberg, die in Hessen bzw. im nordbayeri-

schen Raum betrieben wurden. […]

Nur dem Umstand, dass sich der Verkäufer des

Standes Nürnberg […] im Urlaub befand, ist es
zuzuschreiben, dass Şimşek zur fraglichen Zeit den
Stand dort bereits das dritte Wochenende aus-

hilfsweise betreute. Eine mögliche Verwechslung

wurde geprüft und wird mit hoher Wahrschein-

lichkeit ausgeschlossen.

Şimşek wurde von seinem persönlichen Umfeld
allgemein als liebevoller Vater und streng gläubi-

ger Moslem geschildert. Kontakte zu extrem reli-

giösen und politischen Gruppierungen sind nicht

bekannt geworden.“
4313

2. Mord an Abdurrahim Özüdoğru am
19. Januar 2001

Am 13. Juni 2001 wurde in Nürnberg Abdurrahim

Özüdoğru erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizei-
lichen Ermittlungen im Januar 2002 folgendes fest:

„Am 13. Juni 2001, gegen 21.30 Uhr, wurde
Özüdoğru mit zwei Kopfschüssen in dem unmit-
telbar an seine Wohnung angrenzenden Laden-

raum tot aufgefunden. […]

Bei der verwendeten Tatwaffe handelt es sich de-

finitiv um die Česká, Modell 83, Kal. 7.65 mm
Browning, die auch beim Mord z.N. Şimşek Ver-
wendung fand. Die beiden Hülsen wurden am Tat-

ort sichergestellt.

Abdurrahim Özüdoğru lebte seit über 20 Jahren
mit seiner Familie in Nürnberg. Genauso lange

war der 49-jährige Türke als Arbeiter bei der Fir-

ma D. […] angestellt.

Bis zu ihrer Scheidung im Jahre 1998 betrieben

das Opfer und seine Ehefrau eine Änderungs-

schneiderei, die jedoch so gut wie keinen Gewinn

abgeworfen hat. Trotzdem führte das Tatopfer

nach der Trennung von seiner Frau das Schneider-

geschäft nebenberuflich fort. […]

Von seinen Arbeitskollegen und Nachbarn wird

Özüdoğru als freundlicher, hilfsbereiter Mann ge-
schildert. Wohl war Özüdoğru bis vor wenigen
Jahren noch passives Mitglied der rechtsgerichte-

ten ‚Grauen Wölfe‘, ansonsten fiel er aber weder
wegen politischem noch religiösem Extremismus

auf. Glaubt man den Zeugenaussagen, dann ver-

brachte Özüdoğru den größten Teil seiner freien

Zeit zu Hause bzw. in seiner Schneiderei.“
4314

3. Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni
2001

Am 27. Juni 2001 wurde in Hamburg Süleyman Taşköprü
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-

mittlungen Folgendes fest:
4313) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,

MAT A GBA-4/7a, Bl. 399 f.

4314) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 400 f.

Drucksache 17/14600 – 492 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Taşköprü betrieb in Hamburg einen Gemüsela-
den, den er wenige Monate vor der Tat von seinen

Eltern übernommen hatte.

Am Mittwoch 27.06.01, gegen 10.45 Uhr schickte

Taşköprü seinen Vater zum Einkaufen von Ware
weg. Als dieser gegen 11.15 Uhr wieder zurück-

kam, fand er seinen Sohn auf dem Fußboden des

Verkaufsraumes liegend mit einer stark blutenden

Kopfverletzung vor. Der Notarzt stellte wenig spä-

ter den Tod fest.

Bei den verwendeten Projektilen und Hülsen han-

delte es sich zweimal um das Kaliber 6,35 mm und

einmal um das Kaliber 7,65 mm (Anmerkung: Die

7,65 mm Hülse wurde nicht gefunden).

Taşköprü lebte unverheiratet mit einer deutschen
Frau zusammen, mit der er auch ein gemeinsames

3jähriges Kind hatte. Über religiöse und politische

Aktivitäten ist bei Taşköprü nichts bekannt.“4315

4. Mord an Habil Kılıç am 29. August 2001

Am 29. August 2001 wurde in München Habil Kılıç er-
schossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Ermitt-

lungen im Januar 2002 Folgendes fest:

„Der Inhaber eines Frischwarengeschäftes im
Münchner Stadtteil Ramersdorf wurde am Mitt-

woch, 29. August 2001, gegen 10.50 Uhr, von ei-

nem Postzusteller in seinem Laden, hinter der

Verkaufstheke, mit einer stark blutenden Kopfver-

letzung aufgefunden. Auch hier wurde wenige Mi-

nuten später vom Notarzt der Tod festgestellt.

Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung wur-

den zwei Einschüsse im Kopf […] festgestellt. Es
ergaben sich keine Hinweise für das Vorliegen

aufgesetzter Schüsse oder Nahschüsse.

Die zwei Projektile Kaliber 7,65 mm wurden bei

der Tatortaufnahme aufgefunden. Auffallend war,

dass diesmal überhaupt keine Patronenhülsen ge-

funden werden konnten, was darauf schließen

lässt, dass vom Schützen Vorkehrungen getroffen

wurden, um die ausgeworfenen Hülsen sofort auf-

fangen zu können.

Habil Kılıç war mit einer Türkin verheiratet: Beide
lebten schon seit mehreren Jahren in Deutschland.

[…]

Ehe Kılıç und seine Frau zu Beginn des Jahres
2000 den Frischwarenmarkt als selbständiges Ge-

werbe anmeldeten, arbeitete er zunächst bei ver-

schiedenen Reinigungsfirmen und dann bei mehre-

ren Speditionen im Großraum München. Zuletzt

arbeitete Kılıç in der Großmarkthalle München.
Diese Tätigkeit behielt er auch nach der Übernah-

me des eigenen Geschäftes weiterhin bei. […]
4315) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“, Stand: Januar 2002,

MAT A GBA-4/7a, Bl. 402.

Bei Tatausführung befand Kılıç sich alleine im La-
dengeschäft. Er muss im Augenblick der Schuss-

abgabe hinter der Verkaufstheke gestanden sein.

Um freies Schussfeld zu haben, muss der Täter um

die Theke herumgegangen sein und ohne Vorwar-

nung in die linke Gesichtshälfte des Tatopfers ge-

schossen haben.“4316

5. Mord an Mehmet Turgut 25. Februar 2004

a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen
Sicht der Ermittler

Am 25. Februar 2004 wurde in Rostock Mehmet Turgut

erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-

mittlungen am 30. November 2005 Folgendes fest:

„Am 25. Februar 2004, gegen 10.20, Uhr traf Herr
Haydar A., Besitzer des Döner-Standes in Ros-

tock-Dierkow an seinem Verkaufsstand ein. Zu

diesem Zeitpunkt hätte sein Mitarbeiter Turgut be-

reits den Stand betreiben sollen.

Bei Betreten des Imbissstandes fand A. den Ge-

schädigten blutend auf dem Fußboden mit den

Beinen zur Eingangstür liegend vor. A. zog da-

raufhin den Geschädigten aus dem Stand heraus.

Der Zeuge B., ein Zulieferer, sowie der Zeuge H.

alarmierten per Handy gegen 10.20 Uhr die Ret-

tungsleitstelle. Trotz sofort eingeleiteter Reanima-

tionsversuche durch den Notarzt verstarb Turgut

gegen 11.10 Uhr noch am Tatort im Rettungswa-

gen. […]

Am Fußboden des Arbeitsraumes konnten insge-

samt drei Projektile mit Kaliber 7,65 gesichert

werden (das vierte Projektil wurde bei der Obduk-

tion im Kopf der Leiche festgestellt). Des weiteren

konnte im Imbissstand eine Patronenhülse in Kali-

ber 7,65 mm sichergestellt werden. […]

Nach den derzeitigen Erkenntnissen dürfte sich

Turgut am Tattag kurz vor 10.00 Uhr zum Döner-

Imbiss-Stand begeben und diesen betriebsbereit

gemacht haben. Gegen 10.00 Uhr hat er dann den

Stand für Kunden geöffnet. Zwischen 10.10 Uhr

und 10.20 Uhr haben dann der oder die Täter den

Imbissstand durch die unversperrte Seitentüre be-

treten und Turgut vermutlich unter Vorhalt der

Schusswaffe veranlasst sich auf den Boden zu le-

gen. Dann gab/en der/die Täter vier Schüsse auf

den rechten Kopfbereich des Opfers ab, wobei es

zu zwei Durchschüssen (Hals und Nacken) und zu

einem Kopfsteckschuss kam. Ein weiteres Projek-

til verfehlte den Kopf des Opfers knapp. Das Opfer

hatte zur Tatzeit 225 € in der Hosentasche und
40,00 € in der Jackentasche. […]
4316) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,

MAT A GBA-4/7a, Bl. 402 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 493 – Drucksache 17/14600

Der zur Tatzeit 24-jährige Mehmet Turgut wurde

in dem türkischen Dorf Kayalik Köyü, Bezirk

Elazığ/Palu geboren. Im Alter von ca. 15 Jahren
tauschte er bei einer Passantragstellung in der Tür-

kei seinen Vornamen mit dem seines Bruders Yu-

nus, um dadurch dem Militärdienst zu entgehen.

Sein Bruder Yunus leistete dann tatsächlich den

Militärdienst für Mehmet ab.

Am 30. Oktober 1994 reiste der damals minderjäh-

rige Mehmet unter dem Namen seines Bruders Yu-

nus Turgut erstmalig in die Bundesrepublik

Deutschland ein. Am 10. November 1996 wurde er

wegen Verdachts des illegalen Aufenthaltes in

Hamburg festgenommen und wenige Tage später

in seine Heimat abgeschoben. Zwischen Mai und

Dezember 1998 reiste Turgut erneut nach Deutsch-

land ein und stellte am 16. Dezember 1998 in

Hamburg einen Asylantrag. Dieser wurde am 8.

Januar 1999 abgelehnt. […]

Mit Ausnahme der Abschiebungen liegen über

Turgut keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse

vor.“4317

b) Problem der Identität des Opfers

Da das Opfer bei seinem ersten Aufenthalt in Deutschland

unter den Personalien seines Bruders Yunus Turgut regis-

triert wurde, ging die Polizei zunächst von diesem Namen

aus. Im März 2004 wurde sie bereits auf den

Personalientausch aufmerksam gemacht. Am

30. Juni 2004 bestätigte der in Deutschland lebende Bru-

der diesen Sachverhalt.
4318

Die Ermittlungsbehörden be-

schlossen jedoch, das Opfer in der Akte auch weiterhin

als „Yunus Turgut“ zu führen, da viele Kontaktpersonen
das Opfer unter diesem Namen kannten.

4319
Auch die

Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom

6. November 2012 verwendet den Namen Yunus Turgut.

6. Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005

Am 9. Juni 2005 wurde in Nürnberg İsmail Yaşar er-
schossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Ermitt-

lungen am 30. November 2005 Folgendes fest:

„Am Donnerstag, 9. Juni 2005, um 10.15 Uhr, be-
zahlte der Zeuge F. beim Edeka-Markt, Velburger

Straße 3 in Nürnberg, seinen Einkauf und ging da-

nach auf direktem Weg zum ca. 100 m entfernten

Döner-Imbiss an der Scharrerstraße, um sich dort

einen Döner zu kaufen. Er betrat den Dönerstand

und fand niemanden vor. Als er sich leicht über

den Verkaufstresen beugte, sah er den Geschädig-
4317) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November

2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 380, 410 ff.

4318) Identifizierungsvermerk vom 3. Juli 2007, MAT A GBA-4/8b,

Bl. 72 ff.

4319) Protokoll der Verfahrensbesprechung vom 12. Juli 2007, MAT

A GBA-4/8b, Bl. 79 ff. und Zeuge Deisting, Protokoll Nr. 19,

S. 112.

ten Yaşar blutüberströmt in einer Blutlache am
Boden liegen und verständigte um 10.16 Uhr die

Polizei. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur

noch den Tod des Opfers feststellen. Der Geschä-

digte Yaşar wies unter anderem Schussverletzun-
gen im Kopf- und Brustbereich auf. […]

Der Tatort liegt in der Südstadt von Nürnberg, im

Bezirk St. Peter. Bei dem Dönerstand handelt es

sich um einen Container, der auf einem Parkplatz

abgestellt ist, der auch als Zufahrt an die Rückseite

des dortigen Edeka-Lebensmittelmarktes genutzt

wird. […]

Zur Tatzeit lief der Dönerdrehspieß, die Stromver-

sorgung der einzelnen Elektrogeräte war aktiviert.

Eine als Kasse dienende unversperrte Geldkassette

mit Bargeld befand sich hinter der Ladentheke.

Die Leiche von Herrn Yaşar befand sich bei Auf-
findung in Rückenlage mit dem Kopf links, vom

Kundeneingang aus gesehen. Neben dem Leich-

nam konnten zwei deformierte Projektile aufge-

funden werden, die rückwärtige Tür zum Küchen-

teil wies etwa in Kopfhöhe einen Durchschuss auf.

Am Tatort konnten keine Patronenhülsen gefunden

werden. […]

Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand haben sich

die beiden Fahrradfahrer gegen 9.40 Uhr in der

Zerzabelshofstraße, nahe der Scharrerstraße, auf-

gehalten und dort einen Stadtplan studiert. Gegen

10.00 Uhr stellten sie die Fahrräder am Stand ab,

betraten den Dönerstand und fanden Yaşar stehend
hinter dem Tresen vor. Einer der Täter schoss nun

zwei Mal in Richtung des Kopfes, wobei das erste

Projektil die rechte Gesichtshälfte streifte und

schließlich die rückwärtige Türe durchschlug. Der

zweite Schuss traf das noch stehende Opfer unter-

halb des rechten Ohres und trat unterhalb des lin-

ken Ohres wieder aus. Nachdem Yaşar rückwärts
zu Boden stürzte, wurden drei weitere Schüsse auf

den Oberkörper abgegeben.

Nach den Schüssen verbleiben die beiden Täter im

Kiosk und ducken sich ab, weil der Zeuge Dr. B.

auf dem Gehweg am Kiosk vorbeigeht und die

beiden Fahrräder am Stand bemerkt. Anschließend

verlassen beide Täter den Container, wobei ein Tä-

ter die in einer gelben Plastiktüte befindliche Waf-

fe dem Partner in den Rucksack steckt. Anschlie-

ßend steigen beide Täter auf die Fahrräder und

verlassen den Tatort.“
4320

7. Mord an Theodoros Boulgarides 15. Juni
2005

Am 15. Juni 2005 wurde in München Theodoros

Boulgarides erschossen. Zum Tatablauf stellten die poli-
4320) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November

2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 415 ff.

Drucksache 17/14600 – 494 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zeilichen Ermittlungen am 30. November 2005 Folgendes

fest:

„Am Mittwoch, 15. Juni 2005, gegen 19.05 Uhr
fand der Zeuge F. seinen Geschäftspartner blut-

überströmt am Boden liegend im Geschäftsraum

des gemeinsamen Schlüsseldienstladens vor. Der

gegen 19.11 Uhr fast zeitgleich mit einer Streife

der PI 31 eintreffende Rettungsdienst erkannte an-

hand der Auffindesituation rasch, dass der Mann

bereits tot sei. Es kam daher zu keinen wesentli-

chen Veränderungen am Leichnam. Das Opfer lag

auf dem Rücken und hatte augenscheinlich nur am

Kopf Verletzungen, die zur Bildung einer größeren

Blutlache um das Haupt herum führten. Fragliche

Einschüsse waren an der Unterseite und seitlich

am Kinn erkennbar. Rechts neben der Leiche fand

sich ein Projektil, Hülsen waren nicht zu sehen.

Das Projektil wies Kunststoffanschmelzungen

(Plastiktüte) auf. […]

Der kleine Laden Schlüsselwerk hat zur Straße hin

ein Schaufenster und eine Tür mit Glasfüllung.

Das Geschäft ist von außen gut einzusehen. Der

Kundenraum ist durch einen brusthohen Verkaufs-

tresen vom angrenzenden Arbeitsraum abgetrennt.

Links davon befindet sich ein Durchgang. Im hin-

teren Bereich des Ladens führt eine Tür zur Woh-

nung des Griechen. Die Ladeneingangstür war bei

Auffindung unversperrt. Einen weiteren Zugang

zum Geschäft gibt es theoretisch über den Haus-

eingang des Anwesens in die Wohnung des Op-

fers. Die Haustür war ins Schloss gefallen, die

Wohnungstür war versperrt. [...]

Demnach dürften der oder die Täter in der Zeit

zwischen 18.36 bis 19.00 Uhr das Geschäft betre-

ten haben. Unmittelbar danach dürfte der erste

Schuss auf das sich hinter dem Verkaufstresen ste-

hende Opfer abgegeben worden sein. Boulgarides

kippte vom Schützen aus gesehen nach links hin-

ten weg. Der Schütze trat dann vermutlich um den

Tresen herum und gab zwei weitere Schüsse auf

den Kopf des nun liegenden Opfers ab.

Nach Abgabe der tödlichen Schüsse konnte/n sich

der (oder die) Täter unerkannt vom Tatort entfer-

nen. Obwohl unmittelbar an das Anwesen zwei

griechisch geführte Gaststätten angrenzen, sich

weitere Ladengeschäfte entlang der

Trappentreustraße befinden sowie eine zu der Zeit

stets frequentierte Bushaltestelle vor dem Schlüs-

selgeschäft liegt, konnten keine Zeugen ermittelt

werden, die optische oder akustische Wahrneh-

mungen zur vermuteten Tatzeit machten.“
4321
4321) MAT A GBA-4/5b, Bl. 424 ff.

8. Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006

a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen
Sicht der Ermittler

Am 4. April 2006 wurde in Dortmund Mehmet Kubaşık
erschossen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Er-

mittlungen am 21. Juni 2007 Folgendes fest:

„Am Dienstag, 4. April 2006, um 12:59 Uhr, ver-
ständigte die Zeugin H. über Notruf die Einsatz-

leitstelle der Polizei Dortmund, dass eine blutüber-

strömte Person hinter dem Tresen im Kiosk,

Mallinckrodtstr. 190, läge. Die zwei Minuten spä-

ter eintreffenden Polizeibeamten fanden die männ-

liche Person hinter der Verkaufstheke, in seitlicher

Rückenlage, wobei die Beine in einer Art Kniestel-

lung angewinkelt waren, vor. Der Kopf wies in

Richtung Straßenseite.

Nach erfolglosen Reanimationsversuchen der ge-

gen 13:06 Uhr zuerst eingetroffenen Rettungssani-

täter stellte der hinzugezogene Notarzt gegen

13:10 Uhr den Tod, offensichtlich durch Kopf-

schüsse, fest. Durch weitere anwesende Zeugen

aus der Nachbarschaft konnte die Person als der

türkisch stämmige, deutsche Staatsangehörige

Mehmet Kubaşık identifiziert werden, der seit Jah-
ren den Kiosk betrieb. [...]

Zeugen, die das unmittelbare Tatgeschehen beo-

bachtet hatten, fanden sich nicht. […]

Aufgrund der am Tatort festgestellten Gesamtum-

stände ergaben sich Verdachtsmomente für einen

Tatzusammenhang mit den Serienmorden. Diese

würden am nächsten Tag durch die Untersu-

chungsergebnisse der am Tatort vorgefundenen

Munitionsteile im Vergleich beim BKA bestätigt.

[…]

Der Kiosk befindet sich im Mehrfamilienhaus

Mallinckrodtstraße 190, direkt neben einer Durch-

fahrt zu einem Garagenhinterhof. Dort befindet

sich auch die Seitenzugangstür zum Kiosk, die je-

doch nur von der Betreiberfamilie benutzt wurde.

Das gesamte Tatobjekt besteht aus insgesamt 6

Räumen, wobei der ca. 40 m² große Verkaufsraum

straßenseitig mündet. Von der Straße führt eine

Tür in den Verkaufsraum zum Thekenverkauf.

Daneben befindet sich ein Verkaufsfenster. Neben

der Zugangstür, an der Schaufensterfront, befindet

sich ein postkartengroßer Zettel mit dem Namen

und der Handy-Nr. des Mehmet Kubaşık. Im Ver-
kaufsraum ist sichtbar in einer Raumecke eine Vi-

deokamera angebracht. Eine Kabelverbindung

führt in die hinteren Räume zu einem Videorecor-

der und Fernsehgerät, welche jedoch nicht einge-

steckt ist. Die Überwachungsanlage war defekt

und vom Opfer nie in Betrieb genommen worden.

Im Kiosk werden handelsübliche Waren wie Ziga-

retten, Süßigkeiten, Alkoholika, Getränke, etc. ver-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 495 – Drucksache 17/14600

trieben. Ein Stehausschank hat nicht stattgefunden.

[...]

Mehmet Kubaşık befand sich alleine im Kiosk hin-
ter seinem Verkaufstresen.

Der oder die unbekannten Täter betraten von der

Mallinckrodtstraße den Kiosk durch die reguläre

Eingangstür zwischen 12:10 Uhr und 12:55 Uhr

(kurz vor Tatentdeckung). Durch Abgabe von vier

Schüssen aus einer Pistole, Marke Česká, Typ 83,
KaI. 7,65 mm, wurde Mehmet Kubaşık durch zwei
Kopftreffer getötet. Täter und Opfer müssen sich

frontal gegenübergestanden haben, wobei der

Schütze vor und das Opfer hinter dem Tresen vor

dem Wandregal standen. […]

Bei den Schussabgaben dürfte der Täter nur mini-

mal seine Position verändert haben. Am Tatort

wurde auf der Registrierkasse eine Patronenhülse,

KaI. 7,65 mm, Sellier & Bellot festgestellt. Wei-

terhin wurden vier Projektile, KaI. 7,65 mm,

Sellier & Bellot, aufgefunden. Die Waffe war

nachweislich mit einem Schalldämpfer versehen.

Die fehlenden drei Patronenhülsen deuten darauf

hin, dass die Schüsse wahrscheinlich aus einer

übergestülpten Plastiktüte abgegeben wurden, wo-

bei die aufgefundene Patronenhülse durch Über-

hitzung/Überschmauchung oder sonstige Gründe

aus dem Behältnis ausgetreten/heraus gefallen ist.

Der oder die Täter verließen nun, ohne weitere

Handlungen vorzunehmen, das Tatobjekt durch die

Eingangstür und entkamen unerkannt. Das Tatge-

schehen beschränkte sich wahrscheinlich nur auf

die Schussabgaben mit der konkreten Zielrichtung,

das Opfer schnellstmöglich zu töten. Hinweise auf

ein körperliches Abwehrverhal-

ten/Kampfgeschehen ergeben sich nicht. Es wurde

nichts entwendet oder geraubt.

Die Anwesenheit eines zweiten Täters kann nicht

ausgeschlossen werden. Die Tatausführung selbst

wurde nur durch eine Person ausgeführt, weil die

Schüsse zeitnah zueinander und nur aus einer Waf-

fe abgegeben wurden.“
4322

b) Schweigemarsch in Dortmund

Am 11. Juni 2006 fand in der Dortmunder Innenstadt auf

Initiative der Ehefrau des Opfers ein Schweigemarsch mit

220 Teilnehmern statt. Die Versammlung beschäftigte

sich mit der bundesweiten Mordserie an ausländischen

Geschäftsleuten. Es wurden Transparente gezeigt mit der

Aufschrift: „9 Opfer – wir wollen kein 10. Opfer – Stoppt
die Mörder“4323
4322) Vorläufiger Schlussbericht vom 21. Juni 2007, MAT A GBA-

4/7a, Bl. 45 ff.

4323) Pressemeldung des PP Dortmund vom 12. Juni 2006, MAT A
BKA.2/21, Bl. 186; E-Mail der BAO „Bosporus“ vom 13. Juni
2006, BKA-2/21, Bl. 181; Zeitungsartikel aus Westfälische

Rundschau vom 12. Juni 2006, MAT A BKA-2/21, Bl. 184.

9. Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006

a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen
Sicht der Ermittler

Am 6. April 2006 wurde in Kassel Halit Yozgat erschos-

sen. Zum Tatablauf stellten die polizeilichen Ermittlungen

am 9. April 2006 folgendes fest:

„Am Donnerstag, den 06.04.2006, gegen 17.05
Uhr, betrat der türkische Staatsangehörige İsmail
Yozgat […] das Internet Café seines Sohnes Halit
Yozgat […] und fand diesen leblos auf dem Fuß-
boden liegend hinter seinem Schreibtisch vor.

İsmail Yozgat war mit der Absicht in das Geschäft
gekommen, seinen Sohn Halit Yozgat abzulösen,

damit dieser seinen Termin in der Abendschule

wahrnehmen konnte.

Als İsmail Yozgat seinen Sohn hinter der Theke
liegen sah, ging er zu ihm und sah Blut im Bereich

beider Ohren. Daraufhin schrie er laut, so dass ein

17jähriger Jordanier, der im Nebenraum an einem

Internetrechner surfte, zur Hilfe kam.

Während der jordanische Staatsangehörige Erste-

Hilfe-Maßnahmen durchführte, versuchte der

İsmail Yozgat zunächst, vom Café aus den Notruf
zu erreichen und lief dann in eine benachbarte

Teestube, von wo aus dann angerufen wurde. […]

Bei dem Tatort handelt es sich um das Tele-

Internet-Café des Opfers Halit Yozgat, welches

sich im Erdgeschoss des vierstöckigen Wohn- und

Geschäftshauses in der Holländische Str. 82,

34127 Kassel, befindet. Das Gebäude liegt direkt

an der Hauptstraße der Nordstadt von Kassel. In

diesem Bereich befinden sich Mehrfamilienwohn-

und Geschäftshäuser, in denen hauptsächlich Aus-

länder und darunter ein Großteil Türken leben

bzw. Kleingewerbe betreiben. Das InternetCafé

selbst besteht aus zwei Geschäftsräumen sowie

angrenzenden Toiletten und Wirtschaftsraum. Es

ist u. a. zu erreichen über den Kundeneingang Hol-

ländische Straße. Von dort aus gelangt man in den

ersten Geschäftsraum, in dem sich die Theke be-

findet, hinter der das Opfer tot aufgefunden wurde,

sowie insgesamt acht Telefonzellen. Durch eine

Durchgangstür gelangt man von diesem Raum in

den sogenannten Internetraum, in dem sich sechs

Internetplätze befinden. Von dem Internetraum aus

erreicht man über eine weitere Tür die Toiletten-

räume und den Wirtschaftsraum sowie über eine

zur Tatzeit verschlossene Tür den Hinterhof. Auf-

fällig erscheint, dass die Geschäftsräume keinen

durchsuchten Eindruck machten und das Bargeld,

welches sich in der Kasse des Internet-Cafés im

Bereich der o. a. Theke sowie in der Geldbörse des

Opfers befand, nicht entwendet wurde. […]

Die Ermittlungen ergaben, dass sich zur Tatzeit

bzw. zum Zeitpunkt des Auffindens des Opfers

durch den Vater İsmail Yozgat fünf Personen in

Drucksache 17/14600 – 496 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dem Internet Café befanden, die als Zeugen in

Frage kommen. […]

Bei dem Opfer handelt es sich um den ein-

undzwanzigjährigen in Kassel geborenen Türken

Halit Yozgat. Halit Yozgat betrieb seit Anfang

2004 selbständig das Internet-Café, aus dem er

Einnahmen erzielte, von denen er nach Zeugenaus-

sagen mit Unterstützung seines Vaters ohne finan-

zielle Probleme leben konnte.“4324

b) Schweigemarsch in Kassel

Am 6. Mai 2006 wurde auf Initiative der Familie Yozgat

ein Schweigemarsch in Kassel durchgeführt. Ziel der

Aktion war u. a., dem Misstrauen der türkischen Bevölke-

rung gegenüber der Polizei entgegenzuwirken und die

Landsleute aufzufordern, die Ermittler der Mordkommis-

sion in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Der Schweigemarsch begann mit einer Kranzniederle-

gung am Tatort und führte abschließend zum Rathaus. Es

wurden mehrere Transparente mit deutschen und türki-

schen Aufschriften mitgeführt. Die Aufschriften themati-

sierten hauptsächlich Forderungen nach einer schnellen

Aufklärung der Tötungsdelikte. Während der Abschluss-

kundgebung hielten Familienangehörige des ersten Opfers

in Nürnberg aus dem Jahr 2000 sowie der bisher letzten

beiden Opfer aus Dortmund und Kassel Redebeiträge.

Zudem gaben der Ausländerbeirat der Stadt Kassel sowie

ein Vertreter der Stadt Erklärungen ab, in denen die „poli-
tisch Verantwortlichen“ und die Polizei zur Aufklärung
der Taten aufgefordert wurden. Außerdem wurde an die

Teilnehmer appelliert, der Polizei alle Hinweise, die zur

Aufklärung der Taten beitragen können, mitzuteilen. An

der Veranstaltung nahmen etwa 1 800 Personen teil.

Nach der Demonstration wurde vom Veranstalter, dem

deutsch-türkischen Kulturverein für Yozgater e.V., Kas-

sel, Holländische Str. 47, ein Hinweistelefon geschaltet.

Hinweise gingen jedoch nicht ein.
4325

II. Ermittlungen bis zum 4. Mord

1. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord
an Enver Şimşek

a) Die Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nahm die Ermitt-

lungen auf. Die Kriminalpolizeidirektion Nürnberg richte-

te die Soko „Şimşek“ ein. Zunächst waren in dieser Soko
15 Polizeibeamte im Einsatz. Nachdem in Hessen eine
4324) Sachstandsbericht vom 9. April 2006, MAT A GBA-4/10e

(neu), Bl. 163 ff.

4325) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 9 ff., 15 f.; Sprechzettel des BKA vom

8. Mai 2006, MAT A BKA-2/22, Bl. 240 f.

Vielzahl von Ermittlungen durchzuführen waren, wurde

die Stärke auf 30 Personen aufgestockt.
4326

Durch die waffentechnischen Untersuchungen der sicher-

gestellten Projektile und Hülsen stellte die Polizei fest,

dass es sich bei den von den Tätern verwendeten Pistolen

um eine tschechische Pistole Marke Česká, Typ 83, Kali-
ber 7,65 mm, und eine weitere Pistole Kaliber 6,35 mm,

Marke und Typ unbekannt, handelte. Die Pistole, Česká
83 wurde bei allen weiteren Morden verwendet. Die Pis-

tole mit Kaliber 6,35 mm fand nur noch bei dem Mord am

dritten Opfer in Hamburg Verwendung.

Einem Zeugen waren zwei Männer an dem Lieferwagen

des Opfers aufgefallen. Ein Mann habe eine kurze Rad-

lerhose getragen, der andere Mann eine Baseballmüt-

ze.
4327

Tatortspuren wie Fingerabdrücke, Eindruckspuren, DNA,

Faserspuren und die persönlichen Gegenstände des Opfers

wurden umfangreich ausgewertet.
4328

Zu den Schwerpunkten der Ermittlungen im Mordfall

Şimşek hat der Zeuge EKHK Vögeler, der als Kriminalbe-
amter damals im Ermittlungsteam tätig war, im Ausschuss

ausgesagt:

„Die erste Fahndung verlief ergebnislos. Aber es
sind hier verschiedene Raubüberfälle geprüft wor-

den, ob hier möglicherweise ein Zusammenhang

besteht. Dem war nicht so. Es sind ja auch sehr

große Geldbeträge zurückgeblieben in der Geld-

börse und im Führerhaus des Blumenhändlers

Şimşek. Aber trotzdem haben wir die nächste Zeit
intensiv beobachtet, ob möglicherweise andere De-

likte, begangen eben durch Schusswaffen, oder

rechtsgerichtete Delikte hier zusammengehören

könnten. Also, das war von Anfang an schon ein

Ermittlungsweg. Aber Schwerpunkt definitiv war

Richtung Organisierte Kriminalität.
4329

Konkrete Ansätze, muss ich dazusagen, jetzt dann

dass hier möglicherweise rechtsextreme Personen

dahinterstehen würden, kamen in den ersten Jahren

nicht.“4330

b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hin-
tergrundes (Hinweis des bayerischen In-
nenministers Dr. Beckstein)

Für einen rechtsextremistischen Hintergrund fehlte der

Polizei zu Beginn der Mordserie noch jeder Anhaltspunkt.

Auf einem Zeitungsbericht vom 12. September 2000 mit

dem Titel „Opfer erlag den Schussverletzungen“ befindet
4326) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 101.

4327) Zeugenvernehmungsprotokoll vom 16. September 2000, MAT

A GBA-4/7b, Bl. 2-4.

4328) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT
A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 24 ff.

4329) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 88 f.

4330) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 95 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 497 – Drucksache 17/14600

sich ein handschriftlicher Vermerk des damaligen Bayeri-

schen Innenministers Dr. Günther Beckstein:

„Bitte mir genau berichten. Ist ausländerfeindli-
cher Hintergrund denkbar?“ 4331

Ihm wurde daraufhin vom Sachgebiet IC 5 des Bayeri-

schen Staatsministerium des Innern mit Datum vom

5. Oktober 2000 in einem einzigen Satz mitgeteilt:

„Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Mittelfran-
ken bestehen derzeit keine Anhaltspunkte für einen

ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat.“ 4332

Der zugleich als Anlage übersandte Ermittlungsbericht

der KD Nürnberg vom 29. September 2000 enthält keine

Aussage darüber, ob ein fremdenfeindlicher Hintergrund

von der Polizei in Betracht gezogen wurde.
4333

Der Ausschuss hat nicht feststellen können, dass der

Vermerk von Innenminister Dr. Beckstein in der Folgezeit

zu konkreten Maßnahmen oder Überlegungen der Polizei

in Richtung eines ausländerfeindlichen Hintergrunds

führte. Auch hat Dr. Beckstein als Zeuge im Ausschuss

keine Maßnahmen benannt, die auf seinen Vermerk hin

zur Prüfung eines ausländerfeindlichen Hintergrunds

veranlasst wurden.
4334

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge Dr.

Beckstein im Nachgang zu seinem Vermerk noch einmal

nachgefragt hat, ob zu seiner Vermutung eines ausländer-

feindlichen Hintergrunds neue Erkenntnisse vorliegen. Er

hat sich jedoch regelmäßig über den allgemeinen Gang

der Ermittlungen unterrichten lassen.
4335

Erst im Mai 2006, also nahezu sechs Jahre nach dem

ersten Mord, hat der Zeuge Dr. Beckstein erneut auf ei-

nem Zeitungsartikel über die Mordserie vermerkt:

„Könnte bei den Türken-Morden Fremdenfeind-
lichkeit das Motiv sein?

4336
Im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags

hat Dr. Beckstein zu seinen Nachfragen an die Ermittler

Stellung genommen. Er hat betont, dass gerade der Se-

rienzusammenhang von Morden mit der gleichen Waffe

ihn veranlasst habe, bei jedem der Morde immer heftiger

nachzufragen.
4337

2. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord
an Abdurrahim Özüdoğru

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nahm auch hier

die Ermittlungen auf. Die Kriminalpolizeidirektion Nürn-
4331) MAT A BY-2/6a, Bl. 2.

4332) MAT A BY-2/6a, Bl. 25 (Unterstreichung im Original).

4333) MAT A BY-2/6a, Bl. 26 f.

4334) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 102 f.

4335) Die Berichte finden sich in MAT A BY-2/6a bis 6d.

4336) MAT A BY-2/9a, Bl. 183.

4337) Dr. Beckstein, Protokoll der 27. Sitzung des Untersuchungsaus-

schusses des bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 25 f.

(MAT B BY-6).

berg richtete die Soko „Schneider“ ein. Diese stellte die
Verwendung der gleichen Tatwaffe wie im Mordfall

Şimşek fest, was auch das BKA am 15. Juni 2001 bestä-
tigte. Ansonsten ließ sich keine Verbindung zwischen den

Mordfällen Şimşek und Özüdoğru ziehen. Eine Zeugin
beschrieb einen Streit zwischen Abdurrahim Özüdoğru
und einem unbekannten Mann zwei Tage vor der Tat.

4338
Die Ermittlungen nach diesem unbekannten Mann blieben

erfolglos.
4339

Im Übrigen wurde Hinweisen auf holländi-

sche Drogenbanden und Schutzgelderpressungen nachge-

gangen.
4340

Die Polizei wertete Tatortspuren wie Fingerabdrücke,

Blut- und DNA-Spuren, Hülsen und Projektile, Mikro-

staub sowie die persönlichen Gegenstände des Opfers

aus.
4341

Weitere konkrete Ermittlungsansätze ergaben sich aus der

Aussage der Zeugin P., die von ihrer Wohnung gegenüber

dem Tatort zwei Schüsse gehört und anschließend gese-

hen haben will, dass ein Mann die Straße überquert habe

und in einen PKW, Marke Opel, eingestiegen sei. Der

PKW mit Anhänger habe polnische Kennzeichen gehabt.

Ermittlungen in diese Richtung blieben jedoch ergebnis-

los.
4342

„Verdeckte Informationen“ wiesen auf eine mögliche
Täterschaft einer türkischen Gruppierung aus den Nieder-

landen mit Bezügen zum Drogenhandel hin.
4343

Umfang-

reiche Ermittlungen erfolgten in diese Richtung.
4344

Im

Ergebnis ergaben sich keine Hinweise auf Kontakte in die

Betäubungsmittelszene.
4345

3. Ermittlungen in Hamburg nach dem Mord
an Süleyman Taşköprü

Die Ermittlungen im Mordfall Taşköprü wurden bis 2006
von dem für Mordermittlungen zuständigen Dezernat 41

des LKA Hamburg geführt.
4346

Zuständig war die Staats-

anwaltschaft Hamburg.
4347

Am Tatort wurden keine

DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gefunden, die von dem
4338) Sachstandsbericht vom 23. Juli 2001, MAT A GBA-4/10a,

Bl. 176 ff.

4339) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 48.

4340) Sachstandsbericht vom 23. Juli 2001, MAT A GBA-4/10a,
Bl. 176 ff.

4341) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT

A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 48 ff.

4342) Sachstandsbericht vom 23. Juli 2001, MAT A GBA-4/10a,

Bl. 185.

4343) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 ff., 428 ff.

4344) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 ff., 428 ff.

4345) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai 2008, MAT
A GBA-4/2, Bl. 575.

4346) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 18.
Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 131 ff., Bl. 140.

4347) Vermerk des Präsidialstabs PSt 122 vom 13. Juni 2012, MAT A

HH-3/1, Bl. 2.

Drucksache 17/14600 – 498 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

oder den Tätern hätten stammen können.
4348

Am

31. August 2001 bestätigte der vom BKA durchgeführte

Projektilvergleich die Verwendung der gleichen Tatwaffe

wie bei den beiden Morden in Nürnberg zuvor.
4349

a) Ermittlungsansätze

In dem Sachstandsbericht des LKA 41 vom 3. September

2001 wurde auf folgende Zeugenaussagen hingewiesen:

Die über dem Geschäft des Opfers wohnhafte Zeugin D.

habe von einem verbalen Streit im fraglichen Tatzeitraum

berichtet. Sie habe angegeben, laute Stimmen, teils auf

Deutsch, teils in einer fremden Sprache sowie die Worte

„Verpiss Dich“ bzw. „Hau ab“ gehört zu haben. Der Va-
ter des Opfers habe ausgesagt, bei seiner Rückkehr zwei

männliche Personen im Alter von 25 bis höchstens 30

Jahren gesehen zu haben. Beide hätten eine hellere Haar-

farbe gehabt.

Am Tag nach der Tat habe sich die Zeugin B. bei der

Polizei gemeldet. Sie habe zwei Tage vor der Tat in dem

Laden des Opfers drei ihr unbekannte Personen, vermut-

lich Türken, angetroffen. Einer von ihnen habe sich mit

dem Opfer gestritten und geäußert: „Kümmer Dich da-
rum, sieh zu, dass Du das ranholst, wir kommen wieder“.
Auch habe eine weitere Zeugin am Sonnabend vor der Tat

drei oder vier „ihr unbekannte Südländer in dem Geschäft
in einer südländischen Sprache“ mit dem Opfer in aggres-
siver Weise streiten sehen. Ein guter Freund des Bruders

des Opfers habe auf einen Vorfall hingewiesen, der sich

vor zehn Jahren ereignet habe. Damals habe ein Freund

des Opfers einen deutschen Zuhälter erschossen.
4350

Aus den Akten ergibt sich, dass die Motivlage für den

Mord insbesondere in Drogengeschäften gesehen wurde.

Besonderes Augenmerk wurde hierbei auch auf die durch

die Zeugin B. berichtete Bedrohungssituation gelegt. In

den Sachstandsberichten wurde ausgeführt:

„Im Jahr 1997 kam es zu einer Bestrafungsaktion
des späteren Mordopfers in Form von mehreren

Beinschüssen wegen angeblicher Schulden aus

früheren Scheckbetrügereien. Die Tatsache, dass

der Schütze Mitglied einer türkischen Rauschgift-

händlerfamilie ist, aus deren Mitte vereinzelt Mit-

glieder derzeit langjährige Haftstrafen wegen ge-

werbsmäßigen Drogenhandels absitzen, lässt an

der offiziellen Motivlage der Beinschüsse zumin-

dest zweifeln.

Die Auswertung von zwei Telefonkarten des Op-

fers lässt außerdem die Verbindung zu einem im

Spätherbst d.J. am Hamburger Flughafen mit DM

590 000,-- Bargeld ausgestatteten Drogenkuriers

erkennen, welcher lt. Hintergrunderkenntnisse der
4348) Sachstandsbericht Soko „Halbmond“ Januar 2002, MAT A

GBA-4/7a, Bl. 396 ff.

4349) Sachstandsbericht Soko „Halbmond“ Januar 2002, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 396 ff., Bl. 410.

4350) Sachstandsbericht des LKA Hamburg vom 3. September 2001,

MAT A GBA-4/7a, Bl. 36 ff.

Hamburger Rauschgiftdienststelle für die Gebrü-

der C., angeblich ‚Barone des weichen Drogen-
marktes in Hamburg‘, arbeiten soll.“4351

In Richtung Drogengeschäfte gehende Ermittlungen wur-

den nach den beiden weiteren Morden an Mehmet Turgut

und İsmail Yaşar verstärkt. Die Ermittlungen führten zu
Murat C., der in Verdacht stand, in größere Rauschgiftge-

schäfte verstrickt zu sein.
4352

Eine Überprüfung der vom 27. Mai 2001 bis zum

27. Juni 2001 hergestellten Gesprächsverbindungen im

Taşköprü-Market blieb erfolglos. Im Rahmen von Fi-
nanzermittlungen wurden Kontounterlagen des Opfers

sowie Geschäftsunterlagen des Taşköprü-Market über-
prüft. Hieraus ergaben sich ebenfalls keinerlei neue Er-

kenntnisse.
4353

Ende 2002 wurden die Ermittlungen einge-

stellt.
4354

Aufgenommen wurden die Ermittlungen erst

wieder Mitte 2005.
4355

Aufgrund der Aussage eines Informanten des LKA vom

11. Oktober 2006 wurden die Ermittlungen gegen die

Brüder A. intensiviert, die wegen der angeblichen

Scheckbetrügereien mit dem Opfer in Streitigkeiten ver-

wickelt waren.
4356

Die Verfolgung dieser Spur führte zu

umfangreichen grenzüberschreitenden operativen Maß-

nahmen in den Niederlanden.
4357

Der Anfangsverdacht

gegen einen der Brüder bestätigte sich jedoch nicht, so-

dass das Verfahren gegen ihn am 28. Februar 2008 gem.

§ 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Ein weiterer Ver-

dacht richtete sich aufgrund eines anhand der Angaben

der Zeugin B. angefertigten Phantombildes gegen Nec-

mettin C. Auch dieses Verfahren wurde gem. § 170 Abs.

2 StPO am 18. März 2009 eingestellt.
4358

Insgesamt hat der Zeuge Schwarz die Zusammenarbeit

mit den Informanten des LKA Hamburg im Kontext der

Česká-Mordserie wie folgt bewertet:

„Unter dem Strich habe ich zu diesem Zeitpunkt
erkennen müssen, dass dies alles von vornherein

umsonst hat sein müssen, bis hin zu - jetzt benutze

ich mal meine Worte -, dass ich annahm, dass wir

von sehr vielen Leuten massiv verarscht worden

sind, fulminant, allerdings auch sehr geschickt,
4351) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“, Stand: Januar 2002,

MAT A GBA-4/7a, Bl. 415, 442, 443; Sachstandsbericht der

Soko „Halbmond“, Stand: April 2004, MAT A GBA 8, Bl. 243,
244, 274.

4352) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:

18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 145.

4353) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:

18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 143.

4354) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 67 f., 86, 88.

4355) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 67.

4356) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:

18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 151-155.

4357) MAT A HH-5/3.

4358) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Hamburg, Stand:

18. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 151-155.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 499 – Drucksache 17/14600

substanziell eingebettet in Informationen, die wir

wichtig nehmen mussten.“4359

Auf Nachfrage erklärte der Zeuge Schwarz darüber hin-

aus:

„Wir haben, wie ich ausgeführt habe, sehr viele
Hinweise erhalten. Darunter waren Hinweise von

Inhaftierten, national und international, die die Tä-

ter und die Auftraggeber kennen wollten mit der

zum Teil vordergründigen Interessenlage, sich

Hafterleichterung oder Haftverkürzung oder Orts-

veränderung nach Deutschland oder Ähnliches zu

erhoffen, und andere Informationen aus kriminel-

len Kreisen, die durchaus nachvollziehbar waren

und denen wir dann auch nachgehen mussten ob-

jektiv. Wir haben ja nicht ins Leere hinein ermit-

telt, sondern mit der Staatsanwaltschaft gemein-

sam in Abstimmung mit allen Ermittlern. Das

heißt, wir haben nicht leichtfertig irgendwelche

Spuren verfolgt, die man nicht hätte ernst nehmen

müssen. Aber rückblickend betrachtet muss man

eben deutlich sagen, dass man bestimmte Hin-

weisgeber weniger ernst hätte nehmen müs-

sen.“4360

b) An den Ermittlungen beteiligte Einheiten

Aufgrund der Parallelen in der Tatausführung und den

benutzten Kalibergrößen nahm die Kriminalpolizeidirek-

tion Nürnberg, die bereits in den Mordfällen Şimşek und
Özüdoğru ermittelte, wenige Tage nach der Tat Kontakt
mit dem Morddezernat LKA 41 auf. Endgültige Klarheit

über die Waffengleichheit in den Mordfällen Taşköprü,
Şimşek und Özüdoğru wurde am 31. August 2001 durch
das Bundeskriminalamt nach durchgeführtem

Projektilvergleich gewonnen. Nach Bekanntwerden des

Mordes an Habil Kılıç bestätigte das Bundeskriminalamt
am 4. September 2001 die Waffengleichheit in allen vier

Mordfällen. Nach einer Besprechung im PP Mittelfranken

am 12. September 2001 wurde entschieden, die Sachbear-

beitung bei den Mordkommissionen Hamburg, München

und Nürnberg fortzuführen, jedoch eine Koordinierungs-

stelle mit eigener BAO bei der KD Nürnberg, die Soko

„Halbmond“ zu gründen.4361

Die Ermittlungen wurden nach Aussage des Zeugen

Schwarz für eineinhalb Jahre nach der Tat bis Ende 2002

durch das LKA 41 durchgeführt. In dieser Zeit seien fast

200 Spuren verfolgt worden. Anschließend seien die

Ermittlungen in Hamburg mit einem ungeklärten Fall

abgeschlossen worden. Ermittlungen zu der Mordserie

seien dann schwerpunktmäßig von anderen Ermittlungs-

einheiten wie beispielsweise der EG „Česká“ und der
Soko „Halbmond“ geführt worden. Er gehe davon aus,
4359) Schwarz, Protokoll Nr. 19, S. 85.

4360) Schwarz, Protokoll Nr. 19, S. 101.

4361) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“, Stand: Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 410 – 412; näheres zur Soko „Halb-
mond“ unter F.III.1.

dass in diesem Zeitraum in Hamburg gelegentlich einzel-

ne Hinweise, Spuren und Nachfragen ergänzend ermittelt

worden seien.
4362

c) Prüfung eines rechtsextremistischen Hin-
tergrundes

Der Zeuge Schwarz, der seit dem 1. Februar 2006 mit

dem Fall befasst war,
4363

hat zu der Frage, ob ein rechts-

extremistischer Hintergrund geprüft worden sei, ausge-

führt, er habe mit dem Soko-Leiter diese Frage im Vor-

wege der Vernehmung noch einmal kurz erörtert. Dieser

habe bei den Ermittlern der Mordkommission, die den

Fall 2001 bis Ende 2002 bearbeitet hätten, nachgefragt

und erfahren, dass die Frage im Sachbearbeiterkreis erör-

tert worden sei. Sie hätten die Möglichkeit zwar gesehen,

es habe hierfür aber keinerlei Anhaltspunkte gegeben.

Man habe damals nicht eine Spur identifiziert, keinen

Hinweis bekommen, der dies belegt hätte oder Ermittlun-

gen in diese Richtung hätte auslösen können.

4. Ermittlungen in München nach dem Mord
an Habil Kılıç

Die Staatsanwaltschaft München I nahm die Ermittlungen

auf. Die Ermittlungen führte zunächst eine Mordkommis-

sion (K111) des Polizeipräsidiums München.
4364

Bereits

am 29. August 2001 bestätigte das BKA die Überein-

stimmung der Tatwaffe mit den drei früheren Morden.
4365

Auch hier wertete die Polizei Tatortspuren wie Fingerab-

drücke, humanbiologische Spuren, Faserspuren, Projektile

und die persönlichen Gegenstände des Opfers aus.
4366

Zwei Zeugen gaben Hinweise auf zwei männliche Fahr-

radfahrer, ca. 20 bis 30 Jahre alt, die vom Tatort wegge-

fahren seien. Die Münchener Mordkommission konnte

diese Spur jedoch nicht erhärten.
4367

5. Ermittlungstätigkeiten des BKA und ihre
rechtlichen Grundlagen

Das BKA verfügte seit dem ersten Mord im Jahre 2000

über Informationen zu den Mordfällen und beteiligte sich

an den Ermittlungen zunächst im Rahmen seiner Zentral-

stellenfunktion nach § 2 BKAG.
4368
4362) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 85, 86. Dort hat der Zeuge seine

Aussage, der Fall habe zwischenzeitlich geruht, relativiert.

4363) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 67.

4364) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 ff., Bl. 421.

4365) Sachstandsbericht SoKo „Halbmond“ Januar 2002, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 396 ff., Bl. 411.

4366) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT

A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 69 f.

4367) Ermittlungsbericht der MK München vom 15. Mai 2002, MAT

A GBA-4/4b, Bl. 218, 221.

4368) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2.

Drucksache 17/14600 – 500 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Präsident des BKA, der Zeuge Jörg Ziercke, hat vor

dem Untersuchungsausschuss die vom BKA durchgeführ-

ten Ermittlungsmaßnahmen in Bezug auf die Česká-
Mordserie wie folgt dargestellt:

„So wurden zum Beispiel in allen neun Česká-
Fällen kriminaltechnische Untersuchungen – Tat-
munitions-, DNA-, serologische, textilkundliche

Untersuchungen und Ähnliches – für die Tatortbe-
hörden und das BKA durchgeführt. Auch wurden

bezüglich aller Straftaten – Sprengstoffanschläge,
Česká, Polizistinnenmord – durch das BKA über 1
200 Asservate untersucht. Darüber hinaus erfolg-

ten vom BKA deutschlandweit für alle Polizei-

dienststellen Einzelausschreibungen in drei Blät-

tern des Bundeskriminalamtes – sogenannte BK-
Blätter […] in den Jahren 2001, 2002 sowie in ei-
ner BK-Blatt-Sonderausgabe zur Mordserie Česká
im Jahr 2005, nach dem siebten Mord. Darauf hat-

ten alle Zugriff.

Im Rahmen der Mordermittlungen in Dortmund

und Kassel wurden gesicherte daktyloskopische

Spuren durch das BKA bearbeitet. Die Tatortgrup-

pe des BKA war zur Unterstützung der Tatortar-

beit in den Mordfällen in Nürnberg, Dortmund und

Kassel sowie zur Spurensuche an verschiedenen

Schusswaffen und anonymen Schreiben eingesetzt.

Weiterhin wurden ab 2004 arbeits- und kostenin-

tensive Ausgleichsmaßnahmen aufgrund der In-

kompatibilität der beiden eingesetzten Datenbank-

systeme EASy und der Verbundanwendung

INPOL-Fall durchgeführt. Das BKA hat ebenfalls

an der Durchführung der ersten und zweiten baye-

rischen Fallanalyse in 2005 und 2006 durch eine

Fachanalytikerin mitgewirkt.

Bezogen auf den Sprengstoffanschlag in Köln,

Keupstraße, hat das BKA bereits im Februar 2005

auf Ersuchen des PP Köln eine Fallanalyse gefer-

tigt – also noch vor den Fallanalysen in Nürn-
berg –, da man sich in Köln neue Anhaltspunkte
für die bis dahin erfolglosen Ermittlungen erhoffte,

allerdings ohne eine eindeutige Ermittlungsrich-

tung.

[…] Das BKA war am Tatort in Köln. Hierbei
handelte es sich um zwei Beamte der Tatortgruppe

für Spreng- und Branddelikte der Abteilung Zen-

trale Dienste des Bundeskriminalamtes. Das

Unterstützungsangebot des BKA wurde noch am

gleichen Tag durch das Polizeipräsidium Köln an-

genommen. Eine aktive Einbindung der Ermitt-

lungsabteilungen Schwere und Organisierte Kri-

minalität und Staatsschutz durch das PP Köln fand

trotz Angebot des BKA allerdings nicht statt […].
Gleichwohl wurden wir periodisch über den Fort-

gang der Ermittlungen informiert. Zudem unter-

stützte die BKA-Kriminaltechnik massiv bei der

Aufbereitung der bekannten Videosequenzen, auf

denen die Radfahrer zu sehen sind.

[…] Der Schwerpunkt des BKA lag im Jahr 2004
neben der Asservatenauswertung und dem Infor-

mationsaustausch mit dem Ausland auftragsgemäß

auf dem Organisationsansatz der vermuteten Or-

ganisierten Kriminalität.“4369

Zu den Aufgaben des BKA als Zentralstelle gehört insbe-

sondere auch der Informationsaustausch. In den dem

Ausschuss vorgelegten Ausgaben des Bundeskriminal-

blattes wurde über alle Taten, die heute der Terrorgruppe

NSU zugeordnet werden, jeweils zeitnah berichtet.
4370

Nach dem durch Art. 30 und 70 Grundgesetz vorgegebe-

nen föderativen Prinzip ist Polizeiarbeit grundsätzlich

Ländersache. Der Bund hat von Seiten der Gesetzgebung,

Judikative und Exekutive erst dann und ausnahmsweise

Zuständigkeiten und Befugnisse durch die Verfassung

erhalten, wenn dies im Grundgesetz explizit ausgewiesen

und in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung dem Bund

bzw. den Bundesbehörden zugewiesen ist.
4371

Die Aufgaben und Befugnisse des BKA sind im

Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) geregelt. Gemäß

§§ 1, 2 BKAG soll das Bundeskriminalamt der Zusam-

menarbeit von Bund und Ländern in kriminalpolizeilichen

Angelegenheiten dienen, wenn die Verhütung und Ver-

folgung von Straftaten mit länderübergreifender, interna-

tionaler oder erheblicher Bedeutung betroffen ist. Eine

Beteiligung des BKA an Ermittlungen ist nach dem

BKAG in drei Varianten möglich:

– Als Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe nach
§ 2 BKAG,

– als Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der
Strafverfolgung nach § 4 BKAG sowie

– durch Koordinierung bei der Strafverfolgung nach
§ 18 BKAG.

a) Zentralstelle gemäß § 2 BKAG

Die Zentralstellenaufgabe des Bundeskriminalamtes ist in

§ 2 BKAG folgendermaßen geregelt:

„(1) Das Bundeskriminalamt unterstützt als Zent-
ralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nach-

richtenwesen und für die Kriminalpolizei die Poli-

zeien des Bundes und der Länder bei der Verhü-

tung und Verfolgung von Straftaten mit länder-

übergreifender, internationaler oder erheblicher

Bedeutung.

(2) Das Bundeskriminalamt hat zur Wahrnehmung

dieser Aufgabe

1. alle hierfür erforderlichen Informationen zu

sammeln und auszuwerten,
4369) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 7.

4370) MAT A BKA-2/43, Bl.

4371) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 501 – Drucksache 17/14600

2. die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und

der Länder unverzüglich über die sie betreffenden

Informationen und die in Erfahrung gebrachten

Zusammenhänge von Straftaten zu unterrichten.

(3) Das Bundeskriminalamt unterhält als Zentral-

stelle ein polizeiliches Informationssystem nach

Maßgabe dieses Gesetzes.

(4) Das Bundeskriminalamt unterhält als Zentral-

stelle zur Unterstützung der Polizeien des Bundes

und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung

von Straftaten und der Gefahrenabwehr zentrale

Einrichtungen und Sammlungen, insbesondere

1. zentrale erkennungsdienstliche Einrichtungen

und Sammlungen sowie

2. zentrale Einrichtungen für die Fahndung nach

Personen und Sachen.

(5) Das Bundeskriminalamt kann die Länder auf

Ersuchen bei deren Datenverarbeitung unterstüt-

zen. Die Verarbeitung und Nutzung der Daten er-

folgt nach den Weisungen der Länder und gemäß

deren Vorschriften über die Datenverarbeitung im

Auftrag.

(6) Das Bundeskriminalamt hat als Zentralstelle

ferner zur Unterstützung der Polizeien des Bundes

und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung

von Straftaten

1. die erforderlichen Einrichtungen für alle Berei-

che kriminaltechnischer Untersuchungen und für

kriminaltechnische Forschung zu unterhalten und

die Zusammenarbeit der Polizei auf diesen Gebie-

ten zu koordinieren,

2. kriminalpolizeiliche Analysen und Statistiken

einschließlich der Kriminalstatistik zu erstellen

und hierfür die Entwicklung der Kriminalität zu

beobachten,

3. polizeiliche Methoden und Arbeitsweisen der

Kriminalitätsbekämpfung zu erforschen und zu

entwickeln,

4. Aus- und Fortbildungsveranstaltungen auf kri-

minalpolizeilichen Spezialgebieten durchzuführen.

(7) Das Bundeskriminalamt erstattet erkennungs-

dienstliche und kriminaltechnische Gutachten für

Strafverfahren auf Anforderungen von Polizei-

dienststellen, Staatsanwaltschaften und Gerichten.“

b) § 4 BKAG Strafverfolgung

Gemäß § 4 BKAG nimmt das BKA in bestimmten Berei-

chen der internationalen und der schweren Kriminalität

selbst Strafverfolgungsaufgaben wahr. Dabei wird es

entweder aufgrund eigener Ermittlungszuständigkeit (§ 4

Abs. 1 BKAG) oder aber aufgrund eines Auftrages (§ 4

Abs. 2 BKAG) tätig.

aa) Eigene Ermittlungszuständigkeit gemäß
§ 4 Abs. 1 BKAG

Eine originäre Ermittlungszuständigkeit des BKA besteht

gemäß § 4 Abs. 1 BKAG insbesondere bei bestimmten

international organisierten Straftaten, bei Attentaten mit

bundespolitischem Bezug oder bei bestimmten Fällen der

Computerkriminalität. Die Vorschrift lautet:

„I. Das Bundeskriminalamt nimmt die polizeili-
chen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfol-

gung wahr

1. in Fällen des international organisierten unge-

setzlichen Handels mit Waffen, Munition, Spreng-

stoffen,

Betäubungsmitteln oder Arzneimitteln und der in-

ternational organisierten Herstellung oder

Verbreitung von Falschgeld, die eine Sachaufklä-

rung im Ausland erfordern, sowie damit im Zu-

sammenhang begangener Straftaten einschließlich

der international organisierten Geldwäsche,

2. in Fällen von Straftaten, die sich gegen das Le-

ben (§§ 211, 212 des Strafgesetzbuches) oder die

Freiheit (§§ 234, 234a, 239, 239b des Strafgesetz-

buches) des Bundespräsidenten, von Mitgliedern

der Bundesregierung, des Bundestages und des

Bundesverfassungsgerichts oder der Gäste der

Verfassungsorgane des Bundes aus anderen Staa-

ten oder der Leiter und Mitglieder der bei der

Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplo-

matischen Vertretungen richten, wenn anzuneh-

men ist, dass der Täter aus politischen Motiven

gehandelt hat und die Tat bundes- oder außenpoli-

tische Belange berührt,

3. in den Fällen international organisierter Strafta-

ten

a) nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b

Abs. 1, des Strafgesetzbuches,

b) nach den §§ 105 und 106 des Strafgesetzbuches

zum Nachteil des Bundespräsidenten, eines Ver-

fassungsorgans des Bundes oder des Mitgliedes

eines Verfassungsorgans des Bundes und damit im

Zusammenhang stehender Straftaten,

4. in den Fällen der in § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2

des Strafgesetzbuches genannten Straftaten und

damit im Zusammenhang stehender Straftaten,

soweit es sich um eine Auslandstat handelt und ein

Gerichtsstand noch nicht feststeht,

5. in den Fällen von Straftaten nach § 303b des

Strafgesetzbuches, soweit tatsächliche Anhalts-

punkte dafür vorliegen, dass die Tat sich gegen

a) die innere oder äußere Sicherheit der Bundesre-

publik Deutschland oder

b) sicherheitsempfindliche Stellen von lebenswich-

tigen Einrichtungen, bei deren Ausfall oder Zerstö-

rung eine erhebliche Bedrohung für die Gesund-

Drucksache 17/14600 – 502 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

heit oder das Leben von Menschen zu befürchten

ist oder die für das Funktionieren des Gemeinwe-

sens unverzichtbar sind, richtet.

Die Staatsanwaltschaft kann im Benehmen mit

dem Bundeskriminalamt die Ermittlungen einer

anderen sonst zuständigen Polizeibehörde übertra-

gen. Die Wahrnehmung der Aufgaben nach Satz 1

Nr. 2 und 3 Buchstabe b bedarf der Zustimmung

des Bundesministeriums des Innern; bei Gefahr im

Verzuge kann das Bundeskriminalamt vor Ertei-

lung der Zustimmung tätig werden.“

BKA-Präsident Jörg Ziercke hat darauf verwiesen, dass

§ 4 BKAG eine Sonderregelung für die Strafverfolgung in

besonderen Fällen darstelle. Allein aus der Tatsache, dass

eine Straftat mehrere Länder betreffe, lasse sich noch

keine originäre Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes

zur Strafverfolgung herleiten. Das Bundeskriminalamt

habe ferner nicht das Recht, sich aus eigenem Entschluss

in die Ermittlungen einzuschalten.
4372

Auf diesen Gesichtspunkt hat auch der Zeuge Falk abge-

stellt. Er hat ausgeführt:

„Das BKA hat kein Evokationsrecht. Selbst in Fäl-
len – nur als Beispiel – der originären Zuständig-
keit des Bundeskriminalamtes nach § 4 Abs. 1

BKA-Gesetz kann eine Staatsanwaltschaft nur im

Benehmen mit dem BKA jederzeit eine andere Po-

lizeibehörde mit der Ermittlung eines Falls beauf-

tragen. Also selbst da, wo das BKA originär zu-

ständig ist, hat es gar nicht mal ausschließlich die

Entscheidungsmöglichkeit.“4373

Zusammenfassend hat der Zeuge Dr. Hanning erläutert:

„In Deutschland ist die Aufklärung von Straftaten
und die Bewahrung der inneren Sicherheit nach

dem Grundgesetz Kernaufgabe der Länder, und

der Bund hat hier nur eingeschränkte Zuständig-

keiten.“4374

bb) Auftragszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 2
BKAG

§ 4 Abs. 2 Satz 1 BKAG regelt eine Auftragszuständig-

keit des BKA. Nach dieser Vorschrift nimmt das Bundes-

kriminalamt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet

der Strafverfolgung auch dann wahr, wenn

„1. eine zuständige Landesbehörde darum ersucht
oder

2. der Bundesminister des Innern es nach Unter-

richtung der obersten Landesbehörde aus schwer-

wiegenden Gründen anordnet oder

3. der Generalbundesanwalt darum ersucht oder

einen Auftrag erteilt.“
4372) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.

4373) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 26.

4374) Dr. Hanning, Protokoll Nr. 44, S. 14.

Die für die Strafrechtspflege und die Polizei zuständigen

obersten Landesbehörden sind in diesen Fällen nach § 4

Abs. 3 BKAG unverzüglich zu benachrichtigen, ebenso

die zuständigen Landeskriminalämter sowie der General-

bundesanwalt in den Fällen, in denen er für die Führung

der Ermittlungen zuständig ist, und in den übrigen Fällen

die Generalstaatsanwälte, in deren Bezirken ein Gerichts-

stand begründet ist. Rechtsfolge der Übernahme ist, dass

das Bundeskriminalamt in eigener Zuständigkeit die poli-

zeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung

wahrnimmt. Dabei kann es den zuständigen Landeskrimi-

nalämtern Weisungen für die Zusammenarbeit erteilen

(§ 4 Abs. 4 BKAG).

Der Zeuge Ziercke hat darauf verwiesen, dass das BKA-

Gesetz keine Hinweise darauf enthalte, was schwerwie-

gende Gründe sein könnten.
4375

Eine Zuweisung des Ver-

fahrens durch den Bundesinnenminister nach § 4 Abs. 2

Satz 1 Nr. 2 BKAG sei eine ultima ratio des Gesetzes.
4376

Der Zeuge Hoppe hat erklärt, nach seiner Kenntnis sei in

der Bundesrepublik erst zweimal eine Zuweisung nach

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG erfolgt. Einmal im soge-

nannten Lebach-Mordfall und einmal hinsichtlich des

Computervirus mit dem Namen „I-love-you“.4377

Fälle, in denen der GBA um Übernahme ersucht oder

einen Auftrag erteilt, sind unter anderem terroristische

Straftaten.

c) Koordinierung bei der Strafverfolgung
gemäß § 18 BKAG

Bei § 18 BKAG handelt es sich nicht um einen Übergang

der Ermittlungszuständigkeit an das BKA, sondern um

eine Art Entscheidungshilfe bei Zuständigkeitskonflikten

zwischen den Ländern.
4378

Das Bundeskriminalamt ent-

scheidet hier bei länderübergreifenden Fällen, welche

Landesbehörde für die Ermittlungen zentral zuständig

sein soll. § 18 BKAG lautet:

„(1) Berührt eine Straftat den Bereich mehrerer
Länder oder besteht ein Zusammenhang mit einer

anderen Straftat in einem anderen Land und ist an-

gezeigt, dass die polizeilichen Aufgaben auf dem

Gebiet der Strafverfolgung einheitlich wahrge-

nommen werden, so unterrichtet das Bundeskrimi-

nalamt die obersten Landesbehörden und die Ge-

neralstaatsanwälte, in deren Bezirken ein Gerichts-

stand begründet ist. Das Bundeskriminalamt weist

im Einvernehmen mit einem Generalstaatsanwalt

und einer obersten Landesbehörde eines Landes

diesem Land die polizeilichen Aufgaben auf dem

Gebiet der Strafverfolgung mit der Maßgabe zu,

diese Aufgaben insgesamt wahrzunehmen.
4375) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.

4376) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5; so auch Falk, Protokoll-Nr. 19,

S. 8.

4377) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 29.

4378) Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 187. EL 2011,

§ 18 BKAG Rn. 3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 503 – Drucksache 17/14600

(2) Zuständig für die Durchführung der einem

Land nach Absatz 1 übertragenen Aufgaben ist das

Landeskriminalamt. Die oberste Landesbehörde

kann an Stelle des Landeskriminalamtes eine ande-

re Polizeibehörde im Land für zuständig erklären.“

Der Zeuge Jörg Ziercke hat darauf hingewiesen, dass das

BKA nach dieser Vorschrift lediglich einen Abstim-

mungsprozess aufseiten der Länder anstoßen könne, wo-

bei die Abstimmung insbesondere der Generalstaatsan-

waltschaften untereinander und die Prüfung eines staats-

anwaltschaftlichen Sammelverfahrens wiederum allein

den Ländern obliege.
4379

6. Beteiligung des BKA an den Ermittlungen
vor Gründung der EG „Česká“

Der spätere Leiter des Referats, in dem die EG „Česká“
angesiedelt war, der Zeuge Hoppe, hat vor dem Untersu-

chungsausschuss dargelegt, dass das BKA seit dem ersten

Mord im Jahr 2000 über Informationen zur Mordserie

verfügte.
4380

Die EG „Česká“ wurde am 23. Juni 2004 gegründet.4381
Zuvor beteiligte sich das BKA an den Ermittlungen zur

Mordserie in seiner Zentralstellenfunktion gemäß § 2

BKAG und begleitete die Fälle dabei insbesondere im

Rahmen einer sog. Sonderauswertung „Türkische OK“
(SATOK) durch das Referat OA 12 der Abteilung Orga-

nisierte Kriminalität im BKA.
4382

Der Zeuge Vögeler hat ausgeführt, dass es nach den ersten

vier Tötungsdelikten eine Besprechung in Nürnberg mit

allen Tatortdienststellen (Hamburg und München) sowie

dem BKA gegeben habe. Bei dieser sei vereinbart wor-

den, dass die Sachbearbeitung der Tötungsdelikte weiter-

hin bei den örtlichen Dienststellen bleibe. Zur Koordinie-

rung der Ermittlungen sei dann die Soko „Halbmond“ in
Nürnberg gegründet worden.

4383
Bei dieser Besprechung

im Jahre 2001 sei das BKA beteiligt gewesen, um seine

Möglichkeiten des „Auslandsdienstverkehrs“, soweit es
notwendig gewesen sei, oder auch seine Auswertetätig-

keiten dort mit einzubringen.
4384

Nach dem fünften Mord habe es eine weitere Bespre-

chung im Jahre 2004 gegeben, an der das BKA teilge-

nommen habe, immer noch in seiner Auswertetätigkeit. In

dieser Besprechung sei das erste Signal aus Mecklenburg-

Vorpommern, dem Tatortland des fünften Mordes, ge-
4379) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 6.

4380) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2.

4381) Sachstandsbericht BKA vom 6. August 2004, BKA-2/15, Bl.
390.

4382) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.

4383) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 87; vgl. auch den Sachstandsbe-
richt der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002, MAT A GBA-
4/7a, Bl. 396 ff.

4384) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.

kommen, dass man daran denke, das BKA mit Ermittlun-

gen zu beauftragen oder zu ersuchen.
4385

Laut Protokoll der Strategiebesprechung des BKA vom

19. April 2006 fasste das BKA den Inhalt seiner Zentral-

stellenaufgabe in der Česká-Mordserie wie folgt zusam-
men:

„Informationssammlung, Zentrale Informations-
bewertung,

Informationssteuerung,

Internationale Informationserhebung,

zeit- und adressatengerechte Umsetzung von In-

formationen,

strukturierte Darstellung und Visualisierung der

Informationen,

Lagebilder/Lagefernschreiben,

Strategie- und Lagebesprechungen,

Kontrolle der gemeinsam getroffenen Entschei-

dungen.“4386

Die vom BKA bis zur Gründung der EG „Česká“ wahr-
genommenen Aufgabenschwerpunkte hat der Zeuge Falk

folgendermaßen beschrieben:

„Wir haben die nationalen und internationalen Zu-
sammenhangsstraftaten versucht zu überprüfen; es

hat sie so nicht gegeben. Wir haben für die Bun-

desländer den nationalen und den internationalen

Nachrichtenaustausch mit organisiert.

Vor allen Dingen haben wir kriminaltechnische

Untersuchungen vorgenommen an der Tatmuniti-

on. So ist ja überhaupt erst der Tatzusammenhang

festgestellt worden und festgestellt worden, dass

die Morde alle mit einer Waffe – in zwei Fällen
mit einer weiteren Waffe – begangen worden sind.

Wir haben Rechtshilfemaßnahmen im Ausland mit

umgesetzt. Wir haben den Auslandsdienstverkehr

für die Bundesländer gepflegt. Und wir haben die

Tatmunition auch europaweit abgeglichen und ver-

sucht, auf diese Weise eine Spur in die Hand zu

bekommen.“4387

Der Zeuge Hoppe hat zu den vom BKA im Rahmen sei-

ner Zentralstellenfunktion wahrgenommenen Aufgaben

die Auswertung von möglichen Zusammenhängen mit

anderen Sachverhalten mit gleichem Modus Operandi und

die Falldatenauswertung zu den festgestellten Waffen

hervorgehoben.
4388

Der Zeuge Maurer war von 2002 bis 2005 Leiter der

Abteilung Polizeilicher Staatsschutz im BKA. Auf die
4385) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.

4386) Protokoll der Strategiebesprechung im BKA vom
19. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl. 217 ff.

4387) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.

4388) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2.

Drucksache 17/14600 – 504 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Frage, ob er in dieser Eigenschaft von Nachfragen oder

Informationsersuchen zur Mordserie Kenntnis erlangt

habe, hat er angegeben, während dieser Zeit nie von der

Česká-Mordserie gehört zu haben.4389 Er vermute, dass
der gesamten damaligen Amtsleitung des BKA der Vor-

gang nicht bekannt gewesen sei.
4390

Er vermute auch, dass

bis zur Übernahme ergänzender struktureller Ermittlun-

gen durch das BKA im Jahr 2004 in der Abteilung Staats-

schutz keine Informationsüberprüfungen zur Mordserie

stattgefunden hätten.
4391

Der Zeuge Maurer hat darüber hinaus ausgeführt, zu

dieser Zeit seien im BKA – wie überall sonst in der deut-
schen Polizei – die Ressourcen in den Bereichen „rechts“
und „links“ zu Gunsten der Bekämpfung des islamisti-
schen Terrorismus zurückgefahren worden. Im Bereich

„rechts“ habe sich das BKA stark auf die Zentralstellen-
funktion festgelegt und relativ wenige eigene Ermitt-

lungsverfahren geführt.
4392

Insgesamt seien zwischen 25

und 30 Mitarbeiter in diesem Bereich tätig gewesen.
4393

III. Ermittlungen ab dem vierten Mord

1. Einrichtung der Soko „Halbmond“ im Jahr
2001

Nachdem sich über einen Projektilvergleich bestätigt

hatte, dass zwischen den beiden ersten Nürnberger Mor-

den und den Morden am 27. Juni 2001 in Hamburg an

Süleyman Taşköprü, sowie an Habil Kılıç am 29. August
2001 in München ein Tatzusammenhang besteht, wurde

beim PP Mittelfranken die Soko „Halbmond“ eingerich-
tet.

4394
Hauptermittlungsrichtung der Soko „Halbmond“ war,
einen Zusammenhang zwischen den Opfern herzustellen.

Grundannahme war, dass die Taten aus dem kriminellen

Milieu heraus verübt wurden und die Opfer in irgendeiner

Weise mit dem Milieu verstrickt waren. Nach Aussage

des Zeugen LKD Geier, der zum 1. Juli 2005 als Leiter

der BAO „Bosporus“ die Ermittlungen übernahm, hätten
hierauf auch einige, zum Teil vertraulich gegebene Hin-

weise aus türkischen Kreisen hingedeutet.
4395

Der Zeuge EKHK Vögeler, der bereits bei dem ersten

Mord zum Nachteil Enver Şimşek am 9. September 2000
polizeilicher Sachbearbeiter war, hat zu den ersten Ermitt-

lungen ausgeführt, dass es bei den ersten Delikten auf-

grund der Spurenlage und aufgrund der Ermittlungen zu

den Geschädigten durchaus gewisse Ansätze gegeben

habe, die zu konkreten Spuren im kriminellen Bereich

geführt hätten. Hier seien in den ersten Jahren sehr viele
4389) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 25.

4390) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 25.

4391) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 25.

4392) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 23 f.

4393) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 23.

4394) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 85 f..

4395) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 2.

Personen, zum Beispiel im Bereich Rauschgifthandel mit

Bezügen in die Niederlande, überprüft worden. Die

Hauptermittlungsspuren – auch aufgrund konkreter Hin-
weise – seien in Richtung Organisierte Kriminalität ge-
gangen. Auffällig seien auch verschiedene Bedrohungen

der Opfer oder Streit mit ihnen gewesen. Konkrete Be-

weise seien jedoch nicht gefunden worden. Da die Ermitt-

lungen nicht zum Erfolg geführt hätten, sei die Soko

„Halbmond“ personell wieder zurückgefahren worden.4396

Der Zeuge Vögeler hat ausgeführt, dass es nach den ersten

vier Tötungsdelikten eine Besprechung in Nürnberg mit

allen Tatortdienststellen (Hamburg und München) sowie

dem BKA gegeben habe, wobei vereinbart worden sei,

dass die Sachbearbeitung der Tötungsdelikte weiterhin bei

den örtlichen Dienststellen bleibe. Es sei dann die Soko

„Halbmond“ in Nürnberg gegründet worden zur Koordi-
nierung der Ermittlungen.

4397
2. Ermittlungen in Rostock nach dem Mord
an Mehmet Turgut

Die Staatsanwaltschaft Rostock nahm die Ermittlungen

auf. Auch hier – wie in allen Fällen – untersuchte die
Polizei zunächst umfangreich, ob es private oder geschäft-

liche Kontakte des Opfers Turgut mit den anderen Opfern

untereinander gab. Verbindungen der Opfer konnten je-

doch nicht festgestellt werden.
4398

Die Tatortaufnahme und die weiteren Ermittlungen im

Mordfall Turgut wurden bis zur Einrichtung der Sonder-

kommission „Kormoran“ durch die zeitweise personell
erweiterte örtlich und sachlich zuständige Mordkommis-

sion der Kriminalpolizeiinspektion Rostock durchgeführt.

Am 11. März 2004 bestätigte das BKA die Übereinstim-

mung der Tatwaffe und damit die Zugehörigkeit der Tat

zur Česká-Mordserie.4399

Nachdem die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im Jahr

2004 eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt hatte
4400

(dazu näher unten), führte die Staatsanwaltschaft Rostock

weiter die Ermittlungen. Am 7. September 2011 stellte die

Staatsanwaltschaft Rostock das Ermittlungsverfahren

gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, da ein Täter nicht ermittelt

werden konnte.4401

Im Rahmen der Tatortarbeit wurde festgestellt, dass neben

der Tür zu dem Verkaufscontainer mit schwarzer Farbe

ein „N“, umrahmt von einem schwarzen Kreis, gesprüht
4396) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 86 f.

4397) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 87; vgl. auch den Sachstandsbe-

richt der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002, MAT A GBA-
4/7a, Bl. 396 ff.

4398) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November
2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 380, 433.

4399) MAT A GBA-4/8a, Bl. 519.

4400) Siehe dazu näher F.VII.3.b)aa).

4401) Zwischenbericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern vom

10. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 163 ff, 183.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 505 – Drucksache 17/14600

war
4402

. Der Zeuge Deisting hat hierzu ausgeführt, dass

zumindest zum damaligen Zeitpunkt von keiner tatzeitna-

hen Aufbringung auszugehen gewesen sei, da das Zeichen

verwaschen gewesen sei. Weitere Flächen seien fast flä-

chendeckend mit Graffiti besprüht gewesen. Das aufge-

sprühte „N“ könnte auch eine Symbolik sein, die den
Linksextremen bzw. der autonomen Szene zuzuordnen

sei, weil dadurch bestimmte Freiräume wie Szenetreffs

oder andere Bereiche markiert würden.
4403

3. Ermittlungen aufgrund des Ermittlungsan-
satzes Spezialmunition

Bereits nach dem ersten Mord vom 9. September 2000

(Şimşek/Nürnberg) hat das BKA in einem Gutachten vom
14. September 2000 anhand der mikroskopisch festge-

stellten Systemspuren festgestellt, dass die Projektile mit

großer Wahrscheinlichkeit aus einer Selbstladepistole

Česká, Modell 83, Kaliber 7,65 mm Browning, verfeuert
wurden.

4404
Schon bei der zweiten Tat war bekannt, dass

diese Česká erneut verwendet wurde, und dass es sich um
eine Serie handelte.

4405
Vom BKA durchgeführte

Projektilvergleiche führten zu der Feststellung, dass auch

die nachfolgenden Morde „zweifelsfrei“ mit derselben
Waffe begangen wurden.

4406
Allein anhand dieser Tatwaffe ließ sich ein Täterkreis

zunächst nicht eingrenzen, da von diesem Typ monatlich

etwa 10 000 Pistolen hergestellt wurden.
4407

Erfolg versprechender waren die Ermittlungen zur Muni-

tion, die bei den ersten vier Taten verschossen wurde. Es

handelte sich um Munition des Herstellers Patton & Mor-

gan Metal Corporation (PMC 32 Auto), die in den USA

ihre Produktionsstätte hat und über den Generalimporteur

für den europäischen Raum Hoffmann in Mellrichstadt

importiert wurde.
4408

Die PMC-Munitionsspur war bis zum Zeitpunkt des kri-

minaltechnischen Gutachtens des BKA aus Mai 2006,

welches die Anzahl der in Betracht kommenden Česká-
Waffen durch das Erfordernis eines verlängerten Laufes

erheblich einschränkte, der konkreteste Ansatz im Rah-

men der Waffenspur.

Am 13. Mai 2004 suchten Mitarbeiter des BKA im Rah-

men der Überprüfung der legalen Vertriebswege von

Česká-Waffen und PMC-Munition eine Waffenfirma
namens Hoffmann in Mellrichstadt auf. Diese war Allein-

importeur für PMC-Munition für den europäischen
4402) Tatortuntersuchungsprotokoll vom 16. März 2004, MAT A

GBA-4/8d, Bl. 278 ff, 280, Foto: Bl. 285.

4403) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 118.

4404) MAT A GBA-4/2, Bl. 124.

4405) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.

4406) MAT A BKA-2/15, Bl. 17.

4407) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41.

4408) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 46.

Raum.
4409

Hergestellt wurde die PMC-Munition in den

USA in Lizenz für Südkorea.
4410

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei PMC-Munition des

Kalibers 7,65 mm um keine häufig verwendete Munition

handelte, wurden von dem Geschäftsführer alle Lieferun-

gen an Einzelhändler der Jahre 1998 (Beginn der EDV-

unterstützten Buchführung) bis 2000 (erster Mordfall am

9. September 2000 an Enver Şimşek) recherchiert.4411

Im Ergebnis konnte eine Liste mit 49 Waffengeschäften

in Deutschland ermittelt werden, an welche die Firma

Hoffmann PMC-Munition lieferte, sowie neun Importeure

oder Waffenfirmen im Ausland, an welche ebenfalls Mu-

nition durch die Firma Hoffmann geliefert wurde.
4412

Nach Auskunft des Verkaufsleiters der Firma Hoffmann

seien keine Munitionslieferungen dieses Typs und Her-

stellers in die Türkei erfolgt, da hierfür eine Ausfuhrge-

nehmigung hätte eingeholt werden müssen. Direktliefe-

rungen aus den USA in europäische Länder wurden aus-

geschlossen, so dass die übergebene Liste mit hoher

Wahrscheinlichkeit als abschließend betrachtet werden

konnte.
4413

Ausdrücklich hingewiesen wurden die Ermittler vom

Verkaufsleiter der Firma Hoffmann auf den Schweizer

Abnehmer Schläfli & Zbinden: diese Firma sei Hersteller

bzw. Lieferant für Schalldämpfer. Schalldämpfer seien in

der Schweiz im Unterschied zu Deutschland frei verkäuf-

lich.
4414

Daraufhin richtete das BKA an die Landeskriminalämter

der Bundesländer am 19. Mai 2004 die Abfrage, ob

– es bei den entsprechenden Händlern Diebstähle von
Waffen/Munition gab und ob ggf. Täter ermittelt

wurden,

– die Möglichkeit der Erhebung der Personalien der
Käufer der PMC-Munition bestehe (wobei von be-

sonderem Interesse türkische Staatsangehörige seien)

und

– die Möglichkeit der Ermittlung bestehe, ob den Mu-
nitionskäufern auch eine Česká-Waffe verkauft wor-
den sei.

4415
Durch die zuständigen örtlichen Dienststellen wurden alle

Einzelhändler in Deutschland aufgesucht und Einblick in
4409) Fortgeschriebener Sachstandsbericht v. 17. April 2012, MAT A

BKA-2/35a, Bl. 497 ff (506); Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 46.

4410) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl.46.

4411) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012,
BKA-2/35a, Bl. 506.

4412) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT

A BKA 2/35a, Bl. 507; Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 47.

4413) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012,

BKA-2/35a, Bl. 506 f.

4414) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA 2/35a Bl. 507.

4415) Inhaltsverzeichnis der Spurenakte 69 des BKA, MAT A-BKA-

2/35a, Bl. 84 ff. (87).

Drucksache 17/14600 – 506 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Munitionsbücher (soweit geführt) genommen.
4416

Dabei wurden anfragegemäß sowohl die Informationen

zur PMC-Munition als auch zu Verkäufen einer Česká 83,
7,65 mm Browning erhoben.

4417
Die Überprüfungen ver-

liefen im Wesentlichen unauffällig.
4418

Am 17. Mai 2004 und in den darauffolgenden Tagen

stellte die EG „Česká“ Anfragen an Verbindungsbeam-
te

4419
des BKA im europäischen Ausland.

4420
Gebeten

wurde um Überprüfung, ob

– in den jeweiligen Ländern der Munitionsverkauf
buchführungspflichtig sei und

– ggf. die Möglichkeit der Übermittlung der Namen der
Munitionskäufer bestehe (besonderer Hinweis auf

türkische Abnehmer).

Im Gegensatz zur Anfrage an die Landeskriminalämter

wurden die Verbindungsbeamten trotz Benennung der

Mordwaffe als Česká 83, Kal. 7,65 mm nicht konkret
gebeten, zu prüfen, ob die jeweiligen ausländischen Mu-

nitionsabnehmer auch die Česká 83, 7,65 mm Browning
im Sortiment und ggf. gemeinsam mit der Munition ver-

kauft hatten.
4421

Dementsprechend enthielten die meisten

Rückläufe keine Information zu einem eventuellen Ver-

trieb von Česká-Waffen.4422

Dies galt auch für die Rückmeldung des Verbindungsbe-

amten des BKA in der Schweiz vom 24. Juni 2004. Diese

enthielt keine Information darüber, ob die Firma Schläfli

& Zbinden neben der PMC-Munition auch die Česká 83,
7,65 mm Browning im Sortiment und diese ggf. gemein-

sam mit der Munition (und/oder einem Schalldämpfer)

verkauft habe.
4423

Da die Tatwaffe Česká 83, 7,65 mm
Browning nachweislich aus der Bestellung des Anton G.

bei der Waffenfirma Schläfli & Zbinden stammte, hätte

bereits im Jahre 2004 – und nicht erst 2007 nach dem
Hinweis von Lothar M. auf den Schweizer Generalimpor-

teur für Česká-Waffen mit langem Lauf Jan Luxik und auf
die Waffenfirma Schläfli & Zbinden – eine konkrete Spur
in die Schweiz und dort zu Anton G. geführt.
4416) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT

A BKA 2/35a, Bl. 507.

4417) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT
A BKA-2/35a, Bl. 507 ff.

4418) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April

2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 497 ff. (506 f.).

4419) Es handelt sich um die Verbindungsbeamten in Lissabon, Den

Haag, Warschau, Paris, Bern, Bratislava, Prag, London und

Madrid, MAT A-BKA-2/35a, Bl. 84 ff. (85), und laut Inhalts-

verzeichnis der Spurenakte 69 des BKA, MAT A BKA-2/35a,

Bl. 84 ff., die Verbindungsbeamten des BKA in Kiew, Wien

und Skandinavien.

4420) Telefaxnachricht v. 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 204

ff;

4421) Telefaxnachricht v. 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 204
ff. (205, 206).

4422) Fortgeschriebener Sachstandsbericht vom 17. April 2012, MAT

A BKA-2/35a, Bl. 507 ff; Inhaltsverzeichnis der Spurenakte 69
des BKA, MAT A BKA-2/35a, Bl. 84 ff.

4423) Schreiben der Berner Polizei an den Verbindungsbeamten des

BKA in Bern vom 24. Juni 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 209.

In den Anfragen des BKA wurde darüber hinaus insbe-

sondere auf türkische Staatsangehörige als potentielle

Abnehmer von Munition und Schalldämpfer eingegangen.

Der Verbindungsbeamte in Bern wurde zusätzlich gebeten

zu prüfen, ob in dem Zeitraum durch die Firma Schläfli &

Zbinden auch Schalldämpfer insbesondere an türkische

Staatsangehörige abgegeben wurden.
4424

So heißt es wörtlich:

„Weiterhin wurden Gemeinsamkeiten bezüglich
des Tathergangs und des persönlichen Umfelds der

Opfer ermittelt, wobei anhand des bislang gewon-

nenen Erkenntnisstandes keinerlei Bezüge der Op-

fer untereinander festgestellt wurden. Die Einzelta-

ten wurden nach Spurenlage mit eindeutiger Tö-

tungsabsicht durchgeführt und weisen Merkmale

einer ‚Hinrichtung‘ auf. Als Grund für die Tötun-
gen dürften Rauschgiftgeschäfte in Betracht kom-

men. Durch die bisherigen Ermittlungen und den

hierbei festgestellten Übereinstimmungen ergaben

sich Anhaltspunkte, dass es sich bei allen fünf Ta-

ten um Auftragsmorde, welche von einem oder

mehreren identischen Tätern begangen wurden,

gehandelt haben könnte.

Es wird um Klärung bei den zuständigen Behörden

gebeten, ob in den jeweiligen Ländern der Muniti-

onsverkauf buchführungspflichtig ist, d. h. eine

Abgabe von Munition (wie in Deutschland) nur an

Genehmigungsinhaber erfolgen darf und die Na-

men der Kunden festgehalten werden. Sollte dies

der Fall sein, sollte weiterhin geklärt werden, ob

die Namen der Munitionserwerber feststellbar sind

und mitgeteilt werden können. Von besonderem

Interesse wären dabei türkische Staatsangehöri-

ge.“4425

Die Zusatzfrage bezüglich des Schalldämpfervertriebs für

den Berner Verbindungsbeamten lautete:

„Kann dort überprüft werden, ob Schalldämpfer im
fraglichen Zeitraum insbesondere an türkische

Staatsangehörige abgegeben wurden?“4426

Da in beiden Anfragen insbesondere um Hinweise gebe-

ten wurde, ob Munition (und Schalldämpfer) an Abneh-

mer mit türkischer Staatsangehörigkeit verkauft wurden,

verengte sich die Prüfung zum Teil auf diesen Personen-

kreis. In der Antwort der Schweizer Polizei an den Ver-

bindungsbeamten des BKA – die auf den 24. Juni 2004
datiert ist und den Eingangsstempel 28. Juli 2004 trägt –
heißt es:

„Die Durchsicht der Munitionsverkaufs-Bücher
der Firma Schläfli & Zbinden in Bern zeigte, dass

in der fraglichen Zeit keine Munition des Herstel-
4424) Telefaxnachricht vom 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl.

204 ff. (205, 206).

4425) Telefaxnachricht vom 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl.
204 ff. (205, 206).

4426) Telefaxnachricht vom 17. Mai 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl.

204 ff. (206).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 507 – Drucksache 17/14600

lers PMC, Kaliber 7.65 mm, an türkische Staats-

angehörige verkauft wurde.“4427

Im Ausschuss wurde diskutiert,

– warum im Auftrag an die Verbindungsbeamten zwar
die Frage nach Käufern der Munition, aber nicht die

Frage enthalten war, ob diese gleichzeitig eine Česká
83 gekauft hatten,

– warum in einem derart frühen Stadium der Ermitt-
lungen nach der Munition gezielt nur nach türkischen

Staatsangehörigen gefragt wurde.

Der Zeuge Jung berichtete, die EG „Česká“ sei damals
dem Hinweis einer VP des BKA, die auch einen Zusam-

menhang zu Rauschgift hergestellt habe, auf ein in der

Türkei lebendes Brüderpaar nachgegangen.
4428

Weiter hat

er zu diesen Fragen ausgeführt:

Nicht nur nach Käufern der Munition, sondern auch nach

Käufern einer Česká 83 zu fragen,

„[…] hätte ja für mich auch bedeutet, wir müssen
über Schläfli & Zbinden alle Waffenlieferungen

innerhalb der Schweiz wiederum an andere Waf-

fenhändler nachverfolgen und wir müssen mögli-

cherweise auch viel weiter zurückgehen. Und da

haben wir einfach gesagt – aufgrund des Auf-
wands, den wir letztendlich hier in Deutschland

hatten; und mit hoher Sicherheit hätten wir ja hier

nur Schweizer unbescholtene Bürger benannt be-

kommen - lassen wir das. […]

Wir wollten ja – das habe ich ja im Ablauf auch
geschildert – letztendlich erst die Ermittlungen in
Tschechien in Richtung Česká-Produktion, um
dann konkret auch sagen zu können: Hier diese

Mengen mit diesen Nummern, die sind in die ent-

sprechenden Länder gegangen.“4429

Zudem wies der Zeuge Jung darauf hin, dass es die Mög-

lichkeit gab,

„beim BKA alle sichergestellten Česká-Pistolen zu
recherchieren. […] Wir haben diese Recherche
gemacht, haben als Stichtag 1990 genommen und

haben praktisch dann, immer aktualisiert, Anfrage

gehalten: Wo, bei wem sind solche Waffen sicher-

gestellt worden? Es war letztendlich auch diese

Hervorhebung ‚insbesondere würden uns interes-
sieren‘ ein Ergebnis dieser Auswertung. Ich habe
festgestellt, dass praktisch überproportional türki-

sche Staatsangehörige als illegale Waffenbesitzer

hier in Erscheinung getreten sind.“4430

Der Zeuge hat weiter erklärt, dass mit der Antwort des

BKA-Verbindungsbeamten Nachfrage nach allen Käufern
4427) Schreiben der Berner Polizei an den Verbindungsbeamten des

BKA in Bern vom 24. Juni 2004, MAT A BKA-2/35a, Bl. 209.

4428) Jung, Protokoll Nr. 31, S. 47

4429) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 49, 50.

4430) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 48.

der PMC-Munition bei der Firma Schläfli & Zbinden nur

ein Teil der Fragen des BKA beantwortet worden sei.

Dass keine Rückfrage erfolgte, erläuterte er wie folgt:

„Und da die Überprüfungen der Munitionsverkäu-
fe in Deutschland praktisch ohne Ergebnis verlau-

fen sind, habe ich aufgrund der zu erwartenden

großen Liste mit Personen, mit Schweizer Staats-

angehörigen - in der Regel ohne Erkenntnisse oder

höchstwahrscheinlich ohne Erkenntnisse; sonst

hätten die nämlich keine Munition gekriegt - ge-

sagt: Dann werde ich das nicht weiterverfolgen,

weil das keinen Sinn macht.“4431

Der Zeuge Maurer hat angegeben,

„dass auch der Einschub ‚insbesondere türkischer
Käufer‘ unglücklich ist und unglücklich war; da
teile ich Ihre Auffassung. Warum ist er entstan-

den? Unter anderem deswegen entstanden, weil

genau zu dem gleichen Zeitpunkt ein Hinweis auf

einen türkischen Straftäter vorlag. Es ist nicht rich-

tig, bei einem unbekannten Täter irgendetwas aus-

zuschließen; es ist nicht richtig. Die gesamten

Hinweise, die Masse der Hinweise, die sich ja

nachvollziehen lassen und die man in den Ermitt-

lungsakten nachvollziehen kann, immer wieder in

Richtung Phänomene von Rauschgiftkriminalität,

teilweise Denunziationen, was weiß ich – Im End-
effekt hat es nicht dazu geführt, dass ein Ermitt-

lungsansatz verschüttet wurde. Zu dem Zeitpunkt

kamen wir an der Ecke sowieso noch nicht weiter,

als wir nach der PMC-Munition gesucht haben.

Aber ich gebe Ihnen zu: Selbst die Einschränkung

‚insbesondere‘ ist nicht besonders glücklich. Das
gebe ich zu, ja.“4432

Auf die Nachfrage, aus welchem Anlass an „Auftrags-
morde“ geglaubt wurde, hat der Zeuge Jung erklärt, dass
dies

„im Wesentlichen der damalige Erkenntnis-
stand“4433

gewesen sei.

4. Diskussion um die Übernahme der zentra-
len Ermittlungsführung durch das BKA
gemäß § 4 BKAG im Jahr 2004

Nach dem fünften Mord der Serie, dem Mord an Mehmet

Turgut in Rostock am 25. Februar 2004, wurde zwischen

BKA und den mit den Ermittlungen in der Mordserie

befassten Ländern die Übernahme der Gesamtermittlun-

gen durch das BKA nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG

(auf Ersuchen einer zuständigen Landesbehörde) disku-

tiert.
4431) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 80.

4432) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 57.

4433) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 53.

Drucksache 17/14600 – 508 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Entscheidungsprozess und zentrale Be-
sprechungen nach Aktenlage

Nach Aktenlage stellt sich der Entscheidungsprozess zur

Übernahme der Ermittlungen des BKA auf Ersuchen

einer zuständigen Landesbehörde wie folgt dar:

aa) Arbeitsbesprechung in Rostock am
16. März 2004

Bei der den fünften Mordfall sachbearbeitenden Dienst-

stelle in Rostock fand am 16. März 2004 eine Bespre-

chung statt, bei der auch Vertreter der Kriminalpolizeiin-

spektion (KPI) Nürnberg, des BKA und der Staatsanwalt-

schaft Rostock anwesend waren. Es wurden Parallelen

zwischen den Taten festgestellt: Verwendung der identi-

schen Tatwaffe Marke Česká, 7,65 mm Browning, die
Opfer sind türkische Staatsangehörige, gleichartige Tat-

ausführung, Tötung im Geschäft. Man ging von Auf-

tragsmorden aus, für die internationale Betäubungsmittel-

Geschäfte als Motiv gesehen wurden.
4434

Ein an dieser Besprechung für das BKA teilnehmender

Beamter vermerkte hierzu in einer Führungsinformation,

das Bayerische Innenministerium beabsichtige in Ab-

stimmung mit dem Innenministerium Mecklenburg-

Vorpommern, das BKA um Verfahrensübernahme zu

ersuchen. Die Staatsanwaltschaft Rostock habe angekün-

digt, ein Ersuchen zwecks Verfahrensübernahme über die

Generalstaatsanwaltschaft Mecklenburg-Vorpommern an

das BKA zu richten.
4435

Der Verfasser des Vermerks

votierte dafür, das angekündigte Ersuchen abzuwarten

und nach Vorliegen BKA-intern zu bewerten.
4436

Als Argument gegen eine Verfahrensübernahme wurde

dabei unter anderem angeführt, dass die bisherigen Er-

mittlungen keine Ergebnisse erbracht hätten. In dem

Vermerk heißt es:

„Problematisch bei der Ermittlungsführung ist,
dass die Soko ‚Halbmond‘ in den vier Fällen be-
reits umfangreichste Ermittlungen getätigt hat, die

nicht zu konkreten Täterhinweisen führten

[…]“4437

bb) Telefonat eines Mitarbeiters des LKA
Mecklenburg-Vorpommern mit einem Mit-
arbeiter des BKA am 31. März 2004

Auf Arbeitsebene des BKA sah man Ende März 2004

eine Übernahme der Gesamtermittlungen durch das BKA

als nicht sachgerecht an. Dies wurde auch – zumindest –
gegenüber dem LKA Mecklenburg-Vorpommern und
4434) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-

2/15, Bl. 92 ff.

4435) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-

2/15, Bl. 94.

4436) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-
2/15, Bl. 94.

4437) Führungsinformation BKA, vom 22. März 2004, MAT A BKA-

2/15, Bl. 94.

dem PP Mittelfranken nach Außen kommuniziert. In einer

Gesprächsnotiz vom 31. März 2004 zu einem Telefonat

mit dem LKA Mecklenburg-Vorpommern hat ein Mitar-

beiter des BKA die ablehnende Haltung des BKA festge-

halten:

„H. M. teilte mit, dass die StA Rostock in Überein-
stimmung mit LKA Mecklenburg-Vorpommern

beabsichtige, ein Ersuchen um Übernahme des

Ermittlungsverfahrens durch das BKA zu stellen.

Er verwies auf die Zusammenhänge mit Tötungs-

delikten in Nürnberg, München und Hamburg. Aus

Sicht des LKA MV sei wegen der Zusammenhän-

ge und der internationalen Bezüge eine Bearbei-

tung des Tötungsdelikts in Rostock durch das

BKA angezeigt (das EV war von der sachb. KPI

Rostock zuvor an das LKA herangetragen wor-

den). Ich habe darauf hingewiesen, dass es nicht

sachgerecht ist, das EV aus Rostock durch das

BKA bearbeiten zu lassen. Ein Mehrwert ist allen-

falls durch eine zentrale Bearbeitung der ‚Mords-
erie‘ zu erwarten. Diese muss aber nicht zwangs-
läufig durch das BKA erfolgen. Das BKA könnte

auch eine unterstützende/koordinierende Funktion

übernehmen. Zusätzlich habe ich H. M. darauf

hingewiesen, dass in jedem Falle die entsprechen-

den personellen Ressourcen zu prüfen sind.

Schließlich habe ich ihm den Vorschlag unterbrei-

tet, zunächst eine Besprechung der betroffenen

Dienststellen mit dem BKA durchzuführen.

Die Frage, inwieweit die Polizeibehörden in Bay-

ern und Hamburg bereit sind, ihre Fälle in eine

zentrale Bearbeitung zu geben, konnte H. M. nicht

beantworten.

Zusatz:

Kurze Zeit später meldete sich H. Sch., PP Mittel-

franken, und fragte an, ob es richtig sei, dass das

BKA bereit wäre, die zentralen Ermittlungen zu

übernehmen. Die Polizei in Nürnberg und in Mün-

chen sei bereit, die Fälle an das BKA abzugeben.

Ich habe H. Sch. erklärt, dass das BKA keine ent-

sprechende Zusage erteilt habe und ihm die Sicht-

weise wie oben dargestellt. Zusätzlich habe ich ihn

auf die Zuständigkeit von OA 12 hingewiesen.

Er befürwortete eine Besprechung wie vorgeschla-

gen

H. Sch. wird sich erneut telefonisch melden.“4438

cc) Telefonkonferenz zwischen PP Mittelfran-
ken und Bayerischem Staatsministerium
des Innern am 14. April 2004

Nach vorbereitenden Gesprächen zwischen dem PP Mit-

telfranken und dem Bayerischen Staatsministerium des
4438) Gesprächsnotiz BKA vom 31. März 2004, MAT A BKA-

2/15, Bl. 117.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 509 – Drucksache 17/14600

Innern fand am 14. April 2004 eine Telefonkonferenz

unter Leitung des Bayerischen Staatsministeriums des

Innern unter Beteiligung von Vertretern des PP Mittel-

franken, der KD Nürnberg und des PP München statt. Die

teilnehmenden Vertreter der Polizei vertraten den Stand-

punkt, dass in der Mordserie eine Übergabe der Sachbe-

handlung an das BKA im Sinne einer zielorientierten

Ermittlung vollzogen werden solle.
4439

Das Bayerische

Staatsministerium des Innern sei bereit, einen Antrag auf

Übernahme der Sachbehandlung zu stellen, sobald vom

BKA hierzu die Zustimmung erteilt werde.
4440

dd) Besprechung beim BKA in Wiesbaden am
20. April 2004 und Reaktionen der Länder
hierauf

Am 20. April 2004 fand eine Besprechung beim BKA in

Wiesbaden statt, in der die Frage einer zentralen Ermitt-

lungsführung durch das BKA erörtert wurde (Teilnehmer:

KPD Nürnberg, PP Mittelfranken, LKA Hamburg,

KPI Rostock, BKA).

Im Besprechungsprotokoll des BKA ist als Ergebnis fest-

gehalten, dass eine Übernahme der Ermittlungen durch

das BKA geboten sei „aufgrund:

– überörtlicher und internationaler Bezüge,

– personeller und finanzieller Ressourcen,

– Ermittlungsinfrastruktur (TÜ, Dolmetscher,
Observation, VP etc.).“4441

Einschränkend heißt es sodann:

„Vorbehaltlich der Entscheidung im BKA, die bis
Mitte der 18. Kalenderwoche 2004 erfolgen wird,

ist geplant:

– Absprache durch die KPD Nürnberg mit der
StA Nürnberg zwecks Einleitung eines Ermitt-

lungsverfahrens gemäß § 129 StGB – Bildung
krimineller Vereinigung – gegen unbekannt
und Ersuchen der Verfahrensübernahme durch

das BKA gemäß § 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1

BKAG.

– Vorlage eines Einleitungsvermerks durch das
BKA.

– Das BKA übernimmt die zentrale polizeiliche
Ermittlungsführung, Koordination und Aus-

wertung.

– Die bisherigen und möglicherweise neu hin-
zukommenden Mordverfahren verbleiben bei
4439) Kurzprotokoll zur Telefonkonferenz am 14. April 2004, MAT

A BY-2/3a, Bl. 30 f. (PDF).

4440) Kurzprotokoll zur Telefonkonferenz am 14. April 2004, MAT

A BY-2/3a, Bl. 30 (PDF); Anregungsschreiben des PP Mittel-

franken an das BayStMI vom 29. April 2004, MAT A BY-2/3a,
Bl. 35 (PDF).

4441) BKA-Protokoll der Besprechung vom 20. April 2004, MAT A

BKA-2/15, Bl. 125.

den örtlich und sachlich zuständigen Polizei-

und Justizbehörden.

– Die örtlichen Dienststellen stellen dem BKA
sämtliche relevanten Informationen und Er-

kenntnisse insbesondere in der Form von Da-

tenbanken zur Verfügung und gewährleisten

einen Informationsaustausch durch eine je-

weils zeitlich befristete Entsendung von Er-

mittlungsbeamten. Dies würde insbesondere

zu Beginn der Verfahrensübernahme durch

das BKA erforderlich sein.“4442

Im Polizeipräsidium München wurde, nachdem der Be-

sprechungsvermerk dort einging, darauf notiert:

„BKA übernimmt Ermittlungen jetzt doch
[…].“4443

Weiter heißt es:

„Geplant ist, dass die bisher erforderlichen Be-
schlüsse, gestützt auf § 129 StGB, für das BKA

vom Polizeipräsidenten Nürnberg bei deren Staats-

anwaltschaft beantragt werden. Laut Polizeipräsi-

dent Nürnberg soll sich die dortige Staatsanwalt-

schaft etwas dagegen sträuben, sodass eventuell

die Staatsanwaltschaft München einspringen müss-

te.“4444

Wie in dieser Besprechung vereinbart, führte daraufhin

der Hauptsachbearbeiter der KPD Nürnberg, (KHK Vöge-

ler), am 20. und 21. April 2004 Gespräche mit OStA Dr.

Kimmel, Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, wegen der

Eröffnung eines Verfahrens nach § 129 StGB. Ausweis-

lich eines Aktenvermerks der KPD Nürnberg vom

22. April 2004 teilte OStA Dr. Kimmel am 21. April 2004

mit, dass es derzeit zwar neue Ermittlungsansätze gebe,

diese jedoch ausschließlich in Rostock zu lokalisieren

seien, weshalb jetzt die Staatsanwaltschaft Rostock gefor-

dert sei. Aus diesem Grunde sehe er nicht die Notwendig-

keit der Eröffnung eines Verfahrens nach § 129 StGB.
4445

Auch sehe OStA Dr. Kimmel im jetzigen Stadium keinen

Anlass für ein Sammelverfahren für alle Tötungsdelikte

bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg, da die Verwendung

derselben Waffe noch kein Indiz für denselben Täter

sei.
4446

Auch die Einleitung eines Verfahrens nach § 129

StGB werde derzeit nicht beabsichtigt.
4447
4442) BKA-Protokoll der Besprechung vom 20. April 2004, MAT A

BKA-2/15, Bl. 125 f.

4443) MAT A BY-2/4e, Bl. 14.

4444) MAT A BY2-/4e, Bl. 14.

4445) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,

Bl. 34 f. (PDF-Seite).

4446) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,

Bl. 35 (PDF-Seite).

4447) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA
am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,

Bl. 36 (PDF-Seite), zum Staatsanwaltschaftlichen Sammelver-

fahren im Einzelnen siehe F.VII.3.

Drucksache 17/14600 – 510 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Verfasser des Aktenvermerks der KPD Nürnberg

folgerte daraus:

„Nachdem sich somit keine Staatsanwaltschaft be-
reit erklärt, die für die Einschaltung des BKA er-

forderlichen Voraussetzungen zu schaffen, bleibt

es beim status quo.

Die Ermittlungen der KD Nürnberg zu den hiesi-

gen Tötungsdelikten sind mit den vorhandenen

Möglichkeiten quasi beendet. Nach meiner Mei-

nung ist eine Einbindung des BKA

– aufgrund der überörtlichen und internationa-
len Bezüge

– der personellen und finanziellen Ressourcen
des BKA

– und der vorhandenen Ermittlungsinfrastruktur

dringend notwendig und absolut zielführend.

Zudem ist nach Meinung aller an der Besprechung

in Wiesbaden teilnehmen Beamten damit zu rech-

nen, dass die etwa zweieinhalb Jahre unterbroche-

ne Serie von Tötungsdelikten fortgesetzt wird.“4448

ee) Besprechung bei der Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth am 29. April 2004 und
Schreiben des PP Mittelfranken an das
Bayerische Staatsministerium des Innern
zur Stellung eines Übernahmeersuchens

Am 29. April 2004 fand bei der Staatsanwaltschaft Nürn-

berg-Fürth eine abschließende Besprechung mit Vertre-

tern des PP Mittelfrankens und des Bundeskriminalamtes

zur Erörterung einer Übernahme der Ermittlungen in der

bisherigen Tötungsserie statt.
4449

Als Ergebnis dieser Besprechung richtete das PP Mittel-

franken noch am gleichen Tage ein Schreiben an das

Bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellung

eines Übernahmeersuchens an das BKA.
4450

Nach einem

Überblick über die Ausgangssituation wird in diesem

Schreiben festgestellt:

„Für die mit den Ermittlungen befassten Fach-
dienststellen erscheint für diese bundesweite Serie

von Auftragsmorden eine international agierende

kriminelle Vereinigung verantwortlich.
4448) Aktenvermerk KPD Nürnberg zur Besprechung im BKA

am 20. April 2004 vom 22. April 2004, MAT A BY-2/3a,

Bl. 36 (PDF-Seite).

4449) Teilnehmer waren seitens der Staatsanwaltschaft der Behörden-

leiter, LOStA Hubmann, dessen Stellvertreter OStA Lubwitz

sowie der sachbearbeitende Staatsanwalt OStA Dr. Kimmel.
Vom PP Mittelfranken waren anwesend der stellvertretende Po-

lizeipräsident, LPD Kimmelzwinger, KOR Schl. und KHK Vö-

geler sowie vom BKA LKD R. und KD U.; vgl. BKA-Vermerk
vom 30. April 2004, BKA-2/15, Bl. 134.

4450) Anregungsschreiben des PP Mittelfranken an das BayStMI vom

29. April 2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 34 ff. (PDF).

Für die Aufklärung der Strukturen sind zentral ko-

ordinierte Ermittlungen unabdingbar. Das BKA

verfügt über adäquate personelle und finanzielle

Ressourcen, um die europaweit notwendigen

Strukturermittlungen (TÜ-Maßnahmen, Dolmet-

scher, Observationsmaßnahmen, Einsatz von VP

etc.) in der erforderlichen Dimension durchzufüh-

ren. Die in den einzelnen Mordfällen ermittelnden

Dienststellen sind dazu nicht in der Lage.“4451

Es wird weiterhin dargelegt, dass in der Besprechung am

29. April 2004 einvernehmlich vereinbart worden sei, wie

folgt zu verfahren:

„Das BKA wird durch das Bayerische Staatsminis-
terium des Innern gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 1 BKA-

Gesetz ersucht, für die unter den Aktenzeichen 109

UJs 118678/00 und 103 UJs 115193/01 bei der

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth anhängigen

Verfahren z.N. von Şimşek und z.N. Özüdoĝru er-
gänzende strukturelle Ermittlungen unter dem Ge-

sichtspunkt des § 129 StGB zu führen.

Das BKA tritt dann auf der Basis einer internen

sog. ‚Einleitungsverfügung‘ seinerseits an die
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth heran und wird

von dieser entsprechend beauftragt.

Die StA Nürnberg-Fürth steht für das BKA inso-

weit auch zentral für alle in diesem Zusammen-

hang notwendig werdenden strafprozessualen

Maßnahmen zur Verfügung.“4452

Auch ein Vermerk des BKA hält zu dieser Besprechung

fest:

„Im Ergebnis wurde zwischen den Teilnehmern
vereinbart, dass das BKA in dem Verfahren der

StA Nürnberg-Fürth wegen Verdacht des Mordes

ergänzende strukturelle Ermittlungen unter dem

Gesichtspunkt § 129 StGB übernimmt. Ziel hierbei

ist es, die Auftragnehmer und Hintermänner der

Morde zu ermitteln und festzunehmen.

Hierzu wird das Bayerische Staatsministerium des

Innern ein entsprechendes Ersuchen gemäß

§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG an das BKA richten. Da-

nach wird das BKA der StA Nürnberg Fürth einen

Einleitungsvermerk vorlegen und mit den ergän-

zenden strukturellen Ermittlungen unter dem Ge-

sichtspunkt des § 129 beauftragt.“4453
4451) Anregungsschreiben des PP Mittelfranken an das BayStMI vom

29. April 2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 35 (PDF).

4452) Anregungsschreiben des PP Mittelfranken an das BayStMI vom

29. April 2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 36 (PDF).

4453) BKA-Vermerk vom 30. April 2004, BKA-2/15, Bl. 134 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 511 – Drucksache 17/14600

ff) Ersuchen des Bayerischen Staatsministe-
riums des Innern an das BKA um Über-
nahme ergänzender struktureller Ermitt-
lungen unter dem Gesichtspunkt des § 129
StGB gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG
vom 15. Juni 2004

Auf einem Briefentwurf des Bayerischen Staatsministeri-

ums des Innern zum beabsichtigten Antrag auf Übernah-

me ergänzender struktureller Ermittlungen im Hinblick

auf § 129 StGB, der vorab dem Bayerischen Innenminis-

ter Dr. Beckstein mit der Bitte um Zustimmung vorgelegt

wurde, merkte dieser am 10. Mai 2004 handschriftlich an:

„Dies muss massiv beschleunigt werden! Wie
hoch ist die Belohnung? (100 000,- €?) Bei Son-
derkommission BY [Bayern], Hamburg, BKA +

Meck-Pom beteiligen! Neue Kommission? Ein-

bindung LfV? Bitte R! B 10/5“4454

Dr. Beckstein wurde am 12. Mai 2004 dahingehend in-

formiert, dass die zuständigen bayerischen Dienststellen

aktuell in ständigem Kontakt mit dem Bundeskriminalamt

stünden, welches laut telefonischer Auskunft bereits um-

fangreiche operative Maßnahmen – auch im Ausland –
vorbereitet habe und dringend auf die Zuweisung durch

das Bayerische Staatsministerium des Innern gemäß

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG warte, damit die formal-

rechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme des

Strukturverfahrens geschaffen wären. Es wurde angeregt,

dem – im Bereich der Arbeitsebene bereits mündlich
abgestimmten – Konzept insoweit baldmöglichst zuzu-
stimmen.

4455
Minister Dr. Beckstein vermerkte handschriftlich auf

dieser Vorlage:

„Mir Ende Sept erneut berichten!“4456

Mit Schreiben vom 3. Juni 2004 wandte sich das Bayeri-

sche Staatsministerium des Innern sodann an die Innen-

behörde Hamburg, das Innenministerium Mecklenburg-

Vorpommern und das Bayerische Staatsministerium der

Justiz mit der Bitte, die Zustimmung zu einem Antrag auf

Übernahme ergänzender struktureller Ermittlungen unter

dem Gesichtspunkt des § 129 StGB durch das BKA zu

erteilen.
4457

Dahinter stand der Verdacht der Tatortermittlungsbehör-

den, dass die Taten aus einer kriminellen Organisation

heraus begangen und gesteuert worden seien:

„Für die mit den Ermittlungen befassten Dienst-
stellen erscheint für diese bundesweite Serie von

Auftragsmorden eine international agierende kri-
4454) Entwurf des Schreiben des Bay StMI vom 3. Juni 2004, MAT

A BY-2/6a, Bl. 210.

4455) Vermerk BayStMI vom 12. Mai 2004, MAT A BY-2/6a,

Bl. 211 ff.

4456) Dr. Beckstein, handschriftlicher Vermerk auf Vermerk Bay
StMI vom 12. Mai 2004, MAT A BY-2/6a, Bl. 211.

4457) Schreiben BayStMI vom 3. Juni 2004, MAT A BY-

2/6a, Bl. 203 ff.

minelle Vereinigung verantwortlich, die sehr pro-

fessionell und konspirativ vorgeht, weshalb sich

die Ermittlungen sehr aufwändig und langwierig

gestalten.“4458

Nach Auffassung aller mit den Ermittlungen betrauter

Stellen seien zur Aufklärung der Strukturen zentral koor-

dinierte Ermittlungen unabdingbar, die vom BKA auf-

grund des Vorhandenseins adäquater personeller und

finanzieller Ressourcen durchgeführt werden sollten, um

die europaweit notwendigen Strukturermittlungen (TÜ-

Maßnahmen, Dolmetscher, Observationsmaßnahmen,

Einsatz von VP etc.) einzuleiten.
4459

Das Schreiben wurde nachrichtlich auch an das BKA

weitergeleitet. Vizepräsident Falk vermerkt handschrift-

lich hierauf:

„1. Die Übernahme der Ermittlungen durch OA ist
nicht nur sinnvoll, sondern geboten.

2. Ich bitte LS sicherzustellen, dass die Amtslei-

tung über die Haltung der Länder HH [Hamburg]

und MV [Mecklenburg-Vorpommern] informiert,

sowie über den Fortgang zu gegebener Zeit unter-

richtet wird.“4460

Bereits mit Schreiben vom 7. , 8. und 11. Juni 2004 teilten

die um Zustimmung gebetenen Behörden dem Bayeri-

schen Staatsministerium des Innern mit, dass sie keine

Einwände gegen die vorgeschlagene Verfahrensweise

erheben würden
4461

bzw. dieser ausdrücklich zustimm-

ten.
4462

Das Bayerische Staatsministerium des Innern ersuchte

daraufhin am 15. Juni 2004 das BKA gemäß § 4 Abs. 2

Satz 1 Nr. 1 BKAG

„für die unter den Aktenzeichen 109 UJs
118678/00 und 103 UJs 115193/01 bei der Staats-

anwaltschaft Nürnberg-Fürth anhängigen Verfah-

ren (Tötungsdelikte an Enver Şimşek und an Ab-
durrahim Özüdoğru) ergänzende strukturelle Er-
mittlungen unter dem Gesichtspunkt des

§ 129 StGB zu führen.“4463
4458) Schreiben BayStMI vom 3. Juni 2004, MAT A BY-

2/6a, Bl. 207.

4459) Schreiben BayStMI vom 3. Juni 2004, MAT A BY-

2/6a, Bl. 207 f.

4460) MAT A, BKA-2/15, Bl. 176 f.

4461) Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom

7. Juni 2004, MAT A BY-2/6a, Bl. 229; Schreiben der Behörde

für Inneres Hamburg vom 8. Juni 2004, MAT A BY-
2/6a, Bl. 230.

4462) Schreiben des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern

vom 11. Juni 2004, MAT A BY-2/6a, Bl. 231.

4463) Antrag des BayStMI auf Übernahme ergänzender Ermittlungen

im Hinblick auf § 129, MAT A BY-2/6a, Bl. 233 = MAT A

BKA-2/15 Bl. 228.

Drucksache 17/14600 – 512 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Aussagen der Zeugen

Der Ausschuss hat mehrere Zeugen dazu befragt, wie es

zu dem Antrag auf Übernahme ergänzender struktureller

Ermittlungen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB,

beschränkt auf die bis zu diesem Zeitpunkt in Nürnberg

anhängigen Verfahren, kam, und inwieweit seitens des

BKA eine Übernahme der Gesamtermittlungen abgelehnt

wurde.

Die vom Ausschuss vernommenen bayerischen Zeugen,

die mit dieser Angelegenheit befasst waren, haben über-

einstimmend ausgesagt, dass 2004 die Bereitschaft be-

standen habe, dem BKA die Gesamtermittlungen zu über-

tragen, das BKA habe dies jedoch abgelehnt.

Der spätere Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier,
hat in seiner Vernehmung dargelegt, nach dem Mord in

Rostock sei in Bayern der Wunsch entstanden, dass das

BKA das Verfahren als Ganzes übernehme.
4464

Er habe

2004 versucht, das BKA zur Übernahme des Fallkomple-

xes zu bewegen.
4465

Zur Begründung hat er ausgeführt,

dass er in solchen Fällen eine zentrale Ermittlungsführung

für die bessere halte, sei es durch das BKA oder durch

eine Länderbehörde, die allerdings dann auch, ähnlich wie

in § 4 BKAG, ein Weisungsrecht haben müsse.
4466

Das

BKA habe in der Besprechung beim BKA in Wiesbaden

im April 2004 die Übernahme der Gesamtermittlungen

jedoch abgelehnt.
4467

Auch der Zeuge Vögeler, der für die KPD Nürnberg an

der Besprechung vom 20. April 2004 in Wiesbaden teil-

nahm, hat ausgeführt, dass das BKA in dieser Bespre-

chung deutlich erklärt habe, dass es die Strukturermittlun-

gen in Richtung krimineller Vereinigung übernehmen

werde, aber nicht bereit sei, die Gesamtermittlungen zu

übernehmen. Deshalb sei ein Weg gesucht worden, eine

Staatsanwaltschaft einzubinden, um für das BKA dann

aufgrund von § 129 StGB den Weg freizumachen.
4468

Der damalige Bayerische Staatsminister des Innern, Dr.

Günther Beckstein, hat ausgesagt, im Jahr 2004 habe man

dem BKA die Übernahme des Gesamtverfahrens auf der

Arbeitsebene angeboten.
4469

Das habe man zu diesem

Zeitpunkt ganz vernünftig machen können.
4470

„2000 war der erste Mord, 2001 waren dann drei
Morde, dann war eine zeitlang Ruhe. Warum? Und

wie dann 2004 wieder ein Mord in Rostock war,

da hatten wir gesagt: Es könnte sinnvoll sein, das

ans BKA zu geben. Das BKA, da hätte es aus mei-

ner Sicht und aus unserer Sicht Sinn gemacht, weil

der zu befürchtende Datenverlust nicht besonders

groß gewesen wäre. Es hat dann eine Besprechung
4464) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26.

4465) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 21.

4466) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 21 f., 26.

4467) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 2.

4468) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 109.

4469) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 96, 107.

4470) Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 107

zwischen BKA und den Beamten bei uns gegeben

mit dem Ergebnis, dass strukturelle Ermittlungen

durch das BKA ergänzend geführt werden, aber

dass es bei der Federführung der Nürnberger Lei-

tung der SoKo bleiben sollte.“ 4471

Der Zeuge Kindler (Abteilungsleiter Öffentliche Sicher-

heit und Ordnung im Bayerischen Staatsministerium des

Innern und damit auch Bayerischer Polizeichef) hat er-

klärt, wegen der im Raum stehenden internationalen Be-

züge habe für ihn die Übernahme durch das BKA im

Frühjahr 2004 nahegelegen.
4472

Er sei daher mit seinem

damaligen Vertreter übereingekommen, dem BKA die

Ermittlungen – auch schriftlich – anzubieten.4473 Das
BKA habe dann darum gebeten, mit einem formellen

Übernahmeantrag zu warten, bis man die gemeinsame

Besprechung am 20. April 2004 in Wiesbaden durchge-

führt habe. Es reue ihn im Nachhinein, nicht auf das

schriftliche Übernahmeangebot an das BKA bestanden zu

haben.
4474

Als Ergebnis dieser Besprechung sei ihm mit-

geteilt worden, dass das BKA lediglich ergänzende struk-

turelle Ermittlungen zur Mordserie vornehmen wolle.
4475

Er sei darüber verwundert gewesen, dass das BKA nicht

übernommen habe, habe sich aber gesagt, wenn alle sich

einig seien, stelle er das Ersuchen so, wie das BKA es

wolle.
4476

Die Zeugen Hoppe und Maurer haben im Ausschuss

herausgestellt, dass das BKA eine Kernkompetenz im

Bereich der Organisierten Kriminalität habe. Nach Anga-

ben des Zeugen Hoppe habe im Jahr 2004 die Einschät-

zung vorgeherrscht, dass sich das BKA auf seine Kern-

kompetenzen, die Ermittlungen im Bereich der Organi-

sierten Kriminalität (OK), konzentrieren solle. Man habe

die Ermittlungen bei den Tatortdienststellen belassen,

weil man dort die größere Kompetenz gesehen habe und

auch nach wie vor der Schwerpunkt in Bayern gelegen

habe.
4477

Auch der Zeuge Maurer hat darauf verwiesen, dass das

BKA im Jahr 2004 von den zuständigen Landesdienststel-

len zielgerichtet um Ermittlungsunterstützung in Bezug

auf seine besonderen Kernkompetenzen gebeten worden

sei. Da die Ermittler im Jahr 2004 von einem OK-

Hintergrund der Mordfälle ausgegangen seien, sei infol-

gedessen das BKA um ergänzende OK-Ermittlungen

ersucht worden. Diesem Ersuchen sei das BKA vollum-

fänglich nachgekommen.
4478
4471 ) Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 85

4472) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 84.

4473) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 84.

4474) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 105.

4475) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 85.

4476) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 105.

4477) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 4. Der Zeuge Hoppe war bei den

Besprechungen im Jahr 2004 nicht zugegen und hat das Refe-
rat, in welchem auch die EG „Česká“ angesiedelt war, erst am
1. Januar 2006 übernommen.

4478) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 513 – Drucksache 17/14600

Auf Vorhalt, auch in den Ländern habe der Eindruck

geherrscht, dass das BKA die zentralen Ermittlungen im

Jahr 2004 abgelehnt habe, so dass es einen „komischen
Geschmack“ gehabt habe, als das BKA zu einem späteren
Zeitpunkt die Ermittlungen habe übernehmen wollen,

4479
hat der Zeuge Maurer entgegnet, nicht alle hätten dies so

aufgefasst; das formelle Ersuchen des Bayerischen

Staatsministeriums des Innern gehe von einer einver-

nehmlichen Entscheidung aus.
4480

Sowohl der damalige Vizepräsident des BKA, der Zeuge

Falk, als auch der Präsident, der Zeuge Ziercke, haben

ausgesagt, dass die Führungsebene des BKA erstmals mit

Eingang des eingeschränkten Übernahmeersuchens beim

BKA am 21. Juni 2004 mit dieser Fragestellung befasst

worden sei.
4481

Der Zeuge Falk hat bedauert, dass man

sich damals nicht im Vorfeld an ihn gewandt habe:

„Ich ziehe überhaupt nicht in Zweifel, dass es 2004
auf der Arbeitsebene Gespräche dieser Art und

auch eine solche Ablehnung von Mitarbeitern des

Bundeskriminalamtes gegeben hat. Das war so.“
4482

Der Zeuge Falk hat betont, ihm sei damals die ablehnende

Haltung des BKA auf Arbeitsebene nicht bekannt gewe-

sen.
4483

Auch der Zeuge Ziercke hat angegeben, damals

über die Vorgespräche nicht informiert worden zu sein
4484

und verwies zudem auf die Verantwortung der Justiz:

„Ich habe diese Entscheidung, wie die Bayern das
vorgeschlagen haben, getroffen. Und insoweit

hängt dahinter ja auch das ganze Thema der Justiz.

Das müssen Sie bitte da mit bewerten, dass hier

die Generalstaatsanwaltschaften sich hätten zu-

sammentun müssen, dass wir ein Sammelverfahren

hätten haben müssen. Ich habe von den Nürnber-

ger Staatsanwälten und von der bayerischen Justiz

nichts gehört, dass das beabsichtigt war. Worauf-

hin soll ich dann eine Entscheidung treffen? Also,

ich habe das Ganze ja vorhin auch so eingeschätzt,

dass ich gesagt habe: Ich habe zu keinem Zeit-

punkt einen tatsächlichen Übernahmeantrag der

Bayern bekommen, und meine Bewertung des

Ganzen ist, dass es auch tatsächlich nie beabsich-

tigt gewesen war.“ 4485

Zu der von BKA-Präsident Ziercke angesprochenen Frage

eines Sammelverfahrens hatte sich nach der Darstellung

von Protokollen der ermittelnden Polizeidienststellen die

Haltung der Staatsanwälte kurzfristig verändert: Während

ein Besprechungsprotokoll vom 14. April 2004 festhält,
4479) Protokoll der AG-Kripo vom 20. April 2006, MAT A BKA-

2/19, Bl. 276.

4480) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.

4481) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 42; Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 4;

siehe auch MAT A BKA 2/15, Bl. 228.

4482) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 3.

4483) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 3.

4484) Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 42.

4485) Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 42.

dass von Seiten der Staatsanwaltschaft keine Bedenken

gegen eine Übergabe der Sachbehandlung an das BKA

angemeldet würden,
4486

wird im Vermerk der Nürnberger

Kriminalpolizei vom 22. April 2004 kritisiert, dass sich

keine Staatsanwaltschaft bereit erkläre, die für die Ein-

schaltung des BKA erforderlichen Voraussetzungen zu

schaffen.
4487

Der Zeuge Ziercke hat betont, dass das Ersuchen des

Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom

15. Juni 2004 das einzige offizielle Ersuchen um eine

Verfahrensbeteiligung im Zeitraum von 2000 bis 2011

gewesen sei.
4488

Das Ersuchen habe sich auf ergänzende

strukturelle Ermittlungen bezogen und habe von einem

Einvernehmen auf Arbeitsebene gesprochen; dem sei das

BKA vollumfänglich nachgekommen. Nach dem damali-

gen Stand habe er dies für eine vertretbare Entscheidung

gehalten.
4489

Anderslautende Hinweise habe es weder aus

dem BKA heraus, noch von bayerischer Seite gegeben.
4490

Eine ablehnende Haltung seitens des BKA auf Fachebene

sei ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Die

gefundene Kompromisslösung habe seine Zustimmung

gefunden. Er könne sich auch in der Folge nicht erinnern,

Kenntnis darüber erlangt zu haben, dass das Bayerische

Staatsministerium des Innern im Jahr 2004 tatsächlich die

Absicht gehabt habe, die Übernahme des gesamten Ver-

fahrenskomplexes einschließlich aller Mordermittlungen

an das BKA heranzutragen.
4491

Nach seiner Bewertung sei

dies nie beabsichtigt gewesen.
4492

Auch der Zeuge Falk hat darauf abgestellt, dass die zu-

ständigen Landesbehörden ein förmliches Ersuchen hätten

stellen müssen, wenn sie eine Übernahme durch das BKA

für zwingend gehalten hätten.
4493

„Ich glaube aber, das ist nur von begrenzter Rele-
vanz. Ein formales Übernahmeersuchen aus Bay-

ern, von der zuständigen Landesbehörde, wie es im

Bundeskriminalamtgesetz heißt, hat es in dieser

Sache so nicht gegeben. Und ich denke, wenn

Landesbehörden – es war ja nicht nur Bayern be-
troffen – es wirklich ernsthaft verfolgt hätten, die
Zuständigkeit für die Ermittlungen beim Bundes-

kriminalamt zu diesem Zeitpunkt zu bündeln, dann

hätte man sich auch nach einer Ablehnung auf

Sachbearbeiterebene eben an die Amtsleitung

wenden müssen. Und ich bin mir sicher, da wäre

eine andere Entscheidung gefallen.“4494
4486) Protokoll einer Besprechung beim PP Mittelfranken vom

14.04.2004, MAT A BY-2/3a, S. 90.

4487) MAT A BY-2/3a, S. 34 f.

4488) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 6 f.

4489) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 43.

4490) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 43.

4491) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 6; siehe auch S. 43.

4492) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 42.

4493) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 33.

4494) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3; in diesem Sinne auch S. 18, S. 33,

S. 63.

Drucksache 17/14600 – 514 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit einer Ablehnung auf Arbeitsebene hätte man sich

nicht zufriedengegeben, wenn man es für richtig und

wichtig gehalten hätte, dass das BKA einsteigt.
4495

Der Zeuge Falk hat betont, dass er persönlich bereits 2004

eine Übernahme der Ermittlungen nicht nur für sinnvoll,

sondern für geboten gehalten habe. Das organisatorische

Konstrukt, die Ermittlungen trotz auf der Hand liegender

Überregionalität bei den Tatortbehörden zu belassen, habe

er für hochgradig risikobehaftet und zwangsläufig auf

Informations- und Bewertungsverluste angelegt angese-

hen. Nachdem er durch das Schreiben des Bayerischen

Staatsministeriums des Innern vom 3. Juni 2004 erstmals

mit der Angelegenheit befasst worden sei, habe er daher

hausintern Folgendes verfügt:

„Ich halte solche Ermittlungen – und zwar die
Übernahme durch das BKA –, nicht nur für sinn-
voll, sondern für geboten. Ich habe aber auch dazu

geschrieben: ‚Ich bitte, die Amtsleitung über die
Haltung der Länder Hamburg und Mecklenburg

Vorpommern zu unterrichten‘, weil ich zu diesem
Zeitpunkt schon Zweifel hatte, die Ermittlungen in

die Hand zu bekommen.“4496

Als er dies verfügt habe, habe er aber noch nicht gewusst,

dass auf Arbeitsebene eine andere Vereinbarung getroffen

worden sei.
4497

Der Umstand, dass das Ersuchen vom

15. Juni 2004 nur einen Teilauftrag betroffen habe, habe

an seiner persönlichen Haltung, wie an die Ermittlungen

heranzugehen sei, nichts geändert.
4498

Da die Arbeitsebe-

ne signalisierte, dass man sich gerade einvernehmlich

hierauf verständigt habe, habe er sich mit diesem Ergeb-

nis aber letztlich abgefunden.
4499

Im BKA sei man über-

eingekommen, zu versuchen, die Fälle auf dieser Basis zu

lösen, wobei man aber auch nicht damit gerechnet habe,

dass die Serie in dem Maße weitergehe, wie sie weiterge-

gangen ist.
4500

Die Entscheidung, dem BKA im Jahr 2004 lediglich die

ergänzenden strukturellen Ermittlungen zu übertragen,

bedeutete nach Auffassung des Zeugen Falk im Ergebnis

„dass jede Tatortdienststelle ihren Fall – in Anfüh-
rungszeichen – oder Fallkomplex selbstständig
weiterermittelte und die Staatsanwaltschaft Nürn-

berg neben der jeweils örtlich zuständigen Polizei

als zweiten polizeilichen Auftragnehmer – wenn
ich das so ausdrücken darf – das Bundeskriminal-
amt mit einem Ermittlungsauftrag versehen hat.

Dieser war freilich eng begrenzt und mit einer ein-

deutigen, die Ermittlungsanstrengungen des BKA

von vornherein auch bindenden Zielrichtung ver-

sehen, nämlich ergänzende strukturelle Ermittlun-
4495) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 63.

4496) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.

4497) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.

4498) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 3.

4499) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 18.

4500) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 18.

gen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB zu

führen.“4501

Der Zeuge Falk hat dargelegt, dass er diese Entscheidung

aus heutiger Sicht für falsch halte und hat es als Fehler

bezeichnet, sich damit abgefunden zu haben.
4502

Die Frage, ob die Pläne des damaligen Bundesinnenmi-

nisters Otto Schily, das BKA nach Berlin zu holen und die

dadurch bedingte Umbruchsituation im Amt – die zum
Rücktritt des damaligen Präsidenten Kersten führte –
Auswirkungen auf die Art der Tätigkeit oder die Ent-

scheidungsfreudigkeit des BKA im Jahr 2004 gehabt

hätten, hat der Zeuge Falk ausdrücklich verneint.
4503

Nach

dem Rücktritt des vorherigen Präsidenten Kersten habe

Präsident Ziercke am 1. April 2004 sein Amt angetreten;

zum Zeitpunkt der Entscheidung im Juni 2004 sei die

Amtsleitung des BKA wieder komplett gewesen. Hand-

lungsfähigkeit und Entscheidungsfindungsfähigkeit des

BKA seien zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt gewe-

sen.
4504

5. Beauftragung mit Strukturermittlungen
unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB
durch die EG „Česká“ beim BKA am
23.06.2004

Die EG „Česká“ nahm am 23. Juni 2004 ihre Arbeit
auf.

4505
Sie war angegliedert an das Referat „OA 41“ in

der damaligen Abteilung „Organisierte und Allgemeine
Kriminalität“.4506 Das Referat „OA 41“ war zuständig für
Ermittlungen im Bereich „Organisierte Kriminalität“,
„Rauschgiftkriminalität“ und „Bereichsspezifische Kri-
minalität“.4507 Nach einer Umstrukturierung im BKA im
Jahr 2006 wurde die EG „Česká“ an die Abteilung
„Schwere und Organisierte Kriminalität“, nun unter der
Bezeichnung „SO“ in der Gruppe „Gewalt und Schwer-
kriminalität“ im Referat „SO 15“ („Ermittlungen“) ange-
gliedert.

4508
Abweichend von dem Befund aus den Akten

hat sich der Zeuge Jung erinnert, die EG „Česká“ sei
bereits im März oder April 2004 gebildet worden.

4509
Im Jahr 2005 hatte die EG „Česká“ einen Personalbestand
von zehn Mitarbeitern (ein Teamleiter und Ermittlungs-

führer und drei Büroangestellte für den Bereich der Fi-

nanzermittlungen).
4510

Das Referat „OA 41“ bzw. „SO
4501) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 4.

4502) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.

4503) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 28.

4504) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 28 f.

4505) Sachstandsbericht BKA vom 6. August 2004, BKA-2/15,
Bl. 390.

4506) Organigramm BKA Stand November 2004, MAT A BKA-1,

Bl. 20.

4507) Organigramm BKA Stand Mai 2004, MAT A BKA-1, Bl. 20.

4508) Organigramm BKA Stand November 2006, MAT A BKA-1,

Bl. 22. Ab Januar 2006 wird das Referat im Schriftverkehr mit
„OA 41 (SO 15)“ bezeichnet, z. B. MAT A BKA-2/18.

4509) Jung, Protokoll Nr. 31, S. 52

4510) MAT A BKA-2/15, Bl. 251.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 515 – Drucksache 17/14600

15“ wurde von Januar 2006 bis Ende 2009 vom Zeugen
Hoppe geleitet.

4511
Eine erste Ermittlungskonzeption zu den Strukturermitt-

lungen legte die EG „Česká“ bereits am 28. Juni 2004
vor.

4512
Als wesentliche Ermittlungs-/Auswertungsziele

und -handlungen wurde die Aufhellung der möglichen

Täterstrukturen und deren Motive bezeichnet. Letztere

wurden in einem kriminellen Lebensumfeld der Opfer

gesucht. Darüber hinaus sah die Ermittlungskonzeption

die Identifizierung und Festnahme der Auftraggeber und

Auftragstäter, Ermittlungen zur Tatwaffe, Informations-

zusammenführung und ermittlungsbegleitende Auswer-

tung, eine Intensivierung der Auslandsermittlungen, Ver-

deckte Ermittlungen sowie umfangreiche Finanzermitt-

lungen vor. Diese wurden als erforderlich angesehen, da

die EG „Česká“ davon ausging, dass es sich mit hoher
Wahrscheinlichkeit um Auftragsmorde gehandelt habe,

die von einer Tätergruppierung mit internationalen Bezü-

gen begangen worden sei und deren Motiv im finanziellen

Bereich gesehen wurde.
4513

Die Ermittlungskonzeption

wurde bis zur Einstellung der EG „Česká“ im Mai
2010

4514
mehrfach fortgeschrieben, ohne dass sich die

Fokussierung auf den OK-Bereich änderte.
4515

a) Ermittlungsschwerpunkt „Organisierte
Kriminalität“

Der Zeuge Jung, der in der EG „Česká“ maßgeblich mit
der Verfolgung der Waffenspur befasst war, hat ausge-

sagt, aufgrund des auf strukturelle Hintergrundermittlun-

gen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB eingegrenz-

ten Auftrags sei man auch von diesen Voraussetzungen

ausgegangen.
4516

Man habe den Auftrag bekommen, auf

die bisher ins Leere gelaufenen Ermittlungen – etwa in
Bezug auf Rauschgiftkriminalität – noch einmal draufzu-
setzen und zu schauen, ob es nicht Gruppierungen gebe,

die vielleicht als Auftraggeber in Betracht kämen. An

diesen Vorgaben habe man sich bei der Ermittlungsarbeit

orientiert.
4517

Auf den spezifischen Auftrag des BKA zur Ermittlung

von Auftraggebern und Hintermännern einer Organisation

hat sich auch der Zeuge Hoppe vor dem Ausschuss beru-

fen. Aufgrund dessen habe man keine eigenen Thesen in

Bezug auf ein mögliches anderes Motiv verfolgt. Ein

solches sei zwar immer in den Köpfen gewesen, aber

nicht in die unmittelbaren Ermittlungen eingeflossen.
4518
4511) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 2, 4.

4512) MAT A BKA-2/15, Bl. 231 ff.

4513) MAT A BKA-2/15, Bl. 231.

4514) MAT A BKA-2/33, Bl. 434 f.

4515) Fortschreibung der Ermittlungskonzeption vom 13. Juli 2005,

MAT A, BKA-2/16, Bl. 499 ff.; vom 2. August 2006, MAT A

BKA-2/23, Bl. 10 ff.

4516) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 54.

4517) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 54.

4518) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 21.

Auch die Zeugen Maurer, Ziercke und Falk haben darge-

legt, dass der Schwerpunkt der Ermittlungen des Bundes-

kriminalamtes zur Mordserie auf dem Bereich der Orga-

nisierten Kriminalität gelegen habe.

Nach Aussage des Zeugen Ziercke habe das BKA nur

diejenige Zuständigkeit gehabt, die mit der bayerischen

Behörde vereinbart gewesen sei, und dieser Ermittlungs-

auftrag sei auf Organisierte Kriminalität ausgerichtet

gewesen.
4519

Der Zeuge Falk hat ebenfalls erklärt, aus

dem auf ergänzende strukturelle Ermittlungen zu mögli-

chen Straftaten nach § 129 StGB begrenzten Ermittlungs-

auftrag sei gefolgt, dass das BKA als Ermittlungsbehörde

Datenerhebungen nur unter diesem Gesichtspunkt habe

vornehmen dürfen und es gehindert gewesen sei, andere

Ermittlungsfelder zu erschließen, ohne zureichende tat-

sächliche Anhaltspunkte in der Hand zu haben.
4520

Die Zeugen Maurer und Ziercke haben weiterhin ausge-

sagt, dass auch die meisten Hinweise – die sich letztlich
allesamt als Trugspuren erwiesen hätten

4521
– aus dem

OK-Bereich (Drogen, Rauschgift) gekommen seien.
4522

Nach Aussage des Zeugen Maurer habe der größte Teil

der bearbeiteten Spuren auf Hinweisen aus der Bevölke-

rung beruht.
4523

Es habe aber keine Selektion im Sinne

einer Festlegung auf mögliche Tathintergründe gege-

ben.
4524

Darüber hinaus habe das BKA nach Angaben des Zeugen

Maurer aber auch immer wieder und fortgesetzt Hinweise

auf angeblich kriminelles Verhalten aus dem Bereich der

Organisierten und der allgemeinen Kriminalität erhalten,

denen man dann nachgegangen sei,
4525

wobei sich auch

hier sämtliche Spuren als Trugspuren erwiesen hätten.

In den Akten sind auch umfangreiche Auslandsermittlun-

gen der EG „Česká“ belegt. Diese betrafen in Bezug auf
die Ermittlungen zur Herkunft der Waffe vor allem

Tschechien und die Schweiz.
4526

In Bezug auf die Her-

kunft der Opfer führte die EG „Česká“ Auslandsermitt-
lungen in der Türkei durch.

4527
Das BKA nahm auch umfangreiche Finanzermittlungen

vor. So erhielt der Wirtschaftsprüfdienst in der Abteilung

„Organisierte und Allgemeine Kriminalität“ im BKA den
Auftrag, zu den bis zu diesem Zeitpunkt sieben Getöteten

eine Auswertung der Geschäfts-, Bank und Steuerunterla-

gen vorzunehmen, mit dem Ziel, mögliche Täterstruktu-

ren und deren Motive aufzuhellen bzw. weitere Ermitt-

lungsansätze zu gewinnen. Da ein Zusammenhang zwi-

schen Tatausführung und Geschäftsbetrieb nicht ausge-
4519) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 69.

4520) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 4.

4521) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5; Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4.

4522) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5; Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 47.

4523) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 4.

4524) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 4.

4525) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 57.

4526) Siehe dazu im Einzelnen unten zur Waffenspur F.VII. 1.

4527) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 9.

Drucksache 17/14600 – 516 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schlossen wurde und mögliche Gemeinsamkeiten zwi-

schen den Getöteten herausgefunden werden sollten,

wurden zu allen Mordopfern die entsprechenden Ge-

schäfts-, Bank- und Steuerunterlagen, beginnend drei

Jahre vor dem ersten Mord (1997) eingeholt und an-

schließend ausgewertet.
4528

Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, dass sich die Mitwir-

kung des BKA an den Ermittlungen zur Mordserie nicht

auf die Verfolgung Organisierter Kriminalität beschränkt

habe. Dies sei zwar Schwerpunkt gewesen, daneben seien

im Rahmen der Abklärung aber auch die Dateien des

BKA genutzt worden – auch für die Einzeltäterhypothese,
die in den Rechtsextremismus in Nürnberg hineingehen

sollte – und man habe dazu beigetragen, alle Informatio-
nen, die man zu dem Nagelbombenanschlag in Köln ge-

habt habe,
4529

der BAO „Bosporus“ zur Verfügung zu
stellen.

4530
Auch der Zeuge Maurer hat dargelegt, dass sich das BKA

neben seinem konkreten Arbeitsauftrag in Bezug auf

Organisierte Kriminalität auch mit der Bearbeitung weite-

rer genereller Fahndungsansätze befasst habe, was allein

schon deswegen geboten gewesen sei, weil das BKA als

Zentral- und Kopfstelle des internationalen Dienstver-

kehrs auch bei diesen Fahndungsansätzen mitwirken

musste.
4531

Schlagworte hierzu seien: Mietwagen, Kredit-

karten, Homepageüberwachung, aber auch die Waffen-

spur,
4532

welche die wichtigste Spur der EG „Česká“
gewesen sei.

4533
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hin-
tergrundes der Taten

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, inwieweit das

BKA auch einen rechtsextremen Hintergrund der Mordta-

ten in seine Ermittlungen einbezogen hat.

Der Zeuge Hoppe hat angegeben, Rechtsextremismus sei

für das BKA immer ein mögliches Tatmotiv gewesen,

aber dieses sei nicht in die unmittelbaren Ermittlungen

des BKA eingeflossen. Aufgrund des spezifischen Auf-

trags des BKA, im Hinblick auf § 129 StGB die Auftrag-

geber und Hintermänner einer Organisation zu ermitteln,

habe das BKA zum rechtsextremistischen Hintergrund

keine eigenen Thesen erarbeitet und weiterverfolgt.
4534

Der Zeuge Maurer, der ab dem Jahr 2005 der für die

Strukturermittlungen zuständige Leiter der Abteilung

„Allgemeine und Organisierte Kriminalität“ im BKA war,
hat dargelegt, es habe im BKA hinsichtlich der Ermitt-

lungsrichtung keine Vorfestlegungen gegeben.
4535

Das
4528) BKA, Allgemeiner Sachstand vom 9. Januar 2006, MAT A

BKA-2/18, Bl. 24.

4529) Siehe dazu im Einzelnen unten H.II.

4530) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 63.

4531) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.

4532) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.

4533) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 6.

4534) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 21.

4535) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.

BKA habe nichts ausgeschlossen, auch nicht nach

rechts.
4536

Einen rechten Tathintergrund habe er selbst

bereits bei seiner ersten Befassung mit den Mordfällen im

Jahr 2005 vermutet.
4537

Rechtsextremismus sei als

gleichwertiger Ermittlungsansatz verfolgt worden.
4538

Im Gegensatz zu dieser Spur sei die Beweislage zum

Bereich Rechtsterrorismus

„weniger, deutlich weniger“

gewesen.
4539

Auch BKA-Präsident Jörg Ziercke hat als Zeuge ausge-

sagt, Rechtsextremismus sei im Zusammenhang mit der

Mordserie ein Thema im BKA gewesen. Er hat erklärt,

Abteilungsleiter Maurer, Vizepräsident Falk und auch

andere hätten immer wieder darüber gesprochen und sich

diese Frage gestellt. Er hat ausgeführt:

„Das Problem war nur: Die Verbindung fehlte. Wo
sind denn diese Rechtsextremisten, wenn wir das

so annehmen? Das ist doch das Problem gewesen.

Deshalb waren wir ja auf der Spur der internatio-

nalen Drogenkriminalität.
4540

Das Thema Rechtsextremismus sei auch in der ND-Lage

erörtert worden.
4541

Auf die Frage, ob von ihm selbst oder

einem Kollegen aus dem BKA persönlich jemals im Lau-

fe der Ermittlungen mit Kollegen des BfV über einen

möglichen rechtsextremen bzw. rassistischen Hintergrund

der Mordserie gesprochen worden sei, hat er erklärt, dies

sei Thema gewesen:

„Herr Fromm saß ja immer neben mir in der ND-
Lage. Er hat alle meine Vorträge und die von

Herrn Falk ja gehört. Insofern: Dies war Thema.

Auch in kleinen Runden war das Thema, selbst-

verständlich.“ 4542

Er hat diese Aussage ergänzt:

„Ohne dass wir einen Anfasser hatten, konnten wir
nichts machen.“4543

Auf die Frage, warum das BKA nicht auch öffentlich in

Richtung Rechtsextremismus argumentiert habe, hat der

Zeuge Ziercke ausgeführt:

„Natürlich haben wir das gemacht. Auch dies ist
das BK-Blatt, das in diese Richtung doch geht

letztlich, wo das dargestellt ist. Nur, diesen Schritt,

jetzt zu sagen: ‚Das ist Rechtsextremismus‘, das
4536) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.

4537) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.

4538) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5.

4539) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 32.

4540) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 36.

4541) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 65 f.

4542) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.

4543) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 517 – Drucksache 17/14600

konnten wir doch nicht; das wusste doch kei-

ner.“4544

Er hat ausgeführt, dass es sich bei dem Trio um eine

klandestine, sehr abgeschottet lebende Gruppe gehandelt

habe, deren nächste Freunde, Unterstützer und Angehöri-

ge angeblich nichts von den Morden gewusst haben sol-

len. Dies sei der Punkt, an dem er fragen müsse, was dann

die Polizei, die ja auch nicht im Vorfeld tätig sei, für

Konzeptionen entwickeln könne.
4545

Er hat im Ausschuss

die Frage aufgeworfen, ob er als BKA-Präsident nur

Vermutungen habe öffentlich machen sollen
4546

und er-

klärt, dass er nicht handfeste Theorien nicht veröffentlicht

habe.
4547

Dem Zeugen Ziercke wurde vorgehalten, dass spätestens

seit dem Nagelbombenattentat am 9. Juni 2004 in Köln

greifbare Hinweise zum Rechtsradikalismus im Raum

gestanden hätten: Es habe mutmaßliche Täter mit Fahrrä-

dern gegeben, die alles andere als türkisch ausgesehen

hätten,
4548

eine Zeugin, die in Nürnberg darauf hingewie-

sen habe, dass sie hier die Täter wiedererkannt haben

könnte, eine Augenzeugin im Fall Dortmund, die aussagt

habe, die zwei Täter hätten rechtsradikales Aussehen und

es habe auch ein Flugblatt „Deutsche wehrt Euch!!!“ 4549
gegeben, das im Zusammenhang mit dem Anschlag in der

Kölner Keupstraße aufgetaucht sei.

Der Zeuge Ziercke wurde gefragt, warum die Staats-

schutzabteilung des BKA vor diesem Hintergrund der

These „Rechtsradikalismus“ nicht eigenständig nachge-
gangen sei. Der Zeuge Ziercke hat hierauf ausgesagt, die

Mitarbeiter des BKA hätten im Rahmen ihrer Anbindung

an die Ermittlungen selbstverständlich darauf hingewie-

sen, dass dieser Aspekt mit dem Verfassungsschutz ge-

prüft worden ist. Er hat weiter ausgeführt:

„[…] Ich kann ja nicht einfach vom Staatsschutz
kommen und sagen: Ich übernehme jetzt einen

Fall. - Das … [lassen] das Grundgesetz und das
BKA[G] das nicht zu […].“4550

Aber das BKA habe nicht einfach vom Staatsschutz

kommen und den Fall übernehmen können. Dies habe das

Grundgesetz und das BKAG nicht zugelassen.
4551

Auch in der BAO „Bosporus“ habe das BKA keinen für
den Rechtsextremismus zuständigen Ermittlungsbeamten

gehabt. Da das BKA für diesen Bereich keine Zuständig-

keit gehabt habe, hätte er als BKA-Präsident bei der ge-

gebenen Rechtslage die Ermittler des BKA nicht auf diese

Spur ansetzen dürfen.
4552

Informationserhebungen von
4544) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.

4545) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.

4546) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.

4547) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.

4548) Sachstandsbericht BAO „Bosporus“, Stand Mai 2008, MAT A
GBA-4/2, Bl. 598.

4549) MAT A GBA-4/2, Bl. 502.

4550) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.

4551) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 37.

4552) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 69.

Bundesbehörden dürften in der Regel nur in Kenntnis der

örtlich zuständigen Behörden erfolgen. Falls keine eigene

Zuständigkeit gegeben sei, dürfe auch keine Informati-

onserhebung vor Ort stattfinden.
4553

Der Zeuge Maurer hat erklärt, dass, im Gegensatz zu

Hinweisen auf Organisierte Kriminalität, Hinweise aus

dem rechten Milieu trotz massiver Öffentlichkeitsarbeit,

Öffentlichkeitsfahndung und außergewöhnlich hoher

Belohnungssumme fast gänzlich unterblieben seien. Das

Ermittlungshandeln werde sehr stark vom Hinweisauf-

kommen determiniert und nicht umgekehrt.
4554

Hinsichtlich der Einschätzung, ob eine rechtsextrem mo-

tivierte Tat begangen wurde, habe die Frage, ob ein Be-

kennerschreiben vorliege, für ihn und das BKA hingegen

zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt.
4555

Auch der

Zeuge Ziercke hat das Vorliegen eines Bekennerschrei-

bens für diese Fragestellung als nicht entscheidend be-

zeichnet.
4556

Am 19. April 2006 hat der Abteilungsleiter Maurer bei

der Strategiebesprechung im BKA zur weiteren Ermitt-

lungsführung ausweislich des Protokolls ausgeführt, dass

es zwar eine begründete Hypothese der Verbindungen zu

kriminellen Organisationen gebe, es heißt jedoch auch:

„Politische Hintergründe sind nicht auszuschlie-
ßen, ebenso wenig wie rassistisch orientierte Tä-

ter.“4557

Diese Aussage hat der Zeuge Falk als Beleg dafür ange-

führt, dass das BKA ausdrücklich den möglichen rassis-

tisch motivierten Täter in den Blick genommen habe,
4558

dies aber nur als Möglichkeit, ohne etwas in der Hand zu

haben.
4559

Auf Nachfrage, wie der Begriff der politisch motivierten

Kriminalität im BKA verstanden worden sei, hat der Zeu-

ge Falk erklärt:

„Also, der Begriff war sicher sehr pauschal ge-
wählt. […] Ich habe ja vorhin auch in meinem
Statement, glaube ich, eine solche Formulierung

mal zitiert, und wir haben in erster Linie, wenn wir

von politisch motivierter Kriminalität gesprochen

haben, hier auch an Auseinandersetzungen im ex-

tremistischen Milieu türkischer Provenienz ge-

dacht. Das hatte auch damit zu tun – das war aller-
dings eben relativ spät; ich glaube, das war sogar

erst 2007 –, dass wir dann eine konkrete Spur
‚Türkische Hizbullah‘ bearbeitet haben. Das hatte
mit Informationen zu tun, die wir aus der Türkei

erhalten hatten. Und ich bin dann irgendwann mal
4553) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5.

4554) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 5, 9.

4555) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 10.

4556) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 47.

4557) Protokoll der Strategiebesprechung im BKA vom
19. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl. 217 ff.

4558) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.

4559) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.

Drucksache 17/14600 – 518 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

darüber informiert worden, dass es in Personen –
ich kann gar nicht genau sagen, wer das war –, die
in irgendeiner Weise mit dem Opfer […] zu tun
hatten, da auch einen vagen Bezug geben könnte

zur TH, also zur ‚Türkischen Hizbullah‘.“4560

In den Akten finden sich im Zusammenhang mit der

Česká-Mordserie keinerlei Belege dafür, dass sich die für
den Rechtsextremismus zuständige Abteilung Polizeili-

cher Staatsschutz (ST) des BKA auch mit der Vermutung

befasste, es könne sich bei den Tätern um Rechtsextre-

misten handeln.

Dem Zeugen Falk ist vorgehalten worden, dass demge-

genüber bei der Verfolgung der – letztlich falschen – Spur
zur „Türkischen Hizbullah“ im Jahr 2007 ausweislich der
Akten sofort der Bereich Staatsschutz einbezogen wur-

de.
4561

In der Führungsinformation Nr. 3 des BKA vom

1. November 2007 heißt es:

„Im Rahmen einer DR von VP Falk im September
2007 in die Türkei wurde vereinbart, eine

‚deutsch-türkische Arbeitsgruppe Hizbullah‘ ein-
zurichten. Die Federführung seitens des BKA liegt

bei ST 32, SO15 ist … beteiligt.“4562

Nach Aussage des Zeugen Falk sei dieses Ermittlungsver-

fahren nicht Gegenstand des Česká-Komplexes gewesen.
Die für Rechtsextremismus zuständige Abteilung Staats-

schutz sei mit der Frage eines möglichen rassistisch moti-

vierten Täters nicht befasst worden, weil es sich dabei um

„eine Vermutung oder Möglichkeit ohne jeden
Hinweis, dass es tatsächlich so ist“ 4563

gehandelt habe.

Auch nach der 2. OFA vom 9. Mai 2006
4564

, in der die

OFA Bayern ausdrücklich als wahrscheinlichere Hypo-

these nunmehr die sogenannte „Einzeltäterhypothese“
ansah und eine Zugehörigkeit der Täter zur rechten Szene

vor der ersten Tat vermutete, änderte das BKA seine

Ermittlungsschwerpunkte nicht.
4565

6. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord
an İsmail Yaşar

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth übernahm die

Ermittlungen. Die Polizei wertete auch hier Tatortspuren

wie Fingerabdrücke, Schuhspuren, DNA-Spuren, Projek-

tile sowie die persönlichen Gegenstände des Opfers

aus.
4566

Am 16. Juni 2005 bestätigte das BKA, dass auch
4560) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 30.

4561) MAT A BKA-2/29, Bl. 177.

4562) MAT A BKA-2/29, Bl. 177.

4563) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 31.

4564) Siehe unten F.V.8.

4565) Einzelheiten siehe unten F. V. 8. c) cc).

4566) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT

A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 93 f.

dieser Mord mit der bereits mehrfach als Tatwaffe einge-

setzten Česká 83 begangen wurde.4567

Wie oben aus der Passage zum Tatablauf ersichtlich wird,

ergaben die Ermittlungen bei diesem Mord deutliche

Hinweise auf zwei männliche Fahrradfahrer als Täter.
4568

7. Ermittlungen in München nach dem Mord
an Theodoros Boulgarides

Die Staatsanwaltschaft München I nahm die Ermittlungen

auf. Die Polizei wertete auch hier Tatortspuren wie Fin-

gerabdrücke, Schuhspuren, DNA-Spuren, Projektile so-

wie eine Vielzahl von Asservaten aus.
4569

Schon einen

Tag nach der Tat, am 16. Juni 2005, bestätigte das BKA:

Auch bei diesem Mord fand die gleiche Waffe Verwen-

dung wie schon mehrfach zuvor.
4570

Ein Zeuge berichtete,

dass er kurz vor der Tat gesehen habe, wie das Opfer auf

der Straße wild gestikulierend mit einer männlichen Per-

son gesprochen habe.
4571

Eine weitere Zeugin teilte der Mordkommission in Mün-

chen mit, dass sie am 18. Juni 2005 gesehen habe, wie ein

näher bezeichnetes Auto auffällig langsam am Tatort des

Mordes zum Nachteil von Theodoros Boulgarides in

München vorbeigefahren sei. Die Polizei befragte kurz

den Halter des Fahrzeugs, Karsten R. Er gab an, einem

von ihm namentlich genannten Freund aus Neugierde den

Tatort gezeigt zu haben.
4572

Eine andere Zeugin teilte am 27. September 2006 der

BAO „Bosporus“ mit, dass sie etwa sechs bis zwölf Mo-
nate zuvor gehört habe, wie Karsten R. in Erfurt zu einer

anderen Person, mutmaßlich Mitglied einer rechtsextre-

men Organisation, sagte: „Jetzt sind es acht Morde.“4573

Im Dezember 2006 erfolgte eine erneute Überprüfung des

Hinweises vom 18. Juni 2005. Nunmehr wurde festge-

stellt, dass der Freund, dem der Tatort gezeigt wurde, dem

rechten Spektrum zuzurechnen sei.
4574

Zeugenverneh-

mungen von Karsten R. und dessen Freund erfolgten

allerdings erst am 18. April 2012. Sie gaben erneut an,

lediglich aus allgemeiner Neugier dort vorbeigefahren zu

sein.
4575

Ein Vorhalt der Wahrnehmung in Erfurt erfolgte

allerdings nicht.
4567) MAT A GBA-5, Bl. 89.

4568) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. November
2005, MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 416 ff.

4569) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT

A GBA-4/2, Bl. 8 ff., 114 f.

4570) MAT A GBA-4/7a, Bl. 144.

4571) Abgabebericht der StA Nürnberg-Fürth vom Januar 2012, MAT

A GBA-4/2, Bl. 8 ff., Bl. 118.

4572) Vermerk vom 27. Juni 2005, MAT A GBA-4/9, Bl. 26 f.

4573) Spurenblatt vom 28. September 2006, MAT A GBA-4/7a,

Bl. 446 f.

4574) Vermerk der BAO „Bosporus“ vom 21. Dezember 2006, MAT
A GBA-4/9, Bl. 24 f.

4575) Vernehmungsprotokolle, MAT A GBA-4/31, Bl. 24 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 519 – Drucksache 17/14600

IV. Ermittlungen nach dem sechsten und sieb-
ten Mord

1. Einrichtung der BAO „Bosporus“ und Er-
mittlungen bis 2006

a) Aufbau der BAO „Bosporus“

Nachdem am 9. Juni 2005 in Nürnberg und am 15. Juni

2005 in München kurz hintereinander zwei neue Česká-
Morde geschahen, rief das Polizeipräsidium Nürnberg am

1. Juli 2005 die BAO „Bosporus“ ins Leben.4576 Eine
Besondere Aufbauorganisation (BAO) richtet die Polizei

ein, wenn eine Lage durch die allgemeine Aufbauorgani-

sation nicht bewältigt werden kann. Die BAO „Bosporus“
entstand aufgrund einer Besprechung vom 17. Juni 2006

beim Bayerischen Staatsministerium des Innern. Beteiligt

waren an dieser Besprechung Mitarbeiter der Staatsan-

waltschaft München I, der Polizeipräsidien München und

Mittelfranken sowie des Bayerischen Landeskriminal-

amts. Im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums

des Innern an das PP Mittelfranken vom 17. Juni 2006

heißt es über das Ergebnis dieser Besprechung:

„Die bisherigen Tatortbefundaufnahmen haben er-
geben, dass der/die Täter keinerlei wesentliche

Spuren am Tatort hinlassen, so dass somit den

Hintergrund- und Strukturermittlungen fundamen-

tale Bedeutung zukommt. Einigkeit bestand bei al-

len Beteiligten über die Notwendigkeit einer zent-

ralen Leitung einer bayernweiten Sonderkommis-

sion.

Vor dem Hintergrund der täterseitig örtlichen

Schwerpunktsetzung in Bayern sowie auch indiffe-

renter Unterstellungsfragen bezüglich des BKA

wird folgende Organisation der Sonderkommission

einvernehmlich von den Besprechungsteilnehmern

favorisiert:

Es wird eine gemeinsame Sonderkommission ge-

bildet, die auf die bestehende Sonderkommission

‚Halbmond‘ aufbaut und vom Polizeipräsidium
Mittelfranken hochrangig geleitet wird. Die Kräfte

des Polizeipräsidiums München werden in die

Sonderkommission integriert. Das Bayerische

Landeskriminalamt wird ebenfalls beteiligt und

dem Polizeipräsidium Mittelfranken hierfür unter-

stellt. Die Einbindung außerbayerischer

Polizdidienststellen (Tatorte Hamburg und Ros-

tock) soll durch die Gestellung von Verbindungs-

beamten erfolgen. Im Hinblick auf die bisherigen

und weiterhin durchzuführenden Struktrurer-

mittlungen wird eine umfängliche Beteiligung des

BKA eingefordert.“4577
4576) Schreiben des PP Mittelfranken an das BStMI vom 23. Juni

2005, MAT A BY-2/6a, Bl. 375 f.

4577) MAT A BY-2/6a, Bl. 358.

Der Name „Bosporus“ wurde nach Aussage des Zeugen
Geier, des ersten Leiters dieser BAO, nach der Gegend

gewählt, aus der die meisten Opfer stammten.
4578

Dr.

Beckstein, der damalige Innenminister Bayerns, betonte,

dass in seinen vielen Gesprächen mit türkischen Amtsträ-

gern dieser Name nie kritisiert worden sei.
4579

Unabhängig von den örtlichen Mordermittlungen in

Nürnberg und in München wurde die BAO „Bosporus“
zunächst als zentrale Koordinierungsstelle gegründet.

4580
Ab dem 1. Oktober 2005 wurde die Soko „Halbmond“
(Nürnberg) und zum 31. Oktober 2005 die Soko „Theo“
(München) in die BAO „Bosporus“ integriert.4581

Die BAO „Bosporus“ war in fünf Einsatzabschnitte un-
tergliedert:

– Zentrale Sachbearbeitung,

– Analyse, Auswertung, EASy-Anwendung,

– Ermittlungen,

– Finanzermittlungen,

– Verdeckte Infogewinnung.4582

Zum Leiter der BAO wurde LKD Geier bestimmt. Er hat

als Zeuge ausgesagt, dass bei der BAO „Bosporus“ in
Nürnberg in der größten Stärke 60 Beamte eingesetzt

worden seien. Bundesweit hätten bis zu 160 Beamte an

dem Fallkomplex gearbeitet.
4583

Die Organisation der Ermittlungen der BAO „Bosporus“
wird durch nachfolgende Organigramme dargestellt:
4578) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 11.

4579) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 117.

4580) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.

4581) Sachstandsbericht der Soko „Bosporus“ vom 30. November
2011, MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 379.

4582) Organigramm, MAT A BY-2/3d, Bl. 15.

4583) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26 f.

Drucksache 17/14600 – 520 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Stand Mai 2006 MAT A BY-2/3d, Bl. 15

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 521 – Drucksache 17/14600

Stand 1. Juni 2006 MAT A BY-2/3e, Bl. 88

Drucksache 17/14600 – 522 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Stand 1. Juli 2007 MAT A BY-2/3e, Bl. 89

b) Beginn der Arbeit der BAO „Bosporus“

Der Ausschuss hat sich für den Umfang der durchgeführ-

ten Ermittlungen und die Ermittlungsrichtungen interes-

siert. Insgesamt ist festzustellen, dass die BAO „Bospo-
rus“ bis zur 2. Operativen Fallanalyse davon ausging, dass
die Täter in einer kriminellen Organisation zu suchen

seien. Zum Stand der Ermittlungen hat der Zeuge Geier

ausgeführt:

„Bei der Übernahme der Ermittlungen [zum 1. Juli
2005] fand ich folgende Ausgangslage vor: Es gab

sieben Opfer, alle männlich, sechs türkische und

ein griechischer Kleingewerbetreibender, die alle

mit der gleichen Waffe, einer Česká 83, Kali-
ber 7,65, man kann sagen: in ihren Geschäften

hingerichtet wurden. Es gab kein offensichtliches

Motiv, es gab keinerlei verwertbare Tatortspuren,

und es gab auch keine Tatbekennung in irgendeine

Richtung. Die bisherigen Ermittlungen der Son-

derkommissionen konnten ebenfalls keinerlei di-

rekte Verbindungen zwischen den Opfern herstel-

len.

Im Fortgang wurden dann von mir folgende strate-

gische Entscheidungen getroffen: Eingliederung

der beiden bestehenden Sonderkommissionen in

Nürnberg und München in die BAO ‚Bosporus‘,
was mit Ende Oktober 2005 beendet wurde, Erfas-

sung bzw. Nacherfassung aller bisherigen Fälle in

ein einheitliches Fallerfassungssystem, um elek-

tronische Datenabgleiche durchführen zu können.

Nach langwierigen Absprachen mit dem Bundes-

kriminalamt wurde sich letztendlich für das baye-

rische Fallerfassungssystem namens EASy und

nicht für INPOL-Fall entschieden. Die Nacherfas-

sung wurde durch bayerische OK-Dienststellen ge-

leistet und dauerte bis zu einem halben Jahr. Wei-

terer Punkt: Nochmalige Überarbeitung aller fünf

Altfälle durch die BAO ‚Bosporus‘ selbst und
nochmalige Kontaktaufnahme zu den Son-

derkommissionen vor Ort in Hamburg und Meck-

lenburg-Vorpommern.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 523 – Drucksache 17/14600

In Hamburg wurde auf unser Bitten der Fall von

der Mordkommission an die OK-Abteilung des

LKA übergeben. In Mecklenburg-Vorpommern

wechselte die Verantwortung von der Mordkom-

mission Rostock zum Landeskriminalamt Meck-

lenburg-Vorpommern. Im Benehmen mit dem

Bundeskriminalamt wurden alle eingehenden

Hinweise zu den Taten und möglicherweise Tat-

verdächtigen zentral bei der BAO ‚Bosporus‘ be-
wertet und, je nach Festlegung durch das BKA,

durch die BAO ‚Bosporus‘ selbst oder durch eine
Sonderkommission in Hamburg oder Mecklen-

burg-Vorpommern bearbeitet. Des Weiteren veran-

lasste ich Abfragen über Europol und Interpol, ob

im übrigen Europa, inklusive der Türkei, serienzu-

gehörige Fallkonstellationen bekannt waren, sowie

die Durchführung eines Abgleichs mit der jewei-

ligen Tatmunition. Die Abfragen verliefen im Üb-

rigen negativ.

Des Weiteren beauftragte ich die OFA Bayern –
Operative Fallanalyse – zu ihrer ersten Analyse
zum bisherigen Gesamtserienstand der sieben

Morde. Präsentation des Ergebnisses war im Au-

gust 2005 und hatte zum Ergebnis mit Schwer-

punkt die sogenannte Organisationstheorie, also

Hintergrund ist eine kriminelle Organisation; das

heißt, die Täter stammen aus einer kriminellen Or-

ganisation oder sind von ihr beauftragt worden.

Als ein weiterer Schwerpunkt wurde festgelegt,

Verbindungen zwischen den Opfern zu ermitteln.

Dabei wurden unter anderem eine gemeinsame

Herkunft aus Regionen in der Türkei, gleiche poli-

tische oder ethnische Ausrichtung, gleiche Militär-

dienstableistung sowie geschäftliche Beziehungen

bzw. gemeinsame Lieferanten – waren ja alle
Kleingewerbetreibende –. Keine dieser Überprü-
fungen führte zu einer Übereinstimmung bei allen

Opfern.

Um ein Motiv zu finden, wurden auch Fi-

nanzermittlungen mit dem Schwerpunkt, die fi-

nanzielle Situation aller Opfer zu beleuchten, um

mögliche finanzielle Beziehungen zwischen den

Opfern aufzudecken, eingeleitet. Die langwierigen

Ermittlungen führten ebenfalls zu keinem motiv-

gebenden Ansatz für die Tötungen.

Auch schon zu diesem Zeitpunkt ließ sich Kontakt

zur EG ‚Sprengstoff‘ des Polizeipräsidiums Köln
aufnehmen, die ja wegen eines Nagelbombenatten-

tats 2004 in der Kölner Keupstraße ermittelte. […]

In der ersten Phase wurden auch verdeckte Ermitt-

lungen im Opferumfeld und in bestimmten ge-

schäftlichen und kriminellen Bereichen eingeleitet.

[…]

Zum damaligen Zeitpunkt wurden auch die Ermitt-

lungen zu den Tatwaffen und der Tatmunition in-

tensiviert. Durch einen Munitionswechsel bei der

fünften Tat in Rostock konnte der Sachverständige

des BKA die Benutzung eines Schalldämpfers

nachweisen – erst nach der fünften Tat 2004. Da-
durch konnten Einschränkungen bei der infrage

kommenden Anzahl von Českás gemacht werden.
Die Überprüfung aller legal in Deutschland regis-

trierten Českás – 171 mit Stand vom 14. Novem-
ber 2007 – führte zu keiner mit einem verlängerten
Lauf, die als Tatwaffe infrage kam. Der verlänger-

te Lauf hat vorne ein Gewinde, an dem man diesen

Schalldämpfer festmachen kann. Auch schon zu

diesem Zeitpunkt wurden erste Ermittlungen und

Rechtshilfeersuchen nach Tschechien gesandt, um

bei der Herstellerfirma Ermittlungen für diese

Českás einzuleiten. […]

Es wurden auch externe Sachverständige zu Fra-

gen eingeschaltet über die Anzahl der Schützen.

Bei der ersten und bei der dritten Tat waren ja

zwei Waffen im Spiel. Wir wollten wissen: Kann

das einer alleine machen, der zwei Waffen bedient,

oder müssen das mehrere Schützen gewesen sein?

Auffällig war im Fall Nr. 7 zum Nachteil

Boulgarides in München, dass dort offensichtlich

durch eine Plastiktüte geschossen wurde. Ab dem

Fall 5 fiel uns schon bereits auf, dass offensichtlich

Maßnahmen zur Hülsenvermeidung getroffen

wurden.

Auch zu diesem Zeitpunkt fingen wir an, Funkzel-

len auszuwerten, und zwar für die beiden Tatortbe-

reiche in Nürnberg und München – für die anderen
zurückliegenden Tatorte lagen keine Verbindungs-

daten mehr vor –, sowie die Erhebung von Zah-
lungskartendaten auf der Strecke von Nürnberg

nach München für den Tatzeitraum zwischen den

beiden Taten in Nürnberg und München – Täter
könnte ja auf der Fahrt von Nürnberg nach Mün-

chen getankt haben und mit einer Karte bezahlt

haben – -

Des Weiteren erging der Auftrag, alle möglichen

externen Datenquellen zu erheben, die eine Anwe-

senheit derselben Personen an mehreren Tatorten

nachweisen konnten. Dies führte im Rahmen der

Gesamtermittlungen zu den sogenannten

32 Millionen Massendaten, die die BAO sammelte

und auswertete, und zwar auswertete im Rahmen

von unterschiedlichen Rasterungen. […]

Auch die Öffentlichkeitsarbeit wurde verstärkt,

insbesondere auch in türkischen Medien, um eben-

diese Bevölkerungsgruppe in der Türkei, aber na-

türlich auch in Deutschland, zu erreichen. Dazu

wurden die im Fall 6 zum Nachteil Yaşar in Nürn-
berg erstellten Phantombilder der Fahrradfahrer

verwendet. Zudem wurden in Nürnberg und Mün-

chen circa 900 türkische Kleingewerbetreibende

aufgesucht und teils von Beamten mit Migrations-

hintergrund in der bayerischen Polizei persönlich

aufgesucht, um eben sachdienliche Hinweise zu

Drucksache 17/14600 – 524 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

erhalten, zur Beruhigung beizutragen, aber auch

Verhaltenstipps zu geben.“4584

Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. No-
vember 2005 wurden Überlegungen zur vorstellbaren

Motivlage angestellt, wobei Ratlosigkeit vorherrschte.

Aufgeführt wurden als mögliche Motive:

Raubmord, Beziehungstaten/Ehrverletzungen, Glücks-

spiel/Spielschulden, politische/religiöse Gründe (im Hin-

blick auf die politische/religiöse Haltung der Opfer),

PKK/Schutzgeld, Einzeltäter/Psychopath, Drogen und

„Inkassobüro“.

Zum Motiv „Einzeltäter/Psychopath“ heißt es:

„Aufgrund des Umstandes, dass sich bei den Op-
fern kein konkretes Motiv ergibt, kriminelle Bezü-

ge nicht zu finden sind und Beziehungen unterei-

nander fehlen, werden auch Überlegungen zu Ein-

zeltätern mit einbezogen, die ohne Mordauftrag

Dritter aus eigenen Motiven (ähnlich den in den

USA aufgetretenen ‚Snipern‘) handeln. Dagegen
spricht, dass fast alle Opfer vor den Tatzeiten von

Personen aufgesucht wurden, die nicht zur

Stammkundschaft oder zum näheren Bekannten-

kreis der Opfer gezählt werden können. Die Besu-

che wurden von unbeteiligten Zeugen als Bedro-

hungslagen oder als Streitgespräche interpretiert.

Weiterhin liegen Aussagen vor, dass es z. B. bei

den Opfern Şimşek und Taşköprü zu Wesensver-
änderungen in den Wochen vor der Tat gekommen

war, was ebenfalls gegen diese Theorie

spricht.“
4585

c) Prüfung der Zusammenhänge mit dem
Kölner Nagelbombenanschlag vom 9. Juni
2004

Der Ausschuss hat sich damit beschäftigt, inwieweit die

Polizei einen Zusammenhang zwischen den einzelnen

Taten, die dem NSU heute zugerechnet werden, bereits

vor dessen Aufdeckung erkannt hatte und welche Schritte

hierbei unternommen wurden.

Am 21. Juni 2005 nahm der Leiter der Kölner EG

„Sprengstoff“, der Zeuge KHK Weber, Kontakt mit der
BAO „Bosporus“ auf, da die Täter auch in Nürnberg mit
Fahrrädern unterwegs gewesen seien und die jeweiligen

Phantombilder eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen. Herr

Weber bat darum, der Zeugin, die in Nürnberg die mut-

maßlichen Täter gesehen habe, die Kölner Videoaufnah-

men vorzulegen. Er übersandte den Sachstandsbericht des

PP Köln vom 30. Juni 2004.
4586

Der Zeuge Weber hat

ausgesagt, dass Kölner Beamte noch im Juni 2005 in

Nürnberg gewesen seien.
4587

Auch ein Mitglied der BAO
4584) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3 ff.

4585) MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 478 ff.

4586) Vermerk der KPD Nürnberg vom 22. Juni 2005, MAT A GBA-

4/7a, Bl. 217 f.

4587) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 56.

„Bosporus“, der Zeuge Vögeler, hat ausgesagt, dass be-
reits im Juni 2005 der Sachverhalt ausgetauscht und die

Videoaufnahmen übergeben worden seien.
4588

Am 20. Juni 2006 kam es zu einem weiteren Austausch.

An diesem Tag trafen sich zwei Mitarbeiter des PP Köln

mit sechs Vertretern der BAO „Bosporus“ in Nürnberg.
Zwei Bände Hauptakten und ein Lichtbildband des Köl-

ner Ermittlungsverfahrens gelangten nach Nürnberg. Zur

weiteren Vorgehensweise heißt es in dem Vermerk vom

21. Juni 2006:

„Nach dem Informationsaustausch wurde verein-
bart, dass die von KHK Weber auf CD übergebe-

nen Spudok-Daten des Ermittlungsverfahrens IG

Sprengstoff mit dem hier vorliegenden EASy-

Bestand verglichen werden. Im weiteren werden

die Videoaufnahmen samt Lichtbildausdrucken

entsprechenden Zeugen im Vorfahren Yaşar sowie
im Verfahren Kubaşik in Dortmund (Zeugin D.)
vorgelegt. Der Zeugin B. in Köln werden die Phan-

tombilder zum Ermittlungsverfahren Yaşar ge-
zeigt. Im Weiteren ist beabsichtigt eine verglei-

chende OFA-Analyse des Verfahrens Bombenan-

schlag Köln sowie der Tötungsserie durchzufüh-

ren.“4589

Der Datenabgleich ergab keine relevanten Treffer.
4590

Die

BAO „Bosporus“ nahm außerdem im Hinblick auf den
Einsatz eines Fernzünders bei dem Bombenanschlag in

Köln Ermittlungen in Modellbaufachgeschäften in Nürn-

berg vor.
4591

Der Versuch einer biometrischen Gesichtser-

kennung anhand der Videoaufnahmen schlug nach Aus-

sage des Zeugen Geier fehl.
4592

Die Zeugin K. aus Nürnberg, die zwei Fahrradfahrer am

Tatort wahrgenommen hatte, wurde hierzu mehrfach

vernommen. Dabei wurden ihr von den Beamten der

BAO „Bosporus“ auch die Videosequenzen vom An-
schlag in der Kölner Keupstraße gezeigt. Im Protokoll zu

dieser Zeugenvernehmung ist niedergelegt, Frau K. sei

sich „ziemlich sicher“, dass jeweils eine Person auf diesen
Sequenzen mit einem von ihr am Tatort wahrgenomme-

nen Radfahrer identisch sei.
4593

Vor dem Untersuchungs-

ausschuss des Bayerischen Landtags gab Frau K. an, ihre

damalige Aussage sei von der Polizei in dem Verneh-

mungsprotokoll nicht richtig wiedergegeben worden. In

Wahrheit habe sie beim Betrachten von Videobildern aus

Köln gesagt:
4588) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 91.

4589) MAT A GBA-4/7a, Bl. 225 f.

4590) Vermerk der BAO „Bosporus“ ohne Datum, MAT A BY-2/5b,
Bl. 20 ff.

4591) Vermerk der BAO „Bosporus“ vom 20. März 2007, MAT A
GBA-4/7a, Bl. 251 f.

4592) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 4.

4593) Protokoll der Zeugenvernehmung B.K. vom 23. Mai 2006,

MAT A BY-2-5-b, Bl. 90 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 525 – Drucksache 17/14600

„Das ist einer der Männer, die ich in Nürnberg ge-
sehen habe.“4594

Über die damalige Vernehmung berichtete sie weiter:

„Dann wurde ich gefragt, woran ich das festmache.
Und dann habe ich gesagt: von der Gestalt und

dann auch mit dem Ohr. Und dann hieß es, ob ich

mir sicher bin. Und da sage ich: Da bin ich mir

ziemlich sicher. […] Ich habe gesagt: Das sind
zwei verschiedene Personen, die eine trägt lange,

die andere kurze Hosen, und ich bin mir sicher, es

sind zwei Männer, und dass die eben so aussehen

wie die Männer, die ich in Nürnberg gesehen habe.
Und dann hieß es: Ja, das ist ja eine Vermutung

von Ihnen. Und sind Sie sich da zu hundert Pro-

zent sicher? Und da habe ich gesagt: Ich bin mir da

ziemlich sicher.“4595

Der Polizeibeamte, der damals Frau K. vernahm, wurde

im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags

dazu befragt, warum der Satz nicht protokolliert wurde

„das ist einer der Männer, die ich in Nürnberg gesehen
habe“. Er bestätigte, dass Frau K. in ihrer damaligen Aus-
sage dies gesagt hat und hatte auf Nachfrage keine Erklä-

rung, warum es einen Unterschied zwischen dem Gesag-

ten und dem Protokoll gibt.
4596

Zur Frage, ob die Formu-

lierung des Protokolls Einfluss auf den Gang der Ermitt-

lungen hatte, führte der Zeuge Dr. Kimmel im Untersu-

chungsausschuss des Bayerischen Landtags aus:

„Wir waren uns insgesamt darüber im Klaren, die
Frau K. ist eine Zeugin, die sich, ob nun ziemlich

sicher - was ich vielleicht mit 80, 90%iger Sicher-

heit bewerten würde - oder absolut sicher - mit

100%iger Sicherheit bewerten würde -, dass wir

davon ausgehen müssen, für die Ermittlungen da-

von ausgehen müssen, dass wir es hier durchaus

um dieselben Täter, dass es hier um dieselben Tä-

ter oder zumindest einen selben Täter handelt. […]
Und das wiederum führte eben auch dazu, […]
dass ein Austausch von sämtlichen Spuren, von

sämtlichen Unterlagen, die vorhanden waren,

durchgeführt wurde und man dann auch entspre-

chend das abgeklärt hat. […] Es wurde also in wei-
testem Umfang hier alles das gemacht, wo wir ver-

suchten, nun irgendwelche Anhaltspunkte heraus-

zubekommen.“4597
4594) B.K., Protokoll der 26. Sitzung des Untersuchungsausschusses

des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 45. MAT B

BY-6.

4595) B.K., Protokoll der 26. Sitzung des Untersuchungsausschusses

des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 45 f. MAT B

BY-6.

4596) KHK R., Protokoll der 26. Sitzung des Untersuchungsausschus-

ses des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 73 f. MAT

B BY-6.

4597) Dr. Kimmel, Protokoll der 28. Sitzung des Untersuchungsaus-

schusses des Bayerischen Landtags am 11. Juni 2013, S. 192 ff.

MAT B BY-6.

Die Zeugin D. aus Dortmund konnte hingegen eine Per-

sonengleichheit der Täter aus Köln mit den von ihr gese-

henen Personen nicht feststellen. Eine Person aus den

Videoaufnahmen komme jedoch wegen der herabgezoge-

nen Mundwinkel einer der beiden von ihr beobachteten

Personen nahe.
4598

Die zunächst angedachte gemeinsame Operative Fallana-

lyse erfolgte nicht.

Am 13. August 2007 wurde diese Spur geschlossen, da

keine weiteren Ansätze bestünden, um einen Tatzusam-

menhang be- oder entkräften zu können.
4599

d) Prüfung einer rechtsextremen Tatmotivati-
on vor 2006

Der Ausschuss hat sich mit der Frage befasst, inwieweit

die Ermittler einen rechtsextremen Hintergrund der Mord-

taten in Betracht gezogen haben.

Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom 30. No-
vember 2005 werden unter der Rubrik „politisch-religiöse
Gründe“ lediglich Überlegungen zu derartigen Beziehun-
gen der Opfer dargelegt.

4600
Ein möglicher rechtsextremer Hintergrund wurde aller-

dings vor der 2. Operativen Fallanalyse im Zusammen-

hang mit dem Vermerk des damaligen bayerischen In-

nenministers, Dr. Beckstein, vom 12. September 2000

thematisiert
4601

. Auf einem Pressebericht vom 7. Mai

2006 über die Morde vermerkte Dr. Beckstein außerdem:

„Könnte bei den Türken-Morden Fremdenfeind-
lichkeit das Motiv sein?“4602

Als Zeuge hat Dr. Beckstein hierzu ausgeführt:

„Auf diese Notiz hin teilt man mir umgehend mit,
dass Fremdenfeindlichkeit als Motiv aktueller Ge-

genstand der OFA, der Operativen Fallanalyse, ist,

und es wird gebeten, eine Zeit lang zu warten, bis

die berichten, sodass die von mir verlangte Rück-

sprache dann eine Zeit lang verschoben worden ist.

Sie hat dann im Juni stattgefunden, wo mir dann

mitgeteilt worden ist, dass neben der Organisierten

Kriminalität, der Organisationstheorie, auch die

Einzeltätertheorie kommt. Also, von daher sage

ich: Wir haben wirklich in alle Richtungen ermit-

telt.“4603

Der Zeuge Vögeler hat zur Prüfung eines rechtsextremen

Hintergrundes der Mordserie für die Zeit bis 2006 ausge-

sagt, dass in Gesprächen mit der Staatsschutzdienststelle
4598) Vermerk vom 9. Oktober 2006, MAT A BY-2/5b, Bl. 132.

4599) Spurenblatt, MAT A GBA-4/7a, Bl. 28.

4600) MAT A GBA-4/5b, Bl. 375, 478 ff.; siehe oben F.IV.1.b).

4601) Siehe oben, F.II.b).

4602) MAT A BY-2/9a, Bl. 183.

4603) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 80.

Drucksache 17/14600 – 526 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Tötungsserie des Öfteren diskutiert worden sei, ein

konkreter Tatverdacht habe sich jedoch nicht ergeben.
4604

e) Zusammenarbeit mit Verfassungsschut-
zämtern vor der 2. OFA 2006

Bis zur Kontaktaufnahme mit dem LfV Bayern im Juli

2006 betrafen die Anfragen der Polizei nicht die Suche

nach einem Täter mit rechtsextremem Hintergrund. Ge-

genstand der Anfragen waren vielmehr vor allem nach-

richtendienstliche Überprüfungen der Opfer und Erkennt-

nisse aus dem kriminellen Milieu.
4605

Beispielsweise

erfolgte am 18. Juli 2005 eine Anfrage an alle Landesver-

fassungsschutzbehörden, an das BfV, den BND, den

MAD und auch ausländische Dienste zu Informationen

über die Opfer im nachrichtendienstlichen Bereich.
4606

Der Zeuge Geier hat ausgeführt, dass bereits vor der

zweiten Operativen Fallanalyse Kontakte zu den Nach-

richtendiensten aufgenommen wurde. Im September 2005

sei beispielsweise die erste Besprechung der BAO „Bos-
porus“ mit dem LfV Bayern gewesen. Damaliger Ermitt-
lungsansatz sei allerdings eine mögliche Verstrickung

eines ausländischen Geheimdienstes, einer rechten türki-

schen Organisation wie der MHP oder der PKK und links

orientierter Organisationen, wie zum Beispiel der

Devrimci Sol gewesen. Zudem seien die Dienste um Aus-

künfte zu den Opfern gebeten worden.
4607

Die BAO „Bosporus“ übersandte darüber hinaus an die
Adresse [email protected] des Bundesamtes

für Verfassungsschutz am 17. Februar 2006 unter dem

Betreff „Mordserie an 6 türkischen und 1 griechischen
Staatsangehörigen“ folgende E-Mail:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

die Besondere Aufbauorganisation ‚Bosporus‘
(BAO) bearbeitet seit dem 1. Juli 2005 die o. a.

Mordserie zentral, zusammen mit dem BKA sowie

den Polizeibehörden in Hamburg und Rostock.

Die BAO ‚Bosporus‘ wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie uns eine Ansprechpartnerin, einen Ansprech-

partner für diesen Fallkomplex benennen wür-

den.“4608

Während der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge
Geier, angegeben hat, dass eine Antwort auf diese E-Mail

nicht erfolgt sei
4609

, hat das BfV über die weitere Bearbei-

tung der Anfrage Folgendes mitgeteilt:

„Diese E-Mail wurde […] als Ausdruck mit der
handschriftlichen Verfügung ‚U an Abteilung 5‘
weitergeleitet. Nach Zeichnung durch den Abtei-
4604) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 103.

4605) Vgl. hierzu die Unterlagen in MAT A BY-6/1, Bl. 9 ff.

4606) E-Mail vom 18. Juli 2005, MAT A BY-6/1, Bl. 24; vgl. auch

Geier, Protokoll Nr. 12, S. 12.

4607) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 4.

4608) MAT A BY-6/1, Bl. 57.

4609) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 17.

lungsleiter 5 und den Referatsgruppenleiter 5A

wurde dieses Schriftstück am selben Tag an den

Referatsleiter 5A3 verfügt, der den Vorgang am

21. Februar 2006 an den Sachbearbeiter 5A35

handschriftlich weiter verfügte:

„b. bei o. g. Stelle tel. nachfragen:

- worum geht es – Sachverhalt

- Was soll ein ‚Ansprechpartner‘ im BfV?

- ‚Auskunftsersuchen‘ – förmliche – sollten
schriftlich gestellt werden!

- Es gibt auch regional zuständige LfV!?“

Am 22. Februar 2006 führte der Sachbearbeiter

5A35 ein Telefonat mit KHK H. […] von der
BAO ‚Bosporus‘. 5A35 erklärte, dass er lediglich
für das Sachgebiet ‚rechtsextremistische Türken‘
zuständig und nicht der zentrale Ansprechpartner

des BfV sei. Für den Bereich ‚rechtsextremistische
Türken‘ verfüge das BfV über keine Informationen
im Zusammenhang mit der Mordserie. Zwecks

Abgleich mit sonstigen vom BfV bearbeiteten

Phänomenbereichen möge die BAO ‚Bosporus‘
eine schriftliche Anfrage an das BfV richten.

Nach abschließender Rücksprache mit dem Refe-

ratsleiter 5A3 verfügte der Sachbearbeiter 5A35

den Vorgang am 22. Februar 2006 ‚z. d. A.‘ (‚zu
den Akten‘).“4610

Der Präsident des BfV, der Zeuge Fromm, hat hierzu

angegeben:

„Ich kann nur sagen, dass man sicher, zumal mit
dem heutigen Wissen, hier hätte auch anders rea-

gieren können auf diese sehr, wie ich fand,

unspezifizierte Anfrage, die auch noch an die fal-

sche Stelle kam. Und warum hat eigentlich nicht

die BAO dann noch mal nachgefasst? Ist ja auch

eine Frage, die man vielleicht stellen kann. […]
Man hätte möglicherweise nicht nur mit der BAO

direkt Kontakt aufnehmen sollen, sondern mögli-

cherweise auch mit dem Bayerischen Landesamt

direkt und nicht verweisen. Man hätte möglicher-

weise mit Blick auf das, was da ermittelt wird,

auch von der Hierarchie her etwas höher ansetzen

können. Man hätte durchaus auch – so wäre es ge-
schehen, wenn die Mail an die richtige Adresse

gegangen wäre – andere Abteilungen einbinden
können.

Das, was hier passiert ist, hängt damit zusammen –
das können aber Außenstehende nicht wissen –,
dass dann, wenn diese Mailadresse angeschrieben

wird, also die für Bürgeranfragen, das Referat für

Öffentlichkeitsarbeit bzw. die Abteilung 1 das

dann an eine Abteilung gibt, an eine Stelle gibt,

von der sie annehmen, die könnten sich darum
4610) Schreiben des BfV vom 4. Mai 2012, MAT B BfV-1, Bl. 2 f.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 527 – Drucksache 17/14600

kümmern. Wenn die offizielle behördliche Mailan-

schrift gewählt worden wäre – das ist keine Ent-
schuldigung, sondern das ist nur eine Erklärung –,
dann wäre sichergestellt gewesen, dass alle Fach-

abteilungen diese Anfrage bekommen hätten.“4611

f) München

Mit der ermittelnden Polizei in München erfolgte eben-

falls eine Zusammenarbeit und ein ständiger Informati-

onsaustausch zur Durchführung der vielfältigen Maßnah-

men.
4612

Im Oktober 2005 wurden die Sonderkommissio-

nen in München in die BAO „Bosporus“ überführt. 4613

2. Mitarbeit des BKA in der BAO „Bosporus“
ab Juli 2005

Am 1. Juli 2005 nahm die beim PP Mittelfranken einge-

richtete BAO „Bosporus“ ihre Arbeit auf, um unter ande-
rem die weiteren Ermittlungen zu koordinieren.

4614
a) Einbindung von Verbindungsbeamten

Die Verbindungsbeamten des BKA waren in die BAO

„Bosporus“ als „benachbarte Kräfte“ eingebunden. Ein
BKA-Verbindungsbeamter der EG „Česká“ war im wö-
chentlichen Wechsel vor Ort, um den aktuellen Informati-

onsaustausch zu gewährleisten und die Ermittlungen

entsprechend zu unterstützen.
4615

Die Verbindungsbeam-

ten des BKA hatten einen sofortigen Zugriff auf die not-

wendigen Dateien im BKA.
4616

Vor dem Hintergrund neu hinzukommender Aufgaben

wurde im BKA eine Personalanforderung für die EG

„Česká“ von zehn auf zwölf Einsatzkräfte erhoben.4617

Der Zeuge Deisting (LKA Mecklenburg-Vorpommern)

hat dargelegt, dass bei den Ermittlungen der BAO „Bos-
porus“ mit internationalem Bezug die Federführung im
Wesentlichen beim Bundeskriminalamt gelegen habe. Die

Ermittlungsgruppe „Česká“ des BKA habe Auskunftser-
suchen der verschiedenen Tatortdienststellen an andere

Länder bzw. an Europol und Interpol koordiniert. Ge-

meinsam mit der BAO „Bosporus“ habe die Ermittlungs-
gruppe „Česká“ die Kontakte zu einer Polizeidienststelle
in Ankara gepflegt, die bei der Ermittlungsarbeit zur

Mordserie von Seiten der Türkei Unterstützung leistete.

Ein eingesetzter Verbindungsbeamter dieser türkischen

Dienststelle habe im Rahmen von Besprechungen mit den
4611) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 27.

4612) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396, 435.

4613) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.

4614) Einzelheiten siehe oben F.IV.1.

4615) Sprechzettel BKA für die ND Lage am 5. Juli 2005, MAT A

BKA-2/16, Bl. 477.

4616) Sprechzettel BKA für die ND Lage am 5. Juli 2005, MAT A
BKA-2/16, Bl. 476 f.

4617) Personalanforderung BKA vom 6. Juli 2005, MAT A BKA-

2/15, Bl. 251.

beteiligten Dienststellen in Deutschland die einzelnen

Tatorte aufgesucht und Hinterbliebene sowie weitere

Landsleute, die Auskunft zum Tatgeschehen im weitesten

Sinne geben konnten, befragt.
4618

b) Öffentlichkeitsarbeit

Die Öffentlichkeitsarbeit nach Außen und Innen lag in der

Česká-Mordserie in der Verantwortung der BAO „Bospo-
rus“.4619 An deren Öffentlichkeitsfahndung beteiligte sich
aber auch das BKA. So waren beispielsweise BKA-

Verbindungsbeamte in die Hinweisbearbeitung vor Ort

eingebunden, als am 30. Juni 2005 auf Initiative der BAO

„Bosporus“ ein Beitrag in der Fernsehsendung Aktenzei-
chen XY ungelöst vom ZDF ausgestrahlt wurde.

4620
Der

Zeuge Ziercke hat auch darauf verwiesen, dass das BKA

im Dezember 2005 eine Sonderausgabe des Bundeskrimi-

nalblatts zur bundesweiten Mordserie
4621

erstellt habe mit

allen Bildern und allen Namen, sogar mit den Waffen und

den Fahrrädern.
4622

Die Medienstrategie war zwischen BAO „Bosporus“ und
BKA umstritten. Hierbei ging es um den Streit über „Ein-
zeltäter- und Organisationshypothese“ und dessen Aus-
wirkung auf die Fahndung nach der Waffe.

4623
Im Jahr 2005 waren die bis dahin sieben Mordfälle auch

im Internet auf einer Homepage des PP Mittelfranken zur

Information abrufbar. Diese Homepage wurde mit Unter-

stützung des BKA durch verdeckte Fahndungsmaßnah-

men überwacht, um Zugriffe von „verdächtigen Perso-
nen“ zu erkennen.4624 Die Homepageüberwachung musste
aufgrund von in Bayern bestehenden rechtlichen Beden-

ken eingestellt werden, was nach Angaben des Zeugen

Jung, der seit Mai 2004 in der EG „Česká“ mitarbeitete,
letztlich der Grund war, auch beim BKA im Jahr 2006

eine Seite einzurichten.
4625

3. EDV-technische Vernetzung der beteiligten
Dienststellen

Aus den Akten lässt sich entnehmen, dass die unter-

schiedliche EDV-Anbindung der beteiligten Polizei-

dienststellen zu Problemen führte.
4626

Während das BKA

das System INPOL-Fall betrieb, nutzte die BAO „Bospo-
4618) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 106.

4619) Sprechzettel BKA für die ND Lage am 5. Juli 2005, MAT A

BKA-2/16, Bl. 476.

4620) Sprechzettel BKA vom 1. Juli 2005, MAT A BKA-2/16,

Bl. 477.

4621) Bundeskriminalamtblatt, Nr. 249 2005 vom 27. Dezember
2005, MAT A BKA-2/43, Bl.52 ff..

4622) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.

4623) Einzelheiten siehe unten zur „Medienstrategie“ F.V.9. sowie
zur Waffenspur F.VII.1.

4624) Sprechzettel BKA vom 1. Juli 2005, MAT A BKA-2/16,

Bl. 477.

4625) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 63.

4626) Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe

am 17./18. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 513 f.

Drucksache 17/14600 – 528 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rus“ das so genannte EASy-System.4627 Hieraus ergab
sich die Frage nach der Kompatibilität (Schnittstellen-

problematik).

Der Zeuge Falk hat im Ausschuss ausgeführt, etwa zeit-

gleich mit der Einrichtung der BAO „Bosporus“ in Nürn-
berg sei an ihn herangetragen worden, dass die bayeri-

schen Kollegen statt der bundesweiten Verbundanwen-

dung INPOL-Fall, wo die Daten in solchen Fallkomple-

xen für alle Beteiligten zugänglich gebündelt werden

sollten, ein eigenes Informationssystem – EASy genannt –
nutzen würden. Das BKA habe dies von Beginn an kri-

tisch gesehen, weil eine Folge dieses eigenen Weges in

Bayern gewesen sei, dass beide Systeme parallel bedient

werden mussten und inhaltlich – das habe sich dann auch
gezeigt – auch nur partiell bedient worden seien, ohne
miteinander wirklich kompatibel zu sein.

4628
Eine Schnittstelle zwischen beiden Systemen habe es

jedenfalls am Anfang nicht gegeben; diese habe erst über

Monate hinweg entwickelt werden müssen.
4629

Auch er persönlich habe diese Vorgehensweise Bayerns

nicht für sinnvoll gehalten und entsprechende Zweifel,

zunächst hausintern, schriftlich geltend gemacht. Darüber

habe es dann auch Gespräche mit Bayern gegeben, wie-

derum sowohl auf der Arbeitsebene als auch in dem einen

oder anderen Fall auf der Leitungsebene.
4630

Der Zeuge Kindler hat hierzu im Ausschuss ausgesagt:

„2005 hat mich die BAO-Leitung gebeten, bei ei-
nem Gespräch mit der BKA-Leitung darauf hin-

zuwirken, das Fallbearbeitungssystem EASy bei-

zubehalten. Aufgrund der sehr guten Funktionali-

täten von EASy, einem Fallrecherchesystem, woll-

te die BAO ‚Bosporus‘ dieses System unbedingt
weiter nutzen.“4631

Mangels Schnittstelle zu dem vom BKA genutzten

INPOL-Fall-System mussten die bayerischen Ermittler

ihre Daten zunächst sowohl in INPOL-Fall als auch in

EASy doppelt erfassen. Diese Problematik habe er in

einem Telefonat mit dem BKA-Präsidenten Ziercke erör-

tert. Herr Ziercke habe versichert, sich dieses Themas

anzunehmen, und die BAO „Bosporus“ konnte dann da-
raufhin weiter mit EASy arbeiten.

4632
Der Zeuge Kindler hat eingeräumt, dass die Arbeit durch

die Doppelarbeit behindert und eine zusätzliche Belastung

entstanden sei.
4633

Er glaube aber nicht, dass dadurch auch

die Aufklärung des Falles behindert worden wäre.

Die unterschiedlichen Software-Systeme des BKA und

Bayerns führten zu Schwierigkeiten und Verzögerungen
4627) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 85.

4628) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.

4629) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.

4630) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.

4631) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 85.

4632) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 100.

4633) Kindler, Protokoll-Nr. 36, Bl. 85.

der Ermittlungen. Der Zeuge Geier hat zur Anwendung

des bayerischen Fallerfassungssystems EASy ausgeführt,

dass sich nach langwierigen Absprachen mit dem Bun-

deskriminalamt letztendlich für das bayerische Fallerfas-

sungssystem namens EASy und nicht für INPOL-Fall ent-

schieden worden sei. Die Nacherfassung, also die manuel-

le Übertragung von einem in das andere System, sei durch

bayerische OK-Dienststellen geleistet worden und habe

bis zu einem halben Jahr gedauert.
4634

Es sei auch um die

Frage gegangen, was sich bundesweit als Fallermittlungs-

system durchsetze. Damals seien es seines Wissens zwölf

der 16 Bundesländer gewesen, die dieses System befüllt

und übernommen haben. Sie hätten dann versucht, eine

elektronische Schnittstelle aufzubauen, um bundesweit

Daten auszutauschen. Der Zeuge Geier halte das bayeri-

sche System EASy für den Sachbearbeiter für kom-

fortabler. Die Länder, die damals kein EASy zur Verfü-

gung hatten, hätten von Bayern sowohl Hardware als auch

Software sowie Schulung von der BAO zur Verfügung

gestellt bekommen. Die Beamten wären nachträglich mit

dem System zufrieden gewesen. Manches Land habe dann

auch insgesamt auf dieses System umgestellt.
4635

Im Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2007 führte LKD

Geier unter der Rubrik „EDV – EASy, Schnittstelle zu
Verbundanwendungen“ aus:

„Die Entscheidung zur gemeinsamen Nutzung der
Datenbank EASy […] wurde von Seiten des BKA
von der Schaffung einer funktionierenden Schnitt-

stelle zwischen EASy und INPOL-Fall abhängig

gemacht. Im Auftrag der BAO entwickelte die PG

EASy zusammen mit der Fa. Rola nach den tech-

nischen Vorgaben des BKA eine Schnittstelle,

über die strukturierte Daten aus EASy an die

Bund-Länder-Schnittstelle (BLS) geliefert werden

können. Diese Entwicklung war für Bayern mit er-

heblichem finanziellen und personellen Aufwand

verbunden und wurde erstmals im Sommer 2006

zur Verfügung gestellt.

Nach Kritik des BKA an der Struktur der übermit-

telten Daten wurde die Datenübertragung noch-

mals vollständig überarbeitet, obwohl die Kritik-

punkte nahezu ausschließlich auf Minderleistun-

gen der Zielanwendung und der BLS zurückzufüh-

ren waren. Letztlich konnten die unterschiedlichen

fachlichen Bewertungen hinsichtlich der Leis-

tungsfähigkeit der Schnittstelle – und auch ihrer
Nutzbarkeit für die Bereiche Organisierte Krimina-

lität, Rauschgift und Innere Sicherheit – nicht voll-
ständig ausgeräumt werden. Dennoch stimmte das

BKA mit Blick auf die notwendige bundesweite

Rechercheverfügbarkeit der Bosporusdaten der

Migration im Juni 2007 zu, allerdings explizit nur

für die INPOL-Fall-Anwendung Česká.

Empfehlung:
4634) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.

4635) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 34.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 529 – Drucksache 17/14600

Eine fachlich einwandfreie Schnittstelle – und vor
allem ihre Akzeptanz von Seiten des BKA – hat
über das gegenständliche Verfahren hinaus Bedeu-

tung für viele andere Bereiche und muss

schnellstmöglichst realisiert werden.“4636

Das BKA war mit der bayerischen Entscheidung für das

System EASy nicht zufrieden und monierte in einem

Schreiben vom 12. April 2006 gegenüber dem BMI:

„Trotz der (leicht und kostenlos) bundesweit ver-
fügbaren Verbund-Datenbank INPOL-Fall wurde

in Bayern die Entscheidung getroffen, das bayeri-

sche System RS-Case (Easy) als ‚Insellösung‘ ein-
zusetzen. Bisher ist noch keine Schnittstelle vor-

handen, die eine automatisierte Synchronisation

der Daten ermöglicht. Weiterhin ist vorgesehen,

dass die nunmehr betroffenen Länderdienststellen

einen kostenpflichtigen Anschluss an das bayeri-

sche System erhalten. Erfahrungsgemäß besteht

bei der aktuellen Situation eine große Gefahr von

Informationsverlusten. Darüber hinaus erfolgt bei

der Verwendung des bayerischen Systems kein au-

tomatischer bundesweiter Datenabgleich mit ande-

ren INPOL-Fall-Anwendungen.“4637

Der bayerische Landespolizeipräsident, der Zeuge Kind-

ler, hat bekundet:

„2005 hat mich die BAO-Leitung gebeten, bei ei-
nem Gespräch mit der BKA-Leitung darauf hin-

zuwirken, das Fallbearbeitungssystem EASy bei-

zubehalten. Aufgrund der sehr guten Funktionali-

täten von EASy, einem Fallrecherchesystem, woll-

te die BAO ‚Bosporus‘ dieses System unbedingt
weiter nutzen. Mangels Schnittstelle zu dem vom

BKA genutzten INPOL-Fall-System müssen unse-

re Ermittler ihre Daten zunächst sowohl in INPOL-

Fall als auch in EASy doppelt erfassen. Diese

Problematik habe ich in einem Telefonat mit dem

BKA-Präsidenten Ziercke erörtert. Herr Ziercke

hat mir versichert, sich dieses Themas anzuneh-

men, und die BAO ‚Bosporus‘ konnte dann da-
raufhin weiter mit EASy arbeiten.“4638

Der Zeuge Dr. Beckstein hat zur Problematik der ver-

schiedenen Softwaresysteme ausgesagt:

„Als wir EASy in Bayern entwickelt hatten, waren
wir ganz stolz, weil wir gedacht haben, das sei der

ganz große Sprung. Es hat auch viele Verbesse-

rungen gebracht. Aber es hat noch bestimmte Lü-

cken, die jedenfalls bis 2007 nicht geschlossen wa-

ren. Ob das zwischen 2007 und jetzt vollständig

befriedigend ist, kann ich nicht beurteilen.“4639
4636) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff., 72.

4637) MAT A BKA-2/19, Bl. 19.

4638) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 85.

4639) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 100.

4. Die 1. Operative Fallanalyse Bayern vom
22. August 2005 und die Haltung des BKA
dazu

Der Ausschuss hat sich mit den erstellten Operativen

Fallanalysen auseinandergesetzt, da die 2. Operative Fall-

analyse erstmals einen möglichen rechtsextremen Hinter-

grund thematisierte und hierdurch die Ermittlungsbehör-

den aus heutiger Betrachtungsweise auf dem richtigen

Weg waren.

a) 1. Operative Fallanalyse vom 22. August
2005

Im Auftrag der BAO „Bosporus“ stellte die OFA Bayern
am 22. August 2005 die Ergebnisse ihrer Fallanalyse im

Rahmen einer Power-Point-Präsentation vor.
4640

Mitwir-

kende waren fünf Polizeibeamte, darunter der als Zeuge

vernommene KHK Horn. Konsultationen erfolgten mit

Schusswaffenexperten.
4641

Aufgrund der bundesweiten

Verteilung der Serie war auch eine Vertreterin des BKA

an der ersten Analyse beteiligt. Einbezogen wurden die

bis dahin mit der Mordwaffe Česká verübten sieben Mor-
de.

Zur Aufgabe und Tätigkeit der Operativen Fallanalyse hat

der Zeuge Horn ausgeführt, dass es sich zunächst um eine

Rekonstruktion der Tathergänge gehandelt habe. Als

Grundlage dienten drei wesentliche Bereiche, nämlich die

Befunde am Tatort, die Opferhintergrundinformationen

und die Verletzungsbilder. Sie hätten anschließend ver-

sucht, das Täterverhalten zu bewerten, Motivlagen zu

erarbeiten und Aussagen zu einer möglichen Täterpersön-

lichkeit zu erstellen. Schließlich wären Ermittlungsemp-

fehlungen abzugeben. Die Tätigkeit eines Fallanalytikers

sei eine Arbeit mit Hypothesen, wobei die wahrschein-

lichste Hypothese herausgearbeitet werde.“4642

Diese (erste) Fallanalyse bewertete die Motivlage folgen-

dermaßen:

„Vermutlich keine einheitliche Motivlage, unter-
schiedliche Ausprägung der Abhängigkeit, Clus-

terbildung hinsichtlich der Tötungen.“

Dabei gingen die Fallanalytiker davon aus, dass die Mor-

de im Auftrag einer Organisation geschahen, da Anhalts-

punkte dafür vorhanden waren, dass einige der Opfer im

Vorfeld der Taten bedroht wurden oder dass es Streit gab.

Ein rechtsextremes Motiv wurde nicht erörtert.
4643

b) Weitere Überlegungen

Gegen Ende des Jahres 2005 wurde innerhalb der BAO

die bis dahin schwerpunktmäßig verfolgte „Organisati-
onstätertheorie“ zur Disposition gestellt. Im Protokoll der
4640) MAT A BKA-2/14, Bl. 63 - 79.

4641) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 59.

4642) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 45.

4643) MAT A BKA-2/14, Bl. 63 - 79.

Drucksache 17/14600 – 530 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dritten Strategiebesprechung vom 29. November 2005

heißt es:

„Brainstorming zu einer möglichen Tötungsalter-
native Sniper

H. Mähler
4644

trägt eine Zusammenfassung von

Argumenten für einen psychopathisch veranlagten

Täter Sniper vor. Gründe, die für oder wider einen

solchen Täter-Typus sprechen, werden versucht

anhand der bekannten Faktoren gegeneinander ab-

zuwägen.

Die Besprechungsteilnehmer kommen zum Ergeb-

nis, daß eine solche Möglichkeit derzeit eher als

unwahrscheinlich bewertet wird, jedoch nicht

gänzlich ausgeschlossen werden kann.

In einem ersten Schritt wird die EA Lage beauf-

tragt Erhebungen/Anfragen zu tätigen, hinsichtlich

einer möglichen, relevanten Anzahl lega-

ler/registrierter Schußwaffen des Typs Česká 83.

Parallel dazu wird die OFA Bayern beauftragt zu

überprüfen, ob ein Tätertyp Sniper grundsätzlich

als relevant eingestuft werden kann.“4645

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 übersandte die

OFA Bayern folgende ablehnende Einschätzung zu der

Sniper-Hypothese:

„Folgende objektive Faktoren, sprechen nach un-
serer Auffassung gegen die Einschätzung, dass die

sieben ausländischen Geschäftsmänner von einem

Sniper getötet wurden:

1. Für das Umfeld der Opfer wahrnehmbare Ver-

änderung der Verhaltensweisen der Opfer Şimşek
und Turgut im Vorfeld der Taten.

2. Ansprache der Opfer in den Fällen Özüdoğru,
Taşköprü, Kılıç, Yaşar und Boulgarides. Diese
beiden Punkte bedingen, dass zwischen der Per-

son, die die Tötung beschließt und den Opfern,

zumindest eine weitläufigere Beziehung besteht.

Ein Sniper tötet in aller Regel ihm völlig fremde

Opfer. Maßgeblich für einen Sniper ist lediglich

die Verfügbarkeit der Opfer in seinem Jagdgebiet.

Eine Häufung von Opferansprachen oder Verhal-

tensänderungen der Opfer, wie in den vorliegenden

Fällen, sind grundsätzlich nicht mit dem Vorgehen

eines Snipers in Einklang zu bringen.

3. Tötungsart und Ausführung:

Die Anwesenheit von vermutlich zwei Personen

am Tatort und Schussabgabe aus nächster Nähe

unter Verwendung einer Pistole stehen der Ein-

schätzung, dass hier ein Sniper agiert, ebenfalls

entgegen. Zwar gab es schon Fälle, bei denen zwei

Täter Menschen erschossen, aber Sniper schießen
4644) KOR Mähler war vom 1. Juli 2005 bis 31. März 2007 stellver-

tretender Leiter der BAO „Bosporus“.

4645) MAT A BY-2/5c, Bl. 155.

immer aus der Distanz (Heckenschütze). Gerade

den direkten Kontakt zum Opfer vermeiden sie,

dass ist ein wesentlicher Punkt für eine Klassifizie-

rung eines Täters als Sniper.

4. Die Intervalle der Tötungen in den vorliegenden

Fällen und der lange Zeitraum der Serie sind eben-

falls für einen Sniper untypisch, da er gerade in

den Medien präsent bleiben will, um dadurch die

‚Anerkennung‘ zu finden, nach dem sein gestörtes
Selbstwertgefühl verlangt. Lange Pausen, von

mehr als 2 Jahre, wie zwischen Fall 4 und 5, sind

mit dem Wesen der Tatbegehung eines Snipers da-

her nicht vereinbar.

Aus den genannten Gründen wird es seitens der

OFA Bayern als sehr unwahrscheinlich erachtet,

dass die Delikte von einem Sniper begangen wur-

den.“4646

5. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Dö-
nerstände

a) in Nürnberg

Die BAO „Bosporus“ entwickelte eine Konzeption zum
Einsatz einer Vertrauensperson, die einen Dönerstand

betreiben sollte. In der Konzeption der BAO „Bosporus“
vom 2. September 2005 zum Einsatz von Vertrauensper-

sonen und eines Verdeckten Ermittlers wird als Einsatz-

taktik die Einrichtung eines Spiegelbildes zum Döner-

Imbiss des Opfers İsmail Yaşar genannt. Zum Einsatzziel
heißt es u. a.:

„- Erkennen von ethnisch bedingten Geschäfts-
praktiken türkischer Gewerbetreibender

- Erkennen von Zwängen, denen türkische Ge-

schäftsinhaber im Zusammenhang mit der Führung

eines Gewerbes ausgesetzt sind (z. B. Gebietsab-

sprachen).
4647

Der Döner-Imbiss wurde für einen Zeitraum von über

einem Jahr betrieben, mit einem Verlust von etwa

30 000 €. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die Ge-
schäftspraktiken türkischer Personen unauffällig seien; es

sei kein Druck auf die VP ausgeübt worden.
4648

Aus dieser Vorgehensweise und aus dem Einsatzziel

(Erkennen von Zwängen und eines Motivs für die gesche-

henen Tötungsdelikte) ergibt sich, dass die Polizei eine

Bedrohung der Vertrauensperson provozieren wollte.

Schutzmaßnahmen für die Vertrauensperson ließen sich

den vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen.
4646) MAT A BY-2/4, Bl. 10 ff.

4647) MAT A BY-2/12, (Tgb.-Nr. 22/12 – GEHEIM), Anl. 1 Teil 1,
Bl. 6 ff., 7.

4648) Erfahrungsbericht vom 3. Juli 2006, MAT A BY-2/12, (Tgb.-

Nr. 22/12 – GEHEIM), Anl. 1 Teil 1, Bl. 9 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 531 – Drucksache 17/14600

b) in München

Für den Einsatz einer VP entwarf die zuständige Krimi-

naldirektion eine Führungs- und Einsatzkonzeption für die

BAO „Bosporus“ in München. Das Einsatzziel war die
Gewinnung weiterer Ermittlungsansätze. Hinzu kam

lediglich das „Erkennen von Praktiken privater türkischer
Geldverleiher“.4649

In der Niederschrift über die VP-Belehrung vor Einsatz-

beginn heißt es:

„VP wurde eingehend auf mögliche Gefährdungs-
momente besonders in Bezug auf Straftäter aus

dem ‚Türkenmilieu‘ hingewiesen und sensibili-
siert. Bei besonderen Vorkommnissen (siehe An-

lass der Maßnahme/Auftrag) und bei bevorstehen-

den Gefahrenlagen ist unverzüglich KHK […] te-
lefonisch zu verständigen. Dem Einsatz von

Schutzvorrichtungen (Videoüberwachung und

Alarmauslösung) wird zugestimmt.“4650

In einem Schreiben beklagte sich die zuständige Dienst-

stelle der Kriminalpolizei über die Unzuverlässigkeit der

noch tätigen VP im Hinblick auf die wirtschaftliche Ab-

wicklung.
4651

In einem Zwischenbericht vom 8. November 2006 wurde

ebenfalls ausgeführt, dass Zwänge oder Schutzgeldforde-

rungen nicht festgestellt wurden. Ein besonderer Vorfall

wurde erwähnt:

„Am Dienstag [geschwärzt] gegen 10.35 Uhr
alarmierte die VP [die zuständige Dienststelle] per

Handy, dass soeben ein ‚Verrückter‘ am Dönerwa-
gen war und ihn verbal bedroht habe. Die männli-

che deutsche oder österreichische Person, welche

ca. 50 bis 60 Jahre alt war, habe ihn ca. 15 Minu-

ten lang beschimpft. Bei den Beschimpfungen ging

es hauptsächlich darum, dass Türken den Deut-

schen die Geschäfte wegnehmen und sie sich sei-

ner Meinung nach unkontrolliert in Deutschland

ausbreiten. U. a. zeigte er mit dem Finger während

des Gespräches auf das von der VP angebrachte

Fahndungsplakat (neun ungeklärte Morde an türki-

schen Kleingewerbetreibenden) der Polizei und

meinte, wenn man Türken nicht so vertreiben kön-

ne, dann würden sie halt so heimgeschickt.

Bei einer anschließenden Lichtbildsuche konnte

die VP einen [geschwärzt] als Gesprächsführer er-

kennen. Die VP wurde [von der zuständigen

Dienststelle] zu diesem Vorfall als Zeuge vom Hö-

rensagen vernommen und der Vorgang der sach-
4649) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,

Bl. 69 ff.

4650) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,
Bl. 9 ff.

4651) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,
Bl. 7 f.

bearbeitenden BAO ‚Bosporus‘ München und
Nürnberg zugestellt.“4652

Im Übrigen gab es hier Probleme mit einem Warenliefe-

ranten. Eine Veranlassung der VP-Führung wurde in dem

Bericht jedoch nicht erwähnt.
4653

Der damalige bayerische Innenminister Dr. Beckstein hat

zu diesem Einsatz ausgesagt:

„Es war […] völlig in Ordnung, dass ich davon
erst jetzt aus den Medien erfahren habe. Einzelne

operative Maßnahmen verdeckter Art werden übli-

cherweise nicht in Vermerke in einem Ministerium

gegeben, wo sie über viele Schreibtische laufen.

[…]

Ich setze allerdings eines absolut voraus: Wenn es

bayerische Polizei war, waren die sich hundertpro-

zentig sicher, dass da niemand gefährdet wird, und

das liegt auch nahe – noch einmal: jetzt Zeitungs-
wissen –; denn auch nach allem, was man da ge-
dacht hat, ist es nicht etwa so gewesen, dass ir-

gendjemand einfach in den nächsten Döner geht

und dort einfach um sich schießt, sondern dass es

da vorher Schutzgelderpressung und Ähnliches

gibt. Da werden mit Sicherheit – aber da müssten
Sie Geier und die anderen fragen – ganz intensive
Schutzvorkehrungen getroffen. Die Polizei macht

das in Bayern absolut professionell.“4654

V. Ermittlungen nach den letzten beiden Mor-
den der Česká-Serie

1. Ermittlungen in Dortmund nach dem Mord

an Mehmet Kubaşık (BAO „Kiosk“)

a) Die Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft Dortmund und das Polizeipräsidi-

um Dortmund nahmen die Ermittlungen auf. Aus heutiger

Sicht sind die Aussagen der Zeugin D. besonders interes-

sant. Ihr waren zwei Männer zur Tatzeit in der Nähe des

Tatorts aufgefallen, von denen einer ein Fahrrad schob.

Ungereimtheiten im Rahmen der polizeilichen Aufnahme

der Aussagen haben auch in der Zeugenbefragung vor

dem Ausschuss nicht geklärt werden können:

Im Vermerk des PP Dortmund, Zentrale Kriminalitätsbe-

kämpfung, vom 6. April 2006 heißt es über den Anruf der

Zeugin: „Dabei seien ihr ‚zwei Typen, einer mit Fahrrad‘
aufgefallen. ‚Das seien Junkies gewesen, die besoffen
waren‘. Die Person mit dem Fahrrad habe sie ‚unheim-
4652) MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr. 30/12 – GEHEIM), Register 1,

Bl. 133 ff., 136.

4653) Schreiben vom 31. Oktober 2006, MAT A BY-2/13, (Tgb.-Nr.

30/12 – GEHEIM), Register 1, Bl. 154.

4654) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 123 f.

Drucksache 17/14600 – 532 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lich‘ angesehen.“4655 Dieser Hinweis wurde an die Mord-
kommission weitergegeben. Zwei Polizeibeamte aus dem

Bereich „Staatsschutz“, die zur Unterstützung bei der
Aufklärung des Mordes tätig waren, fassten am 6. April

2006 die bisherigen Erkenntnisse zu den Angaben der

Zeugin zusammen: „Die Männer sollen ‚wie Rechtsradi-
kale‘ ausgesehen haben.“4656 Auf einen entsprechenden
Vorhalt habe die Zeugin dann jedoch ‚persönlich befragt‘
angegeben, dass diese Männer definitiv keinen rechtsex-

tremistischen Eindruck gemacht hätten (da sei sie wohl

falsch verstanden worden).
4657

Im Rahmen einer protokol-

lierten Zeugenvernehmung vom 7. April 2006 sagte sie

aus, die beiden Personen hätten auf sie wie „Junkies“
gewirkt. Rechtsextremistisches Erscheinungsbild wurde

nicht angesprochen.
4658

Im Vermerk vom 16. Juni 2006 über eine erneute Befra-

gung der Zeugin an diesem Tag heißt es demgegenüber

wieder:

„Vom Typ her sei der Mann ein Junkie oder ein
Nazi gewesen.“4659

Am 9. Oktober 2006 erfolgte ein erneuter Besuch bei der

Zeugin. Ihr wurden Lichtbilder und Videoaufzeichnungen

zum Nagelbombenanschlag in Köln, Keupstraße, gezeigt.

In dem Vermerk der Polizei heißt es:

„Eine Personengleichheit könne sie aber auf Grund
der unscharfen Bilder nicht herstellen. Frau D. gab

nochmals zur Personenbeschreibung des Mannes

in Dortmund an, dass sie ihn für einen Junkie bzw.

Nazi gehalten habe. Er habe einen sehr stechenden

Blick gehabt, so dass sie Angst bekam.“4660

Den Vermerken vom 16. Juni und 9. Oktober 2006 kann

nicht entnommen werden, dass näher hinterfragt worden

ist, wie sich die Zeugin das Aussehen eines „Junkies“
oder „Nazis“ vorstellt.

Der Zeuge KOR Gricksch, der Leiter der Kriminalpolizei-

inspektion Dortmund, hat zu diesen Auffälligkeiten aus-

gesagt, dass auch die von ihm kurz vor seiner Verneh-

mung im Ausschuss befragten Kollegen die Widersprüche

nicht erklären könnten.
4661

Er selbst habe ebenfalls keine

Erklärung dafür.
4662

Auch wisse er nicht, ob die Zeugin

jemals dazu befragt worden sei, mit welchen Merkmalen

sie einen Nazi oder einen Junkie identifiziere.
4663

Am 12. Juni 2006 wurde zusammen mit der Zeugin D. ein

Phantombild erstellt.
4664

Anschließend erfolgte mittels
4655) MAT A GBA-4/7b, Bl. 172.

4656) MAT A GBA-4/7b, Bl. 174.

4657) MAT A GBA-4/7b, Bl. 175.

4658) MAT A GBA-4/7b, Bl. 176 ff.

4659) MAT A GBA-4/7b, Bl. 191.

4660) Vermerk vom 9. Oktober 2006, MAT A GBA-4/7b, Bl. 194.

4661) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 100 f., 115.

4662) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 116.

4663) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 112.

4664) Vermerk vom 12. Juni 2006, MAT A GBA-4/7b, Bl. 184.

dieses Phantombildes eine Öffentlichkeitsfahndung, zu-

mal es sich im Grunde um die einzige Spur handelte.
4665

Auf Anregung des Leiters der BAO „Bosporus“ waren in
der BAO „Kiosk“ mindestens zwei Polizeibeamte aus
dem Bereich „Polizeilicher Staatsschutz“ im Einsatz. Dies
war bereits am 6./7. April 2006 der Fall.

4666
Weitere kon-

krete Maßnahmen in Richtung „Rechtsextremismus“
wurden auch nach dem Ergebnis der zweiten Operativen

Fallanalyse nicht getroffen. Der Zeuge Gricksch hat zur

Begründung ausgeführt, dass man sich auf die Spuren-

abarbeitung konzentriert habe, weil man gesagt habe:

„Wenn wir sie kriegen, dann kriegen wir sie über die
Spuren; und wenn dann Rechte dabei sind, dann gehen

wir zum Staatsschutz“. Sie hätten auch nicht aktiv die
rechte Szene „abgegrast“, weil es eben keine konkreten
Hinweise gegeben habe.

4667
Der Zeuge Gricksch hat darüber hinaus ausgesagt, dass

das LfV Nordrhein-Westfalen von der Dortmunder Poli-

zei nicht ausdrücklich nach Informationen befragt worden

sei. Er sei davon ausgegangen, dass das LfV über die

üblichen Meldewege informiert worden sei. Das LfV habe

dann gegebenenfalls von sich aus reagieren können.
4668

b) Hinweise nach dem 4. November 2011 auf
das Trio

Die polizeiliche V-Person H. hatte Ende März 2006, also

wenige Tage vor dem Mord, Informationen über einen

möglichen Waffenhandel von Toni S. geliefert. Einem

Vermerk ist zu entnehmen, dass H. nach Genehmigung

des aufgrund dieses Hinweises beantragten weiteren VP-

Einsatzes angegeben habe, in der Folgezeit sei eine Kon-

taktaufnahme zu Toni S. nicht mehr möglich gewesen.
4669

Der Treffbericht des VP-Führers KHK J. vom 6. April

2006 enthält keine Ausführungen zu einem Kontakt des

Toni S. mit einer rechtsextremen Person.
4670

Im Treffbe-

richt vom 11. April 2006 heißt es zur Aussage der VP,

unter türkischen Taxifahrern werde über den Mord an

Kubaşık erzählt, dass die Waffe in türkischen Kreisen für
Auftragsmorde verwandt und von Auftrag zu Auftrag

weitergegeben werde.
4671

Im November 2011 teilte die V-Person H. der Polizei mit,

dass sie am 1. April 2006, also drei Tage vor der Tat in

Dortmund, am dortigen Hauptbahnhof Uwe Mundlos in

Begleitung von Toni S. gesehen habe. Weiter heißt es in

dem Bericht des PP Dortmund vom 12. Dezember 2011:
4665) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 101.

4666) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 102.

4667) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 116.

4668) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 106 f., 117.

4669) Schreiben des PP Dortmund vom 6. Dezember 2011, MAT A

NW-6 f, Bl. 191 ff.

4670) MAT A NW-12, Tgb.Nr. 99/13 VS-Vertr., (Ordner 2) Reg.
Stammakte Bd. I, Ordner 1, Bl. 80 f.

4671) MAT A NW-12, Tgb.Nr. 99/13 VS-Vertr., (Ordner 2) Reg.

Stammakte Bd. I, Ordner 1, Bl. 82 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 533 – Drucksache 17/14600

„Die Person S. war der rechten Szene in Branden-
burg zuzuschreiben. Es wurde bekannt, dass S. im

Jahr 2003 hier in Dortmund Wohnsitz nahm und

zuvor als VP für den Verfassungsschutz Branden-

burg tätig war.“4672

Nachdem die VP H. in Dortmund bedroht wurde, verließ

sie mit Unterstützung des PP Dortmund die Stadt. Sie

erhielt im Mai eine weitere Drohung. Der VP-Führer

überschrieb einen Vermerk vom 9. Mai 2012 mit:

„(Ex-)VP dreht durch.“ In diesem Vermerk wird geschil-
dert, dass die VP H. am 8. Mai 2012 gegenüber dem BKA

angegeben habe, sie habe bereits 2006 Informationen an

die Polizei gegeben, dass sie den potenziellen Mörder

Mundlos drei Tage vor der Ermordung des

Kioskbetreibers in Dortmund zusammen mit einem Rech-

ten aus Dortmund mindestens eine Nacht durch Dortmund

gefahren habe. Damals hätte man aufgrund seiner Infor-

mationen Waffen sicherstellen können, jedoch sei nichts

passiert.
4673

Mit Schreiben vom 6. Juli 2012 an das PP Dortmund

bekräftigte die VP H. ihren Vorwurf, indem sie schilderte,

dass am 1. April 2006 eine Person, die sie nunmehr als

Uwe Mundlos identifiziere, Toni S. eine Schusswaffe

überreicht habe. Toni S. habe der VP die Waffe gezeigt

und erklärt, so eine Waffe könne er ihr schnell besorgen.

Diese Informationen habe die VP kurze Zeit nach dem

1. April 2006 an KHK J. weitergegeben, der sich hierfür

aber nicht interessiert habe.
4674

Diese Angaben wiederhol-

te H. im Rahmen einer Zeugenvernehmung beim

BKA.
4675

Toni S. wurde vom BKA am 14. Februar 2012 vernom-

men. Er bestritt einen Kontakt zu Mundlos.
4676

Die Staatsanwaltschaft Dortmund leitete gegen KHK J.

ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Straf-

vereitelung im Amt ein.
4677

2. Ermittlungen in Kassel nach dem Mord an
Halit Yozgat (MK „Café“)

Die Staatsanwaltschaft Kassel nahm die Ermittlungen auf.

Am 7. April 2006 wurde die Mordkommission (MK)

„Café“ eingerichtet, in welcher zunächst 35 Polizeibeamte
ermittelten.

4678
Das BKA bestätigte am 3. Mai 2006 die

Verwendung der gleichen Mordwaffe und damit die Zu-
4672) MAT A NW-6 f, Bl. 219 ff., 228.

4673) MAT A NW-12, (Tgb.Nr. 99/13 VS-Vertr.), (Ordner 2) Reg.

Stammakte Bd. I, Ordner 1, Bl. 530.

4674) MAT A GBA-15c, Bl. 152 ff.

4675) Vernehmungsprotokoll vom 26. Juli 2012, MAT A GBA-15c,

Bl. 158 ff.

4676) MAT A GBA-15c, Bl. 182 ff.

4677) Sachstandsmitteilung des PP Dortmund zum gesamten Kom-

plex vom 24. August 2012, MAT A NW-12, (Tgb.Nr. 99/13

VS-Vertr.), (Ordner 1) Reg. 5 (bezeichnet als Ordner 5), Bl.
558 ff. (offen).

4678) Pressemitteilung des PP Nordhessen vom 19. Juni 2006, MAT

A BKA-2/21, Bl. 218.

gehörigkeit auch dieser Tat zur Česká-Serie.4679 Im De-
zember 2006 waren noch sechs Beamte in der MK „Café“
beschäftigt.

4680
Mit Wirkung vom 1. Juli 2008 wurde die

MK „Café“ in die allgemeine Aufbauorganisation des PP
Nordhessen zurückgeführt.

4681
Zunächst wurden sämtliche Angehörige des Opfers sowie

Verwandte, Freunde und andere Personen im Umfeld des

Opfers befragt bzw. vernommen. Da aus anderen Ermitt-

lungen der Verdacht bestand, dass der Täter zum Auffan-

gen der Patronenhülsen die Pistole während der Schuss-

abgabe mit einer Plastiktüte umhüllt hatte, wurde der

Tatort mit einer forensischen Lichtquelle nach Teilen

einer Plastiktüte untersucht. Es wurden sämtliche zur

tatrelevanten Zeit gewonnenen Daten von Videoüberwa-

chungen an öffentlichen Plätzen, Tankstellen im Stadtge-

biet sowie Tank- und Rastanlagen auf der BAB 44 zwi-

schen Dortmund und Kassel gesichert. Außerdem wurden

sämtliche Hotels im Stadtgebiet Kassel hinsichtlich tatre-

levanter Gäste bzw. Beobachtungen überprüft. Sämtliche

Listen der Ringalarmfahndung wurden mit Blick auf

ausländische Kennzeichen und tatrelevante Autotypen

„Van“ ausgewertet. Bezüglich des Festanschlusses des
Internetcafés sowie sämtlicher in Frage kommender Mo-

bilfunkanschlüsse des Opfers Halit Yozgat wurden die

Verbindungsdaten erhoben. Über die BAO „Bosporus“
wurde eine Funkzellenauswertung im engeren und weite-

ren Bereich des Tatortes sowie im Bereich der Ausfall-

straßen von Kassel organisiert und anschließend die

Funkzellendaten in einem Zeitraum vom 4. April 2006 bis

7. April 2006 ausgewertet.
4682

Zu den Ermittlungen im rechten Bereich hat der Leiter der

MK „Café“, der Zeuge LKD Hoffmann, ausgesagt:

„Wir haben ansonsten das rechte Spektrum in Kas-
sel sehr wohl auch zum Tatzeitpunkt im Auge ge-

habt, haben da Bewertungen vorgenommen. Die

gesamte Serie, auch die Tat in Kassel, war in der

rechten Szene in Kassel kein Thema. Das heißt, es

gab niemanden, der sich damit irgendwo gebrüstet

hat, oder dass es irgendwo öffentliche Äußerungen

gab von Personen aus dem rechten Spektrum, auch

keine öffentlichen Äußerungen in irgendeiner Art

und Weise, dass die Tat gutgeheißen wurde oder

sonst irgendetwas.“4683

Sie hätten zu keinem Zeitpunkt konkrete Hinweise darauf

bekommen, dass eine rechte Gruppierung hinter diesen

Anschlägen stehe. Sie hätten daher auch keine entspre-

chenden Ermittlungen anstellen können. Auch der Vater

des Opfers habe lediglich eine dahingehende Vermutung
4679) MAT A GBA-4/7a, Bl. 144.

4680) Protokoll der Steuerungsgruppe vom 6./7. Dezember 2006,

MAT A BKA 2-25, Bl. 353 ff, 356.

4681) E-Mail vom 10. Juli 2008, MAT A HE-4, Bl. 1 f.

4682) Sachstandsbericht vom 9. April 2006, MAT A GBA-4/10e

(neu), Bl. 167 f.

4683) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 100.

Drucksache 17/14600 – 534 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

geäußert, ohne dass sich hieraus Ermittlungsansätze erge-

ben hätten.
4684

An das LfV Hessen seien nach Aussage des Zeugen

Hoffmann keine Anfragen zu einem möglichen rechten

Hintergrund gerichtet worden, da es keinen konkreten

Anhaltspunkt in diese Richtung gegeben habe. In den

vielen Gesprächen mit dem LfV sei allerdings die zweite

Operative Fallanalyse thematisiert worden, sodass sie

davon ausgegangen seien, das LfV teile von sich aus

Informationen mit, wenn sie vorhanden gewesen wären.

Konkrete Anträge auf eine Befassung des LfV Hessen

seien allerdings nicht gestellt worden.
4685

Zu den Ermittlungen des PP Nordhessen konnte der Aus-

schuss umfangreiche Akten auswerten.
4686

Diese belegen

intensive Ermittlungen – neben Beschuldigten- und Zeu-
genvernehmungen, Durchsuchungen und der Auswertung

von Daten aus beschlagnahmten Telefonen und Compu-

tern auch die Mitwirkung an den für alle Tatorte verein-

barten Ermittlungsmaßnahmen, darunter Funkzellenda-

tenauswertungen, Hotelüberprüfungen, Kreditkartenaus-

wertungen und viele mehr.

3. Diskussion um die Übernahme der zentra-
len Ermittlungsführung durch das BKA im
Jahr 2006

Am 4. April 2006 wurden Mehmet Kubaşık in Dortmund
und am 6. April 2006 Halit Yozgat in Kassel ermordet.

Das Bundeskriminalamt war nach Angaben des Zeugen

Hoppe unmittelbar am Tattag oder an den Tagen danach

an den Tatorten anwesend.
4687

Mit diesen beiden Morden war die Zahl der Todesopfer

der Česká-Mordserie auf neun angewachsen. Fünf der
Mordfälle wurden bei einer Staatsanwaltschaft bearbeitet,

vier bei einer jeweils anderen. Insgesamt waren zu diesem

Zeitpunkt sechs Polizeibehörden beteiligt. Ermittlungser-

folge gab es nicht.

Vor diesem Hintergrund sah das BKA Schwachstellen in

der bisherigen Ermittlungsführung, denen es – anders als
noch im Jahr 2004 – durch die Übernahme der Gesamt-
ermittlungen entgegenwirken wollte. Da eine originäre

Ermittlungszuständigkeit nach § 4 Abs. 1 BKAG nicht

angenommen wurde und auch ein Ersuchen des General-

bundesanwalts nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BKAG nicht

gestellt war, wurde im BKA eine Übernahme auf Ersu-

chen der Länder nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG oder

aufgrund einer Beauftragung durch den Bundesminister

des Innern nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG
4688

disku-

tiert.
4684) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 108.

4685) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 102.

4686) MAT A GBA-4/10a bis 10d /10e (neu) bis 10h (neu) / MAT A
GBA-4/11a (neu) bis 11n (neu).

4687) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.

4688) Zur Vorschrift siehe oben F.II.5.b)bb)

a) Zentrale Besprechungen und Vorlagen im
Vorfeld der 180. IMK

4689
am 4./5. Mai 2006

aa) Besprechung bei der BAO „Bosporus“ am
11. April 2006

Bereits in einer bei der BAO „Bosporus“ in Nürnberg am
11. April 2006 durchgeführten Besprechung wurde sei-

tens des BKA die Frage einer zentralen Ermittlungsfüh-

rung durch das BKA aufgeworfen.
4690

bb) ND-Lage am 12. April 2006

Ausweislich einer E-Mail an den damaligen Unterabtei-

lungsleiter P I im BMI, Dr. Förster, sprach BKA-

Präsident Ziercke in der ND-Lage vom 12. April 2006 die

Frage der Übernahme der Ermittlungen nach

§ 4 Abs. 2 BKAG durch das BKA an, allerdings nicht in

der Präsidentenrunde. StS Dr. Hanning hatte an dieser

ND-Lage ausweislich der Teilnehmerliste nicht persön-

lich teilgenommen.
4691

Dies wurde dem Unterabteilungs-

leiter P I im BMI, Dr. Förster, von einem Mitarbeiter des

BMI mitgeteilt. Zu der Übernahme der Ermittlungen

durch das BKA auf Anordnung des Bundesministers des

Innern heißt es in der E-Mail:

„Ich gehe mal davon aus, dass ein Ersuchen einer
zust. Landesbehörde (Fall des § 4 Abs. 2 Nr. 1)

nicht vorliegt; in Betracht kommt also nur der

§ 4 Abs. 2 Nr. 2. Der setzt zwar ‚nur‘ eine Unter-
richtung der (jeweiligen) obersten Landesbehörden

voraus. Es ist aber undenkbar, dass hier etwas an-

geleiert wird, ohne dass die betroffenen Länder ihr

Einverständnis zumindest signalisiert haben. Ob

das vorliegt, möchte ich mal bezweifeln, schließ-

lich haben offenbar sowohl NW [Nordrhein-

Westfalen] als auch HE [Hessen] bereits eigene

BAO eingerichtet. Lange Rede kurzer Sinn: Mit

einem Antrag des BKA, der sich nicht dazu ver-

hält, wie und ob die Länder in den Vorschlag ein-

gebunden sind, können wir nichts anfangen. Das

müssen wir gegebenenfalls auch gegenüber dem

BKA als Erwartungshaltung formulieren.“4692

cc) Strategiebesprechung vom 19. April 2006

In einer auf Initiative des BKA am 19. April 2006 durch-

geführten Strategiebesprechung, an der Mitarbeiter von

BKA, LKA Hamburg, LKA Wiesbaden, PP Nordhessen,

PP Südhessen, PP Frankfurt/Main, RKI Rüsselsheim, KPI

Rostock, LKA Rheinland-Pfalz, PP Mainz, LKA

Nordrhein-Westfalen, KD Dortmund, PP Mittelfranken,
4689) Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der

Länder (Innenministerkonferenz). An ihren halbjährlichen Tref-

fen nimmt der Bundesminister des Innern als Gast teil.

4690) Besprechungsprotokoll BAO „Bosporus“ vom 11. April 2006,
MAT A, BKA-2/18, Bl. 515.

4691) MAT A BK-3b, Bl. 8.

4692) MAT A BMI-4/30, Bl. 32.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 535 – Drucksache 17/14600

KPI Augsburg und LPD Saarbrücken teilnahmen, legte

der damalige Leiter der Abteilung „Schwere und Organi-
sierte Kriminalität (SO)“ im BKA, Jürgen Maurer, laut
Protokoll dar, dass eine einheitliche Ermittlungsführung

von großer Bedeutung sei und gab „folgende Lageein-
schätzung ab:

– Serie, die bisher neun Taten umfasst und seit
2000 läuft

– kein eindeutiger Schwerpunkt, verteilt über
die Republik

– enormer Koordinationsbedarf im Inland und
im Ausland

– mit weiteren Taten wird das öffentliche Inte-
resse ansteigen

– verschiedene Staatsanwaltschaften sind betrof-
fen

– politische Seite wird stärker Einfluss nehmen

– die Koordinationsrolle des BKA ist zu be-
leuchten

– keine wirklich heiße Spur

– begründete Hypothese: Verbindungen zu kri-
minellen Organisationen

– politische Hintergründe sind nicht auszu-
schließen, ebenso wenig wie rassistisch orien-

tierte Täter

Herr Maurer betont, dass eine einheitliche Ermitt-

lungsführung von großer Bedeutung ist. Aus die-

sem Grund wird die Abteilung über die Amtslei-

tung im BMI anregen, das BKA als ermittlungs-

führende Dienststelle zu beauftragen

(§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG).“4693

Zu dieser Strategiebesprechung hat der Zeuge Jürgen

Maurer in seiner Vernehmung ausgeführt:

„Diese Besprechung ist ein erster Zwischenpunkt
gewesen in einer Reihe von Besprechungen. Ziel

dieser Besprechungen war, den beteiligten Län-

derbehörden und den beteiligten Akteuren im

BKA klarzumachen, dass, weil wir mittlerweile

neun Morde hatten, es an der höchsten Zeit ist, in-

tensiv über ein Wiederaufsetzen, Restrukturierung

der Aktivitäten nachzudenken. Das ist jetzt eine

Besprechung, bei der ein Protokoll erstellt wurde –
sehr verkürzt. Da wurde intensiv und strittig disku-

tiert und konfliktär diskutiert. […] Natürlich ist
das auch mit der Amtsleitung diskutiert worden.

[…] Und spätestens ab Mai/Juni 2005 hat dieser
Prozess begonnen, und kulminiert hat er nach den

beiden Mordtaten im April 2006. Und da passt die-

ser Vermerk rein. Ja, das ist genau so gelaufen;
4693) Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, MAT

A BKA-2/19, Bl. 217 ff.

und das ist permanenter Diskussionstand auch im

Haus.“4694

Nach Angaben des Zeugen Hoppe ist diese Besprechung

auf seine, jedenfalls auf Initiative des Bundeskriminalam-

tes zustande gekommen, um möglichst eine einvernehm-

liche Lösung zur Übernahme des Verfahrens zentral und

in Gänze beim BKA herbeizuführen. Bei dieser Bespre-

chung habe er aber, wie auch bei der Besprechung in

Nürnberg, feststellen müssen, dass das nicht zwangsläufig

zu einer einvernehmlichen Lösung führen würde.
4695

Zu der Besprechung habe das BKA bewusst bundesweit,

und nicht nur die von den Morden betroffenen Länder

eingeladen.
4696

Es seien aber nur einige wenige zusätzlich

geladene Länder vertreten gewesen.
4697

Das BKA habe in der Strategiebesprechung vom 19. April

2006 auch festlegen wollen, wie ab sofort mit eingehen-

den Hinweisen umzugehen sei, und dass diese mit der

sogenannten Lage- und Informationssammelstelle (LISt)

zentral gesammelt, bewertet und zur Verfügung gestellt

würden.
4698

Dies sei auch an diesem Tag so vereinbart

worden und das BKA habe angefangen, die sich aus der

Vereinbarung ergebenden Maßnahmen umzusetzen.
4699

dd) Gespräch des Präsidenten des Bundes-
kriminalamtes mit den Chefs der Landes-
kriminalämter Bayern, Hamburg, Hessen,
Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-
Vorpommern und Schleswig-Holstein vom
20. April 2006

Am 20. April 2006 führte BKA-Präsident Ziercke mit den

Chefs der Landeskriminalämter Bayern, Hamburg, Hes-

sen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern

und Schleswig-Holstein ein Gespräch zum geplanten

Vorgehen des BKA. Aus einer E-Mail des BKA ergibt

sich, dass auch die Landeskriminalämter einer Übertra-

gung der Ermittlungszuständigkeit an das BKA ablehnend

gegenüber standen:

„MV [Mecklenburg-Vorpommern]: Nach dem 5.
Mord (in MV) vor etwa 1 1/2 [Jahren] gab es im

BKA eine Besprechung, in der sich das BKA ge-

gen eine Übernahme der Ermittlungen gesträubt

hat. Das BayLKA hatte sich bereit erklärt, die Er-

mittlungen zu übernehmen.

BY [Bayern]: Da das LKA nicht an der BAO

‚Bosporus‘ beteiligt ist, kann ad hoc keine Aussa-
ge getroffen werden. Die Angelegenheit müsse

aber sicherlich auf Ministeriumsebene erörtert

werden.
4694) Maurer, Protokoll-Nr. 15, S. 11 f.

4695) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.

4696) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.

4697) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.

4698) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.

4699) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.

Drucksache 17/14600 – 536 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

HH [Hamburg]: In HH ein Fall; es lief sicherlich

nicht alles optimal; BKA hatte allerdings Ermitt-

lungsführung abgelehnt, so dass es jetzt einen

‚komischen Geschmack‘ habe, wenn das BKA die
zentrale Ermittlungsführung übernähme.

NW [Nordrhein-Westfalen]: Das LKA ist nur in-

formatorisch eingebunden. Aus fachlicher Sicht ist

eine zentrale Ermittlungsführung sinnvoll, die Fra-

ge ist wo – der Schwerpunkt liegt in BY. Eine wei-
tere Frage wäre, ob durch die Übernahme des

BKA eine qualitative Verbesserung zu erwarten

sei.

HE [Hessen]: Man muss zunächst mal eine StA

finden; sinnvollerweise zentrale Ermittlungsfüh-

rung in BY;

HE (und auch BKA) könnten Spezialisten nach

BY entsenden. Bei Übernahme durch BKA werden

Effizienz-/Effektivitätsverluste durch Frust bei den

bislang tätigen Beamten befürchtet.

SH [Schleswig-Holstein]: Wurde schon ein OFA-

Ansatz gewählt? Was passiert, wenn der nächste

Mord in einem bislang noch nicht betroffenen

Bundesland passiert – die müssen dann bei Null
anfangen, insofern zentrale Ermittlungsführung

positiv.

PR [BKA-Präsident Ziercke] hat betont, dass es

nicht darum ginge, die Länder zu brüskieren – es
solle vielmehr die Koordination, insbesondere

auch die internationale, sowie die Spurenverglei-

che in den Vordergrund gestellt werden. Wenn

nicht in diesem Fall, dann frage er sich, in wel-

chem der § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG angewendet

werden soll. Er werde ein entsprechendes Schrei-

ben an den Bundesinnenminister richten. Parallel

werde er (nächste Woche) vorab mit Herrn Kindler

(BY) sprechen. Die Länder müssten sich verge-

genwärtigen, dass der öffentliche Druck mit jedem

weiteren Fall enorm zunehmen werde.“4700

ee) Telefonat des Präsidenten des Bundeskri-
minalamtes mit dem Landespolizeipräsi-
denten Bayerns am 21. April 2006

Am 21. April 2006 telefonierte der Präsident des BKA,

Jörg Ziercke, mit dem Zeugen Kindler. In einem nach

Unterrichtung durch BKA-Vizepräsident Falk von KD

Hoppe verfassten Vermerk des BKA vom 24. April 2006

heißt es:

„VP berichtet zu den von PR und VP wahrge-
nommenen Gesprächen und Telefonaten:

Telefonat PR mit Herrn Kindler Bay. Staatsminis-

terium des Innern (21.04.2006): das Thema sei

schon mit Staatsminister Beckstein erörtert wor-

4700) E-Mail BKA zur Kenntnisnahme Vizepräsi-
dent Falk vom 21. April 2012, BKA-2/19, Bl. 295 f.

den. Die Zuweisung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG

würde man eher als ‚Kriegserklärung‘ verstehen.
Gespräch sei eher unerfreulich verlaufen.“4701

Der Zeuge Ziercke hat zu diesem Telefonat angesprochen

erklärt:.

„Also, im Kern habe ich das erörtert, was in die-
sem Brief steht, den wir nachher dem Bundesin-

nenminister vorgelegt haben, worauf wir dann ja

die Übernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 [BKAG] be-

treiben wollten.“4702

Der Zeuge Kindler hat angegeben, ein solches Papier bis

heute nicht zu kennen. Darüber, dass man ihm das Papier

nicht zur Kenntnis gegeben habe, sei er sehr verwundert,

denn man hätte ihn ja auf Mängel hinweisen müssen.
4703

ff) Gespräche des Vizepräsidenten und des
Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit
Vertretern des BMI am 20. und
21. April 2006

Bereits am 20. April 2006 hatte sich der Vizepräsident des

BKA, Falk, in dieser Angelegenheit auch an das BMI

gewandt. In einem Telefonat mit dem UAL

P1, Dr. Förster, wurde vereinbart, dass das BKA einen

Bericht vorlegen werde, welcher die Besonderheiten des

Falles darzulegen und den Mehrwert einer BKA-

Bearbeitung aufzuzeigen habe. In einem nach Unterrich-

tung durch VP Falk zu diesen Gesprächen vom Zeugen

Hoppe verfassten Vermerk vom 24. April 2006 heißt es:

„Gespräch VP mit L/P I (Dr. Förster) am
20.04.2006:

§ 18 BKAG wurde einvernehmlich verworfen, ein

Sammelverfahren bei einer StA ist anzustreben

(Nr. 25 ff. RiStBV).

BKA legt bis zum Freitag (28.04.2006) einen Be-

richt vor, der die Besonderheit der Fallgestaltung,

– den Mehrwert durch die BKA-
Wahrnehmung,

– die Übernahme zum jetzigen Zeitpunkt

erklärt.

Die weitere Verfahrensweise wird dann sein:

– Vorlage StS Dr. Hanning,

– Schreiben StS Dr. Hanning an alle betroffe-
nen StS der Länder, mit der Anregung wegen

der Besonderheit des Falles etc., etc., das

BKA gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG um

Übernahme zu ersuchen,
4701) BKA Vermerk vom 24. April 2006, MAT A BKA-2/19,

Bl. 252.

4702) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.

4703) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 101; S. 102.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 537 – Drucksache 17/14600

mit dem Hinweis auf andere Möglichkeiten

und Instrumentarien.

PR ist mit dieser Linie einverstanden. Bericht

muss am Freitag fertig sein, da in der nächsten

Woche IMK ist und davon auszugehen ist, dass

Staatminister Beckstein, IM Schäuble ansprechen

wird.“4704

Auf einem in den Akten des BKA befindlichen Notizzet-

tel, in dem Stichpunkte zu diesen Gesprächen vermerkt

sind, heißt es zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKAG:

„mildeste Form der Folter“.4705

Der Zeuge Falk hat auf Vorhalt ausgesagt, diese Anmer-

kung nicht notiert zu haben.
4706

Zum Inhalt seines mit Dr.

Förster geführten Gesprächs hat er erklärt:

„Ich habe dann, nachdem im BKA der Entschluss
gefallen war, den Bundesminister um diese Beauf-

tragung zu bitten, am 20. April 2006 ein vorberei-

tendes Gespräch mit dieser Zielrichtung mit einem

Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums geführt,

mit einem Unterabteilungsleiter, mit Herrn Dr.

Förster, der sich unserer Überlegung auch nicht

verschlossen hat und mich gebeten hat, dafür zu

sorgen, dass wir einen entsprechenden Bericht –
ich glaube, er hat den Begriff ‚Anregungsschrei-
ben‘ benutzt – an das Ministerium richten.“4707

Der Zeuge Dr. Förster hat dies im Wesentlichen bestätigt.

Er habe aber nicht von „Anregung“, sondern von einer
„Kettenanregung“ gesprochen, weil das Papier dazu habe
dienen sollen, auf der bevorstehenden Innenministerkon-

ferenz mit der bayerischen Seite darüber zu sprechen, ob

das nicht Anlass sein könnte zu einer weiteren Übertra-

gung der Zuständigkeit mit einer eindeutigen Präferenz

für eine Lösung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG (auf

Ersuchen der zuständigen Landesbehörde) im Gegensatz

zu § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG. Bei letzterer treffe der

Bundesinnenminister die Anordnung, was man vielleicht

als feindliche Übernahme charakterisieren könne, die im

Bund-Länder-Verhältnis sicherlich nicht angesagt sei.
4708

Darüber hinaus hat KD Hoppe in dem Vermerk vom

24. April 2006 festgehalten, dass der damalige Staatssek-

retär im Bundesministerium des Innern, Dr. Hanning, in

einem Telefonat mit dem Präsidenten des BKA vom

21. April 2006, in dem dieser eine Vorlage des BKA an

das BMI angekündigte, die Angelegenheit „offen“ gese-
hen habe.

4709

4704) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A

BKA-2/19, Bl. 352.

4705) MAT A BKA-2/19, Bl. 356.

4706) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.

4707) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.

4708) Förster, Protokoll-Nr. 41, S. 131.

4709) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A

BKA-2/19, Bl. 352.

gg) Vermerk des Bayerischen Staatsministeri-
ums des Innern vom 26. April 2006

In einem Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums

des Innern vom 26. April 2006 wird umfänglich darge-

legt, unter welchen einschränkenden rechtlichen Voraus-

setzungen eine Übernahme durch das BKA nach § 4 Abs.

2 Satz 1 Nr. 2 BKAG in Betracht kommt.
4710

Danach

waren nach Auffassung des Bayerischen Staatsministeri-

ums des Innern folgende Gesichtspunkte in Bezug auf die

Mordserie zu berücksichtigen:

„besondere Schwere der Taten;

kontinuierliches Vorgehen des Täters bzw. der Tä-

ter über einen umfassenden Zeitraum;

Tatorte liegen in verschiedenen Bundesländern;

besondere Medienwirksamkeit, die vom Täter

wohl auch beabsichtigt ist;

Drohpotential für Personen, die zur Gruppe poten-

tieller Tatopfer gehören;

mutmaßlicher Auslandsbezug;

Notwendigkeit eines intensiven Informationsaus-

tausches zwischen allen beteiligten Dienststellen.“

Ob diese Aspekte allerdings ausreichend seien, um die

Annahme schwerwiegender Gründe im Sinn des § 4 Abs.

2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zu rechtfertigen, sei eine Frage der

Abwägung.
4711

hh) Haltung der BAO „Bosporus“ im April 2006

Am 27. April 2006 richtete der Leiter der BAO „Bospo-
rus“, Geier, ein Schreiben an das Bayerische Staatsminis-
terium des Innern zur Vorlage bei dem Abteilungsleiter

und Landespolizeipräsidenten Kindler mit folgendem

Vorschlag:

„Zukünftig sollte unter Beibehaltung der Ermitt-
lungszuständigkeit der jeweiligen Länder eine en-

ge Zusammenarbeit der SoKos in der Weise gesi-

chert werden, dass ein abgestimmtes und koordi-

niertes Vorgehen in dieser Fallserie durch regel-

mäßige Strategiebesprechungen stattfindet. […]
Aus Gründen einer möglichst reibungslosen und

erfolgreichen Zusammenarbeit in unseren födera-

len Strukturen sollte weder das BKA noch die

BAO ‚Bosporus‘ eine Ermittlungsführerschaft
übernehmen.“4712
4710) MAT A BY-2/9a, Bl. 168 ff.

4711) MAT A BY-2-9a, Bl. 168 ff. (169 f.).

4712) MAT A BY-2/6c, Bl. 894 ff.

Drucksache 17/14600 – 538 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ii) Schreiben des Bundeskriminalamtes an
das BMI mit der Anregung der Übernahme
zentraler Ermittlungen vom 2. Mai 2006

In einem als Ergebnis eines Gesprächs vom 20. April

2006 zwischen dem Vizepräsidenten des BKA Falk und

dem Unterabteilungsleiter „Polizeiangelegenheiten (P I)“
im BMI Dr. Förster verfassten Schreiben des BKA vom

2. Mai 2006 wurde beim BMI eine zentrale Ermittlungs-

führung durch das BKA gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1

oder Nr. 2 BKAG angeregt.
4713

Das Schreiben wurde vom

Vizepräsidenten Falk in Vertretung des sich auf einer

Auslandsdienstreise befindenden Präsidenten des BKA

Ziercke
4714

unterzeichnetet.

Nach Wiedergabe des Sachverhalts und Beschreibung der

aktuellen Situation hinsichtlich der Vielzahl beteiligter

Dienststellen auf Ebene von Polizei und Justiz widmet

sich das Schreiben vor allem

– der Besonderheit des Falles,

– dem zu erzielenden Mehrwert einer zentralen Ermitt-
lungsführung durch das BKA und

– einem Alternativvorschlag für eine zentrale Aufga-
benwahrnehmung durch das BKA.

4715
Unter Punkt III. erfolgt folgende Bewertung der bisheri-

gen Aufgabenwahrnehmung:

„Die Bewertung aus dem Jahr 2004 – keine zentra-
le Ermittlungsführung durch das BKA – ist nach
der Lageänderung durch die Fortsetzung der Tatse-

rie und die Ausweitung der Tatortbehörden auf

Dortmund und Kassel (also auch auf zwei weitere

Bundesländer) nicht mehr aufrecht zu erhalten. In-

zwischen führen fünf (5) Staatsanwaltschaften und

sechs (6) Polizeibehörden in neun (9) Mordfällen

weitgehend getrennte Ermittlungen zu einem oder

mehreren gemeinsamen Tatverursacher(n).

Die bisherige Struktur der Zusammenarbeit weist

(mit jedem neuen Fall zunehmende) Problemkons-

tellationen auf:

– Von den beteiligten Dienststellen wird kein
einheitliches Ermittlungskonzept verfolgt, das

u. a. unter Berücksichtigung der Lagen vor Ort

z. B. die Prioritäten, die Intensität und die zeit-

lichen Abfolgen der zu treffenden Ermitt-

lungsmaßnahmen festlegt. So ist es bereits

durch dezentrale unabgesprochene Ermitt-

lungshandlungen zu Mehrfachbearbeitungen

(z. B. Aktenstudium, Personalabklärungen,

Auslandsermittlungen) und zu Beschwerden

von Adressaten von Informationserhebungs-

maßnahmen gekommen, die durch eine zent-

rale Ermittlungsführung hätten vermieden

werden können.
4713) MAT A BKA-2/20, Bl. 9 ff. = MAT A BMI-4/30, Bl. 90 ff.

4714) Falk, Protokoll-Nr. 19. S.6.

4715) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 9.

– Damit einhergehend liegt weder ein einheitli-
ches Fahndungskonzept vor, noch wird eine

einheitliche Öffentlichkeitsarbeit betrieben.

– Es ist nicht sichergestellt, dass Informationen
aus den bisherigen Einzeltaten vollständig an

einer Stelle zusammengeführt, umfassend

zentral ausgewertet, bewertet und effizient in

die Strukturermittlungen eingebracht werden.

– Der gebotene zeitgerechte und alle Adressaten
angemessen, berücksichtigende Austausch

von Informationen der Tatortbehörden unter-

einander und mit dem BKA ist hiesigen Er-

achtens vor dem jeweils nur spezifischen (im

ungünstigen Fall nur punktuellen) Bewer-

tungshintergrund der einzelnen Tatortbehör-

den nicht im vollem (d. h. fachlich erforderli-

chen) Umfang gewährleistet.

– Verdeckte taktische Ermittlungsmaßnahmen
im In- und Ausland können mangels Abspra-

chen der Bundesländer untereinander und mit

dem BKA nicht zentral geplant und koordi-

niert werden.

Sofern sich die Mordserie fortsetzen würde, wür-

den sich die dargestellten Problemstellungen durch

die örtliche und sachliche Zuständigkeit weiterer

Landesbehörden noch weiter verschärfen. Schon

der jetzige Zustand birgt ein hohes Risiko hinsicht-

lich des angestrebten Aufklärungserfolges, dem

neben der Gewährleistung des staatlichen Strafan-

spruchs in dieser Konstellation auch die entschei-

dende präventive Wirkung (= Beendigung der Se-

rie) zugemessen werden muss.“4716

Als die fachlich beste Lösung sah das BKA dabei eine

zentrale Ermittlungsführung durch das BKA an – entwe-
der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG (auf Ersuchen

einer zuständigen Landesbehörde) oder nach

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG (auf Anordnung des Bun-

desministers des Innern nach Unterrichtung der obersten

Landesbehörden aus schwerwiegenden Gründen).

Zur Begründung wurde angeführt, das geschilderte Ne-

beneinander von Zuständigkeiten und Aufgabenwahr-

nehmungen verschiedener Polizeidienststellen und Staats-

anwaltschaften spreche in Verbindung mit fehlenden

Ermittlungserfolgen in diesem Tatkomplex unter krimina-

listischen Gesichtspunkten ganz überwiegend für eine

einheitliche zentrale Ermittlungsführung durch das BKA

mit zu unterstellenden (bereits bestehenden) regionalen

Einsatzabschnitten der Länderdienststellen. Das BKA

könne besser als eine der beteiligten Länderpolizeien, wo

mit Ausnahme des LKA Hamburg die Ermittlungen noch

nicht einmal von den Landeskriminalämtern geführt wür-

den, folgende Aspekte gewährleisten:

„Durch die zentrale Ermittlungsführung des BKA
würden klare Kommunikationsstrukturen, ein Zu-
4716) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 15 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 539 – Drucksache 17/14600

sammenführen aller Hinweise und Spuren sowie

ihr komplexer Abgleich unter einheitlicher Per-

spektive bei gleichzeitiger Offenheit für neue, z. B.

aus einem der Einzelfälle resultierenden Aspekte,

die für den Gesamtkomplex von Bedeutung sind,

sowie ein stringentes und abgestimmtes Ermitt-

lungskonzept mit eindeutigen Über- und Unterord-

nungsverhältnissen sichergestellt. Da von einem

zusammenhängenden Tatgeschehen mit starken in-

ternationalen Bezügen (Türkei, Niederlande) aus-

zugehen ist, wäre ein koordiniertes und geschlos-

senes Auftreten gegenüber ausländischen Polizei-

und Justizbehörden gewährleistet. Klare Führungs-

strukturen und Weisungskompetenzen im Sinne

einer BAO würden das Risiko von Informations-

verlusten, Doppelarbeiten, dadurch entstehende

Ermittlungspannen minimieren, damit die Ermitt-

lungen effektivieren und die Wahrscheinlichkeit

der Tataufklärung deutlich erhöhen.“ 4717

Es folgte der Hinweis, dass es auch bei einer zentralen

Ermittlungsführung keine Erfolgsgarantie gebe.
4718

In dem Schreiben vom 2. Mai 2006 heißt es weiter, dass

vor dem Hintergrund der bislang unklaren Motivlage ein

strategisch und taktisch in sich stimmiger, breiter und

einheitlicher Ermittlungsansatz gewählt werden müsse,

der weitere Fachbereiche des BKA (z. B. die Abteilung

„Staatsschutz“) sowie andere Sicherheitsbehörden des
Bundes einbinde, da ein Staatsschutzhintergrund derzeit

nicht auszuschließen sei. Dafür seien in zeitlicher Hin-

sicht ein „langer Atem“ und im Übrigen die Bereitstellung
personeller Ressourcen erforderlich, die nicht durch das

„Tagesgeschäft“, das bei einer örtlichen Polizeidienststel-
le zwangsläufig anfalle, rückgebunden werden könne.

4719
Für Fallkonstellationen dieser Art sehe § 4 Abs. 2 BKAG

ausdrücklich – entgegen der ansonsten grundsätzlich
bestehenden Länderzuständigkeit – die Möglichkeit der
Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben auf dem Ge-

biet der Strafverfolgung durch das BKA vor. Bei in der

Regel vom Unrechtsgehalt her weniger bedeutenden Fäl-

len mit terroristischem bzw. sonstigem Staatsschutzhin-

tergrund hätten sich zentrale Ermittlungen auf Ebene der

Staatsanwaltschaft (GBA) und der Polizei (BKA) vielfach

bewährt. Es sei kaum vorstellbar, dass die Ermittlungen

noch immer dezentral geführt würden, gäbe es hier An-

haltspunkte für das Vorliegen eines politischen Tatmo-

tivs.
4720

Unabhängig davon, ob die zuständigen Landesbehörden

das BKA gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG um die

Übernahme der Ermittlungen in allen neun Fällen ersu-

chen könnten oder würden, lagen nach Auffassung des

BKA im vorliegenden Fall schwerwiegende Gründe i.S.d.

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG vor, die eine Anordnung
4717) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.

4718) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.

4719) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.

4720) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17.

des Bundesministers des Innern zur Übernahme der Straf-

verfolgung durch das BKA nahelegen würden: Dieser

Tatkomplex stelle Schwerstkriminalität dar. Er umfasse

mittlerweile neun unaufgeklärte Morde, die über einen

Zeitraum von sechs Jahren in fünf Bundesländern began-

gen wurden. Dadurch, dass überwiegend türkische bzw.

türkischstämmige Opfer Ziel der/des Straftäter(s) wurden,

seien die Taten bereits jetzt geeignet, die bundes- und

außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutsch-

land zu tangieren. Sowohl aus den deutschen Auslands-

vertretungen in der Türkei (Botschaft und Generalkonsu-

lat in Istanbul) als auch aus Kontakten mit der General-

sicherheitsdirektion der türkischen Polizei in Ankara sei

dem BKA bekannt, dass die Mordserie bei den türkischen

Sicherheitsbehörden und Medien – wie die Aufklärungs-
bemühungen in Deutschland auch – sehr aufmerksam
verfolgt würden.

4721
Aus Gesprächen auf Fachebene sei dem BKA inzwischen

deutlich geworden, dass derzeit mit Ersuchen aller betrof-

fenen Bundesländer an das BKA, die Strafverfolgung

zentral zu übernehmen, eher nicht zu rechnen sei. Bisher

sei es noch nicht einmal gelungen, ein staatsanwaltschaft-

liches Sammelverfahren (Nr. 25 ff. RiStBV) sicherzustel-

len, das nach Lage der Dinge am ehesten bei der Staats-

anwaltschaft Nürnberg anzusiedeln wäre. Ein solches

Sammelverfahren sei aber in jedem Fall geboten. Es sei

im Übrigen die wesentliche und geeignete Voraussetzung

für ein Ersuchen der dann federführenden Staatsanwalt-

schaft an das BKA gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG,

was eine Anordnung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG

obsolet machen würde. Eine solche Lösung sei einer An-

ordnung durch den Bundesminister unbedingt vorzuzie-

hen. Sie setze aber Einvernehmen voraus.
4722

In dem Schreiben wurde weiterhin dargelegt, dass für den

Fall, dass eine Übertragung der zentralen Ermittlungsfüh-

rung an das BKA nach den Varianten des

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BKAG nicht erfolge,

sich das BKA als Zentralstelle in Form einer Lage- und

Informationssammelstelle (LISt) im Rahmen des bisher

geführten Strukturverfahren einbringen werde. Die LISt

sei bereits anlässlich der letzten Strategiebesprechungen

aller beteiligten Dienststellen am 19. April 2006 auf Vor-

schlag des BKA vereinbart und beim BKA eingerichtet

worden.
4723

Die von der LISt wahrzunehmenden Aufgaben beschrieb

das BKA wie folgt:

– „zentrale Informationssammlung, -bewertung,
-steuerung gemäß einer gemeinsam zu erstel-

lenden, koordinierten Ermittlungs- und Öf-

fentlichkeitsstrategie,

– Erfassung und Bewertung aller zentral und
dezentral eingehenden Hinweise, Abgleich der

Inhalte mit bereits vorhandenen Informationen
4721) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 17 f.

4722) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18.

4723) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.

Drucksache 17/14600 – 540 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Dateiinhalten, Steuerung der Auswerteer-

gebnisse an die betroffenen Ermittlungsdienst-

stellen,

– Koordination und Zusammenführung der Spu-
renbearbeitung sowie Einbindung der OFA im

BKA,

– aktive und offensiv betriebene zentrale Infor-
mationserhebung auf internationaler Ebene im

Sinn der Wahrnehmung der Funktion als Na-

tionales Zentralbüro von Interpol, d. h. Durch-

führung bzw. Koordinierung des internationa-

len polizeilichen Informationsaustausches,

Vermittlung der zuständigen internationalen

Ansprechpartner unter Einbeziehung der

BKA-VBs, Informationsübermittlung an In-

landsdienststellen,

– Gewährleistung eines aktiven und strukturier-
ten Informationsaustausches auf nationaler

Ebene im Rahmen von Lage- und Einsatzbe-

sprechungen,

– Koordination der Umsetzung der gemeinsam
getroffenen Entscheidungen und damit ein-

hergehend der aus gemeinsamen Besprechun-

gen resultierenden Ermittlungshandlungen und

deren Ergebnisse.“4724

Die fachlich beste Lösung, deren Effektivität zudem noch

entscheidend von der Intensität und Aktualität der Infor-

mationsweitergabe durch die einzelnen Tatortbehörden an

das BKA und untereinander abhänge, stelle dieser Weg

allerdings nicht dar.
4725

Das BKA teilte dem BMI abschließend mit, dass eine

Erörterung des Sachverhaltes am Rande der Innenminis-

terkonferenz am 4./5. Mai 2006 in Garmisch-

Partenkirchen vorgesehen sei. Der Präsident des BKA,

Ziercke, werde teilnehmen und die beiden aufgezeigten

Alternativen in die Diskussion einbringen.
4726

Bereits mit Schreiben vom 27. April 2006 hatte Vizeprä-

sident Falk dem BMI (ebenfalls Herrn UAL P I Förster)

eine nahezu inhaltsgleiche Vorfassung dieses Schreibens

zugeleitet. Auf diesem Schreiben wurde im BMI hand-

schriftlich vermerkt:

„Herrn ALP als Eingang vorgelegt.

Auf dieser Grdl. erstellen wir für IMK die Min.-

Vorlage.“4727
4724) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.

4725) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 19.

4726) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 19.

4727) Schreiben BKA (VP Falk) vom 27. April 2006, MAT A BMI-

4/30, Bl. 63.

jj) Ministervorlage des BMI vom 3. Mai 2006 –
Erhöhung der Belohnung

Am 3. Mai 2006 fertigte das Referat „Allgemeine Ange-
legenheiten der Vebrechensbekämpfung“ im BMI eine
dreiseitige Ministervorlage mit dem Betreff:

„Mordserie ,Česká‘, hier: Initiative von Staatsmi-
nister Beckstein am Rande der IMK zur Erhöhung

der Belohnung“4728,

die Minister Dr. Schäuble über den Unterabteilungsleiter

PI., den Abteilungsleiter P. und Staatssekretär Dr. Han-

ning vorgelegt werden sollte. Als Zweck der Vorlage

wurde die Unterrichtung und Entscheidung über das wei-

tere Vorgehen im Hinblick auf eine von Staatsminister

Dr. Beckstein angekündigte Initiative am Rande der IMK

am 4./5. Mai 2006 mit dem Ziel, die Belohnung zu erhö-

hen, bezeichnet.
4729

Unter der Überschrift „Sachverhalt“ wurde angekündigt,
dass der bayerische Staatsminister Dr. Beckstein am Ran-

de der IMK seine Kollegen aus den anderen von der

Mordserie betroffenen Ländern (Hessen, Hamburg,

Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen)

und den Bundesminister des Innern auf einen Beitrag zur

Erhöhung der Belohnung für Hinweise zur Aufklärung

der Mordserie Česká von gegenwärtig 33 000 Euro auf
300 000 Euro ansprechen werde.

4730
Am 26. April 2006 sei in den Medien berichtet worden,

der bayerische Staatsminister Dr. Beckstein wolle die für

Hinweise aus der Bevölkerung ausgelobte Belohnung, die

zu diesem Zeitpunkt noch 33 000 Euro betrug, auf

300 000 Euro erhöhen. In einer Telefonschaltkonferenz

am 27. April 2006 habe das Bayerische Staatsministerium

des Innern auf Referatsebene den Innenressorts der ande-

ren betroffenen Länder und dem BMI mitgeteilt,

Dr. Beckstein habe lediglich angekündigt, er werde am

Rande der IMK bei seinen Kollegen aus den betroffenen

Ländern und dem Bundesminister des Innern für eine

Erhöhung der Belohnung auf 300 000 Euro werben.
4731

Im BKA stünden Mittel für einen Beitrag des Bundes in

Höhe von maximal 50 000 Euro bereit.
4732

Zur Vorklärung dieser Frage und der Frage einer weiteren

organisatorischen Konzentration der Ermittlungen habe

der Abteilungsleiter Polizei im Bayerischen Staatsminis-

terium des Innern seine Kollegen aus den genannten Län-

dern und dem BMI sowie den Präsidenten des BKA zu

einer Besprechung ebenfalls am Rande der IMK eingela-

den. Bayern wolle bereits hier eine Einigung über die
4728) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 111 ff.

4729) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 111.

4730) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 111.

4731) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.

4732) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 113.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 541 – Drucksache 17/14600

Höhe der Beiträge zur Erhöhung der Belohnung erzielen,

damit die Minister dies dann öffentlichkeitswirksam wäh-

rend der IMK verkünden könnten.
4733

Zum Hintergrund der Vorlage wurde die Mordserie mit

inzwischen neun Opfern kurz dargestellt. Sodann wird die

vom BKA vorgebrachte Kritik unter der Überschrift:

„Bisherige Organisation der Ermittlungen“ wie folgt
zusammengefasst:

„Eine länderübergreifende Konzentration der Er-
mittlungen auf eine Staatsanwaltschaft und eine

Polizeibehörde hat bisher nicht stattgefunden. Das

BKA ist der Auffassung, dass das bisherige Vor-

gehen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden

in den betroffenen Ländern weder ein einheitliches

Ermittlungs- bzw. Fahndungskonzept noch eine

einheitliche Öffentlichkeitsarbeit erkennen lässt.

Außerdem könnten mangels Absprachen der Län-

der untereinander und mit dem BKA verdeckte

taktische Ermittlungsmaßnahmen im In- und Aus-

land nicht zentral geplant und durchgeführt wer-

den.“4734

Einen Hinweis auf das ausführliche Schreiben des BKA

vom 2. Mai 2006 und ein Votum für die Übernahme der

Ermittlungen durch das BKA enthielt die Vorlage nicht.

Unter „Verfahrensvorschlag“ heißt es:

„BMI sollte sich an einer Erhöhung der Belohnung
mit einem Beitrag von 30 000 Euro beteiligen.“4735

Dieser Verfahrensvorschlag wurde wie folgt begründet:

– „Dadurch würde es BMI leichter fallen, bei
künftigen Ermittlungen in Sachen Česká die
Rolle des BKA zu stärken. Nach Telefonaten

zwischen BMI und IM-BY [Innenministerium

Bayern] auf AL-Ebene sowie P-BKA zeichnet

sich die Einrichtung einer gemeinsamen

‚Steuerungsgruppe‘ unter Federführung BY
und Beteiligung der anderen betroffenen Län-

der sowie des BKA ab.

– An der von BY angekündigten ‚öffentlich-
keitswirksamen‘ Präsentation der Erhöhung
der Belohnung während der IMK würde auch

BMI Teil haben.

– Ein höherer Beitrag als oben genannt erscheint
nicht angezeigt, da die Ermittlungszuständig-

keit in der Mordserie ‚Česká‘ bei den Ländern
liegt.“4736
4733) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 111 f.

4734) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 112.

4735) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.

4736) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 113.

kk) Einladung des Landespolizeipräsidenten
Bayerns vom 2. Mai 2006 zu einer Erörte-
rung am Rande der 180. IMK am
4./5. Mai 2006

Mit Schreiben vom 2. Mai 2006 lud der Zeuge Kindler als

Vorsitzender des Arbeitskreises II „Innere Sicherheit“ der
IMK (AK II) im Hinblick auf die bundesweite Mordserie

zu einer Erörterung am Donnerstag Vormittag am Rande

der 180. IMK am 4./5. Mai 2006 in Garmisch-

Partenkirchen ein.
4737

Die Einladung richtete sich an die

im AK II vertretenen Polizeichefs der Länder, die von der

Mordserie betroffen waren (LPD Bergmann, (Hamburg),

LPP Nedela (Wiesbaden), MDgt Niehörster (Schwerin),

MDgt Salmon (Düsseldorf)), sowie den seitens des Bun-

des im AK II vertretenden Abteilungsleiter Polizeiangele-

genheiten und Terrorismusbekämpfung im BMI, MDir

Krause, und den Präsidenten des BKA, Ziercke.
4738

Als

Gegenstand der Erörterung wurde die Erhöhung der Aus-

lobung auf 300 000 Euro und das weitere Vorgehen im

Hinblick auf die Fortführung der Ermittlungen bezeich-

net.
4739

Schwerpunktmäßig befasst sich dieses Schreiben des

Polizeipräsidenten Kindler mit der Erhöhung der Beloh-

nung und endet mit den Worten, er würde sich freuen,

wenn man sich auch zu den Modalitäten der weiteren

Ermittlungen abstimmen könne, um den Ministern einen

entsprechenden Vorschlag unterbreiten zu können.
4740

b) Aussagen der Zeugen zur Meinungsbil-
dung im Vorfeld der 180. IMK

aa) Argumente des BKA für eine Übernahme
der zentralen Ermittlungen nach Aussagen
der Zeugen

Der Zeuge Hoppe, der den Entwurf für das Anregungs-

schreiben des BKA an das BMI vom 2. Mai 2006 verfass-

te, hat den Meinungsbildungsprozess im BKA im Jahr

2006 im Vorfeld der IMK zur Frage der Ermittlungsfüh-

rung wie folgt zusammengefasst:

„Wir haben mit den Ländern in zahlreichen Be-
sprechungen noch an den Tatorten in Kassel und in

Dortmund, aber auch in Nürnberg und dann bei

uns das weitere Vorgehen besprochen und den

Ländern vorgeschlagen, dass wir das Verfahren in

Gänze übernehmen. Die Bereitschaft dazu war

nicht umfänglich vorhanden, woraufhin ich dann

auch mal die Möglichkeit des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des

BKA-Gesetzes in Erwägung gezogen habe, nach-

dem ja der Bundesminister des Innern nach Unter-
4737) MAT A BY-2/9a, Bl. 158 ff.

4738) MAT A BY-2/9a, Bl. 158.

4739) MAT A BY-2/9a, Bl. 160.

4740) MAT A BY-2/9a, Bl. 161.

Drucksache 17/14600 – 542 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

richtung der zuständigen Behörden in den Ländern

dem BKA ein Verfahren zuweisen kann.“4741

Die Zeugen Hoppe, Falk und Ziercke haben ausgesagt, im

BKA habe man den Weg über § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1

BKAG favorisiert.
4742

In der Regel stelle dazu die Staats-

anwaltschaft das Ersuchen an das BKA. Hierzu hätte aber

Einvernehmen auf Ebene der Polizei und der Staatsan-

waltschaften dazu vorliegen müssen, wer das Verfahren

zentral führt und ein Ersuchen an das BKA gerichtet wer-

den müssen. Dieses Einvernehmen habe man in der Stra-

tegiebesprechung am 19. April 2006 herzustellen ver-

sucht. Der Schwerpunkt sei aber immer noch in Bayern

gesehen worden und die bisher stattgefundenen Koordina-

tionsarbeiten hätten nicht konterkariert werden sollen.
4743

Da § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG wegen fehlenden Ein-

vernehmens eigentlich nicht möglich gewesen sei,
4744

sei

es die Aufgabe des Zeugen Hoppe gewesen, einen ent-

sprechenden Initiativbericht an das BMI zu starten mit

dem Vorschlag, dem BKA das Verfahren nach

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zuzuweisen.
4745

Der Zeuge Maurer hat bekräftigt, dass der Vorschlag,

dass das BKA die zentrale Ermittlungsführung überneh-

men solle, aus der Abteilung SO gekommen und im Ein-

vernehmen mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten

des BKA vorgetragen worden sei.
4746

Zu den nach dem achten und neunten Mord im Jahr 2006

aus Sicht des BKA bestehenden Schwachstellen in der

Ermittlungsführung hat dessen damaliger Vizepräsident

Falk ausgesagt:

„Es gab nach unserer Einschätzung kein einheitli-
ches Ermittlungs- und Fahndungskonzept. Es ist zu

Mehrfachbearbeitungen gekommen. Es gab keine

zentrale Koordination verdeckter taktischer Ermitt-

lungsmaßnahmen bei allen, die eben in Ermittlun-

gen drinsteckten. Es gab Probleme mit einer abge-

stimmten Öffentlichkeitsarbeit. Und vor allen Din-

gen – und das war für mich persönlich das Wesent-
liche –: Es gab eben keine gemeinsame Nutzung
einer bundesweit verfügbaren Verbunddatenbank,

in der alle Informationen waren und die eben dann

mit Analysen aus einer Sicht hätte eingesetzt wer-

den können. Und wir sahen die Gefahr, dass, so-

fern die Serie sich fortsetzen würde, diese

Schwachstellen sich noch einmal massiv verstär-

ken würden.“4747

Diesen Schwachstellen habe das BKA durch die Über-

nahme der Gesamtermittlungen entgegenwirken wollen.
4741) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.

4742) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 28, Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 8,
Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.

4743) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 28.

4744) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 29.

4745) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 29.

4746) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 48.

4747) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5.

Die Organisation der zentralen Ermittlungen durch das

BKA habe man sich dergestalt vorgestellt,

„dass die Gesamtleitung beim BKA liegen würde,
mit klaren Unterstellungsverhältnissen, aber auch

ganz gewiss mit der Einbindung der bereits beste-

henden und schon über Jahre bestehenden regiona-

len Ermittlungseinheiten vor Ort und eben auch

mit den bereits eingearbeiteten Ermittlern.

Das hätten wir sicherstellen wollen durch die Ein-

richtung von Einsatzabschnitten in den Ländern.

Es gibt Beispiele dafür, dass das gut funktioniert

hat. Ich nenne die ein Jahr später durchgeführte

sogenannte EG ‚Zeit‘ – mit dem Stichwort ‚Sauer-
landgruppe‘ wissen Sie wahrscheinlich, was ich
meine – im Bereich des internationalen Terroris-
mus. Wir wollten für klarere Kommunikations-

strukturen sorgen, als sie so einfach objektiv sein

konnten. Wir wollten alle Hinweise und alle Spu-

ren an einer Stelle zusammenführen, um sie kom-

plex abzugleichen und vor allen Dingen unter ein-

heitlicher Perspektive abzugleichen. Und wir woll-

ten – auch das wichtig – ein koordiniertes und ge-
schlossenes Auftreten gegenüber ausländischen

Polizei- und Justizbehörden.

Und vor dem Hintergrund der unklaren Motivlage

wollten wir einen breiten Ermittlungsansatz wäh-

len, der andere Fachbereiche des BKA wie die Ab-

teilung Polizeilicher Staatsschutz, ohne dass wir

einen Anhaltspunkt gehabt hätten, wo es dann tat-

sächlich hinging – Und wir hätten das natürlich
mit einem angemessenen Kräfteeinsatz ge-

macht.“4748

Der Zeuge Maurer hat ausgesagt, am meisten habe das

BKA die Frage umgetrieben, was passiere, wenn der

zehnte Mord geschehe. Dies sei eines seiner wichtigsten

Argumente gewesen.
4749

Bereits in der Strategiebespre-

chung vom 19. April 2006 hatte Herr Maurer geäußert,

bei weiteren Mordfällen sei mit politischer Einflussnahme

zu rechnen.
4750

Als Zeuge hat er ausgesagt, mit dieser

Äußerung habe er seiner Hoffnung Ausdruck verliehen,

dass er davon ausgehe, dass vielleicht auch aus dem poli-

tischen Bereich im Jahre 2006 ein Druck entstehen würde,

der das BKA in die Lage versetze, massiver vorzugehen,

intensiver zu bekämpfen und Ressourcen zu designie-

ren.
4751

Im Ausschuss ist die Frage erörtert worden, inwieweit

sich aus Sicht des BKA die Situation im Jahr 2006 zu der

im Jahr 2004, als bereits einmal über eine Übernahme

diskutiert worden war, geändert hatte.

Der Zeuge Hoppe hat hierzu erklärt, dass sich nach dem

achten und neunten Mord am 4. April 2006 in Kassel und
4748) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 5; siehe dazu auch S. 9 f.

4749) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 19.

4750) Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, MAT

A BKA-2/19, Bl. 217 ff.

4751) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 19.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 543 – Drucksache 17/14600

am 6. April 2006 in Dortmund eine grundlegende Ände-

rung der Bewertung ergeben habe. Es seien zwei weitere

Bundesländer – Hessen und Nordrhein-Westfalen – hin-
zugekommen und es sei nicht auszuschließen gewesen,

dass noch weitere betroffen sein würden.
4752

Man habe in

den bis zu diesem Zeitpunkt laufenden Ermittlungen fest-

gestellt, dass es an der einen oder anderen Stelle, zum

Beispiel der Datenverarbeitung, Optimierungsbedarf

geben könne. Für sich habe er die Bewertung getroffen,

dass eine echte zentrale Ermittlungsführung, die ein zent-

rales Ermittlungs-, Fahndung- und Öffentlichkeitskonzept

vorsehe, der richtige Weg sei, weshalb er seiner Amtslei-

tung vorgeschlagen habe, diesen Weg zu gehen.
4753

Auch der Zeuge Ziercke hat erklärt, dass sich 2006 die

Lage im Vergleich zu 2004 grundlegend geändert habe:

„Wir kamen als Bundeskriminalamt mit unseren
ergänzenden strukturellen OK-Ermittlungen nicht

weiter. Gleiches gilt für die zuständigen Polizeibe-

hörden der Länder. Seit 2004 waren vier weitere

Morde verübt worden. Zwei weitere Bundesländer

waren als Tatorte betroffen. Das Informationsauf-

kommen war enorm angestiegen, und damit auch

der Koordinierungsbedarf. Weitere Morde mussten

befürchtet werden. Hinzu kam, dass alle Beteilig-

ten mit diesem Sachstand unzufrieden waren.“4754

Darüber hinaus habe das BKA nach Aussage des Zeugen

Falk auch einen breiteren Ermittlungsansatz verfolgen

wollen, der im Jahr 2004 noch nicht diskutiert worden

sei.
4755

Im Jahr 2006 habe sich das BKA gesagt:

„Wir müssen einfach den Blick weiten, weil eben
das hier offenbar eine Einbahnstraße oder ein Tun-

nel ist, in dem wir uns befinden.“4756

Zu den im BKA angestellten Überlegungen zu einem

breiteren Ermittlungsansatz hat der Zeuge Falk ausge-

führt:

„Wir hatten schon den Eindruck, dass das präfe-
rierte Motiv oder der präferierte Tathintergrund –
Rauschgiftgeschäfte, Organisierte Kriminalität,

Bandenkriminalität – nicht wirklich zielführend
war, weil eben über sechs Jahre hinweg die Ermitt-

lungen keinen Durchbruch erzielt haben. Es gab

immer wieder Hinweise. Es gab auch, also fast auf

der Metaebene, Spuren, Ansätze – ich will das
ganz vorsichtig ausdrücken –, die es nicht unbe-
rechtigt haben erscheinen lassen, sich mit dem Ge-

danken zu befassen, es könnte Rauschgift im Hin-

tergrund eine Rolle spielen oder Geldwäsche und

diese Dinge, Schuldeneintreiben und so was. Aber

so richtig überzeugend hat das ja nicht zu Er-

gebnissen geführt. Und deshalb waren wir uns
4752) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 5.

4753) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.

4754) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 7.

4755) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.

4756) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.

2006 eigentlich im Amt gesprächsweise darüber

im Klaren – wenn ich sage: ‚wir im Amt‘, heißt
das, ich habe mich mit Herrn Maurer, dem Abtei-

lungsleiter, darüber unterhalten, oder auch mit

Herrn Hoppe -, dass hier eine größere Offenheit

hermüsste für andere Motivlagen.“4757

Der Zeuge Falk hat dargelegt, worin das BKA die

schwerwiegenden Gründe i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

BKAG gesehen habe, die für eine Anordnung durch den

Bundesinnenminister Voraussetzung seien:

„Wir haben die schwerwiegenden Gründe einmal
in dem Umstand gesehen, dass es jetzt doch eine

‚beachtliche‘ – in Anführungszeichen – Serie von
Tötungsdelikten gewesen ist, die offensichtlich zu-

sammenhängen. Wir haben schwerwiegende

Gründe darin gesehen, dass wir Signale hatten,

beispielsweise aus der Türkei – über die Botschaft
kommend damals übrigens; als ich dort war, ist

mir in der Botschaft auch gesagt worden, wie sehr

besorgt türkische Stellen über diese Vorgänge hier

in Deutschland sind; und es ist mir deutlich ver-

mittelt worden von der Leitung der Generalsicher-

heitsdirektion in Ankara –, sodass wir auch durch-
aus außenpolitische Belange der Bundesrepublik

berührt gesehen haben, aber in dieser pauschalen

Form natürlich. Wir haben als schwerwiegend an-

gesehen, dass nach unserer fachlichen Auffassung

die Organisation der Ermittlungen in all den Fällen

nicht stimmig war. Ich habe das ja heute Morgen

darzulegen versucht. Wir haben es als schwerwie-

gend angesehen, dass die Informationen nicht

wirklich an einer Stelle, in einem Daten-

verarbeitungssystem zusammengeflossen sind,

ausgewertet werden konnten und rückwärts auch

wieder verwertet werden konnten. Und wir haben

es natürlich als ganz schwerwiegend angesehen,

dass die Serie sich auch über einen Zeitraum da-

mals von sechs Jahren erstreckt hat, aufwendig

ermittelt worden ist, mit hohem Personalansatz

ermittelt worden ist, aber ein Erfolg nicht eingetre-

ten ist. Das zusammengenommen war für uns aus-

reichend, zu sagen: Das sind schwerwiegende

Gründe, die es rechtfertigen, eine solche Anord-

nung anzustreben.“4758

In dieser Bewertung sei er sich mit BKA-Präsident

Ziercke einig gewesen.
4759

Der Zeuge Falk hat weiterhin bekundet, dass das BKA

das nötige Kräftepersonal zur Verfügung hätte stellen
4760

und fachlich sauber einen solchen Ermittlungsauftrag

hätte übernehmen können.
4761

Dies hat er wie folgt erläu-

tert:
4757) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 27.

4758) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 42, in diesem Sinne auch S. 12.

4759) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 12.

4760) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 9.

4761) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 9.

Drucksache 17/14600 – 544 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Im Bundeskriminalamt gibt es einen Polizeifüh-
rer, der für den Gesamteinsatz zuständig ist. Der

verfügt über einen personell gut ausgestatteten

Stab. Es wird eine zentrale Ermittlungseinheit im

Bundeskriminalamt organisiert, die übergreifende

Ermittlungen selber vornimmt und vor allen Din-

gen alle Ermittlungsergebnisse zusammenzieht, die

in regionalen Einsatzabschnitten erzielt werden.

Auch vor Ort sollte natürlich weiterermittelt wer-

den.

[…] Nach unserer Vorstellung – und das ist in an-
deren Fällen eben so praktiziert worden – wären
die Länderbeamten vielleicht nicht in der Anzahl,

in der das zum Zeitpunkt der Übernahme oder

Übergabe der Fall war – […] aber – in Anfüh-
rungszeichen – im Geschäft geblieben. Und auf je-
den Fall hätte es eine Übergangszeit gegeben über

Wochen, bis dann auch BKA-Beamte, die mögli-

cherweise neu in diesen Komplex eingestiegen wä-

ren, eingearbeitet gewesen wären.

Aber es war ja nicht so, dass das BKA bei null hät-

te anfangen müssen. Das kam ja noch dazu. Denn

a) hatten wir einen Teilermittlungsauftrag. Das

BKA hat über Jahre an Besprechungen teilge-

nommen, auch an Abstimmungsbesprechungen.

Die Dinge sind bis dahin ja auch einvernehmlich

so verhandelt worden und so vereinbart worden,

wie sie gelaufen sind. Das Bundeskriminalamt war

mit der Kriminaltechnik involviert. Wir waren mit

unseren Auslandskontakten involviert. Die Ver-

bindungsbeamten sind, was Tschechien anging –
Herkunft der Waffe –, was die Schweiz anging –
Herkunft der Waffe –, was die Türkei anging –
Herkunft der Opfer – […] Da war das Bundeskri-
minalamt ja involviert.“

Der Zeuge Falk hat allerdings ausdrücklich betont, dass

die zentrale Ermittlungsführung keineswegs zwingend

beim BKA hätte angesiedelt werden müssen:

„Das hätte nicht zwingend das BKA sein müssen.
Also ich bitte, mich jetzt nicht so zu verstehen. Es

hätte nicht zwingend das Bundeskriminalamt sein

müssen, das die Ermittlungen zentral führt. Aber

sie hätten zentral geführt werden müssen. Das ist

meine feste fachliche Überzeugung.“4762

Der Zeuge Ziercke hat für das Jahr 2006 ebenfalls kein

Ressourcenproblem beim BKA gesehen. Er hat darauf

verwiesen, dass das BKA Einsatzabschnitte eingerichtet

und Mitarbeiter zusätzlich zur Verfügung gestellt haben

würde, wie es dies bei großen Lagen im BKA auch ma-

che.
4763

Der damalige bayerische Staatsminister des In-

nern, Dr. Beckstein, habe mit ihm über ein vermeintliches

Ressourcenproblem auch nicht gesprochen.
4764
4762) Falk, Protokoll-Nr. 19, Bl. 10.

4763) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 52.

4764) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 52.

Auch der Zeuge Maurer hat die Einschätzung vertreten,

dass das BKA im Jahr 2006 imstande gewesen wäre,

innerhalb von drei, vier Tagen eine größere Organisation

aufzubauen, als man sie bisher in Länderpolizeien in

dieser Art gesehen habe.
4765

Der Zeuge Falk hat ausgesagt, er halte es für denkbar,

dass auch sachfremde Erwägungen bei der Entscheidung

der Länder gegen eine Übertragung der Ermittlungen auf

das BKA eine Rolle gespielt haben könnten. Auf die

Frage, welche Motive er dafür vermute, dass diese einer

Übergabe an das BKA ablehnend gegenüberstanden, hat

er die Einschätzung vertreten, dass sicherlich auch „kli-
matische Dinge“ eine Rolle gespielt hätten. Er könne sich
vorstellen, dass dies auch etwas mit Konkurrenzdenken zu

tun gehabt habe.
4766

bb) Argumente der Länder gegen eine zentrale
Ermittlungsführung durch das BKA im
Jahr 2006 nach Aussagen der Zeugen

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, welche Erwä-

gungen dafür eine Rolle spielten, dass sich die Länder –
anders als noch im Jahr 2004 – im Jahr 2006 gegen eine
zentrale Ermittlungsführung des BKA ausgesprochen

haben.

Der bayerische Polizeipräsident Kindler hat als Zeuge

ausgesagt, bei einer Besprechung im Vorfeld der 180.

IMK am 2. Mai 2006 in München hätten sich die Vertre-

ter des PP Mittelfranken dafür ausgesprochen, die Ermitt-

lungen zu behalten.
4767

Ihm sei mitgeteilt worden, dass

insbesondere der zuständige Staatsanwalt Dr. Kimmel

dies so wolle.
4768

Auch der Zeuge Dr. Beckstein hat da-

rauf verwiesen, dass die Ermittlungsführung nicht bei der

Polizei, sondern bei der Staatsanwaltschaft liege:

„Das heißt, wenn ein Staatsanwalt Kimmel gesagt
hätte: ‚Das wird so oder so gemacht‘, dann hätte er
auf jeden Fall den Innenminister ausgesto-

chen.“4769

Die hessische Polizei, die aktuell mit dem laufenden

Mordverfahren befasst gewesen sei, habe ebenfalls nicht

gewollt, dass sich die Ermittlungen änderten.
4770

Der damalige bayerische Staatsminister des Innern, Dr.

Beckstein, hat als Zeuge ausgesagt, für ihn sei entschei-

dend gewesen, dass sich die BAO „Bosporus“ gegen eine
Übertragung ausgesprochen habe:

„Wenn die Kommission und Herr Geier 2006 im
Mai gesagt hätten: ‚Wir wollen das, wir halten es
für besser, es wird abgegeben‘, dann wäre über-
haupt keine Frage gewesen, dass es dann anders
4765) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 48.

4766) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 11.

4767) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.

4768) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

4769) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 120.

4770) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 545 – Drucksache 17/14600

auch zwischen Kindler und Ziercke gelaufen wäre.

Die Kommission wollte das in Bayern behalten

und hat das für zwingend notwendig gehalten, und

zwar nicht etwa aus Behördeneitelkeit. […] Viel-
mehr hat nach dem, was mir gesagt worden ist,

[…] die Kommission es für zwingend gehalten, zu
sagen: Wechselt die Pferde nicht im Galopp!“4771

Der Zeuge Dr. Beckstein hat auf die zum damaligen Zeit-

punkt laufenden Ermittlungen in den Ländern verwiesen

und darüber hinaus in Zweifel gezogen, dass das BKA im

Jahr 2006 überhaupt in der Lage gewesen wäre, die Er-

mittlungen zu übernehmen:

„Ich hätte es im Jahr 2006, als die Ermittlungen
äußerst heiß gelaufen waren, für einen schweren

Fehler gehalten, im laufenden Galopp die Pferde

zu wechseln. Anders als Sie, […] glaube ich nicht,
dass automatisch 20 BKA-Beamte das besser be-

handelt hätten als 200 Länderbeamte. Ich glaube

nicht, dass das BKA aus dem Stand 150 oder 200

Beamte gehabt hätte. Wir haben mehrere Hundert

Leitz-Ordner an Ermittlungsunterlagen. Wenn das

jemand neu überarbeitet, ist es zwangsläufig – wir
haben darüber gestritten –, dauert es Wochen, Mo-
nate oder Jahre, bis jemand sich in die Ermittlun-

gen einarbeitet. Aber dass man in der heißesten

Phase der Mordermittlungen – das waren die Mor-
de vom April 2006 – nach einem Dreiviertelmonat
die Ermittlungen unterbricht und auf jemand ande-

ren überträgt, wäre auch aus heutiger Sicht ein

fachlich schwerer Fehler. Diese Beurteilung haben

alle Länder geteilt, und dem ist auch nicht ernst-

haft in den Besprechungen vom BKA widerspro-

chen worden.“4772

Auch der Zeuge Kindler hat dargelegt, dass eine Überga-

be der Ermittlungen im Jahr 2006 schwieriger gewesen

sei, als eine Übergabe im Jahr 2004:

„2006 waren fünf oder sechs Jahre ermittelt. Da ist
es nicht darum gegangen, dass man gesagt hat, das

BKA darf nicht die Ermittlungen übernehmen,

oder aus Eitelkeit oder sonst was, sondern es ist

darum gegangen, dass, wenn – Ich weiß nicht, wie
viele Leute insgesamt bei uns involviert waren, 70,

80, aber jetzt in den ganzen Fällen. Wenn fünf

oder sechs Jahre ermittelt wird, dann muss ich ja

hier rangehen, und da ist so viel Zeitverlust, bis ich

so diesen Stand habe. Das war die Schwierigkeit

2006.“4773

Der Zeuge Dr. Beckstein hat darüber hinaus betont, dass

man beabsichtigt habe, das BKA auch über die Steue-

rungsgruppe umfassend an den Ermittlungen zu beteili-

gen:
4771) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 95 f.

4772) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.

4773) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

„Wir waren uns darüber einig, dass das BKA um-
fassend mit zu beteiligen ist, nicht nur punktuell

die Frage ‚Česká‘ oder die Frage ‚Auskünfte aus
der Türkei‘, sondern die sollten durchaus – die wa-
ren ja auch bei den Gesprächen dabei, die zwi-

schen den Ländern und – Die waren bei allen Din-
gen eingeladen und waren jeweils dabei. Es hätte

niemand das BKA gehindert, es wäre vielleicht

auch richtig gewesen, wobei ich allerdings sage,

wenn wir gefragt hätten, wie viele Rechtsextremis-

ten oder alle Auskünfte über Rechtsextremisten in

Deutschland, hätten wir wahrscheinlich 40 000,

60 000 Antworten gekriegt.“4774

cc) Haltung Bayerns zur weiteren Ermittlungs-
führung in der Česká-Mordserie im Vorfeld
der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen

Die Zeugen Kindler und Dr. Beckstein wurden dahinge-

hend befragt, ob es im Vorfeld der 180. IMK Vorfestle-

gungen auf bayerischer Seite gegeben habe, die Ermitt-

lungen in Bayern zu behalten.

Der Zeuge Kindler hat dargelegt, er sei im Nachgang zur

Strategiebesprechung des BKA vom 19. April 2006 von

einem Mitarbeiter des PP Mittelfranken telefonisch in-

formiert worden, dass das BKA die Fälle übernehmen

wolle. Dieser Mitarbeiter habe sich aus fachlichen Grün-

den gegen eine Übernahme ausgesprochen, ebenso der

Vertreter aus Hessen, da es dort ein laufendes Mordver-

fahren gegeben habe. Auf seinen Einwand, das BKA

werde noch mit Bayern reden, sei ihm gesagt worden, die

Entscheidung zwischen BKA und BMI sei bereits gefal-

len. Er habe sich daraufhin von seinem Rechtssachgebiet

die Gesetzeslage im Zusammenhang mit der Verfahrens-

lage nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG erörtern lassen,

weil ihm kein Fall bekannt gewesen sei, in dem nach

dieser Vorschrift die Verfahrensübernahme angeordnet

wurde.
4775

In einem Gespräch mit dem bayerischen In-

nenminister Dr. Beckstein habe dieser eine Besprechung

mit BKA-Präsident Ziercke angeregt.
4776

Den Zeugen Dr. Beckstein und Kindler wurde der vom

Zeugen Hoppe angefertigte Gesprächsvermerk vom

24. April 2006 vorgehalten, in dem es heißt:

„VP berichtet zu den von PR und VP wahrge-
nommenen Gesprächen und Telefonaten:

Telefonat PR mit Herrn Kindler, Bay. Staatsminis-

terium des Innern (21.04.2006): das Thema sei

schon mit Staatsminister Beckstein erörtert wor-

den. Die Zuweisung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG

würde man eher als ,Kriegserklärung‘ verstehen.
Gespräch sei eher unerfreulich verlaufen.“4777
4774) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr.17, S. 105.

4775) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

4776) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

4777) BKA Vermerk vom 24. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl.

352.

Drucksache 17/14600 – 546 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Hoppe hat hierzu ausgesagt, das sei eine deut-

liche Positionierung aus Bayern gewesen, die er so proto-

kolliert habe.
4778

Der Zeuge Dr. Beckstein hat jedoch in seiner Verneh-

mung vor dem Ausschuss für seine Person ausgeschlos-

sen, die Begrifflichkeit „Kriegserklärung“ in diesem Zu-
sammenhang gebraucht zu haben.

4779
Dies hat der Zeuge

Kindler bestätigt.
4780

Der Zeuge Kindler hat erklärt, den Begriff „Kriegserklä-
rung“ nach seiner Erinnerung zwar nicht gebraucht zu
haben, es könne aber sein, das BKA-Präsident Ziercke

dies so empfunden habe, weil das Gespräch etwas emoti-

onal verlaufen sei.
4781

Er habe das Gespräch vor dem

Hintergrund der Gesetzeslage geführt, wonach eine An-

ordnung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG aus schwer-

wiegenden Gründen nach Unterrichtung der zuständigen

Behörden erfolgen könne. Er habe darauf hingewiesen,

dass es üblich sei, vor einer Anordnung mit den beteilig-

ten Ländern zu reden. In erster Linie sei es dabei um das

„Wie“ gegangen und nicht darum, ob das BKA überhaupt
übernehme.

4782
Er hat dies folgendermaßen erläutert:

„Also noch mal: Sozusagen die ungute Stimmung
ist gekommen über das Wie, weil wir nicht infor-

miert wurden. Und ich habe ihm dann, weil die

Soko gesagt hat: ‚Wir wollen, dass es bleibt‘, ge-
sagt: Was bringt euch das? Wörtlich! Dann hat

Herr Ziercke momentan so konkrete Gründe nicht

genannt, und dann haben wir gesagt, sie sollen den

Mehrwert prüfen. Ich habe ihm schon gesagt, dass

die Soko ‚Nürnberg‘ sagt: ‚Wir wollen das behal-
ten‘, und auch der Staatsanwalt Kimmel will das
behalten.“4783

BKA-Präsident Ziercke habe ihm entgegnet, dass über die

Übernahme noch nicht entschieden sei. Man habe verein-

bart, dass Präsident Ziercke den fachlichen Mehrwert

prüfe und die Angelegenheit zwischen den betroffenen

Ländern und dem Bund am Rande der IMK in Garmisch-

Partenkirchen erörtert werde.
4784

„Ich möchte noch mal betonen, dass bis zu diesem
Zeitpunkt keine Vorentscheidung gegeben war. Ich

habe in einem Gespräch mit Minister Beckstein in

einer Randbemerkung gesehen, dass er gesagt hat,

er will kein Rumgeeiere, sondern die Soko soll halt

sagen, was sie jetzt will.“4785

In einer Vorbesprechung zur Innenministerkonferenz vom

2. Mai 2006 habe Dr. Beckstein den Vorschlag des PP

Mittelfranken gebilligt, dass die Ermittlungen in Bayern
4778) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 9.

4779) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 85.

4780) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.

4781) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 98.

4782) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.

4783) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 97 f.

4784) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.

4785) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

bleiben sollten, aber nicht gesagt, das müsse so sein, son-

dern angeregt, noch einmal auf der IMK darüber zu re-

den.
4786

Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, er habe VP Falk aus

dem Telefonat mit Herrn Kindler seinen Eindruck weiter-

gegeben, dass die Bayern die Übernahmeabsichten als

eine Art „Kriegserklärung“ auffassen würden. Er meine
aber, dass er selbst den Begriff gebraucht habe und nicht

Herr Kindler.
4787

Konkret hat er ausgeführt:

„Ich habe dann auch noch vor der Versendung des
Schreibens an das Bundesinnenministerium zur

Übernahme nach § 4 Abs. 2 mit dem Landespoli-

zeipräsidenten von Bayern, Herrn Kindler, telefo-

niert. Ich spürte schon in diesem Gespräch, dass

eine Übernahme durch den Bund für Bayern nicht

zur Diskussion stand. Ähnlich war ja die Resonanz

auch in der AG ‚Kripo‘ und auch im AK II gewe-
sen. Das galt auch für die anderen Länder. Ich ha-

be diesen Eindruck aus dem Gespräch mit Herrn

Kindler dann an Herrn Falk mit der inzwischen

problematisierten Bemerkung weitergegeben, dass

ich den Eindruck hatte, dass die Bayern diese

Übernahmeabsichten als eine Art ‚Kriegserklä-
rung‘ verstehen würden. Ich meine, dass ich diesen
Begriff gebrauchte und nicht Herr Kindler.

4788
Zum Inhalt des mit dem bayerischen Landespolizeipräsi-

denten Kindler geführten Telefonats hat der Zeuge

Ziercke ausgeführt:

„Also, im Kern habe ich das erörtert, was in die-
sem Brief steht, den wir nachher dem Bundesin-

nenminister vorgelegt haben, worauf wir dann ja

die Übernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 [BKAG] be-

treiben wollten. Und die Reaktion darauf, die war

aus meiner Sicht klar: dass Bayern sich das so

nicht vorstellen kann. Da hat man auch keinen Ge-

genvorschlag gemacht, sondern dass hier die Maß-

nahmen seiner Meinung nach dann überdacht wer-

den müssten und man müsste das am Rande der

Innenministerkonferenz dann auch zwischen den

Ministern oder zwischen den Staatssekretären erör-

tern: Das war Gegenstand.“4789

Nach Aussage des Zeugen Ziercke wurde der Vorschlag

mit Steuerungsgruppe, Sammelstelle und informationeller

Vernetzung im Vorfeld der 180. IMK von bayerischer

Seite nicht mit dem BKA erörtert.
4790
4786) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

4787) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.

4788) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.

4789) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.

4790) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 33.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 547 – Drucksache 17/14600

dd) Haltung des Bundesministeriums des In-
nern zu einer zentralen Ermittlungsführung
durch das BKA im Vorfeld der 180. IMK
nach Aussagen der Zeugen

Der Zeuge Dr. Hanning war von November 2005 bis

Dezember 2009 Staatssekretär im Bundesministerium des

Innern. Er hat dargelegt, er sei im Vorfeld der Innenmi-

nisterkonferenz vom 4./5. Mai 2006 neben dem Telefonat

vom 21. April 2006 mit BKA-Präsident Ziercke haupt-

sächlich durch die Ministervorlage vom 3. Mai 2006 über

die Fragestellung der zentralen Ermittlungsführung unter-

richtet worden.
4791

Dr. Hanning hat ausgesagt, der Anlass für die Debatte auf

der politischen Ebene sei hauptsächlich die Frage der

Beteiligung des Bundes an der Auslobung gewesen, da

bei dieser Frage der Innenminister Dr. Schäuble zu ent-

scheiden gehabt habe.
4792

In diesem Zusammenhang sei

der Minister auch über die Schwierigkeiten und Probleme,

die sich bei den bisherigen Ermittlungen im Zusammen-

hang mit den Česká-Morden ergeben hätten, unterrichtet
worden.

4793
Das der Ministervorlage zugrundeliegende

Schreiben des BKA vom 2. Mai 2006 habe er selbst nicht

gesehen; ihm sei aber mündlich mitgeteilt worden, dass es

erhebliche Probleme gebe.
4794

Er habe die Frage der wei-

teren Ermittlungsführung im Vorfeld der IMK in Gesprä-

chen mit der Fachabteilung erörtert.
4795

Vom Ausschuss ist hinterfragt worden, weshalb die um-

fangreiche Kritik, die das BKA an der Ermittlungsführung

in den Schreiben des VP Falk vom 27. April 2006 und

vom 2. Mai 2006 vorgebracht hatte, in der Ministervorla-

ge vom 3. Mai 2006 lediglich in einem kurzen Absatz

zusammengefasst wurde. Dort heißt es:

„Eine länderübergreifende Konzentration der Er-
mittlungen auf eine Staatsanwaltschaft und eine

Polizeibehörde hat bisher nicht stattgefunden. Das

BKA ist der Auffassung, dass das bisherige Vor-

gehen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden

in den betroffenen Ländern weder ein einheitliches

Ermittlungs- bzw. Fahndungskonzept noch eine

einheitliche Öffentlichkeitsarbeit erkennen lässt.

Außerdem könnten mangels Absprachen der Län-

der untereinander und mit dem BKA verdeckte

taktische Ermittlungsmaßnahmen im In- und Aus-

land nicht zentral geplant und durchgeführt wer-

den.“4796

Der Zeuge Dr. Hanning hat dies damit begründet, dass

ein Minister möglichst kurz und präzise zu informieren

sei.
4797

Dennoch sei der betreffende Absatz
4791) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.

4792) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 12 f.

4793) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 12 f.

4794) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.

4795) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 11.

4796) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,

Bl. 112.

4797) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 45.

„in der Sprache der Ministerialverwaltung […]
schon deutlich“ 4798

gewesen. Ergänzend hat Dr. Hanning ausgeführt:

„Die hatten es in sich, die Sätze. Die sind schon
gravierend. Und wenn der Minister mit solchen

Sätzen konfrontiert wird, dann muss man was ma-

chen.“4799

Der Zeuge Dr. Hanning hat dargelegt, dass auf Länder-

ebene deutliche Signale gegen eine Zustimmung zur Fe-

derführung des BKA in der Mordserie gesendet worden

seien.
4800

Die Haltung des BMI hat er wie folgt erläutert:

„Nein, wenn Sie konfrontativ in so einem Fall - -
Wissen Sie, es ist ein Unterschied, wenn Sie einen

neuen Sachverhalt haben - meinetwegen ein Com-

puterwurm oder Ähnliches droht die Infrastruktur

des Landes zu bedrohen -, wenn Sie dann sagen:

‚Wir entscheiden jetzt, das BKA macht das zent-
ral‘, oder wenn Sie jetzt auf gewachsene Ermitt-
lungsstrukturen treffen in den Ländern. Bayern

hatte ja ermittelt. Die anderen Länder hatten ja alle

schon ermittelt. Es gab ja durchaus Gremien, wo

das alles erörtert wurde. Und wenn dann die Län-

der sagen: ‚Wir möchten weiter ermitteln‘, dann,
glaube ich, wäre es sehr unklug, jetzt konfrontativ

gegenüber den Ländern zu entscheiden: Nein, das

macht jetzt das BKA. Dann haben wir im Grunde

die weitere Frage zu beantworten: Würde es dann

wirklich besser? Ich meine, wir haben - - Der

Schwerpunkt der Ermittlungskompetenz in diesem

Lande liegt bei den Ländern, nicht beim Bundes-

kriminalamt. Also, man kann auch nicht kurz-

schlüssig sagen, in dem Augenblick, wo alles zent-

ral ermittelt wird, haben wir von vornherein si-

chergestellt, dass dann auch mit sehr viel mehr Ni-

veau und hoher Qualität und damit auch höheren

Erfolgsaussichten ermittelt wird. Das ist überhaupt

nicht der Fall, nein.“4801

Er habe den damaligen Bundesinnenminister Dr. Schäub-

le im Vorfeld der 180. IMK am 4./5. Mai 2006 über die

Angelegenheit persönlich unterrichtet. Dieser habe auch

die Ministervorlage gesehen. Man habe über die Geldfra-

ge gesprochen, die aber nicht kritisch gewesen sei.
4802

Auch über die Frage der Ermittlungsführung sei gespro-

chen worden. Nach seiner Erinnerung habe er zum Minis-

ter gesagt:

„Wir haben hier einen Fall, und es wird versucht,
den zu lösen.“4803
4798) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 46.

4799) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 46.

4800) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 13.

4801) Dr. Hanning, Protokoll Nr. 44, S. 14.

4802) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 46.

4803) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 47.

Drucksache 17/14600 – 548 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach Angaben des Zeugen Dr. Hanning habe das BMI im

Vorfeld der IMK den fachlichen Konsens gesucht. Die

Position des Ministers sei gewesen:

„Wir würden uns sehr freuen, wenn wir das im
Konsens erreichen könnten, dass das BKA das

übernimmt. Aber gegen den Widerstand der Län-

der, das hielten wir für wenig zielführend, und

deswegen haben wir schon die Position vertreten:

Lasst uns miteinander sprechen. Können wir die

Defizite ausräumen? – Es gab ja verschiedene Al-
ternativen. Die Übernahme der zentralen Ermitt-

lungen durch das BKA war ja nur eine Variante.

Die andere Variante war, dass man sozusagen die

Koordinierung verbessert, dass man eine Steue-

rungsgruppe einrichtet […].“4804

Der Zeuge Dr. Hanning hat auf Nachfrage bestätigt, die

Behandlung des Problems zunächst auf die Abteilungslei-

tungsebene zurückverwiesen zu haben. Die Frage der

weiteren Ermittlungsführung in der Mordserie sei sicher

ein kritischer Punkt im Vorfeld der IMK gewesen.

„Und in dem Zusammenhang haben wir sicher
auch über dieses Thema – weiß ich noch – gespro-
chen, und dann war die Antwort: Ja, das ist

schwierig; ein Problem. Da gibt es Probleme zwi-

schen den Ländern. Da gibt es ein Problem zwi-

schen BKA und denen, und deswegen machen wir

diese Abteilungsleiterbesprechung am Rande der

Innenministerkonferenz. – Das war sozusagen die
Lösungsvariante, um dieses schwierige Thema

vom Tisch zu bringen.“

Der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble war von 2005 bis 2009

Bundesminister des Innern. Er hat bekundet, das einzige

Mal, dass er amtlich mit der Mordserie befasst gewesen

sei, sei im Vorfeld der 180. IMK im Mai 2006 gewe-

sen.
4805

An ihn sei – nach seiner Erinnerung von Staats-
sekretär Dr. Hanning – die Frage herangetragen worden,
ob sich der Bund an der Erhöhung der Belohnung beteili-

gen solle, um den Fahndungsdruck zu erhöhen.
4806

Die-

sem Vorschlag habe er zugestimmt, weil ihm gesagt wor-

den sei, dies würde auch bedeuten:

„dass wir damit auch die Zusammenarbeit zwi-
schen den zuständigen Behörden der Länder und

des Bundes weiter positiv beeinflussen könn-

ten.“4807

Ein Vorschlag, die zentrale Ermittlungsführung nach

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG anzuordnen, sei ihm hin-

gegen nicht unterbreitet worden.
4808

Er hat ausgeführt:

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Fra-
ge an mich herangetragen worden wäre, ob ich an-

ordnen sollte, dass das Bundeskriminalamt nach,
4804) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 14.

4805) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 24.

4806) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2; S. 10; S. 14.

4807) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.

4808) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2; S. 8.

ich glaube, § 4 Abs. 2 Satz 2 des

Bundeskriminalamtgesetzes gegen die Länder an-

ordnen solle, die Ermittlungen an sich zu ziehen.

Ich hätte einen solchen Vorschlag, der mir nicht

gemacht worden ist, wenn er mir gemacht worden

wäre, abgelehnt. Der ist mir aber nicht gemacht

worden. Aber ich hätte ihn abgelehnt. Also, ich

würde auch heute der Meinung sein, dass das nicht

meinem Verständnis von Zusammenarbeit und von

sachdienlicher Polizeiarbeit entsprechen wür-

de.“4809

Daran, die Ministervorlage vom 3. Mai 2006 im Vorfeld

der 180. IMK gesehen zu haben, hat sich der Zeuge Dr.

Schäuble nicht sicher erinnern können. Er hat aber vermu-

tet, mit Staatssekretär a. D. Dr. Hanning über diese ge-

sprochen zu haben.
4810

Auf Vorhalt der Ministervorlage vom 3. Mai 2006 hat er

erklärt, er könne dieser auch heute noch nicht entnehmen,

dass dort vorgeschlagen worden sei, die Ermittlungen auf

das BKA zu übertragen.
4811

Er hat auf die Stellungnahme

in der Ministervorlage Bezug genommen, in der es, an-

knüpfend an den Verfahrensvorschlag zur Beteiligung an

der Erhöhung der Belohnung, heißt:

„Dadurch würde es BMI leichter fallen, bei künfti-
gen Ermittlungen in Sachen ‚Česká‘ die Rolle des
BKA zu stärken. Nach Telefonaten zwischen BMI

und IM-BY auf AL-Ebene sowie P-BKA zeichnet

sich die Einrichtung einer gemeinsamen ‚Steue-
rungsgruppe‘ unter Federführung BY und Beteili-
gung der anderen betroffenen Länder sowie des

BKA ab.“4812

Nach Aussage des Zeugen Dr. Schäuble ergebe sich hie-

raus, dass er sich keineswegs nur mit der Belohnung be-

schäftigt habe, sondern,

„dass in der Vorlage auch stand: Das Problem der
mangelnden Zusammenarbeit ist gelöst wor-

den.“4813

Nachfragebedarf habe er aufgrund des Vermerks nicht

mehr gesehen, weder gegenüber Staatssekretär

Dr. Hanning noch gegenüber dem BKA-Präsidenten

Ziercke.
4814
4809) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.

4810) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 10.

4811) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 11.

4812) Ministervorlage BMI vom 3. Mai 2006, MAT A BMI-4/30,
Bl. 113.

4813) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 13.

4814) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 549 – Drucksache 17/14600

c) Die 180. IMK vom 4./5. Mai 2006 in Gar-
misch-Partenkirchen

aa) Vereinbarungen auf der IMK

Am Rande der 180. IMK wurde vereinbart, dass die Er-

mittlungen zentral durch die BAO „Bosporus“ von Bay-
ern aus geführt und koordiniert werden sollten. Dazu

sollte eine Steuerungsgruppe unter Beteiligung aller be-

troffenen Länder sowie des BKA und eine Informations-

und Sammelstelle eingerichtet werden. Zudem wurde

vereinbart, die ausgelobte Belohnung auf 300 000 Euro zu

erhöhen.
4815

In einem Schreiben des bayerischen Landespolizeipräsi-

denten Kindler an das PP Mittelfranken vom 22. Mai

2006 heißt es:

„Bezug nehmend auf […] und der am Rande der
IMK erzielten Absprachen mit den Polizeiabtei-

lungsleitern der Länder Nordrhein-Westfalen,

Hamburg, Hessen und Bayern, des BKA-

Präsidenten und des Abteilungsleiters P. im BMI

[…] bitte ich zur Intensivierung und besseren
Koordinierung der nationalen und internationalen

Ermittlungen

– unter dem Vorsitz des Leiters der BAO ‚Bos-
porus‘ (LKD Geier) eine Steuerungs- und
Koordinierungsgruppe mit den jeweiligen Lei-

tern der einzelnen Sonderkommissionen der

Bundesländer und dem BKA mit einer Ge-

schäftsstelle und

– eine Lage- und Informationsstelle (LISt)

unverzüglich einzurichten und die Einzelheiten in

Abstimmung mit den Leitern der beteiligten Er-

mittlungsdienststellen der betroffenen Länder und

BKA festzulegen.

Dabei ist die Zentralstellenzuständigkeit des BKA

nach § 2 Abs. 2 BKAG zu berücksichtigen. Für die

LISt ist zu prüfen, inwieweit ggf. die nationalen

Maßnahmen in Nürnberg und die internationalen

Maßnahmen über das BKA Wiesbaden koordiniert

werden können. Die Ermittlungen der BAO ‚Bos-
porus‘ haben oberste Priorität. […]“4816

In einer vom PP Mittelfranken verfassten Anlage zur

konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe am

29. Mai 2006 befindet sich folgender Vermerk:

„Besprechungsergebnis auf AK II-Ebene am Ran-
de der IMK in Garmisch-Partenkirchen.

1. Alle Länder bleiben für ihre Fälle primär zu-

ständig. Es gibt keine Unterstellungsverhält-

nisse.
4815) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87 f.

4816) MAT A BY-2/9g, Bl. 2890 f.

2. Das BKA/EG ‚Česká‘ wird ebenfalls nicht un-
terstellt.

3. Alle beteiligten Länder und das BKA bilden

eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe,

in der die wichtigen Entscheidungen bespro-

chen und entschieden werden.

4. Den Vorsitz dieser Gruppe übernimmt Bayern

in Person des Leiters der BAO ‚Bosporus‘.

5. Dem Leiter der Steuerungs- und Koordinie-

rungsgruppe wird eine Geschäftsstelle beige-

ordnet.

6. Zum Informationsaustausch zwischen den

Ländern und dem BKA und dem Ausland

wird eine beim BKA implementierte Lage-

und Informationsstelle (LISt) betrieben.

7. Entscheidungen werden einzig in der Steue-

rungs- und Koordinierungsgruppe getroffen.

Die Infosteuerung obliegt der LISt.“4817

bb) Einrichtung einer Steuerungsgruppe

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, wie die Ent-

scheidungsfindung auf der IMK in Bezug auf die Einrich-

tung einer Steuerungsgruppe verlief und welche Erwä-

gungen dabei maßgeblich waren.

aaa) Entscheidungsfindung im Rahmen der
180. IMK

Der damalige Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang

Schäuble, hat vor dem Ausschuss den Verlauf einer IMK

wie folgt dargestellt: Bei dieser Konferenz der Innenmi-

nister der Länder nehme der Bundesinnenminister als

Gast teil. Auch die leitenden Beamten seien anwesend.

Beim sogenannten „Kamingespräch“ seien dann die Mi-
nister unter sich. Die Vorbereitung von Polizeiangelegen-

heiten für die IMK erfolge durch den Arbeitskreis II, in

dem die Abteilungsleiter versammelt seien. Für das BMI

sei dies im Jahr 2006 der langjährig für BKA-

Angelegenheiten zuständige Abteilungsleiter Krause

gewesen; Bayern sei durch den Abteilungsleiter und Lan-

despolizeipräsidenten Kindler im Arbeitskreis II vertreten

gewesen. Die anstehenden Fragen würden auf vielen

Ebenen erörtert und Entscheidungen vorbereitet. In der

Ministerrunde würden viele Vorlagen beraten – und wenn
man als Minister Erörterungsbedarf habe, diskutiere man

insbesondere mit dem Staatssekretär oder auch mit dem

Abteilungsleiter. Er selbst habe auch viel mit Herrn

Ziercke gesprochen.
4818
4817) Vermerk PP Mittelfranken vom 29. Mai 2006, MAT A BY-

2/3d, Bl. 18.

4818) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 14.

Drucksache 17/14600 – 550 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(1) Kamingespräch

Dem Ausschuss lagen zunächst Anhaltspunkte dafür vor,

dass die Entscheidung für eine Steuerungsgruppe auf

Ministerebene im sogenannten „Kamingespräch“ getrof-
fen wurde.

Hierzu heißt es in einem von KD Hoppe verfassten Ver-

merk über die Ergebnisse der 180. IMK:

„Im Rahmen des Kamingesprächs habe PR Ziercke
eine Mängelliste vorgetragen […].“4819

Auch in einer von KD Hoppe verfassten Führungsinfor-

mation des BKA zur konstituierenden Sitzung der Steue-

rungsgruppe wurde Bezug auf eine

„Entscheidung der IMK (Kamingespräch am
04.05.2006)“ 4820

genommen.

Der Zeuge Hoppe war bei der IMK jedoch persönlich gar

nicht anwesend und hat den Vermerk nach eigener Anga-

be aufgrund telefonischer Auskunft eines (hessischen)

Kollegen erstellt.
4821

Nach Aussage des Zeugen Dr. Beckstein, der das Kamin-

gespräch als damaliger Vorsitzender der IMK geleitet hat,

wurde das Thema entweder beim Kamin oder am Rande

des Kamingesprächs kurz angesprochen, er wisse dies

nicht mehr zuverlässig.
4822

Die Frage der weiteren Ermitt-

lungsführung sei aber kein großes Thema bei der IMK

gewesen.
4823

Auch der damalige hessische Innenminister und heutige

Ministerpräsident Volker Bouffier hat hierzu ausgesagt,

dass das Thema der Ermittlungsübernahme durch das

BKA weder beim Kamingespräch noch ansonsten offiziell

bei der IMK 2006 Thema gewesen sei. Er sei persönlich

nie mit der Frage befasst gewesen. Weder der Bundesin-

nenminister oder sonst ein Kollege, noch der BKA-

Präsident hätten ihn je dazu angesprochen. Er habe in

seinen vorbereitenden Unterlagen einen Vermerk des

Landespolizeipräsidiums mit dem Votum, dass eine Er-

mittlungsübernahme nicht notwendig sei, gehabt. Er

selbst habe hierzu nie eine Entscheidung getroffen.
4824

Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, er sei zum Kaminge-

spräch lediglich geladen gewesen, um auf die Bedrohun-

gen durch internationalen Terrorismus und das Sicher-

heitskonzept zur Fußball-WM zu berichten. In seiner

Gegenwart seien die Česká-Morde dort nicht erörtert
worden.

4825

4819) Vermerk BKA vom 9. Mai 2006, BKA, 2/20, Bl. 231.

4820) BKA-Führungsinformation Nr. 11 vom 19. Mai 2006, MAT A
BKA-2/20, Bl. 464.

4821) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 14, S. 15.

4822) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 94.

4823) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.

4824) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 48.

4825) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8, S.18.

(2) Besprechung am Rande der IMK

Als einziger der vom Ausschuss vernommenen Zeugen

hat der Landespolizeipräsident Kindler vor dem Untersu-

chungsausschuss angegeben, an einer Besprechung am

Rande der IMK mit den Polizeichefs der betroffenen

Länder zur Frage der weiteren Ermittlungsführung teilge-

nommen zu haben.
4826

Zu dieser Besprechung mit den Polizeichefs der betroffe-

nen Länder hatte der Landespolizeipräsident Kindler als

Vorsitzender des AK II ausweislich der Akten
4827

und

nach dessen Aussage vor dem Untersuchungsaus-

schuss
4828

auch den BKA-Präsidenten Ziercke und den

zuständigen Abteilungsleiter im BMI, Krause, für „Don-
nerstag Vormittag“ eingeladen; das Gespräch müsse zwi-
schen 12 und 14 Uhr stattgefunden haben, weil ab 14 Uhr

auf Innenministerkonferenzen das Kamingespräch statt-

finde.
4829

Daran, dass der – inzwischen verstorbene – damalige
Abteilungsleiter P. im BMI und Mitglied im AK II, Krau-

se, bei den Verhandlungen zugegen war, hat sich der

Zeuge Kindler sicher erinnern können.
4830

Der Zeuge Kindler hat weiterhin bekundet, dass nach

seiner Erinnerung auch BKA-Präsident Ziercke bei dem

Gespräch zur weiteren Ermittlungsführung dabei gewesen

sei, er wisse bloß nicht, ob bis zum Schluss.
4831

Der Zeuge Kindler hat ausgeführt, nach seiner Auffassung

spreche für die Anwesenheit des BKA-Präsidenten bei der

Besprechung auch ein in den Akten befindlicher Vermerk

seines Referenten, in dem dieser notiert habe:

„Ziercke hat argumentiert für BKA“4832

Dieser handschriftliche Vermerk ist datiert auf den „4.5.,
15.45 h“ und liegt dem Ausschuss ebenfalls vor.4833 Zu-
dem sei die Anwesenheit des BKA-Präsidenten der An-

lass für das Gespräch mit den Polizeichefs der betroffenen

Länder gewesen.
4834

Bei dieser Besprechung habe im Ergebnis Einvernehmen

darüber bestanden, dass die Ermittlungen zentral durch

die BAO „Bosporus“ von Bayern aus geführt und koordi-
niert und eine Steuerungsgruppe unter Beteiligung aller

betroffenen Länder sowie des BKA eingerichtet werden

solle.
4835

Dass die Ermittlungen zentral von Bayern aus

geregelt werden sollten, sei bei der Besprechung am Ran-
4826) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

4827) MAT A BY-2/9a, Bl. 158 ff.

4828) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 86.

4829) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87; i.d.S. auch S. 100.

4830) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 104.

4831) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87; i.d.S. auch S. 100.

4832) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 104.

4833) Handschriftlicher Vermerk, MAT A BY-2/6c, Bl. 987.

4834) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 104.

4835) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 551 – Drucksache 17/14600

de der IMK auch die Meinung des zuständigen Abtei-

lungsleiters im BMI, Herrn Krause, gewesen.
4836

Demgegenüber hat der Zeuge Ziercke ausgesagt, an Ver-

handlungen auf der Innenministerkonferenz zur weiteren

Ermittlungsführung in der Česká-Mordserie nicht teilge-
nommen zu haben:

„Auf der Innenministerkonferenz in Garmisch-
Partenkirchen im Jahr 2006 wurde ich nicht zu den

Verhandlungen zwischen dem BMI und dem baye-

rischen Innenministerium und den anderen Län-

dern zugezogen.

Der damalige Abteilungsleiter, Herr Krause, teilte

mir mündlich mit, als ich am zweiten Tag oder am

ersten Tag mittags erst ankam, dass entschieden

worden sei, unsere Kritik an der nicht vorhandenen

zentralen Führung durch eine Steuerungsgruppe

und eine zentrale Informations- und Sammelstelle

aufzufangen, in die auch das BKA gleichberechtigt

eingebunden werden soll, mit vollem Zugriff auf

die Dateien, in die eine wie in die andere Rich-

tung.“ 4837

Nach Angaben des Zeugen Kindler sei in der Bespre-

chung vereinbart worden, dass alle Besprechungsteilneh-

mer ihre Minister über das Ergebnis informieren und ihm

Rückmeldung geben sollten, falls kein Einverständnis mit

der gefundenen Lösung erzielt werde. Den bayerischen

Innenminister Dr. Beckstein habe er persönlich informiert,

dieser sei einverstanden gewesen. Von den anderen Poli-

zeichefs sei kein Veto an ihn herangetragen worden.
4838

Der Zeuge Dr. Günther Beckstein hat ausgesagt, er habe

die Behandlung des Themas bei der 180. IMK nicht als

sehr strittig in Erinnerung. Er hat ausgeführt:

„Es war nicht so, dass es einen Krach gegeben hat
--- was manchmal bei der Innenministerkonferenz

durchaus der Fall ist, sondern dass man bei der

Frage: ‚Bleibt es bei den Ländern, die betroffen
sind, oder geht es zum Bund?‘, relativ einig darü-
ber gewesen ist: Es bleibt bei den Ländern, weil

eben volle Ermittlungen gefahren worden sind;

aber die Koordination muss verstärkt werden, auch

durch die LISt; das BKA soll sich stärker einbrin-

gen. Das war etwa das, was gelaufen ist, und ich

habe nicht in Erinnerung, dass Herr Schäuble da

irgendwo massiv remonstriert hätte oder, was üb-

rigens wahrscheinlicher gewesen wäre, Herr Dr.

Hanning, der damals ja der Staatssekretär war, der

wahrscheinlich diese Fragen auch mit uns durch-

gesprochen hat. Denn ob eine derartige eher orga-

nisatorische Frage zunächst einmal trotz der neun

Morde den Bundesinnenminister beschäftigt oder

auf Staatssekretärsebene ist, weiß ich nicht. Ich

weiß aber, wir haben mit dem Schäuble irgendwo
4836) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87 und 106.

4837) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8.

4838) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87 f.

dort gesprochen, aber, wie gesagt, es war klar: Es

verbleibt Federführung Bayern, Verstärkung der

Information, übrigens Verstärkung Mitarbeit

BKA.“4839

Weder BKA-Präsident Ziercke noch Bundesinnenminister

Dr. Schäuble oder Staatssekretär Dr. Hanning hätten ihn

vor Ort dahingehend angesprochen, dass es wesentlich

besser wäre, wenn das BKA die Ermittlungen übernehme:

„Das mag irgendwas gewesen sein, was so am
Rande gewesen ist; das will ich nicht bestreiten.

Dass ich mit Schäuble drüber gesprochen habe,

weiß ich. […]

Noch mal: Das Gespräch mit Schäuble habe ich

nicht als kontrovers in Erinnerung.“4840

Der damalige Staatssekretär im Bundesministerium des

Innern, der Zeuge Dr. Hanning, hat vor dem Ausschuss

hingegen bekundet, einen anderen Eindruck von der Ver-

anstaltung gehabt zu haben:

„In diesem Fall war es eben so, dass sich Bayern
vehement dagegen gewehrt hat – vehement! – und
auch der Minister in Person. Ich habe eine andere

Erinnerung an die Veranstaltung. […] Ich sage Ih-
nen, ich habe eine andere Erinnerung an die Ver-

anstaltung, und das war ja – Ich meine, es gibt ja
Flure, und es gibt bilaterale Gespräche, und da hat-

te ich schon den Eindruck, dass Bayern vehe-

ment – Das hatte was mit Nürnberg zu tun; er
kommt ja aus Nürnberg, und das war ja nun in

Nürnberg.

Also, ich glaube, es war ein Konsens mit Bayern in

dem Sinne, dass das BKA das übernehmen würde,

nicht möglich, war ausgeschlossen. Und insoweit

war, glaube ich, die Lösung, die gefunden wurde,

die relativ beste: dass man sich verständigt in der

Sache, dass man versucht, weiterzukommen. Und

insoweit, glaube ich, war das vorgezeichnet, auch

als Lösung.“4841

Ob dieser geschilderte Eindruck aus einem persönlichen

Gespräch mit Dr. Beckstein gespeist worden sei, wisse er

nicht mehr.
4842

Dr. Hanning hat weiterhin bekundet, er sei über das Er-

gebnis der Besprechung mündlich – wahrscheinlich durch
den damaligen Fachabteilungsleiter im BMI Krause –
unterrichtet worden.

4843
Er meine, diese Unterrichtung sei

gleich zu Beginn der Konferenz erfolgt. Man habe ihm

mitgeteilt, dass man sich auf Abteilungsleiterebene und

auch mit dem Bundeskriminalamt auf ein gemeinsames

weiteres Vorgehen verständigt habe. Er habe dann ge-

fragt, ob auch das Bundeskriminalamt damit einver-
4839) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 94.

4840) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 107.

4841) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49

4842) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.

4843) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 16.

Drucksache 17/14600 – 552 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

standen gewesen sei, weil es ja Kritik geäußert hätte.
4844

Ihm sei geschildert worden, dass sich die Parteien, nach-

dem die Defizite zur Sprache gekommen seien, auf Ver-

besserungen der Ermittlungsführung verständigt hätten,

womit das BKA einverstanden gewesen sei.
4845

Da nach

seinem Verständnis die Probleme durch dieses im Rah-

men der Abteilungsleiterkonferenz erzielte Einvernehmen

ausgeräumt worden seien, sei die Notwendigkeit entfal-

len, das Thema in der formellen Konferenz anzuspre-

chen.
4846

Er habe noch auf der IMK Bundesinnenminister

Dr. Schäuble dahingehend unterrichtet, dass das Thema

abgesetzt worden sei, da man sich auf der Fachebene mit

den Ländern verständigt habe und das BKA auch einver-

standen mit der Sachbehandlung sei. Man habe neue Ent-

scheidungen getroffen, die den Ermittlungen förderlich

seien.
4847

Sein Eindruck sei gewesen, dass das BKA seinerzeit nicht

mit großem Nachdruck die Zentralisierung betrieben

habe, denn sonst hätte der Präsident auch nicht zuge-

stimmt, dass man in Garmisch-Partenkirchen im Ergebnis

anders entscheide.
4848

Dem Zeugen Dr. Hanning ist im

Ausschuss der Besprechungsvermerk des BKA über das

vom VP Falk mit dem Unterabteilungsleiter Dr. Förster

im BMI geführte Telefonat vom 21. April 2006 vorgehal-

ten worden, in welchem die Erwartungshaltung des BKA

formuliert worden war, dass sich der Staatssekretär an die

Länder wende. In diesem Vermerk heißt es:

„Die weitere Verfahrensweise wird dann sein:

– Vorlage StS Dr. Hanning,

– Schreiben StS Dr. Hanning an alle betroffenen
StS der Länder, mit der Anregung wegen der

Besonderheit des Falles etc., etc., das BKA

gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG um Übernah-

me zu ersuchen,

mit dem Hinweis auf andere Möglichkeiten und

Instrumentarien.“4849

Der Zeuge Dr. Hanning hat hierzu ausgesagt, nachdem

bereits die vorgeschaltete Fachebene entschieden und ihm

erklärt habe, man habe eine vernünftige Lösung gefunden,

habe es schlechterdings keinen Sinn mehr gemacht, an-

schließend als Staatssekretär noch Briefe zu schreiben.
4850

Weitere Schritte seinerseits seien vor diesem Hintergrund

nicht erforderlich gewesen.
4851

Wenn das BKA gesagt hätte, die Probleme seien nicht

gelöst, bzw. man müsse darauf beharren, dass die Ermitt-

lungen zentral vom BKA geführt oder andere Ermitt-
4844) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3.

4845) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 16.

4846) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 3.

4847) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 16.

4848) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 19.

4849) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A
BKA-2/19, Bl. 352.

4850) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 37.

4851) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 36; S. 37; S. 47; S. 50; S. 58.

lungsaktivitäten ergriffen würden, dann hätte ihn dies als

Staatssekretär erreicht, und er hätte versucht, das Problem

auf Staatssekretärsebene zu lösen. Wahrscheinlich hätten

dann in Garmisch-Partenkirchen die Minister miteinander

gesprochen.
4852

An anderer Stelle hat er ergänzt:

„Wenn das BKA selbst der Meinung ist, dass es
das macht, hätte ich das unterstützt, selbstverständ-

lich. Aber ich hätte schon dann auch gefragt: Wie

macht ihr das denn? Habt ihr auch die Ressourcen?

Denn ich habe in dem Sauerland-Fall dann erleben

müssen, dass die Ressourcen des BKA sehr be-

grenzt waren und sehr beschränkt waren.

[…] Schon damals sprach Vieles dafür. Ich meine,
die Argumente waren ja im Grunde überzeugend.

Ich hätte mich auch dafür eingesetzt.
4853

Der Zeuge Dr. Wolfgang Schäuble hat ausgesagt, anläss-

lich der 180. IMK aus dem zuständigen Arbeitskreis II

informiert worden zu sein, dass am Rande der Innenmi-

nisterkonferenz auf Abteilungsleiterebene vorhandene

Schwierigkeiten in der Koordination der Ermittlungen

besprochen
4854

und die Fragen der Zusammenarbeit be-

friedigend geregelt worden seien sowie, dass der Bund

sich im Rahmen dieser Zusammenarbeit auch an der er-

höhten Auslobung beteiligen solle.
4855

Diesen Vorschlag

habe er befriedigt zur Kenntnis genommen.
4856

Die bei der IMK anwesenden Zeugen sind auch befragt

worden, ob ihnen im Rahmen der IMK Mängel in der

Ermittlungsarbeit vorgetragen worden seien bzw. die vom

BKA mit Schreiben vom 2. Mai 2006 an das BMI
4857

formulierte „Mängelliste“ bekannt war, die laut eines von
KD Hoppe für das BKA erstellten Vermerks vom

9. Mai 2006 von Präsident Ziercke im Rahmen des Ka-

mingesprächs vorgetragen worden sei.
4858

Die Zeugen Dr. Beckstein und Kindler haben jegliche

Kenntnis von einer „Mängelliste“ verneint.

Auch der Zeuge Dr. Beckstein, hat ausgesagt, ihm seien

weder ein Schreiben des BKA an das BMI noch Mängel

in der Ermittlungsarbeit bekannt gewesen.

„Sechs Jahre sind eine gefährliche Zeit. Aber ich
halte es für außerordentlich unwahrscheinlich, dass

tatsächlich eine Mängelliste vorgetragen worden

ist. Ich wäre doch elektrisiert gewesen. Ich hätte

meinen Kindler kommen lassen und hätte dem den

Kopf – […] Ich hätte um Auskunft gebeten, wie er
dazu Stellung nimmt.“4859
4852) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 47.

4853) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.

4854) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 15.

4855) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 9, siehe auch S. 2.

4856) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 15.

4857) Schreiben BKA vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 18 f.

4858) Vermerk BKA vom 9. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 231.

4859) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 73.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 553 – Drucksache 17/14600

BKA-Präsident Ziercke habe ihn ebenfalls nicht auf Män-

gel bei den Ermittlungen angesprochen.
4860

Der BKA-Präsident Ziercke hat ausgesagt, auf die beste-

henden Mängel bereits am 21. April 2006 in einem Tele-

fonat mit dem bayerischen Polizeipräsidenten Kindler

hingewiesen zu haben.
4861

Der Zeuge Dr. Schäuble hat ausgeführt, über die Befas-

sung im Vorfeld der IMK im Zusammenhang mit der

Ausweitung der Belohnung hinaus, könne er sich nicht

erinnern, mit Fragen der Zusammenarbeit befasst gewe-

sen zu sein.
4862

Darüber hinaus seien ihm keine Klagen

über mangelnde Zusammenarbeit erinnerlich.
4863

Sein

Gesprächspartner beim BKA sei BKA-Präsident Ziercke

gewesen. Ein Vorschlag, dem BKA die Ermittlungen

nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zuzuweisen, sei ihm

von diesem nicht vorgetragen worden.
4864

Auch der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, er habe mit Bun-

desinnenminister Dr. Schäuble nicht über die Frage einer

Zentralisierung der Ermittlungsführung gesprochen. Zu

der Zeit sei es so gewesen, dass operative Maßnahmen in

der Regel immer mit dem Staatssekretär besprochen wor-

den seien.
4865

bbb) Bewertung der Entscheidung für eine
Steuerungsgruppe durch die Zeugen im
Jahr 2006

Der Zeuge Falk hat angegeben, nachdem er im Anschluss

an die IMK telefonisch von dem zuständigen Abteilungs-

leiter im BMI, Krause, über die Entscheidung für eine

Steuerungsgruppe informiert worden sei, gegen diese

argumentiert zu haben. Er habe die gewählte Organisati-

onsform als „kriminalfachlich stümperhaft“ angesehen.
Konkret hat er ausgeführt:

„Ich habe das als Zuweisung einer Nebenrolle für
das Bundeskriminalamt, die wir da bisher ja auch

gespielt haben, verstanden und habe sofort unter

Hinweis auf die klare bundesgesetzliche Aufga-

benzuweisung an das BKA als Zentralstelle – nicht
als Ermittlungsbehörde, als Zentralstelle – dagegen
argumentiert […]. Eine befriedigende Antwort auf
meinen Widerspruch habe ich nicht bekommen.

Ich habe daraufhin Herrn Krause auch gesagt,

niemand – und ich habe das hier schon zweimal
gesagt, keine Behörde könne eine Erfolgsgarantie

geben, aber alle bekämpfenden Aufklärungsbemü-

hungen seien von Anfang an bis jetzt aus meiner

Sicht – und das wörtlich – kriminalfachlich stüm-
perhaft organisiert worden. Ich sehe das auch heu-

te noch so. Herr Krause reagierte darauf nur mit
4860) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 121.

4861) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 8; MAT A BKA-2/19, Bl. 352.

4862) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2, s. auch S. 8.

4863) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2, s. auch S. 8.

4864) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 8.

4865) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 17.

der Aussage, Bayern müsse jetzt aktiv werden.

Und so ist es dann auch weitergegangen.“4866

In einem Schreiben an den Untersuchungsausschuss aus

Anlass der Berichterstattung über seine Vernehmung hat

der Zeuge Falk klargestellt, dass er seine Aussage „krimi-
nalfachlich stümperhaft“ ausschließlich auf die bis dahin
zur Aufklärung der Mordserie praktizierte, dezentralisier-

te (Organisations-) Form der Zusammenarbeit der Poli-

zeibehörden der Tatortländer und des BKA bezogen habe,

sowie – vor allem – entgegen der Initiative des BKA die
Übereinkunft der genannten Innenministerien am 4. Mai

2006, daran substantiell nichts zu ändern. Er habe es für

kriminalistisch und polizeitaktisch falsch und riskant

gehalten, auch noch nach dem neunten Mord weiter auf

die Schaffung einer zentralen polizeilichen Ermittlungs-

zuständigkeit (z. B. im BKA) zu verzichten und trotz der

in vielfacher Hinsicht außergewöhnlichen Dimension des

Aufsehens, welche die Mordserie und die langanhaltende

Erfolglosigkeit der Aufklärungsbemühungen etwa in der

Türkei hervorgerufen hatten, und trotz der im Bundeskri-

minalamt erkannten Schwachstellen an der bis dahin

gewählten Bekämpfungs- und Ermittlungsorganisation –
dezentrales, nur partiell zu koordinierendes Vorgehen in

fünf Bundesländern und im BKA – festzuhalten.4867

„Ich kritisierte gesprächsweise u. a. mit den Wor-
ten ‚kriminalfachlich stümperhaft‘ gegenüber dem
zuständigen Abteilungsleiter im BMI insbesondere

den Verzicht darauf, mit einer nach dem BKA-

Gesetz (§ 4 Abs. 2 Nr. 2) möglichen Entscheidung

seines Hauses, das BKA ‚aus schwerwiegenden
Gründen‘ mit der zentralen Ermittlungsführung zu
beauftragen und so wenigstens für eine klare poli-

zeiliche Gesamtverantwortung an einer Stelle so-

wie eine einheitliche Ermittlungsführung und In-

formationsverarbeitung bundesweit zu sorgen, in

deren Folge es auch wahrscheinlicher geworden

wäre, ein staatsanwaltliches Sammelverfahren zu

erreichen.“4868

Es habe ihm völlig fern gelegen,

„die stets engagierte, konkrete Ermittlungsarbeit
der eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

der Bundesländer und des BKA als ‚kriminalfach-
lich stümperhaft‘ zu bezeichnen.“4869

Dieser Bewertung seines damaligen Vizepräsidenten ist

der Präsident des BKA, Ziercke, als Zeuge vor dem

Untersuchungsausschuss ausdrücklich entgegengetreten.

Zwar sei der vom BKA unterbreitete Vorschlag nicht

angenommen worden, aber man habe einen guten, ver-

tretbaren
4870

Kompromiss gefunden
4871

, der eine wesentli-
4866) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 7, siehe auch S. 13.

4867) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,

MAT B- Z11.

4868) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,

MAT B- Z11.

4869) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,
MAT B- Z11.

4870) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 33.

Drucksache 17/14600 – 554 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

che Verbesserung dargestellt habe.
4872

In wesentlichen

Punkten habe sich das BKA durchgesetzt.
4873

Der Zeuge

Ziercke hat betont, die Praxis habe ihm Recht gegeben

und nicht Herrn Falk.
4874

„Wir haben einen Vorschlag gemacht. Dieser Vor-
schlag ist erörtert worden. Und da kommt das An-

gebot, die zentrale Steuerungskomponente durch

eine Steuerungsstelle zu ersetzen – unter Einbin-
dung des BKA, mit dem informationellen Bezug;

das ist sehr wichtig – und gleichzeitig eine Stelle
einzurichten zur Informationssammlung; das war

auch sehr wichtig; das war ja nicht in unserem

Vorschlag enthalten. Dieses hat unseren Vorschlag

zu 80, 85 Prozent – meiner Meinung nach jeden-
falls; das habe ich ihm [Falk] auch gesagt damals –
erfüllt. Und diesen Weg konnte man gehen.

Gleichzeitig – noch mal; das war wichtig –: Die
Verständigung auf 300 000 Euro und in Nürnberg

diese Einzeltätergeschichte mit großem Aufwand

zu machen, das war für mich von Bedeutung. Und

das Ergebnis hat mir Recht gegeben […].“4875

Auf die Nachfrage, womit er glaube, Recht behalten zu

haben, sagte der Zeuge:

„Ich habe mit der Aussage recht behalten, dass ich
die Konstruktion, die man jetzt gewählt hat, durch-

aus als geeignet halte, um die Mordserie mögli-

cherweise zu stoppen.“4876

Auf Nachfrage hat der Zeuge Ziercke auch erläutert, mit

welchen der im Schreiben des BKA vom 2. Mai 2006 an

das BMI
4877

aufgeführten Punkte sich das BKA nach

seiner Auffassung durchgesetzt habe:

„Es sind insgesamt fünf Punkte in der Punktation.

Der erste Punkt spricht davon, dass ein Ermitt-

lungskonzept verfolgt werden soll, Prioritäten ge-

setzt werden sollen, dass Auslandsermittlungen

stärker abgestimmt werden sollen. Ja, das kann

man so oder so bewerten. Das ist für mich nicht

das Entscheidende jetzt gewesen in diesem ersten

Punkt. Dies ist auch über eine Steuerungsgruppe

möglich gewesen. Das einheitliche Fahndungskon-

zept, das ist dann erfolgt, im Hinblick auf die

Maßnahme 300 000 Euro Auslobung, dass Fahn-

dungsmaßnahmen im Nürnberger Raum eingeleitet

worden sind, dass wir über das BKA entsprechend

auch bei der Öffentlichkeitsfahndung mitgewirkt

haben. Auch da gab es Schwierigkeiten, auch da

gab es mal unterschiedliche Auffassungen, aber im

Prinzip ist das umgesetzt worden.
4871) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 16.

4872) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 33.

4873) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 31.

4874) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 15.

4875) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 16.

4876) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, Bl. 20 f.

4877) MAT A BKA 2/20, Bl. 15 ff.

Dann: ‚Es ist nicht sichergestellt, dass In-
formationen aus den bisherigen Einzeltaten voll-

ständig an einer Stelle zusammenlaufen.‘ - All das
ist in EASy Bayern zusammengelaufen. […]

Dann: ‚Der gebotene zeitgerechte und alle Adres-
saten angemessen berücksichtigende Austausch

der Tatbehörden untereinander und mit dem BKA

ist hiesigen Erachtens - das haben meine Leute ge-

schrieben – vor dem jeweils nur spezifischen […]
Bewertungshintergrund der einzelnen Tatortbehör-

den nicht in vollem […] Umfang gewährleistet.‘
[…] Dieses ist in der Steuerungsgruppe dann nach-
folgend aus meiner Bewertung heraus – und ich
habe auch keine anderen Informationen, auch nicht

von Herrn Hoppe, bekommen – […] nicht kritisiert
worden.

‚Verdeckte taktische Ermittlungsmaßnahmen im
In- und Ausland können mangels Absprachen […]
untereinander […] nicht zentral geplant und koor-
diniert werden.‘ Das ist der Punkt, wo wir uns
stärker einbringen mussten - das ist richtig -, weil

das die Auslandsermittlungen waren. Aber diese

Auslandsermittlungen - das wissen wir heute - ha-

ben in die Irre geführt.

Also, ich bitte Sie, ich kann hieran nicht erkennen,

dass wir nicht uns in erheblichem Maße auch mit

an der Steuerungsgruppe und mit einer Sammel-

stelle mit […] (akustisch unverständlich) des BKA
und, ich sage noch mal, mit informationeller Ver-

netzung - alles war in EASy Bayern, auf alles

konnten wir zugreifen und umgekehrt auch - - dass

wir uns da nicht durchaus adäquat aufgestellt ha-

ben.“4878

Der Zeuge Ziercke hat ergänzt, er sei davon angetan ge-

wesen, dass man operativ gedacht und mit einem Riesen-

aufwand in Nürnberg der Einzeltätertheorie nachgegan-

gen sei, was für ihn Sinn gemacht habe.
4879

Dies sage er

mit seiner Erfahrung, dass Mordermittlungen vor Ort

viele Personen und Milieukenntnisse erforderten, auch

von denen, die vor Ort seien. Dies wäre bei einer Struktur,

die man im BKA gefunden hätte, letztlich über einen

Einsatzabschnitt gelaufen, über Entscheidungen, die an

zentraler Stelle hätten koordiniert werden müssen. Er hat

fortgeführt:

„Allerdings hätten dazu dann erst mal die Staats-
anwaltschaften ihr Go geben müssen. Ich glaube,

diese Komponente […] haben Sie aber aus meiner
Sicht jetzt nicht bisher so problematisiert, dass Sie

sagen: Ja, die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des

Verfahrens. - Ein Sammelverfahren einzurichten,

wäre der entscheidende Punkt gewesen. Dann hät-

ten alle genau auf dieser Schiene marschieren

müssen. Insoweit, muss ich sagen, ist das, was wir

2004, 2006 erlebten, letztlich, ja, unter polizeifö-
4878) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 31.

4879) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 555 – Drucksache 17/14600

derativen Aspekten für mich eine Kompromisslö-

sung gewesen, die ich auch letztlich mitgetragen

habe, auch gut fand - das habe ich ja auch hier ge-

sagt -; aber ich hätte mir eine 100- oder 120-Pro-

zent-Lösung natürlich vorstellen können, klar.“4880

Der Zeuge Maurer hat die gewählte Art der Ermittlungs-

führung als eine vertretbare Möglichkeit bezeichnet, die

Vorgänge zu bearbeiten. Er hat ausgesagt:

„Dass es möglich ist, Vorgänge so zu bearbeiten,
habe ich damals konzediert und konzediere ich

heute. Natürlich ist es möglich, Vorgänge so zu

bearbeiten. Es bedeutet nur: Die Gefahr von In-

formationsverlusten ist eben auch größer, und es

fehlt an der Draufsicht. Das war meine Argumen-

tationslinie zu dem Zeitpunkt. Aber auch dieses

Gespräch, das Sie anführen [Strategiebesprechung

beim BKA am 19. April 2006]
4881

war ein Ge-

spräch im Zusammenhang mit der Vorbereitung

der Herbeiführung einer Entscheidung auf höherer

Ebene, weil es für uns klar war: Auf der Sachebe-

ne haben wir unterschiedliche Auffassungen. Wo-

bei ich konzediere: Man kann beide Auffassungen

vertreten.“4882

Zu dem Zeitpunkt, als die Entscheidung für eine Steue-

rungsgruppe gefallen sei, habe er aber nicht befürchtet,

dass es in eine eklatant falsche Richtung gehe, weil er

gewusst habe, was gemacht worden sei. Er habe gewusst,

dass Ansatzpunkte, die nicht bearbeitet wurden, nicht

vorlagen.
4883

Als die Entscheidung getroffen worden sei,

habe er sie voll mittragen und umsetzen können, weil er

auch gesehen habe, dass Elemente seiner Diskussion zum

Gegenstand gemacht worden seien.
4884

Der Zeuge Dr. Hanning hat erläutert, das BMI sei an

einer einvernehmlichen Lösung interessiert gewesen, die

man gegen den erklärten Willen der Länder nicht habe

erzielen können. Er hat ausgeführt:

„Richtig ist, es geht nur einvernehmlich, […] wenn
die Länder sich sperren in diesem Fall - das war ja

so -, dann können Sie keine einvernehmliche Lö-

sung hinbekommen. Aber ich sage Ihnen - und das

habe ich schon mitbekommen -: Also in Bayern

war damals eine Stimmungslage, die sich seit 2004

sehr gewandelt hatte, sehr gewandelt hatte. Es war

die Stimmungslage die: Das sind unsere Fälle hier,

und das BKA soll sich da gefälligst heraushalten;

wenn wir das BKA brauchen, werden wir schon

das BKA fragen. - Das war so ein bisschen, was

ich am Rande mitbekommen habe, und deswegen

war ich sehr froh, dass man eine einvernehmliche

Lösung gefunden hat.“4885
4880) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51 f.

4881) Siehe oben F.V.3.cc).

4882) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 16.

4883) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 17.

4884) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 17.

4885) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44. S. 37.

Nach Auffassung des Zeugen mache es bei der Anord-

nung einer zentralen Ermittlung einen Unterschied, wenn

ein neuer Sachverhalt drohe, die Infrastruktur des Landes

zu bedrohen oder ob man – wie im vorliegenden Fall –
auf gewachsene Ermittlungsstrukturen in den Ländern

treffe. Wenn dann die Länder sagen würden: „Wir möch-
ten weiter ermitteln“, sei es sehr unklug, konfrontativ
gegenüber den Ländern zu entscheiden.

4886
Der Zeuge Dr. Schäuble hat die Auffassung vertreten,

dass der gemeinsamen Verantwortung von Bund und

Ländern für die Sicherheit des Landes und darin lebenden

Menschen am besten durch eine vertrauensvolle Zusam-

menarbeit Rechnung getragen werde. Er habe immer

darauf hingewirkt, dass solche Fragen – wie auch im
vorliegenden Fall – im Zusammenwirken entschieden
würden.

4887
Er hat dargelegt:

„Mein Verständnis von der Ordnung des Grundge-
setzes ist, dass die Polizei grundsätzlich Ländersa-

che ist, die besonderen Aufgaben der Bundespoli-

zei beiseitegelassen, dass das Bundeskriminalamt

eine ergänzende subsidiäre Aufgabe hat, die im

Bundeskriminalamtgesetz definiert ist, dass die

verantwortlichen Behörden des Bundes und der

Länder grundsätzlich auf Zusammenarbeit ange-

legt sind. Mein Verständnis ist darüber hinaus,

dass die Führung eines Ministeriums die politische

Verantwortung bedeutet, die Verantwortung für

die notwendigen Personalentscheidungen, dass

man sich aber möglichst nicht als Leiter eines Mi-

nisteriums in die einzelnen Entscheidungen der da-

für zuständigen Behörden und Instanzen einmi-

schen soll. In diesem Sinne habe ich mich nie als

oberster Polizist der Bundesrepublik Deutschland

verstanden, auch nicht in den Jahren, in denen ich

Bundesinnenminister gewesen bin. Deswegen bin

ich mit diesen schrecklichen Morden amtlich nur

sehr marginal befasst gewesen.“4888

Der Zeuge Dr. Schäuble hat ausgesagt, ihm sei nicht

erinnerlich, nach der 180. IMK Klagen über mangelnde

Zusammenarbeit gehört zu haben.
4889

Ob er selbst nachge-

fragt habe oder ob ihm dies so gesagt worden sei, könne

er nicht beantworten.
4890

Der Zeuge Schily erläuterte im Ausschuss auf die Frage,

wie er in der Situation entschieden hätte, hingegen:

„Wenn ein ähnliches Ersuchen an mich herange-
tragen worden wäre, dass das BKA in einer sol-

chen Situation hinzugezogen worden wäre, hätte

ich mich für das BKA ausgesprochen. […] Ich hat-
te da eine gewisse Durchsetzungskraft wie Sie

wissen. Aber das hatte auch seine Grenzen.“ 4891
4886) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 14.

4887) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 9.

4888) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.

4889) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 38.

4890) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 38.

4891) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 30.

Drucksache 17/14600 – 556 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auf die Nachfrage, ob er dies auch gegen den Willen des

bayerischen Innenministers Dr. Beckstein angeordnet

hätte, erklärte der Zeuge Schily:

„Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu meinem
Freund Günther Beckstein, wie Sie wissen. Ich hät-

te das sicher nicht gefährden wollen. Aber wenn

sich gute Argumente dafür ergeben hätten – es ist
schwer das jetzt im Nachhinein zu sagen. Ich will

mich da auch nicht auf ein Podest stellen. […]

Wir haben ja sehr drauf Wert gelegt, dass wir im

Kreise der Bundesinnenministerkonferenz im In-

nenverhältnis zwischen Bund und Ländern immer

zu einer Einigung gekommen sind. […] Wir haben
ja keine Kampfabstimmungen dort gehabt. Wir

haben immer einvernehmlich – Das ist übrigens
ein guter Grundsatz in der deutschen Innenpolitik,

und insofern bin ich etwas im Zweifel, ob ich das

streitig entschieden hätte.“ 4892

d) Gespräche im Nachgang zur IMK

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob es im

Nachgang zur IMK nochmals Bemühungen seitens des

BKA oder des BMI gegeben habe, noch zu einer anderen

als der Steuerungsgruppenlösung zu gelangen.

Der Zeuge Falk hat ausgeführt, er habe nach der IMK nur

noch ein Telefonat mit dem Abteilungsleiter P im BMI,

Krause, in dieser Angelegenheit geführt. Dieser habe ihn

angerufen und das Ergebnis der IMK mitgeteilt. Er habe

die Art, wie bisher gearbeitet worden sei – die gewählte
Organisationsform

4893
– als „kriminalfachlich stümper-

haft“ bezeichnet.4894 Er habe die Reaktion von Herrn
Krause so verstanden, dass dies das Ende der Diskussion

gewesen sei. Da auf der Ebene der Ministerien so ent-

schieden worden sei, habe es auch keine

Appellationsinstanz mehr gegeben.
4895

Der Zeuge Maurer hat ausgesagt, nach den ganzen Dis-

kussionen in verschiedenen Gremien im Vorfeld der IMK

habe er keine Veranlassung und keinen Spielraum mehr

gesehen, nochmals bei der Amtsleitung zu intervenieren.

Alle Argumente seien vielfach diskutiert worden und

unter Einbindung anderer Fachleute sei man zwar zu

einem andern Ergebnis gekommen, als von ihm vorge-

schlagen, mit diesem habe er aber umgehen können.
4896

4. Überlegungen zu einer Koordinierung bei
der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG

Ob bzw. inwieweit seitens des BKA auch eine Anwen-

dung des § 18 BKAG – Koordinierung bei der Strafver-
4892) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 30.

4893) Ergänzungen des Zeugen zum Protokoll, MAT B Z-11.

4894) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 13, siehe zur 2. OFA ausführlich
F.V.8.c).

4895) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 13.

4896) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 67 und 69.

folgung – im Zusammenhang mit der Mordserie in Erwä-
gung gezogen wurde, hat sich nicht abschließend klären

lassen.

Bei § 18 BKAG handelt es sich nicht um einen Übergang

der Ermittlungszuständigkeit an das BKA, sondern um

eine Art Entscheidungshilfe bei Zuständigkeitskonflikten

zwischen den Ländern.
4897

Das Bundeskriminalamt ent-

scheidet hier bei länderübergreifenden Fällen, welche

Landesbehörde für die Ermittlungen zentral zuständig

sein soll.

In einem Vermerk des BKA zu einem Gespräch von VP

Falk und dem damaligen Unterabteilungsleiter Dr. Förs-

ter im Bundesministerium des Innern vom 20. April 2006

heißt es:

㤠18 BKAG wurde einvernehmlich verworfen,
ein Sammelverfahren bei einer StA ist anzustreben

(Nr. 25 ff. RiStBV).“4898

Auch im Protokoll der Besprechung bei der Amtsleitung

des BKA am 24. April 2006 ist festgehalten, dass das

Bundesministerium des Innern und die Amtsleitung des

BKA – zu einem Zeitpunkt, als noch keine Entscheidung
für eine Steuerungsgruppe getroffen worden war – eine
Vorgehensweise nach § 18 BKAG ablehnten und stattdes-

sen eine Betrauung durch die Länder nach § 4 Abs. 2 Satz

1 Nr. 1 BKAG favorisierten, womit auch eine Zuweisung

nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG zunächst zu vermei-

den sei.
4899

Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, ob sich

das BKA nach der Entscheidung für die Errichtung einer

Steuerungsgruppe noch einmal für eine Zentralisierung

der Ermittlungen bei einer Ermittlungsbehörde – sei es
auf Länderebene – eingesetzt habe. Vor dem Untersu-
chungsausschuss hat der Zeuge Bernhard Falk bekundet,

eine hierzu vom BKA ausgegangene Aktivität sei ihm

nicht bekannt.
4900

Ihm ist ein Vermerk des Leiters der

Sonderkommission in Hamburg vom 13. September 2007

zu einer Sitzung des AK II am 18. September 2007 in

Berlin vorgehalten worden, in dem es heißt:

„Eine Übernahme der Ermittlungen durch das
BKA gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG steht gegen-

wärtig nicht im Raum. Durch das BKA wurde auf

die Möglichkeit des § 18 BKAG […] hingewie-
sen.“4901

Der Zeuge Falk hat ausgeführt, er wisse nicht, wie und

auf welcher Grundlage und durch wen das Thema im

AK II zur Sprache gebracht worden sei. Nach seiner Erin-

nerung habe das BKA relativ schnell diese Möglichkeit

verworfen, weil Voraussetzung gewesen wäre, dass nicht
4897) Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 187. EL 2011,

§ 18 BKAG Rn. 3.

4898) Besprechungsvermerk BKA vom 24. April 2006, MAT A

BKA-2/19, Bl. 352.

4899) MAT BKA-2/19, Bl. 320 f.

4900) Falk, Protokoll-Nr.19, S. 60.

4901) MAT A HH-5/1 d, Bl. 206.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 557 – Drucksache 17/14600

nur die betroffenen Generalstaatsanwälte in fünf Bundes-

ländern zugestimmt hätten, sondern auch die Innenminis-

ter. Und diese hätten nun gerade 2006 die Auffassung

vertreten, dass alles so bleiben sollte, wie es war. Deshalb

habe man gar keinen Raum gesehen.
4902

5. Konstituierung und Arbeit der Steue-
rungsgruppe

a) Konstituierung der Steuerungsgruppe am
17./18. Mai 2006

Entsprechend dem Ergebnis im Rahmen der Innenminis-

terkonferenz vom 4. Mai 2006 wurde unter dem Vorsitz

des Leiters der BAO „Bosporus“ (LKD Geier) eine Steue-
rungs- und Koordinierungsgruppe mit den jeweiligen

Leitern der einzelnen Sonderkommissionen der Bundes-

länder und dem BKA mit einer Geschäftsstelle eingerich-

tet. Deren konstituierende Sitzung fand am 17. und

18. Mai 2006 statt.
4903

b) Struktur, Aufgaben, Sitzungsrhythmus

Die Teilnehmer der konstituierenden Sitzung der Steue-

rungsgruppe beschlossen:

– „Implementierung einer Steuerungsgruppe un-
ter Leitung von Herrn Geier. Festlegung der

Aufgabenbereiche des Gremiums. Mitglieder

sind die Leiter der jeweiligen Tatortdienststel-

len und der EG ‚Česká‘. Namentliche Vertre-
ter der Steuerungsgruppenmitglieder werden

benannt.

– Bildung einer Geschäftsstelle beim Vorsitzen-
den der Steuerungsgruppe.

– Festlegung auf ISA (Informationssammelstel-
le) mit Sitz in Nürnberg und unmittelbarer

Anbindung an die Steuerungsgruppe.

– Abwicklung des Auslandsdienstverkehrs gem.
den gesetzlichen Vorgaben des BKA über die

EG ‚Česká‘ an die zuständigen Stellen der
Alltagsorganisation. Die Infos sind parallel

dazu der ISA zuzuleiten.

– Einbindung der Staatsanwaltschaften durch
halbjährige, bzw. quartalsmäßige Besprechun-

gen.

– Monatliches Treffen (1. Mittwoch des Mo-
nats) der Angehörigen der Steuerungsgruppe.

In dringenden Fällen wird eine Telefonkonfe-

renz erfolgen.“4904

Die Aufgaben der Steuerungsgruppe wurden in dieser

Sitzung wie folgt festgelegt:
4902) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 60.

4903) Protokoll, MAT A BY-2/3d, Bl. 1 ff.

4904) Protokoll, MAT A BY-2/3d, Bl. 5 f.

– „Strategische und taktische Ausrichtung der
Ermittlungen

– Abstimmung von Ermittlungsschnittstellen
und operativen Maßnahmen

– Grundsätzliche, rechtliche Abstimmung mit
den Staatsanwaltschaften

– Strategische Ausrichtung der Öffentlichkeits-
und Pressearbeit

– Empfehlungen zu logistischen und edv-
technischen Grundsatzangelegenheiten

– (Bundesweite) Empfehlungen zu Ermittlungs-
und Fahndungsmaßnahmen.“4905

Die Aufgaben der Geschäftsstelle der Steuerungsgruppe

wurden folgendermaßen bestimmt:

– „Erarbeitung von strategischen und ermitt-
lungstaktischen Konzepten im Auftrag der

Steuerungs- und Koordinierungsgruppe

– Vorbereitung von logistischen und EDV-
technischen Grundsatzentscheidungen

– Umsetzung der Vereinbarungen zur Öffent-
lichkeits-/Pressearbeit

– Controlling der Beschlussumsetzung

– Vorbereitung der periodischen und anlassbe-
zogenen Strategiebesprechung

– Dokumentation und Steuerung der Festlegun-
gen/Entscheidungen der Steuerungs- und

Koordinierungsgruppe

– Ansprechpartner/Bindeglied für die Sokos/EG
für strategische und ermittlungstaktische Fra-

gen

– Erarbeitung der Sachstandsberichte (monat-
lich)

– Erledigung sonstiger Berichtspflichten“4906

Die Auslandssteuerung blieb dem BKA vorbehalten und

wurde über die EG „Česká“ geleistet.4907

Die Problematik von divergierenden Meinungen wurde

innerhalb der Steuerungsgruppe folgendermaßen disku-

tiert:

„Vor dem Hintergrund der nicht einstimmigen Be-
schlussfassung zur Umsetzung des Medienkon-

zepts EZT [= Einzeltätertheorie] werden verschie-

dene, Möglichkeiten der Entscheidungsfindung

kontrovers diskutiert. Mit Blick auf die formale

Gleichrangigkeitsvereinbarung bei Einrichtung der

Steuerungsgruppe wird mehrheitlich kein Raum
4905) MAT A BY-2/3d, Bl. 19.

4906) MAT A BY-2/3d, Bl. 20.

4907) Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe

vom 17./18. Mai 2006, MAT A BY-2/3d, Bl. 3.

Drucksache 17/14600 – 558 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

für nicht einstimmige Entscheidungen gesehen, die

Bindungswirkung entfalten können. Im Ergebnis

kommt es zu keiner Vereinbarung. lm Zweifelsfall

werden die Einzelmeinungen festgestellt und fach-

liche Empfehlungen ohne Bindungswirkung for-

muliert.“
4908

c) Tätigkeit der Steuerungsgruppe

Im Rahmen der Steuerungsgruppe wurde die Einzeltäter-

theorie vielfach, die Spur 195 im Besonderen, lediglich

am 9. Januar 2008 und am 7. Oktober 2009 erörtert:

„Vom LfV gemeldete Rechtsextreme mit Bezug
Nürnberg werden überprüft; von 161 Unterspuren

sind etwa ein Drittel abgearbeitet, es stellte sich

heraus, dass Türken eher nicht als Feindbild exis-

tieren.“4909

„Derzeit werden verstärkt Restspuren abgearbeitet.
Beispielsweise werden noch rund 15 Personen, die

dem LfV im Zeitraum von 1995 - 2002 als Rechts-

extremisten bekannt waren und einen EWO-Bezug

nach Nürnberg hatten, abgearbeitet. Dabei handelt

es sich um zurückgestellte Teilspuren des ur-

sprünglichen Gesamtbestandes von 160 Perso-

nen.“4910

Ende 2009 beschloss die Steuerungsgruppe, dass sie nur

noch bei Bedarf zusammentreten werde.
4911

Im Jahr 2010

fanden noch zwei außerordentliche Sitzungen statt.
4912

Letztmalig trat die Steuerungsgruppe im Oktober 2010

zusammen.
4913

6. Errichtung einer Informationssammelstelle
in Nürnberg

Der Zeuge Kindler hat ausgesagt, dass bei der 180. IMK

auch die Entscheidung getroffen worden sei, dass eine

Informations- und Sammelstelle beim BKA habe einge-

richtet werden sollen. Aber dann hätten alle Beteiligten

gesagt, diese solle beim PP Mittelfranken angesiedelt

werden.
4914

Der Zeuge Hoppe hat ausgesagt, dass das BKA bereits in

der Strategiebesprechung vom 19. April 2006
4915

habe
4908) Protokoll der 5. Periodischen Besprechung der Steuerungs-

gruppe am 6./7. September 2006, MAT A BY-2/3d, Bl. 55 ff.,

60.

4909) Protokoll der Besprechung vom 9. Januar 2008, MAT A BY-

2/3e, Bl. 149 ff., 153.

4910) Protokoll vom 7. Oktober 2009, MAT A BY-2/3e, Bl. 351 ff.,
353.

4911) Protokoll vom 15./16. Dezember 2009, MAT A BY-2/3e, Bl.

415 ff., 422.

4912) Protokoll vom 10. Mai 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 30 ff.;

Protokoll vom 30. Oktober 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 8 ff.

4913) Protokoll vom 30. Oktober 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 8 ff.

4914) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 87.

4915) Protokoll der Strategiebesprechung vom 19. April 2006, MAT

A BKA-2/19, Bl. 217 ff.

festlegen wollen, wie nach den „neuen“ Morden ab sofort
mit eingehenden Hinweisen umzugehen sei, und dass

diese mit einer sogenannten „Lage- und Informations-
sammelstelle“ (LISt) zentral gesammelt und bewertet und
zur Verfügung gestellt würden.

4916
Dies sei auch am

19. April 2006 so vereinbart worden und das BKA habe

angefangen, die sich aus der Vereinbarung ergebenden

Maßnahmen umzusetzen.
4917

Die späteren Entscheidun-

gen hätten diese aber wieder aufgehoben.
4918

Aus einem im Nachgang zur IMK im BKA erstellten

Vermerk des BKA-Beamten Hoppe vom 9. Mai 2006

ergibt sich, dass es in Hessen einen mündlichen Erlass

gegeben habe, dass das vom BKA vorgeschlagene LISt

mit seinem Aufgabenspektrum nicht akzeptiert werde,

weil es zu sehr in Länderinteressen eingreife.
4919

Ausweislich der Akten stellte, nach Auffassung des BKA,

die Errichtung und der Betrieb der LISt eine originäre

Aufgabe des BKA nach § 2 BKAG dar. Hiergegen wurde

seitens der Länder die sich daraus ergebende Schnittstel-

lenproblematik eingewandt, sowie die Erfahrungen, die

Bayern in der Serie erlangt hatte.
4920

Die Steuerungsgrup-

pe entschied sich nach konträrer Aussprache in ihrer kon-

stituierenden Sitzung am 17./18. Mai 2006 letztlich für

eine Anbindung in Bezug auf die Inlandssteuerung an die

BAO „Bosporus“. Die Auslandssteuerung sollte hingegen
beim BKA verbleiben.

Nachdem die Entscheidung gegen eine Ermittlungsfüh-

rung des BKA und für eine Steuerungsgruppe gefallen

sei, habe nach Auskunft des Zeugen Hoppe auch diese

LISt an Bayern gehen sollen, weil dort eine Federführung

gesehen wurde und in dem Zusammenhang auch die In-

formationssammel- und Auswertungsstelle ISA eingerich-

tet werden sollte, um dort die eingehenden Hinweise und

Informationen zentral zu sammeln, zu speichern sowie zu

bewerten und die einzelnen Spuren den jeweiligen

Dienststellen zuzuweisen.
4921

Der bei der BAO „Bospo-
rus“ angesiedelten Informationssammel- und Auswer-
tungsstelle (ISA) wurden folgende Aufgaben zugewiesen:

„1. Lageerhebung, -darstellung und -steuerung
durch

– Zentrale Registrierung aller eingehender Hin-
weise

– Bewertung der durch die Tatortdienststellen
angelieferten Hinweise, Datenbankabfragen

und Infoverdichtungen

– Weiterleitung der Hinweise an die ZSB (Zent-
rale Sachbearbeitung) der jeweilig zuständi-

gen Ermittlungsdienststelle
4916) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.

4917) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.

4918) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 6.

4919) Vermerk BKA vom 9. Mai 2006, MAT A BKA-2/20, Bl. 231.

4920) Protokoll zur konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe,

MAT A BKA-2/21, Bl. 23.

4921) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 559 – Drucksache 17/14600

– Erfassung und Darstellung von Spurenkom-
plexen

– Hinweiscontrolling

– Übersicht über Sachbeweise und Tatortspuren

– Periodische und anlassbezogene Lageberichte.

2. Aktive Erhebung von Informationen auf natio-

naler Ebene durch Auswertung polizeiinterner und

externer Publikationen incl. Medienauswertung.

3. Gewährleistung eines strukturierten, aktuellen

Informationsaustausches mit allen beteiligten Tat-

ortdienststellen/ EG ‚Česká‘ durch Steuerung von
Lageinformationen und täglichen Abgleich des In-

formationsstandes durch telefonische oder ander-

weitige Kontaktaufnahme (tägliche TK [Telefon-

konferenz], Epost/E-mail-Verteiler).“4922

Der Zeuge Ziercke hat verdeutlicht, dass er die bei der

IMK getroffene Entscheidung im Paket gesehen habe.

Entscheidend für die Informationsablaufprozesse sei ge-

wesen, dass eine informationelle Vernetzung erfolgt sei

und alle vor Ort verarbeiteten Informationen so gespei-

chert wurden, dass man von Wiesbaden oder Meckenheim

darauf habe zugreifen können. Man habe auch bezüglich

der LISt eine 80- bis 90-prozentige Lösung erreicht, wo-

mit man bei dem erheblichen Widerstand der Länder habe

zufrieden sein können.
4923

Auf die Frage, ob er mit der zentralen Informationssamm-

lung und -weitergabe durch die LISt zufrieden gewesen

sei, hat der Zeuge Ziercke geantwortet, ein Jahr lang keine

Beschwerden hierzu gehört zu haben. Er könne nicht

sagen, dass dadurch alles schiefgelaufen sei.
4924

7. Erhöhung der Auslobungssumme und
Beteiligung des BKA

Parallel zur Diskussion über eine zentrale Ermittlungsfüh-

rung durch das BKA strebte Bayern eine Erhöhung der

Belohnung an. Am 25. April 2006 richtete der Leiter des

Ministerbüros ein Telefax an Minister Dr. Beckstein.

Darin heißt es:

„[…] finden Sie anbei einen Vermerk von IC, der
die von der BAO ‚Bosporus‘ beantragte Erhöhung
auf 250.000 € im Ergebnis für rechtlich möglich,
haushaltsmäßig aber nur schwer darstellbar hält

und deswegen eine gemeinsame Finanzierung der

Auslobung durch Länder und Bund vorschlägt

[…].

Alternative 1: Ankündigung der Erhöhung der Be-

lohnung auf 250.000 € durch Bay. Polizei. Prob-
lem: Haushaltslage und Gefahr bei Übernahme

durch BKA.
4922) MAT A BY-2/3d, Bl. 21 f.

4923) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51.

4924) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 51.

Alternative 2: Hr. StM kündigt gegenüber Bild-

Zeitung an auf der IMK kommende Woche, den

betreffenden Ländern und dem Bund eine gemein-

same Erhöhung auf 300.000 € vorzuschlagen.“

Am selben Tag vermerkte Minister Dr. Beckstein hand-

schriftlich auf diesem Telefax:

„Wir sollten € 300 Belohnung ausloben, die Betei-
ligung anderer Länder versuchen. Sofern BKA

(nach nächstem Mord) übernimmt – Widerruf!“
4925

Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilte mit

Schreiben vom 6. Juni 2006 an die beteiligten Mitglieder

des AK II das Ergebnis der Erörterung zur Erhöhung der

Auslobung am Rande der 180. Sitzung der Ständigen

Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder

am 4./5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen sowie eines

Gesprächs zwischen Bundesinnenminister Dr. Schäuble

und Staatsminister Dr. Beckstein am 19. Mai 2006 wie

folgt mit:
4926

„Entsprechend der o. g. Absprachen ergibt sich
hinsichtlich der Erhöhung der Auslobung auf

300 000 Euro für die Aufklärung der Serie folgen-

de Berechnung, wobei die bereits bestehenden

Auslobungen unberührt bleiben:

- Anteil des Bundeskriminalamts: 50.000 Euro“4927

Es wurde um Zustimmung und Bestätigung gebeten, dass

für den Fall, dass eine rechtsverbindliche Auszahlung der

gesamten Auslobungssumme für Hinweise, die zur Auf-

klärung der gesamten Mordserie oder zur Ergreifung des

oder der Täter der gesamten Mordserie geführt hätten,

veranlasst werde, dass die anteiligen Finanzmittel zeitge-

recht zugewiesen würden.
4928

Dem Zeugen Dr. Schäuble wurde ein E-Mail des Leiters

des Grundsatzreferats der Polizeiabteilung im BMI (Refe-

rat P I 1) an den Abteilungsleiter Polizei im BMI vorge-

halten:

„Überraschend für mich, dass BKA sich jetzt doch
mit 50 000 Euro beteiligt. Meines Wissens hatte

Min das bei der IMK abgelehnt.“4929

Auf Nachfrage, wie es zu der Erhöhung der für das BKA

veranschlagten Auslobungssumme gekommen sei, hat der

Zeuge Dr. Schäuble erklärt, ihm sei in der Vorlage vom

3. Mai 2006 ein Beitrag von 30 000 Euro vorgeschlagen

worden, dem habe er zugestimmt; an eine weitere Erhö-

hung des Beitrags auf 50 000 Euro und die Umstände, wie

es dazu gekommen sei, könne er sich nicht mehr erin-

nern.
4930
4925) MAT A BY 2/6c, Bl. 863.

4926) MAT A BMI-4/30, Bl. 124.

4927) MAT A BMI-4/30, Bl. 125.

4928) MAT A BMI-4/30, Bl. 126.

4929) E-Mail vom 7. Juni 2006, MAT A BMI-4/30, Bl. 116 ff.

4930) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 34 f.

Drucksache 17/14600 – 560 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

8. Die zweite Operative Fallanalyse Bayern
vom 9. Mai 2006, die Haltung des BKA da-
zu und Schlussfolgerungen daraus

Nach den beiden Morden am 4. April 2006 in Dortmund

und am 6. April 2006 in Kassel erteilte der Leiter der

BAO „Bosporus“ der OFA Bayern den Auftrag, Alterna-
tivhypothesen zu entwickeln.

4931
a) Aussagen der zweiten Operativen Fallana-
lyse

Die OFA überarbeitete – bei einer Verstärkung um zwei
Personen – ihre bisherige Fallanalyse und stellte ihre
Ergebnisse am 9. Mai 2006 vor.

4932
Experten aus dem

Bereich Rechtsextremismus wurden nicht hinzugezo-

gen.
4933

Die „Organisationstäterhypothese“ wurde um die
Alternativhypothesen „Geheimdienst“, „Kriminalität“ und
„Einzeltäter“ ergänzt. Als wahrscheinlichere Hypothese
sah die OFA Bayern nunmehr die sogenannte „Einzeltä-
terhypothese“ an.4934

Zur Alternativhypothese „Einzeltäter“ heißt es:

„Täter verfügt über psychopathische Persönlich-
keit

Täter entwickelt ablehnende Haltung gegenüber

Türken

Täter sucht ggf. Nähe zur rechten Szene

Täter ist von der ‚Schwäche‘ enttäuscht

Täter entwickelt die Vorstellung seiner eigenen

‚Mission‘

Täter beschafft sich (falls nicht bereits vorhanden)

die Tatmittel und entwickelt diese im Verlauf der

Serie weiter

Täter verfestigt seinen Tatentschluss und behält

diesen über Jahre bei

Täter gewinnt durch die erfolgreichen Taten an

Selbstbewusstsein und ist bereit auch höhere Risi-

ken einzugehen (‚Allmachtsphantasien‘)

Täter begeht die Taten in sich verkürzendem Zeit-

intervall

Täterprofil:

Polizeiliche Vorerkenntnisse aus Staatsschutz

rechts, Waffen-/Sprengstoffdelikte, Aggressions-

delikte (z. B. Sachbeschädigung)

Zugehörigkeit zur rechten Szene vor der 1. Tat,

danach Rückzug wahrscheinlich

Fazit zum Täter:
4931) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai 2008, MAT

A BY-2/10, Bl. 85.

4932) MAT A GBA-5, Bl. 22 ff.

4933) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 59.

4934) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 52.

Ankerpunkt des Täters im südöstlichen Raum

Nürnbergs, eher Wohnort denn Arbeitsstelle

Auswahl der übrigen Tatorte im Rahmen einer (be-

ruflichen) Routinetätigkeit.“4935

Zum „Ankerpunkt Nürnberg“ hat der Fallanalytiker, der
Zeuge EKHK Horn, ausgesagt, dass Ankerpunkt nicht nur

der Wohnort sein müsse. Ankerpunkt könne ein ehemali-

ger Wohnort sein, Beschäftigungsort oder ehemaliger

Beschäftigungsort oder natürlich auch ein Raum mit sozi-

aler Bindung. Ein Grund für die Annahme des Anker-

punktes in Nürnberg sei der dortige Beginn der Serie

gewesen. Außerdem sei die Kumulation von Tatorten

(drei der fünf bayerische Tatorte in Nürnberg) und die

räumliche Nähe zueinander herausragend erschienen.
4936

Als Gründe für die im Vergleich zur ersten Fallanalyse

neue „Einzeltäterhypothese“ hat der Zeuge Horn angege-
ben, dass zwei zusätzliche Handlungsorte hinzugekom-

men seien, Dortmund und Kassel. Außerdem seien die

Opfer außerplanmäßig an den Tatorten zu diesem Zeit-

punkt gewesen. Vom Opferhintergrund habe es keine

Anzeichen gegeben, dass es dort irgendwo Verstrickun-

gen ins kriminelle Milieu gegeben hätte. Daher sei es für

die Fallanalytiker wahrscheinlich gewesen, dass die Opfer

stellvertretend ausgewählt worden seien.
4937

Die OFA sprach bereits in der Präsentation Ermittlungs-

empfehlungen u. a. im Hinblick auf die rechte Szene mit

einem Ankerpunkt in Nürnberg aus. Zu den empfohlenen

Ermittlungen in Nürnberg heißt es:

– „Ermittlungen in rechter Szene (auch über
‚Aussteiger‘): bis 2000 aktiv, danach Rückzug
wahrscheinlich; ggf. enge Verbindung zu wei-

terer Person (evtl. Mittäter dürfte in Szene

auch bekannt sein); - evtl. Forderung nach Ak-

tionen (bisherige zu ‚schwach‘); - ‚Wehr-
sportvereine bzw. –übungen‘?

– Ermittlungen in Sportschützenvereinen:
‚Combat‘ – Schießen; enge Verbindung zu
weiterer Person; türkenfeindliche Gesinnung

– Ermittlungen bzgl. Gotcha-Schießen

– Ermittlungen bzgl. Schießen außerhalb von
Schießstätten / Sprengversuchen

– Überprüfung der bisherigen Hinweise / Ab-
gleich mit Täterprofil

– Ermittlungen hinsichtlich möglicher
Arbeitstelle: Firmen mit Bezügen nach HH,

HRO [Rostock] und München, Bereich um

DO [Dortmund] und KS [Kassel]; evtl. ‚Tech-
nischer Service‘ etc.“4938
4935) MAT A BKA-2/14, Bl. 134.

4936) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 47.

4937) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 60.

4938) MAT A GBA-5, Bl. 75.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 561 – Drucksache 17/14600

b) Bewertung der zweiten Operativen Fallana-
lyse durch die Steuerungsgruppe

In der im Mai 2006 eingerichteten Steuerungsgruppe (zu

dieser s. u.) gab es zwei unterschiedliche Stimmen. Der

Leiter der BAO „Bosporus“ wollte der neuen Hypothese
gleichrangig neben der „Organisationstäterhypothese“
nachgehen, die anderen Teilnehmer präferierten die „Or-
ganisationstäterhypothese“. Im Protokoll zur konstituie-
renden Sitzung der Steuerungsgruppe vom 17./18. Mai

2006 heißt es:

„Neue Analyse der OFA Bayern

Die neue Analyse wurde den Mitgliedern der

Steuerungsgruppe sowohl in Papierform als auch

teilweise elektronisch zur Verfügung gestellt. Herr

Geier erläuterte die beiden Theorien (Organisati-

onstheorie und Einzeltätertheorie), die zwei Er-

mittlungsansätze unter einer großen Anzahl von

möglichen Motiven darstellen. Nach seiner Dar-

stellung bestehen beide Theorien gleichberechtigt

nebeneinander. Ergebnis dieser neuen Theorie ist

die Einbindung von Angehörigen der Staats-

schutzdienststellen. Herr Geier unterbreitete daher

den Bundesländern und dem BKA den Vorschlag,

bei der personellen Modifizierung zum 1. Juni

2006 Rechnung zu tragen. Von Seiten der anderen

Besprechungsteilnehmer erfolgte zu diesem Vor-

schlag keine eindeutige Äußerung.

Herr Hoffmann schlug eine Parallelauswertung der

OFA-Analyse Bayern durch eine bislang mit den

Fällen noch nicht befasste OFA vor. Beispielhaft

zeigt er die positiven Ergebnisse dieses Instrumen-

tariums im Bereich der Verhandlungsgruppen auf.

In der nachfolgenden Diskussion wurde unter an-

derem von Herrn M. der Vorschlag eingebracht,

die Serie nochmals durch eine länderübergreifende

OFA analysieren zu lassen. Herr Hoppe unterstützt

diesen Vorschlag ebenso wie Herr Schwarz. So-

wohl Herr M. als auch Herr Gricksch sind der

Meinung, dass es sich bei den Mitgliedern um un-

beeinflusste, jedoch gut ausgebildete und zertifi-

zierte Profiler handeln müsste.

Von Herrn Schwarz wurde die Frage erhoben, in-

wieweit der neue Ermittlungsansatz (Einzeltäter-

theorie) Relevanz für die Ermittlungen habe, ohne

dass das Ergebnis einer erneuten Analyse durch

eine OFA bestätigt bzw. negiert worden ist. Auf-

grund dieser Tatsache und dem gegebenen Zeit-

verzug bis zur Erstellung einer neuen Analyse

muss das jetzige Ergebnis als relevant betrachtet

werden.

[…] Herr Schwarz gibt zu bedenken, dass auf-
grund der Abstraktionsebene eine Einengung der

Ermittlungen stattfinden könnte, die zu erhebli-

chen Problemen führen würde. Zudem stellt sich

die Frage, inwieweit die Staatsschutzdienststellen

zum jetzigen Zeitpunkt in den Ermittlungsauftrag

involviert werden sollen. […] Da sich konkrete
Anhaltspunkte für eine politische Motivation aus

dem OFA-Ergebnis nicht zwingend ableiten las-

sen, soll bis auf weiteres im Rahmen von Darstel-

lungen nach außen auf entsprechende Hinweise

verzichtet werden. Herr Geier wies darauf hin,

dass ausschließlich konkrete Ermittlungsarbeit

Theorien bestätigen oder ausschließen lasse.

Auftrag an die Geschäftsstelle:

– Zunächst Selektion welche der im Bundesge-
biet vorhandene OFA-Dienststelle in der Lage

wäre, eine erneute Analyse der Gesamtserie zu

fertigen.“4939

Der Zeuge Geier hat angegeben, dass er in der Steue-

rungsgruppe das Ergebnis der 2. OFA ziemlich allein

befürwortet habe.
4940

Der Vertreter der Hamburger Polizei

in der Steuerungsgruppe, der Zeuge Schwarz, hat als

Zeuge seine Skepsis hinsichtlich der „Einzeltäterhypothe-
se“ dahingehend begründet, dass das Besondere am Ham-
burger Opfer gewesen sei, dass es sehr weitreichende

Kontakte zum „Who is who“ der Organisierten Kriminali-
tät in Hamburg gehabt habe. Das Netzwerk, das die BAO

dort aufgeführt habe, habe die Augen der Hamburger

Polizei aufgehen lassen und das Opfer durchaus in ein

interessantes Licht gestellt, allerdings nicht tief involviert

in die Organisierte Kriminalität. Deswegen sei es aus

ihrer Sicht auch sehr naheliegend gewesen, in diesem

Bereich eine Motivlage zu suchen. Da sich weder der

Mordkommission 2001/2002 noch der BAO „Bosporus“
zum späteren Zeitpunkt irgendwelche Anhaltspunkte für

ein politisches Motiv der Tat erschlossen, habe die „Ein-
zeltätertheorie“ für die Polizei in Hamburg fern gele-
gen.

4941
Im Übrigen sei das Meinungsbild in der Steue-

rungsgruppe so gewesen, dass die „Einzeltätertheorie“
nachrangig betrachtet und der „Organisationshypothese“
der Vorrang eingeräumt worden sei, und zwar von allen

Ermittlungseinheiten mit Ausnahme der Bayern.
4942

Der

Zeuge Schwarz hat jedoch auch betont, dass die Hambur-

ger Polizei alle von der BAO „Bosporus“ angeregten
Ermittlungsmaßnahmen, die in Richtung der „Einzeltäter-
theorie“ zu treffen gewesen seien, ohne Einschränkung
mit durchgeführt habe, in einzelnen Maßnahmen sogar

mit sehr hohem Aufwand.
4943

c) Haltung des BKA zur zweiten Operativen
Fallanalyse

aa) Synopse des BKA vom 17. August 2006

In einem Vermerk vom 17. August 2006 stellte die EG

„Česká“ des BKA die Arbeitsthesen zum „Einzeltäter mit
einem Hass auf Türken“ der 2. Operativen Fallanalyse des
4939) Protokoll der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, MAT A

BY-2/3d, Bl. 7 ff, 9 f..

4940) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 20.

4941) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 72 f.

4942) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 75 f.

4943) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 73.

Drucksache 17/14600 – 562 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

LKA Bayern dem Ansatz der „Organisationstheorie“
gegenüber.

4944
Diese Synopse diente der Vorbereitung

eines geplanten Gesprächs zwischen BKA-Präsident

Ziercke, dem bayerischen Landespolizeipräsidenten Kind-

ler und Vertretern der anderen von der Česká-Mordserie
betroffenen Bundesländer zum Fortgang der Ermittlungen

im September 2006. In tabellarischer Form wurden in der

Synopse „Ergebnisse der OFA“ und „Erkenntnisse und
Indikatoren zur Organisationstheorie“ dargestellt. Es heißt
hier:

„In der folgenden Synopse der zwei Arbeitstheo-
rien werden die Thesen, die nach der Auffassung

der OFA für einen ‚Einzeltäter‘ sprechen, mit Kri-
terien aus hiesigen Ermittlungen unter Zuhilfe-

nahme der einzelnen Mordermittlungsakten ge-

genübergestellt. […]

Weiter ist festzustellen, dass der aus persönlichen

Motiven geleitete ‚Einzeltäter‘ dazu neigen dürfte,
eine ‚Botschaft‘ zu hinterlassen oder sich in ir-
gendeiner Form mitzuteilen. In der anhaltenden

Serie über 6 Jahre hinweg hat der Täter bislang nur

die Nutzung derselben Waffe als ‚Zeichen‘ hinter-
lassen. Eine eigentlich zu erwartende weitere ‚Bot-
schaft‘ hat er nicht mitgeteilt. Gegen die Einzeltä-
terhypothese spricht außerdem, dass man aufgrund

der Verwendung von zwei Tatwaffen in den Fällen

1 und 3 mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von

zwei Tätern ausgehen muss. Dies würde eine abso-

lute Seelenverwandtschaft der Täter verlangen, die

sich dann auch noch rein zufällig zusammen ge-

funden hätten. Hier stellt sich die Frage, ob eine so

enge, intensive Verbindung über einen Zeitraum

von 6 Jahren überhaupt möglich ist.

Die Opfer zeigen unterschiedliche Erscheinungs-

bilder. Hier stellt sich zum ‚Einzeltäter‘ die Frage,
worauf genau schürt sich sein Hass? Angefangen

vom Alter bis hin zum Aussehen und Umfeld sind

die 9 Opfer grundverschieden. Wieso wählt er Per-

sonen aus, die auf den ersten Blick ,anständig‘
wirken? Hätte es nicht bessere Tatmöglichkeiten

für ihn gegeben? Zum Beispiel wurde der 9. Mord

in Anwesenheit von 4 Zeugen verübt. Warum soll-

te ein ‚Türkenhasser‘ ein so großes Risiko einge-
hen, wenn er direkt im Nachbarladen einen ande-

ren Türken in seinem Dönerstand hätte erschießen

können?“4945

Zwischen diesen Passagen werden auf zehn Seiten Ein-

wendungen gegen sechs Thesen der 2. OFA begründet.

Aussagen gegen ein möglicherweise rechtsextremes Mo-

tiv finden sich nicht.

Gegen die These 1 der OFA Bayern (eine OK-

Gruppierung habe nicht identifiziert werden können; die

Opfer seien für eine Organisation nicht bedeutend) wand-

te das BKA u. a. ein, dass gerade die bisherige kriminelle
4944) MAT A BKA-2/23, Bl. 144 – 154.

4945) MAT A BKA-2/23, Bl. 144 und 154.

„Unauffälligkeit“ der Opfer für die illegalen Tätigkeiten
einer OK-Gruppierung von Nutzen sein könnte. Als These

2 bezeichnete das BKA die Überlegung der OFA Bayern,

dass die angeblichen Bedrohungsszenarien vor der Tat

fraglich seien. Das BKA stellte hier heraus, dass Bedro-

hungslagen vor den Taten festgestellt werden könnten.

Dass die Nutzung derselben Waffe atypisch für eine OK-

Gruppierung sei (so OFA Bayern in These 3), stellte für

das BKA eine schlichte Behauptung dar. Außerdem wi-

dersprach das BKA der Feststellung der OFA Bayern, nur

für die Nürnberger Tatorte sei eine gewisse Ortskenntnis

erforderlich gewesen (These 4). Zur These 5 (zufällige

Anwesenheit der Opfer 1, 5 und 8 am Tatort) überlegte

das BKA, dass zum Beispiel zuvor eine Verabredung mit

dem Opfer stattgefunden haben könnte. Schließlich wand-

te sich das BKA gegen die Überlegung der OFA, dass der

Einzeltäter gezielt männliche Türken, die ein Kleinge-

werbe betrieben, tötete (These 6). Es stellte sich für das

BKA die Frage, „wie sich eine so hohe Treffsicherheit
‚ethnischer Türken‘ erklärt“. Der Schlüsseldienst in Mün-
chen, der Kiosk in Dortmund und das Internetcafé in

Kassel seien auf den ersten Blick nicht als „türkische
Geschäfte“ erkennbar gewesen.4946

Der Zeuge Ziercke, der diese Synopse damals zur Kennt-

nis genommen und dem Bayerischen Landespolizeipräsi-

denten Kindler zugeleitet hatte,
4947

hat bekundet, er wisse

nicht im Einzelnen, warum der Teil der Einzeltätertheorie,

der sich auf Rechtsextremismus oder Fremdenfeindlich-

keit beziehe, durch das Referat SO 15 völlig ausgeblendet

worden sei.
4948

Es könne sein, dass er selbst die Erstellung

der Gegenüberstellung veranlasst habe. Er habe wissen

wollen, was für den Einzeltäter spreche und was für Or-

ganisierte Kriminalität. Das Papier sei erstellt worden zu

einem Zeitpunkt, als es 2006 auch um die Frage gegangen

sei, wie es mit der Organisation überhaupt weitergehe,

wie die Organisation aufgebaut werde und wohin man mit

seinen Ermittlungen international gehe.
4949

Man sei in der

Türkei gewesen, auch weil von dort immer wieder der

Hinweis gekommen sei, das könne eigentlich nur von dort

kommen.
4950

Er hat weiterhin angegeben, nicht zu wissen,

ob die Gegenüberstellung verfasst worden sei, um eine

umfassende Argumentationshilfe gegen die „Einzeltäter-
hypothese“ innerhalb des BKA und der BAO „Bosporus“
zu entwickeln.

4951
Dem Zeugen Ziercke ist im Ausschuss der Inhalt einer E-

Mail von Frau T. aus dem BKA vom 8. September 2006

vorgehalten worden. In dieser heißt es:

„Die Abteilung SO wird gemäß Auftrag PR vom
07.09.06 gebeten, die von SO 15 erstellte Synopse
4946) MAT A BKA-2/23, Bl. 144 ff.

4947) Schreiben des BKA-Präsidenten Ziercke an den bayerischen
Polizeipräsidenten vom 15. September 2006, MAT A BY-2/9c,

Bl. 1099.

4948) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 62.

4949) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.

4950) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.

4951) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 563 – Drucksache 17/14600

zur Einzeltäter- und Organisationstheorie vom

17.08.06 [...] an AL P Kindler im Bayerischen IM

zu übersenden.

Das diesbezüglich von SO erstellte Anschreiben an

Herrn Kindler bitte bis zum 11.09.06, 14:00 Uhr

zur Unterschrift PR an LS 1 leiten.“4952

Auf die Frage, ob er mit dieser Gegenüberstellung der

politischen Führung in Bayern habe zeigen wollen, was er

vom neuen Ermittlungsansatz der BAO „Bosporus“ halte,
hat der Zeuge Ziercke erklärt:

„Nein, ich wollte nur dazu beitragen - - Ich kann
das erinnern - ich habe das mit Kindler ja auch

immer wieder erörtert anlässlich der AK-II-

Sitzungen oder bei den Treffen, die wir hatten -,

dass wir da mal eine Gegenüberstellung gemacht

haben und damit alle gleichermaßen, die in Ver-

antwortung waren auch letztlich - und gerade er in

Bayern ist ja in einer großen Verantwortung gewe-

sen in dieser Sache -, den Erkenntnisstand hatten,

den ich auch hatte. Ich wusste nicht, ob er das auch

alles so gegenwärtig hatte, was meine Leute mir da

aufgeschrieben hatten.“4953

Der Zeuge Maurer hat angegeben, er persönlich habe

keine Erinnerung mehr an diese Synopse. Er vermute,

dass bei der Erstellung des Papiers eine Rolle gespielt

habe, dass es nach der Entscheidung für eine Steuerungs-

gruppe bei den Mitarbeitern des BKA die Befürchtung

gegeben habe, dass dem Aspekt des BKA-Auftrages nicht

mehr ausreichend Rechnung getragen werde.
4954

bb) Weitere Einschätzung des BKA

Der Vizepräsident des BKA, Falk, sah die „Einzeltäter-
theorie“ ebenfalls kritisch.4955 Auf einen Artikel der Zeit-
schrift Die Welt vom 8. August 2006 zur Mordserie und

der Darstellung eines Täterprofils anhand der 2. OFA

notierte er handschriftlich „m. d. B. um einen Kommentar
zu dieser Kaffeesatzleserei!“.4956 Diesen Kommentar hat
der Zeuge dahingehend erläutert, dass ihm zu dem Inhalt

der OFA lediglich mündlich berichtet worden sei. Das

Ergebnis sei gewesen, dass man eine „Einzeltäterthese“
verfolge, aber ohne die Information, der Täter könne vor

2000 einen Vorlauf in der rechten Szene gehabt haben.

Die „Einzeltäterthese“ habe er schon wegen der zweiten
Waffe im ersten und dritten Mordfall für unwahrschein-

lich gehalten.
4957

Den Begriff des Einzeltäters habe er

buchstäblich genommen.
4958

Der in dem Artikel enthalte-

ne Satz, die Polizei habe jetzt erstmals eine konkrete
4952) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 61.

4953) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 62.

4954) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 14.

4955) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 55; Einzelheiten zur 2. OFA siehe

oben im Abschnitt F. V. 8. a).

4956) MAT A BKA 2/14 Bl. 229.

4957) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 30.

4958) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 56.

Vorstellung von dem Killer, sei falsch gewesen.
4959

Grundsätzlich habe er eine gewisse Skepsis gegenüber

„Profilings“ als Ermittlungsgrundlage entwickelt, vor
allem wenn sie faktenfrei seien. Wenn sie nicht belegbar

seien, dürften sie nicht ermittlungsleitend eingesetzt wer-

den.
4960

Der damals zuständige Abteilungsleiter des BKA, der

Zeuge Maurer, hatte jedoch nach Angaben des Zeugen

Hoppe Sympathien für die „Einzeltätertheorie“.4961 Dies
wird auch bestätigt durch eine E-Mail eines BKA-

Mitarbeiters vom 26. August 2006, mit der die Synopse

an den Leitungsstab des BKA übersandt wurde:

„Ich möchte aber in diesem Zusammenhang nicht
unerwähnt lassen, dass unser AL der ‚Einzeltäter-
theorie‘ zuneigt und diese Synopse daher ‚nur‘ die
Meinung von SO 15 wiedergibt.“4962

Der Zeuge Maurer hat im Ausschuss zu seiner damaligen

Einschätzung ausgeführt:

„Ich kann dezidiert sagen, nachdem man mir 2005
im Mai den Sachstand dargestellt hat, dass meine

Einschätzung war: Wenn sie so lange Jahre OK

ermitteln, dann ist es doch naheliegend, dass es

auch ein anderes Motiv sein kann, auch wenn wir

keine Spurenlage haben.“4963

Allerdings sei die „Einzeltäterhypothese“ missverständ-
lich in Bezug auf den Ankerpunkt Nürnberg gewesen.

Dies habe dazu geführt, dass er sich nicht sehr intensiv

mit der 2. OFA beschäftigt habe.
4964

cc) Tätigkeiten des BKA mit Blick auf die Ein-
zeltätertheorie

Der Zeuge Ziercke hat bekundet, die „Einzeltätertheorie“
unterstützt zu haben.

4965
Dies sei auch in Besprechungen

mit Herrn Kindler, dem bayerischen Landespolizeipräsi-

denten, deutlich geworden. Er habe es für einen Versuch

wert gehalten, der „Einzeltätertheorie“ in Bezug auf
Nürnberg nachzugehen.

4966
Auf Nachfrage, worin die Unterstützungsleistung des

BKA konkret bestanden habe, hat er ausgeführt:

„[…] wir haben in diesem Feld - oder ich - inso-
weit unterstützt, dass ich gesagt habe: Ja, ich finde

das gut, dass das gemacht wird, dass dieser Drive

jetzt auf Nürnberg sich bezieht, dass man diesen

rechtsextremistischen Ansatz weiterverfolgt. Ich

hätte ja sagen können - Probleme machen kön-

nen -: ‚Das sehen wir ganz anders‘ oder: ‚Wir ha-
4959) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 55.

4960) Falk, Protokoll Nr. 19, S. 58.

4961) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 45.

4962) MAT A BKA-2/23.09, Bl. 143.

4963) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 9.

4964) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 29.

4965) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 55.

4966) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 66.

Drucksache 17/14600 – 564 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ben da Bedenken dabei, dass die Kräfte sich zer-

splittern‘. Das haben wir natürlich nicht gemacht.
Wir haben ansonsten unsere Spuren, die wir im

Bereich der Organisierten Kriminalität hatten, na-

türlich weiterverfolgt, und wir haben über die Teil-

habe in der Steuerungsgruppe mitgewirkt, diese In-

formationen, die aus diesem Bereich kamen, auch

über PIOS, BKA - das ist unser eigenes Datensys-

tem -, mit abzugleichen.“4967

Dem Zeugen Ziercke ist vorgehalten worden, aus den

Akten gehe nicht hervor, dass das BKA aktiv die Ermitt-

lungsarbeit mit Blick auf eine Verbindung zur rechten

Szene unterstützt habe. Hierzu hat der Zeuge erklärt, man

habe die Datensysteme des BKA – PIOS – zur Verfügung
gestellt, um diese Daten dort mit abzugleichen.

„Das war unser Beitrag; denn das sind ja die In-
formationen, die wir haben, polizeiliche Informati-

onsverarbeitung; die haben wir alle zur Verfügung

gestellt zum Abgleich der Daten.“4968

Bei den abzugleichenden Daten habe es sich um Perso-

neninformationen, Institutionen und Organisationen ge-

handelt. Es sei um Einwohnerdaten und um Waffenkar-

ten, Waffenscheinbesitzer und überhaupt um Waffenbe-

sitzer gegangen.
4969

Zwar seien bei den Waffenbesitzkar-

ten nicht nur Rechtsextreme überprüft worden, vielmehr

habe man die Rechtsextremisten aus diesen 25 000 her-

ausfinden müssen. Auf die Frage, ob die für Rechtsextre-

mismus zuständige Staatsschutzabteilung des BKA betei-

ligt worden sei, hat der Zeuge Ziercke geantwortet:

„Das weiß ich jetzt nicht. Aber PIOS ist bei der
Staatsschutzabteilung bei mir.“4970

Die Zeugen Hoppe und Maurer, BKA, haben erklärt, der

Ermittlungsansatz eines rechten Tathintergrundes sei vom

BKA gleichwertig neben dem auf die „Organisationstheo-
rie“ bezogenen Ansatz verfolgt worden.4971 Der Zeuge
Maurer hat ausgeführt:

„Wir haben definitiv im BKA nach diesen Bespre-
chungen IMK und der Festlegung ‚Einrichtung
Lenkungsausschuss Nürnberg‘ keine rechte Spur
verfolgt, keinen rechten Schwerpunkt gesetzt. Al-

so, den falschen Eindruck will ich hier nicht ver-

breiten. Was wir gemacht haben, ist, dass wir ei-

nen Zugang zur Verfügung gestellt haben, einen

Abprüfungszugang, Prüfungszugang für die Daten

aus Nürnberg, diese an der Datei ‚rechts‘ vorbeizu-
führen. Ob das zielführend war, sei mal eine ganz

andere Diskussion; aber das ist gemacht worden.“

Die Frage, wer jetzt diese Spur, diese Ausgangs-

hypothese am stärksten verfolgen soll, war auch
4967) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 53.

4968) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 54.

4969) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 54.

4970) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 54.

4971) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 20, 22, 37; Maurer, Protokoll-

Nr. 36, S. 5, 8, 12.

entschieden: Das sollte Nürnberg sein. Ob jetzt ein

Problem entsteht dadurch, dass man bereits in der

ersten OFA zum Ergebnis kam: Ankerpunkt Nürn-

berg, in der zweiten Einzeltäter-OFA zu dem Er-

gebnis kam: Ankerpunkt Nürnberg, dann vielleicht

zu beschränkt in seinen Überprüfungen hinsicht-

lich der Einbindung von Landesämter für Verfas-

sungsschutz ist, das konzediere ich gern. Aber da

gibt ein Punkt den anderen. Und der ist nicht da-

durch definiert, dass das bewusste Fehlentschei-

dungen sind, sondern man setzt sich auf diese Ar-

gumentationslinie, die seit Jahren entstanden

ist.“4972

Die „Einzeltätertheorie“ habe nach Aussage des Zeugen
Hoppe beim BKA zu keinen Konsequenzen geführt, weil

dieses den spezifischen Ermittlungsauftrag aus dem Jahr

2004 auch über 2006 fortgeführt habe. Dieser Auftrag

habe sich ausschließlich auf ergänzende strukturelle Er-

mittlungen im Hinblick auf § 129 StGB zur Ermittlung

der Auftraggeber und Hintermänner bezogen.
4973

Die

BAO „Bosporus“ sah dies genauso: Dem AK II der In-
nenministerkonferenz stellte die BAO „Bosporus“ am
7. September 2007 die Theorien der 1. und 2. OFA mit

folgender Bewertung vor:

„Für Bayern wurde entschieden, beide Theorien
gleichrangig zu verfolgen, bis eine eindeutige Prä-

ferenz an Fakten festgemacht werden kann. Die

anderen beteiligten Einheiten, vor allem das BKA

schon ‚qua Auftrag‘, legen ihren Schwerpunkt auf
die Organisationstheorie. Die Datenerhebungen im

Zusammenhang mit der Serientätertheorie wurden

von allen anstandslos mitgetragen.“4974

Das BKA gab das Einzeltäterprofil nicht an das BfV zur

Datenüberprüfung weiter, weil nach der Aussage des

Zeugen Hoppe, BKA, die Spur „Einzeltäter“ in der BAO
„Bosporus“ bearbeitet worden sei. Von dort habe es ge-
heißen, man gehe auf das LfV Bayern zu, um die ganzen

Hintergründe zu besprechen.
4975

Am 14. April 2010 trug BKA-Präsident Ziercke beim

Zweiten Sicherheitsgespräch zum Thema „Stand und
Perspektiven der Bekämpfung der Organisierten Krimina-

lität“ vor. Er stellte die Česká-Mordserie dabei als Bei-
spiel für einen ungelösten Fall der „Organisierten Krimi-
nalität“ vor.4976 Der Zeuge Ziercke hat dazu ausgesagt, er
könne sich nicht vorstellen, dass er, wenn er dieses Refe-

rat gehalten haben sollte, nicht auch andere Ermittlungs-

richtungen angesprochen habe, aber für den anderen

Phänomenbereich habe man keine Grafik machen kön-

nen.
4977
4972) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 15.

4973) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 35.

4974) Bericht vom 7. September 2007, MAT A BY-2/3d, Bl. 437 ff.,

439.

4975) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 38.

4976) MAT A BKA-2/33, Bl. 302 f.

4977) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 68.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 565 – Drucksache 17/14600

Der Zeuge Maurer hat betont, ein möglicher Hintergrund

der Taten hinsichtlich „Organisierter Kriminalität“ oder
„Rechtsextremismus“ habe bis zum 4. November 2011
unverändert im Raum gestanden.

4978
d) OFA-Methodenstreit

Der Zeuge Schwarz, LKA Hamburg, war aus methodi-

schen Gründen mit der 2. OFA nicht einverstanden. Er hat

ausgesagt, dass Grundlage einer jeden vergleichenden

Fallanalyse jeweils eine Einzelfallanalyse sein müsse.

Außerdem habe der Fallanalytiker der OFA Bayern, Herr

Horn, zum Beispiel in der 2. Operativen Fallanalyse fest-

gestellt, dass der oder die Täter einen sogenannten An-

kerpunkt in Nürnberg hätten. Herr Horn habe die Tatort-

lage aller Tatorte betrachtet und festgestellt, dass die

Tatorte in Nürnberg besondere Ortskenntnisse voraussetz-

ten, während die Tatorte an anderen Tatorten an

Hauptein- oder -ausfallstraßen der jeweiligen Städte gele-

gen haben sollen. Da habe er (der Zeuge Schwarz) die

Stirn gerunzelt, weil zum Beispiel nicht zuletzt auch der

Tatort in Hamburg zwar 100 oder 150 Meter von einer

Haupteinfallstraße in die Stadt im Westen liegt, von dort

aber nicht einsehbar sei und es ein purer Zufall wäre,

wenn man dort ein türkisches Gemüsegeschäft suchen

wollte. Zwei der Tatorte seien nur Eingeweihten bekannt

gewesen. Das sei ein Beispiel, warum sie dieser Hypothe-

se, dass die Täter einen Ankerpunkt, also entweder Arbeit

oder Lebensmittelpunkt, in Nürnberg haben mussten,

nicht gefolgt seien. Der Zeuge Schwarz hat weiter ausge-

führt, dass die 2. Operative Fallanalyse auch mit Blick auf

den Umfang der Fallanalyse für ihn methodisch fragwür-

dig gewesen sei. Sie erschöpfte sich in der Powerpoint-

Präsentation. Entsprechende Ausführungen, die diesem

Standard von Fallanalysen entsprechen, seien ihm nicht

bekannt.
4979

Der Leiter der bayerischen OFA, Horn, vermerkte zum

Methodenstreit am 3. August 2006:

„Aus Sicht der OFA Bayern handelt es sich bei der
vorliegenden Fallkonstellation nicht um eine klas-

sische vergleichende Fallanalyse, da der Serienzu-

sammenhang über objektive Spurenlage belegt ist.

Die OFA Hamburg vertritt hier den folgenden

Standpunkt:

Es ist bei der vorliegenden Fallkonstellation sinn-

voll bzw. erforderlich, das Instrument der Verglei-

chenden Fallanalyse zur Anwendung zu bringen,

da sich die Frage stellt, ob alle bzw. welche der bis

dato 9 Taten von demselben Schützen ausgeführt

wurden. Die Verwendung desselben Tatmittels

(Česká) ist nicht gleichzusetzen mit objektiven
Faktoren wie DNA oder tatrelevante Fingerspuren,

die eindeutig belegen, dass die 9 Taten von dem-

selben Täter verübt wurden. Demzufolge sollten

zunächst Einzelfallanalysen durchgeführt werden,
4978) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 59.

4979) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 75 ff.

welche die notwendigen Charakteristik-Tools für

eine Vergleichende Analyse bereitstellen. Zwecks

Erhaltung der inhaltlichen Unabhängigkeit und

Objektivität sollten sie von unterschiedlichen

Teams durchgeführt werden.

Es handelt sich hierbei um eine Frage der Ausle-

gung der Qualitätsstandards für Fallanalysen in

Deutschland, mit welcher Methodik dieser Fall

analytisch bearbeitet wird. Aufgrund der sehr spe-

zifischen und bisher noch nie vorgekommenen

Konstellation, nämlich dass der Tatzusammenhang

aufgrund Schusswaffe belegt, die Frage der indivi-

duellen Tatbeteiligung der Person jedoch zu be-

werten ist, wurde diese Frage in den Qualitätsstan-

dards nicht abschließend geregelt.

Der Unterzeichner hat sich als verantwortlicher

Fallanalytiker für die BAO ‚Bosporus‘ auch auf-
grund der Feststellung, dass in diesem Fall nur

sehr wenig Täterverhalten gezeigt wird, dazu ent-

schieden, einzelne Tathergangsanalysen durch ein

Team durchzuführen, da aufgrund des einge-

schränkten Täterverhaltens eine objektive Bewer-

tung auch durch ein Fallanalyseteam möglich ist.

Neben den Bewertungspunkten Opfer- und Ob-

jektauswahl, Zeit- und Ortsfaktoren wurden darauf

aufbauend die Schussmuster und das gezeigte

Schießverhalten einer Bewertung unterzogen, um

die wahrscheinlichste Hypothese zu entwickeln, ob

es sich bei dem Schützen an der 7,65 um dieselbe

Person handeln könnte. Nachdem dies bejaht wur-

de, erfolgten entsprechende Ableitungen.“4980

e) Die Ermittlungskonzeption aufgrund der
2. Operativen Fallanalyse

In der Folgezeit erarbeitete die OFA Bayern gemeinsam

mit Ermittlern der BAO „Bosporus“ die Ermittlungskon-
zeption vom 14. Juli 2006. Dort heißt es:

„3. Ermittlungskonzept ‚Einzeltäter‘

Unter dem Dachbegriff ‚Alternativhypothesen‘
wurden Ermittlungsansätze in den Bereichen ‚Ge-
heimdienst‘, ‚Kriminalität‘ und ‚Mission‘ beleuch-
tet und exemplarisch abgehandelt. Letztere Rubrik

ist Basis der abschnittsbildenden Einzeltätertheo-

rie, die in der 2. Fallanalyse BAO „Bosporus“ der
OFA Bayern inhaltlich unter ‚Missionsgeleiteter
Täter‘, begrifflich aber als ‚Einzeltäter‘ dargestellt
wird. Alternativ zur ‚Organisationstheorie‘ folgt
dieser analytische Täterermittlungsansatz einer

persönlichen, psychopathischen oder/und ideologi-

schen Motivlage, im Sinne von Rache oder Wut

gegen türkische / türkisch aussehende Opfer. Die-

ser Tätertypus fühlt sich aufgrund tatsächlichem
4980) MAT A BKA-1/13, Bl. 2 f; vgl. auch den chronologischen

Abriss zur Historie des Methodenkonflikts, MAT A BKA 2-13,

Bl. 33 f.

Drucksache 17/14600 – 566 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

oder eingebildetem Unrecht subjektiv legitimiert,

Tötungsdelikte zu begehen. Dabei richtet sich sein

Hass gegen männliche türkische / türkisch ausse-

hende Kleingewerbetreibende. Neben der in allen

Fällen benutzten Tatwaffe Česká Typ 83, Kal. 7,65
sind diese Opferkriterien in allen 9 Mordfällen

Fakt. Dabei könnte der Hass gegen türkische La-

denbesitzer sowohl in einem negativen Erlebnis

liegen, das in der Biografie des Täters zu finden

sein wird und zu einer zielgerichteten Entwicklung

eines Feindbildes geführt hat, als auch in einer aus-

länderfeindlichen Gesinnung speziell gegen Tür-

ken, die sich evtl. im Vorfeld durch die Nähe zur

rechten Szene ausgedrückt haben könnte. Neben

einem überregional agierenden Haupttäter gibt es

in drei Fällen Anhaltspunkte für einen Mittäter, da

in den Fällen 1 und 3 zwei Waffen verwendet

wurden und im Fall 6 eine Tatzeugenwahrneh-

mung vorliegt, die zwei Radfahrer unmittelbar am

Tatort beschreibt. Die Beziehung der beiden Täter

wird als eine sehr enge, von außen wahrnehmbare

angenommen, wie etwa eine enge Freundschaft

oder Familienverbund, die mit wiederkehrenden

gemeinsamen Freizeitaktivitäten einhergeht. Täter

2 weist abhängige Persönlichkeitszüge auf, orien-

tiert sich an dem vermutlich älteren Täter 1 und

dürfte eher Mitläufer denn Ideengeber sein. Ab

Fall 3 trat er erkennbar nicht mehr als Schütze auf.

Die Frage, ob der Täter ein psychisch Kranker ist,

wird zwar hinsichtlich einer Persönlichkeitsstö-

rung bejaht, eine Erkrankung aus dem psychoti-

schen Formenkreis wie Paranoia oder Schizophre-

nie jedoch ausgeschlossen. […]

Zusammenfassend kommt die OFA bei der Missi-

onstäterbetrachtung zu folgendem Ergebnis:

– Täter verfügt über psychopathische Persön-
lichkeit

– Täter entwickelt ablehnende Haltung gegen-
über Türken

– Täter sucht ggfs. Nähe zur rechten Szene (eine
denkbare These mit Ermittlungsansatz)

– Täter ist von deren ‚Schwäche‘ enttäuscht

– Täter entwickelt die Vorstellung seiner eige-
nen Mission

– Täter beschafft sich (falls nicht bereits vor-
handen) die Tatmittel und entwickelt diese im

Verlauf der Serie weiter

– Täter verfestigt seinen Tatentschluss und be-
hält diesen über Jahre bei

– Täter gewinnt durch die erfolgreichen Taten
an Selbstbewusstsein und ist bereit auch höhe-

re Risiken einzugehen (Allmachtsphantasien)

– Täter begeht die Taten in sich verkürzenden
Zeitintervallen

Diese, aus Fakten erarbeiteten Überlegungen mün-

den nunmehr in folgendes Täterprofil:

– Männlich

– Alter zum Tatzeitpunkt 2000

o Priorität 1 = 22 – 28 Jahre

o Priorität 2 = 29 – 35 Jahre

o Priorität 3 = 18 – 21 Jahre

– Geografisch analytische Ableitung

Bei einer situativen Opferauswahl stehen Tatort-

und Tatzeitauswahl im Fokus, Ziel ist die Ablei-

tung regionaler Bezüge (Ankerpunkt) des/der Täter

vor dem Hintergrund bekannter Orts- und Zeitfak-

toren.

Der Ankerpunkt des Täters wird aufgrund der

Konzentration der Tatorte im südöstlichen Raum

Nürnbergs angenommen. Für eine Rasterung kann

dabei nur auf gemeldete Wohnsitze zurückgegrif-

fen werden, obwohl Arbeitsstellen und Wohnun-

gen des sozialen Umfelds wie Primärfamilie oder

Beziehungspartner nicht auszuschließen sind. Die

Auswahl zumindest eines Teils der übrigen Tatorte

dürfte im Rahmen einer (beruflichen) Routineakti-

vität erfolgt sein.

– Polizeiliche Vorerkenntnisse müssen nicht
zwingend vorliegen, da keine Tendenz zur Be-

reicherung bei den Taten erkennbar war. Da-

her sind eher keine Eigentumsdelikte zu er-

warten. Der Täter zeigt ein hohes Maß an

Kontrolliertheit und Anpassungsfähigkeit, da-

her sind nicht unbedingt Taten mit Verlust der

Impulskontrolle zu erwarten. Bei allen Taten

wurden aus Tätersicht so viel Schüsse abge-

geben wie zur Tötung nötig waren, also kein

‚übermäßiges‘ Anwenden der Schusswaffe(n)
im Sinne von ‚Übertöten‘. Dieses Verhalten
lässt auf einen kontrollierten Hass des Täters

rückschließen. Daher sind eher keine konfron-

tativen Delikte im Vorstrafenregister zu er-

warten. Falls polizeiliche Erkenntnisse vorlie-

gen, sind sie am ehesten im Bereich Staats-

schutz (rechts), Waffen/Sprengstoffdelikte

(auch Schießen außerhalb von Schießstätten)

und evtl. Sachbeschädigungen als stellvertre-

tendes Aggressionsdelikt zu erwarten.

Die angenommene Zugehörigkeit zur rechten Sze-

ne ist im Zeitraum vor der 1. Tat (2000) und der

Rückzug nach Beginn der Serie zu erwarten. In

seiner Vorstellung waren die Aktivitäten der rech-

ten Szene zu ‚schwach‘. Daher könnten im Vorfeld
des Rückzuges durch ihn Aufforderungen zu rech-

ten Aktionen erfolgt sein, was sich bei Szenere-

cherchen widerspiegeln könnte.

– Zur Frage des Berufes ist anzunehmen, dass er
einer Beschäftigung nachgeht, insbesondere

auch, weil sich keinerlei Anzeichen für finan-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 567 – Drucksache 17/14600

zielle Bereicherungen trotz leichter Möglich-

keiten bei einigen Morden nachweisen ließen.

[…]

– Bei Betrachtung der einzelnen Tatausführun-
gen fällt eine ausgeprägte, sich

,perfektionierende‘ Schießfertigkeit auf, die
auf eine wie auch immer geartete professio-

nelle Schießausbildung rückschließen lässt.

[...]

– Erfahrungsgemäß haben eine Vielzahl der Tä-
ter, die Tötungsdelikte mit Schusswaffen be-

gehen, bereits vor der Tat eine besondere Be-

ziehung zu diesen Waffen und häufig auch ei-

ne Zugriffsmöglichkeit, auch in Form des ei-

genen legalen Waffenbesitzes oder im näheren

sozialen Umfeld. In den wenigsten Fällen

dürfte es zuerst zum Tatentschluss und erst

danach zur illegalen Beschaffung der entspre-

chenden Schusswaffe kommen. Nicht selten

verleitet der legale Waffenbesitz auch zum

Erwerb weiterer illegaler Waffen. Davon aus-

gehend werden Ermittlungen im Bereich der

legalen Waffenbesitzer für zweckmäßig erach-

tet.

Fußend auf den dargelegten analytischen Betrach-

tungen unter den bekannten Tatort-/ Tatzeitfakto-

ren, insbesondere auch hinsichtlich der nicht er-

klärbaren Tötungs-Pause zwischen Fall 4 und 5

(29. August 2001 – 25. Februar 2004), sind fol-
gende Ermittlungen i.S. Einzeltäter von der OFA

Bayern empfohlen (Anm.: Der Begriff ‚Missions-
täter‘ wird aus medialen Gründen nach Festlegung
der BAO-Leitung nicht verwendet!):

– Ermittlungen in der rechten Szene Nürnbergs,
auch hinsichtlich Aussteiger

o Der/die Täter könnten bis 2000 in der rech-

ten Szene Nürnberg aktiv gewesen sein, da-

nach erscheint ein Rückzug wahrscheinlich.

o Ggfs. enge Verbindung zu einer weiteren

Person, evtl. Mittäter, der in der Szene be-

kannt sein dürfte.

o Prüfung hinsichtlich evtl. Forderung nach

Aktionen, da die bisherigen als zu ‚schwach‘
und wirkungslos bewertet wurden.

o Wehrsportvereine bzw. -übungen;

– Ermittlungen in Schützenvereinen Nürnbergs

o Combat-Schießen

o Enge Verbindung zu weiterer Person

o Türkenfeindliche Gesinnung

o Wer besitzt Česká 7,65, Typ 83?

– Ermittlungen bzgl. Gotcha-Schießen

– Ermittlungen bzgl. Schießen außerhalb von
Schießstätten/Sprengversuchen

– Ermittlungen hinsichtlich möglicher Arbeits-
stelle

o Firmen mit Bezügen nach HH [Hamburg],

HRO [Rostock] und München, Bereich um

DO [Dortmund] und KS [Kassel]

o Evtl. ,Technischer Service’ etc.

– Die folgende Rasterung innerhalb Nürnbergs
fußt auf der Annahme:

o Ankerpunkt Nürnberg in 2000 (Beginn:

süd/östl. Raum)

o 22 bis 28 Jahre im Jahre 2000

o deutsch

o Filter: alle legalen Waffenbesitzer

– Legale Česká 7,65, Typ 83 feststellen – be-
ginnend mit Ordnungsamt Stadt Nürnberg

(Entscheid. anhand Datenmenge ob Anfrage

geografisch erweitert wird)

– Versuch der Waffensystembestimmung der
nicht identifizierten Tatwaffe 6,35, mit der

letztlich der tödliche Schuß auf Şimşek (Fall 1)
abgegeben wurde und nach Sachlage von 2

Mördern auszugehen ist, z. B. durch bundes-

weite Verteileranfrage nach sichergestellten,

aber polizeilich nicht beschossenen Pistolen

6,35 vor der ersten Tat und nach der dritten

Tat (z. B. bei Schusssuiziden oder Durchsu-

chungen)

– Schützenvereine Nürnberg, beginnend im
Südosten, angrenzenden Landgemeinden, Jä-

ger.

3. 1. Verfeinertes Täterprofil

Die Altersannahme beruht auf den Erkenntnissen

und Erfahrungswissen der OFA, dass Serienmör-

der statistisch 25-40 Jahre alt sind. […]

Geografische Ableitungen

Der Ankerpunkt des Täters ist nach Betrachtung

aller Fälle im südöstlichen Raum Nürnbergs, eher

als Wohnort, denn Arbeitsstelle anzunehmen. Die-

se Annahme begründet sich zum einen auf die Be-

gehung der Ersttat, die Tatbegehung innerhalb der

Welle 2001 sowie die Konzentration von 3 Tö-

tungsdelikten in Nürnberg, den Bewertungen aller

Tatorte mit ihrem infrastrukturellen Umfeld und

der Erreichbarkeit mit Verkehrsmitteln, der Risi-

kobereitschaft des Täters und das daraus abgeleite-

te sichere und unauffällige Bewegen in einer ihm

bekannten Umgebung und letztlich in der Beant-

wortung der Frage: ‚Wie wahrscheinlich ist es,
dass ein ortsfremder Täter zufällig an diese Tatorte

kommt?‘. Darüber hinaus ist der Tatort im Fall 6
(Yaşar) für einen Täter aus dem Organisationsthe-
orieansatz heraus ein denkbar schlechtes Tatob-

jekt, für den hier charakterisierten Einzeltäter aber

‚Thrill‘ im Sinne von Erfüllung. Dies schließt aber

Drucksache 17/14600 – 568 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht aus, dass der Ankerpunkt auch das Eltern-

haus, Schule, Exfrau usw. sein kann, weshalb bei

den EWO-Daten auch die Wegzüge ab 1990 (wur-

de aufgrund angenommen Alters des Täters so

festgelegt) einbezogen wurden.

Basis für den Ermittlungsansatz ‚Einzeltäter‘ sind
daher die als Täterprofil festgelegten Kriterien,

nämlich das Geschlecht, Alter, Geografie und Na-

tionalität, die Affinität zu Waffen und die Mobili-
tät, evtl. beruflich bedingt. Die Kenntnis-

se/Erhebungen zur rechten Szene und polizeiliche

Vorerkenntnisse flankieren den Ansatz.

7 3. 2. Umsetzung des Täterprofils in einem Stu-

fenkonzept

Die Vorgehensweise innerhalb dieses Stufenkon-

zeptes hat primär die Erhebung rasterfähiger Daten

zum Ziel, auf der Basis der Einwohnermeldedaten

Nürnbergs, legale Waffenbesitzer Nürnbergs und

Informationen aus sonstigen Datenbanken (z. B.

IGVP/BRV, Inpol, PIOS/BKA, EASy rechts, Zoll,

Bundespolizei), um über den Abgleich mit den Tä-

terprofilkriterien potentiell Tatverdächtige sichtbar

zu machen und sie daher einer Überprüfung zuzu-

führen.

Da sich die außer Frage stehende Mobilität des Tä-

ters nur begrenzt rastern lässt, werden Quellen ge-

sucht und ausgewertet, in denen der/die Täter

diesbezüglich Spuren hinterlassen haben können,

z. B. Funkzellendaten (Telekommunikationsver-

bindungsdaten), Bankdaten (Transaktionen mittels

Debit-/Kreditkarten), Daten von Autovermietern,

Daten von Übernachtungen (Hotels, Campingplät-

ze), Daten im Zusammenhang mit dem Straßen-

verkehr (Ringalarmfahndung, Radarkontrollen,

Parkverstöße, Videobänder aus Überwachungsan-

lagen im Stadtgebiet und Tankstellen, Verkehrsun-

falldaten), Daten aus Polizeidateien (Haftdateien,

Vorgangsverwaltung etc. wie bereits angespro-

chen) u. a., die teilweise bereits umgesetzt und im

Ergebnisprotokoll zum parallel stattgefundenen 1.

Analyse-Workshop vom 20.-22. Juni 2006 darge-

stellt und erläutert sind. […]

Als weitere rasterfähige Datenpools werden die le-

galen Waffenbesitzer Nürnbergs (WBK, Waffen-

schein, Ersatzbescheinigungen) und der Personen-

kreis, die legal Zugriff auf Waffen und Schall-

dämpfer haben, z. B. Jäger, Schützenvereine, er-

hoben. […]

Ermittlungskriterien für Einzelüberprüfungen

Neben den angesprochenen rasterfähigen Daten

entziehen sich mehrere tat- und täterprägende As-

pekte einer Matrixbewertung und müssen sozusa-

gen händisch durch kriminalistische Feinermitt-

lungsarbeit ‚abgeklopft‘ werden. Dies sind Fragen
beim potentiell Tatverdächtigen zum tatauslösen-

den Ereignis (Stichwort: Hass gegen Türken), ei-

ner geeigneten Person als Mittäter (zumindest bis

Fall 3), Pausen innerhalb der Serie, in der z. B. der

Bombenanschlag Köln 9. Juni 2004 liegt, Affinität

zu Waffen durch externes Militär (z. B. ehemalige

DDR-Volkspolizei, Stasi, Fremdenlegion, Ange-

höriger von US-Streitkräften mit Zugang zu

Schießmöglichkeiten etc.).

4. Sonstige Ermittlungsansätze

– Polizeiliche Beobachtung der Internethome-
pages BAO ‚Bosporus‘ bzgl. Homepagebesu-
cher, Zugriffshäufigkeit und -tiefe. […]

– Entwerfen einer Medienstrategie. […]

– Abgleich von Personen in Internetforen/-chats,
die sich negativ bzgl. Ermittlungsvolumen der

Polizei äußern (,[...] sind doch nur Türken!‘)

– Herausarbeiten örtlicher und zeitlicher fall-
verbindender, insbesondere auf die Mobilität

abzielender Komponenten, z. B. Ermittlung

und Abgleich von Veranstaltungen, Messen,

Jahrmärkten, (rechten) Rockkonzerten etc. zu

den jeweiligen Tatzeiträumen in N, M [Mün-

chen], HH [Hamburg], HRO [Rostock], DO

[Dortmund], KS [Kassel]. Gibt es rechte As-

soziationen zu den Tatorten oder/und Tatzei-

ten (analog etwa Grundsteinlegung/Eröffnung

Doku-Zentrum Nbg. o.ä.). Dienstleistungs-

komplex am Tatort Rostock: Welche Fremd-

firmen, Serviceunternehmen waren zur TZ in

TO-Nähe beschäftigt (Beschäftigte aus Nürn-

berg?).

– Massendatenerhebungen und -abgleiche, wie
im Ergebnisprotokoll vom 26. Juni 2006 zum

1. Analysten-Workshop vom 20. Juni – 22.
Juni 2006 in Nürnberg dargelegt.

– Schussversuche mit einer Česká, Typ 83, Kal.
7,65 mit Original-Schalldämpfer unter Betei-

ligung des Schußwaffengutachters, Herrn

Pfoser, der OFA und SEK München. Ziel ist,

grundsätzliche Abläufe beim Schießen durch

eine Plastiktüte mit allen spurenrelevanten

Komponenten an der Waffe, am Schützen, an

der Tüte und am Opfer möglichst getreu nach-

stellen und (gutachtlich) einschätzen zu kön-

nen.“4981

Die „Organisationstäterhypothese“ sollte nach Angaben
des Zeugen Horn gleichwohl weiterverfolgt werden, da es

auch in Fall 8 und 9 Zeugenwahrnehmungen gegeben

habe, die ein Gespräch oder ein Streitgespräch gesehen

hätten.
4982

Auf die Frage, warum die Ermittlungen zum Ankerpunkt

Nürnberg bei den Einwohnermeldedaten ansetzten, hat

der Zeuge Horn geantwortet, dass es hier um den Einsatz-

abschnitt Rasterung gegangen sei. Für die Rasterung seien
4981) MAT A BKA-2/22, Bl. 199 ff.

4982) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 53 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 569 – Drucksache 17/14600

natürlich Grundlage die Daten der dort gemeldeten Perso-

nen gewesen. Nur diese Daten seien vorhanden gewesen.

Daneben habe er empfohlen, einen eigenen Unterab-

schnitt einzurichten: Ermittlungen in der rechten Szene in

Nürnberg, auch hinsichtlich Aussteiger. Es müsse unter-

schieden werden zwischen der Datenrasterung auf der

einen Seite. Hierfür stünden nur „harte Daten“ zur Verfü-
gung. Auf der anderen Seite gebe es noch die konkrete

Ermittlung in der rechten Szene in Nürnberg.
4983

9. Die Medienstrategie

Am 12. Juni 2006 beauftragte der Leiter der BAO „Bos-
porus“, LKD Geier, die OFA Bayern ergänzend hinsicht-
lich folgender Punkte:

„1. Erstellen eines verfeinerten Täterprofils auf der
Grundlage der 2. Fallanalyse vom 9.5.06. Dazu

werden 3 Beamte der BAO i. d. Z. vom 19. bis

21.6.06 zur OFA entsandt.

2. Unterstützung bei der Erstellung einer einheitli-

chen Homepage im Internet durch das BKA und

Verlinkung aller beteiligten Tatortdienststellen auf

diese Homepage. Die Überwachung und die sich

daraus ergebende Spurenbearbeitung soll laut Be-

schluss in der 1. Strategiebesprechung durch das

BKA erfolgen.

3. Unterstützung des BKA bei der Erstellung eines

einheitlichen bundesweiten Fahndungsplakates in

Bezug auf das Layout.

4. Entwicklung einer Medienstrategie, v.a. im

Hinblick auf Fahndungsplakat, Internet-

Homepage, XY-Sendung, ,Teilveröffentlichung‘
des Täterprofils, Reaktion bei Fortsetzung der Se-

rie.

5. Vergleichende Fallanalyse zwischen Mordserie

und dem Nagelbombenattentat in Köln und sich

daraus ergebende Ermittlungshinweise.“4984

Am 12. Juli 2006 übersandte die OFA Bayern der BAO

„Bosporus“ ihre Überlegungen zur Medienstrategie.4985
Es wird hier empfohlen, die vermutete Persönlichkeit des

Täters wie folgt zu beschreiben:

„Bei dem Täter handelt es sich um eine männliche
Person, die einen geografischen Ankerpunkt im

Bereich Nürnberg hat. Unter einem Ankerpunkt

versteht man einen aktuellen oder inaktuellen ört-

lichen Bezugspunkt, den eine Person in Rahmen

ihrer Alltagsaktivitäten immer wieder aufsucht,

wie z. B. Wohnort, die Arbeitsstelle oder soziales

Umfeld. Zur Unterstützung sollten hier die Tatorte

in Nürnberg auf einer Karte, in Kombination mit

den Jahreszahlen, entsprechend visualisiert wer-

den. Es ist davon auszugehen, dass der Täter einer
4983) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 87 f.

4984) MAT A BY-2/4, Bl. 14.

4985) MAT A BY-2/5u, Bl. 106 ff.

geregelten Beschäftigung nachgeht, da er in seinen

Taten keinerlei Anzeichen für Bereicherungshand-

lungen setzt und somit kein finanzielles Bedürfnis

haben dürfte. Es ist des weiteren davon auszuge-

hen, dass er unter Umständen einen Teil der Taten

mit seiner beruflichen Aktivität koppelt. […]

Der Täter weist eine starke Nähe zu Schusswaffen

auf. Er ist erfahren im Umgang mit Schusswaffen,

wobei diese Fähigkeiten und Fertigkeiten sowohl

im beruflichen Umfeld, als auch bei Freizeitaktivi-

täten erlangt worden sein können. Die Entschei-

dung, diese Tötungsdelikte mittels einer Schuss-

waffe zu begehen ist Ausdruck seiner Affinität zu

diesem Bereich.

Nachdem diese ersten Aussagen zu den Kernberei-

chen der Persönlichkeit abgegeben wurden, sollte

eine Phase folgen, in der das Phänomen Serien-

mord etwas näher beleuchtet und die scheinbare

Normalität dieser Personen dargelegt wird. In ers-

ter Linie geht es darum, der Öffentlichkeit zu ver-

deutlichen, dass der Täter trotz der Begehung die-

ser Taten ein weitgehend angepasstes Leben füh-

ren und ansonsten unauffällig sein kann. Es ist zu

überlegen, inwieweit es sinnvoll ist, Beispiele von

anderen Serienmördern darzulegen, die häufig

verheiratet waren und mit Kindern lebten. Den so

häufig zitierten ,netten Nachbar von nebenan‘ kann
man hier als Beispiel bringen. Es ist aber denkbar,

dass die Person des Täters auf den zweiten Blick

als etwas ,anders‘ eingeschätzt wird.

Das Gros der Serienmörder ist zwischen 25 und 40

Jahre alt, daher dürfte sich unser Täter wahrschein-

lich auch in dieser Altersspanne bewegen. […]

Ein wichtiger Punkt in der Mediendarstellung

muss sein, dass der Täter nicht psychisch krank ist.

[…]

Als Brücke zur Erklärung kann dabei auch dienen,

dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszuge-

hen ist, dass der Täter vor dem September 2000

ein tatbegünstigendes/tatauslösendes Ereignis er-

lebte, das zu einer Destabilisierung seiner Persön-

lichkeit führte. Dieses Ereignis kann z. B. die

Trennung vom Lebenspartner, der Verlust eines

Arbeitsplatzes oder negative Erlebnisse am Ar-

beitsplatz oder auch finanzielle Schwierigkeiten

gewesen sein. Dieser Stressfaktor ist bei jedem Tä-

ter anders und sehr individuell ausgestaltet. Im

vorliegenden Fall ist es natürlich auch denkbar,

dass dieses Ereignis im Zusammenhang mit einem

negativen Erlebnis mit türkischen Staatsangehöri-

gen steht und zur Entwicklung dieser fremden-

feindlichen Einstellung geführt hat, welche Grund-

lage für die Auswahl der Opfer sein könnte. Eine

tiefergehende Verankerung des Täters in der rech-

ten Szene wird als eher unwahrscheinlich angese-

hen, die Persönlichkeit des handelnden Täters

dürfte im Vordergrund stehen. […]

Drucksache 17/14600 – 570 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c. Persönlichkeitselemente, die in der Strategie

vernachlässigt werden

Aufgrund der Tatsache, dass manche Elemente des

Täterprofils mit einem stärkeren Unsicherheitsfak-

tor belegt sind, werden diese im Rahmen der Me-

dienstrategie vernachlässigt. […]

Eine denkbare Nähe zur rechten Szene ist vorstell-

bar, jedoch nicht Voraussetzung für die Taten, da-

her soll dies im Beitrag auch mit entsprechend ge-

ringer Priorität platziert werden, da vermutlich die

Persönlichkeitsstruktur des Täters der ausschlag-

gebende Faktor ist und die fremdenfeindliche Ge-

sinnung lediglich als Vehikel fungiert und der Ab-

lehnung eine Richtung gibt.“4986

Erstmals wurde die Medienstrategie – mit Modifikationen
– laut der Aussage des Zeugen Geier am 3. August 2006
im Rahmen der Fernsehsendung AKTENZEICHEN XY-

ungelöst umgesetzt. Innerhalb der Steuerungsgruppe sei

in Absprache mit den beteiligten Staatsanwaltschaften

festgelegt worden, dass zu dem eigenen Fall durch die

jeweilige Soko Stellung genommen, die Gesamtserie

durch die BAO „Bosporus“ vertreten werde. Parallel zur
externen Öffentlichkeitsarbeit seien zahlreiche teils um-

fangreiche Lageberichte und Veröffentlichungen in BKA-

und LKA-Blättern sowie Auftritte sowohl im Intra- als

auch Internet vorgenommen worden. Zudem sei bundes-

weit eine Handlungsanweisung erarbeitet und verschickt

worden, die in einem möglichen zehnten Fall zur Unter-

stützung der dann zuständigen Dienststellen dienen sollte.

Ergänzend sei in einer Steuerungsgruppensitzung einver-

nehmlich beschlossen worden, Informationsveranstaltun-

gen in den bisher nicht betroffenen Bundesländern durch

Mitglieder der Steuerungsgruppe durchzuführen. Unter

anderem habe auch Kriminaldirektor Gerald Hoffmann

aus Kassel beim Landeskriminalamt in Erfurt am 3. April

2007 eine derartige Veranstaltung vor Ermittlungs-

beamten und Angehörigen der Einsatzleitstellen durchge-

führt.
4987

Die OFA Bayern entwarf auch eine Internetseite für das

BKA, auf der die Mordserie und der neue Ermittlungsan-

satz dargestellt wurden.
4988

Die so gestaltete Fahndungs-

homepage enthielt das Einzeltäterprofil, ohne allerdings

auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund hinzu-

weisen. Es heißt hier:

„Denkbar ist, dass diese Person vor Begehung der
ersten Tat im September 2000 ein Schlüsselerleb-

nis im Zusammenhang mit türkischen Staatsange-

hörigen hatte.“4989
4986) MAT A BKA-2/22, Bl. 143, 147 ff.

4987) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 10; vgl. außerdem: Zusammenstel-

lung der Maßnahmen/Erkenntnisse, MAT A BY-7/1, Bl. 6 f. Zu

den Informationsveranstaltungen s. u.

4988) Powerpoint-Präsentation vom 11. Juli 2006, MAT A BKA-

2/14, Bl. 171 f.

4989) Homepage, MAT A GBA-3/4, Bl. 11 ff., 17.

Ebenfalls erfolgte eine auf den Nürnberger Südosten

begrenzte Flugzettelaktion mit über 100 000 Flugblät-

tern.
4990

a) Möglicher rechtsextremer Hintergrund der
Mordserie nicht Gegenstand der Medien-
strategie

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, warum die

Medienstrategie absichtlich auf die Darstellung eines

möglichen rechtsextremen Hintergrundes der Mordserie

verzichtete. Im Raum stand, dass dies wegen der in

Deutschland veranstalteten Fußballweltmeisterschaft im

Sommer 2006 mit dem offiziellen Motto „Die Welt zu
Gast bei Freunden“ unterblieb, um die positive Stimmung
nicht zu beeinträchtigen.

Der Zeuge Geier hat zur Brisanz der Medienstrategie

ausgesagt:

„Allerdings war es so, dass wir uns im Rahmen
dieser Medienstrategie sehr genau überlegt haben:

Was verfolgen wir intern an der Spur gegen rechts,

und was geben wir an die Öffentlichkeit? Das im

Übrigen auch in Absprache mit unserem Ministe-

rium. Deshalb müssen Sie auch überlegen, was es

auslöst, wenn wir mit einer Theorie, mit einer Hy-

pothese an die Öffentlichkeit gehen und zum Bei-

spiel in der Öffentlichkeit sagen würden: Da gibt

es Rechtsradikale, die fahren durch Deutschland

und knallen Ausländer ab. – Auch diese Aufgabe
bzw. auch diese Möglichkeit ist von uns einzu-

schätzen, und damit ist, sage ich jetzt einmal, vor-

sichtig umzugehen. Das war eigentlich der Grund

– im Rahmen der Medienstrategie –, dass wir ge-
sagt haben: Wir machen die Ermittlungen intern;

aber wir tragen sie nicht in dieser Eindeutigkeit

nach außen.“4991

Im Bericht der BAO „Bosporus“, verfasst vom Zeugen
Geier, an das Bayerische Staatsministerium des Innern

vom 30. Mai 2006 heißt es auch:

„Da diese Aussagen, insbesondere zur möglichen
Fremdenfeindlichkeit, einige Brisanz enthält, wur-

de der Inhalt der 2. Analyse nur einem sehr be-

grenzten Personenkreis bekannt gemacht. Im

Rahmen von Medieninterviews wurde und wird

die Einzeltätertheorie nicht besonders in den Mit-

telpunkt gestellt, um in der potentiellen türkischen

,Zielgruppe‘ keine Unruhe aufkommen zu las-
sen.“4992

Einen Zusammenhang zwischen der Fußballweltmeister-

schaft in Deutschland vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 und der

Nichterwähnung eines möglichen rechtsextremen Hinter-

grundes der Mordserie hat der Zeuge Geier verneint.
4993
4990) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 11.

4991) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 23.

4992) MAT A BY-2/9a, Bl. 229, 230.

4993) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 33.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 571 – Drucksache 17/14600

Dem Protokoll der Steuerungsgruppe vom 7. Juni 2006

zufolge spielte die Fußballweltmeisterschaft im Rahmen

der Medienstrategie lediglich hinsichtlich des Zeitpunkts

der Veröffentlichung, aber nicht hinsichtlich des Inhalts

eine Rolle:

„Nach kurzem Meinungsaustausch besteht Kon-
sens, dass der Fahndungsaufruf bundesweit verteilt

und dazu die bestehende Logistik des BKA genutzt

werden sollte. Zudem müssen hinsichtlich des

Zeitpunkts Fußballweltmeisterschaft und Urlaubs-

zeit berücksichtigt werden.“
4994

In einem Bericht des PP Dortmund vom 27. Juli 2006

heißt es:

„Das Analyseergebnis ,Einzeltäter und situative
Opferauswahl‘ ist insbesondere im Hinblick auf
die zu erwartende Außenwirkung brisant. […]

Wirkungen in der Öffentlichkeit, insb. auf auslän-

dische Gäste, wurden durch die Verantwortlichen

auch schon im Mai/Juni im Hinblick auf die be-

vorstehende bzw. laufende FIFA WM 2006 bewer-

tet.“
4995

Dass diese Bewertung nicht nur einen Einfluss auf den

Zeitpunkt der Veröffentlichung der Medienstrategie,

sondern auch auf deren Inhalt hatte, kann den vorliegen-

den Akten nicht entnommen werden.

b) Bewertung der Medienstrategie durch die
Steuerungsgruppe

Mit der mehrheitlich negativen Einschätzung der 2. Ope-

rativen Fallanalyse durch die Steuerungsgruppe ging die

Ablehnung einer hierauf basierenden Medienkonzeption

einher. Im Protokoll der Besprechung der Steuerungs-

gruppe vom 6. Juli 2006 heißt es:

„L BAO [Leiter BAO] stellt mit Blick auf die
zweite OFA-Analyse und das auf deren Basis erar-

beitete Feinkonzept ,Einzeltäter‘ die Frage einer
diesbezüglichen, gezielten Öffentlichkeitsarbeit.

Einer der Vorteile der bisher rein internen Ver-

wendung des Profils ist, dass UT keine

Verdeckungsstrategie entwickeln kann. Anderer-

seits könnten mit einem veröffentlichten Profil

Hinweise gewonnen werden.

Nach Ansicht von Herrn Schwarz sind die Ergeb-

nisse der OFA nicht hinreichend abgesichert, um

als Basis des Medienkonzeptes zu dienen. Seines

Erachtens sollten sie wenigstens durch die noch

folgende Fallanalyse überprüft werden. L BAO

verweist zum einen auf einen grundsätzlichen Zu-

stimmungsvorbehalt der politischen Ebene und

zum anderen auf einen Auftrag an die OFA Bay-

ern, der Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf

die türkische Bevölkerung, auf den Täter und zur
4994) MAT A BY-2/3d, Bl. 24 ff., 29.

4995) MAT A NW-7a, S. 12 ff., 19.

mutmaßlichen Wirksamkeit einer Veröffentlichung

umfasst.

Vereinbarung:

Im Gremium werden Pro und Contra intensiv dis-

kutiert. Im Ergebnis wird eine Veröffentlichung

des Profils zum jetzigen Zeitpunkt auch wegen der

fehlenden Erkenntnisse der noch ausstehenden

OFA-Parallelauswertung einhellig abgelehnt.“4996

Nach der Präsentation der Vorschläge zur Medienstrategie

durch die OFA Bayern unternahm die BAO „Bosporus“
einen Alleingang. Laut Protokoll der Steuerungsgruppe

vom 19. Juli 2006 gab es folgende Diskussion:

„Nachdem die Verwendung der Plastiktüte bereits
in Bild und Spiegel thematisiert wurde, ist geplant,

auch den Schalldämpfereinsatz zu veröffentlichen.

L BAO hat zur Umsetzung der Medienstrategie in

Sachen Einzeltätertheorie bereits für morgen Ter-

mine mit Medienvertretern und Verantwortlichen

der Sendung Aktenzeichen XY.

Anschließend präsentiert KHK Horn die Inhalte

des Konzepts. Bei der folgenden Diskussion kriti-

sieren die TN [Teilnehmer] übereinstimmend die

Vorgehensweise, mit der eine Entscheidung der

Steuerungsgruppe faktisch vorweggenommen

wurde und machen deutlich, dass angesichts des

unstrittigen Zusammenhangs aller 9 Einzeltaten

ein bayerischer ,Alleingang‘ nicht akzeptabel wä-
re. Es wird angemerkt, dass die Vereinbarung zur

und in der Steuerungsgruppe war, derartige Ent-

scheidungen gemeinsam zu treffen.

Außerdem bestehen Bedenken, ob dadurch noch

die Gleichwertigkeit der beiden Hauptermittlungs-

richtungen beibehalten wird. Nach weiterer kont-

roverser Diskussion verweist L BAO darauf, dass

die Alternative zur Umsetzung des vorliegenden

Konzepts, nämlich lediglich abzuwarten und auf

weitere Presseveröffentlichungen und -fragen stets

nur reagieren zu können, aus seiner Sicht inakzep-

tabel ist. Auf die Frage, wer mit welchen Ein-

schränkungen/Änderungen die Umsetzung der

Medienstrategie in Sachen Einzeltäter mitträgt,

vereinbaren die TN wie folgt:

Vereinbarung:

Die Umsetzung des Medienkonzepts in Sachen

Einzeltätertheorie wird angesichts der jüngsten

Presseveröffentlichungen von allen TN mit Aus-

nahme von Herrn Schwarz akzeptiert. Sie ist inso-

weit unschädlich für die gleichrangig weiterver-

folgte Organisationstheorie. Soweit möglich soll

diese Gleichwertigkeit bei der Öffentlichkeitsar-

beit berücksichtigt und transportiert werden. Herr

Schwarz trägt für das LKA Hamburg und in Über-

einstimmung mit der StA Hamburg die Umsetzung

des vorgestellten Konzepts aus fachlichen Gründen
4996) MAT A BY-2/3d, Bl. 35.

Drucksache 17/14600 – 572 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht mit. Ferner erinnert er an die im Konzept

noch nicht berücksichtigte Prüfung der möglichen

Auswirkungen auf die türkische Bevölkerung so-

wie zur mutmaßlichen Wirksamkeit einer Veröf-

fentlichung.“4997

Die Führungsinformation des BKA fasste diese Bespre-

chung vom 19. Juli 2006 wie folgt zusammen:

„Die Diskussion zum vorab verteilten Entwurf ei-
ner Medienstrategie war zunächst von dem Unver-

ständnis aller nichtbayerischen Teilnehmer ge-

prägt, dass der Leiter der BAO ‚Bosporus‘ die
Diskussion dazu mit dem Hinweis eröffnete, über

diese sei in Bayern von ihm und der StA bereits

entschieden, am 20. Juli 2006 werde mit der Um-

setzung begonnen. Darüber hinaus habe man sich

entschieden, auch mit dem Umstand, dass ein

Schalldämpfer genutzt werde, an die Öffentlichkeit

zu gehen. Alle nichtbayerischen Beteiligten mach-

ten deutlich, dass dies nicht der rechte und verab-

redete Umgang miteinander sei.

In der Sache bestand nach langer Diskussion Ei-

nigkeit, dass die Medienstrategie zur Einzeltäter-

theorie zur Umsetzung geeignet sei und entspre-

chend angegangen werden soll. […]

Nicht thematisiert werden sollen:

– mögliche Affinität zur rechten Szene

– oder Ausführungen zu möglichen Krankheits-
bildern beim Täter.“4998

Der Zeuge Schwarz hat ausgesagt, dass die Ablehnung

der Medienstrategie deshalb erfolgt sei, weil er ein Risiko

darin gesehen habe, dass eine Festlegung auf dieses Motiv

in der Bevölkerung erfolgen könnte und dass tatsächlich

Sorge und Angst bei den Menschen, die den bisherigen

Opferkriterien entsprachen, hätte entstehen können. Au-

ßerdem habe er die Befürchtung gehabt, dass Hinweise,

die sich auf die „Organisationstheorie“ beziehen, nicht
mehr eingingen.

4999
Das BKA stellte in einem Kommentar vom 9. August

2006 seine Auffassung über die Vorgehensweise der

BAO „Bosporus“ dar:

„Die jetzt in zahlreichen Medien erscheinende
,Einzeltäterthese‘ einschließlich eines möglichen
Täterprofils ist zurückzuführen auf eine Analyse

der OFA Bayern (PP München), die Anfang Mai

2006 den ermittlungsführenden Dienststellen vor-

gestellt wurde. Diese Analyse sollte zunächst nur

als zweite Arbeitsthese alternativ zur

,Organisationstheorie‘ angesehen werden. Die Lei-
tung der BAO „Bosporus“ hat sich dann aber ent-
schieden, mit dieser These im Rahmen eines Me-
4997) MAT A BY-2/3d, Bl. 41 ff., 42.

4998) Führungsinformation des BKA vom 20. Juli 2006, MAT A

BKA-2/22, Bl. 289 f.

4999) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 94.

dienkonzepts an die Öffentlichkeit zu gehen. Ur-

sprünglich sollte darüber in der Sitzung der Steue-

rungsgruppe der BAO ‚Bosporus‘ vom 19. Juli
2006 in Kassel beraten und ein entsprechender Be-

schluss gefasst werden. In dieser Sitzung wurden

jedoch die Mitglieder der Steuerungsgruppe von

der BAO Leitung vor vollendete Tatsachen ge-

stellt, da wegen angeblicher zeitlicher Dringlich-

keit eine Kontaktaufnahme mit mehreren Medien-

vertretern bereits stattgefunden hatte.

Die derzeitigen Veröffentlichungen, insbesondere

auch die von der bayerischen Polizei bekannt ge-

gebenen Details zu Täterprofil und Tatausführung

wie die Verwendung eines Schalldämpfers und ei-

ner Plastiktüte, wurden/werden von der EG

,Česká‘ nicht mitgetragen. Nach hiesiger Auffas-
sung begründen die Erkenntnisse der bisherigen

Ermittlungen eher die ,Organisationstheorie‘.“5000

Am 19. Juli 2006 kam die Steuerungsgruppe noch über-

ein, sich bei der Medienstrategie auf die „Einzeltätertheo-
rie“ zu beschränken, da eine parallel dargestellte „Organi-
sationshypothese“ verwirren würde und diese bereits
einigen Raum in der Presse in der Vergangenheit einge-

nommen habe. Man war sich bewusst, dass die „Einzeltä-
terhypothese“ in der Öffentlichkeit die „Organisationshy-
pothese“ „zudecken“ werde, nahm dies aber in Kauf, weil
auch schon die Höhe der Belohnung und die Frage nach

der Waffe derartige Hinweise generieren könne.
5001

Im September 2006 hielt das BKA die „Einzeltätertheo-
rie“ auf der Homepage jedoch für „deutlich überrepräsen-
tiert“.5002 Der Zeuge Hoppe hat hierzu ausgesagt, dass er
vorgeschlagen habe, auf der Homepage des BKA beide

Ermittlungsstränge darzustellen, was dann auch gesche-

hen sei.
5003

Auch die Führung des BKA war kritisch. Der Vizepräsi-

dent des BKA, Falk, vermerkte auf einem Zeitungsartikel

vom 8. August 2006 über die Thesen des Herrn Horn:

„[Abteilung] SO m.d.B. um einen Kommentar zu
dieser Kaffeesatzleserei!“5004

Der Zeuge Falk hat hierzu ausgesagt:

„Ich habe das bezogen – da ist auch ein Fragezei-
chen von mir dran – vor allen Dingen auf den Satz,
dass die Polizei jetzt erstmals eine konkrete Vor-

stellung von dem Killer hätte. Das hatte sie beilei-

be nicht. Das hatte sie nicht bis zum November

2011. Wir haben uns gewundert, wie Einzelheiten

hier in die Presse kommen wie beispielsweise,

dass durch eine Plastiktüte geschossen wird. Die
5000) MAT A BKA-2/14, Bl. 231.

5001) Führungsinformation des BKA vom 20. Juli 2006, MAT A

BKA-2/22, Bl. 289 f.

5002) Protokoll der Besprechung der Steuerungsgruppe vom
6./7. September 2006, MAT A BY-2/3d, Bl. 64, 70.

5003) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 22.

5004) Vermerk vom 8. August 2006, MAT A BKA-2/23, Bl. 68.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 573 – Drucksache 17/14600

Anhaltspunkte waren tatsächlich da. Aber so was

gehörte natürlich überhaupt nicht in die Medien zu

diesem Zeitpunkt, weil das ein wichtiger Ansatz

für weitere Ermittlungen hätte sein können. Und

auch, dass der Täter einen starken Bezug zu Nürn-

berg haben würde: Dazu lagen uns keine Informa-

tionen vor. Und ich sagte ja schon, ,Einzeltäter‘
habe ich buchstäblich genommen. Das hat mich

dazu gebracht, das so zu formulieren und die Fach-

abteilung zu bitten, das zu kommentieren.“5005

10. Kritik im Ausschuss an der 2. Operativen
Fallanalyse und der Medienstrategie

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob die

2. Operative Fallanalyse zum einen wegen der Bezeich-

nung „Einzeltäter“ und der Fokussierung auf einen „An-
kerpunkt Nürnberg“, zum anderen wegen des Verschwei-
gens eines möglichen rechtsextremen Hintergrundes kri-

tisch zu sehen ist.

In der OFA heißt es:

„Täter geht vermutlich einer Beschäftigung nach
[…] Ankerpunkt des Täters im südöstlichen Raum
Nürnbergs, eher Wohnort denn Arbeitsstelle“.5006

Die Medienstrategie betont:

„Bei dem Täter handelt es sich um eine männliche
Person, die einen geografischen Ankerpunkt im

Bereich Nürnberg hat. […] Es ist davon auszuge-
hen, dass der Täter einer geregelten Beschäftigung

nachgeht“.5007

Die bisherigen Erkenntnisse (Zeugenaussagen und teil-

weise Verwendung von zwei Schusswaffen) ließen jedoch

auf mindestens zwei Täter schließen. Der Zeuge Horn hat

hierzu ausgesagt, dass die „Einzeltätertheorie“ als Ab-
grenzung zur „Organisationstheorie“ zu sehen gewesen
sei. Sowohl im Täterprofil wie in der Beschreibung der

Delikte seien sie von zwei Schützen ausgegangen.
5008

Der Zeuge Dr. Beckstein hat ausgesagt:

„Die Einzeltätertheorie hat einen großen Fehler
gehabt nach meiner Überlegung: Nämlich bei einer

der Taten, die kurz vorher passiert sind, waren

zwei Fahrradfahrer ins Blickfeld der Behörden ge-

kommen. Wir hatten in Nürnberg Öffentlichkeits-

fahndung nach zwei Fahrradfahrern – Öffentlich-
keitsfahndung nach zwei Fahrradfahrern! –, und
ich habe gesagt: ,Ihr könnt nicht gleichzeitig Öf-

fentlichkeitsfahndung nach zwei Fahrradfahrern

machen und dann von einem Einzeltäter reden.‘
Aber nachdem der Profiler immer seine Einzeltä-

tertheorie hat, ist das bis heute immer noch die

Einzeltätertheorie, obwohl man zum Teil dann in
5005) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 55.

5006) MAT A GBA-5, Bl. 65, Bl. 72.

5007) MAT A BKA-2/22, Bl. 147.

5008) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 75.

den weiteren Erläuterungen hört, dass man durch-

aus von den Einzeltätern auch auf zwei Täter

übergegangen ist.“5009

Zum Vorhalt, dass manche Medien
5010

in ihrer Berichter-

stattung über die neue Hypothese von lediglich einem

Täter sprechen, hat der Zeuge Horn erklärt:

„Wir haben ja zum Beispiel auch bei dieser Pres-
sekonferenz, die wir in München am, ich denke, es

müsste der 8. August 2006 gewesen sein, hatten,

den Medienvertretern zum Beispiel diese zwei

Phantombilder präsentiert. […] Wir haben darauf
hingewiesen, dass es zwei Personen sind. Das ist

dort auch von uns explizit reingegeben worden.

Ich kann mich noch sehr genau erinnern, wie ich

nämlich diese zwei Phantombilder an die Wand

projiziert hatte. Also, insofern ist es ja nicht so,

dass wir zum Beispiel diese Phantombilder außen-

vorgelassen haben. Und auch, was die Schützen

angeht, haben wir dieses schon auch deutlich ge-

macht.“5011

Auf die Frage, ob er nunmehr Fehler der Operativen Fall-

analyse erkennen könne, hat der Zeuge Horn erklärt, dass

sie der Beschreibung relativ nahe gekommen sei. Aber

zum Beispiel, was diesen Ankerpunkt Nürnberg angeht,

hätten sie vielleicht einen zu starken Fokus darauf gelegt,

was sich aber analytisch gesehen habe begründen lassen.

Diese Begründungen sehe er auch heute noch. Ohne Fest-

legung eines Ankerpunktes stelle sich die Frage, wo er-

mittelt worden wäre.
5012

11. Einflussnahme des damaligen Bayeri-
schen Innenministers Dr. Beckstein?

Der Ausschuss ist auch der Frage nachgegangen, ob der

damalige Bayerische Innenminister Dr. Beckstein Einfluss

auf die Medienstrategie genommen hat, um zu verhin-

dern, dass ein möglicher rechtsextremer Hintergrund

publik wird. Hintergrund dieser Überlegung des Aus-

schusses ist ein Vermerk, den LKD Geier über ein Tele-

fonat mit Kriminaldirektor Köhler (IM BY) vom 20. Juni

2006 abgefasst hat, wonach der damalige Bayerische

Innenminister Dr. Beckstein die „Einzeltätertheorie“ als
„kritisch für die Öffentlichkeit – Angst der türkischen
Bevölkerung“ bewertet habe.5013

Als Zeuge hat Herr Geier hierüber ausgesagt, dass dies

keine Vorgabe, sondern eine Bestätigung seiner eigenen

Meinung bzw. derjenigen der BAO „Bosporus“ gewesen
sei.

5014
Der Zeuge Köhler hat hierzu ausgesagt, dass er sich an

den Inhalt des Telefonats nicht mehr erinnern könne. Er
5009) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 82.

5010) Z. B. die Süddeutsche Zeitung am 7. August 2006.

5011) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 75.

5012) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 78.

5013) MAT B Z-1

5014) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 50.

Drucksache 17/14600 – 574 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

habe allerdings einen Vermerk des Zeugen Geier vom 30.

Mai 2006
5015

an die Ministeriumsspitze weitergegeben. In

diesem Vermerk sei auch der Hinweis darauf enthalten

gewesen, dass das Öffentlichwerden eines möglichen

fremdenfeindlichen Motivs in der Öffentlichkeit unter

Umständen Unruhe auslösen könnte, insbesondere in der

türkischen und türkischstämmigen Bevölkerungsgruppe,

und dass man insoweit dieser Aussage eine gewisse Bri-

sanz zumesse. Er habe Herrn Geier sicher gesagt, dass

diese Äußerung über eine gewisse Brisanz an die Haus-

spitze weitergeleitet worden sei und auch Gegenstand

einer Rücksprache am 14. Juni 2006 gewesen sei.
5016

Der Zeuge Dr. Beckstein hat hierzu ausgesagt:

„Dass ich insgesamt von Anfang an auch die Mit-
berücksichtigung von Fremdenfeindlichkeit gese-

hen habe, ist klar. Aber ich sehe überhaupt nicht,

dass ich da in irgendeiner Weise, jetzt sage ich

mal, was verhindert hätte oder verhindert haben

wollte; denn der Herr Geier wird noch Ende Mai

selber in der Nürnberger Zeitung wiederum zitiert:

,Polizei wirbt um Vertrauen bei der türkischen Be-

völkerung. Wir haben keine eindeutige Er-

mittlungsrichtung.‘

Der Pressechef des Innenministeriums hat mich

darauf hingewiesen, dass dieser Artikel Ausfluss

eines Gesprächs von Herrn Geier mit der dpa ge-

wesen ist.

Unter dem 13. Juni entsteht ein Sach-standsbericht

der Abteilung I C, in dem über die beiden neuer-

dings nebeneinander bestehenden Ermittlungsrich-

tungen ,Organisierte Kriminalität‘ und
,fremdenfeindlicher Einzeltäter‘ berichtet wird. Ich
zitiere zwei längere Passagen aus diesem Bericht:

Mit Datum vom 9. Mai 06 legte die OFA Bayern

ihre zweite Analyse vor. Darin kommen die Betei-

ligten zu einer weiteren Arbeitshypothese, die von

der BAO ,Bosporus‘ zwar ständig als eine der
möglichen Motivlagen gesehen wurde, […] nach
dem jetzt bekannt gewordenen Analyseergebnis al-

lerdings gleichrangig neben der sogenannten Or-

ganisationstheorie gesehen werden muss. Aus die-

sem Grunde wird auch das Ermittlungspersonal für

diese Ermittlungshypothese Einzeltätertheorie auf-

gestockt, weil das bisherige Personal mit den Auf-

gaben der Organisationstheorie ausgelastet ist.

Weiter unten heißt es:

Im Hinblick darauf, dass im Falle des Be-

kanntwerdens des bislang lediglich als Arbeitshy-

pothese verfolgten, bisher aber nicht mit konkreten

Beweisen belegten Ergebnisses der zweiten OFA-

Analyse vor allem unter türkischen Kleingewerbe-

treibenden Beunruhigung verursachen könnte,

wurde der Inhalt der zweiten OFA-Analyse nur ei-
5015) Siehe dazu F.V.9.

5016) Geier, Protokoll-Nr. 14, S. 57 f.

nem sehr begrenzten Personenkreis bekannt gege-

ben. Außerdem wurde die Hypothese im Rahmen

von Medieninterviews bislang nicht besonders in

den Mittelpunkt gestellt.

Also das war von der Kommission Geier seiner-

seits dem Innenministerium vorgelegt. Die sagen,

passt auf, das ist sensibel. Wohl am 14. Juni – das
ist wohl der nächste Tag – hat ein Gespräch in die-
ser Angelegenheit mit meinem Büro stattgefunden,

gemeinsam mit meinem damaligen Pressechef und

einem Vertreter der Abteilung I C. Das Gespräch

war nicht besonders strittig; sonst würde ich mich

daran erinnern. Aber auch der Pressechef hat we-

der Aufzeichnungen über das Gespräch noch ir-

gendwelche Erinnerung. Daraus schließe ich heute,

dass wir damals gesagt haben, ja, die sollen die

Medienstrategie entwickeln, allerdings sich da-

rüber klar sein, dass die Einzeltätertheorie sensibel

ist, man muss überlegen, wie man das der türki-

schen Community kommuniziert, dass man nicht

nur Hysterie und nicht Anschlusstaten provoziert.

Übrigens hat der Profiler Horn selber darauf hin-

gewiesen, dass bei der Medienstrategie darauf zu

achten ist, dass nicht Nachahmungstäter ermuntert

werden. […] Noch mal: Ich habe hier keine Wei-
sungen erteilt. Wenn ich eine Weisung erteile, ist

es so, dass die unzweifelhaft ist. Wer mich kennt,

weiß, dass ich da ziemlich deutliche Vorgaben ha-

be. […]

Die Sensibilität war deswegen angebracht, weil

man einmal deutlich machen musste, dass es um

eine Hypothese und nicht um eine Spur gegangen

ist. Die Fachleute unter Ihnen wissen: Hypothese

ist das eine, Spur ist das Nächste, heiße Spur ist

das Dritte. Hier ist es um eine Arbeitshypothese

gegangen. […]

Der zweite Punkt bei der Sensibilität war die Ge-

fahr der Verunsicherung bei der eh schon ziemlich

verängstigten türkischen Community. Ein Hoch-

schaukeln der Angst sollte verhindert werden.

Deswegen sollte nicht etwa die Information der

Öffentlichkeit unterbleiben; aber man sollte sich

überlegen, wie man das ganze Thema kommuni-

ziert. […]

Die Ausarbeitung der Medienstrategie ist im Übri-

gen nicht im Innenministerium in besonderer Wei-

se erfolgt; die wären auch gar nicht zuständig.“5017

Einen Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft

in Deutschland 2006 schloss er darüber hinaus nach seiner

Erinnerung aus.
5018

Der Zeuge Horn hat zu einer möglichen Einflussnahme

ausgesagt:
5017) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 80 f.

5018) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 82.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 575 – Drucksache 17/14600

„Dort bin ich nirgendwohin gedrängt worden. Es
war die fachliche Bewertung dahingehend, weil

wir der Meinung waren, dass das Zerstörungs-

motiv hier im Vordergrund steht; denn die Tötun-

gen zeigen uns das Zerstörungsmotiv. Diesen Tä-

tern geht es darum, andere Menschen zu zerstören.

[…] Deswegen haben wir auch von diesem missi-
onsgeleiteten Täter gesprochen. Es gab ja auch in

der Vergangenheit missionsgeleitete Täter, die

nicht Angehörige einer Gruppierung oder derglei-

chen waren, sondern für sich selber diese Mission

entdeckt haben und die dann auch umgesetzt ha-

ben. Und die Ausländerfeindlichkeit, die fremden-

feindliche Gesinnung, […] die könnte hierbei das
Vehikel sein. […] Das Motiv, das dahintersteht, ist
die Zerstörung.“ 5019

12. Weitere Operative Fallanalysen

a) Die Operative Fallanalyse Hamburg

In der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe

vom 17./18. Mai 2006 schlug der Vertreter der Hambur-

ger Polizei vor, ihren Fall separat analysieren zu lassen.

Das BKA vermerkte hierzu, dass dies von allen sonstigen

Anwesenden der Steuerungsgruppe als abwegig bewertet

und davon abgeraten worden sei.
5020

Im Auftrag des LKA Hamburg, Soko „061“, erstellten
Fallanalytiker des LKA Hamburg eine Operative Fallana-

lyse des Hamburger Mordes. In der Analyse vom 13. Juli

2006 heißt es zum Tatmotiv:

„Ist nicht ablesbar aus Tathergang und Opferbild,
jedoch ein personales Motiv ohne Möglichkeit zur

konkreten Nennung des dahinterstehenden Be-

dürfnisses.“5021

Weiter heißt es, eine Spezifität des Opfers sei nicht er-

kennbar, das Tatziel sei allein die Tötung selbst. Als Er-

mittlungshinweise werden die Recherche und der Ab-

gleich mit anderen Taten im Bundesgebiet hinsichtlich

Tathergang, der verwendeten Tatmittel, dem gewählten

Opferbild und dem engeren Tatort sowie der kontinuierli-

che Systemabgleich bezüglich der bisher unbekannten

Waffe des Kalibers 6,35 gegeben.
5022

b) Die Operative Fallanalyse Baden-
Württemberg und daran anschließende
Diskussionen

Da insbesondere das LKA Hamburg und die OFA Bayern

hinsichtlich der methodischen Ausgestaltung der anzu-

wendenden Fallanalyse divergierende Auffassungen ver-

treten hatten und dieser Punkt weder bilateral noch in der
5019) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 61.

5020) Vermerk vom 30. Mai 2006, MAT A BKA-2/14, Bl. 113.

5021) MAT A GBA-4/4b, Bl. 69 ff., 86.

5022) MAT A GBA-4/4b, Bl. 69 ff., Bl. 86 f.

Steuerungsgruppe abschließend entschieden werden

konnte, entschied die Steuerungsgruppe bereits am

18. Mai 2006 – also schon am Tage der Vorstellung der
Fallanalyse bei der Steuerungsgruppe –, dass eine neutra-
le, d. h. bisher mit dem Fall nicht befasste, OFA-Einheit

eine weitere Analyse durchführen sollte.
5023

Zum Hinter-

grund dieses Wunsches nach einer neuen Fallanalyse hat

der Zeuge Gricksch ausgesagt, seine Hoffnung sei gewe-

sen, eine Linie zu erhalten, die für alle nachvollziehbar

gewesen sei.
5024

Mit dieser neuen Fallanalyse wurde am 11. September

2006 die OFA Baden-Württemberg beauftragt. Der Auf-

trag lautete:

„Die Bedeutung des Ermittlungskomplexes macht
eine nochmalige Analyse der Gesamtserie durch

bisher nicht mit dem Fall befasste Spezialisten er-

forderlich.

Dazu soll die OFA Baden-Württemberg nochmals

den Tathergang aller neun Fälle rekonstruieren und

eine Gesamtanalyse erstellen, in der auf Basis der

Tathergangsrekonstruktionen Aussagen zu einem

,Muster‘ in der Serie, zur Anzahl der Täter und
zum Täterprofil getroffen werden. Nach Möglich-

keit sollte das Ergebnis auch eine Aussage zur

Priorisierung der Ermittlungsrichtungen und zu

Präventionsansätzen beinhalten.“5025

Die OFA Baden-Württemberg arbeitete nach der gleichen

Methode wie die OFA Bayern,
5026

ohne allerdings die

bisher erstellten Fallanalysen im Detail zu kennen.
5027

Das Ergebnis datiert vom 30. Januar 2007.
5028

Die „Ein-
zeltäterhypothese“ wurde mit folgenden Argumenten
abgelehnt:

„Gegen eine solche Theorie spricht […], dass alle
Opfer weitere Gemeinsamkeiten aufweisen, die

von außen für einen Täter ohne Opferbezug nicht

erkennbar sind und somit für solch einen Täter

kein Auswahlkriterium darstellen können:

– Geldprobleme und somit Empfänglichkeit für
risikobehaftete und gegebenenfalls illegale

Tätigkeiten, u. a. Glücksspiel.

– Undurchsichtige Lebensführung; teilweise
Hinweise auf Aktivitäten bzw. Kontakte im

Btm-Bereich, teilweise in anderen Kriminali-

tätsbereichen.
5023) Protokoll der Steuerungsgruppe vom 18. Mai 2006, MAT A

BY-2/3d, Bl. 7 ff., 9 f.; vgl. auch das Protokoll des OFA-
Treffens vom 24./25. April 2007, MAT A BKA-2/14, Bl. 410

ff., 411.

5024) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 103 f.

5025) Schreiben der BAO „Bosporus“ an das LKA Baden-
Württemberg vom 11. September 2006, MAT A BKA-2/24,

Bl. 88 f.

5026) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 49.

5027) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 54.

5028) MAT A BKA-2/14, Bl. 276-383.

Drucksache 17/14600 – 576 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Falle eines Täters, der willkürlich Opfer aus ei-

nem bestimmten Kollektiv, nämlich den türkischen

Kleingewerbetreibenden herausgreift, wären sol-

che Gemeinsamkeiten auf der Opferseite nicht zu

erwarten, dies Iässt sich nur schwer mit einem zu-

fälligen Zusammentreffen solcher Merkmale erklä-

ren.

Weitere Aspekte sprechen ebenfalls gegen einen

Täter, der aus einem inneren Antrieb heraus will-

kürlich seine Opfer auswählt:

– Zwischen den Taten liegen z. T. sehr lange
Zeitspannen, z. T. wiederum sehr kurze. […]

– Die Täter haben sich an einigen Tatorten aus-
gekannt (Ortskenntnis) und gleichzeitig haben

sie mehr oder weniger konkretes Wissen zur

Verfügbarkeit der jeweiligen Opfer gehabt.

Dies spricht gegen den Täter, der willkürlich

nach Zufallsopfern Ausschau hält.

– Mehrere Tatobjekte waren per se nicht als tür-
kische Geschäfte erkennbar, eine Auswahl der

Opfer anhand des bloßen Merkmals „türki-
scher Kleingewerbetreibender“ ist damit nicht
realisierbar. Die Tatobjekte selbst sind nicht

unter einer Kategorie zu fassen, da sie nicht

durchgehend zu einem bestimmten Geschäfts-

bereich gehören (Döner, Obst, Gemüse,

Dienstleistungen).

– Ein Opfer war Grieche (Verwechslung ausge-
schlossen, da sein Geschäft in einem Grie-

chen-Viertel lag) und zudem war auch sein

Geschäft nicht als ausländisches Geschäft er-

kennbar (nur rein deutsche Aufschrift vor dem

Geschäft).

– Bei einigen Opfern waren vor der Tat Verhal-
tensänderungen wahrnehmbar (laut Zeugen-

aussagen).“5029

Als Ergebnis wurde definiert:

„Alle neun Opfer hatten Kontakt zu einer Gruppie-
rung, die ihren Lebensunterhalt mit kriminellen

Aktivitäten bestreitet und innerhalb derer zudem

ein rigider Ehrenkodex bzw. ein rigides inneres

Gesetz besteht. Im Laufe der ,Zusammenarbeit‘
begingen die Opfer vermutlich einen Fehler, der

für die Opfer hinsichtlich seiner Bedeutung nicht

erkennbar war. Aufgrund dieser für die Täter be-

deutsamen Verletzung eines Ehrenkodex bzw.

Wertesystems wurden in der Tätergruppierung je-

weils Todesurteile gefällt und vollstreckt. Dabei

ging es vermutlich nicht (mehr) um Forderungen

irgendwelcher Art (rationaler Aspekt), sondern

letztendlich um die Sicherung oder Wiederherstel-

lung einer in der Gruppe ideell verankerten Wirk-

lichkeit, z. B. Status, Prestige, Ehre, Pflege eines
5029) MAT A BKA-2/14, Bl. 276 ff., 370 f.

bestimmten Selbstbildes usw. (irrationaler As-

pekt).“5030

Zum Täterprofil heißt es u. a.:

„Ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit

Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischspra-

chige Opfer hat, ist nicht auszuschließen, dass die

Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den

Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge

ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben.

Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Eh-

renkodex eher für eine Gruppierung im ost- bzw.

südosteuropäischen Raum (nicht europäisch west-

licher Hintergrund).“5031

Im Rahmen einer Besprechung der OFA-Dienststellen am

26./27. März 2007 wurden die Unterschiede der bayeri-

schen und der baden-württembergischen Fallanalysen

folgendermaßen festgestellt:

„a) Opferbild

Laut bayerischer Fallauffassung werden die Opfer

nach folgenden Kriterien ausgewählt:

– Ausländer

– Männer

– Türken (oder türkisches Erscheinungsbild)

– In Kleingewerbe aufhältlich

Laut baden-württembergischer Fallauffassung sind

bei der Opferauswahl folgende Punkte relevant:

– Dreh- und Angelpunkt der Kontaktaufnahme
ist das Geschäft (Geschäft spielt eine Rolle für

die Täter)

– Phänotypus ist nicht ausschlaggebend

– Verbindendes Medium der Opfer ist die Spra-
che (türkische Sprache)

– Undurchsichtige/problematische finanzielle
Situation, problematischer Umgang mit Geld

und daraus abgeleitet eine erhöhte Empfäng-

lichkeit, diese Situation auch durch risikobe-

haftete oder illegale Tätigkeiten aufzubes-

sern.“5032

Der verantwortliche Fallanalytiker der OFA Baden-

Württemberg, der Zeuge KHK Haßmann, hat ausgesagt,

dass auch ein rechtsextremistisches Motiv in die Dis-

kussion mit eingeworfen und ausführlichst diskutiert, aber

dann wieder verworfen worden sei, weil sie gesagt hätten:

Bei einer gezielten Opferauswahl sei es unwahrscheinlich,

dass Täter aus dem rechten Milieu vorher ausgiebigen

Kontakt zu den Opfern hatten.
5033

Außerdem sei zum
5030) MAT A BKA-2/14, Bl. 276 ff., 374.

5031) MAT A BKA-2/14, Bl. 276 ff., 375.

5032) Protokoll der OFA-Besprechung vom 26./27. März 2007, MAT

A BKA-2-14, Bl. 395 f.

5033) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 50.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 577 – Drucksache 17/14600

Beispiel bei der Tat in Rostock möglicherweise ein emo-

tionales, persönliches Element mit dabei gewesen, weil

die Täter diesen Dönerstand betreten und das Opfer auf-

gefordert hätten, sich hinzuknien. Bisher habe es Taten

gegeben, wo dieses emotionale Element nicht so deutlich

gewesen sei wie bei diesem Fall in Rostock. Daher habe

man nicht ausschließen können, dass möglicherweise

engere Verbindungen zwischen Täter und Opfer bestan-

den. Diese Verbindungen hätten sie nicht im rechtsextre-

mistischen Bereich gesucht, zumal es aus ihrer Sicht Ta-

torte gegeben habe, die von außen hin nicht als Geschäfte

mit ausländischen Betreibern erkennbar gewesen sei-

en.
5034

Fehler hat der Zeuge Haßmann nicht erkannt:

„Ich denke, dass wir aus unserer Sicht als OFA
Baden-Württemberg alles getan haben, was wir tun

konnten. Wir haben alle neun Fälle einzeln analy-

siert. Und wir haben alle Tatorte besichtigt. Wir

haben alle Daten erhoben, die wir konnten. Und

wir haben uns auch, ich sage mal, von außen kei-

nem Druck ausgesetzt, dass wir jetzt schnell fertig

werden mit der Analyse. Ja, ich weiß: Wir haben,

jetzt sage ich aus meiner Sicht, die Gruppierung,

denke ich, ganz gut beschrieben. Wir haben sie

einfach schlichtweg falsch verortet. Und wir haben

eine falsche Motivstruktur herausgearbeitet. Aber

das passiert beim Arbeiten mit Wahrscheinlichkei-

ten und Hypothesen. Also, deshalb mache ich mir

keinen Vorwurf.“5035

Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der OFA Baden-

Württemberg erfolgte in der Steuerungsgruppe erneut eine

Diskussion über die Wertigkeit der beiden Theorien:

„Nach einer ersten Abfrage, ob oder inwieweit die
konkreten Ermittlungshinweise der OFA BW be-

reits abgedeckt sind, ergibt sich eine kontroverse

Diskussion um die Wertigkeiten der beiden Ermitt-

lungsrichtungen und die Frage, welche Ansätze

hinsichtlich der Organisationstheorie noch zu ver-

folgen sind.

Mehrheitlich werden als Hauptansatzpunkt der Or-

ganisationstheorie die Opfer gesehen und diesbe-

züglich strukturierte Abgleiche gefordert, um Ver-

bindungen zu erkennen. Auch stelle sich die Frage,

was aus den Opferfamilien und Tatobjekten ge-

worden ist.

Vereinbarung:

Alle Ermittlungseinheiten erheben und melden für

ihre Fälle die Entwicklung der Opferfamilien und

der Tatobjekte. Die Vertreter der BAO weisen da-

rauf hin, dass diese Überlegungen jedenfalls für

die bayerischen Fälle gerade in den ersten Jahren,

als nahezu ausschließlich die Organisationstheorie

verfolgt wurde, längst angestellt und abgearbeitet
5034) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 68.

5035) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 77 f.

wurden, ohne dass Gemeinsamkeiten festzustellen

waren. Ausdrücklich wird nochmals festgestellt,

dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt beide Ermitt-

lungshypothesen gleichrangig zu bewerten sind

und die Polizeiführung Fallanalysen in erster Linie

auf sich daraus ergebende Ermittlungserfordernis-

se zu prüfen hat.

Nach Einzelabfrage besteht Konsens, dass sich aus

den Ermittlungshinweisen der OFA BW keine

neuen Ermittlungsansätze für die Organisations-

theorie ergeben […]“
5036

Im Rahmen der Vorbereitungen einer OFA-Besprechung

im April 2007 sprach das BKA von „Familienstreitigkei-
ten“ der OFA.5037 Zum Hintergrund hat der Zeuge Haß-
mann ausgesagt:

„Es ist in der Tat so, als unser Ergebnis natürlich
präsentiert wurde und wir das Ergebnis der OFA

Bayern kannten, dass wir gesagt haben: Also, wir

arbeiten mit der gleichen Methodik; wir haben die

gleiche Herangehensweise; wir haben die gleichen

Akten zur Verfügung. Trotzdem kommen wir zu

unterschiedlichen Ergebnissen. Und es ist aus un-

serer Sicht heraus selbstverständlich, dass wir uns

dann mal zusammensetzen und sagen: Woran lag

es denn eigentlich? Wo waren die Knackpunkte

der Analyse? Wo könnten wir in Zukunft irgend-

wie was besser machen? Und das haben wir her-

ausgearbeitet. Aber so dramatisch, wie das jetzt

rüberkam, Familienstreit. Natürlich haben wir da-

mals gesagt: Wir halten unsere Analyse für die

plausiblere. Das Gleiche hat der Herr Horn von

seiner Analyse gesagt. Aber irgendwie müssen wir

dann wieder einen gemeinsamen Weg finden und

sagen: Also, wir müssen gucken, […] wo einfach
die Knackpunkte waren. – Und das haben wir ge-
macht.“5038

Die Spannungen wurden bei dem OFA-Treffen am

24./25. April 2007 beseitigt. Die beteiligten OFA-

Dienststellen verständigten sich auf einen Erfahrungsaus-

tausch und eine Absprache hinsichtlich der weiteren Zu-

sammenarbeit bei möglichen zukünftigen Fällen.
5039

c) Die FBI-Kurzanalyse

Im April oder Mai 2007 kam es zu einem Austausch zwi-

schen der OFA Bayern und Fallanalytikern des Federal

Bureau of Investigations (FBI), USA. In diesem Rahmen

wurde über die Česká-Mordserie diskutiert.5040 Das FBI
übermittelte anschließend aus den USA mit Schreiben
5036) Protokoll vom 14./15. März 2007, MAT A BY-2/3d, Bl. 164

ff., 168 f.

5037) Vermerk vom 24. April 2007, MAT A BKA-2/14, Bl. 402.

5038) Haßmann, Protokoll-Nr. 14, S. 68.

5039) Protokoll der Besprechung vom 24./25. April 2007, MAT A

BKA-2/14, Bl. 410 ff.

5040) Horn, Protokoll-Nr. 14, S. 55.

Drucksache 17/14600 – 578 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vom 7. August 2007 seine Einschätzung vom 15. Juni

2007. Es heißt dort:

„The offender is a disciplined, mature individual
who is shooting the victims because they are of

Turkish ethnic origin or appear to be Turkish. …
The offender has a personal, deep rooted animosity

towards people of Turkish origin.
5041

Der Zeuge Maurer, damals zuständiger Abteilungsleiter

im BKA, vermerkte am 20. August 2007 zu dieser Kurz-

analyse:

„Wenig hilfreich!“5042

Der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, hat im
Rahmen einer Ergänzung zu seiner Aussage zu dieser

Analyse angegeben, dass er eine Fallanalyse durch das

FBI nie in Auftrag gegeben habe. Er hat weiter ausge-

führt:

„Herr Horn zeigte mir eine Niederschrift in Eng-
lisch, die nach meiner Meinung nicht als Analyse

einzustufen ist.

Ich schließe nicht aus, dass im Rahmen einer

Steuerungsgruppensitzung der Inhalt dieses

,Schriftstückes‘ angesprochen wurde. Da [es] aber
im Vergleich zur 2. OFA-Analyse keine wesentli-

chen Neuerungen brachte, spielte es für weitere

Entscheidungen keine entscheidende Rolle.“5043

Im Besprechungsprotokoll der Steuerungsgruppe vom

12. September 2007 heißt es zum Papier des FBI:

„Die allen vorliegende, sechsseitige ,Analyse‘ des
FBI entstand aus einem Besuch von FBI-

Analysten bei der OFA München ohne Auftrag

durch BAO oder OFA. Nach einhelliger Einschät-

zung der Steuerungsgruppe ergeben sich daraus

keine neuen Ermittlungsansätze. Das Schreiben

wird aktenmäßig bei den OFA-Analysen abge-

legt.“5044

d) Vergleichende Operative Fallanalyse
Mordserie – Nagelbombenanschlag

Die Ermittlungsempfehlungen innerhalb der zweiten OFA

Bayern vom 9. Mai 2006 regten die Prüfung eines Tatzu-

sammenhanges mit dem Nagelbombenanschlag in Köln

am 9. Juni 2004 an. Als Parallele zu den Mordtaten wurde

hier gesehen:

– Anschlag mit Nagelbombe in Straße mit eindeutig
erkennbarem Schwerpunkt türkischer Geschäfte

– Ermittlungen konnten bisher weder OK-Hintergrund,
noch sonstiges Motiv erhellen,

– Tatbegehung durch zwei Männer mit Fahrrädern,
5041) MAT A BKA-2/27, Bl. 378 ff., dort Bl. 383.

5042) MAT A BKA-2/27, Bl. 386; Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 29.

5043) Geier, Anlage 1 zum Protokoll-Nr. 12, S. 1.

5044) MAT A BY-2/3d, Bl. 448 ff., S.7.

– Tatbegehung als „Kommandoaktion“.

In diesem Zusammenhang wurde eine vergleichende

Fallanalyse vorgeschlagen.
5045

Der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, beauf-
tragte am 12. Juni 2006 die OFA Bayern nicht nur zu der

oben näher betrachteten Medienstrategie, sondern auch

zur Erstellung einer vergleichenden Fallanalyse zwischen

Mordserie und dem Nagelbombenattentat in Köln sowie

sich daraus ergebenden Ermittlungshinweisen.
5046

Eine

vergleichende Fallanalyse wurde nicht erstellt. Im Proto-

koll der Steuerungsgruppe vom 14./15. März 2007 heißt

es:

„Hierzu gilt zu sagen, dass eine Vergleichsanalyse
zwischen dem Nagelbombenattentat in Köln und

der vorliegenden Serie nicht gefertigt werden wird.

Die beteiligten OFA's kamen zu der Feststellung,

dass ,Äpfel nicht mit Birnen‘ verglichen werden
können. Es hätte sich nicht um eine gezielte Akti-

on in Richtung Einzelperson gehandelt, sondern

sei eben eine Art Globalvorstoß gegen Türken ge-

wesen.“5047

Der Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, hat
hierzu ausgesagt:

„Dass es inhaltlich eine Verbindung gab, weil die
Opferseite eigentlich gleich war, das hat uns erst

darauf gebracht, da eine Verbindung zu sehen und

Kontakt aufzunehmen. Bei dieser Besprechung

war ich allerdings […] nicht dabei; aber – das sag-
ten uns damals die OFA-Vertreter – bei einer Tat,
bei der wenig Täterhandeln offensichtlich wird,

haben die unheimlich Schwierigkeiten, die Täter-

persönlichkeit zu analysieren und dann zu verglei-

chen. Also, im Wesentlichen wurde mir gesagt: Da

ist wenig zu erwarten. Aber wir haben es ja nicht

ausgeschlossen, sondern wir haben es weiterge-

führt und haben es als Möglichkeit in unseren Er-

mittlungen immer mitlaufen lassen, haben auch die

Datenabgleiche bis zur letzten Tat immer mitge-

führt.“5048

Letzteres hat der Zeuge Vögeler bestätigt. Bis weit über

2008 hinaus habe die BAO „Bosporus“ ständig mit der
Dienststelle in Köln in Verbindung gestanden. Ein Zu-

sammenhang der Taten habe aber weder bestätigt noch

entkräftet werden können.
5049
5045) MAT A BKA-2/14, Bl. 138.

5046) MAT A BY-2/4, Bl. 14.

5047) MAT A BKA-2/26, Bl. 364.

5048) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 15.

5049) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 92.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 579 – Drucksache 17/14600

13. Ermittlungen nach der 2. OFA – Ermitt-
lungsabschnitt Einzeltäter und Spur 195

Der Ausschuss hat sich mit der Frage befasst, wie die

Ermittlungen nach der zweiten Fallanalyse gewichtet

waren.

a) Gewichtung der Ermittlungsschwerpunkte

Zum 1. Juni 2006 wurde der dem Ermittlungsabschnitt 03

angegliederte Unterabschnitt 01 – Besondere Ermitt-
lungskomplexe, Einzeltäter – gebildet. Die neue Ermitt-
lungseinheit, darunter KHK Pfister, entwickelte zusam-

men mit der OFA Bayern das bereits oben näher erläuter-

te Ermittlungskonzept vom 14. Juli 2006, das der Grund-

annahme der Einzeltätertheorie folgte, wonach sich der

Hass des Täters gegen männliche türkische/türkisch aus-

sehende Kleingewerbetreibende richtete.
5050

Für den Er-

mittlungsansatz „Einzeltäter“ wurde das Täterprofil der
Operativen Fallanalyse wie folgt zusammengefasst:

– „männlich

– Alter, zum Tatzeitpunkt 2000, von 18 bis 40
Jahre alt […]

– Zugehörigkeit zur rechten Szene Nürnbergs,
evtl. Aussteiger?

– Geografische Ableitung […] Ankerpunkt
Nürnberg […]

Die Erhebungen zur ,Rechten Szene‘ sind flankie-
rend zu dem Ermittlungsansatz ,Einzeltäter‘ zu se-
hen. […]

Ergänzend dazu sollten örtliche und zeitlich fall-

verbindende, insbesondere auf die Mobilität abzie-

lende Komponenten erhoben werden, wie z. B.

rechte Musikveranstaltungen zu den jeweiligen

Tatzeiträumen in Nürnberg, München, Hamburg,

Rostock, Dortmund und Kassel. Gibt es rechte As-

soziationen zu den Tatorten oder/und Tatzeiten

analog etwa Grundsteinlegung/Eröffnung Doku-

Zentrum Nbg. o. ä.?“5051

Der Zeuge Geier hat zur Gewichtung der Theorien ausge-

sagt:

„Wissen Sie, das ist nicht ganz einfach zu sagen;
denn wir hatten auch noch Aufgabenblöcke – ich
habe es erwähnt –, die mit beiden Theorien eigent-
lich nichts zu tun hatten, und zwar zum Beispiel

die Waffenspur, dann die Spur der Massendaten,

bei der es nur um die Anwesenheit an den Tatort-

stätten ging. Aber ich sage: Die Organisationstheo-

rie wurde größtenteils durch das Bundeskriminal-

amt dargestellt.“5052
5050) MAT A BKA-2/22, Bl. 199 ff.

5051) Vermerk zum Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ von KHK Pfister
ohne Datum, MAT A GBA-4/5c, Bl. 8 f.

5052) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 27.

Insgesamt waren in der BAO „Bosporus“ in der größten
Stärke 60 Polizeibeamte eingesetzt, bundesweit arbeiteten

insgesamt bis zu 160 Beamte an dem Fallkomplex.
5053

Während der Zeuge Geier im Ausschuss von sechs Poli-

zeibeamten im Unterabschnitt 03 (Einzeltäter) gesprochen

hat,
5054

hat er im Rahmen seiner Ergänzung zum Protokoll

Folgendes mitgeteilt:

„Ich habe es zwischenzeitlich nachvollzogen, mit
Stand 07/2007 waren in diesem Bereich 9 Krimi-

nalbeamte der BAO aus Bayern eingesetzt. Der

Rest des Personals war nicht ausschließlich für die

Organisationstheorie vorgesehen, sondern es gab

personalstarke Einsatzabschnitte, die nicht auf eine

Theorie fokussiert waren, z. B. Analyse, Haupt-

sachbearbeitung etc.“5055

Der Zeuge Pfister, der vom polizeilichen Staatsschutz zur

BAO „Bosporus“ abgeordnet wurde, hat ausgesagt, dass
nach seiner Erinnerung im Einzeltäterbereich sechs Be-

amte eingesetzt gewesen seien, wobei sich allerdings nur

vier bis fünf Beamte mit der rechtsextremen Szene be-

schäftigt hätten.
5056

Der Zeuge Pfister hat darüber hinaus angegeben, dass die

Gewichtung der beiden Theorien („Organisationstheorie“
und „Einzeltätertheorie“) gleichwertig gewesen sei, aller-
dings für die „Organisationstätertheorie“ mehr Personal
zur Verfügung gestanden habe.

5057
b) Spur 195

aa) Beginn

Als Folge der 2. Operativen Fallanalyse (siehe oben,

S. 560) und des Ermittlungskonzeptes vom 14. Juli 2006

legte der Ermittlungsabschnitt 03, Unterabschnitt 01 (Se-

rientäter) der BAO „Bosporus“ am 20. Juli 2006 die Spur
195 unter der Bezeichnung „Rechtsextremisten“ an.5058
Im Rahmen dieser Spur erfolgte im Raum Nürnberg zu-

nächst eine Überprüfung von Personen, die dem rechten

Spektrum zugerechnet wurden. Im Juli/August 2006

überprüfte die BAO „Bosporus“ hierzu zwei vom PP
Mittelfranken übergebene Ordner mit staatsschutzrelevan-

ten Ereignissen/Daten von 1993 bis 2001.
5059

Außerdem

wurden mit Blick auf eine Mobilitätsüberprüfung zu-

nächst die Arbeitgeber der im polizeilichen Staatsschutz

bekannten Rechtsextremisten mit dem Wohnsitz in Nürn-

berg (Stand Juli 2007) ermittelt.
5060
5053) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26 f.

5054) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 31.

5055) Geier, Anlage 1 zum Protokoll-Nr. 12, S. 1.

5056) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 90.

5057) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 91.

5058) Spurenblatt, MAT A GBA-4/5a, Bl. 21.

5059) Vermerk vom 12. Juli 2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 104;
Vermerk vom 14. August 2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 105.

5060) Ermittlungsbericht vom 19. Juli 2007, MAT A GBA-4/5c, Bl.

110; Schreiben der BAO „Bosporus“ an die Deutsche Renten-

Drucksache 17/14600 – 580 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Gefährderansprachen

Bei neun Personen aus dem rechten Spektrum wurden in

der zweiten Jahreshälfte 2006 sogenannte

Gefährderansprachen durchgeführt, um zu erfahren, was

die rechte Szene über die Mordserie spricht.
5061

Diese

neun Personen wurden ohne Mitarbeit des LfV anhand

eigener polizeilicher Daten ermittelt.
5062

Zum Zweck der Gefährderansprachen hat der Zeuge Pfis-

ter ausgesagt, dass man sich die Nennung von Personen-

zusammenhängen erhofft habe. Es habe sein können, dass

sich mancher um Kopf und Kragen, zum Beispiel über

andere eventuell neue Personen redet.
5063

Dies sei inso-

weit aussagekräftig, dass man dann erkennen könne, ob

die Mordserie in der Szene überhaupt bekannt sei.
5064

Außerdem habe man in der rechten Szene bekannt ma-

chen wollen, dass die Polizei auch auf dieser Seite aktiv

sei.
5065

Als Ergebnis der Gefährderansprachen hielt KHK Pfister

fest, dass

– „bei keiner der angesprochenen Personen ein
Bezug zur Mordserie hergestellt werden konn-

te;

– innerhalb der rechten Szene die Meinung vor-
herrscht, dass sich die Opfer wohl selber im

kriminellen Milieu bewegt haben dürften und

einer Vergeltungs-/Rachetat zum Opfer gefal-

len sein könnten;

– eine fremdenfeindlich motivierte Straftat
[nach Auffassung der angesprochenen Perso-

nen] nicht vorliegt, da die Mordopfer für ihren

Unterhalt selber sorgten und aufgrund ihrer

Berufstätigkeit den deutschen Staat (Steuer-

zahler) nicht ausnützten.“5066

d) Zusammenarbeit mit dem LfV Bayern

Da der Ausschuss davon ausgegangen ist, dass Erkennt-

nisse über politisch motivierte Straftäter bei den Verfas-

sungsschutzbehörden vorhanden sind, war die Kooperati-

on zwischen der Polizei und dem LfV Bayern interessant.
versicherung vom 11. Juli 2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 108 f.;
Antwort der Deutschen Rentenversicherung vom 25. August

2006, MAT A GBA-4/5c, Bl. 129 ff.

5061) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 24.

5062) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 95.

5063) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 18.

5064) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 97.

5065) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 18.

5066) Ermittlungsbericht zu Spurennr. 195 vom 19. November 2007,

MAT A GBA-4/5c, Bl. 186.

aa) Informationsgewinnung der BAO „Bospo-
rus“ beim LfV Bayern von Juli 2006 bis
Februar 2007

Am 7. Juli 2006 fand ein sogenanntes „Arbeitsgespräch“
zwischen vier Mitarbeitern der BAO „Bosporus“ und
zwei Mitarbeitern des LfV Bayern statt. Im Vermerk der

BAO „Bosporus“ über dieses Gespräch heißt es:

„Den Mitarbeitern wurde kurz der Denkansatz der
Einzeltheorie dargelegt unter der Maßgabe, dass es

sich aufgrund der ausländischen Mordopfer mögli-

cherweise um eine Tat mit fremdenfeindlichem

Hintergrund oder noch allgemeiner gesprochen um

einen oder mehrere Täter aus der rechtsextremisti-

schen Szene handeln könnte. […]

Von den Mitarbeitern des LfV konnten keine Per-

sonen mit einem begründeten Tatverdacht belegt

und genannt werden. […]

Das Benützen von Waffen und/oder auch von

Sprengstoff würde eher auf die rechtsextremisti-

sche Terrorszene hindeuten. Als markante Perso-

nen aus diesem Bereich nannte Herr […] folgende
Namen, wobei er auch kurz die jeweilige Gruppie-

rung mit anführte. […]

Aktuell würden Personen der rechten Szene aus

dem Bereich Unterfranken vermehrt mit Waffen

auftreten bzw. festgestellt werden. Hinsichtlich

möglicher Fahndungsansätze wurden die Bezieher

bzw. Mitglieder von rechtsgerichteten Zeitschrif-

ten genannt. Diese könnte man über das LfV erhe-

ben. Als weiterer Ansprechpartner wurde auch der

MAD genannt. […]

Es wird mit den Mitarbeitern des LfV so verblie-

ben, dass man sich in einer ähnlichen Runde wie-

der zusammensetzt und gegenseitig Info's aus-

tauscht.

Anmerkung: Letztlich muss auch abgewartet wer-

den, ob die EZT-Theorie, so wie sie aktuell vor-

liegt, auch dem LfV vorgestellt wird.“
5067

Das LfV Bayern soll nach Angaben des Zeugen Dr. We-

ber, Präsident des LfV Bayern von 2005 bis 2008, bereits

zuvor die rechtsextreme Szene befragt haben.
5068

Den

Akten konnte dies nicht entnommen werden.

Die weitere Zusammenarbeit zwischen der BAO „Bospo-
rus“ und dem LfV gestaltete sich nach Aktenlage und der
Aussage der im Ausschuss vernommenen Zeugen folgen-

dermaßen:

Am 12. Juli 2006 fragte KHK Pfister beim LfV telefo-

nisch an, ob die Daten zur „IVS-Berichterstattung“5069
recherchierbar seien.

5070
Am 14. Juli 2006 erfolgte ein
5067) Vermerk vom 13. Juli 2006, MAT A BY-4, Bl. 54 ff.

5068) Weber, Protokoll-Nr. 17, S. 155.

5069) IVS = Informationsaustausch in Angelegenheiten des Verfas-

sungsschutzes.

5070) Vermerk vom 12. Juli 2006, MAT A BY-6-1, Bl. 67.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 581 – Drucksache 17/14600

Rückruf des LfV zu diesem Thema. KHK Pfister fasste

das Ergebnis dieses Telefonats in einem Vermerk wie

folgt zusammen:

„Es wird mitgeteilt, dass ohne entsprechende Per-
sonennamen eine Abfrage oder Recherche im Sys-

tem schwer durchzuführen ist. Ein zufriedenstel-

lendes Ergebnis ist nicht zu erwarten.

Mit Herrn […] wurde deshalb so verblieben, dass
er zumindest die bis zum Jahr 2000 (Beginn der

Mordserie) als rechte Szenenangehörige erkannten

und festgestellten Personen zusammenstellt und

mitteilt.

Sollte die Möglichkeit bestehen, so will Herr […]
Personenlisten erstellen und mailen. Ob dies in

Excel erledigt werden kann, konnte er nicht sagen.

Der Personenkreis wird sich auf den nordbayeri-

schen Raum beschränken und kann dann auf die

entsprechende Region oder Städte eingegrenzt

werden.“5071

Am 19. Juli 2006 sandte KHK W., BAO „Bosporus“,
folgende E-Mail an die Poststelle des LfV mit dem Be-

treff „Liste Rechtsextremisten“:

„Sehr geehrte Damen u. Herren,

bezugnehmend auf das Telefongespräch v 18. Juli

06 mit ihrem MA […] wird um Übermittlung von
Skinheads, Neonazis und NPD-Mitgliedern, die im

Zeitraum 1995 bis 2002 als Extremisten beim LfV

bekannt wurden, gebeten.“5072

Die Wünsche der BAO „Bosporus“ hat der Zeuge Pfister
in seiner Aussage vor dem Ausschuss folgendermaßen

dargestellt:

„Es ging nicht nur um den Raum Nürnberg an-
fangs, wir wollten erst mal ein Personenkontingent

bekommen […]. Wir wollten eigentlich – es klingt
jetzt ein bisschen übertrieben – sämtliche Daten,
die dem Bayerischen Landesamt für Verfassungs-

schutz bekannt sind.“5073

Der Zeuge Hegler, seit Januar 2001 Leiter der Abteilung

„Rechtsextremismus“ im LfV Bayern, hat zu den darauf-
hin erfolgten Überlegungen im LfV ausgesagt, dass er

eine Übermittlung derart umfangreicher Daten nicht für

rechtlich zulässig gehalten habe. Er habe sich bei seinem

Rechtsreferenten rückversichert. Dieser habe ebenfalls

gemeint, es sei rechtlich nicht zulässig, den gesamten

Datenbestand des LfV der BAO „Bosporus“ zur Verfü-
gung zu stellen. Dies habe er, Hegler, in einem Telefonat

einem Mitarbeiter der Soko „Bosporus“ übermittelt, der
erwidert habe, dass man sich wieder mit dem LfV in Ver-

bindung setzen werde.
5074
5071) Vermerk vom 14. Juli 2006, MAT A BY-6/1, Bl. 72.

5072) MAT A GBA-4/5c, Bl. 31.

5073) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 93 f.

5074) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 2.

Als Gründe für die rechtlichen Bedenken des LfV hat

Hegler als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss auf

Art. 14 und 17 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz

verwiesen. Danach müssen die zu übermittelnden Daten

für den mit der Anfrage verfolgten Zweck erforderlich

sein. Es seien Datensätze von circa 3 500 Personen gewe-

sen. Die BAO „Bosporus“ habe zunächst nicht nur die
Personennamen, sondern die gesamten Daten des LfV

hierzu angefordert. Für ihn habe sich die Frage gestellt,

ob noch zwei getrennte Behörden erforderlich seien, wenn

die Polizei auf den Datenbestand des LfV zugreifen kön-

ne. Ein weiteres Argument sei gewesen, dass sensible

Daten vorhanden gewesen seien, die entsprechend einge-

stuft waren und die von anderen Verfassungsschutzbehör-

den erlangt wurden. Diese Daten hätten nicht ohne weite-

res weitergeben werden dürfen.
5075

Der ehemalige Präsident des LfV, der Zeuge Dr. Weber,

hat zu der Auswahl der Daten ausgesagt:

„Die von der Polizei zunächst angedachte und mit
dem LfV erörterte, aber dann einvernehmlich ab-

gelehnte Übermittlung der Daten aller 3 500

Rechtsextremisten in Bayern – die Republikaner
waren da wohl auch abgezogen, die seinerzeit

noch beobachtet wurden – musste aus Rechtsgrün-
den, eben Art. 14 [Bayerisches Verfassungs-

schutzgesetz] und Grundsatz der Verhältnismäßig-

keit, unterbleiben. Sie wäre angesichts des

Hypothesencharakters der polizeilichen Ermittlun-

gen absolut unverhältnismäßig gewesen“5076

Mit Telefonat vom 20. Juli 2006 lehnte das LfV

gegebenüber der BAO „Bosporus“ eine Datenübermitt-
lung ab. Es heißt in einem Vermerk der BAO „Bosporus“:

„Nach Rücksprache mit der hausinternen Rechts-
abteilung/Datenschutzbeauftragter ist eine Daten-

übermittlung in dem angefragten Umfang nicht

möglich.

Gründe:

– die Anfrage betrifft für den Zeitraum 1995-
2002 etwa zwischen 3000 bis 3500 personen-

bezogene Datensätze

– darunter ein bestimmter Umfang an ,sensiblen
Daten‘ (nicht offen eingestufte Erkenntnisse)

– in Einzelfällen bestünde demnach eine Ge-
fährdung hinsichtlich ,Quellenschutz‘

Für die als offen verwertbaren Unterlagen beste-

hen keine Bedenken; das LfV ist im Übrigen je-

derzeit bereit, die BAO ‚Bosporus‘ zu unterstüt-
zen.
5075) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 10 f.

5076) Weber, Protokoll-Nr. 17, S. 155 f.

Drucksache 17/14600 – 582 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit Herrn Hegler wurde vereinbart, in der 30. Ka-

lenderwoche erneut Kontakt mit dem Amt aufzu-

nehmen.“5077

Dieser Aktenvermerk wurde zusammen mit der genannten

E-Mail des KHK W. an das LfV vom 19. Juli 2006 inner-

halb der BAO „Bosporus“ einem ausgewählten Personen-
kreis mit folgender E-Mail vom 24. Juli 2006 zugänglich

gemacht:

„Hallo Kollegen,

unser unten stehendes Ermittlungsersuchen an das

LfV ist so nicht umsetzbar (s. AV). Um ein

brauchbares Ergebnis zu bekommen, wollen wir

unsere Fragestellung an das Täterprofil knüpfen.

Da es sich um sensible Daten des LfV handelt,

sollten wir uns vorher abstimmen. Deshalb die

Frage,

– ob grundsätzlich Einverständnis besteht, das
EZT-Täterprofil in der präzisierten Anfrage an

das LfV zu übermitteln und

– sollte als Zeitpunkt die Medienveröffentli-
chung abgewartet werden oder nicht?“5078

Nach Aktenlage und der oben zitierten Aussage des Zeu-

gen Hegler geschah zunächst nichts. Weitere Vermerke

über Gespräche zwischen der BAO „Bosporus“ finden
sich erst wieder für Dezember 2006. Der Zeuge Hegler

vom LfV Bayern hat auch ausgesagt, dass er von Juli bis

Dezember 2006 keine weiteren Anfragen der BAO „Bos-
porus“ erhalten habe. 5079 Der Zeuge Pfister, BAO „Bos-
porus“, hat jedoch ausgesagt:

„Also meines Wissens gab es immer wieder tele-
fonische Kontakte, die sich aber immer wieder nur

auf Nachfragen bezogen, ob die Daten geliefert

werden und wie sie angeliefert werden können,

weil zum Schluss hat sich dann auch wieder unsere

Analyse mit eingeschaltet, ob man dann damit

überhaupt arbeiten kann. Es ging um die Datenmit-

teilung.“5080

Es habe bestimmt Telefonate gegeben, er selbst habe

allerdings über jedes Gespräch mit dem LfV einen Ver-

merk verfasst.
5081

In einem Vermerk vom 4. Dezember 2006 über ein Ge-

spräch zwischen KHK Pfister und Herrn Hegler, LfV,

heißt es:

„Während des Gesprächs mit Herrn Hegler wurde
nochmals auf den Ermittlungsansatz EZT einge-

gangen. Als Fahndungsansatz/Hauptaugenmerk für

die Datenerhebung beim Bayer. LfV sind die
5077) Vermerk vom 20. Juli 2006, MAT A BY-6/1, Bl. 73.

5078) MAT A GBA-4/5c, Bl. 33.

5079) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 2.

5080) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 103.

5081) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 125.

,rechten‘ Szene-/Organisationsangehörigen zu
nehmen.

Zusammengefasster Gesprächsinhalt:

Herr Hegler führte aus, dass nach Erhebung der

Daten Rücksprache mit der juristischen Abteilung

im eigenen Hause genommen wurde, ob man das

Ergebnis der BAO ‚Bosporus‘ übermitteln
kann/darf.

Beim LfV kam man nach der Überprüfung zu dem

Ergebnis, dass die Daten der Polizei nicht zur Ver-

fügung gestellt werden dürfen, da

– die Anfrage nicht konkret genug war

– eine Gefährdung von ,Quellen‘ nicht ausge-
schlossen werden kann

Herrn Hegler wurde deshalb nochmals der EZT-

Ansatz mit den Erläuterungen zum Täterprofil (Al-

ter, geografische Ableitung, Zugehörig-

keit/Ausstieg rechte Szene) vorgetragen, wobei

auch der Hinweis gegeben wurde, dass die Anfra-

ge aus hiesiger Sicht ,konkret‘ und genau definiert
sei.

Herr Hegler blieb trotz vorgebrachter Bedenken

bei seiner ersten Aussage, dass die Anfrage nicht

konkret genug sei.

Letztlich wird durch die Absage die Vermutung

des Unterzeichners verstärkt, dass das Bayer. LfV

die Herausgabe von Personendaten eher deshalb

verneint, da man davor zurückschreckt, durch die

Herausgabe von Personalien auch Quellen mitzu-

teilen.

Zum Abschluss des Gesprächs konnte Herrn

Hegler das Einverständnis abgerungen werden,

zumindest die Daten der beim LfV bekannten

Skinheads mitzuteilen. Soweit noch erfasst, soll

sich der Zeitraum ebenfalls auf die Daten von

1995 bis 2002 erstrecken.

Entsprechende Daten sollen in der 50. KW vorlie-

gen und übergeben werden können.“5082

Am 14. Dezember 2006 übergab das LfV Bayern der

BAO „Bosporus“ sogenannte „Infobroschüren“ zur Skin-
head-Szene Bayerns. Die Ausgaben für die Jahre 1997,

1998, 1999/2000, 2001, 2002 und 2003 der vom LfV

Bayern erstellten, zwischen 100 und 200 Seiten umfas-

senden Darstellungen der Skinhead-Szene Bayerns und

ihrer bundesweiten Bezüge lagen auch dem Ausschuss

vor.
5083

Die Analyse berücksichtigt über 400 Personen,

dabei ist keine Person aus dem Trio und keiner der Ange-

klagten des aktuellen Verfahrens des GBA genannt. Der

damalige Vermerk des KHK Pfister zu den übergebenen

Unterlagen lautet:
5082) MAT A BY-6/1, Bl. 74 f.

5083) MAT A BY-5/1a bis 5/1f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 583 – Drucksache 17/14600

„Wie mit dem LfV vereinbart, wurden am 14. De-
zember 2006 die angeforderten Info-Broschüren

mit Personendaten zu den Skinhead-Szenen in

Bayern dem Unterzeichner ausgehändigt. Insge-

samt wurden 6 Broschüren, welche Infos zu den

Jahren 1997, 1998, 1999/2000, 2001, 2002 und

2003 beinhalten, überreicht.

Die Broschüren sind VS- Nur für den Dienstge-

brauch eingestuft!

Da die Broschüren nur in Papierform übergeben

wurden lag es aus Gründen der Effektivität nahe,

die Daten – soweit vorhanden – auch in elektroni-
scher Form zu bekommen. Hierzu wurde mit

Herrn Lothar ZEIHER, Bayer. LfV — Außenstelle
Nbg. – , ein Telefonat mit dem Ergebnis geführt,
dass er sich der Sache annehmen wird. Sollten die

Daten in elektronischer Form vorhanden sein, so

werden diese überspielt.

Einen Termin, wann die Sache erledigt sein könn-

te, konnte Herr ZEIHER nicht nennen. Er wird sich

jedenfalls persönlich der Sache annehmen und den

Unterzeichner über den Fortgang/Ausgang seiner

Bemühungen informieren.“5084

Mit Datum vom 22. Dezember 2006 verfasste KHK

Pfister folgende Gesprächsnotiz:

„Der Leiter der BAO ,Bosporus‘ wurde am
22. Dezember 06 durch Leiter Erm. EZT und Un-

terzeichner darüber in Kenntnis gesetzt, dass sei-

tens des BLfV keine Daten im Sinne der bekann-

ten Anfrage übermittelt werden.

Leiter BAO ,Bosporus‘ behält sich daraufhin vor,
nochmals beim zuständigen Leiter der Abt. 3 im

BLfV unter der Maßgabe anzurufen, doch noch re-

levante Daten zu erhalten.

Einige Minuten später wurde dem Unterzeichner

mitgeteilt, erneut eine Anfrage an das Bayer. LfV

zu senden. Vorausgegangen war das eingangs er-

wähnte Telefonat Ltr. BAO mit BLfV. Mit Datum

vom 28. Dezember 2006 wurde eine entsprechende

schriftliche Anfrage postalisch dem Bayer. LfV

übermittelt.“5085

Das vom Zeugen Pfister entworfene Schreiben der BAO

„Bosporus“ an das LfV vom 28. Dezember 2006 lautet
auszugsweise wie folgt:

„Auskunftsersuchen zur rechtextremistischen Sze-
ne im Großraum

Nürnberg (Spur-Nr. 195)

Anlage: Täterprofil (4 Blatt)

1. Sachverhalt […]
5084) Vermerk vom 14. Dezember 2006, MAT A BY-6/1, Bl. 76.

5085) MAT A BY-6/1, Bl. 77.

2. Ermittlungsansatz ,Einzeltäter aus der rechtsext-

remistischen Szene‘

Auf Grundlage der 2. Fallanalyse der Operativen

Fallanalyse Bayern wurde der Ermittlungskomplex

,Einzeltäter‘ gebildet. Alternativ zur
,Organisationstheorie‘ folgt dieser analytische Er-
mittlungsansatz einer persönlichen, psychopathi-

schen oder/und ideologischen Motivlage, im Sinne

von Rache oder Wut gegen türkische / türkisch

aussehende Opfer.

Dieser Tätertypus fühlt sich aufgrund tatsächli-

chem oder eingebildetem Unrecht subjektiv legi-

timiert, Tötungsdelikte zu begehen. Dabei richtet

sich sein Hass gegen männliche türkische/türkisch

aussehende Kleingewerbetreibende. Inhaltlich

kann hier auch von ,Missionsgeleiteter Täter‘ ge-
sprochen werden.

Zusammenfassend kommt die OFA bei der Missi-

onstäterbetrachtung zu folgendem, kurz dargestell-

tem, Täterprofil.

– Männlich

– Alter, zum Tatzeitpunkt 2000, von 18 bis 40
Jahre alt (1960 bis 1982 geboren)

– Zugehörigkeit zur rechten Szene im Bereich
Nürnberg, evtl. Aussteiger?

– Geografische Ableitung (Ankerpunkt)

Der Ankerpunkt des Täters wird aufgrund der

Konzentration der Tatorte im südöstlichen Raum

Nürnbergs angenommen. Als Fahndungsansatz

wird im vorliegenden Ermittlungsansatz ,rechte

Szene‘ der Großraum Nürnberg herangezogen.

Die Basis für den Ermittlungsansatz ,Einzeltäter‘
bilden die im Täterprofil festgelegten Kriterien –
Geschlecht, Alter, Geografie, Nationalität, Affini-

tät zu Waffen, Mobilität, evtl. beruflich bedingt.

Eine Übersicht zu dem Täterprofil liegt als Anlage

bei.

Die Erhebungen zur ,Rechten Szene‘ sind flankie-
rend zu dem Ermittlungsansatz ,Einzeltäter‘ zu se-
hen.

Ergänzend dazu sind örtliche und zeitlich fallver-

bindende, insbesondere auf die Mobilität abzielen-

de Komponenten in die Erhebung mit einzubezie-

hen.

Beispielhaft wären dies:

Rechte Musikveranstaltungen zu den jeweiligen

Tatzeiträumen. Entsprechende Erkenntnisse sollten

sich nicht nur auf die bayerischen Tatorte be-

schränken. Die Tatorte in Hamburg, Rostock,

Dortmund und Kassel wären in die Erhebung mit

einzubeziehen.

Gibt es rechte Assoziationen zu den Tatorten

und/oder Tatzeiten (etwa analog der Grundsteinle-

gung/Eröffnung Doku-Zentrum Nürnberg)?

Drucksache 17/14600 – 584 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Auskunftsersuchen

Aufgrund des dargestellten Ermittlungsansatzes

wird gebeten, die beim BLfV im Zeitraum 1995

bis 2002 bekannten Rechtsextremisten, Neonazis,

NPD-Mitglieder und Skinheads für den Großraum

Nürnberg mitzuteilen. Die Auskunft sollte sich

nicht nur auf die angeführten Geburtsjahre 1960

bis 1982 und das Geschlecht männlich beschrän-

ken.

Liegen Erkenntnisse zu örtlich und zeitlich fall-

verbindenden Ereignissen/Veranstaltungen, abzie-

lend auf die Mobilität des/der Täter, vor?“5086

Am 10. Januar 2007 bat ein Mitarbeiter des LfV die BAO

„Bosporus“ telefonisch um ein Treffen zur Besprechung
der Anfrage und des „erhofften Ergebnisses“.5087 Ein
Vermerk über eine derartige Besprechung konnte den

Akten nicht entnommen werden. Der Zeuge Hegler hat

hierzu ausgesagt:

„Wir haben das [Schreiben] unserem Rechtsrefe-
renten […] übergeben, der dann zusammen mit der
EDV in umfangreichen Recherchen diese Daten

nach dem Profiling erstellt hat und dann mit der

,Bosporus‘ immer wieder in Kontakt war, weil hier
angegeben war: ,Südosten Nürnbergs‘ und mit die-
ser regionalen Begrenzung wir keine Abgrenzung

beim Datenbestand machen konnten.

Man hat sich dann so abgesprochen, den Bereich

,zwei Postleitzahlenbereiche‘ zu nehmen. Das war
zwar dann ein bisschen umfangreicher als der

Südosten von Nürnberg; aber damit konnten wir

ein entsprechendes Programm fertigen und die Re-

cherchen machen.“5088

Der Zeuge Pfister hat zur Entstehung der eingeschränkten

Anfrage und der Auskunft ausgesagt:

„Dann hat sich das so [von Seiten des LfV] immer
wieder dargestellt, dass das so nicht machbar ist:

Das wären einerseits, nach meinem Wissen, viel-

leicht zu viele Daten – 3 000 bis 3 500 hat es ein-
mal geheißen –, das konnte man nicht einschrän-
ken, und es wäre schlecht zu recherchieren.

Letztendlich hat es geheißen, dass eben die Daten

nicht offen wären, manche Daten kann man aus

Quellenschutzgründen nicht mitteilen. Es wurde

halt so mitgeteilt, und das habe ich so auch mei-

nem BAO-Leiter gesagt, bis er sich dann auch

einmal eingeschaltet hat. Es war ja Chefsache ei-

gentlich, diese Spur, schon seit Juli 2006. Letzt-

endlich hat es eben so lange gedauert. Die Gründe

weiß ich jetzt nicht.“5089
5086) MAT A BY-6/1, Bl. 78 ff.

5087) Vermerk des KHK Pfister vom 12. Januar 2007, MAT A BY-
6/1, Bl. 82.

5088) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 3.

5089) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 93 f.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2007 beantwortete das

LfV Bayern das Schreiben der BAO „Bosporus“ vom
28. Dezember 2006 wie folgt:

„[…] zu Ihrem oben bezeichneten Auskunftsersu-
chen übermitteln wir die in Anlage beigefügten

Personenerkenntnisse. Nach telefonischer Abspra-

che zwischen Herrn […] und Ihnen wurde der Per-
sonenkreis auf Rechtsextremisten mit Wohnort der

Postleitzahlengruppen 90xxx und 91xxx begrenzt.

Es handelt sich um Personen mit Geburtsjahr 1960

– 1982 oder ohne Altersangabe.“5090

Diesem Schreiben war eine Liste mit den Namen und

Geburtsdaten (soweit vorhanden) von 682 Personen bei-

gefügt. Der Zeuge Hegler hat ausgesagt, dass nach seiner

Meinung eine umfangreichere Datenübermittlung zu den

einzelnen Personen rechtlich nicht zulässig sei.
5091

Außer-

dem sei überprüft worden, ob im zeitlichen Zusammen-

hang mit den Mordtatorten irgendwelche rechtsextremis-

tischen Veranstaltungen stattgefunden hatten. Es sei auch

geprüft worden, ob Rechtsextremisten aus Bayern an die-

sen Veranstaltungen teilgenommen haben. Es habe jedoch

keine rechtsextremistischen Veranstaltungen im zeitlichen

und räumlichen Umfeld dieser Mordtatorte gegeben. Das

LfV habe auch geprüft, ob es Handelsvertreter oder Be-

rufskraftfahrer gebe, die eventuell bundesweit unterwegs

seien und infrage kämen. Das negative Ergebnis sei der

BAO „Bosporus“ telefonisch vor der Antwort vom
27. Februar 2007 mitgeteilt worden.

5092
Dies wird durch

den Abschlussvermerk zur Spur 195 bestätigt. Hier heißt

es:

„Zudem wurden Arbeitsgespräche mit dem LfV
und dem PP Mfr./E3 geführt, wobei unter anderem

‚rechte‘ Veranstaltungen mit zeitlichem Bezug
zum Beginn der Mordserie und auch weitergehend

abgeklärt wurden. Hierbei konnten keine Erkennt-

nisse gewonnen werden.“5093

Der Zeuge Dr. Weber hat zu der fehlenden Antwort im

Schreiben des LfV auf den Komplex 2 im Schreiben der

BAO „Bosporus“ ausgesagt:

„Das konkrete Auskunftsersuchen ist in Ziffer 3
dieses Schreibens und nicht in Ziffer 2. Das ist der

Ermittlungsansatz. Das sind interne Überlegungen

der Polizei, und in Ziffer 3 kommt dann das Aus-

kunftsersuchen. […] Wir hatten eine Hypothese,
dass es möglicherweise Rechtsextremismus ist.

Wenn wir etwas gewusst hätten, dass möglicher-

weise irgendwelche Tatverdächtigen sich an ir-

gendwelchen Veranstaltungsorten befunden hätten,

dann hätte man das mit Sicherheit mitgeteilt. Aber

es ging hier der BAO ,Bosporus‘ um Datensätze,
um Namen, und nicht um Assoziationen zu Tator-
5090) MAT A GBA-4/5c, Bl. 56 f.

5091) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 52.

5092) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 38.

5093) Spurenblatt mit Druckdatum 20. November 2007, MAT A

GBA-4/5c, Bl. 22.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 585 – Drucksache 17/14600

ten usw., Doku-Zentrum. […] Das [Ziffer 2, letzter
Absatz] ist eine an sich selbst gestellte Frage. […]
Sonst kann ich nicht ermitteln, wenn ich mir nicht

selber Fragen stelle.“5094

Die übersandte Liste wurde aus dem eigenen Datenbe-

stand des LfV gewonnen. Anfragen an andere Verfas-

sungsschutzämter des Bundes oder der Länder erfolgten

nach Aussage des Zeugen Hegler nicht.
5095

Der Zeuge Pfister hat auf die Frage, ob er davon ausge-

gangen sei, dass das LfV Bayern seine Bitte um Auskunft

so verstehen würde, dass man von dort aus weitere Lan-

desämter für Verfassungsschutz kontaktiert, geantwortet:

„Zumindest in meiner letzten schriftlichen Anfrage
– das war Anfang Dezember – brachte ich ja die
Tatorte mit ins Spiel bzw. die anderen Bundeslän-

der, dass man das auch mit ins Kalkül zieht.“5096

Zwar sei in dem Schreiben vom 28. Dezember 2006 nicht

die Rede davon, dass das LfV auch bei Partnerdiensten in

den anderen 15 Bundesländern Personendaten abfragen

möge, aber normalerweise gehe er davon aus, dass man

sich dann zumindest austausche.
5097

Mit Herrn Hegler

vom LfV habe er dies aber nicht besprochen.
5098

Auch der

Zeuge Geier, der Leiter der BAO „Bosporus“, hat ausge-
sagt, dass der Ansprechpartner der bayerischen Polizei

das LfV Bayern sei und dass durch dieses innerhalb der

Dienste weitergesteuert werde.“5099

bb) Die Ermittlungen anhand der vom LfV
Bayern übersandten Liste

Die BAO „Bosporus“ glich die 682 Personen auf der vom
LfV Bayern übersandten Liste mit den Daten des Ein-

wohnermeldeamtes Nürnberg ab. Ausgeschlossen wurden

von vornherein alle Männer, die jünger als 18 und älter

als 35 Jahren waren, sowie alle Frauen. Im Ergebnis blie-

ben noch 160 Personen übrig, die einzeln überprüft wur-

den.
5100

Der Zeuge Pfister hat hierzu ausgesagt:

„Dann wurden die im Rahmen unserer Abteilung
verteilt an vier bis fünf Kollegen, und dann hatte

jeder circa 50 Spuren abzuarbeiten.“5101

„[…] und dann wurde abgeglichen: Hatten sie Ali-
bis zur Tatzeit? Je nachdem – Wenn es sich viel-
leicht hätte ergeben sollen – mir ist jetzt momentan
kein Fall bekannt –, dann wären wir ihn persönlich
angegangen. Ansonsten wurde ja mit den Daten,

die wir erhoben haben, sprich Staatsschutzdateien-

abfragen, Pkw-Anmietungen zum Beispiel, Waf-
5094) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 164 f.

5095) Hegler, Protokoll-Nr. 17, S. 5.

5096) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 95.

5097) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 96.

5098) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 103 f.

5099) Geier, Protokoll-Nr. 14, S. 25.

5100) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 100; Geier, Protokoll Nr. 12, S. 7.

5101) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 91.

fenbesitzer, Animositäten eventuell in der polizei-

lichen Vorgangsverwaltung. Es ist halt jetzt nicht

so, dass nur die Nürnberger polizeilichen Vor-

gangsverwaltungsdateien abgefragt wurden, weil

es kann ja sein, dass einer, sage ich jetzt einmal, 95

in ein anderes Bundesland verzogen ist. Dann

wurden dort auch die polizeilichen Dateien abge-

fragt.“5102

„Wir haben unsere sämtlichen Dateien durchfors-
tet. Wir haben uns alles angeschaut, wer mit wem

zusammen war, wer mit wem unterwegs war, aus

dem Topf, den wir hatten, von den Personen, keine

weiteren Personen, nur den Personen, die wir hat-

ten. Mit denen hatten wir alles angestellt, umge-

krempelt, wie auch immer.“5103

Der Zeuge Geier hat die Fragestellungen und Ergebnisse

bei der Überprüfung der 160 Personen folgendermaßen

geschildert:

„Wer hat sich zur tatrelevanten Zeit in einer Tat-
ortstadt aufgehalten? Das war nicht der Fall. Wer

hat zu irgendeinem früheren Zeitpunkt eine rechts-

extremistische Straftat zum Beispiel zum Nachteil

eines Ausländers begangen? Wer ist in einem

Schützenverein? Wer hat in seiner früheren Vita

waffenrechtliche oder sprengstoffrechtliche Ver-

stöße? Das waren die Punkte – mehr hatte man
nicht –, um letztendlich zu verifizieren: ,Kommt
der als Täter infrage?‘, außer man geht hin und
fragt ihn: Bist du der Täter? – Wir hatten nicht
mehr. Wenn man dann hingegangen ist und hat ge-

fragt – was wir in einigen Fällen ja gemacht ha-
ben -: ,Wo waren Sie am Soundsovielten?‘, ist
entweder eine nichtssagende Antwort gekommen,

die uns auch nicht weitergebracht hat, oder es ist

gesagt worden: Das interessiert uns eigentlich gar

nicht; das berührt uns nicht; die Morde mit rechts,

da seid ihr auf der vollkommen falschen Seite ge-

wesen. – Solche Antworten sind da ge-
kommen.“5104

Die einzige Person, die auf der Liste der 682 Personen

verzeichnet ist und bei der die Ermittlungen nach dem

4. November 2011 einen Kontakt zu dem Trio feststellen

konnten, ist Mandy Struck.
5105

Sie wurde von der BAO

„Bosporus“ deshalb nicht überprüft, da sie in einem Vor-
ort von Nürnberg gemeldet war und als Frau aus dem

gewählten Raster fiel.
5106
5102) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 100 f.

5103) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 17.

5104) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 38.

5105) Personenliste, MAT A GBA-4/5c, Bl. 68.

5106) Pfister, Protokoll-Nr. 14, S. 130.

Drucksache 17/14600 – 586 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) Sonstige Ermittlungen des Unterabschnit-
tes „Serientäter“

Neben der Auswertung der Ergebnisse der Medienstrate-

gie und der Massendaten wie Mietwagen- und Hotelbu-

chungen, der „zentralen Verwaltung der Waffenspur“ und
den Ermittlungen im Modellbaubereich überprüfte der

Unterabschnitt „Serientäter“ auch die Veranstaltungen in
Nürnberg zu den Tatzeiten.

5107
f) Abschluss der Spur 195

Im vorläufigen Abschlussbericht des Unterabschnittes

„Serientäter“ vom 9. Januar 2008 heißt es zur Spur 195:

„Ein in der rechten Szene Nürnberg liegender An-
lass für die Mordserie konnte unter dem Strich

nicht sichtbar gemacht werden.“5108

14. Rasterungen

Einen großen Teil der Ermittlungsarbeit nahm die Aus-

wertung der Massendaten in Anspruch. Der Zeuge Geier

hat ausgeführt:

„Nachdem die oben genannte zweite Analyse der
OFA bereits am 9. Mai 2006 bei der BAO

,Bosporus‘ erstmals im Entwurfsstadium vorge-
stellt war, erging von mir der weitere Auftrag, an

diesen neuen Abschnitt ,Serientäter‘, zusammen
mit der OFA diese Aussagen des Serientäterprofils

zu operationalisieren, was bedeutet, Datenquellen

zu erschließen, um durch Rasterungen überprüfba-

re Personengruppen zu erlangen, auf die eben die-

ses Täterprofil zutraf. […]

Im Ergebnis führte die Erschließung der täterpro-

filbezogenen Datenerhebungen, aber auch der Da-

tenquellen, die den Nachweis einer mehrfachen

tatzeitnahen Anwesenheit in mehreren Tatortstäd-

ten eben zu dieser Flut von 32 Millionen unter-

schiedlichster Daten. Diese Daten aus den unter-

schiedlichsten Quellen wurden, da auch polizei-

fremde Daten verwendet wurden, auf der Grundla-

ge eben dieser mehr als 125 Rasterfahndungsbe-

schlüsse des AG Nürnberg zunächst mal in ein

einheitliches Format gebracht, elektronisch gefil-

tert, sich daraus ergebende Verdächtige als Ermitt-

lungsspuren erfasst und im Nachgang überprüft.

Auf dieser Grundlage wurden von uns 3 500 Er-

mittlungsspuren und insgesamt 11 000 Personen

überprüft. […]

Bei den Datentöpfen […] handelte es sich um
16 Millionen Funkzellendaten aus München,

Nürnberg, Dortmund und Kassel. Wie gesagt, von

den anderen Tatortstätten waren aus bekannten

Gründen keine Daten mehr vorhanden. Wir haben
5107) Vorläufiger Schlussbericht des Unterabschnittes „Serientäter“

vom 9. Januar 2008, MAT A BY-4, Bl. 27.

5108) MAT A BY-4, Bl. 227.

13 Millionen Debit- und Kreditkartendaten, im

Wesentlichen aus den letzten vier Tatortstätten und

den Autobahnraststätten zwischen den anderen

Tatortstätten und Nürnberg. Wir gingen ja davon

aus, dass der Täter nach der Tat nach Nürnberg,

seinem Ankerpunkt, zurückkehrt. Des Weiteren

haben wir 60 000 sogenannte Verkehrsdaten – das
sind Daten aus Verkehrsüberwachung, Verkehrs-

unfallaufnahme, Auswertung von Tankstellen-

überwachungskameras etc. – gesammelt, 27 000
Daten aus Hotelübernachtungen in den Tatortstät-

ten und 1 Million Daten von Autovermietungen

während der gesamten Zeit der Serie. Bei diesen

Datensätzen handelt es sich um Daten, die erst

durch Auswertung personifiziert werden mussten

und im Wesentlichen eine häufigere Anwesenheit

an den letzten vier Tatortstätten nachweisen soll-

ten, somit also losgelöst von den beiden Haupter-

mittlungsrichtungen zu sehen sind. Im Übrigen ist

das Verhältnis von Datensicherung und -aufbe-

reitung zur tatsächlichen Auswertung im Ver-

hältnis von neun zu eins zu sehen, was bedeutet,

dass in der Regel die tatsächliche Auswertung erst

zwischen einem halben bis einem dreiviertel Jahr

später stattfinden konnte.

Im Folgenden will ich noch auf Daten verweisen,

die von vornherein auf die Gewinnung von perso-

nenbezogenen Daten im Sinne des Täterprofils ab-

gezeichnet haben. Wir haben 900 000 Haftdaten,

um die von August 2001 bis Februar 2004 andau-

ernde Serienpause erklären zu können, 21 000 Vi-

sadaten zur Einreise aus der Türkei, 300 000 Daten

aus dem bayerischen Fallbearbeitungssystem EA-

Sy, in dem der kriminalpolizeiliche Meldedienst

aus vielen Deliktsbereichen, unter anderem zum

Beispiel auch rechts motivierte Straftaten und

Straftäter abgebildet sind, zusätzlich noch

1 Million Daten aus dem Einwohnermelderegister,

von Waffenbesitzkarten und Waffenscheinen, Mit-

gliedern von Schützenvereinen in Nürnberg und

allen im Täterprofil genannten Straftaten, also

vorwiegend Waffen-/Sprengstoffdelikte, Aggressi-

onsdelikte gegen Ausländer, über einen definierten

Zeitraum aus ganz Bayern erhoben.

Wir bereits gesagt, wurden die Daten mittels über

125 richterlichen Beschlüssen gerastert, daraus

3 500 Ermittlungsspuren generiert und circa

11 000 Personen zumindest büromäßig überprüft.

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, nahmen wir

frühzeitig Kontakt zu Europol auf. Im Rahmen ei-

nes Treffens am 4. und 5. Juni 2007 wurde ein um-

fangreicher Datenabgleich mit den sogenannten

Analysis Work Files, den AWF-Dateien von Euro-

pol, vereinbart. Beim Datenabgleich mit diesen

Europol-Dateien und dem Datenbestand der BAO

,Bosporus‘ wurden circa 200 Personen- und 350

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 587 – Drucksache 17/14600

Telefonnummerntreffer erzeugt. Auch diese Über-

prüfungen führten zu keiner heißen Spur.“5109

In der Rubrik „Massendaten“ heißt es in dem vorläufigen
Abschlussbericht des Unterabschnittes „Serientäter“ vom
9. Januar 2008:

„5.1. Erhebung Funkzellendaten und Überprüfung
der Kommunikationsdatenverursacher als Beweis

der Tatortanwesenheit zur/um die Tatzeit, gemäß

den Analyseergebnissen des BLKA, SG 631 und

des EA 02 der BAO ,Bosporus‘.

5.1.1. Abgleich der Funkzellendaten vom 7.-

9. Juni 2005 in Nürnberg mit 14./15. Juni 2005 in

München im engen Tatort-Bereich (Spur ,76 Bos-

porus‘ ehemals ,810 Yaşar‘)

Auftrag: Feststellung, Abklärung und ggf. Ver-

nehmung des Anschlussinhabers/-nutzers, die sich

im Funkzellenbereich aufgehalten haben. Unter

Hinweis auf die einleitend geschilderte Schnittstel-

lenproblematik, wurden die unter Organisationsge-

sichtspunkten abgearbeiteten Unterspuren ,wieder

in Bearbeitung‘ gesetzt und unter den Serientäter-
merkmalen abgeprüft.

Die 150 Unterspuren sind bis auf zwei, die bei der

EG München überprüft werden, erledigt. Eine in

strafprozessuale Maßnahmen mündende Ver-

dachtslage ergab sich nicht.

5.1.2. Abgleich der Funkzellendaten – Kreuzver-
gleich der Rufnummern in der Funkzelle zwischen

den Tatorten Nürnberg, München, Dortmund, Kas-

sel und der BAB A44 mit Einschränkung auf den

jeweiligen Tattag (Spur 370).

Auftrag: Feststellen, Abklärung und ggf. Verneh-

mung der Anschlussinhaber-/nutzer, die sich im

Funkzellenbereich aufgehalten haben. Die 117 Un-

terspuren sind entsprechend den Überprüfungskri-

terien abgearbeitet und bis auf 3 (je 1 x HH, DO,

EA Einzeltäter) erledigt. Eine in strafprozessuale

Maßnahmen mündende Verdachtslage ergab sich

nicht.

5.1.3. Abgleich der Funkzellendaten der Tatort-

städte Dortmund und Kassel plus die der A 44, be-

schränkt auf die jeweiligen Tattage, mit dem

IGWeb-Bestand Bayern (Spur 587). Die Funkzel-

lendaten der Tatortstädte Dortmund und Kassel

plus die der A 44 wurden mit dem IGWeb-Bestand

Bayern abgeglichen. Ziel war es, Funkzellen- Ein-

fachtreffer zu personalisieren. In einem zweiten

Schritt wurden die Personen mit Bezug in den

Nürnberger Südosten und Alterspriorität 1 – 3 her-
ausgefiltert. Ausgeschlossen wurden die, die min-

destens zu einer Tatzeit in Haft waren. Übrig blie-

ben 175 Personen, die unterverspurt und büromä-

ßig abgeklärt wurden.
5109) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 6-8.

Bis auf 28, die noch abschließend im EA Einzeltä-

ter überprüft werden, sind die 175 Unterspuren

entsprechend den Überprüfungsvorgaben abgear-

beitet. Auffällig war, dass einige der Handynum-

mern mit IGWeb nicht mehr personenaktuell wa-

ren, aber auch überproportional häufig polizeiin-

terne Übertragungs-/ Erhebungsfehler in IGWeb

vorlagen! Eine in Folgeermittlungen mündende

Verdachtslage ergab sich bislang nicht.

5.2. Autovermietungen (Spur 387, 388)

Diesem Überprüfungsansatz liegt die Annahme

zugrunde, dass ein Tatverdächtiger aus dem Aus-

land anreist und in der BRD einen Leihwagen zur

Tatbegehung anmietet. Es wurden 28 Leihwagen-

Anmieter, die zu allen 9 Tatzeiten ein Kfz ange-

mietet hatten (Spur 386) und 31, die zu 8 Tatzeiten

Kfz- Anmieter waren (Spur 387), unterverspurt

und abgearbeitet. Bis auf eine Überprüfung, die

noch bei der EG ,Kormoran‘ anhängig ist, ist die-
ser Komplex abgeschlossen. Ein Tatverdacht ergab

sich nicht.

5.3. Abgleich der EWO- Daten Nürnberg mit

IGWeb Mittelfranken, WBKBesitzern und Schüt-

zenvereinen (Spur 388)

In mehreren Analyseschritten wurden ab Novem-

ber 2006 aus den 501 676 Datensätzen der Ein-

wohnermelde-Datei Nürnberg, die entsprechend

dem Täterprofil eingeschränkt auf männlich, Jahr-

gang 1960 — 1982 und dadurch auf 251 783 Da-
tensätze reduziert wurden, mit den einzelnen Da-

tentöpfen abgeglichen. So ergaben sich

– 9 Dreifach-Treffer aus IGWEB + WBK +
Schützenverein und

– 122 Zweifach-Treffer aus IGWEB + WBK od.
Schützenverein, davon 73 Personen im Südos-

ten von Nürnberg.

Ziel der Filterung und damit der analytische An-

satz waren, Personen mit einer Affinität zu Waffen

aus dem Raum Nürnberg sichtbar zu machen. 82

Personen wurden unterverspurt und den Vorgaben

entsprechend abgeklärt. Ein Tatverdacht ergab sich

nicht.

5.4. Abgleich Verkehrsdaten Kassel und Dortmund

mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 398,

461)

Auftrag / Sachverhalt: Auswertung Verkehrsdaten

Kassel mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg

(Spur 398). Die 107 Unterspuren sind auftragsent-

sprechend abgearbeitet. Eine ist noch in Bearbei-

tung bei der MK ,Café‘.

Auftrag / Sachverhalt: Auswertung Verkehrsdaten

Dortmund mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg

(Spur 461). Die 30 Unterspuren sind auftragsent-

sprechend abgearbeitet. 2 sind noch in Bearbeitung

im EA Nürnberg. Eine in Folgeermittlungen mün-

Drucksache 17/14600 – 588 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dende Verdachtslage ergab sich in beiden Kom-

plexen bislang nicht.

5.5. Abgleich Hotelübernachtungsdaten

Wurden in den Tatortstädten Kassel, Dortmund,

Hamburg und Rostock erhoben und diejenigen Ho-

teleinmieter, die einen erkennbaren Bezug zum

Ballungsraum Nürnberg (PLZ 90.../91...) hatten,

hinsichtlich Tatortanwesenheit zur Tat-

zeit/Vorliegens eines Anfangsverdachtes über-

prüft.

5.5.1. Hoteldaten Kassel mit Bezug zum Ballungs-

raum Nürnberg (Spur 445)

Die 53 Unterspuren sind abgeklärt.

5.5.2 Hoteldaten Dortmund Bezug zum Ballungs-

raum Nürnberg (Spur 453)

Die 96 Unterspuren sind bis auf eine, die im EA

Einzeltäter geprüft wird, abgeklärt.

5.5.3. Hoteldaten Hamburg Bezug zum Ballungs-

raum Nürnberg (Spur 603)

Von 112 Unterspuren — sind noch 17 in Bearbei-
tung (EA Nürnberg)

5.5. April Hoteldaten Rostock mit Bezug zum Bal-

lungsraum Nürnberg (Spur 608)

Nach Datenanlieferung im Dezember 07 wurden

35 Unterspuren angelegt, die im EA Einzeltäter

überprüft und zeitnah abgeschlossen werden.

Eine weiter zu verfolgende Verdachtslage ergab

sich bei den Hotelübernachtungsdaten bislang

nicht.

5.6. Filterung von Personen die in mehreren Mas-

sendateien vorkommen (Spur 528)

Aus den Massendaten wurden mit Datum vom 23.

April 2007 diejenigen Personen herausgefiltert, die

am häufigsten in verschiedenen Datentöpfen vor-

kamen. Die beiden Info-Zoom-Gesamtlisten

,Personalien aller Töpfe mit Name, Vorname und

Geburtsdatum‘ sowie ,Personalien aller Töpfe mit
Name und Geburtsdatum‘ dienten als Grundlage.
Ergebnis des Abgleichs waren 2 Neunfach-Treffer,

3 Achtfach-Treffer, 33 Siebenfach-Treffer und 121

Sechsfach-Treffer. Darüber hinaus war die Treffer-

Anzahl nicht mehr zu bewältigen.

Die Mehrzahl der Treffer waren mathematischer

Art, d. h. bei der Einzelbetrachtung war keine kri-

minalistische Substanz hinter dem Treffer. Die

Überprüfung erbrachte in keinem Fall einen Bezug

zur Mordserie.

5.7. Abgleich der aktuellen/inaktuellen EWO-

Daten Nürnberger S/O mit den Massendatentöpfen

(Spuren 504 — 525)

Konzeptentsprechend wurde der geografische An-

satz (aktuelle/inaktuelle Einwohnermeldedaten

Nürnberger Südosten) jeweils mit einem Massen-

datentopf abgeglichen, der z. B. Waffenaffinitäts-

/Mobilitätsaspekte, Einwohnermeldedaten in Tat-

ort-Städten, Hoteleinbuchungen, Verkehrsverstöße

tatzeitnah in Tatort-Städten etc. auswies.

Es ergaben sich aus diesen Rasterungen einerseits

Treffer, die bereits durch kumulierte Rasterfra-

gen/-filter herauskamen und im Sinne eines Con-

trollings bewertet wurden, andererseits aber eine in

der Regel quantitativ so nicht abzuarbeitende Da-

tenmenge. Letztere Ergebnisse wurden durch

Alterspriorisierung, ggfs. Anlegen weiterer Filter,

reduziert und in bearbeitbare Datenbündel zusam-

mengefasst. In diese Verfahrensweise wurde die

jeweilige Tatort-Soko zur Infogewinnung und –
gewichtung mit einbezogen. Ziel war immer, in

der Gesamtschau den jeweiligen Verdachtsgrad

und damit die weitere Vorgehensweise festlegen

zu können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich letzt-

endlich kein substanziell hochstehender Tatver-

dacht gegen einen der Überprüften herausfinden

ließ. Hinsichtlich der Bearbeitungstiefe wird auf

die jeweilige Spur verwiesen. Derzeit sind noch 21

Unterspuren im EA Einzeltäter (wieder) in Bear-

beitung. Anzumerken ist, dass noch eine Reihe von

Rasterungen machbar wären, aber nach kriminalis-

tischen Bewertung und aus Quantitätsgründen zu-

rückgestellt wurden.

5.8. Erkennen einer Opfer-/Täterbeziehung durch

Auswertung aller Anzeigen im Ballungsraumver-

fahren vom 1. Januar 1997 bis zum Serienbeginn

9. September 2000 bezüglich deutscher Opfer und

türkischer Straftäter als möglicherweise serienaus-

lösendes Moment. Der Ansatz führte letztendlich

nicht weiter.“5110

15. Weitere Ermittlungsmaßnahmen und Zu-
sammenarbeit mit türkischen Behörden

a) Öffentlichkeitsarbeit

Neben der bereits oben dargestellten Öffentlichkeitsarbeit

zur Verbreitung der „Einzeltäterhypothese“ erfolgten
weitere derartige Maßnahmen, zum Beispiel Befragungen

von Anwohnern und Spaziergängern sowie Verteilung

von etwa 100 000 Fahndungszetteln im Nürnberger Süd-

osten.
5111

b) Möglicher Zusammenhang der Mordserie
mit der Tat in Heilbronn

Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai
2008 wird erwähnt, dass u. a. ein Datenabgleich mit dem

Mordfall in Heilbronn vorgenommen wurde.
5112

Der Zeu-
5110) MAT A BY-4, Bl. 210 ff.

5111) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 11.

5112) MAT A GBA-4/2, Bl. 565.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 589 – Drucksache 17/14600

ge Geier hat dies seinem „kriminalistischen Bauchgefühl“
zugeschrieben. Um alle Möglichkeiten auszuschließen,

sei auch dies überprüft worden. Es hätte sich irgendeine

Verbindung ergeben können, was aber nicht der Fall

war.
5113

c) Sonstige Überlegungen zu Ermittlungsan-
sätzen

Im Rahmen eines Brainstormings von 19 Polizeibeamten

der BAO „Bosporus“ zu noch nicht durchgeführten Er-
mittlungen wurde als einer von 70 Punkten genannt:

„15. Erkenntnisse einholen inwieweit Fahrrad als
Fluchtmittel bei Raub und Erpressungen Verwen-

dung fand.“5114

Die anschließend herausgearbeiteten 16 möglichen Er-

mittlungsansätze enthalten nicht diese Überlegung zu den

Fahrrädern.
5115

Der Zeuge Geier hat jedoch auch ausge-

sagt, dass seines Wissens nach die polizeiliche EDV-

Software nicht die Möglichkeit biete, in einzelnen Fällen

bestimmte Tatgeschehen herauszufiltern, um sie mitei-

nander zu vergleichen.
5116

Der Zeuge Dr. Beckstein hat zu

diesem Problem ausgesagt, er halte eine Verbesserung der

EDV für erforderlich, um eine Tatmitteldatei zu erhalten.

Dort könne dann zum Beispiel nachgefragt werden, dass

zur Tat Fahrräder verwendet worden sind. Es sei immer

seine Idee gewesen, dass ein Polizei-Google vorhanden

sei und die Polizei nach den spezifischen Fragen die ge-

samten Ermittlungsunterlagen googeln könne.
5117

Ab dem 21. Juli 2008 überarbeitete die BAO „Bosporus“
den Fall Yaşar unter den Gesichtspunkten „Kontrolle des
vorliegenden Ermittlungsbestandes und Durchführung

bisher zurückgestellter oder sich neu ergebender Ansät-

ze“. Im Bericht vom 2. Dezember 2009 wurden die er-
gänzenden Ermittlungen dargestellt und vermerkt, dass

die Ermittlungen im Fall Yaşar abgeschlossen seien. Das
Augenmerk wurde erneut auf die beiden Fahrradfahrer als

mögliche Täter gerichtet, ohne dass neue Ansätze zur

Ermittlung dieser Personen festgestellt wurden.
5118

d) Zusammenarbeit mit türkischen Behörden

aa) Hinweise auf eine Täterschaft der „Türki-
schen Hizbullah“

Im Rahmen der Ermittlungen der EG „Česká“ wurden im
September 2006 im Umfeld des ersten Mordopfers der

Serie mehrere Personen festgestellt, welche der sogenann-
5113) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 19.

5114) Aktenvermerk der BAO „Bosporus“ vom 26. Oktober 2007,
MAT A BY-2/3e, Bl. 112 ff., 115.

5115) Aktenvermerk der BAO „Bosporus“ vom 26. Oktober 2007,
MAT A BY-2/3e, Bl. 119.

5116) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 21.

5117) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 84.

5118) MAT A GBA-4/5a, Bl. 45 ff.

ten „Türkischen Hizbullah“ zugerechnet wurden. Ziel
dieser Gruppierung soll die Abschaffung des gegenwärti-

gen Staatssystems der Türkischen Republik und die Er-

richtung eines „Gottesstaates“ sein. Ihr werden zwischen
Anfang der 90er Jahre und 2003 ca. 500 ideologisch-

religiös motivierte Morde sowie zahlreiche weitere Ge-

walttaten zugerechnet. Nach weiterführenden Ermittlun-

gen sah die EG „Česká“ Anhaltspunkte, dass auch fünf
weitere Opfer dieser Mordserie zumindest mittelbar über

diverse „Kennverhältnisse“ in Verbindung mit Mitglie-
dern der „Türkischen Hizbullah“ stünden.5119

Das BKA nahm Kontakt zur türkischen Polizei auf. In

dem Bericht des BKA vom 26. Juli 2007 heißt es:

„Der polizeiliche Nachrichtendienst der GSD An-
kara übergab im Rahmen der Dienstreise vom Mai

2007 eine Zusammenstellung von Erkenntnissen

zur TH [Türkische Hizbullah] sowie eine Ein-

schätzung hinsichtlich einer mutmaßlichen Täter-

schaft dieser Organisation zur Serie EG ,Česká‘.

Eine Täterschaft der TH zur Serie EG ,Česká‘ wird
als durchaus wahrscheinlich angenommen, da in

Verbindung mit den hier festgestellten Bezügen

der Opfer zur TH

– der Modus Operandi der ,Handschrift‘ der
TH entspreche, nämlich paar- bzw. teamwei-

ses Vorgehen, Exekutionscharakter, Tötung

durch gezielte Kopfschüsse

– auch die TH niemals ein Bekennerschreiben
o. ä. bei ihren Anschlägen/Tötungen hinter-

lassen habe

– das Persönlichkeitsbild der Opfer durchaus
dem entspräche, welches auch die in der Tür-

kei von der TH ermordeten Personen aufwie-

sen

In diesem Zusammenhang wurde als mögliche

Motivlage ausgeführt, dass die Opfer der Serie

,Česká‘ sich z. B. weigerten, die TH (weiter) fi-
nanziell zu unterstützen oder als ,Verräter‘ an der
Organisation exekutiert wurden.“5120

Weitere Ermittlungen schlossen sich an.

Der Zeuge Maurer hat zur „Hizbullah-Spur“ ausgeführt,
man habe über eine Kennbeziehung von zweien der Opfer

der Mordserie zu zwei in Istanbul getöteten türkischen

Personen, die von der türkischen Hizbullah ermordet

worden seien, einen manifesten Verdacht gehabt, den man

im Sinne des Česká-Verfahrens instrumentalisiert habe,
um eine Zuständigkeit des GBA zu begründen. Er hat

ausgeführt:

„Wir haben im BKA permanent überlegt, wie wir
es schaffen könnten, den GBA zuständig zu ma-
5119) Bericht des BKA, EG „Česká“ vom 26. Juli 2007, MAT A

BKA-2/27, Bl. 190 ff.

5120) Bericht des BKA, EG „Česká“ vom 26. Juli 2007, MAT A
BKA-2/27, Bl. 193.

Drucksache 17/14600 – 590 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

chen. Aus dem Informationsgefüge heraus gab es

überhaupt keine Information, die eine Zu-

ständigkeit ermöglicht hätte. Also sind wir auf

Folgendes verfallen, was eine gute Idee war, aber

zur gleichen Zeit in eine Trugspur geführt hat: Der

GBA wäre zuständig gewesen bei der Täterschaft

der Türkischen Hizbullah. Also haben wir das zum

Thema gemacht, um ein entsprechendes Verfahren

und mit einem entsprechenden Verfahren die Zu-

ständigkeit des GBA zu begründen.

Aus dem Česká-Verfahren selbst gab es keine
Hinweise, sondern es gab nur Hinweise, dass es

denkbar war, dass Opfer aus dem Česká-Bereich
verbunden sind mit Opfern, die durch die Türki-

sche Hizbullah in Istanbul umgebracht wurden.

Daraus haben wir versucht, eine GBA-

Zuständigkeit zu begründen. Trugspur – wissen
wir ja heute, dass es eine Trugspur war. Aber es

gab für den GBA keine Möglichkeit, Informatio-

nen zu bewerten und zu einem anderen Ergebnis

zu kommen. Wir haben es versucht. Wir haben

auch keine generieren können.“5121

bb) Sonstige Kontakte zu türkischen Behörden

Der Zeuge Geier hat über eine persönliche Kontaktauf-

nahme in der Türkei zur KOM „Ankara“ ausgeführt:

„Diese Dienststelle ist zuständig für Rauschgift-
und Organisierte Kriminalität sowie für Terrorab-

wehr und den polizeilichen Nachrichtendienst, [ei-

ne Kontaktaufnahme erfolgte] bereits im Septem-

ber 2006. Zusammen mit Angehörigen der EG

,Česká‘, des BKA und dem Leiter der Operativen
Fallanalyse Bayern wurde dort die Serie vorge-

stellt und die Zusammenarbeit mit türkischen Be-

hörden abgestimmt. Auch die Öffentlichkeitsarbeit

wurde verstärkt, insbesondere auch in türkischen

Medien, um eben diese Bevölkerungsgruppe in der

Türkei, aber natürlich auch in Deutschland, zu er-

reichen. Dazu wurden die im Fall 6 zum Nachteil

Yaşar in Nürnberg erstellten Phantombilder der
Fahrradfahrer verwendet.“5122

Im Oktober 2006 unterstützte ein türkischer Polizeibeam-

ter bei der BAO „Bosporus“ für eine Woche deren Arbeit.
Weitere ähnliche Hilfe war angedacht.

5123
Diese Unter-

stützung war Ergebnis eines Schreibens des Bayerischen

Innenministers vom 12. August 2006 an den Innenminis-

ter der Türkischen Republik mit der Bitte um Unterstüt-

zung.
5124

In dem Antwortschreiben des Innenministers der

Türkischen Republik vom 6. Oktober 2006 wird die um-

fangreiche Kooperation geschildert. Danach erfolgten

Vernehmungen von Verwandten der Mordopfer sowie
5121) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 32.

5122) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 5.

5123) Protokoll über ein Gespräch vom 30. Oktober 2006, MAT A

HH-5/2, Bl. 50 ff.

5124) MAT A BY-2/9c, Bl. 48 ff.

Ermittlungen in den Geburtsorten der Opfer und Lebens-

orten ihrer Familienangehörigen. Ermittlungen über die

Immobilien, Bankkonten und andere Besitztümer der

Mordopfer und deren Erben in der Türkei wurden abge-

lehnt, da der Grund hierfür nicht verstanden wurde.
5125

Aus einem Schreiben des damaligen türkischen Innenmi-

nisters Akzu an den bayerischen Ministerpräsidenten, Dr.

Beckstein, vom Dezember 2006 ergibt sich, dass bis zu

diesem Zeitpunkt bereits 210 offizielle Anfragen gestellt

und die in diesen Anfragen erbetenen Informationen über

390 Personen, 295 Telefonate, 85 Reisendenregister, acht

Firmen und 125 Geburtenregistrierungen und andere

benötigte Informationen beschafft und weitergeleitet

worden waren. Darüber hinaus reisten Mitarbeiter der EG

„Česká“ im Jahr 2003, im September 2004 und im Sep-
tember 2005 zu einem Informationsaustausch nach Anka-

ra in die Türkei.
5126

Während des im September 2004 in

der Türkei stattgefundenen Informationsaustausches wur-

den die deutschen Ermittler durch die Sicherheitseinheiten

der türkischen Polizei über die Ergebnisse der Nachfor-

schungen mit den Familienangehörigen der ersten fünf

Mordopfer informiert. Im September 2005 wurden bezüg-

lich der durchgeführten Ermittlungen die Ergebnisse der

Tatenanalysen und Spurenkomplexe bewertet. Weiter

wurden die neuen Ermittlungsthemen besprochen und für

die zukünftige Arbeitsphase Entscheidungen getroffen. Im

Anschluss an das Treffen vom September 2005 hat die

türkische Polizei in großem Umfang Verwandte der

Mordopfer vernommen.
5127

Im Jahr 2005 fand zudem ein

einwöchiger Aufenthalt türkischer Kollegen beim BKA in

Wiesbaden sowie ein Besuch des Vizepräsidenten Falk in

Ankara und Istanbul statt.
5128

Im Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai
2008 heißt es zu Ermittlungen in der Türkei:

„Zur Aufklärung des persönlichen Umfeldes und
der Vergangenheit der Opfer in ihrem Heimatland

waren Ermittlungen in der Türkei und Griechen-

land unerlässlich. Diesbezüglich bestanden im Be-

reich des polizeilichen Nachrichtenaustausches be-

reits Kontakte über den Verbindungsbeamten des

BKA mit der türkischen OK Dienststelle in Anka-

ra. Zudem wurden Rechtshilfeersuchen an die tür-

kische und griechische Justiz gestellt. Zur Ab-

stimmung und Intensivierung der Ermittlungen

fanden mit den türkischen Polizeibehörden gegen-

seitige Arbeitsbesprechungen statt. Im September

2005 besuchte der Leiter der BAO ,Bosporus‘,
LKD Geier, die OK Dienststelle in Ankara. Im

Februar 2006 fand ein Erkenntnisaustausch mit

dem Leiter der KOM Ankara, Herrn K., beim BKA

und bei der BAO ,Bosporus‘ in Nürnberg statt. Die
5125) MAT A BY-2/9c, Bl. 1336 ff.

5126) MAT A BKA-2/17, Bl. 232 ff; BKA-2/23, Bl. 19.

5127) Schreiben des türkischen Innenministers Akzu an den bayeri-
schen Ministerpräsidenten Dr. Beckstein vom 13. Dezember

2006, MAT A BY-2/9c, Bl. 1336 ff.

5128) MAT A BKA-2/23, Bl. 19; MAT A BKA-2/18, Bl. 207.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 591 – Drucksache 17/14600

KOM Ankara errichtete ein eigenes Ermittlungs-

team für die Belange der BAO ,Bosporus‘. Als
Ansprechpartner fungiert Herr KK K., der sowohl

im Oktober 2006 als auch im Februar, April und

Oktober 2007 jeweils für eine Woche bei der BAO

„Bosporus“ verweilte. Bei diesen Treffen wurden
insbesondere die in Deutschland lebenden Ange-

hörigen der Opfer aufgesucht, die Tatorte besich-

tigt und Informationen auf Ermittlungsebene aus-

getauscht. Zudem fanden Gespräche bei den kon-

sularischen Vertretungen statt. Diese ermittlungs-

unterstützenden Treffen sind auch zukünftig ge-

plant.“5129

16. Ermittlungen in Hamburg (EG „061“) und
Zusammenarbeit mit BAO „Bosporus“

Ein Sachbearbeiter der BAO „Bosporus“ in Nürnberg
stand für die Hamburger Polizei als Verbindungsbeamter

zur Verfügung.
5130

Die Ermittlungsmaßnahmen wurden

laufend abgestimmt.
5131

a) Ermittlungsstand und Ermittlungsansätze

Das LKA Hamburg hat im Rahmen einer Führungsinfor-

mation vom 20. April 2006 zum Thema „Bisherige Erfah-
rungen/Erkannte Defizite“ ausgeführt:

„Gute Zusammenarbeit mit der BAO ,Bosporus‘
(einschließlich Bereitstellung von Lagemeldungen

und Steuerung von Fahndungskonzeptionen und

Ermittlungshinweisen an die beteiligten Dienststel-

len; Anmerkung: von Seiten des BKA liegt ledig-

lich ein erster Sachstandsbericht von März 2006

vor; nächste Tätigkeit in Richtung der LKÄ waren

die Durchführung einer Telefonkonferenz und ei-

ner anschließenden Strategiebesprechung, s.o.)

Weder in der BAO noch beim BKA zufriedenstel-

lende Aktenlage als Grundlage für die hiesigen

Ermittlungstätigkeiten (Herausforderung der In-

formationsverarbeitung und Komplexität; durch

den Übergang der Ermittlungsführung an das BKA

entstünde hier ein weiterer erheblicher Verzug!)

Fehlende sofortige Information der bisher einge-

setzten Ermittlungsdienststellen nach den letzten

beiden Taten durch die Tatortdienststellen (in Un-

kenntnis der erfolgten Aufforderung von Seiten

der BAO ,Bosporus‘)

Keine koordinierte bzw. abgestimmte Pressearbeit

nach den letzten beiden Taten (mit Folgen z. B. für

Hinweisaufnahme etc.)
5129) MAT A BY-2/3 f, Bl. 243 ff., 333 f.

5130) Zwischenbericht der Soko „061“ vom 12. Dezember 2006,
MAT A HH-5/1d, Bl. 231.

5131) Führungsinformation des LKA Hamburg vom 20. April 2006,

MAT A HH-5/1d, Bl. 283.

Problematik der unterschiedlichen Datenbankan-

wendungen; Datenbestände in INPOL-Fall (BKA)

und EASy (BAO) bestehen bislang parallel neben-

einander ohne Verknüpfung; die hiesige EG ,Netz‘
erfasst in EASy und hat Leseberechtigung für

INPOL-Fall. Dies wird ebenfalls bei den neuen

Ermittlungsdienststellen (Dortmund, Kassel) in

wenigen Tagen gewährleistet sein.

Weitere grundlegende Defizite ergeben sich aus

hiesiger Sicht aus der aktuellen Organisations-

struktur (ausgerichtet in Richtung der BAO „Bos-
porus“) nicht.“5132

Nach Einrichtung der BAO „Bosporus“ Mitte 2005 habe
sich dies geändert. Durch die BAO „Bosporus“ sei der
Hamburger Fall neu betrachtet worden. Es seien auch

Ermittler in Hamburg tätig gewesen und die BAO „Bos-
porus“ habe im zweiten Halbjahr 2005 zunehmend auch
Anfragen und Ermittlungsersuchen an Hamburg gerichtet.

Diese seien zum Teil durch die damaligen Sachbearbeiter

des LKA 41 und zum Teil durch Analysten des LKA 68

erledigt worden. Die Analyse der OK-Abteilung arbeitet

organisationsübergreifend für die gesamte Hamburger

Polizei.
5133

Der Zeuge Schwarz hat weiterhin erklärt, am 27. März

2006 sei inoffiziell die EG „061“, auch EG „Netz“ ge-
nannt, in Hamburg eingerichtet worden.

5134
Als Grund

dafür, dass diese zunächst einmal geheim gehalten wor-

den sei, hat er angeführt, die BAO „Bosporus“ habe die
Durchführung von OK-Ermittlungen gewünscht und das

Umfeld des Opfers habe es geboten, verdeckte Ermittlun-

gen durchzuführen.
5135

Bezüglich der Diskussion einer bundesweiten Koordinie-

rung vertrat das LKA Hamburg die Auffassung, dass die

EG „061“ in der derzeitigen Organisationsform mit dem
bisherigen Kernauftrag, OK-Initiativermittlungen im

Umfeld des Opfers zu führen, beibehalten werden sol-

le.
5136

Am 1. Juni 2006 wurde die EG „061“ in die offen
ermittelnde Soko „061“ umgewandelt.5137 Nach Aussage
des Zeugen Schwarz hätten beide Ermittlungseinheiten

eine Personalstärke von neun Ermittlern und ihm als Ver-

antwortlichen gehabt. Die Aufgaben der Soko „061“ hat
er wie folgt beschrieben:

„Die Schwerpunkte der Hamburger Ermittlungen
richteten sich auch auf Ersuchen der bayerischen

Kollegen daher primär in Richtung

Umfeldermittlungen im Bereich der Organisierten

Kriminalität, da die bayerischen Kollegen der
5132) MAT A HH-5/1d, Bl. 285.

5133) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 66, 67.

5134) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65, 66.

5135) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 105.

5136) Vermerk des LKA vom 2. Mai 2006, MAT A HH-5/1d,

Bl. 278, 279; Näheres zu der Diskussion um die Übernahme
zentraler Ermittlungen durch das BKA 2006 unter F.V.3.

5137) Vermerk des LKA Hamburg vom 13. Dezember 2007, MAT A

HH-5/1d, Bl. 191.

Drucksache 17/14600 – 592 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BAO ,Bosporus‘ uns dargestellt haben, dass Sü-
leyman Taşköprü, unser Opfer, Kontakt hatte zu
sehr vielen namhaften Straftätern, die uns auch in

der OK-Abteilung des Hamburger LKA sehr gut

bekannt waren. Er selbst war kein OK-Täter, wie

wir das sagen würden. Ich würde ihn eher als

Kleinkriminellen beschreiben und als Randfigur.

Er versuchte aber, sich mit Freunden im Milieu,

auch in Hamburg-St. Pauli, zu etablieren.

Der Auftrag, den wir mit der BAO ‚Bosporus‘ für
unsere Ermittlungsgruppe formuliert haben, lautete

daher zunächst Aufhellung im Umfeld des Opfers,

zum einen, um weitergehende Erkenntnisse zu ge-

winnen, und zum Zweiten Unterstützung der BAO

– das erklärt sich von selbst – bei der Identifizie-
rung und Festnahme der Täter und Auftraggeber

des Tötungsdeliktes, also ausdrücklich OK-Er-

mittlungen, auch mit verdeckten Maßnahmen.“5138

Die Soko „061“ wurde zum 30. Juni 2008 in die Allge-
meine Aufbauorganisation überführt.

5139
Nach Aussage

des Zeugen Schwarz seien hierfür keine kapazitären oder

personellen Gründe maßgeblich gewesen, sondern dies sei

aufgrund des noch abzuarbeitenden Ermittlungsaufwan-

des verantwortbar gewesen.
5140

Hinsichtlich einer Prüfung eines rechtsextremistischen

Hintergrundes während des Bestehens der Soko „061“ hat
er ausgeführt, dass dies auch für diese wieder ein Thema

gewesen sei. Zu dem Zeitpunkt habe man ja gewusst, dass

es weitere Taten gegeben habe. Es sei daher augenfällig

gewesen, dass diese Serie besonders brisant sei und dass

der Umstand, dass die Opfer südländischer Herkunft

seien, ein besonders sensibler Umstand sei. Von daher sei

auch ein fremdenfeindlicher Hintergrund für die Tat in-

frage gekommen. Allerdings habe es auch zu diesem

Zeitpunkt keinerlei Hinweise darauf gegeben. Auch auf

Seiten der BAO „Bosporus“ sei zu dem Zeitpunkt, als sie
mit dem Ermittlungsersuchen an die Hamburger Ermittler

herantraten, nichts dergleichen bekannt gewesen. Nichts-

destotrotz sei die Möglichkeit eines solchen Tathinter-

grundes in den Ermittlungen berücksichtigt worden. Man

sei bereits relativ frühzeitig an den Staatsschutz und das

Landesamt für Verfassungsschutz herangetreten.
5141

Nicht

alles, was mündlich erörtert werde, finde allerdings einen

schriftlichen Niederschlag, wenn es keine Bedeutung

entfalte.
5142

Die Hamburger Polizei ist zwar der von der OFA Bayern

entwickelten „Einzeltätertheorie“ nicht gefolgt, der Zeuge
Schwarz hat jedoch erklärt, die Soko „061“ habe umfang-
reiche Ermittlungen zu diesem Ermittlungsansatz durch-

geführt, mit denen ein rechtsextremistischer Hintergrund
5138) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65, 66.

5139) Protokoll der ZSB-Besprechung vom 28. Mai 2008, MAT A

HH-5/1g, Bl. 77.

5140) Schwarz, Protokoll-Nr. 91, S. 91.

5141) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 68.

5142) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 80.

geprüft worden sei.
5143

Alle Ermittlungen der BAO „Bos-
porus“, die zur Verfolgung dieser Theorie beigetragen
hätten, seien unterstützt worden. So seien zum Beispiel

allein in Hamburg über 14 000 Daten von Übernach-

tungsgästen rund um die Tatzeit erhoben worden, um

diese mit Übernachtungsgästen an anderen Tatorten zu

den relevanten Tatzeiten vergleichen zu können. Auch

seien in größerem Umfang Einwohnerdaten erhoben wor-

den. Dahinter habe der Gedanke gestanden, dass Zuzüge

von und nach Nürnberg und zu den anderen Tatortstädten

eine Rolle spielen könnten. In Hamburg seien auch die

meisten Daten von Haftzeiten sowie Daten zu Suiziden

und Suizidversuchen erhoben worden.
5144

Im Juli 2006 sei

ein Mitarbeiter des Staatsschutzes in die Sonderkommis-

sion einbezogen worden, der insbesondere für die Daten-

arbeit zuständig gewesen sei. Dieser habe Zugang zu den

entsprechenden Dateien gehabt und habe den Erfahrungs-

hintergrund einbringen sollen.
5145

Im August 2006 ging in einer Hamburger Moschee ein

Brief mit volksverhetzendem Inhalt ein. Unter der Über-

schrift „Türken-Hasser“ enthielt das Schreiben folgenden
Text:

„Das sind wir alle!

Ihr habt euch hier eingeschlichen und bleibt Multi-

kulti und Verbrecher. Es ist doch gut, dass mal ei-

ner ein paar Türken abknallt. Ich habe mich darü-

ber gefreut. Denn langsam führen die Türken die

Spitze an für Überfälle auf Frauen und Kinder

usw.“5146

Der Zeuge Schwarz hat hierzu erklärt, ihm sei dies nicht

bekannt gewesen. Nachdem er Kenntnis hiervon erlangt

habe, habe er seinen Soko-Leiter auf diesen Hinweis

angesprochen. Dieser habe ihm dazu lediglich sagen kön-

nen, dass der Verfasser nicht habe ermittelt werden kön-

nen.
5147

b) Zusammenarbeit mit LfV Hamburg

Am 6. Juli 2006 fand eine Besprechung des Leiters der

Soko „061“ mit Vertretern von LKA 7, der für politisch
motivierte Delikte zuständigen Abteilung im LKA, und

dem LfV statt. In einem Vermerk vom 6. Juli 2006 hielt

ein Mitarbeiter der Soko „061“, Herr B. als Ergebnis
dieser Besprechung fest:

„LfV war zu einzelnen Personen unseres Interesses
nicht aussagefähig. Ggf. zurückzuführen auf man-

gelnde Vorbereitung und entsprechende vorange-

gangene Hinweise seitens LKA 7 auf mögliche

Bedarfe unsererseits. Die Serie war bei LfV nur

aus Presse bekannt. Ein bundesweiter Infoaus-

tausch der Dienste zu diesem Thema oder Einbin-
5143) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 87.

5144) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 72.

5145) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 80.

5146) Anzeige vom 17. August 2008, MAT A HH-5/2, Bl. 159.

5147) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 91.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 593 – Drucksache 17/14600

dung des LfV durch Ermittlungsdienststellen gebe

es nicht/sei ihm unbekannt.“

Zudem wurde in dem Vermerk festgehalten, dass ein

gegenseitiger Informationsaustausch vereinbart worden

sei. Das LfV habe in diesem Zusammenhang zugesagt,

selbstständig Kontakt zur Soko „061“ aufzunehmen, so-
fern Bezüge oder Informationen zu relevanten Personen

bzw. Sachverhalten vorlägen. Auch sei dem LfV die

Übermittlung von Erkenntnissen der Soko zugesagt wor-

den. Diesbezüglich heißt es in dem Vermerk:

„LfV erklärte hierzu unter Hinweis auf dessen fi-
nanzielle Mittel, dass LfV sich auch über eine

‚Übergabe‘ von Informanten pp. freut, die von der
Polizei nicht weiter ausgeschöpft werden kön-

nen.“5148

Der Zeuge Schwarz, der selbst an dieser Besprechung

nicht teilgenommen hatte, hat ausgesagt, dass die Soko

vom LfV im Folgenden keine Hinweise erhalten habe. Zu

den Hintergründen dieses Gespräches hat er ausgeführt, es

sei nicht nur um etwaige fremdenfeindliche Motive, son-

dern insgesamt um etwaige möglicherweise politische

Gründe gegangen, die für ein solches Delikt verantwort-

lich sein könnten. Denn es habe auch andere politische

Zusammenhänge gegeben, wie beispielsweise zur Arbei-

terpartei Kurdistans (PKK) und zu der Partei der Nationa-

listischen Bewegung (MHP), von denen sie im Laufe der

Ermittlungen erfahren hätten.
5149

c) Einsatz eines Metaphysikers

Im April 2008 kam es zu einem Gespräch mit einem ira-

nischen Metaphysiker, der zu diesem Zweck aus dem Iran

anreiste. Dieser sollte über ein Medium Kontakt mit dem

Mordopfer aufnehmen. Der Metaphysiker soll bei der

Befragung zu dem Ergebnis gekommen sein, dass der

Täter einen dunklen Teint, braune Augen und schwarze

Haare habe. Das Opfer habe mit einer polizeibekannten

Bande in Kontakt gestanden, die aus bis zu acht Personen

bestanden habe.
5150

Zu dem Einsatz dieses Metaphysikers

hat der Zeuge Schwarz ausgesagt:

„Zu mir kam der erste Sachbearbeiter – das ist so-
zusagen der zweite Mitarbeiter in der Sonder-

kommission – und hat mir diesen Sachverhalt vor-
getragen: Eine Perserin kennt einen Metaphysiker

und so, wie Sie es geschildert haben. Wir haben

uns beraten. In der Sonderkommission war man

der Meinung: Warum soll man das nicht versu-

chen? Ich habe gefragt: Kostet uns das was? Der

Mann ist im Iran. Gibt es ein Visumsproblem, ja,

nein? – Im Ergebnis wurde festgestellt, es entstün-
den uns keinerlei Kosten. Zu dem Zeitpunkt der

Ermittlungen war das leistbar, ohne anderes zu

vernachlässigen. Ich habe dann, weil es seine per-
5148) Vermerk vom 6. Juli 2006, MAT A HH-5/1h, Bl. 7.

5149) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 70.

5150) MAT A HH-5/2, Bl. 139-150.

sönliche Absicht war, dem Ermittler den Freiraum

gegeben, das durchzuführen.

Er hat sich dann mit dieser Frau getroffen. Ich ha-

be hinterher nur das Ergebnis abgefragt, und er

sagte mir, dass es nichts gebracht habe. Also, ich

habe diese Aktennotizen, die Sie dort eben zitie-

ren, nicht gelesen oder zur Kenntnis bekommen.

Ich habe das mit einem, ja, leichten Lächeln im

Mundwinkel dann auch zur Kenntnis genommen,

und damit war das abgeschlossen.“5151

Der Einsatz eines Metaphysikers sei aus seiner Erinne-

rung einmalig gewesen.
5152

Er sei von dem Gedanken

getragen gewesen, nichts unversucht zu lassen, um die

Fälle aufzuklären.
5153

17. Ermittlungen in Rostock (Soko „Kormo-
ran“) und Zusammenarbeit mit BAO „Bos-
porus“

Auch dem LKA Mecklenburg-Vorpommern stand ein

Sachbearbeiter der BAO „Bosporus“ als Verbindungsbe-
amter zur Verfügung.

5154
Die Zusammenarbeit der Poli-

zeibehörden führte unter anderem dazu, dass ab Januar

2006 zwei verdeckte Ermittler der BAO „Bosporus“ in
Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt wurden, um Infor-

mationen von Kontaktpersonen des Opfers Mehmet Tur-

gut zu sammeln.
5155

Darüber hinaus suchte die BAO

„Bosporus“ in den Ermittlungsakten aus Rostock nach
Ermittlungsansätzen

5156
und das BKA entwarf am

16. Februar 2006 einen Maßnahmenkatalog.
5157

Mit Wirkung vom 26. Juni 2006 wurde im Landeskrimi-

nalamt Mecklenburg-Vorpommern die Sonderkommissi-

on „Kormoran“ mit der Zielstellung eingerichtet, die
Ermittlungen im Mordfall Yunus Turgut weiterzuführen

und die polizeilichen Aufgaben des Landes Mecklenburg-

Vorpommern im Ermittlungsverbund zur Mordserie

Česká wahrzunehmen. Leiter war der Zeuge EKHK
Deisting

5158
, der zuvor beim LKA Mecklenburg-

Vorpommern im Bereich „Rauschgiftkriminalität“ gear-
beitet hatte.

5159
Der Sonderkommission wurden zeitweise

bis zu zwölf Polizeibeamte aus dem Landeskriminalamt,

aber auch aus anderen Dienststellen des Landes, darunter

ein Beamter, der in der Morduntersuchungskommission

Rostock bereits vom Tattag an in die Ermittlungen zum

Fall Turgut eingebunden war, zugeordnet.
5160

Die Son-
5151) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 79.

5152) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 80.

5153) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 89.

5154) Führungsinformation des LKA Hamburg vom 20. April 2006,

MAT A HH-5/1d, Bl. 283, 284.

5155) Bericht vom 1. Februar 2006, MAT A BKA-2/35b, Bl. 184 ff.

5156) Vermerk vom 23. August 2005, MAT A BKA-2/35b,

Bl. 113 ff.

5157) MAT A BKA-2/35b, Bl. 159 ff.

5158) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 107.

5159) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 115.

5160) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 110.

Drucksache 17/14600 – 594 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

derkommission „Kormoran“ wurde im März 2008 in die
Allgemeine Aufbauorganisation im Landeskriminalamt

Mecklenburg-Vorpommern (Abteilung Schwere Krimina-

lität) überführt. Die noch bestehenden Aufgaben wurden

von mehreren Mitarbeitern weiterbearbeitet.
5161

Das BKA (EG „Česká“) klärte in Abstimmung mit der
Soko „Kormoran“ und der Staatsanwaltschaft Rostock
eine Vielzahl von Spuren ab, insbesondere im Alten Land

und in Hamburg.
5162

Durch Angaben einer V-Person des

BKA gab es Hinweise auf Täter aus dem Rauschgiftmili-

eu.
5163

Es erfolgten umfangreiche Ermittlungen zum Be-

treiber des Döner-Standes, da eine Verwechslung der

Opfer nicht ausgeschlossen werden konnte.
5164

Darüber

hinaus ergaben sich nach Aussage des Zeugen Deisting

konkrete Hinweise auf Personenverbindungen bzw. Tat-

zusammenhänge zu Rauschgiftstraftaten.
5165

Zu den weiteren Ermittlungen aufgrund der 2. Operativen

Fallanalyse vom 9. Mai 2006 hat der Zeuge Deisting

ausgesagt, dass bei ihren Ermittlungen die in dieser Ana-

lyse entwickelte Hypothese eines ausländerfeindlichen

Hintergrundes („Einzeltäterhypothese“) den gleichen
Stellenwert wie die bis dahin ausschließlich verfolgte

„Organisationstheorie“ (Organisierte Kriminalität als
möglicher Hintergrund) gehabt habe. Im Rostocker Mord-

fall hätten sie diesen Ermittlungsansatz durch vielfältige

Öffentlichkeitsmaßnahmen, die Beteiligung an der Mas-

sendatenerhebung und -auswertung und den Informa-

tionsaustausch mit anderen Dienststellen begleitet. Zwei

Einzelspuren zu möglichen Tätern aus dem rechtsextre-

mistischen Bereich sei nachgegangen worden, jedoch

ohne Ergebnis.
5166

Weitere Hinweise auf Täter aus dem

rechten Spektrum seien nicht vorhanden gewesen.

Gleichwohl habe man den neuen Gedanken „in die ge-
samte Ermittlungsbreite“ einbezogen.5167

Nicht festgestellt werden konnte die Bearbeitung von

zwei Hinweisen des Bruders des Opfers auf einen mögli-

chen rassistischen Hintergrund der Tat. Yunus Turgut

hatte in seiner Vernehmung am 30. Juni 2004 den Ermitt-

lern zum einen davon berichtet, dass ein Mitglied der

Familie A., bei denen Mehmet Turgut gearbeitet hatte,

während der Trauerfeier für seinen ermordeten Bruder

eine SMS erhalten hatte mit dem deutschen Text:

„Ich habe einen Türken getötet und du bist
dran!“5168

Weiterhin berichtete Yunus Turgut, dass ihm der erste

Anrufer, der ihn über die Geschehnisse am 25. Februar
5161) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 111.

5162) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 110.

5163) Sachstandsbericht der EG „Česká“ vom 12. Oktober 2006,
MAT A GBA-4/4b, Bl. 33 ff.

5164) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 109.

5165) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 112.

5166) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 113 f.

5167) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 126.

5168) Protokoll über die Vernehmung von Yunus Turgut vom 30. Juni

2004, MAT A BKA-2/35b, Bl. 4.

2004 informiert habe, gesagt habe, sein Bruder sei von

„Rechtsradikalen“ verprügelt worden und liege nun im
Krankenhaus.

5169
Auf Nachfrage hat der Zeuge Deisting erklärt, dass die

Zeugen auch nach der 2. Operativen Fallanalyse nicht

explizit nach einem möglichen rechtsextremen Hinter-

grund des Mordes gefragt worden seien.
5170

Auch Abfra-

gen in den polizeilichen EDV-Systemen hinsichtlich

rechtsextremistischer Gewalttäter bzw. Gewalttäter mit

Bezug zu Rechtsextremismus hätten nicht stattgefun-

den.
5171

Die Auswirkungen des neuen Ermittlungsansatzes durch

die 2. Operative Fallanalyse hat der Zeuge Deisting au-

ßerdem dahingehend beschrieben, dass die maßgeblichen

Daten erhoben worden seien, wie zum Beispiel hinsicht-

lich Hotelbuchungen, Fähr- und Flugpassagieren sowie

Einwohnermeldedaten. Dadurch sei versucht worden,

Schnittstellen zu finden.
5172

Im Rahmen einer Besprechung zwischen der in dem

Mordfall ermittelnden Polizei und dem LfV Mecklen-

burg-Vorpommern im Jahr 2004 habe das LfV Informati-

onen übermittelt, dass Rauschgiftschulden und Rausch-

giftgeschäfte ursächlich für die Ermordung sein sollten.

Anfragen an das LfV über einen möglichen rechtsextre-

men Hintergrund des Mordes habe der Zeuge Deisting

nicht gestellt. Er sei davon ausgegangen, dass das LfV

weitere Informationen mitgeteilt hätte, wenn sie dort

vorhanden gewesen wären.
5173

Zur Öffentlichkeitsarbeit führte das LKA Mecklenburg-

Vorpommern in seinem Zwischenbericht vom 10. Januar

2012 aus:

„In den ersten Tagen nach dem Mord an Turgut
und nach Bekanntwerden des Zusammenhangs mit

der Mordserie ,Bosporus‘ wurde in örtlichen und
überörtlichen Medien, verbunden mit Aufrufen zur

Mithilfe, über die Tat berichtet.

Die an der Aufklärung der Mordserie beteiligten

Dienststellen platzierten auf den Internetseiten ih-

rer Länderpolizeien bzw. des BKA Informationen

zu den Einzeldelikten sowie zur Serie, verbunden

mit Aufrufen zur Mithilfe der Bevölkerung. […]

Per Postwurfsendung wurden Handzettel mit ent-

sprechenden Informationen und Aufrufen an die

Bevölkerung im Wohngebiet und in öffentlichen

Verkehrsmitteln verteilt. Berichte regionaler Pres-

se- und Fernsehmedien begleiteten die Maßnahme.

Aus präventiven Gründen wurden am 11. und 12.

September 2007 an türkische und griechische

Kleingewerbetreibende in Rostock und Demmin
5169) Protokoll über die Vernehmung von Yunus Turgut vom 30. Juni

2004, MAT A BKA-2/35b, Blatt 4 f.

5170) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 131.

5171) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 120.

5172) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 125.

5173) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 124.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 595 – Drucksache 17/14600

Flyer mit Informationen zur Mordserie und Ver-

haltensratschlägen verteilt, in Demmin zudem

Handzettel mit Informationen zum dortigen Auf-

enthalt Turguts Ende 2003/Anfang 2004 und Auf-

rufen zur Mitteilung von Hinweisen. Unter Zuhil-

fenahme türkischer Sprachmittler wurden Gewer-

betreibende zum Opfer Turgut und etwaigen

Kenntnissen zum Tathintergrund befragt. Die

Maßnahmen waren mit der Herausgabe einer Pres-

semitteilung v. 11. September 2007 verbunden, in

der über diese berichtet wurde. Im Rahmen der

Pressemitteilung erfolgte auch die Veröffentli-

chung des Rostocker Phantombildes 1 und zugehö-

riger Personenbeschreibung. […] Nach einer wei-
teren Pressemitteilung v. 28. November 2007 er-

folgten nochmals bundesweit Veröffentlichungen

von Informationen, insbesondere zum Aufenthalt

Turguts 2003 im Raum Bad Segeberg/Wahlstedt,

und beider Phantombilder zum Fall Turgut. Hand-

zettel wurden an öffentlichkeitswirksamen Stellen

in Bad Segeberg und Wahlstedt ausgelegt. Die

Maßnahmen wurden durch Berichterstattungen des

regionalen Fernsehens begleitet.“5174

Die genannten Internetseiten („Hauptseite“ des BKA und
alle Länderseiten) wurden vom BKA zentral über-

wacht.
5175

Im Umfeld des Opfers sind u. a. folgende Ermittlungen

durchgeführt worden:

Am 16. Februar 2005 wurde aufgrund eines Durchsu-

chungsbeschlusses des Amtsgerichts Rostock vom

29. November 2004 die Wohnung des Haydar A. durch-

sucht, in dessen Imbiss Mehmet Turgut erschossen wor-

den war. Die Ermittler vermuteten, dass Mehmet Turgut

unter Umständen Opfer einer Verwechselung geworden

sein könnte und die Schüsse Haydar A. gegolten hätten,

und beschlagnahmten Geschäftsunterlagen von Haydar A.

Zudem vermuteten sie illegale Geschäfte des Haydar A.,

ohne diese jedoch nachweisen zu können.
5176

In einem

Schreiben an die Staatsanwaltschaft Rostock vom 7. April

2005 forderte der Rechtsanwalt von Haydar A. die Rück-

gabe der beschlagnahmten Geschäftsunterlagen und die

Einstellung der Ermittlungen gegen Haydar A. Der An-

walt wies darauf hin, dass die Theorie der Ermittler, der

Mord habe Haydar A. gegolten schon alleine deshalb

nicht logisch sei, da sein

„Mandant das Lokal in der Öffentlichkeit etwa seit
neun Jahren [betreibe]. Es wäre also für einen po-

tentiellen Täter sicherlich bis zum heutigen Tage

ein leichtes, meinen Mandanten vor Ort auszuma-

chen, diesen zu identifizieren und gegenüber die-
5174) MAT A GBA-4/2, Bl. 163 ff., 180 f.

5175) 14. Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ von Ende Juli
2005, MAT A BY-2/3c, Bl. 137 ff., 141.

5176) Vermerk der StA Rostock vom 1. April 2004, MAT A GBA-

4/8b, Bl. 4 f.; Vermerk der StA Rostock vom 13. April 2004,

MAT A GBA-4/8b, Bl. 64.

sen möglicherweise irgendeine ‚Aktion‘ durchzu-
führen.“5177

Zudem sei

„die Durchsuchungssache, die mit neun Leuten
durchgeführt wurde, in höchsten Maße für meinen

Mandanten und seinen persönlichen Ruf belastend.

[…] Für das Leben meines Mandanten stellt sich
die gesamte Angelegenheit langsam als absolute

Katastrophe dar.“5178

18. Überlegungen zu einer Übernahme zentra-
ler Ermittlungen durch das BKA gemäß § 4
BKAG im Jahr 2007

BKA-intern wurde die gewählte Organisationsform auch

nach der Arbeitsaufnahme der Steuerungsgruppe kriti-

siert. Bereits im August 2006 vermerkte KD Hoppe in

einem Sprechzettel für den Präsidenten mit dem bayeri-

schen Polizeipräsidenten Kindler:

„Abschließend bleibt festzuhalten, dass nach der
Entscheidung der IMK vom Mai 2006 die abseh-

bare Schwerfälligkeit der gewählten Organisati-

onsform schon deswegen eingetreten ist, weil es

keine Unterstellungen und keine klaren Entschei-

dungs- (bzw. Befehls-) Strukturen entgegen den

Grundsätzen der Einsatzlehre gibt.“5179

Auch im Jahr 2007 hielt die Kritik an. So heißt es in ei-

nem am 26. März 2007 von KD Hoppe, der das BKA in

der Steuerungsgruppe vertrat, verfassten Sprechzettel für

den Präsidenten des BKA bezüglich einer geplanten, dann

aber nicht durchgeführten Reduzierung der BAO „Bospo-
rus“ und eines Wegfalls der Koordinierung:

„Die seit 2006 praktizierte Zusammenarbeit hat
sich nicht bewährt. Besonders deutlich wird dies

anhand der OFA-Problematik und der Presse- und

Öffentlichkeitsarbeit. In der eigentlichen Ermitt-

lungszusammenarbeit fehlt es an zentraler Drauf-

sicht und Bewertung.“ 5180

Der Vermerk schließt mit folgender Bewertung:

„Die Einstellung der Koordinierungsfunktion der
Steuerungsgruppe und der ISA durch BY zum

01.07.2007 ist verfrüht, kontraproduktiv und nicht

angemessen. Es macht deutlich, dass die Mords-

erie (unabhängig vom Hypothesenstreit) nach wie

vor nicht als ein Fall angesehen wird.“5181

In einer Führungsinformation von KD Hoppe vom

30. Juni 2007 für eine Besprechung des BKA-Präsidenten
5177) MAT A GBA-4/8b, Bl. 62.

5178) MAT A GBA-4/8b, Blatt 63.

5179) Sprechzettel BKA vom 28. August 2006, MAT A BKA-2/23,

Bl. 224.

5180) Vermerk BKA zur Unterrichtung des Präsidenten vom 26. März
2006, MAT A BKA-2/26, Bl. 403 f.

5181) Vermerk BKA zur Unterrichtung des Präsidenten vom 26. März

2006, MAT A BKA-2/26, Bl. 403 f.

Drucksache 17/14600 – 596 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ziercke mit dem Bayerischen Landespolizeipräsidenten

Kindler am 4. Juli 2007 erneuerte er seine Kritik an der

Ermittlungsführung. Er legte aber auch dar, dass das BKA

nicht im Stande sei, das Verfahren zu übernehmen, und

bezeichnete eine Übernahme auch als fachlich nicht sinn-

voll:

„Sofern seitens des BayStMI eine personelle Un-
terstützung oder gar Übernahme des Verfahrens

erbeten wird, sollte dem entschieden ablehnend

entgegen getreten werden.
5182

Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass auch der

Leiter der BAO die aktuelle Organisation zwi-

schenzeitlich nicht mehr für angemessen und rich-

tig hält. Die Zusammenarbeit ist eher wie eine

Gremienarbeit organisiert. Es gibt keinen alleini-

gen Verantwortlichen, der letztlich die Zielrich-

tung vorgibt und dafür verantwortlich zeichnet. EG

,Česká‘ teilt diese Ansicht ausdrücklich. Aus hie-
siger Sicht leidet die Ermittlungsarbeit zusätzlich

unter dem Fehlen einer zentralen Draufsicht und

Bewertung. Jede beteiligte Dienststelle entscheidet

selbst über seine Schwerpunkte und die Vorge-

hensweise. Bewertungen werden oft nur in Nürn-

berg getroffen. Die EASy-Datenbank wird als

Steuerungs- und Koordinierungsmedium genutzt

und damit in dieser Funktion überschätzt.

Die Übernahme des Gesamtverfahrens ist wegen

der Verfahren in HH, HE und MV ohnehin lange

nicht mehr in die alleinige Verfügungsgewalt Bay-

erns gestellt. Sie ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt

unverhältnismäßig aufwendig und entsprechend

nicht praktikabel. Mit Entscheidung der IMK aus

dem Mai 2006 liegt die Informationshoheit (Akten

und Daten) im wesentlichen in BY. Ansonsten

sind Akten und Informationen weit gesplittet, die

verwandten Systeme nicht ohne weiteres kompati-

bel.

Die Abteilung SO ist nicht im Stande, das Ge-

samtverfahren zu übernehmen. Dies wäre auch

fachlich nicht sinnvoll. Mit den derzeit bearbeite-

ten Spurenkomplexen kommt das BKA seinem

spezifischen Auftrag mehr als angemessen nach

und ist deutlich ausgelastet.

BY hatte sich im Mai 2006 vehement gegen eine

Übernahme durch das BKA - auch unter Hinweis

auf angeblich fehlende Kompetenz bei Ermittlun-

gen in Todesfällen (Mordermittlungen) - ausge-

sprochen. Schon damals waren Argumente, dass in

dieser Serie klassische Mordermittlungen allein

nicht zum Erfolg führen können nicht gehört wor-

den. Mangels offen liegender Motive, sind die Mo-

tivermittlungen eher gemäß den für Strukturermitt-

lungen geltenden Grundsätzen zu führen.

Eine personelle Unterstützung ist prinzipiell aus

gleicher Argumentation für die eigenen Spuren-
5182) MAT A BKA 2/27, Bl. 223 ff.

komplexe aber auf die anderen bei SO geführten

Verfahren, kontraproduktiv, das die PVB hier für

eigene Aufgaben sowohl im Česká-Verfahren also
auch in anderen Verfahren fehlen würden.“5183

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, welche Moti-

ve dieser, die Übernahme der Verfahren nunmehr ableh-

nenden, Haltung des Zeugen Hoppe zugrundelagen, und

ob diese Position von der Amtsleitung geteilt wurde.

Der Zeuge Hoppe hat erläutert, es sei um Personalanfor-

derungen gegangen,

„und da wollte ich meine EG ,Česká‘ nicht entblö-
ßen, indem ich Personal von meinem spezifischen

Ermittlungsauftrag in die bayerische oder in die

Gesamtorganisation oder die einzelnen Spuren der

Bayern geben wollte.“5184

Auf Nachfrage, was sich im Vergleich zu 2006 geändert

habe, und ob nicht zum damaligen Zeitpunkt eine Über-

nahme eher noch personalintensiver gewesen wäre, ent-

gegnete der Zeuge Hoppe, eine Übernahme im Jahr 2006

wäre keine Aufgabe seines Referats, sondern eine Ge-

samtaufgabe des Amtes, zumindest eine Aufgabe der

Abteilung geworden. Es wäre eine BAO gegründet wor-

den, die vielleicht nicht so groß gewesen wäre, wie die

jetzige BAO „Trio“, aber durchaus in einer Größenord-
nung von bis zu 80, 90 Mitarbeitern.

5185
Und weiter hat er

ausgeführt:

„Ich wollte auf jeden Fall meine Česká, meine
Spuren, […] die ich aufgrund der Organisations-
theorie für interessant und wichtig hielt, nicht op-

fern der dann stattfindenden Gesamtübernahme

und habe entsprechend meinem Präsidenten emp-

fohlen […] da keinen Personalforderungen nach-
zukommen.“5186

Demgegenüber hat der Zeuge Falk auf die Frage nach

dem erneuten Sinneswandel des Bundeskriminalamtes

bezüglich der Ermittlungsführung im Jahr 2007 erklärt:

„Das kann ich Ihnen nicht sagen; das weiß ich
nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich das damals gese-

hen habe. Ich schließe das aber auch nicht aus,

dass ich es gesehen habe. Bei mir ist dieser Sin-

neswandel nicht eingetreten. Ich habe über die

ganzen Jahre die zentrale Ermittlungsführung für

sinnvoll gehalten, aber eben auch gesagt: Das hätte

nicht zwingend das BKA sein müssen. - Das ist die

eine Seite.

Ich weiß nicht, was Herrn Hoppe dazu veranlasst

hat, das so niederzulegen. Herr Hoppe konnte na-

türlich nicht für das BKA sprechen; das möchte

ich hier betonen. Herr Hoppe hatte den Blick auf

sein Referat und seine Kräftelage. Herr Hoppe hat-
5183) BKA-Führungsinformation Nr. 33 vom 30. Juni 2007, MAT A

BKA-2/28, Bl. 112 ff.

5184) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 39.

5185) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 40.

5186) Hoppe Protokoll-Nr. 15, S. 40.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 597 – Drucksache 17/14600

te auch sicherlich noch den Blick in die übrige Ab-

teilung, zu der er gehörte, hinein, aber eben nicht

auf das, was das BKA insgesamt hätte leisten kön-

nen.

Allerdings - das muss ich natürlich dazu sagen -:

2007 kam für das Bundeskriminalamt im Bereich

der Terrorismusbekämpfung eine neue Situation

hinzu. Das war die schon mehrfach erwähnte

Sauerland-Gruppe, also diese terroristische Bedro-

hung, die uns ja auch über viele Monate mit einem

großen Kräfteansatz - und die Bundesländer übri-

gens - gebunden hat. Ob das bei Herrn Hoppe mit

dazu geführt hat, in diese Überlegung - mehr ist

das nicht, aus meiner Sicht jedenfalls - einzustei-

gen, weiß ich nicht. Es könnte sein. Wenn er eine

Kräftelage des BKA beurteilt hat, dann hat er ganz

sicher nur beurteilen können, was sich in seinem

engeren Umfeld in der Abteilung - bei aller Wert-

schätzung - abgespielt hat, aber nicht, was das

BKA insgesamt hätte leisten können oder müssen

oder wollen.“5187

Wie Präsident Ziercke auf den Vermerk vom

30. Juni 2007 reagiert habe, könne er nicht sagen.
5188

Nach Aussage des Zeugen Ziercke habe die Haltung von

Herrn Hoppe nicht der Haltung der Amtsleitung entspro-

chen; diese sei auch in keiner Weise nach außen relevant

geworden.
5189

„Bei dem späteren Gespräch mit Herrn Kindler,
das in München stattfand, wurde das Vorgehen bei

einem potenziellen zehnten Fall erörtert. Gleich-

zeitig ging es meiner Erinnerung nach auch um

personelle Unterstützung, weil Bayern Überlegun-

gen zur Personalreduzierung der BAO ,Bosporus‘
anstellte. Davon hatte ich aber Herrn Kindler abge-

raten. Bayern verzichtete dann in der Folge auch

auf einen Personalrückbau der BAO.

Ein Ersuchen zur Verfahrensübernahme wurde von

Kindler hierbei nicht vorgetragen. Ich hätte einen

solchen Antrag selbstverständlich erneut geprüft,

auch im Lichte unseres eigenen Antrages von

2006.“

Der Zeuge Ziercke hat weiterhin bekundet, es könne sein,

dass für Herrn Hoppe immer noch nicht alles so optimal

lief, wie dieser es sich vorgestellt habe. Er selbst habe aus

den von ihm geführten Gesprächen einen anderen Ein-

druck gewonnen als Herr Hoppe. Weder in Gesprächen

mit Vizepräsident Falk noch mit Landespolizeipräsident

Kindler sei ihm der Eindruck vermittelt worden, dass im

Jahr 2007 alles nicht so gelaufen sei, wie es habe laufen

sollen.
5190
5187) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 22 f.

5188) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 23.

5189) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9.

5190) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 32.

Von einer ablehnenden Haltung des BKA in Bezug auf

eine Verfahrensübernahme im Jahr 2007 hat hingegen der

Zeuge Dr. Beckstein vor dem Ausschuss berichtet:

„Ich weiß aus der Lage des Jahres 2007, wo wir in
einer Sackgasse waren mit den Ermittlungen in

Bayern und wo ich dann gesagt hatte: Wenn wir

nicht weiterkommen, dann muss ein Zweiter über-

nehmen, eine zweite Kommission neu hinschauen

lassen, gegebenenfalls unter Führung der GBA,

weil wir einfach nicht mehr weitergekommen

sind. - Dann habe ich gesagt: Dann können wir

nicht einfach das zu den Akten legen, sondern

dann muss jemand das noch mal machen. - Da hat

es Gespräche zwischen BKA und […] dem Lan-
despolizeichef Kindler gegeben, wo das BKA sich

vorher auch auf Arbeitsebene gegen eine Über-

nahme zu diesem Zeitpunkt wieder gewendet hat

mit der Begründung, sie wären kapazitätsmäßig

dafür nicht da.“5191

Zu der formellen Frage einer Übergabe sei es aber nicht

mehr gekommen.
5192

Der Zeuge Kindler hat zum Inhalt des mit BKA-Präsident

Ziercke geführten Gesprächs im Juli 2007 ausgeführt:

„Schließlich im Juli 2007 - die Spuren waren wei-
testgehend abgearbeitet - habe ich mich in meinem

Büro mit dem BKA-Präsident Ziercke und dem

Leiter der EG ,Česká‘, dem Herrn Hoppe, sowie
einem Vertreter des PP Mittelfranken über die

Überlegungen zu einer Rückführung der BAO un-

terhalten. Präsident Ziercke war grundsätzlich mit

einer künftigen Bearbeitung in der allgemeinen

Aufbauorganisation einverstanden. Jedoch waren

wir uns einig, dass eine Konzeption für einen

eventuellen zehnten Mordfall erarbeitet und im

AK II vorgestellt und erörtert werden sollte. Dies

ist dann auch am 18. September erfolgt.“5193

Bei der Sitzung des AK II der Innenministerkonferenz

(Innere Sicherheit) am 18. September 2007 wurde aus-

weislich der Akten nochmals die Frage einer Übernahme

des Verfahrens durch das BKA diskutiert. In einem Pro-

tokoll des BKA heißt es hierzu:

„Eine Übernahme des Gesamtverfahrens wird vom
BKA nicht angestrebt.“5194

Der damals zuständige Bundesinnenminister Dr. Wolf-

gang Schäuble hat bekundet, an eine Diskussion aus dem

Jahr 2007 im Zusammenhang mit einer Übertragung der

Ermittlungszuständigkeit auf das BKA keine Erinnerung

zu haben.
5195
5191) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.

5192) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 86.

5193) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S. 88.

5194) MAT A BMI-4/0030, Bl. 8 ff., dort: Bl. 12.

5195) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 20.

Drucksache 17/14600 – 598 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. Auflösung der EG „Česká“ und Rückzug
des BKA aus der Steuerungsgruppe im
Mai 2010

In einem Vermerk des BKA vom 18. Mai 2010 wird fest-

gehalten, dass die Ermittlungen der EG „Česká“ beim
BKA mangels Ermittlungsansätzen zum Stillstand ge-

kommen waren.
5196

Mit Schreiben vom 26. Mai 2010

teilte das BKA den beteiligten Länderdienststellen die

Auflösung der EG „Česká“ mit, die seit Ende 2009 in die
Regelorganisation zurückgeführt sei. Das BKA gewähre

weiter Unterstützung im Rahmen seiner Zentralstellen-

funktion.
5197

Bereits Ende 2009 hatte die Steuerungsgruppe beschlos-

sen, dass sie nur noch bei Bedarf zusammentreten wer-

de.
5198

Im Jahr 2010 fanden nur noch zwei außerordentli-

che Sitzungen statt.
5199

Das BKA nahm letztmalig an der

Sitzung vom 10. Mai 2010 teil und erklärte mit Schreiben

vom 27. Mai 2010, weitere Sitzungen der Steuerungs-

gruppe nicht mehr zu besuchen.
5200

Hintergrund waren

unterschiedliche Auffassungen zwischen dem BKA und

den übrigen Teilnehmern der Steuerungsgruppe hinsicht-

lich der Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Waffen-

spur.

In einer Führungsinformation vom 9. Februar 2009 be-

richtete KHK Jung (EG „Česká“) über eine nicht mit dem
BKA, der Staatanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder einer

der anderen mit der Mordserie betrauten Dienststellen

abgestimmte Weitergabe von Detailinformationen zur

Waffenspur durch die MK „Bosporus“ an die türkische
und deutsche Presse sowie an weitere deutsche Medi-

en.
5201

Zahlreiche deutsche Medien veröffentlichten da-

raufhin entsprechende Artikel, zuletzt das Magazin Der

Spiegel in der Ausgabe vom 22. August 2011 unter der

Überschrift „Versteck in der Schweiz“. In der Führungs-
information heißt es:

„Die durch die MK ,Bosporus‘ in Nürnberg zu ver-
tretende Berichterstattung mit Detailinformationen

aus Ermittlungsergebnissen in den Medien im Vor-

feld von unmittelbar bevorstehenden strafprozes-

sualen Maßnahmen in der Schweiz sind in hohem

Maße kontraproduktiv, gefährden die notwendige

Zusammenarbeit mit der Schweiz und letztlich ei-

nen möglichen Ermittlungserfolg. Es besteht die

Gefahr, dass der/die Täter von den Ermittlungser-

gebnissen erfahren, auf den schweizerischen Erst-

besitzer der Tatwaffe oder Personen in der

Weitergabekette einwirken und letztlich die Tat-
5196) Vermerk des BKA vom 18. Mai 2010, Bl. 378 ff.

5197) MAT A BKA-2/33, Bl. 415 f.

5198) Protokoll vom 15./16. Dezember 2009, MAT A BY-2/3e, Bl.
415 ff., 422.

5199) Protokoll vom 10. Mai 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 30 ff;

Protokoll vom 30. Oktober 2010, MAT A BY-2/3 f, Bl. 8 ff.

5200) MAT A BY-2/3 f, Bl. 27 f.

5201) Führungsinformation Nr. 48 vom 9. Februar 2009, MAT A

BKA-2/32, Bl. 21 f.

waffe als einziges objektives Beweismittel entsor-

gen.“5202

Zudem wandte sich KHK Jung am gleichen Tage per E-

Mail an den zuständigen Sachbearbeiter bei der MK

„Bosporus“ und erklärte:

„Das, was der [Mitarbeiter der MK ,Bosporus‘] an
die Presse gegeben hat, ist unverantwortlich. Noch

schlimmer ist der Zeitpunkt, da die Berichte im

Vorfeld von erfolgversprechenden Maßnahmen

und Ermittlungen in die Schweiz gebracht wur-

den.
5203

Als Konsequenz führte er aus:

„Aus den genannten Gründen haben wir (die EG
,Česká‘) uns entschlossen, in Zukunft die Luxik-
Spur ohne die Einbindung der MK ,Bosporus‘ fer-
tig zu ermitteln.“

Am gleichen Tag wandte sich auch der Leiter der EG

„Česká“, Kriminaldirektor Hoppe, an den Leitenden Kri-
minaldirektor des Polizeipräsidiums Mittelfranken, um

sich über die Medienkontakte und Informationen der MK

„Bosporus“ zu beschweren. Medienkontakte in der von
der MK „Bosporus“ vorgenommenen Art seien in keiner
Weise abgesprochen oder angekündigt worden. Da die in

Rede stehenden Presseauskünfte Rückschlüsse auf durch-

zuführende oder bereits laufende Ermittlungen in der

Schweiz zuließen, seien diese „in hohem Maße kontra-
produktiv“ und geeignet, den „Ermittlungserfolg zu ge-
fährden“. Es handelte sich um einen „Spurenkomplex, der
federführend bei der EG „Česká“ bearbeitet werde.“5204

Der Zeuge Jung hat auf Nachfrage zur Frage der Kompe-

tenzschwierigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit bezüglich

der Waffenspur erklärt:

„Wir haben natürlich kritisch gesehen, dass also
jetzt hier Täterwissen schon verbreitet worden ist,

was es dann auch immer schwer macht, wenn man

Hinweisgeber da sitzen hat und nicht weiß: Ist das

jetzt Wissen, das er von Täterseite hat, oder ist es

Wissen, das er eben aus der Zeitung oder von der

BKA-Homepage – oder woher auch immer – hat?
– Aber ich habe das letztendlich nicht zu entschei-
den gehabt. Wir haben natürlich darüber gespro-

chen, und wir haben uns aber letztendlich dann ei-

ner weiteren Beurteilung enthalten.“5205

In einem Schreiben der MK „Bosporus“ vom 12. Februar
2009 an den PP Mittelfranken

5206
brachte der Unterzeich-

ner, KOR J., zum Ausdruck, dass neben den im Schreiben

von KD Hoppe erhobenen Vorwürfen zur Öffentlichkeits-

arbeit der MK „Bosporus“ auf anderem Wege noch weite-
5202) MAT A BKA-2/32, Bl. 21 f.

5203) MAT A BKA-2/32, Bl. 24.

5204) MAT A BKA-2/32, Bl. 38.

5205) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 75.

5206) MAT A BKA-2/32, Bl. 73 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 599 – Drucksache 17/14600

re Vorwürfe erhoben worden seien, welche darauf schlie-

ßen ließen,

„dass es sich um einen länger schwelenden Kon-
flikt“5207

handele. Bei diesem ginge es

„offensichtlich nicht immer um sachliche oder
fachliche Fragen, sondern zum Teil vordergründig

um emotionale Störungen, die ihre Ursache in der

Rolle des BKA bei den Ermittlungen zur Mord-

serie haben dürften“.5208

Als Reaktionen auf die Presseberichte der MK „Bospo-
rus“ sei der Waffenspezialist der MK „Bosporus“ von
einer für den 10. Februar 2009 angesetzten Besprechung

zwischen BKA, MK „Bosporus“ und der Staatsanwalt-
schaft Nürnberg-Fürth per E-Mail wieder ausgeladen

worden, und es sei seitens des BKA angekündigt worden,

dass alle zukünftigen Dienstreisen in die Schweiz ohne

die MK „Bosporus“ vorgenommen würden.

Auch in einem Telefonvermerk von KD Hoppe, BKA,

über Telefonate mit dem Leiter des Polizeipräsidiums

Mittelfranken, Mikulasch, am 19., 20. und 24. Februar

2009 wird auf Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit

zwischen dem BKA und der MK „Bosporus“ und die
Bedeutung einer Einigung hingewiesen:

„Eingedenk der Tatsache, dass unsere Ermittlun-
gen ergänzend zu den eigentlichen Mordermittlun-

gen – davon fünf Taten Bayern in der Zuständig-
keit der BAO Bosporus – stattfinden, kann man
sich dem Bedürfnis der bayerischen Kollegen in

den Fortgang der Ermittlungen der Waffenspur in

die Schweiz einbezogen zu sein, nicht ganz ver-

schließen. In der Vergangenheit wurde dies auch

so gehandhabt. Ich habe mich daher mit Herrn

Mikulasch telefonisch darüber geeinigt, dass wir

die Kollegen der BAO Bosporus wieder einbezie-

hen (insbesondere auch bei zukünftigen Maßnah-

men in der Schweiz), allerdings die Federführung

in dieser Teilspur (im Rahmen der Gesamtspur

,Waffe‘) beim BKA liege, sich dies auch in den
zukünftigen Dokumentationen (Berichte etc.) nie-

derschlagen müsse, […].“5209

Der Zeuge Falk hat zu diesem Komplex vor dem Unter-

suchungsausschuss ausgesagt:

„Es gab noch mal eine Diskussion um eine Presse-
veröffentlichung. Diese Diskussion ist vom BKA

deshalb geführt worden: Da ging es wohl um eine

Veröffentlichung, die aus Richtung der BAO

,Bosporus‘ gekommen war. Da war vom Schall-
dämpfer, glaube ich, die Rede, und es sind Ermitt-

lungseinzelheiten aus der Sicht unserer Leute be-

kannt gegeben worden, die die Ermittlungen zu-
5207) MAT A BKA-2/32, Bl. 73.

5208) MAT A BKA-2/32, Bl. 73.

5209) MAT A BKA-2/32, Bl. 82.

mindest nicht gefördert haben, nachdem sie halt in

der Öffentlichkeit waren. Diese Presseveröffentli-

chung war nicht abgesprochen, und darüber hat es

eine Diskussion gegeben; das ist mir mal gesagt

worden.“5210

Auch im Jahr 2010 gab es Probleme in der Zusammenar-

beit zwischen dem BKA und den ermittelnden Polizei-

dienststellen der betroffenen Bundesländer. Hintergrund

dieser Auseinandersetzung war eine durch die EG

„Česká“ in die Öffentlichkeit getragene Bewertung der
Waffenspur.

5211
In der Steuerungsgruppe war im Vorhi-

nein einvernehmlich beschlossen worden, dass zwar die

Möglichkeit, jedoch keine erhöhte Wahrscheinlichkeit

bestünde, dass die Tatwaffe sich unter den acht bis dato

nicht ermittelbaren Waffen aus dem Luxik-Kontingent

befinde.
5212

Ohne jegliche Absprache habe jedoch das

BKA sowohl auf der eigenen Webseite als auch im

Schweizer Fernsehen von einer „hohen Wahrscheinlich-
keit“ gesprochen. Da die MK „Bosporus“ an der gemein-
samen Bewertung der Möglichkeit festhielt, sei so ein

uneinheitliches Bild seitens der Polizei in die Öffentlich-

keit getragen worden.
5213

Die Frage der Bewertung war

insbesondere im Hinblick auf eine AKTENZEICHEN XY-

ungelöst-Sendung akut geworden, welche kurz vor der

Ausstrahlung stand (10. März 2010), weshalb die Zeit der

Abstimmung zwischen BKA und Ländervertretern in der

Steuerungsgruppe drängte. Bei einer Telefonkonferenz

am 5. März 2010 erklärten die Vertreter des BKA, dass

ihre Behördenleitung entschieden habe, die Öffentlich-

keitsfahndung durchzuführen und auch die Bewertung auf

der eigenen Internetseite nicht zu verändern.
5214

Dieser Telefonkonferenz war ein Telefonat zwischen der

Referatsleiterin SO 15, KD‘n Blockus und einem Mitar-
beiter der Kriminalpolizei Nürnberg am 26. Februar 2010

vorangegangen. Darin wurde seitens der Kripo Nürnberg

in Aussicht gestellt,

– die zuständige Staatsanwaltschaft zu kontaktieren,
damit diese dem BKA die Öffentlichkeitsfahndung

verbiete;

– den Redakteur der AKTENZEICHEN XY-ungelöst-
Sendung anzurufen, um ihn darauf vorzubereiten,

dass der Termin am 10. März 2010 voraussichtlich

entfalle;
5210) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 38.

5211) Siehe zu dem Sachverhalt den Bericht des PP Mittelfranken an

das Bayerische Staatsministerium des Innern v. 16. März 2010,

MAT A BY-2/9g, Bl. 2854 ff. sowie das Protokoll zur außeror-
dentlichen Sitzung der Steuerungsgruppe am 10. Mai 2010,

MAT A HH-5g, Bl. 1 ff.

5212) MAT A HH-5/1g, Bl. 19 f.

5213) Bericht des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministe-

rium des Innern vom 16. März 2010, MAT A BY-2/9g, Bl.

2854 ff. (2855).

5214) Bericht des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministe-

rium des Innern vom 16. März 2010, MAT A BY-2/9g, Bl.

2854 ff. (2856).

Drucksache 17/14600 – 600 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– eine Pressekonferenz durchzuführen, welche über die
unterschiedlichen Auffassungen aufklären solle.

Darauf antwortete die Referatsleiterin, KDn Blockus, dass

die Kripo Nürnberg weder die Kompetenz habe, über die

Staatsanwaltschaft dem BKA die Öffentlichkeitsfahndung

zu verbieten, noch dem Redakteur der AKTENZEICHEN

XY-ungelöst-Sendung abzusagen. Eine Pressekonferenz,

wie angedroht, könne nicht im gemeinsamen Interesse

liegen. Bei Scheitern der Einigung auf der Abteilungslei-

terebene schloss KD‘n Blockus nicht aus, es auf eine
„Eskalation bis zu den Behördenleitungen“ ankommen zu
lassen.

5215
Daraufhin wiederum brachte der Mitarbeiter

der Kriminalpolizei Nürnberg die Erwägung ins Spiel,

sich wie früher Herr Geier, an den Ministerpräsidenten zu

wenden.

Dennoch konnte „zur Schadensbegrenzung“5216 vor der
Sendung eine gemeinsame Sprachregelung gefunden

werden. Im Bericht des PP Mittelfranken an das Bayeri-

sche Staatsministerium des Innern vom 16. März 2010

wurde allerdings folgendes Fazit gezogen:

„Die Vorgehensweise des BKA gefährdet die bis-
her mühsam erarbeitete und ohnehin schwierige

Balance in der Länder- und verbandsübergreifen-

den Ermittlungsarbeit und stellt insbesondere

Notwendigkeit und Kompetenz der Steuerungs-

gruppe in Frage.“5217

Dieses Fazit ist insbesondere vor dem Hintergrund zu

sehen, dass in der Steuerungsgruppe keine Einigkeit mehr

darüber bestand, dass ihre Mitglieder in ihren Entschei-

dungen bezüglich der Vorgänge in der Steuerungsgruppe

gegenüber ihren Vorgesetzten und vorgesetzten Dienst-

stellen frei seien. Dies wurde von der erstmals teilneh-

menden Vertreterin des BKA, KD‘n Blockus, in Abrede
gestellt. Im Protokoll der Steuerungsgruppensitzung vom

10. Mai 2010 heißt es:

„Auf Nachfrage erklärte Frau Blockus, dass ein
derartiges Mandat im BKA nicht bekannt sei.

Dementsprechend sei man nur gegenüber der eige-

nen Amtsleitung weisungsgebunden. Im BKA un-

terliegt die Öffentlichkeitsarbeit dem Entschei-

dungsvorbehalt des Präsidenten.“5218

Schließlich teilte das BKA den Mitgliedern der Steue-

rungsgruppe mit Schreiben vom 27. Mai 2010 mit, künf-

tig nicht mehr an den Steuerungsgruppensitzungen und

den Besprechungen der zentralen Sachbearbeiter teilzu-

nehmen.
5219
5215) Vermerk des BKA v. 9. März 2010, MAT A BKA-2/33, Bl.

164 f.

5216) MAT A BKA-2/33, Bl. 241 ff. (243).

5217) Bericht des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministe-

rium des Innern vom 16. März 2010, MAT A BY-2/9g, Bl.
2854 ff. (2856).

5218) MAT A BY-2/3f, Bl. 35.

5219) MAT A BY-2/3f, Bl. 27 f.

Ein Informationsaustausch zwischen BKA und den

Dienststellen der Länder in der Česká-Mordserie fand
daraufhin nur noch anlassbezogen auf

Sachbearbeiterebene statt. Darüber hinausgehende Auf-

gaben wurden im BKA durch das Referat „Auswertung
Waffen- und Sprengstoffkriminalität, Gewaltkriminalität

(SO 11)“ im Rahmen der Zentralstellenfunktion wahrge-
nommen.

5220
20. Überlegungen im Hinblick auf die Ermitt-
lungen in einem möglichen 10. Mordfall

Neben den geschilderten Aufgaben führten Mitglieder der

Steuerungsgruppe Informationsveranstaltungen in den

von der Mordserie nicht betroffenen Bundesländern

durch.
5221

In Thüringen erfolgte beim Landeskriminalamt

in Erfurt am 3. April 2007 eine derartige Veranstaltung

vor Ermittlungsbeamten und Angehörigen der Einsatzleit-

stellen.
5222

Der Zeuge Hoffmann, der auf dieser Veranstal-

tung die Mordserie und die Handlungsanleitungen bei

Auftreten eines neuen Mordes vorstellte, hat ausgesagt,

dass er selbst im Landeskriminalamt in Erfurt gewesen

sei, außerdem in Magdeburg, um dort die Serie vorzustel-

len, die Kollegen zu sensibilisieren, nachgerade aufzufor-

dern, Erkenntnisse, die da sind, weiterzugeben. Von kei-

ner Seite habe er irgendeinen Hinweis bekommen, auch

nicht auf die Raubstraftaten, die von Fahrradfahrern be-

gangen worden sein sollen.
5223

Auf der Sitzung des Arbeitskreises II der Innen-

ministerkonferenz am 18. September 2007 wurde auch

über die Vorgehensweise bei Auftreten eines weiteren

Mordfalles in der Česká-Mordserie diskutiert. Durch die
Steuerungsgruppe wurden Maßnahmen festgelegt, etwa

das Festhalten an der bisherigen nationalen Zusammenar-

beitsstruktur und das Hochfahren des Personals der BAO

„Bosporus“. Daneben wurde Folgendes erklärt:

„Darüber hinaus ist gemeinsam eine Liste zu Per-
sonen erarbeitet worden, die im Falle eines weite-

ren Mordes, abgestuft nach deren strafprozessua-

len Taten, ad hoc mit entsprechenden Maßnahmen

überzogen werden sollten/können. Die Maßnah-

men staffeln sich von der einfachen Alibiüberprü-

fung bis hin zu konkreten operativen verdeckten

Maßnahmen. Auch das BKA hat dazu Personen

benannt. Allerdings bleibt festzuhalten, dass aktu-

ell bei keiner betroffenen StA ein Beschuldigter

eingetragen ist. Alle Verfahren laufen gegen Unbe-

kannt.“5224
5220) Kurzdarstellung des BKA zum Ermittlungsverlauf „Česká“

vom 11. August 2011, MAT A BKA-2/34, Bl. 172 f, Bl. 176

5221) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 10.

5222) Einladungsschreiben des LKA Thüringen vom 13. März 2007

mit Powerpoint-Präsentation, MAT B TH-3, Akte 2872-11-
2007 -mT, Bl. 0 ff.

5223) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 100.

5224) MAT A IMK-1/5 c, Seite 1761.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 601 – Drucksache 17/14600

In einer anderen Unterlage werden diese Listen mit dem

Terminus „Abpasslisten“ bezeichnet.5225

Der Zeuge Maurer hat auf Nachfrage nicht sagen können,

welche Maßnahmen das BKA damals gegen welche Per-

sonenkreise geplant hatte und ob diese Maßnahmen mit

der Amtsleitung abgestimmt wurden.
5226

Auch der Zeuge

Kindler hat ausgesagt, eine solche Liste nicht zu ken-

nen.
5227

VI. Rückblickende Bewertung der Ermittlun-
gen durch die Beteiligten

1. Organisation der Ermittlungen – Koordi-
nierung der polizeilichen Zusammenarbeit
durch eine Steuerungsgruppe

a) Bewertung im Erfahrungsbericht des Lei-
ters der BAO „Bosporus“

Der damalige Vorsitzende der Steuerungsgruppe und

Leiter der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, hat vor
dem Hintergrund seiner Erfahrungen mit dem Versuch,

komplexe Ermittlungen in einer Steuerungsgruppe zu

koordinieren
5228

, im Ausschuss betont:

„Es ist auf jeden Fall eine zentrale Ermittlungsfüh-
rung notwendig. Ich würde aber letztendlich offen

lassen, ob sie durch das BKA oder durch eine

Länderpolizei – allerdings dann mit Möglichkei-
ten, den anderen Ländern Weisungen zu erteilen –
eingerichtet werden könnte.“5229

Schon im „Erfahrungsbericht der BAO Bosporus“ aus
dem Jahr 2007 hat der Zeuge Geier die Schwierigkeiten

herausgestellt, die mit einer Steuerungsgruppe für eine

Ermittlungsführung verbunden sind: Einerseits sei ein

hoher Aufwand erforderlich und zum anderen gebe es im

Falle unterschiedlicher Auffassungen keine Möglichkeit

einer für alle verbindlichen Entscheidung. Dies kontras-

tierte der Zeuge Geier damals direkt im Anschluss aus-

drücklich mit der Feststellung, klare Hierarchie- und

Verantwortungsstrukturen seien Standardforderung aller

bundesweit geltenden Polizeidienstvorschriften.
5230

Der Zeuge Geier hat dazu in seinem Erfahrungsbericht

ausgeführt:

„Bei Tatorten in verschiedenen Bundesländern
stellt sich grundsätzlich die Frage der optimalen

Organisation. Im gegenständlichen Verfahren liegt

der Schwerpunkt mit fünf Tatorten in Bayern, eine
5225) MAT A HH-5/1a, Bl. 42 und 49.

5226) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 66 und 80.

5227) Kindler, Protokoll-Nr. 36, S.103.

5228) Dazu: Vermerk des KD Hoppe vom 30. Juni 2007, MAT A
BKA-2/27.013, Bl. 211.

5229) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 26.

5230) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff., 56.

zentrale Ermittlungsführung durch das BKA wurde

aus fachlichen Gründen verworfen.

Mit Fortsetzung der Serie im April 2006 in Dort-

mund und Kassel waren die Ermittlungseinheiten

von fünf Bundesländern und des BKA zu koordi-

nieren. Dazu wurde eine Steuerungsgruppe verein-

bart, die aus Leitungsbeamten der beteiligten Län-

der und des BKA besteht und die Ermittlungsstra-

tegie bestimmt. Vorsitzender der Steuerungsgrup-

pe ist der Leiter der BAO ‚Bosporus‘, alle Länder
bleiben für ihre Fälle zuständig und es gibt keine

Unterstellungsverhältnisse. Zusätzlich eingerichtet

wurden bei der BAO eine Geschäftsstelle für die

Steuerungsgruppe und eine ISA […].

Die mit dieser Regelung beabsichtigte Steuerung

und Koordination der Ermittlungen ist über perio-

dische Besprechungen und, falls nötig, enge tele-

fonische Abstimmung grundsätzlich praktikabel.

Allerdings ist damit zum einen ein hoher Aufwand

verbunden und zum anderen gibt es im Falle unter-

schiedlicher Auffassungen keine Möglichkeit einer

für alle verbindlichen Entscheidung.

Empfehlung:

Klare Hierarchie- und Verantwortungsstrukturen

sind Standardforderung aller bundesweit geltenden

Polizeidienstvorschriften. Eine dem § 4 BKAG

vergleichbare Regelung für eine zentrale polizeili-

che Ermittlungsführung durch eine Länderdienst-

stelle gibt es nicht. Abhängig von der Frage der

staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit und den

Regelungen der RiStBV sollte aber jedenfalls auf

Seiten der Polizei eine gesamtverantwortliche Lei-

tung mit den entsprechenden Kompetenzen be-

stimmt werden. In der Praxis wird zur Unterstel-

lung eigener Kräfte in den Verantwortungsbereich

eines anderen Bundeslandes regelmäßig eine Ent-

scheidung auf politischer Ebene erforderlich

sein.“5231

Neben den bereits oben genannten Überlegungen zur

Anwendung der Polizeisoftware EASy finden sich in dem

Erfahrungsbericht außerdem u. a. folgende Vorschläge

zur Vorgehensweise bei einem vergleichbaren Fall sowie

zur Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten:

– Eine dem § 4 BKAG vergleichbare Regelung für eine
zentrale polizeiliche Ermittlungsführung durch eine

Länderdienststelle fehlt. Eine gesamtverantwortliche

Leitung auf Seiten der Polizei sollte mit den entspre-

chenden Kompetenzen bestimmt werden.

– Dazu parallel sollte ein justizielles Sammelverfahren
und damit ein bundesweit zuständiger Staatsanwalt

geschaffen werden.

– Einrichtung einer landesweit einheitlichen Anwen-
dung der Spurenverwaltung.
5231) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff, 56.

Drucksache 17/14600 – 602 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Registrierung von Schusswaffen auf einer Waffen-
karte mit allen relevanten Daten zur Waffe und zum

Besitzer; Maßnahmen zur Gewährleistung der Über-

einstimmung registrierter Daten mit den tatsächlichen

Gegebenheiten (Vorlage der Waffe, Waffenbrief ana-

log zum Fahrzeugbrief). Aus kriminalpolizeilicher

Sicht sollten außerdem alle in polizeilichen Gewahr-

sam gelangten Waffen beschossen und so als potenti-

elle Tatmittel anderer Straftaten ausgeschlossen wer-

den – dazu müssten die aktuellen Vorschriften geän-
dert werden.

– Größere Einbindung von Polizeibeamten der in ei-
nem Verfahren hauptsächlich betroffenen Ethnie.

– Verlängerung der Speicherverpflichtungen.

– Einrichtung justizeigener zentraler Haftdateien für
jedes Bundesland, mit Auswertungsmöglichkeiten für

die Polizei.

– Einsatz von hauptamtlichen VP-Führern.5232

b) Bewertung durch andere Mitglieder der
Steuerungsgruppe aus den Tatortländern

Die Mitglieder der Steuerungsgruppe aus den Tatortlän-

dern haben die polizeiliche Zusammenarbeit in der Steue-

rungsgruppe durchweg positiv bewertet.

Der Vertreter der Dortmunder Polizei in der Steuerungs-

gruppe, der Zeuge Gricksch, hat folgende Bewertung

abgegeben:

„Die Zusammenarbeit war alles in allem gut. Jeder
konnte sich einbringen, und keiner musste sich da

irgendwelchen Mehrheitsvoten beugen. Wir haben

öfter kontrovers diskutiert. Es gab aber - und das

halte ich für normal - unterschiedliche Denkrich-

tungen, was die Täterlage anbetraf, und zwar eben

aus der Sicht der eigenen Fälle heraus. Ich habe

mich schwer damit getan, die Organisationstheorie

zu glauben, und andere haben sich schwer damit

getan, die Einzeltätertheorie zu glauben. Ich sage

Ihnen ganz ehrlich: Nachdem wir - darauf wurde

immer Wert gelegt - beide Richtungen gleicher-

maßen bedient haben, mit Daten, die wir erfasst

haben, um die Täter zu kriegen, war es mir letzt-

endlich gleichgültig. Ich wollte diese Täter be-

kommen.

Es ist also nie ein Streit gewesen. Es war tendenzi-

ell zu merken, dass das Bundeskriminalamt mehr

in Richtung Organisationstheorie war, und es war

eben auch ein bisschen zu merken, dass Kassel und

auch ich etwas mehr in Richtung Einzeltäter ten-

dierten. Aber wir haben unsere Arbeit gemacht,

und wir haben beide Theorien spurenmäßig kom-

plett abgearbeitet, weil jedem egal war, ob er recht
5232) MAT A BY-2/3e, Bl. 50 ff.

hatte oder nicht. Wir wollten nur, dass dieses sinn-

lose Morden aufhört.“5233

Der Vertreter der Hamburger Polizei, der Zeuge Schwarz,

hat die Arbeit der Steuerungsgruppe rückblickend positiv

bewertet. Die Arbeit von verschiedenen Landeskriminal-

ämtern und des BKA in einem Ermittlungsverfahren ohne

eine eindeutige Leitung mit Weisungsrecht sei etwas sehr

Besonderes gewesen. Er habe das als große Chance be-

griffen und auch als Beispiel für überregionale Ermitt-

lungseinheiten. Er hat weiter ausgeführt:

„Ein wichtiger Punkt, schon bei Einrichtung der
BAO, war natürlich auch die Frage des Weisungs-

rechtes durch einen Leiter. Das wurde so nicht

vereinbart - meines Wissens auf übergeordneter

Ebene; durch wen persönlich, weiß ich nicht -,

weil die Länder eigenständig ihre Tatorte grund-

sätzlich weiter ermitteln sollten und keinem Wei-

sungsrecht einer anderen Ermittlungsbehörde un-

terliegen sollten.

Für mich hat diese Arbeit gut funktioniert. Der

zwangsläufige Konsens, der jeweils erzielt werden

musste, um sich auf die Ermittlungsrichtungen

oder wesentliche Ermittlungsschritte zu einigen,

hat nach meiner Wahrnehmung dazu geführt, dass

insbesondere keine Ermittlungsmaßnahmen ausge-

lassen wurden, dass nichts negiert wurde oder aus-

fiel, weil es eine Minderheitenmeinung war. Ei-

gentlich wurden alle Ermittlungsschritte, die fach-

lich auch sehr kompetent und gutwillig und von

hoher Qualität in der Gruppe getragen wurden,

dann auch umgesetzt.

Es hat an mehreren oder an einzelnen Stellen […]
auch Diskussionen und Situationen gegeben, wo

sozusagen nicht alle einverstanden waren. Aber

schlussendlich wurde eigentlich solidarisch alles

getragen, was in dieser BAO erörtert und entschie-

den wurde. Also, insgesamt war es für mich ein

Faktor, der zu der Qualität der Arbeit und auch zur

Vollständigkeit der Arbeit beigetragen hat, dass

wir einen Konsens jeweils erzielen mussten und

dass es nicht eine Ermittlungseinheit gab, die die

Strategie und die Ermittlungsmaßnahmen vorge-

geben hat.“5234

Ähnliches hat der Vertreter des LKA Mecklenburg-

Vorpommern, der Zeuge Deisting, ausgesagt:

„Also, man muss, glaube ich, auch dazu sagen,
dass bundesweit das wohl sehr einzigartig war, so

eine Organisationseinheit dort auf die Beine zu

stellen. Die BAO ,Bosporus‘ hat entsprechende
Einsatzabschnitte gebildet. Sie war strukturiert.

Wir auf der zentralen Sachbearbeiterebene haben

uns regelmäßig getroffen und den Erfahrungsaus-

tausch auch länderübergreifend - - mit dem Ziel,
5233) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 14.

5234) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 66.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 603 – Drucksache 17/14600

länderübergreifende Ermittlungsansätze letztend-

lich dort festzustellen. Also, ich denke, dass dort

die Organisation durchaus geeignet war, letztend-

lich hier diese Arbeit auch erfolgversprechend

weiterführen zu können.“5235

Der Vertreter der Polizei in Kassel, der Zeuge Hoffmann,

hat die Arbeit der Steuerungsgruppe ebenfalls positiv

bewertet:

„Also, aus meiner Sicht hat die Art der Arbeit, die
wir dort durchgeführt haben, die Ermittlungen

nicht behindert. Sicherlich ist es schwierig für ei-

nen Polizeiführer, wie das für den Herrn Geier als

Leiter der BAO der Fall war, damit leben zu müs-

sen, dass die Vertreter aus den Ländern, wobei wir

in der Steuerungsgruppe eine relativ hochrangige

Besetzung und auch eine qualifizierte Besetzung

hatten, das, was gemacht werden sollte, einer kri-

tisch-konstruktiven Betrachtung unterzogen haben.

Das heißt, wir haben sehr wohl über die strategi-

sche Ausrichtung unserer Ermittlungen heftigst

diskutiert. Es ist sicherlich für jemanden, der allei-

ne das Sagen hat, leichter, Entscheidungen zu tref-

fen. Ich persönlich bevorzuge eine Beratung durch

ein Gremium, durch meine Mitarbeiter, um dann

zum Ergebnis zu kommen. Das hat aus meiner

Sicht sehr gut funktioniert. Das war vielleicht nicht

immer bequem für Herrn Geier, aber es war im

Ergebnis meines Erachtens ein guter Weg. Abge-

sehen davon, selbst wenn das Bundeskriminalamt

die Ermittlungen geleitet hätte, wäre es aus meiner

Sicht opportun und notwendig gewesen, die Län-

der zumindest als Länderabschnitte, so wie es ja

jetzt bei der BAO ,Trio‘ auch passiert war, mit
einzubinden. Von daher gesehen ist es nur eine

Frage: Wer hat tatsächlich den Hut auf, Bayern

oder das BKA?“5236

c) Bewertung durch das BKA

Von den vom Ausschuss gehörten Zeugen aus dem Bun-

deskriminalamt hat allein der Zeuge Ziercke die gewählte

Organisationsform auch im Nachhinein noch positiv be-

wertet. Nach seiner Einschätzung war diese geeignet, die

Mordserie möglicherweise zu stoppen oder die Täter zu

ermitteln.
5237

Er hat ausgeführt:

„Ich war mit dieser Organisation zufrieden, ja, ab-
solut. Ich war damit zufrieden.“5238

An anderer Stelle hat er dargelegt:

„Organisationen sind Schall und Rauch im Prinzip,
wenn die Menschen, die in den Organisationen ar-

beiten, nicht mit hoher Motivation ihre Arbeit er-

ledigen. Und wenn die Länder das Gesamtvolumen
5235) Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 127.

5236) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 17.

5237) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 20.

5238) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 14.

des BKA-Antrages nicht hundertprozentig über-

nehmen wollten, sondern das Angebot, eine Steue-

rungsgruppe einzurichten - unter Einbindung des

BKA, unserer Dateien im BKA, mit Zugriff auf

die EASy-Datei in Bayern -, und eine Steuerungs-

stelle eingerichtet haben, dann hat mir die Praxis

recht gegeben, und nicht Herrn Falk.“5239

Auf Nachfrage, was er mit der Praxis, die ihm recht gege-

ben habe, gemeint habe, hat er erklärt, die Dinge, die von

allen im Vorfeld der 180. IMK moniert worden seien,

seien im Nachgang zum Teil richtig umgesetzt wor-

den.
5240

Die auf der IMK getroffenen Entscheidungen in Bezug

auf die Steuerungsgruppe, die Informationsübermittlung

und die Auslobung haben nach Einschätzungen des Zeu-

gen Ziercke dazu geführt, dass es nach 2006 keinen Mord

mit rassistischem Hintergrund in der Serie mehr gegeben

habe. Hierzu hat er erklärt:

„Die Reaktion, die 2006 erfolgt ist, hat durchaus
Wirbel verursacht in der Szene. Und ich bin - das

ist meine Hypothese - davon überzeugt: Das ist mit

einer der wesentlichen Aspekte gewesen, warum

die Mordserie dann nachher, was den rassistischen

Ansatz anging, auch nicht weiter stattgefunden

hat.“5241

Sowie:

„Das heißt, wir haben eine Form gefunden […]
2006 im Konsens mit den Ländern, dass die Steue-

rungsfunktionen gebündelt worden sind, die Füh-

rungsfunktionen zentraler organisiert worden sind

und dass gleichzeitig eine Leitstelle eingerichtet

worden ist, dass 300 000 Euro ausgelobt worden

sind und dass man dem Ansatz der Fallanalyse -

Rechtsextremismus, Einzeltäter - nachgegangen

ist, mit dem Ergebnis, dass weitere Taten nicht

stattgefunden haben.“5242

Darüber hinaus hat er ausgeführt, dass, auch wenn das

BKA übernommen hätte, möglicherweise nicht die richti-

ge Ermittlungsrichtung gewählt worden wäre:

„Ich habe zum Ausdruck gebracht, dass das BKA
überwiegend auf der Spur war: Organisierte Kri-

minalität. Auch da hat uns die Wirklichkeit hinter-

her nicht recht gegeben. Wir wären in die Irre ge-

laufen möglicherweise.“5243

Der Zeuge Falk hat hingegen vor dem Untersuchungsaus-

schuss eine fachlich andere Einschätzung abgegeben. Er

hat ausgesagt, alle Aufklärungsbemühungen seien

„von Anfang an bis jetzt aus meiner Sicht -- und
das wörtlich -- kriminalfachlich stümperhaft orga-
5239) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 15.

5240) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 30.

5241) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 13, ähnlich S. 20, S. 34.

5242) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 13, ähnlich S. 20, S. 30.

5243) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 16.

Drucksache 17/14600 – 604 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nisiert worden. Ich sehe das auch heute noch

so.“5244

In einem nach seiner Vernehmung an den Untersuchungs-

ausschuss gerichteten Schreiben hat der Zeuge Falk klar-

gestellt, dass er seine Aussage „kriminalfachlich stümper-
haft“ ausschließlich auf die bis dahin zur Aufklärung der
Mordserie praktizierte, dezentralisierte (Organisations-)

Form der Zusammenarbeit bezogen habe.
5245

Auf Vorhalt dieser Aussage des Zeugen Falk hat der

Zeuge Ziercke erklärt, dass seine fachliche Einschätzung

von der seines damaligen Vizepräsidenten abweiche.
5246

Der Zeuge Falk hat es als nicht entscheidend bezeichnet,

ob die Ermittlungen dem BKA oder einem LKA übertra-

gen werden.
5247

Entscheidend sei, wer weisungsbefugt

sei.
5248

Grundsätzlich sei er aber der Überzeugung, dass

das BKA es am ehesten und mit dem längsten Atem ge-

konnt hätte. Es gebe keinen Automatismus, sondern eine

Tendenz: Je überregionaler oder internationaler ein sol-

cher Fallkomplex angelegt sei, desto mehr mache es Sinn,

sich über die Ebene der Landeskriminalämter hinaus zu

begeben.
5249

Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Hoppe, der Mitglied in

der Steuerungsgruppe war, ausgeführt, dass er noch heute

eine zentrale Ermittlungsführung in Gänze für sinnvoll

halte. Die gewählte Lösung – Steuerungsgruppe – sei aus
seiner Sicht nicht die optimalste gewesen.

5250
Man habe

aber die Steuerungsgruppensitzung und die Untergremien

wie die Sachbearbeitertagung intensiv genutzt, um die

Informationen, die es auszutauschen gegolten habe, auch

auszutauschen. Insofern habe man versucht, das aufzu-

fangen, was vielleicht mit einer einheitlichen Organisati-

on einfacher, leichter gewesen wäre, aber ohne Garantie,

dass der Fall dadurch aufgeklärt worden wäre.
5251

Der im Jahr 2006 für die Ermittlungen im BKA in der

Mordserie zuständige Abteilungsleiter, der Zeuge Mau-

rer, hat ausgesagt, er sei überzeugt davon, dass zum da-

maligen Zeitpunkt ein zentralistischer Vorgang richtig

gewesen wäre.
5252

Man habe die aufwendigere Organisa-

tionsform gewählt.
5253

Der Lenkungskreis sei schwerfällig

gewesen. In der Essenz habe dies aber nicht dazu geführt,

dass irgendeine Spur oder irgendein Ermittlungsansatz

nicht abgearbeitet worden sei.
5254

Probleme auf Arbeits-

ebene seien auch deshalb entstanden, weil das BKA mit

unterschiedlichen Personen an den Lenkungsausschusssit-
5244) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 7, siehe auch S. 13.

5245) Falk, Ergänzungen vom 26. Juni 2006 zum Protokoll-Nr. 19,

MAT B Z-11.

5246) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 15.

5247) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 17; S. 44.

5248) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 17; S. 44.

5249) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 17.

5250) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 8.

5251) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 8.

5252) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 16.

5253) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 17.

5254) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.

zungen beteiligt gewesen sei.
5255

Aus heutiger Sicht wür-

de er in einem vergleichbaren Fall jedoch vorschlagen,

eine Besondere Aufbauorganisation unter Leitung des

Bundeskriminalamtes im BKA einzurichten, wie dies bei

der Einrichtung der BAO „Trio“ im Jahr 2011 geschehen
sei.

5256
Einen Zwang zur Zentralisierung auf Bundesebene

sehe er dabei nicht. Denkbar sei auch, eine große BAO

z. B. in Nürnberg mit Einsatzabschnitten einzurichten,

unter anderem für das BKA zur Durchführung ergänzen-

der struktureller OK-Ermittlungen.
5257

d) Bewertung durch das BMI

Der damalige Bundesinnenminister, der Zeuge Dr. Wolf-

gang Schäuble, hat erklärt, selbst wenn ihm 2006 der

Vorschlag, die zentralen Ermittlungen des BKA nach

§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG anzuordnen, gemacht

worden wäre, hätte er ihn abgelehnt. Auch heute noch

entspreche dies nicht seinem Verständnis von Zusammen-

arbeit und sachdienlicher Polizeiarbeit.
5258

Die bessere

Lösung als eine Zuweisung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

BKAG erscheine ihm, dass sich Bund und Länder auf ein

gemeinsames Vorgehen einigten.
5259

Das Ergebnis von

Garmisch-Partenkirchen sei das richtige Ergebnis gewe-

sen.
5260

Demgegenüber hat der damalige Staatssekretär im Bun-

desministerium des Innern, der Zeuge Dr. Hanning er-

klärt, aus heutiger Sicht halte er es für vernünftig, wenn

damals eine zentrale Ermittlung durch das BKA stattge-

funden hätte.
5261

Er hat erklärt:

„Wissen Sie, das berührt so einige grundsätzliche
Fragen. Ist es wirklich besser, wenn alles zentral

ermittelt wird, oder ist es nicht klüger, es auch bei

den Ländern zu lassen, die die größten Erfahrun-

gen im Ermittlungsbereich haben? Das BKA ist im

Ermittlungsbereich nicht sehr stark, […]. Das ist
so meine Erfahrung.“5262

„Der Schwerpunkt der Ermittlungskompetenz in
diesem Lande liegt bei den Ländern, nicht beim

Bundeskriminalamt. Also, man kann auch nicht

kurzschlüssig sagen, in dem Augenblick, wo alles

zentral ermittelt wird, haben wir von vornherein

sichergestellt, dass dann auch mit sehr viel mehr

Niveau und hoher Qualität und damit auch höheren

Erfolgsaussichten ermittelt wird. Das ist überhaupt

nicht der Fall, nein.“ 5263
5255) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 18.

5256) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.

5257) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.

5258) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 2.

5259) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 16.

5260) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 16.

5261) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.

5262) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.

5263) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 605 – Drucksache 17/14600

„Wenn das BKA selbst der Meinung ist, dass es
das macht, hätte ich das unterstützt, selbstverständ-

lich. Aber ich hätte schon dann auch gefragt: Wie

macht ihr das denn? Habt ihr auch die Ressourcen?

Denn ich habe in dem Sauerland-Fall dann erleben

müssen, dass die Ressourcen des BKA sehr be-

grenzt waren und sehr beschränkt waren. Und ob

die das dann so besser hinbekommen hätten - ich

weiß es nicht. Im Nachhinein sprach vieles dafür,

das dem BKA zu übertragen. […] Und ideal wäre
gewesen, wenn das BKA sozusagen alle Informa-

tionen gesammelt hätte, gemeinsam bewertet hätte

und die Länderbehörden dann weiter ermittelt hät-

ten, dass man den Schwerpunkt da gemacht hätte.

Das wäre vernünftig gewesen.“5264

Als eine weitere Ursache, warum im Verlauf der Ermitt-

lungen in einzelnen Fällen vorschnelle Festlegungen

einem erfolgreichen Handeln im Wege stehen können, hat

der Zeuge Dr. Hanning ausgeführt, dass dies ein typisches

Problem von Apparaten sei. Einmal gebildete Meinungen

müssten nach außen vertreten werden und Gegenmeinun-

gen würden unter den Tisch fallen:

„Also, Apparate neigen dazu, eine homogene Mei-
nung zu haben - das erwarten in gewisser Weise

Ministerien ja auch -, und Zweifelsfälle werden

dann gar nicht hochgebracht und werden dann

nicht angemessen gewürdigt und kommen dann

gar nicht zur Kenntnis der Entscheidungsträger.

Grundproblem von Apparaten, ja, lösbar, aber mit

einigem Aufwand verbunden.“5265

Um auch Gegenmeinungen zur Kenntnis der Entschei-

dungsträger zu bringen setze er im Diskussionsprozess

auf die Besetzung des „Advocatus Diaboli“.5266

2. Gründe für die Nichtaufklärung der Mord-
serie

Der Zeuge Ziercke hat ausgesagt, nach seiner Überzeu-

gung liege ein zentrales Versäumnis darin, dass, wie die

Schäfer-Kommission in ihrem Gutachten festgestellt

habe, die Behörden auf Bundesebene nicht über die In-

formationen zum Trio verfügt hätten, die den lokal zu-

ständigen Behörden (Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringen und Landeskriminalamt Thüringen) vorgelegen

hätten. Hierdurch sei es nicht gelungen, auf Bundesebene

eine entsprechende Lagebewertung vorzunehmen und

entsprechende Ermittlungsansätze zu generieren.
5267

Nach Auffassung des Zeugen Ziercke habe die Nichtauf-

klärung der Mordserie ihre Ursache darin, dass es der

Polizei trotz umfangreicher Arbeit nicht gelungen sei, den

richtigen Ansatz für den erfolgreichen Abschluss der

Ermittlungen zu finden. Es habe kaum verwertbare Spu-
5264) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.

5265) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 42.

5266) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 42.

5267) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4.

ren an den Tatorten gegeben; auch direkte Tatzeugen habe

es nicht gegeben und die Zeugen in Tatortnähe hätten nur

wenig belastbare Informationen gebracht. Bei den zahl-

reichen im Laufe der Jahre bei der Polizei eingegangen

Spuren habe es sich um Trugspuren gehandelt. Auch die

Rasterfahndungen hätten nicht den gewünschten Erfolg

gebracht, zumal es schwer gewesen sei, überhaupt geeig-

nete Raster an die Daten zu legen.
5268

Zudem habe es

weder eine öffentliche Bekennung,
5269

noch eine

Bekennung durch die Täter innerhalb der rechten Szene

gegeben.
5270

Aufgrund der Totallegende, die sich das Trio

gegeben habe – durch BahnCard, Kreditkarten, Gesund-
heitskarten, Ausweispapiere etc. – , wäre man bei einer
Abfrage der eigenen Systeme nie auf Böhnhardt, Mundlos

oder Zschäpe gekommen, weil immer die herausgekom-

men wären, die auf Ausweispapieren standen.
5271

Der Zeuge Falk hat als Grund für die unterbliebene Auf-

klärung der Taten vorrangig das Fehlen verbindender

Informationen bezeichnet:

„So wie ich das auch aus heutiger Sicht sehe, ha-
ben die verbindenden Informationen schlicht und

einfach gefehlt: die verbindenden Informationen

[…] zwischen Köln und den Česká-Morden, wenn
man jetzt von diesen erörterten Fahrrädern mal ab-

sieht. Es hat die Verbindung gefehlt von den

Česká-Morden zu abgetauchten Rechtsextremisten
aus dem Jahre 1998 […]. Es hat keine Informatio-
nen gegeben, die auf diese Brücke, auf diesen Brü-

ckenschlag hingedeutet hätten. Das ist für mich der

entscheidende Faktor.

Ich sehe natürlich Mängel - das habe ich ja deut-

lich gemacht - in der Aufstellung, wie der Fall

konkret angegangen worden ist von Polizei und

Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, so-

weit sie im Hintergrund beteiligt waren. Ob diese

Mängel in der Organisationsform ausschlaggebend

dafür gewesen sind, dass dieser Brückenschlag

nicht gelungen ist, kann ich nicht beurteilen. Ich

sehe das im Augenblick aber nicht. Ich meine

wirklich aus voller Überzeugung: Es haben diese

verbindenden Informationen gefehlt, die uns dahin

gelenkt hätten.“5272

Der Zeuge Ziercke hat darüber hinaus erklärt, die Archi-

tektur des Sicherheitsföderalismus habe insgesamt ver-

sagt. Man hätte sich bereits Anfang der 90er-Jahre dazu

durchringen müssen, den gewalttätigen Rechtsextremis-

mus durch Bündelung aller Kräfte von Bund und Ländern

zentral zu bekämpfen. Die Anschläge von Mölln,

Hoyerswerda, Lübeck, Solingen und Rostock hätten eine

viel intensivere Debatte zum Phänomenbereich Rechtsex-

tremismus, zur Sicherheitsarchitektur sowie zur Umset-
5268) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4 f.

5269) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 4 f.

5270) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 5 .

5271) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 48.

5272) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 44.

Drucksache 17/14600 – 606 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zung von organisatorischen Maßnahmen auslösen müs-

sen.
5273

Bereits damals hätte man ein Gemeinsames Abwehrzent-

rum Rechts einrichten müssen. Das, was heute gemacht

werde,

„dass wir 40 Sicherheitsbehörden […] täglich zu-
sammenführen, dass die dort in der Zeit, in der die

dort jetzt zugange sind, schon 670 Fälle gemein-

sam erörtert haben, über die Ländergrenzen hin-

weg mit den Bundesbehörden, das hat es vorher

nie gegeben in Deutschland. Das ist für mich der

zentrale Punkt. Und das ist Informationsbündelung

an einer Stelle. Das hätten wir in den 90er-Jahren

machen müssen.“5274

Auch der Zeuge Maurer hat bemängelt, dass vor der Er-

richtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechts kein

Zwang zur Kommunikation der Beteiligten bestanden

habe.
5275

Darüber hinaus hat er Probleme im Informati-

onsmanagement beklagt. Es gebe keine definierte Daten-

anwendung, die es ermögliche, dass dezentral in Vor-

gangsbearbeitungssystemen einerseits eingestellt und zum

anderen recherchiert werden könne.
5276

Der Zeuge Maurer hat ausgesagt, das BKA habe im

Rahmen des übernommenen Ermittlungsauftrages alles

getan, wobei sich aber die Frage stelle, ob dieser Ermitt-

lungsauftrag ausreichend breit gewesen sei. Er hat ausge-

führt:

„Das heißt, die Spuren, die wir bearbeitet haben im
BKA, die die Kollegen im Rahmen der ergänzen-

den strukturellen Ermittlung bearbeitet haben, sind

sauber, professionell, zutreffend bearbeitet wor-

den. Ob der Ansatz, der gewählt wurde, ausrei-

chend breit war: Da muss man drüber nachdenken,

womit das zusammenhängt, dass Polizei und

Staatsanwaltschaften sich unter Umständen zu früh

vom Gegenstand der Untersuchung her beschrän-

ken und begrenzen lassen. Die Frage muss gestellt

werden, ja.“5277

Dessen ungeachtet hat der Zeuge Maurer vor dem Aus-

schuss jedoch die Vermutung geäußert, dass auch bei

einer – von ihm ausdrücklich befürworteten – Übernahme
des Gesamtverfahrens durch das BKA der Fall nicht auf-

geklärt worden wäre.
5278

Er sei davon zutiefst überzeugt,

nachdem er die Fakten kenne, die im Wissen um die Tä-

tereigenschaft Böhnhardts, Mundlos und Zschäpes eine

Rolle spielen würden.
5279

Im Wissen um das Ergebnis der

heutigen Ermittlungen des BKA komme er zu dem Er-

gebnis:
5273) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 2.

5274) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 22.

5275) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 49.

5276) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 49.

5277) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 8.

5278) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 70.

5279) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 70 f.

„Wir wären richtig unterwegs gewesen, aber ohne
dass es uns gelungen wäre, die Personen zu fin-

den.“5280

Auf die Frage, ob man nicht bei intensiver Nachfrage bei

allen in Betracht kommenden Behörden in Bezug auf eine

radikale rechtsextremistische Ausrichtung – auch bei den
Landesämtern für Verfassungsschutz und dem BfV –, auf
das Trio hätte kommen können, hat der Zeuge Maurer

ausgeführt, dass man die Handlungsoptionen bezogen auf

die Ereignisse in den Jahren 1995, 1998 bis 2003 unab-

hängig von den Handlungsoptionen im Jahr 2006 sehen

müsse.

„Bezogen auf die Ereignisse 95, 98 bis 2003 hat es
eine Vielzahl von Optionen geben, abgetauchte

Straftäter ausfindig zu machen. Das waren aber

keine Mörder, die abgetaucht waren, sondern es

waren Personen, in deren Garage Sprengstoff ge-

funden wurde. Da gab es Optionen.“5281

Nach Angaben des Zeugen Maurer habe es im Jahr 2006

keine Optionen für das BKA mehr gegeben, nach dem

Trio zu suchen. Nach seiner Einschätzung würde das

BKA die Mordserie auch bei einer Gesamtübernahme im

Jahr 2006 nicht aufgeklärt haben,
5282

„weil nach diesen Personen ist nicht mehr gesucht
worden. Das heißt, wenn ich realistisch und seriös

das beurteile, muss ich sagen: Was waren die Op-

tionen 2006? Und da komme ich nicht von konkret

überprüfbaren Dingen, sondern von theoretisch zu

präzisierenden Hypothesen. Das heißt, wir hätten

einen Strang in 2006 auflegen können, ohne zu

wissen, nach wem wir suchen: Lass uns mal su-

chen nach Abgetauchten, aus welchen Gründen

auch immer die abgetaucht sind.

Jetzt mein nächstes Argument: Wen hätten wir de-

finiert als abgetaucht? Denjenigen, nach dem ge-

sucht wird - nicht der potenziell verschwunden ist,

getötet ist, nicht mehr da ist. Nach dem hätten wir

nie gesucht. Wir hätten immer nur nach denen ge-

sucht, nach denen auch per Haftbefehl gesucht

wurde. Das wäre aber 2006 nicht mehr der Fall

gewesen.

Was ich doch nur versuche, klarzumachen, ist, wie

systematisch Arbeit aussieht und dass es selbst ret-

rograd nicht möglich ist, zu sagen: Die wären uns

ins Visier gelaufen. - Dabei bleibe ich, dass das

nicht der Fall war. Was ich nicht sage, ist, dass es

in diesem ganzen Kontext unterschiedlicher Er-

mittlungskomplexe nicht dennoch Optionen gege-

ben hätte, erfolgreich zu sein. Aber Sie haben das

jetzt verwoben in einer Art und Weise, die uns

dann den Blick verstellt, was wir heute wissen und

was heute möglich ist und was damals gewusst
5280) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 73.

5281) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 74.

5282) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 72.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 607 – Drucksache 17/14600

wurde und was möglich war. Bis 2003 hat es viele

Optionen gegeben. Die waren nach 2003 verschüt-

tet.“5283

Als Beispiel dafür, wie das BKA vorgegangen wäre, hat

der Zeuge Maurer ausgeführt:

„Wir hätten überlegt, welche Grundhypothesen es
für eine Täterschaft, von wem auch immer, geben

könnte. Eine Option darin wäre irgendwann - ne-

ben dem reisenden Handelsvertreter, der Men-

schen umbringt - gewesen: Es könnte doch sein,

dass Straftäter, die abgetaucht sind, als Täter infra-

ge kommen. - Dann hätten wir Projekte aufgelegt,

massiv Daten erhoben, hätten versucht, diese Da-

ten zu ermitteln.“5284

In den eigenen Dateien wäre man dabei aber nach Ein-

schätzung des Zeugen Maurer nicht weitergekommen.

„Und dann hätten wir das ein Jahr durchgehalten.
Und selbst in dem Jahr wären wir noch zu keinem

Ergebnis gekommen. Warum? Wir haben im

Nachgang jetzt der Ermittlungen Erhebungen zu

den Massendaten gemacht, die erhoben wurden im

Zusammenhang mit den Ermittlungen „Bosporus“.
Da sind wir auf einen Treffer gestoßen. Wir hätten

jetzt, ohne zu wissen, nach was wir genau suchen,

ein Projekt gefahren und gesagt: Wir setzen Fahn-

dungskommandos ein; die suchen nach 100, 200

denkbaren Personen. - 2006 wäre das gewesen.

2006 wären wir niemals mehr dazu übergegangen,

einen Vorgang als abgetauchten Straftäter zu be-

trachten von Personen, wo das Verfahren seit 2003

eingestellt war. Das hätten wir nicht gemacht. Das

ist nämlich ein Schritt, der über Abtauchen eines

Straftäters geht, nach dem noch gesucht wird. Das

hätten wir nicht gemacht. Das weiß ich, dass wir

das nicht gemacht hätten, weil wir irgendwo selek-

tiert hätten. Das heißt, wir hätten sehr systematisch

in bestimmten Bereichen Erhebungen angestellt,

sehr aufwendig.
5285

Nächster Punkt, was wir gemacht hätten: Wir hät-

ten natürlich Informationserhebung betrieben, be-

zogen auf den Personenkreis, mit dem wir uns be-

schäftigt haben: Anfragen bei allen Behörden,

nicht nur München, Nürnberg, sondern alles. So.

Wären wieder Daten entstanden. Wir hätten uns

damit beschäftigt über längere Zeiträume zu einem

Zeitpunkt, wo der letzte Mord bereits geschehen

war, weil danach gab es keine Morde mehr.“5286
5283) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 74.

5284) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 71.

5285) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 71.

5286) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 71.

3. Einschätzung eines Handlungsbedarfs
beim BKA-Gesetz

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob aus Sicht

der Zeugen ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf be-

steht, die Vorschriften für die Übernahme zentraler Er-

mittlungen – sei es durch das BKA oder durch eine Län-
derpolizei – zu ändern, um die Voraussetzung zu schaf-
fen, dass mit der Mordserie vergleichbare Fälle in Zu-

kunft zeitnah und sachgerecht aufgeklärt werden können.

Der ehemalige Vizepräsident des BKA, Falk, hat die

vorhandenen gesetzlichen Regelungen als grundsätzlich

ausreichend bezeichnet
5287

und hinsichtlich der Gesetzes-

lage keinen Änderungsbedarf gesehen.
5288

Das BKA habe

eben kein Evokationsrecht, um Verfahren an sich zu zie-

hen.
5289

Es gebe gute Gründe für die geltende Kompe-

tenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Polizeian-

gelegenheiten. In der Bilanz habe man mit den vorhande-

nen Regelungen auch sehr gute Erfahrungen gemacht.
5290

Er hat ausgeführt:

„Ich glaube auch, dass das von der Gesetzeslage
her alles so geregelt ist, dass man in jedem

Fall […] zu einer sachgerechten Entscheidung
über eine solche Kompetenzfrage kommen

kann.“5291

Er hat eingeräumt, dass ein solches Ergebnis nicht immer

erzielt werde und dies folgendermaßen erklärt:

„Das Ganze ist natürlich auch auf Konsens ange-
legt. Es geht nicht, ohne dass man sich miteinander

verständigt, und zwar nicht unter dem Aspekt der

Eitelkeit oder des Konkurrenzverhaltens, sondern

eben unter sachlichen Gesichtspunkten: Wer kann

was am besten und hat dazu auch die nötigen Be-

fugnisse? Das ist natürlich die wichtige Grundla-

ge.“

In aller Regel funktioniere dies auch. Als Beispiel dafür

hat er die Terrorismusermittlungen zur Sauerland-Gruppe

angesprochen. In diesem Fall seien die Länder – anders
als bei der Česká-Mordserie – bereit gewesen, dem BKA
über Monate hinweg ihre Kräfte zu unterstellen.

5292
Der Zeuge Ziercke wurde nach seiner Beurteilung einer

Regelung für eine zentrale Ermittlungsführung des BKA

für bestimmte schwere Verbrechen – etwa gegenüber
Migranten in bestimmten Deliktsfeldern – befragt. Hie-
rauf hat er ausgeführt:

„Bei der derzeitigen Konstruktion des Föderalis-
mus kann ich mir das schwer vorstellen. Man kann

versuchen, zu Lösungen zu kommen, weil letztlich

immer die Justiz das entscheidende Wort hat. Bei
5287) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 42.

5288) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 44.

5289) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 44.

5290) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.

5291) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.

5292) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 20.

Drucksache 17/14600 – 608 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mehreren Taten, bei mehreren Tatorten müssen die

Generalstaatsanwaltschaften zusammenkommen.

Die müssen bereit sein - - Die müssen bereit sein,

diesen Weg mitzugehen. Das hängt auch mit dem

gesetzlichen Richter zusammen. Auch daran müs-

sen Sie dann denken. Und letztlich müsste man

dann im Bundeskriminalamt, wenn man das so

machen wollte, ja, ein Entscheidungsgremium

wahrscheinlich installieren, das sich dann mit den

Ländern darüber unterhält, ob das der richtige und

geeignete Weg ist oder nicht.“5293

Gleichwohl sei dies ein gangbarer Weg. Das BKA habe ja

auch andere Zuweisungen bekommen, etwa im Bereich

des internationalen Terrorismus oder der Drogenkrimina-

lität oder der Wirtschaftskriminalität, obwohl das BKA

dort nicht alles bearbeite und auch nicht alles an sich

ziehen könne.
5294

Der eigentliche Punkt beim An-Sich-Ziehen der Ermitt-

lungen durch das BKA sei aber:

„Ich brauche also eine Informationsbasis, dass ich
selbst in der Lage bin, so stark aufzutreten, dass

ich sage: Ich weiß es jetzt alles besser, und dann

machen wir das von [der] Bundesebene aus. […]
Das ist das Problem bei solchen Sachen, gerade bei

Mordermittlungen. Sie wissen auch […], dass man
dort die Nähe […] haben muss, zum Milieu, wenn
Sie so wollen, zur Region, dass dort unglaublich

viele Einzelspuren überprüft werden müssen, und

dann viele Alibis überprüft werden müssen. Das

können Sie zentral nicht leisten. Dann müssten Sie

über den nächsten Schritt möglicherweise nach-

denken und sagen: Das BKA muss vielleicht Au-

ßenstellen haben in den Ländern, eigene Infor-

mationserhebungen machen können.“5295

Der Zeuge Maurer hat erklärt, er halte auch eine zentrale

Gemeinsame Ermittlungsgruppe, besetzt aus Bund und

Ländern, mit klarer Weisungsbefugnis für eine Option.
5296

Das habe man auch bei der Einrichtung der BAO „Trio“
so gemacht und werde genau dies beim nächsten Mal

wieder machen.
5297

Dabei spiele es keine Rolle, ob die Führung beim BKA

oder in einem Land liege. Er hat ausgeführt:

„Der natürliche Weg ist: Zentralisierung; wenn es
auf Landesebene geschieht, das in einem Landes-

kriminalamt zu machen, wenn es auf Bundesebene

geschieht, das beim Bundeskriminalamt zu ma-

chen. Einen Zwang dazu gibt es nicht. Zentralisie-

rung ist auch dezentral herstellbar. Das heißt, es ist

auch denkbar, dass eine große BAO in Nürnberg

geführt wird mit Einsatzabschnitten, unter ande-
5293) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 23.

5294) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 23 f.

5295) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 24.

5296) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 74.

5297) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.

rem Einsatzabschnitt BKA zur Durchführung von

ergän zenden strukturellen OK-Ermittlungen.

Selbstverständlich ist das denkbar.“5298

Auf die Frage, ob er es für sinnvoll halte, wenn gesetzlich

vorgeschrieben würde, dass es zumindest eine Zentralisie-

rung der Ermittlungen geben sollte, hat der Zeuge Maurer

dargelegt:

„Ich glaube, dass die Optionen des BKA-Gesetzes
heute schon ausreichen. […] Was aber nicht aus-
reichend ist aus meiner Sicht, sind denkbare Evo-

kationsrechte für eine zentrale Staatsanwaltschaft.

Diese zentrale Staatsanwaltschaft könnte der Ge-

neralbundesanwalt sein. Dann lösen sich Folge-

probleme automatisch. Für den Generalbundesan-

walt wäre es letztlich gleichgültig, wenn er als

Staatsanwaltschaft die Sachherrschaft hat, wo ein

Vorgang zentral bearbeitet wird.

Die Formen der denkbaren Kooperationen, die

sind im BKA-Gesetz geregelt. Wir können Dinge

zusammenpacken, anregen, dass man das an uns

übergibt oder dass das an einer zentralen Stelle im

Land gemacht wird. Das ist ausreichend. Da

braucht es nicht eine gesonderte Zuständigkeit, die

dann wieder zu diskutieren wäre. Was viel wichti-

ger ist aus meiner Sicht, ist, dass es eine justizielle

Instanz gibt, die sagt: Ich kann mir so einen Vor-

gang ranziehen, ihn prüfen und dann entscheiden,

ob ich das Bundeskriminalamt beauftrage oder ein

Landeskriminalamt. - Also, das hielte ich nach den

Erfahrungen, die wir jetzt in dem Kontext gemacht

haben, für zielführender.“5299

Dem Zeugen Maurer ist vorgehalten worden, dass den

Akten zu entnehmen sei, dass der Generalbundesanwalt

lediglich über Zeitungswissen von der Mordserie infor-

miert wurde und dass in Bayern diskutiert worden sei,

dass wenn auf einen politischen Hintergrund hingewiesen

werde, der Generalbundesanwalt möglicherweise über-

nehme.
5300

Hieran hat sich die Frage angeschlossen, ob

ein Konkurrenz- und Rivalitätsdenken bei der Abgabe

von Verfahren üblich sei. Der Zeuge Maurer hat darauf-

hin ausgesagt:

„Konkurrenz ist üblich. Aber genau das Beispiel,
[…], das Sie angesprochen haben, das würde die-
ses Evokationsrecht lösen. Egal, was irgendjemand

denkt: Entweder die zu beschreibende Schwer-

punktstaatsanwaltschaft, Zentralstaatsanwaltschaft

hat eine Möglichkeit, oder der GBA hat eine Mög-

lichkeit. Dann kommt es zu diesen Diskussionen

nicht. Da geht es nicht mehr um die Frage: Sind da

Konkurrenzsituationen, die mir nicht gefallen?“5301
5298) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.

5299) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.

5300) Einzelheiten zur Frage der Übernahme durch den GBA siehe

F.VII.3.b)bb).

5301) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 76.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 609 – Drucksache 17/14600

Nach Einschätzung des Zeugen Maurer bedarf es bei

einer einheitlichen Polizeiführung auch einer einheitli-

chen staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit. In der

Česká-Mordserie sei auch deshalb zu keiner Zeit ein Vor-
schlag diskutiert worden, die BAO „Bosporus“ mit klaren
Weisungsrechten bezüglich der Gesamtermittlungen aus-

zustatten. Dazu hat er ausgeführt:

„Im Gegenteil: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg
hat gesagt: Wir übernehmen, weil wir eine Lan-

desstaatsanwaltschaft sind, fünf Fälle in Bayern,

aber wir übernehmen die anderen vier Fälle nicht. -

Vor welchem Hintergrund hätte denn eine BAO in

Nürnberg organisatorisch mit diesen Umständen in

einer Leitungsstruktur zurechtkommen sollen? So

ein Beispiel habe ich bisher noch nie gesehen, dass

es eine einheitliche Polizeiführung vielleicht gäbe,

aber dann immer noch fünf Staatsanwaltschaf-

ten.“5302

Der Zeuge Dr. Hanning hat ausgeführt, es stelle sich die

grundsätzliche Frage, ob es wirklich besser sei, wenn alles

zentral ermittelt werde, oder ob es nicht klüger sei, die

Ermittlungen auch bei den Ländern zu belassen, die die

größten Erfahrungen im Ermittlungsbereich hätten. Das

BKA sei nach seiner Erfahrung im Ermittlungsbereich

nicht sehr stark.
5303

Er hat darüber hinaus dargelegt, dass, wenn bei jedem

länderübergreifenden Vorgang eine Zuständigkeit des

BKA begründet würde, das BKA erheblich ausgebaut

werden müsste:

„Das kann das BKA in dieser Struktur nicht leis-
ten. Ich finde, in solchen Fällen müsste man über-

legen, ob das BKA dann von einer Staatsanwalt-

schaft beauftragt wird. Das geht ja in der Praxis

auch relativ problemlos. Dann hat man jedenfalls

ganz klare Zuständigkeitsabgrenzungen. Oder man

muss eben, wenn man das innerhalb der Länder

betreibt, eine klare Federführung festlegen, und da

gibt es natürlich ein Problem, und das ist das In-

formationsmanagement. […] Und ein Grundprin-
zip ist, dass derjenige, der ermittelt, der die ermitt-

lungsleitenden Entscheidungen trifft, alle Informa-

tionen haben muss, und daran fehlt es häufig. Also,

man muss im Grunde ein Management erreichen -

und dann spielt es letztlich keine entscheidende

Rolle mehr, ob es das BKA ist oder ob es dann ein

Land ist -, dass derjenige, der für die Vermittlung

verantwortlich ist - - Aber es beginnt schon damit:

Es muss einer verantwortlich sein; damit beginnt

es schon. Wer verantwortlich ist, der muss alle In-

formationen haben.“5304

Man könne sagen: „Wer die Verantwortung hat, muss das
Sagen haben und die Informationen“ und er hat fortge-
führt:
5302) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 75.

5303) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 49.

5304) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 19.

„und dann müssen die anderen auch verpflichtet
sein, die Informationen zur Verfügung zu stellen.

Und es gibt inzwischen Software, es gibt IT-

Strukturen, wo Sie das ohne Weiteres können, wo

alle Informationen eingestellt werden können, so-

dass das greifbar ist, abgreifbar ist von demjeni-

gen, der die Verantwortung trägt. So muss man das

organisieren, und das kann man auch organisie-

ren.“5305

Der Zeuge Dr. Schäuble hat auf die Frage, ob er aufgrund

seiner langjährigen Erfahrung in Bezug auf § 4 BKAG

Reformbedarf sehe, weil dieser sich in der Praxis als

„Papiertiger“ erweise, geantwortet:

„Ich kann mir die Sicherheitsarchitektur anders
vorstellen. Ich würde mir wünschen, dass die Zu-

sammenarbeit besser ist, dass sich die beteiligten

Behörden nicht in erster Linie mit Zuständigkeits-

fragen beschäftigen, sondern mit einer optimalen

Aufgabenerledigung, natürlich im Rahmen. Der

Rechtsstaat hat bestimmte Prinzipien seiner Zu-

ständigkeit.

Aber die Realität ist so, wie sie ist, und deswegen

ist es allemal so, wie unsere Lage heute ist, auch

die Rechtslage und die tatsächliche Verteilung.

[…] Eines der tragenden Prinzipien unseres
Grundgesetzes ist der kooperative Föderalismus,

nämlich dass man - - der Grundsatz bundesfreund-

lichen Verhaltens, der übrigens ein gegenseitiger

ist: der Bund gegenüber den Ländern und die Län-

der gegenüber dem Bund. […] Vor diesem Hinter-
grund könnte ich mir in der Tat vorstellen, dass

man Verbesserungen, bessere Effizienz erreichen

könnte mit Regelungen, die bessere Zusammenar-

beit ermöglichen. Aber wenn Sie das in den Zu-

ständigkeitsstreit hineinführen, haben Sie keine

Chance. Dann werden Sie das Gegenteil errei-

chen.“5306

VII. Sonderfragen zu den Ermittlungen

1. Waffenspur

Das verbindende Element zwischen den ersten neun Mor-

den von 2000 bis 2006 ist die bei allen Taten verwendete

Tatwaffe der Marke Česká 83, Kaliber 7,65 mm Brow-
ning. Erst durch die Verwendung der immer gleichen

Waffe konnte die Serie als solche erkannt werden.
5307

Nach einem kriminaltechnischen Gutachten des BKA

vom Mai 2006 konnte die Suche nach der Waffe auf eine

solche mit verlängertem Lauf eingegrenzt werden, da die

Verwendung eines Schalldämpfers nachgewiesen wurde.

Diese Spur führte erneut in die Schweiz zur Firma

Schläfli & Zbinden und schließlich zu Anton G. Am
5305) Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 20.

5306) Dr. Schäuble, Protokoll-Nr. 47, S. 18.

5307) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 2.

Drucksache 17/14600 – 610 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

10. November 2011 konnte in der ausgebrannten Woh-

nung in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau die Tatwaffe

Česká 83, 7,65 mm Browning mit verlängertem Lauf
aufgefunden werden.

5308
Im Abgabebericht der Staatsan-

waltschaft Nürnberg-Fürth in der Tatserie Česká vom
13. Januar 2012 heißt es, es

„steht fest, dass es sich um eine Waffe aus der Be-
stellung des Anton G. handelt. Der Nachweis be-

steht insoweit, da eine zunächst unkenntlich ge-

machte Waffennummer wieder sichtbar gemacht

werden konnte. Die Pistole mit der Nr. 034678

wurde laut Waffenbuch der Fa. Schläfli & Zbinden

am 11.04.1996 an Anton G. verkauft.“5309

Von der zweiten Tatwaffe ließ sich nur das Kaliber ermit-

teln; eine Systembestimmung – die Feststellung des Fab-
rikats und des Herstellers – war nicht möglich.5310 Erst
nach ihrem Fund im November 2011 im Bauschutt der

Frühlingsstraße 26 in Zwickau stellte sie sich als eine

umgebaute Schreckschusspistole der Marke Bruni 315

heraus.
5311

a) Feststellung von Tatwaffe und Munition

Die einzig verwertbaren Spuren an den Tatorten waren

die Geschosse sowie anfangs die Hülsen.
5312

An den auf-

gefundenen Geschossen fanden sich Individualmerkmale,

aus denen sich ergab, dass die Geschosse aus derselben

Waffe abgefeuert wurden.
5313

Vom Bundeskriminalamt

durchgeführte Projektilvergleiche führten zu der Feststel-

lung, dass die Morde „zweifelsfrei“ mit derselben Waffe
begangen wurden.

5314
Anhand der mikroskopisch festgestellten Systemspuren

wurde bereits im ersten Mordfall an Enver Şimşek am
9. September 2000 in Nürnberg aufgrund eines Gutach-

tens des BKA vom 14. September 2000 festgestellt, dass

die Projektile mit großer Wahrscheinlichkeit aus einer

Selbstladepistole Česká, Modell 83, Kaliber 7,65 mm
Browning, verfeuert wurden.

5315
Bei den Morden an Enver Şimşek am 9. September 2000
und an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 wurde zu-
sätzlich mit einer zweiten Waffe, einer umgebauten

Schreckschusspistole der Marke Bruni 315, geschossen.
5308) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der

Tatserie „Česká“ vom 13.01.2012, MAT A GBA-4/2, S. 8 ff.
(126).

5309) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der

Tatserie „Česká“ vom 13.01.2012, MAT A GBA-4/2, S. 8 ff.
(126).

5310) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41, 73.

5311) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der

Tatserie „Česká“ vom 13. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 7
ff. (123/126); Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA,

Stand 17. April 2012, MAT A BKA-2/35a, Bl. 497 ff.

5312) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 3.

5313) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 73.

5314) MAT A BKA-2/15, Bl. 17.

5315) MAT A GBA-4/2, Bl. 124.

Es ließ sich nur das Kaliber von 6,35 mm bestimmen.

Marke und Typ blieben unbekannt,
5316

weil keine präg-

nanten Systemspuren vorhanden waren. Der Zeuge Jung

hat dazu ausgeführt:

„Sie brauchen Systemspuren, um sagen zu können
– da ist das BKA auch europaweit führend –: Die-
se Hülse ist aus einer Česká 83 verschossen wor-
den. - Bei 6,35 gab es keine prägnanten Systempu-

ren. Ich hatte gesagt, dass unsere Kriminaltechnik

gesagt hat: Möglicherweise ist es eine rückverän-

derte Schreckschusspistole. – Und deswegen konn-
ten wir bei der Waffe nicht sagen: das und das

Fabrikat, der und der Hersteller.“5317

Die Ermittlungsmaßnahmen konzentrierten sich daher auf

die Suche nach der Česká 83, 7,56 mm Browning. Ein am
22. Mai 2006 durch das BKA erstelltes kriminaltechni-

sches Gutachten belegte, dass zumindest ab dem Mord an

Mehmet Turgut in Rostock am 25. Februar 2004, der

fünften Tat der Serie, ein Schalldämpfer verwendet wur-

de.

Der Zeuge Jung hat hierzu ausgesagt:

„Ich kann auch erklären, warum das erst […] ab
der fünften Tat möglich war. Aus dem Datum se-

hen Sie natürlich: 22. 5. 2006, das war letztendlich

nach der letzten Dublette in diesem Verfahren.

Denn ab 2004 hatte dann die Munition gewechselt.

Deswegen war es auch möglich – Deswegen auch
die Einschränkung: mindestens ab der fünften Tat

Schalldämpferverwendung. […] Es konnte dann
festgestellt werden, dass eine kleine, eine minima-

le Anhaftung immer an der gleichen Stelle an den

Geschossen festgestellt wurde. Darauf hat man ge-

schlossen, dass das Geschoss nach dem Verlassen

des Laufs irgendwo an dem Schalldämpfer an-

schlägt. Aber das war, wie gesagt, minimal. Da das

auch immer an der gleichen Stelle war, hat man

dann auch gesagt […], dass mit hoher Wahrschein-
lichkeit von einer fabrikmäßig hergestellten Waffe

plus Schalldämpfer auszugehen ist.“5318

Die Anbringung eines Schalldämpfers setzt bei einer

Česká 38 einen verlängerten Lauf voraus, auf den der
Schalldämpfer aufgeschraubt werden kann.

5319
„Voraussetzung für die Verwendung des Schall-
dämpfers an der Waffe ist, dass der Lauf verlän-

gert ist, dass der vorne aus dem Gehäuse raus-

guckt. Und da wird der Schalldämpfer aufge-

dreht.“ 5320
5316) Operative Fallanalyse BW vom 30. Januar 2007, MAT A

GBA-5, Bl. 90.

5317) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 73.

5318) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 42.

5319) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA vom 17. April

2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 497 ff. (512); Gutachten zur
Tatwaffe: MAT A GBA-4/7a, Bl.175-182. Jung, Protokoll-

Nr. 31, S. 41.

5320) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 42.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 611 – Drucksache 17/14600

Durch diese Erkenntnis verkleinerte sich die Anzahl zu

überprüfender Česká-Waffen (Herstellung von ca. 10 000
Stück pro Monat) erheblich, da das Modell Česká 83, 7,65
mm mit verlängertem Lauf durch die Firma Česká
Zbrojovka

„nie serienmäßig hergestellt wurde“.5321

Die Herstellungszahl reduzierte sich auf einzelne Sonder-

anfertigungen, sodass schlussendlich von einer Stückzahl

von 55 Česká-Waffen mit verlängertem Lauf ausgegan-
gen wurde.

5322
Die kriminaltechnische Analyse der Tatmunition durch

das BKA ergab, dass bis zur vierten Tat Munition des

Herstellers Patten & Morgan Metal Corporation aus den

USA (PMC 32Auto) verwendet wurde.
5323

Diese Muniti-

on ist in Europa selten und ergab daher einen Ermitt-

lungsansatz. Plastikspuren an der Tatmunition ermöglich-

ten die Feststellung, dass ab der vierten Tat ein Behältnis

zum Auffangen der Hülsen verwendet wurde.
5324

Ab der

fünften Tat kam Munition des tschechischen Herstellers

Sellier & Bellot zum Einsatz.
5325

Spuren an dieser Tatmu-

nition lieferten den Beleg für die Verwendung eines

Schalldämpfers, aus dem sich erneut ein Ermittlungsan-

satz ergab.

b) Ermittlungen durch das BKA ab Juni 2004

Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des

Innern vom 15. Juni 2004, also nach dem vierten Mord,

wurde das Bundeskriminalamt gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1

BKA-Gesetz ersucht, für die unter den Aktenzeichen 109

UJs 118678/00 und 103 UJs 115193/01 bei der Staatsan-

waltschaft Nürnberg-Fürth anhängigen Verfahren (Tö-

tungsdelikte an Enver Şimşek und an Abdurrahim
Özüdoğru) ergänzende strukturelle Ermittlungen unter
dem Gesichtspunkt des § 129 StGB zu führen.

5326
Das

BKA, das bis zu diesem Zeitpunkt die Fälle im Rahmen

einer Sonderauswertung „Türkische OK (SATOK)“ in
seiner Zentralstellenfunktion (§ 2 BKAG) begleitete,

nahm die Strukturermittlungen unter dem Namen Ermitt-

lungsgruppe (EG) „Česká“ am 23. Juni 2004 auf. Die
Wahrnehmung der Zentralstellenaufgabe gem. § 2 BKAG

sollte dabei fortgeführt werden.
5321) Aktenvermerk über die Zeugenvernehmung des Kamil R.,

Leiter Sicherheit und Interner Audit der Firma Česká Zbrojovka
vom 22. August 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl. 375.

5322) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, vom 17. April

2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 513.

5323) Operative Fallanalyse BW vom 30. Januar 2007, MAT A

GBA-5, Bl. 174; BKA EG Česká, Allgemeiner Sachstandsbe-
richt vom 9. Januar 2006, MAT A GBA-4/7a, Bl.155-173

(165).

5324) Operative Fallanalyse BW vom 30. Januar 2007, MAT A
GBA-5, Bl. 166; BKA EG Česká, Allgemeiner Sachstandsbe-
richt vom 9. Januar 2006, MAT A GBA-4/7a, Bl.155-173

(165).

5325) BAO „Bosporus”, Sachstandsbericht, Stand November 2005,
MAT A GBA-4/4a, Bl. 78 f.

5326) MAT A BKA-2/15, Bl. 228.

Im Zentrum der Ermittlungen des BKA stand die Waffen-

spur, welche die konkreteste aller Spuren war. Der heuti-

ge Vizepräsident des BKA, Jürgen Maurer, hat dazu

ausgesagt, dass

„die Waffenspur […] für das BKA nicht nur wich-
tig [war], sie war die wichtigste Spur überhaupt.

Sie sehen es unter anderem daran, dass wir den

Komplex ‚Česká‘ genannt haben. Sie sehen das
unter anderem daran, dass von den 120 Spuren, die

wir im BKA bearbeitet haben, die Spur Nummer

eins für die Waffenermittlungen vergeben wurde.

Sie sehen es daran, dass wir allein für diese Spur

20 Leitz-Ordner gefüllt haben.“5327

Bevor das BKA nach dem fünften Mord im Jahr 2004

diese Spur aufnahm, haben nach Auskunft des Zeugen

Jung weder die örtlich zuständigen Mordkommissionen

der Tatortländer Hamburg und Mecklenburg-

Vorpommern noch die Soko „Halbmond“, welche für die
Ermittlung zu den bis dato drei Morden in Bayern zustän-

dig war,

„im Hinblick auf mögliche Quellen für die Tatwaf-
fen und die Munition“

Ermittlungen durchgeführt.
5328

Die Mordkommissionen

hätten nach Aussage des Zeugen Jung lediglich

„einen Tatmunitionsabgleich in der Türkei ange-
stellt“.5329

Die Arbeit der EG „Česká“ zur Waffenspur beinhaltete
insbesondere die zentrale Informationssammlung, -steue-

rung und -bewertung, die internationale Informationser-

hebung sowie die strukturierte Darstellung und Visualisie-

rung von Informationen.
5330

Das Ziel der Ermittlungen bestand darin, über die Identi-

fizierung der Tatwaffen und etwaiger Verkaufswegfest-

stellungen sowie durch die Auswertung von entsprechen-

den Ermittlungsverfahren Hinweise auf mögliche Täter zu

erhalten, da das BKA über die entsprechenden Verfahren

und Kapazitäten verfügte.
5331

Zunächst nahm die EG

„Česká“ die Waffenspur in Unkenntnis dessen auf, dass
ein Schalldämpfer verwendet wurde und dafür ein verlän-

gerter Lauf vonnöten war.
5332

Die EG „Česká“ führte
Recherchen zur Tatwaffe in den eigenen Systemen nach

folgenden Kriterien durch:

– Diebstähle oder Verluste von Česká-Pistolen, Modell
1983 vor September 2000 (erste Tat),
5327) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 6.

5328) MAT A BKA-2/28, Bl. 49; MAT A BKA-2/30, Bl. 207 ff.

5329) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 52.

5330) Siehe die weiteren Aufgaben im Protokoll der Strategiebespre-
chung vom 19. April 2006, MAT A BKA-2/19, Bl. 217 ff.

(219).

5331) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA-2/35a, Bl. 497 ff.; dies hat der Zeuge Hop-

pe, Protokoll-Nr. 15, S. 19, bestätigt.

5332) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 9.

Drucksache 17/14600 – 612 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Sicherstellungen von Česká-Pistolen, Modell 83,
nach Februar 2004,

– illegale Handelsfälle mit Česká-Pistolen, Modell 83,

– sonstige Fälle, in denen Česká-Pistolen des o. a. Mo-
dells eine Rolle spielten.

Bezüglich der Tatwaffe Česká wurden im Wesentlichen
insgesamt die folgenden Spuren verfolgt:

– Überprüfung legaler Besitzer von Česká-Pistolen5333,

– Tatrekonstruktion und Schießversuche bzw. Schuss-
tests,

– Auswertung illegaler Waffenhandelsverfahren/
KP 27-Meldungen,

– Überprüfung der durch die BStU zu ermittelnden
Česká-Waffen (Unterlagen für nach dem Mauerfall
übergebene Pistolen aus der ehemaligen DDR),

– Ermittlungen bei der Firma Česká in Tschechien,

– Ermittlungen in die Schweiz (Komplex Firma Jan
Luxik),

– Ermittlungen bezüglich sogenannter rückveränderter
Schnittmodellwaffen Česká 83, 7,65 mm mit langem
Lauf,

5334
– Europaweite Tatmunitionsabgleiche.5335

In der EG „Česká“ kümmerten sich bis zu zehn Mitarbei-
ter um die Waffenspur. Hauptsächlich mit der Spur be-

fasst waren durchgehend zwei Mitarbeiter.
5336

Auf die Nachfrage, ob ein möglicher rechtsextremisti-

scher Hintergrund bei der Verfolgung der Waffenspur

eine Rolle gespielt habe, hat der Zeuge Jung ausgesagt,

dass mögliche Tatmotive, welche durch die Operativen

Fallanalysen geprüft und zu Ermittlungsthesen erhoben

wurden, für die Ermittlung der Tatwaffe keine Rolle ge-

spielt hätten.
5337

Nach seiner Auffassung hätte es sich,

selbst wenn die EG „Česká“ von einem rechtsextremisti-
schen Tathintergrund ausgegangen wäre, nicht auf die

Ermittlungen ausgewirkt.

Laut Aussage des Zeugen Jung regte dieser am 24. März

2006 bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth an, um

Rechtshilfe der Tschechischen Republik, in der die Tat-

waffe hergestellt wurde, zu ersuchen. Ziel des Rechtshil-

feersuchens sei gewesen, zu erfahren, wie viele Českás
83, 7,65 mm produziert und wohin diese geliefert wur-

den.
5338

Durch das am 10. April 2006 von der Staatsan-

waltschaft Nürnberg-Fürth gestellte Rechtshilfeersuchen
5333) Diese Spur wurde laut Aussage des Zeugen Hoppe im Wesent-

lichen als Teilspur der bayerischen Polizei geführt, Protokoll-

Nr. 15, S. 20.

5334) MAT A GBA 4/2, Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ aus
Mai 2008, Bl. 516 ff. (601 ff.).

5335) MAT A BKA 2/35a, Bl. 497 ff.

5336) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 20.

5337) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 59.

5338) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41.

konnte in Erfahrung gebracht werden, dass monatlich ca.

10 000 Pistolen der Marke Česká 83 produziert worden
seien. Dies bedeutete für die Ermittlungen der EG

„Česká“, dass von Beginn der Produktion im Jahre 1983
bis hin zum ersten Mordfall 2000, über 180 000 Stück

produziert wurden.
5339

Eine Produktionszahl dieser Grö-

ßenordnung konnte nicht als Ermittlungsansatz dienen,

weshalb sich dieser Anknüpfungspunkt zunächst als aus-

sichtslos erwies.
5340

c) Die Spur Česká mit verlängertem Lauf
(Gutachten des BKA vom 22. Mai 2006)

aa) Ergebnis des BKA-Gutachtens

Ein am 22. Mai 2006 durch das BKA erstelltes kriminal-

technisches Gutachten offenbarte, dass zumindest ab dem

Mord an Mehmet Turgut in Rostock am 25. Februar 2004

(fünfte Tat) die Tatwaffe Česká 83, Ka. 7,65 mm, mit
einem Schalldämpfer verwendet wurde. Die Anbringung

eines Schalldämpfers setzt bei diesem Waffentyp einen

verlängerten Lauf voraus, auf den der Schalldämpfer

aufgeschraubt werden kann.
5341

bb) Rechtshilfeersuchen und sonstige Ermitt-
lungen bei der Firma Česká Zbrojovka in
Brünn

aaa) Ermittlungen zur Česká mit verlängertem
Lauf

Am 3. Juni 2006 wurde laut Aussagen der Zeugen Jung

und Hoppe der Verbindungsbeamte des BKA in Prag

angeschrieben mit dem Ziel, in Zusammenarbeit mit den

tschechischen Behörden bei der Firma Česká zu erheben,
in welcher Größenordnung die Firma Česká Zbrojovka
die Česká 83, 7,65 mm mit langem Lauf produzierte, da
bis dato lediglich die Česká-Produktion ohne weitere
Einschränkung erfragt worden war.

5342
Die Anfrage an die

Firma Česká vom 10. April 2006, welche auf die Informa-
tion der Produktionszahl von Českás 83, 7,5 mm jeden
Modells abzielte,

5343
konnte dementsprechend konkreti-

siert bzw. eingeschränkt werden.
5344

Am 16. Juni 2006 antwortete die Firma Česká, dass von
1985 bis 1988 nur 28 Česká-Pistolen mit Schalldämpfer
produziert worden seien.

5345

5339) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 41.

5340) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10.

5341) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April

2012, MAT A BKA-2/35a Bl. 497 ff. (512); Gutachten zur
Tatwaffe: MAT A GBA-4/7a, Bl. 175-182.

5342) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 42; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10.

5343) MAT A BKA-2/35a, Bl. 213 ff.

5344) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9; Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 41;

Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 6.

5345) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 613 – Drucksache 17/14600

Da das BKA selbst im Besitz von zehn Česká-Waffen mit
verlängertem Lauf war, die aus dem ehemaligen Besitz

des Ministeriums für Staatssicherheit stammten und nach

der Wiedervereinigung von der BStU (Der Bundesbeauf-

tragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der

ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, sog.

„Gauck-Behörde“) an das BKA übergeben wurden, hatte
die EG „Česká“ die Möglichkeit, gezielt Waffennummern
bei der Firma Česká abzufragen. Hintergrund war laut
Aussage des Zeugen Hoppe, dass

„wir in der eigenen Waffensammlung Waffen des
gleichen Typs hatten, was die Firma Česká wiede-
rum nicht wusste. Wir haben aus diesen zehn Waf-

fen, die wir bei uns hatten, zwei Waffennummern

abgefragt und haben daraufhin von der Firma

Česká die Mitteilung bekommen -- das war im Juli
2006 meines Erachtens --: Ja, da gab es noch eine

weitere Lieferung von 25 Waffen; die wurden von

der PLO abgeholt. Zehn davon sind ein Geschenk

für das MfS gewesen. Und das waren die zehn

Waffen, die bei uns in der Waffensammlung lie-

gen, weil wir die nämlich nach der Wende von

dort übernommen haben.

So gesehen war die erste Aussage von der Firma

Česká nicht glaubwürdig, dass nur 28 Waffen ge-
liefert worden waren. Wir waren mittlerweile bei

28 plus 25 […].“5346

Dies hat der Zeuge Jung in seiner Vernehmung durch den

Ausschuss bestätigt.
5347

Daraufhin wurden durch Rechts-

hilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom

15. November 2006 die tschechischen Behörden um Er-

mittlungen gebeten, wie viele Pistolen Česká 83, 7,65 mm
mit langem Lauf die Firma Česká Zbrojovka tatsächlich
hergestellt und an wen verkauft habe.

5348
Ein Dreivierteljahr nach dem Rechtshilfeersuchen, am

22. und 23. August 2007, unternahmen zwei Mitarbeiter

des BKA eine Dienstreise nach Brünn und nach Prag.

Zweck der Dienstreise war die endgültige Feststellung

von Produktion und Vertrieb von Česká-Waffen mit lan-
gem Lauf und damit die Abarbeitung des ersten Rechts-

hilfeersuchens von November 2006 an die Staatsanwalt-

schaft Pilsen. Im Rahmen dieses Aufenthaltes fand eine

Vernehmung der Mitarbeiter der Firma Česká durch die
sachbearbeitende Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft

Pilsen unter Anwesenheit von Mitarbeitern der BAO

„Bosporus“ und der EG „Česká“ statt.5349 Als Ergebnis
der Dienstreise wurde festgehalten, dass seitens der Firma

Česká Zbrojovka keine verlässlichen Angaben gemacht
werden konnten. Bei der Dokumentation der hergestellten

Waffen differenzierte der Hersteller nicht nach der Länge
5346) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, Bl. 10.

5347) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 43.

5348) MAT A BKA-2/35a, Bl. 338; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 10;
so auch der Zeuge Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 43, wobei er als

Datum des Rechtshilfeersuchens den 19. Oktober 2006 nennt.

5349) MAT A BY-2/2a, Bl. 120; MAT A BKA-2/28, Bl. 49.

des Laufes. Bestell- und Lieferunterlagen würden in der

Firma Česká nur zehn Jahre aufbewahrt.5350

Neben diesem Rechtshilfeersuchen regte die EG „Česká“
am 23. Juli 2007 ein ergänzendes Rechtshilfeersuchen

durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg/Fürth an die

Tschechische Republik an mit der Bitte zu ermitteln, in

welchen Mengen Schnittmodelle seitens der Firma Česká
hergestellt und wohin diese verkauft worden waren. Denn

„für Schulungs- und Darstellungszwecke werden
von den Herstellern sog. ‚Schnittmodelle‘ gefer-
tigt. Bei 10 sichergestellten Modellen steht fest,

dass diese rückverändert und dadurch wieder ge-

brauchsfähig gemacht wurden.“5351

Mit Schreiben vom 3. April 2008 übermittelte die tsche-

chische Staatsanwaltschaft auf das Rechtshilfeersuchen

eine Erklärung des Leiters für Sicherheit und interner

Audit der Firma Česká.5352 Tatsächlich seien Schnittmo-
delle angefertigt worden, er könne jedoch nicht mitteilen,

wie viele. Zwei Schnittmodelle seien zuvor in Deutsch-

land sichergestellt worden. Deren Lieferwege habe der

Leiter Sicherheit und interner Audit nachvollziehen und

benennen können.

Am 6. August 2008 wurde durch die gemeinsame Steue-

rungsgruppe der mit der Mordserie befassten Mordkom-

missionen und dem BKA festgelegt, dass die Ermittlun-

gen zu den Schnittmodellen wegen der Priorisierung der

„Luxik-Spur“ zurückgestellt werden sollten.5353 Weitere
Ergebnisse zu der Herstellung und dem Verkauf von

Schnittmodellen konnten nicht erzielt werden. Vor dem

Ausschuss hat der Zeuge Hoppe das Ergebnis des Rechts-

hilfeverfahrens so zusammen gefasst:

„Das Rechtshilfeersuchen wurde endgültig bear-
beitet erst im Jahr 2008 mit der Mitteilung: Das

kann definitiv nicht beantwortet werden, weil sie

darüber keine Buchführung führen. Sie führen nur

die Bücher über die Waffen als solche, nicht, ob

die mit einem längeren Lauf versehen wurden oder

nicht.“5354

Somit blieb es bei der nicht abgesicherten Information,

dass 55 Waffen des Modells Česká 83, 7,65 mm Brow-
ning mit langem Lauf hergestellt und in zwei Chargen

verkauft wurden.

Zum Gesamtablauf der Ermittlungen nach Tschechien

und der Bearbeitung der Rechtshilfeersuchen hat der

Zeuge Geier folgende Bewertung abgegeben:

„Dann sind wir zunächst einmal mit einem
Rechtshilfeersuchen nach Tschechien gegangen.

Da sind wir eigentlich, sage ich jetzt einmal, abge-
5350) Dienstreisebericht des BKA vom 24. August 2007, MAT A

BKA-2/28, Bl. 48.

5351) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ vom Mai 2008, MAT
A GBA-4/2, Bl. 516 ff. (604).

5352) MAT A BY-2/2b, PDF-Bl. 144.

5353) MAT A BKA-2/31, Bl. 213.

5354) Hoppe, Protokoll-Nr.15, S. 10.

Drucksache 17/14600 – 614 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tropft; so muss man das tatsächlich sagen. Erst

beim zweiten Rechtshilfeersuchen der Staatsan-

waltschaft Nürnberg und durch diese sehr, sehr

engagierte Ermittlungsrichterin aus Tschechien,

die mit uns in die Firma gegangen ist und dort

einmal anständig Druck gemacht hat, haben wir

diese 55 Nummern der hergestellten Waffen auch

bekommen, die uns dann letztendlich weiter ermit-

teln ließen.“5355

bbb) Beschwerdebrief des Bayerischen Staats-
ministeriums des Innern an das tschechi-
sche Innenministerium

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen und Rechtshil-

feersuchen kam es Anfang August 2007 zu Auseinander-

setzungen zwischen der BAO „Bosporus“ und dem BKA.
Anlass war die beim Ministerium des Innern der Tsche-

chischen Republik zu Händen des Ministers Ivan Langer

eingegangene Übersetzung eines Briefentwurfes des Kri-

minaloberrates Lothar Köhler aus dem Bayerischen

Staatsministerium des Innern vom Juli 2007. Inhalt des

Schreibens war zum einen die Anfrage nach einer Ver-

mittlung eines Direktkontaktes zwischen Beamten der

BAO „Bosporus“ und der Firma Česká sowie die Nen-
nung eines konkreten Ansprechpartners für den Leiter der

BAO „Bosporus“ Geier. Zudem machte Kriminaloberrat
Köhler in dem Briefentwurf darauf aufmerksam, dass die

BAO „Bosporus“ von der tschechischen Seite „bislang
keine Informationen über die Ermittlungsergebnisse“
erhalten habe.

5356
Dieser Brief wurde dem Verbindungs-

beamten in einer Besprechung mit einem Vertreter der

tschechischen Abteilung UOOZ/V2 am 16. August 2007

in den Büroräumen des BKA vorgelegt. In dem Gespräch

wurde dargelegt, dass die tschechischen Kollegen auf-

grund des Briefes „erheblich unter Druck geraten“ seien,
da sie von ministerieller Seite zur Stellungnahme aufge-

fordert worden seien.
5357

Sowohl inhaltlich als auch formal wurde dieses Schreiben

an den Innenminister Langer von tschechischer Seite

heftig kritisiert. Der Verbindungsbeamte des BKA ver-

merkte, dass

„Form, Übermittlungsweg und Inhalt des Schrei-
bens an IM Langer […] auf tschechischer Seite zu
einer deutlich erkennbaren Trübung des Ansehens

von Teilen der deutschen Polizei geführt“

hätten. Zudem stufte er die gesamte Vorgehensweise als

„unprofessionell“ ein.5358 In seiner eigenen Bewertung
führte der Verbindungsbeamte des BKA weiter aus:

„Die Polizei in Bayern reklamiert für sich bekann-
termaßen eine große Unabhängigkeit bei der Zu-

sammenarbeit mit ausländischen Stellen, wobei sie
5355) Geier, Protokoll-Nr. 12, S. 41.

5356) MAT A BKA-2/28, Bl. 97 f.

5357) MAT A BKA-2/28, Bl. 93 ff.

5358) MAT A BKA-2/28, Bl. 93f.

sich im Verhältnis zu Tschechien immer wieder

auf den bestehenden Grenzvertrag beruft und die-

sen sehr extensiv auslegt. In Anerkennung der ge-

nerell hohen Leistungsfähigkeit der bayerischen

Kriminalpolizei fällt aber auf, dass z. B. die Zu-

ständigkeiten des BKA und Meldeverpflichtungen

häufig nicht beachtet oder gegenüber den tschechi-

schen Ansprechpartnern nicht erläutert werden.

Durch Einbindung in bilaterale Gremien und Be-

sprechungen versuche ich regelmäßig BKA-

Positionen zu verdeutlichen und die grundsätzlich

gute Kooperation zwischen BKA und

Länderpolizeien darzustellen und zu fördern. Die

Initiative aus dem bayerischen IM führt dazu, dass

die tschechische Seite schlecht koordinierte und

unsachliche Vorgehensweise innerhalb der deut-

schen Polizei vermuten muss.“5359

Auf dem Dienstreisebericht eines BKA-Mitarbeiters wur-

de zu dem Vorfall handschriftlich vermerkt:

„Sachverhalt in [Telefonkonferenz] am 28.08. vor-
getragen. Vorgehen der BY nicht unüblich, ähnli-

che Direktkontakte zu den türkischen Behörden

mit ‚Verstimmungscharakter‘ sind SO 15 auch be-
kannt Koll. Geier meint dann immer, dass es nicht

so schlimm sei. [Der Leiter des Referates SO15]

wird [den Sachverhalt] in der Steuerungssitzung

am 12. September ansprechen, PR sollte zumindest

für [Sondersitzung] AKII darüber informiert sein,

falls Hr. Kindler den Vorgang thematisieren soll-

te.“5360

Das genannte Schreiben an Minister Langer in der Über-

setzung der Hanns-Seidel-Stiftung vom 12. Juli 2007

wurde laut eines Vermerkes von Kriminaloberrat Köhler

vom 10. August 2007 vor folgendem Hintergrund gefer-

tigt:

„Am Rande des Treffens von Herrn Staatsminister
[Dr. Beckstein] mit dem Innenminister der Tsche-

chischen Republik, Herrn Ivan Langer, am 9. Juli

2007 in München, wurde auch die Bitte um Unter-

stützung für die BAO Bosporus angesprochen. Im

Ergebnis wurden wir [Sachgebiet IC5 im Bayeri-

schen Innenministerium] beauftragt, mit der

Hanns-Seidel-Stiftung […] die weiteren Einzelhei-
ten zu besprechen. [Dem zuständigen Mitarbeiter

der Hanns-Seidel-Stiftung] wurde am 10. bzw.

12.07.2007 per E-Mail der wesentliche Sachver-

halt mit der Bitte übermittelt, mit Unterstützung

des tschechischen Innenministers das bereits in

Tschechien befindliche Rechtshilfeersuchen zu be-

schleunigen und eine unmittelbare Beteiligung von

Ermittlungsbeamten der BAO Bosporus auf Basis

des Rechtshilfeersuchens zu ermöglichen. Ferner

wurde die Bitte ausgesprochen, einen Ansprech-

partner für Herrn LKD Geier benannt zu bekom-

men, damit weitere Einzelheiten unmittelbar abge-
5359) MAT A BKA 2/28, Bl. 93 f.

5360) MAT A BKA-2/28, Bl. 53 ff. (56).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 615 – Drucksache 17/14600

sprochen werden können. [Der zuständige Mitar-

beiter der Hanns-Seidel-Stiftung] hatte zugesagt,

die E-Mail unverzüglich zu übersetzen und an das

Büro des IM Langer zu übermitteln.“5361

Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Köhler die im Vermerk

vom 10. August 2007 niedergelegten Angaben im We-

sentlichen bekräftigt und ausgeführt:

„Also, wenn ich das richtig erinnere, war es so,
dass der Innenminister Langer hier zu einem Be-

such im Bayerischen Staatsministerium des Innern

war und dort unter anderem auch mit meinem Ab-

teilungsleiter gesprochen hat und dass mein Abtei-

lungsleiter hier auch die Mordserie mit angespro-

chen hat – vor dem Hintergrund, dass es wohl im
Bereich der Rechtshilfe mit Tschechien, Auskünfte

von der Firma Česká zu erhalten, zu gewissen
Schwierigkeiten kam. Und offenbar ist dann in der

Folge ein Brief geschrieben worden.“5362

Auf die von den BKA-Beamten bemängelte Form der

Übermittlung angesprochen, konnte der Zeuge Köhler

keine konkrete Auskunft geben:

„Also wenn, dann habe ich einen Brief im Auftrag
geschrieben, aber nicht direkt an den Herrn Minis-

ter Langer. […] Ich kann mir das nur so erklären,
dass das ein Entwurf eines Briefes war, der ins

Tschechische übersetzt werden sollte und der dann

sozusagen vonseiten des Hauses – sprich: des In-
nenministerium in Bayern – auf dem offiziellen
Weg an den Innenminister Langer weitergeleitet

werden sollte. […] Ich kann mir das nur so erklä-
ren, dass irgendwo in der ganzen Informationskette

eine Weiterleitung passiert sein muss, die in keiner

Weise beabsichtigt war. Aus eigenem Antrieb hät-

te ich auch in meiner Funktion im Innenministeri-

um nie einen solchen Brief geschrieben.“5363

cc) Ermittlungen in die Schweiz ab 2006

Neben den Ermittlungen zu Produktionszahlen und Ver-

kaufswegen durch die Firma Česká Zbrojovka in Tsche-
chien gab es ausführliche Ermittlungen in die Schweiz.

aaa) Hinweis von Lothar M. im Jahr 2006

Am 18. Juni 2006, nach den Morden an Mehmet Kubaşık
am 4. April 2006 in Dortmund und Halit Yozgat am

6. April 2006 in Kassel, erfolgte ein Anruf des deutschen

Staatsangehörigen Lothar M.
5364

beim BKA.
5365

Er gab folgende Hinweise:
5361) MAT A BY-9e, Bl. 2172 ff.

5362) Köhler, Protokoll-Nr. 17, S. 59.

5363) Köhler, Protokoll-Nr. 17, S. 59, 60.

5364) Zur Person Lothar M. siehe MAT A BKA-3 zu A-Drs. 143-neu.

5365) MAT A BKA-2/35a, Bl. 229 f.; MAT A GBA-4/8e, Bl. 69 (72).

– Vor einigen Jahren sei ein Gast in einem Lokal er-
schossen worden. Der Täter sei Kurde oder Türke

gewesen.

– Bei der Česká 83 handele es sich um eine seltene
Waffe, welche in Deutschland nur von der Firma

Frankonia importiert worden sei.

– Generalimporteur der Česká 83 für die Schweiz sei
entweder die Fa. Joray Marius oder Jan Luxik.

Da die Polizei zu diesem Zeitpunkt bereits vermutete und

öffentlich erklärte, dass der Täter eine Plastiktüte zum

Auffangen der Hülsen verwendete, gab Lothar M. noch

den Hinweis, dass der damalige tschechoslowakische

Militärgeheimdienst CS verstärkte Munition mit dem

Kaliber 7.65 mm eingesetzt habe. Ihm sei der Gedanke

gekommen, dass die Plastiktüte verhindern solle, dass

eine solche „verstärkte Munition“ gefunden würde.

In den dem Ausschuss vorliegenden Akten befinden sich

mehrere Schreiben des Lothar M., in welchen dieser allein

in den Monaten Juni bis August 2006 mehrfach auf die

Firma Luxik als Generalimporteur für die Schweiz auf-

merksam machte.
5366

Ein spezifizierter Hinweis von Lo-

thar M. erreichte die BAO „Bosporus“ am 24. Okto-
ber 2006. Darin verwies er darauf, dass es die Läufe einer

Česká 83 mit 7,65 mm mit Gewinde für Schalldämpfer
nur in der Schweiz zu kaufen gebe. Dabei bezog er sich

auf eine Anzeige der Firma Luxik im Internationalen

Waffenmagazin in der Ausgabe 8-9 aus 1993 auf Seite

499 sowie auf Anzeigen der Firma Schläfli & Zbinden

und der Firma Joray Marius, welche er seinem Schreiben

beilegte.
5367

In dem Schreiben des Lothar M. heißt es wörtlich:

„Sehr geehrter Herr H. […],

im Impressum im Internet im Fall ‚Bosporus‘ ist
eine CZ 83 cal. 7,65mm mit verlängertem Lauf mit

einem Gewinde für einen Schalldämpfer abgebil-

det u. auch ein Schalldämpfer.

Diese Läufe mit Gewinde für Schalldämpfer gab

es nur in der Schweiz zu kaufen (siehe Anzeige im

Internationalen Waffenmagazin Ausgabe 8-9 1993

Seite 499 Fa. Jan Luxik […]. Die Fa. Schläfli u.
Zbinden […] bietet in der Ausgabe 1-2 1998 auf
Seite 75 im Internationalen Waffenmagazin

Schalldämpfer und Läufe mit Gewinden für CZ-

Waffen an.

Auf Seite 4 in der Ausgabe 1-2 1998 Internationa-

len Waffenmagazin wirbt die Fa. Schläfli u. Zbin-

den ganzseitig für PMC-Munition 7,65 mm wie sie

im Internet im Impressum vom BKA beschrieben

ist. Ich glaube, die Fa. Schläfli u. Zbinden wäre

doch recht interessant für Ihre SoKo.
5366) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der

Tatserie Česká vom 13.01.2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 7 ff.
(123,124).

5367) MAT A BKA-2/35a, Bl. 229 f.; MAT A GBA-4/8e, Bl. 69 (72).

Drucksache 17/14600 – 616 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Fa. Joray Marius […] wirbt im IWM Ausgabe
1-2 1999 auf Seite 75 für Läufe u. Verschlüsse vie-

ler Kurzwaffen.

Viele Waffenteile u. Schalldämpfer sind in der

Schweiz teilweise frei verkäuflich. […]

Anbei Kopien vom Internationalen Waffenmaga-

zin verschiedener schweizer Waffenhändler. […]

Das Internationale - Waffenmagazin wurde im

Jahr 2000 von der Zeitschrift „Visier“ Wipsch 1“,
[…] übernommen. […] Chefredakteur der Zeit-
schrift „Visier“ ist der Israeli und „Mossadagent“
Dr. David Th. Schiller.

Überprüfen Sie doch einmal, ob diese schweizer

Waffenhändler zur P 26, 27 gehören. Wer zur

schweizer P 26, 27 gehört, können Sie erfahren

beim Departement für Verteidigung, Bevölke-

rungsschutz, Sport VBS oder beim SND […]. Die
schweizer P 26, 27 gehört zum All-Allied

Clandestine Committee – angegliedert dem
SHAPE – Supreme Headquarters Allied Powers
Europe – im belgischen Mons.

Seit 1996 ist die Schweiz Mitglied der Nato

Partnership for Peace (PfP) und das schweizer

Bundesparlament deligiert Vertreter in die Parla-

mentarische Versammlung der NATO (NATO

PV). Mit dem Geneva Center for the Democratic

Control of Armed Forces (DCAF) engagiert sich

die Schweiz für Ihre Armee in der Nato.

Die schweizer Organisation P 26, 27 wird erwähnt

im schweizer Sicherheitspolitikbericht 1972 Ab-

satz 426 u. 427.

Weitere schweizer Ansprechpartner für die

schweizer P 26, 27.

[Im Folgenden werden 18 Personen mit Namen,

Funktion (Ständerat, Nationalrat, Ex-

Bundesrichter) und teilweise E-Mail-Adresse ge-

nannt.]

Mein Kenntnisstand: Als ich 1986-87 auf der BW-

Bank Stuttgart gearbeitet habe und damals Minis-

ter Mayer-Vorfelder Aufsichtsratsvorsitzender

war, kannte ich schweizer Bankmanager der

Bankvereinigung Alpina in Lausanne. Viele Mit-

glieder der schweizer Bankvereinigung ,Alpina‘
sind P 26, 27 – Offiziere.“

Mit freundlichen Grüßen,

Lothar M. […]“

Auf Nachfrage hat der Zeuge Jung vom BKA erklärt, dass

er das an die BAO „Bosporus“ gerichtete Schreiben vom
24. Oktober 2006 zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis be-

kommen habe.
5368
5368) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 77.

Der Zeuge Ziercke hat zu dem Hinweis von Lothar M.

ausgeführt:

„Im Juli 20065369 wies dann ein Hinweisgeber auf
verschiedene Waffenfirmen in Deutschland und

der Schweiz hin, die das Modell Česká 83 vertrei-
ben würden. Allerdings handelte es sich hierbei

um einen allgemeinen Hinweis auf legale Waffen-

firmen. Die Spezifikation, dass auch Česká-
Waffen mit Schalldämpfern angeboten wurden,

blieb gänzlich unerwähnt.

Erst im April 2007 nahm dieser Hinweisgeber er-

neut Kontakt zum Bundeskriminalamt auf. Seine

Informationen waren diesmal konkreter. Er wies

darauf hin, dass derartige Waffen Česká mit ver-
längertem Lauf und Schalldämpfer durch einen le-

galen Waffenhandel in der Schweiz in den 90er-

Jahren zum Kauf angeboten wurden, und belegte

dies durch die Übersendung einer entsprechenden

Zeitungsannonce.“5370

Der Zeuge Hoppe hat sich in gleicher Weise wie folgt

geäußert:

„Der gleiche Hinweisgeber hat im Juni 2006 in der
Tat auch einen Hinweis abgegeben, aber ohne den

Hinweis auf die Waffe Česká 83 mit verlängertem
Lauf. Der hat den generellen Hinweis abgegeben,

dass entweder die Firma Laufen oder die Firma

Luxik der Generalimporteur für Česká in der
Schweiz sei. Bei diesem Hinweis hat er noch nicht

den Hinweis gegeben, dass es bei der Firma Luxik

auch die Česká mit einem verlängerten Lauf gibt.
[…]

Im Jahr 2007 hat er das belegt […]“5371

Wie die Zeugen Ziercke und Hoppe, datiert auch der

Zeuge Jung in seiner Aussage die Zeit des Hinweises,

welcher zu konkreten Ermittlungen geführt habe, auf

April 2007.
5372

Die Akten enthalten einen von Lothar M. handschriftlich

verfassten Brief vom 12. April 2007, der an das PP Mit-

telfranken gerichtet ist und in einem ebenfalls hand-

schriftlich adressierten Kuvert vom Absender auch dem

BKA in Ablichtung zugestellt wurde. In diesem Brief, der

am 24. April 2007 beim BKA einging, wies Lothar M. auf

das Angebot von Waffen des Modells Česká mit verlän-
gertem Lauf durch die Firma Jan Luxik als Generalimpor-

teur und auf den Waffenhändler Schläfli & Zbinden auf

Seite 499 im Internationalen Waffenmagazin Ausgabe 8-9

aus dem Jahr 1993 hin. Er bezog sich dabei auf sein

Schreiben vom 24. Oktober 2006 an die BAO „Bospo-
5369) Aus den Akten ergeben sich lediglich der telefonische Hinweis

vom 18. Juni 2006 und die schriftliche Mitteilung vom 24. Ok-

tober 2006.

5370) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9.

5371) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11.

5372) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 9; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11;

Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 43.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 617 – Drucksache 17/14600

rus“, in welchem er bereits darauf hingewiesen habe.5373
In der Passage des Schreibens vom 12. April 2007 hieß es

wörtlich:

„im Jahre 2006 habe ich Ihnen und dem BKA
Werbeanzeigen zugeschickt von schweizer Waf-

fenhändlern, die in der Waffenzeitung Internatio-

nales Waffenmagazin Werbung gemacht haben.

Dies bezog sich auf die Internetseite vom BKA

wegen der PMC-Munition 7,65mm und der Pistole

CZ 83 mit Schalldämpfer (Kaliber 7,65).“5374

Lothar M. meldete sich allein in den Jahren 2006 und

2007 mindestens 15 Mal beim BKA und der BAO „Bos-
porus“ mit immer wieder neuen Hinweisen, auch zur
Česká-Mordserie. Zudem gab er Hinweise zu verschiede-
nen ungeklärten weiteren Morden, Raubüberfällen und

Waffenhandel, in die er u. a. auch verschiedene Geheim-

dienste involviert sah.
5375

Als Motiv für seine Hinweise

nannte er stets die hohe Belohnung.
5376

Der Zeuge Hoppe hat in seiner Vernehmung vor dem

Ausschuss ausgeführt, dass es von Lothar M. „sehr viele
Hinweise“ gab,

„die in Richtung Verschwörungstheorien gingen,
militärische Verschwörungsaktionen und derglei-

chen mehr“.5377

In einem Vermerk des BKA vom 6. August 2006 an die

BAO „Bosporus“ über den geistigen Zustand von Lothar
M. heißt es, Lothar M. sei „vermutlich ein Spinner“.5378
Diese Ansicht teilte die BAO „Bosporus“.5379

Am 18. Mai 2010 teilte das BKA Lothar M. mit, dass die

über die Information bezüglich der Firma Luxik hinausge-

henden Hinweise sich nicht mit den bisherigen Ermitt-

lungsergebnissen in Einklang bringen ließen, weshalb

eine weitere Kontaktaufnahme von Herrn Lothar M. nicht

für erforderlich gehalten werde.
5380

bbb) Ermittlungen in der Schweiz

Der Zeuge Hoppe hat angegeben, dass aufgrund des Hin-

weises vom 12. April 2007 von Lothar M. auf die Anzei-

gen der Firmen Jan Luxik und Schläfli & Zbinden im

Internationalen Waffenmagazin die Ermittlungen nach

Tschechien und in die Schweiz intensiviert worden sei-

en.
5381

Durch eine Anfrage des BKA an die BKA-

Verbindungsbeamten in Prag und in der Schweiz vom

8. Mai 2007 wurden Informationen zu den neu gewonne-
5373) MAT A BKA-2/35a, Bl. 251-262.

5374) MAT A GBA-4/8e, Bl. 101-111.

5375) MAT A GBA-4/8e, Bl. 7 f.

5376) MAT A BKA-2/35a, Bl. 230.

5377) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11; siehe hierzu auch den Brief des

Lothar M. vom 12. April 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl. 252 ff.

5378) MAT A GBA-4/8e, Bl. 21.

5379) MAT A GBA-4/8e, Bl. 7 bis 205 (173).

5380) MAT A GBA-4/8e, Bl. 13.

5381) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11.

nen Erkenntnissen abgefragt.
5382

Es wurde bestätigt, dass

die Firma Jan Luxik (zeitweise) Generalimporteur für

Česká-Waffen, Typ 83, Kaliber 7,65 mm Browning ge-
wesen sei.

Am 6. Juli 2007 reisten Mitarbeiter der zuständigen Er-

mittlungsgruppen der EG „Česká“ und der BAO „Bospo-
rus“ in die Schweiz mit dem Ziel festzustellen, ob die
Schweiz, insbesondere die dort in den neunziger Jahren

ansässige Firma Luxik, als Quelle für die Tatwaffe in

Betracht komme.
5383

Im Zuge dessen führte der Mitarbei-

ter der EG „Česká“ auf der Polizeidienststelle Solothurn,
Schweiz am 2. Juli 2007 ein „informatorisches Gespräch“
mit dem Sohn des Firmeninhabers Jan Luxik.

5384
Des

Weiteren sollten alle Käufer von den in Rede stehenden

Pistolen festgestellt und wenn möglich überprüft werden,

indem in die Waffenhandelsbücher der Firmen Luxik und

Schläfli & Zbinden geschaut werden sollte.
5385

Während des Aufenthaltes konnte die Information erlangt

werden, dass 27 Waffen des Typs Česká an die Firma Jan
Luxik geliefert wurden, wovon drei Stück nach Tschechi-

en reimportiert wurden.
5386

Durch die Waffenhandelsbü-

cher konnte ermittelt werden, welche Waffennummern

die in der Schweiz verbliebenen Česká 83 der Lieferung
an Luxik hatten.

Mit den neu gewonnenen Informationen wurde daraufhin

auf Anregung der EG „Česká“ am 23. Juli 2007 ein
Rechtshilfeersuchen eingeleitet, welches von der Staats-

anwaltschaft Nürnberg-Fürth (AZ: 403 AR 232642/07)

am 7. August 2007 an die Staatsanwaltschaft Solothurn

gesandt wurde.
5387

Gegenstand des Ersuchens war die

Ermittlung der Waffenerstbesitzer in der Schweiz und der

anschließende Beschuss der aufzufindenden Waffen.
5388

Die Schweizer Behörden konnten in Bearbeitung des

Rechtshilfeersuchens feststellen, dass im Zeitraum 1990

bis Ende 1999 durch die Firma Luxik insgesamt 62 Pisto-

len des Typs Česká 83, Kaliber 7,65 mm importiert wor-
den waren.

5389
Von diesem Kontingent wiesen 27 Pistolen

einen langen Lauf auf und waren mit Schalldämpfer be-

stückt. Die Ermittlungen der Verkaufswege zeigten somit

dasselbe Ergebnis auf, dass bereits durch das „informato-
rische Gespräch“ mit dem Sohn des Firmeninhabers Jan
Luxik vom 2. Juli 2007 erzielt werden konnte. Von den 24
5382) MAT A BKA-2/35a, Bl. 266 (267).

5383) Dienstreisebericht vom 5. Juli 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl.

285-289; Vermerk vom 6. Juli 2007, BKA-2/35a, Bl. 291-292.

5384) Dienstreisebericht vom 5. Juli 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl.

285-289; Vermerk vom 6. Juli 2007, BKA-2/35a, Bl. 291-292.

5385) Dienstreisebericht vom 5. Juli 2007, MAT A BKA-2/35a, Bl.

285-289; Vermerk vom 6. Juli 2007, BKA-2/35a, Bl. 291-292;
Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 11.

5386) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.

5387) Rechtshilfeersuchen der StA Nürnberg-Fürth, MAT A GBA-
4/5a, Bl. 101-107; Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.

5388) Rechtshilfeersuchen der StA Nürnberg-Fürth, MAT A GBA-

4/5a, Bl. 101-107; Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.

5389) Hierzu und zum Folgenden: MAT A BKA-2/35a, Bl. 343-347;

Bericht Bundeskriminalpolizei (CH) vom 19. Dezember 2011,

MAT A GBA-4/5, Bl. 267.

Drucksache 17/14600 – 618 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

in der Schweiz verbliebenen Waffen, konnten 16 Waffen

behördlich festgestellt, zugeordnet, aufgefunden und

später umfangreichen Tests (Beschuss) unterzogen wer-

den. Acht Waffen konnten nicht ermittelt werden. Aus

den Waffenbüchern der Firma war zudem ersichtlich, dass

lediglich fünf dieser Waffen gemeinsam mit einem

Schalldämpfer an Privatkunden veräußert worden waren.

Alle weiteren Waffen waren an Einzelhändler verkauft

worden.
5390

ccc) BKA-Gutachten vom 11. September 2008

Die Kriminaltechnik des BKA stellte mit Gutachten vom

11. September 2008 durch Untersuchen der durch die

Schweiz übersendeten Munition starke Ähnlichkeiten

zwischen der sichergestellten Tatmunition und den Muni-

tionsteilen der zwischenzeitlich beschossenen 16 Waffen

aus der Schweiz-Lieferung fest. Zwar handelte es sich bei

keiner dieser Waffen um die Tatwaffe, jedoch war das

von den Waffen verursachte Spurenbild (bogenförmige

Eindruckspuren auf den Hülsenböden durch den Stoßbo-

gen des Patronenlagers) an Hülsen und Geschossen derart

spezifisch, dass in der Folge mit hoher Wahrscheinlich-

keit davon ausgegangen wurde, dass die Tatwaffe aus der

gleichen Lieferung kommen musste.
5391

Zu diesem Zeit-

punkt war der Verbleib von lediglich acht Českás 83, 7,65
mm der Luxik-Lieferung nicht aufgeklärt.

5392
Diese Er-

kenntnis hat der Zeuge Jung als

„nächsten Wendepunkt in dieser Spur, kriminalis-
tisch sehr wichtig“

beschrieben.
5393

Zwei der acht verbliebenen Waffen wurden laut Waffen-

buch der Firma Schläfli & Zbinden an den schweizeri-

schen Staatsangehörigen Anton G. verkauft. Neben Anton

G. erwarb Erwin B., welcher mit der Mordserie jedoch

nicht in Verbindung steht, eine Česká, Typ 83, 7,65 mm.

ddd) Spur Anton G.

Am 16. August 2007 erfolgte die erste Vernehmung von

Anton G. durch die Regionalpolizei Berner Oberland ohne

Anwesenheit deutscher Beamter der EG „Česká“ oder der
BAO „Bosporus“. Im Befragungsbericht der Schweizer
Polizei heißt es:

„Auftragsgemäß wird Herr G. zum Erwerb der
Waffenerwerbsscheine und dem Kauf der Waffen

befragt. Dabei erklärte er, wahrscheinlich zwei

Scheine beantragt und auch erhalten zu haben.

Anhand der getätigten Abklärungen […] seien im
Geschäft Schläfli & Zbinden auf zwei Waffener-

werbsscheine von Herrn G. zwei Pistolen verkauft
5390) MAT A BKA-2/35a, Bl. 266 (267).

5391) Fortgeschriebener Sachstandsbericht des BKA, Stand 17. April
2012, MAT A BKA-2 Bl. 497 ff. (513).

5392) MAT A GBA-4/5a, Bl. 227 ff; Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S.10.

5393) Jung, Protokoll-Nr. 31, Bl. 44.

worden. Wie Herr G. erklärte, habe er sehr schwe-

re […] Erkrankungen erlitten. Durch die medika-
mentösen und operativen Behandlungen soll sein

Gedächtnis ziemlich gelitten haben.“5394

Auch in einer zweiten Befragung durch die Schweizer

Polizei am 8. Juli 2008 machte Anton G. keine weiteren

Angaben. Obwohl ihm die Höhe der in Deutschland aus-

gelobten Belohnung i.H.v. 300 000 Euro vorgehalten

wurde, wiederholte er im Wesentlichen die Aussagen aus

der ersten Vernehmung. Durch seine vielen Krankheiten

könne er sich nicht mehr an Details erinnern. Er könne

sich nach wie vor nicht erklären, wer unter seinem Namen

im Jahr 1996 zwei Waffen gekauft habe.
5395

Hierzu hat der Zeuge Hoppe ausgeführt, dass die Schwei-

zer Kollegen bereits 2007/2008 das Umfeld der Personen,

die Luxik-Waffen kauften, abgeklärt hätten. Erkenntnisse,

die die Ermittler hätten aufmerksam machen müssen,

habe es nicht gegeben.
5396

Nachdem Anton G. gegenüber den Schweizer Behörden

bestritten hatte, die Waffen jemals erhalten zu haben,

wurde er mit Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft

Nürnberg-Fürth vom 3. Februar 2009
5397

(AZ. 405 AR

230284/09) am 6. November 2009 erneut vernommen

sowie ein Durchsuchungsbeschluss vollzogen.
5398

Dabei

waren Ermittlungsbeamte von der EG „Česká“ und der
BAO „Bosporus“ anwesend. Anton G. gab an, keine Waf-
fen gekauft zu haben. Eine Erklärung für den Eintrag bei

der Firma Schläfli & Zbinden über den Kauf zweier

Česká-Waffen habe er nicht. Die Munition des Herstellers
PMC sage ihm nichts. Er könne sich nur noch daran erin-

nern, dass er Waffenerwerbsscheine erworben habe. Er

war der Meinung, dass ihm diese Waffenerwerbsscheine

abhanden gekommen seien. Eine Waffe sei ihm in jedem

Fall nicht geliefert worden, auch wenn seine (richtige)

Adresse als Lieferadresse aufgeführt sei. Manchmal sei

bei einer Paketlieferung auch nur ein Zettel vorhanden,

der auf die Anlieferung in seinem Hobbyraum verweise.

Dieser sei öffentlich zugänglich. Sein Haus werde nicht

regelmäßig abgeschlossen. Er habe ursprünglich eine

Waffe für sich und seine Frau kaufen wollen, aber dieses

Vorhaben aufgrund finanzieller Probleme aufgegeben.

Der Waffentyp Česká sage ihm nichts. Auch die Firma
Luxik sei ihm nicht bekannt.

5399
Im Dienstreisebericht des vernehmenden BKA-Beamten

über die Vernehmung vom 6. November 2009 wurde die

Aussage des Anton G. als nicht glaubhaft bewertet:
5394) Bericht und Befragungsprotokoll vom 16. August 2007, MAT

A GBA-4/5a, Bl. 246 ff.

5395) MAT A BKA-2/35a, Bl. 362 f.; Vernehmungsprotokoll vom

8. Juli 2008 und Bericht vom 28. Juli 2008, MAT A GBA 4/5a,
Bl. 254 -257.

5396) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 14.

5397) Rechtshilfeersuchen, MAT A GBA-4/5a, Bl. 184 ff.

5398) MAT A GBA-4/5a, Bl. 227 ff; Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 13.

5399) Befragungsprotokoll vom 6. November 2009, MAT A GBA-

4/5a, Bl. 227 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 619 – Drucksache 17/14600

„Aufgrund der Eintragungen im Waffenhandels-
buch der Fa. Schläfli & Zbinden (CH) ist davon

auszugehen, dass beide Waffenerwerbsscheine des

Zeugen G. […] dort vorlagen. Aus denen wurden
auch die Käuferpersonalien korrekt übernommen.

Die Erklärung des Zeugen, dass ihm diese Er-

werbsscheine abhanden oder gar gestohlen worden

sein müssen, ist nicht realistisch.“5400

Im Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

vom 13. Januar 2012 heißt es:

„Die Ermittlungen verliefen negativ, der Verbleib
der Waffen konnte nicht geklärt werden.“5401

Im Ausschuss ist thematisiert worden, warum der fehlen-

den Glaubhaftigkeit der Aussage Anton G.s nicht konse-

quenter entgegen getreten wurde, beispielsweise, warum

die Frau des Anton G. nicht befragt wurde, obwohl nach

Angaben des Anton G. die zweite Waffe für sie vorgese-

hen war. Darauf hat sich der Zeuge Jung, welcher selbst

an der Vernehmung und Hausdurchsuchung bei Anton G.

mitwirkte, wie folgt eingelassen:

„Das ist letztendlich nicht mehr geschehen. Wir
waren ja bei der Durchsuchung dabei. Wir hatten

ein Postüberweisungsbuch. Da sind letztendlich al-

le Postüberweisungen drin gewesen ab 93, und zu

unserer, ich muss sagen, Überraschung war letzt-

endlich keine Überweisung an die Firma Schläfli

& Zbinden in diesem Buch drin gewesen. Zum ei-

nen hat uns das erst mal etwas verunsichert. Wir

haben dann überlegt: ,Kann das sein? Kann tat-

sächlich diese Genehmigung auf irgendwelchen

Wegen zur Firma Schläfli & Zbinden gekommen

sein, und kann auf diese Genehmigung hin ein un-

bekannter Käufer sich diese Waffe beschafft ha-

ben?‘, haben dann aber letztendlich gesagt: Die
Wahrscheinlichkeit ist eher gering.“5402

Weiter hat der Zeuge Jung vorgetragen, dass zunächst der

Bezahlweg ermittelt werden sollte, um Anton G. konkre-

tere Vorhaltungen machen zu können. Dies sei jedoch

nicht gelungen,

„weil da 12 Jahre dazwischen waren und die Un-
terlagen sowohl bei der Firma Schläfli & Zbinden

als auch bei der Post in der Schweiz nicht mehr da

waren“.5403

Auf Nachfrage hat der Zeuge Hoppe hierzu ausgeführt:

„Er wurde vernommen. Er hat die gleiche Aussage
getroffen wie 2008, und wir haben zu dem damali-

gen Zeitpunkt keine weiteren Vorhalte gehabt. Aus

heutiger Sicht, wenn ich ihm die Waffennummer

vorhalten kann: ‚Das ist die Waffe, die du damals
bestellt hast‘, was er ja bestritten hat – er hat es ja
5400) Dienstreisebericht vom 9. November 2009, MAT A BKA-

2/35a, Bl. 442 – 444.

5401) MAT A GBA-4/2, Bl. 7 ff.

5402) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 61.

5403) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 62.

bis zuletzt, nach unseren Vernehmungen, bestrit-

ten, dass er diese Waffe bestellt hat – habe ich kei-
ne weiteren Anhaltspunkte mehr. Ich habe alle

rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich habe

ihn vernommen, und ich habe bei ihm gesucht. Ich

habe bei ihm keinerlei Hinweise gefunden, was auf

– das ist zumindest meine Kenntnis der Akte – ei-
nen rechten, ausländerfeindlichen Hintergrund

hinweisen könnte oder auch andere Umstände.“5404

Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, inwie-

weit die bei der Vernehmung anwesenden Beamten der

EG „Česká“ und der BAO „Bosporus“ darauf eingegan-
gen seien, dass Anton G. familiäre Beziehungen nach

Ostdeutschland habe. Dies sei zwar nach den Angaben

des Zeugen Jung gemacht worden, jedoch letztendlich im

Sande verlaufen.
5405

Am 11. August 2009 war Franz Schläfli durch die zu-

ständige Schweizer Polizeibehörde vernommen worden.

Auf die Frage, ob sich Anton G. über die nicht gelieferte

Waffe beschwert habe, antwortete Schläfli, wenn dies der

Fall gewesen wäre, wäre die Angelegenheit bei ihm ge-

landet. Somit müsse er dies wissen. Doch er könne sich an

keinen Vorfall erinnern. Der Versand habe immer ge-

klappt.
5406

Im Ergebnis konnte der Verbleib der laut Waffenbuch der

Firma Schläfli & Zbinden an Anton G. gelieferten Waffe

von der EG „Česká“ vor dem 4. November 2011 nicht
aufgeklärt werden.

Auch erneute Ermittlungen zu den Verkaufswegen der

Česká-Waffen mit verlängertem Lauf in den Jahren 2010
und 2011 führten zu keinen weiteren Erkenntnissen.

5407
eee) Dauer der Rechtshilfeersuchen in die
Schweiz

Im Ausschuss ist die Dauer der Auslandsermittlungen in

die Schweiz, welche hauptsächlich durch die Bearbei-

tungszeit der Rechtshilfeersuchen zustande kam, themati-

siert worden.

Am 7. August 2007 ersuchte die Staatsanwaltschaft

Nürnberg-Fürth (AZ: 403 AR 232642/07) die Staatsan-

waltschaft Kanton Solothurn in der Schweiz, den Firmen-

inhaber Jan Luxik sowie dessen Sohn und einen damalig

in der Firma beschäftigten Mitarbeiter zu vernehmen, um

Erkenntnisse zur Herkunft und zum Verbleib der bei der

Mordserie verwendeten Tatwaffe Česká 83, 7,65 mm zu
gewinnen. Darüber hinaus sollte sich die Staatsanwalt-

schaft Solothurn die Waffen vorlegen lassen und sie so-

dann beschießen. Soweit die Waffen weitergegeben wor-
5404) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 14.

5405) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 63.

5406) MAT A GBA-4/5a, Bl. 206-210.

5407) Befragungsvermerk vom 12. Mai 2011, MAT A BGA-4/5a, Bl.

285 f.

Drucksache 17/14600 – 620 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den sein sollen, wurde gebeten, die Namen der neuen

Besitzer zu benennen.
5408

Die das Rechtshilfeersuchen in der Schweiz bearbeitende

Staatsanwältin teilte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-

Fürth am 13. November 2007 telefonisch mit, die ersuch-

ten Ermittlungen seien fast vollständig bereits über die

„Polizeischiene“ in die Wege geleitet worden. Die zu-
ständige Nürnberger Staatsanwältin vereinbarte mit der

Schweizer Kollegin, dass das Ergebnis dieser bereits

angelaufenen Ermittlungen abgewartet werden solle.

Außerdem wurde erfragt, ob ein Beschuss der Waffen

tatsächlich erwünscht sei.
5409

Die Staatsanwaltschaft

Nürnberg-Fürth teilte daraufhin am 19. November 2007

telefonisch mit, dass an dem Ersuchen festgehalten wer-

de.
5410

Dies wurde durch die Schweizer Staatsanwalt-

schaft zugesagt. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

verfügte Wiedervorlage spätestens nach sechs Monaten.

Daraufhin folgte eine erneute, nunmehr schriftliche Nach-

frage der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 20. Mai

2008 nach dem Bearbeitungsstand.
5411

Die zuständige

Schweizer Staatsanwältin reagierte mit Telefonanruf am

4. Juli 2008, in welchem sie erklärte, dass der Beschuss

nunmehr durchgeführt werden solle. Sie bat um Mittei-

lung, ob erforderlichenfalls Zwangsmittel angewendet

werden dürfen.
5412

Im Abschlussbericht der Bundeskriminalpolizei der

Schweizerischen Eidesgenossenschaft vom 16. Dezember

2011 zum Rechtshilfeersuchen vom 7. August 2007 wur-

de angegeben, dass bis zum 3. Oktober 2008 elf Waffen

beschossen und mit der Tatmunition gegenübergestellt

waren. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden noch einmal

fünf Waffen mit negativem Ergebnis überprüft. Damit

waren die 16 Česká 83 mit verlängertem Lauf, deren
Verbleib in der Schweiz festgestellt worden war, mit

negativem Ergebnis überprüft worden. Der Verbleib von

acht Waffen konnte – wie bereits ausgeführt – nicht auf-
geklärt werden.

5413
Von der Übermittlung des Rechtshilfeersuchens im Au-

gust 2007 bis zur Abarbeitung durch die Schweizer Be-

hörden Ende 2008 verging mehr als ein Jahr. Der Zeuge

Hoppe hat zu den Rückläufen auf das Rechtshilfeersuchen

in seiner Vernehmung angegeben, dass diese

„so langsam im Juli 2008 bis Ende 2008 ange-
kommen“

seien.
5414
5408) MAT A GBA-4/5a, Bl. 109.

5409) MAT A GBA-4/5a, Bl. 114.

5410) MAT A GBA-4/5a, Bl. 116.

5411) MAT A GBA-4/5a, Bl. 119.

5412) MAT A GBA-4/5a, Bl. 121-123; MAT A GBA 4/5a, Bl. 119 f.,

MAT A GBA 4/5a, Bl. 121 f.

5413) Bericht Bundeskriminalpolizei (CH) vom 16. Dezember 2011,

MAT A GBA-4/5a, Bl. 267 ff. (Bl. 269).

5414) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 13.

Am 3. Februar 2009 erging ein weiteres Rechtshilfeersu-

chen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (Az. 405 AR

230284/09) an die Schweizer Behörden für die Zeugen-

einvernahme und Vollstreckung eines Durchsuchungsbe-

schlusses bei den Schweizer Staatsangehörigen Erwin B.

und Anton G. unter Anwesenheit deutscher Ermittlungs-

beamter bei den durchzuführenden Ermittlungsmaßnah-

men.
5415

Das Rechtshilfeersuchen wurde erst am 29. Ok-

tober 2009 (Erwin B.) bzw. am 6. November 2009 (Anton

G.), also mehr als acht Monate später, umgesetzt.

Der Zeuge Ziercke hat zur Dauer der Rechtshilfeersuchen

in die Schweiz ausgeführt:

„Die verzögerte Umsetzung der Maßnahme in der
Schweiz ist begründet in dem Rücktritt und der

damit verbundenen erforderlichen Neuwahl des für

die Genehmigung des Rechtshilfeersuchen zustän-

digen Schweizer Generalstaatsanwalts. Das Ersu-

chen blieb bis dahin unbearbeitet, trotz unserer

Nachfragen.“5416

Der Zeuge Maurer hat zu der Bearbeitungszeit durch die

Schweizer Behörden Folgendes ausgeführt:

„Wir haben uns natürlich nicht zufriedengegeben,
dass das hier so lange dauerte. Wohlgemerkt, am

16.12.2008
5417

wurde dieses Rechtshilfeersuchen

angeregt, und die Schweizer haben dann letztend-

lich erst signalisiert zum 29.10.
5418

hin, dass wir

kommen können und dass dann die Maßnahmen

durchgeführt werden. Wir haben – das ist auch al-
les dokumentiert – immer wieder, insbesondere
über die Fedpol in Bern, hier hinterfragt: ‚Was ist
da los? Warum dauert das so lange?‘, haben auch
immer wieder telefonisch Kontakt gehabt. Letzt-

endlich haben wir als Erklärung bekommen: Der

zuständige Generalbundes- oder Generalstaatsan-

walt für die Gesamtschweiz ist zurückgetreten, und

es müsste erst ein neuer gewählt werden, und so-

lange ebendieser neue noch nicht eingeführt wäre,

würde hier dieses Rechtshilfeersuchen auch nicht

erledigt werden.“5419

d) Zusammenarbeit mit dem BND

Den dem Ausschuss vorliegenden Akten ist entnommen

worden, dass das BKA den Bundesnachrichtendienst

(BND) über die Mordserie informierte und um Zusam-

menarbeit bat.
5415) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der

Tatserie „Česká“ vom 13. Juni 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 123
(125).

5416) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S.10.

5417) Abweichendes Datum von dem im Abgabebericht der Staats-
anwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 13. Juni 2012, MAT A

GBA-4/2, Bl. 123 (125) genannten (3. Februar 2009) – Datum
der Anregung durch BKA.

5418) Gemeint ist November des Jahres 2009.

5419) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 45; so auch Ziercke, Protokoll-Nr.

21, S.10.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 621 – Drucksache 17/14600

Am 22. März 2006 fand eine Besprechung auf Sachbear-

beiterebene zwischen Mitarbeitern des BKA, Abteilung

„Schwere und Organisierte Kriminalität (SO 15)“ und des
BND, Abteilung „Illegale Migration und internationaler
Rauschgifthandel (55D)“ statt, welche auf ein Ersuchen
des BKA vom 16. März 2006 zurückging.

5420
Ziel der

Besprechung sei gewesen, den zuständigen Mitarbeiter im

BND mit dem Fall vertraut zu machen,

„um über eine nachrichtendienstliche Einsteuerung
neue Ermittlungsansätze zu finden“.5421

Es wurde vereinbart, dass die in den vom BKA übereich-

ten Unterlagen erwähnten Personen durch den BND über-

prüft und der „Quellenbestand“ des zuständigen BND-
Mitarbeiters im Hinblick auf den Sachverhalt gesteuert

werden solle.
5422

Weiterhin findet sich der Entwurf eines Schreibens vom

6. Oktober 2006 des BKA, EG „Česká“, an den BND,
welches sich auf ein zuvor geführtes Telefonat bezog. Bei

dem Schreiben handelte es sich um eine Darstellung der

Mordserie und der Tatumstände. Inhaltlich ging es in dem

Schreiben insbesondere um die Auskunft der tschechi-

schen Behörden, dass lediglich zwei Chargen der Česká
83, 7,65 mm Browning mit werkseitig verlängertem Lauf

zur Verwendung von Schalldämpfern hergestellt wurden.

Da das BKA noch nicht die Spur in die Schweiz zur Fir-

ma Luxik und Schläfli & Zbinden verfolgte
5423

, hatte es

bis dato nicht die Information über die Lieferung der

zweiten Charge in die Schweiz an die Firma Luxik. Die

Lieferung der ersten Charge an einen libanesischen Käu-

fer war dem BKA zu diesem Zeitpunkt hingegen bekannt.

Die erforderlichen Daten wurden dem BND übermittelt

mit der Bitte, diese in deren System zu überprüfen.

Der Zeuge Hoppe hat auf Nachfrage angegeben, zur Waf-

fe habe es keinen Kontakt des BKA mit dem BND gege-

ben. Das BKA habe sich im März 2006 mit dem BND zur

Serie insgesamt ausgetauscht und gebeten, wenn er Er-

kenntnisse zur Gesamtserie bekomme, diese dem BKA

mitzuteilen.
5424

Der Zeuge Jung hat diesen Vorgang bestätigt.
5425

Aller-

dings konnte der BND zu der Frage nach Angaben des

Zeugen Jung nichts beitragen.
5426

Hierzu hat der Zeuge

Dr. Herle, damaliger Referatsleiter für Proliferation, an-

gegeben, dass die Frage des BKA aus dem Jahre 2006

nicht hinreichend präzisiert gewesen sei. Er hat erläutert:
5420) Besprechungsvermerk des BND vom 22. März 2006, MAT A

BND-2/1, Bl. 35 f.

5421) Besprechungsvermerk des BND vom 22. März 2006, MAT A
BND-2/1, Bl. 35 f. (36).

5422) Besprechungsvermerk des BND vom 22. März 2006,l MAT A

BND-2/1, Bl. 35 f. (36).

5423) Laut Zeugenaussagen von Ziercke und Hoppe sei der Hinweis

des Lothar M. erst im April 2007 erlangt worden, Protokoll-Nr.

21, S. 9 und Protokoll-Nr. 15, S. 11.

5424) Hoppe, Protokoll-Nr. 15, S. 33, 34.

5425) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 70.

5426) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 70.

„Es war keine Nummer, Registrierungsnummer,
der Waffe angegeben. Die Anfrage bezog sich le-

diglich auf die Česká und auf die Firma, auf die
tschechische Firma, die im Vertrieb eingeschaltet

war, und, ich glaube, auf irgendeinen Namen, der

angeblich – irgendein Mann aus dem Mittleren Os-
ten – mal eine Waffe davon erhalten haben sollte.
Das wurde geprüft, und wir hatten keine Erkennt-

nisse dazu.“5427

Auf die Nachfrage, ob eine Einbindung des BND in die

Verkaufswegeermittlungen in der Schweiz sinnvoll gewe-

sen wäre, hat dies der Zeuge Jung verneint:

„Es gab keinerlei Erkenntnisse, die in irgendeine
politische Richtung gezeigt haben, und wir haben

letztendlich versucht, die Herkunft bzw. den Erst-

kunden hier zu ermitteln. Da hätte uns der BND

wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen kön-

nen.“5428

Weiterhin hat sich in einem Aktenvermerk der MK „Bos-
porus“ über eine „Waffenbesprechung“ mit dem Landes-
kriminalamt München vom 30. Oktober 2008 folgende

Aussage gefunden:

„Aus der Überlegung heraus, dass Schalldämpfer
sowohl aus gewerblicher Fertigung als auch durch

unprofessionelle Hersteller (illegale Waffenbear-

beiter) in den Handel gelangen, wurde folgender

Vorschlag diskutiert:

Kontaktaufnahme mit BND zwecks Vergleichs-

muster Schalldämpfer […].“5429

Auf die konkrete Frage an den Zeugen Dr. Herle, ob der

BND bei präziseren Angaben, gerade bezogen auf die

Schweiz, in der Lage gewesen wäre, unterstützend tätig

zu werden, hat dieser ausgeführt:

„Grundsätzlich nein. Meine Abteilung beschäftigt
sich mit dem Waffenhandel unter strategischem

Aspekt, Rüstungshandel international, Im- und

Export. Mit einzelnen Waffen, die im Rahmen von

Terrorismus oder von Kriminalität gehandelt wer-

den, beschäftigen wir uns nicht. Waffenhandel de-

finiert sich bei uns erst dann, wenn eine organisier-

te Struktur oder ein Netzwerk dahintersteht.“5430

Weder aus den dem Ausschuss vom BKA und BND

übergebenen Akten noch durch die vom Ausschuss

durchgeführten Zeugenvernehmungen konnte ermittelt

werden, ob eine solche Kontaktaufnahme stattgefunden

hat.
5427) Dr. Herle, Protokoll-Nr. 31, S. 84.

5428) Jung, Protokoll-Nr. 31, S. 70.

5429) MAT A GBA-4/5a, Bl. 90 f. (91).

5430) Dr. Herle, Protokoll-Nr. 31, S. 84.

Drucksache 17/14600 – 622 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Durch die Ermittlungen ausgeräumter Ver-
dacht gegen einen Mitarbeiter des LfV
Hessen

a) Verdacht der Verstrickung eines Behör-
denmitarbeiters

aa) Ermittlungen gegen Andreas Temme

Nachdem ein Zeuge in seiner zweiten Vernehmung am

12. April 2006 von einer weiteren Person berichtete, die

sich am Tatort aufgehalten hatte, konnte diese am

19. April 2006 durch eine Anschlussermittlung beim

Anbieter der von 16.51 Uhr bis 17.01 Uhr besuchten Flirt-

Internetseite als Andreas Temme identifiziert werden.
5431

Die Staatsanwaltschaft Kassel leitete am 21. Juni 2006

gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts

ein, zumal neben seiner Anwesenheit am Tatort auffällig

war, dass er sich nicht bei der Polizei als Zeuge gemeldet

hatte.
5432

Bei der Durchsuchung der Wohnungen am gleichen Tag

offenbarte Temme, Mitarbeiter des LfV Hessen zu sein.

Sofort danach wurden mit Einverständnis des Direktors

des LfV, Lutz Irrgang, auch die Diensträume von Temme

durchsucht.
5433

Am 22. April 2006 informierte LfV-

Direktor Irrgang das PP Nordhessen zur Alibi-

Abgleichung über die Abwesenheiten von Temme in den

Jahren 2004 bis 2006.
5434

Bei der Durchsuchung seiner Wohnungen am 21. April

2006 wurden bei Temme neben einem Baseballschlä-

ger
5435

u. a. Unterlagen mit einem Bezug zum Dritten

Reich gefunden. In einem Vermerk der Polizei heißt es

hierzu:

„Es handelt sich im Wesentlichen um Dokumenta-
tionen aus dieser Zeit. Auffallend ist, dass diese

Schriftstücke offensichtlich mit einer manuellen

Schreibmaschine erstellt wurden. Zu erwähnen ist,

dass diese Ausarbeitungen einen Umfang betref-

fen, die über eine Referatsform oder Ausarbeitun-

gen schulischer Art weit hinausreichen. Unter an-

derem sind Auszüge aus Hitler ‚Mein Kampf‘ zi-
tiert und das verbotene Deutschlandlied wurde

handschriftlich niedergeschrieben.“5436

Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmungen wurde er

hiermit konfrontiert. Er gab an, dass er in seiner Jugend

ein Interesse am Dritten Reich gehabt und deshalb diese
5431) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 84.

5432) Verfügung vom 21. April 2006, MAT A GBA-4/10e (neu),

Bl. 308; vgl. auch die Einstellungsverfügung vom 18. Januar

2007, MAT A GBA-4/11b (neu), Bl. 509 f.

5433) Vermerk über die Durchsuchung der Diensträume vom

21. April 2006, MAT A GBA-4/11a (neu), Bl. 286 f.

5434) MAT A GBA-4/11f (neu), Bl. 78 ff.

5435) Nachweis über sichergestellte/beschlagnahmte Gegenstände,

MAT A GBA-4/11a (neu), Bl. 271.

5436) Vermerk vom 2. Mai 2006, MAT A GBA-4/11b (neu), Bl. 96.

Schriften für sich angefertigt habe. Nunmehr habe er

jedoch kein Interesse mehr.
5437

Außerdem wurde er ausgiebig befragt, ob er tatsächlich

zur Tatzeit im Internetcafé war. Er gab an, sich an diesen

Vorgang nicht erinnern zu können. Er habe sich deshalb

nicht unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Tat bei

der Polizei gemeldet, weil er der Meinung gewesen sei, er

sei einen Tag früher in dem Internetcafé gewesen. Da

habe er das Datum verwechselt. Von dem Mord habe er

nichts mitbekommen. Er habe beim Verlassen des Inter-

net-Cafés den Betreiber nicht gesehen und deshalb ein 50

Cent-Stück auf den Tresen gelegt. Außergewöhnliche

Geräusche habe er nicht gehört.
5438

Das Ermittlungsverfahren konnte nicht klären, ob Andre-

as Temme den Tatort bereits zum Tatzeitpunkt verlassen

hatte oder nicht.
5439

Die Polizei überprüfte die Alibis von Herrn Temme hin-

sichtlich der anderen acht Mordfälle in der Zeit von 2000

bis 2006. Für die Taten 1 (9. September 2000) und

6 (9. Juni 2005) lagen mögliche Alibis vor. Als Fazit

stellte die Polizei am 27. Juni 2006 fest:

„Die Ermittlungen im Umfeld von Temme und die
Auswertung sichergestellter Gegenstände (u. a.

maschinengeschriebene Abschriften von Texten

aus dem 3. Reich) ergaben vage rechtsradikale

Tendenzen Temmes, ein deutliches Motiv konnte

bei Temme bisher jedoch nicht ermittelt werden.

Es fehlen insbesondere Bezüge zu den anderen

acht Mordfällen in Nürnberg, München, Hamburg,

Rostock und Dortmund. Fraglich scheint in diesem

Zusammenhang jedoch, ob diese fehlenden Bezü-

ge zu anderen Fällen der Mordserie tatsächlich den

Tatverdacht gg. Temme im hiesigen Fall ausräu-

men. Beim derzeitigen Ermittlungsstand ist letzt-

lich auch nicht ausgeschlossen, dass Temme über

eine seiner von ihm geführten VM als Werkzeug

einer Organisation benutzt wurde.“5440

Zur Aufklärung einer möglichen Beteiligung von Andreas

Temme an dem Mord spielten daher auch die von ihm

geführten Vertrauenspersonen eine Rolle, weshalb die

Polizei versuchte, diese zu befragen (siehe unten: cc),

S. 623 und dd), S. 630). Im Übrigen erfolgte eine Tele-

kommunikationsüberwachung bei Andreas Temme.
5441

Mit Verfügung vom 18. Januar 2007 stellte die Staatsan-

waltschaft Kassel das Ermittlungsverfahren gegen Andre-

as Temme gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
5442
5437) Beschuldigtenvernehmung vom 12. Mai 2006, MAT A GBA-

4/10f (neu), Bl. 129 ff.

5438) Beschuldigtenvernehmung vom 21.04.2006, MAT A GBA-

4/10f (neu), Bl. 5 ff.

5439) Schreiben der StA Kassel vom 25. November 2011, MAT A

BMJ-4a, Bl. 47 f.

5440) Vermerk des PP Nordhessen vom 27. Juni 2006, MAT A GBA-
4/11b (neu), Bl. 143 ff.

5441) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 112 f.

5442) MAT A GBA-4/11b (neu), Bl. 509 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 623 – Drucksache 17/14600

bb) Kontakte des Andreas Temme zu seinen V-
Personen am Tattag

Im Rahmen der Ermittlungen zu den Kontakten von Herrn

Temme anhand der von ihm genutzten Telefonanschlüsse

stellte die Polizei fest, dass er am Tattag Telefonkontakte

zu zwei Quellen hatte:

Ein Telefonat wurde um 13.06 Uhr mit der Quelle aus

dem rechten Spektrum geführt. Es dauerte 17 Sekunden.

Hinsichtlich dieser Quelle bemerkte die Polizei anhand

des Terminkalenders von Andreas Temme, dass zwischen

ihr und Andreas Temme am 9. Juni 2005 (dritter Mord in

Nürnberg) und 15. Juni 2005 (zweiter Mord in München)

Telefonate geplant waren bzw. stattgefunden haben. Für

den 10. April 2006 war ein Treffen vereinbart.
5443

Außerdem wurde ein Telefonat von seinem Diensthandy

um 17.19 Uhr, also kurz nach der Tat, mit einer Quelle

aus dem islamistischen Bereich bei einer Dauer von 87

Sekunden festgestellt.
5444

Wegen der zeitlichen Nähe

dieses Telefonats zu dem Mord war diese Quelle nach

Angaben des Zeugen Hoffmann für die Polizei von be-

sonderem Interesse.
5445

Nach dem 4. November 2011 führte die Polizei einen

Abgleich der Telekommunikationsverbindungsdaten der

Quelle aus dem rechten Spektrum durch. Hierbei wurde

festgestellt, dass um 16.11 Uhr ein Telefonat zwischen

der Außenstelle des LfV Hessen in Kassel (vermutlich

von Andreas Temme) und dieser Quelle stattgefunden hat.

Nach den Angaben der Staatsanwaltschaft Kassel im

Abgabebericht vom 4. Januar 2012 sei dieser Abgleich

zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens gegen

Andreas Temme am 18. Januar 2007 noch nicht möglich

gewesen, da die Massendaten zu diesem Zeitpunkt noch

nicht zur Verfügung gestanden hätten.
5446

Außerdem traf sich Andreas Temme am 6. April 2006

etwa zwischen 12.30 Uhr und 15 Uhr mit einer anderen

Quelle aus dem islamistischen Bereich, mit der er vermut-

lich am Vormittag zwei Telefongespräche geführt hat-

te.
5447
5443) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. Januar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 216 ff., 232.

5444) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. Januar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 216 ff., 232 f.; vgl. auch Vermerk

des PP Nordhessen vom 25. Juli 2006, MAT A GBA-4/11n
(neu), PDF-S. 439 ff.

5445) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 85 f.

5446) Abgabebericht der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. Januar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 216 ff., 233.

5447) Vermerk der MK Café vom 25. Juli 2006, MAT A GBA-4/11n

(neu), Bl. 36 ff.

cc) Bemühungen der Ermittlungsbehörden zur
Vernehmung der V-Personen von Andreas
Temme

Insbesondere zur Abklärung der Alibis von Andreas

Temme bemühten sich die Ermittlungsbehörden um eine

Vernehmung der von ihm geführten V-Personen.
5448

aaa) Rechtliche Grundlagen

Das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz

Hessen (VerfSchG Hessen) regelt die Aufgaben und Be-

fugnisse des LfV Hessen. § 11 VerfSchG Hessen lautet

insgesamt:

„(1) 1Die Übermittlung ist über die §§ 9 und 10
hinaus zulässig an

1. Behörden, die ein Ersuchen nach § 2 Abs. 5

Nr. 1, 2 oder 4 an das Landesamt für Verfas-

sungsschutz gerichtet haben;

2. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur

Verfolgung der in § 100a der Strafprozessord-

nung genannten oder sonstiger Straftaten im

Rahmen der Organisierten Kriminalität;

3. Polizei- und Ordnungsbehörden, wenn dies zu

ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und

die Übermittlung der Abwehr einer im Einzel-

fall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur

Verhütung der in Nr. 2 genannten Straftaten

sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung

konkrete Hinweise vorliegen, dient;

4. andere öffentliche Stellen, wenn diese die per-

sonenbezogenen Daten zum Schutz der frei-

heitlichen demokratischen Grundordnung be-

nötigen.

2
In den Fällen des Satz 1 Nr. 3 ist das Landesamt

für Verfassungsschutz zur Übermittlung verpflich-

tet.
3
In den Fällen des Satz 1 Nr. 2 ist das Lande-

samt für Verfassungsschutz unter Beachtung von

§ 15 zur Übermittlung verpflichtet, sobald sich

nach den dort vorliegenden Erkenntnissen zurei-

chende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorlie-

gen einer verfolgbaren Straftat im Sinne des § 152

Abs. 2 der Strafprozessordnung ergeben.

(2)
1
Hält das Landesamt für Verfassungsschutz das

Ersuchen des Empfängers nicht für rechtmäßig, so

teilt es ihm dies mit.
2
Besteht der Empfänger auf

der Erfüllung des Ersuchens, so entscheidet das

Ministerium des Innern.

(3) Der Empfänger darf die ihm übermittelten per-

sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck ver-

wenden, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt

wurden.“

§ 15 VerfSchG HE regelt die Übermittlungsverbote:
5448) Gesprächsprotokoll vom 25. April 2006, MAT A GBA-4/11n

(neu), Bl. 65 ff.

Drucksache 17/14600 – 624 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses
Teils hat zu unterbleiben, wenn

1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass

unter Berücksichtigung der Art der personen-

bezogenen Daten und ihrer Erhebung die

schutzwürdigen Interessen der betroffenen

Person das Allgemeininteresse an der Über-

mittlung überwiegen,

2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies er-

fordern.“

bbb) Nichterteilung einer Aussagegenehmigung
für die Vernehmung der von Andreas
Temme geführten V-Personen

Anhand der Telekommunikationsverbindungsdaten und

Speichereinträge aus dem Diensthandy von Andreas

Temme ermittelte die Polizei die Identität und die Adres-

sen der von ihm geführten Quellen. Eine direkte Befra-

gung erfolgte nicht. Vielmehr erkundigte sich die Polizei

beim LfV Hessen nach dem Hintergrund dieser Personen.

Die Polizei ging davon aus, dass es sich mit hoher Wahr-

scheinlichkeit um Kontakte handelte, die „dienstlich ver-
anlasst“ waren und dass die Personen in einem „Verhält-
nis zum LfV Hessen standen“. Der Zeuge Hoffmann hat
ausgesagt, er und der Staatsanwalt seien davon ausgegan-

gen, dass „besondere Regelungen gelten“ und sie „nicht
einfach dazu übergehen konnten, Personen zu verneh-

men“.5449

Am 25. April 2006 fand eine erste Besprechung zwischen

den Ermittlungsbehörden und dem LfV Hessen statt, bei

dem es um Informationen zu dem Beschuldigten Temme

und seine Vertrauenspersonen ging. Das LfV teilte deren

Namen mit. Hierbei ging es der Polizei vorrangig um die

Abklärung der Alibis des Beschuldigten Temme.
5450

Eben-

falls am 25. April 2006 bat die Staatsanwaltschaft Kassel

das LfV Hessen schriftlich um Unterstützung. Es heißt in

diesem Schreiben:

„Für die weitere Erforschung des Sachverhaltes
und insbesondere die Aufklärung des Umfangs der

Beteiligung von Herrn Temme sowie auch zur Er-

mittlung entlastender Umstände, sind Auskünfte

über die berufliche Tätigkeit des Beschuldigten

dringend erforderlich. Beispielsweise sind von In-

teresse die Aufenthaltsorte von Herrn Temme zu

den Tatzeiten der vorangegangenen Tötungsdelik-

te, wobei dies neben Fahrtenbuchnachweisen, Spe-

senabrechnungen etc., auch durch Befragung der

von Herrn Temme geführten VMs erfolgen sollte.

Letzteres dient auch dazu, Erkenntnisse über Kon-

takte des Beschuldigten zu Personen zu gewinnen,

die möglicherweise als Hintermänner der Tat in

Frage kommen. Die Befragung der VMs kann aus

Sicht der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die
5449) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 97.

5450) Gesprächsprotokoll vom 25. April 2006, MAT A GBA-4/11n

(neu), Bl. 65 ff.

Geheimhaltungsinteressen im jetzigen Verfahrens-

stadium mittels des von dort für Herrn Termme

eingesetzten Quellenführers geschehen, der in Zu-

sammenarbeit mit den Beamten des PP Nordhes-

sen gezielt Fragen ‚transportieren‘ kann.

Im Einzelnen verweise ich bezüglich der sich bis

dato ergebenden Fragestellungen auf einen Fra-

genkatalog, der Ihnen durch das PP Nordhessen, K

11 – MK Café, vorgelegt werden wird.“5451

Gegenstand der beabsichtigten Befragung der Vertrau-

enspersonen war demnach nicht nur die Überprüfung der

Alibis des Beschuldigten Temme zu den Tatzeiten der

neun Morde, sondern auch mögliche Erkenntnisse über

Kontakte des Beschuldigten zu Personen, die als Hinter-

männer der Tat in Frage kamen. Die Staatsanwaltschaft

erklärte sich zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Befra-

gung durch das LfV einverstanden. Der Fragenkatalog der

MK „Café“ enthält zum Punkt „Vernehmung der VM´s“
lediglich folgende Ausführungen:

„Vernehmung der VM´s, insbesondere VM 650,
der sich am 06.04.06 mit Herrn Temme getroffen

hat sowie Abgleich zum Bericht des Herrn Temme

Hat sich Herr Temme auch am 04.04.06 mit einer

VM getroffen? Vernehmung dieser VM und Ab-

gleich mit Bericht. Erkenntnisse der VM´s? – Ggf.
Offenlegung der VM 650!“5452

Das LfV befragte einige der von Andreas Temme geführ-

ten Quellen und beantwortete die Fragen der Polizei mit

Schreiben vom 8. Mai 2006.
5453

Mit Schreiben vom

6. Juni 2006 teilte das LfV der Polizei ergänzend das

Ergebnis einer Befragung der VP aus dem islamistischen

Bereich mit, mit der sich Andreas Temme am Tattag ge-

troffen habe, wobei Ort und Umstände eines Treffens von

11 bis 13 Uhr in Kassel beschrieben werden.
5454

Der Poli-

zei genügte diese Antwort jedoch nicht. Sie beabsichtigte,

über die Staatsanwaltschaft Kassel eine Vernehmung der

VP zu beantragen, an der Mitglieder der Mordkommissi-

on zumindest teilnehmen könnten.
5455

Am 30. Juni 2006 kam es zu einer Besprechung zwischen

Mitarbeitern des Polizeipräsidiums Nordhessen, der

Staatsanwaltschaft Kassel und dem LfV Hessen. Der

Leiter des LfV Hessen, Direktor Irrgang, nahm hieran

nicht teil. In einer E-Mail des Landespolizeipräsidiums

Hessen wird als Grund für die Nichtteilnahme „fehlende
Ebenenadäquanz“ angegeben.

„Er [Herr Irrgang] sei gerne bereit, zu einem per-
sönlichen Vieraugengespräch mit Herrn PP Hen-

ning nach Kassel zu kommen, er unterhalte sich
5451) MAT A HE-4, Bl. 429 ff.

5452) MAT A GBA-4/11f (neu), Bl. 119 ff.

5453) MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 58 ff.

5454) MAT A HE-4, Bl. 103.

5455) Vermerk des PP Nordhessen vom 12. Juni 2006, MAT A HE-4,

Bl. 99 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 625 – Drucksache 17/14600

aber nicht mit einem Staatsanwalt oder Polizeibe-

diensteten.“5456

Als Zeuge hat Herr Irrgang angegeben, dass er als Diszip-

linarvorgesetzter mit einem Vollzugsbeamten nicht über

einen Bediensteten habe reden wollen, weil alles, was er

mit ihm bespreche, sofort nachteilig verwendet werden

könne. Mit dem Polizeipräsidenten hätte er jedoch jeder-

zeit geredet.
5457

Den Inhalt dieser Besprechung vom 30. Juni 2006 hat ein

Mitarbeiter des Landespolizeipräsidiums Hessen, der

allerdings nicht bei dieser Besprechung anwesend war, in

einer E-Mail wie folgt festgehalten:

„Neben dem angestrebten strategischen Ziel (Auf-
hebung der Unterstützungshaltung verschiedener

LfVH-Vorgesetzter gegenüber dem TV [Tatver-

dächtigen]) trug StA Dr. W. drei konkrete Ersu-

chen vor:

1. die Möglichkeit staatsanwaltschaftli-

cher/polizeilicher Vernehmungen mehrerer vom

TV geführter VPen,

2. Übergabe einer Ausfertigung der dienstlichen

Erklärung, die der TV dem LfVH zugeleitet hat

und

3. Einsicht in die Ergebnisse der vom LfVH

durchgeführten Sicherheitsüberprüfung des TV.

Alle drei Ersuchen wurden von Herrn H. zurück-

gewiesen. StA Dr. W. bat um Entscheidung des

Behördenleiters und kündigte für den Fall weiterer

Ablehnungen an, die Entscheidung der obersten

Dienstbehörde herbeiführen zu wollen.

Hinsichtlich der geforderten VP-Vernehmungen

bot das LfVH – wie bereits bisher – an, dass ein
Polizeibeamter legendiert als vermeintlicher LfV-

Beamter an vom LfVH durchgeführten Befragun-

gen teilnehmen könne. Ergebnisse solcher Befra-

gungen wären allerdings nicht gerichtsverwertbar,

weil es sich um unzulässige verdeckte Verneh-

mungen handeln würde.

Die den LfV-Vertretern erläuterten Verstöße des

TV gegen Sicherheitsbestimmungen wurden von

diesen heruntergespielt. Nach Auffassung von KD

Hoffmann bestand seitens der LfVH-Vertreter von

Beginn an kein Interesse an sachfördernder Ko-

operation. Äußerungen wie ,...wir haben es hier

doch nur mit einem Tötungsdelikt zu tun...‘ und
,...Stellen Sie sich vor, was ein Vertrauensentzug

für den Menschen (Temme) bedeutet...‘ machten
deutlich, dass das LfVH die eigene Geheimhal-

tung, die ,für das Wohl des Landes Hessen‘ be-
deutsam sei, über die mögliche Aufklärung der im
5456) E-Mail vom 28.06.2006, MAT A HE-4, Bl. 88.

5457) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 88.

Raum stehenden Verdachtsmomente gegen einen

LfVH-Mitarbeiter stellt.“5458

In einem Vermerk der MK „Café“ über den Inhalt dieser
Besprechung vom 30. Juni 2006 heißt es:

„Herr H. [Mitarbeiter des LfV] fragte dann, ob nur
eine VM als Alibizeuge für den 04.04. vernommen

werden soll oder ob noch mehr VMs des Herrn

Temme gehört werden sollen. Herr B. [PP Nord-

hessen] sagte daraufhin, dass alle von Herrn

Temme geführten VMs vernommen werden sollen.

[…]

Im Verlauf des Gespräches stellte Herr H. dar,

dass eine Vernehmung und der damit einherge-

hende Verlust der Quellen das größtmögliche Un-

glück für das Landesamt darstellen würde. Er

meinte, dass, wenn solche Vernehmungen geneh-

migt würden, es für einen fremden Dienst ja ein-

fach sei, den gesamten Verfassungsschutz lahm zu

legen. Man müsse nur eine Leiche in der Nähe ei-

nes VMs bzw. eines VM'Führers positionie-

ren.“5459

Ein Mitarbeiter des Landespolizeipräsidiums Hessen

betonte in einer Mail vom 4. Juli 2006, die Staatsanwalt-

schaft Kassel habe bezüglich der Vernehmung der V-

Personen gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten des

LfV betont, für den Fall der Ablehnung würden die be-

treffenden Personen ermittelt und vorgeladen. Der Ge-

heimschutzbeauftragte des LfV habe erwidert, dass man

das ruhig versuchen könne.
5460

Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 teilte das LfV der Staats-

anwaltschaft Kassel Folgendes mit:

„Die gewünschte Offenlegung der Quellen kann
im vorliegenden Sachverhalt nicht einfach erfol-

gen, da Quellen zu den geheimen Mitarbeitern des

LfV Hessen zählen. Sie bedürfen einer behördli-

chen Aussagegenehmigung.

Zudem ist die Offenlegung der Quellen gleichbe-

deutend mit ihrer Abschaltung, was eine operative

Bearbeitung des Islamismus in Nordhessen in Fra-

ge stellt. Überdies stellen sich im Anschluss daran

Versorgungsprobleme. Anders als bei der Polizei

sind geheime Mitarbeiter kein Beweismittel in

kurzfristig angelegten Kriminalfällen, sondern

über Jahre gewachsene Verbindungen.“5461

Die in diesem Schreiben weiter geäußerte Bitte um Mit-

teilung der Tatsachen, die Herrn Temme belasteten, be-

antwortete die Staatsanwaltschaft Kassel mit Schreiben

vom 10. Juli 2006 unter Hinweis darauf, dass gegen ihn

weiterhin der Anfangsverdacht der Beteiligung bestün-
5458) E-Mail vom 3. Juli 2006, MAT A HE-4, Bl. 84.

5459) Vermerk vom 3. Juli 2006, MAT A GBA-4/11e (neu), Bl. 279
ff.

5460) MAT A HE-4, Bl. 90.

5461) MAT A HE-4, Bl. 427 f.

Drucksache 17/14600 – 626 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

de.
5462

Außerdem beantragte die Staatsanwaltschaft Kas-

sel mit Schreiben vom 13. Juli 2006 beim Hessischen

Ministerium des Inneren und für Sport die Erteilung von

Aussagegenehmigungen für alle von Andreas Temme

geführten Quellen. Zur Begründung heißt es:

„Der gegen Herrn Temme bestehende Anfangsver-
dacht konnte auch durch die weiteren geführten

Ermittlungen noch nicht ausgeräumt werden. In-

soweit verweise ich auf das anliegende Schreiben

an das Landesamt für Verfassungsschutz vom

10.07.2006.

Aus hiesiger Sicht ist in Anbetracht der Bedeutung

der Mordserie und des bundesweiten Interesses je-

doch eine sorgfältige Abarbeitung der „Spur
Temme“ geboten, was eine Vernehmung der von
Herrn Temme geführten VM's durch die Polizei er-

fordert.

Die Quellen könnten geschützt werden, indem sie

wie eine VP der Polizei behandelt werden, der

Vertraulichkeit seitens der Staatsanwaltschaft zu-

gesichert wird.“ 5463

In einem Vermerk vom 24. Juli 2006 zu einer innerminis-

teriellen Besprechung vom 20. Juli 2006 wird dargelegt,

dass es bezüglich der Quellenvernehmung gute Gründe

gebe, diese zu verweigern, nämlich: Gefährdung der

Quellen, Vertrauen anderer Quellen in die Zusagen des

LfV auf Vertraulichkeit, Schwierigkeit bei der Gewin-

nung neuer Quellen, Informationsdefizit im Raum Kassel

im Bereich der islamistischen Szene, wenn Quellen aus-

fielen.
5464

Die Antwort des Hessischen Ministeriums des Inneren

und für Sport vom 25. Juli 2007 verwies die Staatsanwalt-

schaft Kassel zunächst an das LfV. Die Zuständigkeit für

die Erteilung solcher Aussagegenehmigungen liege gem.

§ 75 Abs. 2 S. 2 Hessisches Beamtengesetz bei dem Di-

rektor des LfV Hessen. Erst bei einer ablehnenden Ent-

scheidung könne das Ministerium eingeschaltet werden.

Es heißt dort außerdem:

„Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen
benötigt zur Entscheidung über einen Antrag auf

Aussagegenehmigung die Angaben des Namens

der Person, die als Zeuge vernommen werden soll,

sowie eine kurze, aber erschöpfende Darstellung

der Vorgänge über die der Zeuge vernommen wer-

den soll (vgl. Nr. 66 Abs. 3 RiStBV). Da im vor-

liegenden Fall wahrscheinlich eine Interessenab-

wägung mit den berechtigten Interessen des Lan-

desamts für Verfassungsschutz Hessen an einer er-

folgreichen Fortführung seiner Arbeit erforderlich

wird, sollte sich die Darstellung auch auf mögliche
5462) MAT A HE-4, Bl. 425 f.

5463) MAT A HE-4, Bl. 423 f.

5464) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anlage 01,
Ordner Ia, Bl. 199 ff.

Bedeutung des zu erfragenden Lebenssachverhalts

für das Ermittlungsverfahren erstrecken.“ 5465

Der Innenminister behielt sich eine Entscheidung vor,

indem er am 28. Juli 2006 vermerkte:

„Ich bitte sicher zu stellen, dass ohne meine per-
sönliche Genehmigung keinerlei Entscheidung

weder pro noch contra getroffen wird. Ich bitte

dies als strikte Weisung dem LfV weiterzuleiten.

Ansonsten einverstanden.“5466

Im Juli 2006 informierte das PP Nordhessen das hessische

Innenministerium darüber, dass der bayerische Innenmi-

nister Dr. Beckstein beabsichtige, „Herrn StM Bouffier
durch einen persönlichen Telefonkontakt zur Aufhebung

des Quellenschutzes für vom Tatverdächtigen geführte

VM zu bewegen.“5467 Diese Information wurde über den
hessischen Landespolizeipräsidenten unter Erläuterung

der Ermittlungsziele der Staatsanwaltschaft Kassel an den

Minister weitergegeben. Es heißt in dem Vermerk vom

13. Juli 2006 weiter:

„Herr Minister kündigte an, am Freitag,
14.07.2006, zusammen mit Herrn K., Abt. Z, ein

Gespräch mit Herrn Irrgang zu führen. Herr LPP

[Landespolizeipräsident] hat nicht die Absicht,

sich an diesem Gespräch zu beteiligen, er hat sich

so positioniert, dass es um einen Sachverhalt geht,

der zwischen LfVH und StA Kassel zu klären ist.

Herr LPP hat Herrn Minister erläutert, dass er bis-

her bewusst auf die Zuleitung detaillierter schrift-

licher Berichte an Herrn Minister verzichtet hat

und selbst auch keinen schriftlichen Bericht des PP

NH angefordert hat. Seine Informationen beruhen

auf der Berichterstattung durch Uz., der engen

Kontakt zur MK Café hält.“5468

Das Telefongespräch zwischen den Innenministern fand

nach Aussage von Volker Bouffier Anfang August wäh-

rend dessen Urlaubs statt. Dr. Beckstein habe ihm sinn-

gemäß erklärt, seine Beamten hätten ihn überzeugt, dass

der Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes im

Kasseler Mordfall der Täter sein müsse, die Polizei aber

nicht weiterkomme, da der Verfassungsschutz die Ver-

nehmung der Quellen nicht erlaube. Er habe daraufhin

Herrn Dr. Beckstein die Sachlage erläutert und ihm mitge-

teilt, dass eine entsprechende Entscheidung noch ausste-

he.
5469

Damit habe dieser sich zufrieden gegeben.
5470

Im Ausschuss sagte Dr. Beckstein dazu:

„Ich habe wiederholt wegen dieser Frage mit
Herrn Bouffier telefoniert. Wir hätten als Optimum
5465) MAT A GBA-4/11n (neu), pdf-S. 443 f.

5466) MAT A HE-4/1, Tgb.Nr. 27/12 geh., Anl. 01, Ordner Ia,
Bl. 336.

5467) Vermerk von S. (hessisches Innenministerium) vom 13. Juli

2006, MAT A HE-4, Bl. 74.

5468) MAT A HE-4, Bl. 74.

5469) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 9.

5470) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 46.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 627 – Drucksache 17/14600

gehabt, dass uns die Namen übermittelt werden.

Das ist aber nach Rücksprache mit dem dortigen

LfV nicht gemacht worden. Es wurde mir aber zu-

gesagt, dass die Zeugenbefragung in Absprache

mit der jeweiligen Kommission, alles, was mit

dem Temme zusammen ist, mit einer Intensität ge-

führt worden ist, dass man es ausschließen kann,

dass hier Temme oder seine Leute, mit denen er

zusammen war, in die Tat verwickelt worden sind.

Da hat es insgesamt etwas gegeben, wo ich mich

dann auch geschlagen gegeben habe, dass ein Alibi

bei einer der Tatzeiten war, wo er bei einer Konfe-

renz mit Sicherheitsbehörden war, sodass es viel-

fältige Leute aus dem Sicherheitsbereich gegeben

hat, die bezeugen konnten, dass er nicht am Tatort

gewesen sein konnte. Das bedeutet, dass also zwar

nicht die Übermittlung der Daten erfolgt ist, aber

die Überprüfung der Daten ist in einer aus meiner

Sicht ganz eindeutig zufriedenstellenden Weise er-

folgt. Ich habe auch das von der Arbeitsebene nie

anders gehört.“5471

Mit Schreiben vom 10. August 2006 konkretisierte die

Staatsanwaltschaft gegenüber dem LfV unter Bezug auf

ihren Antrag vom 13. Juli 2006 die Gründe für die Erfor-

derlichkeit der Vernehmungen. Zum einen diene die Ver-

nehmung der Vertrauenspersonen der weiteren Überprü-

fung von Alibis des Beschuldigten Temme. Weiter heißt

es:

„Zum anderen handelt es sich bei den VM um Per-
sonen, die in regelmäßigen Kontakt von Herrn

Temme standen und daher – auch wenn eine Kon-
taktaufnahme nicht zu einer Tatzeit selbst stattfand

– dazu beitragen können, ein vollständiges Bild
der Persönlichkeit von Herrn Temme zu erstellen

bzw. in der Lage sind, über relevante Auffälligkei-

ten zu berichten. […]

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass in

den Vernehmungen staatsschutzrelevante Sachver-

halte nicht abgeklärt werden sollen.“5472

Mit Schreiben vom 15. August 2006 übersandte das LfV

dem Innenministerium einen Bericht über die Alibiüber-

prüfungen des Andreas Temme. Ziel des Berichts war eine

Information darüber, ob eine Vernehmung der Quellen

durch die Polizei eine Alibiklärung zu den Tatzeitpunkten

der Mordserie erbringen kann.
5473

Am 17. August 2006 fand beim Generalstaatsanwalt eine

Besprechung zwischen Justiz und LfV statt, bei der ver-

einbart wurde, dass die Staatsanwaltschaft Kassel dem

LfV eine Liste der zu vernehmenden Personen zur Verfü-

gung stellen werde.
5474

Einem Vermerk der MK „Café“
zufolge informierte der Leitende Oberstaatsanwalt in
5471) Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 149.

5472) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 446 f.

5473) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 450 ff.

5474) Vermerk der MK „Café“ vom 17. August 2006, MAT A GBA-
4/11g (neu), Bl. 296.

Kassel die MK „Café“ darüber, dass das LfV eine auf
außerdienstliche Angelegenheiten beschränkte Aussage-

genehmigung für die Quellen erteilen werde.
5475

In dem Vermerk über diese Besprechung vom 17. August

2006 heißt es demgegenüber, dass das LfV die Erteilung

von Aussagegenehmigungen prüfen werde. Sofern V-

Leute von der Staatsanwaltschaft vernommen werden

sollten, werde über die Vernehmungen ein Vermerk er-

stellt, in dem die V-Leute nicht namentlich benannt wür-

den. Außerdem heißt es:

„Grundlage für das vorstehende Ergebnis war die
Tatsache, dass der StA Kassel aus den bisherigen

Ermittlungen ohnehin Namen bekannt sind und die

StA das Recht hat, diese als Zeugen vernehmen zu

lassen. Es ging deshalb nur darum, wie diese Ver-

nehmungen in einer Art gestaltet werden können,

dass die Beziehungen der Zeugen zum LfV nicht

in der Ermittlungsakte später für jeden ersichtlich

sind, der berechtigt Zugang zu diesen Akten erhal-

ten kann. Dem dient die von der StA angebotenen

Art der Protokollierung.

Maßgeblich war auch die übereinstimmende Ein-

schätzung, dass sich der Gegenstand der Befra-

gung nicht auf die Tätigkeit der Zeugen für den

Verfassungsschutz erstrecken würde (weil für die

Ermittlungen ohne Belang).“5476

Mit Schreiben vom 22. August 2006 bat das LfV die

Staatsanwaltschaft Kassel, die Liste der zu hörenden

Zeugen zuzuleiten sowie zu den einzelnen Zeugen präzise

Beweisthema und Ermittlungsziel mitzuteilen. Der Minis-

ter halte sich die Entscheidung aber noch offen.
5477

Nach Aussage des Zeugen Irrgang habe das LfV mit

Datum vom 24. August 2006 ein Gutachten gegenüber

dem Innenministerium abgegeben.
5478

Ein derartiges Gut-

achten findet sich jedoch nicht in den Akten.

Mit Schreiben vom 25. August 2006 übersandte die

Staatsanwaltschaft Kassel dem LfV den Fragenkatalog

der MK „Café“. Es wird betont,

„dass keine Fragen in dienstlichem Zusammen-
hang gestellt werden sollen, es vielmehr um den

‚äußeren‘ Rahmen von Zeiten, Treffen und Er-
scheinungsbild hierbei geht.

Auch der Staatsanwaltschaft Kassel ist daran gele-

gen, Risiken auszuschließen. Vor diesem Hinter-

grund kann auch geprüft werden, die Vernehmun-

gen an einem ‚neutralen‘ Ort durchzuführen, um
eine äußerliche Zuordnung zur Polizei auszu-
5475) MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 296.

5476) Vermerk vom 17. August 2006, MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr.

27/12 – GEHEIM), Anlage 01, Ordner Ia, Bl. 362 f.

5477) Schreiben des LfV vom 22. August 2006, MAT A HE-4/1,
(Tgb.-Nr. 27/12 – GEHEIM), Anlage 01, Ordner Ia, Bl. 367 f
(VS-NfD).

5478) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 93.

Drucksache 17/14600 – 628 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schließen, was ich bisher mit dem Polizeipräsidi-

um Nordhessen noch nicht abgestimmt habe.“5479

Dieser Fragenkatalog liegt dem Ausschuss nicht vor.

Das LfV nahm in einem internen Vermerk vom 8. Sep-

tember 2006 zu dem Fragenkatalog Stellung. Zu der heute

interessanten Quelle aus dem rechtsextremen Bereich, GP

389, heißt es, dass dieser Informant bislang bei Nachfra-

gen von Seiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei

keine Rolle gespielt habe. Das Interesse der Polizei beru-

he auf der Tatsache, dass es sich um einen rechtsextremis-

tischen Zugang handelt, der vor seiner Tätigkeit für den

Verfassungsschutz auch polizeilich in Erscheinung getre-

ten sei (auch Körperverletzung); ein Zusammenhang mit

der Mordserie (Türken ohne Staatsschutz- oder kriminal-

polizeiliche Erkenntnisse) erschließe sich nicht.
5480

Mit Schreiben vom 30. August 2006 rügte das Hessische

Innenministerium gegenüber dem Hessischen Justizminis-

terium, dass der Fragenkatalog nicht als Verschlusssache

des Geheimhaltungsgrads „Geheim“ eingestuft sei. Au-
ßerdem wurde um die Sichtung der Akten durch das LfV

und eine anschließende Besprechung gebeten. Schließlich

wird ausgeführt:

„Die Annahme der Staatsanwaltschaft Kassel, der
äußere Rahmen von Zeiten, Treffen und Erschei-

nungsbild stehe nicht in dienstlichem Zusammen-

hang, erscheint so nicht zutreffend. Im Gegenteil

macht der Vermerk des PP NH [Nordhessen] deut-

lich, dass sich hier die staatsanwaltlichen Ermitt-

lungen auf den Kern der geheim zu haltenden Tä-

tigkeit des LfV Hessen richten und unabsehbare

Risiken für die öffentlichen Sicherheit in Nordhes-

sen herbei führen. Nach vorläufiger Einschätzung

werden vermutlich alle von dem in Verdacht gera-

tenen Mitarbeiter des LfV Hessen geführten Quel-

len abzuschalten sein, wodurch das regionale In-

formationsaufkommen des LfV erheblich beein-

flusst wird. Auch werden wahrscheinlich Schutz-

maßnahmen für die Quellen erforderlich, die so

weit gehen können, dass Quellen und ihre Fami-

lien umziehen müssen.“5481

Das gewünschte Gespräch fand am 12. September 2006

beim Generalstaatsanwalt statt. Der Umgang von Polizei

und Justiz mit geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen

wurde in diesem Gespräch massiv kritisiert: So war ein

Vermerk mit den Nummern der VP des Temme als Tele-

fax an das LfV gesandt worden. Aktenstücke der Staats-

anwaltschaft führten die Namen der Mitarbeiter des LfV

auf. Die Namen der von Temme geführten VP waren in

lediglich „VS-NfD“ eingestuften Unterlagen aufge-
führt.

5482
Der Zeuge Irrgang verwies auf die dem Steuer-
5479) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 455.

5480) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anl. 01, Ordner
V, Bl. 134 ff.

5481) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 462 ff.

5482) Protokoll vom 13. September 2006 der Besprechung vom

12. September 2006, MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 307.

zahler damit aufgebürdeten Kosten und die Risiken durch

einen möglichen Verlust des Zugangs zu gefährlichen

Gruppen.
5483

Im Gesprächsvermerk eines Mitarbeiters des

Hessischen Innenministeriums zum Gespräch beim Gene-

ralstaatsanwalt am 12. September 2006 heißt es:

„Gegen Herrn T. besteht nach Auskunft der StA
(nur) der einfache Verdacht der Beteiligung an der

Mordserie. Dass die gewünschten Vernehmungen

der VP zu einer Verdichtung des Verdachts beitra-

gen werden, sei unwahrscheinlich. Eher sei anzu-

nehmen, dass sie keine weiteren Erkenntnisse

brächten, so dass die Akte geschlossen werden

könne. Da die StA nicht spekulieren dürfe, müsse

sie aus ihrer Sicht auf den beabsichtigten Verneh-

mungen bestehen.

Die VP sollten nicht nach dienstlichen Vorgängen

gefragt werden, sondern danach, ob T. sie bei be-

stimmten Telefonaten und/oder Treffs auf die

Mordserie angesprochen oder ob ihnen Unge-

wöhnliches am Verhalten des T. aufgefallen sei.

[…]

Für den Fall der Erteilung von Aussagegenehmi-

gungen legt die StA Wert darauf, alle in dem An-

forderungsschreiben benannten VP zu vernehmen.

Eine Differenzierung verbiete sich, da nicht auszu-

schließen sei, dass auch nur eine der VP relevante

Angaben machen könne. […]

Uz. wies auf die überragende Bedeutung einiger

der betroffenen VP für die Beurteilung der Sicher-

heitslage hin. Außerdem bestehe neben der Gefahr

der Enttarnung noch das Problem, dass VP die Ar-

beit für das LfV einstellen könnten, wenn sie be-

merkten, dass die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit

durch das LfV nicht gewahrt werden konnte. Nach

dem letzten Bericht des LfV haben allerdings zwei

der VP früher für die Polizei gearbeitet, so dass die

Möglichkeit bestehe, dass sie von der Polizei an-

gesprochen werden könnten, ohne dass dem LfV

Vorhalte gemacht werden könnten. Aus Sicht der

StA ist aber die Vernehmung nur ausgewählter VP

nicht sinnvoll (s.o.).

GStA und StA haben zu verstehen gegeben, dass

sie – da nur ein einfacher Tatverdacht bestehe und
eine Bestätigung des Verdachts durch die Zeugen-

vernehmungen eher unwahrscheinlich sei, Ver-

ständnis dafür hätten, wenn das LfV die erbetenen

Aussagegenehmigungen aus den angesprochenen

Sicherheitsgründen für seine Arbeit nicht erteile.

LOStA W. erklärt, dass er eine solche Entschei-

dung nicht nur nicht kritisieren, sondern – falls er-
forderlich – sie gegenüber der Polizei auch vertei-
digen werde.“5484
5483) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 79.

5484) „Gesprächsvermerk Ermittlungsverfahren Dönermorde“ vom
14. September 2006, MAT B Z-33.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 629 – Drucksache 17/14600

Am 15. September 2006 gab das Innenministerium in

Absprache mit dem LfV für den Minister eine Stellung-

nahme ab, wobei vorgeschlagen wurde, die erbetenen

Aussagegenehmigungen nicht zu erteilen. Es heißt hier:

„Das LfV Hessen hat sich noch nicht abschließen
geäußert, da es der StA möglichst weit entgegen-

kommen will. Jedoch lassen die vom LfV vorge-

legten Stellungnahmen auch ohne ein abschließen-

des Votum des LfV erkennen, dass – bei allem an-
erkennenswerten guten Willen sowohl auf Seiten

der StA wie auf Seiten des LfV – die geplanten
Vernehmungen zu unabsehbaren Gefährdungen im

Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des LfV füh-

ren können. […]

Die StA möchte im Rahmen des Ermittlungsver-

fahrens Spuren weiter bearbeiten, um sicher zu

sein, dass diese als unergiebig abgeschlossen wer-

den können.

Diese Einschätzung der StA über das wahrschein-

liche Ergebnis der geplanten Zeugenvernehmun-

gen wird durch die Berichte des LfV bestätigt. Die

Kontakte des Verdächtigen mit den V-Leuten ent-

halten nichts Auffälliges; sie entsprechen der übli-

chen Arbeitsweise bei der V-Mann-Führung.

Die Vernehmungen aller von dem V-Mann-Führer

geführten Quellen kann – auch bei der kooperati-
ven Haltung der StA – zu einer erheblichen Beein-
trächtigung der künftigen Arbeit des LfV Hessen

führen. Die mit den Vernehmungen verbundenen

Risiken für die Arbeit des LfV stehen in keinem

vernünftigen Verhältnis zu den mit den Verneh-

mungen für die StA erreichbaren Fortschritten,

nämlich eine unergiebige Spur aktenmäßig ord-

nungsgemäß abzuschließen. Dieses Ziel der StA

wird auch durch eine Sperrerklärung erreicht.

Auch diese ermöglicht ihr einen ordnungsgemäßen

Abschluss dieses Teils der Ermittlungen.

Das LfV Hessen hat sich dieser Bewertung ange-

schlossen.“ 5485

Der Innenminister, Volker Bouffier, forderte am 15. Sep-

tember 2006 sein Ministerium auf, noch eine Stellung-

nahme des BfV einzuholen. Das LfV erbat daraufhin mit

Schreiben vom 19. September 2006 eine Einschätzung

des BfV unter Darlegung des Einsatzbereiches der fünf

Quellen aus dem islamistischen Bereich. Außerdem führte

das LfV aus, dass es sich gegenüber dem Innenministeri-

um gegen eine Vernehmung der V-Leute durch Polizei

und Staatsanwaltschaft ausgesprochen habe, da durch eine

Vernehmung und die Nennung in dem Ermittlungsverfah-

ren eine Enttarnung nicht ausgeschlossen werden kön-

ne.
5486
5485) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anlage 01,

Ordner 1b, Bl. 586ff. (VS-NfD).

5486) MAT A HE-4/1, (Tgb.Nr. 27/12 – GEHEIM), Anl. 01, Ordner
Ia, Bl. 419 ff.

Nach Aussage des Direktors des LfV, des Zeugen Irr-

gang, empfahl das Votum des BfV eine Verweigerung der

Aussagegenehmigung.
5487

Dem Schreiben des BfV vom 22. September 2006 ist zu

entnehmen, dass das BfV die Ausführungen des LfV

Hessen zur Bedeutung der Quellen und zu den gravieren-

den Auswirkungen auf das Erkenntnisaufkommen der

Verfassungsschutzbehörden bei Enttarnung der Quellen

vollumfänglich geteilt hat. Dieses Schreiben unterzeich-

nete der Abteilungsleiter 6 des BfV, der zum 1. Novem-

ber 2006 die Nachfolge von Herrn Irrgang als Leiter des

LfV Hessen antrat.
5488

Der Präsident des BfV, der Zeuge Fromm, dem der Vor-

gang damals nicht bekannt wurde, hat jedoch ausgesagt,

dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines

Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz.
5489

Stellungnahmen der Polizei fanden nicht Eingang in die

Entscheidung. Die Meinung des Landespolizeipräsidenten

im Innenministerium war, dass „es um einen Sachverhalt
geht, der zwischen LfVH und StA Kassel zu klären

ist.“5490 Entsprechend hat auch der damalige hessische
Innenminister, der Zeuge Bouffier, ausgesagt, dass Herr

Hoffmann von der Polizei nicht der richtige Ansprech-

partner gewesen sei, sondern immer die Staatsanwalt-

schaft.
5491

Schließlich lehnte der hessische Innenminister Bouffier

mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 gegenüber der

Staatsanwaltschaft Kassel die Erteilung der Aussagege-

nehmigungen ab. Das Schreiben lautet in Auszügen:

„auf Grund Ihres Schreibens und der sich daran
anschließenden Kommunikation bin ich nach Ab-

wägung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt,

dass die erbetenen Aussagegenehmigungen nicht

erteilt werden können, ohne dass dem Wohl des

Landes Hessen Nachteile bereitet und die Erfül-

lung öffentlicher Aufgaben erheblich erschwert

würden (§ 76 HBG, § 160 Abs. 4 StPO).

Die gesetzliche Aufgabenstellung des LfV erfor-

dert es, dass dieses Amt auch mit nachrichten-

dienstlichen Mitteln, insbesondere auch mit Ver-

trauensleuten und Gewährspersonen, arbeitet (§ 3

Abs. 2 LfVG). Die von Ihnen erbetenen Aussage-

genehmigungen würden die Erfüllung der Aufga-

ben des LfV Hessen in diesem Kernbereich der

nachrichtendienstlichen Tätigkeit erheblich er-

schweren. Dabei erkenne ich voll an, dass Sie be-

reit sind, durch die Art der Vernehmung und eine

Begrenzung der Fragen die berechtigten Interessen

des LfV Hessen soweit wie möglich zu wahren.
5487) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 86.

5488) Schreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für

Sport vom 30. März 2012, MAT A HE-3, Bl. 5.

5489) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 41 f.

5490) Vermerk von Herrn S. (hessisches Innenministerium) vom

13. Juli 2006, MAT A HE-4, Bl. 74.

5491) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 71.

Drucksache 17/14600 – 630 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Jedoch bitte ich um Verständnis dafür, dass die

geplanten Fragen an V-Leute über ihren V-Mann-

Führer trotz dieses guten Willens nach meiner Ein-

schätzung, die ich aus Geheimhaltungsgründen

hier nicht näher erläutern kann, zu einer Erschwe-

rung der Arbeit des LfV führen würden.“5492

Der Zeuge Irrgang hat ausgesagt, dass die Vernehmung

einer Quelle des Verfassungsschutzes von der Zustim-

mung des Ministers abhängig sei.
5493

Durch die Verpflich-

tungserklärung genieße die Quelle den besonderen Schutz

des Dienstes. Eine Rechtsgrundlage hierfür konnte er

jedoch nicht angeben.
5494

Der Hessische Innenminister,

der Zeuge Bouffier, hat auf die §§ 75 und 76 des Hessi-

schen Beamtengesetzes und § 37 Abs. 3 Satz 4 des Be-

amtenstatusgesetzes verwiesen.
5495

ccc) Gründe für die Verweigerung der Aussa-
gegenehmigung

Der Ausschuss hat sich mit der Frage auseinandergesetzt,

ob die Verweigerung der Aussagegenehmigung nachvoll-

ziehbar und stichhaltig ist.

Der Direktor des LfV, der Zeuge Irrgang, hat ausgesagt,

dass er zu dieser Entscheidung stehe.
5496

Die Gründe seien

vor allem folgende gewesen:

Zunächst sollte der Mitarbeiter Andreas Temme nicht vor

den Quellen bloßgestellt werden. Das Vertrauen der Quel-

len in eine solide und anständige Führung sollte nicht

beeinträchtigt werden. Darüber hinaus habe man gerade

während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutsch-

land nicht auf Quellen verzichten können. Außerdem sei

es ein generelles Risiko gewesen, Quellen zu verlieren

oder in Zukunft nicht mehr anwerben zu können. Die

Spur Temme sei zudem nach seinem Dafürhalten bereits

tot gewesen.
5497

Schließlich sei der Quellenschutz insbe-

sondere deshalb höherrangig als die Interessen der Auf-

klärung bewertet worden, weil sich nicht erschlossen

habe, warum auch die Vertrauensperson aus dem rechts-

extremen Spektrum vernommen werden sollte. Bislang

sei es bei den Ermittlungen nur um mafiöse Strukturen

gegangen.
5498

Der damalige hessische Innenminister, der Zeuge

Bouffier, hat ausgesagt, dass eine direkte Vernehmung der

Quellen nicht zur Aufklärung des Mordes hätte beitragen

können. Umgekehrt wären aber die Sicherheitsinteressen

massiv beeinträchtigt worden.
5499

Eine Befragung durch

das LfV sei von der Staatsanwaltschaft in ihrem Schrei-

ben vom 25. April 2006 selbst vorgeschlagen worden.
5492) MAT A GBA-4/11n (neu), Bl. 467.

5493) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 78.

5494) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 100.

5495) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 8.

5496) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 80.

5497) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 61 f.

5498) Irrgang, Protokoll-Nr. 27, S. 93 f.

5499) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 3.

Dieser Vorschlag der Staatsanwaltschaft sei für ihn im

Hinblick auf seine spätere Entscheidung von erheblicher

Bedeutung gewesen.
5500

Dass die Staatsanwaltschaft nun

im Juli 2006 eine direkte Vernehmung durch die Ermitt-

lungsbehörden beantragt hat, sei für ihn unlogisch gewe-

sen, da man ganz am Anfang, „wenn alles noch heiß sei,
natürlich unmittelbarst vernehmen müsse.“ In den Ermitt-
lungsbehörden habe es wohl unterschiedliche Ansichten

gegeben. Dies zeige auch die Erklärung des Leitenden

Oberstaatsanwalts in Kassel bei der Besprechung vom

12. September 2006, wonach dieser eine Ablehnungsent-

scheidung des Innenministeriums auch gegenüber der

Polizei verteidigen werde.
5501

Für die Versagung der Genehmigung sei wesentlich ge-

wesen, dass die Staatsanwaltschaft gemäß der Bespre-

chung vom 12. September 2006 alle Vertrauenspersonen

des Andreas Temme habe vernehmen wollen, also auch

die Personen aus dem islamistischen Spektrum. Eine

Aussagegenehmigung für die Vertrauensperson aus dem

rechten Spektrum allein wäre kein Problem gewesen. Dies

sei auch angeboten worden. Die Staatsanwaltschaft habe

jedoch auf allen Quellen des Andreas Temme bestanden.

Es sei bei der Abwägung immer um die sehr konkrete

Gefahr gegangen, dass nach einer Enttarnung der Quellen

aus dem Bereich des Islamismus keine Erkenntnisse mehr

über gefährliche Entwicklungen in einer für Hessen und

Deutschland insgesamt bedeutsamen Szene in und um

Kassel zu gewinnen gewesen wären. Er habe noch eine

Stellungnahme des BfV eingeholt. Nachdem dieses zu der

gleichen Bewertung wie das LfV und das Innenministeri-

um gekommen sei, habe es für ihn keine Zweifel mehr

gegeben.
5502

Der Zeuge Bouffier hat weiter ausgeführt, dass er sich

intensiv um die Dinge gekümmert habe. Eine Behinde-

rung der Ermittlungsarbeit im konkreten Fall habe es

durch ihn zu keiner Zeit gegeben. Schließlich sei die

Entscheidung richtig gewesen, auch aus heutiger Sicht.
5503

Auf die Frage, ob sechs Monate von der ersten Anfrage

der Staatsanwaltschaft bis zur ablehnenden Entscheidung

des Ministers ein angemessener Zeitraum sei, hat der

Zeuge geantwortet:

„In einem so komplexen und schwierigen Sach-
verhalt musste sorgfältig gearbeitet und abgewo-

gen werden.“5504

dd) Befragung der Vertrauenspersonen durch
das LfV Hessen

Das LfV befragte anhand eines von der Polizei mit

Schreiben vom 9. November 2006 übersandten Fragenka-
5500) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 7.

5501) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 35 f.

5502) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 10 f., 13.

5503) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 30.

5504) Bouffier, Protokoll-Nr. 32, S. 72.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 631 – Drucksache 17/14600

talogs
5505

die von Temme geführten Vertrauenspersonen.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2007 übermittelte das LfV

dem PP Nordhessen eine Zusammenfassung der Befra-

gungsergebnisse.
5506

Die von Temme geführten Quellen

machten Angaben zu Dauer und Ablauf der VP-Führung

durch ihn sowie zu Kontakten und Treffen mit Temme an

den Tattagen der Mordserie. Gefragt wurde auch nach

dessen persönlichem und dienstlichem Verhalten und

insbesondere zu Veränderungen in seinem Verhalten nach

dem 6. April 2006.

ee) Sonstige Ermittlungen zu den Vertrauens-
personen

Mit Beschlüssen vom 26. Juni 2006 ordnete das Amtsge-

richt Kassel die Herausgabe der noch vorhandenen Ver-

bindungsdaten der beiden Telefonanschlüsse an, mit de-

nen Andreas Temme am Tattag Kontakt hatte (siehe

oben).
5507

Der Zeuge Hoffmann, der Leiter der Ermittlun-

gen, hat hierzu ausgesagt, dass diese Telekommunikati-

onsüberwachungsmaßnahmen umfassend eingeleitet wor-

den seien, um sämtliche Kontakte, die Andreas Temme

hatte, durchleuchten zu können.
5508

Die Quelle aus dem rechten Bereich, der Zeuge G., wurde

vom BKA am 26. April 2012 vernommen. Der Zeuge gab

an, dass er sich an den Inhalt der beiden von ihm am Tat-

tag mit Andreas Temme geführten Telefonate nicht mehr

erinnern könne. Informationen zu dem Mord in Kassel

habe er nicht. Mögliche Telefonate vom 9. und 15. Juni

2005 (weitere Tattage) wurden in dieser Vernehmung

nicht thematisiert.
5509

b) Vernehmung des Andreas Temme im Aus-
schuss

Herr Temme hat im Ausschuss als Zeuge ausgesagt, dass

er zur Tatzeit aus privaten Gründen am Tatort gewesen

sei und die Tat nicht bemerkt habe.
5510

Er habe auch nicht

gerochen, dass in dem Internet-Café geschossen worden

war.
5511

Dass er sich nicht gleich nach Bekanntwerden des Mordes

bei der Polizei gemeldet hat, hat er wie folgt erklärt:

„Ich war natürlich betroffen, erschreckt. Betroffen,
weil ich ihn […] als sehr netten Menschen ken-
nengelernt habe. Ich war auch erschreckt, weil ich

ja dann auch wusste oder mir dann auch klar wur-

de: Ich bin öfter zu Gast in diesem Café gewesen.

Es baute sich dann in mir auch irgendwo das Ge-

fühl auf, dass es ja natürlich dienstlich nicht gut

ist, dass ich überhaupt in diesem Café gewesen bin
5505) MAT A GBA-4/11g (neu), Bl. 15 ff.

5506) MAT A BY-2/9d, Bl. 1628 ff.

5507) MAT A GBA-4/10f (neu), Bl. 237 ff.

5508) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 112.

5509) Vernehmungsprotokoll, MAT A GBA-4/17b, Bl. 3 ff.

5510) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 2.

5511) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 19.

– möglicherweise –, privat nicht gut ist wegen der
Chatterei. Ich habe dann – es müsste auch in den
polizeilichen Vernehmungen mehrfach enthalten

sein –, nachdem ich davon erfahren habe, überlegt:
Mensch, du warst doch in der Woche da, und er

saß nicht an seinem Schreibtisch. Wann kann ich

denn da gewesen sein? Und dann habe ich auf

meiner Stempelkarte nachgesehen und habe leider

gesehen: An dem Mittwoch vorher, also am

5. April, habe ich das Büro wohl etwas früher ver-

lassen, und gesehen: An dem Donnerstag – So mit
dem zeitlichen Abstand – Ja, im Grunde genom-
men ging es mir in dem Moment so, wie es heute

oder seit November jedem geht, der davon hört. Er

sagt: Das kann doch gar nicht sein, dass jemand so

dicht da dran ist und bekommt es nicht mit. Ge-

nauso war es für mich festzustellen: Ich war an ei-

nem Tag in dieser Woche dort; an dem Donnerstag

habe ich das Büro zu einer Zeit verlassen, die mich

so ganz nah an diese Sache heranbringt. Ich hielt

es für unmöglich, dass es dieser Donnerstag gewe-

sen sein kann. Ich weiß noch, dass ich kurz vor

meiner vorläufigen Festnahme, nachdem in der

Zeitung auch stand, dass die Polizei die Compu-

terdaten auswertet, irgendwann einmal überlegt

habe: Wie weit gehen die denn wohl zurück? Wer-

den die 24 Stunden zurückgehen? Kommen die

dann noch mal auf mich zu?

Es war natürlich sicherlich ein Fehler, nicht von

mir aus das Gespräch zu suchen, entweder mit der

Polizei direkt oder mit zu einem Vorge- jedenfalls

zu jemandem zu gehen und zu sagen: Ich kenne

dieses Café; ich war sehr zeitnah, ob nun, wie es

sich jetzt herausgestellt hat, im Minuten- oder Se-

kundenbereich – Oder selbst wenn es diese 24
Stunden gewesen wären – Natürlich war es im
Nachhinein betrachtet falsch, nicht auf jemanden

zuzugehen und zu sagen: Hier, da ist was, wo wir

drüber reden müssen. – Aber ich habe es nicht ge-
tan. Dadurch bin ich damals in diese Situation ge-

kommen. Ich hatte Angst. Ich war jung verheiratet.

Meine Frau erwartete unser erstes gemeinsames

Kind. Natürlich hatte ich Angst, ja.“5512

Der Ausschuss hat diese Aussage hinterfragt. Dem Zeu-

gen ist vorgehalten worden, dass er angeblich nichts ge-

hört, gerochen oder gesehen habe. Andere Zeugen aus

dem Internet-Café hätten jedoch Schussgeräusche gehört,

Andreas Temme als ehemaliger Sportschütze jedoch an-

geblich nicht. Nunmehr solle ihm auch noch geglaubt

werden, dass er sich aus Angst vor familiären Schwierig-

keiten nicht bei der Polizei gemeldet habe. Der Zeuge hat

hierzu erklärt:

„Mir ist durchaus bewusst, dass die ganze Abfolge
dieser Geschehnisse natürlich Zweifel hervorruft.

Mir ginge es wahrscheinlich auch nicht anders,

wenn ich nur Beobachter wäre. Zu dem Ursprung
5512) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 19 f.

Drucksache 17/14600 – 632 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ihrer Frage, warum ich dann meiner Frau nicht ge-

sagt habe – eine Teilinformation gegeben habe: Ich
bin in dieser Situation dann nicht mehr pragma-

tisch da rangegangen und habe überlegt: Was sage

ich ihr jetzt? Was sage ich ihr nicht? – Ich bin ge-
fühlsmäßig da rangegangen, habe mich für diese

Internetbesuche, für dieses Chatten dort geschämt,

und deswegen habe ich solche Überlegungen nicht

angestellt.“5513

Auf den Vorhalt, dass bei dem Zeugen im Rahmen der

Durchsuchung am 21. April 2006 rechtsextreme Literatur

gefunden wurde, hat er ausgesagt, dass er sich zwar in

seiner Jugend mit rechtem Gedankengut befasst habe. Je

mehr er sich entwickelt habe, desto mehr sei er jedoch

davon abgerückt. Dies sei schon ganz lange kein Thema

mehr gewesen. Er sei kein Rechtsextremist. Er habe nie-

mals irgendeiner rechten Gruppierung angehört und auch

niemals Kontakt in solche Kreise gehabt. Er habe nie

gehört, dass ihn jemand als „Kleiner Adolf“ bezeichnet
habe. Diesen Namen habe er erstmals in der Berichterstat-

tung der Medien bemerkt.
5514

Über den Besitz der Munition, die ebenfalls im Rahmen

der Durchsuchung am 21. April 2006 sichergestellt wur-

de, hat er ausgesagt, dass er die Schrotpatronen von einer

Schießübung im Schützenverein übrig gehabt habe. Darü-

ber hinaus habe er in den 80er Jahren einen Maschinen-

gewehrgurt mit Manöverplatzpatronen gefunden und zu

Hause aufgehoben.
5515

Das bei ihm aufgefundene Buch über Serienmörder in

Deutschland habe er gekauft, weil er die Buchwerbung

gesehen und das Thema zumindest am Rande dessen

gelegen habe, womit er sich beschäftigt habe, nämlich

über Selbstmordattentäter und Psychologie. Trotzdem sei

ihm die Česká-Mordserie nicht aufgefallen.5516

Zu seinem dienstlichen Bereich hat er angegeben, dass er

V-Mann-Führer gewesen sei und mehrere Quellen aus

dem islamistischen Bereich sowie eine Quelle aus dem

rechten Bereich geführt habe.
5517

Über die Telefongesprä-

che am Tattag mit seiner Quelle aus dem rechten Spekt-

rum hat er ausgesagt, dass es um Geld gegangen sei. Es

sei Anfang April gewesen, weshalb es für die Quelle die

Möglichkeit gegeben habe, Geld zu bekommen. Zunächst

hat er ausgesagt, dass die Quelle ihn mittags angerufen

habe, er sei jedoch mit einer anderen Person unterwegs

gewesen, weshalb er das Gespräch kurz beendet habe,

wahrscheinlich mit dem Hinweis, er melde sich später

noch einmal.
5518

Später hat er diese Aussage auf einen

Vorhalt dahingehend geändert, dass er nicht mehr genau

wisse, ob die Quelle ihn erreicht habe und er ihn inner-

halb weniger Sekunden abgewürgt habe oder ob er die
5513) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 33.

5514) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 14.

5515) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 34 f.

5516) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 44 f., 55

5517) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 4 f.

5518) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 21 f., 25.

Nummer weggedrückt habe.
5519

Am Nachmittag habe er

dann die Quelle zurückgerufen, mit ihr ein bisschen gere-

det und ein Treffen für den nächsten Montag verein-

bart.
5520

Der Ausschuss hat dem Zeugen auch die Aussage seiner

rechten Quelle vorgehalten. Nach dieser Aussage sei der

Zeuge bei dem nächsten Treffen nach dem Mord sehr

nervös gewesen, als das Gespräch auf den Mord in der

Holländischen Straße gekommen sei. Der Zeuge hat hier-

zu ausgesagt:

„Also, an ein Gespräch in diesem Sinne mit der
Quelle darüber kann ich mich nicht erinnern. Dass

ich an diesem Montag möglicherweise nervös war,

weiß ich nicht mehr. Es kann natürlich auch daran

liegen, weil ich ja gesagt habe, dass ich versucht

habe, anhand von meiner Stempelkarte nachzu-

vollziehen: Was war denn da? Deswegen möchte

ich überhaupt nicht ausschließen, dass ich gerade

in diesen Tagen sicherlich nervös gewesen bin.

Und wenn er dann dieses Thema angesprochen

hat, hätte sich natürlich auch diese Nervosität ver-

stärkt. Ich kann mich nicht daran erinnern, ich

kann mich aber auch nicht so sehr an dieses Ge-

spräch erinnern, dass ich jetzt sagen könnte: Die

Quelle lügt mit dem, was er da erzählt. – Ich hatte
keine Erinnerung mehr daran, dass dieses Thema

besprochen worden wäre. Es war keinesfalls Ge-

genstand irgendwelcher dienstlichen Erörterungen

mit ihm. Wenn er es angesprochen hat, hat das

möglicherweise dazu geführt, dass ich nervös

war.“5521

Zu den Angaben der rechten Quelle hat er ausgesagt, er

könne definitiv ausschließen, dass die Quelle Informatio-

nen zu „Sturm 18“, zu Strategien oder Planungen geliefert
hätte.

5522
Auch über Verbindungen der rechten Kasseler

Szene nach Thüringen habe die Quelle nichts berich-

tet.
5523

Er habe möglicherweise am 9. Juni 2005 (Mord an İsmail
Yaşar) mit seiner rechten Quelle telefoniert. Wenn er aber
von seiner Quelle Informationen über solche Geschehnis-

se bekommen hätte, dann hätte er diese auch in Berichts-

form weitergegeben. Nach seinem Wissen habe er mit der

Quelle jedoch nicht über die Mordserie gesprochen. Ihm

sei ja diese Mordserie erst nach dem Mord in Kassel so

richtig bewusst geworden.
5524

Der Ausschuss hat sich ebenfalls mit der Frage beschäf-

tigt, ob die Vermutung der Polizei zutrifft, dass das LfV

den damals Beschuldigten Temme unterstützt habe und es
5519) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 28.

5520) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 22.

5521) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 36.

5522) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 31.

5523) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 46.

5524) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 52 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 633 – Drucksache 17/14600

diesem dadurch möglich gemacht wurde, Informationen

zurückzuhalten.
5525

Der Zeuge hat ausgesagt, dass er die beabsichtigte Ver-

nehmung seiner Quellen durch die Polizei nur am Rande

mitbekommen habe. Er sei zwar nach seiner Suspendie-

rung zu drei Gesprächen beim LfV in Wiesbaden gewe-

sen, außerdem habe er sich mit seiner Dezernatsleiterin

einmal getroffen, dieses Thema sei jedoch nicht erörtert

worden. Es sei bei den Gesprächen in Wiesbaden um sein

Disziplinarverfahren gegangen, bei dem Treffen mit der

Dezernatsleiterin sei seine persönliche Situation bespro-

chen worden.
5526

Das LfV habe ihm auch niemals Hin-

weise oder Ratschläge gegeben, was er gegenüber der

Polizei tun solle. Er habe der Polizei frei und offen über

alles bereitwillig Auskunft gegeben.
5527

3. Zentrale staatsanwaltschaftliche Zustän-
digkeit?

a) Sammelverfahren

Die Staatsanwaltschaft trägt gem. §§ 152, 160 StPO die

Verantwortung für die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmä-

ßigkeit, aber auch für die Gründlichkeit des Ermittlungs-

verfahrens.
5528

Auf die Frage, wann und in welcher Hin-

sicht er jemals Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit der

Polizei genommen habe, hat der Zeuge Dr. Kimmel ge-

antwortet, dass er sich an einen konkreten Fall jetzt nicht

erinnern könne. Die Polizei schildere gegenüber der

Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen, ihre Maßnahmen,

und sie wende sich an die Staatsanwaltschaft, wenn sie in

irgendeiner Form einen richterlichen Beschluss oder eine

staatsanwaltschaftliche Anordnung benötige.
5529

Mit Verfügung vom 1. April 2004 sandte die Staatsan-

waltschaft Rostock die Akten an die Staatsanwaltschaft

Nürnberg-Fürth

„mit der Bitte um Übernahme des Ermittlungsver-
fahrens in die dortige Zuständigkeit aus Gründen

des Sachzusammenhangs, dort liegendem Schwer-

punkt der Verfahren, dortiger umfangreicher

SOKO-Arbeit und zeitlich erster Befassung mit

dem Sachverhalt sowie unter Hinweis auf Nr. 25,

26 Abs. 1, 2, Abs. 3, 27, 28, 30 RiStBV i.V.m.

§ 18 BKAG.“5530

Nr. 25 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfah-

ren (RiStBV) lautet:

Sammelverfahren
5525) Vermerk des hessischen Innenministeriums vom 21. Juni 2006,

MAT A HE-4, Bl. 91.

5526) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 6 ff., 20 f.

5527) Temme, Protokoll-Nr. 27, S. 11.

5528) Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 55. Aufl., vor § 141
GVG, RdNr. 1.

5529) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 41 f.

5530) MAT A GBA-4/8b, Bl. 4 f.

Im Interesse einer zügigen und wirksamen Straf-

verfolgung ist die Führung einheitlicher Ermittlun-

gen als Sammelverfahren geboten, wenn der Ver-

dacht mehrerer Straftaten besteht, eine Straftat den

Bezirk mehrerer Staatsanwaltschaften berührt oder

ein Zusammenhang mit einer Straftat im Bezirk

einer anderen Staatsanwaltschaft besteht. Dies gilt

nicht, sofern die Verschiedenartigkeit der Taten

oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht.

Laut einem Vermerk der Staatsanwaltschaft Rostock vom

21. April 2004 waren sich die Staatsanwälte aus Rostock

und München einig, dass ein Sammelverfahren bei der

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sinnvoll sei. Der

Münchner Staatsanwalt

„regte an, nach ggf. erfolgter Ablehnung der Über-
nahme der Ermittlungstätigkeit durch die StA

Nürnberg, StA Dr. Kimmel, gemeinsam mit dem

Hamburger Kollegen im Berichtswege die JuMi´s

[Justizminister] um „Mithilfe“ zu ersuchen.“5531

Der damalige Oberstaatsanwalt Dr. Kimmel wird von der

Nürnberger Polizei über ein Gespräch vom 21. April 2004

wie folgt zitiert:

„Auch sieht er im jetzigen Stadium keinen Anlass,
ein Sammelverfahren für alle Tötungsdelikte bei

der StA Nürnberg-Fürth zu führen, da die Ver-

wendung der selben Waffe noch kein Indiz für ein

und den selben Täter wäre.“
5532

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth lehnte dann auch

die Übernahme mit Verfügung vom 6. Mai 2004 ab. Zur

Begründung heißt es:

„Eine Verfahrensverbindung mit den hier gegen
Unbekannt wegen Mordes zum Nachteil Enver

Şimşek und Abdurrahim Özüdoğru anhängigen
Ermittlungsverfahren ist allein aufgrund des

gleichgelagerten Tatablaufs und sonstiger überein-

stimmender Hinweise zum Täterkreis nicht veran-

lasst.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat über

das Bayerische Staatsministerium des Innern das

Bundeskriminalamt Wiesbaden im (führenden)

Ermittlungsverfahren 103 UJs 115193/01 (wegen

Mordes zum Nachteil Abdurrahim Özüdoğru) er-
sucht, zu der offensichtlich hinter dieser Tat (und

den anderen Taten) steckenden Organisations-

struktur Ermittlungen aufzunehmen und zu vertie-

fen. [...]

Die Führung der Mordverfahren soll – was sachge-
recht ist – bei den einzelnen Kriminalpolizeiin-
spektionen und den örtlich zuständigen Staatsan-

waltschaften verbleiben. Sollte sich im Zuge dieser

Ermittlungen definitiv herausstellen, daß im Täter-
5531) MAT A GBA-4/8b, Bl. 52.

5532) Vermerk der Kriminalpolizeidirektion Nürnberg vom 22. April

2004, MAT A BY-2/3a, Bl. 34 f.

Drucksache 17/14600 – 634 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

kreis ein persönlicher Zusammenhang mit einer

oder mehreren der anderen Mordtaten besteht, so

wird zu gegebener Zeit die Frage einer Verfah-

rensübernahme neu zu beurteilen sein. Derzeit

lässt sich jedenfalls ein solcher persönlicher Sach-

zusammenhang, der eine Verfahrensübernahme

aufdrängen würde, nicht bejahen.“5533

Eine anschließende Einschaltung des Justizministers in

Mecklenburg-Vorpommern zur Bearbeitung des Verfah-

rens bei einer Staatsanwaltschaft konnte nicht festgestellt

werden.

In Bayern erfolgte allerdings eine Bündelung der fünf

bayerischen Fälle bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-

Fürth. Das bayerische Staatsministerium der Justiz über-

trug mit Schreiben vom 24. Juni 2005 gem. § 147 Nr. 2

GVG die beiden Münchner Ermittlungsverfahren wegen

Mordes zum Nachteil von Habil Kılıç und Theodoros
Boulgarides der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth.

5534
Im Mai/Juni 2006 wurde die Möglichkeit eines staatsan-

waltlichen Sammelverfahrens erneut thematisiert. In ei-

nem Bericht des BKA vom 2. Mai 2006 heißt es:

„Aus Gesprächen auf Fachebene wurde dem Bun-
deskriminalamt inzwischen deutlich, dass derzeit

mit Ersuchen aller betroffenen Bundesländer an

das BKA, die Strafverfolgung zentral zu überneh-

men, eher nicht zu rechnen ist. Bisher ist es noch

nicht einmal gelungen, ein staatsanwaltschaftliches

Sammelverfahren (Nr. 25 ff. RiStBV) sicherzustel-

len, das nach Lage der Dinge am ehesten bei der

Staatsanwaltschaft Nürnberg anzusiedeln wäre.

Ein solches Sammelverfahren ist in jedem Fall ge-

boten. Es wäre im Übrigen die wesentliche und

geeignete Voraussetzung für ein Ersuchen der

dann federführenden Staatsanwaltschaft an das

BKA […].“5535

Das BKA stellte auch in der Steuerungsgruppe fest:

„Bis jetzt wird kein Bedarf eines Sammelverfah-
rens erkannt, vielmehr besteht bis dato die Rege-

lung, dass die fünf bayerischen Fälle durch die StA

Nürnberg/Fürth abgedeckt werden. Für die außer-

bayerischen Fälle bleibt es bei der Zuständigkeit

der jeweiligen Staatsanwaltschaften.

Das BKA ist im Gegensatz zu den Länderdienst-

stellen der Auffassung, dass es sich um einen Fall

mit neun Einzeltaten handelt. Aus dieser Ansicht

resultiert der Vorschlag, ein Verfahren durch eine

Staatsanwaltschaft bearbeiten zu lassen.

Die Frage eines staatsanwaltschaftlichen Sammel-

verfahrens sollte in enger Absprache mit den je-

weiligen Justizverwaltungen Abklärung finden.
5533) MAT A GBA-4/8b, Bl. 6 ff.

5534) MAT A BY-2/2a, Bl. 24.

5535) Bericht des BKA an das BMI vom 2. Mai 2006, MAT A BKA-

2/20, Bl. 18.

Dieses Vorgehen wurde am Rande der IMK durch

die Teilnehmer zugesagt.“5536

Der Zeuge Dr. Kimmel, der die Nürnberger Verfahren

führte, hat zu einer fehlenden Übernahme der nichtbayeri-

schen Verfahren ausgesagt, dass er mit seinen Staatsan-

waltskollegen aus den anderen Bundesländern einig ge-

wesen sei, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen

weiterhin bei jeder Behörde getrennt geführt werden. Er

habe nie ausgeschlossen, dass eine Zuständigkeit der

Staatsanwaltschaft Nürnberg für eine Anklage bezüglich

aller neun Verfahren durchaus gegeben sein könnte, sollte

sich herausstellen, dass der Täter ein und derselbe ist.
5537

b) Zuständigkeit Generalbundesanwaltschaft

aa) Prüfung der Voraussetzungen durch die
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

Oberstaatsanwalt Dr. Kimmel war sachleitender Staats-

anwalt bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth für die

Ermittlungen zum Mord vom 13. Juni 2001 in Nürnberg

und übernahm nach Feststellung des Zusammenhangs

durch die verwendete gleiche Tatwaffe auch die Zustän-

digkeit für die Ermittlungen zum Mord vom 9. September

2000 in Nürnberg. Ferner war er sachleitender Staatsan-

walt für die Ermittlungen zum Mord vom 9. Juni 2005 in

Nürnberg.5538 Nach dem Mord vom 15. Juni 2005 über-

nahm er auf Weisung des Bayerischen Staatsministeriums

der Justiz vom 24. Juni 2005 die Sachleitung auch für die

Ermittlungen zu diesem Mord sowie zum Mord vom

29. August 2001 in München von der Staatsanwaltschaft

München I.5539 Bis zum 31. Oktober 2008 leitete er die

Ermittlungen in diesen fünf Fällen.5540 Er war in dieser

Zeit Leiter der Abteilung 3 der Staatsanwaltschaft Nürn-

berg-Fürth. Das Hauptaufgabengebiet dieser Abteilung

liegt in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

und der Betäubungsmittelkriminalität.
5541

Als Teilnehmer für die Staatsanwaltschaft Nürnberg-

Fürth an der Sitzung der Steuerungsgruppe vom 6. Juli

2006 war Dr. Kimmel an der Diskussion über die Medien-

strategie beteiligt. Es heißt hierzu im Protokoll:

„Der Vorschlag von Herrn Geier (BAO-
,Bosporus‘) die Einzeltätertheorie aktiv in der Öf-
fentlichkeit zu diskutieren, um so Vermutun-

gen/Behauptungen der Presse zuvor zu kommen,

wurde von allen anderen Dienststellen aus ver-

schiedenen Gründen abgelehnt. Die StA Nürnberg-

Fürth verwies zudem darauf, dass bei allzu inten-
5536) Protokoll der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe

vom 7. Juni 2006, MAT A BKA-2/21, Bl. 16 f.

5537) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 10 f.

5538) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 2 ff.

5539) Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom

24. Juni 2005, MAT A BY-2/2a, Bl. 24; Kimmel, Protokoll-Nr.
14, S. 3.

5540) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 4.

5541) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 26.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 635 – Drucksache 17/14600

siver Diskussion dieser Hypothese dann auch eine

Zuständigkeit des GBA greifen könnte.“
5542

Dr. Kimmel hat als Zeuge zu diesem Protokoll ausgeführt:

„Also, so wie das da jetzt niedergelegt ist, in dieser
Form – bei einer allzu intensiven Diskussion könn-
te der GBA zuständig sein –, habe ich es mit Si-
cherheit nicht gesagt. Es geht nicht um die Frage

der Diskussion über eine Zuständigkeit des GBA,

sondern es geht um die Frage: Liegen die Voraus-

setzungen, die rechtlichen Voraussetzungen dafür

vor? Der Hinweis ist also vielleicht schief nieder-

gelegt worden.

Mein Hinweis wird in diese Richtung gegangen

sein, dass ich gesagt habe: Wenn wir hier eine

rechtsextreme oder linksextreme oder sonstige

Gruppierung feststellen, die unter die Vorausset-

zungen des § 129a fällt, dann ist der Generalbun-

desanwalt zuständig. Darauf wollte ich aufmerk-

sam machen, und zwar deshalb, weil ich mich in

dieser Runde als der Jurist fühlte. Ich weiß nicht,

ob die Kollegen, die sämtlich im höheren Dienst

der Polizei waren, Juristen waren; das kann ich

nicht beurteilen. Aber es gab öfters die Frage: Da

müssen wir jetzt den Juristen fragen.

Und in diesem Zusammenhang ist es zu verstehen,

dass ich gesagt habe: Wenn insoweit die Voraus-

setzungen vorliegen, dass wir eine derartige Grup-

pierung haben, dann ist der Generalbundesanwalt

zuständig, und zwar nicht in dem Kontext: „Dann
ist zu befürchten, dass der Generalbundesanwalt

zuständig ist“, sondern in dem Kontext: Dann wei-
se ich darauf hin, und dann müssen wir das Ver-

fahren an den Generalbundesanwalt auch abgeben.

[…]

Eine Möglichkeit reicht mir doch nicht aus. Das

kann auch ein geisteskranker Einzeltäter gewesen

sein. Dann ist der GBA garantiert nicht zuständig.

Also, das war ja gerade der Punkt, den wir damals

hatten. Wenn wir Anhaltspunkte dafür gehabt hät-

ten, die diese Richtung verfestigt hätten, wäre es

keine Frage gewesen. Aber diese Anhaltspunkte

waren eben nicht vorhanden.“5543

Im Protokoll der vorherigen konstituierenden Sitzung

vom 18. Mai 2006 heißt es:

„Die Frage der Einzeltätertheorie wurde vor dem
Hintergrund einer möglichen Zuständigkeit des

Generalbundesanwalts kritisch hinterfragt.“5544

Dr. Kimmel nahm an dieser Besprechung jedoch nicht

teil.
5545

Er hat als Zeuge zum Problem der möglichen
5542) MAT A BKA-2/22, Bl. 38.

5543) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 12 f..

5544) MAT A BY-2/3d, Bl. 9.

5545) Teilnehmerliste, MAT A BY-2/3d, Bl. 14.

Zuständigkeit des Generalbundesanwalts wie folgt Stel-

lung genommen:

„Das Gerichtsverfassungsgesetz enthält eine klare
Regelung, wann eine Zuständigkeit des General-

bundesanwalts in Betracht kommt und wann nicht.

Nur anhand dieser Vorschriften richtet sich die

Frage der Zuständigkeit, und die Abgabe eines

Verfahrens kann jetzt nicht nach Gutdünken, per-

sönlicher Empfindung oder Weisung eines Behör-

denleiters erfolgen. Nur wenn die entsprechenden

gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine

Zuständigkeit des Generalbundesanwalts gegeben.

Sie dürfen überzeugt sein, dass dies von mir in Zu-

sammenarbeit mit den Kollegen in meiner Behör-

de, in Zusammenarbeit mit dem Generalstaatsan-

walt, in Zusammenarbeit mit dem Leitenden Ober-

staatsanwalt, also dem Leiter der Staatsanwalt-

schaft Nürnberg-Fürth, immer wieder erörtert

worden ist. Und immer wieder hat man gesagt: Ja,

aber wir haben halt nichts, was eine Zuständigkeit

des Generalbundesanwalts begründen könnte. –
Und aus diesem Grunde ist die Abgabe des Ver-

fahrens nicht erfolgt.“5546

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz war laut

Aussage des Zeugen Dr. Kimmel an der Zuständigkeits-

überlegung nicht beteiligt, weil dort die Aktenkenntnis zu

gering gewesen sei. Die konkreten einzelnen Ermittlungs-

schritte seien dort nicht bekannt gewesen. Es seien zwar

Berichte geschrieben worden, jedoch nur zusam-

menfassender Art. Er könne sich auch nicht konkret an

eine Besprechung mit dem Ministerium erinnern, wo dies

als Tagesordnungspunkt vorgesehen war. Es habe jedoch

mit Sicherheit auch immer im Raum gestanden, was mit

dem GBA sei, ob er das Verfahren loswerden könne. Er

habe hierbei immer gesagt, er würde dies gerne tun, aber

er sehe keine Möglichkeit, weil zu wenig Erkenntnisse

vorhanden seien.
5547

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth berichtete die

Ergebnisse der 2. Operativen Fallanalyse vom Mai 2006

nicht an das Bayerische Staatsministerium der Justiz. Mit

Bericht vom 1. Dezember 2006 übersandte die Staatsan-

waltschaft Nürnberg-Fürth zwar die 11. bis

17. Sachstandsberichte der BAO „Bosporus“. Die Überle-
gungen der OFA Bayern zu einem möglichen rechtsex-

tremen Hintergrund finden sich hier nicht.
5548

Die Ermittlungsbehörden gingen grundsätzlich davon aus,

dass ein politischer Hintergrund einer Tat durch ein ent-

sprechendes Bekennerschreiben ausgedrückt wird. Der

Zeuge Dr. Kimmel hat ausgesagt:

„Das Problem beim politischen Hintergrund war
die Tatsache, dass wir eigentlich erwartet haben:

Wenn ein politischer Hintergrund gegeben ist,
5546) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 6.

5547) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 26.

5548) Bericht vom 1. Dezember 2006, MAT A BY-2/2a, Bl. 36 ff.

Drucksache 17/14600 – 636 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dann gibt es diesbezüglich in irgendeiner Form ein

Sich-dazu-Bekennen. Und dieses Sich-dazu-

Bekennen hat uns von Anfang an gefehlt und hat

uns ja die ganze Zeit der Ermittlungen gefehlt, so-

dass man zunächst auf das damals Naheliegendere

zugegangen ist und versucht hat, im Rahmen von

den üblichen Maßnahmen, die bei derartigen Taten

als Ermittlungsmaßnahmen angelegt werden, die

Ermittlungen durchzuführen. Anhand des Opfers,

des Umfeldes des Opfers usw. hat man versucht,

hier irgendetwas herauszufinden und Aufklärung

zu schaffen.“5549

bb) Prüfung der Voraussetzungen durch den
GBA

Im August 2006 prüfte das Referat III 5 des Generalbun-

desanwalts beim Bundesgerichtshof dessen Zuständigkeit

für die Taten der Mordserie unter dem Aktenzeichen 3

ARP 125/06-5.
5550

Diese Prüfung einer Zuständigkeit

wurde zunächst anhand von vier Presseartikeln vorge-

nommen:

– Süddeutsche Zeitung vom 6. August 2006: „Chiffren
eines tödlichen Codes“.

– SPIEGEL ONLINE vom 7. August 2006: „Polizei
erstellt Profil eines Serienkillers“.

– Die Welt (ohne Datum): „Täter wählt Opfer offenbar
zufällig aus“.

– Bild (ohne Datum): „Polizei sicher: Döner-Killer ein
gemeiner Türken-Hasser“.5551

Grundlage der Medienberichte waren Pressemitteilungen

der bayerischen Polizei auf der Grundlage der Hypothese

des Fallanalytikers Horn.
5552

Die Medienberichte hatten

den Tenor, dass die Männer vermutlich deshalb erschos-

sen worden seien, weil der Täter in der Vergangenheit ein

negatives Erlebnis mit einem Türken gehabt habe.

Außerdem erfolgte die Prüfung der Zuständigkeit des

GBA anhand der BKA-Fahndungs-Homepage, auf der die

Parallelen der Mordtaten und „Informationen zum Täter“
dargestellt wurden. Im Internet-Ausdruck, der zur Akte

gelangt ist, heißt es zur Persönlichkeit des Serienmörders,

es sei denkbar, dass diese Person vor der Begehung der

ersten Tat im September 2000 ein Schlüsselerlebnis im

Zusammenhang mit türkischen Staatsangehörigen gehabt

habe. Zum Motiv wurde angegeben, dass sich bei den

Ermittlungen bislang in keinem der Fälle ein konkretes

Motiv ergeben habe.
5553

Mit Verfügung vom 21. August 2006 wurde die Zustän-

digkeit des Generalbundesanwalts verneint.
5554

Dort heißt
5549) Dr. Kimmel, Protokoll-Nr. 14, S. 29.

5550) MAT A GBA-3/004.

5551) Alle Presseartikel: MAT A GBA-3/0004, Bl. 1–10.

5552) Einzelheiten zur 2. OFA siehe F.V.8.

5553) MAT A GBA-3/0004, Bl. 11 ff., insbesondere Bl. 17 f.

5554) MAT A GBA-3/0004, Bl. 20 – 27.

es in dem Abschnitt „Arbeitshypothese der Kriminalpoli-
zei“:

„Die polizeilichen Ermittlungsbehörden fahnden
nach einem Einzeltäter, den nach den bisherigen

Erkenntnissen ‚Hass, Frust oder Enttäuschung‘
motivieren. Die Polizeibehörden gehen dabei da-

von aus, dass die Taten durch ein ‚extrem negati-
ves oder demütigendes Erlebnis‘ des Täters mit
türkisch-stämmigen Menschen ausgelöst wur-

den.“5555

In der Verfügung vom 21. August 2006 werden die von

der Rechtsprechung, insbesondere in der Eggesin-

Entscheidung entwickelten Kriterien zitiert, bei deren

Vorliegen davon auszugehen ist, dass die innere Sicher-

heit der Bundesrepublik beeinträchtigt wird und damit

eine Verfolgungszuständigkeit der Generalbundesanwalt-

schaft vorliegt. Dies ist grundsätzlich in folgenden Fällen

anzunehmen:

– Die Tat richtet sich gegen beliebig herausgegriffene
Mitglieder einer ethnischen Minderheit, die als deren

Repräsentanten angegriffen werden.

– Die Tat ist eingebettet in eine Reihe von schon länger
zu beobachtenden und in ihrer Häufigkeit zunehmen-

den politisch gleichermaßen motivierten rechtextre-

mistischen Straftaten.

– Durch die Taten wird ein allgemeines Klima der
Angst vor willkürlichen und grundlosen Angriffen

beispielsweise gegenüber Ausländern in der gesam-

ten Bundesrepublik Deutschland erzeugt.

– Die Tat ist geeignet, einen Nachahmungseffekt bei
Personen gleicher Gesinnung auszulösen und Solidar-

isierungstendenzen in einzelnen Gesellschaftsschich-

ten zu bewirken.

– Folge der Tat ist eine für die Sicherheitsorgane im-
mer schwerer beherrschbare Gefahrenlage.

– Die Tat schädigt das Ansehen der Bundesrepublik
Deutschland und stört damit die politischen, wirt-

schaftlichen und kulturellen Beziehungen zum Aus-

land.
5556

Hierzu führt die Verfügung des GBA vom 21. August

2006 aus:

„Unabhängig davon, ob einzelne der genannten
Kriterien im vorliegenden Fall möglicherweise

auch zu bejahen sind, ist jedenfalls festzuhalten,

dass nach dem bisherigen Erkenntnisstand keiner-

lei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Täter

aus einer politisch rechtsextremen Motivation her-

aus gehandelt hat. Es ist nichts dafür ersichtlich,

dass er durch die inzwischen neun gezielten Morde

ein politisches Signal für ein rechtsradikales

Staatsgebilde oder eine Ideologie des Inhalts set-
5555) MAT A GBA-3/0004, Bl. 21.

5556) BGH, Beschl. vom 22. Dezember 2000, BGHSt. 46, 238 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 637 – Drucksache 17/14600

zen wollte, dass andere Bevölkerungsgruppen, et-

wa Mitbürger türkischer Nationalität, willkürlich

mörderischen Anschlägen ausgesetzt werden sol-

len. Die gesamten Tatumstände sprechen vielmehr

dafür, dass der Täter persönliche Rache üben will

und seine Opfer zwar gezielt, aber nicht als Reprä-

sentanten einer – im vorliegenden Falle nationalen
– Minderheit treffen möchte, sondern vielmehr
„stellvertretend“ für eine oder mehrere Personen,
die ihm persönlich Schaden oder Leid zugefügt

haben. Weil folglich nicht das Anders- (nämlich

Türkisch-)sein der Tatopfer ausschließlicher Tat-

auslöser ist, sind die Taten nicht geeignet, die in-

nere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland

durch die Missachtung ihrer Verfassungsgrundsät-

ze zu beeinträchtigen. Ein politisches- für die Zu-

ständigkeit des Referates III 5 konstitutives –
rechtsextremistisches Tatmotiv liegt im vorliegen-

den Fall nach dem letzten Stand der Ermittlungen

fern.“5557

Diese Verfügung vom 21. August 2006 entwarfen Ober-

staatsanwalt beim BGH Ritscher und Staatsanwalt G. Der

Referatsleiter Bundesanwalt beim BGH Steudl und der

Abteilungsleiter Bundesanwalt beim BGH Hannich billig-

ten dies. Die Verfügung vom 21. August 2006 wurde vom

Referatsleiter in Vertretung für OStA Ritscher und von

StA G. unterschrieben.
5558

Der interne Evaluationsbericht des GBA vom 20. Dezem-

ber 2011 kam zu dem Ergebnis, dass vor dem Hintergrund

der veröffentlichten Arbeitshypothese der Polizei „eine
Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwalt-

schaft aus rechtlichen Gründen nicht möglich“ gewesen
sei.

5559
Auch die Vorsitzende Richterin am BGH a. D. Prof. Dr.

Rissing-van Saan teilte in ihrer Stellungnahme vom

28. Februar 2012 diese Auffassung, da keine Bekenner-

schreiben bekannt gewesen und auch sonst die Tathinter-

gründe dunkel geblieben seien.
5560

cc) Erkenntnisse des Ausschusses

Der Ausschuss hat die Stichhaltigkeit der Vorgehensweise

des GBA geprüft. Eine Auswertung der Akte des GBA

(3 ARP 125/06-5) und die Befragung des Oberstaatsan-

walts beim BGH Ritscher als Zeugen haben Folgendes

ergeben:

aaa) Fehlinterpretation des Tatmotivs

Das in der Verfügung vom 21. August 2006 geschilderte

Tatmotiv (persönliche Rache aufgrund eines extrem nega-

tiven oder demütigenden Erlebnisses des Täters mit tür-

kisch-stämmigen Menschen) findet sich in dieser explizi-
5557) MAT A GBA-3/0004, Bl. 25 f.

5558) MAT A GBA-3/0004, Bl. 27.

5559) MAT A GBA-3/0004, Bl. 36.

5560) MAT A GBA-4/1, Bl. 405 – 429, insbes. Bl. 421 f.

ten Form weder in den Presseartikeln noch auf der BKA-

Homepage (siehe oben). Da die Täter nicht bekannt wa-

ren, wurden dort über ein Motiv auch nur vage Angaben

gemacht. Es wurde vielmehr lediglich eine Hypothese

vorgestellt, indem deutlich gemacht wurde, dass mögli-

cherweise ein negatives Erlebnis mit einem Türken zu-

grunde lag. Die Verfügung vom 21. August 2006 geht

jedoch fest von dem Tatmotiv „persönliche Rache“ aus,
ohne zu erwägen, dass auch andere Motive eine Rolle

spielen könnten. Der Zeuge Ritscher hat diese Fehlinter-

pretation in der Vernehmung vom 30. November 2011

eingeräumt:

„Ich gestehe Ihnen sofort zu, dass das eine sehr
steile These ist, die hier steht, und dass man die

nur - das würde ich heute genauso sehen wie Sie -

sehr bedingt aus diesen Artikeln so rauslesen

kann.“5561

bbb) Ausreichende Tatsachengrundlage für die
Prüfung?

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der GBA im

Rahmen der Prüfung seiner Zuständigkeit weitere Infor-

mationen eingeholt hätte, zum Beispiel Kontakt mit dem

BKA, der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder der

BAO „Bosporus“ gesucht hätte. Die Verfahrensakte des
GBA enthält keine Anhaltspunkte für eine derartige Kon-

taktaufnahme. Auch der Zeuge Ritscher hat angegeben,

ihm sei nicht in Erinnerung, dass mehr Informationen

eingeholt worden wären, als sich aus der Akte ergä-

ben.
5562

Die Akten seien deshalb nicht von den Staatsan-

waltschaften angefordert worden, weil die Prüfung keinen

belastbaren Anhaltspunkt dafür ergeben habe, dass es sich

dabei um ein Staatsschutzdelikt handelt.
5563

Die Durchführung der Prüfung hat er folgendermaßen

beschrieben:

„Ich weiß nur noch, dass wir im Referat diskutiert
hatten, Bundesanwalt Steudl als Referatsleiter, der

Herr G., war sicherlich dabei, ich war dabei. Wer

sonst noch dabei war, weiß ich nicht mehr. Ich

weiß nicht, ob der Herr Dr. S. noch mit dabei war

oder nicht. Wir haben darüber uns unterhalten,

dass wir mal einen Vorgang anlegen und mal prü-

fen, ob das hier, also diese Taten, in die Zustän-

digkeit des Generalbundesanwalts fallen könnten.

Wie gesagt, hier, auf Seite 7 oben, steht ja dann

auch: ‚Herrn StA G. m. d. Bitte um K. und R.‘,
und unterschrieben ist es von Herrn Steudl. Mögli-

cherweise war er der Impulsgeber; ich weiß es

nicht mehr. Ich meine mich noch erinnern zu kön-

nen, dass wir mal beieinandergesessen sind und

darüber gesprochen haben. Wir haben natürlich

auch diese Verfügung vom 21. August 2006 disku-

tiert und auch inhaltlich besprochen. Sie sehen es
5561) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 103.

5562) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 78, 89.

5563) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 78.

Drucksache 17/14600 – 638 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ja: Auf Seite 27 ist es dann vom Referatsleiter ge-

zeichnet, es ist vom Abteilungsleiter gezeichnet

und gebilligt worden, und unterschrieben ist es im

Übrigen dann auch noch in Vertretung. Ich habe

den nicht unterschrieben, sondern Herr Steudl hat

es unterschrieben.“5564

Er hat darüber hinaus eingeräumt, dass die Prüfung der

Zuständigkeit auf einer unzureichenden Tatsachengrund-

lage erfolgt sei:

„Ich würde das natürlich heute anders machen, und
es tut mir auch leid, dass es so gelaufen ist, unge-

achtet des Umstands oder ungeachtet der Frage,

ob - - wie die Ermittlungen gelaufen wären, wenn

wir sie geführt hätten, und ob man dann eher den

Tätern auf die Spur gekommen wäre. Aber das ist

eine ganz andere Frage, die rein spekulativ ist.

Wie gesagt, ich kann immer wieder nur sagen: Es

ist damals so gewesen. Wir haben diesen ARP-

Vorgang damals aus eigenem Antrieb heraus ange-

legt, ohne dass irgendeine Staatsanwaltschaft auf

die Idee gekommen wäre oder auch irgendeine Po-

lizeibehörde, uns diese Fälle vorzulegen. Ich mei-

ne, es ist ja auch schon bemerkenswert, das kann

man ja an dieser Stelle; das wird Ihnen sicherlich

auch aufgefallen sein -, dass es erst im April 2006

nach Tötung des letzten Tatopfers mit Migrations-

hintergrund passiert ist und nicht schon vorher. Es

ist so. Es tut mir leid.“ 5565

dd) Weitere Prüfung der Übernahme des Ver-
fahrens durch den GBA nach neuem Hin-
weis

Mit Telefax vom 27. September 2006 übersandte die

Staatsanwaltschaft Dortmund dem GBA einen Vermerk

über die Befragung eines Hinweisgebers aus der JVA

Dortmund. Danach gab der Hinweisgeber an, er könne

gegen eine Vertraulichkeitszusage und Vergünstigungen

im Strafvollstreckungsverfahren die Namen von Tatver-

dächtigen der kurdischen Gruppierung PKK/KONGRA-

GEL nennen.
5566

Der GBA begründete seine Unzuständigkeit damit, dass

die bislang unkonkrete Selbstbezichtigung des Hinweis-

gebers und insbesondere die von ihm behaupteten Kon-

takte zur Führungsebene der PKK zweifelhaft seien.
5567

Die Ermittlungsbehörden in Dortmund verfolgten diesen

Hinweis nicht weiter, nachdem in einem weiteren Ge-

spräch der Hinweisgeber einige überprüfbare Angaben

gemacht hatte, die sämtlich durch Ermittlungen widerlegt

wurden. Gegen den Hinweisgeber wurde ein Verfahren

wegen eines Verstoßes gegen § 145d StGB (Vortäuschen

einer Straftat) eingeleitet und sodann – da der Beschuldig-
5564) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 79.

5565) Ritscher, Protokoll-Nr. 44, S. 91 f.

5566) Vermerk vom 26. September 2006, MAT A GBA-3/5, Bl. 6 ff.

5567) Verfügung vom 28. September 2006, MAT A GBA-3/5, Bl. 2.

te in sein Heimatland abgeschoben worden war – gemäß
§ 154b StPO (Auslieferung oder Ausweisung aus dem

Bundesgebiet) eingestellt.
5568
5568) Schreiben der StA Dortmund an dem GBA vom 6. März 2012,

MAT A GBA-4/2, Bl. 186 ff., 190.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 639 – Drucksache 17/14600

G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A.

Die aktuellen Ermittlungen zu beleuchten, gehörte aus-

drücklich nicht zum Auftrag des Ausschusses – schon um
jede Beeinträchtigung einer rechtlich einwandfreien

Durchführung des Strafverfahrens zu vermeiden. Der

Ausschuss hat aus der Beweisaufnahme den Eindruck

gewonnen, dass in diesem Fall viele Fragen nicht ab-

schließend geklärt sind. Die 2013 erfolgte Bildung der EG

„Umfeld“ durch die Landesregierung Baden-Württemberg
unterstreicht, dass dies nicht nur der Ausschuss so sieht.

I. Überblick über Tatgeschehen und Ermitt-
lungen

Den Ermittlungsberichten der Soko „Parkplatz“ vom
8. Februar und 20. Juli 2012

5569
lässt sich folgendes Tat-

geschehen entnehmen:

Am 25. April 2007 verrichteten Polizeimeisterin Kiese-

wetter und Polizeimeister A., Angehörige der Bereit-

schaftspolizei Böblingen, ab 9.30 Uhr ihren Dienst im

Rahmen des Konzeptionseinsatzes „Sichere City“ im
Stadtgebiet Heilbronn. Nach einer Schulungsveranstal-

tung auf dem Polizeirevier Heilbronn verließen sie zwi-

schen 13.30 und 13.45 Uhr mit ihrem Streifenwagen,

einem BMW 5er-Kombi mit dem Kennzeichen GP-3464,

das Polizeirevier. Sie fuhren auf die Theresienwiese in

Heilbronn, um dort im Schatten eines Stromverteilerge-

bäudes eine kurze Pause zu machen. Bis zu diesem Zeit-

punkt soll es laut Aussage von Martin A. keinerlei beson-

dere Vorkommnisse im Rahmen der Streifentätigkeit

gegeben haben. Es wurden lediglich einige Kontrollen

durchgeführt. Bereits am späten Vormittag hatte sich die

Streifenwagenbesatzung Kiesewetter/A. für eine Pause am

späteren Tatort aufgehalten.

Die Rekonstruktion des möglichen Tathergangs führte

laut Ermittlungsbericht zu folgenden wesentlichen Ergeb-

nissen:

„Die beiden Polizeibeamten saßen bei offenen Tü-
ren und Fenstern, ohne den Sicherheitsgurt ange-

legt zu haben, im Streifenwagen.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit

näherten sich mindestens zwei Schützen von hin-

ten, aus dem Schutz der Rückwand des Transfor-

matorenhauses kommend, dem Streifenwagen und

traten rechts und links (der Weg zur Fahrertüre

war minimal länger) an diesen bis auf Höhe der

Vordertüren heran.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde von den Poli-

zeibeamten der auf der Beifahrerseite herantreten-
5569) MAT A GBA-4/15a, Bl. 12-247 und MAT A GBA-4/19, Bl. 34

ff.

de Täter zuerst wahrgenommen, da beide ihre

Aufmerksamkeit in diese Richtung lenkten, was

mit ihrer Kopfhaltung im Moment der Schussab-

gabe korrespondierte.

Die Täter eröffneten auf PM A. und PM’in Kiese-
wetter das Feuer aus zwei unterschiedlichen Waf-

fen der Kaliber 7,62 mm und 9 mm und schossen

den beiden Polizeibeamten mit jeweils einem

Schuss gezielt in den Kopf, was mit den vorgefun-

denen Patronenhülsen korrespondiert.“5570

Die Täter entwendeten den Opfern ihre Dienstwaffen

(zwei Pistolen Heckler & Koch, Modell P 2000), drei

Magazine mit insgesamt 39 Patronen (Kaliber 9 mm),

eine Handschelle (Marke Clejuso), ein Reizstoffsprühge-

rät (Marke Hoernecke), eine Taschenlampe (Mini-Mag-

Lite) sowie ein Multifunktionstool der Marke

Victorinox.
5571

Kurz nach 14 Uhr entdeckte der Zeuge S. das Streifen-

fahrzeug im Bereich der Theresienwiese. Aus der Nähe

konnte er erkennen, dass ein Polizeibeamter mit blutver-

schmiertem Hemd aus der geöffneten Tür heraushing. Er

fuhr daraufhin sofort mit seinem Fahrrad Richtung Bahn-

hof, wo er auf den Taxifahrer K. traf und diesen infor-

mierte. Um 14.12 Uhr gab dieser die Information an das

Polizeirevier Heilbronn weiter. Die Polizeibeamten Kie-

sewetter und A. wurden von der am Tatort eintreffenden

Streife blutüberströmt in ihrem Streifenwagen neben dem

Stromverteilergebäude im nördlichen Parkplatzbereich

der Theresienwiese aufgefunden. Durch die zeitgleich

eintreffende Notärztin wurde der Tod von Polizeimeiste-

rin Kiesewetter festgestellt. Polizeimeister A. wurde mit

lebensgefährlichen Kopfverletzungen in das Krankenhaus

Ludwigsburg eingeliefert. Beide Beamte wiesen Kopf-

schüsse auf.

Zur Durchführung der Ermittlungen wurde bei der Poli-

zeidirektion Heilbronn die Soko „Parkplatz“ eingerichtet.
Diese wurde im Februar 2009 in das Landeskriminalamt

Baden-Württemberg überführt.

Zu den ersten Ermittlungsmaßnahmen zählte eine Tatort-

bereichsfahndung im Radius von fünf Kilometern um den

Tatort sowie eine Ringalarmfahndung. Des Weiteren

wurden Spezialeinheiten, mehrere Polizeihubschrauber

sowie alle in Heilbronn und Umgebung verfügbaren Poli-

zeikräfte zusammengezogen und in die ersten Ermitt-

lungshandlungen eingebunden. Hierzu zählten laut Er-

mittlungsbericht die Verständigung der Taxizentralen, die

Absuche möglicher Fluchtwege, die Überprüfung von
5570) MAT A GBA-4/19, Bl. 44.

5571) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (390) (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 640 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Gaststätten in Tatortnähe, die Feststellung von Kennzei-

chen sämtlicher Kraftfahrzeuge, die in Tatortnähe geparkt

hatten sowie die Erstbefragung möglicher Tatzeugen.

Dadurch sollten mögliche Tatzeugen und sonstige Aus-

kunftspersonen festgestellt werden. Unmittelbare Tatzeu-

gen konnten im Rahmen dieser Maßnahmen jedoch nicht

ermittelt werden.

Kriminaloberrat Axel Mögelin, der die Soko „Parkplatz“
beim LKA Baden-Württemberg vom 1. August 2010 bis

zum 8. November 2011 leitete, hat in seiner Vernehmung

vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, dass mehrere

Umstände die Ermittlungen in diesem Mordfall wesent-

lich erschwert hätten: Zum einen habe es zwar zahlreiche

Zeugen gegeben, jedoch hätten deren Hinweise nicht zu

einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt werden

können. Die Soko habe bis November 2011 über 5 000

Einzelspuren verfolgt, über 300 Maßnahmen durchgeführt

und mehr als 1 000 Hinweise bearbeitet. Die sich daraus

ergebenden Daten hätten jedoch nicht sinnvoll zu einem

stimmigen Bild kombiniert werden können.

II. Operative Fallanalysen

Die 1. Operative Fallanalyse (OFA) wurde am 21. Mai

2007 erstellt. Darin ging man von zwei Schützen aus, die

mit zwei unterschiedlichen Tatwaffen nahezu zeitgleich

Schüsse abgegeben haben sollen. Bei der anschließenden

Flucht soll wahrscheinlich zunächst ein Ort aufgesucht

worden sein, an dem die Täter sich reinigen beziehungs-

weise umziehen konnten, weil beide Täter, insbesondere

der Täter auf der Fahrerseite, Blutspuren der Opfer auf-

weisen mussten. Die Motivstruktur beider Täter wurde

wie folgt umschrieben:

– Wegnahme von Waffen und Ausrüstungsgegenstän-
den spielte eine zentrale Rolle,

– Persönliches Rachemotiv als primäres Ziel eher aus-
geschlossen,

– Realisierung eigener Überlegenheitsbedürfnis-
se/Wiedergutmachung erfahrener Unterlegenheit ge-

genüber der Polizei/Machtdemonstration.

Abschließend wurde festgestellt, dass die Täter der örtli-

chen kriminellen Szene zuzuordnen sein dürften.
5572

Nachdem sich Ende März 2009 herausgestellt hatte, dass

sich hinter der Spur zu der DNA einer unbekannten weib-

lichen Person (uwP) lediglich verunreinigte Wattestäb-

chen verbargen,
5573

wurde am 7. April 2009 in einer Be-

sprechung zwischen KR Huber, KHK Zeiner, KHK Fal-

kenstein und KHK Tröster festgelegt, dass die Soko nach

dem Verwerfen der Serienhypothese „uwP“ und der nun-
mehr ausschließlichen Konzentration auf den

„Polizistenmord“, nach wie vor an einer Einbindung der
Operativen Fallanalyse interessiert sei.“5574
5572) MAT A GBA-4/2, Bl. 244, 299 ff.

5573) Näheres hierzu unter: G.IV

5574) MAT A GBA-4/2, Bl. 310 f.

Daraufhin wurde durch das LKA Baden-Württemberg am

22. Mai 2009 eine weitere Fallanalyse erstellt. Darin

wurde festgestellt,

„dass das Motiv der Tat eher nicht im Bereich rati-
onal nachvollziehbarer Beweggründe liegt, wie

Bereicherung, Raub von Polizeiausrüstung oder

Verdeckung. Auch persönlich begründete Motive

im Zusammenhang mit einer gemeinsamen Vorge-

schichte eines der beiden Opfer oder der Täterseite

erscheinen eher unwahrscheinlich.“5575

In der Fallanalyse findet sich auch eine Stellungnahme zu

möglichen politischen Hintergründen:

„Ein politisch motivierter Anschlag ‚gegen Staats-
organe‘ ist eher auszuschließen. Es fehlt an einem
Bekennerschreiben und die Tat weist insgesamt zu

viele Elemente einer allgemeinkriminellen Tat

auf.“5576

Diese Passage ist dem Zeugen Mögelin vom Untersu-

chungsausschuss vorgehalten worden. Der Zeuge hat

darauf erwidert, eine OF-Analyse (OFA) sei lediglich eine

Ermittlungshilfe für den Soko-Leiter. Sie gebe eine Ein-

schätzung ab, der man folgen oder die man ablehnen

könne. Der Zeuge ist gefragt worden, ob es in den Überle-

gungen der Soko eine Rolle gespielt habe, dass Polizisten

als Feindbilder der rechten Szene schon häufiger Opfer

von Neonazis geworden seien. Daraufhin hat der Zeuge

erklärt, dass im vorliegenden Fall keinerlei Hinweise auf

einen etwaigen Bezug zur rechten Szene vorgelegen hät-

ten.
5577

Weiter konstatierte die OFA, es werde nach wie vor von

einer Motivkonstellation ausgegangen, die aus einer

Kränkung, einer massiven Verärgerung, erlebten Demüti-

gungen oder Degradierungserlebnissen in der Vergangen-

heit rühre und entsprechende Rachefantasien in Gang

gesetzt habe.

Abschließend wurde in der Fallanalyse angenommen,

dass die Täter einen regionalen Bezug zum Raum Heil-

bronn aufwiesen. Es wurde davon ausgegangen, dass sich

zumindest einer der Täter bereits des Öfteren in der Nähe

des Tatortes aufgehalten habe. Wörtlich heißt es:

„Die Tatsache, dass eine sehr hohe Belohnung
ausgesetzt ist und bislang keinerlei sachdienliche

Täterhinweise zu verzeichnen sind, legt den

Schluss nahe, dass es, wenn überhaupt, nur einen

sehr eingeschränkten ‚Mitwisserkreis‘ gibt oder
dass sich die Täter in Kreisen bewegen, in denen

ein sehr strenger Ehrenkodex eine Zusammenar-

beit mit staatlichen Behörden verbie-

tet/verhindert.“5578
5575) MAT A GBA-4/2, Bl. 244 f.

5576) MAT A GBA-4/2, Bl. 245.

5577) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 53 f.

5578) MAT A GBA-4/2, Bl. 244 f., 310 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 641 – Drucksache 17/14600

Der Zeuge Mögelin hat in seiner Vernehmung vor dem

Untersuchungsausschuss dargelegt, dass die Erkenntnisse

der Operativen Fallanalyse einen Ermittlungsschwerpunkt

der Sonderkommission bildeten. Es seien mehrere Perso-

nen aus dem polizeilichen System herausgefiltert worden,

die unterschiedlichen Rastern entsprächen. Unter anderem

sei der These, dass die Täter einen örtlichen Bezug nach

Heilbronn haben könnten, nachgegangen worden.
5579

III. Handelte es sich um Zufallsopfer?

In dem Ermittlungsbericht der Soko „Parkplatz“ vom
29. April 2010

5580
wird ausgeführt, dass das Streifenteam

Kiesewetter/A. am Tattag zum ersten Mal zusammen fuhr.

Martin A. war darüber hinaus zum ersten Mal im Rahmen

des Konzeptionseinsatzes „Sichere City“ in Heilbronn.
Michèle Kiesewetter war letztmalig am 3. April 2007 in

Heilbronn eingesetzt. Sie entschied sich kurzfristig –
entgegen der ursprünglichen Planung – an diesem Tag
Dienst zu machen. Erst am Wochenende wurde per SMS-

Kontakt geklärt, dass sie an diesem Tag zusammen mit

Martin A. fahren würde. Diese Information konnte daher

auch nur einem sehr begrenzten Personenkreis bekannt

gewesen sein. Wäre es den Tätern darauf angekommen,

gerade diese beiden Personen zu überfallen bzw. zu töten,

wären Insiderkenntnisse oder eine umfangreiche Observa-

tion der beiden Opfer im Vorfeld erforderlich gewesen.

Laut Ermittlungsbericht ist der Platz auf der

Theresienwiese neben dem Trafo-Gebäude polizeiintern

bei der Bereitschaftspolizei als Rückzugsraum oder Pau-

senplatz bekannt und wurde in vorangegangener Zeit

bevorzugt und gerade auch zur tatrelevanten Zeit (Mit-

tagszeit/früher Nachmittag) entsprechend genutzt.

Im Ausschuss ist hinterfragt worden, ob dieser Pausen-

platz tatsächlich regelmäßig von den Beamten der Bereit-

schaftspolizei genutzt werde, da diese in Vernehmungen

nach dem 4. November 2011 größtenteils angaben, diesen

Platz gar nicht oder nur selten für Pausen zu nutzen. Der

Zeuge Mögelin hat in seiner Vernehmung vor dem Unter-

suchungsausschuss erläutert, dass in der relevanten Zeit-

spanne um den Tattag – insbesondere zwischen dem 16.
und dem 25. April 2007, einem Zeitraum, in dem die

Täter das Wohnmobil gemietet hatten – fast täglich um
die Mittagszeit ein Streifenwagen an dieser Stelle Pause

machte.
5581

Weiterhin ist im Ausschuss thematisiert worden, ob der

Umstand, dass der für den Tatzeitraum vermutlich von

Böhnhardt abgeschlossene Mietvertrag für ein Wohnmo-

bil nachträglich verlängert wurde, als Indiz für eine ge-

zielte Opferauswahl gewertet werden müsse: Der Miet-

zeitraum endete nach dem ursprünglichen Mietvertrag

bereits am 16. April 2007, jedoch ist durch Zeugenaussa-

gen nachgewiesen, dass vermutlich Böhnhardt das

Wohnmobil über den Tattag des 25. April hinaus zumin-
5579) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 4.

5580) MAT A GBA-4/4a, Bl. 268, 269.

5581) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 14.

dest bis zum Abend des 26. April 2007 bzw. bis zum

Morgen des 27. April 2007 in Besitz hatte.
5582

In der Presse war Ende 2011 – eine Bemerkung von
BKA-Präsident Ziercke aufgreifend – spekuliert worden,
dass es sich beim Mord an Frau Kiesewetter um eine

„Beziehungstat“ handeln könne. Ziercke hatte in der 58.
Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages

am 21. November 2011 ausgesagt:

„Im Hinblick auf den Mord an der jungen Polizis-
tin in Heilbronn, der ja eigentlich in das Schema so

gar nicht hineinpasste und wo von Anfang an die

Frage war: ‚Was kann man daraus für eine Hypo-
these entwickeln?‘, zeigt sich eine erstaunliche
Veränderung. Wir gehen inzwischen davon aus,

dass es sich hier um ein Beziehungsdelikt handeln

könnte, ein Beziehungsdelikt, das darauf zurückzu-

führen ist, dass 2007 im Umfeld der Familie der

jungen Polizistin eine Gaststätte angemietet wer-

den sollte, man aber nicht zum Zuge kam, sondern

dass einer unserer jetzt Beschuldigten diese Gast-

stätte gemietet hat, um dort seine rechtsradikale

Szene zu empfangen.“5583

Laut dem BKA-Bericht „Opferumfeldermittlungen –
Maßnahme 321“ vom 20. März 2012 hat die umfassende
Überprüfung allerdings keine Anhaltspunkte dafür erge-

ben, dass die Beweggründe der Tat am 25. April 2007 in

einer wie auch immer gearteten Vorbeziehung der Opfer

zu den Tatverdächtigen Böhnhardt, Mundlos oder Zschä-

pe liegen könnten.

Der Zeuge Mögelin hat ausgesagt, es seien über 200 Ver-

nehmungen im gesamten Umfeld von Frau Kiesewetter

durchgeführt worden. Nach dem 4. November 2011 sei

gezielt das Umfeld von Frau Kiesewetter nicht nur in

Thüringen eingehend untersucht worden. Jedoch seien

keinerlei Hinweise gefunden worden, dass die Familie

oder Frau Kiesewetter irgendwelche Kontakte in die rech-

te Szene hätten oder selbst der rechtsextremen Szene

angehörten.

Auch habe man weder beim LKA Baden-Württemberg

noch beim parallel arbeitenden Einsatzabschnitt „Thürin-
gen“ des BKA Hinweise auf einen gezielten Anschlag auf
die Personen Kiesewetter oder A. gefunden.

5584
Auf Nachfrage hat der Zeuge Mögelin erklärt, dass auch

keine Hinweise darauf gefunden wurden, dass Kiesewet-

ter bereits zuvor in irgendeiner Weise Opfer der rechten

Szene gewesen sei.
5585

Die Zeugen Mögelin und Meyer-Manoras, Erster Staats-

anwalt bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn, haben vor

dem Untersuchungsausschuss ferner angegeben, dass ein

zielgerichteter Personenanschlag auf Kiesewetter und A.
5582) MAT A GBA-4/19, Bl. 75.

5583) Protokoll-Nr. 17/58, 58. Sitzung des Innenausschusses des
Deutschen Bundestages, S. 6 f.

5584) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 6, 45.

5585) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 51.

Drucksache 17/14600 – 642 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

oder zumindest auf eine dieser beiden Personen zwar nie

ausgeschlossen wurde, jedoch grundsätzlich davon ausge-

gangen wurde, dass sich die Tat gegen die Polizei als

Institution beziehungsweise gegen Staatsvertreter richte-

te.
5586

Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, weshalb

bei einem Polizistenmord nicht an eine extremistische

oder terroristische Motivation gedacht worden sei. Der

Zeuge Meyer-Manoras hat erklärt, es habe keinerlei Hin-

weise gegeben, die darauf hindeuteten. Von Seiten des

Ausschusses ist dies vor dem Hintergrund kritisiert wor-

den, dass Neonazis ihre Taten nicht nur gegen Migrantin-

nen und Migranten, sondern gerade auch gegen Polizisten

richten.
5587

IV. Suche nach einer unbekannten weiblichen
Person (uwP)

Am 31. Mai 2007 teilte das Landeskriminalamt Baden-

Württemberg der Heilbronner Soko „Parkplatz“ mit, dass
am Dienst-Kfz von Michèle Kiesewetter und Martin A.

eine DNA-Spur sichergestellt worden sei. Deren Profil

stimme überein mit dem Profil einer unbekannten weibli-

chen Person („uwP“), welches an zahlreichen Tatorten im
In- und Ausland festgestellt worden sei.

5588
Die Ermittler wähnten sich auf einer heißen Spur nach

dem „Phantom“, wie die unbekannte Frau rasch in den
Medien genannt wurde.

5589
Intensive Ermittlungen im In-

und Ausland führten jedoch nicht zum Ziel. 2009 erwies

sich diese DNA-Spur endgültig als Trugspur. Es konnte

nachgewiesen werden, dass die im Rahmen der Spurensi-

cherung an den Tatorten der vorgeblichen Spurfunde

verwendeten Wattestäbchen die Spuren vortäuschten, da

sie durch eine DNA-Antragung einer Mitarbeiterin des

Herstellers verunreinigt waren.
5590

Der Ausschuss hat hinterfragt, ob die anfängliche Kon-

zentration auf die sogenannte „Phantom-Spur“ die Ermitt-
lungen fehlgeleitet und dazu geführt habe, dass man ande-

re Ermittlungsansätze zurückgestellt und insbesondere

weitere genetische Spuren, wie beispielsweise die in Tat-

ortnähe aufgefundenen blutverschmierten Taschentücher,

nicht mit der gebotenen Intensität untersucht hat.
5591

Der Zeuge Mögelin hat erklärt, dass die Prioritätensetzung

bei der Verfolgung einer Spur notwendigerweise zu einer

gewissen Bindung von Personal- und Sachressourcen

führe, jedoch andere Spuren weiterhin parallel verfolgt
5586) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 51 und Meyer-Manoras, Proto-

koll-Nr. 29, S. 68.

5587) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 68.

5588) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar
2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (Bl. 422 f.) (VS-NfD).

5589) Süddeutsche Zeitung vom 19. Dezember 2008, „Weitere Spur
vom ‚Heilbronner Phantom‘“.

5590) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (Bl. 423 f.) (VS-NfD).

5591) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 11.

würden.
5592

Die Ermittlungsergebnisse seien nach Auflö-

sung der Spur zur unbekannten weiblichen Person noch

einmal umfassend überarbeitet worden. Als er die Soko

2010 übernommen habe, sei nochmals ein umfassendes

Controlling durchgeführt worden, um sicherzustellen,

dass man durch Verfolgung der „uwP“-Spur nicht andere
tatrelevante Hinweise übersehen habe.

5593
Auch der Zeuge

Erster Staatsanwalt Meyer-Manoras hat vor dem Untersu-

chungsausschuss bekräftigt, dass seiner Auffassung nach

keine entscheidenden Spuren wegen der Suche nach dem

so genannten „Phantom“ liegen geblieben seien.5594

Im Untersuchungsausschuss ist auch die Frage erörtert

worden, ob die Tatsache, dass die Taten sowie die Tatorte

der mutmaßlichen unbekannten weiblichen Person keiner-

lei Zusammenhang aufwiesen und nicht zu einem sinnvol-

len Gesamtbild zusammenzufügen waren, nicht zu Zwei-

feln an der DNA-Spur hätte führen müssen.
5595

Hierzu hat

der Zeuge Meyer-Manoras ausgeführt, dass er sich zu-

nächst nicht einmal habe vorstellen können, dass die Ta-

ten von einer Frau begangen worden sein sollen. Der

fehlende Zusammenhang habe zu zunehmenden Zweifeln

bei ihm geführt. Jedoch hätten Wissenschaftler bis De-

zember 2008 bekräftigt, dass ein Irrtum ausgeschlossen

sei. Zudem habe es Überprüfungen dieser Spur gegeben.

Beispielsweise habe das Kriminaltechnische Institut des

Landeskriminalamtes im April 2008 300 oder 500 Blind-

proben überprüft, mit negativem Ergebnis.
5596

Dennoch

hat der Zeuge eingeräumt:

„Aber ich hätte offensiv der Öffentlichkeit – -
Oder: Ich hätte darauf hinwirken müssen – ich sel-
ber hätte es gar nicht machen müssen –, dass man
der Öffentlichkeit sagt: Wir haben erhebliche

Zweifel, und das kann aus kriminalistischer Sicht

eigentlich nicht sein, und wir arbeiten mit Hoch-

druck dran, um den Fehler herauszufinden.“5597

Bei auftretenden Fehlern in der DNA-Analyse werde

zwar zunächst an Verunreinigungen gedacht, jedoch habe

er dies für ausgeschlossen gehalten, da es eine entschei-

dende Fehlinformation aus Österreich gegeben habe: Die

Kollegen hätten bis zum Frühjahr 2009 angegeben, andere

Wattestäbchen zu verwenden, erst später sei dieser Irrtum

korrigiert und klargestellt worden, dass die Österreicher

die selbe Sorte Wattestäbchen verwendeten wie die deut-

schen Kollegen.
5598

V. Tatverdacht gegen Angehörige der Min-
derheiten Sinti und Roma

Der Ausschuss hat sich mit der Frage auseinandergesetzt,

wie es zu einer öffentlichen Berichterstattung kam, in der
5592) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 11.

5593) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 23.

5594) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 62.

5595) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 60.

5596) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 61.

5597) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 61.

5598) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 61.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 643 – Drucksache 17/14600

ein Tatverdacht gegen Angehörige der Minderheiten Sinti

und Roma geäußert wurde. Beispielsweise führte der

stern in einem Artikel „Die Jagd nach dem Phantom“
vom 29. Juni 2007 aus:

„Die Fahnder recherchieren auch bei den Mitglie-
dern von ‚mobilen sozialen Gruppen‘ wie Sinti und
Roma, doch die sind schwer zu erfassen. ‚Diese
Gruppen kann man nicht flächendeckend spei-

chern‘, sagt der Freiburger Kriminalhauptkommis-
sar Bruno Bösch. […] Die Spur in Kreisen der Sin-
ti und Roma gilt im Moment in Heilbronn als die

heißeste. Offiziell will das niemand bestätigen,

aber ‚wir prüfen auch intensiv im Zigeunermilieu‘,
sagt ein Ermittler vage und politisch unkorrekt.

[…] Und schließlich hielten sich an jenem ver-
hängnisvollen 25. April mehrere Sinti- und Roma-

Familien mit ihren Wohnwagen keine hundert Me-

ter vom Tatort entfernt auf der Theresienwiese auf.

Doch niemand will etwas gesehen haben.“5599

Dem Ermittlungsbericht der Soko „Parkplatz“ lässt sich
hierzu folgender Hintergrund entnehmen:

„Zur Tatzeit lagerten auf der Theresienwiese eine
Gruppe Angehöriger Reisender Familien. Bei einer

ersten Kontrolle konnten nur 6 dieser Personen an-

getroffen werden. Weitere 9 Personen wurden

durch Folgeermittlungen zwar namhaft gemacht,

es konnte jedoch nicht festgestellt werden, wo ge-

nau sie sich zum Tatzeitpunkt in Heilbronn auf-

hielten. In der Folge wurde im Rahmen verschie-

dener Kontrollaktionen versucht, die Anzahl und

die Identität der Personen aus der Gruppe von An-

gehörigen Reisender Familien ausfindig zu ma-

chen, die am 25.04.2007 tatsächlich in Heilbronn

waren. Die hierbei ermittelten 32 Personen wurden

zwischenzeitlich – soweit sie angetroffen werden
konnten – als Zeugen zur Sache gehört. Dabei
ergaben sich jedoch keine sachdienlichen Hinwei-

se. Die Vernehmungen der Angehörigen Reisender

Familien befinden sich in der Hauptakte.“5600

Tatsächlich wurden die im Ermittlungsbericht von Beam-

ten der Soko „Parkplatz“ so bezeichneten „Angehörigen
Reisender Familien“ nicht nur als Zeugen vernommen,
sondern es wurden auch konkrete Ermittlungen zur Spur

„Nr. 101/104 Landfahrer“ geführt. So wurde die Staats-
anwaltschaft Heilbronn am 28. April 2008 darum ersucht,

beim Amtsgericht Heilbronn einen Beschluss gem. § 163e

StPO zur polizeilichen Beobachtung der von den „Ange-
hörigen Reisender Familien“ genutzten Fahrzeuge zu
erwirken. Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen einen

Großteil dieser Personen lägen zahlreiche polizeiliche

Erkenntnisse im Bereich des Betruges, Trickbetruges und

besonders schweren Einbruchsdiebstahls an überregiona-

len Tatorten vor. Der Antrag wurde im Einzelnen u. a.

wie folgt begründet:
5599) stern vom 29. Juni 2007, „Die Jagd nach dem Phantom“.

5600) Ermittlungsbericht vom 8. Februar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl.

276.

„Aufgrund

– eines vertraulichen Hinweises, wonach die Tä-
ter aus dem Bereich der Sinti/Roma stammen,

– dessen, dass Sinti/Romas zur Tatzeit am Tat-
ort anwesend waren,

– dessen, dass die DNA-Spur im Zusammen-
hang mit dem versuchten Mord innerhalb ei-

ner Sinti-Sippe (Fall W. in Worms) aufge-

taucht ist,

– der bisher ermittelten Tatverdächtigen mit un-
terschiedlichsten Staatsangehörigkeiten, die

Bezüge zu Sinti/Romas aufweisen (T., G., D.),

– der Mobilität der Täter (Tatorte in Freiburg,
Offenbach, Saarbrücken, Österreich, Frank-

reich) und

– der mutmaßlichen Tatbegehungsweise (mögli-
cher sog. „Glas-Wasser-Trick“ im Fall
Schlenger in ldar-Oberstein 1993),

liegen ausreichend Tatsachen vor, die nahelegen,

dass die bislang unbekannte, spurenlegende Person

konkrete Bezüge und Kontakte zu Sinti/Romas

hat.“

Durch die erneuten Spurentreffer der unbekannten, spu-

renlegenden Person in Kornwestheim vom 10./11. August

2007 und im Zusammenhang mit dem Dreifachmord in

Heppenheim am 30. Januar 2008 sei festzustellen, dass

sich diese immer wieder im näheren Tatortbereich aufzu-

halten scheine. Es sei daher anzunehmen, dass die unbe-

kannte, spurenlegende Person mit den vorgenannten Per-

sonen in Verbindung stehe oder eine solche Verbindung

herstellen werde.
5601

Als Beschuldigte wurden die Perso-

nen nicht geführt.

Dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft entsprechend wur-

de für 15 „Angehörige Reisender Familien“ vom Amtsge-
richt Heilbronn mit Beschluss vom 30. April 2008 die

Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeili-

chen Kontrollen angeordnet, welche die Feststellung von

Personalien zulassen. Zur Begründung wurde ausgeführt,

dass am Opferfahrzeug die DNA-Spur einer unbekannten

mutmaßlich weiblichen Person (uwP) festgestellt worden

sei, die an 29 weiteren Tatorten in Deutschland, Öster-

reich und Frankreich festgestellt worden sei. Unter ande-

rem sei die DNA-Spur auch bei den Mordfällen in

Idar/Oberstein im Jahr 1993, in Freiburg im Jahre 2001

und in Heppenheim im Jahr 2008 festgestellt worden.
5602

Wie sich später herausstellte, wurde diese zunächst als

tatrelevant eingestufte DNA-Spur auf Grund einer Kon-
5601) Schreiben der Soko „Parkplatz“ vom 28. April 2008, MAT A

GBA-4/15c, Bl. 498-501.

5602) Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 30. April 2008,

MAT A GBA-4/15c, Bl. 502 - 505.

Drucksache 17/14600 – 644 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

taminierung durch eine an der Produktion der Wattestäb-

chen beteiligte Mitarbeiterin verursacht.
5603

Am 19. Mai 2009 wurde durch einen Beschluss des

Amtgerichts Heilbronn gegen die gleichen Personen eine

erneute Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von

polizeilichen Kontrollen angeordnet, also zu einem Zeit-

punkt, nachdem bereits erkannt worden war, dass die

gesuchte „uwP“ nicht existierte. Dieser Beschluss wurde
nunmehr auf Zeugenaussagen gestützt. So hatte eine Zeu-

gin angeführt, sie habe im Sommer 2007 ein Gespräch

zwischen ihrem Vater und einem ihr „unbekannten Land-
fahrer“ mitgehört, wonach dieser zu ihrem Vater im Hin-
blick auf die Tat am 25. April 2007 gesagt habe, „Es
waren Zigeuner“. Des Weiteren wird im Beschluss ange-
führt, dass die „Anwesenheit von Sinti- und Roma-
Familien zur Tatzeit am Tatort belegt“ sei. Im Übrigen
wurde der Beschluss auf eine Zeugenaussage gestützt,

wonach sich am 24. April 2007 ein älteres, braunes

Wohnmobil ohne Alkoven direkt am Pumpenhäuschen

auf der Theresienwiese befunden habe, im Besitz eines

solchen Wohnmobils sei auch eine der Personen, die sich

am 25. April 2007 auf der Theresienwiese aufgehalten

hätten.
5604

Der Zeuge Mögelin, der vom 1. August 2010 bis zum

8. November 2011 Leiter der Sonderkommission „Park-
platz“ war, hat ausgesagt, man habe nach der Tat alle
Personen, die auf der Theresienwiese ihr Auto abgestellt

hätten, ermittelt. Hierzu hätten auch „Angehörige Reisen-
der Familien“ gehört. Man habe weitere Zeugen gesucht,
was ohne Ansehen von Person und Nationalität erfolgt

sei. Konkreten Hinweisen auf Personen gehe man unab-

hängig von Nationalitäten nach. Es habe einen Hinweis

auf eine konkrete Person gegeben, wonach das Tötungs-

delikt im Zusammenhang mit einem Vorauszahlungsbe-

trug (Rip-Deal) stattgefunden habe. Dies sei dann, zum

Teil mit operativen Maßnahmen, ausermittelt worden, bis

sich keine weiteren Ermittlungsansätze mehr geboten

hätten. Darüber hinaus habe es Hinweise auf eine Einbre-

cherbande gegeben. Es sei nicht Aufgabe der Sicherheits-

behörden, die öffentliche Berichterstattung zu beeinflus-

sen. Die Unabhängigkeit der Presse sei ein hohes Gut in

Deutschland.
5605

Als Grund für die Ermittlungen zu Sinti und Roma hat der

Zeuge Meyer-Manoras auf Nachfrage im Ausschuss an-

gegeben:

„Der Grund liegt natürlich darin, dass an dem Tat-
tag auf der Theresienwiese, wo der Tatort war,

sehr viele Sinti und Roma auch tatsächlich waren.

Das war der Hauptgrund.“5606
5603) Aktenvermerk vom 24. März 2010, MAT A GBA-4/15c,

Bl. 404-405 – weitere Ausführungen hierzu unter G.IV.

5604) Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn, MAT A GBA-4/15 f.,
Bl. 115 ff.

5605) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 26, 27.

5606) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 69.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher

Sinti und Roma, hat diese damals auch in der Presse auf-

gegriffenen Ermittlungen öffentlich kritisiert.

„Hier wurde eine Minderheit unter den General-
verdacht gestellt, eine Polizistin hingerichtet zu

haben,“

sagte Rose gegenüber der tageszeitung. Er hoffe,

„dass die ermittelten Fakten endlich zu mehr Ver-
antwortungsbewusstsein bei den Ermittlungsbe-

hörden beitragen“.5607

Der Ausschuss hat sich auch für die Frage interessiert,

inwieweit es eine Entschuldigung bei den von den Ermitt-

lungen betroffenen Angehörigen der Minderheiten Sinti

und Roma gegeben hat. Dazu hat der Zeuge Meyer-

Manoras angegeben:

„Mir ist natürlich schon klar, dass gerade die Sinti
und Roma, die wie keine andere Bevölkerungs-

gruppe Diskriminierungen alltäglich erleiden müs-

sen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in

Ungarn, in Rumänien usw., und zwar in sehr hefti-

ger Form - - Wenn die sich durch die Ermittlungen

kriminalisiert fühlen, habe ich dafür Verständnis,

und wenn sie das auch medial zum Ausdruck brin-

gen, habe ich dafür auch volles Verständnis. Da

würde ich mich auch nie gegen wehren, weil weh-

leidig darf man da nicht sein. Dafür kriege ich halt

mein Geld, dass ich das dann auch aushalte. Aber

dass man in dieser Richtung Nachforschungen ma-

chen muss - - Ich meine, wir haben sie nicht als

Beschuldigte geführt; die Unschuldsvermutung

sollte man immer wieder deutlich machen, und das

geht leider des Öfteren unter. Wie gesagt, ich habe

die konkrete Berichterstattung von damals nicht

mehr im Kopf. Ich bedaure es immer, wenn Men-

schen von Ermittlungen beeinträchtigt werden, und

Sinti und Roma werden stärker beeinträchtigt als

andere. Entschuldigen im klassischen Sinne kann

ich mich leider nicht dafür.“5608

VI. Zusammenarbeit mit anderen Behörden

Bereits am Tatabend wurden Befragungen aller Quellen

des LfV Baden-Württemberg aus allen

Phänomenbereichen des Verfassungsschutzes durchge-

führt. Das LfV Baden-Württemberg teilte mit, dass diese

bis zum 3. Mai 2007 negativ verlaufen seien. Die Quellen

des LfV Baden-Württemberg seien aber sensibilisiert und

angewiesen, Informationen schnellstmöglich zu mel-

den.
5609

Mit E-Mail vom 30. April 2007 wurde das BfV in

die Ermittlungen einbezogen. Es wurde darum gebeten,

den BND sowie alle LfV zu unterrichten und um Unter-
5607) die tageszeitung vom 12. April 2012, „Heiße Spur ins Zigeu-

nermilieu“.

5608) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 69.

5609) Schreiben des LfV Baden-Württemberg, MAT A BW-6/2

(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 899 (VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 645 – Drucksache 17/14600

stützung hinsichtlich der Befragung von Vertrauensperso-

nen und Informanten zu bitten. Derzeit lägen keine Ver-

dachtsmomente in Richtung Phänomenbereich Terroris-

mus/Extremismus vor.
5610

Am 14. Mai 2007 übermittelte das LfV der Heilbronner

Polizei Hinweise, wonach der Mord an Michèle Kiesewet-

ter und der Mordversuch an Martin A. von zwei Tätern

aus einem Dorf in der Nähe von Heilbronn begangen

worden sei.
5611

Der Hinweis wurde überprüft und erwies

sich als falsch.
5612

Ferner gab es noch im Frühjahr 2011

einen Informationsaustausch mit dem LKA Baden-

Württemberg in Bezug auf türkischen Rechtsextremismus

(„Graue Wölfe“).5613

Am 9. April 2009 nahm ein Mitarbeiter des LKA Kontakt

mit dem LfV auf. Ziel war es, Erkenntnisse „aus dem
Milieu Schausteller und Landfahrer“ zu gewinnen. Bei
einer gemeinsamen Besprechung am 21. April 2009 zwi-

schen der Soko „Parkplatz“ und Kollegen des LfV wurde
über Hinweise zu „Schaustellern und Landfahrern“ unter-
schiedlicher Ethnien berichtet. Unter Hinweis auf vermut-

liche Erfolglosigkeit wurde angeboten, Auskunftsperso-

nen zu befragen, die über Balkanbezüge verfügten und

mittelbar sachdienliche Hinweise geben könnten.

Sachstands- und Zwischeninformationen erfolgten am

28. April und am 29. Mai 2009. Im Juni 2009 wurde tele-

fonisch mitgeteilt, dass alle Bemühungen, sachdienliche

Informationen zu erhalten, ergebnislos gewesen seien.
5614

Im Jahre 2011 stand das LKA Baden-Württemberg in

direktem Kontakt mit dem bayerischen Landesamt für

Verfassungsschutz. Dabei ging es um Hinweise auf eine

russische Rauschgiftgruppierung, deren mögliche Beteili-

gung an dem Polizistenmord überprüft werden sollte.
5615

Ferner gab es Kontaktaufnahmen der Polizei zum BND:

So wurden im Jahre 2007 von Seiten der Heilbronner

Polizei Anfragen zu etwaigen Luftbildern vom Tatort

veranlasst.
5616

Darüber hinaus führte ein Mitarbeiter des

LKA Baden-Württemberg am 22. April 2009 eine Be-

sprechung mit einem Vertreter des BND durch und richte-

te am 27. April 2009 eine schriftliche Anfrage mit der

Bitte um Unterstützung der Soko „Parkplatz“, unter ande-
rem in Bezug auf „‚Quellen‘ im Bereich von Angehörigen
reisender Familien (sog. ‚Landfahrer‘)“5617 sowie hin-
sichtlich von BND-Erkenntnissen zu Einzelpersonen.

Daraufhin teilte der BND am 22. Juli 2009 mit, dass dort

keine Erkenntnisse zu Mitgliedern oder Umfeldpersonen

der Organisierten Kriminalität (insbesondere russische
5610) MAT A BW-6, Bl. 975, 976.

5611) MAT A BW-4/1, Bl. 1 (VS-NfD).

5612) MAT A BW-4/1, Bl. 2 (VS-NfD).

5613) MAT A BW-4/1, Bl. 23 ff. (VS-NfD).

5614) Aktenvermerk vom 22. November 2011, MAT A BW-6/2

(Tgb.-Nr. 27/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 980, 981 (VS-

NfD).

5615) MAT A BW-4/1, Bl. 19 ff. (VS-NfD).

5616) MAT A BW-4/1, Bl. 10 (VS-NfD).

5617) MAT A BW-4/1, Bl. 42.

oder italienische) mit persönlichen oder räumlichen Be-

zügen zur Region Heilbronn vorlägen.
5618

VII. Im Ausschuss beleuchtete mögliche Er-
mittlungspannen

1. Späte Auswertung von blutigen Taschen-
tüchern

In den Akten finden sich Hinweise darauf, dass am

27. April 2007 – zwei Tage nach der Tat – Gegenstände
in der Nähe des Tatorts sichergestellt wurden. Dabei han-

delte es sich unter anderem um fünf Taschentücher mit

Blutantragungen, eine Zigarettenkippe, einen Ohranhäng-

er, ein Herrenhemd und ein Paar Wollsocken.
5619

Der

Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage befasst,

weshalb eine molekulargenetische Untersuchung dieser

Asservate erst zwei Jahre später, am 14. Mai 2009, veran-

lasst wurde.

Der Zeuge Mögelin hat hierzu in seiner Vernehmung vor

dem Untersuchungsausschuss dargelegt, dass grundsätz-

lich zunächst nur die im näheren Tatortbereich aufgefun-

denen Asservate umgehend molekulargenetisch sowie auf

Spuren und Fasern untersucht würden. Da DNA-Analysen

mit einem beachtlichen Aufwand verbunden seien, wür-

den die Asservate aus dem weiteren Tatortbereich zu-

nächst nur gesammelt und aufbewahrt. Ergäben sich im

Laufe der Ermittlungen weitere Hinweise, die auf eine

Tatrelevanz der vorrätigen Asservate hindeuteten, so

würden diese anlassbezogen ausgewertet. Die blutver-

schmierten Taschentücher seien mehrere Hundert Meter

entfernt vom Neckarufer aufgefunden worden und daher

zunächst nicht ausgewertet worden. Im Jahr 2009 sei dann

die molekulargenetische Untersuchung erfolgt, nachdem

eine Zeugenaussage auf die mögliche Tatrelevanz der

Taschentücher hingedeutet habe.
5620

Die molekulargenetische Untersuchung der blutver-

schmierten Gegenstände im Jahre 2009 ergab ein männli-

ches und ein weibliches Profil.
5621

Ein Bezug der Gegen-

stände zur Tat konnte allerdings weder bestätigt noch

ausgeschlossen werden.
5622

Des Weiteren erkannte der

Zeuge A. M. im September 2009 anlässlich einer Wahl-

lichtbildvorlage eine Ähnlichkeit mit einer in Heilbronn

polizeibekannten weiblichen Person. Anregungen der

Polizei, in Bezug auf diese Person Beschlüsse für ver-

deckte Ermittlungsmaßnahmen zu erwirken, wurden je-

doch von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
5623

Zwischen dem Datum dieser Anregung (4. August
5618) MAT A BW-4/1, Bl. 41.

5619) MAT A GBA-4/10b, Bl. 104.

5620) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 10, 11.

5621) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (104 f.) (VS-NfD).

5622) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (114) (VS-NfD).

5623) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (468 ff.) (VS-NfD).

Drucksache 17/14600 – 646 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2010)
5624

und der Ablehnung durch die Staatsanwaltschaft

(15. November 2010)
5625

vergingen über drei Monate.

2. Zeugenaussagen von besonderem Inte-
resse

a) Zeugen, die Personen mit Blutflecken an
der Kleidung gesehen haben

Den Akten lässt sich entnehmen, dass mehrere Zeugen

unabhängig voneinander in ihren Vernehmungen durch

die Polizei Angaben zu blutverschmierten Personen

machten, die sie entweder in unmittelbarer Tatortnähe

oder im Bereich potentieller Fluchtwege gesehen hatten.

Der Zeuge A. M. gab in seiner Vernehmung an, dass er

am Tattag mit seinem Fahrrad am Neckaruferweg von der

Böckinger Brücke in Richtung Otto-Konz-Brücke gefah-

ren sei. Den Zeitraum seiner Fahrradfahrt an diesem Tage

bezeichnete er zwischen 14 Uhr und 14.40 Uhr. Gegen

14.05 Uhr/14.10 Uhr
5626

bemerkte der Zeuge von der

Otto-Konz-Brücke ihm entgegenkommend drei Personen

auf dem Radweg. Hierbei handelte es sich um zwei männ-

liche Personen und eine weibliche Person. Eine der männ-

lichen Personen begab sich an der dortigen Treppe zum

Neckar und wusch ihre blutigen Hände im Neckar. Diese

männliche Person lief ihm auf dem unterhalb des Rad-

wegs befindlichen Uferweg entgegen, während ihm die

weibliche und die andere männliche Person oberhalb auf

dem Radweg begegneten. Nach einem kurzen Gespräch

mit der weiblichen Person auf dem Radweg fuhr der Zeu-

ge wieder in Richtung Böckinger Brücke zurück.
5627

Im Anschluss an einen kurzen Aufenthalt auf einer Bank

in der Nähe des Freibades fuhr der Zeuge A. M. mit sei-

nem Fahrrad über den Radweg entlang des Neckars durch

den Wertwiesenpark, um nach Hause zu fahren. Am Ende

des Wertwiesenparks, Beginn des dortigen Sportgelän-

des/Vereinsgaststätte, sah er die drei Personen auf dem

Radweg/Fußweg wieder. Nachdem die Personen ihn be-

merkt hatten, sprang eine männliche Person nach rechts in

die Uferböschung des Neckars, die anderen beiden bogen

nach links ab. Für den Zeugen entstand der Eindruck, dass

sie sich vor ihm verstecken wollten.
5628

Die Zeugin M. M. hatte am 25. April 2007 gegen 11 Uhr

im Bereich der Badstraße zwei Personen gehört, die sich

in italienischer Sprache stritten. Als sie zwischen 14 und
5624) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-

4/10b, Bl. 99 ff. (113) (VS-NfD).

5625) Vermerk StA Heilbronn vom 15. November 2010, MAT A

GBA-4/15b, Bl. 189 ff. (VS-NfD).

5626) MAT A GBA-4/15b, Bl. 174 ff. (174).

5627) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (100) (VS-NfD); Zeugenvernehmung A. M.
vom 12. Mai 2009, MAT A GBA-4/15d, Bl. 379 ff. (380 f.)

(VS-NfD).

5628) Vermerk Soko „Parkplatz“ vom 15. Juni 2011, MAT A GBA-
4/10b, Bl. 99 ff. (100) (VS-NfD); Zeugenvernehmung A. M.

vom 12. Mai 2009, MAT A GBA-4/15d, Bl. 379 ff. (381 f.)

(VS-NfD).

14.30 Uhr wieder auf dem Weg zu ihrem Pkw gewesen

sei, seien ihr die vermutlich gleichen Personen wieder

aufgefallen, die auf der Oberen Neckarstraße Richtung

Kilianskirche gingen. Bei dem Mann seien ihr hierbei

sieben bis elf fingernagelgroße Blutspritzer auf dem

Hemd im Bereich Brust und Bauch aufgefallen. Die Frau

beschrieb sie: ca. 23 bis 24 Jahre alt, ca. 160 cm groß,

zierlich, schlank, bekleidet mit einer schwarzen Stoffhose

und einem weißem Langarmhemd. Den Mann beschrieb

die Zeugin als 25 bis 26 Jahre alt, 170 bis 175 cm groß,

schlank, dunkle Haare, bekleidet mit einer schwarzen

Stoffhose und einem weißen Langarmhemd, auf dem im

Bereich Brust/Bauch die Blutspritzer festgestellt wurden.

Die Personen führten keinerlei Gegenstände mit sich.
5629

Ein weiterer Zeuge berichtete, dass er am 25. April 2007

gegen 14.30 Uhr, von Sontheim kommend zu Fuß Rich-

tung Stadtmitte Heilbronn gegangen sei. Am südlichen

Ende des Wertwiesenparks, unweit der Einmündung

Kolpingstraße/Sontheimer Brücke,
5630

sei links am rech-

ten Fahrbahnrand ein Fahrzeug mit laufendem Motor

gestanden. Das Fahrzeug, ein dunkelblauer Audi 80, habe

ein Mosbacher Kennzeichen gehabt. Als der Zeuge noch

ca. vier bis fünf Meter von dem Fahrzeug entfernt gewe-

sen sei, habe er gesehen, wie ein Mann von der gegen-

überliegenden Seite aus auf das Fahrzeug zu rannte. Er

habe noch gehört, wie der Fahrer „dawei dawei“ rief und
der Mann mit dem Kopf voran ins Fahrzeug hechtete. Die

Tür wurde geschlossen und der Wagen fuhr mit quiet-

schenden Reifen weg. Der Mann sei ca. 180 cm groß und

trage eine auffällige Tätowierung (Kreuz auf Hügel) am

muskulösen Unterarm. Er sei schlank, habe kurze, glatte,

hellblonde Haare, an seiner Hose seien an den Knien

grüne Flecken (vermutlich Grasflecken) gewesen. Am

auffälligsten an dem Mann sei jedoch, dass dessen rechter

Arm voller Blutflecken gewesen sei, auch im vorderen

rechten Bereich des T-Shirts seien Blutspritzer zu sehen

gewesen.
5631

Die Zeugin W. fuhr von Nordheim kommend mit ihrem

Fahrzeug die Neckartalstraße Richtung Hauptfriedhof von

Heilbronn. Ca. 150 bis 200 m vor der Otto-Konz-Brücke,

hörte sie ganz deutlich zwei Schüsse. Als sie dann auf der

Brücke an einer Ampel anhalten musste, sah sie an der

Kreuzung Karlsruher Straße/Theresienstraße einen Mann

mit einem blutverschmierten Arm, bzw. die ganze linke

Seite dieses Mannes war mit Blut verschmiert. Es hielt ein

Fahrzeug und der Mann stieg möglicherweise hinten im

Fahrzeug ein. Der Mann war ca. 30 bis 36 Jahre alt, hatte

breite Schultern, ein rundes Gesicht und dunkelblonde,
5629) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (288) (VS-NfD); Ge-

sprächsvermerk Soko „Parkplatz“ vom 9. März 2009, MAT A
GBA-4/15d, Bl. 351 ff. (VS-NfD).

5630) MAT A GBA-4/15b, Bl. 174 ff. (182).

5631) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (291) (VS-NfD).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 647 – Drucksache 17/14600

glatte Haare. Die Zeugin hielt diesen Mann für einen

Russen.
5632

Der Zeuge Mögelin hat diese Zeugen gegenüber dem

Untersuchungsausschuss als „mit das Interessanteste“
bezeichnet, was die Polizei zu diesem Zeitpunkt als Hy-

pothese gehabt habe. Einerseits, weil die Polizei diese

Zeugen – jeden für sich genommen – für glaubwürdig
gehalten habe, andererseits, weil sie möglicherweise mit-

einander korrespondieren könnten.
5633

Der Zeuge Mögelin hat in seiner Vernehmung allerdings

erläutert, dass die Zeugen nach dem 4. November 2011

keine der aktuell dem NSU zugerechneten Personen bei

einer Wahllichtbildvorlage erkennen konnten, so dass

auch jetzt nicht verifiziert werden konnte, ob die Be-

obachtungen der Zeugen im Zusammenhang mit der Tat

standen.
5634

b) Zeugin, die Schüsse hörte

Der Zeuge Mögelin hat dem Untersuchungsausschuss von

der Aussage der Zeugin W. berichtet. Diese sei über eine

Brücke gefahren und habe zwei Schüsse gehört, die sie

zunächst der Eröffnung des Frühlingsfestes zugeordnet

habe. Dann habe sie jedoch bemerkt, dass dieses noch

nicht begonnen hatte, und hielt an einer Ampel. Die Zeu-

gin habe dort einen Mann mit Blutantragungen in ein

Auto steigen sehen, welches sie zunächst als dunkel,

später als hell beschrieben habe. Mit der Zeugin seien

Phantombilder erstellt worden.
5635

Erster Staatsanwalt Meyer-Manoras hat in seiner Ver-

nehmung vor dem Untersuchungsausschuss dargelegt,

dass aufgrund der Schilderungen von Zeugin W. eine

Tatrekonstruktion erfolgt sei. Dabei habe sich herausge-

stellt, dass die Zeugin die von ihr angegebenen Beobach-

tungen nicht gemacht haben könne. Der Tatverdächtige

hätte nicht in der von W. angegeben Zeit zwischen

Schussabgabe und Sichtung von dem Ort, an dem W.

angab, die Schüsse zu hören zu dem Ort, an dem sie den

Tatverdächtigen gesehen haben will, laufen können.
5636

c) Umgang mit diesen Zeugen

Der Zeuge Mögelin hat gegenüber dem Untersuchungs-

ausschuss dargelegt, dass es zwischen der Polizei und der

Staatsanwaltschaft unterschiedliche Auffassungen darüber

gegeben habe, wie die Zeugenaussagen zu werten seien.

Die Polizei habe die Aussagen für tatrelevant gehalten

und daher eine Öffentlichkeitsfahndung mit Phantombil-

dern angeregt. Dies wurde von Staatsanwalt Meyer-

Manoras jedoch abgelehnt.
5637
5632) Ermittlungsbericht LKA Baden-Württemberg vom 8. Februar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (282) (VS-NfD).

5633) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 32.

5634) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 32.

5635) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 33.

5636) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 64 f.

5637) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 32.

Im Untersuchungsausschuss ist in diesem Zusammenhang

kritisiert worden, dass die Ablehnung ohne schriftliche

Begründung erfolgte. Hierzu hat der Zeuge Meyer-

Manoras erläutert, dass es bei seiner letzten schriftlich

begründeten Ablehnung zu Reibungen mit der Polizei

gekommen sei, die aber später geklärt worden seien.

Diesmal habe er daher lediglich eine ausführliche mündli-

che Begründung abgegeben.
5638

Der Zeuge hat dem

Untersuchungsausschuss anschließend seine Beweggrün-

de für die Ablehnung geschildert. Zunächst sei die Staats-

anwaltschaft von einer geplanten Tat ausgegangen, so

dass die Beschreibungen unkontrollierter Fluchtversuche

nicht als tatrelevant eingestuft worden seien. Des Weite-

ren habe es heftige Widersprüche in den jeweiligen Zeu-

genaussagen gegeben. Die Veröffentlichung von Phan-

tombildern erfordere jedoch einen richterlichen Beschluss

und damit die Annahme, dass die Abgebildeten mit

Wahrscheinlichkeit Beschuldigte seien. Diese Vorausset-

zung habe jedoch nicht vorgelegen.
5639

3. Ringfahndung

a) Ablauf Ringalarmfahndung

Aus dem Ermittlungsbericht der Soko „Parkplatz“ vom
20. Juli 2012 geht hervor, dass im Rahmen der ersten

Fahndungsmaßnahmen der Polizei um 14.15 Uhr (Funk-

uhrzeit) eine Ringalarmfahndung ausgelöst wurde.
5640

Bei der Kontrollstelle Oberstenfeld, die ca. 25 bis 30

Minuten beziehungsweise 20 Kilometer vom Tatort ent-

fernt ist, wurde unter anderem ein Wohnmobil registriert.

Eine Kontrollliste zum Kontrollpunkt LB 3 bestätigt, dass

ein Wohnmobil mit dem Kennzeichen C-PW 87 an die-

sem Kontrollpunkt erfasst wurde.
5641

Im November 2011 stellte man fest, dass es sich dabei um

das Kennzeichen eines im betreffenden Zeitraum auf den

Namen Holger Gerlach angemieteten Wohnmobils han-

delte.
5642

Dem Ermittlungsbericht lässt sich entnehmen, dass das

Wohnmobil die Kontrollstelle zwischen 14.30 Uhr und

14.37 Uhr passierte. Eine detaillierte Weg-Zeit-

Berechnung des LKA ergab, dass es im Zeitfenster zwi-

schen Tat und Registrierung möglich gewesen wäre, vom

Tatort zur Kontrollstelle zu gelangen.
5643

Im Untersuchungsausschuss ist die Frage erörtert worden,

ob es möglich gewesen wäre, innerhalb dieser Zeitspanne

die Kontrollstelle zu erreichen, wenn man vorher bei-

spielsweise ein Fahrrad im Wohnmobil verstauen müsste.

Der Zeuge Mögelin hat dargelegt, dies sei grundsätzlich
5638) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 66.

5639) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 66.

5640) MAT A GBA-4/19, Bl. 37 ff. (42).

5641) MAT A BW-2/3-5.1, Bl. 5.

5642) Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Baden-Württemberg

vom 9. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 237 ff. (242, 268).

5643) MAT A GBA-4/19, Bl. 75.

Drucksache 17/14600 – 648 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

möglich, könne aber nicht eindeutig festgestellt werden.

Man habe einige Varianten eruiert, aber sicherlich nicht

alle Möglichkeiten abschließend klären können.
5644

b) Auswertung der Kontrolllisten

Die Auswertung der Kontrolllisten begann im Sommer

2010 und wurde in mehreren Etappen durchgeführt.

Zunächst erfolgte am 14. August 2010 eine stichprobenar-

tige Überprüfung der erfassten Daten aus der Ringfahn-

dung. Diese ergab, dass die Kontrollstellenlisten nur un-

vollständig elektronisch erfasst und nur zum Teil in

CRIME (Criminal Research Investigation Management

Software), einer Datenbank-Software zur strukturierten

Verwaltung komplexer Sachverhalte und Erkenntnisse,
5645

recherchierbar waren. In einem Aktenvermerk wurde

daraufhin festgestellt, dass aufgrund der teilweise fehlen-

den Listen nicht alle Kennzeichen zur Verfügung stünden

und möglicherweise bestehende Zusammenhänge nicht

erfasst werden könnten. Die Halter der erfassten Fahrzeu-

ge waren bis dahin nicht festgestellt worden.
5646

Am 1. September 2010 schließlich erhielten zwei Beamte

den Auftrag, die Listen aufzubereiten, die EDV-Erfassung

in CRIME vorzubereiten und die Halter der Kennzeichen

zu ermitteln. Insgesamt wurden 201 Listen mit rund

33 000 Kennzeichen erstellt.
5647

Ein Aktenvermerk vom 1. November 2010 enthält die

Empfehlung, vor dem CRIME-Import eine Massenanfra-

ge beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zur Feststellung

der Halter der am 25. April 2007 mit den Kennzeichen

versehenen Fahrzeuge durchzuführen. Darüber, ob bzw.

wann dies geschehen ist, ist keine Aufzeichnung ersicht-

lich.
5648

Am 11. Februar 2011 wurde der Auftrag zum CRIME-

Import erteilt. Der Import war laut Abschlussbericht zur

Bearbeitung der Kontrollstellenlisten am 16. März 2011

abgeschlossen. Laut Vermerk vom 19. April 2011 war seit

Abschluss des CRIME-Imports eine Beamtin mit der

Bearbeitung der CRIME-Treffer beschäftigt, also mit der

Korrektur, der Fusion von Dubletten sowie der Bewertung

und Weitergabe an die zuständigen Sachbearbeiter.
5649

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

weshalb keine umgehende Ermittlung der Halter erfolgte.

Hierzu ist der Zeuge Mögelin befragt worden. Der Zeuge

hat das Vorgehen bei der Auswertung von sogenannten

Massendaten, die beispielsweise nach Durchfahrtskontrol-

len entstehen, ausführlich erläutert. Diese würden nicht

als eigenständige Ermittlungsgrundlage dienen, sondern

vielmehr als zusätzliche Informationssammlung, die an-

derweitigen Ermittlungsergebnissen ein größeres Gewicht
5644) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 25.

5645) http://www.bc-toepfer.de/data/crime.pdf.

5646) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 9-11.

5647) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 13.

5648) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 12-14.

5649) MAT A BW-2/3-5.3, Bl. 6-8.

verleihen kann. Als Beispiel führte er unter anderem ei-

nen Zeugenhinweis auf einen Mosbacher Audi als Flucht-

fahrzeug an. Nach diesem Kriterium könne dann der Da-

tenbestand durchsucht werden. Im Falle eines Treffers

würde der durch die Zeugenaussage begründete Verdacht

erhärtet. Hingegen sei es aus kriminalistischer Sicht un-

verhältnismäßig, Massendaten dieser Größenordnung

verdachtsunabhängig auszuwerten. Der Zeuge hat betont,

dass diese Problematik nicht nur bei der Halterermittlung

nach Durchfahrtskontrollen auftrete, sondern beispiels-

weise auch im Zusammenhang mit der Ermittlung von

Anschlussinhabern aus Funkzellendaten.
5650

Dies ergebe

eine sehr große Datenmenge. Es sei nicht möglich eine so

große Anzahl unbescholtener Bürger, gegen die kein

Tatverdacht bestehe, mit polizeilichen Maßnahmen zu

belegen. Bei Fahrzeugkontrollen erhöhe sich die Zahl der

Betroffenen dadurch, dass die Halter nicht den Fahrern

entsprechen müssten.

Auf diese Ausführungen hin ist dem Zeugen der Hinweis

auf das Wohnmobil vorgehalten worden, welches nach

Angaben des Schaustellers L. am Tag vor der Tat dort

geparkt haben soll. Dies werfe die Frage auf, weshalb

diese Information nicht als Rasterkriterium für eine

Durchsuchung der Kontrolllisten qualifiziert wurde.
5651

Der Zeuge Mögelin hat hierzu erklärt, dass die Tatrele-

vanz eines Hinweises eine Bewertungsfrage sei. In diesem

Fall hätten mehrere Erwägungen dafür gesprochen, den

Hinweis auf das Wohnmobil als nicht relevant einzustu-

fen. Zum einen habe der Zeuge weder Personen in dem

Wohnmobil beobachtet, noch habe er gewusst, wann

dieses weggefahren sei. Zum anderen hätten sich auf-

grund des anstehenden Festes viele Wohnmobile der

Schausteller auf dem Gelände befunden. Ferner hätte der

Zeuge nichts Verdächtiges beobachtet. Auch habe es

keine weiteren Zeugen gegeben, denen das Wohnmobil

aufgefallen sei.
5652

Abschließend ist im Ausschuss kritisiert worden, dass der

beachtliche Ermittlungsaufwand aufgrund von Hinweisen

im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität vor

diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar erscheine.

Diese Hinweise hätten zu umfangreichen Ermittlungen im

Ausland geführt, die man offenbar für angemessen gehal-

ten habe. Gleichzeitig sei aber die Auswertung erhobener

Massendaten als zu aufwendig klassifiziert worden.

c) Wohnmobil-Mietvertrag

Im Ausschuss ist die Frage erörtert worden, ob eine zeit-

nahe und gründliche Überprüfung der Daten aus der

Ringalarmfahndung schon damals auf die Spur der mut-

maßlichen Täter hätte führen können. Die Halterüberprü-
5650) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 9.

5651) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S.16 f., 20.

5652) So auch die Antwort der BAO „Trio“ auf eine entsprechende
Anfrage des IM Baden-Württemberg vom 7. Mai 2012. Auch
hier wird eine pauschale Überprüfung aller Kennzeichen ohne

konkreten Tatverdacht als nicht realisierbar beschrieben, MAT

A GBA-4/18, Bl. 473, 474.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 649 – Drucksache 17/14600

fung zu dem mutmaßlich von Böhnhardt gemieteten und

in der Ringalarmfahndung erfassten Wohnmobil hätte auf

die Spur eines Chemnitzer Caravanverleihs geführt. Dort

hätte festgestellt werden können, dass die Anmietung des

Wohnmobils am 16. April 2007 mit dem Ausweis des

Holger Gerlach erfolgte, auf dem Mietvertrag aber eine

nicht auf ihn ausgegebene Handy-Nummer vermerkt war.

Zudem ging Holger Gerlach in Niedersachsen einer gere-

gelten Beschäftigung nach, so dass hätte überprüft werden

können, ob er als Nutzer des Wohnwagens überhaupt in

Frage kam. Böhnhardt und Gerlach sehen sich auf Licht-

bildern ähnlich. Die auf dem Mietvertrag vermerkte Han-

dy-Nummer gehörte zu einem in der Zwickauer Wohnung

gefundenen Handy. In dieser Wohnung wurden auch der

Mietvertrag für das Wohnmobil sowie der zugehörige

Zahlungsbeleg gefunden.

4. Auswertung des E-Mail-Kontos

Michèle Kiesewetter verfügte über eine private E-Mail-

Adresse beim Betreiber Yahoo. Dieses E-Mail-Konto

wurde in den damaligen Ermittlungen nicht ausgewertet.

Dafür wurde die Begründung gegeben, dass dieses Konto

nicht allgemein bekannt gewesen sei. Für die Auswertung

hätte es eines internationalen Rechtshilfeersuchens be-

durft. Wörtlich heißt es in der Unterlage:

„Von der Stellung eines Rechtshilfeersuchens
wurde abgesehen, da keiner der bis dahin befrag-

ten Personen im privaten und beruflichen Umfeld

die E-Mail-Adresse bekannt war.“5653

Diese Darstellung des BKA in einem Vermerk vom 28.

März 2012 war unzutreffend – aus zwei Zeugenverneh-
mungen aus den Jahren 2007 und 2011 geht hervor, dass

im privaten Umfeld von Michele Kiesewetter die Adresse

[email protected] durchaus bekannt war.

Als die Auswertung des E-Mail-Kontos während der

aktuellen Ermittlungen nachgeholt werden sollte, stand es

nicht mehr zur Verfügung, da bei Nichtnutzung eines

Yahoo-E-Mail-Accounts die Inhalte nach vier Monaten

und der Account nach 18 Monaten gelöscht werden.

Im Untersuchungsausschuss ist die Frage erörtert worden,

ob der Verzicht auf eine Auswertung des privaten E-Mail-

Accounts einen Ermittlungsfehler darstelle. Möglicher-

weise seien im Hinblick darauf, dass das Umfeld von

Kiesewetter die Adresse nicht kannte, gerade über diesen

Account entscheidende Korrespondenzen geführt wor-

den.
5654

Hierzu hat der Zeuge Mögelin vor dem Untersuchungs-

ausschuss erläutert:

„Darüber hinaus muss noch darauf hingewiesen
werden, dass ein Teil der Bewertung auch sein

kann, dass der Laptop bei Frau Kiesewetter nicht

internetfähig war und dass nach den Aussagen ih-
5653) Vermerk des GBA vom 28. März 2012, MAT A GBA-4/18,

Bl. 431.

5654) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 9 f.

res Umfeldes das Umfeld von Frau Kiesewetter ei-

gentlich eher mit SMS damals kommuniziert hat

und zumindest in dem Ganzen, was wir wissen, ei-

ne E-Mail- oder Internetkommunikation zwischen

dem gesamten Umfeld und Frau Kiesewetter nicht

stattgefunden hat.“5655

Abschließend hat der Zeuge jedoch eingeräumt, dass er es

bei einem Kapitalverbrechen der Vollständigkeit halber

für geboten hielte, auch das E-Mail-Konto auszuwerten.

Der Zeuge Meyer-Manoras, der damals mit dem Ermitt-

lungsverfahren beauftragte Erste Staatsanwalt, hat ange-

geben, dass die Yahoo-Adresse „offensichtlich schon seit
Jahren stillgelegt“ gewesen sei. Keiner von Kiesewetters
Freunden, Verwandten oder Bekannten hätte die Adresse

gekannt. Im Ausschuss ist daraufhin problematisiert wor-

den, dass das Interesse des Accounts möglicherweise

gerade darin gelegen haben könnte, dass über ihn Kontak-

te gepflegt würden, die nicht zum bekannten Umfeld von

Kiesewetter gehörten. Der Zeuge Meyer-Manoras hat

seine damalige Entscheidung dennoch auch unter diesem

Gesichtspunkt für plausibel erklärt. Er hat darauf hinge-

wiesen, dass es stets eine Fülle von Ermittlungsansätzen

gebe und daher nicht jede Eventualität ausgeschlossen

werden könne. Er hielte es für „extrem unwahrschein-
lich“, dass dieser Account interessante Informationen
beinhaltet habe.

5656
5. Gutachten zum Schussverlauf

Prof. Dr. Wehner, ein ehemaliger Gerichtsmediziner der

Universität Tübingen, der nach seiner Emeritierung ein

Forensik-Labor betreibt, erstellte ein Gutachten vom

30. Mai 2008, welches sich auf mögliche Standorte der

Täter zum Zeitpunkt der Schussabgabe, mögliche Anga-

ben der Körpergrößen der Täter, Schussentfernungsbe-

stimmung sowie die mögliche Sitzposition der Opfer

bezog. Es konnten damit – abhängig von der Sitzposition
der Opfer – grobe Schlüsse auf die Körpergröße der Täter
gezogen werden.

5657
6. Verspätete Auswertung von Videoauf-
zeichnungen

Im Umfeld des Tatortes, der Theresienwiese, gab es zahl-

reiche Videoüberwachungskameras, beispielsweise in

privaten Geschäften wie Bäckereien oder Gebäuden wie

dem Bahnhof. Die potentiell relevanten Videos wurden

nach der Tat sichergestellt, jedoch erst 2010 vollständig

ausgewertet.
5658

Der Untersuchungsausschuss hat kriti-

siert, dass von einer zeitnahen umfassenden Auswertung

abgesehen wurde. Der Zeuge Mögelin hat bestätigt, dass

die vollständige Auswertung 2010 begonnen und unter

seiner Leitung noch einmal intensiviert wurde. Videoauf-
5655) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 10.

5656) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 62 f.

5657) MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff. (395).

5658) MAT A GBA-4/2, Bl. 253 ff., Bl. 270 ff.

Drucksache 17/14600 – 650 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nahmen seien punktuell schon früher ausgewertet worden,

wenn es einschlägige Hinweise gegeben habe. Einen

solchen Hinweis habe es beispielsweise im Zusammen-

hang mit einer blutverschmierten Person gegeben.
5659

Auch der Zeuge Meyer-Manoras hat die zeitlich stark

verzögerte Auswertung der Videoaufzeichnungen nicht

als problematisch angesehen. Er hat auch in diesem Kon-

text bekräftigt, dass aus seiner Sicht wegen der Verfol-

gung des „Phantoms“ „keine entscheidenden Spuren
liegen geblieben“ seien. Der Zeuge hat allerdings bestä-
tigt, dass die Videoaufnahmen in der Situation nach dem

4. November 2011, in der man nach konkreten Tatver-

dächtigen suchte, eine wichtige Rolle spielten.
5660

VIII. Hinweis des Onkels von Michèle Kiesewet-
ter

Am 4. Mai 2007 gab der Onkel der ermordeten Polizistin

Michèle Kiesewetter, ein Kriminalbeamter aus ihrer Hei-

mat Thüringen, den Hinweis, die Tat habe etwas mit den

„Türkenmorden“ zu tun. Wie dem Protokoll der damali-
gen Zeugenvernehmung zu entnehmen ist, äußerte er

konkret:

„Aufgrund meiner Berufserfahrung muss ich sa-
gen, dass es für mich aussieht wie aus dem Bereich

der organisierten Kriminalität und dort im Bereich

russisch oder georgisch. Das entnehme ich dem

skrupellosen Vorgehen.

Meiner Meinung nach besteht auch aufgrund der

verwendeten Kaliber und der Pistolen, die ich aus

den Medien kenne ein Zusammenhang mit den

bundesweiten Türkenmorden. So viel ich weiß,

soll auch ein Fahrradfahrer bei den Türkenmorden

eine Rolle spielen. Ich sage nicht, dass ein Zu-

sammenhang besteht. Ein Kollege von der Kl 1 hat

mich nur angesprochen, dass ein Zusammenhang

bestehen könnte.“5661

Konsequenzen aus diesem Hinweis folgten nicht.

Der Zeuge Mögelin hat ausgesagt, dass ihm diese Zeu-

genaussage das erste Mal nach dem 4. November 2011

bekannt geworden sei, nachdem man sich noch einmal

alle Vernehmungen angeschaut habe. Vor dem Bekannt-

werden der sogenannten Zwickauer Terrorzelle sei er

nicht von Kollegen auf diese Zeugenaussage hingewiesen

worden. Die in der Zeugenaussage genannten Fakten

seien nicht zutreffend. So hätten die Waffen nicht das

gleiche Kaliber gehabt und Radfahrer hätten in Heilbronn

keine wesentliche Rolle gespielt. Der Zeuge sei noch

einmal nachvernommen worden und habe aus seiner Er-

innerung nicht sagen können, dass er dies überhaupt ge-

sagt habe. Er habe sich seine Aussage im Nachhinein nur

so erklären können, dass er einen Hinweis von einem
5659) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 34.

5660) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 62.

5661) Zeugenvernehmung vom 4. Mai 2007, MAT A GBA-4/15g,

Bl. 202 ff.

Kollegen erhalten habe, den er nur wiedergegeben ha-

be.
5662

IX. Angebliche Hinweise der Auskunftsperson
und späteren Informantin Krokus an das
LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

ob bereits kurz nach der Tat in Heilbronn beim LfV Ba-

den-Württemberg Hinweise der Auskunftsperson und

späteren Informantin Krokus vorlagen, wonach der

Gesundheitszustand des verletzten Polizisten A. durch

rechtsextremistische Kreise beobachtet worden sei und ob

es unterlassen wurde, diese Hinweise an die Polizei wei-

terzugeben.

1. Behauptungen des Herrn Gronbach

Anlass für diese Prüfung gab eine E-Mail von Alexander

Gronbach vom 14. April 2012 an das Innenministerium

Baden-Württemberg. Hierin gab Herr Gronbach an, er

habe Informationen einer Vertrauensperson des LfV zu

Verbindungen des rechtsextremistischen Spektrums zum

Mordfall in Heilbronn.
5663

Bei der Quelle handelte es sich

um die Lebensgefährtin des Herrn Gronbach, Frau K. Sie

wurde in der Zeit von Juli 2007 bis zur ihrer Abschaltung

im März 2011 als Quelle des LfV Baden-Württemberg

unter dem Namen Krokus geführt.
5664

In der E-Mail führte Herr Gronbach aus, Krokus habe im

Zuge ihrer Tätigkeit für das LfV Baden-Württemberg den

Auftrag gehabt, Kontakte zu Frauen aus dem rechtsradi-

kalen Spektrum im Raum Hohenlohe herzustellen. In

diesem Zusammenhang habe sie die NPD-Funktionärin

Nelly R. kennengelernt. Von dieser habe sie erfahren, dass

eine Krankenschwester an einem geheim gehaltenen Ort,

dem Krankenhaus Ludwigsburg, Informationen für

rechtsgerichtete Kreise sammele. Hierbei sei zunächst

mitgeteilt worden, dass der Polizist im Koma läge und

wohl den Mordanschlag nicht überleben werde. Später sei

berichtet worden, dass man keine weitere Aktion ausfüh-

ren müsse, da sich der Polizist nicht mehr an den Tatab-

lauf oder an Personen erinnere. Dies habe Krokus ihrem

VP-Führer unmittelbar nach dem Polizistenmord und dem

Mordversuch gemeldet. Die Meldung sei vom LfV nicht

an die zuständigen Ermittler der Soko „Parkplatz“ weiter-
geleitet worden.

5665
Vielmehr habe ihr V-Mann-Führer ihr

erklärt, sie solle sich aus der Sache raushalten, denn es sei

Sache der Polizei, in diesem Mordfall zu ermitteln.
5666
5662) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 7, 8.

5663) E-Mail von Alexander Gronbach vom 21. April 2012, MAT A

BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 962 ff., 962 (VS-
NfD).

5664) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 2 ff.; Näheres hierzu unter

G.IX.3.

5665) E-Mail von Alexander Gronbach vom 21. April 2012, MAT A

BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 962 ff., 962, 963

(VS-NfD).

5666) E-Mail vom 19. April 2013, MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 -

GEHEIM), Bl.7598 (offen).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 651 – Drucksache 17/14600

In einer „Vereidigten Aussage beim zuständigen Ermitt-
lungsrichter Bundesgerichtshof Karlsruhe“ führte Herr
Gronbach aus, er sei gemeinsam mit dem Zeugen E. J.

am Ostersonntag 2012 auf dem Anwesen von Nelly R.

vorstellig geworden. In diesem Gespräch habe sich her-

auskristallisiert, dass die Rechtsextremisten seit 2009 den

Verdacht gehegt hätten, bei Krokus könne es sich um eine

Quelle des Verfassungsschutzes handeln. Im Anschluss

sei es zu einem Treffen mit Nelly R., Matthias Brodbeck

sowie Alexander N. in einer Gaststätte gekommen. Dort

habe er diese Personen mit den Punkten Polizistenmord,

Krankenhaus Ludwigsburg, Krankenschwester und In-

formationen an diese rechtsextremistischen Kreise kon-

frontiert. Nelly R. habe bestätigt, dass die Quelle bei die-

sen Gesprächen anwesend gewesen sei und ihr Ehemann

über die Quelle wüst geschimpft habe. Alexander N. sei

totenbleich und Matthias Brodbeck fassungslos gewe-

sen.
5667

In der Folge soll es am 6. Mai 2012 an einem Schießstand

eines Schützenvereins zu einer Konfrontation zwischen

Krokus, Matthias Brodbeck, Tanja W., Patrick W. sowie

einer vierten Person gekommen sein.
5668

Patrick W. hat

nach Einschätzung des BKA nachgewiesene Kontakte zu

Beschuldigten im Ermittlungsverfahren des Generalbun-

desanwaltes im Zusammenhang mit dem NSU.
5669

2. Umgang mit Quelleneigenschaft von Kro-
kus durch LKA Baden-Württemberg und
LfV Baden-Württemberg

Frau K. wurde am 3. Mai 2012 zeugenschaftlich vernom-

men. Während der Vernehmung äußerte sie sich zu der

Behauptung von Herrn Gronbach, er habe durch sie er-

fahren, dass Personen aus der Nazi-Szene sich Informati-

onen über den Gesundheitszustand des verletzten Polizis-

ten Martin A. beschafft hätten, wie folgt:

„Dazu kann ich gar nichts sagen. Das ist absoluter
Bullshit. Von mir kam keine derartige Information

an Herrn Gronbach. Das Einzige, was ich in die-

sem Zusammenhang sehe, ist ein Besuch bei mei-

ner Friseurin, Nelly R. aus Wolpertshausen. Im

Gespräch bei einem Friseurbesuch kam man auf

das Thema Polizistenmord. Das war aber nicht

jetzt vergangenen Herbst, sondern im Jahr 2007,

als das Thema noch aktuell war. Die Nelly erzähl-

te, dass sie eine Bekannte habe, die im Kranken-

haus Ludwigsburg arbeitet, wo A. behandelt wur-

de. Diese habe berichtet, dass es Martin A. soweit

gut gehe. Mehr wurde nicht gesprochen. Diese Ge-

schichte habe ich irgendwann mal dem Alexander
5667) MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1353 (VS-

NfD).

5668) E-Mail vom 7. November 2012, MAT A BW-16 (Tgb.-Nr.
224/13 - GEHEIM), Bl. 7582, 7583 (VS-NfD).

5669) Schreiben des BMI vom 27. Februar 2012, MAT A BKA-2, S.

1 f.

erzählt. Es war vielleicht vor einem halben

Jahr.“5670

Außerdem bestritt Krokus, jemals einer nachrichtendienst-

lichen Tätigkeit nachgegangen zu sein.
5671

Vor dem Hintergrund, dass Krokus jegliche nachrichten-

dienstliche Tätigkeit bestritt, bewertete das LKA den

Sachverhalt zunächst wie folgt:

„Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es nach derzei-
tigem Kenntnisstand, außer der Aussage von Hr.

Gronbach selbst, keine Anhaltspunkte dafür gibt,

dass seine Angaben über den von Fr. K. beschrie-

benen Sachverhalt hinaus zutreffen. Insbesondere

gezieltes Interesse der rechtsextremen Szene,

Mordpläne und der Rücktritt von diesen Plänen

nach der Feststellung des Gedächtnisverlustes von

PM A. können aus den hier vorliegenden Informa-

tionen nicht untermauert werden. Es trifft jedoch

zu, dass die im rechtsradikalen Milieu verkehrende

Fr. R. über den Gesundheitszustand von PM A. in-

formiert war.“5672

Am 10. Juli 2012 fand beim BKA eine Besprechung statt,

an der auch Vertreter des LfV Baden-Württemberg teil-

nahmen. Während dieses Treffens wurde den Bespre-

chungsteilnehmern offenbart, dass Frau K. zu einem frü-

heren Zeitpunkt als Quelle des LfV Baden-Württemberg

geführt wurde. Aufgrund dieses Hinweises kam das LKA

Baden-Württemberg zu einer veränderten Einschätzung.

Demzufolge müsse damit gerechnet werden, dass sich

Frau K. aufgrund ihrer Geheimverpflichtung durch das

LfV Baden-Württemberg zu falschen Angaben gezwun-

gen gesehen habe. Vor diesem Hintergrund wurde vorge-

schlagen, weitere Ermittlungen durchzuführen. Zu den

vorgeschlagenen Maßnahmen gehörte u. a., mit dem LfV

Baden-Württemberg Kontakt aufzunehmen, um eine

partielle Entpflichtung von Frau K. und eine Aussagege-

nehmigung für ihren Quellenführer zu erreichen.
5673

In einem abschließenden Bericht vom 28. Februar 2013

hielt das LKA Baden-Württemberg fest:

„Das LfV BW weigert sich aus Gründen der Si-
cherstellung der nachrichtendienstlichen Aufga-

benerfüllung und zum Schutze der für das LfV

BW tätigen Quellen zu Fragen über Quellen - of-

fen - Stellung zu nehmen. Dies könne im Einzelfall

nur in Form von als VS-Geheim eingestuften Stel-

lungnahmen erfolgen. Das LfV verweist auf seine

Stellungnahme vom 16.05.2012: ‚Herr Gronbach
behauptet, ihm sei bekannt, dass sich zeitnah zu
5670) Zeugenvernehmung vom 3. Mai 2012, MAT A BY-14/1c, Bl.

575 ff., 577.

5671) Zeugenvernehmung vom 3. Mai 2012, MAT A BY-14/1c, Bl.
575 ff., 577.

5672) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 15. Mai 2012,

MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 998 f. (VS-
NfD).

5673) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 12. Oktober

2012, MAT A GBA-4/43, Bl. 4 f.

Drucksache 17/14600 – 652 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dem Mord und Mordversuch an den Polizeibeam-

ten Kiesewetter und A. gewisse Personen nach
dem Gesundheitszustand des A. erkundigt hätten.

Zudem sei überlegt worden, ob etwas zu tun sei,

sofern sich der Polizeibeamte A. wieder an den

Mord bzw. Mordversuch erinnern würde. Er habe

dies von einer Quelle des LfV BW erfahren, die

dies auch so ihrem VM-Führer mitgeteilt habe.‘ Zu
dieser Sachverhaltsschilderung liegen dem LfV

BW keinerlei Erkenntnisse vor. Wären dem LfV

BW solche Erkenntnisse bekannt geworden, hätte

man sie an die ermittelnde Polizeidienststelle wei-

tergeleitet.“5674

Zudem wurde in dem Schreiben des LKA vermerkt:

„Die beabsichtigte Zeugenbefragung des für Frau
K. angeblich zuständigen Quellenführers beim LfV

unterbleibt aus rechtlichen Gründen.“5675

Um welche rechtlichen Gründe es sich hierbei handeln

könnte, wurde nicht ausgeführt.

3. Tätigkeit der Auskunftsperson/Informantin
Krokus für das LfV Baden-Württemberg

Da der von Gronbach behauptete Sachverhalt – auch
aufgrund der durch das LfV Baden-Württemberg verwei-

gerten Aussagegenehmigung für den Quellenführer von

Krokus – im Vorfeld nicht zweifelsfrei widerlegt werden
konnte, hat der Ausschuss diesen Quellenführer, Herrn

Rainer Oettinger, selbst vernommen.

Dieser hat ausgesagt, dass Krokus vor ihrer Tätigkeit für

das LfV Baden-Württemberg Informationen aus dem

Kleinkriminellenbereich an den Staatsschutz weitergege-

ben habe. Der zuständige Staatsschutzbeamte habe Kro-

kus an das LfV Baden-Württemberg weitervermittelt, da

Krokus Interesse daran gehabt habe, für ihre Informatio-

nen Geld zu bekommen. Hieraufhin habe am 19. Juli

2007 ein sog. „Aufwärmungsgespräch“ stattgefunden,
welches dazu gedient habe, sich ein Bild von der betref-

fenden Person zu machen. Die Zielrichtung für die Tätig-

keit von Krokus für das LfV Baden-Württemberg habe

sich daraus ergeben, dass ihre Freundin mit einem NPD-

Funktionär liiert gewesen sei und dass sie regelmäßig zu

einer rechtsextremistischen Friseurin gegangen sei. Auch

habe er sich vorstellen können, über Krokus an Publikati-

onen aus dem rechtsextremistischen Bereich zu kom-

men.
5676

Tatsächlich war Krokus auch nach den vorlie-

genden Akten ab Juli 2007 „Auskunftsperson“ des LfV
Baden-Württemberg zur rechtsextremistischen Szene.

5677
Während dieser Tätigkeit bot sie Informationen über die
5674) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 7 f.

5675) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 16.

5676) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 4.

5677) Anschreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom

17. Mai 2013, MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 -

GEHEIM), Bl. 2.

Skinszene an, die sie in dem Friseurladen von Nelly R.

(NPD) erhielt. Vom LfV wurde sie als freundlich, aufge-

schlossen und in geordneten Verhältnissen lebend einge-

schätzt. Sie lehne rechtsextremistische Aktivitäten katego-

risch ab und habe eine demokratische Gesinnung.
5678

Krokus sei eine intelligente und zuverlässige Person, die

über größeres Potential verfüge.
5679

Zu der auch in der

Presse wiedergegebenen Einschätzung, wonach es sich

bei der Quelle Krokus um die „geborene Quelle“ handele,
die zuverlässig, verschwiegen und überaus einsatzwillig

sei,
5680

hat der Zeuge Oettinger ausgeführt, es müsse

zwischen der beschriebenen Persönlichkeitsstruktur und

der Zugangslage differenziert werden.
5681

Bei Krokus

habe es sich zunächst nur um eine Auskunftsperson ge-

handelt. Mit Auskunftspersonen fänden nur gelegentliche

Treffen statt. Diese berichteten dann, was sie mehr oder

weniger durch Zufall in Erfahrung gebracht hätten.
5682

Zudem sei der Zugang bei Krokus zumeist indirekter

Natur gewesen:

„Insgesamt kann konstatiert werden, dass es sich
bei der Quelle bis zum Jahreswechsel 2010/2011

um eine Person mit eher unterdurchschnittlichem

Zugang handelte, deren Informationsgehalt jedoch

bis dato als im Allgemeinen zuverlässig galt. An-

ders ausgedrückt: keine Superquelle, aber eine

durchaus nachrichtenehrliche Person.“5683

Die von Krokus gelieferten Informationen hat der Zeuge

Oettinger wie folgt bewertet:

„diese ganze Schiene war alles andere als befriedi-
gend. Es kam wenig rüber, extrem wenig. Ich hatte

mir ursprünglich mehr versprochen. Das Wenige,

das rüberkam, gerade in Bezug auf den NPD-

Funktionär, habe ich, wie man bei uns sagt, mate-

riell umgesetzt.“5684

Krokus habe vorrangig über Skinhead-Termine Auskünfte

geben sollen. Ihre Informationen seien aber nicht ergiebig

gewesen.
5685

Die Frage, ob Krokus ihm nach dem Mord an der Polizis-

tin Kiesewetter und dem versuchten Mord an dem Poli-

zeibeamten A. Informationen des Inhalts habe zukommen

lassen, dass die rechtsextreme Szene Baden-Württemberg

versuche, sich mittels einer Krankenschwester ein Bild

über den Gesundheitszustand des schwerverletzten Poli-
5678) Bericht des LfV Baden-Württemberg vom 27. Juli 2007, MAT

A BW-16 Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7474,

7475 (VS-VERTRAULICH).

5679) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 7. November 2007,

MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl.

7480 (VS-VERTRAULICH).

5680) Der Spiegel online, „Die Spur des ‚Krokus‘“, 13. Juni 2013.

5681) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 3.

5682) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 6.

5683) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 3.

5684) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 6.

5685) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 653 – Drucksache 17/14600

zeibeamten zu verschaffen, hat der Zeuge Oettinger ver-

neint. Hierzu hat er ausgeführt:

„Wenn eine Information dieser Art an mich heran-
getragen worden wäre, dann wäre bei mir ein ähn-

licher Mechanismus abgelaufen wie wahrschein-

lich bei anderen Menschen auch, die auf die In-

formationen anderer angewiesen sind, ob das nun

Polizeibeamte sind oder Journalisten. Und diese

Information hätte mich auch aus damaliger Sicht -

jetzt nicht nur heute mit all dem Wissen, das wir

haben, sondern auch aus damaliger Sicht - deshalb

fasziniert oder elektrisiert, weil es ja darum gegan-

gen wäre, dass ein Kollege von mir - ich komme

aus den Reihen der Polizei - möglicherweise ge-

fährdet ist.

[…]

Das wäre eine Situation gewesen, auf die ich ganz

sicher reagiert hätte, und die ich im Anschluss

nach dem Abfragen all dieser Details telefonisch in

die Zentrale gegeben hätte. Und ich garantiere Ih-

nen: Ich wäre sofort in die Zentrale gerufen wor-

den, und man hätte sich über diesen Fall unterhal-

ten.“5686

Ab Januar 2008 wurde Krokus Informantin des LfV Ba-

den-Württemberg. Eine Höherstufung von Krokus zur

Informantin war mit Schreiben vom 17. Dezember 2007

angeregt worden. Bei dieser Tätigkeit beobachtete sie vor

allem die Partei DIE LINKE.
5687

Laut Aktenlage wurde

der Wechsel zum linksextremistischen Bereich damit

begründet, dass Krokus nur periphere Zugänge zu rechts-

extremistischen Einzelpersonen habe.
5688

Die rechtsext-

remistischen Beobachtungsfelder im Großraum Heilb-

ronn/Schwäbisch Hall/Ostalb seien mittels der dort einge-

setzten Quellen […] relativ gut abgedeckt. Es böte sich
an, die AP in den Bereich Linksextremismus zu steuern,

solange ihre rechtsextremistischen Kontakte noch nicht zu

intensiv seien. Vorstellbar und vermutlich auch realisier-

bar, wäre eine Verbindungsaufnahme zur Partei DIE

LINKE., die im Wohnbereich der AP über eine eigene

Ortsgruppe „Schwäbisch Hall-Hohenlohe“ verfüge.5689 Zu
einem späteren Zeitpunkt wurde der Wechsel mit der

persönlichen politischen Einstellung der Informantin und

finanziellen Aspekten begründet
.5690
5686) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 10.

5687) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 17. Dezember

2007, MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM),

Bl. 7484 f. (VS-VERTRAULICH).

5688) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 7. November 2007,

MAT A BW-16, Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM),

Bl. 7480 f. (VS-VERTRAULICH).

5689) Schreiben des LfV Baden-Württemberg vom 17. Dezember

2007, MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM),

Bl. 7484 f. (VS-VERTRAULICH).

5690) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 18. April 2012,

MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7533 (VS-

VERTRAULICH).

Der Zeuge Oettinger hat hierzu ausgeführt, Krokus sei

Ende 2007 auf ihn zugekommen und habe ihr Interesse

bekundet, ihre Tätigkeit auszuweiten. Er sei hieraufhin an

die Auswertungsleiterin „rechts“ herangetreten. Diese
habe mit Blick auf die gute Zugangslage zum rechtsext-

remistischen Bereich im Raum Hohenlohe keine Mög-

lichkeit eines erweiterten Einsatzes gesehen. Der Auswer-

tungsleiter „links“ dagegen habe es für denkbar gehalten,
dass Krokus die Linkspartei, bei der damals ein hoher

Aufklärungsbedarf bestanden habe, beobachte. Da es

keinerlei Außenwirkung bei ihren Aktivitäten im Rechts-

bereich gegeben habe, sei ein Wechsel gefahrlos möglich

gewesen. Krokus habe dann weiterhin gelegentlich auch

über Gespräche mit ihrer Friseurin berichtet.
5691

Nachdem Krokus eine Beziehung mit Herrn Gronbach

aufgenommen hatte, wurde sie für das LfV Baden-

Württemberg nicht mehr steuerbar.
5692

In einem Vermerk

wurde festgehalten, sie habe nun eine richtige Agentin

werden und „am großen Rad drehen“ wollen.5693 Der
Zeuge Oettinger hat hierzu ausgeführt, dass sich zu Be-

ginn des Jahres 2011 unter dem unheilvollen Einfluss von

Herrn Gronbach ein krasser Wandel ihrer Persönlichkeit

ereignet habe. Krokus habe sich von Herrn Gronbach wie

eine Marionette behandeln lassen. Mit einem solchen

Menschen habe der Zeuge nicht mehr zusammenarbeiten

können.
5694

Im Januar 2011 habe er während ihrer Tätig-

keit für das LfV letztmalig telefonischen Kontakt zu ihr

gehabt. Die Zusammenarbeit mit Krokus sei am

15. Februar 2011 beendet worden.
5695

Der Zeuge Oettinger hat ausgesagt, im April 2012, nach-

dem sich Krokus vorübergehend von Herrn Gronbach

getrennt habe, sei noch einmal ein telefonischer Kontakt

zwischen ihnen zustande gekommen. Herr Gronbach

habe seine ehemalige Freundin bei allen möglichen Stel-

len als Quelle des LfV geoutet und sie so massiv bedroht,

dass er - Oettinger - besorgt um sie gewesen sei. Auf

Wunsch seines Abteilungsleiters habe er Krokus angeru-

fen und ihr geraten, Herrn Gronbach anzuzeigen. Seitdem

habe es keinen weiteren Kontakt seinerseits zu Krokus

gegeben.
5696

4. Hintergrundinformationen zu den von Kro-
kus beobachteten Personen aus rechtsext-
remistischen Kreisen

Die von Krokus beobachteten Personen haben eine gewis-

se Prominenz in der rechtsextremistischen Szene.
5691) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 7.

5692) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 27. Januar 2011,

MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7501-7505

(VS-VERTRAULICH).

5693) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 18. April 2012,

MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7533-7534

(VS-VERTRAULICH).

5694) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 13.

5695) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 3.

5696) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 9.

Drucksache 17/14600 – 654 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Laut Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom

15. Mai 2012 ist die Kontaktperson der damaligen Aus-

kunftsperson und späteren Informantin Krokus, Frau R., in

rechtsextremistischen Kreisen einschlägig bekannt. Bei

der letzten Landtagswahl ist sie als NPD-Kandidatin an-

getreten und es liegen einschlägige Staatsschutzerkennt-

nisse über sie vor. Zu Frau R. hat sich das LKA wie folgt

geäußert:

„Insbesondere muss davon ausgegangen werden,
dass sie mit dem stv. LV und LGeschFührer der

NPD, Hr. N. bekannt ist. […] Hr. N. unterhält bun-
desweit Kontakte in rechtsextremistische Kreise

[…] überfiel […] eine Postaußenstelle in Lübeck
und flüchtete anschließend nach Südafrika. Dort

wurde er wegen Beihilfe zum versuchten Mord an

zwei Polizeibeamten und illegalem Waffenbesitz

zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt

und im Jahr 1994 abgeschoben.“5697

Zur Person von Frau R. stellt der Bericht des LKA Baden-

Württemberg zudem Folgendes fest:

„Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen kann
nicht ausgeschlossen werden, dass Frau R. einen

oder mehrere Angehörige des Trios kennenlernte:

Frau R. und ihr Mann Stefan sollen im gesamten

Bundesgebiet, vorwiegend in Ostdeutschland an

Veranstaltungen der politischen Skinheadszene

teilgenommen haben. Frau R. sei überwiegend bei

Skinheadkonzerten und damit verbundenen Partys

aufgefallen. Konkrete Anhaltspunkte gibt es dafür

aber nicht. In den Briefen und Vernehmungen, die

bislang ausgewertet wurden und in denen Besuche

des Trios im Raum Ludwigsburg geschildert wer-

den, ist vom Ehepaar R., Alexander N. und den an-

deren von Herrn Gronbach verdächtigten Personen

nicht die Rede.“5698

Alexander N. wurde am 17. Dezember 2012 vom LKA

Baden-Württemberg vernommen. Er gab an, er habe noch

nie etwas darüber gehört, dass sich die rechte Szene für

den Gesundheitszustand des verletzten Polizisten interes-

siert habe. Es sei in der rechten Szene nicht einmal über

den Polizistenmord selber gesprochen worden. Dies sei

erst Thema geworden, nachdem im November 2011 in

den Medien berichtet wurde, dass die Täter aus der rech-

ten Szene gekommen sein sollen.
5699

Weiterhin erklärte

er, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sowie auch weitere

Personen, die mit diesen bekannt seien, nicht zu kennen.

Die Frage, ob er jemanden vom „Thüringer Heimat-
schutz“ persönlich kenne, beantwortete er wie folgt:

„Den ‚THS‘ gibt es glaube ich schon 10 Jahre
nicht mehr. Ich war früher öfters in Thüringen un-
5697) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013,

MAT A BW-6/4, (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 999 (VS-

NfD).

5698) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 18.

5699) Zeugenvernehmung von Alexander N. vom 17. Dezember 2012,

MAT A GBA-4neu, Bl. 4.

terwegs. Vom Sehen her sind mir Personen aus

dem ‚THS' bekannt. Frau Zschäpe, Herr Mundlos
und Herr Böhnhardt habe ich hier nicht kennenge-

lernt. Ich schätze die drei Personen eher so ein,

dass sie der ‚Skinheadszene‘ angehört haben.“5700

Zu der Person des Alexander N. wurde in dem Bericht des

LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar 2013 festge-

stellt:

„Es konnte festgestellt werden, dass der von Herrn
Gronbach verdächtigte Alexander N. mit einer

Person aus dem Umfeld des NSU bekannt ist,

nämlich mit Jan Botho Werner, dem ehemaligen

Leiter der Sektion Sachsen des Blood&Honour

Netzwerks und ehemaligen Teilinhaber des Ver-

lags ‚Movement Records‘. Jan Botho Werner soll
mit dem Trio in Verbindung gestanden haben. Er

ist Beschuldigter im Ermittlungsverfahren der Ge-

neralbundesanwaltschaft gegen den NSU. Die In-

tensität der Kontakte von N. ist jedoch nicht be-

kannt. Es ist auch nicht bekannt, wann der Kontakt

letztmals bestand.“5701

Zu der weiteren von Krokus beobachteten Person, dem

NPD-Funktionär Matthias Brodbeck, hat das LKA Baden-

Württemberg mitgeteilt, dieser sei stellvertretender Bun-

desvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN),

stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Baden-

Württemberg und Kreisvorsitzender der NPD Heilbronn.

Er sei Besucher diverser rechtsmotivierter Veranstaltun-

gen gewesen und habe u. a. im Jahr 2010 eine Demonstra-

tion in Leipzig besucht. Von 2001 bis 2007 habe er in

Hardthausen am Kocher gewohnt. In dem gleichen Ort

habe Tino Brandt ein Haus gekauft, in dem dieser aber

nach aktuellem Kenntnisstand nicht gewohnt habe.
5702

Zu Matthias Brodbeck hat der Zeuge Oettinger ausge-

führt:

„diese Person in dieser Region, im Großraum Heil-
bronn, ist eine absolute Schlüsselfigur; sonst hätte

ich diese Schiene nicht weiterverfolgt.“5703

Die Frage, ob es ihm vertretbar erschienen sei, eine Quel-

le damit zu beauftragen, Informationen zu besorgen, die

eigentlich keinen Zugang zu der Szene habe, hat der Zeu-

ge Oettinger wie folgt beantwortet:

„Mir schien vertretbar, über diese Person eine
zweite Informationsquelle über Termine, Örtlich-

keiten von Versammlungen etc. zu bekommen. Sie

müssen sich vorstellen: Wenn wir nur einen vagen

Hinweis haben auf eine, ich sage mal, NPD-

Versammlung und eine Observation machen, die
5700) Zeugenvernehmung von Alexander N. vom 17. Dezember 2012,

MAT A GBA-4neu, Bl. 38.

5701) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 17.

5702) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 14.

5703) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 15.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 655 – Drucksache 17/14600

dann nachher deshalb nicht funktioniert, weil sich

dieser Termin als nicht richtig herausstellt, dann ist

das viel Geld. Und deshalb sind wir immer bemüht

natürlich, zwei unabhängige Termine voneinander

zu bekommen. Und nur das hatte ich mir damals

von dem Krokus-Einsatz bei der Freundin indirekt

zu diesem M. B. erhofft; aber das ist leider nicht so

gekommen, wie ich mir das vorgestellt habe.“5704

5. Ermittlung der Krankenschwester und Be-
wertung ihrer Aussage

Aufgrund des Hinweises von Herrn Gronbach, wonach es

sich bei der Person, die Informationen zu dem verletzten

Polizisten weitergegeben habe, um eine Krankenschwes-

ter des Krankenhauses Ludwigsburg gehandelt habe,

wurde erhoben, welche weiblichen Pflegekräfte ihn wäh-

rend seines Aufenthaltes dort betreuten bzw. Zugriff auf

wesentliche Informationen zu seinem Gesundheitszustand

hatten. In einem abschließenden Bericht vom 28. Februar

2013 stellte das LKA Baden-Württemberg fest, dass keine

der in Frage kommenden 55 Personen bisher als rechts-

extrem bekannt geworden oder eine Kontaktperson von

Frau R. seien.
5705

In einer Zeugenvernehmung am 17. Dezember 2012 gab

die Friseurin Frau R. an, sie habe vor einigen Jahren eine

Kundin gehabt, die Krankenschwester gewesen sei. Sie

habe im Rahmen eines Friseurbesuches von dem Polizei-

beamten erzählt, der auf ihrer Station liege und schwer

angeschlagen sei. Frau R. gab an, sich daran zu erinnern,

dass die Kundin das Wort „Schwarz“ als Namensbestand-
teil gehabt habe. Zu dem Zeitpunkt, als die Kundin ihr

von dem Polizeibeamten erzählt habe, sei möglicherweise

auch Frau K. im Friseursalon anwesend gewesen.
5706

Da der verletzte Polizist A. vom 16. Mai 2007 bis zum

18. Juni 2007 im SRH Fachkrankenhaus Neresheim stati-

onär in Behandlung war, wurde überprüft, ob sich dort zu

dieser Zeit eine Krankenschwester mit dem Namensbe-

standteil „Schwarz“ im Einsatz befunden habe und es
wurde eine Krankenschwester namens Lilli S. ausfindig

gemacht. Diese hatte mittlerweile geheiratet und heißt nun

Lilli R.

Lilli R. wurde am 8. Februar 2013 vom LKA Baden-

Württemberg vernommen. Sie gab an, mit der Pflege des

verletzten Polizisten selbst nicht befasst gewesen zu sein.

Sie habe ihn nicht ein einziges Mal gesehen. Der Polizist

sei auf der Station 3, der Intensivstation, gepflegt worden.

Sie selbst sei aber auf der Station 2 tätig gewesen. Aller-

dings hätten sich die Pflegekräfte beim Rauchen über den

Gesundheitszustand des Polizisten unterhalten. In diesem

Zusammenhang habe sie gehört, dass es ihm nicht so gut

gehe und dass sein Zustand schlecht sei. In Vorbereitung
5704) Oettinger, Protokoll-Nr. 74, S. 15.

5705) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar 2013,
MAT A GBA-4neu, Bl. 8.

5706) Zeugenvernehmung von Nelly R. am 17. Dezember 2012,

MAT A GBA-4neu, Bl. 41.

ihrer Hochzeit habe sie mehrmals eine Friseurin in

Wolpertshausen aufgesucht.
5707

Auf die Frage, ob sie sich

mit dieser über den Gesundheitszustand des Polizeibeam-

ten unterhalten habe hat sie wie folgt geantwortet:

„Ich kann mich an das Gespräch mit Frau R. kon-
kret nicht mehr erinnern. Beim Haarefärben sitzt

man ja auch lange und hat viel Zeit sich zu unter-

halten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Frau R.

mich nach meinem Beruf gefragt hat und dann hät-

te ich ihr bestimmt gesagt, dass ich in der SRH

Klinik Neresheim arbeite und dort schwere Schä-

del-Hirn-Traumatisierte gepflegt werden. So hätte

es dazu kommen können, dass ich das beiläufig

erwähnt hätte, dass der angeschossene Polizist bei

uns gepflegt wird. Wie gesagt, ich kann mich an

ein solches Gespräch nicht mehr erinnern.“5708

Weiterhin gab Lilli R. an, sie habe die Namen Zschäpe,

Mundlos und Böhnhardt noch nie im Leben gehört. Auch

zur Buchstabenkombination „NSU“ falle ihr nichts
ein.

5709
In einem abschließenden Bericht vom 28. Februar 2013

kommt das LKA Baden-Württemberg zu dem Ergebnis,

dass die Krankenschwester, die mit Frau R. über den

Gesundheitszustand des verletzten Polizisten gesprochen

habe, als unverdächtig eingeschätzt werde.
5710

Sie scheine

tatsächlich nicht zu wissen, dass es die NSU-Mordserie

gegeben habe und habe ihren Äußerungen bei Gesprächen

mit Frau R. offenbar keinerlei Bedeutung beigemes-

sen.
5711

6. Bewertung des Sachverhaltes durch das
LKA und das LfV Baden-Württemberg

Das LKA hat den Wahrheitsgehalt des behaupteten Sach-

verhalts auch mit Blick auf die Interessenlage von Frau K.

wie folgt bewertet:

„Es stellt sich aber die Frage, welchen Grund das
LfV BW und Frau K. hätten haben sollen, solche

wichtigen Erkenntnisse für sich zu behalten bzw.

diese bei der Vernehmung abzustreiten. Ein Motiv

hierfür wäre weder für das LfV BW noch für Frau

K. zu erkennen. Für Frau K. als Privatperson wäre

es dabei um immerhin 300 000 Euro Belohnung

gegangen, von der ihr ein Teil zugestanden wäre,

wenn die Tat aufgrund ihrer Erkenntnisse hätte

aufgeklärt werden können. Schon deshalb erschei-

nen Herrn Gronbachs Behauptungen zur angebli-
5707) Zeugenvernehmung von Lilli R. vom 8. Februar 2013, MAT

A GBA-4neu, Bl. 48 ff.

5708) Zeugenvernehmung von Lilli R. vom 8. Februar 2013,

MAT A GBA-4neu, Bl. 48 ff., 54, 55.

5709) Zeugenvernehmung von Lilli R. vom 8. Februar 2013,

MAT A GBA-4neu, Bl. 48 ff., 57.

5710) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 3.

5711) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 18.

Drucksache 17/14600 – 656 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

chen Tätigkeit der Krankenschwester für einen

Kreis von Rechtsextremisten als unglaubwür-

dig.“5712

Das LfV Baden-Württemberg hat zu den Behauptungen

des Herrn Gronbach erklärt, es hätte bei Erkenntnissen

hinsichtlich des Anschlags in Heilbronn umgehend die

Polizei informiert. Das LfV sei eine rechtsstaatliche Be-

hörde und auch der Quellenschutz habe Grenzen, die bei

einem Mord und einem Mordversuch längstens über-

schritten wären.
5713

7. Glaubwürdigkeit des Herrn Gronbach

Zu den Behauptungen von Herrn Gronbach bezüglich

Krokus wurde vom LfV Baden-Württemberg festgestellt:

„Inf. Krokus hatte sich zu diesem Zeitpunkt wohl
schon selbst gegenüber Gronbach als Quelle des

Verfassungsschutzes enttarnt, obwohl ihr VM-

Führer sie immer wieder aufforderte, dies nicht zu

tun. Gronbachs Ausführungen in seiner E-Mail an

das Innenministerium sind zum Teil zutreffend,

zum Teil vollkommen aus der Luft gegriffen. So

gab Inf. Krokus weder Informationen zum

Polizistenmord der NSU in Heilbronn weiter, noch

wurde sie vom LfV auf Gronbach angesetzt. […]
Gronbachs Mail ist das Werk eines polizeibekann-

ten Hochstaplers und Psychopathen und sollte da-

her ignoriert werden.“5714

Zu der Person des Herrn Gronbach hat das LKA Baden-

Württemberg ausgeführt, dieser habe nach einem Streit

mit Frau K. die Familie R. nicht aufgesucht, um herauszu-

finden, ob sie mit den Polizistenmördern zusammenarbei-

teten, sondern um die vermeintliche Tätigkeit seiner Ex-

Freundin für das LfV Baden-Württemberg an ihre angeb-

lichen Zielpersonen zu verraten. Seit dem 24. Mai 2012

sei Frau K. wieder mit Herrn Gronbach zusammen. Herr

Gronbach habe eine Situation geschaffen, in der er Frau

K. davon habe überzeugen können, dass sie gefährdet sei

und dieser Gefahr durch Flucht entgehen könne. Beide

seien unbekannten Aufenthalts,
5715

weshalb eine erneute

Zeugenbefragung von Frau K. unterbleibe.
5716

Als Ergeb-

nis stellt der Bericht des LKA Baden-Württemberg fest:

„Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Ermittlun-
gen ergaben, dass dem von Herrn Gronbach ge-

schilderten Sachverhalt ein harmloses Friseurge-

spräch zugrunde lag, als eine Krankenschwester
5712) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 18.

5713) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 24. September
2012, BW-16 Anlage 2 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7563

f. (VS-VERTRAULICH).

5714) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 18. April 2012,
MAT A BW-16 (Tgb.-Nr. 224/13 - GEHEIM), Bl. 7534-7535

(VS-VERTRAULICH).

5715) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar
2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 7.

5716) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 16.

vor ihrer Hochzeit aus ihrem Berufsleben berichte-

te.“5717

Herr Gronbach ist bereits mehrfach polizeilich in Er-

scheinung getreten und mit 86 Fällen, u. a. Eigentums-,

Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten, im Fahndungssys-

tem POLAS erfasst.
5718

Aus den Akten des GBA geht

zudem hervor, dass Herr Gronbach als notorischer Hin-

weisgeber bei verschiedenen Ermittlungsbehörden in

Baden-Württemberg bekannt ist. Sein Wissen sei größten-

teils im Internet recherchierbar oder durch ihn nicht be-

legbar.

X. Mitgliedschaft des Gruppenführers von
Michèle Kiesewetter im „KKK“

Der Ausschuss hat sich damit befasst, ob es Verbindun-

gen der rechtsextremen Szene und insbesondere des Trios

zu Angehörigen der Polizeieinheit gegeben haben könnte,

in der Frau Kiesewetter Dienst tat. Anlass dafür war die

Angabe eines Polizisten am 22. Dezember 2011, ihm sei

2005 oder 2006 zu Ohren gekommen, POM H., der am

Tattag als verantwortlicher Gruppenführer für Michèle

Kiesewetter und Martin A. zuständig war, habe Verbin-

dungen zum „Ku-Klux-Klan“ (KKK) gehabt. Aufgrund
dieses Hinweises wurde H. am 14. März und 15. März

2012 von der Polizei vernommen. Er räumte eine frühere

Mitgliedschaft bei den „European White Knights of the
Ku-Klux-Klan“ (EWK KKK) ein, betonte aber, dass diese
lange zurückliege.

Während der Befragungen am 14. und 15. März 2012

wurde H. eingehend zu seiner Mitgliedschaft im „EWK
KKK“ befragt. Er gab an, er habe sich bereits kurze Zeit
nach seinem Eintritt innerlich distanziert und sich durch

Nichtbeteiligung vom „KKK“ getrennt. Für seinen Aus-
tritt sei das Auftreten eines männlichen Besuchers maß-

geblich gewesen, der der neonazistischen Skinhead-Szene

zuzuordnen gewesen sei. Seit seinem Austritt im Sommer

2002 habe er keine Kontakte mehr zum „KKK“ ge-
habt.

5719
Der Zeuge Mögelin hat vor dem Ausschuss ausgesagt,

nach dem 4. November 2011 habe das LKA noch einmal

das ganze Umfeld auf Bezüge zum Rechtsextremismus

intensiv befragt. Man sei dann darauf gestoßen, dass es

disziplinarrechtliche Vorermittlungen wegen der Zugehö-

rigkeit zweier Angehöriger der Bereitschaftspolizei zum

„KKK“ gegeben habe. In Abstimmung mit dem GBA und
dem BKA sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es

keine Tatrelevanz bezüglich des Polizistenmordes in

Heilbronn gegeben habe. Ein Bewertungskriterium seien

die Zeitabläufe gewesen. Die Kollegen seien 2002 aus

dem „KKK“ ausgetreten und der „KKK“ habe sich
5717) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 28. Februar

2013, MAT A GBA-4neu, Bl. 17.

5718) Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom 15. Mai 2005,

MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 998 (VS-
NfD).

5719) Opferumfeldermittlungen – Maßnahme 321, Bericht vom
20. März 2012, MAT A GBA-4/19, Bl. 283 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 657 – Drucksache 17/14600

2002/2003 aufgelöst. Michèle Kiesewetter sei aber erst

2003 in die Polizei Baden-Württemberg eingetreten. Der

Kollege H. sei nur an diesem Einsatztag der zuständige

Gruppenführer gewesen. Er habe keinen Einfluss auf die

Einsatzplanung am Tattag gehabt. Michèle Kiesewetter

und Martin A. hätten selber entschieden, zusammen zu

fahren. Auch darauf, wohin die beiden gefahren seien,

habe H. in seiner Funktion nicht einwirken können. Zu-

dem habe Michèle Kiesewetter die Theresienwiese erst-

mals im April 2007 aufgesucht, so dass auch nicht überall

bekannt gewesen sei, dass Frau Kiesewetter an diesem

Platz Pause mache.
5720

Der Zeuge Meyer-Manoras hat ausgesagt, ihm sei nicht

bekannt gewesen, dass zwei Polizisten aus dem Umfeld

von Michèle Kiesewetter Mitglieder des „KKK“ gewesen
seien.

5721
Der Zeuge Schmalzl, der vom 1. August 2005

bis zum 31. Dezember 2007 Präsident des LfV Baden-

Württemberg gewesen war, hat erklärt, er habe damals

nicht gewusst, dass Polizeibeamte Mitglieder des „KKK“
gewesen seien. In seiner Amtszeit sei die Gruppe aber

auch nicht mehr präsent gewesen.
5722

XI. Spekulationen zum Tathergang und hie-
rauf veranlasste Ermittlungen

1. Anfrage des stern vom 28. November 2011
und Antworten

In einer Anfrage des stern vom 28. November 2011 an die

Pressestelle des Innenministeriums Baden-Württemberg

wurde die Behauptung aufgestellt, dass sich an dem Tag,

als Michèle Kiesewetter ermordet und ihr Kollege schwer

verletzt wurde, ein oder mehrere baden-württembergische

Verfassungsschützer in der Nähe des Tatorts aufgehalten

hätten. Nach dem stern vorliegenden Unterlagen seien in

Heilbronn vor den Schüssen auf der Theresienwiese der

Deutsch-Türke M. K. und eine Begleitperson von Verfas-

sungsschützern observiert worden. Beide seien auch am

Morgen des 25. April 2007 von Verfassungsschützern

observiert worden, als sie bei der Santander Bank in

Heilbronn Geld deponiert oder transferiert hätten. Zudem

gehe aus Unterlagen hervor, dass Personen mit rechtsex-

tremem Hintergrund in die Schießerei auf der

Theresienwiese involviert gewesen seien. Der stern fragte

konkret nach, ob es sich bei diesen Personen um Uwe

Böhnhardt und Uwe Mundlos gehandelt habe.
5723

Aufgrund der Anfrage des stern wurde innerhalb des LfV

Baden-Württemberg eine Prüfung durchgeführt. In behör-

deninternen Vermerken wurde festgehalten, dass zu einer

Observation von M. K. und zu einer Schießerei von Per-

sonen mit rechtsextremistischem Hintergrund keinerlei
5720) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 22.

5721) Meyer-Manoras, Protokoll-Nr. 29, S. 70.

5722) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 109.

5723) Anfrage des stern vom 28. November 2011, MAT A BW-6,

Bl. 989 f.

Erkenntnisse vorlägen.
5724

Tatsächlich fuhr ein Mitarbei-

ter des LfV Baden-Württemberg an diesem Tag nach

Heilbronn, die Abfahrt in Stuttgart erfolgte ausweislich

seines Fahrtenbuches aber erst um 15 Uhr.
5725

Zudem

wurde ein Kontakt zur Pressestelle des LfV Bayern herge-

stellt, der ergab, dass das LfV Bayern die Behauptungen,

auch bayerische Verfassungsschützer seien vor Ort gewe-

sen, zurückweisen werde.
5726

Zu der Presseanfrage nahm das LfV Baden-Württemberg

am 28. November 2011 gegenüber dem Innenministerium

Baden-Württemberg Stellung. Es legte dar, dass sich am

25. April 2007 ein Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich

Werbung zu einem dienstlichen Einsatz im Raum Heil-

bronn befunden habe. Es sei vorgesehen gewesen, dass

dieser eine Zielperson aus dem Phänomenbereich des

Islamismus treffe. Zielperson sei aber nicht M. K. gewe-

sen. Der Mitarbeiter sei sich sehr sicher, dass es zu die-

sem Treffen nicht gekommen sei. Eine detaillierte Rekon-

struktion des Einsatzes über etwaig gefertigte Aktenver-

merke sei nicht mehr möglich, da die entsprechende Akte

zwischenzeitlich vernichtet worden sei. Nach der Erinne-

rung des Mitarbeiters habe dieser bereits auf der Anfahrt

nach Heilbronn Einsatzkräfte der Polizei wahrgenommen.

Er gehe daher davon aus, dass die Anfahrt zum Einsatzort

erst nach dem Tatzeitpunkt erfolgt sei. Zu den weiteren

Fragen des stern lägen keine Erkenntnisse vor.
5727

Das Innenministerium antwortete dem stern mit E-Mail

vom 28. November 2011, dass zu operativen Einsätzen

des baden-württembergischen LfV grundsätzlich keine

Medienauskünfte erteilt würden. Es verwies in diesem

Zusammenhang auf die inzwischen zuständige Bundes-

anwaltschaft.
5728

2. Behauptungen des stern-Artikels „Mord
unter den Augen des Gesetzes“

Am 1. Dezember 2011 erschien im stern ein Artikel

„Mord unter den Augen des Gesetzes?“, in dem berichtet
wurde, dass ein US-amerikanischer Geheimdienstbericht

nahe lege, dass deutsche Verfassungsschützer Zeugen des

Heilbronner Polizistenmordes gewesen seien. In dem

Artikel wurde ausgeführt:

„Ein Observationsprotokoll des amerikanischen
Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agen-

cy (DIA) legt nahe, dass Beamte deutscher Verfas-

sungsschutzbehörden Zeugen der Schüsse auf

Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen, wenn

nicht sogar in den Vorfall verwickelt waren. Eine

Kopie des Papiers liegt dem stern vor. Der ‚Con-
5724) Vermerk des LfV Baden-Württemberg vom 28. November

2011, MAT A BW-6, Bl. 991; Vermerk der Abteilung 3 des

LfV vom 28. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 994.

5725) E-Mail vom 29. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1018.

5726) E-Mail vom 28. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1012.

5727) Stellungnahme des LfV Baden-Württemberg vom
28. November 2011, MAT A BW-6/2 (Tgb.-Nr. 27/12 - VS-

VERTRAULICH), Anlage 1, Bl. 901 f.

5728) E-Mail vom 28. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1006.

Drucksache 17/14600 – 658 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tact Report‘ protokolliert eine Observation am
25. April 2007 in Heilbronn. Neben dem Bericht-

erstatter und einem Kollegen der DIA-

Spezialeinheit ‚SIT Stuttgart‘ (Special Investigati-
on Team), das sich vor allem in Süddeutschland

um islamistische Bedrohungen gegen amerikani-

sche Streitkräfte kümmert und engen Kontakt zu

deutschen Sicherheitsbehörden hält, weist das Pa-

pier als Teilnehmer auch zwei Beamte des Landes-

amts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg

oder Bayern aus: ‚2 (two) OPS Ofc. LfV BW OR
BAVARIA‘, wie es wörtlich heißt.

Sie observierten zunächst einen ‚CONTACT‘ na-
mens ‚M. K.‘ und einen nicht identifizierten Ver-
dächtigen (‚UNIDENTIFIED SUSPECT), wie die-
ser ‚2,3 MIL. EURO(S)‘ in einer Filiale der San-
tander Bank in Heilbronn vermutlich einzahlte

(‚DEPOSI-TED‘) und sich dann Richtung
Theresienwiese bewegte, die der Mann um 13.50

Uhr erreichte. Dort endete die Observation durch

einen Zwischenfall mit Schusswaffen, in den of-

fenbar auch ein Beamter aus Baden-Württemberg

verwickelt war: ein – wie es wörtlich heißt –
‚SHOOTING INCIDENT INVOLVING BW OPS
OFFICER WITH RIGHT WING OPERATIVES

AND REGULAR POLICE PATROL ON THE

SCENE‘ (‚Schießerei, in die ein BW OPS Offizier
mit Rechtsextremen und eine reguläre Polizeistrei-

fe vor Ort verwickelt waren‘).

[…]

Bei M. K., dem Mann, den die Agenten am Mittag

des 25. April 2007 in Heilbronn observierten, han-

delt es sich um Mevlüt K., einen Deutschtürken aus

Ludwigshafen, der als fünfter Mann der Sauerland-

Gruppe gilt, die wenige Monate später von der Po-

lizei ausgehoben wurde, bevor sie islamistisch mo-

tivierte Bombenanschläge in Deutschland verüben

konnte.

[…]

Zufällig oder nicht kreuzten sich in Heilbronn of-

fenbar die Wege der ‚Zwickauer‘ und der ‚Sauer-
land-Zelle‘. Die offenen Fragen dazu sind: Waren
die Neonazis mit Mevlüt K. oder seinem Mittels-

mann zu einem Waffendeal verabredet? Gerieten

ihnen die junge Polizistin und ihr Kollege dabei in

die Quere? Etwa bei einer Personenkontrolle, für

die sie im Rahmen des damaligen Einsatzkonzepts

‚Sichere City‘ Streife fuhren?

Wollten oder mussten die Verfassungsschützer ih-

re Beobachtungen für sich behalten, weil sie die

laufenden verdeckten Ermittlungen zum Sauer-

land-Umfeld nicht gefährden durften?

[…]

Alle anderen Spuren wurden nur mit minderer Pri-

orität behandelt. So wurden in der Nähe des Ta-

torts an der Theresienwiese zwei Araber kontrol-

liert, von denen nach stern-Informationen mindes-

tens einer Bezüge zu Mevlüt K. hatte.“5729

3. Erste Reaktionen auf die stern-
Veröffentlichung

Durch Pressemitteilung vom 30. November 2011 gab das

Innenministerium Baden-Württemberg bekannt, Mitarbei-

ter des LfV Baden-Württemberg seien nicht Teilnehmer

einer vom US-Militärgeheimdienst „DIA“ am 25. April
2007 in Heilbronn durchgeführten Observation und auch

nicht Zeugen des Mordes an der Polizistin Michèle Kie-

sewetter auf der Theresienwiese geworden.
5730

Auch das

BfV veröffentlichte an diesem Tag eine Pressemitteilung,

aus der hervorging, dass zum Zeitpunkt des Mordes am

25. April 2007 auf der Theresienwiese in Heilbronn keine

Observation des BfV stattgefunden habe.
5731

Auf eine

Anfrage des Generalbundesanwaltes an das LfV Baden-

Württemberg vom 30. November 2011, in der vor dem

Hintergrund des stern-Artikels um Benennung etwaiger

Augenzeugen gebeten wurde, antwortete das LfV Baden-

Württemberg mit Schreiben vom 30. November 2011,

dass Mitarbeiter des LfV nicht Teilnehmer einer angeb-

lich vom US-Militärgeheimdienst „DIA“ am 25. April
2007 in Heilbronn durchgeführten Observation und auch

nicht Zeugen des Mordes an der Polizistin Michèle Kie-

sewetter auf der Theresienwiese gewesen seien. Eine

Benennung von Zeugen sei daher nicht möglich.
5732

Aufgrund des Artikels im stern bat das BMI die Vertreter

der US-Dienste bei der US-Botschaft um eine Stellung-

nahme zu dem angeblichen US-Observationsprotokoll. In

der dem BMI am 5. Dezember 2011 zugegangenen Stel-

lungnahme teilte ein Vertreter der US-Dienste bei der US-

Botschaft mit:

„regarding the 1 December 2011 Stern article
claiming to cite a DIA report, we (CIA, DIA and

MLO) have not been able to locate any such re-

port. Several anomalies – among them the use of
the term ‘contact report’ for what would be a sur-
veillance report and the rendering of the time of

day as 13:50 hrs (US convention would be 1350

hrs or 1:50 p.m.) – lead us to believe this is likely a
forgery. We continue to look into the matter and

will advise you if we uncover anything new.”5733
5729) stern vom 1. Dezember 2011, „Mord unter den Augen des

Gesetzes?“, MAT A BW-6, Bl. 1014.

5730) Pressemitteilung des IM Baden-Württemberg vom

30. November 2011, MAT A BW-6, Bl. 1030.

5731) Pressemitteilung des BfV vom 30. November 2011, MAT A

BW-6, Bl. 1035.

5732) Schreiben des LfV Baden-Württemberg, MAT A BW-6,
Bl. 1023.

5733) Schreiben des BMI vom 13. Dezember 2011 an das IM Baden-

Württemberg, MAT A BW-6/2 (Tgb.-Nr. 27/12 - VS-
VERTRAULICH), Anlage 1, Bl. 905 f. (offen);

Die Passage wurde vom Sprachendienst des Deutschen Bundes-

tages wie folgt übersetzt:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 659 – Drucksache 17/14600

4. Bericht des Staatssekretärs Klaus-Dieter
Fritsche vom 25. Mai 2012

Am 30. April 2012 erschien ein Artikel im Spiegel, in

dem ausgeführt wurde, der Hinweisgeber habe zwei Wo-

chen vor dem stern-Bericht mit dem BKA und dem BMI

Kontakt aufgenommen.
5734

Aufgrund einer parlamentari-

schen Nachfrage zu diesem Sachverhalt hat Staatssekretär

Klaus-Dieter Fritsche dem Untersuchungsausschuss am

25. Mai 2012 mitgeteilt, der Hinweisgeber habe sich am

12. November 2011 per E-Mail an den Bundesinnenmi-

nister und am 15. November 2011 an ein Hinweistelefon

des BKA gewandt. Die E-Mails seien unverzüglich nach

Eingang im Ministerbüro im üblichen Verfahren an das

zuständige BKA weitergeleitet worden. Bei dem Hin-

weisgeber handele es sich um einen deutschen Staatsan-

gehörigen, der als Ermittler eines militärischen US-

Nachrichtendienstes gearbeitet habe. Eine Zeugenver-

nehmung der vom Hinweisgeber benannten US-

Militärangehörigen habe weitere Anhaltspunkte dafür

ergeben, dass die Behauptungen des Hinweisgebers un-

glaubhaft seien. In diesem Zusammenhang verwies

Staatssekretär Fritsche auf einen Bericht des BKA vom

15. Mai 2012, in dem die Maßnahmen des BKA zur

Überprüfung des Sachverhaltes zusammenfassend darge-

stellt wurden.
5735

5. Aussagen der Zeugen Mögelin und
Schmalzl

Der Zeuge Mögelin hat ausgesagt, dem Verdacht sei nach

Erscheinen des stern-Artikels umfassend nachgegangen

worden. Es hätten sich jedoch keine objektiven Hinweise

dafür finden lassen, dass die Behauptungen zuträfen. Mit

diesem Sachstand, bei dem allerdings noch ein paar Punk-

te offen gewesen seien, habe man die Spur an das BKA

abgegeben.
5736

Die Ermittlungen hätten auch nicht erge-

ben, dass Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg am

Tattag in Heilbronn im Einsatz gewesen seien.
5737

Der Zeuge Schmalzl, Präsident des LfV Baden-

Württemberg von August 2005 bis Ende 2007, hat ausge-

sagt, seine Nachfolgerin habe den Sachverhalt gewissen-
„[…] was den am 1. Dezember 2011 erschienenen Artikels im
Stern anbelangt, in dem behauptet wird, aus einem DIA-Bericht

zu zitieren: Wir (CIA, DIA und MLO) waren nicht in der Lage,

einen derartigen Bericht zu finden. Einige Ungereimtheiten –
darunter der Gebrauch des Begriffs ‚contact report‘ für das, was
wir ‚surveillance report‘ nennen würden, und die Angabe der
Zeit in dem Format 13:50 hrs (üblich wären in den USA 1350

hrs oder 1:50 p.m.) bringen uns zu der Überzeugung, dass es

sich wahrscheinlich um eine Fälschung handelt. Wir prüfen die

Sache weiter und werden Sie unterrichten, wenn sich etwas
Neues ergibt.“

5734) Der Spiegel vom 30. April 2012, „Gefälschter Geheimdienstbe-
richt?“.

5735) Schreiben von Sts. Klaus-Dieter Fritsche vom 25. Mai 2012,

MAT A BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1386, 1387

(VS-NfD); Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A
BW-6/4 (Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392 (VS-NfD).

5736) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 36.

5737) Mögelin, Protokoll-Nr. 29, S. 43.

haft geprüft und ausgeschlossen, dass im Großraum

Heilbronn eine Observationsgruppe des LfV im Einsatz

gewesen sei. In der Hochphase der Sauerland-Gruppe

habe es aber das ganze Jahr über Einsätze gegeben. Fest-

gestellt worden sei, dass sich ein Werber an diesem Tag

auf den Weg gemacht habe, der eine Verabredung in

Heilbronn mit jemandem aus dem Bereich Islamismus

gehabt habe. Es habe sich aber nicht um die von der stern-

Anfrage umfassten Personen gehandelt. Seine Nachfolge-

rin habe sehr gewissenhaft versucht, die Sache aufzuklä-

ren. Man habe Fahrtenbücher, die Arbeitszeiterfassung

und Telefonabrechnungen kontrolliert. Zudem habe eine

Einvernahme des Mitarbeiters stattgefunden. Es habe sich

herausgestellt, dass der Mitarbeiter erst um 15 Uhr, also

eine Stunde nach der Tat, nach Heilbronn auf dem Weg

gewesen sei. Von daher habe man ausschließen können,

dass eine Observationsgruppe im Einsatz gewesen ist.
5738

6. Maßnahmen des BKA zur Überprüfung des
Sachverhalts

Am 15. November 2011 meldete sich der Hinweisgeber

R. K. telefonisch bei der Polizei und gab an, dass sich der

als Terrorist gesuchte M. K. am 25. April 2007 in Heil-

bronn aufgehalten habe. Dort sei er von US-

amerikanischen Stellen observiert worden.
5739

Am

1. Dezember 2011 sagte er im Rahmen seiner Zeugenver-

nehmung aus, er sei ab 2011 als Ermittler bei der Spiona-

geabwehr der 66. Military Intelligence in Hanau tätig

gewesen. Einen Tag nach dem Polizistenmord in Heil-

bronn, am 26. April 2007, habe er ein Gespräch von zwei

US-amerikanischen Soldaten mitgehört, die sich über eine

beinahe missglückte Observation der Military Intelligence

am Tage des Schusswechsels in Heilbronn unterhalten

hätten. Zielperson der Observation sei M. K. gewesen.

Mögliche Auskunftspersonen zu der Observation seien

die leitenden Mitarbeiter der Military Intelligence, T. R.

und T. H.
5740

Aufgrund des stern-Artikels fragte das BKA am

5. Dezember 2011 bei der stern-Redaktion an, um wen es

sich bei den zwei Arabern handele, die sich nach Informa-

tionen des stern in der Nähe der Theresienwiese aufgehal-

ten hätten.
5741

Hierauf teilte die Rechtsabteilung der Gru-

ner + Jahr AG & Co KG mit Schreiben vom 30. Januar

2012 die Namen von R. H. und J. C. mit.
5742

Bei einer

Zeugenbefragung von R. H. gab dieser an, sich an dem

Tag, als Michèle Kiesewetter ermordet wurde, in Frank-

furt aufgehalten zu haben.
5743

J. C. hatte sich bereits am
5738) Schmalzl, Protokoll-Nr. 29, S. 105, 106.

5739) Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A BW-6/4 (Tgb.-
Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392 (VS-NfD).

5740) Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A BW-6/4 (Tgb.-

Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392, 1393.

5741) Schreiben des BKA vom 5. Dezember 2011, MAT A GBA-

3/44, Bl. 131.

5742) Schreiben von Gruner + Jahr vom 30. Januar 2012, MAT A
GBA-3/44, Bl. 129.

5743) Zeugenvernehmung vom 8. März 2012, MAT A GBA-4/19,

Bl. 692, 693.

Drucksache 17/14600 – 660 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

26. April 2007 beim Polizeirevier Heilbronn als Zeuge

gemeldet. Seine Angaben waren durch die Soko „Park-
platz“ überprüft worden, ohne hierdurch weitere Ermitt-
lungsansätze zu erlangen.

5744
Der Bericht des BKA vom

15. Mai 2012 stellte fest, es hätten sich keine Anhalts-

punkte dafür ergeben, dass ein Kontakt zwischen den

beiden Zeugen und M. K. bestanden haben könnte.
5745

Am 13. März 2012 wurde der Mitarbeiter der Military

Intelligence, T. R., vom BKA als Zeuge vernommen.

Während der Vernehmung gab er an, dass Observationen

in Deutschland immer nur durch Deutsche durchgeführt

worden seien. Seines Erachtens wolle sich der Hinweis-

geber H. K. an ihnen rächen. Gegen diesen sei 2006 ein

internes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, weil es

Unstimmigkeiten bei den Dienstzeiten gegeben habe.

Zudem erklärte er, die Formulierung in dem angeblichen

Observationsbericht könne nur von einem Deutschen

geschrieben worden sein. Auch sei die Angabe von Da-

tum und Uhrzeit untypisch für Formulierungen beim US-

amerikanischen Militär. Von einer Einheit namens „SIT
Stuttgart“ habe er nie gehört.5746 Der zweite
zeugenschaftlich vernommene US-Militärangehörige,

T. H., sagte aus, dass Observationen nicht Aufgabe seiner

Einheit seien. Das Observationsprotokoll sei voller forma-

ler und grammatikalischer Fehler. Er sei am 25. April

2007 nicht in Heilbronn gewesen und habe auch nicht an

einer Observation teilgenommen.
5747

Ermittlungen wurden auch bei der Santander Consumer

Bank AG durchgeführt. Mit Schreiben vom 29. Februar

2012 teilte die Bank auf Anfrage mit, dass im April, Mai

und Juni 2007 bundesweit keine Bareinzahlungen größer

als 1 Mio. Euro in einer ihrer Bankfilialen stattgefunden

hätten. Auch seien keine Auffälligkeiten bei Depot-

Kunden im fraglichen Zeitraum festgestellt worden und es

seien im fraglichen Zeitraum bundesweit keine Geldwä-

scheverdachtsanzeigen zu Umsätzen in entsprechenden

Höhen festgestellt worden.
5748

Mit Schreiben vom 21. März 2012 bat das BKA die US-

Botschaft um eine offizielle Stellungnahme, ob das Ob-

servationsprotokoll als echt oder als Fälschung einzustu-

fen sei.
5749

Hieraufhin teilte die US-Botschaft in Berlin

am 26. März 2012 mit, dass das vom stern zur Verfügung

gestellte Dokument als nicht authentisch einzustufen sei.

Obgleich der Verfasser über zumindest rudimentäre

Kenntnisse hinsichtlich des Aufbaus derartiger Schreiben

verfügt haben müsse, weise es zahlreiche Widersprüche in
5744) Ermittlungsbericht der BAO „Trio“ vom 20. Juli 2012, MAT A

GBA-4/19, Bl. 107.

5745) Schreiben des BKA vom 15. Mai 2012, MAT A BW-6/4 (Tgb.-
Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1392 (VS-NfD).

5746) Zeugenvernehmung vom 13. März 2012, MAT A GBA-3/51,

Bl. 71-76.

5747) Zeugenvernehmung vom 15. März 2012, MAT A GBA-3/51,

Bl. 366-369.

5748) Schreiben des BKA vom 15. März 2012, MAT A BW-6/4,
(Tgb.-Nr. 57/12 - GEHEIM), Bl. 1395 (VS-NfD).

5749) Schreiben des BKA vom 22. März 2012, MAT A GBA-4/19,

Bl. 585.

Bezug auf das Format, die Terminologie und den Inhalt

auf. Zudem habe es im April 2007 keine Observationen

durch US-Einheiten in Heilbronn gegeben und es habe

auch niemals ein SIT in Stuttgart existiert. Ein SIT habe

es lediglich in Augsburg gegeben. Dieses sei jedoch 1997

aufgelöst worden.
5750

Bei einer zweiten Zeugenvernehmung von R. K. am

11. September 2012 gab dieser an, der im stern veröffent-

lichte Artikel sei ihm von zwei Journalisten vorgelegt

worden, die sich als Journalisten der Berliner Zeitung

ausgegeben hätten. Sie hätten keine Angaben dazu ge-

macht, woher die Informationen stammten. Er habe ihnen

von seinem persönlichen Werdegang erzählt. Als diese

versucht hätten, Querverbindungen zwischen dem

Polizistenmord und M. K. herzustellen, habe er darauf

hingewiesen, dass dies nicht sein könne, da sich M. K.

seines Wissens nach nicht in Deutschland aufgehalten

habe.
5751

7. Ermittlungen zu einem US-amerikanischen
Militärfahrzeug

Durch eine mobile Geschwindigkeitsüberwachungsanlage

auf der Bundesautobahn A6 wurde am 25. April 2007 um

13.05 Uhr ein BMW, Modellreihe 3 im Bereich Heilbronn

festgestellt. Im Zuge der Ermittlungen wurde bekannt,

dass dieses Kennzeichen für die US-amerikanische Zulas-

sungsstelle ausgegeben wurde. Auf eine Anfrage des

BKA vom 3. Januar 2012 teilte die US-amerikanische

Botschaft/Military Liaison Office in Berlin mit, dass das

o. g. Kennzeichen auf eine Person registriert war, die am

31. August 2009 aus der US-Armee ausgeschieden und

derzeit in Dunedin/Florida wohnhaft sei.
5752

Weitere

Maßnahmen von Seiten der US-amerikanischen Behörden

erfolgten nicht.
5753

Im Ergebnis konnte nicht festgestellt

werden, woher das Fahrzeug kam.

8. Prüfvorgang des Generalbundesanwaltes
– „Angeblicher Aufenthalt des M. K.“ zur
Tatzeit in Deutschland

Am 1. Dezember 2012 wurde zum angeblichen Aufent-

halt des M. K. im Februar/März sowie am 25. April 2007

in Deutschland ein Prüfvorgang beim GBA angelegt.
5754

Aus den zu diesem Prüfvorgang übermittelten Unterlagen

geht hervor, dass sich ein Kriminalhauptkommissar an

einen Artikel erinnerte, der am 13. September 2010 im

stern erschienen war und ähnliche Behauptungen wie der

Artikel vom 1. Dezember 2011 enthielt. In dem stern-

Artikel vom 13. September 2010 wurde berichtet, in zeit-
5750) Ermittlungsbericht der BAO „Trio“ vom 20. Juli 2012, MAT A

GBA-4/19, Bl. 77.

5751) Zeugenvernehmung vom 11. September 2012, MAT A GBA-
3/51, Bl. 12.

5752) Vermerk des BKA vom 16. März 2012 zur Spur 5111, MAT A

GBA-4/18, Bl. 20 ff., 5.

5753) Agent`s Investigation Report vom 10. Januar 2012, GBA-4/19,

Bl. 608, 609.

5754) Prüfvorgang 2 ARP 181/11-4, MAT A GBA-4/1, Bl. 361.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 661 – Drucksache 17/14600

licher Nähe zum Polizistenmord hätten arabische Perso-

nen einen zweistelligen Millionenbetrag in bar zu einer

Bank im Raum Heilbronn gebracht, um ihn überweisen zu

lassen. Auch in diesem Artikel war von zwei Personen

aus dem Nahen Osten die Rede, die nahe des Tatorts

Theresienwiese angetroffen worden seien. Einer gehöre

der radikalen Hamas an. Zudem wurden schon damals

Verbindungen zwischen dem Polizistenmord und M. K.

hergestellt.
5755

Am 8. Oktober 2012 schloss der GBA den Prüfvorgang,

mit der Feststellung, ein Aufenthalt von M. K. im Febru-

ar/März sowie am 25. April 2007 in Deutschland habe

sich nicht belegen lassen. Die Herkunft des vom Verlag

Gruner + Jahr AG & Co KG vorgelegten Observations-

protokolls sei nicht zu klären gewesen. Angehörige des

US-amerikanischen Militärs hätten jedoch angegeben,

dass das Papier sowohl in der Aufmachung als auch vom

Inhalt sowie der Schreib- und Ausdrucksweise nicht den

US-amerikanischen Vorschriften im militärischen Bereich

entspräche. Der Zeuge R. K. habe die beiden GIs, deren

Gespräch er mitgehört habe, nicht näher benennen kön-

nen. Das vom stern zitierte Observationsprotokoll halte

auch der ursprüngliche Hinweisgeber R. K. für eine Fäl-

schung. Tatsächlich sei das Verhältnis zwischen R. K. und

den von ihm benannten Angehörigen US-amerikanischer

Dienststellen in Deutschland durch arbeitsrechtliche Aus-

einandersetzungen belastet, in deren Verlauf R. K. aus

dem Dienst der US-Armee entlassen worden sei. Es sei

daher nicht auszuschließen, dass dieser Umstand zu Aus-

sagen geführt habe, welche die jeweils andere Seite belas-

ten solle. Keiner der Beteiligten habe die Anwesenheit

von M. K. in Deutschland bestätigen können.
5756

9. Welche Rolle spielte der MAD bei der Auf-
klärung?

Für den Ausschuss war von Interesse, inwieweit der

MAD mit diesem Vorgang befasst war und wer der Initia-

tor einer Kontaktaufnahme zwischen MAD und BND

gewesen ist.
5757

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2011

informierte der seinerzeitige Präsident des BND, Ernst

Uhrlau, den damaligen Präsidenten des MAD, Karl-Heinz

Brüsselbach, darüber, dass er am 6. Dezember 2011 ge-

genüber den Spitzen der Sicherheitsbehörden
5758

im Bun-

deskanzleramt einen Sachverhalt angesprochen habe, der

mit der Veröffentlichung im stern über angebliche Ver-

strickungen des US-Militärdienstes in Ereignisse um den

Heilbronner Polizistenmord im Zusammenhang gestanden

habe. Der Verbindungsbeamte der Koordinierungsstelle

der US-Geheimdienste in Süddeutschland habe sich am

2. Dezember 2011 telefonisch an die Vertretung des
5755) stern vom 13. September 2010, „Die mysteriöse Mafia-

Islamisten-Verbindung“, MAT A GBA-3/44, Bl. 5-7.

5756) Vermerk des GBA vom 8. Oktober 2012, MAT A GBA-3/51,

Bl. 9-11.

5757) Protokoll-Nr. 43, S. 33.

5758) Die Formulierung „gegenüber den Spitzen der Sicherheitsbe-
hörden“ stammt nicht aus dem zitierten Dokument.

MAD in Stuttgart gewandt und um einen Kontakt gebe-

ten, mit dem er den stern-Bericht besprechen könne. Der

Anruf sei daraufhin aus nicht bekannten Gründen durch

einen Vertreter des Amtes an die BND-Verbindungsstelle

weitergeleitet worden, deren Vertreter den Anruf weiter-

geleitet habe.
5759

Hieraufhin antwortete der Präsident des

MAD, Karl-Heinz Brüsselbach, die von ihm veranlasste

Prüfung habe ergeben, dass ein Verbindungsbeamter des

BND die MAD-Stelle 51 gebeten habe, ihm die Erreich-

barkeit eines Verbindungsbeamten beim U.S. Military

Intelligence Detachment Heidelberg mitzuteilen. Wegen

der Abwesenheit des zuständigen Mitarbeiters der MAD-

Stelle sei er gebeten worden, sich zu einem späteren Zeit-

punkt erneut zu melden. Bei seinem erneuten Anruf sei

ihm der US-amerikanische Verbindungsbeamte nament-

lich benannt worden. Weitere Erkenntnisse zum Thema

lägen dem MAD nicht vor.
5760

Ein Aktenvermerk vom

20. Dezember 2011 sowie drei dienstliche Erklärungen

von Mitarbeitern des MAD bestätigten diesen Sachver-

halt. Demnach habe ein Mitarbeiter des BND die MAD-

Stelle 51 telefonisch um Amtshilfe gebeten. Der Mitarbei-

ter des BND habe mitgeteilt, vom Kanzleramt beauftragt

worden zu sein, die US-amerikanische Spezialeinheit zu

ermitteln, die mutmaßlich zusammen mit dem Verfas-

sungsschutz den Polizistenmord in Heilbronn beobachtet

haben solle. Hieraufhin habe der MAD den Kontakt zum

Military Intelligence Detachment Heidelberg vermit-

telt.
5761

Dementsprechend unterrichtete der MAD den

GBA auf seine entsprechende Anfrage.
5762

Das Bundes-

kanzleramt hat nach Rücksprache mit dem BND mitge-

teilt, dass es zum fraglichen Zeitpunkt keinen Auftrag des

Bundeskanzleramtes an den BND gegeben habe und ver-

mutet eine Verwechslung auf Grund der phonetischen

Nähe zwischen Bundeskanzleramt („BKAmt“) und
BKA.

5763
Der Zeuge Brüsselbach hat in seiner Vernehmung vor

dem Ausschuss den vom MAD dargelegten Sachverhalt

noch einmal bestätigt. Er sei sehr überrascht gewesen, den

Brief eines Kollegen zu erhalten, in dem dieser ihn ge-

fragt habe, warum der MAD einen anderen Dienst um

Herstellung einer Verbindung zu den Amerikanern gebe-

ten habe. Nach einer Prüfung habe sich der Sachverhalt

für ihn genau umgekehrt dargestellt. Ein Mitarbeiter einer

anderen deutschen Sicherheitsbehörde habe beim MAD

angerufen und diesen um Kontaktherstellung zu einer US-

amerikanischen Dienststelle gebeten. Auch könne er aus-

schließen, dass bereits zuvor ein weiterer telefonischer
5759) Schreiben des Präsidenten des BND vom 8. Dezember 2011,

MAT A MAD-3/3 (Tgb.-Nr.100/12 - GEHEIM), Bl. 7.

5760) Schreiben des MAD-Präsidenten vom 13. Dezember 2012,

MAT A MAD-3/3 (Tgb.-Nr. 100/12 - GEHEIM), Bl. 9, 10
(VS-NfD).

5761) Aktenvermerk vom 20. Dezember 2011 sowie dienstliche

Erklärungen vom 12. Januar 2012 und 10. Februar 2012, MAT
A MAD-3/3 (Tgb.-Nr. 100/12 - GEHEIM), Bl. 11-15 (VS-

NfD).

5762) Schreiben des MAD an den GBA vom 19. März 2012, MAT A
MAD-3/3 (Tgb.-Nr. 100/12 - GEHEIM), Bl. 19, 20.

5763) Schreiben des Bundeskanzleramts vom 8. August 2013, Aus-

schussdrucksache 521.

Drucksache 17/14600 – 662 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Kontakt bestanden habe, der für Verwirrung gesorgt habe,

denn er habe sehr umfänglich in seiner Behörde recher-

chiert.
5764

Auch der Zeuge Christmann, der seit 2010

Abteilungsleiter II (Extremismus- und Terrorismusab-

wehr) im Amt für Militärischen Abschirmdienst ist, hat

ausgesagt, dass in diesem Fall Ausgangspunkt der Nach-

frage eine deutsche Behörde gewesen sei.
5765
5764) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 33.

5765) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 84, 85.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 663 – Drucksache 17/14600

H. Sprengstoffanschläge

I. Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse
in Köln

Der Anschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in

der Kölner Probsteigasse vom 19. Januar 2001 wurde

während der gesamten Ermittlungen nicht in einen Zu-

sammenhang mit der Česká-Mordserie gebracht. Erst
durch die nach dem 4. November 2011 aufgefundene

„Bekenner-DVD“ wurde eine Verbindung zum NSU
hergestellt. Diese enthielt Originalfernseh- bzw. Original-

berichterstattungsaufnahmen vom Tatort in der Probstei-

gasse und zwei diese Aufnahmen einschließende Comic-

Sequenzen mit „Paulchen Panther“. Dort sind eindeutige
Hinweise auf einen Sprengsatz in der Blechbüchse enthal-

ten. In einem früheren Entwurf zu dem „Bekenner-Video“
wird weiterhin durch Großbuchstaben auf den Tatort

Köln, den Tattag 19. Januar 2001 und mit einer Aufnah-

me des Straßenschildes auf den Tatort Probsteigasse hin-

gewiesen. Tatort und Name des Opfers werden zudem

explizit in dem Film genannt.
5766

1. Tatgeschehen und Ermittlungen der EG
„Probst“

a) Überblick über das Tatgeschehen

Dem Abgabebericht des Generalstaatsanwalts in Köln an

den Generalbundesanwalt vom 4. Januar 2012
5767

lässt

sich folgendes Tatgeschehen entnehmen:

Kurz vor Weihnachten des Jahres 2000 hielten sich D. M.

und seine Tochter M. M. in dessen Lebensmittelgeschäft

in der Probsteigasse in der Kölner Innenstadt auf. Die

Tochter befand sich in dem rückwärtig gelegenen Büro-

beziehungsweise Aufenthaltsraum mit integrierter Küche,

von dem das Geschäftslokal nicht einsehbar war. Zwi-

schen 17.30 Uhr und 18 Uhr betrat ein 25- bis 26-jähriger

Mann, der dem M. unbekannt war, das Ladenlokal. Der

Kunde trug einen geflochtenen Präsentkorb aus Holz mit

Henkel bei sich. In diesem Korb befanden sich bereits

eine Tüte Erdnussflips und eine weihnachtliche Stollen-

dose. Der Mann packte aus dem Geschäftslokal noch

weitere Waren in den Korb und gab vor, diese bezahlen

zu wollen. Er erklärte dem Ladeninhaber M. in akzent-

freiem Hochdeutsch, dass er sein Geld vergessen habe. Er

wolle dieses zu Hause holen und in 15 Minuten wieder-

kommen. Den Korb hinterließ er mit dem gesamten Inhalt

im Laden, kehrte aber nicht zurück.
5766) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts Köln an die General-

bundesanwaltschaft vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,

Bl. 491 ff.

5767) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff.

Der Korb blieb noch einige Tage im Geschäftslokal ste-

hen, dann nahm ihn Herr M. an sich und stellte ihn auf

einem Schreibtisch im Hinterraum ab.

Am 19. Januar 2001 gegen 7 Uhr befand sich die damals

19-jährige Tochter des Ladeninhabers, M. M., allein in

dem Hinterraum des Geschäfts. Sie hob den Deckel der

Weihnachtsdose leicht an und sah darin eine blaue Gas-

druckflasche. Kurz nachdem sie den Deckel wieder ge-

schlossen hatte, explodierte der Sprengsatz.

Durch die Explosion erlitt M. M. hochgradige Verbren-

nungen im Gesicht und an der rechten Hand. Laut ärztli-

chem Bericht waren insgesamt fünf Prozent der Körper-

oberfläche verbrannt. Des Weiteren wies die Geschädigte

Schnittverletzungen im Gesicht, an beiden Armen, an der

rechten Hand sowie an beiden Beinen auf.

Es entstanden ferner massive Explosionsschäden in den

Geschäftsräumen, an Gebäudeteilen und im Innenhof.
5768

b) Ablauf der Ermittlungen

Am Tag des Attentats wurde im Polizeipräsidium Köln

die Ermittlungsgruppe „Probst“ unter Leitung von Krimi-
nalhauptkommissar a. D. Edgar Mittler gegründet.

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelte zunächst unter

dem Aktenzeichen 91 UJs 74/01 gegen Unbekannt wegen

des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Die Er-

mittlungen konzentrierten sich auf das Umfeld der Fami-

lie M. Mit Beschluss vom 22. Januar 2001 verfügte das

AG Köln eine Telefonüberwachung gegen Familienange-

hörige der Geschädigten.
5769

Als Tatverdächtiger wurde schließlich J. T. vorläufig

festgenommen
5770

, den der Bruder der Verletzten, A. M.,

belastet hatte. A. M. gab an, dass T. ihn wegen Schulden

bedroht habe. Dabei habe T. auch Bedrohungen gegen-

über der Familie des A. M. geäußert.
5771

Nach seiner Vernehmung wurde der Beschuldigte am

22. März 2001 entlassen, weil der Ladeninhaber, D. M.,

ihn bei einer Wahllichtbildvorlage nicht als Täter wieder-

erkennen konnte.
5772

Mit Verfügung vom 13. Juni 2001 wurde das Ermitt-

lungsverfahren als Js-Verfahren gegen den oben genann-
5768) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts Köln an die General-

bundesanwaltschaft vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,

Bl. 496.

5769) MAT A GBA-4/8a, Bl. 100 f.

5770) MAT A GBA-4/2, Bl. 492.

5771) MAT A GBA-4/8a, Bl. 256 ff., Bl. 260 f.

5772) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts in Köln an den Gene-

ralbundesanwalt vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,

Bl. 491 ff.

Drucksache 17/14600 – 664 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ten Beschuldigten erfasst und sogleich gemäß § 170

Abs. 2 StPO eingestellt.
5773

Die Spurensicherung am Tatort sowie an den Asservaten

ergab keine verwertbaren Ergebnisse.
5774

Dem Abgabebericht des Generalstaatsanwalts in Köln an

den Generalbundesanwalt vom 4. Januar 2012 lässt sich

weiter entnehmen, dass auf Grundlage eines nach den

Angaben des Geschädigten D. M. gefertigten Phantombil-

des des unbekannten Kunden eine Öffentlichkeitsfahn-

dung durchgeführt wurde. Das Phantombild wurde auch

in Verkaufsstätten der Stollendose sowie der Gaskartu-

sche ausgehängt. Dies führte zwar zu diversen Personen-

hinweisen, jedoch im Ergebnis nicht zu einer tatrelevan-

ten Spur. Auch die im Wege einer Hausbefragung in der

Probsteigasse erlangten Hinweise führten zu keinem ver-

wertbaren Ergebnis.
5775

In dem Abgabebericht heißt es weiter, dass das nach einer

nochmaligen Vernehmung des Geschädigten D. M. er-

stellte zweite Phantombild mangels Geeignetheit nicht

mehr veröffentlicht worden sei.
5776

Am 14. August 2001 wurde der Ladeninhaber D. M. er-

neut beim PP Köln vorgeladen und erklärte, dass er keine

neuen Erkenntnisse gewonnen habe, wer für den An-

schlag infrage komme.
5777

Daraufhin verfügte die Staats-

anwaltschaft Köln am 22. August 2001, dass es bei der

Einstellung bleibe.
5778

2. Ermittlungen im Umfeld der Familie

Die Ermittlungen zum Anschlag in der Probsteigasse

wurden im Wesentlichen im Umfeld der Familie geführt.

Bis auf den Vater sind alle Familienmitglieder deutsche

Staatsangehörige. Die Mutter war mit den vier Kindern

aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Die Telefone

der Familie wurden auf Beschluss des AG Köln vom

22. Januar 2001 über den Zeitraum von einem Monat

überwacht.
5779

Ermittelt wurde hinsichtlich etwaiger poli-

tischer Aktivitäten, wobei solche seitens der Familie seit

der Ankunft in Deutschland verneint wurden. Darüber

hinaus war der Vater der Familie wegen möglicher Schul-

den im Zusammenhang mit einem Hausbau bedroht wor-

den.
5780
5773) MAT A GBA-4/8a, Bl. 276, 294.

5774) Spurensicherungs-und Auswertungsbericht des LKA Düssel-

dorf vom 4. April 2001, MAT A GBA-4/7a, Bl. 109 ff.

5775) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff., Bl. 494.

5776) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff., Bl. 494.

5777) MAT A GBA-4/8a, Bl. 300.

5778) MAT A GBA-4/8a, Bl. 301.

5779) MAT A GBA-4/2, Bl. 491 ff., MAT A GBA-4/8a, Bl. 90 ff.

5780) MAT A GBA-4/8a, Bl. 73 ff.

3. Ermittlungen hinsichtlich eines politischen
Hintergrundes

a) Rolle des Staatsschutzes

Kriminalhauptkommissar a. D. Edgar Mittler hat als Zeu-

ge vor dem Untersuchungsausschuss erläutert, dass bei

jedem Sprengstoffanschlag eine Zweitakte an den Staats-

schutz übergeben werde. Dieser könne dann eine Bewer-

tung bezüglich der Erkennbarkeit eines politischen Hin-

tergrundes abgeben. Das Kriminalkommissariat selbst

pflege keine direkte Verbindung zum Bundesamt für

Verfassungsschutz oder zu anderen Behörden.
5781

Die Aufgabenverteilung zwischen Staatsschutz und

Sprengstoffermittlern hat der Zeuge Mittler wie folgt

beschrieben:

Die Sprengstoffermittler seien zunächst stets für die Tat-

ortarbeit zuständig. Dies gelte unabhängig davon, ob der

Sprengstoffanschlag möglicherweise politisch motiviert

sein könnte. Anschließend werde der Staatschutz einge-

schaltet, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass es

einen poltischen Hintergrund gebe. Nach der Prüfung

erfolge eine Rückmeldung bei den Ermittlern und gege-

benenfalls die Übernahme der Ermittlungen durch den

Staatsschutz. Über den internen Arbeitsablauf beim Staat-

schutz habe der Zeuge keine Kenntnisse.
5782

b) Sprengstoff und Rechtsextremismus

Im Untersuchungsausschuss ist erörtert worden, ob vor

dem Hintergrund der allgemein bekannten Affinität der

rechten Szene zu Sprengstoff nicht standardmäßig auch in

diese Richtung ermittelt werden müsse. Hierzu hat der

Zeuge Mittler erläutert, dass dies bundesweit zwar be-

kannt sei, jedoch in Köln noch nie vorgekommen wäre.

Die Sprengstoffanschläge in Köln seien bisher entweder

aus dem linken oder dem kriminellen Bereich gekommen.

Im linksextremistischen Bereich gebe es sehr häufig Be-

kenntnisse zu Anschlägen. Im Fall des Sprengfallenan-

schlags habe es darüber hinaus zahlreiche andere Hinwei-

se gegeben, weswegen die Ermittlungen nicht in Richtung

rechtsextremer Hintergrund geführt worden seien.
5783

Der Zeuge ist auf den Sprengstoffanschlag auf eine S-

Bahn-Station in Düsseldorf im Jahr 2000, ein Jahr vor

dem Anschlag in der Probsteigasse, hingewiesen worden,

bei dem russische Einwanderer schwer verletzt wur-

den.
5784

Damals sei man von einem rechtsextrem moti-

vierten Anschlag ausgegangen. Mittler hat hierzu angege-

ben, dass er beim LKA nach Zusammenhängen mit die-

sem Anschlag gefragt habe, diese aber verneint worden

seien.
5781) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 3.

5782) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 14-16.

5783) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16-18.

5784) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 21.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 665 – Drucksache 17/14600

Schließlich sind im Untersuchungsausschuss die An-

schläge von Mölln und Solingen als Beispiele dafür ange-

führt worden, dass Opfer mit Migrationshintergrund auf

Täter aus dem rechtsextremen Bereich hinweisen. Der

Zeuge Mittler hat erwidert, dass zumindest ein weiterer

Hinweis auf die Täterschaft der rechten Szene erforder-

lich gewesen wäre, um in diese Richtung zu ermitteln.
5785

Zudem hat der Untersuchungsausschuss die Frage ge-

stellt, inwieweit die EG „Sprengstoff“ bei ihren Ermitt-
lungen 2004 Kenntnis von zwei Sprengfallen im überwie-

gend von Migrantinnen und Migranten bewohnten Kölner

Stadtteil Bilderstöckchen aus dem Jahr 1993 hatte. Da-

mals waren mithilfe von Sprengsätzen, die in Haushalts-

geräten deponiert und dann auf der Straße abgestellt wor-

den waren, zwei Personen lebensgefährlich verletzt wor-

den, darunter ein Mann türkischer Herkunft. Auf Nach-

frage hat das Polizeipräsidium Köln mitgeteilt, diese

Anschläge seien im Jahr 2004 von der EG „Sprengstoff“
nicht verspurt worden; die Akten seien aber nunmehr dem

BKA zur Verfügung gestellt worden.
5786

c) Rechtsextremistischer Hintergrund im Fall
des Sprengfallenanschlags

In einer ddp-Meldung vom 20. Januar 2001 hieß es, dass

die Polizei in alle Richtungen ermittele, auch der Staat-

schutz sei in den Fall eingebunden. Man schließe einen

ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat ebenso wenig

aus wie Motive aus dem persönlichen Umfeld der Opfer.

Der Zeuge Mittler hat gegenüber dem Untersuchungsaus-

schuss angegeben, dass er sich im Fall des Sprengfallen-

anschlags explizit nach politischen Hintergründen erkun-

digt habe, weil er es für möglich gehalten habe, dass sich

der iranische Geheimdienst hinter dem Anschlag verber-

ge.
5787

Es hätten sich jedoch keinerlei Hinweise auf einen

politischen Hintergrund ergeben.

In den Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz
5788

findet sich eine Anfrage des Polizeipräsidiums Köln vom

19. Januar 2001 an das BfV und das LKA Nordrhein-

Westfalen, in der auf den Anschlag hingewiesen und

„kurzfristig um Erkenntnismitteilung zu den Personen“
(gemeint sind die Familienmitglieder) gebeten wurde. Es

sollten Erkenntnisse über mögliche Bedrohungslagen von

iranischen Familien mitgeteilt werden, die – soweit er-
kennbar – nicht in extremistische Organisationen einge-
bunden seien. Handschriftlich war vermerkt:

„PP Köln wurde fernm. n. Rü mit LV unterrich-
tet.“5789
5785) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 25.

5786) MAT B NW-1, Blatt 2 ff.

5787) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 3.

5788) MAT A BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 17
ff. (19) (VS-NfD).

5789) MAT A BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 17

(VS-NfD).

Im Untersuchungsausschuss ist kritisiert worden, weshalb

nicht ermittelt worden sei, ob ein fremdenfeindlicher

Hintergrund vorliege. Konkret hat sich der Ausschuss

erkundigt, welche Maßnahmen ergriffen worden seien,

um einem möglichen rassistischen Hintergrund nachzu-

gehen beziehungsweise einen solchen auszuschließen.
5790

Hierzu hat der Zeuge Mittler ausgesagt, dass dies Aufga-

be des Staatsschutzes gewesen sei und er nur eine allge-

meine Frage nach politischen Hintergründen gestellt habe.

Dem Zeugen ist vorgehalten worden, dass man nach ver-

gleichbaren Vorfällen in Nordrhein-Westfalen oder bun-

desweit hätte suchen können. Er hat daraufhin erläutert,

dass dies in den Aufgabenbereich des Landeskriminalam-

tes falle, das mit den Tatmitteln und deren Auswertung

befasst sei. Eine entsprechende Anfrage sei auch erfolgt.

Vom LKA sei gemeldet worden, dass es einen einschlägi-

gen Vorfall bei Schülern oder Jugendlichen in Düsseldorf

gegeben habe. Dort sei ein ähnlicher Sprengsatz mit Gas-

flasche gefunden worden. Dies sei allerdings der einzige

Hinweis auf mögliche Zusammenhänge gewesen.

Weiterhin hat der Zeuge Mittler angeführt, dass D. M.,

der Vater des Geschädigten, selbst einen ausländerfeindli-

chen Hintergrund ausgeschlossen habe. In einer seiner

Vernehmungen äußerte er:

„Weder ich noch meine Familie ist jemals Ziel von
ausländerfeindlichen Akten gewesen […] Auslän-
derfeindlichkeit halte ich für ausgeschlossen,

1000%.“5791

Im Untersuchungsausschuss ist daraufhin kritisiert wor-

den, dass die Einschätzung eines Betroffenen nicht zu

einer Einschränkung der Ermittlungen führen dürfe. Der

Zeuge Mittler hat darauf erwidert, dass es auch an sonsti-

gen Hinweisen auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund

gefehlt habe.
5792

Zu der Frage nach Beispielen für Hinweise auf rechtsex-

tremistische Hintergründe hat der Zeuge Mittler ein Ha-

kenkreuz an der Hauswand genannt. Hierauf ist dem Zeu-

gen vorgehalten worden, dass es in Köln eine überdurch-

schnittlich aktive rechtsextremistische Szene gebe, wes-

halb es angemessen erscheine, ein besonderes Augenmerk

darauf zu richten.

Diesbezüglich hat der Zeuge Mittler die ausschließliche

Verantwortung beim Staatsschutz gesehen, als Spreng-

stoffermittler befasse er sich überhaupt nicht mit der Sze-

ne. Auch habe es keine Hinweise der Staatsanwaltschaft

gegeben, in diese Richtung zu ermitteln.
5793

Im Untersuchungsausschuss ist hinterfragt worden, ob

nicht die Tatsache, dass sich der Sprengstoffanschlag in

der Probsteigasse nicht zwangsläufig gegen eine konkrete

Person richtete, sondern auch die Polizei, die Müllabfuhr
5790) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 5.

5791) Nachvernehmung D. M. vom 1. Februar 2002, MAT A GBA-
4/8a, Bl.194-199, Bl. 205-210, Bl. 207.

5792) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 6 f.

5793) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 12.

Drucksache 17/14600 – 666 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

oder ein Fundbüro hätte treffen können, für einen politi-

schen Hintergrund spreche.
5794

Dies hat der Zeuge Mittler

aus seiner Erfahrung mit Sprengstoffanschlägen heraus

nicht bestätigen können.

4. Zusammenarbeit mit anderen Behörden

a) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler

Der Zeuge Mittler hat vor dem Untersuchungsausschuss

ausgeführt, dass sich die Sprengstoffermittler jährlich auf

Bundesebene beim BKA zu einem ausführlichen Erfah-

rungsaustausch treffen würden.
5795

Grundsätzlich fahre

jeweils ein Sprengstoffermittler einer Behörde dorthin,

wobei auf jeden Fall auch immer ein Vertreter des Lan-

deskriminalamts zugegen sei.
5796

Im Anschluss würden

die anderen Mitarbeiter mittels eines ausführlichen Proto-

kolls darüber unterrichtet, wobei jeder Sprengstoffermitt-

ler angehalten sei, dieses auch zu lesen.
5797

Daran, ob der

Zeuge Mittler bei diesem jährlichen Treffen auch den Fall

Probsteigasse vorgestellt habe, hat dieser sich nicht mehr

erinnern können.
5798

Er konnte nicht sagen, ob bei dem

Treffen überhaupt ein Austausch über den Fall des

Sprengfallenanschlags stattgefunden habe.
5799

Allerdings

finde über diese jährlichen Treffen hinaus auch ein stän-

diger Austausch mit den Kollegen des BKA und des LKA

statt, da man sich aufgrund der jährlichen Treffen kenne

und teils auch persönliche Kontakte zu den Kollegen

pflege.
5800

b) Einbindung des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz

In seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss

hat der Zeuge Dr. Hartwig Möller, der von 1999 bis Juni

2009 Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Ministe-

rium für Inneres und Kommunales in Nordrhein-

Westfalen war, ausgesagt, dass der Verfassungsschutz

nach dem Sprengfallenanschlag von 2001 in keiner Weise

an der Ermittlungsarbeit beteiligt gewesen sei.

„Dass der Sprengstoffanschlag in der Probsteigas-
se in Köln am 19. Januar 2001 einen politischen

oder gar rechtsterroristischen Hintergrund hatte, ist

dem Landeskriminalamt erst nach der Auswertung

der Ende 2011 auftretenden Bekenner-DVD klar

geworden. Vor diesem Zeitpunkt hat niemand,

auch ich nicht, eine Verfassungsschutzrelevanz des

Anschlages gesehen.
5801
5794) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 14.

5795) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16.

5796) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 23.

5797) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 24.

5798) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16.

5799) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 23.

5800) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 16.

5801) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 3.

[…]

Ich kann nur sagen, dass Sie zu diesem Vorgang in

den Akten des Verfassungsschutzes nichts finden

werden. Das heißt, der ist nicht als politisch rele-

vanter Anschlag bei uns angelandet. […] Das
heißt, auch die Polizei ist letztlich in der Bewer-

tung immer von einem kriminellen Akt ausgegan-

gen, und einen politischen Bezug, der die Ein-

schaltung des Verfassungsschutzes [...] nötig ge-

macht hätte, hat es bis Ende letzten Jahres nicht

gegeben.“5802

Die Frage, ob nicht bereits der Verdacht der Kölner Poli-

zei, dass der iranische Geheimdienst involviert sein könn-

te, eine Benachrichtigung des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz erfordert hätte – auch wenn dies der falsche
Ermittlungsansatz gewesen wäre – hat der Zeuge Dr.
Möller bejaht.

5803
Einen Hinweis aus der für Rechtsex-

tremismus zuständigen Abteilung des BfV habe er jedoch

nicht bekommen. Aus den Akten ergibt sich allerdings,

dass das Polizeipräsidium Köln bereits am Tag des An-

schlags eine Erkenntnisanfrage sowohl an das Bundesamt

für Verfassungsschutz als auch an das nordrhein-

westfälische Innenministerium richtete. In dieser Anfrage

wird das Explosionsereignis beschrieben und zu den Mit-

gliedern der Familie M. ausgeführt, es lägen keine staats-

schutzrelevanten Erkenntnisse vor. Weiter heißt es:

„Aufgrund der Schwere des Ereignisses wird kurz-
fristig um Erkenntnismitteilung zu den Personen

gebeten. Liegen Erkenntnisse über mögliche Be-

drohungslagen von iranischen Familien vor, die

soweit erkennbar nicht in extremistische Organisa-

tionen eingebunden sind?“5804

5. Abfrage Tatmittelmeldedienst

a) Definition und Zweck

Beim Tatmittelmeldedienst handelt es sich um eine Zent-

raldatei des BKA. In dieser Datei werden die durch die

sachbearbeitenden Dienststellen der Länder an das BKA

übermittelten Meldungen zu Ereignissen mit unkonventi-

onellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) gespei-

chert.
5805

Gemäß Polizeidienstvorschrift PDV 403 handelt es sich

dabei um nicht gewerblich hergestellte, in verschiedens-

ten Formen vorkommende, insbesondere als Gegenstände

des alltäglichen Gebrauchs getarnte Vorrichtungen mit

äußerlich bewusst harmlos erscheinendem Aufbau, verän-

derte oder missbräuchlich benutzte gewerbliche oder
5802) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 12.

5803) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 12 f.

5804 MAT A BfV-4, herabgestufter Auszug, Bl. 17 ff. (19) (VS-

NfD).

5805) Zusammenfassung aller Informationen zum Tatmittelmelde-

dienst vom BMI vom 17. August 2012 des BKA, MAT A BMI-

8, Bl. 1-5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 667 – Drucksache 17/14600

militärische Vorrichtungen, die eine Explosion und/oder

einen Brand herbeiführen können.
5806

Der Zweck des Tatmittelmeldedienstes ergibt sich aus der

Anlage zu der Regelung über die „Zusammenarbeit des
Bundeskriminalamtes und der Polizeien der Länder bei

der Bekämpfung von Terrorismus und politisch motivier-

ter Gewaltkriminalität“.5807 Demnach dient die Datei
dazu, die Daten über alle im Rahmen kriminalpolizeili-

cher Ermittlungen in Verwahrung genommenen, sicherge-

stellten oder beschlagnahmten Spuren, Tatmittel oder

Beweisgegenstände, die im Zusammenhang mit der Kon-

struktion, Beschaffung, Aufbewahrung oder Anwendung

von USBV einschließlich Attrappen stehen, zu sammeln

und auszuwerten, um somit Zusammenhänge zwischen

Ereignissen mit USBV anhand der Verwendung gleicher

Tatmittel und oder gleicher Tatbegehungsweisen des

Täters erkennen zu können. Für die Führung dieser Datei

ist das Bundeskriminalamt als Zentralstelle für die Poli-

zeien des Bundes und der Länder nach § 2 BKAG zustän-

dig.

Der Zeuge EKHK Setzer, der bis zum

30. September 2002 Leiter einer der beiden Ländergrup-

pen des Sachgebiets „Sprengstoffermittlungen“ im BKA
war und nach deren Zusammenlegung die alleinige Lei-

tung dieses Sachgebiets übernahm, hat zu Sinn und

Zweck des Tatmittelmeldedienstes ausgeführt:

„Der Tatortmittelmeldedienst für Spreng- und
Brandvorrichtungen beim Bundeskriminalamt ist

eine Zentraldatei, die das Bundeskriminalamt den

Ländern, den Bundesländern zur Verfügung stellt,

um Auswertungen zum Aufbau von Spreng- und

Brandvorrichtungen zu machen. Die Zulieferung

erfolgt seitens der Bundesländer, bzw. im BKA-

eigenen Verfahren wird das durch die Tatort-

gruppe selbst erfasst und dann in diese Datei, die

auf einer Inpol-Fall-Datei basiert, entsprechend

diese Daten aufgenommen. Insgesamt können wir

den Aufbau dieser Vorrichtungen in 229 Feldern in

zwölf Schirmen abbilden, wobei mehrheitlich die-

se Schirme eben dazu benutzt werden, technische

Details dieser Spreng- und Brandvorrichtungen

mittels dieser Datei zu beschreiben. Sinn dieser

Datei ist es, anhand von gleichem oder ähnlichem

Aufbau von Spreng- und Brandvorrichtungen oder

Tatmitteln mögliche Tatzusammenhänge zu er-

kennen.“5808

b) Meldung und Datenerfassung im Tatmit-
telmeldedienst

Die Meldung an das BKA erfolgt durch die sachbearbei-

tenden Dienststellen der Länder über deren Landeskrimi-
5806) MAT A BMI-8; Bl. 26 – VS-NfD.

5807) MAT A BMI-8, Bl. 23 ff. (siehe insbesondere: Errichtungsan-

ordnung des Tatmittelmeldedienstes, Bl. 37 ff.) – VS-NfD.

5808) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 108 f.

nalämter. Pro Jahr gehen im Durchschnitt ca. 1 000 sol-

cher Meldungen ein.

Nach Eingang einer entsprechenden Meldung wird diese

zunächst durch Sprengstoffermittler des BKA auf Tatmit-

telmeldedienst-Relevanz geprüft und gegebenenfalls an

Datenerfassungskräfte weitergeleitet. Nach der Erfassung

der Fallgrunddaten (z. B. Tatort, Tatzeit, Aktenzeichen)

erfolgt eine Datenqualitätskontrolle und weitere Erfas-

sung der Vorrichtungsdaten in der Datei Tatmittelmelde-

dienst. Sofern erforderlich werden weitergehende Infor-

mationen bei der sachbearbeitenden Dienststelle des Lan-

des erbeten, wobei sowohl die inhaltlichen Anforderun-

gen an eine Meldung zu berücksichtigen
5809

als auch Er-

fassungsrichtlinien zu beachten sind.
5810

c) Regelungen für die Speicherungen, Erfas-
sungsfristen und Löschvorgaben

Für personenbezogene Daten gelten die Regelungen des

§ 32 BKAG zur Berichtigung, Löschung und Sperrung

von personenbezogenen Daten in Dateien. Alle anderen

nicht personenbezogenen Daten unterliegen keiner Lö-

schungsfrist.
5811

Eine zeitnahe Erfassung der durch die sachbearbeitenden

Dienststellen der Länder übermittelten Daten im Tatmit-

telmeldedienst ist durch den oben dargelegten Arbeitspro-

zess sichergestellt. Konkrete Erfassungsfristen existieren

nicht.

d) Regelungen für Zugriffsberechtigungen
und Abfragemodalitäten

Der Tatmittelmeldedienst ist eine Zentraldatei beim BKA,

auf die ausschließlich dessen Mitarbeiter Zugriff haben.

Eine Übermittlung von Informationen aus dem Tatmit-

telmeldedienst (wie etwa Ergebnissen zu erbetenen Aus-

wertungen/Recherchen) an andere Dienststellen
5812

richtet

sich nach den §§ 10 und 14 BKAG.

Der Zeuge Setzer hat vor dem Untersuchungsausschuss

erläutert, dass Meldungen eines Bundeslandes durch das

BKA im Tatmittelmeldedienst erfasst, ausgewertet und an

die ermittlungsführenden Dienststellen weitergegeben

würden. Dies sei so auch in den Fällen des Sprengfallen-

anschlags von 2001 sowie des Nagelbombenanschlags

von 2004 geschehen.
5813

Für den Tatmittelmeldedienst gebe es keine festgelegten

Abfrageroutinen. Eine Abfrage erfolge fallbezogen und

mit der Zielrichtung, Tatmittelzusammenhänge zu erken-

nen. Das BKA sei entsprechend darauf angewiesen, dass

die ermittlungsführende Dienststelle des Landes gezielte
5809) Formblatt Tatmittelmeldung, MAT A BMI-8, Bl. 36 – VS-NfD.

5810) MAT A BMI-8, Bl. 81 ff.

5811) MAT A BMI-8, Bl. 37 ff., Bl. 44.

5812) Andere Dienststellen sind beispielsweise andere Polizeien des

Bundes, Polizeien der Länder oder Justizbehörden.

5813) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110.

Drucksache 17/14600 – 668 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anfragen stelle, damit eine entsprechende gezielte Aus-

wertung möglich sei.
5814

Der Zeuge Setzer schilderte die

Kommunikation zwischen dem Tatmittelmeldedienst des

BKA und den Tatortbeamten aus den Sprengstoff- und

Branddeliktgruppen der Landeskriminalämter als sehr eng

und verwies auf die Tatsache, dass die Ausbildung zum

Sprengstoffermittlungsbeamten für den Bund und die

Länder zentral beim BKA erfolge.
5815

e) BKA – Ermittlungen im Fall des Sprengfal-
lenanschlags

Im Fall des Sprengfallenanschlags ergab eine Auswertung

des Tatmittelmeldedienstes für den Bereich des Landes

Nordrhein-Westfalen drei Fälle, in denen eine gleichartige

Druckgasflasche als Behälter einer Sprengvorrichtung

bzw. einer Attrappe eingesetzt wurde. Ein Tatmittelzu-

sammenhang zwischen diesen drei Fällen und dem

Sprengfallenanschlag konnte nicht festgestellt werden.
5816

Die bundesweite Auswertung des Tatmittelmeldedienstes

vom 16. März 2001 führte zu keiner Feststellung von

konkreten Übereinstimmungen.

Vorsorglich wurden jedoch – mit Ausnahme der drei Fälle
in Nordrhein-Westfalen – 13 Fälle mitgeteilt, in denen
Gasflaschen des Fabrikats „Eurotre“ Verwendung gefun-
den hatten. Der älteste ermittelte Fall stammte aus dem

Jahr 1986.
5817

Im Untersuchungsausschuss ist hinterfragt worden, wes-

halb als vergleichendes Kriterium ausschließlich der ver-

wandte Sprengstoff und nicht beispielsweise die gleiche

Opferauswahl oder gleiche Tatmotivation herangezogen

worden sei. In diesem Zusammenhang ist die Tatmittel-

meldedienst-Recherche zum Anschlag auf die Wehr-

machtausstellung in Saarbrücken als Beispiel angeführt

worden.
5818

Am 9. März 1999 habe es einen Sprengstoff-

anschlag auf die Wehrmachtausstellung in Saarbrücken

gegeben. Im selben Monat seien zwei Briefbombenattrap-

pen versandt worden, bei denen man sich unter anderem

auf die Ausstellung bezogen habe. Eine sei an den dama-

ligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bu-

bis, die andere an eine Person in München geschickt wor-

den.
5819

Zu diesen Delikten sei eine Recherche im Tatmit-

telmeldedienst erfolgt. Das BKA habe im Jahr 2000 da-

raufhin mitgeteilt:
5814) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110.

5815) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 115.

5816) MAT A GBA-4/7a, Bl. 136.

5817) MAT A BKA 2/40, Bl. 174 f.

5818) Mittler, Protokoll-Nr. 22, Bl. 9 f.

5819) Laut Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des GBA vom
20. Dezember 2011, MAT A GBA-4/1, Bl. 340 f. ging eine At-

trappe im Büro des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der

Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, ein. Die andere wurde an
den in München wohnhaften Karl-Heinz H. versandt. Dieser

soll mit dem verantwortlichen Leiter der „Wehrmachtsausstel-
lung“ Hannes H. verwechselt worden sein.

„Weiter war aufgefallen, dass die versandten
Briefbombenattrappen, wahrscheinlich aufgrund

von Ähnlichkeiten in der Bauweise, von denselben

Personen hergestellt worden waren […] [und wie-
sen] in Art und Bauweise eine gewisse Ähnlichkeit

zu denjenigen Bombenattrappen auf, die bei einer

Durchsuchung der Wohnräume von Uwe Mundlos,

Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im gegen diese

Personen gerichteten Ermittlungsverfahren der

Staatsanwaltschaft Gera […] gefunden worden wa-
ren. […] Eine Übereinstimmung konnte […] nicht
festgestellt werden.“5820

Im Jahr 2000 sei es somit möglich gewesen, bei einer

Recherche im Zusammenhang mit einem Sprengstoffde-

likt auf das Trio zu stoßen.
5821

Zur Frage der Recherchemöglichkeiten im Tatmittelmel-

dedienst hat der Zeuge Setzer allerdings auch ausgeführt:

„Sie können mit jedem Feld recherchieren im
Tatmittelmeldedienst, wobei wir automatisch - -

Wenn wir also eine Meldung bekommen vom

Land, wird das erfasst im Tatmittelmeldedienst

und von uns direkt ohne weitere Aufforderung an-

hand der mitgeteilten Tatmittel eine Auswertung

gefahren. Diese Auswertung geben wir auch - und

das ist in den Richtlinien der Zusammenarbeit zwi-

schen dem Bundeskriminalamt und den Ländern in

Fällen der terroristischen Gewaltkriminalität so

festgeschrieben -, diese Ermittlungsergebnisse und

-erkenntnisse - wie ja auch in den Fällen 2001,

2004, aber auch Wehrmachtsausstellung gesche-

hen -, die geben wir dann an die ermittlungsfüh-

rende Dienststelle. Das ist also der Generalauftrag.

So verstehen wir das. Alle weiterführenden Anfra-

gen mit allen möglichen Kombinationen, die es

geben könnte, da benötigen wir, weil wir ja als

Tatortgruppe gar nicht die Ermittlungserkenntnisse

haben, da benötigen wir, ich will es mal nennen,

eine Steuerung durch die ermittlungsführende

Dienststelle, die uns dann sagt: Du, ZD 32, mach

uns bitte auch noch eine Auswertung in der und

der Zielrichtung oder mit dem und dem Abfrage-

modus.“5822

Der Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage be-

schäftigt, ob die Täter durch die Recherche- und Such-

funktion im Tatmittelmeldedienst hätten ermittelt werden

können und warum nicht auch nach den Merkmalen

„Fremdenfeindlichkeit“ und „Rechtsradikale“ gesucht
worden sei.

5823
Der Zeuge Setzer hat hierzu ausgeführt:

„Man hätte es damals dann ja auch nicht auf die
Rechten alleine beschränken dürfen, sondern man
5820) MAT A BMJ-4b, Bl. 20 f.

5821) Mittler, Protokoll-Nr. 22, Bl. 9 f.

5822) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110.

5823) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 111.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 669 – Drucksache 17/14600

hätte auch die gesamte breite Palette mit bekannten

Tätern machen müssen. Das wäre gegangen, si-

cherlich. Die Anzahl der Treffer kann ich Ihnen

jetzt nicht sagen, was es damals ergeben hätte.

Aber ich stimme Ihnen zu: Es wären also nicht

Tausende gewesen.“5824

6. Damalige Kenntnisse der Ermittler über
das Trio

a) Fahndungsplakate nach dem Untertauchen

Der Zeuge Mittler ist im Ausschuss gefragt worden, ob er

sich an Fahndungsplakate erinnern könne, die im Jahr

2001 in den Polizeidienststellen der Bundesrepublik aus-

hingen, weil zu dieser Zeit bundesweit nach drei flüchti-

gen Bombenbauern aus Thüringen gefahndet worden

sei.
5825

Der Zeuge hat erklärt, dass er diesbezüglich keine

Erinnerung habe. Das Trio hätte in seinen Ermittlungen

keine Rolle gespielt.

b) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler

Nicht erklären konnte der Zeuge Mittler, warum er im

Kontext des jährlichen Austauschtreffens der Spreng-

stoffermittler nicht etwa von Kollegen über die Fahndung

nach dem Trio informiert wurde.
5826

c) Eintragungen im Tatmittelmeldedienst

Einer Stellungnahme des BKA lässt sich entnehmen, dass

es im Tatmittelmeldedienst mehrere Eintragungen zu den

Sprengstofftaten gab, die Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

oder Beate Zschäpe einzeln oder gemeinschaftlich zuge-

ordnet wurden.
5827

Mit Stand vom 8. November 2012
5828

waren im Tatmit-

telmeldedienst folgende acht Ereignisse mit der Person

Uwe Böhnhardt als Täter gespeichert:

– Bombenattrappe an Autobahnbrücke bei Jena am
13. April 1996,

– Bombenattrappe am Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena am
6. Oktober 1996,

– Briefbombenattrappe an Lokalredaktion der Thürin-
ger Landeszeitung in Jena am 30. Dezember 1996,

– Briefbombenattrappe an Stadtverwaltung Jena an
1. Februar 1997,
5824) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 111.

5825) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 22.

5826) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 23 f.

5827) MAT A BMI-8, Bl. 3 f.

5828) Dieses Datum ist in der Stellungnahme des BKA, MAT A

BMI-8, Bl. 3, genannt. Die Stellungnahme selbst datiert aller-
dings vom 15. August 2012. Es ist davon auszugehen, dass die

Eintragungen im Tatmittelmeldedienst mit Stand vom

8. November 2011 gemeint waren.

– Briefbombenattrappe an Polizeidirektion Jena am
1. Februar 1997,

– Rohrbombe in Koffer auf dem Theatervorplatz in
Jena am 2. September 1997,

– Fund einer Bombenattrappe vor Magnus-Poser-
Denkmal in Jena am 26. Dezember 1997,

– Sicherstellung Explosivstoffe Tatmittelteile am
26. Januar 1998 in Jena (Garagenfund).

7. Einstellung und Asservatenvernichtung

Mit Verfügung vom 13. Juni 2001 wurde das Ermitt-

lungsverfahren nach einer belastenden Aussage durch den

Bruder der Geschädigten als Js-Verfahren gegen P. T.

erfasst und sogleich gemäß § 170 Abs. 2 StPO einge-

stellt.
5829

Nach einer erneuten ergebnislosen Vernehmung des La-

deninhabers D. M. beim PP Köln am 14. August 2001,
5830

verfügte die Staatsanwaltschaft Köln am 22. August 2001,

dass es bei der Einstellung bleibe.
5831

Die StA Köln verfügte am 25. Juni 2003 (handschrift-

lich):

„1. […] b) Auch wenn sich seit der Verfahrensein-
stellung keine neuen Erkenntnisse ergeben haben,

sollen die Asservate angesichts Art und Schwere

der Tat aus Gründen äußerster Vorsicht noch wei-

terhin und auch längerfristig asserviert bleiben.“

Als Wiedervorlagetermin wurde der 19. Januar 2006

bestimmt.
5832

Der Untersuchungsausschuss hat in seiner Sitzung hinter-

fragt, weshalb die Ermittlungen bei einem Sprengstoffan-

schlag mit einer schwer verletzten Person bereits nach

fünf Monaten eingestellt wurden.
5833

Hierzu hat Krimi-

nalhauptkommissar a. D. Edgar Mittler, Leiter der Ermitt-

lungskommission „Probst“, ausgeführt, dass alle Spuren
abgearbeitet gewesen und keinerlei neue Hinweise erfolgt

seien.

Nachdem sich in der Folgezeit keine neuen Ermittlungs-

ansätze ergeben hatten, wurden aufgrund der Verfügun-

gen vom 20. Januar 2006 und 27. Januar 2006 alle

asservierten Gegenstände zum Tatort Probsteigasse ver-

nichtet und die verbliebenen Akten weggelegt.
5834

Die

Staatsanwaltschaft Köln verfügte die Vernichtung sämtli-

cher Asservate, obwohl sie selbst von einer Verjährungs-

frist von 20 Jahren ausging.
5835
5829) MAT A GBA-4/8a, Bl. 276, 294.

5830) MAT A GBA-4/8a, Bl. 300.

5831) MAT A GBA-4/8a, Bl. 301.

5832) MAT A GBA-4/8a, Bl. 313 f.

5833) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 6.

5834) Abgabebericht des Generalstaatsanwalts Köln an den General-
bundesanwalt vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 491

ff.

5835) MAT A GBA-4/8a, Bl. 319.

Drucksache 17/14600 – 670 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße
in Köln

1. Tatgeschehen und erste Reaktionen

Am 9. Juni 2004 wurde in der Keupstraße in Köln, die als

kulturelles Zentrum einer großen türkischen Gemeinde

bekannt und durch eine Vielzahl türkischer Geschäfte

geprägt ist, ein dem Trio zugerechneter Nagelbombenan-

schlag verübt. Gegen 15.56 Uhr ereignete sich dort in

Höhe der Hausnummern 29 und 31 eine Explosion. In den

beiden Häusern waren mehrere Wohnungen und Ge-

schäftsräume. Im Erdgeschoss des Hauses 29 befand sich

ein Friseurladen, in dem sich zur Explosionszeit mehrere

Personen aufhielten. Ein an einem Fahrrad angebrachter

Metallbehälter, in dem sich ca. 700 zehn Zentimeter lange

Zimmermannsnägel befanden, war zur Explosion ge-

bracht worden. Bei der Untersuchung der Reste des

Sprengsatzes stellten Spezialisten des Landeskriminalam-

tes fest, dass die Zündung über eine Fernbedienung er-

folgt war.

Insgesamt wurden 22 Personen im Alter zwischen 17 und

68 Jahren verletzt, 18 davon leicht und vier schwer. Die

Betroffenen erlitten überwiegend Splitterverletzungen

durch herumfliegende Teile, insbesondere Metallnägel.

Durch die Explosion zersplitterten ca. 30 Fensterscheiben

an Wohn- und Geschäftsgebäuden. 15 PKW wurden zum

Teil erheblich beschädigt. In den angrenzenden Geschäf-

ten kam es ebenfalls zu erheblichen Schäden. Der Ge-

samtschaden belief sich auf mehrere 100 000 Euro. Beide

Täter, die zuvor von Überwachungskameras aufgezeich-

net wurden, flüchteten mit Fahrrädern.
5836

a) Sachstandsbericht des Generalstaatsan-
walts in Köln vom 4. Januar 2012

Das Tatgeschehen ist vom Generalstaatsanwalt in Köln in

seinem Sachstandsbericht vom 4. Januar 2012 ausführlich

wie folgt beschrieben worden:

„Am Tattag, dem 09.06.2004, hielten sich die bei-
den bislang noch unbekannten Tatverdächtigen des

Nagelbombenattentats spätestens ab ca. 14.00 Uhr

bis 14.30 Uhr in Köln-Mülheim an einem nicht

näher bekannten Ort in der Nähe der KVB-

Haltestelle „Von-Sparr-Straße“ bzw. dem dort be-
findlichen ehemaligen Firmengelände der Firma

Fetten & Guillaume auf.

Von dort bewegte sich der Täter Nr.1 zu der

Schanzenstraße und dort auf dem Bürgersteig in

Richtung Keupstraße; er schob dabei zwei Moun-

tainbikes, die er links und rechts seines Körpers

mit je einer Hand führte. Der inklusive Kleidung

ca. 1,76 m bis 1,77 m große, leicht korpulent wir-

kende Täter im Alter von 25 bis 30 Jahren war mit
5836) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom

4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.; Ministervorlage

vom 11. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 92.

einer knielangen dunklen Bermuda-Shorts, einem

dunklen kurzärmligen T-Shirt, geschlossenen

Halbschuhen, dunklen Socken sowie einer Base-

ballkappe bekleidet und trug um die Taille eine

Umhängetasche. Um 14.34 Uhr passierte der Täter

Nr. 1 die beiden Überwachungskameras am da-

mals noch in, der Schanzenstraße 22 gelegenen

Firmengebäude des Musiksenders ‚VIVA‘. Etwa 12
Minuten später kehrte er ohne die beiden Bikes,

die er in einem bisher unbekannten Versteck in der

Nähe der Keupstraße deponiert hatte, auf den

Gehweg Schanzenstraße zurück und passierte um

14.46 Uhr erneut die ‚VIVA‘-
Überwachungskameras. Er trug nun in der rechten

Hand einen zettelähnlichen Gegenstand. Nach et-

was mehr als 20 Minuten bewegte er sich wieder

über den Gehweg Schanzenstraße in Richtung

Keupstraße, wobei er diesmal in der linken Hand

einen durchsichtigen Beutel mit einem fladenbrot-

ähnlichen Gegenstand und in der rechten Hand ei-

ne weiße Tüte mit einem augenscheinlich kantigen

Gegenstand trug.

In einiger Entfernung folgte ihm nun Täter Nr. 2

zu Fuß auf einem geteerten Weg vor der Einmün-

dung zur Haltestelle ‚Von-Sparr-Straße‘ in Rich-
tung Schanzenstraße. Dort fiel der inklusive Klei-

dung ca. 1,78 m bis 1,80 m große, schlanke, sport-

liche Täter Nr. 2 im Alter von ebenfalls ca. 25 bis

30 Jahren, der eine über die Knie reichende länge-

re Sporthose mit weißen Seitenstreifen, ein kurz-

ärmliges helles T-Shirt, eine Baseball-Kappe,

Sportschuhe und Handschuhe trug, um etwa 15.05

Uhr der Zeugin B. auf, die sich auf dem Rückweg

aus einem Fitness-Center in der Schanzenstraße

befand. Die Aufmerksamkeit der Zeugin, die den

Täter Nr. 2 als einen hübschen Mann eher mediter-

ranen Typs beschreibt, erregte insbesondere das

außergewöhnlich vorsichtige und langsame Schie-

ben eines Fahrrades, das er mit sich führte. Um ca.

15.10 Uhr passierten zunächst Täter Nr. 1 und

knapp 42 Sekunden später Täter Nr. 2 den video-

überwachten Eingang des VIVA-Gebäudes. Täter

Nr. 2 schob dabei an seiner linken Seite mit beiden

Händen ein als Tatmittel verwendetes und mit ei-

ner unkonventionellen Sprengvorrichtung präpa-

riertes Damenfahrrad der Marke ‚CYCO‘. Dieses
Fahrrad wurde speziell für die Firma Aldi-Süd

hergestellt und dort ab dem 19.04.2004 verkauft.

Der serienmäßige Seitenständer wurde bei dem

Tatfahrrad allerdings durch einen Zweibeinständer

ersetzt. Auf dem Gepäckträger befand sich ein

Top-Case aus Kunststoff (Hartschalenkoffer) der

Marke ‚KAPPA‘. Darüber hinaus war an der rech-
ten Seite des Gepäckträgers eine einzelne Fahrrad-

tasche der Marke ‚UMAREX‘ befestigt. Diese Sei-
tentasche war so eingehängt, dass sie nicht ohne

Abschrauben der Befestigungsplatte des Top-Case

weggenommen werden konnte.

In diesem Top-Case lag eine Campinggasflasche

(Butangas) mit einer Höhe von 26 cm, in der sich

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 671 – Drucksache 17/14600

maximal 5,5 Kilo Schwarzpulver befanden. Weiter

enthielten das Top-Case bzw. die Fahrradtasche

noch diverse Elektroteile eines Empfängers der als

Zündung benutzten Funkanlage, die aus zwei

Servos C 508 der Marke Graupner, einer Empfän-

gerplatine ACT Mikro 6,35 mhz, zwei Quarzen

mit der Frequenz 35.110 mhz, mindestens einer

Packung Batterien der Marke ‚Tronico‘, einem
schwarzen Wippschalter, diversen Kupferlitzen in

den Farben rot, blau, schwarz, braun, orange, gelb ,

und weiß sowie einer Glühbirne bestand. Um die

zerstörerische Wirkung dieses unkonventionellen

Sprengsatzes noch zu erhöhen, befanden sich in

dem Top-Case zusätzlich mindestens 702 Zim-

mermannsnägel mit einem Durchmesser von ca. 5

mm und einer Länge von 10 cm sowie Watte. Wei-

tere Gegenständeführte der Täter Nr. 2 nicht mit

sich. Die Tatverdächtigen hielten sich wahrschein-

lich weitere ca. 35 bis 40 Minuten in der Nähe der

Keupstraße, möglicherweise an einem in der

Schanzenstraße gelegenen überdachten Fahrradab-

stellplatz schräg gegenüber des VIVA-Gebäudes

auf. Ca. 15.50 Uhr überquerte zunächst Täter Nr. 1

die Schanzenstraße und führte dabei wie bereits

zuvor zwei Mountainbikes mit sich. Nach Errei-

chen des Gehwegs wandte er sich nach rechts und

ging weiter in Richtung Keupstraße. 24 Sekunden

später folgte Täter Nr. 2 mit dem Tatfahrrad in der

gleichen Richtung. Täter Nr. 1 deponierte ein

Mountainbike als Fluchtmittel für Täter Nr. 2 an

einer nicht näher bekannten, wohl aber einer ge-

schützten Räumlichkeit in dem Bereich

Keupstraße/Schanzenstraße und hielt sich selber

mit der in einer weißen Tüte mitgeführten Funk-

steuerung zur Zündung der Sprengvorrichtung in

Tatortnähe auf. Täter Nr. 2 schob das Tatfahrrad

auf dem Gehweg von der Schanzenstraße in die

Keupstraße und dort vor den Friseursalon ‚Ö.‘ in
dem Haus Nr. 29. Er führte das Tatfahrrad dicht an

die linke Schaufensterscheibe heran und hob es auf

den Zweibeinständer. Um 15.56 Uhr zündete der

Täter Nr. 1 die unkonventionelle Sprengvorrich-

tung über eine elektronische Funkfernzündung

mittels einer hochwertigen FM-Fernsteuerung. Die

Zündung war so aufgebaut, dass per Funksteue-

rung, vermutlich über zwei unterschiedliche Fre-

quenzen, zwei verschiedene Servos angesteuert

werden konnten, die an zwei verschiedenen Stellen

den Stromkreis für die Zündung schlossen. Durch

die Wucht der Explosion zersplitterten Schaufens-

ter und Scheiben von Wohnungen bis zu einer Ent-

fernung von ca. 250 Metern vom unmittelbaren

Tatort in beiden Richtungen. Durch herumfliegen-

de Metallsplitter und Zimmermannsnägel erlitten

22 Personen zum Teil schwerste Verletzungen. An

mehreren Häusern sowie an am Tatort abgestellten

Fahrzeugen entstand, auch durch den Flug der

Zimmermannsnägel, zum Teil erheblicher Sach-

schaden. Die Metallnägel schlugen in Autos,

Wohn- und Geschäftsgebäude ein und mussten di-

versen Opfern später aus den verschiedensten

Körperteilen chirurgisch entfernt werden.

Täter Nr. 1 entfernte sich nach der Detonation mit

einem der Mountainbikes und vermutlich der

Fernsteuerung, die sich in der weißen Tüte befand,

von der Keupstraße aus auf einem Fußweg Rich-

tung Genovevastraße, da eine Flucht über die

Keupstraße, egal in welche Richtung, durch Split-

ter, Nägel und sonstige Tat- und Schadensgegen-

stände sowie durch die schnell wachsende Zahl

von Bewohnern, Helfern und Schaulustigen er-

schwert worden wäre. Die Videokameras des Sen-

ders VIVA zeigten jedenfalls keine weiteren Auf-

zeichnungen von Täter Nr. 1 bis zum Einbruch der

Dunkelheit.

Täter Nr. 2 trat seine Flucht mit dem für ihn depo-

nierten Mountainbike zunächst über den Gehweg

vor dem VIVA-Gebäude in nördliche Richtung an.

In Höhe der Einfahrt zum VIVA-Gelände verharrte

er kurz auf dem Gehweg und wechselte dann auf

die Fahrbahn der Schanzenstraße, wo er seine

Flucht mit hoher Geschwindigkeit fortsetzte. Er

passierte mit dem Fahrrad die Kameras vor dem

VIVA-Eingang um 15.57 Uhr, ca. 30 bis 60 Sekun-

den nachdem auf dem Video bei Passanten er-

kennbar Reaktionen auf die Explosion feststellbar

waren. Täter Nr. 2 fixierte mit seiner rechten Hand

die durchsichtige Tüte mit dem fladenbrotähnli-

chen Gegenstand am Lenker.“5837

b) Warum entfiel in den Lagemeldungen des
LKA der zunächst enthaltene Hinweis auf
einen möglichen terroristischen An-
schlag?

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, warum die

Polizei die ursprüngliche Einstufung des Nagelbomben-

anschlags als terroristischen Akt korrigierte und ob dies

auf einer politischen Einflussnahme beruhte.

aa) Meldungen des LKA: terroristischer An-
schlag?

Am 9. Juni 2004 unterrichtete das LKA Nordrhein-

Westfalen um 17.04 Uhr eine Vielzahl von Behörden,

u. a. alle Landeskriminalämter, das Innenministerium

Nordrhein-Westfalen, den GBA, das BKA, das BfV und

das BMI mit Fernschreiben von dem Nagelbombenan-

schlag. Das Fernschreiben hatte folgenden Wortlaut:

„betr.: terroristische gewaltkriminalitaet
hier: anschlag auf zwei geschaefte in koeln –
muelheim

bezug: fernmuendliche vorausmeldung am

09.06.2004, 16:35h durch br koeln
5837) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom

4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.

Drucksache 17/14600 – 672 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

[…] vorbehaltlich der fernschriftlichen bestaeti-
gung durch die tatortbehoerde teile ich folgenden

sachverhalt mit: bei der explosion von zwei ge-

schaeften auf der kolbstr. in koeln-muelheim wur-

den 10 bis 15 personen verletzt, davon einige

schwer. da im umkreis zimmermannsnaegel ge-

funden wurden geht man von einem anschlag

aus.“5838

Wenig später, um 17.45 Uhr korrigierte das LKA die

Erstmeldung in einem weiteren Fernschreiben wie folgt:

„die im bezug genannte lageerstmeldung wird kor-
rigiert. bisher liegen keine hinweise auf terroristi-

sche gewaltkriminalitaet vor. nach bisherigen er-

kenntnissen handelt es sich um einen anschlag un-

ter verwendung von usbv bei dem personen- und

sachschaden entstand. es wird nachberichtet.“5839

bb) Geschehen im Lagezentrum der Polizei
Nordrhein-Westfalen

Das beim Ministerium für Inneres und Kommunales in

Düsseldorf angesiedelte Lagezentrum der Polizei in

Nordrhein-Westfalen sammelt Informationen und gibt

Lagemeldungen weiter.
5840

Den Dienst versahen am

9./10. Juni 2004 zwei oder drei Polizeibeamte sowie ein

oder zwei mit administrativen Tätigkeiten betraute Be-

schäftigte.
5841

Der im Lagezentrum erstellten Dokumenta-

tion lässt sich folgender Ablauf entnehmen:

Nach dem Anschlag in der Keupstraße wurde am

9. Juni 2004 um 16.25 Uhr das Lagezentrum benachrich-

tigt. Um 17.09 Uhr ging beim Lagezentrum ein Schreiben

des LKA mit dem Betreff „Terroristische Gewaltkrimina-
lität“ ein. Aus dem Schreiben ging hervor, dass das LKA
zu diesem Zeitpunkt von einem Anschlag ausging. Um

17.25 Uhr wurde der damalige nordrhein-westfälischen

Innenminister Dr. Behrens informiert. Um 17.30 Uhr rief

ein Mitarbeiter des Ministerbüros von Minister Dr. Be-

hrens
5842

beim Lagezentrum an und bat um Informations-

weitergabe und um Information der Abteilung 6, der Ver-

fassungsschutzabteilung im Innenministerium Nordrhein-

Westfalen. Um 17.32 Uhr erfolgte die Informationswei-

tergabe an den Staatssekretär. Um 17.36 Uhr bat das La-

gezentrum das LKA um Streichung des Begriffes „terro-
ristischer Anschlag“ aus dem momentanen Schriftverkehr.
Um 18.44 Uhr teilte ein weiterer Mitarbeiter des Minis-

terbüros dem Lagezentrum mit, dass Presseanfragen an

das Polizeipräsidium Köln zu verweisen seien. Bei „wich-
tigen hartnäckigen“ Anfragen seien Herr R. und Frau P.
5838) Fernschreiben des LKA Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni

2004, 17.04 Uhr, MAT A BMI-4/57e, Bl. 57, 58.

5839) Fernschreiben des LKA Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni

2004, 17.45 Uhr, MAT A BMI-4/57e, Bl. 59, 60.

5840) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4, 7.

5841) Schreiben des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom

28. September 2012, MAT A NW-10.

5842) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 25.

über Handy zu erreichen. Der Minister gebe zurzeit keine

Auskunft über den Sachverhalt.
5843

cc) Aussagen der Zeugen Weber, Wolf, Dr.
Behrens

Der Zeuge Weber, der damals Leiter der Ermittlungs-

kommission MK „Sprengstoff“ war, hat ausgesagt, er
könne keine Erklärung dafür geben, dass die Polizei die

Einstufung des Nagelbombenanschlags als terroristischen

Akt korrigiert habe. Er sei am Tattag zu dieser Uhrzeit

noch nicht mit dem Fall befasst gewesen. Erst später,

gegen 18 Uhr, habe er eine Prüfung durchgeführt, ob die

Mordkommission eine Tatortaufnahme übernehme. Zu

dieser Einschätzung zu Beginn könne er keine Aussage

machen.
5844

Der Zeuge Wolf, der als Leiter der Abteilung

für politische Straftaten mit dem Fall befasst war, hat

ebenfalls erklärt, weder an der Formulierung noch an der

Korrektur in irgendeiner Weise beteiligt gewesen zu

sein.
5845

Der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Dr.

Behrens hat hierzu als Zeuge zunächst ausgesagt:

„Das ist ja unmittelbar dann nachher, Herr Vorsit-
zender, wie Sie auch wissen, auch korrigiert wor-

den, diese Einschätzung ‚terroristischer Anschlag‘
oder ähnliche Bezeichnung; das ist ja später auch

im Betreff verändert worden. Das geht nicht auf

meine Initiative zurück, sondern das hat die Polizei

von sich aus veranlasst, weil es zu diesem Zeit-

punkt keine Hinweise auf einen terroristischen

Hintergrund gab.“5846

Er vermute, dass die Korrektur des Betreffs vorgenom-

men worden sei, um nicht Vorfestlegungen im polizeili-

chen Schriftverkehr über das tatsächliche Geschehen zu

haben. Weiterhin hat er hierzu ausgeführt:

„Ob es terroristische Gewaltkriminalität ist, das ist
ja schon eine Einengung auf mögliche Hintergrün-

de, auf Motive, die zu dem Zeitpunkt sicherlich

auch verfrüht gewesen ist und deshalb zu einer

Korrektur geführt hat. Zu dem Zeitpunkt konnte

man das, denke ich, zu Recht noch nicht wis-

sen.“5847

Dem Zeugen ist anschließend vorgehalten worden, die

Korrektur sei erfolgt, nachdem eine Unterrichtung des

Ministers sowie weiterer Personen aus dem Ministerium

erfolgt sei, ohne dass sich an der Lage etwas geändert

habe. Auf die Frage, ob er daher zustimmen könne, dass

die Korrektur nicht auf Ermittlungserkenntnissen vor Ort

basiert habe, sondern auf einer Weisung des Innenminis-

teriums Nordrhein-Westfalen, hat er geantwortet:
5843) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-

12.

5844) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 29.

5845) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 92.

5846) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 10.

5847) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 11, 12.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 673 – Drucksache 17/14600

„Das kann ich ja gar nicht bestreiten. Die Abläufe
haben Sie ja dargestellt. Ich kenne Sie nicht anders

als aus diesem Protokoll. Ich will nur darauf hin-

weisen, dass ich in diese Richtung keinerlei Veran-

lassung gegeben habe durch eigene Weisungen

oder Bemerkungen in diese Richtung. Also, das ist

nicht von mir veranlasst worden, nicht von mir.

Von wem auch immer es im Hause […]“5848

Dr. Behrens hat weiter gesagt, dass die Streichung des

Begriffs „terroristische Gewaltkriminalität“ aus dem Be-
treff nicht aufgrund einer neuen Erkenntnislage vor Ort,

sondern aufgrund einer Bewertung der Erkenntnislage

durch die vorgesetzte Behörde erfolgt sei.
5849

Auf die

Frage, ob er oder seine engsten Mitarbeiter darauf hinge-

wirkt hätten, neutraler zu formulieren, hat er erklärt:

„Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Also we-
der von mir – das ist ganz sicher; das weiß ich –,
und die Arbeit von Herrn F. kenne ich so, dass er

sicherlich von sich aus darauf in dieser Richtung

auch keinen Einfluss genommen hätte. Wenn,

dann kam das aus der Polizeiabteilungsleitung

möglicherweise von irgendjemandem; das kann

ich nicht sagen.“5850

Geteilt wurde die in der Änderung der Lageberichterstat-

tung zum Ausdruck kommende Bewertung, dass es zu

diesem Zeitpunkt keinerlei Hinweise auf einen terroristi-

schen Hintergrund der Tat gegeben habe, damals zudem

ausdrücklich durch Oberstaatsanwalt Wolf, der die Ermitt-

lungen leitete, in seiner Pressekonferenz vom

10. Juni 2004.
5851

c) Kontaktaufnahme des BfV mit einem Mit-
arbeiter des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen

aa) Lagedokumentation

Der Ausschuss hat sich für die Gründe und die Auswir-

kungen einer frühzeitigen Beschäftigung des BfV mit

dem Kölner Nagelbombenanschlag interessiert. Hierbei

ging es dem Ausschuss insbesondere um die Hintergründe

eines Anrufs eines Mitarbeiters des BfV im Lagezentrum.

Der Lagedokumentation der Polizei lässt sich hierzu fol-

gender Ablauf entnehmen:

Um 19.53 Uhr rief ein Mitarbeiter des BfV, der Beschaf-

fungsleiter Rechtsextremismus, im Lagezentrum an und

bat um Kontaktherstellung mit jemandem von der Abtei-

lung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen. Drei

Minuten später meldete sich ein Mitarbeiter der Abteilung

6 wieder beim Lagezentrum und bat um Bestätigung des
5848) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 19.

5849) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 19.

5850) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 25.

5851) Protokoll der Pressekonferenz vom 10. Juni 2004, MAT A-

GBA 9, Bl. 52.

Grundsachverhaltes. Er teilte seine Absicht mit, Kontakt

mit den Staatsschutzdienststellen des LKA und des PP

Köln aufzunehmen.
5852

bb) Aussagen der Zeugen Weber, Hofmann
und Dr. Möller

Der Zeuge Weber hat erklärt, ihm lägen keine Erkenntnis-

se zu dem Ablauf im Lagezentrum vor. Der Kontakt zwi-

schen Lagezentrum und Ermittlungskommission sei nicht

so eng.
5853

Der Zeuge Hofmann, der zu diesem Zeitpunkt Leiter des

Beschaffungsreferats deutscher Extremismus in der Ab-

teilung 6 des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen

war, hat ausgesagt, dass er der Gesprächspartner des Kol-

legen vom BfV gewesen sei. Die „Beschaffer“ hätten die
Eigenart, sich parallel zu allen anderen Wegen auszutau-

schen, wenn etwas passiert sei. Relativ schnell nach Er-

eignissen, auf die in irgendeiner Form eine Reaktion der

Verfassungsschutzbehörde erfolge, werde der Beschaf-

fungsleiter informiert. Er erinnere sich daran, dass das

Lagezentrum der Polizei ihn angerufen und ihn gebeten

habe, den ihm bereits bekannten Kollegen vom BfV zu-

rückzurufen, der um seinen Rückruf gebeten habe.

Zum Inhalt des Gesprächs hat er erklärt, dass keine Auf-

zeichnungen von ihm gefertigt worden seien. Soweit er

sich daran erinnere, sei es das Bemühen von Seiten des

Kollegen gewesen, die Lage zu hinterfragen. Der Kollege

habe ihn gefragt, ob er schon Näheres sagen könne, um

sein Haus und den politischen Bereich unterrichten zu

können. Dies sei ihm zu dem Zeitpunkt nicht möglich

gewesen, weil er erst unmittelbar vorher durch die Polizei

von dem Anschlag erfahren habe. Einen anderen Hinter-

grund habe das Gespräch nicht gehabt.

Es habe sich um ein informelles Gespräche gehandelt. Die

informellen Wege seien von einem vertrauensvollen Ver-

hältnis zueinander geprägt. In keiner Weise sei in diesem

Gespräch ein Hinweis auf einen Tatgeschehensablauf

ergangen.
5854

Der Zeuge Hofmann hat zudem ausgesagt, er könne nur

mutmaßen, warum sein Gesprächspartner den Kontakt zu

ihm über das Lagezentrum gesucht habe. Möglicherweise

habe dieser ihn auf seinem Handy nicht erreicht und ken-

ne seine Privatnummer nicht. Dem Lagezentrum der Poli-

zei sei seine Privatnummer dagegen sehr wohl bekannt.

Der Anruf könne auch mit der Nähe des Ereignisortes

zum BfV zusammenhängen.
5855

Die Einschaltung eines Mitarbeiters des BfV hat der Zeu-

ge Dr. Möller in dem Fall für denkbar gehalten, in dem

das BfV eine eigene Zuständigkeit sehe. Das BfV sei

zudem auf jeden Fall zuständig, wenn die Dimension des
5852) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l,

Bl. 1-12.

5853) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 42.

5854) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 3-5.

5855) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 5.

Drucksache 17/14600 – 674 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anschlags so groß sei, dass man in ihm einen Anschlag

auf das Wohl der Bundesrepublik sehe. Auch wenn län-

derübergreifende Bezüge vorhanden seien, sei auf jeden

Fall das Bundesamt zuständig. Wenn ein Anschlag passie-

re, sei aber jeder Rat und jede Information willkommen.

In diesem Moment würden keine Zuständigkeiten geprüft,

sondern es werde gefragt, ob jemand etwas Wertvolles

zur Aufklärung beitragen könne.
5856

cc) Erkenntnisse des BfV zum Sachverhalt

Den Gesprächspartner auf Seiten des BfV hat der Aus-

schuss nicht befragen können. Das BMI hat mitgeteilt,

dass der Mitarbeiter des BfV, der als Zeuge in Betracht

komme, an einer schweren Erkrankung leide. Hieraufhin

hat der Untersuchungsausschuss am 25. Oktober 2012

beschlossen, diesen Mitarbeiter um schriftliche Beantwor-

tung eines Fragenkataloges zu bitten. Der Mitarbeiter hat

sich in einer schriftlichen Stellungnahme wie folgt zum

Sachverhalt geäußert:

„Der Zeitraum, auf den sich die Fragen des Unter-
suchungsausschusses beziehen, liegt über 8 Jahre

zurück. Zwar ist mir der Bombenanschlag in der

Kölner Keupstraße noch in Erinnerung, doch kann

ich mich an Details meiner Tätigkeit zur fraglichen

Zeit nicht oder kaum erinnern. Mein Terminkalen-

der aus dem Jahr 2004, in dem stichwortartig Ter-

mine, Gespräche und Telefonate festgehalten wor-

den sind, ist von mir bei Ausscheiden aus dem

Dienst im Jahr 2006 vernichtet worden. Für mich

ist daher – nach 6 Jahren Ruhestand und anhaltend
schwerer Krankheit – auch nicht mehr nachvoll-
ziehbar, ob ich am Tag des Bombenanschlages

überhaupt im Amt war und mit wem ich gegebe-

nenfalls an diesem Tag und mit welchem Ergebnis

gesprochen habe. Allerdings hätten Gespräche mit

Vertretern des zuständigen LfV zur Klärung eines

möglichen rechtsterroristischen Tathintergrundes

in einer solchen Lage meiner Aufgabe und Ge-

wohnheit entsprochen. Ich halte es daher für mög-

lich, dass das Gespräch mit dem Vertreter des LfV

NW stattgefunden hat. Der Gesprächsinhalt ist mir

allerdings nicht mehr präsent […]. Ich schließe
daher nicht aus, dass ich das fragliche Gespräch

mit einem Vertreter des LfV NW auch im Hinblick

auf eine entsprechende IGR-Absprache (Informa-

tionsaustausch) geführt haben könnte. […] Wie
bekannt ist, wurde von den zuständigen Polizeibe-

hörden des Landes NW nur der Verdacht einer

Straftat im Bereich der organisierten Kriminalität

verfolgt.“5857

Darüber hinaus hat er ausgeführt:
5856) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 6, 7.

5857) Antworten zu den Fragen des Ausschusses, übermittelt mit

Schreiben des BMI vom 28. November 2012, MAT A BfV-

14/5.

Daran, ob es in den Tagen danach weitere Kontaktauf-

nahmen zwischen dem BfV und dem Verfassungsschutz

Nordrhein-Westfalen gegeben habe, könne er sich nicht

erinnern. Hinweise darauf, dass im Großraum Köln oder

in Nordrhein-Westfalen eine Tat gegen Ausländer geplant

sei, habe er nicht gehabt. Ansonsten wären Maßnahmen

eingeleitet worden, die ihm auch heute noch in Erinne-

rung geblieben wären. Nach seiner Erinnerung seien alle

Quellen seines Amtes ohne Ergebnis befragt worden.

Das BfV hat mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 erklärt,

es seien – mit zwei Ausnahmen – alle aktiven Beschäftig-
ten des BfV befragt worden, die seinerzeit in der Abtei-

lung 2 tätig gewesen seien. Diese hätten keine Auskunft

über den Inhalt des Telefongespräches vom 9. Juni 2004

um 19.53 Uhr mit dem Leiter Beschaffung Rechtsextre-

mismus der Landesbehörde für Verfassungsschutz

Nordrhein-Westfalen geben können. Zudem seien die

damals diensthabenden Beschäftigten des Lagedienstes

sowie die Mitarbeiter befragt worden, die im dienstlichen

Umfeld des erkrankten Mitarbeiters tätig gewesen und

mittlerweile aus dem BfV ausgeschieden seien. Auch

diese Befragung sei ohne Ergebnis geblieben.
5858

Der damals für Rechtsextremismus zuständige Abtei-

lungsleiter im BfV, Zeuge Cremer, hat ausgesagt, er wis-

se nichts von dem Anruf im Lagezentrum. Es sei wahr-

scheinlich, dass der Mitarbeiter, der dort angerufen habe,

in Erfahrung habe bringen wollen, was passiert sei und in

welcher Weise die Kollegen des LfV in den Fall einge-

bunden seien. Er könne sich nicht erklären, dass der Kol-

lege des BfV irgendeinen Hinweis habe geben wollen.

Bei einer so unmittelbaren Nähe zu einem Anschlag sei

diese Fürsorge nicht ungewöhnlich. Sprengstoffanschläge,

wie beispielsweise der Sprengstoffanschlag auf das Grab

des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden,

Heinz Galinski, und der Sprengstoffanschlag auf die

Wehrmachtsausstellung, seien zudem ein typisches Tat-

mittel für die rechtsextremistische Szene. Das BfV sei

daher bei Sprengstoffanschlägen mit Blick auf einen

rechtsextremistischen Hintergrund alarmiert gewesen.
5859

d) Ausschluss eines rechtsextremistischen
Hintergrundes kurz nach der Tat

aa) Öffentliche Äußerungen des damaligen
Bundesinnenministers Schily

aaa) Öffentliche Äußerungen und Medienbe-
richterstattung

In einem Beitrag der Tagesschau vom 10. Juni 2004 wur-

de berichtet, nach dem Bombenanschlag in Köln-

Mülheim gebe es noch keine gesicherten Erkenntnisse zu

den Tätern. Allerdings deute nach Mitteilung des Bundes-

innenministeriums alles eher auf einen kriminellen Hin-
5858) Schreiben des BfV vom 23. Oktober 2012, MAT A BfV-14/3.

5859) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 88.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 675 – Drucksache 17/14600

tergrund hin. Der damalige Bundesinnenminister Schily

äußerte sich wie folgt vor der Kamera:

„Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden
bisher gewonnen haben, deuten nicht auf einen ter-

roristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminel-

les Milieu, aber die Ermittlungen sind noch nicht

abgeschlossen, so dass ich eine abschließende Be-

urteilung dieser Ereignisse jetzt nicht vornehmen

kann.“5860

In Presseberichten kurz nach der Tat wurde diese Äuße-

rung wie folgt aufgegriffen:

In der Welt vom 11. Juni 2004 war zu lesen:

„Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) äußerte
sich am Donnerstagnachmittag zur Tat. Diese sei

vermutlich kein terroristischer Akt. Die ersten Er-

mittlungsergebnisse würden eher auf einen krimi-

nellen Hintergrund hindeuten.“5861

In dem Artikel „Allgemeindeliktischer Hintergrund“ aus
der Frankfurter Allgemeinen vom 11. Juni 2004 hieß es:

„Wie Oberstaatsanwalt Rainer Wolf am Fronleich-
namstag mitteilte, der in Köln wie in Nordrhein-

Westfalen Feiertag ist, wird „ein allgemeindelikti-
scher Hintergrund“ in Erwägung gezogen. Das be-
stätigte auch Bundesinnenminister Otto Schily am

Donnerstag im baden-württembergischen

Kehl.“5862

Im Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. Juni 2004 wurde aus-

geführt:

„Nach wie vor gibt der Anschlag der 20-köpfigen
Mordkommission große Rätsel auf. Etliche Versi-

onen der Tat werden durchgespielt. Auch bei den

Innenministerien in Berlin und Düsseldorf. Bereits

am Freitagmorgen schließen die Parteigenossen

Otto Schily und Fritz Behrens ein politisches oder

fremdenfeindliches Motiv aus. Woher sie ihre Er-

kenntnisse beziehen, bleibt indes ihr Geheim-

nis.“5863

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es damals keine

gemeinsame Erklärung der Innenminister Schily und Dr.

Behrens gab.

Zu seiner damaligen Äußerung im Jahr 2004 hat Innen-

minister a. D. Otto Schily nach Presseverlautbarungen im

April 2012 laut Tagesspiegel erklärt:

„‚Dafür, dass wir der NSU-Terrorgruppe nicht frü-
her auf die Spur gekommen sind, tragen ich und
5860) Tagesschau vom 10. Juni 2004, 20 Uhr.

5861) Die Welt, 11. Juni 2004, „Köln: Kriminelle Banden im Visier
der Fahnder“.

5862) Frankfurter Allgemeine, 11. Juni 2004, „Allgemeindeliktischer
Hintergrund“.

5863) Kölner Stadt-Anzeiger, 12. Juni 2004, „War es ein Racheakt,
ein Streit im Drogenmilieu oder die Tat eines wirren Einzeltä-

ters?“.

die Länderinnenminister die politische Verantwor-

tung‘, sagte Schily am Donnerstag dem Tagesspie-
gel.“

Der Tagesspiegel schreibt weiter:

„Er gab zu, dass es ein Fehler war, am Tag nach
dem Bombenanschlag des NSU im Juni 2004 in

Köln geäußert zu haben, ersten Ermittlungen zu-

folge gebe es keinen terroristischen Hintergrund.

‚Inzwischen wissen wir, dass das ein schwerwie-
gender Irrtum war‘, sagte Schily.“5864

bbb) Aussagen der Zeugen Schily und
Dr. Behrens

Der Zeuge Schily hat ausgesagt, am Tag nach dem An-

schlag habe ein Zusammentreffen mit seinem französi-

schen Amtskollegen Dominique de Villepin im deutsch-

französischen Polizeizentrum in Kehl stattgefunden. Im

Rahmen dieses Treffens habe am Mittag eine Pressekon-

ferenz stattgefunden. Er vermute, ohne hieran eine kon-

krete Erinnerung zu haben, dass er während dieser Pres-

sekonferenz auf den Kölner Anschlag angesprochen wor-

den sei. Zuvor müsse er entweder über das Lagezent-

rum,
5865

über seinen Pressesprecher oder in anderer Weise

einen Bericht über den Anschlag erhalten haben. Aus

diesem Bericht habe sich ergeben, dass es ersten Ermitt-

lungen zufolge für die Tat keinen terroristischen Hinter-

grund gebe. Diese vorläufige Bewertung der Sicherheits-

behörden habe er in der Pressekonferenz mitgeteilt, aber

vorsichtshalber hinzugefügt, dass es für eine abschließen-

de Beurteilung sicherlich noch zu früh sei. Heute wisse

man, dass die anfängliche Einschätzung der Sicherheits-

behörden, es gebe für die Tat keinen terroristischen Hin-

tergrund, ein schwerwiegender Irrtum gewesen sei.
5866

Daran, zu welchem Zeitpunkt er erstmals von der Explo-

sion in der Keupstraße gehört habe, könne er sich nicht

erinnern. Er wisse auch nicht mehr, auf welche Weise er

informiert worden sei, halte es aber für relativ wahr-

scheinlich, dass das BMI-Lagezentrum ihm hierzu etwas

mitgeteilt habe.
5867

Er habe das wiedergegeben, was ihm

die Ermittlungsbehörden mitgeteilt hätten. Er müsse da-

von ausgehen, dass eine solche Aussage von Ermittlungs-

behörden nicht ohne Grundlage erfolge.
5868

Er habe sich in einer Situation befunden, in der er nicht

noch weitere Informationen habe einholen können. Er sei

auf eine Zusammenkunft mit Minister de Villepin vorbe-

reitet gewesen und habe mit diesem ein sehr umfassendes

Themenfeld bearbeitet.
5869

Aus dem ihm übermittelten
5864) Der Tagesspiegel, 20. April 2012, „NSU: Schily gibt schweren

Irrtum zu“.

5865) Näheres zur Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004 unter
H.II.7.a)bb).

5866) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 27.

5867) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 32, 33; Weitere Ausführungen zur
Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004.

5868) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 33.

5869) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 47.

Drucksache 17/14600 – 676 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Hinweis, dass ein terroristischer Hintergrund ausgeschlos-

sen werde, habe er gefolgert, dass die Tat auf ein krimi-

nelles Milieu hindeute. Diese Aussage werde auch durch

einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom

11. Juni 2004 gestützt. Hierin sei davon die Rede gewe-

sen, dass der zuständige Oberstaatsanwalt einen allge-

meindeliktischen Hintergrund in Erwägung ziehe.
5870

Die Ausführungen im Kölner Stadt-Anzeiger vom

11. Juni 2004, wonach er als Bundesinnenminister bestä-

tigt habe, dass der Anschlag keinen terroristischen Hin-

tergrund habe,
5871

seien eine sehr verkürzte und vielleicht

sogar nicht ganz korrekte Darstellung dessen, was er

gesagt habe.
5872

Zu dem Vorwurf, auch er habe einen terroristischen Hin-

tergrund bereits kurz nach der Tat ausgeschlossen, hat

sich der Zeuge Dr. Behrens in seiner Vernehmung wie

folgt geäußert:

„Schon am Samstag, dem 12.04.2004, findet sich
in einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers die

Darstellung, Bundesinnenminister Otto Schily und

ich hätten am 11.06.2004, also am Tag vorher, an

dem Freitag, einen terroristischen Hintergrund des

Anschlages in Köln, ein politisches oder fremden-

feindliches Motiv ausgeschlossen. In wenigen fol-

genden Berichten anderer Medien der damaligen

Tage und auch in neueren Darstellungen in den

Medien und auch in politischen Kommentaren

wird das bis heute so wiederholt. Dazu sage ich

hier: Erstens. Eine Pressemitteilung des Innenmi-

nisteriums Nordrhein-Westfalen mit diesem Inhalt

oder gar eine gemeinsame Erklärung mit dem

Bundesinnenministerium hat es nicht gegeben. In-

sofern ist die Berichterstattung, auch die Kommen-

tierung, die sich darauf bezieht, falsch.

[…]

Ich schließe nicht aus, dass ich die Einschätzung,

es gebe bisher keine Erkenntnisse über die Motive

des Anschlages, auf Befragen dann auch Dritten,

allerdings nicht der Öffentlichkeit gegenüber, wei-

tergegeben habe. Ich habe keine Kontakte zur Öf-

fentlichkeit gehabt nach meiner Erinnerung. Ich

war eben im Urlaub. Wer mich ein wenig näher

kennt, weiß, dass ich bei öffentlichen Äußerungen

in vergleichbaren Fällen immer sehr abwägend

und zurückhaltend gewesen bin – bis zum heutigen
Tage.“5873

Auf die Frage, warum er keine Korrektur veranlasst habe,

hat der Zeuge Dr. Behrens ausgeführt, die Aussage werde

bis zum heutigen Tage korrigiert, aber immer wieder
5870) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 60, 61; der Artikel ist am 11. Juni

2004 und nicht, wie vom Zeugen genannt, am 10. Juni 2004 er-

schienen.

5871) Kölner Stadt-Anzeiger, 11. Juni 2004, „Bombenanschlag:
Kriminelle im Visier“, MAT A GBA-3/3, Bl. 25.

5872) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 52.

5873) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4.

falsch berichtet. Die Pressestelle des Innenministeriums

Nordrhein-Westfalen habe noch vor Tagen auf Anfrage

der Medien darauf hingewiesen, dass es eine solche Er-

klärung nicht gegeben habe.
5874

Wie bereits unter b)bb) dargelegt, wurde auch in der La-

gedokumentation vom 9. Juni 2004, um 18.44 Uhr festge-

halten, dass Minister Dr. Behrens keine Auskunft über

den Sachverhalt gebe.
5875

Zu den Gründen für diese Zu-

rückhaltung hat er erklärt, es entspreche seinem üblichen

Verhalten, sich zunächst einmal nicht öffentlich zu äu-

ßern. Dies habe er in vergleichbaren Fällen immer so

gemacht. Er halte es für prinzipiell richtig, nicht gleich

mit irgendwelchen politischen Bewertungen an die Öf-

fentlichkeit zu gehen, sondern dies den Ermittlungsbehör-

den zu überlassen.
5876

ccc) Mögliche Wirkung von Äußerungen eines
Ministers

Der Zeuge Schily hat ausgeschlossen, dass seine öffentli-

che Kommentierung der laufenden Ermittlungen vom

10. Juni 2004 Einfluss auf die Ermittlungsarbeit gehabt

habe. Er habe nur einen Stand der Ermittlungen wieder-

gegeben und keine eigene Interpretation vorgenom-

men.
5877

Der Zeuge Weber, der die EG „Sprengstoff“
leitete, hat erklärt, Äußerungen von Politikern hätten

keinen Einfluss auf die damaligen Ermittlungen gehabt.

Die Ermittlungskommission sei bestrebt gewesen, die

Täter für diesen Anschlag zu finden. Sie habe die Ermitt-

lungsansätze, die sich zu diesem Zeitpunkt geboten hät-

ten, weiterverfolgt und weiter ihre Arbeit gemacht.
5878

Auch der Zeuge Wolf, der damals zuständige Staatsan-

walt, hat erklärt, er habe sich durch Äußerungen von

Politikern nicht in seiner Freiheit eingeschränkt gefühlt, in

alle Richtungen zu ermitteln. Er hätte sich hier aber eine

vorsichtigere Formulierung gewünscht.
5879

bb) Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei
am 10. Juni 2004

Bei einer Pressekonferenz, die am 10. Juni 2004 zu den

Ermittlungen zum Nagelbombenanschlag stattfand, er-

klärte der polizeiliche Einsatzleiter, der Leitende Polizei-

direktor K., zahlreiche Zeugen seien inzwischen vernom-

men worden. Aus den Opferpersonalien ließen sich keine

Erkenntnisse über Hintergründe der Tat ziehen. Auch

gebe es keine Erkenntnisse für eine terroristische oder

fremdenfeindliche Motivation. Ähnlich äußerte sich auch

Oberstaatsanwalt Wolf. Dem Protokoll der Pressekonfe-

renz vom 10. Juni 2004 sind folgende Äußerungen Wolfs

zu entnehmen:
5874) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 26.

5875) Lagedokumentation, MAT A NW-6l, Bl. 5.

5876) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 25.

5877) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 37.

5878) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 47.

5879) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 79.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 677 – Drucksache 17/14600

„Die Tatausführung sowie das Tatmittel wäre
durchaus geeignet gewesen, Menschen zu töten.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen ver-

suchten mehrfachen Mordes und der Herbeifüh-

rung einer Sprengstoffexplosion. Er betonte: ‚Wir
haben keine Hinweise auf eine terroristische Lage!

Die Ermittlungen gestalten sich offen, sodass auch

ein allgemeindeliktischer Hintergrund in Erwä-

gung gezogen wird. Eine Gewichtung kann noch

nicht vorgenommen werden. Der Generalbundes-

anwalt wird nach bisherigem Erkenntnisstand nicht

übernehmen, weil kein Hinweis auf einen terroris-

tischen Hintergrund vorliegt.‘“5880

Der Zeuge Wolf hat erklärt, es wäre nach dem damaligen

Erkenntnisstand ohne Fundament gewesen, von einer

terroristischen Vereinigung auszugehen, die zur Folge

gehabt hätte, dass sie nicht mehr zuständig gewesen wä-

ren. Die Tatsache, dass man nicht ausschließen könne, es

seien möglicherweise mehr als zwei Täter gewesen, sei

keine ausreichende Verdachtslage für eine terroristische

Vereinigung.
5881

cc) Pressestatement des BfV am 10. Juni 2004

Wie einer Meldung der Agentur Reuters vom

10. Juni 2004, 11.02 Uhr zu entnehmen ist, legte sich das

BfV frühzeitig auf ein Motiv fest. So hieß es dort:

„Geheimdienst sieht Kriminelle am Werk=Köln,
10. Jun (Reuters) – Nach dem Anschlag mit einer
Nagelbombe gehen die Geheimdienste von einem

kriminellen Hintergrund der Tat aus, bei der am

Mittwoch in Köln 22 Menschen verletzt wurden.

Die Ermittlungen gehen nach wie vor in Richtung

‚Organisierte Kriminalität‘, sagte ein Sprecher des
Bundesamtes für Verfassungsschutz am Donners-

tag.“5882

Der Zeuge Fromm hat erklärt, er wisse nicht, wie diese

Meldung zustande gekommen sei. Das BfV sei für die

Ermittlungen nicht verantwortlich gewesen. Möglicher-

weise habe es ein Gespräch mit dem Pressevertreter gege-

ben und der Pressesprecher des BfV habe wiedergegeben,

was er von der Polizei gewusst habe. Er persönlich habe

solche Erklärungen seinerzeit nicht abgegeben. Entschei-

dender Fakt sei, dass dieser Vorgang – ungeachtet aller
Erklärungen – im BfV sehr schnell nach der Tat aufge-
griffen worden sei und in Richtung Rechtsterrorismus

Überlegungen angestellt worden seien, sogar bis hin zur

Nennung von möglichen Beteiligten, wenngleich man

diese auf die Region beschränkt habe.
5883
5880) MAT A GBA-9, Bl. 52.

5881) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 91, 92.

5882) Meldung der Presseagentur Reuters am 10. Juni 2004, MAT A
BMI-4/57e, Bl. 66.

5883) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 29; Näheres zu weiteren Aktivitä-

ten des BfV zum Nagelbombenanschlag unter H.II.6.

2. Ermittlungen der Kölner Polizei und des
LKA Nordrhein-Westfalen

a) Überblick über den Verlauf der Ermittlun-
gen

Zum organisatorischen Verlauf der Ermittlungen hat sich

der Zeuge Weber wie folgt geäußert:

„Als dann feststand, dass es hier um eine Spreng-
stoffexplosion gegangen ist, hat man seitens der

Behörde zunächst eine Besondere Aufbauorganisa-

tion, wie üblich in diesen Erstangriffen, aufgebaut,

und wir als Mordkommission wären zunächst mal

rein für den Tatort zuständig gewesen. Da aller-

dings LKA und BKA für den Sprengstofffall halt

Spezialisten zur Tatortaufnahme entsandt hatten,

waren wir zunächst nicht eingesetzt.

Am Morgen des 10.06. habe ich dann mit einer

Kommission die Ermittlungen komplett übernom-

men. Wir haben dann zunächst quasi mit einer

Mordkommission gearbeitet und das Ganze später

in eine Ermittlungsgruppe umstrukturiert.“5884

Direkt nach der Tat wurde das LKA Nordrhein-Westfalen

in die Ermittlungen am Tatort einbezogen. Der Zeuge

Spliethoff, der Leiter der Tatortgruppe im LKA

Nordrhein-Westfalen an der Keupstraße gewesen war, hat

hierzu ausgesagt, dass seine Tatortgruppe unmittelbar

nach dem Anschlag von den Kölner Kollegen angefordert

und direkt rausgefahren sei. Das LKA habe im Bereich

der Sprengstoffdelikte keine eigene Zuständigkeit. Die

Tatortgruppe werde von den Kreispolizeibehörden ange-

fordert, wenn die sachbearbeitende Dienststelle aus fach-

lichen oder personellen Gründen nicht in der Lage sei,

einen Sprengstoffanschlag umfassend aufzunehmen. An-

ders als das Polizeipräsidium Köln verfüge das LKA in

Düsseldorf über ausgebildete Sprengstoffermittlungsbe-

amte.
5885

Einen Überblick über die Ermittlungen gibt das Schreiben

des Generalstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar 2012:

„Die daktyloskopischen Untersuchungen am Tat-
ort verliefen ergebnislos. Im Zuge einer massiven

Öffentlichkeitsfahndung sind nach Auswertung der

kriminaltechnischen Ermittlungen ein Fahndungs-

foto des für den Bombenanschlag benutzten Fahr-

rads sowie eine grobe Beschreibung des mutmaß-

lichen ‚Bombenschiebers‘ in die Fahndung gege-
ben und später Fotos sowie kürzere Videosequen-

zen, die beide Tatverdächtige im gefilmten Kame-

raausschnitt zeigen, auf Flugblättern und im Inter-

net • veröffentlicht worden. Es wurde zudem eine

Belohnung von 20 000 Euro zur Auffindung der

Täter ausgesetzt. Als weitere Ermittlungsmaßnah-

me ist im Bürgerhaus Wiener Platz in Köln-

Mülheim ein Schaufenster eingerichtet worden, in
5884) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 28.

5885) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 3 f.

Drucksache 17/14600 – 678 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dem ein Vergleichsfahrrad, weitere Fundstücke

sowie die Fotos und Videosequenzen der Öffent-

lichkeit zugänglich gemacht und die Besucher des

Schaufensters von einer Aufnahmekamera über-

wacht worden sind.

Weiterhin sind Ermittlungen zu den Usern durch-

geführt worden, die verstärkt Zugriff auf die Inter-

net-Homepage der Polizei zu dem Nagelbomben-

anschlag genommen haben.

Auf der Grundlage einer durch das LKA erstellten

Fallanalyse wurden in einem bestimmten, eng be-

grenzten örtlichen Bereich Überprüfungen hin-

sichtlich der unbekannten Tatverdächtigen aber

auch hinsichtlich der geeigneten Räumlichkeiten

als Ausgangsort der Tat durchgeführt. Hieran

schloss sich im Bereich Köln-Mülheim und den

umliegenden Stadtteilen eine Rasterfahndung an,

bei der eine Überprüfung der männlichen Einwoh-

ner im Alter von zunächst 25 bis 35 Jahren erfolg-

te. Gleichzeitig fand auch ein Abgleich mit den aus

einer Funkzellenauswertung des Tatorts zur Tatzeit

gewonnenen Ergebnissen statt.

Im November 2004 ist der Kriminalfall im Rah-

men der Sendung AKTENZEICHEN XY-ungelöst
gezeigt worden.“

„Nach einer zweiten ergänzenden operativen Fall-
analyse durch das Bundeskriminalamt ist die erste

Rasterfahndung modifiziert worden. Da auch diese

zweite Analyse im Wesentlichen das gleiche Er-

gebnis – nämlich zwei Einzeltäter mit einem per-
sönlichen Motiv – brachte, ist der örtliche Kreis
für das Raster enger gezogen worden. Das Alter

der im Rahmen der Rasterfahndung zu überprü-

fenden Männer ist aufgrund der Angaben der Zeu-

gin B. auf 25 bis 30 Jahre korrigiert worden. Paral-

lel dazu wurde weiterhin ein anhand der Angaben

der auch nochmals unter Hypnose vernommenen

Zeugin B. gezeichnetes Phantombild des ‚Bom-
benschiebers‘ veröffentlicht.“

„Diese vorbeschriebenen Ermittlungsmaßnahmen
haben zu keinem Ermittlungsergebnis, insbesonde-

re nicht zur Identifizierung der Tatverdächtigen

geführt.“5886

Eine Veröffentlichung zu dem Fall erfolgte auch in dem

Bundeskriminalblatt vom 6. September 2004.
5887

Die

Täter wurden hierin wie folgt beschrieben:

a) wahrscheinlich Europäer, 25-35 Jahre alt, 1,75-

1,85 m groß, macht einen trainierten, sportlichen

Eindruck; Bekleidung: T-Shirt, lange, eng anlie-

gende Hose, ähnlich einer Rad- oder Jogginghose,

Sportschuhe und dunkle Baseballkappe,
5886) Schreiben des Generalstaatsanwaltes in Köln vom 4. Januar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 509, 510.

5887) Bundeskriminalblatt Nr. 168 vom 6. September 2004, MAT A

BKA-2/39, Bl. 107 ff.

b) wahrscheinlich Europäer, 25-35 Jahre alt, 1,70-

1,80 m groß, nicht ganz so trainiert wie a); Beklei-

dung: T-Shirt, 3/4 lange Hose, Sportschuhe, Base-

ballkappe, trug ‚Bauchtasche‘ oberhalb des Gesä-
ßes.“5888

b) Vorhandensein von Tätervideos

Der Kölner Polizei lagen zwei Videos vor, auf denen die

mutmaßlichen Täter festgehalten wurden. Denn vor dem

Eingang des in der Schanzenstraße 22 gelegenen Firmen-

gebäudes des Musiksenders VIVA befanden sich zwei

Kameras, die auf die Treppe des Gebäudes gerichtet wa-

ren und zwei männliche Personen mit Fahrrad mehrfach

aufzeichneten.

Von den Kameras wurde festgehalten, dass einer der

beiden Männer um 14.34 Uhr das Firmengebäude passier-

te.
5889

Er schob hierbei zwei Fahrräder, die er links und

rechts mit je einer Hand führte.
5890

Diese Person war mit

einem kurzärmeligen T-Shirt, einer knielangen Hose und

einer Baseballkappe bekleidet.
5891
5888) Bundeskriminalblatt Nr. 168 vom 6. September 2004, MAT A

BKA-2/39, Bl. 108, 109.

5889) Die Zeitangaben sind Echtzeitangaben, während die Angaben

auf den Aufnahmen der Kameras am VIVA-Gebäude von der
tatsächlichen Uhrzeit um minus 16 Minuten abweichen,

Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom

4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff., 507.

5890) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom

4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.

5891) Video KEUP_1, NW-8.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 679 – Drucksache 17/14600

aus: MAT A NW-8

Die Kameras hielten zudem fest, dass die gleiche Person

um 14.46 Uhr ohne die Fahrräder zurückkehrte. In der

rechten Hand hielt sie einen zettelähnlichen Gegen-

stand.
5892

Bei den beiden Fahrrädern hat es sich nach

Aussage des Zeugen Weber offensichtlich um Fluchtfahr-

räder gehandelt, denn auf einem weiteren Video sei später

festgehalten worden, wie einer der Täter mit dem Fahrrad

weggefahren sei.
5893

Auf einem weiteren Video ist zu erkennen, dass die zwei-

te Person um ca. 15.10 Uhr den Eingang des VIVA-

Gebäudes passierte und hierbei ein Fahrrad schob, bei

dem es sich vermutlich um das für den Anschlag präpa-

rierte Damenfahrrad der Marke „CYCO“ handelte.5894 Der
Mann trug ein T-Shirt, eine lange Sporthose und ein

Baseballkappe.
5895

aus: MAT A NW-8

Die Videos waren nur bedingt geeignet, um darauf die

Gesichter der beiden männlichen Personen zu erkennen,

da diese durch die Baseballmützen verdeckt wurden. Der

Zeuge Weber hat den Wert der Videos allerdings darin

gesehen, dass jemand, der die Personen kenne, diese wie-

dererkennen könne.
5896
5892) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom

4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503 ff.

5893) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 38.

5894) Video KEUP, NW-8; Sachstandsbericht des Generalstaatsan-

walts in Köln vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 503
ff., 505.

5895) Video KEUP, NW-8.

5896) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 39, 40.

Zur Aufbereitung des gesicherten Videomaterials wurde

die Unterstützung des BKA in Anspruch genommen.
5897

Durch die Tatortgruppe des LKA Nordrhein-Westfalen

wurde abgeglichen, inwieweit ein auf den Videos erkenn-

bares Fahrrad mit der Sprengstoffvorrichtung identisch

war, die bei der Tatortarbeit rekonstruiert wurde. Der

Zeuge Spliethoff hat ausgeführt, aufgrund dieses Verglei-

ches seien sie davon ausgegangen, dass es das Fahrrad

sein könne, welches die Täter zum Tatort verbracht hät-

ten.
5898

Der Zeuge Weber hat ausgesagt, man habe versucht, alle

auf den Videos erkennbaren Zeugen durch Veröffentli-

chung zu finden. Dies sei fast vollständig gelungen. Die

Aufnahmen seien auf der Internet-Homepage eingestellt

und einigen Behörden – dem Landesverfassungsschutz
und verschiedenen Landeskriminalämtern – mit der Bitte
übermittelt worden, sich diese anzusehen.

5899
Nach Aus-

sage des Zeugen Dr. Möller, der Leiter der Verfassungs-

schutzabteilung im Innenministerium Nordrhein-

Westfalen war, hätten sich Mitarbeiter des Landesverfas-

sungsschutzes die Videobilder mehrfach gemeinsam mit

der Polizei in dem Lagezentrum des Innenministeriums

angesehen. Er könne sich aber gut daran erinnern, dass

auch das LKA große Schwierigkeiten gehabt habe, die

Täter zu identifizieren und zuzuordnen.
5900

Der Zeuge

Cremer, der Abteilungsleiter Rechtsextremismus im BfV

gewesen war, hat erklärt, Mitarbeiter des BfV hätten sich

die Videos aus Eigeninitiative angesehen, aber keinen

Zusammenhang zu dem flüchtigen Trio herstellen kön-

nen.
5901

Im Ergebnis ergaben sich aufgrund der vorhande-

nen Videos keine Erkenntnisse, die zu einer Tataufklä-

rung beitrugen.

c) Einbeziehung BKA

aa) Ablehnung des Hilfsangebots der
Phänomenbereiche Staatsschutz und All-
gemeine und Organisierte Kriminalität am
Tattag

Bereits am Abend des 9. Juni 2004 bot das BKA dem PP

Köln Unterstützung an. Zum einen wurden Sprengstoff-

ermittler der Abteilung Zentrale Dienste des BKA für die

Tatmitteluntersuchung angeboten. Zum anderen bot man

die Hilfe von Fachleuten des BKA für die

Phänomenbereiche Staatsschutz und Organisierte Krimi-

nalität an. Während die Unterstützung durch die Spreng-

stoffermittler angenommen wurde, ließ man die angereis-

ten BKA-Beamten nicht an den Tatort.
5897) Sprechzettel für ND-Lage vom 21. Juni 2004, MAT A BMI-

4/57e, Bl. 150.

5898) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 16.

5899) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 39, 40.

5900) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 5; Weiteres hierzu unter H.II.5

5901) Näheres hierzu unter H.II.6.b).

Drucksache 17/14600 – 680 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Falk hat sich in seiner Vernehmung zu einer

Zusammenarbeit der vor Ort tätigen Ermittlungsbehörden

mit dem BKA wie folgt geäußert:

„Wir haben damals auch Beamte nach Köln ent-
sandt, nach Nordrhein-Westfalen entsandt – so will
ich es mal etwas großzügiger ausdrücken -, und

zwar, soweit ich weiß, aus beiden Abteilungen,

Staatsschutz und Organisierte und Allgemeine

Kriminalität. Aber denen ist es damals nicht ge-

lungen, den Tatort in Augenschein zu nehmen.“

[…]

„Das BKA war nicht zuständig, und das war von
den Behörden dort nicht gewünscht.“5902

Auf die Nachfrage, ob Ermittler der Fachabteilungen sich

den Tatort nicht hätten ansehen dürfen, hat der Zeuge

Falk geantwortet, dies sei ihm so berichtet worden.
5903

Zu

einem späteren Zeitpunkt hat er ausgesagt:

„das kriegt man natürlich gesprächsweise vermit-
telt, dass das nicht für nötig erachtet wird oder

möglicherweise auch unerwünscht sei, dass der

Tatort besichtigt wird. Jedenfalls ist das das Er-

gebnis gewesen, das mir mitgeteilt worden ist. Wir

haben uns natürlich damit abfinden müssen, weil

wir als BKA keinerlei Möglichkeit haben, gegen-

über dem Land so etwas durchzusetzen.“5904

Zu seiner Aussage hat er mit Schreiben vom

26. Juni 2012 folgende klarstellende und ergänzende

Anmerkungen gemacht:

„Über die Zugänge der beiden von mir erwähnten
BKA-Beamten aus dem Phänomenberei- chen ST

und OA in Köln vor dem Hintergrund des § 17 des

BKA-Gesetzes habe ich dem Ausschuss meinem

Wissenstand während der Anhörung entsprechend

zutreffend berichtet. So bin ich meiner Erinnerung

zufolge vom damaligen Abteilungsleiter ST infor-

miert worden.

Ich bedaure es allerdings, dass mir zum Zeitpunkt

meiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss

am 14. Juni 2012 leider nicht präsent war, dass

Sprengstoffermittler der Abteilung Zentrale Diens-

te (ZD) des BKA die Tatmitteluntersuchungen

(Teil der polizeilichen Tatortarbeit) der nordrhein-

westfälischen Polizei unterstützt haben. Ich kann

mich auch jetzt, nachdem ich diese Information

nachträglich aus dem BKA bekommen habe, nicht

sicher erinnern, ob ich 2004 davon Kenntnis er-

hielt, schließe das aber nicht aus und halte es sogar

für wahrscheinlich.

Die Anwesenheit der Sprengstoffermittler des

BKA in Köln ändert allerdings nichts an meiner

Erinnerung, wonach mir berichtet worden war, die
5902) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 39.

5903) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 40.

5904) Falk, Protokoll-Nr. 19, S. 48.

Fachleute des BKA für die Phänomenbereiche

Staatsschutz (ST) und Allgemeine und Organisier-

te Kriminalität (OA) hätten keinen Zugang zum

Tatort in Köln und auch ansonsten nur spärliche

Fallinformationen erhalten. Das war auch durch

die Sprengstoffermittler nicht auszugleichen, deren

fachliche Kompetenz im technischen Bereich

liegt.“5905

Zu dieser Frage hat sich auch der Zeuge Ziercke geäußert:

„Die Darstellung der Aussagen meines ehemaligen
Vizepräsidenten, Herrn Falk, wie es in den Medien

berichtet worden ist, hat Herr Falk gegenüber dem

Ausschuss, Herr Vorsitzender, inzwischen richtig-

gestellt. Das BKA war am Tatort in Köln. Hierbei

handelte es sich um zwei Beamte der Tatortgruppe

für Spreng- und Branddelikte der Abteilung Zen-

trale Dienste des Bundeskriminalamtes. Das

Unterstützungsangebot des BKA wurde noch am

gleichen Tag durch das Polizeipräsidium Köln an-

genommen. Eine aktive Einbindung der Ermitt-

lungsabteilungen Schwere und Organisierte Kri-

minalität und Staatsschutz durch das PP Köln fand

trotz Angebot des BKA allerdings nicht statt – die
Ermittlungsabteilungen. Gleichwohl wurden wir

periodisch über den Fortgang der Ermittlungen in-

formiert. Zudem unterstützte die BKA-Kri-

minaltechnik massiv bei der Aufbereitung der be-

kannten Videosequenzen, auf denen die Radfahrer

zu sehen sind.“5906

Diese Aussage hat er auf Nachfrage noch einmal bestä-

tigt:

„Was uns verwehrt worden war – was heißt ‚ver-
wehrt worden‘? –, was man nicht angenommen hat
war Ermittlungsunterstützung durch die Abteilung

– so hieß die Abteilung damals noch – Organisier-
te und Allgemeine Kriminalität und durch die

Staatsschutzabteilung.“5907

Der Zeuge Wolf hat erklärt, ihm sei die Präsenz des BKA

noch am Tattag in Köln nicht bekannt gewesen. An Kom-

petenzstreitigkeiten sei er nicht beteiligt gewesen.
5908

Hinweise zur Einbeziehung von Beamten des BKA in die

Ermittlungen, welche den Darstellungen beider Zeugen

jedenfalls nicht widersprechen, lassen sich auch einem

Ablaufkalender der Kölner Polizei entnehmen, in wel-

chem die Ereignisse tabellarisch mit Uhrzeiten aufgeführt

sind:

„18:40: […] Frau H.-B. teilte mit, dass sich das
BKA zur Unterstützung angeboten hat. Besteht

Bedarf?
5905) Korrekturen und Ergänzungen des Zeugen Vizepräsident a. D.

Bernhard Falk, Anlage zum 19. Protokoll, S. 4.

5906) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S 7.

5907) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 11, 12.

5908) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 92.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 681 – Drucksache 17/14600

Nach Rücksprache EA/F: EA/F hat mit F./L abge-

sprochen, das Angebot des BKA zunächst nicht

anzunehmen.

19:10: […] Nach Rücksprache mit Frau H.-B.
wurde vereinbart, dass durch das LKA der TO-

Gruppe des BKA mitgeteilt wird, dass Anwesen-

heit des BKA zur eigenen Lagebewertung von hier

aus nichts entgegen steht. Es wird keine Amtshilfe

oder Unterstützung geben.

19:25: […] zwei Beamte des BKA kommen wie
abgesprochen nach Köln

die TO-Gruppe BKA ist mit Blaulicht von Wies-

baden nach Köln unterwegs. Wurden sie angefor-

dert? Nicht durch F., nicht durch EA/F“5909

In einem Sprechzettel zum Einsatz der Polizei aus Anlass

einer Pressekonferenz wurde betont, dass die Ermittlun-

gen allein in der Zuständigkeit des Polizeipräsidiums

Köln lägen. Dabei gebe es lediglich die übliche Unterstüt-

zung durch Spezialisten des Landeskriminalamtes.
5910

bb) Einbeziehung des BKA in anschließende
Ermittlungen

aaa) Sprechzettel des BKA für ND-Lagen

Aus Anlass der am 15., 22. und 29. Juni im Bundeskanz-

leramt stattfindenden ND-Lagen informierte das BKA die

Bundesregierung darüber, in welcher Weise es in die

Ermittlungen zum Nagebombenanschlag einbezogen sei.

So erstellte das BKA für die ND-Lage am 15. Juni 2004

einen Sprechzettel, in dem die veranlassten bzw. geplan-

ten Maßnahmen des BKA aufgeführt wurden:

„1. Unterstützung der Tatortgruppe des LKA
NRW bei der Tatortaufnahme durch zwei Be-

amte ZD (11)

2. BKA-Lagebeitrag (110/2004) an BMI-LZ

übermittelt

3. Beantwortung des Erlasses des BMI vom

10.06.04 durch ST

4. OA (12) hat die Koordination des Vorganges

von ST (21) übernommen; ST und ZD bleiben

weiterhin eingebunden

5. Informationsgewinnung durch zwei Beamte

(OA/ST) am 11.06.04 beim PP Köln mit Un-

terbreitung des Unterstützungsangebotes OA

(12) im Rahmen § 2 III BKAG

6. Kontakt mit dem BfV besteht

7. Sollte auswertbares und qualitativ zu verbes-

serndes Bildmaterial aus einer in der Straße
5909) Ablaufkalender vom 9. Juni 2004, MAT A NW-7f, Bl. 7 ff.

5910) Sprechzettel für Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei, MAT

A GBA-9, Bl. 46 ff.

befindlichen Überwachungskamera gesichert

werden können, ist beabsichtigt KI (22) ein-

zubinden“5911

In einem Sprechzettel für die ND-Lage vom 21. Juni 2004

wurde die Beteiligung des BKA wie folgt dargestellt:

„1. Koordination des Vorganges innerhalb BKA
durch OA (12)

2. Erlass-Beantwortung an BMI vom 15.06.2004

durch OA (12)

3. Unterstützung PP Köln bei Aufbereitung gesi-

cherten Videomaterials einer Überwachungs-

kamera durch KI (22)

4. Unterstützung des PP Köln bei der Öffentlich-

keitsfahndung durch ZD (13)

5. Unterstützung bei den Ermittlungen zum

Sprengsatz durch ZD (11)

Seit 16.06.04 wird Öffentlichkeitsfahndung mit

Bildern einer Videoüberwachungskamera betrie-
ben, die in Tatortnähe installiert ist. Die Bilder

sind von schlechter Qualität. Eine technische Auf-

besserung des Ausgangsmaterials erfolgt derzeit

durch KI (22). Erste verbesserte Bilder wurden PP

Köln bereits übermittelt.“5912

In einem Sprechzettel für die ND-Lage am 29. Juni 2004

teilte das BKA mit, dass das Hinweisaufkommen aus der

Bevölkerung gering sei. Dies sei aus verschiedenen Grün-

den für das PP Köln nicht nachvollziehbar. So sei der

Anschlag in einer belebten Straße geschehen, das Entset-

zen sei groß gewesen und es gebe eine offensive Öffent-

lichkeitsarbeit der Polizei. Mögliche Gründe hierfür sah

das BKA in einem ethnisch kulturellen Hintergrund:

„die türkisch-kurdische Bevölkerung hat schlechte
Erfahrungen mit der Polizei in ihrem Heimatland

(Korruption etc.),

Regelverstöße werden innerhalb der Gemeinschaft

(Familie, Stadt, Stadtteil) verfolgt und geahn-

det.“5913

bbb) Aussagen der Zeugen Maurer und Schily

Zur Einbeziehung des BKA in die Ermittlungen hat der

Zeuge Maurer ausgeführt:

„Von 2002 bis 2005 war ich Leiter der Abteilung
Polizeilicher Staatsschutz. In diese Zeit fiel der

Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln. Ich

kann mich persönlich noch sehr gut erinnern an

den Tag und an meine Kenntnisnahme dieses An-
5911) Sprechzettel für ND-Lage am 15. Juni 2004, MAT A BMI-

4/57e, Bl. 111, 112.

5912) Sprechzettel für ND-Lage vom 21. Juni 2004, MAT A BMI-
4/57e, Bl. 149, 150.

5913) Sprechzettel für ND-Lage vom 28. Juni 2004, MAT A BMI-

4/57e, Bl. 27.

Drucksache 17/14600 – 682 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schlages und an meine Empfindungen. Selbstver-

ständlich habe ich sofort als ersten, fast schon vor-

urteilsbeladenen Reflex gedacht: Das ist ein frem-

denfeindlicher Akt – was denn sonst? –, wenn vor
einem türkischen Friseurladen eine Nagelbombe

hochgeht. Selbstverständlich habe ich das gedacht.

Selbstverständlich habe ich es für möglich gehal-

ten, dass Hintergrund dieser Aktivität ein Staat-

sschutzdelikt sein könnte.

Wie üblich in solchen Situationen, war es mir na-

türlich ein Anliegen, unsere Unterstützung anzu-

bieten. Das ist noch am gleichen Tag geschehen.

Den Kölner Polizeikollegen ist die Unterstützung,

ist die Expertise des BKA, der Staatsschutzabtei-

lung, angeboten worden – am gleichen Tag. Wei-
terhin war das BKA am gleichen Tag, angefordert

durch nordrhein-westfälische Dienststellen, unter-

stützend vor Ort tätig mit der Tatortgruppe, um die

dortige Tatortarbeit zu unterstützen.

Sie wissen genauso wie ich, dass – nicht nur aus
heutiger Sicht – vorschnell ein Staatsschutzhinter-
grund ausgeschlossen wurde. Es hätte zumindest

als weitere Option weiter im Raum stehen müssen.

Die Bewertung war falsch. Warum die Ermittler

vor Ort zu dieser Bewertung kamen, welche Hin-

weise möglicherweise zu dieser Einschätzung ge-

führt haben, das kann ich nicht einschätzen, ver-

mag ich nicht zu sagen. Es hatte aber eine fast

schon fatale Folgewirkung: Obwohl eine Staats-

schutzstaatsanwaltschaft tätig war, ist in der Folge

dessen natürlich die Zuständigkeit des BKA erst

gar nicht mehr geprüft worden. Ich will mich nicht

an den Spekulationen über Ergebnisse von Ermitt-

lungen beteiligen. Ich möchte nur darstellen, was

Situation in 2004 war und wie Entscheidungen

Folgewirkungen entfaltet haben.“5914

Der Zeuge Maurer hat die mit der Entscheidung, die

Abteilung Staatschutz des BKA nicht einzubinden, ver-

bundene Problematik wie folgt geschildert:

„Das Ereignis in Köln sah so aus: Wir kriegen eine
WE-Meldung mit ganz dürren Informationen. Na-

türlich war der erste Reflex dann bei mir, ohne

dass das irgendwie dann dokumentiert wird, weil

das wird nicht dokumentiert: Kümmert euch drum.

Fahrt hin. Bietet an, bis hin zur Übernahme, auch

unabhängig von der Tatsache, dass wir zu dem

Zeitpunkt nur noch ein rudimentäres Ermitt-

lungsreferat neben dem Zentralstellenreferat ha-

ben, weil es wichtig genug erscheint. – Dann fährt
man hin, und dann kriegt man gesagt: Schön, An-

gebot ehrt das BKA. Aber wir sehen das anders. –
Dann sind wir nicht frustriert, sondern wenden uns

der Arbeit zu.

Das Dilemma, was da drinsteckt, ist folgendes: Ab

dem Zeitpunkt – deswegen ist auch die Frage, die-
5914) Maurer, Protokoll-Nr. 41, S. 38, 39.

ser Bericht, BfV – - Ab dem Zeitpunkt ist dieser
Vorgang, weil er im Land gefixt ist, nicht mehr

Gegenstand einer Abteilung Staatsschutz im BKA

gewesen. Es hat sich dann eine Zentralstellenorga-

nisation im Bereich OA drum gekümmert. Für die

Abteilung Staatsschutz war auch nicht mehr er-

kennbar, dass eine weitere Abteilung des BKA

Tatorthilfe geleistet hat. Das ist ein Phänomen von

Organisation. Da gibt es Möglichkeiten, das zu

überwinden; gibt es Pläne. Aber das ist Struktur.

Frustriert sind wir nicht, sondern wir sagen: Wie

kommt man dazu? – Na gut, dann ist es halt so.
Mehr als Unterstützung anbieten können wir nicht.

Mehr als die Übernahme anbieten können wir

nicht.“5915

Zur weiteren Informationserhebung seien ein Mitarbeiter

der Abteilung Organisierte und Allgemeine Kriminalität

und ein Mitarbeiter von ST 21, des Referates „Politisch
motivierte Ausländerkriminalität“ nach Köln geschickt
worden. Die Abteilung Staatsschutz sei mit dem Vorgang

danach nicht mehr betraut gewesen:

„Die Abteilung Staatsschutz hat keinerlei Kontakte
mehr in dem Zusammenhang gehabt. Aber es hat

meines Wissens nach Unterstützung gegeben im

Sinne einer Bildverbesserung durch die entspre-

chende Dienststelle im BKA, um zu versuchen,

diese Überwachungsbilder besser zu machen, aus-

wertbarer zu machen Inhaltliche Beschäftigung mit

den Aufnahmen im BKA hat es keine mehr gege-

ben.“5916

Die Folge sei gewesen, dass es auch keinen Informations-

zusammenhang mit dem BfV mehr gegeben habe.
5917

Der Zeuge Schily hat erklärt, ihm sei nicht bekannt gewe-

sen, dass das BKA dem Land Nordrhein-Westfalen und

dem Polizeipräsidium Köln die Unterstützung durch

Staatsschutzexperten angeboten habe.

ccc) Aussagen der Zeugen Weber und
Dr. Behrens

Zur weiteren Einbeziehung des BKA in die Ermittlungen

hat sich der Zeuge Weber, der damals Leiter der Ermitt-

lungskommission MK „Sprengstoff“ gewesen war, wie
folgt geäußert:

„Ich kann mich an Anfragen des Bundeskriminal-
amts erinnern bezüglich des Sachverhaltes und

auch, dass ich dem Bundeskriminalamt angeboten

habe, vorbeizukommen in Person von - - Es waren

zwei Beamte damals, die auch am Anfang dann da

waren, um sich zu informieren, weil ich nicht in

der Lage war, in den ersten zwei, drei Wochen

ständig Informationen weiterzugeben. Deswegen

habe ich gesagt, sie können vorbeikommen. Sie
5915) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 28.

5916) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 42, 43.

5917) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 43, 44.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 683 – Drucksache 17/14600

sind auch vorbeigekommen und haben sich über

den Sachverhalt informiert. Es war aber meines

Wissens nicht davon die Rede, dass sie in irgend-

einer Form jetzt Ermittlungen übernehmen oder

Ähnliches.“5918

Der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Dr.

Behrens hat hierzu als Zeuge ausgeführt:

„Also, was das BKA betrifft: Während meiner
Amtszeit hat es keinen Anlass gegeben, das noch

mal in Zweifel zu ziehen; denn das BKA-Gesetz

sagt ja da ziemlich eindeutig, wann das BKA ein-

zuschalten ist und zuständig ist und auch Ermitt-

lungen zu übernehmen hat. Und nach Einschät-

zung der örtlichen Behörden in Köln, der Staats-

anwaltschaft und der Polizeibehörde in Köln und

der vorgesetzten Behörden, hat es keinen Anlass

gegeben, das BKA einzuschalten, weil eben die

Erkenntnislage nicht so war.“5919

Der Zeuge Dr. Behrens hat erklärt, im Nachhinein be-

trachtet seien die Ausführungen des Zeugen Maurer, dass

vorschnell ein Staatschutzhintergrund ausgeschlossen

worden sei, zutreffend.
5920

d) Tatmittelmeldedienst

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, welche

Recherchemöglicheiten der Tatmittelmeldedienst bietet

und ob sie in diesem Fall ausgeschöpft wurden.

Am 11. Juni 2004 übermittelte das LKA Nordrhein-

Westfalen dem BKA Informationen zum Aufbau der

Sprengvorrichtung und bat um eine Recherche in der

Zentralen Datei „Tatmittelmeldedienst für Spreng- und
Brandvorrichtungen“ für den Zeitraum der letzten fünf
Jahre.

5921
Am gleichen Tag teilte das BKA schriftlich mit,

die Auswertung für den Zeitraum ab 1. Januar 1999 habe

bundesweit keine konkreten Übereinstimmungen erb-

racht. Bei der Recherche sei speziell nach Sprengvorrich-

tungen mit Splittermaterialbeiladung recherchiert worden.

Vorsorglich wurde jedoch auf sechs Fälle hingewiesen, in

denen Splittermaterial verwendet worden war, die sich

alle in Nordrhein-Westfalen ereignet hatten.
5922

Ergän-

zend zu der Auswertung, die per Fax übermittelt wurde,

meldete sich ein Mitarbeiter des BKA beim LKA und

teilte mit, dass die übermittelten Fälle lediglich informato-

rischer Art seien. Die Auswertung sei sehr allgemein

gehalten gewesen und habe weder in Nordrhein-

Westfalen noch auf Bundesebene zu einer konkreten

Übereinstimmung geführt.
5923

Am 14. Juni 2004 übermit-

telte der Mitarbeiter des LKA Spliethoff dem BKA weite-
5918) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 34.

5919) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 37.

5920) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 39.

5921) E-Mail vom 11. Juni 2004, MAT A NW-7/2a, Bl. 6.

5922) Schreiben des BKA vom 11. Juni 2004, MAT A BKA-2/39,

Bl. 111, 112.

5923) Vermerk vom 11. Juni 2004, MAT A NW-7/2a, Bl. 7.

re Informationen zum Vorrichtungsaufbau.
5924

Hieraufhin

wurde ihm erneut mitgeteilt, dass eine Auswertung in der

Zentralen Datei „Tatmittelmeldedienst für Spreng- und
Brandvorrichtungen“ für den Zeitraum ab dem 1. Januar
1999 bundesweit keine konkreten Übereinstimmungen

erbracht habe. Vorsorglich wurde noch auf einen weiteren

Fall hingewiesen, der sich am 12. Mai 1996 an der Bahn-

strecke in Diedersdorf ereignet hatte. Die Personalien der

damals Tatverdächtigen ließ sich das LKA vom BKA

übermitteln.
5925

Der Zeuge Setzer, der als Sachgebietsleiter in der Tatort-

gruppe Sprengstoff- und Branddelikte im BKA tätig ist,

hat ausgesagt, man könne mit jedem Feld im Tatmittel-

meldedienst recherchieren. Wenn eine Meldung erfolge,

werde diese im Tatmittelmeldedienst erfasst und es werde

ohne weitere Aufforderung anhand der mitgeteilten Tat-

mittel eine Auswertung durchgeführt. Für alle weiterfüh-

renden Anfragen mit allen möglichen Kombinationen, die

es geben könnte, werde eine Steuerung durch die ermitt-

lungsführende Dienststelle benötigt, da die Tatortgruppe

gar nicht die erforderlichen Ermittlungserkenntnisse habe.

Einen solchen Auftrag hätten sie allerdings hinsichtlich

der Keupstraße nie erhalten. Einschränkungen in der

Abfrage gebe es aufgrund von datenschutzrechtlichen

Bestimmungen. Im Übrigen sei es aber möglich, Kriterien

wie „rechtsradikal“ und „PKK“ in eine Recherche einzu-
beziehen, ohne dass man auf Tausende Treffer kom-

me.
5926

Der Zeuge Spliethoff, der Leiter der Tatortgruppe im LKA

Nordrhein-Westfalen war, hat erklärt, ihm als jahrelan-

gem Sprengstoffermittlungsbeamten sei nicht bekannt

gewesen, dass eine Abfrage im Tatmittelmeldedienst mit

dem Begriff „rechtsradikal“ möglich sei. Er sei davon
ausgegangen, dass sich der Tatmittelmeldedienst nur auf

die objektiv festgestellten Tatmittel beziehe.
5927

Die wei-

tere Möglichkeit sei ihm neu, obwohl es damals einen

engen Informationsaustausch mit vielen Besprechungen

und Symposien gegeben habe.
5928

Auf die Frage, warum man eine Begrenzung in der An-

frage auf fünf Jahre vorgenommen habe, hat der Zeuge

Weber geantwortet, dass die Abfrage durch das LKA und

nicht durch ihn vorgenommen worden sei. Im Übrigen hat

er erklärt, er könne nicht mehr sagen, warum in diesem

Fall genau die fünf Jahre genommen worden seien. Wenn

man zehn Jahre nehme und der entscheidende Treffer sei

im elften Jahr gewesen, liege man genauso daneben. Man

müsse immer eine Grenze bei Abfragen ziehen und könne

nicht immer alles abfragen.
5929
5924) E-Mail vom 14. Juni 2004, MAT A NW-7/2a, Bl. 10.

5925) Schreiben des BKA vom 15. Juni 2004, MAT A NW-7/2a,

Bl. 13, 14.

5926) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 110, 111.

5927) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 6, 7.

5928) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 12.

5929) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 36, 37.

Drucksache 17/14600 – 684 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Zeuge Spliethoff hat keine Erklärung dafür geben

können, warum er eine Begrenzung der Abfrage auf fünf

Jahre vorgenommen habe. Dazu, ob eine solche Begren-

zung auf diesen Zeitraum üblich sei, könne er nichts sa-

gen. Aus der Rückschau betrachtet hätte er diese zeitliche

Begrenzung nicht vorgegeben.
5930

Der Zeuge Setzer konnte ebenfalls nicht erklären, warum

damals eine Einschränkung auf fünf Jahre erfolgt sei. Er

betonte allerdings, dass nicht allein diese Einschränkung

ursächlich dafür sei, dass kein Hinweis auf die flüchtigen

Sprengstofftäter aus Thüringen gegeben werden konnte:

„Warum damals diese Einschränkung auf fünf Jah-
re erfolgt ist, das kann ich Ihnen heute nicht mehr

sagen. Allerdings hätte das ja auch – also auch für
einen weiteren Zeitraum – bei der Vorrichtung
Keupstraße keine Treffer gegeben.“

Auf Nachfrage erläuterte der Zeuge Setzer:

„Anhand der Tatmittel nicht, weil diese Vorrich-
tung Schwarzpulver mit der Gasfern-, mit einer

Funkfernauslösung, das hätte keinen Treffer gege-

ben, auch im weiter zurückliegenden Bereich.“

Eine Abfrage des Tatmittelmeldedienstes anlässlich des

Sprengstoffanschlags auf die Wehrmachtsausstellung im

Saarland im Jahr 1999 hatte dagegen Hinweise auf

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erbracht. Hierzu wurde

festgehalten:

„Ähnliche Attrappen wurden bereits in den Jahren
1996 von drei Personen der rechtextremistischen

Thüringer Szene hergestellt; gegen die drei Be-

schuldigten

U. Mundlos,

U. Böhnhardt und

B. Zschäpe

hat die StA Gera unter dem Az.: 114 Js 37149/97

ein Ermittlungsverfahren wg. Vorbereitung einer

Sprengstoffexplosion eingeleitet. Die drei Perso-

nen sind seit Januar 1998 flüchtig, nachdem bei

ihnen anl. von Wohnungsdurchsuchungen auch

Sprengstoff und vorbereitete Rohrbomben aufge-

funden wurden.

Die Drei aus Jena/TH stammenden werden mit

Haftbefehl gesucht. Ihr Aufenthalt wird im be-

nachbarten Ausland vermutet.“5931

Ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen war da-

mals aufgrund von molekulargenetischen Untersuchungen

sowie aufgrund eines Abgleichs der Handflächen- und

Fingerabdrücke ausgeschlossen worden.
5932
5930) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 11.

5931) Abschlussbericht des BKA vom 28. November 2000, MAT A
GBA-3/1, PDF-Bl. 200, 201.

5932) Abschlussbericht des BKA vom 28. November 2000, MAT A

GBA-3/1, PDF-Bl. 200.

Mit Stand vom 8. November 2012
5933

waren im Tatmit-

telmeldedienst insgesamt acht Ereignisse mit der Person

Uwe Böhnhardt als Täter gespeichert. Nach Angaben des

BKA war jedoch

„ein Zusammenhang der beiden Anschläge in Köln
mit den Fällen Nr. 1 bis 8 über einen Abgleich der

verwendeten Tatmittel nicht erkennbar, da zu un-

terschiedliche Tatmittel eingesetzt wurden und

keine signifikanten Übereinstimmungen vorla-

gen.“5934

Der Zeuge Ziercke hat allerdings in Frage gestellt, ob man

bei einer zeitlich und regional weniger eingegrenzten

Abfrage auf das Trio gekommen wäre. Er hat hierzu aus-

geführt, dass man in der Garage in Jena TNT gefunden

habe, in Köln sei dagegen Schwarzpulver eingesetzt wor-

den. Es handele sich also um völlig unterschiedliche Vor-

richtungen, Befüllungen und Zündungsarten.
5935

Der Zeuge Wolf hat dagegen dem Fehlen eines Hinweises

des Tatmittelmeldedienstes Bedeutung beigemessen. Er

hat hierzu ausgeführt, es wäre ein nicht zu unterschätzen-

der Hinweis gewesen, dass schon einmal von der Täter-

gruppe mit Bombenattrappen operiert worden sei. Auf

den Einwand, dass dies leider gar nicht abgefragt worden

sei, hat er erklärt, die Frage sei, wer dort eine Hol- und

wer eine Bringschuld hat.
5936

e) Ankerpunkt Köln

Mit Schreiben des PP Köln vom 18. Juni 2004 wurde

beim LKA Nordrhein-Westfalen eine Polizeiliche Krimi-

nalstatistik-Recherche (PKS-Recherche) angefordert. In

dem Schreiben heißt es:

„Zur Ermittlung des oder der Täter dürfte eine
Auflistung von Tatverdächtigen sachdienlich sein,

die in der Vergangenheit vor dem 09.06.2004 we-

gen Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz oder

wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion

in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst

worden sind. In dem Zusammenhang dürften die

Tatverdächtigen von besonderer Bedeutung sein,

die unter Angabe der Postleitzahl ihrer Wohnorte

in der PKS (ADV 2), erfasst worden sind.

[…]

Angesichts der Schwere der Tat wird um eine zeit-

nahe PKS-Recherche (Land/Bund) und Mitteilung

des Ermittlungsergebnisses, insbesondere der Per-

sonalien der erfassten Tatverdächtigen, an die
5933) Dieses Datum ist in der Stellungnahme des BKA, MAT A

BMI-8, Bl. 3, genannt. Die Stellungnahme selbst datiert aller-
dings vom 15. August 2012. Es ist davon auszugehen, dass die

Eintragungen im Tatmittelmeldedienst mit Stand vom

8. November 2011 gemeint waren.

5934) MAT A BMI-8, Bl. 4, 5.

5935) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 28.

5936) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 88.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 685 – Drucksache 17/14600

nachfolgend aufgeführte, sachbearbeitende Dienst-

stelle gebeten.“

Als Suchkriterien wurden die Deliktschlüssel für die

Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und die Vorbe-

reitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens

angegeben.
5937

Mit Schreiben vom gleichen Tage antwor-

tete das LKA Nordrhein-Westfalen und übersandte eine

Liste mit Tatverdächtigen, die den genannten Delikt-

schlüsseln entsprachen. Allerdings wurden nur die Tat-

verdächtigen erfasst, die in Nordrhein-Westfalen in Er-

scheinung getreten waren.
5938

Nach Aktenlage gab es,

obwohl die Anfrage diese Einschränkung nicht enthalten

hatte, keine Rückfrage der Kölner Polizei an das LKA

Nordrhein-Westfalen.

Zu der im Ergebnis also regional beschränkten Auswer-

tung hat der Zeuge Weber ausgeführt, er habe diese Aus-

wertung zu diesem Zeitpunkt für die plausibelste und

naheliegendste gehalten. Natürlich habe er nicht aus-

schließen können, dass die Täter von weiter weg gekom-

men seien.
5939

Die Beschränkung der Suche hat auch noch

einmal der Zeuge Wolf bestätigt. Er hat ausgesagt, von

Seiten der Polizei sei ihm erläutert worden, dass die Täter

im Nahbereich von Köln-Mülheim, rechtsrheinisches

Köln, maximal bis Bergisch Gladbach, Bensberg und im

Leverkusener Raum zu suchen seien. Aus dieser Überle-

gung heraus sei man nicht auf die Idee gekommen, dass

die möglichen Täter, welchen Hintergrund sie auch immer

hätten, aus Nord-, Süd- oder Ostdeutschland gekommen

seien.
5940

Die regionale Begrenztheit der Suche habe er

für plausibel gehalten, weil ihm nahegebracht worden sei,

dass das Fahrrad mit der Sprengvorrichtung im Nahbe-

reich von Köln, vielleicht sogar im Industriegebiet hinter

der Keupstraße, montiert worden sei. Ihm sei erläutert

worden, man könne nicht davon ausgehen, dass der

Transport dieses Tatfahrrads mit der darauf montierten

Sprengvorrichtung über längere Strecken durch die Bun-

desrepublik erfolgt sein könne.
5941

Auf der Annahme basierend, dass die Täter einen Anker-

punkt in Köln hätten, wurden entsprechende Rasterfahn-

dungen durchgeführt. So wurde auf Antrag der Staatsan-

waltschaft mit Beschluss des AG Köln vom 15. Juli 2004

angeordnet, einen Abgleich von Einwohnermeldedaten

der Stadt Köln mit vorhandenen polizeilichen Daten und

einen Abgleich der Meldedaten mit den Daten der Funk-

zellenauswertung durchzuführen.
5942

Dieser Beschluss

wurde mit Beschluss des AG Köln vom 5. August 2004

dahingehend erweitert, den Abgleich auch auf die Städte

Leverkusen, Bergisch Gladbach sowie Rösrath und auf
5937) Anfrage des Polizeipräsidiums Köln vom 18. Juni 2004, MAT

A NW-7 f., Bl. 39, 40.

5938) MAT A GBA-4/14a, Bl. 46 ff.

5939) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 35.

5940) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 77.

5941) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 78.

5942) MAT A GBA-4/7b, Bl. 221.

eBay Deutschland und Hood.de Deutschland zu bezie-

hen.
5943

Zur Begründung wurde in dem Beschluss ausgeführt:

„Aufgrund der neueren Ermittlungserkenntnisse,
insbesondere den Ergebnissen der Arbeit der OFA

(Profiler) des LKA NRW, ist davon auszugehen,

dass die beiden Täter Bezüge respektive Bezie-

hungen in den Kölner Raum, insbesondere Köln-

Mülheim, wie auch zu den angrenzenden Stadtge-

bieten von Leverkusen, Bergisch Gladbach und

Rösrath haben.“5944

Der Zeuge Weber hat die Ankerpunktsetzung in der Zeu-

genvernehmung allerdings auch kritisch bewertet. Im

Laufe der Ermittlungen hätten sie sich gefragt, warum

niemand wirklich konkret anhand der Videos Hinweise

gegeben habe. Zwar habe es vereinzelte Hinweise gege-

ben, diese seien aber letztlich alle ins Leere gelaufen.

Nachdem man alle 1 200 Personen aus einem bestimmten

Kreis überprüft und die Täter von diesem Video nicht

gefunden habe, habe man sich natürlich gefragt, wo sie

herkämen. Die Frage, die sich dann aber anschließe, sei,

wie weit man dann den Kreis ziehe, um die Täter zu fin-

den.
5945

Auch der Zeuge Wolf hat erklärt, dass der Ansatz,

nur regional begrenzt nach möglichen Tätern zu suchen,

im Nachhinein betrachtet zu kurz gegriffen gewesen

sei.
5946

f) Operative Fallanalysen

aa) Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-
Westfalen vom 20. Juli 2004

Die Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen,

deren Ergebnisse am 20. Juli 2004 vorgestellt wurden,

bestätigte die räumliche Eingrenzung der Suche auf die

nähere Umgebung. Die Fallanalyse ging von folgenden

Annahmen aus:

Bei den Opfern handele es sich um Zufallsopfer. Am

wahrscheinlichsten sei ein persönliches Motiv mit örtli-

chem Bezug in Kombination der Faktoren „Politisch
motiviert (unorganisiert/fremden- bzw. türkenfeindlich)“
und „Machtausübung/Machtmotiv“. Zur Motivlage stellte
die Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen

fest:

„Zwei aus einem persönlichen Motiv handelnde
Täter gleicher Gesinnung, hinter denen keine Or-

ganisation stehen dürfte.

Sinnbildlich ausgedrückte Motivlage:

‚Wir zünden die ‚Bombe‘ mitten in eurem ‚Wohn-
zimmer‘ - Ihr werdet euch dort nie mehr so wohl,
5943) MAT A GBA-4/7b, Bl. 240.

5944) MAT A GBA-4/7b, Bl. 242.

5945) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 47.

5946) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 78.

Drucksache 17/14600 – 686 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

so sicher wie früher fühlen und besorgt sein, dass

das noch mal passiert!‘“5947

Zudem wurde angenommen, dass die Täter einen Anker-

punkt in der umliegenden Gegend hätten:

„Die Täter oder einer der Täter wohnen in einer
genau zu bezeichnenden Wohnsiedlung jenseits

der KVB-/S-Bahn-Haltestelle oder haben dort ei-

nen Raum/Schuppen zur Verfügung; aber eher

wohnen sie dort; sie haben gute Ortskenntnisse.

Der Wohnort/Vorbereitungsraum muss in Bereich

liegen, der fußläufig max. 6 Minuten (eher weni-

ger) von der Stelle Schanzenstraße/Fußweg zur S-

Bahn-Haltstelle entfernt liegt. Wenn einer oder

beide Täter nicht dort wohnen, sondern nur über

einen entsprechenden Raum zur Vorbereitung der

Tat/Unterbringung der Räder usw. verfügen, leben

sie in der Umgebung Mülheims.“

Es handele sich um zwei Täter männlichen Geschlechts,

die sich „einig im Geiste“ seien. Sie seien enge Freunde
oder auch Brüder.

Zur physischen Beschreibung der Tatverdächtigen hielt

die Operative Fallanalyse fest:

– „hellhäutig,

– Europäer/Mitteleuropäer/deutschstämmig/
Deutsche

Die Gesamtbewertung rechtfertigt die Annahme,

dass es sich bei den Tätern mit hoher Wahrschein-

lichkeit um Deutsche handelt. Dies schließt aller-

dings nicht den Kölner Bürger mit anderer, euro-

päischer Nationalität (z. B. Österreicher, Nieder-

länder, Schweizer etc.) aus.“5948

Hinsichtlich des Täterprofils kam die Fallanalyse unter

anderem zu folgendem Ergebnis:

– „Beide Täter dürften zwischen 25 und 30 Jah-
re alt sein.

[…]

– Täter sehen sich ähnlich.

– Beide sind Mountainbikefahrer […]

– Auch das Bombenfahrrad spricht für bestimm-
te (handwerkliche/technische?) Fertigkeiten

der Täter und für eine mindestens durch-

schnittliche Intelligenz.

– Täter haben eine Affinität zu Waf-
fen/Sprengstoff (evtl. sind sie schon früher

damit aufgefallen).

[…]
5947) Infoblatt zur Hinweis- und Spurenbearbeitung der MK

„Sprengstoff“, MAT A BKA-2/39, Bl. 93.

5948) Infoblatt zur Hinweis- und Spurenbearbeitung der MK

„Sprengstoff“, MAT A BKA-2/39, Bl. 94.

– Täter sind wahrscheinlich schon polizeilich in

Erscheinung getreten, u. a. evtl. wegen frem-

denfeindlicher Straftaten.“5949

bb) Operative Fallanalyse des BKA vom 21. bis
25. Februar 2005

Nach Aussage des Zeugen Weber wurde eine zweite Fall-

analyse des BKA veranlasst, um aufwendige Maßnahmen

wie beispielsweise eine Überprüfung von 1 200 bis 1 500

Personen abzusichern.
5950

Zu den Zielen und der Effektivität des Täterhandelns

wurde in der zweiten Fallanalyse ausgeführt:

„Vor dem Hintergrund, dass im Hinblick auf die-
sen Anschlag keine Bekennung durch die Täter

vorliegt, ist das Anschlagsziel aus den objektiven

Daten des Anschlags abzuleiten. Demnach kam es

den Tätern bei dem Anschlag darauf an, durch die

Verwendung einer relativ großen Menge Schwarz-

pulver, deren Wirkung durch ca. 800 Nägel noch

erhöht wurde, eine möglichst breite, Aufsehen er-

regende Wirkung zu erzielen. Es sollten so viele

türkische Personen wie möglich getroffen werden,

ob diese Personen dabei verletzt oder getötet wer-

den, bzw. um welche Personen es sich dabei im

Einzelnen handelte, war den Tätern gleichgültig.

[…]

Die Wirkungsweise des Tatmittels drückt eine ho-

he Menschenverachtung aus. Sieht man diese in

direktem Zusammenhang mit der Auswahl des

Anschlagsortes, der Keupstraße als herausragendes

Beispiel türkischer Kultur und Lebensart, so lässt

dies einen ausgeprägten Hass auf die zum Zeit-

punkt der Tat im Frisörsalon und auf der Straße

aufhältigen Personen vermuten.

Die Täter setzten sich über mehrere Wochen hin-

weg mit der Planung der Tat auseinander und

scheuten zum Erwerb der Tatmittel auch keine fi-

nanziellen Aufwendungen. Das ‚Kosten-Nutzen-
Verhältnis‘ der Tat ist aus Sicht der Täter aufge-
gangen. Das von den Tätern angestrebte Ziel wur-

de erreicht.“

Die Fallanalyse gelangte zudem zu der Feststellung, dass

die gewählte gemeinsame Tatausführung ein ausgeprägtes

Vertrauensverhältnis erfordere. Der Tat müsse zudem ein

Ereignis vorangegangen sein, welches geeignet sei, den

Tatentschluss hervorzurufen, ihn über mehrere Wochen

hinweg aufrecht zu halten und umzusetzen. Das Analyse-

team hielt ein persönliches Motiv, möglicherweise Rache,

für am wahrscheinlichsten. Ein „politisches“ Motiv werde
für unwahrscheinlich gehalten, da in solchen Fällen nach
5949) Vermerk zur Präsentation der Ergebnisse der Operativen Fall-

analyse des LKA Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2004,

MAT A NW-6c, Bl. 99 ff. (101 f.).

5950) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 28.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 687 – Drucksache 17/14600

den bisherigen Erfahrungen mit einer Bekennung zu

rechnen gewesen wäre.

Wie bereits die 1. Fallanalyse kam auch die 2. Fallanalyse

zu geografischen Einschätzungen, welche den Radius der

Täter begrenzten. Man nahm an, dass die Täter für ihre

Tat wahrscheinlich ein „Depot“ als gemeinsamen Aus-
gangspunkt für die Annäherung an den Tatort verwende-

ten. Als „Depot“ biete sich ein größeres Fahrzeug oder
eine feste Räumlichkeit an. Dieses „Depot“ befinde sich
in einem Bereich, der zu Fuß in zwölf Minuten vom Auf-

nahmebereich der Kameras am VIVA-Gebäude in Rich-

tung Stadtbahnhaltestelle „Von-Sparr-Straße“ über
Brachgelände zu erreichen sei. Außerdem nahm man eine

besondere Vertrautheit mindestens eines der Täter mit der

Gegend an:

„Das hohe Niveau bei der Planung und Durchfüh-
rung der Tat lässt sich auch mit einer intensiven

Aufklärung des engeren und weiteren Tatortbe-

reichs eher nicht erreichen, da hierbei z. B. unvor-

hergesehene Störungen nicht berücksichtigt wer-

den können. Ist jedoch zumindest einer der beiden

Täter mit dieser Gegend näher vertraut, so kann

man davon ausgehen, dass bei diesem eine innere

Landkarte existiert, die dann auch eine adäquate

Reaktion auf die unvorhergesehene Verkehrsbe-

hinderung erlaubt. Die ‚Vertrautheit‘ mit dieser
Gegend kann bedeuten, dass mindestens einer der

Täter dort wohnt oder arbeitet, früher dort wohnte

oder arbeitete oder diese Gegend im Rahmen sons-

tiger aktueller oder ehemaliger Alltagsroutinen

frequentierte, also in der Gegend einen ‚Anker-
punkt‘ hat.“

Bei den Tätern handele es sich eher um polizeilich unauf-

fällige Personen vom Typ „Normalbürger“. Falls über-
haupt Vorerkenntnisse existierten, dann dürften diese eher

im Bereich der einschlägigen Straftaten bzw. im Bereich

der Verkehrs- und Vermögensdelikte zu finden sein.

Ermittlungsempfehlungen lauteten u. a., eine Internet-

Recherche mit Blick auf die verwendeten Tatmittel und

Bauanleitungen für Sprengkörper sowie eine Homepage-

Überwachung durchzuführen und zu prüfen, ob am Tattag

Fotos des Ordnungsamtes angefertigt worden seien. Zu-

dem wurde die Ermittlung von Hintergrundinformationen

zu der Übernahme des betroffenen Frisörsalons durch

eine türkische Person angeregt und es gab Hinweise,

worauf man bei Durchsuchungen besonders achten solle.

Eine Ermittlungsempfehlung mit Blick auf einen rechts-

extremistischen bzw. ausländerfeindlichen Hintergrund

der Tat gab es nicht.
5951

aaa) Schlussfolgerungen aus der Fallanalyse
des BKA

Während die Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen

davon ausgegangen war, dass die Täter wahrscheinlich
5951) Protokoll zur Analyse des Sprengstoffanschlags vom 9. Juni

2004, MAT A GBA-4/7a, Bl. 69 ff.

kriminalpolizeilich bereits in Erscheinung getreten seien,

ging die Fallanalyse des BKA davon aus, dass es sich bei

den Tätern eher um polizeilich unauffällige Personen

handele. Hieraus wurde die Konsequenz gezogen, die

bereits eingeleitete Rasterfahndung nach den bisher ent-

wickelten Kriterien, welche auch das Prüfmerkmal

POLAS-Treffer umfasste, nicht mehr zu Ende zu führen.

LKD S. führte in einem Bericht an die Bezirksregierung

Köln vom 7. April 2005 aus, dass bei Wegfall des Prüf-

merkmals POLAS-Treffer im Rahmen des maschinellen

Abgleichs 14 000 Personen herausgefiltert würden. Eine

Verspurung dieser Personen sei nicht sinnvoll und ziel-

führend. Da die Fallanalyse des BKA den Radius des

wahrscheinlichen „Depots“ von sechs Minuten auf zwölf
Minuten um den Tatort erweitere, habe er sich mit der

Staatsanwaltschaft Köln geeinigt, alle ca. 900 Personen,

die in diesem Bereich wohnhaft seien und auf die die

entsprechenden Prüfmerkmale ohne kriminalpolizeiliche

Vorerkenntnisse zuträfen, zu überprüfen.
5952

Der Zeuge Weber hat ausgesagt, dass als Konsequenz aus

der Fallanalyse zunächst nichts in Richtung eines frem-

denfeindlichen Hintergrunds unternommen worden sei.

Zunächst einmal seien aufgrund der Fallanalysen die bei

der Rasterfahndung anzulegenden Kriterien überprüft

worden. Aufgrund der Videos sei es nicht möglich gewe-

sen, die Täter eindeutig festzustellen. Man habe aber

Menschen ausschließen können, die völlig anders ausge-

sehen hätten. Im Weiteren könne man bei den dann noch

übrig bleibenden Personen Ansatzpunkte für fremden-

feindliche Hintergründe oder Ähnliches finden. Es habe

vereinzelt auch Hinweise von Zeugen auf Personen mit

entsprechenden Hintergründen gegeben, welche dann im

Einzelnen überprüft worden seien. Ferner sei der Staats-

schutz mit einbezogen und nach potenziellen Tatverdäch-

tigen aus der rechtsextremen Szene gefragt worden.
5953

Zu der Relevanz in Richtung Rechtsextremismus zeigen-

der Aspekte der Fallanalyse des BKA hat der Zeuge Wolf

ausgeführt, dass sie als Denkmodelle Bedeutung gehabt

hätten. Es habe aber keine konkreten Spuren bzw. Hin-

weise gegeben, die sie in irgendeiner Weise instand ge-

setzt hätten, in diese Richtung weiterzumarschieren.
5954

Auch der Zeuge Spliethoff hat erklärt, die operative Fall-

analyse habe keine Rolle für die Tatortarbeit gespielt.

Wenn ein rechtsextremistischer Hintergrund stärker in

Betracht gezogen worden wäre, hätte sich dies nicht auf

die Tatortarbeit ausgewirkt. Jeder Tatort werde sehr akri-

bisch und mit den entsprechenden Standards aufgenom-

men und abgearbeitet.
5955

Auf die Frage, ob ihm die Fallanalyse bekannt gewesen

sei, hat der Zeuge Dr. Behrens geantwortet, er habe keine

Erinnerung daran, ob er in den Wochen nach dem An-
5952) Schreiben des Polizeipräsidium Köln vom 7. April 2005, MAT

A NW-7/3a, Bl. 28 f.

5953) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 43 f.

5954) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 82.

5955) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 10.

Drucksache 17/14600 – 688 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schlag von ihr gehört habe.
5956

Der Zeuge Maurer hat

erklärt, er habe die Fallanalyse des BKA erst nach No-

vember 2011 zur Kenntnis genommen. Die Analyse sei

im BKA als Unterstützung auf Anforderung der Kölner

Behörde entstanden. Sie sei im BKA überhaupt nicht

diskutiert worden, weil sie auftragsgemäß für die Kölner

Polizei erstellt worden sei. Sie sei auch nicht in der Abtei-

lung OA, die Zentralstelle für dieses Sprengstoffdelikt

gewesen sei, diskutiert worden. Er halte die Fallanalyse

für hochinteressant und in vielerlei Punkten für zutref-

fend. Sie habe Ansatzpunkte geliefert, obwohl sie auch

kritisch zu bewertende Punkte enthalten habe.
5957

Die

Zeugin Hammann, die zum Zeitpunkt des Nagelbomben-

anschlags Leiterin des für politisch motivierte Kriminali-

tät zuständigen Referates im BMI war, hat ausgesagt, sie

könne sich nicht daran erinnern, dass die Fallanalyse des

BKA sie erreicht habe.
5958

Der Zeuge Dr. Möller, der zum Zeitpunkt des Nagelbom-

benanschlags Leiter der Verfassungsschutzabteilung im

Innenministerium Nordrhein-Westfalen war, hat ebenfalls

erklärt, dass die Operative Fallanalyse des BKA damals

nicht zu seiner Kenntnis gelangt sei. Als Grund hierfür hat

er genannt, dass sie zu einem Zeitpunkt erstellt worden

sei, zu dem die Kölner Polizei den Fall allein bearbeitet

und den Verfassungsschutz nicht mehr informiert habe. Er

erhalte solche Informationen nur in dem Fall, wenn das

Landeskriminalamt oder die Polizeiabteilung der Auffas-

sung sei, dass der Fall den Verfassungsschutz angehe.
5959

g) Öffentliche Äußerungen der Ermittler zur
Tat

aa) Pressetermin am 30. Juli 2004

Aus einem Schreiben der Bezirksregierung Köln an das

Innenministerium Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 2004

geht hervor, dass das Polizeipräsidium Köln eine laut

OFA-Ergebnissen möglicherweise vorliegende fremden-

feindliche Motivation im Rahmen eines Pressetermins am

30. Juli 2004 nicht thematisieren werde. Diese taktische

Vorgehensweise sei mit dem LKA Nordrhein-Westfalen

abgestimmt.
5960

Die näheren Umstände für diesen Sachverhalt haben sich

in der Beweisaufnahme nicht klären lassen. Auf die Fra-

ge, ob es Vorgaben oder Aufforderungen hierzu gegeben

habe, hat der Zeuge Weber erklärt, er könne sich definitiv

nicht an eine Aufforderung erinnern, bestimmte Dinge

nicht zu äußern.
5961

Der Zeuge Dr. Behrens hat erklärt, er

habe für diesen Sachverhalt keine Erklärung. Er verstehe
5956) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 28.

5957) Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 37.

5958) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 16.

5959) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 15.

5960) Schreiben der Bezirksregierung Köln vom 29. Juli 2004, MAT

A NW-6c, Bl. 108.

5961) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 52.

dies nicht und halte es auch nicht für richtig.
5962

Er hat

zudem ausgesagt, sich nicht daran erinnern zu können,

von dem Pressetermin vorher gewusst zu haben.
5963

bb) Öffentliche Äußerungen von OStA Wolf

Im Verlauf der Ermittlungen äußerte sich OStA Wolf

mehrfach gegenüber der Presse zu den möglichen Moti-

ven der Tat. Die Aussagen, die Wolf gegenüber der Presse

machte, lesen sich widersprüchlich. So wurde er in der

tageszeitung vom 11. Juni 2004 wie folgt wiedergegeben:

„Allerdings betonte Staatsanwalt Rainer Wolf, dass
es bisher ‚nicht die geringsten Anhaltspunkte für
einen fremdenfeindlichen oder terroristischen Hin-

tergrund‘ gebe. Deswegen bestünde derzeit auch
noch ‚keine Veranlassung, das Verfahren nach
Karlsruhe abzugeben‘, sagte Wolf.“5964

In einem Zeitungsartikel im Stadtanzeiger vom

12./13. Juni 2004 wurde er dagegen wie folgt zitiert:

„Entgegen der Meinung von Bundes- und Landes-
innenministerium will Wolf neben einem kriminel-

len oder persönlichen Motiv auch einen politischen

oder gar fremdenfeindlichen Hintergrund des An-

schlags nicht ausschließen. Die Bombe sei wahr-

scheinlich nicht konkret gegen eine Zielperson,

sondern ‚wahllos‘ gegen Menschen gerichtet ge-
wesen. ‚Wer gezielt einen Denkzettel verpassen
will, der geht anders vor.‘„5965

In der Kölnischen Rundschau vom 31. Juli 2004 wurde

ausgeführt:

„Oberstaatsanwalt Wolf schloss sowohl einen ter-
roristischen Hintergrund als auch Hintermänner

aus der organisierten Kriminalität aus: ‚Das war
keine Expertenarbeit. Wegen der zur Zündung der

Bombe benutzten Fernsteuerung könnte es jemand

gewesen sein, der sich gut mit Modellflugzeugen

auskennt. Es fehlt ein Bekennerschreiben, wie dies

bei Terroristen üblich ist.‘ Eine ausländerfeindli-
che Tat sei aber nicht auszuschließen.“5966

In einem Artikel „Motiv Hass“ des Tagesspiegels vom
30. September 2004 war zu lesen:

„Knapp vier Monate nach dem Nagelbombenan-
schlag in Köln vermuten die Ermittler ein frem-

denfeindliches Motiv. ‚Etwas anders, zum Beispiel
Schutzgelderpressung, ist unwahrscheinlich‘, sagte
der Kölner Oberstaatsanwalt Rainer Wolf dem Ta-

gesspiegel.“
5962) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 28.

5963) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 52.

5964) Die Tageszeitung, 11. Juni 2004, „Ermittlung gegen unbe-
kannt“.

5965) Stadtanzeiger, 12./13. Juni 2004, „Staatsanwalt: Auch ein
politisches Motiv möglich“, MAT A GBA 9, Bl. 55.

5966) Kölnische Rundschau, 31. Juli 2004, „Furcht vor neuen An-
schlägen“.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 689 – Drucksache 17/14600

In dem erwähnten Artikel aus dem Tagesspiegel hieß es

weiterhin:

„Auf ein Hass-Motiv könnte neben der Herkunft
der Opfer auch ein anderes Indiz hindeuten: Die

Bombe war auf einem erstaunlich teuren Fahrrad

deponiert, das bei der funkgesteuerten Explosion

zerstört wurde. Das aus einer Aldi-Filiale stam-

mende Citybike koste 249 Euro, sagte ein Experte.

Möglicherweise sei einer der Bombenbauer derart

von Hass getrieben worden, dass er sogar ein teu-

res Rad einsetzte, anstatt für den Anschlag ein bil-

liges zu besorgen.“5967

Am 7. August 2006 veröffentlichten die Kölnische Rund-

schau, der Kölner Stadt-Anzeiger und der Express die

Mitteilung, dass es sich bei dem Anschlag nach Ansicht

der Ermittler um eine Machtdemonstration rivalisierender

Schutzgelderpresser gehandelt habe.
5968

Zu den Hinter-

gründen dieser Presseäußerungen hat der Zeuge Wolf

erklärt, sie gingen alle auf einen Journalisten zurück.

Weiterhin hat er ausgesagt, er habe zu keinem Zeitpunkt

gegenüber diesem Journalisten geäußert, dass nur diese

eine Version denkbar sei. Das sei – aus welchen Gründen
auch immer – eine pressemäßige Verkürzung.5969

cc) Öffentliche Äußerungen von KHK Weber

In der Sendung AKTENZEICHEN XY ungelöst vom

4. November 2004 äußerte sich KHK Weber wie folgt:

„Es wurde viel gemutmaßt, terroristische Hinter-
gründe, vielleicht auch fremdenfeindliche Hinter-

gründe aufgrund der vielen türkischen Geschäfte

in der Keupstraße. Allerdings hat sich beides bis-

her nicht bestätigt. Wir vermuten eher, dass die

beiden Täter ein wie auch immer geartetes privates

Motiv haben.“5970

In der Kölnischen Rundschau vom 6. November 2004

wurde wiederum über die Äußerungen Webers in der

Sendung wie folgt berichtet:

„Das Motiv für den Nagelbomben-Anschlag im
Juni auf der Keupstraße könnte private Gründe ha-

ben. Diese Meinung vertrat der Leiter der Mord-

kommission in der ZDF-Sendung

AKTENZEICHEN XY ungelöst. Im Moment könne

man einen terroristischen oder politischen Hinter-

grund für das Attentat ausschließen. Eine persönli-

che Fehde sei wesentlich wahrscheinlicher, betonte
5967) Tagesspiegel, 30. September 2004, „Motiv Hass“.

5968) Kölnische Rundschau, 7. August 2006, „Zündeten Rivalen die
Bombe?“, Kölner Stadtanzeiger, 7. August 2006, „Nagelbom-
be: Polizei hat neue Spur“, Express, 7. August 2006, „Nagel-
bombe: Polizei prüft neue Spur“, MAT A GBA-9, Bl. 110.

5969) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 94.

5970) Aufzeichnung der Sendung Aktenzeichen XY ungelöst vom

4. November 2004, ab 21.09 Uhr.

Markus Weber im Gespräch mit Moderator Rudi

Cerne.“5971

Festzustellen ist, dass die Äußerungen Webers in der

Kölnischen Rundschau nicht wortgetreu wiedergegeben

wurden. Die Formulierung Webers, ein terroristischer

bzw. fremdenfeindlicher Hintergrund habe sich nicht

bestätigt, wurde dahingehend verschärft, dass ein terroris-

tischer oder politischer Hintergrund für den Anschlag

auszuschließen sei.

h) Schwerpunkt der Ermittlungen hinsichtlich
möglicher Motive der Tat

Von Interesse war für den Ausschuss, welche Schwer-

punkte bei den Ermittlungen gesetzt wurden.

aa) Aussage des Zeugen Weber

Der Zeuge Weber hat ausgesagt, es habe hinsichtlich des

Schwerpunktes der Ermittlungen keine eindeutigen Fest-

legungen gegeben. Einen Schwerpunkt „Organisierte
Kriminalität“ habe es nicht gegeben. Ihr Schwerpunkt sei
letztlich gewesen, aufgrund der Fallanalyse zwei Täter zu

finden, die ein persönliches Motiv gehabt hätten, die

Bombe in die Keupstraße zu legen, dabei aber nicht ande-

re mögliche Motive wie Rechtsextremismus oder Frem-

denfeindlichkeit außer Acht zu lassen.
5972

Der Zeuge Weber hat zu der Frage, welches Motiv man

zu Beginn der Ermittlungen vermutet habe, erklärt, natür-

lich sei eine Prüfung eines politischen oder fremdenfeind-

lichen Hintergrundes veranlasst worden. Es gebe aber

speziell im Bereich der Keupstraße verschiedene Aspekte,

die andere Motive möglich erscheinen ließen, sodass

diese Richtungen in jeglicher Art geprüft und diskutiert

worden seien. Letztendlich sei es ihnen nicht gelungen,

eine Richtung für ein Motiv festzulegen.
5973

Bei den Dis-

kussionen, die geführt worden seien, habe immer wieder

eine Rolle gespielt, dass man bei einem terroristischen

Anschlag in irgendeiner Art und Weise ein Beken-

nerschreiben oder Ähnliches erwartet habe, was es zum

damaligen Zeitpunkt nicht gegeben habe.
5974

Einen politi-

schen oder terroristischen Hintergrund, wie er dann doch

zutage getreten sei, habe man sicherlich damals eher nicht

für möglich gehalten. Für möglich gehalten habe man

aber das Motiv Fremdenfeindlichkeit.
5975

Die Frage eines

fremdenfeindlichen Hintergrundes sei ein Aspekt gewe-

sen, der in den Ermittlungen auch Berücksichtigung ge-

funden habe. Es sei aber ein Aspekt unter vielen zu die-

sem Zeitpunkt gewesen.
5976
5971) Kölnische Rundschau vom 6. November 2011, MAT A GBA-9,

Bl. 103.

5972) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 48 f.

5973) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 29.

5974) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 30.

5975) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 42 f.

5976) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 45, 46.

Drucksache 17/14600 – 690 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Man sei bestrebt gewesen, den Menschen zu vermitteln,

dass es sich bei den Tätern um nicht erkennbare Normal-

bürger handeln könne, wie beispielsweise um Nachbarn.

Er sei sicherlich der Meinung gewesen, dass man keine

große politisch organisierte Truppe suche, die hinter der

Tat stehe, sondern eher zwei mehr oder weniger für sich

agierende Personen.
5977

Mit den zur Verfügung stehenden

Mitteln habe man auch den rechtsextremen Bereich, so-

weit er denn überprüfbar gewesen sei, überprüft und habe

Anfragen bei entsprechenden Behörden gestellt. Dies sei

aus seiner Sicht für dieses Ermittlungsverfahren ausrei-

chend gewesen.
5978

Zu Beginn der Ermittlungen sei auch der Staatsschutz

einbezogen worden, um sich in der rechtsextremen Szene

umzusehen. Der Staatsschutz habe keine lange Liste mit

Personen geliefert, aber es sei mindestens ein Hinweis

eines Kollegen erfolgt, der im Staatsschutz im Einsatz

gewesen sei und sich an eine Person erinnert habe.
5979

bb) Aussage des Zeugen Wolf

Der Zeuge Wolf hat ausgeführt, dass das entsprechend

einzuleitende Verfahren gegen Unbekannt (UJs-

Verfahren) in der von ihm geleiteten Abteilung für politi-

sche Staftaten angesiedelt worden sei, da gewisse Mo-

mente dafür gesprochen hätten, dass die Tat allein im

Zusammenhang mit dem Begriff Keupstraße einen mögli-

chen politischen Hintergrund hätte haben können. Wenn

das Stichwort „Keupstraße“ falle, denke man an die eine
oder andere Auseinandersetzung mit politischem Hinter-

grund. So habe es eine ganze Reihe von teilweise doch

recht gravierenden Auseinandersetzungen zwischen nati-

onal eingestellten Türken und Kurden im Gebiet der

Keupstraße gegeben. Im Bereich Köln-Mülheim habe es

körperliche Auseinandersetzungen heftigster Art zwi-

schen dem rechten politischen Spektrum zuzuordnenden

Türken und der wohl zur PKK gehörenden oder zumin-

dest mit der PKK sympathisierenden Bevölkerungs-

gruppe, die aus dem Bereich der Kurden stamme, gege-

ben. Man habe aber auch nicht ausschließen können, dass

hier ein ausländerfeindlich begründeter Anlass für die

Täter vorgelegen habe.
5980

Zudem seien in der Keupstraße

auch Verfahren mit einem Hintergrund im Bereich der

Organisierten Kriminalität gelaufen. Es habe daher eine

breite Facette von Möglichkeiten bestanden, warum es zu

diesem Bombenanschlag gekommen sei. Man habe sich

von Anfang an alle eventuell in Betracht kommenden

Möglichkeiten eines Hintergrundes offenhalten wol-

len.
5981

Der Zeuge Wolf hat ausgeführt, es habe nicht ausge-

schlossen werden können, dass die Tat möglicherweise

gezielt auf die Kundschaft oder den Ladenbesitzer gerich-
5977) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 42 f.

5978) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 61.

5979) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 44.

5980) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 72.

5981) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 72.

tet worden sei.
5982

Auf den Vorhalt, wie bei der Tataus-

führung in Anbetracht der Vielzahl von Nägeln, die in

dem Sprengsatz verborgen gewesen seien, abschätzbar

gewesen sei, wer in Mitleidenschaft gezogen werde, hat er

erklärt:

„Das mag so sein. Ich kann ja auch jetzt nicht
mehr die Richtigkeit dieser Darstellung überprü-

fen, aber ich kann mich nur daran erinnern, dass

genau dieses angebliche Metallstück, was in dem

Plastikbehälter drin war, mir so präsentiert worden

ist, als wenn man damit, wie auch immer, eine be-

stimmte Zielrichtung dieser fliegenden Nägel her-

vorrufen wollte. Ob sich das später so bewahrhei-

tet hat, kann ich natürlich nicht wissen. Aber das

war jedenfalls zu Anfang mal durchaus Gegen-

stand von Erörterungen.“5983

Ein politischer oder fremdenfeindlicher Hintergrund sei

zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Deshalb

hätten Beamte des polizeilichen Staatsschutzes mit Herrn

Weber zusammengearbeitet, um alle möglichen denkba-

ren Verbindungen oder Hintergründe stetig im Auge zu

haben. Ob jetzt die Polizei, gerade in Person von Herrn

Weber, mehr der einen oder der anderen Möglichkeit den

Vorzug gegeben habe, wisse er nicht.
5984

Zu der Frage eines fehlenden Bekennerschreibens hat der

Zeuge Wolf erklärt:

„Ich würde mal so sagen aus heutiger Sicht: Wenn
die Tat so, wie sie begangen worden ist, an sich

schon aussagekräftig genug vom Programmsatz

her ist, bedarf es sicherlich keines Bekennerschrei-

bens. Aber wir wissen inzwischen durch den Film,

der jetzt auch Gegenstand der Veröffentlichungen

im November war – ‚Paulchen Panther‘ –, dass
diese Täter ganz spät im Zusammenhang mit ihrem

Ableben schon ihre Mission und ihr Bekennen zu

dieser Tat in die Allgemeinheit, in die Öffentlich-

keit reingebracht haben. Das war vielleicht zu ei-

nem späten Zeitpunkt, aber es kam ihnen jeden-

falls auch darauf an, dass man die Tat ihnen und

ihrer Gruppierung zurechnet.“5985

Mit Blick auf die damalige unsichere Lage habe er nach

damaliger Einschätzung eine Art der Bekennung erwartet,

um klarzustellen, dass die Täter etwas gegen die Türken

in der Keupstraße hätten unternehmen wollen.
5986

Zum Verlauf der in diese Richtung gehenden Ermittlun-

gen hat er ausgesagt, die an der Kommission beteiligten

Staatsschutzbeamten hätten versucht, zusammen mit den

anderen Polizeibeamten abzuklären, ob es Personen gebe,

die einen entsprechenden politisch motivierten Hinter-

grund hätten haben können. Durch die ständige Beteili-
5982) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 73.

5983) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 74.

5984) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 74.

5985) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 94.

5986) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 94.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 691 – Drucksache 17/14600

gung von Polizeibeamten aus dem Staatsschutzbereich sei

dafür gesorgt worden, solche Personen in die Überlegun-

gen mit einzubeziehen. Es sei aber nie übermittelt wor-

den, dass eine oder mehrere bestimmte konkrete Personen

aus diesem Spektrum als Tatverdächtige in Betracht kä-

men.
5987

Allerdings hat der Zeuge Wolf eingeräumt, dass

in der Endphase der Ermittlungen das polizeiliche

Schwergewicht in Richtung Aufklärung dubioser Ge-

schäfte, möglicherweise Schutzgelderpressung tendiert

habe.
5988

cc) Aussage des Zeugen Spliethoff

Der Zeuge Spliethoff, der Leiter der Tatortgruppe im LKA

Nordrhein-Westfalen war, hat ausgesagt, seine Tatort-

gruppe mache sich keine Gedanken über die Motivation

des Täters. Ihre Aufgabe sei gewesen, zügig die Spreng-

vorrichtung zu rekonstruieren und hierüber den Ermittlern

Ermittlungsansätze zu geben. Seine Tatortgruppe habe

aber in ständigem Kontakt zu der sachbearbeitenden

Dienststelle gestanden und auch Hinweise zur Motivation

der Täter gegeben. Wenn eine Vorrichtung mit 800 Nä-

geln zum Einsatz käme, dann sei hierin die Motivation der

Täter zu erkennen, damit Menschen und auch Unbeteilig-

te zu verletzen, wenn nicht sogar zu töten. Ihm sei nicht

mehr präsent, dass im Kreis der Tatortermittler eine

rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Motivlage

thematisiert worden sei. Auch hätten sie im ersten Mo-

ment keinen politischen Hintergrund der Tat vermutet.
5989

i) Hinweise auf einen rechtsextremisti-
schen/ausländerfeindlichen Hintergrund

Der Ausschuss hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die

Ermittlungsbehörden nicht bereits vor dem 4. November

2011 den Nagelbombenanschlag aufgrund von Hinweisen

als rechtsextreme terroristische Tat hätten verfolgen kön-

nen.

aa) Aussagen von Tatortzeugen

Von Zeugen wurden mehrfach Vermutungen dahingehend

geäußert, dass es sich um einen fremdenfeindlichen Hin-

tergrund handeln könnte. So äußerte der Zeuge M. K. in

seiner Vernehmung zum Nagelbombenanschlag am

16. Juni 2004 auf die Frage, aus welcher Richtung der

Anschlag kommen könnte:

„vielleicht […] Nazis, die […] viele Ausländer mit
in den Graben nehmen wollten. […] Wenn das
dem Friseur galt, dann würde der reingehen und

den Friseur abknallen und nicht vor der Türe, das

sind ja alles unschuldige Menschen. Der größte

Teil sind ja nun mal Türken und Kurden und Aus-

länder. Die einzige Möglichkeit, die ich mir den-

ken kann, ist ein Ausländerhasser. Ich habe im Vi-
5987) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 75.

5988) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 87.

5989) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 9, 10.

deotext gelesen es war ein Blonder. Was anderes

kann ich mir eigentlich nicht erklären.“5990

Der Zeuge C. Y. wies in seiner Vernehmung am

12. Juni 2004 auf Vermutungen von Besuchern eines

Cafés in der Keupstraße über mögliche Täter hin:

„Da wird von PKK gesprochen, von Neonazis und
von Albanern“.5991

Auch der Zeuge Ö. Y. nannte bei seiner Vernehmung am

23. Juni 2004 Ausländerfeindlichkeit als mögliches Mo-

tiv.
5992

bb) Flugblatt in Kölner Straßenbahn

Am 28. November 2004 wurde in einem Wagen der Stra-

ßenbahn-Linie 16 der Kölner Verkehrsbetriebe ein Flug-

blatt mit folgendem Text gefunden:

„Wir schreiben nun das Datum 15.10.2004 und
man hört in den Nachrichten, dass immer noch

nach den Tätern gesucht wird, aber ohne Erfolg.

Hat die Polizei mal darüber nachgedacht, was das

Ganze für eine Bewandtnis hatte? –

Ja natürlich, es ist doch ganz eindeutig, es war ein

nicht gut durchgeplanter Bombenanschlag! Falsch,

es war mehr als ein Bombenanschlag, es war ein

Zeichen von Protest, eine Warnung. Wie Sie viel-

leicht wissen ist die Keupstraße bewohnt von sehr

vielen Ausländern und das gefällt sehr vielen

Deutschen nicht. Wenn Sie mich fragen, war das

erst der Anfang, es könnte noch schlimmer wer-

den. Deutsche wehrt Euch!!!!“5993

In den Akten befindet sich eine handschriftliche Verfü-

gung:

„Als AR-Sache5994, Flugblatt zum Anschlag
Keupstraße – ‚Widerstand gegen Ausländerfein-
dlichkeit‘ eintragen.“5995

In dem Schreiben des Generalstaatsanwalts in Köln vom

4. Januar 2012 wurden bezüglich der Ermittlungen zu

diesem Flugblatt folgende Ausführungen gemacht:

„Der Verfasser des Flugblatts wurde nicht ermit-
telt. Der Text ist seitens der Ermittlungsbehörden

nicht als Straftat gemäß § 140 StGB gewertet wor-

den, sondern als Aufforderung des Verfassers an

die Öffentlichkeit, sich gegen solche Vorkomm-

nisse (Anschläge) und gegen den Fremdenhass zu

wehren. Eine Auslegung, dass der Satz ‚Deutsche
wehrt Euch‘ in irgendeiner Form Fremdenfein-
5990) MAT A GBA-4/24a, Bl. 295 ff., 300 ff.

5991) MAT A GBA-4/24a, Bl. 241.

5992) MAT A GBA-4/24b, Bl. 404.

5993) MAT A GBA-4/8c, Bl. 319-321.

5994) AR = Allgemeines Register.

5995) MAT A GBA-4/8c, Bl. 327.

Drucksache 17/14600 – 692 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dlichkeit widerspiegelt, ist dem Schreiben im ge-

samten Kontext nicht entnommen worden.“5996

Der Zeuge Weber hat erklärt, das Flugblatt sei sicherlich

als Spur in den Akten enthalten gewesen. Er sei insoweit

mit ihm befasst gewesen, als er letztendlich für die End-

kontrolle der Spuren verantwortlich sei. Er könne aber im

Moment nicht mehr sagen, wie das Flugblatt von der

Kommission bewertet worden sei. Aus seiner Sicht lasse

es zwei Interpretationen zu: Zum einen könne „Wehrt
euch“ in dem Sinne verstanden werden, dass man gegen
Ausländer vorgehen solle, zum anderen könne „Wehrt
euch“ aber auch bedeuten, dass gegen ausländerfeindliche
Leute vorgegangen werden solle. Letztlich sei das in der

Bahn aufgefundene Flugblatt spurentechnisch untersucht

worden. Es habe aber keine weiteren konkreten Anhalts-

punkte geliefert, um mit den Ermittlungen voranzukom-

men.
5997

Der Zeuge Wolf hat dagegen erklärt, er interpretiere das

Flugblatt jetzt so, dass jemand – der Drucker oder der
Verfasser X – damit seine innere Sympathie mit diesen
Vorkommnissen in der Keupstraße zum Ausdruck bringen

wolle.
5998

Das Flugblatt habe keine Erwähnung in dem

Abschlussvermerk der Staatsanwaltschaft gefunden, weil

man ihm keine besondere Bedeutung beigemessen habe.

Pamphlete wie „Deutsche wehrt Euch!!!!“ und derglei-
chen gebe es als Propagandadelikt sehr häufig. In diesen

Verfahren würden beispielsweise Zettel und Sachen mit

solchem oder ähnlichem Inhalt an Laternenmaste geklebt.

Dies seien Alltagsereignisse. Man habe das Flugblatt

daher nicht in einen Zusammenhang mit dem Anschlag in

der Keupstraße gebracht.
5999

Der Zeuge Hofmann, der seinerzeit Leiter des Beschaf-

fungsreferats deutscher Extremismus in der Abteilung 6

des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen war, hat

ausgesagt, er könne sich nicht daran erinnern, dass Flug-

blätter diesen Inhalts kursiert seien.
6000

Auch der Zeuge

Dr. Möller, der zum Zeitpunkt des Nagelbombenan-

schlags Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innen-

ministerium Nordrhein-Westfalen war, hat erklärt, er

kenne das Flugblatt nicht.
6001

j) Konkrete Tatverdächtige mit rechtsextre-
mistischem Hintergrund

Aufgrund eines Hinweises des BfV überprüfte die MK

„Sprengstoff“ T. R. Dieser hatte 1998 mit Sprengstoff
hantiert und zum damaligen Zeitpunkt eine Internetseite

mit rechtsextremistischem Hintergrund betrieben. Wie

dem Schlussbericht zu dieser Spur 127 zu entnehmen ist,

erbrachten Wohnungsdurchsuchungen sowie eine Ver-
5996) Schreiben des Generalstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar

2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 502.

5997) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 45.

5998) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 87.

5999) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 82.

6000) Hofmann, Protokoll-Nr. 34, S. 17.

6001) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 10, 11.

nehmung von T. R. keine Hinweise, dass er mit der Tat in

Verbindung gebracht werden könne. Zudem wurde fest-

gestellt, dass er auch aufgrund seines äußeren Erschei-

nungsbildes nicht mit der Tat in Verbindung gebracht

werden könne.

In den Akten wurde festgehalten, dass bei einem weiteren

Tatverdächtigen mit rechter Gesinnung, M. D., eine Woh-

nungsdurchsuchung durchgeführt worden sei, die kein

Ergebnis erbracht habe. Aufgrund des Vorliegens eines

Alibis und der Feststellung, dass er in der Statur den Tat-

verdächtigen nicht nahe komme, wurden keine weiteren

Ermittlungsansätze zu seiner Person gesehen. Zudem

wurde in dem Schlussbericht zu dieser Spur 30 mitgeteilt,

dass ein Antrag auf Durchsuchungsbeschlüsse für zwei

weitere Personen, die der rechtsextremen Szene zuge-

rechnet würden, J. R. und T. E., abgelehnt worden sei-

en.
6002

Nachgegangen wurde als Spur 104 außerdem einem Hin-

weis auf ein Mitglied der rechtsextremen Gruppierung

„Freie Kameradschaft Köln“. Dieser habe sich am Tag
nach dem Anschlag in aushorchender Weise mit einer

Polizistin über den Anschlag unterhalten. Im Ergebnis

wurde festgestellt, dass dieser unter Berücksichtigung der

gemachten Lichtbilder als Person, die eines der Fahrräder

geschoben habe, ausscheide. Diese Spur sei daher nach

derzeitigem Erkenntnisstand für das Verfahren ohne wei-

tere Relevanz.
6003

Der Zeuge Dr. Möller hat in seiner Vernehmung vor dem

Ausschuss ausgesagt, der nordrhein-westfälische Verfas-

sungsschutz habe diese Organisation zwar beobachtet, er

habe aber keine Kenntnis darüber, ob es auf einer unteren

Ebene im Zusammenhang mit dem Nagelbombenanschlag

eine Anfrage der Kölner Polizei gegeben habe.
6004

Anonym wurde auf einen namentlich benannten Angehö-

rigen aus der rechten Szene hingewiesen, der angeblich

als derjenige erkannt worden sei, der das Fahrrad in der

Keupstraße abgestellt habe. Da weder die Person, welche

die E-Mail versandt hatte, noch der von ihr benannte

Angehörige aus der rechten Szene ermittelt werden konn-

ten, blieb auch diese Spur 131 ergebnislos.
6005

Zudem wurde der Hinweis auf einen 23-jährigen verfolgt,

der gegenüber seiner Mutter angegeben habe, „seine
Gruppe“ habe die Nagelbombe gelegt. Bei einer Zeugen-
vernehmung gab er an, er habe die Äußerung gegenüber

seiner Mutter getätigt, um sie zu ärgern und Aufmerk-

samkeit zu erlangen. Da festgestellt wurde, dass der 23-

jährige ein Alibi für den Tattag habe und er aufgrund

seines äußeren Erscheinungsbildes nicht als Täter in Fra-

ge komme, sah man keine weiteren Ermittlungsansät-

ze.
6006
6002) Schlussbericht der MK „Sprengstoff“ zu Spur 30 und Spur 127

vom 13. August 2004, MAT A GBA-4/14b, Bl. 6, 7.

6003) Spurenakte 104, MAT A GBA-4/14a, Bl. 31-35.

6004) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 20.

6005) Spurenakte 131, MAT A GBA-4/14a, Bl. 37-44.

6006) Spurenakte 186, MAT A GBA-4/14a, Bl. 68-81.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 693 – Drucksache 17/14600

Überprüft wurde auch der Hinweis eines Polizeibeamten

auf ein Mitglied der rechtsextremistischen Gruppierung

„Nationaler Widerstand Leverkusen“, der fünf Monate
nach der Tat erfolgte. Auch bei dieser Person wurde fest-

gestellt, dass sie aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbil-

des nicht als Täter in Betracht komme.
6007

Aufgrund eines

Hinweises auf eine aus dem Bereich der Hooligans stam-

mende Person wurden auch Ermittlungen in Leipzig

durchgeführt, die jedoch ergebnislos blieben.
6008

k) Umgang mit Opfern

Aus einem Vermerk der MK „Sprengstoff“ vom 14. Juni
2004 ergibt sich, dass die Geldbörse des Opfers K., die

seinen Ausweis enthielt, von der Polizei sichergestellt

worden war.
6009

Zudem wurden von ihm Finger- und

Handflächenabdrücke zum Abgleich mit den Tatortspuren

genommen.
6010

Der Zeuge Dr. Behrens hat erklärt, er

wisse nichts darüber, wie die Ermittler vor Ort mit den

Opfern umgegangen seien. Ihm ist vorgehalten worden,

dass die Mutter eines damals Anfang 20-jährigen An-

schlagopfers berichtet habe, noch während ihr Sohn auf

der Intensivstation gelegen habe, sei ein Polizeibeamter

gekommen, um DNA-Proben zu nehmen. Auf die sich

daran anschließende Frage, ob dies übliche Praxis in

Nordrhein-Westfalen sei, hat der Zeuge geantwortet, er

sei als Minister niemals dabei gewesen, wenn die ermit-

telnden Polizeibeamten DNA-Proben erhoben hätten. Das

geschilderte Verhalten sei aber kein Ausweis von beson-

derer Sensibilität.
6011

Auch die Geschädigten Ö. Y. und H. Y. gerieten ins Visier

der Ermittler. Das Fahrrad, auf dessen Gepäckträger die

Bombe befestigt war, war vor dem Friseurgeschäft des Ö.

Y. abgestellt worden. Sein Bruder, H. Y., arbeitete dort

zum Tatzeitpunkt und wurde durch den Anschlag verletzt.

Ein Zeuge sagte gegenüber der Polizei aus, Pressemel-

dungen, wonach es sich bei den Tätern um Deutsche

handele, deren Motiv Ausländerfeindlichkeit sei, seien

nach seiner Ansicht falsch – die Auftraggeber der Tat
seien vielmehr im Kreis der Gläubiger zu suchen. Ziel des

Anschlags sei nicht der Tod des Ö. Y. gewesen, da man

sonst ja das Geld nicht bekommen könnte.
6012

Auch die

Möglichkeit einer Schutzgelderpressung wurde von der

Polizei bei ihren Ermittlungen in den Raum gestellt.
6013

Im Ergebnis bestätigten sich die Verdachtsmomente nicht.
6007) Spurenakte 283, MAT A GBA-4/14a, Bl. 82-87.

6008) Spur 328, MAT A GBA-4/14, Bl. 4 ff.

6009) Vermerk der MK „Sprengstoff“ vom 14. Juni 2004, MAT A
GBA-4/24a, Bl. 302.

6010) Vermerk der MK „Sprengstoff“, MAT A GBA-4/24a, Bl. 613.

6011) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 6, 7.

6012) Spurenakte Spur 295, MAT A GBA-4/24e, Bl. 3 ff.

6013) Zeugenvernehmung G. Y. vom 5. April 2006, MAT A GBA-

4/24b, Bl. 675.

l) Zivilpolizisten am Tatort

Mit Schreiben vom 14. November 2012 wandte sich Herr

D., Inhaber eines Ladengeschäfts in der Keupstraße, an

den Untersuchungsausschuss. In seinem Schreiben schil-

dert Herr D., er habe in unmittelbarem zeitlichem Zu-

sammenhang mit dem Anschlag zwei zivil gekleidete

Polizeibeamte in der Keupstraße wahrgenommen. Diesem

Hinweis ist der Ausschuss nachgegangen. Herr D. führt in

seinem Schreiben aus:

„Am 9. Juni 2004, dem Tag der Explosion einer
Nagelbombe in der Kölner Keupstraße, befand ich

mich in meinem Büro, einem Ladenlokal im Erd-

geschoss in der Keupstraße Nr. 37 […], also nur
wenige Meter entfernt von dem Friseursalon, vor

dem später die Bombe explodierte.

Gegen 16 Uhr vernahm ich einen lauten Knall. Vor

dem Schaufenster meines Büros flogen Splitter

herum. Das Oberlicht der Eingangstür zu meinem

Büro platzte. Ich warf mich auf den Boden, um

mich vor weiteren Explosionen in Sicherheit zu

bringen. Ich hatte immer Angst vor Gasexplosion,

weil ein Lieferant für Restauranten in der Keupstr.

Gasfläche in größere Menge geliefert hatte.

Als keine zweite Explosion folgte, hob ich den

Kopf und sah durch die Schaufensterscheibe auf

die Straße. Vor meinem Büro stand ein Mann, der

deutlich sichtbar einen Schulterholster trug und da-

rin eine Waffe. Ich dachte sofort, dass dieser Mann

ein Polizist sein muss. Ich lief raus zu ihm auf die

Straße und fragte ihn, was passiert sei. Er wollte

diese Frage nicht beantworten und zeigte nur auf

die Metallsplitter am Boden. Gleichzeitig roch ich

starken Geruch von Sprengstoff in der Luft. Auf

der gegenüber liegenden Straßenseite sah ich einen

zweiten Mann, der eine Pistole trug. Er kommuni-

zierte mit dem Mann neben mir. Ich ging davon

aus, dass es sich um zwei Zivilpolizisten handeln

muss.

Die beiden Männer müssen Augenzeugen der Ex-

plosion gewesen sein oder die Explosion zumin-

dest akustisch aus nächster Nähe verfolgt haben.

Ich fragte mich sofort, warum die beiden zu die-

sem Zeitpunkt in der Keupstraße waren. Ich kann

mir das nur so erklären, dass sie entweder zufällig

in der Keupstraße waren, als die Bombe explodier-

te. Oder sie waren dort, weil sie Kenntnis von dem

geplanten Anschlag hatten, ihn aber nicht mehr

verhindern konnten. Gefragt habe ich die Männer

nicht.“6014

Mit Schreiben vom 6. Februar 2013 hat das Innenministe-

rium Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass es sich bei den

von Herrn D. wahrgenommenen Polizeibeamten um PHK

Baumeister und PK Voß gehandelt habe.
6015

Die beiden
6014) Erklärung des Herrn D. vom 14. November 2011, MAT B G-1.

6015) MAT A NW-11.

Drucksache 17/14600 – 694 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Polizeibeamten sind vor dem Untersuchungsausschuss als

Zeugen vernommen worden.
6016

Auf Grundlage ihrer Zeugenaussagen sowie einer Aus-

wertung der vorliegenden Akten stellt sich der Sachver-

halt wie folgt dar:

PHK Baumeister und PK Voß waren zum Zeitpunkt des

Anschlags in der Keupstraße Angehörige des Polizeiprä-

sidiums Köln, PHK Baumeister bei der Diensthundefüh-

rerstaffel
6017

und PK Voß Angehöriger einer Dienstgruppe

auf einer Innenstadtwache.
6018

Zur Tatzeit verrichteten sie

in der Nähe des Tatorts Streifendienst; PK Voß war kurz-

fristig für einen erkrankten Kollegen von PHK Baumeis-

ter eingesprungen, damit PHK Baumeister, der seine

beiden Hunde mit sich führte, nicht Einzelstreife fahren

musste.
6019

PHK Baumeister begann seinen Dienst an

diesem Tag um 13.30 Uhr, fragte in der Dienststelle des

PK Voß, wer ihn begleiten könne, und versah mit PK Voß,

der sich hierzu bereit erklärte, von 13.30 bis 15 Uhr Fuß-

streifendienst im Kölner Stadtteil Kalk.
6020

Als sich die

Explosion ereignete, befanden sich PHK Baumeister und

PK Voß seit 15 Uhr auf Streifenfahrt im Bereich Köln-

Mülheim. Dort hielten sie sich in einem zivilen Wagen in

der Schanzenstraße, einer Querstraße zur Keupstraße in

Höhe des „E-Werkes“ auf.6021

Unterschiede in den Aussagen beider Zeugen haben sich

insofern ergeben, als Anlass für ihren Einsatz in der

Keupstraße nach Bekunden des Zeugen Baumeister eine

durch die Leitstelle erfolgte Information über eine Gasex-

plosion in der Keuptstraße gewesen sei,
6022

während der

Zeuge Voß ausgesagt hat, sie seien aufgrund eines Knalls

in die Keupstraße gefahren.
6023

Beide Zeugen haben vor dem Untersuchungsausschuss

übereinstimmend erklärt, dass die beiden Hunde während

ihres Einsatzes in der Keupstraße im Fahrzeug geblieben

seien.
6024

Während der Kölner Geschäftsmann A. D. bei seiner

Zeugenvernehmung im Polizeipräsidium in Köln ausge-

sagt hat, einer der beiden Polizisten habe eine graue Ja-

cke, der andere eine braune Hose und ein helles kleinka-

riertes Hemd getragen,
6025

haben beide Zeugen überein-
6016) Protokoll-Nr. 68.

6017) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 57.

6018) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 22.

6019) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 22; Baumeister, Protokoll-Nr. 68,

S. 46 f.; S. 58.

6020) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 46 ff.

6021) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 22, 27, 41; Zeugenvernehmung des

PKH Baumeister vom 13. März 2013, MAT A NW-13a, Bl. 33-
38, Bl. 34.

6022) Zeugenvernehmung vom 13. März 2013, MAT A NW-13a, Bl.

33-38 (34); Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 52.

6023) Zeugenvernehmung vom 22. März 2013, MAT A NW-13a, Bl.

39-42 (40); Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 25.

6024) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 27; Baumeister, Protokoll-Nr. 68,
S. 55.

6025) Zeugenvernehmung vom 28. November 2012, MAT A NW-

13b, Bl. 12 ff.

stimmend angegeben, dass sie während dieses Einsatzes

Uniformen getragen hätten und somit sofort als Polizisten

erkennbar gewesen seien.
6026

Eine Mütze trugen sie hin-

gegen nach Aussage des Zeugen Baumeister nicht.
6027

Der Zeuge Voß hat erklärt, sie hätten sich in der

Keupstraße zunächst einmal einen Überblick über das

Anschlagsgeschehen verschafft und sich anfangs auf die

Absperrung fokussiert. Sein Kollege Baumeister habe

zudem entsprechende Funkdurchsagen getätigt.
6028

Der

Zeuge Baumeister hat auf Nachfrage durch den Aus-

schuss die Frage bejaht, ob er und sein Kollege die ersten

Sicherheitskräfte am Tatort gewesen seien.
6029

Sie hätten

zunächst einmal Verletzte gezählt und sich einen Über-

blick über die Schwere der Verletzungen verschafft, damit

entsprechende Hilfskräfte möglichst schnell vor Ort hät-

ten kommen können.
6030

Laut Streifenbeleg für den Spätdienst am 9. Juni 2004
6031

trug die Streife der Zeugen Baumeister und Voß die

Kennzahl 53/36. Der Einsatzbericht der Leitstelle des

Polizeipräsidiums Köln für die Zeit nach dem Anschlag

nennt protokollartig alle dem Einsatz in der Keupstraße

zugeordneten Einsatzmittel mit deren jeweiliger vierstel-

liger Kennzahl. Nach der Erstmeldung vom Explosionser-

eignis um 15.58.35 Uhr ordnete laut Einsatzbericht der

Server automatisch drei Einsatzmittel zu.
6032

Obwohl aber

die Entfernung der Zeugen zum Tatort nach deren Angabe

nur etwa einen halben Kilometer betrug, ordnet der Com-

puter Einsatzmittel 5336, also die Streife der Zeugen

Baumeister und Voß, zunächst nicht dem Einsatz zu.

„5336“ taucht erst bei einer Zusatzmeldung um 16.08.07
Uhr auf, verbunden mit der Anmerkung: „vor 4 Minuten:
ca. 10 – 15 Verletzte“.6033 Dies hat der Zeuge Voß damit
erklärt, dass es zwei verschiedene Funkkreise mit unter-

schiedlicher Reichweite in Köln gebe. Der 2-Meter-Funk

werde im Gegensatz zum 4-Meter-Funk nicht von der

Leitstelle mitgehört. Über diesen könne man nur mit den

kleineren Wachen kommunizieren und nicht mit dem

Präsidium.
6034

In seiner Vernehmung beim Polizeipräsidium Köln hat

PK Voß die Frage, ob er von einem türkischen Herrn

angesprochen worden sei, verneint.
6035

Diese Aussage hat

er als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss jedoch

relativiert. Er hat erklärt, er sei davon ausgegangen, dass

die Frage darauf abgezielt habe, ob er tiefer gehende

Fragen des Herrn D. habe beantworten sollen. Eine nor-
6026) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 30; Baumeister, Protokoll-Nr. 68,

S. 50, 54.

6027) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 51.

6028) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 26.

6029) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 51.

6030) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 54.

6031) MAT A NW-13a, Bl. 4 f.

6032) MAT A NW-13a, Bl. 7 ff., 7.

6033) Einsatzbericht vom 9. Juni 2004, MAT A NW-13a, Bl. 7 ff., 10.

6034) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 26.

6035) Zeugenvernehmung vom 22. März 2013, MAT A NW-13a, Bl.

39-42 (38).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 695 – Drucksache 17/14600

male Ansprache durch Herrn D., was denn passiert sei,

könne er nicht ausschließen. Ihm sei während der Ver-

nehmung beim Polizeipräsidium Köln kein Foto von

Herrn D. gezeigt worden, sodass er gar nicht sagen könne,

wer Herr D. sei und wie er aussehe.
6036

Der Zeuge Bau-

meister hat hierzu angegeben, er könne sich nicht mehr

konkret erinnern, was gesprochen worden sei und wer ihn

angesprochen habe. Er sei von mehreren Personen ange-

sprochen worden, die sich allerdings nicht namentlich

vorgestellt hätten.
6037

PHK Baumeister und PK Voß wurden erst am 13. März

bzw. 22. März 2013 auf Anordnung des GBA vom Poli-

zeipräsidium Köln vernommen und zwar durch den dama-

ligen Leiter der EG „Sprengstoff“, dem im Ausschuss
ebenfalls als Zeugen gehörten KHK Weber.

6038
Eine zeit-

lich früher liegende Vernehmung der beiden als Zeugen

zu ihren Wahrnehmungen im Umfeld der Schanzenstraße

fand nach Bekunden beider weder unmittelbar nach der

Tat noch zu einem anderen Zeitpunkt vor ihrer Verneh-

mung im März 2013 statt.
6039

Weiterhin haben die Zeugen

Voß und Baumeister erklärt, ihnen seien die Videos der

Überwachungskameras nicht gezeigt worden.
6040

Der

Zeuge Baumeister hat ergänzend ausgeführt, ihm seien

lediglich die im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung

veröffentlichten Bilder bekannt gewesen.
6041

Im Ausschuss ist die Tatsache, dass die beiden Polizisten

nach der Tat nicht als Zeugen vernommen wurden, auf

Kritik gestoßen. In diesem Zusammenhang ist darauf

hingewiesen worden, dass sich die beiden mutmaßlichen

Täter ca. 40 Minuten zwischen dem VIVA-Gebäude und

dem Standort einer Zeugin aufgehalten haben, welche

angab, um ca. 15.05 Uhr gesehen zu haben, wie einer der

mutmaßlichen Täter außergewöhnlich vorsichtig ein Fahr-

rad schob.
6042

Für ihren 40-minütigen Aufenthalt in die-

sem Bereich war vermutlich ursächlich, dass zwei Ange-

stellte des Ordnungsamtes in der Keupstraße damit be-

schäftigt waren, eine Verkehrsbehinderung aufzulösen,

sodass die Täter ihren Tatplan nicht unmittelbar umsetzen

konnten.
6043

Zudem flüchtete ein mutmaßlicher Täter ca.

30 bis 60 Sekunden nach der Explosion durch die Schan-
6036) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 28.

6037) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 55 f.; Zeugenvernehmung vom

13. März 2013, MAT A NW-13a, Bl. 33 ff. (32).

6038) Vernehmung von PHK Baumeister vom 13. März 2013, MAT

A NW-13a, Bl. 33-38; Vernehmung von PK Voß vom 22. März

2013, MAT A NW-13a, Bl. 39-42; mündliche Auskunft des

Vertreters des Landes Nordrhein-Westfalen RD Mathias, Pro-

tokoll-Nr. 68, S. 44.

6039) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 29; Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S.
56.

6040) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 34; Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S.

60.

6041) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 59 f.

6042) Voß, Protokoll-Nr. 68, S. 33, 34; Sachstandsbericht des Gene-

ralstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar 2012, MAT A GBA-4/2,
Bl. 503.

6043) Operative Fallanalyse des BKA vom 21.-25. Februar 2005,

MAT A NW-6b, Bl. 130.

zenstraße in Richtung der beiden an den Tatort eilenden

Polizisten.
6044

Der Ausschuss hat fast neun Jahre nach der Tat nicht

feststellen können, ob die beiden Polizisten die mutmaßli-

chen Täter gesehen haben. Hierzu hat der Zeuge Baumeis-

ter vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, ihm sei

während seiner Fahrt zur Keupstraße kein Radfahrer auf-

gefallen, der aus Richtung Keupstraße gekommen sei.
6045

Zwar habe er sich bereits relativ schnell nach der Tat

Gedanken gemacht, ob die Täter an ihm vorbei gefahren

sein könnten. Da sie bei ihrer Fahrt in die Keupstraße

jedoch von einer Gasexplosion und nicht von einer Straf-

tat ausgegangen seien, sei seine Aufmerksamkeit nicht so

sehr auf verdächtige Personen ausgerichtet gewesen.
6046

m) Einsatz Verdeckter Ermittler

aa) Ziel des Einsatzes

In einem Bericht der EG „Sprengstoff“ vom 20. Mai 2005
wurde angeregt, beim AG Köln einen Beschluss zum

Einsatz mehrerer Verdeckter Ermittler zu beantragen. Zur

Begründung wurde ausgeführt:

„Im Rahmen der Ermittlungen wurde bekannt,
dass der betroffene Friseurladen auch Treffpunkt

der Kölner Türsteherszene um den sogenannten

‚Rotlichtpaten‘ N. A. war. Auch nach dessen Fest-
nahme und Verurteilung sollen sich in dem Fri-

seurladen immer wieder Personen aus dem ent-

sprechenden Milieu getroffen haben.

Innerhalb der Keupstr. soll es verschiedene Grup-

pierungen geben, die untereinander konkurrieren,

wie z. B. Kurden und nationale Türken. Außerdem

soll es (in) diesem Zusammenhang auch Schutz-

geldzahlungen bzw. entsprechende Forderungen

geben […]. In diesem Zusammenhang ist auch zu
berücksichtigen, dass es in gewissen Kreisen

durchaus üblich ist, Dinge selbst in die Hand zu

nehmen und die Polizei außen vor zu lassen. […]

Keiner der diesbezüglichen Hinweisgeber wollte

aber genauere Angaben machen. Auf Nachfrage

wurden die Angaben dann immer als reine Speku-

lation abgetan. Offensichtlich möchte niemand ge-

genüber der Polizei konkrete Angaben machen.

[…]

Das erwähnte Aussageverhalten lässt zudem die

Aufklärung dieser Straftat ohne den Einsatz ver-

deckter Ermittler nicht zu.“6047
6044) Siehe unter H.II.2.b).

6045) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 54.

6046) Baumeister, Protokoll-Nr. 68, S. 60.

6047) Bericht der EG „Sprengstoff“ vom 20. Mai 2005, MAT A
GBA-4/8c, Bl. 281-285.

Drucksache 17/14600 – 696 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zu den Gründen für den Einsatz Verdeckter Ermittler

wurde zudem in dem abschließenden Bericht vom

15. Juni 2007 ausgeführt:

„Bei den Befragungen wurden vereinzelt Andeu-
tungen gemacht, die darauf schließen ließen, dass

dort die Gründe für den Sprengstoffanschlag be-

kannt sind und wer dafür verantwortlich zeichnet.

Es gelang der Sachbearbeitung jedoch nicht, auch

nur eine verfahrensförderliche Aussage zu be-

kommen. So zogen sich die Hinweisgeber auf

konkrete Nachfrage immer darauf zurück, es han-

dele sich nur um Vermutungen, die auf dort kursie-

renden Gerüchten basieren und rein spekulativ sei-

en.

Es entstand bei der Sachbearbeitung nachhaltig der

Eindruck, man scheue dort einerseits aus Angst

und andererseits wegen eines sogenannten

‚Schweigekodex‘ konkrete Angaben gegenüber
den Strafverfolgungsbehörden.

Das Spektrum der geäußerten Spekulationen war

breit angelegt. So wurden Streitigkeiten mit dem

Türstehermilieu, Konflikte zwischen den dort an-

sässigen Türken und Kurden und mögliche Hinter-

gründe im Glücksspielmilieu, in dem Gerüchte-

weise der Inhaber des geschädigten Friseursalons

verkehren sollte, vermutet.“6048

Aufgrund eines Antrages der Staatsanwaltschaft stimmte

das AG Köln dem Einsatz Verdeckter Ermittler mit Be-

schluss vom 7. Juni 2005 zu.
6049

Die Frist zum Einsatz

Verdeckter Ermittler wurde mit Beschlüssen des AG Köln

vom 1. Dezember 2005
6050

und vom 24. Mai 2006
6051

um

jeweils sechs Monate verlängert. Am 14. November 2006

fand eine weitere Verlängerung von drei Monaten

statt.
6052

In dem der Verlängerung zugrundeliegenden Vermerk

vom 29. November 2005 führte KHK Weber zur Begrün-

dung der Maßnahme aus:

„Aufgrund des besonderen Milieus in der Keupstr.
– es handelt sich hier fast ausschließlich um Tür-
ken – gestaltet sich die Kontaktanbahnung natur-
gemäß schwierig. Das erforderliche Vertrauen in

den entsprechenden Kreisen aufzubauen erfordert

eine längere Zeit. Das Vordringen in die noch wei-

ter abgeschotteten kriminellen Kreise gestaltet sich

unter den gegebenen Umständen noch schwieriger.

Aus diesen Gründen wird angeregt, eine Verlänge-
6048) Bericht des LKA vom 15. Juni 2007, MAT A GBA-4/13,

Bl. 90.

6049) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 7. Juni 2005, MAT A

GBA-4/8c, Bl. 289.

6050) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 1. Dezember 2005,

MAT A GBA-4/8c, Bl. 294.

6051) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 24. Mai 2006, MAT A
GBA-4/8c, Bl. 301.

6052) Beschluss des Amtsgerichtes Köln vom 14. November 2006,

MAT A GBA-4/8c, Bl. 307.

rung des vorliegenden Beschlusses zu beantra-

gen.“6053

Mittels verdeckter Ermittlungen sollte ein Zugang zu den

Bewohnern der Keupstraße ermöglicht werden, die türki-

scher oder kurdischer Herkunft sind. Zur Unterstützung

sollte eine türkische Vertrauensperson eingesetzt werden,

die Präsenz in den noch anzumietenden Räumlichkeiten

im Bereich der Keupstraße zeigen sollte. Der Ziel des

Einsatzes wurde wie folgt umrissen:

„Der VE-Einsatz sollte helfen, die Strukturen der
untereinander konkurrierenden türkischen Grup-

pierungen, deren Angehörige sowie mögliche Be-

ziehungen zu den möglichen deutschen Tatver-

dächtigen zu erhellen und Beweismittel für eine

gerichtsverwertbare Überführung und anschlie-

ßende Verurteilung der Tatverdächtigen zu be-

schaffen.“

In dem Bericht wurde festgestellt, dass sich die Annahme

verdichtet habe, es könne sich möglicherweise bei den

Tätern um überregional Agierende handeln, deren Motiv

für die Tat nicht auf der Keupstraße zu finden sei. Ab-

schließend könne auch nicht sicher verneint werden, in-

wieweit mögliche Ursachen und Motive im Bereich der

PKK zu suchen und zu finden seien. Konkrete Anhalts-

punkte hierfür hätten sich in den Kontakten der eingesetz-

ten Kräfte auf der Keupstraße nicht ergeben.
6054

In der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom

24. Juni 2008 wurde das Ergebnis des Einsatzes Verdeck-

ter Ermittler wie folgt bewertet:

„Im Zuge des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern
hat sich ferner herausgestellt, dass sich im Bereich

der Keupstraße zwei türkische und kurdische

Gruppierungen rivalisierend gegenüber standen

und die Stimmung der dort ansässigen und verkeh-

renden Personen untereinander maßgeblich präg-

ten. Eine unverhohlene Feindseligkeit konnte zum

Beispiel zwischen dem Betreiber und den national

türkischen Gästen der Gaststätte ‚L. F.‘ und dem
kurdisch geprägten Klientel der Gaststätte ‚G. E.‘
des Betreibers Z. beobachtet werden.

Nachdem es den eingesetzten Verdeckten Ermitt-

lern gelungen war, zu den in der Keupstraße ansäs-

sigen und verkehrenden Personen türkischer Nati-

onalität eine tragfähige Vertrauensbasis aufzubau-

en, haben sie in persönlichen Gesprächen auch

immer wieder den Sprengstoffanschlag zum Ge-

genstand gemacht. Die in diesem Zusammenhang

geäußerten Meinungen/Mutmaßungen über die

Hintergründe des Anschlags sind vielfältig gewe-

sen und haben sich in reinen Gerüchten und Ver-

mutungen (reine Spekulationen, ‚Verschwörungs-
theorien‘ o. ä.) erschöpft, die von einem fremden-
feindlichen Hintergrund über Milieustreitigkeiten,
6053) Vermerk der EG „Sprengstoff“ vom 29. November 2005, MAT

A GBA-4/8c, Bl. 290.

6054) Bericht vom 15. Juni 2007, MAT A GBA-4/13, Bl. 88 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 697 – Drucksache 17/14600

Schutzgelderpressungen bis zu einem Zusammen-

hang zu den Serienmorden an türkischen Ge-

schäftsleuten in Deutschland reichten. Konkrete

Anhaltspunkte für die Richtigkeit auch nur einer

dieser Theorien haben sich jedenfalls nicht erge-

ben.“6055

Der Zeuge Weber hat ausgeführt, bei dem Einsatz Ver-

deckter Ermittler habe es sich aus seiner Sicht nicht um

einen Wechsel der Ermittlungsrichtung gehandelt, weil

die anderen Ermittlungen ebenfalls weitergeführt worden

seien. Man sei aber bei den übrigen Ermittlungen nicht

weiter gekommen, sodass man weitere Maßnahmen habe

ergreifen müssen. Bestimmte verdeckte Maßnahmen seien

nun einmal sogenannte Ultima Ratio, die man nicht am

Anfang einsetzen könne.
6056

Der Zeuge Dr. Behrens hat

ausgesagt, er habe von den verdeckten Ermittlungen keine

Kenntnis gehabt.
6057

bb) Hinweise während der verdeckten Ermitt-
lungen auf einen rechtsextremistischen
Hintergrund des Anschlags

In dem Schlussbericht zum Einsatz Verdeckter Ermittler

vom 15. Juni 2007 wurde darauf hingewiesen, dass einige

der Befragten einen Zusammenhang mit der Česká-
Mordserie gesehen hätten. So wurde ausgeführt:

„In den teilweise sehr persönlichen Gesprächen
war auch der Sprengstoffanschlag in der

Keupstraße immer wieder Gegenstand der Erörte-

rung.

Die Mutmaßungen der Türken und Kurden dazu

waren vielfältig. Einige spekulierten über einen

fremdenfeindlichen Hintergrund, andere sahen

wiederum einen Zusammenhang zu den Serien-

morden an türkischen Geschäftsleuten in Deutsch-

land, die von der EK ‚Bosporus‘ in Nürnberg zent-
ral bearbeitet werden.

Auch Milieustreitigkeiten wurden nicht ausge-

schlossen. […]

Auch ist zu berücksichtigen, dass in den persönli-

chen Gesprächen der eingesetzten Kräfte mit den

ortsansässigen Türken auf der Keupstraße unter

anderem die Befürchtung geäußert worden ist, der

Anschlag könne mit den Serienmorden an türki-

schen Geschäftsleuten im gesamten Bundesgebiet

zusammenhängen.

Die Ermittlungsgruppe ‚Sprengstoff‘ steht diesbe-
züglich in Kontakt zu der Ermittlungsgruppe

‚Bosporus‘ in Nürnberg und führt regelmäßig ei-
nen Abgleich vorliegender Erkenntnisse durch.

Die unterschiedlichen Tatbegehungsweisen haben

bisher die Ermittlungsbehörden davon ausgehen
6055) Verfügung vom 24. Juni 2008, MAT A GBA-4/7a, Bl. 103 ff.

6056) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 66

6057) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 59.

lassen, es handele sich auch um unterschiedliche

Täter.“6058

Abschließend stellte das LKA Nordrhein-Westfalen zum

zwei Jahre währenden Einsatz der Verdeckten Ermittler in

der Keupstraße fest:

„Die durch den Einsatz von VE und VP erlangten
Erkenntnisse waren zwar vielfältig, aber allesamt

unkonkret und basierten auf Gerüchten und Speku-

lationen.

Sie boten auch aufgrund der großen Bandbreite der

geäußerten möglichen Hintergründe und fehlender

ergänzender Informationen keinen sicheren Anhalt

hinsichtlich der Ursache und des Motivs für den

Anschlag.

Vielmehr verdichtete sich aufgrund der Vielfalt

und der Uneinheitlichkeit der Erklärungsansätze

die Annahme, es könnte sich möglicherweise bei

den Tätern um überregional agierende handeln, de-

ren Motiv für die Tat nicht auf der Keupstraße zu

finden ist.

Es konnten trotz breit angelegter und intensiv be-

triebener Erkenntnisgewinnung weder konkrete

Anhaltspunkte auf eine Täterschaft und deren Hin-

tergründe noch wenigstens übereinstimmende Ge-

rüchte und Meinungen erlangt werden, die eine ge-

sicherte Vermutung in eine bestimmte Richtung

zugelassen hätten, um zielgerichtet Aufklärung be-

treiben zu können.

Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses erscheint

die Annahme zulässig, dass Ursache und Aus-

gangspunkt des Sprengstoffanschlags nicht im Be-

reich Keupstraße in Köln zu finden sind.“6059

Dazu befragt, ob ihm diese Erkenntnisse damals zeitnah

mitgeteilt worden seien, hat der Zeuge Weber ausgeführt,

diese Erkenntnisse bzw. Spekulationen der Bewohner der

Keupstraße seien ihm und seinen Mitarbeitern, die in der

Keupstraße ermittelt hätten, immer wieder kundgetan

worden. Keiner dieser Zeugen habe diese Vermutungen

aber letztlich in einer Zeugenvernehmung konkretisieren

oder so belegen wollen, dass sie damit hätten arbeiten

können. Bewohner der Keupstraße hätten andererseits

aber auch selbst Vermutungen geäußert, dass die Tat mit

Betäubungsmittelkriminalität, mit Organisierter Krimina-

lität oder mit Türsteherkriminalität zusammenhängen

könne. Wenn es aber um eine Konkretisierung dieser

Äußerungen gegangen sei, sei diese nicht erfolgt. Auch

diese Behauptungen hätten mit verdeckten Maßnahmen

nicht weiter konkretisiert werden können.“6060 Der Zeuge
Wolf, damals zuständiger Staatsanwalt, hat hierzu erklärt,
6058) Schlussbericht vom 15. Juni 2007, MAT A GBA-4/13, Bl. 95,

98.

6059) Bericht des LKA Baden-Württemberg vom 15. Juni 2007,

MAT A GBA-4/13, Bl. 89.

6060) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 49.

Drucksache 17/14600 – 698 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

er kenne diese Einschätzung aus Kontakten zu türkischen

Freunden in Köln. Hierzu brauche er keine V-Leute.
6061

n) Befragung einer Hellseherin

Im Laufe der Ermittlungen kam es zu mehrfachen telefo-

nischen Kontaktaufnahmen durch eine Hellseherin. Be-

reits einen Tag nach dem Nagelbombenanschlag äußerte

sie gegenüber der Polizei, eine „mediale Durchsage“
erhalten zu haben, wonach die Tat einen terroristischen

Hintergrund habe.
6062

Die Polizei vermerkte hierzu zu-

nächst:

„Eine Hellseherin ist und bleibt eine Hellseherin,
mehr nicht! Tatrelevante Ermittlungsansätze erge-

ben sich durch diese Spur nicht.“6063

Nachdem die Hellseherin in weiteren Telefonaten aller-

dings darauf hingewiesen hatte, es werde zeitnah erneut

entsprechende Anschlagsereignisse – in Köln und in
Hamburg – geben, wurde sie am 30. Juni 2007 als Zeugin
vernommen.

6064
Als Ergebnis dieser Vernehmung wurde

festgestellt:

„Abschließend ist festzuhalten, dass Frau K. in ei-
ner völlig irrationalen Welt lebt, die sie mögli-

cherweise durch den Tod (Mord) ihrer Tochter um

sich herum aufgebaut hat und glaubt, Kontakt zu

den Verstorbenen im Jenseits herstellen zu können.

Weitere Kontaktaufnahmen mit ihr sind mit äu-

ßerster Vorsicht zu behandeln! Tatsächliche sach-

dienliche Hinweise dürften nicht zu erwarten sein.

Sollte dennoch das ein oder andere Vorhergesagte

eintreffen, so kann dies nur auf Zufall beru-

hen!“6065

Hierzu befragt, hat der Zeuge Weber ausgesagt:

„Sie hat gesagt, […] – Da ginge es eher in krimi-
nelle Kreise. Und vor allen Dingen hatte sie auch

gesagt, dass ein erneuter Anschlag bevorstehen

würde. Das wurde irgendwann so dominant, dass

ich gesagt habe: Gut, dann werden wir natürlich

diese Frau dann auch umgehend vernehmen. –
Weil auch das kann ich mir nicht leisten, so was

einfach vom Tisch zu wischen und zu sagen: Da-

mit befassen wir uns nicht.“6066

Zudem hat er erklärt:

„Nach dem, was man mir berichtet hat, hat die
Dame ein Medium – ich meine, in der Form eines
Kassettenrekorders; wie auch immer, kann ich jetzt

im Detail – müsste ich auf die Spur, auf die Akten-
lage verweisen – benutzt, um irgendwelche Dinge
6061) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 93.

6062) MAT A GBA-4/14a, Bl. 6.

6063) MAT A GBA-4/14a, Bl. 5.

6064) MAT A GBA-4-14a, Bl. 10 ff.

6065) Spurenakte Spur 4, MAT A GBA-4/14a, Bl. 5-15.

6066) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 66.

aus dem Jenseits zu transportieren, mitzuteilen.

Aber das sind natürlich Dinge, die erfahre ich erst,

wenn ich der Dame gegenübersitze, und nicht,

wenn ich aus Köln beurteile, was die Dame mir

mitzuteilen hat.“6067

In einem vergleichbaren Fall würde er wieder so handeln:

„Also, Zeugen sind vielfältige Erscheinungen.
Zeugen haben unterschiedliche Wahrnehmungen,

werden über den gleichen Sachverhalt verschiede-

ne Dinge berichten und werden auch unter-

schiedliche Methoden wahrnehmen, um sich zu

äußern oder Dinge zu erzählen. Letztendlich kann

ich sowas erst dann beurteilen, wenn ich dieser

Person gegenübersitze.

Deswegen sind wir letztendlich nach München ge-

fahren. Dann kann man sicherlich zu dem Ergebnis

kommen: Okay, es ist Unsinn. – Aber das müsste
man halt so weit erst mal überprüfen, und deswe-

gen würden wir das in einem vergleichbaren Fall

sicherlich wieder tun, solange es keine anderen

Dinge gibt, die da irgendwo schon die Richtung

ganz klar vorgeben.“6068

o) Gegenüberstellung: Sprengstoffanschläge
in der Probsteigasse und in der
Keupstraße

Am 14. Juni 2004 äußerte KHK M., der 2001 Leiter der

Ermittlungskommission „Probst“ gewesen war, die das
Sprengstoffattentat vom 19. Januar 2001 auf das Lebens-

mittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln untersucht

hatte, dass er deutliche Parallelen zwischen dem Spreng-

stoffanschlag in der Keupstraße und dem Anschlag in der

Probsteigasse sehe. Eine daraufhin erstellte Synopse

ergab, dass es in beiden Fällen Übereinstimmungen ge-

be.
6069

Einem der Geschädigten des Sprengfallenanschlags,

Herrn M., wurden Fahndungsfotos der Tatverdächtigen

des Anschlags in der Keupstraße vorgelegt. Zudem wurde

er gebeten, sich den auf der Homepage der Kölner Polizei

abrufbaren Videofilm anzusehen. Er sah keine Ähnlich-

keit mit der Person, die zu Weihnachten 2001 den Ge-

schenkkorb mit der Bombe in seinem Geschäft abgestellt

hatte.
6070

In dem Schlussvermerk vom 12. Oktober 2004 zu dieser

Spur wurde das Ergebnis wie folgt zusammengefasst:

Eine Übereinstimmung habe man beim Alter des Tatver-

dächtigen und seiner Haarfarbe, beim Sprengmittel

Schwarzpulver, dem Zündmittel Glühbirne und der

Druckgasflasche gesehen. Demgegenüber habe man auch
6067) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 67.

6068) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 68.

6069) Synopse zur Spur 39, MAT A GBA-4/14a, Bl. 21 f.

6070) Vermerke der MK „Sprengstoff“, MAT A GBA-4/14a, Bl. 88-
93.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 699 – Drucksache 17/14600

gravierende Unterschiede festgestellt. So seien beim An-

schlag in der Keupstraße eine Fernzündung und eine

Nagelbombe zum Einsatz gekommen. Die Opfer seien

zufällig ausgewählt und sie seien türkischer Nationalität.

An der Tat seien zwei Täter beteiligt gewesen. In der

Probsteigasse habe man dagegen eine Abreißzündung und

einen Sprengsatz in einer Blechdose verwendet. Der An-

schlag habe der Familie M. gegolten, die iranischer Ab-

stammung sei. Als Täter sei in diesem Fall nur eine Per-

son aufgetreten.
6071

In dem Schlussvermerk zu dem Abgleich wurde als Er-

gebnis festgehalten:

„Zusammenfassend ist zu sagen, dass trotz einiger
gleichgelagerter Ermittlungsergebnisse nicht von

einer gleichen Täterschaft ausgegangen werden

kann, wenngleich diese nicht gänzlich ausge-

schlossen werden kann. Konkrete Hinweise auf

weitere Ermittlungsansätze haben sich nicht erge-

ben.“6072

Der Zeuge Setzer hat in seiner Vernehmung die Unter-

schiede zwischen den jeweils verwendeten Tatmitteln

dargelegt: Beim Nagelbombenanschlag in der Keupstraße

sei eine Funkfernauslösung verwendet worden, wohinge-

gen bei dem Anschlag in der Probsteigasse eine opferge-

steuerte Auslösung eingebaut gewesen sei. Zusammenfas-

send hat Setzer erklärt:

„Also, da gab es eigentlich in keinster Weise
Übereinstimmungen von den Tatmitteln, auch un-

abhängig davon, ob ich jetzt den Explosivstoff,

den verwendeten Sprengstoff mit einbeziehe in die

Auswertungen oder nicht.“6073

Der Zeuge Setzer hat dies im Untersuchungsausschuss

bestätigt:

„Allerdings waren weder diese beiden Fälle
[Probsteigasse und Keupstraße] untereinander vom

Aufbau der Vorrichtungen her ähnlich, noch haben

sie sonst Treffer ergeben hinsichtlich der Vorrich-

tungen, die man im Zusammenhang mit der Soko

‚Rex‘ Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zuordnen
konnte.“

Das BKA nimmt an, dass die Daten bezüglich der Perso-

nen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, ausgehend von der

letzten Straftat, die ihnen zugeordnet wird (Fall Nr. 8 vom

26. Januar 1998) und einer nominalen Aussonderungs-

prüffrist von zehn Jahren mit Datum vom 26. Januar 2008

aus dem Tatmittelmeldedienst gelöscht wurden. Bezüg-

lich der Person Uwe Böhnhardt lag zum Zeitpunkt der

vorgenannten Aussonderungsprüfung eine Fristverlänge-

rung vor, was zu dessen Fortspeicherung im Tatmittel-

meldedienst führte.
6071) Schlussvermerk vom 12. Oktober 2004, MAT A GBA-4/14a,

Bl. 94.

6072) Schlussvermerk vom 12. Oktober 2004, MAT A GBA-4/14a,

Bl. 94.

6073) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S.117.

Der Zeuge Setzer hat dazu im Ausschuss erklärt, dass

bezüglich Böhnhardt bei der Aussonderungsprüfung, die

2008 auch hinsichtlich Mundlos und Zschäpe vorgenom-

men wurde, ein im Zeitraum zwischen 1998 und 2008

eingetretenes und gemeldetes Ereignis festgestellt wurde,

das zu einem Verlängerungsantrag geführt hatte. Welches

Ereignis dies gewesen sei, sei aufgrund der Löschung der

entsprechenden Daten nicht mehr nachvollziehbar.
6074

Der Zeuge Mittler hat ausgesagt, ein Zusammenhang

beider Fälle sei intensiv diskutiert worden. Ein solcher sei

nach dem Nagelbombenanschlag in Gesprächen immer

wieder thematisiert worden. Der Inhalt der angefertigten

Synopse und das in dem Schlussvermerk festgehaltende

Ergebnis seien ihm aber nicht bekannt gewesen.
6075

Der Zeuge Weber hat dargelegt, der zuständige Kommis-

sariatsmitarbeiter seiner Ermittlungsgruppe habe beide

Fälle vergleichend in einer Tabelle gegenübergestellt. Sie

hätten sich anschließend das Ergebnis angesehen und

festgestellt, dass es Übereinstimmungen gegeben habe,

andere Dinge hätten dagegen nicht überein gestimmt.

Unabhängig hiervon habe es aber in der Akte „Probstei-
gasse“ keine Ansatzpunkte gegeben, mit denen sie in
Bezug auf ihre Ermittlungen konkret die Täter betreffend

weitergekommen wären.
6076

Ausweislich einer E-Mail vom 2. Juli 2004 wurde dem

BfV bereits anlässlich eines Telefongespräches, bei dem

es um den Aufenthaltsort eines rechtsextremistischen

Tatverdächtigen ging, mitgeteilt, dass sich im Falle des

Anschlags auf das iranische Lebensmittelgeschäft keine

Parallelen gezeigt hätten.
6077

Der Zeuge Weber hat erklärt,

er könne nicht ausschließen, dass er das Telefonat geführt

habe.
6078

Der Untersuchungsausschuss ist der Frage nachgegangen,

weshalb die Zusammenhänge zwischen den beiden

Sprengstoffanschlägen in Köln schlussendlich nicht er-

kannt worden sind. Insbesondere ist hinterfragt worden,

weshalb unter Berufung auf fehlende neue Hinweise die

Ermittlungen abgeschlossen wurden, ohne zuvor eine

deliktsübergreifende Analyse oder Recherche durchzufüh-

ren.
6079

Der Zeuge Mittler hat hierzu ausgeführt, dass eine

starke Arbeitsbelastung der Sachbearbeiter mit bis zu

zehn Fällen gleichzeitig dazu führe, dass nicht in allen

Fällen unbefristet ermittelt werden könne. Als Verbesse-

rungsmöglichkeit hat der Zeuge dargelegt:

„Also, es gibt natürlich Ansätze in den Behörden,
die sich aber fast nur auf Morddelikte beziehen,

dass also alte, erfahrene Kollegen, die vielleicht

nicht mehr so gerne draußen an der Front sind, die

alten Fälle aufarbeiten. Das machen wir also in
6074) Setzer, Protokoll-Nr. 36, S. 112 ff.

6075) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 13.

6076) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 54.

6077) E-Mail vom 2. Juli 2004, MAT A BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-
VERTRAULICH), Bl. 49 (offen).

6078) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 55.

6079) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 11.

Drucksache 17/14600 – 700 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Köln auch: Wir haben da, glaube ich, ein oder

zwei Kollegen, die nichts anderes machen, als sich

alte Fälle wieder herauszuholen und weiterzubear-

beiten. Wo andere gedacht haben, es wäre zu En-

de, finden die dann meist mit ihrer Erfahrung und

mit einem ganz anderen Gesichtspunkt neue An-

sätze. Aber es ist halt so, dass überall das Personal

knapp ist, und man kann halt sicherlich seitens der

Behördenleitung nicht auf größere Kapazitäten zu-

rückgreifen.“6080

3. Einbindung des nordrhein-westfälischen
Innenministers Dr. Behrens

Laut Lagedokumentation der Polizei Nordrhein-Westfalen

vom 9. Juni 2004 wurde Innenminister Dr. Behrens um

17.25 Uhr über den Anschlag informiert. Um 18.44 Uhr

teilte ein Mitarbeiter des Ministerbüros dem Lagezentrum

mit, dass der Minister zurzeit keine Auskunft über den

Sachverhalt gebe.

Als Zeuge hat Dr. Behrens erklärt, er habe keine konkrete

Erinnerung mehr daran, dass er zu Hause angerufen und

über den Nagelbombenanschlag informiert worden sei.

Dies sei aber nach der Dokumentation des Lagezentrums

wahrscheinlich.
6081

Auch könne er sich nicht daran erin-

nern, ob man ihm mitgeteilt habe, es bestehe die Mög-

lichkeit eines terroristischen Anschlags.
6082

a) Der Anruf von Minister Dr. Behrens im
Lagezentrum

Der Lagedokumentation lässt sich entnehmen, dass Mi-

nister Dr. Behrens um 21.03 Uhr beim Lagezentrum an-

rief. Er erkundigte sich danach, weshalb der Verfassungs-

schutz in die Ermittlungen eingeschaltet sei und ersuchte

um Vermittlung eines Gesprächspartners. Um 21.07 Uhr

wurde LKD B. an den Minister vermittelt.
6083

Der Zeuge Dr. Behrens hat ausgesagt, die von ihm am

Abend des 9. Juni 2004 gestellte Nachfrage, warum der

Verfassungsschutz eingeschaltet worden sei, habe einzig

und allein den Grund gehabt zu erfahren, ob es Hinweise

auf einen extremistischen, verfassungsfeindlichen Hinter-

grund gebe und ob er darüber etwas wissen müsse. Diese

Frage sei ihm dann unmittelbar darauf vom Referatsleiter

der Kriminalpolizei im Innenministerium Nordrhein-

Westfalen negativ beantwortet worden.
6084

Hierzu hat er

zudem erklärt:

„Anzunehmen oder gar zu unterstellen, wie ich
vereinzelt gelesen habe, mit dieser Nachfrage ‚Wa-
rum ist der Verfassungsschutz […] eingeschaltet?‘
hätte ich die Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbe-
6080) Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 11.

6081) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4.

6082) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 10.

6083) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-

12.

6084) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 4.

hörden in eine bestimmte Richtung lenken wollen

oder auch ohne Absicht gelenkt, ist nach meinem

Dafürhalten absurd und an den Haaren herbeige-

zogen, und ich weise es mit aller Deutlichkeit zu-

rück. Ich habe niemals als Innenminister oder zu-

vor als Justizminister in Nordrhein-Westfalen die

Ermittlungsarbeit der Justiz- oder Polizeibehörden

manipuliert.“6085

Daran, woher er davon gewusst habe, dass der Verfas-

sungsschutz informiert sei, könne er sich nicht mehr erin-

nern. Dies könne er vom Leiter der Verfassungsschutzab-

teilung erfahren haben, mit dem er in einem ständigen

Informationsaustausch gestanden habe. Es habe sicherlich

eine Vielzahl von Telefonaten und Gesprächen gegeben,

die nicht über das Lagezentrum gelaufen und dort nicht

dokumentiert seien, an die er sich aber konkret im Mo-

ment nicht erinnern könne.
6086

Es könne sich aber auch

um eine Information aus dem Pressereferat gehandelt

haben.
6087

Der Zeuge Dr. Behrens hat weiterhin ausgesagt, er habe

nicht davon gewusst, dass ein Mitarbeiter des BfV beim

Lagezentrum angerufen und um Kontaktvermittlung mit

dem LfV Nordrhein-Westfalen gebeten habe. Möglicher-

weise sei er von seinem Pressesprecher darüber informiert

worden, dass der Verfassungsschutz in Köln eingeschaltet

sei. Er habe dies aber so verstanden, dass damit der Lan-

desverfassungsschutz Nordrhein-Westfalen gemeint ge-

wesen sei.
6088

Der Zeuge Hofmann hat ausgesagt, er habe nichts über

einen Anruf von Minister Dr. Behrens beim Lagezentrum

gewusst, bei dem dieser gefragt habe, warum sich der

Verfassungsschutz gemeldet habe. Hiervon habe er erst

jetzt durch das Protokoll der Polizei erfahren.
6089

Eine nochmalige Information von Minister Dr. Behrens

wurde in der Lagedokumentation nicht festgehalten. Es

wurde aber dokumentiert, dass Minister Dr. Behrens am

folgenden Tag um 13.25 Uhr darum bat, im Anschluss an

eine Pressekonferenz Kontakt zu einem Gesprächspartner

aus Köln oder aus der Verfassungsschutzabteilung seines

Hauses herzustellen.
6090

Hierzu hat der Zeuge Dr. Behrens ausgesagt:

„Nach meiner Erinnerung hat am nächsten Tag, al-
so an dem 10. Juni, am Fronleichnamstag, die

Kölner Polizei eine Pressekonferenz gegeben […]
und hat aus ihrer Sicht, zusammen mit der Staats-

anwaltschaft […], mit Herrn Wolf, dem Leitenden
Oberstaatsanwalt, […] öffentliche Erklärungen ab-
gegeben. Ich wollte unmittelbar im Zusammen-
6085) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 5.

6086) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 8.

6087) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 9.

6088) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 21.

6089) Hofmann, Protokoll-Nr. 34, S. 10.

6090) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-

12.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 701 – Drucksache 17/14600

hang mit dem Treten vor die Presse auch infor-

miert werden aus Köln – aus dem Ministerium.
Diese Bitte hatte ich telefonisch an das Lagezent-

rum gerichtet, mir da einen Kontakt herzustellen

mit dem […] diensthabenden Beamten des Innen-
ministeriums […], der mich informieren sollte, wie
denn bis zu diesem Mittag, bis zu der Pressekonfe-

renz, die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden in

Köln waren. Dieses Telefonat hat dann stattgefun-

den – mit wem […] weiß ich im Moment nicht
mehr – und hat im Prinzip die Erkenntnis mir
weitervermittelt, die auch von der Staatsanwalt-

schaft und von der Kölner Polizei der Presse ge-

genüber, der Öffentlichkeit gegenüber, dargestellt

worden ist.“6091

Zu der Frage, wie er im weiteren Verlauf über die Ermitt-

lungen informiert worden sei, hat der Zeuge Dr. Behrens

erklärt:

„Wenn man darüber informiert wird, dann bittet
man als Erstes darum, weiter informiert gehalten

zu werden, wenn es weitere Erkenntnisse gibt.

Man selber informiert als Innenminister im Zwei-

fel dann zum Beispiel den Ministerpräsidenten,

damit der gegebenenfalls gerüstet ist, auf Fragen

antworten zu können und sich darauf einzustellen,

dass hier ein besonderes Ereignis im Land gesche-

hen ist. Dann bleibt man am Ball; das ist keine

Frage. Man wird natürlich in einer gut eingeübten

Behörde – das war das Innenministerium
Nordrhein-Westfalen ganz sicherlich zu jener Zeit

und sicher auch bis zum heutigen Tage – automa-
tisch in einer Art Berichtswesen ständig auf dem

Laufenden gehalten von den leitenden Beamten, in

diesem Falle der Polizeiabteilung und des Lage-

zentrums, zu denen man ohnehin einen nahezu

ständigen Kontakt tags und nachts hat, vor allem

den Beamten des Lagezentrums, mit denen man

vielfältige Kontakte hat, die einen ja auch ständig

informieren über besondere Ereignisse im Land.

Das war ein geübtes Verfahren. So war es auch an

diesem Tag. Ich habe sie sicherlich gebeten, mich

dann im weiteren Verlauf der Ermittlungen auf

dem Laufenden zu halten.“6092

Auf den Vorhalt, dass sich den Akten nur wenige Hinwei-

se darüber entnehmen ließen, wie er sich habe informie-

ren lassen, hat er wie folgt geantwortet:

„Als Minister – in allen Funktionen, auch früher
als Regierungspräsident; insgesamt habe ich fast

20 Jahre große Behörden geleitet – habe ich mir
einen bestimmten Stil angewöhnt gehabt, der sich

vom Stil eines Amtschefs, der vielleicht einen an-

deren beruflichen Werdegang hat, durchaus, glau-

be ich, unterschieden hat. Mein Stil war sehr auf

Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern des Hauses angelegt. Das bedeutet,
6091) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 13.

6092) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 7.

dass ich eine sehr intensive Kommunikationskultur

mit dem jeweiligen Ministerium bzw. in dem Falle

mit dem Innenministerium geführt habe, mit re-

gelmäßigen Lagebesprechungen, mit regelmäßigen

Rücksprachen, sehr intensiv mich innerhalb des

Hauses getummelt habe, aufgehalten habe, oft

auch zulasten von Außenauftritten, weil eine große

Verwaltung, die innere Verwaltung von

Nordrhein-Westfalen, zu der ja auch dann die Po-

lizei gehört, mit etwa 70 000 Beschäftigten braucht

viel Beschäftigung, viel Aufmerksamkeit, viel

Auseinandersetzung mit ihr. So habe ich auch die

Polizeiabteilung geführt und den Verfassungs-

schutz geführt, sehr intensive Gespräche mit den

jeweiligen Leitungen. Weil man natürlich nicht mit

allen 40 000 Polizeibeamten in Nordrhein-

Westfalen regelmäßig Gespräche führen kann, be-

schränkt sich die Kommunikation in der Regel – es
gibt natürlich auch Ausnahmen – auf das Gespräch
mit den leitenden Beamten, und zwar des Ministe-

riums. In dieser Art und Weise, das heißt in regel-

mäßigen Besprechungen unter vier Augen, unter

sechs Augen, unter zwanzig Augen und Ohren mit

den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Minis-

teriums, hat die Kommunikation stattgefunden zu

der Frage: Was kann man da noch tun? Was sind

die Hintergründe? All die Fragen, die wir hier heu-

te erörtert haben. Das ist die Art von Kommunika-

tion, nicht so sehr verschriftlicht, sondern münd-

lich, wie ich sie geschätzt habe und gepflegt habe,

und das hatte sich, nach meiner Einschätzung, sehr

bewährt.“6093

Der Zeuge Dr. Behrens hat zudem erklärt, er sei im

Nachhinein der Auffassung, er habe sich hinreichend

intensiv fortlaufend über die Ermittlungsarbeit informie-

ren lassen. Dies sei zwar nicht ständig in den Akten zu

finden, aber ein solches Geschehen lasse einen nicht ru-

hen und führe zu ständigen Diskussionen und Nachfragen

auch im eigenen Hause und mit anderen über solche Fra-

gen.
6094

Auf die Frage, ob er einmal nachgefragt habe, ob die Tat

einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben könnte, hat

der Zeuge Dr. Behrens ausgeführt:

„Ganz sicher, ja. Ich habe jetzt keine konkrete Er-
innerung an irgendein konkretes Gespräch. Aber

ganz sicher hat dieses Ereignis unsere Arbeit in

den darauffolgenden Wochen und Monaten inten-

siv auch beeinflusst und immer wieder zu Nach-

fragen geführt. Also, ich denke, dass es da einen

Mangel an Kommunikation sicher in den nächsten

Wochen und Monaten in unserem Lande nicht ge-

geben hat, aber immer eben mit der Auskunft: Es

gibt bis zum heutigen Tage – der jeweiligen Nach-
frage – keine Informationen über die tatsächlichen
Hintergründe und Motive dieses Anschlages. Was
6093) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 48.

6094) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 43.

Drucksache 17/14600 – 702 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bleibt einem da übrig als politisch Verantwortli-

chem, als das zunächst mal zur Kenntnis zu neh-

men, dass die Ermittlungsbehörden zu diesen Er-

gebnissen kommen und keine anderen Anhalts-

punkte haben, und immer wieder nachzufragen:

Haben Sie auch alles getan, um in alle Richtungen

zu ermitteln? – Natürlich wird einem in solchen
Gesprächen dann auch versichert, dass das natür-

lich der Fall sei. Ich erinnere mich allerdings auch

noch daran, dass in den Gesprächen auch immer

wieder die Spekulationen eine Rolle spielten,

Vermutungen, Hinweise auch aus der Bevölkerung

eine Rolle spielten, dass es sich möglicherweise

nicht um einen fremdenfeindlichen Anschlag ge-

handelt haben könnte, sondern um eine Milieu-

straftat, um eine Auseinandersetzung zwischen

Kurden und Türken, um mafiöse Ereignisse und

Zusammenhänge. Das alles spielte ja in den dama-

ligen Wochen und Monaten eine große Rolle.“6095

Der damalige Innenminister Dr. Behrens äußerte sich

weder unmittelbar nach der Tat noch im weiteren Verlauf

der Ermittlungen öffentlich zu dem Nagelbombenan-

schlag.
6096

Diese Zurückhaltung hat der Zeuge

Dr. Behrens damit erklärt, dass sein Verhalten zwischen

ihm und seiner Behörde, nicht aber mit dem Ministerprä-

sidenten abgestimmt gewesen sei. Seine Zurückhaltung

habe sicherlich auch damit zusammengehangen, dass

niemand die Hintergründe in Köln genau gekannt habe.

Zudem hat er erklärt, dass keine Medienstrategie, insbe-

sondere keine Medienstrategie des Schweigens, dahinter

gestanden habe. Es habe sich schlicht um Zurückhaltung

gehandelt, hier durch öffentliche Äußerungen festzulegen,

welche Hintergründe dieser Anschlag gehabt haben kön-

ne.
6097

Dies entspreche seiner Linie.

Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr.

Behrens, besuchte damals den Tatort nicht. Als Zeuge hat

Dr. Behrens erklärt, er habe nicht mit Opfern des An-

schlags gesprochen.
6098

Im Nachhinein betrachtet hätte er

dies besser tun sollen. Hierzu hat er ausgeführt:

„Diese Frage stellt sich einem Innenminister oft,
wenn etwas passiert ist: Ist man vor Ort? Ist man

nicht vor Ort? Wann muss man vor Ort sein? Das

muss man von Fall zu Fall abwägen. Es gibt einer-

seits die Gefahr einer Art Sensationstourismus, den

auch ein Minister oder ein Ministerpräsident aus-

lösen kann mit Besuchen an einem Ereignisort –
egal was es ist –, der der Sache nicht dienlich ist.
Es gibt auf der anderen Seite auch die politische

Notwendigkeit, Betroffenheit zu zeigen, auch

durch Besuche bei Opfern oder Geschädigten. Da-

zwischen abzuwägen, ist immer sehr schwierig.
6095) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 13, 14.

6096) Weitere Ausführungen hierzu unter H.II.1.b)cc).

6097) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 68.

6098) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 6, 7.

Im konkreten Fall habe ich mich anders entschie-

den, jedenfalls damals kurzfristig und bisher auch

langfristig. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, es

wäre wahrscheinlich im Falle der Keupstraße rich-

tiger gewesen, sich kurzfristig in Köln vor Ort

auch umzuschauen. Das muss ich einräumen. Das

sehe ich heute als ein Versäumnis an.“6099

Die Motive dafür, dass er nicht spontan nach Köln gefah-

ren sei, könne er heute nicht mehr genau schildern. Daran

habe er keine Erinnerung mehr. Möglicherweise sei für

ihn aber die Erwägung maßgeblich gewesen, dass man

noch gar nicht wisse, was los sei und in welche Richtung

man sich dort bewegen müsse.
6100

Wenige Tage nach dem Anschlag besuchte der türkische

Botschafter Mehmet Ali Irtemcelik die Keupstraße und

verurteilte den Nagelbombenanschlag als terroristischen

Akt.
6101

Auf die Frage, ob er von dem Besuch damals

Kenntnis erhalten habe, erklärte der Zeuge Dr. Behrens,

dies sei sicherlich der Fall gewesen. Er meine, er sei nicht

gefragt worden, ob er mitkomme. Eine solche Verfah-

rensweise wäre ungewöhnlich gewesen, da für die Lan-

desebene die Generalkonsulin und für die Botschafter die

Bundesebene zuständig sei.
6102

Der Zeuge Dr. Behrens hat ausgesagt, er könne sich nicht

mehr daran erinnern, ob es einen Kontakt zwischen ihm

und dem Ministerpräsidenten Steinbrück nach dem Na-

gelbombenanschlag gegeben habe. Es spreche aber eine

Vermutung dafür, weil er in solchen Fällen in der Regel

mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten telefoniert ha-

be.
6103

Den Akten kann nicht entnommen werden, dass der da-

malige Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Stein-

brück, mit dem Nagelbombenanschlag dienstlich befasst

war.

4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsex-
tremismus/Rechtsterrorismus in
Nordrhein-Westfalen zur Tatzeit

Aus Anlass des verhinderten Anschlags durch die „Kame-
radschaft Süd“ auf den Synagogenneubau in München
(Fall Wiese) am 9. November 2003 fertigte die Abteilung

6 im Innenministerium Nordrhein-Westfalen am

15. September 2003 einen Vermerk für den Minister. Dort

wurde auch zu der Gefahr rechtsterroristischer Anschläge

in Nordrhein-Westfalen Stellung genommen:

„Im Zusammenhang mit den Anschlagsplänen in
München sind hier bisher allerdings keine Perso-

nen bekannt geworden, die nähere Verbindungen

nach NRW hatten. Zwar gab es in der Vergangen-

heit und gibt es wohl noch immer gewisse Kontak-
6099) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 50.

6100) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 51.

6101) dpa-Meldung vom 18. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 148.

6102) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 42.

6103) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 12.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 703 – Drucksache 17/14600

te zwischen nordrhein-westfälischen und bayeri-

schen Neonazis, doch sind die entsprechenden Per-

sonen bisher nicht in Verbindung mit den aktuellen

Ermittlungen in München genannt worden. Soweit

sich die bisherigen Ermittlungen einschätzen las-

sen, bestehen aktuell eher Querverbindungen nach

Ostdeutschland.

In NRW sind bislang allerdings keine Entwicklun-

gen erkennbar, die auf einen organisierten Rechts-

terrorismus hindeuten. Nach bisheriger Einschät-

zung dürften in NRW für eine ‚braune RAF‘ vor
allem Konzepte, Infrastrukturen und strategische

Köpfe fehlen (so z. B. die Ausführungen im NRW-

Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2000 auf

den Seiten 13 und 93). An dieser Einschätzung

wird bei aller gebotenen Vorsicht und der selbst-

verständlichen ‚Binsenweisheit‘, dass es keine
hundertprozentige Sicherheit geben kann, vorerst

festgehalten. Dies umfasst allerdings nicht Ge-

waltakte mit terroristischem Einschlag von Einzel-

personen oder Kleinstgruppen, deren Planungen

naturgemäß im Vorfeld nur sehr schwer zu erken-

nen sind.“6104

Der Zeuge Dr. Behrens hat vor dem Ausschuss auf meh-

rere Anschläge hingewiesen, die sich während seiner

Amtszeit als Innenminister in Nordrhein-Westfalen ereig-

net hatten. So sei am 27. Juli 2000 ein Anschlag auf den

Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn verübt worden, der

bisher immer noch nicht habe aufgeklärt werden können.

Am 2. Oktober 2000 habe sich ein Anschlag auf die Sy-

nagoge Düsseldorf ereignet, der schnell habe aufgeklärt

werden können. Weil dort zunächst antisemitische und

fremdenfeindliche Motive nicht hätten ausgeschlossen

werden können, hätten diese beiden Ereignisse zu hefti-

gen innenpolitischen Diskussionen über die Bekämpfung

des Rechtsextremismus und schließlich zur Einleitung des

NPD-Verbotsverfahrens geführt, das maßgeblich unter

seinem Vorsitz in der IMK im Herbst 2000 vorbereitet

worden sei. Im September sei auch das Verbot der neona-

zistischen Skinheadgruppierung „Blood & Honour“ durch
den Bundesinnenminister erfolgt. Er könne sich aber nicht

daran erinnern, ob er die Möglichkeit eines rechtsterroris-

tischen Hintergrundes für den Sprengstoffanschlag in der

Keupstraße angesprochen habe.

Der Zeuge Dr. Möller hat vor dem Untersuchungsaus-

schuss ausgeführt, als ehemaliger Polizeiabteilungsleiter

sei es ihm besonders wichtig gewesen, die Zusam-

menarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei, ins-

besondere den Informationsfluss vom Verfassungsschutz

zur Polizei ständig zu optimieren. Um auch den Strafvoll-

zug und die Staatsanwaltschaften einzubeziehen, habe er

bereits Ende 2000 eine Informationsgruppe zur Be-

obachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer und

rechtsterroristischer bzw. fremdenfeindlicher Gewalttaten

auf Landesebene ins Leben gerufen, um in regelmäßigen
6104) Vermerk der Abteilung 6 Innenministerium Nordrhein-

Westfalen vom 15. September 2003, MAT A NW-6j, Bl. 94.

Besprechungen mit Polizei- und Verfassungsschutzabtei-

lung, Landeskriminalamt und Justizministerium den In-

formationsaustausch im Lande zu verbessern. Die Frage

nach Hinweisen und Erkenntnissen auf einen Rechtsterro-

rismus in Nordrhein-Westfalen oder im Bundesgebiet sei

ein ständiges Thema gewesen. Diese Frage sei insbeson-

dere nach jeder Auswerter- und Beschaffertagung des

Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie bei der Vorbe-

reitung der jährlichen Verfassungsschutzberichte erörtert

worden. Die damaligen Analysen seien zu dem Ergebnis

gekommen, dass die Existenz einer braunen RAF deshalb

unwahrscheinlich sei, weil es an strategischen Köpfen, an

einer Konzeption und an einer geeigneten Infrastruktur

fehle. Sie seien überzeugt davon gewesen, dass rechtsext-

reme Gruppierungen, aus denen sich terroristische An-

schläge entwickeln könnten, dem Verfassungsschutz

bekannt werden müssten, weil sie sich nicht so wie die

RAF abschotten könnten. Weil man aber gewusst habe,

dass Neonazis eine besondere Affinität zu Gewalttaten

und Waffen hätten, habe man terroristische Anschläge

von Einzeltätern und Kleinstgruppen nicht ausgeschlos-

sen.
6105

Die Frage, ob es Rechtsterrorismus gebe, sei im-

mer dann, wenn im rechten Bereich Gewalt angewendet

worden sei, wieder aufgeworfen und bundesweit disku-

tiert worden.
6106

5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen

a) Maßnahmen des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen zur Erkenntnisgewin-
nung und Zusammenarbeit der Kölner Po-
lizei mit dem Verfassungsschutz

Wie der Lagedokumentation der Polizei vom 9. Juni 2004

zu entnehmen ist, erfolgte um 17.34 Uhr die Informati-

onsweitergabe an den Leiter der Abteilung 6 im Innenmi-

nisterium Nordrhein-Westfalen, Dr. Möller. Um 19.05

Uhr meldete sich ein Mitarbeiter der Abteilung 6 beim

Lagezentrum und bat um weitere Unterrichtung. Um

19.29 Uhr bat das LKA um Übermittlung der Erreichbar-

keiten zweier Mitarbeiter der Abteilung 6.
6107

Der Zeuge

Hofmann hat erklärt, dass es sich bei dem Mitarbeiter der

Abteilung 6, der um 19.05 Uhr mit dem Lagezentrum

telefonierte, um einen Angehörigen des Beschaffungsbe-

reiches Ausländerextremismus gehandelt habe. Ebenso

habe es sich bei den beiden Mitarbeitern, um deren Er-

reichbarkeiten das LKA ersucht habe, um Angehörige

dieses Beschaffungsbereiches gehandelt.
6108

Wie bereits

unter H.II.1.c) dargelegt, nahm auch der für Rechtsextre-

mismus zuständige Mitarbeiter des LfV Nordrhein-

Westfalen, Hofmann, um dessen Rückruf ein Mitarbeiter
6105) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 2, 3.

6106) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 14.

6107) Lagedokumentation vom 9. Juni 2004, MAT A NW-6l, Bl. 1-

12.

6108) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 14-16.

Drucksache 17/14600 – 704 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

des BfV gebeten hatte, um 19.56 Uhr Kontakt mit dem

Lagezentrum auf.

Der Zeuge Dr. Möller hat ausgeführt, er habe sofort nach

dem Anschlag die Beschaffungsreferate für Ausländerex-

tremismus und Rechtsextremismus angerufen und darum

gebeten, Quellen in der Kölner Szene nach möglichen

Motiven und Hintergründen der Tat zu befragen. Zu-

nächst hätten sie in erster Linie an einen Streit zwischen

Kurden und Türken gedacht und einen Anschlag aus dem

Bereich der PKK für möglich gehalten. Denkbar sei für

sie aber auch eine fremdenfeindliche Motivation gewe-

sen.
6109

Das Rechtsextremismusreferat habe Fehlanzeige

gemeldet. Auch die Quellen im Ausländerbereich hätten

letztlich nur Gerüchte und Spekulationen weitergegeben,

die sie für wenig zielführend gehalten hätten. Sie hätten

feststellen müssen, dass nur Vermutungen wiederholt

worden seien, die in den einschlägigen, in der Kölner

türkischen Gemeinde gelesenen, türkischen Zeitungen

kolportiert worden seien. Für einen fremdenfeindlichen

Hintergrund hätten sich keine Hinweise gefunden. Wie

man heute sehe, hätten sie sich dann zu früh mit anderen

Erklärungsmustern wie organisierte Kriminalität, von der

auch die für die Ermittlungen zuständige Kölner Polizei

ausgegangen sei, zufriedengegeben.
6110

Der Zeuge Hofmann, der seinerzeit Leiter des Beschaf-

fungsreferates deutscher Extremismus in der Verfas-

sungsschutzabteilung des Ministeriums in Nordrhein-

Westfalen war,
6111

hat ausgesagt, er sei mit dem Nagel-

bombenanschlag in der Weise befasst gewesen, dass er

Aufträge an seine V-Leute herausgegeben habe, entspre-

chende Meldungen zu erheben und zu erfassen. Dies sei

aus Eigeninitiative geschehen. Auch habe er vom Leiter

der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium

Nordrhein-Westfalen, Dr. Möller, den Auftrag erhalten,

alle Quellen zu sensibilieren. Auf die Frage, ob es einen

entsprechenden Auftrag der Polizei gegeben habe, hat er

erklärt, die „Beschaffung“ werde in ihrem Haus von der
„Auswertung“ gesteuert. Anfragen polizeilicherseits
müssten in der „Auswertung“ angekommen sein. Bereits
Dr. Möller habe ihm den Auftrag gegeben, alle Quellen,

die auch nur im weitesten Sinne Informationen beschaffen

könnten, zu sensibilisieren. Von daher habe es einer er-

gänzenden Anfrage bei ihm persönlich nicht bedurft. Er

gehe aber davon aus, dass Anfragen von Seiten des Poli-

zeipräsidiums Köln an sein Haus gegangen seien. Die

Nachfragen bei den Quellen im Phänomenbereich Rechts-

extremismus hätten jedoch keinerlei Erkenntnisse zu einer

wie auch immer gearteten Urheberschaft oder Motivation

gebracht. Er selbst sei sich nicht sicher gewesen, dass es

sich nicht um Rechtsextremismus gehandelt habe. Wenn

er diese Sicherheit gehabt hätte, hätte er den Quellen nicht

die Aufträge erteilt, entsprechende Informationen zu er-

heben. Er habe einen rechtsextremistischen Hintergrund

ins Auge gefasst. Durch die Fortschritte der Ermittlungen,

die in Richtung Ausländerextremismus bzw. organisierte
6109) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 3, 6.

6110) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 3.

6111) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 2.

Kriminalität gegangen seien, sei der Anschlag dann aber

nicht als rechts motiviert oder terroristisch eingeordnet

worden.
6112

Der Zeuge Dr. Möller hat ausgesagt, sie hätten sich die

Videobilder mehrfach gemeinsam mit der Polizei in dem

Lagezentrum des Innenministeriums angeschaut. Er kön-

ne sich aber gut daran erinnern, dass die Polizei große

Schwierigkeiten gehabt habe, die Täter zu identifizieren

und zuzuordnen:

„Ich weiß, dass es Wochen gedauert hat - das LKA
hat das ja vornehmlich dann gemacht, gemeinsam

mit der Kölner Polizei, wenn ich das weiß -, inten-

sivst zu versuchen, diese Personen zu enttarnen

oder zu identifizieren, muss man besser sagen. Das

ist erfolglos geblieben.“6113

Ein Bezug zu konkreten Personen, insbesondere rechts-

extremistischen Personen, oder gar zu den Mitgliedern

des Trios, habe in keiner Phase hergestellt werden kön-

nen. Diese drei Namen habe er das erste Mal im Jahr 2011

gehört. Während seiner ganzen Amtszeit habe er mit

diesen Namen nichts zu tun gehabt.
6114

Zu Beginn der Ermittlungen seien Mitarbeiter des Verfas-

sungsschutzes in der Soko beteiligt gewesen. Ihm sei

dann aber berichtet worden, dass die Kölner Polizei sich

festgelegt habe und vorrangig in Sachen organisierte

Kriminalität ermittle. Damit sei der Bezug zum Verfas-

sungsschutz abgeschnitten gewesen, da der Verfassungs-

schutz Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu Bayern auf

diesem Gebiet keine Zuständigkeiten habe. Die Ermitt-

lungen seien dann als Polizeifall in einem nichtpolitischen

Bereich weitergelaufen. Vermutlich sei die Tätigkeit

seiner Mitarbeiter in dieser Arbeitsgruppe ziemlich bald

eingestellt worden, weil sie zu diesem Bereich nichts

hätten beitragen können.
6115

Zudem hat der Zeuge Dr. Möller ausgesagt, die Polizei

habe sich von sich aus nicht bei ihnen gemeldet, vielmehr

habe es immer wieder Nachfragen des LfV bei der Polizei

gegeben. Er habe immer wieder nachgefragt, ob es neue

Erkenntnisse, Bewertungen und Einschätzungen bei der

Polizei gebe, habe aber dann die Antwort erhalten, die

Polizei gehe nach wie vor von einem rein kriminellen

Hintergrund aus dem Bereich der organisierten Kriminali-

tät aus. Seine Mitarbeiter hätten ihre Erkenntnisse weiter-

gegeben. Die Kölner Polizei müsse aber den Dienstweg

einhalten. Sie könne nicht einfach bei ihm anrufen und

äußern, dass sie jetzt eine bestimmte Meinung vertrete.

Der Kontakt müsse über das Lagezentrum und die Poli-

zeiabteilung hergestellt werden.
6116

Der Zeuge Weber hat ausgesagt, die Polizei habe von

Anfang an den Verfassungsschutz gefragt, ob es allge-
6112) Hofmann, Protokoll-Nr. 34 (nichtöffentlich), S. 6.

6113) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 5.

6114) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 5.

6115) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 9.

6116) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 31.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 705 – Drucksache 17/14600

meine Erkenntnisse gebe, die ihr im Bereich Keupstraße

die Ermittlungen betreffend weiterhelfen könnten. Diese

Kontakte seien über ihren Staatsschutz, als der Dienststel-

le, die normalerweise die Kontakte zum Verfassungs-

schutz habe, gelaufen. Sie hätten immer wieder nachge-

fragt, ob es seitens des Verfassungsschutzes Erkenntnisse

gebe bzw. auch die Möglichkeit, mit irgendwelchen Ver-

trauensleuten Erkenntnisse zu erlangen. Sie hätten aber

nie irgendwelche konkreten Ermittlungsansätze oder

Spuren erhalten, die sie weitergebracht hätten. Es seien

Anfragen gestellt worden, die negativ beschieden worden

seien.
6117

Anfragen seien zwar nicht wöchentlich, aber in

den zwei Jahren wiederholt gestellt worden. Zudem hat

der Zeuge Weber erklärt, er erwarte vom Verfassungs-

schutz in einem solchen Fall Hinweise zu bekommen,

ohne dass eine gezielte Nachfrage erfolgen müsse.
6118

b) Kenntnisse des Verfassungsschutzes
Nordrhein-Westfalen vom BfV Spezial Nr.
21

Bereits unter C.IV.3. ist ausgeführt worden, dass im Juli

2004 ein BfV Spezial Nr. 21 erschien, in dem Sachverhal-

te aus den Jahren 1997 bis 2004 dargestellt wurden, an-

hand derer die Gefahr eines bewaffneten Kampfes von

Rechtsextremisten bis hin zur Bildung rechtsextremisti-

scher Strukturen erörtert wurde. In diesem BfV Spezial Nr.

21 wurde auch auf das Trio Bezug genommen. Die Frage,

ob ihm das BfV Spezial Nr. 21 bekannt gewesen sei, wel-

ches vier Wochen nach der Tat herausgebracht worden

sei, hat der Zeuge Hofmann, der damals Leiter des Be-

schaffungsreferates deutscher Rechtsextremismus in der

Abteilung 6 des Innenministerums Nordrhein-Westfalen

war, verneint. Vermutlich sei dieses in der „Auswertung“
im LfV gelandet, dort verdichtet und komprimiert und in

eigenen Auswertungsergebnissen den Behörden zur Ver-

fügung gestellt worden.
6119

Der Zeuge Dr. Möller, der

damals Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innen-

ministerium Nordrhein-Westfalen war, hat die Frage, ob

er das BfV Spezial Nr. 21 kenne, ebenfalls verneint. Es sei

sicherlich in den Auswertungsreferaten hängen geblieben.

Weshalb keine Bezüge hergestellt worden seien, könne er

nicht sagen.
6120

c) Quellenmeldungen des Verfassungsschut-
zes

In den vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen

übermittelten Akten finden sich Quellenmeldungen zu

damals unter Bewohnern der Keupstraße und in ihrem

Umfeld kursierenden Gerüchten. Eine dieser Meldungen

war zu entnehmen:

„Wie Quelle weiter mitteilte, gehe unter einigen
Geschäftsleuten auf der Keupstraße das Gerücht
6117) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 33.

6118) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 57.

6119) Hofmann, Protokoll-Nr. 34, S. 8, 9.

6120) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 4.

um, dass der Anschlag einen rechtsradikalen Hin-

tergrund haben könne. Dies könne sie, Quelle sich

aber nur schwer vorstellen. Wenn es entsprechende

Hinweise gegeben hätte, wäre dies sicherlich von

einigen linksorientierten türkischen Gruppierungen

wie beispielsweise seinerzeit in Mölln oder Solin-

gen ausgenutzt worden.“6121

Der Zeuge Dr. Möller hat erklärt, er kenne die Quellen-

meldung nicht. Sie sei ihm sicherlich deshalb nicht vorge-

legt worden, weil sich die Quelle durch den Unsinn, den

sie erzählt habe, disqualifiziert habe.
6122

Zur Qualität der

Quellenmeldungen in diesem konkreten Fall hat er ausge-

sagt, dass vor allem Spekulationen geäußert worden seien.

Sie hätten festgestellt, dass nur das wiedergegeben werde,

was in den türkischen Zeitungen stehe. Dies sei überhaupt

nicht hilfreich gewesen. Es habe ja aber auch keinen Be-

zug zur ausländischen Szene gegeben, sodass diese tat-

sächlich nichts hätten erzählen können.
6123

Bezüglich der

Gewichtung der Quellen hat der Zeuge Dr. Möller ausge-

führt, es habe im Rechtsextremismus immer die meisten

Quellen gegeben, weil diese am leichtesten zu gewinnen

seien.
6124

d) Kritik am Verfassungsschutz aus den Er-
mittlungsbehörden

In einem Gedächtnisprotokoll über eine Besprechung vom

29. November 2006, welches erst am 21. März 2012 er-

stellt wurde, schilderte EKHK S. folgenden Sachverhalt:

Auf der Keupstraße seien seit Juni 2005 Verdeckte Er-

mittler und Vertrauenspersonen eingesetzt worden. Ende

Herbst 2005 habe die EG „Sprengstoff“ festgestellt, dass
mehrere Dienststellen des Polizeipräsidiums Köln sowie

auch andere Behörden unabhängig voneinander Ermitt-

lungen auf der Keupstraße führten und verdeckte Maß-

nahmen betrieben. Anfang 2006 sei entschieden worden,

dass das KK 21 die Koordinierung möglicher Verfahren

übernehmen solle. Zusammenfassend könne gesagt wer-

den, dass die Zusammenarbeit nicht sonderlich geklappt

habe und von Misstrauen geprägt gewesen sei. Da es

offensichtlich sehr unterschiedliche Wissensstände über

den Stand der Ermittlungen in den einzelnen anhängigen

Verfahren gegeben habe, habe am 29. November 2006

eine Besprechung im Polizeipräsidium Köln stattgefun-

den. In dem Gedächtnisprotokoll stellte EKHK S. fest:

„Ebenso ist mir deutlich in Erinnerung geblieben,
weil in dieser Form noch nicht erlebt, dass seitens

der anwesenden Herren sowohl des Landes- als

auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz kei-

nerlei Beitrag geleistet wurde und alle Fragen in

punkto Erkenntnisse oder möglichen Einsatzes von

Vertrauensleuten nicht beantwortet wurden.
6121) Quellenmeldung ohne Datum, MAT A NW-6/1 (Tgb.-Nr.

19/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 67, 68 (VS-NfD).

6122) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 11.

6123) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 14.

6124) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 16.

Drucksache 17/14600 – 706 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Abschließend kann festgehalten werden, dass die

Besprechung im Hinblick auf eine Sachaufklärung

als auch einer besseren Zusammenarbeit wenig

hilfreich war.“6125

Aus der Teilnehmerliste für die Besprechung geht hervor,

dass Vertreter des Polizeipräsidiums Köln, des LKA

Nordrhein-Westfalen, der Staatsanwaltschaft, des BfV,

des LfV, des BKA und eines Zollfahndungsamtes anwe-

send waren.
6126

Der Zeuge Weber hat hierzu ausgesagt, dass die Ermitt-

lungen nur örtlich einen gemeinsamen Bezug gehabt

hätten. Lediglich seine Ermittlungsgruppe sei mit dem

Nagelbombenanschlag befasst gewesen. Bei der Bespre-

chung sei versucht worden, Informationen auszutauschen,

um zu vermeiden, dass man sich ins Gehege komme.
6127

Die Feststellungen des EKHK S. in dem Gedächtnispro-

tokoll hat er für zutreffend erachtet. Für die EG „Spreng-
stoff“ habe diese Besprechung keinerlei neue Erkenntnis-
se oder Ermittlungsansätze geliefert.

6128
An dieser Besprechung nahm auch der Zeuge Wolf als

Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Er hat ausgesagt, er

habe sich erhofft, durch die Besprechung einen Ansatz zu

erhalten, um in dem Verfahren weiterzukommen und zu

überlegen, was man noch sinnvollerweise an Ermittlungs-

schritten aufbauen könne. Denn es sei ihm selten passiert,

dass man so auf der Stelle getreten sei. Es wäre durchaus

denkbar gewesen, nützliche Erkenntnisse zur Aufklärung

des Sprengstoffanschlags von jemandem zu erhalten, der

mit der Zielsetzung in der Keupstraße ermittle, ein OK-

Delikt aufzuklären. Er sei nach dem Gespräch sehr frus-

triert gewesen und habe sich gefragt, warum man sich

zusammengesetzt habe. Es sei überhaupt kein Stück Be-

wegung in die Sache reingekommen. Nach seiner Ein-

schätzung habe das Verfahren dadurch in keiner Weise

irgendeine Förderung erfahren.
6129

6. Aktivitäten des BfV

a) Erste Reaktionen des BfV zur Unterstüt-
zung der Ermittlungen

Wie auch andere Behörden wurde das BfV von dem Na-

gelbombenanschlag mit Fernschreiben vom 9. Juni 2004

in Kenntnis gesetzt.
6130

Der Zeuge Fromm hat auf eine

entsprechende Frage hin gesagt, dass er selbst an diesem

Tag nicht gebeten worden sei, initiativ zu werden. Norma-

lerweise laufe dieses unter Kollegen auf der Arbeitsebene.

Es komme eine Nachricht oder ein Anruf mit den vorhan-
6125) Gedächtnisprotokoll vom 21. März 2012, MAT A NW-4/3

(Tgb.-Nr. 17/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 8, 9 (VS-NfD).

6126) Teilnehmerliste MAT A NW-4/3 (Tgb.-Nr. 17/12 - VS-
VERTRAULICH), Bl. 3-6.

6127) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 33.

6128) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 33.

6129) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 75-77.

6130) E-Mail-Schriftverkehr vom 9. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e,

Bl. 53-60.

denen Informationen rein. Damit sei die Bitte verbunden,

alles abzuprüfen. Er nehme an, es sei auch in diesem Fall

angerufen worden, wisse dies aber nicht. Er gehe davon

aus, dass dies in dem vorliegenden Fall sach- und fachge-

recht gemacht worden sei und dass die dem BfV vorlie-

genden Erkenntnisse unmittelbar mitgeteilt worden sei-

en.
6131

Eine erste Reaktion des BfV erfolgte, wie bereits unter

H.II.1.c) dargelegt, indem ein Mitarbeiter des BfV im

Lagezentrum Nordrhein-Westfalen anrief und um Kon-

taktherstellung mit einem Mitarbeiter des nordrhein-

westfälischen Verfassungsschutzes bat. Bereits am

10. Juni 2004 erklärte der Pressesprecher des BfV, die

Ermittlungen gingen in Richtung Organisierte Kriminali-

tät.
6132

Der Zeuge Fromm hat ausgesagt, er habe sich von der

frühen Festlegung des damaligen Bundesinnenministers

Schily hinsichtlich des Tatmotivs nicht beeinflussen las-

sen. Für die Fachleute beim BfV und auch für ihn sei ganz

klar gewesen, dass man gleichwohl die vorhandenen

Möglichkeiten prüfe müsse. Sie hätten dann ja auch die

„Combat 18“-Vorgänge oder die Nagelbombe in London
zum Anlass genommen, den Sachverhalt eigenständig zu

bewerten. Die Äußerungen der Ermittlungsbehörden und

auch der Politik seien von ihnen zur Kenntnis genommen

worden. Dies sei aber nicht das Ende ihrer Ermittlungen

gewesen. Sie seien dem – leider ohne Erfolg – weiter
nachgegangen.

6133
b) Analyse der Tätervideos

Eine weitere vom BfV vorgenommene Maßnahme war

die Auswertung der Tätervideos. Der Zeuge Cremer hat

ausgesagt, das BfV habe seine Observanten aus dem

Rechtsextremismusbereich angehalten, die im Internet zur

Verfügung stehenden Tätervideos zu sichten. Die Obser-

vanten hätten sich die Videos daraufhin so häufig angese-

hen, dass sie ein paar Tage später Besuch von der Polizei

bekommen hätten, da die Homepage überwacht worden

sei. Ein Zusammenhang mit dem flüchtigen Trio habe

sich daraus nicht herleiten lassen.
6134

Auch der Zeuge

Kippenborck, der von 1999 bis 2006 als Sachbearbeiter

im für Rechtsterrorismus zuständigen Referat im BfV

tätig war und in dessen Zuständigkeitsbereich die Suche

nach dem Trio fiel, hat ausgesagt, er habe sich das Video

angesehen, sei aber nicht auf den Gedanken gekommen,

dass es sich bei den schiebenden Radfahrern um die Per-

sonen handeln könne, über die im BfV Spezial im Jahr

2004 berichtet worden sei. Konkret hat er hierzu ausge-

führt:

„Die Fotos waren bekannt, natürlich. Also, ich
weiß jetzt nicht, ob sie mir jetzt so geläufig waren,

dass ich die, wenn ich jetzt ein Fahndungsvideo
6131) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 16.

6132) Siehe hierzu unter H.II.1.d)cc).

6133) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 55.

6134) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 68, 88.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 707 – Drucksache 17/14600

sehe, zuordnen könnte. Darüber hinaus waren jetzt

auch die Gesichter - ich meine, da werden Sie mir

beipflichten - auch nicht sonderlich gut zu se-

hen.“6135

c) Dossier des BfV zum Sprengstoffanschlag
vom 9. Juni 2004: „Combat 18“

Am 8. Juli 2004 verfasste das BfV ein Dossier zum

Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004. Die Zeugen

Fromm und Cremer haben übereinstimmend erklärt, dass

dieses eigeninitiativ durch das BfV erstellt worden sei.
6136

In dem Dossier wurde ausgeführt, dass aufgrund der nach

derzeitigem Ermittlungsstand ungeklärten Motivlage des

Täters neben einem allgemeinkriminellen Hintergrund

auch eine rechtsextremistische Motivation der Tat bislang

nicht auszuschließen sei. Unter diesem Gesichtspunkt

nahm das BfV einen Vergleich mit entsprechenden Akti-

vitäten und Konzepten von gewaltorientierten Rechtsext-

remisten mit ähnlicher Vorgehensweise hinsichtlich der

Auswahl des Anschlagzieles sowie der Tatausführung

vor. Bereits einleitend merkte es an, dass es im Jahr 2001

in Köln einen Sprengstoffanschlag auf ein Lebensmittel-

geschäft einer iranischen Familie in der Probsteigasse in

Köln gegeben habe und auch damals die Hintergründe der

Tat nicht hätten geklärt werden können.

Das BfV verglich den Nagelbombenanschlag in der Köl-

ner Keupstraße mit einer Serie von Nagelbombenanschlä-

gen, die sich im April 1999 in London ereignet hätten und

die als Muster gedient haben könnten. Diese Anschlagsse-

rie sei zunächst mit der militanten neonazistischen Orga-

nisation „Combat-18“ in Verbindung gebracht worden.
Später habe sich herausgestellt, dass es sich bei dem fest-

genommenen David C. um einen Einzeltäter gehandelt

habe.

Das BfV stellte fest:

„Der Anschlag in Köln erinnert wegen der Ver-
wendung einer Nagelbombe und des Tatortes in

einem vorwiegend von Ausländern bewohnten

Stadtteil an diese Anschlagsserie.“

Im Weiteren verglich das BfV eine Anleitung zum Bau

einer Nagelbombe, die in der englischsprachigen Ausgabe

der „C 18“-Publikation Stormer No. 2 erschienen war, mit
dem Kölner Nagelbombenanschlag. Unter der Überschrift

„How to build a Dave C. Special“ sei dort eine detaillierte
Anleitung zum Bau des von C. verwendeten Nagelbom-

bentyps zu finden gewesen. Die Publikation habe zudem

die Aufforderung enthalten, C.s „heroische“ Taten nach-
zuahmen.

Das BfV gelangte zu dem Ergebnis, dass ein Vergleich

zwischen der in der o. a. Publikation veröffentlichten

Bombenbauanleitung und der Zusammensetzung des in
6135) Kippenborck, Protokoll-Nr. 72, S. 7.

6136) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 29; Cremer, Protokoll-Nr. 24,

S. 67.

Köln verwendeten Sprengkörpers nur unwesentliche

Übereinstimmungen ergeben habe.

Wörtlich heißt es in dem Vermerk:

„Ein Vergleich zwischen der in der o. a. Publikati-
on veröffentlichten Bombenbauanleitung und der

Zusammensetzung des in Köln verwendeten

Sprengkörpers ergab lediglich unwesentliche

Übereinstimmungen.

So handelt es sich bei dem Sprengstoff in beiden

Fällen um Schwarzpulver. Ebenso erfolgt die Zün-

dung beider Sprengkörper in beiden Fällen mit ent-

fernten bzw. geöffneten Glaskolben.

Große Unterschiede ergeben sich hingegen bei

dem Vergleich der jeweiligen Zündauslösung.

Während die ‚C.-Bombe‘ mittels einer Quarz-
wanduhr als Zeitzünder zur Umsetzung gebracht

werden soll, wurde die Zündung der ‚Kölner-
Bombe‘ durch eine hochwertige Funkfernsteue-
rung für Flugzeugmodelle ausgelöst. Weitere Un-

terschiede ergeben sich hinsichtlich des Ausbaus

der Sprengkörper. […]

Zusammenfassend ist zu bemerken, dass bei der

Zusammensetzung der ‚Kölner-Bombe‘, insbeson-
dere in Bezug auf deren Zündung, von einem ge-

wissen technischen Verständnis des Täters auszu-

gehen ist. Im Vergleich dazu weist die ‚C.-Bombe‘
einen weitaus schlichteren Aufbau auf, der auch

von Personen mit weniger ausgeprägten techni-

schen Fertigkeiten nachvollzogen werden

kann.“6137

Darüber hinaus wies das BfV auf ein von „Combat 18“
propagiertes zu Gewalt aufrufendes Konzept in der Aus-

einandersetzung mit dem politischen Gegner hin. So ver-

wies es auf Veröffentlichungen im Stormer (Nr. 1 der

deutschen Ausgabe), in denen die Frage nach gewaltsa-

men Aktionen aufgeworfen worden sei. Wörtlich sei dort

zitiert worden:

„Der Vorteil wäre auch, das niemand darum heu-
len würde, wenn es ab und an mal einen

Zuhälterkanaken oder Dealer treffen würde. Auch

der Verfolgungsdruck durch ZOG wäre nicht so

groß. [...]

Einen ausländischen Zuhälter macht man relativ

leicht ausfindig. Man beobachtet die Rotlichtbe-

zirke seiner Stadt, merkt sich die Kanaken die dort

regelmäßig auftauchen.“6138

Der Bericht des BfV wies explizit darauf hin, dass

„Combat 18“ auch in der rechtsextremistischen Szene in
Deutschland bekannt und beliebt sei und verwies darauf,

dass sich Hinweise auf Sympathisanten von „Combat 18“
im Bereich Köln aus dem Bestand der Mitgliederliste des

Forums der Homepage http://www.combat18.org ergä-
6137) MAT A BfV-4 Bl. 37 f. (herabgestufter Auszug).

6138) MAT A BfV-4, Bl. 39 (herabgestufter Auszug).

Drucksache 17/14600 – 708 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ben. Mit Stand vom 30. Juni 2004 hätten sich unter den

477 deutschen Forumsmitgliedern insgesamt 13 Nutzer

befunden, die eigenen Angaben zufolge in Köln und Um-

gebung ansässig waren.
6139

Abschließend berichtete das BfV von einer Recherche in

dem Datenbestand von NADIS nach männlichen Perso-

nen im Alter zwischen 20 und 30 mit Wohnort Köln. Es

habe hierbei vier Personen ermittelt, die bereits durch

Taten wie Brandanschläge, Körperverletzungen o. ä.

auffällig geworden seien. Nur eine von ihnen, nämlich

T. R., weise eine Affinität zu Sprengstoff bzw. zum Bom-

benbau auf. Über die vorliegenden Erkenntnisse zu T. R.

sei das Polizeipräsidium Köln bereits telefonisch infor-

miert worden. Es werde den Hinweis in die laufenden

Ermittlungen einbeziehen.
6140

Die Begrenzung der Recherche des BfV auf Personen aus

dem Kölner Raum hat der Zeuge Fromm damit begründet,

dass die Ermittlungsbehörden angenommen hätten, die

Täter kämen wahrscheinlich aus der Region.
6141

Der Zeu-

ge Cremer, der damals der für Rechtsextremismus zu-

ständige Abteilungsleiter im BfV war, hat ausgesagt, er

meine sich erinnern zu können, dass die Nutzung von

Fahrrädern entscheidend für die Überlegung gewesen sei,

es müsse sich um einen Täter aus Köln oder dem Kölner

Umland handeln.
6142

Zur Zusammenarbeit mit der Kölner Polizei hat der Zeuge

Cremer geäußert, es habe damals – was ungewöhnlich
gewesen sei – unmittelbare Kontakte des Sachbearbeiters
im BfV zum Polizeipräsidium Köln gegeben. Über diesen

Kontakt habe der Kollege den Hinweis weitergegeben.

Darüber hinaus sei das Auswertungsschreiben des BfV an

die Landesbehörde für Verfassungsschutz gegangen. Er

habe damals ausdrücklich verfügt: zur Weitergabe an die

Polizei.
6143

Der Kollege, der den Kontakt mit dem Poli-

zeipräsidium Köln aufgenommen habe, habe ihn vorher

gefragt, ob er dies dürfe und er habe zugestimmt. Dieser

Kollege habe durchaus Biss gehabt, seine Idee direkt an

den Mann zu bringen und nicht an die Verfassungs-

schutzbehörde Nordrhein-Westfalen.
6144

Das Dossier des BfV enthielt auf der Rückseite den hand-

schriftlichen Vermerk:

„Der LfV/NW erhält eine Ausfertigung des Ver-
merks mit der Anregung die Polizei entsprechend

zu unterrichten.“6145

Der Zeuge Dr. Möller hat erklärt, er könne die Frage, ob

das Dossier an die Polizei weitergeleitet worden sei, nicht
6139) Dossier des BfV vom 8. Juli 2004, MAT A BfV-4 (herabgestuf-

ter Auszug), Bl. 39.

6140) Dossier des BfV vom 8. Juli 2004, MAT A BfV-4 (herabgestuf-

ter Auszug), Bl. 35 ff.

6141) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 62.

6142) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 90.

6143) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 77.

6144) Cremer, Protokoll-Nr. 24, S. 87, 93.

6145) Dossier des BfV vom 8. Juli 2004, MAT A BfV-4 (herabgestuf-

ter Auszug), Bl. 43.

beantworten. Ihm sei das Dossier nicht bekannt. Eingänge

seien zunächst an die Fachreferate gegangen. Diese hätten

sie dann vorgelegt, wenn sie für wichtig gehalten worden

seien.
6146

Der Zeuge Dr. Möller hat zudem ausgesagt, ihm sei nicht

bekannt, dass die Verfassungsschutzabteilung des Innen-

ministeriums Nordrhein-Westfalen eine Abfrage zu den

13 in dem Dossier des BfV genannten „Combat 18“-
Sympathisanten von der Polizei erhalten habe.

6147
In den

Ermittlungsakten findet sich das Dossier nicht.

Der Zeuge Weber hat sich nicht daran erinnern können,

diese Informationen erhalten zu haben. Er könne dies aber

auch nicht ausschließen.
6148

Ebenso hat der Zeuge

Spliethoff erklärt, dass ihm das Dossier und die hierin

vorgenommenen Tatmittelvergleiche mit den in London

zum Einsatz gekommenen Nagelbomben nicht bekannt

gewesen sei.
6149

Die Zeugin Dobersalzka, Leiterin der Abteilung Rechts-

terrorismus im BfV zum Zeitpunkt des Sprengstoffan-

schlags in der Keupstraße, hat auf Nachfrage im Aus-

schuss die Gründe der Abteilung zur Abfassung des Dos-

siers erläutert:

„Also, wir haben das zur Kenntnis genommen,
dass es Anhaltspunkte geben sollte, die in eine an-

dere Richtung zeigen. Wir haben aber unsere Ein-

schätzung, dass es sehr wohl Rechtsextremisten

gewesen sein könnten - - die wollten wir an die zu-

ständigen Stellen weitertransportieren. Und wir

haben uns gefragt: Was wissen wir denn oder was

könnten wir wissen, was die Polizei nicht weiß?

Und da sind wir davon ausgegangen: Okay, diesen

Hinweis auf ‚Combat 18‘, den hat die ermittelnde
Polizei vielleicht nicht vor Augen. Das müssen wir

weitergeben, auch wenn der Zünder ein anderer ist

als bei der von ‚Combat 18‘ beschriebenen Varian-
te. Von daher haben wir einfach versucht, mit die-

sem Schreiben den Blick der Polizei auch auf ei-

nen möglichen rechtsextremistischen Bezug zu

lenken.“6150

Auf die Frage, warum das Dossier nicht zum Anlass ge-

nommen worden sei, die Tätervideos mit den hierin ge-

nannten Personen abzugleichen, hat der Zeuge Egerton,

der von 1994 bis zum Jahr 2000 im BfV mit der subkultu-

rellen, gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene befasst

war, geantwortet:

„Das Problem für uns bei solchen Anschlägen, wo
zunächst keine Erkenntnisse da sind, ist, dass wir

zunächst mal von der Polizei einen Anfasser be-

kommen müssen, also wir müssen immer mögli-

cherweise darauf hingewiesen werden, sofern wir
6146) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 26.

6147) Dr. Möller, Protokoll-Nr. 31, S. 19.

6148) Weber, Protokoll-Nr. 22, S. 50, 56.

6149) Spliethoff, Protokoll-Nr. 68, S. 13.

6150) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 34.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 709 – Drucksache 17/14600

nicht selber darauf kommen: Da ist möglicherwei-

se ein rechtsextremistischer Hintergrund mit da-

bei.“6151

Die Zeugin Hammann, zum Zeitpunkt des Nagelbomben-

anschlags Leiterin des für politisch motivierte Kriminali-

tät zuständigen Referates im BMI, hat ausgeführt, sie

habe keine Kenntnis von dem Dossier des BfV gehabt.

Warum sie dies damals nicht erreicht habe, könne sie

nicht sagen. Zum damaligen Zeitpunkt habe sich ihr

Fachaufsichtsbereich auf das BKA und nicht auf das BfV

bezogen. Die Trennung zwischen den Fachaufsichten sei

damals viel schärfer gewesen.
6152

d) Sprechzettel des BfV für ND-Lage am
5. Oktober 2004

Aus einem Sprechzettel des BfV für die ND-Lage am

5. Oktober 2004 zum Thema „Rechtsextremistische Kri-
minelle als Urheber des Bombenanschlags von Köln?“
geht hervor, dass sich das BfV aufgrund eines Berichts im

Tagesspiegel vom 30. September 2004, wonach es sich

bei zwei Hauptverdächtigen möglicherweise um „abge-
driftete“ Rechtsextremisten handele, mit dieser Frage
befasste. In dem Sprechzettel wurde festgehalten, dass der

Artikel nach telefonischer Auskunft des Polizeipräsidiums

Köln gegenüber dem BfV nicht bestätigt worden sei. Die

Polizei schließe ein fremdenfeindliches Motiv nicht aus,

ein konkreter Tatverdacht gegen Personen aus dem Be-

reich des Rechtsextremismus bestünde momentan jedoch

nicht. Die Polizei gehe davon aus, dass die Tat durch zwei

Täter gemeinsam begangen worden sei, ohne dass sie

einer Organisation angehörten. In seiner Stellungnahme

führte das BfV aus:

„Da auch das BfV ein fremdenfeindliches Motiv
für den Anschlag nicht ausschließen kann, erfolg-

ten in der Abteilung 2 umfangreiche Maßnahmen

zur Eingrenzung eines möglichen rechtsextremisti-

schen Täterkreises. Hierzu erfolgten Quellenbefra-

gungen, umfangreiche Aktennachsuchen sowie

Dateiabfragen (sog. ‚Schreibung‘), welche sich an
dem von der Polizei veröffentlichen Täterprofil

orientierten. Von den erfassten Personen wurde le-

diglich bei T. R. eine Affinität zu Sprengstoff bzw.

zum Bombenbau deutlich. Durch das BfV erfolgte

ein Hinweis zu R. an die Polizei.

Darüber hinaus erfolgte ein Vergleich zwischen

der in der englischsprachigen Ausgabe der ‚C18‘-
Publikation Stormer No. 2 veröffentlichten Anlei-

tung zum Bau einer Nagelbombe mit der Zusam-

mensetzung des in Köln verwendeten Sprengkör-

pers. Dabei ergaben sich lediglich unwesentliche

Übereinstimmungen.“6153
6151) Egerton, Protokoll-Nr. 70, S. 31.

6152) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 20, 21.

6153) Sprechzettel für die ND-Lage am 5. Oktober 2004, MAT A

BfV-4 (Tgb.-Nr. 16/12 - VS-VERTRAULICH), Bl. 65, 66 (VS-

NfD).

7. In welcher Weise war das BMI in die Er-
mittlungen eingebunden?

a) Erkenntnisse des BMI zum Nagelbomben-
anschlag

aa) Erstinformation des BMI durch das LKA
Nordrhein-Westfalen und darauf erfolgte
Reaktionen

Wie bereits unter H.II.1.b)aa) dargelegt, wurde das BMI

am 9. Juni 2004 durch zwei aufeinanderfolgende E-Mails

über den Nagelbombenanschlag unterrichtet. Beide E-

Mails wurden um 17.46 Uhr und 18.02 Uhr an die Zeugin

Hammann, die zu diesem Zeitpunkt Leiterin des Referates

P II 5 im BMI war, weitergeleitet.
6154

Die Zeugin Ham-

mann hat ausgesagt, sie könne sich heute nicht mehr da-

ran erinnern, eine E-Mail mit der Betreffzeile „Terroristi-
sche Gewaltkriminalität“ erhalten zu haben. Auch an die
Korrektur dieser Erstmeldung könne sie sich nicht mehr

erinnern. Sie habe hieraufhin am 9. oder 10. Juni 2004

einen Erlass an das BKA mit der Bitte um Berichterstat-

tung aufgesetzt. Diese Berichterstattung sei dann am

11. Juni 2004 eingegangen und an die Hausleitung trans-

portiert worden.
6155

Sie hat weiterhin erklärt, sie wisse

nicht mehr, welche weiteren Schritte sie unternommen

habe. Ein handschriftlicher Vermerk auf einer E-Mail

vom 9. Juni 2004
6156

lege nahe, dass sie die darin enthal-

tenen Informationen über eine Nachfrage in Erfahrung

gebracht habe. Ihr sei aber nicht mehr in Erinnerung, mit

wem sie telefoniert habe.
6157

Auf dieser E-Mail hatte die Zeugin Hammann hand-

schriftlich notiert:

– „2 Geschäfte betroffen (Friseur, Juwelier)

– 10 – 15 Verletzte

1 Detonation?

Keupstr. (türkisches Wohn- und Ge-

schäftsviertel)

Umfeld hoher allg. Krim.

Zimmermannsnägel“6158

Die Zeugin hat eingeräumt, dass die Bemerkung „Umfeld
hoher allg. Krim.“ eine falsche Blickrichtung auf einen
Sprengstoffanschlag leiten und ein Anhaltspunkt für eine

falsche Einschätzung sein könne.
6159
6154) MAT A BMI-4/57e, Bl. 57, 59.

6155) Weiteres zum Werdegang der Ministervorlage unter

H.II.7.a)dd).

6156) E-Mail vom 9. Juni 2004, 17.46 Uhr, MAT A BMI-4/57e,

Bl. 57.

6157) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 5, 6.

6158) E-Mail vom 9. Juni 2004, 17.46 Uhr, MAT A BMI-4/57e,

Bl. 57.

6159) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 17.

Drucksache 17/14600 – 710 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auch könne sie sich nicht mehr daran erinnern, den Mi-

nister aufgrund dieser E-Mail informiert zu haben. Anlass

für die Unterrichtung des Ministers sei aber immer ein

Bericht des BKA, den sie erst dazu habe einholen müs-

sen.
6160

Sie habe in den ersten Tagen nach der Tat keinen

direkten Kontakt mit dem Minister gehabt.
6161

bb) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004

In einer Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004 für

den Berichtszeitraum vom 9. Juni 2004, 6 Uhr bis zum

10. Juni 2004, 6 Uhr wurde aufgrund von Informationen

des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen und des

BKA über den Nagelbombenanschlag berichtet. Während

die Überschrift „Politisch motivierte Straftaten“ nicht mit
Inhalt gefüllt wurde, hieß es unter „Organisierte und all-
gemeine Kriminalität“:

„09.06. Anschlag auf Wohn- und Geschäftshaus

Unbekannte Täter verübten gegen 16.00 Uhr einen

Anschlag in einer Wohn- und Geschäftsstraße im

Ortsteil Mühlheim. Vor einem Friseurgeschäft ex-

plodierte ein offenbar mit Nägeln gefüllter Spreng-

satz. Dabei wurden bisher 22 Menschen verletzt,

drei davon schwer, eine Person lebensgefährlich.

Erste Ermittlungen haben ergeben, dass ein Me-

tallbehälter mit mehreren hundert Nägeln zur De-

tonation gebracht wurde. Über Täter oder Tathin-

tergrund liegen bisher keine Erkenntnisse vor. Ein

terroristischer Hintergrund wird derzeit ausge-

schlossen.“6162

Fraglich ist, wie es zu der Änderung der Formulierung

„Es liegen keine Hinweise auf terroristische Gewaltkrimi-
nalität vor“ zu „Ein terroristischer Hintergrund wird der-
zeit ausgeschlossen“ gekommen ist. Hierzu hat der Zeuge
Dr. Behrens geäußert, dies könne er nicht erklären. Die

dort enthaltene Aussage sei falsch. Ausgeschlossen habe

einen terroristischen Anschlag zu dem Zeitpunkt nie-

mand. Zudem hat er ausgeführt:

„Entschuldigung, wenn ich das recht sehe, ist der
Schriftwechsel, der hier ja auch zitiert wird, mit

der Änderung des Betreffs und all die anderen

Dinge, die Lagefortschreibung Nr. 1 – bis ich weiß
nicht wie viel – ist ja auch immer im polizei- und
behördeninternen Austausch an das Bundesinnen-

ministerium, an die Bundesbehörden gegangen. In-

sofern kann es da keinen unterschiedlichen Infor-

mationsstand gegeben haben. Also ist der Informa-

tionsstand, den das Lagezentrum Nordrhein-

Westfalen über die Berichterstattung aus Köln,

Bezirksregierung Köln, Innenministerium

Nordrhein-Westfalen, bundesweit verteilt hat, die

maßgebliche Grundlage der Beurteilung. Und

wenn das Lagezentrum des Bundesinnenministeri-
6160) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 5, 6.

6161) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 14.

6162) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004, MAT A BMI-

4/57e, Bl. 72.

ums da einen Betreff oder eine Bezeichnung än-

dert, dann weiß ich nicht, warum das dort gesche-

hen ist. Ich kann es Ihnen jedenfalls nicht erklä-

ren.“6163

Die Zeugin Hammann hat hierzu erklärt, sie sei an der

Erstellung des Lageberichts nicht beteiligt gewesen. Die

Lageberichte seien eigenständig im Lagezentrum erstellt

worden und hätten auf den Zulieferungen der Polizeibe-

hörden aus Bund und Ländern basiert. Das Fachreferat sei

bei der Erstellung nicht eingebunden gewesen.
6164

Die

Lageberichte würden einmal täglich hausweit gesteuert.

Ihr sei aber nicht aufgefallen, dass diese Meldung, in der

ein terroristischer Hintergrund ausgeschlossen worden sei,

nicht mit den sonstigen Erkenntnislagen übereinstimm-

te.
6165

cc) Unterrichtung des BMI durch BKA

Am 11. Juni 2004 wurde das Referat P II 5 im Bundesmi-

nisterium des Innern vom BKA über den Anschlag in

Köln-Mülheim unterrichtet. In dem Schreiben wurde

ausgeführt:

„Unterstützung der Tatortgruppe des LKA
Nordrhein-Westfalen im Rahmen der mittlerweile

abgeschlossenen Tatortaufnahme erfolgte durch

zwei Beamte des BKA – ZD 11. Hinweise über
Täter sowie Erkenntnisse zur möglichen Zielrich-

tung des Anschlags liegen derzeit nicht vor; insbe-

sondere sind keinerlei Anhaltspunkte für einen et-

waigen terroristischen Hintergrund vorhanden.

Innerhalb des BKA erfolgt die weitere Sachbear-

beitung gemäß Absprache zwischen den Abteilun-

gen ST und OA durch OA 12.“6166

Weitere Unterrichtungen erfolgten mit Sprechzetteln des

BKA für die ND-Lagen am 15., 22. und 29. Juni 2004.
6167

dd) Ministervorlage vom 11. Juni 2004

Am 11. Juni 2004 wurde eine Ministervorlage durch das

Referat P II 5 erstellt. Unterzeichnerin der Vorlage war

die Zeugin Hammann. Mit der Vorlage sollte der Minister

über den Sachstand unterrichtet werden. In der Vorlage

wurde ausgeführt:

„Derzeit liegen keine Erkenntnisse über Motive
oder Täter vor, insbesondere sind keinerlei An-

haltspunkte für einen etwaigen terroristischen Hin-

tergrund vorhanden. Dementsprechend ist auch ei-

ne Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch

den GBA nicht beabsichtigt. Innerhalb des BKA

wurde der Fall zur weiteren Bearbeitung an die
6163) Dr. Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 36.

6164) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 4.

6165) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 21.

6166) Schreiben des BKA vom 11. Juni 2004, MAT A BMI 4/57e, Bl.

88 f.

6167) Siehe unter H.II.2.c)bb)aaa).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 711 – Drucksache 17/14600

Abteilung ‚organisierte und allgemeine Kriminali-
tät‘ (OA) abgegeben.“6168

Die Zeugin Hammann hat ausgesagt, dass die in der Vor-

lage enthaltene Bewertung auf der Grundlage des BKA-

Berichts vorgenommen worden sei. Sie habe keine weite-

re Rücksprache zu dem Sachverhalt gehalten.
6169

Die Art

der Tatbegehung habe zwar auf einen Anschlag, nicht

aber auf ein Tatmotiv hingedeutet.
6170

Sie habe Anhalts-

punkte und keine Spekulationen an die Hausleitung her-

anzutragen, es sei denn, es lägen Widersprüche vor. Zu

diesem Zeitpunkt hätten jedoch keine Anhaltspunkte

vorgelegen. Sie habe aber auch keine Möglichkeit ausge-

schlossen.
6171

Die Zeugin hat aber eingeräumt, dass dem

Vorgang in der Retrospektive zu wenig Bedeutung zuge-

messen worden sei.
6172

Die Zeugin Hammann hat erklärt, die Ministervorlage

habe die Hausleitung nicht erreicht. Sie sei vom damali-

gen Unterabteilungsleiter P. am 11. Juni 2004 mit der

Bemerkung, er könne die Notwendigkeit der Vorlage

nicht erkennen, versehen worden. Der Abteilungsleiter K.

habe am 14. Juni 2004 die Anmerkung hinzugefügt, dass

der Sachverhalt bekannt sei. Der Vermerk:

„Rücklauf

Vorlage wurde seitens UAL P I/AL P als nicht er-

forderlich angesehen und deshalb an P II 5 zu-

rückgegeben.“6173

stamme von ihr.
6174

Sie habe sich nicht darüber gewun-

dert, dass die Vorlage dem Minister nicht vorgelegt wor-

den sei, da sie davon ausgehe, dass bei solchen Sachver-

halten ein ständiger Kontakt des Ministers mit dem Lage-

zentrum und gegebenenfalls auch der BKA- oder BfV-

Hausleitung bestehe.
6175

In einer E-Mail vom 14. Juni 2004 an einen Mitarbeiter

führte die Zeugin Hammann aus:

„Ja, die Vorlage hat mich bereits wieder erreicht
und läuft jetzt auf Sie und Herrn S. zur Kenntnis-

nahme zu. Dann nichts wie ab in die Registratur.

Wir sollten den Vorgang aber weiter mitverfolgen,

um mögliche Anzeichen für einen doch irgendwie

gearteten staatsschutzrelevanten Hintergrund früh-

zeitig zu bemerken.“6176

Die Zeugin Hammann hat ausgesagt, sie könne sich nicht

mehr daran erinnern, welche Maßnahmen sie ergriffen
6168) Ministervorlage vom 11. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e,

Bl. 95-98.

6169) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 9.

6170) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 10.

6171) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 13.

6172) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 15.

6173) Ministervorlage vom 11. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e,

Bl. 95-98.

6174) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 12.

6175) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 9.

6176) E-Mail vom 14. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 109.

habe, um den Vorgang mitzuverfolgen.
6177

Sie habe eine

entsprechende Verfügung für den damaligen Bearbeiter

vorgenommen. Weitere Spuren in den Akten für eine

Nachverfolgung durch sie gebe es nicht. Auch habe sie

keinen weiteren Anlass gesehen, bei anderen Bundeslän-

dern nachzufragen. Eine Zentralstellenfunktion des BMI

existiere nicht. Es gebe nur eine Zentralstellenfunktion

des BKA.
6178

Dass ihm die Vorlage nicht vorgelegt wor-

den ist, hat der Zeuge Schily mit einer im Ministerium

bestehenden Tendenz erklärt, nicht alles an den Minister

herankommen zu lassen.
6179

ee) Vorbereitung Ministervorlage vom 16. Juni
2004

Aus Anlass der Teilnahme von Minister Schily an einem

Wirtschaftsdialog, bei welchem er ein Statement zur aktu-

ellen sicherheitspolitischen Situation abgeben wollte,

erbat das BMI vom BKA einen Sachstandsbericht. In dem

am 16. Juni 2004 vom BKA vorgelegten Bericht wurde

ausgeführt:

„Anhaltspunkte für einen terroristischen oder
fremdenfeindlichen Hintergrund liegen zur Zeit

nicht vor.

Die Staatsanwaltschaft Köln, Staatsschutzabtei-

lung, ermittelt wegen versuchten mehrfachen

Mordes und der Herbeiführung einer Sprengstoff-

explosion. Bis zur Klärung der Motivlage für die

Tat bleibt das Verfahren in der Staatsschutzabtei-

lung der StA. Die polizeiliche Sachbearbeitung

liegt beim Polizeipräsidium Köln, wo nach Auflö-

sung der BAO am 10.06.2004 nun das KK 11

(Mordkommission) die Ermittlungen führt. Mit

Stand 15.06.2004 bearbeitet die Mordkommission

etwa 70 Spuren.

3. Einbindung BKA

Das Bundeskriminalamt unterstützt im Rahmen

der §§ 2, 3, 17 BKAG: Spezialisten für Spreng-

stoffdelikte des BKA unterstützten vor Ort die

Tatortgruppe des Landeskriminalamtes Nordrhein-

Westfalen bei der Tatortaufnahme. Mitarbeiter der

Abteilungen ST und OA waren zur Unterstützung

und zum Informationsaustausch ebenfalls vor Ort.

Die Abteilung OA koordiniert unter dem Ansatz

‚türkische OK‘ bis auf Weiteres alle in diesem Fall
eingehenden Anfragen bzw. Ersuchen; die Einbin-

dung der Abteilung ST ist sichergestellt.“6180

Die Zeugin Hammann hat ausgesagt, die Ausführungen

des BKA zu seiner Tätigkeit im Bereich der türkischen

organisierten Kriminalität habe nicht zu Nachfragen ihrer-
6177) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 10.

6178) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 18.

6179) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 70.

6180) Schreiben des BKA vom 16. Juni 2004 an das BMI, BMI-

4/57e, Bl. 127 f.

Drucksache 17/14600 – 712 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

seits beim BKA geführt, warum diese Spezifizierung

vorgenommen worden sei.
6181

In die Vorlage an den Minister wurde der zusätzliche

Hinweis aufgenommen, dass nach Zeugenaussagen ein 25

bis 30 Jahre alter Mann mit blonden Haaren das Fahrrad

abgestellt habe.
6182

Die Zeugin Hammann hat hierzu aus-

geführt, der Hinweis auf den Täter habe auf einem Fahn-

dungsplakat des Landes Nordrhein-Westfalen basiert. Der

zuständige Bearbeiter habe noch einmal beim BKA nach-

gefragt, ob es hierzu neue Hinweise gebe. Dies sei seitens

des BKA verneint worden.
6183

b) Kontakte zwischen Bundesinnenminister
a. D. Schily und dem nordrhein-west-
fälischen Innenminister a. D. Dr. Behrens

Bei der Vernehmung des Zeugen Dr. Behrens ist ihm die

Frage gestellt worden, ob er in den Tagen nach dem Na-

gelbombenanschlag Kontakt zu dem damaligen Bundes-

innenminister Otto Schily gehabt habe. Der Zeuge Dr.

Behrens hat auf diese Frage geantwortet:

„Das wird so gewesen sein. Ich weiß nicht mehr,
wann und wo. Aber mit Otto Schily, der damals

das Bundesinnenministerium geleitet hat, habe ich

in solchen Situationen immer Kontakt gehabt. Das

liegt ja auch auf der Hand, wenn so etwas ge-

schieht. Und wir werden sicher telefoniert haben.

Und wer den ehemaligen Kollegen Otto Schily

kennt, der weiß ja auch, wie wissbegierig und neu-

gierig er ist in solchen Situationen und dann auch

gern informiert sein möchte. Und darauf habe ich

sicher auch reagiert. Ob ich das auf seinen Anruf

getan habe oder ob ich ihn von mir aus angerufen

habe, das weiß ich heute nicht mehr.“

Der Zeuge Schily hat ausgesagt, er habe keine Erinnerung

mehr daran, dass er mit Minister Dr. Behrens telefoniert

habe. Ein solches Telefonat könne stattgefunden haben.

Es könne auch durchaus sein, dass er von sich aus angeru-

fen habe.
6184

Er sei aber am 10. Juni 2004 den ganzen Tag

im Gespräch mit Minister de Villepin gewesen. Er glaube

daher nicht, dass er große Nachfragen gehalten habe.
6185

Wenn es ein solches Gespräch gegeben habe, habe sich

hieraus nichts anderes ergeben, als er in seiner Presseer-

klärung geäußert habe.
6186
6181) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 23.

6182) Vorlage vom 17. Juni 2004, MAT A BMI-4/57e, Bl. 136.

6183) Hammann, Protokoll-Nr. 60, S. 17.

6184) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 33.

6185) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 41.

6186) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 44.

c) Weitere Befassung von Bundesinnenmi-
nister Schily mit dem Vorgang

Der Zeuge Schily hat ausgesagt, er habe nicht erwogen,

den Tatort zu besichtigen.
6187

Er sei in seiner Amtszeit

nicht häufig bei solchen Ereignissen gewesen.
6188

Auf die Frage, wie er sich über den Fall weiter habe in-

formieren lassen, hat er dargelegt, er vermute, dass in der

Sicherheitsrunde (regelmäßige Lagebesprechung mit den

Präsidenten des Bundeskriminalamts, des Bundesamts für

Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendiens-

tes
6189

) darüber gesprochen worden sei. Er habe aber

aufgrund der ihm vorliegenden Dokumente im Nachhin-

ein festgestellt, dass ihm eine Unterlage nicht vorgelegt

worden sei. Den Grund hierfür kenne er nicht.
6190

Er kön-

ne nicht mehr wiedergeben, welche weiteren Überlegun-

gen er bezüglich eines Motivs gehabt habe. Möglicher-

weise sei in der Sicherheitsrunde besprochen worden,

dass in alle Richtungen ermittelt werden müsse. Dies sei

aber nicht mehr in irgendeiner öffentlichen Äußerung

thematisiert worden. Er sei auch nicht mehr darauf ange-

sprochen worden. Der Fall sei auch später nicht in irgend-

einem Ausschuss oder einem anderen Gremium zur Spra-

che gebracht worden. Wenn man wisse, dass in alle Rich-

tungen ermittelt werde, müsse man darauf vertrauen, dass

die Ermittlungsbehörden zu den richtigen Ergebnissen

kämen.
6191

Er müsse sich vielleicht selbstkritisch sagen,

dass er an dieser Stelle zu wenig aktiv geworden sei. Dies

könne man ihm heute vorhalten.
6192

d) Erkundigungen des MAD – Aussage des
Zeugen Huth

Der Zeuge Huth, der zum Zeitpunkt des Nagelbombenan-

schlags Leiter der Abteilung „Extremismus-
/Terrorabwehr“ im MAD war, hat ausgesagt, er habe
selber ein bis zwei Tage nach dem Ereignis bei Polizei

und Verfassungsschutz nach den Hintergründen für den

Anschlag gefragt, um seinen Vorgesetzten und auch dem

BMVg Rede und Antwort stehen zu können. Konkret hat

er ausgeführt:

„Ich habe damals die Auskunft bekommen: Da ist
kein Extremismus dran. Und die zweite Aussage

war: Wenn da was Rechtsextremes dran ist, plau-

dert irgendwann einer. Das war eigentlich so: Die

Szene plauderte immer. In diesem Fall hat keiner

geplaudert.

Also, zu dem Zeitpunkt habe ich als Anfrager die-

se Auskunft bekommen und habe diese auch so

weitergegeben. Das war ja auch in meinem Ein-
6187) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 44.

6188) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 51.

6189) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 29.

6190) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 48, Weiteres zur nicht vorgelegten
Ministervorlage unter H.II.7.a)dd).

6191) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 78.

6192) Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 70.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 713 – Drucksache 17/14600

gangsstatement. Die Verfassungsschutzbehörden

haben in ihrem Lagebericht gesagt, es gibt keinen

Terror von rechts. Gab es nicht.“6193

8. Prüfung einer Verfahrensübernahme durch
den GBA

In einem handschriftlichen Vermerk, dessen Datum nicht

erkennbar ist, führte OStA Wolf aus:

„Uz. hat heute Herrn Bundesanwalt Dr. Hohmann
telef. über den Ermittlungsstand informiert (GBA

Karlsruhe – 0721-XXXXXXXX). Derzeit sieht der
GBA keine Veranlassung, das Verfahren zu über-

nehmen. Allerdings bittet BA Dr. Hohmann um

telef. Mitteilung unmittelbar an ihn, falls sich An-

haltspunkte im weiteren Verlauf für eine Zustän-

digkeit der Generalbundesanwaltschaft erge-

ben.“6194

Mit Schreiben vom 11. Juni 2004 teilte Bundesanwalt

Dr. Hohmann der Staatsanwaltschaft Köln mit:

„Der Sachverhalt, der mir durch vom BMI gesteu-
ertes Fernschreiben Nr. 829 1006 1601 des Poli-

zeipräsidiums Köln vom 10. Juni 2004 mitgeteilt

worden ist, enthält nach derzeitigem Erkenntnis-

stand keine zureichenden tatsächlichen Anhalts-

punkte für ein Delikt, das meine Zuständigkeit be-

gründen könnte.

Ich habe jedoch einen Beobachtungsvorgang ange-

legt und bitte, mich über den Ausgang der Ermitt-

lungen zu unterrichten. Sollten sich im Lauf der

Ermittlungen Umstände ergeben, die zu einer an-

deren Beurteilung der Frage meiner Zuständigkeit

führen könnten, bitte ich um umgehende Unter-

richtung und Übermittlung eines Berichts.“6195

In einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwaltes in

Köln vom 11. Juni 2004 an das Justizministerium

Nordrhein-Westfalen wurde u. a. auch über die Möglich-

keit einer Abgabe an den GBA informiert:

„Die Ermittlungen werden derzeit von der durch
Beamte des Staatsschutzes u. a verstärkten Mord-

kommission der Polizeibehörde Köln unter Feder-

führung des Abteilungsleiters der politischen Ab-

teilung meiner Behörde geführt. Sollten sich Hin-

weise auf einen politisch motivierten Hintergrund

nicht ergeben, wird das Verfahren an die zuständi-

ge Abteilung abgegeben werden. Der Generalbun-

desanwalt hat mitgeteilt, er sehe derzeit noch kei-

nen Anlass zur Übernahme der Ermittlungen.“6196

Mit Schreiben vom 10. Mai 2005 bat Bundesanwalt

Dr. Hohmann um Mitteilung über den Ausgang der Er-
6193) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 63.

6194) MAT A GBA-4/13, Bl. 17 f.

6195) Schreiben des GBA vom 11. Juni 2004, MAT A GBA-4/13,

Bl. 21.

6196) MAT A GBA-4/13, Bl. 11.

mittlungen. Zugleich bat er um Stellungnahme, ob sich

nach dem Ergebnis der Ermittlungen zureichende tatsäch-

liche Anhaltspunkte für ein in die Zuständigkeit des Ge-

neralbundesanwalts fallendes Delikt ergeben hätten, ins-

besondere für eine terroristische oder fremdenfeindliche

Straftat von erheblichem Gewicht.
6197

In dem darauf fol-

genden Bericht des Leitenden Oberstaatsanwaltes an den

Generalbundesanwalt vom 2. August 2005 wurde ausge-

führt:

„Die Ergebnisse von ‚Profilern‘ des Bundeskrimi-
nalamtes und des Landeskriminalamtes Nordrhein-

Westfalen erstellten Operativen Fallanalysen ha-

ben allerdings die Annahme bestätigt, dass min-

destens einer der männlichen Täter eine nähere

‚Vertrautheit‘ zu dem Tatortbereich hat und auf-
grund aktueller oder ehemaliger Alltagsroutinen

im privaten oder beruflichen Bereich einen Anker-

punkt in der Gegend besitzt oder besessen hat. […]
Für die Annahme eines terroristischen oder frem-

denfeindlichen Hintergrundes der Tat fehlt es der-

zeit an konkreten Anhaltspunkten.“6198

Der Zeuge Wolf hat ausgesagt, sie hätten damals nicht die

Voraussetzungen dafür gesehen, das Verfahren dem GBA

anzudienen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen, ins-

besondere die des § 129a StGB, aus der damaligen Sicht

nicht vorgelegen hätten.
6199

9. Einstellung des Verfahrens

Am 24. Juni 2008 stellte die Staatsanwaltschaft Köln das

Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. In der Einstel-

lungsverfügung wurde festgestellt, dass sich aus einer

Vielzahl von Zeugenaussagen keinerlei Informationen

ergeben hätten, die zur Ermittlung der Tatverdächtigen

hätten führen können. Sämtliche im Rahmen der Ermitt-

lungen verfolgten Einzelspuren seien unergiebig und ohne

einschlägiges Ergebnis geblieben. Auch hätten die vorge-

nommenen Rasterfahndungen weder konkrete Erkenntnis-

se über die Tatverdächtigen noch konkrete Anknüpfungs-

punkte zur weiteren Tatklärung ergeben. Hintergrund und

Motivation der Tat hätten nach den bisherigen Ermittlun-

gen nicht aufgehellt werden können.
6200

Der Zeuge Wolf hat erklärt, dass man ein Verfahren ein-

stelle, wenn die Ermittlungsmöglichkeiten aus der subjek-

tiven Sicht erschöpft seien. Dies bedeute aber nicht, dass

deshalb die Tat nicht weiter verfolgt werden könne, wenn

neue Hinweise einträfen. Formell müsse ein Verfahren

auch einmal zu einem Ende gebracht werden, weil an-

sonsten der vorgesetzten Behörde, etwa dem Justizminis-
6197) Schreiben des GBA vom 10. Mai 2005, MAT A GBA-4/13,

Bl. 43.

6198) Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Köln vom

2. August 2005, MAT A GBA-4/13, Bl. 51, 52.

6199) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 90.

6200) Verfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 24. Juni 2008,

MAT A GBA-4/7a, Bl. 103 ff.

Drucksache 17/14600 – 714 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

terium, bei einem nicht eingestellten Verfahren darüber

berichtet werde müsse, was getan worden sei.
6201
6201) Wolf, Protokoll-Nr. 22, S. 83.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 715 – Drucksache 17/14600

I. Überfälle

Der Terrorgruppe NSU wird auch eine Serie von 15 Über-

fällen, begangen zwischen 1998 und 2011, zugerech-

net.
6202

Bei den Ermittlungen zu diesen Raubüberfällen wurde

durch die ermittelnden Behörden weder eine Verbindung

zu dem untergetauchten Trio festgestellt, noch wurde ein

Zusammenhang zur Mordserie und den Sprengstoffan-

schlägen gesehen. Der Ausschuss ist der Frage nachge-

gangen, warum dies nicht der Fall war.

I. Überblick

Die Raubüberfälle wurden in drei Bundesländern verübt:

Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Mit

Ausnahme der beiden Überfälle in Stralsund in Mecklen-

burg-Vorpommern wurden die Überfälle damit in Bun-

desländern ausgeführt, in denen keine Morde und Spreng-

stoffattentate begangen wurden.

Während die Morde und Sprengstoffattentate in Bundes-

ländern begangen wurden, in denen die Terrorgruppe

keinen Wohnsitz hatte, fanden die Überfälle (ebenfalls

mit Ausnahme Stralsunds) in der Nähe des vom Trio

gewählten Lebensmittelpunktes statt: Von Ende Janu-

ar 1998 bis Ende August 2000 wohnten Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe in verschiedenen Wohnungen in

Chemnitz;
6203

von August 2000 bis November 2011 in

Wohnungen in Zwickau.
6204

Im Einzelnen stellt sich die Raubserie wie folgt dar:

Nr. Datum Beute6205 Ziel des Überfalls

Vor dem ersten Mord (9. September 2000, Nürnberg,

Enver Şimşek) gab es drei Überfälle in Chemnitz:

1. 18.12.1998 15 500 € EDEKA-Markt, Irkuktsker

Straße 1, Chemnitz6206

2. 06.10.1999 3 000 € Postfiliale, Barbarossastraße

71, Chemnitz6207
6202) Überblick laut Anklagesatz der Anklageschrift des Generalbun-

desanwalts beim Bundesgerichtshof vom 5. November 2012

gegen Beate Zschäpe, siehe oben unter A., MAT A BY-15

(Tgb.-Nr. 153/13 - GEHEIM), Bl. 13 ff. (offen).

6203) Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof gegen Beate Zschäpe u. a. vom 5. November 2012,

MAT A BY-15 (Tgb.-Nr. 153/13 - GEHEIM), Bl. 143 ff.

6204) Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesge-
richtshof gegen Beate Zschäpe u. a. vom 5. November 2012,

MAT A BY-15 (Tgb.-Nr. 153/13 - GEHEIM), Bl. 146 ff.

6205) Angaben gerundet und ggf. umgerechnet in Euro.

6206) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juli
2012 zum Schweren Raub im EDEKA-Markt in Chemnitz,

MAT A GBA-4/25a, Bl. 39 ff.

3. 27.10.1999 34 500 € Postfiliale, Limbacher Straße

148, Chemnitz6208

Ein Überfall wurde zwischen dem ersten Mord

(9. September 2000, Nürnberg, Enver Şimşek) und dem
ersten Sprengstoffanschlag (19. Januar 2001, Köln,

Probsteigasse) begangen:

4. 30.11.2000 19 600 € Postfiliale, Johannes-Dick-

Straße 4, Chemnitz6209

Zwischen dem dritten Mord (27. Juni 2001 in Hamburg

an Süleymann Taşköprü) und dem vierten Mord
(29. August 2001 in München an Habil Kılıç) wurde ein
weiterer Überfall begangen:

5. 05.07.2001 38 000 € Postfiliale, Max-Planck-

Straße 1a, Zwickau6210

In den zweieinhalb Jahren zwischen dem vierten und dem

fünften Mord (25. Februar 2004 in Rostock an Mehmet

Turgut) wurden zwei Überfälle begangen:

6. 25.09.2002 49 000 € Sparkasse, Karl-Marx-Straße

10, Zwickau6211

7. 23.09.2003 400 € Sparkasse, Paul-Bertz-Str.

14, Chemnitz6212

In der kurzen Spanne zwischen dem fünften Mord und

dem zweiten Sprengstoffanschlag (9. Juni 2004 in Köln,

Keupstraße) wurden ebenfalls zwei Überfälle begangen:

8. 14.05.2004 37 000 € Sparkasse, Albert-

Schweitzer-Str. 62, Chem-

nitz6213
6207) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni

2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale

Barbarossastraße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 44 ff.

6208) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 23. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Limbacher Stra-

ße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 60 ff.

6209) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Poststelle Johannes-Dick-

Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 72 ff.

6210) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 24. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Postfiliale Max-Planck-

Straße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 95 ff.

6211) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 21. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Karl-Marx-

Straße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 105 ff.

6212) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juli
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Paul-Bertz-

Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 115 ff.

Drucksache 17/14600 – 716 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

9. 18.05.2004 74 000 € Sparkasse, Sandstraße 37,

Chemnitz6214

Zwischen dem siebten Mord (15. Juni 2005 in München

an Theodorus Boulgarides) und dem achten Mord

(4. April 2006 in Dortmund an Mehmet Kubaşık) wurde in
Sachsen ein Überfall versucht:

10. 22.11.2005 Sparkasse, Sandstraße 37,

Chemnitz6215

Zwischen dem letzten Česká-Mord (6. April 2006 in Kas-
sel an Halit Yozgat) und dem Polizistenmord (25. April

2007 in Heilbronn an Michèle Kiesewetter) wurde ein

letzter Überfall in Sachsen versucht (durch nur einen

Täter); bei diesem wurde ein Auszubildender der Spar-

kasse durch einen Bauchschuss lebensgefährlich ver-

letzt.
6216

11. 05.10.2006 Sparkasse, Kosmonautenstraße

1, Zwickau6217

Zwei weitere Überfälle wurden in Mecklenburg-

Vorpommern begangen:

12. 07.11.2006 85 000 € Sparkasse, Kleine Parower

Str. 51-53, Stralsund6218

13. 18.01.2007 170 000 € Sparkasse, Kleine Parower

Str. 51-53, Stralsund6219

Die letzten beiden Überfälle wurden 2011 in Thüringen

begangen.

14. 7.09.2011 15 000 € Sparkasse, Goethestraße

30, Arnstadt-Ilmenau6220
6213) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juli

2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Albert-Schweitzer

Straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 133 ff.

6214) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juli
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Sandstra-

ße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 153 ff.

6215) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 26. Juni
2012 zum Versuchten Schweren Raub in der Sparkasse Sand-

straße/Chemnitz, MAT A GBA-4/25a, Bl. 168 ff.

6216) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juni
2012 zum Versuchten Schweren Raub in der Sparkasse

Kosmonautenstraße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 181 ff.

6217) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 25. Juni
2012 zum Versuchten Schweren Raub in der Sparkasse

Kosmonautenstraße/Zwickau, MAT A GBA-4/25a, Bl. 181 ff.

6218) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 19. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Kleine Parower

Straße/Stralsund, MAT A GBA-4/25a, Bl. 196 ff.

6219) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 20. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Kleine Parower

Straße/Stralsund, MAT A GBA-4/25a, Bl. 226 ff.

6220) Sachstandsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 18. Juni
2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Goethestra-

ße/Arnstadt, MAT A GBA-4/25a, Bl. 240 ff.

15. 4.11.2011 72 000 € Sparkasse, Nordplatz 3,

Eisenach6221

Zwischen Dezember 1998 und Januar 2007 erbeuteten die

Täter bei Überfällen auf Poststellen und Sparkassen in

Chemnitz, Zwickau und Stralsund insgesamt 504 169,73

Euro.
6222

Die zwei weiteren Überfälle in Thüringen im

Jahr 2011 hinzugerechnet, wurden insgesamt 591 125

Euro erbeutet.
6223

Darüber hinaus wird dem Trio ein wei-

terer Überfall auf einen EDEKA-Markt in Chemnitz am

18. Dezember 1998 zugerechnet,
6224

bei dem 15 000 Euro

erbeutet wurden, welcher jedoch von den damaligen Er-

mittlungsbehörden nicht als Teil der Überfallserie behan-

delt wurde.

Aus einem Asservatenverzeichnis vom

22. November 2011 geht hervor, dass in dem niederge-

brannten Wohnhaus des Trios in der Frühlingsstraße in

Zwickau etwas mehr als 190 000 Euro sichergestellt wur-

den.
6225

II. Ermittlungsführung

Die Mehrzahl der Überfälle (acht von 15) wurde in

Chemnitz begangen (Überfälle eins bis vier und sieben bis

zehn). Für diese waren die Staatsanwaltschaft Chemnitz

und die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Chemnitz-

Erzgebirge zuständig. Die Überfälle fünf, sechs und elf in

Zwickau wurden von der zuständigen Polizeidirektion

Südwestsachsen behandelt. Die Überfälle zwölf und 13 in

Stralsund wurden durch die zuständige Kriminalpolizeiin-

spektion Stralsund bearbeitet. Für die Überfälle 14 und 15

in Arnstadt-Ilmenau und Eisenach war die Kriminalpoli-

zeiinspektion Gotha zuständig.
6226

In neun der Fälle führte die Staatsanwaltschaft Chemnitz

ein Sammelverfahren mit dem Aktenzeichen 710 UJs

27011/05 gegen Unbekannt. Umfasst waren die Taten

– 6. Oktober 1999, Postamt-Filiale, Chemnitz,

– 27. Oktober 1999, Postamt-Filiale, Chemnitz,

– 30. November 2000, Postamt-Filiale Chemnitz,

– 5. Juli 2001, Postamt-Filiale, Zwickau-Eckersbach,

– 25. September 2002, Sparkasse, Zwickau-Auerbach,
6221) Ermittlungsbericht der BAO „Trio“ beim BKA vom 2. Juni

2012 zum Schweren Raub in der Sparkasse Nord-

platz/Eisenach, MAT A GBA-4/25a, Bl. 280 ff.

6222) Aufstellung PD Chemnitz-Erzgebirge MAT A SN-7/4a, Bl. 4

ff.

6223) Protokoll-Nr. 11 der Beratungssitzung vom 26. April 2012,

S. 11; Einzelaufstellung ohne die Überfälle in Thüringen, siehe

die Aufstellung PD Chemnitz-Erzgebirge MAT A SN-7/4a,
Bl. 4 ff.; dieses Geld ist laut Zeugen Jens Merten auch im

Nachhinein nirgendwo wieder aufgetaucht, Merten, Protokoll-

Nr. 43, S. 123.

6224) Siehe Übersicht Nr. 1.

6225) MAT A GBA-4/3, Bl. 426 und Bl. 509.

6226) Aktenvermerk der KPI Gotha, MAT A GBA-4/18, Bl. 658.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 717 – Drucksache 17/14600

– 23. September 2003, Sparkasse, Chemnitz,

– 14. Mai 2004, Sparkasse, Chemnitz,

– 18. Mai 2004, Sparkasse, Chemnitz,

– 22. November 2005, Sparkasse Chemnitz.6227

Obwohl die Staatsanwaltschaft Chemnitz die weiteren

Fälle (elfter Fall in Zwickau am 5. Oktober 2006, zwölfter

und 13. Fall am 7. November 2006 und 18. Januar 2007

in Stralsund) nicht mit übernahm, wurden diese von den

Polizeidienststellen als Teil der Serie erkannt und als

solche behandelt.
6228

Der vorletzte Überfall wurde in Thüringen ausgeführt

(7. September 2011 in Arnstadt-Ilmenau). Bei diesem

wurden nur knapp 15 000 Euro erbeutet. Obwohl die

davorliegende Tat der Serie mehr als viereinhalb Jahre

zurücklag (18. Januar 2007 in Stralsund), wurde ein Se-

rienzusammenhang bereits am 14. September erkannt.
6229

Aus einem Aktenvermerk der Kriminalpolizeiinspektion

Gotha geht hervor, dass die bearbeitenden Beamten ver-

muteten, dass

„die Täter aufgrund der doch geringen Beute im
hiesigen Fall eine weitere Straftat begehen wer-

den.“6230

Der vom Ausschuss vernommene Polizeibeamte Merten

ist Kriminaloberkommissar beim Polizeipräsidium

Chemnitz-Erzgebirge. Er bearbeitet dort die an den Gene-

ralbundesanwalt abgegebenen Verfahren zu den Raub-

überfällen in Sachsen und war bereits frühzeitig mit den

Ermittlungen zu den Überfällen befasst.
6231

Nach Anga-

ben des Zeugen Merten seien alle serienrelevanten Details

durch die Polizeidirektion Chemnitz an die Kriminalpoli-

zeiinspektion Gotha weitergegeben worden, um eine

möglichst gute Vorbereitung auf einen eventuellen weite-

ren Fall zu ermöglichen. Der Zeuge Merten hat ausge-

führt:

„Wir haben von unserer Seite so weit alles getan,
um […] [die KPI Gotha] aufzuklären, was wir all
die Jahre ermittelt haben, dass wir diese Überfalls-

erie hatten. Wir haben […] [dieser] die Überwa-
chungsfotos zukommen lassen. Also, alle Details,

die wir hatten, haben wir […] so weit übertragen
und haben gesagt: Pass auf, bei uns waren sie im-

mer regelmäßig da. Das wird bei euch sicherlich

nicht anders sein, vor allem in Anbetracht dieser

relativ geringen Summe, die sie beim ersten Mal

erbeutet haben.“6232
6227) MAT A GBA-4/25a, Bl. 54, 55.

6228) MAT A GBA-4/25c, Bl. 475.

6229) MAT A GBA-4/18, Bl. 658 f.

6230) Aktenvermerk KPI Gotha vom 27. September 2011, MAT A
GBA-4/18, Bl. 658 f.

6231) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 91.

6232) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 132.

Am 4. November 2011 wurde der letzte Überfall der Serie

auf eine Sparkasse in Eisenach, Thüringen, verübt, bei

welchem 71 920 Euro erbeutet wurden.

Die KPI Gotha war zuständig sowohl für den Überfall in

Arnstadt als auch in Eisenach. Als der ermittelnde Beamte

von dem Überfall in Eisenach am 4. November 2011

erfuhr, setzte er sich mit den vor Ort ermittelnden Beam-

ten in Verbindung und deutete auf den möglichen Serien-

zusammenhang hin. Er gab Instruktionen, dass die Täter

Waffen dabei hätten und

„bei der Fahndung auf Transportfahrzeuge für
Fahrräder zu achten ist“.6233

Kurz darauf ergab sich aus einer Zeugenaussage, dass

zwei männliche Personen Fahrräder in ein Wohnmobil

verstaut hatten und daraufhin schnell wegfuhren.
6234

We-

nig später konnte das infrage kommende Wohnmobil in

einer ruhigen Wohngegend in Eisenach lokalisiert wer-

den. Als sich zwei Polizeibeamte näherten, wurden

Knallgeräusche wahrgenommen. Dann fing das Wohn-

mobil im vorderen Bereich an zu brennen. Nachdem der

Brand gelöscht war, wurden die Leichen von Böhnhardt

und Mundlos aus dem Wohnmobil geborgen.

Noch am selben Tag informierte der zuständige Beamte

der KPI Gotha den für die Zwickauer Überfälle zuständi-

gen Beamten der Polizeidirektion Südwestsachsen, wel-

cher daraufhin die Kollegen in der PD Chemnitz verstän-

digte und über die mutmaßliche Aufklärung der Über-

fallserie informierte.
6235

III. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen
bei den Raubstraftaten

1. Modus Operandi

Alle Überfälle der Serie wurden in einer ähnlichen Bege-

hungsweise getätigt. Zu nennen sind insbesondere:

– Tatbegehung in der Regel immer durch zwei Täter
(Ausnahme: Einzeltäter beim Überfall auf die Spar-

kasse in Zwickau am 5. Oktober 2006),

– Überfälle ausnahmslos zu den Geschäftszeiten ohne
Beachtung der Kundenzahlen,

– Aggressives, bewaffnetes, gewaltbereites Auftreten,

– Arbeitsteilige Vorgehensweise,

– Überspringen/Übersteigen der Kundentheke,

– Beute: Es wurden nur Scheine und kein Münzgeld
verlangt, gezielte Nachfrage nach Farbbomben,

– Aufforderung, den Tresor zu öffnen,
6233) Ermittlungsbericht vom 16. November 2011, MAT A GBA-

4/25a, Bl. 279.

6234) Hierzu und zum Folgenden: Ermittlungsbericht vom

16. November 2011, MAT A GBA-4/25a, Bl. 279.

6235) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 136.

Drucksache 17/14600 – 718 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Beute wurde in mitgebrachtem Rucksack/Plastiktüte
verstaut.

6236
2. Fluchtmittel

Als Fluchtmittel wurden verwendet:

– Öffentliche Verkehrsmittel,

– Moped/Motorrad,

– Fahrräder (Mountainbikes),

– Nutzung eines Wohnmobils, in welches die Fahrräder
verladen wurden.

6237
3. Waffen

Bei den Taten wurde eine Vielzahl von Waffen verwen-

det:
6238

– Handfeuerwaffen: Pistolen und Revolver6239 (darun-
ter Pistole Tokarew TT 88, Kal. 8 mm; Revolver

RECK, Chief Special Combat, Kal. 9 mm (Knall),

Schreckschusspistole; Pistole ERMA EPG 88, Kal. 8

mm),

– Langwaffe: Vorderschaftrepetierflinte („Pumpgun“
Mosberg Maverick, Mod. 88),

– Sonstige: Pfefferspray, Handgranate.

4. Besonderheiten bei der Tatbegehung

Die Täter der Überfälle wurden von den Ermittlern als

außergewöhnlich brutal eingestuft. Der Zeuge Jens Mer-

ten hat hierzu ausgesagt:

„Stets waren […] die Täter extrem brutal, bedroh-
ten die Zeugen mit ihren Schusswaffen, schlugen

sie, versetzten sie in Todesangst. Das muss man

also sehen, diese unsagbare Brutalität, diese Men-

schenverachtung dieses Duos. Das war regelrecht

auffallend. Das hatten wir auch zuvor in keiner Se-

rie von Banküberfällen.“6240

Dritte seien aus unmittelbarer Nähe (Waffe an der Schlä-

fe) bedroht und geschlagen worden. Mobiliar und Geräte

seien brachial zerstört worden.
6241

Diese außergewöhnli-

che Brutalität gipfelte im zehnten Überfall am

5. Oktober 2006 in Zwickau, als der Alleintäter zunächst
6236) Powerpoint-Präsentation von EKHK Hetzel, BKA, MAT A

GBA-4/25a, Bl. 23.

6237) Powerpoint-Präsentation von EKHK Hetzel, BKA, MAT A

GBA-4/25a, Bl. 24.

6238) Powerpoint-Präsentation von EKHK Hetzel, BKA, MAT A

GBA-4/25a, Bl. 24, 28 f.

6239) Nach Erkenntnissen des BKA soll zumindest bei dem vorletz-
ten Überfall in Arnstadt auch eine Waffe der Marke Česká ver-
wendet worden sein, allerdings eines anderen Typs, EKHK

Hetzel, Präsentation des BKA am 26. April 2012, MAT A
GBA-4/25a, Bl. 17.

6240) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94 f.

6241) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 95.

auf einen Kunden und daraufhin auf einen Auszubilden-

den schoss, welche beide versuchten, den Täter zu über-

wältigen.
6242

Der Kunde blieb unverletzt, der Auszubil-

dende wurde in den Bauch getroffen und erlitt schwere

Verletzungen.
6243

Die Täter der Überfallserie waren nach

Einschätzung der Ermittler bereit, ein hohes Risiko einzu-

gehen. Das Drehbuch der AKTENZEICHEN XY-Sendung

zur Vorstellung der Raubüberfälle verwies darauf, dass

den Tätern das Risiko egal sei:

„Besonders bemerkenswert: es interessiert sie of-
fenbar überhaupt nicht, ob es in der betreffenden

Sparkasse viele Angestellte gibt oder wenige, ob

viele Kunden da sind oder wenige.“6244

IV. Erkennen als Tatserie

Mit Ausnahme des Überfalls auf den EDEKA-Markt in

Chemnitz vom Dezember 1998 wurden die oben aufge-

führten Überfälle bereits früh als Teil einer Serie erkannt.

Ausweislich der Akten war dies spätestens nach dem

vierten Überfall von November 2000 auf eine Postfiliale

in Chemnitz der Fall.
6245

Laut einer Zusammenfassung

der Polizeidirektionen Chemnitz-Erzgebirge und Süd-

westsachsen vom 10. November 2011 wurden die Post-

bzw. Bankraube aus folgenden Gründen „von Anfang an“
als Serie angesehen:

6246
„Die Auswertung der Zeugenvernehmungen, der
Bilder der Überwachungskameras – und das
Bekanntsein der Fakten zur Begehungsweise er-

brachten von Anfang an die Erkenntnis, dass es

sich bei den Überfällen [Anm.: mit Ausnahme des

Überfalles auf den EDEKA-Markt im Jahr 1998]

um Taten einer Serie und somit auch immer um

dieselben Täter handelte. Bei der Vielzahl der

Überfälle trugen die Täter ähnliche oder gleiche

Bekleidungsstücke bzw. Maskierun-

gen/Kopfbedeckungen.

Die Täter gingen bei allen Handlungen zielgerich-

tet und professionell vor. Neben der Erlangung des

Geldes aus den Handkassen war die Erzwingung

der Öffnung des Tresores und somit das Erbeuten

einer größeren Summe an Bargeld Ziel jeden

Überfalles. Auffallend war, dass die Täter den An-

gestellten bzw. Kunden gegenüber teilweise sehr

brutal in Erscheinung traten. Bei allen Straftaten

wurden Schusswaffen zur Bedrohung von Ange-

stellten und Kunden verwandt. Bei den letzten

Überfällen kam auch eine Pumpgun zum Einsatz.

Von den ersten beiden Überfällen im Jahre 1999

abgesehen (Flucht mit Moped/Kleinkraftrad) nutz-

ten die Täter zur Flucht stets Fahrräder. Von An-
6242) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 95.

6243) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 95.

6244) MAT A GBA-4/25c, Bl. 574 ff.

6245) Schlussvermerk PD Chemnitz vom 29. November 2000, MAT

A GBA-4/25c, Bl. 14.

6246) MAT A SN-7/4a, Bl. 39 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 719 – Drucksache 17/14600

fang an wurde die Version favorisiert, dass diese

nach Zurücklegen eines relativ kurzen Fluchtwe-

ges in ein anderes Fahrzeug verbracht und damit

die Flucht fortgesetzt würde.“6247

Der Zeuge Merten hat ausgesagt, dass ein Zusammenhang

mit dem Überfall auf den EDEKA-Markt vom

18. Dezember 1998 aufgrund von Abweichungen im

Tatgeschehen und der Örtlichkeit nicht angenommen

worden sei. Auch habe es bei diesem Überfall keinerlei

Spuren gegeben, die damals auf die Identität der Täter

hingewiesen hätten:

„Erst viel später brachten uns diese Hülsen, die
dann beim BKA all die Jahre in der entsprechen-

den Sammlung aufbewahrt wurden, den Nachweis,

dass auch diese Tat von dem NSU-Trio begangen

worden ist. Aber zur damaligen Zeit gab es keine

anderen auswertbaren Spuren, die uns hätten wei-

terhelfen können.“6248

Für die Überfälle auf die Postfilialen in Chemnitz sei

jedoch spätestens nach dem Überfall am

30. November 2000 aufgrund von Überwachungsbildern

und des gleichen Modus Operandi ein Zusammenhang

erkannt und eine Serie vermutet worden. Auch der vierte

und fünfte Banküberfall seien von den ermittelnden Be-

amten trotz des Ortswechsels nach Zwickau aufgrund

gleicher Merkmale der Serie zugerechnet worden.
6249

Gleiches habe für die darauffolgenden vier Überfälle

gegolten, welche wieder in Chemnitz verübt wurden,

sowie die nachfolgenden zwei Überfälle auf eine Spar-

kasse in Stralsund, obwohl die Täter hier ihre Maskierung

änderten.
6250

Einen Zusammenhang habe man vor allem

aus der Tatsache schließen können, dass der Dialekt der

Täter als sächsisch beschrieben worden sei.
6251

Der Zeuge Merten hat in seiner Vernehmung vor dem

Untersuchungsausschuss betont, dass die ermittelnden

Beamten auch nach den Überfällen im Jahr 2007 in Stral-

sund und der darauf folgenden „Pause“ bis zum Septem-
ber 2011 ihre Ermittlungen kontinuierlich fortgeführt

hätten.
6252

Dabei hätten er und seine Kollegen „mehr als
nur das Übliche“ getan.6253

Auch die Überfälle im September 2011 im thüringischen

Arnstadt
6254

und anschließend im thüringischen Eisenach
6247) Zusammenfassung Aufklärung der Mordserie PD Chemnitz-

Erzgebirge/PD Südwestsachsen vom 10. November 2011, MAT

A SN-7/4a, Bl. 39.

6248) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.

6249) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94.

6250) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94 f.

6251) MAT A SN-7/4a, Bl. 52; MAT A-SN-7/9, Bl. 21; Merten,

Protokoll-Nr. 43, S. 96, 121.

6252) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.

6253) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.

6254) Dies geht auch aus einem Vermerk der Kriminalpolizeidirekti-

on Gotha hervor, welche von den Kollegen der PD Südwest-
sachsen bereits am 13. September 2011 – also sechs Tage nach
dem Überfall in Arnstadt – über den Serienzusammenhang in-
formiert wurde (MAT A GBA-4/18, Bl. 658 f.).

hätten innerhalb von wenigen Tagen der Serie zugeordnet

werden können.
6255

V. Vermutete Tatmotive

Der Zeuge Merten, der die Ermittlungen zwölf Jahre lang

als Sachbearbeiter begleitet hat,
6256

hat ausgesagt, dass

von den Ermittlungsbehörden drei Versionen für die Tä-

termotivation favorisiert worden seien.
6257

Vor allem

hätten die langen Intervalle zwischen den Banküberfällen

(im Regelfall einer pro Jahr) für die Überlegungen eine

Rolle gespielt. Eine mögliche Tatmotivation sei darin

gesehen worden, dass sich die Täter ein schönes Leben

mit dem Geld hätten machen wollen.
6258

Dies beziehe sich

auch auf die Möglichkeit eines Lebens im Ausland. In

diesem Zusammenhang habe man sowohl in Chemnitz als

auch in Zwickau abgeprüft, wer ab einem bestimmten

Zeitpunkt ins Ausland abgewandert sei.
6259

Diese Tatmo-

tivation treffe auf 85-90 Prozent der Bankräuber zu. Wei-

terhin sei die These aufgestellt worden, dass die Täter

durch die Banküberfälle eine Art von Geschäft finanzier-

ten und somit das Geld wuschen. Die dritte Variante,

welche der Zeuge Merten jedoch als die unwahrschein-

lichste ansah, sei die Finanzierung eines wirklich gewoll-

ten Projektes gewesen, welches legal nicht vollständig

allein funktionierte und deshalb durch illegal beschafftes

Geld habe „bezuschusst“ werden müssen.6260

Nach Angaben des Zeugen Merten habe er erst nach dem

4. November 2011 davon erfahren, dass der polizeiliche

Staatsschutz in den Jahren 1999/2000 an der Suche nach

dem Trio beteiligt gewesen sei.
6261

Der Staatsschutz selbst

habe hierzu keine Informationen erteilt. Umgekehrt hätten

die Ermittler in der Raubserie keine Veranlassung gese-

hen, von sich aus Kontakt zum Staatsschutz aufzuneh-

men.
6262

Im Mai 2007 – vier Monate nach dem zunächst letzten
Überfall in Stralsund – verfasste die Polizeidirektion
Chemnitz-Erzgebirge eine Erkenntnisanfrage an das LKA

Sachsen „m. d. B. um bundesweite Steuerung“. In dieser
wurde die Überfallserie erläutert und sodann die These

aufgestellt, dass die Täter aus dem Rockermilieu kommen

könnten.
6263

Der Zeuge Merten hat hierzu ausgeführt, dies

sei lediglich eine „theoretische Version“ gewesen:

„Das war so eine Version. Neben den drei Versio-
nen, wie ich sie vorhin als Grundsätzliches nannte,
6255) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.

6256) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.

6257) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.

6258) Um der ersten Ermittlungsthese Rechnung zu tragen, seien nach

Angaben des Zeugen Merten Auswanderer aus Deutschland ab

einem bestimmten Zeitpunkt überprüft worden (Merten, Proto-
koll-Nr. 43, S. 96).

6259) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 101.

6260) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.

6261) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 134.

6262) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 140.

6263) MAT A GBA-4/25c, Bl. 795 f.

Drucksache 17/14600 – 720 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

haben wir einfach gesagt: Mensch, all die Jahre ist

es uns nicht gelungen, die Täter bei uns, die poli-

zeibekannt sind, oder woanders zu finden. Wir

könnten mal anfragen, ob die eventuell im Ro-

ckermilieu zu suchen wären. - Das war einfach so

eine theoretische Version, weil man da ja auch

immer Geld verbindet. Die müssen sich auch fi-

nanzieren, und das war so die Grundidee.“6264

Man habe keinen Ermittlungsansatz auslassen wollen und

selbst unter dem Gedankengang, dass Banküberfälle für

die Rockerszene nicht typisch seien, habe man sich ge-

sagt:

„Wir probieren das einfach; vielleicht führt es uns
irgendwie weiter.“6265

VI. Ermittlungsmaßnahmen

In den Jahren 1998 bis 2011 wurden umfassende Ermitt-

lungsmaßnahmen zur Aufdeckung der Überfallserie bzw.

der einzelnen Taten durchgeführt.

1. Allgemeine Ermittlungsmaßnahmen

Der Zeuge Merten hat ausgesagt, dass zunächst die bei

Bankrauben üblichen Ermittlungsschritte durchgeführt

worden seien. Hierzu gehörten Zeugenbefragungen,

Überprüfungen von polizeibekannten Personen, die Aus-

wertung der Fotos von Überwachungskameras und die

Auswertung sonstiger Tatortspuren wie DNA-, Finger
6266

-

oder Schuhabdruckspuren. Die Täter hätten jedoch kei-

nerlei für die Polizei auswertbare Spuren hinterlassen.

„Also, Schuhabdruckspuren hatten wir zur Genü-
ge. Wir konnten also auch entsprechende Schuhe

daraufhin identifizieren. Wir konnten recherchie-

ren, in welchen Geschäften die angeboten wurden,

welche Marke sie waren, von welchen Kunden sie

gekauft wurden. Aber persönlich-individuelle Spu-

ren, sprich DNA-Spuren, Fingerabdruckspuren, die

ja wirklich absolut individuell sind und nur einer

Person zuzuordnen sind, haben sie eben nie hinter-

lassen.“6267

Der Zeuge Merten hat angegeben, dass man versucht

habe, Tatwaffen zu identifizieren, was aber nicht gelun-

gen sei.
6268

Weiterhin habe man versucht, die Tätergröße zu ermit-

teln
6269

sowie die bei den Taten getragene Kleidung und
6264) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 105.

6265) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 105.

6266) Der einzige Fall, in welchem ein Fingerabdruck gefunden

wurde, war der Banküberfall am 30. November 2000 in Chem-

nitz, Johannes-Dick-Straße 4. Dieser Fingerabdruck konnte je-
doch nie zugeordnet werden. Nach dem 4. November 2011 sei

ausgeschlossen worden, dass der Abdruck Böhnhardt oder

Mundlos zuzuordnen war (Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 110).

6267) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.

6268) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 98.

6269) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 98.

Schuhe der Täter auszuwerten.
6270

Zudem habe man eine

Recherche bei den an den Tattagen durchgeführten Ge-

schwindigkeitskontrollen veranlasst, da nach kriminalisti-

scher Erfahrung die Täter eines Überfalls häufig bei Ge-

schwindigkeitskontrollen auffallen würden.
6271

Darüber hinaus habe man nach Angaben des Zeugen

Merten eng mit den Geldinstituten zusammengearbei-

tet.
6272

In zwei Fällen sei registriertes Geld entwendet

worden, das aber nirgendwo wieder aufgetaucht sei.
6273

Präventiv seien vorgefertigte Fahndungsschreiben an die

Mitarbeiter der Geldinstitute verteilt worden, sodass im

Fall eines weiteren Überfalls die Arbeit erleichtert werden

konnte.
6274

2. Auswertung der Bilder von Überwa-
chungskameras

Mit Ausnahme des Überfalls auf den EDEKA-Markt im

Dezember 1998 und des ersten Überfalls auf eine Postfili-

ale in Chemnitz im Oktober 1999, existieren zu allen dem

Trio zugerechneten Überfällen Bilder von Überwa-

chungskameras. In der Beratungssitzung des Ausschusses

vom 26. April 2012 hat EKHK Hetzel vom BKA die

Überwachungsfotos vorgestellt und der Ausschuss sich

ein eigenes Bild von diesen gemacht.
6275

a) Aussehen der Täter

Der Zeuge Merten hat angegeben, dass sich aus dem

vorliegenden Bildmaterial keine Wiedererkennungsmög-

lichkeiten oder Möglichkeiten des Abgleichs ergeben

hätten, da eine Gesichtserkennung wegen der Maskierung

nicht möglich gewesen sei.
6276

Es hätten zwar in den

meisten Fällen qualitativ sehr gute Überwachungsfotos

vorgelegen, die der Polizei zumindest hinsichtlich Beklei-

dung, Täterbeschreibung etc. auch wirklich etwas ge-

bracht hätten.
6277

Er hat aber beklagt:

„Ganz schwer war eben, dass wir in der ganzen
Zeit kein Gesicht der Täter auf den Überwa-

chungskameras hatten. Durch die akribisch vorge-

nommene Maskierung - - auch wenn man sagen

muss, es waren nicht mal Sturmhauben, wo man ja

wirklich meistens nur die Augen sieht, sondern

einfach nur diese Gesichtstücher, ein bisschen Ge-

sicht und Seitenteil vom Kopf guckt ja doch raus;

aber es brachte uns nichts, dass irgendetwas im
6270) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 99.

6271) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 92.

6272) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 102.

6273) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 123.

6274) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 103.

6275) Protokoll Nr. 11 vom 26. April 2012; Powerpoint-Präsentation
von EKHK Hetzel, BKA, MAT A GBA-4/25a, Bl. 9 ff.

6276) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 97.

6277) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 103.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 721 – Drucksache 17/14600

Rahmen einer Wiedererkennung möglich gewesen

wäre.“6278

Lediglich in einem einzigen Fall sei einer der Täter de-

maskiert gewesen. Dort habe es leider nur unscharfe Bil-

der gegeben, die nicht verwertbar gewesen seien.
6279

b) Verdacht auf Bundeswehrangehörige als
Täter

Im Juni 2004 vermutete die KPI Chemnitz, dass einer

oder beide Täter Angehörige der Bundeswehr seien.
6280

Es wurden mehrere Dienststellen der Bundeswehr ange-

schrieben mit der Bitte um Prüfung, welche Soldaten zur

Tatzeit nicht im Dienst waren. Der Zeuge Merten hat dies

damit begründet, dass auf Überwachungsbildern zu drei

Taten in Chemnitz (September 2003 und zwei Taten im

Mai 2004) zu sehen gewesen sei, dass ein Täter weiße

Handschuhe trug. Zu den typischerweise weiße Hand-

schuhe tragenden Berufsgruppen seien auch Bundeswehr-

angehörige zu zählen. Hinzu sei gekommen, dass man

davon ausgegangen sei, dass es sich bei den Tätern um

Waffennarren gehandelt habe. Dies habe man zum Anlass

genommen, die letztlich erfolglose Abfrage bei der Bun-

deswehr zu tätigen.
6281

c) Linkshänder

Die Auswertungen von Überwachungsvideos
6282

und

diverser Zeugenaussagen ergab, dass die verwendeten

Waffen oftmals mit der linken Hand geführt wurden.

Der Zeuge Merten hat hierzu angegeben:

„Wir haben nach ähnlich gelagerten Straftaten re-
cherchieren lassen. Wir haben zum Beispiel nach

Linkshändern recherchieren lassen. Das war ja auf-

fällig bei der Serie, dass wir diesen Linkshänder

hatten. Also, es lag ja nahe, zu recherchieren: Wie

viele linkshändische Täter haben wir denn, die in

den letzten Jahren mal in Erscheinung getreten

sind? Also, diesen Kontakt zum LKA haben wir

eigentlich all die Jahre gehabt.“6283

d) Fahrräder als Fluchtmittel

Aus den Zeugenaussagen ging hervor, dass die Täter bei

dem Überfall in Chemnitz am 30. November 2000 erst-

mals – und bei den meisten darauffolgenden Taten –6284
mit Fahrrädern flüchteten.
6278) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96.

6279) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 103.

6280) Telefax PD Chemnitz vom 10. Juni 2004, MAT A SN-7/4g, Bl.

62.

6281) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 111.

6282) MAT A SN-7/4d, Bl. 57.

6283) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 106.

6284) Zusammenfassung Aufklärung der Raubserie PD Chemnitz-

Erzgebirge/PD Südwestsachsen vom 10. November 2011, MAT

A SN-7/4a, Bl. 39.

Der Zeuge Merten hat hierzu ausgeführt:

„Dies gab uns zu denken; denn damit hatten wir es
nun mit sehr weit auseinanderliegenden Tatorten

in der Serie zu tun, zum einen Zwickau, jetzt neu-

erdings Chemnitz bzw. umgekehrt. Beide Orte lie-

gen ungefähr 40 Kilometer auseinander, eine Ent-

fernung, die natürlich mit Fahrrädern eher nicht zu

bewältigen war. Aber wir hatten keinen Zweifel:

Es waren dieselben Täter. Nicht nur die Art der

Tatbegehung war eindeutig. Jeden Zweifel schlos-

sen die Fotos aus den Überwachungskameras vom

Tatort aus. Also mussten wir uns jetzt Gedanken

machen: Wie kann es zusammenhängen? Egal, ob

sie in Chemnitz wohnen oder in Zwickau - mit den

Fahrrädern sind sie definitiv nicht, ich sage mal,

nach Hause gefahren.

14 Monate später schlugen die Täter das nächste

Mal zu. Auf die eben geschilderte Art und Weise

erbeuteten sie in der Sparkasse - wiederum in

Zwickau - am 25. September 2002 insgesamt

48 000 Euro. Wieder setzten sie Reizgas ein,

diesmal gegenüber einer Kundin, die im Schalter-

raum im Wege stand. Die Flucht: abermals mit

Fahrrädern. Spätestens hier kam für uns als Versi-

on für unser weiteres Vorgehen auf, was bislang

eine Spekulation, eine Vermutung war, nämlich

dass die beiden Täter noch anderweitig nachge-

schaltet, also mobil gewesen sein müssen, also die

Überlegung, dass sie mit den Rädern möglicher-

weise nur zu einem in der Nähe stehenden, mögli-

cherweise größeren Pkw, Transporter oder ähnli-

chem Fahrzeug fuhren, um sie dort zu verladen

und mit dem Fahrzeug zu flüchten.“6285

Aus einem Schreiben an die Polizei Goslar vom

31. März 2008 geht hervor, dass es sogar nähere Konkre-

tisierungen in Richtung Mountainbikes gegeben habe.
6286

In seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss hat

der Zeuge Merten ausgeführt, dass bei der Fahrradspur

die Schwierigkeit bestanden habe, dass die Zeugen je-

weils unterschiedliche Fahrräder beschrieben hätten.

Dennoch sei ein erheblicher Aufwand in die Verfolgung

dieser Spur in Form von Recherchen, ob und ggf. wo

Fahrräder als gestohlen gemeldet worden seien oder ob

nach den Banküberfällen Fahrräder in umliegenden Fund-

büros abgegeben worden seien, investiert worden.
6287

„Die Problematik war für uns all die Überfälle,
dass durch die Zeugen eigentlich immer un-

terschiedliche Fahrräder beschrieben wurden und

wir eigentlich nie richtig wussten: Ja, haben die

nun immer dieselben Fahrräder benutzt, oder wa-

ren es zu jedem Überfall andere Fahrräder? Haben

sie im Vorfeld vielleicht welche entwendet und im

Nachhinein, nach dem Überfall, irgendwo ent-
6285) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 94.

6286) MAT A GBA-4/25c, Bl. 722 f.

6287) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 100.

Drucksache 17/14600 – 722 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sorgt? Unsere Version war schon, dass sie immer

dieselben Fahrräder hatten; aber die Zeugenver-

nehmungen sprachen anders, sodass wir also auch

in diversen Fundbüros recherchiert haben, ob Fahr-

räder nach unseren Tatzeiten gefunden wurden.

Wir haben recherchiert, wo wann Fahrräder ent-

wendet wurden, vornehmlich vor unseren Überfäl-

len.“6288

Nach dem Überfall auf die Postfiliale in Chemnitz im Mai

2004 wurde auch ein Fahrrad gefunden, das von der Poli-

zei als mögliches Fluchtfahrzeug betrachtet wurde. Eine

verwertbare DNA-Spur habe es hieran nicht gegeben.
6289

3. Hinweise aus Zeugenbefragungen

a) Phantombild

Nach dem letzten Überfall in Stralsund im Januar 2007

konnte aufgrund einer Zeugenangabe ein Phantombild

erstellt werden. Der Zeuge Merten hat hierzu dargelegt:

„Da war es ja das einzige Mal, dass wohl eine
Zeugin eine Person gesehen hat - ich glaube, in der

Nähe der Sparkasse oder aus der Sparkasse her-

auskommend -, von der man wohl meinte, es wäre

der Täter, der wohl gerade die Maske abgenom-

men hatte. Und aufgrund dieser Wahrnehmung

gibt es ein Phantombild. Das ist auch Bestandteil

unseres letzten Fahndungsprotokolls. Und dieses

Phantombild haben wir herzugenommen und ha-

ben damit einen Phantombildabgleich im LKA be-

antragt. Sprich: Da gibt es also einen Computer,

der die biometrischen Daten dieses Phantombildes,

also dieses Gesichtsausdruckes, speichert und jetzt

mit allen einliegenden Tätern abgleicht und natür-

lich versucht, dadurch alle polizeilich in Erschei-

nung getretenen und einliegenden, natürlich mit

Bildern einliegenden Personen gegenüberzustellen.

Das Ding wurde uns aufgelistet. Ich weiß jetzt gar

nicht, wie viel Hunderte Personen das waren.

Aber ich muss jetzt mal ganz ehrlich sagen: Dieses

System schien zumindest damals noch nicht ganz

ausgereift zu sein, weil man wirklich eindeutig ge-

sehen hat: Da kam eine Fülle an Personen, die

doch so was von unterschiedlich aussahen, dass

man nicht sagen konnte, die hatten wirklich Ähn-

lichkeit mit dem Täter. Also, da war von bis alles

dabei, inklusive Brillenträger, ich sage mal, das

hätte eigentlich nicht sein dürfen, sodass wir diese

vielen Hundert Personen dann im Detail auch gar

nicht abgeprüft haben, weil wir gesagt haben: Das

ist irgendwie ein untaugliches Mittel. - Das half

nichts.“6290
6288) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 100.

6289) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 106.

6290) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 100.

b) Anzahl der Täter

Konkrete Hinweise darauf, dass es neben den zwei bei

den Raubüberfällen auftretenden Tätern noch einen drit-

ten Täter gegeben habe, hat es nach Aussage des Zeugen

Merten nicht gegeben:

„Das war einfach eine Version von uns, spätestens
ab dem Zeitpunkt, wo die mit den Fahrrädern da-

vonfuhren und in Zwickau in Erscheinung getreten

sind, wo wir sagen: Wohnen sie in Chemnitz und

machen den Überfall in Zwickau, und wie kom-

men die nach Chemnitz zurück? Oder wohnen sie

in Zwickau und haben vorher Überfälle in Chem-

nitz gemacht? Also, spätestens ab der Version ha-

ben wir favorisiert […], dass es möglicherweise
einen dritten Mann gibt, der im Tatfahrzeug ir-

gendwo auf die beiden wartet, die Fahrräder wer-

den ins Auto verladen, und die fahren dann zu dritt

weg. Aber wir haben nie einen konkreten Hinweis

darauf gehabt.“6291

c) Angeblicher sächsischer Dialekt der Täter

Böhnhardt und Mundlos kamen aus Jena in Thüringen.

Die Ermittlungsbehörden fahndeten jedoch nach „säch-
sisch sprechenden“ Tätern der Raubserie.6292 Nach Anga-
ben des Zeugen Merten habe ein Großteil der Zeugen

vom sächsischen Dialekt gesprochen.
6293

In einem Ver-

merk der KPI Gotha vom 27. September 2011 heißt es

hingegen diesbezüglich:

„Es ist zu vermuten, dass es sich um überörtliche
Täter handelt, nur in einem Fall wird von einem

sächsischen Dialekt berichtet.“6294

Auf Nachfrage, ob die Schlussfolgerung der sächsischen

Polizei, die Täter würden sächsisch sprechen, sich mögli-

cherweise daraus abgeleitet habe, dass sich sächsische

Zeugen häufig geäußert hätten, es habe keine Auffällig-

keiten beim Dialekt gegeben, die Täter hätten für diese

vielmehr „normal“ gesprochen, hat der Zeuge Merten
erklärt:

„Ja, den Schluss haben wir dann in diesen Fällen
natürlich gezogen. Das ist richtig, okay.“6295

Im Ausschuss wurde zudem thematisiert, ob der Hinweis

auf sächsisch sprechende Täter seine Ursache darin haben

könne, dass der in Zwickau gesprochene Dialekt sehr dem

Dialekt ähnele, der in Jena gesprochen werde und man

vom Sprachbild her in Zwickau nicht notwendigerweise

auffalle.
6291) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 135.

6292) MAT A GBA-4/25b, Bl. 98 f.

6293) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 121.

6294) MAT A GBA-4/18, Bl. 659.

6295) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 129.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 723 – Drucksache 17/14600

4. Ringalarmfahndungen

Laut einer Liste der PD Chemnitz wurden in fünf der acht

Chemnitzer Fälle Ringalarmfahndungen als Sofortmaß-

nahme durchgeführt. Diese betrafen die Überfälle auf drei

Poststellen in Chemnitz am 6. Oktober 1999, am

27. Oktober 1999 und am 30. November 2000, auf eine

Sparkasse in Chemnitz am 14. Mai 2004 sowie auf eine

weitere Sparkasse in Chemnitz am

22. November 2005.
6296

Durch die Ringalarmfahndungen seien nach Aussage des

Zeugen Merten jedoch keine weiterführenden Erkenntnis-

se erlangt worden. Keines der erfassten Kennzeichen habe

Anhaltspunkte für die Ermittlung der Täter gegeben.
6297

Eine Nachprüfung dieser Schlussfolgerung über die auf-

genommenen Autokennzeichen war dem Ausschuss an-

hand der Akten nicht mehr möglich, da laut Auskunft des

sächsischen Staatsministeriums des Innern die – außer im
Falle der Sparkasse Chemnitz vom 14. Mai 2004 vorlie-

genden – Kontrolllisten (Ringlisten) bereits vor dem
4. November 2011 vernichtet wurden.

6298
Auf die Frage, warum in den übrigen Fällen keine Ring-

alarmfahndung ausgelöst wurde, hat der Zeuge Merten

angegeben:

„Diese Auslösung Ringalarmfahndung ergeht so-
fort […] wenn bekannt wird, dass es einen Über-
fall gegeben hat. Und nach der möglichen Auslö-

sung Ringalarm vom Führungs- und Lagezentrum

- ob nun ja oder nein; ich kann nicht sagen, warum

er in einigen Fällen nicht ausgelöst wurde - be-

kommen wir als Kriminalisten die Info und rücken

aus zum Tatort. Aber warum es jetzt nicht in allen

Fällen gemacht wurde, das kann ich nicht sagen;

aber es wäre schön gewesen.“6299

Nach Angaben des Zeugen Merten habe zu dieser Frage-

stellung im Jahre 2003 oder 2004 ein Gespräch mit dem

für die Auslösung einer Ringalarmfahndung zuständigen

Führungs- und Lagezentrum stattgefunden, mit der Bitte,

künftig bei Banküberfällen diese wichtige Fahndungs-

maßnahme anzustoßen. Warum dieser Bitte nicht lücken-

los entsprochen wurde, hat sich der Kenntnis des Zeugen

entzogen.
6300

5. Funkzellenabfragen im Tatortbereich

Aus den Akten geht hervor, dass beim Überfall auf eine

Sparkasse am 7. November 2006 in Stralsund eine Funk-

zellenabfrage im Tatortbereich mit dem Ziel der Ermitt-

lung und anschließenden Auswertung sämtlicher einge-

schalteter Mobiltelefone, die sich zur Tatzeit am Tatort
6296) MAT A SN-7/4a, Bl. 65 f., siehe auch Baumgärtner/Böttcher,

„Das Zwickauer Terror-Trio“, S. 250.

6297) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 92.

6298) Vgl. A-Drs. 310.

6299) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 141.

6300) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 142.

befanden, durchgeführt wurde. Diese führte ausweislich

der Akten nicht zum Erfolg.
6301

Bereits nach dem Überfall auf eine Sparkassenfiliale in

Chemnitz am 22. November 2005 hatte die Staatsanwalt-

schaft Chemnitz auf Anregung der Polizei beim zuständi-

gen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Chemnitz einen

Beschluss nach §§ 100g, 100h StPO (a. F.) (Funkzellen-

abfrage im Tatortbereich) beantragt. Gestützt wurde die-

ser Antrag auf den Umstand, dass auf Videoaufzeichnun-

gen vom Überfall eine Freisprecheinrichtung in der Jacke

von einem der Täter festgestellt worden sei
6302

und daher

zu vermuten stand, dieser Täter habe in engem zeitlichem

Zusammenhang mit der Tat telefoniert.
6303

Der Antrag der

Staatsanwaltschaft Chemnitz wurde jedoch vom Amtsge-

richt Chemnitz mit der Begründung abgelehnt, die bean-

tragte Maßnahme sei nicht zur Ermittlung der Täter ge-

eignet:

„Geeignet zur Ermittlung der unbekannten Täter
wäre die Funkzellenauswertung dann, wenn die

Täter in der fraglichen Zeit miteinander telefoniert

hätten […] (vgl. LG Stade, StV 2005, Bl. 434 f.).
Dies ist der Ermittlungsakte jedoch nicht zu ent-

nehmen. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen,

insbesondere aufgrund der Angaben der unmittel-

baren Tatzeugen, gibt es keine Anhaltspunkte da-

für, dass die unbekannten Täter in der genannten

Zeit untereinander telefoniert hätten. Auch die

Auswertung der Bilder der Raumüberwachungs-

kamera gibt hierfür keine Annahme. Ob auf den

Bildern bei einem der Täter eine Freisprechein-

richtung zu erkennen ist, ist reine Spekulation und

wird durch die bisherigen Ermittlungen jedenfalls

nicht gestützt.“6304

Auf die Nachfrage im Ausschuss, warum der Antrag auf

Funkzellenauswertung keinen Hinweis auf das Vorliegen

einer Serie enthielt, um die Notwendigkeit dieser Maß-

nahme für eventuell folgende Taten zu belegen, hat der

Zeuge Merten ausgeführt, dass eine Serie „kein Kriteri-
um“ für den Ermittlungsrichter zur Entscheidung über
eine Funkzellenabfrage sei. Es sei vielmehr gängige Pra-

xis in Chemnitz, dass es allein darauf ankomme, ob Zeu-

gen die Nutzung eines Mobiltelefons oder entsprechender

Geräte gesehen hätten.
6305

6. Öffentlichkeitsfahndung

Mehrfach wurden in der Überfallserie Maßnahmen der

Öffentlichkeitsfahndung durchgeführt. In den Jahren 2003

und 2005 erfolgte über Fahndungsplakate eine Zusam-

menfassung der bis dahin verübten Überfälle in Chemnitz
6301) MAT A GBA-4/25a, Bl. 225.

6302) Dem Ausschuss lagen Lichtbilder vor, die allerdings von

schlechter Kopierqualität waren.

6303) Antrag der StA Chemnitz vom 8. Dezember 2005, MAT A
GBA-4/28, Bl. 9.

6304) MAT A GBA-4/28, Bl. 18.

6305) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 128.

Drucksache 17/14600 – 724 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Zwickau durch öffentlichkeitswirksamen Aushang,

im Jahr 2005 zusätzlich auch über das Internet.

Im Jahr 2007 wurden Fahndungsplakate mit Zusammen-

fassungen der beiden in Stralsund begangenen Überfälle

mit dem Hinweis auf den Zusammenhang zur Chemnitzer

bzw. Zwickauer Überfallserie in den Jahren 1999 bis

2006 öffentlichkeitswirksam ausgehangen.
6306

Auch erfolgten mehrfach Ausstrahlungen über einzelne

Taten bzw. die Zusammenfassung der Überfallserie in der

Sendung Kripo live im MDR Fernsehen:

„Januar 1999: EDEKA-Kaufhalle in Chemnitz,

Dezember 1999: Überfälle auf Poststellen in

Chemnitz,

Januar 2001: Überfall in Chemnitz,

Oktober 2002: Zusammenfassung der Überfälle in

Chemnitz und Zwickau bis 2002,

Oktober 2003: Überfall Chemnitz, Sparkasse

2003,

Mai 2004: Zwei Überfälle in Chemnitz, Sparkasse

2004,

März 2006: Zusammenfassung der bis dahin ver-

übten Überfälle in Chemnitz und Zwickau,

Februar 2007: Zwei Überfälle in Stralsund,

März 2007: Zusammenfassung aller Überfälle in

Chemnitz, Zwickau und Stralsund.“6307

Darüber hinaus wurde im August 2007 eine Zusammen-

fassung der Überfälle in Chemnitz, Zwickau und Stral-

sund auch in der Sendung AKTENZEICHEN XY ungelöst

ausgestrahlt.
6308

Der Zeuge Merten hat ausgesagt, er persönlich sei acht

Mal in der Sendung Kripo live und einmal in der Sendung

AKTENZEICHEN XY ungelöst aufgetreten und habe dort

die Überfallserie vorgestellt. Diese Sendungen seien im

Vorhinein eingehend in der örtlichen und überregionalen

Presse angekündigt worden.
6309

Er hat in diesem Zusam-

menhang ausgeführt:

„Da haben wir uns also ganz stark engagiert und
[…] haben dort, ich glaube, 2003, 2005, 2007 noch
mal die aussagekräftigsten Fotos auf den Fahn-

dungsplakaten zu Papier gebracht […] und haben
die also öffentlichkeitswirksam in Behörden, in

Polizeidienststellen, Sparkassen, Geldinstituten,

Buswartehäuschen in Chemnitz, Zwickau und

Umgebungsorten und zum Schluss dann natürlich

auch im ganzen Bereich Stralsund ausgehangen,

immer wieder hoffend, dass man den einen oder

anderen Zeugen findet, der darauf vielleicht eine
6306) MAT A SN-7/4h, Bl. 129.

6307) MAT A SN-7/4h, Bl. 130.

6308) MAT A SN-7/4h, Bl. 130.

6309) Hierzu und zum Folgenden: Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 101 f.

Person erkennt. Ich sage mal, wir haben ja hier

sehr deutlich und gut die Bekleidungsgegenstände

zu erkennen, die teilweise ja markant sind.“6310

Im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung wurde ausdrück-

lich darauf hingewiesen, dass die Täter „meist Fahrräder
verschiedener Modelle“ als Fluchtmittel nutzten.6311 Da-
rüber hinaus wurde auch darauf hingewiesen, dass die

Täter mit sächsischem Akzent sprächen.
6312

Aus den Auftritten im Fernsehen seien nach Angaben des

Zeugen Merten einige Hinweise resultiert, die auch akri-

bisch abgeprüft worden seien. Keiner dieser Hinweise

hätte jedoch zu einer Spur zu den Tätern geführt.
6313

So

meldete sich nach der Fernsehsendung

AKTENZEICHEN XY ungelöst ausweislich der Akten

auch ein Anrufer bei der PD Chemnitz-Erzgebirge, der

angab „Hellseher“ zu sein und auf dem gezeigten Phan-
tombild Ähnlichkeiten zu einer ihm bekannten Person

festgestellt zu haben.
6314

Diesem Hinweis ist die PD

Chemnitz-Erzgebirge ausweislich der Akten auch nach-

gegangen. Nach Aushändigung eines Fahndungsfotos

sagte der vorgebliche „Hellseher“ zu, den Täter durch
Gedankentelepathie namhaft machen zu wollen.

6315
7. Auslobung einer Belohnung

Zur Aufklärung der Überfallserie wurde eine Belohnung

von insgesamt 22 000 Euro ausgelobt,
6316

auf die aber

keine Hinweise erfolgt seien, die eine heiße Spur ergeben

hätten.
6317

Der Zeuge Merten hat die ausgelobte Summe als verhält-

nismäßig hoch bezeichnet und hierzu ausgeführt:

„Wenn Sie mal auf das letzte Fahndungsplakat gu-
cken: Wir haben also 22 000 Euro ausgelobt für

einen Hinweis, der zur Identifizierung der Täter

führt. Also, ich muss mal sagen: Einen besseren

Anreiz kann man doch für einen Zeugen nicht

schaffen. Und da denke ich jetzt eigentlich nicht

nur an irgendeinen Zeugen oder Hinweisgeber,

sondern mit diesem vielen Geld haben wir sogar

eigentlich auch mal an die Leute aus dem Umfeld

unserer Täter gedacht. Das muss man sich mal

vorstellen. Da kann es doch den einen oder ande-

ren geben, der unsere beiden Täter kennt, mögli-

cherweise Bekannten-/Verwandtenkreis, und sich

sagt: Mensch, ich kenne die zwar, aber auf der an-

deren Seite: 22 000 Euro ist ja doch eine Menge
6310) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 101.

6311) MAT A GBA-4/25b, Bl. 98.

6312) MAT A GBA-4/25b, Bl. 98 f.

6313) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 102.

6314) MAT A GBA-4/25c, Bl. 678.

6315) MAT A GBA-4/25c, Bl. 678 ff. (681).

6316) MAT A GBA-4/25b, Bl. 69.

6317) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96; Eine tabellarische Auflistung
der Spuren bei den Raubüberfällen zwischen 1999 und 2007

findet sich in MAT A SN-7/4a, Bl. 65 f. sowie in einer „Ver-
gleichsreihe“ in MAT A SN-7/4a, Bl. 57 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 725 – Drucksache 17/14600

Kohle. Hm, vielleicht - - Und wenn ich wenigstens

anonym auf dem Polizeirevier anrufe. - Das sind

also Dinge - - Wir haben also schon Hinweise mit

weitaus weniger Auslobungssumme gehabt, und

wir haben immer gedacht: Mensch, bei so viel

Geld im fünfstelligen Bereich, da muss doch mal

was kommen. Aber es kam eben nichts.“6318

8. Veröffentlichung der Serie im LKA-Blatt
Sachsen sowie im BKA-Blatt

Zu den einzelnen Chemnitzer Überfällen erfolgten teil-

weise entsprechende Veröffentlichungen in den Landes-

bzw. Bundeskriminalblättern.
6319

Jeweils zusammenfassend wurden die bis dahin vorlie-

genden Erkenntnisse zur Überfallserie im Jahr 2006 im

Landeskriminalblatt des LKA Sachsen
6320

und im Jahr

2007 im Bundeskriminalblatt des BKA veröffentlicht.
6321

Man habe, so der Zeuge Merten, aber auch selbst in den

entsprechenden LKA- und BKA-Blättern geschaut, ob es

vergleichbare Straftaten gebe, die zur Serie passten.
6322

Auch hieraus ergaben sich nach Angaben des Zeugen

Merten jedoch keine Hinweise auf verwertbare Spu-

ren.
6323

VII. Operative Fallanalysen

1. Landeskriminalamt Sachsen

Im Februar 2007 fertigte die OFA-Abteilung beim Lan-

deskriminalamt Sachsen im Auftrag der Polizeidirektion

Südwestsachsen
6324

eine „fallanalytische Beratung“ in
Form von „Anregungen für die kriminalistische Auswer-
tung und Ermittlungen“.6325 In dieser stellte das LKA
Sachsen zunächst klar, dass Raubstraftaten für operative

Fallanalysen nicht geeignet seien, da deren Methodik für

Tötungsdelikte und Sexualstraftaten erarbeitet worden

sei.
6326

Angesichts der Serie und ihrer Spezifika seien

jedoch Anregungen für die weiteren Ermittlungen mög-

lich.

Hauptsächlich enthielt die OFA Vorschläge zu möglichen

weiteren Ermittlungsschritten, u. a. zum weiteren Um-
6318) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 102.

6319) MAT A, SN 7/4h, Bl.129.

6320) Sonderausgabe zum LKA-Blatt Sachsen vom März 2006 MAT

A SN-7/4a, Bl. 165 ff., GBA-4/25b, Bl. 100 ff.

6321) BKA-Blatt Nr. 64/2007, MAT A SN-7/4, Bl. 173 ff., GBA-
4/25b, Bl. 108 ff.

6322) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96, 104.

6323) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 96; Eine tabellarische Auflistung
der Spuren bei den Überfällen zwischen 1999 und 2007 findet

sich in MAT A SN-7/4a, Bl. 65 f. sowie in einer „Vergleichs-
reihe“ in MAT A SN-7/4a, Bl. 57 ff.

6324) Siehe hierzu und zum Folgenden: MAT A SN-7/9, Bl. 17 ff.

6325) MAT A SN-7/9, Bl.17 ff.

6326) MAT A SN-7/9, Bl.17.

gang mit DNA-Spuren, zur vollständigen Vernehmung

aller Mitarbeiter der geschädigten Filialen, der Beizie-

hung von Notrufaufzeichnungen, der Telefonverbin-

dungsdaten aller geschädigten Finanzinstitute vom Tattag

sowie weiterer Daten (z. B. Einwohnermeldeämter).
6327

In der OFA wurde auch vermerkt, dass es Hinweise auf

einen dritten Täter gebe. In den Akten konnten diesbezüg-

liche Hinweise jedoch nicht gefunden werden. Aus einem

Polizeibericht zum Überfall auf eine Postfiliale in Zwi-

ckau geht vielmehr hervor, dass es sich bei „drei Tätern“
jedenfalls bei dieser Tat offenbar um eine Falschmeldung

gehandelt hat.
6328

Weiterhin wird in der OFA unter Hinweis auf die Zeu-

genaussage eines Bauarbeiters namens K. vermerkt, dass

es Anhaltspunkte dafür gebe, dass einer der in Betracht

kommenden Fahrradfahrer ein Kind in Begleitung hat-

te.
6329

Das LKA Sachsen sprach sich zudem dafür aus, die zu-

künftige kriminalistische Bewertung der Serie in der

Hand einer Dienststelle durchzuführen. Wünschenswert

seien Führungsentscheidungen, die dies berücksichtigen

würden.
6330

Der Zeuge Merten hob in seiner Aussage die besondere

Brutalität der Täter hervor.
6331

Zum Zustandekommen der OFA gab deren Verfasser,

Kriminalhauptkommissar K., am 15. November 2011 eine

dienstliche Erklärung ab:
6332

Zum damaligen Zeitpunkt

hätten zur Vorbereitung der Operativen Fallanalyse „aus-
schließlich Ermittlungsunterlagen in begrenztem Umfang

der in Sachsen begangenen Fälle“ vorgelegen. Zu den
Fällen in den anderen Bundesländern seien nur mündliche

Informationen geliefert worden. Auch erfolgte in der

dienstlichen Erklärung ein Hinweis darauf, dass eine

„zentrale und länderübergreifende Sachbearbeitung und
kriminalistische Auswertung“ in dieser Serie „dringend
notwendig“ sei. Darüber hinaus wurde darauf hingewie-
sen, dass eine weitergehende Beratung durch die OFA-

Abteilung im LKA Sachsen ausdrücklich angeraten wor-

den sei. Weiter heißt es:

„Zu keinem späteren Zeitpunkt wurde die OFA
Sachsen über den Fortschritt der Ermittlungen un-

terrichtet. Auch auf anderem Wege gelangten kei-
6327) MAT A SN-7/9, Bl.17 ff. (18 f.).

6328) MAT A SN-7/10, Bl. 42 f.

6329) MAT A SN-7/9, Bl.19. Der Aspekt „Kind“ hatte auch bei
anderen dem NSU zugeschriebenen Taten eine Rolle gespielt

(„weinendes Kind am Tatort Rostock“, „Spielzeug im ausge-
brannten Wohnmobil“, „Akku aus Kinderspielauto beim Bom-
benanschlag in der Keupstraße“). Eine Vernehmung des Bauar-
beiters K. konnte aber in den Akten nicht gefunden werden.

6330) MAT A SN-7/9, Bl.18.

6331) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 98.

6332) Siehe hierzu und zum Folgenden: MAT A SN-7/10, PDF-Bl.

241.

Drucksache 17/14600 – 726 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ne weiteren Informationen an den Unterzeich-

ner.“6333

2. Landeskriminalamt Thüringen

Aus einem Ermittlungsbericht vom 16. November 2011

der für die Überfälle in Arnstadt und Eisenach zuständi-

gen Kriminalpolizeiinspektion Gotha geht hervor, dass

nach dem Überfall in Arnstadt (7. September 2011) auch

eine Operative Fallanalyse (OFA) beim Landeskriminal-

amt Thüringen in Auftrag gegeben wurde, um einen Zu-

sammenhang mit der Serie zu überprüfen und „bei Bestä-
tigung ein Raster für die weiteren Ermittlungen zu erlan-

gen“.6334

Am 4. November 2011 waren die entsprechenden Maß-

nahmen bereits angelaufen.
6335

VIII. Unerkannte Bezüge der Überfallserie zum
Trio

Das Trio wurde nicht als mögliche Täter der Überfallserie

in Betracht gezogen. Auf die Frage, ob er sich an die

„Jenaer Bombenbastler“ erinnern könne, hat der der Zeu-
ge Merten angegeben:

„Nein. […] Erst nach dem zweiten Überfall in
Thüringen und dem dritten, vierten, fünften Tag,

nachdem ganz offiziell bekannt wurde, dass es die-

ses Trio gab, dass in dem Wohnwagen Mundlos

und Böhnhardt lagen, da habe ich das erste Mal

die Namen gehört; ich habe das erste Mal von der

Existenz dieses NSU-Trios gehört und überhaupt

von dieser rechten Zelle. Bis dahin hatte ich davon

noch nie von niemandem etwas gehört.“

Auch die Mordserie spielte bei den Fahndungsmaßnah-

men zur Überfallserie keine Rolle. Der Zeuge Merten hat

nach eigenen Angaben zur Česká-Mordserie nur eine
private Erinnerung an ein diese betreffendes Fahndungs-

plakat.
6336

1. Keine Berücksichtigung von Beschaf-
fungskriminalität Untergetauchter als mög-
liches Tatmotiv

Das Trio war bereits bei Beginn der Überfallserie unterge-

taucht und wurde mit Haftbefehl gesucht. Der Ausschuss

ist der Frage nachgegangen, warum nicht die These, dass

es sich bei den Überfällen um Beschaffungskriminalität

Untergetauchter handeln könne, als gleichwertige Ermitt-

lungsthese geführt wurde, wodurch ein Zusammenhang

zum Trio hätte erkannt werden können.
6337

Der Zeuge

Merten hat hierzu ausgeführt:
6333) MAT A SN-7/10, PDF-Bl. 241.

6334) MAT A GBA-4/25a, Bl. 279 f.

6335) MAT A GBA-4/25a, Bl. 279.

6336) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 126.

6337) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116 f.

„Möglicherweise spielte der Gedanke mal eine
Rolle; aber ich könnte Ihnen jetzt nicht sagen, ob

wir es tatsächlich gemacht haben.“6338

Als Erklärung hat der Zeuge Merten hinzugefügt:

„Jetzt müssen wir erst mal festlegen: Was heißt
denn ‚Untergetauchte ermitteln‘? Das ist ja das
Problem: Wie kann ich denn die Leute erfassen?

Ich weiß nicht, ob Sie es wissen. Wir haben ja eine

Vielzahl - nicht nur in Sachsen, sondern bundes-

weit -, die irgendwann mal wo gewohnt haben; ich

sage jetzt mal: in Chemnitz. Dann sind die dort

nicht mehr präsent in der Wohnung. Die werden

nach einer bestimmten Frist vom Meldeamt ganz

offiziell als ‚nach unbekannt verzogen‘ abgemeldet
und sind weg.“6339

Darauf angesprochen, dass nach per Haftbefehl gesuchten

Untergetauchten hätte gesucht werden können, hat der

Zeuge Merten erwidert:

„Wo will ich da anfangen? Ich meine, solche Leute
gibt es natürlich in der Vielzahl. Und wo will man

da jetzt anfangen, zu sagen: Ich suche jetzt nach

Untergetauchten? Das ist natürlich verdammt

schwierig und natürlich eine immense Aufgabe.

Also, da gab es zumindest auch nie so einen - viel-

leicht sagen wir mal - Hinweis. Aber ich meine,

mich zu erinnern: Den Gedanken gab es mögli-

cherweise. Aber das lässt sich einfach ganz schwer

irgendwie realisieren.“6340

Der Zeuge Merten hat weiter dargelegt:

„Es hat auch niemals – weder vom LKA noch von
irgendeiner anderen Dienststelle – irgendeinen
Hinweis gegeben, dass es sich hier um Beschaf-

fungskriminalität rechts orientierter Personen oder

einer rechts orientierten Zelle handeln könnte. Da

haben wir also zu keinem Zeitpunkt auch nur an-

satzweise irgendeinen Hinweis bekommen.“6341

2. Linkshänder

Nach heutigem Erkenntnisstand war Mundlos „Beidhän-
der“ und Böhnhardt Linkshänder.6342 Laut Aussage des
Zeugen Dressler,

6343
LKA Thüringen, war die Tatsache,

dass Böhnhardt Linkshänder war, bereits vor dem Abtau-

chen des Trios bekannt. Der Zeuge Dressler hat zu die-

sem Umstand ausgeführt:

„Das war im Rahmen der Ermittlungen, er war ja
mehrfach, wie gesagt, Gegenstand von Ermittlun-
6338) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116.

6339) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116 f.

6340) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 116 f.

6341) Merten, Protokoll-Nr. 43, S. 104.

6342) MAT A GBA-4/25a, Bl. 100.

6343) Der Zeuge war als Leiter der Ermittlungsgruppe Terroris-

mus/Extremismus (EG „TEX“) des Thüringer LKA zwischen
Mai 1997 und 31. Mai 2000 tätig, A-Drs. 360.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 727 – Drucksache 17/14600

gen, im Vorfeld schon; er wurde als Beschuldigter

gehört und dergleichen bekannt, dass er Links-

händer ist. Es kann auch sein, dass es in den KT-

Unterlagen mit vermerkt war, was nicht unüblich

ist.“6344

Auf die konkrete Nachfrage, ob es sich bei der Informati-

on nicht um einen relevanten Fahndungsansatz gehandelt

habe, da bei den Banküberfällen auch ein Linkshänder

identifiziert wurde, hat der Zeuge Dressler geantwortet:

„Hinterher ist man immer schlauer. Also, ich den-
ke, da hat überhaupt keiner dran gedacht. […]
Aber als Fahndungsansatz war das sicher nicht

tauglich.“6345

Ob dieser Ansatz im INPOL-System gespeichert war, hat

sich nach Angabe des Zeugen Dressler seiner Kenntnis

entzogen.
6346

3. Flucht auf Fahrrädern

Wie bei den Überfällen wurden auch in der Mordserie

sowie beim Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in

Köln am 9. Juni 2004 Fahrräder als Fluchtmittel verwen-

det. Bezüglich der Morde an Enver Şimşek, Habil Kılıç,
Ismail Yaşar und Mehmet Kubaşık haben Zeugen bekun-
det, dass die Täter auf Fahrrädern gekommen oder ge-

flüchtet seien.
6347
6344) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 35.

6345) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 35.

6346) Dressler, Protokoll-Nr. 57, S. 35.

6347) Sachstandsbericht der BAO „Bosporus“ von Mai 2008, MAT A
GBA-4/2, Bl. 567.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 729 – Drucksache 17/14600

J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen

I. Die Situation der Opfer und die Folgen
rechtsextremistischer Straftaten

1. Rede der Preisträgerin des Genç-Preises
2013, Tülin Özüdoğru

Die überlebenden Opfer des NSU und die Angehörigen

der Opfer haben als Folge der Taten viel Leid und Un-

recht erlitten und haben auch heute noch mit den Auswir-

kungen der Taten zu kämpfen.

Die Preisträgerin des Genç-Preises 2013, Tülin Özüdoğru,
hat anlässlich der Verleihung des Preises ihren Schmerz

über den Verlust ihres Vaters, Abdurrahim Özüdoğru, der
am 13. Juni 2001 ermordet wurde, deutlich gemacht. In

ihrer Rede war es ihr ein besonderes Anliegen, ein ehrli-

ches Bild ihres Vaters für die Öffentlichkeit zu zeichnen:

„Sehr verehrtes Publikum, sehr geehrte Damen
und Herren,

ich bedanke mich von ganzem Herzen für diesen

bedeutsamen Preis. Ich fühle mich sehr geehrt, den

Genç-Versöhnungspreis hier und heute im Namen

meiner Familie in Empfang zu nehmen. lch erhalte

diesen Preis heute in Gedenken an meinen vor 12

Jahren verstorbenen Vater Abdurrahim Özüdoğru.
Aus diesem Grund möchte ich ihm in dieser Rede

ein paar Minuten widmen und Ihnen ein Bild von

einem Menschen machen, der, wie viele andere

Millionen Menschen auch, Deutschland zu seiner

neuen zweiten Heimat gemacht hatte.

Vor 12 Jahren war mein Vater mehr als nur ein

Opfer der NSU-Terrorzelle. Als er 1972 als begab-

ter Student mit einem Stipendium nach Deutsch-

land gekommen ist, um an der Universität Erlan-

gen Maschinenbau zu studieren, hatte er keine

Angst vor dem damals für ihn fremden Land. Es

gab Fachkräftemangel und seit einiger Zeit hatte

Deutschland seine Türen geöffnet. Mit viel Fleiß

lernte mein Vater die Sprache seiner neuen Heimat

und lebte sich schnell in die neue Kultur ein.

Menschlichkeit war das einzige, was uns an Men-

schen wichtig war und ist es immer noch, denn es

kann sich keiner auswählen in welche Herkunft

und Kultur er hineingeboren wird.

All das und noch viel mehr verbirgt sich hinter

dem Opfer Abdurrahim Özüdoğru.

Er war 29 Jahre in Deutschland, als er diesen

schrecklichen Taten zum Opfer fiel. Diese

schrecklichen Taten hätten jeden treffen können,

aber es traf meinen Vater.

Wir Familien, die ihre Väter, ihren Sohn, ihre Ge-

schwister verloren haben, haben sehr viel

Schmerz, Enttäuschung und Trauer ertragen müs-

sen. Im November 2011 wurden die eigentlichen

Täter endlich bekannt. Bis dahin mussten wir 10

Jahre lang in Ungewissheit leben. Wer waren die

Täter und wieso mein Vater? Diese Fragen quälten

uns die ganzen Jahre. Medienberichte, die nicht

der Wahrheit entsprachen, verletzten unsere Ge-

fühle noch mehr.

Während nach den damaligen Ereignissen viele

Menschen, an deren Menschlichkeit wir geglaubt

hatten, zu Enttäuschungen wurden, sind neue

Menschen zu guten Freunden geworden. Es gibt

ein türkisches Sprichwort das übersetzt lautet:

‚Seine wahren Freunde lernt man in schlechten
Zeiten kennen.‘ So war es auch bei uns.

Meine Erwartungshaltung ist groß. Wissen Sie,

man sagt, dass man von denen, die man liebt, mehr

erwarten kann. Und ich liebe Deutschland, mein

Geburtsland. Ich erwarte umfassende Aufklärung

der Taten und der Hintergründe. Und ich erwarte

ein konkretes Zeichen der Gerechtigkeit, des Mit-

gefühls und der Solidarität bei der Aufarbeitung in

der Gerichtsverhandlung.

Dennoch haben meine Familie und ich den Glau-

ben an die Menschlichkeit, den Glauben, dass es

auch weiterhin gute Menschen gibt, nicht verloren.

Meine Familie und ich begegnen Menschen immer

noch mit Toleranz, Liebe und Mitgefühl. Daran hat

sich trotz dem tiefen Schmerz, der Enttäuschungen

und Trauer bis heute nichts geändert. Wir sind

stark geblieben.

Schließlich erhielt mein Vater aufgrund seiner gu-

ten Leistungen noch während seines Studiums auf

einer Firmenkontaktmesse eine Anstellung, in der

er die nächsten 26 Jahre, also bis zu seinem Tod,

arbeitete. Er war ein geschätzter und angesehener

Mitarbeiter, aufgrund seiner Leistungen und seiner

produktionsfördernden Erfindungen.

Die Änderungsschneiderei betrieb er später nur

nebenberuflich. Sie war für ihn so etwas wie ein

Hobby, in dem er abschalten und nette Kontakte zu

seinen Kunden pflegen konnte. Er war ein Fami-

lienvater, der mich, seine Tochter, seine Frau und

seine Mitmenschen liebte. Er war ein weltoffener,

herzlicher, guter und sehr fleißiger Mensch mit

Träumen und Zielen. Ich kann mich noch sehr gut

daran erinnern, dass ich als kleines Kind mit mei-

nen Füßen auf den Boden stampfte und beleidigt

war, als er zurück von der Arbeit nach Hause kam.

Er fragte meine Mutter, was mit mir los war? Sie

Drucksache 17/14600 – 730 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

antwortete lächelnd: ‚Deine Tochter protestiert,
dass du den ganzen Tag arbeiten bist.‘ Ich wollte
nur, dass mein Vater bei mir blieb.

Mein Vater war jemand, der mit allen gut auskam.

Er hatte keine Feinde, sondern nur Freunde, darun-

ter auch viele Deutsche. Wir waren eine Familie,

die mit unseren deutschen Freunden sowohl Weih-

nachten als auch das Zuckerfest gemeinsam feiern

konnte. Wir unterschieden und unterscheiden bis

heute Menschen nicht nach ihrer Herkunft, Religi-

on, Hautfarbe oder Rasse.

Ich bin in Deutschland geboren und als deutsche

Staatsbürgerin ist Deutschland meine Heimat, ge-

nauso auch wie die Herkunft meiner Eltern meine

Heimat ist. lch bin beiden Kulturen mit inniger

Liebe und Respekt verbunden. Ich habe das Beste

aus beiden Kulturen aufgenommen und wünsche

mir ein Deutschland, in dem sich die vielen ver-

schiedenen Kulturen, Rassen und Religionen die

Hände reichen und füreinander da sind, sich schät-

zen und respektieren. Kein ‚Gegeneinander‘, kein
‚Nebeneinander‘, sondern ein ‚Miteinander‘ sollte
der Grundsatz für die hier lebenden Menschen

sein, das wünsche ich mir. Wir sollten in unserem

multikulturellen Deutschland die Vielfältigkeiten

dieser verschiedenen in Deutschland lebenden

Kulturen als eine Bereicherung für unser Land se-

hen. Jeder sollte verantwortungsbewusst mit dieser

Besonderheit umgehen und Solidarität in jeder

Weise zeigen. Hierzu möchte ich gerne Mahatma .

Gandhi zitieren: ‚Du und Ich: Wir sind eins. Ich
kann Dir nicht weh tun, ohne mich zu verletzen.‘

Abschließend möchte ich mich bei der Deutsch-

Türkischen Stiftung für Gesundheit und Herrn

Prof. Dr. Yasar Bilgin herzlich bedanken, dass sie

solch eine Veranstaltung in Gedenken an die Opfer

von Gewalt möglich machen. Ich bedanke mich

auch bei den mir nahestehenden Menschen, die

mich die letzten Jahre begleitet haben durch meine

schwierigen Zeiten im Leben und immer für mich

da waren. Vor allem und besonders meiner Mutter

danke ich, dass sie mir Halt und Kraft in meinem

Leben gegeben hat. Denn durch sie bin ich so stark

geblieben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

2. Besondere Belastungen der Opfer des
NSU und ihrer Angehörigen

a) Notwendigkeit fachgerechter Ermittlungen
im Opferumfeld

Die Aufklärungsquote bei Mordfällen ist in Deutschland

im internationalen Vergleich sehr hoch. Für die Zeit zwi-

schen 2002 und 2012
6348

liegt sie bei durchschnittlich

96 %. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskri-

minalamtes
6349

weist pro Jahr im Durchschnitt etwa 900

vollendete und versuchte Mordfälle aus. Eine Ursache für

die hohe Aufklärungsquote liegt in der Tatsache, dass es

sich bei der überwiegenden Anzahl der Mordfälle um

Taten handelt, bei denen eine Vorbeziehung zwischen

Opfer und Täter vorliegt. Laut der Polizeilichen Kriminal-

statistik
6350

gibt es nur bei rund 20 % der Mordfälle keine

Vorbeziehung zwischen Opfer und Täter, bei gut 10 % ist

die Vorbeziehung ungeklärt. In knapp 70 % der Fälle

bestand definitiv eine Vorbeziehung zwischen Opfer und

Täter.

Die Empfehlung der kriminalistischen Handlungsleh-

re,
6351

die Ermittlungen mit der Aufhellung des Opferhin-

tergrundes zu beginnen, folgt der Überlegung, dass es zur

Aufklärung eines Tötungsdeliktes unverzichtbar ist, eine

Vorstellung von der Persönlichkeit und der Lebensweise

des Opfers zu gewinnen. Aus diesem Grund gehört es bei

Mordermittlungen zum Standard, dass zunächst weitrei-

chende und zielgerichtete Ermittlungen zum Opfer getä-

tigt werden. Es gilt, alle Umstände zu prüfen – aber nicht
etwa ungeprüft vorzuwerfen! – die das Opfer hätten in
Konflikte verwickeln können: von den Familienverhält-

nissen bis zu illegaler Tätigkeit. Es ist wichtig, dass vor

einer Erstreckung der Ermittlungen auf die Möglichkeit

eines zufälligen Zusammentreffens von Täter und Opfer

zunächst eine Tatbegehung aus dem Umfeld des Opfers

ausgeschlossen werden kann. Erst wenn sich aus den

Ermittlungen zum Nahraum des Opfers und seiner indivi-

duellen Lebensführung keine klaren Ansätze oder zumin-

dest denkbaren Motivlagen ergeben, erfolgt eine Auswei-

tung der Ermittlungen auf einen Täter jenseits einer Vor-

beziehung von Opfer und Täter.

Mithin gilt der Grundsatz, dass die Ermittlungen beim

Naheliegenden beginnen und nach dessen Falsifizierung

zum ferner Liegenden ausgeweitet werden. Auch dafür

sind wiederum Erkenntnisse zum Opfer bedeutsam – etwa
zu erkennbaren Routinehandlungen, die dessen An- oder

Abwesenheit zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem

bestimmten Ort nahelegen und damit Gelegenheiten zur

Tat erkennbar machen. Ohne alle diese Informationen

führt keine Spur vom Opfer zum Täter: Wurde dieses

Opfer gezielt als diese Person ausgewählt? Oder stellver-

tretend für eine Gruppe? Oder situativ aufgrund anderer

Umstände? Besonders schwierig gestalten sich Ermittlun-

gen immer dann, wenn sich eine klare und eindeutig fest-

legbare Motivlage nicht feststellen lässt und nur wenig

interpretierbares Täterverhalten („Spurenlage“) vorzufin-
den ist.
6348) Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) Bund,

Tabelle 01 für den Zeitraum 2002 bis 2012.

6349) Auswertung der PKS Bund, Tabelle 92 für den Zeitraum 2002

bis 2012.

6350) Auswertung der PKS Bund, Tabelle 92 für den Zeitraum 2002
bis 2012.

6351) Handbuch der Kriminalistik (Ackermann, Clages und Roll,

2007).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 731 – Drucksache 17/14600

BKA-Präsident Ziercke betonte im Ausschuss ebenfalls

die Notwendigkeit der Nachforschungen im Opfer-

Umfeld, um die Opferauswahl klären zu können und wies

auf die Negativseiten und Konsequenzen dieser Notwen-

digkeit hin:

„Wer da nicht sensibel ist, der tritt da so viel Por-
zellan kaputt. Das ist in der Tat etwas, was man

nicht genug auch in der Ausbildung der Polizei

immer wieder ansprechen muss.“6352

b) Behandlung der Betroffenen im Ermitt-
lungsverfahren

aa) Die Angehörigen der Mordopfer im Fokus
der Ermittlungen

Der Ausschuss hat durch die Zeugenbefragungen und

anhand von Akten einen Eindruck davon erhalten, wie

umfangreich die Ermittlungen im unmittelbaren Umfeld

der Ermordeten, betreffend die Ehefrauen, Geschwister

und Eltern der Opfer der Česká-Mordserie waren.

So gerieten nach dem Mord an Enver Şimşek am
9. September 2000 die Ehefrau des Opfers, Adile Şimşek,
und ihr Bruder besonders in den Fokus der Polizei. Am

16. Januar 2001 vernahm die Polizei die Ehefrau des

Opfers, Adile Şimşek. Zunächst befragte die Polizei Frau
Şimşek sehr ausführlich zu Geldtransaktionen und etwai-
gen finanziellen Problemen. Gegen Ende der Verneh-

mung ging die Polizei einem angeblichen außerehelichen

Verhältnis des Opfers nach. Frau Şimşek erklärte vehe-
ment, dass Enver Şimşek ein solches nicht gehabt habe.
Sie wisse davon nichts und könne sich dies nicht vorstel-

len.
6353

Ihre Tochter, Semiye Şimşek, hat in Interviews
zudem davon berichtet, dass die Ermittler ihrer Mutter ein

Foto von einer blonden Frau gezeigt hätten und behauptet

hätten, bei der Frau auf dem Foto handele es sich um die

Geliebte ihres Ehemannes, mit der dieser zudem zwei

Kinder habe.
6354

Im Kontext der Ermittlungen des LKA Hamburg nach

dem Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 in
Hamburg hat der Ausschuss dem Zeugen Schwarz, der

seit dem 1. Februar 2006 als stellvertretender Leiter der

Abteilung Organisierte Kriminalität und Leiter der

Rauschgiftermittlungen mit diesem Mord befasst war,
6355

vorgehalten, dass der Vater des Opfers stundenlang ver-

nommen worden sei. Zu diesem Vorhalt hat der Zeuge

Schwarz erklärt, bei der Frage, wie intensiv im Umfeld

ermittelt werde, sei die Nationalität, die Herkunft oder die

Ethnie von Opfern oder Angehörigen zunächst einmal

irrelevant. Mordermittlungen, Ermittlungen in einem

Tötungsdelikt, starteten bei den Opfern, bei der Familie
6352) Ziercke, Protokoll-Nr. 21, S. 68.

6353) Protokoll der Zeugenvernehmung von Adile Şimşek vom
16. Januar 2001, MAT A GBA-4/5e, Bl. 77 ff.

6354) SZ-Magazin 10/2013, Lara Fritzsche: „In Trauer verbunden“.

6355) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65.

und bei dem Umfeld, um Kontaktpersonen, mögliche

Konflikte, mögliche Motivlagen zu ergründen. Es sei

daher unvermeidlich, diese Ermittlungen zu führen. Sie

richteten sich nicht speziell und nicht verstärkt gegen die

Familie. Die Wahrnehmungen, die dann in der Öffent-

lichkeit daraus erwüchsen, wenn die Polizei mit den An-

gehörigen spreche, seien natürlich schwer einzufangen.

Die Polizei habe aber auch viele Fragen zu dem Sohn, zu

dem Bruder zu stellen gehabt, um möglichst viel über das

Opfer zu erfahren.
6356

bb) Telekommunikationsüberwachungsmaß-
nahmen und Einsatz Verdeckter Ermittler
gegen Angehörige der Mordopfer

Mehrfach kamen gegen unmittelbare Angehörige der

Mordopfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“
Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Ver-

deckte Ermittler zum Einsatz. So wurden bei den Ermitt-

lungen im familiären Umfeld von Enver Şimşek und unter
etwaigen geschäftlichen Konkurrenten umfangreiche

Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchge-

führt. Zudem erfolgte im Oktober 2000 eine polizeiliche

Überwachung der von der Familie Şimşek in ihrem Fahr-
zeug geführten Gespräche.

6357
Auch nach dem Mord an Theodorus Boulgarides am

15. Juni 2005 in München – dem siebten Opfer in dem
von den Ermittlern ab 2001 als Mordserie erkannten

Komplex – ermittelte die Soko „Theo“ intensiv im famili-
ären Umfeld des Opfers. Die Ermittlungen richteten sich

vor allem gegen den Bruder des Ermordeten. Im Untersu-

chungsausschuss des Bayerischen Landtags hat der Zeuge

Pickert, Leiter der Soko „Theo“, ausgesagt, im Zuge der
Ermittlungen hätten sowohl Telekommunikationsüberwa-

chungsmaßnahmen gegen den Bruder als auch eine ver-

deckte Observation stattgefunden.
6358

Der Zeuge Dr. Kimmel, Oberstaatsanwalt bei der StA

Nürnberg, hat im Untersuchungsausschuss des Bayeri-

schen Landtags zudem berichtet, Verdeckte Ermittler

seien mit der Legende, als Journalisten und Detektive zu

arbeiten, an die Angehörigen der Opfer herangetreten.

Man habe sich auf diese Art und Weise einen anderen

Zugang zu Informationen erhofft, die die Angehörigen

möglicherweise nicht der Polizei übermitteln wollten.
6359

Yvonne Boulgarides, Witwe von Theodorus Boulgarides,

hat in einem Interview dazu Folgendes berichtet: Einige

Monate nach dem Mord an ihrem geschiedenen Ehemann

hätten zwei türkische Männer vor ihrer Wohnungstür

gestanden, die behauptet hätten, Privatdetektive zu sein.
6356) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 100.

6357) Sachstandsbericht der Soko „Halbmond“ vom Januar 2002,
MAT A GBA-4/7a, Bl. 396 – 444, insbes. Bl. 409 f.

6358) Protokoll der 14. Sitzung des Untersuchungsausschuss des

Bayerischen Landtags „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“,
am 19. Februar 2013, S. 127.

6359) Protokoll der 21. Sitzung des Untersuchungsausschuss des

Bayerischen Landtags „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“
am 10. April 2013, S.19.

Drucksache 17/14600 – 732 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sie habe daraufhin in Panik die Polizei angerufen. Zu-

nächst habe eine Beamtin versprochen, einen Einsatzwa-

gen zu schicken. Während Frau Boulgarides auf das Ein-

treffen des Wagens wartete, seien die beiden Männer im

Treppenhaus geblieben. Nach zwanzig Minuten habe sie

wieder bei der Polizei angerufen, dann hätte es geheißen,

sie könne die Männer ruhig einlassen, die Polizei wisse

von ihnen. Als Frau Boulgarides sie in die Wohnung bat,

hätten die beiden Männer vorgegeben, als Privatdetektive

für einen Nürnberger Verein türkischer Kleinunternehmer

in der Mordserie zu ermitteln und lauter Fragen gestellt,

die die Polizei auch schon gestellt hatte. Nach dem Ge-

spräch habe sie nie wieder etwas von den beiden Männern

gehört.
6360

Auch die MK „Café“ in Kassel ermittelte nach dem Mord
an Halit Yozgat am 6. April 2006 intensiv im familiären

Umfeld des Opfers. Mehrere Telefonanschlüsse der Fami-

lie wurden über mehrere Monate hinweg überwacht.
6361

Weil das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz

behauptet hatte, İsmail Yozgat, der Vater des Opfers, solle
bei Freitagsgebeten in einer Moschee zur Blutrache an

dem zunächst unter Mordverdacht stehenden Verfas-

sungsschutzmitarbeiter Andreas Temme aufgefordert

werden, ließ die Polizei darüber hinaus aus Gründen der

Gefahrenabwehr und damit nicht zur Strafverfolgung die

von İsmail Yozgat genutzten Telefone vom 3. August
2006 bis zum 8. September 2006 überwachen. Das PP

Kassel schrieb am 2. August 2006 in diesem Zusammen-

hang einen Vermerk, wonach die Gefährdung des Temme

in

„den ethnisch-kulturellen Hintergründen der Op-
ferfamilien“

zu sehen sei.
6362

Die Polizei stellte dann allerdings fest,

dass İsmail Yozgat an keinem einzigen Freitagsgebet in
einer Moschee teilgenommen hatte und beendete die

Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen.
6363

Paral-

lel zu den Strukturermittlungen gegen die Familie Yozgat

erfolgte über mehrere Monate ebenfalls der Einsatz eines

Verdeckten Ermittlers, um Informationen von dem Vater

des Getöteten zu erlangen.
6364

cc) Problematische Zeugenvernehmungen

Im Zuge der Ermittlungen wurden die Angehörigen der

NSU-Mordopfer vielfach und keineswegs immer fachge-

recht und entsprechend der Vorschriften vernommen. So

wurde beispielsweise Semiya Şimşek vier Tage nach den
Schüssen auf ihren Vater am 13. September 2000 im Alter
6360) Die Zeit vom 1. Dezember 2012, „Das zweite Trauma“.

6361) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 17.

6362) Gefährdungslagebeurteilung des LKA Hessen, Sachgebiet 163
Zeugenschutz-Gefährdungsanalysen vom 20. Juli 2006, MAT

A GBA-4/11f (neu), Bl. 20.

6363) Vermerk der MK „Café“ vom 8. September 2006, MAT A
GBA-4/11f (neu), Bl. 39.

6364) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A
GBA-4/10g (neu), Bl. 17.

von 14 Jahren ohne Beistand ihrer Mutter oder einer an-

deren volljährigen Vertrauensperson vernommen.
6365

Auch Yvonne Boulgarides kritisiert, am Tag nach dem

Mord an Theodorus Boulgarides seien sie und ihre Töch-

ter getrennt voneinander vernommen worden. Eine der

Töchter war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt und sei

ohne Beistand vernommen worden.
6366

Nach den Morden an Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat
im April 2006 wurden auch Adile und Semiya Şimşek, die
Ehefrau und die Tochter des ersten Mordopfers, wieder

mehrfach vernommen. So erschienen beispielsweise am

14. Dezember 2006 Ermittler der BAO „Bosporus“ in der
Wohnung der Familie zu einer „Befragung“, bei der
Semiya Şimşek für ihre Mutter übersetzte. Dabei hatten

„beide Frauen zunächst ein sehr reserviertes bis
ablehnendes Verhalten“,

vermerkten die Beamten der BAO „Bosporus“. Dieses
Verhalten sei offenbar darin begründet,

„dass die Familie Şimşek das Gefühl hatte, in der
Vergangenheit sei hauptsächlich gegen die Familie

selbst ermittelt worden. Erst nach einem längeren

Vorgespräch über die Notwendigkeit der in der

Vergangenheit getätigten Ermittlungen auch in-

nerhalb der Familie Şimşek hätten Frau Şimşek und
ihre Tochter Verständnis für die bisherigen Maß-

nahmen aufgebracht. Im weiteren Verlauf des Ge-

spräches sei es gelungen, eine lockere gelöste

Stimmung zu schaffen.“6367

Vier Wochen später, am 16. Januar 2007, wurden Adile

Şimşek sowie ihre beiden Kinder von Beamten der BAO
„Bosporus“ erneut zu einem „zwangslosen Gespräch“ in
ihrer Wohnung aufgesucht. Das Gespräch dauerte vier

Stunden, erneut übersetzte Semiya Şimşek. In den folgen-
den Monaten wurde Adile Şimşek weitere viermal ver-
nommen. Im Wesentlichen fokussierten sich die Ermittler

trotz des von der 2. Operativen Fallanalyse angenomme-

nen rassistischen Tatmotivs, auf Fragen zu Geschäftsbe-

ziehungen von Enver Şimşek und dessen Freundes- und
Bekanntenkreis.

6368
Nach dem Mord an Süleyman Taşköprü musste dessen
Schwester dem gemeinsamen Vater die Vernehmung und

den gegen ihn geäußerten Tatverdacht auf der Polizeiwa-

che übersetzen. Auf Fragen des Ausschusses hierzu hat

der Zeuge Schwarz vom LKA Hamburg ausgeführt, er

hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt Verantwortung für

diese Ermittlung gehabt hätte, dies auf keinen Fall zuge-

lassen. Das helfe zwar rückblickend nicht; aber er teile die

Auffassung, dass das, was die Tochter dort habe ertragen

müssen, inakzeptabel gewesen sei. Auch sei diese Vorge-

hensweise fachlich fragwürdig, denn die Schwester sei
6365) MAT A GBA-44/5e, Bl. 1583 f.

6366) Die Zeit vom 1. Dezember 2012, „Das zweite Trauma“.

6367) MAT A GBA-4/5e, S. 2724 f.

6368) MAT A GBA-4/5e, S. 2724 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 733 – Drucksache 17/14600

selbst eine unbefangene, unabhängige Zeugin, die auch

unabhängig davon hätte befragt werden sollen.
6369

dd) Verdacht gegen das Umfeld der Mordopfer

Neben den engen Angehörigen der Mordopfer des NSU

ermittelte die Polizei auch in deren Umfeld – bei Arbeit-
gebern, Freunden, Verwandten zweiten, dritten und vier-

ten Grades. Beispielhaft seien hier die Ermittlungen der

Soko „Kormoran“ nach dem Mord an Mehmet Turgut am
25. Februar 2004 in Rostock genannt. Am 16. Februar

2005 wurde aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses

des Amtsgerichts Rostock vom 29. November 2004 die

Wohnung des Haydar A. durchsucht, in dessen Imbiss

Mehmet Turgut erschossen worden war. Die Ermittler

vermuteten, dass Mehmet Turgut unter Umständen Opfer

einer Verwechselung geworden sein könnte und die

Schüsse Haydar A. gegolten hätten, und beschlagnahmten

Geschäftsunterlagen von Haydar A. Zudem vermuteten

sie Geldwäschegeschäfte bei Haydar A., ohne diese je-

doch nachweisen zu können.
6370

In einem Schreiben an

die Staatsanwaltschaft Rostock vom 7. April 2005 forder-

te der Rechtsanwalt von Haydar A. die Rückgabe der

beschlagnahmten Geschäftsunterlagen und die Einstellung

der Ermittlungen gegen Haydar A. Der Anwalt wies da-

rauf hin, dass die Theorie der Ermittler, der Mord habe

Haydar A. gegolten, schon alleine deshalb nicht logisch

sei, da sein

„Mandant das Lokal in der Öffentlichkeit etwa seit
neun Jahren [betreibe]. Es wäre also für einen po-

tentiellen Täter sicherlich bis zum heutigen Tage

ein leichtes, meinen Mandanten vor Ort auszuma-

chen, diesen zu identifizieren und gegenüber die-

sen möglicherweise irgendeine ‚Aktion‘ durchzu-
führen.“6371

Zudem sei

„die Durchsuchungssache, die mit neun Leuten
durchgeführt wurde, in höchstem Maße für meinen

Mandanten und seinen persönlichen Ruf belastend.

[…] Für das Leben meines Mandanten stellt sich
die gesamte Angelegenheit langsam als absolute

Katastrophe dar.“6372

Auch Angehörige von Mehmet Kubaşık und Theodorus
Boulgarides empfanden die Durchsuchung ihrer Woh-

nungs- und Geschäftsräume mit Drogenspürhunden un-

mittelbar nach den Taten und quasi vor den Augen der

Nachbarschaft als demütigend und stigmatisierend.
6369) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 100.

6370) Vermerk der StA Rostock vom 1. April 2004, MAT A GBA-

4/8b, Bl. 4 f.; Vermerk der StA Rostock vom 13. April 2004,
MAT A GBA-4/8b, Bl. 64.

6371) MAT A GBA-4/8b, Bl. 62.

6372) MAT A GBA-4/8b, Bl. 63.

ee) Reaktionen auf Verdacht der Angehörigen,
die Morde seien rassistisch motiviert ge-
wesen

Mehrfach haben Angehörige der NSU-Mordopfer nach

dem 4. November 2011 in der Öffentlichkeit betont, sie

hätten die Ermittler bei Vernehmungen darauf hingewie-

sen, dass sie einen rechtsextremen oder rassistischen

Hintergrund für die Tat vermutet haben. In seiner Aussa-

ge vor dem Ausschuss sagte der Zeuge EKHK Vögeler,

einer der zentralen Sachbearbeiter der BAO „Bosporus“,
nach dem Mord an Enver Şimşek sei von den Angehöri-
gen auch die Vermutung geäußert worden, der Täter kön-

ne ein Türkenhasser gewesen sein.
6373

Man habe in der

nächsten Zeit intensiv beobachtet,

„ob möglicherweise andere Delikte, begangen
eben durch Schusswaffen, oder rechtsgerichtete

Delikte hier zusammengehören könnten. Also, das

war von Anfang an schon ein Ermittlungsweg.“6374

Ob und inwieweit auch andere Tatortmordkommissionen

dem Verdacht von Angehörigen nachgegangen sind, die

Täter seien Rechtsextremisten oder hätten aus rassisti-

schen Motiven gehandelt, konnte der Ausschuss nicht

feststellen. Gamze Kubaşık, die Tochter des Ermordeten,
hat in einem Interview mit der Deutschen Welle berichtet,

sie habe den Dortmunder Ermittlern ihre Vermutung

mitgeteilt, der Mord müsse einen rechtsextremen Hinter-

grund haben. Daraufhin habe man ihr entgegnet, dafür

gebe es keine Beweise.
6375

ff) Familien der Opfer der Mordserie und der
Sprengstoffanschläge in der Wahrneh-
mung der Ermittler

Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage beschäftigt,

wie die Familien der Mordopfer von den Ermittlern wahr-

genommen wurden. Der Zeuge Schwarz vom Landeskri-

minalamt Hamburg hat in seinem Eingangsstatement zur

Persönlichkeit des fünften NSU-Mordopfers, Süleyman

Taşköprü, ausgeführt:

„Süleyman Taşköprü war das, was wir im Landes-
kriminalamt einen ganz normalen türkischen

Mann‘ genannt haben: leidenschaftlich, sehr ener-
gisch und dominant vom Wesen. Er war nennens-

wert auch polizeilich in Erscheinung getreten. Wir

haben uns auch aus Rücksicht auf sein Elternhaus

stets bemüht, sein Ansehen auch zu schützen.“6376

Deutlich wird an diesen Ausführungen, dass bei solchen

Ermittlungen bereits eine vorgefasste Meinung vorhanden

war, wie ein typischer türkischer Mann sei.
6373) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 88.

6374) Vögeler, Protokoll-Nr. 12, S. 88.

6375) Deutsche Welle vom 25. April 2013, „Eine Tochter will Ge-
rechtigkeit“.

6376) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 65.

Drucksache 17/14600 – 734 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein weiteres Beispiel, wie die Ermittler – ob bewusst oder
unbewusst – das Verhalten von Zeugen oder Tatverdäch-
tigen mit ihrer Herkunft verknüpften, sind die Ermittlun-

gen der EG „Sprengstoff“ beim PP Köln, die für die Auf-
klärung des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße zu-

ständig war, gegen die Familie von Ö. Y. Er war der Be-

treiber des Frisör-Salons, vor dem die Nagelbombe ex-

plodierte und dessen bei ihm angestellter Bruder H. Y.

durch den Anschlag schwer verletzt wurde. Ein Anwoh-

ner hatte behauptet, Ö. Y. sei aufgrund seiner Leiden-

schaft für Glückspiele hochverschuldet und bei dem

Bombenanschlag habe es sich um einen Racheakt der

Gläubiger gehandelt.
6377

Nach zahlreichen Vernehmungen

von Familienangehörigen, Bekannten der Familie und

Anwohnern sowie auf Hören-Sagen beruhenden Hinwei-

sen von polizeilichen Informanten und umfangreichen

Finanzermittlungen kam die EG „Sprengstoff“ am
15. Dezember 2005 zu folgender Zusammenfassung:

„Die Familie führt ein geordnetes Familienleben.
[…] Ö. Y. wird als umgänglicher netter Mensch,
zuverlässiger Arbeitgeber und als guter Frisör be-

schrieben. Insbesondere aus den Aussagen der

ehemaligen Geschäftspartner ist zu entnehmen,

dass es sich bei dem Frisörsalon Ö. Y. um einen

Laden handelt, der mehr nach tür-

kisch/orientalischen Grundsätzen geführt wird und

nicht mit westeuropäisch ausgerichteter Geschäfts-

führung zu vergleichen ist. Bezahlung der Ange-

stellten und Geschäftspartner war nicht konkret

vertraglich geregelt und erfolgte in der Regel auch

in bar. […] Ob Personen aus dem ‚Milieu‘ zum
Kundenkreis des Frisörs gehören, konnte nicht ve-

rifiziert werden. Männliche Personen, die groß und

auffallend kräftig waren, sind durchaus im Salon

verkehrt.“6378

„Ich durfte mir sieben Jahre lang anhören, dass ich
in mafiöse Machenschaften verstrickt bin“,

sagte Ö. Y. nach dem 4. November 2011.

„Sie haben mich vor den Augen meiner beiden
Kinder immer wieder abgeholt, um mich zu verhö-

ren.“

Er sollte Namen nennen, man warf ihm vor, nicht koope-

rieren zu wollen. Ö. Y. fühlte sich Medienberichten zufol-

ge derart unter Druck gesetzt, dass er an Selbstmord dach-

te.
6379

Ein nicht-ethnisierender Blick auf die Familie des achten

NSU-Mordopfers, Halit Yozgat, findet sich im Ab-

schlussbericht der MK „Café“ in Kassel. Nach Abschluss
der Strukturermittlungen gegen die Familie von Halit
6377) Vermerk der EG „Sprengstoff“ vom 14. November 2004 MAT

A GBA-4/24e, Bl. 2 f.

6378) Vermerk der EG „Sprengstoff“ vom 15. Dezember 2005, MAT
A GBA-4/24e, Bl. 50 f.

6379) Kölner Stadtanzeiger vom 27. Februar 2013, „Polizeipräsident
entschuldigt sich“.

Yozgat stellte die MK „Café“ am 21. September 2006
fest,

„dass es sich bei der Familie des Opfers um eine
‚normale‘ Familie mit alltäglichen Problemen han-
delt. […] Im Rahmen der Strukturermittlungen
konnten keine Hinweise auf ein mögliches Tatmo-

tiv erlangt werden. Ferner gibt es keine Hinweise,

dass das Mordopfer Halit Yozgat oder andere Fa-

milienangehörige Kontakt zur sog. Organisierten

Kriminalität haben/hatten.“6380

Der Zeuge Hoffmann von der MK „Café“ hat die Ermitt-
lungen im Opferumfeld wie folgt zusammengefasst:

„Aus der Familie kamen dann Hinweise darauf,
dass möglicherweise ein Konflikt zwischen Halit

Yozgat und einem türkischen jungen Mann eine

Ursache bilden konnte. Hintergrund war, dass ei-

nige Zeit zuvor eine jüngere Schwester von Herrn

Yozgat ein Verhältnis oder eine Beziehung zu ei-

nem jungen Mann hatte, die in die Brüche gegan-

gen ist. In der Folge dieser Auseinandersetzung

gab es eine Tätlichkeit zwischen dem Halit Yozgat

und dem jungen Mann, bei dem Halit Yozgat dem

anderen jungen Mann das Nasenbein brach. Und

die Familie mutmaßte, dass das eventuell eine Ra-

che dieser Familie sein konnte. Noch in der Nacht

hat dann ein Einsatz unseres Spezialeinsatzkom-

mandos stattgefunden, weil der Hinweis auf eine

Waffe ja gegeben war. Im Ergebnis war es so, dass

der Tatverdacht gegen die Personen sich nicht er-

härtet hatte. Es konnte also ausgeschlossen wer-

den.“6381

Der Zeuge Hoffmann hat außerdem ausgesagt, dass Kon-

takte zum Vater des Ermordeten gepflegt worden seien.

Die Ermittler hätten Herrn Yozgat immer wieder erklärt,

wie die Dinge, die in der Presse verbreitet wurden, aus

ihrer Sicht zu bewerten seien. Herr Yozgat habe auch

gegenüber Dritten das Verhältnis zu dem Chefermittler

als freundschaftlich bezeichnet.
6382

So führte ein Beamter

der MK „Café“ im Februar 2007 ein erneutes Gespräch
mit İsmail Yozgat und dessen Ehefrau. Dabei wurde zum
einen deutlich, dass die Familie sehr darunter litt, dass sie

nichts über das Motiv der Täter wusste und um psycholo-

gische Beratung in türkischer Sprache bat. Dann fragte

İsmail Yozgat den Beamten der MK „Café“, ob er sich
einen Anwalt nehmen bzw. Akteneinsicht beantragen

solle. Anstatt Ismail Yozgat über seine Rechte als Neben-

kläger aufzuklären – zu diesen Rechten gehört die anwalt-
liche Vertretung während des Ermittlungsverfahrens und

die Akteneinsicht – entgegnete der Beamte laut Vermerk,
6380) Vermerk der MK „Café“ vom 21. September 2006, MAT A

GBA-4/10g (neu), Bl. 18.

6381) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 83.

6382) Hoffmann, Protokoll-Nr. 21, S. 113.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 735 – Drucksache 17/14600

„dass er momentan keinen Sinn in der Einschal-
tung eines Rechtsanwalts sehe.“6383

Auch der Zeuge Gricksch vom PP Dortmund hat betont,

dass ihm die Betreuung der Angehörigen durch die Kolle-

gen, die vor Ort sind, wichtig sei. Dies liege unter ande-

rem daran, dass er ausgebildeter Opferbetreuer sei. Die

Beamten würden versuchen, über die Opfer an die Täter

heranzukommen. Das habe damit zu tun, dass die weit

überwiegende Zahl von Tötungsdelikten ihren Ursprung

im familiären Umfeld hat. Von daher sei es eigentlich

zwangsläufig, da eine enge Beziehung aufzubauen. In

Dortmund werde für besondere Ereignisse, unter anderem

zum Beispiel für Geiselnahmen, sogar ein Einsatzab-

schnitt gebildet, der sich ausschließlich mit der Frage

beschäftige: Wie kümmert sich die Polizei um die Op-

fer?
6384

c) Erfahrungen der Opfer über die Ermittlun-
gen hinaus

Für den Umgang mit der Trauer und der Verzweiflung

sowie für die Möglichkeit des Verarbeitens eines so

schweren Schicksalsschlags ist es erforderlich, dass die

Opfer nicht zusätzlich zu ihrer schweren Situation mit

Verdächtigungen oder daraus resultierend mit sozialem

Ausschluss belastet werden.

Semiya Şimşek äußerte auf der Gedenkveranstaltung:

„die Familien der Opfer konnten elf Jahre lang
keine Opferfamilien sein.“6385

Die Sachverständige Prof. John – Ombudsfrau für die
Opfer und Opferangehörigen der Zwickauer Terrorzelle –
hat dazu betont:

„Es gehört ja auch zur Bewältigung einer Tat dazu,
dass man die Opferrolle annimmt und dann den

Weg als Opfer beschreiten kann.“6386

Auch die vom Ausschuss geladene Sachverständige Mar-

tina Linke, von der Opferhilfe-Organisation „Weißer
Ring“, unterstrich, dass eine

„Aufarbeitung des erlittenen Unrechts […] erst
nach der Anerkennung als Opfer beginnen“

kann.
6387

Inwieweit die Opfer und deren Angehörige im Zusam-

menhang mit den einzelnen Taten der Mordserie und der

Sprengstoffanschläge als Täter oder Beteiligte verdächtigt

wurden, wird in den jeweiligen Abschnitten näher behan-

delt. In diesem Zusammenhang wird auch der Frage

nachgegangen, inwieweit es grundsätzlich erforderlich ist,

Ermittlungen im Opferumfeld durchzuführen.
6383) Vermerk der MK „Café“ vom 9. Februar 2007, „Gefährdungs-

lage Temme“, MAT A GBA-4/11f (neu), Bl. 55.

6384) Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 109 f.

6385) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 14.

6386) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 14.

6387) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.

Auch heute noch wird den Familien Fremdenfeindlichkeit

entgegengebracht. Als Beispiel hierfür hat die Ombuds-

frau Prof. John die Vorkommnisse in einer Kölner Be-

rufsschule genannt, in welcher ein Opfer des Nagelbom-

benanschlags von rechtsradikalen Jugendlichen täglich

mit den Worten „Heil Hitler!“ begrüßt worden sei. Eine
Reaktion durch die Lehrer oder den Schulleiter sei nicht

erfolgt.
6388

Bei den Behörden erfahren die Opfer und deren Angehö-

rige häufig ein „standardmäßiges“ Verhalten. Zusammen-
hänge zu den Straftaten werden, wenn es um Anträge geht

– von der Beantragung einer Wohnung bis hin zur Staats-
bürgerschaft – nicht immer hergestellt.6389 Um den beson-
deren Gegebenheiten gerecht zu werden, hat Prof. John

angemahnt, die Fälle der Betroffenen der NSU-Taten bei

den Behörden als Härtefall einzustufen. Dies soll gewähr-

leisten, dass eine rasche und adäquate Bearbeitung der

Anliegen erfolgt. In einigen Bundesländern wurde eine

gesonderte Behandlung dieser Fälle bereits umgesetzt.
6390

Ein weiteres Problem im Umgang speziell mit den Opfern

und deren Angehörigen der Taten des NSU liegt darin,

dass diese nicht über die laufenden Ermittlungen und

deren Ergebnisse informiert werden. So wurde den Be-

troffenen nach den teilweise jahrelangen Verdächtigungen

nicht mitgeteilt, dass sie aufgrund aktueller Ermittlungen

nun nicht mehr als Tatverdächtige im Mittelpunkt der

Ermittlungen stehen. Diese Information erhielten sie aus

der Presse. Einige Familien wurden nach mehreren Tagen

von der Polizei unterrichtet.
6391

Lediglich über einen

Rechtsanwalt konnten Informationen über den Stand der

Ermittlungen in Erfahrung gebracht werden.
6392

Damit

wurde dem dringenden Wunsch der Angehörigen, in die

laufenden Ermittlungen einbezogen zu werden, nur unge-

nügend Rechnung getragen.

3. Mögliche Schäden der Opfer rassistischer
und rechtsextremistischer Taten und de-
ren Angehörigen, insbesondere der Betrof-
fenen der Taten des NSU

Opfer von Verbrechen erleiden verschiedene Arten von

Schäden. Neben körperlichen Beeinträchtigungen und

Gesundheitsschäden und den dazugehörigen Kranken-

und Heilbehandlungskosten, sind bei den Opfern des

NSU und deren Angehörigen erhebliche wirtschaftliche

Einbußen wie Verdienstausfälle und weitere materielle

Schäden zu verzeichnen. Auch psychische Folgen und

ideelle Schäden wurden erlitten.

Außerdem sind Nachteile für die Kinder der Opfer ent-

standen. Im Zusammenhang mit den Taten des NSU, die

bereits bis zu dreizehn Jahre zurückreichen, hat Prof. John

darauf hingewiesen, dass einige Angehörige ihr Studium
6388) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 4.

6389) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 58.

6390) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 69.

6391) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 3.

6392) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 19.

Drucksache 17/14600 – 736 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht hätten weiterführen können. Als sie einige Jahre

später ihr Studium wieder aufgenommen hätten, sei ihr

BAföG-Anspruch entfallen. Hierdurch seien hohe Belas-

tungen für die betroffenen Personen entstanden. Zwar

treffe dieses Problem nicht lediglich Opferangehörige,

sondern viele Studenten. Allerdings handele es sich be-

züglich der Opferangehörigen um direkte oder indirekte

Folgen der Taten.
6393

Ein besonderes Problem habe sich für Kleinunternehmer

ergeben. Deren Versicherungen lehnten ein Aufkommen

für die aus den Anschlägen resultierenden Schäden vor-

erst ab. Grund hierfür war, dass zunächst kein Täter be-

kannt war.
6394

Nach Bekanntwerden der Täterschaft seien

die Ansprüche teilweise verjährt.
6395

4. Umgang mit Opfern rassistischer und
rechtsextremistischer Straftaten im Allge-
meinen

Der Ausschuss hat sich mit der Frage beschäftigt, mit

welchen besonderen Problemen Opfer rechtsextremisti-

scher Gewalt konfrontiert sind.

Zum Umgang mit Opfern rechter Gewalt hat die Sachver-

ständige Christina Büttner, Mitarbeiterin der mobilen

Opferberatungsstelle „ezra“, aus der während ihrer Tätig-
keit gewonnenen Erfahrung berichtet. Sie hat dargelegt,

dass in vielen Fällen derartige Taten bei der Polizei nicht

als solche gewürdigt oder gar nicht erst aufgenommen

worden seien. Erst durch Heranziehung eines Rechtsan-

walts und der Opferberatung sei eine Anzeige erfolgt.

Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Taten wer-

de etwa aufgrund sprachlicher Kommunikationsbarrieren

teilweise nicht zugehört. Mehrfach habe es an einer Initia-

tive gefehlt, einen Rahmen zu schaffen, in welchem eine

Äußerung des Opfers möglich gewesen wäre. Stattdessen

seien die Betroffenen ohne weitere Ansprache, ärztliche

Behandlung, Begleitung oder Unterstützung nach Hause

geschickt worden.
6396

Bei Opfern rechter Gewalt trete oft

eine Art Mechanismus ein, der bewirke, dass das Anlie-

gen der Betroffenen in einen Vorwurf umgekehrt werde –
aus der Opferrolle werde eine Täterrolle kreiert. So würde

häufig davon ausgegangen, dass jemand, der Opfer rech-

ter Gewalt werde, hierfür etwas getan haben müsse, dass

er also etwa durch Provokation den Anlass für diesen

Angriff geschaffen habe.
6397

Martina Linke hat sich zu der Behandlung der Betroffe-

nen durch die Behörden und der Zuerkennung der Opfer-

rolle wie folgt geäußert:

„Die öffentliche Anerkennung des erlittenen Un-
rechts – vorzugsweise natürlich durch ein Ge-
6393) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 2 f.

6394) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18, anders verhält es sich diesbezüg-

lich beim Opferentschädigungsgesetz, welches unter J.II.1 nä-

her erläutert wird.

6395) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.

6396) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 25 f.

6397) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

richtsverfahren – ist für die Opfer und für die mit-
telbaren Opfer aber von entscheidender Bedeu-

tung. Sehr häufig berichteten sie uns vom Verlust

ihrer Würde durch die Ermittlungsbehörden und

davon, dass sie erst durch die Opferhelfer das erste

Mal eine achtsame Behandlung bekommen ha-

ben.“6398

Der Diplomkriminalist Günter Schicht, der sich dafür

einsetzt, die Polizeiarbeit bezüglich des rechtsextremisti-

schen Bereichs zu sensibilisieren, hat darauf hingewiesen,

dass ein Spannungsverhältnis zwischen der Arbeit der

Ermittlungsbehörden und dem Umgang mit Opfern als

Zeugen besteht, welches es durch Sensibilität und Profes-

sionalität auszugleichen gilt:
6399

„Ermitteln, ohne Leid zu steigern - das ist immer
ein Spannungsfeld, wenn ich mit Opfern umgehe.

Opfer sind Zeugen, und von Zeugen brauche ich

Informationen, um zu ermitteln. Das Ganze kann

natürlich zu einer Retraumatisierung, zu einer se-

kundären Viktimisierung führen. Das Opfer erlei-

det noch einmal Leid. Hier sozusagen die Grat-

wanderung zu finden, das Fingerspitzengefühl zu

haben - das ist dann auch wieder eine Frage von

Professionalität oder eben Unprofessionalität,

wenn die Alltagsroutine den Polizeibeamten dazu

bringt, dass er gewisse Aspekte völlig ausblendet

und sagt: Du hast mir gefälligst zu sagen oder Sie

haben mir gefälligst zu sagen, was ich wissen

will.“6400

II. Möglichkeiten des Ausgleichs der ent-
standenen Nachteile

Um die Schäden der Opfer von Straftaten auszugleichen,

sind einige Opferrechte gesetzlich festgehalten. Daneben

bestehen weitere Möglichkeiten, finanzielle Unterstüt-

zung zu erhalten.

1. Opferentschädigungsgesetz

Unabhängig von allgemeinen sozialen Sicherungssyste-

men regelt das Opferentschädigungsgesetz die Vorausset-

zungen einer eigenständigen staatlichen Entschädigung

für Opfer von Gewalttaten.
6401

Nach § 1 Abs. 1 des Opferentschädigungsgesetzes erhält

ein Opfer, das infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen

tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlit-

ten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen

Folgen unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag

Versorgung in entsprechender Anwendung der Folgen des

Bundesversorgungsgesetzes.
6398) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.

6399) Schicht, Protokoll-Nr. 72, Bl. 63.

6400) Schicht, Protokoll-Nr. 72, Bl. 63.

6401) BMAS,Opferentschädigungsrecht,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Soziale-

Entschaedigung/Opferentschaedigungsrecht/oeg.html.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 737 – Drucksache 17/14600

Auch Hinterbliebene erhalten in entsprechender Anwen-

dung des Bundesversorgungsgesetzes auf Antrag Versor-

gung.
6402

Für Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft

gelten besondere Vorschriften.
6403

In den Anwendungsbe-

reich des Opferentschädigungsgesetzes fallen Gesund-

heitsschäden, wozu auch psychische Beeinträchtigungen

gezählt werden, sowie wirtschaftliche Folgen dieser

Gesundheitsschädigung.
6404

Welche genauen Hilfen erfol-

gen können, ist einzelfallabhängig.
6405

Das Opferentschä-

digungsgesetz sieht Heilbehandlungen, Versorgungskran-

kengeld bei schädigungsbedingter Arbeitsunfähigkeit,

Grundrenten, Pflegezulagen, Witwen- und Waisenversor-

gung, Elternversorgung, Bestattungsgeld, Ausgleichsren-

ten, Berufsschadenausgleich, Hilfen zur Rehabilitation

oder Beihilfen vor.
6406

Nicht vom Opferentschädigungs-

gesetz umfasst sind Sach- und Vermögensschäden sowie

Schmerzensgeld.
6407

Ein Strafurteil ist für die Geltendmachung des Anspruchs

nicht erforderlich.
6408

Es ist ein formloser Antrag zu stel-

len.
6409

Problematisch ist nach Angabe von Prof. John, dass das

Opferentschädigungsgesetz von den Landesversorgungs-

ämtern ausgeführt wird und die Auszahlung der Entschä-

digung in deren Ermessen liegt. So erhielt ein Geschädig-

ter, dessen Oberkörper durch den Anschlag in Köln

schwer verletzt wurde, die Zahlungen nur, solange er sich

in psychologischer Behandlung befand. Nach Abbruch

der Behandlung wurden die Zahlungen sofort eingestellt.

Bei Wiederaufnahme der Behandlung wurden sie wieder

aufgenommen.
6410

Auch wenn der Täter nicht bekannt ist, sieht das Opfer-

entschädigungsgesetz einen Ausgleich vor.
6411
6402) http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/oeg/gesamt.pdf.

6403) Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich Bürger aus EU-
Mitgliedsstaaten bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum oder

wenn im Heimatstaat eine ähnliche Versorgung für Deutsche

vorgesehen ist. Hält sich der Bürger eines solchen Landes seit
mindestens drei Jahren in Deutschland auf, entsprechen seine

Ansprüche den Ansprüchen eines Deutschen. Bei einem Auf-

enthalt unter drei Jahren erhält ein Bürger ausschließlich ein-
kommensunabhängige Leistungen.

6404) BMAS,Opferentschädigungsrecht,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Soziale-
Entschaedigung/Opferentschaedigungsrecht/oeg.html.

6405) https://www.weisser-ring.de/index.php?id=8389.

6406) https://www.weisser-ring.de/index.php?id=8389.

6407) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 48.

6408) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 47.

6409) BMAS,Opferentschädigungsrecht,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Soziale-
Entschaedigung/Opferentschaedigungsrecht/oeg.html.

6410) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 17.

6411) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.

2. Opferfonds für rechtsextremistische Straf-
taten

Von den Ansprüchen aus dem Opferentschädigungsgesetz

ist die Soforthilfe aus dem Opferfonds für extremistische

Übergriffe zu trennen.
6412

Für Opfer extremistischer Ge-

walt besteht die Möglichkeit, eine Entschädigungssumme

aus diesem Fonds zu erhalten.
6413

Diese Mittel werden seit

dem Haushaltsjahr 2001 vom Deutschen Bundestag zur

Verfügung gestellt.
6414

Die Bundesregierung hat im Janu-

ar 2012 begonnen, diese Hilfen an die Opfer und Angehö-

rigen der Taten des NSU auszuzahlen.
6415

Es handelt sich

um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch

besteht.
6416

In den Zahlungen ist keine Wiedergutmachung zu sehen.

Das Geld soll stattdessen dazu beitragen, bei der Bewälti-

gung von anfänglichen Problemen zu helfen.
6417

Begli-

chen werden können hierdurch etwa unmittelbare Ver-

dienstausfälle.
6418

Weiterhin erfolgen Leistungen für Kör-

perschäden, Verletzungen des Persönlichkeitsrechts, Un-

terhaltsschäden sowie weitere Nachteile im beruflichen

Fortkommen. Sachschäden fallen nicht unter die ersetzba-

ren Schäden.
6419

Dies war für die Familie Y. in Köln,

deren Friseursalon beim Nagelbombenanschlag zerstört

wurde, ein großes Problem. Die Familie hat keine Erstat-

tung der Schäden in ihrem Laden erhalten.
6420
6412) Hiervon zu unterscheiden sind die Härteleistungen für Opfer

terroristischer Straftaten. Die verschiedenen Arten von Härte-
leistungen basieren auf unterschiedlichen Richtlinien, allerdings

bestehen große Überschneidungsbereiche. So sind beispielswei-

se die Voraussetzungen zur Auszahlung einer Härteleistung
ähnlich. Maßgeblicher Unterschied ist allerdings, dass für die

Bewilligung einer Härteleistung für Opfer terroristischer Straf-

taten feststehen muss, dass es sich um die Tat einer terroristi-
schen Vereinigung handelt. Um (vor allem am Anfang) eine

möglichst zeitnahe Auszahlung und somit eine effizientere Hil-

fe für die Opfer und Angehörigen der NSU-Taten zu ermögli-
chen, fallen diese unter die Opfer extremistischer Übergriffe, da

für die Gewährleistung dieser Zahlungen bereits eine hohe
Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen extremistischen

Übergriff handelt, ausreicht.

Vgl.
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/

Opferhilfe/terroristisch/Haerteleistung_node.html und

https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.

6413) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11; die tageszeitung vom 8. Februar

2012, „Die Angst vor Anschlägen bleibt – Nazi-Terror – Die
Ombudsfrau für die Opferangehörigen, Barbara John, über Po-

lizei, Aufklärung und Erinnerung“.

6414) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,

https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/

Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.

6415) die tageszeitung vom 8. Februar 2012, „Die Angst vor An-
schlägen bleibt“.

6416) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 49.

6417) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 10.

6418) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11.

6419) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/

Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.

6420) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 66.

Drucksache 17/14600 – 738 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Neben der Unterstützung der Betroffenen soll mit der

Soforthilfe signalisiert werden, dass derartigen Übergrif-

fen hohe Missachtung entgegengebracht wird und es soll

bekundet werden, dass der Staat und die Bürger sich soli-

darisch mit den Betroffenen zeigen.
6421

Die Höhe der Entschädigung liegt bei bis zu 10 000 Eu-

ro.
6422

Ob und in welcher Höhe eine Entschädigung ge-

währt wird, wird nach Billigkeitsgrundsätzen entschie-

den.
6423

Das Geld wird nicht nur an das Opfer, sondern auch an

die Hinterbliebenen gezahlt.
6424

Auch Ausländer, die sich

berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten,

sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen an-

spruchsberechtigt.
6425

Kennzeichnend für den Fonds ist,

dass der Betrag ohne großen bürokratischen Aufwand und

vor allem schnell gezahlt wird.
6426

Keine Voraussetzung

für die Antragsberechtigung ist, dass zweifelsfrei eine

extremistische Tat vorliegen muss. Bereits das Bestehen

einer hohen Wahrscheinlichkeit eines extremistischen

Übergriffs ist ausreichend.
6427

Eine Zahlung erfolgt nur auf Antrag.
6428

Einige Berechtig-

te haben diesen erforderlichen Antrag auf Entschädigung

allerdings nicht gestellt. Dies ist darauf zurückzuführen,

dass Kommunikationshindernisse vorliegen, da sich die

entsprechenden Personen in der Türkei aufhalten oder

ihnen die Information fehlte, dass eine Entschädigung

eingefordert werden kann.
6429

Nach Darlegungen der Sachverständigen Prof. John war

anfangs problematisch, dass viele der Familien auf die

Inanspruchnahme von Grundsicherung angewiesen wa-

ren. Für die Prüfung des Anspruchs auf Grundsicherung

werden jedoch die Konten des Anspruchstellers überprüft,

auf denen nach der Zahlung der Entschädigungssumme

diese entsprechende Summe verzeichnet war. Als Folge

wurde der Betrag der Grundsicherung mit dem Betrag der

Entschädigung verrechnet, was letztlich dazu führte, dass

sich die Grundsicherung entweder erheblich verringerte
6421) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,

https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/O

pferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.

6422) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 3, 11.

6423) Merkblatt zur Entschädigung von Opfern extremistischer

Übergriffe,
https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen

/Opferhilfe/Merkblatt_Entschaedigungsleistung_de.pdf?__blob

=publicationFile&v=6.

6424) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 10.

6425) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,

https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/
Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.

6426) SPIEGEL online vom 22. Februar 2012, „Entschädigung der
Hinterbliebenen – Das traurige Erbe des Neonazi-Terrors“.

6427) Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe,

https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/

Opferhilfe/extremistisch/Haerteleistung_node.html.

6428) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 50.

6429) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 10, 18.

oder gänzlich wegfiel.
6430

Parallel zum Verfahren konnte

jedoch sichergestellt werden, dass eine Anrechnung von

Sozialleistungen bezüglich des Opferfonds künftig nicht

mehr stattfindet.
6431

Anwaltskosten werden von diesem Fonds nicht über-

nommen. Viele Rechtsanwälte bieten ihre Leistungen für

die Opfer kostenfrei an. Auch Bestattungskosten wurden

erst durch nachträgliche Vereinbarung mit dem Justizmi-

nisterium übernommen.
6432

Kritik hat Prof. John an der Höhe der Entschädigung

geübt. Diese sei unverhältnismäßig gering.
6433

Die Ab-

wicklung laufe aber flüssig, schnell und mit einer guten

Verbindung zu den Opfern.
6434

Eine Informationsveran-

staltung zum Opferfonds hat am 14. Juni 2012 stattgefun-

den. Anwesend waren Opferverbände, die türkische Bot-

schaft, der Zentralrat der Muslime, Landesjustizverwal-

tungen, Polizeibehörden und der Deutsche Anwaltsver-

ein.
6435

Mit Stand vom 26. April 2013 haben die Opfer und deren

Angehörigen bisher insgesamt 1 Mio. Euro erhalten.
6436

3. Weitere Möglichkeiten finanzieller Unter-
stützung

a) Stiftungen der Länder

Grundsätzlich ist die Opferhilfe in der Bundesrepublik

Deutschland Ländersache.
6437

In einigen Bundesländern

existieren Stiftungen, die den Opfern, welche weder vom

Täter noch vom Sozialsystem eine Entschädigung erhal-

ten, schnell und unbürokratisch einen finanziellen Aus-

gleich gewähren. Sinn und Zweck dieser Stiftungen ist es,

vorhandene Lücken, beispielsweise des Opferentschädi-

gungsgesetzes, zu schließen und zu gewährleisten, dass

ein Opfer nicht ohne Unterstützung verbleiben muss.
6438

Übernommen werden teilweise Sach- und Vermögens-

schäden, die von keiner Versicherung gezahlt werden,

sowie Schmerzensgeld.
6439
6430) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 3.

6431) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 40.

6432) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11.

6433) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11. John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 67.

6434) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.

6435) Bericht der Bundesregierung über die nach dem 4. November

2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe

NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und
Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen vom 26. April 2013.

6436) Bericht der Bundesregierung über die nach dem 4. November

2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe
NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und

Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen vom 26. April 2013.

6437) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 60.

6438) Vgl. http://www.opferhilfebayern.de/,

http://www.opferhilfe.niedersachsen.de/nano.cms/Hilfe-fuer-
Betroffene.

6439) http://www.justiz.baden-

wuerttem-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 739 – Drucksache 17/14600

b) Spenden für Nebenkläger

Treten die Betroffenen als Nebenkläger im Prozess gegen

Zschäpe und weitere Angeklagte vor dem OLG München

auf, haben sie die Möglichkeit, Spendengelder in An-

spruch zu nehmen. Die katholische und die evangelische

Kirche Bayerns haben jeweils 20 000 Euro gespendet.

Hinzu kommen Privatspenden, woraus sich eine Summe

von 55 000 Euro ergibt. Dieser Betrag wird unter anderem

für die anfallenden Reisekosten der Nebenkläger, soweit

diese nicht durch den Staat übernommen werden, sowie

für die Aufenthaltskosten in München verwendet.
6440

III. Beratungs- und Anlaufstellen für die Opfer

Allgemeine Hinweise für Opfer unterschiedlicher Taten,

wie bei der Beantragung von beispielsweise Entschädi-

gungszahlungen vorzugehen ist, worum es sich bei einer

Nebenklage handelt, wie anwaltlicher Beistand erhalten

werden kann, wer diese Kosten trägt oder wie Gerichts-

verhandlungen ablaufen, sind in der „OpferFibel“ des
Bundesministeriums für Justiz, die online abrufbar ist,

dargestellt. Auch die Soforthilfe für Opfer extremistischer

Übergriffe wird erwähnt.
6441

Ebenso sind die Opferhilfe-

stellen der jeweiligen Bundesländer sowie Kontaktdaten

in dieser „OpferFibel“ genannt.

Neben diesem Angebot besteht für die Opfer rechtsextre-

mistischer Gewalt die Möglichkeit, sich an die vorhande-

nen dezentralen Opferberatungsstellen zu wenden.
6442

Diese können fachliche Informationen liefern, aktive

Unterstützung leisten oder weitere Kontakte herstellen.
6443

Im Rahmen der zeitlich begrenzten Untersuchung hat sich

der Ausschuss nur mit zwei exemplarisch ausgewählten

Beratungsangeboten befassen können.

1. „Weißer Ring“

Der „Weiße Ring“ als eine der größten Opferhilfestellen
Deutschlands agiert seit 1976 bundesweit als Opferhilfe-

organisation für Opfer von Straftaten.
6444

Laut Vereins-

name handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein zur

Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung

von Straftaten.
6445

Die Einrichtung umfasst etwa 55 000

Mitglieder und 3 000 ehrenamtliche Mitarbeiter verschie-

dener Berufe.
6446

Die Opferhilfen reichen von Beratungen

zum Umgang mit Behörden, einfachem menschlichem

Beistand und Betreuung
6447

, über Aufmerksamkeiten,
berg.de/servlet/PB/menu/1238843/index.html?ROOT=

1155174, http://www.landesstiftung-opferschutz.de/.

6440) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 67.

6441) BMI, OpferFibel – Rechte von Verletzten und Geschädigten im
Strafverfahren, S. 49.

6442) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 53.

6443) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 54.

6444) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

6445) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 38.

6446) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

6447) https://www.weisser-ring.de/internet/so-helfen-

wir/opferhilfe/index.html.

Beratungsschecks für Rechtsberatungen oder psychosozi-

ale Unterstützung, Ferienhilfen oder sonstigen Opferhil-

fen, die per Vorleistung erfolgen können, bis hin zu So-

forthilfen für tatbedingte Notlagen, die dabei helfen sol-

len, die Lebenshaltungskosten weiterhin aufbringen zu

können.
6448

Das Angebot des „Weißen Rings“ umfasst
auch präventive Projekte.

6449
Unabhängig welches Tatmotiv mit dem jeweiligen An-

griff verfolgt wurde, kann sich jedes Opfer an den „Wei-
ßen Ring“ wenden.6450 Entweder nehmen die Opfer von
sich aus Kontakt auf, es entsteht ein Kontakt durch die

geleistete Öffentlichkeitsarbeit, es werden Opferhelfer

entsandt, die auf die jeweiligen Opfer zugehen, oder der

Kontakt wird durch die Polizei hergestellt.
6451

Die Opfer-

helfer kommen aus verschiedenen Berufsgruppen. Kenn-

zeichnend ist, dass sie alle aktiv helfen wollen und zuhö-

ren können.
6452

Hierzu finden bundeseinheitliche Ausbil-

dungsseminare statt, die erst dazu berechtigen, ehrenamt-

lich als Opferberater tätig zu werden.
6453

In diesen Semi-

naren erfolgt eine Sensibilisierung für die Beratung von

Menschen mit Migrationshintergrund bzw. es weisen

auch einige Opferhelfer selbst einen solchen Hintergrund

auf.
6454

Mit der Polizei besteht abgesehen von wenigen

Ausnahmen eine sehr gute und konstruktive Zusammen-

arbeit.
6455

Auch werden die Opfer in der Beratung über

die Möglichkeit informiert, Anzeige bei einer Ermitt-

lungsbehörde zu erstatten.
6456

Die Finanzierung des „Weißen Rings“ erfolgt über Mit-
gliedsbeiträge, Spenden, Geldbußen und testamentarische

Zuwendungen.
6457

Neben der Unterstützung, welche die Opfer und ihre An-

gehörigen durch Prof. John erfahren haben, wandte sich

auch der „Weiße Ring“ an die Opferfamilien der Zwi-
ckauer Terrorzelle und gab Ratschläge sowie Hinweise

auf das Opferentschädigungsgesetz,
6458

und zwar für 26

Opfer und Hinterbliebene.
6459

Fragen zur Schuldenbeglei-

chung oder zum weiteren Vorgehen konnten hier jedoch

nur teilweise beantwortet werden, da auch größere Ein-

richtungen wie der „Weiße Ring“ nur eingeschränkte
Kapazitäten haben.

6460
Wie die Sachverständige Martina Linke dargelegt hat,

erhielten die Opfer und deren Angehörige hier aber eine

Anlaufstelle, bei welcher ihnen das erste Mal im Ge-
6448) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

6449) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 31.

6450) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

6451) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.

6452) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 28.

6453) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 29.

6454) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 35.

6455) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 30.

6456) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 36.

6457) https://www.weisser-ring.de/internet/weisser-ring/index.html.

6458) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 18.

6459) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

6460) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 54.

Drucksache 17/14600 – 740 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

spräch mit den Opferhelfern geglaubt wurde, ohne dass

das Tatmotiv oder der Täter bekannt waren.
6461

2. „ezra“

Exemplarisch soll hier auch die Opferberatungsstelle

„ezra“ dargestellt werden. „ezra“ ist eine von den staatli-
chen Behörden unabhängige Beratungsstelle,

6462
die seit

Anfang April 2011 in Trägerschaft der Evangelischen

Kirche Mitteldeutschlands ist und das Ziel hat, Opfer

rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, deren

Angehörige sowie Zeugen zu unterstützen und zu bera-

ten.
6463

Auch Opfer von Angriffen aufgrund von sexueller

Orientierung, Behinderung, sozialer Benachteiligung oder

religiöser Zugehörigkeit finden Hilfe bei „ezra“.6464 Es
handelt sich um eine mobile Beratungsstelle mit „aufsu-
chendem Arbeitseinsatz“ und der Möglichkeit der Bera-
tung vor Ort,

6465
die im Bereich Thüringen tätig ist.

6466
Ein Tätigwerden geschieht in Zusammenarbeit mit Perso-

nen aus der Zivilgesellschaft sowie aus der Politik.
6467

Eine Beratung findet nur auf freiwilliger Basis statt. Ne-

ben der Begleitung und Unterstützung der Betroffenen bei

der Bewältigung von durch die Tat entstandenen Proble-

men, bietet „ezra“ auch die Durchführung von Gefahren-
analysen an, um die Opfer auch in Zukunft zu schützen

bzw. eine Abkehr vom bisherigen Sozialverhalten zu

verhindern.
6468

Um das Ausmaß der Problematik rechts-

extremistischer Gewalt darzustellen, finden Dokumentati-

onen sowie Recherchen zu erfolgten Angriffen statt. Es

handelt sich insofern um ein „unabhängiges Monitoring“
der Zivilgesellschaft, welches bekannte rechte, rassisti-

sche und antisemitische Taten abbilden soll.
6469

Auch

wenn Übersetzungen notwendig werden, für welche die

Polizei keine Möglichkeiten hat, wird die Opferberatung

unterstützend tätig.
6470

Die Kontaktaufnahme mit „ezra“ erfolgt meist durch
Kontaktpersonen vor Ort. Seltener findet sie durch ano-

nyme Briefe von „ezra“ statt, die aufgrund eigener Re-
cherche nach Vorfällen über die Polizei an die Opfer

geleitet werden.
6471

Eine Auslage von Flyern bei der Poli-

zei wurde vom Thüringer Innenminister nicht bewilligt,

da bereits Informationen über den „Weißen Ring“ auslä-
gen. Dies ist von Nachteil, da viele Betroffene keine

Kenntnis darüber haben, dass eine derartige Unterstüt-

zung möglich ist.
6472
6461) Linke, Protokoll-Nr. 6, Bl. 27.

6462) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.

6463) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 23.

6464) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.

6465) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.

6466) http://www.ezra.de/.

6467) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 29.

6468) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 32.

6469) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 23 f.

6470) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 25.

6471) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 30.

6472) Büttner, Protokoll-Nr. 6, Bl. 30.

Die Förderung von „ezra“ erfolgt durch das Thüringer
Landesprogramm für „Demokratie, Toleranz und Weltof-
fenheit“ und das Bundesprogramm „Toleranz fördern -
Kompetenz stärken“.6473

3. Beratungsangebot in Köln

Wie Presseverlautbarungen zu entnehmen ist, soll ab Juli

2013 ein weiteres Beratungsangebot für Betroffene der

Anschläge des NSU in Köln zur Verfügung stehen. Die

Beratungsstelle für die Opfer der Taten richtet sich an

direkt oder indirekt Betroffene und leistet Unterstützung

bei juristischen, sozialen oder psychischen Problemen.

Die Finanzierung dieser Einrichtung erfolgt mit jeweils

7 000 Euro durch den Landschaftsverband Rheinland

(LVR) sowie durch das Land. Das Diakonische Werk des

Evangelischen Kirchenverbands übernimmt die Träger-

schaft. Das Angebot soll vorerst für ein halbes Jahr zur

Verfügung stehen. Es ist kostenlos und auf Wunsch ano-

nym und soll laut Oberbürgermeister Jürgen Roters die

bereits erbrachten Bemühungen ergänzen.
6474

IV. Schaffung von Orten des Gedenkens für
die Opfer, insbesondere für die Opfer des
NSU

Nach dem Bekanntwerden der eigentlichen Täter trugen

eine Gedenkfeier sowie eine Schweigeminute dazu bei,

dass die Opfer des NSU die Geschehnisse, ihre Trauer

und ihre Verletzungen öffentlichkeitswirksam in einem

würdigen Rahmen aufarbeiten konnten. Nach Berichten

von Prof. John ist die öffentliche Würdigung und Anteil-

nahme an ihrem Schicksal für die Opfer und ihre Angehö-

rigen – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wie-
dereingliederung in die Gesellschaft und der Verarbeitung

der Taten – von besonderer Bedeutung.6475 Wie bereits
erwähnt, äußerte Semiya Şimşek auf der Gedenkveranstal-
tung, dass es für sie und die anderen Opferangehörigen

von besonderer Bedeutung ist, nun endlich in der ihnen

zustehenden Rolle als Opferfamilien und nicht als Täter

die Taten verarbeiten zu können.
6476

Anfangs wies Prof. John darauf hin, dass es zu diesem

Zeitpunkt lediglich für Michèle Kiesewetter einen Ge-

denkort in Heilbronn gab.
6477

Mittlerweile wurden Ge-

denkorte in allen Tatortstädten errichtet, wobei der in

München erst noch eingeweiht wird.
6478

Es wurden Zei-

chen durch Umbenennungen von Straßen und Plätzen

gesetzt. Vor wenigen Wochen wurde in Hamburg ein

Antrag auf Umbenennung einer Straße zur Süleyman-

Taşköprü-Straße, nur wenige Meter vom Tatort entfernt,
6473) http://www.ezra.de/unsere-aufgabe/.

6474) Die Welt vom 26. Juni 2013, „Stadt will NSU-Opfer beraten“;
Kölnische Rundschau online vom 20. Juni 2013, „Wir sind
enorm spät dran“.

6475) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 11, 14.

6476) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 14.

6477) John, Protokoll-Nr. 6, Bl. 4.

6478) John, Protokoll-Nr. 72, Bl. 39.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 741 – Drucksache 17/14600

gestellt.
6479

In Kassel wurde ein Platz nach Halit Yozgat

benannt und in Nürnberg wurden zur Erinnerung

Gingkobäume gepflanzt.
6480

Sie sollen die „Einheit der
Verschiedenheit“ symbolisieren.6481 Auch stellte man
Gedenksteine auf. In Rostock kam es zu politischen Aus-

einandersetzungen, da der Ortsbeirat nicht dazu bereit

war, eine Straße nach Mehmet Turgut zu benennen.
6482

Letztlich wurde jedoch auch in Rostock entschieden, dass

ein Gedenkstein am Tatort aufgestellt wird.
6483

Die sieben von der Mordserie betroffenen deutschen Städ-

te beschlossen, dass sie gemeinsam in einer Initiative an

die Opfer der Taten des NSU erinnern und ein Zeichen

gegen rechtsextreme Gewalt setzen wollen. In Form einer

Gedenktafel wurde in jeder Stadt der gleiche Text veröf-

fentlicht, der eine gemeinsame Botschaft übermitteln soll.

Hierbei werden alle Opfer namentlich benannt, wodurch

der Seriencharakter der Taten verdeutlicht werden soll. Es

folgen das Datum sowie der Ort der Tat.
6484

Die gemein-

same Erklärung lautet:

„Neonazistische Verbrecher haben zwischen 2000
und 2007 zehn Menschen in sieben deutschen

Städten ermordet: Neun Mitbürger, die mit ihren

Familien in Deutschland eine neue Heimat fanden,

und eine Polizistin. Wir sind bestürzt und be-

schämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über

Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren:

Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie

wieder!“
6479) Stern vom 13. Juni 2013, „Straße der Versöhnung“.

6480) Stern vom 13. Juni 2013, „Straße der Versöhnung“.

6481) Süddeutsche Zeitung vom 21. März 2013, „Gedenkstätte der
NSU-Opfer – Vier Bäume für die Toten“.

6482) Stern vom 13. Juni 2013, „Straße der Versöhnung“.

6483) Schweringer Volkszeitung vom 20. Juni 2013, „Gedenkstein für
Rostocker NSU-Opfer“.

6484) Presseinformation Stadt Kassel vom 3. April 2012, „Sieben
deutsche Städte erinnern gemeinsam an die Opfer der Neonazi-

Mordserie“.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 743 – Drucksache 17/14600

K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten

I. Vernichtung von Akten im BfV nach dem
4. November 2011

1. Öffentliches Bekanntwerden und Unter-
richtung des Untersuchungsausschusses

Am 27. Juni 2012 hat der Staatssekretär im BMI, Klaus-

Dieter Fritsche, den Vorsitzenden des Untersuchungsaus-

schusses, Sebastian Edathy, telefonisch erstmals über die

Vernichtung von Beschaffungsakten im BfV im Zusam-

menhang mit der Operation „Rennsteig“ im Umfeld des
„Thüringer Heimatschutzes“ unterrichtet. Diese Akten-
vernichtung habe im November 2011 nach dem Aufflie-

gen des Trios stattgefunden.
6485

Bis zu diesem Zeitpunkt

habe das BfV berichtet, dass entsprechende Unterlagen

bereits lange vor Bekanntwerden der dem NSU zugerech-

neten Taten vernichtet worden seien.

Am 29. Juni 2012 übersandte Staatssekretär Fritsche dem

Untersuchungssauschuss den Bericht des Präsidenten des

BfV über die Operation „Rennsteig“ vom 28. Juni 2012
sowie eine Kurzinformation des Präsidenten des BfV vom

27. Juni 2012, in denen u. a. auch zu den bisherigen Er-

kenntnissen des BfV zur Aktenvernichtung am

11. November 2011 berichtet wurde.
6486

Am 2. Juli 2012 ersuchte der damalige Präsident des BfV,

Heinz Fromm, den Bundesminister des Innern, Dr. Hans-

Peter Friedrich, um seine vorzeitige Versetzung in den

Ruhestand.

Am 3. Juli 2012 beauftragte der Bundesminister des In-

nern, Dr. Friedrich, MinDirig Hans-Georg Engelke mit

der Untersuchung der Vernichtung von Akten im Zu-

sammenhang mit der Operation „Rennsteig“, insbesonde-
re zur Aufklärung der Vernichtung von Akten im BfV am

11. November 2011.
6487

MinDirig Engelke ist Beamter im

BMI und dort als Leiter der Stabsstelle Terrorismusbe-

kämpfung beschäftigt.
6488

MinDirig Hans-Georg Engelke

nahm am 10. Juli 2012 seine Tätigkeit als Sonderbeauft-

ragter des BMI auf.
6489

Am 4. Juli 2012 gingen dem Ausschuss zwei Er-

gänzungsberichte des BfV mit Stand vom 3. Juli 2012
6485) Protokoll-Nr. 25 vom 19. Juli 2012, (Beratungssitzung) (Tgb.-

Nr. 47/12 – VS-VERTRAULICH), S. 1.

6486) MAT B BfV-2 (Tgb.-Nr. 29/12 - GEHEIM).

6487) Schreiben StS Fritsche vom 4. Juli 2012, MAT B BfV-2/1

(Tgb.-Nr. 35/12 - GEHEIM), (VS-NfD); Engelke-Bericht vom
22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 2.

6488) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 85.

6489) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 86.

zu.
6490

Am 6. Juli 2012 legte das BMI dem Ausschuss

eine weitere Aktualisierung, datierend auf den

4. Juli 2012, vor.
6491

In dieser war ein Hinweis auf eine

weitere vom Referatsleiter Lingen veranlasste Aktenver-

nichtung in diesem Zusammenhang enthalten.

Am 13. Juli 2012 erhielt der Ausschuss schließlich die

dritte Aktualisierung des Berichts mit Stand vom 5. Juli

2012.
6492

An diesem Tag, dem 5. Juli 2012, waren Heinz

Fromm als scheidender Präsident des BfV sowie der die

Vernichtung anordnende Referatsleiter im BfV, Lingen,

im Ausschuss als Zeugen zu den Aktenvernichtungen

vernommen worden.
6493

Am 16. Juli 2012 übersandte das BMI dem Ausschuss

zwei Berichte des BfV vom 12. und 15. Juli 2012 betref-

fend die im LfV Sachsen aufgefundenen Aktenstücke, die

aus der G 10-Maßnahme AO 774 des BfV aus den Jahren

1998 und 1999 stammen.
6494

In diesem Bericht wird auch

auf einen Erlass des BMI vom 14. November 2011 hin-

gewiesen, mit dem das BMI die Vernichtung von Material

aus G 10-Maßnahmen angeordnet hatte.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 übersandte das BMI

dem Ausschuss einen Bericht des BfV vom 16. Juli 2012,

in dem die Sachverhalte, die den Vernichtungsanordnun-

gen AO 2000, 2009, 2010, 2011, 2014, 2023 zugrunde

lagen, erläutert wurden. Das BfV teilte mit, aus diesen

gehe hervor, dass diese Vernichtungsanordnungen keine

Sachverhalte mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand

beträfen.
6495

Eine erste mündliche Unterrichtung des Untersuchungs-

ausschusses durch den Sonderbeauftragten Engelke zum

damaligen Zwischenstand der Aufklärung erfolgte in

einer Beratungssitzung des Untersuchungsausschusses am

19. Juli 2012.
6496

MinDirig Engelke berichtete in dieser

Sitzung auch über die weitere Vernichtung von Anlagen-

ordnern zu G 10-Maßnahmen.
6497
6490) Ergänzungsberichte des BfV vom 3. Juli 2012, MAT B BfV-

2/1 (Tgb.-Nr. 35/12 - GEHEIM).

6491) Ergänzungsbericht des VP des BfV vom 4. Juli 2012, MAT B

BfV-2/2 (Tgb.-Nr. 36/12 - GEHEIM).

6492) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit der Akten-

vernichtung am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT

B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6493) Protokoll-Nr. 24.

6494) Berichte des BfV vom 12. und 15. Juni 2012, MAT B BfV-3

(Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM).

6495) Bericht des BfV vom 16. Juli 2012, MAT B BfV-4 (Tgb.-

Nr. 44/12 - GEHEIM), hier Anschreiben S. 1 (offen).

6496) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 – VS-
VERTRAULICH).

6497) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 36 ff.

Drucksache 17/14600 – 744 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wurde

zudem erstmals am 4. Juli 2012 und im Zeitraum vom

25. Juli 2012 bis zum 14. September 2012 in der Außen-

stelle des BfV in Berlin-Treptow Einblick in

ungeschwärzte rekonstruierte/wiederhergestellte Akten

sowie in wegen des Zusammenhangs mit der Operation

„Rennsteig“ – nicht vernichtete Akten gewährt.6498 Diese
Akten wurden mit Schwärzungen auch dem Untersu-

chungsausschuss übermittelt und konnten in der Geheim-

schutzstelle des Deutschen Bundestages von den Mitar-

beiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen eingesehen

werden.

Am 11. Oktober 2012 leitete das BMI dem Ausschuss den

Bericht des Sonderbeauftragten zu, der nur zur Einsicht-

nahme in der Geheimschutzstelle vorliegt.
6499

In diesem

wurde erstmals erwähnt, dass neben den oben erwähnten

26 Anlagenordnern zu G 10-Maßnahmen nach dem

4. November 2011 noch 284 weitere Akten vernichtet

worden waren.

2. Kein Aktenvernichtungsstopp im BfV un-
mittelbar nach dem 4. November 2011

Der Staatssekretär im BMI, Fritsche, hat als Zeuge ausge-

sagt, das BMI habe, nachdem es im Juni 2012 Hinweise

auf die Schredderungen erhalten habe, richtig und schnell

reagiert.
6500

Erst im Juli 2012 habe das BMI Informatio-

nen erhalten, dass auch G 10-Akten, die unter Umständen

hätten relevant werden können, in größerem Maße ver-

nichtet worden seien.
6501

Es treffe zu, dass das BMI unmittelbar nach dem

4. November 2011 keinen Auftrag an das BfV erteilt

habe, im Bereich des Rechtsextremismus Aktenvernich-

tungen prinzipiell zu unterlassen, um sicherzustellen, dass

nicht möglicherweise relevante, für die Aufklärungsarbeit

benötigte Unterlagen abhandenkommen. Das BMI habe

dazu keinen Anlass gesehen.
6502

Das Bundesministerium des Innern habe unmittelbar nach

dem 4. November 2011 das BKA und das BfV aufgefor-

dert, alle Akten in diesem Bereich zusammenzustellen.
6503

Dies bedeute im Umkehrschluss:

„Es hat keine Aufforderung des Bundesministeri-
ums des Innern gegeben, irgendwelche Akten, die

relevant sind in diesem Zusammenhang, zu schred-

dern.“6504
6498) Übersicht über die in der Außenstelle des BfV in Berlin-

Treptow einsehbaren Akten zum „THS“ und zur Operation
„Rennsteig“, MAT B BfV-5.

6499) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4, (Tgb.-Nr. 95/12 -
GEHEIM).

6500) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 18.

6501) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 152.

6502) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.

6503) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.

6504) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.

Der Auftrag zur Aktenzusammenstellung hätte seiner

Ansicht nach dazu führen müssen, dass keine weiteren

Akten – weder am 11. November 2011 noch sonst – ver-
nichtet oder gelöscht werden.

6505
Der Zeuge Fritsche hat darauf abgestellt, dass es zunächst

einmal in der Verantwortung der jeweiligen Behör-

de liege, die dort existierenden Löschungs- und Ver-

nichtungsvorschriften einzuhalten.
6506

Nachdem das BfV Kenntnis von weiteren Aktenvernich-

tungen im G 10-Bereich erlangt habe, habe es selbst am

4. Juli 2012 für Akten im Bereich des Rechtsextremismus

ein Moratorium ergriffen.
6507

Am 18. Juli 2012 habe auch das BMI als aufsichtführende

Behörde für das BfV ein Moratorium für die Aktenver-

nichtungen im Bereich „rechts“ erlassen.6508

Die Entscheidung für ein Moratorium habe sich das BMI

nicht einfach gemacht, weil die Rechte der Betroffenen

mit dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungssau-

schusses nach Art. 44 GG abzuwägen gewesen seien.
6509

Bevor das BMI am 18. Juli 2012 ein Moratorium ausge-

sprochen habe, habe es zunächst mit der G 10-

Kommission Rücksprache gehalten. Der Zeuge Fritsche

hat ausgeführt:

„Das sind Rechte der Betroffenen aus Art. 10 un-
serer Verfassung. Die Betroffenen erhalten Mittei-

lung, und irgendwann müssen die Akten gelöscht

werden. […] Als wir definitiv erfahren haben, dass
vor allem G-10-Akten da vernichtet worden sind,

haben wir das im Haus noch mal geprüft mit unse-

rer Verfassungsrechtsabteilung, ob wir tatsächlich

bei einer Abwägung zwischen dem wohlverstan-

denen Aufklärungsinteresse des Untersuchungs-

ausschusses und den Rechten der Betroffenen auf

Löschung hier ein solches Moratorium durchfüh-

ren können. Und nachdem wir auch die G-10-

Kommission gefragt haben und die G-10-

Kommission uns gesagt hat, sie ist der Meinung,

dass wir das machen können, haben wir das Mora-

torium am 18.07. [2012] ausgesprochen.“6510

Mit der kurzfristigen Aussetzung sämtlicher routinemäßi-

ger und gesetzlich eigentlich vorgeschriebener Vernich-

tungen bzw. Löschungen im Phänomenbereich des

Rechtsextremismus habe das BMI

„der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Auf-
klärungsarbeit dieses Ausschusses aus Art. 44 un-

serer Verfassung in Abwägung mit den Bestim-
6505) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.

6506) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.

6507) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17.

6508) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 17; S. 51.

6509) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.

6510) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 51.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 745 – Drucksache 17/14600

mungen des Datenschutzes den Vorrang einge-

räumt.“6511

Er sehe auch im Nachhinein nicht, dass ein „Freeze-in“
im November 2011 ein Ausdruck politischer Sensibilität

gewesen wäre.
6512

Auch der Zeuge Engelke hat darauf verwiesen, dass ein

absoluter Vernichtungsstopp rechtlich nicht unbedenklich

sei. Man habe zunächst Prüfbedarf gehabt.
6513

„Aus meiner Sicht hätte man früher auch erwägen
können, einen totalen Stopp zu machen. Allerdings

ist es auch eine schwierige Entscheidung - da bitte

ich auch um Verständnis -, weil aus Sicht des BMI

wie auch des BfV die Befolgung der gesetzlich

vorgegebenen Löschungsfristen natürlich zwin-

gendes Recht ist. Wir haben zum Beispiel - wenn

ich das sagen darf - sofort, nachdem wir diesen

Löschungsstopp angesetzt haben, die G-10-

Kommission informiert. Wir haben gesagt: Wir

möchten Sie darauf hinweisen, dass wir bis auf

Weiteres keine G-10-Unterlagen aus dem gesam-

ten Bereich rechts - wie auch immer, NSU- oder

Nichtbezug - - ausgesetzt haben, weil uns nicht

ganz wohl dabei war. Die G-10-Kommission hat

es gebilligt.“6514

Der Zeuge Engelke hat das Moratorium, keine Akten

mehr zu vernichten, als ausdrücklich richtig bezeich-

net.
6515

Er sei zwar nicht der Auffassung, dass bereits der

November 2011 der richtige Zeitpunkt gewesen wäre,

aber rückblickend wäre es nach seiner Einschätzung

schlauer gewesen, bereits vor Juli 2012 in diese Richtung

zu handeln.
6516

Er hat erklärt:

„Im BfV war es so, dass man im November die
Aufforderung bekommen hatte, die relevanten Ak-

ten zu sichten. Jetzt ist eben die Frage: Was sind

relevante Akten? Das ist nach meinem Eindruck

mit großer Gewissenhaftigkeit und großem Nach-

druck auch passiert. Nur kann man jetzt ex post

hinterher sagen: Was wisst ihr, was relevant ist

oder nicht? Oder: Wann ist der Moment, wo ihr

hättet erkennen müssen: Nur da, wo ‚Thüringer
Heimatschutz‘ draufsteht oder NSU - - Aber das
hat es nicht gegeben. Oder: Die Namen von be-

kannten Beschuldigten langt nicht; ihr müsst viel

weiter ins Umfeld gehen. - Wann war der Moment,

wo man das hätte erkennen müssen und daraufhin

noch mal einen weitergehenden Stopp hätte ma-

chen müssen? Über den genauen Zeitpunkt kann

man sich ja streiten.“6517
6511) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7 f.

6512) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 18.

6513) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.

6514) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 116.

6515) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.

6516) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.

6517) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.

Der Zeuge Engelke war allerdings auch der Auffassung,

dass man die Frage, was eigentlich relevant gewesen sei

und woraufhin die Akten überprüft werden müssten, nicht

habe beantworten können, da Anfang November 2011 nur

drei Namen (Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe) bekannt

gewesen seien, noch nicht einmal die Alias-Namen und

auch nicht das Unterstützerumfeld des Trios, über das

sich die Erkenntnisse im Laufe der Zeit immer mehr er-

weitert hätten.
6518

In Bezug auf die Aktenvernichtung am 11. November

2011 hat er ergänzt:

„Jedenfalls zum Zeitpunkt 11.11. zu sagen: ‚Ich
habe hier eine Akte, die spielt auch im Umfeld des

‚Thüringer Heimatschutzes‘; da stehen die drei
Namen nicht drin; das war es‘, das halte ich auch
für zu wenig.“6519

3. Grundlagen der Arbeitsweise und der Da-
tei- und Aktenführung im BfV

a) Arbeitsweise des BfV

Das BfV nimmt seine Aufgaben nach § 3 Abs. 1

BVerfSchG (die Sammlung und Auswertung von Infor-

mationen u. a. über Bestrebungen, die gegen die freiheitli-

che demokratische Grundordnung, den Bestand oder

die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet

sind) grundsätzlich in folgender Organisationsform vor:

In den sogenannten Fachabteilungen wird die Facharbeit

getrennt nach den einzelnen Phänomenbereichen

Rechts-, Links-, Ausländerextremismus sowie Spiona-

geabwehr geleistet. Außerdem gibt es neben Grundsatz-,

Technik- und Zentralabteilung noch eine Abteilung, die

die Fachabteilungen beim Einsatz der nachrichtendienstli-

chen Mittel G 10 und Observation unterstützt.
6520

Die Fachabteilungen sind in die Bereiche „Auswertung“
und „Beschaffung“ unterteilt.

Die „Auswertung“ analysiert Informationen und unter-
zieht sie einer Bewertung. Hierzu versucht sie, möglichst

viele Informationen zu den einzelnen Beobach-

tungsobjekten zu erlangen. Sie kann hierbei Rückgriff

auf Informationen aus offenen Quellen nehmen; das BfV

kann aber auch gemäß § 9 Abs. 1, § 8 Abs. 2 BVerfSchG

Informationen durch den Einsatz nachrichtendienstlicher

Mittel erlangen. Als solche kommen insbesondere der

Einsatz von V-Leuten oder Maßnahmen der Telekom-

munikationsüberwachung (auf Grundlage des G 10-

Gesetzes) in Betracht.
6521
6518) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.

6519) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 100.

6520) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9.

6521) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9.

Drucksache 17/14600 – 746 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die „Beschaffung“ ist zuständig für die Informationsge-
winnung unter Einsatz menschlicher Zugänge, insbeson-

dere von Vertrauenspersonen (VP).
6522

Der Zeuge Engelke hat die Aufgaben der „Beschaffung“
und deren Zusammenarbeit mit der „Auswertung“ folgen-
dermaßen beschrieben:

„Die ‚Beschaffung‘ ist dafür zuständig, im Bereich
menschliche Zugänge diese […] zu werben und
daraus V-Leute zu machen und dann sozusagen re-

levante Meldungen zu generieren, die dann aber,

wenn sie relevant sind, an die ‚Auswertung‘ gelie-
fert werden […]. Der wesentliche Inhalt von dem,
was V-Leute berichten, wird in sogenannten

Deckblattmeldungen – […] festgehalten. Jeden-
falls gibt es einen Vermerk: V-Mann soundso habe

ich getroffen, und der hat das und das gesagt. Ein

Exemplar verbleibt bei der ‚Beschaffung‘, weil die
haben es ja beschafft. Das zweite Exemplar geht

an die ‚Auswertung‘. Da sagt also die ‚Beschaf-
fung‘: ‚Liebe ‚Auswertung‘, wir wissen, ihr seid
an dem und dem Thema interessiert […] wir glau-
ben, diese Meldung, die er hier abgeliefert hat und

die in dem Vermerk niedergehalten ist, braucht ihr

für eure Arbeit‘, und schickt sie dahin, sodass die-
se Information jetzt zweimal vorhanden ist.“6523

Die genaue Aufgabenverteilung und die spezifischen

Aufgabeninhalte sind getrennt nach „Auswertung“

und „Beschaffung“ in entsprechenden Dienstvorschrif-
ten (DV-Auswertung/DV-Beschaffung) geregelt.

6524
Zur Praxis der Aktenverwaltung im BfV, insbesondere in

dem Beschaffungsreferat, in dem der die Aktenvernich-

tung am 11. November 2011 anordnende Referatsleiter

Lingen beschäftigt war, hat dieser als Zeuge ausgeführt,

es gebe zu jedem Operativvorhaben eine Akte. Bei V-

Leuten enthalte diese Akte Unterlagen, die Befragungen

oder Anwerbungen betreffen. Auch bei Observations-

maßnahmen würden Akten angelegt.

„Zu all diesen operativen Maßnahmen gibt es Ak-
ten, das ist ganz klar, und demzufolge auch Wer-

bungsakten und V-Mann-Führungsakten, die sehr

ausführlich geführt werden.“6525

Aufzeichnungen über Treffen mit V-Personen kämen

überwiegend in folgender Weise zustande:

„Wenn die Kollegen der ‚Beschaffung‘ ihre Quel-
len treffen oder Ansprachen durchführen, dann

wird das Erfahrene kurz notiert und dann im In-

nendienst verschriftlicht. Das geschieht getrennt.

Im Bereich der Informationen, die erlangt worden

sind aus der Szene, wird das in Form einer Mel-
6522) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9.

6523) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.

6524) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 9; DV-
Beschaffung/DV-Auswertung, MAT A BfV-6 (Tgb.-Nr. 05/12,

- VS-VERTRAULICH), Bl. 64-78.

6525) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 5.

dung formuliert und dann an die sogenannte

‚Auswertung‘ bei uns im Haus geschickt. Für die
Informationen, die die Quelle oder die Zielperson

betreffen, gibt es eine interne Akte.“6526

Auch das konkrete Abheften und die Zusammenstellung

der Akten erfolge durch den Außendienstmitarbeiter

selbst. Der Zeuge Lingen hat erklärt, bis zur Einführung

der vollelektronischen Vorgangsverarbeitung im Jahr

2004, wo nunmehr alle Akten jederzeit greifbar und

nachhaltbar seien, sei der entsprechende Mitarbeiter selbst

verantwortlich für die Führung der Akten gewesen. Die

Mitarbeiter hätten die Akten in der Regel für laufende

Fälle im Panzerschrank gehabt und sie dann in die Regist-

ratur gegeben, wenn sie nicht mehr benötigt worden sei-

en.“6527

Die Zeugin N., die die Vernichtung der Beschaffungsak-

ten im November 2011 physisch durchgeführt hat, war als

Registraturkraft allein zuständig für die Verwaltung meh-

rerer Hundert Papierakten. Wollte jemand aus dem Haus

Einsicht in diese Akten nehmen, musste er sich an sie

wenden.
6528

Seit dem Jahr 2004 würden keine neuen Papierakten mehr

angelegt. Die Aktenführung erfolge seither elektro-

nisch.
6529

Nach ihren Angaben verwaltet sie Papierakten in einem

Umfang von mehreren Hundert.
6530

b) Rechtsgrundlagen und Praxis der Datei-
und Aktenführung zur Auswertung und
Beschaffung

„Auswertung“ und „Beschaffung“ speichern und verar-
beiten getrennt voneinander personenbezogene Daten zur

Erfüllung ihrer Aufgaben in Dateien und Akten.
6531

aa) Führung von Dateien

Rechtsgrundlage für die Speicherung, Verarbeitung und

Nutzung personenbezogener Daten in Dateien ist § 10

BVerfSchG.

Die Vorschrift lautet:

„(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf
zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene

Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen,

wenn

1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen

oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 vorliegen,
6526) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 5.

6527) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 6.

6528) N., MAT A Z-70/4, S. 3.

6529) N., MAT Z-70/4, S. 14.

6530) N., MAT A Z-70/4, S. 3, S. 5; A-Drs. 468.

6531) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 747 – Drucksache 17/14600

2. dies für die Erforschung und Bewertung von

Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 er-

forderlich ist.

(2) […]

(3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die

Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabener-

füllung erforderliche Maß zu beschränken.“

Nach dieser Vorschrift darf das BfV zur Erfüllung seiner

Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien spei-

chern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche An-

haltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3

Abs. 1 BVerfSchG vorliegen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1

BVerfSchG) oder dies für die Erforschung und Bewer-

tung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1

BVerfSchG erforderlich ist (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2

BVerfSchG). Sowohl „Auswertung“ wie auch „Beschaf-
fung“ speichern personenbezogene Daten in der ge-
meinsam mit den Landesbehörden für Verfassungs-

schutz geführten Verbunddatei „Nachrichtendienstli-
ches Informationssystem“ (NADIS bzw. seit
24. Juni 2012 NADIS-WN). Diese ist größtenteils eine

reine Hinweisdatei, d. h. sie enthält nur die zum Auffin-

den von Akten und der dazu notwendigen Identifizie-

rung von Personen erforderlichen Angaben.
6532

bb) Führung von Akten

Akten sind sämtliche Unterlagen, die nicht dem Dateien-

begriff unterfallen.
6533

Generell wird zwischen Personenakten (P-Akten), die

relevante Erkenntnisse zu einer Person, und Sachakten

(S-Akten), die Informationen zu einem Beobach-

tungsobjekt oder einem Ereignis (z. B. einem An-

schlag) enthalten, unterschieden. Über ein und dieselbe

Person soll nur eine P-Akte geführt werden, die dann

alle für die Beurteilung der Person fachlich relevanten

Informationen enthält. Personenbezogene Daten können

darüber hinaus auch in Sachakten erfasst sein.
6534

P- und S-Akten gibt es sowohl im Bereich der „Auswer-
tung“ als auch im Bereich der „Beschaffung“: Im Be-
reich der „Auswertung“ werden P- und S-Akten zu beo-
bachteten Personen oder Gruppierungen sowie zu ein-

zelnen nachrichtendienstlichen Operationen geführt.

Diese Akten bilden die Arbeitsgrundlage der Analysetä-

tigkeit der „Auswertung“ und der Datenerfassung in
Dateien.

6535
Im Bereich der „Beschaffung“ werden gesonderte Be-
schaffungsakten geführt, die insbesondere Aufschluss zur

Werbung und Führung eines V-Mannes (VM), zur Treff-

abwicklung, zu zahlungsbezogenen Unterlagen und über

die vom VM gelieferten Informationen geben. Neben
6532) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.

6533) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.

6534) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10.

6535) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 10 f.

solchen P-Akten werden auch in der „Beschaffung“

S-Akten z. B. zu nachrichtendienstlichen Operationen

geführt.
6536

Personenbezogene Daten und Dateien werden getrennt

gespeichert und verarbeitet.

cc) G 10-Verfahren und Führung von
G 10-Akten

Im BfV existieren auch G 10-Unterlagen über Eingriffe in

das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis.

aaa) G 10-Verfahren

Das sogenannte G 10-Verfahren ist im Gesetz zur Be-

schränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses

(G 10)
6537

und in der entsprechenden Dienstvorschrift

des BfV (DV-G-10) geregelt. Neben „Auswertung“ und
„Beschaffung“, die in einer Fachabteilung angesiedelt
sind, besteht im BfV in der Abteilung 3 (Zentrale Fachun-

terstützung) eine sog. G 10-Stelle, in der vom BMI

angeordnete und durch die G 10-Kommission des Deut-

schen Bundestages bewilligte Beschränkungsmaß-

nahmen nach dem G 10 durchgeführt werden.
6538

Die G 10-Stelle erhält von den Fachabteilungen Anträge

zu Maßnahmen, die überwiegend

Sachverhaltsdarstellungen beinhalten. Nach rechtlicher

Überprüfung der Anträge beantragt die G 10-Stelle beim

BMI die Anordnung der G 10-Maßnahme.
6539

Im G 10-Bereich wird in einem ersten Schritt auch das

durch die Maßnahme erlangte Material auf Relevanz und

eventuelle Verwertungsverbote überprüft (G 10-

Auswertung). Hieraus werden nach juristischer Prüfung

sog. G 10-Protokolle oder Vermerke erstellt und an die

Fachabteilung weitergeleitet. In diesen erfolgt dann die

eigentliche Auswertung und Fallbearbeitung.
6540

bbb) Führung von G 10-Akten

„Ungefilterte“ Aufzeichnungen über den Fernmelde-
verkehr verbleiben bei der G 10-Stelle. Gleiches gilt für

eine registrierte Ausfertigung des G 10-Vermerks, die als

Arbeitsunterlage beim G 10-Auswerter verbleibt. Die

für die Fachabteilungen relevanten Unterlagen (z. B.

vorausgewertete Protokolle von Telefonaten, Ablichtun-

gen von Postsendungen, Ausdrucke von SMS, E-Mails,

Internetverkehren etc.) werden durch die G 10-Stelle an
6536) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.

6537) Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt

geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 6. Juni 2013

(BGBl. S. 1482).

6538) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.

6539) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.

6540) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11.

Drucksache 17/14600 – 748 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Fachabteilung übersandt und dort in P- und S-Akten

abgelegt.
6541

Die in der G 10-Stelle bei Durchführung des Verfahrens

anfallenden Schriftstücke werden in einer Verfahrensak-

te (der sog. Fallakte) abgelegt, die für jede einzelne

Maßnahme gesondert zu führen ist. Diese enthält neben

den o. a. Schriftstücken (Anträgen etc.) auch Aktenstü-

cke, die den Verdacht gemäß § 2 Abs. 1 G 10-Gesetz

belegen, und die in einem gesonderten Anlagenband

zusammengefasst den BfV-internen Vorschlägen für

G 10-Maßnahmen und dem an das BMI zu versenden-

den G 10-Antrag als „Beweismittel“ beigefügt sind.6542

Auch im BMI als anordnender Stelle besteht eine ver-

gleichbare Fallakte, in der zu der jeweiligen G 10-

Maßnahme Original-Anträge des BfV, Entwürfe der

hierzu ergangenen BMI-Anordnungen sowie Unterlagen

zur abschließenden Mitteilungsentscheidung enthalten

sind. Grundsätzlich sind auch die o. g. Anlagenbände

Bestandteil der BMI-Fallakte, diese werden jedoch da

das BMI nicht über eine ausreichende Anzahl geschützter

Räume verfügt zur Gewährleistung der Geheimschutz-

vorschriften vom BfV im Dienstgebäude Köln ver-

wahrt.
6543

c) Datenlöschung und Aktenvernichtung

Der Staatssekretär im BMI Fritsche hat als Zeuge ein-

gangs seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsaus-

schuss ausgeführt:

„Die Vernichtung von Akten oder die Löschung
von Daten mit personenbezogenen Informationen

bei staatlichen Stellen und privaten Unternehmen

ist ein völlig normaler, ja sogar notwendiger Vor-

gang.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1

unserer Verfassung findet seine Entsprechung un-

ter anderem in den datenschutzrechtlichen Be-

stimmungen. Diese tragen auch den Sicherheitsbe-

hörden neben der Zweckbindung der Informati-

onserhebung und -verwendung ebenso die Einhal-

tung von Aufbewahrungsfristen auf. Bei großen

Datenmengen, wie sie im BfV vorhanden sind,

wird der Einhaltung der Aufbewahrungsfristen

durch routinemäßig ablaufende Akten-

vernichtungen oder Datenlöschungen Rechnung

getragen. Anders wäre dies rein quantitativ auch

gar nicht zu leisten.

[…] Festhalten möchte ich aber ganz grundsätz-
lich, dass die gesetzlich, im Übrigen auch im

G-10-Gesetz, vorgesehene fristgerechte Vernich-

tung oder Löschung von Akten und Daten per se
6541) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 11 f.

6542) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 12.

6543) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 12.

nichts mit Vertuschung zu tun, sondern mit Grund-

rechtsschutz zu tun hat.“6544

„Auswertung“ und „Beschaffung“ entscheiden selbstän-
dig für ihren Bereich über die Datenlöschung und Akten-

vernichtung.
6545

aa) Regelung zur Löschung von Daten

Das BVerfSchG sieht für personenbezogene Daten in

Dateien gesetzliche Prüf- und Löschfristen vor.

In § 12 BVerfSchG ist die Berichtigung, Löschung und

Sperrung personenbezogener Daten in Dateien geregelt.

§ 12 BVerfSchG lautet:

„(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die
in Dateien gespeicherten personenbezogenen Da-

ten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind.

(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die

in Dateien gespeicherten personenbezogenen Da-

ten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig

war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung

nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unter-

bleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass

durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffe-

nen beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die

Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwil-

ligung des Betroffenen übermittelt werden.

(3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft

bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetz-

ten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespei-

cherte personenbezogene Daten zu berichtigen

oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezo-

gene Daten über Bestrebungen nach § 3 Absatz 1

Nummer 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre

nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten rele-

vanten Information zu löschen, es sei denn, der

Behördenleiter oder sein Vertreter trifft im Einzel-

fall ausnahmsweise eine andere Entscheidung.

(4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu

Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensi-

cherung oder zur Sicherstellung eines ordnungs-

gemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanla-

ge gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwe-

cke verwendet werden.“

MinDirig Engelke führte hierzu in seinem Bericht aus:

„Personenbezogene Daten in Dateien sind zu lö-
schen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder

das ist in der Praxis der Hauptfall ihre Kennt-

nis für die Aufgabenerfüllung des BfV nicht

mehr erforderlich ist, § 12 Abs. 2 S. 1

BVerfSchG.

Die zuständigen Bearbeiter des BfV haben bei je-

der Einzelfallbearbeitung und unabhängig hier-
6544) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.

6545) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 749 – Drucksache 17/14600

von nach festgelegten Fristen zu prüfen, ob in

Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu

berichtigen oder zu löschen sind. Die Festlegung

der jeweiligen Prüfungsfrist orientiert sich am

Zweck der jeweiligen Datei. Prüffristen sind in

der jeweiligen Dateianordnung festgelegt. Ge-

setzlich ist die Höchstfrist auf fünf Jahre festge-

legt.

Personenbezogene Daten sind im Bereich der

Auswertung spätestens zehn Jahre nach dem

Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten In-

formation zu löschen, es sei denn, die Behörden-

leitung trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine

andere Entscheidung (vgl. § 12 Abs. 3 S. 2

BVerfSchG).

Die in § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG normierte

Höchstspeicherfrist galt nach Auslegung des BfV

bis in das Jahr 2010 nicht für Daten der Beschaf-

fung. Auch der Bundesbeauftragte für Daten-

schutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ist der

Auffassung, dass Beschaffungsdaten nicht di-

rekt dem Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3

S. 2 BVerfSchG unterfallen, hat aber wiederholt

eine analoge Anwendung gefordert.

Dieser Forderung wurde im Rahmen der Über-

arbeitung der DV-Beschaffung entsprochen: Nr.

14 Abs. 1 der am 27. September 2011 in Kraft ge-

tretenen DV Beschaffung regelt nunmehr, dass

die in § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG normierten

Löschfristen auch für den Bereich der Beschaf-

fung zu beachten sind.“6546

bb) Regelungen zur Vernichtung von Akten

Das BVerfSchG enthält mit Ausnahme für Personen-

akten zu Minderjährigen (§ 11 Abs. 2 BVerfSchG)

keine ausdrückliche Regelung zur Vernichtung von Ak-

ten. Für Akten ist in § 13 BVerfSchG lediglich eine Be-

richtigung und Sperrung vorgeschrieben.

Die Vorschrift lautet:

„(1) Stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz
fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene

Daten unrichtig sind oder wird ihre Richtigkeit von

dem Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte

zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhal-

ten.

(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat per-

sonenbezogene Daten zu sperren, wenn es im Ein-

zelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutz-

würdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt

würden und die Daten für seine künftige Aufga-

benerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Ge-

sperrte Daten sind mit einem entsprechenden

Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr ge-
6546) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9, (VS-NfD), S. 16.

nutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der

Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen

nachträglich entfallen.“

aaa) Rechtsauffassung des BfV zur Löschung
von Beschaffungsakten

Der Zeuge Engelke hat die Regelungen und Praxis zur

Aktenvernichtung im BfV wie folgt dargestellt:

„Es gibt keine gesetzliche Regelung zur Vernich-
tung von Akten. Gesetzlich geregelt ist die Lö-

schung von Daten. Nun sagt das BfV in Überein-

stimmung mit dem BfDI Bundesbeauftragter für

den Datenschutz und die Informationsfreiheit - da

gibt es auch keinen Dissens -, aus der Verpflich-

tung zur Löschung von Daten, die in § 12 Bun-

desverfassungsschutzgesetz geregelt ist und die

dann untergesetzlich durch weitere interne Dienst-

anweisungen - die wiederum eingestuft sind, aber

natürlich nicht gegen den Gesetzeswortlaut sind -

ausgefüllt werden - - Sagt der § 12: Daten sind zu

löschen, soweit sie nicht mehr erforderlich sind.“

Eine Prüfung, ob sie noch erforderlich ist oder

nicht, hat jedenfalls nach fünf Jahren stattzufinden,

und jedenfalls für den Bereich der Auswertung -

das ergibt sich aus einer Querverweisung - sind

nach zehn Jahren zwingend die Daten zu löschen.

Wenn das BfV das nicht so sieht, ist es gezwun-

gen, eine Entscheidung der Amtsleitung herbei-

zuführen, die im Ausnahmefall begründen muss,

warum das Datum hier noch länger verbleiben

muss. Das ist die gesetzliche Regelung.

Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbe-

stimmung, folgern wir alle übereinstimmend,

ergibt sich dann eine Pflicht, auch die Akte, in der

dieses Datum enthalten ist, zu vernichten. Also,

noch mal: Es gibt keine gesetzliche Vorschrift zur

Aktenvernichtung. Sie ergibt sich aus der gesetzli-

chen Verpflichtung zur Datenlöschung.

Dann folgt ein Regelwerk im BfV. Ich komme

jetzt in Dissens zu dem Datenschutzbeauftragten

des BfV, der sagt: Das ist klar und eindeutig. Es ist

alles geregelt. - Das stimmt auch, wenn man es re-

gelt. Meine persönliche Anmerkung dazu ist nur:

Das ist im Einzelfall dann so kompliziert […], dass
es möglicherweise dem einen oder anderen Bear-

beiter schwerfällt, das in der Praxis tatsächlich

umzusetzen und zu befolgen.
6547

Das heißt, ich glaube, wir haben nicht einen anar-

chischen Regelungszustand, dass es also völlig un-

geordnet ist - der eine macht das so, und der ande-

re macht das anders, und es ist alles ganz furchtbar

egal -, sondern es ist eigentlich alles im Detail ge-

regelt. Es ist nur so hart geregelt, dass es einfach,

glaube ich, ein Vollzugsdefizit im BfV gibt. Das
6547) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 93.

Drucksache 17/14600 – 750 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ist aber spätestens anhand dieses Sachverhaltes er-

kannt worden.“6548

Es entspricht der ständigen Praxis des BfV seit den

1980er Jahren, im Zusammenhang mit einer Datenlö-

schung im Auswertungsbereich eine ggf. existierende

Personenakte zu den Betroffenen zu vernichten. Nach

Aussagen von MinDirig Engelke bestehe auch mit dem

BfDI seit vielen Jahren Einvernehmen, dass sich aus der

Löschungsverpflichtung aus § 12 BVerfSchG als Aus-

fluss des aus der Verfassung abgeleiteten Rechts des

Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eine

Verpflichtung zur Vernichtung von Personenakten erge-

be. Mit der Datenlöschung korreliere damit eine Akten-

vernichtungspflicht.
6549

Die Verpflichtung zur Aktenvernichtung ist in Dienst-

vorschriften des BfV geregelt (DV-Auswertung; DV-

Beschaffung, Arbeitspläne der Fachabteilungen). Glei-

ches gilt für die hierbei einzuhaltenden Verfahrens-

schritte, die für Gesamtakten in der Dienstanweisung für

die Vernichtung von Gesamtakten (DA-

Aktenvernichtung) und für Teilakten und Einzelstücke in

der sog. VS-Anweisung (VSA) enthalten sind.
6550

Für die „Beschaffung“ wurde eine Höchstspeicherfrist
entsprechend § 12 Abs. 3 BVerfSchG und eine damit

einhergehende Vernichtungspflicht seitens des BfV bis

zum Jahre 2010 nicht gesehen, bis dahin galt nach Nr.

14 der damaligen DV-Beschaffung lediglich die Rege-

lung, „Unterlagen“ zu vernichten, wenn sie zur Erfül-
lung des gesetzlichen Auftrags nicht oder nicht mehr

erforderlich waren.
6551

Im Jahr 2011 wurde die DV-

Beschaffung geändert. Nr. 14 der DV-Beschaffung (Ver-

nichtung von Unterlagen) in der seit dem 27. September

2011 geltenden Fassung lautet:

„(1) Die in Dateien gespeicherten personenbezo-
genen Daten sind zu löschen, wenn ihre Speiche-

rung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die

Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist

(§ 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG).

Besteht Grund zu der Annahme, dass durch die

Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffe-

nen beeinträchtigt würden, sind die Daten zu sper-

ren. Auf die entsprechende Regelung des § 12

Abs. 2 Satz 2-4 BVerfSchG wird verwiesen.

Darüber hinaus wird auf die in § 12 Abs. 3 Satz 2

BVerfSchG und § 11 Abs. 2 BVerfSchG normier-

ten Löschungsvorschriften verwiesen.

(2) Akten sind zu vernichten, wenn sie zur Erfül-

lung des gesetzlichen Auftrags nicht mehr erfor-

derlich sind, es sei denn, dass ihre Aufbewahrung

aufgrund der Bestimmungen des Bundesarchivge-

setzes […] oder zur Wahrung schutzwürdiger Be-
lange des Betroffenen notwendig ist.
6548) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 93.

6549) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 13.

6550) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 13.

6551) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 13 f.

(3) Im Übrigen sind die Regelungen des jeweiligen

Arbeitsplans, die Bestimmungen der DA Akten-

vernichtung, der Registraturanweisung des BfV

und der VSA des BMI zu berücksichtigen.“6552

MinDirig Engelke erklärt dazu in seinem Bericht:

„Spätestens mit Inkrafttreten der neuen DV-
Beschaffung am 27. September 2011 wurde die

Höchstspeicherfrist aber auch für Beschaf-

fungsakten eingeführt: So sind nach der neuen

DV-Beschaffung nunmehr ‚Akten‘ zu vernichten,
wenn sie zur Erfüllung des gesetzlichen Auftra-

ges nicht oder nicht mehr erforderlich sind (Nr.

14 Abs. 2 DV-Beschaffung); diese Aktenvernich-

tungspflicht wird ergänzt und konkretisiert durch

die neu aufgenommene Regelung zur Beachtung

der Löschungspflicht von personenbezogenen

Daten nach § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG (Nr.

14 Abs. 1 DV-Beschaffung), aus der sich wiede-

rum eine korrespondierende Ak-

tenvernichtungspflicht ableiten lässt.“6553

Nach Angaben von MinDirig Engelke sei das BfV bei

der Überarbeitung der DV-Beschaffung davon ausgegan-

gen, mit der Umstellung auch Anforderungen des BfDI

zu befolgen, die dieser in mehreren Stellungnahmen

niedergelegt habe.
6554

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt,

dass es seit August 2010 eine interne Anweisung des

Präsidenten des BfV gegeben habe, wonach die Zehnjah-

resfrist des § 12 BVerfSchG auch für Beschaffungsakten

gelte. Bereits zuvor habe es die interne Anweisung des

Abteilungsleiters gegeben, wonach Akten, die älter als 15

Jahre gewesen seien, hätten vernichtet werden sollen.
6555

Eines der Motive für das BfV im Jahr 2010 die Praxis zu

ändern und die Zehnjahresfrist des § 12 BVerfSchG auch

auf Beschaffungsakten anzuwenden, sei gewesen, dass

das BfV aus den Prüfberichten zu den regelmäßig erfolg-

ten Prüfungen des Umgangs mit Dateien und Akten im

BfV für sich den Schluss gezogen habe, der BfDI meine,

das BfV sei verpflichtet, die Zehnjahresfrist für Beschaf-

fungsakten anzuwenden.
6556

Der Zeuge Fromm hat ausgeführt, er habe vor etwa drei

Jahren erfahren, dass Beschaffungsakten im BfV nie

vernichtet worden seien.
6557

„Vor ungefähr drei Jahren - nach meiner Erinne-
rung; vielleicht ist es auch etwas länger her - gab

es Anlass für mich, mit der Abteilung - dem Abtei-

lungsleiter, ich glaube, auch dem zuständigen Be-

schaffungsleiter; der Beamte hier war wohl auch

dabei, ich bin aber nicht sicher - die Frage zu erör-
6552) DV-Beschaffung vom 27. September 2011, MAT A BfV-6, Bl.

64-78 (Tgb.-Nr. 05/12 - VS-VERTRAULICH).

6553) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 14.

6554) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 14.

6555) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.

6556) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 111 f.

6557) Fromm, Protokoll Nr. 24, S. 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 751 – Drucksache 17/14600

tern, was eigentlich mit der Aktenvernichtung im

Beschaffungsbereich ist, wie damit umgegangen

wird. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir

bei dieser Besprechung gesagt worden ist - ich

meine, durch den Vorgesetzten dieses Beamten

[dem Gruppenleiter], den unmittelbaren Vorge-

setzten -: Beschaffungsakten werden nie vernich-

tet.“6558

Anlass für die damalige Rücksprache sei das Vorhanden-

sein von Akten aus einer nachrichtendienstlichen Operati-

on im Jahre 1981 gewesen, die zurzeit im Begriff sei,

erneut einen Abschluss bei Gericht zu finden.
6559

Hier habe sich die Frage gestellt, weshalb andere Behör-

den, keine Akten mehr gehabt hätten und das BfV die

Akten noch gehabt habe. In diesem Zusammenhang sei

die Aussage getroffen worden, dass Beschaffungsakten

nie vernichtet würden.
6560

Er könne sich erinnern, darüber verwundert gewesen zu

sein, dies angesprochen und gefragt zu haben, ob für Be-

schaffungsakten das Gesetz nicht gelte.
6561

Man habe dann verabredet,

„dass von diesem Zeitpunkt an in der Abteilung
geprüft wird, sukzessive, soweit es die Arbeitsbe-

lastung zulässt - sukzessive und immer mal wie-

der, so habe ich das verstanden -, Be-

schaffungsakten aus der Vergangenheit auch zu

vernichten.“6562

In der Folgezeit habe es mehrere Prüfungen und auch

Aktenvernichtungen gegeben, unter anderem im Januar

2011. Man habe gesagt,

„wir machen solche Prüfungen, wenn die Zeit da
ist, immer wieder, um den Aktenbestand durchzu-

sehen und eben nicht mehr Benötigtes auch zu lö-

schen oder zu vernichten, und wir tun das immer

dann, wenn wir eine alte Akte in die Hand neh-

men. Dann gucken wir auch immer hin: Brauchen

wir die eigentlich noch?“6563

Der Zeuge Fromm konnte sich nicht daran erinnern, ob

die damalige Verabredung Akten, die älter als 15 Jahre

waren, betroffen habe. Er könne sich nur daran erinnern,

dass er gesagt habe, das, was im Gesetz stehe, gelte für

alle Akten.
6564

Dass diese Aufforderung im BfV umge-

setzt worden sei, sei ihm vom zuständigen Abteilungslei-

ter verschiedentlich bestätigt worden.
6565

Unter anderem
6558) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 7.

6559) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 57.

6560) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.

6561) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.

6562) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.

6563) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.

6564) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.

6565) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.

habe es auch im Januar 2011 eine solche Vernichtungsak-

tion gegeben.
6566

In der täglichen Praxis seien untergesetzliche Vorschriften

für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig wichtiger,

weil sie konkreter seien als das Gesetz.
6567

bbb) Rechtsauffassung des Bundesbeauftrag-
ten für den Datenschutz und die Informati-
onsfreiheit

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die In-

formationssicherheit (BfDI), Peter Schaar, hat sich in

seiner Stellungnahme vom 1. August 2012 gegen die vom

BfV vertretene Rechtsauffassung und Praxis zur Vernich-

tung von Beschaffungsakten gewandt:

Eine Vernichtung von Akten könne nicht durch § 12

BVerfSchG gerechtfertigt werden, denn diese Norm gelte

nur für Dateien.

Im BVerfSchG existiere keine Regelung zu Vernichtung

von Akten. Für Akten sei in § 13 BVerfSchG lediglich die

Berichtigung und Sperrung vorgeschrieben.
6568

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober

2012 hat der BfDI ausgeführt, mit der Differenzierung

zwischen Regelungen für Dateien und Akten und der

restriktiven Ausgestaltung des § 13 BVerfSchG habe der

Gesetzgeber der in dieser Norm nicht erfolgten Aufnahme

von Regelungen zur Aktenvernichtung bewusst bereichs-

spezifisch abschließend eine Spezialregelung für das

BVerfSchG erlassen. Dies schließe einen Rückgriff auf

„allgemeine Grundsätze“ aus.6569

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des BfDI vom

1. August 2012:

„Im BVerfSchG gelten für Dateien und Akten un-
terschiedliche Regelungen. Während ‚§ 12
BVerfSchG, in dem die Berichtigung, Löschung

und Sperrung personenbezogener Daten in Dateien

geregelt ist, […] grundsätzlich die Verpflichtung
zur Lösung vorsieht, ist in § 13 BVerfSchG – vom
Gesetzgeber bewusst – für Akten lediglich die Be-
richtigung und Sperrung derartiger Daten vorge-

schrieben. Diese Unterscheidung trägt der unter-

schiedlichen Eingriffsintensität Rechnung, die bei

der elektronischen Datenverarbeitung höher ist als

bei der herkömmlichen Aktenführung.‘ (Droste,
Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufla-

ge 2007, S. 443).

Aufgrund der fortgeschrittenen technischen Ent-

wicklung ist diese Differenzierung nicht mehr ge-

rechtfertigt. Mittlerweile kann ‚grundsätzlich jede
Art von digital gespeicherten Informationen nach
6566) Fromm, Protokoll Nr. 24, S. 8.

6567) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 9.

6568) Stellungnahme des BfDI vom 1. August 2012, A-Drs. 220.

6569) Ergänzende Stellungnahme des BfDI vom 15. Oktober 2012,

A-Drs. 276.

Drucksache 17/14600 – 752 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bestimmten Merkmalen ausgewertet werden.‘ (Ro-
se-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, in: Beiträ-

ge zur inneren Sicherheit, Brühl 2002, S. 63, zitiert

nach: Droste, a.a.O., S. 41).

So wird z. B. mit der Einführung der ‚elektroni-
schen Akte‘ im BfV das gesamte Schriftgut in der
Datei DOMUS technisch auswertbar erfasst und

gespeichert (vgl. meinen 18. Tätigkeitsbericht,

14.1 und 20. Tätigkeitsbericht, 5.5.2). Im Gegen-

satz zu Papierakten können diese digitalisierten

Daten technisch automatisiert ausgewertet und in

Sekundenbruchteilen weltweit übermittelt werden.

Hieraus resultiert eine besondere Eingriffsintensi-

tät (vgl. Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2074/05

vom 11.03.2008, Absatz-Nr. 64 m.w.N.):

Entgegen meiner Aufforderung wendet das BfV

auf die Datei DOMUS nicht die für Dateien gel-

tenden Regelungen, sondern die für Papierakten

maßgebliche Vorschrift des § 13 BVerfSchG an.

Fazit: Im BVerfSchG existieren unterschiedliche

Regelungen zu ‚Dateien‘ und ‚Akten‘. Aufgrund
der fortgeschrittenen technischen Entwicklung be-

steht insoweit gesetzgeberischer Anpassungsbe-

darf.

In Ihrem Schreiben führen Sie aus, dass gegenüber

dem Untersuchungsausschuss als Rechtsgrundlage

für die Aktenvernichtung auf § 12 Abs. 2

BVerfSchG verwiesen worden sei.

Wie o. g. […] gilt diese Regelung nur für Dateien.
Dies dokumentiert auch der Wortlaut der Norm:

‚Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in
Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten

zu löschen, wenn […].‘

§ 12 Abs. 3 BVerfSchG gilt ebenfalls nur für Da-

teien. D. h.: Die in § 12 Abs. 3 Satz 1 BVerfSchG

normierte fünfjährige Wiedervorlageprüffrist so-

wie die in § 12 Abs. 3 Satz 2 BVerfSchG geregel-

ten Höchstspeicherfristen gelten ausschließlich für

in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten

(vgl. auch Droste, a.a.O., S. 430 ff.).

Folglich kann die vorliegend erfolgte Vernichtung

der Werbungsakte sowie der V-Mann-

Führungsakten (vgl. Bezug) nicht durch diese

Normen gerechtfertigt werden.

Maßgeblich für diese Akten ist ausschließlich § 13

BVerfSchG. Dort ist eine Regelung zur Aktenver-

nichtung nicht enthalten (s. o. A.I.1.).

Fazit: Im BVerfSchG existiert keine Regelung zur

Vernichtung von Akten.

Für das BfV gilt der verfassungsrechtliche

Erforderlichkeitsgrundsatz, der in den §§ 8 Abs. 1

Satz 1 und 13 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG normiert

worden ist.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG darf das BfV

nur die zur Erfüllung seiner Aufgaben (vgl. § 3

BVerfSchG) erforderlichen personenbezogenen

Daten verarbeiten und nutzen.

Zur Aufgabenerfüllung gehören z. B. auch Daten-

übermittlungen nach dem Gesetz zur Regelung des

Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deut-

schen Bundestages – Untersuchungsausschussge-

setz (PUAG) , die Beachtung rechtmäßiger Wei-

sungen der Fachaufsicht bzw. Behördenleitung

und die Erfüllung bestehender gesetzlicher Über-

mittlungspflichten gegenüber Staatsanwaltschaften

und Polizeien gemäß § 20 Abs. 1 BVerfSchG.

Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG muss das BfV

in Akten gespeicherte personenbezogene Daten

sperren, wenn es im Einzelfall feststellt, dass ohne

die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betrof-

fenen beeinträchtigt würden und die Daten für sei-

ne künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erfor-

derlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem ent-

sprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen

nicht mehr genutzt oder übermittelt werden (§ 13

Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG).

Der Begriff ‚schutzwürdige Interessen des Betrof-
fenen‘ ist weit auszulegen (vgl. Droste, a.a.O., S.
435). Er dient nicht nur der ‚Wahrung der Rechts-,
sondern der gesamten Interessensphäre‘ (Droste,
a.a.O.). Schutzwürdig ist jedes ‚nach vernünftigen
Erwägungen durch die Sachlage gerechtfertigte In-

teresse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideel-

ler (religiöser, politischer, gesellschaftlicher) Natur

sein kann‘ (a.a.O.).

Ein Interesse am Fortbestand gesperrter Daten be-

steht z. B. auch bei einem ‚abgeschalteten Vertrau-
ensmann‘ (a.a.O., S. 436) sowie in den Fällen der
‚gutgläubigen Wohnungs-, Kfz-, Konto- oder Post-
fachgestellung‘ (a.a.O. – zur Frage, was unter den
Begriffen ‚Informant‘, ‚V-Leute‘, ‚Gewährsperso-
nen‘ etc. zu verstehen ist, siehe Droste a.a.O., S.
436 f).

Auch wenn die ‚Abschaltung‘ auf Wunsch des V-
Mann erfolgt, kommt eine vorzeitige Vernichtung

der Forschungs-/Werbungsunterlagen nicht in Be-

tracht. Diese Unterlagen müssen fester Bestandteil

der V-Mann-Akte bleiben; […] (Droste, a.a.O., S.
437).

Die dem Untersuchungsausschuss mitgeteilte Ver-

nichtung einer Werbungs- und mehrerer V-Mann-

Akten ist auch vor diesem Hintergrund nicht nach-

vollziehbar.

Fazit: Nicht mehr erforderliche Daten in Akten

sind zu sperren, wenn schutzwürdige Interessen

des Betroffenen bestehen. Bei Werbungs-/V-

Mann-Führungsakten ist dies grundsätzlich der

Fall.

Dem Begriff ‚Akten‘ unterfallen nicht nur ‚Perso-
nenakten‘ (Droste, a.a.O., S. 448) – die sog. P-
Akten-, sondern auch die (dazugehörigen) ‚Sach-
akten‘ (a.a.O.). ‚Wenngleich das Gesetz weder ei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 753 – Drucksache 17/14600

ne Löschung personenbezogener Daten in Akten

noch eine Vernichtung von (Teil-) Akten vor-

schreibt, sind im Falle einer Löschung personen-

bezogener Daten im NADIS-PZD und gegebenen-

falls sonstiger Dateien im Anschluss daran auch

die dazugehörigen Personenakten regelmäßig zu

vernichten bzw. aufzulösen.‘ (Droste, a.a.O.).

Diese von Droste vertretene Auffassung entspricht

der zwischen dem BfV und meinem Haus getroff-

enen Abrede (s.a. 19. Tätigkeitsbericht 2001-2002,

Punkt 17.3, S. 112), die sich auf den Bereich der

P-Akten der Auswertungsbereiche bezog.

Voraussetzung ist jedoch eine korrekte, d. h.

rechtmäßige Löschung der betroffenen Person in

NADIS. Diese Löschung muss bzw. darf erst er-

folgen, sofern die Daten für die Aufgabenerfüllung

(s. o. A.I.3) nicht mehr erforderlich sind. Nur in

diesen Fällen entspricht die Vernichtung der P-

Akte der vorgenannten Abrede. Eine entsprechen-

de gesetzliche Regelung steht – seit mehr als zehn
Jahren – aus.

Fazit: Erforderliche P-Akten dürfen nicht vernich-

tet werden.

Im Falle der Vernichtung von P-Akten werden re-

levante Teile vor der Vernichtung in entsprechen-

de Sachakten überführt, insbesondere wenn dies

für das Verständnis des Sachzusammenhangs (Ak-

tenvollständigkeit) ‚geboten erscheint‘ (Droste,
a.a.O., S. 448).

Wenn im Bereich der Beschaffung Informationen

erlangt werden, die für den Auswertungsbereich, d.

h. dort geführte P- oder Sachakten, relevant sind,

werden diese Informationen dorthin weitergeleitet

und gespeichert. Im Falle der Vernichtung von P-

Akten im Auswertungsbereich werden – wie o. g.
– relevante Teile vor der Vernichtung in dazugehö-
rige Sachakten überführt.

‚Eine vollständige Vernichtung der dazugehörigen
Sachakten scheidet von vornherein schon deshalb

aus, da mit ihr … fast immer noch weiterhin re-
levante Informationen – auch über Dritte – verlo-
ren gingen‘ (a.a.O.).

In Ihrem Schreiben (Bezug) führen Sie aus, dass

die Aktenvernichtung im BfV die Operation

‚Rennsteig‘ betraf, die von 1996 bis 2003 andauer-
te. Nach Medienberichten sollte mit dieser Opera-

tion die rechtsextremistische Szene in Thüringen

ausgeleuchtet werden. Diese Zielsetzung (Aus-

leuchtung der Szene) indiziert zumindest, dass

auch entsprechende Sachakten geführt sein könn-

ten.

Fazit: Relevante Teile einer P-Akte werden in da-

zugehörige Sachakten überführt. Letztere werden

grundsätzlich nicht vernichtet.“6570
6570) Stellungnahme des BfDI vom 1. August 2012, A-Drs. 220.

ccc) Vereinbarung mit dem BfDI

Nach einer vor über zehn Jahren getroffenen Vereinba-

rung zwischen dem BfDI und dem BfV sollen Personen-

akten und ggf. entsprechende Teile von Sachakten ge-

löscht werden, sofern eine rechtmäßige, vollständige

Löschung der betroffenen Person in NADIS erfolgt sei. In

diesen Fällen sei nach Angaben des BfDI die weitere

Verarbeitung der Daten des Betroffenen nicht mehr erfor-

derlich und der damit verbundene Eingriff in das Grund-

recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestim-

mung nicht mehr zulässig.
6571

Der Zeuge Engelke hat bestätigt, dass es eine Vereinba-

rung mit dem BfDI gebe. Danach würden Akten erst dann

vernichtet, wenn die Person auch in NADIS gelöscht

worden sei.
6572

Der Zeuge Engelke hat hierzu ausgeführt:

„Wenn ich eine Information im Beschaffungsbe-
reich habe, einen Bericht eines V-Manns, eine

Deckblattmeldung, dann habe ich als Beschaffer

mir zu überlegen: Brauche ich die noch? Wenn ich

sage: ‚Ich brauche die nicht mehr‘, habe ich die zu
löschen, und spätestens nach fünf Jahren und zehn

Jahren - jetzt - werde ich daran erinnert. Diese In-

formation kann aber an andere Bedarfsträger wei-

tergeleitet werden, und die können das anders se-

hen, und die löschen die dann nicht. Und das ist

auch völlig in Ordnung so, weil die brauchen sie

noch. Jeder Bereich prüft. Also: Der Beschaffer

sagt: Ich brauche die Information nicht mehr für

mich, für meine Zwecke. - Aber der Auswerter

kann durchaus sagen: Aber ich brauche sie noch.

Ich bin darauf angewiesen. Für meine Arbeit brau-

che ich sie noch. - Dann löscht der Beschaffer sie,

aber der Auswerter behält sie. So kann es zu einem

Auseinanderlaufen kommen.“6573

Zwischen der gesetzlich geforderten Löschung der in

einer Datei gespeicherten Information und der Vernich-

tung der Papierakte bestehe – wenn es korrekt zugehe –
immer ein enger zeitlicher Kontext.

6574
Aus der zwischen dem BfDI und dem BfV getroffenen

Vereinbarung könne aber kein Automatismus abgeleitet

werden, dass nach der Vernichtung einer Beschaffungsak-

te und der entsprechenden Löschung in NADIS auch die

entsprechende Auswertungsakte gelöscht werde, da jeder

Bereich für sich entscheiden müsse.
6575

In NADIS werde

in diesem Fall gelöscht, dass die Akte in der „Beschaf-
fung“ existiere.6576 Die Akte könne aber noch in der
„Auswertung“ bestehen, sodass die Person insoweit noch
6571) Ergänzende Stellungnahme des BfDI vom 15. Oktober 2012,

A-Drs. 276.

6572) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 98.

6573) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 112 f.

6574) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 98.

6575) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 112.

6576) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.

Drucksache 17/14600 – 754 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

in NADIS verzeichnet bleibe.
6577

Erst wenn die letzte

speicherungsberechtigte Person entscheide, sie habe kein

Interesse mehr an einer Person, werde diese insgesamt aus

NADIS gelöscht.
6578

Wenn eine Information in einem Bereich gelöscht werde,

erscheine automatisch eine Mitteilung hierüber bei den

weiteren Bedarfsträgern.
6579

Der Auswerter wisse dann

beispielsweise, dass es die Information in der „Beschaf-
fung“ nicht mehr gebe.6580

cc) Vernichtung von G 10-Akten

MinDirig Engelke hat ausgeführt, maßgebliche Rechts-

grundlage für die Prüfung der (weiteren) Aufbewahrung

oder Löschung/Vernichtung von G 10-Unterlagen sei

„die Vorschrift des § 4 Abs. 1 G 10. Sie gelte für
alle G 10-Unterlagen einschließlich der G 10-

Anlagenordner. So sind nach dem G 10 erhobene

personenbezogene Daten, soweit sie nicht mehr zu

den gesetzlichen Zwecken oder zur Übermittlung

an andere Stellen benötigt werden, unverzüglich zu

löschen/zu vernichten. Diese Löschung ist von der

datenerhebenden Stelle unverzüglich und sodann

in Abständen von höchstens sechs Monaten vorzu-

nehmen.“6581

§ 4 G 10-Gesetz lautet:

„(1) Die erhebende Stelle prüft unverzüglich und
sodann in Abständen von höchstens sechs Mona-

ten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten

im Rahmen ihrer Aufgaben allein oder zusammen

mit bereits vorliegenden Daten für die in § 1 Abs.

1 Nr. 1 bestimmten Zwecke erforderlich sind. So-

weit die Daten für diese Zwecke nicht erforderlich

sind und nicht für eine Übermittlung an andere

Stellen benötigt werden, sind sie unverzüglich un-

ter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähi-

gung zum Richteramt hat, zu löschen. Die Lö-

schung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten

dürfen ausschließlich zur Durchführung der Daten-

schutzkontrolle verwendet werden. Die Protokoll-

daten sind am Ende des Kalenderjahres, das dem

Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen. Die Lö-

schung der Daten unterbleibt, soweit die Daten für

eine Mitteilung nach § 12 Abs. 1 oder für eine ge-

richtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der

Beschränkungsmaßnahme von Bedeutung sein

können. In diesem Fall sind die Daten zu sperren;

sie dürfen nur zu diesen Zwecken verwendet wer-

den.“
6577) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.

6578) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.

6579) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.

6580) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 113.

6581) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 22.

Der Zeuge Fritsche hat betont, dass die vorgeschriebene

Löschung und Vernichtung von G 10-Akten innerhalb

einer bestimmten Frist vor allem dem Grundrechtsschutz

aller Betroffenen diene.
6582

d) Praxis der Aktenvernichtung im Beschaf-
fungsbereich

aa) Richtwert für die Aufbewahrung

Der die Aktenvernichtung anordnende Referatsleiter Lin-

gen hat als Zeuge berichtet, die Frage, was zu vernichten

sei, habe sich für die „Beschaffung“ im BfV in den letzten
Jahren nicht gestellt. Der Aktenraum seines Referats sei

etwa 25 Quadratmeter groß und „sehr aufnahmefähig“.6583
Die Papierakten der V-Mann-Führung und die der Wer-

bung befänden sich – voneinander getrennt – in Roll-
schränken.

6584
Da habe die Tendenz bestanden, Beschaf-

fungsakten sehr lange aufzubewahren.
6585

Anders als im

Bereich der „Auswertung“ habe man im Bereich der „Be-
schaffung“ über die Operativfälle gerne über Jahre Be-
scheid gewusst, weil es ja sein könne, dass man auf ein

und dieselbe Zielperson zweimal zugehe, wenn kein Ak-

tenrückhalt vorhanden sei.
6586

Im Bereich der „Werbung“
seien über die Jahre viele Hundert Akten angelaufen.

6587
Eine zentral geführte Unterlage, aus der sich ergebe, wann

eine personenbezogene Information zu den Akten gege-

ben worden sei und dann möglicherweise eine Löschung

einsetze, gebe es nach Aussagen des Zeugen Lingen im

Bereich der „Beschaffung“ des BfV nicht.6588 Der Zeuge
Lingen hat ausgesagt:

„Also, ich kann mich ja nur auf die Praxis in der
Beschaffung beziehen. In der Auswertung gibt es

vorgegebene Fristen, unter denen zu löschen ist.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass, wenn es

um die besagten Akten der Operation ‚Rennsteig‘
geht, ich zumindest damals nicht der verantwortli-

che Referatsleiter bin und zur damaligen Akten-

führung nichts sagen kann.

Auf Ihre Frage, wie es mit Verjährungsfristen in

der Beschaffung aussieht, muss ich darauf hinwei-

sen, dass wir eine Dienstvorschrift haben, und

nach der Dienstvorschrift ‚Beschaffung‘ sind Ak-
ten dann zu löschen, wenn sie dienstlich nicht

mehr notwendig sind. Grobe Anhaltspunkte liegen

bei etwa fünf Jahren bei Personen, wo es zu keinen

Kontakten gekommen ist, also Werbungsakten, die

erstellt worden sind, wo es zu keinem Kontakt mit
6582) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.

6583) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 11.

6584) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 11.

6585) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 12.

6586) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 12

6587) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 11.

6588) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 6; i. d. S. auch

S. 12.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 755 – Drucksache 17/14600

der Zielperson gekommen ist. Das ist bei uns sogar

der Großteil der Akten, weil die strengen Kriterien,

nach denen wir Zielpersonen auswählen, da fallen

etwa 60, 70 Prozent durchs Raster. Das sind Ak-

ten, die müssten im Prinzip nach meinem Wissen

nach fünf Jahren gelöscht werden; aber da gibt es

auch nur interne Verabredungen zu.

Bei Personen, mit denen wir Kontakt hatten, aber

wo sich daraus keine größeren Operativmaßnah-

men ergeben haben, da ist so in etwa die Zehnjah-

resfrist ins Auge gefasst, und bei V-Personen, die

mit uns über eine längere Zeit in Verbindung stan-

den, ist so ganz grob die 15-Jahres-Frist als Frist

anzusehen, nach denen wir dann gehandelt ha-

ben.“6589

Bei der Anwendung der Löschungsvorschriften gebe die

Dienstvorschrift einen Ermessensspielraum.

Das hat die Zeugin N., die als Bürosachbearbeiterin in der

Registratur des BfV die Anordnung des Referatsleiters

Lingen zur Aktenvernichtung physisch umsetzte, bestä-

tigt: Ein festgelegtes Verfahren zur Prüfung von Akten

zur Löschung, etwa Wiedervorlagen, habe es nicht gege-

ben.
6590

Die Anforderung von Akten zur Vernichtung sei

ein „alltägliches Geschäft“ gewesen.6591 Allerdings hat sie
auch angegeben, hierzu komme es etwa „zweimal im Jahr
höchstens“.6592

Der Zeuge Lingen hat angegeben, er habe während seiner

langjährigen Tätigkeit beim BfV nie erlebt, dass Kolle-

ginnen oder Kollegen Ärger bekommen hätten, weil sie

Akten vernichtet oder nicht genügend Rücksprache mit

Vorgesetzten genommen hätten.
6593

Aktenvernichtungen

seien im BfV kein Thema gewesen.
6594

Über die Frage,

wann man welchen Vorgang beseitige, sei

„immer mal wieder gesprochen [worden]. Auch in
den gemeinsamen Gesprächen mit den Vertretern

der Landesbehörden wurde sich auf Sondertagun-

gen darüber unterhalten: Wie haltet ihr es mit der

Aktenvernichtung?“6595

Er hat ausgeführt:

„die Aktenvernichtung selbst ist eigentlich nie
groß Hauptthema gewesen, aber man hat das

durchaus am Rande von Besprechungen immer

wieder mal thematisiert. Da gab es nun mal zwei

Philosophien. Die eine besagte, Beschaffungsakten

möglichst lange zu bewahren, und die andere Phi-
6589) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 6 f.

6590) N., MAT A Z-70/4, S. 6 f.

6591) N., MAT A Z-70/4, S. 4.

6592) N., MAT A Z-70/4, S. 5.

6593) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.

6594) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.

6595) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.

losophie war, sich von den Dingen zu trennen, die

dienstlich nicht mehr erforderlich sind.“6596

Auf die Frage, welche Philosophie er selbst in dieser

Angelegenheit vertreten habe, hat er erklärt:

„Sowohl die eine wie die andere. […] je nach
Zeit.“6597

„Je nach Zeit“ heiße, er sei lange Jahre der Meinung ge-
wesen, dass Beschaffungsakten grundsätzlich aufzube-

wahren seien,

„weil das natürlich ein Schatz ist, den man ungern
aufgibt.“6598

Diese Aussage hat er wie folgt präzisiert:

„Und dieser Schatz - - Das beweisen ja auch heute
noch die Fragen, zum Beispiel im Zusammenhang

mit dem Anschlag auf das Münchener Oktoberfest,

wo immer wieder gefragt wird: Hat es V-Leute

gegeben? Welche? Welche Informationen haben

die beschafft? Da gibt es ja wüste Spekulationen.

Da kann man sowohl der Meinung sein, dann ent-

sprechend auf diese Fragen auch antworten zu

können. Oder man kann natürlich der Meinung

sein, dass, wenn man feststellt, dass Akten einfach

derzeit nicht benötigt werden und auch voraus-

sichtlich in der nächsten Zeit - - dass man die dann

einfach löscht nach der Löschungsrichtlinie, der

die Auswertung ja auch unterliegt.“6599

Seine eigene Einstellung zu dieser Frage sei aber nicht

maßgeblich; er habe das nicht zu bestimmen.
6600

bb) Entscheidung über die Aktenvernichtung
und Anordnung

Die konkrete Entscheidung über die Vernichtung von

Akten ist vom Referatsleiter zu treffen. Das haben sowohl

der Zeuge Lingen als auch die Zeugin N. ausgesagt.
6601

In

seltenen Fällen sei die Prüfung von Fristen für die weitere

Aufbewahrung oder Löschung von Akten – so die Zeugin
N. – durch den Gruppenleiter erfolgt.6602 Sie selbst habe
zu keiner Zeit eine Überprüfung von Löschvorgängen

veranlasst.
6603

Anweisungen zur Vernichtung von Akten habe sie norma-

lerweise mündlich oder per E-Mail von Vorgesetzten

erhalten. Dabei seien ihr die entsprechenden Aktenzei-
6596) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 30.

6597) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

6598) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

6599) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

6600) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

6601) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7; N., MAT A
Z-70/4, S. 5.

6602) N., MAT A Z-70/4, S. 5.

6603) N., MAT A Z-70/4, S. 5.

Drucksache 17/14600 – 756 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

chen mitgeteilt worden.
6604

Sie selbst schaue in die Akten

nur zur Prüfung von deren Vollständigkeit.
6605

cc) Beteiligte Stellen, Vier-Augen-Prinzip und
Vernichtungsprotokoll

Nach Auskunft des Zeugen Engelke werden an der Ver-

nichtung einer Akte neben der aktenführenden Organisa-

tionseinheit weitere Stellen im BfV (Aktenregistratur,

Aktenverwaltung) beteiligt. Auf diese Weise solle si-

chergestellt werden, dass alle Teile einer Akte der Ver-

nichtung zugeführt werden.

Die Vernichtung werde in einer sog. Vernichtungsver-

handlung dokumentiert, in der u. a. auch bestätigt werde,

dass sämtliche Daten zu der betreffenden Person ge-

löscht sind.
6606

Es gebe zwei Ausfertigungen dieser Do-

kumentation. Eine werde in der Zentralabteilung (Abtei-

lung Z), wo es eine zentrale Registratur gebe, hinterlegt,

die andere verbleibe in der Fachabteilung. Es handele sich

um ein DIN-A4-Blatt mit mehreren Spalten. Der Anord-

nende müsse zeichnen. Der die Anordnung Empfangende

müsse bestätigen, dass er die vorgeschriebenen Prüfungen

vorgenommen habe, also die Akten zusammengesucht

und in den elektronischen Systemen nachgesehen habe,

was in die Akte eigentlich hineingehöre.

Die Vernichtung dürfe nur im Vier-Augen-Prinzip erfol-

gen, also von zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern.

Diese müssten sodann auf dem Dokument bestätigen, dass

sie ordnungsgemäß vernichtet haben. Schließlich bestäti-

ge noch ein Mitarbeiter der Zentralregistratur, dass er

dieses Protokoll empfangen habe.
6607

Das Vernichtungsprotokoll enthalte kein Schlagwort, aus

dem hervorgehe, worum es in der Akte gegangen sei.
6608

e) Datenschutzbeauftragter im BfV

Der Zeuge Fromm hat angegeben, dass das BfV über

einen Datenschutzbeauftragten verfüge, der diese Tätig-

keit als Referatsleiter in Vollzeit ausübe.
6609

Der Datenschutzbeauftragte sei eine relativ kleine Orga-

nisationseinheit mit einem Juristen an der Spitze, der

diese Tätigkeit seit vielen Jahren ausübe und der aus-

gesprochen spezialisiert sei. Dieser Datenschutzbeauftrag-

te pflege die Kommunikation mit dem Bundesdaten-

schutzbeauftragten. Es fänden permanent Abstimmungen

und Diskussionen statt, häufig auch kontrovers. Der Da-

tenschutzbeauftragte habe die Aufgabe, wenn etwa neue

Dateien kreiert würden, die Dateienanordnung zu entwer-

fen und alle datenschutzrechtlichen Fragen zu prüfen. Das

sei eine Daueraufgabe. Gerade in einem Haus wie dem
6604) N., MAT A Z-70/4, S. 11 f.

6605) N., MAT A Z-70/4, S. 9.

6606) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 14.

6607) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.

6608) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.

6609) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 9.

BfV spiele der Datenschutz, der ja das gesamte Bundes-

gesetz durchziehe, eine ganz wesentliche Rolle.
6610

4. Die Anordnung aus dem Jahre 2010 und
die Aktenvernichtung im Januar 2011

Der Sonderbeauftragte Engelke hat in seinem Bericht

ausgeführt, dass mehrere durch ihn und im Rahmen des

Disziplinarverfahrens befragte Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter unabhängig voneinander bestätigt hätten,

dass es im Beschaffungsbereich der Abteilung 2 bereits

seit mindestens dem Jahre 2010 erhebliche Bemühun-

gen gegeben habe, den dortigen Aktenbestand auf

eventuelle Aktenvernichtungsnotwendigkeiten hin zu

überprüfen. Hintergrund seien die Vorgänge um die im

BfV noch vorhandenen Akten zu einem anderen Fall

gewesen, anlässlich derer es einen „Mentalitätswechsel“
gegeben habe. Anstatt Beschaffungsakten möglichst lange

aufzubewahren (Begründung: das Gesetz sehe für Be-

schaffungsakten keine ausdrückliche Regelung vor),

sollten diese nunmehr nach Ablauf der Fristen des § 12

BVerfSchG vernichtet werden.

Vorgesetzte hätten – so Engelke – immer wieder darauf
hingewiesen, dass Altaktenbestände im Beschaffungs-

bereich, wann immer möglich, zu bereinigen seien. Dies

habe im Ergebnis zur Neufassung der DV-Beschaffung

geführt. Bereits vor Inkrafttreten dieser neuen DV-

Beschaffung habe die Abteilungsleitung mit Verfügung

vom 10. August 2010 angeordnet, dass Akten, die bis

1995 abgeschlossen waren, zu vernichten seien. Der

Zeuge Lingen hat berichtet, sein Vorgesetzter – der Grup-
penleiter – habe etwa ab dem Jahr 2010 die Meinung
vertreten, sich rasch von Akten zu trennen, die nicht mehr

notwendig seien.
6611

Aufgrund der Anordnung vom August 2010 – so En-
gelke – sei Anfang Januar 2011 eine große „Aktenver-
nichtungsaktion“ erfolgt, in der alle Beschaffungsakten,
die älter als 15 Jahre waren, vernichtet worden seien. Das

hat der Zeuge Lingen bestätigt.
6612

Eine entsprechende

Weisung des Referatsgruppenleiters habe es etwa im Jahr

2010 gegeben.
6613

Er hat erläutert:

„Die Gespräche fanden in der Referatsgruppe statt.
Daran beteiligt waren auch die anderen Referats-

leiter. Wir sind im BfV ja immer wieder gefragt

worden nach Ereignissen, die schon sehr lange zu-

rücklagen. Das letzte Ereignis war die Unterstüt-

zung von Rechtsextremisten für die Vorbereitung

der Anschläge 1972 in München - das ist ja im-

merhin 40 Jahre her -, und daraus resultiert natür-

lich die Frage: Wie lange heben wir Akten auf?

Wir waren da allesamt der Meinung, dass es nicht

sein kann, dass wir für so einen einzelnen Fall
6610) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 55.

6611) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

6612) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 18.

6613) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 757 – Drucksache 17/14600

Tausende von Akten aufbewahren, um dann eine

Frage nach 40 Jahren beantworten zu können.“6614

Auf Fragen zum konkreten Ablauf der konzertierten Ak-

tion im Januar 2011 hat sich der Zeuge Lingen auf sein

Aussageverweigerungsrecht nach § 22 PUAG berufen.
6615

Laut Engelke-Bericht seien die Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter nach Beendigung dieser Aktion angehalten gewesen,

Altbestände von Beschaffungsakten immer dann auf ein

mögliches Vernichtungserfordernis zu prüfen, wenn sie

dienstlich mit einem dieser Altvorgänge befasst worden

seien.
6616

Seither habe der Druck für alle Mitarbeiter des

BfV bestanden, immer dann, wenn sie sich mit einer

Altakte befassten, zu prüfen, ob die Fristen abgelaufen

seien, ob die Akte noch benötigt werde oder nicht.
6617

Der

Zeuge Lingen hat bekundet, im Beschaffungsbereich sei

man übereingekommen, die Akten anlassbezogen zu

löschen.
6618

5. Aktenvernichtung am 11. November 2011
und „einige Tage danach“

Am 11. November 2011 und „einige Tage danach“ wur-
den durch einen Referatsleiter im Beschaffungsbereich

Rechtsextremismus des BfV Akten zu Personen, die

aus dem Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“
(THS) für das BfV geworben und als VM geführt wurden,

vernichtet.
6619

Dies war derselbe Tag, an dem der Gene-

ralbundesanwalt Ermittlungen wegen der Gründung einer

rechtsgerichteten terroristischen Vereinigung einleitete.

Fünf dieser Akten waren aus der Operation „Rennsteig“
mit den Fallbezeichnungen

– Treppe,

– Tobago/Investor,

– Tonfarbe,

– Tusche,

– Tinte.6620

Darüber hinaus wurden zwei Beschaffungsakten vernich-

tet, die nicht der Operation „Rennsteig“ zugehörig sind zu
den Fällen:

– VM - Tacho und

– VM - Tarif.6621

Bei der Akte Tobago handelte es sich um eine Werbungs-

akte. Die Akten Tusche, Treppe, Tonfarbe, Tacho, Tarif

und Tinte waren VM-Akten.
6622
6614) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 31.

6615) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 18.

6616) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17 f.

6617) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.

6618) Lingen, Protokoll Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 12.

6619) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 4.

6620) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.

6621) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.

Eine ebenfalls zur Operation „Rennsteig“ gehörende VM-
Akte zu Tonfall wurde nicht vernichtet.

6623
Unter der Bezeichnung Operation „Rennsteig“ fassten
die beteiligten Behörden die Bemühungen zusammen,

Quellen im Umkreis der aus der „Anti-Antifa-
Ostthüringen“ im Jahre 1995 hervorgegangenen Gruppie-
rung „Thüringer Heimatschutz“ (THS) – eines Perso-
nenzusammenschlusses von diversen Kameradschaften

in Thüringen zu gewinnen. Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe waren besonders gewaltbereite Mitglieder des

„THS“. Ausgangspunkt für die Operation war die Ana-
lyse, dass die Organisation ein bedeutendes Sammelbe-

cken der Neonazi-Szene war, zu dem die Zugangslage

verbessert werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt gab

es im Wesentlichen nur einen wertigen Zugang des LfV

Thüringen.
6624

Zum Umfang der Werbung in der Operation „Rennsteig“
hat der Sonderbeauftragte Engelke in seinem Bericht

ausgeführt, aus der Operation „Rennsteig“ hätten acht
Werbungsfälle resuliert.

6625
Auch das BfV hat zu den im Rahmen der Operation

„Rennsteig“ geworbenen und geführten V-Leuten mitge-
teilt, es habe im Rahmen der Operation „Rennsteig“ acht
V-Leute geworben und sechs VM mit Zielrichtung „THS“
durch die „Beschaffung“ der Abteilung 2 des BfV ge-
führt.

Es habe sich hierbei gehandelt um

– Treppe (1999),

– Tobago (1999-2001),

– Tonfall (2000-2001),

– Tonfarbe (2000-2002),

– Tusche (2000),

– Tinte (2003 angeworben und im Jahr 2004 – nach
Beendigung der Operation „Rennsteig“ an das LfV
Thüringen übergeben).

Die beiden weiteren geworbenen V-Leute, die VM Ter-

rier und Trapid, seien in den Jahren 2000 und 2003 dem

LfV Thüringen übergeben worden.
6626
6622) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

Aktualisierter rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit

Aktenvernichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli
2012, MAT B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12).

6623) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.

6624) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 4 f; weitergehend
siehe oben Operation „Rennsteig“, B. IV. 1.

6625) Engelke-Bericht vom 11. Oktober 2012, MAT B BfV-2/4,

(Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM), S. 21.

6626) Bericht des Präsidenten des BfV an das BMI vom 28. Juni 2012

sowie Kurzinformation des Präsidenten des BfV vom 27. Juni

2012, MAT B BfV-2 (Tgb.-Nr. 29/12 - GEHEIM).

Drucksache 17/14600 – 758 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Angaben des Referatsleiters Lingen

Am 27. Juni 2012 hat der Referatsleiter Lingen eine

dienstliche Erklärung folgenden Inhalts abgegeben:

„Am 10. November 2011 erhielt ich den Auftrag
der Amtsleitung, Werbungsakten aus dem Bereich

‚THS‘ daraufhin zu überprüfen, ob sich aus diesen
Bezüge/Kontakte des BfV zum Trio/NSU ergäben.

Ich habe die Akten daraufhin überprüfen lassen

und mich davon überzeugt, dass derartige Bezüge

bei den von uns angeworbenen Quellen nicht exis-

tierten. Für die aus meiner Sicht damit dienstlich

nicht mehr benötigten Akten habe ich am

11. November 2011 die Vernichtung angeordnet.

Dabei wurden Werbungsakten zu acht Personen,

mit denen eine nachrichtendienstliche Zusammen-

arbeit bestand, vernichtet.“6627

Am 28. Juni 2012 hat der Referatsleiter Lingen diese

dienstliche Erklärung folgendermaßen ergänzt:

„Nach nochmaligem Nachdenken habe ich nicht
Werbungsakten von acht, sondern nur von sieben

Personen zur Vernichtung angeordnet. Versehent-

lich habe ich in meiner Erinnerung eine Akte dop-

pelt gezählt. Ich führe dieses Versehen darauf zu-

rück, das in einem Fall für eine Person zwei Fall-

bezeichnungen vergeben wurden.“6628

Als Zeuge vor dem Ausschuss hat Herr Lingen in Bezug

auf die konkreten Vorgänge im Zusammenhang mit der

Aktenvernichtung am 11. November 2011 von seinem

Aussageverweigerungsrecht nach § 22 Abs. 2 PUAG

Gebrauch gemacht, wonach er die Beantwortung solcher

Fragen verweigern kann, die ihn selbst oder Angehörige

nach § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung der Gefahr

aussetzen würde, einer Untersuchung nach einem gesetz-

lich geordneten Verfahren, insbesondere wegen einer

Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit oder auch einem

dienstlichen Ordnungsverfahren ausgesetzt zu werden.

Der Zeuge Lingen hat aber eingangs seiner Vernehmung

ausgeführt:

„Ich habe es als meine staatsbürgerliche Pflicht
angesehen, als geladener Zeuge vor dem Untersu-

chungsausschuss aufzutreten. In den öffentlichen

Vorwürfen der vorsätzlichen Vernichtung von

Operativakten, um Sachverhalte zu vertuschen, bin

ich natürlich sehr betroffen. Ich bin über den

Rücktritt meines Präsidenten geschockt und darü-

ber, wie ich im allgemeinen Medieninteresse stehe.

Das ist etwas, was ich mir sozusagen in meiner be-

ruflichen Laufbahn nicht im Geringsten vorstellen

konnte.“6629
6627) MAT A BfV-13, Bl. 1.

6628) MAT A BfV-13, Bl. 1.

6629) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 3.

b) Ablauf der Aktenvernichtungen am
11. November 2011 und „einige Tage da-
nach“

Am 8. November 2011 erteilte der damalige Präsident des

BfV, Heinz Fromm, auf einem Gesprächsvermerk zur

ND-Lage vom 8. November 2011 zum TOP „Banküber-
fall und Leichenfund am 4. November in Eisenach/TH;

mögliche Bezüge zum Rechtsextremismus“ folgenden
Auftrag an die Abteilung 2 (Rechtsextremismus):

„Ich bitte um detailiierte Aufarbeitung des Vor-
gangs. Was hat das BfV in den 1990er Jahren in

diesem Fall für eine Rolle gespielt, welche Infor-

mationen lagen vor und welche Ermittlungen wur-

den von Seiten BfV durchgeführt, insbesondere

nachdem die drei Personen flüchtig waren. Bitte

um kritische Durchsicht der Akten zu den Informa-

tionen zu den drei Personen, dem ‚THS‘ und mög-
lichen Verbindungen zur NPD.“6630

Der Zeuge Lingen hat zum konkreten Auftrag der Amts-

leitung zur Durchsicht der Beschaffungsakten keine An-

gaben gemacht.
6631

Ausweislich der vom Sonderbeauftragten Engelke des

BMI erstellten Chronologie, beauftragte der damalige

Gruppenleiter 2B den Referatsleiter Lingen am

8. November 2011, die Akten der „Beschaffung“ referats-
übergreifend nach etwaigen Fundstellen mit Bezügen zum

Trio zu durchsuchen. Entweder am selben Morgen oder

am Morgen des Folgetages habe der Referatsleiter eine

elektronische Suche nach den drei Namen in der Perso-

nenzentraldatei durchgeführt. Darüber hinaus habe er in

der elektronisch geführten Werbungsdatei der Abt. 2 nach

Stichworten gesucht. Da die Werbungsdatei vor 1999

nicht alle Fälle enthalte, habe auch die erste Übersicht

nicht vollständig gewesen sein können, bzw. seien spätere

Korrekturen notwendig gewesen.
6632

MinDirig Engelke hat angegeben, Referatsleiter Lingen

habe die Forschungs- und Werbungsdatei nach den Be-

griffen „Thüringen“, „THS“ und „Thüringer Heimat-
schutz“ durchsucht und sei so auf die ausgewählten Akten
gekommen.

6633
Dies habe ihm Referatsleiter Lingen so bestätigt. Er habe

nach Akten zu den Namen Mundlos, Böhnhardt und

Zschäpe forschen sollen und aus der Berichterstattung

gewusst, dass der Fall in Thüringen spiele. Der Zeuge

Engelke hat erläutert:

„Jetzt geht er hin und sagt: ‚So, was weiß ich denn
aus der ‚Beschaffung‘ über Thüringen? Da war
was‘ und kommt jetzt zu den Begriffen. ‚THS‘,
‚Thüringen‘ und ‚Thüringer Heimatschutz‘. Er hat
nicht Operation ‚Rennsteig‘ gesucht. […]. Er
kommt jetzt zu einer Liste von Werbungsfällen
6630) MAT B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6631) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7.

6632) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6633) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 17 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 759 – Drucksache 17/14600

von denen er sagt: ‚Die könnten relevant sein‘ und
die bittet er die Mitarbeiter an sich zu ziehen und

durchzuschauen […] auf die drei Namen.“6634

Am 9. November 2011 habe der Referatsleiter zunächst

mündlich
6635

Mitarbeiter seines Referats beauftragt, die

Akten Tobago (Werbungsakte) sowie der Akten Tusche,

Treppe, Tonfarbe, Tacho, Tarif und Tinte (VM-Akten)

auf die drei Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

durchzusehen.
6636

Für die VM-Akten war formal nicht der Referatsleiter

Lingen zuständig, sondern ein Kollege aus dem Nachbar-

referat. MinDirig Engelke hat hierzu ausgeführt, dass der

Referatsleiter Lingen im Gespräch mit ihm dargestellt habe,

dass er von seinem damaligen Vorgesetzten, dem Gruppenlei-

ter, am Dienstag, den 8. November 2011, beauftragt wurde,

die Durchsicht aller Beschaffungsakten der Abteilung, also

auch derjenigen des Nachbarreferates, zu koordinieren. Diese

Darstellung habe der damalige Gruppenleiter ihm gegenüber

bestätigt.
6637

Nach Aussage des Zeugen Engelke habe der Gruppenlei-

ter den Referatsleiter Lingen beauftragt, weil dieser für

die Koordination im Bereich „Beschaffung“ der erfahre-
nere, länger dienende Referatsleiter gewesen sei; der

Leiter des Nachbarreferats habe noch nicht so lange in

dem Bereich gearbeitet.
6638

Die Organisation der Prüfung habe der Referatsleiter

Lingen den von ihm beauftragten Mitarbeitern überlas-

sen.
6639

Drei Mitarbeiter seines Referats hätten sich die

sieben Vorgänge aus der Registratur dieser Referatsgrup-

pe ausgeliehen. Die Prüfung dieser Akten auf die Klar-

namen sei durch mindestens fünf Mitarbeiter erfolgt.
6640

Eine schriftliche Dokumentation des Auftrages sei am

Nachmittag per E-Mail (14.24 Uhr) erfolgt.
6641

MinDirig Engelke hat hervorgehoben, dass der Referats-

leiter Lingen in seinem Prüfauftrag die Prüfung von Tarif

veranlasst habe, obwohl dieser gar nicht zur Operation

„Rennsteig“ gehört habe. Die Prüfung von Tonfall, der
aber Teil der Operation „Rennsteig“ gewesen sei, habe er
nicht veranlasst. Der Referatsleiter habe auch nur die
6634) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 18.

6635) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6636) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),

aktualisierter rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit
Aktenvernichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli

2012, MAT B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12); Zu der Frage, wie der

Referatsleiter auf diese Akten kommen konnte, siehe unten:

K.I.5.f).

6637) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 19.

6638) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 19.

6639) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),

MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 – GEHEIM), S. 26.

6640) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 – GEHEIM), S. 26.

6641) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),

MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 – GEHEIM), S. 26; aktualisierter
rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12).

Prüfung nach den Namen Mundlos, Böhnhardt und

Zschäpe veranlasst, wobei er den Namen Böhnhardt in

dem schriftlich erteilten Auftrag falsch geschrieben habe.

Er habe keine Prüfung nach Alias-Personalien veran-

lasst.
6642

Die Alias-Namen des Trios seien nach Angaben

des Sonderbeauftragen Engelke in der Beschaffungsgrup-

pe erstmals am Nachmittag des Donnerstags,

10. November 2011, bekannt geworden.
6643

Am selben oder am nächsten Tag hätten die Mitarbeiter

die negativen Prüfergebnisse per E-Mail oder telefonisch

mitgeteilt. Die Mitarbeiter hätten die Akten an diesem

oder am nächsten Tag direkt in die Registratur zurückge-

geben, ohne sie dem Referatsleiter vorzulegen.
6644

MinDirig Engelke hat als Zeuge ausgesagt, die mit der

Suche nach den Namen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

in den vom Referatsleiter ausgewählten Akten beauftrag-

ten Sachbearbeiter seien von ihm befragt worden.
6645

Die

Mitarbeiter hätten angegeben, die Akten Blatt für Blatt

durchgeschaut zu haben, aber nur nach den genannten

Namen.
6646

Diesen Auftrag hätten sie ausgeführt und dann

schnell die Akten zurück in die Registratur gebracht.
6647

Die Sachbearbeiter hätten teilweise mündlich berichtet

und dann schriftlich zurückgemailt, dass die angegebenen

Namen in der Akte nicht auftauchten.
6648

Die Amtsleitung

habe schnell eine Aussage verlangt, ob etwas zu diesen

Namen im BfV vorliege. Alle Mitarbeiter hätten gesagt:

„Das haben wir sehr sorgfältig durchgeschaut auf
die drei Namen und dann nichts gefunden.“6649

Die Mitarbeiter hätten nicht gesagt, dass sie eine Kontext-

lektüre gemacht hätten.
6650

Auf die Frage, inwieweit die die Akten prüfenden Mitar-

beiter Kenntnis von deren Inhalt hatten, hat der Zeuge

Engelke weiter ausgeführt:

„Also, die sind nicht so ausgebildet, dass zum Bei-
spiel der Kollege, der damals den Fall bearbeitet

hat, soweit er jetzt noch da auftaucht, sich genau

diesen Fall anschaut. Das haben die in Eigenorga-

nisation gemacht. Ich glaube, das war in einem

Fall der Fall.“6651

Die Kollegen seien aber ausgebildet, solche Akten zu

lesen.
6652
6642) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 3.

6643) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6644) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM),
MAT A 2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6645) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6646) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6647) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6648) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6649) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6650) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6651) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

6652) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 57.

Drucksache 17/14600 – 760 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Am Donnerstag, dem 10. November 2011, informierte der

Referatsleiter um 9.38 Uhr per E-Mail die Referatsleiterin

für den Bereich „Auswertung Rechtsextremismus,
Rechtsterrorismus“, den damaligen Gruppenleiter „Be-
schaffung“ und den damaligen Abteilungsleiter 2 über das
Zwischenergebnis der Prüfung der Forschungs- und Wer-

bungsakten mit möglichen Bezügen zu den Rechtsextre-

misten Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe mit folgendem

Wortlaut:

„Alle drei Personen waren niemals Gegenstand
von F+W-Maßnahmen des BfV. Mit insgesamt

sieben Personen aus dem ‚THS‘-Bereich wurden
mehrere Gespräche mit dem Ziel der Werbung ge-

führt. Drei Fälle wurden davon an das LfV TH

übergeben. Zu diesen Fällen gibt es keine Akten

mehr bei uns. Drei (nicht zwei!) Personen wurden

kurzfristig (1999 – 2001) als Quellen des BfV ge-
führt (Tobago; Tusche und Treppe) und nach kur-

zer Zeit wieder abgeschaltet. In keiner der geprüf-

ten vier Werbungsakten waren Hinweise auf die

‚Thema‘ genannten Personen enthalten. Ein ehe-
maliger Werbungsmitarbeiter konnte sich erinnern,

dass alle Quellen des BfV mit Thüringer Bezügen

zu Personen befragt wurden, die 1998 mit den

Selbstlaboranten in Verbindung gestanden haben

könnten.

Zusatz: alle Werbungs- und VM-Akten der Akten-

jahre bis 2001 sind vernichtet worden, soweit kei-

ne Werbungsfälle/VM betroffen waren, die danach

als Quellen noch relevant waren.
6653

Diese E-Mail leitete der Referatsleiter Lingen kommentar-

los am nächsten Tag, am 11. November 2011, um 9.04

Uhr auch an den formal für die sechs VM-Akten zustän-

digen Referatsleiter weiter.
6654

Laut Bericht des Sonderbeauftragten habe der Referatslei-

ter Lingen ihm gegenüber angegeben, der Zusatz in der

oben genannten E-Mail habe sich nicht auf die im Januar

2011 durchgeführte, sondern auf die erst am folgenden

Tag durchgeführte, zum Zeitpunkt der E-Mail also erst

noch bevorstehende Aktenvernichtung, bezogen.
6655

Auf die oben genannte E-Mail des Referatsleiters von

9.38 Uhr antwortete der damalige Gruppenleiter um 10.32

Uhr:

„danke, war hilfreich“.

MinDirig Engelke gibt in seinem Bericht an, der Referats-

leiter Lingen habe ihm gegenüber geäußert, keine weite-

ren Rückmeldungen von den E-Mail-Adressaten erhalten

zu haben.
6656

Ausweislich des Berichts des Sonderbeauftragten habe

der Referatsleiter am Vormittag des 10. November 2011
6653) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6654) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6655) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6656) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

die zuständige Bürosachbearbeiterin N. angerufen und ihr

mitgeteilt, dass die von ihr ausgeliehenen Akten zu ver-

nichten seien. Frau N. habe auf die Notwendigkeit einer

schriftlichen Anordnung verwiesen sowie nachgefragt,

warum gerade diese Akten vernichtet werden sollten.
6657

Diese Darstellung hat die Zeugin N. im Wesentlichen

bestätigt. Sie hat bekundet, ihr sei am Vormittag
6658

des

10. November 2011
6659

von einem Kollegen aus der „Be-
schaffung“, Herrn B., auf dem Flur gesagt worden, dass
sie Akten vernichten solle.

6660
Herr B. sei wohl gerade aus

dem Büro des Referatsleiters Lingen gekommen. Sie habe

erwidert:

„Wie, Akten vernichten? Ich vernichte hier keine
Akten auf Zuruf. Was soll das denn jetzt hier? -

Das habe ich noch gesagt.“6661

Herr B. habe ihr aber keine konkrete Aufforderung zur

Vernichtung erteilt.
6662

„Und dann bin ich zum Herrn Lingen rübergegan-
gen und habe gesagt: Wie, Akten vernichtet wer-

den? Was für Akten?“6663

Sie habe in dieser Angelegenheit auch noch mit dem

Referatsleiter Lingen telefoniert. Über die zeitliche Ab-

folge war sich die Zeugin N. in ihrer Vernehmung jedoch

nicht sicher. Sie hat ausgeführt:

„Dann bin ich mir jetzt nicht mehr 100 Prozent si-
cher, ob das Telefonat mit dem Herrn Lingen vor

dem persönlichen Gespräch mit ihm stattgefunden

hat oder danach. Ich meine, das telefonische Ge-

spräch hätte erst mal vorher stattgefunden, dass ich

doch noch mal erst in mein Büro gegangen bin. Ob

ich ihn angerufen habe oder er mich angerufen hat,

das kann ich Ihnen jetzt auch nicht mehr ganz ge-

nau sagen, weiß ich nicht mehr.

Und dann habe ich am Telefon auf jeden Fall ge-

sagt, dass ich auf Zuruf überhaupt nichts vernichte,

auch nicht am Telefon oder so. Und dann bin ich ja

auch persönlich, wie gesagt, zu ihm hingegangen

und habe ihn dann gefragt: Was soll hier vernichtet

werden? Und daraufhin hat er mir gesagt, es wären

sechs Akten. Und da muss ich wohl gefragt haben:

Ja, was denn für Akten? Und daraufhin hat er ge-

sagt - - Er hat die Namen nicht alle genannt. Er hat

auf jeden Fall gesagt: Tusche oder - - Ich weiß es

nicht mehr. Ich kann Ihnen die Namen noch nicht

mal mehr komplett sagen.

Und daraufhin habe ich gesagt: Sind das denn V-

Mann-Akten, oder sind das Werbungsakten? Und
6657) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6658) N., MAT A Z-70/4, S. 9.

6659) N., MAT A Z-70/4, S. 14.

6660) N., MAT A Z-70/4, S. 8.

6661) N., MAT A Z-70/4, S.11.

6662) N., MAT A Z-70/4, S. 11, 17.

6663) N., MAT A Z-70/4, S. 9.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 761 – Drucksache 17/14600

da hat er wohl gesagt: Es sind V-Mann-Akten.

Und da habe ich gesagt: Die werden doch nicht

vernichtet. Wieso sollen die vernichtet werden?

Weil eben halt - - Dann, daraufhin sagte er: Tun

Sie das, was ich sage. - Da habe ich gesagt: Das

werde ich nicht tun, weil er wäre ja zu diesem

Zeitpunkt kein zuständiger Referatsleiter von den

V-Mann-Akten. - Ja, aber er wäre jetzt Vertreter. -

Ja, sage ich, dann in Ordnung; dann soll er mir das

aber bitte schriftlich geben.
6664

Nach Aussage der Zeugin N. habe der Referatsleiter Lin-

gen ihr im Gespräch die Akten mit den Namen benannt;

die Aktenzeichen habe er gar nicht gewusst.
6665

Die Akten

mit den vom Referatsleiter benannten Namen seien dieje-

nigen gewesen, die zuvor von Mitarbeitern dieser Refe-

ratsgruppe überprüft worden seien.
6666

Von daher seien

ihr diese Akten bekannt gewesen.
6667

Zum Inhalt ihres Gesprächs mit dem Referatsleiter Lingen

hat die Zeugin N. weiter ausgesagt:

„Ich habe gar nichts mitgeschrieben. Ich habe le-
diglich dann zu ihm gesagt, was das denn für Ak-

ten wären. Und das waren V-Mann-Akten. Zu die-

sem Zeitpunkt war Herr Lingen nicht Referatsleiter

von der V-Mann-Führung. Und daraufhin habe ich

gesagt, dass er das nicht entscheiden könnte, weil

die Akten zu der V-Mann-Führung gehören wür-

den - bis auf eine, die der Forschung und Werbung

zugehörig war. Und da: Das würde aber nichts zur

Sache tun; ich sollte das machen, was er mir sagt. -

Und da habe ich gesagt: Nein, das werde ich nicht

tun; er möchte mir das bitte schriftlich geben.
6668

Der Referatsleiter Lingen habe ihr gegenüber nichts dazu

gesagt, warum die Aktenvernichtung überhaupt notwen-

dig sei.
6669

Über dessen Motive sei ihr nichts bekannt.
6670

Nach Angaben der Zeugin N. sei dies der erste und einzi-

ge Fall in ihrer Zusammenarbeit mit dem Referatsleiter

Lingen gewesen, der ihr Anlass gegeben habe, eine Auf-

forderung zur Aktenvernichtung kritisch zu hinterfra-

gen.
6671

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, der Grund für die Be-

denken der Bürosachbearbeiterin N. sei gewesen, dass es

um V-Leute aus dem Thüringer Umfeld ging.

„Im Moment ist überall in den Medien, dass
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aus dem Bereich

stammen. Da glaube ich nicht, dass es eine gute

Idee war, das zu dem Zeitpunkt zu vernichten. Das
6664) N., MAT A Z-70/4, S. 21.

6665) N., MAT A Z-70/4, S. 24.

6666) N., MAT A Z-70/4, S. 17.

6667) N., MAT A Z-70/4, S. 17.

6668) N., MAT A Z-70/4, S. 20.

6669) N., MAT A Z-70/4, S. 38.

6670) N., MAT A Z-70/4, S. 34; S. 38.

6671) N., MAT A Z-70/4, S. 22.

war ihr Motiv und das war auch das von dem

Sachbearbeiter.“6672

Demgegenüber hat die Zeugin N. als alleinigen Grund für

ihre Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, die

Akten zu vernichten, die fehlende formale Zuständigkeit

des Referatsleiters Lingen für V-Mann-Akten angegeben.

Formal sei ihr eine Anweisung zur Vernichtung von Ak-

ten von einer Person erteilt worden, die für diese Akten

nicht zuständig gewesen wäre.
6673

Die Zeugin N. hat auf Nachfrage ausdrücklich verneint,

dass die damals schon in den Medien erwähnten Ge-

schehnisse in Thüringen ein Grund für ihre kritische Hal-

tung gewesen seien.
6674

Sie habe am 11. November 2011

noch nicht bewusst Kenntnis davon gehabt, dass in Thü-

ringen eine Terrorzelle aufgeflogen sei.
6675

Darüber hinaus hat die Zeugin N. verneint, dass Grund für

ihre kritische Nachfrage gewesen sei, dass V-Mann-Akten

im BfV grundsätzlich nicht vernichtet würden.
6676

Der Referatsleiter Lingen habe Frau N. daraufhin per E-

Mail um 10.25 Uhr den Auftrag zur Vernichtung von

zunächst sechs der sieben Akten erteilt.

In der Beratungssitzung des Ausschusses vom

19. Juli 2012 hat MinDirig Engelke in seiner Eigenschaft

als Sonderbeauftragter des BMI – nicht als Zeuge – aus-
geführt, der Auftrag habe wie folgt gelautet:

„Bei der Aktenrecherche von ZP/V-
Mann/Informanten im Zusammenhang mit dem

‚THS‘ sind Akten/Aktenteile festgestellt worden,
die vernichtet werden müssen, da sie nicht mehr

gebraucht werden. Dabei handelt es sich um die

Fälle Tobago, Tusche, Treppe, Tonfarbe, Tacho

und Tinte.“ 6677

Die Akte Tarif sei von diesem ersten Auftrag zunächst

nicht erfasst gewesen. Zehn Minuten später habe der

Referatsleiter eine weitere Mail mit dem Inhalt

„Auch die Aktenbestandteile von V-Mann Tarif
müssen vernichtet werden.“

versandt.
6678

Auch die Zeugin N. hat ausgesagt, dass der Referatsleiter

seinen dann schriftlich erteilten Auftrag zur Aktenver-

nichtung von zunächst sechs auf dann sieben Akten er-

weitert habe. Sie hat ausgeführt:

„Und das hat er mir dann auch per Mail schrift-
lich - - in zwei Mails: Einmal waren es nur sechs,

und dann hat er noch eine nachgeschoben, den
6672) Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM) sowie Protokoll-

Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM).

6673) N., MAT A Z-70/4, S. 23.

6674) N., MAT A Z-70/4, S. 23.

6675) N., MAT A Z-70/4, S. 22.

6676) N., MAT A Z-70/4, S. 33.

6677) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 4.

6678) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 4.

Drucksache 17/14600 – 762 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

siebten, die Namen. Und dann habe ich erst mal in

DOMUS nachgeguckt, welches Aktenzeichen - -

weil es waren ja nur Namen und da konnte ich ja

nichts mit anfangen. Und dann habe ich erstmal in

DOMUS nachgesehen, was das für Akten sind,

welches Aktenzeichen. Dann habe ich die Akten

rausgesucht.“6679

Sie hat fortgeführt:

„Ja, und er ist auch, glaube ich, noch mal im Büro
gewesen und hat geguckt, ob es die denn auch

sind, also ob das die Akten waren.“6680

Ausweislich des Berichts des Sonderbeauftragten habe

der Referatsleiter am 10. November 2011 um 11.19 Uhr

um Rückruf bei dem für die sechs VM-Akten formal

zuständigen Referatsleiter gebeten, der sich an diesem

Tag allerdings auf einer Dienstreise befunden habe und

erst am Folgetag (11. November 2011) wieder im Büro

gewesen sei. Um 15.17 Uhr habe die Bürosachbearbeite-

rin N. ebenfalls eine Mail an den formal zuständigen

Referatsleiter mit dem Betreff „Vernichtung“ geschrie-
ben, in der sie um Rückruf gebeten habe.

6681
Die Zeugin N. hat ausgesagt, wegen ihrer Zweifel an der

formalen Zuständigkeit des Referatsleiters Lingen für die

Vernichtung von V-Mann-Akten, habe sie sich zunächst

per E-Mail mit dem formal zuständigen Leiter des Nach-

barreferats in Verbindung gesetzt und nachgefragt, ob er

mit der Vernichtung einverstanden sei.
6682

Die Zeugin N. hat ausgesagt, sie sei, nachdem ihr der

schriftliche Auftrag zur Vernichtung der sieben Akten

erteilt worden sei, wie folgt vorgegangen:

„Dann habe ich die Akten rausgesucht, um die es
sich handelte. Dann habe ich die Ver-

nichtungsverhandlung geschrieben und habe die

Akten aufgeführt, die zu vernichten sind. Das hat

auch eine ganze Zeit in Anspruch genommen; so

schnell geht das auch nicht. Dann habe ich - ich

meine, Donnerstagnachmittag - die Vernichtungs-

verhandlung dem Herrn Lingen vorgelegt, und der

hat sie unterschrieben.“6683

MinDirig Engelke hat zum Verfahren bei der Anordnung

einer Vernichtung folgende Angaben gemacht:

„Wenn eine Vernichtung angeordnet ist, muss ein
Vernichtungsprotokoll erstellt werden oder an-

dersherum, im Ergebnis gibt es zwei Vernich-

tungsprotokolle. Es gibt eins, was in der Fachabtei-

lung verbleibt und eines, was im Zentralarchiv so-

zusagen abgeheftet wird. In der ersten Version

muss der Vernichtungsanordnende, hier also der

Referatsleiter, dafür zeichnen, dass er angeordnet
6679) N., MAT A Z-70/4, S. 20.

6680) N., MAT A Z-70/4, S. 20.

6681) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6682) N., MAT A Z-70/4, S. 23.

6683) N., MAT A Z-70/4, S. 21.

hat, Unterlagen zu vernichten zu einem Vorgang.

Ein Mitarbeiter ist jetzt aufgefordert, in einem An-

hang im Detail unter fortlaufender Nummerierung

aufzuschreiben, welche Unterlagen das denn sind

im Vorgang. Und eigentlich ist er auch angehalten

dazu, im Vorgangsbearbeitungssystem des BfV zu

gucken: Stimmt das mit dem im Computer Regis-

trierten; welche Schriftstücke müssen da jetzt ei-

gentlich drin sein? Der Mitarbeiter, der diese An-

lage erstellt – der also sagt, ich muss den Vorgang
Tonfall vernichten – geht also jetzt hin und listet
auf: Was sind da eigentlich im einzelnen für

Schriftstücke drin? und führt die in der Anlage auf.

Das wird sozusagen mit dem Deckblatt des Ver-

nichtungsprotokolls verbunden. Dass das ord-

nungsgemäß geschehen ist, dafür zeichnet dieser

Mitarbeiter auch auf dem Vernichtungsprotokoll,

auf dem Deckblatt.“6684

Nach Aussage des Zeugen Engelke hat der Referatsleiter

Lingen seine Namensparaphe bei der Anordnung der

Vernichtung nicht mit einem Datum versehen.
6685

Die zu vernichtenden Akten selbst seien dem Referatslei-

ter Lingen nicht vorgelegt worden.
6686

Die Zeugin N. hat auf Nachfrage eingeräumt, dass sie

weder bei der Zusammenstellung der Akten noch vor

deren Vernichtung einen Abgleich mit der Schriftgutver-

waltung vorgenommen habe.
6687

Bei einem solchen Ab-

gleich wäre ihr nach Angaben des Sonderbeauftragten

Engelke aufgefallen, dass in den Akten Teile gefehlt hät-

ten.
6688

In seinem Bericht hat MinDirig Engelke in seiner Eigen-

schaft als Sonderbeauftragter des BMI ausgeführt, im

Laufe des Vormittags des 11. November 2011 habe der

Sachbearbeiter B. dem Referatsleiter Lingen Zweifel an

der Richtigkeit des Zeitpunkts der Aktenvernichtung

mitgeteilt. Daraufhin habe Herr Lingen geantwortet:

„Die Akten sind sauber, da ist nichts dran, die sind
geprüft. Das reicht, sonst haben wir die noch hun-

dertmal auf dem Tisch. Die sind sowieso zu alt.

Die müssen weg.“6689

Nach Aussage der Zeugin N. habe der für die sechs VM-

Akten formal zuständige Referatsleiter, mit dem sie sich

zunächst per E-Mail in Verbindung gesetzt und nachge-

fragt habe, ob er mit der Vernichtung einverstanden sei,

ihr gegenüber am Freitag, dem 11. November 2011, tele-

fonisch erklärt:
6684) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 5.

6685) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.

6686) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6687) N., MAT A Z-70/4, S. 29.

6688) Engelke, Protokoll-Nr. 25, Beratungssitzung, (Tgb.-Nr. 47/12 -

VS-VERTRAULICH), S. 14.

6689) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 763 – Drucksache 17/14600

„Ja, wäre okay.“6690

Sie habe daraufhin die Anweisung des Referatsleiters

Lingen für sich akzeptiert.
6691

Nachdem sie ihre Bedenken

gegenüber dem Referatsleiter Lingen und dem – für sechs

der vernichteten Akten eigentlich zuständigen Leiter

des Nachbarreferats geäußert habe, habe sie bei höheren

Vorgesetzten nicht mehr remonstriert.
6692

Sich mit dem

Gruppenleiter in dieser Angelegenheit in Verbindung zu

setzen, habe sie nicht mehr in Betracht gezogen.
6693

Die Akten seien von ihr am selben Tag zwischen 10 und

11 Uhr im Beisein des Sachbearbeiters B. vernichtet wor-

den. Bei der Vernichtung gelte das Vier-Augen-Prinzip.

Zuvor habe sie die dazugehörigen Dateien gelöscht.
6694

Auf Nachfrage hat die Zeugin erklärt, Herr B. habe ge-

fragt, warum man das jetzt mache. Was Herr B. dazu

gesagt habe, wisse sie aber nicht mehr.
6695

Auch im Vor-

griff auf die Vernichtung habe sie nicht mit Herrn B.

gesprochen.
6696

MinDirig Engelke hat zum Vernichtungsverfahren im

BfV folgende Angaben gemacht:

„In der Praxis des BfV, so habe ich das verstanden,
ist es so, dass vor Vernichtung jetzt schon - - die

Vernichtung wird nach dem Vier-Augen-Prinzip

erfolgen, das heißt, es müssen immer zwei Kolle-

gen da sein – zeichnen jetzt die zwei Kollegen,
dass sie vernichtet haben. Das sind also sozusagen

insgesamt vier Unterschriften auf so einem Vor-

blatt, jedenfalls in der ersten Version des Proto-

kolls, das in der Fachabteilung verbleibt, wobei der

das Vernichtungsprotokoll Erstellende – also der
sagt: Da sind folgende Vorgänge drin, und die füh-

re ich jetzt in der Anlage auf – das kann auch der
sein, der dann praktisch der eine von den beiden

ist, der die Vernichtung durchführt, und so war es

hier auch. Der Bürosachbearbeiter [Anm.: Die Bü-

rosachbearbeiterin] hat das Protokoll erstellt [….]
und nimmt noch einen Kollegen mit, der dies

überprüft und beide gehen dann in den Keller des

BfV, da steht eine riesengroße Aktenvernich-

tungsmaschine, und dort vernichten sie die Unter-

lagen.“6697

Auf dem zweiten Protokoll, das im Zentralarchiv abgelegt

werde, paraphiere noch einmal ein fünfter Mitarbeiter

dafür, dass ihm angezeigt worden sei, dass die Unterlagen

vernichtet wurden.
6698
6690) N., MAT A Z-70/4, S. 22.

6691) N., MAT A Z-70/4, S. 38.

6692) N., MAT A Z-70/4, S. 39.

6693) N., MAT A Z-70/4, S. 39.

6694) N., MAT A Z-70/4, S. 21.

6695) N., MAT A Z-70/4, S. 36.

6696) N., MAT A Z-70/4, S. 37.

6697) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 5.

6698) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 7.

Außer dem Referatsleiter Lingen hätten alle anderen Mit-

arbeiter die Vernichtungsverhandlung mit Namenspara-

phe und Datum vom 11. November 2011 versehen.
6699

Laut Bericht des Sonderbeauftragten Engelke habe die

Bürosachbearbeiterin N. um 14.05 Uhr das Büro verlas-

sen, der Sachbearbeiter B. um 14.10 Uhr. Dieser habe

gegenüber dem Sonderbeauftragten angegeben, er habe

zuvor dem Referatsleiter auf Nachfrage in einem persön-

lichen Gespräch, ob schon alle Akten in den Keller gefah-

ren worden seien, mitgeteilt, die Akten seien schon ver-

nichtet.

Dies werde vom Referatsleiter Lingen bestritten. Lingen

habe ihm gegenüber erklärt, von der Vernichtung bis zum

Nachmittag weder von der Bürosachbearbeiterin N. noch

vom Sachbearbeiter B. erfahren zu haben
6700

Um 15.21 Uhr habe der Referatsleiter an alle Mitarbeiter

seines Referats, die Bürosachbearbeiterin und den Grup-

penleiter gemailt:

„Hallo, hallo zusammen, ich bitte Dich, die zur
Vernichtung anstehenden Akten nicht zu vernich-

ten. P/L2 [Präsident/ Abteilungsleiter2] wünscht

eine erneute Prüfung der Akten nach Aliasnamen

der drei Rechtsextremisten.“

Einen solchen expliziten nachgeschobenen Auftrag der

Amtsleitung habe es zu dem Zeitpunkt jedenfalls schrift-

lich im Auftragswesen des BfV nicht gegeben.
6701

Der Zeuge Fromm hat ausgesagt, er erinnere sich nicht

daran, am 11. November 2011 noch einmal einen weite-

ren Auftrag erteilt zu haben. Dies sei aber möglich, da es

zu dieser Zeit viele Rücksprachen und Kommunikation

gegeben habe.
6702

Die Zeugin N. hat bekundet, da ihr Dienstschluss bereits

um 14 Uhr gewesen sei, habe sie die E-Mail an diesem

Tag nicht mehr gelesen.
6703

Allerdings habe der Referats-

leiter Lingen sie am gleichen Freitagnachmittag zu Hause

angerufen und gefragt, ob die Akten schon vernichtet

wären. Dies habe sie Lingen bestätigt.

Lingen habe daraufhin gesagt:

„Sch..., hat er gesagt; der P [Präsident] und der L 2

Abteilungsleiter , die wollten noch irgendwas da-

zu.“6704

Nach Auswertung der Telekommunikationsverbindungen

steht fest, dass dieser Anruf um 15.38 Uhr stattfand.
6705

Die Zeugin N. hat ausgesagt, sie habe sich über den Anruf

nach Feierabend gewundert.
6706

Es sei vorher noch nicht
6699) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.

6700) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6701) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 10.

6702) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 52.

6703) N., MAT A Z-70/4, S. 26.

6704) N., MAT A Z-70/4, S. 22.

6705) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 5.

Drucksache 17/14600 – 764 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vorgekommen, dass ihr vorgesetzter Referatsleiter sie zu

Hause angerufen habe.
6707

Ihr Eindruck bei dem Gespräch

sei gewesen, dass der Referatsleiter Lingen am liebsten

die Aktenvernichtung nicht veranlasst hätte.
6708

Nachdem

sie gesagt habe, dass die Akten auf seine Anordnung hin

vernichtet worden seien und sie nun nichts mehr tun kön-

ne, sei das Gespräch schnell beendet gewesen.
6709

An

diesem Tag sei diesbezüglich von ihr nichts Weiteres

mehr veranlasst worden.
6710

Um 15.44 Uhr leitete der Referatsleiter Lingen die E-Mail

von 15.21 Uhr kommentarlos an den Abteilungsleiter

weiter.

Der Referatsleiter Lingen habe gegenüber dem Sonderbe-

auftragten erklärt, hierauf weder eine Reaktion des Grup-

penleiters noch des Abteilungsleiters erhalten zu haben.

Den formal zuständigen Referatsleiter habe er ab dem

14. November 2011 informiert, dieser habe aber nicht auf

die Information reagiert.
6711

In einer weiteren an die dienstliche E-Mail-Adresse der

Zeugin N. gesendeten E-Mail hat der Referatsleiter Lin-

gen diese gebeten, ihm am folgenden Montag die Ver-

nichtungsverhandlung vorzulegen.
6712

Der Text dieser E-Mail lautet:

„Zeige mir am Montag nochmal die Vernichtungs-
verhandlungen.“6713

Am Sonntag, dem 13. November 2011, erging ein Haftbe-

fehl gegen Beate Zschäpe.

Die Zeugin N. hat angegeben, sie habe dem Referatsleiter

Lingen am Montagmorgen in seinem Büro die Vernich-

tungsverhandlung noch einmal vorgelegt.
6714

Dieser habe

dazu gesagt:

„Lass sie mir hier. - Und das habe ich nicht ge-
macht. Die habe ich wieder mitgenommen.“6715

Sie glaube, dass sie gefragt habe, was der Anruf am Frei-

tag gesollt habe, habe aber darauf keine definitive Ant-

wort erhalten.
6716

Der Referatsleiter Lingen habe ein biss-

chen hektisch auf sie gewirkt.
6717

Der Zeuge Engelke hat angegeben, in einer Kaffeerunde

hätten die Kollegen, die die Prüfung der später vernichte-

ten Akten vorgenommen hätten, über die Vernichtung

gesprochen und gesagt:
6706) N., MAT A Z-70/4, S. 25.

6707) N., MAT A Z-70/4, S. 24.

6708) N., MAT A Z-70/4, S. 25.

6709) N., MAT A Z-70/4, S. 25.

6710) N., MAT A Z-70/4, S. 26.

6711) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6712) N., MAT A Z-70/4, S. 26.

6713) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6714) N., MAT A Z-70/4, S. 27.

6715) N., MAT A Z-70/4, S. 27.

6716) N., MAT A Z-70/4, S. 28.

6717) N., MAT A Z-70/4, S. 27.

„Mensch, was hat der denn da veranlasst? Das war
nicht in Ordnung.“6718

Die Diskussion sei aber nicht wegen der Inhalte der Akten

erfolgt. Über diese habe man nicht gesprochen. Es sei

„immer inhaltsfrei [gewesen] zu sagen: So eine
Akte aus dem Umfeld in der Situation zu vernich-

ten, halten wir für einen Fehler. Könnte ja sein,

dass die noch mal angefasst werden sollte, wenn

neue Bezüge erkannt werden.“6719

Obwohl dies mehrere Mitarbeiter so gesehen hätten, habe

dies nicht dazu geführt, eine Hierarchieebene höher zu

gehen.
6720

In der wöchentlichen Besprechung des damaligen Grup-

penleiters mit den Referatsleitern habe der Referatsleiter

Lingen die Aktenvernichtung nicht erwähnt, obwohl er

gewusst habe, dass in den vernichteten Akten keine Alias-

Namenprüfung mehr erfolgen konnte.
6721

Der Gruppenleiter sei telefonisch über „neue Zahlen“ zu
Akten im Zusammenhang mit dem „THS“ informiert
worden.

6722
MinDirig Engelke hat in seinem Bericht ausgeführt, dass

einige Tage nach dem 11. November 2011 die Bürosach-

bearbeiterin N. in der Registratur einen weiteren Akten-

ordner gefunden habe, der eigentlich am 11. November

2011 hätte vernichtet werden müssen. Es habe sich um

einen „Zufallsfund“ anlässlich der fortlaufenden Aufgabe,
weitere Akten zu Prüfzwecken zu bearbeiten, gehandelt.

In seinem Bericht hat der Sonderbeauftragte angegeben,

der Zufallsfund erkläre sich durch die Umstellung der

Organisation der Aktenvernichtung.
6723

Frau N. habe über diesen Fund sofort den Referatsleiter

Lingen informiert und gefragt, was passieren solle. Dieser

habe die Akte kurz durchgeblättert und mündlich deren

Vernichtung angeordnet. Der Referatsleiter Lingen habe

ihm – Engelke gegenüber geäußert, diese inhaltlich
nicht mehr gesichtet zu haben. Ihm sei auch nicht bekannt

gewesen, ob darin Aktenbestandteile zu einem oder meh-

reren Beschaffungsfällen enthalten gewesen seien. Der

Referatsleiter Lingen sei davon ausgegangen, dass die

Bürosachbearbeiterin diese Aktenteile vernichten würde,

ohne eine neue Vernichtungsverhandlung zu erstellen

oder die Vernichtungsverhandlung vom 11. November

2011 zu ergänzen.
6724

Die Zeugin N. hat bestätigt, dass ihr einige Tage nach

dem 11. November 2011 ein Teil einer Akte, die schon
6718) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.

6719) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.

6720) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.

6721) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6722) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6723) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 34.

6724) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 35.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 765 – Drucksache 17/14600

vernichtet gewesen sei, in die Hände gefallen sei.
6725

Hierbei habe es sich um einen Zufallsfund in einem ande-

ren Aktenschrank gehandelt.
6726

Dass es sich um einen

Teil einer schon vernichteten Akte gehandelt habe, habe

sie an der Bezeichnung auf dem Ordnerrücken er-

kannt.
6727

An den Namen der Akte habe sie aber keine

Erinnerung mehr.
6728

Auf Nachfrage hat sie bestätigt, dass

es sich um einen Ordner mit zwei Schnellheftern gehan-

delt habe.
6729

Zum weiteren Ablauf hat die Zeugin N. erklärt:

„Dann bin ich mit diesem Ordner zu Herrn Lingen
und habe gesagt: Der ist vergessen worden zu ver-

nichten.“6730

Die Reaktion des Referatsleiters Lingen sei gewesen:

„Er hat gesagt: Zeig mal. - Und dann hat er sich
das kurz angeguckt: Ja, dann müssen wir das auch

noch mit vernichten. Das gehört ja zu der Akte da-

zu. - Und dann habe ich aber nach der Vernich-

tungsverhandlung ein Zusatzblatt gemacht.“6731

Auf Nachfrage, ob der Referatsleiter Lingen ihr angeboten

habe, die Akte unmittelbar selbst zu vernichten,
6732

hat

Frau N. als Zeugin erklärt:

„Nein, das ist irgendwie, sagen wir mal, vielleicht
falsch rübergekommen.“6733

Sie habe sich aber mit dem Referatsleiter noch über die

Dokumentation auseinandergesetzt:

„Er meinte, man hätte das doch praktisch ohne
Vernichtungsverhandlung noch mit auf die alte

draufschreiben können. Aber ich habe gesagt:

Nein, ich möchte schon - - Wenn so ein Fund ist,

sage ich, dann wird das ordnungsgemäß gemacht,

und dann werden wir ordnungsgemäß noch ein

Blatt machen, also ein Ver-

nichtungsverhandlungsblatt.“6734

Nach Rücksprache mit einer für die Registratur zuständi-

gen Kollegin sei eine neue Vernichtungsverhandlung

erstellt und an die alte angeheftet worden.
6735

Darauf hingewiesen, dass damit zwei Vernichtungsver-

handlungen von zwei unterschiedlichen Tagen

zusammengeklammert und unter dem Datum
6725) N., MAT A Z-70/4, S. 29.

6726) N., MAT A Z-70/4, S. 29.

6727) N., MAT A Z-70/4, S. 29.

6728) N., MAT A Z-70/4, S. 29.

6729) N., MAT A Z-70/4, S. 29 f.

6730) N., MAT A Z-70/4, S. 30.

6731) N., MAT A Z-70/4, S. 30.

6732) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 35.

6733) N., MAT A Z-70/4, S. 30.

6734) N., MAT A Z-70/4, S. 30 f.

6735) N., MAT A Z-70/4, S. 30 f.

11. November 2011 abgelegt worden seien, hat die Zeu-

gin N. erklärt:

„Ja, aber mit dem Namen der Akten. Es ist ja eins,
wie die Akten. Es waren ja sieben Akten. Und das

gehörte ja zu der Akte dazu.“6736

An den Zeitpunkt dieses Gesprächs mit dem Referatsleiter

Lingen habe sie keine Erinnerung mehr.
6737

Vielleicht

stehe das Datum auch auf dem weiteren Zettel, sie wisse

dies nicht.
6738

Obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei,

was Anlass der Aktenprüfung im BfV gewesen sei, habe

sie bei der zweiten Aktenvernichtung keine Bedenken

mehr gehabt, da die Komplettpakete ja bereits vernichtet

gewesen seien. Referatsleiter Lingen habe das ja auch

geprüft. Sie hat ausgesagt:

„Ich denke mir, er der Referatsleiter Lingen] hat
die Akte ja durchgeblättert. Er hätte ja dann sagen

können: Die werden nicht vernichtet; die werden

jetzt irgendwie weitergeleitet - oder sonst irgend-

was. Aber er hat ja gesagt: Die sollen vernichtet

werden.“6739

Die physische Vernichtung der weiteren Akte sei wieder

nach dem Vier-Augen-Prinzip unter Hinzuziehung eines

weiteren Mitarbeiters erfolgt.
6740

Die Zeugin N. hat ausgesagt, für sie sei die Angelegenheit

in den nächsten Tagen oder Wochen nach den Aktenver-

nichtungen kein Thema mehr gewesen.
6741

Sie sei aber ein

oder zwei Wochen nach der Aktenvernichtung auf dem

Gang von einem Dritten angesprochen worden, der ihr

mitgeteilt habe, dass der Referatsleiter Lingen verärgert

sei, weil sie ja wohl „einige Akten etwas zu schnell“ ver-
nichtet habe. Sie hat erläutert:

„Das war aber ein Streit, der - - Auf dem Flur ist
gesagt worden, dass ich ja mal wieder so schnell

gearbeitet hätte. Und daraufhin bin ich zum Herrn

Lingen gegangen. Dieser Spruch kam ja nicht vom

Herrn Lingen. Ich habe aber erst gedacht, dieser

Spruch käme vom Herrn Lingen. Und daraufhin

bin ich ja dann zum Herrn Lingen hingegangen

und habe gesagt, wie er denn sowas sagen könnte.

Wenn ich in meiner Funktion als

Registraturleiterin, was ich immer korrekt gemacht

habe, so was dann gesagt kriege - -.“6742

Der Referatsleiter Lingen habe ihr gegenüber abgestritten,

dies gesagt zu haben. Den genauen Wortlaut wisse sie

nicht mehr; Lingen habe auf jeden Fall herumge-
6736) N., MAT A Z-70/4, S 31.

6737) N., MAT A Z-70/4, S. 31.

6738) N., MAT A Z-70/4, S. 31.

6739) N., MAT A Z-70/4, S. 32.

6740) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 15.

6741) N., MAT A Z-70/4, S. 33.

6742) N., MAT A Z-70/4, S. 33.

Drucksache 17/14600 – 766 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schrien
6743

und sie aus seinem Büro herausgeworfen.
6744

Später habe sich der Referatsleiter Lingen bei ihrer direk-

ten Vorgesetzten darüber beschwert, dass sie angeblich

wutentbrannt in sein Büro gekommen wäre und ihn ange-

brüllt hätte.
6745

Hierzu hat die Zeugin erklärt:

„Also, angebrüllt habe ich ihn nicht. Ich habe wohl
ziemlich laut gesagt, was das denn sollte, warum

er hier so was unterstellen würde - also dieser Satz,

ich wäre zu schnell.“6746

Auf Nachfrage hat sie bestätigt, sie habe über das Ge-

spräch mit dem Kollegen den Eindruck gewonnen, der

Referatsleiter Lingen nehme sie für eine Sache in Haf-

tung, die er selbst zu verantworten habe und die er auf

Nachgeordnete habe abwälzen wollen. Der Referatsleiter

Lingen habe aber abgestritten, dass das der Fall gewesen

sei.
6747

Wann dieses Streitgespräch zwischen ihr und dem Refe-

ratsleiter Lingen stattgefunden hat, wisse sie nicht

mehr.
6748

Nach diesem Streitgespräch habe sie mit dem Referatslei-

ter Lingen nicht mehr gesprochen.
6749

Bis zum Sommer

2012 sei die Aktenvernichtung kein Thema mehr gewe-

sen.
6750

Der Sonderbeauftragte Engelke hat angegeben, am

26. oder 27. November 2011 habe der Referatsleiter Lin-

gen dem Sachbearbeiter B. mitgeteilt, er habe mit dem

Abteilungsleiter die Aktenlöschung erörtert, dieser habe

mitgeteilt, das sei in Ordnung.
6751

c) Berichterstattung an die Amtslei-
tung/Kenntnis der Amtsleitung von der
Vernichtung

aa) Aussagen der Zeugen

Der Zeuge Lingen hat ausgesagt, während in der Vergan-

genheit nur selten Fragen der Amtsleitung an die „Be-
schaffung“ gerichtet worden wären, seien solche Anfra-
gen im Zusammenhang mit dem NSU

„im letzten halben Jahr oder in den letzten acht,
neun Monaten natürlich täglich, teilweise mehr-

fach täglich [erfolgt]. Das ist eine Praxis, die ich so

früher nicht kannte. Da waren Fragen oder Anfra-

gen der Amtsleitung in der ‚Beschaffung‘ viel-
leicht - ich weiß nicht, ob man das quantifizieren
6743) N., MAT A Z-70/4, S. 33.

6744) N., MAT A Z-70/4, S. 34.

6745) N., MAT A Z-70/4, S. 34.

6746) N., MAT A Z-70/4, S. 35.

6747) N., MAT A Z-70/4, S. 35.

6748) N., MAT A Z-70/4, S. 33.

6749) N., MAT A Z-70/4, S. 34.

6750) N., MAT A Z-70/4, S. 34.

6751) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

kann - einmal pro Woche oder alle zwei Wochen

mal.“6752

In der Regel seien diese Aufträge schriftlich per „Lotus
Notes“ über den Abteilungsleiter, den Referatsgruppenlei-
ter und dann zu ihm gelangt. Wenn es sich nicht um Fra-

gen gehandelt habe, die er aufgrund seiner Arbeitsinstru-

mentarien gleich habe beantworten können, habe er seine

Mitarbeiter mit der Beantwortung beauftragt.
6753

Zur

Frage, ob die von der Amtsleitung erteilten Prüfaufträge

zur Zufriedenheit der Amtsleitung ausgeführt worden

seien, hat er erklärt:

„In diesen Zeiten ist unsere Amtsleitung - eigent-
lich bis heute - nie zufrieden gewesen mit den Er-

gebnissen unserer Arbeit, weil der Erfolgsdruck

sehr groß war. Bei diesem erweiterten Kreis von

möglichen Unterstützern des NSU, da wurden ins-

gesamt - - das war die größte Zahl der Personen,

die mit der NSU in irgendeinem Zusammenhang

standen. Da wurden unsere Quellen befragt, ob sie

diese Personen kennen, ob sie mit denen in Ver-

bindung stehen, ob es Informationen über die gibt,

und das Ergebnis liegt der Amtsleitung vor.“6754

Von der BAO „Trio“ des BKA sei zusammen mit dem
Generalbundesanwalt eine Liste von über 60 Personen

erstellt worden, auf die sich der Prüfauftrag erstreckt

habe.
6755

Das Ergebnis der Befragung sei dann eine klei-

nere Schnittmenge aus den 60 Personen gewesen.
6756

Nach Angaben des Zeugen Lingen seien aufgrund des

Prüfauftrags der Amtsleitung, alles rund um die „Zwi-
ckauer Zelle“ herauszufinden,

„alle Quellen befragt worden, mehrfach befragt
worden zu diesen Ereignissen, zu den Personen,

und vor allen Dingen sind sie befragt worden zu

einer sehr, sehr großen Zahl an möglichen Unter-

stützern. Es hat sich ja später im dritten Prüfauf-

trag auf über 60 Personen ausgeweitet. Es sind alle

unsere Quellen zu diesen Personen befragt wor-

den.“6757

Diese Befragung sei nicht durch ihn persönlich, sondern

durch seine Mitarbeiter erfolgt.
6758

Der Zeuge Lingen hat weiter ausgesagt, er wisse nicht,

wie der Eindruck habe entstehen können, dass die „Renn-
steig“-Akten schon gelöscht worden seien.6759

Der Präsident a. D. des BfV, Heinz Fromm, hat als Zeuge

ausgesagt, ihm sei bereits am 20. November 2011
6760
6752) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7.

6753) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 7.

6754) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 30.

6755) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 31.

6756) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 30.

6757) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.

6758) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.

6759) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 44.

6760) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 767 – Drucksache 17/14600

mitgeteilt worden, dass nicht mehr alle Akten aus der

Operation „Rennsteig“ vorhanden seien, er sei aber davon
ausgegangen, die Vernichtung sei bereits in einer konzen-

trierten Aktion im Januar 2011 erfolgt. Hierüber habe er

nach bestem Wissen gegenüber dem Bundesministerium

des Innern berichtet.
6761

Zunächst habe er keine präzisen

Informationen über die Zahl der vernichteten Akten ge-

habt. Dies sei dann nachgebessert worden, was dann

halbwegs gestimmt habe. Im Januar 2012 sei dann der

damalige Kenntnisstand sowohl gegenüber dem BMI wie

auch gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium

und dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages

berichtet worden.
6762

Vom tatsächlichen Zeitpunkt der Vernichtung in einem

Beschaffungsreferat – dem 11. November 2011 – habe er
jedoch erst am 27. Juni 2012 erfahren.

6763
Noch am Tag vor dieser Mitteilung, also am 26. Juni

2012, habe ihn ein Sprechzettel des Beamten, der die

Aktenvernichtung angeordnet hatte, erreicht, in welchem

der letzte Satz gelautet habe:

„Anfang des Jahres 2011 wurden nach Einzelfall-
prüfung Akten vernichtet, die dienstlich nicht mehr

benötigt und damit auch vor Bekanntwerden der

Aktivitäten des NSU vernichtet wurden.“6764

Der Beamte habe dieser Formulierung noch folgende

Anmerkung angefügt:

„Zu diesen Vernichtungsmaßnahmen möchte Herr
Fromm nähere Angaben haben. Diese können wir

erst morgen liefern.“6765

In dem Bewusstsein, dass es Vernichtungsprotokolle

geben müsse, in denen der genaue Tag eingetragen wer-

den müsse, habe der Referatsleiter Lingen offenbar nicht

mehr anders gekonnt, als ihm sodann den tatsächlichen

Vernichtungszeitpunkt, den 11. November 2011, mitzutei-

len.
6766

Die Berichterstattung in der Presse, etwa in der Berliner

Zeitung vom 16. Juni 2012
6767

, dass relevante Teile der

Akten des BfV fehlen würden und sieben dieser Fallakten

die Operation „Rennsteig“ beträfen, habe ihn nicht ver-
wundert, da er bereits seit November 2011 gewusst habe,

dass Akten fehlten.
6768

Er hat hinzugefügt:

„Spektakulär war, dass diese Vernichtung nicht im
Januar [2011] stattgefunden hat, sondern im No-

vember [2011].“6769
6761) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6, S. 19.

6762) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.

6763) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6; S. 7.

6764) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6.

6765) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 6 f.

6766) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 21.

6767) Berliner Zeitung vom 16. Juni 2012, „Geheimoperation in
Thüringen“

6768) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19; S. 21.

6769) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.

Auch der Staatssekretär im BMI, Klaus-Dieter Fritsche,

hat als Zeuge angegeben, er habe von der außerordentli-

chen Aktenvernichtung im BfV am 11. November 2011

nach dem Bekanntwerden des NSU erstmalig am 27. Juni

2012 erfahren. Diese habe ihn fassungslos gemacht. Er

habe den damaligen Präsidenten des BfV unmittelbar

aufgefordert, den Sachverhalt umfassend zu erheben und

sich gleichzeitig disziplinarrechtliche Schritte vorbehal-

ten.
6770

Der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter

Friedrich, habe dann zeitnah den Sonderermittler Engelke

zur lückenlosen Aufklärung der Aktenvernichtung und

Darlegung der grundsätzlichen Regelungen zur Aktenver-

nichtung bzw. Löschung im BfV beauftragt.
6771

Als Zeuge hat MinDirig Engelke ausgesagt:

„Nachdem er [Referatsleiter Lingen] diese Akten
vernichtet hatte, glaube ich, gab es einen Zeit-

punkt, in dem er erkannt hatte, dass das ein Fehler

war - denn als Fehler würde ich es auf jeden Fall

bezeichnen -, und hat dann verschiedene Berichte

so formuliert, dass die Tatsache, dass diese Akten

zu dem Zeitpunkt vernichtet wurden, den Lesen-

den dieser Berichte im Unklaren blieb, sodass bei

der Amtsleitung des BfV der Eindruck erweckt

wurde, die Akten seien schon länger vernichtet,

was diese wiederum zu objektiven Falschaussagen

gegenüber dem BMI, aber auch parlamentarischen

Gremien geführt hatte.“6772

bb) Aktenlage

Aus den dem Untersuchungsausschuss vom BfV über-

sandten Akten ergibt sich hinsichtlich einer Unterrichtung

der Amtsleitung zwischen dem 9. November 2011 und

dem 27. Juni 2012 Folgendes:

Am 9. November 2011 wurden die bisherigen Recherche-

ergebnisse zum Trio von der Abteilung 2 für einen

Sprechzettel zugeliefert. Dieser galt der Vorbereitung des

Vizepräsidenten des BfV für die ND-Lage am

15. November 2011 sowie des Präsidenten Fromm und

des Leiters der Abteilung 2 für die Berichterstattung in

einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgre-

miums am 15. November 2011. In dem Sprechzettel hieß

es unter anderem:

„30 eröffnete Forschungs- und Werbungsfälle, drei
geworbene Quellen ausschließlich an das LfV

Thüringen übergeben.

Hinweise auf die damalige Zusammenarbeit aus-

schließlich aus der Werbungsdatei der Abt. 2 und

aus der Befragung der damaligen Werbungsmitar-

beiter: die Akten sind nicht mehr vorhanden, Wer-
6770) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.

6771) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 7.

6772) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 86.

Drucksache 17/14600 – 768 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bungsunterlagen zu den Quellen (vermutlich) der

LfV übergeben.“6773

Die Information, dass die Akten nicht mehr vorhanden

und Werbungsunterlagen zu den Quellen (vermutlich)

dem LfV übergeben worden seien, wurde am

14. November 2011 in Vorbereitung auf die Sondersit-

zung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am

15. November 2011 auch an das BMI gegeben.
6774

Am 10. November 2011 teilte der Referatsleiter Lingen

um 9.38 Uhr dem Referatsleiter im Referat „Beobachtung
von Neonazis, gewaltbereiten Rechtsextremisten, Rechts-

terroristen, ‚Anti-Antifa‘ sowie Erfassung rechtsextremis-
tischer Straftaten“, dem Referatsgruppenleiter „Beschaf-
fung Rechts- und Linksterrorismus“ sowie dem Abtei-
lungsleiter „Rechts- und Linksterrorismus“ per E-Mail
mit dem Betreff „Prüfung FuW-Akten mit möglichen
Bezügen zu den Rechtsextremisten Mundlos, Böhnhardt,

Zschäpe“ das Prüfungsergebnis zu den sieben Akten mit:

„Alle drei Personen waren niemals Gegenstand
von F+W-Maßnahmen [Forschungs- und Wer-

bungsmaßnahmen] des BfV. Mit insgesamt sieben

Personen aus dem ‚THS‘-Bereich wurden mehrere
Gespräche mit dem Ziel der Werbung geführt.

Drei Fälle wurden davon an das LfV TH überge-

ben. Zu diesen Fällen gibt es keine Akten mehr bei

uns. Drei (nicht zwei!) Personen wurden kurzfris-

tig (1999 - 2001) als Quellen vom BfV geführt

(Tobago, Tusche, Treppe) und nach kurzer Zeit

wieder abgeschaltet. In keiner der geprüften vier

Werbungsakten waren Hinweise auf die [im]

‚Thema‘ genannten Personen enthalten. Ein ehe-
maliger Werbungsmitarbeiter konnte sich erinnern,

dass alle Quellen des BfV mit Thüringer Bezügen

zu Personen befragt wurden, die 1998 mit den

Selbstlaboraten in Verbindung gestanden haben

könnten […].

Zusatz: alle Werbungs- und VM-Akten der Akten-

jahre bis 2001 sind vernichtet worden, soweit kei-

ne Werbungsfälle VM betroffen waren, die danach

als Quellen noch relevant waren“6775

Am 17. November 2011 erstattete die Abteilung 2 im BfV

dem BMI im Rahmen der Beantwortung eines Erlasses

Bericht. Wörtlich heißt es:

– „Hinweise auf die der LfV Thüringen noch in
der Anwerbungsphase übergebenen Quellen

ergaben sich ausschließlich aus der Wer-

bungsdatei der Abteilung 2 und aus der Befra-

gung der damaligen Werbungsmitarbeiter.
6773) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6774) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6775) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

– die dazugehörigen Akten sind – da sie vermut-
lich dem LfV übergeben wurden – bei Abtei-
lung 2 nicht mehr vorhanden.“6776

Der damalige Präsident des BfV, Fromm, erteilte am

17. November 2012 an die Stabsstelle den Auftrag, die

Kontakte des NSU aufzuarbeiten, insbesondere die um-

fassende abschließende und präzise Darstellung der ope-

rativen Tätigkeit. Per E-Mail vom selben Tage wurde die

Abteilung 2 durch die Stabsstelle einbezogen.
6777

Am 18. November 2011 antwortete der Referatsleiter

Lingen der Stabsstelle auf den Auftrag im Rahmen eines

Vermerkes. Dort hieß es:

„Prüfung der Akten‚ soweit nicht bereits nach DV-
Beschaffung vernichtet, ergaben keine Kontakte

zum Trio.“6778

In einem Sprechzettel der Abteilung 2 im BfV vom

18. November 2011 für den Präsidenten in Vorbereitung

der Innenausschusssitzung am 21. November 2011 wurde

die Lage folgendermaßen geschildert:

– „Alle Beschaffungsakten der Referatsgruppe
2B der Jahrgänge bis 1996, deren weitere

Aufbewahrung nicht mehr erforderlich war,

wurden Anfang dieses Jahres in einer konzer-

tierten Aktion vernichtet.

– Ebenso wurden für den Zeitraum danach (bis
Anfang 2001) Fallakten vernichtet, die nach

Einzelfallprüfung gemäß DV-Beschaffung

dienstlich nicht mehr notwendig waren. Da-

runter befanden sich auch sieben der 35 (An-

merkung des BfV: Die genannte Zahl ist

falsch und heute nicht mehr nachvollziehbar)

seinerzeitigen Fallakten.“6779

Am selben Tag erfolgte eine Ergänzung des Sprechzettels

im Zuge einer Aktualisierung:

– „Hinsichtlich der Beschaffungsaktivitäten des
BfV im Zusammenhang mit dem ‚THS‘ ist die
Sichtung der F+W-Akten [Forschungs- und

Werbungsakten] erfolgt.

– Der in Frage kommende Aktenbestand ist auf-
grund von Vernichtungen gem. der Vorgaben
6776) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6777) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6778) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6779) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 769 – Drucksache 17/14600

der DV-Beschaffung nicht mehr vollstän-

dig.“6780

Ebenfalls am 18. November 2011 leitete die Abteilung 2

im BfV eine „ausführliche Beantwortung des Amtslei-
tungsauftrags“ vom 17. November 2011 an die Amtslei-
tung weiter. Darin wird ausdrücklich auf den Sprechzettel

für die Innenausschusssitzung am 21. November 2011

verwiesen.

In der Beantwortung heißt es somit wortgleich:

– „Alle Beschaffungsakten der Referatsgruppe
2B der Jahrgänge bis 1996, deren weitere

Aufbewahrung nicht mehr erforderlich war,

wurden Anfang dieses Jahres in einer konzer-

tierten Aktion vernichtet.

– Ebenso wurden für den Zeitraum danach (bis
Anfang 2001) Fallakten vernichtet, die nach

Einzelfallprüfung gemäß DV-Beschaffung

dienstlich nicht mehr notwendig waren. Da-

runter befanden sich auch sieben der 35 (An-

merkung: Die genannte Zahl ist falsch und

heute nicht mehr nachvollziehbar) seinerzeiti-

gen Fallakten.

– Die Hinweise auf die dem LfV Thüringen
noch in der Anwerbungsphase übergebenen

Quellen ergaben sich ausschließlich aus der

Werbungsdatei der Abt. 2 und der Befragung

der damaligen Werbungsmitarbeiter. Die zu-

gehörigen Akten sind – da sie vermutlich dem
LfV übergeben wurden – bei Abteilung 2
nicht mehr vorhanden

– Die Sichtung des Aktenbestandes der Refe-
ratsgruppe ist abgeschlossen.“6781

Am 22. November 2011 übergab die Abteilung 2 einen

wortgleichen Sprechzettel für den Vizepräsidenten in

Vorbereitung der ND-Lage am 22. November 2011 an die

Amtsleitung.
6782

Denselben Wortlaut wies ein am 22. November 2011

durch die Abteilung 2 an die Amtsleitung übermittelter

Sprechzettel für die Sondersitzung des Parlamentarischen

Kontrollgremiums am 23. November 2011 auf. Folgende

Ergänzung wurde im Zuge einer Aktualisierung hinzuge-

fügt:

– „Hinsichtlich der Beschaffungsaktivitäten des
BfV im Zusammenhang mit dem ‚THS‘ ist die
Sichtung der F+W-Akten [Forschungs- und

Werbungsakten] erfolgt.
6780) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6781) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6782) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

– Der in Frage kommende Aktenbestand ist auf-
grund von Vernichtungen gem. der Vorgaben

der DV-Beschaffung nicht mehr vollstän-

dig.“6783

Eine lediglich im Format überarbeitete Version des

Sprechzettels wurde sodann an die zuständige Abteilung

im BMI übersandt.
6784

Mit einer wortgleichen Vorberei-

tung nahm der Präsident des BfV daraufhin am

28. November 2011 an einem Sicherheitsgespräch im

BMI teil.
6785

Auch in einem Sprechzettel, welchen die Abteilung 2 in

Vorbereitung der ND-Lage am 18. Juni 2012 erstellte,

heißt es:

– „Der Aktenbestand für den Zeitraum der Ope-
ration ‚Rennsteig‘ ist auf Grund von Vernich-
tungen nach den Vorgaben der DV Beschaf-

fung nicht mehr vollständig. Alle Beschaf-

fungsakten der Referatsgruppe 2B der Jahr-

gänge bis 1996, deren weitere Aufbewahrung

nicht mehr erforderlich war, wurden Anfang

2011 in einer konzertierten Aktion vernichtet.

Ebenso wurden für den Zeitraum danach (bis

Anfang 2001) Fallakten vernichtet, die nach

Einzelfallprüfung gemäß DV-Beschaffung

dienstlich nicht mehr notwendig waren. Da-

runter befanden sich auch sieben der 35 (An-

merkung: Die genannte Zahl ist falsch und

heute nicht mehr nachvollziehbar) seinerzeiti-

gen Fallakten.

– „Hinsichtlich der Beschaffungsaktivitäten des
BfV im Zusammenhang mit dem ‚THS‘ wur-
den im Rahmen der ‚Lageorientierten Sonder-
organisation‘ (LoS) auch die Forschungs- und
Werbungsakten der Abteilung 2 gesichtet.“6786

Noch am 27. Juni 2012 bereitete Referatsleiter Lingen

einen Sprechzettel für die Sitzung des Parlamentarischen

Kontrollgremiums vor, in dem es hieß:

„Anfang des Jahres 2011 wurden nach Einzelfall-
prüfung Akten vernichtet, die dienstlich nicht mehr

benötigt und damit auch vor bekanntwerden der

Aktivitäten des NSU vernichtet wurden.“6787
6783) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6784) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6785) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6786) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6787) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012, MAT B

BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

Drucksache 17/14600 – 770 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Daraufhin erbat der damalige Präsident des BfV, Heinz

Fromm, nähere Angaben über die Vernichtungsmaßnah-

men. In der am 27. Juni 2012 durch die Abteilung 2 als

Nachtrag zu dem Sprechzettel verfassten E-Mail an die

Stabsstelle wurde daraufhin erläutert:

„Nach Auftrag der Amtsleitung vom 10.11.2011
wurden Beschaffungsakten zum ‚THS‘ in Hinblick
auf mögliche Kontakte unserer VM bzw. der von

uns geführten ZP’en zum Trio und zum NSU ge-
prüft.

Dabei standen zunächst die Beschaffungsakten des

‚THS‘ im Vordergrund. Es wurde festgestellt, dass
in keinem Fall Kontakte zum Trio und zum NSU

vorlagen. Folgende Werbungsakten wurden am

Folgetag vernichtet, da sie dienstlich nicht mehr

erforderlich waren: […]“6788

Das BfV hat mitgeteilt, dass hiermit sowohl die Amtslei-

tung, die Abteilungsleitung sowie die Referatsgruppenlei-

tung erstmals über das Vernichtungsdatum 11. November

2011 unterrichtet wurden.
6789

d) Zusammengefasstes Prüfergebnis des
Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig En-
gelke

MinDirig Engelke kommt in seinem schriftlichen Bericht

zu dem Prüfergebnis, die Aktenvernichtung am

11. November 2011 im BfV sei zielgerichtet durch den

Referatsleiter Lingen aus dem Beschaffungsbereich der

Abteilung Rechtsextremismus erfolgt.

„[…] in einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten
Vernichtungsfahren. Ziel war die Vernichtung von

Akten zu Personen, die aus dem Umfeld des ‚Thü-
ringer Heimatschutzes‘ (THS) für das BfV gewor-
ben und als VM geführt wurden.

Aus den größtenteils wiederhergestellten Akten und

den sonstigen Untersuchungen ergeben sich keine An-

haltspunkte darauf, dass das BfV bis zum November

2011 Kenntnis von der Existenz des NSU gehabt oder

personelle oder sachliche Zusammenhänge zwischen

dem Personenumfeld des ‚THS‘ und den Morden und
Banküberfällen gefördert oder auch nur erkannt hätte.

Weder Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe noch die sonsti-

gen im Verlaufe der bisherigen Ermittlungen durch die

Generalbundesanwaltschaft zu Beschuldigten des Er-

mittlungsverfahrens erhobenen Personen sind oder

waren V-Leute des BfV.

Als Motiv auszuschließen ist auch eine etwaige

Vertuschungsabsicht hinsichtlich grob unprofessio-

neller, rechtswidriger oder krimineller Handlungen.
6788) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012“, MAT
B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

6789) Rekonstruierter Zeitablauf im Zusammenhang mit Aktenver-

nichtungen am 11. November 2011, Stand 5. Juli 2012“, MAT
B BfV-2/3 (Tgb.-Nr. 38/12 - GEHEIM).

Die Prüfung der Akten hat keine Anhaltspunkte auf sol-

che dem handelnden Referatsleiter zurechenbare

Handlungen ergeben.

Das Motiv des Referatsleiters lag mit höchster

Wahrscheinlichkeit darin, Aktenbestände zu ver-

nichten, zu denen er Nachfragen, Wiedervorlagen und

Prüfarbeiten vermeiden wollte - Arbeiten, die even-

tuell notwendig würden, obwohl die Akten mögli-

cherweise bereits seit längerem hätten vernichtet

werden können oder müssen.

Nach erfolgter Aktenvernichtung hat er bis Ende Juni

2012 in zahlreichen Berichten Formulierungen ver-

wendet, die den Zeitpunkt seiner Handlungen absicht-

lich im Unklaren ließen.“6790

Als Zeuge hat Herr Engelke ausgeführt:

„Nach dem Ergebnis meiner Untersuchungen hat
sich aus den wiederhergestellten Akten - aus den

Akten, soweit sie wiederhergestellt werden konn-

ten - kein Anhaltspunkt darauf ergeben, dass das

BfV bis zum November 2011 Kenntnis von der

Existenz des NSU gehabt oder personelle oder

sachliche Zusammenhänge zwischen dem Perso-

nenumfeld des ‚Thüringer Heimatschutzes‘ und
den Morden und Banküberfällen erkannt oder gar

gefördert hätte.

Es haben sich auch keine Anhaltspunkte zu meiner

Überzeugung dafür ergeben, dass in den Akten, die

vernichtet wurden, sonstige Hinweise auf grob un-

professionelle, disziplinarwürdige oder gar krimi-

nelle Handlungen sind, die Anlass zu der Spekula-

tion geben, dass das der Anlass der Vernichtung

war, schon gar nicht, dass der die Vernichtung an-

ordnende Referatsleiter in diesen Vorgängen so

beteiligt war, dass das ein mögliches Motiv gewe-

sen sein könnte.

Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass das Mo-

tiv also weniger in der Vernichtung des Inhaltes

der Akten lag als in der Vernichtung der Akten als

solcher, weil sie eben da waren, weil sie mögli-

cherweise schon hätten vernichtet werden müssen,

weil der Mitarbeiter befürchtet hat, immer wieder

mit diesen Akten Umgang haben zu müssen -

Wiedervorlagen, Erklärungen, Rechtfertigungen -,

und dass er befolgen wollte, was er als Abteilungs-

linie angesehen hatte, nämlich dass Altakten zu

vernichten sind, wann immer sie wieder angefasst

werden.“6791

e) Rekonstruktion der Akten

Im BfV wurde eine Rekonstruktion der Akten veranlasst.

Mit dieser wurden Mitarbeiter des BfV beauftragt. Der

Präsident des BfV a. D., Fromm, hat ausgesagt, es sei
6790) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 7 f.

6791) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 86.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 771 – Drucksache 17/14600

gelungen, die vernichteten Akten zum „erheblichen Teil“
zu rekonstruieren.

6792
Hierzu sei man in der Lage gewe-

sen, weil das, was sich an sachlichem Gehalt in den Akten

der „Beschaffung“ befinde, auch der „Auswertung“ vor-
liege, da sich die Zulieferungen aus der „Beschaffung“ in
den dortigen Akten befänden.

6793
Er hat erläutert:

„Es sind die Informationen der ‚Beschaffung‘, die
an die ‚Auswertung‘ gegangen sind - und jetzt ge-
wissermaßen als Kopie zum Zwecke der Rekon-

struktion wieder zurück. Es sind ja Beschaf-

fungsakten rekonstruiert worden. Die Aus-

wertungsakten haben ja in der ganzen Diskussion

jetzt und bei den Fragen, die gestellt worden sind,

keine Rolle gespielt. Es ist der Versuch - ich den-

ke, weitgehend erfolgreich – unternommen wor-
den, die vernichteten Akten zu rekonstruieren, un-

ter anderem mithilfe der Auswertungsakten.
6794

Ich will es jetzt nicht zu kompliziert machen: Es

gab auch noch eine Sachakte in der ‚Beschaffung‘,
in der sich auch einiges befindet. Wenn Sie es sich

angeguckt haben, werden Sie es nachvollziehen

können.“6795

Der Zeuge Fromm hat weiter angegeben, zu verschiede-

nen offenen Fragen seien auch Mitarbeiter befragt wor-

den, beispielsweise danach, ob die Buchführung stim-

me.
6796

Er hat ausgeführt, insbesondere in der frühen

Phase, nachdem man erfahren habe, dass Akten vernichtet

worden seien,

„war natürlich überhaupt noch kein Gedanke daran
[…], dass man würde aus anderen Akten das re-
konstruieren können, sondern man hat zunächst

einfach mal gesucht und überlegt: Wie können wir

denn den Verlust, der hier offensichtlich eingetre-

ten ist, und diese Erkenntnislücke, die eingetreten

ist, zum Zwecke der möglichst vollständigen Be-

richterstattung füllen? Und natürlich sind dann

erstmal die Leute befragt worden und man hat ver-

sucht, herauszufinden: ‚Wie ist das denn gewesen?
Was habt ihr denn gemacht?‘, um einfach diese
Erkenntnismöglichkeit durch Aussagen der Mitar-

beiter zu nutzen. In der Zwischenzeit haben wir

gesehen und herausgefunden, aufgrund welcher

anderen Aktenbestände, die Sie gestern vor sich

gesehen haben, man die Lücke kompensieren

kann. Aber zunächst, in der Not, wenn Sie so wol-

len, sind Mitarbeiter befragt worden.“6797
6792) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.

6793) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.

6794) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.

6795) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 49.

6796) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 50.

6797) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -

GEHEIM), S. 50; siehe auch S. 51.

Man habe die Informationen aus noch vorhandenen Akten

entnommen.
6798

Die Auswertungsakten seien noch voll-

ständig; hier habe niemand versucht, etwas zu löschen.
6799

Im Ergebnis seien die vernichteten Akten „größtenteils“
wiederhergestellt worden.

6800
Vor dem Ausschuss hat der Zeuge Engelke konstatiert,

dass die Akten nicht vollständig, sondern nur teilweise

rekonstruiert werden konnten.
6801

Es bleibe immer ein

Unsicherheitsfaktor. Er könne nicht ausschließen, dass auf

den nicht mehr vorhandenen Aktenteilen etwas gestanden

habe, was er nicht wisse.
6802

Auf die Frage, ob es richtig sei, dass die vernichteten

Beschaffungsakten nur insoweit rekonstruiert werden

konnten, als Informationen noch in den Auswertungsak-

ten vorhanden waren und etwaige Zahlungen über die

Innenrevision nachvollzogen werden konnten, eine voll-

ständige Rekonstruktion des Akteninhalts jedoch nicht

möglich war und ist,
6803

antwortete der Sonderbeauftragte

Engelke in seinem ergänzenden Bericht vom

11. Dezember 2012 wie folgt:

„Die am 11. November 2011 vernichteten Akten
Treppe, Tobago, Tonfarbe, Tusche, Tinte, Tacho

und Tarif konnten – wie im Bericht des Sonderbe-
auftragen auf Seite 21 ff. ausgeführt – zum Groß-
teil wiederhergestellt werden, da Teile der vernich-

teten Beschaffungsakten in anderen Datenbestän-

den des BfV wieder aufgefunden werden konnten.

Zur Rekonstruktion im Einzelnen:

1. Durchsicht von Fundstellen innerhalb der Abtei-

lung 2

Die Durchsicht der Auswertungsakte ‚Thüringer
Heimatschutz – THS‘ erfolgte mit dem Ziel, mög-
liche dortige Eingänge aus den am 11. November

2011 vernichteten Fallakten zu lokalisieren, um

mit deren Hilfe eine Rekonstruktion der vernichte-

ten Beschaffungsakten zu erleichtern.

Anmerkung: Eine (z. B.) Deckblattmeldung wird

in der Beschaffung produziert, in der Fallakte

‚Forschung und Werbung/VM-Führung
(F&W/VM-F)‘ gebucht und in die Auswertung ge-
sandt. Dort wird sie nach Bearbeitung in entspre-

chende Sachakten gebucht. Das Stück enthält so-

wohl das Aktenzeichen (Az.) der Beschaffung

(Herkunft) als auch das der Auswertung.

Auf Grund des relevanten Zeitraumes wurde die

o. g. Auswertungsakte von Stück – 01/1996 bis
01/2000 überprüft. Dies erfolgte durch Einsicht-
6798) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6799) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6800) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5; Engelke-Bericht,

MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 7 f.

6801) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 99.

6802) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 59.

6803) A-Drs. 305.

Drucksache 17/14600 – 772 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nahme in jedes Stück unter Berücksichtigung des

Eingangsaktenzeichens (Forschung & Werbung

bzw. VM-Führung), von V Verfügungen sowie

Ablichtungsaufträgen.“6804

„Nach diesen Vorgängen bzw. Merkmalen, die auf
eine Herkunft aus diesen Vorgängen hindeuten,

wurde in der Auswertungsakte ‚Thüringer Heimat-
schutz – THS‘ gesucht.

Weitere Informationsquelle für die Rekonstruktion

war die Werbungsdatei. Aus ihr sind Angaben zu

biographischen Daten und Verwaltungsdaten zu

ersehen. Zu den biographischen Daten gehören

Name, Vorname, Geburtsdatum und –ort sowie
Wohnanschrift der Zielperson (ZP).

Die in der Werbungsdatei ersichtlichen biographi-

schen und Verwaltungsdaten wurden ausgedruckt

und den zu rekonstruierenden Akten zugeheftet.

… Ergänzend wurden zur Rekonstruktion der
o. g. VM-Akten die Datenbestände in den früheren

Datenbanken ‚Schriftgutverwaltung der Abt. 2‘
ebenfalls mit einbezogen.

2. Weitere Durchsicht von Fundstellen außerhalb

der Abteilung 2

Die Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und

Kontrolle (FPG) prüft als der Amtsleitung direkt

unterstellte Organisationseinheit die operative Tä-

tigkeit der Fachabteilungen. Sie verfügt über einen

eigenen Aktenbestand. In ihr sind wesentliche

Vorgänge des Operativvorhabens nachvollziehbar.

Zum Teil finden sich Angaben zur Zahl der von

dem VM gelieferten Deckblattmeldungen und Ge-

samtbewertungen des Operativvorhabens, welche

ebenfalls Bestandteil der Aktenrekonstruktion wa-

ren.

Die Zentralabteilung führt – wie dargestellt – kor-
respondierende Zahlakten zu den durch die Fach-

abteilungen an V-Personen gezahlten Beträgen.

Die gesamten Zahlungsvorgänge der Abteilung 2

zur Operation ‚Rennsteig‘ ließen sich aus Unterla-
gen der Abteilung Z nachvollziehen, die auf diese

Weise ermittelten Gesamtsummen wurden zur re-

konstruierten Akte genommen.

Da nicht alle Teile der Beschaffungsakten zu ande-

ren Organisationseinheiten außerhalb der ‚Be-
schaffung‘ gelangen, sind Aktenteile der o. g. sie-
ben Beschaffungsakten nicht mehr rekonstruier-

bar.“6805

In Beantwortung der Frage, ob anhand der Erstellung

einer probeweisen Rekonstruktionsfassung von noch

vorhandenen, den vernichteten Akten ähnlichen Aktenbe-

ständen ermittelt wurde, welche Aktenteile typischerweise
6804) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 19.

6805) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 20.

nicht rekonstruierbar sind und welche Informationen diese

Aktenteile enthalten,
6806

heißt es:

„Die Erstellung einer probeweisen Rekonstrukti-
onsfassung der vernichteten Akten wurde im BfV

nicht vorgenommen. Allerdings erlaubt es die täg-

liche Arbeitspraxis im BfV den hiermit befassten

Mitarbeitern der ‚Beschaffung‘, anhand des typi-
schen Aufbaus einer Beschaffungsakte den Um-

fang der am 11. November 2011 verlorengegange-

nen Aktenteile sachkundig abzuschätzen. Zudem

wurde eine zur Operation ‚Rennsteig‘ gehörende
Akte, der Fall Tonfall nicht vernichtet und konnte

damit als Muster dienen.

Wie andere V-Personen-Akten waren auch die sie-

ben vernichteten Akten Treppe, Tobago, Tonfarbe,

Tusche, Tinte, Tacho und Tarif typischerweise in

vier Unterakten aufgeteilt:
6807

Der Zeuge Engelke hat in diesem Zusammenhang ausge-

führt, dass zu den nicht mehr vorhandenen und wohl auch

nicht rekonstruierbaren Teilen der Beschaffungsakten

auch Treffberichte gehören.
6808

Er glaube aber nicht, dass in diesen Treffberichten etwas

Relevantes im Sinne der Aufklärung gestanden habe.
6809

Der Zeuge Engelke hat angegeben, er habe alle V-Mann-

Führer, die mit den in den vernichteten Akten genannten

Personen zu tun gehabt hätten, der Reihe nach befragt. Er

habe gefragt, ob nach dem jetzigen Wissensstand über

den NSU die Akten zur Erhellung der Situation beitragen

könnten, was verneint worden sei.
6810

Darüber hinaus wisse man auch nicht, ob eine Zahlung an

die V-Leute tatsächlich erfolgt sei, da sich die Quittungen

über geleistete Zahlungen an V-Leute ausschließlich in

der Beschaffungsakte befänden.
6811

Diese Quittungen

müssten nach einer Verwaltungsvorschrift nach fünf Jah-

ren gelöscht werden. Diese Vernichtung sei auch erfolgt.

Darüber hinaus seien noch Datenbestände von früheren

Datenbanken und die Schriftgutverwaltung der Abteilung

2 vorhanden.
6812

Daneben gebe es noch die Kontrollgruppen im BfV, die

operative Vorgänge begleiten und die ebenfalls über Da-

ten verfügten. Die Fachgruppe für operative Sicherheit

und Kontrolle habe Informationen zu der Zahl der von

den V-Leuten gelieferten Deckblattmeldungen und der

Gesamtbewertung der Operativvorgänge gehabt. Diese

Fachgruppe sei auch danach befragt worden, ob in dem
6806) A-Drs. 305.

6807) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 21.

6808) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6809) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6810) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 58.

6811) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.

6812) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 773 – Drucksache 17/14600

noch vorhandenen Aktenbestand Auffälligkeiten erkenn-

bar gewesen seien. Die Fachgruppe habe erklärt,

„von dem, was wir da haben, vermögen wir nichts
Auffälliges festzustellen.“6813

Vorhanden seien auch noch die Gesamtsummen der an

die V-Leute geleisteten Zahlungen, weil geleistete Zah-

lungen an die Zentralabteilung gemeldet und dort in einer

Liste noch einmal gespeichert würden.
6814

Daher wisse

man, welches Geld an welchem Tag gezahlt worden sei,

und was darüber in der Akte gestanden habe.
6815

Dieses

Zentralregister dokumentiere jedoch nicht, dass die Zah-

lung wirklich erfolgt sei – diese Quittungen über Zahlun-
gen befänden sich nur in der Beschaffungsakte.

6816
Auch in der Observationsabteilung habe es noch Akten

gegeben.
6817

Infolgedessen habe man noch Einzelheiten

der Observation im Rahmen der Forschungs- und Wer-

bungsphase rekonstruieren können.
6818

Auch wenn man den Kontrollvorgang – die nicht vernich-
tete „Rennsteig“-Akte zu Tonfall – neben die rekonstru-
ierten Akten lege, ergebe sich für ihn kein Anhaltspunkt,

an der Validität der Rekonstruktionen zu zweifeln.
6819

Auf die abschließende Frage, ob er es völlig ausschließen

könne, dass die Motivlage des Referatsleiters Lingen mit

der Bezahlung der Quellen zu tun habe, hat der Zeuge

Engelke erklärt:

„Ausschließen, räume ich ein, ist ein echt hartes
Wort. Aber ich habe keine tatsächlichen Anhalts-

punkte, dass es damit zu tun hat.“6820

f) Auswahl der Akten durch den Referatslei-
ter

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, wie der Refe-

ratsleiter Lingen die Akten ausgewählt hat, die er von

seinen Mitarbeitern auf die Namen Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe durchsuchen und später vernichteten ließ.

aa) Kenntnisse des Referatsleiters aus frühe-
rer dienstlicher Befassung

Der Zeuge Lingen hat angegeben, er sei im Jahr 1990
6821

in das BfV eingetreten und dort zunächst im Bereich der
6813) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6814) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6815) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

6816) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9,
S. 10.

6817) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.

6818) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.

6819) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.

6820) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 10.

6821) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 4; laut Korrektur
des Protokolls erfolgte der Eintritt jedoch erst im Dezem-

ber 1991, siehe Schreiben des dbb vom 6. August 2012, Anlage

zum Protokoll-Nr. 24.

Werbung von V-Personen zuständig gewesen.
6822

Später

sei er im Bereich der „Beschaffung“ zum Ausländerex-
tremismus eingesetzt gewesen.

6823
Nach Aussage des Zeugen Lingen sei er in seiner Funkti-

on als Referatsleiter im Bereich Rechtsextremismus in

den letzten fünf Jahren sowohl für die Anwerbung also

auch für die Führung von V-Personen zuständig gewe-

sen.
6824

Er habe stellvertretend fünf V-Leute geführt, aber

keinen aus Thüringen.
6825

Die von ihm geführten V-Leute

seien regional über das Bundesgebiet verteilt gewesen.
6826

Anhaltspunkte für eine Verbindung nach Thüringen hät-

ten nicht vorgelegen.
6827

Aufgrund der Natur der Beo-

bachtungsobjekte, in denen sich diese Quellen befunden

hätten, könne er Verbindungen nach Thüringen ausschlie-

ßen.
6828

Der Zeuge Engelke hat zu den dienstlichen Verwendun-

gen des Referatsleiters Lingen im BfV ausgeführt, der

Referatsleiter sei seit Anfang der 1990er Jahre im BfV

tätig, seitdem sei er in verschiedenen Verwendungen in

mehreren Abteilungen eingesetzt gewesen, unter anderem

als Leiter einer Organisationseinheit für den

Phänomenbereich „Rechtsterrorismus“.6829

Der Zeuge Engelke hat angegeben, er wisse nicht genau,

ob der Referatsleiter während seiner Referatsleitertätig-

keit im Bereich V-Mann-Führung im Bereich Rechtsex-

tremismus (Juli 1992 bis September 1994) selbst V-Leute

geführt habe. Ihm sei keine unmittelbare Führung erinner-

lich. Eine solche wäre für einen Referatsleiter auch unge-

wöhnlich.
6830

Zu der Frage, ob der VM-Tarif zu den von ihm geführten

Quellen gehört habe, hat der Zeuge Lingen sich auf sein

Aussageverweigerungsrecht nach § 22 PUAG berufen.
6831

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er habe die Befassung

des Referatsleiters mit Akten in der Vergangenheit über-

prüft und Folgendes festgestellt:

Im Fall Treppe habe der Referatsleiter keinerlei Aktivitä-

ten entfaltet. Im Fall Tonfall tauche er an zwei Stellen auf.

Hier habe er mitgezeichnet oder zur Kenntnis genommen,

was ein Mitarbeiter geschrieben habe.
6832

Im Fall Toba-

go/Investor tauche er an zwei Stellen auf, ebenso im Fall

Tarif. Bei Tacho tauche er an fünf Stellen auf, im Fall

Tinte überhaupt nicht.
6833
6822) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 8.

6823) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 4.

6824) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 4.

6825) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 20.

6826) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.

6827) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.

6828) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 29.

6829) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 4.

6830) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 4.

6831) Lingen, Protokoll-Nr. 24, (nichtöffentlich), S. 28.

6832) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.

6833) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.

Drucksache 17/14600 – 774 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In den Fällen Tonfarbe und Tusche tauche der Referatslei-

ter Lingen aber häufiger auf. Dies resultiere daraus, dass

Herr Lingen damals in der Forschungs- und Werbungs-

phase der zuständige Referatsleiter gewesen sei.
6834

bb) Recherche in der Forschungs- und Wer-
bungsdatei

Der Sonderbeauftragte Engelke hat angegeben, der Refe-

ratsleiter habe die Forschungs- und Werbungsdatei nach

den Begriffen „Thüringen“, „THS“ und „Thüringer Hei-
matschutz“ durchsucht und sei so auf die gefundenen
Akten gekommen.

6835
Dies habe ihm Herr Lingen so bestätigt. Dieser habe nach

Akten zu den Namen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe

forschen sollen und aus der Berichterstattung gewusst,

dass der Fall in Thüringen spiele.

„Jetzt geht er hin und sagt: So, was weiß ich denn
aus der Beschaffung über Thüringen? Da war was

und kommt jetzt zu den Begriffen ‚THS‘, ‚Thürin-
gen‘ und ‚Thüringer Heimatschutz‘. Er hat nicht
Operation ‚Rennsteig‘ gesucht. […]. Er kommt
jetzt zu einer Liste von Werbungsfällen von denen

er sagt: ‚Die könnten relevant sein‘ und die bittet
er die Mitarbeiter an sich zu ziehen und durchzu-

schauen […] auf die drei Namen.“6836

cc) Nachvollziehung der Suche mit den ange-
gebenen Suchbegriffen über die For-
schungs- und Werbungsdatei

Um einen Eindruck zu gewinnen, wie das Ergebnis einer

Abfrage in der Forschungs- und Werbungsdatei aussieht,

wenn die vom Referatsleiter Lingen gegenüber MinDirig

Engelke behaupteten drei Suchbegriffe eingegeben wer-

den, wurde MinDirig Engelke vom Ausschuss gebeten,

eine solche Suche nachzuvollziehen und das Ergebnis

darzustellen.
6837

MinDirig Engelke hat mitgeteilt, die Suche nach dem

Begriff „Thüringen“ habe zu 24 Treffern geführt. Eine
Suche nach dem Begriff „THS“ habe zu 33 Treffern ge-
führt. Mit dem Begriff „Thüringer Heimatschutz“ hätten
sich keine Ergebnisse erzielen lassen. Die Treffer seien

listenmäßig aufgezeigt worden.

Diese listenmäßige Darstellung umfasse folgende Infor-

mationen:

– Fallbezeichnung

– Name

– Aktenzeichen

– Funktion (z. B. normaler Werbungsfall)
6834) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.

6835) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 17 f.

6836) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 18.

6837) A-Drs. 305.

– Beobachtungsobjekt

– Bearbeitungsstand

– Namen der Sachbearbeiter von „Auswertung“ und
„Beschaffung“

– Falleröffnungsdatum.

Bei Verwendung aller Suchbegriffe seien Tacho, Tonfar-

be und Tarif nicht angezeigt worden.

Zum Vorgang Tacho hat MinDirig Engelke erläutert, dass

„möglicherweise weitere Suchvorgänge“ des Referatslei-
ters zu dessen Auffinden geführt hätten. Zudem habe

diesem der Vorgang Tacho mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Funktionen als Refe-

ratsleiter erinnerlich sein müssen.
6838

Zum Vorgang Tonfarbe hat MinDirig Engelke ausgeführt,

dass hierzu ebenfalls Folgerecherchen zu einem Auffin-

den der Akten geführt haben müssten.
6839

Ein Datensatz zu Tarif habe mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit nie existiert, da die Werbungsdatei

erst ab 1999 geführt und nicht zwangsläufig ein älterer

Fall (der Fall Tarif stamme aus 1994) eingetragen wurde.

Auch hierzu hat MinDirig Engelke erklärt, dass das Auf-

finden von Tarif auf entsprechende dienstliche Kenntnisse

des Vorgangs zurückführbar sein müsste.
6840

Im Ausschuss ist erörtert worden, dass der Auftrag der

Amtsleitung vom 8. November 2011 zur Recherche sich

auch auf Verbindungen des Trios zur NPD bezogen habe.

Wenn man diesen Begriff zusätzlich eingebe, erkläre sich

auch, warum Tarif erscheine. Der Zeuge Engelke hat

erklärt, dass ihm diese Verknüpfung bislang noch nicht

aufgefallen sei, er habe sich an dem orientiert, was ihm

der Referatsleiter mitgeteilt habe.
6841

Im Ausschuss hat der Zeuge Engelke ausgeführt, eine

100 % schlüssige Erklärung habe er nicht. In einer Kons-

tellation komme man auf sechs von sieben Akten. Er

vermute, dass noch vage Erinnerungen des Referatsleiters

vorhanden gewesen seien. Dieser habe ja auch nur Fallbe-

zeichnungen herausgefunden.
6842

dd) Informationsspeicherung in der For-
schungs- und Werbungsdatei im Falle ei-
nes Zugriffs

Dem Ausschuss hat sich die Frage gestellt, ob anhand

einer Protokollierung in der Forschungs- und Werbungs-

datei festgestellt werden kann, nach welchen Kriterien der
6838) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 6.

6839) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 6.

6840) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 7.

6841) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 8.

6842) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 775 – Drucksache 17/14600

Referatsleiter suchte und ob er in dieser Datei Verände-

rungen vornahm bzw. vornehmen konnte.

In der Forschungs- und Werbungsdatei wird serverseitig

ausschließlich die Anzahl und das Datum der durch den

Benutzer beim Zugriff getätigten Lese- und Schreibzu-

griffe innerhalb eines Zeitintervalls protokolliert. Es er-

folgt keine Protokollierung von Suchwörtern, Suchergeb-

nissen oder der Veränderung eines Datensatzes.

Nach dem vom BMI erstellten Gutachten wurde diese

Datei vom Referatsleiter im Zeitraum 4. bis

30. November 2011 ausschließlich zum Zweck des lesen-

den Zugriffs konsultiert.

Bei einer in der Abteilung II durchgeführten Datenbank-

protokollierung werde protokolliert, welcher Benutzter an

welchem Datum und um welche Uhrzeit einen Schreib-

und Lesezugriff vorgenommen hat. Es erfolgt keine

Protokollierung von Suchwörtern, Suchergebnissen oder

der Veränderung eines Datensatzes.

Hier ergebe sich der mit der serverseitigen Protokollie-

rung identische Befund, dass keinerlei Schreibzugriffe in

der Forschungs- und Werbungsdatei durch den Referats-

leiter erfolgt seien.
6843

Innerhalb eines Dokuments werde lediglich protokolliert,

an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit das Dokument

verändert wurde sowie wer diesen verändernden Zugriff

vorgenommen hat.

Bezüglich einzelner Dokumente würden keine Lesezu-

griffe protokolliert. Soweit der Referatsleiter einzelne

Dokumente verändert haben sollte, sei dies im einzelnen

Dokument enthalten.

Da im Zeitraum vom 4. bis zum 30. November 2011

jedoch keine Schreibzugriffe durch den Referatsleiter

Lingen vorgenommen worden seien, seien folglich auch

keine Protokolldaten in den einzelnen Dokumenten ent-

standen.
6844

Auffällig ist jedoch, dass der Referatsleiter am

8. November 2011 zwischen 15.14 Uhr und 16.14 Uhr

insgesamt 37 Dokumente gelesen hat.
6845

Dies sind auffäl-

lig viele Dokumente im Vergleich zu den anderen Tagen

im November 2011 (7. November 2011: ein Zugriff;

9. November 2011: ein Zugriff). Am 8. November hat

sich Beate Zschäpe jedoch der Polizei in Jena gestellt.

Laut Chronologie des BfV erteilte der Präsident des BfV

am 8. November 2011 den Auftrag an die Abteilung 2,

den Vorgang detailliert aufzuarbeiten.
6846

Nach dem Prüfergebnis des Sonderbeauftragten habe der

damalige Gruppenleiter 2B den Referatsleiter am

8. November 2011 beauftragt, die Akten der „Beschaf-
fung“ referatsübergreifend nach etwaigen Fundstellen mit
Bezügen zum Trio zu durchsuchen. Entweder am selben
6843) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 3.

6844) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 3.

6845) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 2.

6846) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 - GEHEIM), S. 3.

Morgen oder am Morgen des Folgetages habe der Refe-

ratsleiter eine elektronische Suche nach den drei Namen

in der Personenzentraldatei durchgeführt.
6847

Der schrift-

liche Auftrag der Hausleitung ging jedoch erst am

10. November ein. Wenn der Auftrag den Referatsleiter

bereits bis zum frühen Vormittag des 8. November 2011

erreicht hat, könnte dies den intensiven Aktenzugriff

erklären.

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, am 8. November 2011

habe die ND-Lage stattgefunden. Es sei üblich, dass Auf-

träge einer gewissen Bedeutung vorab mündlich kommu-

niziert würden. Ob dies hier der Fall gewesen sei, habe er

nicht rekonstruieren können. Hinzu komme, dass der

Gruppenleiter den Referatsleiter angewiesen habe, den

Vorgang für die Referatsgruppe zu koordinieren, weil es

habe schnell gehen sollen.
6848

Auf die Frage, wie es der Referatsleiter geschafft habe,

innerhalb einer Stunde und 15 Minuten, die zwischen dem

ausgeworfenen Suchergebnis und der Auswahl der Akten

lag, aus 37 Forschungs- und Werbungsfällen die sieben

Akten auszuwählen, hat der Zeuge Engelke erklärt, dieses

Vorgehen unterstütze seine Aussage, dass der Referatslei-

ter sich die Akten gar nicht angesehen habe.

„Er hat überhaupt nicht in diese Akten geguckt,
bevor er etwas gesagt hat. Also er braucht nicht

anderthalb Stunden. Er brauchte gar nichts. Also in

die Akten selber hat er nicht geguckt zu dem Zeit-

punkt.“6849

Dass er in dieser Zeit 37mal zugegriffen habe, während er

vor und nachher ein- bis fünfmal zugegriffen habe, unter-

streiche die Darstellung, dass er nach den Namen gesucht

und deshalb intensiv recherchiert habe. Man könne nun

anhand der Datei nicht mehr rekonstruieren, auf welches

Dokument er zugegriffen hat.
6850

ee) Recherche in NADIS?

Im Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, ob bzw.

in welcher Weise der Referatsleiter durch eine NADIS-

Recherche auf die von ihm ausgewählten Akten gekom-

men sei.

In NADIS erfolgt zwar eine Protokollierung der Tätigkei-

ten aller Anwender (Anmeldung, Suchanfragen, Anzeige

eines Datensatzes, Suchanfragen etc.). Die Überprüfung

der Protokolldaten habe jedoch ergeben, dass das letzte

Anmeldedatum des Referatsleiters in NADIS der

13. Februar 2008 war.
6851
6847) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM).

6848) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 2.

6849) Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 3.

6850) Engelke, Protokoll-Nr. 57, (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 3.

6851) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S. 5; MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 -

GEHEIM), S. 3; MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr. 164/13 -

GEHEIM), S. 3.

Drucksache 17/14600 – 776 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Hieraus ergebe sich, dass der Referatsleiter zumindest

unter eigenem Namen im fraglichen Zeitraum in NADIS

keine eigenständigen Recherchen zu seinem Auftrag,

Akten zum Trio zu finden oder ihn möglicherweise in

diesem Zusammenhang interessierende Akten, die er für

eine Vernichtung in Betracht ziehen wollte, getätigt ha-

be.
6852

g) Überprüfung möglicher Vernichtungsmoti-
ve

Da sich der Referatsleiter nicht zu seinen Motiven für die

Anordnung der Vernichtung der sieben Akten geäußert

hat, hat der Ausschuss versucht, dessen Motive anhand

der objektiven Gegebenheiten zu ermitteln.

aa) Angst vor der Offenbarung nicht eingehal-
tener Löschungsfristen?

Als ein mögliches Motiv des Referatsleiters wurde eine

mögliche Angst vor der Offenbarung, dass in der Vergan-

genheit Löschungsfristen missachtet wurden, erörtert.

Es hat sich zunächst die Frage gestellt, ob bzw. inwieweit

vor dem 4. November 2011 eine Vernichtung der sieben

Akten rechtlich geboten gewesen wäre.

Der Zeuge Engelke hat in diesem Zusammenhang ausge-

führt:

„Ich glaube, alle diese Daten hätten - weil die ge-
setzliche Regelung nun ist: Daten sind zu löschen,

wenn sie nicht mehr erforderlich sind; spätestens

nach fünf Jahren ist zu überprüfen, dann spätestens

nach zehn Jahren - vernichtet werden können, hät-

te irgendwann mal einer in den vergangenen Jah-

ren sie sich mal angeschaut. Aber das ist ja immer

sozusagen - - und deswegen einer der Gründe, wa-

rum es so im Ungefähren bleibt. […] Die ge-
setzliche Formulierung hinterlässt ja einen gewis-

sen Beurteilungsspielraum: ‚wenn sie erforderlich
sind‘. Die Bearbeiter haben zu entscheiden: Wann
ist ein Datum nicht mehr erforderlich? Wenn es

durch den Bearbeiter, die Bearbeiterin für nicht

mehr erforderlich angesehen wird, kann ein Datum

lange vor Ablauf der Fünfjahresfrist gelöscht wer-

den. Die Fünfjahresfrist ist nur sozusagen eine Er-

innerung: Nach fünf Jahren musst du aber wirklich

jetzt mal gucken und dich äußern.

So gesehen, weil die vernichteten Daten alle - - Ich

glaube, 2002 oder - das könnten wir dann noch

mal nachgucken - 2003 endet der letzte V-Mann-

Fall. So gesehen war sicherlich ein Zeitpunkt ir-

gendwann mal da, wo sich das einer hätte angu-

cken können und sagen können: ‚Brauche ich ei-
gentlich nicht mehr‘, und hätte dann vernichtet
6852) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 5.

werden können, vernichtet werden müssen - das ist

eben immer so ein Beurteilungsspielraum.“6853

Der Zeuge Engelke hat bekundet, dass man die Aussage,

dass die Daten im November 2011 eigentlich bereits hät-

ten vernichtet sein müssen, so deutlich nicht treffen kön-

ne.
6854

Die von ihm in seinem Bericht gewählte Formulierung

„obwohl die Akten möglicherweise bereits seit län-
gerem hätten vernichtet worden sein können oder

müssen“6855,

sei „schwammig“ und habe auch mit der Motivlage der
Beteiligten zu tun, zu der er in offener Sitzung nichts

sagen wolle.
6856

In eingestufter Sitzung hat der Zeuge

seine Aussagen noch einmal präzisiert. Er hat erklärt, dass

zwei der vernichteten Akten jünger als zehn Jahre wa-

ren.
6857

Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit

der Vernichtungshandlung hat der Zeuge zwischen dem

Zeitpunkt vor dem 4. November 2011 und der Zeit danach

differenziert. In Bezug auf die Rechtslage vor dem

4. November 2011 hat er ausgeführt:

„Es gab seit Herbst 2011 die neue DV-
‚Beschaffung‘, die in Kraft war, wo jetzt angeord-
net wurde erstmals, die Zehnjahresfrist gilt auch

für Personenakten der Beschaffung. Wenn man das

zugrunde legt und jetzt mal hypothetisch sagt: ‚Am
03.11., also einen Tag vor Bekanntwerden der

Vorgänge um die NSU, hätte er sich die Akten,

angeschaut, wie wäre dann die Rechtslage gewe-

sen?‘, dann müsst man sagen: Bei fünf der Akten
war die Zehnjahresfrist vorbei […] bei zweien
noch nicht. Da ist ja immer das Datum der Ab-

schaltung der letzte Tag, an dem sozusagen die

Fristen laufen.

Aber die Zehnjahresfrist ist ja nur die absolute so-

zusagen Vernichtungsfrist. Vorher --- Also, die

Akten sind zu vernichten, wenn sie nicht mehr er-

forderlich sind. Das heißt, eine Prüfung hätte je-

derzeit vorher zu dem Ergebnis kommen können –
theoretisch – , sie sind nicht mehr erforderlich.
Nach fünf Jahren […] müssen die Zuständigen
sich das anschauen, was bei Beschaffungsakten

nicht erfolgte in dem Umfang, bei den Altakten,

weil ja die DV-‚Beschaffung‘ noch nicht in Kraft
war. Nach zehn Jahren aber spätestens hätte eine

abschließende Entscheidung getroffen werden

müssen, und nur, wenn man ausdrücklich an die

Amtsleitung rangetreten wäre und gesagt hätte:

‚Wir wollen diese Akten noch weiter haben‘, dann
hätte man die Akten noch behalten dürfen.“6858
6853) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.

6854) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.

6855) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.

6856) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.

6857) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 9.

6858) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 9.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 777 – Drucksache 17/14600

Anders stelle sich dies für die Zeit nach dem 4. November

2011 dar. Ab diesem Zeitpunkt habe der Referatsleiter

erkennen müssen:

„Aber doch nicht diese Akten, jetzt sind sie wieder
erforderlich, weil sich daraus ja möglicherweise

noch [etwas] ergeben könnte.
6859

Der Zeuge Fromm hat hinsichtlich des Vernichtungszeit-

punktes 11. November 2011 ausgeführt:
6860

„Egal, in welchem Arbeitsbereich das passiert wä-
re, ob [im Bereich der ‚Beschaffung‘] oder in an-
deren Bereichen, also etwa in der ‚Auswertung‘,
das hätte die gleiche Wirkung gehabt. Man kann

nicht an einem solchen Tag, wo jedem, der halb-

wegs offene Augen hat, klar sein musste, was hier

passiert war, Akten, die auch nur entfernt damit in

Zusammenhang zu bringen sind, vernichten. Das

kann man nicht machen.“6861

Nach Auffassung des Staatsekretärs Fritsche hätte der

Auftrag zur Aktenzusammenstellung dazu führen müssen,

dass keine weiteren Akten – weder in der Maßnahme, die

am 11. November 2011 stattgefunden habe, noch später

vernichtet oder gelöscht würden.
6862

bb) Vernichtung von Akteninhalten mit NSU-
Bezug?

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob ein Motiv

des Referatsleiters für die Aktenvernichtung gewesen sein

könnte, Akten mit NSU-Bezug zu vernichten.

Der Zeuge Lingen hat verneint, in seiner dienstlichen

Tätigkeit jemals direkt oder indirekt Kenntnis über unter-

getauchte, zum „Thüringer Heimatschutz“ gehörige, „Je-
naer Bombenbauer“ erlangt zu haben.6863

Während seiner Tätigkeit im Bereich des Ausländerex-

tremismus sei er sowohl für Rechts-, als auch für Linksex-

tremismus zuständig gewesen.
6864

Auch während dieser

Zeit habe er mit niemandem oder keinem Sachverhalt zu

tun gehabt, der den Fall des Trios berührt habe.
6865

In den zur Operation „Rennsteig“ gehörenden Fällen
Tacho und Tarif sei nach Angaben von MinDirig Engelke

kein „THS“-Bezug vorhanden gewesen, sondern es sei zu
anderen Beobachtungsobjekten berichtet worden. Tarif sei

wegen seiner guten Kontakte in den norddeutschen Raum

dahingehend sensibilisiert worden, sich nach dem unter-
6859) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 9.

6860) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 7.

6861) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.

6862) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 52.

6863) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 10, 25.

6864) Lingen, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 27.

6865) Lingen, Protokoll-Nr. 24,(nichtöffentlich), S. 28.

getauchten Trio umzuhören. Er habe hierzu aber keine

Informationen geliefert.
6866

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er sei sich sicher, dass

Tarif keine Informationen zum Trio geliefert habe, weil er

mit sämtlichen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen

in „Auswertung“ und „Beschaffung“ gesprochen habe,
die an der Operation beteiligt waren und diese das ver-

neint hätten.
6867

Dass der Referatsleiter während seiner Tätigkeit als Pro-

jekteinheitsleiter „Kriminelle Terroristische Gruppierun-
gen“ (März 1995 bis Juli 1997) mit Vorläufern des NSU
zu tun gehabt habe oder zumindest sein Referat damit

befasst gewesen sei, könne er nicht ausschließen. Das

könnte sein, sei aber eine reine Spekulation.
6868

Der Referatsleiter war von August 1999 bis Oktober 2004

im Bereich Forschung und Werbung und Betreuung des

Aussteigerprogramms im Bereich Rechtsextremismus

tätig.
6869

Der Zeuge Engelke hat angegeben, er habe ihn

nicht gefragt, ob der Mitangeklagte im NSU-Verfahren,

Carsten Schultze, der sich im Jahr 2000/2001 aus der

Szene zurückgezogen hat und im Aussteigerprogramm

gewesen sei.
6870

Der Zeuge Engelke hat angegeben, er habe alle V-Mann-

Führer, die mit den in den vernichteten Akten genannten

Personen zu tun gehabt hätten, der Reihe nach befragt. Er

habe immer gefragt, ob es nach dem, was man jetzt über

den NSU wisse, etwas gebe, wo man hätte sagen müssen,

die Akte hätte zur Erhellung der Situation aufklären kön-

nen.
6871

Ihm sei von den V-Mann-Führern immer klar gesagt

worden:

„Es gibt keine Vorgänge, wo sie sagen, die drei
oder andere, die jetzt bekannt seien, haben da eine

Rolle gespielt.“6872

Man habe hierzu aber keine schriftlichen Aufzeichnungen

angefertigt.
6873

aaa) Mitglieder des Trios als V-Leute oder For-
schungs- und Werbungsfälle?

Der Präsident des BfV a. D., Fromm, hat als Zeuge ausge-

sagt, nach allem was er wisse, könne er ausschließen, dass

Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe oder Personen aus

deren Umfeld jemals V-Leute des BfV gewesen seien.
6874

Diese Sicherheit nehme er daher, dass die Akten seit Ende
6866) Engelke-Bericht vom 11. Oktober 2012, MAT B BfV-2/4,

(Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM), S. 21.

6867) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 54.

6868) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.

6869) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 4.

6870) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 6.

6871) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.

6872) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 58.

6873) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr.109/12 - GEHEIM), S. 59.

6874) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 20.

Drucksache 17/14600 – 778 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2011 von einer Vielzahl von Mitarbeitern geprüft worden

seien und sich keinerlei Hinweise auf eine Tätigkeit dieser

Personen als V-Leute gefunden hätten.
6875

Nach allem was geprüft worden sei, könne er auch aus-

schließen, dass ein Mitglied des Trios im Zuge der Wer-

bung angesprochen wurde.
6876

Auch der Zeuge Engelke hat ausgeschlossen, dass Mit-

glieder des Trios oder andere Beschuldigte im Ermitt-

lungsverfahren V-Leute des BfV gewesen seien:

„Weder Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe noch die
sonstigen im Verlaufe der bisherigen Ermittlungen

durch die Bundesanwaltschaft zu Beschuldigten

des Ermittlungsverfahrens erhobenen Personen

sind oder waren V-Leute des BfV.“6877

Erstmals am 4. Juli 2012 und im Zeitraum vom 25. Juli

2012 bis zum 14. September 2012 standen den Mitglie-

dern des Untersuchungsausschusses die im Folgenden

aufgelisteten Originalakten und Personendossiers zur

Einsichtnahme in Räumlichkeiten des BfV in Berlin-

Treptow bereit:
6878

Es handelte sich um sieben vernichtete und rekonstruier-

te/wiederhergestellte Akten der „Beschaffung“ des BfV,
eine nicht vernichtete BfV-Originalakte zu einem V-

Mann aus der Operation „Rennsteig“, zwei nicht ver-
nichtete Originalakten des LfV Thüringen zu V-

Männern aus der Operation „Rennsteig“, eine nicht ver-
nichtete BfV-Sachakte „Beschaffung“ zur Operation
„Rennsteig“, eine nicht vernichtete BfV-Sachakte zum
„Thüringer Heimatschutz“ sowie 48 nicht vernichtete
BfV-Werbungsakten der Operation „Rennsteig“.6879

Alle oben aufgelisteten Akten sind mit den aus Gründen

des Schutzes für Leib und Leben erforderlichen Schwär-

zungen an den Untersuchungsausschuss übermittelt worden,

wodurch auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mitglieder

des Untersuchungsausschusses haben Einsicht nehmen

können.
6880

Bei der Einsichtnahme in die Rekonstruktion der vernich-

teten Beschaffungsakten haben sich die Mitglieder des

Ausschusses davon überzeugt, dass die rekonstruierten

Akten andere Personen als das Trio betrafen. Auch die

nicht vernichteten 48 Werbungsvorgänge der Operation

„Rennsteig“ betrafen nicht das Trio.

Nach Angaben des Zeugen Fromm war jedoch die Wer-

bungsdatei des BfV nicht vollständig. Er hat ausgesagt, es
6875) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 10.

6876) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 22.

6877) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.

6878) Engelke-Bericht vom 22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-

NfD), S. 6 f.

6879) Engelke-Bericht vom 22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-
NfD), S. 6 f.

6880) Engelke-Bericht vom 22. Februar 2013, MAT B BfV-2/9 (VS-

NfD), S. 6 f.

seien 13 Werbungsvorgänge
6881

aus operativen Gründen

nicht in die Werbungsdatei aufgenommen worden.

Die Liste der betroffenen Fälle hat der Zeuge Fromm in

der Sitzung mitgeführt und betont, zu allen seien dem

Ausschuss Unterlagen übergeben worden.

„Die Werbungsdatei ist eine von einer ganzen Rei-
he von Arbeitsdateien, die im Amt existieren, um

eben die Arbeit leichter zu machen. Die Wer-

bungsdatei ist in 99 eingerichtet worden und hatte

eben den Zweck, einen fortlaufenden Überblick zu

gewährleisten über Werbungsvorhaben. Dabei ist,

wie mir jetzt mitgeteilt worden ist, nicht alles, aus

welchen Gründen auch immer, was vorher war,

vor 99, dann in die neu installierte Werbungsdatei

hereingenommen worden. Darauf geht wohl zu-

rück, dass ein Teil der Werbungsvorhaben, die in

der ‚Rennsteig‘-Operation eine Rolle spielen […]
nicht in diese Werbungsdatei gekommen ist.“6882

Der Zeuge Fromm hat angegeben, er gehe davon aus, dass

es nach 1999 – der Errichtung der Werbungsdatei – diese
Vorfälle nicht mehr gebe.

„Darauf muss ich mich verlassen können, dass,
wenn eine solche Datei eingerichtet wird, mindes-

tens die Fälle, die dann entstehen, in die Wer-

bungsdatei oder in eine solche Datei hineinkom-

men. Es soll ja gerade eine Arbeitserleichterung

sein.“6883

Was die Zeit davor angehe, aber auch die Zeit bis 2004,

seien maßgebend nicht die Werbungsdatei, sondern die

Papierakten. Bis 2004 sei mit Papier gearbeitet worden.

Diese Papierakten gäben die Realität wieder, soweit nicht

Vernichtungen stattgefunden haben, und nicht die Datei,

zumindest nicht, was die Zeit vor 1999 angehe.
6884

Man

wisse, was vernichtet worden sei; dies sei dokumen-

tiert.
6885

Das BfV verfüge über die komplette Liste derje-

nigen, die im Rahmen der Operation „Rennsteig“ ins
Auge gefasst worden seien.

6886
Ob das BfV bereits vor der

Operation „Rennsteig“ in Thüringen bei der Anwerbung
von V-Leuten ausgeholfen habe, könne er nicht sagen.

6887
Man müsse sehen, dass die Operation „Rennsteig“ im
Jahr 1996 begonnen habe. Auch wenn die operative Tä-

tigkeit des BfV erst im Jahr 1997 begonnen habe, gehe er

davon aus, dass das BfV

„als man in 96 begonnen hat, geschaut hat : Was
hat man denn eigentlich? Das wird wahrschein-

lich - - Sie können das nachher meinen Nachfolger

hier auf dem Stuhl fragen. Man hat sicher ge-

schaut: Wie ist denn eigentlich die Zugangslage?
6881) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 57.

6882) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.

6883) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.

6884) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25; S. 58.

6885) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 58.

6886) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 58.

6887) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 58.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 779 – Drucksache 17/14600

Wen haben wir denn? Zumindest die Quellen

kannte man doch und hat gesehen: Die Zugangsla-

ge ist schlecht. Deswegen machen wir jetzt eine

Operation Thüringen, BfV, MAD, begonnen 96.

Die Aktivitäten der Personen aus dem Trio - das ist

aber jetzt eine Schlussfolgerung; das muss ich

dann Ihnen noch belegen -, die Aktivitäten dieser

Personen vor 96 können in dieser Szene nicht allzu

ausgeprägt gewesen sein. Jedenfalls können sie

nicht sehr lange vor 96 zurückreichen. Man könn-

te - das ist aber jetzt Spekulation - in den Akten

Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe schauen, wann sie

das erste Mal dem Verfassungsschutz aufgefallen

sind […], seit wann wir Aktivitäten dieser drei in
der rechtsextremistischen Szene haben feststellen

können.“6888

Man könne anhand der Papierakten nachvollziehen, um

welche Fälle es sich handele. Alle Fälle, die in der Opera-

tion „Rennsteig“ bearbeitet worden seien, seien aus dem
genannten operativen Grund oder aufgrund von Nachläs-

sigkeit in die 1999 eingerichtete Werbungsdatei nicht

aufgenommen worden. Tatsache sei aber, dass es eine

bestimmte Anzahl von Zielpersonen gegeben habe, dass

es dazu Akten oder zumindest Akteninhalte gebe, die

nachvollzogen werden konnten und dass davon 13 nicht

in die 1999 eingerichtete Werbungsdatei aufgenommen

worden seien. Diese 13 Fälle seien bekannt.
6889

Der einzige Fall unter den am 11. November 2011 ver-

nichteten Akten, der gleichzeitig nicht in die Werbungs-

datei eingestellt gewesen sei, sei der Fall Tarif.
6890

Diese

Akte sei aber rekonstruiert worden.
6891

Für die Rekon-

struktionen habe man nicht die Sachbearbeiter befragen

müssen, da sich die Fallbezeichnungen aller Fälle kom-

plett in den noch vorhandenen Papierakten befinden wür-

den.
6892

Der Zeuge Fromm hat weiter angegeben, unter den nicht

in die Werbungsdatei aufgenommenen Fällen habe es

zwei erfolgreiche Ansprachen gegeben, drei weitere Per-

sonen seien ohne Erfolg angesprochen worden und acht

Personen seien nicht angesprochen worden.
6893

Der Zeuge Fromm hat erklärt, dass es aus heutiger Sicht

besser gewesen wäre, alles, was bei Einrichtung der Datei

im Jahr 1999 gelaufen sei, auch mit zu übernehmen. Er

wisse nicht, warum dies nicht geschehen sei.
6894
6888) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 59

6889) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -
GEHEIM), S. 46.

6890) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -

GEHEIM), S. 47; S. 49

6891) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -

GEHEIM), S. 49.

6892) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 49.

6893) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich, Tgb.-Nr. 37/12 -

GEHEIM), S. 50; siehe auch S. 51.

6894) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 25.

Der Zeuge Engelke hat dargelegt, eine V-Mann-

Verpflichtung ohne Speicherung in NADIS gebe es nicht.

Die Erstspeicherung von Mundlos sei im Februar 1995

erfolgt, die von Zschäpe im März 1995 und die von

Böhnhardt im Dezember 1995.
6895

Der Zeuge Engelke hat erklärt, er sei auch der Frage

nachgegangen, ob Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe ein

Forschungs- und Werbungsfall seien. Es sei recherchiert

worden, dass es in der Forschungs- und Werbungsdatei,

die alle Fälle, in denen es zu Maßnahmen gekommen sei,

enthalte, keine Veränderungen durch [den] Referatsleiter

und keine schreibenden Zugriffe gegeben habe.
6896

Er hat ergänzt:

„Dann haben wir noch folgende Möglichkeiten zu
gucken, ob jemand ein Forschungs- und Wer-

bungsfall war: Da gibt es eine verdeckte Speiche-

rung in NADIS. Da ist keine vorhanden. Dann gibt

es Papierakten und eine Liste in IBYKUS. Das ist

jetzt sozusagen das, womit die Kollegen mir das

noch mal näher erläutert haben. […] Es gibt seit
1955 eine vollständige Erfasssung der V-

Leute.“6897

Die Forschungs- und Werbungsdatei habe retrograd bis

auf vier Fälle rekonstruiert werden können. Die vier

nichtrekonstrierten seien noch vor Ansprache eingestellt

worden. Das wisse man aus IBYKUS, dem Erfassungs-

system und den Papierakten. Es seien alle Ansprachen des

Jahres im Bereich Rechts noch vorhanden. Das könne er

positiv sagen.
6898

bbb) Kenntnisse des BfV von der Existenz des
NSU?

Dass sich aus den vernichteten Akten eine Kenntnis des

BfV über die Existenz des NSU ableiten lasse, die der

Referatsleiter habe vertuschen wollen, hat der Sonderbe-

auftragte Engelke in Abrede gestellt. Nach seiner Ein-

schätzung haben sich

„aus den größtenteils wiederhergestellten Akten
und den sonstigen Untersuchungen […] keine An-
haltspunkte darauf [ergeben], dass das BfV bis zum

November 2011 Kenntnis von der Existenz des NSU

gehabt oder personelle oder sachliche Zusammen-

hänge zwischen dem Personenumfeld des ‚THS‘ und
den Morden und Banküberfällen auch nur erkannt

oder gar gefördert hätte.“6899

MinDirig Engelke hat dies aus folgenden Umständen

geschlossen:

– Keiner der V-Leute habe über den NSU berichtet.
6895) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.

6896) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.

6897) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.

6898) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 17.

6899) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5; Engelke-Bericht,

MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 7.

Drucksache 17/14600 – 780 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Aus den wiederhergestellten Akten ergebe sich kein
Hinweis auf relevante Kenntnisse der V-Leute (zwar

Hinweise auf Mundlos etc. im Rahmen der Operation

„Rennsteig“, diese seien aber über Deckblattmeldun-
gen ausschließlich in nicht vernichteten Sachakten

„Rennsteig“ vorhanden).

– Nur der VM Tarif sei nach dem untergetauchten Trio
befragt worden; dieser VM habe jedoch keinen

„THS“-Bezug gehabt. Tarif habe nur den Auftrag ge-
habt, sich umzuhören.

6900
Der Zeuge Engelke hat vor dem Ausschuss ausgesagt, er

habe in den rekonstruierten Akten geprüft:

„Ist darin irgendetwas, wo ich sage: ‚Das ist zu
verbergen, weil es irgendeinen Bezug zum NSU

hat‘? Unter allen Kriterien, wie weit, wie eng auch
immer, finde ich nichts.“6901

Bei der Beurteilung dessen, ob es NSU-Bezüge in den

vernichteten Akten gegeben habe, habe er sich orientiert

„an einer Zusammenstellung, die BKA und BfV
gemacht haben, die auch schon in der Presse er-

wähnt wurde - deswegen kann ich sie hier auch

nennen -, eine sogenannte Hunderterliste,

untechnisch gesprochen. Die ist in mehrere Kate-

gorien unterteilt. Da haben die Behörden praktisch

aus den Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfah-

ren, aber auch aus ihren sonstigen Erkenntnissen in

dem Bereich zusammengestellt: Wer hatte NSU-

Bezug? - Da gibt es einmal natürlich die drei:

Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe. Dann gibt es die

weiteren Beschuldigten, und dann gibt es sonstige

Personen. Das ist hinreichend weit gefasst. Das

sind Leute, die Kontakt hatten.

Wir mussten es ja irgendwie handhabbar machen,

als wir gesagt haben, ich möchte jetzt gerne wis-

sen: Gibt es in den Akten irgendein Datum, was

möglicherweise irgendwas mit den Vorgängen zu

tun hat? Das sind alles blöde Formulierungen:

NSU-Bezug - aber mal als Arbeitstitel. - Deswe-

gen haben wir uns dann daran orientiert. Das ist

der Maßstab. Wenn ich sage, bei den vernichteten

Unterlagen, hier gibt es Querbezüge - oder wie

auch immer - zum NSU, meine ich: Da taucht ir-

gendwie eine Person auf, die auf dieser Hunderter-

liste verzeichnet ist, wobei ich gleich darauf hin-

weisen möchte: Die Liste hatte auch schon mal

110 Personen, sie hatte aber auch nur mal 40 Per-

sonen sozusagen.“6902

Der Zeuge Engelke hat ausgeführt:

„Nur auf dieser Grundlage kann ich mir sozusagen
anmaßen, zu sagen, das ist für mich der NSU-

Bezug oder nicht. Wenn morgen Personen auftau-
6900) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6901) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 107.

6902) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 105 f.

chen, die bisher jedenfalls in dieser Liste nicht

standen oder die bisher noch keiner auf dem

Schirm hatte, dann muss man immer sagen: Der

gesamte Daten - - das war ein unglaublicher Auf-

wand, den die Kollegen betrieben haben, die gan-

zen Akten daraufhin durchzusichten, die Dateien

gegenzulaufen, Papierakten durchzuflöhen. Wenn

morgen eine Person auftaucht, die bisher keiner

auf dem Schirm hatte, muss man sagen, dann

könnte ich jetzt wieder nicht die Gewähr dafür

übernehmen - ist ja klar -, dass meine Aussage

noch so stimmt.“6903

Eine Liste über Organisationen oder Vereinigungen mit

möglichem NSU-Bezug, die noch nicht in der Presse

standen und die auch noch nicht weiter debattiert worden

seien, gebe es nicht; eine Überprüfung im Sinne eines

Abgleichs mit einer derartigen Liste sei nicht erfolgt.
6904

Mit der Prüfung der Hypothese „Vernichtung von Akten-
inhalten mit NSU-Bezug“ sei auch das Motiv umfasst,
dass der Referatsleiter Lingen möglicherweise habe vertu-

schen wollen, dass man etwas übersehen, Chancen ver-

passt oder nicht alle Informationen verknüpft habe. Auch

dies hat der Zeuge Engelke als Motiv ausgeschlossen.
6905

Auf Nachfrage, wie jemand, der im November 2011 ganz

schnell die Beschaffungsakte nach drei Namen gesichtet

habe, ausschließen könne, dass in den vernichteten Akten

andere Begrifflichkeiten wie etwa „die Untergetauchten“,
„die Jenaer“ oder „Trio“, enthalten sind, hat der Zeuge
Engelke erklärt:

„dass im November auf die Schnelle nicht nach
solchen Begriffen gesucht wurde, das ist richtig.

Das ist ja gerade der Punkt, weswegen ich sage,

die Akten hätten an der Stelle nicht vernichtet wer-

den müssen. In der Vernichtung am 11.11. haben

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatsächlich

nur geprüft auf die Namen Mundlos, Böhnhardt

und Zschäpe. […] Das ist auch, sagen wir rückbli-
ckend, zu wenig.“6906

Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass sich in den

nur teilrekonstruierten Akten nicht doch Angaben befun-

den hätten, die Grund für die Vernichtung sein könnten,

hat der Zeuge Engelke ausgesagt:

„Da es nur teilweise rekonstruiert wurde, muss
man sagen: Wenn man einen bestimmten Teil

nicht kennt, kann man es nicht ausschließen. Ich

kann nicht sagen, ich kann es mit hundertprozenti-

ger Sicherheit ausschließen. Ich kann es aber durch

die Umstände, durch die Art der Rekonstruktion,

durch die Motivlage, durch das, was ich habe, mit

sehr, sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus-

schließen. Nur sozusagen eine absolute kann ich
6903) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 106.

6904) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 106.

6905) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 109.

6906) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 109.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 781 – Drucksache 17/14600

nicht haben, einfach weil es nicht gelungen ist, die

Akte hundertprozentig zu rekonstruieren.“6907

cc) Vernichtung von Akteninhalten, die nichts
mit dem NSU zu tun haben, aber gleichzei-
tig vertuscht werden sollten?

Auch diese Hypothese hat der Zeuge Engelke verworfen.

Er hat ausgesagt, Hinweise auf kriminelles Verhalten

habe er nicht gefunden:

„Da finde ich manches, wo man sagt: Mensch, hin-
terher bei der Operation kann man schon die Frage

stellen: ‚Hättest du das so gemacht oder nicht‘?
Aber irgendetwas dem handelnden Referatsleiter

so Zurechenbares, dass man sagt: ‚Da hatte der ein
Motiv, die Akten zu vernichten‘ - das sage ich
hiermit auch -, das finde ich nicht.“6908

In seinem Bericht hat MinDirig Engelke ausgeführt:

„Zwar lassen sich in den vernichteten Unterlagen in
Einzelpunkten Aspekte entnehmen, die kritisch zu

betrachten sind (etwa die Verpflichtung labiler

Persönlichkeiten), grob unprofessionelles, rechtswid-

riges, disziplinarrechtlich relevantes oder gar krimi-

nelles Verhalten ist nicht erkennbar.
6909

Soweit sich aus den wiederhergestellten Akten

Anhaltspunkte auf nicht ausreichend dokumentierte

Geldflüsse/finanzielle Unregelmäßigkeiten entneh-

men lassen, können diese nicht vollständig aufgeklärt

werden, weil die ‚Zahlakten‘, aus denen sich Details
der Zahlungsvorgänge entnehmen lassen, bereits vor

Jahren in einem ordnungsgemäßen Verfahren ver-

nichtet wurden.
6910

Grundsätzlich existieren zu allen erfolgreich ange-

sprochenen Personen, die entweder in der For-

schungs- und Werbungsphase oder später als VM

geführt wurden, Zahlakten. Diese werden jedoch

jeweils nach Ablauf des fünften Kalenderjahres ver-

nichtet (‚Aufbewahrungsbestimmungen für die Unter-
lagen für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungs-

wesen (ABestB-HKR)‘).6911

Unabhängig hiervon ist festzuhalten, dass jedenfalls der

die Vernichtung anordnende Referatsleiter in keinem

dieser Zahlungsvorgänge eine entscheidende Rolle

gespielt hat. Die Bearbeitung der hier in Rede stehen-

den VM-Vorgänge erfolgte nicht in seinem Referat,

die Auszahlung von Geld an V-Leute erfolgt in der

Regel nicht durch Referatsleiter, sondern durch die

VM-Führer.
6912
6907) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 99.

6908) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 107.

6909) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

6910) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

6911) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

6912) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

Durch die Kontrollen und Sicherungsmechanismen bei

Auszahlungen sind Manipulationen nur schwer vor-

zunehmen.
6913

Zusätzlich zu den eigenen Untersuchungen wurden

die Fälle durch den Sonderbeauftragten der Innenrevi-

sion des BfV vorgelegt. Diese kommt zusammenfasend

ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich den Akten keine

Belege für finanzielle Unregelmäßigkeiten entneh-

men lassen.“6914

Ausweislich seines als GEHEIM eingestuften Berichts hat

MinDirig Engelke die einzelnen Fälle mit folgendem

Ergebnis überprüft:

– Im Fall des VM Tobago/Investor sei der Referatslei-
ter Lingen nur am Rande involviert gewesen.

– Auch bei VM Tusche (Hinweise auf Polizisten im
„THS“) sei der Referatsleiter Lingen nur am Rande
involviert gewesen.

– Ebenso sei der Referatsleiter Lingen bei Tacho nur
am Rande involviert gewesen.

– Bezüglich des VM Tarif habe der Referatsleiter nur
Kenntnis gehabt.

– Der Fall des VM Tonfarbe betreffe die rechtsextre-
mistische Musikszene. Der Vorgang sei nicht ganz

unproblematisch, da Tonfarbe bei seiner Anwerbung

noch nicht volljährig gewesen sei. Er sei abgeschaltet

worden wegen BtM-Delikten. Mit diesem Fall sei der

Referatsleiter Lingen befasst gewesen.

– Beim VM Treppe, der aus der rechtsextremen Szene
Saalfeld stamme, gebe es die Besonderheit, dass er

erhebliche Prämienzahlungen erhalten habe. In die-

sem Fall seien aber keine Aktivitäten des Referatslei-

ters Lingen erkennbar.

– Bezüglich des VM Tinte seien keine Aktivitäten des
Referatsleiters Lingen ersichtlich.

6915
Der Zeuge Lingen hat verneint, dass einer der im Novem-

ber 2011 in seinem Referat beschäftigten Mitarbeiter zum

Zeitpunkt der Operation „Rennsteig“ mit Werbungsfällen
zu dieser Operation betraut gewesen sei.

6916
Der Ausschuss ist auch der Frage nachgegangen, ob es

möglicherweise Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung an

V-Leute gegeben habe, die der Referatsleiter habe vertu-

schen wollen.

Hierzu hat der Zeuge Engelke gegenüber dem Untersu-

chungsausschuss bekundet, die geleisteten Zahlungen an

die V-Personen, deren Beschaffungsakten vernichtet

wurden, seien von der Innenrevision bzw. der Prüfgruppe

nachvollzogen worden. Es habe keine Auffälligkeiten

gegeben, die die Annahme rechtfertigen würden, es seien
6913) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

6914) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

6915) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr.95/12 - GEHEIM).

6916) Lingen, Protokoll-Nr. 24, S. 24 (nichtöffentlich).

Drucksache 17/14600 – 782 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bewusst Akten vernichtet worden, um Zahlungsunregel-

mäßigkeiten zu verschleiern.
6917

Hieran schloss sich die

Frage an, inwieweit sich alle Zahlungen lückenlos nach-

vollziehen lassen.

In seinem ergänzenden Bericht hat MinDirig Engelke

ausgeführt, dass ein Nachweis „grundsätzlich“ möglich
sei. Allerdings sähen die Aufbewahrungsbestimmungen

des BMF vor, dass zahlungsbegründende Umstände fünf

Jahre aufzubewahren sind; eine derartige Vernichtung sei

auch gängige Praxis des BfV.
6918

Zahlungen an Treppe,

Tobago, Tonfarbe, Tusche, Tinte, Tacho und Tarif seien

jedoch letztmalig in den Jahren 2002 und 2003 geleistet

worden, sodass die dazu gehörenden Unterlagen nach

Ablauf der fünfjährigen Aufbewahrungsfrist vollständig

gelöscht worden seien.
6919

In den von der Zentralabteilung zum Zwecke der Haus-

haltskontrolle geführten Zahlungstabellen fänden sich

aber noch Eintragungen zu Zahlungen an diese sieben V-

Leute.
6920

Eine dem Ausschuss zur Verfügung gestellte

Liste gibt Auskünfte über die Höhe der Zahlungen und

die erstatteten Auslagen.
6921

Dafür, dass die Höhe der Zahlungen willkürlich gewesen

sei, haben sich für MinDirig Engelke keine Anhaltspunkte

ergeben. Zudem werde die Prämienhöhe auch nicht allein

von dem die VP betreuenden Mitarbeiter festgelegt, son-

dern auch durch Vorgesetzte genehmigt und gegenge-

zeichnet. In jeder quellenführenden Abteilung existierten

zudem als weiteres Kontrollinstrument monatliche Auflis-

tungen über Zahlungen, die über die Abteilungsleitung

der Fachprüfgruppe für operative Sicherheit und Kontrol-

le der Amtsleitung zugingen.
6922

Zur Sicherstellung der

Auszahlung müsse jede Zahlung vom Mitarbeiter sowie

von der VP persönlich quittiert werden. Dies werde auch

protokolliert.
6923

Allerdings seien diese Belege – da es
sich um zahlungsbegründende Umstände handele – be-
reits vernichtet.

6924
Der Zeuge Engelke hat ausgeführt, dass die Vernichtung

objektiv nicht geeignet gewesen sei, den Inhalt der Akten

zu vernichten; dies sei eines der Indizien, aus denen er

schließe, dass das Motiv des Referatsleiters nicht die

Vernichtung des Inhalts der Akten gewesen sei.
6925
6917) Engelke, Protokoll-Nr. 57, S. 47.

6918) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM, S. 10.

6919) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 10.

6920) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM, S. 10.

6921) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 25.

6922) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.
128/12 - GEHEIM), S.11

6923) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 11/12.

6924) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S.12.

6925) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.

Da „Auswertung“ und „Beschaffung“ jeweils für sich
über die Datenlöschung oder Aktenvernichtung entschei-

de, könne der Beschaffer auch nur den Teil in den Be-

schaffungsakten vernichten. Deshalb sage er im Fall des

Referatsleiters Lingen:

„Der konnte dann Unterlagen im Bereich der ‚Be-
schaffung‘ vernichten, aber er konnte nicht Unter-
lagen im Bereich der ‚Auswertung‘ vernichten,
und da sind sie auch noch alle da. Weswegen ich

übrigens - aber das ist nur eine Schlussfolgerung;

aber das kann ich, glaube ich, in offener Sitzung

auch sagen - - Eines der Indizien, weswegen ich

sage: Das war nicht das Motiv, den Inhalt zu ver-

nichten, weil das war objektiv gar nicht geeignet.

Der Inhalt ist noch da. Die Deckblattmeldung ist

noch da. Die ist bei der ‚Auswertung‘ genauso wie
bei der ‚Beschaffung‘. Bei der ‚Beschaffung‘ ist es
nicht mehr, hat er es vernichtet. Aber in der ‚Aus-
wertung‘ ist es noch da. So unter anderem hat auch
die Rekonstruktion der Akten funktioniert.“6926

dd) Vernichtung der Existenz der Akten als
solche?

Der Zeuge Fromm hat gemutmaßt, ein möglicher Grund

für die Anordnung des Referatsleiters könne gewesen

sein, dass dieser – vor dem Hintergrund der geänderten
Praxis im BfV zur Vernichtung von Beschaffungsakten

und der konzertierten Aktion im Januar 2011 – gesagt
habe:

„Diese alten Dinger - da gucke ich jetzt durch, be-
antworte die Frage, die mir gestellt worden ist: Be-

züge zum NSU? Da hat er festgestellt, so wie mir

berichtet worden ist: Fehlanzeige - alte Dinger, al-

so weg. Das ist eine Erklärung. Ob das die richtige

Erklärung ist, kann ich Ihnen beim besten Willen

nicht sagen.“6927

Der Sonderbeauftragte Engelke kommt in seiner Untersu-

chung zu dem Ergebnis, das Motiv des Referatsleiters

Lingen, die Aktenvernichtung am 11. November 2011

anzuordnen, liege

„mit höchster Wahrscheinlichkeit darin, dass die
Akten als solche, also unabhängig von ihrem In-

halt und ohne jede Kenntnis dieses Inhalts vernich-

tet werden sollten.“6928

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er sei fest davon über-

zeugt, dass die Vernichtung nichts mit den Inhalten der

Akten zu tun habe. Er glaube, dass es diesem um die

Existenz der Akten als solche gegangen sei.
6929

„Jetzt gibt es in der Tat die zwei Schienen. Das
kann sozusagen Angst vor Entdeckung sein, dass
6926) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 94.

6927) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 8.

6928) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 16.

6929) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 783 – Drucksache 17/14600

man irgendwas nicht gemacht hat, oder man wollte

Arbeit vermeiden. Da habe ich - wenn ich das in-

soweit in öffentlicher Sitzung sagen darf - keine

letzte Sicherheit, über welchen dieser Wege das

war. Ich habe aus bestimmten Indizienzusammen-

hängen eine Vermutung, die ich auch gerne mit

Ihnen teilen würde, aber nicht jetzt hier, sondern in

eingestufter Sitzung. Ich glaube, in diesem Spekt-

rum jedenfalls bewegte sich sein Motiv.“6930

Der Zeuge Engelke hat auf im August 2010 erteilte inter-

ne Anweisung des Präsidenten des BfV verwiesen, wo-

nach die Zehnjahresfrist des § 12 BVerfSchG auch für

Beschaffungsakten gelte. Zuvor habe es bereits die interne

Anweisung des Abteilungsleiters gegeben, wonach Akten,

die älter als 15 Jahre seien, hätten vernichtet werden sol-

len. Seither habe der Druck für alle Mitarbeiter des BfV

bestanden, immer dann, wenn sie sich mit einer Altakte

befassten, zu prüfen, ob die Fristen abgelaufen seien, ob

die Akte noch benötigt werde oder nicht.
6931

„Diesen Druck hatte der handelnde Referatsleiter.
Der war objektiv da.“6932

Der Sonderbeauftragte Engelke vermutet das Motiv des

Referatsleiters Lingen darin, dass dieser Aktenbestände

habe vernichten wollen,

„zu denen er Nachfragen, Wiedervorlagen und
Prüfarbeiten vermeiden wollte - Arbeiten, die

eventuell notwendig würden, obwohl die Akten

möglicherweise bereits seit Längerem hätten ver-

nichtet worden sein können oder müssen,“6933

wobei er im Untersuchungsausschuss eingeräumt hat,

dass man eine Aussage, dass die Daten im November

2011 eigentlich bereits hätten vernichtet sein „müssen“,
so deutlich nicht treffen könne.

6934
Zur Begründung seiner These hat er ausgeführt, dass

die Vernichtung von Personenakten der „Beschaffung“
objektiv ungeeignet gewesen sei, Wissen des BfV zu

diesen Personen zu vertuschen. Durch die Aufteilung der

Arbeit des BfV in „Auswertung“, „Beschaffung“, „G 10-
Bereich“ etc. könne eine Information, die in einem
dieser Bereiche gespeichert oder in einer Akte befindlich

ist, nicht vollständig aus dem Informationsbestand des

BfV entfernt werden, die relevanten Teile werden regel-

mäßig auch in anderen Akten aufbewahrt.
6935

So habe es

auch bei der Aktenvernichtung vom 11. November 2011

gelegen:

Im Bericht des Sonderbeauftragten Engelke heißt es:

„Die wesentlichen Informationen aus der Be-
schaffungsakte wurden durch die ‚Beschaffung‘
6930) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.

6931) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.

6932) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 108.

6933) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 5.

6934) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.

6935) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17.

an die ‚Auswertung‘ sowie an andere sachlich be-
fasste Behörden versandt und lagen dort zum Teil

noch vor. Unter anderem auf diese Weise war es

möglich, die Akten in großen Teilen zu rekonstru-

ieren, s.o. unter Ziffer 4.1. dieses Berichtes. Wäre

es dem Referatsleiter darum gegangen, Informa-

tionen oder Kenntnisse des BfV zu vernich-

ten/auszulöschen/vertuschen, hätte er seine Aktivi-

täten nicht nur auf seinen Bereich, hier die Per-

sonenakten der ‚Beschaffung‘, konzentrieren
dürfen, sondern ebenso auf die anderen Bereiche.

Dies gilt neben der Beschaffungs-Sachakte Opera-

tion ‚Rennsteig‘ insbesondere für den Bereich der
‚Auswertung‘, der der eigentlich für die inhaltli-
che Analyse und weitere Bearbeitung der be-

schafften Informationen zuständige Arbeitsbereich

ist.
6936

Darüber hinaus hat der MinDir Engelke ausgeführt, dass

mehrere durch ihn und im Rahmen des Disziplinarverfah-

rens befragte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abtei-

lung 2 im BfV unabhängig voneinander bestätigt hätten,

dass es im Beschaffungsbereich der Abteilung 2 bereits

mindestens seit dem Jahre 2010 erhebliche Bemühungen

gegeben habe, den dortigen Aktenbestand auf eventuelle

Aktenvernichtungsnotwendigkeiten hin zu überprüfen.
6937

Für die These, dass es dem Referatsleiter Lingen darum

gegangen sei, die Akten als solche, unabhängig von ihrem

Inhalt vernichten zu lassen, spreche nach Einschätzung

des Sonderbeauftragten auch sein Verhalten bei der Ver-

nichtung:

Dieser habe in den Tagen nach dem 4. November 2011 zu

keinem Zeitpunkt selber eine inhaltliche Prü-

fung/Sichtung der Akten vorgenommen. Etwaige inhaltli-

che Kenntnisse hätte er demnach aus der Jahre zurücklie-

genden Befassung mit diesen Vorgängen haben müssen.

Der Referatsleiter selbst habe aber zum Zeitpunkt der

aktiven Bearbeitung der Vorgänge nur eine untergeordne-

te Rolle gehabt.
6938

Darüber hinaus habe der Referatsleiter Lingen bei der

Anordnung der Vernichtung selber keinen Einblick in die

Vorgänge genommen und sich nicht – beispielsweise
durch Abgleich mit der Schriftgutverwaltung – davon
überzeugt, dass zu den Vorgängen keine weiteren Unter-

lagen existierten.
6939

Zusätzlich sei nach Einschätzung des Sonderbeauftragten

zu beachten, dass es dem Referatsleiter zumindest im

Zeitpunkt der Vernichtung offensichtlich nicht darauf

angekommen sei, die Tatsache der Vernichtung gegen-

über seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verber-

gen. Dies ergebe sich daraus, dass die „Vernichtungsver-
handlung“ selber, also das Protokoll, nicht vordatiert,
6936) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17.

6937) Einzelheiten siehe oben K. I. 4.

6938) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 17.

6939) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.

Drucksache 17/14600 – 784 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sondern zutreffend auf den 11. November 2011 ausge-

stellt worden sei.
6940

Zudem habe der Referatsleiter Lingen nicht von ihm in

besonderer Weise ausgewählte Mitarbeiter exklusiv mit

der Sichtung der Akten betraut, sondern die am Tage der

Prüfung gerade anwesenden Mitarbeiter zur Sichtung

verpflichtet.
6941

Schließlich werde die Richtigkeit der Hypothese, dass es

dem Referatsleiter Lingen um die Existenz der Akten

gegangen sei, auch durch die Aussagen des Referatsleiters

selbst gestützt: Dieser hat sich zwar weder im Diszipli-

narverfahren noch anlässlich seiner zeugenschaftlichen

Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zu seinen

Motiven geäußert.
6942

Der Referatsleiter Lingen habe aber

nach Aussage des Bürosachbearbeiters B., nachdem dieser

ihm seine Zweifel an der Richtigkeit des Zeitpunkts der

Aktenvernichtung mitgeteilt hatte, sinngemäß erklärt:

„Die Akten sind sauber, da ist nichts drin, die sind
geprüft. Das reicht. Sonst haben wir die noch hun-

dertmal auf dem Tisch liegen. Die sind sowieso zu

alt. Die müssen weg.“

Der Referatsleiter Lingen habe sich außerdem in einem

informellen Gespräch mit dem Sonderbeauftragten vom

22. August 2011 geäußert. Auch in diesem Gespräch habe er

gesagt, dass es ihm unabhängig von den Inhalten der Akten

darum gegangen sei, Aktenbestände zu vernichten, zu

denen er Nachfragen, Wiedervorlagen und Prüfarbeiten

vermeiden wollte Arbeiten, die eventuell notwendig

würden, obwohl die Akten möglicherweise bereits seit

Längerem hätten vernichtet werden können oder müs-

sen.
6943

Vor dem Untersuchungsausschuss hat der Zeuge Engelke

ergänzend ausgeführt, der Referatsleiter habe wörtlich

gesagt:

„Aus Praktikabilitätsgründen habe ich das vernich-
tet. Ich wollte nicht mehr, dass die mir immer wie-

der kommen. Ich habe geprüft, sind Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe drin? Sie sind nicht drin.

Und dann habe ich gesagt: Ich möchte zukünftig

nicht mehr mit den Dingern befasst werden. Mut-

maßlich hätten sie ja längst vernichtet sein müssen.

Aber ich habe ja nicht mal diese Detailprüfung

vorgenommen wegen der Fristen.“6944

ee) Fazit des Sonderbeauftragten des BMI,
MinDirig Engelke, zum Motiv des Referats-
leiters

Zusammenfassend kommt MinDirig Engelke in seiner

Untersuchung zu dem Ergebnis,
6940) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.

6941) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.

6942) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18.

6943) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 18 f.

6944) Engelke, Protokoll Nr. 37, S. 51.

„dass die Vernichtung der Akten durch den Refe-
ratsleiter mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht

wegen ihres Inhaltes erfolgte, sondern weil der Referats-

leiter die Akten als solche aus dem Aktenbestand des

BfV entfernen wollte. Ziel war, künftig keine weitere

Arbeit mit diesen Alt-Akten haben zu müssen.

Nachdem er erkannte, dass diese Entscheidung falsch,

die Vernichtung aber bereits erfolgt war, hat er über

mehrere Monate hinweg in Berichten die Amtsleitung

über diesen Vorgang bewusst im Unklaren gelassen.

Dies führte zu Falschunterrichtungen des BMI und

des Deutschen Bundestages.

Eine gezielte Vertuschung von Kenntnissen des BfV

zu den Taten des NSU oder zu grob unprofessionel-

len, rechtwidrigen, disziplinarrechtlich relevanten oder

kriminellen Handlungen hat nicht stattgefunden.“6945

Im Ausschuss wurde eingewandt, der Umstand, dass der

Referatsleiter Lingen Akten habe vernichten lassen, die

gar nicht aus seinem eigenen Referat, sondern aus dem

Nachbarreferat stammten, stütze die These „Angst vor
einer Wiedervorlage“ nicht. Der Zeuge Engelke hat darauf
ausgeführt:

„Das war für mich ein Grund, bis ich verstanden
habe, warum er das gemacht hat. […] Aber für
mich ist das - - Der Teil ist jedenfalls für mich ge-

klärt, und auch so, dass ich sage: Daraus schöpfe

ich keinen Verdacht. Daraus habe ich einen Ver-

dacht geschöpft; das will ich sagen. Als ich den

Umstand erfahren habe, habe ich auch so, wie Sie

das jetzt werten, gesagt: Das ist sehr merkwürdig.

Dem muss man nachgehen. - Es gibt aber eine Er-

klärung, von der ich glaube: Okay. Ich glaube,

auch durch andere Aussagen ist diese Erklärung so

für mich verifiziert, wo ich sage: Okay, der Teil ist

in Ordnung.“6946

Die Erklärung des Zeugen Engelke ist anschließend nicht

weiter im Ausschuss erörtert worden.

h) Zusammenwirken des Referatsleiters mit
weiteren Beteiligten

Der Sonderbeauftragte Engelke kommt in seiner Untersu-

chung zu dem Ergebnis, dass es hinsichtlich der ihm

nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keiner-

lei Hinweise auf ein Zusammenwirken im Sinne eines

gemeinsamen Verfolgens einer rechtswidrigen Absicht

gegeben habe.
6947

Bezüglich der Einbindung seiner beiden unmittelbaren

Vorgesetzten – dem Referatsgruppenleiter und dem Ab-
teilungsleiter – hat der Zeuge Engelke angegeben, dass
die Frage, zu welchem Zeitpunkt nach der Aktenver-

nichtung diese eingebunden waren, offen sei. Der Refe-
6945) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 20.

6946) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 99.

6947) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 19.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 785 – Drucksache 17/14600

ratsleiter Lingen behaupte aber nicht, dass diese vor der

Anordnung der Vernichtung Kenntnis gehabt hätten. Eine

solche Kenntnis werde auch von beiden bestritten.
6948

Nach seiner Einschätzung sei unstreitig zwischen den

Beteiligten und nach den Umständen, die er ermittelt

habe, dass die Vorgesetzten jedenfalls vor der Vernich-

tung keine Kenntnis davon hatten, dass die Akten so ver-

nichtet wurden
6949

oder diese die Aktenvernichtung in

irgendeiner Art und Weise befördert hätten.
6950

Er hat

ausgeführt:

„Ja, also, mein Fazit bitte ich nicht dahin gehend
zu interpretieren, dass ich sage: ‚Dann war ja alles
in Ordnung‘, sondern ich glaube schon, dass man
hier deutlich sagen muss: Es sind hier Fehler vor-

gekommen. - Fehler macht auch nicht immer nur

einer; das ist völlig klar. Es gehört ein Umfeld da-

zu, in dem so etwas möglich ist. Beispielsweise

haben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in

der Ebene unterhalb des Referatsleiters sich durch-

aus Gedanken darüber gemacht, ob das jetzt der

richtige Zeitpunkt war. Sie haben das auch teilwei-

se artikuliert. Das finde ich gut. Ich persönlich

stelle mir die Frage: Was ist falsch in jedenfalls

diesem Teil der Organisation, wenn das nicht dazu

führt, dass das zu einem deutlicheren Anhalten, ei-

nem Zurücktreten führt?“6951

aa) Überprüfung der Telefonate des Referats-
leiters

Im BfV werden nur Verbindungsdaten zu ausgehenden

offenen Telefonaten für Zwecke der Gebührenerfassung

für die Dauer von drei Monaten gespeichert.
6952

Das BMI hat jedoch aufgrund eines Beweisbeschlusses

des Ausschusses die Verbindungsdaten wiederherstellen

lassen. In den dem Ausschuss zur Verfügung gestellten

Unterlagen sind sämtliche Telefonverbindungsdaten der

beiden Diensttelefone des Referatsleiters in chronologi-

scher Reihenfolge dargestellt.
6953

Die Überprüfung hat

keine Auffälligkeiten ergeben.

bb) Überprüfung des internen E-Mail-Verkehrs
des Referatsleiters

Protokolldaten zum internen und externen Mailverkehr

für den Zeitraum vom 4. bis 30. November 2011 waren

nicht mehr vorhanden. Durch Heranziehung der aus-

schließlich zum Zweck der betrieblichen Systemwieder-

herstellung erstellten Datensicherung mit den Ständen
6948) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 20.

6949) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 90.

6950) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 19.

6951) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 90.

6952) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 7 f.

6953) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr.164/13 - GEHEIM), S. 4; S. 8-17.

10. November 2011 und 15. Dezember 2011 konnten E-

Mail-Daten ausgelesen werden.

Eine dem ergänzenden Bericht des Sonderbeauftragten

beigefügte Übersicht gibt ausschließlich Auskunft über

den Absender, den Empfänger, nachrichtlich angeschrie-

bene Empfänger sowie Datum und Uhrzeit des Mail-

Versands.
6954

Anhand der so zur Verfügung stehenden

Daten ließen sich keine Auffälligkeiten feststellen.

6. Unmittelbare Maßnahmen im BfV in Reak-
tion auf das Bekanntwerden der Aktenver-
nichtung

a) Information des Bundesministeriums des
Innern

Der Präsident a. D. des BfV, Heinz Fromm, hat ausgesagt,

nachdem ihm die Aktenvernichtung vom 11. November

2011 bekannt geworden sei, sei das Bundesministerium

des Innern unverzüglich, am 27. Juni 2012, unterrichtet

worden.
6955

b) Rücktritt des Präsidenten Fromm

Präsident Fromm hat den Bundesminister des Innern am

2. Juli 2012 um seine Versetzung in den Ruhestand gebe-

ten. Als Grund für seinen Antrag auf vorzeitige Verset-

zung in den Ruhestand hat er im Ausschuss angegeben:

„wenn ein solches Ereignis eintritt, was eine sol-
che Wirkung in der Öffentlichkeit hat, muss eine

Reaktion aus meiner Sicht erfolgen, die deutlich

macht, dass […] ich damit nicht einverstanden bin,
dass ich in dieser Weise - - nicht dass ein Fehler

gemacht worden ist, sondern dass ich in dieser

Weise hinters Licht geführt worden bin. So muss

ich das sehen, auch wenn das Disziplinarverfahren

noch nicht abgeschlossen ist. Die Aktenlage ist so.

Es war dem Betreffenden bekannt, dass er die Ak-

ten an diesem Tag vernichtet hatte, und er hat die

Amtsleitung - ja nicht nur mich - über diesen Vor-

gang im Unklaren gelassen, obwohl er selbst der-

jenige war, der zu diesem Thema die Amtsleitung

vorzubereiten hatte für Berichterstattung in allen

möglichen Gremien und auch für die Berichterstat-

tung gegenüber meiner Aufsichtsbehörde. Das ist

das: nicht der Fehler, der gemacht worden ist, son-

dern der Versuch, diesen Fehler zu vertuschen.“6956

Wenn er sich in einer solchen Situation bei einem solchen

Thema nicht darauf verlassen könne, dass die Mitarbeiter
6954) MAT A BMI-15 (Tgb.-Nr.164/13 - GEHEIM), S. 5; S. 17-24.

6955) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 53; Kurzinforma-
tion des Präsidenten an das BMI vom 27. Juni 2012, MAT B

BfV-2 (Tgb.-Nr. 29/12 - GEHEIM)

6956) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.

Drucksache 17/14600 – 786 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ihm tatsächlich die volle Wahrheit sagen, habe er Pro-

bleme.
6957

Er könne aber versichern, dass es keine weiteren Gründe

für ihn gegeben habe, etwa, dass noch andere Dinge aus

der Vergangenheit ihm zur Kenntnis gekommen wären,

die dann irgendwann auch bekannt geworden und ohnehin

zu einem solchen Schritt oder zu einer Ruhestandsverset-

zung geführt hätten:

„Davon ist mir nichts bekannt, sondern es war die
Gesamtsituation. Das heißt, die Erkenntnisse seit

November 2011 oder insbesondere die, die wir

im November bekommen haben, der Versuch der

Aufklärung vonseiten des Verfassungsschutzes

oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den

ich auch selbst unternehmen wollte.“6958

c) Umsetzung des Referatsleiters Lingen und
Disziplinarverfahren gegen diesen

Nach Angaben des Zeugen Fromm wurde der Referatslei-

ter Lingen unmittelbar nach Bekanntwerden der Akten-

vernichtung umgesetzt.
6959

Zugleich wurde ein Diszipli-

narverfahren gegen diesen eingeleitet
6960

wegen des Vor-

wurfs, die Aktenvernichtung angeordnet sowie die Amts-

leitung nicht informiert zu haben über die Tatsache, dass

am 11. November 2011 Akten vernichtet wurden. Ein

Untreueverdacht gegen den Referatsleiter Lingen spiele

dabei keine Rolle.
6961

Das Disziplinarverfahren ist bis

zum Abschluss der Beweisaufnahme des Untersuchungs-

ausschusses nicht abgeschlossen worden.

d) Weitere Umsetzungen und Disziplinarver-
fahren

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, auch gegen den Refe-

ratsgruppenleiter und den Abteilungsleiter seien Diszipli-

narverfahren eingeleitet worden wegen des Vorwurfs,

diese hätten gewusst, dass Akten vernichtet wurden, aber

nicht im Zeitraum vor Anordnung der Vernichtung, son-

dern danach. Referatsleiter Lingen vertrete die Auffas-

sung, bereits aufgrund seiner an den Referatsgruppenleiter

und den Abteilungsleiter versandten E-Mail hätten diese

wissen müssen, dass er am 11. November 2011 die Akten

vernichtet habe. Hätten der Referatsgruppenleiter und der

Abteilungleiter hiervon Kenntnis gehabt, dann hätten

diese nach Einschätzung der Amtsleitung auch die Pflicht

gehabt, diese zu informieren und keine monatelange Be-

richterstattung zuzulassen, die diesen Umstand verbrä-

me.
6962

In seinem ergänzenden Bericht hat der Sonderbeauftragte

Engelke ausgeführt:
6957) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 19.

6958) Fromm, Protokoll-Nr. 24, S. 18.

6959) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 53.

6960) Fromm, Protokoll-Nr. 24 (nichtöffentlich), S. 53.

6961) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 20.

6962) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 20.

„Gegen den Referatsgruppenleiter und den Abtei-
lungsleiter sind Disziplinarverfahren eingeleitet

worden, in denen ihnen namentlich die Vernach-

lässigung ihrer Aufsichtspflichten als Vorgesetzte

vorgeworfen worden ist.“6963

Mit dieser Begründung wurden die beiden damaligen

Vorgesetzten des Referatsleiters – der Abteilungsleiter
und der Referatsgruppenleiter – auch von ihren bisherigen
Aufgaben entbunden und umgesetzt. Das Oberverwal-

tungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in zwei Beschlüs-

sen vom 28. Juni 2013 in den einstweiligen Rechtschutz-

verfahren dieser Vorgesetzten dem BfV im Wege der

einstweiligen Anordnung auferlegt, den Abteilungsleiter

sowie den Referatsgruppenleiter vorläufig, d. h. bis zur

Entscheidung in der Hauptsache, auf die von ihnen bei

Aufdeckung der Aktenvernichtung innegehabten Dienst-

posten rückumzusetzen. Zur Begründung hat das OVG

Nordrhein-Westfalen in beiden Verfahren ausgeführt,

dass der Entzug des bisherigen Aufgabenbereichs der

Vorgesetzten des Referatsleiters materiell rechtswidrig

gewesen und deshalb rückgängig zu machen sei.
6964

Der

Senat habe nach Auswertung des Verfahrensvorbringens

der Beteiligten und der Beiakten, namentlich der vom

BfV vorgelegten Disziplinarvorgänge, die Überzeugung

gewonnen, dass die Gründe, auf welches das BfV die

Umsetzung stütze, offensichtlich jeglicher Grundlage

entbehrten.
6965

Dafür, dass diesen die Aktenvernichtung

vor deren Aufdeckung Ende Juni 2012 bekannt geworden

seien, bestünden offensichtlich keinerlei Anhaltspunk-

te.
6966

Ersichtlich nicht berechtigt sei auch der Vorwurf,

die Antragsteller seien ihren dienstlichen Aufgaben durch

unzureichende Steuerung, Kontrolle und Eigeninitiative

im Zusammenhang mit dem Prüfauftrag der Amtsleitung

vom November 2011 nicht nachgekommen und hätten

ihre Aufsichtspflichten vernachlässigt.
6967

Nach Angaben des Zeugen Engelke habe es bislang an

zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für den Ver-

dacht eines Dienstvergehens gegen weitere mit der Ak-

tenvernichtung befasste Personen gefehlt.

Die mit der physischen Vernichtung betraute Tarifbe-

schäftigte N. und der Beamte des mittleren Dienstes B.
6963) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 18.

6964) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,
Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 6; OVG NW, Be-

schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-

2/10c, Bl. 6.

6965) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,

Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 8; OVG NW, Be-

schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-
2/10c, Bl. 8.

6966) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,

Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 10; OVG NW, Be-
schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-

2/10c, Bl. 10.

6967) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni 2013,
Az. 1 B 1307/12, MAT B, BfV-2/10b, Bl. 14; OVG NW, Be-

schluss vom 28. Juni 2013, Az. 1 B 1373/12, MAT B, BfV-

2/10c, Bl. 14.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 787 – Drucksache 17/14600

hätten die Anordnung eines Regierungsdirektors umge-

setzt. Beide hätten keine Prüfungspflicht hinsichtlich der

materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung gehabt,

gleichwohl aber Bedenken hinsichtlich einer Vernichtung

zum damaligen Zeitpunkt.

Zwar seien die verpflichtenden Formalien nicht eingehal-

ten worden. Die Tatsache, dass noch ein weiterer Ordner

nach dem 11. November 2011 gefunden worden sei, lasse

darauf schließen, dass die Akten am 11. November 2011

nicht auf Vollständigkeit geprüft worden seien. Auch sei

keine neue Vernichtungsverhandlung erstellt worden nach

der lediglich mündlichen Anordnung der weiteren Ver-

nichtung durch den Referatsleiter, sondern ein zusätzli-

ches Anlageblatt. Zu Gunsten der Mitarbeiterin sei aber

berücksichtigt worden, dass sie ihre Fehler in der Zeu-

genvernehmung umfassend eingeräumt und so wesentlich

zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen habe.
6968

Der Sonderbeauftragte Engelke hat weiter dargelegt, dass

gegen den Referatsleiter des Nachbarreferats, in dessen

Zuständigkeitsbereich sechs der sieben vernichteten Be-

schaffungsakten fielen, der Vorwurf zu erheben sein kön-

ne, dass er sich nicht selbst für zuständig erklärte und die

materiellen Voraussetzungen nachprüfte. Allerdings habe

nicht er, sondern der Referatsleiter Lingen vom Gruppen-

leiter den Auftrag gehabt, nach den Namen Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe zu suchen. Er habe auch dem an-

ordnenden Referatsleiter vertraut, der sein Amtsvorgänger

und zudem stellvertretender Gruppenleiter gewesen

sei.
6969

Die Disziplinarverfahren sind bis zum Ende der

Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses nicht

abgeschlossen worden.

7. Ermittlungsverfahren

Die Staatsanwaltschaft Köln hat im Zusammenhang mit

der Aktenvernichtung am 11. November 2011 14 Strafan-

zeigen bearbeitet. Ausweislich der Abschlussverfügung

vom 12. Juni 2013 hat sie die Aufnahme förmlicher Er-

mittlungen mangels Anfangsverdachtes eines strafrecht-

lich relevanten Handelns des ehemaligen Präsidenten des

BfV oder Dritter gemäß §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 2 der

Strafprozessordnung (StPO) abgelehnt. Insbesondere sieht

die Staatsanwaltschaft Köln keine zureichenden tatsächli-

chen Anhaltspunkte für die Annahme, die die Verwirkli-

chung der Straftaten der Strafvereitelung gemäß § 258 des

Strafgesetzbuchs (StGB), der Urkundenunterdrückung

gemäß § 174 StGB oder des Verwahrungsbruchs gemäß

§ 133 StGB nahelegen.

Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme,

durch die Aktenvernichtung vom 11. November 2011

habe eine strafrechtlich relevante Verstrickung des BfV

oder sonstiger staatlicher Stellen in die Machenschaften

des NSU vertuscht werden sollen (eine Straftat, deren
6968) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 17.

6969) Ergänzungen Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/7 (Tgb.-Nr.

128/12 - GEHEIM), S. 17.

Verfolgung gemäß § 258 StGB hätte vereitelt werden

können) hat die Staatsanwaltschaft Köln nicht gewonnen.

Sie begründet dies damit, dass – auf den Sachinhalt bezo-
gen – von einer nahezu vollständigen Rekonstruktion der
vernichteten Akten auszugehen sei.

6970
Aus den rekonstru-

ierten Akten hätten sich aber weder Hinweise auf Perso-

nen, die dem NSU zuzurechnen seien, noch auf Sachver-

halte, die in einem engeren Zusammenhang mit dem NSU

stünden, ergeben.
6971

Hinsichtlich der Motivlage des Re-

feratsleiters zur Aktenvernichtung folgt die Staatsanwalt-

schaft Köln den Angaben des Sonderbeauftragten des

BMI, Engelke, der Referatsleiter habe sich „unnütze“
Arbeit ersparen wollen. Dass mit der Vernichtungsaktion

tatsächlich nur die Bereinigung des Aktenbestandes im

Vordergrund gestanden habe, hält sie auch augrund der

weiteren Umstände der Vernichtung (zutreffend datierter

schriftlicher Vernichtungsauftrag und Ausnahme der

Vernichtung der Sachakten von der Vernichtung) für

naheliegend.
6972

Einen Anfangsverdacht der Urkundenunterdrückung

gemäß § 274 StGB verneint die Staatsanwaltschaft Köln

zum einen mit der Begründung, es fehle hierfür in tatsäch-

licher Hinsicht an zureichenden Anhaltspunkten für eine

zu verdeckende Straftat. Zum anderen setze eine Strafbar-

keit nach § 274 StGB rechtlich die Absicht des Täters

voraus, einem anderen Nachteil zuzufügen, wobei das bei

Unterstellung eines Vertuschungszenarios anzunehmende

Ziel der Vereitelung staatlicher Strafverfolgung gerade

nicht als solcher Nachteil anzusehen sei. Dass mit der

Vernichtung der Unterlagen in sonstiger Hinsicht eine wie

auch immer geartete Beweissituation zu Lasten Dritter

hätte manipuliert oder vereitelt werden sollen, sei nicht

erkennbar.
6973

Einen Anfangsverdacht des Verwahrungsbruchs gemäß

§ 133 StGB hat die Staatsanwaltschaft Köln mit der Be-

gründung verneint, es sei keine Vernichtung entgegen

geltender Aufbewahrungsbestimmungen veranlasst wor-

den.
6974

8. Weitere Aktenvernichtungen nach dem
4. November 2011

a) Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtun-
gen im BfV

Der Zeuge Engelke hat angegeben, das BfV habe von

weiteren Aktenvernichtungen im BfV erst im Nachgang

zu Aktenfunden im LfV Sachsen, welche am 11. Juli
6970) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT A

BfV-2/10a, Bl. 8.

6971) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT A

BfV-2/10a, Bl. 8.

6972) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT A

BfV-2/10a, Bl. 9.

6973) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT B
BfV-2/10a, Bl. 10 f.

6974) Abschlussverfügung StA Köln vom 12. Juni 2012, MAT B

BfV-2/10a, Bl. 10 ff.

Drucksache 17/14600 – 788 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2012 zum Rücktritt des dortigen Präsidenten des LfV,

Boos, geführt haben, erfahren. Er hat ausgeführt:

„Der Präsident des sächsischen Landesamtes,
Boos, bat um seine Umsetzung, weil in seinem

Amt Akten gefunden wurden, die nach seiner Auf-

fassung schon längst hätten vernichtet werden

müssen möglicherweise, da sie aber da waren, dem

dortigen Untersuchungsausschuss hätten vorgelegt

werden müssen. Und Presseberichten - das waren

die ersten Nachrichten, die uns erreichten - sei zu

entnehmen gewesen, dass es sich um Unterlagen

des BfV gehandelt habe.“6975

Daraufhin habe man im BfV nachgefragt

„was das BfV aber von sich aus auch schon unter-
sucht hatte -: Was sind denn das für Unterlagen?

Dann stellte sich raus: Das sind Unterlagen, die zu

einer G-10-Maßnahme des BfV gehörten, was na-

türlich zu der Frage von uns führte: Und, sind die

bei euch auch noch vorhanden?“6976

Das BfV habe daraufhin mitgeteilt:

„Nein, diese Unterlagen - da gab es Unterlagen -
oder Teile dieser Unterlagen sind am 5. Dezember

vernichtet worden.“6977

Damit sei klar gewesen, dass es [2012] weitere Ak-

tenvernichtungen gegeben habe. Er habe dies zum

Anlass genommen, zu fragen:

„Jetzt würde ich gerne wissen als Untersuchungs-
beauftragter: […] In welchem Umfang sind eigent-
lich im BfV nach dem 4. November 2011 über-

haupt noch Akten aus dem Bereich rechts vernich-

tet worden? Das geschieht zunächst mal völlig

wertungsfrei. Ich würde jetzt einfach gerne den

Umfang kennenlernen. In welchem Umfang sind

da noch weitere Akten vernichtet worden?“

Er habe veranlasst:

„So, jetzt macht mal einen Gesamtschnitt: Was ist
nach dem 04.11. im Bereich rechts vernichtet wor-

den, völlig unabhängig, ob es aus eurer Meinung

irgendetwas mit NSU oder sonst wie zu tun hat?

Es mag auch Rechtsextremisten betreffen, die mit

Gewalt überhaupt nichts zu tun haben, die von je-

dem Untersuchungsgegenstand völlig weit entfernt

sind.“

Zu diesem Zeitpunkt habe auch bereits der Vizepräsident

des BfV angeordnet, den Gesamtumfang der Vernichtung

zu überprüfen.
6978

Zunächst habe man durch Einsichtnahme in die Zentral-

datei ermittelt, welche Akten vernichtet worden seien.

Man habe sich in der Zentralregistratur sämtliche Ver-
6975) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.

6976) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.

6977) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.

6978) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.

nichtungsprotokolle aus der Zeit angeschaut. Hierdurch

habe man die Aktenzeichen erfahren und sodann versucht,

herauszubekommen, was sich hinter diesen verberge.
6979

b) Umfang der Aktenvernichtung zwischen
dem 4. November 2011 und dem 4. Juli
2012

Das Ergebnis seiner Untersuchung sei, dass zwischen dem

4. November 2011 und dem 4. Juli 2012 (Aktenvernich-

tungsstopp) im BfV

– Anlagenordner zu 26 G 10-Maßnahmen aus dem
Bereich rechts vernichtet worden seien.

6980
Darüber

hinaus seien

– 94 Personenakten und acht Sachakten aus dem Be-
reich der „Auswertung“ und6981

– aus dem Bereich der „Beschaffung“ noch einmal
137 Akten der „Forschung und Werbung“ und 45
Akten zu Gewährspersonen

6982
vernichtet wurden.

Dies ergibt eine Gesamtsumme von 310 Akten, die – neben
der Aktenvernichtung am 11. November 2011 – zwischen
dem 4. November 2011 und dem 4. Juli 2012 – dem Ak-
tenvernichtungstopp im BfV – vernichtet wurden.

Vom Gesamtumfang der weiteren Aktenvernichtungen

habe er erstmals im Verlauf des August 2012 Kenntnis

erlangt.
6983

Am Rande eines Gesprächs habe er den

Staatssekretär im BMI, Fritsche, darüber informiert, dass

deutlich mehr Akten vernichtet worden seien, als zu die-

sem Zeitpunkt bekannt.
6984

Über die genauen Zahlen habe

er Staatssekretär Fritsche jedoch sicherlich nicht infor-

miert.
6985

c) Verlauf der Untersuchung

Der Zeuge Engelke hat ausgesagt, er habe von Staatssek-

retär Fritsche nach Bekanntwerden des Umfgangs der

weiteren Aktenvernichtungen nach dem 4. November

2011 keine speziellen Anordnungen zum Umfang seiner

weiteren Prüfung erhalten:

„Er hat - das kann ich mit Fug und Recht sagen -
einen großen Bogen um die Art und Weise ge-

macht, wie ich diesen Auftrag erledige, weil er

immer gesagt hat: Sie sind hier der Sonderbeauf-

tragte, ob uns das sozusagen einer glaubt oder
6979) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 92.

6980) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87; Engelke-Bericht, MAT B

BfV-2/5 (offen), S. 6.

6981) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87; Engelke-Bericht, MAT B
BfV-2/5 (offen), S. 6.

6982) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87; Engelke-Bericht, MAT B

BfV-2/5 (offen), S. 6.

6983) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.

6984) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.

6985) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 789 – Drucksache 17/14600

nicht. Machen Sie das. Machen Sie das unabhän-

gig. Machen Sie das, was Sie für richtig hal-

ten.“6986

Der Zeuge Engelke hat hervorgehoben, die Tatsache, dass

Akten aus dem Bereich „rechts“ vernichtet worden seien,
sei erst einmal nicht verdächtig.

6987
Die Löschung von

Daten und die daraus folgende Vernichtung von Akten sei

an sich nichts Vorwerfbares, sondern ein gesetzlich ge-

forderter, ganz normaler Vorgang. Es komme nur darauf

an, um welche Akten es sich handele und wie deren Inhal-

te seien.
6988

In einem zweiten Schritt habe er daher geklärt, ob der

Inhalt der so festgestellten vernichteten Unterlagen derge-

stalt gewesen sei, dass man sage:

„‚Der wäre aber besser für Ermittlungen im Zu-
sammenhang mit dem NSU noch da gewesen‘
oder: ‚Der gäbe sogar Hinweise darauf, dass hier
zielgerichtet auch solche Unterlagen vernichtet

worden seien, weil dort Inhalte seien, die man

nicht mehr in der Welt haben wollte‘?“6989

Der Zeuge Engelke hat erläutert:

Ich habe […] mir die Umstände erklären lassen,
wer eigentlich aufgrund welcher Rechtsgrundlage

in welchem Verfahren diese Akten gelöscht hat,

und habe umfangreiche Untersuchungen erbeten,

die auch durchgeführt wurden, was denn der Inhalt

sei, soweit er noch rekonstruierbar ist, und ob es

dort - in Anführungszeichen ‚Bezüge‘, ‚Querbezü-
ge‘ - wie auch immer -, ‚Verbindungen‘ gibt zu
Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, zum NSU, zu dem

Umfeld, und bin im Ergebnis zu der Auffassung

gelangt, dass die Vernichtungen aufgrund be-

stimmter Vernichtungsroutinen, gesetzlicher Vor-

schriften erfolgten, allerdings - und das würde ich

gerne, allerdings dann in eingestufter Sitzung,

noch mal näher erläutern - teilweise zu spät, teil-

weise nicht ganz gerade, aber im Ergebnis ohne

Vertuschungsabsicht, weil es dort irgendwelche

Inhalte gäbe, die aus der Welt zu schaffen gewesen

wären.“6990

d) Öffentliche Berichterstattung

Am 13. September 2012 berichtete das Magazin Stern,

dass am 14. November 2011 ein Sachbearbeiter im Bun-

desministerium des Innern, zuständig für Geheimschutz

im Referat ÖS III 3, einen vertraulichen „Vernichtungser-
lass“ an das BfV versendete. In dem Bericht heißt es:

„Akten zu Abhörmaßnahmen müssten vernichtet
werden, weil Löschungsfristen abgelaufen seien.
6986) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 97.

6987) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 88.

6988) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.

6989) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.

6990) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 87.

Die ‚Sammelanordnung‘ betrifft auch sechs Ord-
ner mit Abhörprotokollen von Rechtsextremisten.

[…] Am Tag, als das BfV eine ‚Lageorientierte
Sonderorganisation‘ (LoS) zur Aufklärung des
NSU-Komplexes ausruft - seine zweite in der Ge-

schichte nach den New Yorker Terroranschlägen

des 11. September -, schieben im Keller Sachbear-

beiter auf Befehl aus Berlin Unterlagen zu Rechts-

extremisten unbesehen in den Schredder. […]

Im Dezember löschen Verfassungsschützer weiter.

Am Tag, als im BfV neue Informationen zu einem

NSU-Helfer namens Jan W. eingehen – ‚Neu!
Nicht in der P-Akte!‘ -, schreddert der Verfas-
sungsschutz vier Abhörprotokolle und eine V-

Mann-Meldung über diesen Mann, der als Waf-

fenbeschaffer für die Zwickauer Nazis im Ver-

dacht steht. Im November und Dezember 2011

werden im BfV insgesamt 19 Ordner mit solchen

Beweisstücken vernichtet, alle aus dem Bereich

Rechtsextremismus.

Internen E-Mail-Protokollen zufolge diskutierten

Verfassungsschützer sogar noch im Februar 2012,

ob Informationen gegen den NSU-Helfer Thomas

S. gelöscht werden dürften, einen früheren Kopf

von ‚Blood & Honour‘. S. soll zu einer Zeit, da
Beate Zschäpe schon im Untergrund war, mit ihr

liiert gewesen sein.

Dabei hat das Bundeskriminalamt im Zuge der

NSU-Ermittlungen erst wenige Tage zuvor, am

25. Januar 2012, die Wohnung von S. durchsucht.

Ergebnis der Diskussion im BfV: Die aktuelle Per-

sonalakte zu dem Hardcore-Neonazi und mutmaß-

lichen Ex-Liebhaber von Zschäpe ‚ist zu lö-
schen‘.“6991

e) Ergebnis der Prüfung durch MinDirig En-
gelke

In seinem Bericht hat der Sonderbeauftragte des BMI,

MinDirig Engelke, ausgeführt, das Ergebnis seiner Über-

prüfung sei gewesen, dass die weiteren Vernichtungen

vom 4. November 2011 bis zum 4. Juli 2012

„als Ergebnis routinemäßig vorgenommener,
gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen“

durch

„verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Arbeitsbereiche ‚Auswertung‘ und ‚Beschaf-
fung‘ sowie des G 10-Bereiches“6992

vorgenommen worden seien.

Diese weiteren Aktenvernichtungen stünden in keinem

Zusammenhang mit den Aktenvernichtungen vom

11. November 2011.
6993
6991) Stern vom 13. September 2012, Operation „Konfetti“.

6992) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.

Drucksache 17/14600 – 790 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Eine Querverbindung zu Personen aus dem Umfeld des

NSU könne

„in den weitaus meisten Fällen“6994

ausgeschlossen werden.

In den Fällen, in denen Querbezüge zu Personen aus

dem NSU-Umfeld bestünden, lägen keine Anhalts-

punkte auf eine Verheimlichungsabsicht vor.
6995

Es habe keine gezielte „Löschaktion“ zur Vernichtung
möglicher Belege für Querverbindungen zum NSU-

Komplex gegeben. Dies bestätige auch ein Vergleich mit

Vernichtungen in anderen im BfV bearbeiteten

Phänomenbereichen bzw. mit Vernichtungen im Bereich

Rechtsextremismus in weiter zurückliegenden Vergleichs-

zeiträumen.
6996

Nach Angaben des Zeugen Engelke seien zu allen in sei-

nem Bericht aufgeführten Akten ordnungsgemäße Ver-

nichtungsprotokolle erstellt worden.

„Das war der Erstansatz, dass man sagt: Wir gu-
cken uns erstmal die Vernichtungsprotokolle an,

und dann gucken wir: ‚Was ist eigentlich vernich-
tet worden?‘. - Mir ist kein Fall bekannt, in dem es
kein Vernichtungsprotokoll gibt - mit einer Ein-

schränkung; der bezieht sich aber in dem ersten

Sachverhalt [Anm. die in Sachsen aufgefundenen

Akten].“6997

f) Vernichtung von 26 Anlagenordnern aus
dem G 10-Bereich

Die Grundlagen zur Führung von G 10-Akten im BfV und

deren Löschung wurden bereits oben
6998

dargestellt.

Der Zeuge Engelke hat hervorgehoben, dass in den 26

Fällen der vernichteten G 10-Akten allein die G 10-

Anlagenordner, nicht aber G 10-Fallakten vernichtet wor-

den seien. Die entsprechenden Fallakten seien noch vor-

handen. Er hat ausgeführt:

„In der Fallakte ist der Antrag unter anderem drin
und dann die Version, wie die G-10-Kommission

das gebilligt hat. Und alles, was sozusagen rele-

vant erscheint für die Beantragung einer G-10-

Maßnahme, langt nicht, wenn es in irgendeiner

Anlage steht. Die Anlage beweist, das es so

stimmt, wie man behauptet, wie man in dem Fließ-

text des Antrags behauptet. Und nochmal das Bei-

spiel: […] Wir glauben, dass er rechtsextremisti-
schen Tätigkeiten nachgeht, weil er in einem Flug-

blatt behauptet hat […]. Beweis: Das Flugblatt.
6993) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.

6994) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.

6995) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.

6996) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 6.

6997) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 102.

6998) Siehe oben K. I. 3. b) cc) sowie K. I. 3. c) cc).

Was jetzt weg ist, ist der Beweis, das Flugblatt.

Was noch da ist, ist der Antrag und die Genehmi-

gung durch die G-10-Kommission: Der Soundso

steht im Verdacht, zum bewaffneten Kampf aufzu-

rufen.“6999

Der Zeuge Engelke hat erklärt, jede einzelne der vernich-

teten Anlagen hätte zum Zeitpunkt ihrer Vernichtung

schon längst vernichtet sein müssen. Und dann seien

nochmals die Sammelanforderungen des BMI erfolgt.
7000

Die den Löschungen von Daten bzw. der Vernichtung von

Akten im BfV im Bereich Rechtsextremismus nach dem

4. November 2011 zugrunde liegenden Sammelerlasse

des BMI vom 30. März 2005, 21. Dezember 2006,

5. Januar 2010 und 14. November 2011 wurden dem

Untersuchungsausschuss im Dezember 2012 zur Verfü-

gung gestellt.
7001

Mit dem in der Presse erwähnten Erlass des BMI vom

14. November 2011 wurde die Vernichtung von sechs

G 10-Akten aus dem rechtsextremistischen Bereich ver-

fügt. Hierbei handelte es sich um AO 2000, AO 2009, AO

2010, AO 2011, AO 2014 und AO 2023.
7002

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 übersandte das BMI

dem Ausschuss einen Bericht des BfV vom 16. Juli 2012,

in dem die Sachverhalte, die den Vernichtungsanordnun-

gen AO 2000, 2009, 2010, 2011, 2014, 2023 zugrunde

lagen, erläutert wurden. Das BfV teilte mit, aus diesen

gehe hervor, dass diese Vernichtungsanordnungen keine

Sachverhalte mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand

betroffen hätten.
7003

Nach Angaben von MinDirig Engelke erfolgte der Voll-

zug der Anordnung in diesen Fällen ohne inhaltliche

Prüfung.
7004

Niemand habe sich die Anlagen daraufhin

angeschaut, ob sich in diesen etwas befinde, was für die

BAO „Trio“ interessant sei.7005 Die für die Abarbeitung
der Vernichtungen im G 10-Bereich zuständige Mitarbei-

terin habe sich auch nie um die Inhalte der Akten ge-

kümmert und habe – wenn sie im Übrigen frei gewesen
sei und nichts zu tun gehabt habe, so viele Anlagenordner

wie möglich vernichtet.
7006

Ihm scheine durch das Verfahren und die Abläufe plausi-

bel:
6999) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 15.

7000) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 61.

7001) Siehe MAT A BMI-14.

7002) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

7003) Bericht des BfV vom 16. Juli 2012, MAT B BfV-4 (Tgb.-
Nr. 44/12 - GEHEIM), hier Anschreiben S. 1 (offen).

7004) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 55.

7005) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 55.

7006) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 61.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 791 – Drucksache 17/14600

„Da hat keiner reingeschaut. […] Das war der Feh-
ler. Aber ein gezieltes Vernichten – glaube ich
nicht.“7007

aa) Rechtsgrundlage

MinDirig Engelke hat die für die Vernichtung von G 10-

Akten und die G 10-Anlagenordner maßgebliche Vor-

schrift des § 4 G 10-Gesetz in seinem Bericht wie folgt

erläutert:

„So sind nach dem G-10-Gesetz erhobene Daten,
soweit sie nicht mehr zu den gesetzlichen Zwe-

cken bzw. zur Übermittlung an andere Stellen

benötigt werden, unverzüglich zu löschen. Die

Erforderlichkeit ist unverzüglich und sodann im

Abstand von sechs Monaten zu prüfen. Die Prü-

fung erfolgt durch die Fachabteilung, die Unterla-

gen sind nach dem Zweckwegfall an die G-10-

Stelle zu übersenden, wo sie gelöscht werden.

Über die Vernichtung wird eine Niederschrift ge-

fertigt.

Werden G-10-Daten an andere Stellen (z. B. LfV)

übermittelt, übernehmen diese die Prüf- und Lö-

schungspflichten. Das BfV ist über eine erfolgte

Löschung zu unterrichten bzw. die Unterlage ist

ihm zur Löschung zurückzusenden.

Die Datenlöschung unterbleibt, soweit Daten für

eine Mitteilung gegenüber dem Betroffenen oder

für eine gerichtliche Nachprüfung der Be-

schränkungsmaßnahme von Bedeutung sein kön-

nen. Dies betrifft die G-10-Verwaltungsvorgänge

(sog. Fallakten), die nach Beendigung der

Maßnahme ausschließlich den Zweck haben,

eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen.

Auch die Fallakte betreffend ist unverzüglich und

sodann im Sechs-Monats-Turnus zu prüfen, ob

eine Aufbewahrung noch erforderlich ist.

Die im BMI geführte Fallakte wird frühestens ein

Jahr nach positiver Mitteilungsentscheidung bzw.

fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahme bei

endgültig negativer Mitteilungsentscheidung ver-

nichtet, weil sie für eine gerichtliche Nachprüfung

der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaß-

nahme nicht mehr von Bedeutung ist.

Über die erfolgte Vernichtung, die im BMI bis-

her routinemäßig einmal jährlich auf ca. 100

Fallakten bezogen realisiert worden ist, erhält

die G-10-Stelle des BfV im Nachgang ein In-

formationsschreiben zur Unterstützung ihrer ei-

genen Prüf- und Vernichtungspflicht. Das BfV

fordert spätestens in diesem Zusammenhang alle

noch in den Fachabteilungen oder in den LfV vor-

handenen G-10-Stücke zurück.
7007) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.

Erst bei Austragung aller noch vorhandenen

Stücke aus den Nachweislisten kann die Ver-

nichtung erfolgen. Aus arbeitsökonomischen

Gründen - die endgültige Rückforderung der G-

10-Stücke ist sehr zeitintensiv - werden daher zu-

nächst die Anlagenordner des BMI vernichtet.

Die Fallakte wird zuletzt, d. h. nach definitiver

Vernichtung aller G-10-Stücke, vernichtet.“7008

Auf die Frage, ob er – vor dem Hintergrund, dass das
G 10-Gesetz den Hinweis enthalte, dass eine weitere

Aufbewahrung zu gewährleisten sei, wenn dritte Stellen

ein berechtigtes Interesse auf einen Zugriff auf die Unter-

lagen hätten – den Eindruck habe, das BfV habe rechts-
konform gehandelt, hat der Zeuge Engelke ausgesagt, er

habe den Eindruck, dass insoweit rechtmäßig verfahren

worden sei, als man sich die zu vernichtenden Unterlagen

angeschaut habe.
7009

Er sei zu der Überzeugung gekom-

men, dass man im BfV schon im November 2011 ange-

fangen habe, zu fragen, welche Unterlagen relevant für

die Untersuchung des NSU und des Umfeldes seien.
7010

Man habe dann gesagt:

„Nicht alle Unterlagen - was auch objektiv, glaube
ich, stimmt - im Bereich rechts haben aus unserer

Sicht Relevanz, vermutlich die allerwenigsten ha-

ben Relevanz für die Bezüge zum NSU.

Wir sind gesetzlich gehalten, Unterlagen zu ver-

nichten. Also, mal andersrum: Beispielsweise das

ausgesprochene Moratorium, zu sagen, man ver-

nichtet überhaupt keine Unterlagen mehr - was ich

ausdrücklich für richtig halte -, ist aber natürlich

auch rechtlich erst mal nicht ganz unbedenklich.

Wir hatten jedenfalls erst mal Prüfungsbedarf. Wir

haben gesagt: Kann man das einfach machen, Vor-

schriften des G-10-Gesetzes auszusetzen?

Und das war sicherlich die Einstellung der Mehr-

zahl der Mitarbeiter im BfV, zu sagen: Hier habe

ich eine Unterlage. Da weiß ich überhaupt nicht,

dass sie irgendwas zu tun haben könnte mit Ihrem

Untersuchungsgegenstand, mit dem Umfeld des

NSU, sodass, glaube ich, nicht ein Bewusstsein da-

für da - - dass diese Unterlagen möglicherweise

hätten aufbewahrt werden sollen, was im Nachhin-

ein besser gewesen wäre.“7011

bb) Querbezüge zum NSU

Der Zeuge Engelke hat angegeben, in einzelnen Fällen

habe er Querbezüge zum NSU gesehen. Er hat erläutert:

„Wenn ich sage, bei den vernichteten Unterlagen,
hier gibt es Querbezüge - oder wie auch immer -

zum NSU, meine ich: Da taucht irgendwie eine

Person auf, die auf dieser Hunderterliste verzeich-
7008) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/9 (VS-NfD), S. 15.

7009) Fritsche, Protokoll-Nr. 34, S. 89.

7010) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.

7011) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 89.

Drucksache 17/14600 – 792 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

net ist, wobei ich gleich darauf hinweisen möchte:

Die Liste hatte auch schon mal 110 Personen, sie

hatte aber auch nur mal 40 Personen sozu-

sagen.“7012

Der Zeuge Engelke hat erläutert, er schließe nicht aus,

dass es in den vernichteten Akten möglicherweise einen

NSU-Bezug gibt.

„Also, ich kenne den Inhalt, der damals für rele-
vant erachtet wurde. Jetzt sage ich gar nicht, dass

es möglicherweise – dass H. [Anm. siehe zu AO
775, siehe unten] nichts mit NSU zu tun hat. Das

sage ich nicht; das habe ich auch nie gesagt. Ich

sage nur: Ich muss mir überlegen: Glaube ich, dass

jemand diesen Anlagenband deswegen vernichtet

hat, um einen Bezug zu H. zu vernichten, oder

dass er was mit der NSU zu tun hatte? – Das glau-
be ich nicht, weil der Inhalt ja noch da ist. Der ist

im Antrag aufgeführt.“7013

Er hat ergänzt:

„Ich sage nicht, dass da nicht irgendwie ein Inhalt
ist, wo man hinterher sagte: Das wäre aber interes-

sant gewesen; das hätte so nicht vernichtet werden

sollen. – Ich sage nur: Durch das Verfahren und
durch die Abläufe ist mir plausibel: Da hat keiner

reingeschaut. […] Das war der Fehler. Aber ein
gezieltes Vernichten – glaube ich nicht.“7014

cc) Im Ausschuss problematisierte Einzelfälle

aaa) AO 774

Die Vernichtung des Anlagenordners zur AO 774 erfolgte

am 5. Dezember 2011.
7015

Die Verfügung zur Vernichtung u. a. zur AO 774 erfolgte

mit Erlassen des BMI vom 4. Juli 2004 und vom 30. März

2005.
7016

Die AO 774 betraf folgenden Sachverhalt:

Das BfV richtete vom 9. Juni 1998 bis zum 30. April

1999 eine G 10-Maßnahme (AO 774) gegen Mitglieder

der neonazistischen Gruppe „Landser“. In diese war auch
eine Person einbezogen, die sich auf der Verdächtigenliste

des GBA zum NSU-Komplex befindet.
7017

Das LfV Sachsen habe im September 1998 aufgrund

quellengeschützter Hinweise des LfV Brandenburg, wo-

nach Jan Werner den Auftrag gehabt haben soll, für die
7012) Engelke, Protokoll-Nr. 34. S. 106.

7013) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 15.

7014) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.

7015) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.

7016) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.

7017) Bericht des BfV an das BMI vom 12. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 2.

drei Flüchtigen Waffen zu besorgen,
7018

erwogen, eine

eigene G 10-Maßnahme gegen Jan Werner zu schalten.

Nachdem verschiedene Hinweise auf eine Involvierung in

den Vertrieb strafbarer „Landser“-CDs aufgekommen
seien, sei im Oktober 1998 im Rahmen eines Gesprächs

zwischen dem LfV Sachsen und dem BfV die Einbezie-

hung in die AO 774 besprochen worden. Daraufhin habe

das LfV Sachsen von eigenen G 10-Maßnahmen gegen

den Betroffenen abgesehen. Die Begründung der Einbe-

ziehung in die AO 774 habe insofern nur auf den „Land-
ser“-Komplex abgestellt.7019

MinDirig Engelke hat in der Beratungssitzung des Aus-

schusses vom 19. Juli 2012 ausgeführt, im Zuge der Maß-

nahme AO 774 habe das LfV Sachsen vom Bundesamt

für Verfassungsschutz eine Vielzahl von Protokollen aus

Maßnahmen übersandt bekommen, die nach Einschätzung

der Bearbeiter im BfV auch für die Kollegen von Sachsen

zur Bearbeitung des Umfeldes „Landser“ hilfreich gewe-
sen seien. Die BfV-Unterlagen zu dieser Abhörmaßnahme

seien im BfV von April bis Juni 2002 nach den Vorschrif-

ten des G 10-Gesetzes ordnungsgemäß vernichtet worden.

Es habe fünf Stücke gegeben, die im Dezember 2005

vernichtet worden seien – diese seien damals für ein Be-
hördenzeugnis im Zusammenhang mit einem Strafverfah-

ren gegen „Landser“ benötigt, aber im Jahr 2005 auch
vernichtet worden.

7020
Das Prozedere nach dem G 10-Gesetz hat MinDirig En-

gelke in der Beratungssitzung des Ausschusses vom

19. Juli 2012 erläutert. Wenn das Bundesamt eine G 10-

Unterlage einem Landesamt zur Verfügung stelle, sei es

auch gehalten, sich weiter nach dem Verbleib dieser Un-

terlage zu erkundigen. Die letztliche Verantwortung, ob

die Unterlagen sachgemäß behandelt werden, obliege dem

Landesamt, dem sie übersandt wurde. Das BfV habe im

Jahr 1998 das Landesamt Sachsen zur Rückgabe der Un-

terlagen aufgefordert. Eine Erledigung sei daraufhin nicht

erfolgt. Im Zusammenhang mit dieser G 10-Maßnahme

seien auch zwei G 10-Protokolle an das LfV Thüringen

weitergeben worden, weil sich aus dem Kontext der Ge-

spräche der Verdacht ergeben habe, dass die Zielperson

tatsächlich ein konspiratives Versteck benutzt habe. Man

habe nur nicht gewusst, ob es ein konspiratives Versteck

für CDs gewesen sei oder vielleicht sogar ein Waffenver-

steck.
7021

Die beiden Protokolle befänden sich noch im Aktenbe-

stand der Abteilung 2 und hätten eigentlich nach den

G 10-Vorschriften bereits vernichtet werden müssen. Dies
7018) Siehe dazu oben E. III. 6. h).

7019) Bericht des BfV an das BMI vom 12. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 2 f.

7020) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-
VERTRAULICH), S. 37.

7021) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 37.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 793 – Drucksache 17/14600

sei zwar insoweit problematisch, diene aber der Rekon-

struktion dessen, was übersandt worden sei.
7022

Laut dem vom BfV zu diesem Vorgang übersandten Be-

richt habe es den Verdacht auf ein konspiratives Versteck

eines Betroffenen der Beschränkungsmaßnahme im Groß-

raum Dresden gegeben. Es habe der Verdacht bestanden,

das Versteck könne die drei Flüchtigen beherbergen,

weshalb dem LfV unter dem Betreff „Fall ‚Drilling‘“
Auszüge aus zwei Protokollen übersandt worden seien.

7023
Das BfV hat mitgeteilt, dass dieser Hinweis aus der AO

774

„ausweislich eines Aktenvermerks des LfV Thü-
ringen zwar zeitnah an die Zielfahndung des LKA

Thüringen weitergeleitet [wurde] aber mit dem

Hinweis versehen, dass das Objekt ‚als Versteck
für CD-Lager benutzt wird und keine Exekutiv-

maßnahmen von Thüringen notwendig‘ seien.“7024

Nach Angaben des BfV sei die Vernichtung im Rahmen

eines routinemäßigen Vernichtungsverfahrens erfolgt.
7025

Die Fallakten der AO 774 seien noch im LfV Sachsen

vorhanden.
7026

bbb) AO 775

Am 7. Dezember 2011 wurde der Anlagenordener zur AO

775 vernichtet.
7027

Betroffener war u. a. eine weitere Person, die sich auf

einer Liste des GBA zum NSU-Komplex findet.
7028

Der Betroffene war von 24. Februar 1999 bis 27. Oktober

2000 sowie vom 24. Februar 2003 bis zum 24. August

2003 in die G 10-Anordnung 775 einbezogen.
7029

Auch zur AO 775 seien die Fallakten noch vollständig

vorhanden. Ausweislich dieser Fallakten ergäben sich aus

dieser G 10-Maßnahme keine Bezüge zum NSU-

Komplex.
7030
7022) Engelke, Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-

VERTRAULICH), S. 37.

7023) Bericht des BfV an das BMI vom 12. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 2.

7024) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 11.

7025) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.

7026) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

7027) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

7028) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

7029) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,
Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

7030) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

Der Betroffene war zudem Betroffener der Anordnung

mit der Nr. 2018. Diese Akten seien noch vorhanden.

NSU-Bezüge seien ihr nicht zu entnehmen.
7031

dd) Zeitabstand zwischen Anordnung und
Vernichtung

Auffallend ist der häufig lange Zeitabstand zwischen

Vernichtungsanordnung und Löschung. So wurde der

Anlagenordner zur AO 774 am 5. Dezember 2012 ver-

nichtet,
7032

die Verfügung zur Vernichtung u. a. zur AO

774 erfolgte bereits mit Erlassen des BMI aus den Jahren

2004 und 2005.
7033

Der Zeuge Engelke hat dies damit begründet, dass es im

BfV im Verhältnis zu anderen Behörden Vollzugsschwie-

rigkeiten beim Vollzug von Löschungsverfügungen gebe.

Es dauere manchmal sehr lange, bis andere beteiligte

Behörden melden würden, dass sie ordnungsgemäß mit

den versandten Unterlagen umgegangen seien. Das führe

unter anderem auch dazu, dass Rückstände entstünden.
7034

Bei der Versendung von Akten gebe es einen Informati-

onsaustausch. Die informationsgebende Behörde habe

einen Anspruch darauf, dass die Behörde, die die Infor-

mation bekommen habe, nachweise, dass sie ordnungs-

gemäß mit der Information umgegangen sei.
7035

Die Behörde, an die etwa ein G 10-Protokoll versandt

wurde, müsse der Behörde, von der sie das Protokoll

erhalten habe, gegenüber dokumentieren, dass sie ord-

nungsgemäß vernichtet habe.
7036

Bei der Anordnung 774

habe dies beispielsweise nicht geklappt. Deswegen seien

auch im BfV noch die Anlagen vorhanden gewesen, weil

nie dokumentiert worden sei, dass die Unterlagen ord-

nungsgemäß vernichtet wurden.
7037

Er hat ausgeführt:

„Das sind Anlagenordner, die für das BMI ver-
wahrt werden. Die sind da vernichtet worden, lan-

ge nachdem das BMI deren Vernichtung angeord-

net hat. Das kann man erklären, wie das zustande

gekommen ist. Würde ich in eingestufter Sitzung

auch gerne tun; werde ich auch gerne tun. Aber

das war sicherlich nicht sauber. Das hätte man frü-

her machen können. Nur, ich weise darauf hin,

dann wäre das Ergebnis gewesen, dass die Unter-

lagen, über deren Vernichtung wir jetzt reden,
7031) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 15.

7032) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.

7033) Bericht des BfV an das BMI vom 25. Juli 2012, MAT B BfV-3,

Tgb.-Nr. 43/12 - GEHEIM), Bl. 13.

7034) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101 f.

7035) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 103.

7036) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 102.

7037) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 102.

Drucksache 17/14600 – 794 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

deutlich früher schon vernichtet gewesen wä-

ren.“7038

Ein Grund dafür, dass G 10-Unterlagen lange nicht ver-

nichtet worden seien, liege darin, dass es gesetzlich lange

keine Möglichkeit gegeben habe, endgültig von der Mit-

teilung an den Betroffenen abzusehen. Solange es die

Möglichkeit nicht gegeben habe, habe man gesagt, es

könne ja sein, dass irgendwann mal ein Betroffener eine

Mitteilung bekommen müsse. Wenn er diese bekommen

müsse, solle er die Möglichkeit erhalten, klageweise da-

gegen vorzugehen. Das könne er nur, wenn die Unterla-

gen noch vorhanden seien. Also seien alle Unterlagen

aufbewahrt worden. Und so seien

„große Berge an Rückständen entstanden, die sie
dann nicht zeitlich geschafft haben, abzuarbei-

ten.“7039

Der Zeuge Engelke hat diese Aussage präzisiert:

„Also da ist das System ja wie folgt: Vernichtet
wurden Anlagen zu G-10-Fallakten. Die eigentli-

chen G-10-Akten sind und werden im BfV geführt

und müssen nach bestimmten Fristen vernichtet

werden und gelöscht werden. Das sind sie auch.

Jetzt gibt es eine zweite Fallgruppe, die zeitlich

überhaupt nicht im Zusammenhang steht mit den

Geschehnissen hier. Es gibt auch noch, weil das

Verfahren so kompliziert ist, G 10, dass das BfV

praktisch einen Antrag stellen muss beim BMI.

Das BMI ist die anordnende Behörde eines G-10-

Antrages, und die legen ihn einfach der G-10-

Kommission vor. Also gibt es sozusagen eine

Doppelung der BfV-Vorgänge beim BMI. Da das

BMI nicht über ausreichende Räume verfügt, die

hinreichend gesichert sind, bittet es das BfV, die

G-10-Unterlagen in Köln zu lagern statt in Berlin

im BMI.

Die BfV-Akten sind hier gar nicht betroffen. Es

sind Anlagen zu BMI-Akten betroffen, die noch da

waren. Die Anlagen – sage ich immer in meiner
Argumentation -, da habe ich keinen Anhaltspunkt,

dass es die Vernichtung von Inhalten gab, weil die

Anlagen dokumentieren nur etwas, was im Antrag

beschrieben sein muss. Im Antrag steht: Ich möch-

te gerne eine Abhörmaßnahme bewilligt bekom-

men, weil ich dem das und das vorwerfe; der hat

nämlich das und das gemacht. Beweis – und dann
ist das eine Anlage. Aber der Tatbestand, was so-

zusagen verdachtsbegründend ist, das ist in dem

Antrag aufgeführt. Und diese Anlagenordner, die

waren in großem Umfang noch im BfV, die für das

BMI lagerten, vorhanden, obwohl sie eigentlich

längst hätten vernichtet werden müssen, weil es

schon lange Vernichtungsanordnungen gab. Da

hatten mir die Kollegen ja erklärt, sie sind mit dem
7038) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.

7039) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.

Vernichten dieser Anlagenbände nicht nachge-

kommen, insbesondere weil das BMI lange Jahre

davon abgesehen hat – die genauen Daten müsste
ich jetzt gucken -, Anlagenbände überhaupt zu

vernichten, weil es im Gesetz damals nicht die

Möglichkeit gab, davon endgültig abzusehen, dass

ein Betroffener von einer G-10-Maßnahme be-

nachrichtigt wird. – Ich weiß, das ist sehr kompli-
ziert. Wenn eine G-10-Maßnahme vorbei ist, wird

der Betroffene eigentlich informiert darüber.

[…] Und dann gab es jahrelang keine gesetzliche
Regelung, endgültig von einer Benachrichtigung

abzusehen. Deswegen hat man im BMI gesagt: Ir-

gendwann wird er vielleicht ja doch mal benach-

richtigt, und dann soll er Rechtsschutz haben und

die Möglichkeit haben und Einsicht nehmen kön-

nen. Deswegen bleiben die Unterlagen erst mal al-

le da. – Und so ist ein Riesenwust von Unterlagen
entstanden und hat sich angehäuft. Irgendwann hat

man dann gesagt: Die müssen irgendwann auch

mal vernichtet werden; die hätten ja schon lange

nicht mehr da sein müssen. – Und da ist eben das
vorgekommen, dass sozusagen bergeweise ver-

nichtet wurde, ohne noch mal in die Anlagen –
.“7040

Davon, dass dieser Stau entstanden sei, habe

„offensichtlich niemand im BMI, aber ganz sicher
die G-10-Kommission nichts gewusst.“7041

Der Zeuge Engelke hat die zeitliche Differenz zwischen

Anordnung und Vernichtung als „beklagenswert“ be-
zeichnet.

7042
Insoweit hat der Zeuge Engelke das Verfah-

ren als fehlerhaft benannt.
7043

Eine derartige zeitliche

Differenz zwischen Anordnung und Vernichtung habe er

aber nur in dem Bereich der Anlagen zu den 26 G 10-

Ordnern gesehen.

ee) Vernichtung von Ordnern aus verschiede-
nen Maßnahmen zum gleichen Zeitpunkt

Im Ausschuss ist thematisiert worden, wie es dazu habe

kommen können, dass G 10-Maßnahmen, die zu unter-

schiedlichen Zeiten durchgeführt wurden, am gleichen

Tage vernichtet werden. Konkret wurde das Beispiel der

Vernichtung von Anlagen zu G 10-Maßnahmen gegen

zwei Personen aus dem Jahr 2000 benannt, die beide V-

Personen von Verfassungsschutzbehörden der Länder im

Phänomenbereich Rechts waren. Die Anordnung der

Vernichtung zu einer Person erfolgte am 14. November

2011, die zu dem anderen Betroffenen am 21. Dezember

2006. Die Vernichtung zu beiden Fällen erfolgte am
7040) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 13-

14.

7041) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 9.

7041) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 14.

7042) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.

7043) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 795 – Drucksache 17/14600

25. April 2012, was der Zeuge Engelke ausdrücklich

bestätigt hat.
7044

Der Zeuge Engelke hat hierzu ausgesagt:

„Zwei verschiedene Sammelanordnungen, weil die
Kollegen im BMI immer gucken: Ist jetzt der Zeit-

punkt, wo ich sage, also aus G-10-Sicht sage: Ich

brauche die Maßnahmen nicht, die sind abge-

schlossen. Dann schreiben die Kollegen im BMI

den Kollegen im BfV diesen Erlass und sagen: Ihr

bewahrt diese Anlagenordner für uns auf. Aus un-

serer Sicht: Wir brauchen die nicht mehr. Die BfV-

Kollegen dürfen erst dann vernichten, wenn sie

den letzten sozusagen Zulieferungsnachweis wie-

derbekommen haben.

Und die Kollegin, mit der ich gesprochen habe, die

für die Abarbeitung dieser Anlagenrestanten zu-

ständig ist, hat sich nie um die Inhalte gekümmert

– aus den dargelegten Gründen – und einfach in
diesen Raum gegangen und hat, wenn sie im Übri-

gen frei war und nichts zu tun hatte, so viel wie

möglich Anlagenordner vernichtet, wie sie konnte.

[…] Aus meiner Sicht ist es erklärbar. Es ist ein
Zufall. […] Es war einfach ein Sammelverfahren.
Die haben nicht mehr geguckt, wann was vernich-

tet wurde bei den Anlagen.“7045

ff) Möglichkeit der Rekonstruktion von G 10-
Anlagenordnern?

Zu der Frage, ob die Rekonstruktion der G 10-

Anlagenordner möglich gewesen sei, hat der Zeuge En-

gelke in öffentlicher Sitzung keine Angaben gemacht.
7046

In eingestufter Sitzung hat der Zeuge Engelke dargelegt,

dass die Beweismittel selbst nicht mehr rekonstruierbar

seien:

„In den Anlagenordnern sind die Beweismittel do-
kumentiert und die müssen eben weg sein. Aber

das kann man eben nicht mehr rekonstruieren, weil

die sind nun mal weg.“7047

Soweit die G 10-Anlagenordner bezogen auf die sechs

Maßnahmen im Bereich Rechtsextremismus aus den

Akten der „Auswertung“ rekonstruiert werden konnten,
sind diese zusammen mit den G 10-Fallakten dem Aus-

schuss zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt worden.
7044) Engelke, Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 61.

7045) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.

7046) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.

7047) Engelke, Protokoll-Nr. 57 (Tgb.-Nr. 171/13 - GEHEIM), S. 16.

g) Vernichtung von Personenakten aus dem
Bereich der „Auswertung“

aa) Rechtsgrundlage

Die Vernichtung sei „jeweils aufgrund gesetzlicher Vor-
schriften“ nach dem BVerfSchG erfolgt, wenn die Spei-
cherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgaben-

erfüllung des BfV nicht mehr erforderlich gewesen sei

(§ 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG).

Personenbezogene Daten im Bereich der „Auswertung“
sind spätestens nach zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der

letzten gespeicherten Information zu löschen, es sei denn,

es liegt ausnahmsweise eine andere Entscheidung der

Behördenleitung vor (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BVerfSchG).
7048

bb) Umfang und Rekonstruktion

Nach Angabe des Sonderbeauftragten ist keine konkrete

belastbare Aussage zu den Gründen für die Vernichtung

der einzelnen Akten möglich. Die Rekonstruktion der

Akten sei aus Mitarbeiterwissen und Eckdaten erfolgt.
7049

Zum Umfang der Vernichtung und der Möglichkeit der

Rekonstruktion hat der Sonderbeauftragte ausgeführt:

Es seien 94 P-Akten vernichtet worden, die man habe

teilrekonstruieren können.

Acht vernichtete S-Akten seien nicht rekonstruierbar.

Sieben dieser S-Akten wurden ab dem 17. Januar 2012

vernichtet, eine weitere am 2. Februar 2012.

Die S-Akten hätten Organisationen bzw. dazugehörige

Publikationen betroffen, die von 2000-2007 wegen Inak-

tivität aus der Liste der Beobachtungsobjekte gestrichen

wurden; Haupt- oder Nebenbetroffene der 100er-Liste

gebe es nicht. Eine inhaltliche Relevanz für den NSU-

Komplex wird vom Sonderbeauftragten ausgeschlos-

sen.
7050

Zu den teilrekonstruierten P-Akten hat der Sonderbeauf-

tragte bis auf drei Fälle keine Übereinstimmun-

gen/Querverbindungen zum NSU-Komplex gesehen.

Diese drei Fälle hätten sich auf Personenzusammenstel-

lungen, die dem GBA im Rahmen des Ermittlungsverfah-

rens übergeben worden seien, bezogen.
7051

Es seien Datensätze/Akten zu Thomas S., Juliane W. und

Hermann S. allein aufgrund einer Erkenntnisanfrage des

GBA erstellt worden. Nach abgeschlossener Recherche

seien die Datensätze und die dazugehörende DOMUS-

Akte wieder gelöscht worden. Der Untersuchungsaus-
7048) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 73.

7049) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 67 ff.

7050) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 71.

7051) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 68 ff.

Drucksache 17/14600 – 796 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schuss wurde über die aus datenschutzrechtlichen Grün-

den zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Löschung der

neu erstellten Personenakte Thomas S. durch Vorlage

eines Berichts des BfV unterrichtet.
7052

Die Erkenntnisan-

frage zu Thomas S. sei mit Schreiben vom 3. April 2012

an den GBA übermittelt worden. Sie habe überwiegend

Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz

enthalten, jedoch auch Erkenntnisse des BfV. Hierzu

hätten Erkenntnisse über das Ergebnis einer Sicherheits-

überprüfung gehört, die im Jahre 2009 seitens des BfV

anlässlich der Überprüfung S.s als Mitarbeiter eines ge-

heimschutzrelevanten Unternehmens durchgeführt wurde.

Diese wurden dem Untersuchungsausschuss zur Erledi-

gung des Beweisbeschlusses zu Erkenntniszusammenstel-

lungen zum „THS“ übersandt.

Zu Hermann S. hätten dem BfV keine eigenen Erkennt-

nisse vorgelegen. Telefonisch vom BKA mitgeteilte Er-

kenntnisse seien in einem Vermerk zusammengefasst

worden und dem Untersuchungsausschuss in der Erkennt-

niszusammenstellung zum Beweisbeschluss BfV-7 über-

mittelt worden.

Die dem GBA zu Juliane W. übermittelte Erkenntniszu-

sammenstellung habe lediglich Erkenntnisse der Landes-

ämter für Verfassungsschutz enthalten.
7053

In den übrigen Fällen seien vereinzelte Hinweise auf

Kontakte zu Personen aus der 100er-Liste vorhanden

gewesen.

Seit dem 26. Januar 2012 – dem Tag der Einsetzung des
Untersuchungssauschusses – seien noch 23 Personenakten
vernichtet worden. Diese Vernichtung sei korrespondie-

rend zur Dateilöschung nach § 12 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz

2 BVerfSchG erfolgt.

Vor dem 25. Januar 2012 seien insgesamt 71 P-Akten

vernichtet worden.
7054

Die entsprechenden Personen seien nicht mehr aktiv ge-

wesen.

Acht der Akten hätten gewaltbereiten, subkulturell ge-

prägten Rechtsextremismus betroffen, zu diesen hätten

aber seit fünf Jahren keine relevanten Erkenntnisse mehr

vorgelegen.

h) Vernichtung von Beschaffungsakten aus
dem Bereich Forschung und Werbung

Ab dem 29. Dezember 2011 seien insgesamt 137 Akten

aus dem Forschungs- und Werbungsbereich vernichtet

worden:

Dabei habe es sich im Einzelnen gehandelt um
7052) MAT A BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 74/12 - GEHEIM).

7053) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),
S. 73.

7054) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 70.

– Forschungs- und Werbungs-Vorgänge aus 1993-
1994.

Diese Forschungs- und Werbungsvorgänge aus 1993-

1994 seien nicht rekonstruierbar. Dass eine Rekonstrukti-

on dieser Akten nicht möglich sei, hat der Zeuge Engelke

noch einmal vor dem Ausschuss bestätigt.
7055

– Eine Fallakte 1994-2001,

– eine Fallakte 1994-2003.

Die Vernichtung sei parallel zur Löschung der NADIS-

Datensätze wegen fehlender Erforderlichkeit weiterer

Aufbewahrung erfolgt.

Am 8. Juni 2012 seien 18 Akten zu ehemaligen Gewährs-

personen der Abteilung 2 im BfV (Rechtsextremismus)

vernichtet worden. Hierbei habe es sich um Vorgänge aus

1993 bis 2009 gehandelt.

Am 21. Juni 2012 seien weitere 27 Akten zu Gewährsper-

sonen vernichtet worden, wobei Vorgänge aus 1993 bis

2009 betroffen gewesen seien.

Die Vernichtung sei aufgrund fehlender Erforderlichkeit

der weiteren Aufbewahrung erfolgt.

Es gebe keine Querverbindungen zum NSU.

Der Sonderbeauftragte hat eine Querverbindung der ver-

nichteten Akten aus dem Forschungs- und Werbungsbe-

reich zum NSU-Komplex aufgrund der Eckdaten: für

„hochgradig unwahrscheinlich“ gehalten:

– Eine Werbung von Mundlos, Böhnhardt oder Zschä-
pe vor 1995 sei ausgeschlossen, denn Werbungsmaß-

nahmen setzen eine Speicherung in NADIS voraus,

die bei den drei Personen erst 1995 erfolgt sei.

– Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe seien auch nicht
Gegenstand sonstiger Forschungs- und Werbungs-

maßnahmen nach 1995 gewesen.

– Aus den Maßnahmen gehe auch keine V-Person
hervor.

i) Vergleich der Aktenvernichtung im Bereich
Rechtsextremismus zu Vernichtungen in
anderen Phänomenbereichen

In seinem schriftlichen Bericht hat der Sonderbeauftragte

abschließend festgestellt, dass sich im Vergleich zur Lö-

schung in anderen Phänomenbereichen der Umfang der

Löschung im Bereich Rechtsextremismus vom November

2011 bis Juni 2012 im Vergleich zu den Vorjahren als

vergleichsweise gering darstelle.
7056

Zur Frage, ob die 310 vernichteten Akten im Rechtsex-

tremismus eine im Vergleich zu anderen Jahren oder Lö-

schungsaktionen überdurchschnittliche Zahl sei und wie

diese im Vergleich zu Aktenvernichtungen im Bereich
7055) Protokoll-Nr. 37 (Tgb.-Nr. 109/12 - GEHEIM), S. 26.

7056) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/4 (Tgb.-Nr. 95/12 - GEHEIM),

S. 77 mit Verweis auf Anlagen 6 und 7.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 797 – Drucksache 17/14600

des Linksextremismus oder anderen Phänomenbereichen

zu sehen sei, hat der Zeuge Engelke ausgesagt:

„Details stehen in meinem eingestuften Bericht.
Aber als Grobaussage will ich mal sagen: Es ist

keine auffällig hohe Zahl - auch keine auffällig

niedrige, aber auch keine auffällig hohe - im Ver-

gleich zu denen. Ich habe die letzten drei Jahre für

den Bereich rechts erhoben. Es ist im Vergleich zu

den anderen Fachabteilungen - - gibt es auch kei-

nen auffälligen Befund. Die meisten Akten oder

Daten, die gelöscht werden, Akten, die dann ver-

nichtet wurden, solange es noch die Papierakte

gibt, sind im Bereich der Abteilung 4. Das liegt

aber daran, dass dort die Sicherheitsüberprüfungen

stattfinden. Das BfV unterstützt Behörden bei der

Sicherheitsüberprüfung von Personen, und das ist

ein Massengeschäft, in dem unglaublich viele Da-

ten einfach anfallen. Deswegen ist es immer so,

dass die meisten Daten in dem Bereich gelöscht

werden, die Akten vernichtet werden. Und für den

Bereich rechts kein auffälliger Befund in der

Zeit.“7057

Auf Nachfrage, wie sich der Vergleich zu anderen

Phänomenbereichen im Zeitraum November 2011 bis Juni

2012 dargestellt habe, hat der Zeuge Engelke erklärt:

„Ich habe keinen Run auf rechts festgestellt. Was
es gab - was wir schon mal erörtert hatten -, war

im Bereich G 10, Anlagen zu G 10. Da gab es da-

mals eine auffällige Häufung im Bereich Novem-

ber/Dezember für den Bereich rechts.“7058

In der Beratungssitzung des Untersuchungsausschusses

vom 19. Juli 2012, an der MinDirig Engelke - nicht als

Zeuge - einen ersten Bericht über den Zwischenstand

seiner Untersuchung erstattete, war erörtert worden, dass

es im November und Dezember 2011 19 vernichtete An-

lagenordner im Bereich des Rechtsextremismus gegeben

habe, hingegen keine Vernichtungen in den Bereichen

Spionageabwehr, Linksextremismus und Rechtsextre-

mismus.
7059

9. Empfehlungen des Sonderbeauftragten
des BMI, MinDirig Engelke

In seinem Bericht hat MinDirig Engelke darauf verwie-

sen, dass die berichtsgegenständlichen Vorgänge Sach-

verhalte betreffen, die teilweise mehrere Jahre zurücklie-

gen. Einige der deutlich gewordenen Probleme beträfen

die Behandlung der im BfV geführten Papierakten. Da

zwischenzeitlich weitgehend die elektronische Akte und

die elektronische Aktenführung eingeführt worden seien,

könnten einige der entstandenen Probleme nicht mehr

entstehen.
7060
7057) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 95; S. 110.

7058) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 95; S. 110.

7059) Protokoll-Nr. 25 (Tgb.-Nr. 47/12 - VS-VERTRAULICH), S. 58

7060) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 7.

Aus der Untersuchung der Aktenvernichtungen ergeben

sich für den Sonderbeauftragten Engelke folgende Emp-

fehlungen:

„Es wird empfohlen, eindeutige gesetzliche und
interne Regelungen zu Aktenhaltung, -führung und -

vernichtung zu schaffen, die für die Bearbeiterinnen

und Bearbeiter verständlich und möglichst unkom-

pliziert handhabbar sein müssen. Die neu zu fas-

senden internen Regelungen sind dabei mit dem

Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die

Informationsfreiheit (BfDI) abzustimmen.

Es wird darüber hinaus empfohlen, sämtliche Mit-

arbeiterinnen und Mitarbeiter künftig verstärkt zu

diesen Themen zu schulen. Vorgesetzte müssen dazu

angehalten werden, die Überprüfung der Einhal-

tung der entsprechenden Vorschriften als wichti-

gen Teil ihrer Führungsfunktion wahrzuneh-

men.“7061

Der Zeuge Engelke hat vor dem Untersuchungssauschuss

ausgeführt, man könne sicher sagen, dass das Regelwerk

nicht durch den letzten Mitarbeiter/die letzte Mitarbeiterin

komplett „gelebt“ werde. Diesem Aspekt müsse künftig
mehr Wert beigemessen werden.

„Dies werde aber auch gerade konkret schon so
umgesetzt, weil wir ja auch nicht warten, bis ir-

gendwelche Erörterungen um sind. Das ist Teil des

Reformprogramms. Das beinhaltet verstärkte

Schulungen etc.“7062

Ergänzend hat er hinzugefügt:

„Wenn man sieht, was sozusagen die einzelnen
Kollegen an Anforderungen haben, muss man sa-

gen: Irgendwo priorisieren sie eben, und dann ist

das sozusagen - - Die Datenpflege war nicht die

höchste Priorität. Das kann man auch erklären. Es

sollte aber trotzdem im Ergebnis in der Zukunft

nicht so bleiben.“7063

Darüber hinaus hat er empfohlen, die interne Kontrolle zu

intensivieren, und dazu ausgeführt:

„Diese Kontrolle sollte sowohl innerhalb der Ar-
beitseinheiten durch Vorgesetzte als auch ‚ex-
tern‘ durch Stellen wie die Fachprüfgruppe für die
Beschaffung verstärkt werden.

Die Stellung des Datenschutzbeauftragten des BfV

sollte verstärkt werden, u. a. durch direkte Anbin-

dung an die Amtsleitung.“7064

Dass die Anordnung von Aktenvernichtungen im BfV auf

Referatsleiterebene erfolgt, hat der Zeuge Engelke nicht

kritisiert und ausgeführt:
7061) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 7.

7062) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 119.

7063) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 119.

7064) Engelke-Bericht, MAT B BfV-2/5 (offen), S. 7.

Drucksache 17/14600 – 798 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Wenn Sie sehen, wie viele Daten in so einem La-
den anfallen – ja, wie hoch wollen wir noch ge-
hen? Das ist so.“7065

II. Erkenntnisse über das Aktenmanagement,
die Aufbewahrung und die Löschung von
Akten beim MAD

1. Aktenführung im MAD

In einem Bericht zur „Aktenführung im MAD“ vom
12. September 2012 hat der MAD Folgendes mitgeteilt:

Bis zum Jahr 2005 sei die Aktenführung in Papierform

erfolgt. Ab 2005 sei sie auf ein elektronisches Dokumen-

tenmanagementsystem im Rahmen der Fachanwendung

EXA 21 umgestellt worden. Alle laufenden nachrichten-

dienstlichen Operationen seien am 20. April 2005 in das

System EXA 21/DMS 21 überführt worden. Es gebe nur

wenige Papierdokumente, wie beispielsweise die Ver-

pflichtungserklärung eines V-Mannes, die zusätzlich zur

elektronischen Akte im Original archiviert würden. Per-

sonenbezogene Daten in Akten und Dateien dürften nur

solange gespeichert werden, wie sie zur Erfüllung der

Aufgaben erforderlich seien. Sodann seien sie zu löschen

bzw. zu vernichten. Diese Pflicht sei gem. § 6 Abs. 1

MADG i. V. m. § 10 BVerfSchG spätestens nach fünf

Jahren zu prüfen. Auf Grundlage des Bundesarchivgeset-

zes sowie einer zwischen dem Bundesarchiv und dem

MAD-Amt geschlossenen Vereinbarung vom 25. März

1999 würden Unterlagen von bleibendem Wert im MAD

so verwaltet, dass sie später dem Bundesar-

chiv/Militärarchiv übergeben werden könnten.
7066

Der Zeuge Brüsselbach hat dargelegt, dass hinsichtlich

der Aufbewahrung von Akten zwischen Quellenakten und

Verdachtsfallakten unterschieden werde. Quellenakten

würden so lange aufbewahrt, wie der Betroffene in der

Bundeswehr sei. Sie würden auch dann noch aufgehoben,

wenn der Einsatz der Quelle bereits abgelaufen sei. An-

ders werde bei Verdachtsfallakten verfahren. Diese wür-

den nach den Fristen von §§ 11 und 12 BVerfSchG ver-

nichtet.
7067

Der Zeuge Huth hat ergänzend ausgeführt,

dass es Praxis des MAD sei, bei festgestellten Extremis-

ten die Speicherbefugnis von zehn Jahren auszunutzen.

Diese Praxis sei insofern gerechtfertigt, als die Möglich-

keit bestünde, dass eine Person versuche, wieder in die

Armee zu kommen.
7068

Es bestehe aber auch keine Ver-

pflichtung, einen Vorgang zehn Jahre aufzubewahren.
7069

Wenn eine Person befragt werde und es werde festge-

stellt, dass es sich bei ihr nicht um einen Extremisten

handele, werde der Befragungsbericht dem Verfassungs-
7065) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 118.

7066) Bericht des MAD vom 12. September 2012, MAT B MAD-1,

Bl. 2-7 (VS-NfD).

7067) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 28.

7068) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 45.

7069) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 66.

schutz übermittelt und die Akte zu der Person werde ver-

nichtet.
7070

2. Aktenvernichtung im MAD nach dem
4. November 2011

Zu der Frage, inwieweit nach dem 4. November 2011

Akten des MAD zum Phänomenbereich Rechtsextremis-

mus vernichtet worden sind, hat das BMVg dem Aus-

schuss am 26. September 2012 einen Bericht des MAD

vorgelegt. Der MAD hat hierin mitgeteilt, dass seit dem

4. November 2011 im MAD siebzehn mit „VS-
VERTRAULICH“ eingestufte Akten zu diesem Bereich
vernichtet worden seien. Die Akten seien vor ihrer Ver-

nichtung/Löschung darauf geprüft worden, ob mögli-

cherweise Erkenntnisse zu Personen in den Akten enthal-

ten seien, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen

zum NSU stünden. Dies sei nicht der Fall gewesen. Bezü-

ge zum Untersuchungsgegenstand seien auszuschließen.

Unter den vernichteten Akten hätten sich keine Quellen-

akten befunden. Als Anlage hat der MAD dem Schreiben

eine tabellarische Auflistung beigefügt, aus der Aktentyp,

Inhalt und VS-Vernichtungsverhandlung zu entnehmen

sind. Zudem hat der MAD in dem Schreiben mitgeteilt,

dass er am 19. Juli 2012 die Bitte des Vorsitzenden des

2. Untersuchungsausschusses umgesetzt habe, vorläufig

von Aktenvernichtungen mit Bezug zum Rechtsextre-

mismus abzusehen.
7071

Zu dem Vorhalt, dass eine Auswerteakte zur „Fränkischen
Aktionsfront“ vernichtet worden sei, deren führender
Aktivist, Matthias F., sich auf der Adressliste befunden

habe, die in der Garage von Mundlos gefunden worden

sei, hat sich der Zeuge Christmann wie folgt geäußert:

„Wir mussten keineswegs davon ausgehen, dass
sie einen Bezug zum NSU-Komplex haben. Seit

November gab es Namen, gab es eine Fokus-

sierung auf Thüringen, und wir hätten niemals et-

was vernichtet, was uns bekannt gewesen wäre als

damit in Verbindung stehend. Wir haben aber den

allgemeinen Bereich Rechtsextremismus nicht als

NSU-Bezug gesehen. Und daher gab es auch keine

Anweisung, nichts mehr aus dem Bereich Rechts-

extremismus zu vernichten, bis jetzt im Sommer,

sondern für uns bedeutet NSU die Personen, die

uns als im Ermittlungszusammenhang stehend be-

nannt werden, und das, was uns bis zu dem Zeit-

punkt, wo eine Überprüfung der vorhandenen Un-

terlagen, die für unsere Aufgabenerfüllung nicht

mehr vorhanden sein mussten und durften, bekannt

war.“

Zudem hat der Zeuge erklärt, dass es sich bei den Unter-

lagen um Hintergrundinformationen gehandelt habe, die

aus Informationen anderer Behörden zusammengestellt

worden seien. Wenn eine Auswerteakte zu einem be-
7070) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 44.

7071) Schreiben des MAD vom 24. September 2012, MAT B MAD-

1/1, Bl. 1-6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 799 – Drucksache 17/14600

stimmten Thema im MAD existiere, seien dies Hinter-

grundinformationen, die nicht MAD-exklusiv seien.
7072

Zu der Frage, ob vor der Vernichtung eine inhaltliche

Prüfung stattgefunden hat, hat sich der Zeuge Christmann

wie folgt geäußert:

„Das kann ich sagen; denn es gab die Anweisung
von mir, seit November laufend: Wenn noch etwas

zu vernichten ist - […] -, jedes Mal zu prüfen, ob
die Inhalte für Anfragen anderer Behörden oder

dann halt auch für den U-Ausschuss relevant

sind. - Und wenn das der Fall gewesen wäre, dann

wäre das nicht vernichtet worden.“7073

Er persönlich habe nicht jedes einzelne Dokument gesich-

tet, bevor es vernichtet worden sei. Bei den vernichteten

Akten handele es sich um eine OP-Akte zu einer Ver-

dachtsperson und ansonsten um Hintergrundinformatio-

nen.
7074

Auf Nachfrage hat der Zeuge eingeräumt, dass zu

Akten mit einer Einstufung als VS-NfD oder geringer

keine Vernichtungsverhandlungen geführt würden. Aller-

dings würden Akten zu Verdachtspersonen seit 2006 nur

noch als elektronische Akten geführt, bei denen protokol-

liert werde, wenn etwas gelöscht werde.
7075

Der Zeuge Brüsselbach hat zur Frage der Aktenvernich-

tung im MAD ausgeführt:

„Ich hatte im November/Dezember angewiesen,
alle Akten, die wir noch besaßen aus jener Zeit,

daraufhin durchzusehen, ob es einen Bezug zum

NSU gibt und den relevanten Personen, was ja

fortdauernde Durchgänge verursachte; denn je

mehr Namen uns erreichten als Anfragen, ohne

dass wir den Hintergrund kannten, desto öfter

mussten wir nachschauen in diesen Akten. Und ich

hatte sehr schnell angewiesen, keinerlei Akten -

das mögen Sie mir vorhalten - in irgendeinem Zu-

sammenhang mit dem NSU, seinen Taten und den

Personen, die uns von anderer Seite genannt wur-

den, zu vernichten. Und der Abteilungsleiter II, der

Herr Christmann, hat mir mehrfach versichert,

dass dem nachgekommen wird.“7076

Zu der Frage, warum er kein generelles Moratorium zur

Vernichtung von Akten aus dem Phänomenbereich

Rechtsextremismus angeordnet habe, hat er erklärt:

„Ich war mir sicher - das mögen Sie mir nachse-
hen, Frau Abgeordnete -, dass mit meiner Weisung

und dem immer wieder neuen Nachschauen, also

mit dem jeweils neuesten Stand, in unseren Akten

dort nichts vernichtet werden würde, was in die-

sem Zusammenhang relevant werden könnte.“7077
7072) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 94.

7073) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 93, 94.

7074) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 98.

7075) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 99.

7076) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 21.

7077) Brüsselbach, Protokoll-Nr. 43, S. 22.

Der Zeuge Dr. Gramm hat zu der Frage der Aktenver-

nichtung angegeben, das BMVg habe von einer schriftli-

chen Weisung zunächst einmal abgesehen, weil es ihm

selbstverständlich erschienen sei, dass keine Akten mit

einem möglichen Bezug zum Untersuchungsgegenstand

mehr vernichtet würden. Aufgrund der gesetzlichen Ver-

nichtungsvorschriften bringe der Vernichtungsstopp das

Amt jedoch in Verlegenheit.

„Wir behelfen uns da, ehrlich gesagt, mit so einer
Art Eisschranklösung, indem wir sicherstellen,

dass auf diese Akten kein Zugriff mehr erfolgen

kann, dass sie aber auch nicht vernichtet werden.

Letztendlich müssen sie aber irgendwann vernich-

tet werden, und zwar – aus meiner persönlichen
Sicht – rechtlich zwingend dann, wenn der Unter-
suchungsausschuss beendet ist, also mit dem Ende

der Legislaturperiode.“7078

Auf Bitten des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsaus-

schusses gebe es nun einen Vernichtungsstopp. Der MAD

habe ihm versichert, dass seit diesem Zeitpunkt keine

Akten mehr vernichtet worden seien. Im Vorfeld der

Sitzung sei der MAD angewiesen worden, zu überprüfen,

ob die bereits vernichteten Teilakten rekonstruiert werden

könnten. Dies sei abschlägig beschieden worden.
7079

3. Vernichtung der MAD-Akte Mundlos im
MAD

Zu welchem Zeitpunkt die MAD-Akte Mundlos vernich-

tet worden ist, konnte nicht mehr festgestellt werden. Der

Zeuge Dr. Gramm hat ausgeführt, dass die MAD-Akte

Mundlos bereits vor Jahren entsprechend den datenschutz-

rechtlichen Bestimmungen vernichtet worden sei. Der

Zeuge Christmann hat bestätigt, dass für Verdachtsperso-

nen-Akten, die lediglich VS-NfD eingestuft seien, keine

Vernichtungsverhandlungen geführt würden, sodass der

Zeitpunkt der Vernichtung nicht mehr ermittelbar sei.
7080

In seinem Schreiben vom 24. September 2012 hat der

Staatssekretär im BMVg Wolf Bezug auf den Datenaus-

zug aus der IT-Anwendung VERANDA genommen. Das

dort erwähnte letzte Änderungsdatum 11. Januar 2000

deute darauf hin, dass der Vorgang bzw. die OP-Akte

zwecks Wiedervorlage zu diesem Zeitpunkt noch existiert

habe und kurz darauf vernichtet worden sei.
7081

Weitere

Anhaltpunkte für den Zeitpunkt der Vernichtung des

MAD-Vorgangs Mundlos liegen dem Ausschuss nicht

vor.
7078) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 72.

7079) Dr. Gramm, Protokoll-Nr. 43, S. 72.

7080) Christmann, Protokoll-Nr. 39, S. 99.

7081) Schreiben des Staatssekretärs Wolf vom 24. September 2002,
MAT A BMVg-6/1, Bl. 4. Der Datenauszug aus der IT-

Anwendung ist dem Schreiben als Anlage 5 beigefügt (MAT A

BMVg-6/1, Bl. 76).

Drucksache 17/14600 – 800 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

III. Aktenvernichtung bei Berliner Behörden

1. Bekanntwerden der Aktenvernichtung

Im Verlauf des 15. Oktober 2012 wurden der Senator für

Inneres und Sport von Berlin, Bürgermeister Frank Hen-

kel und Staatssekretär Bernd Krömer durch die damalige

Leiterin der Verfassungsschutzabteilung, Claudia Schmid,

darüber informiert, dass es im Bereich der Verfassungs-

schutzabteilung im Sommer 2012 zu einer Vernichtung

von Akten gekommen sei, die eigentlich zur Archivierung

vorgesehen gewesen seien. Der Bundestagsuntersu-

chungsausschuss hat hiervon erst Anfang November 2012

erfahren.
7082

Hierzu hat der Zeuge Krömer vor dem Untersuchungsaus-

schuss bekundet:

„Am 15.10.2012 erfuhren Senator Henkel und ich
durch die damalige Abteilungsleiterin der Senats-

verwaltung für Inneres und Sport, Abteilung II,

dass Akten, die eigentlich in das Landesarchiv ge-

hen sollten, vernichtet worden sind. Nähere Anga-

ben zu Inhalt und Umfang der Akten konnte sie

zum damaligen Zeitpunkt nicht machen, sodass sie

angewiesen wurde, umgehend eine Prüfung zum

Inhalt und Umfang der Akten einzuleiten. Am

5. November 2012 lagen mir alle Unterlagen in

diesem Zusammenhang vor. Ich traf die Entschei-

dung, sowohl den Untersuchungsausschuss als

auch die Sprecher des zuständigen Ausschusses für

Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von

Berlin über die Aktenvernichtung zu informieren.

Hierzu telefonierte ich mit Ihnen, sehr geehrter

Herr Vorsitzender, und lud die Sprecher der Frak-

tionen des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und

Ordnung und des Verfassungsschutzausschusses

zu einem Gespräch ein und schilderte den Sach-

verhalt. Mit Schreiben vom 6. November 2012 ha-

be ich den Untersuchungsausschuss auch schrift-

lich über den Umfang der Aktenvernichtung in-

formiert. Eine Information in diesem Umfang war

am 15. Oktober 2012 noch nicht möglich. Zu die-

sem Zeitpunkt hätte ich nur sagen können, dass

Akten, die an das Landesarchiv gehen sollten, ver-

nichtet worden sind. Eine solche Information hätte

jedoch Spekulationen Tür und Tor geöffnet, sodass

wir zunächst verwaltungsintern den Sachverhalt

aufgeklärt haben.“7083

Eine erste schriftliche Unterrichtung des Untersuchungs-

ausschusses des Bundestags zu dem Vorfall erfolgte – wie
von dem Zeugen Krömer bekundet – mit Schreiben vom
6. November 2012.

7084
Mit Schreiben vom 9. November

2012, welches am 14. November 2012 im Sekretariat des
7082) Wortprotokoll des Verfassungsschutzausschusses des Berliner

Abgeordnetenhauses, MAT B BE-4, PDF-Bl. 7.

7083) Krömer, Protokoll-Nr. 66, S. 52.

7084) Schreiben des Staatssekretärs für Inneres von Berlin an den

Ausschussvorsitzenden vom 6. November 2012, MAT A BE-

3/2, Bl.1 f.

Untersuchungsausschusses einging,
7085

wurden die seit

dem 5. November 2012 durchgeführten Maßnahmen des

Sonderermittlers Feuerberg dargestellt; die in dem

Schreiben dargestellten Erkenntnisse entsprachen bereits

in weiten Teilen denjenigen Erkenntnissen, die auch im

späteren Feuerberg-Bericht dargestellt werden. Ebenfalls

am 9. November 2012 nahmen der Senator für Inneres

und Sport von Berlin, Henkel, die Leiterin der Abteilung

für Verfassungsschutz, Schmid, sowie der Sonderermittler

Feuerberg an einer Sitzung des Ausschusses für Verfas-

sungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin teil, in

der der Vorgang erörtert wurde.
7086

2. Untersuchungen durch OStA Feuerberg
hierzu

a) Einsetzung des Sonderermittlers Feuer-
berg durch den Senator für Inneres und
Sport des Landes Berlin

Der Berliner Oberstaatsanwalt Feuerberg, der mit Wir-

kung vom 1. Oktober 2012 durch den Senator für Inneres

und Sport des Landes Berlin, Bürgermeister Frank Hen-

kel, zunächst zur Untersuchung des bereits im Abschnitt

D.IV.1. dargestellten Sachverhalts im Zusammenhang mit

der beim LKA Berlin geführten VP 562 eingesetzt wor-

den war, untersuchte im Rahmen seines Auftrags eben-

falls den im Oktober 2012 bekannt gewordenen Vorfall

der Vernichtung von Akten beim Berliner Verfassungs-

schutz aus dem Sommer 2012. Der Sonderermittler war

von Anfang an – neben der Prüfung möglicher Fehler
rund um die Führung der VP 562 – damit beauftragt zu
prüfen, ob

„nach Aufdeckung der NSU-Verbrechen im Ve-
rantwortungsbereich der Senatsverwaltung für In-

neres und Sport Fehler gemacht wurden.“7087

b) Akten der Gruppe „Landser“

Im Feuerberg-Bericht wird im Hinblick auf die Akten-

vernichtung der Akten bzgl. der Gruppe „Landser“ festge-
stellt, dass es sich im Wesentlichen um ein Versehen des

zuständigen Mitarbeiters gehandelt habe. Aus dem Feu-

erberg-Bericht ergibt sich die nachfolgende Chronolo-

gie
7088

:

„August bis Oktober 2009

Aussonderung der ‚Landser‘-Akten, da kein
dienstl. Bedarf mehr und Ablauf der Speiche-

rungsdauer
7085) Hierzu und im Folgenden: Schreiben der Senatsverwaltung für

Inneres an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschuss,

MAT B BE-3, Bl. 1 ff.

7086) Wortprotokoll des Verfassungsschutzausschusses des Berliner
Abgeordnetenhauses, MAT B BE-4, Bl. 3 ff.

7087) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 9.

7088) Feuerberg-Bericht, MAT A BE-6, Bl. 70 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 801 – Drucksache 17/14600

30. September 2011

Termin mit Mitarbeitern des Landesarchivs Ent-

scheidung, welche Akten archivierungswürdig sind

und Kennzeichnung auf dem Rücken der Stehord-

ner, wurde entsprechend auf einer Liste vermerkt,

Stehordner wurden in Kartons gepackt, die selbst

nicht gekennzeichnet waren – Entheftung der nicht
archivwürdigen Akten erfolgte zunächst nicht!

Verbringung der archivwürdigen und der nicht ar-

chivwürdigen Akten in einen Lagerraum, auf Wei-

sung des Geheimschutzbeauftragten Lagerung der

archivwürdigen Akten linksseitig der Tür, der zu

vernichtenden Akten rechtsseitig der Tür.

Oktober bis Dezember 2011:

Nacherfassung der archivwürdigen Akten im

EDV-System, da es sich um noch nicht erfasste

Altaktenbestände handelte, anschließend wurden

diese in die Kartons zurückgelegt.

Ab Dezember 2011 bis ca. Mai 2012:

Nachregistrierung der zur Vernichtung vorgesehe-

nen Akten – diese wurden danach nicht wieder in
die Kartons gelegt, sondern links hinter der Tür

des Raumes in drei Reihen hintereinander gesta-

pelt und sodann wie vorgesehen durch zwei Mitar-

beiterinnen vernichtet – entsprechend der Wei-
sungslage ohne Mitwirkung des Geheimschutzbe-

auftragten.

Ca. Mai/Juni 2012:

Geheimschutzbeauftragter stellt auf Grund des Be-

vorstehens eines mit der Bundesdruckerei verein-

barten Löschtermins fest, dass sich in dem Lager-

raum nicht entheftete Akten der Abteilung Rechts-

extremismus befinden (jedoch ohne Hinweis auf

die am 30. September 2011 erstellte Liste und oh-

ne Hinweis darauf, dass ggf. auch archivwürdige

Akten vorhanden sind). – er beklagt sich hierüber
bei dem Referatsleiter Rechtsextremismus, dieser

verspricht Abhilfe.

daraufhin:

Referatsleiter sah keinen Anlass zur näheren

Nachschau und heftete gemeinsam mit zwei Mit-

arbeitern sämtliche Aktenordner aus, die sich

linksseitig der Tür befanden – es ist unklar, ob es
sich um ein Missverständnis, einen Hörfehler, eine

erneute Umlagerung handelte – am ersten Tag war
man zu dritt tätig, an einem oder zwei weiteren

Tagen nahm der Referatsleiter allein die

Entheftung vor. Unsicher ist dabei, ob die Akten

der Gruppe ‚Landser‘ durch den Referatsleiter
selbst entheftet wurden oder durch einen der bei-

den weiteren Mitarbeiter am ersten Tag.

29. Juni 2012:

Abholung der enthefteten Akten und Vernich-

tung.“

c) Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“

Darüber hinaus wurde dargestellt, dass es bereits im Jahr

2010 zu einer Aktenvernichtung von Akten aus dem Be-

reich „Blood & Honour“ gekommen war.7089

3. Rekonstruktion der vernichteten Akten
und Information des Untersuchungsaus-
schusses hierüber

Mit Schreiben vom 16. April 2013 ist dem Untersu-

chungsausschuss der durch die Verfassungsschutzabtei-

lung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport von

Berlin erstellte Abschlussbericht zur Aktenrekonstruktion

vorgelegt worden.
7090

Aus dem Bericht geht hervor, dass

Akten aus den Bereichen „Blood & Honour“ und „Land-
ser“ zum Teil rekonstruiert werden konnten.

Bzgl. der Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“
konnten für den Zeitraum ab 2004 158 von 214 Doku-

menten rekonstruiert werden. Von den vor 2004 unter

dem Aktenzeichen „Rechtsextremistische Skinheads“ mit
Bezug zu „Blood & Honour“ gesammelten Akten konnten
insgesamt 63 Aktenstücke rekonstruiert werden, wobei

der genaue Umfang dieser Akten nicht mehr feststellbar

ist.

In insgesamt 32 Dokumenten fand sich ein Bezug zu

insgesamt sechs Personen, die auf der sog. 41er-Liste

verzeichnet sind. Zwei von diesen Personen wiederum

sind Beschuldigte im NSU-Ermittlungsverfahren des

Generalbundesanwalts. Die Namen Zschäpe, Böhnhardt

und Mundlos würden in keinem der Dokumente erwähnt.

Bzgl. der Akten aus dem Bereich „Landser“ konnten 20
Dokumente rekonstruiert werden. Hier fanden sich in

sechs Dokumenten Bezüge zu insgesamt drei Personen

aus der sog. 41er-Liste, nämlich zu Thorsten Heise, Tho-

mas Starke und Jan Werner.

IV. Löschung von Handy-Daten durch die
Bundespolizei auf Anweisung des BKA

Am 7. Dezember 2011 wurde ein bei dem Beschuldigten

André Eminger sichergestelltes Handy, Marke Sony

Ericsson, von einer Mitarbeiterin des BKA zur Dienststel-

le der Bundespolizei in Swisttal-Heimerzheim mit der

Bitte gebracht, den Inhalt dieses Handys lesbar zu machen

(physikalische Auswertung). Der Abteilungsleiter des

Mitarbeiters der Bundespolizei sagte, vom Generalbun-

desanwalt als Zeuge vernommen, über die anschließenden

Vorgänge bei der Bundespolizei Folgendes aus:

„Am Folgetag (8. Dezember 2011) erhielt ich die
Rückmeldung, dass der Auftrag erfüllt war, die

Daten jedoch gelöscht seien und entgegen dem
7089) Feuerberg-Bericht, MAT B BE-6, Bl. 75 f.

7090) Hierzu und im Folgenden: Abschlussbericht zur Rekonstruktion
der vernichteten Akten „Rechtsextremistische Skinheads“,
„BIood & Honour“ und „Landser“ vom 15. April 2013, MAT B
BE-7, Bl. 2 ff.

Drucksache 17/14600 – 802 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Üblichen nicht archiviert waren. Am Nachmittag

dieses Tages erhielt ich eine schriftliche Erklärung

des Mitarbeiters in Heimerzheim, dass die Daten

gelöscht und nicht mehr vorhanden seien. […] Da
dieses Prozedere nicht der üblichen Vorgehens-

weise entsprach, erteilte ich den Auftrag, die Fest-

platte des Arbeits-PCs des Mitarbeiters in Heim-

erzheim zu sichern. […] Ein Mitarbeiter des
Nachbarreferats, das den Sicherungsauftrag aus-

führen sollte, traf gegen 17.45 Uhr den Mitarbeiter

in seinem Büro an. Dabei sahen sie auf dem Bild-

schirm des PCs den Löschvorgang laufen. Dies

widersparch der Tatsache, dass bereits Stunden

zuvor durch denselben Mitarbeiter über den Refe-

ratsleiter mitgeteilt worden war, die Daten seien

bereits gelöscht. Die Mitarbeiter des Sicherungsre-

ferates nahmen sodann die Festplatte an sich und

es gelang ihnen, den Inhalt wieder sichtbar zu ma-

chen. […]

Ich habe daraufhin den Mitabeiter mit seinem

Dienstortleiter zu einem persönlichen Gespräch

mit mir und meinem Referatsleiter gebeten. […]
Auf Frage, weshalb er am 8. Dezember 2011 zu-

nächst der Wahrheit zuwider erklärt habe, die Da-

ten seien bereits gelöscht und weshalb er am

Nachmittag trotz des Wissens um die dienstlich er-

forderliche Redundanz tatsächlich die Löschung

durchgeführt habe, vermochte der Mitarbeiter kei-

ne plausible Antwort zu geben. Er hat vielmehr er-

klärt, das BKA habe um die sofortige Löschung

gebeten. […]

Am nächsten Tag meldete sich der Mitarbeiter […]
dienstunfähig krank und befindet sich noch heute

im Krankenstand.“7091

Das BKA hat dem Ausschuss folgenden Sachverhalt

mitgeteilt:

„Die gewonnenen Daten wurden [am 7. Dezember
2011 in Heimerzheim] auf zwei DVDs […] ge-
brannt. Mit Herrn B. [dem Mitarbeiter der Bundes-

polizei] wurde vereinbart, dass er die bei der Bun-

despolizei gespeicherten Daten löschen kann, so-

bald die Daten auf dem Datenspeichersystem von

KI 26 gesichert sind. Am 9. Dezember 11 gegen

9.00 Uhr wurden die von Herrn B. auf DVD gesi-

cherten Daten von der Mitarbeiterin des BKA in

das Datenspeichersystem ordnungsgemäß und oh-

ne technische Probleme kopiert und die DVD ver-

siegelt. Mit E-Mail vom 9. Dezember 2011, 09.17

Uhr wurde Herr B. von der Datensicherung infor-

miert und um Löschung der bei der Bundespolizei

gespeicherten Daten gebeten.“7092
7091) Vernehmungsprotokoll vom 23. Februar 2012, MAT B BKA-2,

Bl. 8 ff.

7092) Schreiben des BKA vom 29. Januar 2013, MAT B BKA-2,

Bl. 3 ff.

Die E-Mail vom 9. Dezember 2011, 9.17 Uhr, wurde dem

Ausschuss ebenfalls übersandt.
7093

Nicht aufklären ließ sich die Diskrepanz, warum der Mit-

arbeiter der Bundespolizei bereits am 8. Dezember 2011

die Löschung vorgenommen haben soll, obwohl er erst

am 9. Dezember 2011 hierzu vom BKA aufgefordert

wurde. Außerdem ist die dauerhafte Erkrankung des Mit-

arbeiters der Bundespolizei sowie die zwischen dem BKA

und der Bundespolizei unterschiedliche Vorgehensweise

bei der Löschung von Daten auffällig.

Das BKA stellte zusammenfassend fest:

– „Das BKA hat die Daten der fraglichen Mo-
biltelefone im Wege der Amtshilfe durch die

Bundespolizei auslesen bzw. untersuchen las-

sen, um die dort vorhandenen technischen

Möglichkeiten für eine zeitnahe Auswertung

zu nutzen.

– Hierbei sind keine Beweismittel verloren ge-
gangen oder gar unwiderbringlich vernichtet

worden.

– Sowohl die von der Bundespolizei für das
BKA ausgelesenen Daten als auch die ent-

sprechenden Mobiltelefone, die jederzeit

nochmals ausgelesen werden könnten, sind

beim BKA in unversehrter Form vorhanden.

– Die Aufforderung des BKA an die Bundespo-
lizei, die jeweiligen Datenkopien nach erfolg-

reicher Einspeisung in das BKA-System zu

löschen, entspricht auch aus Sicht des GBA

den Vorschriften der Amtshilfe und des Da-

tenschutzes.

– Die Daten wurden letztlich beim BKA umfas-
send ausgewertet und fanden Eingang in die

Ermittlungsakten des GBA.“7094
7093) Schreiben des BKA vom 29. Januar 2013, MAT B BKA-2,

Bl. 7.

7094) Schreiben des BKA vom 29. Januar 2013, MAT B BKA-2,

Bl. 3 ff., 6.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 803 – Drucksache 17/14600

L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem 4. November 2011

I. Maßnahmen des Bundes und der IMK

1. Maßnahmen zur besseren Vernetzung von
Polizei und Verfassungsschutz und zur
Kooperation von Bund und Ländern

a) Gemeinsames Abwehrzentrum gegen
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus
(GAR)

Das Konzept des „Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen
Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus“ (GAR) wurde vor
dem Hintergrund der Taten des NSU bzw. der Gescheh-

nisse vom 4. November 2011 und dem dazu bestehenden

Ermittlungsverfahren entwickelt.
7095

Die Errichtung des

GAR ist ein Vorschlag aus dem vom Bundesminister des

Innern bereits am 18. November 2011 als Konsequenz aus

dem Bekanntwerden der Terrorgruppe NSU vorgestellten

10-Punkte-Maßnahmen-Katalog. Am 16. Dezember 2011

wurde das GAR eröffnet und am 12. November 2012 als

Modul in das Gemeinsame Extremismus- und Terroris-

musabwehrzentrum (GETZ) integriert.
7096

Das GETZ soll die Kooperation zwischen Polizei und

Verfassungsschutz sowie zwischen Bund und Ländern in

den Phänomenbereichen Rechtsextremismus/-terrorismus,

Linksextremismus/-terrorismus, Ausländerextremismus,

Spionageabwehr und Proliferation bündeln. Ziel ist es, die

Fachexpertise der Behörden zusammenzuführen und

einen schnellen, möglichst lückenlosen Informationsfluss

zu gewährleisten. Beteiligt sind dabei

– Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Europol, Gene-
ralbundesanwalt, Zollkriminalamt,

– Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrich-
tendienst, Militärischer Abschirmdienst,

– Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundes-
amt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle,

– Landeskriminalämter sowie Landesverfas-
sungsschutzbehörden.

7097
Das GETZ soll dabei vor allem dem länder- und behör-

denübergreifenden Informationsaustausch, der Abstim-

mung gemeinsamer Konzepte und Maßnahmen sowie der
7095) BKA, Konzeption Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämp-

fung des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom

30. November 2011, A-Drs. 502b, Bl. 12 ff. (14).

7096) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 3.

7097) Presseinformation des BfV zum Start des GETZ, Quelle:

http://www.bmi.bund.de.

engeren organisatorischen und persönlichen Vernetzung

dienen.
7098

Ein Mehrwert wird insbesondere hinsichtlich

der folgenden Themen erwartet:

– Optimierung des Informationsflusses zwischen Poli-
zei und Verfassungsschutz,

– optimierte Möglichkeiten des persönlichen Aus-
tauschs,

– Bündelung von Phänomenexpertise,

– Stärkung der Analysekompetenz,

– Früherkennung möglicher Bedrohungen,

– Erörterung operativer Maßnahmen.7099

Das Zentrum hat seine Arbeit am 15. November 2012

begonnen. Das BfV und das BKA haben die gemeinsame

Geschäftsführung am 1. Juli 2013 aufgenommen. Sitz des

GETZ sind Köln und Meckenheim.
7100

Das GETZ steht den Sicherheitsbehörden des Bundes und

der Länder als gemeinsame Informations- und Kommuni-

kationsplattform zur Verfügung.
7101

Die Zusammenarbeit

von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Stellen soll

durch feste Strukturen – die polizeiliche und die nachrich-
tendienstliche Informations- und Analysestelle

(PIAS/NIAS) als Untergremien des GAR – verbessert
werden.

7102
Die Behördenvertreter im GETZ kommen in

einem Plenum zusammen.
7103

Das Plenum tagt wöchent-

lich, um aktuelle Lagebesprechungen abzuhalten, die

Berichte der Arbeitsgruppen entgegenzunehmen und

deren Ergebnisse zu diskutieren. Arbeitsgruppen wurden

zu den Themen „Personenpotential“, „Fallanalyse“ und
„Gefährdungsbewertung“ gebildet.7104 In solchen Arbeits-
gruppen findet die konkrete Zusammenarbeit statt. Hier

wirken Experten aus Bund und Ländern mit, sodass ge-

sammeltes Fachwissen zur Verfügung steht.
7105

Die In-
7098) Beschlussniederschrift der gemeinsamen Sitzung des Arbeits-

kreises II und IV vom 3. Dezember 2012.

7099) Presseinformation des BfV zum Start des GETZ, Quelle:
http://www.bmi.bund.de.

7100) stern.de vom 15. November 2012, „Neues Sicherheitszentrum
GETZ in Köln eröffnet“.

7101) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 4.

7102) Gesamtkonzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten
Gewaltkriminalität -rechts-/des gewaltbereiten Rechtsextre-

mismus vom 10. Oktober 2012, A-Drs. 502a, Bl. 297 ff. (302).

7103) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom

6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (34).

7104) Beschlussniederschrift, Sondersitzung der AG Kripo (Tagung
169-2) am 2. Dezember 2011, TOP 4, A-Drs. 502a, Bl. 20.

7105) Beschlussniederschrift, Sondersitzung der AG Kripo (Tagung

169-2) am 2. Dezember 2011, TOP 4, A-Drs. 502a, Bl. 21.
Drucksache 17/14600 – 804 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

formationen und Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen

sollen zur sofortigen Umsetzung von operativen Maß-

nahmen genutzt werden.
7106

Innerhalb des Zentrums werden unter anderem einzelne

Projekte initiiert und koordiniert. Beispielsweise werden

nicht aufgeklärte Altfälle erneut mit dem Ziel überprüft,

eine möglicherweise zum NSU gleichgelagerte Mordserie

zu erkennen oder Taten im Nachhinein dem

Phänomenbereich PMK-rechts zuzuordnen.
7107

Als weite-

res Beispiel nennt das BMI die Überprüfung offener

Haftbefehle seit Anfang 2012, um Erkenntnisse über im

Untergrund lebende Personen zu gewinnen sowie Ansätze

für entsprechende Fahndungsmaßnahmen optimieren zu

können. Die für diese Analyse verwendeten Erfassungs-

kriterien und Erhebungsmethoden werden derzeit von

Bund und Ländern überprüft.
7108

Im Rahmen der

74. Tagung der Kommission Staatsschutz (KST) wurde

beschlossen, dass eine turnusgemäße Erhebung der offe-

nen Haftbefehle von Straftätern aus allen

Phänomenbereichen der PMK erforderlich ist.
7109

Für die

Erstellung eines aktuellen Lagebildes und zur Umsetzung

erforderlicher Maßnahmen hält die KST bundesweite

einheitliche Kriterien für notwendig. Auch die Begriff-

lichkeiten sollen einheitlich präzisiert werden.
7110

b) Rechtsextremismusdatei (RED)

Am 31. August 2012 trat das Gesetz zur Verbesserung der

Bekämpfung des Rechtsextremismus in Kraft.
7111

Dieses

dient als Rechtsgrundlage für die Rechtsextremismusdatei

(RED). Das Gesetz lehnt sich dabei weitgehend an das

Gesetz zur Schaffung der Antiterrordatei zur Bekämpfung

des internationalen Terrorismus
7112

an, die seit 2007 be-

trieben wird.

Um den Informationsaustausch zwischen den Polizei- und

Verfassungsschutzbehörden zu verbessern, ist eine zentra-

le, standardisierte Rechtsextremismusdatei (RED) einge-
7106) Beschlussniederschrift, Sondersitzung der AG Kripo (Tagung

169-2) am 2. Dezember 2011, TOP 4, A-Drs. 502a, Bl. 21.

7107) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 4.

7108) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 5; Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht

der Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere
Zusammenarbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämp-
fung des Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 9 f.

7109) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 9 f.

7110) Beschlussniederschrift BKA 74. Sitzung am 30./31. Januar

2013, TOP 2.4 Prüfung „offener Haftbefehle“ in allen
Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität, A-

Drs. 502b, Bl. 66.

7111 Gesetz vom 20. August 2012 (BGBl. I, S. 1798).
7112) Antiterrordateigesetz (ATDG) vom 22. Dezember 2006 (BGBl.

I, S. 3409), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom

26. Februar 2008 (BGBl. I, S. 215).

richtet worden. Die Datei ist dabei nicht als reiner Fund-

stellennachweis ausgestaltet worden, sondern weist auch

erweiterte Auswerte- und Analysefunktionen auf. Durch

das Gesetz wurde keine Rechtsgrundlage für eine Erhe-

bung neuer Daten geschaffen, die RED greift vielmehr

auf bereits vorhandene Daten unterschiedlicher Behörden

zurück.
7113

An die RED sind das BKA, die Bundespolizei,

die Landeskriminalämter, die Verfassungsschutzbehörden

des Bundes und der Länder sowie der MAD angeschlos-

sen; die Datei wird vom BKA geführt.
7114

Es besteht eine

gemeinsame Verpflichtung der Behörden, in der Datei

alle relevanten Daten zu gewaltbezogenen Rechtsextre-

misten zu speichern. Dadurch wird jeder Behörde der

sofortige Zugriff auf Angaben zu bestimmten Personen

und Objekten ermöglicht. Die RED ist am

19. September 2012 in Betrieb genommen worden, wobei

erweiterte Auswerte- und Analysefunktionen derzeit noch

technisch umgesetzt werden.
7115

Ein laufender Informations- und Erfahrungsaustausch

über die Antiterrordatei (ATD) und die RED wird für

unbedingt erforderlich gehalten. Hierfür wurde mit Be-

schluss der Kommission Staatsschutz vom 30./31. Januar

2013 die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ATD/RED errich-

tet, die bis zum 1. November 2013 einen entsprechenden

Bericht erarbeiten soll.
7116

In § 2 des Gesetzes zur Ver-

besserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus

(RED-Gesetz)
7117

, wurde eine erweiterte Speicherbefugnis

der Behörden aufgenommen. Nunmehr besteht die Mög-

lichkeit, umfassende Hintergrunddaten auch zum gewalt-

freien Rechtsextremismus zu speichern, um Radikalisie-

rungen und Beziehungsgeflechte erkennen und analysie-

ren zu können.
7118

Unter engen Voraussetzungen ist auch

die Speicherung von Daten zu Kontaktpersonen aus der

rechtsextremistischen Szene möglich. Kontaktpersonen

sind Personen, die nicht selbst gewaltbereit sind, aber im

Kontakt zu gewaltbereiten Rechtsextremisten stehen. Die

Speicherung setzt voraus, dass die Kontaktperson auf-

grund von Tatsachen als Angehöriger der rechtsextremis-

tischen Szene bekannt ist, mit der gesuchten gewaltberei-

ten Person nicht nur flüchtig in Kontakt steht und zudem

durch die Kontaktperson weiterführende Hinweise für die

Aufklärung oder die Bekämpfung des gewaltbezogenen
7113) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses

(4. Ausschuss) vom 27. Juni 2012, Drs. 17/10155, S. 5.

7114) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 6.

7115) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 6.

7116) Beschlussniederschrift BKA 74. Sitzung am 30./31. Januar

2013, TOP 2.6 Nutzung ATD und RED, A-Drs. 502b, Bl. 68.

7117) Artikel 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des
Rechtsextremismus.

7118) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 805 – Drucksache 17/14600

Rechtsextremismus zu erwarten sind (§ 2 Nr. 3 RED-

G).
7119

Die Löschung von Daten richtet sich i. S. d. § 12 RED-

Gesetz nach den für die beteiligten Behörden geltenden

Vorschriften.
7120

c) Polizeilicher Informations- und Analyse-
verbund

In der 193. Sitzung der Innenministerkonferenz am

8./9. Dezember 2011 wurde der Beschluss gefasst, dass

aufgrund des Ermittlungsverfahrens gegen den NSU die

rasche Einführung des Polizeilichen Informations- und

Analyseverbunds (PIAV) notwendig ist.
7121

Auf der

Herbstsitzung 2012 der IMK wurde beschlossen, dass die

Einführung des PIAV beschleunigt werden soll
7122

. Das

System soll zur durchgängigen Einmalerfassung und

Mehrfachnutzung von Daten die Informationsbasis ver-

bessern und die operative Auswertung im Bund und in

den Ländern, etwa durch dateiübergreifende Möglichkei-

ten der Recherche,
7123

erleichtern.
7124

Vor der Entschei-

dung über die technische Umsetzung der einzelnen PIAV-

Dateien wurde zunächst die inhaltliche Prüfung der beste-

henden Meldedienste sowie der jeweiligen Geschäftspro-

zesse in Angriff genommen.
7125

Nach Mitteilung des BMI

sollen die Entwicklungsarbeiten im Bund und in den

Ländern Mitte 2013 beginnen und 2014 abgeschlossen

sein.
7126

Vom BKA wurde die „Programmkoordination
PIAV“ eingerichtet, welche die eingerichteten Projekt-
gruppen „Lastenheft PIAV-Operativ“, „PIAV Tech-
nik/Planung“ und „XPolizei PIAV“ koordiniert und die
Bund-Länder-Kooperation moderiert hat.

7127
Insbesondere

soll das Verbundsystem folgende Optimierung enthalten:

– Die Einmalerfassung und Mehrfachnutzung bei hoher
Datenqualität,

– Phänomenübergreifende Abfrage- und Recherche-
möglichkeiten,
7119) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses

(4. Ausschuss) vom 27. Juni 2012, Drs. 17/10155, S. 4.

7120) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses
(4. Ausschuss) vom 27. Juni 2012, Drs. 17/10155, S. 5.

7121) BKA, Prüfung von Möglichkeiten der Ausweitung der GED-

Zwischenlösung vom 18. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 558
ff. (560).

7122) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 12.

7123) BKA, Tischvorlage Polizeilicher Informations- und Analyse-

verbund vom 5. März 2012, A-Drs. 502a, Bl. 119 ff. (121).

7124) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 6 f.

7125) Beschlussniederschrift der 237. Sitzung des Arbeitskreises II.

7126) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 6 f.

7127) Gesamtbericht Programm PIAV Phase I, Fachfeinkonzept

PIAV-Operativ, Stand: 28. September 2012, Bl. 8.

– Optimierung der Aussagekraft des Auswertungser-
gebnisses.

7128
Als erster Schritt zur Umsetzung sollen für den Kriminali-

tätsbereich der Waffen- und Sprengstoffdelikte Daten

eingepflegt werden und im PIAV zur Verfügung ste-

hen.
7129

d) Polizeiliche Personenanfragen über den
Gesamtbestand NADIS-neu

Anlässlich der NSU-Mordserie wurden in der IMK am

8./9. November 2012 neue Zusammenarbeitsformen der

Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern erörtert.
7130

Hieraus resultierend wurde folgender Beschluss gefasst:

„3. […] Darüber hinaus beauftragt die IMK den
AK II und den AK IV sicherzustellen, dass polizei-

liche Personenanfragen über den Gesamtdatenbe-

stand NADIS-neu abgeglichen und Netzwerkstruk-

turen erkannt werden können, ohne dass ein Di-

rektzugriff der Polizeibehörden auf NADIS-neu er-

forderlich ist.“7131

Bei NADIS WN (Nachrichtendienstliches Informations-

system Wissensnetz)
7132

handelt es sich um ein bestehen-

des automatisiertes Datenverbundsystem, an dem die

Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder

beteiligt sind.
7133

NADIS WN soll als Volltextdatei in

allen Phänomenbereichen etabliert werden.
7134

Die IMK will erreichen, dass Polizeivollzugsbeamte künf-

tig Personenanfragen zum Gesamtdatenbestand von

NADIS WN stellen können, ohne dass die Polizeidienst-

stellen einen Direktzugriff auf die Datenbank erhalten. Im

Auftrag der damit befassten Arbeitskreise II und IV der

IMK setzt das BKA als Zentralstelle für den elektroni-

schen Datenverbund der Polizeien von Bund und Ländern

(§ 11 BKAG) diese Maßnahme um. Das BKA und das

BfV erarbeiteten gemeinsam die Umsetzung des Arbeits-

auftrags. Im Bericht des BKA und des BfV vom

8. Juni 2012 wird ausgeführt, dass vom BKA und BfV

zunächst nur die Anfragen im Bereich PMK-rechts be-

trachtet wurden, in einem zweiten Schritt jedoch eine

Ausweitung auf alle Phänomenbereiche geprüft werden
7128) Beschlussniederschrift der 235. Sitzung des Arbeitskreises II.

7129) Gesamtbericht Programm PIAV Phase I, Fachfeinkonzept

PIAV-Operativ, Stand: 28. September 2012, Bl. 7.

7130) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom

8./9. November 2011.

7131) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom

8./9. November 2011.

7132) „IMK-Vorkonferenz zieht positive Zwischenbilanz für NADIS
WN“, Quelle: http://www.verfassungsschutz-mv.de.

7133) X. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Daten-

schutz Sachsen-Anhalt vom 1. April 2009-31. März 2011,
Quelle: http://www.sachsen-anhalt.de.

7134) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 18.

Drucksache 17/14600 – 806 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

soll.
7135

Jeder Polizeivollzugsbeamte, sowohl des Bundes

als auch der Länder, soll am Ende die Möglichkeit haben,

Anfragen zum Gesamtbestand von NADIS WN zu stellen.

Die Kommunikation soll dabei nicht direkt zwischen den

einzelnen Polizeidienststellen und dem BfV verlaufen,

sondern über das BKA als Zentralstelle abgewickelt wer-

den, wobei davon in Eilfällen abgesehen werden kann.

Ein direkter (Online-)Zugriff auf NADIS WN durch die

Polizeidienststellen ist nicht vorgesehen.
7136

Die Über-

mittlung von Erkenntnissen aufgrund einer Personenab-

frage zwischen den beteiligten Behörden richtet sich nach

den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften. Ist nur

die Auskunft erbeten, ob und in welchem

Phänomenbereich eine Person in dem NADIS WN erfasst

ist, sollen entsprechend der Regeln für die

Rechtsextremismusdatei (RED) Auskünfte erteilt werden,

wenn eine Gefahr für Leib und Leben oder eine Gefahr

für weitere besonders zu schützende Rechtsgüter oder

Sachen besteht.
7137

e) Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutz“

Die IMK hat auf ihrer 196. Sitzung vom 6./7. Dezember

2012 eine Neuausrichtung des Verfassungsschutzes be-

schlossen. Grundlage des Beschlusses war ein gleichlau-

tender Bericht des Arbeitskreises IV. Besondere Bedeu-

tung wurde von der IMK dabei der Zusammenarbeit zwi-

schen Polizei und Verfassungsschutz beigemessen. In

diesem Zusammenhang forderte sie die Fortschreibung

des „Leitfadens zur Optimierung der Zusammenarbeit
zwischen Polizei und Verfassungsschutz“, welchen die
IMK am 3./4. Dezember 2009 zur Kenntnis genommen

hatte, als auch Vorschläge für eine Harmonisierung der

Übermittlungsvorschriften in den Verfassungsschutzge-

setzen von Bund und Ländern.
7138

Am 5. Februar 2013 hat der Arbeitskreis IV der IMK, der

sich mit dem Verfassungsschutz befasst, beschlossen, eine

Arbeitsgruppe zum Thema „Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutz“ einzurichten.7139 Die
hierauf initiierte Arbeitsgruppe, an der auch Vertreter des

Arbeitskreises II teilnahmen, hat in ihren Sitzungen am

21. Februar, 19. März und 16. April 2013 hervorgehoben,

dass
7135) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand

NADIS-neu, Stand: 8. Juni 2012, A-Drs. 502a, Bl. 176 ff.

(178).

7136) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand

NADIS-neu, Stand: 8. Juni 2012, A-Drs. 502a, Bl. 176 ff.
(179).

7137) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand

NADIS-neu, Stand: 8. Juni 2012, A-Drs. 502a, Bl. 176 ff.
(180).

7138) Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,

Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen AK II und AK IV,
Stand: 24. April 2013, Bl. 1.

7139) Beschlussniederschrift zur 87. Sitzung des Arbeitskreises IV

vom 5. Februar 2013.

– die rechtlichen Voraussetzungen und faktischen We-
ge der Informationsübermittlung und

– die Anlässe und Mechanismen der Abstimmung
operativer Maßnahmen

für die Sicherheitsbehörden aufgezeichnet, bzgl. relevan-

ter Schnittstellen und Informationslücken analysiert und

ggf. die Zusammenarbeit des Informationsaustauschs und

der weiteren Zusammenarbeit verbessert und entwickelt

werden müssen.
7140

Bezüglich der Problematik der nicht einheitlichen Über-

mittlungsvorschriften in den Verfassungsschutzgesetzen

des Bundes und der Länder hat die Arbeitsgruppe die

Auffassung vertreten, dass die Anforderungen an eine

sinnvolle Ausdehnung der Übermittlungspflicht zwischen

Verfassungsschutz und Polizei durch die Straftatenkatalo-

ge aus § 3 Abs. 1 und § 7 Abs. 4 G 10-Gesetz am ehesten

erfüllt werden. Straftaten nach dem Waffengesetz seien

dort bisher nicht enthalten. Diesbezüglich hat die Arbeits-

gruppe vorgeschlagen, das G 10-Gesetz zu ändern.
7141

Auch wurde angeregt, dass die Verfassungsschutzbehör-

den darüber hinaus die Möglichkeit haben sollten, Er-

kenntnisse zur Verhinderung und Verfolgung von Strafta-

ten außerhalb des Katalogs übermitteln zu dürfen. Dazu

hat die Arbeitsgruppe die Einsetzung einer Projektgruppe

vorgeschlagen.
7142

Weiter wurde angeregt, einen Zugriff

auf polizeiliche Dateien durch den Verfassungsschutz

überprüfen zu lassen. Vorgeschlagen wurde ferner die

Einführung gemeinsamer Begrifflichkeiten und Definitio-

nen von Verfassungsschutz und Polizei, d. h. einer ge-

meinsamen Fachsprache, und die Anpassung des ATD-

Gesetzes und des RED-Gesetzes.
7143

2. Maßnahmen zur besseren Zusammenar-
beit der Polizeien des Bundes und der
Länder

a) Gemeinsame Datei Großschadenslagen
(GED) Zwischenlösung

Der AK II beschloss in der 229. Sitzung vom 5./6. Mai

2011 die Realisierung der „Gemeinsamen Ermittlungsda-
tei Großschadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlö-

sung“.7144 Damit Bund und Länder kurzfristig zur straf-
7140) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK

IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,

Stand: 24. April 2013, Bl. 4.

7141) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK

IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,

Stand: 24. April 2013, Bl. 5 f.

7142) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK

IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,

Stand: 24. April 2013, Bl. 6.

7143) Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppen von AK II und AK

IV, Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz,

Stand: 24. April 2013, Bl. 7.

7144) BKA, Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Groß-

schadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom

19. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (549).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 807 – Drucksache 17/14600

prozessualen Bewältigung besonderer polizeilicher Lagen

wie terroristischer Simultananschläge in der Lage sind,

haben sich Gremien und Projektgruppen damit befasst,

ein einheitliches operatives Ermittlungssystem zu erstel-

len.
7145

Die Länder können mit dieser Lösung bei Vorlie-

gen von Großschadenslagen Terrorismus auf die Daten-

bank des BKA zugreifen und die bereits bestehenden

Dateien des BKA ergänzen und zu gemeinschaftlichen

Ermittlungen nutzen.
7146

Die unterstützend tätig werden-

den Polizeivollzugsbeamten unterliegen den Weisungen

des BKA und handeln nach dem Recht des BKA. Das

Handeln der Polizeivollzugsbeamten wird dem BKA

außerdem zugerechnet.
7147

Die Polizeien des Bundes und der Länder sollen an die

GED-Zwischenlösung angebunden sein.
7148

Daraufhin

wurde als Ersatz zur INPOL-Fallanwendung GED, die

GED-Zwischenlösung geschaffen. Als BKA-internes

Projekt ausgestaltet, ist die Arbeit mittlerweile beendet

und die einzelnen Länder sind mit der GED-

Zwischenlösung im BKA verbunden.
7149

Bis zum

31. März 2013 soll die Übernahme der Datei in den

Wirkbetrieb aller Teilnehmer abgeschlossen sein.
7150

Sie

dient der Verarbeitung von ermittlungsrelevanten perso-

nenbezogenen Daten im Rahmen der Bekämpfung von

Terrorismus und politisch motivierter Kriminalität.
7151

Die GED-Zwischenlösung ist für Ermittlungen gegen

gewaltbereiten Extremismus in jedem PMK-

Phänomenbereich möglich, soweit das BKA zuständig ist

und die Ermittlungen führt. Einer Einsetzung außerhalb

der Einsatzführung des BKA stehen bislang noch lizenz-

rechtliche oder technische Gründe entgegegen.
7152

Die

Sachbearbeiter der Länder sollen weitestgehend den

BKA-Sachbearbeitern gleichgestellt werden.
7153

Später
7145) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom

24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (10).

7146) BKA, Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Groß-

schadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (552).

7147) BKA, Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Groß-

schadenslagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (552 f.).

7148) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
13. August 2012, A-Drs. 502c, Bl. 122 ff. (126).

7149) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
19. Februar 2013, A-Drs. 502c, Bl. 532 ff. (536).

7150) Abschlussbericht Gemeinsame Ermittlungsdatei Großschadens-
lagen Terrorismus (GED) Zwischenlösung vom 19. Februar

2013, A-Drs. 502a, Bl. 547 ff. (550).

7151) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (12).

7152) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 13; Prüfung von Möglichkeiten der Auswei-
tung der GED-Zwischenlösung, Stand: 18. Februar 2013, A-

Drs. 502c, Bl. 543 ff. (548); BKA, Prüfung von Möglichkeiten

der Ausweitung der GED-Zwischenlösung vom 18. Februar
2013, A-Drs. 502a, Bl. 558 ff. (564 f.).

7153) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom
24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (12).

soll diese Datei durch die noch zu konzipierende und

abzustimmende Lösung „Polizeilicher Ermittlungsver-
bund“ abgelöst werden.7154 Mit Beschluss vom 8./
9. Dezember 2011 bat die IMK um Überprüfung, inwie-

weit die GED auch außerhalb der Einsatzführung des

BKA zur Anwendung kommen könnte.
7155

b) Überprüfung der statistischen Erfas-
sungsgrundlagen PMK-rechts

Der Arbeitskreis II der IMK hat am 27. Januar 2012 be-

schlossen, dass in Anbetracht der vielfältigen kriminellen

Aktivitäten von Personen des rechten Spektrums, eine

Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen er-

forderlich sei. Auf dieser Grundlage wurde die AG Kripo

gebeten, die Möglichkeiten einer erweiterten statistischen

Erfassung der von Personen des rechtsextremistischen,

linksextremistischen, ausländerextremistischen bzw. is-

lamistischen Spektrums begangenen Straftaten der All-

gemeinkriminalität, z. B. in der Polizeilichen Kriminalsta-

tistik, zu prüfen und zu bewerten.
7156

Bei der Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundla-

gen kam die Arbeitsgruppe zusammenfassend zu der

Auffassung, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik grund-

sätzlich geeignet sei, eine erweiterte statistische Erfassung

der von Personen mit politisch motivierten Vorkenntnis-

sen begangenen Straftaten der Allgemeinkriminalität zu

ermöglichen.
7157

Zur weiteren Prüfung der diesbezügli-

chen Erweiterung wurde das GAR einbezogen, um zu-

nächst statistisches Basismaterial im Rahmen einer Aus-

wertung bekannter rechtsmotivierter Tatverdächtiger im

Hinblick auf die Begehung sonstiger Straftaten zu erstel-

len.
7158

c) Evaluierung des Definitionssystems PMK

Die IMK hat auf ihrer 167. Sitzung den Arbeitskreis II

gebeten, in Abstimmung mit dem Arbeitskreis IV eine

Evaluierung des Definitionssystems der PMK vorzuneh-

men. Daraufhin wurde ein erster Evaluierungsbericht

erstellt, bei dem das Definitionssystem PMK hinsichtlich

seiner Systematik, Präzision und Trennschärfe der Be-

grifflichkeiten analysiert, der Kriminalpolizeiliche Mel-

dedienst hinsichtlich Qualität, Umfang und Aussagekraft

für die Lagebilderstellung und die systematische Ein-

ordnung des Bereichs der „Spionage/Verratsdelikte“ und
die Zuordnung des Bereichs „Illegaler Technologie- und
7154) Gemeinsame Ermittlungsdatei – Sachstandsbericht vom

24. Februar 2012, A-Drs. 502c, Bl. 8 ff. (10).

7155) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom

8./9. Dezember 2011.

7156) Umlaufbeschluss des Arbeitskreises II vom 27. Januar 2012.

7157) Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität – Überprü-
fung der statistischen Erfassungsgrundlagen, Stand:

24. August 2012.

7158) Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität – Überprü-
fung der statistischen Erfassungsgrundlagen, Stand:

24. August 2012, Bl. 5, 16.

Drucksache 17/14600 – 808 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Warentransfer“ überprüft wurden.7159 Ergebnis war, dass
sich das Definitionssystem in seiner Zusammensetzung

grundsätzlich bewährt habe, es jedoch Probleme bei der

Umsetzung und Anwendung des Definitionssystems ge-

be.
7160

d) Bessere Bekämpfung der politisch moti-
vierten Kriminalität - rechts

Aufgrund eines Beschlusses der IMK am 8./9. Dezember

2011 wurde unter der Geschäftsführung des BfV unter

Beteiligung der Landeskriminalämter, des BKA, der LfV

und des GBA eine Koordinierungsgruppe eingerichtet.
7161

Aufgabe ist die Erarbeitung neuer und die Fortschreibung

bestehender präventiver und repressiver Bekämpfungs-

konzepte. In der Folge ist eine Gesamtkonzeption zur

Bekämpfung der PMK-rechts erstellt worden, die einen

Überblick zu den Maßnahmen der Sicherheitsbehörden

zur Bekämpfung rechtsextremistischer Tendenzen sowie

der PMK-rechts vermittelt. Außerdem wurde ein Bericht

zu „Bestehenden und möglichen weiteren Zusammenar-
beitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ erstellt.7162

Gemeinsam haben das BfV und die LfV ein Auswer-

tungsprojekt initiiert. In dem Projekt wird ein aktuelles

Lagebild über die vorhandenen Strukturen der neonazisti-

schen und gewaltbereiten subkulturell geprägten, rechts-

extremistischen Szene in der Bundesrepublik erstellt und

die Erkenntnislage über Organisationsstrukturen und das

Personenpotenzial im Bereich Neonazismus und gewalt-

bereitem subkulturell geprägtem Rechtsextremismus

verbessert.
7163

Die als besonders bedeutend eingestuften

Gruppen und deren Mitglieder werden unter der Feder-

führung des BfV fallbezogen durch den Verfassungs-

schutzverbund bearbeitet.
7164

Auch die Kameradschaften und ihre führenden Personen

werden durch die Verfassungsschutzbehörden in einer

Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft genauer untersucht,

erfasst und bewertet.
7165
7159) Bericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Evaluierung des

Definitionssystems PMK“, Stand: 04.09.02, MAT A IMK-1/6,
Bl. 5.

7160) Bericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Evaluierung des
Definitionssystems PMK“, Stand: 04.09.02, MAT A IMK-1/6,
Bl. 34.

7161) Beschlussniederschrift über die 193. Sitzung der IMK vom

8./9. Dezember 2011.

7162) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 8; Gesamtkonzeption zur Belämpfung der politisch motivier-

ten Gewaltkriminalität-rechts-/des gewaltbereiten Rechtsextre-
mismus, A-Drs. 502d, Bl. 7 ff.

7163) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 8.

7164) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom

6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (37).

7165) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom

6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (38).

e) Optimierungsmöglichkeiten der kriminal-
polizeilichen Meldedienste im Zusammen-
hang mit der Erfassung von Spreng- und
Brandvorrichtungen (SBV)

Mit Beschluss der AG Kripo vom 10. Januar 2013 erhielt

die Bund-Länder-Projektgruppe „Meldedienst SBV“ den
Auftrag, bestehende Optimierungsmöglichkeiten bezüg-

lich der mit Sprengstoffdelikten oder –sicherstellungen
befassten Meldedienste zu erörtern. Insbesondere erfolgte

eine Überprüfung des Tatmittelmeldedienstes (TMD).

Diesbezüglich wurde in der Sitzung der Bund-Länder-

Projektgruppe am 28. und 29. Januar 2013 der Einsatz

von Fragebögen für alle Länder, das Bundespolizeipräsi-

dium und das Zollkriminalamt beschlossen.
7166

Der beim

BKA geführte TMD beschäftigt sich mit der Einordnung

der Konstruktion von unkonventionellen Spreng- und

Brandvorrichtungen zur Aufdeckung von Tat-

/Täterzusammenhängen. Informationen werden durch die

Polizeidienststellen der Länder und die Bundespolizei an

das BKA versendet.
7167

Die Umfragen durch die Fragebö-

gen ergaben, dass eine zentrale Erfassung im TMD für

sinnvoll erachtet wird. Weiterhin wurde für die Erfassung

von Sicherstellungen/Abhandenkommen konfektionierter

Spreng- und Zündmittel im TMD plädiert.
7168

Bis zur

Herbsttagung 2013 wird die Möglichkeit eines dezentra-

len Recherchezugriffs auf die Daten des TMD sowie eine

Aufwandseinschätzung durch die Bund-Länder-

Projektgruppe geprüft.
7169

f) Waffenregister

Das Fachkonzept sowie der Regelungsumfang des Errich-

tungsgesetzes wurden schon 2010 auf der Innenminister-

konferenz gebilligt. Hintergrund der Regelung ist die EU-

Waffenrechtsrichtlinie 2008/51/EG, wonach bis spätes-

tens zum 31. Dezember 2014 ein computergestütztes

Waffenregister und der § 43a Waffengesetz einzuführen

ist.
7170

Zum 1. Januar 2013 wurde das „Nationale Waffen-
register“ (NWR) eingeführt, welches die Überprüfung
waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse und die

Begrenzung des Zugangs zu Schusswaffen und Spreng-

stoff in Freizeit und Beruf erleichtern soll. Außerdem

wurde von den Verfassungsschutzbehörden im Jahr 2012
7166) BKA, Zwischenbericht Bund-Länder-Projektgruppe „Melde-

dienst Spreng-/Brandvorrichtungen (SBV)“ vom 25. Februar
2013, A-Drs 502a, Bl. 658 ff. (570).

7167) BKA, Zwischenbericht Bund-Länder-Projektgruppe „Melde-
dienst Spreng-/Brandvorrichtungen (SBV)“ vom 25. Februar
2013, A-Drs 502a, Bl. 658 ff. (571).

7168) BKA, Zwischenbericht Bund-Länder-Projektgruppe „Melde-
dienst Spreng-/Brandvorrichtungen (SBV)“ vom 25. Februar
2013, A-Drs 502a, Bl. 658 ff. (586).

7169) Beschlussniederschrift der 172. Tagung der AG Kripo am

12./13. März 2013, Optimierungsmöglichkeiten der kriminalpo-
lizeilichen Meldedienste im Zusammenhang mit der Erfassung

von Spreng- und Brandvorrichtungen (SBV), A-Drs. 502a, Bl.

567.

7170) 5. Sachstandsbericht – Nationales Waffenregister, Bundesmi-
nisterium des Innern, Version 2.0 vom 29. März 2012, Bl. 3,

Quelle: http://www.regierung-mv.de.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 809 – Drucksache 17/14600

ein Konzept mit dem Ziel erarbeitet, innerhalb des Ver-

fassungsschutzverbundes einen umfassenden Überblick

über waffenrechtliche Erlaubnisse von Rechtsextremisten

zu erhalten. Bei Unzuverlässigkeit soll nach

§ 5 Waffengesetz auf einen Entzug der Erlaubnis hinge-

wirkt werden.
7171

3. Verfassungsschutzreform

a) Maßnahmen der Binnenreform im BfV

aa) Bereits umgesetzte Maßnahmen des BfV

Nach Aufdeckung der NSU-Mordserie hat es innerhalb

des BfV Umstrukturierungen gegeben. Zu diesen Maß-

nahmen gehört, dass die Bearbeitung des Rechtsextre-

mismus und des Rechtsterrorismus wieder in einer eigen-

ständigen Abteilung konzentriert wurde.
7172

Das BfV hat zudem seit Dezember 2011 die eigenständige

Organisationseinheit „Koordinierte Internetauswertung
Rechtsextremismus“ (KIAR) aufgebaut, zu deren Aufga-
ben die anlassbezogene und anlassunabhängige offene

Internetrecherche zu rechtsterroristischen und rechtsex-

tremistischen Sachverhalten gehört.
7173

Eine intensive

Recherche soll etwa durch Auswertung von Chat-Rooms

und Foren der rechten Szene erfolgen.
7174

Das KIAR ist

unter Orientierung an den dort wahrgenommenen Aufga-

ben organisatorisch direkt an das GETZ angebunden. Die

Organisationseinheit wird vom BKA und MAD unter-

stützt und soll perspektivisch mit der Bundesprüfstelle für

jugendgefährdende Medien und „jugendschutz.net“ an der
Entwicklung von Bekämpfungsstrategien mitwirken.

7175
Sowohl die Polizei als auch der Verfassungsschutz und

Vertreter der Justiz sollen im KIAR integriert werden.
7176

Die Organisationseinheit veröffentlicht turnusmäßig das

„KIAR-Info“ und anlassbezogen das „KIAR-Spezial“.
Diese Berichte werden an die Sicherheitsbehörden von
7171) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“, Stand: 16. April 2013, Bl. 10.

7172) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 3.

7173) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der
Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 7.

7174) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom
6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (36).

7175) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 7.

7176) Konzeption – Gemeinsames Abwehrzentrum zur Bekämpfung
des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAZ-R) vom

6. Dezember 2011, A-Drs. 502a, Bl. 25 ff. (37).

Bund und Ländern weitergeleitet.
7177

Eine Erweiterung ist

bezüglich der im GETZ behandelten Phänomenbereiche

vorgesehen. Eine entsprechende Konzeption wird derzeit

unter Federführung des BfV erstellt.
7178

Im Jahr 2012 wurde die seit 2004 bestehende Wanderaus-

stellung „Die Braune Falle“, die als Aufklärungs- und
Präventionsmaßnahme des BfV geschaffen wurde, über-

arbeitet und aktualisiert.
7179

Seit Januar 2012 besetzt das BfV den Vorstand der inner-

halb des Berner Clubs
7180

bestehenden Arbeitsgruppe

„Working group on rightwing-extremism“. Hier treffen
sich jährlich internationale Fachkräfte.

7181
bb) Im Rahmen der Binnenreform des BfV an-
gestrebte Maßnahmen

Die Binnenreform des BfV startete im September 2012

durch die Einsetzung einer Projektgruppe mit 14 Arbeits-

paketen (Teilprojekten).
7182

Ziel dieser Binnenreform ist

es, Konsequenzen aus den Ermittlungen zum NSU-

Komplex zu ziehen sowie interne Abläufe zu optimieren.

Hierdurch soll verlorenes Vertrauen zurückgewonnen

werden. Die Phase der Konzeption begann im Februar

2013, die Phase der Umsetzung schloss sich hieran an.
7183

Die Geschwindigkeit der verschiedenen Arbeitspakete ist

dabei jedoch nicht gleich: Teilweise sind die Umset-

zungszeitpunkte der Arbeitspakete, die den Verfassungs-

schutzbund betreffen, von den Entscheidungen der Länder

abhängig. Bei anderen Arbeitspaketen müssen zunächst

zusätzliche Ressourcen durch die Parlamente bereitge-

stellt werden.
7184

Nach Mitteilung des BMI umfasst die Binnenreform im

BfV die folgenden Themen:
7177) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 7.

7178) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 7.

7179) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 10.

7180) Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss der In-
landsnachrichtendienste der Europäischen Union, Norwegens

und der Schweiz, vgl. Dr. Hanning, Protokoll-Nr. 44, S. 21.

7181) Gesamtkonzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten
Gewaltkriminalität-rechts-/des gewaltbereiten Rechtsextremis-

mus vom 30. Mai 2012, A-Drs. 502a, Bl. 150 ff. (164).

7182) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen

Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für

Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 2 f.

7183) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen

Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 2.

7184) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 14.

Drucksache 17/14600 – 810 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Es wird eine Verlagerung der Prioritäten auf gewalt-
orientierte Personen und Bestrebungen anvisiert. Als

Konsequenz soll der Einsatz nachrichtendienstlicher

Mittel abhängig von der Gewaltorientierung des je-

weiligen Phänomens in abgestufter Form erfolgen.

Aktivitäten nicht gewaltorientierter aber verfassungs-

feindlicher Strukturen und Zusammenschlüsse sollen

auch weiterhin beobachtet, jedoch der Einsatz von

nachrichtendienstlichen Mitteln besonders geprüft

werden. Die Priorisierung erfolgt unter Einbindung

der Landesämter für Verfassungsschutz.
7185

– Es soll eine zielorientierte Zusammenarbeit von aus-
wertenden und operativen Arbeitseinheiten des BfV

erfolgen.
7186

Ziel ist eine verbesserte Informations-

gewinnung und Informationsaufarbeitung, die auch

den Strafverfolgungsbehörden zugute kommen

soll.
7187

– Die internen Vorschriften zur Verwaltung von Daten
und Akten sollen vereinheitlicht und ihre Anwendung

erleichtert werden. Zudem soll die Fortbildung und

Information der Mitarbeiter über Datenschutzrege-

lungen ausgebaut und eine neue Service-Einheit zur

Daten- und Aktenpflege und Multiplikatoren für Da-

tenschutzbelange in allen Abteilungen eingerichtet

werden.
7188

Bis Ende 2013 soll das Datenschutzrefe-

rat personell erweitert werden.
7189

– Vorgesehen ist eine intensivere und proaktive Unter-
richtung verschiedener parlamentarischer Gremien

durch das BfV. Hierzu soll ein neues strukturiertes

Berichtswesen beitragen. Zudem ist die Einrichtung

eines Beirats geplant, um eine stärkere Anbindung

des BfV an die gesellschaftlichen Entwicklungen zu

gewährleisten.
7190

Um der Öffentlichkeit mehr Trans-

parenz zu gewähren, soll die Presse- und Öffentlich-

keitsarbeit ausgebaut werden.
7191

Ausstellungen sol-
7185) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen

Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 3.

7186) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 14, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für

Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 4.

7187) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 15.

7188) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 14 f., BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für

Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 4 f.

7189) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-

sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.

7190) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 16.

7191) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 16, BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen
Bundestages, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für

Verfassungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.

len über Arbeitsweise, -inhalte und -erfolge des BfV

unterrichten.
7192

– Um die Qualität der Auswertung zu sichern, wurden
Leitlinien für die Auswertung erstellt sowie eine

„Fachprüfung Auswertung“ errichtet, die die Analy-
seeinheiten beraten, die Einhaltung der Qualitätsstan-

dards überwachen, aber auch erfolgte Analysen hin-

terfragen und Anstöße zu weiteren Überlegungen lie-

fern wird. Durch eine solche „Querdenkergruppe“
soll vermieden werden, dass sich Fehleinschätzungen

weiterhin durch den laufenden Prozess ziehen.
7193

– Das BfV beabsichtigt, seine Kompetenzen in den
Bereichen Cybermobilisierung, -sabotage und

-spionage auszubauen. Zur Gewährleistung der Cy-

bersicherheit ist eine Verbesserung der Kooperation

mit anderen Sicherheitsbehörden sowie die Erstellung

eines Konzepts zur Zusammenarbeit mit der Wirt-

schaft geplant. Die Analysefähigkeit soll durch wei-

terentwickelte IT-gestützte Analysemittel optimiert

werden.
7194

– Zur Steigerung der Führungs-, Methoden- und Fach-
kompetenz des Personals sollen abhängig von der je-

weiligen Laufbahn und Verwendung Anforderungs-

profile im „Baukastensystem“ entwickelt werden, um
die Mitarbeiter in den passenden Funktionen zielge-

nauer einsetzen zu können. Zudem soll eine Erarbei-

tung von Maßnahmen zur stärkeren Nutzung wissen-

schaftlicher und operativer Analysekompetenzen für

die Auswertung erfolgen.
7195

cc) Weitere Maßnahmen im BMI-internen Pla-
nungsstadium

Das BMI hat zudem mitgeteilt, dass derzeit noch folgende

Themenkomplexe Gegenstand BMI-interner Überlegun-

gen seien:

– Verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Verfas-
sungsschutzbehörden sowie mit anderen Sicherheits-

und Strafverfolgungsbehörden,

– Stärkung der zentralen Informationserhebung und
-auswertung zu gewaltgeneigten Bestrebungen durch

das BfV,

– Speicherfristen für personenbezogene Daten und
Regelungen zur Aktenvernichtung sowie
7192) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-

ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.

7193) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-

ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 4.

7194) BMI, Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundesta-

ges, Thema: Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz, Stand: 3. Juli 2013, Bl. 5.

7195) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 16.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 811 – Drucksache 17/14600

– die zukünftige parlamentarische Kontrolle des V-
Leute-Einsatzes.

7196
b) Arbeitsgruppe der IMK zum Thema „Per-
sonal, Aus- und Fortbildung, Akademie für
Verfassungsschutz“

Am 5. Februar 2013 hat der Arbeitskreis IV der IMK

beschlossen, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Personal,
Aus- und Fortbildung, Akademie für Verfassungsschutz“
einzurichten.

7197
Mit Zwischenbericht vom 28. März 2013 erläuterte die

Arbeitsgruppe IV, dass sie in den Themenbereichen Per-

sonalauswahl, Ausbildung, Fortlaufende Qualifizierung

und Personalrotation einen Fragenkatalog erstellt habe,

der den Ländern und dem BfV zur Beantwortung bis

Mitte April 2013 zugeleitet worden sei.
7198

Außerdem

werde ein Konzept zur Zusatzausbildung für Seitenein-

steiger des gehobenen Dienstes entwickelt. Das BfV führt

eine Abfrage bei den Landesämtern für Verfassungs-

schutz bezüglich der zukünftigen Ausgestaltung von

wechselseitigen Hospitationen bzw. Personalaustausch-

maßnahmen durch. Zum Themenbereich „Akademie für
Verfassungsschutz“ wird die Konzeption als Wissens-
drehscheibe und Denkfabrik beschrieben, welche die

Aufgabe der gemeinsamen Führungskräfteschulung von

Polizei und Verfassungsschutz und die laufende Weiter-

entwicklung des Fortbildungsangebots wahrnehmen soll.

c) Prävention und Aufklärung der Öffentlich-
keit/Partner in der Mitte der Gesellschaft

Die IMK hat am 6./7. Dezember 2012 beschlossen, dass

Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit im Aufga-

benprofil des Verfassungsschutzes ein stärkeres Gewicht

bekommen müssen. Der Verfassungsschutz solle sich

nicht nur auf seine herkömmliche Aufgabe als Nachrich-

tendienst beschränken, sondern als aktiver Partner und

Dienstleister in der Mitte der Gesellschaft stehen. Diese

Maßnahme soll helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in

den Verfassungsschutz zu stärken.
7199

Daraufhin hat am 5. Februar 2013 der Arbeitskreis IV

beschlossen, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Prävention
und Aufklärung der Öffentlichkeit/Partner in der Mitte

der Gesellschaft“ einzurichten.7200 Ein Bericht vom
7196) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 18.

7197) Beschlussniederschrift zur 87. Sitzung des Arbeitskreises IV
vom 5. Februar 2013.

7198) Arbeitsgruppen des AK IV zur Neuausrichtung des Verfas-

sungsschutzes, Arbeitsgruppe II „Personal, Aus- und Fortbil-
dung, Akademie für Verfassungsschutz, Zwischenbericht,

Stand: 28. März 2012, Bl. 1.

7199) Beschlussniederschrift über die 196. Sitzung der IMK vom
6./7. Dezember 2012.

7200) Beschlussniederschrift zur 87. Sitzung des Arbeitskreises IV

vom 5. Februar 2013.

20. März 2013 schlägt folgende Maßnahmen vor, um die

o. g. Vorschläge umzusetzen:
7201

– Informationsdienstleister für Behörden und Zivilge-
sellschaft: Kooperation mit der Wissenschaft und

„Open Government“, Unterstützung von Multiplika-
toren in Zivilgesellschaft und Verwaltung, Vernet-

zung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Informati-

onsvernetzung der Verwaltung,

– Eingliederung in koordinierte Strukturen der Länder
gegen Rechtsextremismus,

– Kooperationspartner gewinnen: Strategische Kom-
munikation als fachlicher Input im Rahmen von Ko-

operationen,

– konkrete Angebote für strategische Kommunikation:
Verfassungsschutzberichte, Pressearbeit, Vorträge

und Diskussionen, Fachtagungen und Symposien,

Ausstellungen, Fachmessen, „Verfassungsschutz
durch Aufklärung“ im Internet, Veröffentlichung von
Analysen, Bereitstellung themenspezifischer Materia-

lien zur Stärkung der Zivilgesellschaft, Bürgerkon-

takt.
7202

d) Internetnutzung durch die Verfas-
sungsschutzbehörden

Am 6./7. Juli 2012 hat die IMK folgende fünf Initiativen

zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes bezüglich

der Aufklärung extremistischer Bestrebungen im und

durch das Internet beschlossen:
7203

– Bundesweite Koordination von Internetzugängen,

– Schaffung einer zentralen Indexdatenbank für extre-
mistische Internetinhalte,

– Einrichtung einer gemeinsamen Mediendatei,

– Einrichtung eines Kompetenzzentrums beim BfV für
operative Sicherheit im Internet,

– Einrichtung eines zentralen Portals für
Extremismusprävention.

7204
Unter besonderer Berücksichtigung dieser fünf Punkte hat

am 5. Februar 2013 zur weiteren Ausgestaltung der Inter-

netnutzung durch die Verfassungsschutzbehörden der

Arbeitskreis IV beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzu-

richten.
7201) Bericht der AK IV AG 3, „Prävention und Aufklärung der

Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der Gesellschaft“, Stand:
20. März 2013.

7202) Bericht der AK IV AG 3, „Prävention und Aufklärung der
Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der Gesellschaft“, Stand:
20. März 2013.

7203) Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur weiteren Ausge-

staltung der Internetnutzung durch die Behörden des Verfas-
sungsschutzes, MAT A IMK-3d, Bl. 1 ff.

7204) Beschlussniederschrift über die 87. Sitzung des Arbeitskreises

IV vom 5. Februar 2013.

Drucksache 17/14600 – 812 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) Gremienstruktur

Am 5. Februar 2013 wurde die Arbeitsgruppe „Gremien-
struktur“ vom Arbeitskreis IV eingerichtet und beauftragt,
die Gremien und Entscheidungsmechanismen innerhalb

des Verfassungsschutzverbunds im Hinblick auf ihre

Zuständigkeit und Effizienz zu überprüfen und dabei auch

Optimierungsmöglichkeiten im Hinblick auf den laufen-

den Prozess der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes

aufzuzeigen.
7205

f) Koordinierungsrichtlinie

Im Vorgriff auf eine beabsichtigte gesetzliche Regelung

ist bereits am 31. Dezember 2012 eine Richtlinie über die

Zusammenarbeit des BfV und der LfV in Kraft getreten.

Die LfV werden darin verpflichtet, alle relevanten Infor-

mationen und nicht mehr nur solche, welche die LfV für

erforderlich halten, an das BfV weiterzuleiten. Außerdem

hat das BfV die Befugnis erhalten, die Erkenntnisse in

allen Phänomenbereichen des Verfassungsschutzes zen-

tral auszuwerten, ohne dass dabei die Auswertungsver-

pflichtungen der Landesbehörden berührt werden. Das

BfV ist verpflichtet, die LfV unverzüglich über alle rele-

vanten Informationen sowie die Ergebnisse der Auswer-

tung zu unterrichten. Dem BfV ist zudem eine Koordinie-

rungskompetenz zugesprochen worden, sodass das BfV

und die LfV bei Maßnahmen zur Beobachtung extremisti-

scher Bestrebungen künftig stärker arbeitsteilig und unter

Koordinierung des BfV vorgehen werden.
7206

Diese war

zunächst durch eine Erweiterung des § 6a der Koordinie-

rungsrichtlinie auf § 6b (Verfahren bei der Beobachtung

des gewaltbereiten Rechtsextremismus) umgesetzt wor-

den.
7207

Durch Beschluss der IMK vom 5. bis

7. Dezember 2012 wurde die Koordinierungsrichtlinie

aufgehoben und die Zusammenarbeitsrichtlinie einge-

führt. In dieser ist § 6b in den §§ 3, 6 der Zusammenar-

beitsrichtlinie aufgegangen.
7208

g) Standardisierung des VP-Einsatzes

Am 5. Februar 2013 wurde durch den Arbeitskreis IV der

IMK die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe

beschlossen, die auf Grundlage des o. g. IMK-

Beschlusses und des Berichts zur Neuausrichtung des

Verfassungsschutzes vom 2. Dezember 2012 konkrete

Vorschläge zur weiteren Standardisierung der VP-

Führung sowie zu den Eckpunkten und technischen De-

tails einer zentralen VP-Datei entwickeln soll. Diesbezüg-
7205) Beschlussniederschrift über die 87. Sitzung des Arbeitskreises

IV vom 5. Februar 2013.

7206) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 17.

7207) Beschlussniederschrift der 193. Sitzung der IMK vom
8./9. Dezember 2011.

7208) Sachstandsbericht zur Umsetzung der im Abschlussbericht der

Arbeitsgruppe „Bestehende und mögliche weitere Zusammen-
arbeitsformen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des

Rechtsterrorismus“ genannten Maßnahmen, Stand:
16. April 2013, Bl. 6, 7.

lich beauftragte die IMK mit Beschluss in ihrer 193. Sit-

zung am 8./9. Dezember 2011 den AK II und den AK IV

zu prüfen,

„inwieweit bei dem Einsatz von V-Leuten die
Vorgaben zur Art und Weise der Auswahl, Füh-

rung und des Einsatzes von V-Leuten zu optimie-

ren und als bundesweiter Standard konsequent an-

zuwenden sind.“7209

Der Arbeitsgruppe wurde aufgetragen

– eine gemeinsame Richtlinie für die VP-Führung zu
erstellen,

– den Entwurf einer Errichtungsanordnung für die
zentrale VP-Datei vorzulegen. Deren Ziele sind: eine

Doppelführung auch mit der Polizei vermeiden; das

Erkennen von Zugangslagen nach Quantität und Qua-

lität in den einzelnen Phänomenbereichen und den

Einsatz von Quellen bei Bedarf in anderen Ländern

ermöglichen. Die VP-Datei soll keine Klarnamen und

keine Deanonymisierungsmöglichkeiten enthalten.

Zu klären sind schreibender und lesender Zugriff der

Länder; Administrationsrechte des BfV; Verwendung

der Erkenntnisse aus der Datei.
7210

h) Vorschläge der IMK zur Neuausrichtung
des Verfassungsschutzes vom 23./24. Mai
2013

Auf der 197. Sitzung der Innenministerkonferenz vom

23./ 24. Mai 2013 in Hannover wurden der IMK Berichte

vorgelegt. Dabei hat die IMK in ihrer Beschlussnieder-

schrift folgende Vorschläge zur Neuausrichtung des Ver-

fassungsschutzes besonders hervorgehoben:

– Verstärkung der Präventionsarbeit des Verfassungs-
schutzes durch erweiterte Formen des Informations-

und Beratungsangebots („Verfassungsschutz als In-
formationsdienstleister“), engere Kooperation mit
wissenschaftlichen Einrichtungen und engere Vernet-

zung mit anderen Behörden und Einrichtungen sowie

mit zivilgesellschaftlichen Akteuren („Verfassungs-
schutz als Partner der Mitte der Gesellschaft“).

– Weiterentwicklung der Schule für Verfassungsschutz
zu einer Akademie durch ein erweitertes Fortbil-

dungsangebot, die Entwicklung zentraler Informati-

ons-/Beratungskompetenzen und einen engeren Aus-

tausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen.

– Die Implementierung einer gemeinsamen mehrmona-
tigen und modular strukturierten Zusatzausbildung

für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit wis-

senschaftlicher Ausbildung aus anderen Behörden

und der Privatwirtschaft.
7209) BKA, Bundesweite Grundsätze beim Einsatz von V-Personen

vom 14. März 2012, A-Drs. 502a, Bl. 99 ff. (101).

7210) Beschlussniederschrift der 87. Sitzung des Arbeitskreises IV

vom 5. Februar 2013.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 813 – Drucksache 17/14600

– Verbindliche Festlegung von gemeinsamen Standards
und Ausschlusskriterien für die Werbung und den

Einsatz von V-Personen im Verfassungsschutz. Diese

sollen in den jeweiligen Dienstvorschriften der Ver-

fassungsschutzbehörden normiert werden.

– Schaffung einer Dokumentation über den Einsatz
aller V-Personen in den „Beobachtungsobjekten“ des
Verfassungsschutzes durch die verbindliche Festle-

gung von Zielen und Inhalten einer beim BfV geführ-

ten zentralen V-Personen-Datei sowie die geplante

Erstellung einer entsprechenden Dateianordnung.

– Stärkere Koordination der Internetaufklärung durch
eine Neuorganisation im Bereich der Koordinations-

tagung Internet (KTI) und die Einrichtung einer In-

dexdatenbank und einer Mediendatei.

– Einrichtung eines Kompetenzzentrums für operative
Sicherheit im Internet beim BfV.

7211
Diesbezüglich hat die IMK Bund und Länder gebeten,

diese Berichtsergebnisse umzusetzen und in der Herbst-

sitzung 2013 darüber zu berichten. Die Ergebnisse der

Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus sollen hier-

bei in die weiteren Überlegungen einbezogen werden.

4. Weitere Maßnahmen

a) Anlaufstellen für Opfer

2002 wurde als zentrale Nachbetreuungsbehörde für im

Ausland verunglückte oder von einem Terroranschlag

betroffene deutsche Staatsangehörige oder deren Familien

das psychosoziale Betreuungsangebot der Koordinie-

rungsstelle NOAH beim Bundesamt für Bevölkerungs-

schutz und Katastrophenhilfe eingerichtet. Dieses Ange-

bot wurde nach dem 4. November 2011 für die Opfer des

NSU bzw. von rechtsextremistischen Übergriffen geöff-

net. Zudem wurde eine temporäre Telefon-Hotline im

BKA eingerichtet, bei der Zeugen oder Geschädigte an-

lässlich des Bekanntwerdens des NSU Hinweise auf

Straftaten oder Bedrohungen durch Rechtsextremisten

geben konnten.
7212

b) Maßnahmen beim GBA

Nach Aufdeckung der NSU-Mordserie werden Verände-

rungen auch im Geschäftsbereich des GBA für erforder-

lich gehalten.

So soll die Führung der ARP-Vorgänge beim GBA ver-

bessert werden. Dabei handelt es sich um Erkenntnisse,

die zwar auf ein Staatsschutzdelikt hindeuten, jedoch

nicht genügend Tatsachen enthalten, um das Vorliegen

eines Anfangsverdachts und die Zuständigkeit des GBA
7211) Beschlussniederschrift über die 197. Sitzung der Ständigen

Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder am
23./24. Mai 2013 in Hannover, S. 10.

7212) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 3.

ausreichend beurteilen zu können. Derartige Vorgänge

werden unter einem ARP-Kennzeichen geführt, bis hin-

reichende Tatsachen vorliegen, auf deren Grundlage man

über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entschei-

den kann.
7213

Nach Mitteilung der Bundesregierung bietet

das Register bisher nur eingeschränkte Recherchemög-

lichkeiten: Sobald ein Prüfvorgang weggelegt sei, falle es

schwer, einen systematischen Abgleich mit bereits vor-

handenen Prüfvorgängen durchzuführen. Vor diesem

Hintergrund sei beim GBA eine Arbeitsgruppe zur Erar-

beitung eines Modells für die Digitalisierung von Prüf-

vorgängen eingerichtet worden. Die Einrichtung einer

entsprechenden Datenbank soll zu einer erheblichen Ver-

besserung der Recherchemöglichkeiten führen.
7214

Künftig will der GBA dafür Sorge tragen, dass regelmä-

ßige Sachstandsberichte zum Stand der Fahndungsmaß-

nahmen (drei monatlich) sowie Dokumentationen jegli-

cher besonderer Fahndungsaktivitäten zu den Sachakten

gelangen.
7215

Zur Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen

dem GBA und den Staatsanwaltschaften der Länder wird

im Phänomenbereich „Rechtsextremismus/Rechts-
terrorismus“ ein Ansprechpartnersystem eingerichtet. Zur
Umsetzung dieser Maßnahme besteht derzeit eine Ar-

beitsgruppe.
7216

c) Maßnahmen im Bundeshaushalt

Im Jahr 2013 stehen rund 25 Mio. Euro zusätzlich zur

Stärkung der Bekämpfung des Rechtsextremismus zur

Verfügung. Es ist beabsichtigt, für das Jahr 2014 entspre-

chende Mittel von rund 22 Mio. Euro und für die Jahre

2015 und 2016 von je 18 Mio. Euro einzuplanen.
7217

Von diesen 25 Mio. Euro im Jahr 2013 stehen dem BKA

und dem BfV ca. 17 Mio. Euro für Maßnahmen im

Sicherheitsbereich zur Verfügung. Das BKA erhält zu-

sätzlich 0,8 Mio. Euro Personalmittel. Für das BKA wur-

den 46 zusätzliche Planstellen für den Schwerpunkt „Be-
kämpfung Rechtsextremismus“ ausgebracht.

Die Bundesregierung hatte für das BfV 91 zusätzliche

Stellen für die „Bekämpfung des Rechtsextremismus/-
terrorismus“ gefordert, die im parlamentarischen Verfah-
ren jedoch nicht durchgesetzt werden konnten. Grund

hierfür war ein bei der Aufstellung des Haushalts 2009

durch das Vertrauensgremium des Deutschen Bundesta-

ges ausgebrachter Haushaltsvermerk, der nicht gestrichen
7213) Diemer, Herbert, „Erhebungen des Generalbundesanwalts zur

Klärung des Anfangsverdachts im Rahmen von ARP-
Vorgängen“, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2005, S. 666-669.

7214) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 23.

7215) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 19, 26.

7216) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 26.

7217) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 19.

Drucksache 17/14600 – 814 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wurde. Dem BKA und dem BfV sollen im Jahr 2014

14 Mio. Euro, in den Jahren 2015 und 2016 je

10 Mio. Euro zur Verfügung stehen.
7218

Für die Bundeszentrale für politische Bildung, die sich

der Extremismusprävention widmet, sollen in den nächs-

ten Jahren zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Mio. Euro für

die politische Bildungsarbeit und Fördermaßnahmen im

Bereich der Extremismusprävention zur Verfügung ge-

stellt werden.
7219

Auch für das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“,
welches seit 2010 gefördert wird und welches Projekte für

demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in länd-

lichen und strukturschwachen Gebieten fördert, sollen bis

2016 24 Mio. Euro bereitgestellt werden.
7220

d) Präventionsmaßnahmen

Die Bundesregierung hat verschiedene Präventionsmaß-

nahmen unterstützt. So ist nach Mitteilung des BMI im

Jahr 2012 vom Bundesamt für Justiz (BfJ) ein Schüler-

wettbewerb durchgeführt worden, der Ideen gegen

Rechtsextremismus gefördert und ausgezeichnet hat.

Außerdem wurden verschiedene Projekte zivilgesell-

schaftlicher Initiativen gefördert, die das Ziel hatten,

präventiv gegen Rechtsextremismus vorzugehen.
7221

Im Jahr 2012 wurde ein bundesweites Informations- und

Kompetenzzentrum, das „BIK Netz – Präventionsnetz
gegen Rechtsextremismus“ etabliert. Das BIK Netz hat
zur Aufgabe, methodische Expertisen, Ansätze und Zu-

gänge mit dem Schwerpunkt präventiv-pädagogischer

Arbeit in Bezug auf die Zielgruppe rechtsextrem gefähr-

deter bzw. orientierter Jugendlicher in die Öffentlichkeit

zu bringen und den bundesweiten Austausch von Er-

kenntnissen über das Funktionieren von unterschiedlichen

Präventionsansätzen zu fördern. Der Ausbau ist bis Ende

2014 vorgesehen.
7222

e) Maßnahmen im MAD

Wie im Bericht der Bundesregierung für das BMVg mit-

geteilt worden ist, sind aufgrund der Sitzungen des

2. Untersuchungsausschusses folgende Themenkomplexe

als verbesserungswürdig herausgearbeitet worden:

„Unzureichende oder verspätete Übermittlung von
durch den MAD erhobenen Erkenntnissen an die

Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden;
7218) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 19.

7219) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 17.

7220) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 17.

7221) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 29.

7222) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 42.

Wie stellt der MAD sicher, dass keine rechtsex-

tremen Soldaten V-Leute des MAD werden kön-

nen? Prüfung des Verhältnisses von Aufwand und

Nutzen beim Einsatz von V-Leuten;

Bedarf es eines Qualitätssicherungssystems zwi-

schen MAD und dem zivilen Verfassungsschutz –
Stichwort: Rückkoppelung in Richtung MAD?

Verbesserung des Informationsflusses zwischen

MAD und Truppe in beiden Richtungen – Stich-
wort: Wie erfährt der MAD davon, was in der Per-

sonalführung mit den von ihm dorthin übermittel-

ten Erkenntnissen geschieht?

Trotz inhaltlich guter Arbeit ist nicht hinreichend

sichergestellt, dass die vom MAD zutage geförder-

ten Erkenntnisse möglichst schnell Wirkung ent-

falten – Stichwort: Extremisten vom Wehrdienst
fernhalten.“7223

Aufgrund der Aussetzung der verpflichtenden Einberu-

fung zum Grundwehrdienst sieht das BMVg verstärkten

Handlungsbedarf, um sicherzustellen, dass Bewerberin-

nen und Bewerber mit rechtsextremistischem Hintergrund

keinen Zugang zu den Streitkräften bekommen. Dazu

müssten rechtsextremistische Bestrebungen möglichst

früh erkannt werden, um eine Übernahme in ein Dienst-

verhältnis zu verhindern. Zur Umsetzung wurde im Ge-

schäftsbereich des BMVg der sogenannte „Zusatzfrage-
bogen zum Bewerbungsbogen für den freiwilligen Dienst

in der Bundeswehr“ mit der „Erklärung über Mitglied-
schaft oder Verbindung zu bestimmten politischen Partei-

en und Organisationen sowie bestimmten Institutionen“
zu einem Dokument zusammengefasst und aktuali-

siert.
7224

Allerdings sind einer Verfassungstreueprüfung

rechtliche Grenzen gesetzt. Eine anlasslose, pauschale

Anfrage bezüglich Bewerberinnen und Bewerbern bei

Verfassungsschutzbehörden darf nicht stattfinden.
7225

Eine Bewerberin oder ein Bewerber kann allerdings frei-

willig um ein Gespräch mit dem MAD bitten, wenn sie

oder er Zweifel an der richtigen Beantwortung des Frage-

bogens hat. Der MAD selbst besitzt für Bewerberinnen

oder Bewerber keine gesetzliche Zuständigkeit, sondern

kann erst nach Dienstantritt gem. § 1 MADG und auch

nur wenn tatsächliche Anhaltspunkte für

(rechts-)extremistische Bestrebungen vorliegen, tätig

werden.
7226

Hintergrund hierfür ist die Regelung „Hinwei-
se zum Vorgehen gegen Extremisten“ vom
21. Dezember 1998. Aufgrund dieser Regelung besteht

mangels Rechtsgrundlage keine Möglichkeit, den ausge-

füllten Fragebogen der Bewerberinnen und Bewerber vom
7223) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 31.

7224) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 35.

7225 Näheres hierzu unter: C. IV. 5. a).

7226) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 36.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 815 – Drucksache 17/14600

MAD prüfen zu lassen.
7227

Vor dem Hintergrund der

Aussetzung des Grundwehrdiensts und der Neuausrich-

tung der Bundeswehr wird diese Regelung im Sinne der

Regelungen des „Dresdner Erlasses“ derzeit angepasst.7228
In diesem wurde die Kompetenzverteilung zwischen der

politischen und der militärischen Führungsstruktur des

BMVg und der Bundeswehr mit Wirkung vom 21. März

2012 neu geregelt.
7229

Unter der Überschrift „lessons learned“ hat im MAD im
vergangenen Jahr eine Bestandsaufnahme stattgefunden,

die als Ergebnis die Notwendigkeit einer Justierung des

Selbstverständnisses des Dienstes erkannt hat. Der bisher

sehr abgeschottet arbeitende Dienst hat daraufhin eine

Organisationseinheit für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

eingerichtet. Aufgrund der Arbeit des 2. Untersuchungs-

ausschusses habe sich gezeigt, dass die Öffentlichkeit ein

deutliches Interesse an der Arbeit des MAD habe und die

Arbeit aktiv transparent gemacht werden müsse. Deshalb

sei ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Presse- und

Öffentlichkeitsarbeit eingeleitet worden.
7230

Außerdem wurde eine Organisationseinheit „Weiterent-
wicklung“ geschaffen, die der Schärfung des Bewusst-
seins innerhalb des MAD dient. Sie hat die Aufgabe si-

cherzustellen, dass Erkenntnisse zu gegebener Zeit und in

geeigneter Form an die Staatsanwaltschaften und Polizei-

behörden übermittelt werden. Eine derartige Verpflich-

tung gibt es zwar bereits aufgrund von § 11 Abs. 2 MAD-

Gesetz i. V. m. § 20 BVerfSchG. Allerdings seien die

Tatbestandsvoraussetzungen in der Vergangenheit so eng

ausgelegt worden, dass Übermittlungen nicht in einem

Maß erfolgten, wie dies möglich und teils erforderlich

gewesen wäre.
7231

Zum Einsatz von V-Leuten wurden die untergesetzliche

Vorschriftenlage und der Ausbildungsstand der Mitarbei-

ter überprüft. Auch weiterhin werde laut Bericht der Bun-

desregierung eine Überprüfung der bestehenden Wei-

sungslage unter dem Gesichtspunkt des Aufwand-Nutzen-

Verhältnisses stattfinden.
7232

f) Maßnahme des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(BMFSFJ)

Neben dem oben dargestellten Informations- und Kompe-

tenzzentrum BIK Netz, beabsichtigt das BMFSFJ den
7227) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 36.

7228) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 37.

7229) Michael Haid: „Der Dresdner Erlass – Machtkonzentration
durch Umstrukturierung des Verteidigungsministeriums“ vom
29. März 2012, www.imi-online.de.

7230) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 32.

7231) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 33.

7232) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 33.

Kenntnisstand zum Thema „rechtsextreme Eltern“ auszu-
bauen, durch längerfristiges Engagement ein dauerhaftes

Internet-Monitoring zu unterstützen und im Internet über

rechtsextremistische Bestrebungen aufzuklären.
7233

Das Aussteiger-Programm „EXIT-Deutschland“ soll auch
nach Auslaufen der Förderung durch den Europäischen

Sozialfonds weiter vom BMFSFJ unterstützt werden.
7234

g) Unterwanderung von Rockergruppierun-
gen durch rechtsextreme Kreise

Bezüglich der Zusammenarbeit von Rockergruppierungen

mit Rechtsextremisten wurde im Auftrag der IMK ein

„Lagebild zu Verbindungen zwischen rechtsextremisti-
scher Szene und Rockergruppierungen – VS-NfD“ er-
stellt. Dieses kam zu dem Schluss, dass vereinzelt Formen

der Zusammenarbeit zwischen Rechtsextremisten und

Angehörigen von Rockergruppierungen existierten, es

jedoch derzeit keine Hinweise auf eine strukturelle oder

strategisch angelegte Zusammenarbeit gebe. Die Entwick-

lungen sollen vom Arbeitskreis IV weiter aufmerksam

und mit hoher Sensibilität beobachtet werden und es soll

ein weiterer Bericht bei der Herbstsitzung 2014 der IMK

erstattet werden.
7235

II. Abschlussbericht der Bund-Länder-
Kommission Rechtsextremismus vom
30. April 2013

Die Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus
7236

hat

die Zusammenarbeitsformen der Sicherheitsbehörden

untereinander beleuchtet und auf Grundlage von Schnitt-

stellen zwischen Behörden oder Arbeitsbereichen ihre

Zusammenarbeit beurteilt. Am 30. April 2013 hat die

Kommission der IMK einen abschließenden Bericht vor-

gelegt und hierin den von ihr für erforderlich gehaltenen

Änderungsbedarf vorgestellt. Nach Auffassung der

Kommission haben sich bei den Verfassungsschutzbehör-

den, bei den Polizeibehörden und der Justiz Defizite ge-

zeigt.
7237

Auf dieser Grundlage hat die Kommission die

folgenden Vorschläge ausgearbeitet:

1. Verfassungsschutz

Die Kommission legt in ihrem Bericht dar, dass eine

Abschaffung der Verfassungsschutzbehörden in Bund und

Ländern nicht geboten sei. Auch eine Zentralisierung von

Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden beim Bund

oder ein fachliches Weisungsrecht des BfV gegenüber
7233) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,

S. 42.

7234) Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013, A-Drs. 463,
S. 42.

7235) Beschlussniederschrift der 89. Sitzung des Arbeitskreises IV

vom 24. April 2013.

7236) Näheres hierzu: Erster Teil, B. III.

7237) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 351.
Drucksache 17/14600 – 816 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den LfV seien nicht erforderlich. Bezüglich der Überle-

gung einer Zusammenfassung mehrerer Landesbehörden

für Verfassungsschutz, verweist die Kommission auf eine

mögliche Umsetzung der beteiligten Länder selbst.
7238

2. Trennungsgebot

Die Trennung zwischen Verfassungsschutz- und Polizei-

behörden hält die Kommission weiterhin für sinnvoll.

Ursache für die zahlreichen Schnittstellenprobleme und

Defizite sei das „Trennungsgebot in den Köpfen“ der
Mitarbeiter gewesen. Um dem entgegenzuwirken müsse

bei Polizei und Verfassungsschutz ein gemeinsames Ver-

ständnis von Verantwortung für die Sicherheit aufgebaut

werden.
7239

Eine mögliche Amtshilfe durch eine Verfassungsschutz-

behörde für die Polizei mittels nachrichtendienstlicher

Maßnahmen, die mit einem Eingriff in die Grundrechte

von Bürgern verbunden wäre, hält die Kommission hin-

gegen für unzulässig. Werde die Verfassungsschutzbe-

hörde in eigener Zuständigkeit aufgrund eines Ersuchens

der Polizei tätig, müsse bezüglich der Auswahl eines

nachrichtendienstlichen Mittels eine Prüfung der Zweck-

und Verhältnismäßigkeit erfolgen. Einen entsprechenden

gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die Kommission

diesbezüglich nicht. Die Problematik der beschriebenen

Amtshilfe solle vielmehr in untergesetzlichen Zusammen-

arbeitsvorschriften Berücksichtigung finden.
7240

3. Verbesserung der Zusammenarbeit

a) BfV

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Zentralstellen-

funktion des BfV gestärkt und als solche im Gesetz, ver-

gleichbar mit dem BKA, auch ausdrücklich bezeichnet

werden sollte.
7241

Diesbezüglich schlägt sie folgende

Änderungen vor:

Über die bestehende Verwaltungsvereinbarung
7242

hinaus

solle bezüglich der Verpflichtung zum Informationsaus-

tausch zwischen der Landes- und der Bundesebene

§ 5 BVerfSchG geändert und deutlich erweitert werden.

Durch die Normenänderung sollen Länderbehörden für

Verfassungsschutz künftig verpflichtet sein, Informatio-

nen aus allen Phänomenbereichen sowie darauf basieren-

de Auswertungen unverzüglich an das BfV zu übermit-
7238) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 352.

7239) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 352.

7240) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 352.

7241) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 204 ff.

7242) Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamts für Verfas-
sungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungsschutz

gemäß Beschluss der Innenministerkonferenz (Zusammenar-

beitsrichtlinie – ZAR).

teln. Das BfV soll im Gegenzug die Informationen und

Auswertungen unverzüglich an die betroffenen Länderbe-

hörden übermitteln.
7243

In den Fällen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 BVerfSchG,

in denen sich Bestrebungen und Tätigkeiten über den

Bereich des Landes hinaus erstrecken oder eine Landes-

behörde für Verfassungsschutz das BfV um ein

Tätigwerden ersucht, sieht die Kommission die Notwen-

digkeit, die Verpflichtung zur gemeinsamen Auswertung

gesetzlich zu regeln. Zudem soll bei operativen Maßnah-

men zur Vermeidung von Doppelarbeit/paralleler Durch-

führung gleicher Maßnahmen eine Abstimmung zwischen

BfV und dem jeweiligen LfV erfolgen. Damit – so die
Kommission – ließen sich auch Risiken hinsichtlich des
Übermaßverbots und ein nicht erforderlicher Einsatz

personeller und materieller Ressourcen ausschließen.
7244

Zur Umsetzung der o. g. Vorschläge unterbreitet die

Kommission einen konkreten Gesetzesvorschlag.
7245

b) Polizeibehörden

Der Vorschlag der Kommission zielt darauf ab, dass in

Zukunft alle Informationen, die den ermittelnden Polizei-

beamten vorliegen, daraufhin überprüft werden sollen, ob

sie für andere Behörden bzw. Strafverfahren von Bedeu-

tung sein könnten. Hierfür müsse eine lückenlose Doku-

mentation der Zusammenarbeit sichergestellt sein. Dies

könnte durch eine Verpflichtung zur Verschriftlichung der

Korrespondenz mit anderen Behörden erreicht werden.

Hinsichtlich der Aus- und Fortbildung im Polizeivoll-

zugsdienst regt die Kommission an, der Pflicht zur Prü-

fung einer Informationsübermittlung an andere Behörden,

der Notwendigkeit der Klarheit der übermittelten Inhalte

sowie der grundsätzlichen Pflicht zur schriftlichen Doku-

mentation besondere Beachtung zu schenken.
7246

c) Zentrale/dezentrale Ermittlungsführung

Die Kommission stellt fest, dass die gesetzlichen Voraus-

setzungen für die Zusammenführung der Ermittlungen im

Bereich der Staatsanwaltschaften und der Polizeibehörden

bereits frühzeitig vorgelegen hätten. Dabei sei die Rege-

lung in Nr. 25 in den Richtlinien für das Strafverfahren

und das Bußgeldverfahren (RiStBV), die das Führen von

staatsanwaltlichen Sammelverfahren vorschreibt, ver-

pflichtend. Die Justiz müsse allerdings diese in entspre-

chenden Fällen auch anwenden und Rechtspraxis werden

lassen. Damit werde gleichzeitig die Frage einer polizei-
7243) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 204 ff.

7244) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 353.

7245) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 204 ff.

7246) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 354.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 817 – Drucksache 17/14600

lich zentral geführten Ermittlung i. S. v. § 18 BKAG
7247

(Koordinierung der Strafverfolgung) i. V. m. Nr. 28

RiStBV geklärt. Zudem müssten das BMI und das BKA

ihren rechtlichen Handlungsrahmen aus §§ 4
7248

und 18

BKAG konsequent ausschöpfen.
7249

d) Übermittlungsvorschriften auf Landes-
und Bundesebene

Handlungsbedarf sieht die Kommission bezüglich der

Vereinheitlichung von Übermittlungsvorschriften in Bund

und Ländern. Hierdurch soll allen Sicherheitsbehörden

ein einheitlicher Rechtsstandard ermöglicht werden. Da-

bei müssten die Vorschriften zur informationellen Zu-

sammenarbeit sicherstellen, dass Schnittstellenprobleme,

unterschiedliche fachliche Standards/unterschiedliche

Bewertungen bestimmter Sachverhalte und mangelnde

Kenntnisse der Arbeitsweise überwunden bzw. kompen-

siert werden könnten. Behördenegoismen und unreflek-

tiertes Streben nach Geheimhaltung müssten vermieden

werden.
7250

Im Vordergrund stünden Vorschriften bezüglich der In-

formationsübermittlung von Verfassungsschutzbehörden

an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Eine vor-

aussetzungslose und verpflichtende Übermittlung aller

anfallenden Informationen, die in irgendeiner Weise nütz-

lich oder hilfreich sein könnten, sei durch das Grundrecht

der informationellen Selbstbestimmung allerdings ausge-

schlossen.
7251

e) Polizeibehörden und Verfassungsschutz

Um zu gewährleisten, dass das Gefährdungspotenzial von

extremistischen/terroristischen Personen und Gruppierun-

gen frühzeitig erkannt wird und in gemeinsamer Abstim-

mung darauf reagiert werden kann, hält die Kommission

eine Intensivierung der im Leitfaden zur „Optimierung
der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz“
beschriebenen Zusammenarbeitsformen für erforderlich.

Operative Maßnahmen, unter Beteiligung der sachleiten-

den Staatsanwaltschaften, stünden dabei im Vordergrund

der Zusammenarbeit. Die Kommission schlägt vor, die

Übermittlung von Erkenntnissen der Verfassungsschutz-

behörden an die Polizei für eine strukturierte Informati-

onsübermittlung über ein standardisiertes, noch zu entwi-

ckelndes Verfahren abzuwickeln.
7252
7247) Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit

des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angele-

genheiten.

7248) Wahrnehmen polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der Straf-
verfolgung durch das BKA.

7249) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 354.

7250) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 355.

7251) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 355.

7252) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 356.

f) Staatsanwaltschaft und Verfassungs-
schutz

Für erforderlich hält die Kommission eine konsequente

Umsetzung der vorgesehenen Informationsverpflichtun-

gen der Staatsanwaltschaften gegenüber dem Verfas-

sungsschutz. Da die Pflicht zur Umsetzung den sachlei-

tenden Staatsanwälten selbst obliegt, sollten diese mit

nachrichtendienstlichen Vorschriften und diesbezüglich

existierenden Verwaltungsvorschriften vertraut sein. Die

Kommission schlägt zudem einen regelmäßigen Erfah-

rungsaustausch auf Arbeitsebene zwischen staatsanwalt-

schaftlichen Sachbearbeitern und Mitarbeitern des Ver-

fassungsschutzes vor, um das Verständnis für die Ar-

beitsweise und die Erfordernisse der jeweiligen Behörde

zu verbessern. Außerdem regt sie eine Umformulierung

bzw. Erweiterung der Nr. 20 RiStBV an, damit diese

Vorschrift einen verbindlicheren Charakter bekommt.
7253

g) Geheimschutz/Verwertbarkeit eingestufter
Informationen

Um das „Need to Know“-Prinzip gesetzlich zu verankern
und darüber hinaus die Reichweite einer Pflicht zur In-

formationsübermittlung („Need to Share“) im Interesse
klarer Handlungsanweisungen näher zu bestimmen,

schlägt die Kommission eine klarstellende Regelung im

Sicherheitsüberprüfungsgesetz vor. Innerhalb der Verfas-

sungsschutzbehörden müsse die Handlungssicherheit der

Mitarbeiter bei der Einstufung von geheimhaltungsbe-

dürftigen Informationen erhöht werden, um die teils über-

zogene Einstufungspraxis einzudämmen. Jede Einstufung

solle kritisch i. S. v. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes

über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicher-

heitsüberprüfungen des Bundes (SÜG) hinterfragt wer-

den.
7254

Bei der Polizei und der Justiz müsse zudem sichergestellt

werden, dass die tatsächlichen Bedarfsträger nachrichten-

dienstlicher Informationen über die erforderlichen Er-

mächtigungen zum Umgang mit Verschlusssachen ver-

fügten. Die Justiz solle dabei ihre Möglichkeiten zum

Umgang mit Verschlusssachen ausschöpfen und Zeugnis-

sen der Verfassungsschutzbehörden i. S. d. § 256 Straf-

prozessordnung zumindest den Wert einer Anlasstatsache

beimessen.
7255

Die Nachrichtendienste ihrerseits müssten verpflichtet

werden, auf die Belange einer effektiven Strafrechtspflege

Rücksicht zu nehmen. Vor jeder Übermittlung sollte dabei

geprüft werden, ob der gewählte Verschlussgrad tatsäch-

lich erforderlich oder eine Herabstufung möglich sei.

Sollten gesperrte Informationen übermittelt werden, müs-
7253) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 356.

7254) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 356 f.

7255) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 357.

Drucksache 17/14600 – 818 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

se geprüft werden, ob Zeugen vom Hörensagen benannt

werden könnten.
7256

4. Verdeckte Informationsgewinnung

Bezüglich der verdeckten Informationsgewinnung hält die

Kommission fest, dass die Befugnis der Sicherheitsbehör-

den zum Einsatz von Vertrauensleuten beizubehalten

sei.
7257

Dem Bericht zur Neuausrichtung des Verfassungsschut-

zes des BMI vom 30. April 2013 stimmt sie bezüglich den

Vorschlägen eines einheitlichen Sprachgebrauchs für

menschliche Quellen, der Einführung einheitlicher Vor-

gaben hinsichtlich der Auswahl der Personen, Anwerbung

und Führung sowie Beendigung der Zusammenarbeit

zu.
7258

Die Kommission betont, dass der Quellenschutz nicht

absolut sei, sondern der Schutz von Leib und Leben der

Quelle, die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehör-

den und die berechtigten Belange von Strafverfolgung

und Gefahrenabwehr in ein angemessenes Verhältnis zu

bringen seien.
7259

Dementsprechend schlägt sie eine Än-

derung des § 23 BVerfSchG vor, nach der Gründe des

Quellenschutzes und der Gefahrenabwehr für Personen

ein Übermittlungshindernis darstellen, eine Übermittlung

andererseits aber dann erfolgt, wenn sie zur Verfolgung

einer besonders schweren Straftat oder zur „Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr für den Bestand des Staates oder

für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person

oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung

und Funktion im besonderen öffentlichen Interesse“ gebo-
ten ist. Die Entscheidung, ob die Übermittlung unter-

bleibt, solle dem Präsidenten des BfV obliegen. Sie solle

der Kontrolle des parlamentarischen Kontrollgremiums

unterliegen.
7260

Bezüglich der Informationsauswertung im Verfassungs-

schutz soll eine stetige effektive und effiziente Kontrolle

der Auswertung und eine vertiefte „interdisziplinäre“
Aus- und Fortbildung erfolgen.

7261
5. Generalbundesanwalt

Die Kommission schlägt vor, unter Beachtung der grund-

gesetzlichen Kompetenzverteilung, für schwerste, in
7256) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 357.

7257) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 357.

7258) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 358.

7259) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 359; auf S. 316 des
Berichts unterbreitet die Kommission einen konkreten Vor-

schlag zur Änderung des § 23 BVerfSchG.

7260) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 316 f.

7261) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 359.

höchstpersönliche Rechtsgüter eingreifende Straftaten die

materielle Zuständigkeit des Generalbundesanwalts

(GBA) zu erweitern. Dazu sei ein Tatbestandsmerkmal

einzuführen, welches klarstelle, dass die Tat nach den

Umständen geeignet sein müsse, die öffentliche Sicher-

heit oder den Rechtsfrieden in der Bundesrepublik

Deutschland in besonders erheblichem Maße zu beein-

trächtigen. Ein geeignetes Mittel hierfür sieht die Kom-

mission in einer Formulierung im Gerichtsverfassungsge-

setz (GVG), die auf den Staatsschutzbezug verzichtet.
7262

Außerdem empfiehlt die Kommission, die einfachgesetz-

lichen Einschränkungen des § 120 Abs. 2 GVG zu lo-

ckern, um besonders im frühen Stadium der Ermittlungen

dem GBA in der Frage seiner eigenen Zuständigkeit einen

größeren Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum

einzuräumen. Sie regt an, das bisherige gesetzliche Erfor-

dernis in § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG, wonach „die Tat den
Umständen nach bestimmt und geeignet ist“ durch „wenn
die Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet sein

kann“ zu ersetzen.7263

In § 142 a Abs. 1 GVG sei eine Verpflichtung der örtli-

chen Staatsanwaltschaften, den GBA

gem. Nr. 202 RiStBV zu informieren, einzuführen. Der

GBA solle im Rahmen des § 142 a GVG die gesetzliche

Befugnis erhalten, zur Klärung seiner eigenen Zuständig-

keit bestimmte Ermittlungen anzustellen. Als Beispiel

hierfür nennt die Kommission das Recht, bei den örtli-

chen Behörden Auskünfte einzuholen, Akten einzusehen

und Ermittlungsaufträge an das BKA zu erteilen.
7264

Ein weiterer Vorschlag der Kommission zielt darauf ab,

dem GBA die gesetzlich verankerte Kompetenz zu verlei-

hen, unterschiedliche Ermittlungsverfahren auch länder-

übergreifend einer einzelnen Staatsanwaltschaft zur Ver-

folgung bindend zuzuweisen, soweit dies zur Sicherstel-

lung einer einheitlichen Verfahrensführung erforderlich

ist und auf andere Weise nicht erreicht werden kann.
7265

6. Dienst- und Fachaufsicht

Zur Gewährleistung einer sachgerechteren und effiziente-

ren Aufsicht hat die Kommission vorgeschlagen, ausrei-

chendes und ausschließlich in eigens dafür zuständigen

Kontrolleinheiten verwendetes Personal einzusetzen, das

über eine ausreichende praktische Erfahrung im betref-

fenden Bereich verfügt. Eine Notwendigkeit, die durch

die zuständigen Organisationseinheiten der Innenverwal-

tungen der Länder wahrgenommene Aufsicht über Poli-

zeibehörden zu ändern, bestehe hingegen nicht. Aller-

dings müsse der kontinuierliche und vollständige Infor-
7262) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 359.

7263) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 360.

7264) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-
rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 360.

7265) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 360.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 819 – Drucksache 17/14600

mationsaustausch zwischen Aufsichts- und nachgeordne-

ter Behörde sichergestellt werden.
7266

Im Bereich der Verfassungsschutzbehörden sieht die

Kommission zwei unterschiedliche Möglichkeiten: Zum

einen könne man einen „Beauftragten zur Kontrolle des
Verfassungsschutzes“ einsetzen, der in seiner Amtsfüh-
rung unabhängig und im Bereich der Exekutive angesie-

delt ist. Zum anderen könnten sich in den Ländern, in

denen die Verfassungsschutzbehörden oberste Landesbe-

hörden sind, die Hausleitungen von besonderen Kontroll-

einheiten unterstützen lassen.
7267

7. Aus- und Fortbildung

Sich der IMK in ihrer Sitzung vom 5. und 7. Dezember

2012 anschließend, spricht sich die Kommission für eine

zeitgemäße, stärker standardisierte Aus- und Fortbildung

im Verfassungsschutzverbund aus.
7268

III. Empfehlungen der Sachverständigen

1. Zur bestehenden Sicherheitsarchitektur

Die zu Beginn der Untersuchung des Ausschusses gehör-

ten Sachverständigen haben sich zu der Frage geäußert,

ob sich die bestehende Sicherheitsarchitektur bewährt

habe.

Prof. Dr. Christoph Gusy hat betont, es müsse sich noch

zeigen, ob die aufgrund des NSU zutage geförderten

Mängel ausschließlich „vor Ort“ oder auch in der Organi-
sation der Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik

Deutschland begründet lägen. Nur im letzteren Fall seien

Änderungen in der Architektur notwendig.
7269

Auch Prof.

Dr. Heinrich Amadeus Wolff hat angemerkt, vor einer

Sachverhaltsaufklärung seien lediglich Denkanstöße mög-

lich. Reformüberlegungen behandele er deshalb nur am

Rande.
7270

So habe sich die Sicherheitsarchitektur grund-

sätzlich bewährt. Festzustellende Mängel müssten durch

konkrete Maßnahmen beseitigt werden, ohne die Archi-

tektur grundsätzlich in Frage zustellen.
7271

a) Sicherheitsbehörden allgemein

Der Sachverständige Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange hat

vorgeschlagen, eine
7266) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 361.

7267) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 361.

7268) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, A-Drs. 488, Bl. 361.

7269) Dr. Gusy, Gutachten für den 2. Untersuchungsausschuss der
17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S-1,

S. 1.

7270) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 13.

7271) Dr. Wolff, „Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des

Bundes und der Länder“, März 2012, S. 90.

– „Mehrdimensionalität der Leistungsfähigkeit“ zu
erhalten,

sodass die Sicherheitsbehörden verschiedene Aufgaben-

schwerpunkte wahrnehmen könnten.
7272

Bisher bestünde

die Gefahr einer gewissen Eindimensionalität in den

Sicherheitsbehörden bezüglich ihrer Aufgabenwahrneh-

mung.
7273

Dabei dürfe es, trotz der Möglichkeit einer

Schwerpunktbildung, keine einseitige Ausrichtung auf

eine Gefahrenlage geben.
7274

Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat sich für einen

verstärkten Außendiskurs der Behörden sowie „eine ver-
stärkte gesellschaftliche Öffnung im Hinblick auf gesell-

schaftliche Frühwarnsysteme“ ausgesprochen.7275

b) Verfassungsschutz

aa) Aufgabe des Verfassungsschutzes

Der Sachverständige Prof. Dr. Lange hat erklärt, der Ver-

fassungsschutz sei aus seiner Sicht nicht nur Nachrichten-

dienst. In seine Zuständigkeit falle auch die gesellschaftli-

che Analyse von die freiheitlich-demokratische Grund-

ordnung gefährdenden Bestrebungen, die Aufklärung

darüber sowie der Wissenstransfer.
7276

Der Verfassungs-

schutz müsse deshalb

– auch die Öffentlichkeitsfunktion als seine Aufgabe
sehen.

7277
Nach Auffassung vom Prof. Dr. Lange sei nach Beendi-

gung des Kalten Krieges die Geheimhaltung der Arbeits-

ergebnisse des Verfassungsschutzes in der Regel nicht

mehr notwendig. Diese Arbeitsergebnisse müssten für die

gesellschaftliche Diskussion und die politische Bildung

genutzt werden. So könnten Lehrer und Erzieher in die

Lage versetzt werden, bestimmte Symbole und Signale

erkennen zu können.
7278

Auch der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat erklärt,

– partielle funktionsbezogene Lockerungen der Ver-
traulichkeit im Sicherheitsbereich könnten zu einer

Effizienzsteigerung führen.
7279

Für Empfehlungen bezüglich des BfV käme es darauf an,

wie der Gesetzgeber dieses zukünftig aufstellen wolle.

Sollte es auf die reine Ermittlung von Vorfeld und Struk-

turen ausgerichtet sein, so bräuchte das BfV

– effektive Informationsbefugnisse, vor allem im Be-
reich des Internets.

7280

7272) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 6.

7273) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 6.

7274) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 39.

7275) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 31.

7276) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.

7277) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.

7278) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.

7279) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 13.

Drucksache 17/14600 – 820 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sollte das BfV hingegen zur konkreten Gefahrenabwehr

eingesetzt werden, dann müsse es vergleichbare Befug-

nisse wie das BKA zur Abwehr des internationalen Terro-

rismus haben.
7281

bb) Personal und Ausbildung

Prof. Dr. Lange hat sich kritisch zu einer

„Verpolizeilichung“ des Verfassungsschutzes geäußert.
Für die Landesverfassungsschutzbehörden spiele die

Rekrutierung von Polizisten eine große Rolle. Ein Polizist

sei jedoch anders ausgebildet, als es für den Verfassungs-

schutz sinnvoll wäre.
7282

Das Bundesamt nutze dagegen stärker die Möglichkeit,

das eigene Personal an der Fachhochschule des Bundes

bzw. in der Verfassungsschutzschule auszubilden. Von

dieser Möglichkeit sollten auch die Länder mehr Ge-

brauch machen.
7283

– Die Ausbildung an der Fachhochschule, Abteilung
Verfassungsschutz, müsse zur Regelausbildung für

die Bediensteten des Verfassungsschutzes werden.
7284

Nur der Bund habe ein Ausbildungskonzept für den mitt-

leren und gehobenen Dienst; die Länder begnügten sich

mit Einführungslehrgängen.
7285

Solle der Verfassungs-

schutz eine gesellschaftlich-analytische Aufgabe wahr-

nehmen, müsse sich dies auch im Personal widerspiegeln.

Dafür sei der gegenwärtige Anteil von Polizeibeamten zu

hoch.
7286

Solle ein übernommener Polizeibeamter V-

Leute führen, müsse er dafür ausführlich fortgebildet

werden.
7287

cc) Vertrauenspersonen

Zu der Führung von Vertrauenspersonen hat der Sachver-

ständige Prof. Dr. Lange ausgeführt, es sei problematisch,

wenn ein V-Mann-Führer über viele Jahre Kontakt mit

einem V-Mann unterhalte. Es könne eine menschliche

Bindung zwischen V-Mann-Führer und V-Mann entste-

hen. Hier müsse deshalb

– eine stärkere Rückkoppelung und Spiegelung statt-
finden.

7288
Der V-Mann-Führer dürfe dabei nicht auf sich alleine

gestellt bleiben, sondern bedürfe einer

– stärkeren – auch psychologischen – Begleitung.7289
7280) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 23.

7281) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 23.

7282) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.

7283) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.

7284) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.

7285) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 7.

7286) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 17, 18.

7287) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 23.

7288) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.

7289) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 26.

Ab einer gewissen Dauer werde die V-Mann-Führung

menschlich schwierig. Es sei keine Option, die V-Mann-

Führer regelmäßig auszutauschen, da für eine sinnvolle

Zusammenarbeit ein gewisses Vertrauen bestehen müsse.

Es bedürfe

– behördeninterner Verfahren

mit dem Ziel, dass Dritte etwa einmal im Jahr einen Blick

auf die konkrete V-Mann-Führung werfen.
7290

Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat bemängelt, dass

für die Führung von V-Leuten klare Rechtsgrundlagen

fehlten.
7291

Er hat vorgeschlagen,

– den Einsatz von V-Leuten gesetzlich zu regeln.7292

Ob V-Leute eingesetzt werden sollen, sei eine strategische

Entscheidung, die nicht der Gesetzgeber treffen könne.

Gesetzlich geregelt werden könnten „Qualitätsvorausset-
zungen“, etwa, welche Voraussetzungen eine Vertrauens-
person erfüllen muss, oder wer die Entscheidung eines V-

Mann-Einsatzes zu treffen hat und wer an dieser Ent-

scheidung zu beteiligen ist.
7293

Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat gefordert, dass

– zu der Auswahl von V-Leuten,

– zu der Frage, wofür V-Leute eingesetzt werden dürf-
ten,

– zum Umgang mit den von V-Leuten gewonnenen
Informationen und

– zu erlaubten Rechtsverstößen von V-Leuten

konkrete Regelungen geschaffen werden müssten.
7294

Zu

der Frage, ob sich V-Männer an Straftaten beteiligen

können sollen, hat er vorgeschlagen zu erwägen,

– V-Männern zuzubilligen, Rechtsgüter der Allge-
meinheit und des Staates verletzen zu dürfen, nicht

hingegen die individuellen Rechtsgüter von Perso-

nen.
7295

Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat darauf hingewie-

sen, dass gesetzliche Regelungen den Einsatz von V-

Leuten vorhersehbar machen könnten. Sei dies der Fall,

komme als Normgeber statt des Gesetzgebers auch das

Parlamentarische Kontrollgremium in Betracht.
7296

Prof. Dr. Lange hat angeregt, sich der „heiklen und
schwierigen Abstimmung“ zwischen den Ländern darü-
ber, in welchen Bereichen V-Leute geführt werden, zu-

zuwenden.
7297
7290) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 26.

7291) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.

7292) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 17.

7293) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 17.

7294) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 21.

7295) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 33.

7296) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 22.

7297) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 821 – Drucksache 17/14600

dd) Zusammenlegung einzelner Verfassungs-
schutzämter der Länder

Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat gefordert zu

prüfen, ob

– die Gliederung des Verfassungsschutzes in Bundes-
und Landesbehörden

zu überdenken sei, sofern dadurch Missstände verhindert

werden könnten.
7298

Auch eine

– unabhängige Aufgabenkritik der Sicherheitsbehörden
zur Verringerung der Schnittstellen bzw. zur Verrin-

gerung der Behördenvielfalt

sei wichtig.
7299

Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat angemerkt, es sei

vom Grundgesetz nicht vorgeschrieben, dass jedes einzel-

ne Bundesland eine eigene Verfassungsschutzbehörde

haben müsse; hier gebe es Umgestaltungsmöglichkei-

ten.
7300

Bei einer Zusammenlegung entstehe allerdings ein

Kontroll- und Legitimationsdefizit. Dieses könne durch

die Festlegung vermieden werden, dass das Parlament des

Sitzlandes für die Kontrolle aller Aktivitäten der Behörde

zuständig sei, unabhängig davon, wo ein Einsatz stattfin-

de. Dies schaffe jedoch föderalistische Verzerrungen.
7301

ee) Informationsaustausch der Verfas-
sungsschutzbehörden

Innerhalb des Verfassungsschutzes, so der Sachverständi-

ge Prof. Dr. Lange, sei der

– Datenaustausch stark verbesserungsfähig.7302

Zwar müssten die Länder ihre Autonomie wahren. Jedoch

sollten die Berichtspflichten der Länderbehörden an das

BfV geprüft und erwogen werden, ob Berichte nicht we-

sentlich früher weitergereicht werden könnten.
7303

Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat geäußert, der

Informationsaustausch der Behörden sei weitestgehend in

deren Ermessen gestellt. Hier sei

– eine „stärkere gesetzliche Fixierung“

denkbar.
7304

Die deutsche Sicherheitsarchitektur sei geprägt von einer

großen Behördenvielfalt und einem differenzierten Zu-

ständigkeits- und Aufgabenspektrum. Um Effizienznach-

teile zu vermeiden, müsse darauf mit stärkerer Zusam-
7298) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.

7299) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.

7300) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 40.

7301) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 41.

7302) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9

7303) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9.

7304) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14; Dr. Wolff, „Überblick über
die Entwicklung der Architektur und Arbeitsweise der Sicher-

heits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder“,
März 2012, S. 91.

menarbeit und dem Aufbau neuer gemeinsamer Zentren

reagiert werden. Dafür fehle es aber noch an

– ergänzenden Sicherungen gegen die Verletzung von
Datenschutzbestimmungen.

7305
c) Zusammenarbeit von Polizei und Verfas-
sungsschutz

Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat erläutert, die

Frage, unter welchen Voraussetzungen Verfas-

sungsschutzbehörden von ihnen beobachtetes strafrechtli-

ches Verhalten an die Polizei melden müssten, sei nur in

allgemeinen Bestimmungen geregelt. Auch behördenin-

terne Regelungen schüfen keine Klarheit.
7306

Insbesonde-

re sei

– eine verbesserte Typologie

notwendig.
7307

Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat den Ausführun-

gen von Prof. Dr. Gusy zugestimmt und bemängelt, dass

die Behörden untereinander zwar Informationen austau-

schen dürften, aber nicht müssten. Dies bedürfe einer

– gesetzlichen Regelung.7308

Den Verfassungsschutz zur Übermittlung sämtlicher In-

formationen über mögliche Straftaten zu verpflichten,

ginge zu weit. Dies könne die Arbeit der Verfas-

sungsschutzbehörden erheblich beeinträchtigen. Jedoch

könnte für Delikte gegen bestimmte Rechtsgüter eine

solche Verpflichtung eingeführt werden.
7309

Inzwischen gebe es große Überschneidungen zwischen

den Tätigkeitsfeldern von Nachrichtendiensten und Poli-

zei. Diese bedürften

– einer genaueren Abgrenzung.7310

Entweder müssten die Befugnisse der Nachrichtendienste

erweitert oder ihre Aufgaben beschränkt werden.
7311

2. Gesetzesevaluierung

Prof. Dr. Lange hat vorgeschlagen, Sicherheitsgesetze

zeitlich zu befristen. Dann müssten aber Parlamente Ka-

pazitäten aufbauen, um Gesetze evaluieren zu können.
7312
7305) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14; Prof. Dr. Wolff, „Überblick

über die Entwicklung der Architektur und Arbeitsweise der

Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Län-

der“, März 2012, S. 92.

7306) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 14.

7307) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 15.

7308) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 15, 45.

7309) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 45.

7310) Dr. Wolff, „Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des

Bundes und der Länder“, März 2012, S. 91 f.

7311) Dr. Wolff, „Überblick über die Entwicklung der Architektur
und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des

Bundes und der Länder“, März 2012, S. 91 f.

Drucksache 17/14600 – 822 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. G 10-Kommission

Der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat in Zweifel gezo-

gen, dass die G 10-Kommission hinreichend ausgestattet

sei, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Stattdessen hat

er eine

– Umstellung auf den klassischen Richtervorbehalt

angeregt.
7313

4. Aufsicht und Kontrolle

Der Sachverständige Prof. Dr. Gusy hat vorgeschlagen,

– Regelungen über Aufsichts- und Kontrollzuständig-
keiten für Kooperationsverhältnisse auf den einzelnen

staatlichen Ebenen und über diese hinweg zu schaf-

fen
7314

und

– die Kontrollkompetenzen des Parlaments zu stär-
ken.

7315
Hierfür hat er die Schaffung eines Geheimdienstbeauf-

tragten vorgeschlagen. Es gebe Regelungsschwächen, die

durch eine stärkere Aufsicht kompensiert werden müss-

ten.
7316

Ähnlich hat sich Prof. Dr. Lange für die Einrichtung eines

– Beauftragten für die Nachrichtendienste7317

ausgesprochen, der dem Wehrbeauftragten des Bundesta-

ges vergleichbar sei.
7318

Auch einen

– Beauftragten für den Polizeibereich

könne er sich vorstellen.
7319

Diese Beauftragten müssten

ein Recht zur Akteneinsicht erhalten und unabhängig

sein.
7320

Sie könnten die Vertraulichkeit und Geheimhal-

tung wahren und gleichzeitig Ansprechpartner sein.
7321

Eine solche Aufgabe sei von der Exekutive nicht zu leis-

ten, vielmehr müsse hierfür eine parlamentarische Stelle

geschaffen werden.
7322

Auch der Sachverständige Prof. Dr. Wolff hat bemängelt,

dass die Kooperation der Behörden untereinander nicht

spezifisch kontrolliert werde.
7323
7312) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 9 f.

7313) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14; Dr. Wolff, „Überblick über
die Entwicklung der Architektur und Arbeitsweise der Sicher-
heits- und Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder“,
März 2012, S. 91.

7314) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 4.

7315) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 4.

7316) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 4.

7317) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.

7318) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.

7319) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8.

7320) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, 29.

7321) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, S. 8 f.

7322) Dr. Lange, Protokoll-Nr. 10, 26.

7323) Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10, S. 14.

5. Die Zuständigkeit des Generalbundesan-
walts

Prof. Dr. Gusy hat ausgeführt, die Zuständigkeiten des

Generalbundesanwalts seien klar geregelt und auch aus-

reichend. Sobald er sich für zuständig erkläre, ende die

Zuständigkeit der Länder und es werde der Bund zustän-

dig. Schwieriger sei die Frage, ob er die Informationen

bekomme, um seine Zuständigkeit erkennen zu können.

Daher seien die Normen daraufhin „an[zu]schauen, ob sie
der Struktur der Ermittlungsabläufe gerecht werden und

eine rechtzeitige Einschätzung der Zuständigkeitsfrage

zulassen“.7324

6. Datensysteme

Die Einführung der Rechtsextremismusdatei haben die

Sachverständigen Prof. Dr. Gusy und Prof. Dr. Wolff

ausdrücklich begrüßt.
7325

7. Schaffung neuer und Erweiterung beste-
hender Institutionen

a) Gründung einer Stiftung als zentrale An-
laufstelle für Opfer rechter Gewalt

Vor dem Untersuchungsausschuss hat die Sachverständi-

ge Prof. Barbara John die Empfehlung ausgesprochen,

– eine Stiftung einzurichten, die der gesellschaftlichen
Verankerung der Ereignisse und dem Gedenken die-

nen soll.
7326

Diese – zivilgesellschaftliche oder staat-
liche – Stiftung könne als zentrale Anlaufstelle für
Opfer rechter Gewalt und als Stelle zur Dokumenta-

tion, Koordination und Prävention eingerichtet wer-

den.
7327

In Betracht käme dabei auch eine Mitarbeit der Opfer der

NSU-Taten. Betont hat Sachverständige Prof. John auch,

dass die Stiftung frei und unabhängig sein müsse. Sie hat

vor dem Untersuchungsausschuss den Gedanken geäu-

ßert, die Stiftung an den Verfassungsschutz und an ein

Ministerium anzubinden, um an diesen Stellen eine Sen-

sibilisierung stattfinden zu lassen. Sollte eine solche An-

bindung stattfinden, müssten die im Kuratorium sitzenden

Personen vollkommen unabhängig sein. Bezüglich der

Finanzierung könne sie sich eine Unterstützung durch

öffentliche, aber auch durch zivilgesellschaftliche Mittel

vorstellen. Bis auf „schüchterne Signale“ der Bundesre-
gierung gebe es bislang keine Finanzierungszusage.

7328
Auch die Sachverständige Britta Schellenberg hat die

Gründung einer Stiftung als geeignetes Modell begrüßt,

um das Engagement und die Präventionsmaßnahmen
7324) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 16.

7325) Dr. Gusy, Protokoll-Nr. 10, S. 20; Dr. Wolff, Protokoll-Nr. 10,

S. 21.

7326) John, Protokoll-Nr. 72, S. 37.

7327) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.

7328) John, Protokoll-Nr. 72, S. 60.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 823 – Drucksache 17/14600

verlässlich fördern zu können. In wissenschaftlichen Gut-

achten gebe es hierzu bereits Finanzierungsmodelle.
7329

Der Sachverständige Bernd Wagner hat bei einer mögli-

chen Stiftungsgründung auf das Problem hingewiesen,

dass es im Vorfeld einer Klärung bedürfe, welche Aufga-

benstellung eine derartige Einrichtung erfüllen sollte. In

diesem Zusammenhang müsse geklärt werden, was unter

Extremismus zu verstehen sei, da dieser Begriff umstrit-

ten sei. Zudem müssten die verschiedenen Interessen des

Bundes und der Länder in dieser Einrichtung in Einklang

gebracht werden. Das Vorhaben müsse vorab breit disku-

tiert werden und es müsse auf politischer und wissen-

schaftlicher Ebene eine Konzeption hierfür erarbeitet

werden.
7330

b) Einrichtung einer unabhängigen Polizeibe-
schwerdestelle

Die Sachverständige Prof. John hat außerdem die Einrich-

tung

– einer unabhängigen Clearing- und Beschwerdestelle
für polizeiliches Fehlverhalten auf Landes- oder

Bundesebene

vorgeschlagen.
7331

Eine Beschwerdestelle innerhalb der

Polizei sei dabei jedoch keine zufriedenstellende Lösung.

Dies liege daran, dass der „Korpsgeist“ bei der Polizei zu
einer Abwehrhaltung nach außen führen könne, sodass die

Sachverständige Prof. John eine außenstehende Stelle für

sinnvoller halte.
7332

Für die Schaffung einer Clearingstelle setzt sich der

Sachverständige Günter Schicht seit Jahren ein. Er hat

ausgeführt, die Forderung, eine solche Beschwerdestelle

einzurichten, sei von der Europäischen Kommission dezi-

diert an Deutschland herangetragen worden. Opfer, die

kein rechtliches Gehör bei der Polizei gefunden haben,

hätten so die Möglichkeit, eine entsprechende Untersu-

chung einzuleiten und dort auch Maßnahmen einzufor-

dern.
7333

c) Gründung eines Instituts gegen Fremden-
feindlichkeit und Rassismus

Außerdem hat die Sachverständige Prof. John dazu aufge-

fordert

– die seit vielen Jahren bestehende Mitgliedschaft der
BRD im UN-Ausschuss „ICERD“ (International
Committee on the Elimination of Racial
7329) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 60.

7330) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 68.

7331) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38, 39.

7332) John, Protokoll-Nr. 6, S. 4

7333) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 60.

Discrimination
7334

) stärker zu nutzen und zu aktivie-

ren.

Um dies umzusetzen hat die Sachverständige Prof. John

– die Gründung eines Instituts gegen Fremdenfeind-
lichkeit und Rassismus

vorgeschlagen. In der Schweiz gebe es ein solches Institut

bereits. Das Kuratorium sollte aus gesellschaftlichen

Akteuren bestehen, die die Dokumentation und das

Monitoring solcher Vorgänge betreiben und als Stabsstel-

le auf Politik und Zivilgesellschaft einwirken könnten.

Eine solche Stelle hält die Sachverständige Prof. John für

geeignet, die Verpflichtungen aus Art. 4 ICERD
7335

zu

erfüllen.
7336

Die Einrichtung einer solchen Institution, die weit in die

Gesellschaft und die Politik hineinwirkt, wäre laut der

Sachverständigen Prof. John ein deutliches Signal. Dabei

dürfe man die Begrifflichkeit nicht scheuen und müsse

vor allem die Selbstwahrnehmung verstärken. Man müsse

hier zu einer weit sichtbaren Antwort kommen.
7337

Sach-

verständige Prof. John schlägt vor, diese Institution und

die von ihr vorgeschlagene Stiftung miteinander zu ver-

binden.
7338
7334) bzw. „Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder

Form von rassistischer Diskriminierung“ (Anti-Rassismus-
Konvention).

7335) Art. 4 ICERD besagt: „Die Vertragsstaaten verurteilen jede
Propaganda und alle Organisationen, die auf Ideen oder Theo-

rien hinsichtlich der Überlegenheit einer Rasse oder einer Per-
sonengruppe bestimmter Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit

beruhen oder die irgendeine Form von Rassenhass und Rassen-

diskriminierung zu rechtfertigen oder zu fördern suchen; sie
verpflichten sich, unmittelbare und positive Maßnahmen zu

treffen, um jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und alle

rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen; zu die-
sem Zweck übernehmen sie unter gebührender Berücksichti-

gung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
niedergelegten Grundsätze und der ausdrücklich in Artikel 5

des vorliegenden Übereinkommens genannten Rechte unter an-

derem folgende Verpflichtungen:
a) jede Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit

einer Rasse oder den Rassenhass gründen, jedes Aufreizen zur

Rassendiskriminierung und jede Gewalttätigkeit oder Aufrei-
zung dazu gegen eine Rasse oder eine Personengruppe anderer

Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit sowie jede Unterstützung

rassenkämpferischer Betätigung einschließlich ihrer Finanzie-
rung zu einer nach dem Gesetz strafbaren Handlung zu erklä-

ren,

b) alle Organisationen und alle organisierten oder sonstigen
Propagandatätigkeiten, welche die Rassendiskriminierung för-

dern und dazu aufreizen, als gesetzwidrig zu erklären und zu

verbieten und die Beteiligung an derartigen Organisationen
oder Tätigkeiten als eine nach dem Gesetz strafbare Handlung

anzuerkennen,

c) nicht zuzulassen, dass staatliche oder örtliche Behörden oder
öffentliche Einrichtungen die Rassendiskriminierung fördern

oder dazu aufreizen“, Quelle: www.institut-fuer-
menschenrechte.de.

7336) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39.

7337) John, Protokoll-Nr. 72, S. 63.

7338) John, Protokoll-Nr. 72, S. 62.
Drucksache 17/14600 – 824 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Erweiterung der Opferberatungsstellen

Außerdem hat die Sachverständige Prof. John den Vor-

schlag gemacht,

– die existierenden dezentralen Opferberatungsstellen
zu erweitern und ihnen Aufgaben als Präventions-

agenturen zu übertragen, um als Frühwarnsysteme zu

fungieren.
7339

e) Vergabe von Stipendien

Die Sachverständige Prof. John hat die Problematik auf-

gezeigt, dass die Kinder der Opfer des NSU durch die

Taten oft aus dem Studium herausgerissen worden seien

und einige Jahre pausierten. Mittlerweile hätten sie ein

weiteres Studium aufgenommen, erhielten jedoch auf-

grund der Dauer des Studiums oder der Änderung der

Studienrichtung kein BAföG. Deshalb hat die Sachver-

ständige Prof. John die

– Vergabe von Stipendien

für diejenigen Personen vorgeschlagen, die als mittelbare

Folge der Taten durch den NSU kein BAföG mehr erhal-

ten.
7340

8. Verbesserung der Behördenarbeit

Die Sachverständige Prof. John hat das Behördenversa-

gen im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie als Zu-

sammenspiel aus strukturellen, fachlichen und persönli-

chen Faktoren wahrgenommen. Zum einen sei die Einstel-

lung der Mitarbeiter ursächlich für die fachlichen Defizi-

te, wie Vorurteilslastigkeit, Mangel an Selbstkritik und

„Duckmäusertum“. Zudem sei auch die Diskussionskultur
innerhalb der Behörden ursächlich für das fachliche Ver-

sagen. Vor diesem Hintergrund hat die Sachverständige

Prof. John

– eine Untersuchung auch mit den Mitarbeitern der
Behörden vorgeschlagen, um die wirkenden Trieb-

kräfte und Umstände solcher Einstellungen und Hal-

tungen herauszufinden und Vorschläge für Änderun-

gen zu entwickeln.
7341

Die strukturellen Defizite entstünden aus mangelnder

Zusammenarbeit und enormen Zeitverzögerungen, die

Ausdruck eines Desinteresses seien.

– Solche Defizite ließen sich durch neue Normen, in-
terne Qualitätsstandards und Controlling abmil-

dern
7342

,

so die Sachverständige Prof. John. Die Behörden müssten

als Säulen des Staates eine Elite darstellen, bei denen die

Qualität, auch der Mitarbeiter, außerordentlich gut sein

müsse. Insgesamt müsse das Versagen der Behörden
7339) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39, 40.

7340) John, Protokoll-Nr. 6, S. 2 f., 7.

7341) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.

7342) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.

durch Normen, aber auch durch gründliche Analysen und

konsequente Aufsicht aufgearbeitet werden.

a) Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteu-
re

Laut der Sachverständigen Schellenberg müsse

– die behördliche Geschlossenheit aufgebrochen und es
müssten andere Akteure einbezogen werden.

7343
Problematisch sei, dass in Deutschland eine große Kluft

zwischen staatlichen Behörden, Bundes- und Lokalpolitik

sowie der Zivilgesellschaft bestehe. In anderen Ländern

ließen sich aus deren Zusammenarbeit hingegen positive

Resultate ableiten.
7344

Dem Rechtsextremismus müsse

vielschichtig durch verschiedene Zugänge in verschiede-

nen Bereichen entgegengewirkt und durch unterschiedli-

che Akteure begegnet werden.
7345

So sollten

– zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Akteure
stärker in die Analyse und in die Strategieentwick-

lung eingebunden werden.
7346

Diese Akteure würden Facetten erkennen, mit denen die

Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden Probleme hät-

ten.
7347

Als Beispiel für eine solche Gestaltung der Zu-

sammenarbeit hat die Sachverständige Schellenberg

– die Etablierung einer zentralen Koordinierungsstelle
für die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus

angeregt.
7348

Hier könnten bekannte, profilierte zivilgesellschaftliche

Institutionen, beispielsweise in einem Beirat, in Entschei-

dungsprozesse einbezogen werden. Die bisher bestehen-

den verschiedenen Zuständigkeiten könnten so gebündelt

werden.
7349

Auch das Demokratieverständnis in Deutschland sei dis-

kussionswürdig.
7350

Während die einen der Überzeugung

seien, dass mehr Partizipation, die Orientierung an Nor-

men wie Toleranz oder an den Menschenrechten sowie

die Etablierung einer Bürgergesellschaft essentiell für die

demokratische Gesellschaft seien, fürchten die anderen,

dass die Macht des Staates durch engagierte Bürger un-

tergraben werde.
7351

Hier zeige sich die grundsätzliche

Skepsis gegenüber bürgerschaftlichem Engagement. Es

bestünde die Gefahr, dass ein Engagement gegen Rechts-
7343) John, Protokoll-Nr. 72, S. 55 f.

7344) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7345) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7346) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52.

7347) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52.

7348) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52, 59.

7349) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 52, 59.

7350) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7351) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 825 – Drucksache 17/14600

extremismus als Angriff auf die Demokratie missinterpre-

tiert und von staatlichen Behörden geschwächt werde.

– An dieser Stelle müssten erhebliche Kommunikati-
onsprozesse geleistet werden,

so die Sachverständige Schellenberg.
7352

Der Sachverständige Wagner hat dem Untersuchungsaus-

schuss erläutert, dass es mehr schwerpunktorientierte

Programme, Initiativen und Systemaufstellungen in den

Territorien geben müsse, die in den rechtsradikalen Block

eingreifen und intervenieren könnten. Dies könne der

Staat jedoch nicht alleine leisten. Hierzu bedürfe es zivil-

gesellschaftlicher Aufstellungen.
7353

Zur Frage des Untersuchungsausschusses, ob eine Mitar-

beit der Antifa bei der Rechtsextremismusbekämpfung

denkbar sei, hat der Sachverständige Wagner ausgeführt,

dass er im Rahmen seiner Tätigkeit in unterschiedlichen

Zusammenhängen mit der Antifa zu tun gehabt hätte. Hier

müsse man jedoch differenzieren, da Teile der Antifa

durch militante Outings auffielen und brutal vorgingen.

Aufgrund mangelnder Professionalität dieser Gruppierun-

gen, müsse eine Zusammenarbeit mit diesen abgelehnt

werden. Jedoch seien die Teile der Antifa, die sich zivil

rechtsstaatlich verhalten, als Kooperationspartner will-

kommen.
7354

Auch der Sachverständige Jürgen Funk

schränkte ein, dass er mit einer Zusammenarbeit dann

kein Problem habe, soweit es sich um legale Aktionsfor-

men der Antifa handle. Jedenfalls dürfe die Antifa kein

Ersatz für die Exekutive sein.
7355

Die Sachverständige Schellenberg hat sich an dieser Stel-

le dafür eingesetzt, dass die Beratungskompetenz von

solchen Akteuren mit einbezogen werde und diese nicht

ausgeschlossen werden sollten.
7356

Der Sachverständige Wagner hat auch die Möglichkeit

– einer regionalen Lösung aufgezeigt.

So habe sich beispielsweise das Landratsamt im Land-

kreis Dahme-Spreewald als Akteur gegen Rechtsradika-

lismus sehr stark profiliert. Diese Initiative sei durch eine

enge Zusammenarbeit des Landrats und der Dezernenten

mit den kreislichen Organisationen der Zivilgesellschaft

entstanden.
7357

b) Transparenz

Der Sachverständige Wagner hat noch einmal betont, dass

– Transparenz und eine Verpflichtung zu dieser in
Führungssegmenten sehr wichtig seien.
7352) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7353) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 72.

7354) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 65.

7355) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 66; Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 65.

7356) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 66.

7357) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 53.

Es könne nicht schaden, wenn hohe Polizeiführer oder

Ämter der Öffentlichkeit über ihr Tun Auskunft geben

müssten.
7358

9. Normensetzung

Die Sachverständige Prof. John hat außerdem vorge-

schlagen, die sog.

– „Hasskriminalität“ („Hate Crime“) als Offizialdelikt
in das StGB einzuführen.

Eine solche Norm gebe es bereits in der Schweiz und

habe dort stark präventiv gewirkt.
7359

Die Sachverständige Schellenberg hat sich dafür ausge-

sprochen, dass es nach abgeschlossener Analyse des

Rechtsextremismus notwendig sei

– Normen zu setzen.7360

Dies sei ein Ergebnis europäischer Vergleichsstudien.

Beispielsweise gebe es in Frankreich oder Schweden die

Normen „Antidiskriminierung“, „Antirassismusarbeit“
oder das „Hate-Crime-Konzept“. In Deutschland gebe es
hingegen traditionell den Bezug auf das Grundgesetz und

auf die Werte der Demokratie. Zudem gebe es hier eine

Fixierung auf Täter oder Taten, während die Opferper-

spektive und der Diskriminierungsschutz nicht hinrei-

chend berücksichtigt seien. Dies müsse durch Normenset-

zung geändert werden.
7361

Die Sachverständige Schellenberg hat vorgeschlagen, alte

Konzepte auf den Prüfstand zu stellen und

– ein zeitgemäßes, integratives Konzept zu entwi-
ckeln.

7362
Neben der internationalen Forschung und Praxis sollten

hierbei die Rechtsextremismusbekämpfung, die Antidis-

kriminierung und eine Demokratieförderung Berücksich-

tigung finden. Tatsächlich setze demokratisches, koopera-

tives und strategisches Handeln die Klärung von Zielen

und die Verständigung auf Normen voraus. Die Arbeit

könne nur dann Früchte tragen, wenn Führungspersonen

auf die parlamentarische Demokratie und die Menschen-

rechte fußende Normen verträten, klare Normenansagen

machten sowie gezielt Maßnahmen für Mitarbeiter bereit-

stellten. Dies sei Voraussetzung dafür, dass Probleme

überhaupt erkannt würden, mit Opfern angemessen um-

gegangen werde und Engagement gegen die radikalen

Rechten nicht kriminalisiert werde.
7363
7358) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 56.

7359) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39.

7360) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7361) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7362) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

7363) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 41.

Drucksache 17/14600 – 826 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

10. Polizeiarbeit

a) Neudefinition von Straftaten

Die Sachverständige Prof. John hat außerdem angeregt,

– eine Neudefinition von fremdenfeindlichen Straftaten
vorzunehmen.

Diese Neudefinition solle Ermittlungen gegen Rechtsex-

tremismus als Standardaufgabe bei Gewalt gegen Ein-

wanderer etablieren.
7364

Die Polizei erkenne fremden-

feindliche Straftaten bisher nur, wenn entsprechende

Symbole aufgetaucht seien, wie Hakenkreuze, Bekenner-

schreiben etc. Deshalb müsse das Prüfen auf einen rechts-

extremistischen Bezug als Standardermittlung bei Gewalt

gegen Einwanderer eingeführt werden.
7365

b) Polizeiausbildung

Der Sachverständige Schicht hat sich vor dem Untersu-

chungsausschuss vor allem mit der Frage nach einer ver-

besserten Polizeiausbildung bzw. deren aktuellem Niveau

befasst.

Zunächst hat er festgehalten, dass die Polizeiausbildung in

den letzten Jahren an Qualität gewonnen habe, jedenfalls

was den höheren Dienst angehe. Beim mittleren Dienst

sei er skeptischer. Bei letzterem existierten vor allem

verschulte Strukturen. Einflüsse des alten „Kasernenhof-
stils“ der 70er- und 80er-Jahre seien immer noch spürbar -
die Verhaltensweisen mancher Ausbilder hielten sich

hartnäckig. So gebe es auch einen latenten Rassismus

unter Lehrenden. Hierfür gebe es zu wenig systematische

Forschung, um beantworten zu können, ob es sich dabei

um Einzelfälle handle oder um ein strukturelles Prob-

lem.
7366

Seine Schlussfolgerung daraus lautet,

– dass die Ausbildung intensiver evaluiert werden
müsse.

Anschließend müsse eine systematische Aufarbeitung

stattfinden und es müssten entsprechende Schlussfolge-

rungen durch die Ausbildungseinrichtungen gezogen

werden.
7367

Der Sachverständige Schicht hat für den mittleren Dienst

der Polizeiausbildung auch eine

– engere Verzahnung der Landespolizeischulen mit den
Hochschulen

vorgeschlagen. Man könne an der sozialwissenschaftli-

chen Kompetenz der Hochschulen in stärkerem Maße

partizipieren.
7368
7364) John, Protokoll-Nr. 72, S. 39.

7365) John, Protokoll-Nr. 72, S. 49.

7366) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 44.

7367) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.

7368) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.

Als problematisch empfindet der Sachverständige Schicht

auch die Divergenz zwischen Ausbildung und Praxis. Die

Absolventen stießen bei ihrem Berufseinstieg auf einge-

fahrene Vorgehens- und Verhaltensweisen und dienststel-

lenbezogene Kulturen. Die Rolle der Dienststellenkultur

als Subkultur im Gegensatz zur offiziellen Polizeikultur

müsse thematisiert werden. Bei dieser Subkultur seien

Routine und (gruppenbezogene) Vorurteile, denen die

kriminalistische bzw. polizeiliche Arbeit gegenüberstehe,

deutlich spürbar.

Schlussfolgerungen seien hieraus besonders für die Fort-

bildung zu ziehen. Es gebe zwar gute Fortbildungsange-

bote, diese kämen aber bei der breiten Masse nicht an.

Insbesondere sei die erste Hierarchieebene eine wichtige

Zielgruppe, da die Vorgesetzten auf die operativ tätigen

Polizeibeamten einen maßgeblichen Einfluss ausübten.
7369

Die Polizeibeamten müssten durch diese in stärkerem

Maße befähigt werden, ihre Arbeit zu reflektieren und

über ihre eigenen Einstellungen nachzudenken.
7370

Der Sachverständige Funk hat ausgeführt, dass Maßnah-

men zur Sensibilisierung gegenüber Opfern von Gewaltta-

ten mit Migrationshintergrund in der Polizeiausbildung

notwendig seien.
7371

In den vergangenen 20 Jahren seien

bereits neben Recht, polizeilicher Vorgangsbearbeitung

und kriminalistischen Grundkenntnissen in verstärktem

Maße auch politische Bildung, Psychologie und Verhal-

tenstraining, berufsethische Komponenten und praktische

Elemente in die Ausbildung implantiert worden.
7372

Die

Grundlagen für eine Werteorientierung und eine Reflekti-

on des polizeilichen Verhaltens seien daher bereits gelegt.

Ein fächerübergreifender Ansatz bei der Ausbildung sei

zudem wichtig, um Sachverhalte immer auch aus mehre-

ren Blickrichtungen betrachten zu können.
7373

Vor dem Hintergrund, dass die Grundrichtung der polizei-

lichen Ausbildung – auch des mittleren Dienstes – seiner
Ansicht nach die richtige sei, hat der Sachverständige

Funk vorgeschlagen,

– eine Analyse durchzuführen, ob Quantität und Quali-
tät der Sensibilisierung tatsächlich ausreichend seien.

Diese Analyse solle mit einem Forschungsprojekt ver-

bunden werden, um allgemeingültige Erkenntnisse ge-

winnen zu können.

Der Sachverständige Funk hat zudem bemängelt, dass bei

der Schaffung einer Werteorientierung der angehenden

Polizeibeamten während der Ausbildung, insbesondere

vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung,

viele Sozialisationselemente, wie Familie und Schule,

nicht mehr die gleiche Wirkung entfalteten wie früher.

Man stoße hierbei verstärkt an Grenzen. Nicht immer

gelinge eine Nachschulung der sozialen Fertigkeiten der
7369) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.

7370) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 46.

7371) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 46.

7372) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 46.

7373) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 51.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 827 – Drucksache 17/14600

Auszubildenden, sodass man bei Beginn der Ausbildung

immer damit rechnen müsse, sich von einigen Polizeian-

wärtern wieder trennen zu müssen.
7374

c) Migranten im Polizeidienst

Eine mögliche Quotierung von Migranten innerhalb des

Polizeidienstes haben die Sachverständigen Schicht und

Prof. John abgelehnt, da diese Beamten in der Folge als

„Quotentürken“ degradiert werden könnten.7375 Es gebe
jedoch bereits Polizeibehörden, die gezielt versuchten,

einen höheren Anteil an Migranten im Polizeidienst zu

beschäftigen. Man müsse

– Menschen mit Migrationshintergrund gezielter wer-
ben und auf das Einstellungsverfahren vorbereiten.

Denn das Einstellungsverfahren sei letztlich die Hürde, an

der viele scheiterten.
7376

Die Sachverständige Prof. John

hat festgestellt, dass nicht nur das Einstellungsverfahren,

sondern auch die Dienststellenkultur problematisch sei.

Viele Migranten hätten die Polizei wieder verlassen, weil

dort Mobbing stattgefunden habe. In diesem, aber auch in

anderen Zusammenhängen, seien das Reflektieren, das

Widersprechen und die Diskussionskultur der Behörden

verbesserungswürdig.
7377

Auch die Sachverständige Schellenberg hat dargelegt, aus

wissenschaftlichen Untersuchungen gehe hervor, dass die

Zusammensetzung beim Personal eine wichtige Rolle

spiele. In Großbritannien habe es gezielte Kampagnen

gegeben, um verschiedene Menschen, nicht nur Migran-

ten, aus der Gesellschaft anzuwerben.
7378

Die deutsche

Polizei sollte daher als Spiegelbild der Gesellschaft ge-

zielter versuchen, ihre Mitarbeiter aus allen Schichten zu

rekrutieren.
7379

d) Persönliche Einstellungen Polizeibeamter
und Optimierung von Arbeitsweisen

Als problematisch empfindet der Sachverständige Schicht

die Einstellung mancher Mitarbeiter innerhalb der Poli-

zeibehörden. Wenn man bestimmte berufliche Erfahrun-

gen gemacht habe und aus kriminalistischer Sicht bezüg-

lich einer bestimmten Verdachtsrichtung überzeugt sei,

sei man gleichzeitig weniger bereit, andere Verdachtsrich-

tungen zu beobachten. Es sei eine Frage der Professionali-

tät, auch Unwahrscheinlichkeiten bei der Ermittlung ins

Auge zu fassen. Dies müsse in die kriminalistische und

polizeiliche Arbeit einfließen, ohne damit aber langjähri-

ge Erfahrungen der Beamten auszublenden.
7380
7374) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 61.

7375) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 54.

7376) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 55; John, Protokoll-Nr. 72, S. 55.

7377) John, Protokoll-Nr. 72, S. 55.

7378) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 56.

7379) John, Protokoll-Nr. 6, S. 21 f.

7380) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 63.

Einstellungen und Haltungen seien sehr schwer zu beein-

flussen. Deshalb müssten insbesondere die Menschen

angesprochen werden, die den größten Einfluss auf opera-

tiv tätige Polizeibeamte hätten, nämlich die unmittelbar

Vorgesetzten der ersten Hierarchieebene.
7381

Hier müsse

ein Bewusstsein geschaffen werden, damit an den Einstel-

lungen und Haltungen gearbeitet werden könne. Der

Sachverständige Schicht schlägt

– Fortbildungsprogramme für die erste Hierarchieebene
vor, bei denen es um Reflexionsvermögen geht.

7382
Der Sachverständige Funk hat erklärt, dass Menschen, die

mit hoher Komplexität und Informationsmängeln kon-

frontiert seien, dazu neigten, Dinge auszuschließen, die

sie möglicherweise nicht sehen wollen oder die aus ihrer

Sicht nicht die Hauptermittlungsrichtung darstellten. Hier

müsse man gegebenenfalls

– entsprechend nachschulen.7383

e) Profiling

Nach Kenntnis des Sachverständigen Schicht gibt es zwei

Profiling-Ansätze. Das FBI favorisiere das Profiling,

welches viele Experten und unterschiedliche Sichtweisen

einbeziehe. Das BKA hingegen favorisiere den datenba-

sierten Profiling-Ansatz. Mit letzterem würden Ansätze

abgeschnitten, die bisher noch nicht vorgekommen und

somit in den Datenbanken nicht enthalten seien. Dieser

Ansatz spiegele die Denk- und Vorgehensweisen von

Polizisten wider: Das, was bisher noch nicht vorgekom-

men sei, das Unwahrscheinliche, werde ausgeblendet.

Deshalb

– müsse eine Professionalisierung dahingehend vorge-
nommen werden, dass eine umfassende

Hypothesenbildung vorgenommen wird.
7384

11. Sonstige Verbesserungsvorschläge

a) Analytik

Der Sachverständige Wagner hat sich vor dem Untersu-

chungsausschuss dafür ausgesprochen, dass es

– eine deutliche Verbesserung der Analytik des rechts-
radikalen Gesamtfeldes geben müsse.

7385
In der Zeit der DDR habe es schon schwere analytische

Fehler gegeben. So sei der Rechtsradikalismus nicht

ernstgenommen, die NPD als Auslaufmodell und die

Täter als verirrte Jugendliche dargestellt worden. Die

Analytik sei insgesamt dürftig gewesen.
7381) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 70.

7382) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 71.

7383) Funk, Protokoll-Nr. 72, S. 63.

7384) Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 63.

7385) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.

Drucksache 17/14600 – 828 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die politische Analytik müsse deutlicher von den Organi-

sationen der Nachrichtendienste abgekoppelt werden. So

könnten nachrichtendienstliche Erkenntnisse zwar heran-

gezogen werden, jedoch sollte parallel eine Einbindung

von Analysen anderer Organisationen stattfinden. So

müssten vor allem die regionale Analytik und Kommu-

nalanalysen, die von Wissenschaftlern für verschiedene

Regionen in den neuen Bundesländern erstellt wurden,

deutlicher zum Vorschein kommen. Es gebe entsprechen-

de Bemühungen bei verschiedenen Trägern der Zivilge-

sellschaft, jedoch könne bei diesen die Entwicklungskraft

nicht voll ausgeschöpft werden, obwohl die Methodik

relativ gut entwickelt sei.
7386

Nachrichtendienste, so Wagner, sollten sich einer operati-

ven Analytik und des operativen Einsatzes befleißigen,

um vor allen Dingen Straftaten aufzudecken und zu deren

juristischer Sanktion beizutragen.
7387

Sowohl der krimi-

nalpolizeiliche Staatsschutz als auch der Verfassungs-

schutz müssten ihre Analyseinstrumente deutlich verbes-

sern. Doch auch wenn neue Analyseinstrumente einge-

führt worden seien, liege die Problematik schon in der

Analytik der Kriminologie. Deshalb müsse das Wirksys-

tem des Rechtsradikalismus in seinen operativen Implika-

tionen besser erkannt werden. Hierzu bedürfe es einer

Weiterentwicklung kriminologischer Erkenntnisse, um

unterschiedliche Radikalisierungsstufen der Gruppen und

deren Vernetzungen zu erkennen.
7388

Hierzu kämen meh-

rere Modelle einer Verzahnung der Analytik der Sicher-

heitsbehörden, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft

in Betracht.
7389

Es bestünde

– im Bereich Forschungsgemeinschaft Potenzial, die
angewandte Rechtsradikalismusforschung anzubah-

nen.

Die Sachverständige Schellenberg hat ausgeführt, dass es

zu einer wirksamen Strategieentwicklung gegen Rechts-

extremismus zunächst einmal einer

– genauen Analyse des gegenwärtigen Rechtsextre-
mismus und seiner Bedeutung für die Demokratie

bedürfe.

In ganz Europa seien rechtsextreme Einstellungen weit

verbreitet, was vor allem dem Modernisierungs- und

Globalisierungsprozess zuzuschreiben sei, wodurch Ex-

klusionskriterien nach ethnischen, kulturellen und religiö-

sen Gesichtspunkten zugespitzt würden. Jedoch sei in

Deutschland – vor allem in strukturschwachen Gegenden
und häufig in Ostdeutschland – im europäischen Ver-
gleich das Phänomen Rechtsextremismus, die rechtsge-

richteten Gewalttaten, die Existenz von rechtsradikalen

Angstzonen und die Zahl der Übergriffe, die mit dem Tod

der Opfer endeten, für einen demokratischen Rechtsstaat

ungewöhnlich hoch.
7390
7386) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.

7387) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 43.

7388) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 70.

7389) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 53.

7390) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 40.

b) Prävention

Bezüglich der Prävention hat die Sachverständige Schel-

lenberg betont, dass es wichtig sei, bereits im Kindergar-

tenalter eine frühe Förderung zu etablieren. Es müsse früh

angefangen werden, soziale und kognitive Kompetenzen

zu fördern. Hierbei käme den Bildungseinrichtungen die

Aufgabe zu, Empathiefähigkeit und Konfliktlösung zu

fördern – etwa über Antiaggressionstraining, Menschen-
rechtspädagogik, Pädagogik der Anerkennung, Diversity-

Trainings und Konfliktlösungsmodelle.
7391

Der Blick auf die bisherigen Strategien zeigt nach Ansicht

der Sachverständigen Schellenberg, dass es viele Einzel-

maßnahmen zur Prävention von Rechtsextremismus gebe,

aber kein schlüssiges Gesamtkonzept. Bislang gebe es

eine Kurzlebigkeit der Projektförderung, die bestehenden

Projekte zeichneten sich durch Beliebigkeit und Zufällig-

keit im Einsatz aus. Aufgrund der Reaktivität der Projekt-

förderung gebe es durch die daraus erwachsende Unsi-

cherheit der Mitarbeiter eine Konzeptlosigkeit, die dem

Ansinnen von Nachhaltigkeit und Effektivität entgegen

stehe.

– Langfristige Bildungsstrategien sollten daher ein
zentraler Kern von Präventionsmaßnahmen sein.

7392
c) Archivierung der Dokumente

Aufgeworfen wurde von der Sachverständigen Prof. John

auch die Frage, was mit den Dokumenten geschieht, die

der Untersuchungsausschuss erhalten hat. Sie schlägt

diesbezüglich

– eine Archivierung der Dokumente vor.7393

d) Fachtagungen und Beratungsgremien

Der Sachverständige Wagner hat betont, dass

– Fachtagungen und Beratungsgremien

eine wichtige Rolle spielten, bei denen auch die For-

schung integriert werden könnte. Hier gebe es unter-

schiedliche Möglichkeiten, die dort angesiedelten Er-

kenntnisse und Kapazitäten regional zu bündeln.
7394
7391) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 72.

7392) Schellenberg, Protokoll-Nr. 72, S. 42.

7393) John, Protokoll-Nr. 72, S. 38.

7394) Wagner, Protokoll-Nr. 72, S. 53.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 829 – Drucksache 17/14600

Dritter Teil:
Gemeinsame Bewertungen

Mindestens zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und

mehr als ein Dutzend brutaler Überfälle: Diese in den

Jahren 1998 bis 2011 begangenen Straftaten werden der

Terrorzelle, die sich selbst als „Nationalsozialistischer
Untergrund“ (NSU) bezeichnet hat, zur Last gelegt. Sie
stellen eine der schwersten Verbrechensserien in der Ge-

schichte der Bundesrepublik Deutschland dar.

Dass diese Taten weder verhindert noch die Täter ermit-

telt werden konnten, obwohl aufgrund der bei neun der

zehn Morde verwendeten Waffe des Typs Česká schon
nach dem zweiten Mord erkannt wurde, dass es sich um

eine Serie handelt, ist eine beschämende Niederlage der

deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden.

Die Opfer und ihre Angehörigen haben unfassbares Leid

erfahren:

Enver Şimşek wird am 9. September 2000 in Nürnberg an
seinem Blumenverkaufsstand von acht Schüssen aus zwei

Pistolen getroffen. Die Täter schießen auch dann noch

weiter, als er bereits zusammengebrochen in seinem

Kleintransporter liegt. Zwei Tage später stirbt er im

Krankhaus. Abdurrahim Özüdoğru wird am 13. Juni 2001
in Nürnberg in seiner Änderungsschneiderei mit zwei

Kopfschüssen getötet. Die Täter schießen auch noch dann

auf ihn, als er zu Boden gesunken ist. Süleyman Taşköprü
wird am 27. Juni 2001 in Hamburg im Lebensmittelge-

schäft seiner Familie mit drei Schüssen getötet. Habil

Kılıç wird am 29. August 2001 in München in seinem
Lebensmittelgeschäft mit zwei Kopfschüssen ermordet.

Mehmet Turgut wird am 25. Februar 2004 in Rostock in

einem Imbiss von drei Kopfschüssen getroffen. Er stirbt

noch im Rettungswagen. İsmail Yaşar wird am 9. Juni
2005 in Nürnberg in seinem Imbiss mit fünf Schüssen

getötet. Die Täter schießen auch dann noch weiter, als

dieser bereits getroffen zu Boden stürzt und dort liegen

bleibt. Theodoros Boulgarides wird am 15. Juni 2005 in

München im Ladenlokal seines Schlüsseldienstes mit drei

Kopfschüssen ermordet. Mehmet Kubaşık wird am
4. April 2006 in seinem Kiosk in Dortmund getötet. Zwei

Kopfschüsse lassen jede Hilfe zu spät kommen. Halit

Yozgat wird am 6. April 2006 in Kassel in seinem Inter-

netcafé mit zwei Kopfschüssen ermordet. Er verblutet in

den Armen seines Vaters. Alle neun Opfer werden mit

derselben Waffe erschossen, einer Česká 83 mit verlän-
gertem Lauf. Die Polizistin Michèle Kiesewetter wird am

25. April 2007 in Heilbronn mit einem Kopfschuss in

ihrem Dienstwagen ermordet, ihr Kollege wird lebensge-

fährlich verletzt.

Bei den mindestens 15 brutalen Überfällen, die zwischen

1998 und 2011 in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern

und Thüringen zumeist auf Geldinstitute begangen wer-

den, kommen Angestellte und Kunden zu Schaden, indem

sie mit dem Tode bedroht, geschlagen und in einem Fall

in Zwickau im Jahre 2006 mit einem Bauchschuss le-

bensgefährlich verletzt werden.

Zwei heimtückische Sprengstoffattentate haben Menschen

in Köln getroffen: Beim Sprengfallenanschlag auf ein

Lebensmittelgeschäft iranischer Zuwanderer am 19. Janu-

ar 2001 in der Probsteigasse kommt die damals 19-jährige

Tochter des Ladeninhabers schwer verletzt knapp mit

dem Leben davon. Am 9. Juni 2004 jagt eine Nagelbombe

des NSU mehr als 700 zehn Zentimeter lange Zimmer-

mannsnägel durch die Kölner Keupstraße, die von einer

Vielzahl türkischer und kurdischer Geschäfte geprägt ist.

Dabei werden 22 Menschen verletzt, drei davon lebens-

bedrohlich.

Dies alles ist nur ein Ausschnitt des Leids, das die Toten

und Verletzten, ihre Angehörigen und alle anderen Opfer

getroffen hat – die meisten von ihnen, weil sie türkische,
kurdische, griechische oder iranische Wurzeln hatten und

dadurch in den Fokus einer neonazistischen Terrorgruppe

gerieten.

Die Taten gehen uns alle an

Die neun Opfer der Česká-Mordserie wurden kaltblütig
und aus rassistischer Motivation heraus auf menschenver-

achtende Weise hingerichtet. Die Täter sprachen ihnen

ebenso wie den Opfern der Sprengstoffanschläge auf-

grund ihrer Herkunft das Lebensrecht ab. Neun Männer

wurden stellvertretend für alle Menschen ermordet, die

aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Namens oder ihrer Mut-

tersprache tatsächlich oder vermeintlich nicht-deutscher

Herkunft sind.

Diese Hintergründe der Mordserie brachte erst die Ver-

breitung des NSU-Videos im November 2011 ans Licht,

in dem sich der „Nationalsozialistische Untergrund“ auf
zynische Art und Weise der begangenen Verbrechen

rühmt und die Opfer der Straftaten verhöhnt und verächt-

lich macht. Durch das menschenverachtende NSU-Video

erfuhren die Angehörigen, dass ihre Verwandten sterben

mussten, weil unter dem Motto „Taten statt Worte“ rassis-
tische Verbrecher ihre Ideologie mit Mord und Gewalt

durchsetzen wollten.

Der NSU hat seine Verbrechen gerade auch dort ausge-

führt, wo ihm die deutsche Wirklichkeit am fremdesten

war. Dort, wo das friedliche Miteinander Hunderttausen-

der unterschiedlichster Herkunft einer rechtsextremen

Ideologie am meisten widerspricht: in Großstädten der

Vielfalt.

Genauso macht das NSU-Video deutlich: die Täter woll-

ten mit Morden und Bombenanschlägen den demokrati-

schen Rechtsstaat und das friedliche, vielfältige Mitei-

nander in unserer Gesellschaft angreifen. Der NSU kannte

keine Bedenken, seine Waffen gegen jedermann zu rich-

ten. Die ermordete Polizistin und ihr schwer verletzter

Kollege standen im Dienst des demokratischen Rechts-

Drucksache 17/14600 – 830 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

staats. Auch der Schuss bei einem Überfall in Zwickau

2006 auf einen Sparkassenangestellten zeigt die rück-

sichtslose Verachtung der Täter für menschliches Leben

schlechthin. Der NSU verfolgte das Ziel, mit Mord und

Gewalt aus Deutschland ein unfreies, abgeschottetes Land

des Rassenwahns zu machen. Nach der Ideologie der

Täter sollte niemand in Deutschland so leben dürfen, wie

fast alle in Deutschland leben wollen: in einer freien,

offenen, vielfältigen, friedlichen, solidarischen Gesell-

schaft.

Die Česká-Mordserie und der Sprengstoffanschlag in der
Kölner Keupstraße waren uns allen aus den Medien be-

kannt, dennoch spielte ein rassistischer oder rechtsterro-

ristischer Hintergrund der Taten in der Öffentlichkeit

kaum eine Rolle. Interesse und Unterstützung für die

Angehörigen blieben weitgehend aus. Wir alle müssen

daher kritisch hinterfragen, was wir damals über die Hin-

tergründe der Česká-Mordserie und des Nagelbombenat-
tentats dachten, wie wir sie einordneten und durch welche

Informationen oder Vorurteile wir uns dabei leiten ließen.

Doppelte Traumatisierung

Im November 2011 wurde das gesamte Ausmaß eines bis

dahin nicht vorstellbaren Versagens deutlich: Wie konnte

es passieren, dass eine rechtsextremistische Terrorgruppe

mitten in Deutschland lebte, ohne von den Behörden

gestellt zu werden? Wie konnte es passieren, dass gewis-

senlose Täter mordeten, ohne von den Sicherheitsbehör-

den gestoppt zu werden?

Über ein Jahrzehnt wurde diese Verbrechensserie trotz

umfangreicher und engagierter Ermittlungsarbeit nicht

aufgeklärt. Jahrelang lebten viele Menschen aus Zuwan-

derer-Familien mit der Angst, das nächste Opfer der

Česká-Mordserie zu werden. Jahrelang wurde das Motiv
für die Taten im Opferumfeld gesucht, wurden die Morde

im Kontext von Ausländerkriminalität, Rotlichtmilieu,

Mafia und Rauschgifthandel eingeordnet – nur ein mögli-
cher rassistischer Hintergrund als Motiv wurde zu lange

nicht in Erwägung gezogen und nie mit dem nötigen

Nachdruck verfolgt.

Die Angehörigen der Opfer der Mordserie verloren ihren

Ehemann, ihren Vater, ihren Sohn, ihren Bruder, ihr En-

kelkind. Sie mussten nicht nur den Tod eines geliebten

Familienmitglieds verarbeiten, sie verloren darüber hinaus

teilweise ihre Existenzgrundlage, ihr Zuhause, ihre Le-

bensplanung und Zukunftshoffnungen. Sie lebten jahre-

lang in der Ungewissheit, nicht zu wissen, wer für die

Morde verantwortlich ist. Das Schlimmste jedoch: Sie

konnten nicht wirklich trauern, standen vielmehr zum Teil

jahrelang selbst im Fokus von Ermittlungen und wurden

zu Unrecht verdächtigt.

Mit den Ermittlungen in Richtung Ausländerkriminalität,

Rotlichtmilieu, Mafia und Rauschgifthandel verbanden

sich für die Opferfamilien Verdächtigungen, soziale Isola-

tion, gesundheitliche, familiäre, berufliche und materielle

Probleme: Gerüchte und Mutmaßungen machten die Run-

de, Freunde und Familienangehörige wandten sich ab,

Nachbarn wechselten die Straßenseite. Indem man sie

verdächtigte, die Taten selbst in irgendeiner Weise mit

verursacht zu haben, wurden die Familien nachgerade aus

dem „Kreis der Anständigen“ ausgeschlossen.

Manche Familien vereinsamten, traumatisierte Kinder und

junge Erwachsene brachen ihre schulische oder universi-

täre Ausbildung ab, Ehefrauen erkrankten – unter der Last
des Verlustes, aber auch unter dem Stigma vermeintlicher

krimineller Kontakte. In all diesen Jahren zogen die Neo-

nazis weiter unbehelligt mordend durch Deutschland.

„Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewis-
sens Opfer sein. Immer lag da die Last über unse-

rem Leben, dass vielleicht doch irgendwer aus

meiner Familie, aus unserer Familie verantwortlich

sein könnte für den Tod meines Vaters. Und auch

den anderen Verdacht gab es noch: mein Vater ein

Krimineller, ein Drogenhändler.“

Mit diesen eindrücklichen Worten spricht Semiya Şimşek,
die Tochter des ersten Mordopfers, bei der offiziellen

Gedenkveranstaltung für die Opfer der NSU-Mordserie in

Berlin am 23. Februar 2012 nicht nur vom Leid ihrer

Familie.

„Können Sie erahnen, wie es sich für meine Mutter
angefühlt hat, plötzlich selbst ins Visier der Er-

mittlungen genommen zu werden? Und können

Sie erahnen, wie es sich für mich als Kind ange-

fühlt hat, sowohl meinen toten Vater als auch mei-

ne ohnehin schon betroffene Mutter unter Ver-

dacht zu sehen?“,

fragt sie, auch stellvertretend für die Familien der anderen

Opfer.

Denn was Semiya Şimşek und ihrer Familie widerfahren
ist, mussten auch die Angehörigen von Abdurrahim

Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet
Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet
Kubaşık und Halit Yozgat in ähnlicher Weise erleben.
Nach den Morden entstand ein für die Familien schreckli-

cher Eindruck: Die einzigen, die von den Ermittlungsbe-

hörden verdächtigt werden, sind die Opferfamilien selbst.

„Wir fühlten uns wie Verbrecher“,

sagt Gamze Kubaşık, die Tochter des achten Opfers,
Mehmet Kubaşık.

„Diese Ermittlungen haben viele Leben vergiftet,
nicht nur das unserer Familie“,

sagt Semiya Şimşek.

Die Familien fingen irgendwann selbst an, daran zu glau-

ben, dass es jemanden in ihrem Umfeld geben müsse, der

etwas mit dem Mord zu tun habe, so Professorin Barbara

John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und

Opferangehörigen, vor dem Untersuchungsausschuss.

Für die bittere Notwendigkeit, nach den Morden zunächst

auch im familiären Umfeld der Opfer nach dem Täter zu

suchen, bringen die Angehörigen in der Rückschau sogar

selbst Verständnis auf:

„Im Laufe der Jahre haben wir uns mit dem Ge-
danken beruhigt, dass die Polizei nur ihre Arbeit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 831 – Drucksache 17/14600

macht, dass das alles schon irgendwie seine Rich-

tigkeit haben wird“,

sagt Semiya Şimşek. Was fehlte, war der Eindruck, dass
die Hinweise aus dem Kreis der Angehörigen auf einen

möglichen rassistischen Hintergrund der Taten von den

Ermittlern wirklich ernst genommen werden. Was eben-

falls fehlte, war der Eindruck,

„dass irgendwer versuchte, bei alldem wenigstens
rücksichtsvoll zu sein.“

Statt Mitgefühl mussten die Angehörigen zum Teil jahre-

langes Misstrauen erleben. Sie alle teilen dasselbe Schick-

sal. Sie alle sind in doppelter Weise traumatisiert. Trau-

matisiert durch die Tat an sich, traumatisiert aber auch

durch die darauf folgenden Verdächtigungen und Fehler

bei den Ermittlungen.

„Döner-Morde“ – zu Recht Unwort des Jahres 2011

Unter der Überschrift „Döner-Mord – Nun wird bei Ban-
ken gefahndet“ veröffentlichte die Nürnberger Zeitung
am 31. August 2005 einen Artikel zum Stand der Ermitt-

lungsarbeit der Staatsanwaltschaft Nürnberg. Damit war

ein Schlagwort für die „Česká“-Mordserie geprägt.

In der Folgezeit wird das Schlagwort von der Frankfurter

Allgemeinen Zeitung bis zur Neuen Züricher Zeitung über

Jahre hinweg immer wieder aufgegriffen.

Unter diesem

zynischen und bagatellisierenden Begriff wurde über die

die begangenen Mordtaten an Menschen, von denen über-

haupt nur zwei in einem Dönerimbiss arbeiteten, fortan

berichtet.

„Der Ausdruck war herabwürdigend und beleidi-
gend gegenüber den Opfern, die so unterschiedli-

che Biographien hatten“,

sagt Semiya Şimşek. Unglaublich wütend sei sie gewesen,
als sie erstmals 2006 in einer Zeitung auf den Begriff

stieß, neben einem Foto ihres Vaters, des Blumengroß-

händlers.

Der Begriff wurde 2011 völlig zu Recht zum „Unwort des
Jahres“ gewählt. „Mit der sachlich unangemessenen,
folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechtsterro-

ristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen

ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße dis-

kriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein

Imbissgericht reduziert werden“, heißt es in der damali-
gen Begründung der Jury.

Der Untersuchungsausschuss –
eine richtige Entscheidung als Instrument der Aufklä-

rung

Nach Bekanntwerden der Verantwortung der Terrorgrup-

pe für die Česká-Mordserie und weiterer brutaler Strafta-
ten war sich die Politik einig in der Forderung nach lü-

ckenloser, gründlicher und vollständiger Aufklärung des

staatlichen Versagens. Allein über den Weg dorthin be-

standen anfangs unterschiedliche Auffassungen. Zunächst

waren nicht alle Abgeordneten im Bundestag der Über-

zeugung, dass die Einsetzung eines Untersuchungsaus-

schusses des Deutschen Bundestages der richtige Weg sei.

Schon am 26. Januar 2012 aber wurde der Untersu-

chungsausschuss als erster in der Geschichte des Bundes-

tages aufgrund eines gemeinsam formulierten Antrags

aller Fraktionen einstimmig eingesetzt.

Die Einigkeit der Fraktionen nicht nur bei der Einsetzung,

sondern auch der breite Konsens, mit dem der Ausschuss

seinem Auftrag nachgegangen ist, hat bei allen Fraktionen

die Überzeugung gefestigt, dass die Entscheidung für den

Untersuchungsausschuss richtig war. Der Ausschuss

begann seine Arbeit in dem von allen geteilten Verständ-

nis, dass es nicht die Aufgabe sei, untereinander um klein-

liche parteipolitische Vorteile zu streiten, sondern ge-

meinsam für Aufklärung und damit auch für die Demo-

kratie zu streiten. Dieser Leitgedanke hat sich durch den

gesamten Zeitraum der Untersuchung erhalten.

Sämtliche Beweisbeschlüsse, sämtliche Zeugenbenen-

nungen und sämtliche Verfahrensanträge wurden ein-

stimmig verabschiedet – also ohne Durchsetzung des
Mehrheitsprinzips oder Rückgriff auf Minderheitenrechte.

Erst diese kooperative Zusammenarbeit machte es mög-

lich, die massiven Versäumnisse, Fehlleistungen und

Fehleinschätzungen der deutschen Strafverfolgungs- und

Sicherheitsbehörden erkennbar werden zu lassen.

Das Signal, dass der Deutsche Bundestag hier „mit einer
Stimme sprach“, dürfte sich auch auf die Bereitschaft der
zur Vorlage von Akten und Unterlagen nach dem Grund-

gesetz und dem PUAG verpflichteten Behörden von Bund

und Ländern ausgewirkt haben, die Aufklärung durch den

Ausschuss zu unterstützen. Während anfangs noch unter

dem Gesichtspunkt der föderalen Zuständigkeitsvertei-

lung Bedenken gegen die Herausgabe von Akten erhoben

wurden, wurden dem Ausschuss – entgegen aller Skepsis
und Ankündigungen, insbesondere einiger Länder, zu

Beginn seiner Arbeit – im Verlauf der Untersuchungen
die angeforderten, noch vorhandenen Akten zur Verfü-

gung gestellt.

Die Bereitschaft, zur Aufklärung beizutragen, unterstrei-

chen die großen Anstrengungen, die viele Mitarbeiterin-

nen und Mitarbeiter der betroffenen Behörden des Bundes

und der Länder auf sich genommen haben, damit dem

Ausschuss umfangreiche Akten zur Verfügung stehen

konnten. Für dieses Engagement soll ausdrücklich Dank

gesagt werden.

Hervorhebung verdient zum einen die Entscheidung Thü-

ringens, die vollständigen Aktenbestände des LfV Thü-

ringen zum Phänomenbereich Rechts aus dem Untersu-

chungszeitraum einer Auswertung zugänglich zu machen,

zum anderen die Bereitschaft des Freistaats Bayern, die

zur Auswertung dieser Akten erforderlichen rund 150

Verfahren zur Freigabe von Verschlusssachen mit den

jeweils zuständigen Behörden von Bund und Ländern zu

koordinieren.

Der Ausschuss verkennt nicht, dass die Bereitschaft der

Behörden zur Zusammenarbeit mit dem Ausschuss auch

der kontinuierlichen Begleitung und der breiten Berichter-

stattung durch die Medien zu verdanken ist.

Drucksache 17/14600 – 832 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auftrag und Verpflichtung des Untersuchungsaus-

schusses

Der Ausschuss hat mit dem Ende der Legislaturperiode

seine Arbeit abgeschlossen. Die Aufarbeitung der Terror-

serie und des damit einhergehenden staatlichen Versagens

geht weiter: Der Prozess vor dem Oberlandesgericht

München dauert an. Mehrere Polizeibehörden führen

weitere Ermittlungen. Zwar hat der Untersuchungsaus-

schuss des Bayerischen Landtages mit Abschluss der

Wahlperiode seine Arbeit beendet, aber die Untersu-

chungsausschüsse der Landtage in Sachsen und Thürin-

gen setzen ihre Arbeit fort.

Mit der Vorlage dieses Abschlussberichts und der darin

enthaltenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen ver-

bindet der Ausschuss die Erwartung, dass in den Sicher-

heits- und Ermittlungsbehörden die Gefahr von Rechtster-

rorismus nie wieder so fahrlässig gering eingeschätzt wird

und die nötigen Konsequenzen aus den Ergebnissen des

Ausschusses gezogen werden.

Allen, die zu Opfern der menschenverachtenden Ideologie

des NSU wurden, sehen wir uns als Untersuchungsaus-

schuss verpflichtet. Es ist viel Vertrauen in die deutschen

Sicherheitsbehörden verloren gegangen – nicht nur bei
den Angehörigen der Ermordeten und den Opfern der

anderen Straftaten. Auftrag unseres Ausschusses war es,

die Mängel der Ermittlungsarbeit rückhaltlos aufzuklären,

um damit auch die Grundlagen dafür zu schaffen, dieses

Vertrauen wiederherzustellen.

Fehler, Versäumnisse und Rechtsverstöße

Deutlich geworden sind durch die Auswertung von Akten

und die Befragung von Zeugen schwere behördliche Ver-

säumnisse und Fehler sowie Organisationsmängel bis hin

zum Organisationsversagen bei Behörden von Bund und

Ländern vor allem bei Informationsaustausch, Analysefä-

higkeit, Mitarbeiterauswahl und Prioritätensetzung. Fehl-

leistungen, Fehleinschätzungen und Versäumnisse einzel-

ner Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen haben vor

allem deshalb erheblich zum Misserfolg der Strafverfol-

gungsbehörden und Verfassungsschutzämter beigetragen,

weil sie teilweise über Jahre nicht erkannt und korrigiert

wurden.

Zu den besonders schwerwiegenden Fehlern gehören zu

Beginn des Geschehensablaufs aus der Sicht des Aus-

schusses:

– Die mangelhafte Vorbereitung und Durchführung der
Durchsuchungen in Jena am 26. Januar 1998, wäh-

rend derer Böhnhardt sich unbehelligt entfernen und

zusammen mit Mundlos und Zschäpe untertauchen

konnte, obwohl die Beamten in einer durchsuchten

Garage 1,4 Kilogramm TNT in drei Rohrbomben si-

cherstellten;

– die teils versäumte, teils völlig falsche Auswertung
der in der Garage ebenfalls beschlagnahmten Adress-

liste des Uwe Mundlos, die als „für die Ermittlungen
ohne Bedeutung“ eingestuft wurde;

– der mangelhafte Informationsaustausch zu und die
Nichtnutzung von Hinweisen auf das Trio, die von

der V-Person Piatto der Landesverfassungsschutzbe-

hörde Brandenburgs stammten.

Kein Hinweis auf Beteiligung von Behörden

Der Ausschuss hat sich eingehend mit der Frage ausei-

nandergesetzt, ob Behörden die Terrorgruppe NSU und

ihre Straftaten in irgendeiner Art und Weise unterstützten

oder billigten.

Als Ergebnis der am 24. Juli 2013 abgeschlossenen Arbeit

des Ausschusses ist festzuhalten, dass sich keinerlei An-

haltspunkte dafür ergeben haben, dass irgendeine Behörde

an den Straftaten, die der Terrorgruppe „Nationalsozialis-
tischer Untergrund“ (NSU) nunmehr zur Last gelegt wer-
den, in irgendeiner Art und Weise beteiligt war, diese

unterstützte oder billigte.

Darüber hinaus haben sich keine Anhaltspunkte dafür

ergeben, dass vor dem 4. November 2011 irgendeine

Behörde Kenntnis gehabt hätte von der Verantwortung

des NSU für die ihm nunmehr zur Last gelegten Taten.

Der Ausschuss hat zudem keine Belege dafür gefunden,

dass irgendeine Behörde den NSU dabei unterstützt hätte,

sich dem Zugriff der Ermittlungsbehörden zu entziehen.

Auch das jahrelang unerkannte Leben des Trios mitten in

Deutschland wurde von Behörden weder unterstützt noch

gebilligt. Diese Feststellung gilt nicht für die von Sicher-

heitsbehörden geführten V-Personen aus der rechten Sze-

ne.

Jedoch hat der Ausschuss keine Belege dafür gefunden,

dass Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe noch einer der

anderen Angeklagten vor dem OLG München jemals V-

Personen einer Sicherheitsbehörde waren.

Intensiv überprüft hat der Ausschuss zur Klärung der

Fragen des Untersuchungsauftrags insbesondere:

– die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden, also
der Staatsanwaltschaften und Polizeien der Länder

und des Bundes, die für die Česká-Mordserie, den
Polizistenmord, die Sprengstoffanschläge und die

Überfallserie zuständig waren oder deren Zuständig-

keit geprüft und verneint wurde;

– die Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden sowie
der Verfassungsschutzämter der Länder und des

Bundes, des MAD und des BND in Bezug auf Beate

Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor und

nach dem 26. Januar 1998;

– die Erkenntnisse dieser Behörden in Bezug auf
rechtsterroristische Aktivitäten und rechtsterroristi-

sche Organisationsansätze ab Mitte der 1990er Jahre

im gesamten Bundesgebiet – darunter die Akten zur
nachrichtendienstlichen Operation „Rennsteig“ und
insbesondere die Rekonstruktionen der im November

2011 vernichteten Akten zu sieben V-Personen;

– den Einsatz von Personen, die im Rahmen der aktuel-
len Ermittlungen zur Terrorgruppe NSU oder ihrem

Umfeld gerechnet werden, als V-Personen bei Poli-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 833 – Drucksache 17/14600

zeien und Nachrichtendiensten des Bundes und der

Länder.

Zudem hat der Ausschuss fast 100 Zeugen aus betroffe-

nen Behörden von Bund und Ländern gehört.

Insbesondere zur Prüfung des in der Öffentlichkeit geäu-

ßerten Verdachts, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate

Zschäpe oder einer der vier anderen Angeklagten vor dem

OLG München (André Eminger, Holger Gerlach, Carsten

Schultze und Ralf Wohlleben) sei V-Person einer Sicher-

heitsbehörde oder Polizei des Bundes oder eines Bundes-

landes gewesen hat der Ausschuss als Zeugen befragt:

– Mitarbeiter des MAD anhand der MAD-Akte von
Uwe Mundlos,

– den Mitarbeiter des LfV Thüringen, der von den nicht
in die Tat umgesetzten Überlegungen des LfV Thü-

ringen berichtete, Beate Zschäpe als V-Person anzu-

werben,

– Bundesanwalt Förster zu dessen Erinnerungen im
Kontext des NPD-Verbotsverfahrens 2003 – wobei
kein Beleg für die Vermutung gefunden wurde, dass

Ralf Wohlleben als V-Person von einer staatlichen

Stelle angeworben worden sei.

A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten

Im Mittelpunkt der Arbeit des Ausschusses standen die

erfolglosen Ermittlungen zu den schweren Straftaten, die

im NSU-Video gerühmt werden: zehn Morde in Nürn-

berg, München, Hamburg, Rostock, Dortmund, Kassel

und Heilbronn und zwei Sprengstoffanschläge in Köln.

Wie konnte es passieren, dass gewissenlose Täter morde-

ten und Bomben legten, ohne von den Sicherheitsbehör-

den gestoppt zu werden? – das war eine der beiden zentra-
len Fragen der Ausschussarbeit. Aus den Antworten, die

der Ausschuss gefunden hat, ergeben sich auch Schluss-

folgerungen dafür, wie solche Ermittlungen in Zukunft

erfolgreicher gestalten werden können.

Bevor im Folgenden die Ergebnisse der Beweisaufnahme

des Ausschusses zu den Ermittlungen bewertet werden,

sei ausdrücklich festgehalten: Der Untersuchungsaus-

schuss hat sich auch mit der Rolle der politisch Verant-

wortlichen auf Bundes- und Landesebene befasst und

dabei diverse Fehler und Versäumnisse, unabhängig von

der jeweiligen Parteizugehörigkeit, feststellen müssen.

Der Ausschuss hat aus der Vielzahl der politisch Verant-

wortlichen einige wenige beispielhaft als Zeugen gehört.

Dem damaligen Bayerischen Innenminister Dr. Beckstein

kommt insoweit eine besondere Rolle zu, als Bayerns

Polizei für die Ermittlungen zur Mordserie schwerpunkt-

mäßig zuständig war. Dr. Beckstein hat sich zum Fort-

gang der Ermittlungen regelmäßig berichten lassen.

Zwar hat Dr. Beckstein bereits unmittelbar nach dem

ersten Mord konkret nachgefragt, ob dieser einen auslän-

derfeindlichen Hintergrund haben könne, doch gab er sich

dann mit der einen Satz umfassenden Antwort durch die

Polizei drei Wochen später zufrieden, es gebe „derzeit
keine Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen Hin-

tergrund der Tat“. Den Akten lassen sich keine konkreten
Ermittlungsschritte aufgrund dieses Hinweises in den

folgenden sechs Jahren entnehmen. Im Jahr 2006 notierte

Dr. Beckstein nochmals die Nachfrage, ob bei den „Tür-
ken-Morden Fremdenfeindlichkeit das Motiv sein könne“.
Verwertbare Hinweise dazu hat Bayerns Polizei auch

nach 2006 nicht ermittelt.

Dr. Fritz Behrens hat sich als damaliger Innenminister in

Nordrhein-Westfalen nicht näher mit den Hintergründen

des Nagelbombenanschlags in Köln befasst. Weder hat er

sich vertieft mit dem Fortgang der Ermittlungen befasst,

noch hat er gegenüber der Polizei Impulse gesetzt, in alle

Richtungen zu ermitteln und auch einen rechtsterroristi-

schen Anschlag in Betracht zu ziehen.

Zu kritisieren ist auch, dass Dr. Behrens es unterlassen

hatte, den Opfern vor Ort seine Anteilnahme auszuspre-

chen. Die Tat, die Täter, aber vor allem die Opfer in der

Kölner Keupstraße scheinen ihn nicht interessiert zu ha-

ben. Dies verdeutlicht auch seine Aussage vor dem Aus-

schuss, dass bei einem Besuch eines Ministers am Tatort

die Gefahr bestünde, eine „Art Sensationstourismus“
auszulösen.

Der damalige Hessische Innenminister Volker Bouffier

schloss sich 2006 bei der Frage, ob er V-Personen des

Verfassungsschutzes aus dem islamistischen und in einem

Fall auch rechtsextremistischen Bereich Aussagegeneh-

migungen erteilt, der Auffassung seines LfV an und ver-

sagte die Genehmigungen. Damit bewertete er den Quel-

lenschutz von fünf Quellen höher als den zusätzlichen

Erkenntnisgewinn durch eine polizeiliche Vernehmung.

Otto Schily hat als damaliger Bundesminister des Innern –
nach eigenem Bekunden auf mangelhafter Informations-

grundlage – am Tag nach dem Kölner Nagelbombenan-
schlag im Fernsehen Stellung genommen. Er interessierte

sich in der Folgezeit jedoch nicht näher für die Hinter-

gründe des Nagelbombenanschlags. Dabei wäre ein grö-

ßeres Engagement nur konsequent gewesen, da er ja mit

seiner öffentlichen Äußerung den Eindruck erweckt hatte,

er kümmere sich. Auch für die Hintergründe der bundes-

weiten Mordserie mit allein sieben Opfern während seiner

Amtszeit bis 2005 ist nicht dokumentiert, dass Otto Schily

Interesse gezeigt hätte.

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble zeigte als Bun-

desinnenminister ebenfalls kein Interesse für die Ermitt-

lungen in der „Česká“-Mordserie mit letztlich neun Op-
fern, die während seiner Amtszeit sogar Thema der

Drucksache 17/14600 – 834 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„nachrichtendienstlichen Lage“ war. Die im Jahr 2006
vom BKA erbetene Entscheidung, mit der zentralen Er-

mittlungsführung beauftragt zu werden, hat Dr. Schäuble

nicht getroffen – sie gegen den Widerstand der Länder zu
treffen hätte dem von allen Innenministern immer ge-

wahrten Konsensprinzip der Innenpolitik widersprochen.

Die Suche nach einer angemessenen Ermittlungsführung

hat Dr. Schäuble nicht politisch betrieben und auf der

Ebene der Innenminister erörtert, sondern an die Arbeits-

ebene delegiert und das gefundene Ergebnis nicht in Fra-

ge gestellt.

I. Česká-Mordserie

Die Anstrengungen der Ermittlungsbehörden, die

„Česká“-Mordserie aufzuklären, waren hoch: Es wurde
engagiert und mit großem personellen und materiellen

Aufwand ermittelt. Zusätzlich war 2006 von den Tatort-

ländern und dem BKA eine der bis dahin höchsten staatli-

cherseits ausgelobten Belohnungen für Hinweise zur

Ergreifung der Täter in Aussicht gestellt worden. Den-

noch gelang es nicht, die Taten aufzuklären.

Ermittlungen in Nürnberg und München

Nürnberg und München sind die beiden Städte, in denen

die „Česká“-Mörder mehr als einmal zuschlugen. Die
Tatort-Ermittlungen wurden durch die Sonderkommissio-

nen „Şimşek“ und „Schneider“ in Nürnberg und „Theo“
in München geführt, der Serienzusammenhang jeweils

zeitnah erkannt. Schon beim ersten Mord mussten die

Ermittler feststellen, dass an den Tatorten ungewöhnlich

wenig Spuren hinterlassen wurden – es gab zunächst
keine verwertbaren Wahrnehmungen von Tatzeugen, es

konnten außer den Geschossen und des so ermittelten

Typs der Tatwaffe lange keine Ermittlungsansätze ge-

wonnen werden.

In Bayern wurden die polizeilichen Ermittlungen mit der

Gründung der Soko Halbmond im September 2001 zent-

ral zusammengeführt. Ab Juli 2005 wurde die Soko

Halbmond in die deutlich größere BAO Bosporus über-

führt. Bei den Ermittlungsschwerpunkten, die zunächst

klar von einem mutmaßlichen Tathintergrund „Organi-
sierte Kriminalität“ ausgingen, ergab sich erst im An-
schluss an die zweite Operative Fallanalyse ab Mai 2006

ein neuer Ermittlungsansatz: Neben die „Organisationstä-
tertheorie“ trat die „Einzeltätertheorie“, die eine auslän-
derfeindliche Motivation annahm. Die Begriffe waren in

ihrer Gegenüberstellung unglücklich gewählt – denn eine
Tatbegehung durch mehr als einen rassistisch motivierten

Täter, die wegen der Verwendung von zwei Waffen bei

zwei Taten nahe lag, wurde von beiden Begriffen nicht

treffend erfasst.

Den Schwerpunkt der Arbeit der BAO Bosporus bildete

die – als solche spurneutrale, also keine bestimmte Tä-
termotivation unterstellende – Erhebung, Verarbeitung
und Auswertung von 23 Millionen Massendaten. Die

Ermittlungen zur „Česká“-Mordserie zeigen beispielhaft
Chancen, Herausforderungen und Grenzen dieses Ansat-

zes:

– Hoher Arbeitsaufwand war zunächst für die Aufgabe
erforderlich, die bei den beteiligten Polizeibehörden

in unterschiedlichen Programmen verfügbaren Daten

so zusammenzuführen, dass sie zentral erfasst und

ausgewertet werden konnten.

– Die erhobenen Merkmale müssen die Täter auch
erfassen können: Wenn Täter weder Mobiltelefone

noch Bankkarten nutzen, können sie durch eine Er-

hebung der entsprechenden Daten nicht gefunden

werden.

– Die erhobenen Daten müssen den Suchbereich kom-
plett erfassen, auf den sie zielen. Wenn es darum

geht, Täter durch Mehrfachtreffer bei Übernachtun-

gen in Tatortstädten zu den jeweiligen Tatzeiten aus-

findig zu machen, dann dürfen nicht nur Daten in

Beherbergungsbetrieben wie Hotels erhoben werden,

sondern es müssen auch andere Übernachtungsfor-

men wie etwa Campingplätze einbezogen sein.

Letztlich ist festzustellen, dass Aufwand und Ertrag bei

der Erhebung und Auswertung der Massendaten hier in

keinem Verhältnis zueinander standen. Konkrete, auf die

unbekannten Täter führende Hinweise konnten trotz mil-

lionenfach erhobener Datensätze nicht erlangt werden.

Umfassende Empfehlungen für eine aussichtsreichere

Ermittlungsführung bei vergleichbaren künftigen Groß-

verfahren gibt der 2007 erstellte Erfahrungsbericht des

damaligen Leiters der BAO Bosporus.

Auch nach der zweiten Operativen Fallanalyse wurden

die Ermittlungen im Rahmen der „Organisationstätertheo-
rie“ intensiv weiter geführt. Hier blieb der Schwerpunkt
des Kräfteeinsatzes. Bei der Abklärung von Hinweisen

mit Auslandsbezug wird aus den Akten Kooperationsbe-

reitschaft der jeweiligen Ermittlungsbehörden deutlich,

darunter insbesondere denen der Republik Türkei. Kri-

tisch beleuchtet hat der Ausschuss die verdeckten Ermitt-

lungsmaßnahmen:

– Der Betrieb zweier Dönerimbisse als Falle erscheint
schon unter taktischen Gesichtspunkten fragwürdig,

da nur zwei der neun Opfer in einem Imbiss ermordet

wurden. Zudem wurde eine abschließende zusam-

menfassende Auswertung in den Akten nicht gefun-

den, weshalb damals vermutlich unbemerkt blieb,

dass der einzige verwertbare Hinweis, ein massiver

rassistischer Drohangriff kurz vor Ende der Maß-

nahme, eher in Richtung der „Einzeltätertheorie“
wies.

– Für falsch hält es der Ausschuss, wenn, wie in einer
Maßnahme angelegt, verdeckte Ermittler als Journa-

listen auftreten – das sollte mit Blick auf das hohe
Gut der Pressefreiheit jedenfalls unterbleiben.

Im Rahmen der „Einzeltätertheorie“ konnte kein weiter-
führender Ermittlungsansatz gewonnen werden. Aus

Tattagen und Tatzeiten und der größeren Zahl der Morde

in einem Stadtgebiet Nürnbergs wurden in der zweiten

Operativen Fallanalyse die Schlüsse gezogen, der oder die

Täter gingen einer „regelmäßigen Tätigkeit“ nach und
hätten in Nürnberg einen „Ankerpunkt“. Diese Annahmen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 835 – Drucksache 17/14600

legte die BAO Bosporus ihren Ermittlungen zugrunde.

Der Kreis der Suche wurde eng um den häufigsten Tatort

Nürnberg gezogen und auf Personen mit dem Wohnsitz

Nürnberg konzentriert – nicht gesehen wurde, dass ein
„Ankerpunkt“ auch auf anderen Kriterien als dem polizei-
lich gemeldeten Wohnsitz beruhen kann. Nachdem die

Überprüfungen im Raum Nürnberg keine verwertbaren

Ergebnisse erbracht hatten, weiteten die Ermittler den

Kreis ihrer Suche nicht aus. Auch die Einbeziehung von

Personenerkenntnissen aus angrenzenden Bundesländern

hätte nach Auffassung des Ausschusses in Betracht gezo-

gen werden können und müssen. Die Schwerpunktsetzung

der Ermittlungen zeigt sich beispielhaft in dem Umstand,

dass

– in Nürnberg und München rund 900 türkische Klein-
gewerbetreibende in den Jahren 2005 und 2006 auf-

gesucht wurden, um Hinweise zum Ermittlungsansatz

„organisierte Kriminalität“ zu gewinnen;

– zur Ermittlungsrichtung rechtsextremistische Tatmo-
tivation oder „Einzeltätertheorie“ lediglich neun Per-
sonen in Nürnberg im Rahmen sogenannter

„Gefährderansprachen“ im Herbst 2006 aufgesucht
wurden.

Die örtlich beschränkte Schwerpunktsetzung der Ermitt-

lungen hält der Ausschuss auch angesichts des damaligen

Ermittlungsstandes für einen schweren Fehler.

Als nicht ausreichend stellte sich dem Ausschuss die

Zusammenarbeit der BAO Bosporus mit dem LfV Bayern

bei der Gewinnung von Ansatzpunkten für Ermittlungen

zur „Einzeltätertheorie“ dar. Nachvollziehbar ist die Ent-
scheidung des LfV Bayern, nicht zu sämtlichen Personen,

die in ganz Bayern mit rechtsextremistischen Aktivitäten

auffällig geworden waren, Informationen an die Polizei

weiterzugeben. Doch der Entscheidungsprozess, welche

Daten zu welchem Personenkreis im Rahmen der Rechts-

lage weitergegeben werden können, dauerte deutlich zu

lang: Erst nach sieben Monaten wurde eine Liste mit

Daten zu knapp 700 Personen der Geburtsjahrgänge 1960

bis 1982 aus zwei Postleitzahlbereichen Nürnbergs über-

mittelt, eine entsprechende Datei erst einen weiteren Mo-

nat später. Mitgeteilt wurden lediglich Name, Vorname

und Geburtsdatum – Daten, aus denen nicht ohne weitere
intensive Vorarbeit tatsächlich Ermittlungsansätze ge-

wonnen werden konnten. Die Ermittler versuchten nicht,

für ihr berechtigtes Anliegen die Unterstützung des Mi-

nisteriums des Innern des Freistaates Bayern zu gewin-

nen, das die Dienstaufsicht sowohl über den Verfassungs-

schutz wie auch die Polizei führt. Die zögerliche Informa-

tionsübermittlung war ein Fehler der beteiligten Behör-

den, und zwar von beiden Seiten.

Die Strafprozessordnung weist der Staatsanwaltschaft die

Verpflichtung zur Sachleitung der Ermittlungen zu. Hier-

zu gehört mehr als nur die Sicherstellung der Rechtmä-

ßigkeit der einzelnen Ermittlungsmaßnahmen. Der Aus-

schuss verkennt nicht, dass eine sachgerechte Zusammen-

arbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei nicht erfordert,

dass ein Staatsanwalt jeden einzelnen Ermittlungsschritt

anordnet. Sache der Staatsanwaltschaft ist es aber, Ermitt-

lungsrichtungen und -gewichtungen richtig einzuordnen,

Irrwege zu erkennen und – wenn nötig – neue Impulse zu
setzen. Dies hat der Ausschuss bei der sachleitenden

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nicht feststellen kön-

nen: Zwar hat der zuständige Staatsanwalt mit hohem

Zeitaufwand regelmäßig an Besprechungen mit den ermit-

telnden Polizeibeamten teilgenommen. Den Akten und

Zeugenvernehmungen im Ausschuss konnte aber nicht

entnommen werden, dass von Seiten der Staatsanwalt-

schaft je Anstöße für neue Ermittlungsansätze kamen oder

dass die Frage gestellt worden wäre, warum die Ermitt-

lungen trotz des großen Aufwands erfolglos blieben und

ob es Wege gebe, dies zu ändern. Dies sah an den anderen

Tatorten bedauerlicherweise nicht besser aus.

Ermittlungen in Hamburg, Rostock und Dortmund

In Hamburg wurden die von einer Mordkommission ge-

führten Ermittlungen rund eineinhalb Jahre nach dem

dortigen Mord zunächst eingestellt – nennenswerte Er-
mittlungshandlungen zwischen 2002 und 2005 waren für

den Ausschuss nicht feststellbar. Nachdem ab Juli 2005

die BAO Bosporus die Arbeit aufgenommen hatte, wur-

den in Hamburg im März 2006 die EG 061 (später Soko

061) eingerichtet, die ab Juli 2008 wieder in die Allge-

meine Aufbauorganisation beim LKA Hamburg integriert

wurde. Die Ermittler in Hamburg waren am stärksten von

der Theorie eines Tathintergrundes „Organisierte Krimi-
nalität“ überzeugt – und blieben das auch dann, als die
gründlichen Ermittlungen in diese Richtung zu keinen

Ergebnissen geführt hatten. Die Hamburger Ermittler

waren massive Gegner der zweiten Bayerischen Operati-

ven Fallanalyse und veranlassten sogar – wenig sachge-
recht für einen Mord in einer Serie – eine eigene Analyse
zu den Spezifika ihres Falles. Rund zwei Monate dauerte

es nach dem Hamburger Mord, bis das BKA die Zugehö-

rigkeit zur „Česká“-Mordserie bestätigte – eine nach
Auffassung des Ausschusses deutlich zu lange Frist, wo-

bei nicht geklärt werden konnte, wer für die Verzögerung

die Verantwortung trug. Nach dem nächsten Mord in

München dauerte die Feststellung der Serienzugehörigkeit

weniger als eine Woche.

Die Ermittlungen in Rostock wurden ab 2004 zunächst

durch die örtlich zuständige Kriminalpolizeiinspektion

geführt. Erst im Juni 2006, also über zwei Jahre nach der

Tat und ein Jahr nach der Gründung der BAO Bosporus,

wurde im Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern

die Sonderkommission „Kormoran“ eingerichtet, die bis
2009 bestand. Auch bei diesem Mordfall ermittelten die

Beamten vorrangig auf dem Gebiet der organisierten

Kriminalität; dies offenbar unter anderem wegen der

Fokussierung auf den fehlenden Aufenthaltstitel des kur-

disch-stämmigen Mordopfers in der Bundesrepublik

Deutschland, aber auch aufgrund von Hinweisen des

Landesamts für Verfassungsschutz Mecklenburg-

Vorpommern, welches den Tathintergrund im Bereich

von Drogengeschäften wähnte. Einem möglichen rechts-

extremistischen Hintergrund wurde auch nach der zweiten

Operativen Fallanalyse in Bayern nicht mit eigenen Er-

mittlungsansätzen aus Rostock nachgegangen.

Beim Polizeipräsidium Dortmund wurde direkt nach dem

achten Mord der „Česká“-Mordserie die BAO Kiosk

Drucksache 17/14600 – 836 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gebildet. Bereits im Dezember 2006 wurde deren perso-

nelle Ausstattung auf drei Beamte zurückgefahren, zum

Jahresende 2007 wurde sie aufgelöst. Zeugenangaben

wurden nicht angemessen bearbeitet – dass Männer mit
Fahrrad am Tatort gesehen wurden, dass die Männer wie

Nazis oder Junkies ausgesehen hätten. Der Grund, warum

die Aussagen dieser Zeugin nach den Akten unterschied-

lich protokolliert und konfus bearbeitet wurden, ließ sich

nicht mehr aufklären, der Umstand wurde aber von allen

beteiligten Seiten eingeräumt. Erst nach dem 4. Novem-

ber 2011 erfolgte ein Hinweis nordrhein-westfälischer

Sicherheitsbehörden darauf, dass zur Tatzeit in der

Malinckrodtstraße unweit vom Tatort ein bekannter

Rechtsextremist wohnte.

Ermittlungen in Kassel

Die zu Beginn der Ermittlungen mit 35 Mitarbeitern be-

setzte Mordkommission Café wurde zum Ende des Jahres

2006 auf sechs Mitarbeiter verkleinert und zum Juli 2008

in die allgemeine Aufbauorganisation des Polizeipräsidi-

ums Nordhessen eingegliedert. Der Vermutung des Vaters

des Opfers, die Tat sei rechtsextremistisch motiviert,

wurde nachgegangen – der hierzu gehörte Leiter der
Mordkommission legte dar, dass die polizeilichen Er-

kenntnisse aus der rechten Szene in Kassel keinen Hin-

weis auf Interesse an der Tat geschweige denn auf eine

Beteiligung ergeben hätten. Die Ermittlungen der Mord-

kommission fügten sich in das bundesweit abgestimmte

Ermittlungskonzept ein: Vor allem der Abgleich aller

Daten zur tatrelevanten Zeit erfolgte zügig.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hat sich der kurz

nach der Tat entstandene Verdacht der Beteiligung an der

„Česká“-Mordserie gegen den Mitarbeiter des LfV Hes-
sen, Andreas Temme, nicht bestätigt. Seine Anhörung

durch den Ausschuss konnte nicht abschließend klären, ob

er etwas von der Tat mitbekommen oder den Tatort be-

reits verlassen hatte, als der Mord geschah.

Der Umstand, dass sich der Mitarbeiter des LfV Hessen

Temme, der sich nach dem Ermittlungsergebnis der Poli-

zei zum Tatzeitpunkt in dem Internet-Café befand, danach

als einziger nicht selbst als Zeuge gemeldet hatte, weckte

den Verdacht, er könne an der Tat und an der ganzen

Tatserie beteiligt sein. Diese Vermutung konnte aber

schnell durch Ermittlungen zu einigen Alibis ausgeräumt

werden, für die das LfV Hessen umfassend dienstliche

Unterlagen zur Verfügung stellte. Die Polizei ermittelte

alle Kontaktpersonen des Temme, darunter die von ihm

geführten Quellen. Sie hätte dazu weiter ermitteln kön-

nen, entschied sich aber, dies nicht ohne Absprache mit

dem LfV Hessen zu tun. Gegenüber der Anfrage der zu-

ständigen Staatsanwaltschaft wegen der Vernehmung der

Quellen machte das LfV Hessen Bedenken geltend wegen

deren persönlicher Gefährdung und der ihnen gegenüber

abgegebenen Vertraulichkeitszusage. Die Polizei sah ihre

Ermittlungen dadurch zu Recht massiv beeinträchtigt.

Zahlreiche Schriftwechsel und Gespräche zwischen

Staatsanwaltschaft, Polizei und LfV Hessen erbrachten

keine einvernehmliche Lösung. Die Entscheidung in die-

sem besonderen Fall traf ein halbes Jahr nach der Tat im

Oktober 2006 der damalige Innenminister von Hessen,

Volker Bouffier. Die von Temme geführten Vertrauens-

personen wurden danach vom LfV Hessen anhand eines

von der Polizei übersandten Fragenkatalogs befragt und

die Ergebnisse dem Polizeipräsidium Nordhessen im

Januar 2007 übersandt.

Ermittlungsbeitrag des Bundeskriminalamts

Das BKA war an den Ermittlungen in der Mordserie seit

Juni 2004 in der Organisationseinheit EG „Česká“ mit
sogenannten „ergänzenden Strukturermittlungen“ betei-
ligt. Dazu gehörten: Auslandsermittlungen, Ermittlungen

zur Tatwaffe und die Unterstützung bei verdeckten Maß-

nahmen. Dabei war die Arbeit des BKA von einem ver-

muteten Hintergrund im Bereich der organisierten Krimi-

nalität geleitet. Angesichts des beschränkten Ermittlungs-

auftrags ist diese Haltung im Grundsatz zwar nicht zu

beanstanden, allerdings wäre eine stärkere Offenheit für

andere Tatmotive bzw. Ermittlungsrichtungen geboten

gewesen.

Obwohl die eigenen Ermittlungen ergebnislos blieben,

gab es seitens des BKA keinen Anstoß in Richtung eines

anderen Tatmotivs. Vielmehr wurde sogar der durch die

zweite Operative Fallanalyse (OFA) gewonnene Ansatz

der „Einzeltätertheorie“ und eines denkbaren rassistischen
Tatmotivs vom damaligen BKA-Vizepräsidenten Falk als

„Kaffeesatzleserei“ abgetan und zugleich die Beauftra-
gung einer weiteren OFA unterstützt. Der Ausschuss

konnte nicht erkennen, dass innerhalb des BKA die Kom-

petenz der Staatsschutzabteilung für Politisch motivierte

Kriminalität Rechts jemals in die Ermittlungen einbezo-

gen wurde, und sei es auch nur für eine fachliche Ein-

schätzung zur 2. OFA. Allein der damalige Abteilungslei-

ter für organisierte Kriminalität und frühere Abteilungs-

leiter Staatsschutz im BKA Maurer favorisierte die „Ein-
zeltätertheorie“. Dies führte jedoch weder zu einem Um-
steuern in der Ermittlungsarbeit noch zu einem Umden-

ken im BKA.

Zu kritisieren ist aber auch die konkrete Ermittlungsarbeit

des BKA in Sachen Waffenspur. Der Ausschuss hat hier

diverse fachliche Defizite feststellen müssen, die auch aus

damaliger Sicht nicht als gute Polizeipraxis gelten konn-

ten. Im Einzelnen zu kritisieren ist beispielsweise, dass

das BKA im Jahr 2004 seine Anfrage an die Verbin-

dungsbeamten im europäischen Ausland lediglich auf

Abnehmer der ermittelten, höchst seltenen Munition be-

schränkte, den Verbindungsbeamten in der Schweiz zu-

sätzlich nach Abnehmern von Schalldämpfern für die

Česká 83 fragte, jedoch nicht danach, ob zusammen mit
der Munition oder einem Schalldämpfer auch eine Waffe

Typ Česká 83 verkauft wurde. Dabei hätte diese Anfrage
durchaus nahe gelegen. Problematisch war ebenso die

Eingrenzung der Anfrage auf „insbesondere türkische
Staatsangehörige“. Zu der daraufhin noch weiter verengt
tatsächlich ausschließlich zu türkischen Staatsangehörigen

gegebenen Antwort aus der Schweiz gab es keine aufklä-

rende und ergänzende Rückfrage des BKA. Unverständ-

lich ist auch, warum man den Widerspruch nicht erkannte,

dass es noch Munititionshandelsbücher gab, die Waffen-

handelsbücher aber angeblich nicht mehr. Die bis dahin

heißeste Spur blieb für Jahre kalt. Da die Tatwaffe Česká

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 837 – Drucksache 17/14600

83 nachweislich aus der Bestellung des Schweizer Staats-

bürgers Anton G. bei der Waffenfirma Schläfli & Zbinden

stammte, hätte durch eine ergebnisoffene Fragestellung

und konsequentes Nachfragen bereits im Jahre 2004 die

Spur zu ihm führen können – und dann möglicherweise
zu den Tätern.

Auf diese Spur wurde das BKA erst über den Hinweisge-

ber Lothar M. geführt, dessen erster Hinweis auf den

Generalimporteur von Česká-Waffen in der Schweiz im
Juni 2006 im BKA unbeachtet blieb. Allein die Hartnä-

ckigkeit des Hinweisgebers führte schließlich doch dazu,

dass das BKA dem Hinweis über ein Rechtshilfeersuchen

nachging. Aber auch hier gab sich das BKA letztlich mit

den wenig glaubhaften Angaben von Anton G. in insge-

samt drei Vernehmungen zufrieden. Nachdem im No-

vember 2009 eine Hausdurchsuchung bei Anton G. zu

keinen verwertbaren Ergebnissen geführt hatte und Anton

G. bei seiner Sachverhaltsdarstellung blieb, wurden in

diese Richtung keine weiteren Ermittlungsschritte unter-

nommen. Auch die Vernehmung seiner Ehefrau, die den

Umständen nach durchaus nahegelegen hätte, wurde nicht

veranlasst.

Waffenspur und Rechtshilfeverkehr

Seit die Zahl der hergestellten „Česká“-Waffen mit ver-
längertem Lauf eingegrenzt und die meisten dieser Pisto-

len festgestellt und als Tatwaffe ausgeschlossen werden

konnten, war angesichts der sonst geringen Spurenlage

die Waffenspur in die Schweiz die vielversprechendste

Spur auf der Suche nach den Mördern. Der Ausschuss hat

aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass die diesbezügli-

chen Ermittlungen unvertretbar lange andauerten.

Nachdem das BKA auf den wiederholten Hinweis von

Lothar M. im April 2007 hin tätig geworden war, stellte

die zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im

August 2007 ein erstes Rechtshilfeersuchen an die

Schweizer Behörden. Damit war seit dem Hinweis 2006

ein Jahr ungenutzt vergangen. Die Abarbeitung des

Rechtshilfeersuchens dauerte bis Ende 2008. Weil die

Vernehmungen von Anton G. keine verwertbaren Ergeb-

nisse erbracht hatten, regte die Polizei im Dezember 2008

ein weiteres Rechtshilfeersuchen an, unter anderem mit

dem Ziel einer Durchsuchung bei Anton G. Nachdem

entsprechende Beschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg-

Fürth am 15. Januar 2009 ergangen waren, wurde Anfang

Februar 2009 das Rechtshilfeersuchen von der Staatsan-

waltschaft an die Schweiz gerichtet. Seine Bewilligung

erfolgte im Juli 2009, der Vollzug der Durchsuchungsbe-

schlüsse allerdings erst im November 2009, also wieder

ein Jahr nach Anregung der Maßnahme durch die Polizei.

Dem Ausschuss ist bekannt, dass die Bearbeitung von

Rechtshilfeersuchen oftmals längere Zeit in Anspruch

nimmt und dass es im konkreten Fall offenbar auch zu

einer Verzögerung der Bearbeitung aufgrund Staatsan-

waltswahlen in der Schweiz kam, was nicht im Verant-

wortungsbereich der deutschen Behörden liegt. Dennoch

erscheint in der Gesamtbetrachtung die Bearbeitung der

wichtigen „Waffenspur Schweiz“ deutlich zu lang. Insbe-
sondere hätten die Hinweise von Lothar M. im Jahre 2006

unverzüglich bearbeitet werden müssen. Bei einer so

schwerwiegenden Mordserie wäre es zudem sachgerecht

und zwingend geboten gewesen, wenn der sachleitende

Staatsanwalt auch auf eine noch zügigere Bearbeitung in

der Rechtshilfeabteilung der Staatsanwaltschaft Nürn-

berg-Fürth sowie auf noch häufigere Sachstandsanfragen

bei den Schweizer Behörden gedrungen hätte.

Zusammenführung staatsanwaltschaftlicher Zustän-

digkeiten

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass ein bei einer

Staatsanwaltschaft geführtes Ermittlungsverfahren hin-

sichtlich aller Taten der Mordserie „Česká“ sachgerecht
gewesen wäre. Eine solche Organisationsstruktur wäre

zwar nicht Garant für eine Aufklärung der Serie gewesen,

sie hätte aber dazu beitragen können, Ressourcen zu bün-

deln, die Informationszusammenführung zu erleichtern

und eine straffere Einhaltung der Sachleitungspflicht der

Staatsanwaltschaft zu ermöglichen.

Die Führung einheitlicher Ermittlungen durch ein Sam-

melverfahren bei einer Staatsanwaltschaft ist gemäß

Nr. 25 der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldver-

fahren (RiStBV) im Interesse einer zügigen und wirksa-

men Strafverfolgung geboten, wenn der Verdacht mehre-

rer in Zusammenhang stehender Straftaten besteht, wel-

che den Zuständigkeitsbereich mehrerer Staatsanwalt-

schaften berühren. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn

die Verschiedenartigkeit der Taten oder ein anderer wich-

tiger Grund entgegenstehen. Diese Voraussetzungen wa-

ren nach Ansicht des Ausschusses in der „Česká“-
Mordserie gegeben, nach Nr. 26 RiStBV wäre die Staats-

anwaltschaft Nürnberg-Fürth mit der Verfahrensführung

zu betrauen gewesen, weil dort der Schwerpunkt eines

einheitlichen Verfahrens gelegen hätte. Vorliegend wur-

den allerdings nur die Fälle der Mordserie im Freistaat

Bayern ab Juni 2005 als Sammelverfahren bei der Staats-

anwaltschaft Nürnberg-Fürth geführt. Eine Übernahme

der Verfahren außerhalb Bayerns wurde durch den sach-

leitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Nürnberg-

Fürth im April 2004 – also nach fünf Taten der Serie –
mit der Begründung abgelehnt, die Verwendung dersel-

ben Waffe sei noch kein Indiz für ein und denselben Tä-

ter. Diese Argumentation erscheint nach Auffassung des

Ausschusses wenig nachvollziehbar, zumal diese Begrün-

dung auch gegen eine Bündelung der bayerischen Verfah-

ren gesprochen hätte. Der Ausschuss hat nicht feststellen

können, dass die Entscheidung gegen ein Sammelverfah-

ren auf politische Einflussnahme zurückzuführen war. Es

konnte aber auch kein Bemühen seitens der Justizministe-

rien der anderen Tatortländer festgestellt werden, die

Verfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth anzu-

tragen.

Alternativ wäre eine Übernahme der Ermittlungen zur

„Česká“-Mordserie durch den Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof sachgerecht gewesen. Dies hätte nicht

zuletzt zur Folge gehabt, dass eine geeignete Polizei-

dienststelle – sei dies das BKA oder eine Landespolizei-
dienststelle – mit einer zentralen und nicht nur koordinie-
renden Führung der polizeilichen Ermittlungen hätte

beauftragt werden können. Damit hätten klare Strukturen,

Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse die Ermittlungs-

Drucksache 17/14600 – 838 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

arbeit befördern und Doppelarbeit vermieden werden

können. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vertrat

offiziell die Auffassung, die gesetzlichen Voraussetzun-

gen für eine Verfahrensführung durch den Generalbun-

desanwalt seien nicht gegeben. Die Beratung in der Steue-

rungsgruppe lässt vermuten, dass über Sachargumente

hinaus eine Einschaltung des Generalbundesanwaltes

vermieden werden sollte. Die Staatsanwaltschaft hat zu

keinem Zeitpunkt Unterlagen oder Informationen zu den

Ermittlungen an den Generalbundesanwalt übermittelt,

damit dieser seine Zuständigkeit hätte prüfen können. Die

Entscheidung, trotz bestehender Verpflichtung keine

Unterlagen zur Prüfung seiner Zuständigkeit an den GBA

zu übersenden, und die ihr zugrunde liegende Einschät-

zung der Taten hält der Ausschuss auch aus damaliger

Sicht für falsch. Die Kompetenzverteilung des Grundge-

setzes geht davon aus, dass die zuständigen Behörden vor

Ort den Generalbundesanwalt über eine mögliche Zustän-

digkeit informieren, so dass der Generalbundesanwalt

dies prüfen kann. Daher ist in Nr. 202 RiStBV geregelt,

dass der Staatsanwalt Vorgänge, aus denen sich der Ver-

dacht einer zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im

ersten Rechtszug gehörenden Straftat ergibt, mit einem

Begleitschreiben unverzüglich dem Generalbundesanwalt

übersendet.

Der Generalbundesanwalt hat die Frage seiner Zuständig-

keit für die „Česká“-Mordserie im Rahmen eines Beo-
bachtungsvorgangs („ARP-Verfahren“) aus Anlass von
Presseberichten im Sommer 2006 geprüft. Als Bewer-

tungsgrundlage für die letztlich ablehnende Entscheidung

zur Zuständigkeit dienten nach sechs Jahren intensiver

Ermittlungen lediglich vier Zeitungsartikel und Informa-

tionen von der Homepage des BKA. Diese Prüfungs-

grundlage hält der Ausschuss für ungenügend. Eine sach-

gerechte Kontaktaufnahme des Generalbundesanwalts mit

der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder mit dem

BKA zur Erlangung weiterer Informationen konnte nicht

festgestellt werden. Trotz der Verpflichtung der Tatort-

staatsanwaltschaften wäre es aus Sicht des Ausschusses

unbedingt erforderlich gewesen, sich eine hinreichende

Erkenntnisgrundlage zu verschaffen, bevor über die wich-

tige Frage einer Verfahrensübernahme befunden wurde –
gleich zu welchem Ergebnis die Prüfung dann gelangt

wäre. Der Generalbundesanwalt hat aus Sicht des Aus-

schusses seine bestehenden Erhebungsmöglichkeiten

nicht hinreichend genutzt. Bereits nach geltendem Recht

wären dem Generalbundesanwalt weitere Erhebungen bei

Polizei und Staatsanwaltschaft, aber auch bei Verfas-

sungsschutzbehörden, möglich gewesen. Eine politische

Einflussnahme auf die Entscheidung des Generalbundes-

anwalts konnte der Ausschuss nicht feststellen.

Zusammenführung polizeilicher Zuständigkeiten

Nach Auffassung des Ausschusses hätten die Ermittlun-

gen in der Mordserie bereits frühzeitig in einem staatsan-

waltschaftlichen Sammelverfahren zusammengeführt und

damit einhergehend der zentralen Ermittlungsführung

durch eine Polizeibehörde unterstellt werden können.

Wege zu einer zentralen Ermittlungsführung durch das

BKA eröffnet unabhängig von staatsanwaltschaftlichen

Zuständigkeitsentscheidungen in bestimmten Fällen auch

das BKA-Gesetz. Auch auf diesem Weg hätten klare

Strukturen, Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse die

Ermittlungsarbeit befördern und Doppelarbeit vermeiden

können.

Im Frühjahr 2004 wollten die Polizeibehörden in Nürn-

berg und Rostock eine Verfahrensabgabe an das BKA

vornehmen. Das Bayerische Innenministerium war hier-

mit einverstanden, auch das Polizeipräsidium Hamburg

stimmte zu. Von den ermittelnden Beamten im BKA

wurde dieser Vorstoß zunächst begrüßt, dann aber noch

auf Arbeitsebene vom BKA klar abgelehnt, unter anderem

wegen geringer Erfolgsaussichten, da ja bereits durch die

örtlichen Polizeibehörden jahrelang erfolglos ermittelt

worden sei. Das hält der Ausschuss für eine sachwidrige

Erwägung. Auch die ablehnende Haltung der Staatsan-

waltschaft Nürnberg-Fürth trug entscheidend dazu bei,

dass es nicht zu einer Abgabe des Verfahrens an das BKA

kam. Der gefundene Kompromiss – auf Ersuchen des
Bayerischen Staatsministeriums des Innern führte das

BKA ergänzende Strukturermittlungen – brachte keine
einheitliche Ermittlungsführung. Sowohl BKA-Präsident

Ziercke als auch der damalige Vizepräsident des BKA

Falk haben im Ausschuss bekundet, erstmals durch dieses

eingeschränkte Übernahmeersuchen des Bayerischen

Staatsministeriums des Innern im Juni 2004 mit dem

Vorgang befasst gewesen zu sein. Falk hat zudem betont,

dass ein Ersuchen um die Übernahme der zentralen Er-

mittlungsführung durch die Behördenleitung positiv be-

schieden worden wäre, wenn ihr dieser Vorschlag bekannt

geworden wäre. Doch dies erfolgte weder intern durch die

zuständigen Mitarbeiter des BKA noch von außen durch

eine entsprechende förmliche Anfrage seitens der Polizei

oder der Justiz aus Bayern oder einem der beiden anderen

damals betroffenen Tatortländer.

Nach den unmittelbar aufeinander folgenden Morden in

Dortmund und Kassel im April 2006 wandte sich das

BKA in einem Schreiben an das BMI und warb nach-

drücklich für eine Übernahme der zentralen Ermittlungs-

führung im Rahmen der Struktur einer Besonderen Auf-

bauorganisation (BAO) unter Bildung regionaler Ermitt-

lungsabschnitte, die aus den bisher tätigen Ermittlungs-

einheiten der Länder bestanden hätten. Der von Vizeprä-

sident Falk unterzeichnete Brief listete Defizite der bishe-

rigen Ermittlungsarbeit aus Sicht des BKA auf, insbeson-

dere fehlten danach einheitliche Konzepte für die Ermitt-

lungen, für Fahndung und Öffentlichkeitsarbeit. Zudem

wird in dem Brief deutlich, dass bei Übernahme durch das

BKA eine breite Aufstellung der Ermittlungsarbeit auch

unter Einbindung der Abteilung Staatsschutz erfolgt wäre.

Eine Zuweisung an das BKA hätte, wie zunächst im Jahr

2004 von der bayerischen Polizei beabsichtigt, auf Ersu-

chen einer Landesbehörde erfolgen können. Der Bundes-

minister des Innern hätte aber nach § 4 BKA-Gesetz auch

gegen den Willen der Länder entscheiden können, das

ihm unterstellte BKA mit den Ermittlungen zu beauftra-

gen.

Diese aus kriminalfachlicher Sicht des BKA wünschens-

werte Entscheidung zu seinen Gunsten wurde gegen den

Widerstand der Länder nicht getroffen. Deren ablehnende

Haltung im Jahr 2006 hat der damalige bayerische In-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 839 – Drucksache 17/14600

nenminister Dr. Beckstein im Ausschuss damit begründet,

dass es nach dem Aufbau der BAO Bosporus 2005 und

ihrem Ausbau 2006 die Ermittlungen zurückgeworfen

hätte, wenn man in der heißesten Phase der Mordermitt-

lungen „die Pferde im laufenden Galopp gewechselt“
hätte. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit wurde dann

statt einer beim BKA angesiedelten BAO mit regionalen

Ermittlungsabschnitten lediglich die Einrichtung eines

Koordinierungsgremiums, der so genannten Steuerungs-

gruppe vereinbart – ein Kompromiss, der im Vorfeld der
Innenministerkonferenz im Mai 2006 auf Abteilungslei-

terebene gefunden und vom Präsidenten des BKA damals

wie heute für richtig befunden wurde. Die politisch für die

Arbeit der Polizei verantwortlichen Innenminister dage-

gen haben sich auf der Konferenz gar nicht offiziell mit

der Frage befasst, wie die erfolglosen Ermittlungen zu

einer ungeklärten Mordserie mit inzwischen neun Opfern

möglichst schlagkräftig organisiert werden könnten. Ob-

wohl die Täter bis zum 4. November 2011 nicht ermittelt

werden konnten, wies BKA-Präsident Ziercke vor dem

Ausschuss die kritische Bewertung „stümperhafte Ermitt-
lungsorganisation“ seines damaligen Stellvertreters Falk
zurück und erklärte die zur Ermittlungsführung getroffe-

nen Entscheidungen für richtig. Seine aus Sicht des Aus-

schusses absurde Bewertung, mit den damals getroffenen

Entscheidungen sei es immerhin gelungen, die Mordserie

zu stoppen, stieß auf Unverständnis.

In der Folgezeit gab es keinen weiteren Anlauf, das BKA

mit der Übernahme der Ermittlungsführung zu beauftra-

gen. Trotz der weiterhin klaren Kritik an der durch eine

Steuerungsgruppe koordinierten Ermittlungsführung

durch mehrere Länder, hat sich die Arbeitsebene im BKA

2007 gegenüber der Amtsleitung vorsorglich klar dagegen

ausgesprochen, damals erwarteten Vorschlägen für eine

Verfahrensübernahme durch das BKA gegebenenfalls zu

entsprechen.

Die im Mai 2006 getroffene Entscheidung, eine Steue-

rungsgruppe einzurichten, berücksichtigte zwar, dass den

Ländern grundsätzlich die Zuständigkeit auf dem Gebiet

der Strafverfolgung zukommt, hat sich aber nach den

Feststellungen des Ausschusses in der Praxis nicht be-

währt. Die Ermittlungen der Polizeidienststellen mehrerer

Länder und des BKA waren immer wieder von Reibungs-

verlusten bei der notwendigen Abstimmung der Ermitt-

lungsansätze behindert. Die deutlichsten Auffassungsun-

terschiede bestanden hinsichtlich der Operativen Fallana-

lysen und der Öffentlichkeitsarbeit zu den Ermittlungen.

Auch der für die Koordination der Ermittlungen zuständi-

ge Leiter der BAO Bosporus betont in seinem Erfah-

rungsbericht, dass für erfolgreiche Ermittlungen eine

zentrale Ermittlungsführung mit klaren Weisungsbefug-

nissen erforderlich sei.

Ebenso erschwerten technische Defizite die Zusammen-

arbeit der ermittelnden Dienststellen. Insbesondere die

unterschiedliche EDV-Anbindung der beteiligten Dienst-

stellen führte zu erheblichen Problemen, da die beiden

Fallbearbeitungssysteme INPOL (des BKA) und EASy

(der bayerischen Polizei) zunächst nicht miteinander

kompatibel waren. Dies führte zu einem erheblichen

Mehraufwand und kostete wertvolle Zeit, erst nach rund

einem Jahr konnte auf die gemeinsamen Daten tatsächlich

zugegriffen werden. Nach Auffassung des Ausschusses

wäre es schon damals möglich und geboten gewesen –
unabhängig von konkreten Ermittlungsverfahren – einen
technisch unbehinderten Datenaustausch zwischen allen

an einem länderübergreifenden Ermittlungsverfahren

mitwirkenden Polizeidienststellen sicherzustellen.

Die operativen Fallanalysen

Nach bis dahin sieben Morden einer unaufgeklärten Serie

erstellte die bayerische Polizei 2005 eine erste Operative

Fallanalyse. Darin wurde die sogenannte „Organisations-
tätertheorie“ herausgearbeitet, wonach eine kriminelle
Gruppierung für die Taten verantwortlich zeichne. Bereits

gegen Ende des Jahres 2005 wurde in den Diskussionen

der Ermittler bezweifelt, dass diese Theorie allein alle

bekannten Tatumstände erfassen könne. Angesichts des

veränderten Gesamtbildes nach den letzten beiden Mor-

den in Dortmund und Kassel wurde im Mai 2006 eine

weitere Fallanalyse erstellt. Diese stellte neben die „Or-
ganisationstätertheorie“ die Alternativhypothese eines
rassistisch motivierten „Einzeltäters“. Diese zweite Ope-
rative Fallanalyse aus Bayern war in der Steuerungsgrup-

pe heftig umstritten. Aus den anderen Tatortländern und

vom BKA wurden Einwände gegen die Methode und

insbesondere gegen die „Einzeltätertheorie“ vorgebracht,
die sich auf keine Spuren und Hinweise stützen könne

und rein spekulativ sei. Aus Sicht des Ausschusses ver-

kennt diese Kritik, dass eine Operative Fallanalyse gerade

auch das Ziel verfolgen muss, alle Hypothesen zu erfas-

sen, die sich aus den bekannten Tatumständen ergeben

könnten. Nur so können weiterführende Ermittlungsansät-

ze entwickelt werden. Eher wäre daher als sachdienlicher

kritischer Einwand zu erwarten gewesen, dass die Gegen-

überstellung von „Organisationstheorie“ mit „allgemein-
krimineller“ Tatmotivation und „Einzeltätertheorie“ mit
rassistischer Tatmotivation gar nicht alle möglichen Er-

klärungsansätze erfasst.

Zur Klärung der in der Steuerungsgruppe aufgeworfenen

Fragen wurde noch am Tage der Vorstellung der zweiten

Operativen Fallanalyse vereinbart, eine weitere Operative

Fallanalyse in Auftrag zu geben. Ziel dieses Vorstoßes

war aus Sicht des Ausschusses, die Ergebnisse der zwei-

ten Operativen Fallanalyse zu relativieren. Diesen Auftrag

übernahm das LKA Baden-Württemberg. Die dort gefer-

tigte Operative Fallanalyse zeigte keine neuen Erklä-

rungsansätze für das Gesamtbild der Taten auf, sondern

wog zwischen den vorliegenden Erklärungsansätzen ab

und sprach sich klar gegen die „Einzeltätertheorie“ aus.
Die dafür vorgebrachten Argumente waren nach Ein-

schätzung des Ausschusses schon aus damaliger Sicht

teilweise fehlerhaft, vorurteilsbeladen und insgesamt nicht

überzeugend.

Aufbauend auf der zweiten Operativen Fallanalyse wurde

durch das OFA-Team der Bayerischen Polizei ein Medi-

enkonzept für eine die Ermittlungen begleitende und

unterstützende Öffentlichkeitsarbeit entworfen. Dieses

Konzept sprach die Empfehlung aus, die Möglichkeit

eines rassistischen Hintergrunds der Taten in der Öffent-

lichkeit anzusprechen, aber dabei möglichst Zurückhal-

Drucksache 17/14600 – 840 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tung zu üben. Sowohl aus den Akten wie auch aus den

Zeugenaussagen im Ausschuss wurde deutlich, dass die

Aussagen der zweiten Operativen Fallanalyse und die

Empfehlungen der Medienstrategie rein auf kriminalfach-

lichen Erwägungen des Analyseteams und der BAO Bos-

porus beruhten. Auch der damaligen Bayerische Innenmi-

nister Dr. Beckstein unterstützte die in Richtung Rechts-

extremismus zurückhaltende Medienstrategie, weil er

Unruhe in der türkischen Gemeinde befürchtete. Bei der

den allgemein geltenden Regeln entsprechenden Freigabe

durch die Spitze des Bayerischen Staatsministeriums des

Innern wurden keine Veränderungen der Medienstrategie

vorgenommen. In der Steuerungsgruppe wurde betont, die

Öffentlichkeitsarbeit müsse gleichwertig die „Organisati-
onstätertheorie“ berücksichtigen, damit auch dazu weitere
Hinweise erfolgen. Die zurückhaltende Information zu

einer wesentlichen Hypothese zum Täterprofil und die

Konzentration der Öffentlichkeitsarbeit der Ermittler auf

eine Ermittlungsrichtung ließen die Öffentlichkeit im

Unklaren und vergaben eine Chance, gezielte Hinweise

auf die rechtsextreme Szene zu gewinnen. Der Ausschuss

hält es generell für falsch, wenn die Sicherheitsbehörden

Erkenntnisse nicht aus nachvollziehbaren ermittlungstak-

tischen Gründen, sondern wie hier aus politischen Erwä-

gungen zurückhalten.

II. Polizistenmord

Der Ausschuss hat keinen Zweifel, dass die Ermittlungen

zum Mord an Michèle Kiesewetter und zum Mordversuch

an ihrem Kollegen Martin A. aufwändig und mit großem

Engagement geführt wurden.

Mehr als in jedem anderen Fall hat der Ausschuss hier

aber den Eindruck gewonnen, dass die bisherigen Ermitt-

lungsergebnisse entscheidende Fragen offen lassen. Eine

wesentliche Ursache dafür sieht der Ausschuss darin, dass

wichtigen Spuren erst mit Verzögerung nachgegangen

wurde. Beispielhaft seien aufgeführt:

– Bei der sofort nach der Tat eingeleiteten Ringalarm-
fahndung wurde an einer rund 20 km vom Tatort ent-

fernten Kontrollstelle das Kennzeichen eines Wohn-

mobils aus Chemnitz registriert. Mit der Auswertung

der Kontrolllisten wurde aber erst drei Jahre nach der

Tat im Sommer 2010 begonnen.

– Eine Reihe von Videoaufzeichnungen waren im wei-
teren Umfeld des Tatorts (Gaststätten, Tankstellen,

Bahnhof) und bei der Trauerfeier gesichert worden.

Diese Aufzeichnungen wurden aber erst ab Dezem-

ber 2009 katalogisiert und gesichtet.

– Am Dienst-Kfz wurde eine Reihe von DNA-Spuren
gesichert und dem LKA Baden-Württemberg zur Be-

gutachtung übersandt. Das letzte schriftliche Ergeb-

nis erging offenbar erst mit Bericht vom Juni 2009,

obwohl der späteste Untersuchungsantrag an das

LKA auf den August 2007 datiert.

– Ein ehemaliger Gerichtsmediziner der Universität
Tübingen erstellte ein Gutachten zum Schussverlauf,

aus dem unter anderem (grobe) Informationen zur

Körpergröße der Täter folgten. Dieses Gutachten

wurde jedoch erst über ein Jahr nach der Tat erstellt.

– Zeugen, deren Personalien am Tattag erfasst worden
waren, wurden erst Monate später vernommen.

– Ein E-Mail-Postfach von Frau Kiesewetter wurde
nicht tatnah ausgewertet – mit der zudem auch sach-
lich unzutreffenden Begründung, dass die betreffende

Adresse im Umfeld der Polizistin nicht bekannt ge-

wesen sei. Als dieses schwere Ermittlungsversäumnis

behoben werden sollte, waren die Daten längst beim

Provider gelöscht.

Nach Auffassung des Ausschusses wäre es sachgerecht

gewesen, wenn von Beginn an das LKA Baden-

Württemberg die Ermittlungen geführt hätte.

Eine wesentliche Ursache für diese Ermittlungsverzöge-

rungen ist auch nach Einschätzung des Ausschusses die

anfängliche Konzentration auf die später als Trugspur

entlarvte, auch an vielen anderen Tatorten im In- und

Ausland festgestellte DNA-Spur einer „unbekannten
weiblichen Person“. Im Zusammenhang mit dieser
Trugspur, durch später als falsch aufgeklärte Hinweise

und aufgrund ihrer Anwesenheit am Tatort gerieten An-

gehörige der Minderheit von Sinti und Roma rasch in den

Fokus der Ermittlungen. Die sogenannte „Spur Landfah-
rer“ blieb auch dann noch eine zentrale, sich auch in der
Presse niederschlagende Ermittlungsrichtung, als längst

klar war, dass keine verwertbaren Erkenntnisse vorlagen

und gewonnen werden konnten.

Die Fehlleitung durch die DNA-Trugspur vermag aller-

dings nach Einschätzung des Ausschusses nicht alle Ver-

zögerungen und Fehlleistungen zu erklären. Für beson-

ders kritikwürdig hält der Ausschuss den Umstand, dass

eine Reihe von Spuren – darunter Funkzellendaten – bei
den anfänglichen Ermittlungen als „bearbeitet“ bezie-
hungsweise „erledigt“ gekennzeichnet wurde, obwohl
dies nicht der Fall war. Die Nachbearbeitung geraume

Zeit später bereitete dann erhebliche, bei rechtzeitiger

Bearbeitung vermeidbare Schwierigkeiten. Außerdem hat

der Ausschuss den Eindruck gewonnen, dass beim Mord

an Frau Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem

Kollegen weniger gründlich als in anderen Fällen im

beruflichen und persönlichen Umfeld der Opfer ermittelt

wurde. Nur so ist zu erklären, dass die frühere KKK-

Mitgliedschaft des unmittelbaren Vorgesetzten von Frau

Kiesewetter nicht schon im Jahr 2007, sondern erst 2012

bekannt wurde.

Die Ermittlungen haben vor dem Zufallsfund der Tatwaf-

fen und der Dienstwaffen der beiden Polizisten im Unter-

schlupf der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Unter-
grund“ niemals einen Hinweis gewonnen oder auch nur
die Möglichkeit erwogen, es könne sich bei den Tätern

um Rechtsterroristen handeln. Während die BAO Bospo-

rus – letztlich erfolglos – zumindest einen Abgleich ihrer
Spurenlage mit den Erkenntnissen zu Heilbronn veran-

lasste, finden sich entsprechende Überlegungen oder

Empfehlungen in den Akten zum Polizistenmord nicht,

insbesondere nicht in den beiden Operativen Fallanalysen

des LKA Baden-Württemberg. Diese Operativen Fallana-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 841 – Drucksache 17/14600

lysen gelangten zu dem Ergebnis, ein politischer An-

schlag gegen Staatsorgane sei deswegen eher auszu-

schließen, weil es an einem Bekennerschreiben fehle –
dieser Fehlschluss zieht sich wie ein roter Faden durch die

Ermittlungen zu den dem NSU zugeschriebenen Strafta-

ten. Das LfV Baden-Württemberg erhob noch im Jahr

2012 Einwände gegen die polizeiliche Vernehmung eines

pensionierten Mitarbeiters zu angeblichen Hinweisen auf

Ausspähversuche von Rechtsextremisten gegen die Kli-

nik, in der der schwer verletzte Kollege von Frau Kiese-

wetter behandelt wurde. Das stieß im Ausschuss auf Un-

verständnis.

Akten und Zeugenaussagen haben dem Ausschuss in

diesem Fall das Bild einer ungewöhnlich problembelade-

nen Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei

vermittelt. Maßnahmen abzulehnen, welche die Polizei

für sachgerecht hält, gehört selbstverständlich zur Sach-

leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft– wenn dies aber
durch den zuständigen Staatsanwalt in persönlich herab-

setzender Form geschieht, bedeutet das eine vermeidbare

Behinderung der Ermittlungsarbeit. Zudem war die Frist,

innerhalb derer sich die Staatsanwaltschaft zu Anregun-

gen der Polizei äußerte, nach Auffassung des Ausschusses

teilweise unvertretbar lang. Auch kann der Ausschuss die

Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nicht alle nach-

vollziehen: So konnten Wahrnehmungen mehrerer Zeu-

gen zu blutverschmierten Personen nach damaliger Auf-

fassung der Polizei in ihrer Gesamtbewertung einen mög-

lichen Fluchtweg aufzeichnen. Die Zeugen zum Spuren-

komplex „Blut“ wären in diesem Fall die wichtigsten und
„tatnächsten“ Zeugen gewesen, was umfangreiche weitere
Ermittlungen hätte nach sich ziehen müssen. Die Staats-

anwaltschaft teilte diese Bewertung nicht, weil ihr unter

anderem angesichts der vermuteten „gezielten und ge-
planten Tat die wahrgenommenen Fluchtwege wenig

schlüssig“ erschienen. Nach Auffassung des Ausschusses
wäre eine gründlichere Auseinandersetzung mit dem

„Spurenkomplex Blut“ damals sachgerecht gewesen –
zumal die Chancen, auf diesem Weg weiterführende

Hinweise zu gewinnen, mit dem Zeitabstand zur Tat san-

ken.

III. Sprengstoffanschläge

Nach Einschätzung des Ausschusses bot die Spurenlage

für die Ermittler zu den beiden Sprengstoffanschlägen in

Köln ungleich aussichtsreichere Ermittlungsansätze als

bei anderen dem NSU zugeschriebenen Straftaten: Bei

dem Anschlag 2001 gab es einen Zeugen, der den Täter

unmaskiert gesehen hatte. Die Täter des Anschlags von

2004 waren auf Videobändern aufgezeichnet worden.

Jedoch wurden diese Ansatzpunkte nur unzureichend

genutzt.

Sprengfallenattentat in der Kölner Probsteigasse

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den

Untersuchungsausschuss fand ein Großteil der Ermittlun-

gen im Umfeld der Opferfamilie statt. Die gründlich ge-

führten Ermittlungen zielten darauf, über die Familie und

das Umfeld des Opfers eine Spur zum Täter zu finden.

Ermittlungen im privaten Umfeld des Opfers sind zwar

ein in vielen anderen Ermittlungsverfahren erfolgreicher

Ansatz, der nicht grundsätzlich zu kritisieren ist. Kritik-

würdig in diesem Fall ist aber, dass keine anderen Ansät-

ze verfolgt wurden, als die Ermittlungen im privaten Um-

feld keine Ergebnisse brachten. Es wäre angesichts des

Opfers, der Art der Tatbegehung und der Beschreibung

des Täters auch aus damaliger Sicht sachgerecht gewesen,

eine rassistische Motivation des Anschlags jedenfalls in

Erwägung zu ziehen. Zwei bis heute unaufgeklärte

Sprengstoffanschläge in den beiden Jahren vor dem An-

schlag in der Probsteigasse – auf die Ausstellung „Ver-
brechen der Wehrmacht. 1940 - 1945“ in Saarbrücken am
9. März 1999 und an einer Düsseldorfer S-Bahn-

Haltestelle am 27. Juli 2000 – hatten mögliche rechtsext-
reme Täter ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Die

von den Ermittlern bereits am Tag der Explosion an die

Verfassungsschutzbehörden in Land und Bund gerichtete

Erkenntnisanfrage zielte aber nur auf eine mögliche aus-

landsgesteuerte Bedrohung exil-iranischer Familien in

Deutschland, nicht auf einen rassistischen Tathintergrund.

Eine Antwort des BfV wurde in den Akten nicht aufge-

funden.

Nach dem Anschlag in der Probsteigasse veranlasste die

Polizei über das LKA Nordrhein-Westfalen beim BKA

eine bundesweite Auswertung der dort geführten Datei

„Tatmittelmeldedienst Spreng- und Brandvorrichtungen“.
Die Suche führte nicht zum Erfolg, weil sie dem Zweck

der Datei entsprechend auf das Tatbegehungsmittel

„Druckgasflasche“ beschränkt blieb. In der Datei „Tatmit-
telmeldedienst“ wäre theoretisch technisch aber auch eine
Abfrage allein mit den Suchkriterien „rechtsradikal,
männlich“ möglich gewesen. Mit Blick auf die Umstände
der Tat wäre es sinnvoll gewesen, auch dies zu prüfen.

Eine entsprechende Anfrage hätte unter vielen anderen

auch einen Hinweis auf Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

ergeben. Da das LKA Thüringen damals Hinweise erhal-

ten hatte, dass sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

1998 in Köln aufhielten, hätte dies eventuell konkrete

weitere Ermittlungsansätze erbracht.

Nach Auffassung des Ausschusses ist es angesichts der

Schwere der Tat nicht nachvollziehbar, dass die polizeili-

chen Ermittlungen bereits im Mai 2001 – also vier Mona-
te nach der Tat – beendet wurden. Gleiches gilt für die
einen Monat später erfolgte Verfahrenseinstellung durch

die Staatsanwaltschaft Köln. Als sich der Verdacht gegen

einen bestimmten Beschuldigten als falsch erwies, wäre

es vielmehr sachgerecht gewesen, die Ermittlungen im

Rahmen eines Verfahrens gegen Unbekannt fortzuführen.

Hier wurde hingegen sogar bereits fünf Jahre nach der Tat

– deutlich vor dem Ablauf der Verfolgungsverjährung
von 20 Jahren bei der Straftat des Herbeiführens einer

Sprengstoffexplosion mit schwerer Gesundheitsschädi-

gung – die Vernichtung aller vorhandenen Asservate
angeordnet. Beweismittel gingen daher für immer verlo-

ren.

Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße

Nach Einschätzung des Ausschusses weist der Anschlag

in der Keupstraße in Köln Merkmale auf, die ihm eine

Drucksache 17/14600 – 842 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zentrale Bedeutung innerhalb der gesamten der Terror-

gruppe NSU zur Last gelegten Straftaten zumessen: die

eindeutig rassistische, keinesfalls gegen eine bestimmte

Person gerichtete Tatmotivation; die nachweisliche Ver-

wendung von Fahrrädern zur Tatbegehung; das Vorliegen

von Videoaufnahmen, welche die Täter zeigen.

Die erste Lagemeldung des LKA Nordrhein-Westfalen

nach dem Anschlag verwendete den Begriff „terroristi-
sche Gewaltkriminalität“. Wenig später, nachdem das
Lagezentrum der Polizei im Innenministerium Nordrhein-

Westfalens den damaligen Minister Dr. Behrens zum

Sachverhalt informiert hatte, wurde auf Bitte des Lage-

zentrums diese Meldung durch das LKA dahingehend

korrigiert, dass es bislang keine Hinweise auf terroristi-

sche Gewaltkriminalität gebe. Wer im Innenministerium

Nordrhein-Westfalen diese Bitte an das LKA veranlasst

hat, war durch die Akten und Zeugenaussagen nicht

aufklärbar. Auf eine tatsächliche Einflussnahme der poli-

tischen Spitze deutet nichts, auch der Zeuge Dr. Behrens

schloss sie definitiv aus. Der damalige Bundesinnenmi-

nister Otto Schily nahm am Tag nach dem Anschlag

knapp vor der Presse Stellung. Er betonte, die ersten Er-

kenntnisse der Sicherheitsbehörden würden nicht auf

einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein krimi-

nelles Milieu deuten, die Ermittlungen seien aber nicht

abgeschlossen, so dass er keine abschließende Bewertung

vornehmen könne. Welche Informationen dieser voreili-

gen öffentlichen Darstellung zugrunde lagen, konnte der

Zeuge Schily vor dem Ausschuss nicht angeben. Dass

diese unzutreffende Äußerung damals ein Fehler war, hat

Otto Schily im April 2012 öffentlich eingeräumt. Die

Frage einer Beeinflussung der Ermittlungen durch eine

derartige öffentliche Feststellung wurde im Ausschuss

gestellt – die befragten Ermittler schlossen dies für sich
aus.

Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme des Aus-

schusses wurden bei den Ermittlungen falsche Schwer-

punkte gesetzt – und auch dann nicht korrigiert, als die
Erfolglosigkeit dieser Ermittlungsansätze erwiesen war:

– Intensiv ermittelt wurde im Umfeld der Keupstraße
und der Geschädigten – ein angesichts des durch Vi-
deobilder bekannten Erscheinungsbilds der Täter

nicht überzeugender Ansatz.

– Bereits am Tag des Attentats in der Keupstraße
wandte sich das Polizeipräsidium Köln an die Verfas-

sungsschutzbehörden in Bund und Land. Das BfV

gab in einem Dossier ausführliche Hinweise zu mög-

lichen Hintergründen der Tat und nannte der Polizei

vier „Combat 18“-Sympathisanten aus Köln und
Wuppertal, deren Beteiligung an der Tat polizeilich

überprüft werden sollte. Ob es, als die benannten

Verdächtigen ausgeschieden waren, eine weitere

Rückfrage beim BfV gab, ist aus den Akten nicht be-

kannt.

– Die beiden Operativen Fallanalysen, die vom LKA
Nordrhein-Westfalen und vom BKA erstellt wurden,

legen übereinstimmend eine rassistische Tatmotivati-

on nahe. Das fand in den Ermittlungen kaum Berück-

sichtigung und wurde in der Öffentlichkeitsarbeit

bewusst zurückgehalten. Allerdings betonen beide

Operative Fallanalysen, die Täter müssten in einem

nahen Umkreis um den Tatort entweder wohnen oder

zumindest über einen Raum zur Vorbereitung ihrer

Tat verfügen, einen Hinweis auf die Möglichkeit übe-

rörtlich agierender Täter gaben sie nicht. Infolgedes-

sen wurden Rechtsextremisten lediglich im Groß-

raum Köln überprüft.

– Bei dem Anschlag in der Keupstraße ist möglicher-
weise mindestens einer der Täter zwei Polizeibeam-

ten, die als erstes am Tatort eintrafen, begegnet. Dies

hätte auch damals schon bekannt sein müssen, da die

Flucht des Täters auf Überwachungskameras aufge-

zeichnet worden war. Keiner der beiden Beamten

wurde allerdings damals zu eventuellen Wahrneh-

mungen gefragt – dies geschah unverständlicherweise
erstmalig 2013 und nur wegen der anstehenden Ver-

nehmung dieser Polizisten durch den Untersuchungs-

ausschuss.

Der Ausschuss hat sowohl bei der Auswertung der poli-

zeilichen Kriminalstatistik (PKS) als auch bei der Aus-

wertung der Datei „Tatmittelmeldedienst“ – die beide
tatnah erfolgten – nicht nachvollziehbare Einschränkun-
gen teils der Fragen, teils der Antworten festgestellt, die

auch im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht korri-

giert wurden. Das Polizeipräsidium Köln veranlasste beim

LKA Nordrhein-Westfalen eine bundesweite Abfrage der

PKS und gab als Suchkriterien die Deliktschlüssel für die

Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und die Vorbe-

reitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens an.

In der Antwort des LKA wurden allerdings nur die Tat-

verdächtigen erfasst, die in Nordrhein-Westfalen in Er-

scheinung getreten waren. Eine Rückfrage der Kölner

Polizei beim LKA erfolgte nicht.

Die zuständigkeitshalber vom LKA gestellte Anfrage an

den Tatmittelmeldedienst des BKA erfolgte „für den
Zeitraum der letzten 5 Jahre“. Auch bei dieser Recherche
fand nur die Bauart der Nagelbombe als Suchkriterium

Verwendung. Für eine vergebene Chance schätzt es der

Ausschuss ein, dass eine breiter angelegte Recherche

nicht erfolge, obwohl sie technisch möglich gewesen

wäre. Bei dem offensichtlich nicht gegen eine bestimmte

Person gerichteten Anschlag und angesichts der Videobil-

der der Täter hätte es nahe gelegen, in den Dateifeldern zu

den Tätern früherer Sprengstoffanschläge allein unter den

Suchbegriffen „rechtsradikal, männlich, Koffer“ zu re-
cherchieren, und zwar für einen längeren Zeitraum. Eine

entsprechende Suche hätte unter vielen anderen einen

Hinweis auf Böhnhardt und Mundlos erbracht, die ge-

meinsam mit Zschäpe wegen mehrerer Sprengstoffdelikte

beim Tatmittelmeldedienst registriert waren – zuletzt
wegen des Sprengstofffundes in der Garage in Jena. Al-

lerdings waren den Sprengstoffermittlern des LKA diese

Abfragemöglichkeiten jenseits des Tatmittels nicht be-

kannt. Auch nachdem die Ermittlungen längere Zeit er-

kennbar keine Ergebnisse erbracht hatten, wurde weder

eine erneute, verbesserte Anfrage durch das LKA veran-

lasst noch seitens des BKA auf die noch nicht ausge-

schöpften Recherchemöglichkeiten hingewiesen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 843 – Drucksache 17/14600

Nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße legte

der Generalbundesanwalt einen Prüfvorgang an, um über

seine eigene Zuständigkeit für die Verfolgung des Delikts

zu entscheiden. Die Akte zu diesem Vorgang enthält nur

zu einem geringen Teil polizeiliche Sachstandsberichte

(Fernschreiben zur Lage), im Wesentlichen hingegen

Zeitungsberichte. Die Prüfungshandlungen des General-

bundesanwalts beschränken sich auf zwei Telefonate mit

dem Leiter der Ermittlungskommission und dem zustän-

digen Kölner Oberstaatsanwalt zwei Tage nach der Tat

sowie auf eine Bitte um eine Sachstandmitteilung im

Jahre 2005. Der Ausschuss hält das – wie auch in den
anderen Fällen – für eine ungenügende Prüfgrundlage.
Die Kölner Staatsanwaltschaft wäre verpflichtet gewesen,

ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen. Die

Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren sehen in

Nr. 202 vor, dass eine Staatsanwaltschaft Vorgänge, aus

denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Ober-

landesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden und damit

in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden

Straftat ergibt, mit einem Begleitschreiben unverzüglich

dem GBA übersendet.

IV. Ermittlungen im Umfeld der Opfer

Den schweren Schicksalsschlägen, von denen die Ange-

hörigen der Mordopfer getroffen wurden, den Schmerzen

und Schäden, die alle Opfer der Straftaten erlitten haben,

die der Terrorgruppe zur Last gelegt werden, haben nach

den Feststellungen des Ausschusses die Ermittlungen in

vielen Fällen weiteres Leid hinzugefügt – Leid, das ver-
meidbar gewesen wäre und nach Überzeugung des Aus-

schusses hätte vermieden werden müssen.

Der Ausschuss verkennt nicht, dass sorgfältige Ermittlun-

gen im Opferumfeld bei Mordtaten ein wichtiger und –
und in vielen Fällen erfolgreicher – Ansatz fachgerechter
Polizeiarbeit sind. Gerade an Sorgfalt bei der Auswahl

geeigneter und angemessener Ermittlungsansätze und an

fachgerechter Ermittlungsführung aber hat es nach Auf-

fassung des Ausschusses vorliegend vielfach gefehlt:

– Minderjährige wurden kurz nach den Taten ohne
Beistand einer volljährigen Person ihres Vertrauens

vernommen. Geschwister der Mordopfer wurden bei

Vernehmungen der Eltern als Übersetzer tätig.

– Mit Angehörigen wurden über Jahre immer wieder
Vernehmungen durchgeführt, in denen wissentlich

falsche Anschuldigungen gegen die Ermordeten er-

hoben wurden. Die Ehefrau eines der Mordopfer

wurde beispielsweise mit der falschen Behauptung

konfrontiert, ihr getöteter Mann habe parallel eine

deutsche Geliebte und zwei weitere Kinder gehabt.

Der Witwe wurden sogar Fotos einer angeblichen

Geliebten des verstorbenen Mannes gezeigt.

– Einzelne Familien wurden ohne wirklichen Anlass
mehrere Monate mit Telefonüberwachungsmaßnah-

men überzogen und ihre privaten Gespräche im Fa-

milienauto mit Mikrofonen abgehört.

Solche unverhältnismäßigen und nicht fachgerecht durch-

geführten Ermittlungsmaßnahmen trugen zum Leid der

Angehörigen der Opfer der mutmaßlichen Taten des NSU

bei.

Der Ausschuss konnte allerdings durchaus unterschiedli-

ches Verhalten der zuständigen Ermittler gegenüber den

Angehörigen der Mordopfer feststellen. Für künftige

Ermittlungsverfahren muss darauf hingewirkt werden,

dass das Leid der Angehörigen der Opfer schwerer Straf-

taten im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsmaßnah-

men stets ernst genommen wird und die notwendigen

Ermittlungsschritte mit dem gebotenen Einfühlungsver-

mögen fachgerecht durchgeführt werden.

V. Mangelnde Offenheit für alternative Ermitt-
lungsansätze

Der Ausschuss hat aus den vorliegenden Akten den Ein-

druck gewonnen, dass die meisten Ermittler sowohl bei

der „Česká“-Mordserie als auch bei den Sprengstoffan-
schlägen in Köln nicht nur den Schwerpunkt auf die Er-

mittlungsrichtung „Organisierte Kriminalität“ gelegt,
sondern an diesem Schwerpunkt auch dann noch festge-

halten haben, als Spur um Spur in diese Richtung ergeb-

nislos blieb. Dieses Beharren auf einem Ermittlungsan-

satz, der nicht erfolgreich ist, wird von dem Umstand

unterstrichen, dass noch im Jahr 2010 BKA-Präsident

Ziercke die „Česká“-Mordserie bei einem Vortrag zur
Organisierten Kriminalität als herausragendes Beispiel für

einen ungelösten Fall aus diesem Kriminalitätsbereich

präsentierte.

Fachgerecht geführte Ermittlungen im Opferumfeld zur

Klärung möglicher Tatmotivationen sind notwendig und

nicht zu kritisieren. Wenn aber kaum verwertbare Tat-

ortspuren zur Verfügung stehen und Ermittlungen im

Opferumfeld zu keinem Ergebnis kommen, dann wäre

eine umfassende Überprüfung und Neuausrichtung der

Ermittlungsarbeit geboten gewesen. Der Misserfolg der

Ermittlungen wäre vielleicht auch mit einem Ausbruch

aus der polizeilichen Routine, einem Ausbrechen aus dem

„immer weiter so“, nicht abzuwenden gewesen – aber
eine Chance hätte dies eröffnet. In diesem Fall hätte ein

unbefangener Blick auf die Gesamtheit aller Opfer es

jedenfalls nahegelegt, intensiv in Richtung eines mögli-

chen rechtsterroristischen oder rassistischen Tathinter-

grunds zu ermitteln. Sehr kritisch betrachtet der Aus-

schuss die Widerstände, denen die Ansätze zu einer sol-

chen Erweiterung des Blickfelds und Neuausrichtung der

Schwerpunkte im Kreis der Ermittler begegneten.

Denn es ist ja nicht so, dass es keine Gründe gegeben

hätte, andere Ermittlungsansätze zu verfolgen und die

Hypothese „Organisierte Kriminalität“ zurückzustellen:
Die Spuren in diese Richtung waren ergebnislos ausermit-

telt. Die wenigen Merkmale, die tatsächlich alle Opfer

gemeinsam haben – Berufsgruppe, Lebensalter, Ge-
schlecht, ausländische Herkunft – konnten sie mit keiner
bekannten kriminellen Organisation in Konflikt bringen.

Nur eine rassistische Tatmotivation traf tatsächlich auf

alle Opfer zu. Bei einer Reihe von Taten der Mordserie

Drucksache 17/14600 – 844 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wiesen Zeugenaussagen, beim Nagelbombenanschlag in

der Kölner Keupstraße Videoaufnahmen darauf hin, dass

zur Tatbegehung Fahrräder genutzt wurden. Eine Zeugin

im Mordfall Yaşar hat sogar den Fahrradfahrer aus dem
Kölner Video als den von ihr in Nürnberg beobachteten

Radfahrer eindeutig wiedererkannt. In dem Umstand, dass

ihre Zeugenaussage im Vernehmungsprotokoll deutlich

abgeschwächt wiedergegeben wurde, sieht der Ausschuss

einen Beleg mangelnder Offenheit für neue Ermittlungs-

ansätze. Konsequente und umfassende Ermittlungen zum

modus operandi „Fahrräder“ wurden jedoch nicht geführt.
Im Gegenteil: Das Ansinnen des Leiters der BAO Bospo-

rus in Nürnberg, eine vergleichende Operative Fallanalyse

zur Mordserie und dem Anschlag zu veranlassen, die

möglicherweise auch zum Spurenkomplex „Fahrräder“
weitere Ermittlungsansätze hätte liefern können, wurde

mit dem Argument abgelehnt, es könnten nicht „Äpfel mit
Birnen“ verglichen werden. Hier wünscht sich der Aus-
schuss für künftige Ermittlungsverfahren zur rechten Zeit

mehr Mut für Neues und einen weniger von Beharrung

geleiteten, unbefangenen Blick auf die Tatsachen – insbe-
sondere eine Berücksichtigung rassistischer Motive, wenn

dies nach den Umständen der Tat und mit Blick auf ihre

Opfer naheliegt. Dass trotz gegenteiliger Anhaltspunkte

an Erfahrungswissen festgehalten wurde, muss innerhalb

der Polizei kritisch hinterfragt werden.

B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung

Der Ausschuss hat sich intensiv damit auseinandergesetzt,

welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass Jugendli-

che, die Anfang der 1990er Jahre extrem rechts soziali-

siert wurden, sich zu Rechtsterroristen entwickelten. Im

Mittelpunkt der Untersuchungen des Ausschusses stand

dabei die Frage, ob und gegebenenfalls wie Handlungen

oder Unterlassungen staatlicher Institutionen – insbeson-
dere von Justiz und Polizei, aber auch von Verfas-

sungsschutzämtern und MAD – derartige Radikalisie-
rungsprozesse begünstigt und befördert haben könnten.

Applaus für Fälle von mörderischem Rassismus in den

frühen 1990er Jahren

Die frühen 1990er Jahre waren geprägt durch eine Welle

rassistischer und neonazistischer Gewalttaten, insbeson-

dere gegen Flüchtlinge und Migranten. Diese rassistisch

motivierte Gewalt wurde in den neuen Bundesländern

vielfach im öffentlichen Raum, vor den Augen zahlreicher

– oftmals sympathisierender – Anwohner verübt, ohne
dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden

wirksam auf Seiten der Opfer eingriffen und effektiv und

erkennbar gegen die Täterinnen und Täter vorgingen.

Potenzielle Nachahmer und Sympathisanten der extremen

Rechten konnten sich dadurch ermutigt und bestätigt

fühlen. Dies gilt insbesondere für die tagelangen pogrom-

artigen Angriffe auf Wohnheime von Asylbewerbern und

mosambikanischen Vertragsarbeitern im sächsischen

Hoyerswerda im August 1991. Diese endeten erst, nach-

dem die Angegriffenen unter Polizeischutz mit Bussen

aus der Stadt transportiert worden waren. Neonazis feier-

ten Hoyerswerda als bundesweit „erste ausländerfreie
Stadt“ und forderten zur Nachahmung auf.

In den darauf folgenden Monaten ereigneten sich an je-

dem Wochenende in Ost- und Westdeutschland schwerste

Gewalttaten gegen Menschen, die im Weltbild der

Rechtsextremisten als „politische Gegner“ oder „Auslän-
der“ galten. Darunter waren tödliche Brandanschläge u. a.
auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis und ein Wohnhaus

aus der Türkei stammender Migranten in Mölln. Im Au-

gust 1992 belagerten neonazistische Kader und Aktivis-

ten, politisch in der extremen Rechten sozialisierte Ju-

gendliche und Nazi-Skinheads aus der gesamten Bundes-

republik unter dem Beifall mehrerer tausend Anwohne-

rinnen und Anwohner ein Heim für ehemalige vietname-

sische Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen. Zuvor

hatten Bewohner des Stadtteils gegen die Überbelegung

der nahe gelegenen Zentralen Aufnahmestelle für Asyl-

bewerber protestiert. Nachdem Polizeikräfte zwei Tage

lang nur zögerlich gegen die Angreifer vorgegangen wa-

ren, setzten Neonazis am Abend des 26. August 1992

mithilfe von Molotow-Cocktails das Heim der ehemaligen

Vertragsarbeiter in Brand – mehr als 100 Menschen ent-
kamen nur knapp dem Feuertod. Die Bilder von Rostock-

Lichtenhagen gingen nicht nur um die Welt, sondern

vermittelten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die

sich zu extrem rechten Jugendszenen hingezogen fühlten

und sich in so genannten „Kameradschaften“ organisier-
ten, klare Botschaften: Auch bei schwersten Straftaten

würde die Polizei nur zögerlich auf Seiten der Angegrif-

fen einschreiten, eine effektive Strafverfolgung wäre

kaum zu befürchten.

In vielen deutschen Städten drückten die Bürger in ein-

drucksvollen Demonstrationen mit Hunderttausenden

Teilnehmern ihre Abscheu über Rassismus und Rechtsex-

tremismus aus. Ab Mitte der 1990er Jahre reagierte die

Bundesregierung mit einer Reihe von Vereinsverboten,

u. a. der Nationalistischen Front (NF), der Wiking Jugend

(WJ) und der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) auf die

zunehmende Gewalt und Radikalisierung. Die Neonazi-

szene passte sich an diese Verbote mit einer Änderung der

Strategie an: insbesondere in den neuen Bundesländern

organisierten sich Kader der verbotenen Parteien und

Vereine nunmehr in Kameradschaften und gründeten

deutsche Sektionen der internationalen Netzwerke von

„Blood & Honour“ und „Hammerskins“. Hintergrund war
und ist, dass es für die Innenminister schwieriger ist,

informellere Organisationsstrukturen zu verbieten. Au-

ßerdem kann mithilfe von Musik, Konzerten und entspre-

chendem CD-Handel neonazistische Ideologie als Aben-

teuer verkauft und weiter verbreitet werden. Dazu gehö-

ren auch so genannte Katz-und-Maus-Spiele mit der Poli-

zei bei illegalen Konzerten oder Demonstrationsverboten

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 845 – Drucksache 17/14600

wie etwa den jährlichen Rudolf-Hess-Aktionstagen in den

1990er Jahren.

Ein Teil der Neonazi-Szene – angeführt insbesondere von
der deutschen Sektion von „Blood & Honour“, den
„Hammerskins“ Deutschland und dem Netzwerk der so
genannten Freien Kameradschaften – reagierte auf die
Partei- und Organisationsverbote sowie auf polizeiliche

Maßnahmen darüber hinaus mit zunehmender Radikali-

sierung. Belege für diese Radikalisierung sind einschlägi-

ge Strategiepapiere und Handbücher für den bewaffneten

„führerlosen“ Untergrundkampf wie der „Weg vorwärts“
oder „Eine Bewegung in Waffen“, zahllose Waffen- und
Sprengstofffunde bei Neonazis in den 1990er und 2000er

Jahren sowie die Aufrufe, Daten über politische Gegner,

Polizeibeamte, Staatsanwälte, Gewerkschafter und Rich-

ter sowie andere „politische Gegner“ zu sammeln. Die
rassistische Ideologie, für „den Erhalt“ einer vermeintli-
chen „weißen Rasse“ zu kämpfen, soll mit Gewalt ver-
wirklicht werden – mit Gewalt gegen Flüchtlinge, Mig-
ranten und alle, die qua Hautfarbe oder Herkunft als

„fremd“ betrachtet wurden und werden.

Das Spannungsfeld zwischen lange Zeit zögerlichem

polizeilichem Einschreiten und ineffektiver Strafverfol-

gung einerseits und Partei- und Organisationsverboten

andererseits förderte ein neonazistisches Selbstverständ-

nis, das sowohl von Allmachtsphantasien als auch von

Verfolgungswahn geprägt war und ist.

Kriminelle Aktivitäten, Politisierung und Strafverfol-

gung

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren Anfang der

1990er Jahre Teenager. Alle drei traten schon früh poli-

zeilich in Erscheinung: Zschäpe wegen mehrerer Dieb-

stähle geringwertiger Sachen seit März 1991, Mundlos

wegen gefährlicher Körperverletzung erstmals im Juni

1991, Böhnhardt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und

Entwenden von Autos seit 1991/1992. Sie bewegten sich

bald in einer extrem rechten Parallelwelt von Jugendli-

chen und jungen Erwachsenen in Jena und Umgebung, in

der es als normal galt, kriminelle mit politischen Aktivitä-

ten zu mischen.

Nachdem auf Eigentums- auch Körperverletzungsdelikte

folgten, hatten die kriminellen Aktivitäten von Böhnhardt

ein derart hohes Niveau erreicht, dass ein Jugendrichter

am Amtsgericht Jena im Februar 1993 Untersuchungshaft

anordnete, die drei Monate andauerte. Der damals 16-

jährige Böhnhardt kam dort in eine Zelle mit wohl vier

weiteren jugendlichen Untersuchungshäftlingen, darunter

ein Aktivist eines radikalen Flügels des „Thüringer Hei-
matschutz“ (THS), der seit Mitte der 1990’er Jahre durch
seine Aktivitäten im Bereich Wehrsport, Waffenankäufe

und Rotlichtmilieu auffiel. Gemeinsam mit diesem und

zwei weiteren Untersuchungshäftlingen misshandelte

Böhnhardt einen weiteren Mithäftling auf der Zelle

schwer. Diese Misshandlungen führten zwar zur Einlei-

tung eines Ermittlungsverfahrens, hatten jedoch unver-

ständlicherweise im Ergebnis keine strafrechtlichen Kon-

sequenzen.

Ab 1994 politisierten sich Mundlos, Böhnhardt und

Zschäpe in ihren Aktivitäten zunehmend: Sie reisten teil-

weise alleine, teilweise zu zweit oder dritt zu Naziskin-

Konzerten in die angrenzenden Bundesländer – u. a. nach
Sachsen und Bayern – und lernten Neonazi-Aktivisten aus
Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern

und Sachsen kennen. Sie organisierten sich in der „Kame-
radschaft Jena“ und im „Thüringer Heimatschutz“, pfleg-
ten enge Kontakte zu „Blood & Honour“-Aktivisten vor
allem in Sachsen, beteiligten sich an Strategiediskussio-

nen im Kontext der Freien Kameradschaften und der

HNG und unterstützten inhaftierte Neonazis durch Besu-

che und Briefe. Sie nahmen an bundesweiten Großauf-

märschen der Neonaziszene wie in München am 1. März

1997 teil, aber auch an überregionalen Mobilisierungen

wie den verbotenen Rudolf-Hess-Aufmärschen 1996 und

1997, an mindestens einem Treffen der neonazistischen

„Artgemeinschaft“ des mittlerweile verstorbenen Rechts-
anwalts Jürgen Rieger sowie an regionalen Mobilisierun-

gen rund um den Prozess gegen Manfred Roeder wegen

dessen Störaktion gegen die Ausstellung „Verbrechen der
Wehrmacht“ in Leipzig. Bei Durchsuchungsmaßnahmen
fiel die zunehmende Bewaffnung des Trios auf: So wurde

am 9. November 1996 bei einer Polizeikontrolle im Auto

von Böhnhardt, in dem sich auch Holger Gerlach, Zschä-

pe und Mundlos befanden, ein Handbeil, ein Schlagstock,

eine Luftdruck- und eine Schreckschusspistole mit jeweils

entsprechender Munition sowie ein Messer, ein Wurfstern

und eine Gaspistole festgestellt. Das Ermittlungsverfahren

wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde am 12.

August 1997 eingestellt, da die Gegenstände den einzel-

nen Fahrzeuginsassen nicht zugeordnet werden konnten.

Mundlos wurde mit einer Gruppe von rund 20 neonazisti-

schen Skinheads aus Chemnitz während der Rudolf-Hess-

Aktionstage im August 1994 knapp 12 Stunden in Unter-

bindungsgewahrsam verbracht und wegen Herstellens von

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vom

Amtsgericht Chemnitz später zu einer Geldstrafe von 600

D-Mark verurteilt, weil bei ihm Visitenkarten mit dem

Bild von Adolf Hitler gefunden worden waren.

Nachdem Polizeibeamte im Rahmen einer Hausdurchsu-

chung bei Zschäpe 1996 Fotos von einer Kreuzverbren-

nung im Stil des Ku-Klux-Klans im Jahr 1995 festgestellt

hatten, identifizierte Zschäpe als Zeugin auf den Fotos

bereitwillig befreundete Neonaziskins aus Thüringen,

Chemnitz und Rostock, die den Kühnen- bzw. Hitler-

Gruß zeigten. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft

Gera ein Ermittlungsverfahren nach § 86a StGB ein und

erhob am 15. August 1997 Anklage gegen einige der

Beschuldigten beim Amtsgericht Jena. Es dauerte dann

allerdings zweieinhalb Jahre, bis das Gericht im Januar

2000 über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschied

und diese mit der Begründung ablehnte, der „Hitler- bzw.
Kühnengruß“ sei nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit
– weil in einem Waldgebiet – gezeigt worden. Zuvor hatte
der zuständige Oberstaatsanwalt bereits im Juli 1999

bezüglich mehrerer Angeschuldigter, darunter Wohlleben

und Gerlach, einer Einstellung zugestimmt: Angesichts

„der bekannten Milde des Vorsitzenden der Jugendstraf-
kammer des Landgerichts Gera [sollte] das Verfahren

Drucksache 17/14600 – 846 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch aus prozessökonomischen Gründen auf diese Art

und Weise beendet werden.“

In einem von November 1995 bis November 1997 geführ-

ten Verfahren wurde gegen Aktivisten des „THS“ und der
„Anti-Antifa-Ostthüringen“ wegen Bildung einer krimi-
nellen Vereinigung ermittelt. Es ging dabei um eine Viel-

zahl von Straf- und Gewalttaten. Die Staatsanwaltschaft

Gera ging jedoch nicht von einer kriminellen Gesamt-

struktur „THS“ bzw. „Anti-Antifa-Ostthüringen“ aus und
stellte das Verfahren ein. Begründet wurde die Einstel-

lung damit, dass kein Nachweis habe erbracht werden

können, wonach die zahlreichen Straftaten der einzelnen

Beschuldigten der Vereinigung zugeordnet hätten werden

können. Die EG Tex des LKA hatte zuvor in ihrem Ab-

schlussvermerk vom 20. Oktober 1997 zu dem Ermitt-

lungsverfahren festgestellt, dass keine Strukturen im Sin-

ne einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB hätten

nachgewiesen werden können. Warum die Ermittlungs-

verfahren wegen der drei Briefbombenattrappen und der

vier Bombenattrappen in Jena ab dem Frühjahr 1996

sowie ein Ermittlungsverfahren wegen des Funds eines

Sprengsatzes in einer Unterkunft für portugiesische Wan-

derarbeiter in Stadtroda 1995 nicht Bestandteile dieses

§ 129 StGB-Verfahrens wurden, konnte keiner der Zeu-

gen befriedigend erklären. Der Ausschuss weist darauf

hin, dass in Sachsen quasi parallel ein Strukturermitt-

lungsverfahren gegen eine Schwesterstruktur des „THS“,
die „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS), nach § 129
StGB zu rechtskräftigen Verurteilungen geführt hat. Un-

terschiede zwischen dem „THS“ und der SSS waren im
Wesentlichen, dass Führungskader des „THS“ V-Leute
waren.

Der Ausschuss hat den Eindruck gewonnen, dass schlep-

pend verlaufende polizeiliche Ermittlungen gegen Neona-

zi-Aktivisten mit darauf folgenden Einstellungen durch

Staatsanwaltschaften oder Gerichte in den 1990er Jahren

in Thüringen zum Alltag gehörten. Damit vermittelten

sowohl die Polizei als auch Staatsanwaltschaften und

Gerichte den Eindruck, dass rechtsextrem motivierte

Straftaten nur halbherzig verfolgt würden und die Täter

letztendlich kaum mit schwerwiegenden Konsequenzen

zu rechnen hätten.

Der Ausschuss ist zu der Überzeugung gekommen, dass

die Strafverfolgungsorgane in Thüringen damit die Radi-

kalisierung innerhalb des „THS“ und der mit ihm verbun-
denen Kameradschaften nicht ausreichend ernst genom-

men, die in diesem Zusammenhang verübten Straftaten

nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt und gel-

tendes Recht nicht konsequent angewendet haben. Dies

hat sicherlich dazu beigetragen, dass das Trio und seine

Unterstützer aus Thüringen davon ausgehen konnten,

auch mit schweren Gewalttaten straffrei davon zu kom-

men.

Umgang mit Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Der Ausschuss hat sich ebenfalls intensiv mit der Frage

auseinandergesetzt, wie in der Bundeswehr mit der insbe-

sondere in den 1990er Jahren auffallend hohen Anzahl

von rechtsextremen Vorfällen und damit einhergehenden

Aktivitäten umgegangen wurde. Für den Ausschuss hat

sich der Eindruck bestätigt, den bereits der Verteidi-

gungsausschuss als erster Untersuchungsausschuss

„rechtsextremistische Vorkommnisse in der Bundeswehr“
im Jahr 1998 gewonnen hatte: Der Grundsatz, Gewalttäter

und Führungskader extremistischer Gruppen von der

Bundeswehr fernzuhalten, wurde in den 90’er Jahren
nicht mit der nötigen Konsequenz umgesetzt. Dabei wur-

de auch die Rolle des MAD kritisch hinterfragt, zu dessen

Aufgabe es bis zum Aussetzen der Wehrpflicht auch

gehörte, das Einziehen einschlägig polizei- und justizbe-

kannter Neonazis in die Bundeswehr zu verhindern bzw.

Dienstvorgesetzte über einschlägige Aktivitäten der Rek-

ruten und Berufssoldaten zu informieren. Die vom MAD

im Rahmen seiner Zuständigkeit gewonnenen Erkenntnis-

se waren nach Auffassung des Ausschusses fachlich

gründlich recherchiert. Diese Erkenntnisse wurden aber

von der Bundeswehr nicht immer genutzt – wohl auch
deshalb, weil Befragungen von Wehrpflichtigen zu oft

erst gegen Ende der Dienstzeit erfolgten.

Als symptomatisch für die Situation in den frühen 1990er

Jahren können die rechtsextremen Umtriebe in der

Kyffäuserkaserne in Bad Frankenhausen zur Zeit der

Stationierung von Mundlos während seines Grundwehr-

dienstes vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1995 gelten.

Mundlos und vier andere Grundwehrdienstleistende fielen

durch das Abspielen neonazistischer Musik und einschlä-

gige Propaganda auf. Mundlos war zudem im August

1994 einmal nicht rechtzeitig zum Dienst erschienen, weil

er nach einer Polizeikontrolle anlässlich der Rudolf-Hess-

Aktionstage in Chemnitz in Polizeigewahrsam genommen

worden war. Der MAD aber führte erst einen Monat vor

dem Ende der Wehrdienstzeit von Mundlos entsprechende

Befragungen der Beteiligten durch.

Als ein weiteres Beispiel aus der Phase der Mitte der

1990er Jahre muss auch die Einberufung von Mario

Brehme, dem Schulungsleiter und überregional aktiven

Führungsaktivisten des „THS“, am 1. Juli 1996 und des-
sen Wehrdienst bis zum 30. April 1997 gelten. Zwar wur-

de Brehme am 21. August 1996 durch den MAD zu sei-

nen rechtsextremen Aktivitäten befragt, verblieb aber in

der Bundeswehr. Auch bei Jan Werner, der vom 1. April

1996 bis 31. Januar 1997 seinen Wehrdienst ableistete,

wurde eine MAD-Befragung durchgeführt, in deren Ver-

lauf Werner Kontakte zu „Blood & Honour“-Aktivisten
einräumte und ein anhängiges § 86a StGB-Verfahren

zugab. Dies hatte aber keine Auswirkungen auf seinen

Wehrdienst.

Zeugen haben gegenüber dem Ausschuss betont, dass sich

der zuvor extrem problematische Umgang der Bundes-

wehr mit rechtsextremen Aktivitäten nach einem warnen-

den Rundbrief des damaligen Generalinspekteurs vom

Februar 1997 verändert habe und das Problembewusstsein

bei höheren Diensträngen größer geworden sei. Dessen

ungeachtet konnte André Eminger, der vom 1. November

1999 bis zum 31. August 2000 seinen Grundwehrdienst

bei der Bundeswehr in Gotha ableistete, nach einschlägi-

gen Hinweisen auf seine rechtsextreme Einstellung und

entsprechenden Aktivitäten gegenüber einem Dienstvor-

gesetzten erklären, er denke „nationalsozialistisch“ und
bewundere die Leistungen der SS. Eminger wurde zum

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 847 – Drucksache 17/14600

Gefreiten befördert und erhielt ein durchschnittliches

Dienstzeugnis.

Als Ausdruck mangelnder Sensibilität wertet es der Aus-

schuss angesichts des Umstands, dass diese Ausbildung in

einer Reihe neonazistischer Publikationen empfohlen

wird, dass in den 1990er und 2000er Jahren Neonazis,

darunter auch Mundlos und Eminger, bei der Bundeswehr

an der Waffe ausgebildet wurden.

C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

Der Ausschuss hat intensiv die Ereignisse seit November

1997 beleuchtet: sie führten zum Auffinden von vorberei-

teten Rohrbomben und Sprengstoff in einer von Zschäpe

angemieteten Garage durch die Polizei und gipfelten

schließlich in der Flucht von Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe. Insbesondere ging der Ausschuss der Frage

nach, welche Fehler und Versäumnisse auf Seiten der

Sicherheitsbehörden dazu führten, dass die Fahndung

nach dem untergetauchten Trio erfolglos blieb und im

Jahr 2003 eingestellt wurde. Aufbauen konnte der Aus-

schuss dabei insbesondere auf dem Bericht der vom Thü-

ringer Innenminister berufenen Schäfer-Kommission vom

Mai 2012. Einbezogen wurden auch die vorläufigen Ab-

schlussberichte der Parlamentarischen Kontrollkommissi-

on des Sächsischen Landtags und des Sächsischen

Staatsministeriums des Innern vom Juni 2012. Zudem hat

der Ausschuss Zeugen aus den beteiligten Behörden ver-

nommen und umfangreiche Aktenbestände ausgewertet.

Wie konnte es geschehen, dass eine rechtsextremistische

Terrorgruppe über ein Jahrzehnt mitten in Deutschland

lebte und sich finanzieren konnte, ohne von den Behörden

gestellt und von der Szene verraten zu werden? – Das ist
eine der beiden zentralen Fragen, die der Ausschuss zu

klären bemüht war. Wichtige Antworten auf diese Frage

konnten gefunden werden.

Fehler bei den Durchsuchungen am 26. Januar 1998

Seit 1996 führten die Staatsanwaltschaft Gera und das

LKA Thüringen ein Ermittlungsverfahren gegen

Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und weitere Personen (Ralf

Wohlleben, André Kapke und Henning H.) wegen mehre-

rer im Stadtgebiet Jena platzierter Bomben und Bomben-

attrappen. Das LfV Thüringen erlangte Anfang Dezember

1997 durch eine Observation einen Hinweis auf die die

„Garage Nr. 5“ des Garagenvereins „An der Kläranlage“
in Jena, in der als Beweisstücke bedeutsame Gegenstände

vermutet wurden. Der im Januar 1998 und damit nach

Auffassung des Ausschusses zu spät weitergegebene

Hinweis führte zu der Entscheidung, von den Beschuldig-

ten genutzte Wohnungen und Garagen am 26. Januar

1998 zu durchsuchen. Der Termin war nicht mit Bedacht

gewählt. Der für das Verfahren leitend zuständige Beamte

des LKA Thüringen war an diesem Tag auf einer auswär-

tigen Fortbildung. Für die Entscheidungen der Staatsan-

waltschaft standen die Informationen des LfV Thüringen

zunächst nur eingestuft und damit nicht voll verwertbar

zur Verfügung.

Statt eines Durchsuchungsbeschlusses für jedes zu durch-

suchende Objekt wurde ein gemeinsamer Beschluss für

alle Durchsuchungen erlassen – Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe mussten also nach dessen Eröffnung wissen,

welche Objekte die Polizei durchsuchte und was sie folg-

lich finden würde. Eine Durchsuchung der Pkw der Be-

schuldigten lehnte die Staatsanwaltschaft unverständli-

cherweise ab, da kein ausreichender Bezug zum Tatver-

dacht gesehen wurde, obwohl die zuvor platzierten Bom-

ben und Bombenattrappen mutmaßlich mit einem PKW

transportiert worden sein mussten. Dies hätte nach Auf-

fassung des Ausschusses anders entschieden werden müs-

sen. Dann hätte zudem Böhnhardt sein Auto nicht zur

Flucht zur Verfügung gehabt.

Die Vorbereitung der Durchsuchungen durch das zustän-

dige LKA Thüringen war unzureichend: Vor Beginn der

Durchsuchungen wurden die Eigentümer der zu durchsu-

chenden Objekte nicht ermittelt. Dies führte zur ersten

Verzögerung, als bekannt wurde, dass die Garage, in der

später Sprengstoff gefunden wurde, von einem Polizeibe-

amten an Zschäpe vermietet worden war. Zur zweiten

Verzögerung kam es, als die mit der Durchsuchung beauf-

tragten Beamten bei der Ankunft feststellten, dass die

Garage mit einem stabilen Vorhängeschloss gesichert

war, das die Polizei erst von der Feuerwehr öffnen lassen

musste. Während sich hier die Durchsuchung verspätete,

wurde sie bei den anderen Objekten planmäßig begonnen.

So gewannen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe den ent-

scheidenden Vorsprung: Sie wussten lange vor den durch-

suchenden Beamten um den bevorstehenden Fund. Wären

die Garagen dagegen gleichzeitig durchsucht worden,

hätte Böhnhardt, der bei der Durchsuchung einer weiteren

Garage in der Nähe seiner Wohnung anwesend war, we-

gen des Sprengstofffunds in der anderen Garage festge-

nommen werden können. So konnte er Mundlos und

Zschäpe warnen und sich schließlich mit ihnen gemein-

sam absetzen. Die Polizeibeamten dagegen, die

Böhnhardt hätten festnehmen können, erfuhren vom Auf-

finden dieser Beweisstücke zu spät, so dass sie Böhnhardt

nicht am Wegfahren hinderten.

Ebenso unzureichend war die Begleitung der Durchsu-

chung durch die zuständige Staatsanwaltschaft Gera.

Nach Auffassung des Ausschusses wäre die Anwesenheit

eines Staatsanwalts bei der Durchsuchung geboten gewe-

sen. Das war jedoch nicht der Fall. Der an sich zuständige

Staatsanwalt lag im Krankenhaus, erst im Laufe des Vor-

mittages gelang den durchsuchenden Polizisten eine Kon-

taktaufnahme zu dessen Stellvertreter. Dieser ordnete

nach Auffinden des Sprengstoffs schließlich die Festnah-

me von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe an. Obgleich

der Krankenhausaufenthalt des die Ermittlungen führen-

Drucksache 17/14600 – 848 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den Staatsanwalts im Vorfeld bekannt war, wurde bei der

Staatsanwaltschaft Gera nicht dafür Sorge getragen, dass

die durchsuchenden Ermittlungsbeamten direkt Kontakt

mit dem Stellvertreter aufnehmen konnten. Dies sorgte

ebenfalls für Verzögerungen. Obwohl bereits um 10 Uhr

in der „Garage Nr. 5“ mit der Sicherung der Sprengmittel-
funde begonnen wurde, trafen die Einsatzkräfte zur vor-

läufigen Festnahme des Trios erst um 14.50 Uhr bei deren

Wohnungen ein. Da war das Trio längst auf der Flucht.

Die weiteren im Rahmen des Verfahrens wegen der Bom-

ben und Bombenattrappen ermittelten Verdächtigen – zu
denen Ralf Wohlleben und André Kapke gehörten – blie-
ben bei der Planung und Durchführung der im Zusam-

menhang mit der Durchsuchung zu ergreifenden Maß-

nahmen nach den dem Ausschuss vorliegenden Unterla-

gen unberücksichtigt. Auch dieser Umstand hat es

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe erleichtert, sich dem

Zugriff der Behörden zu entziehen. Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe verließen Jena mutmaßlich mit dem Pkw

von Ralf Wohlleben.

Lückenhafte Auswertung der „Garagenliste“ und
weiterer Funde

In der „Garage Nr. 5“ wurden nicht nur eine erhebliche
Menge Sprengstoff und mit Sprengstoff gefüllte Rohr-

bomben gefunden, darunter eine, die auch Metallteile

enthielt, sondern auch Neonazi-Propaganda, Teile des

menschenverachtenden „Pogromly-Spiels“ und umfang-
reiche Unterlagen vor allem des Mundlos. Diese Unterla-

gen wurden weder zeitnah noch vollständig gesichtet und

unter allen relevanten Gesichtspunkten ausgewertet. An

der Auswertung haben Beamte des LKA Thüringen und

kurzzeitig dorthin zur Unterstützung entsandte Beamte

des BKA mitgewirkt. Der von einem BKA-Beamten

bearbeitete Auswertungsvermerk trifft zu einem Teil der

Fundstücke Feststellungen zu der Frage, ob diese eine

Straftat darstellen. Die Frage, ob die Fundstücke Hinwei-

se für die Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

geben können, wurde offenbar nicht gestellt – und dies
durch das LKA Thüringen auch dann nicht nachgeholt,

als die Suche bereits länger erfolglos gewesen war.

Mundlos hatte in den Jahren zuvor mit Personen der Neo-

nazi-Szene, die zu Haftstrafen verurteilt waren, Briefe

gewechselt und diese im Gefängnis besucht. Ein Ordner

mit solchen Briefen wurde in der Garage gefunden. Die

beiden wichtigsten Besuchs- und Briefpartner waren

Thorsten S. und Thomas Starke, die beide zur Chemnitzer

Neonazi-Szene gehörten und in der JVA Waldheim ein-

gesessen hatten. Starke gibt zudem heute an, nach seiner

Entlassung 1996 eine Beziehung zu Zschäpe gehabt zu

haben. Hinweise enthalten die Briefe ebenfalls auf Kon-

takte nach Baden-Württemberg: Mundlos bewunderte

ausdrücklich die vielen Waffen, die es in der Neonazi-

Szene dort gebe. Als Ermittlungsansatz wurden die Briefe

nicht genutzt. Thorsten S. sollte erst im Oktober 2002 und

im Mai 2003 durch die sächsische Polizei zu den Unterge-

tauchten vernommen werden. Er beantwortete die Vorla-

dung jedoch nicht und wurde auch nicht in seiner Woh-

nung angetroffen. Die sächsische Polizei, die die Briefe

nicht kannte, fasste nicht nochmals nach.

Mundlos hatte eine Liste mit Kontaktadressen geführt.

Zwei Versionen dieser Telefonliste, jeweils mit hand-

schriftlichen Ergänzungen, wurden in der Garage sicher-

gestellt. Eine der beiden Listen wurde erst 2012 im Rah-

men des aktuellen Verfahrens bei der Überprüfung der

damaligen Funde in einer REWE-Tüte entdeckt. Die

andere Liste war in die damalige Fundstücke-Auswertung

einbezogen und wurde als für die Ermittlungen ohne

Bedeutung bewertet. Das hatte zur Folge, dass sie nicht

einmal an die für die Suche nach dem Trio zuständige

Zielfahndung weitergegeben wurde. Sie wurde auch nicht

mit Erkenntnissen aus früheren Verfahren gegen

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verknüpft.

Auf der Telefonliste von Mundlos kommt keine Stadt so

häufig vor wie Chemnitz – die Stadt, in der sich
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach heutiger Kenntnis

von Januar 1998 bis Juli oder August 2 000 aufhielten:

Auf der ersten Fassung der Liste mit zehn Einträgen, auf

der zweiten Fassung mit neun Einträgen. Verzeichnet sind

auf beiden Listen bekannte und teils führende Aktivisten

von „Blood & Honour“, dem Neonazi-Netzwerk, das
nach heutiger Kenntnis die Unterkünfte für Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe in Chemnitz organisierte. Dabei

handelt es sich um:

– Thomas Starke: Er besorgte für Mundlos nach eige-
nen Angaben 1996/1997 den später in der Garage in

Jena gefundenen Sprengstoff. Er vermittelte dem Trio

die erste Unterkunft bei Thomas R. in Chemnitz und

war auch bei der Unterbringung in weiteren Woh-

nungen beteiligt.

– Markus F.: Dieser vermittelte Mundlos erste Kontak-
te nach Ludwigsburg und Heilbronn.

– Katrin D.: Sie wurde wegen einer Unterkunft für das
Trio angesprochen.

Durch eine sofortige Auswertung der Adressliste hätte

dem Thüringer LKA die enge Verbindung von Mundlos

zu Mitgliedern des „Blood & Honour“-Netzwerkes auffal-
len müssen, die als Kontaktpersonen und Fluchtunterstüt-

zer in Frage kamen. Polizeiliche Überwachungsmaßnah-

men gegen diese Personen wurden aber erst ab August

1998 eingeleitet.

Erst am 9. April 1999 – und damit viel zu spät – versuch-
ten Beamte der Zielfahndung des LKA Thüringen, Tho-

mas Starke in Chemnitz zu vernehmen. Er war ebenso wie

Jan Werner und Hendrik L. durch Telefonüberwa-

chungsmaßnahmen als mögliche Kontaktperson des Trios

identifiziert worden. Unter seiner ermittelten Anschrift

wurde er zunächst nicht mehr angetroffen. Ein dabei an-

getroffener Nachbar gab bei Vorlage von Lichtbildern an,

Mundlos 1998 öfter als Besucher von Thomas Starke

gesehen zu haben. Bei der Vernehmung eine Woche spä-

ter an seiner neuen Anschrift wurde Thomas Starke auf

diese Aussage ebenso wenig angesprochen wie bei einer

weiteren Vernehmung durch das LKA Thüringen im

Januar 2001. Weder wurde die Glaubhaftigkeit von Star-

kes Angaben überprüft, wann er das Trio zuletzt gesehen

habe, noch nachgefragt, welche Personen er mit der Ein-

schätzung meinte, das Trio halte sich bei „alten Partei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 849 – Drucksache 17/14600

freunden“ auf. Thomas Starke, der sowohl in den
Mundlos-Briefen als auch auf der Mundlos-Telefonliste

verzeichnet ist, hätte bei zeitnaher und sachgerechter

Auswertung spätestens im Februar 1998 vernommen und

observiert werden müssen. Dann wäre dies eine aussichts-

reiche Chance gewesen, Böhnhardt, Mundlos und Zschä-

pe zu fassen.

Die Telefonliste hätte bei sachgemäßer Bearbeitung nicht

nur zeitnah als Ermittlungsansatz für die Suche genutzt,

sondern auch den für die Wohnorte der dort genannten

Personen zuständigen Behörden bekannt gemacht werden

müssen. Denn die Telefonliste von Mundlos enthält Ad-

ressen im gesamten Bundesgebiet. Nach dem Ergebnis

der aktuellen Ermittlungen haben Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe die auf der Liste genannten Kontaktpersonen

in Baden-Württemberg auch nach Januar 1998 noch be-

sucht. Der baden-württembergischen Polizei, die die Liste

nicht kannte, blieben diese Besuche per Haftbefehl ge-

suchter mutmaßlicher Straftäter damals unbekannt. Die

Telefonliste enthält zudem bundesweit für die Neonazi-

Szene wichtige Personen und Anschriften. Genannt sind

unter anderen die damalige Bundesvorsitzende der seit

2011 verbotenen „HNG“ und führende Mitglieder von
„Blood & Honour“.

Vernachlässigung wichtiger Hinweise und mangelhaf-

te Auswertung

Der Auftrag zur Suche nach dem Trio wurde im LKA

Thüringen der Zielfahndung erteilt. Die Zielfahndung des

LKA Thüringen hatte nach eigener Einschätzung für diese

Aufgabe zu wenig Personal und zum anderen nicht die

nötige Kenntnis des rechtsextremistischen Spektrums.

Das LKA Thüringen und seine für die Fahndung nach

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zuständigen Mitarbei-

ter ermittelten mit hohem Aufwand und Einsatz, nutzten

aber dennoch wichtige Ermittlungsmöglichkeiten und

Hinweise nicht ausreichend:

– Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hielten nach heuti-
ger Kenntnis nach dem 26. Januar 1998 noch Kontakt

mit ihren Familien. Es gelang aber im Rahmen der

kurzen Laufzeiten der Telefonüberwachung nicht,

diese Kontakte aufzuklären und zur Ergreifung zu

nutzen.

– Das noch im Mai 1998 genutzte Handy von
Böhnhardt wurde nur von Mitte Februar bis Mitte

März 1998 überwacht – angeblich wegen fehlender
Ergebnisse. Damit wurde eine Chance vergeben,

Aufenthaltsorte oder Kontakte aufzuklären.

– In der Wohnung von Zschäpe hielten sich nach heu-
tiger Kenntnis nach dem 26. Januar 1998 mehrfach

Personen auf. Es wurden Kleidung und Papiere ge-

holt. Die Polizei hatte damals Hinweise, dass Perso-

nen in der Wohnung waren. Die Entscheidung, das

Schloss auszutauschen, aber nicht die Wohnung zu

überwachen, hält der Ausschuss für falsch. Anderen-

falls hätten möglicherweise die Gesuchten selbst oder

deren Helfer festgestellt werden können, welche die

Polizei zu den Flüchtigen hätten führen können.

– In einem Vermerk vom 19. März 1998 wurde aus-
drücklich hervorgehoben, dass eine Nachbarin, die

Zschäpe häufig bei deren Großmutter gesehen hatte,

deren Cousin Stefan Apel als die Person benannt ha-

be, die am ehesten etwas über den Aufenthalt der Un-

tergetauchten wissen könnte. Dennoch wurde Stefan

Apel nicht befragt – er hatte nach Starkes Angaben
diesen mit dem Trio bekannt gemacht.

– Aus erhobenen Bankdaten ging hervor, dass Zschäpe
zum Zeitpunkt des Abtauchens mit 4 000 DM im Mi-

nus war, Böhnhardt durch eine Abhebung kurz da-

nach mit 1 800 DM. Wie sich Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe finanzierten, wurde nie konsequent

überprüft.

– Einen Schwerpunkt der Ermittlungen bildeten Tele-
fonüberwachungsmaßnahmen im Umfeld des Trios.

Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden aber

nicht konsequent genutzt. Ein Beispiel dafür hat der

Ausschuss auch in einer Befragung beleuchtet: den

„Anruf aus Orbe“ vom 11. April 1998. Durch eine
Telefonüberwachungsmaßnahme bei dem Unterstüt-

zer Jürgen H. war ein Anruf von Mundlos aus einer

Telefonzelle bekannt, nach deren Vorwahl aus dem

„Bereich Orbe/Yverdon“ in der Schweiz. Dazu wurde
der Verbindungsbeamte des BKA in der Schweiz um

Einholung von Auskünften ersucht. Dessen Rück-

meldung, die Telefonzelle stehe in dem Ort Concise,

wurde offenbar nie beachtet: es bleibt in allen späte-

ren Akten bei der Bezeichnung „Anruf aus Orbe“. So
wurde auch nie bemerkt, dass in Concise zu der Zeit,

als Mundlos von dort anrief, ein „Konzert“ mit meh-
reren hundert Teilnehmern stattfand. Hinweise darauf

übermittelte auch das BKA nicht. Dieses „Konzert“
wurde von Personen veranstaltet, die Verbindungen

zum „Blood & Honour“-Netzwerk hatten, darunter
zum mutmaßlichen Trio-Unterstützer Jan Werner aus

Chemnitz. Eine Kontaktaufnahme mit der politischen

Polizei der Schweiz erfolgte nicht.

Das LfV Thüringen war ebenfalls auf der Suche nach

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Die Auswertung der

von anderen Nachrichtendiensten erhaltenen oder selbst

gewonnenen Erkenntnisse im LfV Thüringen aber war

ungenügend. Das gleiche gilt für die Quellenführung. Bei

einer Vielzahl von Quellenmitteilungen lässt sich aus den

Akten nicht einmal erkennen, dass der für ihre Auswer-

tung zuständige Mitarbeiter im LfV Thüringen sie über-

haupt zur Kenntnis bekam. Nicht nachvollziehbar ist für

den Ausschuss, warum bei mehreren Anrufen aus Chem-

nitz bei Jürgen H. als Anrufer eine Kontaktperson und

nicht Böhnhardt vermerkt wurde. Denn bereits im Mai

1999 war als Ergebnis einer Befragung des Jürgen H.,

festgehalten worden, dass Böhnhardt bei ihm angerufen

hatte, weil er auf Bitte von Ralf Wohlleben Aufträge ent-

gegennehmen sollte, wenn das Trio Geld oder Kleidung

benötigte. Da der Standort der Anrufer und der Inhalt der

Gespräche bekannt waren, hätte unschwer die Verbindung

hergestellt werden können, dass Böhnhardt sich in Chem-

nitz aufhielt. Wenn eine sachgerechte Auswertung der

verfügbaren Informationen erfolgt wäre, dann wären

folgende Informationen im Zusammenhang bekannt ge-

Drucksache 17/14600 – 850 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wesen. Das hätte nicht nur Ansätze zur Ermittlung von

Kontaktpersonen und Aufenthaltsorten erbracht, sondern

auch einen Hinweis auf die Täter der in Sachsen damals

begonnenen Überfallserie:

– Familie Böhnhardt unterstützte das Trio bis Anfang
1999 finanziell.

– Bis Mitte 1999 wird in der Szene für das Trio ge-
sammelt, unter anderem durch den Vertrieb des men-

schenverachtenden „Pogromly“-Spiels.

– Für das Trio sollen Waffen besorgt werden, um einen
weiteren Überfall zu begehen.

– Antje P., die mutmaßlich zum näheren Unterstützer-
umfeld gehört, wollte für eine Flucht nach Überfällen

ihre Ausweispapiere zur Verfügung stellen.

– Nach November 1999 betonen wichtige Kontaktper-
sonen, das Trio benötige kein Geld mehr – damals
hatte die Überfall-Serie bereits begonnen, die der

Terrorgruppe heute zur Last gelegt wird.

Versäumte Auswertung von Durchsuchungsfunden

bei Thorsten Heise

Gegen Thorsten Heise, der zunächst in der 1995 verbote-

nen „FAP“ aktiv war und als „Bindeglied“ zwischen dem
NPD-Bundesvorstand und den „freien Kameradschaften“
gilt, ermittelte seit 2005 die Staatsanwaltschaft Frankfurt

wegen des Verdachts der Volksverhetzung durch Vertrieb

entsprechender Tonträger. Am 30. Oktober 2007 wurde

das Wohnanwesen des Thorsten Heise in Fretterode in

Thüringen durch das BKA durchsucht. Dabei wurden

auch drei Kassetten für ein Diktiergerät gefunden, auf

dem Thorsten Heise mehrere Gespräche aufgenommen

hatte, darunter ein Gespräch mit Tino Brandt und weite-

ren Personen. Der Auswertungsvermerk des BKA trägt

das Datum 4. Mai 2009. Als im Gespräch genannte Per-

sonen sind neben einer Reihe anderer Personen auch

Beate Schadler (phon.), Uwe Mundlos (phon.) und Udo

Böhmer (phon.) genannt – mit dem ausdrücklichen Hin-
weis, die drei letzteren seien verschwunden. Schlussfolge-

rungen wurden im BKA aus diesem Hinweis nicht gezo-

gen. Ebenso wenig wurde ein ebenfalls bei dieser Durch-

suchung gefundenes kleines schwarzes Adressbuch aus-

gewertet, in dem als erster Eintrag der mutmaßliche Trio-

Unterstützer Holger Gerlach notiert ist. Eine detaillierte

Auswertung erfolgte erst, als dieser Vorgang durch den

zuständigen Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungs-

ausschusses aufgefunden worden war.

Mangelhafte Koordination der Thüringer Behörden

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe konnten sich am 26.

Januar 1998 und danach einer Verhaftung nicht zuletzt

deshalb entziehen, weil sich die beteiligten Sicherheitsbe-

hörden Thüringens gegenseitig einen Erfolg nicht gönn-

ten. Grundsätzlich gilt: Die Suche nach mutmaßlichen

Straftätern zur Vollstreckung von Haftbefehlen gehört

nicht zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden.

Zwar wurde das LfV Thüringen mit Wissen des LKA

Thüringen und im Auftrag des Thüringer Innenministeri-

ums tätig und wollte sicher auch einen Erfolg der Suche –

aber es wollte den Erfolg exklusiv für sich. Mit dieser

Einstellung hat das LfV Thüringen ein wettbewerbliches

Gegeneinander der Behörden in einer Lage erzeugt, in der

ein vertrauensvolles Miteinander geboten gewesen wäre.

Das eigentlich für die Ermittlungen zuständige LKA Thü-

ringen wurde durch das LfV Thüringen nur in Einzelfäl-

len und insgesamt höchst ungenügend über die vom LfV

Thüringen gewonnenen Erkenntnisse informiert.

Das die Dienstaufsicht über beide Behörden führende

Thüringer Innenministerium hätte im Rahmen des gelten-

den Rechts die Aufgabe gehabt, ein gutes Zusammenwir-

ken von Polizei und Verfassungsschutz herzustellen. Die

politische Verantwortung der damaligen Landesregierun-

gen und ihrer Innenminister wird der vom Thüringer

Landtag eingesetzte Untersuchungsausschuss bewerten.

Der 1998 und 1999 amtierende Thüringer Innenminister

Dr. Richard Dewes nahm in seiner Antwort zu einer par-

lamentarischen Anfrage Ende April 1998 nicht zu der

Frage Stellung, ob es Versäumnisse gegeben habe, die zu

verhindern gewesen wären.

Verfrühte Einstellung des Ermittlungsverfahrens

durch die Staatsanwaltschaft

Bei der Beurteilung der Frage, wann Verjährung eintreten

und somit eine Weiterführung des Ermittlungsverfahrens

nicht mehr möglich sein werde, bewies die zuständige

Staatsanwaltschaft eine bemerkenswerte Unsicherheit. Im

August 2001 wurde gegenüber dem LKA Thüringen die

Notwendigkeit für verjährungsunterbrechende Maßnah-

men verneint, da die Verjährungsfrist angesichts der den

Haftbefehlen zugrunde liegenden Delikte zehn Jahre

betrage. Dies gilt aber nur für die Vorbereitung einer

Nuklearexplosion, nicht für die Vorbereitung einer

Sprengstoffexplosion. Am 23. Oktober 2002 betonte die

Staatsanwaltschaft Gera in einem Schreiben an das Thü-

ringer Justizministerium ausdrücklich, dass weitere Fahn-

dungsmaßnahmen sehr aufwendig wären. Ihre Empfeh-

lung für die weitere Suche nach Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe war, es bei der bestehenden Fahndungsaus-

schreibung zu belassen und „zuzuwarten“.

Mit Verfügung vom 15. September 2003 stellte die

Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe wegen der Bomben und Bombenat-

trappen in Jena wegen des angeblichen Eintritts der Ver-

folgungsverjährung ein. Am 3. Juli 2000 hatte allerdings

das Amtsgericht Jena einen Beschluss zur Durchsuchung

einer Filiale der Deutschen Bank zur Erlangung der Kon-

tounterlagen von Mundlos erlassen. Dieser Beschluss

hatte nach §78c Abs. 1 Nr. 4 StGB die Verjährung unter-

brochen, so dass jedenfalls die Verjährung der Taten bei

Mundlos erst mit Ablauf des 2. Juli 2005 eingetreten war.

Die schriftliche Stellungnahme des zuständigen Ober-

staatsanwalts gegenüber dem Ausschuss, der Durchsu-

chungsbeschluss des Amtsgerichts von 2000 sei rechtlich

so fehlerhaft, dass er für die Beurteilung der Verjährung

unerheblich gewesen sei, hat den Ausschuss nicht über-

zeugt – zumal diese die weitere Frage aufwirft, warum die
antragstellende Staatsanwaltschaft keinen rechtmäßigen

Antrag formuliert hat.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 851 – Drucksache 17/14600

Die verfrühte Einstellung schnitt weitere Ermittlungen ab.

So hatte ein Zeuge am 6. Juni 2003 bei der Polizei ausge-

sagt, Böhnhardt im August oder September 2002 an einer

Ampelkreuzung in Jena getroffen und dann mit ihm zu-

sammen in die Innenstadt gefahren zu sein, wo sie sich

unterhalten hätten. Böhnhardt habe erzählt, dass das Trio

sich in der Schweiz aufhalte. Allen ginge es gut. Der

Zeuge berichtete weiter, dass André Kapke ihm zwei oder

drei Jahre zuvor erzählt habe, dass das Trio drei bis vier

Mal im Jahr in Jena sei. Wegen der Einstellung konnten

Ermittlungsmaßnahmen zu diesen angeblichen Aufenthal-

ten nicht mehr ergriffen werden.

Fehlende Eigeninitiative der Sicherheitsbehörden

Sachsens

Alle bis heute ermittelten Wohnorte von Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe nach ihrer Flucht 1998 liegen in

Chemnitz und Zwickau. Dabei wurden sie von Personen

aus drei miteinander verbundenen Neonazi-Netzwerken

unterstützt: die überregionalen Verbindungen von „Blood
& Honour“, in Chemnitz „Combat 18“ beziehungsweise
die „88’er“ und in Zwickau die „Weiße Bruderschaft
Erzgebirge“, deren Mitglieder zu einem großen Teil aus
Johanngeorgenstadt stammen.

– Bis August 2000 finden Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe nacheinander für einige Wochen oder Mona-

te bei Thomas Ro., Max-Florian B. und Carsten R. in

Chemnitz Unterschlupf. Eine vierte Unterkunft in

Chemnitz war auf den Namen André Eminger gemie-

tet.

– Für die drei Wohnungen in Zwickau (Heisenberg-
straße 6 bis Mai 2001 / Polenzstraße 2 bis April 2008

/ Frühlingstraße 26) erschienen Max-Florian B. oder

Matthias D. als Mieter. Als Tarnidentitäten wurden

die Namen Burkhardt (Mundlos), Struck und Emin-

ger (Zschäpe) genutzt.

Zwar wurden die engen Verbindungen des Trios nach

Chemnitz den beteiligten Behörden im Lauf der Ermitt-

lungen vor allem aus den Ergebnissen der Telefonüber-

wachungsmaßnahmen bekannt, doch hätten diese Infor-

mationen durch sachgerechte Auswertung der Mundlos-

Briefe und der Mundlos-Telefonlisten schon zu Beginn

zur Verfügung stehen können. So aber erbrachten viele

auch aus heutiger Sicht erfolgversprechende Ermittlungs-

ansätze nichts, weil sie zu spät ergriffen wurden.

Die sächsischen Sicherheitsbehörden haben im Rahmen

der Suche nach dem Trio ihre Aufgabe immer darin gese-

hen, Ermittlungen zu unterstützen, für welche die Thürin-

ger Behörden zuständig sind. Sachsens Sicherheitsbehör-

den haben tatkräftig unterstützt, aber nicht selbst die Initi-

ative ergriffen. Ein eigenständiges Bild der Gesamtlage

hat sich keine sächsische Dienststelle verschafft – auch
nicht, nachdem immer mehr Hinweise Richtung Sachsen

und Chemnitz zeigten.

Informationsaustausch und Zusammenarbeit der beteilig-

ten Behörden Sachsens wiesen ebenso schwere Mängel

auf wie die Auswertung und Dokumentation der vorhan-

denen Informationen. Im Rahmen der Suche nach dem

Trio unberücksichtigt blieben das vom LKA Sachsen bei

einer Durchsuchung im Rahmen des Landser-Verfahrens

im November 2000 sichergestellte Notizbuch und weitere

Adressdaten des Thomas Starke. Es fehlte beim LfV

Sachsen an der Zusammenführung aller vorhandenen

Informationen, an deren eigener systematischer Auswer-

tung und an einer zentralen Koordination der getroffenen

Maßnahmen. Folgende Informationen wurden nicht kon-

sequent bewertet und genutzt:

– Sachsen hatte die bedeutendste „Blood & Honour“-
Sektion in Deutschland neben Berlin-Brandenburg.

Diese hatte sich dem Verbot 2000 entziehen können.

Chef und Vize waren Jan Werner und Thomas Star-

ke. Zu den Zentren gehörten Chemnitz und Zwickau.

– Unter den sächsischen Neonazi-Kameradschaften
war die „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ besonders
eng mit „Blood & Honour“ verbunden.

– Seit 1995 sind Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe –
manchmal gemeinsam, manchmal nur zwei von ihnen

– gelegentlich als Teilnehmer von „Blood & Honour“
oder neonazistischen Skinkonzerten in Sachsen no-

tiert worden. Eine Analyse der sich daraus ergeben-

den Kontakte wurde in den Akten des Ausschusses

nicht gefunden und wohl auch nie erstellt.

Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im födera-

len Verbund

Für einen Erfolg der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe wäre eine reibungslose, wechselseitig alle Infor-

mationen verfügbar machende Zusammenarbeit der

Sicherheitsbehörden Thüringens und Sachsens von hoher

Bedeutung gewesen. Diese gab es im Einzelfall durchaus,

insbesondere die Zielfahndung des LKA Thüringen wur-

den in Sachsen aufwändig unterstützt.

– Das LfV Thüringen kooperierte bei vielen Einzelak-
tionen, darunter bei 16 Observationen, mit dem LfV

Sachsen.

– Gemeinsam mit dem LKA Sachsen und dem LfV
Sachsen führte die Zielfahndung des LKA Thüringen

mehrfach Observationen in Chemnitz durch, die als

solche zwar aufwendig durchgeführt, aber in einigen

Fällen untauglich angelegt waren. Sie kamen jeden-

falls zu spät, um Ergebnisse zu erbringen. Die wäh-

rend einer dieser Observationen durch einen Beamten

der Zielfahndung des LKA Thüringen erfolgte Un-

terbrechung und Ansprache der Zielpersonen war den

die Observation durchführenden Kräften nicht kon-

kret angekündigt worden. Deshalb wurde nicht ver-

hindert, dass die Zielpersonen mutmaßlich Beweis-

mittel vernichteten.

Den Sicherheitsbehörden Sachsens blieben wichtige In-

formationen vorenthalten. Das LfV Sachsen war „infor-
mell unterversorgt“, hat die nötigen Informationen aber
auch nicht eingefordert. Nach Aktenlage wurden weder

die Hinweise auf die zeitgleich zu den ersten Überfällen

veränderte finanzielle Lage der Gesuchten weitergegeben,

noch die Hinweise darauf, dass das Bemühen um Waffen

wohl erfolgreich war, da das Interesse an ihrer Beschaf-

Drucksache 17/14600 – 852 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fung erlosch. Wenn etwa aus Thüringen die Hinweise

weitergegeben worden wären, die Untergetauchten wür-

den kein Geld mehr benötigen, da sie jetzt „jobben“ be-
ziehungsweise „Aktionen machen“ würden, hätte mögli-
cherweise in Sachsen eine Verbindung zum Beginn einer

ungeklärten Raubserie hergestellt werden können.

Das BKA war in die Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe frühzeitig eng eingebunden: Bereits mit

Schreiben vom 28. Januar 1998 wurde das BKA vom

LKA Thüringen über die Fahndung informiert. Ab dem

16. Februar 1998 unterstützte das BKA das LKA Thürin-

gen mit zwei Beamten der Abteilung Staatsschutz, von

denen einer bereits länger mit der Neonazi-Szene Thürin-

gens befasst gewesen war. Am 16. April 1998 veröffent-

lichte das BKA in Nr. 73/98 des Bundeskriminalblatts den

Fahndungsaufruf zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe,

im November 1998 auch auf der Internetseite. Am 7.

August 1998 ersuchte die StA Gera das BKA um eine

internationale Fahndung. Verbindungsbeamte des BKA

prüften im September 1998 Hinweise in Bulgarien und

Ungarn. Im Mai 2000 analysierte das BKA Fotos, die

angeblich Böhnhardt zeigten. Am 6. Juni 2002 verglich

das BKA auf Anfrage „Fingerabdruckblätter“ der Gesuch-
ten mit denen einer weiteren Person. Am 2. Januar 2003

teilte das BKA mit, die Gesuchten seien in der französi-

schen Fremdenlegion nicht bekannt. Eine Zusammenfüh-

rung aller Informationen, die dem BKA im Rahmen der

Unterstützung der Ermittlungen bekannt geworden waren,

wurde in den Akten nicht gefunden und wohl nie erstellt –
auch nicht zu einem Zeitpunkt, als die Dauer der Suche

die Frage nahegelegt hätte, warum die von den zuständi-

gen Behörden ergriffenen Maßnahmen erfolglos bleiben.

Zu Beginn der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe übermittelte das LfV Thüringen häufig Informa-

tionen an das BfV und ersuchte auch um Zusammenarbeit

und Unterstützung. Im weiteren Verlauf aber wurden

entscheidende Informationen nicht weitergegeben und

standen so für die Lagebeurteilung des BfV nicht zur

Verfügung.

Mehrfach und unaufgefordert stellte der MAD den Thü-

ringer Behörden Informationen zur Verfügung, darunter

zur zunehmenden Bewaffnung der Thüringer Neonazi-

szene. Von Bedeutung wären insbesondere die am 6.

Dezember 1999 dem LfV Thüringen übermittelten Aus-

züge aus einem Bericht über die Befragung des damals in

Mellrichstadt Grundwehrdienst leistenden Jürgen H. im

September 1999 gewesen – wenn sie ausgewertet worden
wären: danach bewege sich das Trio auf der Stufe von

Rechtsterroristen, niemand in der Szene rechne wegen des

zu erwartenden Strafmaßes damit, dass diese sich den

Behörden stellen. Das LfV Thüringen gab diese verzögert

übermittelte Information ebenso wenig wie der MAD

selbst an die Ermittler weiter.

Im September und Oktober 1998 gab der vom Verfas-

sungsschutz Brandenburg geführte V-Mann „Piatto“ fünf
Hinweise auf das Trio:

– 19. August 1998: Laut Antje P. sind drei sächsische
Skinheads (zwei Männer und eine Frau) wegen ver-

schiedener Straftaten auf der Flucht vor der Polizei.

– 9. September 1998: Jan Werner soll Waffen für die
drei Skinheads besorgen. Gelder soll dafür die

„Blood & Honour“-Sektion Sachsen bereitgestellt
haben. Vor der beabsichtigten Flucht nach Südafrika

soll das Trio einen weiteren Überfall planen, um mit

dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können.

Ihre Ausweispapiere will Antje P. zur Verfügung

stellen.

– 16. September 1998: Ein Angehöriger des sächsi-
schen Skinheads-Trios hat den Artikel auf Seite 26

der Publikation „White Supremacy“ verfasst.

– 29. September 1998: Am Rande eines Konzerts er-
fuhr die Quelle, dass Jan Werner bei seinen Versu-

chen, die drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen mit

Waffen zu versorgen, noch nicht erfolgreich war und

die Versuche fortsetzt.

– 13. Oktober 1998: Jan Werner ist nach eigener Aus-
sage noch immer auf der Suche nach Waffen für die

drei flüchtigen thüringischen Neonazis.

Diese Informationen wurden zwar den Verfassungsschut-

zämtern von Thüringen und Sachsen zur Verfügung ge-

stellt. Die Frage, ob und wie die Weitergabe an die poli-

zeilichen Ermittlungsbehörden unter Berücksichtigung

des Quellenschutzes erfolgen könne, wurde von den betei-

ligten Behörden – einerseits aus Thüringen und Sachsen,
andererseits aus Brandenburg – unterschiedlich darge-
stellt. Jedenfalls gab es keinen schriftlichen, umfassend

gerichtsverwertbaren Bericht. Wer im Verfassungsschutz

Brandenburg die Entscheidung getroffen hat, einen sol-

chen nicht zu fertigen, konnte vom Ausschuss ebenso

wenig aufgeklärt werden wie die Frage, ob die Informati-

onen tatsächlich, wie vom LfV Thüringen behauptet,

mündlich dem Chef des LKA Thüringen bekannt gemacht

wurden.

Im Rahmen des gegen die Band „Landser“ geführten
Verfahrens wurde durch das LKA Sachsen am 13. No-

vember 2000 die Wohnung des Thomas Starke durchsucht

und dieser am 14. November 2000 vernommen. Danach

wurde er vom LKA Berlin, das mit der zentralen Ermitt-

lungsführung im vom GBA geführten Verfahren zu

„Landser“ beauftragt war, gegen den Rat des LKA Sach-
sen als V-Person verpflichtet. Im Rahmen der regelmäßi-

gen Gespräche mit den V-Mann-Führern des LKA Berlin

gab Thomas Starke am 13. Februar 2002 den Hinweis,

Jan Werner habe Kontakt zu drei Personen aus Thürin-

gen, die per Haftbefehl wegen Sprengstoff- und Waffen-

besitzes gesucht werden. Eine Auswertung dieses Hin-

weises durch das LKA Berlin ist trotz der Stichworte

„Sprengstoff“ und „Waffen“ aus den Akten ebenso wenig
erkennbar wie die Weitergabe an die Sicherheitsbehörden

Thüringen und Sachsens. Es wird weder die Glaubhaftig-

keit der Behauptung des Thomas Starke überprüft, die

drei Gesuchten selbst nicht namentlich zu kennen, noch

der Umstand erkannt, dass Jan Werner damals Anfang

2002 in Berlin-Moabit in Haft ist und dort in Kontakt zu

einem André Eminger steht. Dabei hätte spätestens seit

der Beschlagnahme des Notizbuchs des Starke bei der

seiner Verpflichtung vorausgehenden Durchsuchung den

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 853 – Drucksache 17/14600

Behörden bekannt sein müssen, dass dieser Mundlos und

Zschäpe kannte. Eine Überprüfung, wie Jan Werner in

der Haftanstalt Berlin-Moabit in Kontakt zu drei Personen

aus Thüringen stehen konnte, hätte die Behörden auf die

Spur des André Eminger geführt, der vermutlich damals

bereits eine zentrale Kontaktperson für das Trio an seinem

Wohnort Zwickau war.

Verneinung einer Zuständigkeit des GBA

Die zuständige Staatsanwaltschaft Gera wurde vom LKA

Thüringen am 16. Februar 1998 darauf hingewiesen, dass

das BKA eine Prüfung der Zuständigkeit des GBA unter

dem Gesichtspunkt des § 129a StGB anrege. Eine solche

Prüfung durch die zuständige Staatsanwaltschaft oder eine

Information des GBA über das Verfahren finden sich

allerdings nicht in den Akten.

Am 13. Februar 1998 legte der GBA aufgrund von Mel-

dungen mehrerer Medien über ein durch die Polizei in

Thüringen aufgefundenes mutmaßliches „Bombenlabor“
von Rechtsextremisten einen Prüfvorgang an. Am glei-

chen Tage unterrichtete das BKA den GBA telefonisch

über die Thüringer Geschehnisse. In der Folgezeit ließ

sich der GBA durch das BKA über die Vorgänge in Jena

unterrichten, im Februar 1999 durch einen Sachstandsbe-

richt. Eine Anfrage an die StA Gera richtete der GBA

nicht. Am 12. August 1999 ließ der Sachbearbeiter beim

GBA die Verfahrensakte weglegen. Bis zum November

2011 blieb die Akte weggelegt.

Angesichts der in der Garage gefundenen Rohrbomben

bestand der Verdacht, dass das Trio das aufbewahrte TNT

für einen Sprengstoffanschlag nutzt (somit für eine Tat

gem. § 311 Abs. 1 StGB damaliger Fassung). Eine solche

Tat stellt eine Katalogtat (§ 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB da-

maliger Fassung) dar, für die eine Zuständigkeit des GBA

begründet ist. Um die Zuständigkeit des GBA zu begrün-

den, muss die Tat nicht bereits begangen, lediglich die

Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung müssen auf

die Katalogtat gerichtet sein. Zudem musste der Anfangs-

verdacht hinsichtlich eines „einheitlichen Verbandes“
angenommen werden – woran spätestens seit dem er-
kennbar gemeinschaftlichen Untertauchen des Trios ver-

nünftige Zweifel nicht mehr bestehen konnten.

D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes

Der Untersuchungsausschuss hat sich eingehend mit der

Frage beschäftigt, wieso Polizeien und insbesondere Ver-

fassungsschutzbehörden in Bund und Ländern über Jahr-

zehnte nicht erkannt haben, welche realen Gefahren sich

aus der militanten neonazistischen Szene entwickelten, zu

der auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehörten.

Dass es in Deutschland so etwas wie rechtsterroristische

Strukturen gebe, wurde sowohl vom Bundesamt für Ver-

fassungsschutz als auch vom Bundeskriminalamt im un-

tersuchten Zeitraum stets bestritten.

Unterschätzung und Verharmlosung der Terrorgrup-

pe

Die Analyse der Verfassungsschutzbehörden in Bund und

Ländern zur rechtsterroristischen Gefahr war falsch und

grob verharmlosend. Dem Bundesamt für Verfassungs-

schutz, das relevante Erkenntnisse von den Landesbehör-

den erhält, sie auswertet und damit einen Überblick über

die Gefahrenlage in Deutschland hat, kommt hier eine

besondere Verantwortung zu. Es hat unbestreitbar versagt.

Der bis Juli 2012 amtierende BfV-Präsident Fromm hat

dieses Versagen unumwunden zugegeben. So offen hat

kaum ein Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss Män-

gel eingeräumt.

Nach dem vereitelten Sprengstoffanschlag auf die Grund-

steinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München

im Jahr 2003 durch die „Kameradschaft Süd“ unter Füh-
rung des Neonazis Martin Wiese erbat das Bundesinnen-

ministerium beim BfV und BKA eine Einschätzung, ob es

nicht doch rechtsterroristische Gruppierungen oder An-

sätze für einen zielgerichteten „bewaffneten Kampf“ in
Deutschland gebe. Auslöser der Bitte des BMI um eine

aktuelle Analyse war eine öffentliche Berichterstattung

über die Warnung des damaligen Bayerischen Innenmi-

nisters Dr. Beckstein vor einer völlig neuen Dimension

rechtsextremistischer Gewalt, einer Art „Brauner RAF“.

Die vom damaligen BfV-Vizepräsidenten und heutigen

beamteten Staatssekretär im Bundesministerium des In-

nern Fritsche im September 2003 an das BMI gesandte

und von ihm ausdrücklich mitgetragene Analyse seiner

Fachabteilung war in zweifacher Weise fehlerhaft und

damit ungenügend. Das abgetauchte Trio wird darin er-

wähnt, aber ausdrücklich nicht als Beispiel für Rechtster-

roristen bewertet. Zum einen prüfte das Bundesamt

Rechtsterrorismus im Wesentlichen nur anhand der

Merkmale des bekannten (Links-)Terrorismus ab: Im

Untergrund lebende Terroristen mit einer Kommando-

struktur, falschen Pässen und Kfz-Kennzeichen, konspira-

tiven Wohnungen, einem unterstützenden Sympathisan-

tenumfeld und Banküberfällen zur Finanzierung. Andere,

in der neonazistischen Szene verbreitete Konzepte zum

sog. „führerlosen Widerstand“ mittels Klein- und
Kleinstgruppen und loser Zellenstruktur sowie propagier-

te (Mord-)Anschläge auf Migranten waren dem BfV zwar

bekannt, deren Realisierung aber wurde – mangels er-
kennbarer Strukturen – nie als potentielle, geschweige
denn konkrete terroristische Bedrohung wahrgenommen.

Der Zeuge Fritsche hat das in seiner Aussage vor dem

Ausschuss nicht als Fehler eingeräumt, sondern behaup-

tet, damals hätten keine Informationen vorgelegen, um zu

einer anderen Bewertung zu gelangen.

Nach den Feststellungen des Ausschusses hatte das BfV

jedoch auch im Herbst 2003 bereits Hinweise darauf, dass

sehr wohl Merkmale des bekannten Terrorismus auf die

Drucksache 17/14600 – 854 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

im Januar 1998 geflüchteten Mundlos, Böhnhardt und

Zschäpe zutrafen: Dem BfV war bekannt, dass das Trio

wegen Sprengstofffunden untergetaucht war und weiter-

hin in der Illegalität lebte. Zudem musste das BfV von

einem Unterstützerumfeld ausgehen; wie sonst konnten

sich die Drei damals bereits seit fünf Jahren versteckt

halten. Dem BfV war ebenso bekannt, dass das Trio Ende

1998 versuchte, sich Waffen zu beschaffen, um Überfälle

zu begehen; das BfV kannte auch die Meldung des MAD

von Dezember 1999 mit der Einschätzung einer Kontakt-

person des Trios, dass sich die Untergetauchten auf der

Stufe von Rechtsterroristen bewegten, die eine Verände-

rung dieses Staates herbeiführen wollten.

Im Hinblick auf Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zeigte

sich bei den Verfassungsschutzbehörden letztlich eine

fatale Unterschätzung und Bagatellisierung ihres Gefah-

renpotentials. So hielt es das Thüringer LfV im Oktober

2003 offenbar nicht für nötig, in der Antwort auf einen

Fragenkatalog des BfV zur Einschätzung der rechtsterro-

ristischen Gefahr zu erwähnen, dass bei der Durchsu-

chung im Januar 1998 nicht bloß „diverse pyrotechnische
Gegenstände, chemische Substanzen, Kabel, Rohrstücke

und vorbereitete Rohrbomben sowie diverses Schriftgut“
gefunden wurden, sondern auch insgesamt 1,4 Kilogramm

TNT. Angesichts der bis dahin mutmaßlich vom Trio in

Jena abgelegten Bomben mit maximal 10 Gramm TNT

war das Fehlen dieser Angabe hochgradig irreführend und

verschleierte die Gefährlichkeit des Trios.

Die Verharmlosung setzte sich im BfV Spezial Rechtsex-

tremismus Nr. 21 fort. Die Schrift bewertete die „Gefahr
eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten“
für die Zeit von 1997 bis 2004. Zu den drei Untergetauch-

ten heißt es dort, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass

mit den sichergestellten Rohrbomben „konkrete tatsächli-
che Anschläge“ geplant waren. Das verkennt, dass bei den
zuvor mutmaßlich vom Trio und möglichen weiteren

Mittätern an diverse Institutionen verschickten Briefbom-

benattrappen die Warnung beilag, dass dies „der letzte
Scherz“ sein würde. Selbst konkrete Anschlagsopfer wa-
ren benannt worden: Der damalige thüringische Innenmi-

nister Richard Dewes sowie der damalige Vorsitzende des

Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis. Mit der abschließen-

den – und auch damals schon falschen – Feststellung, es
hätten sich auch keine Anhaltspunkte für weitere militante

Aktivitäten der Flüchtigen ergeben, und außerdem sei das

Ermittlungsverfahren gegen die Drei seit 2003 eingestellt,

war das Kapitel Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe für das

BfV bis zum 4. November 2011 geschlossen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist keine Ermitt-

lungsbehörde. Dennoch hätte es mehr Eigeninitiative zur

Aufklärung des auch damals schon als potentielle Terror-

gruppe erkennbaren Trios zeigen müssen. Das Referat

Rechtsterrorismus im BfV, in dem der Fall der Geflüchte-

ten bearbeitet wurde und das die Landesämter für Verfas-

sungsschutz in Thüringen und Sachsen bei der Suche

unterstützte, versäumte es – wie im Übrigen die vorrangig
zuständigen Ermittlungsbehörden ebenso –, die sich aus
dem Umstand des „Untertauchens“ zwangsläufig erge-
benden Fragen aufzuwerfen und zu analysieren: Wie

funktioniert ein Leben über Jahre in der Illegalität? Wie

kann ein solches Leben finanziert werden und wer kommt

als Unterstützer in Frage? Wieso taucht das Trio nicht auf,

nachdem das Ermittlungsverfahren eingestellt war? Wo

und durch wen lassen sich Waffen und Sprengstoff be-

schaffen und der Umgang damit erlernen?

Solche Fragen systematisch und kontinuierlich zu bear-

beiten, wäre Aufgabe des BfV gewesen – und hätte ver-
wertbare Aufklärungsansätze ergeben. Als Beispiel sei

hier nur die Finanzierung des Lebens im Untergrund

genannt. Sowohl beim BfV als auch bei den Landesäm-

tern Thüringen und Sachsen lagen Hinweise auf eine

Finanzierung des Trios durch Überfälle vor. Eine syste-

matische Informationsbeschaffung und Auswertung und

vor allen Dingen eine Zusammenarbeit mit den Strafver-

folgungsbehörden in Thüringen und Sachsen hätte Zu-

sammenhänge mit einer ungeklärten Raubserie in Sachsen

zeigen können.

Auf dem rechten Auge betriebsblind

Nach den Feststellungen des Ausschusses war keine Ver-

fassungsschutzbehörde in dem Sinn „auf dem rechten
Auge blind“, dass Befunde bewusst übersehen worden
wären. Die Untersuchungen des Ausschusses zeigten

aber, dass die Gefahren, die von der militanten neonazisti-

schen Szene und einzelnen Gruppierungen in Deutschland

ausgingen bzw. ausgehen, vom Verfassungsschutz (und

von der Polizei gleichermaßen) unabhängig vom Fall

NSU immer wieder unterschätzt und bagatellisiert wur-

den.

Das zentrale Argument der Sicherheitsbehörden, Rechts-

terrorismus auszuschließen, war das Fehlen einer

Tatbekennung bei allen Taten, die heute der Terrorgruppe

zugeschrieben werden. Sachverständige haben vor dem

Untersuchungsausschuss jedoch erklärt, dass fehlende

Tatbekennungen bei neonazistischen Angriffen nicht

ungewöhnlich sind – anders als bei Taten aus dem linken
Spektrum. Für rechtsterroristische Mord- und Spreng-

stofftaten, selbst für die Finanzierung durch Banküberfäl-

le gibt es in der Geschichte der Bundesrepublik einige

Beispiele. Genannt seien hier nur Überfälle auf NATO-

Soldaten zur Waffenbeschaffung im Jahr 1977, Banküber-

fälle zur Finanzierung des neonazistischen Kampfes in

Hamburg, Essen und Mainz ebenfalls Ende der 70er Jahre

sowie 1980 das Oktoberfest-Attentat in München und die

Ermordung des jüdischen Verlegers Shlomo Levin und

Frieda Pöschke in Erlangen mutmaßlich durch Täter der

Wehrsportgruppe Hoffmann. Die Taten des NSU waren in

dieser Hinsicht nicht ohne Vorbild.

Zwar fand der Ausschuss keine Belege oder Beweise

dafür, dass es politische oder ministerielle Vorgaben in

Bund und Ländern dafür gab, eine rechtsterroristische

Bedrohung kleinzureden oder zu verharmlosen. Die wie-

derkehrenden, zum Teil über Jahre gleichlautenden For-

mulierungen hierzu in den Verfassungsschutzberichten

und internen Lageberichten deuten aber darauf hin, dass

die Analysen von den Referatsleitern, Gruppen- und Ab-

teilungsleitern bis hin zur Amtsleitung, den aufsichtfüh-

renden Ministerien bis zu deren Spitzen gar nicht mehr

hinterfragt wurden. Angesichts der gleichzeitig in den

Berichten genannten zunehmenden Militanz, die sich u. a.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 855 – Drucksache 17/14600

in zahlreichen Waffen- und Sprengstofffunden in der

neonazistischen Szene und mehreren (auch tödlichen)

Angriffen auf Migranten und politische Gegner zeigt, ist

nicht nachvollziehbar, wieso das Gefahrenpotential nicht

höher eingeschätzt wurde und wieso seitens der Fachauf-

sicht diese Bewertungen nicht angezweifelt wurden.

Offenbar überrascht wurde das Bundesamt für Verfas-

sungsschutz in seiner Terrorismusanalyse auch durch eine

Serie von Brandanschlägen auf sieben türkische und asia-

tische Imbisse und Geschäfte von August 2003 bis Mai

2004 im Land Brandenburg. Der Verfassungsschutzbe-

richt hat die Möglichkeit eines rechtsterroristischen Hin-

tergrunds dieser Taten zunächst nicht erwähnt. Erst als

eine sich „Freikorps Havelland“ nennende zwölfköpfige
Gruppierung für diese Taten wegen Bildung einer terro-

ristischen Vereinigung im Jahr 2005 zu teils mehrjährigen

Jugendstrafen verurteilt wurde, erwähnte das BfV diesen

Vorgang in seinem Jahresbericht. Im bereits genannten

BfV Spezial Nr. 21 zur rechtsterroristischen Gefahr von

Juli 2004 sucht man diesen Fall vergeblich. Gleichzeitig

spielte das BfV andere mögliche rechtsterroristische Ge-

fahren herunter: „Anhaltspunkte für terroristische Absich-
ten weiterer Rechtsextremisten lagen 2005 nicht vor“,
schreibt das Amt im Verfassungsschutzbericht 2005 na-

hezu wortgleich, wie im Bericht von 2003 nach dem ver-

eitelten Münchner Anschlag durch die „Kameradschaft
Süd“. Als Frühwarnsystem hat das BfV damit mehrfach
kläglich versagt.

Aus den ausgewerteten Akten und Zeugenvernehmungen

gewann der Ausschuss den Eindruck, dass Vorurteile und

eingefahrene Denkmuster in den Verfassungsschutzbe-

hörden auf allen Ebenen das Erkennen neonazistischer

terroristischer Bedrohungen behinderten. So äußerten

verschiedene Verfassungsschutzmitarbeiter, sie hätten

Rechtsextremisten solche Morde und Sprengstoffanschlä-

ge, wie sie nun dem NSU zur Last gelegt werden, gar

nicht zugetraut. Weder die Logistik, die Handlungsfähig-

keit noch ein Konzept des bewaffneten Kampfes sah das

BfV in der neonazistischen Szene als vorhanden. Sich

bewaffnende Neonazis wurden stattdessen als Waffennar-

ren und Bombenbastler verharmlost. Dass die in den Be-

richten immer wieder attestierte „hohe Affinität“ von
Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff dazu füh-

ren würde, dass diese auch eingesetzt werden, wurde zwar

abstrakt nie ausgeschlossen, aber auch nicht ernst genug

genommen. Zudem herrschte beim Verfassungsschutz

(und der Polizei) die irrige Auffassung, dass (rechts-

)terroristische Taten stets von Bekennerschreiben oder

Ähnlichem begleitet werden.

Blaupause für NSU-Taten übersehen

Versäumt wurde damals vom BfV auch ein Vergleich mit

ähnlichen Taten im europäischen Ausland. Obwohl das

BfV darüber informiert war, dass deutsche Neonazis enge

Verbindungen zum internationalen Netzwerk von

„Blood& Honour“ und „Combat 18“ in Großbritannien
und Skandinavien hatten und dass Aktivisten dieses

Netzwerks 1999 in London Bombenanschläge gegen

Minderheiten verübt und in Schweden im gleichen Jahr

bewaffnete Banküberfälle sowie Autobombenanschläge

gegen politische Gegner und die Polizei verübt sowie

zwei Polizisten und einen Gewerkschafter erschossen

hatten, behauptete das BfV, „Combat 18“ existiere in
Deutschland nicht und habe keinen Einfluss auf die deut-

sche Neonaziszene. Entsprechend hielt das BfV eine

Nachahmung des Prinzips rechtsterroristischer Klein-

gruppen im Stil von „Combat 18“ in Deutschland nicht
für möglich. Erst im Januar 2012 – und damit Jahre zu
spät – stellte das Bundesamt bei einer Recherche zum Fall
des rassistischen Serientäters John Ausonius aus Schwe-

den fest, dass es deutliche Parallelen zu den Mord- und

Raubtaten des „Nationalsozialistischen Untergrundes“
gebe und jene Taten als Blaupause für den NSU gedient

haben könnten. Der als „Lasermann“ bekannt gewordene
Ausonius hatte in den Jahren 1991/1992 in Stockholm und

Uppsala mit einem Gewehr bei zehn Anschlägen auf elf

ihm zuvor unbekannte Migranten geschossen und dabei

einen Menschen getötet und weitere zum Teil schwer

verletzt. Er finanzierte sich durch zahlreiche Banküberfäl-

le und flüchtete stets mit einem Fahrrad.

Dem BfV hätte der Fall Ausonius bereits ab dem Jahr

2000 auffallen können, als die einschlägige „Blood &
Honour“-Publikation „Field Manual“, veröffentlicht wur-
de, die das Konzept des führerlosen Widerstandes propa-

giert und sich anerkennend auf die Serienmorde an Mig-

ranten durch den Lasermann bezieht. Diese Publikation

war dem BfV im Rahmen der Aufklärungen für ein Ver-

bot der Deutschen „Blood & Honour“-Sektion bekannt.
Dass das untergetauchte Trio damals ebenfalls starke

Verbindungen zu „Blood & Honour“-Strukturen hatte und
von diesen nach der Flucht unterstützt wurde, war dem

BfV ebenfalls bekannt. Das BfV tauschte sich im Jahr

2000 sogar mit Vertretern des schwedischen Partnerdiens-

tes über die dortigen rechtsterroristischen Mord- und

Brandanschläge aus.

Eine zeitnahe Analyse des Falles Ausonius (die im Übri-

gen auch die Staatsschutzabteilungen der Polizeien hätten

vornehmen können) hätte zumindest Hinweise auf über-

einstimmende Merkmale und die Motivlage der „Česká“-
Mordserie liefern können, möglicherweise auch auf einen

Zusammenhang mit in der Illegalität lebenden Rechtsext-

remisten und einer ungeklärten Serie von Banküberfällen.

Inwieweit dies tatsächlich zu einer Ergreifung der Täter

geführt hätte, kann der Ausschuss nicht beurteilen. Eine

mögliche Chance wurde jedenfalls nicht genutzt.

Schwächung des Bereichs Rechtsextremismus im BfV

Im Untersuchungszeitraum von 1992 bis 2011 stellte der

Ausschuss innerhalb des BfV mehrere Umstrukturierun-

gen in der Organisation des Bereichs Rechtsextremis-

mus/Rechtsterrorismus fest. Die Gravierendste erfolgte im

August 2006 durch eine Zusammenlegung der Abteilun-

gen Links- und Rechtsextremismus zu einer Abteilung

„Deutscher Extremismus“, um mittels erhoffter
Synergieffekte den Bereich „Islamismus und islamischer
Terrorismus“ personell verstärken zu können. Der dama-
lige Staatssekretär im Bundesinnenministerium Hanning

setzte die Umstrukturierung mit Billigung von Innenmi-

nister Schäuble gegen den fachlichen Widerspruch des

BfV-Präsidenten Fromm durch. Der Ausschuss sieht in

Drucksache 17/14600 – 856 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dieser Zusammenlegung ein falsches Signal bei der Be-

kämpfung des Rechtsextremismus – verkennt aber nicht,
dass die entscheidenden Fehleinschätzungen begangen

wurden, als die Abteilungen noch getrennt waren.

Zudem stellte der Ausschuss fest, dass nach der Fusion

der beiden Abteilungen im Bereich Rechtsextremismus

fast 20 Prozent weniger Mitarbeiter tätig waren als vor-

her. Die Aufklärungs- und Bewertungskapazitäten des

BfV im Bereich „Rechts“ wurden damit deutlich und nach
Auffassung des Ausschusses jedenfalls rückblickend

inakzeptabel geschwächt. Dies wirkt sich umso stärker

aus, als schon in den Vorjahren (von 2001 bis 2006) der

Personalbestand in der Abteilung Rechtsextremismus um

mehr als 17 Prozent sank, hingegen das BfV-Personal

insgesamt um mehr als 15 Prozent zunahm – insbesondere

wegen der notwendig gewordenen verstärkten Beobach-

tung des Islamismus und islamistischen Terrorismus. Die

bereits falsche Ausrichtung, nämlich die Vernachlässi-

gung des Bereichs Rechtsextremismus und Rechtsterro-

rismus, wurde damit dramatisch verschärft. Eine notwen-

dige Schwerpunktbildung darf aber nicht zur Vernachläs-

sigung anderer Phänomenbereiche führen.

Nach Aufdeckung des NSU im November 2011 hat der

derzeitige Innenminister Dr. Friedrich Anfang 2012 die

Abteilungen Links- und Rechtsextremismus wieder ge-

trennt. Eine eigenständige Fachabteilung zur Beobachtung

und Aufklärung des Rechtsextremismus und Rechtsterro-

rismus ist aus Sicht des Ausschusses unerlässlich und

daher zu begrüßen.

E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse

Der Ausschuss hat sich mit der Rolle von „Vertrauensleu-
ten“ der Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landes-
ebene im Phänomenbereich Rechtsextremismus befasst.

Im Fokus stand dabei die Frage, welche Informationen

über das Trio bzw. sein Unterstützerumfeld durch V-

Personen gewonnen wurden. Der Befund hierzu fällt

ernüchternd aus, nicht zuletzt deshalb, weil die V-

Personen im Wesentlichen nicht gezielt zur Informations-

beschaffung über das Trio und sein Unterstützerumfeld

genutzt wurden. Aufwand und Ertrag des Einsatzes von

V-Personen zur Aufklärung einer von Rechtsterrorismus

ausgehenden Gefahr standen nach Auffassung des Unter-

suchungsausschusses in keinem Verhältnis.

Die Verfassungsschutzbehörden auf Bundes- und Landes-

ebene führten mehrere V-Personen im Umfeld des Trios.

Diese lieferten jedoch nur vergleichsweise wenige Infor-

mationen zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe.

Nachdem das Trio im Januar 1998 abgetaucht war, wurde

im BfV entschieden, den vorhandenen Quellen im Be-

reich Rechtsextremismus Lichtbilder von Mundlos,

Böhnhardt und Zschäpe vorzulegen. Die Ergebnisse die-

ser Aktion wurden nicht dokumentiert. Angeblich kannte

keine V-Person des BfV das Trio oder konnte sonstige

Erkenntnisse mitteilen. Aus den Akten des BfV ist aller-

dings ersichtlich, dass jedenfalls die Quelle Q1 im Jahr

1995 Kontakt zu Mundlos hatte. Die entsprechende Deck-

blattmeldung wurde aber offenbar bereits im Jahr 1998 im

BfV nicht in die Bearbeitung des Sachverhalts einbezogen

und tauchte erst jetzt im Zuge der Aufarbeitung wieder

auf. Fest steht, dass nach der Lichtbildvorlage nie wieder

bei den V-Personen in Sachen Trio nachgefragt wurde,

obwohl dem BfV zwischenzeitlich neue, wenn auch nur

wenige Informationen vorlagen. Es wäre jedenfalls den

Versuch wert gewesen, daran anknüpfend erneut Quellen

im Bereich Rechtsextremismus zu befragen.

Ebenso wenig wurde im BfV auch nur ansatzweise erwo-

gen, vorhandene Quellen gezielt einzusetzen, um Er-

kenntnisse über das Trio oder dessen Umfeld zu erlangen.

Dies verwundert umso mehr, als der Fall des unterge-

tauchten Trios im Referat für Rechtsterrorismus des BfV

bearbeitet und damit die Gefährlichkeit des Trios grund-

sätzlich richtig eingeordnet wurde.

Andere Verfassungsschutzbehörden hatten wiederum

Erkenntnisse zu dem untergetauchten Trio, die für die

zuständigen Ermittler anderer Dienststellen von großer

Bedeutung gewesen wären. Hinweise wie „Die Drei brau-
chen Geld“, „Die Drei brauchen Waffen“ oder „Die Drei
brauchen jetzt kein Geld mehr, weil sie 'jobben'„, hätten
Ermittler elektrisiert und wertvolle Ansätze für weitere

Untersuchungen gegeben. Aus oft nicht nachvollziehba-

ren Erwägungen wurden solche Hinweise aber nicht wei-

tergegeben, sondern verblieben ungenutzt in den Akten.

Die hierfür meist genannte Begründung „Schutz der eige-
nen Quellen“ vor Enttarnung überzeugt in ihrer Pauschali-
tät nicht. Es hätte Wege gegeben, die Informationen so

weiterzugeben, dass die jeweilige Quelle nicht enttarnt

wird – und diese Wege hätten nach Überzeugung des
Ausschusses gefunden und beschritten werden müssen.

Dies gilt insbesondere für die Information des Branden-

burger V-Manns Piatto, der im Spätsommer 1998 die

Information lieferte, Jan Werner solle Waffen für das

Trio beschaffen, das damit einen weiteren Überfall bege-

hen wolle. Leider hat diese überaus wertvolle Information

nie die für die Fahndung nach dem Trio zuständigen Poli-

zeibeamten des Thüringer LKA und auch nicht die Polizei

in Sachsen erreicht.

Festzustellen ist aber auch, dass die Unkultur des Zurück-

haltens von Informationen keineswegs nur ein Problem

des Verfassungsschutzes ist. Ein besonders eklatantes

Beispiel bot hier das LKA Berlin in den Jahren 2001 und

2002. Hinweise der V-Person Thomas Starke auf einen

möglichen Waffenhandel in der rechten Szene zwischen

Carsten Szczepanski und Jan Werner und auf mit Haftbe-

fehl wegen Sprengstoffbesitzes gesuchte Thüringer, die

jeden Polizisten aufhorchen lassen müssten, wurden of-

fenkundig nicht weitergegeben – weder an die zuständi-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 857 – Drucksache 17/14600

gen Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden in Thüringen

und Sachsen noch innerhalb Berlins an die für den damals

in Haft befindlichen Jan Werner zuständigen Justizbehör-

den. Offenbar war es damals innerhalb des LKA Berlin

üblich, Informationen von V-Personen aus dem Bereich

des Staatsschutzes nicht an die zentrale V-Personen-

Führung weiterzuleiten, die für eine Unterrichtung der

Thüringer Behörden zuständig gewesen wäre.

Der Untersuchungsausschuss ist bei seiner Arbeit darüber

hinaus auf eine Reihe problematischer, teilweise inakzep-

tabler Umstände bei der Auswahl und Führung von V-

Personen gestoßen:

Das LfV Thüringen hat mit Tino Brandt, der als V-Mann

Otto, später Oskar, von 1994 bis 2001 tätig war, einen

führenden Kopf der Thüringer Neonaziszene als V-Mann

geführt. Bereits dieser Umstand ist aus Sicht des Untersu-

chungsausschusses äußerst problematisch, da die Zusam-

menarbeit mit Führungspersonen extremistischer Organi-

sationen bzw. Strukturen stets die Gefahr in sich birgt,

staatlicherseits steuernden oder auch nur zurechenbaren

Einfluss auf diese Organisationen oder Strukturen zu

nehmen.

Im Fall Brandt steht zudem im Raum, dass er vom Ver-

fassungsschutz vor anstehenden Exekutivmaßnahmen

gewarnt oder auf Ermittlungsverfahren gegen ihn einge-

wirkt worden sei. Brandt selbst hat in einem heimlich

aufgezeichneten Gespräch mit einem anderen Neonazi

behauptet, dass er vor Durchsuchungen gewarnt war und

seinen Computer vorher beiseite geschafft und durch ein

Altgerät ausgetauscht habe. Derartige Warnungen wurden

von den Zeugen aus dem LfV Thüringen durchweg be-

stritten. Es lässt sich jedoch feststellen, dass gegen Brandt

35 Ermittlungsverfahren (u. a. wegen Landfriedens-

bruchs) eingeleitet wurden, er jedoch nie rechtskräftig

verurteilt wurde. Der hier letztlich nicht nachweisbare

Vorwurf einer Warnung von Straftätern durch Verfas-

sungsschutzbehörden wurde im Falle einer Quelle des

Verfassungsschutzes Brandenburg in einem Gerichtsver-

fahren als nachgewiesener Sachverhalt festgestellt.

Brandt hat im Rahmen seiner Tätigkeit als V-Person

zudem nach Aktenlage bis zu 200 000 DM erhalten.

Brandt selbst behauptet, damit seine politische Arbeit

finanziert zu haben. Die hierzu als Zeugen gehörten Be-

hördenvertreter haben dies als bloße Schutzbehauptung

des ehemaligen V-Manns abgetan. Auch wenn nicht mehr

geklärt werden kann, wofür die Gelder verwendet wur-

den, zeigt dieses Beispiel, dass die finanzielle Entlohnung

von V-Personen stets mit dem Risiko abgewogen werden

muss, deren extremistische Arbeit finanziell zu unterstüt-

zen.

Durch die Entlohnung von V-Personen, die über Jahre

hinweg geführt werden, kann zudem ein Abhängigkeits-

verhältnis zwischen V-Person und Behörde entstehen.

Mag die Entlohnung der Höhe nach zwar so gestaltet sein,

dass sie nicht zur alleinigen Deckung des Lebensunter-

halts ausreicht, so kann doch über Jahre hinweg ein dau-

erhaft erhöhtes Einkommen erwirtschaftet werden, auf

welches die V-Person nicht mehr verzichten mag. Dies

kann dazu beitragen, dass eine V-Person nicht nur falsche

Informationen erfindet oder wichtige Erkenntnisse abge-

stuft in mehreren Teilen weitergibt, sondern auch allein

deshalb weiter an rechtsextremen Veranstaltungen teil-

nimmt, um das Einkommen nicht zu schmälern.

Der Ausschuss hat sich außerdem mit Carsten

Szczepanski befasst, der vom Verfassungsschutz Bran-

denburg als Quelle Piatto geführt wurde. Von „Piatto“
stammten im Spätsommer 1998 die wichtigen, wenn auch

letztlich polizeilich nicht genutzten, Informationen zur

angestrebten Bewaffnung des Trios sowie einem geplan-

ten Überfall. Dieser Umstand darf jedoch nicht darüber

hinwegtäuschen, dass bereits die Entscheidung, Piatto als

V-Person zu führen, nach Überzeugung des Ausschusses

absolut inakzeptabel war. Szczepanski war wegen ver-

suchten Mordes an dem Asylsuchenden Steve E., der

beinahe zu Tode geprügelt und in einem See hilflos dem

Ertrinken preisgegeben wurde, zu einer Haftstrafe von

acht Jahren verurteilt worden. Er diente sich 1994 dem

Verfassungsschutz aus der Untersuchungshaft heraus als

Informant an, um Hafterleichterungen zu erlangen. Bis zu

seiner Enttarnung und Abschaltung im Juni 2000 hat

Piatto für seine Tätigkeit 50 000 DM erhalten. Genau

diese Summe schuldete er Steve E. als Schmerzensgeld.

Dieser hat davon jedoch nichts erhalten. Der Ausschuss

ist sich darin einig, dass Szczepanski aufgrund seiner

schweren Straftat niemals als V-Person hätte verpflichtet

werden dürfen.

Auch die nähere Untersuchung der Führung des V-Manns

Piatto brachte äußerst fragwürdige Umstände zu Tage.

Piatto wurde seitens des Verfassungsschutzes intensiv

betreut und konnte frühzeitig Haftausgänge unternehmen,

ein Praktikum und eine berufliche Tätigkeit in einem von

Neonazis geführten Unternehmen in der Nähe von Chem-

nitz wurde für seine Bewährung positiv gewürdigt. Der

Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass damalige

Mitarbeiter des Brandenburgischen Verfassungsschutzes

auf die Leitung der JVA Brandenburg a.d. Havel (und das

Justizministerium) eingewirkt haben, um einen quasi

unkontrollierten Postverkehr ihres V-Mannes „Piatto“
sicherzustellen, damit er ungestört seiner V-Mann-

Tätigkeit nachgehen konnte. Nach Aktenlage versuchte

der Verfassungsschutz, auf eine vorzeitige Entlassung

Szczepanskis hinzuwirken. Die Leitung der JVA Bran-

denburg, die von der V-Mann-Tätigkeit Szczepanskis

wusste, unterstützte dessen Entlassung nach Verbüßung

von zwei Dritteln der Haftstrafe. Schließlich wurde das

über die Entlassung befindende Gericht über Szczepanskis

weiterhin bestehende enge Verbindungen in die neonazis-

tische Szene getäuscht. Auf den Umstand, dass

Szczepanskis positive Sozialprognose wesentlich auf

dessen Beschäftigung in einem neonazistischen Szenela-

den eines „Blood & Honour“-Mitglieds gestützt wurde,
wurde das Gericht weder durch den brandenburgischen

Verfassungsschutz noch durch die JVA-Leitung hinge-

wiesen.

Anfang 2000, kurz vor dem Ende seiner V-Mann-

Tätigkeit trat Szczepanski in die NPD ein und ließ sich

auftragsgemäß in den Vorstand des NPD-

Landesverbandes Berlin-Brandenburg wählen und zwar

als Landesorganisationsleiter. Ein solcher Auftrag des

Drucksache 17/14600 – 858 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verfassungsschutzes an eine Vertrauensperson ist sach-

widrig, da die Positionierung von V-Leuten in Entschei-

dungsgremien von Organisationen die Gefahr birgt, die

infiltrierte Organisation durch den Verfassungsschutz zu

beeinflussen. Letztlich ist V-Mann Piatto dem branden-

burgischen Verfassungsschutz aus dem Ruder gelaufen

und erwies sich als nicht führbar: Szczepanski wurde im

Dezember 2002 wegen Verstoßes gegen das Waffenge-

setz zu einer Geldstrafe verurteilt. Noch als V-Mann hatte

Szczepanski nach Feststellung des Gerichts Anfang 2000

– also kurze Zeit nach seiner vorzeitigen Haftentlassung –
eine Pistole und ein Gewehr von einem anderen Neonazi

bei sich versteckt, um ihn bei einer drohenden Durchsu-

chung zu schützen.

Auf Ebene des BfV hat der Ausschuss sich mit den Quel-

len Q1 bis Q3 befasst.

Die vom BfV geführte Quelle Q1 war über 18 Jahre als

V-Person tätig. Neben dem Aspekt der dauerhaften Fi-

nanzierung konnte der Ausschuss feststellen, dass es sich

negativ auswirkt, wenn eine V-Person über einen längeren

Zeitraum denselben V-Personen-Führer hat. Grundsätz-

lich steht die Arbeit der V-Personen-Führer in einem

Spannungsverhältnis zwischen Aufbau und Pflege eines

Vertrauensverhältnisses einerseits und der Gefahr einer

„Verbrüderung“ und Identifikation mit der V-Person
andererseits. Letztere steigt mit der Dauer der Beziehung

zwischen V-Personen-Führer und V-Person. Fehlende

Distanz und enge persönliche Bindung, die bei überlanger

VP-Führung entstehen können, hat die Befragung des

langjährigen VP-Führers der Quelle Q1 im Ausschuss

beispielhaft verdeutlicht.

Die Führung der Quelle Q1 war aus Sicht des Ausschus-

ses auch hinsichtlich der von Q1 entfalteten Aktivitäten in

der rechten Szene problematisch. Q1 half mit Billigung

des BfV in der Phase, als das Internet als Kommunikati-

onsmedium beliebter wurde, beim Aufbau rechtsextremer

Strukturen und Inhalte. Hierüber versprach sich das BfV

zwar Erkenntnisse über das Treiben der rechten Szene im

Internet, über Q1 wirkte es aber mittelbar zugleich am

Aufbau entsprechender Strukturen mit.

Mit der Quelle Q2 hat das BfV ein führendes Mitglied

einer rechtsextremistischen Organisation als V-Person

geführt. Die Anwerbung und Führung von V-Personen,

die bereits eine herausgehobene Stellung in ihrer Organi-

sation innehaben, ist aus Sicht des Ausschusses nur in

absoluten Ausnahmefällen vertretbar. Immerhin wurde

die Quelle abgeschaltet, nachdem bekannt wurde, dass sie

schwere Straftaten begangen hatte.

Das BfV führte außerdem die Quelle Q3, die Kontakte in

die neonazistische Skinhead-Szene hatte und zudem in

Sachsen geschäftlich aktiv war. Auch in diesem Fall

musste der Ausschuss feststellen, dass die Quelle über

zehn Jahre und damit eindeutig zu lang durch denselben

Mitarbeiter geführt wurde. Aus den vorliegenden Akten

ergibt sich, dass das Geschäft von Q3 Gegenstand einge-

hender Beobachtung durch das LfV Sachsen war. Der

Ausschuss konnte weder klären, ob das LfV Sachsen

wusste, dass es das Geschäft einer früheren V-Person des

BfV beobachtete, noch, welches Ziel mit der Beobach-

tung verfolgt wurde.

Einige der skizzierten Probleme, auf die der Ausschuss

bei der näheren Prüfung einer kleinen Auswahl von V-

Personen gestoßen ist, waren auch bereits Gegenstand

eines Positionspapiers des BKA aus dem Jahr 1997. Hie-

rin wurde etwa die Finanzierung von Szeneaktivitäten

durch Quellen des Verfassungsschutzes und die Warnung

von Quellen vor Exekutivmaßnahmen kritisiert. Das Pa-

pier war Gegenstand von Gesprächen zwischen BKA und

BfV. Allerdings führte dies offenbar nicht zu grundlegen-

den Änderungen der kritisierten Praktiken.

Nach den im vorliegenden Fall festgestellten Defiziten ist

der Ausschuss der Auffassung, dass Einsatz und Führung

von V-Personen einer grundlegenden Neuordnung bedür-

fen.

F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011

Ende Juni 2012 wurde bekannt, dass im Bundesamt für

Verfassungsschutz in den Tagen nach dem 4. November

2011 Akten vernichtet wurden, die wegen des vom Präsi-

denten erteilten Auftrags im gesamten Amt nach Informa-

tionen mit Bezug zur Terrorgruppe NSU zu suchen, ge-

sichtet worden waren. Diesen Vorfall wertet der Aus-

schuss als Belastung der nach dem 4. November 2011

gebotenen rückhaltlosen Aufklärung. Die Aktenvernich-

tung hat das Vertrauen in den Verfassungsschutz schwer

beschädigt.

Angesichts weiterer vernichteter oder zunächst nicht

aufgefundener Akten auch aus anderen Verfas-

sungsschutzbehörden stieß im Ausschuss die Kritik, die

an der Entscheidung der Landesregierung Thüringens

geübt wurde, die vollständigen Akten des Landesamtes

für Verfassungsschutz zum „Phänomenbereich Rechts“
zur Auswertung zu übergeben, auf großes Unverständnis

– zumal den Geheimhaltungsbedürfnissen durch eine
entsprechende Einstufung Rechnung getragen war. Die

Auswertung dieser Akten hat dem Ausschuss einen

exemplarischen Überblick zum Kenntnisstand einer Ver-

fassungsschutzbehörde ermöglicht.

Aktenvernichtungsstopp im Geschäftsbereich des BMI

erst im Juli 2012

Sicherheits- und Ermittlungsbehörden haben nach dem

4. November 2011 damit begonnen, ihre Dateien und

Akten zu überprüfen, ob und welche Informationen zu

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, zu ihrem Umfeld und

ihren Unterstützern einerseits und zu den im NSU-Video

gerühmten Taten und möglichen Verbindungen zu ande-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 859 – Drucksache 17/14600

ren unaufgeklärten Straftaten andererseits vorhanden

waren und übersehen oder falsch bewertet wurden. Teil-

weise dauert dieser durch die Einsetzung und die Arbeit

der Untersuchungsausschüsse intensivierte Prozess noch

an. Im Spannungsfeld zwischen dieser Aufklärungsnot-

wendigkeit und den routinemäßig weiter geltenden Vor-

schriften für Aufbewahrungsfristen, Löschung und Ver-

nichtung von Daten und Akten wurden in den Behörden

unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Sachgerecht

wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung mit den

Ländern ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt hätte.

Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

wurde im November 2011 zunächst lediglich angeordnet,

alle zum NSU-Komplex einschlägigen Unterlagen zu-

sammenzustellen. Der Ausschuss bewertet auch im Licht

des vom Generalbundesanwalt am 11. November 2011

eingeleiteten Ermittlungsverfahrens die Entscheidung als

falsch, damals kein Moratorium für die Vernichtung und

Löschung von Akten und Daten zu verhängen. Das später

dann doch angeordnete Moratorium unterstreicht, dass

rechtliche Bedenken einer solchen Entscheidung nicht

zwingend entgegengestanden hätten. Spätestens zum

Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses

wäre ein bundesweites Moratorium geboten gewesen.

Ein Vernichtungsmoratorium für alle Akten zu Vorgän-

gen und Personen aus dem Bereich Rechtsextremismus

hat das BMI erst am 18. Juli 2012 angeordnet, zwei Wo-

chen nachdem das nachgeordnete Bundesamt für Verfas-

sungsschutz einen entsprechenden Vernichtungsstopp

verhängt hatte. Im Zeitpunkt der Anordnung war das

Moratorium damit genauso ungeeignet, weil verspätet,

nicht erforderlich, weil weitgehend funktionslos, und

unangemessen, weil entbehrlich, wie es unverzüglich

nach dem Bekanntwerden des NSU und seiner Taten im

November 2011 geeignet, erforderlich, angemessen und

zweckmäßig gewesen wäre.

Unklare Rechts- und Vorschriftenlage für Aktenhal-

tung und Datenspeicherung

Im Rahmen der Beweisaufnahme haben sich sowohl bei

den rechtlichen Vorgaben für die Aktenführung und Da-

teienspeicherung als auch bei der Verwaltungspraxis des

BfV Mängel erwiesen, die Rechtsunsicherheit für die

handelnden Mitarbeiter zur Folge hatten. So stammte die

dem Ausschuss übergebene, 2011 geltende

Registraturanweisung des BfV aus dem Jahr 1984 und

machte ausführliche Vorgaben für Kopien auf Mikrofiche

– eine veraltete und zur Regelung des heutigen Umgangs
mit Akten und Daten ungeeignete Vorschrift.

Auch das Fehlen einer rechtsstaatlich gebotenen eindeuti-

gen und hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung

im BVerfSchG ist zweifellos mitursächlich für die im

BfV vorherrschende Verunsicherung der mit der Akten-

pflege und -vernichtung betrauten Beschäftigten. Die seit

mehreren Jahren bestehenden Auffassungsunterschiede

zwischen dem BMI und dem BfV auf der einen Seite und

dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informati-

onssicherheit (BfDI) auf der anderen Seite, welche

Rechtsvorgaben nach dem Bundesverfassungsschutzge-

setz für welche Datenspeicherungen und Aktenstücke

anzuwenden sind, unterstreicht nach Auffassung des Aus-

schusses gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Im Bun-

desverfassungsschutzgesetz muss Rechtsklarheit hinsicht-

lich der datenschutzrechtlichen Prüfung und Vernichtung

von elektronischen und Papierakten herbeigeführt werden,

um so die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben mit dem

grundrechtlich gebotenen Datenschutz in Einklang zu

bringen.

Vernichtung von Beschaffungs-Akten des BfV

Auf Anordnung eines Referatsleiters kam es im BfV im

November 2011 zur Vernichtung von insgesamt acht

Akten zu Beschaffungsvorgängen, die sieben Personen

betrafen. Die vernichteten Akten fielen nur zum Teil in

dessen Zuständigkeit. Die meisten Akten standen im

Zusammenhang mit der nachrichtendienstlichen Operati-

on „Rennsteig“ aus den Jahren 1997 bis 2003 – doch
wurden weder nur Akten aus dieser Operation noch die

betreffenden Akten vollständig vernichtet. Als das Fehlen

der Akten bemerkt wurde, wurde zunächst der Eindruck

erzeugt, sie seien bereits zu Jahresbeginn 2011 vernichtet

worden. Erst auf konkrete Nachfrage wurde die Amtslei-

tung am 27. Juni 2012 über den genauen Zeitpunkt der

Vernichtung unterrichtet. Diese Information wurde dann

unverzüglich durch die Amtsleitung an das aufsichtsfüh-

rende Bundesministerium des Innern und von dort an den

Ausschuss weitergegeben.

Der Ausschuss hat den vom Bundesminister des Innern

am 3. Juli 2012 bestellten Sonderbeauftragten zur Aufklä-

rung der Aktenvernichtungen im BfV mehrfach als Zeu-

gen gehört und seine Berichte zur Kenntnis erhalten. Er

hat zudem den früheren, auf seinen Wunsch am 2. Juli

2012 in den vorzeitigen Ruhestand versetzten BfV Präsi-

denten und den Referatsleiter, der die Vernichtung ange-

ordnet hatte, als Zeugen gehört. Der Ausschuss hat zum

ersten Bericht des Sonderbeauftragten aus dem Oktober

2011 umfangreiche Nachfragen gestellt, zu denen im

Dezember mit einem weiteren Bericht Stellung genom-

men wurde. Der Ausschuss hat ebenso wenig wie der

Sonderbeauftragte Anhaltspunkte dafür gefunden, dass

der Referatsleiter, der die Vernichtung angeordnet hat,

diese Entscheidung nicht eigenständig getroffen hat. Die

Erwägung des Sonderbeauftragten, Arbeitsvermeidung sei

Motiv der Vernichtung gewesen, hat den Ausschuss da-

gegen nicht überzeugt.

Die vernichteten Beschaffungsakten wurden im BfV

sofort nach Bekanntwerden des Datums ihrer Vernichtung

soweit rekonstruiert, wie das aus anderen Aktenbeständen

des Amtes sowie weiterer Behörden möglich war. Die

Klaridentitäten der V-Personen, Zahlungsströme und von

den Quellen gewonnene Informationen, die an andere

Stellen weitergegeben wurden, konnten wiederhergestellt

werden, die vollständige V-Personen-Akte nicht. Die

rekonstruierten Akten wurden ungeschwärzt zur Einsicht-

nahme zur Verfügung gestellt. Die Obleute haben nach

Einsichtnahme übereinstimmend bekundet, dass die wie-

derhergestellten Vorgänge weder Böhnhardt, Mundlos

oder Zschäpe betrafen noch konkrete Anhaltspunkte dafür

gefunden wurden, dass sich in den vernichteten Akten

Hinweise befanden auf die Existenz des NSU oder die

Drucksache 17/14600 – 860 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verantwortung für die der Terrorgruppe zur Last gelegten

Taten.

Der Ausschuss hat den Sachverhalt auch anhand der von

einer Vielzahl von Behörden vorgelegten, umfangreichen

Unterlagen und den Aussagen der gehörten Zeugen über-

prüft.

Vernichtung von Akten zu G 10-Maßnahmen

Der Ausschuss bewertet die Vernichtung von Anlagen-

ordnern zu Anträgen auf Anordnung von G 10-

Maßnahmen in 26 Fällen, die jeweils Personen aus dem

Bereich Rechtsextremismus betrafen, nach dem 4. No-

vember 2011 als Fehler, der hätte vermieden werden

müssen und durch einen umfassenden Aktenvernich-

tungsstopp hätte vermieden werden können. Der Aus-

schuss hält es aufgrund der Ergebnisse seiner Beweisauf-

nahme für erwiesen, dass der Inhalt der vernichteten An-

lagenordner in mehreren Fällen G 10-Maßnahmen betraf,

die einen personellen Bezug zum Umfeld der Terrorgrup-

pe aufwiesen.

Die Vernichtung erfolgte zur Durchführung von Erlassen

des BMI, die zum Vernichtungszeitpunkt teils Jahre zu-

rücklagen. Nach den auf das G 10-Gesetz gestützten Er-

lassen des BMI hätten die Unterlagen damit längst vor

den Ereignissen des 4. November 2011 vernichtet sein

müssen. Der Zeitraum von mehreren Jahren zwischen

Anordnung und Vollzug der Vernichtung von Akten zu

G 10-Maßnahmen belegt, wie auch der Sonderbeauftragte

des BMI betont, ein „beklagenswertes“ Vollzugsdefizit
bei der Umsetzung von Anordnungen des BMI durch das

nachgeordnete BfV. Der Ausschuss bewertet den offenbar

seit langem bestehenden allgemeinen Rückstau bei der

gebotenen rechtzeitigen Vernichtung von G 10-

Unterlagen als einen rechtsstaatlich unhaltbaren Zustand,

der unverzüglich zu beseitigen ist.

Der Ausschuss unterstützt im Hinblick auf das Ergebnis

seiner Beweisaufnahme ausdrücklich die Empfehlung des

Sonderbeauftragten, eindeutige gesetzliche Regelungen

zu Datenspeicherung und Aktenhaltung, Datenlöschung

und Aktenvernichtung zu schaffen, die für die Bearbeite-

rinnen und Bearbeiter verständlich und möglichst unkom-

pliziert handhabbar sein müssen. Auch der Vorschlag des

Sonderbeauftragten, die Rolle des behördeninternen Da-

tenschutzbeauftragten im BfV zu stärken und ihn direkt

bei der Hausleitung anzubinden, wird vom Ausschuss

begrüßt.

Vernichtung von Akten beim MAD

Der Ausschuss hat festgestellt, dass entgegen der vom

Bundesministerium der Verteidigung ursprünglich gege-

benen grundsätzlichen Zusage, mit dem Ausschuss zu-

sammenzuarbeiten, die Aufklärungsarbeit des Ausschus-

ses bis zum Sommer 2012 durch das BMVg nicht unter-

stützt wurde. Die Leitungsebenen des Amts für den Mili-

tärischen Abschirmdienst (MAD) und des Verteidi-

gungsministeriums wussten bereits seit März 2012, dass

es einen Kontakt des MAD zu Mundlos während dessen

Wehrdienstzeit 1994/1995 gegeben hatte. Statt sich im

Sinne einer konsequenten Aufklärung bei anderen Behör-

den zu erkundigen, ob das Befragungsprotokoll, nach dem

ein Landesamt für Verfassungsschutz gefragt hatte, dort

noch existiere, entschied man, nichts zu unternehmen und

informierte auch den Untersuchungsausschuss über diesen

Vorgang nicht.

Ähnlich wurde mit der Personalakte von Mundlos verfah-

ren: Auszüge daraus waren dem Verteidigungsministeri-

um bereits im Dezember 2011 zur Beantwortung von

Presseanfragen vorgelegt worden, wurden danach aber

unmittelbar wieder vernichtet. Erst als Generalbundesan-

walt und BKA beim MAD nach dieser Personalakte frag-

ten, wurde vom Verteidigungsministerium dem MAD die

Aufgabe zugewiesen, die Anfrage zu beantworten und die

Akte zu übersenden. Dem Ausschuss wurde die Personal-

akte von Mundlos erst Monate später zur Erfüllung bereits

lange zuvor gefasster Beweisbeschlüsse zugeleitet.

Der Umgang des MAD mit Daten und Akten, die für den

NSU-Komplex relevant gewesen sein könnten, war zu

lange von mangelndem Verständnis für die Zusammen-

hänge, in denen sich der NSU und sein Umfeld bewegt

haben, gekennzeichnet. Ein Vernichtungsmoratorium für

alle Akten zum Rechtsextremismus hat der MAD erst auf

ausdrückliche Aufforderung des Ausschussvorsitzenden

am 19. Juli 2012 angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt waren

bereits mehrfach Akten zu Personen oder Gruppierungen

aus dem Bereich Rechtsextremismus vernichtet worden.

Angesichts der Themen der vernichteten Akten und der

dazu vom Ausschuss gesichteten Unterlagen anderer

Behörden ist es wenig wahrscheinlich, dass in den 17 vom

MAD gegenüber dem Ausschuss eingeräumten Fällen von

Aktenvernichtungen zum Bereich Rechtsextremismus

Vorgänge oder Personen betroffen waren, die einen Be-

zug zum NSU aufweisen. Eindeutig auszuschließen ist

dies aber im Fall der Unterlagen zur „Fränkischen Akti-
onsfront“ aus Nürnberg und einem ihrer führendem Akti-
visten, dessen Name auf der Telefonliste von Mundlos

steht, nicht. Damit zeigt dieser Vorgang, dass die Ver-

nichtung von Akten aus dem Bereich Rechtsextremismus

früher hätte gestoppt werden müssen. Der Ausschuss

betont: Akten zum Rechtsextremismus müssen solange

aufbewahrt werden, bis ausreichende Kenntnisse der

Zusammenhänge und Bezüge, in denen sich der NSU

bewegt hat, bestehen, um eine sachgerechte Sichtung von

Akten vor ihrer Vernichtung zu erlauben.

Aktenvernichtungen bei Berliner Behörden

In der Abteilung für Verfassungsschutz der Senatsverwal-

tung für Inneres und Sport des Landes Berlin kam es noch

bis Ende Juni 2012 zur Vernichtung von Aktenmaterial,

das einen Bezug zum NSU-Komplex hätte haben können,

etwa zu der Nazirockgruppe „Landser“, deren Mitglieder
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung

verurteilt wurden. Auch in Berlin bestand kein Aktenver-

nichtungsmoratorium. Zu zögerlich war dem Ausschuss

auch die Zulieferung angeforderter und relevanter Akten

aus dem LKA Berlin. Der Ausschuss hat den zum Her-

gang der Vernichtung erstellten Bericht des vom Senator

für Inneres und Sport bestellten Sonderermittlers zur

Kenntnis genommen und den zuständigen Staatssekretär

Bernd Krömer als Zeugen gehört. Dieser hat dargelegt,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 861 – Drucksache 17/14600

dass die Vernichtung von Akten der Verfassungsschutz-

abteilung auf eine Verwechslung von zur Archivierung

und zur Vernichtung bestimmten Aktenbeständen zurück-

geht. Dies wertet der Ausschuss als Ausdruck mangelnder

Sensibilisierung. Aufgrund darin zum Ausdruck kom-

mender Organisationsmängel hat die frühere Leiterin der

Verfassungsschutzabteilung ihr Amt aufgegeben. In den

soweit als möglich rekonstruierten Akten sind die Namen

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nicht genannt. Die

Überprüfung damaliger Informationen zu Personen aus

dem Umfeld des NSU im LKA Berlin dauert nach Aus-

kunft des Senators für Inneres und Sport, Frank Henkel,

allerdings noch an.

G. Schlussfolgerungen

Die vom Untersuchungsauftrag gebotene und mit Erfolg

praktizierte Zusammenarbeit aller Fraktionen im Untersu-

chungsausschuss hat die Unterschiede der politischen

Überzeugungen nicht verwischt, sondern in ihrem Kern

klarer hervortreten lassen. Die Mitglieder des Ausschus-

ses sind über viele Fragen, die sich im Zusammenhang

mit dem Untersuchungsauftrag stellen, unterschiedlicher

Auffassung – so etwa beim

– Verfassungsschutz oder dem

– Einsatz von V-Personen.

Die gemeinsam erarbeiteten Untersuchungsergebnisse

haben jedoch die Überzeugung wachsen lassen, dass –
unabhängig von den bereits ergriffenen und eingeleiteten

Maßnahmen – eine Reihe von Korrekturen und Reformen
dringend geboten sind. Dazu geben die Mitglieder des

Ausschusses die folgenden Empfehlungen.

I. Empfehlungen für den Bereich der Polizei

Nach den Feststellungen des Ausschusses war die polizei-

liche Ermittlungsarbeit nicht ausreichend offen für unter-

schiedliche Ermittlungsrichtungen.

1. In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der
Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig

politisch motivierten Hintergrund haben könnten,

muss dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an

geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert wer-

den, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspu-

ren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkre-

ter Tatverdacht in eine andere Richtung ergibt. Ein

vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die

Tat muss von der Polizei beziehungsweise der Staats-

anwaltschaft verpflichtend aufgenommen und ange-

messen berücksichtigt werden. Es sollte beispielswei-

se auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den

polizeilichen Staatsschutz zu beteiligen und Informa-

tionen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen.

Dies sollte in die Richtlinien für das Straf- und das

Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in die einschlägi-

gen polizeilichen Dienstvorschriften aufgenommen

werden.

2. Notwendig ist eine neue Arbeitskultur, die anerkennt,
dass z. B. selbstkritisches Denken kein Zeichen von

Schwäche ist, sondern dass nur derjenige bessere Ar-

beitsergebnisse erbringt, der aus Fehlern lernt und

lernen will. Zentral ist dabei die Diskurs- und Kritik-

fähigkeit, d. h. es muss eine „Fehlerkultur“ in den
Dienststellen entwickelt werden. Reflexion der eige-

nen Arbeit und Umgang mit Fehlern sollte daher Ge-

genstand der polizeilichen Aus- und Fortbildung

werden. Mithilfe des Einsatzes von Supervision als

Reflexions- und Beratungsinstrument für Polizeibe-

amten sollen die Erfolge der individuellen Bildungs-

maßnahmen geprüft und nachhaltig gesichert werden.

Rotation sollte als Führungsinstrument eingesetzt

werden, um der Tendenz entgegenzuwirken, dass

sich Dienststellen abschotten.

3. Die Überprüfung ungeklärter Straftaten auf Bezüge
zu Rechtsterrorismus und insbesondere zur Terror-

gruppe NSU muss mit Hochdruck vorangetrieben

werden. Dabei sind entsprechend der Tatorte und

Tatzeiten der vom Ausschuss beleuchteten Fälle

Schwerpunkte zu setzen. Über die erzielten Zwi-

schenergebnisse ist regelmäßig dem Innenausschuss

des Deutschen Bundestages zu berichten. Die teilwei-

se eingeleitete Nachbewertung bisher fälschlich nicht

der politisch motivierten Kriminalität Rechts zu-

geordneter Tötungsdelikte und Sprengstoffanschläge

muss zeitnah zum Abschluss gebracht, ihre Ergebnis-

se transparent öffentlich gemacht und im Bundestag

debattiert werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses wurde die Ge-

fahr des gewaltbereiten Rechtsextremismus und Rechts-

terrorismus auch vom polizeilichen Staatsschutz völlig

falsch eingeschätzt. Die polizeiliche Analyse rechtsextre-

mistischer Gewalt war fehlerhaft, das Lagebild dadurch

unzutreffend. Die Erfassung rechtsmotivierter Straftaten

erfolgt bislang rein polizeilich über das derzeitige Defini-

tionssystem PMK (Politisch motivierte Kriminalität), das

große Schwächen hat. Dies zeigt sich exemplarisch an der

Debatte um die Anerkennung der Todesopfer rechter

Gewalt seit 1990.

4. Notwendig ist die grundlegende Überarbeitung des
„Themenfeldkatalogs PMK“ – unter Hinzuziehung
von Expertenwissen aus Wissenschaft und Zivilge-

sellschaft. Zweitens rät der Ausschuss dazu, einen

verbindlichen gegenseitigen Informationsaustausch

zwischen Polizei und Justiz einzuführen (ggf. eine

„Verlaufsstatistik PMK“) – zumindest bei PMK-
Gewaltdelikten.

5. Ermittler unterschiedlicher Fachzuständigkeiten müs-
sen dergestalt zusammenarbeiten, dass bei mutmaßli-

Drucksache 17/14600 – 862 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

chen Straftätern deliktsübergreifend ihre Gefährlich-

keit richtig eingeschätzt wird. Rädelsführer der

rechtsextremistischen Szene muss der Staatsschutz

im Blick haben – was nach dem „Blood & Honour“-
Verbot bei den Führungsfiguren der aufgelösten Or-

ganisation möglicherweise Kontakte zum Trio aufge-

deckt hätte.

Nach den Feststellungen des Ausschusses war es ein

Hindernis für die Ermittlungen zu der länderübergreifen-

den Tatserie der Česká-Morde, dass sie zwar koordiniert,
aber nicht einheitlich geführt wurden. Erfolgreiche Er-

mittlungen in komplexen Fällen bei Beteiligung verschie-

dener Polizeidienststellen erfordern eine zentrale ermitt-

lungsführende Dienststelle mit klar geregelten Weisungs-

befugnissen. Der Ausschuss hat den Bericht über die

Zusammenarbeit des BKA und der Polizeien der Länder

aus dem Jahr 2010 zur Kenntnis genommen und hält auch

diese überarbeiteten Leitlinien noch nicht für ausreichend:

6. Zentrale Ermittlungsführung heißt nach Auffassung
des Ausschusses keineswegs zwingend Ermittlungs-

führung durch das BKA. Auch für eine zentrale Er-

mittlungsführung durch eine Länderpolizei mit Wei-

sungsrecht gegenüber bei anderen Länderpolizeien

gebildeten regionalen Ermittlungsabschnitten müssen

rechtliche Grundlagen geschaffen werden. Dies kann

durch einen Staatsvertrag geschehen, den die Länder

gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundes schlie-

ßen. Die jeweilige Zuständigkeit soll sich dabei so

eng als möglich aus Kriterien der Tat oder Tatserie

(Tatorte, Beginn, Häufigkeit von Einzeltaten) erge-

ben, aber auch die Kapazität der beteiligten

Länderpolizeien berücksichtigen.

7. Die informationstechnischen Grundlagen für die
notwendige Vernetzung aller an einer Ermittlung be-

teiligten Dienststellen müssen jederzeit sofort ver-

fügbar sein. Es darf nicht nochmals vorkommen, dass

Zeit und Kraft dafür verloren gehen, unterschiedliche

Systeme wie „EASy“ und „INPOL Fall“ während ei-
ner laufenden Ermittlung zu verknüpfen. Die einge-

leiteten Maßnahmen, die Interoperabilität der Daten-

systeme zu schaffen, müssen zügig zu einem guten,

verfassungsrechtlich einwandfreien Ergebnis geführt

werden.

8. Sowohl in Nürnberg wie in Köln haben sich die Er-
mittler auf den Irrweg locken lassen, die Täter müss-

ten in der Nähe des Tatorts wohnen oder dort zumin-

dest einen „Ankerpunkt“ haben. Zentral geführte Er-
mittlungen mit Weisungsrechten für regionale Ermitt-

lungsabschnitte in anderen Bundesländern werden ei-

ner solchen örtlichen Verengung des Blickwinkels

ebenso entgegenwirken wie ein besseres Verständnis

von deutschlandweit und international agierenden

rechtsextremen Netzwerken.

9. Bei komplexen Verfahren fallen häufig eine Vielzahl
von Hinweisen, Spuren und Erkenntnissen an.

Gleichzeitig besteht gerade bei schweren Straftaten

mit ungeklärter Tatmotivation die Gefahr, dass die

Ermittlungen von eingefahrenen Denkmustern ge-

prägt sind und bleiben, so dass Ermittler Hinweisen

und Spuren, welche in andere Richtungen deuten, mit

geringerer Intensität nachgehen. Eine Organisations-

einheit innerhalb der ermittlungsführenden Dienst-

stelle, die sich der kontinuierlichen und kritischen

Evaluation der einzelnen Ermittlungsschritte und

Auswertungsergebnisse widmet, könnte rechtzeitig

falsche Schwerpunktsetzungen oder unterlassene Er-

mittlungsansätze identifizieren und ihnen entgegen-

wirken.

10. Es sind zeitnah die Voraussetzungen zu schaffen,
dass jederzeit eine bundesweite Abklärung möglich

ist, wie viele untergetauchte Rechtsextremisten mit

Haftbefehl gesucht und welche Straftaten ihnen zur

Last gelegt werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses war der Um-

gang mit den Opfern und ihrem Umfeld im Rahmen der

Ermittlungen in vielen Fällen nicht angemessen und sach-

gerecht.

11. Deutschlands Gesellschaft ist vielfältig – diese Viel-
falt müssen die Polizeibehörden widerspiegeln, mit

dieser Vielfalt müssen sie kompetent umgehen. Die

Bemühungen, junge Menschen unterschiedlicher

Herkunft für den Polizeiberuf zu gewinnen, müssen

intensiviert werden.

12. „Interkulturelle Kompetenz“ muss ein fester und
verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung

sein und zum professionellen Umgang mit gesell-

schaftlicher Vielfalt befähigen. Vordringlich die un-

mittelbaren Vorgesetzten der Kriminal- und Schutz-

polizeibeamten sollen durch Aus- und Fortbildung

sensibilisiert werden. Die Umsetzung der Aus- und

Fortbildungsziele in der Praxis muss kontinuierlich

überprüft werden.

13. Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise
Hinterbliebenen, deren nächsten Angehörigen und

ihnen nahestehender Personen ist eine – für die Opfer
und ihre Angehörigen, für den Erfolg von Ermittlun-

gen und das Vertrauen der Bevölkerung in den

Rechtsstaat – wichtige Aufgabe, die von dafür spezi-
ell geschulten Beamten wahrgenommen werden soll.

14. Opferzeugen müssen, wenn sie bei Ermittlungen
befragt werden oder selbst Anzeige erstatten, ver-

pflichtend und wenn erforderlich in ihrer Mutterspra-

che auf ihr Recht hingewiesen werden, dass neben

einem Anwalt auch eine Person ihres Vertrauens an

der Vernehmung teilnehmen kann. Dieser Hinweis

muss dokumentiert werden.

15. Opfer mutmaßlich rassistisch oder anderweitig poli-
tisch motivierter Gewalt müssen, wenn sie Anzeige

erstatten, Strafantrag stellen oder als Zeuge vernom-

men werden, auf die spezialisierten Beratungsange-

bote auch in freier Trägerschaft und auf Entschädi-

gungsansprüche für Betroffene solcher Straftaten

hingewiesen werden und deren Kontaktdaten ausge-

händigt erhalten. Auch diese Hinweise müssen do-

kumentiert werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 863 – Drucksache 17/14600

Nach den Feststellungen des Ausschusses haben neben

strukturellen auch schwere individuelle Fehler zum Schei-

tern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe

seit dem 26. Januar 1998 geführt. Alle Organisationen

und Institutionen müssen damit rechnen, dass immer

wieder von Einzelnen Fehler gemacht werden – und sie
müssen Vorsorge dafür treffen, dass solche Fehler erkannt

und korrigiert werden können. Hier haben Behördenlei-

tung und Fachaufsicht besondere Verantwortung.

16. Laufende, aber erfolglos bleibende Ermittlungen zu
herausragend schweren Straftaten sollten nach einer

bestimmten Zeit von Grund auf nochmals durch bis-

her nicht mit dem Fall befasste erfahrene Ermittler

überprüft werden. Auch in diesem Zusammenhang ist

die Entwicklung einer internen Fehlerkultur von be-

sonderer Bedeutung.

17. Als ungelöst abgeschlossene Fälle schwerer Strafta-
ten sollten bei Fortschritten insbesondere der techni-

schen Ermittlungsmöglichkeiten daraufhin gesichtet

werden, ob erfolgversprechende Ermittlungsansätze

gewonnen werden können und dann gegebenenfalls

neu aufgerollt werden („cold case units“).

Nach den Feststellungen des Ausschusses wurden im

Bundeskriminalamt vorhandene Daten und Recherche-

möglichkeiten durch die Länderpolizeien für die Ermitt-

lungen mehrfach nur unvollständig genutzt.

18. Zu den Zentralstellenaufgaben des BKA muss es
deshalb künftig gehören, bei Anfragen zu schweren

Straftaten zu prüfen, ob die gestellten Anfragen alle

Informationsmöglichkeiten ausschöpfen, die das

BKA bieten kann. Zu bestehenden zusätzlichen In-

formationsmöglichkeiten soll den ermittelnden Poli-

zeidienststellen Beratung und Hilfeleistung angebo-

ten werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses wurde die Ge-

fahr von Rechtsterrorismus auch vom polizeilichen

Staatsschutz völlig falsch eingeschätzt.

19. Die Ermittlungen zu Fällen, die der Untersuchungs-
ausschuss beleuchtet hat, sollen in der Aus- und Fort-

bildung für Polizisten aller Laufbahnen in Bund und

Ländern in geeigneter Weise behandelt werden. In

der Aus- und Fortbildung für Führungskräfte sollen

die Fälle analytisch aufgearbeitet und szenarienmäßig

durchgespielt werden.

20. In der Aus- und Fortbildung müssen Grundlagen für
eine reibungslose Zusammenarbeit aller Polizeibe-

hörden in der föderalen Sicherheitsarchitektur gelegt

und Verständnis für die unterschiedlichen Aufgaben

unterschiedlicher Sicherheitsbehörden geweckt wer-

den.

21. Die Aus- und Fortbildung der Polizeien muss insbe-
sondere für den Staatsschutz die Grundlage dafür le-

gen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus

in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden. Zu-

dem sollen in die Aus- und Fortbildung auch die

Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisatio-

nen einbezogen werden.

II. Empfehlungen für den Bereich der Justiz

Bei der Mehrheit der Straftaten, zu denen der General-

bundesanwalt aktuell ermittelt und Anklage erhoben hat,

hielt er sich nach dem Ergebnis seiner Prüfungen vor dem

4. November 2011 für nicht zuständig. Nach den Feststel-

lungen des Ausschusses erfolgten die Prüfungen seiner

Zuständigkeit durch den Generalbundesanwalt auf unge-

nügender Grundlage.

22. Beim Generalbundesanwalt müssen künftig Quali-
tätsstandards für die Prüfvorgänge seiner Zuständig-

keit in Staatsschutzsachen (ARP-Vorgänge) gelten.

Diese Prüfvorgänge müssen den jeweils aktuellen po-

lizeilichen Sachstands- oder Ermittlungsbericht und

eine Stellungnahme der aktuell verfahrensführenden

Staatsanwaltschaft enthalten.

23. Für die Zuständigkeit des GBA sollte der Gesetzge-
ber beim Erfordernis des Staatsschutzbezugs des zu

verfolgenden Kapitaldelikts einen größeren Spiel-

raum eröffnen. Bisher fordert § 120 Abs. 2 Nr. 3

GVG, dass ein Kapitaldelikt „bestimmt und geeignet
ist“, den Bestand eines Staates oder Verfassungs-
grundsätze zu beeinträchtigen. Künftig sollte hier le-

diglich gefordert werden, dass die Tat „bestimmt und
geeignet sein kann“.

24. Das gesetzliche Erfordernis der besonderen Bedeu-
tung einer Straftat als Voraussetzung einer Zustän-

digkeit des GBA wird von der Rechtsprechung eng

ausgelegt. Der Gesetzgeber sollte hier durch Bildung

von Regelbeispielen schwerpunktmäßig deutlich ma-

chen, für welche Kapitaldelikte eine Zuständigkeit

des GBA bestehen soll.

25. Die Verpflichtung der Staatsanwaltschaften der Län-
der, in entsprechenden Fällen dem GBA Informatio-

nen zur Prüfung seiner Zuständigkeit zu übermitteln,

die bisher in Nr. 202 der Richtlinien für das Straf-

und Bußgeldverfahren geregelt ist, sollte im Ge-

richtsverfassungsgesetz verankert werden.

26. Der Ausschuss erwartet, dass die eine Zuständigkeit
des GBA begründenden Vorschriften in allen

Phänomenbereichen politisch motivierter Kriminali-

tät nach den gleichen Maßstäben angewandt werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses hat es die Er-

mittlungen erschwert, dass es nicht zu einem staatsan-

waltschaftlichen Sammelverfahren kam – denn als Ermitt-
lungsbehörde wird die Polizei unterstützend für die zu-

ständige Staatsanwaltschaft tätig, bei der die Sachlei-

tungsbefugnis liegt. Der beste Weg zu einer einheitlichen

Ermittlungsführung ist deshalb eine einheitliche staatsan-

waltschaftliche Verfahrensführung – in der Regel durch
ein staatsanwaltschaftliches Sammelverfahren, in den

Fällen seiner Zuständigkeit durch den Generalbundesan-

walt.

27. Die Führung eines Sammelverfahrens nach Maßgabe
der Nr. 25 ff. der Richtlinien für das Straf- und das

Bußgeldverfahren (RiStBV) darf im Interesse einer

zügigen und wirksamen Strafverfolgung nicht an ei-

Drucksache 17/14600 – 864 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ner zu restriktiven Einschätzung der dort genannten

Kriterien scheitern.

28. § 143 Abs. 3 GVG sollte um eine Bestimmung er-
gänzt werden, die ausdrücklich festlegt, dass sich

„übernahmewillige“ oder „abgabewillige“ Staatsan-
waltschaften zur Herstellung einer Sammelverfah-

renszuständigkeit antragstellend an den GBA wenden

können.

Nach den Feststellungen des Ausschusses ist die Auswahl

der bearbeitenden Staatsanwälte nach allgemeinen Ge-

schäftsverteilungskriterien bei komplexen Großverfahren

wie den vom Ausschuss untersuchten nicht immer sach-

gerecht.

29. Der Ausschuss empfiehlt daher, in solchen Fällen die
Vorschrift des § 145 GVG auch tatsächlich zu nut-

zen, die eine gezielte Auswahl eines geeigneten sach-

leitenden Staatsanwalts durch die Behördenleitung

ermöglicht.

30. Auch die Aus- und Fortbildungsangebote für Richter
und die Aus- und Fortbildung für Staatsanwälte und

Justizvollzugsbedienstete müssen die Grundlage da-

für legen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterro-

rismus in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt wer-

den. Auch hier sollen in die Aus- und Fortbildung die

Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisatio-

nen einbezogen werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses wurden nach

den damaligen Ermittlungen zu Straftaten, die der GBA in

seine Anklage vor dem OLG München einbezogen hat, in

mehreren Fällen Asservate vernichtet, die heute bedeut-

sam sein könnten.

31. Gesetzlich geregelt werden sollte, dass Asservate zu
ungeklärten Verbrechen nicht vor Ablauf der jeweili-

gen gesetzlichen Verjährungsfrist (bzw. frühestens

nach Ablauf der längsten gesetzlichen Verjährungs-

frist bei nicht verjährenden Verbrechen) amtlich ver-

nichtet werden dürfen.

III. Empfehlungen für den Bereich der Verfas-
sungsschutzbehörden

Nach den Feststellungen des Ausschusses hatten mehrere

Verfassungsschutzbehörden Informationen gewonnen, die

für die Suche nach dem Trio bedeutsam gewesen wären.

Diese Informationen wurden aber teilweise nicht oder

unzureichend ausgewertet, nirgends zusammengeführt

und nicht verlässlich für die Ermittlungen nutzbar ge-

macht. Die unterschiedlichen Schlussfolgerungen der

Fraktionen dazu reichen von Empfehlungen für verbesser-

te Auswertung und Informationsweitergaberegelungen bis

zur Abschaffung der Verfassungsschutzbehörden in der

jetzigen Form, beginnend mit der Abschaffung nachrich-

tendienstlicher Mittel. Entsprechend sind die nachfolgen-

den gemeinsamen Empfehlungen als Sofortmaßnahmen

und Minimalkonsens zu verstehen – da DIE LINKE den
Verfassungsschutz als Inlandsnachrichtendienst letztlich

abschaffen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihn auflö-

sen und neu strukturieren wollen.

32. Künftig muss sichergestellt sein, dass im Verfas-
sungsschutzverbund vorliegende Informationen von

länderübergreifender Bedeutung zentral zusammen-

geführt und auch tatsächlich gründlich ausgewertet

werden sowie die Ergebnisse dieser Auswertung al-

len zuständigen Verfassungsschutzbehörden zur Ver-

fügung stehen. Zur Vermeidung von Doppelarbeit

muss für eine effiziente Abstimmung im Verfas-

sungsschutzverbund Sorge getragen sein.

33. Die aufgrund der geltenden Rechtslage ohnehin be-
stehende Verpflichtung, die Vorschriften für die

Übermittlung von Informationen der Nachrichten-

dienste von Bund und Ländern an die Strafverfol-

gungsbehörden konsequent anzuwenden, muss unter

Beachtung des Trennungsgebotes umgesetzt werden.

34. In allen Verfassungsschutzbehörden muss durch
Controlling für einen sorgsamen und effektiven Um-

gang mit den vorliegenden Informationen gesorgt

werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses waren die im

BfV im Untersuchungszeitraum geltenden Vorschriften

für die Datenspeicherung und Datenlöschung, Aktenhal-

tung und Aktenvernichtung nicht zeitgemäß. Als Sofort-

maßnahmen empfiehlt der Ausschuss:

35. In den gesetzlichen Grundlagen der Nachrichten-
dienste muss Rechtsklarheit hinsichtlich der daten-

schutzrechtlichen Prüfung und Vernichtung von

elektronischen und Papierakten herbeigeführt wer-

den, um so die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben

des grundrechtlich gebotenen Datenschutzes und der

rechtsstaatlichen Grundsätze der Aktenklarheit und

Aktenwahrheit zu gewährleisten.

36. In den Nachrichtendiensten müssen auf der aktuali-
sierten gesetzlichen Grundlage Vorschriften und

Dienstanweisungen zu Datenspeicherung und Akten-

haltung, Datenlöschung und Aktenvernichtung ge-

schaffen werden, die für die Bearbeiterinnen und Be-

arbeiter verständlich und möglichst unkompliziert

handhabbar sind.

37. Die Rolle des behördeninternen Datenschutzbeauf-
tragten in den Nachrichtendiensten soll gestärkt und

dieser direkt an die Amtsleitung angebunden werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses wurde die Ge-

fahr von Rechtsterrorismus von den Verfassungsschutz-

behörden völlig falsch eingeschätzt. Solchen Fehlein-

schätzungen kann aus Sicht des Ausschusses durch Maß-

nahmen begegnet werden, die unter anderem auf eine

„Öffnung“ des Verfassungsschutzes zielen.

38. Der Verfassungsschutz braucht mehr Wissen und
eine größere Sensibilität für die Gefahren, die Demo-

kratie und Menschenwürde in Deutschland durch die

Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts und

rechtsextremer Strukturen drohen. In den Verfas-

sungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentali-

tätswechsel und ein neues Selbstverständnis der Of-

fenheit gebraucht – und keine „Schlapphut-Haltung“
der Abschottung.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 865 – Drucksache 17/14600

39. Die Verfassungsschutzbehörden werden durch Öff-
nung gewinnen. Sie müssen sich im Bereich der Per-

sonalgewinnung und in ihrer Arbeitsweise deutlich

verändern. Dazu gehören u. a. die Öffnung der Aus-

bildungswege und die Einstellung von Quereinstei-

gern, mehr Mitarbeitertausch mit anderen Behörden

auch außerhalb des Geschäftsbereichs des BMI sowie

die laufende inhaltliche Auseinandersetzung mit Wis-

senschaft und Zivilgesellschaft.

40. Die Verfassungsschutzbehörden müssen mit gesell-
schaftlicher Vielfalt kompetent umgehen. Das muss

sich auch in ihrem Personalbestand widerspiegeln.

Wie auch bei der Polizei müssen Interkulturelle

Kompetenz, Diskursfähigkeit und eine Fehlerkultur

zum Leitbild gehören und durch intensive Aus- und

Fortbildung entwickelt werden.

Nach den Feststellungen des Ausschusses fehlte es im

Untersuchungszeitraum weitgehend an einer parlamenta-

rischen Kontrolle der Arbeit der Verfassungsschutzbehör-

den zum Untersuchungsgegenstand.

41. Es bedarf der Stärkung einer systematischen und
strukturellen Kontrolle. Einzelne Tätigkeitsbereiche

der Nachrichtendienste, so beispielsweise auch der in

der Arbeit des Untersuchungsausschusses als höchst

problematisch erkannte Bereich des Einsatzes von V-

Personen, müssen gezielt untersucht werden. Die par-

lamentarischen Kontrollgremien müssen schlagkräf-

tiger werden und eine dauerhafte Kontrolltätigkeit

ausüben können. Dafür bedarf es einer ausreichenden

professionellen Personal- und Sachausstattung.

42. Hinsichtlich der Anhörungsrechte der parlamentari-
schen Kontrollgremien sollte gesetzlich die Möglich-

keit eröffnet werden, in Fällen, in denen neben den

Nachrichtendiensten beispielsweise auch andere Be-

hörden (BKA, ZKA, Landesbehörden für Verfas-

sungsschutz, Bundesanwaltschaft, Wehrdisziplinar-

anwalt o. ä.) involviert sind, auch Angehörige dieser

Behörden anzuhören, um sich besser Klarheit über

den Sachverhalt verschaffen zu können. § 5 Abs. 2

Satz 1 PKGrG müsste demnach um „sonstige Perso-
nen“ erweitert werden.

43. Im Falle kooperativer Tätigkeiten der Dienste in
Bund und Ländern soll sich das PKGr mit den Kont-

rollgremien der beteiligten Bundesländer ins Beneh-

men setzen.

IV. Empfehlungen für den Bereich Vertrauens-
leute der Sicherheitsbehörden

Nach den Feststellungen des Ausschusses bestanden im

Untersuchungszeitraum schwere Mängel bei der Gewin-

nung und Führung von Quellen sowie der Verwertung der

durch sie gewonnenen Informationen. Über Schlussfolge-

rungen und Empfehlungen hinsichtlich des weiteren Ein-

satzes von V-Leuten herrscht unter den Fraktionen kein

Konsens. Die folgenden Maßnahmen sind daher als So-

fortmaßnahmen und Minimalkonsens zu verstehen – da
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den

Einsatz von V-Personen in Polizei und Nachrichtendiens-

ten letztlich verzichten wollen.

44. Der Ausschuss empfiehlt klare gesetzliche Regelun-
gen schon im Hinblick auf einen einheitlichen

Sprachgebrauch für menschliche Quellen – Quellen,
die gelegentlich unentgeltlich Informationen geben,

sei es auf eigene Initiative oder nach Ansprache

durch eine Sicherheitsbehörde; Quellen, die gelegent-

lich Informationen geben und dafür Gegenleistungen

erhalten; Quellen, die sich zur Zusammenarbeit ver-

pflichtet haben und in diesem Rahmen Gegenleistun-

gen erhalten.

45. Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich
der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten (u. a.

bezüglich Vorstrafen), für deren Anwerbung und die

Beendigung der Zusammenarbeit.

46. Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich
der Dauer der Führung einer Quelle durch einen Mit-

arbeiter einer Sicherheitsbehörde, die das Entstehen

eines zu engen persönlichen Verhältnisses unterbin-

den.

47. Der Quellenschutz ist nicht absolut. Der Schutz von
Leib und Leben der Quelle sowie anderer Personen,

die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden

und die berechtigten Belange von Strafverfolgung

und Gefahrenabwehr sind in ein angemessenes Ver-

hältnis zu bringen.

H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung

Zahllose zivilgesellschaftliche Initiativen, engagierte

Einzelpersonen, Vereine, Runde Tische und Stiftungen in

Ost- und Westdeutschland leisten seit vielen Jahren einen

unverzichtbaren Beitrag bei der gesellschaftlichen und

politischen Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemi-

tismus, Rechtsextremismus und andere Formen des Phä-

nomens der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“.
Sie unterstützen Opfer neonazistischer und rassistischer

Gewalt, sie beraten Kommunal- und Landes-

Politikerinnen und -Politiker, sie organisieren Projektwo-

chen an Schulen, klären über geplante Neonaziaufmär-

sche, -hauskäufe und -konzerte auf, organisieren friedli-

che und gewaltfreie Proteste, wenn Neonazis aufmar-

schieren, begleiten Aussteigerinnen und Aussteiger, und

informieren Pädagoginnen und Pädagogen über neonazis-

tische Musik und Lifestyle-Accessoires, damit diese in

Schulen oder Jugendeinrichtungen kompetent reagieren

können. Zivilgesellschaftliche Initiativen sind unverzicht-

bar, nicht nur als Frühwarnsystem. In manchen ländlichen

Regionen, wo demokratische Werte und Normen, aber

Drucksache 17/14600 – 866 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch Repräsentantinnen und Repräsentanten demokrati-

scher Institutionen zu wenig präsent sind, gehören sie zu

den Wenigen, die sichtbar und aktiv für die freiheitlich-

demokratische Grundordnung eintreten – und die für ihr
demokratisches Engagement von Neonazis bedroht und

angegriffen werden. Dieses Engagement muss unterstützt,

ausreichend gefördert, ausgebaut und verstetigt werden.

Erweiterung der Bundesförderung

Aufgrund ihrer Bedeutung in der Auseinandersetzung mit

Rechtsextremismus und Rassismus werden seit 2001

zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen gegen

Rechtsextremismus und den damit verbundenen Rassis-

mus durch den Bund – das Bundesministerium für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend, das Bundesministerium

für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium des

Innern – und die Länder in Rahmen von anteiliger Ko-
Finanzierung oder eigene Länderprogramme gefördert.

Bislang war die Förderung durch die jeweiligen Bundes-

programme allerdings zeitlich befristet und hat sich vor

allem auf die östlichen Bundesländer konzentriert. Hier

sind innerhalb der letzten zehn Jahre professionelle, effek-

tive und positiv evaluierte Beratungsstrukturen entstanden

– insbesondere durch die Mobilen Beratungsteams und
die spezialisierten Opferberatungsstellen für Betroffene

von PMK-Rechts Gewalttaten. In den vergangenen Jahren

hat sich gezeigt, dass die professionelle Unterstützung

von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer

Gewalt – wie sie durch die Opferberatungsstellen in freier
Trägerschaft geleistet wird – unverzichtbar ist. Auch
haben sich die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsex-

tremismus als hochwirksam erwiesen. Hier haben die

Ausrichtung und Professionalität der ostdeutschen Projek-

te in freier Trägerschaft Vorbildcharakter.

Doch rassistische Gewalt und vielfältige neonazistische

Aktivitäten sind ein gesamtdeutsches Problem – von des-
sen Ausmaß in den westlichen Bundesländern sich der

Ausschuss ein eindrückliches Bild verschaffen konnte.

Allerdings fehlen hier mit den in den ostdeutschen Län-

dern vergleichbare flächendeckende Beratungsstrukturen

– so erhalten die Landesnetzwerke für die Aufgabe, Opfer
rassistischer und rechtsextremistischer Gewalt zu beraten,

in einigen westdeutschen Bundesländern jährlich jeweils

weniger als 10 000 Euro an staatlicher Förderung. Das ist

auch unter Berücksichtigung der Unterschiede bei den

Pro-Kopf-Fallzahlen rechtsextremer und rassistischer

Gewalt zu wenig.

Im Rahmen des beim Bundesministeriums für Familie,

Senioren, Frauen und Jugend angesiedelten Bundespro-

gramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ mit
einem Gesamtetat von 24 Millionen Euro jährlich sind

zwar mittlerweile in allen Bundesländern so genannte

Landesberatungsnetzwerke aufgebaut worden; doch das

Programm läuft zum 31. Dezember 2014 aus und die Ko-

Finanzierung der Länder ist unterschiedlich hoch. Hinzu

kommen jeweils jährlich 2 Millionen Euro, die im Bun-

desetat für die Arbeit der Bundeszentrale für politische

Bildung in 2013 und darüber hinaus zusätzlich zur Stär-

kung von Prävention zur Verfügung gestellt werden.

Damit sollen die Schwerpunkte im Bereich der präventi-

ven Bildungsarbeit gegen Rassismus und Rechtsextre-

mismus weiter entwickelt werden und die Arbeit der

freien Träger in diesem Themenfeld gestärkt werden. Das

Bundesinnenministerium fördert zudem in einem eigenen

Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ seit 2010 –
und noch bis Ende 2016 – in ländlichen und struktur-
schwachen Gegenden Projekte, die für eine demokrati-

sche Gemeinwesenkultur eintreten.

Die Sachverständigen Prof. Barbara John und Britta

Schellenberg haben die Bedeutung der spezialisierten

Beratungsprojekte und des zivilgesellschaftlichen Enga-

gements gegen Rassismus und Rechtsextremismus betont.

Sie haben auch empfohlen, diese Ansätze zu verstetigen

und auszubauen. Um den dringend notwendigen Ausbau

der professionellen Beratungsprojekte für Betroffene

rechter und rassistischer Gewalt sowie der Mobilen Bera-

tungsteams auch in den alten Bundesländern analog den

professionellen Qualitätsstandards der Beratungsprojekte

und Mobilen Beratungsteams in den neuen Bundesländern

und Berlin zu ermöglichen sowie den Erhalt letzterer zu

sichern und drohende Kürzungen zu verhindern, wäre aus

Sicht des Ausschusses ein deutlich höheres Fördervolu-

men erforderlich als bisher im Bundesprogramm „Tole-
ranz fördern – Kompetenz stärken“ zur Verfügung steht.
Eine solche bedarfsgerechte Erhöhung des bisherigen

Budgets wäre ein wichtiges politisches Signal an die

Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt sowie an die

von neonazistischen Aktivitäten betroffenen Kommunen,

dass sie nicht alleine gelassen werden. Mit der Erhöhung

des jährlichen Budgets sollte zum einen gewährleistet

werden, dass die Beratungsprojekte mindestens zu 50 %

durch Bundesmittel gefördert werden. Zudem sollte die

Praxis der so genannten Ko-Finanzierungspflicht für

Modellprojekte überprüft werden, die personelle Ressour-

cen der Projektträger bindet und damit einer effektiven

Arbeit der Projekte entgegenwirkt. Dies gilt auch für

bewährte und entsprechend positiv evaluierte Ansätze der

präventiven Bildungsarbeit gegen Rassismus und Rechts-

extremismus.

Verstetigung der Unterstützung durch den Bund

Der Ausschuss spricht sich mit Nachdruck für eine Neu-

ordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engage-

ments gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsex-

tremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Pla-

nungssicherheit bietet. Er schließt sich insofern der drin-

genden Empfehlung der Sachverständigen Prof. John und

Schellenberg an. Die dafür gewählte Organisationsform

muss aus Sicht des Ausschusses eine Beteiligung der

zivilgesellschaftlichen Initiativen an der Entwicklung der

Förderkonzepte gewährleisten. Dass verfassungsrechtli-

che Bedenken einer langfristigen, dauerhaften Finanzie-

rung der Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratie-

förderung durch eine eigenständige Institution auf Bun-

desebene nicht entgegenstehen, haben Prof. Dr. Dr. h.c.

Ulrich Battis (HU Berlin) und Prof. Dr. Klaus Joachim

Grigoleit (TU Dortmund) überzeugend dargelegt.
7395

Die
7395) Gutachten zur Verstetigung der finanziellen Mittel zur Demo-

kratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus, erstellt im

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 867 – Drucksache 17/14600

Verteidigung der Menschenwürde, die Förderung demo-

kratischer Kultur und die Bekämpfung von Rassismus,

Antisemitismus und Neonazismus ist auch nach Auffas-

sung des Ausschusses selbstverständlich ebenso eine

staatliche wie auch eine gesamtgesellschaftliche Verant-

wortung. Gesellschaftliche Projekte, die sich der Wahr-

nehmung dieser Verantwortung in besonderer Weise

annehmen, bedürfen eines gewissen Maßes an Finanzie-

rungssicherheit. Diese wäre auf bundesgesetzlicher Basis

auch unter Einbeziehung der Länder zu gewährleisten.

Zivilgesellschaftliche Erfahrungen und Kompetenzen

einbeziehen

Bei der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung

der zukünftigen Förderung und jedenfalls übergangsweise

eines aufgabengerechten Nachfolgeprogramms für „Tole-
ranz stärken – Kompetenz fördern“ sollten die Erfahrun-
gen und Kompetenzen der zivilgesellschaftlichen Initiati-

ven und Projekte mit einbezogen und gleichberechtigt

berücksichtigt werden. Bei der Entwicklung der Struktu-

ren, Inhalte und der Förderlinien müssen die Ergebnisse

der unabhängigen wissenschaftlichen Evaluationen der

bisherigen Bundesprogramme berücksichtigt werden.

Um auch künftig die Entwicklung innovativer Konzepte

in der Rechtsextremismusprävention zu unterstützen,

müssen Optionen für die Finanzierung von mehrjährigen

Erprobungsphasen von sozialraumbezogenen und überre-

gionalen Modellen in der Bildungs- und Beratungsarbeit

erhalten bleiben. Im präventiven Bereich sollten strategi-

sche und positiv evaluierte Ansätze und Strukturen bei-

spielsweise aus dem Bereich der historisch-politischen

Bildung, der Bildungsarbeit unter Gleichaltrigen, der

geschlechtersensiblen Auseinandersetzung mit der Neo-

naziszene, der Öffentlichkeitsarbeit oder der Arbeit zum

Thema Rechtsextremismusprävention im Internet und in

den Sozialen Netzwerken identifiziert und zu ganzheitli-

chen Ansätzen auf Bundes-, Landes- und kommunaler

Ebene weiter entwickelt werden.

Ziel der Maßnahmen ist die Verstetigung der Förderung

für die Mobile Beratung und die Opferberatung in freier

Trägerschaft. Hinzu kommt die Sicherung für Strukturen,

die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren spezifisch und

zielgruppengenau sensibilisieren und thematisch ausbil-

den, für Organisationen und Initiativen, die präventive

Aufklärungs-, Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit ma-

chen. Nichtstaatliche Beratungsangebote für Ausstiegs-

willige, regionale Netzwerkbüros zur Beratung von Initia-

tiven im Arbeitsfeld sowie lokale Aktionspläne zur Förde-

rung von lokalen Strategien der Zivilgesellschaft sind

über diese Maßnahmen ebenso zu fördern wie ein bun-

desweites unabhängiges Monitoring rechter, rassistischer
Auftrag des Zentralrats der Juden in Deutschland, kirchlicher

Vereine und Initiativen wie der „Bundesarbeitsgemeinschaft
Kirche & Rechtsextremismus“, des Deutschen Gewerkschafts-
bunds, weiterer Verbände und Initiativen gegen Rechtsextre-

mismus; abrufbar unter: http://www.amadeu-antonio-
stiftung.de/aktuelles/gutachten-zur-verstetigung-der-

finanziellen-mittel-zur-demokratiefoerderung-und-

bekaempfung-des-neonazismus

und antisemitischer Gewalttaten und ein Initiativfonds für

spezielle Ad-hoc-Initiativen vor Ort zur Unterstützung

von gemeinsamen Interventionen mit regionalen Struktu-

ren und Netzwerken.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 869 – Drucksache 17/14600

Vierter Teil:
Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen

A. CDU/CSU-Fraktion

Der Untersuchungsausschuss „Terrorgruppe Nationalso-
zialistischer Untergrund“ hat sich im vorliegenden Bericht
auf einen Verfahrensteil, einen umfangreichen Feststel-

lungsteil und vor allem – das ist neu – einen gemeinsamen
umfassenden Bewertungsteil mit knapp 50 Schlussfolge-

rungen geeinigt. Dies erfolgte einvernehmlich mit den

Stimmen aller im Bundestag vertretenen Fraktionen. Ein

solcher einvernehmlich erstellter Abschlussbericht ist

einmalig in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Er

spiegelt die große Stärke und Besonderheit des Ausschus-

ses: das gemeinsame Vorgehen und Auftreten aller fünf

im Bundestags vertretenen Fraktionen bei der Umsetzung

des gemeinsam formulierten Untersuchungsauftrags.

Ergebnis ist der vorliegende Bericht, der vor allem mit

den 47 Handlungsempfehlungen in den Schlussfolgerun-

gen wirksame Grundlage für Änderungen und Reformen

in den Bereichen Polizei, Justiz und Verfassungsschutz-

behörden sein soll.

Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Be-

richt bezogen auf den Untersuchungsauftrag umfassend.

Seine Stärke ist die gemeinsame Bewertung durch alle

Fraktionen. Erst diese gibt ihm die Schlagkraft für ent-

sprechende Änderungen und Reformen. Die Notwendig-

keit und den Mehrwert einer zusätzlichen Stellungnahme

sehen wir daher nicht. Im Gegenteil – gesonderte Stel-
lungnahmen jeder einzelnen Fraktion könnten die ge-

meinsamen Forderungen sogar im Ergebnis schwächen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält daher eine eigene

Bewertung für nicht erforderlich.

Zudem sind aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

die bereits von Bundestag, Bundesregierung und Innen-

ministerkonferenz eingeleiteten und umgesetzten Refor-

men richtige und wichtige Schritte im Sinne der vorlie-

genden Bewertungen des Untersuchungsausschuss „Ter-
rorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund“. Zu nennen
sind hier insbesondere:

– Die Einrichtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums
Rechtsextremismus. Hier wird die Arbeit und Fach-

expertise der 36 Sicherheitsbehörden von Bund und

Ländern gebündelt und so der notwendige Informati-

onsfluss sichergestellt.

– Das Gesetz zur Errichtung der Rechtsextremismus-
datei. Mit dieser Datei sind Polizei und Verfas-

sungsschutzbehörden in der Lage, ihre Erkenntnisse

zu gewaltbereiten Rechtsextremisten miteinander zu

teilen.

– Die Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(BfV) – von der Wiederherstellung einer eigenstän-
digen Abteilung Rechtsextremismus bis zur stärkeren

Konzentration der Arbeit auf gewaltorientierte Perso-

nen und Bestrebungen und der besseren Verzahnung

von Beschaffung und Auswertung.

– Die Einrichtung eines modernen Recherchesystems,
des „Polizeilichen Informations- und Analysever-
bund“ (PIAV) für die Polizeien von Bund und Län-
dern. PIAV wird es wesentlich erleichtern, bei Ver-

brechen über Ländergrenzen hinweg Hinweise und

Tatmuster zusammenzuführen.

– Die Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen
Prävention, insbesondere die Aufstockung der Mittel

für die politische Bildung und die Ausdehnung des

bisher auf die östlichen Bundesländer begrenzten

Programms „Zusammenhalt und Teilhabe“ auf alle
strukturschwachen Räume in Deutschland sowie die

weitere Förderung des Aussteigerprogramms „Exit“.

Der Untersuchungsauftrag des Bundestags ist nach Über-

zeugung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem von

allen fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen getrage-

nen Bericht des Untersuchungsausschusses erfüllt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 871 – Drucksache 17/14600

B. SPD-Fraktion

Einleitung

Die rechtsextremistische Terrorgruppe, die sich selbst

„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte, hat
über viele Jahre hinweg eine Schneise des rassistischen

Hasses und der brutalen Gewalt durch Deutschland

gezogen, an deren Ende mindestens zehn Morde, ein

Mordversuch, zwei Sprengstoffanschläge mit 22 zum

Teil lebensgefährlich verletzten Menschen und 15 brutale

Überfälle stehen.

Fast 14 Jahre lang vermochten es die Mitglieder des

NSU, mitten in Deutschland zu leben, unterstützt von

einem Netzwerk Gleichgesinnter, aber unentdeckt von

den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder.

Neun der zehn Morde wurden verübt an türkisch- und

griechischstämmigen Gewerbetreibenden, alle mit

derselben Waffe, einer Česká 83. Die neun Opfer der
Česká-Mordserie wurden kaltblütig und aus rassisti-
scher Motivation heraus, an ihren Arbeitsplätzen, auf

menschenverachtende Weise hingerichtet. Sie wurden zu

Opfern, weil ihnen die Täter aufgrund ihrer Herkunft das

Lebensrecht absprachen.

Den neonazistischen Mördern ging es nicht darum, wer

Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman
Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar,
Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit
Yozgat waren, was sie taten, sagten, dachten oder glaub-

ten. In ihren Opfern sahen die Mörder lediglich (um es im

Nazi-Jargon zu formulieren) „volksfremde und volks-
schädliche Eindringlinge“ und Erscheinungsformen einer
„völkervernichtenden Überfremdung“, deren Daseinsrecht
in Deutschland sie mit mörderischer Konsequenz bestrit-

ten. Damit griffen sie die Realität unserer pluralisti-

schen Einwanderungsgesellschaft und die freiheitliche

demokratische Grundordnung der Bundesrepublik

Deutschland an.

Die zufällige Aufdeckung der Taten nach dem 4. Novem-

ber 2011 mit der Verbreitung des NSU-Bekennervideos

hat uns alle nachhaltig erschüttert und grundlegende Fra-

gen nach der Funktionsfähigkeit der deutschen Sicher-

heits- und Ermittlungsbehörden einerseits sowie nach

dem gesellschaftlichen Bewusstsein hinsichtlich der

von rassistischem und rechtsextremem Gedankengut

ausgehenden Gefahren andererseits aufgeworfen.

Es war deshalb richtig und wichtig, im Deutschen Bun-

destag einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der

in den 19 Monaten seiner Tätigkeit 107 Zeugen und

Sachverständige in fast 350 Stunden vernommen und

angehört hat. Rund 12 000 Akten wurden an Beweisma-

terial beigezogen und entweder durch den Ausschuss

selbst oder durch Ermittlungsbeauftragte gesichtet und

ausgewertet.

Kaum einer hatte bei Einsetzung des Ausschusses vermu-

tet, dass eine solche Vielzahl an Erkenntnissen gewon-

nen werden würde, wie sie heute in dem mehr als tausend

Seiten umfassenden Feststellungsteil des Berichts, den

das Ausschusssekretariat mit großem Engagement vorbe-

reitet hat, dokumentiert sind.

Für das unfassbare und kaum zu überwindende Leid,

das den Opfern und den Angehörigen der mindestens

zehn ermordeten Menschen sowie den Opfern der anderen

durch den NSU verübten Straftaten widerfahren ist, haben

wir versucht, in fraktionsübergreifender Einigkeit zu

Beginn der umfassenden gemeinsamen Bewertung aller

Fraktionen die richtigen Worte zu finden.

Gleiches gilt auch für die sehr umfangreichen aus der

Ausschussarbeit gewonnenen Erkenntnisse, die wir wäh-

rend der letzten anderthalb Jahre, an einem Strang zie-

hend und ohne uns im politischen Nahkampf aufzureiben,

erarbeitet und im gemeinsamen Teil des Ausschussbe-

richts festgehalten haben.

Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass auch eine

der wesentlichen Fragen nach der Rolle des Staates, die

insbesondere nach den absurden Vorgängen der Akten-

vernichtung in den Verfassungsschutzbehörden immer

wieder gestellt worden ist, durch die Ausschussarbeit

beantwortet werden konnte:

Kein „Tiefer Staat“ in Deutschland

Der immer wieder vorgebrachte schwerwiegende Vor-

wurf, es gebe auch in Deutschland so etwas wie einen

„tiefen Staat“, also eine Art „Staat im Staate“, eine kon-
spirative Verflechtung von Geheimdiensten, Militär, Poli-

tik, Justiz, Verwaltung, Rechtsextremismus und organi-

siertem Verbrechen, konnte durch die Ausschussarbeit

eindeutig widerlegt werden. Dahingehende Befürchtun-

gen, wie sie etwa von Erdal Safak, dem Chefredakteur der

„Sabah“, einer der größten türkischen Tageszeitungen,
öffentlich am 7. Mai 2013 geäußert wurden, der NSU

habe – ähnlich wie die Gruppe „Ergenekon“ in der Türkei
– mit Unterstützung staatlicher Stellen agiert, konnten
entkräftet werden:

Staatliche Stellen waren nach allen im Ausschuss bis zum

Abschluss seiner Arbeit gewonnenen Erkenntnissen we-

der in irgendeiner Art und Weise an den Taten des NSU

beteiligt noch haben sie diese etwa gebilligt oder bewusst

weggesehen.

Die Angehörigen der deutschen Sicherheitsbehörden

kannten den NSU und seine Agenda nicht, die Möglich-

keit der Existenz einer solchen Terrorgruppe war für sie

sogar – fatalerweise (!) – kaum vorstellbar.

Es fanden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass staatliche

Stellen den Mitgliedern des NSU dabei geholfen hätten,

sich dem Zugriff der Ermittlungsbehörden zu entziehen.

Drucksache 17/14600 – 872 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das jahrelang unerkannte Leben des Trios mitten in

Deutschland wurde von Behörden weder unterstützt noch

gebilligt.

Zudem wurden im Ausschuss keine Belege dafür gefun-

den, dass die Mitglieder des NSU oder einer der Ange-

klagten vor dem OLG München jemals V-Personen einer

deutschen Sicherheitsbehörde gewesen wären.

Hingegen wurden über den ganzen Zeitraum der Aus-

schussarbeit hinweg erhebliche Fehler und Versäum-

nisse auf allen Ebenen deutlich: die Verharmlosung der

Gefahr aus dem rechtsextremen Lager und das multip-

le Versagen von Polizei, Justiz, Verfassungsschutz, der

Politik, von Medien und Gesellschaft.

I. Notwendigkeit des Einzelvotums

Alle Fraktionen haben sich mit ganzer Kraft dafür einge-

setzt, dass es uns – erstmalig in der Geschichte der Unter-
suchungsausschüsse des Deutschen Bundestages - gelun-

gen ist, nicht nur einen gemeinsamen Feststellungsteil zu

erstellen, der die im Ausschuss erarbeiteten Tatsachen

und Fakten zusammenfasst, sondern darüber hinaus auch

eine gemeinsame politische Bewertung aller im Bundes-

tag vertretenen Fraktionen zu erarbeiten. Es bleiben den-

noch – zu Recht – signifikante politische Unterschiede
zwischen den verschiedenen im Bundestag vertretenen

Fraktionen bestehen:

Diese reichen von der unterschiedlichen Gewichtung

der zentralen Erkenntnisse der Arbeit des Ausschusses

über unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei den

Reformvorschlägen oder differenzierte Vorstellungen

zur zukünftigen Gestaltung der deutschen Sicherheits-

architektur bis hin zu der Frage, ob in der nächsten

Wahlperiode erneut ein Untersuchungsausschuss zum

NSU eingesetzt werden muss.

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat eine im-

mense Anzahl an Fakten und Hinweisen zu Tage ge-

fördert, die nur schwer in ihrer Gänze zu erfassen sind.

Wir haben uns deshalb bemüht, bereits in der gemeinsa-

men Bewertung aller Fraktionen Schwerpunkte bei der

Zusammenstellung der wesentlichen Erkenntnisse zu

setzen. Aufgrund der immer noch verbliebenen zahlrei-

chen Details, die mal der einen, mal einer anderen Frak-

tion besonders wichtig waren, könnte jedoch eventuell der

Eindruck entstehen, dass die Unfähigkeit der Sicherheits-

behörden, die vom NSU begangenen Taten zu verhindern

oder auch nur aufzuklären, vor allem auf eine Massierung

rein technischer oder handwerklicher Fehler zurückzufüh-

ren sein könnte. Diesem – aus der Sicht der SPD-
Mitglieder im Ausschuss falschen – Eindruck soll mit
einer eindeutigen Gewichtung der durch die Ausschus-

sarbeit gewonnenen Erkenntnisse entgegengetreten

werden.

Aber auch darüber hinaus verbleiben an einigen Stellen

klare politische Unterschiede zwischen den Fraktionen,

die nicht allein wegen des Ziels einer gemeinsamen Be-

wertung nivelliert werden sollen:

So wird beispielsweise im gemeinsamen Bericht aus un-

serer Sicht nicht ausreichend deutlich, dass routinisierte

Verdachts- und Vorurteilsstrukturen und unbewusste

Prozesse institutioneller Diskriminierung ganz wesent-

lich für die andauernde Betriebsblindheit der Ermittler

bezüglich eines möglichen rassistischen Hintergrunds der

Mordserie verantwortlich waren.

Teilweise fehlt es auch an der Bereitschaft, als Konse-

quenz aus den festgestellten Defiziten beim Umgang mit

den Opfern und ihren Angehörigen durch die Polizei

unabhängige Beschwerdestellen für polizeiliches Fehl-
verhalten zu fordern.

Auch hinsichtlich der notwendigen Korrekturen im Be-

reich der Justiz konnte leider keine fraktionsübergrei-

fende Einigung erzielt werden: Aus unserer Sicht ist es

neben der maßvollen Erweiterung der Zuständigkeit

des Generalbundesanwalts (GBA) notwendig, klare

Vorlagepflichten der Länderstaatsanwaltschaften
gegenüber dem GBA vorzusehen und dem GBA die Be-

fugnis zu geben, bei länderübergreifenden Straftatense-

rien im Einzelfall auch gegen den Willen der Länder einer

Landesstaatsanwaltschaft die zentrale Verfahrensfüh-

rung im Sinne eines Sammelverfahrens zu übertragen.

Grundlegende Differenzen zwischen den Fraktionen gibt

es zudem in Bezug auf die Frage, ob es zukünftig über-

haupt noch eines Verfassungsschutzes bedarf, oder ob

dieser – wie teilweise gefordert – völlig abgeschafft bzw.
in eine rein wissenschaftliche Dokumentationsstelle um-

gewandelt werden soll.

Uns ist es wichtig, bei der Bewertung der Versäumnisse

und Fehlleistungen sowie bei der Erarbeitung der daraus

zu ziehenden Konsequenzen Maß und Mitte zu finden.

So halten wir es für falsch, die bestehende Sicherheitsar-

chitektur von Grund auf neu zu gestalten, die föderalen

Strukturen zu beseitigen oder etwa den Verfassungsschutz

abzuschaffen. Vielmehr müssen die Arbeitsfähigkeit der

Sicherheitsbehörden verbessert und die durch den Aus-

schuss klar festgestellten Defizite so schnell als möglich

abgestellt werden.

Gerade hinsichtlich der öffentlich breit diskutierten Frage

nach der zukünftigen Ausgestaltung des Einsatzes von

„V-Personen“ reichen die Vorstellungen der Fraktionen
von der völligen Abschaffung dieses Instruments bis hin

zur Beibehaltung ohne externe Kontrollinstanz. Auch hier

fordern wir als SPD einen verantwortbaren Mittelweg:

Beibehaltung nur auf der Grundlage klarer gesetzlicher

Regelungen und ganz konkreter Kontrolle durch das qua-

si-richterliche Gremium der G10-Kommission.

Ebenso konnte hinsichtlich der von uns geforderten Stär-

kung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz

und die Informationssicherheit (BfDI) gegenüber dem

Verfassungsschutz keine fraktionsübergreifende Einigung

erzielt werden.

Weitere Unterschiede zwischen den Fraktionen offenba-

ren sich hinsichtlich der Verbesserung der parlamenta-

rischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Hier fordert

die SPD seit langem eine signifikante Verbesserung der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 873 – Drucksache 17/14600

Personal- und Sachausstattung des Parlamentarischen

Kontrollgremiums durch die Einrichtung eines schlag-

kräftigen Arbeitsstabes mit einem Leitenden Beamten,

damit endlich eine effektive und systematische Kontrolle

ausgeübt werden kann.

Schließlich verbleiben Differenzen auch, wenn es um

Antworten auf die Frage nach der konkreten Ausgestal-

tung der zwingend erforderlichen Maßnahmen zur Be-

kämpfung des Rechtsextremismus geht: So verweigert

man sich teilweise notwendiger Maßnahmen zur Stärkung

von zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie etwa der Ab-

schaffung der Extremismusklausel.

Diese beispielhaft beschriebenen Unterschiede zwischen

den verschiedenen politischen Kräften im Deutschen

Bundestag sind im Zusammenhang mit einem so wichti-

gen gesellschaftlich relevanten Thema, wie es sich im

Untersuchungsauftrag widerspiegelt, nicht per se proble-

matisch, sondern – ganz im Gegenteil – zwingend not-
wendig. Denn die Einzelvoten der Fraktionen sind der

politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung

mit dem komplexen Problemfeld Rechtsextremismus und

Rassismus außerordentlich zuträglich und fördern den

öffentlichen Diskurs.

Das beste Ergebnis lässt sich nicht erzielen, wenn hinter

verschlossenen Türen eine Einigung auf den kleinsten

gemeinsamen Nenner erfolgt. Nur wenn die in die Ausei-

nandersetzung eingebrachten Argumente, Vorschläge und

Positionen offen benannt werden, kann ein transparentes

Ringen um die beste Lösung ermöglicht werden. Wir

möchten mit unserem Einzelvotum einen Beitrag zu die-

sem Diskurs leisten.

II. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der
Ausschussarbeit

Angesichts der kaum mehr zu überblickenden Menge an

durch den Ausschuss aufgearbeiteten Fakten und Hinwei-

se ist es notwendig, eine Gewichtung dieser Erkennt-

nisse vorzunehmen und diese in gewisser Weise zu sys-

tematisieren.

Festzuhalten bleibt dabei, dass der Ausschuss über den

gesamten untersuchten Zeitraum – beginnend mit dem
Umgang von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz mit

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im Vorfeld ihres Ab-

tauchens, über deren Zeit im Untergrund bis hin zu den

Ermittlungen zur Česká-Mordserie, zu den Sprengstoffan-
schlägen und zum Mord an der Polizistin Michèle Kiese-

wetter – eine Vielzahl gravierender Fehler und Ver-
säumnisse festgestellt hat, und zwar auf allen Ebenen:

– Sowohl in den Ländern als auch im Bund,

– sowohl bei Polizei und Justiz als auch beim Verfas-
sungsschutz,

– sowohl in den Behörden selbst als auch auf der poli-
tischen Ebene in Bund und Ländern.

Vor allem unbewusste Verdachts- und Vorurteilsstruk-

turen, mangelnder Informationsaustausch, Kompe-

tenzstreitigkeiten, Eitelkeiten, Desinteresse, Fehlein-

schätzungen und ein Mangel an Analysefähigkeit muss-

ten in diesem Zusammenhang als gravierende Probleme

erkannt werden.

Zunächst ist ausdrücklich anzuerkennen, dass die Poli-

zei ihre Ermittlungen zu den heute dem NSU zugeschrie-

benen Verbrechen mit hohem personellen und materiellen

Aufwand betrieben hat und dass es auch im Verfassungs-

schutz vielfältiges engagiertes Bemühen um das Erkennen

und die Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen

gab und gibt. Die Benennung der im Ausschuss festge-

stellten Fehler und Versäumnisse kann und soll dieses

hohe Engagement der Beteiligten nicht in Frage stellen.

Aber es muss auch möglich sein, die erkennbar geworde-

nen, vielen individuellen Fehler klar zu benennen.

Dabei geht es nicht darum, Schuldzuweisungen vorzu-

nehmen. Dies ist weder Recht noch Aufgabe eines Unter-

suchungsausschusses des Deutschen Bundestags.

Klar muss auch sein: Niemand kann heute sagen, dass

dann, wenn einige oder alle aufgezeigten Fehler nicht

begangen worden wären, die menschenverachtenden

Taten des NSU mit Sicherheit aufgeklärt oder gar hätten

verhindert werden können.

Ziel ist es vielmehr zu erkennen, was individuell und

strukturell – auch aus heutiger Sicht, denn Gegenstand
sind hier nicht personalisierte Schuldzuweisungen - schief

gelaufen ist und durch welche Maßnahmen diese Proble-

me zukünftig beseitigt werden können, um das Risiko

einer Wiederholung solcher Fehler möglichst zu minimie-

ren.

1. Die Gefahren des Rechtsextremismus
wurden auf allen Ebenen und über die ge-
samte Zeit hinweg verkannt und verharm-
lost

Die zentrale Erkenntnis der gesamten Arbeit dieses

Untersuchungsausschusses ist, dass die Gefahren des

Rechtsextremismus, insbesondere die zunehmende Ge-

waltbereitschaft in Teilen der rechten Szene, in Deutsch-

land jahrelang auf allen Ebenen verkannt und verharm-

lost wurden.

Der Verfassungsschutz hat nicht erkannt, dass eine zu-

nehmende Radikalisierung gewaltbereiter Neonazis

zur Bildung rechtsterroristischer Strukturen in Deutsch-

land führen kann. Aber auch Strafverfolgungsbehörden,

Politik und Gesellschaft haben die Gefahren des Rechts-

extremismus unterschätzt und sind ihm nicht konsequent

genug entgegen getreten.

Diese flächendeckende Fehleinschätzung ist die Haupt-

ursache dafür, dass der NSU fast vierzehn Jahre unbehel-

ligt schwerste Straftaten begehen und dabei mitten in

Deutschland leben konnte. Sowohl bei der Suche nach

dem Trio als auch bei den Ermittlungen zur Mordserie

und den Sprengstoffanschlägen wurden viele handwerkli-

che Fehler gemacht. Diese dürfen aber nicht darüber hin-

wegtäuschen, dass vor allem auch fehlende Kenntnisse

bei der Polizei über Rassismus und Rechtsextremismus

sowie die jahrelange Blindheit gegenüber rechtsterroristi-

Drucksache 17/14600 – 874 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schen Gefahren durch den Verfassungsschutz dem Erken-

nen der Hintergründe der Taten des NSU entgegenstan-

den.

Verfassungsschutz

Der Hauptvorwurf trifft dabei den Verfassungsschutz,

der gesetzlich dazu berufen ist, Bestrebungen, die gegen

die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet

sind, frühzeitig zu erkennen. In Sachen Rechtsterrorismus

hat der Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem“ ver-
sagt. Über Jahre hinweg wurde behauptet, es bestünde

keine Gefahr durch rechtsterroristische Bestrebungen.

Statt derartige Entwicklungen stets als mögliches Szena-

rio mitzudenken, zog man sich auf die Behauptung zu-

rück, es gebe keine erkennbaren Strukturen und daher

auch keine Gefährdung.

Leider wird das Versagen des Verfassungsschutzes von

diesem nach wie vor nicht als solches erkannt. Bis heute

herrscht im Verfassungsschutz auf allen Ebenen die Ein-

stellung „Wir haben doch nichts falsch gemacht, uns
fehlten nur die richtigen Informationen…“ vor. Dabei
wird dann gerne darauf verwiesen, man habe doch immer

mal wieder auf ein „Potential gewaltbereiter Rechtsext-
remisten, die in emotionalen Stresssituationen auch ohne

langfristige Planung und intellektuelle Konzepte Waffen

einsetzen könnten,“ hingewiesen. Man spricht deshalb im
Verfassungsschutz auch lieber von einer „Niederlage“ als
vom „Versagen“.

Diese fehlende Einsichts- und Reflexionsfähigkeit er-

schwert die dringend erforderliche, grundlegende Neuaus-

richtung des Verfassungsschutzes im Phänomenbereich

Rechtsextremismus enorm.

Bezeichnend ist insoweit die Pressemitteilung des Bun-

desamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom 22. Febru-

ar 2013 zur „Reform des Verfassungsschutzes“, mit der
„Lehren aus NSU“ [sic] gezogen werden sollten: In dieser
findet man das Wort „Rechtsextremismus“ kein einziges
Mal. Stattdessen wird viel von „Binnenoptimierung“,
„Arbeitspaketen“ und „Cyberkompetenz“ gesprochen. So
können „Lehren aus NSU“ nicht gezogen werden.

Noch stärker alarmieren muss der im Juli 2013 vom

CDU-Innenminister des Landes Thüringen, Jörg Geibert,

vorgestellte Verfassungsschutzbericht Thüringen 2012:

Es ist schon unverständlich, dass sich dem Bericht nichts

dazu entnehmen lässt, welche strukturellen Lehren

letztlich aus dem umfassenden Versagen des Thüringer

Verfassungsschutzes beim Umgang mit Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe in ihrer Zeit in Thüringen und im

Rahmen der Suche nach dem Trio gezogen worden sind.

Die NSU-Morde sind den Verfassern des Berichts nur

eine Randbemerkung wert, eine substantielle Stellung-

nahme sucht man vergebens. Von Selbstkritik oder

Selbstreflexion keine Spur. Einen inhaltlichen oder

personellen Neubeginn hat es offenkundig nicht gegeben.

Rechtsextreme Gruppierungen werden eher wie ein „An-
gebot“ für Unentschlossene dargestellt, als dass eine
tiefergehende und kritische Auseinandersetzung damit

erfolgt. Auf diese Weise wird nicht sachgerecht über die

menschenverachtende Ideologie oder das Gewaltpotential

in diesem Bereich aufgeklärt.

Besonders besorgen muss jedoch, dass der Eindruck er-

weckt wird, es gebe kaum rechtsextreme Straftaten, und

wenn doch, handele es sich „vorwiegend um sog. Propa-
gandadelikte“ oder aber es sei dem „politischen Gegner
aus dem linksextremistischen Spektrum“ zuzuschreiben,
wenn es zu „gewalttätigen Auseinandersetzungen“ kom-
me.

Wie es sein kann, dass 80 (!) Prozent der politisch moti-

vierten Straftaten in Thüringen von Rechtsextremis-

ten ausgeübt werden und 10,8 Prozent auf den

Phänomenbereich „Linksextremismus“ entfallen, der
Bericht aber immer wieder vor allem auf das angeblich im

linken Spektrum erhöhte Gewaltpotential verweist („Ge-
walt ist ein selbstverständliches Aktionsmittel der Auto-

nomen“), ist schwer verständlich.

Der Zuwachs von gut zehn Prozent bei den Mitglieder-

zahlen der NPD – bei der Anzahl der Neonazis sind es gar
16,6 Prozent – wird im Bericht als „leichte Konsolidie-
rung der Thüringer NPD“ auf „niedrigem Niveau“ abge-
tan, ein „tatsächlicher Aufwärtstrend“ sei insofern „nicht
erkennbar“. Eine deutlichere Verharmlosung ist kaum
vorstellbar, wenn man dabei die Zahl der rechtsextre-

men Straftaten in Thüringen betrachtet, die um 9,9

Prozent gestiegen ist.

Zu Recht hat der Thüringische Wirtschaftminister Matt-

hias Machnig den Verfassungsschutzbericht mit einem

ausführlichen Gastbeitrag für die Thüringische Landeszei-

tung (TLZ) am 26. Juli 2013 auch im Hinblick auf die

inhaltliche Nicht-Befassung des Kabinetts als „skanda-
lös“ bezeichnet.

Beispielhaft für die „Kultur“ der fehlenden Einsichts-
fähigkeit des Verfassungsschutzes ist auch der Auftritt

des damaligen Vizepräsidenten des BfV und heutigen

Staatssekretärs im Bundesministerium des Innern

(BMI), Klaus-Dieter Fritsche, als Zeuge im Untersu-

chungsausschuss:

Die wichtigste Botschaft des Zeugen war die, dass die

Untersuchungsarbeit bitte

„nicht von einem Skandalisierungswettstreit über-
lagert und damit willfährig“

werden möge.

„Beißende Kritik“, es würde „staatlicherseits nicht
gegen den Rechtsextremismus mit voller Kraft

vorgegangen“, halte er für „gefährlich“.

Was in der gesamten Zeugenvernehmung fehlte, war

hingegen auch nur das Aufflackern von Bereitschaft,

Fehler und Versäumnisse der Verfassungsschutzbehörden

bei der Analyse der vom Rechtsextremismus ausgehenden

Gefahren zuzugestehen.

Die damaligen Ergebnisse seien auf Grundlage der da-

mals vorliegenden Tatsachen letztlich nicht zu beanstan-

den. Dies gipfelte dann in der abstrusen Wortklauberei,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 875 – Drucksache 17/14600

die damaligen Bewertungen des Verfassungsschutzes

seien nur in ihrem Ergebnis „fatal“ gewesen, um eine
„fatale Fehleinschätzung“ habe es sich aber nicht gehan-
delt.

Tatsächlich verhält es sich jedoch so, dass der gesamte

Verfassungsschutzverbund einen viel zu beschränkten,

und damit falschen, Blick auf die rechte Szene hatte:

Dies lässt sich exemplarisch an einem von Fritsche selbst

unterzeichneten Schreiben aus dem September 2003 fest-

machen, welches auf eine Anfrage des BMI nach dem

vereitelten Sprengstoffanschlag des Neonazis Martin

Wiese auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Kultur-

zentrums in München zurückging:

Das BMI wollte damals wissen, ob das BfV an seiner

kontinuierlichen Einschätzung festhalte, es gebe keine

„rechtsterroristischen Gruppierungen und keine Bestre-
bungen zum Aufbau eines zielgerichteten Kampfes“.

Auslöser war auch eine Warnung des damaligen bayeri-

schen Innenministers Dr. Günther Beckstein vor einer

völlig neuen Dimension rechtsextremistischer Gewalt,

einer „braunen RAF“. Bedauerlicherweise trug diese
Begrifflichkeit jedoch offenkundig dazu bei, dass sich der

analytische Blickwinkel des BfV völlig einengte, man die

Ausgangsfrage nur noch anhand der bekannten Muster

des Linksterrorismus abprüfte und im Ergebnis die Gefahr

rechtsterroristischer Gruppierungen kategorisch negierte:

„Absichten, einen Kampf aus der Illegalität heraus
mit den damit verbundenen Umständen zu führen,

sind in der rechten Szene nicht erkennbar. […] Die
gewaltbejahenden Äußerungen in der rechten Sze-

ne sind in der letzten Zeit seltener geworden.“

Als – schon aus damaliger Sicht – sachlich fragwürdig
und als wirklich „fatale Fehleinschätzung“ muss jedoch
die in diesem Schreiben ebenfalls enthaltene Passage zu

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe selbst bewertet werden:

„In der Presse wird angeführt, dass es im Rechts-
extremismus sehr wohl ein potentielles Unterstüt-

zerfeld gebe. Hierzu wird auf drei Bombenbauer

aus Thüringen verwiesen, die seit mehreren Jahren

‚abgetaucht‘ seien und dabei sicherlich die Unter-
stützung Dritter erhalten hätten. Dem ist entgegen-

zuhalten, dass diese Personen auf der Flucht sind

und – soweit erkennbar – seither keine Gewalttaten
begangen haben. Deren Unterstützung ist daher

nicht zu vergleichen mit der für einen bewaffneten

Kampf aus der Illegalität.“

Jeder möge sich diesen Absatz des Fritsche-Schreibens

aus dem Jahre 2003 – bis dahin waren durch den NSU
bereits vier Morde und sieben Banküberfälle verübt

worden – noch einmal genau ansehen und dabei berück-
sichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt im BfV bereits eine

Vielzahl von Einzelinformationen zum Trio vorgelegen

hatten, die die forsche Behauptung in einem etwas ande-

ren Licht erscheinen lassen. Einige wesentliche Informa-

tionen waren die Folgenden:

– Aus der Zeit unmittelbar nach der Flucht gab es Hin-
weise auf Unterstützungshandlungen aus dem direk-

ten Umfeld sowie auf deren Aufenthalt in Sachsen.

– Seit September 1998 lag dem BfV die Quellen-
Information vor, dass Jan Werner den Auftrag habe,

das Trio „mit Waffen zu versorgen“, um einen
„weiteren Überfall“ zu begehen.

– Im Oktober 1998 wurde berichtet, Jan Werner sei
nicht erfolgreich gewesen, setze aber die Suche nach

Waffen für das Trio fort.

– Auch die Information des MAD aus dem Jahr 1999,
dass sich das Trio nach Angaben eines der rechten

Szene angehörenden Grundwehrdienstleistenden be-

reits „auf der Ebene des Rechtsterrorismus“ bewe-
ge, lag dem BfV vor.

Diese Informationen wurden jedoch offenkundig nicht

mehr betrachtet und ausgewertet, bevor ein „Persil-
schein“ für das Trio ausgestellt wurde. Im Ausschuss
versuchte der Zeuge Fritsche dies dadurch zu rechtferti-

gen, dass es sich ja immer nur um „unbestätigte Einzel-
hinweise“ gehandelt habe. – Dafür, dass das Trio „keine
Gewalttaten“ begangen hat, lagen allerdings keinerlei
Hinweise - bestätigt oder unbestätigt - vor!

Im Sommer 2004, kurz nach dem Nagelbombenanschlag

in der Kölner Keupstraße, wurde das Trio erneut in

einer Broschüre des BfV („BfV-Spezial“ Nr. 21) erwähnt.
Es wurde darauf hingewiesen, es gebe keine Hinweise

darauf, dass mit den sichergestellten Rohrbomben „kon-
krete tatsächliche Anschläge“ geplant waren. Auch diese
Einschätzung war falsch, da das Trio mutmaßlich zuvor

mit möglichen weiteren Mittätern Briefbombenattrappen

verschickt hatte, denen die Warnung beilag, dass dies „der
letzte Scherz“ sein würde. Darin waren auch konkrete
mögliche Anschlagsopfer benannt worden.

Entscheidend ist jedoch: Weder im Fritsche-Schreiben

aus dem Jahr 2003 oder dem BfV-Spezial aus 2004 noch

in der gesamten Analyse des BfV zu den Gefahren durch

den Rechtsextremismus über die Jahre hinweg, fanden die

eigentlich ebenfalls im BfV vorhandenen Informationen

über die in der neonazistischen Szene verbreitete Stra-

tegien (z. B. „Werwolf“-Konzept, „führerloser Wider-
stand“ mittels Klein- und Kleinstgruppen und loser Zel-
lenstruktur sowie propagierte Anschläge auf Migranten)

Erwähnung.

Im Ausland entwickelte und angewandte Strategien

rechtsextremistischen Terrors (z. B. Bombenanschläge

von „Combat 18“ in London, Polizistenmorde und Auto-
bombenanschläge in Schweden) waren dem Verfassungs-

schutz durchaus bekannt, eine Übernahme dieser Konzep-

te durch deutsche Neonazis war für die Behörden jedoch

offenbar kein Thema.

Das BfV hatte zudem spätestens mit Auswertung des im

Jahr 2000 veröffentlichten „Field Manuals“ des „Blood &
Honour“-Netzwerkes Hinweise auf den Fall des rassisti-
schen Serientäters John Ausonius (sog. „Laserman“).
In der Szene-Publikation wurden die Taten des Ausonius

nämlich explizit lobend erwähnt. Ausonius hat Anfang der

Drucksache 17/14600 – 876 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1990er Jahre in Schweden wahllos auf insgesamt elf Ein-

wanderer geschossen. Sein Leben finanzierte er durch

Banküberfälle. Erst im Jahr 2012 wies das BfV im Rah-

men der laufenden Ermittlungen auf diesen Fall aus sei-

nen Akten als mögliche Blaupause für die Taten des NSU

hin.

Eine fundierte Analyse, inwieweit die beschriebenen

Strategien auch von Rechtsextremisten in Deutschland

aufgegriffen und durch welche Neonazistrukturen mögli-

cherweise auch umgesetzt werden könnten, unterblieb

aber.

Dies wundert umso mehr, als Rechtsterrorismus in

Deutschland kein neues Phänomen ist. In den vergange-

nen Jahrzehnten gab es immer wieder Anschläge von

Einzeltätern oder Gruppierungen. Erste rechtsterroristi-

sche Strukturen bildeten sich mit der „Europäischen Be-
freiungsfront“ bereits Ende der 1960er-Jahre heraus.

Es fragt sich auch, warum man es unterlassen hat, eine

Analyse von den Ergebnissen her anzusetzen: Soweit

erkennbar, hat sich niemand in den Verfassungsschutzbe-

hörden einmal die Wirklichkeit der in Deutschland be-

gangenen nicht aufgeklärten Gewalttaten, insbesondere

Tötungsdelikte und Sprengstoffanschläge, systematisch

angesehen, um gerade darin eventuell ein Muster zu fin-

den, welches auf noch nicht erkannte Strukturen im ext-

remistischen Bereich schließen lassen könnte.

Stattdessen wurde in den Verfassungsschutzberichten des

Bundes gebetsmühlenartig die Formulierung „Rechtster-
roristische Strukturen waren nicht feststellbar.“ wieder-
holt. Dabei dürfen gerade im Verfassungsschutz einmal

durchgeführte Analysen nicht bloß als Textbaustein wei-

tergereicht, sondern müssen fortwährend überprüft und

erneuert werden.

Offenbar prägte das Denkmuster „Neonazis sind dumm“
die Sichtweise des Verfassungsschutzes auf die rechte

Szene. Mehrere Verfassungsschutzmitarbeiter äußerten

im Ausschuss, sie hätten Rechtsextremisten solche Morde

und Sprengstoffanschläge, wie sie nun dem NSU zur Last

gelegt werden, nicht zugetraut. Der damalige Präsident

des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz

sprach im Ausschuss sogar von „unseren Pappenhei-
mern“, die das LfV meinte zu kennen und für die solche
Taten nicht in Betracht kommen würden.

Die Verkennung und Verharmlosung des Rechtsextre-

mismus zeigt sich auch in falschen Organisationsent-

scheidungen.

Die Konzentration auf islamistischen Terror nach 9/11

hatte die Augen verschlossen vor den nicht minder dro-

henden Gefahren von Rechts: Im Jahr 2006 wurden unter

dem damaligen Bundesinnenminister Dr. Wolfgang

Schäuble die Abteilungen Links- und Rechtsextremismus

gegen die ausdrückliche Warnung des damaligen BfV-

Präsidenten Fromm zusammengelegt. Hierdurch sollten

einerseits Einspareffekte erzielt werden. Aus den Akten

des Ausschusses wurde jedoch erkennbar, dass die Ent-

scheidung andererseits auf der rein ideologisch begründe-

ten falschen Gleichsetzung von Rechts- und Linksex-

tremismus unter dem Deckmantel eines absurden „ge-

samtheitlichen Ansatzes Deutscher Extremismus"
fußte.

Nicht von ungefähr wurde diese organisatorische Fehl-

konstruktion im BfV unmittelbar nach Auffliegen des

Terrortrios wieder beseitigt.

Politik

Die politische Ebene – egal welcher Couleur – hat sich
mit den immer wiederkehrenden Einschätzungen des

Verfassungsschutzes, es gebe keine rechtsterroristische

Gefahr zufrieden gegeben. Kaum jemand hat diese Ein-

schätzung jemals hinterfragt, dabei hätte es - auch vor

dem Hintergrund rechtsterroristischer Taten im europäi-

schen Ausland – durchaus nahe gelegen, die Entwicklung
in Deutschland kritischer zu beobachten.

Insbesondere dem damaligen SPD-Bundesinnenminister

Otto Schily ist vorzuwerfen, dass er im Rahmen der Er-

mittlungen zum Sprengstoffanschlag in der Kölner

Keupstraße viel zu früh einen terroristischen Hintergrund

öffentlich ausgeschlossen hat. Auch Fritz Behrens als

SPD-Landesinnenminister hat sich kaum um die Ermitt-

lungen gekümmert und keinen Gedanken daran ver-

schwendet, dass die Tat einen rassistischen Hintergrund

gehabt haben könnte.

Bundeswehr

Auch in der Bundeswehr wurden rechtsextremistische

Vorkommnisse offenbar nicht immer mit der nötigen

Konsequenz geahndet. Über Jahre hinweg konnten

Rechtsextremisten als Wehrdienstleistende relativ unge-

stört Dienst in der Bundeswehr leisten und dabei eine

Ausbildung an der Waffe genießen. Dieses Bild ergibt

sich jedenfalls aus den dem Ausschuss übersandten Akten

über Wehrdienstleistende aus dem engeren und weiteren

Umfeld des NSU und der Thüringer Neonaziszene.

Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang insbesondere

die Rolle des Militärischen Abschirmdienstes (MAD)

bei der Aufklärung rechtsextremistischer Bestrebungen.

Offenbar gehörte es zur Strategie des MAD, auffällig

gewordene Wehrdienstleistende nicht unmittelbar nach

Bekanntwerden eines entsprechenden Vorfalls, sondern

erst gegen Ende ihrer Dienstzeit zu befragen. In den

Befragungen ging es stets auch darum, ob sich der Wehr-

dienstleistende nach seinem Ausscheiden aus der Bun-

deswehr eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungs-

schutz oder der Polizei vorstellen könne.

Dem MAD lag also offenbar weniger daran, extremisti-

sche Umtriebe während des Wehrdienstes aufzuklären

und dazu beizutragen, Rechtsextremisten aus der Bun-

deswehr zu entfernen, sondern er betätigte sich lieber als

„Headhunter“, um V-Personen für die Sicherheitsbehör-
den zu gewinnen. So manche Befragungen wurden sogar

bereits von MAD und Verfassungsschutz gemeinsam

durchgeführt.

Polizei und Justiz

Auch im Bereich der Strafverfolgungsbehörden und

Gerichte wurden und werden die Gefahren des Rechtsex-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 877 – Drucksache 17/14600

tremismus verkannt und rechtsextremistisch motivierte

Taten oftmals nicht konsequent genug verfolgt. Nicht

unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang der

Umstand, dass beispielsweise bei Tötungsdelikten in

vielen Fällen die rassistische bzw. rechtsextremistische

Tatmotivation nicht einmal als solche gesehen wurde.

Gerade die nach schleppend verlaufenen polizeilichen

Ermittlungen erfolgten Einstellungen von Verfahren

gegen Aktivisten der Neonazi-Szene in Thüringen in

den 1990er Jahren bieten Anlass zur Kritik, weil da-

durch der Eindruck entstand, rechtsextremistisch moti-

vierte Straftaten würden nicht mit dem notwendigen

Nachdruck verfolgt. Die beginnende Radikalisierung im

Thüringer Heimatschutz und in den mit ihm verbundenen

Kameradschaften wurde letztlich nicht ausreichend

ernst genommen.

Für die ermittelnden Polizisten in der Česká-Mordserie

und bei den Sprengstoffanschlägen in Köln kam ein

rechtsextremistischer Tathintergrund jahrelang nicht

ernsthaft in Betracht. Ein zentraler Grund hierfür war

auch das fehlende Wissen der Ermittler über Rechtsex-

tremismus und seine gewaltbereiten Erscheinungsformen.

Ein politisches Motiv wurde ausgeschlossen, weil es kein

Bekennerschreiben gab. Gerade bei neonazistischen

Angriffen ist es allerdings nicht ungewöhnlich, dass es

keine Tatbekennungen gibt. Die Taten sprechen aus Sicht

der Täter für sich. Diese Strategie war den Ermittlern

nicht bekannt.

Dabei gab es auch in Deutschland in der Vergangenheit

Fälle neonazistischer Straftaten ohne Tatbekennung. Zu

nennen sind hier u. a. das Oktoberfestattentat 1980, die

Ermordung des Verlegers Shlomo Levin und seiner Le-

bensgefährtin Frida Poeschke im selben Jahr in Erlangen

oder der Brandanschlag im oberpfälzischen Schwandorf

auf ein Haus mit überwiegend türkischstämmigen Men-

schen, bei dem 1988 vier Menschen ums Leben kamen.

Auch als im Jahr 2006 bei den Ermittlungen zur Česká-
Mordserie ein möglicherweise rechtsextremer Tathinter-

grund endlich erwogen wurde, führte dies nicht zu einer

vertieften Auseinandersetzung der Ermittler mit Ideo-

logie, Strategie und Erscheinungsformen rechter Ge-

walt. Statt sich umfassend beim polizeilichen Staats-

schutz und Verfassungsschutz zu informieren, beschränk-

te man sich auf eine krude Abfrage von Personendaten

aus dem Bereich Nürnberg.

Gesellschaft

Die fehlerhafte Einschätzung der Gefahren des Rechtsex-

tremismus durch die Behörden haben wir im Untersu-

chungsausschuss herausgearbeitet und schlagen Verände-

rungen vor, um die Analysefähigkeit zu stärken und die

Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten zukünftig zu

verbessern.

Wir dürfen bei all dem aber nicht unseren Blick auf ge-

waltbereiten Rechtsextremismus verengen. Rechtsextreme

Einstellungen sind kein Phänomen am Rande der Gesell-

schaft. Studien zeigen immer wieder, dass rechtsextre-

me, fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen

auch in der Mitte der Gesellschaft anzutreffen sind.

Das Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltfor-

schung ermittelt in seinem Projekt zu gruppenbezogener

Menschenfeindlichkeit regelmäßig, was die Deutschen

über Minderheiten in der Gesellschaft denken. Hohe Zu-

stimmungswerte für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

werden dabei seit mehr als zehn Jahren erhoben. „Es
leben zu viele Ausländer in Deutschland.“ – diesem Satz
stimmen 49 Prozent der Westdeutschen und 62 Prozent

der Ostdeutschen zu. Mit steigender Tendenz.

Zu einem ähnlichen Befund kommt die aktuelle Rechtsex-

tremismus-Studie „Die Mitte im Umbruch“. Die seit 2006
im Zweijahresrhythmus von der Friedrich-Ebert-Stiftung

in Auftrag gegebenen „Mitte-Studien“ dienen als Barome-
ter antidemokratischer Einstellungen und führen vor Au-

gen, dass rechtsextreme Haltungen in allen Teilen der

Gesellschaft in erheblichem Maße anzutreffen sind. Nach

ihren jüngsten Zahlen ist in Gesamtdeutschland zwischen

den Jahren 2010 und 2012 die Zahl derer, die ein ge-

schlossenes rechtsextremes Weltbild in sich tragen, von

8,2 auf neun Prozent gestiegen – zu einem solchen Welt-
bild gehören Antisemitismus, Antiziganismus, Chauvi-

nismus, Diktaturbefürwortung, Fremdenfeindlichkeit,

Sozialdarwinismus sowie die Verharmlosung der natio-

nalsozialistischen Diktatur.

Diese Einstellungen sind freilich nicht mit den schweren

Straftaten des NSU zu vergleichen. Die Studienergebnisse

zeigen aber, dass rassistische Vorurteilsstrukturen unsere

gesamte Gesellschaft durchziehen. Diese müssen abge-

baut werden.

Rassismus und Rechtsextremismus dürfen in Deutschland

keinen Platz haben!

2. Strukturelle rassistische Vorurteile waren
eine wesentliche Ursache für die fehlende
Offenheit der Ermittlungen zu den Morden
und Sprengstoffattentaten des NSU

Warum waren die jahrelangen Ermittlungen zu der

Mordserie an neun Mitbürgern mit

Mirgationshintergrund, die bereits seit der zweiten Tat

aufgrund der verwendeten Waffe als Serie erkennbar war,

sowie zu den beiden menschenverachtenden Sprengstoff-

attentaten in Köln erfolglos, obwohl die Ermittlungsbe-

hörden in allen Fällen jahrelang einen immensen Auf-

wand betrieben haben? Dies war eine der wesentlichen

Fragen, mit denen sich der Ausschuss beschäftigt hat.

Eine zentrale Antwort darauf ist sicherlich: Die Ermitt-

lungen waren von Beginn an – und letztlich auch bis zum
Schluss – einseitig konzentriert auf das Umfeld der
Opfer, von der Vermutung einer Beziehungstat, über

gemutmaßte Verbindungen in Richtung Betäubungsmit-

telkriminalität bis hin zu möglichen Schutzgelderpressun-

gen und angeblichen Spielschulden. Es wurde vor allem

durchweg eine wie auch immer geartete kriminelle Or-

ganisation, verortet im Kontext von Ausländerkrimina-

lität, hinter den Verbrechen vermutet.

Drucksache 17/14600 – 878 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Manche polizeiliche Maßnahme, um herauszubekommen,

was nicht war, führte denn auch zu einer erneuten

Traumatisierung der Opferangehörigen, welche ohne-

hin durch die Tat selbst erschüttert waren: So mussten

Angehörige jahrelang belastende Vernehmungen über

sich ergehen lassen, in denen immer neue falsche An-

schuldigungen gegen ihre ermordeten Angehörigen erho-

ben werden. So wurden einzelne Familien ohne Anlass

mehrere Monate mit Telefonüberwachungsmaßnahmen

überzogen und ihre privaten Gespräche im Familienauto

abgehört. Adile Şimşek wurde beispielsweise in einem
polizeilichen Verhör mit der falschen Behauptung kon-

frontiert, ihr getöteter Mann habe parallel eine deutsche

Geliebte gehabt. Der Witwe wurden sogar Fotos der an-

geblichen, in Wahrheit aber frei erfundenen, Geliebten

des verstorbenen Mannes gezeigt.

Selbstredend sind Ermittlungen in diese Richtung nicht

per se verwerflich, sondern aus kriminalistischer Sicht

sogar zwingend erforderlich, aber eben nicht ausschließ-

lich!

Obwohl sämtliche Anhaltspunkte und Spuren in diese

Richtung, die zudem häufig auf zweifelhaften Angaben

von Zeugen oder anderweitigen Quellen beruhten, sich

bald als unzutreffend und nicht weiterführend erwiesen,

konzentrierten sich die Ermittlungsbehörden trotzdem

immer weiter auf diese falsche Ermittlungsrichtung. Jeg-

liche Offenheit für Ermittlungen in andere Richtun-

gen fehlte.

Dabei gab es durchaus und immer wieder Anhaltspunkte

und Ansätze in die richtige Richtung. So äußerten bei-

spielsweise die Witwe des ersten Mordopfers, Enver

Şimşek, oder der Bruder des siebten Opfers, Theodorus
Boulgarides, gegenüber den Ermittlern ihre Vermutung,

dass bei den Taten ein rassistischer Hintergrund bestehen

könnte. Hinzu kam beispielsweise auch der Anstoß des

damaligen bayerischen Innenministers Dr. Günther

Beckstein, der bereits unmittelbar nach dem ersten Mord

konkret wissen wollte, ob bei der Tat ein „ausländerfeind-
licher Hintergrund“ denkbar sei. Er gab sich dann jedoch
drei Wochen später leider mit der einen Satz umfassenden

Antwort zufrieden, es gebe „derzeit keine Anhaltspunkte
für einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat“.

Für jeden noch so kleinen und merkwürdig erscheinenden

Hinweis von „Wahrsagern“ bis zu „Metaphysikern“
wurde durch die Polizei eine „Spur“ generiert und „abge-
arbeitet“. Die Angaben der Opferangehörigen und Fragen
des Innenministers hingegen wurden offensichtlich nicht

ernst genommen. Stattdessen wurden die Ermittlungen „in
alle Richtungen“, allerdings immer nur bezogen auf das
Opferumfeld, fortgesetzt. Die Berechtigung dieser Ermitt-

lungsrichtung ließ man sich dann im Jahr 2005 durch eine

„Operative Fallanalyse“ (OFA), also der Erstellung eines
bestimmten „Täterprofils“, bestätigen. Darin wurde die
sogenannte „Organisationstätertheorie“ herausgearbei-
tet.

Erst im Mai 2006, also sechs (!) Jahre nach dem ersten

Mord, im Anschluss an den neunten (!) Mord der Serie,

wurde im Rahmen einer „Zweiten Operativen Fallanaly-
se“ (2. OFA) erstmalig die Alternativhypothese eines

möglicherweise rassistisch motivierten „Einzeltäters“
in Erwägung gezogen.

Noch am Tage der Vorstellung dieser Hypothese in der

die Ermittlungen koordinierenden „Steuerungsgruppe“
der Polizeien wurde allerdings eine weitere „Operative
Fallanalyse“ beim LKA Baden-Württemberg in Auftrag
gegeben. Dies zeigt einmal mehr die angesichts der völli-

gen Erfolglosigkeit der bisherigen Ermittlungen unver-

ständliche Fixierung eines Großteils der beteiligten

Ermittler darauf, den Hintergrund der Taten unbedingt

im Bereich der organisierten Kriminalität und im Umfeld

der Opfer verorten zu wollen.

Bezeichnend sind so manche Formulierungen in der an-

schließend erstellten 3. OFA, die offenkundig das Ziel

hatte, die unerwünschten Ergebnisse der 2. OFA, die auf

einen möglichen rassistischen Hintergrund der Taten

deuteten, zu relativieren und zu widerlegen. Wörtlich

heißt es dort etwa:

„Aufgrund der Tatsache, dass man 9 türkischspra-
chige Opfer hat, ist nicht auszuschließen, dass die

Täter über die türkische Sprache den Bezug zu den

Opfern hergestellt haben und die Täter demzufolge

ebenfalls einen Bezug zu dieser Sprache haben.

Auch spricht der die Gruppe prägende rigide Eh-

renkodex eher für eine Gruppierung im ost- bzw.

südosteuropäischen Raum (nicht europäisch west-

licher Hintergrund).“

Oder:

„Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Men-
schen in unserem Kulturraum mit einem hohen

Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hin-

sichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb

des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet

ist.“

Weiter wird dort ausgeführt, dass „alle Opfer weitere
Gemeinsamkeiten aufweisen, die von außen für einen

Täter ohne Opferbezug nicht erkennbar sind“. Als Bei-
spiel dafür wird ohne tragfähige Belege pauschal eine

„undurchsichtige Lebensführung“ der Opfer genannt.

Diese eindimensionale – und in den Formulierungen fast
schon offen rassistische – Ermittlungs- und Gedanken-
führung in Richtung „Ausländerkriminalität“, Rotlicht-
milieu, Mafia und Rauschgifthandel mit einer unverständ-

lichen Fixierung auf das – in der Regel türkische – „Op-
ferumfeld“, in dem man mit aller Kraft den kriminellen
Hintergrund der Taten finden wollte, dieses eindeutige

„Versagen“ von Polizeien und Staatsanwaltschaften
bei der Aufklärung der Mordserie, kann nicht mehr als

bloßer „Zufall“ oder eine Massierung handwerklicher
Fehler gewertet werden.

Vielmehr ist im Ausschuss eindeutig erkennbar gewor-

den, dass nicht in Frage gestellte Routinen des alltägli-

chen Betriebs eine wesentliche Ursache für den vereng-

ten Blickwinkel gewesen sind. Alle haben „funktioniert“,
ohne die Motive ihres Handelns jemals zu reflektieren

und zu hinterfragen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 879 – Drucksache 17/14600

Es geht dabei nicht etwa um eine „Blindheit auf dem
rechten Auge“ offen rassistisch veranlagter Polizistinnen
und Polizisten, sondern um vorurteilsbehaftete Routi-

nen in der Polizeiarbeit, die Delinquenz bestimmten

Personengruppen, Milieus und Ethnien schematisch zu-

ordnen. Es handelt sich um Routinen, die längst nicht

mehr der Einwanderungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts

entsprechen.

Bei diesen routinisierten Verdachts- und Vorurteils-

strukturen gegenüber Personen mit Migrationshinter-

grund wird deutlich, dass es sich nicht um das Fehlver-

halten einzelner Beamter mit „rechtem Hintergrund“
handelt, dass dieses Fehlverhalten also nicht intentional,

sondern vielmehr strukturell bedingt ist.

Selbstverständlich wollten die unzähligen Sicherheitskräf-

te, die mit der Mordserie befasst waren, die Fälle aufklä-

ren, die Mörder finden und die Mordserie stoppen. Sie

waren nur nicht in der Lage, sich selbstreflexiv aus den

bestehenden routinisierten, oftmals rassistisch gepräg-

ten, Verdachts- und Vorurteilsstrukturen zu befreien.

Wo die Mittel zur Reflektion fehlen, greift man eben auf

„verbreitete Wissensbestände“ zurück.

Es handelt sich um unbewusste Prozesse institutioneller

Diskriminierung, die sich in Routinen der Ungleichbe-

handlung von Minderheiten niederschlugen.

Im Rahmen der Untersuchungen des Ausschusses wurden

– neben der offenkundig vorurteilsbeladenen 3. OFA –
weitere Vorgänge erkennbar, die die Berechtigung dieser

Schlussfolgerung anschaulich illustrieren:

– Allein schon die Namensgebung bei Teilen der ein-
gesetzten Ermittlungseinheiten (BAO „Bosporus“,
Soko „Halbmond“) verortetet den Hintergrund dieser
Taten deutlich außerhalb der Bundesrepublik und

sorgt mit dafür, dass die Fälle aus dem „deutschen
Rahmen“ entfernt wurden und die Opfer selbst im
Verdacht standen, durch kriminelle Handlungen die

Verbrechen mit verursacht zu haben.

– Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz „verdeckter
Ermittler“ durch die bayerische Polizei: Polizeibe-
amte, getarnt als türkische Detektive oder Journalis-

ten, wurden auf die Opferangehörigen angesetzt, weil

diese mit der Polizei nur „äußerst zurückhaltend“ zu-
sammenarbeiten würden. Dies sei zum einen auf die

„fehlende Akzeptanz der Polizei“ zurückzuführen,
zum anderen liege dies auch „in der türkischen Men-
talität begründet“. Die verdeckten Ermittler sollten
sodann Verbindung aufnehmen „zu Personen aus
dem Umfeld der Opfer […] sowie der ‚Türken-
Szene‘ im Allgemeinen“.

Bemerkenswert und in gewisser Weise auch beschä-

mend ist, dass das klar dokumentierte Misstrauen,

welches die Polizei dem Opferumfeld entgegenbrach-

te, durch die Betroffenen selbst als unberechtigt ent-

larvt wurde: Mehrere durch die verdeckten Ermittler

angesprochene Personen wandten sich nämlich ver-

trauensvoll mit der Frage an die Polizei, ob sie mit

diesen angeblichen Detektiven überhaupt sprechen

dürften. Eine der von einem verdeckten Ermittler an-

gesprochenen Personen gab sogar gegenüber diesem

an, er stehe in dieser Angelegenheit „in einem sehr
engen und guten Kontakt mit der Nürnberger Polizei“
und er sehe sich deshalb nicht veranlasst, „irgend-
welche Hinweise an Detektive zu geben“.

– Auch die verdeckte Ermittlungsmaßnahme „Dö-
nerbude“, in der die bayerische Polizei über 20 Mo-
nate lang selbst zwei Dönerimbisse betrieben hatte,

wurde damit begründet, „die Geschäftspraktiken un-
ter den bei uns lebenden türkischen Staatsangehöri-

gen“ würden durch die Maßnahme „durchschaubar“
und damit „Verhaltensmuster verständlicher“ werden.
Zudem würden „Zwänge/Abhängigkeiten innerhalb
der Ethnie“ erkennbar werden.

Bezeichnend ist dabei, dass der einzige sinnvolle

Hinweis, den die über anderthalb Jahre andauernde

Aktion gebracht hatte, ein massiver rassistischer

Drohangriff auf den türkischstämmigen verdeckten

Ermittler war. Der Angreifer soll dabei unter ande-

rem auch auf das am Dönerstand angebrachte Fahn-

dungsplakat zur Mordserie gezeigt und wörtlich ge-

sagt haben: „Wenn man die Türken nicht so vertrei-
ben kann, dann müssen sie halt so heimgeschickt

werden!“ Aus diesem Vorfall folgte jedoch – konse-
quent – nichts.

– Die vorurteilsbeladene falsche Schwerpunktsetzung
der Ermittlungen in der Mordserie zeigt sich auch

beispielhaft darin, dass in Nürnberg und München in

den Jahren 2005 und 2006 durch die Polizei rund 900

türkische Kleingewerbetreibende aufgesucht wurden,

um Hinweise zum Ermittlungsansatz „organisierte
Kriminalität“ zu gewinnen, während zur Ermittlungs-
richtung „rechtsextremistische Tatmotivation“ nach
Vorliegen der 2. OFA lediglich neun (!) bekannte

„rechte Szeneangehörige“, und diese ausschließlich
aus dem Raum Nürnberg, im Rahmen sogenannter

„Gefährderansprachen“ im Herbst 2006 aufgesucht
wurden.

Als Ergebnis dieser „Gefährderansprachen“ wurde
sodann festgehalten, dass „innerhalb der rechten Sze-
ne die Meinung vorherrscht, dass sich die Opfer wohl

selber im kriminellen Milieu bewegt haben dürften

und einer Vergeltungs- bzw. Rachetat zum Opfer ge-

fallen sein könnten“. Weiterhin sei als „Ergebnis“
festzuhalten, dass „eine fremdenfeindlich motivierte
Straftat nicht vorliegt, da die Mordopfer für ihren Un-

terhalt selber sorgten und aufgrund ihrer Berufstätig-

keit den deutschen Staat (Steuerzahler) nicht ausnütz-

ten“.

Die bestehenden vorurteilsbelasteten Ressentiments

gegenüber den Opfern ließ man sich also offenkundig

noch einmal durch rechtsextreme „Gefährder“ bestä-
tigen.

– Ein weiteres Beispiel für die routinisierten Ver-
dachts- und Vorurteilsstrukturen findet sich in der

Aussage des zuständigen Beamten der Hamburger

Polizei vor dem Untersuchungsausschuss. Der Zeuge

Drucksache 17/14600 – 880 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

verstieg sich bei der Beschreibung des Hamburger

Opfers zu folgender Aussage:

„(Er) war das, was wir im Landeskriminalamt
‚einen ganz normalen türkischen Mann‘ ge-
nannt haben; leidenschaftlich, sehr energisch

und dominant vom Wesen.“

Klischees – mögen sie nun negativ (dominant, faul,
traditionell, kriminell etc.) oder positiv (leidenschaft-

lich, spontan, feurig, gefühlvoll etc.) sein - haben

Auswirkungen auf den Umgang und die Kommuni-

kation mit dem Gegenüber, das man dann häufig

nicht mehr als Individuum, sondern vielmehr als Re-

präsentanten einer Gruppe wahrnimmt. In diesem

Moment findet sozusagen eine „Entantwortung“
statt, wie dies von dem Journalisten und Migrations-

forscher Mark Terkessidis einmal überzeugend be-

zeichnet wurde: Was eine Person sagt oder tut, gilt

nicht mehr als individueller Ausdruck, sondern als

Artikulation des „Türkischen“, des „Südländischen“
usw., so dass sie ihrer Verantwortung beraubt wird.

Zugleich verwehrt man ihr auch die Möglichkeit ei-

ner Antwort, da all ihre Äußerungen und ihr Handeln

scheinbar durch die jeweilige Gruppenzugehörigkeit

vorherbestimmt sind.

– Selbst im Rahmen der Ermittlungen zum Mord an der
Polizistin Michèle Kiesewetter lassen sich Ansätze

vorurteilsbeladener Routinen der Polizeiarbeit
ausmachen: Angehörige der Minderheiten Sinti und

Roma wurden ohne ausreichende tatsächliche An-

haltspunkte über einen langen Zeitraum verdächtigt

und im Rahmen der Spur „Landfahrer“ mit zum
Teil unverhältnismäßigen Ermittlungsmaßnahmen

überzogen. In der Ausgabe des „Stern“ vom 29. Juni
2007 ließ sich einer der Ermittler gar mit der Aussage

„Wir prüfen auch intensiv im Zigeunermilieu.“ zitie-
ren. Selbst nachdem sich herausgestellt hatte, dass die

angebliche DNA-Spur, die eine Verbindung zu einem

anderen Fall in Worms herstellen ließ, allein auf eine

Verunreinigung der durch die Spurensicherung ver-

wendeten Wattestäbchen zurückzuführen war, wur-

den die Ermittlungen gegen Angehörige der Minder-

heiten Sinti und Roma unverständlicherweise immer

noch weiter fortgesetzt.

– Die Anfrage des BKA im Jahr 2004 an den Verbin-
dungsbeamten in der Schweiz zu möglichen Käufern

von Schalldämpfern für die Česká 83 wurde auf „ins-
besondere türkische Staatsangehörige“ beschränkt.
Dies führte erwartungsgemäß dazu, dass die Antwort

sich auch allein darauf bezog und möglicherweise

tatsächlich in Betracht kommende Verdachtspersonen

ausschieden. Auch hier wird eine vorurteilsbasierte

Verengung des Blickes der ermittelnden Beamten

deutlich erkennbar, die zu diesem Zeitpunkt krimina-

listisch nicht im Entferntesten zu rechtfertigen war.

Im Ausschuss hat der zuständige Polizeibeamte die-

ses Verhalten so zu erklären versucht: „Ich habe fest-
gestellt, dass praktisch überproportional türkische

Staatsangehörige als illegale Waffenbesitzer hier in

Erscheinung getreten sind.“

Wenn insofern versucht wird, das Bestehen routinisierter

Verdachts- und Vorurteilsstrukturen zu negieren, indem

auf polizeiliche und statistische Erfahrungswerte ver-

wiesen wird, an denen sich polizeiliches Handeln auszu-

richten habe, dann bestätigt dies die hier getroffene Fest-

stellung.

Selbstverständlich gibt es die polizeilichen Erfahrungen,

dass die Täter von Mordopfern häufig im persönlichen

Umfeld zu finden sind und dass bestimmte Taten statis-

tisch gesehen in bestimmten „Milieus“ häufiger vorkom-
men als in anderen.

Entscheidend ist jedoch, dass diese häufig durchaus nütz-

lichen „polizeilichen Erfahrungen“ nicht dazu führen
dürfen, bestimmte Bevölkerungsgruppen sozusagen „auf
Biegen und Brechen“ als einzig in Frage kommende Tä-
tergruppe zu betrachten, gerade weil spätestens nach dem

dritten Mord klar war, dass eine Beziehungstat ausschei-

det und tatsächliche Anhaltspunkte für kriminelle Verbin-

dungen der Mordopfer untereinander nicht ersichtlich

waren.

Was den Ermittlern hier offenkundig gefehlt hat, war der

Blick darauf, dass sie es nicht mit Statistik zu tun haben,

sondern mit individuellen Taten, Tätern und Opfern.

Ermittler müssen angehalten sein, sich der zweifellos

vorhandenen routinisierten Verdachtsstrukturen be-

wusst zu werden, sie immer wieder zu hinterfragen und

vor allem zu überwinden.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Verantwortlichen

in den betroffenen Institutionen dazu bereit sind, das

Bestehen solcher routinisierter, oftmals rassistisch

geprägter, Vorurteilsstrukturen anzuerkennen. Nur

dann lassen sich die notwendigen Maßnahmen bei Perso-

nalauswahl sowie bei Aus- und Fortbildung innerhalb der

Institutionen wirksam ergreifen.

Rassismus darf nicht einfach per se verleugnet werden, er

muss als strukturelles Problem auch im institutionellen

Kontext anerkannt werden.

Äußerungen wie die des Präsidenten der Bundespolizei,

Dieter Roman, im „Spiegel“ vom 5. November 2012
lassen an der Bereitschaft der heutigen Bundesregierung,

dieses Problem offen anzugehen, eher zweifeln: Zu der

Frage, ob hinter einem bestimmten Verhalten von Beam-

ten der Bundespolizei im Rahmen einer verdachtsunab-

hängigen Personenkontrolle eines Deutschen allein auf-

grund seiner Hautfarbe Rassismus stecke, antwortete er:

„Selbstverständlich nicht. Die Rechtslage und die
internen Vorschriften sind eindeutig. Rassismus

findet bei der Bundespolizei nicht statt.“

3. Falsch verstandener Föderalismus hat
sich als gravierendes Hemmnis effektiver
Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbe-
hörden erwiesen

Die Ausschussarbeit hat ein weiteres schwerwiegendes

Problem im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie

erkennbar werden lassen:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 881 – Drucksache 17/14600

Der Serienzusammenhang der Česká-Morde stand bereits
nach den ersten beiden Taten, die in Nürnberg verübt

wurden, fest. Mit dem dritten Mordfall in Hamburg war

klar, dass die Täter nicht an der bayerischen Landesgren-

ze halt machen. Es folgten weitere Morde in Bayern

sowie in Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und

Nordrhein-Westfalen.

Dennoch wurden die Ermittlungen in der bundesweiten

Mordserie nicht zentral in einer Hand, sondern von sechs

Polizeibehörden und fünf Staatsanwaltschaften geführt.

Jede Ermittlungseinheit machte „ihr eigenes Ding“, In-
formationsdefizite und unnötige Doppelarbeit waren die

Folge. Die Ermittlungen waren, wie es der ehemalige

Vizepräsident des BKA Falk im Ausschuss ausdrückte,

„kriminalfachlich stümperhaft organisiert“. Eine Gra-
fik aus den Akten des BKA verdeutlicht dies:

Die frühzeitige Zusammenführung der polizeilichen

Ermittlungen, begleitet von einem staatsanwaltschaftli-

chen Sammelverfahren, hätte eine effektivere Arbeit der

Strafverfolgungsbehörden ermöglicht. Dies wäre zwar

keine Garantie für eine Aufklärung der Mordserie gewe-

sen, die Voraussetzungen hierfür wären aber spürbar

verbessert worden.

Leider hat falsch verstandener Föderalismus dazu geführt,

dass das Interesse an der Wahrung eigener Zuständigkei-

ten über das Erfordernis einer sachgerechten Führung der

Ermittlungen gestellt wurde.

a) Es hätte eine zentrale polizeiliche Ermitt-
lungsführung mit klaren Weisungsbefug-
nissen bewirkt werden müssen

Die polizeilichen Ermittlungen hätten schon frühzeitig in

einer Hand, sei es beim BKA oder einer Landespolizei,

zusammengeführt werden müssen, um klare Weisungs-

und Verantwortungsstrukturen zu schaffen. Eine zent-

rale Draufsicht und Bewertung aller Spuren und Ermitt-

lungsergebnisse sowie eine daraus entwickelte einheitli-

che Ermittlungskonzeption hätte die polizeiliche Arbeit

deutlich effektiver gestaltet.

Bereits 2004 gab es Bestrebungen, die zentrale Ermitt-

lungsführung dem BKA zu übertragen. Leider wurde

dieses Vorhaben wieder aufgegeben, bevor die Leitung

des BKA jemals Kenntnis davon erlangte. Das BKA wur-

de auf Ersuchen Bayerns nur mit ergänzenden Struktur-

ermittlungen beauftragt. Allerdings konnte es dadurch

einen Einblick in die Arbeit der beteiligten Ermittlungs-

behörden gewinnen. Dieser fiel derart ernüchternd aus,

dass sich das BKA im Jahr 2006 in einem „Brandbrief“
an das BMI wandte und seinerseits nachdrücklich für

eine Übernahme der zentralen Ermittlungsführung

warb.

Der damalige Bundesinnenminister Dr. Schäuble und

sein Staatssekretär Hanning hätten der vehementen

Aufforderung des BKA, ihm die zentrale Ermittlungsfüh-

rung in der Mordserie zu übertragen, nachkommen müs-

sen. Nach vielen Jahren erfolgloser und zum Teil unkoor-

dinierter Ermittlungen wäre es zwingend erforderlich

gewesen, die Ermittlungen endlich neu aufzusetzen und

zentral zu führen.

Erheblicher Widerstand aus Bayern, insbesondere vom

damaligen bayerischen Innenminister Dr. Beckstein, der

eine solche Entscheidung des BMI ausweislich der Akten

als „Kriegserklärung“ verstanden hätte, ließen
Dr. Schäuble und Hanning jedoch einknicken. Ein Abtei-

lungsleiter wurde damit beauftragt, die Sache auf Arbeits-

ebene zu erledigen. Dr. Schäuble sollte nicht gegen Bay-

ern entscheiden müssen.

Das Ergebnis war eine völlig unzureichende Koordinie-

rungskonstruktion durch Bildung einer „Steuerungs-
gruppe“, bei der das BKA am „Katzentisch“ blieb. Diese
Lösung wurde unverständlicherweise von BKA-Präsident

Ziercke im Ausschuss nachträglich als gute Entscheidung

gelobt und mit der völlig abstrusen These verknüpft, hier-

durch sei es immerhin gelungen, die Mordserie zu stop-

pen.

b) Sämtliche Ermittlungen hätten in einem
staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahren
zusammengeführt werden müssen

Auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft wäre eine Bünde-

lung der Zuständigkeit in einem Sammelverfahren zwin-

gend notwendig gewesen. Der Staatsanwaltschaft obliegt

als Herrin des Ermittlungsverfahrens die Sachleitungsbe-

fugnis. Ein Sammelverfahren, gepaart mit einer zentralen

polizeilichen Ermittlungsführung, hätte zu einer effektive-

ren Ermittlungsarbeit beigetragen. Kräfte wären gebün-

delt, Informationsfluss und Ermittlungsschritte optimiert

worden.

Immerhin wurden die bayerischen Mordfälle in einem

Sammelverfahren bei der Staatsanwaltschaft Nürn-

berg/Fürth geführt. Leider verweigerte sich der zuständige

Oberstaatsanwalt der Übernahme auch der Mordfälle aus

den anderen Bundesländern.

Nach den einschlägigen Vorschriften wäre die Führung

eines staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahrens im

Sinne einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung auch

rechtlich geboten gewesen, da ein Zusammenhang mehre-

rer Taten in verschiedenen staatsanwaltschaftlichen Be-

zirken bestand. Dieser Zusammenhang wurde noch 2004

von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit der hane-

büchenen Begründung bestritten, die Verwendung dersel-

ben Tatwaffe sei „kein Indiz für denselben Täter“.

Drucksache 17/14600 – 882 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Aus Sorge vor Übernahme der Ermittlun-
gen durch den Generalbundesanwalt wur-
den dieser und die Öffentlichkeit nicht
sachgerecht informiert

Statt eines Sammelverfahrens bei einer Staatsanwaltschaft

wäre auch eine Übernahme der Ermittlungen zur Česká-
Mordserie durch den Generalbundesanwalt beim Bun-

desgerichtshof (GBA) möglich gewesen.

Allerdings wurde eine sachgerechte Prüfung einer mögli-

chen Verfahrensübernahme durch den GBA durch die

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verhindert. Statt die

Akten dem GBA zur Prüfung seiner Zuständigkeit zu

übersenden, wurde stur die zweifelhafte Ansicht vertreten,

eine Zuständigkeit des GBA sei nicht gegeben.

Dabei hätte der GBA die Ermittlungen in der Mordserie

nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr

wohl übernehmen können. In seinem Urteil vom

22. Dezember 2000 („Eggesin“-Entscheidung) hat der
BGH die Abgrenzungskriterien, die für die Übernahme

von Verfahren wegen Verbrechen aus der allgemeinen

Schwerkriminalität mit (rechts-)extremistischem Hinter-

grund als Staatsschutzdelikte in die Bundeskompetenz

entscheidend sind, beschrieben. Danach ist der Bund

ausnahmsweise dann zuständig, wenn die Tat darauf

gerichtet ist, das innere Gefüge des Gesamtstaates oder

dessen Verfassungsgrundsätze zu beeinträchtigen. Zu

diesen Verfassungsgrundsätzen zählt der Ausschluss

jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft gegenüber Min-

derheiten. Dieser Grundsatz wird beeinträchtigt, wenn der

Täter das Opfer nur deshalb angreift, weil er es als Mit-

glied einer nationalen, rassischen, religiösen oder durch

Volkstum bestimmten Gruppe treffen will. Spätestens die

in der 2. OFA entwickelte These eines rechtsextremistisch

motivierten Einzeltäters hätte den Kriterien des BGH

entsprochen.

Dies wollten aber offensichtlich sowohl die beteiligten

Polizeien als auch die Staatsanwaltschaften auf jeden Fall

vermeiden. Auch aus diesem Grund wurde von einer zu

offenen Erörterung der Einzeltätertheorie in der Presse

abgesehen. In einem Protokoll der Steuerungsgruppe vom

18. Mai 2006 heißt es dazu wörtlich:

„Die Frage der Einzeltätertheorie wurde vor dem
Hintergrund einer möglichen Zuständigkeit des

Generalbundesanwalts kritisch hinterfragt. Da

sich konkrete Anhaltspunkte für eine politische

Motivation aus dem OFA-Ergebnis nicht zwingend

ableiten lassen, soll bis auf weiteres im Rahmen

von Darstellungen nach außen auf entsprechende

Hinweise verzichtet werden.“

Der zuständige Staatsanwalt der StA Nürnberg-Fürth

bestritt im Ausschuss, dass es derartige Überlegungen

auch bei der Staatsanwaltschaft gegeben habe. In den

Akten findet sich jedoch ein Vermerk des BKA vom

6. Juli 2006:

„Der Vorschlag von Herrn Geier (BAO-Bosporus)
die Einzeltätertheorie aktiv in der Öffentlichkeit zu

diskutieren […] wurde von allen anderen Dienst-

stellen aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Die

StA Nürnberg-Fürth verwies zudem darauf, dass

bei allzu intensiver Diskussion dieser Hypothese

dann auch die Zuständigkeit des GBA greifen

könnte.“

Die offensichtliche Strategie der Ermittlungsbehörden der

Länder ging, unterstützt durch eine wenig engagierte

Arbeitsweise des zuständigen Bearbeiters beim GBA, voll

auf: Dieser legte zwar nach einem Zeitungsbericht über

die Mordserie einen Prüfvorgang an, beschränkte sich

aber auf die Lektüre einiger weniger Medienberichte und

der Homepage des BKA. Von der Möglichkeit eines

rechtsextremistischen Tatmotivs fand sich darin kein

Wort. Ergebnis der Prüfung: unzuständig.

Die Chance einer effektiven zentralen Ermittlungsführung

wurde aus sachwidrigen Erwägungen heraus vertan.

Dabei ist aber auch klar, dass gesetzliche Änderungsvor-

schläge zu nichts führen, wenn Ermittlungsbehörden

künftig nicht besser und konsequenter auf das bereits

bestehende gesetzliche Instrumentarium für strafrecht-

liche Ermittlungsarbeit zurückgreifen und vor allem nicht

effektiver auf das für alle Strafermittlungen geltende

Prinzip der Zusammenarbeit setzen.

Trotzdem sind einige moderate Korrekturen am beste-

henden Regelungssystem nach den im Ausschuss ge-

wonnenen Erkenntnissen angezeigt, die unten im Kapitel

C./III. im Einzelnen dargestellt werden.

4. Zusammenarbeit und Informationsaus-
tausch haben nicht funktioniert: Abschot-
tung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und
fehlende Eigeninitiative haben das Han-
deln über weite Strecken bestimmt

Eine weitere besorgniserregende Erkenntnis der Aus-

schussarbeit war die, dass die im gesamten NSU-

Komplex beteiligten Behörden kaum effektiv zusam-

mengearbeitet haben und dass wesentliche Informatio-

nen, die insbesondere für das Auffinden des unterge-

tauchten Trios lange vor dem Beginn der Mordserie wich-

tig, wenn nicht sogar entscheidend, gewesen wären, nicht

sachgerecht ausgetauscht worden sind. Diese Defizite

sind auch hier wieder auf allen Ebenen festzustellen:

– zwischen polizeilichen Einheiten innerhalb eines
Bundeslandes,

– zwischen Polizei und Verfassungsschutz innerhalb
eines Bundeslandes,

– zwischen Polizeien und Verfassungsschutzbehörden
mehrerer Bundesländer und

– zwischen den Verfassungsschutzbehörden der Länder
und dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

a) Kein sachgerechter Informationsaus-
tausch innerhalb der Polizei Thüringens

Unerklärlich ist schon der Umstand, dass es bereits inner-

halb des LKA Thüringen offenkundig an einem vernünf-

tigen Informationsaustausch mangelte:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 883 – Drucksache 17/14600

Am 26. Januar 1998 wurde unter der Verantwortung der

sogenannten „Ermittlungsgruppe TEX (Terroris-
mus/Extremismus)“ im Bereich des Staatsschutzes im
Thüringer LKA die von Zschäpe angemietete Garage

Nr. 5 an der Kläranlage in Jena-Lobeda durchsucht. Dabei

wurden immerhin 1,4 Kilogramm Sprengstoff (TNT) in

drei Rohrbomben sichergestellt. Die drei rechtsextremen

Verdächtigen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe setzten

sich daraufhin ab und die Suche nach ihnen wurde an den

Bereich „Zielfahndung“ im LKA abgegeben.

Im Ausschuss wurde schnell erkennbar, dass von einer

sachgerechten Weitergabe aller für die Zielfahndung

notwendigen Informationen nicht die Rede sein kann: Die

Zielfahndung hatte keinerlei Kenntnisse von den in der

Garage aufgefundenen Asservaten, insbesondere nicht

von der dort gefundenen Adressliste mit Informationen

zu einer Vielzahl möglicher Unterstützer aus dem

„Blood & Honour“-Netzwerk, die als Kontaktpersonen
und Fluchtunterstützer in Frage kamen. Auch von den in

der Garage gefundenen handschriftlichen Briefen von

Mundlos, aus denen sich weitere Kontakte zur Chemnit-

zer Neonazi-Szene ergeben hätten, wusste die Zielfahn-

dung nichts.

Hinzu kam, dass es auch keinerlei nennenswerten In-

formationsaustausch zwischen den Zielfahndern und

deren Kollegen aus dem Staatsschutzbereich über die

rechtsextremen Netzwerke in Thüringen gab. Jeder

werkelte offenkundig einfach vor sich hin.

b) Konkurrenzdenken zwischen Verfas-
sungsschutz und Polizei in Thüringen so-
wie Dilettantismus im Thüringer LfV

Noch absurder mutet allerdings das Verhältnis zwischen

dem Thüringer Verfassungsschutz und der Thüringer

Polizei bei der Suche nach den Untergetauchten an: von

sachgerechter Zusammenarbeit kann hier keine Rede

mehr sein. Das Verhältnis war eher von Konkurrenz-

denken und persönlichen Eitelkeiten geprägt.

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe konnten sich am

26. Januar 1998 und in der Folgezeit einer Verhaftung

nicht zuletzt deshalb entziehen, weil sich die beteiligten

Sicherheitsbehörden Thüringens einen Erfolg gegenseitig

nicht gönnten.

Obwohl die Suche nach mutmaßlichen Straftätern zur

Vollstreckung von Haftbefehlen nicht zu den Aufgaben

des Verfassungsschutzes gehört, wollte der Thüringer

Verfassungsschutz das Trio damals unbedingt vor der

Polizei finden, um es dieser dann angeblich „auf dem
Silbertablett“ servieren zu können. Dabei stellte sich der
Verfassungsschutz allerdings so dilettantisch an, dass

viele für die Fahndung wichtige Informationen einfach

ignoriert und nicht an die zuständigen Stellen weitergelei-

tet wurden.

So hatte das LfV Thüringen beispielsweise bereits im Jahr

1998 V-Mann-Informationen vom brandenburgischen

Verfassungsschutz erhalten, aus denen erkennbar war,

dass das Trio „mit Waffen versorgt“ werden solle und
einen „weiteren Überfall“ plane. Diese Information er-

reichte die Zielfahnder aber nicht. Damit gerieten die

Polizisten in erhebliche Gefahr und es fehlten entschei-

dende Hinweise für sachgerechte Fahndungsmaßnahmen.

Auch die nicht nur aus heutiger Sicht brisante Information

des MAD aus dem Jahr 1999, dass sich das Trio nach

Angaben eines der rechten Szene angehörenden Grund-

wehrdienstleistenden bereits „auf der Ebene des Rechts-
terrorismus“ bewege, wurde an die Zielfahnder nicht
weitergegeben.

Der Thüringer Verfassungsschutz befand sich damals in

einem fragwürdigen Kompetenzgerangel mit der Polizei

zu der Frage, wer der bessere „Zielfahnder“ sei. Dies
führte zu einem fatalen Informationsdefizit bei der ei-

gentlich zuständigen Ermittlungsbehörde.

Dieses konnte der Verfassungsschutz selbst nicht ausglei-

chen, weil eine sachgerechte Sammlung, Auswertung und

Analyse der vorhandenen Informationen schlichtweg

nicht durchgeführt wurde.

Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass das Thü-

ringer LfV durch sein Verhalten die Tätigkeit der Straf-

verfolgungsbehörden bei der Suche nach dem Trio mas-

siv beeinträchtigt hat.

c) Unprofessionelle Kooperation zwischen
bayerischer Polizei und Bayerischem Lan-
desamt für Verfassungsschutz

Als besonders unprofessionell erwies sich auch die „Ko-
operation“ zwischen der bayerischen Polizei und dem
Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV):

Nachdem mit der 2. OFA im Mai 2006 erstmals die Hy-

pothese eines möglicherweise rassistisch motivierten

„Einzeltäters“ aufgekommen war, begannen in der BAO
Bosporus zaghafte Überlegungen dazu, welche Ermitt-

lungsschritte in diese Richtung unternommen werden

könnten. Man verfiel auf den plumpen Ansatz, das baye-

rische Landesamt für Verfassungsschutz einfach um

Übermittlung sämtlicher persönlicher Daten von „Skin-
heads, Neonazis und NPD-Mitgliedern, die im Zeitraum

1995 bis 2002 als Extremisten beim LfV bekannt wurden“
zu ersuchen. Ein erstes Gespräch zwischen BAO und LfV

hierzu fand am 7. Juli 2006 statt.

Unabhängig davon, dass das Vorgehen der Polizei im

Hinblick auf den Zweck als unbeholfen, viel zu pauschal

und nicht zielführend betrachtet werden muss, ist dem

LfV vorzuwerfen, dass es seine einzige Aufgabe in der

Folgezeit darin gesehen hat, die Unterstützungsbitte der

Polizei abzuwehren. Mit keinem einzigen Gedanken hat

das LfV versucht, den Ansatz der Polizei mit eigenen

Mitteln oder eigenen Fähigkeiten zu unterstützen.

Zunächst verweigerte das LfV die Übermittlung der er-

wünschten Daten vollständig mit Hinweis auf die viel zu

hohe Zahl der Datensätze von mehr 3.500 Personen. Dann

ging es immer nur noch darum, die Zahl der Datensätze

nach kaum mehr nachzuvollziehenden, fast willkürlich

gewählten Kriterien zu reduzieren.

Sieben (!) Monate nach der ursprünglichen Anfrage

übermittelte das LfV dann „zähneknirschend“ inhaltsleere

Drucksache 17/14600 – 884 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Einwohnermeldeamtsdaten von 682 Personen. Die Ein-

schränkung wurde kaum mehr nachvollziehbar so vorge-

nommen, dass nur Personen im Alter zwischen 25 und

47 Jahre berücksichtigt wurden, die in zwei bestimmten

Postleitzahlengruppen Nürnbergs gemeldet waren. Im

Dezember 2006, also fünf (!) Monate nach dem ersten

Gespräch wurden durch das LfV noch sechs alte „Infor-
mationsbroschüren“ zur Skinhead-Szene Bayerns an die
Polizei übergeben.

Obwohl das LfV durch die BAO Bosporus umfassend

und auch schriftlich über die genauen Umstände der Tat-

serie mit zwischenzeitlich neun Mordopfern unterrichtet

worden war, sah sich das LfV nicht im Geringsten beru-

fen, die Polizei mit eigener Expertise und eigenen Ideen

zu unterstützen. Dies mag daran gelegen haben, dass man

selbst keinerlei eigene Expertise zu rechtsextremisti-

schen Strukturen und Erscheinungsformen rassisti-

scher Gewalt hatte, was schon schlimm genug ist. Doch

entschuldigt dies nicht dafür, dass man keinerlei Initiati-

ve ergriffen hat, die Verfassungsschutzbehörden der ande-

ren Bundesländer, insbesondere der Nachbarländer, und

des Bundes zu informieren, einzubeziehen und aktiv um

Unterstützung zu bitten. Die Mordserie und die These

eines möglichen rechtsextremen Hintergrunds der Taten

hätte durch das LfV auch prioritär auf Treffen im Verfas-

sungsschutzverbund thematisiert werden müssen.

Der Vorwurf ist aber auch gleichermaßen an die Polizei

zu richten, die nach Erkennen der fehlenden Bereitschaft

zu eigenem Engagement des LfV dieses formal zur

Durchführung dieser Maßnahmen hätte auffordern und

bei fortgesetzter Weigerung das Bayerische Innenminis-

terium, dem die Fachaufsicht über beide Bereiche zu-

kommt, hätte einschalten müssen.

d) Defizitäre Zusammenarbeit zwischen Thü-
ringen und Sachsen

Als problematisch erwies sich auch die Zusammenarbeit

zwischen den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden Thü-

ringens und Sachsens: Zwar hat es im Rahmen der Suche

nach dem Trio eine Vielzahl gemeinsamer Maßnahmen

der Thüringer Behörden mit der Polizei und dem Verfas-

sungsschutz Sachsens gegeben, den sächsischen Behörden

fehlten jedoch wesentliche Informationen, die von

Sachsen allerdings auch nicht eigeninitiativ eingefordert

wurden.

Es wurden weder die Hinweise auf die zeitgleich zu den

ersten Überfällen des Trios veränderte finanzielle Lage

der Gesuchten durch das LfV Thüringen weitergegeben,

noch die Hinweise darauf, dass das Bemühen um Waffen

wohl erfolgreich war. Hätte Sachsen etwa die Hinweise

erhalten, die Untergetauchten würden kein Geld mehr

benötigen, da sie jetzt „jobben“ bzw. „Aktionen ma-
chen“ würden, hätte möglicherweise eine Verbindung

zum Beginn einer ungeklärten Überfallserie in Sach-
sen hergestellt werden können.

Auch die sächsischen Sicherheitsbehörden haben - ebenso

wie der bayerische Verfassungsschutz – zu keinem Zeit-
punkt selbst irgendeine Initiative ergriffen. Selbst als

immer mehr Hinweise für Verbindungen des Trios nach

Sachsen, insbesondere nach Chemnitz, auftauchten, hielt

es keine sächsische Sicherheitsbehörde für nötig, sich ein

eigenständiges Bild der Gesamtlage zu verschaffen.

e) Unterlassene Informationsweitergabe
durch das LKA Berlin

Der Ausschuss hat auch ein unerklärliches Versäumnis

des LKA Berlin aufgedeckt: Im Rahmen regelmäßiger

Gespräche eines V-Mann-Führers des LKA Berlin mit

einem seiner Informanten aus der rechten Szene gab die-

ser am 13. Februar 2002 den Hinweis, Jan Werner habe

Kontakt zu drei Personen aus Thüringen, die per

Haftbefehl wegen Sprengstoff- und Waffenbesitzes

gesucht werden. Eine Auswertung dieses Hinweises

durch das LKA Berlin ist aus den Akten ebenso wenig

erkennbar wie die Weitergabe an die Sicherheitsbehörden

Thüringens oder Sachsens.

f) Beeinträchtigung der Arbeit des hessi-
schen Polizei durch das LfV Hessen

Im Rahmen der Ermittlungen zum Mord an Halit Yozgat

in Kassel verfolgte die hessische Polizei eine Spur gegen

einen damaligen Mitarbeiter des Hessischen Verfassungs-

schutzes, der eventuell Zeuge des Mordes hätte gewesen

sein können. Zur Abklärung dieser Spur wäre es notwen-

dig gewesen, die damaligen V-Personen des LfV-

Mitarbeiters, mit denen dieser Kontakt gehabt hatte, zu

vernehmen. Dies wurde den Ermittlungsbehörden zu-

nächst durch den Verfassungsschutz und letztlich durch

den damaligen hessischen Innenminister Bouffier mit

Hinweis auf den vorrangig sicherzustellenden Quellen-

schutz versagt.

Die hessische Polizei hat dies zu Recht als Behinderung

ihrer Arbeit angesehen. Dies hätte durch ein kooperati-

veres Vorgehen vermieden werden müssen.

g) Nur sporadische Einbeziehung des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz

Im Ausschuss ist auch deutlich geworden, dass nur der

geringe Teil von etwa 20 Prozent der Informationen,

die in den Verfassungsschutzbehörden der Länder über

die Jahre hinweg zum Trio seit dessen Untertauchen auf-

gelaufen waren, an das Bundesamt für Verfassungsschutz

weitergegeben wurden. Wesentliche Informationen wur-

den nicht übermittelt und standen so für die Lagebeurtei-

lung des BfV nicht zur Verfügung.

Bei eindeutig länderübergreifenden Vorgängen, wie

dem Untertauchen dreier offenkundig gewaltbereiter

Rechtsextremisten, die wahrscheinlich auf ein Netzwerk

gleichgesinnter Unterstützer zurückgreifen, ist eine voll-

ständige Informationszusammenführung aus allen betei-

ligten Bundesländern beim BfV zwingend erforderlich. Es

ist unverständlich, dass dies hier unterblieben ist und

daher auch keine zentrale Auswertung und Analyse der

Informationen erfolgen konnte.

Festgestellt werden musste im Ausschuss allerdings auch,

dass im BfV keinerlei signifikantes eigenes Interesse an

dem Schicksal des untergetauchten Trios vorhanden war.

Nennenswerte eigene Initiativen zur Informationserlan-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 885 – Drucksache 17/14600

gung sowohl gegenüber den Landesämtern als auch durch

Aktivierung eigener Erkenntnisgewinnungsmöglichkeiten

(V-Personen etc.) konnten – mit Ausnahme einer einzigen
lapidaren und nicht dokumentierten Lichtbildvorlage

gegenüber ihren V-Personen – nicht festgestellt werden.

Gerade in diesem Bereich besteht aus Sicht der SPD-

Mitglieder im Ausschuss dringender gesetzgeberischer

Handlungsbedarf, um mit einem verbesserten Informati-

onsaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden

die zentrale Auswertung relevanter Sachverhalte zu er-

zwingen und damit die Analysefähigkeit der Verfas-

sungsschutzbehörden insgesamt zu stärken.

Die Zentralstellenfunktion des BfV sollte gestärkt und

die Verpflichtung zur Informationsübermittlung und

zur zentralen Auswertung gesetzlich festgeschrieben

werden, damit auch die Verantwortung des BfV in derar-

tigen Sachverhalten deutlicher erkennbar wird. Entspre-

chende Vorschläge finden sich unten in Kapitel C./III.

Die anderen beschriebenen vielfältigen Zusammenar-

beitsprobleme, insbesondere zwischen Polizeien und

Verfassungsschutzbehörden, können durch gesetzliche

Maßnahmen nicht beseitigt werden. Offenkundig fehlt es

bei Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen an dem

erforderlichen Verständnis und den Kenntnissen zu den

Aufgaben, Befugnissen und vor allem auch zur Arbeits-

weise der jeweilig anderen Behörden, um dem verfas-

sungsrechtlichen Grundsatz der Amtshilfe jeweils sachge-

recht nachkommen zu können. Dem muss durch eine

bessere Qualifizierung der Beschäftigten in den Be-

hörden begegnet werden.

5. Eine Vielzahl handwerklicher Fehler in
Justiz, Polizei und Verfassungsschutz ta-
ten ihr Übriges

Neben den bereits beschriebenen Fehlern und Versäum-

nissen, die sich entweder unmittelbar aus föderalen Struk-

turen oder fehlendem Informationsaustausch sowie defizi-

tärer Zusammenarbeit der Behörden ergaben, sind im

Laufe der Ausschussarbeit eine Vielzahl einzelner indi-

vidueller „handwerklicher“ Fehler innerhalb der betei-
ligten Sicherheits- und Ermittlungsbehörden erkennbar

geworden.

Auch hier geht es nicht darum, Schuldzuweisungen vor-

zunehmen, sondern den Blick für mögliche strukturelle

Defizite zu öffnen, um daraus Schlussfolgerungen für

legislative oder administrative Veränderungen ziehen

zu können.

a) Im Bereich der Justiz

In der öffentlichen Wahrnehmung der Ausschussarbeit ist

bedauerlicherweise häufig der Eindruck entstanden, dass

vor allem der Verfassungsschutz und die Polizei im Mit-

telpunkt der Kritik bei der Aufarbeitung der Fehler und

Versäumnisse im NSU-Komplex stehen. Diesem Ein-

druck soll hier entgegengetreten werden. Denn das Ver-

halten der Justiz war über den gesamten Untersuchungs-

zeitraum nicht weniger kritikwürdig:

– Bei der in vielerlei Hinsicht desaströsen Durchfüh-
rung der Garagendurchsuchungen am 26. Januar

1998 fehlte es an einer sachgerechten Begleitung

durch die zuständige Staatsanwaltschaft Gera. Die

Anwesenheit eines Staatsanwalts bei der Durchsu-

chung wäre geboten gewesen. Statt eines Durchsu-

chungsbeschlusses für jedes zu durchsuchende Ob-

jekt wurde zudem ein gemeinsamer Beschluss für

alle Durchsuchungen erlassen – Böhnhardt,
Mundlos und Zschäpe mussten also nach dessen Er-

öffnung wissen, welche Objekte die Polizei durch-

suchte und was sie folglich finden würde, wodurch

eine rechtzeitige Flucht ermöglicht wurde.

– Das Verfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und
Zschäpe wegen der Bomben und Bombenattrappen

in Jena wurde durch die Staatsanwaltschaft Gera mit

Hinweis auf den angeblichen Eintritt der Verfol-

gungsverjährung am 15. September 2003 rechtsfeh-

lerhaft eingestellt. Zumindest bei Mundlos war die

Verjährung erst mit Ablauf des 2. Juli 2005 eingetre-

ten. Die verfrühte Einstellung verhinderte weitere

Ermittlungen.

Auch das Verhalten der beteiligten Staatsanwaltschaften

im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie und zu den

beiden Sprengstoffattentaten in Köln gibt breiten Anlass

zur Kritik:

– Zwar muss eine Staatsanwaltschaft nicht jeden ein-
zelnen Ermittlungsschritt der Polizei anordnen, je-

doch ist zu erwarten, dass die zur Sachleitung ver-

pflichteten Staatsanwaltschaften die Ermittlungen

sachgerecht begleiten und insbesondere auch

Schwerpunkte bei den Ermittlungsrichtungen set-

zen. Im Ausschuss ist nicht erkennbar geworden,

dass von Seiten der Staatsanwaltschaften je Anstöße

für neue Ermittlungsansätze kamen, auch nicht, als

jahrelange Ermittlungen im Opferumfeld eindeutig zu

nichts geführt hatten.

Die oben im Kapitel II. bereits ausgeführte Kritik

hinsichtlich der an vielen Stellen vorurteilsbelaste-

ten Ermittlungen fast ausschließlich im Bereich der

organisierten Kriminalität, gilt selbstverständlich

gleichermaßen für die beteiligten Staatsanwaltschaf-

ten. Diese haben ihre Sachleitungsbefugnis nicht im

erforderlichen Umfang ausgeübt und die Mordserie

nicht entsprechend ihrer bundesweiten Dimension

behandelt. Auch wurde die Fachaufsicht durch die

jeweiligen Justizministerien nicht im erforderlichen

Maße ausgeübt.

– Völlig sachwidrig war auch die Anordnung der Ver-
nichtung aller vorhandenen Asservate zum

Sprengfallenattentat in der Kölner Probsteigasse

durch die Staatsanwaltschaft Köln im Jahr 2006, also

bereits fünf Jahre nach der Tat. Die Staatsanwalt-

schaft verfügte die Vernichtung, obwohl sie selbst

zutreffend von einer Verjährungsfrist von 20 Jahren

ausging. Beweismittel gingen somit für immer verlo-

ren.

Drucksache 17/14600 – 886 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Die im Sommer 2006 beim Generalbundesanwalt
durchgeführte Prüfung seiner Zuständigkeit für die

Česká-Mordserie allein auf der Grundlage von vier
(!) Presseartikeln und einem Blick auf die Homepage

des BKA ist kaum nachvollziehbar. Schon die Prü-

fungsgrundlage ist absolut ungenügend. Eine Kon-

taktaufnahme des Generalbundesanwalts mit der

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth oder mit dem

BKA zur Erlangung weiterer Informationen erfolgte

nicht.

– Es wäre unbedingt erforderlich gewesen, sich eine
hinreichende Erkenntnisgrundlage zu verschaffen,

bevor über die Frage einer Verfahrensübernahme be-

funden wurde. Der Generalbundesanwalt hat seine

bestehenden Möglichkeiten der Informationsbe-

schaffung nicht hinreichend genutzt.

Zudem wurden in dem Entscheidungsvermerk des

GBA selbst die Erkenntnisse aus den Presseartikeln

verfälscht: Das in der Verfügung des GBA geschil-

derte angebliche Tatmotiv der „persönlichen Rache“
ist weder den vier genutzten Presseartikeln noch der

Homepage des BKA zu entnehmen. Aus welchem

Grund es zu dieser klaren „Verbiegung der Fakten“
kam, konnte im Ausschuss nicht aufgeklärt werden.

Der Verfasser des Vermerks sprach im Ausschuss

selbst von einer „steilen These“, die man „nur be-
dingt aus den Presseartikeln herauslesen“ könne. Da-
rüber hinaus überzeugen auch die rechtlichen

Schlussfolgerungen des Verfassers nicht. Der gesam-

te Vorgang ist als absolut unprofessionell und

handwerklich fehlerhaft zu kritisieren.

– Auch die Prüfungshandlungen des Generalbun-
desanwalts zum Kölner Nagelbombenattentat in

der Keupstraße beschränkten sich auf zwei Telefona-

te mit dem Leiter der Ermittlungskommission und

dem zuständigen Kölner Oberstaatsanwalt zwei Tage

nach der Tat sowie auf eine Bitte um eine Sach-

standmitteilung im Jahre 2005. Auch dies ist eine

vollkommen ungenügende Prüfgrundlage. Die

Kölner Staatsanwaltschaft wäre zudem verpflichtet

gewesen, ausreichend Informationen von sich aus zur

Verfügung zu stellen.

b) Im Bereich der Polizei

Schwere handwerkliche Fehler sind bereits bei der Poli-

zeiarbeit in Thüringen im Zusammenhang mit dem Ab-

tauchen des Trios festzustellen:

– Die Durchsuchungen der Garagen in Jena am
26. Januar 1998, während derer Böhnhardt sich un-

behelligt entfernen, und zusammen mit Mundlos und

Zschäpe untertauchen konnte, waren mangelhaft

vorbereitet und wurden nicht sachgerecht durchge-

führt.

– Auch die Auswertung der in den Garagen gefun-
denen Asservate erfolgte sachwidrig: Obwohl klar

war, dass sich das Trio auf der Flucht befindet und

Haftbefehle ausgestellt waren, dass also die Zeit

drängte, wurden die in der Garage sichergestellten

Gegenstände durch die Mitarbeiter der EG TEX über

lange Zeit nicht einmal durchgesehen, geschweige

denn fachgerecht ausgewertet.

– Erst zwei Wochen nach der Durchsuchung wurden
die Asservate überhaupt betrachtet. Der mit der Aus-

wertung betraute BKA-Mitarbeiter nahm dabei zwar

eine der von Mundlos verfassten Adresslisten zur

Kenntnis, eine andere, die sich in einer „REWE“-
Einkaufstüte befand, wurde aber überhaupt nicht

erfasst und kam erst im Jahr 2012 wieder zum Vor-

schein.

– Der BKA-Mitarbeiter, der die eine Adressliste im
Zuge der erbetenen Amtshilfe angesehen hatte, ver-

kannte die Bedeutung dieser Liste und unternahm

nichts um sicherzustellen, dass die zuständigen Ziel-

fahnder über die Kontaktdaten auf der Liste infor-

miert wurde. Zwar erklärte er im Ausschuss, er habe

die Liste dem Leiter der EG TEX gezeigt, doch konn-

te sich dieser daran nicht erinnern. Jedenfalls erreich-

ten die Informationen die Zielfahndung nicht. Durch

eine sofortige Auswertung der Adressliste hätte

dem Thüringer LKA die enge Verbindung von

Mundlos zu Mitgliedern des „Blood & Honour“-
Netzwerkes auffallen müssen, die als Kontaktperso-

nen und Fluchtunterstützer in Frage kamen.

– Von Seiten des BKA-Beamten wurden auch keiner-
lei weiterführende Abfragen zu den möglichen

Kontaktpersonen im BKA veranlasst oder andere

Stellen darüber informiert. In einem Vermerk stufte

der BKA-Beamte diese Liste vielmehr als „für das
hier geführte Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung“
ein.

– Mit den ebenfalls in der Garage sichergestellten
handschriftlichen Korrespondenz von Mundlos mit

Personen der Neonazi-Szene wurde gleichermaßen

sachwidrig verfahren. Die beiden wichtigsten Be-

suchs- und Briefpartner waren Torsten S. und Tho-

mas Starke, die beide zur Chemnitzer Neonazi-Szene

gehörten. Als Ermittlungsansatz wurden die Briefe

nicht genutzt.

Auch im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie und zu

den beiden Sprengstoffattentaten in Köln waren - neben

der oben bereits ausführlich kritisierten fehlenden Offen-

heit für Ermittlungsansätze außerhalb der organisier-
ten Kriminalität - eine Reihe handwerklicher Fehler

festzustellen:

– Die Beschränkung der Abfrage nach Abnehmern
von Schalldämpfern für die Česká 83 durch das
BKA im Jahr 2004 in der Schweiz auf „insbesondere
türkische Staatsangehörige“ war ein grober Fehler.

– Bei einer Reihe von Taten der Mordserie wiesen
Zeugenaussagen - beim Nagelbombenanschlag in der

Kölner Keupstraße sogar Videoaufnahmen - darauf

hin, dass zur Tatbegehung Fahrräder genutzt wur-

den. Eine Zeugin im Mordfall İsmail Yaşar hatte so-
gar den Fahrradfahrer aus dem Kölner Video als den

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 887 – Drucksache 17/14600

von ihr in Nürnberg beobachteten Radfahrer eindeu-

tig wiedererkannt („Der war es!“).

– Im polizeilichen Protokoll der Vernehmung wurde
die Aussage jedoch nur sehr relativiert wiedergege-

ben. Ein Polizeibeamter soll die Abschwächung der

Aussage nach Erkenntnissen des Untersuchungsaus-

schusses des Bayerischen Landtags „auf Nachfrage
des Protokollführers“ veranlasst haben. Aus welchem
Grund diese Veränderung der Aussage erfolgt ist,

konnte nicht aufgeklärt werden. Konsequente und

umfassende Ermittlungen zum Ansatz „Fahrräder als
Fluchtmittel“ wurden jedenfalls nicht geführt.

– Der Vorschlag, eine vergleichende Operative Fall-
analyse zur Mordserie und zum Anschlag in Köln zu

veranlassen, wurde mit dem Argument abgelehnt, es

könnten nicht „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden.
Hierdurch gingen eventuell wertvolle Ermittlungs-

hinweise verloren.

– Die durch die BAO Bosporus im Rahmen der Ermitt-
lungen zur „Einzeltätertheorie“ vorgenommene Be-

schränkung der Suche auf rechtsradikale Perso-

nen mit dem Wohnsitz Nürnberg ist bei einer

Mordserie mit Tatorten in mehreren Bundesländern

nicht nachzuvollziehen. Zumindest hätte der Kreis

der Suche zu dem Zeitpunkt, als die Überprüfungen

im Raum Nürnberg keine verwertbaren Ergebnisse

erbracht hatten, ausgeweitet werden müssen. Auch

die örtliche Beschränkung der Suche nach mögli-

chen Tätern aus der rechten Szene auf den Groß-

raum Köln nach dem Nagelbombenattentat in der

Keupstraße war sachwidrig.

– Dass trotz der beiden Operativen Fallanalysen, die
vom LKA Nordrhein-Westfalen und vom BKA zum

Nagelbombenattentat in der Keupstraße erstellt wor-

den waren, und die übereinstimmend eine rassisti-

sche Tatmotivation nahelegten, dies in den Ermitt-

lungen kaum Berücksichtigung fand und in der Öf-

fentlichkeitsarbeit bewusst zurückgehalten wurde, ist

ebenfalls deutlich zu kritisieren.

– Auch die Medienstrategie, die in der BAO Bosporus
im Jahr 2006 mit Zustimmung des damaligen Bayeri-

schen Innenministers Dr. Beckstein bewusst einen

möglichen rechtsextremen Hintergrund der Taten

ausklammerte, „um in der potentiellen türkischen
‚Zielgruppe‘ keine Unruhe aufkommen zu lassen“,
war falsch: Das Zurückhalten dieser Informationen

ließ die Öffentlichkeit im Unklaren und vergab eine

Chance, gezielte Hinweise auf die rechtsextreme

Szene zu gewinnen. Dass die Zurückhaltung in der

Öffentlichkeit zusätzlich darauf zurückzuführen war,

dass man die „Organisationstäterthese“ nicht in den
Hintergrund treten lassen wollte, zeigt einmal mehr,

dass es an der notwendigen Offenheit der Ermittlun-

gen fehlte.

Angesichts der Vielzahl benannter Fehler soll ab-

schließend nicht verschwiegen werden, dass einigen

der von anderer Seite besonders hervorgehobenen

Fehlern aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss

keine herausragende Bedeutung zukommt:

– So sind die öffentlich erhobenen Vorwürfe, dass zwei
Streifenbeamte, die zufälligerweise als erste den

Tatort des Nagelbombenattentats in der Kölner

Keupstraße erreichten und dort Erste Hilfe leisteten,

nicht als Zeugen vernommen worden seien, weil sie

die Täter gesehen haben müssten oder weil sie even-

tuell schon im Vorfeld Hinweise auf den bevorste-

henden Anschlag besessen haben könnten, aus unse-

rer Sicht unberechtigt, und dies nicht erst nach den

eindeutigen Aussagen der Polizeibeamten im Aus-

schuss.

– Auch die Vorwürfe bezüglich der angeblich nicht
sachgerechten Abarbeitung der Waffenspur in die

Schweiz zu Anton G. durch das BKA werden durch

die Mitglieder der SPD-Fraktion im Ausschuss nicht

in vollem Umfang geteilt. Da es sich immerhin noch

um eine von mehreren möglichen Spuren handelte

und keine weiteres Anhaltspunkte oder Vorhalte

mehr erkennbar waren, verbotene Vernehmungsme-

thoden aber ausscheiden mussten, erscheint ein dies-

bezüglicher Vorwurf nicht zwingend.

– Vor allem überzeugen uns die Vorhaltungen zu den
angeblich defizitären Abfragen in der Datei „Tatmit-
telmeldedienst Spreng- und Brandvorrichtungen“
nicht. Es mag zwar richtig sein, dass man dann, wenn

man die Datei zweckentfremdet, also vollkommen

auf Bezüge zu den verwendeten Tatmitteln verzichtet

und ausschließlich nach den Begriffen „rechtsradi-
kal“ und „Männer“ gesucht hätte, unter sehr vielen
anderen eventuell auch einen Hinweis auf das Trio

erhalten hätte, jedoch erscheint uns dieser Vorwurf

als konstruiert und zu weit hergeholt.

c) Im Bereich des Verfassungsschutzes

Die handwerklichen Fehler im Bereich des Verfassungs-

schutzes bei der Analyse der Gefahren des Rechtsextre-

mismus wurden bereits ausführlich im Rahmen des Kapi-

tels I. aufgezeigt.

Insbesondere im LfV Thüringen ist darüber hinaus zu

erkennen, dass offenkundig das Sammeln von Informati-

onen zum reinen Selbstzweck geworden war. Sachge-

rechte Auswertung und Analyse, vor allem aber Weiter-

gabe relevanter Informationen in geeigneter Form an die

zuständigen Stellen, die zwingend auf diese Informatio-

nen angewiesen gewesen wären, ist über weite Strecken

aus nicht nachvollziehbaren Gründen schlichtweg unter-

blieben. Bei einer Vielzahl von Quellenmitteilungen lässt

sich aus den Akten nicht einmal erkennen, dass der für

ihre Auswertung zuständige Mitarbeiter im LfV Thürin-

gen sie überhaupt zur Kenntnis erhielt.

Der Einsatz des nachrichtendienstlichen Mittels „V-
Personen“ ist insbesondere in Bezug auf den V-Mann
Tino Brandt derart aus dem Ruder gelaufen, dass das V-

Personen-Wesen insgesamt auf den Prüfstand gestellt

werden muss. Diesem Thema widmet sich das nachfol-

gende Kapitel VI.

Drucksache 17/14600 – 888 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Aber auch das Verhalten des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz in der Folge des Untertauchens des Trios ist

über weite Strecken unerklärlich:

Es waren zwar eigentlich genügend Informationen zur

Gefährlichkeit des Trios vorhanden und der Fall wurde

auch zu Recht im Referat „Rechtsterrorismus“ des BfV
bearbeitet, jedoch wurde im Ausschuss an keiner Stelle

erkennbar, mit welchen Maßnahmen das BfV versucht

hätte, eigeninitiativ weitere Informationen zum Verbleib

und zur aktuellen Gefährlichkeit des Trios zu erhalten.

Der Vorgang wurde offenkundig lediglich „verwaltet“.

Die in der rechten Szene, insbesondere auch in Sachsen,

durchaus vorhandenen V-Personen des BfV, wurden zu

keinem Zeitpunkt gezielt zur Informationsbeschaffung

über das Trio genutzt. Allein im Frühjahr 1998 soll

angeblich eine Lichtbildvorlage an die vom BfV geführ-

ten V-Personen erfolgt sein, die aber ohne jedes Ergebnis

geblieben sein soll. Besonders ärgerlich ist in diesem

Zusammenhang, dass eine der Quellen des BfV – doku-
mentiert in den Akten des BfV – sehr wohl Jahre vor der
Flucht einen Kontakt zu Mundlos hatte und diesen wohl

auch kannte. Weil dies dem zuständigen Auswerter je-

doch nicht aufgefallen war, wurde diese Quelle auch nicht

konkret zu diesem befragt.

Fest steht, dass nach der eventuell durchgeführten Licht-

bildvorlage die V-Personen nie wieder zum Trio befragt

wurden, obwohl dem BfV zwischenzeitlich neue, wenn

auch nur wenige, Informationen vorgelegen hatten. Es

wäre jedenfalls sachgerecht gewesen, daran anknüpfend

erneut Quellen im Bereich Rechtsextremismus zu befra-

gen, sie konkret mit der Suche nach Informationen zum

Trio zu beauftragen oder eventuell sogar zu versuchen,

neue Quellen hierfür zu erschließen. All dies ist nicht

geschehen.

6. Die festgestellten Auswüchse beim Einsatz
von V-Personen im Verfassungsschutz
müssen zu grundlegenden Reformen füh-
ren

In der Öffentlichkeit nahm die Debatte um die zum Teil

unerklärlichen Auswüchse im Bereich des Einsatzes von

„Vertrauenspersonen“ (besser: „Verbindungs-
Personen“, V-Personen) breiten Raum ein. Insbesondere
im Zuge der abstrusen Aktenvernichtungsaktivitäten im

BfV zur „Operation Rennsteig“ hat sich der Ausschuss
intensiv mit dem teilweise fragwürdigen Einsatz dieses

nachrichtendienstlichen Mittels befasst.

Bei „V-Personen“ handelt es sich um den Diensten nicht
angehörende Personen, die planmäßig – in der Regel
gegen finanzielle Entschädigung – zur verdeckten Be-
schaffung von Nachrichten über verfassungsfeindliche

Bestrebungen eingesetzt werden. Hiervon zu unterschei-

den sind sogenannte „Under-Cover-Agents“, „Informan-
ten“ oder „Gewährspersonen“.

Fragwürdig erschienen in vielen Fällen sowohl Auswahl

und Führung der V-Personen als auch deren Entschä-

digung im Verhältnis zum jeweiligen tatsächlichen Wert

der gelieferten Informationen.

Tino Brandt

Wenn etwa eine V-Person aus dem rechtsextremistischen

Milieu wie Tino Brandt für seine Tätigkeit als V-Mann

Otto, später Oskar, für das Thüringer LfV zwischen 1994

und Anfang 2001 mehr als 200 000 DM erhalten hat oder

eine V-Person aus der „Operation Rennsteig“ in sechs
Jahren offenkundig mit mehr als 60 000 EUR entlohnt

wurde, ohne dass der Wert der dafür gelieferten Informa-

tionen erkennbar dokumentiert gewesen wäre und ohne

dass sichergestellt war, dass die finanziellen Mittel nicht

gerade zur Finanzierung der extremistischen Tätigkei-

ten genutzt wurden, dann muss der Einsatz dieses Werk-

zeugs auf den Prüfstand gestellt werden.

Bei Tino Brandt kam noch hinzu, dass das LfV Thüringen

mit ihm eine Führungsperson der Thüringer Neonaziszene

als V-Mann eingesetzt hat. Dies allein ist bereits äußerst

problematisch, da die Zusammenarbeit mit Führungs-

personen extremistischer Organisationen bzw. Strukturen

stets die Gefahr in sich birgt, staatlicherseits steuernden

oder auch nur zurechenbaren Einfluss auf diese Orga-

nisationen oder Strukturen zu nehmen.

Im Fall Brandt steht zudem im Raum, dass er vom Ver-

fassungsschutz vor anstehenden Exekutivmaßnahmen

gewarnt oder auf Ermittlungsverfahren gegen ihn einge-

wirkt worden sein könnte. Derartige Warnungen wurden

von den Zeugen aus Thüringen durchweg bestritten. Es

verwundert allerdings, dass gegen Brandt im Laufe der

Jahre insgesamt 35 Ermittlungsverfahren eingeleitet wur-

den, die jedoch nie zu einer rechtskräftigen Verurteilung

führten.

Carsten Szczepanski

Ein weiteres alarmierendes Beispiel für einen fragwür-

digen V-Mann-Einsatz ist das des wegen versuchten ge-

meinschaftlichen Mordes an dem aus Nigeria stammen-

den Lehrer Steve E. zu acht Jahren Freiheitsstrafe rechts-

kräftig verurteilten Rechtsextremisten Carsten

Szczepanski, der vom Verfassungsschutz Brandenburg als

Quelle Piatto geführt wurde. Szczepanski diente sich 1994

dem Verfassungsschutz aus der Haft heraus als Informant

an, um Hafterleichterungen zu erlangen.

Im Ausschuss ist erkennbar geworden, dass sich der Ver-

fassungsschutz mit der Anwerbung des V-Manns Piatto

während dessen Haftzeit intensiv für ihn eingesetzt und

verwendet hat. Zur Ermöglichung vermehrter Freigänge

wurde durch den Verfassungsschutz auch gebilligt, dass

Szczepanski ein Praktikum in einem von einem „Blood &
Honour“-Aktivisten geführten Versandhandel mit rechten
Devotionalien durchführen konnte, das dann auch noch

für seine Bewährung positiv gewürdigt wurde.

Offenkundig hatte Szczepanski aus der JVA heraus zudem

das Fanzine „United Skins“ redaktionell betreut. Trotz-
dem wurde ihm stets ein gutes Zeugnis ausgestellt und

bescheinigt, dass er sich „von der rechten Szene gelöst“
habe. Damit wurde auch die Strafvollstreckungskammer,

die seine Haftstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln

aussetzte, mittelbar über die nach wie vor bestehenden

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 889 – Drucksache 17/14600

engen Verbindungen Szczepanskis zur neonazistischen

Szene getäuscht.

Schwer hinnehmbar ist aber vor allem, dass Szczepanski

bis zu seiner Abschaltung im Jahr 2000 vom Verfas-

sungsschutz insgesamt über 50 000 DM erhalten hat.

Dabei handelt es sich geschmackloserweise in etwa um

die Summe, die Szczepanski eigentlich seinem Opfer,

Steve E., als Schadensersatz und Schmerzensgeld hätte

zahlen sollen, nachdem er ihn in mittäterschaftlicher Be-

gehung mit anderen Rechtsextremen im Mai 1992 in

Brandenburg unter den hasserfüllten Tiraden der Meute

(„Ku-Klux-Klan!“, „Jetzt mach ich den Neger platt!“ oder
„Ertränken das Schwein!“) gemeinschaftlich fast zu Tode
schlug und im Scharmützelsee dem Ertrinken preisgab.

Steve E. schwebte damals lange Zeit in Lebensgefahr, lag

längere Zeit im Koma und wurde tief traumatisiert.

Szczepanski hätte niemals als V-Person verpflichtet wer-

den dürfen.

Die V-Personen des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz Q1, Q2 und Q3

Auch die genaue Sichtung der Fälle der V-Personen Q1,

Q2 und Q3, die über lange Jahre, teilweise zwei Jahrzehn-

te, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geführt

worden waren, hat den Blick für besondere Probleme mit

diesem nachrichtendienstlichen Mittel geschärft:

Durch die langjährige Führung dieser V-Personen, häufig

auch lange Zeit durch ein und den selben V-Mann-Führer,

sind offenkundig finanzielle und persönliche Abhän-

gigkeiten und ungesunde Nähen entstanden, die Zweifel

hinsichtlich der notwendigen Objektivität und sachge-

rechten Betreuung der jeweiligen V-Personen haben auf-

kommen lassen.

Ein weiterer problematischer Aspekt ist dadurch deutlich

geworden: Es wurde von den Verfassungsschutzbehörden

in der Regel kein Gedanke daran verschwendet, die V-

Personen, die jahrelang Informationen aus der rechten

Szene besorgt hatten, zu irgendeinem Zeitpunkt einmal –
beispielsweise im Rahmen eines „Aussteigerprogramms“
– aus dieser Szene „herauszuholen“. Statt dessen
schickte man sie in vielen Fällen nur noch tiefer hinein,

indem man sie konkret beauftragte, bestimmte Strukturen

„aufzuklären“, in denen sie sich zu diesem Zeitpunkt
selbst noch gar nicht bewegten.

All dies muss bei jedem zu der Erkenntnis führen, dass

intensiv zu prüfen ist, in welcher Form das Instrument des

V-Personen-Einsatzes weiter genutzt werden kann. Teil-

weise wird sogar gefordert, V-Personen einfach vollstän-

dig abzuschaffen.

Die SPD-Mitglieder im Ausschuss kommen zu dem

Schluss, dass die Verfassungsschutzbehörden im Bereich

der Bekämpfung verfassungsfeindlicher und terroristi-

scher Bestrebungen letztlich nicht grundsätzlich auf

menschliche Quellen für die Erlangung von nicht offen

zugänglichen Informationen verzichten können:

– Die Ausschussarbeit hat gezeigt, dass nicht zu viele,
sondern zu wenige Informationen über die von der

rechten Szene ausgehenden Gefahren vorgelegen hat-

ten. Es fehlte zwar maßgeblich auch an Analysefä-

higkeit in den Diensten, Informationsdefizite hat es

jedoch gegeben. Insofern wäre es fahrlässig, auf ein

so wesentliches Werkzeug der Informationsge-

winnung wie den Einsatz menschlicher Quellen von

vornherein zu verzichten. Es muss allerdings rechts-

staatlich einwandfrei ausgestaltet sein. Dass dies

nicht möglich sein soll, hat noch niemand nachge-

wiesen.

– Vor allem der unorganisierte Rechtsextremismus,
dessen Ziel häufig die Anwendung massiver Gewalt

und die Begehung schwerer Straftaten ist, agiert häu-

fig besonders konspirativ. Es bedarf aber einer wir-

kungsvollen Aufklärung der rechtsextremistischen

Szene, der Funktionen der Szeneangehörigen, deren

Personalien und Wechsel in deren Sozialgefüge.

Rechtsextremistische Gruppenaktivitäten bedürfen

der laufenden begleitenden Beobachtung, damit die

von solchen Klein- und Kleinstgruppen ausgehenden

Gefährdungspotenziale richtig bewertet werden

können und gegebenenfalls eine zunehmende Radika-

lisierung oder Gewaltbereitschaft einzelner Aktivis-

ten oder der gesamten Gruppierung rechtzeitig er-

kannt werden kann.

– Der Informationsaustausch innerhalb solcher Grup-
pen erfolgt oftmals ausschließlich persönlich und

ohne Nutzung von technischen Kommunikations-

mitteln, so dass andere ND-Mittel nicht erfolgsver-

sprechend sind. Oft können Maßnahmen zur Tele-

kommunikationsüberwachung (G10-Maßnahmen)

auch erst auf Grundlage von Quelleninformationen

durchgeführt werden.

– Auch erlaubt die Nutzung des Internet es den Nut-
zern oftmals, ohne Preisgabe einer wahren Identität

Propaganda zu verbreiten oder sich beispielsweise zu

Anschlagsplanungen zu verabreden. Relevante

Kommunikation findet nur in zugangsbeschränkten

Bereichen statt. Auch insoweit ist der V-Personen-

Einsatz häufig das einzig erfolgsversprechende ND-

Mittel, um die Beteiligten zu identifizieren.

– Selbst der teilweise diskutierte Vorschlag, vermehrt
„verdeckte Ermittler“, also unter einer Legende agie-
rende Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden, an Stelle

von V-Personen einzusetzen, vermag nicht zu über-

zeugen: Während V-Personen regelmäßig der Szene

bereits angehören, müssten verdeckte Ermittler erst

von außen mit hohem finanziellen und organisato-

rischen Aufwand in die Szene „eingeschleust“ wer-
den und sich innerhalb der Szene jahrelang ein ent-

sprechendes Vertrauen aufbauen, um überhaupt an

Informationen zu gelangen. Dies ist für die Praxis

unrealistisch.

– Nicht zu vergessen ist schließlich auch, dass der
Einsatz von V-Personen bei weitem nicht so stark in

grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte
eingreift wie dies beispielsweise durch G10-

Maßnahmen geschieht. Auch unter dem Grundsatz

Drucksache 17/14600 – 890 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der Verhältnismäßigkeit bewirken Einsätze von V-

Personen deshalb oft einen weit geringeren Grund-

rechtseingriff als technische Überwachungsmaßnah-

men.

Geht man also von der grundsätzlichen Notwendigkeit

der Ermöglichung des Einsatzes von V-Personen aus,

bleibt die Feststellung, dass dieser bisher in einer rechtli-

chen und verwaltungsmäßigen „Grauzone“ erfolgte,
aus der er dringend herausgeholt werden muss. Es bedarf

daher einschneidender Maßnahmen, um für die Zukunft

dieses stark in die Kritik geratene Instrument weiter nut-

zen zu können.

Dazu gehören vor allem die gesetzliche Verankerung

bundesweiter Rahmenbedingungen und die unabhän-

gige Kontrolle außerhalb der Behörde durch die G10-

Kommission (Einzelheiten in Kapitel C./III./2.).

7. Gravierende Fehler der Bundesregierung
bei der Aufarbeitung der Vorgänge nach
dem 4. November 2011 wären vermeidbar
gewesen

Nachdem im November 2011 klar wurde, dass eine neo-

nazistische Terrorzelle für eine der schwersten Verbre-

chensserien der Nachkriegsgeschichte verantwortlich war,

sprach Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel von einem

„außergewöhnlichen Ereignis, dem man größter Sorgfalt
nachgehen muss“, um „volle Klarheit über die Hinter-
gründe der Taten zu erhalten“. Im Rahmen der Gedenk-
veranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt

am 23. Februar 2012 ergänzte sie dies durch folgendes

Versprechen:

„Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die
Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und

alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Da-

ran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund

und Ländern mit Hochdruck.“

Leider hat die Bundesregierung diesen Aufruf zur Aufklä-

rung nicht ernst genug genommen. Sie hätte im Novem-

ber 2011 alles daran setzen müssen, um eine sorgfältige,

umfassende und rückhaltlose Aufklärung zu ermöglichen.

Schon damals waren die zentralen Fragen klar: Was wuss-

ten staatliche Stellen über die Mitglieder des NSU und

mögliche Unterstützer? Warum konnten der NSU jahre-

lang unbehelligt in Deutschland leben und schwerste

Verbrechen begehen? Wieso wurde der rechtsextremisti-

sche Hintergrund der Morde und Sprengstoffanschläge

nicht erkannt?

Die Bundesregierung hätte sich umgehend mit den Bun-

desländern an einen Tisch setzen müssen, um eine Strate-

gie für eine Aufklärung der Fragen und zur Unterstützung

der laufenden polizeilichen Ermittlungen zu erarbeiten.

Dabei hätte sie sich mit den Ländern auch auf die Ver-

hängung eines Aktenvernichtungsstopps einigen müs-

sen. Schließlich ging es um Vorgänge, die schon einige

Jahre zurück lagen, so dass eventuell auch datenschutz-

rechtliche Löschungsfristen eine Rolle spielen konnten.

Auch im Licht des vom Generalbundesanwalt am

11. November 2011 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens

wäre ein solches Vorgehen angezeigt gewesen.

All dies ist jedoch unterblieben, weil die Bundesregierung

die Dimension des Sachverhalts und ihre Pflicht zur

bestmöglichen Aufklärung nicht erkannt hat. Dem Aufruf

der Kanzlerin sind nicht die notwendigen Schritte gefolgt.

Stattdessen wurden nach dem 4. November 2011 im BfV

Akten mit Bezug zur rechtsextremistischen Szene in Thü-

ringen vernichtet. Diese Vorgänge wurden erst im Juni

2012 durch Nachfragen des damaligen BfV-Präsidenten

Fromm bekannt und haben das ohnehin schon angeschla-

gene Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes

weiter beschädigt. Der Umgang mit der Aktenvernichtung

zeigt, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich

nach wie vor nicht an einer rückhaltlosen Aufklärung

interessiert war. Statt einen außenstehenden, unabhängi-

gen Sonderermittler einzusetzen, beauftragte er einen in

die Hierarchie des BMI eingebundenen Unterabteilungs-

leiter. Dessen Ergebnis zum Motiv für die Aktenvernich-

tung mag zwar im BMI akzeptiert worden sein, den Aus-

schuss hat es aber nicht überzeugt.

Ebenso wenig war Bundesverteidigungsminister Dr.

Thomas de Maizière an einer Aufklärung der Vorgänge

um die Wehrdienstzeit von Mundlos interessiert. Zunächst

hielt es das BMVg nicht einmal für erforderlich, einen

Vertreter in den Ausschuss zu entsenden. Dabei war sehr

wohl absehbar, dass es auch Bezüge zur Bundeswehr

geben könnte.

Die Leitungsebenen von MAD und BMVg wussten be-

reits seit März 2012, dass es einen Kontakt des MAD zu

Mundlos gab. Trotzdem hat man es bewusst unterlassen,

bei anderen Behörden nachzufragen, ob das Befragungs-

protokoll dort noch existiert, nachdem es im MAD bereits

Jahre zuvor vernichtet worden war. Man entschied sich

lieber zum Nichtstun und informierte noch nicht einmal

den Untersuchungsausschuss über diesen Vorgang.

Ähnlich ignorant wurde mit der Personalakte von

Mundlos verfahren: Obwohl im BMVg bereits seit De-

zember 2011 Auszüge aus der Personalakte Mundlos

vorlagen, wurden diese unmittelbar nach Eingang wieder

vernichtet. Sachgerecht wäre es gewesen, bereits zu die-

sem Zeitpunkt die vollständige Personalakte anzufordern,

um sie den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen zu

können. Stattdessen wurde versucht, möglichst nicht mit

der Personalakte in Berührung zu kommen. Dem Unter-

suchungsausschuss wurde die Akte sogar erst im Septem-

ber 2012 vorgelegt.

Statt der von der Kanzlerin versprochenen Aufklärung

lautete die Devise offenbar: Ignorieren und Aussitzen.

III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Verloren gegangenes Vertrauen der Bevölkerung in die

Sicherheitsbehörden muss durch nachhaltige Reformen

wieder zurückgewonnen werden.

Selbstanalyse und Reflexion sind zwingende Vorausset-

zungen jeder wirksamen Veränderung. Alle betroffenen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 891 – Drucksache 17/14600

Stellen sind aufgefordert, diese zu betreiben sowie Maß-

nahmenkataloge zu entwickeln und umzusetzen, um die

erkannten Defizite wirksam abzustellen.

In den Schlussfolgerungen des Ausschusses schlagen alle

Fraktionen gemeinsam wichtige und umfangreiche Re-

formen in den Bereichen Polizei, Justiz, Verfassungs-

schutz, Parlamentarische Kontrolle und zur Stärkung der

Zivilgesellschaft vor.

Sämtliche gemeinsam von allen Fraktionen erarbeitete

Empfehlungen werden von den SPD-Mitgliedern im Aus-

schuss umfassend mitgetragen.

Es bedarf aber auch hier wieder einer gewissen Gewich-

tung dieser Empfehlungen aus unserer Sicht, um die

Schwerpunkte der Reformnotwendigkeiten besser deut-

lich werden zu lassen. Darüber hinaus brauchen wir aus

unserer Sicht an einigen Stellen weitere Reformansätze,

um den Erkenntnissen aus der Ausschussarbeit umfassend

Genüge zu tun. Auch diese zusätzlichen Empfehlungen

der SPD-Mitglieder im Ausschuss sollen im Folgenden

erkennbar werden:

1. Polizei

– Hervorzuheben ist im Bereich der Polizeiarbeit die
gemeinsame Forderung aller Fraktionen, künftig in

allen Fällen von Gewaltkriminalität, die einen rassis-

tisch oder politisch motivierten Hintergrund haben

können, die Polizei zu einer eingehenden Prüfung

dieser Frage zu verpflichten.

Entscheidend ist dabei aus Sicht der SPD-Mitglieder

im Ausschuss, dass Auslöser dieser Prüfung jeder

diesbezügliche Hinweis des Opfers oder eines Zeu-

gen sein sollte, der nicht durch eigene Einschätzun-

gen der Polizei, ob ein rassistisches Motiv vorliegt

oder nicht, ersetzt werden darf. Mit einer solchen Er-

fassung („victim centered definition“) hat die briti-
sche Polizei gute Erfahrungen gesammelt.

Dabei kommt aus Sicht der SPD-Mitglieder im Aus-

schuss der Verpflichtung zur regelmäßigen förmli-

chen Beteiligung des polizeilichen Staatsschutzes

und gegebenenfalls auch des Verfassungsschutzes
in diesen Fällen besondere Bedeutung zu, weil insbe-

sondere damit konkrete erste Ermittlungsschritte vor-

gegeben werden, die in Zukunft hoffentlich auch ein-

schlägigen Sachverstand in die Ermittlungen einflie-

ßen lassen werden.

– Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass
rassistische oder politisch motivierte Gewalttaten

auch als solche besser erkannt und treffsicher er-

fasst werden. Die gemeinsamen Vorschläge aller

Fraktionen zur grundlegenden Überarbeitung des

„Themenfeldkatalogs PMK“ und zur Einführung
einer „Verlaufsstatistik PMK“ gehen in die richtige
Richtung, müssen jedoch noch in der Praxis mit Le-

ben erfüllt werden. Aus Sicht der SPD-Mitglieder im

Ausschuss ist dabei entscheidend, dass die Verfolg-

barkeit von rassistisch motivierten Taten von der
Aufnahme einer Anzeige durch die Polizei bis zum

Abschluss des Strafverfahrens sichergestellt wird.

– Des Weiteren müssen die Voraussetzungen dafür
geschaffen werden, dass bei länderübergreifenden

Ermittlungsverfahren eine zentrale Ermittlungsfüh-

rung mit Weisungsbefugnis durch eine Polizei-

dienststelle ermöglicht wird. Diese muss nicht zwin-

gend in jedem Fall durch das BKA übernommen

werden, sondern kann – entsprechende Kapazitäten
vorausgesetzt – auch durch eine Länderpolizei er-
folgen. Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss

sollten dann allerdings auch die staatsanwaltschaftli-

chen Ermittlungen zwingend im Rahmen eines Sam-

melverfahrens zusammengeführt werden.

– Außerdem brauchen wir zweifellos in Polizei und
Justiz mehr Wissen über Strategien des Rechtsextre-

mismus, rechtsextreme Netzwerke und ihre überregi-

onalen Verbindungen. Hier sollten auch verstärkt

Wissenschaft und entsprechend spezialisierte zivilge-

sellschaftliche Organisationen einbezogen werden.

– Dringend verbessert werden muss der Umgang mit
Opfern rassistisch oder politisch motivierter Ge-

walttaten, ihren Angehörigen und ihnen nahestehen-

den Personen.

Opfer rassistisch oder politisch motivierter Kriminali-

tät sollten – über die bestehenden gesetzlichen Ver-
pflichtungen der §§ 406f und 406h StPO hinaus – in
einer auf ihre speziellen Bedürfnisse eingehenden Art

und Weise auf bestehende Beratungsangebote sowie

etwaige Entschädigungsansprüche hingewiesen

werden. Außerdem müssen sie über das Recht, sich

bei einer Zeugenvernehmung von einem Anwalt oder

einer Person ihres Vertrauens begleiten lassen zu

können, informiert werden.

Wichtig ist für die SPD-Mitglieder im Ausschuss da-

bei, dass nicht nur auf staatliche, sondern gerade auch

auf die spezialisierten Beratungsangebote in freier

Trägerschaft hingewiesen wird und dass diese Hin-

weise auch angemessen und nachvollziehbar doku-

mentiert werden müssen.

– Über die gemeinsamen Schlussfolgerungen aller
Fraktionen hinaus fordern wir als SPD-Mitglieder im

Ausschuss für den Bereich des polizeilichen Um-

gangs mit dem Opferumfeld, dass binnen fünf

Jahren in allen hierfür in Betracht kommenden Poli-

zeidienststellen namentlich bezeichnete und entspre-

chend ihrer Position ausgebildete und geschulte

„Familienverbindungsbeamte“ vorgesehen sein
sollten.

Diese sollen vorrangig bei Gewaltstraftaten im Kon-

takt mit den Opfern und ihren Angehörigen einge-

setzt werden, um eine sensible Kommunikation, die

auch interkulturelle Aspekte berücksichtigt, zu ge-

währleisten. Zur Orientierung für Tätigkeit, Ausbil-

dung und Schulung kann dabei auf den Ansatz des

„family liaison officer“ (FLO) verwiesen werden,
mit dem in Großbritannien gute Erfahrungen gesam-

melt werden konnten.

Drucksache 17/14600 – 892 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Untersuchungsaus-
schuss bedarf es über die gemeinsamen Forderungen

aller Fraktionen hinaus der Einrichtung unabhängi-

ger Beschwerdestellen für polizeiliches Fehlver-

halten auf Bundes- und auf Länderebene.

Diese Stellen sollen einerseits als Ombudsstelle für

Bürgerinnen und Bürger fungieren, die sich über

polizeiliches Fehlverhalten beschweren möchten.

Andererseits sollen sie aber auch eine Anlaufstelle

für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei
sein, bei der sie Missstände in der Polizei melden

können.

Der Polizei stehen weitreichende, in Grundrechte

eingreifende Befugnisse zu. Eine Überprüfung poli-

zeilichen Handels kann beim Verdacht einer Straftat

durch die Staatsanwaltschaft erfolgen, die ihrerseits

aber wiederum auf die Ermittlungen der Polizei an-

gewiesen ist. Darüber hinaus gibt es in Deutschland

die Möglichkeit, grundrechtsrelevante polizeiliche

Maßnahmen einer nachgelagerten verwaltungsge-

richtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen.

Dies erfordert jedoch de facto einen Gang zum An-

walt und ist daher mit einem Kostenrisiko verbunden.

Abschreckend kann dabei auch eine möglicherweise

langwierige Verfahrensdauer wirken. Schließlich

können Betroffene eine Dienstaufsichtsbeschwerde

erheben, die dann in der polizeilichen Hierarchie ge-

prüft wird. Dementsprechend gilt dieser Rechtsbehelf

gemeinhin als weitgehend fruchtlos.

Als Ergänzung der bestehenden Kontrollmöglichkei-

ten könnten unabhängige Beschwerdestellen für poli-

zeiliches Fehlverhalten ein Gegengewicht zu den

weitreichenden Eingriffsbefugnissen bilden.

Nach unserer Vorstellung sollen die Beschwerdestel-

len größtmögliche Unabhängigkeit genießen, sie

dürfen nicht in ein Ressort der jeweiligen Exekutive

eingebunden sein und müssen über eine ausreichende

Sach- und Personalausstattung verfügen. Die Mit-

glieder der unabhängigen Beschwerdestellen sollen

vom jeweiligen Parlament ernannt werden. Das Be-

schwerdeverfahren selbst sollte möglichst

niedrigschwellig ausgestaltet sein: keine Kosten,

keine besonderen Formerfordernisse. Regelmäßige

Berichte über die Tätigkeit der Beschwerdestellen

und ein Informationsangebot in vielen Sprachen sol-

len für Transparenz sorgen und Hemmschwellen

abbauen, sich über polizeiliches Verhalten zu be-

schweren.

Erfahrungen aus dem Ausland, aber auch erste Pro-

jekte in Deutschland (z. B. mit der 1998 vom rot-

grünen Senat geschaffenen Hamburger Polizeikom-

mission) fallen positiv aus. Dementsprechend wird

die Einrichtung derartiger Beschwerdestellen in

Deutschland seit langem von Menschenrechtsorgani-

sationen (u. a. Amnesty International) sowie dem

Menschenrechtsbeauftragten des Europarats gefor-

dert. Es ist an der Zeit, diese Forderung endlich um-

zusetzen.

– Angesichts der im Kapitel II. ausführlich beschriebe-
nen Erkenntnisse zu routinisierten, oftmals rassis-

tisch geprägten, Verdachts- und Vorurteilsstruk-

turen in den Ermittlungsbehörden, sind für die SPD-

Mitglieder im Ausschuss Maßnahmen zur Stärkung

der interkulturellen Kompetenz und zur Bekämp-

fung institutioneller Vorurteilsstrukturen von be-

sonderer Wichtigkeit. Es bedarf insofern eines brei-

ten Maßnahmenbündels:

– Verbesserung der Personalauswahl

Der Mitarbeiterstab der Polizeibehörden sollte aus

Sicht aller Fraktionen im Ausschuss so weit als mög-

lich sowohl die kulturelle Vielfalt als auch die ver-

schiedenen Bevölkerungsgruppen unserer Gesell-

schaft widerspiegeln. Es bedarf deshalb einer geziel-

ten Erhöhung der Diversität in der Polizei, wobei

von vornherein verschiedene Vielfaltsdimensionen

berücksichtigt werden sollen.

Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss können

dabei die Vorgabe bestimmter Zielmarken bezogen

auf die Einstellungsjahrgänge, Analysen von Be-

werbungshemmnissen und zielgruppenbezogene

Werbung für eine Tätigkeit im Polizeidienst hilf-

reiche Instrumente darstellen. Es bedarf dabei auch

einer entsprechenden Qualifizierung der Personal-

entscheider.

– „Diversity Management“ und Diskriminierungs-
verbot in Führungsstrukturen verankern

Allein die Erhöhung des Anteils von Polizistinnen

und Polizisten mit Migrationshintergrund ist keine

ausreichende Maßnahme, um diskriminierendes Han-

deln in der Polizei zu verhindern. Es bedarf aus Sicht

der SPD-Mitglieder im Ausschuss einer nachhaltigen

Implementierung von „Diversity Management“
auf allen Ebenen der Führungsstrukturen. Dabei geht

es nicht um Assimilierung, sondern um Veränderung

der Strukturen im Sinne der Hervorhebung individu-

eller Verschiedenheit durch positive Wertschätzung.

Nicht die Minderheiten stehen im Fokus, sondern die

Gesamtheit der Bediensteten in all ihren Unterschie-

den und Gemeinsamkeiten. Die Achtung des Dis-

kriminierungsverbots bei staatlichem Handeln und

die Sicherung des diskriminierungsfreien Zugangs

zu staatlichen Stellen und Leistungen ist dabei Füh-

rungsaufgabe. Das Leitbild diskriminierungsfreier

Polizeiarbeit muss auf allen Ebenen wirkungsvoll

verankert werden.

– Unabhängige Untersuchung zu vorurteilsbehafte-
ten Einstellungsmustern in der Polizei

Da die wenigen Untersuchungen zu rassistischen

Einstellungen und Vorurteilen in der Polizei aus den

1990er Jahren stammen und nicht mehr aktuell sind,

bedarf es aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss

angesichts der oben im Kapitel B./II. ausführlich be-

legten Hinweise auf routinisierte, teils auch rassis-

tisch geprägte, Verdachts- und Vorurteilsstrukturen

in der Polizei neuer wissenschaftlich fundierter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 893 – Drucksache 17/14600

Analysen. Diese sollen die vermuteten Einstel-

lungsmuster und deren Auswirkungen auf polizeili-

ches Handeln beschreiben und erkennbar werden las-

sen, welche strukturellen Faktoren, die Verfestigung

solcher Einstellungen vorantreiben oder ihnen entge-

genwirken können.

– Deutliche Verbesserung von Aus- und Fortbildung

In der Aus- und Fortbildung der Polizei muss Men-

schenrechtsbildung im weitesten Sinne zum zentra-

len Bestandteil werden. Diskriminierungsfreie Poli-

zeiarbeit und die Auseinandersetzung mit Rassis-

mus müssen dabei eine wesentliche Rolle spielen.

Die Polizeiausbildung darf nicht beschränkt bleiben

auf die Vermittlung von Kriminalistik und Rechts-

kenntnissen. Hinzukommen müssen verstärkt verhal-

tens- und handlungsbezogene Bildungsaspekte.

„Interkulturelle Kompetenz“ muss das Ziel sein.

Dabei ist es aus unserer Sicht besonderes wichtig,

dass die Diskurs- und Kritikfähigkeit der Beschäf-

tigten gestärkt wird. Reflexion der eigenen Arbeit

und konstruktiver Umgang mit begangenen

Fehlern sind dabei unverzichtbare Elemente, die in

den Aus- und Fortbildungsprogrammen Berücksich-

tigung finden müssen.

In die Entwicklung entsprechender Aus- und Fortbil-

dungsprogramme sollten auch die Wissenschaft und

entsprechend spezialisierte zivilgesellschaftliche

Organisationen einbezogen werden.

2. Justiz

Einige moderate Korrekturen am bestehenden Rege-

lungssystem im Bereich der Justiz sind nach den im Aus-

schuss gewonnenen Erkenntnissen, die ausführlich oben

im Kapitel B./III. beschrieben wurden, angezeigt:

– Mit den anderen Fraktionen gemeinsam fordern wir
die Erweiterung der materiellen Ermittlungszustän-

digkeit des GBA durch eine Korrektur des § 120

Abs. 2 Nr. 3 GVG.

Zukünftig soll es ausreichen, dass ein Kapitaldelikt

„bestimmt und geeignet sein KANN“ – und nicht
„bestimmt und geeignet IST“ –, den Bestand eines
Staates oder Verfassungsgrundsätze zu beeinträchti-

gen. Damit hätte der GBA in der Frage der eigenen

Zuständigkeit einen größeren Beurteilungs- und

Entscheidungsspielraum, der im Fall der Česká-
Mordserie die Übernahme der Ermittlungen durch

den GBA und damit eine zentrale Ermittlungsführung

ohne Frage erleichtert hätte.

Sichergestellt werden muss zudem, dass zukünftig

Qualitätsstandards für die entsprechenden Prüfvor-

gänge beim GBA gelten und dass die Vorgänge ver-

pflichtend den jeweils aktuellen Sachstands- oder

Ermittlungsbericht und eine Stellungnahme der ak-

tuell verfahrensführenden Stelle enthalten müssen.

Weiterhin sollte die Verpflichtung der Staatsan-

waltschaften der Länder, dem GBA in entspre-

chenden Fällen auch die notwendigen Informationen

zur Prüfung seiner Zuständigkeit zu übermitteln,

die bisher in Nr. 202 der RiStBV geregelt ist, im Ge-

richtsverfassungsgesetz verankert werden.

Die SPD-Mitglieder im Ausschuss fordern darüber

hinaus nach den im Ausschuss gewonnen Erkenntnis-

sen über die fehlende Bereitschaft in den Ländern,

Verfahren an den GBA abzugeben, zusätzlich eine

Verpflichtung zur Vorlage der konkreten Ermitt-
lungsakten (Doppelakten), wenn es sich um Fälle

versuchter oder beendeter Kapitaldelikte (§§ 211,

212, 227, 251, 306c StGB) handelt, bei denen eine

extremistische Motivation der Tat zumindest nicht

auszuschließen ist.

Damit wäre sichergestellt, dass der GBA nicht nur

anhand eventuell schöngefärbter zusammenfassender

Berichte der Länderstaatsanwaltschaften, sondern auf

der Grundlage der tatsächlichen Ermittlungsak-

ten über seine Zuständigkeit selbst entscheiden kann.

– Auch im Bereich der Bewirkung der Durchführung
eines Sammelverfahrens geht unsere Forderung

über die der anderen Fraktionen hinaus:

Mit den anderen Fraktionen befürworten wir eine Er-

gänzung des § 143 Abs. 3 GVG um eine Bestim-

mung, die ausdrücklich festlegt, dass sich „übernah-
mewillige“ oder „abgabewillige“ Staatsanwaltschaf-
ten zur Herstellung einer Sammelverfahrenszustän-

digkeit antragsstellend an den GBA wenden können.

Dies bestärkt im Grunde jedoch nur die bereits beste-

hende Rechtslage.

Weil im Rahmen der der Česká-Mordserie keine der
fünf beteiligten Staatsanwaltschaften eine solche Ver-

fahrensübernahme wirklich gewollt hat, ist aus Sicht

der SPD-Mitglieder im Ausschuss den Erkenntnissen

aus dem Ausschuss durch diese klarstellende Fest-

stellung noch nicht ausreichend Rechnung getragen.

Deshalb fordern wir zusätzlich, dass dem GBA durch

Ergänzung des § 143 Abs. 3 GVG in geeigneten

Fällen schwerer und schwerster länderübergreifender

Straftaten, die erkennbar in einem Zusammenhang

stehen, zur Sicherstellung einer einheitlichen Verfah-

rensführung die Befugnis übertragen wird, von Amts

wegen – also notfalls auch gegen den Willen der
Länder, wenn auch im Benehmen mit diesen, –

Strafverfahren einheitlich einer Landesstaatsan-

waltschaft zur Verfolgung zuweisen zu können.

– Die Ausweitung der Zuständigkeiten des GBA und
der Prüfaufgaben müssen aus Sicht der SPD-

Mitglieder im Ausschuss zudem einhergehen mit ei-

ner Verbesserung der personellen Ausstattung.

3. Verfassungsschutz

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die

Notwendigkeit und in die Arbeitsfähigkeit des Verfas-

sungsschutzes ist offenkundig stark erschüttert worden.

Ein Verfassungsschutz kann aber nur dann erfolgreich

arbeiten, wenn er dieses Vertrauen besitzt. Eine Akzep-

Drucksache 17/14600 – 894 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tanz des Verfassungsschutzes durch die Gesellschaft

kann nur dadurch bewirkt werden, dass er seinen Mehr-

wert für die Sicherheit der Menschen deutlich und sein

Handeln nachvollziehbar macht. Bereits begonnene Re-

formen im BfV reichen bei weitem nicht aus.

Der Verfassungsschutz muss weg vom „Schlapphut-
Image“. Wir brauchen bei den Behörden einen umfas-

senden Mentalitätswechsel und ein neues Selbstver-

ständnis. Verfassungsschützer müssen nicht in erster

Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokra-

ten, mit einem richtigen Gespür für die Gefahren, die

unserer Demokratie drohen.

Defizite sind vor allem im Bereich der Bekämpfung des

Rechtsextremismus offenkundig geworden. Die Schlag-

kraft des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem hängt

heute vor allem davon ab, ob man wach genug ist, Radi-

kalisierungstendenzen in der Gesellschaft frühzeitig zu

erkennen.

Es handelt sich also nicht ausschließlich um ein Problem

defizitärer Informationsübermittlung zwischen den Be-

hörden, sondern auch um ein Wahrnehmungsproblem,

also ein Problem unzureichender Informationsgewinnung

und -bewertung.

Diesem Kernproblem kann nur durch nachhaltige Ver-

besserung der Personalauswahl (insbesondere im Hin-

blick auf Interdisziplinarität) und Personalführung so-

wie von Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter begegnet werden. Diese müssen in die Lage

versetzt werden, ihren Aufgaben zur Gefahrerkennung

und zur Beratung mit hoher Motivation, breiten analy-

tischen Fähigkeiten und starker interkultureller

Kompetenz nachzukommen.

Zur Erreichung dieser Ziele ist aus Sicht der SPD-

Mitglieder im Ausschuss eine Vielzahl organisatorischer

und gesetzgeberischer Maßnahmen erforderlich:

a) Grundlegende organisatorische Maßnah-
men

– Die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes muss
gerade im Bereich des Rechtsextremismus gezielt

verbessert werden durch Qualifikation und verbesser-

te Personalauswahl sowie durch Einbeziehung wis-

senschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Sachver-

stands. Verfassungsschutz muss auch als unmittelba-

re Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger erkenn-

barer werden.

– Wir brauchen einschneidende organisatorische
Maßnahmen im BfV: Die für die Bekämpfung des

Rechtsextremismus zuständige Abteilung 2 sollte in-

nerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre vollständig

nach Berlin verlegt werden! Dabei sollte – wie da-
mals bei der Abteilung 6 – ein striktes Freiwillig-
keitsgebot herrschen, so dass ein konzeptioneller

und personeller Neuaufbau dieses Bereichs ermög-

licht wird („frischer Wind“).

– Die Organisationsstruktur der seit Dezember 2011
wie Pilze aus dem Boden geschossenen „Gemeinsa-

men Abwehrzentren“ sind insgesamt auf den Prüf-
stand zu stellen: Das neu eingerichtete „Gemeinsame

Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“
(GAR) sollte von seinen jetzigen zwei Standorten

(Köln und Meckenheim) an einem Standort errichtet

werden. Zu prüfen ist weiterhin, ob die Erhaltung

zweier Abwehrzentren gegen Terrorismus (GETZ in

Köln und GTAZ in Berlin) langfristig Sinn macht,

insbesondere weil das „Gemeinsamen Internetzent-
rum“ (GIZ) bereits in Berlin aufgebaut wurde.

b) Stärkung der Zentralstellenfunktion des
BfV

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat unter ande-

rem gezeigt, dass das BfV und mehrere Landesämter für

Verfassungsschutz dezentral über Teilinformationen zu

dem Fallkomplex verfügten, jedoch an keiner Stelle im

Verfassungsschutzverbund alle verfügbaren Informatio-

nen vorlagen. Mehrere Verfassungsschutzbehörden haben

zudem operative Maßnahmen angeordnet, eine eindeutige

durchgehende Koordination im Verfassungsschutzver-

bund erfolgte jedoch nicht.

Die deshalb immer wieder aufflackernden Forderungen

nach einer grundsätzlichen Abschaffung oder Zusammen-

legung der Landesämter überzeugen nicht: Gegen die

Schaffung einer einzigen Zentralbehörde spricht, dass

auch diese wieder Niederlassungen und Personal vor Ort

benötigt und eine Effizienzsteigerung keinesfalls sicher

wäre. Zudem würde die freiheitssichernde Funktion des

Föderalismus beeinträchtigt. Gegen eine Zusammenle-

gung von LfVs einzelner Länder spricht, dass dann unklar

bliebe, welche Landesregierung für einen solchen Zu-

sammenschluss nun politisch verantwortlich wäre und vor

allem durch welches Landesparlament die parlamentari-

sche Kontrolle erfolgen kann. Letztlich sollte deshalb die

vom Grundgesetz geforderte föderale Aufgabenvertei-

lung beibehalten werden.

Entscheidend ist aber, dass die Länderinnenminister ihre

Landesbehörden professionell aufstellen und eine enge

Kooperation untereinander und mit dem Bund ge-

währleisten. Provinzialismus und Kleinstaaterei dürfen

nicht dominieren. Der Vorstoß der Landesinnenminister

zur Neuausrichtung der Landesämter für Verfassungs-

schutz ist insofern zu begrüßen, geht allerdings aus Sicht

der SPD-Mitglieder im Ausschuss noch nicht weit genug.

Es bedarf zudem einer klaren Stärkung der verfassungs-

rechtlich bereits vorgegebenen Zentralstellenfunktion

des BfV. Dabei reicht es nicht aus, kleinere Schritte auf

untergesetzlicher Ebene, etwa im Rahmen einer Verände-

rung der von der IMK beschlossenen „Koordinierungs-
richtlinie“ zu gehen. Es bedarf vielmehr einer gesetzli-
chen Klarstellung der Kompetenzen des BfV in § 5

BVerfSchG:

aa) Ermöglichung eigener Tätigkeit des BfV in
den Ländern bei gewaltbezogenen Tätig-
keiten und Bestrebungen

Zum einen muss das BfV die Möglichkeit erhalten, im

Bereich des gewaltbezogenen Extremismus immer auch

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 895 – Drucksache 17/14600

eigene Maßnahmen im Land zu ergreifen, selbstver-

ständlich aber nach wie vor nur im Benehmen mit den

jeweiligen LfVs. Hierzu sollte § 5 Abs. 2 Satz 2

BverfSchG um das Kriterium des Gewaltbezugs („…ist
Voraussetzung, dass sie darauf gerichtet sind, Gewalt

anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten“)
erweitert werden.

bb) Selbsteintrittsrecht des BfV in Einzelfällen

Zum anderen muss § 5 BVerfSchG dahingehend ergänzt

werden, dass es dem BfV ermöglicht wird, in Einzelfäl-

len die Koordinierung der Informationsbeschaffung

und die zentrale Auswertung an sich zu ziehen, wobei

dem BfV dann im Gegenzug selbstverständlich eine um-

fassende Informationspflicht gegenüber den betroffenen

Landesbehörden auferlegt werden muss.

cc) Es muss eine gesetzliche Pflicht zum In-
formationsaustausch geben

Im Hinblick auf die Verbesserung des Informationsaus-

tauschs im Verfassungsschutzverbund und zwischen

Nachrichtendiensten und Polizeien sind durch die gesetz-

liche Ergänzung des § 6 Satz 8 BVerfSchG und die

Einführung der Verbunddatei Rechtsextremismus

(RED) sowie mit der Einrichtung des „Gemeinsamen
Abwehrzentrums gegen Rechts“ (GAR) bereits wesent-
liche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden.

Bislang fehlt es aber vor allem an einer verbindlichen

Verpflichtung der Landesämter für Verfassungs-

schutz zur unverzüglichen Informationsübermittlung

an das BfV in den gesetzlich vorgesehenen

Phänomenbereichen und bezogen auf die von ihnen selbst

gesammelten Informationen, Auskünfte, Nachrichten und

Unterlagen.

Zwar ergibt sich eine gewisse Unterrichtungspflicht aus

§ 5 BVerfSchG i.V.m. § 3 der (untergesetzlichen) Koor-

dinierungsrichtlinie der IMK, doch reicht dies nicht aus.

Anzustreben ist eine gesetzliche Klarstellung um sicher-

zustellen, dass beim BfV – unabhängig von den Auswer-
tungsmöglichkeiten in den Ländern – eine zentrale Aus-
wertung aller Informationen aus den Ländern erfolgen

kann. Nur so kann häufig eine länderübergreifende Be-

deutung bestimmter Informationen überhaupt erst erkannt

werden. Verbunden sein muss dies selbstverständlich mit

korrespondierenden umfassenden Informationspflichten

vom BfV gegenüber den Landesämtern.

Wenn nun teilweise gefordert wird, die Übermittlungs-

pflichten sowie die Analyse- und Recherchefunktionen in

den eingerichteten Verbunddateien (insbesondere

NADIS-neu) auch auf andere Phänomenbereiche und

Informationen zu Personen ohne Gewaltbezug auszudeh-

nen, so kann dem nicht ohne tiefergehenden Diskurs ge-

folgt werden. Wer solch weitreichende Forderungen nach

zentralen Dateien mit umfassenden Analyse- und Recher-

chemöglichkeiten erhebt, muss zumindest gleichzeitig

überzeugende Vorschläge zur Wahrung der verfas-

sungsrechtlichen Anforderungen an Datenübermitt-

lungen und Zweckänderungen (z. B. durch Anonymi-

sierungs-, Pseudonymisierungs- oder Kennzeichnungs-

pflichten) machen.

c) Stärkere Öffnung gegenüber der Gesell-
schaft

Der Verfassungsschutz muss sich auch stärker gegen-

über der Gesellschaft öffnen. Fenster und Türen müssen

aufgemacht werden. Ein ständiger Dialog ist erforderlich.

Durch Aufklärung vor Ort, also in den Städten und Ge-

meinden, sowie durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit

muss er sein Fachwissen über extremistische Bestrebun-

gen und deren gesellschaftliche Bekämpfung erkennbar

und nutzbar machen.

d) Stärkung des Bundesdatenschutzbeauf-
tragten

Es bedarf einer Stärkung des Bundesbeauftragten für

den Datenschutz und die Informationssicherheit

(BfDI) gegenüber dem BfV.

Dies hat sich im Ausschuss insbesondere an der schon seit

längerem bestehenden Kontroverse zwischen dem BfDI

einerseits und dem BfV/BMI andererseits zur Frage, wann

Papierakten zu vernichten sind, gezeigt. Gerade in einem

derart grundrechtssensiblen Bereich darf es keine fort-

während unklaren Auslegungsfragen geben. Daher müs-

sen die bislang geltenden Regelungen im BVerfSchG zur

Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten

in Akten und Dateien angesichts der technischen Ent-

wicklung umfassend novelliert werden. Dabei muss be-

rücksichtigt werden, dass die einst für Papierakten ge-

schaffenen Regelungen nicht auf elektronisch geführte

Akten übertragen werden können. Für E-Akten (oder

gescannte Papierakten) sind aufgrund der elektronischen,

automatisierten Auswertungsmöglichkeiten klare, hand-

habbare Regelungen erforderlich.

Um die Einhaltung dieser Regelungen zu überprüfen,

muss die Rolle des BfDI gegenüber dem BfV gestärkt

werden. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass er

Zugang zu allen Informationen erhält, die für eine sachge-

rechte Wahrnehmung seiner Kontrolltätigkeit erforderlich

sind. Bisherige gesetzliche Möglichkeiten, Auskünfte

oder Akteneinsicht gegenüber dem BfDI zu verweigern,

müssen auf den Prüfstand.

Zudem sollten die personellen und finanziellen Ressour-

cen auf Seiten des BfDI erheblich verstärkt werden, damit

der BfDI auch die nach dem BDSG vorgesehen Kontroll-

aufträge des Deutschen Bundestages ordnungsgemäß

erfüllen kann.

e) Maßnahmen zum V-Personen-Einsatz

Geht man von der grundsätzlichen Notwendigkeit der

Ermöglichung des Einsatzes von V-Personen aus, wie

dies oben im Kapitel B./VI. ausführlich begründet wurde,

bleibt die Feststellung, dass dieser bisher in einer rechtli-

chen und verwaltungsmäßigen „Grauzone“ erfolgte,
aus der er dringend herausgeholt werden muss. Es bedarf

daher einschneidender Maßnahmen, um für die Zukunft

dieses stark in die Kritik geratene Instrument weiter nut-

zen zu können. Dazu gehören aus der Sicht der SPD-

Drucksache 17/14600 – 896 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mitglieder im Ausschuss vor allem die gesetzliche Ver-

ankerung bundesweiter Rahmenbedingungen und die

unabhängige Kontrolle außerhalb der Behörde durch

die G10-Kommission.

aa) Gesetzliche Verankerung bundesweiter
Rahmenbedingungen für die Quellenfüh-
rung neben internen bundesweiten Stan-
dards

Einsätze von V-Personen dürfen nicht mehr weiterhin

allein auf der Grundlage untergesetzlicher, behördeninter-

ner und geheimer Regelungen erfolgen, die jegliche

Nachvollziehbarkeit vermissen lassen. Ohne wirklich

notwendige Geheimhaltungsbedürfnisse zu verletzen, ist

es deshalb erforderlich, dass transparente gesetzliche

Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen

Einsätze von V-Personen zukünftig erfolgen dürfen. Ein-

zelheiten zu den Standards bei der V-Personen-Werbung

und -Führung können und müssen dann weiterhin behör-

denintern und durch Koordinierung im Verfassungs-

schutzverbund geregelt werden.

Es müssen aber durch den Gesetzgeber grundlegende

Voraussetzungen festgelegt werden, die vor allem auch

bundesweite Geltung haben müssen, um einen einheitli-

chen Einsatz dieses nachrichtendienstlichen Mittels si-

cherzustellen. Auswahl und Führung von V-Personen

sowie die umfassende Dokumentation sowohl der Wer-

bung der Personen als auch der Durchführung der Maß-

nahmen müssen bundesweit klaren und verbindlichen

Regeln folgen:

– Gesetzlich sollte beispielsweise festgeschrieben wer-
den, inwiefern einschlägige Vorstrafen oder laufende

staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren einer

Anwerbung als V-Person entgegenstehen.

– Es bedarf einer gesetzlichen Aufforderung an die
Verfassungsschutzbehörden sicherzustellen, dass die

an V-Personen zu erbringenden staatlichen Gegen-

leistungen nicht dazu genutzt werden können, Ziel-

setzung oder Aktivitäten der beobachteten Orga-

nisationen bewusst zu steuern.

– Auch muss Sorge dafür getragen werden, dass durch
die staatlichen finanziellen Zuwendungen der beo-

bachtete Phänomenbereich nicht weiter gestärkt

wird.

– Ebenso bedarf es klarer Vorgaben hinsichtlich der
Personalauswahl für die V-Personen-Führung
(Vier-Augen-Prinzip) und hinsichtlich der Einsatz-

dauer der V-Personen-Führer (Rotation).

bb) Genehmigung der V-Personen-Einsätze im
Einzelfall durch die G10-Kommission

Wenn eine wirksame Lösung für den zukünftige Einsatz

von V-Personen gefunden werden soll, ist eine Genehmi-

gungspflicht für den Einsatz von V-Personen im jewei-

ligen Einzelfall – eventuell ohne konkrete Name-
nsnennung – unabdingbar.

Über derartige Einsätze kann nicht weiterhin ausschließ-

lich behördenintern entschieden werden. Auch eine mög-

liche Ansiedelung der Anordnungskompetenz bei der

jeweiligen Amtsleitung reicht nicht aus. Angesichts der

hohen Missbrauchsgefahren bei Einsatz dieses ND-

Mittels bedarf es – zumindest ab einem bestimmten Um-
fang der Tätigkeit der Quelle – einer unabhängigen Prü-
fung außerhalb der jeweiligen Behörde und außerhalb

der Exekutive.

Vorstellbar ist dabei zum einen eine gerichtliche Kontrol-

le, wie sie teilweise gefordert wird. Besser geeignet dürfte

jedoch die Nutzung der G10-Kommissionen sein, weil es

nicht nur um eine reine Rechtskontrolle gehen soll. Die

G10-Kommission kann beispielsweise ihre Zustimmung

zu bestimmten Maßnahmen nicht nur dann versagen,

wenn sie der Überzeugung ist, dass die Maßnahme recht-

lich unzulässig ist. Sie kann ihre Zustimmung auch dann

versagen, wenn sie durch die antragstellenden Dienste

nicht von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der

Maßnahme (Opportunität) überzeugt wurde. Eine solche

Kompetenz kommt einem Gericht regelmäßig nicht zu.

Insofern ist es weitaus sinnvoller, auch hier die bislang

bereits erfolgreich arbeitenden G10-Kommissionen im

Bund und in den Ländern mit der Genehmigung der ein-

zelnen V-Personen-Einsätze zu beauftragen. Ein großer

Vorteil wäre, dass diese bereits jetzt über einschlägige

Erfahrungen im Bereich der Nachrichtendienste und einen

entsprechenden qualifizierten Arbeitsstab verfügen, der

nur weiter ausgebaut werden müsste.

Eine solche Verpflichtung zur förmlichen Antragstel-

lung außerhalb der eigenen Behörde mit ausführlichen

Begründungspflichten wird dazu führen, dass sich die

Bedarfsträger vor dem Einsatz dieses nachrichtendienstli-

chen Mittels mehr Gedanken über dessen tatsächliche

Notwendigkeit machen und zu kontinuierlicher Prü-

fung des tatsächlichen Erfolgs dieser Maßnahme
(Quantität und vor allem Qualität der gewonnenen Er-

kenntnisse) angehalten werden.

cc) Nutzung des BfV als zentrale permanente
Koordinierungsstelle

Zusätzlich zu den gesetzlichen Rahmenvorgaben und zur

Genehmigungspflicht im Einzelfall bedarf es zwingend

der Nutzung des BfV als zentrale und permanente

Koordinierungsstelle mit vollständigem Überblick über

den Quelleneinsatz aller Verfassungsschutzbehörden.

Damit können zum einen Kollisionen im Werbungsbe-

reich zwischen BfV und Länderbehörden vermieden wer-

den. Zum anderen kann eine zentrale Kontrolle der

gesetzlichen und untergesetzlichen Standards von

Quellen im BfV und in den Landesämtern beispielsweise

im Rahmen der Fachprüfgruppe im BfV erfolgen.

Die bislang nur durchgeführte reine Erörterung der (quan-

titativen) Quellensituation im Verfassungsschutzverbund

durch die Behördenleiter bei der jährlichen Amtsleiterta-

gung reicht bei weitem nicht aus.

Es bedarf entweder einer gesetzlichen Neuregelung oder

einer Übertragung der Kontrollkompetenzen durch die

Behördenleiter des Bundes und der Länder auf die zentra-

le Fachprüfgruppe des BfV, um eine notwendige struktu-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 897 – Drucksache 17/14600

relle Optimierung und Koordinierung des Quellenein-

satzes im gesamten Bundesgebiet zu erreichen. Nur

durch ein genaues zentrales Bild der Zugangslage kann

ein eventuell bestehender Optimierungsbedarf erkannt

und im Verfassungsschutzverbund gemeinsam bearbeitet

werden.

4. Parlamentarische Kontrolle

Im Jahr 2009 hat die SPD eine grundlegende Reform der

Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste

durchgesetzt: Wir haben u. a. die Informationspflichten

der Bundesregierung deutlicher gefasst und dem Kont-

rollgremium das Recht gegeben, durch Akteneinsicht und

Befragung von Mitarbeitern eigenständig Auskünfte über

die Nachrichtendienste einzuholen.

Damit war der Grundstein gelegt für eine systematische

und strukturelle Kontrolle, die sich nicht in anekdoti-

sche Prüfungen einzelner Vorfälle und Zufallsfunden

erschöpft. Das Kontrollgremium hat inzwischen damit

begonnen, einzelne Tätigkeitsbereiche der Nachrichten-

dienste systematisch zu untersuchen.

Allerdings kann die Reform ihre volle Wirkung bislang

nicht entfalten. Es fehlt hier vor allem an einer ausrei-

chenden professionellen Personal- und Sachausstat-

tung des Gremiums. Das zeigt etwa der Vergleich mit den

USA: Dort beschäftigen beide Kontrollausschüsse in

Senat und Repräsentantenhaus zusammen über 100 Mit-

arbeiterinnen und Mitarbeiter, in Deutschland sind es

weniger als zehn.

Erfreulich ist es insofern, dass sich alle Fraktionen im

Ausschuss darauf verständigt haben, in den gemeinsamen

Schlussfolgerungen eine Verbesserung der Personal-

und Sachausstattung zu fordern. Wie dies in der Praxis

aussehen soll, ist weiterhin unklar. Hier reichen die Vor-

schläge von der Einrichtung eines professionellen „Ar-
beitsstabs“ mit „Leitendem Beamten“ innerhalb des Gre-
miums über einen „ständigen Sachverständigen“ bis hin
zur Einsetzung eines externen „Geheimdienstbeauftrag-
ten“.

Aus Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss spricht ge-

gen den Vorschlag, einen „Geheimdienstbeauftragten“ zu
installieren, dass dadurch der Eindruck entsteht, das Kont-

rollgremium wolle sich ureigenster parlamentarischer

Aufgaben entledigen, indem es Teile seiner Kontroll-

funktionen aus den Händen gibt an quasi-autonome Kont-

rollinstanzen außerhalb des Parlaments. Die Kontrolle

sollte unmittelbar beim Deutschen Bundestag und damit

im Parlamentarischen Kontrollgremium verbleiben.

Einrichtung eines „Arbeitsstabs“ mit „Leitendem
Beamten“

Um eine kontinuierliche Unterstützung der Sacharbeit der

Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums und

eine professionelle Erledigung der Prüfaufträge des Gre-

miums sicherzustellen, sollte vielmehr ein besonderer

Arbeitsstab in der Bundestagsverwaltung aus mehreren

Referaten mit hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern aufgebaut werden. Dieser wäre fachlich

strikt und ausschließlich den Weisungen des Gremi-

ums unterworfen. Durch die Vorarbeit und Expertise

dieses schlagkräftigen Unterbaus würde eine effektivere

Wahrnehmung der Eigeninformationsrechte des Par-

laments ermöglicht.

Der Arbeitsstab sollte von einem „Leitenden Beamten“
geführt werden, weil sich in der Praxis gezeigt hat, dass

eine Steuerung der Arbeit durch das Sekretariat, das

gleichzeitig auch für die regelmäßige Sitzungsvor- und -

nachbereitung zuständig ist, allein nicht ausreicht.

Die Kompetenzen des Leitenden Beamten und der Mitar-

beiter des vom Sekretariat losgelösten Arbeitsstabes müs-

sen noch einmal gesetzlich klargestellt sowie eventuell

um Zugangsrechte erweitert werden, damit der Leitende

Beamte und die Mitarbeiter des Arbeitsstabs auf Seiten

der Dienste und der Bundesregierung klarer als „verlän-
gerter Arm“ des Kontrollgremiums wahrgenommen
werden.

Der Leitende Beamte soll auf Arbeitsebene zudem eine

Scharnierfunktion zwischen Kontrollgremium, Bun-

desregierung und den Nachrichtendiensten erfüllen. Er

bliebe dabei aber ein ausschließlich im Hintergrund

wirksam agierender Koordinator, der - im Gegensatz

zu einem "Geheimdienstbeauftragten " - nicht im Fokus

der Öffentlichkeit stehen soll.

Darüber hinaus sollte das Zusammenwirken zwischen

PKGr und dem Bundesbeauftragten für den Daten-

schutz und die Informationssicherheit (BfDI) verbes-

sert werden. Um eine möglichst umfassende Kontrolle der

Nachrichtendienste zu gewährleisten, sollten die jeweili-

gen Prüfungsrahmen aufeinander abgestimmt werden.

Freilich würde weiterhin jedes Kontrollorgan in eigener

Verantwortung über die Inhalte der durchzuführenden

Prüfungen entscheiden. Eine Stärkung der Kontrolle der

Nachrichtendienste kann auch durch verstärkte Nutzung

der Möglichkeiten des § 29 Abs. 2 BDSG erreicht wer-

den. Danach kann der Deutsche Bundestag dem BfDI

Prüfaufträge erteilen.

5. Stärkung der Zivilgesellschaft

Die Ausschussarbeit hat gezeigt, dass auch latente rechts-

extreme Einstellungen in unserer Gesellschaft ein Risiko

für unsere Demokratie und das friedliche Zusammenleben

in unserem Land darstellen.

Um der Ausbreitung rechtsextremer Tendenzen vor-

zubeugen und die demokratische Kultur in unserem Ge-

meinwesen immer wieder zu erneuern und zu festigen,

muss die Stärkung der demokratischen Zivilgesell-

schaft im Zentrum unserer Bemühungen stehen. Die

Motivierung und die Unterstützung der engagierten Bür-

gerinnen und Bürger ist der beste Garant zum Schutz

unserer freiheitlichen Grundordnung. Staat und Gesell-

schaft müssen ein klares Zeichen setzen: Rechtsextreme,

Rassisten und verfassungsfeindliche Parteien haben in

einem demokratischen Deutschland keinen Platz.

Auch in der gemeinsamen Bewertung haben alle Fraktio-

nen die Bedeutung einer starken Zivilgesellschaft betont

und sich erfreulicherweise auf wichtige Forderungen, vor

allem im Hinblick auf eine Verstetigung der Finanzie-

Drucksache 17/14600 – 898 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rung für Programme gegen Rechtsextremismus, verstän-

digt.

Zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements

gegen Rassismus und Rechtsextremismus sind aus

Sicht der SPD-Mitglieder im Ausschuss jedoch noch

weitere Maßnahmen erforderlich:

Politische Bildung stärken

Bessere finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher

Initiativen alleine reicht nicht aus, um Rassismus in unse-

rer Gesellschaft zu bekämpfen. Die Bereitstellung von

Geldern für einige Initiativen und ein vereinzeltes „Schul-
terklopfen“ sind zu wenig. Es bedarf struktureller staat-
licher Programme, die in Zusammenarbeit mit der Zivil-

gesellschaft entwickelt werden müssen, um das gesamtge-

sellschaftliche Problem rassistischer Vorurteile in den

Sicherheitsbehörden, aber vor allem auch in den Schulen

anzugehen. Es geht hier nicht nur um staatliche „Modera-
tion“ gesellschaftlicher Selbstverpflichtung.

Die „Bundeszentrale für politische Bildung“ (BpB) ist
unbestritten eine der wichtigsten Institutionen zur Demo-

kratieförderung und Präventionsarbeit u. a. im Kampf

gegen Rechtsextremismus in unserem Land. Der Bundes-

zentrale und den von ihr geförderten Trägern gelingt es,

die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken, Informationen zur

Verfügung zu stellen und u. a. durch Seminarangebote an

Akteure die Qualität der Arbeit zu steigern und zu verste-

tigen.

Gerade vor dem Hintergrund der Geschehnisse rings um

den NSU, der Wahlerfolge der NPD, alltäglicher rechter

Gewalttaten und der weiten Verbreitung rechtsextremisti-

scher Einstellungsmuster sind Kürzungen bei der Bundes-

zentrale für politische Bildung grob fahrlässig. Unsere

Demokratie ist gerade jetzt auf eine starke politische

Bildung angewiesen und diese muss auskömmlich finan-

ziert werden.

Straftaten ermitteln – Dunkelfeld erforschen

Die amtliche Statistik bildet die Realität rechtsextremer

(und rassistischer) Gewalttaten nicht vollständig ab. Im

Zeitraum zwischen 1990 bis 2009 verzeichnet sie 47

Todesopfer rechtsextremer Gewalt. Auskünfte von Opfer-

beratungsstellen und journalistische Recherchen ergeben

jedoch bis zu 182 Todesopfer. Und auch damit sind ledig-

lich die Fälle erfasst, in denen durch Zeugenbeobachtung

ein rechtsextremer Bezug herzustellen ist. Alles andere

liegt im Dunkeln.

Wir fordern daher, dass zur Aufhellung des Dunkelfeldes

rechtsextremistischer und rassistischer Straftaten ein For-

schungsauftrag vergeben wird (vgl. schon BT-Drucksache

17/11366).

Finanzierung sicherstellen

In den gemeinsamen Schlussfolgerungen des Ausschusses

wird eine verlässliche Finanzierung zivilgesellschaftlicher

Initiativen gegen Rechtsextremismus gefordert. Dieser

Aspekt ist für uns von zentraler Bedeutung.

Die 2001 von der SPD begründeten Programme gegen

Rechtsextremismus müssen dauerhaft und verlässlich

unterstützt werden. Die Programme haben zum Aufbau

lokaler Strukturen beigetragen und zeigen Wirkung. Bür-

gerinnen und Bürger verteidigen die Demokratie gegen

Neonazis: Im persönlichen Gespräch, in Bildungseinrich-

tungen, am Arbeitsplatz, in den Kommunalparlamenten

und nicht zuletzt auch zunehmend bei Demonstrationen

und Blockaden gegen Naziaufmarsche. Ohne die Opfer-

beratungen, Mobilen Beratungsteams und die vielen Initi-

ativen vor Ort stünde der Kampf gegen Rechtsextremis-

mus in zahlreichen Regionen auf verlorenem Posten.

Allerdings leiden viele Träger unter der Kurzfristigkeit

und Prekarität ihrer Finanzierung. Gelungene Modellpro-

jekte können deshalb oft nicht langfristig etabliert werden,

Organisationswissen geht verloren und qualifiziertes

Personal wandert ab.

Wir brauchen eine Finanzierung, die eine kontinuierliche

Unterstützung bewährter und erprobter Arbeit gegen

Rechtsextremismus sicherstellt. Darüber hinaus bedarf es

eines weiteren Topfes, aus dem neue und Erfolg verspre-

chende Programme finanziert werden. Die dreijährige

Befristung der Projekte muss aufgehoben werden. Gute

Projekte dürfen auch länger dauern.

Wir werden beim Kampf gegen Rechtsextremismus, Ras-

sismus und Antisemitismus notwendige Anschlussförde-

rungen sichern und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft

im Rahmen eines abgestimmten Aktionsplans ein neues

Förderkonzept erarbeiten und umsetzen. Ziel ist es dabei,

die Kurzatmigkeit der Hilfen zu beenden und stattdessen

Projekte, Initiativen sowie Strukturen auf einer eigenen

gesetzlichen Grundlage unbürokratisch und langfristig zu

fördern.

Weg mit der „Extremismusklausel“

Auf Anordnung der CDU/CSU-geführten Bundesregie-

rung müssen die Antragsteller für das Bundesförderpro-

gramm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ und
ähnlicher Programme seit Herbst 2010 eine Zustim-

mungserklärung zur freiheitlich-demokratischen Grund-

ordnung unterschreiben. Dieses Bekenntnis gilt nicht nur

für die Projekte und Initiativen selbst, sondern sie müssen

auch für die Verfassungstreue ihrer Kooperationspartner

bürgen.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat die als

„Extremismusklausel“ bekannte Bestätigungserklärung
bereits für rechtswidrig erklärt. Die Erklärung, wonach

der Zuwendungsempfänger seine Partner hinsichtlich

ihrer Absicht, die Ziele des Grundgesetzes zu verfolgen,

überprüfen solle, sei zu unbestimmt.

Die Extremismusklausel ist aber nicht nur rechtswidrig,

sie gefährdet auch den gesellschaftlich notwendigen

Kampf gegen rechte Ideologie und Gewalt. Die Klausel

diskreditiert und behindert zivilgesellschaftliches Enga-

gement gegen Rechtsextremismus. Sie stellt die Initiati-

ven unter einen Generalverdacht der Verfassungsfein-

dlichkeit und undemokratischen Gesinnung.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 899 – Drucksache 17/14600

Die Pflicht zur Regelüberprüfung der Kooperationspart-

ner fördert ein Klima des Misstrauens und steht dem Ziel

der Demokratieförderung entgegen.

Dabei leisten gerade die durch das Bundesprogamm „To-
leranz fördern - Kompetenz stärken“ und ähnliche Pro-
gramme geförderten Träger durch ihre Bildungs- und

Präventionsarbeit einen unverzichtbaren Beitrag zur Stär-

kung der demokratischen Zivilgesellschaft und für die

Achtung der Menschenrechte. Ohne die Förderung des

Bundes wären die meisten dieser Projekte nicht durch-

führbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen

Projekten arbeiten mit hoher Eigenmotivation unter oft

schwierigen Bedingungen.

Dass diese Arbeit als Teil einer systematischen präventi-

ven Bekämpfung rechtsextremistischer Ideologie und

Gewalt eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist,

haben alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktio-

nen angesichts des Bekanntwerdens der Mordserie des

NSU noch einmal einhellig bekräftigt.

Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Bundestag

beschlossen zu überprüfen, wo dem Engagement demo-

kratischer Gruppen gegen Rechtsextremismus, Fremden-

feindlichkeit und Antisemitismus Hindernisse entgegen-

stehen. Ein Ergebnis dieser Prüfung kann vor dem Hin-

tergrund der weitreichenden Kritik der Zivilgesellschaft

an der Klausel und angesichts des aktuellen Urteils nur

lauten:

Es ist auch die Extremismusklausel, die den Kampf

gegen Rechtsextremismus behindert. Sie muss unver-

züglich abgeschafft werden.

Jugendarbeit

Vor dem Versagen der Polizei und Sicherheitsbehörden in

Fall des NSU steht das Versagen der Jugendarbeit der

1990er Jahre. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, lernten

sich in einem Jenaer Jugendclub kennen, wo gewaltberei-

te, rechtsextrem orientierte Jugendliche verkehrten. Die-

ser Jugendclub praktizierte in frühen Formen die soge-

nannte akzeptierende Jugendarbeit, die von Anfang an

kritisiert wurde. Sie beruhte auf falschen Prämissen und

entpolitisierte und stabilisierte den Rechtsextremismus

eher, statt eine Auseinandersetzung zu suchen. Nicht nur

das Beispiel des NSU macht die Grenzen der Arbeit mit

rechtsextremen Jugendcliquen deutlich. Nach den Fehlern

der 1990er Jahre, ist es zwingend notwendig, dass zwi-

schen der Arbeit mit rechten Kadern und rechts Orientier-

ten unterschieden werden muss. Während die Arbeit in

Gruppenkonstellationen mit ersteren keinen Sinn macht,

bedarf es besonderer Erfahrung für die Arbeit mit Letzte-

ren.

Ausstiegsorientierte Jugendarbeit muss ganzheitlich

gedacht werden und alle Akteure einschließen. Das als

Reaktion auf den NSU gegründete staatliche „BIKnetz –
Präventionsnetz gegen Rechtsextremismus“ stellt inzwi-
schen begehrte finanzielle Mittel für Bildungsträger be-

reit, die pädagogische Leitlinien erarbeiten sollen. Lang-

fristige und fachliche Schulungen sind dringend nötig,

denn allzu oft werden auch heute geschulte Kader un-

hinterfragt in die Arbeit eingebunden.

Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Praxis ist

deshalb unerlässlich. Dem gegenüber steht nach wie vor

eine große Handlungsunsicherheit bei Pädagogen und

Pädagoginnen im Umgang mit rechten Jugendlichen. Die

Gefahr, die Fehler von damals zu wiederholen, ist groß.

Die Schnittmengen mit den Ansätzen der 1990er Jahre

sind unübersehbar.

Das beim Arbeitsministerium angesiedelte Programm

„Ausstieg zum Einstieg“, das in diesem Jahr endet, kann
dafür nicht als Vorbild dienen. Im Vordergrund standen

dort Projekte, die den Ausstieg aus der rechten Szene

durch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt

sollten. Letztlich folgte auch dieses Programm der

1990er-Logik der fehlenden Ausbildungs- und Arbeits-

möglichkeiten für die rechten Jugendlichen.

Präventionsansätze sollten beim Einstieg und nicht

beim Ausstieg ansetzen und vor allem rechtzeitig zivilge-

sellschaftliche Alternativen für nichtrechte demokratische

Jugendliche zu unterstützen.

Trotzdem bleiben die Aussteigerprogramme ein wesent-

licher Bestandteil des Kampfes gegen den Rechtsextre-

mismus.

IV. Ausblick

Der NSU-Untersuchungsausschuss hat über anderthalb

Jahre gemeinsam intensiv an der Aufklärung gearbeitet

und dabei viele strukturelle, analytische, operative und

handwerkliche Fehler sowohl bei der Suche nach dem

Trio als auch bei den Ermittlungen zu den Morden und

Sprengstoffanschlägen herausgearbeitet.

Seinen Untersuchungsauftrag hat der Ausschuss er-

füllt.

Und trotzdem wird es weiterhin offene Fragen geben,

beispielsweise auch danach, nach welchen Kriterien die

Opfer der Česká-Mordserie oder die Orte für die beiden
Sprengstoffattentate „ausgewählt“ wurden oder was das
Motiv für den Mord an der Polizistin und den Mordver-

such an ihrem Kollegen in Heilbronn war. Diese gerade

für die Opfer und ihre Angehörigen wichtigen Fragen

können aber leider letztlich nicht durch einen parlamenta-

rischen Untersuchungsausschuss geklärt werden.

Auch wenn vereinzelt gefordert wird, dass der nächste

Deutsche Bundestag erneut einen NSU-

Untersuchungsausschuss einsetzen müsse, besteht aus

unserer Sicht kein Grund für eine Fortsetzung der Unter-

suchung, so lange nicht signifikant neue Erkenntnisse

aufkommen, die die gefundenen Bewertungen und

Schlussfolgerungen in Frage stellen. Die erneute Einset-

zung eines solchen Untersuchungsausschusses würde

auch der eigentlich wichtigen Aufgabe des Parlaments in

der nächsten Wahlperiode im Wege stehen:

Jetzt geht es darum, die gefundenen Ergebnisse und

Empfehlungen in der in den zuständigen Fachaus-

schüssen wirkungsvoll umzusetzen.

Drucksache 17/14600 – 900 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir werden daran mit ganzer Kraft arbeiten!

Rassismus und Rechtsextremismus müssen in

Deutschland endlich wirksam bekämpft werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 901 – Drucksache 17/14600

C. FDP-Fraktion

I. Geleitwort

Die NSU-Mordserie hat Deutschland erschüttert. Wie

konnte es möglich sein, dass diese Mörderbande so lange

von den Sicherheitsbehörden unbehelligt in Deutschland

ihr Unwesen treiben konnte? Der Vertrauensverlust der

Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden hinsichtlich ihrer

Fähigkeiten als auch hinsichtlich ihres rechtsstaatlichen

Engagements ist groß. Die Bürgerinnen und Bürger fra-

gen sich zu recht: Wie konnte dies passieren?

Wir sind es den Menschen in Deutschland und den Opfer-

angehörigen schuldig, diese schrecklichen Taten bestmög-

lich aufzuklären und daraus für die Zukunft die nötigen

Konsequenzen zu ziehen. Der 2. Untersuchungsausschuss

hat mit seiner Arbeit bereits einiges bewirkt.

Der Verfassungsschutz im Bund wird reformiert, wichtige

Programme, wie das Aussteigerprogramm EXIT, werden

weiter unterstützt und die Bekämpfung des Rechtsextre-

mismus vorangetrieben. Doch dies reicht bei Weitem

nicht aus. Zusätzlich zu den Empfehlungen im gemeinsa-

men Bewertungsteil aller Fraktionen in diesem Ab-

schlussbericht ist für die FDP noch wichtig: Die Kontrolle

der Nachrichtendienste muss deutlich verstärkt und eine

wirkungsvolle, nachhaltige Prüfung dieser Behörden

durch den Deutschen Bundestag und die Länderparlamen-

te ermöglicht werden. Es gilt, die Sicherheitsarchitektur

auf eine neue, rechtsstaatliche und bessere Grundlage zu

stellen; althergebrachte Verfahrensgänge, Vorgehenswei-

sen und Strukturen müssen hinterfragt und reformiert

werden. Wir brauchen eine neue Strategie zur Bekämp-

fung verfassungsfeindlicher Bestrebungen, gerade auch

des nationalen und internationalen Rechtsextremismus.

Hier sind alle Demokraten in Bund und Ländern gefor-

dert.

Es hat mich angesichts der Fülle an Informationen, Zeu-

genvernehmungen, Berichten und Akten beeindruckt, wie

stark der Einsatz aller Abgeordneten parteiübergreifend

im Untersuchungsausschuss war. Gerade die gemeinsame

Vorgehensweise in einem Untersuchungsausschuss war

und ist bisher einmalig in der Geschichte der Bundesre-

publik Deutschland und ist angesichts der Herausforde-

rungen auch stilbildend. Gleichwohl gilt: Viel zu viele

Fragen sind noch offen. Die Aufklärung hierzu kann nicht

an Legislaturperioden gebunden sein und muss weiterge-

hen.

Den Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion möchte

ich meinen Dank aussprechen: dem Obmann Hartfrid

Wolff MdB ebenso wie Serkan Tören MdB, Patrick Kurth

MdB und Jimmy Schulz MdB. Sie haben mit vielen Initia-

tiven, Anregungen und Vorstößen einen maßgeblichen

Anteil an der bisherigen Arbeit dieses 2. Untersuchungs-

ausschusses geleistet. Mein Dank gilt auch den Mitarbei-

tern der FDP-Bundestagsfraktion und in den Abgeordne-

tenbüros für ihr beispielgebendes Engagement: Dr. Chris-

tian Lange, Isabella Pfaff, Paolina Hagengruber, Andrea

Camaj, Claudia Kuhlow und Julia Klein sowie Christoph

von Diest, Manuela Göpel, Dr. Kurt Lehner, Linda van

Renssen und Anika Scharlau.

Unsere freie Gesellschaft lebt von der Freiheit des Einzel-

nen und seiner Menschenwürde, von Toleranz gegenüber

Andersdenkenden und der Übernahme von Verantwor-

tung füreinander, von der Vielfalt der Kulturen und

Denkweisen, von einem demokratischen Diskurs und dem

gemeinsamen Einstehen für unsere freiheitliche Demokra-

tie und unseren Rechtsstaat auch gegen die Feinde unserer

Verfassung und unserer liberalen Bürgergesellschaft.

Diese Freiheit muss jeden Tag neu erkämpft werden.

Rainer Brüderle MdB

Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion

II. Einleitung Einzelvoten FDP

II.1. Die Aufklärung muss weitergehen – für eine Fortset-
zung des NSU-Untersuchungsausschusses in der nächsten

Legislaturperiode.

II.1.1. Die politischen Folgen der NSU-Mordserie im

Überblick

Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Sturm

entfachen, heißt es. Und genau das ist am 4. November

2011 in der thüringischen Stadt Eisenach passiert. Das

Ende eines erfolgreichen, aber keineswegs Aufsehen

erregenden Banküberfalls wird zum Beginn der Ent-

schlüsselung der größten rassistischen Mordserie in

Deutschland.

Die Eisenacher Polizei ist an diesem Freitagmorgen, dem

4. November 2011, auf der Suche nach zwei Bankräu-

bern, die gegen 9.30 Uhr die Wartburg-Sparkasse am

Nordplatz überfallen und rund 70 000 Euro erbeutet ha-

ben.

Gegen Mittag findet sie die Beiden tot in einem abgestell-

ten Wohnwagen, mitten in einem Eisenacher Wohngebiet.

Schnell stellt sich heraus, dass die Bankräuber, Uwe

Bönhardt und Uwe Mundlos, Mitglieder des Nationalso-

zialistischen Untergrunds (NSU) sind, einer rechtsextre-

mistischen Gruppe, die über ein Jahrzehnt eiskalt mor-

dend und Bomben legend durch Deutschland gezogen ist.

Zehn Morde, ein Mordversuch und etwa zwei Dutzend

Schwerverletzte gehen auf ihr Konto. Daneben vermutlich

rund 14 Banküberfälle.

Am selben Tag, kurz nach 15 Uhr: Im rund 180 Kilometer

entfernten Zwickau-Weißenborn, in der Frühlingstrasse,

explodiert ein Haus. Die Brandstifterin ist Beate Zschäpe,

und sie ist flüchtig. Bereits wenig später ist klar: Sie ist

Drucksache 17/14600 – 902 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das dritte Mitglied des NSU. Vier Tage später stellt sie

sich der Polizei.

Dieses Ereignis wird der Auftakt zu einer Reihe von

Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern, die zu

folgenschweren Konsequenzen in Nachrichtendiensten,

Polizei, Behörden und Politik führen. Eisenach war der

Flügelschlag des Schmetterlings, der den Sturm ausgelöst

hat.

Die Wissenschaft nennt das schlicht den Lorenzattraktor,

nach ihrem Begründer Edward Lorenz, 1972, oder eben

Schmetterlingstheorie.

Sie besagt, verkürzt, dass kleine Ursachen große Wirkun-

gen haben können – wie der Flügelschlag eines Schmet-
terlings eben.

Denn noch nie hat eine Mordserie in Deutschland, seit

den Anschlägen der Roten Armee Fraktion (RAF) in den

70ern, so viele Behörden unter Druck gesetzt und so viele

und weitreichende politischen Folgen gehabt, wie die

Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds

(NSU).

Fünf Verfassungsschutzpräsidenten aus Bund und Län-

dern treten zurück – oder müssen zurücktreten: Heinz
Fromm, der Präsident des Bundesverfassungsschutzes

(BfV) macht am 2. Juli 2012 den Anfang. Er übernimmt

die Verantwortung für die in seiner Behörde erfolgte

Vernichtung von Akten der Operation „Rennsteig“ durch
einen Mitarbeiter. Durch diese Aktenvernichtung, so

Fromm, sei ein „erheblicher Ansehensverlust“ für seine
Behörde eingetreten. (Protokoll UA vom 5. Juli 2012,

S. 13).

Bereits am Tag darauf wird der Thüringer Verfassungs-

schutzpräsident Thomas Sippel von seinem Dienstherrn in

den einstweiligen Ruhestand versetzt. Und wenige Tage

später, ebenfalls noch im Juli 2012, tritt dann Sachsens

Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos zurück. Im

September 2012 folgt Verfassungsschutzpräsident Volker

Limburg aus Sachsen-Anhalt, und im November dessel-

ben Jahres Claudia Schmid aus Berlin.

Knapp ein Jahr später, Ende Juni 2013, muss dann in

Sachsen auch der bisherige Vizepräsident des Landesver-

fassungsschutzes, Olaf Vahrenhold, seinen Hut nehmen.

Er wurde ins Staatsarchiv versetzt. Wieder mal sind über-

raschend neue Akten aus dem Umfeld des NSU aufge-

taucht, die man zuvor verloren geglaubt hatte.

Vier Untersuchungsausschüsse werden eingerichtet: in

den Landtagen von Thüringen und Sachsen, in Bayern

und im Bund. In Baden-Württemberg, der Schauplatz des

Polizistenmordes an Michèle Kiesewetter, sehen SPD und

CDU dagegen „keine Notwendigkeit“ einen eigenen
Untersuchungsausschuss einzurichten und auch die Grü-

nen halten einen Untersuchungsausschuss nicht für not-

wendig (Stuttgarter Zeitung vom 26. Februar 2013). Das

Innenministerium aber gibt immerhin einen internen Be-

richt in Auftrag.

In Hessen, dort ist der 21-Jährige Halit Yozgat in seinem

Internetcafé erschossen worden, lehnen die Fraktionen

von SPD und Grünen einen Untersuchungsausschuss

ebenso ab, wie die Grünen-Fraktion in Mecklenburg-

Vorpommern (Homepage der beiden Fraktionen). Auch in

Hamburg, dem Schauplatz des dritten NSU-Mordes, wird

kein Untersuchungsausschuss eingerichtet.

Sechs Ermittlungsbeauftragte mit ihren Teams werden im

Zuge der Aufklärungsarbeit installiert: vier im NSU-

Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages,

Prof. Bernd Heintschel-Heinegg und das Team um

Dr. Gerhard Schäfer, Bundesrichter a. D., der auch in

Thüringen als Ermittlungsbeauftragter tätig war. Einer im

Land Berlin sowie ein interner Ermittlungsbeauftragter im

Bundesinnenministerium für die Aktenvernichtung des

BfV.

Gleichzeitig wird eine hochkarätige Bund-Länder-

Kommission eingesetzt, die untersuchen soll, zu welchen

Reibungsverlusten es in der Zusammenarbeit zwischen

den Sicherheitsdiensten in Bund und Ländern gekommen

ist.

Drei ostdeutsche Länder, Sachsen-Anhalt, Thüringen und

Sachsen, bringen als Folge der Mordserie und unter dem

Eindruck der Rücktritte der Präsidenten, Reformen ihrer

Landesverfassungsschutzämter auf den Weg.

Der bislang nahezu öffentlich unbekannte Militärische

Abschirmdienst (MAD) will als Konsequenz aus der NSU

Mordserie einen Paradigmenwechsel einleiten und ver-

mehrt Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Nicht zuletzt präsentiert das Bundesamt für Verfassungs-

schutz im Februar 2012, unter seinem neuen Präsidenten

Hans-Georg Maaßen, ein erstes Reformpapier für den

Umbau der Behörde.

Im September 2012 nimmt Innenminister Dr. Hans-Peter

Friedrich die neue Anti-Terrordatei für Rechtsextremisten

in Betrieb und im November 2012 wird das neue Ab-

wehrzentrum gegen Terrorismus und Extremismus

(GETZ) in Köln eröffnet, auf das Polizei wie Nachrich-

tendienste Zugriff haben.

Die FDP-Bundestagsfraktion beschließt einstimmig,

ebenfalls noch im September 2012, eine deutlich stärkere

Kontrolle der Nachrichtendienste. Einen entsprechenden

Gesetzentwurf dazu legt sie Anfang 2013 vor. Der Ent-

wurf sieht vor, dem Parlamentarischen Kontrollgremium

(PKGr) des Bundestages zukünftig eine effektive Kontrol-

le der Dienste zu ermöglichen, z. B. durch einen ständigen

Ermittlungsbeauftragten, der auch konkrete Prüfungen in

den Diensten selbst vornehmen können soll. Die Ge-

schäftsführung der CDU und die SPD allerdings lehnen

eine Ausweitung der Kontrolle ab, obwohl ein entspre-

chendes Positionspapier mit dem CDU-Obmann im

Untersuchungsausschuss, Clemens Binninger, abgestimmt

ist und auch den Zuspruch vieler anderer CDU-

Innenpolitiker findet.

Auf Intervention des FDP-Obmanns Hartfrid Wolff wird

bereits in der ersten öffentlichen Sitzung des Untersu-

chungsausschusses, im März 2012, erreicht, dass die

Opferbeihilfen für Hinterbliebene der NSU-Opfer nicht

mit der Sozialhilfe oder dem BAFÖG verrechnet werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 903 – Drucksache 17/14600

Auf diesen Missstand hatte die Ombudsfrau für die Op-

ferangehörigen, Prof. Barbara John, den Ausschuss auf-

merksam gemacht.

Als mittelbare Konsequenz aus der NSU-Mordserie und

anderer schwerer Kriminalfälle wird auf Betreiben von

Hartfrid Wolff sowie unter Mithilfe des Bundesjustiz- und

ds Bundesinnenministeriums im April 2013 ein Lehrstuhl

für Kriminalprävention an der Universität Tübingen ein-

gerichtet. Hier soll zukünftig untersucht werden, warum

Menschen zu Kriminellen und Gewalttätern werden und

wie das verhindert werden kann. Dieser interdisziplinäre

Lehrstuhl ist der erste seiner Art.

II.1.2. Ein erstes politisches Fazit der FDP-

Bundestagsfraktion

Dieser Bundestags-Untersuchungsausschuss war richtig,

wichtig und notwendig!

Denn der Ausschuss hat im Zuge seiner Aufklärung die

gesamte föderale Sicherheitsarchitektur Nachkriegs-

deutschlands auf den Prüfstand gestellt, durchleuchtet und

transparent gemacht. Das Ergebnis dieser Aufklärungsar-

beit allerdings ist nahezu erschütternd. Unsere deutsche

Sicherheitsarchitektur hat diese Prüfung nicht bestanden.

Im Gegenteil. Man muss von einem flächendeckenden

Totalversagen der Polizei und Nachrichtendienste und

einem Versagen einiger Anklagebehörden sprechen.

So wird erst durch den Untersuchungsausschuss bekannt,

dass es punktuell politische Einflussnahme auf die Poli-

zeiarbeit gegeben hat, wie beispielsweise vom damaligen

Innenminister Otto Schily, der beim Bombenanschlag in

Nordrhein-Westfalen durch eine vorschnelle und durch

nichts belegte Äußerung die Aufklärung in die falsche

Richtung lenkte. Er hat bereits einen Tag nach dem Atten-

tat in seiner öffentlichen Stellungnahme jeden terroristi-

schen Hintergrund ausgeschlossen.

Es hat auch Rücksichtnahmen auf politische Länderinte-

ressen gegeben, wie, dass sich das Bundesinnenministeri-

um nicht traute, die laufenden Mordermittlungen der

BAO „Bosporus“ (Besondere Aufbauorganisation) unter
der Federführung Bayerns dem BKA zu übertragen. Die

Bayern wollten diese Federführung mit aller Macht behal-

ten. Alles andere hätten die Bayern als „Kriegserklärung“
betrachtet, so der BKA-Referatsleiter Christian Hoppe

vor dem Untersuchungsausschuss (Augsburger Allgemei-

ne vom 9. April 2013). Der damalige bayerische Innen-

minister und spätere Ministerpräsident Dr. Günther

Beckstein hat die Nichtübertragung der Ermittlungen von

Bayern ans BKA vor dem Ausschuss so begründet:

„Er habe es für einen schweren Fehler gehalten, in
vollem Galopp die Pferde zu wechseln.“

(Tagesspiegel vom 25. Mai 2012)

Was aber, wenn die Pferde in vollem Galopp in die fal-

sche Richtung laufen?

Durch die beharrliche Weigerung Bayerns im Jahr 2006

ist die große Chance ungenutzt vergeben worden, dass

neue Kriminalbeamte mit einem frischen Blick und viel-

leicht anderen Ermittlungsansätzen diese Mordserie

nochmals überdenken konnten. Dazu hätte gleichwohl

auch das BKA umdenken müssen, denn es lehnte eben-

falls die Möglichkeit eines rechtsextremistischen Hinter-

grundes ganz überwiegend ab.

Die FDP-Fraktion will deshalb als erstes Ergebnis festhal-

ten, dass politische Einflussnahme auf polizeiliche Ermitt-

lungsarbeit, sei sie bedingt durch föderale oder persönli-

che Egoismen, die Ermittlungen in der Regel verzögern,

behindern und im schlimmsten Fall – siehe Innenminister
a.D. Schily - in eine völlig falsche Richtung lenken.

Ohne den Ausschuss hätte diese, eben kurz angerissene

politische Aufklärungsarbeit, nicht begonnen, ohne ihn

hätte es die weitreichenden bundesweiten politischen

Konsequenzen nie gegeben und ohne ihn wäre das Behör-

denversagen nicht öffentlich geworden. Dieser Ausschuss

hat weitreichende Veränderungen in Ministerien, Diens-

ten, bei der Polizei und in der Politik angestoßen - und

dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Darauf kann

der NSU-Untersuchungsausschuss mit Recht stolz sein.

Dieser Untersuchungsausschuss hat dabei durch seine

überparteiliche Zusammenarbeit mehr erreicht, als viele

Untersuchungsausschüsse zuvor. Vor allem aber haben

alle Fraktionen des Deutschen Bundestages durch ihre

gemeinsame Aufklärungsarbeit ein starkes Zeichen ge-

setzt, gegen Rechtsradikalismus und Rechtsterrorismus.

Ein solches überparteiliches Zusammenstehen ist in der

politischen Tagesarbeit, zumal in einem Wahlkampfjahr,

durchaus nicht selbstverständlich.

So weitreichend die Konsequenzen aus der Einsetzung

des Ausschusses auch bereits gewesen sind und vielleicht

auch noch sein werden – es bleibt dennoch ein Gefühl
großen Unbehagens zurück.

Rund 12 000 Akten sind gelesen, durchgearbeitet und

rund 100 Zeugen angehört worden. Und doch bleiben für

die FDP-Fraktion viele wichtigen Fragen unbeantwortet,

auch die Grundlegendste: „Wie konnte ein Heer von bun-
desweiten Ermittlern und der Verfassungsschutz über

zehn Jahre lang diese Mörder nicht finden?“

Vor allem, nachdem man schon früh auf der richtigen

Spur gewesen war. Polizei und Verfassungsschutz hatten

das Trio von Anfang an auf dem Schirm und haben deren

Gefährdungspotenzial durchaus richtig eingeschätzt. In

einer Analyse des Landesamts für Verfassungsschutz

(LfV) in Sachsen heißt es im Jahr 2000:

„Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie
terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung

einen gemeinsamen Zweck verfolgen.“

Außerdem heißt es weiter: Der Zweck der Vereinigung

sei es, „schwere Straftaten gegen die freiheitlich demokra-
tische Grundordnung zu begehen“. Bei dem Trio sei „eine
deutliche Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten

Straftaten feststellbar“, so im Schreiben des LfV Sachsens
vom 28. März 2000 an das Landesinnenministerium,

zitiert in Report Mainz vom 21. Mai 2013.

Drucksache 17/14600 – 904 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Und über mögliche Unterstützer heißt es in diesem Do-

kument, dass die professionelle, spurlose Flucht des Trios

im Jahr 1998 ein Anhaltspunkt dafür sei, dass sie

„ohne die entsprechende Unterstützung […] so
nicht realisierbar gewesen wäre. Nur durch engste

Bindungen in einem abgeschlossenen Zirkel mit

wenigen verschwiegenen Mitwissern wird eine

solche Flucht möglich.“

(Report Mainz vom 21. Mai 2013)

II.1.3. Vier Kernergebnisse unserer Arbeit im Ausschuss

Der Ausschuss hat selbstverständlich versucht, auf diese

und andere grundlegende Fragen Antworten zu finden.

Unsere vielleicht wichtigste Erkenntnis aber lautet, dass

es die eine letztgültige Antwort auf diese Frage nicht gibt.

Es gibt viele Erklärungsansätze, die ebenso vielschichtig

wie – für die FDP-Fraktion – auch unbefriedigend sind.

Die vier wichtigsten Erklärungsansätze und Erkenntnisse

der FDP-Fraktion aus der Arbeit des Ausschusses sollen

hier vorab dargestellt werden:

Wir sind erstens der Meinung, dass Polizei und Dienste,

aber auch die Politik, Opfer ihres eigenen und vielfach

unzutreffenden Bildes über den Rechtsradikalismus ge-

worden sind. Das hat verhindert, dass neue Ermittlungs-

ansätze aufgegriffen und wahrgenommen wurden und ist

nach Auffassung der FDP-Fraktion ein wesentlicher

Punkt zur Erklärung des bundesweiten Behördenversa-

gens.

Dem Bundesverfassungsschutz, den Landesämtern, aber

auch der ermittelnden BAO „Bosporus“ ist es nicht mög-
lich gewesen, neu gebildete Neonazi-Netzwerke und

Strukturen zu erkennen und sie sauber zu analysieren.

Vielversprechende andere Ermittlungsansätze, die es

durchaus gab, wurden nicht konsequent weiterverfolgt,

aus den Augen verloren oder auf Arbeitsebene nicht

ernsthaft umgesetzt. Das zeigt vor allem die Operative

Fallanalyse (OFA) des Profilers Alexander Horn, die

durchaus Serientäter mit einer Abneigung gegen Migran-

ten und rechtsradikalen Hintergrund in Betracht gezogen

hat.

Nach den Anhörungen vieler Verfassungsschutzmitarbei-

ter aus Bund und Ländern im Ausschuss kommen wir zu

dem Ergebnis, dass bei der Informationsabschöpfung von

rechtsradikalen V-Männern durch den Verfassungsschutz

vorwiegend das eigene Bild, die eigenen Erwartungen,

abgefragt wurden. Wer und wie viele „Kameraden“ aus
welchen Bundesländern waren bei welchen rechtsradika-

len Konzerten und wo? Und wer hat welche Aufgabe in

der NPD übernommen? Das waren die Standardfragen. Es

war ein eher mechanisches Abfragen und Abhaken von

Orten, Namen und Fakten, selten eine qualitative Befra-

gung durch die V-Mann-Führer. Hintergründe haben eher

nicht interessiert. Hier bildete immerhin der MAD mit

seinen weitergehenden Befragungen eine positive Aus-

nahme.

Neonazis und Rechtsradikale sind vorwiegend als latent

gewalttätige Störenfriede der öffentlichen Ordnung wahr-

genommen worden, die verbotene Kennzeichen benutzen,

Konzerte besuchen, grölen, pöbeln und saufen.

Dass dahinter der Aufbau strukturierter Netzwerke und

organisierte Kameradschaften stehen könnte oder die

massive Missionierung durch extremistische und terroris-

tische Ideologieansätze, wird kaum einmal als Erklä-

rungsmuster herangezogen – ganz einfach: Man traut
gezieltes strategisches Handeln den Rechtsextremen nicht

zu. Wolfgang Geier, leitender Kriminaldirektor Unter-

franken und ehemaliger Leiter der BAO „Bosporus“ hat
diese Denkweise vor dem bayerischen Untersuchungsaus-

schuss am 20. Februar 2013 wie folgt zusammengefasst:

„Man konnte sich nicht vorstellen, dass es in
Deutschland Rechtsterroristen gibt“ (Endstation
Rechts 23. Februar 2013)

Dieses Zerrbild der „rechten Suff-Köpfe“, so ist unser
Fazit, ist auch von den V-Männern in der rechten Szene

gerne und gezielt aufrechterhalten worden und ihre Be-

frager aus dem Verfassungsschutz haben sich somit selbst

bestätigt gesehen. Es wurde viel gefragt, aber die Verfas-

sungsschützer habe sich dabei nur selbst gespiegelt – und
es nicht bemerkt. So konnten sich hinter der Spiegelfläche

zwar nicht ganz unbemerkt, aber relativ ungestört, rechte,

terroristische Strukturen ausbilden.

Der Umgang von Verfassungsschutz und Polizei mit

Rechtsextremen zeigt, dass deren Entschlossenheit und

deren Organisationsgrad vollkommen unterschätzt wur-

den. Offenbar haben Verfassungsschützer geglaubt, sie

könnten die Szene einfach durchleuchten und unter Kon-

trolle halten, indem man ordentlich Geld an diverse Kader

zahlt. Der NSU bewies auf grausame Art, wie falsch diese

Annahme gewesen ist. Der Geheimdienst hat die rechte

Szene durch eine Zerrbrille gesehen, nämlich durch die

Darstellungen der Neonazis (V-Leute) selbst.

Oder wie der Sachverständige und Diplom-Kriminalist

Günter Schicht in der Abschlusssitzung des Ausschusses

des Deutschen Bundestages, am 16. Mai 2013, sagte:

„Wissen macht lernbehindert.“ Wenn man also glaubt,
alles über einen Fall oder eine Szene zu wissen, ist man

nicht mehr offen für Anderes – man lernt nichts mehr
dazu. Günter Schicht nennt das das „routinemäßige Wis-
sen“ der Sicherheitsbehörden, die glauben, aufgrund ihrer
Erfahrung einen Fall bereits einschätzen zu können und

die aus dieser Erfahrung Schlussfolgerungen für die Er-

mittlungen ziehen. Damit werden aber andere Ermitt-

lungsansätze einfach beiseitegeschoben (Protokoll der

Ausschusssitzung vom 16. Mai, S. 63).

Das Verkennen rechter Netzwerke und Strukturen zieht

sich bis hinein in Polizei und Justiz. Der staatliche Ver-

folgungsdruck durch Zielfahndung und normaler Polizei-

arbeit war schlicht unzureichend. Fahndungsmaßnahmen

sind nur punktuell anberaumt oder zeitlich auf wenige

Tage beschränkt gewesen. Überwachungs- oder G10-

Maßnahmen sind lückenhaft und nicht konsequent durch-

geführt worden. Waren länder- oder dienstübergreifende

Maßnahmen geplant, verliefen sie mangels Informations-

austausch unkoordiniert und somit ergebnislos.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 905 – Drucksache 17/14600

Wir sind zweitens der Meinung, dass sich der Fokus der

Polizei und der Nachrichtendienste sowie die politische

Aufmerksamkeit nach den Anschlägen in New York 2001

fast komplett auf den islamistischen Terror gerichtet hat.

Bedingt dadurch ist das Thema Rechtsradikalismus aus

dem Fokus verschwunden und wurde nahezu unwichtig.

Die Fahndungserfolge deutscher Dienste im Bereich isla-

mistischer Terror – zum Beispiel das Aufspüren verdäch-
tiger deutscher Islamisten im tiefsten Pakistan und Af-

ghanistan – wie auch das radikale und entschlossene Vor-
gehen der Dienste in rechtlichen Grauzonen (siehe BND-

Untersuchungsausschuss) zeigen, dass die Dienste und

Behörden übergreifend schnell und erfolgreich arbeiten

können, wenn sie denn wollen. Angesichts dieses Wis-

sens, dass Informationen über eine Person und ihre Rei-

sewege im Bereich islamistischer Terror schnell und ge-

zielt sogar Staatsgrenzen überschreiten können und von

mehreren Geheimdiensten, den deutschen, makedoni-

schen (El Masri), amerikanischen, pakistanischen etc.

geteilt werden und Zugriffe erfolgen, fragt man sich,

warum es in Deutschland Informationen über Rechtsradi-

kale nicht einmal rechtzeitig von Thüringen nach Sachsen

oder umgekehrt schaffen?

Wir sind drittens der Meinung, dass es ein katastrophales

Defizit in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Län-

dern, zwischen den Ländern, zwischen den Diensten un-

tereinander, zwischen BKA und den Länderpolizeien und

in den Ländern wiederum zwischen den LKA und den

zuständigen Polizeipräsidien gibt.

Das Defizit macht sich am eklatantesten am jeweiligen

Informationsaustausch fest: Ohne dem Zentralismus das

Wort zu reden, muss aber festgehalten werden, dass sich

bei Polizeiermittlungen und beim Erkenntnisaustausch

des Verfassungsschutzes der Sicherheitsföderalismus

extrem negativ bemerkbar macht.

Eine länderübergreifende Ermittlungsgruppe wie die

BAO „Bosporus“, die quasi eine politisch gewollte Orga-
nisationsform war, um es jedem betroffenen Bundesland

recht zu machen, ist eine Zumutung für die Polizeiarbeit.

Polizeiliche Ermittlungen dürfen nicht zum Spielball

politischer Länderinteressen werden, und eine länder-

übergreifende Ermittlung braucht eine zentrale Koordina-

tion und eine zentrale Führung. Das muss nicht unbedingt,

kann aber das BKA sein, so wie es das BKA-Gesetz nach

§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG auch vorsieht. Christian Hoppe,

damals zuständiger Referatsleiter im BKA sagte vor dem

Ausschuss:

„Und mit den Morden 8 und 9 hatte sich für mich
die Lage grundlegend verändert, weil zwei weitere

Bundesländer hinzugekommen waren, nämlich

Hessen und Nordrhein-Westfalen, ..... [man hatte

festgestellt], dass es an der einen oder anderen

Stelle, zum Beispiel der Datenverarbeitung, Opti-

mierungsbedarf geben kann, und hatte für mich die

Bewertung getroffen, dass eine echte zentrale Er-

mittlungsführung, die ein zentrales Ermittlungs-

konzept, Fahndungskonzept, Öffentlichkeitskon-

zept vorsieht, der richtige Weg sei, und habe des-

wegen meiner Amtsleitung vorgeschlagen, diesen

Weg zu gehen.“

(Protokoll vom 11. Mai 2012, S. 3)

In aller Deutlichkeit stellt sich hier die Frage, ob ein in-

formelles Gremium, wie die Untergruppe der Innenminis-

terkonferenz (IMK), der AK II, auf Ebene der Fachgrup-

penleiter, gesetzliche Regelungen unterlaufen darf, wie

geschehen 2006, als sich bei einer Tagung in Garmisch

Partenkirchen der AKII der IMK darauf einigte, die Er-

mittlungen nicht dem BKA zu übertragen. Die Entschei-

dung wurde also nicht von der Amtsleitung sondern von

Abteilungsleitern getroffen.

Wir kommen viertens zum Ergebnis, dass der Ausbil-

dungsstand der Verfassungsschutzmitarbeiter extrem

verbesserungswürdig ist. Der Verfassungsschutz, vor

allem der Länder, rekrutiert sich vorwiegend aus Querein-

steigern, die nur eine Minimalausbildung durchlaufen,

und dabei auf eigenes „Learning by Doing“ angewiesen
sind. In ihrer Arbeit werden sie oft alleine gelassen durch

teilweise unzureichende Landesgesetze oder Dienstvor-

schriften, die keinerlei Orientierung geben – beispielswei-
se bei der V-Mann-Gewinnung oder V-Mann-Führung.

Zur Verbesserung der Ausbildung in den Verfas-

sungsschutzämtern hat die FDP-Fraktion umfangreiche

Vorschläge gemacht, wie beispielsweise, dass Verfas-

sungsschutzbeamte auch eine dreijährige Ausbildungs-

phase durchlaufen müssen, analog der Polizeiausbildung.

Für seine Aufklärungsarbeit hat der Untersuchungsaus-

schuss des Deutschen Bundestages nur eineinhalb Jahre

Zeit gehabt. Die Verbrechensserie des NSU aber dauerte

über zehn Jahre. Und ebenso lange ist die endlose Kette

von Behördenversagen in fast allen Bundesländern. Auf-

arbeitungszeitraum und Tatzeitraum stehen deshalb in

keinem Verhältnis zueinander. Die Zeit für die Aufklä-

rung durch den Ausschuss war zu knapp!

Deshalb setzt sich die FDP-Fraktion dafür ein, den NSU-

Ausschusses nach der Bundestagswahl erneut einzusetzen

und fortzuführen. Dass die anderen Fraktionen dem bis-

lang nicht zugestimmt haben, bedauern wir sehr. Denn auf

allen anderen Ebenen gehen die Ermittlungen und Aufklä-

rungsarbeiten weiter: Bei der Generalbundesanwaltschaft

sind zwei neue Ermittlungsverfahren anhängig, eines

gegen neun Beschuldigte und eines gegen Unbekannt. Der

Untersuchungsausschuss in Thüringen wird noch mindes-

tens ein weiteres Jahr, bis 2014, seine Aufklärungsarbeit

fortsetzen; der Innenminister von Baden-Württemberg,

Reinhold Gall, hat erst im März 2013 die Ermittlungs-

gruppe „Umfeld“ eingesetzt, die die engen Verbindungen
zwischen dem NSU und Baden-Württemberg untersuchen

soll (Badische Zeitung vom 5. März 2013). Und das BKA

untersucht derzeit noch weitere 700, bislang ungeklärte

Gewaltfälle, auf mögliche rechtsterroristische Hinter-

gründe. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Mit-

angeklagten hat im April 2013 eben erst begonnen und

dauert voraussichtlich bis Ende 2014. Und aus München

kommen neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit: So hat

es vermutlich bereits 1999 einen Rohrbombenanschlag

auf ein türkisches Lokal in Nürnberg gegeben, der even-

tuell dem NSU zuzuordnen ist. Das deutete der Mitange-

Drucksache 17/14600 – 906 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

klagte und Zeuge, Carsten Schultze, am 11. Juni 2013 bei

seiner Vernehmung vor dem Oberlandesgericht in Mün-

chen an (Tagesspiegel vom 11. Juni 2013).

Auch sind im Zuge von Medienrecherchen im Juli 2013

neue und zum Teil bislang unbekannte Zusammenhänge

aufgetaucht: So, dass der Verfassungsschutz versucht hat,

2001 eben diesen Carsten Schultze als V-Mann anzuwer-

ben. Im Anwerbungsbogen hat er den Decknamen

„Dehli“ bekommen, weil er in Neu-Dehli geboren wurde.
Vor Gericht hatte Carsten Schultze eine Anwerbung

durch den Verfassungsschutz aber bislang verneint (Spie-

gel vom 10. Juli 2013).

Bekannt wurde auch, dass die ehemalige Freundin von

Ralf Wohlleben kurzzeitig und gegen Geld als V-Frau

unter dem Decknamen „Jule“ für den Thüringer Verfas-
sungsschutz gearbeitet hat. Sie sollte mithelfen, das un-

tergetauchte Trio zu finden (MDR, 8. Juli 2013).

Das sind Erkenntnisse, die der Untersuchungsausschuss

während seiner Arbeit nicht vorliegen hatte, ebenso wenig

wie das gesamte Videomaterial im Zusammenhang mit

dem Nagelbombenattentat in Köln. Der Ausschuss hatte

nur wenige Minuten zur Einsicht aus den Videoaufnah-

men in der Keupstraße erhalten. Das gesamte Videomate-

rial aber hat eine Länge von insgesamt 18 Stunden.

Die aktuellen Entwicklungen und unsere Erfahrungen

lassen vermuten, dass noch weitere wichtige Erkenntnisse

ihren Weg in die Öffentlichkeit finden werden. Das Gan-

ze gleicht einem Puzzleteil, von dem der Ausschuss wich-

tige aber noch unzureichende Teile kennt. Zu wenige, um

sich ein Gesamtbild zu machen. Eine Erstellung eines

Gesamtbildes war und ist aber Auftrag des gemeinsam

beschlossenen Untersuchungsauftrages des Ausschusses.

Wir sind deshalb der Meinung, dass der Bundestag das

falsche Signal setzt, wenn er seine Aufklärungsarbeit für

beendet erklärt und sich nicht fraktionsübergreifend dafür

einsetzt, die Aufklärung in der nächsten Legislaturperiode

fortzuführen. Der Bundestags-Untersuchungsausschuss

war und ist das einzige Gremium, bei dem alle bundes-

weiten Erkenntnisse zusammengetragen worden sind und

auch weiterhin zusammen getragen werden können. Es ist

das einzige Gremium, das genügend Druck auf Behörden

und Dienste machen kann, um Veränderungen herbeizu-

führen. Das Thema NSU und dessen Umfeld sind keines-

wegs ausermittelt. Das sieht wohl auch der Generalbun-

desanwalt so, der wie erst am 11. Juni 2013 bekannt ge-

worden ist, mittlerweile rund 500 Personen und nicht wie

bislang bekannt, nur 129 Personen aus dem Umfeld des

NSU abgeprüft hat.

Deshalb kann für die FDP-Fraktion dieser Bericht auch

nur ein vorläufiger Zwischenbericht, aber kein Ab-

schlussbericht sein. Es bleiben – für uns – mehr offene
Fragen als Antworten.

Deutlich muss in diesem Zusammenhang auch angespro-

chen werden, dass die Aufklärungsarbeit immer wieder

erschwert wurde durch die Tatsache, dass wichtige Akten

von V-Männern sowohl im Bundesamt für Verfassungs-

schutz, wie auch in einigen Landesämtern bereits vernich-

tet waren, bzw. noch nach dem 4. November 2011 unter

fragwürdigen Umständen geschreddert worden sind. Sie

stehen für die Aufklärungsarbeit somit nicht mehr zur

Verfügung. Hier erwartet die FDP-Fraktion von den be-

troffenen Bundesbehörden, dem BfV und BMI noch eine

komplette Aufklärung darüber, wie es zu diesen Akten-

vernichtungen kommen konnte. Mit dem Bericht, die der

hausinterne Ermittlungsbeauftragte, Hans-Georg Engelke,

im Auftrag des BMI fertig erstellt hat, ist die FDP-

Fraktion nicht zufrieden.

Eine weitere wesentliche Behinderung der Aufklärungs-

arbeit ist und war die Weigerung verschiedener Landes-

verfassungsämter wie auch des BfVs, dem Ausschuss

zunächst wichtige Akten zur Verfügung zu stellen, oder

das Unvermögen, sie rechtzeitig zu den anstehenden Ver-

nehmungen zu liefern. Auch die Informationspolitik über

die, den Ausschuss interessierende Akten aus den Län-

dern, ist teilweise mangelhaft. So musste zum Beispiel

Sachsen-Anhalt mehrfach aufgefordert werden, Akten

nach Berlin zu liefern, wie auch das Land Berlin mit einer

Informations-Salamitaktik dem Ausschuss wichtige In-

formationen über V-Männer zunächst vorenthalten hatte.

Ebenso wie Innenminister Reinhold Gall in Baden-

Württemberg. Erst Ende Mai 2013 und somit schon am

Ende des Ausschusses wurde klar, dass das Landesamt für

Verfassungsschutz mit Krokus eine langjährige Informan-

tin in der rechten Szene hatte. Krokus hat dem Landesamt

in Stuttgart angeblich gemeldet, dass Rechtsextremisten

versucht haben sollen, den Gesundheitszustand des

schwerverletzten Kollegen der ermordeten Polizistin

Michèle Kiesewetter auszuforschen. Auch wenn die

Glaubwürdigkeit von Krokus nicht eindeutig beantwortet

werden konnte, war dies für den Ausschuss Anlass genug,

nochmals eine Sondersitzung mit Vertretern des Landes

Baden-Württemberg nach Beendigung des Ausschusses

anzuberaumen. Da aber eine solche verhindernde Infor-

mationspolitik keine Ausnahme ist, gehen wir davon aus,

dass es im näheren oder weiteren NSU-Umfeld noch

Informanten oder V-Leute gegeben hat.

Diese Verzögerungs- und Behinderungspraxis kann im

besten Fall als unkooperativ bezeichnet werden, in man-

chen Fällen – wie teilweise beim BfV, aber auch im Land
Berlin – könnte man den Eindruck gewinnen, dass es
absichtliches und vorsätzlichen Vorenthaltens oder Ver-

nichten von Aktenmaterial gegeben habe. Das Baden-

Württemberg wichtige Akten erst im August 2013 lieferte

und schon zuvor durch wenig kooperatives Verhalten

aufgefallen ist, hat ein besonderes Gschmäckle.

Der Streit um Aktenlieferungen hat dann im Oktober

2012 einen noch nie dagewesenen Höhepunkt des politi-

schen Kräftemessen erreicht, zwischen dem NSU-

Untersuchungsausschuss des Bundestages und dem Bun-

desinnenministerium und dessen ausführendem Organ,

dem Bundesamt für Verfassungsschutz unter seinem

neuen Präsidenten, Hans-Georg Maaßen. Das Land Thü-

ringen ist 2012 bereit gewesen, alle noch verfügbaren

Akten ungeschwärzt an den NSU-

Untersuchungsausschuss des Bundestages zu liefern. Das

Bundesinnenministerium und das BfV sowie Vertreter der

anderen Bundesländer haben versucht das zu verhindern.

Sie haben Thüringen vorgeworfen, durch seine Aktenlie-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 907 – Drucksache 17/14600

ferungen die „Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden zu
gefährden“. Thüringen wird in einer gemeinsame Tele-
fonkonferenz von Bund und Ländern angeblich des „Lan-
desverrates“ und des „Geheimnisverrat“ bezichtigt, eben-
so wird Thüringen vorgeworfen, mit diesen Aktenliefe-

rungen „Leib und Leben von V-Leuten zu gefährden“
(Thüringer Allgemeine vom 2. Oktober 2012). Nach Mel-

dungen des Mitteldeutschen Rundfunks vom 10. Oktober

2012 haben sich Bundes- und Landesämter sogar ernst-

haft überlegt, den Transport dieser Akten aus Thüringen

nach Berlin auf offener Straße abzufangen und zu stop-

pen.

Das wäre ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der

Bundesrepublik Deutschland, und eine erhebliche Verlet-

zung der staatsorganisationsrechtlichen Strukturen gewe-

sen.

Die angespannte Situation zwischen dem Ausschuss des

Bundestages und dem Innenministerium sowie der Län-

der, außer Thüringen, wird dadurch gelöst, dass die Akten

in Treptow eingelagert wurden und dort nur von den Er-

mittlungsbeauftragten des Ausschusses, von Dr. Schäfer

und seinem Team eingesehen werden dürfen. Dr. Schäfer

hat dann über die Vorschläge der Länder zur Einstufung

und die geschwärzte Weitergabe an die Mitglieder des

Ausschusses entschieden. Gleichwohl hat sich der Aus-

schuss das Recht vorbehalten, sämtliche Akten auch ohne

Einstufungen nach wie vor vorzuhalten.

II.2. Die Einzelvoten der FDP zu einzelnen Punkten im

Überblick

Die FDP-Fraktion hat als erste Fraktion im Deutschen

Bundestag am 23. November 2011 einen Untersuchungs-

ausschuss zur Aufklärung und Aufarbeitung der Mords-

erie und der dahinterliegenden rechtsradikalen Netzwerke

gefordert. Dieser Forderung hat sich einen Tag später die

Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag angeschlossen.

Auch wenn damals natürlich die bis heute bekannte Di-

mension des „Falles NSU“ nicht absehbar war, sind wir
bereits damals der Meinung gewesen, dass die gesamten

Zusammenhänge und Implikationen auch in einem politi-

schen Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden müs-

sen.

Das Bundesinnenministerium (BMI) dagegen, mit dem

CSU-Minister Dr. Hans-Peter Friedrich an der Spitze,

hat damals im Gegensatz zur FDP nur eine interne Auf-

klärung favorisiert. Das BMI wollte zunächst nur die

Aufarbeitung durch einen Sonderermittler des Parlamen-

tarischen Kontrollgremiums (PKGr). Diesem Vorschlag

der rein internen Aufklärung hat sich auch die SPD-

Fraktion angeschlossen. So hatten damals sowohl der

Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Thomas Opper-

mann, als auch der innenpolitische Sprecher Michael

Hartmann, die Einrichtung eines Untersuchungsausschus-

ses abgelehnt.

Erst unter dem Eindruck der massiven öffentlichen Be-

richterstattung hat das Innenministerium seinen Vorschlag

erweitert und die Einsetzung einer Bund-Länder-

Kommission zur politischen Aufklärung der Morde be-

fürwortet.

Die FDP-Fraktion aber hat im November und Dezember

2011 weiterhin an ihrer Überzeugung festgehalten, dass

ein mögliches Totalversagen der Behörden nicht durch

diese selbst oder andere Behördenvertreter aufgeklärt

werden könne, sondern nur durch einen unabhängigen

parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die FDP-

Fraktion hat aber auch der Einsetzung einer Bund-Länder-

Kommission, zusätzlich zu einem Untersuchungsaus-

schuss zugestimmt.

Die Zeugenvernehmung des NSU-Ausschusses ist im Juni

2013 abgeschlossen gewesen; die Bund-Länder- Kom-

mission hatte schon im Mai 2013 ihren Abschlussbericht

vorgelegt; die in Thüringen eingesetzte Schäfer-

Kommission bereits ein Jahr zuvor, im Mai 2012. Im

Ausschuss selbst sind Sachverständige aus Wissenschaft,

der Sozialarbeit oder aus dem Polizeidienst gehört wor-

den, sowie auch die Ombudsfrau für die NSU-Opfer,

Prof. Barbara John. Diese Aussagen, Feststellungen und

Gutachten sind alle in das Meinungsbild der FDP-

Fraktion ebenso eingeflossen, wie auch die Erkenntnisse

aus eigenem, langem Aktenstudium und der Zeugenbe-

fragung im Ausschuss.

Auch wenn es eine große Übereinstimmung aller Fraktio-

nen bei der Bewertung der dargelegten Sachverhalte gibt,

so hat die FDP-Fraktion doch bei einigen wichtigen The-

menbereichen eine abweichende Meinung: Sei es, weil

aus liberaler Sicht politische Entscheidungen anderes

gewertet werden als von anderen Fraktionen; sei es, weil

die Aufarbeitungszeit des Ausschusses zu kurz bemessen

war und Themenfelder nach Ansicht der FDP-Fraktion

deshalb nicht genügend ausgeleuchtet worden sind. So

sind beispielsweise die Verbindungen des NSU in die

Schweiz nicht im Ausschuss behandelt worden, obwohl

die FDP-Fraktion den Ausschuss-Vorsitzenden immer

wieder gebeten hatte, mit der Schweizer Botschaft Kon-

takt aufzunehmen um an Informationen aus erster Hand

zu kommen. Die Schweiz wäre dazu bereit gewesen.

Für die Aufklärung der Fehler der Berliner Innenbehörde

und des Berliner LKA hat es im Ausschuss eben so wenig

eine Mehrheit gegeben, wie dafür, den ehemaligen Präsi-

denten des BfV, Heinz Fromm, oder der Präsident des

BKA, Jörg Ziercke, mehrfach vor den Ausschuss zu la-

den, um Widersprüche aufzuklären. Für beides hatte sich

der Obmann der FDP im Ausschuss, Hartfrid Wolff, ein-

gesetzt.

Einige Themen sind im Ausschuss auch eher beiläufig

behandelt worden, wie beispielsweise die Aufarbeitung

des rechtsradikalen Netzwerkes „Blood & Honour“, das
das Trio seit seiner Flucht 1998 bis zu seiner Entdeckung

2011 unterstützt und geschützt hatte. Und das, obwohl die

Organisation im Jahr 2000 eigentlich verboten und aufge-

löst wurde.

Nach Ansicht der FDP hätte der Ausschuss durchaus auch

für die Zeugenvernehmung noch vermehrt die sitzungs-

freien Wochen nutzen können. Die FDP-Fraktion hatte

sich von Anfang an, angesichts des Umfangs des Themas,

dazu bereit erklärt, mehr Sitzungen durchzuführen als

letztlich gemacht wurden.

Drucksache 17/14600 – 908 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein vertiefter Blick auf „Blood & Honour“ wie auch auf
andere rechte Netzwerke, wie beispielsweise auf die

Hilfsorganisation für nationale Gefangene (HNG), wäre

aber unseres Erachtens immens wichtig gewesen, weil

diese Netzwerke, damals wie heute, hervorragende inter-

nationale Verbindungen in fast alle angrenzenden Nach-

barstaaten hatten und noch haben, sogar in die USA und

nach Russland. Ebenso international sind auch ihre die

Geldflüsse und die Unterstützung für die deutsche rechte

Szene durch diese informellen Netzwerke.

Unseres Erachtens greift der rein nationale Blick auf die

deutsche rechte Szene im Zusammenhang mit dem NSU

viel zu kurz. Denn nicht nur die Mordwaffe, die Česká 83,
kam aus der Schweiz, sondern auch ein Telefonanruf von

Uwe Mundlos nach dem Untertauchen des Trios. Aus

einer Telefonzelle in Concise, im Schweizer Kanton

Waadt, hatte ein gewisser „Ralf“ seinen deutschen Freund
Jürgen H. angerufen, dass das Trio Hilfe von den Eltern

brauche. Wie sich später herausstellte war Mundlos selbst

am Telefon (Ulrich Gundlach, BKA, Sitzungsprotokoll

vom 8. Mai 2013, S. 123). Außerdem soll es eine Postkar-

te des Trios nach ihrem Untertauchen aus Bulgarien ge-

ben, in der sie schreiben, dass man sie so schnell nicht

wiedersehen werde. Im Zuge der Arbeit im Ausschuss

haben wir auch erfahren, dass der Angeklagte und NSU-

Unterstützer Ralf Wohlleben 2009 rund 20 000 Euro zur

Unterstützung der rechten Szene nach Meran in Südtirol

gebracht hatte. Die „Kameradschaft Südtirol Sektion
Meran“ wurde damals von Patrick Ennemoser vertreten –
einem aktiven „Blood & Honour“ und „Combat 18“-
Mitglied (l‘ Espresso 23. Oktober 2008).

Da die internationalen Verbindungen des NSU und dessen

Einbindung in internationale Netzwerke wie „Blood &
Honour“ und HNG im Ausschuss zu kurz kamen, werden
wir diese in Kapitel VI. aufgreifen und genauer analysie-

ren.

Auch wenn aus guten Gründen das Versagen des BfV und

der Landesämter für Verfassungsschutz zu Recht im Fo-

kus der Ausschussarbeit standen, so hätte es die zum Teil

ebenso katastrophale Polizeiarbeit genauso verdient ge-

habt. So gibt der Mord an der Polizistin Michèle Kiese-

wetter in Baden-Württemberg bis heute Rätsel auf - und

das vor allem auch durch schlampige polizeiliche Ermitt-

lungen und entsetzliche Fehler in der Polizeiarbeit. Tat-

ortspuren, wie blutige Taschentücher am Tatort und Be-

weisvideos, sind beispielsweise nach dem Mord nicht

ausgewertet worden, und auch das persönliche Umfeld

von Michèle Kiesewetter wurde nicht näher durchleuchtet,

ihre Emails nicht ausgewertet und Zeugenaussagen nicht

ordentlich analysiert. Der Fall Kiesewetter ist eine un-

glaubliche Anhäufung von Fehlern und Fehlentscheidun-

gen. Darum bedauert es die FDP-Fraktion sehr, dass wir

uns gegen die Ausschuss-Mehrheit nicht durchsetzen und

dem Komplex Baden-Württemberg mehr Zeit in der Auf-

klärung einräumen konnten. So hat es nämlich bereits

damals Spuren gegeben, die auf eine mögliche rechte Tat

hingewiesen haben, wie beispielsweise die Aussage des

Onkels von Michèle Kiesewetters. Deshalb wollen wir uns

in Kapitel IX. mit dem Fall Kiesewetter nochmals befas-

sen.

In diesem Zusammenhang wollen wir auch die Einrich-

tung der BAO „Bosporus“, die egoistischen Länderinte-
ressen, die dabei eine Rolle gespielt haben, und die Bilanz

der Arbeit der BAO in Kapitel X. erneut analysieren und

einordnen.

In neun von zehn Mordfällen hat es ein Verbindungsglied

gegeben und damit den einzigen konkreten Hinweis auf

die Täter überhaupt: Die Pistole vom Typ Česká 83. Ob-
wohl das BKA jahrelang die Spur der Česká verfolgt
hatte, hat sie die Ermittler nicht zu den Tätern geführt.

Während sich die gesamte Ermittlung auf diese eine Waf-

fe konzentriert hat, sind Ermittlungen zu der – zumindest
am Anfang verwendeten sehr seltenen Munition – fast
unterblieben. Dabei ist der Hauptimporteur dieser selte-

nen Munition in Mellrichstadt, in der Nähe einer Bun-

deswehrkaserne ansässig, in dem ein guter Freund von

Ralf Wohlleben seinen Dienst abgeleistet hatte. Auch die

Ermittlungen zur zweiten Mordwaffe sind nicht mit der-

selben Intensität betrieben worden, wie die Spur der

Česká 83. Im Ausschuss ist das wichtige Thema Waffen
aber nur kurz angerissen worden, obwohl die Herkunft

des großen Waffenarsenals, das beim Trio gefunden wur-

de, nach wie vor unklar ist. Auch hier führen die Spuren

wahrscheinlich wieder ins Ausland (Schweiz und Portu-

gal) und wieder zum „Blood & Honour“-Netzwerk. Diese
Verbindungen arbeiten wir in Kapitel V. heraus.

Der Frage, wie das Trio über 13 Jahre lang sein Leben im

Untergrund finanzieren konnte, ist unseres Erachtens der

Ausschuss nicht im gebotenen Umfang nachgegangen.

Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass das Geld aus den

Banküberfällen für ein Leben im Untergrund mit Haustie-

ren, Urlaub und Mietautos nicht ausgereicht hat. Aber

Hinweisen, dass das Trio eventuell Geld mit Montagear-

beiten in der Schweiz verdient habe, wurde nicht nachge-

gangen. Wir wollen das in Kapitel IV. tun.

Der Generalbundesanwalt (GBA) ist auf die Aktenkennt-

nis und Beurteilung einer Straftat auf die Landessstaats-

anwaltschaften angewiesen. Die Rechtsordnung sieht vor,

dass der Informationsweg von den Staatsanwaltschaften

der Länder zum Generalbundesanwalt verläuft. In der

Praxis aber ist der GBA oft auf Informationen aus den

Medien angewiesen, um einen Fall zu beurteilen, denn die

Informationszuleitung aus den Ländern ist meist unzurei-

chend. Wir sind deshalb der Meinung, dass der GBA eine

eigene Informationsbefugnis bekommen muss und be-

gründen dies in Kapitel XII.

Ein Fall, der im Untersuchungsausschuss leider nur mar-

ginal zur Sprache gekommen ist, war der (bislang) erste

bekannte Bombenanschlag des NSU im Jahr 2000 auf ein

Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse. Eine

Bombe ist in einer Stollendose versteckt gewesen, die in

diesem Laden zurück gelassen wurde. Die Tochter des

Ladenbesitzers hat sich beim Öffnen der Dose schwer

verletzt. Obwohl der Anschlag nicht aufgeklärt werden

konnte, wurden die Beweise bereits nach fünf Jahren ohne

Begründung vernichtet. Diesen Anschlag greifen wir

ebenso in Kapitel XI. auf, wie den Nagelbombenanschlag

2004 in der Keupstraße in Köln, der durch die politische

Einflussnahme von Bundesminister Otto Schily in die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 909 – Drucksache 17/14600

falsche Richtung gelenkt wurde. Was uns im Ausschuss

dabei ebenfalls erschüttert hat, war die uninteressierte und

anscheinend abgebrühte Haltung des NRW-

Innenministers Dr. Fritz Behrens, der, über die Tat infor-

miert, ungerührt seinen privaten Umzug fortgesetzt hat,

anstatt die mehr als 20 schwerverletzten Opfer der

Keupstraße zu besuchen.

Am 11. November 2011, also nach Bekanntwerden des

NSU, sind auf Veranlassung eines Referatsleiters im BfV

Akten zu V-Männern aus dem Umfeld des Thüringer

Heimatschutzes vernichtet worden. Kurze Zeit später

sogar noch einmal. Insgesamt sind 26 Ordner zu G 10-

Maßnahmen, 94 Personen-, 8 Sach- und 137 Beschaf-

fungsordner geschreddert worden. Obwohl zu der Zeit

bereits der Untersuchungsausschuss des Bundestages

eingesetzt worden war, hat das BfV erst im Juli 2012

einen Stopp der Aktenvernichtung angeordnet. Das BMI

hat zwar mit Hans-Georg Engelke einen internen Sonder-

ermittler eingesetzt, doch dieser konnte nur einen Teil der

Akten einsehen, nämlich die, die aus den geschredderten

Akten technisch wiederhergestellt werden konnten. Sein

dazu abgefasster Bericht ist insofern für die FDP-Fraktion

nur beschränkt aussagefähig. Auch geht aus seinem Be-

richt nicht hervor, warum diese Akten durch das BfV

vernichtet worden sind und ob der Referatsleiter allein

handelte. Die Hintergründe der Aktenschredderei und das

unzureichende Aktenmanagement des BfV, aber auch

verschiedener LfV, wie beispielsweise des Berliner LfV,

werden von uns nochmals in Kapitel III. bewertet.

Die Betrachtung dieser Vorkommnisse, die bei uns immer

noch mehr Fragen als Antworten hervorrufen, bestärken

den Obmann der FDP-Fraktion im Ausschuss, Hartfrid

Wolff, nach wie vor für eine Fortsetzung des Ausschusses

in der nächsten Legislaturperiode zu plädieren. Die bisher

geleistete Aufklärung war ein wichtiger Schritt – aber von
der Wahrheit sind wir noch weit entfernt. Doch Transpa-

renz und auch bittere Wahrheiten gehören zu einer De-

mokratie.

III. Aktenvernichtung in den Diensten – Wir
können nichts ausschließen

Auf Veranlassung eines Referatsleiters im Bundesamt für

Verfassungsschutz (BfV) wurden am 11. November 2011

und kurze Zeit später erneut in einem nicht ordnungsge-

mäß durchgeführten Verfahren Akten zu V-Männern aus

dem Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ (Operation
„Rennsteig“) vernichtet. Die Akten waren zuvor als prü-
fungsrelevant angesehen worden. Bestandteile der Akten

konnten wiederhergestellt werden.

Am 4. Juli 2012 wurde für das BfV ein genereller Ver-

nichtungsstopp für sämtliche Unterlagen aus dem Bereich

Rechts angeordnet. Bis dahin waren zumindest Ordner zu

26 G10-Maßnahmen, 94 Personen-, 8 Sach-, 137 Beschaf-

fungs- und 45 Gewährspersonenakten vernichtet worden.

Andere Bundes- und Landesbehörden haben ebenfalls erst

mehrere Monate nach dem Entdecken des NSU einen

Vernichtungsstopp verhängt.

Der Sonderbeauftragte, Ministerialdirigent Hans-Georg

Engelke, untersuchte die Vorgänge im BfV, insbesondere

die vom Referatsleiter angeordneten Aktenvernichtungen.

Die Vorgänge sind aus mehreren Gründen bedeutsam:

Zunächst stellt sich die Frage nach den Gründen für die

Aktenvernichtungen im November 2011: Sollten frühere

Informationen der Dienste zum NSU vertuscht werden?

Wurde der Referatsleiter zu seinen Handlungen angestif-

tet? Dieser hat hierzu in der Zeugenvernehmung durch

den 2. Untersuchungsausschuss geschwiegen.

Darüber hinaus gewähren die Vorgänge einen Einblick in

die Aktenführung der Dienste.

Schlussendlich lässt sich an ihnen die Reaktion der Be-

hörden auf das Bekanntwerden des NSU und seiner Taten

beleuchten.

III.1. Aktenvernichtung im BfV im November 2011

Der Sonderermittler Hans-Georg Engelke hat nur einen

Teil der Akten des BfV eingesehen und nur einzelne Per-

sonen im BfV befragt. Dies legt er in seinem anschauli-

chen Bericht offen, wenn er sich auf die „größtenteils
wiederhergestellten Akten und […] sonstigen Untersu-
chungen“ (MAT_B_BfV-2-5, S. 6) beruft. Sämtliche
seiner Ergebnisse und Feststellungen sind dann aber auch

konsequent auf die zugrundeliegenden Quellen zu bezie-

hen und damit in ihrer Reichweite zu beschränken. Dies

gilt angesichts der defizitären Aktenführung im BfV umso

mehr, da beispielsweise in Übersichten erfasste Aktenbe-

stände nicht ausreichend auf ihr tatsächliches Vorhanden-

sein überprüft wurden. So kann heute niemand mit Be-

stimmtheit sagen, die auf Anordnung des Referatsleiters

und im üblichen Verfahren vernichteten Akten enthielten

nur die im System verzeichneten Dokumente. Selbst der

ehemalige Präsident des BfV, Heinz Fromm, geht offen-

bar nicht davon aus, denn in seiner Vernehmung am

5. Juli 2012 erklärte er, dass mitunter nicht nur versehent-

lich, sondern ganz bewusst Informationen nicht niederge-

legt werden, nicht von Akten in Dateien übertragen wer-

den, gerade bei Werbungsfällen.

Dass sich

„aus den größtenteils wiederhergestellten Akten
und den sonstigen Untersuchungen […] keine An-
haltspunkte darauf [ergeben], dass das BfV bis

zum November 2011 Kenntnis von der Existenz

des NSU gehabt oder personelle oder sachliche

Zusammenhänge zwischen dem Personenumfeld

des „THS“ und den Morden und Banküberfällen
auch nur erkannt oder gar gefördert hätte“
(MAT_B_BfV-2-5, S. 6),

beweist somit nicht, dass das BfV insgesamt über keine

dieser Kenntnisse verfügte oder den NSU förderte. Hin-

weise auf eine Förderung des NSU zu Zeiten der Verbre-

chen des Trios konnte der Ausschuss auch im Rahmen

seiner Untersuchungen allerdings nicht finden.

Das Ergebnis des Sonderermittlers,

Drucksache 17/14600 – 910 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„[w]eder Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe noch die
sonstigen im Verlaufe der bisherigen Ermittlungen

durch die Bundesanwaltschaft zu Beschuldigten

des Ermittlungsverfahrens erhobenen Personen

sind oder waren V-Männer des BfV“
(MAT_B_BfV-2-5, S. 6),

ist dahingehend zu relativieren, dass sich lediglich An-

hand der geprüften Akten und Befragungen eine V-

Personen-Tätigkeit nicht erhärten lässt. Nicht gefolgt

werden kann auch der verabsolutierenden Feststellung,

„eine Vertuschungsabsicht hinsichtlich grob un-
professioneller, rechtswidriger oder krimineller

Handlungen“ (MAT_B_BfV-2-5, S. 6)

sei als Motiv auszuschließen, weil die Prüfung der Akten

dafür keine Anhaltspunkte ergeben hat. Denn unstrittig ist

die Wiederherstellung der Akten nicht vollständig gelun-

gen. Es könnte also durchaus sein, dass die Akten Hin-

weise auf fehlerhaftes Verhalten enthielten.

Trotz der anzuerkennenden Bemühungen des Bundesmi-

nisters des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, und seines

Sonderermittlers, Hans-Georg Engelke, bleibt somit

schlussendlich ungeklärt, warum der Referatsleiter die

Akten vernichten ließ, ob er allein handelte oder angestif-

tet wurde. Anhaltspunkte für eine Anstiftung konnten

nicht gefunden werden. Theoretisch möglich ist sie

gleichwohl, zumal der Referatsleiter im untersuchten

Zeitraum zu anderen Behörden und natürlich auch zu

Angehörigen des BfV Kontakt hatte. Die Zusammenstel-

lung aller Erkenntnisse des BfV zum NSU und seinem

Umfeld ist schon aufgrund der Aktenvernichtungen nicht

mehr möglich. Der Untersuchungsausschuss ist nicht in

der Lage, den Verfassungsschutz freizuzeichnen.

III.2. Defizite im Wissensmanagement der Behörden

Die Untersuchungen des Ausschusses und der Bericht des

Sonderermittlers Engelke haben gezeigt, dass das Wis-

sensmanagement im BfV defizitär ist und dringend einer

Reform bedarf.

Defizite sind insbesondere auf zwei Ebenen festzustellen.

Zum einen sind die rechtlichen Vorgaben zur Führung

von Akten und Dateien lückenhaft und nicht konkret

genug. Zum anderen wird den Vorschriften weder vom

leitenden Personal noch auf der Sachbearbeiterebene der

gebührende Stellenwert eingeräumt. Daher verwundert es

auch nicht, dass die Organisationsstruktur des Hauses die

Beachtung der Vorgaben erschwert. So ist es zu erklären,

dass Löschungsverfügungen des Bundesministeriums des

Innern mitunter mehrere Jahre nicht vollzogen wurden.

Obwohl die Situation leitenden Angehörigen des BfV

bekannt gewesen sein muss, wurde sie nicht bereinigt.

Inwieweit das Bundesministerium des Innern (BMI) als

Aufsichtsbehörde Kenntnis hatte, bleibt zu klären.

Im LfV Berlin wird dem Aktenmanagement offensichtlich

ebenfalls eine zu geringe Bedeutung beigemessen. Es

entspricht nicht der gebotenen Sorgfalt, wenn Akten le-

diglich aufgrund ihrer Position in einem Raum kategori-

siert werden, jede äußere Kennzeichnung der einzelnen

Ordner oder mehrerer fest miteinander verbundener Ord-

ner fehlt (Situationsbeschreibung: Feuerberg-Bericht,

S. 70, MAT_B-BE-6-1).

Auch das sächsische LfV hat mit der Aktenführung zu

kämpfen. So fand man im Sommer 2012 und erneut im

Juni 2013 bei der Aufarbeitung von Altbeständen unbe-

kannte Akten zur Geheimoperation „Terzett“, bei der eine
Wohnung in Zwickau observiert wurde, in der Hoffnung,

so dem Trio auf die Spur zu kommen (SZ 19. Juni 2013;

Leipziger Volkszeitung 20. Juni 2013).

Das Verfahren zur Vernichtung von Akten bzw. zur Lö-

schung von Dateiinhalten, die zwischen Bund und Län-

dern ausgetauscht wurden, funktioniert in der Praxis

nicht. Immer wieder kam es vor, dass die Informationen

empfangenden Stellen nicht in der Lage waren, die von

der informationsgebenden Stelle abgeforderten Erklärun-

gen zur Vernichtung bzw. Löschung zu geben. Zum Teil

haben sie auf die Anforderung nicht reagiert oder die

abgelegten Informationen aufgrund des mangelhaften

Wissensmanagement gar nicht mehr gefunden.

Die offen zu Tage getretenen Defizite sind zügig abzustel-

len. Parlamentarische und exekutive Normgeber haben

Vorschriften auf den Weg zu bringen, die den Ansprü-

chen des Rechtsstaates genügen, Regelungslücken schlie-

ßen und auch praktisch anwendbar sind. Zur Verbesse-

rung des Wissensmanagements ist es aber nicht ausrei-

chend, nur Gesetze, Verordnungen und Dienstvorschriften

zu überarbeiten.

BfV und aufsichtsführendes BMI waren nicht in der Lage,

die Missstände abzustellen. Das Parlamentarische Kont-

rollgremium des Deutschen Bundestages (PKGr) beschäf-

tigte sich ebenfalls nicht zielführend mit dem Wissens-

management der zu kontrollierenden Dienste. Es sind

daher jetzt alle leitenden und kontrollierenden Ebenen

gefordert. Die Organisation der Behörden muss den recht-

lichen Vorgaben Rechnung tragen, damit diese auch prak-

tisch umgesetzt werden können. Die Verfassungsschutz-

behörden und ihre ministerielle Aufsicht haben darüber

hinaus einen Mentalitätswechsel in den Diensten voranzu-

treiben. Professionelles Wissensmanagement mit einer der

Rechtslage entsprechenden Akten- und Datenpflege darf

auf Leitungs- und Sachbearbeiterebene nicht länger als

belästigendes Übel wahrgenommen werden. Vielmehr ist

es als eine der Grundvoraussetzungen für professionelles

Arbeiten in die Behörden zu implementieren. Die große

Verantwortung, die hierbei dem Personalverantwortung

tragenden Angehörigen der Dienste zukommt, hat sich

schon auf das Verfahren zur Vergabe von Personalfüh-

rungspositionen auszuwirken, Datenschutzbeauftragte in

den Behörden sind zu stärken. Das bewusst unvollständi-

ge Führen von Akten und Dateien muss unterbunden

werden.

Auch das PKGr hat sich kontinuierlich dem Wissensma-

nagement der Dienste zu widmen. Eine strukturiert in die

Organisation und den Geschäftsgang der Nachrichten-

dienste vordringende Kontrolle erfolgt bisher nicht, ist

allerdings erforderlich. Dem PKGr muss mit dem Hilfs-

mittel des ständigen Sachverständigen die Möglichkeit

geschaffen werden, Kontrolle in den Nachrichtendiensten

intensiver auszuüben. Er oder seine Mitarbeiter haben

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 911 – Drucksache 17/14600

dann nach Recherchen in den Diensten eine Meinungsbil-

dung im PKGr u. a. zum Wissensmanagement zu unter-

stützen.

III.3. Zu später Aktenvernichtungsstopp

Kritikwürdig ist der Umstand, dass Verfassungsschutzbe-

hörden in Bund und Ländern erst sehr spät einen allge-

meinen Aktenvernichtungsstopp für Unterlagen aus dem

Bereich des Rechtsextremismus verhängten. So wurden

noch Akten vernichtet, als längst bekannt war, dass bei

den weitreichenden Ermittlungen zum Umfeld des NSU

auch bisher für unbedeutend befundene Erkenntnisse

relevant sein können, der Generalbundeanwalt bereits die

Ermittlungen aufgenommen hatte und der Bundestags-

untersuchungsausschuss eingerichtet war. Den Leitungs-

ebenen der Dienste und deren Aufsicht mangelte es hier

anscheinend am erforderlichen Weitblick, zumal die Ak-

tenvernichtungen nicht geeignet sind, Vertrauen in den

Willen zur Aufklärung zu verdeutlichen. Der Erlass eines

allgemeinen Vernichtungsstopps hätte möglicherweise

auch die vom Referatsleiter aus dem Beschaffungsbereich

der Fachabteilung Rechtsextremismus im BfV angeordne-

te Aktenvernichtung verhindert, da die Anordnung offen-

sichtlich rechtswidrig erfolgt wäre. Hier war das Bundes-

innenministerium deutlich zu zögerlich.

III.4. Fazit

Es bleibt ungeklärt, warum der Referatsleiter im BfV die

zuvor mit dem NSU in Verbindung gebrachten Akten

vernichten ließ.

Erkennbar gehen durch das fehlerhafte Wissensmanage-

ment in den Diensten nicht nur Informationen verloren,

zumindest erheblich erschwert wird auch der rechtmäßige

Umgang mit Akten. Über Jahre hinweg gab es keine aus-

reichenden Selbstheilungskräfte, die zu einer Beseitigung

dieser Missstände in den Diensten führten. Leitungsebe-

nen, exekutive und schlussendlich auch parlamentarische

Kontrolle haben versagt. Reformen auf rechtlicher und

organisatorischer Ebene sind ebenso erforderlich wie

Maßnahmen zur Qualifizierung des Personals, vor allem

im höheren Dienst. Die erst sehr spät gestoppte Vernich-

tung von Akten aus dem Bereich des Rechtsextremismus

hat die Aufarbeitung der Rolle der Behörden teilweise

unmöglich gemacht und den Diensten in ihrer Glaubwür-

digkeit geschadet.

IV. Die Finanzierung und Gestaltung des Le-
bens in der Illegalität

Der Auftrag des 2. Untersuchungsausschusses umfasste

auch die Frage, wie drei plötzlich Untergetauchte über 13

Jahre lang unentdeckt leben und mutmaßlich zehn Morde

und 14 Banküberfälle begehen konnten. Dennoch konnte

dieser nicht im gebotenen Umfang nachgegangen werden.

Abgesehen von der FDP-Fraktion hat sich keine andere

Fraktion für das tatsächliche Leben des Trios im Unter-

grund interessiert. Vorschläge, entsprechende Beweisan-

träge zu formulieren, konnten sich nicht durchsetzen.

Insofern besteht noch immer großer Klärungsbedarf.

IV.1. Definition „Untergrund“

In der medialen Berichterstattung heißt es immer wieder,

das Trio habe aus dem Untergrund heraus agiert (zum

Beispiel Spiegel Online vom 16. November 2012, Tages-

spiegel vom 6. Juni 2013). Offen geblieben ist aber bis

jetzt, ab wann überhaupt jemand im Untergrund lebt.

Eine offizielle Definition für ein Leben im Untergrund

existiert nicht. Auf Nachfrage des Abgeordneten Patrick

Kurth deutete der Zielfahnder des Thüringer Landeskri-

minalamtes Sven Wunderlich „Untergrund“ als einen
Zustand,

„wenn jemand seine sozialen, also familiären, aber
auch alle anderen Kontakte, die er hat, abbricht“
(Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 73).

Es liegen aber viele Anhaltspunkte dafür vor, dass das

Trio über all die Jahre hinweg Kontakt zu mutmaßlichen

Unterstützern pflegte, insbesondere zu Ralf Wohlleben,

der sich jetzt neben Beate Zschäpe vor dem OLG Mün-

chen als Angeklagter verantworten muss. Bekannt ist

auch, dass die Eltern von Uwe Böhnhardt zumindest in

den Anfangsjahren immer wieder Kontakt zu dem Trio

hatten (Spiegel Online vom 21. Dezember 2012). Das

würde dieser Definition von einem Leben im Untergrund

durchaus widersprechen. Der ehemalige Präsident des

Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz Thomas

Sippel erklärte auf die gleiche Frage des FDP-Obmanns

des Untersuchungsausschusses, Hartfrid Wolff, dass Un-

tergrund

„kein Fachbegriff [ist], [sondern] wir Untergrund
so verstehen, wie er im allgemeinen Sachgebrauch

aufgefasst wird [und] als Synonym [für] ,im Ver-

borgenen‘, ,im Geheimen‘, ,verdeckt‘ [benutzt
wird]“ (Sippel, Protokoll-Nr. 51, S. 165).

Es ist fragwürdig, ob jemand „im Verborgenen“ lebt,
wenn er von Unterstützern gegrüßt wird (MAT_A_BB,

PDF-S. 5), sich im Urlaub filmen lässt (NDR-

Dokumentation „45 Min“ vom 8. April 2013), eine Kun-
denkarte beim Friseur hat (MAT_A_BY-14-1a, Bl.539)

und ein Zahnarzt-Bonusheft besitzt (MAT_A_GBA_4-3

(DVD)\Vorl. SA 6, S. 33). Daran ändert auch nichts, dass

das Trio wohl Tarnnamen, die nicht von „Unbekannten“,
sondern häufig ebenfalls von Rechtsextremisten stamm-

ten, und falsche Pässe benutzt und seine Wohnung und

die Außenseiten des Wohnhauses mit insgesamt vier

Überwachungskameras ausgestattet (MAT_A_BY-14-1a,

Bl. 564) hat. Dies begründet zwar ein Leben in der Illega-

lität, aber nicht im Untergrund. Darin liegt jedoch ein

bedeutender Unterschied bei der Suche nach Straftätern:

Wenn allein der Umstand ausreicht, andere Identitäten

anzunehmen, aber ansonsten ein offenes Leben ohne

Entbehrungen des Alltags möglich ist, stellt sich die Fra-

ge, wie intensiv tatsächlich nach dem Trio gesucht wurde

oder inwiefern die Strafverfolgungsbehörden womöglich

genauer über den Aufenthaltsort der drei Flüchtigen Be-

scheid wussten.

Außerdem ist rätselhaft, in welchem Widerspruch das

Trio zwischen Angst vor Entdeckung und dem Agieren in

der Öffentlichkeit gelebt hat. Einerseits sind sie immer

wieder in den Urlaub gefahren: Seit 2007 trafen sie sich

Drucksache 17/14600 – 912 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

regelmäßig mit Urlaubsbekanntschaften auf Fehmarn

(MAT_A_GBA_4-3 (DVD)\Vorl. SA 15, S. 201). Mit

diesen tauschten sie Handynummern und E-Mail-

Adressen aus. Dort ließ sich Beate Zschäpe sogar von

einem Kamerateam filmen, obwohl es ein Leichtes gewe-

sen wäre, unauffällig wieder zu gehen (Bild vom 4. April

2013). Zschäpe besuchte ihre Nachbarn, trank mit ihnen

Sekt und hörte sich deren Sorgen an (NDR-

Dokumentation „45 Min“ vom 8. April 2013). Anderer-
seits war die Wohnung des Trios in der Frühlingsstraße

mit Kameras ausgestattet und mehrere Waffen lagen

griffbereit (MAT_A_GBA-4, vorl. SA 8, S. 6). Fraglich

ist, welches Gefühl überwog: die Angst entdeckt zu wer-

den oder das Gefühl, sie seien sicher. Nicht zu erklären

ist, wie dieses widersprüchliche Verhalten zusammen-

passt. Es könnte sein, dass sie gerade diesen Nervenkitzel

liebten. Es könnte aber auch sein, dass sie sogar bewusst

oder unbewusst auf ein Ende ihres Daseins im Untergrund

durch Entdeckung hofften. Diese Fragen sind nach wie

vor offen und bedürfen der Aufklärung, denn auch die

psychologische Komponente hinsichtlich des Führens

eines solchen Lebens trägt dazu bei, ähnlichen Fällen für

die Zukunft vorzubeugen und untergetauchte Straftäter

kriminologisch besser einschätzen zu können.

Zudem stellt sich die Frage, wann die Täter eine solche

Verbrechensserie planten. Es ist nicht geklärt, ob sich

diese Idee erst nach dem Abtauchen entwickelte, schon

vorher bestand oder der Gedanke einer Mordserie sogar

erst nach dem ersten Mord entstand. Möglicherweise gab

es aber auch einen anderen Auslöser. Nach wie vor unklar

ist auch, wer die Idee dazu hatte, wer die Umsetzung

plante und ob eine solche logistische Planung für zwei

beziehungsweise drei Personen allein überhaupt möglich

war.

Das Leben des Trios im vermeintlichen Untergrund wirft

viele noch zu klärende Fragen und Ungereimtheiten auf,

denen es nachzugehen gilt. Deshalb sieht die FDP-

Fraktion eine Fortsetzung des Untersuchungsausschusses

in der nächsten Legislaturperiode als unerlässlich an, um

auf eben diese und weitere Fragen, die sich möglicher-

weise noch im Laufe der Zeit ergeben werden, Antworten

zu finden.

IV.1.2. Rollenverteilung des Trios

Auch die Rollenverteilung des Trios ist für das Leben im

Untergrund von Bedeutung. Wer das Leben des Trios in

der Illegalität verstehen will, muss sich auch mit dem

Miteinander des Trios beschäftigen. Die Rollenverteilung

innerhalb des Trios bedarf noch immer vieler Antworten.

Es steht bis heute nicht sicher fest, ob Zschäpe von den

Verbrechen, die Mundlos und Böhnhardt mutmaßlich

begangen haben, wusste oder nicht. Die Indizien sprechen

dafür und auch die Generalstaatsanwaltschaft im anhängi-

gen Strafverfahren vor dem OLG München geht von einer

Mittäterschaft Zschäpes aus. Auch ist nicht geklärt, wer

der Kopf des Trios war und ob es einen solchen überhaupt

gab. Es ist noch immer undurchsichtig, was die drei mit-

einander auf eine solch außergewöhnliche Art verband

und welche Gruppendynamik das Trio aufwies. Bei ihrer

Festnahme hat Zschäpe wohl gesagt, mit dem Tod der

beiden Männer, habe sie ihre „Familie“ verloren (Spiegel
Online vom 9. November 2012).

Möglicherweise werden Antworten auf diese Fragen im

Laufe des Strafprozesses gegen Beate Zschäpe und vier

mutmaßliche Unterstützer des NSU gefunden, aber das

Strafverfahren wird sich mindestens auf ein Jahr erstre-

cken. Es darf nicht sein, dass solange keine politische

Aufklärung auf Bundesebene betrieben werden soll. Es ist

nicht nachvollziehbar, dass mit dem Strafprozess die

Verantwortung zur Aufklärung des NSU und seiner

Unterstützer allein auf den Schultern der Justiz lasten soll.

Das OLG München hat Urteile zur Schuld der Angeklag-

ten in diesem Verfahren zu fällen, eine Aufklärung der

Ausgestaltung des Lebens im Untergrund ist dadurch

jedoch nicht keinesfalls erschöpft. Diese ist aber von

großer Bedeutung für die Frage, ob sich nicht schon bei-

zeiten Spuren zur Aufklärung der vom NSU mutmaßlich

begangenen Verbrechen hätten ergeben können.

IV.1.2.1. Beate Zschäpe

Es scheint festzustehen, dass Beate Zschäpe, die Frau mit

den vielen Decknamen, dafür verantwortlich war, den

Eindruck eines normalen Lebens nach außen aufrecht zu

erhalten. Sie besuchte ihre Nachbarn, erklärte ihnen im

Vorfeld, sie würde mit ihrem Freund und dessen Bruder

zusammenleben und saß mit den anderen Hausbewohnern

auch öfters gesellig zusammen. Sie trat als Katzenliebha-

berin auf und sang dem türkischen Pizzabäcker zu dessen

Geburtstag ein Lied (Tagesschau vom 8. November

2012).

Mundlos und Böhnhardt hielten sich im Hintergrund.

Zschäpe lieferte Erklärungen dafür, wenn die beiden

unterwegs waren (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.

Mai 2013) und kümmerte sich um den Haushalt: Sie

wusch die Wäsche, ging einkaufen und lieh Filme und

Computerspiele aus (Tagesschau vom 8. November

2012). Sie „benahm sich den Männern gegenüber wie
eine Ehefrau - nur für zwei Männer“ beschrieb ein Unter-
stützer des Trios das Verhalten der Zschäpe gegenüber

Mundlos und Böhnhardt (Zeit Online vom 30. November

2012). Offensichtlich hielt sie das Trio zusammen.

Zudem berichteten mehrere Zeugen, dass sie immer be-

zahlte, wenn die drei unterwegs waren. Eine Urlaubsbe-

kanntschaft auf Fehmarn sagte aus, dass Zschäpe alias

„Liese die Geldverwalterin war“ (MAT_A_GBA_4-3
(DVD)\Vorl. SA 15, S. 215). Ihre Geldbörse war wohl

immer mit großen Geldscheinen gefüllt (Tagesschau vom

8. November 2012).

Dies alles lässt darauf schließen, dass Zschäpe über die

vermutlich durch ihre beiden Freunde begangenen Bank-

überfälle Bescheid wusste. Zudem rekonstruierten Krimi-

naltechniker, die Zschäpes Festplatte untersucht haben,

dass sie wohl auch diejenige war, die nach Unterkünften

in der Nähe der Banken suchte, die Mundlos und

Böhnhardt mit großer Wahrscheinlichkeit überfallen

haben (Tagesschau vom 8.11.2012). Für ihre Kenntnis der

Geschehnisse spricht auch, dass sie nach dem Tod von

Mundlos und Böhnhardt mutmaßlich ihre gemeinsame

Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau angezündet

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 913 – Drucksache 17/14600

hat, um Beweismittel zu vernichten. Davon ausgehend

und auch dem Umstand geschuldet, dass Zschäpe nach

dem Auffliegen des NSU wohl Bekenner-DVDs ver-

schickte, kann man annehmen, dass sie auch wusste, dass

die beiden Männer in ihrem Leben höchstwahrscheinlich

für die Česká-Mordserie verantwortlich waren.

Erkenntnisse über ihre Rolle in dem Trio sind auch des-

halb von besonderem Interesse, um das Problemfeld

Frauen im Rechtsextremismus zu erschließen. Bisher wies

das rechtsextreme Spektrum nur einen Bruchteil an Frau-

en auf, deren Anteil nimmt aber nach Angabe der Bun-

deszentrale für politische Bildung immer mehr zu

(http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremism

us/41496/frauen).

Die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses

verfolgt auch das Ziel, solche Taten wie vom NSU ge-

schehen, künftig zu verhindern und Rechtsextremismus

zu bekämpfen. Deshalb stellt auch diese Frage einen

wichtigen Ansatz dar, dem noch nachgegangen werden

muss.

IV.1.2.2. Uwe Böhnhardt

Nach Aussage von Max-Florina B., der dem NSU wohl

seinen Reisepass überlassen hat, war

„Böhnhardt der autoritäre von den Dreien. Er hat
den Mundlos oftmals bevormundet oder in Ge-

sprächen gebremst“ (MAT_A_GBA-4-3
(DVD)\Vorl. SA 5, S. 29).

Der Schäfer-Bericht führt aus, dass Mario B., ein Füh-

rungsaktivist des „Thüringer Heimatschutzes“, Böhnhardt
für den führenden Kopf gehalten hat (MAT_A_TH-6, S.

62 Rdn.76). Auch die Schäfer-Kommission folgte dieser

Einschätzung, da Böhnhardt wohl „aufgrund seiner Auto-
rität für das Trio insgesamt gesprochen“ habe
(MAT_A_TH-6, S. 62 Rdn. 76). Im Widerspruch dazu

aber führte das Schäfer-Gutachten auch aus, dass

Böhnhardt „einfach gestrickt“ und „keine Führungsper-
sönlichkeit […], sondern eher ein ausführendes Organ“
gewesen sei (MAT_A_TH-6, S. 55 Rdn. 64). Inwiefern

dieser Widerspruch des Schäfer-Gutachtens bei der Ein-

schätzung von Herrn Dr. Schäfer, dass Böhnhardt der

Kopf des Trios war, berücksichtigt worden war, ist un-

klar.

IV.1.2.3. Uwe Mundlos

Mundlos gilt als überlegter und intelligenter als

Böhnhardt. Zwar hat auch er sich der Polizei gegenüber

aggressiv verhalten (MAT_A_TH-6, S. 57 Rdn. 66), aber

Böhnhardt war derjenige, der als

„Durchgeknallter [galt], der rabiat und nicht vo-
rausschauend handelte, sondern einfach ,machte‘
(MAT_A_TH-6, S. 55 Rdn.64).

Noch immer ungeklärt ist, wie es damit zusammen passt,

dass ausgerechnet Mundlos am 4. November 2011 zu-

nächst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen haben

soll (MAT_A_BMI-5-0086, S. 54).

In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden,

dass Zschäpe einer Mitgefangenen gegenüber angeblich

geäußert hat, dass sie überzeugt davon sei, dass sich

Böhnhardt und Mundlos nicht selbst umgebracht hätten

(Bild vom 7. Mai 2013). Vor dem OLG München dage-

gen sagte der Zeuge Frank L., Polizeibeamter des BKA,

im Rahmen des laufenden Strafverfahrens aus, dass

Zschäpe ihm gegenüber über den Freitod der beiden Uwes

gesagt habe, es sei abgemacht gewesen, dass die beiden

sich nie festnehmen lassen wollten (Welt vom 2. Juli

2013). Auch dieser Widerspruch muss noch näher be-

leuchtet werden.

Die Darstellung der drei Kurzprofile verdeutlicht, wie

rudimentär die persönlichen Erkenntnisse zu Mundlos,

Böhnhardt und Zschäpe noch immer sind. Erst darauf

aufbauend aber kann die Funktionsweise und die Rollen-

verteilung des Trios verstanden sowie herausgefunden

werden, warum das Trio nicht früher entdeckt wurde oder

ob es früher hätte entdeckt werden können.

IV.1.3. Bewegungsprofil des Trios

Ein abschließendes Bewegungsbild des Trios steht bis

jetzt nicht fest. Zwar sind verschiedene Adressen bekannt,

wo sich das Trio aufgehalten hat, aber noch immer sind

viele Fragen ungeklärt. Die drei haben vermutlich von

Februar bis August/September 1998 in der Limbacher

Straße 96 in Chemnitz (MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1,

S. 196) und vom 16. April 1999 bis zum 31. August 2000

in der Wolgograder Allee 76 in Chemnitz

(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 197, 198) gelebt.

Es ist nicht klar, ob die drei ohne Unterbrechung in der

gesamten Zeit zusammen gelebt haben. Mehrere Zeugen

berichteten, dass der Kleinere von beiden nicht so oft zu

sehen war (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S.

195). Bei dem Kleineren handelt es sich vermutlich um

Mundlos. Nicht nachvollziehbar ist bisher, wo er sich

stattdessen aufgehalten und was er gemacht hat. Mögli-

cherweise ging er einer beruflichen Tätigkeit nach, viel-

leicht sogar im Ausland. Fest steht nur, dass dieser The-

menkomplex nahezu unbeleuchtet ist.

IV.1.3.1. Bewegungsbild innerhalb Deutschlands

Es spricht viel dafür, dass zumindest einzelne Mitglieder

des Trios quer durch Deutschland gereist sind. Zum einen

belegen dies die aufgefundenen Stadtpläne, zum anderen

auch weitere nach dem Auffliegen des NSU sichergestell-

te Asservate: Es wurde z. B. ein mutmaßlich in Braun-

schweig verlorener Ausweis im Brandschutt der letzten

Wohnung des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße

aufgefunden, obwohl die Dame, auf die der Ausweis

ausgestellt ist, niemals in Zwickau war (MAT_A_GBA-4,

vorl. SA 4, S. 45). Es ist nicht klar, wie der Ausweis in

den Besitz des Trios gekommen ist.

IV.1.3.2. Aufenthalte im Ausland

Unklar ist auch, ob das Trio oder einer von ihnen jemals

für eine längere Zeit im Ausland gelebt hat. Am 11. April

1998 wurde der überwachte Telefonanschluss des Jürgen

H., der wohl durch Ralf Wohlleben als Unterstützungsper-

son in die Untergrundaktivitäten des Trios eingebunden

Drucksache 17/14600 – 914 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

war, durch eine unbekannte männliche Person von einer

Telefonzelle im Bereich der Städte Orbe-Yverdon in der

Schweiz angerufen (MAT_A_TH-1-19, S. 178). In seiner

Vernehmung im Februar 2012 gab H. an, dass es sich bei

dem Anrufer um Mundlos gehandelt haben soll und er zur

Übermittlung einer Nachricht zu einer durchzuführenden

Kuriertätigkeit an Wohlleben beauftragt wurde

(MAT_A_BY-14-1e, Bl.206). Basierend darauf kann

davon ausgegangen werden, dass sich zumindest Mundlos

zeitweise im Ausland aufgehalten hat. Es ist jedoch nicht

bekannt, in welchen Zeiträumen und in welchen Ländern

dies der Fall war und was er dort getan hat. Zudem stellt

sich die Frage, warum Zschäpe bei Mundlos und

Böhnhardt blieb und was aus der Überlegung wurde, dass

Mundlos und Böhnhardt sich nach Südafrika absetzen,

während Zschäpe sich den Behörden stellen wollte

(MAT_A_TH-6, S. 61 Rdn.76).

IV.1.3.3. Bedeutung der Städte Chemnitz und Zwickau

Auch die Bedeutung der Stadt Chemnitz und ihrer rechts-

extremistischen Szene für ihre weitere Radikalisierung

bedarf noch weiterer Aufklärung. Zwar fand das Trio dort

unmittelbar nach seiner Flucht Unterschlupf bei Freun-

den, aber es liegen keine Erkenntnisse vor, warum das

Trio sich gerade dort spätestens radikalisierte. Nach wie

vor undurchsichtig ist auch, warum sich das Trio ausge-

rechnet in Zwickau offensichtlich so sicher gefühlt hat,

dass es seit 2001 bis zum Auffliegen des NSU 2011 dort

lebte.

Es überrascht doch im Nachhinein, dass das Trio über all

die Jahre hinweg so nah bei der Heimat und möglicher-

weise so konsequent an einem Ort geblieben ist. Die land-

läufige Vorstellung eines Lebens im Untergrund: Man

zieht von Ort zu Ort, immer auf der Flucht, nur nie zu

lange bleiben, fern ab von Orten, an denen man von je-

mandem von früher erkannt werden könnte. Stattdessen

bestand die Realität des NSU aus einer festen Adresse

und Haustieren.

IV.1.4. Alltag des Trios

Nebulös sind ferner die Erkenntnisse zum Alltag des

Trios. Es ist unklar, was die Mitglieder getan, wie viel

Zeit sie der Planung und Umsetzung ihrer Straftaten ge-

widmet haben und welchen Hobbys sie nachgingen. Die

Gestaltung ihres normalen Lebens und wie ein Tag im

Leben des NSU aussah, sind noch immer nahezu unbe-

leuchtet. Solche Erkenntnisse sind aber von Relevanz,

weil nur derjenige, der versteht, wie das Trio gelebt hat,

auch begreifen kann, wie ein derartiges Leben organisiert

und der Schein eines normalen Lebens aufrechterhalten

werden konnte. Aus diesem wiederrum lassen sich Er-

kenntnisse darüber gewinnen, ob das Leben des Trios

wirklich so perfekt getarnt war, dass Strafverfolgungsbe-

hörden sie nicht früher hätten enttarnen können. Auch die

psychologische Komponente der Täter, ein derartiges

Leben organisiert zu bekommen, spielt eine entscheiden-

de Rolle für die künftige Verbrechensbekämpfung, mithin

für die Arbeit der Polizei und der Justizbehörden.

Bekannt ist nur, dass das Trio jedes Jahr gemeinsam für

mehrere Wochen in den Urlaub gefahren ist; laut Zeugen-

aussage einer Nachbarin aus der Polenzstraße immer

sechs Wochen mit dem Wohnwagen an die See

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 113). Ab 2007

befanden sie sich jedes Jahr mit Urlaubsbekanntschaften

im Campingurlaub auf Fehmarn (MAT_A_GBA-4-3

(DVD), vorl. SA 15, S. 201). Spätestens ab Sommer 2006

besuchte das Trio auch einmal jährlich Holger G.

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 9, S.90). Weitere

Informationen sind kaum vorhanden.

IV.1.4.1. Beate Zschäpe

Die meisten Hinweise über den Alltag des NSU gibt es

über dessen einziges überlebendes Mitglied. Aber selbst

diese sind nur eine Zusammenfassung dessen, was Zschä-

pe der Öffentlichkeit zeigte. Was sich hinter den Wänden

ihrer Wohnung abgespielt hat, welche Gedanken sie sich

machte, wie sie die Tage und Nächte verbrachte, all das

ist noch immer nicht klar.

Nachbarn berichteten davon, dass Beate Zschäpe sich um

den Haushalt und ihre beiden Katzen kümmerte. Sie sei

viel gejoggt (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4,

S. 307) und habe viel gelesen (MAT_A_GBA-4-3

(DVD), Vorl. SA 4, S. 352). Sie suchte auch als einziges

Mitglied des NSU ein nettes Miteinander mit den Nach-

barn, plauderte mit ihnen und trank mit ihnen Sekt (Ta-

gesschau vom 8. November 2011). Laut Aussage eines

Nachbarn bekam sie einmal wöchentlich Besuch von ihrer

angeblichen Schwester, bei der es sich anhand der Perso-

nenbeschreibung vermutlich um Susann E. handelt, deren

zwei Kindern und deren Mann (MAT_A_GBA-4-3

(DVD)\Vorl. SA 7, S. 22). Zschäpe war gesellig und galt

bei Nachbarn als freundlich, lustig und warmherzig (Ta-

gesspiegel vom 8. April 2013). Ihre Zwickauer Freunde

kannten sie unter dem Namen Lisa Dienelt. Eine Freundin

sagte in einem Fernsehinterview: „Die Lisa, wenn die zur
Tür reinkam, war die Welt in Ordnung" (NDR-

Dokumentation „45 Min“ vom 8. April 2013). Auch
nachdem sie von der Polenzstraße in die Frühlingsstraße

gezogen war, besuchte sie ihre alten Nachbarinnen noch

oft, immer spontan, keine der Freundinnen hatte ihre

Handynummer (NDR-Dokumentation „45 Min“ vom 8.
April 2013).

Vor ihrer richterlichen Vorführung in Karlsruhe sagte

Zschäpe gegenüber der Polizeiobermeisterin Seifert, dass

echte Freundschaften während des Lebens im Untergrund

nicht möglich waren (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.

SA 1, S. 435). Sie spielte demnach nur eine Rolle, um die

Fassade aufrechtzuerhalten. Wie aber ihr echtes Leben im

Untergrund aussah, bleibt ein Rätsel. Für Kriminologen

ist auch dies ein wichtiger Aspekt für ihre Aufklärungsar-

beit und bei ihrer Suche nach den Ursachen für das Ge-

schehene.

IV.1.4.2. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt

Der Alltag von Mundlos und Böhnhardt wirft noch mehr

Fragen auf. Mutmaßlich verbrachten sie viel Zeit damit,

Straftaten zu planen, potentielle Tatorte zu erkunden und

Stadtpläne zu studieren. Möglicherweise haben sie auch

an der Herstellung der Bekenner-DVD des NSU mitge-

wirkt. Dafür spricht zumindest, dass ein Drehbuch für das

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 915 – Drucksache 17/14600

Video in dem Brandschutt in der Frühlingsstraße aufge-

funden wurde (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 6,

S. 131). Was sie aber in ihrer „Freizeit“ taten, ist unbe-
kannt. Nachbarn berichteten davon, dass sie oftmals Ge-

räusche von Computer-„Ballerspielen“ gehört haben
(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 106, S. 198,

S. 225), auch Fahrrad seien die Herren viel gefahren. Ein

Nachbar aus der Polenzstraße sagte aus, der Lebensge-

fährte der Bewohnerin – vermutlich Böhnhardt – habe
Kampfsport gemacht und eine Hantelbank besessen

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 98). Diese

Angaben erschöpfen ganz sicher nicht 13 Jahre im Leben

zweier Menschen.

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt konnten demnach un-

behelligt und ohne jede optische Veränderung offen le-

ben, in den Urlaub fahren, soziale Kontakte pflegen und

sich dabei sogar filmen lassen. So ein Leben kann man

schwerlich als ein Leben im Untergrund bezeichnen, auch

wenn es unter falschen Identitäten geschah. Wenn es

wirklich so leicht wäre, in den Untergrund abzutauchen

und von dort aus schwerste Straften zu begehen, nur in-

dem man sich falsche Papiere besorgt, wäre dies höchst

besorgniserregend. Es ist nach wie vor offen, wie es mög-

lich war, für einen so langen Zeitraum nach außen hin ein

normales Leben zu führen und gleichzeitig mutmaßlich so

schwere Straftaten zu begehen, ohne entdeckt zu werden.

IV.2. Geldflüsse

Eine ehemalige Nachbarin gab an, dass Beate Zschäpe

einmal zu ihr gesagt habe, sie „könnte sich ein Leben
nicht vorstellen, bei dem man jeden Pfennig umdrehen

muss“, sie brauchte nicht arbeiten, da ihr Mann genug
Geld verdient hätte (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA

4, S. 211). Das Trio lebte anscheinend nicht schlecht.

Jedes Jahr wochenlange Urlaube und eine große Woh-

nung konnten sich die mutmaßlichen Mitglieder des NSU

offensichtlich leisten.

Ungeklärt ist, ob dies tatsächlich ein Dauerzustand war.

Zwar ist bekannt, dass die drei direkt nach dem Abtau-

chen Geldsorgen hatten, aber spätestens seit 2001 galt das

Trio als finanziell versorgt (MAT_A_TH-6, S. 195

Rdn. 335). Ob es später noch einmal Zeiten gab, in denen

das Geld knapp war, ist unbekannt.

Zudem drängt sich die Frage auf, wie sie sich tatsächlich

finanziert haben. Neben den üblichen Lebenserhaltungs-

kosten brauchte das Trio auch Gelder zur Begehung ihrer

mutmaßlichen Straftaten: Waffen mussten gekauft, Fahr-

zeuge angemietet werden. Es ist zweifelhaft, ob die bei

den Raubüberfällen erbeuteten Gelder diese Kosten de-

cken konnten. Im Folgenden soll anhand einer Darstel-

lung der Einnahmen und Ausgaben ermittelt werden, ob

die bekannten Geldflüsse für dieses Leben ausgereicht

haben können. Auch damit hat sich der Untersuchungs-

ausschuss bisher nur unzureichend beschäftigt. Weiterer

Klärungsbedarf besteht insofern aber vor dem Hinter-

grund, ob das Trio nicht schon viel früher hätte enttarnt

werden können.

IV.2.1. Einnahmen

Folgende Posten sind in Betracht zu ziehen:

IV.2.1.1. Bewaffnete Raubüberfälle

Dem NSU werden 14 Banküberfälle und ein Überfall auf

einen Edeka-Markt zugeschrieben. Dabei wurde insge-

samt Bargeld in Höhe von 212 100 DM sowie

497 905 Euro und Reiseschecks im Wert von 4 250 Euro

erbeutet. Um- und zusammengerechnet ergibt dies eine

Gesamtbeute von 610 600 Euro. Dies entspricht in etwa

dem vom EKHK Dirk Hetzel genannten Betrag in Höhe

von 591 125 Euro als erbeutetes Gut allein aus den Bank-

überfällen (Hetzel, Protokoll-Nr.11 der Beratungssitzung

vom 26. April 2012, S. 11).

IV.2.1.2. Sonstige Geldquellen

Andere Geldquellen sind lediglich fragmentarisch be-

kannt:

IV.2.1.2.1. Spenden aus der rechten Szene

Wie bereits im Feststellungsteil ausgeführt, wurde in der

rechten Szene Geld für das untergetauchte Trio gesam-

melt. Dies bestätigt auch eine Quellenmeldung von Quelle

2100, nach der bei einem Konzert Spenden für das Trio in

Höhe von 700 DM gesammelt worden sind

(MAT_A_TH-6, S. 158 Rdn. 301). Insbesondere Ralf

Wohlleben hat sich mutmaßlich für das Einsammeln von

Spenden für das Trio in der Szene eingesetzt (FAZ vom 5.

Mai 2013). Auch der Anführer der „Blood & Honour“-
Sektion Sachsen Jan Werner äußerte 1998 gegenüber dem

VM Carsten Szczepanski des Brandenburger Verfas-

sungsschutzes, dass er Waffen für das Trio organisieren

soll und das Geld dafür von „Blood & Honour“ zur Ver-
fügung gestellt wird (MAT_A_BB-1, S. 36). Offen ist

nach wie vor, in welcher Größenordnung Spenden aus der

rechten Szene für das Trio gesammelt wurden.

Ob und inwieweit das Trio indirekt über des Verfassungs-

schutzes unterstützt wurde, ist ebenfalls noch klärungsbe-

dürftig. Der Zeuge Friedrich-Karl Schrader, von 1996 bis

1999 Referatsleiter Rechtsextremismus im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz, gab bei seiner Zeugen-

vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass

das Amt Tino Brandt Geld für die Beschaffung von Päs-

sen für das Trio gab, welches sich nach Afrika absetzen

wollte. Das TLfV wollte auf diesem Wege über Brandt

die Identitäten herausfinden, unter denen das Trio geflo-

gen wäre. Sodann sollte das Trio über Sofia ausreisen, um

sie dort mit Hilfe des BKA festnehmen zu lassen (Schra-

der, Protokoll-Nr. 53, S. 126). Das Geld für die Pässe,

2 000 DM, übergab Brandt an Andre Kapke, der damit

dann aber nicht die Flugtickets kaufte, sondern eigene

Schulden tilgte (Schrader, Protokoll-Nr. 53, S. 144, 145).

Zum anderen soll Tino Brandt dem Thüringer Verfas-

sungsschutz mindestens drei Exemplare des von dem

NSU hergestellten „Pogromly“-Spiels verkauft haben (taz
vom 18. Dezember 2011). Es ist noch unbewiesen, ob

dies stimmt. Auch der Frage, wozu der Verfassungsschutz

gleich mehrere dieser Spiele gekauft haben soll, wurde

noch nicht nachgegangen. Offen ist zudem nach wie vor,

ob das Geld dem Trio zugute kam. Desweiteren ist frag-

lich, ob auch noch andere ähnliche Aktionen von irgend-

einer Stelle angedacht oder gar realisiert wurden. Die

Arbeit des Untersuchungsausschusses hat bereits gezeigt,

Drucksache 17/14600 – 916 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dass immer wieder neue Überraschungen ans Tageslicht

kommen. Es bleibt spannend.

Weiterer Klärungsbedarf besteht bei der Frage, inwieweit

das Trio womöglich internationale finanzielle Unterstüt-

zung erhalten hat. Zu einer eventuellen Vernetzung des

Trios mit der rechtsextremistischen Szene insbesondere in

der Schweiz, aber auch mit Gesinnungsgenossen bei-

spielsweise in Tschechien oder Schweden liegen keinerlei

Beweise, lediglich Mutmaßungen vor. Fraglich ist auch,

wie diese Vernetzung ausgestaltet gewesen sein könnte

und ob das Trio von dort Geldspenden, Waffen und Mög-

lichkeiten zum Unterschlupf bekommen hat. Welchen

Ursprung diese Vernetzungen hatten und wie intensiv

diese waren, ist ebenfalls unklar.

Die Zuwendungen aus der rechten Szene – gerade zu
Beginn ihres Lebens im Untergrund – sind noch klä-
rungsbedürftig.

IV.2.1.2.2. Unterstützung der Eltern

Während Beate Zschäpe sich nach ihrer Flucht nie bei

ihrer Familie meldete (Spiegel Online vom 16. November

2012), traf Frau Böhnhardt ihren Sohn mindestens drei

Mal, immer in Chemnitz (Spiegel Online vom

21. Dezember 2012). Zu den Eltern von Uwe Mundlos hat

das Trio mutmaßlich über Dritte versucht, Kontakt aufzu-

nehmen. Der Zielfahnder des Thüringer Landeskriminal-

amtes, Sven Wunderlich, dokumentierte insofern in einem

Vermerk vom 9. März 1998 über ein Gespräch mit den

Eltern von Mundlos, dass Frau Mundlos mitteilte, wie sie

von Wohllebens Freundin J. W. im Namen ihres Sohnes

gebeten wurde, ein Konto für die Drei einzurichten

(MAT_A_TH-1-3, S. 315). Möglicherweise hat aber auch

Zschäpe Kontaktpersonen zu ihrer Familie geschickt, um

Geld zu bekommen. Ihre Mutter gab an, dass zwei Frauen

im Alter ihrer Tochter kurz nach dem Verschwinden

aufgetaucht und nach Geld gefragt hätten, um es Zschäpe

in der Illegalität zu geben; Zschäpes Mutter habe ihnen

aber kein Geld überlassen (Spiegel Online vom

16. November 2012). Ob und wie viel Geld die Eltern

ihren Kindern tatsächlich überließen, war nie Thema vor

dem Untersuchungsausschuss des Bundestages, bedürfte

aber im Hinblick auf die Frage, wie sich das Trio finan-

ziert hat, zumindest eines Überblicks.

IV.2.1.2.3. Verkauf von „Pogromly“-Spielen

Auch der Verkauf der durch den NSU hergestellten

„Pogromly“-Spiele birgt noch offene Fragen. Bekannt ist
nur, dass das „Pogromly“-Spiel wohl angeblich von An-
dré Kapke zum Preis von 100 Euro das Stück in der regi-

onalen Szene verkauft wurde, um die Herstellungskosten

zu decken und den Lebensunterhalt der Flüchtigen mitzu-

gestalten, wobei er aber letztendlich das Geld aus dem

Erlös unterschlagen haben soll (MAT_A_GBA-4-3

(DVD)\Vorl. SA 6, S. 111). Es muss geklärt werden, wie

viele tatsächlich produziert worden sind, wie viele Spiele

verkauft wurden, wer sie gekauft hat, wie hoch die Her-

stellungskosten und wie groß die Einnahmen durch den

Vertrieb waren. Es bleibt zwar zu vermuten, dass die

Erlöse aus dem Verkauf dieses Spiels nicht wesentlich zur

Finanzierung des Lebens des Trios in der Illegalität beige-

tragen haben, aber gesicherte Feststellungen sind hierzu

nicht bekannt.

IV.2.1.3. Offene Fragen

Es stellt sich auch die Frage, warum der NSU sich nicht

an den neun ersten Mordopfern finanziell bereichert hat.

Möglicherweise stand dahinter die Angst vor Entdeckung.

Vielleicht aber war der Grund auch die Befürchtung, dass

eine finanzielle Bereicherung die Taten als Raubmord

„deklassieren“ und das eigentliche Motiv hinter den Taten
nicht „gewürdigt“ worden wäre. Dann ist allerdings auch
fraglich, warum es keine Bekennerschreiben gab, wenn

für sie die „Anerkennung“ des Motivs im Fokus gestan-
den hätte. Anhand der damaligen medialen Berichterstat-

tung wusste auch das Trio, dass die Ermittlungsbehörden

mit Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminali-

tät eine falsche Spur als wahrscheinlich verfolgten. Un-

klar wäre dann aber auch, warum der NSU nicht davor

zurückschreckte, sich an den Dienstwaffen von Michèle

Kiesewetter und ihrem Kollegen zu bereichern.

Desweiteren besteht natürlich die Möglichkeit, dass ein-

zelne Mitglieder des NSU einer Art beruflichen Tätigkeit

nachgegangen sind. Vielleicht befand sich Mundlos auf

Montage, was die Behauptung eines Zeugen, er wäre

selten zu sehen gewesen (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),

Vorl. SA 4, S. 195), erklären könnte. Aber auch hierfür

fehlen stichhaltige Anhaltspunkte.

Offensichtlich wunderten sich auch Nachbarn und Be-

kannte über den Lebensstil des Trios. Eine Kellnerin aus

der griechischen Taverne, welche sich im Erdgeschoss

des Hauses in der Frühlingstraße befand, in dem auch die

letzte Wohnung des Trios war, gab an, dass sie mal über-

legt hatten, ob die drei ihr Geld im Rotlichtmilieu verdie-

nen würden, weil zur Straße raus immer eine rote Lampe

bei ihnen brannte (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA

4, S. 226). Auch eine Nachbarin vom Haus gegenüber der

Frühlingsstraße berichtete über ihre Beobachtung, dass im

Fenster oft eine kleine rote Lampe brannte und sie und

ihre Nachbarn vermuteten, aber sich nicht ernsthaft darü-

ber unterhielten, „ob die Frau vielleicht einem anderen
Gewerbe nachgeht“ (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.
SA 4, S. 273). Fundierte Hinweise auf eine Tätigkeit im

Prostitutionsgewerbe liegen jedoch nicht vor, auch erga-

ben sich nie Hinweise aus Zeugenvernehmungen des

Untersuchungsausschusses in diese Richtung. Jedoch

wurden auch nie Zeugen aus dem persönlichen Umfeld

des Trios befragt. Somit wird die Notwendigkeit deutlich,

auch solche Fragen zu diskutieren, um sie in aller Konse-

quenz ausschließen zu können.

Eine wirklich ergiebige zweite Geldquelle neben den

Erträgen aus den Überfällen ist mithin nicht ersichtlich;

ein weiteres Problemfeld, welches in einer Fortsetzung

des Untersuchungsausschusses in der nächsten Legisla-

turperiode aufgeklärt werden muss.

IV.2.2. Ausgaben

Fest steht, dass das Trio neben den gewöhnlichen Lebens-

erhaltungskosten jede Menge finanzielle Ausgaben hatte.

IV.2.2.1. Wohnungen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 917 – Drucksache 17/14600

Das Trio legte offensichtlich Wert auf großen Wohnraum.

Im Hinblick darauf, dass Beate Zschäpe so oft allein in

den Wohnungen gewesen sein soll und ein Leben in der

Illegalität ohnehin kostspielig ist, erstaunt dies.

IV.2.2.1.1. Mieten

Die Miete für die Vier-Zimmer-Wohnung in der Polenz-

straße 2 in Zwickau, für welche das Trio vermutlich vom

1. Mai 2001 bis zum 1. Mai 2008 finanziell aufkam

(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 199), betrug wohl min-

destens 500 Euro. Laut der Zeugenaussage einer Nachba-

rin aus der Polenzstraße hat sich Beate Zschäpe ihr ge-

genüber mal beschwert, dass sie über 500 Euro Miete

zahlen würden, während die Nachbarn für den gleichen

Wohnraum mit 430 Euro deutlich weniger zahlen müssten

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 114). Laut

Mietvertrag betrug die Miete 864,97 DM

(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 8, S. 361), dies wären umge-

rechnet 442,25 Euro. Es ist natürlich möglich, dass es eine

Mieterhöhung gab oder aber die Zeugin das Gespräch

falsch wiedergegeben hat. Jedoch liegen keine Anzeichen

dafür vor, an der Glaubhaftigkeit der Aussage zu zwei-

feln. Ausgehend von einem Mietpreis von 500 Euro kos-

tete die Wohnung dem Trio in der Polenzstraße somit in

den sieben Jahren etwa 42 000 Euro.

Die 120 qm-Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in Zwi-

ckau, welche das Trio mutmaßlich vom 1. März 2008 bis

zum 4. November 2011 nutzte (MAT_A_GBA-4, vorl.

SA 1, S. 200), weist laut Mietvertrag eine Miete in Höhe

von 500 Euro plus 240 Euro monatliche Betriebskosten

und eine einmalige Kaution in Höhe von 1 000 Euro

(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 228) auf. Die Gesamt-

miete betrug somit monatlich 740 Euro. Das ergibt Miet-

kosten für die 3 Jahre und 7 Monate, in denen das Trio

dort lebte, in Höhe von insgesamt 31 820 Euro.

Das Trio hatte somit allein für die Wohnungen in der

Polenzstraße als auch in der Frühlingsstraße zusammen

Mietkosten in Höhe von 73 820 Euro bestritten.

IV.2.2.1.2. Ausstattung

Matthias D., ein mutmaßlicher Helfer des NSU, beschrieb

die Wohnungseinrichtung des Trios als „normal, nicht
arm, durchschnittlicher Standard“ (MAT_A_GBA-4-3
(DVD), Vorl. SA 4, S. 56).

Bekannt ist aber, dass zumindest die Wohnung in der

Frühlingsstraße mit Kameras abgesichert war

(MAT_A_BY-14-1a, Bl.564). Die Wohnung verfügte

über eine massiv gesicherte und mit Schallschutz verse-

hene Tür, der Eingang zum Kellerraum war mit einem

Alarmsystem ausgestattet (Tagesspiegel vom 8. April

2013). Sowohl die Wohnungseingangs- als auch die In-

nentüren in der Frühlingsstraße wurden nach Auftrag und

auf Kosten der Wohnungsmieter von einer Tischlerei

angefertigt (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 6.pdf,

S. 45). Die Kosten dafür kann man nur schätzen.

Auch in der Polenzstraße wurde mindestens eines der

Zimmer durch das Trio gedämmt, weil die Nachbarn das

Schießen und „Rumsen“ der Computerspiele als recht laut
empfanden. Ein Zeuge berichtete, dass Beate Zschäpe in

diesem Zusammenhang die Kosten für die Dämmung mit

2 000 Euro beziffert hatte (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),

Vorl. SA 4, S. 107).

Angaben zur Qualität der Ausstattung der Wohnungen

und zum Wert der Einrichtung sind anhand mangelnder

Einzelheiten nicht möglich. Die eben geschilderten Er-

kenntnisse lassen nur eine ungefähre Vorstellung erahnen,

wie das Trio gelebt hat.

IV.2.2.2. Fahrräder

Das Trio verfügte über mehrere Fahrräder. Im Urlaub

hatten alle Drei eigene Mountainbikes dabei. Nachbarn

berichteten davon, dass sie oft mit Fahrrädern unterwegs

waren. Da nicht bekannt ist, wie viele Fahrräder der NSU

sein Eigen nannte und wie teuer diese waren, ist auch der

Kostenfaktor für die Anschaffung der Fahrräder nicht

bekannt. Der Betrag ist vermutlich kein geringer. Die

mutmaßlichen Täter nutzten die Fahrräder ja nicht nur

zum reinen Zeitvertreib, sondern auch als Fluchtmittel

und als Träger bei dem Nagelbombenanschlag in der

Keupstraße.

IV.2.2.3. Wohnwagen

Eine abschließende Auflistung aller Wohnmobile, die

vom NSU angemietet worden sind und die Gesamtkosten

dafür sind dem Untersuchungsausschuss nicht bekannt.

Jedoch liegen einzelne Rechnungen für die Anmietung

von Wohnwagen vor:

Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von

74,58 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,

S. 85)

Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von

223,72 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,

S. 86)

Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von

71,00 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,

S. 164)

Rechnung Wohnwagen für drei Tage in Höhe von

213,00 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,

S. 165)

Rechnung Wohnwagen für vier Tage in Höhe von

206,34 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 9,

S. 166)

Mietkosten für Wohnwagen vom 23. Februar 2004 bis

26. Februar 2004 in Höhe von 298,30 Euro

(MAT_A_BY-14-1a, S. 483)

Mietkosten für Wohnwagen vom 7. Juli 2011 bis 15. Juli

2011 gebucht auf den Namen Susann E. in Höhe von

938,80 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), vorl. SA 1,

S. 302)

Diese Liste ist jedoch nicht abschließend. Es ist gelungen,

56 Fahrzeuganmietungen des Trios nachzuvollziehen,

davon etwa ein Drittel Wohnmobile (MAT_A_BMI-5-

0084, S. 120). Wenn man aber anhand der Rechnungen

einen Durchschnittswert von wenigstens 75 Euro Miet-

preis pro Tag für ein Wohnmobil ansetzt und das Trio seit

Drucksache 17/14600 – 918 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mindestens 2007 durchschnittlich fünf Wochen Camping-

urlaub betrieben hat, verursacht schon das allein Kosten

in Höhe von etwa 13 125 Euro für fünf Jahre. Vermutlich

war das Trio aber auch in den Jahren zuvor schon mit

Wohnmobilen im Urlaub gewesen. Zusätzlich müssen die

Anmietungen von Wohnwagen bei Begehung ihrer unter-

schiedlichen Straftaten gezählt werden. Über diese Kosten

kann man ebenfalls nur mutmaßen. Nach einem Bericht

der Frankfurter Allgemeinen werden die Kosten allein für

die Fahrzeuganmietungen auf wenigstens 60 000 Euro

geschätzt (FAZ vom 1. Dezember 2011).

IV.2.2.4. Waffen und Munition

Da nicht bei allen Waffen feststeht, wie sie überhaupt in

die Hände des Trios gelangt sind, wie der Zeuge Jürgen

Maurer vor dem Untersuchungsausschuss auf Nachfrage

des FDP-Obmanns Hartfrid Wolff ausführte (Maurer,

Protokoll-Nr. 36, S. 52), sind auch Angaben zu den Kos-

ten für die Bewaffnung des Trios unmöglich. Klar ist nur,

dass sie über ein großes Arsenal an Waffen verfügt haben.

Ob und wie sie diese und die entsprechende Munition

selbst finanziert haben, ist nach wie vor unklar. Es ist

nicht nachvollziehbar, warum diese wichtigen Fragen im

Untersuchungsausschuss nicht größeres Interesse hervor-

gerufen haben.

IV.2.2.5. Urlaubsreisen

Nach Aktenlage machten verschiedene Nachbarn Anga-

ben zu den jährlichen Urlaubsreisen des Trios. Einer er-

klärte, wenn das Trio einen jährlichen Urlaub für drei

Wochen plante, blieben sie dann meist gleich sechs Wo-

chen weg (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 51).

Ein anderer Anwohner sagte aus, dass es

„im Allgemeinen so [war], wenn die drei in den
Urlaub gefahren sind, dann haben sie immer einen

VAN genutzt“ (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.
SA 4, S. 246).

Nach Einschätzung einer Urlaubsbekanntschaft kostete

ein Urlaub auf dem Campingplatz für vier bis fünf Wo-

chen etwa 5 500 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl.

SA 4, S. 361). Fraglich ist insoweit, wie viel davon der

Zeuge anteilig für Mietkosten für den Wohnwagen, für

den Stellplatz oder auch für Verpflegung angedacht hat.

Lediglich eine im Brandschutt in der Frühlingsstraße

aufgefundene Rechnung für ein Ferienhaus in Neustadt in

Holstein für den Zeitraum vom 19. Juni bis 10. Juli 2010

für drei Personen, ausgestellt auf Susann E. in Höhe von

2 568 Euro (MAT_A_GBA-4, vorl. SA 1, S. 321, 322),

lässt erahnen, dass das Trio schon allein bei der Wahl der

Ferienunterkunft nicht knauserig war. Klar scheint zudem

zu sein, dass das Trio auch während der Urlaubsreisen

nicht sparen musste. Eine Urlaubsbekanntschaft gab an,

dass sich Gerry – vermutlich handelt es sich dabei um
Böhnhardt – ein Schlauchboot im Wert von schätzungs-
weise 2 000 Euro gekauft haben soll (MAT_A_GBA-4-3

(DVD), Vorl. SA 4, S. 361).

Welche Kosten die Urlaubsreisen des Trios tatsächlich

verursacht haben, kann nur erahnt werden.

IV.2.2.6. Spenden in die rechte Szene

Der NSU spendete der Zeitschrift „Weißer Wolf“ wohl
2 500 Euro (MAT_A_BW-10-5b, Bl.409). Im Vorwort

der ersten Ausgabe des „Weißen Wolf“ von 2002, Ausga-
be 18, gab es auch einen Dankesgruß mit folgendem

Wortlaut: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte ge-
tragen ;-) Der Kampf geht weiter“ (MAT_A_BB-2, S. 5).
Das Trio verfügte also über soviel Guthaben, dass es

davon sogar noch in die rechte Szene investieren konnte.

Auch andere Gesinnungsgenossen erhielten offensichtlich

Geldbriefe vom NSU. Im Brandschutt in der Frühlings-

straße wurde eine Liste mit insgesamt zehn Adressen

rechtsextremistischer Organisationen und Zeitschriften

aufgefunden, die wohl ebenfalls Empfänger solcher

Schreiben werden sollten (Spiegel Online vom 16. No-

vember 2012). Wie viel Geld der NSU tatsächlich in die

rechte Szene investiert hat, ist nicht bekannt und bedarf

dringend weiterer Aufklärung.

IV.2.2.7. Sonstige Ausgaben

Über sonstige Ausgaben des Trios konnten anhand von

aufgefundenen Asservaten in der Frühlingsstraße sowie

durch Zeugenaussagen Eindrücke auch über den Lebens-

stil und die Lebenseinstellung gewonnen werden.

Eine ehemalige Nachbarin berichtete, dass wenn ihr Geld

knapp war, Zschäpe alias Lisa Dienelt für sie einkaufen

gegangen ist, an der Kasse bar bezahlt und der Tochter

der Nachbarin häufiger Geschenke gemacht hat

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 219). Auch

eine Kellnerin gab an, dass Zschäpe ab und an mal Ge-

schenke vorbeibrachte: mal Kakteen, mal große Präsent-

körbe im Wert von 50 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),

Vorl. SA 4, S. 224).

Es wurden mehrere Rechnungen von einem Computer-

und PC-Zubehör-Laden aufgefunden. Der Erwerb eines

MP3-Players für 250 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD),

Vorl. SA 4, S. 379), Lautsprecher für 149,99 Euro

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 4, S. 378) oder

auch 82,50 Euro teure Kopfhörer (MAT_A_GBA-4-3

(DVD), Vorl. SA 4, S. 374) waren anscheinend kein

Problem. Die technische Ausstattung schien dem Trio

wichtig zu sein. Fraglich ist, ob dies für einen größeren

Spielgenuss der PC-Spiele oder möglicherweise auch bei

der Herstellung des Bekennervideos dienen sollte und

gedient hat.

Auch die Liebe zu ihren Katzen ließ sich Beate Zschäpe

einiges kosten. In der Tierarztpraxis zahlte sie

770,48 Euro in bar (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA

4, S. 31). Zudem gab sie ihre Katzen mehrfach in profes-

sionelle Katzenbetreuungen. Eine Rechnung weist für 20

Tage Katzenbetreuung beispielsweise Kosten in Höhe von

140 Euro auf (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 8,

S. 160), eine andere für zwölf Tage 96 Euro

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 8, S. 159). Dafür

bezahlte sie bereitwillig durchschnittlich 7,50 Euro pro

Tag, anstatt einfach ihre Nachbarn um Hilfe zu bitten. Es

verwundert auch, dass ihre Nachbarn fast nie in ihre

Wohnung durften, fremde Tierbetreuer aber schon.

All diese Posten sind keine Fixkosten, gewähren aber

doch einen Einblick, wie das Trio, insbesondere die an-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 919 – Drucksache 17/14600

gebliche Geldverwalterin Zschäpe mit Geld umgegangen

ist. Bemerkenswert ist zumindest, dass sie keinen Hehl

daraus gemacht hat, immer über viel Bargeld zu verfügen.

Wer hohe Tierarztrechnungen in bar zahlt und solch dicke

Geldbeutel auf Campingplätzen hat, dass Urlaubsbekannt-

schaften das bemerken, der scheint finanziell nicht

schlecht aufgestellt gewesen zu sein. Als sie am 8. No-

vember 2011 einen Strafverteidiger aufsuchte, bevor sie

sich schließlich der Polizei stellte, präsentierte auch sie

ihm mehrere hundert Euro in bar als Bezahlung, damit er

sie zur Polizei begleitete (Zeit Online vom 30. November

2012).

IV.2.3. Durchschnittlicher finanzieller Spielraum des

Trios im Monat

Um einschätzen zu können, wie viel Geld dem Trio mo-

natlich im Durchschnitt zur Verfügung gestanden hat,

bedarf es eines Vergleichs der Einnahmen mit den Aus-

gaben.

Wie dargestellt, hat das Trio mutmaßlich etwa

610 600 Euro bei bewaffneten Überfällen erbeutet. Davon

ausgehend müssen verschiedene Posten abgezogen wer-

den:

die Geldfunde im Wohnmobil in Höhe von mindestens

111 905 Euro (MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 15,

S. 337, 338),

die Geldfunde in der ausgebrannten Wohnung in der

Frühlingsstraße in Höhe von mindestens 190 315 Euro

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD), Vorl. SA 12, S. 426, 509),

die Mietkosten für die Wohnungen in Höhe von mindes-

tens 73 820 Euro,

die Mietkosten für die Wohnmobile in Höhe von mindes-

tens 60 000 Euro,

die Kosten für die Waffen und Munition (unbekannt),

die Kosten für die Fahrräder (unbekannt),

die Spenden an Anhänger und Unterstützer der rechtsext-

remen Szene (unbekannt).

Nach Abzug dieser Faktoren verblieben dem Trio

174 560 Euro. Diesen Betrag hatten die drei also inner-

halb von 13 Jahren und acht Monaten für ihr Leben in der

Illegalität zur Verfügung. Dies ergibt einen monatlichen

finanziellen Rahmen von 354,80 Euro pro Person. Der

tatsächliche Betrag liegt wahrscheinlich noch weit darun-

ter, weil der Berechnung immer nur die Mindestwerte

zugrunde liegen und nicht alle Kostenpunkte bekannt

sind.

Es bleibt die Frage, wie das Trio sich ein derartiges Leben

in der Illegalität finanzieren konnte. Dieser Frage muss

weiter nachgegangen werden. Ohne Antworten auf die

aufgeworfenen Fragen und Ungereimtheiten ist ein ab-

schließendes Urteil zum Leben des Trios in der Illegalität

und ihrem Unterstützergeflecht schlichtweg nicht mög-

lich.

V. Das Waffenarsenal des Trios

V.1. Sichergestelltes Waffenarsenal des NSU

Der NSU verfügte über einen umfangreichen Waffenbe-

stand. Insgesamt 20 Waffen wurden sowohl im Brand-

schutt der letzten Wohnung des Trios in der Zwickauer

Frühlingsstraße als auch im ausgebrannten Wohnmobil in

Eisenach sichergestellt.

V.1.1. Ungereimtheiten und Fragen zu den aufgefundenen

Waffen

Abgesehen von der Česká 83 wurden die anderen Waffen
im Untersuchungsausschuss kaum thematisiert. Noch

immer wirft das Waffenarsenal des NSU viele Fragen auf.

Es ist unklar, woher das Trio all diese Waffen hatte, wer

ihnen dabei half, diese Waffen zu besorgen und für wel-

chen Zweck es eine so große Waffensammlung überhaupt

hortete.

Außerdem ist nach wie vor fraglich, warum die Waffen-

spur der Česká 83 nicht dazu geführt hat, der Mordserie
ein Ende zu setzen und die Taten aufzuklären. Schwam-

mig ist weiterhin, wie gründlich diese Spur von den Er-

mittlungsbehörden wirklich verfolgt wurde.

V.1.1.1. Česká 83

Von den insgesamt 20 dem NSU gehörenden Waffen

nahm lediglich die Česká 83 im Untersuchungsausschuss
einen wirklichen Stellenwert bei den Befragungen der

Zeugen ein. Dennoch bleiben auch bei der Spur dieser

Waffe Rätsel offen.

V.1.1.1.1. Česká 83 als verbindendes Element der Mords-
erie

Noch immer ist fraglich, warum ausgerechnet diese Waffe

zur Begehung der Mordserie genutzt worden ist. Obgleich

diese Waffe eine sehr laute und auch mit Schalldämpfern

schwierig einzusetzende Waffe ist, wurde bisher keine

Antwort darauf gefunden. Diese Frage erscheint dem

BKA jedoch nicht relevant zu sein, denn der Zeuge Jörg

Ziercke führte zu diesem Problem schlicht aus:

„Warum der Täter oder die Täter jetzt ausgerech-
net diese Waffe benutzt haben, da müssen wir

noch tiefer in die Historie vielleicht dieser Täter

einsteigen […]; wenn wir es könnten, weiß ich
nicht. Ist das relevant für das Verfahren?“
(Ziercke, Protokoll-Nr.21, S. 77).

Es erstaunt, warum dieser Frage keine Relevanz zuge-

sprochen werden sollte. Sie war der einzige Hinweis auf

eine Verbindung zwischen den Taten; die Täter wählten

sie mit Bedacht immer wieder aus. So wollten sie ein

Zeichen setzen. Der Zeuge KHK Werner Jung dagegen

versuchte wenigstens eine Antwort auf diese Frage zu

finden:

„Es ist jedenfalls eine recht günstige Waffe - deut-
sche Waffen sind wesentlich teurer - und sie ist

auch unheimlich weit verbreitet“ (Jung, Protokoll
Nr.31, S. 58).

Dann stellt sich aber dennoch die Frage, warum trotz

eines so großen Waffenarsenals immer wieder dieselbe

Tatwaffe benutzt worden ist. Und warum dann ausge-

rechnet die Česká 83. Bei der Aufklärung von Straftaten

Drucksache 17/14600 – 920 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und der Fahndung nach Straftätern spielt auch die psycho-

logische Komponente hinter dem Täterverhalten eine

entscheidende Rolle. Insoweit müssen auch hier noch

Antworten in einem Untersuchungsausschuss auf Bun-

desebene in der nächsten Legislaturperiode gefunden

werden.

V.1.1.1.2. Waffenspur hat nicht zur Aufklärung geführt

In diesem Zusammenhang ist noch immer nicht nachvoll-

ziehbar, warum die Spur der Česká 83 nicht zur Aufklä-
rung geführt hat. Es erschüttert, dass ein Rechtsersuchen

in die Schweiz monatelang unbearbeitet bleibt, weil der

zuständige Schweizer Staatsanwalt zurückgetreten ist.

Fragwürdig ist, wie intensiv die deutschen Ermittlungsbe-

hörden ihre Schweizer Kollegen wirklich zur Bearbeitung

ihres Anliegens drängten, abzuklären, ob dort Schall-

dämpfer und PMC-Patronen „insbesondere an türkische
Staatsangehörige“ verkauft worden sind. Nicht nachvoll-
ziehbar ist nach wie vor, warum die Anfrage lediglich

bezogen auf türkische Staatsangehörige beantwortet wor-

den ist. Die Formulierung „insbesondere“ bedeutet vom
Sprachgebrauch her nicht, dass nur nach Verkäufen an

türkische Staatsangehörige überprüft werden sollte. Wa-

rum sich keiner der BKA-Ermittler eine umfassende

Antwort auf diese Frage hat geben lassen und ob die

Mordserie sonst womöglich früher hätte beendet werden

können, bleibt fraglich.

Obwohl die FDP-Fraktion mehrfach forderte, mit den

Schweizer Behörden in Kontakt zu treten und Schweizer

Beamte durch den Untersuchungsausschuss zu verneh-

men, stieß dies bei den anderen Fraktionen nicht auf ge-

nügend Interesse. Mithin kam die Aufklärung zur Zu-

sammenarbeit der deutschen Ermittlungsbehörden mit

ihren Schweizer Kollegen viel zu kurz. Deshalb setzt sich

die FDP-Fraktion mit Nachdruck dafür ein, dieser Prob-

lematik in einer Fortsetzung des Untersuchungsausschus-

ses intensiver nachzugehen, als bisher geschehen.

V.1.1.1.3. Munition

Eine möglicherweise mangelnde Ermittlungsarbeit bezüg-

lich der Waffenspur wird auch anhand der Problematik

der Munition deutlich.

V.1.1.1.3.1. Patronenhülsen

Die am Tatort aufgefundenen Patronenhülsen wiesen zum

Teil Eigenheiten auf. Bei einem Mord wurde am Tatort

eine stehende Patronenhülse aufgefunden. Bei anderen

Taten waren Hülsen abgeschliffen. Diese Art von Beson-

derheiten können in jedem Kriminalfall für die Ermittler

den entscheidenden Hinweis darstellen. Inwieweit aber

wirklich gründlich ermittelt wurde, bleibt zweifelhaft.

Auf Nachfrage des Abgeordneten Patrick Kurth, wie oft

es denn vorkommt, dass eine ausgeworfene Hülse auf

dem Hülsenboden steht, antwortete der EKHK des LKA

Mecklenburg-Vorpommern Jörg Deisting: „Das kann ich
ihnen nicht sagen“ (Deisting, Protokoll-Nr. 19, S. 129).
Der Zeuge Ziercke führte zu dem Thema einer stehenden

Patronenhülse aus:

„Das ist Zufall, ja, absoluter Zufall. […] Ja, ich
habe auch viele Tatorte in meinem Leben gesehen

und habe selten eine stehende Hülse am Tatort ge-

funden. Wenn das hier so war, kann ich nur sagen,

das ist sicherlich Zufall. Nach meiner Bewertung

ist das Zufall“ (Ziercke, Protokoll-Nr.21, S. 77).

Auch die Frage, warum die Hülsen abgeschliffen wurden,

blieb unbeantwortet. Der Zeuge Ziercke verwies insoweit

auf seine Waffenexperten, wusste aber selbst keine Ant-

wort (Ziercke, Protokoll-Nr.21, S. 77). Interesse aber sieht

anders aus. Es wurde anscheinend zumindest nicht so

gründlich ermittelt, dass sich überhaupt jemand Gedanken

um eine stehende Patronenhülse gemacht hat. Ob nun

Zufall oder nicht, kann man von Kriminalisten und Er-

mittlungsbeamten erwarten, dass jedes Detail überprüft

wird, erst recht, wenn es sich bei der Tat um einen kalt-

blütigen Mord handelt.

V.1.1.1.3.2. Mellrichstadt

Wie der Feststellungsteil bereits ausführt, fand bei den

ersten vier Morden eine seltene Munition des Herstellers

Patten & Morgan Metal Corporation Verwendung. Des-

sen Hauptimporteur sitzt in Mellrichstadt. Es besteht ein

merkwürdiger Zusammenhang darin, dass sich auch Jür-

gen H., ein guter Freund von Ralf Wohlleben, in einer

Bundeswehrkaserne in Mellrichstadt befand. Dort wurde

er im Rahmen der Suche nach dem Trio am 27. Mai 1999

vom MAD befragt (MAT_A_TH-1-20, Bl.323).

Ob es sich nur um einen Zufall handelt, dass sich Jürgen

H. ausgerechnet so zeitnah zu Beginn der Mordserie in

Mellrichstadt aufhält, ist nicht bekannt. Da die Česká-
Mordserie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht mit dem

Trio in Verbindung gebracht wurde, war dieser Zusam-

menhang zwischen der bei den ersten vier Taten der

Česká-Mordserie verwendeten Munition zu Jürgen H.
damals freilich nicht erkennbar. Dieser Anhaltspunkt

zeigt jedoch deutlich auf, dass noch geklärt werden muss,

über welche Netzwerke der NSU verfügte und inwieweit

diese damals feststellbar waren.

V.1.1.2. Die anderen Waffen des NSU

Es wurde aus Mangel an Zeit im Untersuchungsausschuss

nicht thematisiert, woher die anderen 19 aufgefundenen

Waffen sind und wie diese zum Trio gelangten. Ange-

sichts der Größe des Waffenarsenals muss dieses Prob-

lemfeld zwingend noch beleuchtet werden.

V.1.1.2.1. Herkunft der Waffen

Um herauszufinden, wie groß der Unterstützerkreis des

Trios wirklich war und wie dessen Waffenversorgung

funktionierte, muss die Herkunft auch der anderen Waffen

und die Internationalität des Rechtsextremismus erörtert

werden. Nur so können auch Maßnahmen zur Bekämp-

fung des Waffenhandels und des illegalen Waffenbesitzes

sinnvoll erörtert werden.

Der BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer erklärte im Rah-

men seiner Zeugenvernehmung auf Nachfrage des Ob-

manns Hartfrid Wolff lediglich:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 921 – Drucksache 17/14600

„Alle Waffen, die vorhanden sind, die durch uns
sichergestellt wurden, sind hinsichtlich ihrer Her-

kunftsüberprüfbarkeit abgearbeitet. Nicht bei allen

Waffen steht fest, wie diese in die Hände des Trios

gelangt sind. Also, wo sie herkamen unter Um-

ständen, ist entweder möglich gewesen oder nicht

möglich gewesen und wird dann auch nie mehr

möglich sein; aber wie sie in die Hände des Trios

gelangt sind, ist bei einigen ungeklärt, weiterhin

ungeklärt“ (Maurer, Protokoll-Nr. 36, S. 52).

Die Sachverständige für Rechtsextremismus Andrea Röp-

ke sagte im Untersuchungsausschuss:

„Waffen wurden, wie es bisher scheint – […] nicht
von außerhalb beschafft, sondern tatsächlich über

politische Weggefährten“ (Röpke, Protokoll-Nr.8,
S. 14).

Vieles spricht für Verbindungen des NSU über Kontakt-

männer vor allem in die Schweiz und nach Südeuropa. Da

ist zum einen Thomas G. und seine Verbindungen nach

Portugal:

„[Der führende Hammerskin-Aktivist] Thomas G.,
[ein] den Behörden [bekannter] Neonazi, [soll] um

das Jahr 2006 herum in illegale Waffenbeschaf-

fungen für die rechtsextremen ‚Hammerskins‘ in
Portugal verwickelt gewesen sein. Der 34-jährige

Thomas G. aus Meuselwitz in Ostthüringen wird

von den NSU-Ermittlern als Verdächtiger einge-

stuft, weil er über „nachgewiesene Kontakte zu
Tätern oder Beschuldigten des Ermittlungsverfah-

rens“ verfügt. Bereits der italienische Geheim-
dienst hatte 2011 auf die Verbindungen des mut-

maßlichen NSU-Helfers Ralf Wohlleben – einem
engen Vertrauten von Thomas G. – zu militanten
Rechtsextremisten in Südtirol hingewiesen.“
(Frankfurter Rundschau vom 19. Februar 2013).

Immer wieder führen die Spuren des NSU auch in die

Schweiz. Der deutsche Verfassungsschutz befragte einen

Zeugen, der inzwischen seit 2008 dauerhaft in der

Schweiz lebt und früher Rechtsextremist in Zwickau war.

Auf Fotos erkennt er den ehemaligen Betreiber des Last

Resort Shops für Security-Bedarf in Zwickau, welcher

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wohl kannte.

„Er selber will das NSU-Trio nicht persönlich ge-
kannt haben. ,Wir haben uns zwar auf den gleichen

Veranstaltungen herumgetrieben‘, so [der Zeuge].
Das war in den Jahren 1995, 1996 und 1997, kurz

bevor das Trio untertauchte. Damals lebte [er]

zwar schon in Süddeutschland, in Rheinfelden.

Doch er fuhr regelmäßig nach Sachsen. Es ist auch

die Zeit, als [er] in seiner alten Heimat oft auf

Waffen angesprochen wird. ,Bis 1998 waren

Kleinkaliber-Gewehre und Pumpguns in der

Schweiz frei erhältlich. Es gab nur die Auflage, sie

nicht auszuführen‘, sagt [der Zeuge]. Das scherte
den Deutschen wenig. Er nahm sie mit über die

Grenze – auch bis nach Sachsen. ,Das wussten die
Leute in Zwickau. Der Typ vom Security-Laden

sprach mich mehrfach darauf an, ob ich ihm was

besorgen könne.‘ […] Mit [der Česká 83] will der
Zeuge nichts zu tun haben. ,Doch wer mich damals

fragte, dem erklärte ich, wie er in der Schweiz an

die Waffen kam und wo er sie am besten über die

Grenze schmuggeln soll‘, sagt er.“ (Tages-
Anzeiger Schweiz vom 15. Februar 2013).

Wenigstens in den Akten findet sich eine Übersicht mit

allen sichergestellten Waffen und den Hinweisen zu deren

Verkaufswegen (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA

12., S. 589-596), soweit diese Überprüfung überhaupt

noch möglich war. Im Einzelnen handelt es sich dabei um

folgende:

Die im Wohnmobil in Eisenach sichergestellten Waffen:

Pumpgun Mosberg Maverick 88, Kal. 12/70,

Nr. MV43501E,

Pumpgun Winchester 1300 Defender, K. 12/70,

Nr. L2456506,

Revolver Alfa –PROJ, Modell 3831, Kal. 38 spezial, ohne
Nummer,

Pistole Heckler und Koch, Mod. 2000, 9mm Luger,

Nr. 116-021769,

Maschinenpistole Pleter 91, 9mm Luger, ohne Nummer,

Revolver Melcher, ME900SA, 9mm R Knall (PTB217),

ohne Nummer,

Pistole Heckler und Koch, Mod. P2000, 9mm Luger,

Nr. 116-010514,

Pistole Česká 70, 7.65 Browning, Nr. J47460.

Die in der Frühlingsstraße in Zwickau sichergestellten

Waffen:

Pistole RADOM VIS Mod. 35, 9mm Luger, Nr. H1836,

Pistole ERMA EGP 88 Kal. 8mm Knall, Nr. 09330,

Pistole WALTHER, PP; 7.65mm Browning, unterschied-

liche Nummern auf Lauf und Verschluss, Nr.: 322813 P

179450P,

Pistole Česká 83, 7.65mm Browning, mit Schalldämpfer,
Nr. 034678,

Pistole ERMA Model EP552S Kal. 22 l.r., Nr. 012827,

Revolver Kora , 6mm ME Flobert Court abgeändert auf

22 l.r., Nr. 645710,

Česká 82, 9mm Makarow, Nr. 082839,

Pistole TOZ, TT3, 7.62 mm Tokarew, Nr. XS5070,

Revolver Reck; Chief Special Combat, 9mm Knall,

R7469470,

Rhöner 69a, Einzelladegewehr, 9mm ,

Flobert gekürzter Schaft, Nr.10922,

MP Česká 26, 7.62 mm Tokarew, Nr. K31698,

Pistole Bruni, Mod. 315 Auto, abgeändert in 6.35 mm

Browning.

Drucksache 17/14600 – 922 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Allein die Aufstellung einer solchen Übersicht genügt

jedoch nicht. Weitere Fragen, die Aufschluss darüber

bringen können, warum manche Verkaufswege nicht

mehr nachvollziehbar sind, bleiben offen: Ab wann ist der

Ursprung einer Waffe beispielsweise durch Feuereinwir-

kung oder durch die Unkenntlichmachung der Waffen-

nummer nicht mehr rekonstruierbar? Ein Waffensachver-

ständiger müsste dazu in einer Weiterführung des Unter-

suchungsausschusses die Gelegenheit erhalten, solche

waffentechnischen Details ausführlich darzustellen.

V.1.1.2.2. Die im Wohnmobil sichergestellten Waffen

Im Wohnmobil wurden, wie eben dargestellt, acht der 20

Waffen des NSU und diverse Munitionsteile aufgefunden

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 7.pdf, S. 3).

V.1.1.2.2.1. Waffen der Polizisten aus Heilbronn

Unter anderem befanden sich unter diesen Waffen eine

Pistole Heckler und Koch, Modell P 2000, 9mm, Indivi-

dual-Nr.110-021769 und eine Pistole Heckler und Koch,

Modell P 2000, 9mm, Individual-Nr.116-010514. Anhand

der Seriennummern konnten diese als die beiden entwen-

deten Dienstwaffen der mutmaßlich durch den NSU getö-

teten Polizistin Michèle Kiesewetter und ihrem schwer

verletzten Kollegen Martin A. identifiziert werden

(MAT_A_GBA-4, vorl. SA 11, S. 5). Die Dienstwaffe

von Frau Kiesewetter wurde wohl vom NSU nicht ver-

wendet (MAT_A_GBA-4-3(DVD)\ Vorl. SA 12, S. 590).

Es ist nach wie vor ein Rätsel, warum die junge Polizistin

in Heilbronn sterben musste und ihr Kollege vermutlich

nur mit Glück überlebt hat. Nach wie vor ungeklärt ist, ob

die Täter es etwa auf die Ausrüstungsgegenstände der

beiden Polizeibeamten abgesehen hatten. Immerhin ist

dies mutmaßlich die einzige Tat des NSU, bei der sich an

den Opfern bereichert wurde. Bei all den anderen Morden

liegen hierfür zumindest keine Erkenntnisse vor. Wenn

aber die Erlangung der Ausrüstungsgegenstände das Mo-

tiv hinter der Tat war, stellt sich die Frage, warum diese

dann nie zum Einsatz kamen. Jörg Ziercke hält die Erlan-

gung der Waffen als Tatmotiv für unwahrscheinlich:

„Man ermittelt immer in alle Richtungen, und man
kann das auch nicht ausschließen. Ich bin der Mei-

nung: Das ist aus meiner Sicht, nachdem die 18

Waffen hatten zu dem Zeitpunkt, nicht das Motiv

gewesen.“ (Protokoll-Nr. 21, S. 57).

Das Motiv ist dann noch immer schleierhaft. Die Süd-

deutsche Zeitung schrieb dazu:

„Bei einigen Fahndern gibt es die Theorie, dass
diese Waffen aus Sicht der Mörder verlässliche

Schusswaffen waren, die sie dann einsetzen woll-

ten, wenn sie eingekesselt waren. Mundlos und

Böhnhardt hatten früh erklärt, sie würden sich

nicht festnehmen lassen. Andere Fahnder halten

diese Theorie für nicht stimmig.“ (Süddeutsche
Zeitung vom 3. Februar 2012).

Für diese Annahme würde sprechen, dass sie diese beiden

Waffen bei einem Raubüberfall extra in ihrem Fluchtwa-

gen deponiert haben. Völlig überzeugend ist sie aber in

Anbetracht des großen Waffendepots, über welches der

NSU verfügt hat, und letztendlich ihrer Wahl der Waffe,

mit der sie sich selbst richteten, auch nicht.

V.1.1.2.2.2. Für den Suizid verwendete Waffe

Bei der im Wohnmobil aufgefundenen Repetierflinte

(Pumpgun) Winchester 1300 Defender handelt es sich um

die Waffe, mit der sich Mundlos und Böhnhardt wohl

töteten (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA 6, S. 236).

Ermittlungen zu dieser Waffe ergaben folgendes: Die

Waffe wurde am 28. September 1991 nach Kanada ver-

kauft. Durch die Feststellung österreichischer Beschuss-

zeichen auf der sichergestellten Repetierflinte ist davon

auszugehen, dass die Waffe aus Kanada über Österreich

kam. Dort soll sie 1992 von dem aus Berlin stammenden

B. B. gekauft worden sein. B. B. verstarb 2005

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA 12, S. 589). Er soll

über Verbindungen in die rechte Szene verfügt haben

(Süddeutsche vom 3. Februar 2012). Nach wie vor unauf-

geklärt ist, wie diese Waffe schließlich in den Besitz des

NSU gelangt ist. Anhand dieser Waffe und deren Her-

kunftsweg wird deutlich, wie international nicht nur die

Verflechtungen des Rechtsextremismus sondern auch des

Waffenhandels im rechten Spektrum sind und wie viele

Erkenntnislücken in diesem Zusammenhang noch beste-

hen.

Zudem ist fraglich, warum Böhnhardt und Mundlos sich

überhaupt kurzerhand in Eisenach erschossen haben, als

die Polizisten auf ihr Wohnmobil zukamen und warum

dann ausgerechnet mit dieser Pumpgun. Im Wohnmobil

wurde zudem eine Maschinenpistole Pleter aufgefunden,

die mit einer eingeklemmten Patrone auf der Sitzbank in

direkter Nähe zu Böhnhardt festgestellt wurde

(MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\ Vorl. SA 6, S. 236). Vermut-

lich hatte Böhnhardt aus dieser Waffe auf die anrücken-

den Polizisten geschossen (Süddeutsche Zeitung vom

3. Februar 2012). Es verwundert, dass die beiden mut-

maßlich eiskalten Killer das Feuer auf die beiden Polizei-

beamten nach nur einem Schuss eingestellt und sich so-

dann selbst gerichtet haben, weil eine ihrer acht vor Ort

befindlichen Waffen eine Ladehemmung hatte. Eigentlich

glich ihr Wohnmobil durch das an Bord befindliche Waf-

fenarsenal einer Festung, dennoch erschossen sie sich

sogleich. Dies überrascht. Wenn die Waffen zur Verteidi-

gung gedacht gewesen wären, hätten sie diese wohl auch

zweckentsprechend eingesetzt. Ungeklärt ist daher auch,

warum sie überhaupt einen derartig großen Waffenbe-

stand im Fahrzeug mit sich führten.

V.1.1.2.3. Die in der Frühlingsstraße sichergestellten

Waffen

Weitere zwölf Waffen wurden im Brandschutt in der

Frühlingsstraße in Zwickau aufgefunden, unter anderem

die Česká 83, aber auch die Tatwaffen vom Mord an
Michèle Kiesewetter und dem versuchten Mord an dessen

Kollegen (MAT_A_GBA-4-3 (DVD)\Vorl. SA 12,

S. 592-596). Neben den Waffen wurden weitere Indizien

für eine Täterschaft an dem Mord an Frau Kiesewetter

gefunden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 923 – Drucksache 17/14600

„Auf einer Jogginghose, die im letzten Versteck
der rechtsextremistischen Terrorzelle [NSU] in

Zwickau sichergestellt worden war, wiesen Krimi-

naltechniker Blutspuren nach, die durch einen

DNA-Vergleich eindeutig [Michèle] Kiesewetter

zugeordnet wurden. In den Taschen des Klei-

dungsstücks fanden sich zudem zwei gebrauchte

Taschentücher, die mit DNA-Fragmenten des

NSU-Terroristen Uwe Mundlos behaftet waren.

[…] Die neuen DNA-Spuren fügen sich in die In-
dizienkette der Fahnder. […] Von Anfang an wa-
ren die Ermittler davon ausgegangen, dass sich die

Täter dabei mit dem Blut ihrer Opfer befleckt ha-

ben mussten. Warum die Neonazis die Tatkleidung

und die Polizeiausrüstung all die Jahre lang auf-

bewahrten, ist unklar. Möglicherweise, so eine

Hypothese der Ermittler, behielten sie die Gegen-

stände als Trophäen“ (Spiegel Online vom
12. August 2012).

Auch dieser Fund belegt die Notwendigkeit, die weiteren

Waffenfunde im Untersuchungsausschuss zu thematisie-

ren, um herauszufinden, wie eine derartige Bewaffnung

überhaupt möglich war und um zu verstehen, was hinter

den Taten und den Tätern wirklich steckte. Nur so wird

dem Aufklärungsinteresse der Familien der Opfer gerecht.

V.1.2. Gründe für einen solchen Waffenbestand

Fraglich ist auch, warum das Trio ein derartig großes

Waffenarsenal hatte. Eine mögliche Erklärung liegt darin,

dass das Trio ein Hang zu Waffen hatte und diese einfach

gern sammelte. Dazu führte die Sachverständige Andrea

Röpke aus:

„[…] diese Affinität, diese Sammelleidenschaft,
Waffen zu besitzen, diese Selbstverständlichkeit,

sich als Kämpfer zu sehen und für den Fall auch

die Familie als Deutsche verteidigen zu können -

man sieht sich im Feindgebiet -, das hat sogar noch

massiv zugenommen, würde ich sagen“ (Röpke,
Protokoll-Nr.8, S. 35).

Auch der Zeuge Edgar Hegler gab an:

„Es ist ja generell so, dass Neonazis eine gewisse
Affinität zu Waffen haben - und natürlich zum Teil

auch Waffen sammeln, um diese Waffen für den

Kampf zu nutzen“ (Hegler, Protokoll-Nr.17, S.
50).

Unklar ist, ob ein Leben in der Illegalität mit begrenzten

finanziellen Mitteln das Erschaffen einer derartigen Waf-

fensammlung überhaupt erlaubt.

V.1.3. Waffen und Art ihrer Nutzung als Verbindung

zwischen den Überfällen und den Morden

Klärungsbedürftig ist zudem, ob eine Verbindung zwi-

schen der Mord- und der Überfallserie anhand der Art der

spezifischen Nutzung der Waffen hätte hergestellt werden

können. Ein Waffensachverständiger könnte insoweit

Auskunft darüber erteilen, ob man beispielsweise anhand

von Einschusswinkeln herausfinden kann, ob ein Links-

oder Rechtshänder einen Schuss aus einer Waffe abgege-

ben hat. Gerade bei der nunmehr dem NSU zugeordneten

Banküberfallserie fiel immer wieder ein Linkshänder auf.

Beim Überfall einer Sparkassenfiliale in Zwickau am

5. Oktober 2006 versuchte der Azubi der Bank, einen der

Täter, den Linkshänder, zu überwältigen und erlitt dabei

einen Bauchschuss (MAT_A_GBA-4-18, Bl.604). Es ist

fraglich, ob die dortige Waffenverwendung mit der Art

der Verwendung bei der Mordserie in Zusammenhang

hätte gebracht werden können.

In diesem Zusammenhang ist auch unklar, warum die

Täter bei ihren Überfällen der Bankfilialen zwar recht

grob vorgingen, aber letztlich nicht mordeten. Es fällt auf,

dass die Banküberfallserie - soweit heute bekannt - aus-

schließlich in Ostdeutschland und die Morde hauptsäch-

lich in Westdeutschland begangen wurden. Einzig das

fünfte Opfer Mehmet Turgut, der am 25. Februar 2004

mutmaßlich von Mitgliedern des NSU erschossen worden

ist, wurde in Rostock ermordet. Das Motiv für diese Vor-

gehensweise ist nicht bekannt. Ob dieser Umstand Aus-

wirkungen darauf hatte, den Zusammenhang zwischen der

Mord- und der Banküberfallserie nicht zu sehen, muss

vom Untersuchungsausschuss in einer Fortsetzung unter-

sucht werden.

V.2. Ausbildung an der Waffe

Die Polizei ging davon aus, dass gerade der Rechtshänder

sehr professionell gemordet hat. Aber woher der professi-

onelle Umgang mit Waffen kam, ist nicht bekannt. Zwar

nahm Mundlos während seiner Bundeswehrzeit an

Schießübungen teil (vgl. Schießbuch, MAT_A_BMVg-6,

S. 70-77), jedoch begründen diese Übungen wohl kaum

einen derartig professionellen Umgang mit der Waffe. Es

wurden auch keine Feststellungen dazu getroffen, wo die

anderen Mitglieder des NSU den professionellen Umgang

mit Waffen erlernt haben.

Es können insofern lediglich Mutmaßungen angestellt

werden: Die Sachverständige Andrea Röpke berichtete

von legalen Schießübungen in der Schweiz über die

„Schweizer Connection“ und dem Aufruf „Schießen mit
allen Kalibern“ aus Tschechien (Röpke, Protokoll-Nr.8, S.
32). Auch der Zeuge Edgar Hegler führte insofern aus:

„In Tschechien kann man legal mit scharfen Waf-
fen schießen. - Da fahren natürlich hin und wieder

auch Rechtsextremisten rüber“ (Hegler, Protokoll-
Nr. 17, S. 29).

Ebenso habe es Hinweise auf Wehrsportübungen im Erz-

gebirge gegeben (Röpke, Protokoll-Nr.8, S. 64). Gesicher-

te Erkenntnisse, ob das Trio an derartigen Schießübungen

teilgenommen hat, liegen nicht vor. Aufgrund der räumli-

chen Nähe zu diesen Netzwerken in Tschechien und in

der Schweiz ist es aber durchaus vorstellbar, dass

Böhnhardt und Mundlos und womöglich auch Zschäpe

dort gelernt haben zu schießen. Tino Brandt soll ebenfalls

seinen Kameraden in Thüringen ermöglicht haben, Mitte

der 90er Jahre auf einem Berggrundstück bei Kahla mit

scharfen Waffen zu schießen. Anwohner wollen dort auch

Uwe Böhnhardt gesehen haben (taz vom 30. April 2012).

Die Themen der Internationalität des Rechtsextremismus

und der Kooperation rechtsextremer Deutscher mit dem

Drucksache 17/14600 – 924 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ausland konnten vom Untersuchungsausschuss nicht mit

der notwendigen Gründlichkeit behandelt werden. Die

FDP-Fraktion hatte als einzige Fraktion ein Interesse

daran, dieses Thema weiter zu verfolgen. Entsprechende

Vorschläge für Beweisanträge fanden keine Zustimmung

der anderen Fraktionen. Gerade aber die hier aufgeworfe-

nen Fragen bekräftigen die Notwendigkeit einer Ausei-

nandersetzung mit diesem Thema. Es muss geklärt wer-

den, wie es möglich ist, dass der Rechtsextremismus eine

derartige internationale Vernetzung aufweist und relativ

ungestört weit verbreitet agieren kann, während die Straf-

verfolgungs- und Verfassungsschutzbehörden an den

Ländergrenzen halt machen (vgl. auch Kapitel VI.). Es ist

nicht hinnehmbar, dass Rechtsextreme international über

Rückzugs-, Ausbildungs- und Professionalitätslager ver-

fügen.

V.3. Ausbildung am Sprengstoff

Das Trio war bereits vor dem Untertauchen kein unbe-

schriebenes Blatt, was ihre Bewaffnung anging. In der

Jenaer Garage wurden 1998 zwar keine Schusswaffen,

aber Sprengstoff gefunden. Mit dem Thema Sprengstoff

hat sich der Untersuchungsausschuss ebenfalls nicht in-

tensiv genug beschäftigt.

Zunächst sagte die Zeugin mit dem Decknamen Rita

Dobersalzka, von 1998 bis 2000 Leiterin des Referats für

Rechtsterrorismus im BfV, während ihrer Zeugeneinver-

nahme vor dem Untersuchungsausschuss aus, bei dem in

der Garage in Jena aufgefundenen Sprengstoff habe es

sich um außergewöhnlichen Sprengstoff gehandelt

(Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 8). Es ist unklar, ob es

sich bei dem Sprengstoff tatsächlich um besonderen

Sprengstoff gehandelt hat, wo dieser her kam und was das

Trio mit diesem beabsichtigte. Aufgrund der Verjährung

ist dieser Fund für die Strafverfolgungsbehörden vermut-

lich nicht von Interesse, aber für den Untersuchungsauf-

trag des Untersuchungsausschusses von besonderer Be-

deutung.

Zudem stellt sich die Frage, wer dem Trio den Umgang

mit Sprengstoff lehrte. Vor ihrem Untertauchen wurden

die drei zwar auch schon in Ermittlungsverfahren im

Zusammenhang mit USBV geführt, aber dabei handelte es

sich um ungefährliche USBV sowohl im Jenaer Stadion

als auch auf dem Jenaer Nordfriedhof, um verschiedene

Briefbombenimitate und um eine sprengfähige, allerdings

nicht zündfähige USBV vor dem Stadttheater in Jena

(MAT_A_TH-6, S. 62, 62, Rdn. 77). Die dem NSU bis

dato zugeordneten Anschläge sowohl in einem Kölner

Lebensmittelgeschäft am 19. Januar 2001 als auch in der

Keupstraße in Köln am 9. Juni 2004 weisen hingegen eine

ganz andere neue Qualität auf. Sie detonierten und ver-

letzten insgesamt fast zwei Dutzend Menschen, einige

davon schwer.

Es ist unklar, wie sie sich dieses Wissen aneigneten. Mög-

licherweise informierten sie sich selbst umfassend über

den Bau von Bomben im Internet oder in einschlägigen

Zeitschriften. „Combat 18“ beispielsweise veröffentlichte
derartige Anleitungen (Berliner Zeitung vom 12. Januar

1995). Inwieweit eine derartige Vernetzung mit „Combat
18“ oder ein Austausch zum Bau von Sprengsätzen statt-

gefunden hat, ist nicht bekannt. Eventuell steht aber auch

eine Sprengstoffexplosion aus dem Jahre 1998 in Jena

Lobeda im Zusammenhang mit den Sprengstofffähigkei-

ten des NSU. Damals sprengte sich ein junger Mann

selbst in die Luft (OTZ vom 29. September 1998). Bernd

S. war wohl ein Freund des Trios und galt als Waffen-

und Sprengstoffnarr, der im Keller seines Wohnhauses ein

Sprengstofflabor geführt haben soll (Spiegel Online vom

11. Novemer 2011). Auch der damalige Verfassungs-

schutzchef Dr. Roewer nannte den Namen dieses Mannes

in einem Atemzug mit den Namen Böhnhardt, Mundlos

und Zschäpe (TLZ vom 18. November 2011). Inwieweit

ein Zusammenhang zwischen Bernd S. und dem Trio

wirklich vorliegt und ob dieser ihnen den Umgang mit

Sprengstoff lehrte, ist nach wie vor ungeklärt und reine

Spekulation.

Auch die hier im Waffenkomplex aufgeworfenen Fragen

machen die Notwendigkeit einer Fortsetzung des Unter-

suchungsausschusses in der nächsten Legislaturperiode

besonders deutlich.

VI. Der NSU im Netzwerk von „Blood & Ho-
nour“

VI.1. Von der Musik zum Kampf

VI.1.1. „Blood & Honour“ als Musikvertrieb

In der Urteilsbegründung gegen die Mörder des Mosam-

bikaners Alberto Adriano aus Dessau, steht ein bemer-

kenswerter Satz: Das Oberlandesgericht Naumburg hat

zum ersten Mal gerichtlich den Zusammenhang zwischen

rechtsradikaler Musik und mörderischem Rassismus fest-

gestellt; also zwischen Musik und Tat. Der Vorsitzende

Richter Albrecht Henning zitiert deshalb am 30. August

2000 bei seiner Urteilsverkündung rechtsradikale Liedtex-

te der Neonazi-Band „Landser“, um den gesellschaftspoli-
tischen Kontext aufzuzeigen, in dem diese Tat begangen

wurde. Das hat es in einem deutschen Gericht noch nicht

gegeben. In dem zitierten Liedtext heißt es: „Afrika für
Affen. Europa für Weiße. Steckt die Affen ins Klo und

spült sie weg wie Scheiße.“ Mit diesem und anderen Lie-
dern der Neonazi-Band „Landser“ hatten sich die drei
rechtsradikale Mörder von Alberto Adriano für ihre Tat in

Stimmung gebracht.

Das Naumburger Oberlandesgericht sieht in diesen Lie-

dern das aufputschende Motiv und den gemeinsamen

ideologischen Hintergrund für den Mord an Alberto Ad-

riano im Juni 2000 in Halle. Und der Richter ist noch

nicht fertig: In den vergangenen zehn Jahren, so Richter

Henning weiter, seien seit der Wiedervereinigung in

Deutschland 28 Menschen durch rechtsextreme Gewalt

ums Leben gekommen, drei allein in diesem Jahr. Die

Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten nehme ständig

zu und liege deutschlandweit bei 9 000. Die Hälfte davon

lebt in den neuen Ländern obwohl dort nur 21 Prozent der

Gesamtbevölkerung wohnen, so Henning.

Eine angestrebte Revision durch die Anwälte der Ange-

klagten gegen das Urteil ist vom Bundesgerichtshof

(BGH) dann am 22. Februar 2001 abgelehnt worden. In

seiner Pressemitteilung weist der BGH nochmals explizit

darauf hin, dass die drei Täter aus „bloßem Ausländer-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 925 – Drucksache 17/14600

hass“ Alberto Adriano getötet haben (Pressemitteilung des
BGH vom 12. März 2001).

Dieses Urteil und seine Begründung ist deshalb so wich-

tig, weil es zum ersten Mal dem Umstand Rechnung trägt,

dass hier nicht nur ein rechtsradikaler Hintergrund für

eine Tat vorliegt, sondern der Impuls zur Tat von gewalt-

tätiger und rechtsextremer Musik ausgegangen ist, quasi

von vertonter Ideologie.

Und die ist Ende der 80er und in den 90er Jahren haupt-

sächlich von einem Netzwerk verbreitet worden: von dem

international tätigen Netzwerk „Blood & Honour“.

„Blood & Honour“ hat seine rassistische und gewaltberei-
te Ideologie in den Anfangsjahren zunächst über die von

ihr vertriebenen Musik verbreitet und sich damit vor al-

lem an Jugendliche und junge Erwachsen gewandt. Musik

war das Kommunikationsmittel für den Ausländerhass

und die geeignete, weil jugendadäquate Kommunikations-

form für die politische Botschaft. Diesen Zusammenhang

hat der Gründungsvater von „Blood & Honour“, und
Sänger der rechtsradikalen englischen Band

„Skrewdriver“, Stuart Donaldson, frühzeitig erkannt. Laut
Donaldson:

„gibt [es] kein besseres Mittel als Musik, um die
Jugend für unsere Ideen zu begeistern".

Welchen Stellenwert die Musik und somit auch die jewei-

ligen Neonazi-Bands für die Verbreitung rechtsextremer

Ideologie in der Szene hatten, zeigt die Selbstbezeichnung

der bereits erwähnten Band „Landser“. Sie bezeichneten
sich selbst als „Terroristen mit E-Gitarre“ und sind als
erste Musikband Deutschlands überhaupt 2001 als „kri-
minelle Vereinigung“ eingestuft und schließlich 2003
verboten worden (Klaus Miehling 2006: Gewaltmusik –
Musikgewalt, S. 236).

Selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz hat – wenn
auch Jahre später – in seiner Sonderbroschüre zu rechts-
extremer Musik, 2007, letztlich festgestellt:

„In Einzelfällen konnte ein direkter Zusammen-
hang zwischen den von den Bands vermittelten

Feindbildern, der aggressionsfördernden Wirkung

der Musik und rechtsextremistischen Gewalttaten

festgestellt werden. Bei einigen Taten bestand ein

enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem

Abspielen entsprechender CDs durch Einzeltäter

oder Kleingruppen und der danach begangenen

rechtsextremistischen Gewalttat.“

Musik von „Landser“, „Noie Werte“ oder „Skrewdriver“
und viele anderer Neonazi-Bands konnten in den 80er und

90er Jahren aber nicht über die normalen Produktionswe-

ge vertrieben oder in normalen Musikläden gekauft wer-

den. Deshalb hat „Blood & Honour“ bereits unter ihrem
Begründer Ian Stuart Donaldson eigene internationale

Produktions- und Vertriebswege aufgebaut, die bis in die

USA, nach Tschechien, Russland oder Schweden gereicht

haben. Die produzierten Platten oder CDs sind dann mit

dem Auto über die Grenzen geschmuggelt oder per Post

zugestellt worden. Ein wichtiger Produktions- und auch

Vertriebsweg führte dabei schnurgerade nach Ostdeutsch-

land, nach Sachsen zu Jan Werner. Er war in den 90er

Jahren eine der wichtigsten Größen der „Blood & Ho-
nour“-Musikszene im Osten, und beteiligt an den „Mo-
vement Records“, die auch die bereits erwähnte Band
„Landser“ produziert hatten. Gegen Jan Werner laufen
derzeit, im Juni 2013, Verfahren im Rahmen der

Umfeldermittlungen zum NSU-Prozess. Er soll dem NSU

auch verschiedene Waffen besorgt haben.

VI.1.2. „Blood & Honour“ als gewaltverherrlichende und
kampfbereite Organisation

Ende der 90er Jahre wird aus einem ursprünglich rechts-

radikalen Musikvertrieb eine ideologisch gefestigte, ras-

sistische Organisation, die auch vor Mord und Totschlag

nicht zurückschreckt, sondern die Gewalt propagiert und

geradezu sucht. Es bilden sich mit den „Hammerskins“,
dem Jugendableger „White Youth“ oder „Combat 18“
quasiterroristische Gruppen, die zum bewaffneten Kampf

„gegen das System“ aufrufen.

Der Entschluss, mehr zu sein, als nur eine rechtsradikale

Musikbewegung, nämlich eine politische Bewegung, fällt

für Deutschland beim nationalen „Blood & Honour“-
Treffen am 3. Oktober 1998. In diesem gemeinsamen

Beschluss aller Deutschen „Blood & Honour-Divisionen“
heißt es, es sei nun die Aufgabe:

„Patrioten verschiedener Stilrichtungen zu sam-
meln und zu einen, nicht nur in der Musik, sondern

im Kampf.“ (Michael Weiss, 2001: White Noise,
S. 79).

Das „Blood & Honour“-Netzwerk ist in den 90ern die am
schnellsten wachsende rechtsextremistische Vereinigung

in Deutschland. „Blood & Honour“ hatte der deutschen,
aber auch internationalen Skinszene die aktionistischen

und identitätsstiftenden Strukturen angeboten, nach der

die Szene lange gesucht hatte. Umgekehrt konnte die

„Blood & Honour“-Bewegung in Deutschland auf erfah-
rene Leute in bereits bestehenden rechten Netzwerken

zurückgreifen, die Erfahrung in Untergrund-Vertreib und

illegalen Aktionen hatten und die sich den neuen Bewe-

gungen öffneten, wie beispielsweise auch der NPD, die

durch die Einbindungen der wachsenden Kameradschaf-

ten ihre Partei verjüngen wollte.

Die Deutsche Division von „Blood & Honour“ hatte ihre
Schwerpunkte in den 90er Jahren vor allem in Sachsen, in

Hamburg, Rostock, in Mittelfranken und in der franzö-

sischsprachigen Schweiz sowie in Baden-Württemberg

und Südtirol.

Und genau das sind auch „Stationen“ des NSU. Egal ob
im Untergrund oder auch teilweise bei ihren Mordtaten.

Die FDP-Bundestagsfraktion ist der Ansicht, dass dies

kein Zufall ist. Wir sind der Meinung, dass es überwälti-

gend viele Hinweise darauf gibt, dass das NSU-Trio zwar

im „Thüringer Heimatschutz“ (THS) rechts sozialisiert
wurde, dass aber mindestens seit ihrem Abtauchen in den

Untergrund bis zu ihrer Entdeckung im November 2011

die Strukturen von „Blood & Honour“ maßgeblich für das
Trio waren. In diesen Strukturen wurden sie radikalisiert,

zu kaltblütigen Mördern ausgebildet und diesen Struktu-

ren haben sie ihr Leben anvertraut bis zuletzt. Deshalb

Drucksache 17/14600 – 926 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sind alle Mitangeklagten im NSU-Prozess vor dem OLG

München auch Menschen, die Mitglied des „Blood &
Honour“-Netzwerkes waren oder zumindest enge Bezie-
hungen zu Mitgliedern gepflegt haben.

Der „THS“ war zu klein und zu wenig vernetzt und, wie
frühzeitig bekannt wurde, von Spitzeln (Tino Brandt)

durchsetzt, um den Dreien ein sicheres Untertauchen zu

gewährleisten. Der „THS“ hatte weder die Verbindungen
noch das Geld, um die Drei zu unterstützen. Nur das

„Blood & Honour“-Netzwerk konnte das - über Jahre
hinweg - bieten. Und das, obwohl die Organisation in

Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten ist.

VI.1.2. Der NSU: Vom „Thüringer Heimatschutz“ zu
„Blood & Honour“

Wir haben im Ausschuss den Eindruck gewonnen, dass

das Trio zwar seine erste rechtsradikale Sozialisierung im

„Thüringer Heimatschutz“ (THS) bekommen hat, doch
die endgültige Radikalisierung und die dafür notwendige

logistische Unterstützung sowie ein gewaltbereites Um-

feld mit ideologisch gefestigten und damit risikobereiten

„Kumpanen“, das bekam das Trio nur von der „Blood &
Honour“-Division Deutschland, Zunächst in Sachsen,
dann bundesweit und im Ausland. Erst in diesem Umfeld,

so unser Eindruck aus den Akten, wurde der Schritt zur

endgültigen mörderischen Professionalität gemacht. Wie

wir zeigen wollen, war hier das zunächst notwendige

Geld aus dem Musikbetrieb vorhanden, gab es die gefes-

tigten internationalen Verbindungen und gab es Men-

schen, die bereit waren, selbst Straftaten zu begehen, um

den Dreien zu helfen. Hier stimmte vor allem aber auch

die radikale und gnadenlose Ideologie. Und nur hier gab

es Vorbilder im schlechtesten Sinne: Bombenleger, Söld-

ner, Schläger, kurzum: brutale Mörder. Der Thüringer

Heimatschutz war, verglichen mit „Blood & Honour“,
eher ein rechtsradikaler Kindergarten.

VI.1.2.2. „Blood & Honour“ Sachsen und die Verbindun-
gen nach Baden-Württemberg

Das Netzwerk der „Blood & Honour“-Sektion Sachsen
von 1998 liest sich wie das „Who is Who“ der Unterstüt-
zer des NSU. Rund die Hälfte der damaligen rund 20-

köpfigen Netzwerkmitglieder hatte Kontakt zur Terror-

gruppe: Sei es der schon öfters erwähnte Jan Werner, der

V-Mann Carsten Szczepanski oder J. W.. Sei es Antje P.,

die einen Ausweis für Beate Zschäpe besorgt hatte, der

für die Flucht nach Südafrika genutzt werden sollte. Ihr

Mann, Michael P., stand ebenso im Informationsaus-

tausch mit dem Trio wie Andreas G., der später in den

Raum Ludwigsburg/Rems-Murr umgezogen ist. Thomas

Ro. hatte die Flüchtigen für kurze Zeit in seiner Wohnung

untergebracht, Hendrik L. stand in Kontakt mit Mundlos,

ebenso Thomas Starke, der 1997 den Sprengstoff besorgte

hatte, der bei der Garagendurchsuchung in Jena gefunden

wurde. Die aktenkundigen Mirko H., Giso T., wie auch

Andre Eminger gehörten zu der „Blood & Honour“-Szene
und zum erweiterten NSU-Umfeld in Sachsen sowie Ste-

phan Lange, der gleichzeitig auch Sektionschef in Berlin

war und damit Deutschland-Chef von „Blood & Honour“.

Die Sektion Sachsen war eine der ersten „Blood & Ho-
nour“-Sektionen in Deutschland und – neben Baden-
Württemberg und Berlin – eine der aktivsten, wichtigsten
und radikalsten. Hier war mit den „Movement Records“
von Jan Werner nicht nur ein umsatzstarker Musikver-

trieb für rechtsradikale Musik zu Hause, sondern auch

eines der einflussreichsten Musiklabels für Rechtsrock in

ganz Deutschland. Durch diesen „Ankerpunkt“ entwickel-
te sich in Sachsen, vor allem in Chemnitz eine reiche

Subkultur rechter Anbieter, von Versandgeschäften bis

Ladengeschäften oder Kneipen, und natürlich eine dyna-

mische Musik- und Konzertszene, also ein Anziehungs-

punkt für Rechtsradikale aus ganz Deutschland. Die Sek-

tion Sachsen war sogar so stark, dass sie Ende 1999 die

Machtfrage stellte und unabhängig von dem Headquater

in Berlin agieren wollte (AIB 98, vom 12. März 2013)

Den drei Flüchtigen konnte also nichts Besseres passie-

ren, als beim einflussreichsten rechtsradikalen Netzwerk

das 1998 in Deutschland existierte, unterzukommen.

Besonders zu Gute sind dem Trio auch die hervorragen-

den Kontakte der Sektion Sachsen zur „Blood & Ho-
nour“-Szene in Baden-Württemberg gekommen. Nach
den neuesten Stellungnahmen des Innenministers Rein-

hold Gall aus Baden-Württemberg am 30. Juli 2013, ist

nämlich nicht auszuschließen, dass das Trio zeitweise

auch in Baden-Württemberg Unterschlupf gefunden hatte

(Südwestpresse am 30. Juli 2013). Das Trio hätte in Ba-

den-Württemberg bei alten Bekannten unterkommen

können.

Beispielsweise bei Andreas G.. Er, ein Mitglied erster

Stunde der Sektion Sachsen, zog 2001 in den Raum Lud-

wigsburg/Rems-Murr und spielte dort in der rechtsradika-

len Band „Noie Werte“. Interessant dabei, zwei Musik-
stücke von Noie Werte sind auf einem nicht veröffentlich-

ten Bekenner-Video des NSU als Begleitmusik zu hören.

In und um Ludwigsburg hatten sich neben „Noie Werte“
auch viele andere rechtsradikale Bands niedergelassen,

wie beispielsweise „Kettenhund“ oder „German-British-
Friendship“. Fast alle Bandmitglieder hatten enge Bezie-
hungen zur Sektion nach Sachsen, was durch gemeinsame

Fotos belegt ist. Die Sektion Baden-Württemberg wäre

für das Trio auch eine weitere Möglichkeit gewesen, an

Waffen zu kommen. So fand die Polizei bei einer Haus-

durchsuchung im Jahr 2004 rund 2 500 Schuss Munition

und 500g Sprengstoff sowie Handgranaten. Uwe Mundlos

hatte nach einem Besuch in Baden-Württemberg in einem

Brief geschrieben:

“Wir waren vor allem über die Waffen die sie ha-
ben erstaunt - fast schon ein kleiner Waffenladen.“
(MAT-A- GBA 4-33a, Blatt 220).

Im Jahr 2000 ist dann auch S. L., der Sektionschef aus

Berlin in die Nähe von Heilbronn gezogen. Kurze Zeit

später folgte Jan Werner nach. S. L. und Werner wohnen

bis heute in der Nähe von Heilbronn.

2004 folgten weitere alte Bekannte, wie beispielsweise

der „THS“-Aktivist Tino Brandt. Er hatte sich bei einer
Versteigerung ein Haus in Hardthausen in der Nähe von

Heilbronn gekauft, das er aber allem Anschein nach nicht

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 927 – Drucksache 17/14600

bewohnte. Unklar ist aber bislang, wozu dieses Haus

gedient hat. Die These, dass es vielleicht zeitweise als

Unterschlupf für Dritte diente ist bisher nicht bewiesen.

Klar ist nur, dass sich auch das Trio immer wieder im

Raum Heilbronn/Ludwigsburg aufgehalten hat: Fotos

zeigen, dass Beate Zschäpe in Ludwigsburg gewesen war

– und das wahrscheinlich vor 2004. Von Bönhardt und
Mundlos gibt es Bilder aus Stuttgart. Im Brandschutt der

Wohnung in Zwickau wurden weiterhin Stadtpläne von

Stuttgart und Heilbronn gefunden sowie eine CD mit eben

diesen Bildern aus Stuttgart. Auch eine Adressliste mit

vier Namen aus Baden-Württemberg.

Wie der Innenminister von Baden-Württemberg, Reinhold

Gall, am 30. Juli 2013 mitgeteilt hat, hatte das Trio wohl

über 31 Kontakte nach Baden-Württemberg unterhalten.

Das geht aus aktuellen Erkenntnissen der LKA-

Ermittlungsgruppe „Umfeld“ hervor, die das Innenminis-
terium im Januar 2013 eingesetzt hatte, um den Mord an

Michèle Kiesewetter endlich aufzuklären. Die Ermitt-

lungsgruppe „Umfeld“ hält es für möglich, dass das Trio
noch 2003 zu privaten Besuchen in der Nähe von Lud-

wigsburg gewesen sein könnte. Das gehe aus Zeugenaus-

sagen hervor (SWR am 30. Juli 2013).

Obwohl Innenminister Reinhold Gall in seiner Stellung-

nahme am 30. Juli 2013 nicht ausschließt, dass das Trio

zeitweise im Ländle untergetaucht sein könnte – überprüft
werden müssen noch Hinweise in den Ostalbkreis zur

2006 verbotenen Band „Race War“ – geht Gall gleichzei-
tig aber widersinnigerweise nicht davon aus, dass es ein

Unterstützernetzwerk für den NSU in Baden-

Württemberg gegeben habe (SWR am 30. Juli 2013, Süd-

westpresse am 30. Juli 2013).

Mit seinen widersprüchlichen und nicht kohärenten Aus-

sagen setzt Gall den unrühmlichen Eindruck fort, den die

Ermittler und Verantwortlichen aus Baden-Württemberg

auch im Ausschuss des Deutschen Bundestages hinterlas-

sen haben.

Wie beispielsweise Bettina Neumann, sie war von 1993

bis 2011 Referatsleiterin für den Bereich Rechtsextre-

mismus/Auswertung im LfV Baden-Württemberg. Laut

ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des

Deutschen Bundestages hatte das LfV keinerlei Erkennt-

nisse über Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus

Ostdeutschland und Baden-Württemberg. Die Namen Jan

Werner und Thomas Starke seien ihr nicht bekannt, so

Bettina Neumann weiter (Protokoll der Ausschusssitzung

am 18. April 2012, S. 6-8).

Die FDP-Fraktion kann sich unter Würdigung alle be-

kannter Sachverhalten und Aussagen zu Baden-

Württemberg nur der Aussage Helmut Rannachers an-

schließen, der vor dem Untersuchungsausschuss des Bun-

destages am 18. April 2012 festgestellt hat:

„Unsere Institution Verfassungsschutz, die sich als
Frühwarnsystem unseres demokratischen Staates

versteht, [hat] in diesem konkreten Bereich ver-

sagt“ (Aussageprotokoll der Ausschusses vom 18.
April 2012, S. 40).

Helmut Rannacher war von 1995 bis 2005 Präsident des

Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-

Württemberg.

VI.1.3. Die Braune Internationale – die Radikalisierung
von „Blood & Honour“

Die Radikalisierung in der „Blood & Honour“-Division
Deutschland in den 90er Jahren ging rasend schnell: Be-

reits ein Jahr nach dem Beschluss vom Oktober 1998

hatte der „Hamburger Sturm“, eine rechtsradikale Kame-
radschaft, die „Blood & Honour“ nahestand, im August
1999, in einem Fanzine (Rechtsradikalen Szeneblatt) ein

Interview mit Mitgliedern der „Nationalrevolutionären
Zellen“ veröffentlicht. Diese haben in ihrem Interview
ganz offen dafür plädiert, „terroristische Kleingruppen“
zu bilden um das System wirksam zu bekämpfen (Micha-

el Weiss, 2001: White Noise, S. 87).

Das Kerngeschäft von „Blood & Honour“, der Vertrieb
rassistischer und gewaltverherrlichender Musik ist also

innerhalb kurzer Zeit ergänzt und angereichert worden

durch einen ideologisch-politischen Hintergrund und

praktische Kampfausbildung. So sind die „Turner-
Tagebücher“ in der deutschen Szene herumgereicht wor-
den, und auch das Konzept des „Führerlosen Widerstan-
des.“ Sie bildeten dann die ideologische Blaupause für
den bewaffneten Kampf. Zu beidem später mehr.

Musik, Ideologie und Kampfausbildung, diese Kombina-

tion ist Ende der 90er Jahre zu einem explosiven Gemisch

geworden - auch in Deutschland. Dem Bundesamt für

Verfassungsschutz ist das nicht verborgen geblieben. Es

stellt dazu im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr

2000 auf Seite 25 fest:

„Die Skinhead-Musikszene stellt nach wie vor ei-
nen wichtigen Faktor bei der Entstehung und Ver-

festigung von Gruppen rechtsextremistischer ge-

waltbereiter Jugendlicher dar.“

Eigentlich aber waren die deutschen „Blood & Honour“-
Divisionen Spätentwickler der rechten internationalen

Radikalisierung. Während sie 1999 und in den Folgejah-

ren zum bewaffneten Kampf aufgerufen haben, hatte in

anderen Ländern, besonders in Schweden und Dänemark,

vor allem aber im Mutterland von „Blood & Honour“, in
Großbritannien, die rechtsextremistische Gewalt bereits

1997 einen Höhepunkt erreicht.

Wir halten es für wahrscheinlich, dass das NSU-Trio hier

bei „Blood & Honour“ Vorbilder, Ausrüstung, taktische
Schulungen sowie Kampferfahrungen gewonnen hat, und

dabei selbst radikalisiert wurden. Dabei halten wir es für

falsch zu glauben, dass das Trio sich nur an einem Einzel-

täter orientiert hat, beispielsweise an John Ausonius aus

Schweden, wie jetzt gelegentlich diskutiert wird. Die

Konzentration auf einen Einzeltäter verschleiert erneut

den Blick auf ein gewaltiges, international agierendes, gut

funktionierendes, ideologisch gestärktes und terroristi-

sches Netzwerk. Man muss die gesamte soziale Nischen-

struktur rechter Gewalt, ausgehend von „Blood & Ho-
nour“ und deren Untergruppen in Europa im Blick haben,
um die Zeitumstände und die Radikalisierung des Trios

Drucksache 17/14600 – 928 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

richtig einzuordnen. An Vorbildern ist dabei kein Mangel

– weder im Ausland, noch in Deutschland.

Um es noch einmal klar zu sagen, solange Beate Zschäpe

schweigt, ist es nur eine These. Aber die Tatsache, dass

ab ca. 1998 und teilweise auch schon früher der gesamte

Bekannten- und Unterstützerkreis des Trios aus dem

„Blood & Honour“-Umfeld gekommen ist und dieses
Netzwerk das damals vorherrschende der Szene und die

Avantgarde in Sachen Gewalt war, ist unserer Meinung

nach überzeugend genug, anzunehmen, dass das Trio

seine „Lernphase“ in diesem Umfeld erhalten hat.

Auch wenn der BND-Vertreter im September 2012 im

Untersuchungsausschuss so überhaupt nichts zur Aufklä-

rung beitragen konnte, weil der BND unverständlicher-

weise angeblich „den falschen Mann geschickt“ habe, so
hatte der BND doch bereits 2001 eine sehr gute Analyse

der internationalen Kooperationen der rechten Szene

erstellt.

„Unabhängige Beobachter in den USA und Europa
warnen seit Jahren vor einer „Braunen Internatio-
nalen“. Rechtsextreme Parteien, rassistische und
neonazistische Organisationen, Skinhead-Gruppen

und Revisionisten verfügen über zahlreiche inter-

nationale Verbindungen. Die rechtsextreme Szene

kooperiert weltweit in vielfacher Hinsicht, Aus-

prägung und Intensität. Die Kontakte reichen von

Informationsaustausch bis zur gegenseitigen Un-

terstützung. .... Eine nicht zu unterschätzende Ge-

fahr stellt deshalb die weltweite Vernetzung und

zunehmende Militanz von Neonazi- und Skinhead-

Gruppen dar. Wachsende Besorgnis bereiten v.a.

die international agierende Skinhead-Bewegungen

HAMMERSKIN und BLOOD & HONOUR. Die

als äußerst gefährlich eingestuften Skinhead- Ver-

einigungen bauten in den letzten Jahren weltweit

Sektionen auf....“ (MAT A BND 5a, S. 144).

Auch deutsche Behörden sind damals aufmerksam gewe-

sen und aufmerksam geworden, deshalb ist es geradezu

verstörend zu sehen, wie trotz frühzeitiger zutreffender

Analysen und Warnungen, trotz Todesopfer, Bombenan-

schlägen und Prügelattacken, trotz Brandstiftung und

Grabschändungen, trotz ständig steigender Zahlen rechter

Gewalt institutionell ganz einfach wenig bis gar nichts

passierte. So schreibt beispielsweise auch das BfV:

„Der relative Höhepunkt gewaltbejahender Äuße-
rungen in den Jahren 1999 und 2000 korrespon-

dierte mit tatsächlichen Vorbereitungshandlungen

für schwerste Anschläge.“ (Bundesamt für Verfas-
sungsschutz, Nr. 21, Gefahr eines bewaffneten

Kampfes deutscher Rechtsextremisten von 1997

bis Mitte 2004, S. 1ff.)

VI.1.3.1. Mögliche NSU-Vorbilder in Schweden und

Großbritannien

Ende der 90er Jahre haben sich weltweit „Blood & Ho-
nour“-Divisionen gebildet oder elitäre Abspaltungen
davon, wie beispielsweise die „Hammerskins“. Ideologi-
sche Traktate und konzeptionelle Überlegungen zum

bewaffneten Kampf sind damals aus den USA und Groß-

britannien nach Europa geschwappt. Die Kampfpraxis

aber holte man sich bei Wehrsportübungen bevorzugt in

den skandinavischen Ländern, vor allem in Dänemark

oder Schweden oder in der Schweiz und im angrenzenden

Tschechien. Dort war das erlaubt.

Richtige Einsatzerfahrung holte sich die rechte Szene

allerdings in den „Befreiungskriegen“ im südlichen Afri-
ka, aber auch in den Balkankriegen des zerfallenden Ju-

goslawiens. Und nicht zuletzt in der Auseinandersetzung

zwischen England und der Irish Resistance Army (IRA)

in Nord-Irland.

Vor allem die deutschen und die britischen Rechten ko-

operieren eng mit dem rechtsradikalen schwedischen Vitt

Ariskt Motstånd und der dänischen Nationalsocialistiske

Bevægelse.

Zwei maßgebliche Beispiele aus Schweden und Großbri-

tannien sollen hier kurz aufgezeigt werden – denn sie
stehen für eine Welle rechter Gewalt, die Ende der 90er

Jahre über Europa schwappt. Selten ist man sich des

Ausmaßes dieser internationalen Zusammenarbeit der

rechten Szene bewusst – beide Beispiele aber könnten als
Vorbilder für den NSU gedient haben.

Schweden hat 1997 eine bislang unbekannte Welle rech-

ter Gewalt erlebt. Den Auftakt zu einer Serie von interna-

tional aufeinander abgestimmter Anschläge macht im

Januar 1997 ein dänischer Rechtsradikaler im schwedi-

schen Limhamn: Er gibt drei Briefbomben mit Zünder

auf, die an Adressen in Großbritannien adressiert sind.

Die schwedische Polizei kann rechtzeitig eingreifen und

die Anschläge vereiteln. Drei dänische Neonazis werden

daraufhin in Schweden verhaftet und in Dänemark zu

langjährigen Strafen verurteilt.

Diese drei dänischen Rechtsextremisten, die in Schweden

Anschläge in Großbritannien geplant haben, sind aber

interessanterweise nicht nur Mitglieder von „Blood &
Honour“ gewesen, sondern Mitglieder einer extremen
terroristischen Untergruppe dieses Netzwerkes, die sich

„Weisser Wolf“ (White Wolves) nannte, und die in Dä-
nemark, Schweden und Deutschland Ableger hatte (MAT

A BND-5a, S. 125).

In kurzen zeitlichen Abständen folgten dann ein Anschlag

auf eine Wohnung des ehemaligen schwedischen Minis-

terpräsidenten Ingvar Carlsson und ein versuchter Brief-

bombenanschlag auf die schwedische Sozialministerin

Margot Wallström. Zeitgleich werden eine Reihe von

neun rechtsextremistischen Brand- und Bombenanschläge

auf schwedische Sportstätten verübt sowie offene Mord-

drohungen gegen schwarze Sportler ausgesprochen, denn

Stockholm hatte sich 1997 für die Austragung der Olym-

piade 2004 beworben. Selbst Sprint-Star Carl Lewis hat

damals rechtsextremistische Morddrohungen aus Schwe-

den erhalten. Eine Reihe von Banküberfällen sind den

Rechtsextremisten zugeschrieben worden, bei denen zwei

Polizisten zu Tode kamen. Man hatte vermutet, dass so

Geld für weitere Anschläge beschafft werden sollte. Dass

die rechte Gewalt keine Grenzen kannte, zeigt der An-

schlag im selben Jahr auf einen schwedischen Journalis-

ten und dessen achtjährigen Sohn, die bei einem Bomben-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 929 – Drucksache 17/14600

anschlag auf ihr Auto schwer verletzt wurden. Zu all dem

bekannte sich eine rechtextremistische Gruppe „VI SOM
BYGGDE SVERIGE“, und die Gruppe „Freiheitsfron-
ten“, die zu „Blood & Honour“ zählen. Zwei Jahre später,
im Oktober 1999, wurde der Gewerkschafter Björn

Söderberg kaltblütig von Neonazis hingerichtet (MAT_A

BND 5a, S. 431ff.)

Banküberfälle zur Geldbeschaffung, Briefbomben, Mord-

anschläge und Morde sowie der „Weisse Wolf“ – all das
war also in Schweden schon gegeben. Die „Blood &
Honour“ Divisionen Schwedens wie auch Großbritanni-
ens waren die europäischen Vorreiter brutaler Gewalt

gegen Migranten.

Am 17., 24. und 30. April 1999 sind dann in London drei

verheerende Nagelbombenanschläge verübt worden. Ta-

torte waren jeweils Stadtviertel mit hohem

Migrantenanteil. Eine Bombe explodierte in Brixton Mar-

ket, eine in der Hanbury Street und eine in der Old Comp-

ton Street. Dabei wurden drei Menschen getötet und ins-

gesamt rund 160 Menschen zum Teil schwer verletzt.

Mit den Anschlägen ist folgendes Bekennerschreiben an

25 Personen mit Migrationshintergrund in Großbritannien

verschickt worden, darunter auch an die farbige Parla-

mentsabgeordnete Oona King:

„Notice is hereby given that all non-whites (de-
fined by blood, not religion) must permanently

leave the British Isles before the year is out. Jews

& non-whites who remain after 1999 has ended

will be exterminated. When the clocks strike mid-

night on the 31st of December 1999 the White

Wolves will begin to howl and when the Wolves

begin to howl the Wolves begin to hunt. You have

been warned. Hail Britannia.“ (BBC News vom 25.
April 1999).

Eindeutig hat sich hier die Blood & Honour-Untergruppe

„White Wolves", also die „Weissen Wölfe" zu den An-
schlägen bekannt. Auf ihr Konto gehen also aller Wahr-

scheinlichkeit nach diese Attentate und nicht, wie ober-

flächlich immer behauptet wird, auf das Konto von

„Combat 18".

Festgenommen und verurteilt wurde allerdings nur eine

einzige Person - der rechtsradikale Ingenieur David Cope-

land, der versichert hatte, alleine gehandelt zu haben.

Doch die britische Polizei hat auch nach seiner Festnahme

weiterhin fieberhaft nach der Organisation gesucht, die

wahrscheinlich hinter Copeland stand:

„Police sources confirmed yesterday that detec-
tives are keen to locate Del O'Connor, the former

second in command of Combat 18 who has been

linked with the extremist splinter group known as

the White Wolves.“ (The Guardian, 18. April
1999)

Und weiter schreibt der Guardian:

„O'Connor, 39, was well known to police and the
security services as the organiser of Combat 18's

north of England operations, responsible for coor-

dinating cells of activists in Halifax, Preston and

Oldham. He renamed his organisation C18 White

Wolves in homage to Hitler's ruthless Werewolves

to give it a distinct identity from the London based

operation.“(The Guardian, 18. April 1999).

Für den NSU-Zusammenhang besonders interessant ist

die bislang kaum beachtete und im Ausschuss auch nicht

thematisierte Tatsache, dass es überhaupt eine Terror-

Organisation mit dem Namen „Weisse Wölfe“ gegeben
hat. Damit steht dann auch die Aufsehen erregende, weil

sehr frühe Grußadresse an den NSU in der 1. Ausgabe

2002 des deutschen Fanzines „Der Weisse Wolf“ in ei-
nem erweiterten Sinnzusammenhang. Zwar steht dort nur

der lapidare Satz:

„Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getra-
gen:) Der Kampf geht weiter...“ (MAT A_BB_2,
S. 4)

Aber bislang steht dieser Satz wie auch das Fanzine „Der
Weisse Wolf“ selbst, thematisch isoliert in der Geschichte
des NSU. Jetzt aber stellt sich die Frage, ob es vielleicht

Verbindungen zu den britischen „Weissen Wölfen" gab,
bzw. ob der NSU sich ideologisch in die gewalttätige

Tradition der „Weissen Wölfe" stellen wollte? Wurden
die Anschläge in London als Vorbild der eigenen An-

schläge in Köln genommen? Gab es vielleicht sogar eine

Form logistischer Unterstützung durch die britischen

„Weissen Wölfe?"

Deutsche Ermittler haben auch im Ausschuss, in Bezug

auf den Nagelbombenanschlag in London, immer nur von

einem Anschlag gesprochen, der von „Combat 18“ durch-
geführt worden sei. Das ist zwar nicht ganz falsch, ver-

stellt aber den Blick auf eventuell weitergehende Zusam-

menhänge. Denn wenn es eine Terror-Organisation

„Weisser Wolf“ in Großbritannien gibt, die rechtsradikal
motivierte Bombenanschläge ausführt und ähnliche An-

schläge später in Deutschland durchgeführt werden, es

zudem ein rechtsradikales Propaganda-Heft mit dem

Namen „Weisser Wolf“ auch in Deutschland gibt, müsste
man als Ermittler dieser Spur eigentlich nachgehen.

Wären die deutschen Ermittler dieser Spur gefolgt, dann

wären sie nämlich bereits 2004 direkt auf das engere

NSU-Umfeld gestoßen, und wieder einmal auf Jan Wer-

ner sowie und auf den verurteilten rechtsextremistischen

Mörder Carsten Szczepanzki. Der war in der fraglichen

Zeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg in-

haftiert, konnte dort aber ungehindert rechtsradikale Fan-

zine entwerfen, verfassen, kopieren und herausgeben:

Eben den „Weissen Wolff". Diesem Fanzine hat das
NSU-Trio dann später sogar 2500 D-Mark gestiftet. Ironie

der Geschichte: Da Szczepanski auch als V-Mann für den

Brandenburgischen Verfassungsschutz gearbeitet hat,

kamen von ihm Hinweise auf das Treiben des NSU, wie

beispielsweise dieser, dass Jan Werner Waffen für das

Trio besorgt habe, und dass die drei sich nach Südafrika

absetzen wollten. Fast überflüssig zu sagen, dass auch

Szczepanski hervorragende Kontakte zur englischen

„Blood & Honour“-Szene hatte.

Drucksache 17/14600 – 930 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir können also festhalten: Es hat eine Terrororganisati-

on gegeben die sich die „Weissen Wölfe" nannten, diese
hatten Sektionen in Großbritannien, Dänemark und

Deutschland. In Schweden hatten Mitglieder der „Weis-
sen Wölfe" versucht, 1997 Briefbombenanschläge in

Großbritannien durchzuführen. In Großbritannien selbst

haben Mitglieder der „Weissen Wölfe" drei schreckliche
Nagelbombenanschläge in London auf Migranten verübt.

In Deutschland existiert ein Fanzine mit dem Titel „Weis-
ser Wolf", dort wird ein Gruß an den NSU abgedruckt.

Der NSU spendet diesem Fanzine später Geld. In

Deutschland wird ein Nagelbombenanschlag durchgeführt

der von der Bauart an die britischen Anschläge erinnern.

Bei all diesen Hinweisen darf man zurecht vermuten, dass

die Verbindungen des NSU weiter gereicht haben und die

Zusammenhänge tiefer liegen, als es der Ausschuss in

seiner Arbeit herausgefunden hat – auch weil viele Hin-
weise auf die „Weissen Wölfe" dem Ausschuss nicht
bekannt waren. Dabei hat die FDP-Bundestagsfraktion

immer wieder auf die Aufklärung der internationalen

Netzwerke gedrungen.

Man könnte durchaus die Arbeitshypothese aufstellen,

dass der NSU eventuell Mitglied der deutschen „Weissen
Wölfe" waren, oder sich zumindest im Umfeld dieses

„Blood & Honour“-Terrornetzwerks bewegt haben.

Ob ähnliche Überlegungen die Bundesanwaltschaft im

Juni 2013 dazu bewegt haben, nun doch mehr als die

bekannten 129 Personen abzuklären, bleibt offen. Abge-

klärt wurden aktuell mehr als 500 Personen im Umfeld

des NSU. Die Bundesanwaltschaft hat sich über ihre Mo-

tivlage nicht geäußert. Wir interpretieren das Vorgehen

aber als Hinweis darauf, dass der NSU doch in ein größe-

res Umfeld eingebunden war, als bisher bekannt: in das

internationale Umfeld von „Blood & Honour“. (SZ Onli-
ne, am 11. Juni 2013)

Allein an den Beispielen aus Schweden und Großbritan-

nien wird klar, dass der moderne Rechtsextremismus

schon seit Jahrzehnten international agiert und die be-

schränkten Sichtweisen der Dienste, die mit ihren Recher-

chen an nationalen oder gar Bundesländergrenzen enden,

dem Phänomen nicht gerecht werden. Die Beobachtung

wie auch die Strafverfolgung rechtsterroristischer Täter

muss nach Ansicht der FDP-Fraktion grenzübergreifend

und in Zusammenarbeit mit Nachbardiensten geschehen.

Gerade die europäischen Nachbarn wie Dänemark, die

Schweiz, aber auch Belgien und vor allem Schweden sind

Schwerpunkt von gewaltbereiten Rechtsextremen und

rechten Terroristen.

VI.1.3.2. Ein Blick auf Deutschland – das Umfeld des
NSU 1997/98

Ab 1996/1997 ist auch in Deutschland ein starker Anstieg

rassistischer Gewalttaten zu beobachten. Tätliche Über-

griffe auf Andersdenkende, Migranten oder Asylbewer-

berheime, Grabschändungen oder Pöbeleien gehören –
vor allem in Ostdeutschland – fast schon zum Alltag.
Almut Berger, ehemalige Ausländerbeauftragte in Bran-

denburg sagte angesichts der steigenden Gewalt 1997:

„Fast kein Tag vergeht, ohne dass es zu Überfällen
auf Ausländer kommt.“ (Landeszentrale für Politi-
sche Bildung Brandenburg Online).

Doch es gibt daneben auch eine weitergehende Radikali-

sierung, die auch vor Mord nicht zurückschreckt. Im

Folgenden soll anhand nur weniger Beispiele ein gesell-

schaftliches Umfeld gezeichnet werden, in dem das NSU-

Trio untergetaucht und vermutlich radikalisiert worden

ist. Diese Jahre, so eine Studie der Landesregierung von

Brandenburg zu diesem Thema, waren geprägt durch die

Tatsache, dass rassistische Einstellungen als normal emp-

funden und offen geäußert werden (Landeszentrale für

Politische Bildung Brandenburg Online, aktualisiert

2012).

Ein Höhepunkt der rechten Gewaltakte in Deutschland

waren 1997 ohne Zweifel der Mord an einem Polizisten

und dem Mordversuch an einem Buchhändler durch den

Berliner Rechtsterroristen Kay Diesner. Dieser hatte sich

vor seinen Taten mit rechtsextremer Musik aufgeputscht.

In Bad Reichenhall in Bayern kam es im selben Jahr zu

einem Amoklauf eines Jugendlichen, der drei Menschen

erschoss und zwei weitere schwer verletzt hatte. Bei ihm

wurde ebenfalls ein rechtsradikaler Hintergrund festge-

stellt.

Gegen eine auffallend große Zahl von „Kameradschaften“
und Gruppen, zum Teil mit erheblichem Waffen- und

Munitionsbesitz, sind 1997 Ermittlungen mit Verdacht

auf Bildung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet

worden. U. a. wurden in einem Waffendepot in Bayern

bei der Gruppe um Anton Pfahler fünf Maschinenpistolen

(Heckler & Koch, Uzi und Seorpion) gefunden sowie drei

Handgranaten. Daneben jede Menge Schrotflinten und

Munition.

In Sachsen wurde 1997 die Gruppe um Reinhold und

Voigtländer ausgehoben, sowie eine mit ihnen befreunde-

te Neonazi-Gruppe aus Baden-Württemberg. Neben

Sprengstoff und Zündern wurden wiederum Maschinen-

pistolen und Munition gefunden. Die Gruppe in Baden-

Württemberg wurde zudem verdächtigt, die Waffenbe-

schaffung zwischen dem Süddeutschen Raum und der

Schweiz organisiert zu haben. (Bundesamt für Verfas-

sungsschutz, Nr. 21, Gefahr eines bewaffneten Kampfes

deutscher Rechtsextremisten von 1997 bis Mitte 2004,

S. 1 ff.)

1997 wurden die „Kameradschaft Treptow“ und die
„Kameradschaft Köpenick“ in Berlin aufgelöst. Dabei
wurde Material zur Herstellung von Senfgas gefunden.

Und in Jena schließlich sind zum Jahresbeginn 1997,

Briefbombenattrappen bei der Ostthüringischen Zeitung,

der Jenaer Polizei und dem Ordnungsamt eingegangen.

Beigelegt war ein anonymes rechtsextremes Schreiben.

Im September desselben Jahres sind dann Kinder vor dem

Jenaer Theater auf einen Koffer mit einem Hakenkreuz

gestoßen. Im Koffer selbst lag eine Bombe, gefüllt mit

zehn Gramm TNT. Der Verdacht fiel auf Zschäpe,

Mundlos und Bönhardt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 931 – Drucksache 17/14600

Stellt man ihr kriminelles Handeln in diesen größeren

Zusammenhang, erkennt man, dass der NSU tatsächlich

Kinder seiner Zeit und seines Umfeldes waren. Eingebun-

den in extreme rechte Strukturen, umgeben von weitge-

hendem gesellschaftlichen Schweigen zu rassistischen

Übergriffen und animiert von gewaltbereiten Vorbildern

im In- und Ausland, deren „Taten" in der Szene oft Kult-
status erreicht haben.

VI.1.4. Der ideologische Hintergrund / Turner Diaries /

Lone Wolf / Leaderless Resistance

Das Buch ist oft als „Nazi-Bibel“ bezeichnet worden. Es
liefert das ideologische Rüstzeug für die gesamte rechte

Szene weltweit und ist zugleich eine exakte Bauanleitung

für jede Art von selbstgebastelter Bomben. Die Rede ist

von den „Turner Tagebücher“ (Turner Diaries), geschrie-
ben vom rechtsextremen US-Amerikaner William Luther

Pierce. Dieser Roman aus dem Jahr 1978 ist nach Anga-

ben der Anti-Defamation League in den USA das wohl

am weitest verbreitete und meist gelesene Buch in der

gesamten rechts-extremistischen Szene. In Deutschland

steht das Buch seit 2006 auf dem Index, denn es ruft zum

Rassenkrieg und zum Kampf gegen das System auf und

enthält ausführlich beschriebene Folterszenen.

Das Buch hat erwiesenermaßen als Vorbild für mindes-

tens sechs große rechtsextreme Anschläge gedient. Unter

anderem hat sich der sogenannte „Oklahoma-Bomber“,
Timothy McVeigh, bei seinem Anschlag auf das Buch

berufen, aber auch David Copeland bei den Nagelbom-

benanschlägen in London.

Auch der bereits erwähnte rechtsradikale deutsche

Polizistenmörder Kay Diesner hat in einem Interview

2001 aus dem Gefängnis heraus erklärt:

„Jeder sollte erkennen, wie die Welt da draußen
wirklich ist. Er kann sich letztendlich nur für unse-

re Sache entscheiden. Die Turner-Tagebücher sa-

gen und zeigen alles, was von Wichtigkeit ist.

Lasst sie uns in die Tat umsetzen!" (Verfassungs-

schutzbericht der Landesregierung von Schleswig-

Holstein, 2001, S. 21)

Inspiriert von dieser Vorlage haben sich zwei weitere

Widerstandskonzepte gegen „das System" entwickelt.
Einmal das Konzept des „Führerlosen Widerstandes“
(Leaderless Resistance) von Louis Beam. Der US-

Amerikaner hatte sein Strategiepapier zwar schon 1983

geschrieben, einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde

es aber erst 1992, als Louis Beam in der Zeitschrift „The
Seditionist“ seine Gedanken veröffentlichen konnte.
Weltweit bekannt wurde die Strategie dann durch den

bereits beschriebenen rechtsextremen Anschlag 1995 in

Oklahoma City, bei dem 168 Menschen getötet und 600

verletzt wurden (Endstation Rechts, 30. Mai 2012).

„Blood & Honour“, „Combat 18“ und auch die „Weisse
Wölfe" haben diese Konzept übernommen, bei dem der

Name an sich schon Programm ist: Kleine Terrorzellen

werden gebildet, die direkt und unabhängig agieren und

sich selbst den angemessenen Weg des Widerstandes

gegen das System suchen. Sie agieren aber auf einer ge-

meinsamen ideologischen Grundlage.

Dieser Ansatz wird in der Regel kombiniert mit dem

„Werwolf“ oder „Lone-Wolf“-Konzept, das ebenfalls aus
dem US-amerikanischen Rechtsextremismus kommt.

Einzeltäter oder Kleinstgruppen mit maximal drei Mit-

gliedern agieren vollkommen eigenständig, sind aber in

aller Regel in kommunikative Netzwerke eingebunden

(Uwe Backes 2012, in: Politische Studien 433, Hans Sei-

del Stiftung, S. 66).

VI.1.5. Der NSU: Umsetzung der Theorie in die Praxis

Auch wenn wir es nicht sicher wissen, so teilen wir die

Ansicht dass der NSU nicht nur mit dem „Lone-Wolf-
Konzept“, in Berührung gekommen ist, sondern es auch
mit perfider Präzision umsetzte – und ihm eine eigene und
neue Dimension verliehen hat. Wir vertreten die These,

dass die drei ursprünglich mittellosen flüchtenden jungen

Rechtsextremisten, die sich 1998 hilfesuchend an die

„Blood & Honour“-Kameraden in Sachsen gewandt ha-
ben, sich im Untergrund zu wichtigen und gewichtigen

Mitglieder der Szene entwickelten, zur „Spinne im Netz",
auf die viele Fäden zuliefen. Sie waren die informellen

Anführer eines größeren „Blood & Honour“-Netzwerkes
geworden.

Was als überstürzte Flucht begann, endete als Machtfak-

tor im Untergrund. Beim Trio liefen alle Informationswe-

ge zusammen. Sie bekamen über ein Jahrzehnt hinweg

alle Hilfeleistungen von ihrem Umfeld, um die sie gebe-

ten hatten. Von Geldzuwendungen bis zum Überlassen

der Personalausweise. Von der Anmietung von Wohnun-

gen über die Überlassung von Krankenversicherungskar-

ten bis zum Anmieten von Wohnwägen. Sie bestimmten,

wie sich Kameraden zu verhalten hatten, bis hin zum

Haarschnitt damit das Foto im Ausweis, der ihnen von

ihrem Umfeld überlassen worden war, zum eigenen Aus-

sehen passte. Das Trio erlaubte sich regelmäßige „Kont-
rollbesuche" bei Kameraden, um Veränderungen im Um-

feld rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Und

sie hatten willige Zuträger von Informationen, die für sie

oder mit ihnen – das ist bislang ungeklärt – die Tatorte
professionell ausspähten. Nicht zuletzt: Es gab mehrere

Menschen, die ihnen illegal Waffen besorgt hatten und bis

zuletzt Beate Zschäpe auf ihrer Flucht durch Deutschland

Hilfe und Unterschlupf gegeben haben. Schon im Sep-

tember 1998 schrieb das für die Zielfahndung zuständige

Dezernat 12 des LKA: die Drei gehörten jetzt „zum har-
ten Kern der ‚Blood & Honour‘-Bewegung“ in Jena (taz
vom 15. Mai 2012)

Und seit der Aussage von Carsten Schultze, Angeklagter

und Zeuge im NSU-Prozess am OLG München, ist auch

klar, dass dem Umfeld zumindest bewusst, wenn nicht

sogar bekannt war, dass das Trio ihre Waffen auch ange-

wendet haben. (Zeit Online, am 4. Juni 2013)

Wer über ein Jahrzehnt zum Teil strafbare Dienstleistun-

gen oder „Freundschaftsdienste" von Dritten einfordern
kann, im Untergrund lebt und nicht verraten wird, der hat

Einfluss und Macht über sein Umfeld. Der hat auch die

Mittel und Möglichkeiten, seinen Einfluss und seine

Macht zu demonstrieren und sie notfalls durchzusetzen:

Indem er Angst verbreitet und/oder so viel Geld hat, dass

Drucksache 17/14600 – 932 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

er damit seine Umgebung beeinflussen kann. Beim NSU

dürfte es eine Kombination aus beidem gewesen sein.

VI.1.6. Die Radikalisierung im Krieg – Ex-Jugoslawien
und Südafrika

Einen Menschen aus nächster Nähe mit einem Kopf-

schuss zu töten, lernt man nicht auf dem Schießstand oder

in der Grundausbildung bei der Bundeswehr. Es bleibt die

Frage, der leider im Ausschuss keine Zeit eingeräumt

worden ist, wo haben die Drei professionell Töten ge-

lernt? Die Morde sind ja sehr präzise und kaltblütig aus-

geführt worden – es waren Hinrichtungen und keine Af-
fekttaten.

Eine Möglichkeit töten zu lernen, die gar nicht wenige aus

dem damaligen „Blood & Honour“-Umfeld auch genutzt
haben, war, sich als Söldner in den kriegerischen Ausei-

nandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien zu verdin-

gen. Nach Aussagen der Bundesregierung auf eine Kleine

Anfrage aus dem Juni 2001 sollen nach Erkenntnissen des

Verfassungsschutzes rund 100 Deutsche mit rechtsextre-

mistischem Hintergrund im ehemaligen Jugoslawien eine

paramilitärische Ausbildung mit Waffen und Sprengstoff

durchlaufen haben (Bundestagsdrucksache 14/6413 vom

21. Juni 2001, S. 3).

Die Bundesregierung hat damals das Gefährdungspoten-

zial der heimkehrenden Söldner aus Ex-Jugoslawien wie

folgt eingeschätzt:

„Nach Deutschland zurückkehrende Söldner stell-
ten jedoch grundsätzlich aufgrund ihrer gewaltbe-

reiten Grundhaltung, einer möglicherweise im Zu-

ge ihres Aufenthaltes im Kriegsgebiet eingetrete-

nen Brutalisierung sowie der damit verbundenen

Verschiebung moralischer Wertvorstellungen ein

gewisses Risikopotenzial dar.“ (Bundestagsdruck-
sache 14/6413 vom 21. Juni 2001, S. 3)

Der beginnende Kosovo-Krieg im Januar 1998 hätte dem

Trio, oder zumindest einem der Drei, die Möglichkeit

gegeben, nach dem Untertauchen eine paramilitärische

Kampfausbildung zu erhalten und sich eine Tötungsrouti-

ne anzueignen.

Eine Kampfausbildung in echten Konflikten oder Kriegen

zu erhalten ist ein gängiges und beliebtes Muster von

Rechtsextremisten. Schon 1993, und nochmals 1995,

hatte der damalige Verfassungsschutz-Chef in Hamburg,

Ernst Uhrlau, vor der Radikalisierung und Militarisierung

deutscher Rechtsextremisten im Jugoslawienkonflikt

gewarnt. Vor dem Innenausschuss des Bundestages sagte

er damals, bezogen auf den Bosnienkrieg:

„Die Rechtsextremen diskutieren den bewaffneten
Kampf. Die Rückkehrer können den Übergang von

der Theorie zur rechtsterroristischen Praxis be-

schleunigen.“ (Focus, Nr. 9 1995)

Dass dies eine begründete Warnung war, zeigen einige

prominente Beispiele aus der rechten Szene, wie E. B. aus

Berlin. Er war Mitglied der ab 1995 verbotenen FAP,

dann Mitglied der NPD. B. hat sich nicht nur lange Zeit

als Söldner in Kroatien verdingt, sondern hat nach seiner

Rückkehr seine Kampfausbildung bei Wehrsportübungen

demonstriert und wurde 2004 bei einer solchen Übung in

einem Brandenburger Wald vom einem Sondereinsatz-

kommando der Polizei (SEK) festgenommen. Er unter-

hielt enge Kontakte zu den „Hammerskins“ und „Blood &
Honour“.

Oder der aus Baden-Württemberg stammende A. N.. Seine

Vita weist einige Berührungspunkte mit dem Umfeld des

NSU auf. Er könnte als Vorbild für die Drei gedient ha-

ben. N. ist mit dem bereits schon mehrfach erwähnte Jan

Werner, dem „Blood & Honour“-Aktivisten aus Sachsen,
befreundet und ebenso freundschaftlich ist der Umgang

mit A. S. gewesen, dem Begründer des deutschen Ku-

Klux-Klan Ablegers in Baden-Württemberg. In diesem

deutschen Ku-Klux-Klan waren mindestens zwei Polizei-

beamte aus Baden-Württemberg Mitglied, darunter auch

der Zugführer der 2007 ermordeten Polizistin Michèle

Kiesewetter.

A. N. hat 1993 mehrere Monate als Söldner für die fa-

schistische kroatischen HOS-Milizen (Hrvatske

obrambene snage / Kroatische Verteidigungskräfte) in

Bosnien gekämpft. Nach seiner Rückkehr nach Deutsch-

land finanzierte er sich seinen anschließenden Söldner-

Aufenthalt in Südafrika durch den Überfall auf ein Post-

amt in Lübeck im Dezember 1993. Danach verschwand er

nach Südafrika und hatte sich dort einer rechtsextremen

Söldnertruppe um die Deutschen H. K., T. K. und S. R.

angeschlossen. H. K. stand dabei dem rechtsextremen,

terroristischen Nationalisten Eugene Terre‘Blanche und
seiner Widerstandsbewegung nahe, die für die Aufrecht-

erhaltung der Apartheid kämpfte. Nach Meldungen der

Associated Press (AP) vom 24. März 1994 kam es zwi-

schen den deutschen Rechtsextremisten und der südafri-

kanischen Armee zu einem Feuergefecht, bei dem T. K.

getötet wurde. H. K. konnte zunächst fliehen, ist aber

wenige Tage darauf mit A. N. zusammen verhaftet wor-

den. N. wurde in Südafrika zu drei Jahren Haft verurteilt,

aber dann in die Bundesrepublik abgeschoben. Zu Hause

wurde er von der rechtsextremen, und seit 2011 verbote-

nen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene
und deren Angehörige“ (HNG), betreut. Mitglied in der
HNG war auch Uwe Mundlos, und in Beate Zschäpes

Adressbuch sind mehrere Namen westdeutscher HNG-

Mitglieder gefunden worden, unter anderem die Telefon-

nummer der langjährigen Vorsitzenden der HNG, Ursula

Müller (Focus vom 13. Mai 2013).

VI.2.1. Südafrika, Nordbruch und Schweiz

Am 8. August 1998 ist die Anspannung im LKA Thürin-

gen und auch im BKA vermutlich mit Händen zu greifen

gewesen. Denn an diesem Tag, so die Informationen eines

V-Manns, sollte das Trio mit dem Flug LZ 438 via Bulga-

rien nach Südafrika ausreisen und dort untertauchen (taz

vom 6. Mai 2012). Über Interpol wurde die bulgarische

Polizei angehalten, die Insassen des Fluges zu überprüfen

und das Trio festzunehmen. Doch diese waren – nach
allem was man derzeit weiß – zu diesem Zeitpunkt nicht
auf dem Weg nach Südafrika, sondern sind im nahen

Chemnitz untergetaucht.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 933 – Drucksache 17/14600

Auf den Weg nach Südafrika machten sich damals aller-

dings ein paar Freunde des Trios: André Kapke, einer der

Hauptakteure des Thüringer Heimatschutzes und seit

Februar 2013 Beschuldigter im laufendem NSU-Prozess

und Mario Brehme. Die Beiden wollen zur Farm des

deutsch-österreichischen Rechtsradikalen und

Apartheidsbefürworters Claus Nordbruch.

Claus Nordbruch, ein ehemaliger Leutnant, der wegen

rechtsextremistischer Umtriebe aus der Bundeswehr ent-

lassen wurde, ist 1986 nach Südafrika ausgewandert, hat

aber seine Verbindungen zu rechten Szene in Deutschland

nie abreißen lassen. Er hatte Kontakt zum Thüringer

Heimatschutz speziell zu Tino Brandt, mit dem er sogar

ein langes Interview nach dessen Aufdeckung als Spitzel

führte und das Interview auch auf seiner Homepage veröf-

fentlichte

(http://www.nordbruch.org/view-gallery/At%20Work).

Nordbruch wollte auch seine Farm in Südafrika für die

paramilitärische Ausbildung rechter Kämpfer zur Verfü-

gung stellen und besuchte sein „Klientel" öfters in
Deutschland auf seinen Vortragsreisen. So unterhielt er

auch Verbindungen zum Fränkischen Heimatschutz und

gab dem Fanzine „Blood & Honour" im Jahr 2000 ein
Interview in dem er zum Besuch seiner Farm in Südafrika

einlud und öffentlich zum Gebrauch von Waffen aufrief:

„Zur Verteidigung und zum Nahkampf empfehle
ich eine 12er Repetierschrotflinte, den Colt Py-

thon. 357 Magnum, die Heckler & Koch MP5. Für

die Jagd hat sich ein halbautomatischer Karabiner

308 oder 30.06 bewährt und wenn's ganz massiv

kommt, ist das Sturmgewehr R 5 überaus nütz-

lich.“

Ob das Trio Nordbruch persönlich gekannt hat, Kontakt

zu ihm hatte oder sogar tatsächlich in Südafrika war, ist

vermutlich ohne die Aussage Beate Zschäpes nicht zu

klären. Sicher ist aber, dass sich im Brandschutt des Hau-

ses in der Frühlingsstraße ein Buch von Claus Nordbruch

befand und seine Visitenkarte (Spiegel Online 18. April

2012).

Nach Erkenntnissen der Ermittler hatten Böhnhardt,

Zschäpe und Mundlos nach ihrem Untertauchen im Jahr

1998 zeitweise erwogen, in Südafrika unterzutauchen,

haben es aber wohl auf Intervention Zschäpes nicht ge-

macht.

VI.2.2. Der NSU und die Schweiz

Nahezu gesichert aber ist, dass zumindest einer aus dem

Trio, wenn nicht alle Drei, in der Zeit ihres Untertauchens

Deutschland verlassen hat. So kamen 1998 Anrufe aus

einer Telefonzelle in Concise aus der Schweiz. Der kleine

Ort liegt in der Nähe des Genfer Sees, im Kanton Waadt,

kurz vor der Grenze zu Frankreich. Ob alle Drei in der

Schweiz waren, wie lange, und ob sie aus der Schweiz in

andere Länder gereist sind, das ist im Untersuchungsaus-

schuss unklar weil unbearbeitet geblieben. Auch, weil

nicht, wie von der FDP-Fraktion vorgeschlagen, ein

Obleutegespräch mit dem Schweizer Botschafter statt-

fand, obwohl dieser bereit gewesen wäre. Auch wurde

keine Vertreter des Schweizer Staatsschutz (NDB) in den

Ausschuss eingeladen. Aus Sicht der FDP-Fraktion sind

das schwere inhaltliche Versäumnisse des Ausschusses

gewesen, die zur Aufklärung des Untertauchens, der in-

ternationalen Unterstützerkreises des NSU hätten beitra-

gen können

Der Ausschuss richtete sein Augenmerk zu sehr auf die

Vorgänge in Deutschland und vernachlässigte die interna-

tionalen Beziehungen, die das Trio einerseits wahrschein-

lich persönlich hatte, andererseits, die „Blood & Honour“
ins Ausland hatte.

So hatte das Trio bereits seit Jahren Kontakt zu M. F.,

einem bekannten Schweizer Neonazi und Vorsitzenden

der rechtsradikalen Partei national orientierter Schweizer

(PNOS). M. F. steht auf der 129-er Liste des BKA zur

Umfeldermittlung des NSU. Er ist auch Mitglied der

„Schweizer Hammerskins“. F. war mehrmals auf Einla-
dung des „THS“ in Deutschland als Redner aufgetreten,
so 2007 beim Neonazitreffen auf dem „Fest der Völker"
in Jena, das der NSU-Unterstützer André Kapke veranstal-

tet hatte. Im Herbst 2008 nahm er als Redner bei einem

von der NPD und dem "Freien Netz Zwickau" organisier-

ten "Nationalen Gesprächskreis" in Zwickau teil. Ein

weiterer von mehreren Bekannten F.s im Umfeld der

Neonazizelle war der „THS“-Aktivist Thomas G. (Finan-
cial Times Deutschland vom 22. März 2012).

Interessant sind die Schweizer Verbindungen auch des-

halb, weil nicht nur die Mordwaffe, die Česká 83 aus der
Schweiz kam, sondern auch die Pumpgun Marke

Mossberg, Typ Maverick 88. Sie kam aus den Händen

eines Schweizer Metzgers, der dem dortigen Staatsschutz

kein Unbekannter ist. Michael S. war lange Jahre Mitglied

der rechtsextremistischen „Thaler Patrioten“. Es gibt
einschlägige Fotos von ihm in Springerstiefeln, Bomber-

jacke und erhobenem rechten Arm. (Berner Zeitung vom

13. April 2013). Es ist nicht vollständig geklärt, wie diese

Waffe nach Deutschland und in die Hände des NSU kam.

Der Ausschuss hat sich leider nicht damit beschäftigt.

VI.3. Der NSU und die Hilfsorganisation für nationale

politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)

Eine weitere Verbindung, die sehr nachdenklich stimmt,

ist die Mitgliedschaft von Uwe Mundlos in der HNG

sowie die Telefonlisten von Beate Zschäpe mit diversen

Telefonnummern der HNG.

Denn die HNG war bis Mitte der 90er Jahre mit rund

1000 eingetragenen Mitgliedern die wohl größte Neonazi-

Vereinigung in Deutschland (Schröm/Röpke 2001: Stille

Hilfe für braune Kameraden, S. 169), und zählte

„als organisationsübergreifende Vereinigung zu
einer der wichtigsten Organisationen, logistischen

Netzwerk des Neofaschismus.“ (MAT_ A_ BND-
5a, S. 61)

Die HNG hat 1997 bei ihrer Gründung die geistige und

organisatorische Nachfolge der berühmt-berüchtigten

Organisation der „Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und
Internierte“ angetreten, die, 1951 gegründet, in der Nach-
kriegszeit mithalf, wegen Kriegsverbrechen gesuchte
Drucksache 17/14600 – 934 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nazis über die sogenannte „Rattenlinie" (rat lines) die
Flucht ins Ausland zu ermöglichen. Die „Stille Hilfe“ hat
unter anderem Klaus Barbie, Erich Priebke und Josef

Schwammberger geholfen und betreut. Zwar ist die Rat-

tenlinie älter als die „Stille Hilfe“, doch in der „Stillen
Hilfe“ manifestierten sich die zuvor informellen Hilfs-
dienste für flüchtige Nazis organisatorisch. Mit falschen

Papiere, Geld und logistischer Hilfe versehen, konnten

Alt-Nazis nach Südamerika oder in den Nahen Osten

fliehen. Geführt wurde die „Stille Hilfe“ bis 1992 von
Gertrude Herr, ehemals Führerin des Bundes Deutscher

Mädel (BMD), und ein weiteres Mitglied und eine Art

„Spiritus Rector“ war von Beginn an, „Püppi“ Gudrun
Himmler, verheiratete Burwitz, die Tochter von SS-

Reichsführer Heinrich Himmler. Im Jahr 1991 übernahm

dann Ursula Müller den Vorsitz der HNG und führte den

Verein gemeinsam mit ihrem Mann C. M. bis zum Ver-

einsverbot im November 2011 (Schröm/Röpke, 2001:

Stille Hilfe für braune Kameraden, S. 97 ff).

Die „Stille Hilfe“ geriet Ende der 90er Jahre über die
Betreuung von Karl Malloth in den Fokus der deutschen

Öffentlichkeit. Malloth, der in Theresienstadt Kriegsver-

brechen begangen hatte, lebte unbehelligt in Deutschland

und wurde von der „Stillen Hilfe“ finanziell wie logistisch
unterstützt. 1999 entschied der Bundesfinanzhof im Zuge

dieses Skandals, dem Verein die Gemeinnützigkeit abzu-

erkennen. Damit begann der langsame Niedergang der

„Stillen Hilfe“, gleichzeitig aber der Aufstieg der HNG
(Der Tagesspiegel vom 10. Juni 2001).

Die HNG führt dann das nahtlos weiter, was die „Stille
Hilfe“ weit über 40 Jahre ungehindert in Deutschland
machen konnte. Das wurde auch möglich durch die engen

personellen Überschneidungen zwischen den beiden Or-

ganisationen. Manifestiert beispielsweise in der Person

des wegen Rechtsterrorismus (!) verurteilten Manfred

Roeders. Bei seiner Verhandlung vor dem Amtsgericht in

Erfurt, am 26. September 1996, tauchte er in Begleitung

von Mundlos, Bönhardt, Wohlleben und Kapke auf. Roe-

der, der wegen Sachbeschädigung der Wehrmachtsaus-

stellung vor Gericht stand, ist Mitglied der HNG. Ebenso

Thomas G., ein radikaler Aktivist des „Thüringer Heimat-
schutzes“ (THS) und der „Hammerskins“. Er benutzte das
Passwort „Mandy Struck“, ein Alias-Name von Beate
Zschäpe, um sich in Internetforen einzuloggen. Thomas

G. und Ralf Wohlleben organisierten gemeinsam rechtsra-

dikale Veranstaltungen in Ostdeutschland, wie beispiels-

weise das „Fest der Völker“ in Thüringen (Zeit Online,
9. Dezember 2012). Die HNG führte aber auch die guten

Auslandsbeziehungen der „Stillen Hilfe weiter. So unter-
hielt sie Kontakte zur Auslands- und Aufbauorganisation

der NSDAP, der NSDAP/AO in den USA, gegründet

durch den Holocaust-Leugner Gerry Lauck 1972. Kontak-

te gab es ebenfalls zu Rechtsextremisten in Dänemark,

den Niederlanden und Österreich (MAT A BND-5a, S.

61).

Wie präsent die „Stille Hilfe“ aber auch weiterhin bei den
jungen Neonazis ist, zeigt sich im Juni 2013, bei einer

rechten Demonstration für den Inhaftierten NSU-

Unterstützer Ralf Wohlleben. In Kahla, südlich von Jena,

werben am 15. Juni 2013, 160 Neonazis unter einem

Plakat des „Thüringer Heimatschutzes“ um Solidarität mit
Ralf Wohlleben und rufen zur „Stillen Hilfe“ für „Wolle“
auf, was in diesem Kontext eindeutig sein dürfte. (blick

nach rechts, 17. Juni 2013)

Auch wenn es bislang keine Belege dafür gibt, sind die

Verbindungen des Trios zur HNG genauso wie zu „Blood
& Honour“ dazu angetan, eventuell schnell und geräusch-
los ins Ausland verschwinden zu können. Die HNG hat

das Wissen, die Erfahrung, die Gesinnung, das Geld und

die Kontakte, um Neonazis, die untertauchen müssen, ins

Ausland zu verhelfen. Um es kurz zu sagen – die HNG
hatte eigentlich alles, was die Drei 1998 brauchten.

Diese doch nahe liegenden Möglichkeiten, wie auch die

HNG selbst, waren aber kaum ein Thema im Ausschuss.

Das Thema wurde aus Zeitgründen nicht aufgerufen, was

die FDP-Fraktion sehr bedauert. Denn die HNG ist eben-

so wie „Blood & Honour“, zum Teil personenübergrei-
fend eine rechtsradikale Organisation mit hervorragenden

internationalen Beziehungen und Geld. Wissend um die

Gefährlichkeit der HNG, hat die FDP-Fraktion bereits

2009 im Bundestag ein Verbot gefordert und einen ent-

sprechenden Verbotsantrag in den Bundestag eingebracht.

Doch der Verein bestand noch bis 2011 weiter (Bundes-

tagsdrucksache 16/13369).

VI.4. Zusammenfassung

Im Jahr 2000 ist die Deutsche Division von „Blood &
Honour“ durch die Verfügung des Bundesinnenministers
Otto Schily vom 12. September 2000 verboten worden.

Ebenso die damit verbundene Jugendorganisation „White
Youth“. Eine Klage zweier Mitglieder von „Blood &
Honour“ gegen das Verbot wurde vom Bundesverwal-
tungsgericht am 13. Juni 2001 abgelehnt (Pressemittei-

lung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 19 vom 13. Juni

2001).

Das Szene reagierte auf das Verbot ruhig aber trotzig -

und vor allem schnell: „Trotz Verbot nicht tot“ wurde von
der Szene als Gegen-Devise ausgegeben (ein alter CD-

Titel) und man entzog sich dem staatlichen Verfolgungs-

druck ganz einfach dadurch, dass die Sektionen sich ent-

weder umbenannten, beispielsweise in „oder sich in
(noch) nicht verbotenen Organisationen erneut sammel-

ten, wie beispielsweise in „Combat 18“. Die Szene wurde
also einfach umstrukturiert – statt einer festen Organisati-
on gab es nun fluide Strukturen, die aber dennoch weiter-

hin funktionierten – wie zuvor auch.

Verbote helfen also nicht gegen Gesinnungen: Große

Razzien beispielsweise 2003 in Schleswig-Holstein gegen

„Combat 18“ oder 2002 in Sachsen-Anhalt, in der 46
Geschäfts- und Wohnräume durchsucht worden sind,

zeigen, dass der Organisationsgrad der Szene nach wie

vor hoch war und weiterhin eine Gefährdung von der

ehemaligen „Blood & Honour“-Szene ausging.

2006 wurde sogar noch einmal bundesweit eine Großraz-

zia gegen das immer noch inoffiziell bestehende Netz-

werk von „Blood & Honour“ durchgeführt. Insgesamt
mehr als 119 Objekte mit rund 80 Verdächtigen in sechs

Bundesländern wurden gleichzeitig durchsucht (Spiegel

am 7. März 2006). Die Verdächtigen sind beschuldigt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 935 – Drucksache 17/14600

worden, das verbotene Netzwerk weiterzuführen. „Blood
& Honour“, das kann man nach dem Bekanntwerden des
NSU vom 4. November 2011 nun behaupten – existiert
bis heute weiter. Einige der Mitglieder sitzen auf der

Anklagebank des OLG in München.

Interessant ist, dass trotz dieser groß angelegten Polizei-

aktion und des Verfolgungsdruck der Behörden, und trotz

der engen Anbindung des Trios an „Blood & Honour“
Mitglieder, das Trio, nach allem was wir wissen, nie in

die Gefahr der Entdeckung oder Enttarnung kamen.

Die Szene hat dicht gehalten - weit über zehn Jahre. Sie

hat ebenso lange Hilfsstrukturen aufrecht erhalten und

Kontakte zu den Dreien gepflegt. Es ist Zeit, dass Polizei,

Dienste, aber auch die Politik sich ihrer eigenen und viel-

fach unzutreffenden Bilder über den Rechtsradikalismus

bewusst werden.

Alte Denkansätze haben – auch – verhindert, dass neue
Ermittlungsansätze aufgegriffen und wahrgenommen

wurden. Das ist nach Auffassung der FDP-Fraktion ein

wesentlicher Punkt zur Erklärung des bundesweiten Be-

hördenversagens.

Den Polizeien, Staatsanwaltschaften, dem Bundesverfas-

sungsschutz, den Landesämtern, aber auch der ermitteln-

den BAO „Bosporus“ ist es nicht möglich gewesen, sich
neu bildende Neonazi-Netzwerke und Strukturen zu er-

kennen, sie sauber zu analysieren und zu zerschlagen.

Vielversprechende Hinweise und andere Ermittlungsan-

sätze, die es durchaus gab, wurden aber nicht konsequent

weiterverfolgt, aus den Augen verloren oder auf Arbeits-

ebene nicht ernsthaft umgesetzt.

Nach den Anhörungen vieler Verfassungsschutzmitarbei-

ter aus Bund und Ländern im Ausschuss kommen wir zu

dem Ergebnis, dass bei der Informationsabschöpfung von

rechtsradikalen V-Männern durch den Verfassungsschutz

vorwiegend das eigene Bild, die eigene Erwartungen,

abgefragt wurden. Wer und wie viele „Kameraden“, aus
welchen Bundesländern waren bei welchen rechtsradika-

len Konzerten und wo? Und wer hat welche Aufgabe in

der NPD übernommen? Das waren die Standardfragen. Es

war ein eher mechanisches Abfragen und Abhaken von

Orten, Namen und Fakten, selten eine qualitative Befra-

gung durch die V-Mann-Führer. Hintergründe haben eher

nicht interessiert. Hier bildete immerhin der MAD mit

seinen weitergehenden Befragungen eine positive Aus-

nahme.

Neonazis und Rechtsradikale sind vorwiegend als latent

gewalttätige Störenfriede der öffentlichen Ordnung wahr-

genommen worden, die verbotene Kennzeichen benutzen,

Konzerte besuchen, grölen, pöbeln und saufen. Dass da-

hinter der Aufbau strukturierter Netzwerke und organi-

sierte Kameradschaften stehen könnten oder die massive

Missionierung durch extremistische und terroristische

Ideologieansätze, wird kaum einmal als Erklärungsmuster

herangezogen – ganz einfach: man traut gezieltes strategi-
sches Handeln den Rechtsextremen nicht zu. Wolfgang

Geier, leitender Kriminaldirektor Unterfranken und ehe-

maliger Leiter der BAO „Bosporus“ hat diese Denkweise

vor dem bayerischen Untersuchungsausschuss am 20.

Februar 2013 wie folgt zusammengefasst:

„Man konnte sich nicht vorstellen, dass es in
Deutschland Rechtsterroristen gibt“ (Endstation
Rechts, 23. Februar 2013).

Dieses Zerrbild, wie bereits in der Einleitung hervorgeho-

ben, der „rechten Suff-Köpfe" so ist unser Fazit, ist auch
von den V-Männern in der rechten Szene gerne und ge-

zielt aufrechterhalten worden und ihre Befragern aus dem

Verfassungsschutz haben sich somit selbst bestätigt gese-

hen. Es wurde viel gefragt, aber die Verfassungs-

schützer habe sich dabei nur selbst gespiegelt – und es
nicht bemerkt. So konnten sich hinter der Spiegelfläche –
zwar nicht ganz unbemerkt – aber relativ ungestört, rech-
te, terroristische Strukturen ausbilden.

Der Umgang von Verfassungsschutz und Polizei mit

Rechtsextremen zeigt, dass deren Entschlossenheit und

deren Organisationsgrad vollkommen unterschätzt wur-

den. Offenbar haben Verfassungsschützer geglaubt, sie

könnten die Szene einfach durchleuchten und unter Kon-

trolle halten, indem man ordentlich Geld an diverse Kader

zahlt. Der NSU bewies auf grausame Art, wie falsch diese

Annahme gewesen ist. Der Geheimdienst hat die rechte

Szene durch eine Zerrbrille gesehen, nämlich durch die

Darstellungen der Neonazis (V-Leute) selbst.

Oder, in der Einleitung bereits kurz dargestellt, wie der

Sachverständige und Diplom-Kriminalist Günter Schicht

in der Abschlusssitzung des Ausschusses des Deutschen

Bundestages, am 16. Mai 2013, sagte: „Wissen macht
lernbehindert.“ Wenn man also glaubt, alles über einen
Fall oder eine Szene zu wissen, ist man nicht mehr offen

für Anderes – man lernt nichts mehr dazu. Günter Schicht
nennt das das „routinemäßige Wissen“ der Sicherheitsbe-
hörden, die einschätzen zu können und die aus dieser

Erfahrung Schlussfolgerungen für die Ermittlungen zu

ziehen. Damit werden aber andere Ermittlungsansätze

einfach beiseitegeschoben. (Protokoll der Ausschusssit-

zung vom 16. Mai, S. 63).

Das Verkennen rechter Netzwerke und Strukturen zieht

sich bis hinein in Polizei und Justiz. Der staatliche Ver-

folgungsdruck durch Zielfahndung und normaler Polizei-

arbeit war schlicht unzureichend. Fahndungsmaßnahmen

sind nur punktuell anberaumt oder zeitlich auf wenige

Tage beschränkt gewesen. Überwachungs- oder G10-

Maßnahmen sind lückenhaft und nicht konsequent durch-

geführt worden. Waren länder- oder dienstübergreifende

Maßnahmen geplant, verliefen sie mangels Informations-

austausch unkoordiniert und somit ergebnislos.

Das war die Chance des NSU.

VII. Der Einsatz von V-Personen ist richtig,
aber nur wenn er reformiert wird

Die Aufgabe, unseren demokratischen Rechtsstaat zu

schützen, ist nach wie vor bedeutsam. Unsere Demokratie

muss dazu wehrhaft bleiben. Als ein Mittel zum Schutz

unserer Demokratie wollen wir, dass die Nachrichten-

Drucksache 17/14600 – 936 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dienste ihren Aufgaben effizient und effektiv nachkom-

men. Eine Abschaffung der Dienste wäre hingegen grob

fahrlässig. Vielmehr müssen sich auch die Nachrichten-

dienste in Bund und Ländern und ihre Aufsichtsbehörden

einem intensiven Erneuerungsprozess stellen.

Die Nutzung von V-Leuten ist dabei für den Staat und

seine Nachrichtendienste ein besonderes Problem. Schon

seit Jahrhunderten wird diskutiert, ob der Staat Erkennt-

nisse aus privatem Vertrauensbruch abschöpfen darf.

Weniger theoretischen Charakter haben Fragen wie:

Ist es richtig, dass sich der Staat mit Verfassungsfeinden

und mitunter Kriminellen einlässt?

Ist die Nutzung von V-Personen erfolgsversprechend?

Kann man V-Personen führen?

Wie viel materielle Unterstützung darf man ihnen zu-

kommen lassen?

Wie soll der Staat mit Straftaten von V-Personen umge-

hen?

Diese und weitere Fragen stellten sich der FDP-Fraktion

während der Arbeit des Untersuchungsausschusses immer

wieder. Fraktionsübergreifend wurde den V-Personen

besondere Bedeutung beigemessen. Der gemeinsame

Bewertungsteil widmet sich ausführlich – aber längst
nicht abschließend – diesem Thema, zählt „Probleme und
Auswüchse“ auf. Im Lichte dieser und weiterer Erkennt-
nisse gilt es, sich dem Komplex „V-Personen“ zu wid-
men, grundsätzliche Fragen aus liberaler Sicht zu beant-

worten und so eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem

Thema voranzutreiben.

VII.1. Der Einsatz von V-Personen kann einen wichtigen

Erkenntnisgewinn bringen

Vom Untersuchungsausschuss vernommene Zeugen aus

dem Bereich der Nachrichtendienste haben dargelegt,

dass durch den Einsatz von V-Leuten Erkenntnisgewinne

erzielt werden konnten, aufgrund dessen Maßnahmen

ergriffen wurden, die rechtsextremistische Umtriebe und

Straftaten verhinderten oder erschwerten. Besonders plas-

tisch berichtete der Zeuge Meyer-Plath vom Erkenntnis-

gewinn durch die Führung des V-Mannes Carsten

Szczepanski, der „Plastiktütenweise“ Propagandamaterial
geliefert habe. Die Einblicke in rechtsextremistische

Strukturen hätten das Lagebild des Verfassungsschutzes

verbessert. Es sei ein „Quantensprung“ gewesen (64.
Sitzung am 15. April 2013). Der Zeuge Rannacher sah in

bestimmten Phänomenbereichen den V-Leute-Einsatz als

alternativlos an, selbst in Anbetracht des theoretisch mög-

lichen Einsatzes von verdeckten Ermittlern (65. Sitzung

vom 18.04.2013). Auch der Zeuge Gabaldo aus der Fach-

prüfgruppe des BfV hält die Nutzung von V-Leuten für

unverzichtbar. Diese Ansichten aus den Reihen der Nach-

richtendienste verwundern sicher nicht. Allerdings kom-

men auch wir angesichts der vielen nicht unwichtigen

Informationen, die V-Leute nach den uns vorliegenden

Akten geliefert haben, zu dem Ergebnis, dass der V-

Leute-Einsatz grundsätzlich geeignet ist, erhebliches

Wissen über Planungen, Aktionen und Strukturen der

rechtsextremistischen Szene zu generieren. Richtig ge-

nutzt, könnte schon im Vorfeld strafbaren Handelns auf

die Szene rechtsstaatlich einwandfrei eingewirkt werden.

Man muss sich dabei allerdings bewusst sein, dass es

hierbei häufig zu einer Kooperation mit Verfassungsfein-

den kommt, von der nicht nur der Staat profitiert; der

Nutzen für die Verfassungsfeinde sollte indes möglichst

gering ausfallen- leichter gesagt als umgesetzt. So werden

schon anhand der bereits getroffenen Feststellungen zu

den eher eindimensionalen Informationen und der Aus-

führungen der Zeugen Probleme des V-Leute-Einsatzes

deutlich. Angesichts des V-Mannes Szczepanski stellt sich

die Frage, ob man eine wegen versuchten Mordes verur-

teilte Person anwerben darf. Zudem reicht es nicht, In-

formationen zu sammeln; sie müssen für einen erfolgrei-

chen V-Leute-Einsatz auch sinnvoll genutzt werden. Eine

Feststellung, die banal klingt, leider aber bei weitem nicht

banal ist, wie wir immer wieder erfahren mussten, auch

vom BfV (Feststellungsteil, „Grundsätze der V-Personen-
Führung“).

VII.2. Die Auswahl möglicher V-Personen muss verbes-

sert werden

Bei der Auswahl von V-Personen kam es den Diensten

anscheinend oft allein auf die mögliche Qualität lieferba-

rer Informationen an. So ist es zu erklären, dass bei-

spielsweise in den Fällen Tino Brandt und Carsten

Szczepanski eine Führungsfigur der rechtsextremistischen

Szene bzw. ein wegen versuchten Mordes verurteilter

Straftäter angeworben wurde. Die Gefahr, die von der

Kooperation mit Führungspersönlichkeiten und

Schwerstkriminellen ausgeht, wurde offensichtlich unter-

schätzt oder überhaupt nicht gesehen. Dabei hätte den

Diensten klar sein müssen, dass natürlich auch V-

Personen von der Zusammenarbeit profitieren. Sie erhal-

ten über die materiellen Leistungen hinaus u. a. Kenntnis-

se zur Arbeitsweise der Dienste, können austesten, welche

Aktivitäten geduldet werden und diese dann zum Nutzen

der rechtsextremen Szene ausbauen, können die Auf-

merksamkeit der Dienste lenken, sich selbst aber ggf. aus

der „Schusslinie“ nehmen. Im schlimmeren Falle werden
sie vor Exekutivmaßnahmen gewarnt oder vor Ermitt-

lungsverfahren geschützt, wie von Tino Brandt behauptet.

Wenn aber schon bei der Auswahl der V-Leute unberück-

sichtigt bleibt, dass es besonders gefährlich ist, herausge-

hobene Personen zu führen, ist es kaum verwunderlich,

dass die bei der späteren Führung dann entstehenden

Probleme nicht gesehen oder falsch bewertet werden.

Dass die Nachrichtendienste die Gefährlichkeit der V-

Leute schon bei der Anwerbung falsch einschätzten, mag

auch an der in den Nachrichtendiensten u. a. durch das

„Handbuch des Verfassungsschutzrechts“ von Bernadette
Droste verbreiteten Ansicht liegen, V-Leute seien nicht

selten Bürger, die von den Diensten „umgedreht“ werden,
also keine wirklichen verfassungsfeindlichen Überzeu-

gungstäter mehr sind. Diese sich auch in der Zeugenver-

nehmung des Untersuchungsausschusses wiederfindende

Behauptung, für deren Absicherung nebenbei bemerkt im

„Handbuch des Verfassungsschutzrechts“ lediglich auf
einen Text aus 1984 verwiesen wird, erscheint uns abwe-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 937 – Drucksache 17/14600

gig und sollte massiv hinterfragt werden, wie es erfreuli-

cherweise der eine oder andere Zeuge bereits tat.

Insgesamt müssen die Dienste beim Einsatz von V-Leuten

auf Führungspersonen, die die rechte Szene entscheidend

mitbestimmen, und Schwerstkriminelle mit einschlägigen

Vorstrafen verzichten. Die Aktivitäten der in Betracht

kommenden Personen sind umfassend zu ermitteln, aus-

zuwerten und bereits in der Entscheidung über eine An-

sprache zu berücksichtigen.

VII.3. Die Führung der V-Personen muss verbessert wer-

den

Der Blauäugigkeit bei der Auswahl möglicher V-

Personen entsprechend, wurde – scheinbar in erster Linie
auf die Möglichkeiten der Informationsgewinnung fokus-

siert – auch bei der Führung den Aktivitäten der V-Leute
und deren Umfeld viel zu wenig Bedeutung beigemessen.

Andernfalls hätte beispielsweise bei der Führung

Szczepanskis nicht nur auffallen müssen, welche die

rechtsextreme Szene stärkende Rolle er insbesondere auch

durch den ihm behördlicherseits eingeräumten Spielraum

ausfüllen konnte, sondern hätten diese Erkenntnisse zu

einer Abschaltung Szczepanskis und dem Versuch, ihn mit

strafrechtlichen Mitteln zu verfolgen, führen müssen.

Stattdessen gewährte man ihm nicht unerhebliche Vorteile

bei seiner Arbeit für die rechtsextremistische Szene. Es ist

indes nicht davon auszugehen, dass allein der V-Mann

Szczepanski in der Lage war, wertvolle Hinweise zu ge-

ben, man sich nicht auch auf andere V-Leute hätte stützen

können. Wie schon bei der Reaktion auf Waffenfunde,

volksverhetzende Musik etc. zeigt sich hier erneut, dass

die Gefährlichkeit der Aktivitäten von Rechtsextremisten

massiv unterschätzt wurde.

Zukünftig haben sich die Dienste auch im Zeitraum der

Führung und nach Beendigung selbiger umfassend dem

Umfeld der V-Leute zu widmen, ist deren Bedeutung und

Gefährlichkeit zu beachten, muss der Nutzen der Koope-

ration für den V-Mann mehr Berücksichtigung für den

Umgang mit ihm finden.

Wir sind uns bewusst, dass V-Leute kaum alle ihre für die

Dienste relevanten Informationen preisgeben, sie mitunter

auch versuchen, den Fokus der Dienste von bestimmten

Informationen fern zu halten. Gegen derartige Versuche

hilft nur ein besonderes Problembewusstsein und sich

daraus ableitende Maßnahmen, wie z. B. die

Umfeldbeobachtung, das Gegenprüfen von Informationen

etc.

Es ist ein verharmlosendes, falsches Vorurteil, dass

Rechtsextremisten „dumm“ seien. Ihre Fähigkeiten müs-
sen realistisch eingeschätzt werden. Dazu ist es erforder-

lich, die V-Mann-Führer, die über eine professionelle

Ausbildung verfügen sollten, auch psychologisch zu schu-

len. Mitunter kann es notwendig sein, V-Leute von Ange-

hörigen des höheren Dienstes führen zu lassen. V-Mann-

Führer sollten zudem nur eine begrenzte Zeit lang für eine

V-Person zuständig sein. Dies erschwert gefährliche

„Verbrüderungen“ zwischen V-Mann-Führer und V-
Leuten. „Verbrüderungen“ senken das Maß an Objektivi-
tät und Professionalität.

In allen Nachrichtendiensten sind Fachprüfgruppen für

den V-Leute-Einsatz einzurichten, die direkt der Hauslei-

tung unterstellt werden. Ihre Größe muss so bemessen

sein, dass die Arbeit jedes V-Mann-Führers auch ohne

besondere Vorkommnisse jährlich geprüft wird. Ver-

schiedene Ausbildungszweige müssen in den Gruppen

vertreten sein, neben Juristen und Polizeibeamten bei-

spielsweise auch Psychologen. Die Fachprüfgruppen

sollen die V-Mann-Führer nach deren Ausbildung weiter

schulen und dabei eigene Erkenntnisse zu Problemen und

Erfolgsstrategien einbringen und diese in Szenarien

durchspielen. Die V-Mann-Führer sollen zeitweise als

eine Art „Mitläufer“ an der Arbeit der Fachprüfgruppe
teilnehmen.

Unabhängig von der Fachprüfgruppe ist der Einsatz einer

V-Person regelmäßig vom Vorgesetzten des Führers der

V-Person auf seine Rechtsmäßigkeit und Notwendigkeit

hin zu überprüfen; diese Prüfung ist ebenso zu dokumen-

tieren wie die der Fachprüfgruppe.

VII.4. Die materielle Vergütung ist nicht Kern unserer

Kritik

In der Öffentlichkeit wurde des Öfteren Kritik an der

Höhe der Bezahlung der V-Leute geäußert. Besonders

hohe Beträge waren dabei jedoch zumeist die Summe

jahrelanger Tätigkeit. Insofern erscheint uns die Entloh-

nung der V-Leute zwar nicht als ein Kernproblem ihres

Einsatzes, auf die dabei bedeutsame Gemengelage soll

aber hingewiesen werden:

V-Leute im rechtsextremistischen Bereich scheinen in

erster Linie aufgrund der Verdienstmöglichkeit zur Zu-

sammenarbeit bereit zu sein. Der „Lohn“ für ihren „Ver-
rat“ muss folglich so hoch bemessen sein, dass er zur
Zusammenarbeit und zur Lieferung bedeutsamer Informa-

tionen reizt. Eine Staffelung nach Wertigkeit der Informa-

tionen ist mittlerweile scheinbar üblich und ein Mittel zur

Steuerung der V-Person, zeigt ihr aber natürlich auch, wo

der Fokus des nachrichtendienstlichen Interesses liegt.

Soweit im Einzelfall erforderlich, sollte dies aber ver-

schleiert werden, insbesondere bei V-Leuten mit einer

eigenen Agenda. Hier zeigt sich wiederum, wie wichtig

die Umfeldanalyse ist. Der „Lohn“ darf darüber hinaus
nicht zur zentralen Einnahmequelle des V-Manns werden

und auch nicht so hoch bemessen sein, dass er in erhebli-

cher Weise zur Förderung der verfassungsfeindlichen

Szene geeignet ist.

Schlussendlich ist unter Berücksichtigung u. a. dieser

Punkte eine Einzelfallabwägung vorzunehmen. Diese

scheint, wenn man den Aussagen des Zeugen Gabaldo

folgt, mittlerweile zumindest im BfV regelmäßig ange-

messen zu erfolgen.

VII.5. V-Personen im Fokus der Strafverfolgungsbehör-

den

V-Personen können durch eigene Straftaten oder als Zeu-

ge von Straftaten in den Fokus von Strafverfolgungsbe-

hörden gelangen. Nachdem in der Vergangenheit für als

weniger gefährlich empfundene szenetypische Straftaten

(z. B. Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger

Organisationen, Volksverhetzung) besondere Rechtferti-

Drucksache 17/14600 – 938 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gungsgründe in den Behörden und Teilen der Literatur,

z. B. dem „Handbuch des Verfassungsschutzrechts“, an
und auch in einzelne Verfassungsschutzgesetze aufge-

nommen wurden, hat sich die Situation durch ein Urteil

des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2011 zur

Strafbarkeit eines V-Mannes geändert. Exekutive und

Legislative sind nun gefragt, zu sauberen Lösungen zu

kommen. Dabei muss klar sein, dass es keine Rechtferti-

gung für schwere Straftaten wie Verbrechen oder gefähr-

liche und schwere Körperverletzungen geben kann. Auch

für sonstige die verfassungsfeindliche Szene nicht nur

unerheblich stärkende Straftaten darf es allein schon des-

halb neben den für das Strafrecht bedeutsamen allgemei-

nen Rechtfertigungsgründen keine besondere Rechtferti-

gung geben, weil diese ebenso wie schwere Straftaten

unter keinen Umständen vom Staat z. B. aus Gründen der

Informationsgewinnung billigend in Kauf genommen

werden dürfen.

Wenn V-Personen als Zeugen den Strafverfolgungsbe-

hörden auffällig werden, dürfen diese nicht mit pauschaler

Geheimhaltung abgeschottet werden. Beispielsweise im

Fall von Kapitaldelikten und anderen schweren Straftaten

muss gewährleistet werden, dass wichtige Erkenntnisse

den Polizeien und Staatsanwaltschaften zur Verfügung

stehen. Durch pauschale Sperrerklärungen mit dem Hin-

weis auf Quellenschutz kann dem Anliegen des Rechts-

staats, Verbrechen aufzuklären, nicht Rechnung getragen

werden, denn auch der Quellenschutz ist nicht absolut.

Die Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden und

die berechtigten Belange von Strafverfolgung und Gefah-

renabwehr sind angemessen abzuwägen. Die Einzelfall-

entscheidungen müssen konkret begründet werden.

VII.6. Parlamentarische Kontrolle des V-Leute-Einsatzes,

Überarbeitung geltenden Rechts

Der Einsatz von V-Leuten fällt grundsätzlich in die exe-

kutive Eigenverantwortung der Dienste und ihrer Auf-

sichtsbehörden. Deshalb ist die speziell mit Blick auf

Art. 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) Grundge-

setz eingerichtete G10-Kommission nicht als konkrete V-

Leute-Einsätze genehmigende Stelle geeignet. Die parla-

mentarischen Kontrollgremien bzw. Kontrollkommissio-

nen, die die Tätigkeit der Regierungen für den Bereich der

Nachrichtendienste kontrollieren, sollten dem V-Leute-

Einsatz indes mehr Aufmerksamkeit schenken, beispiels-

weise mittels halbjähriger Unterrichtungen durch die

jeweilige Regierung.

Bekanntermaßen hat der Untersuchungsausschuss ver-

schiedentliche Defizite der Nachrichtendienste offenbart.

Unter anderem erfolgte die Anwendung aber auch die

Konkretisierung gesetzlicher Vorschriften durch Dienst-

vorschriften nicht fehlerfrei. Eine der entscheidenden

Kontrollmöglichkeiten besteht dann, wenn auch die

Richtlinien des aktiven Handelns der vorherigen Kontrol-

le unterliegen. Um der großen Bedeutung, die Dienstvor-

schriften für die Arbeit der Dienste, wie z. B. für den V-

Personen-Einsatz haben, zu entsprechen, sind diese für

den Bereich der Nachrichtendienste im Benehmen mit

den parlamentarischen Kontrollgremien bzw. Kontroll-

kommissionen zu erlassen.

Dabei muss es in einem ersten Schritt zur weiteren Revi-

sion unzeitgemäßer Vorgaben kommen. Veraltetes unter-

gesetzliches Recht muss substantiell überarbeitet werden,

gesetzliche Normen sind auszubauen und zu präzisieren.

Zum Beispiel müssen Maßnahmen klar definiert und

Verantwortlichkeiten sowie Abläufe dokumentiert wer-

den. Dabei sind die zentralen Verfahrensschritte, wie der

Beginn und die Beendigung einer Maßnahme zu doku-

mentieren und nachvollziehbar zu handhaben. Auch im

V-Leute-Einsatz zeigt sich, dass die Einführung und Ein-

haltung gemeinsamer Standards von Bund und Ländern

dringend erforderlich ist. Ein Nebeneinander von Rege-

lungen, die im schlimmsten Fall unvereinbar sind, darf es

nicht geben. Föderalismus muss im Verfassungsschutz

effizient gestaltet werden.

VII.7. Fazit

Der Einsatz von V-Leuten ist ein sinnvolles und zu nut-

zendes Mittel. Seine organisatorischen Probleme müssen

jedoch unverzüglich und unter besonderer Beachtung

rechtsstaatlicher Erfordernisse, die hier beispielhaft, aber

nicht abschließend, angesprochen wurden, gelöst werden.

Neben den organisatorischen Problemen beim Einsatz von

V-Leuten muss auch die Verwertung der gewonnenen

Erkenntnisse verbessert werden. Dies hat die Weitergabe

von Erkenntnissen an die Strafverfolgungsbehörden zu

umfassen.

VIII. Umgang mit den Opferfamilien

Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt, dass im Feststel-

lungsteil und im gemeinsamen Bewertungsteil schon sehr

viel zum Umgang mit und generell zu den Opferangehö-

rigen geschrieben wurde. Deshalb beschränkt sich die

FDP-Fraktion an dieser Stelle auf einzelne Punkte. Der

FDP-Fraktion ist aber wichtig: gerade auch den Hinter-

bliebenen sind wir die weitergehende Aufklärung unab-

hängig von Legislaturperioden schuldig. In allen Mordfäl-

len wurden zunächst Ermittlungen im persönlichen bzw.

familiären Umfeld der Mordopfer angestellt. Von den

betroffenen Familien ist dies allgemein als belastend

empfunden worden. Im Rahmen der polizeilichen Ermitt-

lungen nach den einzelnen Morden bzw. nach dem Na-

gelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße hat es

massive Vorwürfe aufgrund der Ermittlungsarbeit der

Polizeibehörden gegeben.

Daher hat der Deutsche Bundestag dem 2. Untersu-

chungsausschusses („Terrorgruppe nationalsozialistischer
Untergrund“) unter anderem aufgegeben, der Frage nach-
zugehen, ob und wie bei Ermittlungsmaßnahmen Leid für

die Opfer von extremistischen Straftaten und deren Ange-

hörigen wirksamer vermieden werden muss und kann.

(Vgl. Einsetzungsbeschluss vom 26. Januar 2012, Bun-

destagsdrucksache 17/8453 vom 24.1.2012, Nr. III 2)

VIII.1. Ermittlungen im Mordfall Taşköprü

Im Fall des Mordes an Süleyman Taşköprü wurde zu-
nächst der Vater des Mordopfers bei der Polizei vernom-

men. Bei dieser Vernehmung wurde die Schwester des

Mordopfers als Dolmetscherin für den Vater von der

Polizei beigezogen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 939 – Drucksache 17/14600

Wenn man bedenkt, dass die Polizei im Mordfall Süley-

man Taşköprü aus ermittlungstaktischen Gründen auch
im Bereich der Familie ermittelte, ist nicht nachvollzieh-

bar und entspricht es nicht guter Polizeiarbeit, dass man

ausgerechnet die Schwester des Mordopfers als Dolmet-

scherin heranzog. Immerhin hätte auch die Schwester eine

tatverdächtige Person sein können. Neben diesem ermitt-

lungstaktischen Aspekt ist das Vorgehen auch aus

menschlichen Gründen mehr als bedenklich. So wird die

Schwester, die gerade ihren Bruder verloren hat, erneut

mit extrem belastenden Fragen zum gesamten Tathergang

konfrontiert. Eine persönliche Trauerarbeit ist in diesem

Zusammenhang kaum möglich sein.

VIII.2. Der Einsatz „falscher“ Journalisten

Wie der Presse entnommen werden konnte, haben die

ermittelnden Behörden nicht vor dem Einsatz von „fal-
schen“ Journalisten zurückgeschreckt (Zeit Online vom 1.
Dezember 2012, „Das zweite Trauma“). Nach Informati-
onen der Zeit war es das Ziel, dass diese Personen mit

falscher Identität das Vertrauen der Opferfamilien erlan-

gen sollten. Man hoffte auf Seiten der Ermittler so an

Informationen zu kommen, die die Opferfamilien der

Polizei nicht preisgeben wollten.

Journalisten gehören aus gutem Grund zu einer besonders

geschützten Berufsgruppe. Wenn Ermittlungsbehörden

verdeckte Ermittler als Journalisten getarnt einsetzen,

schlussendlich also gezielt unter dem Deckmantel eines

angeblichen Zeugnisverweigerungsrechts operieren, er-

schwert dies die Arbeit „echter“ Journalisten, denen sich
mögliche Quellen noch eingeschränkter offenbaren wer-

den, da diese befürchten müssen, an einen „falschen“
Journalisten zu geraten. Wir halten einen starken Journa-

lismus mit investigativen Elementen allerdings für ein

besonders hohes Gut in unserer Demokratie. Es ist daher

zu prüfen, ob das Auftreten als Angehöriger eines beson-

ders geschützten Berufes Mitarbeitern von Sicherheitsbe-

hörden gesetzlich verboten werden sollte.

VIII.3. Lichtblicke

Das Polizeipräsidium Dortmund ist als ein positives Bei-

spiel anzusehen wenn es um die Frage des Umgangs mit

den Opferfamilien geht, wie der Ausschuss bei seiner

Arbeit festgestellt hat (Gricksch, Protokoll-Nr. 22, S. 109

ff.). Dort hat man zwar auch im Umfeld der Opferfamilie

ermittelt, dies aber offen, fürsorglich und transparent

gemacht. Wie der Ausschuss feststellte, wurde nicht nur

in Richtung Rauschgift und organisierte Kriminalität

ermittelt. Vielmehr wurden Dinge festgehalten, die gegen

die Hypothese organisierter Kriminalität sprachen und so

das Mordopfer und seine Familie entlasteten.

Im Mordfall Taşköprü lud man nach der offiziellen Ein-
stellung des Ermittlungsverfahrens die Familie ins Poli-

zeipräsidium ein. Dieser Einladung ist die Familie

Taşköprü gefolgt. Im Rahmen der Einladung wurden
sämtliche Ermittler im Mordfall an Süleyman Taşköprü
der Familie vorgestellt. Außerdem wurden die Hinter-

gründe zu den angestellten Ermittlungen erklärt (Schwarz,

Protokoll-Nr. 19, 100, 101).

Diese beiden Beispiele deuten an, wie polizeiliche Arbeit

verlaufen kann. Trotz der Ermittlungen im Umfeld der

Familien der Mordopfer muss der menschliche Umgang

funktionieren. Mordermittlungen sind, gerade wenn sie im

persönlichen Umfeld des Mordopfers stattfinden, für

jeden belastend. Ein möglicher Migrationshintergrund

spielt in diesem Zusammenhang nicht unbedingt eine

Rolle. In jedem Fall sind die ermittelnden Beamten aufge-

rufen, Wege zu finden, die auf der einen Seite die not-

wendigen Maßnahmen der Ermittlungsarbeit berücksich-

tigen, auf der anderen Seite aber auch die Belastungen,

denen Personen ausgesetzt sind, in deren persönlichem

Umfeld Ermittlungen geführt werden. Politik und zustän-

dige Ministerialbürokratie haben dafür zu sorgen, dass

Beamte in diesem Bereich entsprechend geschult werden.

Wir können es nicht dem glücklichen Zufall überlassen,

dass Betroffene an die „richtigen“ Beamten geraten. Im
Rahmen der Ermittlungen notwendig gewordene Maß-

nahmen gegen Angehörige sind spätestens nach der Aus-

räumung eines Tatverdachts schnell und einfühlsam zu

erklären (Positionspapier des AK IV der FDP Bundes-

tagsfraktion zum Opferschutz). Es ist daher gut, dass die

Polizei in Nordrhein-Westfalen erkannt hat, dass die Be-

treuung von Opferfamilien notwendig ist. So berichtete

der Zeuge Gricksch in seiner Vernehmung auch, dass die

Polizeiführung entsprechende Stellen zur Betreuung von

Opfern den Kreispolizeibehörden zugewiesen hat, die

dann vor Ort besetzt werden. (Gricksch, Protokoll-Nr. 22,

S. 110). Es muss Anliegen der Polizei sein, für ihre Arbeit

bei den Bürgerinnen und Bürgern Verständnis und Ver-

trauen zu gewinnen und nicht über das für ordnungsge-

mäße Ermittlungen notwendige Maß an Belastungen

hinauszugehen.

Auch um einen guten Zugang zu allen Bevölkerungs-

gruppen zu erhalten, sollte die Diversität der Behörden

effektiv gefördert werden. Wiederkehrende Schulungen

allein sind wenig zielführend. Eine wie auch immer er-

füllbare Quote um jeden Preis ist ebenfalls keine Lösung.

Die Organisationsstrukturen und der standardisierte Le-

benslauf in den Behörden müssen überprüft werden. Der

höhere Dienst ist hier besonders gefragt.

IX. Baden-Württemberg

IX.1. Einleitung

Am 25.04.2007 wurde die Polizeivollzugsbeamtin (PVB)

Michèle Kiesewetter durch den Nationalsozialistischen

Untergrund (NSU) in Heilbronn ermordet und ihr Kollege

M. A. schwer verletzt. Obwohl der Mord in Heilbronn

bestimmte Parallelen zur Mordserie aufwies – mindestens
zwei männliche Täter, zwei Waffen und Kopfschüsse –
war ein Bezug zur Mordserie vor allem durch ein anderes

Opferprofil und andere Tatwaffen schwer erkennbar.

Auch die sehr unterschiedlichen und teilweisen wider-

sprüchlichen Aussagen der Zeugen vor Ort – u. a. wurden
mehr als zwei Täter, eine weibliche Person, italienisch

sprechende Personen und Fahrzeuge gesehen – schufen
ein uneinheitliches Bild.

Die Verbindung zur Mordserie wurde erst durch den Fund

der Waffen der Polizisten und der DVDs nach der Entde-

ckung des Trios im November 2011 erkannt. Diese be-

Drucksache 17/14600 – 940 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sondere Lage in Baden-Württemberg hatte zur Folge, dass

die Ermittler in der Mordserie und die Ermittler in Baden-

Württemberg völlig unabhängig voneinander ermittelten.

Hauptkritikpunkte der FDP sind:

Defizite bei der Ermittlungsarbeit in Heilbronn

Die Defizite bei der Ermittlungsarbeit lagen in der verspä-

teten oder fehlenden Auswertung der Daten – das galt
zum Beispiel für die Kfz-Kennzeichenlisten, die Video-

kameras und die blutverschmierten Taschentücher. Das

Umfeld von PVB Kiesewetter wurde bis 2011 kaum be-

trachtet. Auch Zeugenaussagen und Asservate auf das

NSU-Trio wurden oft nicht nachvollziehbar bewertet oder

ausreichend aufgegriffen. Schließlich geschah der Mord

am helllichten Tag und es waren viele Menschen in der

Nähe, denn zeitgleich fand der Aufbau eines Frühlingsfes-

tes statt. Mehrere Zeugen vor Ort sahen blutverschmierte

Personen in der Gegend herumlaufen. Die Tat selbst

bleibt auch noch heute rätselhaft.

Die fehlende länderübergreifende Zusammenarbeit der

Verfassungsschutzbehörden im Hinblick auf die Erkennt-

nisse zum Rechtsextremismus bei den Landesämtern für

Verfassungsschutz (LfVs)

In Baden-Württemberg fehlten sowohl Eigenerkenntnisse

im Bereich Rechtsextremismus als auch Erkenntnisse

durch die ausgebliebene länderübergreifende Zusammen-

arbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden, insbe-

sondere zwischen Baden-Württemberg und Thüringen.

Das hat dazu geführt, dass die Gefahr im Bereich Rechts-

extremismus in Baden-Württemberg unterschätzt wurde.

Während der Ermittlungen in Baden-Württemberg gab es

keine Fortschritte im Hinblick auf Motivlage und Täter.

Christoph Meyer-Manoras, der zuständige Staatsanwalt in

Heilbronn, sagte in seiner Vernehmung:

„Man kann also wirklich mit Fug und Recht sagen, wir
tappten – im Nachhinein muss man sagen – bis zum
04.11. komplett im Dunkeln“ (29. Sitzung am 13. Sep-
tember 2012 – Zeugenvernehmung Meyer-Manoras, S.
59).

Trotz engagierter Polizeiarbeit – 5 000 Einzelspuren wur-
den verfolgt, über 300 Maßnahmen durchgeführt und

mehr als 1 000 Hinweise bearbeitet (29. Sitzung am

13. September .2012 – Zeugenvernehmung Mögelin, S. 2)
– passierten kritische Fehler.

IX.2. Defizite in der Polizeiarbeit

IX.2.1. Die Auswertung der Daten

Vollkommen unverständlich ist, dass die Aufnahmen der

Videokameras erst im Jahr 2010 umfänglich ausgewertet

wurden. Zeuge Mögelin erklärte dazu:

„Ich glaube, sie wurden punktuell schon früher
ausgewertet, wenn es Hinweise gab. Mit der Kom-

plettauswertung, wenn ich mich richtig erinnere,

hat man aber erst 2010 begonnen“. (29. Sitzung
am 13. September.2012 – Zeugenvernehmung
Mögelin, S. 34)

Gleiches gilt für die blutverschmierten Taschentücher, die

zwei Tage nach der Tat ein paar hundert Meter vom Tat-

ort entfernt gefunden wurden. Nach Meinung der Ermitt-

ler gab es andere Beweismittel, die näher am Tatort ge-

funden wurden und zuerst ausgewertet werden mussten.

Dies hatte zur Folge, dass die Taschentücher erst zwei

Jahre später, nachdem ein Zeuge auf deren mögliche

Relevanz hingewiesen hatte, untersucht wurden. Bei den

Ermittlungen stellt sich also vor allem die Frage, warum

erst so spät und teilweise so unstrukturiert ermittelt wur-

de.

IX.2.2. Der Umgang mit Massendaten und der Umgang

mit dem Datenschutz

Zum anderen ist der Umgang der Behörden mit Massen-

daten zu kritisieren. Im Rahmen der Ringfahndung in

Heilbronn wurden sog. Kontrolllisten, 201 Listen mit ca.

30 000 Kfz-Kennzeichen, erstellt. Überraschenderweise

wurden diese Listen erst drei Jahre nach der Tat, im Sep-

tember 2010 ausgewertet, obwohl empfohlen wurde, die

Halter zu überprüfen. Kriminaloberrat Axel Mögelin,

Leiter der Sonderkommission (Soko) „Parkplatz“ und seit
2010 beim Landeskriminalamt (LKA) Baden-

Württemberg, erklärte, dass die Halter aus Datenschutz-

gründen und wegen des großen Aufwands nicht überprüft

worden seien. Vielmehr seien die Listen ausschließlich

zur Überprüfung von Hinweisen verwendet worden. Die-

ses Konzept wurde auch bei anderen Beweismitteln an-

gewendet.

Daten, die rechtsstaatlich und einwandfrei gesammelt

werden, sollten jedoch auch zeitnah ausgewertet werden.

Strafverfolgungsbehörden und einige politische Wettbe-

werber fordern dagegen, mehr Daten zu sammeln.

CDU/CSU und SPD auf Bundesebene, und Bündnis

90/Die Grünen auf Landesebene in Baden-Württemberg,

fordern sogar eine Vorratsdatenspeicherung. Dies er-

staunt, wenn in der Praxis Daten gesammelt und diese

nicht ausgewertet werden. Um Datenschutz zu gewähr-

leisten, dürfen nur Daten gesammelt werden, die einen

Mehrwert besitzen, diese sollten dann aber auch genutzt

werden. Im Gegensatz zu den wiederholten Behauptungen

der Strafverfolgungsbehörden zeigt dieses Beispiel an-

schaulich, dass die Ermittlungsprobleme nicht im Mangel

an erhobenen Daten liegen. Stattdessen liegt das Problem

in der fehlenden Verknüpfung und Bewertung der Daten.

Nicht nur die Quantität der Polizeibeamten ist zu bemän-

geln, sondern auch deren fehlende Kreativität, die zu

eindimensionaler Polizeiarbeit geführt hat. Es ist deshalb

nicht notwendig, mehr Daten zu erheben, sondern für die

Datenauswertung gut ausgebildete Polizisten heranzuzie-

hen und diese adäquat auszustatten.

Das „Massendatenkonzept“ der baden-württembergischen
Polizei hat dazu geführt, dass das Wohnmobil, in dem das

Trio höchstwahrscheinlich geflüchtet ist, in den Kontroll-

listen nicht aufgefallen ist. Es war registriert auf Holger

Gerlach, einen der Angeklagten im NSU-Prozess. Trotz

des Hinweises eines Zeugen auf ein Wohnmobil, wurde

dieser als unwichtig bewertet, da am Tattag aufgrund von

Festvorbereitungen viele Wohnmobile auf dem Gelände

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 941 – Drucksache 17/14600

standen und in der Nähe dieses Wohnmobils keine Perso-

nen gesehen wurden.

IX.2.3. Die Ermittlungen im Umfeld Kiesewetter

Ein weiteres Versäumnis ist darin zu sehen, dass das

nähere Umfeld der PVB Kiesewetter im Zeitraum 2007

bis 2011 sorgfältiger hätte überprüft werden müssen. Bei

den türkischen/griechischen Opfern der Mordserie ge-

schah dies sehr umfangreich, z. B. durch Reisen in die

Türkei. Bemerkenswert ist, dass bis Oktober 2010 noch

nicht einmal die Mutter von PVB Kiesewetter überprüft

wurde (MAT_A_GBA-4/15g, S. 204). Begründet wurde

dies damit, dass vermutet wurde, es habe kein gezielter

Angriff auf PVB Kiesewetter vorgelegen. Allerdings

hätten solche Ermittlungen zu Spuren nach Thüringen und

zum Rechtsextremismus führen können. BKA-

Vizepräsident Jürgen Maurer musste einräumen, dass die

Umfeldermittlungen der Besonderen Aufbau Organisation

(BAO) „Trio“, die erst nach dem Aufdecken des Trios
eingesetzt wurde, intensiver waren als die

Umfeldermittlungen der Polizei Baden-Württemberg

zuvor (36. Sitzung am 25. Oktober 2012 – Zeugenver-
nehmung Maurer, S. 65). Auch Innenminister Reinhold

Gall (SPD) hat im März dieses Jahres eine Ermittlungs-

gruppe (EG) „Umfeld“ gegründet, die das persönliche
Umfeld von Kiesewetter und mögliche Verbindungen zu

Rechtsradikalen nochmals prüfen sollen.

Zu kritisieren ist auch, dass der E-Mail-Account von PVB

Kiesewetter nicht ausgewertet wurde. Begründet wurde

dies damit, dass ihr Computer keinen Internetanschluss

hatte und ihre Familie sowie ihre Bekannten die E-Mail-

Adresse nicht gekannt hätten. Gerade deswegen hätte sich

im Postfach interessante Korrespondenz finden können.

Angesichts der Tatsache, dass parallel andere Spuren quer

durch Europa verfolgt und ohne Zögern internationale

Rechtshilfe in Anspruch genommen wurde, musste Herr

Mögelin in seiner Vernehmung einräumen, dass eine

Überprüfung des E-Mail-Accounts angemessen gewesen

wäre (29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenver-
nehmung Mögelin, S. 10).

Die Akten zeigen auch, dass es im Jahr 2011 noch immer

Lücken bei der Überprüfung von Kollegen von PVB

Kiesewetter gab.

„Die Soko Parkplatz (Heilbronn) [hat] nur wenige
Angehörige der BFE 523 (sog. Personengruppe 2)

vernommen […], zu der auch die Opfer Kiesewet-
ter und Arnold gehörten“ (MAT_ A_BW 2-3, S.12
(Zitat), 14, 27).

Das erklärt, warum erst nach dem 4. November 2011

festgestellt wurde, dass mindestens zwei Kollegen der

PVB Kiesewetter der deutschen Sektion des „European
White Knights of the Ku-Klux-Klan (EWK KKK) in

Schwäbisch Hall angehört haben. Diese Sektion, der ein

V-Mann angehörte, kam erst im Rahmen der NSU-

Ermittlungen an die Öffentlichkeit. Einer der Kollegen,

obwohl nicht der etatmäßige Vorgesetzte der PVB Kiese-

wetter, war ausgerechnet am Mordtag für PVB Kiesewet-

ter und Herrn Arnold zuständig. Beide Beamten sind

weiterhin im Dienst. Unter den Mitgliedern der EWK

KKK, die zwischen 2000 und 2003 in Schwäbisch Hall

existierte, befanden sich verschiedene prominente Rechts-

extremisten aus mehreren Bundesländern.

Obwohl im Nachhinein in Abstimmung mit dem Bundes-

kriminalamt (BKA) und dem Generalbundesanwalt

(GBA) bisher keine Tatrelevanz festgestellt wurde, sind

die Verbindungen zwischen Polizei, V-Männern und

KKK äußerst besorgniserregend und ein weiterer Beweis

dafür, dass PVB Kiesewetters Umfeld nur unzureichend

untersucht wurde, insbesondere im Hinblick auf Rechts-

extremismus. Dies ist auch deshalb erstaunlich, weil es

bereits Nazimorde und Bedrohungen gegen Polizisten

gegeben hatte.

Im Hinblick auf die im letzten Herbst bekannt gewordene

neu gegründete KKK-Sektion in Schwäbisch Hall forderte

der FDP-Obmann Hartfrid Wolff SPD-Innenminister Gall

auf, weitere Schritte zu unternehmen und eine „Task
Force“ gegen den Rechtsextremismus einzusetzen, die
unter anderem die Aktivitäten der Sicherheitsbehörden

koordinieren soll (Ku-Klux-Klan wieder im Südwesten

aktiv

http://www.welt.de/regionales/stuttgart/article115896867/

Ku-Klux-Klan-wieder-im-Suedwesten-aktiv.html).

IX.2.4. Die Verfolgung von Hinweisen aus Zeugenaussa-

gen

Die FDP ist der Auffassung, dass Zeugenaussagen oft

nicht nachvollziehbar bewertet und nicht adäquat aufge-

griffen, und dass die Ermittlungen sehr eindimensional

geführt wurden.

Es gab mehrere Zeugen in der Nähe des Tatorts, die blut-

verschmierte Personen gesehen haben. Laut Operative

Fall Analyse (OFA) war es „sehr wahrscheinlich“, dass
die Täter blutverschmiert sind (29. Sitzung am 13. Sep-

tember 2012 – Zeugenvernehmung Mögelin, S. 13). Auch
gab es mehrere Zeugen, die mehr als zwei Täter gesehen

haben. Letztendlich ist es nicht möglich abschließend zu

sagen, wie viele Täter es gab.

Trotz teilweise widersprüchlicher Auskünfte der Zeugen

stimmten einige Aussagen überein und ergaben zusam-

men mit der DNA-Analyse der blutverschmierten Objekte

ein stimmiges Bild. Zum Beispiel war das Ergebnis der

DNA-Analyse, dass es sich bei den Tätern um einen

Mann und eine Frau handelte. Dies stand im Einklang mit

den Angaben mehrerer Zeugen. Außerdem erkannte ein

Zeuge anlässlich einer Wahllichtbildvorlage eine Ähn-

lichkeit mit einer in Heilbronn polizeibekannten weibli-

chen Person. Verdeckte Ermittlungen im Hinblick auf

diese Person wurden aber von der Staatsanwaltschaft

abgelehnt. Im Gegensatz zur Polizei hielt die Staatsan-

waltschaft die Zeugenaussagen für nicht relevant, da sie

von einem geplanten Verbrechen ausging und in Folge

dessen die Fluchtszene nicht ins Bild passte.

Besonders besorgniserregend erscheinen die erheblichen

Reibungsverluste zwischen Staatsanwaltschaft und Poli-

zei. Zum Beispiel erklärte Herr Meyer-Manoras, dass die

Staatsanwaltschaft gegen die Veröffentlichung von Phan-

tombildern war. Dies mit der Begründung, die Zeugen-

aussagen seien teilweise widersprüchlich, sie (die Staats-

Drucksache 17/14600 – 942 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

anwaltschaft) setzten eine geplante Tat voraus und die

Veröffentlichung von Phantombildern hätte einen richter-

lichen Beschluss erfordert, und damit die Annahme, dass

die Abgebildeten mit Wahrscheinlichkeit Beschuldigte

seien (29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenver-
nehmung Meyer-Manoras, S. 66). Angesichts der dauer-

haften erfolglosen Ermittlungen ist diese Entscheidung

der Staatsanwaltschaft zu kritisieren.

Ein Grund dafür, dass vielen Spuren in den ersten beiden

Jahren nach der Tat nicht ausreichend nachgegangen

wurden, ist, dass sich die Ermittlungen bis März 2009 fast

ausschließlich auf die DNA-Spur einer sog. „unbekannten
weiblichen Person“ (uwP) konzentriert haben. Letztend-
lich konnte die DNA-Spur auf verunreinigte Wattestäb-

chen zurückgeführt werden. Herr Meyer-Manoras sagte

dazu:

„also ich habe tatsächlich immer mehr gezweifelt,
und zwar schon relativ frühzeitig … ich hätte da-
rauf dringen sollen, dass der Öffentlichkeit gesagt

wird, aus kriminalistischer Sicht kann es eigentlich

nicht sein“. (29. Sitzung am 13. September 2012 –
Zeugenvernehmung Meyer- Manoras, S. 61)

Die Konsequenz war, dass Personal- und Sachressourcen

an diese priorisierte Spur gebunden waren. Auch Regie-

rungspräsident Johannes Schmalzl, damaliger Präsident

des LfV in Baden-Württemberg kritisiert, dass sich die

Ermittlungen sehr schnell eingeengt hatten (29. Sitzung

am 13. September 2013 – Zeugenvernehmung Schmalzl,
S. 107). Obwohl stets behauptet wird, dass letztlich alle

Spuren verfolgt wurden, hat der Untersuchungsausschuss

dies widerlegt.

Laut LKA Baden-Württemberg existieren momentan

keine allgemeinen Qualitätskriterien für kriminaltechni-

sche Arbeitsmaterialien bei der Sicherung und Analyse

von DNA-Spuren. Es wäre deswegen sinnvoll, Standards

oder Richtlinien zu entwickeln. Weiterhin könnten solche

Fehler durch die Beauftragung immer mindestens zweier

Wattestäbchenhersteller ausgeschlossen werden.

IX.2.5. Hinweise auf die Česká -Mordserie

Herr Meyer-Manoras sagte aus:

„solange wir die Ermittlungen geführt haben - also
bis zum 04.11.2011- habe ich weder den Namen

Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe gehört“
(29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugen-
vernehmung Meyer-Manoras, S. 72).

Dabei gab es Hinweise auf die Česká -Mordserie, u. a.
von dem Onkel der PVB Kiesewetter. Dieser war Krimi-

nalpolizist in ihrer Heimat Thüringen, hatte sich ca. einen

Monat nach dem Mord gemeldet und in seiner Verneh-

mung ausgeführt:

„Meiner Meinung nach besteht auch aufgrund der
verwendeten Kaliber und der Pistolen, die ich aus

den Medien kenne, ein Zusammenhang mit den

bundesweiten Türkenmorden. Soviel ich weiß, soll

auch ein Fahrradfahrer bei den Türkenmorden eine

Rolle spielen“ (Zeugenvernehmung vom 4. Mai
2007, MAT_ A_ GBA 4/15 g, Bl. 202ff).

Er wiederum hatte diesen Hinweis von einem Kollegen

erhalten. Obwohl seine Aussage nicht vollständig zutraf –
die Waffen hatten nicht das gleiche Kaliber – hätte diese
Spur gründlicher geprüft werden können. Das wäre insbe-

sondere deshalb angemessen gewesen, weil das LKA

Baden-Württemberg gerade die 3. Operative Fall Analyse

(OFA) für die Česká-Mordserie erstellt hatte, deswegen
über alle Informationen zur Mordserie verfügte und zu

dem Ergebnis gekommen war, dass Opfer und Waffe

beim nächsten Mord hätten abweichen können. Es wurde

jedoch keine gezielte vergleichende Fallanalyse durchge-

führt. Der Hinweis wurde nicht weiter verfolgt und hat

offenbar so wenig Beachtung erfahren, dass der ermit-

telnde Beamte Mögelin den Hinweis nicht kannte (29.

Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenvernehmung
Mögelin, S. 7, 8).

Ein Hinweis gelangte am 10. März 2010 per E-Mail zum

BKA mit der Frage, ob es möglich wäre, „dass die „Dö-
ner“-Mordserie von dem selben Täter wie beim Mordfall
in Heilbronn begangen wurde, wenn ja könnte ich sicher

weiterhelfen“ (MAT A BKA-2/25a, S. 476 ff.) Die E-
Mail wurde vom BKA an die BAO „Bosporus“ und die
Soko „Parkplatz“ weitergeleitet. Obwohl der Zeuge in
seiner Vernehmung später aussagte, er habe damals Me-

dikamente genommen und sei verwirrt gewesen, ist es

unverständlich, dass er erst im Jahr 2012 vernommen

wurde.

Ein nennenswerter Hinweis zum NSU-Trio und dem

Mord in Heilbronn, der aber nicht im Rahmen der Poli-

zeiarbeit zu kritisieren ist, kam von einem ehemaligen

Mitarbeiter des LfV Baden-Württemberg, Günter Stengel,

der auch durch den Untersuchungsausschuss vernommen

wurde. Er hat sich, nachdem das Trio im November 2011

entdeckt worden war, am 23. November 2011 beim BKA

gemeldet, da er sich an ein Gespräch erinnerte, das er im

Jahr 2003 mit einem Informanten geführt hatte. Dieser

Informant habe sich an einen Pfarrer gewandt mit der

Bitte um ein Gespräch mit dem LfV Baden-Württemberg.

Laut dieses Zeugen habe der Informant in dem Gespräch

mit ihm die Namen „Mundlos“ und „NSU“ erwähnt. Er
habe mitgeteilt, dass die Thüringer Rechtsextremisten in

Heilbronn eine Gruppe hätten aufbauen und diese mit

Banküberfällen finanzieren wollen.

Auf Weisung des Vorgesetzten des Zeugen seien die

Wörter „Mundlos“ und „NSU“ aus dem angefertigten
Bericht wieder gestrichen worden mit der Begründung,

das LfV Baden-Württemberg registriere aus Datenschutz-

gründen keine Einzelpersonen, sondern nur Institutionen,

die vom Innenministerium genannt seien (29. Sitzung am

13. September 2012 – Zeugenvernehmung Stengel, S. 75).
Sollte dies stimmen, wäre dies ein erklärungsbedürftiger

Vorgang. Der Zeuge wurde in der Folge dafür gerügt,

dass er das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ohne

Absprache und juristische Überprüfung informierte hatte.

Der Zeuge ist nach Ansicht der FDP nicht zwingend un-

glaubwürdig gewesen und der Vorgang konnte im Unter-

suchungsausschuss nicht endgültig geklärt werden. Äu-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 943 – Drucksache 17/14600

ßerst bedauerlich erscheint jedenfalls die Schlussfolge-

rung des Zeugen, in Zukunft keine Hinweise mehr wei-

tergeben zu wollen, um Ärger zu vermeiden.

IX.3. Rechtsextremismus, Baden-Württemberg und der

Mord

IX.3.1. Die rechtsextreme Szene in Baden-Württemberg

Laut Vertretern des LfV Baden-Württemberg, die im

Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages

vernommen wurden, sei in Baden-Württemberg der ge-

waltbereite Rechtsextremismus immer existent gewesen

(29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugenverneh-
mung Schmalzl, S. 109). Es gab eine große Skin-und

Musikszene, die ihren Schwerpunkt im Großraum Stutt-

gart (Ludwigsburg, Rems-Murr und Heilbronn), im

Rhein-Neckar-Raum und am Bodensee hatte. Gegen diese

Skin- und Musikszene wurden vor allem repressive Maß-

nahmen ergriffen – z. B. gab es nach dem Verbot der
Gruppe „Blood & Honour“ (B & H) im Jahr 2000 u. a.
groß angelegte Durchsuchungen. Dies hatte zur Konse-

quenz, dass die Szene sich noch mehr zurückzog.

KD Joachim Rück, zwischen 1999 und 2005 in der Abtei-

lung Staatsschutz beim LKA Baden-Württemberg, erklär-

te, Anfang der 2000er Jahre sei die Gruppe „Furchtlos &
Treu“ besonders groß gewesen, vor allem bestehend aus
Personen, die vorher Mitglieder von „B & H“ gewesen
waren (65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenverneh-
mung Rück, S. 77). Auch die Skinhead-Band „Noie Wer-
te“, mit deren Musik das Trio seine Videos untermalt hat,
spielte in Baden-Württemberg eine wichtige Rolle. Gegen

alle wurden repressive Maßnahmen getroffen. Außerdem

wurden ein Internetkompetenzzentrum, zu dem die Poli-

zei Zugang hatte, und ein eigener ständiger Verbindungs-

beamte des LfV Baden-Württemberg beim LKA Baden-

Württemberg eingerichtet. Herr Schmalzl sagte, sie seien

eigentlich ziemlich sicher gewesen, in Baden-

Württemberg gut aufgestellt zu sein (29. Sitzung am

13. September 2012 – Zeugenvernehmung Schmalzl, S.
109).

Das LfV Baden-Württemberg hat vor allem die Fähigkeit

der rechtsextremen Szene zur Organisation und in Folge

dessen ihre Gefährlichkeit unterschätzt. Der ehemalige

Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (1995 –
2005), Helmut Rannacher, konstatierte:

„Unsere Institution Verfassungsschutz, die sich als Früh-
warnsystem unseres demokratischen Staates versteht,

[hat] in diesem konkreten Bereich versagt“ (65. Sitzung
am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung Rannacher, S.
40).

Der Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass die

rechtsextreme Szene noch erheblich größer war, als es

dem LfV bekannt war. Die Verbindungen, die es zwi-

schen Rechtsextremisten in Thüringen, Baden-

Württemberg und dem Trio damals gab, sind noch zum

großen Teil ungeklärt und Gegenstand der jetzigen Er-

mittlungen des Generalbundesanwalts (GBA). Dennoch

existieren aus Akten und Vernehmungen im Untersu-

chungsausschuss Beweise dafür, dass Verbindungen zwi-

schen Rechtsextremisten aus Baden-Württemberg und

Thüringen bestanden. Insbesondere die Umgebung von

Stuttgart, Ludwigsburg, Rems-Murr und Heilbronn war

beliebt bei der „B & H“-Sektion aus Chemnitz und Sam-
melpunkt für Rechtsextremisten. Die Größenordnung

wurde unterschätzt, vor allem weil dem LfV Baden-

Württemberg Eigenerkenntnisse insbesondere in Lud-

wigsburg und Erkenntnisse aus anderen Ländern, vor

allem Thüringen, fehlten.

Die Aktivitäten des NSU-Trios in Baden-Württemberg

waren den Behörden in Baden-Württemberg nicht be-

kannt. Gefundenes Material deutet darauf hin, dass die

NSU-Mitglieder sich von Anfang der 90er Jahre bis 2004

immer wieder im Raum Ludwigsburg/Stuttgart aufgehal-

ten haben (Bericht des Landeskriminalamtes Baden-

Württemberg zu Erkenntnissen über NSU-Bezüge nach

BW vom 24. Januar 2013, MAT A GBA-13 Bl. 53 ff, Bl.

59). Um einige Beispiele zu nennen: Anhand eines Fotos

ist zu sehen, dass Beate Zschäpe vor 2004 in Ludwigs-

burg gewesen war. Im Brandschutt in der Wohnung in

Zwickau wurden Stadtpläne von Stuttgart, Heilbronn und

Ludwigsburg sowie eine CD mit Bildern aus Stuttgart

gefunden (29. Sitzung am 13. September 2012 – Zeugen-
vernehmung Mögelin, S. 54). Die Bilder zeigen, dass sich

Böhnhardt in Juni 2003 in Stuttgart befand. In der Garage

von Böhnhardt wurde am 26. Januar 1998 eine Adresslis-

te – sozusagen eine „Landkarte des Untergrunds“ – mit
u. a. vier Namen, M. E., B. E., H. S. und S. F., geb. E. aus

Ludwigsburg, Baden-Württemberg, gefunden (Vermerk

des BKA vom 19. Februar 1998, MAT A TH-1/2, Bl. 277

ff., 278). Die Liste wurde damals nicht zeitnah durch die

Thüringer Behörden ausgewertet, sondern erst nach dem

4. November 2011.

Auch die Personen aus dem engsten Umfeld des Trios, die

jetzt im NSU-Prozess angeklagt sind, haben sich regel-

mäßig in Baden-Württemberg aufgehalten. Zum Beispiel

befand sich auf der Adressenliste auch ein V-Mann, Mit-

glied im EWK KKK in Schwäbisch Hall und Mundlos

bekannt. Jan Werner, Thomas Starke und der ehemalige

Chef des „Thüringer Heimatschutzes“ Tino Brandt hielten
sich alle im Zeitraum zwischen 1998 und 2011 in Baden-

Württemberg auf. Brandt kaufte sogar 2004 ein Haus in

Nachbarschaft zu einem weiteren Rechtsradikalen in

Baden-Württemberg.

Ein deutliches Versagen des LfV Baden-Württemberg ist

darin zu sehen, dass sich das, bis 2003 mit Haftbefehl

gesuchte Trio, regelmäßig mit anderen Neonazis in Lud-

wigsburg traf sowie sich öffentlich von, nach und in Ba-

den-Württemberg, insbesondere auch in Stuttgart, bewe-

gen konnte, ohne dass dabei Erkenntnisse bestanden. Die

„weißen Flecken“ im Raum Ludwigsburg und Stuttgart zu
Rechtsextremismus-Erkenntnissen beim LfV sind nicht

verständlich.

IX.3.2. Rechtsextremismus und der Mord an PVB Kiese-

wetter

Keine Sicherheitsbehörde hat den Mord an PVB Kiese-

wetter als rechtsextremistische Tat erkannt (65. Sitzung

am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung Rannacher, S.
55; 29. Sitzung am 13 September 2012 – Zeugenverneh-
mung Schmalzl, S. 100). Direkt nach der Tat hat das LfV

Drucksache 17/14600 – 944 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Baden-Württemberg seine Quellen ergebnislos nach In-

formationen befragt, worauf ein politisches Motiv schnell

ausgeschlossen wurde.

Trotz einiger Hinweise auf eine Verbindung zur Mords-

erie wurde diese, wie bereits oben erwähnt, nicht weiter

überprüft. Obwohl der Leiter der BAO „Bosporus“, Wolf-
gang Geier, erklärte, dass eine Verbindung zur Tat in

Heilbronn überprüft wurde, gab es keine gezielte verglei-

chende Fallanalyse. Gerade weil davon ausgegangen

wurde, dass das Ziel der Täter die Polizei bzw. der Staat

war und die Tat nicht personengerichtet, hätte das Thema

Rechtsextremismus ausführlicher überprüft werden müs-

sen.

IX.3.3. Die Verbindung Thüringen – Baden-Württemberg
und die Zusammenarbeit der Behörden

Die durch den Untersuchungsausschuss im Deutschen

Bundestag festgestellten fehlenden Erkenntnisse im Be-

reich Rechtsextremismus sowie die fehlende länderüber-

greifende Zusammenarbeit der Behörden und die auf

diesen Versäumnissen beruhende Fehleinschätzung der

Situation sind alarmierend.

Bettina Neumann, von 1993 bis 2011 Referatsleiterin für

den Bereich Rechtsextremismus/Auswertung im LfV

Baden-Württemberg, besaß angeblich keine Erkenntnisse

zu Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus Thü-

ringen und Baden-Württemberg. Die Namen Jan Werner

und Thomas Starke waren ihr nicht bekannt (65. Sitzung

am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung Neumann, S. 6).
Diese Aussage ist besonders bemerkenswert, da der Zeu-

ge Rannacher den Untersuchungsausschuss informierte,

dass in den Berichten über den Baden-Württembergischen

Rechtsextremisten Rennicke, als dieser in Thüringen auf-

trat, stellenweise das Trio genannt wurde. Er hat keine

Informationen erhalten, als sich das Trio in Baden-

Württemberg aufgehalten hat. Den Akten ist auch zu

entnehmen, dass es ein Schreiben des LfV Thüringen an

das LfV Baden-Württemberg vom 6. Februar 1998 gab, in

dem über das Trio informiert wurde. Obwohl Herr

Rannacher erklärte, dass dieses Schreiben überprüft wur-

de, konnte Frau Neumann sich nicht mehr an den Fall

erinnern.

Zwei Namen (S., E.) auf der gefundenen Adressliste wa-

ren Frau Neumann bekannt als „einfache Teilnehmer“
(65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenvernehmung
Neumann, S. 4) an rechtsextremen Veranstaltungen. Kon-

krete Verbindungen zwischen Rechtsextremisten aus den

neuen Ländern und Baden-Württemberg waren Herrn

Schmalzl ebenfalls nicht bekannt (29. Sitzung am 13.

September 2012 – Zeugenvernehmung Schmalzl, S. 118).
Auch das LKA Baden-Württemberg wurde bis zum Auf-

tauchen des Trios nie mit dem Trio oder der Adressliste

konfrontiert. Die beiden genannten Namen auf der Liste

waren für das LKA Baden-Württemberg ein Begriff, aber

Jan Werner und Thomas Starke spielten nach dortigen

Erkenntnissen keine prägende Rolle. Und das, obwohl A.

N., bekannter Rechtsextremist in Baden-Württemberg und

stellvertretender Landesvorsitzender der NPD und vom

LfV Baden-Württemberg beobachtet, Kontaktmann von

Jan Werner war. Keinem der Zeugen, die im Untersu-

chungsausschuss im Zusammenhang mit dem Geschehen

in Baden-Württemberg vernommen wurden, war zudem

bekannt, dass Tino Brandt sich ein Haus in Baden-

Württemberg gekauft hatte.

Frau Neumann erklärte, dass

„alles, was sich außerhalb des Landes Baden-
Württemberg abspielt, wenn es nicht direkte Bezü-

ge zu uns hat, […] eigentlich nicht Thema eines
Landesamtes [ist]“ (65. Sitzung am 18. April 2012
– Zeugenvernehmung Neumann, S. 3).

Weiterhin werden Informationen nur dann zwischen Ver-

fassungsschutzbehörden ausgetauscht, wenn sich ein

Rechtsextremist aus dem eigenen Land in einem anderen

Land aufhält. Frau Neumann sprach das Problem an,

„wichtige“ Rechtsextremisten zu erkennen, da Quellen
sich oft nur lokal auskennen.

Auch Herr Schmalzl kommt zu dem Ergebnis:

„Man hätte der einen oder anderen Verbindung
mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Es gab

Verbindungen, Leute kamen aus den neuen Län-

dern und wieder zurück – im Bereich „geistige
Brandstifter“. Aus heutiger Sicht muss man hier
zwingend den Austausch zwischen den Ämtern

verbessern“ (29. Sitzung am 13.09.2012 – Zeu-
genvernehmung Schmalzl, S. 110).

Laut Herrn Rannacher gab es zwischen den Sicherheits-

behörden innerhalb Baden-Württembergs beim Austausch

zwischen LfV und LKA, trotz allgemeiner Abstimmung

über V-Leute, „natürlich eine gewisse Konkurrenzsituati-
on“ (65. Sitzung am 18.04.2012 – Zeugenvernehmung
Rannacher, S. 53).

Aus Sicht der FDP muss der Informationsfluss zwischen

den LfV erheblich verbessert werden. Die LfV müssen

besser über die Aktivitäten anderer LfV informiert wer-

den. Besonders wichtig dabei ist, dass Erkenntnisse, die

von verschiedenen Quellen in einem Land gewonnen

werden, ausgetauscht und den anderen Bundesländern zur

Verfügung gestellt werden. Eine Stärkung des Bundesam-

tes für Verfassungsschutz (BfV) in seiner koordinierenden

Rolle sollte geprüft werden. Es muss gesetzlich sicherge-

stellt werden, dass durch das BfV ein Gesamtbild erstellt

werden kann. Das bedeutet, dass Informationen zentral

zusammengeführt, analysiert und bewertet werden. Wei-

terhin ist eine Konzentration bzw. eine Zusammenlegung

von Landesverfassungsschutzämtern zu prüfen.

Außerdem fehlten Eigenerkenntnisse im Bereich Rechts-

extremismus. Laut Herrn Rannacher wurde das Gewalt-

potenzial erkannt, aber es gab keinen Hinweis auf rechts-

terroristische Strukturen. Die fehlende Bewertung der

Lage hatte auch damit zu tun, dass es „ausgesprochen
schwierig“ (65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Rannacher, S. 44) war, Erkenntnisse aus dem

Raum Ludwigsburg und Stuttgart zu bekommen. Das

hatte laut Herrn Rannacher mehrere Gründe:

„Aber bei unserer Situation im Land mit 330 Be-
amten oder Angestellten, nein, Bediensteten in al-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 945 – Drucksache 17/14600

len Bereichen mit erheblichen Schwerpunkten im

Islamismus und in anderen Sektoren rechnet man

sehr schnell runter: Das ist teilweise auch eine

Kräftesituation. Ich muss mich dazu bekennen:

Wir hatten dort keinen vernünftigen Zugang“
(65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenverneh-
mung Rannacher, S. 69).

Wie bereits seit langem von der FDP gefordert, dürfen

Länder nicht an der falschen Stelle sparen und Stellen im

Bereich der Sicherheit abbauen.

Für die FDP bleibt weiterhin ungeklärt, inwiefern Baden-

Württemberg als Weg in die Schweiz gedient hat, zum

Beispiel als Rechtsextremisten aus Sachsen in die

Schweiz gefahren sind, um Waffen zu besorgen. Auch die

rechtsextreme Gruppe „Furchtlos & Treu“ aus Baden-
Württemberg hatte Kontakte in die Schweiz und nach

Tschechien (65. Sitzung am 18. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Rück, S. 77).

IX.4. Fazit

Im Hinblick auf den Mordfall Kiesewetter bleiben die

meisten Fragen offen. Deutlich wurden aber erhebliche

Defizite in der Polizeiarbeit. Insbesondere ist zu kritisie-

ren, dass Behörden trotz gegenteiliger Hinweise an einmal

eingenommenen Positionen festhalten, und dass aus die-

ser Haltung Reibungsverluste, aber auch schlicht falsche

Ermittlungen resultierten. Vieles ist insbesondere in den

ersten Jahren nach dem Mord schiefgegangen. Allerdings

wurde im Untersuchungsausschuss nur der dritte Leiter

der Soko „Parkplatz“ (ab 2010) vernommen.

Die Motivation für den Mord an PVB Kiesewetter wie

auch die Verbindungen zwischen Thüringen und Baden-

Württemberg bleiben ungeklärt. Diese werden momentan

auch vom Generalbundesanwalt untersucht. Die These

des BKA, der NSU habe allein die Bekämpfung des Staa-

tes zum Ziel gehabt, ist nicht ausreichend belegt.

Die fehlende länderübergreifende Zusammenarbeit der

Sicherheitsbehörden, die fehlenden Eigenerkenntnisse im

Bereich Rechtsextremismus und die falschen Bewertun-

gen der Gefährlichkeit sind besorgniserregend und müs-

sen schnellstmöglich beseitigt werden.

Entscheidend sind daneben eine bessere Zusammenarbeit

und ein verbesserter Informationsfluss, in diesem Fall

insbesondere zwischen den Nachrichtendiensten. In Zu-

kunft sollte es Aufgabe des Bundesamts für Verfassungs-

schutz (BfV) sein, die LfV stärker zu koordinieren, damit

ein Gesamtbild der rechtsextremistischen Lage entstehen

kann.

Der Fall in Baden-Württemberg hat außerdem gezeigt,

dass es den Sicherheitsbehörden nicht an erhobenen Da-

ten, wohl aber an ausreichenden personellen Ressourcen

bei der Polizei zur Auswertung von erhobenen Daten

fehlt.

Die offenen Fragen sind Grund genug, den Untersu-

chungsausschuss auch in der nächsten Wahlperiode fort-

zusetzen.

X. BAO und Bayern

X.1. Die Ermittlungen

X.1.1. Organisationsstruktur

In der Mordserie wurde federführend ermittelt durch die

Besondere Aufbauorganisation (BAO) „Bosporus“ in
Bayern, eingerichtet durch das Polizeipräsidium Nürnberg

im Jahr 2005. Nach Auffassung der FDP lag ein entschei-

dender Fehler darin, dass, obwohl es 2004 und 2006 Ge-

spräche über eine mögliche Übernahme durch das Bun-

deskriminalamt (BKA) gab, lange der Ankerpunkt in

Nürnberg gesehen und auch deshalb die Chance vertan

wurde, eine zentrale Ermittlungsführung herbeizuführen.

Im Jahr 2004 gab es in Bayern Überlegungen, die Ermitt-

lungen an das BKA abzugeben. Diese wurden aber seitens

des BKA abgelehnt. Laut Wolfgang Geier, Leiter der

BAO „Bosporus“, lautete das Ergebnis einer Besprechung
zwischen allen betroffenen polizeilichen Dienststellen

beim BKA, „dass das Bundeskriminalamt die Übernahme
der Gesamtermittlungen ablehnte“, aber sog. ergänzende
strukturelle Ermittlungen aufnahm (12. Sitzung am

26. April 2012 – Zeugenvernehmung Geier, S. 86). Laut
BKA hat es nie ein förmliches Übernahmeersuchen von-

seiten Bayerns gegeben, außerdem wies das BKA darauf

hin, dass Mordermittlungen bei den zuständigen Polizei

und Staatsanwaltschaften zu lassen seien (19. Sitzung am

14. Juni 2012 – Zeugenvernehmung Falk, S. 3).

Im Jahr 2006 hingegen gab es seitens des BKA Interesse,

die Ermittlungen zu übernehmen. Daraufhin hat das BKA

ein Schreiben mit den festgestellten Defiziten bei den

dezentralen Ermittlungen an das Innenministerium ge-

schickt. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG hätte das BKA die

Ermittlungen übernehmen können, wenn der Bundesin-

nenminister dies anordnet. Vor allem das Land Bayern,

aber auch die anderen Länder waren gegen eine Über-

nahme, und der BKA-Vorschlag wurde in Folge dessen

höchstwahrscheinlich am Rande der Innenministerkonfe-

renz (IMK) in Garmisch-Partenkirchen im Mai 2006

abgelehnt. Auch der damalige bayrische Innenminister,

Dr. Günter Beckstein, wollte, dass die Ermittlungen feder-

führend in Bayern bleiben.

„Ich hätte es im Jahr 2006, als die Ermittlungen
äußert heiß gelaufen waren, für einen schweren

Fehler gehalten, im laufenden Galopp die Pferde

zu wechseln“ (17. Sitzung am 24. Mai 2012 –
Zeugenvernehmung Beckstein, S. 86).

Nur wenn die Pferde im laufenden Galopp in die falsche

Richtung laufen?

In seiner Vernehmung bezweifelte er auch die Fähigkeit

des BKA, die Ermittlungen zu leiten.

Auf der IMK wurde beschlossen, die Ermittlungen zentral

bei der BAO „Bosporus“ zu belassen und unter deren
Leitung eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe

zwischen allen Beteiligten einzurichten. Das Ziel war

nach der Diskussion über die Übernahme im Jahr 2006,

eine bessere Koordination zu erreichen und das BKA

besser einzubinden.

Drucksache 17/14600 – 946 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Diese Steuerungsgruppe hatte mit erheblichen Problemen

zu kämpfen, einerseits aufgrund unterschiedlicher Auffas-

sungen der Fallanalytiker und andererseits wegen fehlen-

der Weisungsbefugnisse. Ende 2009 entschied die Steue-

rungsgruppe, nur noch bei Bedarf zusammen zu kommen.

Probleme entsprangen zum Beispiel den unterschiedli-

chen Auffassungen der Steuerungsgruppenmitglieder zum

Thema Täterhintergrund. Das zeigte sich u. a. nach der

zweiten Operativen Fall Analyse (OFA) der BAO „Bos-
porus“ vom 9. Mai 2006: Die BAO „Bosporus“ wollte in
der Steuerungsgruppe die „Einzeltätertheorie“ bzw. die
Annahme, der Täter könne ein „Türkenhasser“ sein. Die
Erhebungen zur „Rechten Szene“ sind flankierend zu dem
Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ zu sehen (Vermerk zum
Ermittlungsansatz „Einzeltäter“ von KHK Pfister ohne
Datum, MAT _A_ GBA-4/5c, Bl. 8 f.), gleichrangig ne-

ben der „Organisationstheorie“, die organisierte Krimina-
lität als möglichen Tathintergrund sah. Bis dahin hatten

die Ermittlungen sich vor allem auf die „Organisations-
theorie“ konzentriert. In der Steuerungsgruppe konnten
die bayrischen Mitglieder jedoch für die „Einzeltätertheo-
rie“ keine Unterstützung beim BKA oder den anderen
Ländern finden, u. a. weil diesen ein Bekennerschreiben

fehlte. Daneben gab es weitere Gründe, z. B. lehnt das

LKA Hamburg nicht die 2. OFA ab, weil dort Nürnberg

als Ankerpunkt genannt wurde (Siehe X.I.3. „Konzentra-
tion auf dem Ermittlungsraum Nürnberg“). Die letztlich
mehrheitliche Ablehnung der 2. OFA führte wiederum zu

Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Medienstrategie.

BAO-Leiter Geier hat zusammenfassend gesagt:

„Natürlich halte ich eine zentrale Ermittlungsfüh-
rung in solchen Fällen für die bessere, egal sei es

durch das Bundeskriminalamt, sei es aber auch

durch eine Länderbehörde, die allerdings dann

auch ähnlich wie in § 4 des BKA-Gesetzes, ein

Weisungsrecht hat und keine großen Abstim-

mungsprobleme in Steuerungsgruppen machen

muss“ (12. Sitzung am 26.04.2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S. 21,22).

Als Konsequenz aus den gemachten Erfahrungen sollte

zukünftig bei länderübergreifenden Serien die Federfüh-

rung bei einer einzigen zuständigen Staatsanwaltschaft

bzw. Polizeibehörde liegen. Steuerungsgruppen erschei-

nen für die Aufklärung von länderübergreifenden Verbre-

chensserien ungeeignet, da die Zuständigkeiten nicht klar

geregelt sind, es innerhalb einer solchen Gruppe keine

Weisungsbefugnisse gibt, Ermittlungen letztlich darunter

leiden.

X.1.2. Die Auswertung der Daten und den Umgang mit

dem Datenschutz

Die BAO Bosporus hat insgesamt ca. 32 Millionen Mas-

sendaten

(12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenver-

nehmung Geier, S.4) erhoben, darunter Funkzellendaten,

Bankdaten, Daten von Autovermietern, Daten von Über-

nachtungen, Daten im Zusammenhang mit dem Straßen-

verkehr und Daten aus Polizeidateien, jeweils aus den

verschiedenen Tatortstätten. Die Massendaten wurden

allerdings nicht zeitnah und umfänglich ausgewertet,

sondern vielfach erst sehr spät oder gar nicht, was an der

Fülle von Informationen lag. Herr Geier erklärte in seiner

Vernehmung:

„Im Übrigen ist das Verhältnis von Datensiche-
rung und -aufbereitung zur tatsächlichen Auswer-

tung im Verhältnis von neun zu eins zu sehen, was

bedeutet, dass in der Regel die tatsächliche Aus-

wertung erst zwischen einem halben bis einem

dreiviertel Jahr später stattfinden konnte“ (12. Sit-
zung am 26. April 2012 – Zeugenvernehmung
Geier, S. 8).

Wie bereits im Teil „Baden-Württemberg“ erwähnt, ist es
unangemessen, eine Vorratsdatenspeicherung zu fordern,

wie häufig in der Politik und von Polizeigewerkschaften

artikuliert, ohne die Daten zu nutzen, die bereits zur Ver-

fügung stehen.

Die Massendatenerhebung in Bayern und die fehlende

Auswertung zeigen, dass die Erhebung von mehr Daten

nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen führt. Wie be-

reits seit Langem von der FDP gefordert, müssen die

Maßnahmen der Behörden erforderlich, geeignet und

verhältnismäßig sein, mit einer gewissen Sensibilität für

Datenschutz, gerade auch mit Blick auf effiziente und

zeitnahe Ermittlungen: Daten müssen umgehend ausge-

wertet werden! Nur so können Ermittlungen effektiv

geführt werden. Zusätzlich sollte sich die Haushaltsge-

setzgebung in den Ländern darauf konzentrieren, mehr

Personal und eine bessere Ausstattung zu gewährleisten,

statt lediglich mehr Daten zur Verfügung zu stellen.

Durch die Verwendung zweier unterschiedlicher Informa-

tionssysteme, INPOL im Fall „Česká“ vom BKA und
„Easy II“ in Bayern, wurde die Erfassung von Informati-
onen zusätzlich erschwert und verzögerte die Ermittlun-

gen. Anstelle einer Beteiligung am System des BKA,

welches allen Beteiligten zugänglich war, wurde 2005 mit

„Easy II“ ein eigenes System eingeführt. Das bedeutete,
dass die Daten doppelt, und zwar manuell in beide Syste-

me, eingepflegt werden mussten. Herr Geier hat bestätigt,

dass zwischen den Systemen Konkurrenz bestand

(12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenvernehmung
Geier, S. 34). Obwohl das BKA die Problematik im Jahr

2005 thematisiert hat, hielt die BAO „Bosporus“ unbe-
dingt am eigenen System fest (36. Sitzung am 25. Okto-

ber 2012 – Zeugenvernehmung Kindler, S. 85). Das Prob-
lem wurde erst im August/September 2007 gelöst, indem

eine Schnittstelle zu INPOL-Fall-Česká geschaffen wur-
de. Zu kritisieren ist, dass diese Lösung sehr spät kam und

in der Zwischenzeit ineffizient gearbeitet wurde.

X.1.3. Konzentration auf dem Ermittlungsraum „Nürn-
berg“

Die Ermittlungsarbeit in Bayern ist vor allem für das

lokale Denken trotz Kenntnis überregionaler Verbindun-

gen und Handlungsmöglichkeiten zu kritisieren. Geäußert

hat sich dies vor allem darin, dass selbst, nachdem bun-

desweit bereits neun Morde geschehen waren, am sog.

Ankerpunkt bzw. der örtlichen Schwerpunktsetzung

„Nürnberg“ festgehalten wurde. Ankerpunkt meint, dass
Nürnberg wichtiger Bezugspunkt für den oder die Täter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 947 – Drucksache 17/14600

ist, nicht zwingend als Wohnort, sondern evtl. auch als

Beschäftigungsort oder als Ort mit sozialer Bindung

(14. Sitzung am 10. Mai 2012 – Zeugenvernehmung
Horn, S. 47). Sowohl in der 2. OFA als auch in der Medi-

enstrategie im Jahr 2006 ist Ankerpunkt für die Ermitt-

lungen der BAO „Bosporus“ der Bereich Nürnberg.

Laut Zeugenaussagen basierte die Entscheidung haupt-

sächlich darauf, dass die meisten Morde in Bayern statt-

gefunden hatten. Diese Vermutung im Hinblick auf den

Ankerpunkt führte zu fehlgesteuerten Ermittlungshand-

lungen. Zum Beispiel wurden unnötiger Weise die Debit-

und Kreditkartendaten von Autobahnraststätten zwischen

den Tatortstädten und Nürnberg gesammelt, weil jeweils

davon ausgegangen wurde, dass der Täter nach Nürnberg

zurückkehrt (12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S. 8). Eine Panne war die Anfrage der

BAO „Bosporus“ an das LfV Bayern nach einer Liste der
Rechtsextremisten in Bayern. Abgesehen davon, dass die

Anfrage auf Bayern beschränkt war (tauglicher An-

sprechpartner wäre auch das BfV gewesen), hatte die

Anfrage das falsche Format und wurde erst sehr spät,

nach dem 9. Mord, gestellt. Die Fragestellung wurde

außerdem durch das LfV Bayern noch weiter, nämlich auf

den Raum Nürnberg, eingegrenzt.

Darüber hinaus unterblieb nach der BAO „Bosporus“-
Anfrage eine bundesweite Nachfrage vom LfV Bayern

bei den anderen LfV oder beim BfV, weil dafür keine

Veranlassung gesehen wurde.

Zukünftig darf nach Ermittlungen ohne heiße Spur nicht

mehr provinziell gedacht und gehandelt werden.

X.1.4. Rechtsextremer Hintergrund bis 2006

Bei den Ermittlungen in Bayern spielte bis 2006 ein mög-

licher rechtsextremer Hintergrund der Täter fast keine

Rolle. Bereits nach dem Mord an Enver Simsek am

12. September 2000 hatte der damalige bayerische In-

nenminister Dr. Beckstein den Verdacht, dass das Motiv

Fremdenfeindlichkeit sein könnte. Er sagte in seiner Ver-

nehmung im Untersuchungsausschuss:

„Wenn ein Türke oder ein Jude ermordet wird oder
ein türkisches Wohnheim angezündet wird, dann

ist natürlich meine allererste Vermutung: Frem-

denfeindlichkeit“ (17. Sitzung am 24. Mai 2012 –
Zeugenvernehmung Beckstein, S. 102).

Er hat nach seiner Aussage die BAO „Boporus“ darauf
hingewiesen, der Untersuchungsausschuss konnte aber bis

2006 fast nur Maßnahmen in Richtung „Organisations-
theorie“ und keine konkreten Maßnahmen oder Überle-
gungen der BAO „Bosporus“ in Richtung Rechtsextre-
mismus feststellen. Die BAO „Bosporus“ hätte diese
Überlegungen besser aufgreifen müssen.

Die Vorgängerin der BAO „Bosporus“, die Sonderkom-
mission (Soko) „Halbmond“, war davon ausgegangen,
dass es sich um Täter aus einem kriminellen Milieu han-

delt. Nur der Zeuge Vögeler, Sachbearbeiter der BAO

„Bosporus“, sagte aus, das Thema Rechtsextremismus sei
öfter diskutiert worden. Allerdings gibt es keine weiteren

Hinweise darauf, dass es bis zur 2. OFA im Jahr 2006

Überlegungen bezüglich eines rechtsextremen Hinter-

grunds der Täter gab. Dieser Umstand muss als tragisch

bezeichnet werden.

Die Soko „Halbmond“ wurde mangels Ermittlungserfolg
personell wieder zurückgefahren. Dieser bei aufwendigen

Ermittlungen häufiger zu beobachtende Ansatz, personell

zu wenig Konstanz zu wahren, ist falsch, weil Ermittlun-

gen zwangsläufig gebremst werden.

X.2. Zusammenarbeit zwischen den Behörden

Die FDP sieht im Bereich des Informationsaustauschs

zwischen den Sicherheitsbehörden erheblichen Verbesse-

rungsbedarf.

Insbesondere „der Austausch zwischen LfV Bayern und
BAO „Bosporus“ hätte besser sein können, vor allem
schneller“ (17. Sitzung am 24. Mai 2012 – Zeugenver-
nehmung Beckstein, S. 77) sagte der Zeuge Beckstein in

seiner Vernehmung. Wie bereits oben erwähnt, hat die

BAO „Bosporus“ Anfang Juli 2006 das LfV Bayern kon-
taktiert, um eine Liste der Rechtsextremisten in Bayern zu

bekommen. Aus Quellenschutzgründen und weil die An-

frage zu unkonkret und nicht in der richtigen Form ge-

stellt wurde, wurde sie zunächst abgelehnt (12. Sitzung

am 26. April 2012 – Zeugenvernehmung Geier, S. 9). Der
ehemalige Präsident des Bayerischen LfV, Dr. Wolfgang

Weber, hat dazu erklärt, dies habe mit den rechtlichen

Grenzen des im Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes

verankerten Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu tun ge-

habt – die Daten aller Rechtsextremisten in Bayern konn-
ten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht übermittelt

werden (17. Sitzung am 24. Mai 2012 – Zeugenverneh-
mung Weber, S. 156). Erst nach mehreren Telefonaten

und weiteren Anträgen wurde im März 2007, fast sieben

Jahre nach dem ersten Mord, eine Liste der im Raum

Nürnberg ansässigen Rechtsextremisten an die BAO

„Bosporus“ übermittelt.

Die FDP erachtet diese Mängel in der Zusammenarbeit

als besonders bedauerlich. Das Trennungsgebot darf nicht

in Frage gestellt werden, allerdings ist eine gute Zusam-

menarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht

gleichbedeutend mit einer Vermischung von polizeilicher

und nachrichtendienstlicher Kompetenz. Ein sinnvoller

und vertrauensvoller Austausch zwischen Verfassungs-

schutz und Polizei muss stattfinden können, sonst fehlt es

den gesammelten Informationen des Verfassungsschutzes

an Mehrwert, und die Polizei kann weniger effektive

Arbeit leisten. Die Ermittlungen in Bayern zeigen, dass

oftmals Informationen vorhanden sind, aber ein Misstrau-

en der Behörden untereinander, Unsicherheit über die

Befugnisse zur Zusammenarbeit, teilweise Vorurteile und

unklare gesetzliche Regelungen zu einer unnötigen Ver-

zögerung und Erschwerung der Aufklärung führen. Vor

allem sind die Kommunikationswege klar zu definieren

und zu optimieren.

X.2.1. Medienstrategie

Nach der 2. OFA wurde entschieden, in der Öffentlichkeit

keinen Hinweis auf einen rechtsextremistischen Hinter-

grund zu kommunizieren. Die Medienstrategie des OFA

Bayern 2006 führt aus:

Drucksache 17/14600 – 948 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Aufgrund der Tatsache, dass manche Elemente
des Täterprofils mit einem stärkeren Unsicher-

heitsfaktor belegt sind, werden diese im Rahmen

der Medienstrategie vernachlässigt. […] Eine
denkbare Nähe zur rechten Szene ist vorstellbar,

jedoch nicht Voraussetzung für die Taten, daher

soll dies im Beitrag auch mit entsprechend gerin-

ger Priorität platziert werden, da vermutlich die

Persönlichkeitsstruktur des Täters der ausschlag-

gebende Faktor ist und die fremdenfeindliche Ge-

sinnung lediglich als Vehikel fungiert und der Ab-

lehnung eine Richtung gibt“ (MAT_A _BKA –
2/22, Bl. 143, 147 ff.).

Auch die Fahndungswebsite wurde ohne Hinweis auf eine

Verbindung zum Rechtsextremismus eingerichtet. Herr

Geier erklärte, sie hätten in Absprache mit dem Innenmi-

nisterium in Bayern entschieden,

„die Ermittlungen intern [zu] machen; aber wir
tragen sie nicht in dieser Eindeutigkeit nach au-

ßen“ (12. Sitzung am 26. April 2012 – Zeugenver-
nehmung Geier, S. 23),

um eine „mögliche Hysterie im Bereich der türkischen
Kleingewerbetreibenden“ (12. Sitzung am 26. April 2012
– Zeugenvernehmung Geier, S. 50) zu vermeiden. Herr
Beckstein erläuterte in seiner Vernehmung, dass

„die Einzeltätertheorie sensibel ist, und deswegen
muss man überlegen, wie man das der türkischen

Community kommuniziert, dass man nicht nur

Hysterie und nicht Anschlusstaten provoziert“ (17.
Sitzung am 24. Mai 2012 – Zeugenvernehmung
Beckstein, S. 81).

Er sagte vor dem Untersuchungsausschuss außerdem, er

habe beim Zustandekommen der Medienstrategie keine

Weisungen erteilt.

Das in Ermittlerkreisen angeführte Argument, die „Ein-
zeltätertheorie“ sei nur eine Hypothese gewesen, entfällt,
weil für die Organisationstheorie das gleich galt. Richtig

wäre gewesen, nach außen eine möglichst große Transpa-

renz zu wahren.

X.3. Fazit

In Zukunft ist vor allem sicher zu stellen, dass bei bun-

desweiten Ermittlungen ein Gesamtbild geschaffen wird

und dass es eine klare Federführung gibt.

Für eine bessere Kooperation unter den Behörden werden

hingegen keine neuen Gesetze, sondern mehr Vertrauen,

weniger Egoismus und Bürokratie sowie klare Kommuni-

kationswege, benötigt.

XI. Anschläge in Köln

XI.1. Anschlag in der Probsteigasse (Stollendose)

XI.1.1. Zusammenfassung der Ereignisse

Kurz vor Weihnachten des Jahres 2000 betrat ein junger

Mann das Lebensmittelgeschäft der Familie M. in der

Kölner Probsteigasse. Der junge Mann hatte einen Korb

bei sich, in dem unter anderem eine Stollendose lag. Er

gab vor, etwas in dem Lebensmittelgeschäft kaufen zu

wollen und stellte fest, dass er nicht genügend Geld bei

sich habe. Er ließ den Korb im Laden zurück und sagte in

akzentfreiem Hochdeutsch, dass er sein Geld zu Hause

vergessen habe und dies holen wolle. Der junge Mann

kam nicht mehr zurück. Der Korb blieb im Laden und

wurde über die Weihnachtsfeiertage in den hinteren Räu-

men verwahrt. Am 19. Januar 2001 öffnete die Tochter

des Ladenbesitzers die Stollendose, die sich im Korb

befand. Dabei löste Sie die Explosion einer Bombe aus.

Die junge Frau erlitt bei der Explosion schwerste Verlet-

zungen. Zudem entstand erheblicher Sachschaden im

Geschäft (Abschlussbericht S. 725 f.).

XI.1.2. Ermittlungsarbeit

Zunächst wurde im Umfeld der Familie ermittelt. Die

Zeugenvernehmungen, die die Polizei hierbei zum Tat-

hergang vornahm, wurden nach uns vorliegenden Unter-

lagen allein unter Berücksichtigung des Tatvorwurf

„Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“, § 308 StGB
durchgeführt (z. B.: Zeugenvernehmung von D. M. (Vater

des Opfers), MAT A GBA-4-8a, Blatt 24). Ebenso wurde

auch nur § 308 StGB für die Begründung einer Telefon-

überwachung der Familie heran gezogen. Die Ermittler

hofften, dass sich die oder der Täter bei der Familie mel-

den würde (MAT A GBA-4-8a, Blatt 90 f.) Körperverlet-

zungs- bzw. versuchte Tötungsdelikte spielten hierbei

keinerlei Rolle, obwohl das Opfer schwere Brandverlet-

zungen bei der Explosion der Bombe erlitt.

Nach fünf Monaten ergebnisloser Ermittlungsarbeit wur-

den die Ermittlungen vorläufig eingestellt und wenige

Monate später erfolgte ihre endgültige Einstellung.

Im Zusammenhang mit der Einstellungsverfügung wurde

ein Wiedervorlagetermin für den Januar 2006 verfügt. Bis

zum Januar 2006 ergaben sich keine weiteren Hinweise

für eine erneute Aufnahme der Ermittlungsarbeit. Im

Januar 2006 wurden die Asservate zum Anschlag in der

Probsteigasse auf Weisung eines Kölner Staatsanwalts

ohne nähere Begründung vernichtet. Warum eine Ver-

nichtung der Asservate, trotz einer Verjährungsfrist von

20 Jahren (§ 308 StGB i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 2. StGB),

schon nach fünf Jahren angeordnet wurde, konnte der

Untersuchungsausschuss nicht klären.

Im Rahmen der Arbeit im Untersuchungsausschuss wurde

der Frage nachgegangen, ob es ein Versäumnis der dama-

ligen Ermittlungen war, nicht in Richtung rechtsextreme

Gewalt zu ermitteln. Der Zeuge Kriminalhauptkommissar

a.D. Edgar Mittler führte dazu aus, dass es zwar bekannt

gewesen sei, dass die rechtextreme Szene eine Affinität

zu Sprengstoff gehabt habe, dass es diesbezüglich aber in

Köln nie einen Vorfall gegeben habe (Mittler, Protokoll-

Nr. 22, S. 16-18). Aus Sicht des Ermittlers hatte man

somit keinen „Anfasser“ im Kölner Bereich bezüglich
rechtsextremer Gewalt und ermittelte aus diesem Grund

nicht in diesem Bereich.

XI.1.2.1. Einbindung Staatsschutz und Verfassungsschutz

in die Ermittlungsarbeit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 949 – Drucksache 17/14600

Wie der Ausschuss im Rahmen der Befragung des damals

zuständigen Ermittlers der Kölner Polizei Edgar Mittler

erfuhr, gehört es zum ermittlungstechnischen Standard,

dass bei jedem Sprengstoffanschlag der Staatsschutz eine

Zweitakte bekommt, um eigenständig eine Bewertung

bezüglich eines politischen Hintergrundes der Tat abzu-

geben. Wie der Zeuge vor dem Ausschuss ausführte, war

es Aufgabe des Kölner Staatsschutzes Erkundigungen

beim Verfassungsschutz einzuholen (vgl. hierzu RdErl. d.

Innenministeriums v. 3. Mai 2004 „Organisation der
Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen“,
Anlage 4 Nr. 6 „Ansprechstelle für Verbindungen zu
Nachrichtendiensten“).

Das Kriminalkommissariat pflegte selber keine Kontakte

zu den Verfassungsschützern so der Zeuge Mittler (Mitt-

ler, Protokoll-Nr. 22, S. 3).

Entsprechend den Regelungen zur Zusammenarbeit von

Polizei und Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen ist

es zwar richtig, dass die Kriminalpolizei keinen direkten

Kontakt zum Verfassungsschutz hatte und der Kontakt

nur über den Staatsschutz lief. Allerdings kann man

durchaus die Frage stellen, ob diese Arbeitsteilung sinn-

voll ist. Bei einem direkten Kontakt ist ein Gedankenaus-

tausch intensiver und neue Erkenntnisse im Rahmen der

Ermittlungsarbeit können schneller ausgetauscht werden.

Somit besteht nicht die Gefahr, dass wichtige Informatio-

nen durch den indirekten Kontakt verloren gehen.

Aufgrund der vorgelegten Zweitakte informierte der

Staatsschutz der Kölner Polizei die ermittelnden Beamten

darüber, dass keinerlei Erkenntnisse für einen politischen

Hintergrund der Tat vorlägen und der Staatsschutz des-

halb den Fall nicht übernehmen würde. Wie der Staats-

schutz im Rahmen seiner Ermittlungen vorging und wie

er dabei den Kontakt zum Verfassungsschutz suchte,

konnte der Zeuge Mittler dem Ausschuss nicht mitteilen

(Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 3 f.). Rückfragen bezüglich

der Anfrage stellten die Kölner Ermittler nicht.

Der Verfassungsschutz NRW wurde zumindest nicht in

die Ermittlungsarbeit eingebunden. Der damalige Leiter

der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium

Möller begründete dies damit, dass sowohl die Kölner

Polizei als auch das LKA NRW den Anschlag nicht als

politisch motiviert bewertete. Vielmehr ging man von

einem kriminellen Hintergrund aus (Möller, Protokoll-

Nr. 31, S. 12).

Wie der Zeuge Mittler in seiner Vernehmung vor dem

Ausschuss aussagte, fragte der Kölner Staatsschutz das

Bundesamt für Verfassungsschutz zu möglichen Hinwei-

sen was den Bombenanschlag und die Opfer anging ab

(Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 4f.). Im Rahmen der Ver-

nehmung des Zeugen Mittler haben sich keine Hinweise

ergeben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ir-

gendwelche Hinweise zu einem politischen oder rechts-

extremistischen Anschlag hatte. Ebenso haben sich keine

Hinweise aus den Akten des Ausschusses ergeben.

XI.1.2.2. Hinweise auf einen politischen Hintergrund

Wie der Zeuge Mittler gegenüber dem Ausschuss aussag-

te, hatte er im Rahmen der Ermittlungen mit dem Besitzer

des Ladens in der Kölner Probsteigasse gesprochen und

dabei erfahren, dass dieser und dessen Vater dem Schah

sehr nahe gestanden hatten und er deshalb den Iran ver-

lassen musste. (Mittler, Protokoll-Nr. 22, S. 7).

Daher hatten die damaligen Ermittler zumindest die Idee,

dass unter Umständen der iranische Geheimdienst hinter

dem Anschlag stecken könnte. Allerdings gab es keine

weiteren Hinweise, die diese Theorie erhärteten.

Einen ausländerfeindlichen Anschlag schloss der Fami-

lienvater selber kategorisch aus (Nachvernehmung D. M.

vom 1. Februar 2002, MAT A GBA-4/8a, Bl. 194-199

bzw. Bl. 205-210).

XI.1.2.3. Auswertung Tatmittelmeldedienst

Wie der Zeuge Mittler im Rahmen seiner Aussage vor

dem Untersuchungsausschuss mitteilte, hat es eine Abfra-

ge beim Tatmittelmeldedienst gegeben (Mittler, Proto-

koll-Nr. 22, S. 22; siehe auch MAT A NW 6a, 28f). Für

den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen gab es drei

Hinweise, die allerdings alle nicht zielführend waren.

XI.1.3. Bewertung

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen „Probsteigasse“
spielte einzig der strafrechtliche Vorwurf der Herbeifüh-

rung einer Sprengstoffexplosion, § 308 StGB, eine Rolle.

Körperverletzungsdelikte oder gar Tötungsdelikte schei-

nen, nach den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden

Unterlagen, keine Berücksichtigung gefunden zu haben.

Die damals verfügte Anordnung zur Vernichtung der

Asservate schon nach fünf Jahren, trotz einer Verjäh-

rungsfrist von 20 Jahren (§ 308 StGB i.V.m. § 78 Abs. 3

Nr. 2. StGB), ist nicht nachvollziehbar. Mit dieser Ver-

nichtung gingen wichtige Beweismittel, die unter Um-

ständen im Rahmen der Ermittlungen des Anschlags in

der Keupstraße und im Prozess gegen den NSU vor dem

Oberlandesgericht München eine wichtige Rolle hätten

spielen können, unwiederbringlich verloren.

Die Nichtberücksichtigung der gesetzlichen Verjährungs-

frist ist der Hauptkritikpunkt, der an die Kölner Staatsan-

waltschaft gerichtet werden muss.

Im Zusammenhang mit der Aussage des Ladenbesitzers,

der einen ausländerfeindlichen Anschlag ausschloss,

bleibt festzuhalten, dass eine solche Aussage sicherlich

bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit Berücksichtigung

finden kann. Allerdings ist es falsch, die Ermittlungsarbeit

von einer solchen Aussage abhängig zu machen. Opfer

einer Straftat können oft den gesamten Tatkomplex nicht

überblicken und so eine vollständig richtige Bewertung

der Tat vornehmen.

Wie bereits angesprochen, ist die Scharnierfunktion, die

der Staatsschutz zwischen Polizei und Verfassungsschutz

wahrnimmt, zu überprüfen. Hierbei ist das Trennungsge-

bot zu berücksichtigen. Allerdings bergen Institutionen,

die dem Austausch zwischen zwei Abteilungen bzw.

Behörden dienen die Gefahr, dass wichtige Informationen

verloren gehen. Zudem erlaubt es der direkte Kontakt,

dass Verfassungsschutz und Polizei ein besseres Ver-

ständnis für die Arbeit der anderen Seite entwickeln. Dies

Drucksache 17/14600 – 950 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dient einer gedeihlichen – wenn auch separierten – Zu-
sammenarbeit der Sicherheitsbehörden.

Abschließend sei noch erwähnt, dass das Argument der

Kölner Ermittler, dass es noch nie einen Bombenanschlag

mit einem rechtsextremen Bezug in Köln gab und man

somit keinen richtigen Anfasser für Ermittlungen in der

rechtsextremen Kölner Szene gehabt hätte, nicht greift.

Angesichts der Mobilität im 21. Jahrhundert ist es zu

provinziell gedacht, sich auf Stadt- oder Ländergrenzen

zu fokussieren.

XI.2. Anschlag in der Keupstraße (Nagelbombe)

XI. 2.1. Zusammenfassung der Ereignisse

Am 9. Juni 2004 wurde in der Kölner Keupstraße gegen

15.56 Uhr ein Nagelbombenanschlag verübt. Die Nagel-

bombe war an einem Fahrrad angebracht, welches vor

einem Friseursalon abgestellt wurde. Die Keupstraße ist

bekannt dafür, dass dort ein sehr hoher Anteil von türki-

schen Migranten wohnt bzw. dort Geschäfte hat. Die

Zündung der Bombe erfolgte über eine Fernbedienung.

Bei diesem Anschlag kam niemand zu Tode. Insgesamt

gab es 22 zum Teil schwer verletzte Personen, es entstand

ein erheblicher Sachschaden.

XI.2.2. Handeln der zuständigen Innenminister auf Lan-

des- und Bundesebene

Neben der Frage, ob es Fehler bei der Ermittlungsarbeit

gab, ist der Ausschuss der Frage nachgegangen, ob dem

damals zuständigen Innenminister in Nordrhein-

Westfalen, Dr. Fritz Behrens und dem damaligen Bundes-

innenminister, Otto Schily, Fehler im Rahmen ihrer Zu-

ständigkeiten vorzuwerfen sind.

XI.2.2.1. Information des Landesinnenministers

Nordrhein-Westfalen und erste Reaktion des Ministers

Zur Zeit des Bombenanschlags war Dr. Fritz Behrens

Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Das Büro von

Landesminister (LM) Behrens wurde um 17.25 Uhr über

den Anschlag infomiert. Wo sich der Minister zu diesem

Zeitpunkt aufhielt, konnte Minister Behrens nicht mehr

mit Sicherheit sagen. Entsprechend den Unterlagen des

Lagezentrums war dieser in seinem Privathaus. (Behrens,

Protokoll-Nr. 41, S.4). Um 17.30 Uhr rief ein Mitarbeiter

aus dem Büro des Ministers das Lagezentrum an und bat

um Informationsweitergabe und um Information der Ab-

teilung 6 (Verfassungsschutzabteilung im Innenministeri-

um in Nordrhein-Westfalen). Um 18.44 Uhr teilte das

Ministerbüro dem Lagezentrum mit, dass Presseanfragen

an das Polizeipräsidium Köln zu verweisen seien. Minis-

ter Behrens ist weder am Abend des Anschlagtages noch

in den folgenden Wochen in die Kölner Keupstraße ge-

fahren, um sich persönlich ein Bild vom Anschlagsort zu

machen.

XI.2.2.2. Weiteres Verhalten des Ministers

Das weitere Verhalten von Dr. Behrens im Rahmen der

Ermittlungsarbeit ist im Großen und Ganzen widersprüch-

lich geblieben. So erklärte Dr. Behrens zwar im Aus-

schuss:

„Wenn man darüber informiert wird, dann bittet
man als Erstes darum, weiter informiert gehalten

zu werden, wenn es weitere Erkenntnisse gibt.“
(Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 7)

Allerdings gibt es keinerlei Aufzeichnungen darüber, was

Dr. Behrens wann tat und wie er sich über den Stand der

Dinge auf dem Laufenden hielt. Dr. Behrens begründete

diese fehlenden Aufzeichnungen bzw. Gesprächsproto-

kolle mit seinem eher „kommunikativen Führungsstil“,
den er sich im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit unter

anderem als Behördenleiter angewöhnt habe (Behrens,

Protokoll-Nr. 41, S. 48). Ebenso blieb im Unklaren, ob

sich der ehemalige Innenminister jemals Gedanken dazu

gemacht hatte, ob der Anschlag einen rechtsextremisti-

schen Hintergrund haben könnte. Auf die Frage des Aus-

schusses, ob er sich seinerzeit diese Gedanken gemacht

habe, antwortete der Zeuge Dr. Behrens:

„Ganz sicher, ja. Ich habe jetzt keine konkreten Er-
innerungen an irgendein Gespräch. Aber ganz si-

cher hat dieses Ereignis unsere ganze Arbeit in den

darauffolgenden Woche und Monaten intensiv

auch beeinflusst und immer wieder zu Nachfragen

geführt.“

Aber auch hierzu gibt es keinerlei Aufzeichnungen in den

Akten des Untersuchungsausschusses.

XI.2.2.3. Unterrichtung des Ministerpräsidenten

Der damalige Innenminister Dr. Behrens konnte sich im

Rahmen seiner Zeugenvernehmung auch nicht mehr daran

erinnern, ob er dem damaligen Ministerpräsidenten des

Landes NRW, Peer Steinbrück, im Zusammenhang mit

dem Nagelbombenanschlag Bericht erstattete und ob man

in diesem Zusammenhang je miteinander gesprochen

hatte. Im Rahmen seiner Zeugenvernehmung sagte Dr.

Behrens allerdings aus, dass dies das übliche Prozedere in

solchen Fällen gewesen sei (Behrens, Protokoll-Nr. 41,

S. 12). Schriftliche Aufzeichnungen fehlen hierzu.

Inwieweit sich der damalige Ministerpräsident des Landes

Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück selber um Informa-

tionen zu dem Anschlag kümmerte, konnte der Untersu-

chungsausschuss nicht klären. Hinweise auf ein derartiges

Verhalten wurden nicht gefunden.

XI.2.2.4. Verhalten des ehemaligen Ministers gegenüber

den Opfern

Der damalige Landesinnenminister Dr. Behrens ver-

schaffte sich kein eigenständiges Bild im Rahmen eines

Tatortbesuchs. Auch suchte er keinen Kontakt mit den

Opfern des Anschlags. Welche Gründe den damaligen

Innenminister bewogen haben nicht nach Köln zu fahren,

um sich vor Ort ein eigenes Bild vom Anschlag zu ma-

chen, konnte er nicht sagen. Ob diese Entscheidung even-

tuell mit seinem Urlaub (vom Mittwoch, dem 9. Juni 2004

(nachmittags), bis Montag, dem 14. Juni 2004, einschließ-

lich) (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 3) zur Zeit des An-

schlags im Zusammenhang stand, konnte der Ausschuss

trotz längerer Diskussion mit dem Zeugen Dr. Behrens im

Rahmen der Zeugenvernehmung nicht klären. Der Zeuge

Dr. Behrens sprach im Zusammenhang mit seinem Urlaub

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 951 – Drucksache 17/14600

auch nicht von einem Erholungsurlaub, sondern von ei-

nem Arbeitsurlaub. Er nutzte die Urlaubstage, um im

nahen Umfeld von Düsseldorf einen Umzug durchzufüh-

ren (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 9).

Ebenso nutzte Dr. Behrens nicht die Chance eines Tatort-

besuchs, als der damalige türkische Botschafter, Mehmet

Ali İrtemçelik nach Köln fuhr, um sich vor Ort in der
Keupstraße ein eigenes Bild zu machen. Dr. Behrens

begründete dies im Untersuchungsausschuss damit, dass

man ihn nicht gefragt hatte, ob er mitkommen wolle.

Zudem wäre eine solche Verfahrensweise ungewöhnlich

gewesen, da für Botschafter die Bundesebene zuständig

sei (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 42). Schlussendlich

müsse man von Fall zu Fall abwägen, da es „die Gefahr
einer Art Sensationstourismus“ gebe, den „auch ein Mi-
nister oder Ministerpräsident auslösen kann“ (Behrens,
Protokoll-Nr. 41, S. 50).

Im Rahmen der Vernehmung wurde auch bekannt, dass

türkische Konsuln den Tatort in der Keupstraße besuch-

ten. Inwieweit Zeugen Dr. Behrens dies wusste, konnte

im Ausschuss nicht geklärt werden. Zu einem gemeinsa-

men Gesuch der Keupstraße ist es zumindest nicht ge-

kommen (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 59).

XI.2.2.5. Öffentliche Äußerungen des Ministers

In wieweit sich Dr. Behrens im Zusammenhang mit dem

Anschlag in Köln gegenüber den Medien äußerte, konnte

der Untersuchungsausschuss nicht zweifelsfrei klären.

Zwar gab es Berichte in den Medien hierzu – so zum
Beispiel im Kölner Stadtanzeiger vom 12. April 2004 –
dass Dr. Behrens sich zusammen mit dem damaligen

Bundesinnenmister Otto Schily dahingehend geäußert

habe, dass ein politisches oder fremdenfeindliches Motiv

im Zusammenhang mit dem Anschlag auszuschließen sei.

Der Zeuge Dr. Behrens führte dazu aus, dass diese Be-

richte falsch waren und die Pressestelle des Innenministe-

riums Nordrhein-Westfalen bis heute in diesem Zusam-

menhang Dementis herausgebe. Dennoch würde in den

Medien immer wieder über diese falschen Äußerung

berichtet (Behrens, Protokoll-Nr. 41, S. 27). Die vom

ehemaligen Innenminister des Landes Nordrhein-

Westfalen erwähnten Dementis waren in den Akten, die

dem Untersuchungsausschuss vorlagen, nicht zu finden.

Der Zeuge legte sie bei seiner Vernehmung nicht vor und

reichte sie auch nicht nach.

Zudem, so betonte er, sei er im Urlaub gewesen und hatte

daher keinen Kontakt zur Öffentlichkeit. Außerdem sei er,

auch bei vergleichbaren ähnlichen Ereignissen, immer

sehr zurückhaltend mit öffentlichen Äußerungen gewesen

(Behrens, Protokoll-Nr. 41, S.4).

XI.2.2.6. Bewertung des Verhaltens des ehemaligen Lan-

desinnenministers Dr. Behrens

In allen Akten, die dem Untersuchungsausschuss vorla-

gen, findet sich kein einziges Indiz dafür, dass der dama-

lige Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen ein

besonderes Interesse am Bombenanschlag in der Kölner

Keupstraße hatte. Ebenso fanden sich keine Hinweise, die

die Aussagen von Herrn Dr. Behrens vor dem Untersu-

chungsausschuss, er hat sich interessiert, bestätigen, dass

er sich für den Anschlag in Köln interessierte. Im Ergeb-

nis zeigt das Verhalten des ehemaligen nordrhein-

westfälischen Innenministers wenig Problembewusstsein.

Die Tat, die Täter, aber vor allem die Opfer scheinen ihn

nicht im geringsten interessiert zu haben. Dies zeigt allein

seine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss, dass aus

seiner Sicht die Gefahr bestünde, dass ein Besuch eines

Ministers bei einem Tatort eine „Art Sensationstouris-
mus“ auslösen könnte. Das Opfer eines solchen An-
schlags in einer solchen Situation auch Zuspruch brau-

chen, scheint Herrn Dr. Behrens bis zum heutigen Tag in

keiner Weise bewusst zu sein. Auch der Besuch des da-

maligen Botschafters der Türkei in der Keupstraße hat bei

Herrn Dr. Behrens keinen Sinneswandel herbeigeführt.

Neben dem Verhalten, welches Dr. Behrens gegenüber

den Opfern des Bombenanschlags an den Tag legte, ist

auch die Frage der Unterrichtung des damaligen Minis-

terpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück,

problematisch. Ein Bombenanschlag wie in der Kölner

Keupstraße ist nicht alltäglich und müsste eigentlich zu

einem Austausch zwischen dem zuständigen Landesin-

nenminister und dem Ministerpräsidenten führen. Aller-

dings gibt es auch in diesem Fall keinerlei schriftlichen

Hinweise auf einen Kontakt zwischen dem damaligen

Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Landesinnenmi-

nister Dr. Fritz Behrens. Dies alles zeugt von einer Ma-

ximalen Gleichgültigkeit gegenüber den Amtspflichten

als damals zuständiger Innenminister.

XI.2.3. Handeln des Bundesinnenministers Otto Schily

XI.2.3.1. Wie wurde der Bundesinnenminister über den

Anschlag in Kenntnis gesetzt

Am späten Nachmittag/frühen Abend des Tages, an dem

der Anschlag in Köln verübt wurde, wurde das Bundesin-

nenministerium durch zwei E-Mails über den Anschlag in

Kenntnis gesetzt. Am 11. Juni wurde durch das Referat

P II 5 des Bundesinnenministeriums eine Vorlage mit

aktuellen Informationen zur Ermittlungsarbeit rund um

den Anschlag in der Kölner Keupstraße für den damaligen

Bundesinnenminister Otto Schily zur Unterrichtung gefer-

tigt. Allerdings hat diese Ministervorlage Otto Schily nie

erreicht. Auf Abteilungsleitereben war damals entschie-

den worden, dass der Vorgang bekannt sei und somit dem

Minister nicht vorgelegt werden müsste (Ministervorlage

vom 11. Juni 2004, BMI-4/57e, Bl. 95-98). Otto Schily

erklärte diesen Vorgang bei seiner Zeugenvernehmung

damit, dass im Bundesinnenministerium die Tendenz

bestehe nicht alles an den Minister herankommen zu

lassen. (Schily, Protokoll-Nr. 60, S.70)

XI.2.3.2. Reaktion des Ministers

Der ehemalige Minister äußerte sich dann am 16. Juni

2004 im Rahmen eines Wirtschaftsdialogs erstmals öf-

fentlich zu dem Bombenanschlag. Schily sagte unter ande-

rem, dass derzeit keinerlei Anhaltspunkte für einen terro-

ristischen oder fremdenfeindlichen Anschlag vorliegen

würden.

XI.2.3.3. Kontakt bzw. Besprechung von Bundesminister

Schily mit Landesminister Dr. Behrens

Drucksache 17/14600 – 952 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Rahmen der Aussagen der Zeugen Schily und

Dr. Behrens vor dem Untersuchungsausschuss konnte

nicht geklärt werden, ob sich die beiden Minister in den

Tagen nach dem Anschlag über den Bombenanschlag

telefonisch ausgetauscht haben. Der Zeuge Dr. Behrens

sagte dazu aus:

„Das wird so gewesen sein. Ich weiß nicht mehr,
wann und wo. Aber mit Otto Schily, der damals

das Bundesinnenministerium geleitet hat, habe ich

in solchen Situationen immer Kontakt gehabt. Das

liegt ja auf der Hand, wenn so etwas geschieht.“

Der Zeuge Schily konnte sich im Untersuchungsausschuss

an ein solches Gespräch allerdings nicht erinnern, konnte

es aber auch nicht ausschließen (Schily, Protokoll-Nr. 60,

S. 33).

XI.2.3.4. Weitere Befassung Schilys mit dem Anschlag

Schily sagte im Ausschuss aus, dass er nicht erwogen

habe, den Tatort in Köln zu besuchen (Schily, Protokoll-

Nr. 60, S. 44). Er fügte noch hinzu, dass er in seiner

Amtszeit nicht häufig bei solchen Ereignissen gewesen

sei (Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 51).

Konkret konnte sich Schily nicht an eine weitere Befas-

sung mit dem Anschlag erinnern. Er fügte hinzu, wenn in

alle Richtungen ermittelt werde, müsse man darauf ver-

trauen, dass die Ermittlungsbehörden zu den richtigen

Ergebnissen kämen (Schily, Protokoll-Nr. 60, S. 78).

XI.2.3.5. Bewertung des Verhaltens des ehemaligen des

ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily

Bundesinnenminister Otto Schily zeigte ebenfalls wenig

Interesse an dem Anschlag in der Kölner Keupstraße.

Dies mag zwar aus formellen Gründen richtig sein, zu-

ständig war Landesinnenminister Dr. Behrens. Allerdings

muss man berücksichtigen, dass der Anschlag in Köln

aufgrund seiner Dimension von besonderer Tragweite

war. Daher wäre ein größeres Engagement auf jeden Fall

angezeigt gewesen, zumal er sich der Sache öffentlich

geäußert hatte und so den Anschein erweckte, er kümme-

re sich. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, gerade im

Zusammenhang mit der öffentlichen Äußerung des Minis-

ters, dass Schily für mehr Aktivitäten in Richtung Aufklä-

rung in seinem ministeriellen Geschäftsbereich sorgte.

XI.3. Fazit

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass im Fall des Kölner

Nagelbombenanschlags sich keiner der damals zuständi-

gen Innenminister (auf Bundes- und Landesebene) ernst-

haft mit dem Anschlag und seiner Aufklärung befasst hat.

Dies ist schon allein deshalb unfassbar, da Bombenan-

schläge wie in der Kölner Keupstraße nicht häufig in der

Bundesrepublik vorkommen.

Sicherlich kann ein einzelner Minister nicht persönlich

die Aufklärung eines solchen Falles betreiben, allerdings

kann er den Focus auf einen solchen Anschlag lenken und

damit die Aufklärungsarbeit, gerade auch durch seine

Beamten vorantreiben. Mit einem Besuch am Tatort

drückt man den Betroffenen sein Mitgefühl aus und kann

bei Gesprächen zumindest ansatzweise Trost spenden. Ein

solcher Besuch vor Ort hat nichts mit Sensationstouris-

mus zu tun, den Dr. Behrens angeblich fürchtete, mit

seinem Besuch auszulösen.

XII. Weitere Stärkung des Generalbundesan-
walts erforderlich

Die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sieht vor,

dass die Länder mit ihren Staatsanwaltschaften zuständig

sind für Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Der Gene-

ralbundesanwalt kommt nur in Ausnahmefällen, die im

Gesetz konkret benannt sind, zum Einsatz, §§ 142a i.V.m.

120 GVG. Dabei handelt es sich grob gesprochen um

Staatsschutzdelikte (Prof. Dr. Rissing-van Saan,

MAT_A_GBA-2, S. 207 ff.).

Die Erfahrungen mit den NSU-Verbrechen haben deutlich

gemacht, daß die Abhängigkeit des GBA von der Infor-

mation durch die Länderbehörden ein Hemmnis für eine

effektive Aufklärung von länderübergreifenden Verbre-

chensserien darstellen kann. Dem kann durch bestimmte

Gesetzesänderungen abgeholfen werden.

Nach §§ 142a i.V.m. 120 Abs. 2 GVG hat der General-

bundesanwalt ein Evokationsrecht für bestimmte Delikte:

sind die engen Voraussetzungen gegeben, zieht er die

weiteren Ermittlungen an sich. Die Rechtsprechung legt

diese Normen eng aus (Prof. Dr. Rissing-van Saan,

MAT_A_GBA-2, S. 208). Nach § 120 Abs. 2 GVG muss

der Fall insbesondere eine besondere Bedeutung haben,

um ein Evokationsrecht des Generalbundesanwalts be-

gründen zu können. Strenge Anforderungen werden da-

hingehend von der Rechtsprechung gestellt. (Prof. Dr.

Rissing-van Saan, MAT_A_GBA-2, S. 209)

Der Generalbundesanwalt erhält Kenntnis von der mögli-

chen eigenen Zuständigkeit in erster Linie durch die Lan-

desstaatsanwaltschaften und Länderpolizeien. Sie sind

zumeist die ersten, die von Delikten erfahren. Sie können

aufgrund der Aktenkenntnis beurteilen, ob die Zuständig-

keit des Generalbundesanwalts betroffen ist. Daher ist in

Nr. 202 RiStBV geregelt, dass der Staatsanwalt Vorgän-

ge, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit

der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden

Straftat (§ 120 GVG, Art. 7, 8 des Vierten Strafrechtsän-

derungsgesetzes) ergibt, mit einem Begleitschreiben un-

verzüglich dem Generalbundesanwalt übersendet. Die

Rechtsordnung geht davon aus, dass der Informationsweg

von den Staatsanwaltschaften der Länder zum General-

bundesanwalt verläuft. Dabei besteht eine Pflicht der

Staatsanwaltschaften zur Weiterleitung.

„Aber der normale Weg, der übliche Weg ist der,
dass eine zuständige Polizeibehörde – das BKA tut
das in vielen Fällen – die Bundesanwaltschaft mit
Informationen über Sachverhalte versorgt, wenn

bei uns die Annahme besteht, hier könnte die Zu-

ständigkeit der Bundesanwaltschaft berührt sein,

und dann in Karlsruhe geprüft wird, ob das der

Fall ist oder nicht.“ (Falk, Protokoll Nr. 19, S. 16).

In der Praxis erhält der Generalbundesanwalt oftmals aber

nicht durch Information der zuständigen Behörden, son-

dern durch Informationen aus den Medien Kenntnis über

Fälle, in denen eine mögliche eigene Zuständigkeit ge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 953 – Drucksache 17/14600

prüft werden muss (Ritscher, Protokoll Nr. 44, S. 77).

Vorgesehen ist dieser Weg der Informationsgewinnung

nicht; er hat sich wohl im Laufe der Zeit herausgebildet in

einem Bund-Länder-Gefüge von Behörden, in denen sich

die Abhängigkeit des Generalbundesanwalts von Informa-

tionen aus den Staatsanwaltschaften der Länder als unzu-

reichend erwiesen hat. Hinweise können dazu führen,

dass die Mitarbeiter des Generalbundesanwalts nicht

abwarten, um informiert zu werden, sondern selbst Er-

kundigungen bei den Staatsanwaltschaften in den Ländern

einholen. Problematisch ist dabei die Abgrenzung, wann

und wie weit Informationen eingeholt werden dürfen.

Bloße Hinweise können nicht ausreichen. Tatsächliche

Anhaltspunkte müssen aber oft erst zusätzlich gewonnen

werden (Prof. Dr. Rissing-van Saan, MAT_A_GBA-2, S.

214 ff.). Der Generalbundesanwalt ist dabei immer auf die

freiwillige Informationsüberlassung durch die Staatsan-

waltschaften angewiesen. Eine eigenständige Befugnis

zur Informationsgewinnung hat er nicht. Sogenannte

ARP-Vorgänge (Allgemeines Register Politisch) werden

durch den Generalbundesanwalt angelegt, falls Hinweise

auf eine mögliche Zuständigkeit bestehen (Ritscher, Pro-

tokoll Nr. 44, S. 75).

XII.1. Česká-Mordserie

Am 26. August 2006 hat der Generalbundesanwalt einen

ARP-Vorgang dazu angelegt, um eine mögliche Zustän-

digkeit zu prüfen. Grundlage dafür waren Medienberichte.

(Ritscher, Protokoll Nr. 44, S. 75)

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der NSU bereits neun Mor-

de an türkisch- und griechischstämmigen Männern be-

gangen. Eine Vorlage von einer Staatsanwaltschaft oder

Polizeibehörde beim Generalbundesanwalt ist bis dahin

nicht erfolgt. (Ritscher, Protokoll Nr. 44, S. 76, S. 91).

Der Zeuge Dr. Kimmel, damals sachleitender Staatsanwalt

bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg, betonte vielmehr in

seiner Aussage, dass auch die Prüfung des § 120 Abs. 2

ergeben habe, dass eine Zuständigkeit des Generalbun-

desanwalts nicht erforderlich sei, und aus diesem Grunde

eine Abgabe nach dieser Vorschrift nicht erfolgt sei

(Kimmel, Protokoll Nr. 14, S. 7) Die Erwartung der für

die Information an den GBA zuständigen Staatsanwalt-

schaft Nürnberg war, dass sich der GBA melden sollte:

„Wenn der Generalbundesanwalt an uns herange-
treten wäre und er zum Beispiel angefragt hätte –
auch zur Ergänzung, zur Vervollständigung seiner

Prüfung - , ob das ein Verfahren ist, das in Be-

tracht kommt, dass es weiter beim Generalbundes-

anwalt geführt wird, hätten wir selbstverständlich

die Akten rübergeschickt nach Karlsruhe; das ist

überhaupt keine Frage. Also, es war von daher

aber auch an uns niemand herangetreten. Ich habe

kein Schreiben oder Ähnliches bekommen aus

Karlsruhe. Von daher, nach eigener Prüfung, habe

ich gemeint: korrekterweise nicht, aus diesem

Grunde auch dann die Akten nicht nach Karlsruhe

gesandt.“ (Dr. Kimmel, Protokoll Nr. 14, S. 24)

Diese Erwartungshaltung der Staatsanwaltschaft Nürn-

berg widersprach der Gesetzeslage, denn nicht der Gene-

ralbundesanwalt musste anfragen, vielmehr muss die

Staatsanwaltschaft Nürnberg aufgrund der Zuständig-

keitsordnung im Grundgesetz Hinweise an den General-

bundesanwalt melden. Dies hat sie nicht getan.

Auch der Zeuge Hoppe vom BKA bestätigt:

„Es wäre Aufgabe der ermittlungsführenden
Staatsanwaltschaft gewesen, den Sachverhalt dem

GBA vorzulegen“ (Hoppe, Protokoll Nr. 15,
S. 24).

XII.4. Fazit

Keine Länderstaatsanwaltschaft oder Länderpolizei hat

sich verpflichtet gefühlt, den Generalbundesanwalt um

Prüfung der eigenen Zuständigkeit zu ersuchen, obwohl

neun Männer türkisch- und griechischstämmiger Herkunft

hingerichtet worden sind, und durch die OFA-Analyse des

Profilers Horn auch ein fremdenfeindliches Motiv im

Raum stand. Gesetzlich ist aber genau dieser Weg vorge-

schrieben: von den Ländern an den Generalbundesanwalt.

Generalbundesanwalt Harald Range hat in einem Inter-

view in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

vom 25. März 2012 Änderungen angemahnt:

„Ich hätte mir allerdings eine intensivere Zusam-
menarbeit der Strafverfolgungsbehörden der Län-

der in Richtung der Bundesanwaltschaft ge-

wünscht. Wir haben ja nur in Ausnahmefällen ein

eigenes Ermittlungsrecht. Grundsätzlich ist die

Strafverfolgung Sache der Länder. Deshalb müs-

sen die Staatsanwaltschaften der Länder sich an

uns wenden, wenn sie den Verdacht auf eine terro-

ristische Straftat haben. Damit wir prüfen können,

ob das ein Fall für uns ist. Wenn eine Landes-

staatsanwaltschaft uns aber nicht informiert oder

mitteilt, das ist kein staatsgefährdendes Verbre-

chen, dann müssen wir das in aller Regel so hin-

nehmen. Hier wünsche ich mir Verbesserungen für

die Zukunft.“

Damit es nicht mehr zu dieser Informationslücke kommt,

sind folgende Änderungsvorschläge zu überlegen:

1. Der Generalbundesanwalt braucht eine eigenständige

Informationsbefugnis, um seine Zuständigkeit feststellen

zu können. Auf die Zulieferung aus den Ländern ange-

wiesen zu sein, ist erkennbar nicht ausreichend. Dabei ist

sowohl an eine Änderung der RiStBV als auch an gesetz-

liche Klarstellungen zu denken. Frau Prof. Dr. Rissing-

van Saan schlägt die gesetzliche Verankerung einer sol-

chen (Vor)Ermittlungskompetenz zur Prüfung seiner

Zuständigkeit in § 142a GVG vor (MAT_A_GBA-2, S.

228 f.).

Auch Generalbundesanwalt Harald Range denkt im In-

terview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

vom 25. März 2013 in die gleiche Richtung:

„Außerdem brauchen wir als Bundesanwaltschaft
mehr und klare Initiativrechte, um in der Lage zu

sein, selbst zu prüfen und zu bewerten, ob wir in

einem konkreten Fall zuständig sind. Bisher bewe-

gen wir uns da in einer rechtlichen Grauzone. Die

derzeitige Situation ist nicht befriedigend.“

Drucksache 17/14600 – 954 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Ergänzend dazu sollte der Generalbundesanwalt die

Möglichkeit haben, bereits dann die Ermittlungen zu

führen, wenn zureichende Anhaltspunkte für die Begrün-

dung seiner Zuständigkeit gegeben sind. Sollte sich im

Verlauf der Ermittlungen herausstellen, dass die Zustän-

digkeit des Generalbundesanwalts nicht gegeben ist, wäre

das Verfahren an die jeweils zuständige Landesstaatsan-

waltschaft abzugeben.

3. Der Generalbundesanwalt muss personell ausreichend

ausgestattet werden, um diese Aufgabe erfüllen zu kön-

nen. Soll er bei jeder Verdachtslage nicht nur einen ARP-

Vorgang anlegen, sondern auch Hinweisen auf die eigene

Zuständigkeit effektiv nachgehen können, ist eine ausrei-

chend personelle Ausstattung nötig. Diese muss flexibel

gehandhabt werden können: so dürfen große Verfahren

nicht zuständige Mitarbeiter so binden, dass in einem

Bereich wie beispielsweise Rechtsterrorismus weiteren

Hinweisen nicht mehr effektiv nachgegangen werden

kann.

4. Bei länderübergreifenden Mordserien, in denen ein

rassistisches fremdenfeindliches Motiv nicht ausgeschlos-

sen werden kann, sollte die Zuständigkeit im Zweifel

beim Generalbundesanwalt liegen. So wird die Federfüh-

rung der Ermittlungen aus einer Hand gewährleistet. Soll-

te sich im Laufe der Ermittlungen klar herausstellen, dass

ein entsprechendes Motiv auszuschließen ist, kann eine

Übernahme durch eine Landesstaatsanwaltschaft erfolgen.

In diese Richtung gehen auch Überlegungen des Bundes-

innenministers, Dr. Hans-Peter Friedrich bereits im No-

vember 2011 (taz, 11. Februar 2013, „Beinfreiheit für
Generalbundesanwalt“):

„Der Generalbundesanwalt sollte in Fällen schwe-
rer Kriminalität mit länderübergreifendem Bezug

eine stärkere Rolle spielen“.

5. Der Generalbundesanwalt sollte darüber hinaus die

Möglichkeit erhalten, ein Verfahren an sich zu ziehen,

wenn seine Zuständigkeit geboten erscheint, da der Fall

mehrere Länder betrifft und sich die Tat gegen die Bun-

desrepublik Deutschland als Gesamtstaat richtet. Die

„besondere Bedeutung“ in § 120 Abs. 2 GVG könnte hier
der richtige Ansatzpunkt sein.

XIII. Kein Unterlaufen des § 4 BKAG durch in-
formelle Innenministerkonferenz

XIII.1. Innenministerkonferenz in Garmisch-

Partenkirchen im Mai 2006 – Übernahme durch das BKA
– Bildung einer Steuerungsgruppe

Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in den Be-

reichen Polizei und Verfassungsschutz wird maßgeblich

auf der Innenministerkonferenz bestimmt. Der Bundesmi-

nister des Innern hat dabei lediglich einen Gaststatus.

Beschlüsse werden ausschließlich einstimmig gefällt.

An dieser Stelle soll die Innenministerkonferenz im Mai

2006 in Garmisch-Partenkirchen näher beleuchtet werden.

Zum damaligen Zeitraum stand eine zentrale Übernahme

der Ermittlungen durch das BKA im Raum. Diese Frage

sollte in Abstimmung zwischen Bund und Ländern im

Vorfeld oder auf der bzw. am Rande der Innenminister-

konferenz geklärt werden.

XIII.1.1. Mögliche Übernahme BKA im Jahr 2004, § 4

Abs. 2 Nr. 1 BKAG

Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BKAG kann das Bundeskriminal-

amt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Straf-

verfolgung wahrnehmen, wenn eine zuständige Landes-

behörde darum ersucht.

Kurz ist diese Möglichkeit an dieser Stelle zu beleuchten,

da es im April 2004 in Bayern Überlegungen gegeben

habe, den Fall an das BKA abzugeben (Dr. Beckstein,

Protokoll Nr. 17, S. 84). Zu diesem Zeitpunkt waren 3

Morde in Bayern, der Mord in Hamburg und der Mord in

Rostock begangen. Das BKA hatte damals darauf verwie-

sen, dass für Mordermittlungen in erster Linie die örtlich

zuständigen Polizeien und Staatsanwaltschaften zuständig

seien. Ein förmliches Übernahmeersuchen Bayerns hat es

damals wohl nicht gegeben, so beispielsweise der Zeuge

Falk (Falk, Protokoll Nr. 19, S. 3). Auch der Zeuge

Ziercke konnte sich nicht erinnern, Kenntnis darüber

bekommen zu haben, dass das Bayerische Staatsministe-

rium des Innern 2004 tatsächlich überhaupt die Absicht

gehabt hätte, die Übernahme des gesamten Verfahrens-

komplexes einschließlich aller Mordermittlungen an das

BKA heranzutragen (Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 6).

Vielmehr habe man sich zwischen BKA und

Länderpolizeien darauf verständigt, dass das BKA ergän-

zende strukturelle Ermittlungen im Hinblick auf § 129

StGB übernehmen solle (Hoppe, Protokoll Nr. 15, S. 3).

Die Mordermittlungen sollten vor Ort bei den Tatort-

dienststellen belassen werden (Hoppe, Protokoll Nr. 15,

S. 4).

XIII.1.2. Mögliche Übernahme BKA im Jahr 2006 durch

Anordnung BMI, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG

Im Jahr 2006 war auf Fachebene des BKA der Eindruck

entstanden, dass das BKA die Ermittlungen zentral führen

sollte:

„Und mit den Morden 8 und 9 hatte sich für mich
die Lage grundlegend verändert, weil zwei weitere

Bundesländer hinzugekommen waren, nämlich

Hessen und Nordrhein-Westfalen, man in den Er-

mittlungen vorher festgestellt hatte, dass es an der

einen oder anderen Stelle, zum Beispiel der Da-

tenverarbeitung, Optimierungsbedarf geben kann,

und hatte für mich die Bewertung getroffen, dass

eine echte zentrale Ermittlungsführung, die ein

zentrales Ermittlungskonzept, Fahndungskonzept,

Öffentlichkeitskonzept vorsieht, der richtige Weg

sei, und habe deswegen meiner Amtsleitung vor-

geschlagen, diesen Weg zu gehen“ (Hoppe, Proto-
koll Nr. 15, S. 3).

Auch die Leistungsebene des BKA unterstützte diese

Einschätzung; der Zeuge Falk bestätigt die Überlegungen:

„Wir haben die schwerwiegenden Gründe hier vor-
liegend gesehen, einmal wegen der Tatbegehung:

neun Morde, türkische Mitbürger, ein griechischer

Mitbürger. Von der Polizeibeamtin wussten wir zu

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 955 – Drucksache 17/14600

dem Zeitpunkt natürlich noch nichts; das war ja

auch erst später. Und wir haben die Erfolglosigkeit

gesehen. Wir haben die Internationalität vermutet,

auch wenn sie sich so, wie wir sie ursprünglich

vermutet haben nachher nicht dargestellt hat“
(Falk, Protokoll Nr. 19, S. 12).

Zunächst wurde versucht, in Abstimmung mit den Län-

dern eine entsprechende Entscheidung zu erzielen. Die

Bereitschaft dazu sei jedoch nicht umfänglich vorhanden

gewesen, daher habe Herr Hoppe auch die Möglichkeit

des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG in Erwägung gezogen (Hop-

pe, Protokoll Nr. 15, S. 3). Es habe im BKA die Überle-

gung gegeben, dem Bundesinnenminister vorzuschlagen,

das BKA nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 des BKA-Gesetzes „aus
schwerwiegenden Gründen“ mit den Ermittlungen zu
beauftragen; dies sei eine Maßnahme, die höchst sparsam

in der Geschichte der Bundesrepublik, eingedenk der

Länderhoheit in Polizeiangelegenheiten, angewendet

worden sei, so der Zeuge Falk (Falk, Protokoll Nr. 19,

S. 5).

Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG übernimmt das Bundeskri-

minalamt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der

Strafverfolgung, wenn der Bundesminister des Innern es

nach Unterrichtung der obersten Landesbehörde aus

schwerwiegenden Gründen anordnet.

In Abstimmung mit der Amtsleitung wurde von Herrn

Hoppe ein Bericht an das BMI gesandt, der die vom BKA

festgestellten Defizite bei den dezentralen Ermittlungen

auflistete (Hoppe, Protokoll Nr. 15, S. 3). Der Zeuge

Ziercke hatte vorab versucht, Einvernehmen mit den Län-

dern herzustellen:

„Ich habe dann auch noch vor der Versendung des
Schreibens an das Bundesinnenministerium zur

Übernahme nach § 4 Abs. 2 mit dem Landespoli-

zeipräsidenten von Bayern, Herrn Kindler, telefo-

niert. Ich spürte schon in diesem Gespräch, dass

eine Übernahme durch den Bund für Bayern nicht

zur Diskussion stand. Ähnlich war ja die Resonanz

auch in der AG Kripo und auch im AK II gewesen.

Das galt auch für die anderen Länder“ (Ziercke,
Protokoll Nr. 21, S. 8).

Nachdem das Einvernehmen nicht zu erwarten gewesen

sei, habe das BKA die Sache an das BMI eskaliert

(Ziercke, Protokoll Nr. 21, S. 8).

Der Zeuge Dr. Schäuble scheint in seiner Amtszeit als

Innenminister jedoch nicht mit der Frage befasst worden

zu sein, ob er anordnen sollte, dass das BKA nach § 4

Abs. 2 S. 2 des BKAG gegen die Ländern anordnen solle,

die Ermittlungen an sich zu ziehen, da er sich daran nicht

erinnern konnte.

„Ich hätte einen solchen Vorschlag, der mir nicht
gemacht worden ist, wenn er mir gemacht worden

wäre, abgelehnt“ (Dr. Schäuble, Protokoll Nr. 47,
S. 2).

Anders erinnert sich der Zeuge Dr. Hanning:

„Die Position des Innenministers war: Wir würden
uns sehr freuen, wenn wir das im Konsens errei-

chen könnten, dass das BKA das übernimmt. Aber

gegen den Widerstand der Länder, das hielten wir

für wenig zielführend“ (Dr. Hanning, Protokoll
Nr. 44, S. 14).

Eine Entscheidung sollte auf der Innenministerkonferenz

in Garmisch-Partenkirchen im Mai 2006 fallen (Hoppe,

Protokoll Nr. 15, S. 3).

Nach der Innenministerkonferenz wurde eine Steuerungs-

gruppe eingerichtet. Die Innenminister haben dies wohl

nicht in dieser Frage miteinander besprochen und ent-

schieden. Auch auf Staatssekretärsebene war dies am

Rande der Innenministerkonferenz wohl nicht debattiert

worden. Eventuell haben die Abteilungsleiter des AK II

darüber gesprochen. Die Länder waren zurückhaltend, so

dass der Abteilungsleiter Krause im BMI mit seinen Kol-

legen sich auf die Steuerungsgruppe geeinigt zu haben

scheint. Herr Krause konnte vom Untersuchungsaus-

schuss nicht mehr befragt werden, da er verstorben ist.

So erläutert der Zeuge Dr. Schäuble, dass er am Rande

oder bei Anlass der Innenministernkonferenz in Gar-

misch-Partenkirchen im Mai 2006 aus dem zuständigen

Arbeitskreis informiert worden sei, dass die Fragen der

Zusammenarbeit befriedigend geregelt worden seien.

(Dr. Schäuble, Protokoll Nr. 47, S. 9). Am 3. Mai, einen

Tag vor der IMK, habe er eine Vorlage erhalten:

„Es zeichnet sich ab, dieses Ergebnis und das ist
die einvernehmliche Zusammenarbeit. P-BKA ist

Präsident Ziercke. Und da habe ich dann gedacht:

So ist es gut und diese Wertung habe ich auch heu-

te noch“ (Dr. Schäuble, Protokoll Nr. 47, S. 16).

Das Ergebnis wurde von den Zeugen Dr. Hanning und

Dr. Schäuble begrüßt:

„Während der Konferenz – ich meine, es sei gleich
zu Beginn gewesen, aber ich erinnere das nicht

mehr sehr genau – bin ich dann davon unterrichtet
worden, dass man sich auf Abteilungsleiterebene

mit den Ländern und auch mit dem Bundeskrimi-

nalamt auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen

verständigt habe. Ich habe dann gefragt, ob auch

das Bundeskriminalamt damit einverstanden sei,

weil da ja Kritik geäußert war, und da wurde mir

gesagt, ja, auch das BKA sei einverstanden mit

dem vereinbarten Vorgehen. Damit entfiel dann

die Notwendigkeit dieses Thema in der formellen

Konferenz anzusprechen. Nach meinem Verständ-

nis waren sozusagen die Probleme dann durch die-

se Beschlüsse oder durch dieses Einvernehmen im

Rahmen der Abteilungsleiterkonferenz ausge-

räumt.“ (Dr. Hanning, Protokoll Nr. 44, S. 3)

„Ich bin doch nicht derjenige, der jetzt die Fachar-
beit des BKA zu machen hat als Staatssekretär. Ich

habe das zu akzeptieren. Wenn mir ein BKA und

eine Spitze, der ich sehr vertraut habe, nämlich

Herr Ziercke und Herr Falk, wenn die mir sagen:

„Jawohl, wir können damit leben“, dann muss ich

Drucksache 17/14600 – 956 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das als Staatssekretär akzeptieren,…“ (Dr. Han-
ning, Protokoll Nr. 44, S. 58)

„Ich bin unterrichtet worden, man habe auf der
Ebene der Abteilungsleiter ein Einvernehmen er-

zielt. Ich habe das begrüßt. Damit war auch das

BKA einverstanden.“ (Dr. Schäuble, Protokoll
Nr. 47, S. 38)

Der Vorschlag, die zentralen Ermittlungen beim BKA

anzusiedeln, war vom Tisch. Der Zeuge Ziercke begrüßte

den getroffenen Konsens (Ziercke, Protokoll Nr. 21,

S.14).

Der Zeuge Bouffier teilte mit, dass dieses Thema nicht

Gegenstand der Konferenz gewesen sei. Es sei nicht Ge-

genstand des Kamins gewesen, das könne er detailliert

sagen. Er gehe jedoch davon aus, dass es am Rande der

Konferenz unter den Polizeiabteilungsleitern oder wem

auch immer Gegenstand gewesen sei (Bouffier, Protokoll

Nr. 32, S. 48).

Am Rande der IMK in Garmisch habe die Besprechung

mit den betroffenen Polizeichefs und dem Abteilungslei-

ter Polizei des BMI stattgefunden; ob Ziercke auch dabei

gewesen sei, sei unklar; allerdings meinte der Zeuge

Kindler, dass es so gewesen sei (Kindler, Protokoll Nr.

36, S. 87). Im Ergebnis habe Einvernehmen darüber be-

standen, dass die Ermittlungen zentral durch die BAO

„Bosporus“ von Bayern ausgeführt und koordiniert wer-
den sollten; dies sei insbesondere auch die Meinung des

Abteilungsleiters im BMI Krause gewesen. Dazu habe

eine Steuerungsgruppe eingerichtet werden sollen (Kind-

ler, Protokoll Nr. 36, S. 87).

Andere Informationen besagen, dass dieses Thema am

Rande des Kamingesprächs Thema gewesen sein soll. So

meinte beispielsweise der Zeuge Dr. Beckstein, dass das

Thema beim Kamingespräch oder am Rande des Kamins

kurz angesprochen worden sei; es sei jedoch gar kein

großes Thema gewesen (Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17,

S. 86) Auch der Zeuge Falk hat aus mündlichen Reaktio-

nen entnommen, dass die Übernahme durch das BKA

beim Kamingespräch oder am Rande desselben erörtert

worden sei (Falk, Protokoll Nr. 19, S. 6), möglicherweise

sei dieses Einvernehmen auch nur auf Abteilungsleiter-

ebene erzielt worden (Falk, Protokoll, Nr. 19, S. 45).

Es steht im Raum, dass Bayern dieses geplante Vorgehen

über § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG als „Kriegserklärung“ be-
griffen hätte (MAT_A_BKA-2/19.05, Blatt 352 f.) Der

Zeuge Dr. Beckstein hat darauf hingewiesen, dass das

BKA jederzeit hätte übernehmen können, wenn es gewollt

hätte (Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 85). Im Vorfeld

der Innenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen

hätten sich die Zeugen Dr. Beckstein und Kindler bespro-

chen: es sollten Bedenken gegen eine Übernahme durch

das BKA geäußert werden; eine Prüfung sollte angesto-

ßen werden, welchen Mehrwert eine Übernahme durch

das BKA gehabt haben sollte (Dr. Beckstein, Protokoll

Nr. 17, S. 85).

„Ich selber sage Ihnen meine Beurteilung: ich hätte
es im Jahr 2006, als die Ermittlungen äußerst heiß

gelaufen waren für einen schweren Fehler gehal-

ten, im laufenden Galopp die Pferde zu wechseln“
(Dr. Beckstein, Protokoll Nr. 17, S. 86).

Tragisch, dass damit die Möglichkeit eines „frischen
Blicks“ durch neue Ermittler vom BKA ausblieb und
nicht gewollt war.

Der Zeuge Hoppe, der Verfasser des Ausgangsschreibens,

hat von der Entscheidung nebenbei erfahren: es sei ihm

über Umwege über den hessischen Kollegen mitgeteilt

worden (Hoppe, Protokoll Nr. 15, S. 14).

Eine Begründung für die Entscheidung wurde nicht abge-

geben, so beispielsweise der Zeuge Falk (Falk, Protokoll

Nr. 19, S. 46).

XIII.2. Fazit

Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG, wo-

nach der Bundesinnenminister die zentrale Ermittlung

beim BKA aus schwerwiegenden Gründen anordnen

kann, scheinen vorgelegen zu haben. Es war auch vorge-

sehen, eine formelle Entscheidung bei der Innenminister-

konferenz in Garmisch-Partenkirchen im Mai 2006 zu

fällen. Allerdings war das Ergebnis am Schluss, eine

Steuerungsgruppe einzurichten. Wie die Entscheidung im

Endeffekt von wem konkret gefällt worden ist, bleibt

unklar.

1. Es muss die Frage gestellt werden, ob gesetzliche Re-

gelungen durch informelle Gremien, wie die Innenminis-

terkonferenz oder deren Untergruppen, wie den AK II,

unterlaufen werden können. Insbesondere ist für § 4

Abs. 2 Nr. 2 BKAG gerade nicht das Einvernehmen mit

den Ländern erforderlich. Die alleinige Entscheidung soll

beim Bundesminister des Innern liegen. Ob eine Regelung

im Gesetz sinnvoll ist, die im Endeffekt nicht angewendet

wird, muss hinterfragt werden. Deshalb sollte § 4 Abs. 2

Nr. 2 BKAG dahingehend präzisiert werden, dass das

BKA automatisch bei länderübergreifenden Mordserien

die Ermittlungen übernimmt. Eine Entscheidung auf poli-

tischer Ebene wäre dann obsolet.

2. Daneben sollte sichergestellt sein, dass auf Innenminis-

terkonferenzen Tagesordnungen klar eingehalten werden.

Alle Punkte, die formell oder informell behandelt werden

sollen und behandelt werden, sollen Niederschlag im

Rahmen eines Protokolls finden. Es muss nachvollziehbar

sein, wer welche Entscheidung getroffen hat. Nur so kann

sichergestellt werden, dass jemand auch die Verantwor-

tung trägt, und erläutern kann, wie es zu bestimmten Ent-

scheidungen gekommen ist.

XIV. Forderungen und Konsequenzen

XIV.1. Verbesserung der Parlamentarische Kontrolle der

Nachrichtendienste und Stärkung der G 10-Kommission

1. Verbesserung der Kontrolle durch ungehinderte, jeder-

zeitige Zugangsmöglichkeit der PKGr-Mitglieder zu den

Diensten ohne vorherige Anmeldung und freie Aktenein-

sicht vor Ort

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 957 – Drucksache 17/14600

2. Einführung einer Vorladungsmöglichkeit von ein vier-

tel der Mitglieder des PKGr gegenüber Mitarbeitern der

Dienste

3. Erleichterung des Zugangs zum PKGr für Mitarbeiter

der Dienste insb. durch Abschaffung der Pflicht zur

gleichzeitigen Unterrichtung der Behördenleitung durch

den Mitarbeiter

4. Abschaffung der Informationsverweigerungsmöglich-

keit der Dienste gegenüber dem PKGr bei zwingenden

Gründen der Nachrichtenbeschaffung

5. Bestellung eines ständigen Sachverständigen

6. Erlass von Dienstvorschriften der Nachrichtendienste

im Benehmen mit dem PKGr

7. Regelmäßige Unterrichtung über V-Mann-Einsätze

8. Zulassung von sicherheitsüberprüften Fraktionsmitar-

beitern zu den PKGr-Sitzungen zur Unterstützung der

Arbeit der PKGr-Mitglieder

9. Zwingende Protokollierung der PKGr-Sitzungen

10. Einführung eines Dienstvergehens bei Verletzung der

Unterrichtungspflichten

11. Schaffung einer Beratungsmöglichkeit mit dem Frak-

tionsvorsitzenden und 1. PGF für die Mitglieder

12. Gegenseitige Unterrichtungspflicht von Bund und

Ländern in den PKGr/PKK schaffen

13. Stärkung der G 10-Kommission durch Erhöhung der

Mitglieder- und Stellvertreterzahl auf 5

13. Installation eines Ombudsmannes mit Befähigung

zum Richteramt bei der G 10-Kommission zur Wahrneh-

mung der Betroffenenrechte in Zeiten der Unkenntnis der

Maßnahme

XIV.2. Reform des Verfassungsschutzverbundes

1. Stärkung kleiner LfVs durch Zusammenlegung oder

Spezialisierung

2. Schaffung gemeinsamer Standards von Bund und Län-

dern bei der Ausbildung der Verfassungsschützer

3. Professionalisierung der Ausbildung der Mitarbeiter

4. Überarbeitung veralteteter Vorgaben und Dienstvor-

schriften

5. Verbesserung des Informationsflusses zwischen den

Nachrichtendiensten

6. Stärkung der Koordinierungsfunktion des BfV

7. Verpflichtung des BfV zur Erstellung von Gesamtlage-

bildern

8. Schaffung klarer gesetzlicher Regelungen über Lö-

schung und Aufbewahrung von Akten

9. Weitestgehende Ermöglichung der Akteneinsicht für

Betroffene; Unterbleiben der Auskunftserteilung nur unter

den Voraussetzungen. des § 15 Abs. 2 BVerfSchG

10. Effiziente Prüfung durch die Datenschutzbeauftragten

der Verfassungsschutzämter

11. Schaffung einer klaren gesetzlichen Regelung für V-

Person-Einsätze über Auswahl, Führung und Führung der

Personen

12. Gegenseitige Information der LfVs/BfV über V-

Person-Einsätze

13. Kontinuierliche Überprüfung der V-Person-Einsätze

durch Vorgesetzten

14. Ermöglichung des Zugangs zu V-Leuten für Polizeien

und Staatsanwaltschaften bei Kapitaldelikten

15. Abschaffung des MAD und Überführung der Perso-

nen und Kompetenzen vor allem in das BfV

16. Kontinuierliche Evaluation von Recht und Praxis

(insbesondere auch V-Personen-Einsätze) durch externe

Sachverständige

XIV.3. Präzisierung der Zuständigkeiten von Staatsan-

waltschaften, Polizeien und anderen Sicherheitsbehörden

1. Klare Federführung bei länderübergreifenden Verbre-

chensserien

2. Erleichterung der Übernahmemöglichkeit durch das

BKA

3. Bessere Einbeziehung anderer Sicherheitsbehörden,

wie Zollfahndungsdienst

4. Verstärkte Sensibilisierung des Personals in Bezug auf

Straftaten im Bereich Fremdenfeindlichkeit

5. Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen

den Sicherheitsbehörden unter Wahrung des Trennungs-

gebotes

6. Klare gesetzliche Grundlagen für gemeinsame Zentren

und Dateien

7. Wahrung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung

zwischen Bund und Ländern bei der Polizei

8. Überführung von Zollfahndungsdienst und Zollkrimi-

nalamt in die Zuständigkeit des BMI

9. Abbau von Doppelzuständigkeiten und Reibungsver-

lusten zwischen Zoll, Bundespolizei, Bundeskriminalamt

und Länderpolizeien

10. Zur besseren Koordination der Präventionsmaßnah-

men gegen politischen Extremismus in den Ländern,

zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern

ist eine zentrale Präventionsstruktur, z. B. beim „Deut-
schen Forum für Kriminalprävention" anzuregen, um

Strategien zu nachhaltigen Bekämpfung des politischen

Extremismus entwickeln zu können

XIV.4. Verbesserung des Opferschutzes

1. Einrichtung einer Opferschutzstiftung des Bundes in

Zusammenarbeit mit engagierten Organisationen zur

Sicherstellung der Finanzierung

2. Einbeziehung von Opfern und ihrer Familien bei der

Planung öffentlicher Gedenkveranstaltungen

Drucksache 17/14600 – 958 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Stärkung und Verbreitung der Institution Täter-Opfer-

Ausgleich

4. Einbeziehung von Opferschutz und Umgang mit (Op-

fer-) Zeugen bei der Referendarausbildung bundesweit

5. Stärkung der Aus- und Fortbildung der Justiz im Be-

reich Opferschutz

6. Erarbeitung konkreter Kriminalitäts- und Gewaltprä-

ventionsmaßnahmen für die kommunale Ebene mit Unter-

stützung des Lehrstuhls für Gewalt und Kriminalpräventi-

on in Tübingen

7. Mehr Personal mit Migrationshintergrund für die

Sicherheitsbehörden

8. Neutrale Zugänglichmachung von Informationen für

Opfer und über Opferschutzorganisationen nicht nur im

Internet

9. Stärkung der Rechte von Opfern im Strafverfahren

durch Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, Erweite-

rung der Informationsrechte, Erleichterung der Bestellung

eines Opferanwaltes, Ergänzung der Regelungen über den

Ausschluss der Öffentlichkeit bei Hauptverhandlungen

mit minderjährigen Opfern und der Verlängerung der

Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzan-

sprüche wegen sexuellen Missbrauchs auf 30 Jahre.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 959 – Drucksache 17/14600

XV. Anlagen

FDP-Bundestagsfraktion
Positionspapier
Geheimdienstkontrolle stärken – Verfassungs-
schutzverbund reformieren
Beschluss der FDP-Bundestagsfraktion vom 25.09.2012

„Die Forderung nach mehr und besserer Kontrolle richtet sich nicht gegen die Geheimdienste; Kontrolle ist vielmehr
ein wesentlicher Teil der Legitimation der Arbeit von Geheimdiensten in einer Demokratie.“

(Max Stadler im Deutschen Bundestag, 37. Sitzung der 16. WP)

Mit diesem für uns so wichtigen Grundsatz verortet die FDP die Stellung der Nachrichtendienste in unserem Staat.

Nachrichtendienste sind für den Erhalt der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie erforderlich. Aus der ihnen zugewiese-

nen Tätigkeit ergibt sich jedoch auch die Notwendigkeit besonderer Verrechtlichung und Kontrolle.

I. Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste verbessern

Heute zeigen vor allem die durch die Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses zu Tage getretenen Vorgänge in deut-

schen Nachrichtendiensten, dass die bisherigen Kontrollmöglichkeiten nicht ausreichend sind. Das Parlamentarische

Kontrollgremium (PKGr) soll die Tätigkeit von BfV, MAD und BND kontrollieren. Eine effektive Erfüllung dieses

Auftrages aus § 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten des Bundes

(PKGrG) ist trotz des großen Engagements der Mitglieder des PKGr derzeit allerdings kaum möglich. Die Arbeit des

PKGr erschöpft sich weitgehend in der Erforschung von außen an das PKGr herangetragenen Sachverhalten (z. B. Mel-

dungen aus den Medien) und der Bewertung der Berichte der Bundesregierung. Eine systematisch tief in die Organisa-

tion, den Geschäftsgang und die nach außen gerichteten Maßnahmen der Nachrichtendienste vordringende begutach-

tende Kontrolle findet nicht statt. Diese wäre jedoch erforderlich, wollte man von einer wirksamen Kontrolle sprechen.

Dass die interne Prüfung durch die Dienste selbst nicht ausreicht, die parlamentarische Kontrolle daher umso mehr in

die Tiefe gehen muss, verdeutlichen beispielsweise die im Rahmen der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses identi-

fizierten Defizite u. a. in der Aktenführung und im V-Personen-Einsatz, die – obwohl in den Diensten schon länger
bekannt – nicht beseitigt wurden.

1. Ungehinderter Zugang zu den Diensten und freie Akteneinsicht

Die bisherigen Regelungen im PKGrG sind dergestalt abzuändern, dass PKGr-Mitglieder jederzeit freien und ungehin-

derten Zugang zu den Sicherheitsbehörden haben, ohne vorherige Anmeldung! Das PKGr muss dort im Haus, vor Ort,

ihrer Kontrollfunktion nachkommen können, indem seine einzelnen Mitglieder ungehinderten und freien Einblick in

alle betreffenden Akten haben. Auch außerhalb von Sitzungen des PKGr müssen die Mitglieder jeden Mitarbeiter des

Dienstes im Haus unverzüglich befragen können, wenn sie dies gegenüber dem jeweiligen Dienst verlangen.

2. Ladung von Mitarbeitern der Dienste

Die Unterrichtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem PKGr ist durch die Befugnis des PKGr zu ergänzen, Mitar-

beiter der Dienste mit qualifizierter Ein-Viertel-Minderheit vorladen zu können. So können die Mitarbeiter dann nicht

nur in den Diensten gehört werden.

3. Zugang zum PKGr für Mitarbeiter der Dienste erleichtern

Wir wollen, dass sich Mitarbeiter von Diensten vertrauensvoll an das PKGr oder einzelne Mitglieder des Gremiums

wenden können, um auf Missstände innerhalb der eigenen Behörde hinzuweisen. Die bisherige Möglichkeit, dass Mit-

arbeiter der Nachrichtendienste sich unter Umgehung des Dienstweges direkt an das PKGr wenden, muss deshalb ver-

Drucksache 17/14600 – 960 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bessert werden. In § 8 PKGrG ist die Pflicht zur gleichzeitigen Unterrichtung der Behördenleitung durch den Mitarbei-

ter abzuschaffen.

4. Keine Geschäfte der Nachrichtendienste zu Lasten des PKGr

Nach § 6 Abs. 2 PKGrG können die Nachrichtendienste die Informierung des PKGr aus zwingenden Gründen der

Nachrichtenbeschaffung verweigern. Wenn also Nachrichtendienste untereinander Informationen mit der Auflage aus-

tauschen, die Informationen vor parlamentarischen Kontrollorganen geheim zu halten, kann die Unterrichtung des

PKGr verweigert werden. Diese Regelung ist zu streichen, da „Geschäfte“ zwischen Diensten in Deutschland nicht zu
Lasten der parlamentarischen Kontrolle gehen dürfen, und das PKGr seinerseits große Anstrengungen zur Geheimhal-

tung unternimmt.

5. Bestellung eines ständigen Sachverständigen

Bereits jetzt hat das PKGr die Möglichkeit, einen Sachverständigen im Einzelfall mit der Wahrnehmung von Kontroll-

aufgaben zu betrauen, wenn zwei Drittel seiner Mitglieder dafür stimmen. Diese Möglichkeit hat sich bisher nicht aus-

reichend bewährt und wurde kaum genutzt. Dies dürfte in erster Linie an der hohen Hürde der für die Einsetzung erfor-

derlichen Zwei-Drittel-Mehrheit liegen.

Die bisherigen Regelungen im PKGrG sind dahingehend abzuändern, dass ein überparteilicher, unabhängiger und stän-

diger Sachverständiger dem PKGr zur Verfügung gestellt wird, der bereits mittels qualifizierter Ein-Viertel-Minderheit

Kontrollaufgaben des PKGr übernimmt und das PKGr wie ein Ermittlungsbeauftragter im Untersuchungsausschuss

unterstützt. Durch diese Verstetigung und den damit einhergehenden Einsatz von zusätzlichen personellen Ressourcen

(Sachverständiger und dessen Hilfskräfte), die allein die Aufträge des PKGr erfüllen, kann die Kontrolle intensiviert

werden. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten erleichtert, die ihrerseits Vertrauen in die

Person und Arbeit des Sachverständigen gewinnen können.

6. Genehmigung von Dienstvorschriften im Bereich der Nachrichtendienste

Der 2. Untersuchungsausschuss hat Defizite der Nachrichtendienste u. a. in der Aktenführung und im V-Personen-

Einsatz offenbart. Unter anderem erfolgte die Anwendung aber auch die Konkretisierung gesetzlicher Vorschriften

durch Dienstvorschriften nicht fehlerfrei. Eine der entscheidenden Kontrollmöglichkeiten besteht dann, wenn auch die

Richtlinien des aktiven Handelns der vorherigen Kontrolle unterliegen. Um der großen Bedeutung, die Dienstvorschrif-

ten für die Verwaltungstätigkeit haben, zu entsprechen, sind diese für den Bereich der Nachrichtendienste dem PKGr

zur Genehmigung vorzulegen.

7. Regelmäßige Unterrichtung über V-Personen-Einsatz

Das PKGrG ist dahingehend zu ändern, dass die Bundesregierung dem PKGr halbjährig über den Einsatz von V-

Personen zu berichten.

8. Grundsätzliche Teilnahme von Mitarbeitern an Sitzungen des PKGr

Bisher haben sicherheitsüberprüfte Mitarbeiter der Fraktionen grundsätzlich keinen Zutritt zu den Sitzungen des PKGr,

obwohl sie die vom Gremium beigezogenen Akten und Daten einsehen und diese mit den Mitgliedern des PKGr erör-

tern dürfen. Auch haben sie keinen Einblick in die Protokolle des PKGr. Diese Vorschriften erschweren die Kontrollar-

beit der Mitglieder des PKGr ganz erheblich. Den gemeldeten und sicherheitsüberprüften Mitarbeitern ist grundsätzlich

der Zutritt zu allen Sitzungen und zu den Protokollen zu gewähren.

9. Protokollführung im PKGr und schuldhafte Verletzung der Unterrichtspflicht als Dienstvergehen normieren

Wir wollen, dass die Sitzungen des PKGr zwingend protokolliert werden. Denn saubere Kontrolle erfordert eine Nach-

prüfbarkeit von Aussagen. Zur weiteren Aufwertung des Gremiums ist die Pflicht zur Protokollierung der Sitzungen des

PKGr gesetzlich zu fixieren, und die explizite Normierung der Verletzung von Unterrichtungspflichten als Dienstverge-

hen erforderlich.

10. Recht zur Information der Fraktionsvorsitzenden

Angesichts der hohen Bedeutung, die der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste in unserem Staat zu-

kommt, muss es möglich sein, dass die Mitglieder des PKGr mit ihren Fraktionsvorsitzenden aktuelle Themen der par-

lamentarischen Kontrolle beraten.

11. Konsequente Anwendung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG – gegenseitige Unterrichtung in Bund und Ländern

Nur der Deutsche Bundestag hat die Möglichkeit, bei bundesweiten Fragen ein Gesamtbild zu bekommen. Wir wollen

aus diesem Grunde, dass das PKGr direkt auch über die Tätigkeit der LfVs unterrichtet wird. Die Möglichkeiten des

Bundes in der Gesetzgebung zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich des Verfassungsschutzes sind

dahingehend zu nutzen, dass im Falle kooperativer Tätigkeit auch die Verfassungsschutzämter der Länder zur direkten

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 961 – Drucksache 17/14600

Unterrichtung des PKGr verpflichtet werden. Gleichzeitig hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die parlamentari-

schen Kontrollgremien der beteiligten Länder über Aktivitäten in den betreffenden Ländern zu unterrichten.

12. Stärkung der G 10-Kommission

Die G 10-Kommission soll künftig mit 5 Mitgliedern und 5 Stellvertretern besetzt werden, von denen jeweils mindes-

tens 3 die Befähigung zum Richteramt besitzen. Dies entspricht der Praktikabilität und dem Charakter der G 10-

Kommission. Denn bisher sitzen in der als Ersatz für den Rechtsweg vor Gericht gedachten Kommission nicht in erster

Linie politisch denkende Abgeordnete, sondern Fachleute, die vom Parlamentarischen Kontrollgremium bestellt wer-

den. Dieser Ansatz hat sich bewährt und soll auch nach der personellen Verstärkung erhalten bleiben.

Neu in die G 10-Kommission zu installieren ist ein zum Richteramt befähigter Ombudsmann, der vom PKGr gewählt

wird und der die Rechte der von Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz Betroffenen in deren Zeit der Unkenntnis wahr-

nimmt.

II. Verfassungsschutzverbund in der Sicherheitsarchitektur reformieren

Wir wollen, dass die Verfassungsschutzämter der Bundesländer ihren Aufgaben effizient und effektiv nachkommen

können. Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes wäre dagegen grob fahrlässig – die Aufgabe, unsere Demokratie
und unseren Rechtsstaat zu schützen, ist nach wie vor bedeutsam.

Vielmehr müssen sich auch die Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern und ihre Aufsichtsbehörden einem inten-

siven Erneuerungsprozess stellen. Kooperationsbereitschaft und vergleichbare Standards bilden das Grundrüstzeug.

Veraltete Dienstvorschriften müssen auf den Prüfstand, moderne Personalführungs- und Revisionsgrundsätze sind nö-

tig. Transparente interne Prozesse bilden eines der Fundamente für neues Vertrauen der Öffentlichkeit in die Dienste

und das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre für unsere Demokratie notwendige Arbeit. Ein rechtsstaatliches Leitbild für

die zukünftige Arbeit der Sicherheitsbehörden bildet hierfür die Grundlage.

1. Stärkung kleiner Ämter durch Zusammenlegung oder Spezialisierung

Kleine Verfassungsschutzbehörden können ihren Aufgaben – gerade unter Einhaltung wesentlicher Qualitätsstandards –
nicht in ausreichendem Maße gerecht werden. Diese Erkenntnis wurde bereits im BND-UA der letzten Wahlperiode

gewonnen. Daher sind die Länder in der Pflicht, über Lösungen, wie bspw. Zusammenlegungen oder Spezialisierungen

nachzudenken und dieses voranzutreiben.

2. Gemeinsame Standards von Bund und Ländern

In vielen Bereichen hat sich gezeigt, dass die Einführung und Einhaltung gemeinsamer Standards von Bund und Län-

dern dringend erforderlich ist. Ein Nebeneinander von Regelungen, die im schlimmsten Fall unvereinbar sind, darf es

nicht geben. Föderalismus muss besonders im Verfassungsschutz effizient gestaltet werden. Die Innenministerkonfe-

renz muss entsprechende Beschlüsse treffen. Andernfalls muss der Bund den Rahmen seiner Regulierungskompetenz

ausschöpfen.

3. Revision unzeitgemäßer Vorgaben

Angestaubtes Denken schafft kein Vertrauen, keine Effektivität und keine Motivation für rechtsstaatliches, zukunftsge-

richtetes Handeln. Die Kooperationsvorgaben zwischen den Diensten auf Bundesebene als auch zwischen Bund und

Ländern brauchen nachvollziehbares, anwendbares Recht – zur besseren Handhabung für die Mitarbeiter und zur Stär-
kung der Kontrolle und der Zuordnung von Verantwortlichkeiten. Veraltete Dienstvorschriften müssen daher substanti-

ell überarbeitet werden. Zum Beispiel müssen Maßnahmen der Dienste und gemeinsame „Operationen“ zwischen den
Diensten klar definiert und Verantwortlichkeiten sowie Abläufe dokumentiert werden. Dabei sind die zentralen Verfah-

rensschritte, wie bspw. Beginn und Beendigung einer Maßnahme zu dokumentieren und nachvollziehbar zu handhaben.

4. Verbesserung des Informationsflusses der Nachrichtendienste

Das Selbstverständnis der Ämter muss sich ändern: Die Selbstbezogenheit durch Informationssammlung im Haus und

fehlendem Austausch mit anderen Ämtern oder den Polizeien hat aufzuhören.

Der Informationsfluss zwischen den Ämtern für Verfassungsschutz ist daher zu verbessern. Insbesondere darf es nicht

sein, dass bei Einsätzen mehrerer Verfassungsschutzämter an einem Ort bzw. in einer Organisation die rechte Hand

nicht weiß, was die Linke macht: Alle müssen Kenntnis von der Mitarbeit der einzelnen Ämter haben. Die Federfüh-

rung bei jeglicher Aktion muss klar geregelt sein. Die Stärkung des BfV in seiner Koordinierungsfunktion der Verfas-

sungsschutzämter sollte geprüft werden. Gegebenenfalls muss der Gestaltungsspielraum des Bundes gemäß Artikel 73

GG genutzt werden. Das BfV muss zur Erstellung eines Gesamtbildes verpflichtet werden. Informationen müssen dort

zentral zusammengeführt, analysiert und ausgewertet werden. Zersplittertes Wissen schwächt den Schutz der Verfas-

sung.

Drucksache 17/14600 – 962 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Ausbildung professionalisieren – Personalführungsgrundsätze ergänzen

Grundlage und Voraussetzung eines jeden gut funktionierenden Apparates, einer Behörde, sind gute Mitarbeiter. Das

„Learning by Doing“, wie es momentan bei den Diensten praktiziert wird, hat nicht ausgereicht und reicht nicht aus für
einen modernen professionellen Dienst.

Die Länder und der Bund sind gefragt, eine gemeinsame Ausbildungsrichtlinie zu erarbeiten. Personalauswahlverfahren

sind durch klare Qualitätskriterien und Leitlinien zu organisieren, Weiterentwicklungsmöglichkeiten transparent zu

handhaben. Das wäre eine Gemeinschaftsaufgabe der Innenministerkonferenz (IMK) für das nächste Jahr, um 2014

loslegen zu können. So könnte es bspw. ab 2014 eine dreijährige, qualifizierte und verbindliche Ausbildung für alle in

Bund und Länder tätigen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes geben - mit einer standardisierten Abschlussprüfung.

Hier muss man dann als Konsequenz auch über bessere Verdienstmöglichkeiten reden.

6. Einhaltung gesetzlicher Löschungsfristen, Aufbewahrungspflichten und Akteneinsicht

Die Aufbewahrungspflichten und Löschungsfristen für Daten und Akten müssen klar gesetzlich geregelt und deren

Vollzug durch praxistaugliche Dienstvorschriften sichergestellt werden. Ein Gleichlauf der Vorschriften und der Praxis

im Bund und in den Ländern muss das Ziel sein.

Die derzeit geltenden Regelungen zu Löschung, Aufbewahrung und Mitteilung an die Betroffenen müssen auf ihre

Praxistauglichkeit und rechtsstaatlichen Anforderungen hin überprüft werden. Hierzu sollte seitens der Bundesregierung

noch bis Ende 2012 ein Vorschlag erarbeitet werden. Dabei muss insbesondere auch der Individualdaten- und -

rechtsschutz der Betroffenen in den Blick genommen werden. Spätestens vor der Vernichtung von Daten und Akten

haben die Nachrichtendienste die Betroffenen von der beabsichtigten Vernichtung in Kenntnis zu setzen, wenn die

Betroffenen in früheren Zeiten Akteneinsicht beim jeweiligen Dienst beantragt hatten. Den Betroffenen ist dann Akten-

einsicht zu ermöglichen. Lediglich in den Grenzen des § 15 Abs. 2 BVerfSchG dürfen Inkenntnissetzung und Aus-

kunftserteilung unterbleiben. Die ablehnende Entscheidung ist vom Behördenleiter im Einvernehmen mit der G 10-

Kommission zu treffen.

7. Datenschutzbeauftragte

Die Einhaltung der Vorschriften muss effizient einerseits durch die Datenschutzbeauftragten der Verfassungsschutzbe-

hörden geprüft werden. Aber auch Landes- und Bundesdatenschutzbeauftragte müssen ihre Rechte zur Kontrolle voll

ausschöpfen können; eine Verhinderung effektiver Kontrolle mit dem Verweis auf Geheimhaltung darf es nicht geben.

Gegebenenfalls sind die rechtlichen Möglichkeiten der Datenschutzbeauftragten entsprechend zu stärken.

8. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der V-Personen-Einsätze

Der Einsatz von V-Personen muss durch eine klare gesetzliche Regelung abgesichert sein, und deren Vollzug durch

praxistaugliche Dienstvorschriften sichergestellt werden. V-Personen liefern wichtige Hinweise; allerdings ist ihr Ein-

satz insbesondere durch die Erkenntnisse im Umfeld des NSU in Verruf geraten. Dem muss durch klare Regeln abge-

holfen werden. Intern müssen sich Bund und Länder über Richtlinien zum V-Personen-Einsatz verständigen, die klare

Vorgaben machen darüber, wer als V-Person in Frage kommt (Anforderungen an die Persönlichkeit), wie er von wem

geführt wird (z. B. Führungs-/Zuverlässigkeitsanforderungen an die V-Personen-Führer) und welche Entschädigungs-

möglichkeiten es geben kann.

Über die V-Personen-Einsätze haben sich die entsprechenden LfVs und das BfV gegenseitig zu informieren. Bisher

besteht nur eine Informationspflicht des BfV gegenüber den LfVs. Unerlässlich für effektive Maßnahmen ist aber auch,

dass die LfVs das BfV und andere LfVs informieren. Sonst weiß die rechte Hand nicht, was die Linke macht

Der Einsatz einer V-Person ist in den ersten 12 Monaten alle sechs Monate und über diesen Zeitraum hinaus alle drei

Monate vom Vorgesetzten des Führers der V-Person auf seine Rechtsmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen;

diese Prüfung ist zu dokumentieren.

Der Schutz von V-Personen und deren Führern muss gewährleistet sein. Allerdings darf dieses Feld nicht mit pauscha-

ler Geheimhaltung abgeschottet werden: Im Fall von Kapitaldelikten, wie Mord, muss gewährleistet werden, dass wich-

tige Erkenntnisse der Betroffenen den Polizeien und Staatsanwaltschaften zur Verfügung stehen. Durch pauschale

Sperrerklärungen mit dem Hinweis auf Quellenschutz kann dem Anliegen des Rechtsstaats, Verbrechen aufzuklären,

nicht Rechnung getragen werden. Die Entscheidungen müssen so konkret als möglich begründet werden.

9. Abschaffung MAD

Bereits seit mehreren Jahren fordert die FDP-Bundestagsfraktion, den Militärischen Abschirmdienst in das Bundesamt

für Verfassungsschutz und die Bundeswehr zu überführen. Dieser Nachrichtendienst unter Aufsicht des Bundesministe-

riums der Verteidigung ist nicht erforderlich. Die spezifischen Erkenntnisse sind abteilungsübergreifend zu integrieren.

10. Evaluierung von Recht und Praxis erforderlich

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 963 – Drucksache 17/14600

Die Sicherheitsarchitektur sowie die einzelnen Sicherheitsgesetze bedürfen kontinuierlicher Evaluation. Insbesondere

beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist eine Revision der Entscheidungswege, der Einhaltung rechtlicher Vorgaben

und der Personalführung, durchaus unterstützt durch externe Sachverständige, erforderlich. Wirksame Risiko Manage-

ment Systeme sind zu implementieren und eine Beschleunigung der Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgre-

miums jederzeit sicher zu stellen.

Auch einzelne Maßnahme, wie der Einsatz von V-Personen, muss unter die Lupe genommen werden. Evaluation be-

deutet nicht interne Zusammenstellung, sondern externe kritische Prüfung. Dabei müssen die Bedürfnisse der Geheim-

haltung gewahrt bleiben. Unter Verweis darauf aber eine Evaluierung zu unterbinden, ist angesichts der zu Tage getre-

tenen Mängel nicht vertretbar.

III. Zuständigkeiten bei Polizeien und Staatsanwaltschaften von Bund und Länder präzisieren

Die Erkenntnisse aus dem 2. Untersuchungsausschuss verdeutlichen, dass auch im Bereich der Arbeit der Polizeien und

Staatsanwaltschaften Reformbedarf besteht.

1. Klare Federführung

Bei der Aufklärung einer länderübergreifenden Verbrechensserie muss die Federführung bei Staatsanwaltschaft und

Polizei in eine Hand. Zuständigkeiten nach Verbrechensorten zu belassen und die Informationen in einer Steuerungs-

gruppe auszutauschen, kann zu Informations- und Zeitverlust führen. Reibungsverluste aufgrund unklarer Hierarchien

können die Ermittlungsarbeit nachhaltig erschweren.

2. Übernahme durch das BKA

Insbesondere sind die bisherigen hohen rechtlichen Voraussetzungen zur Übernahme von Ermittlungen durch das BKA

hinsichtlich ihrer Praktikabilität zu überprüfen, mindestens aber ein verbindliches Verfahren zu finden, in dem sicherge-

stellt ist, dass bei länderübergreifenden Ermittlungen klare Hierarchien und Entscheidungswege definiert sind.

3. Weitere Sicherheitsbehörden

Darüber hinaus sind auch weitere Sicherheitsbehörden, so z. B. auch der für die Bekämpfung des Waffen- und Men-

schenschmuggels oder auch der Schwarzgeldbekämpfung zuständige Zollfahndungsdienst, besser einzubeziehen.

4. Sensibilisierung gegenüber Fremdenfeindlichkeit

Eine besondere Sensibilisierung von Polizisten und Staatsanwälten in Bezug auf die Verfolgung von Straftaten im Be-

reich Fremdenfeindlichkeit in der Ausbildung sollte geprüft werden. Die Einstellungsvoraussetzungen für den öffentli-

chen Dienst, insbesondere bei den Sicherheitsbehörden, müssen hinsichtlich der Kenntnisse zu extremistischen Organi-

sationen präzisiert werden.

5. Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden verbessern

Der Informationsaustausch nicht nur innerhalb des Verfassungsschutzverbundes, sondern insbesondere auch gegenüber

den Polizeien muss verbessert werden. Eventuell sind gesetzliche Präzisierungen dahingehend vorzunehmen. Das Tren-

nungsgebot darf dadurch nicht infrage gestellt werden. Vielmehr gilt es, die Aufgaben von Polizei und Nachrichten-

diensten effektiv zu erfüllen. Dabei ist es abwegig, die Aufgaben des Verfassungsschutzes in den Bereich der Strafver-

folgung auszudehnen. Vielmehr müssen die jetzt bereits bestehenden Informationsmöglichkeiten genutzt werden; even-

tuell gilt es, die Pflichten stärker zu betonen.

Eine Zusammenarbeit wie im Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts (GAR) und im Gemeinsamen Terror-

Abwehrzentrum (GTAZ) ist hilfreich. Da diese jedoch nicht nur vorübergehende Einrichtungen sind, muss über deren

gesetzliche Absicherung unter Präzisierung der Aufgaben und Befugnisse nachgedacht werden. Darüber hinaus ist zu

erwägen, den Informationsaustausch durch weitere „Gemeinsame Abwehrzentren“ zu allen verfassungsfeindlichen
Bestrebungen zu verbessern, also nicht nur gegen Rechtsextremismus und Islamistischen Terrorismus.

Gemeinsame Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten, wie die Datei zur Bekämpfung des gewaltbezoge-

nen Rechtsextremismus, können den Informationsaustausch unterstützen, aber die verbesserte Zusammenarbeit nicht

ersetzen.

Drucksache 17/14600 – 964 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Deutscher Bundestag Drucksache 17/

17. Wahlperiode

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Hartfrid Wolff ... und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kontrollgremiumgesetzes und der Gesetze über die Nachrichtendiensten

A. Problem

Im Jahr 2009 wurde die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes reformiert. Die

durch die Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe nationalsozialistischer Unter-
grund“ zu Tage getretenen Vorgänge in deutschen Nachrichtendiensten und die von Mitgliedern des Parlamentarischen
Kontrollgremiums unter der neuen Rechtslage gesammelten Erfahrungen zeigen jedoch, dass die bisherige Ausgestal-

tung parlamentarischer Kontrolle nicht hinreichend ist, es einer weiteren Reform bedarf.

B. Lösung

Die Lösung liegt zum einen in einer Verstärkung der Ausstattung des Parlamentarischen Kontrollgremiums durch in

den Diensten recherchierende Hilfskräfte. Mit dem ständigen Sachverständigen wird eine im Bereich der Untersu-

chungsausschüsse fest etablierte Stütze der parlamentarischen Arbeit sinngemäß auf die Kontrolle der Bundesregierung

im Bereich der Nachrichtendienste übertragen. Die Effektivität der Nachrichtendienste wird dabei nicht beeinträchtigt,

da durch die Verstetigung der Kontrolle ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem Sachverständigen entsteht.

Der Sachverständige ist allein dem Parlamentarischen Kontrollgremium verantwortlich und äußert sich nicht in der

Öffentlichkeit.

Zum anderen werden mit dem Einsatz von V-Personen, dem Erlass von Verwaltungsvorschriften für die Nachrichten-

dienste und der Kooperation der Nachrichtendienste von Bund und Ländern wichtige Sachverhalte einer besonderen

Beachtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zugeführt.

Schließlich sollen weitere Maßnahmen die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums erleichtern.

C. Alternativen

Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes.

D. Kosten

Die für den ständigen Sachverständigen erforderlichen Personal- und Sachmittel werden vor allem aus dem Sekretariat

des Parlamentarischen Kontrollgremiums gestellt. Daher ergeben sich die Kosten im Wesentlichen aus der Vergütung

des ständigen Sachverständigen in Anlehnung an die Besoldungsgruppe B 3, mithin jährlich 87.066,60 €.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 965 – Drucksache 17/14600

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kontrollgremiumgesetzes und der Gesetze über die Nachrichtendiensten

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle

nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz-PKGrG)

Das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes in der Fassung der Be-

kanntmachung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346) wird wie folgt geändert:

1. § 3 wird wie folgt geändert:

In Abs. 1 Satz 1 werden vor dem Wort „zusammen“ die Worte „und darüber hinaus zu einer jährlichen Klausurta-
gung“ eingefügt.

2. § 4 wird wie folgt geändert:

Nach Abs. 1 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

„Über den Einsatz von V-Personen berichtet sie unter grundsätzlicher Wahrung der Anonymität der V-Personen auch
ohne besondere Vorkommnisse jährlich.“

Der bisherige Satz 2 wird neuer Satz 3.

Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt:

„(2) Eine schuldhafte Verletzung der Unterrichtungspflicht durch die im Parlamentarischen Kontrollgremium berich-
tenden Amtsträger stellt ein Dienstvergehen dar. Auf Verlangen von einem Viertel der Mitglieder des Parlamentari-

schen Kontrollgremiums ist über eine Verletzung der in Abs. 1 festgelegten Unterrichtungspflicht dem Plenum des

Deutschen Bundestages zu berichten.“

Der bisherige Abs. 2 wird neuer Abs. 3.

3. § 5 wird wie folgt geändert:

Nach Abs. 4 wird folgender Abs. 5 eingefügt:

„(5) Kontrollbefugnisse sind auszuüben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder beantragt sind.“

4. § 6 wird wie folgt geändert:

In Abs. 2 Satz 1 werden nach dem Wort „Nachrichtenzugangs“ die Worte „eines ausländischen Nachrichtendienstes“
eingefügt.

5. § 7 wird wie folgt neu gefasst:

„§ 7 Ständiger Sachverständiger

(1) Das Parlamentarische Kontrollgremium wählt zur unterstützenden Wahrnehmung seiner Kontrollauf-

gaben nach Anhörung der Bundesregierung einen ständigen Sachverständigen.

(2) Die Amtszeit des ständigen Sachverständigen beträgt fünf Jahre. Er kann mit drei Viertel Mehrheit der

Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vorzeitig abberufen werden. Einmalige Wiederwahl

ist zulässig.

(3) Der ständige Sachverständige ist dem gesamten Parlamentarischen Kontrollgremium verantwortlich.

Öffentliche Erklärungen gibt er nicht ab. Im Rahmen seiner Beauftragung durch das Parlamentarische

Kontrollgremium ist er unabhängig. Aufträge sind auszuführen, wenn sie von einem Viertel der Mitglie-

der beantragt sind, §§ 5, 6 und 10 Abs. 1 gelten entsprechend.

(4) Der ständige Sachverständige wird beim Bundestag eingerichtet. Er untersteht der Dienstaufsicht des

Präsidenten des Deutschen Bundestages; ihm ist die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Perso

Drucksache 17/14600 – 966 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Die Stellen sind im Einvernehmen mit dem ständigen

Sachverständigen aus der Bundestagsverwaltung zu besetzen. Dabei haben zumindest drei der Mitarbeiter

die Befähigung zum Richteramt vorzuweisen. Die Mitarbeiter können, falls sie mit beabsichtigten Maß-

nahmen nicht einverstanden sind, nur im Einvernehmen mit dem ständigen Sachverständigen versetzt,

abgeordnet oder umgesetzt werden.

(5) Der ständige Sachverständige darf neben seinem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und

keinen Beruf ausüben und weder der Leitung oder dem Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat eines auf Er-

werb gerichteten Unternehmens noch einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bun-

des oder eines Landes angehören. Er darf nicht gegen Entgelt außergerichtliche Gutachten abgeben.

(6) Der ständige Sachverständige erhält vom Beginn des Kalendermonats an, in dem das Amtsverhältnis

beginnt, bis zum Schluss des Kalendermonats, in dem das Amtsverhältnis endet, Amtsbezüge und Pensi-

onsansprüche in Höhe der einem Bundesbeamten der Besoldungsgruppe B 3 zustehenden Versorgung.

Das Bundesreisekostengesetz und das Bundesumzugskostengesetz sind entsprechend anzuwenden.“

6. § 8 wird wie folgt geändert:

a) In Abs. 1 Satz 1 werden das zweite und dritte Komma sowie die Wörter „jedoch nicht im eigenen

oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden“ gestrichen; nach dem Wort „Kontrollgremium“

werden die Wörter „oder den ständigen Sachverständigen“ eingefügt.

b) Abs. 1 Satz 2 wird aufgehoben.

c) Abs. 1 Satz 3 wird neuer Absatz 1 Satz 2.

d) In Abs. 1 Satz 2 werden nach dem Wort „Eingaben“ die Wörter „nach Ermessen der Parlamentari-

schen Kontrollgremiums in anonymisierter oder nichtanonymisierter Form“ eingefügt.

7. § 10 wird wie folgt geändert:

In der Überschrift wird nach dem Wort „Sondervoten“ ein Komma und das Wort „Niederschrift“ eingefügt.

Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt:

„(2) Unter Einhaltung der Vorschriften der Anlage 3 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Geheim-
schutzordnung des Deutschen Bundestages) dürfen sich die Mitglieder mit dem oder den Vorsitzenden und einem

dem Ältestenrat angehörenden Parlamentarischen Geschäftsführer ihrer jeweiligen Fraktion zu Inhalten der Sitzung

des Parlamentarischen Kontrollgremiums beraten. Abs. 1 gilt in diesen Fällen für die Vorsitzenden und dem Parla-

mentarischen Geschäftsführer entsprechend.

Der bisherige Abs. 2 wird neuer Abs. 3.

Nach Abs. 4 wird folgender Abs. 5 eingefügt:

„(5) Über die Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird eine Niederschrift in drei Exemplaren gefer-
tigt. Je ein Exemplar erhält das Bundeskanzleramt, die Geheimschutzstelle und das Sekretariat. Die Niederschrift ist

zu beschränken auf die Wiedergabe der Tagesordnung, die Angabe der behandelten Gegenstände, Beschlüsse und

solcher Erklärungen, deren wörtliche Aufnahme in der Niederschrift von einem Teilnehmer der Sitzung verlangt

worden ist.“

8. § 11 wird wie folgt geändert:

In Abs. 2 Satz 2 wird das Wort „keinen“ gestrichen.

In Abs. 2 Satz 3 werden die Wörter „zwei Drittel“ gestrichen und dafür die Wörter „mehr als drei Viertel“ eingefügt,
nach dem Wort „Sitzungen“ wird das Wort „nicht“ eingefügt.

9. Nach § 11 wird folgender neuer § 12 eingefügt:

„§ 12 Zusammenarbeit mit parlamentarischen Kontrollgremien der Länder

(1) Zur Erfüllung seines Kontrollauftrages hinsichtlich kooperativer Tätigkeiten der in § 1 Abs. 1 ge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 967 – Drucksache 17/14600

nannten Behörden mit Nachrichtendiensten der Bundesländer kann sich das Parlamentarische Kontroll-

gremium im Benehmen mit der Bundesregierung mit den parlamentarischen Kontrollgremien der Bun-

desländer beraten, dessen Behörden an der Kooperation beteiligt sind.

(2) Das Parlamentarische Kontrollgremium hat einem Verlangen der Bundesregierung auf Teilnahme an

der Beratung zu entsprechen.“

10. Der bisherige § 12 wird § 13.

Artikel 2

Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungs-

schutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)

Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und

über das Bundesamt für Verfassungsschutz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch

Artikel 2 des Gesetzes vom 20. August 2012 (BGBl. I S. 1798), wird wie folgt geändert:

1. § 8 wird wie folgt geändert:

In Abs. 2 Satz 3 werden das Komma und die Wörter „der das Parlamentarische Kontrollgremium unter-

richtet“ gestrichen.

2. Nach § 27 wird folgender neuer § 28 eingefügt:

㤠28 Beteiligung des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Verwaltungsvorschriften für das Bundesamt für Verfassungsschutz sind im Benehmen mit dem Parlamen-

tarischen Kontrollgremium zu erlassen.“

Artikel 3

Änderung des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst

(MAD-Gesetz - MADG)

Das Gesetz über den militärischen Abschirmdienst vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977), zuletzt geändert

durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 13 wird folgender neuer § 14 eingefügt:

㤠14 Beteiligung des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Verwaltungsvorschriften für den Militärischen Abschirmdienst sind im Benehmen mit dem Parlamen-

tarischen Kontrollgremium zu erlassen.“

2. Der bisherige § 14 wird § 15.

Artikel 4

Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz

- BNDG)

Das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zuletzt geändert

durch Artikel 3 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 11 wird folgender neuer § 12 eingefügt:

㤠12 Beteiligung des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Verwaltungsvorschriften für den Bundesnachrichtendienst sind im Benehmen mit dem Parlamen-

tarischen Kontrollgremium zu erlassen.“

2. Der bisherige § 12 wird § 13.

Drucksache 17/14600 – 968 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Artikel 5

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 25. Februar 2013

Rainer Brüderle und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 969 – Drucksache 17/14600

Begründung

A. Allgemeines

Das Parlamentarische Kontrollgremium soll die Tätigkeit der Bundesregierung im Bereich der Nachrichtendienste

kontrollieren. In zwei großen Schritten wurden 1999 und 2009 die Grundlagen der Arbeit des Gremiums reformiert und

verbessert. Indes zeigen die Vergangenheit und insbesondere die mit dem 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlpe-

riode „Terrorgruppe nationalsozialistischer Untergrund“ offenbar gewordenen Vorgänge in deutschen Nachrichten-
diensten, die zuvor nicht in angemessener Form von der parlamentarischen Kontrolle erfasst werden konnten, dass die

Kontrolle trotz des großen Engagements der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums nur Stichprobencha-

rakter hat oder der Aufarbeitung von außen herangetragener Sachverhalte dient. Eine strukturiert in die Organisation,

den Geschäftsgang und die nach außen gerichteten Maßnahmen der Nachrichtendienste vordringende Kontrolle erfolgt

nicht. Diese wäre für eine wirksame Kontrolle allerdings erforderlich.

Dem Parlamentarischen Kontrollgremium muss mit dem Hilfsmittel des ständigen Sachverständigen die Möglichkeit

geschaffen werden, Kontrolle in den Nachrichtendiensten intensiver auszuüben. Die Kontrolle bleibt dabei eine parla-

mentarische Angelegenheit, da er lediglich dem Gremium zuarbeitet und diesem verantwortlich ist, sich seine Rechte

aus den Befugnissen des Parlamentarischen Kontrollgremiums ableiten. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit mit den

Nachrichtendiensten erleichtert, die ihrerseits Vertrauen in die nicht öffentlich auftretende Person und die Arbeit des

Sachverständigen gewinnen können.

Darüber hinaus besteht eine der entscheidenden Kontrollmöglichkeiten dann, wenn auch die Richtlinien des aktiven

Handelns der vorherigen Kontrolle unterliegen. Um der großen Bedeutung, die Verwaltungsvorschriften für die behörd-

liche Tätigkeit haben, zu entsprechen, sind diese für den Bereich der Nachrichtendienste im Benehmen mit dem Parla-

mentarischen Kontrollgremium zu erlassen.

Angesichts der hohen Bedeutung, die der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste in unserem Staat zu-

kommt, muss es möglich sein, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit ihren Fraktionsvorsit-

zenden bzw. Parlamentarischem Geschäftsführer über aktuelle Themen der parlamentarischen Kontrolle beraten. Zu-

dem ist ihre Unterstützung durch sicherheitsüberprüfte Mitarbeiter zu vereinfachen. Ihnen ist grundsätzlich der Zutritt

zu den Sitzungen des Kontrollgremiums zu gewähren

Auch in Fragen der Kooperation der Nachrichtendienste des Bundes mit den Ländern muss die Kontrolltätigkeit des

Parlamentarischen Kontrollgremiums verbessert werden, ist eine Öffnung hin zur Zusammenarbeit mit Kontrollgremi-

en der Länder vorzunehmen.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle

nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes)

Zu Nummer 1

Die Klausurtagung soll unter anderem dem vertieften Gedankenaustausch der Mitglieder des Parlamentarischen Kont-

rollgremiums, der ausführlichen Berichterstattung des ständigen Sachverständigen und der Vertreter der Bundesregie-

rung und der Nachrichtendienste dienen

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a

Mit der obligatorischen Berichtspflicht über den Einsatz von V-Personen wird der Bedeutung dieses Mittels der Infor-

mationsbeschaffung und der dabei zu beachtenden Gemengelage Rechnung getragen.

Zu Buchstabe b

§ 4 Abs. 2 verdeutlicht, dass eine schuldhafte Verletzung der Unterrichtungspflicht ein Dienstvergehen darstellt. Nach

§ 4 Abs. 2 ist auf Verlangen von einem Viertel der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums über eine Ver-

letzung der im Abs. 1 festgelegten Unterrichtungspflicht dem Plenum des Deutschen Bundestages zu berichten. Damit

wird ein Minderheitenrecht auf Unterrichtung des Plenums des Deutschen Bundestages bei Verletzung der normierten

Unterrichtungspflicht festgeschrieben.

Zu Nummer 3

§ 5 Abs. 5 stärkt die Minderheitenrechte im Parlamentarischen Kontrollgremium.

Zu Nummer 4

Drucksache 17/14600 – 970 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Änderung in § 6 Abs. 2 Satz 1 soll verhindern, dass deutsche Nachrichtendienste untereinander Absprachen treffen

können, die den Kontrollauftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums begrenzen.

Zu Nummer 5

Die frühere Möglichkeit, im Einzelfall einen Sachverständigen zu bestellen, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Par-

lamentarischen Kontrollgremiums dafür stimmen, wurde kaum genutzt und hat sich daher nicht bewährt.

Durch die Verstetigung und den damit einhergehenden Einsatz von zusätzlichen personellen Ressourcen (Sachverstän-

diger und dessen Hilfskräfte), die allein die Aufträge des Parlamentarischen Kontrollgremiums erfüllen, wird die Kon-

trolle intensiviert. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten erleichtert, die ihrerseits Vertrauen

in die Person und Arbeit des Sachverständigen gewinnen können.

Die Bezüge des ständigen Sachverständigen werden seinen vom Parlamentarischen Kontrollgremium abgeleiteten

Befugnissen gerecht. Zumindest jeweils einer der Mitarbeiter des ständigen Sachverständigen soll für je einen der

Nachrichtendienste des Bundes speziell zuständig sein. Für diese Mitarbeiter ist die Befähigung zum Richteramt zwin-

gend, da mitunter schon für die die Kontrolltätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums vorbereitenden Untersu-

chungen eine Bewertung von Vorgängen nach deren Rechtmäßigkeit erforderlich ist.

Zu Nummer 6

Die Änderungen in § 8 sollen den vertrauensvollen Zugang von Mitarbeitern der Dienste zum Parlamentarischen Kont-

rollgremium erleichtern und berücksichtigen dabei die neu geschaffene Stelle des ständigen Sachverständigen.

Zu Nummer 7

Zu Buchstabe b

An den Grundsätzen der Geheimhaltungspflicht der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird festge-

halten. Ihnen wird aber ein Unterrichtungsrecht gegenüber dem Fraktionsvorsitzenden und dem Parlamentarischen

Geschäftsführer ermöglicht, um diese über die Beratungen zu informieren.

Zu Buchstabe d

Die Übernahme von Regelungen zur Niederschrift in den Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums von der

Geschäftsordnung des Parlamentarischen Kontrollgremiums in das Gesetz korreliert mit der Einordnung der Verletzung

der Unterrichtspflicht als Dienstvergehen.

Zu Nummer 8

§ 11 Abs. 2 Satz 2 erleichtert den sicherheitsüberprüften Mitarbeitern der Fraktionen die Unterstützung der Mitglieder

des Parlamentarischen Kontrollgremiums ohne die Geheimhaltung zu gefährden. In Einzelfällen soll es jedoch möglich

bleiben, Mitarbeiter von den Sitzungen auszuschließen.

Zu Nummer 9

§ 12 überträgt die den Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder gesetzlich aufgetragene Kooperation auf den

Bereich der parlamentarischen Kontrolle. Durch die bundesseitige Ermöglichung einer Zusammenarbeit der Parlamen-

tarischen Kontrollgremien des Bundes und der Länder werden föderalbedingte Graubereiche parlamentarischer Kon-

trolle an den Schnittstellen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste vermieden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Gesetzes die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des

Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz)

Zu Nummer 1

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 2.

Zu Nummer 2

§ 28 trägt der großen Bedeutung, die Verwaltungsvorschriften für das Handeln der Nachrichtendienste haben, Rech-

nung.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst)

Zu Nummer 1

§ 14 übernimmt die Regelung zur Einbeziehung des Parlamentarischen Kontrollgremiums beim Erlass von Verwal-

tungsvorschriften für das Bundesamt für Verfassungsschutz auch für den Militärischen Abschirmdienst.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 971 – Drucksache 17/14600

Zu Artikel 4 (Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst)

§ 12 übernimmt die Regelungen zur Einbeziehung des Parlamentarischen Kontrollgremiums beim Erlass von Verwal-

tungsvorschriften für das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst ebenfalls für den

Bundesnachrichtendienst.

Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Da ein Erfordernis für Übergangsregelungen nicht erkennbar ist, kann

das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Drucksache 17/14600 – 972 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

FDP-Bundestagsfraktion
Positionspapier
Mit einer transparenten und föderalen Sicher-
heitsarchitektur die Balance von Freiheit und Si-
cherheit stärken
Beschluss der FDP-Bundestagsfraktion vom 06.11.2012

Das Ansehen der Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutzämter, aber auch das Vertrauen der Men-

schen in Deutschland in eine reibungslose Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden, einmal zwischen

Polizei und Nachrichtendiensten, zum anderen zwischen Landes- und Bundesbehörden, ist durch die Aufdeckung der

Mordserie der rechtsextremen Gruppierung aus Zwickau empfindlich beeinträchtigt worden.

Die Liberalen haben stets gemahnt, dass die Konsequenzen aus vergangenen Fehlern nicht vorschnell und in einem

politischen Überbietungswettbewerb gezogen werden dürfen, sondern einer vorangegangenen gründlichen Analyse

bedürfen. Der noch laufende NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags hat bereits viel Aufklärungsar-

beit geleistet, wenn auch noch weiterhin die Vorgänge bis ins Detail erklärungsbedürftig sind.

Die FDP in Bund und Ländern sieht sich darin bestärkt, dass die Sicherheitsarchitektur in unserem Land verbessert

werden muss, um künftig Herausforderungen besser meistern zu können.

Eine funktionierende Sicherheitsarchitektur ist nicht nur Voraussetzung für effiziente Arbeit der Sicherheitsbehörden,

sondern auch für das Vertrauen der Menschen in den Rechtstaat. Dazu gehört insbesondere eine klare Zuständigkeits-

abgrenzung, Normenklarheit bei den jeweiligen Rechtsgrundlagen und eine rechtstaatliche Kontrolle, insbesondere

dort, wo heimliche Maßnahmen in die Grundrechte eingreifen.

Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden richten sich einerseits nach ihren spezifischen Aufgabenfeldern und zum

anderen in unserem föderalen Staat nach den grundgesetzlich festgelegten Kompetenzen. Weder darf die Grenze zwi-

schen Polizei und Nachrichtendiensten verwischt werden noch die Grenze zwischen Landes- und Bundeszuständigkeit.

Die FDP bekennt sich konsequent zur föderalen Ordnung und zu der Verantwortung der Länder für ihre jeweilige Lan-

despolizei und ihre Landesämter für Verfassungsschutz. Zudem lehnt die FDP eine Aufweichung des Trennungsgebots

ab. Eine gute Zusammenarbeit ist für die FDP nicht gleichbedeutend mit einer Vermischung von polizeilicher und

nachrichtendienstlicher Kompetenz, sondern heißt, dass dort, wo Erkenntnisse zwischen Polizei und Nachrichtendiens-

ten ausgetauscht werden müssen, weil sich etwa aus der allgemeinen Vorfeldermittlung (nachrichtendienstliche Er-

kenntnisse) eine strafrechtlich und polizeirechtlich relevante Gefahr konkretisiert, unter strikten rechtstaatlichen Maß-

gaben unverzüglich und ohne falschen Behördenegoismus eine vertrauensvolle Zusammenarbeit stattfindet. Die FDP-

Bundestagsfraktion lehnt daher auch die Ausweitung von gesetzlichen Befugnissen der Polizei immer weiter ins Vor-

feld ab, da so die Grenze zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher Zuständigkeit verwischt wird. Den Be-

schluss der Bundesregierung, durch eine Expertenkommission die Sicherheitsgesetzgebung daraufhin zu überprüfen,

wo gesetzliche Kompetenzen in den Kompetenzbereich anderer Sicherheitsbehörden ausgedehnt wurden, begrüßt die

FDP ausdrücklich.

I. Föderale Sicherheitsarchitektur vernünftig gestalten

Die föderale Sicherheitsarchitektur mit der Aufteilung von Kompetenzen der Sicherheitsbehörden und mithin der Be-

schränkung ihrer Befugnisse auf den jeweiligen Bereich dient der Balance von Freiheit und Sicherheit. Wenn die Be-

fugnisse der Sicherheitsbehörden der Länder alle zusammen einer personell und sächlich stärker ausgestatteten polizei-

lichen Großbehörde eingeräumt würden, potenzieren sich die Eingriffe in die Grundrechte, auch, weil die erhobenen

Daten und Erkenntnisse zentral zur Verfügung stehen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 973 – Drucksache 17/14600

Zudem führt eine Zentralisierung nicht zu einer Verbesserung der Bekämpfung der Kriminalität vor Ort. Die Expertise

der lokalen Sicherheitsbehörden ist für die Verbrechensbekämpfung von erheblicher Bedeutung. Eine Zentralisierung

und Konzentration von Kompetenzen beim Bund ist für die Sicherheit der Menschen mithin weder erforderlich noch

hilfreich, eine bessere Koordination der Behörden des Bundes und der Länder untereinander ist aber geboten.

Die FDP hält strikt am föderalen Prinzip fest.

Die FDP betont jedoch, dass eine gute Zusammenarbeit auch zwischen den Ländern erforderlich ist.

Bei länderübergreifenden Gefahrenlagen muss eine reibungslose Zusammenarbeit gewährleistet sein. In den vergange-

nen Jahren haben die Polizeien der Länder oftmals bewiesen, dass sie bei Großveranstaltungen wie der Fußball-

Weltmeisterschaft gut zusammenarbeiten. Im Bereich der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität oder internatio-

nalem Terrorismus pflegen die Polizeien der Länder ebenfalls eine gute Zusammenarbeit. Allerdings haben die Er-

kenntnisse aus der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses zutage gefördert, dass Behördenegoismen dazu

geführt haben, dass bestehende rechtliche Möglichkeiten und sogar Pflichten zur gegenseitigen Information nicht ge-

nutzt wurden. Für die FDP ist die Durchsetzung geltenden Rechts der entscheidende Ansatz. Organisatorisch ist die

Zusammenarbeit der Länder bei einer länderübergreifenden Ermittlung zu verbessern. Die FDP-Bundestagsfraktion

appelliert an die Länder, in Zukunft besser und strukturierter die Zusammenarbeit zu koordinieren und in Eigenverant-

wortung hierzu baldmöglichst Vorschläge vorzulegen.

Für neue Gesetze ist hingegen kein Raum, solange geltendes Recht nicht ausgeschöpft wird. Wo rechtsstaatliche Stan-

dards z. B. für die Ausbildung der Mitarbeiter des Verfassungsschutzverbundes, für den Einsatz von V-Leuten, zur

besseren Koordination der Behörden selbst oder zur rechtsstaatlichen Stärkung der Aktenhandhabung bislang fehlen,

müssen rechtstaatliche Lösungen gefunden und erforderlichenfalls gesetzlich verankert werden .

Die Vernetzung der Länderpolizeien untereinander wird u. a. durch die Zentralstellenfunktion des BKA gewährleistet.

Die FDP hat die Ausweitung der Zuständigkeiten des BKA auf die Gefahrenabwehr bei der Bekämpfung des internati-

onalen Terrorismus abgelehnt. Die Liberalen halten daran fest, einem Eingriff in Länderkompetenzen im Sicherheitsbe-

reich grundsätzlich ablehnend gegenüber zu stehen.

Die Länder dürfen an der Sicherheit ebensowenig sparen wie der Bund bei seinen Sicherheitsbehörden. Der Abbau von

Stellen bei manchen Länderpolizeien gibt Anlass zur Sorge. Notwendig ist vielmehr, dass die Länder ihre Polizei mit

Personal und Sachmitteln angemessen ausstatten und auch die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass die Polizistinnen

und Polizisten in ihrem Engagement unterstützt und motiviert werden.

Nicht erst aufgrund der Erkenntnisse aufgrund der rechtsextremen Gewalttaten ist es geboten, mit vorhandenen Res-

sourcen bei den Sicherheitsbehörden mehr zu erreichen. Daher hat sich die FDP bereits in den Koalitionsverhandlungen

im Bund für eine Evaluierung der Sicherheitsarchitektur stark gemacht. Ziel muss die Vermeidung von Doppelstruktu-

ren und Reibungsverlusten sein.

1. Polizei ist Ländersache

Auch künftig muss der Grundsatz gelten, dass die Länder für die Polizei zuständig sind und der Bund nur in den vom

Grundgesetz eigens bestimmten Bereichen eine Kompetenz hat.

2. Polizeibehörden des Bundes

Die Sicherheitsbehörden des Bundes wie das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei oder auch das Zollkriminalamt

und der Zollfahndungsdienst sind immer nur dann und in den Spezialbereichen zuständig, wo dies ausdrücklich als

Ausnahme von der Länderzuständigkeit vorgesehen ist. So heißt es in § 1 Abs. 3 BKA-Gesetz etwa: „Die Verfolgung
sowie die Verhütung von Straftaten und die Aufgaben der sonstigen Gefahrenabwehr bleiben Sache der Länder, soweit

gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.“ In § 1 Abs. 7 des Bundespolizeigesetzes heißt es: „Die Zuständigkeit der Poli-
zei des Landes bleibt auch in den in Abs. 3 sowie in den in den §§ 2 bis 5 bezeichneten räumlichen Zuständigkeitsbe-

reichen der Bundespolizei unberührt.“ Bei der Neuorganisation ist zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht in
seiner Entscheidung vom 28. Januar 1998 zum Bundesgrenzschutz (BVerfGE 97, 198-228) deutlich gemacht hat: „Der
Bundesgrenzschutz darf nicht zu einer allgegenwärtigen, mit den Länderpolizeien konkurrierenden Bundespolizei aus-

gebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren.“

An diesen Grundsätzen ist nicht zu rütteln. Eine Reform der Sicherheitsbehörden des Bundes darf nicht dazu führen,

dass die grundgesetzliche Kompetenzverteilung untergraben wird.

Die Finanzverwaltung muss nach Art. 87 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes als bundeseigene Verwaltung,

an deren Spitze gem. Art. 108 GG der Bundesfinanzminister zu stehen hat, geführt werden. Der Zoll als Teil der Bun-

desfinanzverwaltung nimmt jedoch in Form des Zollfahndungsdienstes und des Zollkriminalamts als „Finanzpolizei“
auch die Annexkompetenz der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im Bereich der Zuständigkeiten der Finanzverwal-

tung wahr, soweit ihr diese Aufgabe durch Gesetz übertragen wurde.

Drucksache 17/14600 – 974 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Aufgaben und Befugnisse dieser Sonderpolizei des Bundes im Bereich der Fiskalkriminalität überschneiden sich

dabei zum Teil mit denen der Polizeien der Länder sowie der anderen Sonderpolizeien des Bundes BKA und Bundes-

polizei.

Da es sich bei den Aufgaben des Zollfahndungsdienstes und des Zollkriminalamts weniger um fiskalische Zuständig-

keiten handelt, denn um einen Beitrag zur Inneren Sicherheit im Bereich der Bekämpfung von Verbrechen, sollten sie

dem Bundesministerium des Innern unterstellt werden. Dies gilt umso mehr, als beim Zollkriminalamt und beim Zoll-

fahndungsdienst umfassende Expertise im Hinblick auf die Sicherheit an Flughäfen und EU-Grenzen vorhanden ist.

Personelle Ressourcen werden nicht sinnvoll und effektiv eingesetzt, wenn z. B. zur Kriminalitätsbekämpfung an den

Grenzen neben der Landespolizei und der Bundespolizei auch der Zoll tätig wird.

Soweit und sofern Aufgaben, die derzeit Zollkriminalamt und Zollfahndungsdienst wahrnehmen zugleich Aufgaben

anderer Sicherheitsbehörden sind, sollen zur Vermeidung von Doppelzuständigkeiten die Aufgaben künftig möglichst

nur noch von einer Sicherheitsbehörde wahrgenommen werden. Etwa durch die Aufgabenreduzierung frei werdende

Stellen beim Zollkriminalamt und Zollfahndungsdienst dürfen dabei aber nicht abgebaut werden, sondern die Beamten

sollen dann mit ihrer Erfahrung und ihrer Expertise dort eingesetzt werden, wo künftig die Zuständigkeit für diese Auf-

gabe liegt. Zum Teil bietet sich hierfür im Bereich der Sicherheitsbehörden des Bundes die Bundespolizei an, insbe-

sondere im Bereich der Luftsicherheit.

Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Bundespolizei verfassungsrechtlich keine Polizei sein kann, die

allgemeine Aufgaben der Verbrechensbekämpfung im gesamten Bundesgebiet in eigener Kompetenz wahrnimmt. Als

Nachfolgerin des Bundesgrenzschutzes nimmt die Bundespolizei grenzpolizeiliche Aufgaben wahr. Die Aufgaben der

Bahnpolizei und der Luftsicherheit wurden ihr als Annexkompetenz der Zuständigkeit des Bundes für den Bahn- und

Luftverkehr ebenfalls übertragen. Sie ist also eine Polizeibehörde mit speziellem und beschränktem Aufgabengebiet in

Bereichen, für die nach dem Grundgesetz der Bund zuständig ist. Gleiches gilt für den Zollfahndungsdienst und das

Zollkriminalamt, die als polizeiliche Behörde nur im Spezialgebiet der fiskalbezogenen Verbrechen tätig werden dür-

fen. Insoweit darf eine Umorganisation nicht dazu führen, dass eine Polizei des Bundes in Konkurrenz zu den verfas-

sungsrechtlich zuständigen Länderpolizeien entsteht. Dies wäre auch verfassungsrechtlich nicht von der Kompetenz des

Bundes gedeckt.

Zudem muss bedacht werden, dass eine ausschließliche Aufgabenwahrnehmung an den Grenzen, beispielsweise im

Bereich des Menschenhandels oder des Schmuggels, durch die Bundespolizei zu neuen Reibungsverlusten führen kann,

wenn dann jenseits der Flughäfen oder der 30-km-Zone entlang der deutschen Außengrenzen wiederum eine andere

Behörde zuständig sein muss. Daher ist die Aufgabenübertragung eng zu begrenzen. Vor allem ist es notwendig, zu

prüfen, inwiefern Aufgaben auch auf die Landespolizei übertragen werden können, da diese sowohl an den Grenzen als

auch auf dem übrigen Gebiet des jeweiligen Landes für die Verbrechensbekämpfung zuständig ist. Hier sind mit den

Ländern gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, um Doppelkompetenzen zu vermeiden.

Im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ergeben sich insbesondere zwischen Zollkriminalamt und

Bundeskriminalamt Doppelzuständigkeiten. Das Bundeskriminalamt ist gem. § 4 des BKA-Gesetzes zuständig für die

Strafverfolgung in besonderen Bereichen, die u .a. gerade auch mit Organisierter Kriminalität im Zusammenhang ste-

hen, sowie in Fällen, in denen die zuständige Landesbehörde darum ersucht oder der Generalbundesanwalt die Ermitt-

lungen an sich zieht, also in Fällen mit länderübergreifender Bedeutung und von besonderem Gewicht. Für die Gefah-

renabwehr ist das Bundeskriminalamt hingegen ausschließlich im Bereich des internationalen Terrorismus zuständig.

Die Zollfahndungsämter und auch das Zollkriminalamt hingegen verfügen im Bereich von Kriminalität mit Fiskalbezug

über die Befugnis sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Gefahrenabwehr.

Soweit und sofern Zollkriminalamt und Bundeskriminalamt sich überschneidende Zuständigkeiten im Bereich der

Strafverfolgung haben, ist darüber nachzudenken, wie hier Doppelarbeit vermieden werden kann. Dabei darf es jedoch

nicht zu einer weiteren Ausweitung der Kompetenzen des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr kommen. Die Verfas-

sungsänderung zur Übertragung der Kompetenz im Bereich der Gefahrenabwehr gegen den internationalen Terroris-

mus ist von der FDP stets abgelehnt worden. Eine weitere Grundgesetzänderung, die dem BKA die Kompetenz zur

Gefahrenabwehr in weiteren Bereichen geben würde, trägt die FDP nicht mit.

Im Bereich des internationalen Terrorismus verfügen weder Zollfahndungsdienst noch Zollkriminalamt über Zustän-

digkeiten, da es sich nicht um Aufgaben mit Bezug zu fiskalbezogener Kriminalität handelt. Mithin dürfen Zollkrimi-

nalamt und Zollfahndungsdienst hier nicht tätig werden, da ihnen die verfassungsgemäße Zuständigkeit nicht zusteht.

Es hat sich jedoch gerade in jüngster Zeit gezeigt, dass die Einfuhrkontrolle von Gütern aus aller Welt nicht nur zur

Vermeidung von Zoll- und Steuerhinterziehung, Schmuggel oder Proliferation erforderlich ist, sondern auch zur Verhü-

tung terroristischer Anschläge. Die Zollverwaltung verfügt über zahlreiche Daten zur Einfuhrkontrolle in Erfüllung

ihrer fiskalischen Aufgaben. Diese Daten werden zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung auch von Zollfahndungs-

ämtern und Zollkriminalamt genutzt. Eine Rasterung der Daten erfolgt jedoch nur nach Kriterien, die auf die Zustän-

digkeiten des Zolls beschränkt sind. Um hier auch nach für den Terrorismus relevanten Kriterien zu fahnden, fehlt

denen, die rechtmäßig Zugriff auf die Daten, die auch zahllose Daten unbescholtener Menschen enthalten, haben, die

Zuständigkeit. Es muss daher darüber nachgedacht werden, ob in diesem Bereich eine Sonderkompetenz geschaffen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 975 – Drucksache 17/14600

wird. Alternativ könnten die Datenbestände anderen zuständigen Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt werden.

Dies erscheint jedoch angesichts der Vielzahl auch personenbezogener Daten als schwierig, da in dieser Weitergabe des

kompletten Datenbestandes ein erneuter Grundrechtseingriff läge. Insoweit erscheint es jedenfalls bedenkenswert, eine

Zuständigkeit des Zolls zu schaffen, die Daten auch nach terrorismusrelevanten Kriterien zu durchsuchen und die Er-

gebnisse dann der zuständigen Behörde mitzuteilen.

Soweit künftig Aufgaben des Zollkriminalamts von anderen Behörden wahrgenommen werden und aufgrund dessen

die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll nicht mehr in dem Maße benötigt wird, sollen frei werdende Stellen von der

GSG 9 der Bundespolizei übernommen werden. Somit kann im Rahmen der Zuständigkeiten der Bundespolizei die

GSG 9 gestärkt werden. Zugleich können Mittel effizienter für nur noch eine spezialisierte Eingreifgruppe genutzt

werden, um diese besser auszustatten.

II. Abschaffung MAD

Bereits seit mehreren Jahren fordert die FDP, den Militärischen Abschirmdienst in das Bundesamt für Verfassungs-

schutz und die Bundeswehr zu überführen.

Schutzobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist die freiheitliche demokratische Grundordnung. Hierzu

gehört die Terrorismus- und Spionageabwehr ebenso wie die Beobachtung und Bekämpfung des Extremismus. Bisher

endet dieser Auftrag am Kasernentor der Bundeswehr. Innerhalb der Streitkräfte ist der Militärische Abschirmdienst

(MAD) zuständig. Diese Parallelstruktur ist überholt.

Die Tätigkeiten des Verfassungsschutzes im Bereich der Extremismus- und Terrorismus- sowie der Spionageabwehr

sind wesentlich umfassender, da der MAD nur den im Vergleich überschaubaren Teil der Bundeswehr abdeckt. Durch

diese „Begrenztheit“ ist der MAD auf die Kooperation mit dem Verfassungsschutz angewiesen, besitzt allerdings durch
seinen etwas anderen Schwerpunkt auch spezielle Kenntnisse und Informationen. Eine Übernahme dieser Tätigkeiten

im Inland durch den Verfassungsschutz, der in diesen Bereichen über eine breite Expertise verfügt, drängt sich bei

Beachtung des unterschiedlichen Informationsbedürfnisses und der Besonderheiten des militärischen Umfeldes gerade-

zu auf.

Dieselbe Parallelstruktur existiert im Bereich der Auslandsaufklärung. Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes (BND)

ist die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Der

BND hat bereits zum 1.1.2008 Aufgaben des Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ZNBw) übernommen,

dem die Lieferung und Analyse von Informationen für das Einsatzkommando der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit

dem BND oblag.

Die neuen Strukturen der Bundeswehr reduzieren zudem die Notwendigkeit, den MAD zu erhalten, der rund 1.300 in

der Sicherheitsüberprüfung, Nachrichtenbeschaffung und Analyse geschulte Mitarbeiter beschäftigt.

Die Überführung der entsprechenden Aufgabengebiete des MAD in den BfV und in das BMVg bzw. die entsprechen-

den Bereiche der Bundeswehr wie u. a. den Fähigkeitsstrang „Nachrichtengewinnung und Aufklärung“ setzt Synergie-
effekte frei, die zu einem Sicherheitsgewinn führen. Doppelstrukturen werden abgebaut, der Koordinationsaufwand

wird reduziert.

III. Evaluierung von Recht und Praxis erforderlich

Die Sicherheitsarchitektur sowie die einzelnen Sicherheitsgesetze bedürfen kontinuierlicher Weiterentwicklung und

kritischer Überprüfung.

In der Vergangenheit wurde auf jeden Vorfall mit einer Vielzahl neuer Sicherheitsgesetze reagiert, nicht nur mit der

Folge, dass Grundrechte immer weiter eingeschränkt wurden, sondern auch mit der Konsequenz, dass Aufgabenberei-

che und Zuständigkeiten der einzelnen Sicherheitsbehörden immer mehr verschwommen sind. Es bedarf daher einer

umfassenden und gründlichen Analyse auch der rechtlichen Rahmenbedingungen, um wieder jeder Sicherheitsbehörde

die Aufgaben zuzuweisen, für die sie geeignet ist.

Die in einigen Gesetzen verankerte Evaluierung wirkt immer nur punktuell und verkennt, dass für die Bewertung ein

Gesamtbild der Eingriffsbefugnisse der verschiedenen Sicherheitsbehörden erforderlich ist. Nur so kann Effizienz ei-

nerseits und Verfassungsmäßigkeit andererseits wirklich geprüft werden. Notwendig ist zudem, dass Evaluierungen

nicht als „weiße Salbe" verstanden werden, sondern tatsächlich eine kritische Befassung mit der Materie ermöglichen.
Hierzu ist regelmäßig eine externe Evaluation, die gerade nicht nur die Binnensicht abbildet, erforderlich.

Den Beschluss der Bundesregierung, eine Kommission mit externem wissenschaftlichem Sachverstand einzusetzen, um

in einer Gesamtschau die gesetzlichen Kompetenzen und Eingriffsbefugnisse der verschiedenen Sicherheitsbehörden zu

überprüfen und so einen Überblick über Doppelkompetenzen und unklare Zuständigkeiten zu erhalten, begrüßt die

FDP.

Drucksache 17/14600 – 976 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus von Bund und Län-

dern

Konsequenzen aus den NSU-Morden ziehen

Die bisherigen Erkenntnisse zur Aufarbeitung des NSU sind schockierend

Die NSU-Mordserie bringt in der justiziellen und parlamentarischen Aufarbeitung immer neue, zum Teil erschreckende

Details zum Vorschein. In den Jahren 2000 bis 2007 haben Rechtsextremisten, die sich selbst Nationalsozialistischer

Untergrund (NSU) nannten, mindestens 9 Morde an Menschen mit Migrationshintergrund begangen, einen weiteren

Mord und einen Mordversuch an einer Polizistin bzw. einem Polizisten, zwei Sprengstoffanschläge und mindestens14

Banküberfälle mit z. T. erheblichen Körperverletzungen sowie einen Überfall auf einen Supermarkt verübt. Bis zum

4. November 2011, also mehr als zehn Jahre lang, ist es den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern nicht gelun-

gen, den Tätern auf die Spur zu kommen.

Dass dieses möglich war, ist nach wie vor ein weitgehend ungeklärtes Problem: denn gerade die rechtsextremistische

Szene stand während, vor und nach dem Untertauchen des NSU und nach Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses

im Deutschen Bundestag sehr genau unter Beobachtung. So war der „Thüringer Heimatschutz“ ebenso wie das „Blood
& Honour-Netzwerk“ und weitere rechte Kameradschaften und Organisationen, als auch das konkrete personelle Um-
feld des NSU-Trios, permanent im Fokus der Sicherheitsbehörden. V-Leute wurden eingesetzt, die Nachrichtendienste

und auch die Polizei waren, z. B. in der Operation Rennsteig, als auch bei den Ermittlungsmaßnahmen in der BAO

Bosporus länderübergreifend tätig.

Neben zu untersuchenden allgemeinen Versäumnissen, Fehlern und fragwürdigen Verhaltensweisen der Sicherheitsbe-

hörden sind gleichzeitig durch die Aufarbeitung in den drei Untersuchungsausschüssen der Länder Thüringen, Bayern

und Sachsen, wie auch im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, Mängel in der Strafverfolgung und in

der Kontrolle und Nachbereitung der Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden zu Tage getreten, die einen Reformbedarf

aufzeigen. Akten wurden bei Verfassungsschutzämtern zur Unzeit vernichtet, Aktenlieferungen an den Untersuchungs-

ausschuss des Deutschen Bundestages verzögert und Informationen nur zögerlich und z. T. unvollständig weitergege-

ben.

Die bisherigen Erkenntnisse um den NSU offenbaren ein erhebliches Versagen der Sicherheitsbehörden. Einem Ver-

trauensverlust auch in die rechtsstaatliche Arbeit der Sicherheitsbehörden und die Aufarbeitungsbereitschaft von Teilen

der Behörden muss durch konsequente Aufklärung und Aufarbeitung entgegen gewirkt werden. Die Neuaufstellung der

Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern im Rahmen der föderalen Aufgabenverteilung ist nötig.

Wirksame und nachhaltige Konsequenzen ziehen

Die FDP in Bund und Ländern will notwendige Konsequenzen ziehen und dringt auf umfassende Reformen.

Die FDP in Bund und Ländern bekennt sich zu der dringenden Notwendigkeit, die NSU-Mordserie bestmöglich aufzu-

klären. Alle Behörden in Bund und Ländern sind zur uneingeschränkten Unterstützung der Ermittlungen des General-

bundesanwalts und des Oberlandesgerichts München im Prozess gegen Beate Zschäpe und andere Beschuldigte als

auch zur Aufklärung in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen verpflichtet und müssen dieser Pflicht er-

schöpfend nachkommen. Dies sind wir den Menschen in Deutschland, dem Vertrauen in unseren Rechtsstaat und den

Opfern und Opferfamilien schuldig. Nur durch bestmöglichste Aufklärung kann das Vertrauen in die Sicherheitsbehör-

den wieder aufgebaut werden.

Die FDP in Bund und Ländern bekennt sich zur rückhaltlosen Abwehr aller verfassungsfeindlichen und fundamentalis-

tischen Bestrebungen in Deutschland. Hierzu gehört auch die wirksame und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextre-

mismus und -terrorismus in Deutschland. Nationale und internationale Strukturen der Rechtsextremisten sowie deren

Geldströme müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln angegangen werden.

Sowohl die längerfristige Prävention durch ehrenamtliche Vereinstätigkeit und Initiativen, als auch die zur Verfügung

stehenden und verhältnismäßigen polizeilichen wie justiziellen Maßnahmen gegen identifizierbare Feinde unserer Ver-

fassung finden die Unterstützung der FDP. Das gilt auch für die Jugendsozialarbeit, eine stärker demokratisch, wertori-

entierte Erziehung, Präventionsnetzwerke oder die Förderung von Vor-Ort-Initiativen. Die von der FDP durchgesetzte

Fortführung der finanziellen Unterstützung für das Aussteigerprogramm „EXIT“ durch die Bundesregierung ist hierbei
ein wichtiger Schritt.

Die Ächtung von Extremismus und Fundamentalismus ist dabei eine Aufgabe der Mitte unserer Gesellschaft. Es ist

Aufgabe aller Demokraten, positiv „FÜR DEMOKRATIE UND FREIHEIT“ zu werben und zu streiten. Das sollten wir
aus der leidvollen deutschen Geschichte gelernt haben.

Dabei bildet das im Grundgesetz vorgesehene Parteienverbot allein die Ultima Ratio; die politische Auseinanderset-

zung mit extremistischen Parteien ist eindeutig der vermeintlich „einfachen“ Lösung eines Parteienverbots vorzuziehen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 977 – Drucksache 17/14600

Keinesfalls kann ein Parteienverbot konkrete Konzepte zur Zurückdrängung des Rechtsextremismus ersetzen. Das

Verbot einer Organisationsform beseitigt nicht die Bedrohung durch Demokratiefeinde. Deshalb lehnen wir aktuell

auch ein NPD-Verbotsverfahren ab.

Die FDP bekennt sich zu der Notwendigkeit der Neuaufstellung unserer Sicherheitsarchitektur. Das verlorene Vertrau-

en in die Fähigkeiten und das rechtsstaatliche Handeln der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern muss zurückge-

wonnen werden.

Dabei gehört sowohl die Struktur und Arbeitsweise der Bundes-, wie auch der Landesbehörden, und insbesondere der

einschlägigen Rechtsgrundlagen auf den Prüfstand. (Eine Regierungskommission stellt ihre diesbezüglichen Ergebnisse

am 28. August 2013 vor.) Doppeltätigkeiten, Informations- und Effektivitätsverluste durch fehlende Kooperationsbe-

reitschaft müssen der Vergangenheit angehören; die Zusammenarbeit der Ämter braucht nachvollziehbare Wege. Des-

halb sind alle Länder und der Bund aufgefordert, konstruktiv daran zu arbeiten, alle Sicherheitsbehörden so zu organi-

sieren, dass diese bestmöglich rechtsstaatliche Sicherheit für die Menschen in Deutschland gewährleisten. Gleichzeitig

müssen ihre demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen zukünftig für mehr Vertrauen bei den Menschen sorgen.

Deshalb spricht sich die FDP in Bund und Ländern dafür aus:

die Strukturen in den Polizeien und den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern so zu reformieren, dass

u. a.

nach dem Vorbild des hohen Niveaus der Polizeiausbildung die Verfassungsschutzbehörden ihre Ausbildung künftig

nach klaren Standards organisieren und deutlich stärken,

einheitliche Standards im Aktenmanagement erarbeitet und für die Länder und den Bund gemeinsam eingeführt und

beachtet werden. Dabei sind datenschutzrechtliche Aspekte ebenso wie die Möglichkeit der Dienste, ein auch zeitliches

Gesamtbild erstellen zu können, zu berücksichtigen. Der Kernbereichsschutz für die Bürger sowie der Schutz der Be-

rufsgeheimnisträger ist dabei auszubauen und sicherzustellen. Auch die Mitteilungspflichten an von G10-Maßnahmen

Betroffene sind zu beachten; Löschungsvorgaben und -verpflichtungen müssen klar und unzweideutig angeordnet wer-

den können. Die Behandlung der Daten, die von einer Behörde in einer Indexverbunddatei eingestellt werden, unter-

liegt mit Wirkung für alle Verbundpartner den gesetzlichen Vorgaben, denen die einstellende Behörde unterliegt,

einheitliche Standards für die Verpflichtung und den Einsatz von V-Leuten müssen gesetzlich eindeutig geregelt und

konsequent beachtet werden. Doppelbeauftragungen von V-Personen müssen in Zukunft ausgeschlossen sein; rechts-

staatliche Standards sind klar zu definieren. Eine Bezahlung von V-Leuten darf nicht dazu führen, dass beobachtete

Gruppen in beachtlichem Umfang mittelbar über den Verfassungsschutz finanziert werden.

Das Trennungsgebot muss deutlich gestärkt werden. Die FDP spricht sich deshalb insbesondere dagegen aus, den Ver-

fassungsschutz mit der Polizei zusammen zu führen. Unklarheiten in der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehör-

den und Polizeien der Länder darf es nicht mehr geben. Dabei ist der Graubereich der Vorfeldermittlungen der Polizei-

en in Abgrenzung zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden in den Blick zu nehmen. Einer Vermischung von

Polizeiarbeit und der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden treten wir entschieden entgegen.

Die Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes sind in das Bundesamt für Verfassungsschutz zu überführen und

den MAD aufzulösen.

Die Kooperationsrichtlinien zwischen den Ländern und dem Bund sind dahingehend zu überarbeiten und zu vereinfa-

chen, dass Kompetenz-, Hierarchie- und Zuständigkeitsdiskussionen zukünftig Ermittlungen nicht mehr behindern.

Die FDP bekennt sich zum Ausbau und zur Intensivierung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste. In

ganz Deutschland muss es möglich sein, dass die zur Verschwiegenheit verpflichteten Kontrollgremien der Parlamente

einen umfassenden Einblick in die Tätigkeiten der Nachrichtendienste bekommen und diese ihren umfassenden Kont-

rollpflichten und -rechten nachkommen können. Dazu gehört für alle parlamentarischen Kontrollgremien in den Län-

dern und im Bund u. a.:

das volle Einsichtsrecht in alle Akten der Dienste mindestens auf Anforderung;

die Möglichkeit, auf Anforderung einen Sonderermittler für die jeweiligen Kontrollgremien zu bestellen;

Angehörigen der Dienste muss es jederzeit gestattet sein, sich in dienstlichen Angelegenheiten mit Eingaben an das

zuständige Kontrollgremium zu wenden, soweit der Leiter des Dienstes entsprechende Eingaben nicht gefolgt ist. In-

soweit ist die geheime Befragung der Mitarbeiter von Diensten und die Aufnahme ihrer Informationen ohne Wahrung

des „Dienstweges“ in den Kontrollgremien statthaft;

die Möglichkeit der lückenlosen Kontrolle aller länderübergreifenden Operationen und Aktivitäten der Dienste u. a.

durch entsprechende gegenseitige Informationsmöglichkeiten oder die Berichtspflichten der Bundesbehörden für das

jeweilige Land oder der Länder im Bundestagskontrollgremium bei gemeinsamen Aktivitäten mit Bundessicherheits-

behörden – zur Wahrung der Zuständigkeit in einer gemeinsamen Sitzung der Gremien;

Drucksache 17/14600 – 978 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Einführung von dienstrechtlichen Konsequenzen bei Fehlinformationen gegenüber dem parlamentarischen Kont-

rollgremien;

die Einführung eines Bürgeranwalts in den entsprechenden Kontrollgremien und G10-Kommissionen zur Wahrneh-

mung der Bürgerbelange und als Ansprechpartner für Beschwerden und Hinweise aus der Bevölkerung;

Die FDP bekennt sich zu einer weiteren Stärkung des Opferschutzes. Im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren muss

nach wie vor in alle Richtungen ohne Ansehen von Person, Herkunft oder Einstellung ermittelt werden. Gleichwohl

sind Opferzeugen oder Opferfamilien, nicht nur, aber auch bei Menschen mit Migrationshintergrund, sensibel einzube-

ziehen. Wichtige Initiativen der Länder, z. B. die Stärkung des Täter-Opfer-Ausgleichs oder die Betreuung von Opfern

und Zeugen in Gerichtsverfahren sind fortzuführen und bestmöglich zu intensivieren. Die FDP setzt sich gerade im

Hinblick auf die Sicherheitsbehörden dafür ein, aktiv mehr Menschen mit Migrationshintergrund für ihre Arbeit zu

gewinnen. Die Polizeiausbildung sollte entsprechend sensibilisiert im Bereich des proaktiven Umgangs mit Opfern

stärker weiterentwickelt werden, Opferentschädigungen entbürokratisiert und das Aufenthaltsrecht hinsichtlich der

Stärkung ausländischer Opfer fortentwickelt werden. Der Zugang von Polizei- oder Verfassungsschutzbeamten auf

Opferfamilien unter der Legende eines zeugnisverweigerungsberechtigten Berufs muss in Zukunft unzulässig sein.

Der Einsatz für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat endet nie!

Die Aufklärung zu den NSU-Morden muss weitergehen. Eine umfassende Aufklärung und Herausarbeitung der Konse-

quenzen kann nicht an Legislaturperioden gebunden sein.

Die Reformvorschläge müssen schnellstmöglich angegangen und sollen gründlich und umfassend umgesetzt werden.

Die FDP in Bund und Ländern wird hartnäckig in den Landtagen und im Deutschen Bundestag darauf dringen, dass die

Erkenntnisse zur Aufklärung der NSU-Mordserie zu Konsequenzen führen und auch in Zukunft die Bekämpfung des

politischen Extremismus und der Verfassungsfeinde hohe Priorität hat.

Dr. Philipp Rösler, FDP-Bundesvorsitzender

Hartfrid Wolff MdB, FDP-Obmann im 2. Untersuchungsausschuss (Rechtsextremismus)

Prof. Dr. Ulrich Goll MdL (Baden-Württemberg)

Dr. Andreas Fischer MdL (Bayern)

Dr. Martin Lindner MdB (Berlin)

Hans-Peter Goetz MdL (Brandenburg)

Thorsten Staffelt MdB (Bremen)

Katja Suding MdHB (Hamburg)

Dr. Wolfgang Greilich MdL (Hessen)

Thomas Heldberg (Mecklenburg-Vorpommern)

Jan-Christoph Oetjen MdL (Niedersachsen)

Dr. Robert Orth MdL (Nordrhein-Westfalen)

Dr. Volker Wissing MdB (Rheinland-Pfalz)

Oliver Luksic MdB (Saarland)

Benjamin Karabinski MdL (Sachsen)

Guido Kosmehl (Sachsen-Anhalt)

Dr. Wolfgang Kubicki MdL (Schleswig Holstein)

Dr. Uwe Bergner MdL (Thüringen)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 979 – Drucksache 17/14600

Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten verbessern

Hartfrid Wolff MdB
Vorsitzender des Arbeitskreises Innen & Recht der FDP-Bundestagsfraktion

Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss

Die Stärkung von Opfern von Straftaten und Opferangehörige in Strafverfahren müssen intensiver in den Fokus der

politischen und rechtlichen Diskussion gestellt werden. In den Medien (siehe z. B. auch die Diskussion zur Berichter-

stattung nach dem Amoklauf in Winnenden 2009) wie in der öffentlichen Diskussion wird immer wieder der Täter

betont; die Belange der Opfer werden allzu häufig nur gestreift. Auch die Aufarbeitung von Verbrechen findet sehr

häufig allein unter dem Blickwinkel der Täter statt; sie sind auch im Zentrum eines anschließenden Strafprozesses. Das

Strafrecht ist ein am Täter ausgerichtetes Recht, es schafft, ebenso wie das Sozialrecht, aber schon jetzt einige Instru-

mentarien mehr, um den Belangen der Opfer gerecht werden zu können. Gleichwohl brauchen wir eine weitergehende

Diskussion nach den Erfahrungen auch aus dem NSU-Untersuchungsausschuss.

Opfer von Straftaten leben mitten unter uns. Nicht selten gelangen sie wegen ihrer Erlebnisse in den Fokus von Staat

und Gesellschaft. Mitunter suchen sie auch selbst den Kontakt zu Ratgebern wie Geistlichen oder Rechtsanwälten,

staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen, wenn sie beispielsweise Straftaten anzeigen, Frauenhäuser oder wei-

tere Beratungsstellen aufsuchen.

Die an sich schon oft nicht einfache Situation dieser Menschen wird dabei bisweilen zusätzlich durch strukturelle und

individuelle Defizite im Umgang mit Opfern von Straftaten erschwert. Staat und Gesellschaft sind gefordert, es gilt zu

handeln.

A. Staatliche Mittel zur Verbesserung der Situation von Opfern

Jedes Opfer einer Straftat hat Anspruch auf einfühlsamen Umgang und bestmögliche Hilfe.

Allgemein hat zu gelten, es gibt keine Opfer erster oder zweiter Klasse. Eine Kategorisierung dieser Art z. B. nach

Herkunft, Geschlecht, Religion, politischer Überzeugung oder sexueller Orientierung verletzt die Würde des Einzelnen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch Straftaten verursachte außergewöhnliche Notlagen ignoriert werden dürfen.

Die Arbeit von Opferschutzorganisationen ist auf Dauer angelegt. Damit der hohe Standard ehrenamtlichen Engage-

ments in diesem Bereich gesichert werden kann, benötigen die Organisationen nicht zuletzt auch finanzielle Planungs-

sicherheit. Die finanzielle Unterstützung durch öffentliche Stellen muss deshalb jeweils langfristig eingeplant werden.

Deshalb ist die Einrichtung einer Opferschutzstiftung des Bundes in Zusammenarbeit mit engagierten Organisationen

eine Maßnahme, wie diese notwendigerweise nachhaltige Arbeit in der konkreten Hilfe von Opfern und Opferangehö-

rigen, aber auch in der Forschung und wissenschaftlichen Begleitung von Präventionsstrategien gestärkt werden könn-

te.

Der von der Bundesregierung über das Bundesjustizministerium eingerichtete Härtefall-Fonds für Opfer extremisti-

scher Übergriffe hat bisher unbürokratisch eine Million Euro bereitgestellt und ist ein erster, wichtiger Schritt.

Opfer und ihre Familien sollten in die Planung öffentlicher Veranstaltungen zum Gedenken an Straftaten einbezogen

werden. Lehnen sie derartige Bekundungen ab, ist ein Verzicht ernsthaft zu erwägen.

Der Täter-Opfer-Ausgleich ist als Institution voranzutreiben und flächendeckend in Deutschland anzubieten. Sprach-

barrieren sind auszuräumen.

Die Stärkung des Opferschutzes und des positiven Umgangs mit (Opfer-)Zeugen in Strafverfahren, auch in der Zu-

sammenarbeit mit Opferschutzbeauftragten, ist in die Ausbildungsvorgaben für Rechtsreferendare bundesweit aufzu-

nehmen und deren praktischen Bezug hervorzuheben.

Die modernen Möglichkeiten des aktiven Opferschutzes sollten stärker auch in die Aus- und Fortbildung der Justiz

Eingang finden.

Als präventiven Opferschutz sind konkrete Kriminalitäts- und Gewaltpräventionsmaßnahmen zu erarbeiten, die sich

mit Unterstützung des Lehrstuhls für Gewalt- und Kriminalprävention in Tübingen auch als Best-Practice-Konzepte auf

kommunaler Ebene darstellen lassen.

I. Maßnahmen im Bereich der Polizei

Polizeiliche Dienststellen sind die staatlichen Einrichtungen, die wohl am häufigsten mit Opfern von Straftaten in Kon-

takt kommen. In den letzten Jahren neu entstandene Informationsangebote und die Installation von Opferschutzbeauf-

tragten zeigen, dass man sich in der Polizeiführung dieses Umstandes durchaus bewusst und positiv bereits ist, hier

aktiv zu reagieren. Allerdings sind weitere Maßnahmen erforderlich:

Im täglichen Dienst geht es nicht nur um Strafverfolgung; es sind auch die Folgen von Straftaten für den jeweils Betrof-

fenen möglichst gering zu halten. Dies fängt schon im Umgang mit ihnen an. Es reicht nicht, speziell geschulte Polizei-

Drucksache 17/14600 – 980 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

beamte als Opferschutzbeauftragte einzusetzen. In der Aus- und Fortbildung aller Polizeibeamten muss der Umgang

mit Opfern von Straftaten erlernt und intensiviert werden. Ziel muss es sein, dass jeder Polizeibeamter als besonderer

Ansprechpartner in Sachen Opferschutz fungieren kann. In der Praxis ist die Einführung einer Rotation zu prüfen, so-

dass grundsätzlich jeder Polizeibeamte für eine gewisse Zeit im Bereich des besonderen Opferschutzes tätig ist.

Auf die Situation, dass Angehörige von Opfern zunächst als Täter in Betracht kommen, gilt es die Polizeibeamten vor-

zubereiten. Die im Rahmen der Ermittlungen notwendig gewordenen Maßnahmen gegen Angehörige sind spätestens

nach der Ausräumung der Beteiligung schnell und einfühlsam zu erklären. Unklarheit und ein vermeintlicher Dauer-

verdacht stigmatisieren und müssen beendet werden.

Um der Situation als Einwanderungsland gerecht zu werden, sind die vorhandenen Programme zur Stärkung des An-

teils von Migranten in den deutschen Sicherheitsbehörden zu überprüfen und gegebenenfalls zu intensivieren. Ein Poli-

zeibeamter oder Verfassungsschützer mit Migrationshintergrund muss Alltag werden; ihr vereinzelter Einsatz in beson-

deren Bezirken macht die Polizei noch nicht zum Spiegelbild der Gesellschaft. Schulungen, die die Lebenssituation von

Migranten, deren Alltag und ggf. abweichende Glaubensgrundsätze berücksichtigen, sollten ausgebaut werden.

Die heute vor allem über das Internet zugänglichen wichtigen Informationsmaterialien zum Opferschutz müssen in den

Dienststellen in gedruckter Form für die Opfer von Straftaten und deren Angehörigen vorgehalten werden. Auch heute

hat nicht jeder Zugang zum Internet oder ist in der Lage, dort die zutreffenden Informationen, ggf. mehrsprachig, zu

finden.

Informationsmaterial der verschiedenen Opferschutzorganisationen muss in den Behörden nebeneinander ausliegen

können. Eine behördliche Fokussierung auf jeweils nur eine Organisation erschwert den Opferschutz.

II. Klare Grenzen von Polizeien und Diensten gegenüber den Opfern

Rechtsanwälte und Geistliche sind von der Strafprozeßordnung (vgl. § 53 StPO) besonders geschützt und sind in Aus-

übung ihres Amtes schweigepflichtig und zeugnisverweigerungsberechtigt. Gerade für Opfer und Opferangehörige

bieten sie als Ansprechpartner wichtige Ratgeber in einer für sie schwierigen persönlichen Situation. Deshalb ist ggf.

auch rechtlich sicherzustellen, dass weder Polizeibeamte noch Mitarbeiter von Nachrichtendiensten generell, aber gera-

de auch gegenüber Opfern und Opferangehörigen mit der falschen Legende eines Zeugnisverweigerungsberechtigten

auftreten oder gar so Informationen erhalten wollen. Nicht nur Rechtsanwälte und Geistliche, auch Ärzte, Psychologen,

Journalisten, Abgeordnete oder Notare sind entsprechend § 53 StPO hier mit einzubeziehen. Eine Verletzung dieses

Grundsatzes muss mindestens beamtenrechtliche Konsequenzen haben. Das Ausnutzen einer rechtlichen Vertrauens-

stellung gegenüber Opfern und Opferangehörigen ist schändlich und falsch.

III. Stärkung der Rechte von Opfern in Strafverfahren

Dem möglichst schonenden Umgang mit Opfern muss im Strafverfahren besonderes Gewicht beigemessen werden. Die

Akzeptanz unserer Gesetze und der Rechtsordnung werden wir nur dann sichern können, wenn auch Anliegen der Op-

fer von Straftaten im Strafprozess zur Geltung kommen. Dieses Anliegen manifestieren wir in mehreren Gesetzesvor-

haben und prüfen weitere Möglichkeiten, mit denen die Situation der Opfer spürbar verbessert werden kann.

Mit dem Gesetzentwurf „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“ geht das
Bundesjustizministerium mit unserer Unterstützung einen guten Schritt voran. Das Vorhaben sieht verschiedene kon-

krete Verbesserungen im Opferschutz vor, vor allem für Opfer von Missbrauchstaten. Dazu werden mehrere Gesetze

geändert (StPO, GVG, JGG und BGB):

Mehrfachvernehmungen sollen möglichst vermieden werden, um Opfern erneute peinigende Konfrontationen mit dem

Beschuldigten/Täter zu ersparen.

Informationsrechte von Opfern werden erweitert.

Für volljährig gewordene Missbrauchsopfer wird die Bestellung eines Opferanwaltes erleichtert.

Vorschriften über Zuständigkeiten der Jugendgerichte in Jugendschutzsachen werden präzisiert, Qualifikationsanforde-

rungen an Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte verbindlicher.

Die Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Hauptverhandlungen mit minderjährigen Opfern werden

ergänzt.

Die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche wegen sexuellen Missbrauchs wird auf 30 Jahre ver-

längert.

Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.

Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des

Rahmenbeschlusses 2001/220/JI und setzt sich für eine rasche Umsetzung in Deutschland ein. Die Richtlinie stärkt die

Rechte von Opfern, indem sichergestellt wird, dass alle Opfer von Straftaten umfangreiche Informationen sowie ange-

messenen Schutz und Hilfe erhalten; sie sollen sich im Ergebnis am Verfahren dadurch besser beteiligen können, dass

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 981 – Drucksache 17/14600

sie verstehen und verstanden werden. Opfer sollen in der gesamten EU gebührende Anerkennung erfahren und eine

respektvolle, einfühlsame, individuelle, professionelle und diskriminierungsfreie Behandlung bei allen Kontakten mit

Opferunterstützungs- und Wiedergutmachungsdiensten oder zuständigen Behörden erfahren. Die neuen gemeinsamen

Mindestnormen erleichtern die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung innerhalb der EU.

Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt ebenfalls den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und

des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen (COM(2011)276 endg.). Zur Ver-

besserung der Freizügigkeit der Bürger in Europa soll eine in einem Mitgliedstaat ergangene Schutzanordnung ohne

Zwischenverfahren in jedem anderen Mitgliedstaat, in den sich die gefährdete Person begibt, anerkannt werden und

gegebenenfalls vollstreckbar sein.

B. Jeder kann Opfer werden – Jeder trägt Verantwortung

Deutschland ist im internationalen Vergleich ein sehr sicheres Land. Trotzdem kann fraglos jeder Opfer einer Straftat

werden. Aber warum trägt jeder Verantwortung für den Umgang mit Opfern – weil wir alle, wenn auch auf unter-
schiedliche Weise, mit ihnen in Kontakt kommen. Wir verfolgen die Berichterstattung in den Medien oder suchen die

direkte Begegnung mit Opfern beispielsweise als Ärzte, Rechtsanwälte oder Journalisten. Nahezu jeder diskutiert mit

Freunden, Arbeitskollegen oder Nachbarn über Straftaten, Täter und natürlich deren Opfer. So kann man Auge in Auge

oder über große Distanz durch das eigene Verhalten, durch Handlungen, Feststellungen und Bewertungen hilfreich

einfühlsam stützen, aber auch Bilder der Opfer von Straftaten zeichnen oder verfestigen, die erneut verletzen. Nicht

immer geht es um bewusste Verletzungen, oft ist man „nur“ gedankenlos. Deshalb gilt es losgelöst von staatlichen
Institutionen im Alltag Opfern angemessen zu begegnen, z. B. als:

Arzt bei den Untersuchungen zur Feststellung von Verletzungen,

Rechtsanwalt im Zivil- oder Strafprozess,

Angestellter von Renten- und Unfallversicherungen,

Lehrer, der gegebenenfalls zugleich Opfer und Täter unterrichtet,

Journalist, der auch unter Zeitdruck und die Schlagzeile im Blick, u. a. dem Pressekodex verpflichtet ist.

Jeder ist gefordert, auch und besonders gegenüber Opfern respektvoll aufzutreten und die Grundsätze der Humanität zu

achten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 983 – Drucksache 17/14600

D. Fraktion DIE LINKE

Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolge-

rungen zur Stellungnahme der Fraktion DIE LINKE

Struktureller und institutioneller Rassismus als

Merkmale der Polizeiarbeit in der Česká-Mordserie

Zur Erklärung dieser an allen Tatorten gleichen Ermitt-

lungsrichtung, die die Ermordeten, ihre Angehörigen und

die Opfer der Sprengstoffanschläge kriminalisierte und

stigmatisierte, liegt es nahe, von einem strukturellen bzw.

institutionellen Rassismus auszugehen. Institutioneller

Rassismus ist nach Überzeugung der Fraktion DIE

LINKE. jenseits individueller Einstellungen und Über-

zeugungen der einzelnen Ermittler als ein strukturelles

Merkmal der Polizeiarbeit bei den Ermittlungen zur ras-

sistischen Mordserie erkennbar.

Fatale Fehleinschätzungen in Bezug auf Rechtsterro-

rismus von Verfassungsschutz und Polizei

Die fatalen Fehleinschätzungen von Verfassungsschutz

und Polizei in Bezug auf die Existenz rechtsterroristischer

Strukturen in Deutschland – in Kombination mit einem
ethnisierenden und rassistischen Blick auf die Mordopfer

und ihre Angehörigen – haben den Ermittlern den Weg
verstellt, zu erkennen, dass es sich bei den so genannten

Česká-Morden um eine rassistisch oder neonazistisch
motivierte Mordserie handeln könnte.

Hauptverantwortlich: Das Bundesamt für Verfas-

sungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz trägt sowohl die

Verantwortung für die zwei Jahrzehnte währende Ver-

harmlosung der Neonazibewegung, ihrer militanten Orga-

nisationen und Netzwerke als auch für die Unterstützung

eben jener Netzwerke durch vom BfV als V-Leute bezahl-

te Neonazis.

Die Nachrichtendienste haben die Gefährlichkeit des

mutmaßlichen NSU-Kerntrios und ihrer Unterstützerinnen

und Unterstützer trotz V-Leute–Einsatz, Observationen
und G 10-Maßnahmen nicht erkannt.

Das BfV ist gemeinsam mit dem LfV Thüringen ganz

konkret dafür verantwortlich, dass die Gefährlichkeit des

„Thüringer Heimatschutzes“ ebenso wie die des „Blood
& Honour“-Netzwerks, darunter Unterstützerinnen und
Unterstützer des mutmaßlichen NSU-Kerntrios, nicht im

gebotenen Ausmaß erkannt wurde. Obwohl auch in diesen

Netzwerken zahlreiche V-Leute des BfV und diverser

Landesämter für Verfassungsschutz aktiv waren und diese

Objekte zahlreicher nachrichtendienstlicher Operationen –
inklusive G 10-Maßnahmen und Observationen – waren.

Das V-Leute-System ist eine zentrale Ursache für das

Versagen der Nachrichtendienste.

Der Einsatz von so genannten V-Leuten der Nachrichten-

dienste mit Quellenschutz und Straffreiheit für kriminelle

V-Leute ist eine der zentralen Ursachen für das komplette

Versagen dieser Behörden im Kontext des NSU-

Komplexes. In keinem einzigen Fall der vom Ausschuss

untersuchten Einsätze von V-Leuten war der Nutzen

durch ihren Einsatz in der Neonaziszene größer als der

Schaden, den sie verursacht haben.

V-Leute-Einsatz beenden

Als Sofortmaßnahme aus dem Versagen des Bundesamtes

für Verfassungsschutz muss der Einsatz von V-Leuten in

der Neonaziszene beendet werden. Das V-Leute-System

ist nicht reformierbar. Es wird auch in Zukunft Neonazi-

strukturen stützen und schützen, die dann beispielsweise

Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge angreifen

und engagierte Bürgerinnen und Bürger bedrohen.

Das bisherige Bundesamt für Verfassungsschutz muss

durch eine Koordinierungsstelle des Bundes sowie eine

Bundesstiftung „gruppenbezogene Menschenfein-
dlichkeit“ ersetzt werden.

Angesichts der strukturellen Defizite und Rechtsverstöße

ist die Auflösung des nachrichtendienstlich arbeitenden

Verfassungsschutzverbundes in der Bundesrepublik so-

wohl politisch als auch rechtlich geboten. Die von den

Innenministerien des Bundes und der Länder bisher ein-

geleiteten und geplanten Maßnahmen tragen diesem

grundlegenden Veränderungsbedarf nach Überzeugung

der Fraktion DIE LINKE nur völlig unzureichend Rech-

nung. Sie verfestigen nach der schwersten Krise dieser

Behörden genau deren wesentliche Bausteine. Eine durch

Bundesgesetz errichtete „Koordinierungsstelle des Bun-
des zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und

antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen sowie

sonstiger Erscheinungsformen gruppenbezogener Men-

schenfeindlichkeit“ (kurz: „Koordinierungsstelle zur
Dokumentation gruppenbezogener Menschenfeindlich-

keit“) ersetzt nach einer Aufbauphase das aufzulösende
„Bundesamt für Verfassungsschutz“ als Zentralstelle des
Bundes für Zwecke des Verfassungsschutzes nach Art. 87

Abs. 1 Satz 2 GG. Die Koordinierungsstelle betreibt

selbst keine inhaltliche Auswertung und Aufbereitung

entsprechend diesen Vorgaben entgegen genommener

Informationen und Erkenntnisse. Diese obliegt einer neu

zu errichtenden „Bundesstiftung zur Beobachtung, Erfor-
schung und Aufklärung aller Erscheinungsformen grup-

penbezogener Menschenfeindlichkeit“ (kurz: Bundesstif-
tung zur Beobachtung und Erforschung gruppenbezoge-

ner Menschenfeindlichkeit).

Wir brauchen eine unabhängige Polizeibeschwerde-

stelle als Konsequenz aus den Ermittlungen zur

Česká-Mordserie.

Polizeiarbeit muss für die Bürgerinnen und Bürger

kritisierbar und hinterfragbar sein. Das hat der Umgang

mit den Opfern und Hinterbliebenen der NSU-Taten noch

Drucksache 17/14600 – 984 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einmal gezeigt. Menschen, die sich über polizeiliches

Fehlverhalten, über falsche Ermittlungen oder einen prob-

lematischen Umgang mit Angehörigen von Opfern von

Straftaten beschweren wollen, müssen eine mit umfassen-

den Kompetenzen ausgestattete Anlaufstelle haben. Diese

Anlaufstelle muss außerhalb der Polizei angesiedelt und

unabhängig sein. DIE LINKE hat in der 16. und 17.

Wahlperiode Vorschläge für die Einführung einer solchen

unabhängigen Polizeibeschwerdestelle vorgelegt.

Wir brauchen eine Einstellungsbefragung zum Thema

„Rassismus und Polizei“.

Die Fraktion DIE LINKE regt an, dass die Innenminister-

konferenz eine Einstellungsbefragung in den Polizeien

des Bundes zum Thema „Rassismus und Polizei“ in Auf-
trag gibt. Damit kann die Diskussion über möglicherweise

vorhandene rassistische Vorurteile und Einstellungspo-

tenziale in den Polizeien auf eine sachliche Grundlage

gestellt werden und möglicherweise notwendige Maß-

nahmen und Empfehlungen können sich auf entsprechen-

des Datenmaterial stützen.

Die Bundesmittel für Beratungsprojekte und zivilge-

sellschaftliche Initiativen müssen auf 50 Millionen

verdoppelt werden.

Die Verdoppelung der bisherigen Bundesmittel wäre ein

dringend notwendiges Signal an die Betroffenen und die

Gesellschaft: Dass die politisch Verantwortlichen erkannt

haben, dass Rechtsextremismus und Rassismus keine

zeitlich begrenzten Phänomene sind, die von selbst wieder

verschwinden. Sondern dass sie – ähnlich wie die Dro-
gen- und HIV-Problematik – Dauerprobleme der gesam-
ten Gesellschaft sind, zu deren Bekämpfung dauerhafte

Beratungsstrukturen notwendig sind.

Die Extremismusklausel muss ersatzlos gestrichen

werden.

Es ist höchste Zeit, dass Faktoren, die die Arbeit zivilge-

sellschaftlicher Initiativen behindern, endlich abgebaut

werden. Dazu gehört an erster Stelle die so genannte

„Extremismusklausel“, die nach dem Willen u. a. des
Bundesfamilienministeriums, aber auch weiterer Bundes-

und Landesministerien, im Gegenzug für staatliche Förde-

rung unterschrieben werden muss.

Flüchtlinge integrieren und ein humanitäres Bleiberecht

für Opfer rassistischer Gewalt schaffen.

Opfer rassistischer Gewalt ohne Aufenthaltsstatus bzw.

mit einer Duldung sollten durch eine Ergänzung in § 25

des Aufenthaltsgesetzes ein humanitäres Bleiberecht

erhalten. Mit einer solchen Regelung im Aufenthaltsge-

setz wäre ein klares Signal an die Täterinnen und Täter

derartiger Angriffe sowie deren Umfeld verbunden: dass

ihrer politischen Zielsetzung „Ausländer raus“ explizit
entgegen getreten und ihr Ziel der Vertreibung vereitelt

wird, indem Vertreterinnen und Vertreter des Staates auch

materiell für die Angegriffenen Partei ergreifen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 985 – Drucksache 17/14600

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Ab-

stammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat

und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder

politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt

werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benach-

teiligt werden.

Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz

I. Vorbemerkung

Mit der hier vorlegten Stellungnahme der Fraktion DIE

LINKE werden wir insbesondere auf Aspekte eingehen,

die in den gemeinsamen Bewertungen und Schlussfolge-

rungen aller Fraktionen zu kurz gekommen sind. Im We-

sentlichen setzt sich die Stellungnahme mit den zentralen

Ursachen für das Staatsversagen im NSU-Komplex ausei-

nander: Der Verharmlosung und Vertuschung der Gefah-

ren des Rechtsextremismus durch staatliche Stellen einer-

seits und dem institutionellen Rassismus.

II. Vorwort

Aysen Taşköprü, die Schwester des am 27. Juni 2001 in
Hamburg ermordeten Süleyman Taşköprü beschreibt in
einem Brief an Bundespräsident Joachim Gauck, mit dem

sie dessen Einladung an die Angehörigen der NSU-

Mordopfer und Verletzten der Bombenanschläge zu ei-

nem Besuch im Schloss Bellevue am 21. Februar 2013

zurückweist, das ganze Ausmaß der Verheerungen, post-

traumatischen Belastungen und Angst, das die Morde und

die nachfolgenden Ermittlungen der Strafverfolgungsbe-

hörden verursacht haben:

„Im Sommer 2001 töteten Neonazis meinen Bru-
der. Im Spätsommer 2011 – 10 Jahre später – klin-
gelte die Kripo bei mir. Sie brachten mir die per-

sönlichen Gegenstände meines Bruders. Ich fragte

die Beamtin, warum jetzt die Sachen kämen, ob es

etwas Neues gibt. Sie sagte nur, man habe verges-

sen mir die Sachen zurückzugeben. Dann ging sie

wieder. Ich habe stundenlang vor den Sachen mei-

nes toten Bruders gesessen. Ich habe tagelang ge-

braucht, um mich zu überwinden meinen Eltern

davon zu erzählen, dass seine Sachen wieder da

sind. Ich war völlig am Ende. […] Und dann kam
der Abend, an dem ich vor dem Fernseher saß und

auf einmal das Bekennervideo des NSU gezeigt

wurde. Ich habe angefangen zu schreien und konn-

te nicht wieder aufhören. Da lag mein Bruder in

seinem eigenen Blut auf den rotweißen Fliesen, die

ich so gut kannte. Ich sehe seine zierlichen Hände

und ich erkenne seine Armbanduhr. Und kein Lä-

cheln auf seinen Lippen, er ist ermordet worden

und liegt auf den kalten Kacheln in seinem eigenen

Blut. Mein kleiner Sohn wacht von meinen Schrei-

en auf, ich muss mich zusammenreißen, um ihn zu

trösten und wieder schlafen zu legen. An diesem

Tag ist mein Bruder ein zweites Mal gestorben und

etwas ist in mir zerbrochen. Körper und Geist ge-

hen ihre eigenen Wege. Mein Leben entgleitet mir.

Ich wurde 1974 in der Türkei geboren, seit 1979

lebe ich in Deutschland. Ich bin hier zur Schule

gegangen, habe meine Ausbildung gemacht und

gearbeitet. Mein Sohn wurde hier geboren und ich

fühlte mich als Deutsche mit türkischen Wurzeln.

Noch im März 2011 konnte ich darüber lachen, als

eine Sachbearbeiterin im Rathaus zu meinem Sohn

sagte, er sei kein Deutscher. Der Kleine war ganz

erstaunt und erklärte ihr sehr ernsthaft, dass er sehr

wohl Deutscher sei, er habe schließlich einen deut-

schen Pass. […] Heute kann ich nicht mehr darü-
ber lachen. Ich hatte mal ein Leben und eine Hei-

mat. Ich habe kein Leben mehr. […] Ich habe auch
keine Heimat mehr, denn Heimat bedeutet Sicher-

heit. Seitdem wir wissen, dass mein Bruder ermor-

det wurde, nur weil er Türke war, haben wir

Angst. Was ist das für eine Heimat, in der du er-

schossen wirst, weil deine Wurzeln woanders wa-

ren? […]

Ich wurde drei Wochen auf Kur geschickt, aber

auch danach war ich in so schlechter Verfassung,

dass ich nicht auf meiner alten Arbeitsstelle arbei-

ten konnte. Mein Arzt hat festgestellt, dass ich so

nicht arbeitsfähig bin. Die Krankenkasse hat mich

einbestellt und mir gesagt, ich soll meine Krank-

meldung zurücknehmen; ich soll Urlaub einrei-

chen. Als ich mich weigerte, bekam ich ein

Schreiben, ich sei überhaupt nicht krank, der Sozi-

almedizinische Dienst hätte mich als arbeitsfähig

eingestuft. Allerdings haben die mich nie gesehen,

geschweige denn mit mir gesprochen. Seitdem

werde ich zwischen meinem Arbeitgeber, der auf

einen Aufhebungsvertrag drängt, der Krankenkas-

se, die bezweifelt, dass ich krank bin und der Arge,

die meinen Aufenthaltsstatus wissen will, hin- und

hergeschubst. Ich fühle mich unerwünscht.

Alles, was ich noch möchte, sind Antworten. Wer

sind die Leute hinter dem NSU? Warum ausge-

rechnet mein Bruder? Was hatte der deutsche Staat

damit zu tun? Wer hat die Akten vernichtet und

warum?“7396

Der Brief von Aysen Taşköprü ist nicht allein ein Doku-
ment der Verzweiflung über den Verlust des Bruders

sowie der jahrelangen Verdächtigungen und sozialen

Isolation, die die Familie erleiden musste. Der Brief ist

auch ein Dokument der deutschen Realität im Jahr 2013,

in der Kinder, Frauen und Männer mit migrantischen

Wurzeln noch immer per Gesetz, von Behördenvertretern

und im Alltag als „die Fremden“ und „die Anderen“ be-
handelt werden – selbst wenn sie, wie Aysen Taşköprüs
Sohn, in Deutschland geboren sind oder wie sie selbst seit

30 Jahren hier leben.
7396) Im Wortlaut: Der Brief der Schwester des Hamburger NSU-

Mordopfers“, in: Hamburger Abendblatt vom 16. Februar
2013; www.abendblatt.de/politik/article113679608/Der-Brief-

der-Schwester-des-Hamburger-NSU-Opfers.html.

Drucksache 17/14600 – 986 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Untersuchungsausschuss hat versucht, mit seiner

Arbeit einen Beitrag dazu zu leisten, dem Verlust von

Sicherheit und Heimat, den viele Angehörige der NSU-

Mordopfer beschrieben haben, durch Aufklärung und

Transparenz entgegen zu wirken. Dies ist umso wichtiger

angesichts der Ergebnisse einer Befragung des Dortmun-

der Futureorg-Instituts
7397

von über 1 000 in Deutschland

lebenden Migranten türkischer Herkunft über die Auswir-

kungen der NSU-Morde. Demnach ist eine große Mehr-

heit der Befragten eher nicht davon überzeugt, dass die

NSU-Morde lückenlos aufgeklärt werden. Gerade einmal

neun Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die

NSU-Untersuchungsausschüsse die Rolle der Sicherheits-

behörden einwandfrei aufklären können und knapp zwei

Drittel gaben an, dass sie sich durch die NSU-Morde stark

bis sehr stark persönlich betroffen fühlen – und dass diese
auch Einfluss auf die private Lebensplanung hätten. Le-

diglich die Gruppe der unter-25-Jährigen vertraut dem-

nach noch mehrheitlich der deutschen Politik und deut-

schen Institutionen.

Vor diesem Hintergrund geht es bei der Aufklärung und

der Auseinandersetzung mit der NSU-Mordserie auch um

die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen:

Es geht darum, dem Bekenntnis zu Deutschland als Ein-

wanderungsland endlich Rechnung zu tragen, Rassismus

und rassistischen Vorurteilen – dort, wo sie uns begegnen
– beim Namen zu nennen, diskriminierende Gesetze und
Verordnungen abzuschaffen sowie diskriminierendem

Behördenhandeln entschieden zu begegnen.

III. Einleitung

Der nun vorliegende Abschlussbericht des 2. Parlamenta-

rischen Untersuchungsausschusses (PUA) dokumentiert

einerseits, dass die eineinhalbjährige Arbeit dieses Kont-

roll- und Aufklärungsgremiums notwendig, richtig und

wichtig war. Andererseits können aus Sicht der Fraktion

DIE LINKE weder der Untersuchungsausschuss noch der

Abschlussbericht für sich beanspruchen, den NSU-

Komplex mit allen Facetten des Staatsversagens, das die

rassistische Mordserie an neun migrantischen Kleinunter-

nehmern sowie den Mord an Michèle Kiesewetter, die

bislang bekannten Sprengstoffattentate in Köln und die

Raubüberfallserie, erst ermöglicht hat, vollständig und

wirklich zufriedenstellend ausgeleuchtet zu haben.

Der Beharrlichkeit und dem gemeinsamen Vorgehen der

Abgeordneten ist es zu verdanken, dass sich die Öffent-

lichkeit ein erschütterndes Bild vom Ausmaß des Versa-

gens und der Fehler der deutschen Strafverfolgungsbe-

hörden und Geheimdienste sowohl bei der Suche nach

den am 26. Januar 1998 abgetauchten Uwe Böhnhardt,

Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie bei der Analyse

rechtsterroristischer Strukturen und bei der Suche nach

den Tätern der so genannten Česká-Mordserie, der bislang
7397) Kamuran Seezer/Kathleen Brüssow, „ Ergebnisse der ersten

Befragung zu den NSU-Morden“, 15. Juli 2013,
www.taz.de/fileadmin/static/pdf/2013-07-

22_03_endaX_Auswertung_NSU_040713.pdf.

bekannten Sprengstoffanschläge und der Raubüberfalls-

erie machen konnte.

Begleitet wurde die Arbeit des parlamentarischen Unter-

suchungsausschusses (PUA) von einem erheblichen Me-

dieninteresse und einer Öffentlichkeit, die seit der Selbst-

enttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“
(NSU) am 4. November 2011 in zwei Lager geteilt ist:

Viele Menschen in Deutschland gehen davon aus, dass

der Umgang von Polizei und Geheimdiensten mit Neona-

zis nicht erst seit den frühen 1990er Jahren vielfach von

Ignoranz, Inkompetenz, Verharmlosung, Vertuschung und

Versagen geprägt war und ist. Und genau diese fatale

Mischung habe auch die Entstehung des NSU und dessen

Gewalttaten ermöglicht. Andere hingegen können sich

nicht vorstellen, dass das mutmaßliche NSU-Kerntrio –
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – ohne
Beihilfe oder Unterstützung einzelner Vertreter staatlicher

Behörden so lange in der Illegalität hätte leben und mor-

den können.

Nach intensivem Aktenstudium von mehr als 12 000

Ordnern, der Befragungen von mehr als 90 Zeugen und

Zeuginnen und nahezu 400 Beweisbeschlüssen in 76

Sitzungen, aber auch unter Berücksichtigung der bisheri-

gen Arbeit der zeitweise parallel tagenden Untersu-

chungsausschüsse in den Landtagen von Bayern, Sachsen

und Thüringen kommt die Fraktion DIE LINKE zu dem

Schluss, dass der Untersuchungsausschuss massenhaft

Belege dafür gefunden hat, dass die Gefahr, die für ge-

sellschaftliche Minderheiten und Demokratie und Rechts-

staat in Deutschland von der extremen Rechten im allge-

meinen und rechtsterroristischen Strukturen im Besonde-

ren ausgingen und weiterhin ausgehen, von den Geheim-

diensten und den Polizeien der Länder und des Bundes

über zwei Jahrzehnte lang ignoriert, verharmlost und

vertuscht worden sind. Der Untrsuchungsausschuss hat

jedoch keine Belege dafür gefunden, dass Behörden oder

einzelne Vertreter staatlicher Stellen das mutmaßliche

NSU-Kerntrio unterstützt hätten.

Dennoch schließen wir nicht aus, dass nicht doch noch

Belege für eine tiefer gehende Verstrickung von V-Leuten

der Geheimdienste oder Polizeibehörden in das Netzwerk

des NSU im Verlauf des Strafverfahrens vor dem Ober-

landesgericht (OLG) München, der weiteren Ermittlungen

von BKA und Generalbundesanwaltschaft, der andauern-

den Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsaus-

schüsse in Thüringen und Sachsen sowie möglicher wei-

terer parlamentarischer Gremien auftauchen können.

Viele Komplexe konnten vom 2. PUA aufgrund der zeit-

lichen Begrenzung nur angerissen werden. In einigen

Fällen haben sich weitere Fragen an Zeugen erst Wochen

oder Monate nach deren Aussagen vor dem Ausschuss

ergeben – weil beispielsweise in der Zwischenzeit neue
Akten auftauchten bzw. diese erst sehr spät – und defini-
tiv zu spät für manche Zeugenbefragung – geliefert wur-
den. Es war angesichts des knappen Zeitrahmens des

Untersuchungsausschusses sowohl für die Zeugen als

auch die beteiligten Behörden und Ministerien in Bund

und Ländern überdeutlich, dass der Ausschuss Zeugen,

die sich in Widersprüche verstrickt oder wichtige Tatsa-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 987 – Drucksache 17/14600

chen verschwiegen hatten, nicht ein weiteres Mal würde

vorladen und hören können.

Die offenen Fragen bleiben

Keine Antworten können der Bericht und der Ausschuss

u. a. auf die folgenden Fragen geben:

- Der Ausschuss hat auf die für die Angehörigen der Er-

mordeten quälende Frage, wie die individuellen Opfer der

NSU-Mordserie ausgewählt wurden, keine Antworten

gefunden. Und so bleiben die Angehörigen weiterhin mit

der Ungewissheit alleine, warum ausgerechnet ihr Ehe-

mann, ihr Vater, ihr Bruder oder Onkel ermordet wurden.

Es bleibt zu hoffen, dass sie in dem Verfahren vor dem

OLG München darauf für sie schlüssige und befriedigen-

de Antworten erhalten werden, die ihnen bei der Verar-

beitung des Verlustes helfen.

- Der Ausschuss hat auch auf die Frage nach dem Motiv

für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und

dem versuchten Mord an ihrem Kollegen keine Antwort

gefunden.

- Auch die Frage nach möglichen neonazistischen Unter-

stützerinnen und Unterstützern der Täter an den jeweili-

gen Tatorten ist weiterhin offen. Der Ausschuss hat durch

intensive Befragungen sowohl von Polizeibeamten der

jeweiligen Tatortmordkommissionen und Staatsschutzbe-

amten als auch Vertretern der jeweiligen Verfas-

sungsschutzbehörden versucht, sich einen Überblick über

militante neonazistische Netzwerke und Aktivisten in den

Tatortstädten der Mord-, Anschlags- und Raubserie –
Nürnberg, Köln, Hamburg, München, Rostock, Dort-

mund, Kassel sowie Chemnitz und Zwickau – zu ver-
schaffen. Dabei ist deutlich geworden, dass in allen Tat-

ortstädten Aktivisten und Aktivistinnen aus Strukturen

des seit dem Jahr 2000 verbotenen Neonazinetzwerks

„Blood & Honour“ ansässig und mehrheitlich weiterhin
politisch aktiv waren und sind. Aus diesem Netzwerk

stammt auch ein großer Teil der Helferinnen und Helfer

des mutmaßlichen NSU-Kerntrios. Doch dem Ausschuss

ist es nicht gelungen, hier direkte Verbindungslinien zwi-

schen dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio und Neonazis

vor Ort aufzuklären. Auch hier wäre zu hoffen, dass die

weiteren Ermittlungen des BKA und die Hauptverhand-

lung am OLG München weitere Ergebnisse zutage för-

dern.

- Dem Ausschuss ist es nicht gelungen, das Motiv oder

das Motivbündel des BfV-Abteilungsleiters zu erhellen,

der am 11. November 2011 die Operativakten von sieben

V-Leuten der so genannten „Operation Rennsteig“ des
Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vernichtete.

Die Fraktion DIE LINKE geht jedoch davon aus, dass bei

dieser Aktenvernichtung Bezüge zum NSU-Komplex

nicht ausgeschlossen werden können und dürfen. – Diese
Einschätzung gilt ebenso für die Aktenvernichtung von

vier Anlagenordnern zu G10-Maßnahmen gegen Neona-

zis durch das Bundesministerium des Inneren (BMI) im

April 2012, davon einige mit Verbindungen zu rechtster-

roristischen Aktivitäten.

- Dem Ausschuss ist es auch nicht gelungen, die Mauer zu

überwinden, mit der das BfV – und der Bundesnachrich-
tendienst (BND) – seine internationale Zusammenarbeit
mit Partnerdiensten im europäischen Ausland in Bezug

auf internationalen Neonazinetzwerke wie „Combat 18“,
„Blood & Honour“ und „Hammerskins“ der parlamentari-
schen und öffentlichen Kontrolle entzieht. Auch hier sind

viele Fragen offen geblieben, insbesondere welche Infor-

mationen ausländische Partnerdienste und das BfV zur

Jahrtausendwende und in den 2000er Jahren über die

Bestrebungen im internationalen Netzwerk von „Blood &
Honour“ und „Combat 18“ austauschten, auch auf dem
europäischen Festland mit gezielten Bombenanschlägen

und Tötungsdelikten Angst und Terror gegen gesellschaft-

liche Minderheiten zu verbreiten. Zuvor waren im April

1999 bei neonazistischen Bombenanschlägen in London

drei Menschen getötet und mindestens 149 verletzt wor-

den.

Die eigenen Vorurteile und Fehleinschätzungen reflek-

tieren

Notwendig erscheint uns an dieser Stelle aber auch eine

selbstkritische Reflexion der eigenen Sichtweise auf die

Česká-Mordserie und die Gefahren durch Neonazis und
Rechtsterrorismus.

Die Fraktion DIE LINKE im 16. Bundestag hatte im

Frühjahr 2007 eine Kleine Anfrage zu den Hintergründen

der Česká-Mordserie an die damalige CDU/SPD-
Regierungskoalition gestellt – und damit als einzige der
im Bundestag vertretenen Parteien die wachsende Angst

und Besorgnis in den migrantischen Communities ver-

sucht aufgegriffen.
7398

Denn nach den Morden an Halit

Yozgat und Mehmet Kubaşık im April 2006 in Kassel und
Dortmund, demonstrierten hier mehrere tausend Men-

schen und appellierten an die Öffentlichkeit und die staat-

lichen Institutionen, ihre Angst vor einem drohenden 10.

Mord in der so genannten Česká-Mordserie ernst zu neh-
men. Obwohl die Antwort des damaligen Bundesinnen-

ministers Wolfgang Schäuble (CDU) überhaupt nicht

befriedigend ausfiel – das Bundesinnenministerium er-
klärte sich in den Antworten für komplett unzuständig für

die Česká-Mordserie und verwies summarisch auf die
Zuständigkeit der Länder

7399
– hat DIE LINKE dann je-
7398) BT-Drs. 16/5057, „Ungeklärte Mordfälle unter Gewerbetrei-

benden türkischer bzw. griechischer Herkunft“; abrufbar unter:
http://www.bundestag.de.

7399) Ebda. Exemplarisch lautet die Antwort auf Frage 1: „1. Wie
beurteilt die Bundesregierung die bisherige Arbeit der zuständi-

gen Ermittlungsbehörden, um die oben genannten Fälle aufzu-
klären?

Wegen der ungeklärten Mordfälle an Gewerbetreibenden

türkischerbzw. griechischer Herkunft führen Staatsanwaltschaf-
ten in Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen

und Nordrhein-Westfalen Ermittlungsverfahren. Zu Ermitt-

lungsverfahren der Landesjustizverwaltungen nimmt die Bun-
desregierung nicht Stellung“.

Fragen 2-5 werden mit Verweis auf die Antwort auf Frage 1

beantwortet, zu den Fragen 6 und 7, die nach von den Behörden
ergriffenen Schutzmaßnahmen für die betroffenen Communities

fragen, nimmt die Bundesregierung mit Verweis auf die Zu-

ständigkeit der Länder ebenfalls keine Stellung. Zur letzten

Drucksache 17/14600 – 988 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

doch weder weitere Anfragen gestellt noch in den Tatort-

Ländern nachgehakt. Letztendlich müssen auch wir ein-

räumen, dass wir den polizeilichen und medialen Zu-

schreibungen, bei den Tätern der Mordserie und den

Sprengstoffanschlägen handele es sich um organisierte

Kriminelle türkischer Herkunft, unkritisch gefolgt sind –
und dass rassistische Vorurteile und Stereotypen stärker

waren als kritisches Hinterfragen.

DIE LINKE und ihre Vorgängerpartei PDS gehören ne-

ben antifaschistischen Initiativen und zivilgesellschaftli-

chen Bündnissen sowie engagierten Journalistinnen und

Journalisten zu denjenigen, die die Gefährlichkeit von

Neonazis und rechtsterroristischen Aktivitäten in den

letzten zwanzig Jahren gegen alle Widerstände und Ver-

harmlosungsversuche auf der politischen Agenda gehalten

haben. Oft genug haben wir im Bundestag und in den

Landtagen, in denen wir vertreten waren und sind, kleine

und große parlamentarische Anfragen zu Waffenfunden

bei Neonazis, der Gefährlichkeit von internationalen

Neonazinetzwerken wie „Blood & Honour“, dem Ausmaß
rechter und rassistisch motivierter Gewalt sowie den dies-

bezüglichen Wahrnehmungsdefiziten staatlicher Stellen

gestellt.
7400

In vielen Fällen waren die Antworten der

Bundesregierung und Landesregierungen bzw. der ihr

nachgeordneten Ministerien und Behörden unbefriedi-

gend, abwiegelnd, verharmlosend und schlicht falsch.

Dennoch und trotz alltäglicher Erfahrungen von Drohun-

gen, körperlichen Angriffen bis hin zu Brandsätzen gegen

engagierte Parteimitglieder vor Ort sowie Abgeordnete
Frage schließlich, die nach möglichen Gründen für das Schwei-
gen der Medienöffentlichkeit zu der Mordserie fragt, „liegen
der Bundesregierung keine Informationen vor“.

7400) DIE LINKE im Bundestag und in einigen Landtagen stellt seit
den 1990er Jahren monatliche Kleine oder Schriftliche Anfra-

gen nach dem Ausmaß rechter und rassistischer Straf- und Ge-

walttaten, u. a. „Ausländerfeindliche und rechtsextremistische
Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland im (Mo-

nat/Jahr)“. Beispielhaft für die Kontinuität der Verharmlosun-
gen im Untersuchungszeitraum sind u. a. die Antworten auf:
Schriftliche Anfrage über „Waffenkäufe durch Rechtsextremis-
ten“ in Drucksache 15/4611 vom 30. Dezember 2004, Schriftli-
che Anfrage über „Indizierung rechtsextremer, fremdenfeindli-
cher und antisemitischer Schriften, Bücher, CDs, Filme und

Tonträger im Jahr 2003“ in Drucksache 15/2512 vom 13. Feb-
ruar 2004, Mündliche Anfrage über „Kenntnis der Bundesregie-
rung über ‚Combat 18 Pinneberg‘“ in der 74. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 12. November 2003 in Drucksache
15/1946, Mündliche Anfrage über die „Verbindungen zwischen
deutschen und schwedischen rechtsextremen Gruppen“ in
Drucksache 15/1555, Mündliche Anfrage über „Unterschiedli-
che Zahlenangaben über die Opfer von Tötungsdelikten von

rechts seit der deutschen Einheit“ in der 36. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 2. April 2003 in Drucksache 15/724,
„Mögliche rechtsextreme Aktivitäten von Angehörigen der
Bundeswehr und ihre Verbreitung durch das Internet“ vom
9. März 1998 in Drucksache 13/10080, „Mutmaßliche Tö-
tungsdelikte durch ein Mitglied der Berliner Neonazi-Szene“
vom 24. März 1997 in Drucksache 13/7327, „Gegenwärtige
Umstrukturierungen im bundesdeutschen Rechtsextremismus“
vom 26. April 1996 in Drucksache 13/4494, „Rechtsextreme
Gewalttaten und Tötungsdelikte im Jahr 1994“ vom 22. Juni
1995 in Drucksache 13/1765, „Neonazistisches Blood-and-
Honour-Netzwerk“ vom 2. Februar 2011 in Drucksache
17/4624. Alle Drucksachen sind unter Angabe der Drucksa-

chen-Nummer unter http://www.bundestag.de abrufbar.

der LINKEN in den Landtagen und im Bundestag
7401

,

haben auch wir uns nicht in letzter Konsequenz vorstellen

können, dass neonazistische Aktivistinnen und Aktivisten

die Terrorkonzepte des „führerlosen Widerstands“ und
des „Rassekriegs“ über Jahre hinweg in Deutschland
umsetzen könnten, ohne von den Strafverfolgern gestoppt

zu werden.

Wir müssen einräumen, dass unser Vertrauen in die Straf-

verfolgungsbehörden an dieser Stelle fundamental ent-

täuscht wurde – und können nur erahnen, wie tief die
Verunsicherung und die Ängste in den migrantischen

Communities seit dem 4. November 2011 sein müssen.

Zumal bei vielen Migrantinnen und Migranten nach der

ersten Welle rassistischer Gewalt nach 1990 – insbeson-
dere den tödlichen Brandanschlägen von Mölln und So-

lingen – dieses Vertrauen ohnehin erschüttert war. Ein
verbesserter Schutz und mehr Sicherheit für Migrantinnen

und Migranten sowie gesellschaftliche Minderheiten sind

ein dringendes und zentrales Anliegen der LINKEN. Um

das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden wieder

herzustellen, sind Reformen – u. a. durch die von uns
vorgeschlagenen Maßnahmen – zwingend notwendig.

Es liegt nach Abschluss des 2. PUA nun in der Verant-

wortung des 18. Deutschen Bundestages, die weiteren

Entwicklungen im NSU-Komplex aufmerksam und kri-

tisch zu begleiten. Wenn notwendig, muss erneut mit den

Instrumenten der parlamentarischen Kontrolle und Auf-

klärung reagiert werden. Denn das Versprechen von Bun-

deskanzlerin Angela Merkel an die Angehörigen der

NSU-Mordopfer sowie die Verletzten der Sprengstoffan-

schläge und Raubüberfälle einer „rückhaltlosen Aufklä-
rung“ ist noch keineswegs zufriedenstellend eingelöst.

IV. Bewertungen im Kontext des Feststel-
lungsteils

Die unter A. folgenden Kapitel zu einzelnen Untersu-

chungskomplexen und die aufgeführten Ergänzungen und

abweichenden Meinungen vom gemeinsamen Schlussfol-

gerungsteil des Untersuchungsausschusses enthalten so-

wohl feststellende als auch wertende Elemente.

1. Die Česká-Mordserie

a) Struktureller bzw. institutioneller Rassis-
mus und ethnisierende Zuschreibungen
bei den Ermittlungen zur Česká-Mordserie
und den Sprengstoffanschlägen in Köln

Die polizeilichen Ermittlungen zu den Gewaltstraftaten,

die dem NSU zugerechnet werden, sind von rassistischen

Vorurteilen und Zuschreibungen geprägt gewesen. Von

Anfang an und in den meisten Fällen ohne weitere Ände-

rung der Ermittlungsrichtung standen die Familien der

Opfer bzw. die Ermordeten im Fokus der Ermittlungen,
7401) Auch VertreterInnen anderer demokratischer Parteien sind

regelmäßig von solchen Angriffen betroffen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 989 – Drucksache 17/14600

richteten sich die polizeilichen Nachforschungen gegen

sie, wurden die Opfer der schweren Straftaten selbst in

das Zwielicht krimineller Machenschaften gerückt. Ent-

lastende Ermittlungsergebnisse wurden nicht dazu ge-

nutzt, den Tatverdacht gegen die Angehörigen auszuräu-

men. Vielmehr dienten sie lediglich als Aufhänger dafür,

permanent neue Verdachtsmomente im Umfeld der Opfer

zu suchen. Nach dem achten und neunten NSU-Mord –
am 4. April 2006 starb Mehmet Kubaşık (39) in seinem
Kiosk in Dortmund und am 6. April 2006 Halit Yozgat

(21) in seinem Internet-Café in Kassel – berichtete die
Berliner Zeitung über ein Gespräch mit dem damaligen

Leiter der Besonderen Aufbauorganisation BAO „Bospo-
rus“ beim Polizeipräsidium Nürnberg, Wolfgang Geier:
Er denke,

„dass ihm bei den Befragungen nicht immer die
Wahrheit gesagt werde. Oder nicht die ganze

Wahrheit. ‚Ich denke an Bekannte, Freunde und
Verwandte der Opfer. Und ich bin mir nicht sicher,

ob sie uns nichts sagen können oder nichts sagen

wollen. Von dieser Seite kamen jedenfalls keine

wichtigen Hinweise.‘“

Geier, so die Berliner Zeitung, spreche von einer Paral-

lelwelt, in die er geblickt habe und in der es kein Vertrau-

en zu den Behörden gäbe. Vor einiger Zeit hätten sie die

Belohnung für Hinweise von 30 000 auf 300 000 Euro

erhöht.

„Sie haben gehofft, dass sich selbst in kriminellen
Organisationen jemand findet, der bei einer sol-

chen Summe schwach wird. Aber es blieb

still.“7402

Die Angehörigen der Ermordeten und die Verletzten des

Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln wurden

in einem ethnisch fest zugewiesenen Milieu so genannter

„türkischer Kriminalität“ verortet. „Organisierte Krimina-
lität“, „Drogengeschäfte“, „illegales Glücksspiel“, „Men-
schenhandel“, „Döner- Mafia“, „Blumen-Mafia“ – so und
ähnlich lauteten die Zuschreibungen, mit denen Polizei

und Staatsanwaltschaften nach Motiven und Drahtziehern

für die Česká-Mordserie suchten und unter denen sie
hunderte „Spuren“ anlegten.

Da spätestens mit dem zweiten Mord an Abdurrahim

Özüdoğru am 13. Juni 2001 in Nürnberg klar war, dass es
sich um eine Mordserie handelte, suchte die Polizei nach

Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern. Aus heutiger

Sicht erscheint es völlig unerklärlich, dass diese Gemein-

samkeit nicht im Migrationshintergrund bzw. in ihrer

türkischen, kurdischen und griechischen Herkunft gese-

hen wurde – dem einzigen Merkmal, das alle Ermordeten
miteinander verband. Stattdessen wurden allen Opfern –
7402) „Der Fall Bosporus“ von Wolfgang Korth, in Berliner Zeitung

vom 15. Juli 2006, http://www.berliner-

zeitung.de/newsticker/neun-maenner-werden-mit-derselben-

waffe-erschossen--seit-jahren-sucht-die-polizei-den-taeter---
und-findet-einen-verdaechtigen-verfassungsschuetzer-der-fall-

bosporus,10917074,10403504.html, zuletzt eingesehen am 20.

August 2013.

letztendlich alleine aufgrund ihrer Herkunft – Kontakte
ins Milieu der Organisierten Kriminalität unterstellt.

Zur Erklärung dieser an allen Tatorten gleichen Ermitt-

lungsrichtung, die die Ermordeten, ihre Angehörigen und

die Opfer der Sprengstoffanschläge kriminalisierte und

stigmatisierte, liegt es nahe, von einem strukturellen bzw.

institutionellen Rassismus auszugehen, der nach Über-

zeugung der Fraktion DIE LINKE jenseits individueller

Einstellungen und Überzeugungen der einzelnen Ermittler

als ein strukturelles Merkmal der Polizeiarbeit in diesem

Fall zu erkennen ist.

aa) Exkurs: Was verstehen wir unter struktu-
rellem und institutionellem Rassismus

Struktureller bzw. institutioneller Rassismus ist eine Form

des Rassismus, die von Institutionen der Gesellschaft,

ihren Verfahren, Normen und rechtlichen Grundlagen

ausgeht und zunächst unabhängig von der Motivation der

darin handelnden Individuen ist. Ausgrenzung, Benachtei-

ligung und Diskriminierung werden in und durch unter-

schiedliche, wichtige gesellschaftliche Einrichtungen

erfahren und finden sich im Bildungsbereich, bei der

politischen Beteiligung, auf dem Arbeits- und Woh-

nungsmarkt oder eben im Rahmen der Polizeiarbeit. Ro-

bert Miles sieht im institutionellen Rassismus eine

Materialisierung rassistischer Ausschließungspraxen, die

direkt aus einem rassistischen Diskurs folgen.
7403

Die

Existenz und Auswirkungen von strukturellem bzw. insti-

tutionellem Rassismus in zentralen gesellschaftlichen

Bereichen wie im Bildungsbereich und im Arbeitsleben

wird im Übrigen auch durch die Ergebnisse der jüngsten

Studie „Diskriminierung im Bildungsbereich und im Ar-
beitsleben“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(ADS) belegt.

7404
Ein Beispiel für institutionellen Rassis-

mus im Polizeibereich stellte ab 1984 bis weit in die

1990er Jahre der so genannte Erfassungsbeleg KP 8 bzw.

„Ausgabe und Auskunftsbogen ISTPOL“ für die Krimi-
nalakte von Tatverdächtigen dar, in denen Polizeibeamte

bei den Polizeien der Länder und des Bundes bei der

Rubrik „Personenbeschreibungen“ die folgenden Katego-
rien ankreuzen sollten:

„asiatisch, negroid, nordländisch/mittl. europäisch,
orientalisch, südländisch, slawisch, indianid“.7405

Auch wenn diese Erfassungsbögen mittlerweile verändert

wurden, muss davon ausgegangen werden, dass diese

rassistischen Typisierungen, die noch verstärkt wurden
7403) Vgl. Robert Miles, Rassismus. Einführung in die Geschichte

und Praxis eines Begriffs, Hamburg 1991.

7404) „Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben“,
www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Aktuelles/DE/2

013/Bericht_Bundestag_20130813.html;jsessionid=3EE598D7
F587C49A3442C20720FF87C4.2_cid322.

7405) Vgl. u. a. MAT_B_TH-3_Auswahl\Schäfer Michel.pdf, Blatt 4,

zur Kritik des Erfassungsbogens KP 8: Drucksache 13/6623
Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN „Kritik
an rassistischen Typisierungen in polizeilichen Erfassungsbö-

gen“ http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/066/1306623.pdf.

Drucksache 17/14600 – 990 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

durch eine beigefügte Arbeitsanleitung u. a. mit den fol-

genden Erläuterungen wie

„Negroid = dunkle Haut- und Haarfarbe, Kraus-
haar, wulstige Lippen. Slawisch = breites Gesicht,

betonte Wangenbeine. Nordlän-

disch/mitteleuropäisch = hochwüchsige, hellhäuti-

ge Personen.“7406

die Wahrnehmung einiger Generationen von Polizeibeam-

ten auf Tatverdächtige geprägt haben.

In der Sachverständigenanhörung zum Abschluss der

Beweisaufnahme führte der Sachverständige und Dip-

lomkriminalist Günter Schicht dazu aus:

„Hinzu tritt natürlich der Einfluss gruppenbezo-
gener Vorurteile. Ich denke, dass Rassismus als

Weltbild unter Polizeibeamten sicherlich die Aus-

nahme ist, dass aber gruppenbezogene Vorurteile

wie in der gesamten Gesellschaft die Regel sind. In

einer aktuellen Publikation habe ich das ‚unter-
schwelliges Ethnical Profiling‘ genannt. Die Be-
amten sind sich solcher Einflüsse nicht bewusst.

Ich war erst kürzlich bei einer Veranstaltung (…),
als ein junger Polizeibeamter aus den Einsatzhun-

dertschaften – selbst mit Migrationshintergrund –
ein Statement abgeliefert hat und sich eigentlich

gegen Racial Profiling gewandt hat. Wir können

ganz sicher sagen, er ist garantiert kein Rassist

gewesen. Aber in dem, was er gesagt hat, äußerte

sich Racial Profiling. Er hat gesagt: Man weiß

doch, dass 90 Prozent der Schwarzen in der

Hasenheide Drogendealer sind. - Diese Art Profi-

ling äußert sich unterschwellig und ist den Beam-

ten nicht unbedingt bewusst; aber es ist exis-

tent.(…) Schlussfolgerungen sind aus meiner
Überzeugung vor allem für die Fortbildung zu zie-

hen. Es gibt gezielte Fortbildungen für den Um-

gang mit Opfern. Es gibt gezielte Fortbildungen

für den Umgang mit Rechtsextremismus. Es gibt

gute Fortbildungsangebote für Spezialisten. Das

kommt aber in der Masse nicht an. Es entfaltet

nach meiner Überzeugung nicht die Wirkung, die

es eigentlich haben müsste.“7407

b) Struktureller und institutioneller Rassis-
mus im Kontext der polizeilichen Ermitt-
lungen

Die Befragungen der Ermittler an den Tatorten der NSU-

Mordserie durch den Untersuchungsausschuss haben

verdeutlicht, dass die Ermittlungen mit Vorannahmen,

Zuschreibungen und Stereotypisierungen geführt wurden,

die gerade nicht einem individuellen Rassismus der Er-

mittler entsprangen, sondern den oben beschriebenen

Formen eines strukturellen bzw. institutionellen Rassis-

mus zuzurechnen sind. Es handelt sich hierbei um ein
7406) Ebd.

7407) Vgl. Schicht, Protokoll-Nr. 72, S. 45.

gesamtgesellschaftliches Problem
7408

, das jedoch im Zu-

sammenhang von Polizei- und Ermittlungsarbeit von

besonderer Bedeutung und Tragweite ist.

Alle als Zeugen gehörten Polizisten haben dem Untersu-

chungsausschuss versichert, dass die Herkunft der Opfer

für die Art der Ermittlungen ohne Bedeutung gewesen sei.

Individuell und subjektiv mag diese „Gleichbehandlung“
zutreffen, vor dem Hintergrund eines gesamtgesellschaft-

lichen Zusammenhangs ist sie jedoch in Frage zu stellen.

So prägten gesellschaftlich verbreitete und verankerte

Vorannahmen und Vorurteile auch den Blick der einzel-

nen Ermittler auf die Ermordeten und ihre Angehörigen

sowie mögliche Täter.

aa) Beispiel Operative Fallanalyse Baden-
Württemberg 2007

Beispielhaft deutlich wird dieser strukturelle bzw. institu-

tionelle Rassismus u. a. in der so genannten Operativen

Fallanalyse des LKA Baden-Württemberg von Anfang

2007: Nach den neun Morden und hunderten erfolglos

abgearbeiteten Spuren hatten die Ermittler der „BAO
Bosporus“ im Frühjahr 2006 zunächst eine zweite so
genannte Operative Fallanalyse (OFA) bei eigens dafür

ausgebildeten Spezialisten, den Profilern des Landeskri-

minalamts Bayern, in Auftrag gegeben. Deren Ergebnis

kam dem Profil des NSU, aber auch einer Operativen

Fallanalyse des Landeskriminalamtes Nordrhein-

Westfalen zum Nagelbombenanschlag in der Kölner

Keupstraße im Jahr 2004 sehr nahe: Ein oder zwei Täter

aus dem extrem rechten Milieu, die aus „Türkenhass“
handeln und denen die Neonaziszene nicht effektiv genug

sei, sollten für die Taten verantwortlich sein. Doch beim

BKA und der Mehrheit der qua Tatort zuständigen Son-

derkommissionen in den sieben Bundesländern wurde

diese Analyse der bayerischen LKA-Profiler sofort mas-

siv diskreditiert. Und so verzichtete die BAO Bosporus

im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer

2006 darauf, das Ergebnis der Analyse öffentlich zu ma-

chen: vorgeblich aus Angst vor einer „Hysterie“ unter
türkischen Geschäftsleuten.

7409
Auf Drängen des BKA,

des LKA Hamburg und des LKA Hessen wurde stattdes-

sen ein Gegengutachten beim LKA Baden-Württemberg

in Auftrag gegeben, das im Januar 2007 vorlag.
7410

In dieser Operativen Fallanalyse des LKA Baden-

Württemberg kommen die strukturell rassistischen Vor-
7408) Vgl. dazu Wilhelm Heitmeyer u. a., Deutsche Zustände, 10

Bände, Frankfurt 2002-2011.

7409) Geier, Protokoll Nr. 12, S. 50; vgl. auch BT-Drs. 17/14600,

Abschlussbericht des 2.PUA, S. 576 und Beckstein, Protokoll-
Nr. 17, S. 80 f.

7410) Das BKA ließ sich im Übrigen auch nicht durch eine Operative

Fallanalyse des FBI beeindrucken, dessen Profiler im Sommer
2007 zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Profiler des LKA

Bayern in der 2. OFA gekommen waren; dass nämlich die Täter

von einem „Hass gegen Menschen türkischer Herkunft“ moti-
viert seien. „Wenig hilfreich“ notierte damals ein BKA-
Abteilungsleiter auf dem Rand der FBI-Analyse, vgl. BT-Drs.

17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 579.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 991 – Drucksache 17/14600

annahmen der Ermittler exemplarisch zum Ausdruck. So

heißt es darin zum möglichen Hintergrund der Täter:

„Es handelt sich nicht um spontane Handlungen
aus einem affektiv begründeten Impuls heraus.

Somit ist davon auszugehen, dass den Täter die

Fähigkeit und auch Bereitschaft charakterisiert, die

Tötung einer Reihe von menschlichen Individuen

im Rahmen eines kühlen Abwägungsprozesses

(räumlich von den jeweiligen Opfern abgesetzt) in

seinen Gedanken vorwegzunehmen und zu planen.

Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Men-

schen in unserem Kulturraum mit einem hohen

Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hin-

sichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb

des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet

ist.“7411

Tat und Täter werden hier mit einem ethnisierenden Blick

außerhalb des deutschen bzw. europäischen Kulturkreises

verortet und einer Fremdgruppe zugeschrieben, zu der

auch die Opfer gerechnet werden. Zwischen Tätern und

Opfern wird eine Beziehung unterstellt, womit die Opfer

(und auch ihre Angehörigen) in gleicher Weise außerhalb

des deutschen/europäischen Wertesystems verortet und zu

„Fremden“ gemacht werden wie es für die Täter formu-
liert wird:

„Ein solches irrationales Element in der Motiv-
struktur ist am ehesten mit einem Ehrenkodex

bzw. einem internen Gesetz erklärbar, welches auf

der Täterseite eine sehr hohe Bedeutung hat. Dies

würde für eine Tätergruppe sprechen, innerhalb

derer entsprechende Normen und Wertsetzungen

prägend sind. Eine Gruppe mit einem entsprechen-

den inneren Gesetz und Ehrenkodex dürfte mit ei-

niger Wahrscheinlichkeit streng hierarchisch orga-

nisiert sein, einen ‚Häuptling‘ haben, der sein Ge-
sicht auch vor den anderen wahren muss.“7412 Und
unter der Überschrift „kultureller-ethnischer Hin-
tergrund“ [der Täter] heißt es schließlich: „Auch
spricht der die Gruppe prägende rigide Ehrenko-

dex eher für eine Gruppierung im ost- bzw. süd-

osteuropäischen Raum (nicht europäisch westli-

cher Hintergrund).“7413

Die in der OFA Baden-Württemberg deutlich werdende

ethnisierende Sicht auf die Mordserie bestätigt rassisti-

sche Vorannahmen, die jenseits individueller Einstellun-

gen prägend werden können. Angesichts der Häufung von

Fundstellen in den Ermittlungsakten der BAO „Bospo-
rus“, die dem Ausschuss vorgelegt wurden, in denen
derartige Vorannahmen und Zuschreibungen deutlich

werden, muss davon ausgegangen werden, dass die Er-

mittlungen zur Mord- und Anschlagsserie von genau

diesen Vorannahmen geprägt waren.
7411) MAT_A_GBA-5, S. 162 f.

7412) Ebd. S. 180.

7413) MAT_A_BKA-2-14 OFA Česká Serie, Blatt 475.

bb) Ethnisierende Zuschreibungen

Derartige ethnisierende Zuschreibungen finden sich zu-

dem immer wieder in Vermerken über vermeintliche

Tatverdächtige, wie beispielsweise bei der Ermittlungs-

gruppe (EG) Sprengstoff in Köln, die nach Abschluss der

Ermittlungen gegen Ö.Y. im Zusammenhang mit dem

Sprengstoffanschlag in der Keupstraße feststellte:

„Die Familie führt ein geordnetes Familienleben.
[…] Ö.Y. wird als umgänglicher netter Mensch,
zuverlässiger Arbeitgeber und als guter Frisör be-

schrieben. Insbesondere aus den Aussagen der

ehemaligen Geschäftspartner ist zu entnehmen,

dass es sich bei dem Frisörsalon Ö.Y. um einen

Laden handelt, der mehr nach tür-

kisch/orientalischen Grundsätzen geführt wird und

nicht mit westeuropäisch ausgerichteter Geschäfts-

führung zu vergleichen ist. Bezahlung der Ange-

stellten und Geschäftspartner war nicht konkret

vertraglich geregelt und erfolgte in der Regel auch

in bar. […] Ob Personen aus dem ‚Milieu‘ zum
Kundenkreis des Frisörs gehören, konnte nicht ve-

rifiziert werden. Männliche Personen, die groß und

auffallend kräftig waren, sind durchaus im Salon

verkehrt.“7414

Hier stellt sich die dringende Frage, warum die verbreitete

Praxis von Barzahlungen an Angestellte in kleinen Be-

trieben – unabhängig von der Herkunft oder Staatsange-
hörigkeit der Betriebsbesitzer – in dem Vermerk mit dem
ethnisierenden Attribut „türkisch/orientalisch“ versehen
wird. Ähnlich ethnisierende Zuschreibungen finden sich

auch in den Bewertungen der BAO „Bosporus“ zu ver-
meintlichen Steuerschulden oder real überzogenen Dispo-

sitionskrediten einzelner Mordopfer, die mit der türki-

schen Herkunft der Ermordeten in Zusammenhang ge-

bracht werden.

Ein weiteres Beispiel für ethnisierende Zuschreibungen

findet sich sowohl in der Namenswahl der Tatortmord-

kommissionen wie Soko „Halbmond“ oder BAO „Bospo-
rus“ als auch im Eingangsstatement des Zeugen Schwarz
vom Landeskriminalamt Hamburg vor dem Untersu-

chungsausschuss, der zur Persönlichkeit des am 27. Juni

2001 in Hamburg ermordeten dritten NSU-Mordopfers

Süleyman Taşköprü sagte:

„Süleyman Taşköprü war das, was wir im Landes-
kriminalamt ‚einen ganz normalen türkischen
Mann‘ genannt haben: leidenschaftlich, sehr ener-
gisch und dominant vom Wesen. Er war nennens-

wert auch polizeilich in Erscheinung getreten.“7415

Auch die Tatsache, dass die Ermittler in Köln und Ham-

burg nicht davor zurückschreckten, eine Wahrsagerin und

ein iranisches „Medium“ nach Hinweisen auf mögliche
Täter zu befragen, erscheint vor dem Hintergrund der
7414) Vermerk der EG Sprengstoff vom 15. Dezember 2005, MAT A

GBA-4/24e, Bl. 50 f.,vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht

des 2. PUA, S. 736.

7415) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 735.

Drucksache 17/14600 – 992 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Herkunft der Opfer keineswegs zufällig oder als Aus-

druck ermittlerischer Verzweiflung – zumal es insbeson-
dere das Hamburger LKA war, das die Wissenschaftlich-

keit der 2. Operativen Fallanalyse der bayerischen Profiler

massiv in Zweifel gezogen hatte.

Die Widersprüchlichkeit des Umgangs mit der Herkunft

der Angehörigen der Mordopfer innerhalb eines Polizei-

präsidiums zeigt sich in Kassel bei den Ermittlungen zum

Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006: Nachdem in

Kassel kurzzeitig ein Beamter des Landesamtes für Ver-

fassungsschutz unter Tatverdacht geraten war, hatte das

LfV Hessen mit Verweis auf Quellenmeldungen behaup-

tet, Mitglieder einer Kasseler Moscheegemeinde, die vom

Vater des Opfers, İsmail Yozgat, besucht würde, planten
Rache an dem Verfassungsschützer zu nehmen. Daraufhin

schrieb das PP Kassel am 2. August 2006 einen Vermerk,

wonach die Gefährdung des Verfassungsschützers in „den
ethnisch-kulturellen Hintergründen der Opferfamilien“ zu
sehen sei.

7416
Die Polizei stellte dann allerdings fest, dass

İsmail Yozgat an keinem einzigen Freitagsgebet in einer
Moschee teilgenommen hatte und beendete die Telekom-

munikationsüberwachungsmaßnahmen der Familie

Yozgat.
7417

Gleichzeitig zeigt sich in einem Abschlussvermerk der

Mordkommission (MK) Cáfe, die nach dem Mord an

Halit Yozgat in Kassel die Ermittlungen führte, dass die

Ermittler auch ohne ethnisierende Zuschreibungen Aus-

sagen über die Opferfamilien treffen konnten: Nach Ab-

schluss der Strukturermittlungen gegen die Familie von

Halit Yozgat stellte die MK „Cafe“ am 21. September
2006 fest,

„dass es sich bei der Familie des Opfers um eine
‚normale‘ Familie mit alltäglichen Problemen han-
delt. […]“

cc) Fatales Zusammenspiel: Ethnisierende
Zuschreibungen und Wahrnehmungsdefi-
zite bei rechter Gewalt durch die Polizei

Wie gravierend sich ethnisierende Vorannahmen im Zu-

sammenspiel mit den massiven Wahrnehmungsdefiziten

in Bezug auf die Existenz rechtsterroristischer Strukturen

auf die Ermittlungen in der Česká-Mordserie ausgewirkt
haben, wird im Umgang der Ermittler mit den Aussagen

einer Zeugin aus Nürnberg deutlich, die nach dem Mord

an İsmail Yaşar in Nürnberg am 9. Juni 2005 eine präzise
Täterbeschreibung gemacht hatte, die auch zur Erstellung

eines Phantombildes führte.

Schon knapp zwei Wochen nach dem Mord an İsmail
Yaşar, am 21. Juni 2005, wandte sich der Leiter der Köl-
ner EG „Sprengstoff“ an die BAO „Bosporus“ in Nürn-
berg, um auf Ähnlichkeiten zwischen dem Phantombild

im Fall Yaşar und den Videoaufnahmen der Tatverdächti-
gen nach dem Sprengstoffanschlag in der Kölner
7416) Ebd., S. 734.

7417) Ebd.

Keupstraße sowie auf das gemeinsame Merkmal der Nut-

zung von Fahrrädern zu verweisen und die Überprüfung

eines Tatzusammenhangs mit dem Mord an İsmail Yaşar
in Nürnberg zu veranlassen. Der Leiter der EG „Spreng-
stoff“ bat auch darum, der Zeugin aus Nürnberg die Vi-
deosequenz aus Köln zu zeigen.

7418
Es dauerte allerdings fast ein Jahr, bis am 23. Mai 2006

der Zeugin im Mordfall Yaşar die Aufnahmen aus der
Videoüberwachung des Kölner Tatorts gezeigt wurden.

Nach mehrfacher Sichtung und Vergrößerung der Bilder

erklärte die Zeugin, sie sei sicher, dass jeweils ein Täter

beim Mord an Yaşar identisch gewesen sei mit einem
Täter des Nagelbombenanschlags („Der war es!“).7419 Im
Protokoll der Vernehmung wurde diese wichtige Aussage

der Zeugin jedoch lediglich in abgeschwächter Form

wiedergegeben. Im Protokoll der Zeugenvernehmung der

Augenzeugin im Mordfall Yaşar ist demgegenüber ver-
merkt:

„Wenn ich die auf dem Video gezeigten Personen
nun mit den beiden vergleiche, die ich im Mordfall

des İsmail Yaşar in der Scharrerstraße gesehen ha-
be, kann ich dazu sagen, dass ich mir ziemlich si-

cher bin, dass jeweils eine Person aus dem Kölner

Video mit einem von mir in der Scharrerstraße ge-

sehenen Radfahrer identisch ist.“

Im gesamten Ermittlungszeitraum zur Mordserie und dem

Kölner Sprengstoffanschlag war die Aussage dieser Zeu-

gin eine der heißesten Spuren.
7420

Sie wurde jedoch, auch

aufgrund der Abschwächung der Aussage, nicht weiter

verfolgt. Vor dem Bayerischen Untersuchungsausschuss

ist die Zeugin auch gefragt worden, warum ihrer Meinung

nach ihre Zeugenaussage von den protokollierenden Be-

amten nicht wörtlich wiedergegeben wurde. Sie hat da-

raufhin gesagt:

„Aus meinen Befragungen hatte ich den Eindruck:
‚Es kann nicht sein, was nicht sein darf.‘“7421

Auch der Leiter der EG „Sprengstoff“ verwies gegenüber
der BAO „Bosporus“ auf eine grundsätzliche Ähnlichkeit
der veröffentlichten Phantombilder des Täters aus Nürn-

berg, das nach den Aussagen der Zeugin im Mordfall

İsmail Yaşar veröffentlicht worden war, mit den Kölner
Videobildern. Eine vergleichende Analyse des Kölner

Anschlags und des Mordes in Nürnberg wurde von den

OFA-Einheiten in Köln und München jedoch überein-

stimmend mit dem Hinweis abgelehnt, dass man „Äpfel
nicht mit Birnen“ vergleichen könne.7422
7418) Ebd., S. 526 f.

7419) Vgl. Abschlussbericht des „Untersuchungsausschuss Rechtster-
rorismus in Bayern – NSU“, S. 141 ff., Drs. 16/17740,
http://www.bayern.landtag.de/images/content/NEU_Drs_16-

17740_NSU_FINAL_18072013.pdf

7420) Vgl. Abschlussbericht des „Untersuchungsausschuss Rechtster-
rorismus in Bayern – NSU“, S. 141 ff., Drs. 16/17740,
http://www.bayern.landtag.de/images/content/NEU_Drs_16-
17740_NSU_FINAL_18072013.pdf

7421) S. 141 ebd.

7422) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 580.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 993 – Drucksache 17/14600

Letztendlich muss davon ausgegangen werden, dass der

ethnisierende Blick auf die Mordopfer und ihre Angehö-

rigen – zusammen mit der völligen Fehleinschätzung in
Bezug auf die Existenz rechtsterroristischer Strukturen in

Deutschland – den polizeilichen Ermittlern den Weg
verstellt hat, die Möglichkeit überhaupt in Betracht zu

ziehen, dass es sich um eine rassistisch oder neonazistisch

motivierte Mordserie gehandelt haben könnte. Dies zeigt

sich nicht zuletzt darin, dass jeder noch so abwegigen

Spur im Bereich Organisierte Kriminalität und jedem

noch so kruden Hinweis von Informanten aus dem Be-

reich der OK nachgegangen wurde und dafür eigens Spu-

ren angelegt und ausermittelt wurden. Doch aus den Ver-

mutungen einiger Angehöriger der NSU-Mordopfer, dass

es sich bei den Tätern um Rassisten oder Neonazis han-

deln könne, ist in keinem einzigen Fall eine Spur generiert

worden.

Schließlich zeigt sich das von ethnisierenden Stereotypen

geleitete Vorgehen der Ermittler der BAO „Bosporus“
auch in der Tatsache, dass die BAO „Bosporus“ nach dem
Mord an İsmail Yaşar über einen Zeitraum von mehr als
einem Jahr zwei Dönerstände in Nürnberg und München

durch Verdeckte Ermittler betreiben ließ. Die Arbeits-

prämisse, die Morde seien auf den Preiskampf einer bis

dato unbekannten Döner-Mafia zurückzuführen, lässt sich

angesichts der Tatsache, dass von den neun Mordopfern

lediglich zwei an Imbissen arbeiteten, tatsächlich nur mit

einem ethnisierenden Blickwinkel auf die Mordopfer

erklären.

dd) Exkurs: Antiziganismus

Antiziganismus bezeichnet die historisch gewachsenen

und sich selbst stabilisierenden Vorurteile und Diskrimi-

nierungen gegen Angehörige der Minderheiten von Sinti

und Roma. Bei Antiziganismus handelt es sich – wie auch
bei Rassismus – um ein soziales Phänomen, das durch
eine vereinheitlichende Wahrnehmung und Darstellung

bestimmter sozialer Gruppen und Individuen unter dem

Stigma „Zigeuner“ sowie eine damit verbundene Zu-
schreibung spezifischer abweichender oder negativer

Eigenschaften und vor diesem Hintergrund entstehende,

diskriminierende soziale Strukturen und gewaltförmige

Praxen umfasst.
7423

Bei den Ermittlungen nach dem Mord an der Polizistin

Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch auf ihren

Kollegen geriet sehr schnell eine Gruppe von vorwiegend

jugoslawischen Roma ins Visier der Ermittler, da die

Angehörigen der Roma-Minderheit zu den Schaustellern

gehörten, die zum Tatzeitpunkt auf der Theresienwiese in

Heilbronn gerade Aufbauarbeiten für einen Rummelbe-

trieb vornahmen. Die Vermerke zu der „Spur Landfahrer“
oder „Reisende Familien“ sind eindeutig von
7423) Vgl. Markus End, Antiziganismus. Zum Stand der Forschung

und der Gegenstrategien. In: Daniel Strauß/RomnoKher – Haus
für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung, Marburg

2013, S. 13.

ethnisierenden Zuschreibungen geprägt, die sich hier als

Antiziganismus ausdrücken.

Wiederholt fällt in den Protokollen der mit den Ermittlun-

gen befassten Soko „Parkplatz“ der Begriff „Zigeuner“,
wenn es um die Beschreibung von Zeugen, vermeintli-

chen Tatverdächtigen und Angehörigen der Gruppe geht.

Zwei Beispiele: So heißt es in einem Protokoll einer Ar-

beitsbesprechung der Soko „Parkplatz“ vom 11. Juni
2007:

„Wie hinsichtlich des […] L. weiter bekannt wur-
de, soll dieser sowohl als Mann, als auch als Frau

auftreten und aus Zigeunerkreisen stammen.“7424

Und in einem Protokoll der Soko „Parkplatz“ vom
20. Juli 2007 wird die Feststellung getroffen:

„Am Tattag gegen 11.00 Uhr fiel auf der BAB bei
Fürfeld ein Pkw mit niederländischem Kennzei-

chen, besetzt mit vier Personen, vermutlich Zigeu-

ner, auf und wurde einer Kontrolle unterzo-

gen.“7425

Auch in der Medienstrategie der Soko „Parkplatz“ spielte
die „Spur ins Zigeunermilieu“ eine wichtige Rolle und
führte zu stigmatisierenden Berichten wie im Juni 2007

im Magazin Stern:

„Tatorte wie Freiburg, Heilbronn oder Worms lie-
gen in der Nähe bekannter Stützpunkte großer Sin-

ti- und Roma-Clans. Viele von ihnen nutzen ein

Busunternehmen, das von Heilbronn aus regelmä-

ßig nach Rumänien fährt, etappenweise aber auch

nach Österreich und Frankreich. Am Tag des

Polizistenmordes soll ein Bus nach Rumänien ge-

fahren sein. Und schließlich hielten sich an jenem

verhängnisvollen 25. April mehrere Sinti- und

Roma-Familien mit ihren Wohnwagen keine hun-

dert Meter vom Tatort entfernt auf der

Theresienwiese auf. Doch niemand will etwas ge-

sehen haben.“7426

Nachdem sich sämtliche Verdachtsmomente gegen die

Angehörigen der Roma-Gruppe als falsch und unbegrün-

det herausgestellt hatten, hielt die SoKo Parkplatz den-

noch an der Ermittlungsrichtung fest und veranlasste

weitere Vernehmungen bis hin zu Anfragen beim BND.

ee) Bearbeitung der Waffenspur durch das
BKA

Ergänzend zu den gemeinsamen Bewertungen des Aus-

schusses hält es die Fraktion DIE LINKE für notwendig,

explizit auf die Verantwortung des BKA für die langsame

Bearbeitung der Waffenspur in der Česká-Mordserie
hinzuweisen. Die Ermittlungen zur Waffen- und Muniti-
7424) MAT_A_BW_2-3-17.2, S. 115.

7425) MAT_A_BW_2-3-17.2, S. 151.

7426) „Die Jagd nach dem Phantom“ in: Stern, 29. Juni 2007,
http://www.stern.de/politik/deutschland/polizistinnen-mord-in-

heilbronn-die-jagd-nach-dem-phantom-592124.html.

Drucksache 17/14600 – 994 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

onsspur erstreckten sich nicht nur über einen unvertretbar

langen Zeitraum (2004 bis 2009), der auch durch falsche

Ermittlungsarbeit und Nichtbeachtung von Hinweisen

begründet ist. Sie zeichnen sich zudem durch Vorannah-

men und Einschränkungen bezüglich der mutmaßlichen

Täter der Mordserie aus, die sich wie ein roter Faden

durch die Ermittlungsarbeit der Polizei ziehen und die

ebenfalls mit dem Stichwort struktureller Rassismus be-

schrieben werden können.

Aufgrund der fehlenden Tatortspuren im Rahmen der

rassistischen Mordserie waren die Waffen- und Muniti-

onsspur die einzigen harten Spuren im Rahmen der Er-

mittlungen. Bereits nach dem Mord an Enver Simşek im
Jahr 2000 konnte festgestellt werden, dass es sich bei der

Tatwaffe mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Česká-
Pistole handelt. Mit dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru
im Jahr 2001 und der Verwendung u. a. derselben Česká-
Waffe war klar, dass es sich um eine Serie handelt. Identi-

fiziert werden konnte ebenfalls die anfangs verwendete

Munition. Erst im Jahr 2004 wurde die Waffenspur sys-

tematisch verfolgt, in dem das BKA eine Ermittlungs-

gruppe Česká einsetzte. Ergänzend zur Darstellung im
Feststellungsteil des Abschlussberichts

7427
und zur ge-

meinsamen Bewertung der Fraktionen
7428

ist hier auf

Folgendes hinzuweisen:

Bei der Abfrage an die BKA-Verbindungsbeamten in

verschiedenen europäischen Ländern (darunter die

Schweiz) zur verwendeten Spezialmunition und zum

Verkauf von Schalldämpfern im Jahr 2004 wurden Vor-

annahmen zu den Tätern vorgenommen, die die Ermitt-

lungen gravierend einschränkten. Gefragt wurde beim

Munitionserwerb vor allem nach „türkischen Staatsange-
hörigen“ und auch bei der Abgabe von Schalldämpfern
durch die Schweizer Firma Schläfli&Zbinden wurde

insbesondere nach „türkische(n) Staatsangehörige(n)“
gefragt.

7429
Im selben Schreiben wurden die Morde als

„Auftragsmorde“ und der Tathintergrund mit „Rausch-
giftgeschäfte“ bezeichnet.

Diese Einschränkungen bei der Ermittlung zur Waffen-

spur sind typisch für die Ermittlungen zur Česká-
Mordserie und auch für die über Jahre nicht zu erschüt-

ternde Überzeugung im BKA, der Tathintergrund müsse

im Bereich OK und hier im türkischen Milieu liegen.

Auch nachdem sich diese Hypothese nicht belegen ließ

und mit jedem weiteren Mord unwahrscheinlicher wurde,

hielt das BKA an seiner Grundüberzeugung fest.

Die 2. OFA aus Bayern im Jahr 2006, in der ein rassisti-

sches Tatmotiv in Erwägung gezogen wurde, hatte für die

Ermittlungen des BKA keinerlei Auswirkungen. Im Ge-

genteil wurde dieser Ansatz von Seiten des BKA scharf

zurückgewiesen.
7427) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 507 ff.

zur Ermittlung zur Spezialmunition und S. 611-624 zur Waf-
fenspur.

7428) Ebd. S. 840 f.

7429) MAT A BKA 35a, S. 206.

Der Zeuge Jung, im Rahmen der EG „Česká“ mit den
Ermittlungen betraut, hat im Ausschuss ausgeführt, auch

wenn die EG „Česká“ von einem rechtsextremen Tathin-
tergrund ausgegangen wäre, hätte dies nichts an den Er-

mittlungen geändert. Bezogen auf die oben angeführten

Einschränkungen der Ermittlungen zu Munition und

Schalldämpfern ist das falsch. Auch hätte der familiäre

Bezug der Ehefrau des tatsächlichen Schweizer Waffen-

käufers der fraglichen Česká-Pistole zu Ostdeutsch-
land

7430
, vor dem Hintergrund einer Tathypothese Ras-

sismus/Rechtsterrorismus, hoffentlich eine Rolle gespielt.

c) Reibungslose Zusammenarbeit zwischen
Polizei und Verfassungsschutzbehörden in
den Bereichen Organisierte Kriminalität,
„Ausländerkriminalität“, PKK und Türki-
sche Hizbullah

Es ist falsch zu behaupten, die Zusammenarbeit zwischen

Polizei und Verfassungsschutzbehörden sei bei dem Ver-

such, die Täter der Česká-Mordserie zu ermitteln, prinzi-
piell schlecht und von Kommunikationsproblemen ge-

prägt gewesen. Vielmehr verlief die Zusammenarbeit bei

den Ermittlungen im Bereich „Organisierte Kriminalität“
– insbesondere in Bezug auf die Hypothesen, die Hinter-
gründe der Morde seien vermeintlich in bundesweit bzw.

international agierenden Rauschgifthändlerbanden, Men-

schenhändlerringen, der Wettmafia oder Waffenschieber-

banden zu finden – relativ problem- und reibungslos. Die
Landesämter für Verfassungsschutz in den meisten Tat-

ort-Bundesländern der Česká-Mordserie sowie nach den
tödlichen Schüssen auf Michèle Kiesewetter stellten den

Ermittlern der Mordkommissionen schnell, kontinuierlich

und unkompliziert personenbezogene Informationen zu

mutmaßlichen Tatverdächtigen oder Hintermännern aus

den oben genannten Deliktbereichen zur Verfügung. Dies

gilt im Übrigen auch für die zeitweilig ebenfalls in Be-

tracht gezogene Hypothese der BAO „Bosporus“, die
Täter kämen aus PKK-Kreisen oder der so genannten

„Türkischen Hizbullah“.7431

Auch vor diesem Hintergrund ist die mangelnde Koopera-

tionsbereitschaft des LfV Bayern mit der BAO „Bospo-
rus“, als es nach der 2. OFA um die Frage nach Neonazis
aus dem Raum Nürnberg ging,

7432
sowie die komplette

Leerstelle bei den anderen LfVs in Bezug auf mögliche

rechtsterroristische Hintergründe oder neonazistische

Tatverdächtige besonders gravierend und auffällig.
7430) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 621.

7431) Ebd. S. 591.

7432) BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 582 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 995 – Drucksache 17/14600

d) Fragwürdiger Umgang mit Informanten
und V-Leuten im Bereich der „Organisier-
ten Kriminalität“ sowie PKK und Türkische
Hizubullah von Polizei und Verfas-
sungsschutzämtern

Im Verlauf der Česká-Mordermittlungen sowie nach dem
Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstraße erhielten

die ermittelnden Polizeibeamten, aber auch Verfas-

sungsschutzbehörden, zahllose Hinweisen von eigenen V-

Leuten und Informanten auf vermeintliche Tatverdächtige

aus dem Bereich „Organisierte Kriminalität“ sowie
„PKK“ und „Türkische Hizubullah“.7433 Schon vor dem
4. November 2011 hatte sich kein einziger der Hinweise

im Verlauf der Ermittlungen als valide und bei der Suche

nach den Tätern zielführend erwiesen. Dennoch musste

der Untersuchungsausschuss feststellen, dass die falschen

Hinweise – bis hin zu gravierenden falschen Verdächti-
gungen von Unschuldigen wie beispielsweise im Fall des

Sprengstoffanschlags in der Keupstraße – offensichtlich
keinerlei Konsequenzen hatten: Weder für die Hinweis-

geber, insbesondere für die V-Leute und Informanten,

noch im Umgang von Polizeien und Verfassungsschut-

zämtern mit ihnen. Auf entsprechende Nachfragen bei

seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss sagte

beispielsweise der Leiter der Hamburger Mordkommissi-

on, er habe sich im Nachhinein von „gewissen Leuten
massiv verarscht“ gefühlt.7434

Gerade in Bezug auf V-Leute und Informanten der Poli-

zeien und der Verfassungsschutzämter im Bereich „Orga-
nisierte Kriminalität“ ist weder ein internes noch externes
Controlling feststellbar – und es gibt keinerlei parlamen-
tarische Kontrolle bezüglich Werbung, Führung und ope-

rativer Maßnahmen der V-Leute und Informanten der

Polizeien des Bundes und der Länder. Auch diese Lücke

muss als Ergebnis der Arbeit des 2. Parlamentarischen

Untersuchungsausschusses nach Ansicht der Fraktion DIE

LINKE dringend geschlossen werden. In diesem Sinne

hat die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag bei-

spielsweise einen entsprechenden Änderungsantrag zum

Polizeiaufgabengesetz eingereicht, mit dem eine parla-

mentarische Kontrolle des Einsatzes nachrichtendienstli-

cher Mittel durch die Polizei erreicht werden soll.

2. Die Verantwortung der Verfassungs-
schutzämter im NSU-Komplex

Die deutschen Nachrichtendienste, insbesondere das Bun-

desamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Landesamt

für Verfassungsschutz Thüringen (LfV Thüringen), tragen

nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE die Hauptverant-

wortung dafür, dass der „Nationalsozialistische Unter-
grund“ (NSU) entstehen und über mehr als zehn Jahre
ungehindert Morde und Sprengstoffanschläge gegen Mig-
7433) Vgl. beispielsweise Conna Neumann, Andreas Ulrich, Versteck

in der Schweiz, in: Der Spiegel 38/2011;

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80075315.html.

7434) Schwarz, Protokoll-Nr. 19, S. 85.

rantinnen und Migranten verüben und eine Polizistin

ermorden konnte.

a) Die Verantwortung des BfV

Die Verantwortung des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz umfasst sowohl die zwei Jahrzehnte währende

Verharmlosung der Neonazibewegung, ihrer militanten

Organisationen und Netzwerke sowie ihrer Gewalttaten

als auch die Unterstützung eben jener Netzwerke durch

vom BfV als V-Leute bezahlte Neonazis, Schutz vor

Strafverfolgung inbegriffen. Zudem ist das BfV gemein-

sam mit dem LfV Thüringen und dem MAD direkt dafür

verantwortlich, dass die Gefährlichkeit des Thüringer

Heimatschutzes und der thüringischen Neonazi-

Kameradschaften sowie ihrer Aktivisten und Aktivistin-

nen ebenso wie die des „Blood & Honour“-Netzwerks,
darunter enge Freundinnen und Freunde sowie Unterstüt-

zerinnen und Unterstützer des mutmaßlichen NSU-

Kerntrios, nicht erkannt wurde. Und dies, obwohl auch in

diesen Netzwerken zahlreiche V-Leute des BfV und di-

verser Landesämter für Verfassungsschutz aktiv waren

und diese – ebenso wie zahlreiche der engen Unterstütze-
rinnen und Unterstützer des mutmaßlichen NSU-

Kerntrios – Ziele nachrichtendienstlicher Operationen –
inklusive G10-Maßnahmen und Observationen – waren.

aa) Das BfV und dessen Versagen bei der Be-
wertung rechtsterroristischer Aktivitäten

Der Untersuchungsausschuss konnte sich ein detailliertes

Bild vom Versagen des BfV bei der Analyse rechtsterro-

ristischer Aktivitäten machen. Zum einen hat das BfV

über zwei Jahrzehnte hinweg bei der Analyse rechtsterro-

ristischer Organisationsansätze und Aktivitäten die Öf-

fentlichkeit unzureichend informiert und zum anderen hat

das Themenfeld innerhalb des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz keine angemessene Bedeutung erfahren.

Vielmehr hat das BfV alles dafür getan, sowohl Warnun-

gen aus dem Polizeiapparat – beispielsweise des BKA zur
Bedeutung des Strategiepapiers „The Way forward – Der
Weg zum Erfolg“, das innerhalb des internationalen
„Blood & Honour“-Netzwerks und in der deutschen Neo-
naziszene verbreitet wurde und den Aufbau bewaffneter

klandestiner Terrorzellen propagierte – als auch Warnun-
gen von Journalistinnen und Journalisten sowie antifa-

schistischen Initiativen in den Wind zu schlagen. Getreu

nach dem Motto: Rechtsterrorismus kann es in Deutsch-

land nicht geben, weil das BfV alles im Griff hat. Ein

besonders eklatantes Beispiel für diese Mischung aus

Hybris, Versagen und Verharmlosung sind die Antworten,

die der damalige Vizepräsident des BfV und heutige

Staatsekretär im Bundesinnenministerium, Klaus Dieter

Fritsche, anlässlich der Verhinderung der Anschlagspläne

auf die Synagoge in München durch Mitglieder der Ka-

meradschaft Süd auf Nachfragen aus dem Bundesinnen-

ministerium zur möglichen Existenz einer „Braunen
RAF“ im September 2003 gab:

„Bei einem Vergleich mit der RAF muss zumin-
dest das wesentliche Merkmal dieser terroristi-
Drucksache 17/14600 – 996 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schen Bestrebungen berücksichtigt werden. Die

RAF führte ihren bewaffneten Kampf aus der Ille-

galität heraus. Das heißt, die Gruppe lebte unter

falscher Identität, ausgestattet mit falschen Perso-

naldokumenten und Fahrzeugdubletten in konspi-

rativen Wohnungen. Dies erforderte ein hohes

Know-how und ein Sympathisantenumfeld, das

bereit war, den bewaffneten Kampf aus der Illega-

lität zu unterstützen. Zur Finanzierung dieses

Kampfes wurden Raubüberfälle begangen. Absich-

ten, einen Kampf aus der Illegalität heraus mit den

damit verbundenen Umständen zu führen, sind in

der rechten Szene nicht erkennbar. Es gibt derzeit

auch keine Anhaltspunkte, dass eine solche Grup-

pe ein Umfeld finden würde, das ihr einen solchen

Kampf ermöglicht. […]In der Presse wird ange-
führt, dass es im Rechtsextremismus sehr wohl ein

potentielles Unterstützerfeld gebe. Hierzu wird auf

drei Bombenbauer aus Thüringen verwiesen, die

seit mehreren Jahren ‚abgetaucht‘ seien und dabei
sicherlich die Unterstützung Dritter erhalten hät-

ten. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Perso-

nen auf der Flucht sind und – soweit erkennbar –
seither keine Gewalttaten begangen haben. Deren

Unterstützung ist daher nicht zu vergleichen mit

der für einen bewaffneten Kampf aus der Illegali-

tät.“7435

Diese Analyse ist auch deshalb erstaunlich, weil das BfV

zu diesem Zeitpunkt nicht nur aufgrund zahlreicher Raz-

zien mit Waffen- und Sprengstofffunden im gesamten

Bundesgebiet den stetig steigenden Grad der Bewaffnung

der Neonaziszene beobachtet hat. In Ergänzung zu den

gemeinsamen Schlussfolgerungen hält es die Fraktion

DIE LINKE auch für zwingend notwendig, darauf hinzu-

weisen, dass das BfV mindestens anhand öffentlich zu-

gänglicher Informationen von Journalistinnen und Journa-

listen sowie antifaschistischen Medien ab Ende der

1990er Jahre en détail über die Einbindung deutscher

Neonazis in das internationale Netzwerk von

„Combat 18“ und „Blood & Honour“ informiert gewesen
sein muss. Insofern hält die Fraktion DIE LINKE die

Aussage der BfV Rechtsterrorismus-Abteilungsleiterin

Dobersalzka für glaubwürdig, die versicherte, man habe

die einschlägigen antifaschistischen Medien regelmäßig

gelesen.
7436

Davon konnte sich auch der Ausschuss über-

zeugen, der in zahlreichen BfV-Akten Artikel aus frei

zugänglichen, im deutschen Buchhandel vertriebenen

antifaschistischen Publikationen vorfand, die mit dem

Stempel „GEHEIM“ versehen waren.

So berichtete etwa im Dezember 2001 ein Aussteiger aus

der britischen Gruppe von „Combat 18“ in einem Inter-
view mit der britischen Zeitschrift Searchlight, er sei

Ende 1998 aufgefordert worden, nach Deutschland zu

reisen, „um dort ein paar Bomben zu bauen und sie abzu-
7435) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 231.

7436) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72, S. 18.

schicken.” 7437 Die engen Verbindungen britischer Neona-
zis wie beispielsweise des Sängers der „Blood & Honour“
Band „No Remorse“ zu Neonazis in Norddeutschland und
Bayern waren dem BfV zu diesem Zeitpunkt längst be-

kannt.
7438

Im Jahr 2000 wurde dann durch eine aus

Schweden an einen Brandenburger PDS-

Landtagsabgeordneten versandte neonazistische Droh-

postkarte, in der ein „neues Kampfjahr“ angekündigt
wurde, bekannt, dass Brandenburger Neonazis zum Jah-

reswechsel 1999/2000 Aktivisten der der militanten

schwedischen Neonazigruppierung „Nationalsozialisti-
sche Front“ (NSF) besucht hatten. Deren Mitglieder wa-
ren u. a. für die Morde an zwei schwedischen Polizeibe-

amten nach einem Banküberfall im Mai 1999 verantwort-

lich. Zudem berichtete das Antifaschistische Infoblatt im

Frühjahr 2000 von einem Treffen deutscher, schwedi-

scher, britischer und norwegischer Neonazis aus dem

internationalen Netzwerk von „Combat 18“ und „Blood &
Honour“ Anfang November 1999 in einer Kleinstadt bei
Oslo. Wesentliche Programmpunkte des Treffens, an dem

mehrere deutsche Neonazis teilnahmen, waren die Koor-

dinierung internationaler Anti-Antifa-Aktivitäten und

klandestiner Terror. Das Antifaschistische Infoblatt

schrieb dann:

„Die deutschen Neonazis sind unter Zugzwang:
Nach mehreren Morden, die von ihren schwedi-

schen Kameraden im vergangenen Jahr verübt

wurden und nach der spektakulären Bombenan-

schlagsserie in London, wollen sie ihren internati-

onalen Vorbildern nacheifern. […] Ein Teil dieser
Szene ist den staatlichen Sicherheitsbehörden – die
ansonsten immer ihre Finger im Spiel hatten, wenn

Neonazis zu organisiertem Terror ansetzen – of-
fenbar aus dem Ruder gelaufen.“7439

Es ist davon auszugehen, dass die Pläne der internationa-

len Neonazinetzwerke wie „Combat 18“ und „Blood &
Honour“ auch in entsprechenden Mitteilungen der be-
freundeten europäischen Partnergeheimdienste aus Groß-

britannien, Schweden, Dänemark, Norwegen, Belgien und

Italien an das BfV übermittelt wurden – sofern das BfV
nicht ohnehin über eigene Quellenmeldungen hierzu ver-

fügte. Das BfV hat dem Untersuchungsausschuss hierzu

allerdings nur wenige Akten vorgelegt.

Es gehört zum zentralen Versagen des BfV im Bereich

Rechtsextremismus, dass es weder die Strafverfolgungs-

behörden noch die politisch Verantwortlichen noch die

Öffentlichkeit in angemessenem Maß über die Gefahren
7437) Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54/Winter 2001/2002, S. 31:

“’Combat 18’ inside! – Nazi-Informant Darren Wells über die
Terrorgruppe ‘C-18’”, ausführlich in: Searchlight international,
Ausgabe Nr. 318/Dezember 2001, „Why I turned my back on
C18 – an exclusive interview with ex-nazi Darren Wells“, S. 5.

7438) Vgl. MAT_A_BY-1/6, Blatt 60ff.; MAT_A_BfV-4/14-
Erläuterungen (VS NfD), Nick Lowles in „White Riot“ – The
violent story of Combat 18, S. 113 ff., Milo Books/2001.

7439) „Werwolf, Waffen, Werthebach: Wer ist die Anti-Antifa?“ in:
Antifaschistisches Infoblatt Nr. 50 1/2000,

www.antifainfoblatt.de/artikel/werwolf-waffen-werthebach-

wer-ist-die-anti-antifa.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 997 – Drucksache 17/14600

informiert hat, die sich aus den Veröffentlichungen in

neonazistischen Publikationen und bekannt gewordenen

Plänen von kleineren Gruppen von Neonazis für gesell-

schaftliche Minderheiten und die Demokratie in Deutsch-

land ablesen ließen. Stattdessen wurden das internationale

und das deutsche Netzwerk von „Blood & Honour“ in
BfV-Publikationen auf die Produktion und den Vertrieb

von RechtsRock sowie die Organisation von RechtsRock-

Konzerten reduziert.

Glaubt man der Aussage der Zeugin Dobersalzka, die von

1998 bis 2006 das Referat Rechtsterrorismus im BfV

leitete, muss dieses Referat mit weniger als zehn Mitar-

beiterinnen und Mitarbeitern in den 2000er Jahren intern

quasi als Besen- und Abstellkammer des BfV gehandelt

worden sein, dessen Analysen – beispielsweise nach dem
Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln – niemand
zur Kenntnis nehmen wollte.

7440
Verantwortlich ist das BfV auch dafür, dass der erste

bekannte öffentliche Hinweis auf die Existenz des NSU –
in der Danksagung an den NSU im Neonazimagazin „Der
Weisse Wolf“ im Jahr 2002 – von der Auswertung offen-
sichtlich übersehen wurde, obwohl die Ausgabe des

Weissen Wolfs im BfV vorlag und das BfV mit Q 1 eine

Quelle mit Kontakt zum Herausgeber des Weissen Wolfs

führte. Zudem hat das BfV beim örtlich zuständigen LfV

Mecklenburg-Vorpommern nicht nachgefragt, ob weitere

Informationen vorlägen.

Dass es dem Bundesinnenministerium und dem BfV so-

wie den LfVs immer noch nicht gelingt, die Existenz

rechtsterroristischer Strukturen in Deutschland auch nach

dem 4. November 2011, dem Bekanntwerden des NSU

und seines Netzwerkes, einzugestehen, ist in den zahlrei-

chen Zeugenbefragungen von BfV-Mitarbeitern vor dem

Ausschuss erschreckend deutlich geworden. Insbesondere

BMI-Staatssekretär Fritsche hat in seiner Aussage vor

dem Untersuchungsausschuss darauf beharrt, dass er die

Vergleichbarkeit des NSU und der RAF auch heute noch

für nicht abschließend geklärt halte. Bei der RAF habe es

sich um eine andere Organisationsform gehandelt. Zudem

seien wesentlich mehr Personen beteiligt gewesen. Im

Moment wisse man noch nicht, wie viel Unterstützer des

NSU tatsächlich Kenntnis von den Taten des NSU gehabt

hätten.
7441

Man kann diese Aussage des Staatssekretärs

auch als indirekte Aufforderung an die Ermittler des BKA

im NSU-Komplex verstehen, dass am Ende auf gar kei-

nen Fall das Ergebnis stehen darf, dass das mutmaßliche

NSU-Kerntrio über ein Netzwerk von Unterstützerinnen

und Unterstützern verfügte.

Beispielhaft für die hartnäckige Realitätsverleugnung im

BfV, aber auch in den LfVs sei hier an die Aussage des

Zeugen Egerton erinnert, der von 1994 bis zum Jahr 2000

im BfV mit der gewaltbereiten Naziskinszene befasst war.

Egerton sagte auf die Frage, wie es zu der fundamentalen

Fehleinschätzung des BfV in Bezug auf Rechtsterroris-

mus gekommen sei:
7440) Dobersalzka, Protokoll-Nr. 72., S. 4 ff., S. 33 ff.

7441) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 232.

„Die Frage war: Gibt es eine braune RAF? Und
der Ausgangspunkt war: Hat das BfV Strukturen

erkannt, die RAF-ähnlich sind, also zum Beispiel

Kommandoebene mit Unterstützerumfeld, mög-

licherweise auch militant, was also auch An-

schläge begeht? Und diese Strukturierung hat das

BfV nicht erkannt. Es hat sie auch in Form des

Trios nicht gegeben. Das war ja auch keine Ka-

derorganisation mit Unterstützerumfeld.“7442

Diese Aussage des Zeugen Egerton – nach den angekün-
digten „Reformen“ im BfV – macht erschreckend deut-
lich, wie groß dort die Beharrungskräfte sind – und lässt
Schlimmstes für die zukünftige Analysefähigkeit des BfV

vermuten.

b) Extremismusansatz und Frontstellung
gegen Linke

Bei der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass das BfV

– und analog die Landesämter für Verfassungsschutz –
trotz gegenteiliger Sachinformationen Jahr um Jahr die

Existenz rechtsterroristischer Strukturen in Deutschland

leugneten, reicht nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE

der Verweis auf mangelnde Analysefähigkeiten und

Sachkenntnis nicht aus. Vielmehr muss das Leugnen

rechtsterroristischer Strukturen als politisch motiviert und

in der Geschichte des BfV und der Landesämter verwur-

zelt begriffen werden: Die Nachrichtendienste, die in den

1990er und 2000er Jahren mit einer zunehmenden Welle

rechter und rassistischer Gewalt und Organisierung kon-

frontiert waren, waren tief verwurzelt in einer generellen

Frontstellung gegen die außerparlamentarische und par-

lamentarische Linke, die sich aus dem Antikommunismus

der in der Blockkonfrontation und der BRD sozialisierten

leitenden Beamten und der nationalsozialistischen Ver-

strickungen und Prägung der BfV-Gründergeneration und

deren Vorläuferorganisation „Organisation Gehlen“
rekuriert. In den Akten des BfV lässt sich nachlesen, wie

überrascht man dort Anfang der 1990er Jahre davon war,

dass die Neonazigenerationen der 1990er Jahre tatsächlich

einen Systemwechsel mitsamt der Ablehnung aller Insti-

tutionen des Rechtsstaats propagierten – und damit so
ganz anders waren, als die NPD-Funktionäre der alten

Bundesrepublik, mit denen sich offensichtlich gemütlich

Kaffee trinken ließ.

Als die Gefahr von Rechts nicht mehr zu leugnen war,

weil wöchentlich vor den Augen der internationalen Me-

dien Neonazis Brandsätze auf Flüchtlingsheime schleu-

derten, behalf man sich im BfV mit der

Extremismustheorie, wonach die Demokratie durch ver-

meintliche Extreme an den Rändern bedroht würde –
wobei der oben schon erwähnte Brief des damaligen BfV-

Vizepräsidenten Fritsche die Leitlinie vorgab: Eine

„Braune RAF“ durfte es in diesem Weltbild nicht geben.
Diese Sichtweise prägte im Übrigen auch die Analyse

derjenigen Beamten in Führungspositionen im LfV Thü-
7442) Ebd. S. 233.

Drucksache 17/14600 – 998 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ringen, die aus dem LfV Hessen in den 1990er Jahren

nach Thüringen wechselten.

Dieses Leitbild hat im Zusammenspiel mit der auch bei

Polizei und Justiz in Thüringen in den 1990er Jahre vor-

herrschenden Verharmlosung der extremen Rechten dazu

geführt, dass Neonazis in Thüringen in auch bei schweren

Gewaltdelikten damit rechnen konnten, strafrechtlich

nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Zudem

wurde die Öffentlichkeit systematisch über die Gefahr,

die von neonazistischen Strukturen – insbesondere dem
„Thüringer Heimatschutz“ (THS) und „Blood & Honour“
ausging – im Dunkeln gelassen.

Dieses Leitbild hat dazu geführt, dass die schon ab den

frühen 1990er Jahren bekannten Aktivitäten von Thürin-

gischen Neonazis im Zusammenhang mit Sprengstoff und

Waffen – wie Wehrsportübungen, Waffenhandel, der Bau
von Sprengsätzen, missglückte Anschläge wie 1995 in

Stadtroda auf ein Wohnheim portugiesischer Arbeitsmig-

ranten –, die engen Verbindungen von Aktivisten der
„THS“-Sektion Rudolstadt zur Organisierten Kriminalität,
zu Prostitution und Menschenhandel ebenso wie die kon-

tinuierliche Einschüchterung und Bedrohung politischer

Gegner – wie junge AntifaschistInnen, GewerkschafterIn-
nen und Abgeordnete der Linken – durch das LfV Thü-
ringen sowie durch das Thüringer Innenministerium sys-

tematisch verharmlost wurden. Mit der Konsequenz, dass

diese Neonazi-Strukturen auch in der polizeilichen Praxis

nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt wurden.

Charakteristisch für diese Haltung ist sicherlich die Ant-

wort des leitenden LKA-Zielfahnders Wunderlich auf die

Frage, ob und wie der Zielfahndung der Fund von 1,4 kg

TNT in der von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe genutz-

ten Garage zur Kenntnis gelangt war. Wunderlich antwor-

tete darauf hin:

„Doch, davon hatten wir Kenntnis. Es ist aber ja
auch bekannt, dass viele Jugendliche so was mal

als Silvesterscherz bauen oder eine Telefonzelle

damit aufsprengen oder einen Geldautomaten.“7443

c) Die Operation „Rennsteig“

Ab Mitte der 1990er Jahre hatten der MAD, das BfV und

das LfV Thüringen – zeitweise in Kooperation mit dem
LfV Bayern wegen der engen Verbindung zwischen der

thüringischen und der bayerischen Neonaziszene eine

gemeinsame Operation „Rennsteig“ begonnen, deren Ziel
es nach Einschätzung der Fraktion DIE LINKE war, in

allen Sektionen des Thüringer Heimatschutzes mindestens

zwei Quellen – sowohl Frauen als auch Männer mit unter-
schiedlichen Positionen und Rollen im „THS“ – zu rekru-
tieren. Im „THS“ waren zu diesem Zeitpunkt nahezu
zweihundert Neonazis aktiv. Der „THS“ verfügte über ein
weitaus größeres Mobilisierungspotenzial, beteiligte sich

regelmäßig an allen Groß-Events der bundesweiten und

internationalen Neonaziszene – wie beispielsweise den
jährlichen Rudolf-Hess-Gedenkmärschen, den Aufmär-
7443) Wunderlich, Protokoll-Nr.51, S.53

schen zum 1. Mai und den Protesten gegen die Ausstel-

lung „Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ des
Hamburger Instituts für Sozialforschung. Auf der Grund-

lage dieser Quellenmeldungen sowie aufgrund des regel-

mäßigen „Abschöpfens“ von Informationen bei Staatsan-
waltschaften und Polizei verfügten MAD, LfV Thüringen

und BfV über genaue Einblicke in die zunehmende Radi-

kalisierung, Bewaffnung, Sprengstoff- und Gewaltdelikte

der thüringischen Neonaziszene und deren Planungen,

insbesondere des „THS“ und der thüringischen Sektion
von „B&H“. Im Rahmen der Operation „Rennsteig“ führ-
ten die beteiligten Nachrichtendienste mehrere Quellen

mit direkten Kontakten zum mutmaßlichen NSU-Kerntrio

vor dessen Abtauchen im Januar 1998, sowie zu Ralf W.

und Carsten S., die derzeit vor dem OLG München u. a.

wegen Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terro-

ristischen Vereinigung angeklagt sind.

Als am 26. Januar 1998 in der Garage Nr. 5 in Jena ca.

1,4 kg TNT und mehrere Rohrbomben beschlagnahmt

worden waren und Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und

Beate Zschäpe sich der Festnahme entzogen hatten, ver-

fügten das BfV und das LfV Thüringen über vielfältige

Informationen über die drei Gesuchten und deren politi-

sche Freundeskreise – die „Kameradschaft Jena“, den
„Thüringer Heimatschutz“, Aktivisten und Aktivistinnen
von „Blood & Honour“ und militanten Neonazikamerad-
schaften in Thüringen, Chemnitz und Limbach-

Oberfrohna, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern.

Auch nach dem Abtauchen des mutmaßlichen NSU-

Kerntrios erhielten BfV, LfV Thüringen und MAD immer

wieder Hinweise darauf, dass Aktivisten des „THS“ und
des „Blood & Honour“-Netzwerks Kontakt zu den Ge-
suchten hatten. Beispielhaft sei hier an eine Meldung des

MAD von Ende Oktober 2000 erinnert, wonach der

„THS“ mit einer „Internet-Kampagne“ einem befürchte-
ten Verbot entgegen zu wirken versuchte. Darin enthalten

waren auch Hinweise auf das Trio. Diese Kampagne sei

vom „THS“ als Reaktion auf das „B&H“-Verbot erson-
nen worden, um auf Umwegen etwaige polizeiliche Maß-

nahmen gegen den „THS“ abzuwehren. Eingebunden in
diese Kampagne, so der MAD-Bericht, seien u. a. Ralf

Wohlleben sowie die drei Jenaer Bombenbastler.
7444

Wei-

tere Meldungen zur Situation des mutmaßlichen NSU-

Kerntrios entstanden beispielsweise am Rand von „Blood
& Honour“-Konzerten und ließen ebenfalls deutlich er-
kennen, dass einschlägige Aktivisten Kontakt zu den

Dreien hatten.
7445
7444) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 455.

7445) Vgl. Schäfer, Wache, Meiborg, Mai 2012: „Gutachten zum
Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften

bei der Verfolgung des ‚Zwickauer Trios‘“, S. 158; ebd.,
S. 196,

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/veranstaltung

en/120515_schaefer_gutachten.pdf.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 999 – Drucksache 17/14600

d) Die V-Leute als zentrales Problem im NSU-
Komplex

Die Fraktion DIE LINKE ist nach der Beweisaufnahme

des Untersuchungsausschusses davon überzeugt, dass der

Einsatz von so genannten V-Leuten der Geheimdienste

eine der zentralen Ursachen für das komplette Versagen

dieser Behörden im Kontext des NSU-Komplexes dar-

stellt. In keinem einzigen Fall der vom 2. PUA untersuch-

ten Einsätze von V-Leuten war der Nutzen durch ihren

Einsatz in der Neonaziszene größer als der Schaden, den

sie verursacht haben.

Die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Meldun-

gen der V-Leute der Landesämter und des Bundesamtes

für Verfassungsschutz haben weder dazu geführt, dass die

Behörden auf die Radikalisierung von Uwe Mundlos, Uwe

Böhnhardt und Beate Zschäpe sowie deren Untertauchen

adäquat reagiert hätten, noch haben sie die Morde an

Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman
Taşköprü, Habil Kılıç, Yunus Turgut, İsmail Yaşar, Theo-
dorus Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und
Michèle Kiesewetter sowie die dem NSU zugerechneten

Sprengstoffanschläge in Köln und die Überfallserie ver-

hindert.

Der Generalbundesanwalt führt derzeit eine Liste mit

rund 400 Personen, die im weitesten Sinne zum NSU-

Umfeld gezählt werden. Darunter befinden sich zahlrei-

che Neonazis, die als V-Leute verschiedener Verfas-

sungsschutzbehörden oder als Vertrauenspersonen der

Polizeibehörden tätig waren. Ein besonderes Augenmerk

muss dabei nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE auf

den bislang bekannten fünf Personen liegen, die zu unter-

schiedlichen Zeiträumen als V-Leute für das BfV, das

LfV Thüringen, das LfV Bayern und das LKA Berlin tätig

waren und deren Namen, Adressen und Telefonnummern

sich auf einer Uwe Mundlos zugerechneten Adressliste

befanden, die am 26. Januar 1998 vom LKA Thüringen

gefunden wurde. Trotz der Existenz und der Tätigkeit

dieser V-Leute wurde die dem NSU zugerechnete Mord-,

Anschlags- und Raubserie nicht verhindert.

Stattdessen ist nach Überzeugung der Fraktion DIE

LINKE durch die Beweisaufnahme des Untersuchungs-

ausschusses hinreichend belegt worden, dass die Mehr-

zahl der V-Leute genau diejenigen neonazistischen Struk-

turen entscheidend mit aufgebaut und beeinflusst haben,

deren Aktivitäten die Geheimdienste eigentlich beobach-

ten sollten. Dass es sich hierbei um ein dem V-Leute-

System immanentes Problem handelt – das zudem keines-
falls auf den NSU-Komplex beschränkt ist – macht schon
ein BKA-Positionspapier aus dem Jahr 1997 deutlich. Das

BKA kritisiert hier anhand von zehn Thesen und Beispie-

len, wie neonazistische V-Leute des BfV bundesweite

Neonazistrukturen wesentlich mit aufgebaut hätten, wie

das BfV eine effektive Strafverfolgung unterminiert,

verhindert und letztendlich den kontinuierlichen Zuwachs

der Neonaziszene in Kauf genommen habe, um die V-

Leute zu schützen.
7446

Es ist nicht erkennbar, dass sich an
7446) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 220 ff.

diesem Zustand irgendetwas geändert hätte. Vielmehr

setzt sich diese Kritik des BKA am BfV und der

Länderpolizeien an den LfVs auch in den 2000er Jahren

fort, als es beispielsweise um Exekutivmaßnahmen gegen

das trotz Verbot durch den Bundesinnenminister weiter-

hin aktive Netzwerk von „Blood & Honour“ ging, von
denen die LfVs und das BfV im Vorfeld nichts erfahren

sollten, um die Maßnahmen nicht zu gefährden. Ein wei-

teres Beispiel sind die Aktivitäten eines V-Mannes des

Thüringer LfV, der als NPD-Funktionär in Thüringen

maßgeblich an der Unterwanderung von Vereinen, Ge-

werkschaften und Parteien, aber auch an der Bespitzelung

von gewählten Mandatsträgern im Thüringer Landtag

beteiligt gewesen sein soll und der nun Gegenstand des

Untersuchungsausschusses 5/2 im Thüringer Landtag ist.

aa) Das V-Leute System im LfV Thüringen vor,
während und nach dem Abtauchen des
mutmaßlichen NSU-Kerntrios

Ab Mitte der 1990er Jahre verfügte das LfV Thüringen

nach heutigem Stand über die nachfolgenden V-Leute

sowie Gewährspersonen im unmittelbaren Umfeld von

Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe:

– VM Otto/VM 2045, Anführer des „Thüringer Hei-
matschutzes“, der vor und nach dem Untertauchen
des mutmaßlichen NSU-Kerntrios knapp drei Dut-

zend Hinweise auf deren Verbleib sowie deren

Unterstützerinnen und Unterstützer gab und dessen

Quellenmeldungen dem Ausschuss umfangreich

vorgelegt wurden.
7447

– VM Hagel/VM 2100, leitete die thüringische Sektion
von „Blood & Honour“ und war Kassenwart der
Deutschland-Division von „Blood & Honour“. Er
sorgte u. a. dafür, dass Uwe Böhnhardt vor Januar

1998 durch dem selben Rechtsanwalt verteidigt wur-

de, der auch die Klage gegen das Verbot von „Blood
& Honour“ einreichte. Obwohl VM 2100 laut Me-
dienberichten ebenso wie Tino Brandt vom LfV

Thüringen als Top-Quelle angesehen und bezahlt

wurde, sind von ihm im Rahmen der Untersuchun-

gen des Ausschusses weniger als eine Handvoll

Quellenmeldungen vorgelegt worden. Davon bezie-

hen sich lediglich zwei aus dem Jahr 1999 auf das

abgetauchte Trio.
7448

Dem 2. PUA ist es nicht gelun-

gen, festzustellen, wer dafür verantwortlich war bzw.

ist, dass die Quellenmeldungen von VM 2100 nicht

mehr auffindbar sind.
7449

– Alex: Diese Gewährsperson wurde schon vor dem
Untertauchen des mutmaßlichen NSU-Kerntrios ge-

worben und bewegte sich im „Thüringer Heimat-
schutz“ und in der „Kameradschaft Jena“ in unmit-
7447) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S 261 ff.

7448) Vgl. Schäfer, Wache, Meiborg, Mai 2012: „Gutachten zum
Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften

bei der Verfolgung des ‚Zwickauer Trios‘, S. 185, Rd.-Nr. 312.

7449) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 272.

Drucksache 17/14600 – 1000 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

telbarer Nähe von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe

sowie von Ralf Wohlleben.
7450

– Eine Gewährsperson aus dem Umfeld von Ralf
Wohlleben.

7451
– Tristan: Diese Gewährsperson wurde im unmittelba-
ren Umfeld der Jenaer Sektion des „Thüringer Hei-
matschutzes“ geführt. Tristan verfügte offenkundig
über genaue Informationen zur Rolle von Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe und unterhielt enge Kontakte

zu Ralf Wohlleben.
7452

Angesichts der fünf hier genannten Quellen und Ge-

währspersonen sowie weiteren, u. a. im Rahmen der Ope-

ration „Rennsteig“ geführten Quellen des LfV, BfV und
MAD, entsteht der Eindruck, dass das mutmaßliche NSU-

Kerntrio sowie das Unterstützerinnen- und Unterstützer-

netzwerk, auf das sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe

in der Phase vom 26. Januar 1998 bis zum mutmaßlichen

Zeitpunkt des Umzugs nach Zwickau stützten, quasi von

einem Ring von V-Personen und Gewährspersonen um-

geben war.

Abweichend von den gemeinsamen Bewertungen der

Obleute des Untersuchungsausschusses hält die Fraktion

DIE LINKE es für nicht hinreichend geklärt, welche be-

sondere Verantwortung die V-Mann Führung des LfV

Thüringen und deren unmittelbaren Vorgesetzten, insbe-

sondere des damaligen LfV-Vizepräsidenten, bei der

Fehlern des LfV Thüringen im Kontext der Suche nach

dem Trio zukommt. Dies gilt insbesondere vor dem Hin-

tergrund, dass dem Untersuchungsausschuss die Fakten-

grundlage zur Bewertung der Bedeutung und Führung zu

Alex im Kontext der Suche nach dem Trio erst nach der

Zeugenvernehmung von dessen Quellen-Führer bekannt

gemacht wurde. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass

nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE unvollständige

und teilweise widersprüchliche Antworten zur Quellen-

führung und zu Quellenberichten bei der Befragung von

Zeugen, die im LfV Thüringen für die V-Personenführung

und -werbung verantwortlich waren, durch den Ausschuss

nicht ausgeräumt werden konnten. Hier obliegt dem

Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags eine

besondere Verantwortung. Auch die detaillierte Bewer-

tung des offensichtlichen Behördenversagens des LfV

Thüringen bei der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe und der Frage nach der fehlenden Kontrolle des

LfV Thüringen durch das MI Thüringen sowie der politi-

schen Verantwortung des Thüringer Innenministeriums

für dieses Behördenversagen obliegt dem Untersuchungs-

ausschuss des Thüringer Landtags.

Zudem muss hier nochmals betont werden, dass mit VM

2045 und VM 2100 zwei Neonazis durch das LfV Thü-

ringen als Quellen geführt wurden, die zentrale Führungs-

funktionen im „THS“ bzw. bei „Blood & Honour“ inne-
7450) Vgl. ebd., S. 450.

7451) Vgl. ebd., S. 402.

7452) Vgl. ebd., S. 274.

hatten und schon deshalb niemals als Quellen hätten ge-

worben werden dürfen.

Eine abschließende Bewertung des Informationsverhal-

tens der Quellen VM 2045 und VM 2100 sowie der Ge-

währspersonen erscheint anhand der vorliegenden Quel-

lenmeldungen – bzw. des Fehlens derselben – derzeit
nicht möglich. D. h., die Frage, ob Quellen ihre V-

Personen-Führer im Kontext der Suche nach dem mut-

maßlichen NSU-Kerntrio belogen bzw. sie durch Nicht-

Weitergabe, Auslassung und Verschweigen von Informa-

tionen vorsätzlich im Unklaren gelassen haben, kann zum

jetzigen Zeitpunkt nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE

nicht adäquat beurteilt werden. Dies gilt auch für eine

abschließende Bewertung des Verhaltens der V-Personen-

Führung und der Behördenleitung im LfV Thüringen.

Zudem obliegt es auch dem Untersuchungsausschuss im

Thüringer Landtag zu klären, welche besondere Rolle

einem V-Mann des LfV Bayern und weiteren V-Personen

anderer Landesämter sowie des BfV zukommt, die aus-

weislich der Fachliteratur und Aktenlage wesentlichen

Anteil daran hatten, in Thüringen in den 1990er Jahren

neonazistische Kameradschaften aufzubauen, zu festigen

und zu vernetzen.

bb) V-Personen des BfV im Kontext der Suche
nach dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio

Ergänzend zu der gemeinsamen Bewertung der Obleute

ist die Fraktion DIE LINKE der Ansicht, dass die Frage,

wie weitreichend die Kontakte zwischen den BfV-Quellen

Q1 und Q3 mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sowie

den Angeklagten vor dem OLG München und weiteren

mutmaßlichen NSU-Unterstützerinnen und Unterstützern

waren, derzeit nicht abschließend bewertet werden kann.

Zunächst muss auch hier festgehalten werden, dass die

vom Untersuchungsausschuss näher untersuchten V-Leute

des BfV – Q1, Q2 und Q3 – beispielhaft für die Gefahren
stehen, die vom V-Leute-System ausgehen: Sie haben

entscheidend dazu beigetragen, eben jene neonazistischen

Strukturen aufzubauen und zu festigen, deren Aktivitäten

zum Schutz der Demokratie das BfV vorgeblich beobach-

ten sollte, um dann vor diesen Gefahren zu warnen. Dies

gilt für internationale Neonazinetzwerke ebenso wie für

das boomende Geschäft des RechtsRocks – den unabhän-
gige ExpertInnen zu Recht als „Begleitmusik zu Mord
und Totschlag“ bezeichnen und in dem die Produktion
und der Vertrieb zahlreicher indizierter Neonazi-CDs

ohne V-Leute nicht möglich gewesen wäre – sowie für
den Auf- und Ausbau neonazistischer Kommunikations-

systeme.
7453

Der Untersuchungsausschuss hat zudem einen, wenn auch

sehr eingeschränkten Einblick in die Tatsache bekommen,

dass es sich bei Q1, Q2 und Q3 nicht um die einzigen V-

Leute des BfV im Untersuchungszeitraum handelte, die

strategische Funktionen und Führungspositionen inner-
7453) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 276.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1001 – Drucksache 17/14600

halb der Neonazibewegung in Ost- und Westdeutschland

inne hatten.

cc) Ein V-Mann des LfV Bayern

Der bayerische Untersuchungsausschuss hat im Sonder-

votum der Fraktionen der SPD und Grünen zu einem V-

Mann des LfV Bayern festgestellt, der im Untersuchungs-

zeitraum über enge Kontakte zum THS verfügte und

durch zahlreiche Aktivitäten in Thüringen auffiel:

„Eine mehr als unrühmliche Rolle spielte ein V-
Mann des BayLfV, der die bundesweite Vernet-

zung der rechten Szene in den 1990er Jahren über

das Thule-Netz mit vorangetrieben hat. Mittels

dieses Mailbox-Verbundsystems, einer Art Inter-

net-Vorläufer, kommunizierten Rechtsextremisten

elektronisch und koordinierten so ihre Hass-

Aktionen. Zum Beispiel wurden Namen von politi-

schen Gegnern veröffentlicht, mit der Aufforde-

rung gegen diese vorzugehen. Der V-Mann hatte,

mit Wissen und Wollen des Verfassungsschutzes,

einen maßgeblichen Anteil an Betrieb und Aufbau

des Thule-Netzes und erhielt nicht nur Geld für die

Informationen, die er lieferte, sondern auch zur

Anschaffung und für den Betrieb der technischen

Einrichtungen. Obwohl das BayLfV dadurch Zu-

gang zu einer Fülle an Informationen bekommen

hat, ist nicht erkennbar geworden, wie diese In-

formationen zur Bekämpfung des Rechtsextre-

mismus verwendet worden sind.“7454

Ergänzend muss hier nach Ansicht der Fraktion DIE

LINKE hinzugefügt werden, dass die Frage nicht beant-

wortet ist, inwieweit die Thule-Mailbox von Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe sowie von mutmaßlichen NSU-

Unterstützern als Kommunikationsweg genutzt wurde und

ob und wann es direkte Kontakte zwischen dem V-Mann

des LfV Bayern und dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio

gegeben hat.

dd) Der V-Mann „Piatto“ des LfV Brandenburg

Ergänzend zu der gemeinsamen Bewertung der Obleute

zu V-Mann Piatto des LfV Brandenburg müssen nach

Ansicht der Fraktion DIE LINKE zwei weitere Aspekte

der Aktivitäten des V-Manns Piatto im Untersuchungs-

zeitraum besonders beachtet werden: Piatto fiel auch

durch Kontakte in das internationale Neonazinetzwerk

von „Blood & Honour“ auf – wie beispielsweise zu Neo-
nazis aus Schweden. Zudem war er über mehrere Jahre

für die Herausgabe des Neonazifanzines „United Skins“
verantwortlich, das „Blood & Honour“-nahe Bands sowie
deren CDs und Inhalte propagierte.

Mithin hat hier eine V-Person des LfV Brandenburg er-

heblich zum Auf- und Ausbau der Strukturen von „Blood
& Honour“ beigetragen – eben jenem Netzwerk, aus dem
7454) Abschlussbericht des „Untersuchungsausschuss Rechtsterro-

rismus in Bayern – NSU“,S. 141 ff., Drs. 16/17740, S. 156.

sich viele der mutmaßlichen Unterstützerinnen und Unter-

stützer des NSU-Kerntrios rekrutierten und das wegen

seiner Gefährlichkeit im September 2000 vom damaligen

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verboten wurde.

Im Kontext des Ausschusses ungeklärt blieb die Frage,

inwieweit Piatto als klassischer Agent Provocateur den

Aufbau der so genannten „Nationalrevolutionären Zellen“
(NRZ) in Berlin-Brandenburg, die u. a. Anschläge auf

politische Gegner planten, den Aufbau der rechtsterroris-

tischen Strukturen, die dann von den Strafverfolgern

bekämpft wurden, mit vorangetrieben hat.

Die Tatsache, dass das Innenministerium Brandenburg

dem nigerianischen Lehrer und Asylsuchenden Steve

Erenhi, dem Opfer des von LfV Brandenburg geführten

V-Mannes Piatto, nach dessen Enttarnung eine Entschä-

digung in Höhe von knapp 46 000 DM gezahlt hat, kann

als Anerkenntnis dafür gewertet werden, dass Nachrich-

tendienste für das Verhalten ihrer V-Leute oder Gewährs-

personen einzustehen haben.

Das Innenministerium Brandenburg übernahm mit dieser

Zahlung den Ausgleich des (restlichen) zivilrechtlichen

Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruches, zu dem

das Landgericht Frankfurt (Oder) Carsten Sz. u. a. am

20. Oktober 1995 gesamtschuldnerisch verurteilt hatte

sowie von Kosten- und Zinsforderungen gegen ihn. Cars-

ten Sz. hatte jahrelang keine Zahlungen erbracht, obwohl

sein Eigengeld bereits seit dem 21. August 1996 gericht-

lich gepfändet worden war, und er in dieser Zeit erhebli-

che Zahlungen des Landes Brandenburg erhalten hatte.

Der Rechtsanwalt von Steve E. erwirkte beim Amtsgericht

Königs Wusterhausen nach Bekanntwerden der V-Mann-

Tätigkeit von Carsten Sz. einen Pfändungs- und Überwei-

sungsbeschluss gegen das Innenministerium Branden-

burg. Nach einem Streit um die Frage, ob Carsten Sz.

gegen das Land Brandenburg Ansprüche oder Geldforde-

rungen aus der Tätigkeit für das Landesamt für Verfas-

sungsschutz habe, erklärte sich das Innenministerium im

Oktober 2000 dann zahlungsbereit – nachdem umfangrei-
che Zahlungen des Landes Brandenburg an Carsten Sz.

nicht mehr zu bestreiten waren.
7455

ee) VP 562 des LKA Berlin

Ergänzend zu den gemeinsamen Bewertungen der Obleu-

te
7456

und den zahlreichen Fehlern bei der Führung der

Quelle, der Auswertung ihrer Mitteilungen zum mutmaß-

lichen NSU-Kerntrio und deren Nichtweitergabe, ist die

Fraktion DIE LINKE der Ansicht, dass der Fall der VP

562 zwingend auf das Fehlen eines geeigneten internen

Controllings bei der Führung von VPs bei den Polizeien

verweist – neben der Tatsache, dass es hier keinerlei par-
lamentarische Kontrolle gibt. Dies muss sich nach Auf-

fassung der Fraktion DIE LINKE dringend ändern.
7455) Vgl. „Der Führer der Meute“ in: Der Spiegel 28/2000 vom 10.

Juli 2000, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-16860762.html

7456) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 299.
Drucksache 17/14600 – 1002 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ff) Quellenschutz behinderte die polizeiliche
Fahndung erheblich

Ergänzend zu den gemeinsamen Bewertungen des Unter-

suchungsausschusses hat nach Ansicht der Fraktion DIE

LINKE der Quellenschutz die polizeiliche Fahndung nach

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in gravierendem Um-

fang behindert: Quellenmeldungen wie beispielsweise die

von VM 2100, dass Beate Zschäpe eine Liaison mit Tho-

mas Starke gehabt hatte – und die somit für die Zielfahn-
dung bei der Befragung von Starke im Februar 1999 von

erheblicher Bedeutung gewesen wäre, weil sie auf dessen

Nähe zu den drei Untergetauchten verwies – erreichten
die Zielfahndung gar nicht. Bei weiteren Quellenmeldun-

gen des LfV Thüringen ist strittig, ob die Zielfahndung

des LKA davon Kenntnis erhielt.

e) Exkurs: Polizisten mit einer Nähe zu Neo-
nazis

Als ein weiteres Ergebnis der Beweisaufnahme und der

dem 2. PUA vorliegenden Akten stellt die Fraktion DIE

LINKE fest, dass immer dort, wo vor Ort eine große, gut

organisierte Neonaziszene anzutreffen ist, die zudem im

sozialen Gefüge ländlicher und kleinstädtischer Regionen

gut verankert und eingebunden ist – sei es durch Mit-
gliedschaft in Freiwilligen Feuerwehren, Heimat- und

Sportvereinen oder Fitnessstudios, Diskotheken etc. – die
Gefahr wächst, dass es einzelne Polizisten gibt, die im

sozialen bzw. familiären Umfeld und/oder aus politischer

Übereinstimmung, ihnen bekannte Aktivisten und Akti-

vistinnen neonazistischer Kameradschaften über polizeili-

che Ermittlungen informieren und beispielsweise vor

Hausdurchsuchungen warnen. In den Akten, die dem

2. PUA vorgelegt wurden, fanden sich hierfür u. a. Bei-

spiele aus Baden-Württemberg, Brandenburg und Thürin-

gen.
7457

Anhand der dem Untersuchungsausschuss vorlie-

genden Materialien muss davon ausgegangen werden,

dass dieses Problem auch in anderen Bundesländern exis-

tierte.

Diesem Problem trug beispielsweise auch das LKA Sach-

sen bei Exekutivmaßnahmen gegen die „Skinheads Säch-
sische Schweiz“ (SSS) zur Jahrtausendwende dadurch
Rechnung, dass Polizisten aus der Region von den Exeku-

tivmaßnahmen im Vorfeld nicht informiert und an deren

Durchführung auch nicht beteiligt wurden.
7458

Im Fall von Polizeibeamten aus Baden-Württemberg, die

um die Jahrtausendwende in den „European White
Knights of the Ku-Klux-Klan“ aktiv waren, ist nach
Überzeugung der Fraktion DIE LINKE durch die gering-

fügige Ahndung dieser Aktivitäten zudem das gefährliche

Signal innerhalb des Polizeiapparats verbreitet worden,

dass es sich letztendlich bei einer Mitgliedschaft in einer
7457) Vgl. Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA,

S. 436; ebd., S. 659.

7458) Vgl. „Die SSS: Image ist alles“ vom 11. April 2008:
http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/die-sss-image-ist-alles.

rassistischen und neonazistischen Organisation um eine

kaum nennenswerte Bagatelle handele.

Die Fraktion DIE LINKE empfiehlt hier dringend einen

transparenten und öffentlich nachvollziehbaren Umgang

der Dienstvorgesetzten mit Polizeibeamten, die nachweis-

bar in extrem rechten Organisationen aktiv sind oder aber

nachweisbar Informationen über Exekutivmaßnahmen an

Neonazis weitergeben. Bislang sind es oftmals Bündnisse

gegen Rechts oder Initiativen vor Ort und Medien gewe-

sen, die derartige Fälle publik gemacht haben. Um Ver-

trauen in die Polizeiarbeit wieder herzustellen und Ver-

schwörungstheorien Einhalt zu gebieten, ist hier dringend

ein transparentes Vorgehen geboten.

f) Ergänzende Feststellungen zum Versagen
des LKA Thüringen bei der Fahndung nach
dem untergetauchten Trio

Ergänzend zu den gemeinsamen Schlussfolgerungen der

Obleute des 2. PUA in Bezug auf die zahlreichen Fehler

der Zielfahndung des LKA Thüringen
7459

geht die Frakti-

on DIE LINKE von zwei weiteren erheblichen Fehlern

des LKA Thüringen aus:

aa) Unvollständige Meldung zum Rohrbom-
benfund in der Garage Nr. 5 am 26. Januar
1998 an den Tatmittelmeldedienst des BKA
– Behinderung bei der Suche nach den Tä-
tern des Sprengstoffanschlags in der
Keupstraße in Köln

Ausweislich der Asservatenaufstellung des thüringischen

LKA stellten die Polizeibeamten, die die Garage Nr. 5 in

Jena am 26. Januar 1998 durchsuchten, fest, dass eine der

drei Rohrbomben nicht alleine mit TNT gefüllt war, son-

dern auch mit Sechskant-Muttern und anderen Metalltei-

len.
7460

Die Auswerter des LKA vermerkten hierbei expli-

zit, dass mit Hilfe der Metallteile offensichtlich die

Sprengwirkung der Rohrbombe verstärkt werden sollte.

Aus Gründen, die der Untersuchungsausschuss nicht

ermitteln konnte, wurde die Tatsache, dass eine der Rohr-

bomben mit Sechskantmuttern gefüllt war, jedoch bei der

LKA-Meldung der Funde an den zentralen Tatmittelmel-

dedienst des BKA nicht weitergegeben. Mithin fehlte ein

zentrales Merkmal der Rohrbomben im Tatmittelmelde-

dienst – und stand damit als Information bei Abfragen
anderer LKÄ oder des BKA zu Sprengstoffanschlägen

wie etwa dem Bombenanschlag in der Keupstraße über-

haupt nicht zur Verfügung. Das LKA Thüringen hat mit

dem Unterlassen der Weitergabe dieser Information eine

wichtige Fahndungsoption nach den Tätern des verhee-

renden Anschlags in der Keupstraße ungenutzt gelassen.
7459) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, Kapitel

C: Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und

Zschäpe.

7460) MAT_A_TH 1-24, S. 29.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1003 – Drucksache 17/14600

bb) Erste Hinweise auf Zwickau als möglichen
Aufenthaltsort der untergetauchten
Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ignoriert

Am 27. Mai 1999 wurde Jürgen H. von Zielfahndern des

LKA Thüringen in seinem Bundeswehreinsatzort, der

Kaserne Mellrichstadt, zum Aufenthaltsort des Trios

befragt.
7461

Hierbei bekannte H. sich nicht nur dazu, dem

Trio in der Frühphase des Abtauchens geholfen zu haben

und gab die Einschätzung, dass die drei sich auf der Stufe

von „Rechtsterrorismus“ bewegen würden und mit einem
Strafmaß von mindestens zehn Jahren rechneten. Er sagte

auch, dass er bei einer seiner Kurierfahrten auf Anwei-

sung von Ralf Wohlleben die angeforderten Dinge in

Zwickau an einen Neonazi übergab. In den Unterlagen

der Zielfahndung des LKA, die dem Untersuchungsaus-

schuss vorliegen, ist an keiner Stelle eine „Spur Zwickau“
oder überhaupt nur ein Hinweis darauf erkennbar, dass

durch diese Aussage Neonazis in Zwickau als mögliche

Unterstützerinnen oder Unterstützer des Trios in Erwä-

gung gezogen und entsprechende Maßnahmen in die

Wege geleitet wurden. Das änderte sich auch nicht, als

das LKA Sachsen eine sehr präzise Einschätzung zu po-

tenziellen Unterstützern des NSU-Kerntrios im Raum

Chemnitz und Zwickau an die Zielfahndung des LKA

Thüringen übergab.
7462

Hier wurde eine zentrale Chance für weitere Fahndungs-

optionen nach der erfolglosen Suche nach dem Trio in

Chemnitz vertan.

g) Kritikwürdiges Verhalten der Länderin-
nenminister und des BMI angesichts einer
Aktenlieferung aus Thüringen im Herbst
2012

Ausdrücklich kritisiert die Fraktion DIE LINKE schließ-

lich das Verhalten der Länderinnenminister und des BMI,

die Ende September 2012 eine Übergabe von rund 800

Aktenordnern aus dem Phänomenbereich Rechtsextre-

mismus des Thüringer Innenministeriums an den Unter-

suchungsausschuss zunächst stoppen wollten. Laut Me-

dienberichten sollen Länderinnenminister sogar erwogen

haben, die Übergabe noch durch das Anhalten der Trans-

portfahrzeuge auf der Autobahn zu verhindern. Diese

Akten, die das Thüringer Innenministerium in Erfüllung

der Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses

übersandt hatte, sind zwar letztendlich beim Untersu-

chungsausschuss angekommen. Das Vorhaben einiger

Innenminister jedoch hat den Eindruck erweckt, hier

hätten Innenministerien und ihnen nachgeordnete Behör-

den ein besonderes Interesse daran, die Zulieferung von

Akten zu verhindern und die Arbeit des Untersuchungs-

ausschusses zu behindern.
7463
7461) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 343

7462) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 350 f.

7463) „Sollte NSU-Akten Laster gestoppt werden?“ in: Thüringer
Allgemeine Zeitung vom 10. Oktober 2012;

http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-

V. Rechtliche Würdigung

Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE hat die Be-

weisaufnahme eindeutig gezeigt: Bei den festgestellten

„Fehler[n] und Versäumnisse[n] von Bundesbe-
hörden, auch in ihrem Zusammenwirken mit Lan-

desbehörden, die Bildung und die Taten der Ter-

rorgruppe [...] sowie deren Unterstützernetzwerk

begünstigt oder die Aufklärung und Verfolgung

der von der Terrorgruppe begangenen Straftaten

erschwert haben“7464,

handelte es sich häufig nicht einfach nur um individuelles

Fehlverhalten, organisatorische Defizite und strukturelle

Versäumnisse. Oftmals wurde, wie im Folgenden aufge-

zeigt wird, überdies auch gegen geltendes Recht versto-

ßen.

Derartige Rechtsverstöße hat es nach Überzeugung der

Fraktion DIE LINKE nicht nur auf der Arbeitsebene der

Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder gegeben.

Auch auf der Ebene politischer Verantwortlichkeit sind

gravierende Rechtsverstöße festzustellen. Diese Rechts-

verstöße zu benennen ist Voraussetzung dafür, dass die

zur künftigen Vermeidung solcher rechtswidriger Zustän-

de nötigen, tiefgreifenden strukturellen Reformen mit der

erforderlichen politischen Entschlossenheit in Angriff

genommen werden. Mit Blick auf den Untersuchungsauf-

trag, der u. a. vorgab zu prüfen, „welche Schlussfolgerun-
gen im Blick auf den Rechtsextremismus für die Struktur

und Organisation der Sicherheits- und Ermittlungsbehör-

den des Bundes, für die Zusammenarbeit der Sicherheits-

und Ermittlungsbehörden auf Bundes- und Landesebene

und für die Gewinnung und den Austausch von Erkennt-

nissen der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des

Bundes und der Länder gezogen werden müssen“7465,
sieht die Fraktion DIE LINKE es deshalb als ihre Aufga-

be an, über die gemeinsamen Bewertungen aller Fraktio-

nen hinaus die Punkte, in denen die Beweisaufnahme

klare Hinweise oder Belege auf Rechtsverstöße ergeben

hat, klar zu benennen. Erst auf dieser Grundlage lassen

sich Schlüsse für eine Neustrukturierung der Organisati-

on, Zusammenarbeit und rechtlichen und fachlichen Kon-

trolle der Sicherheitsbehörden des Bundes und ihres

Zusammenwirkens mit denen der Länder ziehen und

entsprechende Vorschläge unterbreiten (dazu unter VI.).

1. Rechtsverstöße im NSU-Kontext bis zum
4.11.2011 auf unterschiedlichen Ebenen

Hinweise und Belege für individuelle Fehler, Versäum-

nisse und strukturelle Mängel, insbesondere Organisati-

ons- und Aufsichtsversäumnisse, im Untersuchungszeit-

raum, die gegen geltendes Recht verstießen, finden sich

sowohl auf der Arbeitsebene als auch bei der Organisation

der Arbeit der Sicherheitsbehörden durch die Leitung der
/specific/Sollte-NSU-Akten-Laster-gestoppt-werden-
717874614

7464) Untersuchungsauftrag, BT-Drs. 17/8453, Punkt B. II. 1., S. 2.

7465) Ebd., S. 3.

Drucksache 17/14600 – 1004 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

jeweiligen Häuser und bei deren Beaufsichtigung durch

übergeordenete Behörden und politisch Verantwortliche.

a) Verstoß der Verfassungsschutzbehörden
gegen gesetzliche Übermittlungspflichten

Nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE hat die

Beweisaufnahme ergeben, dass durch die Nichtübermitt-

lung von Informationen der Verfassungsschutzbehörden

des Bundes und der Länder an Staatsanwaltschaften und

Polizeien des Bundes und der Länder wiederholt gegen

die einschlägigen gesetzlichen Übermittlungsvorschriften

in den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der

Länder verstoßen wurde. So heißt es in § 19 Abs. 1 des

Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der

Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und

über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesver-

fassungsschutzgesetz – BVerfSchG):

„Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf per-
sonenbezogene Daten an inländische öffentliche

Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner

Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die

Daten zum Schutz der freiheitlichen demokrati-

schen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öf-

fentlichen Sicherheit benötigt.“

Vor dem Hintergrund der Strafbarkeit einer Nichtanzeige

geplanter Straftaten folgt daraus eine Pflicht, solche In-

formationen unverzüglich an die Ermittlungsbehörden

weiterzuleiten, deren Nichtweitergabe den Anfangsver-

dacht einer Nichtanzeige geplanter Straftaten begründete.

Das den Verfassungsschutzbehörden eingeräumte Ermes-

sen („kann“) ist in solchen Fällen „auf Null“ reduziert,
d. h., eine Nichtweitergabe derartiger Informationen ver-

stößt ohne wenn und aber gegen diese Bestimmung.

Gleichwohl erfolgte die zwingend gebotene Weitergabe

mehrfach nicht. Dadurch wurden Leib und Leben nicht

nur der später Ermordeten sondern auch derjenigen, die in

den mutmaßlich von den Mitgliedern des NSU überfalle-

nen Banken und Supermärkten gearbeitet haben bzw. sich

aufhielten, und derjenigen Polizeibeamten, die im Rah-

men einer Zielfahndung versucht haben, die Flüchtigen

ausfindig zu machen und festzunehmen, gefährdet.
7466

So wurde die zentrale Quellenmeldung der VP des LfV

Brandenburg Piatto, in der von Plänen des NSU-

Kerntrios, sich Waffen zu besorgen, einen „weiteren
Überfall“ zu begehen und sich dann ins Ausland abzuset-
zen, die Rede war, den ermittelnden Polizisten nach deren

Aussagen niemals bekannt gegeben. Die Aussagen der

Verantwortlichen vom LfV und LKA in Thüringen (TLfV

und TLKA) dazu sind widersprüchlich. Während die

Zeugen Nocken und Schrader vom TLfV behaupten, den

damaligen TLKA-Präsidenten Luthardt mündlich infor-

miert zu haben, bestreitet dieser, ein solches Gespräch mit

Vertretern des TLfV geführt zu haben. Da die Weitergabe

dieser zentralen Information nicht schriftlich dokumen-

tiert ist, lässt sich der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen
7466) Vgl. Wunderlich, Protokoll-Nr. 51, S. 21 ff.

zwar nicht abschließend überprüfen. Das Beispiel illus-

triert aber die Konsequenzen eines verabsolutierten Quel-

lenschutzes und verdeutlicht die Notwendigkeit der Ver-

schriftlichung der Informationsweitergabe.
7467

b) Strukturelle Verfassungswidrigkeit des
Einsatzes von Vertrauenspersonen

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE hat die rechtswid-

rig unterlassene Weitergabe von Informationen, die die

Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder

von Vertrauens- und Gewährspersonen erhalten hatten,

strukturelle Ursachen, die in diesem Instrument heimli-

cher Informationsbeschaffung als solchem zu suchen sind:

Der Einsatz von Vertrauenspersonen (und Gewährsperso-

nen) ist unvermeidlich mit einer Vertraulichkeitszusage

verbunden, die als sogenannter Quellenschutz einer wirk-

samen Verbrechensverhinderung und -aufklärung

zwangsläufig im Wege stehen muss. Der Einsatz von

Vertrauens- und Gewährspersonen muss damit sachnot-

wendig mit dem elementaren rechtsstaatlichen Grundsatz

der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kollidieren: Zur

Rechtfertigung für die unterbliebene Weitergabe von

Hinweisen auf bevorstehende Straftaten haben Zeugen

aus dem Bereich des Verfassungsschutzes, die in der

Beweisaufnahme befragt worden sind, immer wieder den

sogenannte Quellenschutz geltend gemacht. Als gesetzli-

che Grundlage wurde § 15 Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG ange-

führt, der eigentlich ausschließlich die Erteilung von

Auskünften an Betroffene regeln soll. Danach unterbleibt

„die Auskunftserteilung, soweit [...] 2. durch die
Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein kön-

nen“.

Der Schutz einer Quelle, die sich bei Nichtweitergabe der

betreffenden Informationen ihrerseits nach § 138 StGB

wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten strafbar gemacht

hätte, vermag indes nicht zu rechtfertigen, dass eine Ver-

fassungsschutzbehörde, die diese Quelle als Vertrauens-

oder Gewährsperson führt, eine derartige Information im

Interesse des Quellenschutzes zurückhält. Vielmehr ma-

chen sich die Beschäftigten der Verfassungsschutzbehör-

de, die die betreffende Quelle führen, selbst strafbar,

wenn sie solche Informationen nicht unverzüglich an die

Ermittlungsbehörden weiterleiten – wie etwa im Falle der
Information des Brandenburger V-Manns Piatto bei der

Nichtweitergabe der Information, dass das untergetauchte

Trio sich Waffen beschaffe, um einen weiteren Überfall

zu begehen, geschehen. Lediglich wegen der inzwischen

eingetretenen Verjährung konnte es im Fall des NSU zu

keiner strafrechtlichen Verfolgung dieser Verstöße mehr

kommen.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme des Untersuchungs-

ausschusses zeigt ferner auch: der Einsatz von Vertrau-

ens- und Gewährspersonen geht sachnotwendig mit der

ständigen abstrakten Gefahr einer Kumpanei zwischen
7467) Vgl. Luthardt, Protokoll-Nr. 51, S. 109, sowie Nocken, Proto-

koll-Nr. 53, S. 3 f., Schrader ebd., S. 124 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1005 – Drucksache 17/14600

kriminellen Vertrauens- und Gewährspersonen und den

Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden einher. Um

sich vor Ermittlungen wegen Nichtanzeige geplanter

Straftaten bzw. wegen strafbarer Beteiligung an den Straf-

taten von V-Leuten und Gewährspersonen zu schützen,

besteht für V-Personenführer ein ständiger Anreiz, die

von ihnen geführten menschlichen Quellen vor Ermitt-

lungsmaßnahmen zu warnen.
7468

So klagt das BKA einem Positionspapier aus dem Jahr

1997 über die massive Behinderung exekutiver Maßnah-

men gegen die Neonaziszene seitens der Verfassungs-

schutzämter durch deren Umgang mit V-Leuten. V-Leute

würden Aktivitäten der rechten Szene erst anheizen, es

käme immer wieder zu Hinweisen an VPs auf geplante

exekutive Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, die

daraufhin ins Leere liefen und die Aktivitäten der Szene

würden durch die finanzielle Unterstützung der VPs durch

die Verfassungsschutzämter befördert.
7469

Der Untersuchungsausschuss hat zahlreiche Beispiele von

Straffreiheit für V-Leute auch bei schweren Tatvorwürfen

gefunden. Dies gilt u. a. für ein Ermittlungsverfahren

gegen mehr als ein Dutzend Aktivisten des Thüringer

Heimatschutzes nach §129 StGB, das im Jahr 1995 von

der Staatsanwaltschaft Gera eingeleitet wurde und sich

u. a. gegen den V-Mann Tino Brandt sowie einen weite-

ren V-Mann eines anderen LfV richtete. Es wurde nach

zwei Jahren aufwändiger Ermittlungen „mangels hinrei-
chenden Tatverdachts“ nach § 170 Abs. 2 StPO einge-
stellt, obwohl gegen die Beschuldigten im Ermittlungs-

zeitraum zahlreiche weitere einschlägige Ermittlungsver-

fahren liefen. Auch ein Ermittlungsverfahren nach §129a

StGB, das der Generalbundesanwalt gegen die mutmaßli-

chen Betreiber des neonazistischen Thule-Mailbox-

Systems führte, wurde schlussendlich nach §170 Abs. 2

StPO eingestellt.

Können Quellen aus der beobachteten Szene aber nicht

ohne die ständige, zumindest abstrakte Gefahr geführt

werden, dass sich ihre Vertrauens- und Gewährsperson-

Führer selbst strafbar machen, indem sie strafrelevante

Informationen nicht weitergeben oder die von ihnen ge-

führten Quellen vor Strafverfolgungsmaßnahmen warnen,

so darf die Konsequenz daraus nicht etwa sein, durch

entsprechende Gesetzesänderungen Straffreiheit für die

Quelle und die Quellenführer herbeizuführen. Entspre-

chende Vorschläge des Leiters der Fachprüfgruppe des

BfV Gabaldo zeugen von einem höchst fragwürdigen

Rechtsstaatsverständnis, das indes durchaus repräsentativ

sein dürfte für das BfV. Logische Konsequenz aus dem

Dilemma, in das der Einsatz von V-Leuten und Gewährs-

personen zwangsläufig führt, kann vielmehr nur sein, auf

den Einsatz dieses Instrumentes heimlicher Informations-

beschaffung unverzüglich und ersatzlos zu verzichten. In

der Aufgabenerfüllung einer verfassungstreuen Verwal-

tung ist nach unserer Überzeugung unter dem Grundge-

setz für den Einsatz von Vertrauens- und Gewährsperso-
7468) Gabaldo, Protokoll-Nr. 68.

7469) Vgl. BT-Drs. 17/4400, Abschlussbericht des 2. PUA, S. 220.

nen keinerlei Platz. Demgemäß fordert die Fraktion DIE

LINKE eine unverzügliche und vollständige Abschaltung

aller V-Leute und Gewährspersonen der Verfassungs-

schutzes sowie der Staatsschutzabteilungen der Polizeien

des Bundes und der Länder und ein gesetzliches Verbot

ihres Einsatzes.

c) Sorgfaltswidrige Führung, Anweisung und
Überwachung von V-Leuten sowie Zure-
chenbarkeit ihres Wissensaufkommens
und Verhaltens zum Verfassungsschutz

Strukturell angelegt in diesem Instrument heimlicher

Informationsgewinnung als solcher ist nach Ansicht der

Fraktion DIE LINKE indes nicht nur die ständige, zumin-

dest abstrakte Gefahr, dass der Verfassungsschutz Infor-

mationen, die er von seinen Vertrauenspersonen und

Gewährspersonen erhalten hat, nicht an die Ermittlungs-

behörden weitergibt. Es ist überdies davon auszugehen,

dass auch Wissen, welches Vertrauens- und Gewährsper-

sonen bei der Erfüllung ihres Auftrages erlangen, aber

nicht an die Verfassungsschutzbehörden, für die sie tätig

sind, weitergeben, ebenso wie ihr Verhalten bei der Erfül-

lung ihres Auftrages rechtlich als Wissen und Verhalten

staatlicher Stellen der Bundesrepublik anzusehen ist.
7470

Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder

müssen sich das gesamte Verhalten ihrer Vertrauens- und

Gewährspersonen im Rahmen der Erfüllung ihres Dienst-

auftrages und das daraus erlangte Wissen als eigenes

zurechnen lassen. Davon betroffen ist nicht nur rechtmä-

ßiges Verhalten von V-Leuten und dadurch erlangtes

Wissen. Nach den durch Art. 34 des Grundgesetzes im

Verfassungsrang stehenden Grundsätzen der Amtshaftung

gilt dies vielmehr auch, wenn „jemand in Ausübung eines
ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Drit-

ten gegenüber obliegende Amtspflicht“ verletzt. Auch
dann trifft nach Art. 34 Satz 1 GG „die Verantwortlichkeit
grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren

Dienst er steht.“ Lässt

„der Staat eine ihm übertragene Tätigkeit durch
[...] Personen ausführen [...], die nicht von ihm [...]

in ein Dienstverhältnis berufen sind, nehmen [die-

se] jene staatlichen Tätigkeiten nicht von sich aus

wahr, sondern werden vom Staat aus eigens dazu

berufen. [...] Dementsprechend nehmen die Dritten

diese Tätigkeit auch nicht als eigene wahr, sondern

stets als vom Staat abgeleitete, die für den Staat

durchgeführt wird. Sie handeln demnach nicht als

Private, sondern im Auftrag und im Namen des

Staates. Das ist unabhängig davon, ob die jeweili-

ge Tätigkeit offen oder verdeckt durchgeführt

wird. [...] Diese Grundsätze gelten unabhängig da-

von, wem der Staat die Aufgabenerfüllung zu-

weist. [...] Ist [...] die Erfüllung einer Aufgabe an

einen ungeeigneten Privaten delegiert worden, so
7470) Ebenso Gusy, Rechtsstellung und Betätigung von V-Leuten der

Nachrichtendienste, in: Recht im Amt – Zeitschrift für den öf-
fentlichen Dienst 1982, S. 101, 102 m. w. N.

Drucksache 17/14600 – 1006 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ist der Staat verpflichtet, dafür einzutreten. Durch

die [...] Heranziehung untauglicher Personen kann

er weder den Umfang seiner Rechtsbindung noch

seine Haftung verkürzen. [...] Gerade wenn der

Staat die Vornahme eigener Tätigkeiten ungeeig-

neten oder unzuverlässigen Personen überträgt, so

ist er für die dadurch geschaffene Möglichkeit von

Rechtsverletzungen selbst verantwortlich. Das gilt

umso mehr, als ihm zugleich das Recht und Pflicht

zur hinreichenden Ausbildung, Führung, Anwei-

sung und Überwachung solcher Personen zu-

kommt. Demzufolge ist die Observation zum

Zweck des Verfassungsschutzes stets eine staatli-

che Tätigkeit, unabhängig davon, in welcher

Rechtsbeziehung die natürlichen Personen, welche

die Tätigkeit vornehmen, zum Staat stehen.“7471

Vertrauens- und Gewährspersonen der Nachrichtendienste

sind zwar keine „Beliehenen“7472, nehmen Verwaltungs-
aufgaben also nicht im eigenen Namen selbständig

wahr.
7473

Ihre Arbeitsbeziehung zum Nachrichtendienst

ist privatrechtlich ausgestaltet. Diese arbeitsvertragliche

Grundlage der Beziehung ist aber unerheblich dafür, was

sich Nachrichtendienste, insbesondere Verfas-

sungsschutzbehörden, zurechnen lassen müssen, wenn sie

V-Leute oder Gewährspersonen als Instrument geheimer

Informationsbeschaffung einsetzen.
Entscheidend ist

insofern allein, dass der Einsatz von Vertrauens- bzw.

Gewährspersonen durch die Verfassungsschutzbehörden

aufgrund einer Bestellung zur Mitarbeit und Verpflich-

tung zur Geheimhaltung nach dem Verpflichtungsgesetz

des Bundes
7474

, also in öffentlichem Auftrag, zur Erfül-

lung einer staatlichen Aufgabe erfolgt: Die in § 2

BVerfSchG geregelte gesetzliche Aufgabe, zu deren Er-

füllung Vertrauenspersonen durch das von ihnen generier-

te Informationsaufkommen beitragen, ist zweifellos eine

staatliche Aufgabe.
7475

Der Einsatz von Vertrauens- und Gewährspersonen in § 8

Abs. 2 BVerfSchG wird zusammen mit anderen Gegen-

ständen, Methoden und Instrumenten heimlicher Informa-

tionsbeschaffung genannt, die hoheitliche Befugnisse

sind. Sind aber die übrigen, in § 8 Abs. 2 BVerfSchG

genannten nachrichtendienstlichen Instrumente und Me-

thoden wie Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen,

Tarnpapiere und Tarnkennzeichen eindeutig hoheitliche

Maßnahmen zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung, so

müsste sich der Einsatz von Vertrauens- und Gewährsper-

sonen von jenen schon signifikant unterscheiden, um ihn

von einer Qualifizierung als hoheitliche Maßnahme im
7471) Gusy, aaO., S. 102.

7472) BVerwG 6 A 5/09 v. 26.05.2010, DVBl 2010, 1037 f.

7473) Gusy, aaO., S. 101, 102.

7474) Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages,
Ausarbeitung „zum Einsatz von V-Leuten beim Verfassungs-
schutz und der Polizei“, Reg.-Nr. WF III-174/93, S. 14: „An-
ders als bei der Polizei werden V-Leute beim Verfassungs-
schutz offenbar regelmäßig nach dem Verpflichtungsgesetz zur

Mitarbeit und Geheimhaltung verpflichtet.“

7475) Gusy, aaO., S. 101, 102 m. w. N.

Rahmen und zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung

ausnehmen zu können. Dagegen spricht, dass der Einsatz

von Vertrauens- und Gewährspersonen nach Funktion und

Wirkungsweise die Eigenschaften einer Observation mit

denen von Abhörmaßnahmen kombiniert.

Beim Einsatz von V-Leuten und Gewährspersonen han-

delt sich damit um eine Art menschlichen Lauschangriff.

Da dieser genauso intensiv in die Grundrechte der betrof-

fen Bürgerinnen und Bürger eingreift wie die anderen, in

§ 8 Abs. 2 BVerfSchG aufgezählten nachrichtendienstli-

chen Instrumente und Methoden
7476

, muss sich der Ver-

fassungsschutz das Wissen und Verhalten, dass V-Leute,

die von ihm zur Mitarbeit und Geheimhaltung verpflichtet

worden sind, im Rahmen heimlicher Informationsbeschaf-

fung nach § 8 Abs. 2 BVerfSchG erlangen bzw. an den

Tag legen, auch genauso uneingeschränkt zurechnen

lassen wie das Informationsaufkommen, aber auch etwai-

ge Rechtsgutverletzungen, die mit Abhörmaßnahmen und

Observationen verbunden sind.

In den vom Ausschuss festgestellten Fällen der Auswahl

untauglicher, ungeeigneter oder unzuverlässiger Personen

als V-Leute haben die Verfassungsschutzbehörden ihre

Pflicht zur Heranziehung ausschließlich geeigneter Perso-

nen verletzt, in den Fällen rechtswidriger Handlungen von

V-Leuten überdies gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen

Führung, Anweisung und Überwachung solcher Personen

verstoßen.
7477

d) Verstoß gegen wechselseitige Unterrich-
tungs- und Übermittlungspflichten nach
BVerfSchG und MAD-G

Nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE ist insbe-

sondere das Landesamt für Verfassungsschutz des Frei-

staats Thüringen in einer Vielzahl von Fällen ihren Über-

mittlungs- und Unterrichtungspflichten aus dem „Gesetz
über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in

Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das

Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BVerfSchG) nicht
nachgekommen. Für das LfV Brandenburg trifft das im

Zusammenhang der Meldung der VP Piatto ebenfalls zu.

Das BVerfSchG verpflichtet die Verfassungsschutzbehör-

den des Bundes und der Länder in § 1 Abs. 2 allgemein,

„in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammen-
zuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht [laut § 1 Abs. 3]

auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung.“
Aus der Pflicht zu gegenseitiger Unterstützung und Hilfe-

leistung erwachsen allen Behörden des Verfassungs-

schutzverbundes von Bund und Ländern konkrete Über-

mittlungs- und Unterrichtungspflichten nach § 5

BVerfSchG. Die Landesbehörden für Verfassungsschutz

sind nach § 5 BVerfSchG verpflichtet, die von ihnen zur

Erfüllung ihrer Aufgaben gesammelten Informationen,

Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen dem Bundesamt

für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Ver-
7476) Vgl. Schlink, Das nachrichtendienstliche Mittel, NJW 1980,

552 ff.

7477) Gusy, aaO., S. 101, 102 m. w. N.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1007 – Drucksache 17/14600

fassungsschutz zu übermitteln, soweit es für deren Aufga-

benerfüllung erforderlich ist (Abs. 1). Eine Koordinie-

rungsrichtlinie konkretisiert die Verpflichtungen verwal-

tungsintern.
7478

Für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) wird im

MAD-Gesetz in ähnlich lautenden Formulierungen die

Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Verfas-

sungsschutzbehörden geregelt. §3 Abs.1 Satz 2 MAD-G

lautet wortgleich, dass „die Zusammenarbeit […] auch in
gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung (besteht)“.
In § 11 MAD-G wird auf die Übermittlungsregeln und

pflichten des Bundesverfassungsschutzgesetzes

(BVerfSchG) an Staatsanwaltschaften und Polizeibehör-

den verwiesen, die für den MAD gleichermaßen gelten.

Im Rahmen der Operation Rennsteig erhielt der MAD

auch Quellenmeldungen, in denen von schweren Strafta-

ten wie beispielsweise gefährliche Körperverletzung ge-

gen Obdachlose, Punks und Migranten berichtet wurde.

Dennoch informierte der MAD in keinem Fall die zustän-

digen Strafverfolgungsbehörden. Auf entsprechende

Nachfrage im Ausschuss erklärte der Zeuge Huth vom

MAD, im Rahmen der Operation Rennsteig sei eine In-

formationsübermittlung an das LfV Thüringen und das

BfV vereinbart worden, der MAD sei nur in ganz seltenen

Fällen selbst an Polizei und Staatsanwaltschaft herange-

treten.
7479

e) Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des
Bundes nach Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG
bei der Ausführung des Bundesverfas-
sungsschutzgesetzes

Angesichts offenkundiger struktureller Missstände bei der

Beachtung von Unterrichtungs- und Übermittlungspflich-

ten im Verfassungsschutzverbund des Bundes und der

Länder ist nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE

ferner zu konstatieren, dass die Bundesregierung ihre

grundgesetzliche Pflicht aus Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG

„die Aufsicht darüber aus[zuüben], dass die Länder die
Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen“,
vernachlässigt hat. Möglichkeiten, die das Grundgesetz

der Bundesregierung in Artikel 84 Abs. 3 Satz 2 GG

(„Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke
Beauftragte zu den obersten Landesbehörden ent-

senden mit deren Zustimmung und falls diese Zu-

stimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bun-

desrates auch zu den nachgeordneten Behörden“)

und Abs. 4 und 5
7480

zur Verfügung stellt, um auf eine

gesetzeskonforme Arbeit der Verfassungsschutzbehörden
7478) Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungsschutz

gemäß Beschluss der Innenministerkonferenz vom 26. Novem-
ber 1993 (Koordinierungsrichtlinie KR). Zuletzt geändert mit

Umlaufbeschluss der IMK vom 06.12.2011.

7479) Huth, Protokoll-Nr. 39, S. 33f.

7480) Diese beiden Absätze verschärfen die Möglichkeiten der Bun-

desregierung, Rechtsverletzungen in einem Bundesland feststel-

len zu lassen (Abs.4) und ggf. sogar auf Grundlage eines Bun-

der Länder hinzuwirken, blieben ungenutzt. Obwohl die

eklatanten Missstände zumindest bei einem bestimmten

Landesamt für Verfassungsschutz den politischen Ve-

rantwortungsträgern in Bund und Ländern seinerzeit be-

kannt gewesen sein mussten und in der Runde der IMK

auch durchaus bekannt waren, wie die Aussage des dama-

ligen bayerischen Innenministers, Dr. Günter Beckstein

belegt: Auf die Frage, wie sie die Zusammenarbeit mit

dem Thüringer Verfassungsschutz in seiner Zeit als Baye-

rischer Innenminister eingeschätzt hätten, antwortete der

Zeuge Dr. Günther Beckstein:

„in sehr zurückhaltender Weise [...], dass [sie]
Thüringen nicht als Marktführer in diesem Bereich

der Qualität der Verwaltungsarbeit angesehen“
hätten. „Aber man hat sich da extrem zurückgehal-
ten, allenfalls in informellen Gesprächen hat man

da Kritik geübt, allenfalls; in der Regel - - Es dürf-

te aber normalerweise die eigentliche sachliche

Zusammenarbeit darunter nicht leiden.“7481

2. Rechtswidriger Umgang mit Akten zum
Rechtsextremismus durch Bundes- und
Landesbehörden nach dem 4.11.2011

Schließlich war auch der Umgang einzelner Sicherheits-

behörden des Bundes und der Länder mit Akten aus dem

Bereich Rechtsextremismus nach dem 4.11.2011 zur

Überzeugung der Fraktion DIE LINKE rechts- bzw. ver-

fassungswidrig. Dies gilt namentlich für das BfV, den

MAD und Berliner Landesbehörden.

a) Rechtswidrige Aktenvernichtungen nach
dem 4.11.2011 beim BfV und Aufsichtsver-
säumnisse des BMI insoweit

Der Umgang des Bundesamts für Verfassungsschutz

(BfV) mit Akten, die personenbezogene Daten enthalten,

war nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE nicht

etwa nur „nicht sauber“7482 und „beklagenswert“7483, son-
dern auch rechtswidrig.

aa) Keine Gewissheit über fehlende NSU-
Bezüge in den nach dem 4.11.2011 beim
BfV vernichteten Akten und Vernich-
tungsmotive

Zunächst ist zu betonen, dass die anfängliche Darstellung

des BMI, die Inhalte der vernichteten Beschaffungsakten

zur Operation „Rennsteig“ sowie weiterer Akten zum
Rechtsextremismus hätten sich so weit rekonstruieren

lassen, dass ein Zusammenhang mit dem NSU-Komplex

weitestgehend ausgeschlossen werden könne, so nicht

zutrifft. Der Sonderbeauftragte des BMI, MinDirig Engel-
desgesetzes Einzelanweisungen an die obersten Landesbehör-

den zu richten, im Dringlichkeitsfall auch direkt zu erteilen.

7481) Dr. Beckstein, Protokoll-Nr. 17, S. 138.

7482) Engelke, Protokoll-Nr. 34, S. 101.

7483) Ebd., S. 101.

Drucksache 17/14600 – 1008 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ke, hat selbst einräumen müssen, dass von den vernichte-

ten Personen- und Sachakten der Beschaffung zur Opera-

tion „Rennsteig“ sowie weiteren Fällen lediglich ein Teil
rekonstruiert werden konnte – und dies zudem teilweise
nur noch partiell. Angesichts dessen kann nicht mit letzter

Gewissheit festgestellt werden, dass sich in den nicht

mehr rekonstruierbaren Akten des BfV, die nach dem 4.

November 2011 vernichtet wurden, keinerlei NSU-

Bezüge befunden haben. Diese Aussage stützt sich auch

auf die Feststellung, dass die V-Personen, zu denen die

Aktenvernichtung durchgeführt wurde, überwiegend

Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes waren, teilweise

durch militante Aktionen in Erscheinung getreten waren

und zumindest in Person des V-Mann Tarif über gute

Kontakte zur bundesweiten Neonaziszene verfügten.

Auch der Darstellung des BfV
7484

, aus den Vernichtungs-

anordnungen gehe hervor, dass keine Sachverhalte mit

Bezug zum NSU betroffen gewesen seien, widerspricht

die Fraktion DIE LINKE ausdrücklich. Der Sonderbeauf-

tragte des BMI, MinDirig Engelke, hat eingeräumt, dass

mehrere der G 10-Maßnahmen, zu denen die Anlagenord-

ner nach dem 4. November 2011 vernichtet wurden, Per-

sonen betrafen, die zum Umfeld des NSU gehörten. Zwei-

felsfrei war dies bei den Maßnahmen AO 774 und AO

775 der Fall. Öffentlichen Mutmaßungen, bei den Ver-

nichtungen von Akten zu G 10-Maßnahmen könne es sich

um gezielte Aktionen zur nachträglichen Vertuschung

seinerzeit übersehener konkreter Hinweise auf den NSU

gehandelt haben, ist das BMI mit dem Argument entge-

gen getreten, die weiterhin vorhandenen Antragsbegrün-

dungen entkräfteten solche Spekulationen. Diese Argu-

mentation überzeugt nicht: Entweder könnte das der An-

tragsbegründung auf G 10-Maßnahmen als Anlage beige-

fügte Beweismaterial weitere, für die Ermittlungen der

Sicherheitsbehörden zum NSU-Komplex nach dem 4.

November 2011 relevante Informationen enthalten haben,

deren Relevanz seinerzeit jedoch nicht erkannt worden

war. Dann würden Ausführungen dazu naturgemäß auch

nicht in der Begründung des Antrags auf Anordnung der

G 10-Maßnahme auftauchen. Oder dieselbe Tatsache, die

in der Antragsbegründung zwar als solche benannt wird,

weil sie aus Sicht der Antragsteller geeignet war, das

Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Anord-

nung einer G 10-Maßnahme nachzuweisen, könnte im

Lichte des inzwischen Bekannten auch Bedeutung für den

NSU-Komplex erlangt haben. Angesichts dessen verbietet

es sich, vom Inhalt der noch vorhandenen Antragsbegrün-

dungen der G 10-Maßnahmen zurück zu schließen auf

den Inhalt des noch nach Bekanntwerden der Taten des

NSU vernichteten Beweismaterials und die Motive, die

die daran beteiligten Personen zur Vernichtung veranlasst

haben könnten.
7484) Bericht des BfV vom 16. Juli 2012, MAT B BfV-4 (Tgb.-Nr.

44/12 - GEHEIM), hier Anschreiben S. 1 (offen).

bb) Anlagenordner zu Anträgen auf G 10-
Maßnahmen

Die Vernichtung von Anlagenordnern zu Anträgen des

BfV auf Anordnung von G 10-Maßnahmen in 26 Fällen,

die personenbezogene Daten aus dem Bereich Rechtsex-

tremismus enthielten, hätte vor dem 4. November 2011

längst erfolgt sein müssen, da die Voraussetzungen für

eine weitere Aufbewahrung nicht mehr vorlagen und eine

entsprechende Sammelanordnung des BMI zur Vernich-

tung mitunter bereits Jahre zuvor ergangen war. Hingegen

hätte sie ab Bekanntwerden des NSU wegen der völlig

veränderten Sach- und Rechtslage unbedingt unterbleiben

müssen. Mit Bekanntwerden des NSU verwandelte sich

nämlich die bis dahin bestehende Pflicht des aktenführen-

den BfV, die bei ihm noch vorhandenen Ordner zu G 10-

Maßnahmen zu vernichten, die dienstlich nicht mehr

erforderlich waren, für alle G 10-Akten zu Vorgängen

und Personen mit potentiellem NSU-Bezug in ihr Gegen-

teil: Statt weiterhin rechtlich geboten und faktisch über-

fällig zu sein, war eine Vernichtung dieser Akten zu

G 10-Maßnahmen nach § 4 G 10-Gesetz, wonach eine

weitere Aufbewahrung nach dem G 10-Gesetz erhobenen

Daten zu gewährleisten ist, wenn sie zur Übermittlung an

andere Stellen benötigt werden, nunmehr rechtswidrig,

weil der GBA und das BKA seither erkennbar ein berech-

tigtes Interesse an ihrer Übermittlung hatten. Die Vorge-

setzten der Beschäftigten des BfV, die mit der Vernich-

tung von Akten betraut waren, wären verpflichtet gewe-

sen, ihre Mitarbeiter darauf aufmerksam zu machen, sie

entsprechend anzuweisen und anzuleiten. Die Fraktion

DIE LINKE sieht darin, dass dies unterblieben ist, nicht

nur eine Pflichtverletzung der Vorgesetzten der Mitarbei-

ter, die mit der Vernichtung von Akten betraut waren,

sondern vor allem auch ein vorwerfbares Organisations-

verschulden des BfV: Die Leitung des BfV hätte ab Be-

kanntwerden des NSU konsequent dafür Sorge tragen

müssen, dass zur Vernichtung vorgesehene Unterlagen

aus dem Bereich Rechtsextremismus zuvor jeweils da-

raufhin durchgesehen werden, ob ihre Inhalte für die

Ermittlungen zum NSU relevant sein könnten. Dass dies

möglich gewesen wäre, zeigt nicht zuletzt die Vorge-

hensweise des BKA. Hier soll es bereits ab Februar 2012

ein solches Vernichtungsmoratorium gegeben haben.

Umstände und zeitlicher Ablauf der Vernichtung der

Anlagenordner zu Anträgen beim BMI auf Anordnung

von G 10-Maßnahmen durch das BfV nach dem 4. No-

vember 2011 sowie die Ausführungen des Zeugen Engel-

ke zur Handhabung der Bestimmungen des G 10-Gesetzes

zu den Aktenvernichtungen belegen ferner, dass das BMI

überdies in Bezug auf Aktenhaltung und -vernichtung

jahrelang seine Aufsichtsverantwortung gegenüber dem

BfV vernachlässigt hat. So wurde die Vernichtung auf

Erlasse des BMI gestützt, die zum Vernichtungszeitpunkt

teils Jahre zurücklagen. Nach den auf das G 10-Gesetz

gestützten Erlassen des BMI hätten die Unterlagen längst

vor dem 4. November 2011 vernichtet sein müssen. Die

Erklärung des Zeugen Engelke, der lange Zeitraum, der

offenbar regelmäßig zwischen Vernichtungsanordnungen

des BMI und deren Vollzug durch das BfV verstreicht, sei

darauf zurückzuführen, dass im BfV die Bestätigung über

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1009 – Drucksache 17/14600

die Vernichtung von Ergebnissen der G 10-Maßnahme,

die anderen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung

gestellt worden sind, abgewartet werden müsse, überzeugt

nicht. Denn auch in Fällen, in denen eine solche Bestäti-

gung längst vorlag, ist die fällige Vernichtung oftmals

unterblieben. Der Zeitraum von mehreren Jahren zwi-

schen Anordnung und Vollzug der Vernichtung von Ak-

ten zu G 10-Maßnahmen dokumentiert vielmehr ein

strukturelles Vollzugsdefizit bei der Umsetzung von An-

ordnungen des BMI durch das nachgeordnete BfV. Das

BMI wiederum hat es jahrelang versäumt, Sorge zu tragen

für einen konsequenten Vollzug seiner Anordnungen.

cc) Beschaffungsakten zur Operation Renn-
steig u. a.

Auch die Vernichtung von Beschaffungsakten des BfV

zur Operation „Rennsteig“ nach dem 4. November 2011
war nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE nicht

einfach nur beklagenswert, sondern auch rechtswidrig.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informations-

freiheit (BdfI) Schaar kritisiert seit Langem, dass es für

Aktenvernichtungen an einer klaren und hinreichend

bestimmten gesetzlichen Rechtsgrundlage fehle: Während

§ 12 BVerfSchG lediglich den Umgang mit „Daten in
Dateien“ regele, enthalte § 13 BVerfSchG, der nach dem
Willen des Gesetzgebers den Umgang mit personenbezo-

genen Daten in Akten abschließend regele, gerade keine

Bestimmung zu Voraussetzungen und Verfahren der

Vernichtung von Akten mit personenbezogenen Daten.

Stellt das BfV im Einzelfall fest, dass sich in Akten per-

sonenbezogene Daten befinden, die für seine künftige

Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind, so hat es

diese Akten nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG nicht

etwa zu vernichten, sondern, wenn ohne die Sperrung

schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt

würden, zu sperren. Sehe § 13 BVerfSchG als Instrument

des Datenschutzes ausschließlich eine Sperrung vor, so

könne er laut Bundesdatenschutzbeauftragtem aber nicht

als gesetzliche Rechtsgrundlage, derer es für die Recht-

mäßigkeit einer Vernichtung von Akteninhalten mit per-

sonenbezogenen Daten bedarf, fungieren. Eine analoge

Anwendung für Vernichtungen scheitere daran, dass die

Sperrung einer Akte weniger schwerwiegend ist als ihre

Vernichtung. Während eine Sperrung die Möglichkeit

einer späteren Entsperrung offen lässt (vgl. § 12 Abs. 2

Satz 3 BVerfSchG), ist die Vernichtung einer Akte natur-

gemäß endgültig.
7485

Insofern BMI und BfV die vorhan-
7485) Im Übrigen wären die beim BfV nach dem 4. November 2011

erfolgten Aktenvernichtungen zur Operation „Rennsteig“ selbst
dann rechtswidrig gewesen, wenn sich § 12 Abs. 2 Satz 1

BVerfSchG analog für die Vernichtung personenbezogener Da-
ten in Akten heranziehen ließe, da dessen Voraussetzungen in

den betreffenden Fällen gar nicht erfüllt waren: Da die Hauslei-

tung des BfV unmittelbar nach dem 4. November 2011 ange-
ordnet hatte, alle zum NSU vorhandenen Informationen zu-

sammenzustellen, waren Akten, bei denen nicht von vornherein

ausgeschlossen ist, dass ihr Inhalt in einem sachlichen Zusam-
menhang mit den Ermittlungen zum NSU und dessen Taten

stehen könnte, wieder objektiv erforderlich für die Aufgabener-

füllung des BfV. Immer wenn mit der Aktenhaltung und -pflege

denen Rechtsgrundlagen unter Verweis auf ergänzende

Dienstvorschriften (DV) für ausreichend erachten, ist dem

entgegen zu halten, dass von den im Ausschuss problema-

tisierten Vernichtungen auch prozessrelevante Grundrech-

te der durch diese Taten Geschädigten und ihrer Angehö-

rigen berührt sind. Angesichts dieser Grundrechtsrelevanz

ist eine klare und hinreichend bestimmte gesetzliche Re-

gelung unverzichtbare Voraussetzung für die Rechtmä-

ßigkeit von Aktenvernichtungen – untergesetzliche
Dienstvorschriften vermögen das Fehlen einer solchen

gesetzlichen Regelung nicht zu kompensieren.

Dem BMI sind in Bezug auf den Umgang mit Akten im

BfV im Allgemeinen und Aktenvernichtungen nach dem

4. November 2011 im Besonderen gravierende Versäum-

nisse bei der Ausübung seiner Aufsichtsverantwortung

über das BfV vorzuwerfen. Angesichts fehlender eindeu-

tiger gesetzlicher Regelungen zu den Voraussetzungen

und Verfahren, unter denen im BfV Akten mit personen-

bezogenen Daten vernichtet werden dürfen bzw. müssen,

hätte das BMI längst vor dem 4. November 2011 geeigne-

te aufsichtsbehördliche Vorkehrungen und Maßnahmen

ergreifen müssen, um ständig drohenden Missverständnis-

sen und Fehlern bei der Aktenhaltung, -pflege und -

vernichtung vorzubeugen. Dies ist unterblieben, obwohl

aufgrund der Kontroverse mit dem Bundesbeauftragten

für Datenschutz und Informationsfreiheit Schaar im BMI

seit Langem bekannt war, dass es bei den Beschäftigten

im BfV infolge des Fehlens einer klaren und eindeutigen

Rechtsgrundlage für die Vernichtung von Akten Verunsi-

cherung darüber geben muss, wann und unter welchen

Voraussetzungen Akten vernichtet werden dürfen.

Auch im November 2011 hat das BMI zunächst lediglich

angeordnet, alle für den NSU-Komplex relevanten Unter-

lagen zusammenzustellen. Ein eigenes Vernichtungsmo-

ratorium für alle Akten zu Vorgängen und Personen aus

dem Bereich Rechtsextremismus wurde vom BMI erst am

18. Juli 2012 verfügt – mithin erst, nachdem das nachge-
ordnete BfV bereits von sich aus am 4. Juli 2012 einen

entsprechenden Vernichtungsstopp verhängt hatte. Ergeht

eine aufsichtsbehördliche Maßnahme des BMI aber erst

Monate, nachdem die Umstände und die Notwendigkeit,

ein solches Moratorium anzuordnen, eingetreten sind, und

noch dazu im Nachgang zu einer entsprechenden Anord-

nung der nachgeordneten Behörde, so dokumentiert sich

darin ein weiteres Versäumnis bei der Ausübung der

Aufsichtsverantwortung des BMI über das BfV.

Schließlich hat das BMI mit dem verspätet angeordneten

Vernichtungsstopp und der verzögerten Mitteilung über

die beim BfV nach dem 4. November 2011 erfolgten

Aktenvernichtungen zum Rechtsextremismus auch ver-

fassungsrechtliche Verpflichtungen der Bundesregierung

gegenüber dem Untersuchungsausschuss aus Art. 44 GG
betraute Beschäftigte seither bei ihrer Prüfung, ob Akten aus

dem Bereich Rechtsextremismus zu vernichten sind, Zweifel

hatten oder auch nur hätten haben müssen, hätten mithin nach
§ 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG analog i.V.m. der Anordnung

der Hausleitung die betreffenden Akten bis auf Weiteres nicht

vernichtet werden dürfen.

Drucksache 17/14600 – 1010 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

i.V.m. § 18 PUAG missachtet: Spätestens ab Einsetzung

des Untersuchungsausschusses Ende Januar 2012 hätte

das BMI mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln

dafür sorgen müssen, dass für den Untersuchungsaus-

schuss potentiell relevantes Beweismaterial aus seinem

Geschäftsbereich nicht durch Löschung oder Vernichtung

der Beweisaufnahme des Ausschusses entzogen wird.

Auch wäre das BMI verpflichtet gewesen, den Ausschuss

unverzüglich über die Verluste für den Untersuchungsauf-

trag relevanter Akten zu informieren. Tatsächlich hat es

den Ausschuss aber erst am 16. Juli 2012 über die Ver-

nichtung der Anlagenordner zu Anträgen auf Anordnung

von G 10-Maßnahmen unterrichtet. Damals lagen die

umfangreichen Vernichtungen von Akten mit potenziel-

lem Bezug zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses

teilweise bereits Monate zurück. Angesichts dessen kann

von einer uneingeschränkten Aufklärung und einer Unter-

stützung des Untersuchungsausschusses durch die Bun-

desregierung, wie sie Bundeskanzlerin Dr. Merkel zuge-

sagt hat, nicht die Rede sein.

b) Vernichtung von Akten beim MAD

Auch der Umgang des Bundesamts für den militärischen

Abschirmdienst (MAD) mit Daten und Akten aus dem

Bereich Rechtsextremismus war zu lange von mangelnder

Sachkenntnis der Zusammenhänge, in denen sich das

NSU-Kerntrio und sein Umfeld bewegt haben, gekenn-

zeichnet. Das Bundesministerium der Verteidigung

(BMVg) hat es lange Zeit versäumt, den MAD für die

erhöhten Sorgfaltspflichten aus Art. 44 GG i. V. m. § 18

PUAG bei der Haltung und Vernichtung von Akten zum

Bereich Rechtsextremismus zu sensibilisieren, die seit

Einsetzung des Untersuchungsausschusses bestanden:

MAD und BMVg wären spätestens seit Einsetzung des

Untersuchungsausschusses Ende Januar 2012 verpflichtet

gewesen, sich laufend darüber zu informieren, ob und

inwiefern der Verlauf der Ermittlungen zum NSU zu einer

Erweiterung des Sach- und Personenspektrums zwingt,

bei dem ein Bezug zum NSU-Komplex nicht auszuschlie-

ßen ist. Dass dies unterblieben ist, belegt die Vernichtung

von Akten aus dem Bereich Rechtsextremismus, bei de-

nen ein Bezug zum NSU nicht ausgeschlossen werden

konnte, beim MAD noch im Frühjahr 2012. Ein generel-

les Vernichtungsmoratorium für alle Akten zum Rechts-

extremismus erging erst auf ausdrückliche Aufforderung

des Ausschussvorsitzenden hin am 19. Juli 2012.

c) Vernichtung von Akten bei Berliner Behör-
den

Vergleichbare Vorwürfe sind nach Überzeugung der

Fraktion DIE LINKE gegen den Berliner Senat zu erhe-

ben. Die Vernichtung von Daten und Akten nach dem 4.

November 2011, die möglicherweise relevant gewesen

wären für die Ermittlungen zum NSU-Komplex, ist nach

Überzeugung der Fraktion DIE LINKE auch in Berlin

darauf zurückzuführen, dass sich die Angehörigen der

fachlich zuständigen Berliner Behörden bis weit in das

Jahr 2012 nicht intensiv genug mit dem Untersuchungs-

gegenstand auseinandergesetzt haben. Die Folge war eine

völlig inakzeptable Unkenntnis der Zusammenhänge, in

denen sich das NSU-Kerntrio und sein Umfeld bewegt

haben. Auch der Berliner Senat hat es offenbar pflicht-

widrig versäumt, seine Behörden mit Blick auf die erhöh-

ten Sorgfaltspflichten aus Art. 44 GG i. V. m. § 18 PUAG

bei Aktenhaltung und -vernichtung rechtzeitig für den

Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses zu

sensibilisieren und dazu anzuhalten, sich laufend über den

aktuellen Stand der Ermittlungen zum NSU-Komplex zu

informieren. Anders lässt sich kaum erklären, weshalb in

Berlin noch Ende Juni 2012 unter tätiger Mithilfe des

fachlich für Rechtsextremismus zuständigen Referatslei-

ters Aktenmaterial mit Bezug zum NSU-Komplex ver-

nichtet werden konnte.

VI. Schlussfolgerungen und Reformvorschlä-
ge der Fraktion DIE LINKE für eine Sicher-
heitsarchitektur nach der Selbstenttarnung
des NSU

1. Vorab: Die Reaktionen und Maßnahmen
der Sicherheitsbehörden und verantwortli-
chen Innenpolitiker seit dem 4.11.2011:
Falsche Signale zur falschen Zeit

Wohl noch keiner der bisherigen parlamentarischen

Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag hat

die deutschen Sicherheitsbehörden und ihre Arbeit derart

umfassend, detailliert und kritisch untersucht wie der 2.

Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum „Natio-
nalsozialistischen Untergrund“. Genau so richtig ist aber
auch die Feststellung, dass nie zuvor entschlossener vor

Abschluss einer Untersuchung durch Sofortmaßnahmen,

die mit dem Gang der Untersuchungen nichts zu tun hat-

ten, Regierung und betroffene Behörden vorab die engen

Grenzen für Schlussfolgerungen aus den intensiven Un-

tersuchungen definiert haben. Dabei belegt schon die

Geschwindigkeit, mit der ab November 2011 Maßnah-

menkataloge vorgelegt und in Teilen umgesetzt wurden,

dass es im Kern keine Folgerungen aus der Aufarbeitung

und Analyse des NSU-Debakels der Sicherheitsbehörden

sein konnten. Denn schließlich begann diese Aufarbeitung

erst systematisch ab Februar 2012 mit der Einsetzung des

Untersuchungsausschusses. Für die Arbeit und die

Schlussfolgerungen des Untersuchungsausschusses selbst

hatte dieses Vorgehen der Innenpolitiker und Spitzen der

Geheimdienste sowie des BKA vor allem die Konse-

quenz, dass weniger die Gründe für mögliche Missach-

tung, Umgehung, Fehlinterpretation vorhandener und

geltender Gesetze, Verordnungen, Richtlinien oder aber

deren korrekte, aber erfolglose Anwendung konkret un-

tersucht, als vielmehr pauschal vor allem das Fehlen ge-

setzlicher und technisch-organisatorischer Voraussetzun-

gen zum Informationsaustausch und zur Kooperation der

Sicherheitsbehörden als Ursache des sicherheitspoliti-

schen Debakels behauptet wurde.
7486
7486) Exemplarisch hierfür steht die Aussage von Bundesinnenminis-

ter Friedrich gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1011 – Drucksache 17/14600

Es gab im Untersuchungsausschuss keine Phase, in der

sämtliche geltenden gesetzlichen Bestimmungen, Verord-

nungen und Richtlinien zur gegenseitigen Unterrichtung

von Polizei und Nachrichtendiensten in Bund und Län-

dern zusammengestellt und vor diesem Hintergrund die

Praxis der Behörden und ihr Zusammenwirken im Unter-

suchungszeitraum untersucht worden wäre. Es gab keine

Analyse des Phänomens, dass es im Untersuchungszeit-

raum eine ganze Reihe von Kooperationsgremien
7487

der

Sicherheitsbehörden, von gemeinsamen Datenbanken und

Dateien
7488

und behördenübergreifende Projekte im Be-
im November 2011: „Um (aus der Tatsache, dass es nur 13 Er-
mittlungsverfahren in den letzten zehn Jahren gegen Rechtster-

rorismus, aber 700 gegen Linksterrorismus gegeben hat)
Schlussfolgerungen zu ziehen, müssen wir natürlich analysie-

ren, wo etwaige Defizite waren. Aber für mich ist die entschei-

dende Frage: Was passiert jetzt? Und da sage ich: Wir brauchen
eine stärkere Vernetzung der Informationen unter Nutzung aller

modernen technischen Möglichkeiten und dazu die Erweiterung

von Vorschriften, die uns effizienter machen im Kampf gegen
die rechtsextremistische und rechtsterroristische Szene…“ In:
Der Spiegel vom 21. November 2011, S. 47.

7487) Exemplarisch hierfür ist die „Informationsgruppe zur Beobach-
tung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer,

insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte (IGR)“ Sie wurde
1992 gegründet, existierte bis 2007 und wurde dann in die
„Koordinierungsgruppe Politisch-motivierte Kriminalität-rechts
(KG PMK-rechts)“ der IMK überführt. Vertreten waren alle
Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern, die Generalbun-
desanwaltschaft sowie das Bundesinnen- und justizministerium.

Im gesamten Zeitraum 1992-2007 waren ihre Aufgabe:„u. a.
die Behandlung folgender Themen:

Konzeptionelle Grundfragen der Zusammenarbeit,

Einheitliche Erfassungskriterien und Begriffsbestimmungen des

gewalttätigen Rechtsextremismus,

Intensivierung des Erkenntnisaustausches zwischen Verfas-

sungsschutz, Polizei und Justiz,

Analysen zur Sicherheitslage,

Beobachtungs- und Bekämpfungsinstrumentarien,

Regionale personen- und sachbezogene Beobachtungs- und Be-

kämpfungsschwerpunkte,

Taktische und operative Fragen,

Bündelung der Bekämpfungsressourcen,

Fortschreibung bestehender und Entwicklung neuer Beobach-

tungs- und Bekämpfungskonzepte.“ Siehe Kleine Anfragen der
Fraktion DIE LINKE. bzw. PDS-Linke Liste auf BT-
Drucksachen 12/7008 (1994), 16/11545 (2009), 17/7902

(2011), 17/8535 (2012).

7488) Zum Beispiel „Rechtsextremistische Kameradschaften“, eine
gemeinsame Projektdatei von BKA und BfV, siehe BT-Drs.

17/9002 oder die „Arbeitsgruppe Operativer Informationsaus-
tausch Rechtsextremismus (AG OIREX): Die AG OIREX ist
ein unter Geschäftsführung des BKA stehendes Gremium dem

neben BKA, BfV, MAD seit 2007 auch der GBA angehört. Das

BKA war durch das Bundesministerium des Innern im Septem-
ber 2003 um Einrichtung eines „operativen Informations- u.
Analyseboards Kameradschaften“, das anfangs AG OIK, später
dann AG OIREX genannt wurde, ersucht worden. Aufgabe der
AG OIREX ist u. a. die Auswertung aller zugänglichen Infor-

mationen mit dem konkreten Ziel der Umsetzung der gewonne-

nen Erkenntnisse in exekutive Maßnahmen. Hierdurch sollen
erkannte Strukturen bereits im Ansatz zerschlagen werden. Da-

bei ind die hohe Gewaltbereitschaft, die Affinität zu Waffen

und Sprengstoffen und vor allem die Bezüge zur Allgemein-
kriminalität zu berücksichtigen. Die Fachaufsicht über das das

Gremium geschäftsführend leitende BKA wird durch das Bun-

desministerium des Innern ausgeübt. Ihre bisherige Arbeit wird

reich Rechtsextremismus gab, die aber allesamt trotz

Vorliegens umfangreicher Informationen offensichtlich in

entscheidenden Punkten die Entwicklung nicht erfasst

oder falsch bewertet und interpretiert haben. Noch im

Jahre 2012 weigerte sich die Bundesregierung, Arbeits-

weise und Aktivitäten eines der zentralen, gegen Rechts-

extremismus und -terrorismus ins Leben gerufenen Koo-

perationsgremien – die „Informationsgruppe zur Be-
obachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer /

-terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewalt-

akte (IGR)“7489 – unter Verweis auf „evidente Geheimhal-
tungsbedürftigkeit“ öffentlich darzustellen. Nicht einmal
in der Geheimschutzstelle durften diese Informationen

abgelegt werden.
7490

So beeindruckend die Ergebnisse des Untersuchungsaus-

schusses sich einerseits auch darstellen, so wenig ergeb-

nisoffen konnte andererseits die Untersuchungsarbeit

selbst wirken. Die Frage nach systemischen oder struktu-

rellen Ursachen der Probleme der Sicherheitsbehörden

wurde noch vor Beginn der Ausschussarbeit durch das

BMI und die Sicherheitsbehörden selbst eingeengt auf die

Frage nach Stärkung, größeren Ressourcen und mehr

Befugnissen für die im Kern unantastbaren real existie-

renden Behörden. Kurzum: bevor im Untersuchungsaus-

schuss auch nur ein Blatt Papier umgedreht war, wurde

der gängige sicherheitspolitische Diskurs um mehr Infor-

mationsaustausch, frühere und längere Datenspeicherung,

Stärkung der Zentralinstanzen und neuen Zuständigkeiten

entwickelt und in wesentlichen Punkten vor Abschluss

der Ausschussarbeit umgesetzt.

a) Zentrale Maßnahmen nach dem 4.11.2011

Zum besseren Verständnis dieser Kritik und Schlussfolge-

rung sollen hier noch einmal die zentralen Sofortmaß-

nahmen der Sicherheitsbehörden dargestellt werden:

Schon wenige Tage nach dem mutmaßlichen Selbstmord

der NSU-Kader Mundlos und Böhnhardt am 4. November

2011 lag ein 10-Punkte-Programm des Bundesinnenmi-

nisteriums auf dem Tisch.
7491

Es wurde mit hoher Dring-

lichkeit („Bitte umgehend die Arbeitsaufträge … ange-
hen“) intern am 21. November 2011 verschickt und schon
am 12. Dezember 2011 wurden laut einer internen „Um-
setzung Maßnahmeplan“ erste Ergebnisse und eine Vor-
gabe zu weiteren konkreten Umsetzungen vorgelegt.

7492
Dieses Papier des BMI basierte auf folgenden Vorausset-

zungen:
hinsichtlich der Stärkung der behördenübergreifenden Zusam-

menarbeit als gut bewertet. Die Sitzungen der AG OIREX fin-
den lageangepasst, mindestens einmal pro Monat, statt. BT-Drs.

17/8535.

7489) s. Fußnote 7487.

7490) BT-Drs. 17/8535.

7491) MAT_A_BMI 5-0057, S.000007

7492) Ebd. S.000012.
Drucksache 17/14600 – 1012 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Auf V-Leute kann nicht verzichtet werden, sie blei-
ben unverzichtbare Informationsquellen.

7493
– Es hat an Erkenntnissen gefehlt, der allgemeine In-
formationsfluss zwischen den Sicherheitsbehörden,

also zwischen Polizei und Geheimdiensten einerseits

und zwischen Bundes- und Länderbehörden anderer-

seits, war und ist ungenügend geregelt
7494

.

– Die Zentralinstanzen, also das Bundeskriminalamt
(BKA) und vor allem das Bundesamt für Verfas-

sungsschutz (BfV) seien im Gefüge der Sicherheits-

architektur zu schwach und müssten gestärkt werden.

– Die Zuständigkeiten der Generalbundesanwaltschaft
(GBA) und ihre Möglichkeiten, Verfahren an sich zu

ziehen, seien zu gering.

– Für den Bereich Rechtsextremismus müssten ähnli-
che Instrumente geschaffen werden wie für den so-

genannten islamistischen internationalen Terroris-

mus, also ein Abwehrzentrum und eine Gemeinsame

Datei nach dem Vorbild des Gemeinsamen Anti-

Terrorismuszentrums (GTAZ) und der Anti-

Terrordatei.

Schon am 16. Dezember 2011 wurde nach dem Vorbild

des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ),

in dem alle etwa 40 Sicherheitsbehörden des Bundes und

der Länder gegen islamistischen Extremismus zusam-

menarbeiten, ein Gemeinsames Abwehrzentrum Rechts

(GAR) gegründet. Innerhalb weniger Wochen wurde dann

im Herbst 2012 dieses noch nicht einmal ein Jahr existie-

rende GAR – ganz im Sinne des von der schwarz-gelben
Bundesregierung vertretenen Extremismusansatzes – in
ein Gemeinsames Abwehrzentrum Extremismus und

Terrorismus (GETZ) überführt.

Am 6. Dezember 2011 hat auch das Bundeskriminalamt

die Chance ergriffen und erfolgreich die Umsetzung eines

seit Jahren wegen technischer und konzeptioneller

Schwierigkeiten ins Stocken geratenen Projekts mit Hilfe

des NSU-Schocks beschleunigt. Es handelt sich um die

Einführung des Polizeilichen Informations- und Analyse-

verbunds (PIAV). „Mit Blick auf das Ermittlungsverfah-
ren gegen die Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Un-
tergrund‘ (NSU)“ heißt es in der Beschlussvorlage zur
IMK-Sitzung im Dezember 2011, sei die „frühzeitige
7493) Interview mit Bundesinnenminister Friedrich in: Der Spiegel

vom 21. November 2011 (47), S. 29 ff.

7494) Der Untersuchungsausschuss hat eine Fülle an Beispielen

gehört, die zeigen, dass die vorhandenen gesetzlichen und un-
tergesetzlichen Vorschriften nicht beachtet oder ihre Ermessen-

spielräume regelmäßig im Sinne der Nichtweitergabe ausgelegt

wurden. Darauf verweist auch der ehemalige BND-Präsident
Hans-Jörg Geiger: „Im Bundesverfassungsschutzgesetz und
den analogen Landesgesetzen ist nicht nur geregelt, wie die

einzelnen Verfassungsschutzämter ihre Informationen teilen
müssen. Sondern auch, in welchem Umfang die Polizeibehör-

den einbezogen werden sollen. Das Problem … war nicht, dass
diese Bestimmungen nicht ausgereicht hätten. Das Problem
war, dass Informationen aus Geheimniskrämerei, Schludrigkei-

ten und anderen Gründen nicht weitergegeben wurden.“ (Süd-
deutsche Zeitung vom 25. April 2013)

Einführung … geboten“.7495 Eine weitere Überprüfung
des Projekts erfolgte nicht – damit konnte die sowieso
schon geplante Maßnahme schneller umgesetzt werden.

Ebenfalls noch Ende des Jahres 2011 wurde die „Richtli-
nie für die Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungs-

schutz“ (Koordinierungsrichtlinie) um einen Paragraphen
6b erweitert, der eine erste Stärkung des BfV gegenüber

den Ländern gebracht hat.

Eingerichtet wurde nach dem Vorbild der Anti-

Terrorismus-Datei auch eine gemeinsame Datei gegen

Rechtsextremismus (RED). Sie war/ ist Teil des 10-

Punkte-Plans, wurde im Laufe des Jahres 2012 durch die

parlamentarischen Verfahren gebracht und am 18. Sep-

tember 2012 freigeschaltet.

Parallel zu den sich steigernden erschreckenden Erkennt-

nissen des Untersuchungsausschusses über das Ausmaß

des Versagens und der sicherheitspolitischen Katastro-

phen auf allen Ebenen der Sicherheitsarchitektur, aber

letztendlich vollkommen unberührt von diesem Wissens-

und Erkenntniszuwachs
7496

, wurde der Rahmen für die

angeblichen Schlussfolgerungen weiter abgesteckt.

Im Herbst 2012 legt der Arbeitskreis IV der Konferenz

der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) einen

Beschluss zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes

vor. Unter anderem fordert der Arbeitskreis IV „Verfas-
sungsschutz“ bundeseinheitliche Standards für die Füh-
rung von V-Personen. Zu der im Untersuchungsausschuss

immer wieder als entscheidende Problematik aufgetauch-

ten Frage des Quellenschutzes aber findet sich kein Wort.

Immerhin wird dieses Thema durch die Bund-Länder-

Kommission-Rechtsterrorismus

(BLKR)

,7497
aufgegriffen,

die im Herbst 2012 einen zweiten Zwischenbericht mit

Vorschlägen zu Konsequenzen vorlegte. Die Antworten

sind allerdings mehr als unbefriedigend. Sie schreibt:

„Dem Schutzanspruch menschlicher Quellen vor
Offenbarung gegenüber den Strafverfolgungs- und

Gefahrenabwehrbehörden steht jedoch zum einen

die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende

Pflicht zur Gewährleistung einer effektiven Straf-

rechtspflege gegenüber. Zum anderen verlangen

dieselben Grundrechte, die den Staat zum Schutz

seiner menschlichen Quellen verpflichten, den

Schutz der Bevölkerung vor Gefahren für Leib,
7495) Beschlussvorlage für die 193. Sitzung der Ständigen Konferenz

der Innenminister und -senatoren der Länder am 08./09. De-
zember 2011 (Stand: 06.12.11)

7496) Die Rücktritte der verantwortlichen Behörden- bzw. Amtsleiter-

und leiterinnen – am 2. Juli 2012 BfV-Präsident Heinz Fromm,
am 3. Juli der Präsident des LfV Thüringen Thomas Sippel, am

11. Juli 2012 der Präsident des LfV Sachsen Reinhard Boos, am

13. September 2012 der Präsident des LfV Sachsen-Anhalt
Volker Limburg und am 14. November 2012 die Chefin des

LfV Berlin Claudia Schmid – die im Laufe des Jahres 2012
vollzogen wurden, stehen dazu nicht im Gegensatz. Vielmehr
verstärken sie den Eindruck individuellen Versagens anstelle

der Frage nach den strukturellen Ursachen für das Versagen.

7497) Bund-Länder-Expertenkommission (11/2012): S. 16 f. , 21 f.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1013 – Drucksache 17/14600

Leben, Gesundheit usw. Deshalb darf Quellen-

schutz kein Selbstzweck sein.“7498

Diese Feststellung ist eigentlich nur die Bestätigung der

geltenden Rechtslage. Andererseits können, so die BLKR

nämlich weiter, die bestehenden

„Normen zu den Übermittlungsverboten in den
Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der

Länder in ihrer bisherigen Form, ggf. harmonisiert,

erhalten bleiben.“7499

Übermittlungsverbote bedeuten hier das Verbot für den

Verfassungsschutz, Informationen über seine Quelle bzw.

die Quelle selbst gegenüber den Strafverfolgungsbehör-

den offen zu legen, damit diese durch die Strafverfol-

gungsbehörden genutzt werden können. Die BLKR will

nun diese Übermittlungsverbote zwar einschränken,

schlägt aber gleichzeitig weitreichende Ausnahmen vor:

„Eine Ausnahme von den Einschränkungen des
Übermittlungsverbots kann nur in den Fällen in

Betracht kommen, in denen eine begründete Be-

sorgnis dafür besteht, dass durch die Übermittlung

Leib, Leben oder Freiheit von Personen gefährdet

oder die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden

... wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht

werden und dies nicht durch geeignete Maßnah-

men abgewendet werden kann.“7500

Genau in diesem Sinne haben die Verteidiger des Einsat-

zes des brandenburgischen V-Mannes Piatto und der

langen Liste der anderen V-Leute vor dem Untersu-

chungsausschuss argumentiert. Es gibt auf Grundlage der

vorgeschlagenen Änderung keinerlei Grund zu glauben,

dass in Zukunft bei irgendeiner Verfassungsschutzbehör-

de der Länder oder des Bundes anders verfahren werden

würde als in der gesamten Untersuchungszeit des Aus-

schusses.

Ähnlich oberflächlich und gleichermaßen gefährlich will

die BLKR ein neben dem Quellenschutz elementares

Rechtsstaatsproblem lösen, das mit dem Einsatz von V-

Leuten grundsätzlich verbunden ist und im Falle der

NSU-Ermittlungen eine ganz besondere Rolle gespielt

hat. Gemeint ist das Problem der Straffreiheit für V-

Leute.

In der „Problemstellung“7501 zählt die BLKR zumindest
die harmloseren Straftatbestände auf, deren sich V-Leute

schuldig machen können: Organisationsdelikte, Propa-

gandadelikte und Betrug bei Verschweigen der Honorare

bei BAföG oder SGBII-Anträgen. Die V-Personenführer

könnten sich – so die Analyse der BLKR – jeweils auch
der Beihilfe schuldig machen. Im Falle der im Untersu-

chungsausschuss behandelten V-Leute kommen dazu in

der Realität – wie beispielsweise bei der Quelle „Stronti-
7498) Ebd., S. 17.

7499) Ebd., S. 18.

7500) Ebd., S. 20.

7501) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterro-

rismus vom 30. April 2013, S. 292.

um“ des BfV – auch noch Gewaltdelikte und Waffenver-
gehen. Aus ihrer Problemstellung schließt die BLKR,

dass

„durch die Gefahr der Verwirklichung von Straf-
tatbeständen […] die Arbeit der Sicherheitsbehör-
den eingeschränkt (wird).“7502

Würden, schreibt die BKLR weiter, „menschliche Quellen
für ihre Tätigkeit strafrechtlich belangt, können die

Sicherheitsbehörden keine Vertrauensleute bzw. Infor-

manten mehr gewinnen. In der Folge führt das dazu, dass

die Sicherheitsbehörden keine menschlichen Quellen in

verbotenen, kriminellen oder terroristischen Organisatio-

nen und Gruppierungen einsetzen können.“7503

Die geltende Rechtslage gibt offensichtlich keine Recht-

fertigung her und die vage Rechtfertigung durch die Kon-

struktion einer Rechtfertigung aufgrund der Wahrneh-

mung von Dienstrechten oder einer Amtsbefugnis wird

nach eigener Einschätzung durch ein Urteil des Oberlan-

desgerichts Düsseldorf vom 06. September 2011
7504

zu-

nichte gemacht. Das hatte einen V-Mann des BND in

einer türkischen terroristischen Organisation wegen Mit-

gliedschaft in einer terroristischen Organisation verurteilt

obwohl dessen Anwälte argumentierten, er habe sozusa-

gen im Auftrag des Dienstes gehandelt. Im Falle der Ar-

beit in Terroristischen Organisationen spricht das OLG

von einer „‘fast schon denknotwendigen‘ Verwirklichung
von Straftatbeständen wie der §§129 ff StGB.“7505 Und es
gibt sie einfach nicht die Ermächtigungsgrundlage zum

straffreien Begehen von Straftaten im Auftrag geheim-

dienstlicher oder polizeilicher Auftraggeber.

Die BLKR kommt nun nicht zu dem Schluss, dass man

aus rechtlichen Gründen auf den Einsatz von V-Leuten

verzichten muss – im Gegenteil fordert sie die Herstellung
derselben.

Sie schlägt ein Verfahren vor, das die Ergebnisse des

Untersuchungsausschusses geradezu auf den Kopf stellt.

Im Unterschied zu einigen Ländern – genannt werden die
Verfassungsschutzgesetze von Brandenburg, Niedersach-

sen und Nordrhein-Westfalen – die Rechtfertigungsgrün-
de zur Begehung bestimmter Straftaten vorsehen und

dafür Straffreiheit zugestehen –, wählt die Kommission
ein Verfahren, das der Willkür vollkommen Tür und Tor

öffnet:

„Es sollte in der Hand der Staatsanwaltschaften
liegen, ein mögliches strafbares Verhalten von V-

Leuten und deren V-Mann-Führern im Zusam-

menhang mit der nachrichtendienstlichen Tätigkeit
7502) Ebd., S. 293

7503) Ebd.

7504) Az.III-5 StS 5/10 zitiert in: Abschlussbericht der Bund-Länder

Kommission Rechtsterrorismus, S. 295.

7505) Ebd., S. 293

Drucksache 17/14600 – 1014 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zu bewerten und nach dem Opportunitätsgrundsatz

ggf. von einer Strafverfolgung abzusehen.“7506

In Verbindung mit den vorgeschlagenen Regelungen und

Abwägungsprozessen zum Quellenschutz führt das gera-

dewegs zur nachträglichen Legalisierung der im Untersu-

chungsausschuss noch mit Erstaunen und Erschrecken zur

Kenntnis genommen Praxis im Zusammenhang mit der

langen Liste der V-Leute und ihres kriminellen Alltags.

Im April 2013 erstellt die Bundesregierung dann einen

zusammenfassenden Bericht mit Beiträgen der vier betei-

ligten Ministerien – Bundesministerien des Innern, der
Justiz, der Verteidigung und für Familie, Senioren, Frauen

und Jugend – „über die nach dem 4. November 2011 als
Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU

sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und

Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen“.7507

Im Mai 2013 nimmt die IMK unter der Überschrift „Neu-
ausrichtung des Verfassungsschutzes“ vier Berichte des
Arbeitskreises IV der IMK zur Kenntnis, deren Ergebnis-

se zur Umsetzung in Bund und Ländern beschlossen wer-

den. Dabei geht es um:

„Eine neue Philosophie, sich nicht nur auf seine
herkömmliche Aufgabe als Nachrichtendienst zu

beschränken, sondern als aktiver Partner und

Dienstleister in der Mitte der Gesellschaft zu ste-

hen, soll helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in

den Verfassungsschutz zu stärken.“7508

Sowie um:

– Den engeren Austausch mit wissenschaftlichen Ein-
richtungen und Weiterentwicklung der Schule für

Verfassungsschutz zu einer Akademie; gemeinsame

Zusatzausbildung für neue Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter mit wissenschaftlicher Ausbildung aus

anderen Behörden und der Privatwirtschaft;

– gemeinsame Standards für Werbung und Einsatz von
V-Personen (VP) und deren Normierung in den

Dienstvorschriften;

– zentrale VP-Datei beim BfV;

– Koordination der Internetaufklärung, Einrichtung
einer Indexdatenbank und einer Mediendatei;

– Einrichtung eines Kompetenzzentrums für operative
Sicherheit im Internet.

Die oben genannten Punkte waren auch schon Gegen-

stand der seit Beginn des Jahres 2013 vom Bundesamt für

Verfassungsschutz eingeleiteten Öffentlichkeitskampagne
7506) Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsextre-

mismus, Zusammenfassung der Empfehlungen, S. 9.

7507) Innenausschussdrucksache 17(4)749.

7508) Beschlussniederschrift über die 85. Sitzung des Arbeitskreises

IV „Verfassungsschutz“ der Ständigen Konferenz der Innenmi-
nister und -senatoren der Länder am 12./13.11.12 in Hilden.

zur Neuausrichtung seiner Arbeit
7509

, die nach eigener

Darstellung am 3. September 2012 in Gang gesetzt wurde.

b) Alter Wein in neuen Schläuchen: Kosmetik
statt Reformen bei den Verfas-
sungsschutzbehörden

Aufschluss über den Stand der Reformvorstellungen im

Bereich des Verfassungsschutzes gibt der Bericht, den das

BMI dem Innenausschuss am 3. Juli 2013 erstattet hat. Er

wurde dem Untersuchungsausschuss als MAT B BMI 4

vorgelegt.
7510

Danach muss die anfänglich von Bundesin-

nenminister Friedrich angekündigte grundlegende Organi-

sations- und Strukturreform als gescheitert angesehen

werden. Übrig geblieben ist das Bemühen um eine „Bin-
nenreform“ des BfV, mit der „im Schwerpunkt“ als „stra-
tegische Ziele“ eine „Priorisierung des Wesentlichen“,
eine „Optimierung der Arbeitsprozesse“, die „Erhöhung
der Transparenz“, eine „Stärkung der Cyber- und IT-
Kompetenz“ und eine „Intensivierung der Zusammenar-
beit“ angestrebt wird. Orientiert an diesen strategischen
Zielen sieht das „neue Konzept“ als eine der „Kernmaß-
nahmen“ eine Priorisierung vor, wonach künftig

„(…) der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mit-
teln abhängig von der Gefährlichkeit / Gewaltori-

entierung des jeweiligen Phänomens in abgestufter

Form erfolgt: Je gewaltorientierter ein Beobach-

tungsobjekt ist, desto intensiver kann der Einsatz

nachrichtendienstlicher Mittel gestaltet werden.“

In der Hervorhebung dieses Aspektes als Kernmaßnahme

eines neuen Konzeptes kommt jedoch nach Ansicht der

Fraktion DIE LINKE nicht etwa eine grundlegende Neu-

orientierung zum Ausdruck. Die Intensität des Einsatzes

nachrichtendienstlicher Mittel künftig nach der Gefähr-

lichkeit des Beobachtungsobjektes zu bemessen, wieder-

holt vielmehr lediglich eine schon immer unmittelbar aus

dem Rechtsstaatsgebot folgende verfassungsrechtliche

Selbstverständlichkeit: Bereits bislang hätte der für die

freiheitlich-demokratische Grundordnung konstitutive,

unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot folgende Verhält-

nismäßigkeitsgrundsatz unverbrüchliche Richtschnur für

jeden Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sein müssen.

Dementsprechend sieht § 9 Abs. 3 BVerfSchG schon

bisher vor, dass nachrichtendienstliche Mittel nur abhän-

gig von der Gefährlichkeit/Gewaltorientierung des jewei-

ligen Phänomens eingesetzt werden dürfen und die An-

wendung eines Mittels „nicht erkennbar außer Verhältnis
zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen“
darf. Wird dies dessen ungeachtet als „Kernmaßnahme“
des neuen Konzepts herausgestellt, belegt dies nur, dass

das BfV bei seiner bisherigen operativen Arbeit nach

eigener Einschätzung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

strukturell und konzeptionell missachtet hat. Die Wahr-
7509) MAT_B_BfV-9 (Präsentation zur „Reform des Verfassungs-

schutzes“ vom 27. Februar 2013), die wiederum nur eine aus-
führlichere Darstellung einer Presseinformation des BfV zum

Reformprojekt ist, Stand: 22. Februar 2013.

7510) MAT_B_BMI-4.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1015 – Drucksache 17/14600

nehmung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabe, die

freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundge-

setzes zu schützen, hat sich bislang also paradoxerweise

außerhalb jener verfassungsrechtlichen Maßstäbe bewegt,

die eben dieses Grundgesetz für jegliche hoheitliche Tä-

tigkeit vorgibt.

Doch damit nicht genug: ebenso wenig, wie die bisherige

Konzeption der operativen Arbeit des BfV entsprechen

die organisatorische Ausgestaltung des BfV und dessen

gesetzliche Aufgaben und Befugnisse grundgesetzlichen

Vorgaben. Daran vermöchte selbst eine vollständige Um-

setzung der beim BfV begonnenen Binnenreformen nichts

zu ändern. Setzen diese Binnenreformen doch nicht bei

den strukturellen Ursachen des Versagens bei der Früher-

kennung des Rechtsterrorismus des NSU an, welche in

der gegenwärtigen organisatorischen und kompetenziellen

Ausgestaltung des Verfassungsschutzverbundes zu suchen

sind, sondern nehmen von vornherein lediglich einzelne

Symptome dieser strukturelle Ursachen in den Blick.

Entscheidende grundgesetzliche Vorgaben bleiben damit

weiterhin unbeachtet. Bei konsequenter Beachtung dieser

Vorgaben könnte nach Überzeugung der Fraktion DIE

LINKE die analytischen Leistungsfähigkeit des institutio-

nellen Verfassungsschutzes indes entscheidend verbessert

werden, während die mit seiner Tätigkeit verbundenen

Grundrechtsbeeinträchtigungen zugleich minimiert wür-

den.

Bei allen vom BfV selbst, dem Arbeitskreis IV „Verfas-
sungsschutz“ der IMK und der Bund-Länder-Kommission
Rechtsterrorismus vorgetragenen und teilweise schon

umgesetzten „Reform“-Vorschlägen handelt es sich kei-
neswegs um mit der Aufdeckung des NSU verknüpfte und

als gezielte Reaktion darauf entwickelte Maßnahmen und

Instrumente – auch wenn die Titel der Beschlüsse, Be-
richte und Projekte dies gelegentlich suggerieren. Das

spricht zunächst und generell nicht gegen ihre mögliche

Sinnhaftigkeit für eine permanent notwendige Verbesse-

rung der Arbeit im Allgemeinen – die Neustrukturierung
beispielsweise des Dateienwesens bei den Polizeien von

Bund und Ländern kann durchaus sinnvoll, ja dringend

notwendig sein. Dasselbe gilt für einige im Bereich des

Verfassungsschutzes getroffene Maßnahmen – wenn wir
seine im Wesentlichen unveränderte Existenz einmal

hypothetisch als zwingend voraussetzen. Doch sie haben

die im Zusammenhang mit dem NSU aufgetretenen und

inzwischen bekannten Probleme der Sicherheitsarchitek-

tur nicht einmal im Ansatz erfasst.

Genau dieses Ergebnis aber wurde durch den seit Novem-

ber 2011 entfachten Aktionismus der Sicherheitsbehörden

verschleiert. Gerade in Bezug auf das Bundesamt für

Verfassungsschutz müssen wir in aller Schärfe feststellen,

dass seit Ende November 2011 eigentlich immer diesel-

ben Maßnahmen in immer neuen Zusammenstellungen als

Behebung aufgetretener Defizite der Öffentlichkeit prä-

sentiert wurden. Und dabei ist es nicht geblieben: Das

BfV als diejenige Verfassungsschutzbehörde, die nach

einhelliger und fraktionsübergreifender Überzeugung der

Ausschussmitglieder im NSU-Komplex vollkommen

versagt hat, ist der eigentliche Profiteur des NSU-

Komplexes – ohne, dass das BfV auch nur irgendeine

tatsächlich tiefgreifende Veränderung oder Reform bis-

lang angedeutet, geschweige denn umgesetzt hätte. So

stieg der Haushalt des BfV im Jahr 2013 auf das neue

Rekordmaß von 206 Mio. Euro, immerhin ein Plus von

17,6 Mio. im Vergleich zum Vorjahr mit knapp 190 Mio.

(2011: Sol:l 174 Mio., Ist: 187); auch die Personalausstat-

tung wurde großzügig erhöht – mit bereitwilliger Zu-
stimmung der Bund-Länder-Kommission Rechtsterroris-

mus wie sich den Schlussfolgerungen für das Bundesamt

für Verfassungsschutz und seine Verantwortung im Be-

richt der BLKR entnehmen lässt. Die Zahl der besetzten

Stellen beim BfV steigt im Zeitraum von 2011-2012 von

2701 auf 2752.

c) Behörden und Innenpolitiker schaffen un-
umkehrbare Tatsachen und relativieren
damit die Ergebnisse des Untersuchungs-
ausschusses

Die bislang umgesetzten „Reformen“ bei BfV und BKA
sowie die weiterführende Überlegungen und Pläne des

AKIV der IMK und der Bund-Länder-Kommission, die

nicht auf Fakten basieren, sondern einem seit Jahrzehnten

eingefahrenen sicherheitspolitischen Diskurs folgen und

den Untersuchungs- und Ergebnishorizont des 2. PUA

ebenso einengen wie die auf diesem Disurs basierenden

gesetzlichen, organisatorischen und strukturellen Konse-

quenzen, die vor Abschluss des Untersuchungsausschus-

ses getroffen wurden und richtungsbestimmend wirkten

und wirken, relativieren die positiven Detailergebnisse

des Untersuchungsausschusses in entscheidenden Punk-

ten. In einigen Punkten bergen sie sogar die Gefahr, die

Ergebnisse geradezu zu konterkarieren. Exemplarisch

dafür steht der Aufbau des Gemeinsamen Abwehrzent-

rums Rechtsextremismus (GAR), das nach nicht einmal

einem Jahr nach seiner Sturzgeburt wiederum im Schnell-

verfahren in ein Gemeinsames Abwehrzentrum Extre-

mismus/Terrorismus
7511

(GETZ) überführt wurde.

d) Extremismusdoktrin auch im NSU-
Zusammenhang

Wenige Tage nach dem ersten Jahrestag des Bekanntwer-

dens des NSU und der bisher größten rechtsextremisti-

schen Mordserie, am 15. November 2012 wurde mit dem

GETZ die Extremismusdoktrin institutionalisiert, die sich

in mindestens dreifacher Hinsicht als fatal für eine effek-

tive gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit Ras-

sismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus erwiesen

hat:

Die Extremismusdoktrin grenzt viele zivilgesellschaftli-

che Initiativen aus dem Bereich des vermeintlich politisch

Zulässigen aus. Das hat unter anderem auch dazu geführt,

dass antifaschistische Materialzusammenstellungen und

Medien von den Behörden nicht als wertvolle Informatio-

nen verwendet, sondern als gegnerisches Material einge-
7511) http://www.verfassungsschutz.de/de/das-bfv/getz

Drucksache 17/14600 – 1016 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stuft wurde und damit ihr Informationsgehalt vollständig

entwertet wurde.

Die Extremismusdoktrin stigmatisiert, diffamiert und

erschwert die Arbeit antirassistischer und antifaschisti-

scher Initiativen und Medien, die in vielen Regionen

ohnehin schon unter schwierigsten Bedingungen arbeiten.

Die Extremismusdoktrin relativiert und verharmlost die

besonderen politischen, gesellschaftlichen und sicher-

heitspolitischen Aufgaben einer Demokratie im Kampf

gegen rassistische und rechtsextremistische Erscheinungs-

formen. Bestes Beispiel hierfür ist die Politik der Sicher-

heits- und Strafverfolgungsbehörden in Thüringen in den

1990er Jahren, die selbst antifaschistische Schülerinitiati-

ven mit alle gesetzlichen Grenzen überschreitender Be-

harrlichkeit kriminalisierten und stigmatisierten, während

gleichzeitig hunderte von Ermittlungsverfahren gegen

Neonazis eingestellt wurden. Gerade diese Relativierung

und Verharmlosung, die auch in den Behördenstrukturen

des Bundes – beispielsweise in der Auflösung der Abtei-
lung Rechtsextremismus im BfV und der Schließung und

Nichtauswertung von Gemeinsamen Dateiprojekten von

BKA und BfV – immer wieder ihren Niederschlag gefun-
den haben, erhalten jetzt eine quasi-behördliche Gestalt

im Zentrum der Innenpolitik.

Die weit im Vorfeld der Ergebnisse des Untersuchungs-

ausschusses umgesetzten Maßnahmen werden der gesell-

schaftlichen und sicherheitspolitischen Bedeutung der

Ereignisse und der wesentlichen Ergebnisse der Bestands-

aufnahme des Untersuchungsausschusses nicht nur nicht

gerecht, sie tragen vielmehr zu ihrer Verharmlosung bei.

Die Sicherheitsbehörden, die im November 2011 nach

fast zwanzig Jahren intensiver und bis zum Bekanntwer-

den der Existenz des NSU und der rassistischen Mord-

und Anschlagserie öffentlich als erfolgreich dargestellter

Arbeit gegen Rechtsextremismus vor den Trümmern ihrer

Arbeit standen, haben zu den alten Routinen zurückge-

funden. Die Existenz des NSU wird als Betriebsunfall

behandelt, der in den Szenarien des BfV und BKA nie

vorgesehen war und der nun, da er der Justiz übergeben

worden ist, als so einmalig und ohne Wiederholungsge-

fahr angesehen wird, dass er keinesfalls die Arbeit des

BfV, der Landesämter für Verfassungsschutz und der

Polizeien in Verruf oder in Frage stellen könne. Analog

zu den Verteidigern der Atompolitik, die den nuklearen

GAU in Fukushima auch nie für möglich gehalten haben

und die die nunmehr die abgeschalteten Atommeiler

schnellstmöglich wieder in Betrieb nehmen wollen, ver-

halten sich auch die Hauptakteure der deutschen Sicher-

heitsarchitektur so, als sei der NSU-Komplex ein GAU,

dessen Wiederholung ausgeschlossen sei – wenn man nur
schnellstmöglich zur Routine zurückkehren darf, – inklu-
sive mehr Aufgaben fürs BfV, denen neue Befugnisse

folgen werden.

Dabei ist im Untersuchungsausschuss deutlich geworden,

dass die bisherige Politik der Inneren Sicherheit und ihre

Behörden zum Kampf gegen die bedrohliche Entwicklung

des Rechtsextremismus gänzlich ungeeignet sind. Wer

daher deren Unantastbarkeit zur Voraussetzung seiner

Überlegungen macht, greift nicht nur zu kurz, er fördert

auch die Gefahr der Wiederholung.

2. Das bisherige Bundesamt für Verfas-
sungsschutz abschaffen und eine Koordi-
nierungsstelle des Bundes plus Bundes-
stiftung „gruppenbezogene Menschen-
feindlichkeit“ aufbauen

Angesichts der strukturellen Defizite und Rechtsverstöße

ist die Auflösung des nachrichtendienstlich arbeitenden

Verfassungsschutzverbundes in der Bundesrepublik so-

wohl politisch als auch rechtlich geboten. Die von den

Innenministerien des Bundes und der Länder bisher ein-

geleiteten und geplanten Maßnahmen tragen diesem

grundlegenden Veränderungsbedarf nach Überzeugung

der Fraktion DIE LINKE nicht nur völlig unzureichend

Rechnung, sondern sie verfestigen nach der schwersten

Krise dieser Sicherheitsbehörden genau deren wesentliche

Bausteine. Aus diesem Grund schlägt die Fraktion DIE

LINKE einen radikal anderen Weg vor.

a) Das BfV in seiner jetzigen Form weicht
erheblich von den Vorgaben des Grundge-
setzes ab.

Nach Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes „kann“
durch Bundesgesetz eine „Zentralstelle (...) zur Samm-
lung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschut-

zes“ errichtet werden. Eine verfassungsrechtliche Ver-
pflichtung, eine Stelle mit den Kompetenzen des existie-

renden Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) einzu-

richten, ergibt sich daraus indes nicht. Die Bestimmungen

der Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG

sind vielmehr Ausdruck eines Zugeständnisses, das die

Militärgouverneure der damaligen drei westlichen Alliier-

ten der Bundesregierung im April 1949 gemacht ha-

ben.
7512

Von diesen organisatorischen und kompetenziellen Vor-

gaben des Grundgesetzes weichen Organisation, Aufga-

ben und Befugnisse des real existierenden BfV, aber auch

die rechtlichen und organisatorischen Vorgaben des Ver-

fassungsschutzgesetzes des Bundes (BVerfSchG) für

dessen Zusammenwirken mit den Verfassungsschutzbe-

hörden der Länder signifikant ab: Im Widerspruch zu der

verfassungsmäßigen Aufgabe, lediglich Unterlagen zu

sammeln und zu verbreiten, hat das Bundesamt nach § 8

BVerfSchG Befugnisse zur eigenständigen Erhebung von

Informationen
7513

, bei deren Wahrnehmung es überdies

„Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen
7512) In dem „Polizei-Brief“ (Schreiben der Militärgouverneure über

die der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei zustehen-

den Befugnisse vom 14. April 1949) hieß es unter Punkt 2:
„Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestattet, eine Stelle
zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürz-

lerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten ein-
zurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnis haben.“

7513) Kritisch insofern etwa Gusy, Die Zentralstellenkompetenz des

Bundes, in: DVBl 1993 , S. 1117, 1122 ff.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1017 – Drucksache 17/14600

Informationsbeschaffung, wie [der] Einsatz von Vertrau-

ensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild-

und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzei-

chen“, verwenden darf.7514 Richtigerweise dürfen die
Aufgaben und Befugnisse, die der Bundesgesetzgeber

dem BfV zuweist, jedoch nicht weiter gehen als seine

Gesetzgebungskompetenz für den Verfassungsschutz. Da

diese Kompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b GG auf die

Zusammenarbeit des Bundes und der Länder beschränkt

ist, hat der Bund sich Gesetzgebungskompetenzen, die

nach Art. 70 GG den Ländern zustehen, angemaßt, indem

er das BfV im BVerfSchG mit außenwirksamen Vollzie-

hungsaufgaben bedacht und ihm entsprechende Exekutiv-

befugnisse eingeräumt hat. Obendrein hat der Bundesge-

setzgeber dem BfV im Widerspruch zum Begriff „Zent-
ralstelle“ und zur bundesstaatlichen Ordnung in § 7
BVerfSchG Weisungsbefugnisse gegenüber den Landes-

ämtern eingeräumt.
7515

Schließlich ist das Bundesamt im

Widerspruch zur systematischen Stellung des Abs. 1 Satz

2 in Art. 87 GG sowie zu Begriff und Funktion von

„Zentralstelle“ im Grundgesetz als Bundesoberbehörde
organisiert. Als solche untersteht sie nicht nur der Rechts-

, sondern auch der Fachaufsicht des BMI. Richtigerweise

dürften Zentralstellen nach Art. 87 Abs. 1 GG nicht der

Fachaufsicht eines Bundesministeriums unterstehen, son-

dern sollten „nichtministerielle“ Verwaltungseinheiten7516
sein. Zumindest aber lässt Artikel 87 GG eine solche

Ausgliederung der Zentralstellen aus dem organisatori-

schen Bereich der Ministerien zu.
7517

DIE LINKE schlägt vor, dass die organisatorische und

kompetenzielle Ausgestaltung der Zentralstelle sich künf-

tig konsequent an dem orientieren sollte, was mit der

durch die Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b GG und Art. 87 Abs. 1

Satz 2 GG eingeräumten Kompetenz ursprünglich gewollt

und bezweckt war: Gewollt war, dass der Bund eine mi-

nisterfreie Koordinierungsstelle einrichten darf, die ledig-

lich über umstürzlerische Tätigkeiten für Zwecke des

Verfassungsschutzes Unterlagen sammelt, ohne eigene

Exekutivbefugnisse – zumal solche zur geheimen Infor-
mationsbeschaffung – oder Weisungsrechte gegenüber
den Ländern zu haben.

7518

7514) Vgl. Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Ver-

fassungsschutz und Grundrechte, 1979, S. 55 ff., dem zufolge

unter Sammlung allein passives Entgegennehmen und Regist-

rieren von Informationen, welche von Dritten übermittelt wur-

den, nicht aber die eigene „aktive Unterlagenbeschaffung mit
nachrichtendienstlichen Mitteln“ zu verstehen ist.

7515) Gusy, aaO., S. 1117, 1121: „Ein Weisungsrecht steht den
Zentralstellen des Bundes gegenüber den Landesbehörden nicht

zu“; ebenso B. Becker, Zentralstellen gemäß Art. 87 Abs. 1 GG,
in: DÖV 1978, 551, 554: „abwegig“.

7516) B. Becker, Öffentliche Verwaltung, 1989, S. 291.

7517) Siehe dazu Gusy, aaO., S. 1117, 1124: „Entstehungsgeschichte
und Systematik des Art. 87 GG lassen zahlreiche Anhaltspunk-
te dafür erkennen, dass eine solche Ausgliederung nicht nur zu-

lässig, sondern sogar geboten ist.“

7518) Vgl. Gusy, aaO., S. 1117, 1121 und ff.

b) Koordinierungsstelle des Bundes zur Do-
kumentation neonazistischer, rassistischer
und antisemitischer Einstellungen und Be-
strebungen sowie sonstiger Erscheinungs-
formen „gruppenbezogener Menschen-

feindlichkeit“
7519

Der nachrichtendienstlich arbeitende Verfassungsschutz

war Herz und Motor des sicherheitspolitischen Debakels

im Zusammenhang des NSU. Als Konsequenz daraus tritt

die Fraktion DIE LINKE für eine Auflösung des nach-

richtendienstlichen Verfassungsschutzes ein. Künftige

Strukturen und Kompetenzen müssen sich konsequent an

den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes

orientieren: Eine durch Bundesgesetz errichtete „Koordi-
nierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazisti-

scher, rassistischer und antisemitischer Einstellungen und

Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen grup-

penbezogener Menschenfeindlichkeit“ (kurz: „Koordinie-
rungsstelle zur Dokumentation gruppenbezogener Men-

schenfeindlichkeit“) ersetzt nach einer Aufbauphase das
aufzulösende „Bundesamt für Verfassungsschutz“ als
Zentralstelle des Bundes für Zwecke des Verfassungs-

schutzes nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Koordinie-

rungsstelle ist eine ministerialfreie Einrichtung des Bun-

des, d. h. sie untersteht lediglich der Rechts-, aber nicht

der Fachaufsicht eines Bundesministeriums. Ihrer verfas-

sungsmäßigen Aufgabenbegrenzung auf die „Sammlung
von Unterlagen“ (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) entsprechend
sind ihre Befugnisse auf das koordinierende Entgegen-

nehmen, die Weitergabe und die Vermittlung des Aus-

tauschs von Informationen und Erkenntnissen begrenzt,

welche ihr von Stellen der Länder und des Bundes sowie

zwischenstaatlichen und ausländischen Stellen übermittelt

werden.
7520

Zur eigenständigen Erhebung von Informatio-
7519) Bei der Definition „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“

folgen wir dem Forschungsprojekt von Wilhelm Heitmeyer

u. a., in dem der Begriff folgendermaßen definiert wird: „Men-
schenfeindlichkeit meint kein individuelles
Feindschaftsverhältnis zu einem anderen Menschen, sondern

bezieht sich auf Gruppen. Werden Personen aufgrund ihrer ge-
wählten oder zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit als un-

gleichwertig markiert und feindseligen Mentalitäten der Abwer-

tung, Ausgrenzung etc. ausgesetzt, dann sprechen wir von
Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, so daß die Würde

der betroffenen Menschen antastbar wird oder zerstört werden

kann.“ (Wilhelm Heitmeyer u. a., Deutsche Zustände, Folge 2,
Frankfurt a.M. 2003, S. 14)

7520) Dies folgt nach hiesigem Verständnis bereits zwingend aus den

verfassungsrechtlichen Vorgaben, konkret der kompetenzrecht-
lichen Sonderstellung der Ermächtigungsgrundlage für ihre Er-

richtung als „Zentralstelle“ in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG (so et-
wa Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Verfas-
sungsschutz und Grundrechte, 1979, 55 ff.), aber auch, so der

Wissenschaftliche Dienst des Bundestages unter Hinweis auf

Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Ergänzungslieferung 2012,
Art. 87 Rn. 118, aus dem systematischen Zusammenhang des

Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG mit der Gesetzgebungskompetenz des

Bundes aus Art. 73 Nr. 10 GG: „Die einfachgesetzliche Ausge-
staltung der fakultativen Verwaltungskompetenz ist zunächst

durch die Gesetzgebungskompetenz begrenzt, da nach ständiger

Rechtsprechung des BVerfG die Gesetzgebungskompetenzen
des Bundes die äußerste Grenze für dessen Verwaltungskompe-

tenzen bilden. Anderenfalls würde der Bund Landesrecht voll-

ziehen, was nach dem Grundgesetz schlechterdings ausge-

Drucksache 17/14600 – 1018 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nen ist sie nicht befugt – auch nicht aus allgemein zu-
gänglichen Quellen.

7521
Die Entgegennahme und Weiter-

leitung mit Methoden, Gegenständen und Instrumenten

heimlicher Informationsbeschaffung im Sinne des § 8

Abs. 2 BVerfSchG einschließlich der durch den Einsatz

von Vertrauens- und Gewährspersonen gewonnenen In-

formationen und Erkenntnisse ist ihr ebenso gesetzlich

untersagt wie deren eigener Einsatz.
7522

Stammt die In-

formation von Einrichtungen, die gesetzlich befugt sind,

nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, hat sie dies im

jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Verbleiben danach Zwei-

fel, ob die Information oder die Erkenntnis mithilfe nach-

richtendienstlicher Mittel gewonnen wurde, so hat eine

weitere Verarbeitung und Weitergabe zu unterbleiben.

Entsprechende Daten sind zu löschen, Unterlagen zu

vernichten. Informationen und Erkenntnisse, die nicht mit

nachrichtendienstlichen Methoden, Gegenständen und

Instrumenten gewonnen worden sind, darf die Koordinie-

rungsstelle grundsätzlich nur an Einrichtungen weiterlei-

ten, die solche Methoden, Gegenstände und Instrumente

nicht einsetzen dürfen. Eine Weiterleitung an Einrichtun-

gen, die zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel be-

fugt sind, darf nur erfolgen, wenn sie sich verpflichten,

von der Koordinierungsstelle erhaltene Informationen

oder Erkenntnisse nicht mit Erkenntnissen zusammenzu-

führen, die aus geheimer Informationsbeschaffung stam-

men. Die Koordinierungsstelle hat laufend zu überprüfen,

ob und inwieweit diese Verpflichtung auch tatsächlich

eingehalten wird. Ist die vollständige Einhaltung der Ver-

pflichtung bei der betreffenden Einrichtung nicht durch-

gängig gewährleistet, so hat jeglicher Informationsaus-

tausch mit ihr zu unterblieben, bis sie wirksame Vorkeh-

rungen für eine künftige Beachtung nachweist.

Weisungsbefugnisse gegenüber den Verfassungsschutz-

behörden der Länder hat die Koordinierungsstelle

nicht.
7523
schlossen ist (Art. 30 GG). Das bedeutet vorliegend, dass Ver-

fassungsschutzbehörden des Bundes auf eine Koordinierung der
Bund-Länder-Zusammenarbeit beschränkt sind, da auch die

Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG

nur für die „Zusammenarbeit“ gilt.“ (Robbe, Rechtsfragen zur
Erforderlichkeit, Organisation und Arbeitsweise des Verfas-

sungsschutzes im föderalen Verbund; WD 3 – 3000 – 244/12).

7521) Gusy, aaO., S. 1117, 1122 ff. m. w. N.

7522) Die Entscheidung über die zukünftige Ausgestaltung der Lan-

desämter für Verfassungsschutz liegt bei den Ländern. Das hier

geforderte Verbot der Verwendung der mit nachrichtendienstli-
chen Mitteln erlangten Informationen durch die neue Zentral-

stelle des Bundes eröffnet aber den Landesämtern die Möglich-

keit, ebenfalls auf diese Mittel zu verzichten.

7523) Vgl. Gusy, aaO., S. 1117, 1121: „Ein Weisungsrecht steht den
Zentralstellen des Bundes gegenüber den Landesbehörden nicht

zu.“

c) Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Er-
forschung und Aufklärung über alle Er-
scheinungsformen „gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit“

Die Koordinierungsstelle betreibt selbst keine inhaltliche

Auswertung und Aufbereitung entsprechend diesen Vor-

gaben entgegen genommener Informationen und Erkennt-

nisse. Diese obliegt einer neu zu errichtenden „Bundesstif-
tung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung aller

Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfein-

dlichkeit“ (kurz: Bundesstiftung zur Beobachtung und
Erforschung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit).

Die Bundesstiftung soll eine bundesunmittelbare, rechts-

fähige Stiftung des öffentlichen Rechts sein, die rechtlich,

organisatorisch und personell unabhängig ist von der

Koordinierungsstelle. Sie entsteht durch ein formelles

Errichtungsgesetz des Bundes. Ihr Zweck ist der Schutz

der Menschenwürde sowie der Grundrechte des Grundge-

setzes durch wissenschaftliche Untersuchung, Informati-

on, Dokumentation und Aufklärung über Ursachen und

Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfein-

dlichkeit. Sie arbeitet gemäß dem gesetzlichen Leitbild:

„Der beste Schutz der Verfassung sind mündige Bürge-
rinnen und Bürger“7524 auf der Grundlage des Prinzips
„Verfassungsschutz durch Aufklärung“. Gesetzliche Auf-
gabe der Stiftung ist es, antipluralistische, insbesondere

neonazistische, rassistische und antisemitische Einstel-

lungen, Verhaltensweisen und Bestrebungen, sowie sons-

tige Erscheinungsformen individueller und organisierter

gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu beobachten,

zu dokumentieren und einschließlich ihrer individuellen

und strukturellen Ursachen und Folgen zu erforschen. Sie

berät und unterstützt private und öffentliche Einrichtun-

gen und gesellschaftliche Initiativen dabei, einen pluralis-

tischen Konsens sowie demokratische Teilhabe zu fördern

und zu festigen. Die Bundesstiftung erfüllt ihre gesetzli-

che Aufgabe durch:

– laufende Entgegennahme und Weitergabe von In-
formationen, insbesondere von sach- und personen-

bezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen,

sowie von Erkenntnissen der Koordinierungsstelle

Dokumentation gruppenbezogener Menschenfein-

dlichkeit des Bundes;

– Erhebung allgemein zugänglicher Informationen,
ihre allgemein zugängliche Dokumentation und wis-

senschaftliche Aufbereitung;

– Errichtung und Unterhaltung eines Archivs nebst
Dokumentationsstelle und Bibliothek;

– Beratung der Bundesregierung und des Bundestages
im Sinne des Stiftungszwecks;
7524) Vgl. Fromm, in: 60 Jahre im Dienst der Demokratie: Bundes-

amt für Verfassungsschutz. Reden anlässlich des Festaktes 60

Jahre Bundesamt für Verfassungsschutz am 6. Dezember 2010,

Begrüßung, S. 7, 14: „Es ist unstreitig, dass der beste Schutz
der Verfassung mündige Bürgerinnen und Bürger sind, die über

die Gefährdungen durch den politischen Extremismus Bescheid

wissen.“

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1019 – Drucksache 17/14600

– Aufklärung über die individuellen und strukturellen
Ursachen und Erscheinungsformen individueller und

organisierter gruppenbezogener Menschenfeindlich-

keit;

– Entwicklung und Präsentation von Handlungsemp-
fehlungen zur Bekämpfung der Ursachen und Er-

scheinungsformen gruppenbezogener Menschenfein-

dlichkeit;

– fachliche Unterstützung von privaten und öffentli-
chen Einrichtungen im Sinne des Stiftungszwecks;

– finanzielle Förderung und fachliche Unterstützung
gesellschaftlicher Initiativen, insbesondere zur Bera-

tung und Betreuung von Opfern gruppenbezogener

Menschenfeindlichkeit;

– internationale Zusammenarbeit im Sinne des Stif-
tungszwecks.

Einrichtungen der Länder und des Bundes sowie zwi-

schenstaatliche und ausländische Einrichtungen dürfen

ausschließlich über die Koordinierungsstelle des Bundes

auf die Informationen und Erkenntnisse der Bundesstif-

tung zugreifen. Die Stiftung wird geleitet durch einen

Vorstand, der durch einen Stiftungsrat eingesetzt und

kontrolliert wird. Die Mitglieder des Stiftungsrates wer-

den vom Bundestag gewählt. Ein wissenschaftlicher Bei-

rat berät die Stiftung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben,

entwickelt sozialwissenschaftliche Maßstäbe und Vorga-

ben für die Erhebung, Analyse und Bewertung des Infor-

mationsaufkommens – insbesondere von sach- und perso-
nenbezogenen Auskünften, Nachrichten, Unterlagen –
und sonstigen Erkenntnissen sowie zu deren regelmäßiger

Evaluation und passt diese laufend veränderten gesell-

schaftlichen Rahmenbedingungen an. Er kann ferner

Empfehlungen zur allgemeinen Weiterentwicklung der

Forschungs-, Dokumentations- und Beratungspraxis ein-

bringen.

Als Frühwarnsystem für etwaige Missstände bei der

Koordinierungsstelle des Bundes und der Bundesstiftung

wird ihren Beschäftigten durch ausdrückliche Regelung in

den Errichtungsgesetzen gestattet, sich in dienstlichen und

fachlichen Angelegenheiten ohne Einhaltung des Dienst-

weges und ohne die Leitung darüber unterrichten zu müs-

sen, unmittelbar an den Deutschen Bundestag und seine

Gremien zu wenden. Die internen Datenschutzbeauftrag-

ten werden jeweils bei der Leitung der Koordinierungs-

stelle des Bundes und der Bundesstiftung angesiedelt.

Der Beauftragte des Bundes für den Datenschutz und die

Informationsfreiheit (BdfI) überprüft zusätzlich extern die

Einhaltung der gesetzlichen und untergesetzlichen Vorga-

ben einschließlich derjenigen zum Verbot der Entgegen-

nahme und Weitergabe von Informationen, die aus dem

Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel stammen, durch die

Koordinierungsstelle und die Bundesstiftung.

d) Den Beauftragten des Bundes für den Da-
tenschutz und die Informationsfreiheit
(BdfI) stärken

Die personelle und fachliche Ausstattung des BdfI sind so

zu stärken, dass er in der Lage ist, eine wirksame Prü-

fungspraxis bei der Koordinierungsstelle des Bundes und

der Bundesstiftung zu entwickeln. Die Kontrollbefugnisse

des BdfI und der Länderbeauftragten für Datenschutz sind

entsprechend zu erweitern.

Für die Übermittlung personenbezogener Daten an aus-

ländische Stellen durch die Koordinierungsstelle, die

Bundesstiftung und die Sicherheitsbehörden des Bundes

sind dataillierte Dokumentationspflichten vorzusehen, um

eine wirksame nachträgliche Kontrolle des Vorliegens

ihrer rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen im

jeweiligen Eimzelfall zu ermöglichen.

3. Eckpunkte zur Verbesserung der parla-
mentarischen Kontrolle der noch existie-
renden Geheimdienste

Die Fraktion DIE LINKE hält Geheimdienste, ganz be-

sonders aber einen faktisch politischer Kontrolle dienen-

den Inlandsgeheimdienst, grundsätzlich für demokratie-

fremde und rechtsstaatswidrige Institutionen und plädiert

seit Langem für ihre schrittweise Auflösung. Dies schließt

Verbesserungen der parlamentarischen und öffentlichen

Kontrolle der Nachrichtendienste keineswegs aus, solange

eine parlamentarische Mehrheit ihre reale Existenz si-

chert. Es bedeutet aber, dass die konkrete Gestaltung der

Verbesserungen eine ganz besondere Rolle spielt. Drän-

gen sie die parlamentarischer Kontrolle entzogegenen

Kernbereiche exekutiver Eigenverantwortung der Sicher-

heitsbehörden und der Regierungspolitik spürbar zurück?

Stärken sie erkennbar Transparenz und Kontrollmöglich-

keiten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie

der Öffentlichkeit? Schränken sie die Möglichkeiten der

Regierungsmehrheiten ein, Informationsbedarf und In-

formationsrechte der Minderheit in den zuständigen Gre-

mien und Ausschüssen zu übergehen? Antworten auf

diese Fragen entscheiden über ein Mehr an Kontrolle,

nicht die institutionelle Stärkung und immanente Verbes-

serung der Arbeitsbedingungen eines der Geheimhaltung

verpflichteten Gremiums.

a) Grundsatz: Geheime Politikbereiche ein-
grenzen – öffentliche parlamentarische
Kontrolle ausweiten

Eine Verbesserung parlamentarisch-demokratischer Kont-

rollinstrumente der Nachrichtendienste muss vor allem an

zwei Punkten ansetzen:

– Weitestgehende Offenlegung bisher als Verschluss-
sachen ablaufender Prozesse, Aktivitäten und Ent-

scheidungen.

– Übertragung der bislang exklusiven Kontrollrechte
des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Bezug

auf die Geheim-/Nachrichtendienste auf die parla-

Drucksache 17/14600 – 1020 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mentsöffentlich tagenden Rechts-, Innen- und Haus-

haltsausschüsse und die Abgeordneten insgesamt.

b) Das Parlamentarische Kontrollgremium
(PKGr) durch einen ständigen Ausschuss
für die Kontrolle der Nachrichtendienste
(AKrND) ersetzen

Im derzeitigen parlamentarischen Regierungssystem

überwacht in der Praxis nicht die Mehrheit die Tätigkeit

der Regierung, sondern vorwiegend die Opposition, also

in der Regel eine Minderheit. So verhält es sich auch in

dem für die Überwachung der Nachrichtendienste zustän-

digen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) und

dem Vertrauensgremium. Das allen Formen investigativer

parlamentarischer Kontrolle zugrunde liegende Verfas-

sungsprinzip des Minderheitenschutzes wird im PKGr

und im Vertrauensgremium gegenwärtig nur unzurei-

chend gewährleistet. Deshalb müssen in einem ersten

Schritt die Minderheitenrechte im PKGr und im Vertrau-

ensgremium konsequent gestärkt werden. Um darüber

hinaus die Transparenz der parlamentarischen Kontrolle

der Geheimdienste zu stärken, sollte das bisherige PKGr

zudem mittelfristig durch einen parlamentsöffentlich

tagenden ständigen Ausschuss für die Kontrolle der Nach-

richtendienste (AKrND) ersetzt werden.

c) Informationspflicht der Bundesregierung
ausweiten

Reformbedarf besteht auch in Bezug auf den Umfang der

Informationspflicht der Bundesregierung über die Tätig-

keiten der Nachrichtendienste und die Gründe, mit denen

die Bundesregierung den parlamentarischen Kontrollor-

ganen Informationen verweigern darf. Ein neben der

Berichtspflicht der Bundesregierung stehendes Recht auf

Selbstinformation besteht für die Mitglieder des Kontroll-

gremiums bislang nur eingeschränkt. Im Ergebnis ist das

Kontrollgremium nicht in der Lage, fundierte Gegendar-

stellungen zur Regierungsdarstellung eines Vorgangs zu

entwickeln. Darüber hinaus muss es grundsätzlich regel-

mäßige schriftliche – und damit auch zu einem späteren
Zeitpunkt nachvollziehbare – Berichterstattungen im
PKGr geben.

Die parlamentarischen Kontrolleure sind zurzeit aus-

schließlich auf die Information derjenigen angewiesen,

die sie zu kontrollieren haben. Die Bundesregierung muss

im Rahmen der dringend erforderlichen Strukturreform

endlich ihrer grundsätzlich umfassenden Informations-

pflicht gegenüber dem PKGr nachkommen. Hierfür ist es

erforderlich, dass die Bundesregierung im Bereich der

nachrichtendienstlichen Aktivitäten dazu übergeht, die

Kontrollgremien selbstständig und umfassend über lau-

fende und geplante Maßnahmen zu informieren und nicht

erst auf Anfrage der Gremiumsmitglieder.

Auch im Bereich der internationalen Zusammenarbeit

muss die Informationspflicht für die Bundesregierung

gelten. Bisher ist die parlamentarische Kontrolle der deut-

schen Nachrichtendienste von der Bereitschaft ausländi-

scher Dienste abhängig, die mit deutschen Diensten aus-

getauschten Informationen zur Vorlage ans PKGr freizu-

geben. Eine solche Freigabe wird praktisch nie erteilt. Da

ein wesentlicher Teil nachrichtendienstlicher Informatio-

nen aus internationalen Zusammenhängen stammt und im

Rahmen längst routinierter Nachrichtendienstkooperatio-

nen ausgetauscht wird, wird andernfalls auch künftig eine

parlamentarische Kontrolle der deutschen Nachrichten-

dienste in zentralen Aufgabenbereichen moderner nach-

richtendienstlicher Arbeit faktisch nicht ausgeübt werden

können.

d) Frage- und Kontrollrechte der Abgeordne-
ten stärken

Um eine effektivere Kontrolle zu gewährleisten, müssen

darüber hinaus auch die Kompetenzen der Fachausschüs-

se und der Abgeordneten erweitert werden. Die bisherige

Verlagerung der Kontrolle der Nachrichtendienste in

spezielle Gremien ist weniger der Materie geschuldet als

dem Versuch, sich der Kontrolle durch einen engen Kreis

an Beteiligten zu entziehen und sie gleichzeitig zu passi-

ven Mitwissern zu machen. Um dem entgegen zu wirken

und deutlich mehr Transparenz und qualitative Verbesse-

rung der Informationsrechte für alle Abgeordneten zu

gewährleisten, sollen die Informations- und Auskunfts-

rechte der Ausschüsse gestärkt werden, deren Sachgebiete

von der Tätigkeit der Nachrichtendienste berührt werden,

insbesondere des Innenausschusses, des Rechtsausschus-

ses und des Haushaltsausschusses. Für die Beratungen des

Haushaltsausschusses ist es notwendig, das Vertrauens-

gremium als Unterausschuss aufzulösen und die Einzel-

pläne der Nachrichtendienste in die regulären Haushalts-

beratungen einzubeziehen. Bisher muss der Haushaltsaus-

schuss quasi blind über die finanzielle Ausstattung der

Nachrichtendienste entscheiden und ist auf das Votum aus

dem Vertrauensgremium angewiesen. Hierbei entfällt

beispielsweise völlig ein Minderheitenschutz, denn ein

Minderheitenvotum ist im Vertrauensgremium nicht vor-

gesehen.

e) Informationsansprüche der Fachaus-
schüsse und Informationspflichten der
Regierung ausweiten

Eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Nachrich-

tendienste des Bundes kann allein durch ein einziges

Sondergremium des Bundestages, dessen Arbeit noch

dazu durch ein Höchstmaß an Intransparenz gekennzeich-

net ist, nicht gewährleistet werden. Das parlamentarische

Kontrollgremium (PKGr) muss sein Wissen um Defizite

und Mängel nach geltender Rechtslage weitgehend für

sich behalten. Die Bundesregierung verweigert den Fach-

ausschüssen und Abgeordneten des Bundestages gleich-

wohl immer wieder Auskünfte auf Fragen zu Themen mit

nachrichtendienstlichem Bezug unter Hinweis darauf,

dass sie darüber nur in dem dafür vorgesehenen PKGr

informiere. Funktion und Praxis der parlamentarischen

Kontrolle der Nachrichtendienste stehen damit im Wider-

spruch zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsge-

richts aus dem Jahr 2009. Das BVerfG hatte entschieden,

dass das Fragerecht der Abgeordneten und die Informati-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1021 – Drucksache 17/14600

onsansprüche der Fachausschüsse auch im Zuständig-

keitsbereich des PKGr durchaus nicht eingeschränkt wer-

den.
7525

Entgegen der Informationspraxis der Bundesre-

gierung bis heute
7526

kennt das Grundgesetz also keinen

exklusiven Informationsanspruch des PKGr. Demokrati-

sche Kontrolle basiert aber gerade auf Öffentlichkeit und

Transparenz. Damit grundsätzlich unvereinbar sind kont-

rollfreie Residuen der Bundesregierung und exklusive

Kontrollkompetenzen eines unter Ausschluss der Öffent-

lichkeit tagenden Teilorgans des Bundestages. Um eine

wirksame demokratische Kontrolle der Verantwortung

der Bundesregierung für die Tätigkeit der Nachrichten-

dienste des Bundes zu gewährleisten, schlägt die Fraktion

DIE LINKE daher vor, das Fragerecht der Mitglieder und

Fraktionen des Bundestages sowie die Pflicht der Bundes-

regierung zur Auskunft ausdrücklich im Grundgesetz zu

regeln und dabei Einschränkungen unter Verweis auf eine

vermeintlich exklusive Zuständigkeit ausschließlich

nichtöffentlich tagender Teilorgane und Gremien des

Bundestages auszuschließen.

Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen kann nur

dann qualifiziert vorbereitet, Untersuchungsaufträge kön-

nen nur dann zielgerichtet gefasst werden, wenn das im

Grunde bereits aus der Funktion der parlamentarischen

Kontrolle der Bundesregierung folgende Recht der Frak-

tionen und Abgeordneten des Bundestages auf Aktenvor-

lage auch außerhalb von Untersuchungsausschüssen aus-

drücklich gewährleistet wird. In Anlehnung an einige

Landesverfassungen sollte daher ferner ein ausdrückliches

Recht auf Vorlage von Akten sowie auf Gewährung des

Zugangs zu öffentlichen Einrichtungen in das Grundge-

setz aufgenommen werden. Die Gründe, aus denen die

Bundesregierung die Auskunft, die Vorlage von Akten

oder den Zutritt zu Einrichtungen des Bundes versagen

kann, sind darin abschließend zu regeln: Die Bundesregie-

rung sollte eine Auskunft, die Vorlage von Akten oder

den Zugang zu einer Einrichtung in ihrem Verantwor-

tungsbereich nur dann und nur insoweit verweigern dür-

fen, wie dies erforderlich und angemessen ist, um die

Eigenverantwortlichkeit ihrer Willensbildung und Ent-

scheidungsfindung bei der Vorbereitung von Regierungs-

entscheidungen zu wahren, um schwerwiegende Nachteile

für das Wohl der Allgemeinheit abzuwenden oder um die

Persönlichkeitsrechte Dritter wirksam zu schützen. Soweit
7525) Vgl. BVerfG, 2 BvE 5/06 vom 1. Juli 2009.

7526) Vgl. 17/10305: Schriftliche Frage der Abgeordneten Pau; BT-
Drs. 17/10737: Schriftliche Frage der Abgeordneten Dagdelen;

BT-Drs.17/6272: Schriftliche Frage des Abgeordneten Hunko.

In den Antworten werden exemplarisch die verschiedenen Stu-
fen der Geheimhaltung vorgeführt. „Evidente Geheimhaltungs-
bedürftigkeit“ der Antworten auf Zahl und Bewertung der V-
Leute im „Thüringer Heimatschutz“, d. h. es gibt überhaupt
keine Auskunft (17/10737). Keine Informationsnotwendigkeit

zu Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der Sicher-

heitsbehörden über das PKGr hinaus (17/6272) und keine öf-
fentliche Auskunft darüber, wie oft das PKGr zu welchen An-

lässen über die Entwicklung des Rechtsextremismus unterrich-

tet wurde (17/10305). In der 17. Wahlperiode dürfte die Zahl
der aus Geheimhaltungsgründen nicht öffentlich beantworteten

Einzelfragen alleine bei der Fraktion DIE LINKE in die Hun-

derte gehen.

Tatsachen die Annahme rechtswidrigen Regierungshan-

delns rechtfertigen, kann sich die Bundesregierung nicht

auf die Verweigerungsgründe der Eigenverantwortlichkeit

oder des Wohls der Allgemeinheit berufen.

4. Schlussfolgerungen im Bereich der Polizei

a) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle /
unabhängige Polizeibeobachtung

Polizeiarbeit muss für die Bürgerinnen und Bürger

kritisierbar und hinterfragbar sein. Das hat der Umgang

mit den Opfern und Hinterbliebenen der rassistischen

Mordserie noch einmal gezeigt. Menschen, die sich über

polizeiliches Fehlverhalten, über falsche Ermittlungen

oder einen problematischen Umgang mit Angehörigen

von Opfern von Straftaten beschweren wollen, müssen

eine mit Kompetenzen ausgestattete Anlaufstelle haben.

Diese Anlaufstelle muss außerhalb der Polizei angesiedelt

und unabhängig sein. DIE LINKE hat in der 16. und 17.

Wahlperiode Vorschläge für die Einführung einer solchen

unabhängigen Polizeibeschwerdestelle vorgelegt.
7527

Wir fordern auf Bundesebene einen polizeiunabhängigen

Beschwerde- und Untersuchungsmechanismus zur Poli-

zeibeobachtung. Bei der Konzeption sollen die Forderun-

gen von Amnesty International und Humanistischer Uni-

on
7528

als Grundlage dienen. Die unabhängige Polizeibe-

obachtungsstelle muss u. a.

– bevollmächtigt sein, Vorwürfe schwerer Menschen-
rechtsverletzungen, Diskriminierungen,

ethnisierender Formen der Ermittlung im Rahmen der

Polizeiarbeit aufzuklären;

– befugt sein, Anzeigen und Beschwerden von Perso-
nen aufzunehmen und entsprechend zu ermitteln, so-

wie selbstständig und ohne Vorliegen einer Anzeige

Ermittlungen einzuleiten;

– über die notwendige Kompetenz und Ausstattung zur
Durchführung seiner Aufgaben verfügen;

– regelmäßig Bericht an den Bundestag bzw. die Land-
tage erstatten.

7529
Die Bundesregierung soll Gespräche mit den Ländern

führen, um für ein solches Konzept der unabhängigen

Polizeibeschwerdestellen auch in den Ländern zu werben.

Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2009 eine „Zentrale Be-
schwerdestelle Polizei“ – u. a. als Konsequenz aus mehre-
ren Fällen polizeilichen Versagens und Fehlverhaltens

nach rassistischen und neonazistischen Gewalttaten sowie
7527) Vgl. Drucksachen 16/12683 und 17/10685

7528) Vgl. Amnesty International, Täter unbekannt. Mangelnde

Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die Poli-
zei in Deutschland, 2010

www.amnestypolizei.de/sites/default/files/imce/pfds/Polizeiberi

cht-internet.pdf; Humanistische Union, Gesetzentwurf zur Insti-
tutionalisierung eines Polizeibeauftragten www.humanistische-

union.de/wiki/hu/projekte/polizeikontrolle/gesetzentwurf

7529) Vgl. Amnesty International, aaO., S. 113 f.

Drucksache 17/14600 – 1022 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dem Fall Oury Jalloh – eingerichtet, die jedoch aufgrund
der Tatsache, dass sie beim Innenministerium angesiedelt

ist nicht als unabhängig bezeichnet werden kann und

damit in keiner Weise den Anforderungen an eine solche

Stelle entspricht.
7530

Zentral für den Erfolg eines solchen Beschwerde- und

Untersuchungsgremiums ist die Unabhängigkeit und ein

niedrig schwelliger Zugang, d. h. das Gremium muss frei

von Einflussnahmen und Weisungen durch Polizei,

Staatsanwaltschaft, Ministerien oder politisch Verant-

wortliche sein. Neben der Bearbeitung von Einzelfällen

polizeilichen Fehlverhaltens muss die Beschwerdestelle

auch bei Fällen von strukturellem Rassismus im Rahmen

polizeilicher Arbeit ansprechbar sein, der im Fall der

Ermittlungen zu der Česká-Mordserie zu einer systemati-
schen Fehlentwicklung der Ermittlungsrichtung geführt

hat.

Beispiele für derartige Einrichtungen in europäischen

Nachbarländern sind der „Menschenrechtsbeirat“ in Ös-
terreich, die „Police Complaints Authority“ in Großbri-
tannien, der „Police Ombudsman“ in Nordirland oder die
„Inspecção Geral da Administração Internal“ in Portugal.

b) Erhebliche Verbesserungen in den Berei-
chen Polizeiaus- und Fortbildung, beim
Anteil von Migrantinnen und Migranten in
der Polizei und der Polizeiforschung

Konzepte interkultureller Kompetenz im Rahmen der

Polizeiausbildung, regelmäßige Fortbildungen und auch

die Erhöhung des Anteils von Migrantinnen und Migran-

ten in der Polizei können helfen, einem strukturell rassis-

tischen Umfeld etwas entgegen zu setzen. Vorhandene

Konzepte müssen auf ihre Wirkung ständig überprüft

werden.

Der Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Poli-

zei soll deutlich erhöht und von entsprechenden Personal-

entwicklungsmaßnahmen sowie der Entwicklung einer

multiethnischen Organisationskultur begleitet werden.

Schon bestehende Bemühungen in einzelnen Bundeslän-

dern und in den Polizeien des Bundes zum Diversity

Mainstreaming sollten verstetigt und ausgebaut werden.

Für die polizeiliche Arbeit im Bund soll die Bundesregie-

rung hierzu bis April 2014 ein Konzept vorlegen.

aa) Aus- und Fortbildung verbessern

In der polizeilichen Aus- und Fortbildung müssen The-

men wie „Polizei in der Migrationsgesellschaft“, „Vorur-
teilsstrukturen und struktureller Rassismus in der Polizei-

arbeit“ aber auch das Thema Rechtsextremismus einen
7530) Vgl. Lars Ostermeier, Mit Beschwerdestellen, Polizeikommis-

sionen und Polizeibeauftragten gegen Polizeigewalt und Ras-

sismus, in: RAV-Infobrief Nr. 104/2010

http://www.rav.de/publikationen/infobriefe/infobrief-104-
2010/mit-beschwerdestellen-polizeikommissionen-und-

polizeibeauftragten-gegen-polizeigewalt-und-rassismus/ (letzter

Abruf, 9. August 2013)

größeren Stellenwert bekommen und zum Inhalt ver-

pflichtender Fortbildungen werden. Gegenwärtig werden

diese Themen nach Aussagen einzelner Trainerinnen und

Trainer randständig behandelt und von einer minimalen

Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Qua-

lifizierte TrainerInnen und praxisnahe Beispiele (z. B. aus

der Ermittlungsarbeit zur Mordserie) sollen die Bedeu-

tung dieser Themen unterstreichen. Ziel muss es sein, im

Rahmen der Polizeien des Bundes zu einem möglichst

flächendeckenden, verpflichtenden Angebot zu diesen

Themen zu kommen und dieses auch laufend auf seine

Wirksamkeit hin zu überprüfen.

Die im Abschlussbericht der Projektgruppe „Polizei und
Fremde“ des Unterausschusses „Führung, Einsatz und
Kriminalitätsbekämpfung“ (UA FEK) des AK II der In-
nenministerkonferenz bereits 1997 erarbeiteten Vorschlä-

ge zur Aus- und Fortbildung in diesem Bereich sollen im

Lichte der NSU-Ermittlungen überarbeitet und bundes-

weit umgesetzt werden. Eine regelmäßige Überprüfung

der Umsetzung muss erfolgen.

Die Aus- und Fortbildung zum Themenschwerpunkt

Rechtsextremismus/Rassismus wird an den Polizeischu-

len der Länder, den Fachhochschulen und der Deutschen

Hochschule der Polizei in Münster bislang unterschiedlich

gehandhabt. Rechtsextremismus sollte bei den Fortbil-

dungen für den gehobenen Dienst an der Deutschen

Hochschule der Polizei, wo das Führungspersonal der

Polizeien aus- und fortgebildet wird, ein eigener Schwer-

punkt in der Ausbildung sein – ebenso wie in den Ausbil-
dungen für den Mittleren Dienst. Der Deutschen Hoch-

schule der Polizei kommt hier eine Vorbildrolle zu, diese

sollte ihre Angebote im Themenfeld Rechtsextremis-

mus/Rassismus erheblich ausweiten. Schon bestehende

Aus- und Fortbildungsangebote in den Ländern sollten

verstetigt und ausgebaut werden. Wünschenswert wäre

hier eine engere Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-

chen Institutionen, Beratungsprojekten und Initiativen, die

über Fachwissen im Themenfeld Rechtsextremis-

mus/Rassismus verfügen.

Neben der Aus-und Fortbildung zu diesen Themen ist

eine regelmäßige Supervision im Rahmen polizeilicher

Arbeit zu gewährleisten, weil so Fehlentwicklungen,

Formen von Diskriminierung, strukturell rassistische

Ermittlungen und sonstige Probleme alltäglicher Polizei-

arbeit thematisiert und verändert werden können.

bb) Interkulturelle Kompetenz

Für die polizeiliche Ausbildung auf Bundesebene soll ein

umfassendes Konzept interkultureller Kompetenz entwi-

ckelt werden, in dem eigene und gesamtgesellschaftliche

Vorurteilsstrukturen thematisiert und im Hinblick auf die

Arbeit der Polizei bearbeitet werden. Das Erkennen von

und der Umgang mit Straftaten, die sich aus dem Zusam-

menhang einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

ergeben, soll hierbei ein Schwerpunkt sein. Ebenso soll es

um den Umgang mit Opfern und Angehörigen von Opfern

solcher Straftaten gehen. Die Kommunikation mit den

Angehörigen von Verbrechensopfern – auch unter Hinzu-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1023 – Drucksache 17/14600

ziehung von entsprechenden Fachpersonen (PsychologIn-

nen, ÄrtzInnen, Dolmetscherinnen und Dolmetscher) –
und die regelmäßige Information über die Ermittlungen

müssen hierbei zentrale Punkte sein.

Interkulturelle Kompetenz, Vorurteilsstrukturen und For-

men von Straftaten im Zusammenhang gruppenbezogener

Menschenfeindlichkeit sollen nicht nur im Rahmen der

Polizeiausbildung, sondern auch in regelmäßigen und

verpflichtenden Fortbildungen eine Rolle spielen. Die

Umsetzung der Aus- und Fortbildungsziele in der Praxis

muss kontinuierlich überprüft werden, u. a. durch beglei-

tende empirische Forschungsaufträge, um die Konzepte

der Aus- und Fortbildung wissenschaftlich zu fundieren

und weiterzuentwickeln. Darüber hinaus muss sicherge-

stellt werden, dass die entsprechenden Inhalte durch pro-

fessionelles Personal (Kulturwissenschaftlerinnen und -

wissenschaftler, interkulturelle Trainerinnen und Trainer)

vermittelt werden und diese Vermittlung flächendeckend

stattfindet, um zu vermeiden, dass interkulturelles Trai-

ning bzw. Fortbildungen ein „Nischen- oder
Exotendasein“ führen.

Der Sachverständige Schicht führte hierzu im Ausschuss

aus:

„Wie ich in meiner Studie Menschenrechtsbildung
für die Polizei dargelegt habe, ist die sogenannte

erste Hierarchieebene eine sehr wichtige Zielgrup-

pe. Die Vorgesetzten, die auf die operativ tätigen

Polizisten einen unmittelbaren Einfluss haben,

müssen sensibilisiert werden. Polizeibeamte müs-

sen in stärkerem Maße befähigt werden, über ihre

Arbeit zu reflektieren, über ihre Arbeit nachzuden-

ken, sich infrage zu stellen, diese Klischees, diese

Routinen, die so verhängnisvolle Folgen hatten,

aufzuweichen und zu lernen, über ihr eigenes

Denken nachzudenken.“7531

cc) Polizeiforschung intensivieren

Die Fraktion DIE LINKE regt an, dass die IMK eine

Einstellungsbefragung in den Polizeien des Bundes zum

Thema „Rassismus und Polizei“ in Auftrag gibt, damit die
Diskussion über möglicherweise vorhandene rassistische

Vorurteile und Einstellungspotenziale in den Polizeien auf

eine sachliche Grundlage gestellt wird und möglicherwei-

se notwendige Maßnahmen und Empfehlungen sich auf

entsprechendes Datenmaterial stützen können.

Um die polizeiinterne Evaluation von Ermittlungsarbeit

und Ermittlungsverfahren zu unterstützen, bedarf es zu-

dem der Intensivierung von empirischer Forschung über

polizeiliche Selektionsmuster in Ermittlungsverfahren,

deren Erkenntnisse dann in die Aus- und Fortbildung der

Polizei einfließen sollten und zur Identifizierung von

falschen Schwerpunktsetzungen und vernachlässigten

oder unterlassenen Ermittlungsansätzen dienen können.
7531) Protokoll-Nr. 72. S. 45 f.

c) PMK-Rechts Erfassung reformieren und
unabhängiges Monitoring sichern

Mehr als 10000 Menschen sind seit 1990 in Ost- und

Westdeutschland Opfer rassistisch und politisch rechts

motivierter Gewalttaten geworden. Doch genaue Zahlen

können auch seit der Reform der PMK-rechts-Kriterien

durch die Innenministerkonferenz (IMK) im Jahr 2001

nicht genannt werden. Vielmehr kann im Jahr 2013 nur

vermutet werden, wie flächendeckend rechte und rassisti-

sche Gewalt tatsächlich den Alltag vieler Menschen in

Ost- und Westdeutschland bestimmt. Offiziellen Statisti-

ken des Bundesamtes für Verfassungsschutz zufolge

ereigneten sich im Jahr 2012 täglich mindestens zwei

politisch rechts motivierte Gewalttaten in Deutschland –
ein Drittel dieser Angriffe war rassistisch motiviert.

7532
Unabhängige Beratungsprojekte für Opfer rechter Gewalt

in Ostdeutschland und Berlin gehen allerdings für den

gleichen Zeitraum allein für die fünf neuen Bundesländer

und Berlin von 662 einschlägigen Gewalttaten und damit

von einer wesentlich höheren Zahl aus.
7533

Zwei Studien

aus dem Frühjahr 2009 verweisen dabei auf erhebliche

Dunkelfelder. Die Grundrechteagentur der Europäischen

Union (EU) befragte in einer ersten europaweiten Studie

zu rassistischer Gewalt und Diskriminierung
7534

über

20 000 Männer und Frauen in 27 EU-Mitgliedstaaten. 37

Prozent der Befragten erklärten, sie hätten im vergange-

nen Jahr persönlich Diskriminierung erlebt; zwölf Prozent

berichteten, dass sie innerhalb des zurückliegenden Jahres

Opfer einer rassistisch motivierten Körperverletzung

wurden. Gleichzeitig wandte sich aber lediglich ein Fünf-

tel der Betroffenen an die Polizei. Jährlich blieben tau-

sende Fälle rassistischer Gewalt, Bedrohung und Diskri-

minierung unsichtbar, lautet die Schlussfolgerung der EU-

Grundrechteagentur. „Die Untersuchung zeigt, wie hoch
die Dunkelziffer rassistisch motivierter Straftaten und

Diskriminierungen in der EU wirklich ist. Die offiziellen

Angaben zum Rassismus sind lediglich die Spitze des

Eisbergs“, so Morten Kjaerum, Direktor der Grundrechte-
agentur.

Eine Offenlegung der polizeiinternen Auswertungen in

Bezug auf die Anwendung der seit 2001 bundesweit ein-

heitlich geltenden Kriterien zur Erfassung Politisch Moti-

vierter Kriminalität (PMK) könnte hier Abhilfe schaffen.

Anhand des vorgelegten BKA-Materials muss allerdings

davon ausgegangen werden, dass die letzte umfassende

Evaluation der Anwendung der PMK-rechts-Kriterien im

Jahr 2002 – mithin vor mehr als 10 Jahren – stattfand.7535
7532) Vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 30.

7533) Gemeinsame Pressemitteilung vom 14. März 2013 der Bera-

tungsstellen für Opfer rechter Gewalt in den östlichen Bundes-
ländern und Berlin: „ 626 Fälle politisch rechts motivierter Ge-
walt in Ostdeutschland /Anstieg der rassistischen Gewalttaten

Besorgnis erregend“ www.mobile-
opferberatung.de/b_0001130.html

7534) EU-MIDIS: European Union minorities and discrimination

survey:
http://fra.europa.eu/en/project/2011/eu-midis-european-union-

minorities-and-discrimination-survey

7535) vgl. MAT_A_IMK-1/5b.

Drucksache 17/14600 – 1024 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Damit wird deutlich, dass es offenbar politisch nicht ge-

wollt ist, das tatsächliche Ausmaß rechter und rassisti-

scher Gewalt in Deutschland zu erfassen. Denn regelmä-

ßig ergibt sich schon zwischen den durch die Landeskri-

minalämter erfassten rassistisch, politisch rechts und

antisemitisch motivierten Gewalttaten und den Zahlen der

spezialisierten landesweiten Opferberatungsstellen in den

ostdeutschen Bundesländern und Berlin eine Differenz

von knapp einem Drittel an Gewalttaten, die von den

Landeskriminalämtern nicht als politisch rechts motiviert

gewertet werden. Diese Differenz ist bei weitem nicht

dadurch erklärlich, dass manche Betroffene aus Angst vor

Rache der Täter, aber auch Angst davor, von der Polizei

nicht ernst genommen oder erneut rassistisch stigmatisiert

zu werden, auf eine Anzeige verzichten und die erlebte

Gewalt lediglich den Beratungsstellen melden. Eine

Überprüfung der praktischen Anwendung der PMK-

Kriterien durch die jeweiligen Polizeireviere wäre auch

deshalb dringend notwendig, weil die Ersteinschätzung

durch die aufnehmenden Beamtinnen und Beamten ent-

scheidend für die weitere Bearbeitung und Bewertung der

Gewalttat ist. Zudem sollte es auch im Interesse der Straf-

verfolgungsbehörden sein, ein realistischeres Bild vom

Ausmaß rechter Gewalt zu erhalten als dies bislang der

Fall ist. Insbesondere dort, wo es keine unabhängigen

Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt gibt – wie
in Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen – oder
keine flächendeckenden Angebote – wie in Bayern,
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Nieder-

sachsen –, muss davon ausgegangen werden, dass die
offiziellen Zahlen der Behörden lediglich einen kleinen

Ausschnitt der Realität widerspiegeln.

DIE LINKE empfiehlt, dass die IMK eine umfassende

Erhebung zur Anwendung und den Differenzen bei den

existierenden PMK-rechts-Kriterien in der polizeilichen

Praxis der Bundesländer in Auftrag gibt – unter Einbezie-
hung der Ergebnisse des unabhängigen Monitorings der

spezialisierten Beratungsstellen in freier Trägerschaft –
und anhand der Untersuchungsergebnisse weitere Refor-

men in die Wege geleitet werden, um das tatsächliche

Ausmaß von politisch rechts motivierten Gewalttaten zu

erfassen. Dadurch könnten die Defizite bei der Anwen-

dung der PMK-rechts-Kriterien im polizeilichen Alltag

erkannt und behoben werden. Die Ergebnisse der Evalua-

tion sollten öffentlich vorgestellt werden.

Auch bei der Anerkennung der Todesopfer rechter und

rassistischer Gewalt zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz

zwischen journalistischen Recherchen von ZEIT und

Tagesspiegel und den durch die Bundesregierung (und die

Länder) anerkannten Todesopfern rechter Gewalt: Wäh-

rend die Journalistinnen und Journalisten von mindestens

152 Todesopfern rechter und rassistischer Gewalt in Ost-

und Westdeutschland seit 1990 ausgehen, erkennt die

Bundesregierung lediglich 63 Todesopfer rechter Gewalt

an.
7536

Wie notwendig die versprochene, aber immer noch
7536) vgl. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/todesopfer-

rechter-gewalt; vgl. die beiden Großen Anfragen der Fraktion

DIE LINKE zu diesem Thema (Drs. 16/14122 und 17/7116).

nicht beendete retrograde Überprüfung dieser Todesfälle

ist, zeigen die Ergebnisse der Überprüfungen der Todes-

opfer in Sachsen und Sachsen-Anhalt im Jahr 2012. In

Sachsen wurden zwei weitere Todesopfer rechter Gewalt

aus den 1990er Jahren im Jahr 2012 anerkannt; in Sach-

sen-Anhalt gaben das Innenministerium und das Justizmi-

nisterium die Anerkennung von drei weiteren Todesop-

fern rechter Gewalt aus den 1990er Jahren bekannt.
7537

Derzeit lässt das Innenministerium des Landes Branden-

burg bislang nicht anerkannte Tötungsdelikte mit mögli-

chem rechten und rassistischen Hintergrund vom Moses-

Mendelssohn-Zentrum überprüfen.

d) Schutz für Whistleblower

„Cop culture“ und der traditionelle Korpsgeist bei der
Polizei tragen nicht nur zu den beschriebenen Fehloriente-

rungen von Ermittlungen und Ermittlungsverfahren bei

und verstärken deren strukturell bedingte rassistische

Ausrichtung, sie führen auch dazu, dass innerbehördliche,

innerorganisatorische Kritikerinnen und Kritiker zum

Schweigen gebracht werden. Ihr Weg in die Öffentlich-

keit wird oft mit hohem moralischem Druck erschwert

und verhindert. Der Vorwurf des „Nestbeschmutzens“
beim Gang in die Organisations-, Behörden- oder allge-

meine Öffentlichkeit muss nicht einmal direkt erhoben

werden. Gerade ihrer Arbeit gegenüber besonders positiv

eingestellte Beamte haben dieses Denken oft schon längst

verinnerlicht.

Als Frühwarnsystem für interne Missstände, Duldung

oder Verbreitung rassistischer Positionen oder Vertu-

schung von darauf basierenden Fehlern bei dienstlichen

Handlungen müssen in den Gesetzen der Bundespolizeien

ausdrückliche Regelungen geschaffen werden, die es den

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestatten, sich in

dienstlichen Angelegenheiten ohne Einhaltung des

Dienstweges und ohne die Leitung darüber unterrichten

zu müssen, unmittelbar an den Deutschen Bundestag und

seine Gremien zu wenden.

5. Zivilgesellschaft stärken, Flüchtlinge in-
tegrieren und schützen

Eine erfolgreiche und wirksame Auseinandersetzung mit

Rassismus, Antisemitismus und Neonazis ist ohne das

ausdauernde Engagement vieler unabhängiger antifaschis-

tischer Gruppen, Dokumentations- und Rechercheprojekte

und Initiativen in Ost- und Westdeutschland, mutiger

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie Pfarre-

rinnen und Pfarrer, vieler Vereine, Bündnisse gegen

Rechts und gemeinnütziger Stiftungen nicht möglich.

Dies gilt auch für die Aufarbeitung des NSU-Komplexes:
Die hier nachlesbaren Antworten der Bundesregierung zeigen,
dass es vor dem 4. November 2011 seitens des BMI keinerlei

Bereitschaft gab, die eigenen Zahlen kritisch zu überprüfen.

7537) Toralf Staud, „Die unterschlagenen Toten“, in: Zeit Online vom
20. März 2013,

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-

03/todesopfer-rechtsextremismus

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1025 – Drucksache 17/14600

Unabhängige antifaschistische Initiativen, Archive, Re-

cherchegruppen und Zeitschriften setzen gemeinsam mit

engagierten Journalistinnen und Journalisten den oftmals

falschen und verharmlosenden öffentlichen „Einschätzun-
gen“ der Geheimdienste tatsächliches Wissen, fundierte
Analysen und für alle Interessierten leicht zugängliche

Informationen entgegen – die auch für den Untersu-
chungsausschuss unverzichtbar waren.

Es sind die Initiativen und Bündnisse vor Ort – wie bei-
spielsweise das Dortmunder Antifa-Bündnis (DAB) in

Nordrhein-Westfalen, die Bürgerinitiative „Zossen zeigt
Gesicht“ (Brandenburg), das „Bunte Bürgerforum Lim-
bach-Oberfrohna“ (Sachsen) und das „Bürgerforum
Gräfenberg“ (Bayern), um nur einige wenige stellvertre-
tend für viele Unermüdliche zu nennen –, die gegen zahl-
lose Widerstände, „Nestbeschmutzer“-Vorwürfe und
Drohungen bis hin zu Brandanschlägen über die Aktivitä-

ten der so genannten Freien Kameradschaften aufklären,

gegen Neonaziaufmärsche und -konzerte mobilisieren,

Bürgermeister vor Immobilienkäufen durch Neonazis und

der Entstehung neonazistischer Zentren warnen, – und
damit Demokratie überhaupt erst lebendig werden lassen

und die demokratische Gegenwehr ermöglichen.

Viele Einzelpersonen, von Pädagoginnen und Pädagogen,

Kneipenwirtinnen und Kneipenwirten bis zu Künstlerin-

nen und Künstlern, unterstützen die Opfer rechter und

rassistischer Gewalt, sie organisieren Workshops und

Seminare zu den Erscheinungsformen des modernen

Rechtsextremismus in der schulischen und außerschuli-

schen Bildung, sie weisen auf die wichtige Rolle von

Frauen in Neonazinetzwerken hin, sie tragen wie das

Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum e.V.

und die Antifaschistische Informations-, Dokumentations-

und Archivstelle München e. V zur transparenten Aufklä-

rung im NSU-Komplex bei, klären an ihren Arbeitsplät-

zen über Antisemitismus, Rassismus und Neonazis auf

und gestalten so eine demokratische, solidarische Kultur

vor Ort. Beharrlich engagieren sie sich auch dann weiter,

wenn Rechtsextremismus oder rassistische Gewalt nicht

(mehr) für mediale Schlagzeilen sorgen und Journalistin-

nen und Journalisten ihre Aufmerksamkeit wieder ande-

ren Themen zuwenden, wenn sie – wie beispielsweise
alternative Jugendzentren in Mecklenburg-Vorpommern

und Brandenburg – von Verfassungsschutzbehörden öf-
fentlich diffamiert und diskreditiert werden und wenn sie

aufgrund ihrer Teilnahme an Blockaden gegen Neonazi-

aufmärsche im Fokus von Polizei und Staatsanwaltschaft

stehen.

Antifaschistische Initiativen, Bürgerbündnisse und die

professionellen Beratungsprojekte für Opfer rechter Ge-

walt und Mobilen Beratungsteams in freier Trägerschaft

reagieren sehr oft schneller und kompetenter auf rassisti-

sche Gewalt oder neonazistische Aktivitäten als staatliche

Stellen.

In den vergangenen zehn Jahren ist insbesondere in den

neuen Bundesländern und Berlin, aber auch in einigen

westlichen Bundesländern ein flächendeckendes Netz

hoch professioneller, unverzichtbarer Beratungsprojekte

für Opfer rechter und rassistischer Gewalt sowie Mobiler

Beratungsteams entstanden, die u. a. Kommunen, poli-

tisch Verantwortliche, Verbände und Vereine beraten und

coachen.

Die Arbeit dieser erfolgreichen Beratungsprojekte ebenso

wie der positiv evaluierten Modellprojekte wird jedoch

immer wieder massiv behindert: So durch die jeweils

zeitlich begrenzte Förderung durch das Bundesfamilien-

ministerium und die permanent drohenden Kürzungen der

Ko-Finanzierung aus den Ländern, aber auch durch die so

genannte „Extremismusklausel“.

a) Bundesförderung verdoppeln und verste-
tigen

Nur wenn die bisher zur Verfügung gestellten Haushalts-

mittel des Bundes auf mindestens 50 Millionen Euro

jährlich verdoppelt werden, kann der dringend notwendi-

ge Ausbau der professionellen Beratungsprojekte für

Betroffene rechter und rassistischer Gewalt sowie der

Mobilen Beratungsteams auch in den westdeutschen Bun-

desländern mit den professionellen Qualitätsstandards der

Beratungsprojekte und Mobilen Beratungsteams in den

ostdeutschen Bundesländern und Berlin umgesetzt wer-

den. Nur dann können letztere gesichert und drohende

Kürzungen abgewendet werden. Zudem sollte ein

„Initiativentopf“ mit niedrigen Zugangsschwellen für
kleinere, unabhängige antifaschistische Initiativen einge-

richtet werden, der für die Förderung alternativer Jugend-

kulturen vor Ort dringend notwendig ist.

Die Verdoppelung des bisherigen Budgets wäre ein drin-

gend notwendiges Signal an die von rechter Gewalt Be-

troffenen und die Gesellschaft : Dass die politisch Ver-

antwortlichen erkannt haben, dass Rechtsextremismus

und Rassismus keine zeitlich begrenzten Phänomene sind,

die von selbst wieder verschwinden, sondern dass sie –
ähnlich wie die Drogen- und HIV-Problematik – Dauer-
probleme der gesamten Gesellschaft sind, zu deren Be-

kämpfung eben auch dauerhafte Beratungsstrukturen

notwendig sind.

Um eine von den Sachverständigen Prof. Barbara John

und Britta Schellenberg empfohlene Verstetigung der

Förderung zu realisieren, greift die Fraktion DIE LINKE

eine Empfehlung von Prof. Barbara John zum Aufbau

einer Stiftung auf. Dass eine langfristige, dauerhafte Fi-

nanzierung der Arbeit gegen Neonazismus und für De-

mokratieförderung auf Bundesebene verfassungsrechtlich

möglich ist, haben u. a. der Staatsrechtler Prof. Dr. Dr.

h.c. Ulrich Battis (HU Berlin) und Prof. Dr. Klaus Joa-

chim Grigoleit (TU Dortmund) in einem Gutachten im

Auftrag des Zentralrats der Juden in Deutschland, kirchli-

cher Vereine und Initiativen wie der „Bundesarbeitsge-
meinschaft Kirche & Rechtsextremismus“, des Deutschen
Gewerkschaftsbunds sowie weiterer Verbände und Initia-

tiven gegen Rechtsextremismus festgestellt.
7538

Die För-
7538) Gutachten zur Verstetigung der finanziellen Mittel zur Demo-

kratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus, abrufbar

unter: http://www.amadeu-antonio-

stiftung.de/aktuelles/gutachten-zur-verstetigung-der-

Drucksache 17/14600 – 1026 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

derung demokratischer Kultur und die Bekämpfung des

Neonazismus unterliegen staatlicher, insbesondere aber

gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Zur Wahrneh-

mung dieser Verantwortung bedürften entsprechende

gesellschaftliche Projekte eines gewissen Maßes an Fi-

nanzierungssicherheit. Diese könne auf bundesgesetzli-

cher Basis durch die Gründung einer Organisationseinheit

– etwa einer Stiftung oder einer GmbH – zur Förderung
dieser gesellschaftlichen Arbeit gewährleistet werden, so

Battis. Dem Bund stehe aus Art. 87 Abs. 3 GG die Be-

fugnis zu, bundesunmittelbare Körperschaften und An-

stalten zu errichten. In analoger Anwendung ergibt sich

aus Art. 87 Abs. 3 auch die Kompetenz, Stiftungen und

privat-rechtliche Organisationen zu errichten. Die Mög-

lichkeit, die Mittel über Dritte im Rahmen der Bundes-

haushaltsordnung (BHO) zu verteilen, führe jedoch allein

nicht zu einer höheren Kontinuität, so Battis weiter. Wer-

de dies jedoch mit der Gründung einer Organisationsein-

heit verbunden, so führe allein bereits die Schaffung von

solchermaßen verfestigten institutionellen Strukturen zu

einer Steigerung der Verlässlichkeit der Förderung ge-

genüber der bisher bestehenden Situation. Sowohl die

Errichtung einer Stiftung bürgerlichen Rechts als auch die

Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ist verfas-

sungsrechtlich möglich. Die demokratische Kontrolle bei

einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ist allerdings leichter

zu organisieren. Dies setzt ein Bundesgesetz sowie die

politische Entscheidung für ein Finanzierungsmodell

voraus: Damit aus einem Flickenteppich aus unzureichen-

der Bundes- und Länderförderung für die freien Träger

endlich eine effektive, koordinierte und verlässliche Un-

terstützung wird, die zudem der Tatsache Rechnung trägt,

dass rechte Gewalt und neonazistische Aktivitäten ein

gesamtdeutsches Problem und nicht auf die ostdeutschen

Bundesländer beschränkt sind.

b) Kompetenzen aus Wissenschaft und Zivil-
gesellschaft einbeziehen

Seit 2001 haben die jeweiligen Bundesregierungen und

die Bundesministerien BMI, BMFSFJ und BMA – mit
einem halben Dutzend zeitlich begrenzter Förderpro-

gramme – auch immer eine wissenschaftliche Evaluation
der Bundesprogramme selbst verbunden. Doch deren

Ergebnisse und Empfehlungen sowie die Erfahrungen und

Kompetenzen der zivilgesellschaftlichen Initiativen und

Projekte wurden allzu selten bei der Neugestaltung der

Programme berücksichtig. Dies muss sich beim Aufbau

einer Bundesstiftung – oder für den Fall, dass die Bundes-
regierung den gemeinsamen Empfehlungen des Aus-

schusses nicht folgt in einem Nachfolgeprogramm von

„Toleranz stärken – Kompetenz fördern“ – ändern. Wenn
es um die Entwicklung der Strukturen, Inhalte und der

Förderlinien geht, müssen die Ergebnisse der unabhängi-

gen wissenschaftlichen Evaluationen der bisherigen Bun-

desprogramme verpflichtend berücksichtigt werden.
finanziellen-mittel-zur-demokratiefoerderung-und-

bekaempfung-des-neonazismus/

c) Extremismusklausel ersatzlos abschaffen

Zudem ist es höchste Zeit, dass Faktoren, die die Arbeit

zivilgesellschaftlicher Initiativen behindern, endlich ab-

gebaut werden. Dazu gehört an erster Stelle die so ge-

nannte „Extremismusklausel“, die nach dem Willen u. a.
des Bundesfamilienministeriums, aber auch weiterer

Bundes- und Landesministerien im Gegenzug für staatli-

che Förderung unterschrieben werden muss. Damit wer-

den diejenigen, die die Demokratie tagtäglich an Orten

verteidigen, aus denen sich Repräsentantinnen und Reprä-

sentanten demokratischer Institutionen längst zurückge-

zogen haben, diffamiert und unter Generalverdacht ge-

stellt. Um zivilgesellschaftliches Engagement zu würdi-

gen, muss die so genannte „Einverständniserklärung zur
freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, besser be-
kannt als „Demokratieerklärung“, die von den betroffenen
Initiativen auch als „Extremismus- oder Misstrauenserklä-
rung“ bezeichnet wird, endlich ersatzlos gestrichen und
abgeschafft werden. Damit würde zudem den rechtlichen

Bedenken – u. a. des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestags

7539
und des Landgerichts Dresden (Az. 1 K

1755/11) – Rechnung getragen.

d) Kriminalisierung antifaschistischen Enga-
gements beenden

Auch die zunehmende Kriminalisierung von Menschen,

die an Blockaden gegen Neonaziaufmärsche teilnehmen,

stellt eine Entmutigung für viele Engagierte dar. Sie wün-

schen sich, dass ihre Grundrechte respektiert werden –
und die politisch motivierte Strafverfolgung friedlicher

Blockadeteilnehmerinnen und –teilnehmer wie im Fall
des Jenaer Stadtjugendpfarrers Lothar König endlich

beendet wird. Viele Aussteigerinnen und Aussteiger aus

der rechten Szene haben in Gesprächen deutlich gemacht,

wie notwendig und wichtig in ihren Ausstiegsprozessen

Menschen waren und sind, die erkennbar, sichtbar und

gradlinig gegen die menschenverachtende Ideologie der

Ungleichheit auf die Straße gehen und in persönlichen

Begegnungen klare Haltungen zeigen. Denn oft sind es

diese Begegnungen und Erfahrungen, die ausstiegswillige

Neonazis in ihren Zweifeln und Bedenken bestärken –
und die ihnen in Erinnerung bleiben, wenn sie Hilfe und

Unterstützung beim Ausstieg suchen. Wer Proteste gegen

einschlägige Aufmärsche in Hör- und Sichtweite der

Neonazis verbietet, einschränkt und kriminalisiert, nimmt

auch in Kauf, dass das Selbstbewusstsein und der innere

Zusammenhalt der Neonaziszene weiter gestärkt werden

und erschwert Ausstiegsprozesse.

e) Flüchtlinge integrieren statt rassistischer
Hetzkampagnen

Zu den zentralen Schlussfolgerungen aus dem 2. Parla-

mentarischen Untersuchungsausschuss gehört, dass es
7539) Das Gutachten ist zu finden unter:

http://www.thierse.de/dokumente/ordner-fuer-

dokumente/gutachten-extremismusklausel.pdf

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1027 – Drucksache 17/14600

nicht ausreicht, die gesellschaftliche Auseinandersetzung

mit Ideologien der Ungleichwertigkeit – wie Neonazis-
mus, Rassismus und Antisemitismus, aber auch

Antiziganismus und Homophobie – auf Neonazis und die
extreme Rechte zu beschränken. Ebenso wichtig sind

gesetzliche Regelungen, die dazu beitragen, dass alle in

Deutschland lebenden Menschen – unabhängig von ihrer
Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihrem sozialen

Status, ihrer Hautfarbe, ihrer körperlichen oder geistigen

Beeinträchtigung und ihrem Aufenthaltsstatus – gleiche
Rechte und gleichen Schutz genießen. Der Ausschuss hat

explizit in seinen gemeinsamen Bewertungen festgestellt,

dass in den frühen 1990er Jahren die Welle

„rassistisch motivierte[r] Gewalt in den neuen
Bundesländern vielfach im öffentlichen Raum, vor

den Augen zahlreicher – oftmals sympathisieren-
der – Anwohner verübt [wurde], ohne dass staatli-
che Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden

wirksam auf Seiten der Opfer eingriffen und effek-

tiv und erkennbar gegen die Täterinnen und Täter

vorgingen. Potenzielle NachahmerInnen und Sym-

pathisantInnen der extrem Rechten konnten sich

dadurch ermutigt und bestätigt fühlen.“7540

Tatsächlich ist statistisch ein Anstieg rassistisch motivier-

ter Gewalttaten gegen Schwarze Deutsche, Asylsuchende

und Migrantinnen und Migranten immer dann nachweis-

bar, wenn in medialen und politischen Diskursen Flücht-

linge und Migranten rassistisch diffamiert und ausge-

grenzt werden – wie in der Debatte um die Thesen von
Thilo Sarrazin oder wie aktuell in der diffamierenden

Kampagne gegen sogenannte Armutszuwanderer aus

Osteuropa, insbesondere Roma, und gegen Asylsuchende

als Gesamtgruppe, deren Zahl Bundesinnenminister

Friedrich als „alarmierend“ bezeichnet7541, obwohl sie nur
einen im Promillebereich messbaren Bruchteil der in

Deutschland lebenden Menschen ausmachen.
7542

Dass

Neonazis und extrem rechte Bürgerbündnisse sich durch

diese Politik der Ausgrenzung und Abschottung ermutigt

und bestärkt fühlen, lässt sich u. a. an der steigenden Zahl

von Angriffen auf und Drohungen gegen Flüchtlingshei-

me
7543

, Wohnhäuser von Roma und Sinti
7544

sowie anti-
7540) Vgl. BT-Drucksache 17/14600, Abschlussbericht des 2. PUA,

S. 849.

7541) cus Online “Zahl der neuen Asylbewerber steigt um 112 Pro-
zent“ vom 14. August 2013,
http://www.focus.de/politik/deutschland/fast-10000-

asylantraege-im-juli-zahl-der-fluechtlinge-steigt-um-112-
prozent_aid_1071059.html

7542) http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/ innenminis-

ter_friedrich_unterstellt_reflexhaft_ massenhaf-
ten_asylmissbrauch

7543) „Ausländer-Raus Kampagnen der extremen Rechten im Visier“
in: Monitor – Rundbrief des apabiz e.V. Nr. 57/2012;
http://www.apabiz.de/publikation/monitor/Monitor%20Nr.57.p

df

7544) „Facebook-Hetze gegen Roma Haus ist Aufruf zu Mord“ in:
Der Westen vom 13. August 2013,

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/west/staatsschutz-

ermittelt-nach-gewalt-aufruf-gegen-roma-id8311398.html

rassistische Aktivistinnen und Aktivisten seit Jahresan-

fang erkennen.
7545

Um rassistischen Stammtischdiskursen und Schlägern

gleichermaßen den Nährboden zu entziehen, sind mehrere

Sofortmaßnahmen zwingend notwendig:

– Opfer rassistischer Gewalt ohne Aufenthaltsstatus
bzw. mit einer Duldung sollten durch eine neue Re-

gelung in § 25 des Aufenthaltsgesetzes ein humanitä-

res Bleiberecht erhalten. Mit einer solchen Regelung

im Aufenthaltsgesetz wäre ein klares Signal an

die Täterinnen und Täter derartiger Angriffe sowie

deren Umfeld verbunden: dass ihrer politischen Ziel-

setzung „Ausländer raus“ explizit entgegen getreten
und ihr Ziel der Vertreibung vereitelt wird, indem

VertreterInnen des Staates auch materiell für die An-

gegriffenen Partei ergreifen. In den vergangenen Jah-

ren haben die Innenminister von Brandenburg und

Sachsen-Anhalt in zwei Einzelfällen Opfern rassisti-

scher Gewalt, die zum Zeitpunkt des Angriffs ledig-

lich im Status der Duldung waren und im laufenden

Strafverfahren gegen die Täter abgeschoben werden

sollten, ein humanitäres Aufenthaltsrecht im Wege

des Ermessens nach der geltenden Rechtslage erteilt.

Diese Entscheidungen hatten regionale Signalwir-

kung und zeigen deutlich, dass die von Beratungsstel-

len für Opfer rechter und rassistischer Gewalt erho-

bene Forderung nach einem humanitären Bleiberecht

umsetzbar ist.
7546

Es bedarf jedoch einer klaren und

verlässlichen gesetzlichen Regelung. Denn nach der

bisherigen Praxis wäre auch Mehmet Turgut, wenn er

die Schüsse des NSU überlebt hätte, so wie sein Bru-

der Yunus kurz nach der Tat aus Deutschland abge-

schoben worden. Mehmet und Yunus Turgut waren

wegen ihrer kurdischen Herkunft in den 1990er Jah-

ren in der Türkei verfolgt und nach Deutschland ge-

flohen, erhielten hier aber kein Asyl und lebten bis zu

Mehmet Turguts Ermordung am 25. Februar 2004 in

Rostock – wie viele Tausende andere Menschen –
ohne einen Aufenthaltstitel in Deutschland.

– Die von den Betroffenen und zahlreichen Menschen-
und Bürgerrechtsorganisationen wie Pro Asyl, der

Humanistischen Union und dem Republikanischen

Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) schon lange

geforderte Abschaffung der Residenzpflicht muss so-

fort umgesetzt werden - und damit einhergehend das

Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Wahl des

Wohnorts für Asylsuchende und so genannte „Ge-
duldete“, die nicht abgeschoben werden können oder
dürfen. Damit würde ein universelles Menschenrecht

auf Bewegungsfreiheit für Asylbewerberinnen und -

bewerber in Deutschland endlich wieder hergestellt,

das den Betroffenen von der SPD/FDP-Koalition
7545) Vgl. Chronik Rechte Aktivitäten 2013 von a.i.d.a. e.V.,

http://www.aida-archiv.de

7546) „Schönbohm: Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt“
http://www.opferperspektive.de/Home/640.html, „Eine ge-

- - -

Drucksache 17/14600 – 1028 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1982 zu „Abschreckungszwecken“ entzogen wurde
und seitdem allein aus diesem Grund verwehrt wird.

Zudem ist die Kontrolle und Durchsetzung der Residenz-

pflicht in der Praxis mit rassistischen Polizeikontrollen

verbunden. Asylsuchende werden in Regionalzügen und

auf Bahnhöfen besonders häufig kontrolliert und bei Ver-

stößen gegen die Residenzpflicht auch abgeführt – und
damit in aller Öffentlichkeit als vermeintliche „Straftäter“
markiert. Verstöße gegen die Residenzpflicht werden in

der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst und lassen da-

mit die „Kriminalität“ von Nicht-Deutschen als erhöht
erscheinen

7547
. Dies befestigt das Vorurteil vermeintlich

besonders „krimineller Ausländer“.

– Ein Ende der zwangsweisen Unterbringung von
Asylsuchenden und Geduldeten in so genannten

„Gemeinschaftsunterkünften“, die vor allem einen
Effekt haben: Aus einer kleinen Gruppe und Minder-

heit eine vermeintlich große Masse zu machen, die

dadurch vor allem in kleineren Orten und Gemeinden

als „Bedrohung“ wahrgenommen und als „die Ande-
ren“ kenntlich gemacht und stigmatisiert wird.

– Eine ähnlich negative Wirkung wie die Residenz-
pflicht hat das so genannte Sachleistungsprinzip des

Asylbewerberleistungsgesetzes: Wenn Asylsuchende

nur in bestimmten Geschäften und / oder nur mit

Wertgutscheinen einkaufen dürfen, werden sie als

Menschen mit minderen Rechten stigmatisiert. Län-

gere Warteschlangen beim Einkauf infolge der kom-

plizierten Abrechnung von Wertgutscheinen provo-

zieren Ärger und Wut gegen die vermeintlichen „Stö-
renfriede“.

– Ein Ende des neunmonatigen Arbeits- und Ausbil-
dungsverbots für Asylbewerberinnen und Asylbe-

werber und die Abschaffung der so genannten Vor-

rangprüfung beim Arbeitsmarktzugang ist ebenfalls

geboten.

Eine Umsetzung dieser Sofortmaßnahmen ist notwendig,

um Asylsuchenden und so genannten Geduldeten eine

gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und populis-

tisch-rassistischen Kampagnen den Nährboden zu entzie-

hen.

6. Rechte von MigrantInnen stärken – Aus-
grenzung beenden

Auch die politischen Teilhaberechte von in Deutschland

lebenden Migrantinnen und Migranten müssen gestärkt

werden.

Studien zufolge stimmen zwei Drittel der deutschen Be-

völkerung der Aussage „Die Ausländer kommen nur
hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ ganz oder
teilweise zu. Diese erschreckend hohen Werte sind auch
7547) Laut Beate Selders („Keine Bewegung! Die ‚Residenzpflicht‘

für Flüchtlinge – Bestandsaufnahme und Kritik“, Berlin 2009)
geht etwa ein Viertel aller ausländerrechtlichen Delikte auf

Verstöße gegen die Residenzpflicht zurück.

Folge offizieller Regierungspolitik, die sich in der Migra-

tionspolitik immer wieder auf das Motto einer „Verhinde-
rung der Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“
bezieht und Gesetzesverschärfungen damit begründet. Die

grundlegenden Rechte von Menschen dürfen aber nicht

unter Kostenaspekten beurteilt werden. Solche Politikan-

sätze befördern Konzepte und Vorstellungen der Un-

gleichheit, an die extreme Rechte nahtlos anknüpfen kön-

nen. Ähnliches gilt für vorurteilsschürende Kampagnen

gegen eine vermeintlich verbreitete „Integrationsverwei-
gerung“, für die es keinerlei empirische Belege gibt.7548

Als Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Rechte von Mig-

rantinnen und Migranten sind erforderlich:

– Erleichterte Einbürgerungen bei genereller Akzep-
tanz der doppelten Staatsangehörigkeit (Abschaffung

der Optionspflicht, die zum Verlust der deutschen

Staatsangehörigkeit von hier als Deutsche geborenen

und aufgewachsenen Jugendlichen führen kann), Ab-

senkung der Anforderungen an nachzuweisende Auf-

enthaltszeiten, Einkommens- und Sprachnachweise

und Gebühren, Verzicht auf Gesinnungs- und Ein-

bürgerungstests, die Einbürgerungswillige unter ei-

nen Generalverdacht stellen, deutsche Staatsangehö-

rigkeit per Geburt für alle hier geborenen Kinder

dauerhaft hier lebender ausländischer Eltern.

– Wahlrecht für Nicht-Deutsche auf Bundes-, Landes-
und kommunaler Ebene, was eine Grundgesetzände-

rung mit Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und

Bundesrat erfordert, aber verfassungsrechtlich kei-

nesfalls unmöglich ist.

VII. Epilog

Die Aufklärung des NSU-Komplexes hat gerade erst

begonnen: Mit dem Abschlussbericht des Untersuchungs-

ausschusses, den gemeinsamen Schlussfolgerungen und

den Sondervoten ist eine wichtige erste Etappe beendet.

Beim BKA und Generalbundesanwalt gehen die Ermitt-

lungen gegen mutmaßliche Unterstützerinnen und Unter-

stützer des NSU weiter und wird geprüft, ob es weitere,

bislang unbekannte Gewalttaten gab, die dem NSU zuge-

rechnet werden müssen. Und ein Ende der Hauptverhand-

lung gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Carsten

Schultze, Holger Gerlach und Andre Eminger ist über-

haupt noch nicht in Sicht.

Damit die Aufklärung im NSU-Komplex so transparent

wie möglich geschieht, sind alle gefragt: Öffentlichkeit,

Medien, Abgeordnete und Zivilgesellschaft. Dies gilt

auch für das anhaltende Problem rassistischer und rechter

Gewalt. Denn noch immer ereignen sich täglich mindes-

tens zwei bis drei rechte oder rassistische Gewalttaten in

Deutschland. Es ist an uns allen, dafür zu sorgen, dass den

Appellen für Zivilcourage auch reales Engagement folgt –
und dass Opfer rechter und rassistischer Gewalt nicht

alleine gelassen werden.
7548) Vgl. dazu BT-Drs. 17/5693 und 17/4798.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1029 – Drucksache 17/14600

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1031 – Drucksache 17/14600

E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Nach der Untersuchung besteht konkreter
Handlungsbedarf

Die Gemeinsamkeit der Fraktionen bei der Feststellung

der ermittelten Tatsachen, bei den Bewertungen und

Schlussfolgerungen ist ein hoher Wert und wird nicht

umsonst allseits gelobt. Die Erstellung von Sondervoten

der Fraktionen relativiert oder schmälert diese Gemein-

samkeit nicht. Die Sondervoten haben die Funktion, über

die gemeinsamen Feststellungen hinaus Präzisierungen

und Zuspitzungen vorzunehmen sowie Schlussfolgerun-

gen unter dem speziellen Blickwinkel der einzelnen Frak-

tionen zu ziehen.

Das Versagen der Sicherheitsbehörden gegenüber dem

NSU über mehr als ein Jahrzehnt ist beispiellos. Neonazis

konnten in Deutschland unbehelligt agieren und eine

Mordserie verüben, ohne dass Justiz, Polizei und Verfas-

sungsschutz einschritten. Dies hatte entsetzliche Folgen

für die Opfer und ihre Angehörigen und erschütterte unser

aller Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat. Wir brau-

chen daher eine grundlegende, ursachenorientierte Zäsur

in der gesamten Architektur sowie bei Personal und Ar-

beitsweise unserer Sicherheitsorgane.

Es bedarf zunächst eines Neustartes im Bereich des heuti-

gen Verfassungsschutzes, einer neuen Fundierung der

Informationsgewinnung und des Informationsaustausches,

insbesondere zwischen Nachrichtendiensten und Polizei.

Der Verfassungsschutz hatte ein massives Erkenntnis-

problem. Ursache dafür waren vor allem gravierende

Defizite im Hinblick auf den Willen und die Fähigkeit zu

gegenseitiger Information und Zusammenarbeit sowie zu

einer ergebnisoffenen Analyse. Die wertvollen Informati-

onen und Analysen der Zivilgesellschaft wurden nicht

ernst genommen. Stattdessen werden die zivilgesellschaft-

lichen Akteure zum Teil bis heute als quasi-gegnerische

„Antifa-Extremisten“ diffamiert. Auch die Abschottung
von Polizei und Nachrichtendiensten in Bund und Län-

dern untereinander führte zu einem heillosen Chaos, in-

nerhalb dessen der NSU ungehindert agieren konnte.

Der Verfassungsschutz hat zudem ein gravierendes Kont-

rollproblem: Erstens haben weder die behördeninterne

Aufsicht noch die externe Kontrolle durch die Parlamente

und die Datenschutzbeauftragten ausgereicht. Zweitens

mangelt es innerhalb der Verfassungsschutzbehörden am

Bewusstsein der Notwendigkeit einer externen Kontrolle

und am Respekt gegenüber der Untersuchungsarbeit im

Bundestag bzw. in den Landtagen. Das zeigen beispiel-

haft die Fälle des Akten-Schredderns.

II. Politische Verantwortung wahrnehmen –
nach Fehlleistungen persönliche Konse-
quenzen ziehen

In der Demokratie gibt es für das Handeln von Behörden

gewählte politische Verantwortungsträger. Es ist deshalb

ein schlechtes Zeichen und nicht nur mit dem Zeitablauf

zu erklären, dass es infolge der Vielzahl von Fehlern und

Unterlassungen zu keinem einzigen Rücktritt eines Amts-

trägers kam. Die erfolgten Demissionen von Leitern und

Leiterinnen der Verfassungsschutzämter rührten von

Mängeln bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes her,

nicht von den bei der Einschätzung und Verfolgung der

Straftaten begangenen Fehlern.

Die politischen Verantwortungsträger bestimmen vor

allem auch an maßgeblicher Stelle den politischen Dis-

kurs im Lande mit. Auch hier ist ein Verschulden an vie-

len Stellen feststellbar.

So wurde die Welle rassistischer und neonazistischer

Gewalt zu Beginn der 1990er Jahre begünstigt und befeu-

ert durch die im politischen Raum stattfindende soge-

nannte Asyldebatte.

Hintergrund dieser in allen Medien geführten Auseinan-

dersetzung war die ansteigende Zahl von Flüchtlingen, die

nach Deutschland kamen. Sie wurden auch in die neuen

Bundesländer verteilt, ohne dass dort eine entsprechende

Aufnahmestruktur geschaffen wurde. Diese „Asylfrage“
wurde in der politischen Auseinandersetzung instrumenta-

lisiert. Der Generalsekretär einer Regierungspartei schlug

in Strategiepapieren vor, die Kosten der Unterbringung

der Flüchtlinge in alle Institutionen, in „jeden Gemeinde-
rat“ einzubringen. Der Widerstand der SPD gegen eine
Änderung des Art. 16 GG, des Grundrechtes auf Asyl,

sollte so gebrochen werden. Im Ergebnis mit Erfolg. Das

Grundrecht auf Asyl in der Verfassung wurde einge-

schränkt. Menschenfeindliche Äußerungen hatten zuvor

die Stimmung angeheizt. Ein Bürgermeister forderte zu

Flüchtlingen: „Das Zeug muss hier weg“. Ein Landesan-
walt sprach von „einem Heuschreckenschwarm, der über-
all, wo er durchzieht, eine Wüste hinterlässt“ und ein
Ministerpräsident davon, eine multi-nationale Gesell-

schaft auf deutschem Boden, die die Republikaner

„durchmischt und durchrasst“ bezeichneten, lehnten die
Bürger ab.

Rechtsextremisten und Neonazis glaubten ihre Gesinnung

und Taten mit Berufung auf solche Äußerungen rechtfer-

tigen zu können. Sie gingen davon aus, die Bevölkerung

hinter sich zu haben. Sie sahen sich ermutigt, als es ge-

lang, in Hoyerswerda und Rostock die Flüchtlinge zu

vertreiben. Fremdenfeindlichkeit wurde bei ihnen zu

ungeschminktem Rassismus und Ausländerhass. Immer

mehr richtete sich die Hetze gegen Ausländer insgesamt,

die als „Menschen 3. Klasse“ verächtlich gemacht wur-

Drucksache 17/14600 – 1032 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den. Insbesondere Migranten türkischer Herkunft wurden

als „Kanaken“ beschimpft. Mit Mordanschlägen sollte
„Deutschland kanakenfrei“ gemacht werden. Um dies zu
erreichen, wurden Wohnhäuser von Bürgerinnen und

Bürgern türkischer Herkunft mitten in Deutschland in

Mölln und Solingen nachts angezündet, in denen dann

Menschen, vorwiegend Frauen und Kinder hilflos erstick-

ten und verbrannten.

Der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in

Deutschland, Ignatz Bubis, sprach von den Protagonisten

dieser öffentlichen Debatte als von „Skinheads im Maß-
anzug“. Er hat den Zusammenhang von „Asyldebatte“
und nächtlichen Mordtaten in die Worte gefasst, die Täter

müssten sich doch geradezu ermutigt fühlen von dem,

was sie um acht Uhr in der Tagesschau hörten. „Die reden
bloß, wir tun etwas“.

Gerade angesichts des Radikalisierungsprozesses des

NSU, seines offenbar ebenfalls ins Mörderische gesteiger-

ten Bewusstseins, einem vorgeblichem Missstand, dem

„Volkstod“, durch „Taten statt Worte“ abhelfen zu müs-
sen, muss es sich ein für allemal verbieten, mit einer Het-

ze gegen Minderheiten auf tatsächliche oder auch nur

empfundene Integrations- oder Unterbringungsschwierig-

keiten zu reagieren. Diese Problematik ist nicht etwa mit

der Einschränkung des Grundrechtes auf Asyl entfallen,

sondern tritt in immer neuem Gewande auf, sei es mit

Überfremdungsängsten im Geiste Thilo Sarrazins

(„Deutschland schafft sich ab“), sei es in Gestalt von
Islamophobie (Gegen Moschee-Bau in Deutschland) oder

mit der für den aktuellen Wahlkampf angedrohten In-

strumentalisierung von Unterbringungsschwierigkeiten

von Roma aus Ostmitteleuropa.

1. Politische und persönliche Verantwortung
auf Regierungsebene

Es ist erstaunlich, dass gerade die Generation von Politi-

kern, die diese Erfahrungen in den neunziger Jahren

schon in verantwortlicher Position machte, angesichts der

Taten des NSU die Möglichkeit eines rechtsterroristischen

Hintergrundes entweder gar nicht, oder sehr spät, auf

jeden Fall nicht entschieden genug ins Auge fasste.

Die politische Verantwortung für die Arbeit von BKA

und BfV hat der Bundesinnenminister. Dies war zunächst,

zu Beginn der Straftaten des NSU, Otto Schily.

Er verantwortete deshalb auch deren Erkenntnisgewin-

nung und Analyse zum Rechtsextremismus und zu rechts-

terroristischen Gefahren. Daran ändert nichts, dass er zur

Zeit der ersten falschen Bewertung der Bedrohung des

Rechtsterrorismus im Zusammenhang mit dem Trio durch

das BfV vom April 1998 noch nicht im Amt war.

2. Gefahr des Rechtsterrorismus über Jahre
unterschätzt

Der Ausschuss fand diese Feststellung in einem Sprech-

zettel des BfV für eine Sitzung der Parlamentarischen

Kontrollkommission im April 1998. Dort heißt es, es gebe

keine Hinweise auf eine terroristische Bedrohung durch

Rechtsextremisten. Sogar die Rohrbomben werden er-

wähnt, die wenige Monate vorher in der Garage des ver-

schwundenen NSU-Trios gefunden worden waren.

Gleichwohl wird betont, es gebe keine rechtsterroristische

Organisation und Struktur. Es fehle an Führungspersonen

und logistischen Voraussetzungen wie finanziellen Mit-

teln und einer Unterstützer-Szene, die für den Kampf aus

der Illegalität unverzichtbar seien. Es sei auch keine ent-

sprechende Theorie ausformuliert.

Eine entsprechende Einschätzung hatten die nach den

Rohrbombenfunden zur Unterstützung des LKA Thürin-

gen entsandten Beamten des BKA für den Generalbun-

desanwalt formuliert.

Gleichlautend wurde im September 1999 auf einer

Sicherheitstagung der „Informationsgruppe Rechtsextre-
mismus“ (IGR) zum Lagebild des Rechtsextremismus
behauptet, eine rechtsextremistische Organisation, die zur

Durchsetzung ihrer politischen Ziele schwere Straftaten

oder terroristische Aktivitäten plane, sei nicht vorhanden.

Zehn Monate vorher hatte der erste unaufgeklärte Raub-

überfall stattgefunden, der dem NSU-Trio zugeschrieben

wird. Und wenige Wochen später wurden die Überfälle

Nummer zwei und drei auf Postfilialen in Chemnitz be-

gangen.

Solche Fehleinschätzungen höchster Stellen wie des BfV

über viele Jahre spiegeln eine Grundeinstellung zu den

Gefahren wider, die vom Rechtsextremismus in Deutsch-

land ausgingen und ausgehen. Sie waren in den Sicher-

heitsbehörden Deutschlands von oben bis unten verbrei-

tet, wenn nicht gar dominierend und auch für die tägliche

Arbeit von Bedeutung. Rechtsterrorismus wird weganaly-

siert oder als Einzelerscheinung verharmlost, trotz der

schrecklichen Anschläge aus rassistischem Hass von

Rechtsterroristen.

Die späte Selbstkritik des zurückgetretenen Präsidenten

des BfV, Heinz Fromm, an der analytischen „Engfüh-
rung“ des Amtes beschreibt die Defizite. Man kannte das
Oktoberfestattentat, die Morde an dem jüdischen Verle-

ger-Paar aus Erlangen, beide aus dem Umkreis der Wehr-

sportgruppe Hoffmann begangen. Man kannte rechtsterro-

ristische Gruppierungen wie die Hepp-Kexel-Gruppe und

machte sich nicht die Mühe, die zusammenfließenden –
wenn auch nicht vollständigen – Informationen über die-
jenigen, die sich später NSU nennen sollten, zu gewichten

und vor allem zu überprüfen.

Die konkreten Auswirkungen dieses Denkens in den Be-

hörden auf die Aufklärungstätigkeit von Verfassungs-

schutz und Polizei sind schwer festzustellen. Mit einer

völlig anderen, richtigen Einschätzung der rechtsterroris-

tischen Gefahr und deren Bekanntmachung hätten viele

Fehler der Sicherheitsbehörden vermieden werden kön-

nen. Wenn auch öffentlich gewarnt worden wäre vor der

Bedrohung durch Rechtsterrorismus, wäre vieles anders

gelaufen. Den Rechtsterrorismus, der gerade auch vom

untergetauchten Trio drohte, den gab es ja wirklich: füh-

rerlos, aber mit einer breiten Unterstützerszene im Umfeld

von „Blood & Honour“ und mit einer rassistischen Theo-
rie. Die in der neonazistischen Szene kursierenden Schrif-

ten und Konzepte zum „führerlosen Widerstand“ und zur

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1033 – Drucksache 17/14600

Bildung kleiner Terrorzellen waren dem BfV spätestens

Ende der 1990er Jahre bekannt. Die Bedeutung der jahre-

lang fortgeschriebenen Falschanalysen für das Behörden-

versagen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die

Verantwortung dafür liegt vor allem beim BfV.

3. Falsche Analyse ungeprüft übernommen

Das Schreiben des Vizepräsidenten des BfV, des heutigen

Staatsekretärs im Bundesinnenministerium Fritsche, vom

13. September 2003 und die darin enthaltenen schweren

Fehler der Analyse fallen in die Zeit der politischen Ver-

antwortung des Ministers Schily. Sicher wird ein Minister

nicht jedes Papier, das die seinem Haus unterstellten

Dienste produzieren, prüfen können. Aber hier ging es um

eine zentrale Frage der inneren Sicherheit, nämlich die, ob

es eine terroristische Bedrohung durch Rechtsextremisten

gibt. Deshalb war es auch eine Ministervorlage. Eine so

wichtige Bewertung der Sicherheit für die Bevölkerung

war es wert, näher hinterfragt und geprüft zu werden. Der

Minister hat dies nicht getan. Dabei wäre gerade er prä-

destiniert gewesen, die Frage des bayerischen Innenminis-

ters Beckstein nach dem verhinderten Anschlag auf die

Grundsteinlegung der Neuen Synagoge in München fun-

diert zu beantworten: „Gibt es eine braune RAF?“.

Die Analyse des Bundesamtes, die sich der heutige

Staatssekretär Fritsche als Zeuge vor dem Ausschuss zu

eigen machte und die er nicht etwa nur als Bote seiner

Fachabteilung übersandt haben will, bestand im Hinblick

auf die Bombenbauer aus Jena aus zwei Argumenten: Sie

bildeten keine braune RAF, weil erstens das Trio auf der

Flucht sei und zweitens, soweit erkennbar, keine weiteren

Straftaten begangen habe.

Einem Kenner der eigentlichen, der ursprünglichen RAF

hätte eigentlich auffallen müssen, dass gerade die RAF

immer auf der Flucht war. Damit konnte auch nicht Süd-

afrika oder ein anderer weit entfernter Ort gemeint gewe-

sen sein, denn Anfang der 2000er Jahre suchte man das

Trio – zu Recht, aber ergebnislos – noch in Chemnitz,
unter anderem mit Wissen des BfV und mit Unterstützung

des BKA.

Auffallen hätte auch müssen, dass die Frage nach weite-

ren Straftaten nicht durch Abfragen in polizeilichen In-

formationssystemen oder von anderen polizeilichen In-

formationsquellen untermauert war. Gerade wenn explizit

die Frage nach einer Struktur wie der RAF gestellt wurde,

hätte es nahe gelegen, eine Finanzierung etwa durch

Banküberfälle ins Auge zu fassen, dies gerade auch ange-

sichts der mehrfachen Warnhinweise auf eine geplante

Bewaffnung des Trios, und zwar zu dem Zweck, einen

„weiteren Überfall“ zu begehen.

Im Nachhinein ist es ohnehin unbegreiflich, weshalb auf

keiner Ebene je ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden

sich die Frage stellte, womit das Trio aus Jena nach sei-

nem Untertauchen über Jahre hin seinen Unterhalt bestritt.

4. Stichwortgeber für einseitige Ermittlungen

Außerdem hat der damalige Bundesinnenminister Schily

am Tag nach dem Nagelbombenanschlag in der Kölner

Keupstraße gegenüber dem Fernsehen die Erklärung

abgegeben, die ersten Erkenntnisse deuteten nicht auf

einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein krimi-

nelles Milieu hin, auch wenn es für eine abschließende

Bewertung noch zu früh sei. Diese Äußerung war objektiv

falsch, weil es zu diesem Zeitpunkt gar keine Hinweise,

also auch keine auf ein kriminelles Milieu als Hintergrund

der Tat gab.

Schily vermochte als Zeuge im Untersuchungsausschuss

nicht anzugeben, wer ihn wie über den Anschlag vom

Vortage informiert hatte. Auffallend war, dass in der

polizeilichen Kommunikation am Tattag zunächst von

einer Gasexplosion, dann von einer „terroristischen Ge-
waltkriminalität“ und nach einer Intervention des Düssel-
dorfer Innenministeriums, diesen Begriff nicht zu ver-

wenden, nur noch von einem Anschlag die Rede war.

Diese Intervention ist vor dem Hintergrund des Fehlens

von Hinweisen auf Täter und Motiv zu diesem Zeitpunkt

noch vertretbar, wenngleich der erste Anschein der Tat-

ausführung, des Tatortes (die am meisten von Türkei-

stämmigen Bewohnern geprägte Straße in Köln) für einen

fremdenfeindlichen Anschlag sprach und dies auch von

den Anwohnern sowie den türkischen Generalkonsuln

spontan so – im Ergebnis zutreffend – gewertet wurde.
Wegen dieses ersten Anscheines telefonierten am Tage

des Anschlages schließlich die jeweils für Rechtsextre-

mismus zuständigen Beamten von Bundesamt und Lande-

samt für Verfassungsschutz miteinander, um sich zu ver-

gewissern, ob man etwas von Hintergründen in dieser

Richtung wisse.

Explizit falsch wurde die Bewertung allerdings, als am

nächsten Morgen das Lagezentrum im Bundesinnenminis-

terium in dem täglichen Lagebericht die Tat unter allge-

meiner Kriminalität auflistete und einen terroristischen

Hintergrund ausdrücklich ausschloss. Wer für diese

Falschmeldung zuständig war und ob sie den Minister

erreichte, konnte von dem Ausschuss nicht geklärt wer-

den.

Der Bundesinnenminister hätte, nachdem er durch seine

vorschnelle Einschätzung eine zumindest gewagte, durch

nichts begründete These in die Welt gesetzt hatte, sich in

der Folgezeit um die Hintergründe des Anschlages küm-

mern und den Fortgang der Ermittlungen der Polizei und

des Verfassungsschutzes erfragen müssen. Vor allem

wäre dies die Bewertung des BfV gewesen, das kurze Zeit

nach dem Anschlag durchaus und ausschließlich nach den

Tätern im rechten Milieu suchte, weil etwa der Einsatz

der Nagelbombe Parallelen zu ähnlichen Anschlägen der

rechtsterroristischen Rassistengruppe „Combat 18“ in
London aufwies. Vielleicht hätte er den Fehleindruck

nach einer Nachfrage beim BfV öffentlich korrigieren

müssen. Ob und welchen Einfluss die frühe TV-Erklärung

des Bundesinnenministers auf Gang und Richtung der

Ermittlungen der Polizei gehabt hat, konnte der Aus-

schuss nicht feststellen. Aber ganz ohne Eindruck wird

eine solche Äußerung von dem Minister an der Spitze

Drucksache 17/14600 – 1034 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht gewesen sein, weil bei ihm besondere Kenntnisse

und Informationen zu den ersten Ermittlungsergebnissen

vermutet werden konnten.

Dieser falsche Eindruck in der Öffentlichkeit wurde noch

dadurch verstärkt, dass in den Medien von einer gemein-

samen Erklärung Otto Schilys mit dem damaligen Innen-

minister in NRW, Dr. Fritz Behrens, berichtet wurde

hinsichtlich eines kriminellen Hintergrundes des Nagel-

bombenanschlages. Die innenpolitische Kompetenz von

Bund und Land schien so hinter dieser Aussage zu stehen.

Dies war Dr. Behrens offenbar so unwichtig, dass er nicht

auf eine Klarstellung gegenüber der Presse drängte, so

dass erst durch seine Vernehmung als Zeuge vor dem

Untersuchungsausschuss bekannt wurde, dass es eine

solche gemeinsame Erklärung nie gab.

Der nordrhein-westfälische Innenminister trägt die politi-

sche Verantwortung für die seinem Haus unterstellte

Polizei, die auch nach den weitgehend zutreffenden Ope-

rativen Fallanalysen mit der Thematisierung eines mögli-

chen rechtsextremistischen Hintergrundes lange Zeit –
auch mit intensiven verdeckten Maßnahmen in der

Keupstraße – ausschließlich nach den Tätern im kriminel-
len Bereich suchte. Die Umstände, dass sich der Anschlag

offensichtlich gegen die überwiegend Türkei-stämmige

Bevölkerung in der Keupstraße richtete und die Video-

aufnahmen, auf denen zwei Verdächtige mit Fahrrädern

abgebildet waren, deren Erscheinungsbild nicht unbedingt

für die Zugehörigkeit zur türkischen Gemeinschaft

sprach, hielten die Ermittler nicht davon ab, die Täter in

diesem Bevölkerungsbereich zu suchen. Vielmehr entwi-

ckelte man die Hypothese von osteuropäischen Auftrags-

killern im Dienste der türkischen Mafia. Folgerichtig

wurden die einzigen Ergebnisse der – mit Anmietung von
Läden sowohl im Bereich der türkischen wie der kurdi-

schen Community – aufwendigen verdeckten Ermittlun-
gen in der Keupstraße, dass die Anwohner dort von einem

rechtsterroristischen Hintergrundes ausgingen, nicht zum

Anlass von Ermittlungen in diese Richtung genommen.

Der Ausschuss konnte kein besonderes Interesse und

keine Aktivitäten des verantwortlichen Landesinnenmi-

nisters am Gang und an der Richtung der Ermittlungen

seiner Polizei feststellen. Öffentlich ist er auch nicht da-

mit in Erscheinung getreten, dass er diesem Terroran-

schlag in seinem Bundesland besondere Bedeutung zu-

maß oder den verletzten Opfern sowie der besonders

bedrohten Bevölkerung seine Solidarität bekundete.

5. Organisationsverantwortung für versa-
gende Sicherheitsbehörden

Der seit dem Jahre 2005 amtierende Bundesinnenminister

Dr. Schäuble trägt die politische Verantwortung für das

weitere Versagen von BfV und BKA, das zu einer Fort-

führung der Mordserie mit fünf weiteren Opfern führte.

Der Minister hat sich nach seinen Ausführungen als Zeu-

ge vor dem Untersuchungsausschuss mit der Aufklärung

der andauernden Česká-Mordserie und deren vollständi-
gem Scheitern nie näher befasst. Mit der Begründung, der

Innenminister sei nicht der bessere Polizist, kann die

Verantwortung für die Mängel in der Funktionsweise der

Sicherheitsbehörden nicht auf andere abgewälzt werden.

So trägt Wolfgang Schäuble die Verantwortung dafür,

dass im Jahr 2006 – nach der Erstellung der 2. Operativen
Fallanalyse mit der Option der Ausrichtung der Ermitt-

lungen auch auf einen möglichen rechtsextremistischen

Hintergrund der Mordserie – keine zentrale Ermittlungs-
führung beim BKA eingerichtet wurde. Das Bundeskri-

minalamt hatte dringend und wohlbegründet geraten, eine

solche Zuweisung der Zuständigkeit vorzunehmen, um

nach vielen Jahren endlich einen Erfolg zu erzielen und

die Mordserie zu beenden. Diese Forderung wurde an das

Bundesinnenministerium herangetragen. Staatssekretär

Hanning hat angegeben, den Minister vom Wunsch des

BKA und den Problemen der Umsetzung unterrichtet zu

haben. Der Minister hat ausgesagt, sich nicht zu erinnern.

Statt eine Klärung und eine überzeugende Federführung

herbeizuführen, wurde im Einvernehmen mit den Län-

dern, worauf das Bundesinnenministerium großen Wert

legte, lediglich die Steuerungsgruppe bei der BAO „Bos-
porus“ beim Polizeipräsidium Nürnberg eingerichtet. Die
Chance wurde vergeben, durch zentrale länderübergrei-

fende Leitung und Steuerung die Ermittlungen zu den

Morden in fünf Bundesländern erfolgreicher zu gestalten.

Es blieb bei der Zuständigkeit von fünf Staatsanwalt-

schaften und sechs Polizeibehörden. Minister Dr.

Schäuble trägt die Organisations-Verantwortung, dass die

Ermittlungen nach der Zeugenaussage des damaligen

Vizepräsidenten des BKA, Bernhard Falk, vor dem

Untersuchungsausschuss „kriminalfachlich stümperhaft
organisiert“ waren und dies bis zum Ende blieben.

Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, hat als Zeuge vor

dem Untersuchungsausschuss diese objektiv mangelhafte

Struktur der Ermittlungsarbeit als geeignet bezeichnet.

Ihn zeichnete als Zeugen das Fehlen jedes selbstkritischen

Ansatzes zur eigenen Arbeit oder zur Arbeit seines Amtes

aus. Er verstieg sich sogar zu der angesichts des Mordes

an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter zynischen

Aussage, dass die Organisation der Ermittlungen und die

hohe Belohnung dazu geführt hätten, dass die Mordserie

auf Migranten gestoppt wurde.

Der bayerische Innenminister Dr. Beckstein trägt eben-

falls eine Verantwortung für das Gesamtversagen, weil er

es im Jahre 2006 für richtig befand, die Ermittlungen

unter der Federführung Bayerns zu belassen und nicht an

das BKA abzugeben. Im Jahre 2004 war Bayern dazu

noch bereit gewesen. In jenem Jahr lehnte die Arbeitsebe-

ne des BKA Anregungen aller bisherigen Tatortländer ab,

ohne dass die Spitze des BKA davon erfuhr. Es herrschten

die Zustände eines Tollhauses und nicht die einer obers-

ten, hierarchisch strukturierten Sicherheitsbehörde.

Die Trotzreaktion der Länder im Jahre 2006 lautete: Jetzt

auf einmal will das BKA die zentrale Ermittlungsführung

und wendet sich gleich an den Bundesinnenminister und

redet nicht zunächst mit uns. Diese Reaktion war ver-

ständlich, aber falsch. Günther Beckstein hat diese Reak-

tion noch als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss

verteidigt mit dem Hinweis, mitten im vollen Galopp

wechsele man nicht die Pferde. Leider zutreffend war sein

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1035 – Drucksache 17/14600

Hinweis, das BKA habe doch am vehementesten die Spur

in den Bereich Organisierte Kriminalität vertreten. Wieso

traue man ihm dann mehr Erfolg zu? Gleichwohl wäre die

Chance einer erfolgreicheren Arbeit bei einer Einbezie-

hung sämtlicher Abteilungen des BKA gegeben gewesen.

So saßen die Beamten des BKA am Katzentisch, waren

besonders borniert und bei der Verfolgung der bis dahin

einzigen heißen Spur, der Waffenspur, auch noch beson-

ders erfolglos.

6. Akzeptieren nicht überprüfter Behörden-
auskünfte

Minister Beckstein hat bereits nach dem ersten Mord an

Enver Şimşek in Nürnberg durch einen kurzen hand-
schriftlichen Vermerk nach der Möglichkeit eines „frem-
denfeindlichen“ Hintergrundes gefragt. Er hat zugleich
mehr als alle anderen Minister Empathie mit den Opfern

und ihren Familien gezeigt, was allerdings nichts an der

Stigmatisierung dieser Familien durch das Vorgehen der

Sicherheitsbehörden änderte. Er hat auch 2003 die Frage

nach rechtsterroristischen Strukturen – einer braunen RAF
– zum Thema gemacht. Das war ein Anlass für das
Schreiben des Vizepräsidenten des BfV vom

13. September 2003, in dem am Beispiel des immer noch

verschwundenen NSU-Trios argumentiert wurde, es gebe

keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten.

Schließlich hat dieser Minister 2006 nachgefragt, ob die

Mordserie einen „fremdenfeindlichen Hintergrund“ haben
könnte. Für ihn ergaben sich aus der Auswahl der Opfer

stets aus der gleichen Bevölkerungsgruppe offensichtlich

Anhaltspunkte für eine solche Vermutung oder einen

Verdacht.

Umso unverständlicher ist aber, dass Minister Beckstein

sich mit einem bloßen Dementi seiner Behörden zufrie-

dengegeben hat. Seinem Ministerium unterstanden Polizei

und Verfassungsschutz in Bayern, wo fünf der Morde – in
Nürnberg und München – begangen wurden. Er wusste
von der Ausrichtung der Ermittlungen allein auf den OK-

Bereich und kriminelle Hintergründe. Er war informiert

über die daraus resultierenden Besprechungen mit Stellen

bis in die Regierung in der Türkei. Ihm war bekannt, dass

die Ermittlungen in diese Richtung völlig erfolglos blie-

ben und zu keinen Tatverdächtigen führten. Danach ist

unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass er sich

nicht näher unterrichten ließ, warum ein rechtsextremisti-

scher Hintergrund so beharrlich und konsequent verneint

und wie im Einzelnen und mit welchen Prüfungen seinen

Anregungen nachgegangen wurde sowie auf welchen

Tatsachen die Ablehnung beruhte. Er hätte sich zudem

über die Gründe der Erfolglosigkeit und den Stand der

Ermittlungen informieren lassen müssen.

Nachdem Minister Beckstein die „Einzeltätertheorie“ der
2. Operativen Fallanalyse im Jahre 2006 zur Kenntnis

genommen hatte, musste er sich in seiner Ahnung eines

möglichen rechtsextremistischen Hintergrundes der Mor-

de bestätigt sehen. Dennoch akzeptierte er es, dass es

nach zunächst völlig unzulänglichen Ermittlungen in

Richtung Rechtsextremismus ab Januar 2007 überhaupt

keine mehr gab. Auch billigte er ein polizeiliches Konzept

zur Medienarbeit, das eine öffentliche Fahndung nach

Rechtsextremisten als möglichen Tätern ausdrücklich

ablehnte.

7. Kommunikationsblockaden zwischen Poli-
zei und Nachrichtendiensten

Minister Beckstein trägt die politische Verantwortung

auch für das Kommunikationsdesaster zwischen der sei-

nem Ministerium unterstellten Polizei und dem bayeri-

schen LfV. Die nach sieben Monaten Verhandlungsdauer

endlich erfolgte Herausgabe der Namen und Geburtsdaten

von rund 680 Rechtsextremisten durch das LfV – ohne
weitere Erkenntnismitteilungen zu diesen Personen –
beschränkt auf zwei Postleitzahlbereiche im Raum Nürn-

berg, war eine Farce. Die Verkennung des Begriffes „An-
kerpunkt“ als Vorhandensein einer legalen Meldeadresse
war schon eine beachtliche Fehlleistung. Die Beschrän-

kung auf das Land Bayern bei der Abfrage des LfV nach

verdächtigen Rechtsextremisten, ohne dass die Polizei

von dieser Beschränkung auf Bayern erfuhr, war ein ganz

entscheidender Fehler. Noch nicht einmal im Nachbarland

Thüringen wurde nachgefragt, obwohl man – nicht zuletzt
wegen der Rudolf-Hess-Gedenkmärsche – wissen musste,
wie eng die Neonaziszene in Thüringen und Bayern mit-

einander verwoben war. Die bayerischen Sicherheitsorga-

ne handelten so, als ob sie auf einer Insel lebten und als

ob es einen Erfahrungssatz gäbe, dass in Bayern nur Bay-

ern mordeten.

Dilettantisch war auch der Versuch durch die BAO „Bos-
porus“, einen Ansprechpartner beim BfV zu erhalten. Die
Kontaktaufnahme per E-Mail über eine allgemeine Adres-

se für Jedermann führte zu einem Abblitzen des Anlie-

gens telefonisch auf der Sachbearbeiter-Ebene. Der Leiter

der BAO „Bosporus“, der Zeuge Geier, war noch bei
seiner Anhörung als Zeuge vor dem Untersuchungsaus-

schuss der Überzeugung, die BAO habe überhaupt keine

Antwort erhalten. Die Erklärung des seinerzeitigen Präsi-

denten Heinz Fromm, wer blöd frage, bekomme eine

blöde Antwort, mag für Pennäler angängig sein, nicht

aber für die Spitzen der deutschen Sicherheitsarchitektur.

Das Verhalten des Bundesamtes war eine klare

Zusammenarbeitsverweigerung.

Der damalige Hessische Innenminister Bouffier trägt die

Verantwortung für die massive Behinderung der Ermitt-

lungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft nach dem

Mord in Kassel. Er hat die Genehmigung für die Verneh-

mung der von dem unter Mordverdacht stehenden Andre-

as Temme geführten V-Leute durch die Ermittlungsbe-

hörden verweigert. Selbst nach fernmündlicher Interven-

tion seines Amtskollegen Beckstein aus Bayern („Wir
sind zu lahm“) hat er sich beharrlich geweigert und ohne
ausreichenden Grund die notwendigen Ermittlungen ver-

hindert. Er hat den Schutz der Quellen des LfV über die

Aufklärung eines Mordverbrechens gestellt. Er hat damit

auch die ignorante Haltung des Präsidenten des ihm un-

terstellten Amtes gegenüber der Arbeit von Justiz und

Polizei in dem Mordfall gedeckt.

Drucksache 17/14600 – 1036 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Diese Fälle auf der politischen Ebene zeigen, dass die

Ermittlungen nirgendwo effektiv beschleunigt oder korri-

giert wurden. Oft wurde gar nicht eingegriffen, wenn

eingegriffen wurde, zum Teil verzögernd und die falsche

Ermittlungsrichtung verstärkend. Niemand sah sich be-

müßigt, aus dem eigenen Versagen oder dem Versagen

seines Amtes persönliche Konsequenzen zu ziehen. In der

Regel fehlte sogar jede Einsicht in eigenes Fehlverhalten.

Die Wahrnehmung persönlicher Verantwortung wurde in

der Geschichte der Bundesrepublik schon deutlich schär-

fer gesehen. Erinnert sei nur an die Rücktritte vor zwanzig

Jahren nach dem Desaster in Bad Kleinen.

III. Empfehlungen für den Bereich der Polizei
und Staatsanwaltschaften

Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses haben

verschiedene Defizite der polizeilichen Ermittlungsarbeit

offenbart. Hierbei handelt es sich zum einen um Defizite

der Methodik und Strategien im Umgang mit rechtsext-

remistischer Gewalt. Zum anderen existiert offensichtlich

eine Vorurteilstruktur innerhalb der Polizei, welche die

Fehl- oder Nichtermittlungen in diesem Kontext begüns-

tigt oder bedingt hat. Dass die Fehl- und Nichtermittlun-

gen auch nicht rechtzeitig erkannt wurden, war ebenso

systemimmanent. Eine ausreichende Fehleranalyse, die

Hinterfragung eigener Fehler, ist in der polizeilichen

Sicherheitsarchitektur nicht ausreichend etabliert.

Aus grüner Sicht sind daher die „Polizeikultur“ und die
Kontrolle der Polizei zu hinterfragen und weiterzuentwi-

ckeln. Dies umfasst auch den Umgang mit den Opfern

rechtsextremer Gewalt. Zudem sind das Handwerkszeug

und die Methoden der polizeilichen Ermittlungsarbeit im

Bereich Rechtsextremismus auf den Prüfstand zu stellen

und zu verbessern.

1. Gruppenbezogene Vorurteilstrukturen
sichtbar machen und bekämpfen

Die Untersuchungen des Ausschusses haben gezeigt, dass

die Fehl- und Nichtermittlungen im Hinblick auf die

Morde des NSU mit rassistischen Vorurteilen in Zusam-

menhang standen. Es wäre blauäugig anzunehmen, in der

Gesellschaft vorhandene Vorurteile wären in den Straf-

verfolgungsbehörden nicht existent.

Dies manifestierte sich beispielsweise in der Benennung

der polizeilichen Organisationseinheiten nach „Halb-
mond“, „Bosporus“ bzw. der Akzeptanz des Begriffes
„Döner-Killer“ oder auch darin, dass z. B. dass BKA bis
in das Jahr 2010 hinein die sog. „Česká-Mordserie“ als
Beispiel für türkische Organisierte Kriminalität beschrieb

– und dies zum überwiegenden Teil entgegen der tatsäch-
lichen polizeilichen Erkenntnislage.

Weitere Beispiele finden sich in der Operativen Fallana-

lyse des LKA Baden-Württemberg zu den Česká-Morden.
Als Erklärung für die Art und Weise der Tötung heißt es

dort:

„Ein solcher irrationaler Beweggrund wäre am
ehesten in einem verqueren, gegebenenfalls an ei-

ne bestimmte Subkultur gebundenen Ehrbegriff zu

sehen (…) Dies würde für eine Tätergruppe spre-
chen, innerhalb derer entsprechende Normen und

Wertsetzungen prägend sind. Eine Gruppe mit ei-

nem entsprechenden inneren Gesetz und Ehrenko-

dex dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit streng

hierarchisch organisiert sein, einen ‚Häuptling‘
haben, der sein Gesicht vor den anderen wahren

muss.“

Daraus schlossen die Fallanalytiker, dass

„der die Gruppe prägende rigide Ehrenkodex eher
für eine Gruppierung im ost- bzw. südosteuropäi-

schen Raum (nicht europäisch westlicher Hinter-

grund)“

spreche (LKA BW, Operative Fallanalyse, S. 97, 100).

Wir halten vor diesem Hintergrund eine unabhängige,

empirische Untersuchung zu Vorurteilen und Diskrimi-

nierungsstrukturen innerhalb der deutschen Sicherheits-

und Strafverfolgungsbehörden für notwendig.

2. Polizeikultur weiter demokratisieren

Auch von den Sachverständigen wurde vor dem Aus-

schuss die sogenannte „Polizeikultur“ oder „Dienststel-
lenkultur“ problematisiert. Als Subkultur zum offiziellen
Leitbild der Polizei bewirkt sie, dass Erfahrungswissen,

Routinen, Klischees und Vorurteile gegen solide krimina-

listische Arbeit gesetzt werden und damit „nicht passen-
de“ Ermittlungssätze beiseitegeschoben werden können.
Diese inoffizielle Ebene ist unter anderem maßgeblich

von der Zusammensetzung der Polizei geprägt. Wir for-

dern eine Polizei, die ein Spiegel unserer Gesellschaft ist.

Denn Vielfalt steht einem homogenen Binnenklima ent-

gegen und fördert innovatives und flexibles Organisati-

onshandeln, das den NSU-Ermittlungen offensichtlich

gefehlt hat.

„Interkulturelle Kompetenz“ soll im Leitbild der Polizei
verankert werden. Dieses muss sich aber auch im polizei-

lichen Alltag niederschlagen. Inklusiv wird dieser Prozess

erst, wenn interkulturelle Kompetenz Aufgabe aller Be-

schäftigten wird – und dieses Thema nicht länger an die
(wenigen) Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshin-

tergrund delegiert wird.

Wir fordern eine Überarbeitung der Konzepte der Perso-

nalwerbung und -auswahl im Hinblick auf Diversität, wie

etwa die Implementierung von gezielter Werbung um

Personen mit Migrationshintergrund. Verbindliche Ziel-

quoten in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund

in allen Hierarchieebenen und eine Überprüfung der

Auswahlkriterien und -verfahren auf Ausschlussmecha-

nismen hinsichtlich einer interkulturellen Öffnung sollen

dies flankieren.

Auch gilt es, die Inhalte der polizeilichen Ausbildung zu

verbessern: Bildungsmodule zu Menschenrechten bzw.

zur interkulturellen Kompetenz, die ja zumindest im hö-

heren und gehobenen Dienst existieren, sollten auf den

mittleren Dienst übertragen werden und in verstärkter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1037 – Drucksache 17/14600

Zusammenarbeit mit externen Lehrkräften entwickelt und

vermittelt werden.

3. Rechtsmotivierte Gewalt erkennen

Es hat sich gezeigt, dass es im polizeilichen Alltag schwer

fällt, rechtsextreme Gewalt und die verschiedenen Codes

rechter Straftaten bzw. hassmotivierte Delikte als solche

wahrzunehmen bzw. richtig einzuordnen. Dafür fehlte es

ganz offensichtlich an spezifischer Fachkompetenz und

polizeilichem Handwerkszeug.

Die Polizei braucht mehr Wissen über rechtsextremisti-

sche Strukturen, Codes und Strategien. Dieses muss durch

intensive und verpflichtende Aus- und Fortbildung auf

allen Ebenen vermittelt werden.

Das BKA und die IMK verfügten seit Jahren über spezifi-

sche Dateien und Arbeitsplattformen im Bereich des

Rechtsextremismus, die jedoch offensichtlich nicht zu

einem Ermittlungserfolg beitrugen.

Wir setzen daher auf solide Polizeiarbeit und gut ausge-

bildete PolizeibeamtInnen, statt auf immer neue Daten-

banken. Ein „Polizei-Google“, wie von manchen Innen-
ministern und Polizeipraktikern gefordert wird, lehnen

wir ab. Ein derartiger unstrukturierter und bereichsunspe-

zifischer Datenberg schadet mehr, als er nutzt und wirft

überdies Datenschutzprobleme auf.

4. Transparente Strategieentwicklung gegen
Rechtsextremismus

Der Polizeiliche Staatsschutz entwickelt seine Strategien

zur Bekämpfung des Rechtsextremismus maßgeblich

(gemäß dem „Grundsatz der Selbstkoordinierung“) inner-
halb der Innenministerkonferenz und ihrer Arbeitsgrup-

pen. Dort erfolgt aber weder eine parlamentarische noch

staatsanwaltschaftliche Kontrolle. Diese Abschottung und

fehlende Rechenschaftspflicht machte es möglich, dass

Konzepte über Jahre hinweg nur affirmativ, offenbar ohne

erneute Analyse fortgeschrieben wurden. Letztlich scha-

det die Polizei damit ihrer eigenen Professionalität und

Akzeptanz.

Wir wollen, dass die Innenministerkonferenz transparen-

ter wird und dass insbesondere für Legislative und Exeku-

tive neue, bessere Rahmenbedingungen und Informati-

onszugänge geschaffen werden, damit insbesondere Ab-

geordnete des Deutschen Bundestages bzw. der Länder-

parlamente überhaupt eine Chance haben, mit dem Staats-

schutz informiert und auf Augenhöhe in einen sinnvollen

Dialog über polizeiliche Strategien und Maßnahmen zur

Bekämpfung des Rechtsextremismus treten zu können.

5. Polizei und Zivilgesellschaft

a) Strukturierter Dialog zwischen Polizei und
Zivilgesellschaft

Die Polizei hat eine wichtige Funktion in der demokrati-

schen Gesellschaft. Die Bekämpfung des Rechtsextre-

mismus ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Zivilgesellschaftliche Initiativen für Demokratie und

gegen Rechtsextremismus, zum Beispiel Opferberatungs-

stellen und Mobile Beratungsteams leisten dazu einen

großen und sehr wertvollen Beitrag. Hätte die Polizei das

Wissen der zivilgesellschaftlichen Initiativen über Struk-

turen von Rechtsextremismus und andere Formen grup-

penbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland für

ihre Arbeit genutzt und sich stärker auf die Perspektive

der Opfer eingelassen, wäre es möglicherweise nicht zu

den vielen verhängnisvollen Fehleinschätzungen bei der

Aufklärung der Verbrechen gekommen, die heute dem

NSU zugeschrieben werden.

Demokratie und Diskurs, Inklusion und Empathie mit den

Opfern sind keine Zustände, sondern Prozesse, die täglich

neu gelebt und unterstützt werden müssen. Deshalb schla-

gen wir vor, auf Ebene des Bundes und der Länder neue

Plattformen für den Informationsaustausch zwischen

Zivilgesellschaft und Polizei einzurichten. Es ist nicht

Aufgabe der Zivilgesellschaft, die erforderliche Neuauf-

stellung der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen

Rechtsextremismus voranzutreiben. Die Verantwortung

dafür tragen Regierungen, Behördenleitungen und Politik.

Mit einem strukturierten Dialog könnte aber erreicht wer-

den, dass Erkenntnisse und Erfahrungswissen der zivilge-

sellschaftlichen Initiativen von der Polizei besser wahrge-

nommen und genutzt werden. Gegenstand des Informati-

onsaustauschs und der Diskussion könnten z. B. die Be-

wertung konkreter Fälle rassistischer Gewalt und diesbe-

züglicher Polizeimaßnahmen, bevorstehende Ereignisse

wie Naziaufmärsche mit Gegendemonstrationen oder die

Bewertung von Opferstatistiken sein. Um einen Aus-

tausch auf Augenhöhe zu ermöglichen, müsste dabei –
anders als bei den meisten der derzeit existierenden Bera-

tungsnetzwerke (BNW) in den Ländern – den zivilgesell-
schaftlichen Initiativen (vertreten durch BAGD

7549
und

BAG K+R
7550

) wesentlicher Einfluss auf die Gestaltung

des Dialogs eingeräumt werden. Auf regionaler Ebene

könnte den Mobilen Beratungsteams eine wesentliche

Rolle in der Koordination und der prozessualen Veranke-

rung dieses Dialoges zukommen. Auf Seiten der Polizei

wäre sicherzustellen, dass thematisch zuständige und

entscheidungsbefugte VertreterInnen an den Treffen teil-

nehmen.

b) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle

Sowohl der Umgang mit den Opfern und Angehörigen der

NSU-Taten, als auch die unablässigen Ermittlungen bei

der Česká-Mordserie in Richtung „Organisierte Krimina-
lität“ zeigen, dass eine unabhängige Stelle mit Prüfkom-
petenzen erforderlich ist, um Missstände bei der Polizei

zu erkennen und sie zu beheben.

Eine solche externe Stelle, an die sich Betroffene wenden

können, ist als demokratisches Element zusätzlicher Kon-
7549) Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung.

7550) Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus.

Drucksache 17/14600 – 1038 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

trolle bislang nicht vorgesehen. Sie würde das – durch die
NSU-Taten besonders erschütterte – Vertrauen der Bürge-
rInnen in die Polizei stärken. Andersherum kann die Poli-

zei durch eine unabhängige Beschwerdestelle vor unge-

rechtfertigten Anschuldigungen geschützt werden.

Wir fordern eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle

auf gesetzlicher Grundlage. Die Stelle soll u. a. Be-

schwerden über Polizeigewalt und rassistisch motivierte

Fehlermittlungen oder Untätigkeit prüfen und die Be-

schwerdeführer (Opfer) bei der Wahrnehmung ihrer

Rechte unterstützen.

c) Stärkung der Umsetzung internationaler
Vorgaben

Internationale und europäische Institutionen wie zum

Beispiel der UN-Menschenrechtsrat, die Europäische

Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europa-

rats ECRI und der UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder

Form der Rassendiskriminierung CERD haben Vorgaben

und Empfehlungen für den Kampf gegen Rechtsextre-

mismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezoge-

ner Menschenfeindlichkeit entwickelt, die sich zum Teil

direkt an Deutschland richten. Einige davon betreffen

auch Polizei und Staatsanwaltschaft. Wir möchten errei-

chen, dass diese Vorgaben und Empfehlungen in Deutsch-

land ernsthaft geprüft werden und dass völkerrechtliche

Verpflichtungen in diesem Bereich umgesetzt werden.

IV. Verfassungsschutz: Dem Totalversagen
muss der Totalumbau folgen

1. Zäsur: Auflösung des Bundesamtes für
Verfassungsschutz und kompletter Neu-
start

Die Untersuchungen des Ausschusses haben beim Verfas-

sungsschutz auf Bundes- wie auf Landesebene ein völli-

ges Versagen beim Erkennen und Bewerten rechtsextre-

mistischer und rechtsterroristischer Bedrohungen festge-

stellt. Sichtbar wurde eine Kultur des Geheimhaltens,

Schredderns und Vertuschens, eine Kultur unkontrollier-

ten Schmorens in klandestiner und oftmals zweckfreier

Selbstbeschäftigung. Nachrichtendienste haben im demo-

kratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland

nur dann weiter eine Existenzberechtigung, wenn sich das

ändert. Dem Totalversagen des Verfassungsschutzes muss

deswegen der Totalumbau folgen.

Es wird nicht verkannt, dass es Aufgabe der Staatsanwalt-

schaft und der Polizei ist, des Mordes Verdächtige ding-

fest zu machen und sie der Justiz zu übergeben. Die Ver-

fassungsschutzbehörden haben hier lediglich eine unter-

stützende Funktion, die sie im vorliegenden Fall aller-

dings höchst unzureichend wahrnahmen. Die bei den

Untersuchungen zu Tage getretenen grundlegenden Struk-

turmängel stellen die Existenz des Verfassungsschutzes in

seiner jetzigen Form in Frage. Aus den Schwächen in der

Informationsgewinnung, der mangelnden Analysefähig-

keit insgesamt und nicht zuletzt aus der Unfähigkeit zur

Zusammenarbeit mit anderen Behörden müssen entschie-

dene Konsequenzen gezogen werden.

Wir schlagen deshalb die Auflösung des Bundesamtes für

Verfassungsschutz (BfV) und einen institutionellen Neu-

start vor. Unsere neue Konzeption sieht ein Zwei-Säulen-

Modell vor:

2. Unabhängiges „Institut zur Analyse demo-
kratie- und menschenfeindlicher Bestre-
bungen“

Da der Verfassungsschutz bei der Einschätzung und Ana-

lyse des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in

Deutschland komplett versagt hat, sollen die Beobach-

tungs- und Analyseaufgaben des bisherigen BfV künftig

von einem neu zu gründenden, unabhängigen „Institut zur
Analyse demokratie- und menschenfeindlicher Bestre-

bungen“ mit wissenschaftlichen Methoden wahrgenom-
men werden. Das Institut soll keine hoheitlichen Befug-

nisse haben und insbesondere auch keine nachrichten-

dienstlichen Mittel anwenden dürfen. Es berät Parlamente

und Behörden und berichtet regelmäßig dem Parlament

und der Öffentlichkeit.

3. Eine neue „Inlandsaufklärung“

Für den verbleibenden kleinen Teil der bisherigen Aufga-

ben des BfV soll daher eine „Inlandsaufklärung“ mit
erheblich beschränkten Aufgaben und Befugnissen neu

gegründet werden. Diese Inlandsaufklärung ist nur zu-

ständig für die Aufklärung genau bestimmter Bestrebun-

gen mit tatsächlichem Gewaltbezug. Nur sie darf, stark

gesetzlich eingegrenzt und auch nur als Ultima Ratio, das

jeweils mildeste nachrichtendienstliche Mittel einsetzen.

Die Inlandsaufklärung darf dem Institut zur Analyse de-

mokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen keine

Weisungen erteilen. Entgegen den aktuellen Forderungen

der Innenminister des Bundes und der Länder braucht der

Verfassungsschutz nicht mehr, sondern weniger Aufgaben

und Befugnisse.

Bereits die festgestellte Grundeinstellung auf allen Ebe-

nen des BfV, die dazu geführt hat, Rechtsterrorismus

einfach per Analyse zu eliminieren oder als Einzeler-

scheinung zu verharmlosen, macht jedoch einen personel-

len Neustart erforderlich – und dies nicht nur auf der
Leitungsebene der neu zu gründenden Inlandsaufklärung.

Damit einhergehen muss ein grundlegender Wandel der

Kultur und des Selbstverständnisses eines Nachrichten-

dienstes in der demokratischen Gesellschaft: Nur mit

einem Bekenntnis zu Rechenschaft und Verantwortung,

zu Offenheit, Transparenz und einer neuen Fehlerkultur

kann es gelingen, verlorenes Vertrauen der Menschen in

Deutschland wieder zurückzugewinnen. Um Abschottung

und Korpsgeist in der neuen Inlandsaufklärung entgegen-

zuwirken, bedarf es der Öffnung, die sich auch in der

Vielfalt des Personals, im Leitbild der Tätigkeit, einer

obligatorischen Rotation, im Verlauf individueller Karrie-

ren und bei zentralen Kernkompetenzen wie Analyse-,

Kritik- und Diskursfähigkeit sowie der Bereitschaft zu

Transparenz zeigt. In Menschenrechts- und Demokratie-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1039 – Drucksache 17/14600

fragen gut gebildete Beschäftigte sollen ermuntert wer-

den, selbstbewusst und verantwortungsvoll durch Be-

schwerde, Remonstration und ggfs. Whistleblowing auf

erkannte Missstände aufmerksam zu machen. Die Be-

schränkung des Aufgabenbereichs im Verhältnis zum

gegenwärtigen BfV ermöglicht zudem eine erhebliche

Verkleinerung des Personalbestands.

4. Beendigung des Einsatzes von V-Leuten in
der rechten Szene

V-Leute sind die problematischsten nachrichtendienstli-

chen Mittel. Nach den bisherigen Erkenntnissen war der

Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene in der Ver-

gangenheit so desaströs, dass zumindest sehr zweifelhaft

ist, ob der durch den Einsatz von V-Leuten erzielte Nut-

zen größer ist als der dadurch verursachte Schaden. Vor

diesem Hintergrund plädieren wir für eine Beendigung

dieses Einsatzes. Sollte dies politisch – warum auch im-
mer – nicht sofort durchsetzbar sein, halten wir wenigs-
tens ein Moratorium für angebracht. Währenddessen soll

nur dann, wenn die Inlandsaufklärung in detailliert zu

begründenden Einzelfällen den Einsatz einer V-Person für

unverzichtbar hält und die G10-Kommission dies geneh-

migt, der Einsatz in der rechten Szene ausnahmsweise

möglich sein. Während des Moratoriums würde seriös,

transparent und ergebnisoffen geprüft, ob und unter wel-

chen Voraussetzungen der Einsatz von V-Leuten weiter-

hin zu rechtfertigen ist.

5. Externe Kontrolle nachrichtendienstlicher
Tätigkeit neu aufstellen

Es besteht ein massives Kontrolldefizit bei den Nachrich-

tendiensten, dessen Ursache im System der Kontrolle

liegt, nicht im Versagen der Kontrolleurinnen und Kon-

trolleure. Sowohl die parlamentarische Kontrolle als auch

die G10-Kommission (im Bereich der Kommunikations-

überwachung) und die Datenschutzkontrolle bilden je-

weils unverzichtbare Elemente der Kontrolle der Nach-

richtendienste, die in sich gestärkt werden müssen. Damit

bestehende Kontrolllücken geschlossen werden, müssen

veränderte gesetzliche Grundlagen zudem für eine Kohä-

renz der Kontrollstrukturen und die Möglichkeit einer

effektiven Bund-Länder-übergreifenden Kontrolle sorgen.

a) Parlamentarische Kontrolle

Im Bereich der parlamentarischen Kontrolle wollen wir

einen regulären Ausschuss des Bundestages mit verbes-

serten Auskunfts- und Kontrollbefugnissen einrichten,

dem ein Ermittlungsbeauftragter mit eigenem Personal-

stab beigeordnet ist. Damit energische Kontrolle von

politischen Mehrheiten unabhängig wird, ist es essentiell,

dass – anders als bisher – die einzelnen Fraktionen ihre
Kontrollfunktion ausüben können, indem sie Anhörungen,

Akteneinsicht und die Beauftragung des Ermittlungsbe-

auftragten unabhängig von der Regierungsmehrheit

durchsetzen können. Den Ausschussmitgliedern muss

zudem die Möglichkeit eingeräumt werden, der Öffent-

lichkeit mitzuteilen, wenn die Nachrichtendienste bzw.

die Bundesregierung ihrer qualifizierten Unterrichtungs-

pflicht nicht nachkommen.

b) G10-Kommission

Die Arbeitsmöglichkeiten der G10-Kommission sind

durch mehr Personal zu verbessern. Die G10-Kommission

soll künftig an der Anordnung und Verlaufskontrolle des

Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel mitwirken.

c) Unabhängige Datenschutzbeauftragte des
Bundes und der Länder

Als wichtige Instanzen für die Kontrolle der Nachrichten-

dienste müssen die unabhängigen Datenschutzbeauftrag-

ten des Bundes und der Länder gestärkt werden. Prakti-

sche Behinderungen der Kontrollarbeit durch die Behör-

den, von denen der Bundesbeauftragte wiederholt berich-

tet hat, sind einzustellen. Bisherige gesetzliche Möglich-

keiten der Regierung, Auskünfte und Akteneinsicht ge-

genüber dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu

verweigern, sind zu streichen. Jegliche Arbeit der Sicher-

heitsbehörden, insbesondere die Zusammenarbeit in ge-

meinsamen Abwehrzentren und Dateien ist gesetzlich so

auszugestalten, dass eine effektive Datenschutzkontrolle

auch des Informationsflusses zwischen Bundes- und Lan-

desbehörden nach den Vorgaben des Bundesverfassungs-

gerichts möglich ist.

6. Klare Trennung der Aufgaben und Verant-
wortlichkeiten von Verfassungsschutz und
Polizei

Um das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zu wahren

und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, muss der

Aufgabenbereich der neuen Inlandsaufklärung von dem

der Polizei deutlich abgegrenzt werden. Es darf nicht

mehr vorkommen, dass Verfassungsschutz und Polizei

neben- und gegeneinander aufklären und dass falsch ver-

standener Quellenschutz dazu führt, dass ein Nachrich-

tendienst vor polizeilichen Durchsuchungen oder Tele-

fonüberwachungen warnt. Sobald erkennbar wird, dass es

um die Verhütung oder Verfolgung von Straftaten geht,

gilt die alleinige Zuständigkeit von Staatsanwaltschaft

und Polizei. Alle auf Tatsachen beruhenden Informatio-

nen über geplante oder begangene Straftaten muss die

Inlandsaufklärung aber gut dokumentiert an die Polizei

weitergeben. Dabei muss bei der Polizei ein besseres

Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass die Qualität

nachrichtendienstlicher Informationen eine andere und

schwächere ist als die polizeilicher Informationen, so dass

diese Informationen nicht ohne eingehende Prüfung zur

Grundlage polizeilicher Ermittlungen gemacht werden

dürfen.

7. Informationsaustausch, Datenschutz und
das Trennungsgebot

Das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Suche nach

dem Trio und der Aufklärung der ihnen angelasteten

Straftaten ist unter anderem auf einen mangelhaften In-

Drucksache 17/14600 – 1040 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

formationsaustausch von Polizei und Nachrichtendiensten

zurückzuführen. Vielfach herrschte aber kein Mangel an

Wissen, sondern ein fehlerhafter analytischer Umgang mit

vorhandenem Wissen, ein Nicht-Wissen-Wollen.

Die Bundesregierung hat mit der Gründung des „Gemein-
samen Abwehrzentrums Rechtsextremismus“ (GAR), mit
der Eröffnung des „Gemeinsamen Extremismus- und
Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ) und der Errichtung
der „Verbunddatei Rechtsextremismus“ (RED) reagiert.
Die Errichtung der RED und des GETZ im November

2012 erfolgte blindlings und ohne ausreichende Fehler-

analyse. Sie geht am Kern der Probleme vorbei. Die Er-

richtung des GETZ gegen „Linksextremismus“, „Auslän-
derextremismus“, Spionage und Proliferation erscheint
mangels terroristischer Strukturen in diesen Bereichen

gänzlich verfehlt und in der Zusammensetzung der Beo-

bachtungsfelder beliebig. Gegen ein Nicht-Wissen-

Wollen helfen weder gemeinsame Abwehrzentren noch

gemeinsame Dateien.

Wir verkennen nicht, dass ein guter Informationsaus-

tausch zwischen Sicherheitsbehörden dringend nötig ist.

Wir halten gemeinsame Abwehrzentren und gemeinsame

Dateien von Polizei und Nachrichtendiensten jedoch für

Modelle, die nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt sind,

wenn in einem bestimmten Bereich eine terroristische

Gefahr vorliegt. Diese strenge Linie wurde durch das

jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Antiter-

rordatei bestätigt. Denn gemeinsame Abwehrzentren und

Dateien bergen erhebliche Gefahren für den Datenschutz

und für das verfassungsrechtliche Gebot der Trennung

zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, einer Lehre

aus dem Nationalsozialismus.

Wir sehen nur eine Notwendigkeit und zugleich nur eine

verfassungsgemäße Begründung für zwei Abwehrzentren

gegen terroristische Bedrohung: Islamistischer Terroris-

mus und Rechtsterrorismus. Wir wollen die Tätigkeit nur

dieser beiden Abwehrzentren – beschränkt auf den terro-
ristischen Bereich – auf eine klare gesetzliche Grundlage
stellen, die auch die effektive Kontrolle durch parlamenta-

rische Kontrollgremien, Datenschutzbeauftragte und Ge-

richte ermöglicht.

V. Demokratieoffensive und Prävention auf
allen Ebenen

Rechtsextremes Gedankengut ist nicht nur ein Problem

„extremer Ränder“. Es durchdringt die gesamte Gesell-
schaft und kommt meist durch rechtspopulistische Res-

sentiments und Befürchtungen zum Ausdruck. Wir brau-

chen eine Gesamtstrategie gegen alle Formen Gruppenbe-

zogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Rechtsex-

tremismus, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus,

Islamophobie, Antiziganismus oder Sozialdarwinismus.

1. Jede Bagatellisierung muss ein Ende ha-
ben.

Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und anderen

Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss

wieder zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden.

Dazu braucht es ein realistisches Lagebild: Wir müssen

uns darüber im Klaren sein, dass rechtsextreme Gewalt in

Deutschland alltäglich und oft tödlich ist. Auch wenn die

Nichtexistenz eines organisierten Rechtsterrorismus lange

Zeit eine Art bundesrepublikanische Staatsdoktrin war,

die die Köpfe vernebelt hat: wir müssen nun damit umge-

hen, dass es organisierten Rechtsterrorismus in Deutsch-

land gibt.

Wir müssen auch darauf reagieren, dass Nazis durch ihr

Auftreten vielerorts „Angst-Räume“ geschaffen haben;
Straßen, Gegenden und Räume, in denen Menschen sehr

real die Gefahr von Rechts erleben. Rechtsextreme, insbe-

sondere Kameradschaften Hand in Hand mit der NPD

zielen darauf, durch Einschüchterung und Bedrohung

aller Missliebigen eine rechtsextreme Hegemonie zu

erreichen. Wir haben es mit einer rechtsextremen Szene

zu tun, die sich festgesetzt hat und zum Teil schon in der

zweiten Generation oder länger aktiv ist.

Daran darf es keine Gewöhnung geben. In einer freien

Gesellschaft ist Sicherheit die Sicherung der Freiheit.

Dazu gehört, dass jede und jeder ohne dauernde Bedro-

hung von Leib und Leben selbstbestimmt am gesellschaft-

lichen Leben teilnehmen und sich dabei sicher fühlen

kann. Wir stehen für ein Deutschland, in dem alle ohne

Angst verschieden sein können. Der Staat hat die Aufga-

be, den Menschen genau das nach Möglichkeit zu ge-

währleisten.

Es geht darum, die durch Rechtsextreme gefährdeten

Regionen, Orte und Ortsteile für den demokratischen

Rechtsstaat zurückzugewinnen. Vielerorts haben sich

Parteien und andere Organisationen zurückgezogen oder

waren noch nie vor Ort vorhanden, so dass Nazi-Gruppen

in ein Vakuum stoßen und die lokale Hegemonie für sich

beanspruchen. Wir dürfen Rechtsextremen den öffentli-

chen Raum niemals überlassen. Notwendig sind Aufklä-

rung und auch Gewaltprävention – von der frühkindlichen
Bildung über Schule und Jugendarbeit bis zur Erwachse-

nenbildung. Besonders in ländlichen und strukturschwa-

chen Regionen fehlen bislang die nötigen Mittel für eine

ausreichende Jugend(sozial)arbeit. Hier müssen alle de-

mokratischen Kräfte an einem Strang ziehen. Nazis kön-

nen sich überall dort durchsetzen, wo es an attraktiven

demokratischen Lebenswelten mangelt.

Engagierte BürgerInnen und zivilgesellschaftliche Initia-

tiven gegen Rechts müssen unterstützt und dürfen nicht

behindert werden. Das reicht von der Förderung alternati-

ver, die Vielfalt der Gesellschaft bejahender Jugendkultu-

ren bis zum Protest gegen Nazi-Aufmärsche. Nazis versu-

chen deutschlandweit, ihre Inhalte durch Aufmärsche und

Kundgebungen öffentlich zu präsentieren. Demokratinnen

und Demokraten müssen dagegen friedlichen, aber hör-

und sichtbaren Widerstand leisten.

2. Aufklärung, Sensibilisierung und politi-
sche Bildung ausweiten

Die gravierenden Ermittlungsfehler rund um die Terrorse-

rie haben einmal mehr gezeigt: Bei der Problemsensibili-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1041 – Drucksache 17/14600

sierung für den Bereich Rechtsextremismus gibt es erheb-

lichen Nachholbedarf.

Deshalb wollen wir:

– Die Demokratieerziehung in Kita, Schule, Universi-
tät, Berufsschulen, aber auch in der sonstigen Er-

wachsenenbildung, z. B. an Volkshochschulen ver-

stärken.

– Politische Bildung stärken statt kürzen. Politische
Bildung ist Zukunftsvorsorge für unsere Demokratie.

– Demokratieerziehung als Thema der pädagogischen
Ausbildung für ErzieherInnen, LehrerInnen und an-

dere Fachkräfte machen: Demokratieerziehung muss

obligatorischer Bestandteil des Curriculums werden.

Dabei sollen auch Kompetenzen im Umgang mit

rechtsextremen Wortergreifungsstrategien und Nazi-

hetze im Netz vermittelt werden.

– Schulungen im Vereinsbereich.

– Wissenschaftliche Analyse und Auseinandersetzung
mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und

Rechtsextremismus in allen gesellschaftlichen Groß-

organisationen (Kirchen, Gewerkschaften, Sozialver-

bänden, Feuerwehr etc.) fördern.

– Behörden sensibilisieren: Wir wollen regelmäßige
Angebote für Antirassismustraining und Fortbildun-

gen für PolizistInnen, StaatsanwältInnen und Richte-

rInnen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

– Eine zeitgemäße Erinnerungskultur: Das Gedenken
an die Opfer des Nationalsozialismus und die Aufklä-

rung über die nationalsozialistischen Verbrechen

müssen in zeitgemäßer Form präsentiert werden. Da-

zu gehört auch die Vermittlung von Wissen über die

Versuche heutiger Nazis, Gedenktage für ihre Propa-

ganda zu missbrauchen.

– Einen klaren Kurs gegen Rechtspopulismus: Wer mit
Ängsten vor „Überfremdung“, mit antiislamischen
Ressentiments oder der Diffamierung alternativer Ju-

gendkulturen spielt, liefert rechten Schlägern eine

ideologische Rechtfertigung.

3. Förderung der Zivilgesellschaft

Die Fehler im Bereich der Strafverfolgung waren gravie-

rend und dürfen sich nicht wiederholen. Noch wichtiger

für eine erfolgreiche Bekämpfung des Rechtsextremismus

und für eine wirksame Prävention sind die Aktivitäten der

Zivilgesellschaft. Diese hat der Staat zu unterstützen, statt

sie durch vorurteilsbehaftete Aktionen wie die sog. Ex-

tremismus-Klausel und eine zu schwache und unsichere

Förderung zu behindern.

a) Weg mit der Extremismusklausel

Nicht selten werden Initiativen und Bündnisse, die sich

vor Ort gegen Rassismus, Antisemitismus oder andere

Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit organi-

sieren, als „linksextrem“ eingeordnet und damit als Ver-

fassungsfeinde gebrandmarkt. Mit der Extremismus-

klausel werden Initiativen, die sich gegen Neonazis und

ihre menschenverachtende Ideologie engagieren, unter

Generalverdacht gestellt, diffamiert und kriminalisiert.

Die Extremismusklausel muss umgehend und ersatzlos

abgeschafft werden!

b) Förderung mit Konzept und Perspektive:
Stiftung Demokratieförderung

Durch die unter Rot-Grün gegründeten Bundesprogram-

me gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus konnte

hier sehr viel Expertise in der Zivilgesellschaft entstehen.

Seit der Programmeinführung 2001 wurden verschiedene

Ansätze in der Arbeit gegen Nazis erprobt, Vieles hat sich

bewährt. Doch einige Probleme der Förderung sind je-

doch seit Jahren offensichtlich und wurden bisher nicht

angegangen.

Wir möchten deshalb eine Stiftung zur Förderung der

Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus,

Antisemitismus, Antiziganismus und andere Formen

gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit errichten. Da-

mit wollen wir die aktuelle Zerfaserung und Lückenhaf-

tigkeit der Förder- und Programmstruktur beenden und

eine dauerhafte Förderung der zivilgesellschaftlichen

Initiativen sicherstellen.

Diese Stiftung soll einen festen Betrag aus dem Bundes-

haushalt zugewiesen bekommen. Sie entwickelt ein kohä-

rentes und dauerhaftes Gesamtförderkonzept und Richtli-

nien für die Vergabe von Stiftungsmitteln an zivilgesell-

schaftliche Initiativen und Verbände. Für die Länder und

Kommunen soll sie ein Konzept für Projekte entwickeln,

die an die von der Stiftung geförderten Grundstrukturen

andocken bzw. auf sie aufbauen. Stiftungsrat und Kurato-

rium sind mit VertreterInnen des Bundes, der Länder und

der Kommunen, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft,

der Kirchen, MigrantInnenorganisationen und der Politik

zu besetzen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Beset-

zung die politische Unabhängigkeit der Stiftung garantiert

und Zivilgesellschaft und Wissenschaft insbesondere in

dem Stiftungsorgan, das Förderkonzept und Förderleitli-

nien festlegt, entscheidenden Einfluss haben.

VI. Fazit:

1) Die Treppe muss von oben gekehrt werden. Die In-

nenminister in Bund und Ländern waren nicht Teil

der Lösung, sondern Teil des Problems. Sie waren

entweder inaktiv (Schäuble, Behrens), blockierten

(Bouffier), waren aktiv, aber lokal beschränkt und zu-

ständigkeitsegoistisch (Beckstein) oder bestärkten

durch unzutreffende öffentliche Äußerungen die fal-

sche Ermittlungstendenz (Schily). Kein Amtsträger

zog wegen des Ermittlungsdesasters persönliche

Konsequenzen.

2) Die Justizministerkonferenz beschäftigte sich gar

nicht mit der Mordserie, obwohl ihre Staatsanwalt-

schaften nach dem Gesetz eigentlich Herren der Er-

mittlungsverfahren waren. In den Parlamenten wur-

Drucksache 17/14600 – 1042 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den die Ereignisse auch nicht thematisiert. Dieses

Versäumnis wird nicht entschuldigt und nur zum Teil

dadurch erklärt, dass von den Strafverfolgungsbehör-

den bis zuletzt der Eindruck suggeriert wurde, man

habe erfolgversprechende Spuren ins Milieu der Or-

ganisierten Kriminalität.

3) Die Anfang der neunziger Jahre geführte Asyldebatte

schuf ein Klima, das das Entstehen gewalttätiger

rechtsextremistischer Strukturen begünstigte. Demo-

kratische Parteien dürfen nie wieder zündeln, mit

Unterbringungsproblemen oder anderen sozialen

Fragen Politik zu Lasten von Minderheiten machen.

4) Die Nichtexistenz eines organisierten Rechtsterro-

rismus war eine Art bundesrepublikanische Staats-

doktrin. Dies hat die Köpfe vernebelt. Nicht nur beim

Oktoberfest-Attentat mussten es Einzeltäter sein.

Dies schlug sich selbst nieder bei der Benennung der

Hypothesen als Organisationstheorie (gemeint krimi-

nelle Organisation) oder Einzeltätertheorie (gemeint

der rassistische Mörder). Die rechtsterroristische Or-

ganisation war gedanklich gar nicht vorgesehen.

5) Der Generalbundesanwalt und seine Mitarbeiter sind

als bloße Zeitungsleser- und Auswerter überbezahlt.

Er muss von Gesetzes wegen die Kompetenz und die

Verpflichtung erhalten, die Frage des Ob seiner Zu-

ständigkeit selber ermitteln zu können.

6) Das BKA sollte eigentlich der Ort sein, an dem sich

die kriminalistische Kompetenz ballt. Hier war es der

Ort des größten Versagens, von der Nichtauswertung

der Garagenliste in Jena über das Versanden-Lassen

der Česká-Spur bis zum besonders bornierten Fest-
halten an der Organisationstheorie. Die Leitung die-

ser Behörde lässt bis zum heutigen Tage auch nur den

Hauch einer Selbstkritik vermissen.

7) Dass Mörder das Risiko ihrer Entdeckung minimie-

ren, wenn sie ihre Tat im benachbarten Bundesland

begehen, kann nicht ernsthaft als Folge des Födera-

lismus akzeptiert werden. So wenig wie der Umstand,

dass Täter in Nürnberg nur im Großraum Nürnberg

und Täter in Köln nur im Großraum Köln gesucht

werden. Die Sicherheitsorgane müssen lernen, im

Verbund zu denken und zu kommunizieren.

8) Das Bundesamt für Verfassungsschutz taugt in der

derzeitigen Struktur nicht als Analyseinstrument und

zur brauchbaren Informationsbeschaffung. Es muss

aufgelöst, aufgespalten und strukturell und personell

neu aufgestellt werden.

9) Die Polizei muss endlich in Ausbildung und perso-

neller Zusammensetzung auf die Höhe einer Einwan-

derungsgesellschaft gebracht werden. Das Entwi-

ckeln einer Fehlerkultur und die vorurteilsfreie Hypo-

thesen-Bildung stehen an. Die Erwartung, der Com-

puter werde schon den Täter ausspucken, wenn ich

ihn nur mit weiteren Millionen Massendaten füttere,

hat sich einmal mehr als Irrweg erwiesen.

10) Die Fehler im Bereich der Strafverfolgung waren

gravierend und dürfen sich nicht wiederholen. Noch

wichtiger für eine erfolgreiche Bekämpfung des

Rechtsextremismus und für eine wirksame Präventi-

on sind die Aktivitäten der Zivilgesellschaft. Diese

hat der Staat zu unterstützen und nicht durch vorur-

teilsbehaftete Aktionen wie der sog. Extremismus-

Klausel zu behindern.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1043 – Drucksache 17/14600

Stand: 13.11.2013

Fünfter Teil:
Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs

Der Untersuchungsausschuss hat Personen, die durch die

Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten

erheblich beeinträchtigt werden können, Gelegenheit

gegeben, zu den sie betreffenden Ausführungen Stellung

zu nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in

einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind

(siehe oben: Erster Teil, S. 68).

Folgende Stellungnahmen sind abgegeben worden:

I. Barbara E.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) bb) und cc)

(Kontakte des NSU zu Personen der Garagenliste nach

Baden-Württemberg) hat sich Barbara E. telefonisch

sinngemäß wie folgt geäußert:

Ich habe Michael E. nicht über meinen Bruder

kennen gelernt, sondern über die „Rockfabrik“, die
seinerzeit auch von meinem Bruder besucht wurde.

An Ostern 1996 hat lediglich Beate Zschäpe bei

mir übernachtet, nicht aber Uwe Böhnhardt.

II. D. F.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) dd) und

Abschnitt E. II. 3. c) bb), hat sich D. F. telefonisch sinn-

gemäß wie folgt geäußert:

Der dargestellte Sachverhalt trifft zu. Es ist jedoch

zu ergänzen, dass ich mit Beate Zschäpe nach de-

ren Untertauchen keinen Kontakt mehr hatte.

III. Sylvia F.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. d) aa) (Kon-

takte des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Sze-

ne Baden-Württembergs), hat sich Sylvia F. wie folgt

geäußert:

„Ich verstehe nicht und halte es nicht für richtig,
dass ich in dem Bericht überhaupt erwähnt werde.

Für den Strafkomplex Zschäpe u. a. spielt es über-

haupt keine Rolle, dass ich im Jahre 1997 einen

Brief an Mundlos geschrieben habe. Auch dass ich

Mitglied in der HNG war geht niemanden etwas

an.

Mein Brief an Mundlos dürfte mit meiner damali-

gen humanitären Gefangenenbetreuung zu tun ha-

ben. Meine Bemerkung zu Hausdurchsuchungen

habe ich gemacht, weil ich es blödsinnig fand, dass

Personen aus der rechten Szene immer wieder we-

gen unsinnigen Dingen wie Aufnähern, Aufkle-

bern usw. bestraft wurden. Meine Tätigkeit für die

HNG geschah lediglich im Bestreben, inhaftierten

Personen zu helfen und ihnen einen Neuanfang

ohne Straftaten zu erleichtern. Gewalttaten habe

ich immer abgelehnt und mich dagegen ausgespro-

chen. Deshalb empfinde ich es als diskriminierend,

dass ich in dem Bericht überhaupt genannt werde.“

IV. Alexander Gronbach

Zum Feststellungsteil, Abschnitt G. IX. (Angebliche

Hinweise der Auskunftsperson und späteren Informantin

„Krokus“ an das LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007)
hat sich Alexander Gronbach unter anderem wie folgt

geäußert:

„Ich, Alexander Gronbach, fordere vom PUA, so-
fort die Zeugenvernehmung meinerseits vom No-

vember 2011 beim LKA anzufordern. Sowie durch

KHK R. sowie KHK S. feststellen zu lassen, an

welchem Datum das war! Oder will der PUA nun

diese Zeugenaussage unterschlagen, welche schon

im November 2011 stattfand?

Eine weitere Lüge ist, [Krokus] wäre erst durch

mich aufgeflogen. Zum einen habe ich niemals bei

irgendwelchen Neonazis in irgendeiner Form et-

was über [Krokus‘] Tätigkeit mitgeteilt, jeder Poli-
zeibeamte welcher jeweils Kontakt mit [Krokus]

hatte, KHK G. Q., LKA-Beamter J. H., KHK H.

R., KHK M. S. wussten jeweils über die LFV-

Tätigkeit Bescheid…“

V. Andreas G.

Zum Feststellungsteil, Abschnitte C. II. 1. d) (Verbindun-

gen zwischen „Blood & Honour“ und dem Trio) und E. II.
13. a) (Hintergrund der Fahndungsmaßnahmen im Zu-

sammenhang mit der Fernsehsendung „Kripo Live“ am 7.
Mai 2000) hat sich Andreas G. wie folgt geäußert:

„Ich war in meinem ganzen Leben nie auf einer
Schulungsveranstaltung der NPD. Bei der fragli-

chen Schulungsveranstalung wurden ja sicher

Kontrollen durchgeführt, da kann also gesehen

werden, dass ich gar nicht vor Ort war.

Ich kenne weder Tino Brandt noch Ralf Wohlle-

ben.

Auch kenne/kannte ich auch Uwe Mundlos und

Uwe Böhnhardt nicht.

[…]

Ebenso kennt mich niemand unter meinem wirkli-

chen Namen, sondern ich bin überall nur unter

meinem Spitznamen bekannt. Woher kennt der mir

völlig unbekannte Spitzel meinen Namen?

Es gibt zeitliche Ungereimtheiten in Ihren Ausfüh-

rungen. Da werden Sachen (Terzett) im Januar

Drucksache 17/14600 – 1044 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

eingeleitet, deren Voraussetzungen erst im Februar

erfüllt werden. […]“

Es wird erwähnt, dass ich abgehört und observiert

wurde. Gab es denn dazu keine Erkenntnisse? So

sind die Erwähnungen völlig nutzlos. […]“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) ee) (Umgang

mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des Trios in der

Bundeswehr) hat sich Andreas G. wie folgt geäußert:

„Was hat meine Bundeswehrlaufbahn mit dem so-
genannten NSU zu tun? Welche Erkenntnisse da-

raus können denn in die Ergebnisse dieses Aus-

schusses einfließen? Aus meiner Sicht ist das Ab-

solut bedeutungslos.“

Konkret zu dem in diesem Abschnitt genannten Strafurteil

/ Strafbefehl, der im September 1997 in den Akten des

Kreiswehrersatzamtes vermerkt wurde:

„Was hat der Schwerstkriminelle denn da wieder
verbrochen? An Nachbars Gartenzaun gepinkelt?

Sie konnten/können dazu keine Angaben machen.

Von daher ist die Erwähnung absolut unnötig und

zielt nur darauf ab, Stimmung gegen mich zu ma-

chen.“

VI. Henning H.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. II. 1. (Entwicklung

der rechtsextremen Szene in Thüringen in den 1990er /

Anfang der 2000er Jahre – „Anti-Antifa Ostthüringen“
und „Thüringer Heimatschutz“) und Abschnitt B. V.
(Auffinden der Garagen und Planung der Durchsuchun-

gen), hat sich Henning H. wie folgt geäußert:

„Ich muss Sie leider enttäuschen, ich habe damit
nichts zu tun! Ich verbitte mir die Unterstellung,

dass ich ein ‚weiterer Aktivist des Thüringer Hei-
matschutzes‘ bin. Wie oft soll ich die Geschichte
mit der Rohrbombe noch erzählen? Es war als Sil-

vesterkracher gedacht. Dafür war ich vor Gericht,

nicht ohne Grund wurde die Anklage in diesem

Punkt fallen gelassen! Die ‚Deutschlandkarte mit
Markierungen‘ war in meinen Arbeitsunterlagen
aus meiner Zeit […] in Mainz. Wer die verschie-
denen Orte gekennzeichnet hat und warum er das

tat, weiß ich nicht. Ich hatte jedenfalls niemals

Sprengstoffattentate geplant oder ausgeführt.“

VII. KHK J.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt F. V. 1. b) (Hinweise

nach dem 4. November 2011 auf das Trio) hat sich KHK

J. geäußert und mitgeteilt,

„dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt-
schaft Dortmund, Aktenzeichen 160 Js 356/12, ge-

gen meine Person mit Verfügung vom 12.11.2012

gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.

Nach Abschluss der Ermittlungsverfahren der

Staatsanwaltschaft Dortmund wurde ich am

05.03.2013 durch das BKA zu den Angaben der

Vertrauensperson Heidi zeugenschaftlich ver-

nommen. Insofern verweise ich auf das Protokoll

der zeugenschaftlichen Vernehmung.“

VIII. Christian K.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. I. 2. o) (Ermittlungs-

verfahren wegen Körperverletzung im Dezember 1996),

hat sich Christian K. telefonisch sinngemäß wie folgt

geäußert:

Das Ermittlungsverfahren wurde, soweit es mich

betraf, damals eingestellt.

IX. Sven Krüger

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 2. („Hammer-
skins“ in Deutschland) hat sich Sven Krüger über einen
Rechtsanwalt wie folgt geäußert:

„Diesbezüglich habe ich namens und in Vollmacht
meines Mandanten der von Ihnen in dem Untersu-

chungsbericht beabsichtigten Namensnennung

meines Mandanten sowohl bezogen auf den Vor-

namen, wie auch bezogen auf den Nachnamen

auch hinsichtlich etwaiger Namenskürzel o.ä. aus-

drücklich zu widersprechen. […]

Weiterhin, so lässt der Mandant mitteilen, gibt es

keinerlei vorliegende Beweise, dass mein Mandant

ein sogenannter ‚Hammerskin‘ wäre. Dies gilt um-
so mehr, als dass sie meinen Mandanten als Führer

der ‚Hammerskins‘ in MV bezeichnen.“

X. David Petereit

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) mm) (Um-

gang der Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem

Umfeld der Trios, David Petereit), hat sich David Petereit

wie folgt geäußert:

„Ich wende mich grundsätzlich gegen die Veröf-
fentlichung der detaillierten Ausführungen zu mei-

ner Bundeswehrzeit […]. Diese sind nicht vom
Untersuchungsauftrag des Untersuchungsaus-

schusses gedeckt.

Darin wird mein gesamter militärischer Werde-

gang dargelegt. Die Grundlage für Ihre

,Erkenntnisse‘ ist hierbei meine Personalakte bei
der Bundeswehr, die ihrerseits datenschutzrecht-

lich geschützt und kein öffentliches Dokument ist

und es nach meinem Willen auch nicht werden

soll.

Sollten Sie dringend darauf bestehen, zu erwäh-

nen, dass ich meinen Wehrdienst geleistet habe,

dann schreiben Sie es in ein oder zwei Sätzen.

Z. B.:

,Petereit leistete von 1999 bis 2001 23 Monate

Wehrdienst beim Panzerflugabwehrkanonenbatail-

lon 141.‘

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1045 – Drucksache 17/14600

Stand: 13.11.2013

Damönisierend oder blamierend, je nachdem, wie

der Leser dies dann betrachtet, können Sie natür-

lich noch erwähnend hinzufügen:

,In diesem Rahmen wurde er auch an Schusswaf-

fen ausgebildet und geübt.‘

Wie der Untersuchungsausschuss und zuvor offen-

sichtlich sowohl das BKA als auch das BfV fest-

stellten, gab es keine Verbindung meiner Person

zum NSU. Insofern muss ich es auch nicht erdul-

den, dass Sie meinen militärischen Lebenslauf der

Weltöffentlichkeit darlegen.

Zudem mag es sein, dass Sie von einer Anonymi-

sierung meiner Person grundsätzlich abgesehen

haben, da ich Person des öffentlichen Lebens bin,

allerdings gibt Ihnen dies wiederum gerade nicht

das Recht, nach Belieben über mich zu veröffentli-

chen. […]“

Konkret zu der Passage im Abschnitt C. IV. 5. e) mm) des

Feststellungsteils, in dem ausgeführt wird, dass weiterfüh-

rende, über die Danksagung an den NSU im Fanzine „Der
Weisse Wolf“ hinausgehende Hinweise zu Verbindungen
Petereits zum NSU nicht vorlägen, hat Petereit ausge-

führt:

Des Weiteren bitte ich darum, dass der Satz […]
dahingehend konkretisiert wird, dass er nicht die

Unterstellung beinhaltet, es gäbe Verbindungen

meiner Person zum NSU, nur hätten die bisher

nicht bewiesen werden können. Z. B.:

,Petereit hatte offensichtlich keine Verbindung

zum NSU.‘“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt D. II. 1. (Erkenntnisse

und V-Leute des BfV; Die Zeitschrift „Der Weiße
Wolf“), hat sich David Petereit wie folgt geäußert:

„Ich möchte […] anmerken, dass ich nach wie vor
bestreite, eine Geldspende vom NSU erhalten zu

haben, da ich mich an einen solchen Sachverhalt

nicht erinnern kann.“

XI. Reinhard S.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. d) (Kontakte

des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Szene

Baden-Württembergs), hat sich Reinhard S. über einen

Rechtsanwalt wie folgt geäußert:

„Bei Reinhard S. […] handelt es sich um meinen
Mandanten. Er wurde bereits vom Landeskrimi-

nalamt Stuttgart […] vernommen, sein Rechner
wurde auf Skype-Daten durchsucht. Er war an

Herrn Mundlos über das Online-Spiel „World of
Warcraft“ gekommen, wusste aber nicht um des-
sen Identität, da dieser unter dem Namen „Garry“
auftrat. Ansonsten hat S. überhaupt keinen Kontakt

zu der NSU-Szene.“

XII. Hans-Joachim S.

Zu den ihn betreffenden Passagen im Feststellungsteil hat

sich Hans-Joachim S. wie folgt geäußert:

„Ist es nicht schon genug, dass ich ständig vom
BKA und LKA (Staatsschutz) in einer Sache be-

lästigt werde, die schon fast 20 Jahre her ist. 1994

hatte ich das letzte Mal Kontakt mit dem Trio, was

danach geschah, kann ich Ihnen nicht mitteilen, da

ich es nicht weiß, erst 2012 aus dem Fernsehen

hörte, dass Mundlos für einige Morde in Frage

käme. Es ist auch nicht schön irgendwelche alte

Wurst auf das Brot geschmiert zu bekommen. Es

ist schön, dass meine Bundeswehr zeit lobend er-

wähnt wird, aber dass ich seit meinem 16. Lebens-

jahr durchgehend bei verschiedenen Arbeitgebern

gearbeitet habe und somit ihr Gehalt mit bezahle,

das können Sie auch gerne mit einbauen. So, jetzt

aber zu Ihrem Geschmiere: Sollte das so veröffent-

licht werden, werde ich Klage gegen dieses

Geschmieresammelsurium erheben. Da eine Men-

ge falsch und nicht richtig wiedergegeben wurde.

Sie sollten den Ausdruck „Waffen“ etwas mehr de-
finieren, zwischen Schusswaffen, bei denen ein

tödliches Geschoss den Lauf verlassen kann, oder

Stichwaffen (Messer), Schlagwaffen oder Hieb-

waffen usw. Den Bericht, den Sie mir hier vorle-

gen, ist eine Niedermachung meiner Person, den

ich nicht so stehen lassen kann.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der

Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des

Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, Mundlos

habe im Jahr 1996 in einem Brief an Thomas Starke über

die Waffen, die S. besitze, gestaunt:

„Ich hatte 1996 keinen Kontakt mehr zu dem Trio,
wieso sollte Mundlos so von den Waffen noch

schwärmen??? Auch hier stellt sich mir die Frage

was für Waffen (Schusswaffen, bei denen ein töd-

liches Geschoss den Lauf verlassen kann, oder

Stichwaffen (Messer), Schlagwaffen oder Hieb-

waffen usw.)? Oder doch nur Deko-Waffen.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der

Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des

Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, gegen S.

seien im Jahr 2009 wegen Verstoßes gegen das Waffen-

gesetz, Besitz von erlaubnispflichtiger Munition und

verbotenen Gegenständen i. S. d. Waffengesetzes und

wegen Volksverhetzung Verfahren eingeleitet worden:

„Auch hier geht nicht hervor, dass keine Schuss-
waffen, bei denen ein tödliches Geschoss den Lauf

verlassen kann, dabei waren. Es handelte sich hier

um zwei Butterfly-Messer, die vor ein paar Jahren

in Deutschland noch frei zu kaufen waren, eins

von den beiden gehörte sogar meiner Ex-Frau,

meins hatte ich seit meiner Jugend, also auch

schon über 20 Jahre. Zur Munition, die gehörte zu

meiner Sammlerleidenschaft, leider konnte ich

nicht feststellen, welche scharf wahren, da die

Drucksache 17/14600 – 1046 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Deko-Munition keinen Unterschied zu erkennen

gibt. Das sah auch der Richter so...“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der

Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des

Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, der Name

von S. habe sich auf der in der Garage des Trios am 26.

Januar 1998 aufgefundenen Adressliste befunden:

„Sie würden bei vielen meine Telefonnummer fin-
den, da ich gern auf die Konzerte gegangen bin

und Leuten, die von anderen Konzerten gewusst

haben, meine Telefonnummer gegeben habe, au-

ßerdem war die Telefonnummer, die sie bei dem

Trio gefunden haben, zu dem Zeitpunkt längst

nicht mehr aktuell.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV. 5. e) (Umgang der

Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des

Trios), konkret zu der Passage, in der es heißt, der MAD

habe um umgehende verdeckte Mitteilung gebeten, sollte

S. zu Wehrübungen einberufen werden:

„Ich sollte in den 90er zu einer Wehrübung, habe
mich aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt

und musste auch nicht hin.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte

des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-

Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt aa),

in der es heißt, es habe auch nach 1994 bis zum Jahr 2001

weitere gegenseitige Besuche gegeben:

„An einen Besuch des Trios in Ludwigsburg kann
ich mich erinnern 1994, danach brach mein Kon-

takt zum Trio ab, wie oft sie dann noch da waren,

kann ich nicht bestätigen. Wir sind nach Mittel-

deutschland hauptsächlich wegen der Konzerte ge-

fahren. Nicht wegen irgendwelcher Bekanntschaf-

ten.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte

des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-

Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),

in der es heißt, auch Hans-Joachim S. habe Kontakt zum

Trio unterhalten:

„Ich habe das Trio, wie schon erwähnt, nicht mehr
gekannt, wie den Herrn R. oder andere Mitteldeut-

sche. Es bestand keine freundschaftliche Bezie-

hung zu den Dreien.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte

des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-

Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),

in der es heißt, Hans-Joachim S. sei ebenfalls an gegen-

seitigen Besuchen mit dem Trio beteiligt gewesen und in

der ein Brief von Mundlos an Thomas Starke und einzelne

Formulierungen hieraus erwähnt werden:

„Wie schon erwähnt, muss der Brief schon vorher
geschrieben worden sein (1994). Wir sind nach

Mitteldeutschland hauptsächlich wegen der Kon-

zerte gefahren. Nicht wegen irgendwelcher Be-

kanntschaften. So ein dummes Wort wie Dunkel-

deutschland würde ich nie benutzen. Ossis auch

nicht, da ich selber Verwandtschaft in Mittel-

deutschland habe. Bei mir hat niemand übernach-

tet, da ich in der Zeit noch bei meiner Mutter ge-

wohnt habe.

Auch hier stellt sich mir die Frage: Was für Waf-

fen???“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte

des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-

Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),

in der es heißt, dass der Kontakt zum Trio Mitte der

1990er Jahre geendet haben solle:

„Der Kontakt hat 1994 geendet.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte

des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-

Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc),

in der es heißt, dass für den Untersuchungsausschuss von

Interesse gewesen sei, ob S. tatsächlich Waffenhändler

gewesen sei und in der ein Bericht des LKA Baden-

Württemberg vom 24. Januar 2013 genannt ist:

„Nein, ich habe nie mit Waffe gehandelt. 1996 hat-
te ich auch schon eine Hausdurchsuchung, bei der

auch keine Schusswaffen, bei denen ein tödliches

Geschoss den Lauf verlassen kann, gefunden wur-

den.

So wie 30 bis 40-Mal, wo mein Wagen (Kfz) z.B

bei Konzerten durchsucht wurde, ebenfalls keine

Schusswaffen, bei denen ein tödliches Geschoss

den Lauf verlassen kann, gefunden wurden.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt E. VIII. 1. a) (Kontakte

des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-

Württemberg), konkret zu der Passage im Abschnitt cc)

am Ende, in dem dargestellt wird, die Ehefrau von S. habe

diesen im Jahr 2009 angezeigt und in der die Hintergrün-

de hierfür beschrieben werden:

„Meine Ex-Frau, die selbst der rechten Szene an-
gehört, ist fremdgegangen und ich habe es be-

merkt, da ich um 4 Kinder zu ernähren täglich bis

abends 21 bis 22 Uhr gearbeitet habe. […] Ich
wollte schon ausziehen, konnte aber meine Kinder

nicht schutzlos zurücklassen und fand auch keine

Wohnung. Da hat sie zu den unfairen Mitteln ge-

griffen ,ich würde sie schlagen‘. Die Polizei hat ihr
geglaubt, das alte Lied die arme Frau... Einfach lä-

cherlich, so sah das auch der Richter und hat das

Verfahren eingestellt. Ich bin nicht gewaltbereit,

war es nie und werde es auch nicht. Zur Munition,

die gehörte zu meiner Sammler-Leidenschaft, lei-

der konnte ich nicht feststellen, welche scharf wa-

ren, da die Deko Munition kein Unterschied zu er-

kennen gibt. Das sah auch der Richter so... Von

den CDs gehörten 30% meiner EX Frau, so wie

schon erwähnt, eines der beiden Butterfly Messer

und die Hitlerbüste. Der Rest ist und bleibt Samm-

lerzeug, was wenn ich darauf bestanden hätte, ich

fast alles zurückbekommen hätte. Ich hatte aber

sowieso kein Bock mehr auf den Mist und habe es

zur Vernichtung freigegeben. Das könnten Sie

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1047 – Drucksache 17/14600

Stand: 13.11.2013

auch mal erwähnen. Auch hier wieder Verstoß ge-

gen Waffengesetz, was für Waffen? Messer, zum

teil Sammlerstücke. Jeder der „Waffen" liest,
denkt an Schusswaffen, also berichtigen Sie das,

danke. Mir ist nicht bekannt, dass das Urteil wegen

Volksverhetzung ausgesprochen wurde. Die ganze

Seite gehört nicht in den Bericht, da Sie nicht und

in keiner Weise zu dem Trio Fall gehören.“

XIII. Carsten Schultze

Zu mehreren ihn betreffenden Passagen hat sich Carsten

Schultze wie folgt geäußert:

Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. III. 3. b) (Weitere

Strukturermittlungen zum „Thüringer Heimatschutz“):

„1. Im Abschlussbericht des LKA Thüringen vom
31. August 2001 werde ich als Führungsperson des

‚Thüringer Heimatschutzes‘ im Bereich Jena be-
zeichnet. Dies ist nicht der Fall, da ich im Jahr

2001 der rechten Szene gar nicht mehr angehörig

war; weder war ich an szenespezifischen Aktionen

beteiligt, noch habe ich an diesen teilgenommen.

Ich widerspreche daher einer entsprechenden Dar-

stellung.

Zu 1.

Leider liegt mir der hier zitierte Bericht des TLKA

nicht vor. Allerdings sprechen die BfV-

Erkenntnisse, auf die Sie sich in Ihrem Entwurf zu

meiner Person beziehen, gegen diese Darstellung.

Darüber hinaus unterstreicht auch die folgende Er-

kenntnis des BfV meine Darstellung: ‚Im April
2001 benannte eine Quelle des TLfV Carsten

SCHULTZE nicht mehr als Mitglied des THS.‘
Wie das LKA Thüringen dann vier Monate später

zu dem besagten Ergebnis kommt, ist für mich

nicht nachvollziehbar.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. IV 5. e) ss) (Umgang

der Bundeswehr mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld

des Trios – Carsten Schultze):

„2. Ich gehörte nie der Kameradschaft Jena an,
wiederspreche somit dieser Darstellung meiner

Person im Entwurf Ihres Abschlussberichtes.

Zu 2.

Die Quelle, die in ihrem Entwurf herangezogen

wird, ist ein Dokument vom 20.12.2011, welches

sich in dem fraglichen Punk auf zwei Dokumente

aus den Jahren 2004 und 2011 bezieht. Einleitend

wird hier unter 3. ,Thüringer Heimatschutz, (THS)

beschrieben: ‚Der ‚Thüringer Heimatschutz' setzte
sich aus regional gegründeten Kameradschaften

zusammen, die [...] in der Nachfolge als Sektionen

des 'THS' bezeichnet wurden.‘ Unter 3.1.1 Sektion
Jena (Kameradschaft Jena), worauf sich Ihre Aus-

führung stützt, fehlt nun die Bezeichnung ‚vor-
mals‘ vor ,Kameradschaft Jena‘, wie es dann rich-
tig heißen müsste.

So ist es beispielsweise im Verfassungsschutzbe-

richt Thüringen 1998 geschehen: ,Der Thüringer

Heimatschutz [...] gliedert sich zur Zeit in drei

Sektionen; Sektion Jena (vormals Kameradschaft

Jena), Sektion Saalfeld, Sektion Sonneberg.‘ Auch
die Schäfer-Kommission schreibt in ihrem Gutach-

ten: ‚Aus der KSJ ging später die Sektion Jena des
THS hervor.‘ Auch bei der vorangehenden Struk-
tur-Aufzählung der „Kameradschaft Jena“ (acht
Namen mit Positionsbezeichnung) wird meine Per-

son nicht benannt.

Darüber hinaus bin ich in dem von Ihnen ange-

führten Dokument (in einer späteren Auflistung)

ausschließlich in Verbindung zum ‚Thüringer
Heimatschutz - Sektion Jena‘ benannt.

Warum diese Differenzierung, gerade in Bezug auf

meiner Person, so wichtig ist, erschließt sich spä-

testens im darauffolgenden Satz bzw. meiner Stel-

lungname dazu:

3. Da ich nicht der Kameradschaft Jena angehörte,

konnte ich auch nicht ‚auf Grund dieser Mitglied-
schaft neben Wohlleben und Kapke mit dem Trio

in enger Verbindung‘ stehen.7551

Zu 3.

Da sich diese Schlussfolgerung auf den vorange-

gangen Satz bezieht, wird suggeriert, dass ich das

Trio durch gemeinsame Aktivitäten vor deren Un-

tertauchen am 26.01.1998 näher kannte.

Sogar die Generalbundesanwaltschaft stellt fest:

,Die politischen Aktivitäten der ‚Kameradschaft
Jena‘ mit ihren Mitgliedern Zschäpe, Gerlach und
Wohlleben sowie Böhnhardt, Mundlos und Kapke

belegen deren nationalsozialistische Gesinnung

und wurden im Laufe der Zeit von Straftaten zu-

nehmender Intensität begleitet. Die genannten Per-

sonen traten von 1994 bis 1997 in wechselnder

Besetzung bei Aktionen in Erscheinung und nah-

men an Heß-Gedenkveranstaltungen, rechtsextre-

men Demonstrationen, Aufzügen, Autokorsos,

Konzerten und germanischen Brauchtumsfeiern

teil.‘ Beispielhaft schreibt auch die Schäfer-
Kommission über den Zeitraum vor 1998: „Das
TRIO fiel durch eine Vielzahl gemeinschaftlicher

Aktivitäten auf, die nicht nur ihre Verbindungen

zur rechten Szene dokumentieren, sondern auch

Entwicklungstendenzen im Sinne einer zunehmen-

den Radikalität widerspiegeln.‘ Ich werde in der
darauf folgenden Auflistung, neben den schon in

der Anklageschrift aufgeführten Personen, wie

auch in folgendem Beispiel, nicht genannt: ,[1997]

ermittelte die StA Gera gegen Wohlleben, Kapke,

G., Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und weitere Per-

sonen wegen Störung des öffentlichen Friedens
7551) Anmerkung des Sekretariats: Schultze bezieht sich auf die

Ausführungen im Abschnitt C. IV 5. e) ss) des Feststellungs-

teils.

Drucksache 17/14600 – 1048 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

durch Androhung von Straftaten‘ wegen der Ver-
sendung von Briefbombenimitaten. In der Gesamt-

schau dieser Beispiele würden die ersten zwei Sät-

ze zu meiner Person suggerieren, dass ich vor 1998

dem organisierten Rechtsextremismus angehört

hätte bzw. den von der Schäfer-Kommission be-

sagten Weg des Trio ,neben Wohlleben und

Kapke‘ mitgegangen wäre. Dem widerspreche ich
ausdrücklich, denn das war nicht der Fall.

4. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ‚Spenden-
gelder für die geflüchteten Drei‘ überwiesen zu
haben.[…]“

5. Ich war nie Vorsitzender des NPD-

Kreisverbandes Jena.
7552

lch widerspreche einer

entsprechenden Darstellung im Abschlussbericht

des Untersuchungsausschusses. Ich kann mir nicht

erklären, wie dieser Vermerk, auf den hier Bezug

genommen wird, zustande gekommen ist.

Zu 5.

Schon derselben Quelle, auf die Sie sich in Ihrem

Entwurf beziehen, ist zu entnehmen: ,Ob Ralf

WOHLLEBEN den Kreisverband Jena der NPD

bzw. Carsten SCHULTZE tatsächlich als dessen

Stellvertreter führe, könne nicht beurteilen [sic].

Auch der Generalbundesanwalt geht davon aus:

‚Mit Wirkung vom 11. Februar 1999 trat der An-
geschuldigte Wohlleben in die

,Nationaldemokratische Partei Deutschlands

(NPD) ein und hatte mit Unterbrechungen von

1999 bis 2010 das Amt des NPD-Vorsitzenden des

Kreisverbandes Jena/Saale/Holzland inne.‘ Ich ha-
be dieses Amt nie bekleidet.“

XIV. Achim S.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. b) (Rechtsext-

remistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb

Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Entwicklung des „KKK“ in
Deutschland) hat sich Achim S. wie folgt geäußert:

„Ich selbst wurde Ende September 1998 in die
,International Knights of the Ku Klux Klan‘ auf-
genommen und gestaltete daraufhin eine Internet-

seite, die zunächst fälschlicherweise – aufgrund
meiner eigenen Unkenntnis – als ‚European
Knights of the Ku Klux Klan‘ online war, bis ich
intern auf den falschen Namen hingewiesen wurde.

Es ist richtig, dass diese Internetseite – eben aus
zuvor genanntem Grund – nur kurzzeitig im Inter-
net zu finden war. Diese Internetseite hatte also

nichts mit den später gegründeten EWK KKK zu

tun. Es handelte sich zu diesem Zeitpunkt nicht um

spätere Mitglieder der EWK KKK, auch nicht um

einen losen Zusammenschluss solcher.
7552) Anmerkung des Sekretariats: Schultze bezieht sich auf die

Ausführungen im Abschnitt C. IV 5. e) ss) des Feststellungs-

teils.

Thomas R. lernte ich über einen IRC Chatraum be-

reits vor seinem Eintritt in eine KKK-Gruppe ken-

nen. Zu diesem Zeitpunkt war weder eine Rekru-

tierung von Thomas R. geplant noch wusste dieser

zu diesem Zeitpunkt von meiner damaligen Mit-

gliedschaft bei den ‚International Knights oft the
Ku Klux Klan‘.

Auch kam es bei den ersten Besuchen von Thomas

R. in Schwäbisch Hall nicht direkt zu Klan-

Treffen. Diese fanden erst später statt, – nach mei-
ner Erinnerung erst 1999 – als Thomas R. für eine
Mitgliedschaft bei den International Knights of the

Ku Klux Klan angeworben wurde.

In Wiener Neustadt (nicht „der" Wiener Neustadt)
wurde Thomas R. tatsächlich in die ‚International
Knights of the Ku Klux Klan‘ aufgenommen. Je-
doch trug auch dort keine Person den Titel eines

,Imperial Wizard‘. Diesen Rang gab es bei den ‚In-
ternational Knights of the Ku Klux Klan‘ nicht, sie
wurden von einem ,Emperor‘ in South Carolina
geführt. Die höchsten Ränge in Europa waren die

des ,Grand Dragon‘.

Die Behauptung, ich habe Gelder veruntreut und

sei verschwunden, stimmt nicht. Durch damalige

familiäre Probleme trat ich zunächst von meinem

eigenen Rang des ,Imperial Representative‘ und
,Grand Dragon‘ zurück und übergab das Amt des
,Grand Dragon‘ an die Person, die mir damals am
geeignetsten erschien. Dabei handelte es sich

NICHT um Thomas R. Ich ordnete für das Früh-

jahr 2003 Neuwahlen für das besagte Amt an und

gab meinen Rückzug aus der Organisation be-

kannt. Mein letzter Kenntnisstand nach einem letz-

ten Telefonat mit einem Mitglied aus Schwäbisch

Hall im Februar 2003 war, dass diese Neuwahlen

auch durchgeführt wurden. Das Ergebnis der Neu-

besetzung und einer Weiterführung blieb mir un-

bekannt.

Der Bericht des LKA ist im Prinzip richtig. Nach

der Niederlegung meiner Ämter kamen die Aktivi-

täten auch zum Erliegen. Nach meinen Einschät-

zungen dürfte neben der Versammlung im Februar

2003 keine weiteren Aktivitäten stattgefunden ha-

ben. Genau sagen kann ich dies aber nicht.

Auch richtig ist, dass die Verfassungsschutzämter

konzentriert observierten und neben der erwähnten

Anspracheaktion, die laut Aussagen der damaligen

Mitglieder bei nahezu allen Teilnehmern des Jah-

restreffens 2002 stattfand, auch Präsenz zeigten,

um die Gruppe zu verunsichern, was auch gelang.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. d) (Rechtsext-

remistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb

Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Mitgliedschaften von Poli-
zeibeamten des Landes Baden-Württemberg im „KKK“)
hat sich Achim S. wie folgt geäußert:

„Die beiden Polizeibeamten stellten ihre Aktivitä-
ten zunächst Anfang August 2002 ein. Noch wäh-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1049 – Drucksache 17/14600

Stand: 13.11.2013

rend der Jahresversammlung im August gab es

Kontakt zu beiden. Nachdem die Gruppe über ei-

nen Spitzel informiert wurde, wurde ein

klaninterner Untersuchungsausschuss eingerichtet,

welcher mit der Auffindung des ‚Verräters‘ betraut
war. Neben Thomas R. waren zunächst auch die

beiden Beamten, aber auch eine weitere Person in

Verdacht.

Es ist richtig, dass lediglich zwei Polizisten Mit-

glied geworden waren. Es ist aber auch richtig,

dass weitere Polizisten Interesse an einer Mitglied-

schaft hatten.

Eine Warnung bezüglich einer Überwachung und

eines Spitzels gab es in der Tat. Das Motiv der

Person ist mir nicht bekannt. Zunächst wurde in-

tern angenommen, dass dieses geheimdienstge-

steuert gewesen sei und nach amerikanischem

‚Cointelpro‘-Vorbild zur Verunsicherung diente,
was durch die Anspracheaktion und massives Auf-

treten der Verfassungsschutzämter dann bekräftigt

wurde. Jedoch war ich mir damals nicht sicher, ob

es sich um einen deutschen Geheimdienst handel-

te.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. e) aa) (Rechts-

extremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb

Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Allgemeine Aktivitäten des
Achim S.) hat sich Achim S. wie folgt geäußert:

„Ich bitte ebenso um Richtigstellung der Behaup-
tung, dass ich seit 1990 der rechtsextremen Szene

angehöre. Die Äußerung lässt mutmaßen, ich ge-

höre noch immer zu jener Szene, was faktisch

falsch ist. Ich habe mich von der ,Szene‘ als sol-
ches bereits im Jahre 2000 gelöst und von jegli-

chem weltanschaulichem Gedankengut in diese

Richtung spätestens Herbst 2003 völlig gelöst und

distanziert.

Die Unterscheidung der Jahre 2000 und 2003

kommt daher, dass die EWK KKK bestrebt waren,

Strukturen außerhalb der sogenannten ,rechten

Szene‘ aufzubauen. Eine Verbindung zur dieser
,rechten Szene‘ erschien mir erstens hinderlich und
zweitens weltanschaulich nicht vertretbar.

Es gab Mitte 2002 bereits Streitigkeiten unter an-

derem mit Thomas R., der entgegen mehrfachen

Beteuerungen noch tief in der rechten Szene ver-

wurzelt war. Hintergrund war ein von mir verfass-

ter Artikel gegen den Nationalsozialismus und

rechtsradikale Skinheads in dem deutschsprachi-

gen EWK KKK Magazin ,The Fiery Cross‘.

Der ,BILD‘-Zeitung gegenüber äußerte ich im Üb-
rigen im Wortlaut: ,Ich habe die EWK KKK nicht

als V-Mann aufgebaut und war auch kein V-Mann

beim Klan‘. Dies trifft sowohl für die
,International Knights‘ als auch die ‚EWK KKK‘
zu.“

Zum Feststellungsteil, Abschnitt C. II. 5. c) cc) (Rechts-

extremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb

Thüringens, „Ku-Klux-Klan“, Verbindungen zwischen
den KKK und dem Trio, Achim S. als mögliche Kontakt-

person des untergetauchten Trios) hat sich Achim S. wie

folgt geäußert:

„Es ist richtig, dass ich in Sachsen aktenkundig
war. Hintergrund war eine Einladung nach Chem-

nitz, die damals aber nicht direkt an mich erfolgte

sondern an damalige Freunde, mit denen ich dann

dorthin fuhr. Ein etwaiges Verfahren wurde da-

mals allerdings eingestellt.

Durch meine verstärkten musikalischen Aktivitä-

ten in den Jahren 1997 bis Mitte 2000 bestand

auch Kontakt zu sächsischen ‚Fanzine‘-Machern,
Bands und Organisatoren, zu denen bspw. auch

Ralf ‚Manole‘ M. und Jan Werner gehörten, die
ich nur flüchtig kannte, aber auch Marcel ‚Riese‘
D. aus Thüringen und Bernd ‚Pernod‘ P. aus dem
sachsennahen Bamberg. All diese Kontakte ent-

standen durch Musiknetzwerke und dienten zum

Besuch von etwaigen Konzerten oder dem Organi-

sieren solcher sowie der Produktion und dem Han-

del von CDs in diesem Bereich.

Dies ist meine einzige Erklärung dafür, wie ich in

der Zusammenstellung möglicher Kontaktpersonen

namentlich auftauchen konnte.

Keines der drei Mitglieder des sogenannten NSU

war mir persönlich bekannt noch habe ich diese je

bewusst wahrgenommen! Da ich selbst viele Kon-

zerte gegeben habe, lässt sich natürlich ein mögli-

cher Besuch einer dieser Personen auf einem mei-

ner vielen Konzerte oder ein zufälliger gemeinsa-

mer Besuch eines Konzertes oder einer Veranstal-

tung wie zum Beispiel einer Demonstration nicht

völlig ausschließen.“

XV. Kay-Norman S.

Zu den ihn betreffenden Ausführungen im Feststellungs-

teil, Abschnitt E. 17. c) fff) (Suche nach dem Trio, Inten-

sivierung der Fahndungsmaßnahmen im Jahr 2002, Über-

prüfung von Kay-Norman S.), hat sich Kay-Norman S.

wie folgt geäußert:

„Ich kannte einen Thorsten S. Diesen hatte ich
nach Begehen seiner Straftaten (Zeitpunkt des

Kennenlernens, Begehen der Straftaten und welche

Straftaten genau sind mir nach den vielen Jahren

unbekannt) kennen gelernt. Da wir ein gleiches In-

teresse (Hunde) hatten, bin ich mit ihm gut ausge-

kommen. Ich habe ihn trotz seiner Straftaten als

überlegten Menschen erlebt. Der Kontakt brach

dann Ende 1997 ab.

Ich hätte auch bei einer früheren Vernehmung,

zum Beispiel […] 1998, nichts anderes wie im Jahr
2003 aussagen können. Des weiteren wurde 2003

festgestellt, dass ich seit 1998 keinen Kontakt

mehr in die rechte Szene hatte.“

Drucksache 17/14600 – 1050 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

XVI. J. T.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt H. I. 1. b) (Sprengfallen-

anschlag in der Probsteigasse in Köln, Ablauf der Ermitt-

lungen) hat sich J. T. über einen Rechtsanwalt wie folgt

geäußert:

„Unser Mandant hatte seinerzeit eine offene Geld-
forderung gegen den ‚A.M.‘, über die es zwischen
den Parteien zunächst zu einer verbalen Auseinan-

dersetzung im Rahmen einer zufälligen abendli-

chen Begegnung gekommen ist. Sodann wurde der

‚A.M.‘, der von zwei weiteren Personen begleitet
wurde, handgreiflich gegen unseren Mandanten, so

dass in weiterer Folge die Polizei hinzugezogen

werden musste. In diesem Kontext (!) wurde unser

Mandant für Zwecke einer Anzeigenerstattung

durch eine Polizeistreife zur Vernehmung und

Feststellung der Personalien auf das Polizeirevier

verbracht, keineswegs aber aufgrund einer Anzei-

ge des ‚A.M.‘ gesondert festgenommen und/oder
vernommen.“

Vor diesem Hintergrund hat der von J. T. beauftragte

Rechtsanwalt geäußert, dass der Text an mehreren Stellen

zu ergänzen bzw. zu ändern sei.

XVII. Patrick W.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt G. IX. 1. (Ermittlungen

nach dem Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch

an Martin A., Behauptungen von Herrn Gronbach zu

angeblichen Hinweisen der Auskunftsperson „Krokus“)
hat sich Patrick W. wie folgt geäußert:

„Zu den Ausführungen […] kann ich angeben,
dass ich der Darstellung, ich habe mich am

6.5.2012 auf einem Schießstand befunden, ent-

schieden widerspreche. Der gesamte von ‚Krokus‘
dargestellte Vorgang in Bezug auf meine Person,

welche mir durch Vernehmungen anderer Betrof-

fener teilweise bekannt geworden sind, entspricht

nicht der Wahrheit.“

XVIII. Jörg W.

Zu den ihn betreffenden Ausführungen im Feststellungs-

teil, Abschnitt C. II. 5. d) (Mitgliedschaft von Polizeibe-

amten des Landes Baden-Württemberg im KKK), hat sich

Jörg W. zu der Passage, in der es heißt, er sei Vollmit-

glied im „EWK KKK“ gewesen, wie folgt geäußert:

„Da ich nie einen Mitgliedsbeitrag an die betref-
fende Organisation entrichtet habe, wage ich es

anzuzweifeln, ob man hier von einer Vollmitglied-

schaft sprechen kann. Ich habe bereits im Januar

2002 den Kontakt zu den betreffenden Personen

abgebrochen. Ich wurde zwar bis in den Mai 2002

von Herrn Achim S. mit Emails zugeschüttet, auf

welche ich allerdings nie geantwortet habe. Im

Mai/Juni 2002 wurde ich dann endgültig in Ruhe

gelassen. Somit bestand eine Mitgliedschaft mei-

nerseits lediglich über einen Zeitraum von 3-4

Wochen.“

XIX. Christian W.

Zum Feststellungsteil, Abschnitt B. II. 1. (Entwicklung

der rechtsextremen Szene in Thüringen in den 1990er /

Anfang der 2000er Jahre – „Anti-Antifa Ostthüringen“
und „Thüringer Heimatschutz“), hat sich Christian W. wie
folgt geäußert:

Zum Abschnitt: „1992 gründete der Hamburger Neonazi
Christian W. die „Anti-Antifa“ – vorgeblich als Reaktion
auf wachsende Angriffe militanter Linksextremisten.“:

„Die Behauptung, die Anti-Antifa sei (von mir)
gegründet worden, ist falsch. Der Berichtsentwurf

stellt richtig fest, dass es sich dabei um einen ‚in-
formellen Zusammenschluss‘ handelte, der ohne
formale Mitgliedschaften oder hierarchische Struk-

turen „organisiert“ war oder ist. Gleichfalls richtig
stellt das LfV Thüringen fest, dass dies eine ‚orga-
nisationslose Verflechtung‘ sei oder gewesen ist.
Derartiges kann man nicht formal gründen.“

Zum Abschnitt: „Ihre Propaganda richtete sich darüber
hinaus auch gegen Institutionen des demokratischen

Rechtsstaates.“:

„Auch diese Behauptung ist falsch. Die Propagan-
da der Anti-Antifa richtete sich gegen die soge-

nannte „Antifa“ und gegen niemanden sonst. Die
sogenannte „Antifa“ ist ihrerseits jedoch keine In-
stitution des demokratischen Rechtsstaates.“

XX. Ralf Wohlleben

Zum Feststellungsteil, Abschnitt D. II. 2. e) bb) (War Ralf

Wohlleben V-Mann? Berichte des BMI vom 5. Oktober

2012 und vom 18. November 2012) hat sich Ralf Wohlle-

ben wie folgt geäußert:

„Im Entwurf [des Abschlussberichtes] heißt es
[…] unter anderem: ‚Dieses (das Thüringer LfV)
habe nachdrücklich von einem Werbungsversuch

abgeraten, da eine entsprechende erste Ansprache

Wohllebens durch das LfV Thüringen und das

LKA Thüringen bereits erfolglos verlaufen seien.‘
Dazu möchte ich folgendes festhalten: Das Thü-

ringer Landesamt für Verfassungsschutz lügt. Ich

bin nie wissentlich durch Mitarbeiter irgendeines

In- oder Auslandsgeheimdienstes angesprochen

worden. Weder um mich als Quelle zu akquirieren,

noch aus irgendwelchen sonstigen Gründen.“

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1051 – Drucksache 17/14600

Sechster Teil:
Übersichten und Verzeichnisse

A. Abkürzungsverzeichnis

14er Bezeichnet ein Bekenntnis weißer Rassisten („We must secure the existence of our people and a
future for white children“).

18 „Adolf Hitler“. Zahlencode in der Rechtsextremistischen Szene. Die Zahl „1“ steht für den ersten
Buchstaben im Alphabet („A“), die Zahl „8“ für den achten Buchstaben („H“).

28 „Blood & Honour“. Zahlencode in der Rechtsextremistischen Szene. Die Zahl „2“ steht für den
zweiten Buchstaben im Alphabet („B“), die Zahl „8“ für den achten Buchstaben („H“).

88 „Heil Hitler“. Zahlencode in der Rechtsextremistischen Szene. Die Zahlen „8“ stehen für den
achten Buchstaben im Alphabet („H“).

AA Auswärtiges Amt.

AAO Allgemeine Aufbauorganisation.

AD Jail Crew (14er) Aryan Defense– Arische Gefangenen-Mannschaft (neonazistischer Häftlingsring).

a. D. außer Dienst.

A-Drs. Ausschussdrucksache.

ADÜTDF Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.

ADV Allgemeiner Datenvergleich. Personenüberprüfung durch Polizei.

a. F. alte Fassung. Hinweis bei Gesetzesbestimmungen auf ihre inzwischen erfolgte Änderung.

AG Amtsgericht.

AG Arbeitsgruppe.

AG Kripo Arbeitsgemeinschaft Kriminalpolizei. Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter

als Untergliederung des AK II der IMK.

AG OIREX Arbeitsgruppe Operativer Informationsaustausch Rechtsextremismus. Gemeinsames Treffen von

GBA, BKA, BfV und MAD.

AI Amtsinspektor.

a.i.d.a. Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München.

AISI Agenzia Informazioni e Sicurezza Interna. Italienischer Inlandsnachrichtendienst (seit 2007).

Vorgängerbehörde: Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Democratica (S.I.S.De).

AK Arbeitskreis.

AK II Arbeitskreis II „Innere Sicherheit“ der IMK. Arbeitskreis der Polizeichefs der Länder sowie des
Präsidenten des Bundeskriminalamtes und der Deutschen Hochschule der Polizei.

AK IV Arbeitskreis IV „Verfassungsschutz“ der IMK. Arbeitskreis der Leiter der Verfassungsschutzbe-
hörden der Länder. Teilnehmer ist auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

AKLS Automatisches Kennzeichenlesegerät.

AL Abteilungsleiter.

ALT Amtsleitertagung. Tagung der Leiterinnen und Leiter der Verfassungsschutzbehörden.

ANS/NA Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten. 1983 verbotener Verein.

AO Anordnung. G 10-Anordnungen.

ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutsch-

land. Verbund öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland.

ARP Allgemeines Register für politische Sachen (Staatsschutzstrafsachen). Aktenzeichen der Justiz.

@rtus Artus – Vorgangsbearbeitungssystem der Bundespolizei, Polizei Schleswig-Holstein.

ASR Aktensicherungsraum.

ATD Antiterrordatei.

ATIB Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V. Es handelt sich um eine Abspal-

tung der ADÜTDF.

Drucksache 17/14600 – 1052 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Az. Aktenzeichen.

B&H Blood & Honour. Rechtsgerichtete Skinhead-Bewegung mit Ursprung in GB. 1987 von Ian

Stuart Donaldson gegründet. Kriminelle Vereinigung. In Deutschland aufgrund der Verfügung

des Bundesministers des Innern vom 12. September 2000 seit dem 13. Juni 2001 bestandskräftig

verboten. Bewaffneter Arm von B&H: Combat 18.

BA Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof.

BA-AL Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Abteilungsleiter bei der Bundesanwaltschaft.

BAIUD Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen.

BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

BAO Besondere Aufbauorganisation. Einheit bei der Polizei zur koordinierten Bearbeitung umfangrei-

cher Sachverhalte, die eingerichtet wird, wenn eine Lage durch die Allgemeine Aufbauorganisa-

tion wegen des erhöhten Kräftebedarfs bzw. der erforderlichen Konzentration von Kräften oder

Führungs- und Einsatzmittel (z. B. Großveranstaltungen), der Einsatzdauer, der notwendigen

einheitlichen Führung, insbesondere bei verschiedenen Zuständigkeiten, nicht bewältigt werden

kann.

BAO ZESAR Besondere Aufbauorganisation „Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärung – Rechts“. Mit
dem Ermittlungen wegen der Schießerei am Hbf Erfurt am 31. Dezember 1996 betraut.

BAWV Bundesamt für Wehrverwaltung.

BayLfV Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz.

BB Beweisbeschluss.

BB Brandenburg.

BE Berlin.

BfDI Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

BFE Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit. Spezialkräfte der Bereitschaftspolizeien zur Unter-

stützung anderer Polizeikräfte beim Vorgehen gegen gewalttätige Störer und bei der beweissi-

cheren Festnahme.

BfV Bundesamt für Verfassungsschutz.

BGBl. Bundesgesetzblatt.

BGH Bundesgerichtshof.

BGS Bundesgrenzschutz.

BGSI Bundesgrenzschutzinspektion.

BIGE Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus. Angesiedelt beim LfV BY. Leiter: Christoph

Dauer.

BJs Justizaktenzeichen für Ermittlungsverfahren des GBA in erstinstanzlichen Strafsachen.

BK Bundeskanzleramt.

BKA Bundeskriminalamt.

BKAG Bundeskriminalamtsgesetz.

BLKR Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus.

BM Bundesminister.

BMI Bundesministerium des Inneren.

BMJ Bundesministerium der Justiz.

BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

BMVg Bundesministerium der Verteidigung.

BND Bundesnachrichtendienst.

BNDG Bundesnachrichtendienstgesetz. Gesetz über den Bundesnachrichtendienst.

BOA Besondere Aufbauorganisation.

BPol Bundespolizei.

BPräs Bundespräsident.

BR Bezirksregierung.

BReg Bundesregierung.

BRH Bundesrechnungshof.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1053 – Drucksache 17/14600

BSB Bürosachbearbeiter.

BStMI Bayerisches Staatsministerium des Innern.

BT Deutscher Bundestag.

BT-Drs. Bundestagsdrucksache.

BT-PlPr. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages.

BTM Betäubungsmittel.

BV Beschuldigtenvernehmung.

BVerfG Bundesverfassungsgericht.

BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfas-

sungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz.

BW Land Baden-Württemberg.

BY Freistaat Bayern.

BZR Bundeszentralregister.

BZI Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat.

C-3-Quelle Zuverlässigkeit der Quelle: A = zuverlässig (completely reliable) B = allgemein zuverlässig

(usually reliable), C = ziemlich zuverlässig (fairly reliable), D = nicht immer zuverlässig (not

usually reliable), E = unzuverlässig (unreliable), F = Zuverlässigkeit kann nicht beurteilt werden

(reliability cannot be judged).

Wahrheitsgehalt des Quelleninhalts: 1 = von anderer Seite bestätigt (confirmed by other

sources), 2 = wahrscheinlich zutreffend (probably true), 3 = möglicherweise zutreffend (possibly

true), 4 = zweifelhaft (doubtly true), 5 = unwahrscheinlich (improbably true), 6 = unbewertbar

(truth cannot be judged).

C-18 „Combat 18“. Militante neonazistische Organisation, die in vielen Ländern Europas aktiv ist.
Combat 18 wurde als bewaffneter Arm des NeonaziNetzwerks Blood and Honour gebildet. C18

bekämpft politische Gegner auch unter Einsatz von Gewalt nach dem Prinzip „Leaderless resis-
tance“ („Führerloser Widerstand“).

CC 88 Chemnitz Concerts Heil Hitler.

CERD Committee on the Elimination of Racial Discrimination.

CH Confoederatio Helvetica. Schweizer Eidgenossenschaft.

CHBK Chef des Bundeskanzleramtes. Diese Abkürzung wird auch für das Bundeskanzleramt verwen-

det.

CM Counterman. Externe verdeckte Ermittler im BfV. Personen, die bereits für einen anderen ND

tätig waren und nun für den eigenen ND angeworben werden und weiter „verdeckt“ tätig wer-
den.

ComVor Vorgangsbearbeitungssystem Polizei BB, BW, HH, HE.

CRIME Criminal Research Investigation Management Software. Datenbank-Software zur strukturierten

Verwaltung komplexer Sachverhalte und Erkenntnisse.

DAND Deutscher Auslandsnachrichtendienst. Bundesnachrichtendienst.

DB Drahtbericht. Schriftlicher Bericht einer deutschen Auslandsvertretung an das Auswärtige Amt,

der verschlüsselt übermittelt wird.

DBM Deckblattmeldung.

DEU Deutschland.

DHKP-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front. Marxistisch-leninistische Untergrundorganisation in

der Türkei.

DIA Defense Intelligence Agency. US-Militärgeheimdienst.

DNA Deoxyribonucleic acid. Desoxyribonukleinsäure. Träger der Erbinformationen von Lebewesen.

DO Dortmund.

DOMEA Dokumentenmanagementsystem einer IT-gestützten Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen

Verwaltung.

Drs. Bundestagsdrucksache.

DST „Deutsch, Stolz, Treue“. Hammerskin-Band.

DVD Digital Video Disc. Scheibenförmiger optischer Datenspeicher.

Drucksache 17/14600 – 1054 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

EASy Ermittlungs- und Analysesystem.

ED Erkennungsdienst.

EDV Elektronische Datenverarbeitung.

EG Ermittlungsgruppe.

EG Tex Ermittlungsgruppe Terrorismus/Extremismus.

EKHK Erster Kriminalhauptkommissar.

EPHK Erster Polizeihauptkommissar.

e-Post elektronische Post. Email.

EU Europäische Union.

EVA Elektronischer Vorgangsassistent im M-V.

EWK KKK European White Knights of the Ku Klux Klan.

EWO-Daten Daten der Einwohnermeldedatei.

EZT Einzeltäter.

FAF Fränkische Aktionsfront. Verboten durch das Bayerische Staatsministerium des Innern seit 22.

Januar 2004.

FAKS Fahndungs- und Aufklärungskonzept Staatsschutz.

FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei. Seit Februar 1995 verbotener Verein.

FBI Federal Bureau of Investigation, Bundeskriminalpolizei der USA.

FDGO Freiheitliche Demokratische Grundordnung.

FEK Führungs- und Einsatzkonzeption; Fahndungs- und Ermittlungskonzeption.

FN Freies Netz. Zusammenschluss militanter „Kameradschaften“ in Deutschland. Hervorgegangen
aus dem THS.

Fn. Fußnote.

FPG Fachprüfgruppe des BfV. Beobachtet und bewertet den Einsatz von V-Personen.

FstW Funkstreifenwagen.

FVB Freiheitlicher Volks Block.

F & W-Maßnahmen Forschungs- und Werbungsmaßnahmen.

g Gramm.

GAR Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus.

GASIM Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration.

GBA Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof/Bundesanwaltschaft.

GBR Großbritannien.

GdNF Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front.

g D gehobener Dienst.

GED Gemeinsame Datei Großschadenslagen – Zwischenlösung.

GETZ Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum.

GG Grundgesetz.

GIZ Gemeinsames Internetzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden.

GO Geschäftsordnung.

GP Gewährsperson.

GSB Geheimschutzbeauftragter.

GStA Generalstaatsanwalt/Generalstaatsanwaltschaft.

GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum.

GVG Gerichtsverfassungsgesetz.

HB Freie Hansestadt Bremen.

hD höherer Dienst.

HE Hessen.

HH Freie und Hansestadt Hamburg.

HK Heckler & Koch GmbH. Waffenhersteller.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1055 – Drucksache 17/14600

HN Heilbronn.

HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene. Verboten durch Erlass vom 21. September

2011.

HRO Hansestadt Rostock.

HS Hammerskins.

HVD Heimattreue Vereinigung Deutschlands.

HWS Hauptwohnsitz.

IBA Informationssystem.

IBA Amtsdatei in BW.

IBYKUS PC-gestütztes Registratursystem des BfV.

IGR (Bund/Länder-) Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-

rechtsterroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte.

IGVP Vorgangsbearbeitungssystem des LKA TH.

IGVP Integrierte Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei.

IHV e.V. Internationales Hilfskomittee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V.

IKS Tarnfirma von Helmut Roewer.

IMK Innenministerkonferenz.

INPOL Polizeiliches Fahndungssystem .

ISA Informationssammel- und Auswertungsstelle.

ISD Ian Stuart Donaldson. Führer und Sänger der britischen Skinheadband „Screwdriver“. Gründer
von B&H.

ISIS-Rechts Datenbank (Teil des EASy-Verfahrens).

IVO Vorgangsbearbeitungssystem Polizei Sachsen.

IVOPOL Vorgangsbearbeitungssystem Polizei Sachsen-Anhalt.

IVS Informationsaustausch in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (IVS-Richtlinien).

JLO Junge Landsmannschaft Ostpreußen.

JN Junge Nationaldemokraten – NPD-Jugendorganisation.

K Köln.

KAN Kriminalaktennachweis.

KBA Kraftfahrt-Bundesamt.

KC Kronach, Oberfranken, BY.

KD Kriminaldirektor.

KDS Kampfbund Deutscher Sozialisten.

Kfz Kraftfahrzeug.

KG PMK-rechts Koordinierungsgruppe Politisch motivierte Kriminalität - rechts

KHK Kriminalhauptkommissar.

KHM Kriminalhauptmeister.

KIAR Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus – flankierend zum GAR seit dem 1. De-
zember 2011 beim BfV in Köln eingerichtet.

KK Kriminalkommissar.

KKK Ku-Klux-Klan.

KOK Kriminaloberkommissar.

KOR Kriminaloberrat.

KPD Kriminalpolizeidirektion.

KPI Kriminalpolizeiinspektion.

KPMD Kriminalpolizeilicher Meldedienst.

KPMD-PMK Kriminalpolizeilicher Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität.

KRM Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland. Vorsitzender: Ali Kizilkaya.

KrWaffKontrG Kriegswaffenkontrollgesetz. Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Bekanntmachung vom

22. November 1990, BGBl. I S. 2506, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 27. Juli

Drucksache 17/14600 – 1056 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2011, BGBl. I S. 1595).

KS Kassel.

KSJ Kameradschaft Jena.

K ST Kommission Staatsschutz.

KTA-PMK Kriminaltaktische Anfrage in Fällen politisch motivierter Kriminalität.

KTI Kriminaltechnisches Institut.

KWEA Kreiswehrersatzamt.

KWS Kameradschaft Walter Spangenberg. Freie Kräfte Köln.

LDO Landesdisziplinarordnung.

lfd. laufende/n.

Lfg. Lieferung.

LfV Landesamt für Verfassungsschutz.

LfVH Landesamt für Verfassungsschutz Hessen.

LfV HE Landesamt für Verfassungsschutz Hessen.

LfV SN Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen.

LfV TH Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen.

LIST Lage- und Informationsstelle.

LKA Landeskriminalamt.

LoS Lageorientierte Sonderorganisation.

LOStA Leitender Oberstaatsanwalt.

LPolPräs (LPP) Landespolizeipräsident.

LPVP Landespolizeivizepräsident.

LZ Lagezentrum.

M München.

MAD Amt für den Militärischen Abschirmdienst. Ca. 1 200 Mitarbeiter.

MADG Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst.

MD Ministerialdirektor (B9).

MDg Ministerialdirigent (B6).

MdI Ministerium des Innern des Landes Hessen.

MDR Mitteldeutscher Rundfunk.

MEGA Mobile Einsatztrupps gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit 1998 vom LKA Brandenburg

gegründet.

MEK Mobiles Einsatzkommando.

Mgl. Mitglied.

MHP Milliyetçi Hareket Partisi. Partei der Nationalistischen Bewegung.

MI Military Intelligence. US-Nachrichtendienst.

MIK Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen.

MIT Millî Istihbarat Teşkilâti; Türkischer Inlandsnachrichtendienst.

Mobit Mobile Beratung in Thüringen für Demokratie – gegen Rechtsextremismus

MV Mecklenburg-Vorpommern.

N Nürnberg.

NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem. Nichtöffentliches automatisiertes Datenverbund-

system der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Rechtsgrundlage § 6 S. 8

BVerfSchG. Vgl. 23. Tätigkeitsbericht des BfDI 2009/2010 (7.5.1).

Nasiste Nachrichtensammel und Informationsstelle. Lagezentrum des Bundesministeriums des Innern.

ND Nachrichtendienst.

ND-Lage Nachrichtendienstliche Lage. Wöchentlich stattfindendes Treffen vor der Pr-Runde. Regelmäßi-

ge Teilnehmer: CHBK, Sts von AA, BMI, BMJ u BMVg, Präs von BND, MAD, BfV und BKA,

teilweise GBA sowie Beamte aus dem BK.

ndP nachrichtendienstliche Person; Bezeichnung des LfV Sachsen (keine V-Person)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1057 – Drucksache 17/14600

NDV nachrichtendienstliche Verbindung. Kontaktperson eines Nachrichtendienstes.

NI Niedersachsen.

NIAS Nachrichtendienstliche Informations- und Analysestelle.

Nivadis Vorgangsbearbeitungssystem Polizei Niedersachsen.

NL Niederlande.

Nnu Nachname unbekannt.

NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands – Die Volksunion.

Nr. Nummer.

NSC Nationale Sozialisten Chemnitz. Nazi-Kameradschaft.

NSU „Nationalsozialistischer Untergrund“. Terroristische Vereinigung.

NW Nordrhein-Westfalen.

OAR Oberamtsrat.

ODP Organisations- und Dienstplan.

OFA Operative Fallanalyse.

OIREX Operativer Informationsaustausch Rechtsextremismus.

OK Organisierte Kriminalität.

Op Operation.

Ordn. Ordner.

OrgStab Organisationsstab.

ORR Oberregierungsrat.

OSINT Open Source Intelligence. Nachrichtendienstliche Informationsgewinnung durch die Beschaf-

fung von allgemein zugänglichen Informationen (Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen, Internet etc.)

und deren Aufbereitung zu einem Produkt mit nachrichtendienstlichem Mehrwert.

OSP Organisations- und Stellenplan.

o.V.i.A. oder Vertreter im Amt.

PAD Personenarbeitsdatei. Datei des LfV TH, in der Informationen zu den Objekten und Personen

entsprechend des Beobachtungsauftrags gespeichert waren.

PARABELLUM Aktion der IGR zu Besitz, Handel und Schmuggel von Waffen/Sprengstoffen im rechtsextremis-

tischen Bereich.

PB 07 Polizeiliche Beobachtung politisch motivierter Kriminalität.

PD Polizeidirektion.

PDV Polizeidienstvorschrift. Herausgegeben vom AK II der IMK.

PF Polizeiführer.

PGD Polizeigewahrsamsdienst.

PHK Polizeihauptkommissar (A 11).

PI Polizeiinspektion.

PIAS Polizeiliche Informations- und Analysestelle.

PIAV Polizeilicher Informations- und Analyseverbund.

PK Polizeikommissar (A 9).

PKGr Parlamentarisches Kontrollgremium.

PKGrG Parlamentarisches Kontrollgremium Gesetz. Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nach-

richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes.

PKK Parlamentarische Kontrollkommission. Im Deutschen Bundestag 1999 in PKGr umbenannt.

PKK Partiya Karkerên Kurdistan. Arbeiterpartei Kurdistans.

PKS Polizeiliche Kriminalstatistik.

Pkw Personenkraftwagen.

PlenProt Plenarprotokoll. Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages.

PL PK Projektleitung Polizeiliche Kriminalitätsprävention der Länder und des Bundes.

PM Polizeimeister.

PMK Politisch motivierte Kriminalität.

Drucksache 17/14600 – 1058 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

PN Pössneck, TH.

POLAS Fahndungssystem Polizei BW.

POLKIS Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung.

POM Polizeiobermeister.

POR Polizeioberrat.

PP Polizeipräsidium.

PR Präsident (des BKA).

Pr-Runde Präsidentenrunde. Wöchentlich stattfindendes Treffen von CHBK, Sts von AA, BMI, BMJ und

BMVg, Präs von BND, BfV und BKA, AL 6 des BK. Schließt sich an die ND-Lage an.

Präs Präsident.

PS Personenschutz.

PSD Polizeisonderdienste.

PSt Parlamentarischer Staatssekretär.

PUAG Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

(Untersuchungsausschussgesetz).

RAF Rote Armee Fraktion.

RAR Regierungsamtsrat.

RED Rechtsextremismusdatei.

RegEA BW Regionaler Einsatzabschnitt Baden-Württemberg der BAO ST Trio (aufgelöst am 26.4.2012).

Vormals Soko „Parkplatz“

RG Rauschgift.

RHE Rechtshilfeersuchen.

RHS Regierungshauptsekretär.

RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren.

RIVAR Rheinlandpfälzisches Informations-, Vorgangs-, Auswerte- und Recherchesystem.

RL Referatsleiter.

Rn. Randnummer.

RP Rheinland-Pfalz.

RTW Rettungswagen.

RV Unterausschuss des AK II der IMK „Recht und Verwaltung“.

SB Sachbearbeiter.

SGL Sachgebietsleiter.

SachstB Sachstandsbericht.

SHA Schwäbisch Hall, BW.

S.I.S.De Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Democratica. Früherer Italienischer Inlandsnachrich-

tendienst (bis 2007). Nachfolgebehörde: Agenzia Informazioni e Sicurezza Interna (AISI).

SKD Sonderkommando Dirlewanger. Rechtsrockband aus Gotha. Soll sich an einer CD zur Unterstüt-

zung von Ralf Wohlleben beteiligt haben.

SL Saarland.

SLF Saalfeld-Rudolstadt, TH.

SN Freistaat Sachsen.

sog. Sogenannt.

Soko Sonderkommission.

Soko Rex Sonderkommission Rechtsextremismus.

SPersAV Verordnung über die Führung der Personalakten der Soldaten und der ehemaligen Soldaten.

SponDü Spontane Datenübermittlung (MAD).

SSA Supervisory Special Agent.

SSS Skinhead Sächsische Schweiz.

ST Sachsen-Anhalt.

StA Staatsanwalt. Staatsanwaltschaft.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1059 – Drucksache 17/14600

StGB Strafgesetzbuch.

StM Staatsminister.

StMI Staatsministerium des Innern.

StPO Strafprozessordnung.

Sts Staatssekretär.

stv stellvertretend.

TFP Thüringer Formular Programm. Im LKA TH genutzte Software zur Erstellung verfahrensimma-

nenter Dokumente (wie z. B. Vermerke).

TGD Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. Vorsitzender: Kenan Kolat.

TH Freistaat Thüringen.

TH Türkische Hizbullah.

THKP-C Türkische Volksbefreiungspartei-Front.

THS Thüringer Heimatschutz.

TIAZ lnformations-Auswertungs-Zentrale von Polizei und Verfassungsschutz. Am 1. April 2007 ge-

gründet. Übernahm die Aufgaben der ZEX.

TIM Thüringer Innenministerium.

TJM Thüringer Justizministerium.

TKÜ Telekommunikationsüberwachung.

TLfV Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen.

TLKA Thüringer Landeskriminalamt (besser: LKA TH).

TLZ Thüringische Landeszeitung.

TMD Tatmittelmeldedienst Brand- und Sprengvorrichtungen. Zentraldatei des BKA, in der durch die

Länder an das BKA übermittelte Meldungen zu Ereignissen mit unkonventionellen Spreng- und

Brandvorrichtungen gespeichert werden.

TNT Trinitrotoluol. Sprengstoff.

TV Tatverdächtiger.

UA Untersuchungsausschuss.

UA FEK Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung. Untergliederung des AK II der

IMK.

UAL Unterabteilungsleiter.

UA-Prot Untersuchungsausschussprotokoll. Stenografisches Protokoll des 2. Untersuchungsausschusses.

UJs Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt (StA).

USBV Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung. Nicht gewerblich hergestellte, in verschie-

densten Formen vorkommende, insbesondere als Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs ge-

tarnte Vorrichtungen mit äußerlich bewusst harmlos erscheinendem Aufbau, veränderte oder

missbräuchlich benutzte gewerbliche oder militärische Vorrichtungen, die eine Explosion

und/oder einen Brand herbeiführen können.

u. U. unter Umständen.

u.m.P. unbekannte männliche Person.

„UWP“ Unbekannte weibliche Person (Von ihr stammt das am Tatort in Heilbronn aufgefundene DNA-
Material).

Uz. Unterzeichner.

VB-BKA Verbindungsbeamter des BKA bei einer anderen Behörde.

VBS Vorgangsbearbeitungssystem des BKA.

VE Verdeckter Ermittler.

VERANDA Hinweisdatei des MAD.

VerfA WE Verfahrensanweisung Wehrersatzwesen.

VFDL Verfassungsfeindlich.

vgl. vergleiche.

VizePräs Vizepräsident.

Vk Vermerk.

Drucksache 17/14600 – 1060 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

VK Vorschriftenkommission des AK II der IMK.

VM V-Mann.

V-Mann geheimer, der jeweiligen Behörde nicht angehörender freier Mitarbeiter der Nachrichtendienste,

der auf längere Zeit gegen Bezahlung mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitet (Handbuch

des Verfassungsschutzrechts).

Vnu Vorname unbekannt.

Vors Vorsitzende/r.

Vorst Vorstand.

VRiBGH Vorsitzender Richter am Bundesgerichthof.

VP Vertrauensperson. Kontaktperson der Polizei oder von Nachrichtendiensten.

VP Verdachtsperson (MAD).

VP Vizepräsident (des BKA).

VS Verschlusssache. Angelegenheiten aller Art, die durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen

die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen.

VSA Verschlusssachenanweisung des BMI.

VS-NfD Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch.

WAR White Arian Resistance („weißer arischer Widerstand“).

WBE Weiße Bruderschaft Erzgebirge, bildete den Kern der NSU-Unterstützerszene.

WE-Meldungen Meldungen über Wichtige Ereignisse.

WJ Wiking-Jugend (seit 1994 verboten).

WS-Bezug (Wohnsitz-Bezug?)

WSG Wehrsportgruppe.

ZAF Südafrika (ISO 3166 Länderkürzel).

z. B. zum Beispiel.

ZDF Zweites Deutsches Fernsehen. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalt.

ZEX Zentraleinheit zur Bekämpfung des politischen Extremismus. Am 1. September 1998 gegründete

Stelle im LfV TH für den Informationsaustausch zwischen dem LKA TH und dem LfV TH.

Wurde später in die TIAZ überführt.

ZFA Zollfahndungsamt.

ZFK Zielfahndungskommando.

ZKA Zollkriminalamt.

ZMD Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. Vorsitzender: Aiman A. Mazyek.

ZOS Zentraler Objektschutz.

ZP Zielperson.

ZSB Zentrale Sachbearbeitung.

zw zwischen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1057 – Drucksache 17/14600

B. Übersicht der Ausschussdrucksachen

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

1 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung der vom Bundesamt für Verfassungsschutz erstellten

"Chronologie der Erkenntnisse und operative Maßnahmen nach

Abtauchen der Mitglieder der terroristischen Vereinigung "National-

sozialistischer Untergrund" (NSU) (1998-2011)" in ihrer aktuellen

Fassung beim Bundesministerium des Innern.

27.01.2012 27.01.2012 BfV-1

2 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung der vom Bundesamt für Verfas-

sungsschutz erstellten und dem Parlamentarischen Kontrollgremium

in einer Ausfertigung übermittelten "Chronologie der Erkenntnisse

u. operative Maßnahmen nach Abtauchen der Mitglieder der terro-

ristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU)

(1998-2001)" in der Fassung vom 12. Dezember 2011 und vom 06.

Januar 2012 und der hierzu beim Bundesamt für Verfassungsschutz

und beim Bundesministerium des Innern seit November 2011 einge-

gangenen Stellungnahmen und Zuschriften von Ministerien und

sonstigen Behörden der Länder sowie der Entwürfe der Berichters-

teller beim Bundesministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BfV-2

3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-

bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse

des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts

und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium

des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes

und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesministe-

rium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des

Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BMI-1

3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-

bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse

des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts

und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium

des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes

und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesministe-

rium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des

Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BK-1

3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-

bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse

des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts

und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium

des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes

und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesminis-

terium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des

Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BMVg-

1

3 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag vor-

bereitet durch Beiziehung der Aktenpläne und Dateiverzeichnisse

des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts

und des Bundesministeriums des Innern beim Bundesministerium

des Innern, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des Militärischen Abschirmdienstes

und des Bundesministeriums der Verteidigung beim Bundesministe-

rium der Verteidigung sowie des Generalbundesanwalts und des

07.02.2012 09.02.2012 BMJ-1

Drucksache 17/14600 – 1058 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Bundesministeriums der Justiz beim Bundesministerium der Jus-

tiz.

4 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus

dem gesamten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011),

bezogen auf die Struktur der Behörde im Bereich der Beobachtung

des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus gemäß § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BfV-3

5 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundesnachrichtendienstes aus dem

gesamten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen

auf die Struktur der Behörde im Bereich der Beobachtung internati-

onaler Verflechtungen bzw. Unterstützung des Rechtsextremis-

mus/Rechtsterrorismus in Deutschland gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundeskanzleramt.

07.02.2012 09.02.2012 BND-1

6 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Militärischen Abschirmdienstes aus dem

gesamten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen

auf die Struktur der Behörde im Bereich der Beobachtung des

Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Verteidigung

07.02.2012 09.02.2012 MAD-1

7 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundeskriminalamts aus dem gesamten

Untersuchungszeitraum (1.11.1992 bis 8.11.2011), bezogen auf die

Struktur der Behörde im Bereich ihrer gesetzlichen Aufgaben im

Bezug auf Rechtsextremismus/ Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BKA-1

8 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Generalbundesanwaltes aus dem gesam-

ten Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) , bezogen auf

die Struktur der Behörde im Bereich ihrer gesetzlichen Aufgaben im

Bezug auf Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 GBA-1

9 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung sämtlicher Organigramme/ Organisationspläne des Bun-

desministeriums des Innern aus dem gesamten Untersuchungszeit-

raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BMI-2

10 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung sämtlicher Organigramme/ Organisationspläne des Bun-

desministeriums der Justiz aus dem gesamten Untersuchungszeit-

raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BMJ-2

11 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung sämtlicher Organigramme/ Organisationspläne des Bun-

deskanzleramtes aus dem gesamten Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) bezogen auf die Aufgaben der Behörde im

Bereich der Nachrichtendienste gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BK-2

12 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung sämtlicher Protokolle des Innenausschusses des Deut-

schen Bundestages und sonstiger im Innenausschuss vorhandener

Dokumente, soweit sie sich auf die im Untersuchungsauftrag festge-

legten Sachverhalte beziehen und nach dem 4. November 2011 ent-

07.02.2012 09.02.2012 BT-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1059 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

standen bzw. in Gewahrsam genommen worden sind, beim Deut-

schen Bundestag

13 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung des Protokolls der 106. Sitzung des Verteidigungsaus-

schusses des Deutschen Bundestages am 30.11.2011 und sonstiger

im Verteidigungsausschuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich

auf die im Untersuchungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen

und nach dem 4.11.2011 entstanden bzw. in Gewahrsam genommen

worden sind, beim Deutschen Bundestag.

07.02.2012 09.02.2012 BT-2

14 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher im Bereich des Bun-

desministeriums des Innern vorhandener Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel zur Informationsgruppe zur Beobachtung

und Bekämpfung rechtsextremistischer/-rechtsterroristischer, insbe-

sondere fremdenfeindlicher Gewaltakte (IGR) im Zeitraum vom 01.

Januar 1992 bis 08. November 2011, soweit sie den "NSU" und

dessen Umfeld soweit die Organisationen „Anti-Antifa Ostthürin-
gen“, den „Thüringer Heimatschutz“, „Blood & Honour Deutsch-
land“ und andere rechtsextremistische Strukturen betreffen, sowie
ggf. vorhandener Organisationspläne der IGR gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BMI-3

15 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher vorhandener Akten,

Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel, die sich beziehen auf die

Tätigkeit der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren

der Länder (IMK) im Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 8. November

2011, insbesondere der AKs II und IV sowie deren entsprechende

Arbeitsgruppen soweit sie den "NSU" und dessen Umfeld sowie die

Organisationen „Anti-Antifa Ostthüringen“, den „Thüringer Hei-
matschutz“, „Blood & Honour Deutschland“ und andere rechtsext-
remistische Strukturen betreffen, sowie ggf. vorhandener Organisa-

tionpläne der IMK, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsitzenden der

Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der

Länder (IMK).

07.02.2012 09.02.2012 IMK-1

16 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel zum Prüfvorgang 3 ARP 32/98-2 ("Waffen-

funde in Jena") des Generalbundesanwalts gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium des Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 GBA-2

17 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die sich beziehen auf den Diebstahl und

Verbleib von Sprengstoff (ca. 40 kg TNT) 1990/1001 aus dem Mu-

nitionsdepot von NVA/Bundeswehr nahe Großeutersdorf/Kahla in

Thüringen (Komplexlager 22/Reimagh), und im Bundesministerium

der Verteidigung oder in dem diesem nachgeordneten Bereich, ins-

besondere im Militärischen Abschirmdienst, im Untersuchungszeit-

raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich

heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der Verteidigung.

07.02.2012 09.02.2012 BMVg-

2

18 Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag, insbesondere

auch zum Zwecke der Evaluierung der bundesgesetzlichen Vor-

schriften zum Waffenrecht, durch Beiziehung sämtlicher Akten,

Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel, die den Sicherheitsbehörden

07.02.2012 09.02.2012 TH-1
Drucksache 17/14600 – 1060 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

und dem Innenministerium des Freistaats Thüringen vorliegen und

die sich mit dem Erwerb und Besitz von Waffen, Sprengstoff und

Bomben der Mitglieder des "NSU" und deren Umfeld seit dem Jahr

1992 befassen, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Innenministerium

des Freistaates Thüringen.

19 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass im gestuften Verfahren

1. das Justizministerium des Freistaats Thüringen darum ersucht

wird, sämtliche strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bzw. Strafver-

fahren, die gegen Mitglieder des "NSU", Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe - einzeln oder gemeinsam im Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2012) durch Behörden im Frei-

staat Thüringen geführt wurden (beispielsweise Az. 114 Js

37149/97, 114 Js 1212/97) konkret mit Aktenzeichen zu benennen

und sodann

2. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-

dakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä. ) soweit diese

noch vorhanden sind, in vollem Umfang im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 1 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim

Justizministerium des Freistaats Thüringen beigezogen werden.

07.02.2012 09.02.2012 TH-2

20 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Organisationsbereich des Bundesamtes für Ver-

fassungsschutz im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)

vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Ge-

wahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BfV-4

21 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten des Unter-

suchungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente,

in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betref-

fen, und die im Organisationsbereich des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen

Gewahrsam genommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf

den Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen und

soweit sie nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits bei-

gezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BfV-5

22 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Organisationsbereich des Bundeskriminalamtes

im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden

waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam be-

finden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des In-

nern.

07.02.2012 09.02.2012 BKA-2

23 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Organisationsbereich der Bundespolizei (zuvor:

Bundesgrenzschutz) im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördli-

chem Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundes-

ministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BPol-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1061 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

24 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Organisationsbereich der Bundespolizei nach

dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam ge-

nommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BPol-2

25 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium des Innern im

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren,

soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden,

und soweit sie nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits

beigezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BMI-4

26 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium des Innern nach

dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam ge-

nommen worden sind (soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, und soweit sie

nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits beigezogen

sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.

07.02.2012 09.02.2012 BMI-5

27 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die unmittelbar im Organisationsbereich des General-

bundesanwalts im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)

vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Ge-

wahrsam befinden und soweit sie nicht durch zuvor gefasste Be-

weisbeschlüsse bereits beigezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 GBA-3

28 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium der Justiz im

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren,

soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BMJ-3

29 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die unmittelbar im Bundesministerium der Justiz nach

dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam ge-

nommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

07.02.2012 09.02.2012 BMJ-4

30 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

07.02.2012 09.02.2012 MAD-2

Drucksache 17/14600 – 1062 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Organisationsbereich des Militärischen Ab-

schirmdienstes im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)

vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Ge-

wahrsam befinden, und soweit sie nicht durch zuvor gefasste Be-

weisbeschlüsse beigezogen sind, gem. § 18 As. 1 PUAG beim Bun-

desministerium der Verteidigung.

31 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Organisationsbereich des Militärischen Ab-

schirmdienstes nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen

Gewahrsam genommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf

den Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen und

soweit sie nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits bei-

gezogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der

Verteidigung.

07.02.2012 09.02.2012 MAD-3

32 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, und die im Bundesministerium der Verteidigung nebst nach-

geordnetem Bereich im Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich heute noch in behördli-

chem Gewahrsam befinden, und soweit sie nicht durch zuvor gefass-

te Beweisbeschlüsse bereits beigezogen sind, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der Verteidigung.

07.02.2012 09.02.2012 BMVg-

3

33 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherten Daten und sonstiger

sächlicher Beweismitteln, die den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und die unmittelbar im Bundesministerium der Verteidigung

nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam

genommen worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, und soweit sie

nicht durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bereits beigezogen

sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Vertei-

digung.

07.02.2012 09.02.2012 BMVg-

4

34 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die

im Organisationsbereich des Bundesnachrichtendienstes im Unter-

suchungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren, soweit

sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam befinden, gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundeskanzleramt.

07.02.2012 09.02.2012 BND-2

35 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die

im Organisationsbereich des Bundesnachrichtendienstes nach dem

8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen

worden sind, soweit sie sich inhaltlich auf den Untersuchungszeit-

raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundeskanzleramt.

07.02.2012 09.02.2012 BND-3

36 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher

07.02.2012 09.02.2012 BK-3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1063 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die

unmittelbar im Bundeskanzleramt im Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden waren, soweit sie sich heute

noch in behördlichem Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundeskanzleramt.

37 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung sämtlicher Dokumente in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, und die

unmittelbar im Bundeskanzleramt nach dem 8.11.2011 entstanden

oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind, soweit sie

sich inhaltlich auf den Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundeskanz-

leramt.

07.02.2012 09.02.2012 BK-4

38 Es wird Beweis erhoben zur Einführung in die Thematik des Unter-

suchungsauftrags durch Einholung von Sachverständigengutachten

gem. § 28 PUAG zum Thema "Überblick über die Entwicklung der

Architektur und Arbeitsweise der Sicherheits- und Ermittlungsbe-

hörden des Bundes und der Länder bezüglich der Aufklärung und

Bekämpfung der Bedrohung durch den (gewaltfreien, gewaltbezo-

genen und terroristischen) Rechtsextremismus sowie zur Verhinde-

rung und Verfolgung von Straftaten mit derartigem Hintergrund im

Verlauf des Untersuchungszeitraums."

07.02.2012 09.02.2012 S-1

39 Es wird Beweis erhoben zur Einführung in die Thematik des Unter-

suchungsauftrags durch Einholung von Sachverständigengutachten

gem. § 28 PUAG zum Thema "Überblick zum Phänomenbereich

Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland im Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011) und zu den Ansätzen, ihn

in den Bereichen Repression, Prävention und Sensibilisierung wirk-

sam zu bekämpfen."

07.02.2012 09.02.2012 S-2

40-neu Der 2. Untersuchungsausschuss gliedert den ihm vom Untersu-

chungsauftrag des Deutschen Bundestages vorgegebenen Untersu-

chungsgegenstand in die folgenden vier Teilkomplexe:

Komplex 1: 1.1.1992-1997 - Rechtsradikale Milieus in der Bundes-

republik Deutschland in den neunziger Jahren - insbesondere in

Jena, in Thüringen und Sachsen, Radikalisierung von Böhnhardt,

Mundlos, Zschäpe zunehmende Verfestigung der späteren Terror-

gruppe und erste Straftaten;

Komplex 2: 1998-2003 - Ermittlungen in Sachen Sprengstoffdelikte,

Abtauchen des Trios, Maßnahmen von Verfassungsschutz, Polizei

und Staatsanwaltschaften, insbesondere Thüringens und Sachsens;

Komplex 3: 2000-2007 - Mordserie und weitere Straftaten, intensive

Ermittlungen;

Komplex 4: 2008-8.11.2011 - Ende der Mordserie, weitere Ermitt-

lungen.

24.02.2012 01.03.2012 -

41-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtl. Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im

Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des

Landes BW und des Ministeriums des Innern des Landes BW, also

der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbe-

hörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe oder über ihre mutmaßlichen Mitglie-

der oder Unterstützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate

Zschäpe, André E., Susann E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S.,

Ralf W., Hermann S., Holger G., Carsten S., Matthias D., Mandy S.,

Max Florian B.- also die Personen, gegen die der GBA unter den

24.02.2012 01.03.2012 BW-1
Drucksache 17/14600 – 1064 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12

sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt - oder über

weitere Personen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützer-

umfeld sowie über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen

Vereinen oder Organisationen, soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

42-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag, ins-

besondere zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf ande-

re Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz

des Freistaats Bayern und des Bayerischen Staatsministeriums des

Innern als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten

Landesbehörde des Freistaats Bayern vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“
oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insbe-

sondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Herrmann

S., Holger G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B. –
also die Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den

Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12

sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt – oder über
weitere Personen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützer-

umfeld sowie über gegebenenfalls bestehende Verbindungen zu

rechtsextremen Vereinen oder Organisationen.

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011,

und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes – hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz,
dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst,

dem Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt – ausge-
tauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 BY-1

43-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin

und insb. im Organisationsbereich von deren Abteilung Verfas-

sungsschutz vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

24.02.2012 01.03.2012 BE-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1065 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei des Landes Berlin bei

der zuständigen obersten Landesbehörde.

44-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landes Brandenburg und des Ministe-

riums des Innern des Landes Brandenburg als der für den Verfas-

sungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Branden-

burg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 BB-1

45-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz der

24.02.2012 01.03.2012 HB-1

Drucksache 17/14600 – 1066 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Freien Hansestadt Bremen und des Senators für Inneres und Sport

der Freien Hansestadt Bremen als der für den Verfassungsschutz

verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien Hansestadt

Bremen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

46-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz der

Freien und Hansestadt Hamburg und der Behörde für Inneres und

Sport der Freien und Hansestadt Hamburg als der für den Verfas-

sungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien und Han-

24.02.2012 01.03.2012 HH-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1067 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

sestadt Hamburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

47-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des

Landes Hessen und des Ministeriums für Inneres und Sport des

Landes Hessen als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 HE-1

48-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-

Vorpommern als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern und

insbesondere im Organisationsbereich von dessen Abteilung Verfas-

sungsschutz vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

24.02.2012 01.03.2012 MV-1

Drucksache 17/14600 – 1068 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Mecklen-

burg-Vorpommern bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

49-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen als

der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbe-

hörde des Landes Niedersachsen und insbesondere im Organisati-

onsbereich von dessen Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, so-

weit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nieder-

sachsen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 NI-1

50-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-

Westfalen als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obers-

ten Landesbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen und insbeson-

dere im Organisationsbereich von dessen Abteilung Verfassungs-

schutz vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

24.02.2012 01.03.2012 NW-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1069 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

51-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes

Rheinland-Pfalz als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde des Landes Rheinland-Pfalz und insbeson-

dere im Organisationsbereich von dessen Abteilung Verfassungs-

schutz vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-

Pfalz bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 RP-1

52-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des

Saarlands und des Ministerium für Inneres, Kultur und Europa des

Saarlandes als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

24.02.2012 01.03.2012 SL-1

Drucksache 17/14600 – 1070 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saarlands bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

53-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des

Freistaates Sachsen als der für den Verfassungsschutz verantwortli-

chen obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 SN-1

54-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt

als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Lan-

desbehörde des Landes Sachsen-Anhalt und insbes. im Organisati-

onsbereich von dessen Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, so-

24.02.2012 01.03.2012 ST-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1071 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

weit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Sachsen-

Anhalt bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

55-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein als der für den

Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde des

Landes Schleswig-Holstein und insbes. im Organisationsbereich von

dessen Abteilung Verfassungsschutz vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Schleswig-

Holstein bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

24.02.2012 01.03.2012 SH-1

56-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften, durch Bei-

24.02.2012 01.03.2012 TH-3

Drucksache 17/14600 – 1072 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

ziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherte Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des

Freistaates Thüringen und des Innenministeriums des Freistaats

Thüringen als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen, also Informationen ent-

halten über die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund"

oder über ihre mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer, insb.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André E., Susann

E., Pierre J., Jan Botho W., Thomas S., Ralf W., Hermann S., Holger

G., Carsten S., Matthias D., Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbundesanwalt unter den Aktenzei-

chen 2 BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12 sowie 2 BJs

8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2 Ermittlungen führt oder über weitere Per-

sonen oder über Organisationen aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem

Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt - ausgetauscht

wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats Thürin-

gen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

57 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag, ins-

besondere zu Punkt II. 4., durch Beiziehung der in der "Dienstver-

einbarung Beschaffung" (DV-Beschaffung) des Bundesamtes für

Verfassungsschutz enthaltenen internen Regelungen zum Einsatz

von Vertrauenspersonen in den während des Untersuchungs-

zeitraums (1.1.1992 bis 8.11.2011) geltenden Fassungen gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.

24.02.2012 01.03.2012 BfV-6

58 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf ande-

re Weise gespeicherter Daten, die den Untersuchungsgegenstand

betreffen, und die im Organisationsbereich des Generalbundesan-

walts nach dem 8.11.2011 entstanden oder in behördlichen Ge-

wahrsam genommen worden sind bzw. für die der Ge-

neralbundesanwalt die Zuständigkeit i.S.v. § 4787 StPO nach § 142

a, § 120a GVG erlangt hat, unabhängig davon, wo die Beweismittel

körperlich aufbewahrt werden soweit sie sich inhaltlich auf den

Untersuchungszeitraum 1.1.1992-8.11.11 beziehen, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

24.02.2012 01.03.2012 GBA-4

59 Der 2. UA möge beschließen:

1. Zur Unterstützung der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses

wird eine Untersuchung durch einen Ermittlungsbeauftragten gem. §

10 PUAG durchgeführt, um den Beweisbeschluss GBA-4 so zügig

wie möglich umzusetzen.

2. Gegenstand des Ermittlungsauftrags ist die Sichtung u. Voraus-

wahl der mit Beweisbeschluss GBA-4 durch den Untersuchungsaus-

schuss bereits förmlich beigezogenen Beweismittel hinsichtlich ihrer

Bedeutung u. Erforderlichkeit für die Erfüllung des Untersuchungs-

auftrags, unabhängig davon, wo sich die Beweismittel körperlich

befinden.

24.02.2012 01.03.2012 -
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1073 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

3. Dabei soll der Ermittlungsbeauftragte insbesondere auch den

Gesichtspunkt möglicher Gefährdungen der Zwecke des Strafverfah-

rens (vgl. § 477 StPO) sowie die Rechte Dritter, insbes. die Interes-

sen der Angehörigen der Opfer der Straftaten, im Hinblick auf die

Übermittlung der Beweismittel an den Untersuchungsausschuss

berücksichtigen. eine sachliche Auswertung der Akten ist nicht Ge-

genstand des Ermittlungsauftrags.

4. Der Ermittlungsbeauftragte soll die beigezogenen Beweismittel

möglichst rasch und Zug um Zug nach Ermittlungs- bzw. Akten-

komplexen für den Ausschuss erschließen.

5. Der Ermittlungsbeauftragte soll sich zunächst durch Sichtung und

informatorische Anhörungen von mit der Aktenführung vertrauten

Personen einen Überblick über die beigezogenen Beweismittel ver-

schaffen und im Gespräch mit den Obleuten des Ausschusses erör-

tern, welche Kriterien und Schwerpunkte hinsichtlich der Vor-

auswahl relevant sein sollen. In der Beratungssitzung vom 29. März

2012 soll er über Umfang, Systematik und stichprobenartig erkunde-

te Relevanz des beigezogenen Materials für den Untersuchungsauf-

trag berichten.

6. Bereits während der Sichtung der Beweismittel soll der Ermitt-

lungsbeauftragte zur Beschleunigung des Untersuchungsverfahrens

im Einzelfall entscheiden, dass bestimmte Beweismittel dem Aus-

schuss durch die herausgebende Stelle unmittelbar und vorrangig zu-

gänglich gemacht werden sollen, ohne dass es hierzu eines geson-

derten Beschlusses des Ausschusses bedarf.

7. Zum Abschluss seiner Tätigkeit legt der Ermittlungsbeauftragte

dem Untersuchungsausschuss eine zusammenfassende Übersicht

über die mit Beweisbeschluss GBA-4 beigezogenen Beweismittel

vor, aus der erkennbar wird, welche Beweismittel er bereits gegen-

über der herausgebenden Stelle als voranging zu übermitteln konkre-

tisiert hat u. bei welchen Beweismitteln er aus welchen Gründen

diese Notwendigkeit (vorerst) nicht gesehen hat. Sollte die Übermitt-

lung von Beweismitteln, die vom Ermittlungsbeauftragen als erfor-

derlich angesehen wurden, von der herausgebenden Stelle aus recht-

lichen Gründen verweigert werden, wird der Ermittlungsbeauftragte

um eine gutachterliche Stellungnahme zu den von der herausgeben-

den Stelle für die Nicht-Übermittlung vorgebrachten Gründen gebe-

ten.

8. Darüber hinaus soll der Ermittlungsbeauftragte spätestens zum

Abschluss seiner Tätigkeit einen begründeten Vorschlag unterbrei-

ten, welche mit den im Zuständigkeitsbereich der Generalbundes-

anwalts geführten und für den Untersuchungsauftrag relevanten Er-

mittlungsverfahren zur Zeit o. in der Vergangenheit befasste Perso-

nen als Zeugen im UA sinnvollerweise gehört werden sollten.

9. Auf die Verpflichtung des Ermittlungsbeauftragten nach § 10

Abs. 3 PUAG, keine öffentlichen Erklärungen abzugeben, und auf

das Recht des Ermittlungsbeauftragten nach § 10 Abs. 4 PUAG, in

angemessenem Umfang Hilfskräfte einzusetzen, wird noch einmal

ausdrücklich hingewiesen.

10. Zum Ermittlungsbeauftragten wird N. N. bestellt.

60 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass über das Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg gestuften Verfahren

1. das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg im Wege

der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44

Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

24.02.2012 01.03.2012 BW-2

Drucksache 17/14600 – 1074 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

den des Landes Baden-Württemberg wegen Straftaten geführt wur-

den, die der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg im Wege

der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44

Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu

benennen, die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis

08.11.2011) durch Behörden des Landes Baden-Württemberg wegen

begangener Taten oder drohender Gefährdungen durchgeführt wur-

den, die der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder

unter den von ihnen bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind; und sodann

3. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-

dakten, Spurenakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.),

die noch vorhanden sind und der Verfügungsgewalt der Landesbe-

hörden unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit und den

Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also im Rah-

men der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustausches mit Stellen

des Bundes – hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz,
dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst,

dem Bundeskriminalamt sowie dem Generalbundesanwalt – ent-
standen sind, oder Informationen enthalten, die aus heutiger Sicht

hätten ausgetauscht werden können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei

der zuständigen obersten Landesbehörde beigezogen werden.

61 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass über die Bayerische Staatskanzlei im gestuften Verfah-

ren

1. das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucher-

schutz im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-

dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

den des Freistaats Bayern wegen Straftaten geführt wurden, die der

Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. das Bayerische Staatsministerium des Innern im Wege der Amts-

hilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

24.02.2012 01.03.2012 BY-2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1075 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen,

die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Freistaats Bayern wegen begangener Taten oder dro-

hender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind; und sodann

3. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-

dakten, Spurenakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.),

die noch vorhanden sind und der Verfügungsgewalt der Landesbe-

hörden unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit und den

Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also im Rah-

men der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustausches mit Stellen

des Bundes – hier vor allem dem Bundesamt für Verfassungsschutz,
dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst,

dem Bundeskriminalamt sowie dem Generalbundesanwalt – ent-
standen sind, oder Informationen enthalten, die aus heutiger Sicht

hätten ausgetauscht werden können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei

der zuständigen obersten Landesbehörde beigezogen werden.

62 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass über die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Ham-

burg

1. die Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hanse-

stadt Hamburg im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

den der Freien und Hansestadt Hamburg wegen Straftaten geführt

wurden, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. Die Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt

Hamburg im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Ver-

bindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen,

die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg wegen begangener

Taten oder drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der

Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-

24.02.2012 01.03.2012 HH-2

Drucksache 17/14600 – 1076 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter

den von ihnen bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

63 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass über die Hessische Staatskanzlei

1. das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit

Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

den des Landes Hessen wegen Straftaten geführt wurden, die der

Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. das Hessische Ministerium des Innern und für Sport im Wege der

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3

GG ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen,

die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Hessen wegen begangener Taten oder drohen-

der Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

24.02.2012 01.03.2012 HE-2

64 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass über die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-

Vorpommern

1. das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern im

Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.

44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

den des Landes Mecklenburg-Vorpommern wegen Straftaten geführt

wurden, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

24.02.2012 01.03.2012 MV-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1077 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-

Vorpommern im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen,

die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern wegen begangener

Taten oder drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der

Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren ver-
mutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter

den von ihnen bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

65 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da-

durch, dass über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen

1. das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege

der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44

Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

den des Landes Nordrhein-Westfalen wegen Straftaten geführt wur-

den, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes

Nordrhein-Westfalen im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen,

die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen wegen begangener Taten

oder drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terror-

gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutli-
chen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und
Beate Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen

bekannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

24.02.2012 01.03.2012 NW-2

66 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag da- 24.02.2012 01.03.2012 SN-2

Drucksache 17/14600 – 1078 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

durch, dass über die Sächsische Staatskanzlei

1. das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa im

Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.

44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren konkret mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch Behör-

den des Freistaates Sachsen wegen Straftaten geführt wurden, die

der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe
Mundlos und Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren oder strafrechtlichen Ermitt-

lungsverfahren diejenigen zu bezeichnen, die der Generalbundesan-

walt nicht zur weiteren Ermittlung an sich gezogen hat oder deren

Akten ganz oder teilweise nicht in die Verfügungsgewalt des Gene-

ralbundesanwaltes übergegangen sind.

2. das Sächsische Staatsministerium des Innern im Wege der Amts-

hilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermittlungsvorgänge und Vorgangsakten

zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen,

die im Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Freistaates Sachsen wegen begangener Taten oder

drohender Gefährdungen durchgeführt wurden, die der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“ oder ihren vermutlichen Mit-
gliedern – insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe unter ihrem echten Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen Ermittlungsvorgängen diejenigen

zu bezeichnen, die der Generalbundesanwalt nicht zur weiteren

Ermittlung an sich gezogen hat oder deren Akten ganz oder teilweise

nicht in die Verfügungsgewalt des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

67-neu Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Anhörung der von der Bundesregierung eingesetzten "Ombudsfrau

für die Opfer und Opferangehörigen der sog. Zwickauer Zelle" und

Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Landesverbandes Berlin,

Frau Prof. Barbara John; der Expertin der Opferhilfe-Organisation

"Weißer Ring" zu Fragen des Opferschutzes und der Begleitung in

Strafverfahren, Frau Martina Linke; der Mitarbeiterin der mobilen

Opferberatungsstelle "ezra", Frau Christina Büttner, als Auskunfts-

personen.

24.02.2012 01.03.2012 A-1

68 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsgegenstand

dadurch, dass über die Staatskanzlei des Landes Niedersachsen im

gestuften Verfahren

1. das Justizministerium des Landes Niedersachsen ersucht wird, das

Aktenzeichen des durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück geführten

strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. des beim Amtsgericht

Meppen geführten Strafverfahrens gegen den Sänger der rechtsext-

remistischen Band "Gigi & Die Brauen Stadtmusikanten", Daniel

Giesen, der auf der CD "Adolf Hitler lebt" den "Döner-Killer-Song"

veröffentlicht hatte, zu benennen und sodann

2. die daraufhin konkretisierten Verfahrensakten (Sachakten, Han-

dakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerk o. ä.) in vollem Um-

fange im Wege des Ersuchens um Amtshilfe beim Justizministerium

des Landes Niedersachsen beigezogen werden, die Informationen

zum Untersuchungsgegenstand und zum Untersuchungszeitraum

24.02.2012 01.03.2012 NI-2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1079 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

enthalten.

69 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächl.

Beweismittel (inkl. Handakten, Spuren-, Neben-, Beiakten, Be-

richtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den Ermittlungen in den

Verfahren: Mord zum Nachteil des Enver Simsek in Nürnberg

(9.9.2000), Mord zum Nachteil des Abdurrahim Özügodru in Nürn-

berg (13.6.2001), Mord zum Nachteil des Habil Kilic in Mün-

chen(29.8.2001), Mord zum Nachteil des Ismail Yasar in Nürnberg

(9.6.2005), Mord zum Nachteil des Theodoros Boulgarides in Mün-

chen (15.6.2005), die im Organisationsbereich des Generalbundes-

anwaltes in behördlichen Gewahrsam genommen wurden bzw. für

die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit erlangt hat beim

Bundesministerium der Justiz, im Wege des Ersuchens um Amtshil-

fe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG.

24.02.2012 zurück-

gezogen

am

01.03.12

70 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel (inkl. Handakten, Spuren-, Neben-,

Beiakten, Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) die den Er-

mittlungen in den Fällen: Mord zum Nachteil des Enver Simsek in

Nürnberg (9.9.2000), Mord zum Nachteil des Abdurrahim Özügodru

in Nürnberg (13.6.2001), Mord zum Nachteil des Habil Kilic in

München(29.8.2001), Mord zum Nachteil des Ismail Yasar in Nürn-

berg (9.6.2005), Mord zum Nachteil des Theodoros Boulgarides in

München (15.6.2005), zugrunde lagen oder während dieser Ermitt-

lungen entstanden oder dafür beigezogen wurden beim Bayerischen

Staatsministerium der Justiz und den nachgeordneten Behörden im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG.

24.02.2012 zurück-

gezogen

am

01.03.12

71 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen: Beschluss 10

zum Verfahren (Protokollierung der Ausschusssitzungen) in der

Fassung vom 9.2.2012 wird wie folgt geändert:

1. Vor "Die Protokollierung der Sitzungen" wird "I." eingefügt,

2. als Absatz 2 wird nach "gefertigten Bandaufnahme." angefügt:

"II. Die vorläufigen Protokolle der Ausschusssitzungen sind grund-

sätzlich zwei Tage vor der nächsten Ausschusssitzung fertigzustellen

und entsprechend dem Beschluss 6 zum Verfahren zu verteilen."

01.03.2012

72-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992

bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut

waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes f. Verfassungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jew. Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-

grund" zugeordneten Mord in Heilbronn ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen,

- für die genannten Ermittlungen zuständigen Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-

Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

07.03.2012 08.03.2012 BW-3
Drucksache 17/14600 – 1080 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

73-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern oder Aufgaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersu-

chungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angabe des Beginns

und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

-- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jeweiligen Dienststellung)

-- Leiter der zu den der „Terrorgruppe Nationalsozialistischer Un-
tergrund“ zugeordneten Morden in Nürnberg und München ermit-
telnden Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen,

insbesondere der „BAO Bosporus“
-- im Rahmen der genannten Ermittlungen tätig gewordene

„Profiler“
-- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt

-- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

07.03.2012 08.03.2012 BY-3

74-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992

bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut

waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes f. Verfassungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jew. Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-

grund" zugeordneten Mord in Hamburg ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststellen oder Sonderkommissionen,

- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien und

Hansestadt Hamburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

07.03.2012 08.03.2012 HH-3

75-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992

bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut

waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes f. Verfassungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jew. Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-

grund" zugeordneten Mord in Kassel ermittelnden Kriminalpolizei-

07.03.2012 08.03.2012 HE-3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1081 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

dienststelle(n) oder Sonderkommissionen

- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

76-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992

bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut

waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):

- Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abt. in Ministe-

rium für Inneres und Sport,

- Leiter der für Rechtsextremismus zuständigen Organi-

sationseinheiten innerhalb der genannten Abt. (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-

grund" zugeordneten Mord in Rostock ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen

- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Meck-

lenburg-Vorpommern bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

07.03.2012 08.03.2012 MV-3

77-neu Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern o. Aufgaben im Untersuchungszeitraum (01.01.1992

bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersuchungszeitraums betraut

waren (jeweils mit Angabe des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe wahrgenommen haben):

- Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im

Ministerium für Inneres und Kommunales,

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb der genannten Abteilung (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung)

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes f. Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-

grund" zugeordneten Mord in Dortmund oder den Sprengstoffan-

schlägen in Köln ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder

Sonderkommissionen,

- für die genannten Ermittlungen zuständiger Generalstaatsanwalt

- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

07.03.2012 08.03.2012 NW-3

78 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der

"BAO-Bosporus" zum Kontakt mit "Profilern" im Jahr 2006, die

nach Entlassung des damaligen Stellvertretenden Leiters der BAO

Bosporus, Klaus Mähler, im Tagesspiegel v. 4. Januar 2012 ("Der

Verdacht") zu dem Ergebnis gekommen sein sollen, dass die Täter

06.03.2012 08.03.2012 GBA-5

Drucksache 17/14600 – 1082 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

der Mordfälle aus der rechtsextremen Szene kommen könnten, so-

wie sämtliche in diesem Zusammenhang entstandene Dokumente,

insbes. die hierzu daraufhin erfolgte Korrespondenz der "BAO Bos-

porus" mit Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder aus den

Akten der "BAO Bosporus" oder des BKA, für die der Generalbun-

desanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142 a,

120a GVG verlangt hat, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Justiz.

79 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der

"BAO Bosporus" zum Kontakt mit "Profilern" im Jahr 2006, die

nach Einlassung des damaligen Stellvertretenden Leiters der BAO

Bosporus, Klaus Mähler, im TSP vom 4.1.2012 (Der Verdacht) zu

dem Ergebnis gekommen sein sollen, dass die Täter der Mordfälle

aus der rechtsextremen Szene kommen könnten, sowie sämtl. in

diesem Zusammenhang entstandenen Dokumente, insb. die hierzu

daraufhin erfolgte Korrespondenz der BAO Bosporus mit Sicher-

heitsbehörden des Bundes und der Länder aus den Akten der "BAO

Bosporus", sofern der GBA die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO

nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im

Wege des Ersuchens der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der zustän-

digen obersten Landesbehörde.

06.03.2012 08.03.2012 BY-4

80 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumen-

te, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonsti-

ger sächl. Beweismittel, soweit sie im Organisationsbereich des

Landesamtes für Verfassungsschutz des Freistaats Bayern und des

Bayerischen Staatsministeriums des Innern vorliegen und soweit sie

einen Vorgang aus dem Jahr 2006 betreffen, wonach durch die

"BAO Bosporus" nach Einlassung des damaligen Stellvertretenden

Leiters der BAO Bosporus, Klaus Mähler, im Tagesspiegel vom

4. Januar 2012 ("Der Verdacht") eine oder mehrere Aufgaben an das

Landesamt für Verfassungsschutz gestellt worden sein sollen bezügl.

eines möglichen rechtsextremistischen Hintergrunds der von der

BAO Bosporus untersuchten Mordfälle im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Bayerische Staatskanzlei bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

06.03.2012 08.03.2012 BY-5

81 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtl. Unterlagen zu Kontak-

ten, insb. zu Auskunftsersuchen, der zu den der "Terrorgruppe Nati-

onalsozialistischer Untergrund" zugeordneten Morden oder Spreng-

stoffanschlägen ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder

"Sonderkommissionen" mit Nachrichtendiensten des Bundes oder

Verfassungsschutzbehörden der Länder sowie der Unterlagen zu

Informationen von Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder an die ermittelnden Krimi-

nalpolizeidienststellen oder "Sonderkommissionen", insb. auf etwai-

ge Auskunftsersuchen hin, und ggf. der zusammenfassenden Dar-

stellungen von Maßnahmen, die aufgrund solcherart erlangter In-

formationen von den ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder

"Sonderkommissionen getroffen wurden, aus den Akten der ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststellen oder "Sonderkommissionen",

für die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478

StPO nach den § 142a, 120a GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 1

06.03.2012 08.03.2012 GBA-6

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1083 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

82 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehungen sämtlicher Unterlagen zu

Kontakten, insb. zu Auskunftsersuchen der zu dem der "Terrorgrup-

pe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten Mord in Heilb-

ronn ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n) mit Nachrichten-

diensten des Bundes oder Verfassungsschutzbehörden der Länder,

sowie der Unterlagen zu Informationen von Nachrichtendiensten des

Bundes oder Verfassungsschutzbehörden der Länder an die ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststelle(n), insb. auf etwaige Auskunfts-

ersuchen hin und ggf. der zusammenfassenden Darstellungen von

Maßnahmen, die aufgrund solcherart erlangter Informationen von

den ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n) getroffen wurden,

aus den Akten der ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n), so-

fern der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO

nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg

bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

06.03.2012 08.03.2012 BW-4

83 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen zu

Kontakten, insb. zu Auskunftsersuchen, der zu dem der "Terror-

gruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten Morden in

Nürnberg oder München ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen

oder "Sonderkommissionen" mit Nachrichtendiensten des Bundes

oder Verfassungsschutzbehörden der Länder, sowie der Unterlagen

zu Informationen von Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder an die ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststellen oder Sonderkommissionen, insb. auf etwaige Aus-

kunftsersuchen hin, und ggf. zusammenfassenden Darstellungen von

Maßnahmen die aufgrund solcherart erlangter Informationen von

den ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen oder "Sonder-

kommissionen" getroffen wurden, aus den Akten der ermittelnden

Kriminalpolizeidienststellen oder "Sonderkommissionen", sofern der

Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach den

§ 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

06.03.2012 08.03.2012 BY-6

84 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Unterlagen zu Kontakten,

insb. zu Auskunftsersuchen, der zu dem der "Terrorgruppe National-

sozialistischer Untergrund" zugeordneten Mord in Dortmund oder

den Sprengstoffanschlägen in Köln ermittelnden Kriminalpo-

lizeidienststellen mit Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder sowie der Unterlagen zu Informa-

tionen von Nachrichtendiensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder an die ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststellen, insbes. auf etwaige Auskunftsersuchen hin und ggf.

zusammenfassenden Darstellungen von Maßnahmen, die aufgrund

solcherart erlangter Informationen von den ermittelnden Kriminal-

polizeidienststellen getroffen wurden, aus den Akten der ermitteln-

den Kriminalpolizeidienststellen, sofern der Generalbundesanwalt

die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG

hierfür nicht erlangt haben sollte, im Wege des Ersuchens um Amts-

hilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

06.03.2012 08.03.2012 NW-4

Drucksache 17/14600 – 1084 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

85 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu

dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zu-

geordneten Mord in Heilbronn ermittelnden Kriminalpolizeidienst-

stellen und Staatsanwaltschaft(en), aus denen sich ergibt, wann, mit

welchen Inhalten und auf der Grundlage welcher Informationen

Sprecher oder sonstige Personen aus den ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststellen und Staatsanwaltschaften Presseerklärungen, Aufru-

fe oder sonstige öffentliche Stellungnahmen abgegeben, erwogen

oder bei übergeordneten Dienststellen angeregt haben, insb. zum

jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen aus den Akten der ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststelle(n) und Staatsanwaltschaft(en),

für die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478

StPO nach den § 142a, 120a GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

06.03.2012 08.03.2012 GBA-7

86 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu

dem der "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zu-

geordneten Mord in Heilbronn ermittelnden Kriminalpolizeidienst-

stelle(n) und Staatsanwaltschaft(en) aus denen sich ergibt, wann, mit

welchen Inhalten und auf der Grundlage welcher Informationen

Sprecher oder sonstige Personen aus den ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststelle(n) und Staatsanwaltschaft(en) Presseerklärungen,

Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnahmen abgegeben, erwo-

gen oder bei übergeordneten Dienststellen angeregt haben, insb. zum

jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen aus den Akten der ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststelle(n) Staatsanwaltschaft(en), sofern

der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach

den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt haben sollte, im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg bei

der zuständigen obersten Landesbehörde.

06.03.2012 08.03.2012 BW-5

87 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der

BAO Bosporus und der zuständigen Staatsanwaltschaften, aus denen

sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grundlage wel-

cher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus der "BAO

Bosporus" und den zuständigen Staatsanwaltschaften bzw. aus den

im Jahr 2005 zur "BAO Bosporus" verbundenen (Sonder-) Ermitt-

lungseinheiten der Länder oder anderer Stellen Presseerklärungen,

Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnahmen abgegeben, erwo-

gen oder über übergeordnete Dienststellen angeregt haben, insb. zu

dem jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen aus den Akten der

"BAO Bosporus" und der zuständigen Staatsanwaltschaften, für die

der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach

den § 142a, 120a GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 4 PUAG beim

Bundesministerium der Justiz.

06.03.2012 08.03.2012 GBA-8

88 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen der

"BAO Bosporus" und der zuständigen Staatsanwaltschaften, aus

denen sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grund-

lage welcher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus der

"BAO Bosporus" und den zuständigen Staatsanwaltschaften bzw.

06.03.2012 08.03.2012 BY-7

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1085 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

aus den im Jahr 2005 zur "BAO Bosporus" verbundenen (Sonder-)

Ermittlungseinheiten der Länder oder anderer Stellen Presseerklä-

rungen, Aufrufe oder sonstige öff. Stellungnahmen abgegeben, er-

wogen oder bei übergeordneten Dienststellen angeregt haben, insb.

zum jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen, aus den Akten der

"BAO Bosporus", sofern der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit

i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt

haben sollte, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanz-

lei bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

89 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu dem der

"Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten

Mord in Dortmund oder den Sprengstoffanschlägen in Köln ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststellen oder Staatsanwaltschaften, aus

denen sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grundla-

ge welcher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus den

ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften,

Presseerklärungen, Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnah-

men abgegeben, erwogen oder bei übergeordneten Dienststellen

angeregt haben, insb. zum jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen,

aus den Akten der ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und

Staatsanwaltschaften, für die der Generalbundesanwalt die Zustän-

digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG erlangt hat,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

06.03.2012 08.03.2012 GBA-9

90 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Unterlagen der zu dem der

"Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" zugeordneten

Mord in Dortmund oder den Sprengstoffanschlägen in Köln ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften, aus

denen sich ergibt, wann, mit welchen Inhalten und auf der Grundla-

ge welcher Informationen Sprecher oder sonstige Personen aus den

ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und Staatsanwaltschaften,

Presseerklärungen, Aufrufe oder sonstige öffentliche Stellungnah-

men abgegeben, erwogen oder bei übergeordneten Dienststellen

angeregt haben, insb. zum jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen,

aus den Akten der ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und

Staatsanwaltschaften, sofern der Generalbundesanwalt die Zustän-

digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den § 142a, 120a GVG hierfür nicht

erlangt haben sollte, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

06.03.2012 08.03.2012 NW-5

91 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Verfassungs-,

Rechts- und Europaausschusses des Sächsischen Landtages - insb.

über dessen Sitzungen vom 11.1.2012, 7.12.2011 und 2.11.2011 -

und sonstiger in diesem Ausschuss vorhandener Dokumente, soweit

sie sich auf die im Untersuchungsauftrag festgelegten Sachverhalte

beziehen und nach dem 4. November 2011 entstanden bzw. in Ge-

wahrsam genommen worden sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Sächsischen Land-

tag.

06.03.2012 08.03.2012 SN-3

92 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Innenaus-

06.03.2012 08.03.2012 SN-4

Drucksache 17/14600 – 1086 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

schusses des Sächsischen Landtags und sonstiger in diesem Aus-

schuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich auf die im Untersu-

chungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen und nach dem 4.

November 2011 entstanden bzw. in Gewahrsam genommen worden

sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG beim Sächsischen Landtag.

93 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung der Antwort des Sächsischen Staatsmi-

nisteriums des Innern vom 11.01.2012 auf den Berichtsantrag der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag (LT-Drs.

5/7489) "Erkenntnisse und Versäumnisse von Polizei, Verfassungs-

schutz und Staatsanwaltschaft bezüglich der "Zwickauer Terrorzel-

le" aufklären - rechtsextremistische Straftaten wirksam verhindern!"

im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei beim Sächsischen

Staatsministerium des Innern.

06.03.2012 08.03.2012 SN-5

94 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Justiz- und

Verfassungsschutzes des Thüringischen Landtags und sonstiger in

diesem Ausschuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich auf die

im Untersuchungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen und

nach dem 4. November 2011 entstanden bzw. in Gewahrsam ge-

nommen worden sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Thüringischen Landtag.

06.03.2012 08.03.2012 TH-4

95 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften des

Bundes - durch Beiziehung sämtlicher Protokolle des Innenaus-

schusses des Thüringischen Landtags und sonstiger in diesem Aus-

schuss vorhandener Dokumente, soweit sie sich auf die im Untersu-

chungsauftrag festgelegten Sachverhalte beziehen und nach dem 4.

November 2011 entstanden bzw. in Gewahrsam genommen worden

sind, im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG beim Thüringischen Landtag.

06.03.2012 08.03.2012 TH-5

96 Es wird Beweis erhoben zu den Ziffer B I und B II des Untersu-

chungsauftrags durch das Ersuchen um Herausgabe aller Protokolle

von Unterrichtungen in der Bundespressekonferenz, die sich im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) auf den Unter-

suchungsgegenstand bezogen, aller Protokolle von Unterrichtungen

in der Bundespressekonferenz, in denen seit dem 08.11.2011 über

den Untersuchungsgegenstand im Untersuchungszeitraum informiert

wurde, gem. § 29 Abs. 1 PUAG beim Vorstand der Bundespresse-

konferenz.

06.03.2012 08.03.2012 P-1

97 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften - vorbereitet durch das Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die mit den folgenden für den Untersuchungsgegenstand wich-

tigen Ämtern oder Aufgaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des Untersu-

chungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angabe des Beginns

und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der ermittelnden Kriminalpolizeidienststelle(n) sowie Son-

derkommissionen für die mit Beweisbeschluss vom 01.03.2012 - BB

07.03.2012 08.03.2012 SN-6

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1087 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

SN-2 - erfragten polizeilichen Ermittlungsverfahren des Freistaates

Sachsen,

- für die genannten Ermittlungen zuständige General-

staatsanwaltschaft,

- für die genannten Ermittlungen sachleitend zuständiger Staatsan-

walt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der

jeweiligen obersten Landesbehörde.

98 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn Ltd. KD Wolfgang Geier als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-1

99 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn KOR a. D. Klaus Mähler als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-2

100 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn EKHK Albert Vögeler als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-3

101 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn ltd. Oberstaatsanwalt Dr. Walter Kimmel

als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-4

102 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn EKHK Alexander Horn als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-5

103 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn KHK Udo Haßmann als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-6

104 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag, durch

Vernehmung von Herrn Präsident a. D. Dr. Wolfgang Weber als

Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-7

105 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie und weitere Straf-

taten, intensive Ermittlungen" gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn KD Christian Hoppe als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-8

106 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Ministerpräsident a.D. Dr. Günther

Beckstein als Zeuge.

16.03.2012 22.03.2012 Z-9

107 Schreiben Thüringer Landtag, MR Dr. Burfeind, vom 20. März

2012; hier: Kopie der Ladung der Sachverständigen für die Sitzung

des Untersuchungsausschusses UA 5/1 des Thüringer Landtags am

23.4.2012, 10.00 Uhr, Einladung für den Ausschuss.

21.03.2012

108 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn LRD Edgar Hegler als Zeuge.

21.03.2012 22.03.2012 Z-10

109 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Erster Vizepräsident des BKA a.D. Bern-

21.03.2012 22.03.2012 Z-11
Drucksache 17/14600 – 1088 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

hard Falk als Zeuge.

110 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag,

insbes. auch zum Zwecke der Evaluierung von Vorschriften des

Bundes und Ziff. B.III.1., durch Beiziehung des Berichts der vom

Innenminister des Freistaats Thüringen eingesetzten sog. Schäfer-

Kommission nach Übergabe an die Regierung des Freistaates Thü-

ringen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der Staatskanzlei des Frei-

staats Thüringen.

23.03.2012 29.03.2012 TH-6

111-

neu

Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, betreffend Akteneinsicht beim GBA in

Karlsruhe, mit Schreiben vom 23. März 2012 - neu -

112-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung der Ergebnisse der Untersuchung beim Thüringer Ver-

fassungsschutz- insb. zur Amtsführung des Präsidenten Helmut

Roewer - durch den ehemaligen Thüringer Staatssekretär Karl Heinz

Gasser (sog. "Gasser-Bericht") im Wege des Ersuchens um Amtshil-

fe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

28.03.2012 29.03.2012 TH-7

113 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, betreffend Akteneinsicht beim GBA in

Karlsruhe, mit Schreiben vom 4. April 2012.

114 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an Vorsitzenden, betreffend die Beweisbeschlüsse GBA-5 und BY-

4, mit Schreiben vom 12. April 2012.

115 Schreiben der Vizepräsidentin Petra Pau, MdB an den Vorsitzenden

vom 12. April 2012.

116 Gemeinsames Schreiben des Bundesministeriums des Innern, der

Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus und der Ständige

Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder an den Vor-

sitzenden; hier: Benennung von Herrn MR Torsten Akmann als

Beauftragten für den Untersuchungsausschuss, mit Schreiben vom

11. April 2012.

117 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen, Beschluss 3 zum

Verfahren wie folgt zu fassen: Beschluss 3 zum Verfahren: Vertei-

lung von Verschlusssachen (zu § 16 Abs. 1 Untersuchungsaus-

schussgesetz)

I. Grundsatz der Verteilung von zugeleiteten Verschlusssachen

1. Von den für den Ausschuss in der Geheimschutzstelle des Deut-

schen Bundestages eingehenden VS-Vertraulich oder GEHEIM

eingestuften Beweismaterialien sind Ausfertigungen herzustellen

und zwar für

- die Fraktionen im Ausschuss je zwei;

- das Sekretariat zugleich für den Vorsitzenden und den stellvertre-

tenden Vorsitzenden je eine.

2. Ab einem Umfang von 1.000 Seiten wird pro Fraktion nur ein

Exemplar erstellt. Ab einem Umfang von 15.000 Seiten wird ein

gesondertes Verfahren zwischen den Obleuten vereinbart.

3. Den Mitgliedern des Ausschusses sowie den von den Fraktionen

benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Umgang mit

Verschlusssachen ermächtigt und zur Geheimhaltung förmlich ver-

pflichtet sind, werden auf Wunsch die jeweiligen Exemplare ausge-

händigt.

4. Die Mitglieder des Ausschusses und die von den Fraktionen be-

nannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmen Räume, in

denen der Geheimschutzbeauftragte des Deutschen Bundestages

Verwahrgelasse zur Aufbewahrung der Ausfertigung zur Verfügung

stellen und unverzüglich die ggf. weiteren notwendigen technischen

20.04.2012 26.04.2012

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1089 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Sicherungsmaßnahmen treffen soll.

II. Verteilung der vom Untersuchungsausschuss eingestuften Ver-

schlusssachen

Für die vom 1. Untersuchungsausschuss selbst VS-Vertraulich, Ver-

traulich gem. § 2a Geheimschutzordnung, GEHEIM, GEHEIM gem.

§ 2a Geheimschutzordnung oder ggf. STRENG GEHEIM eingestuf-

ten Unterlagen und Protokolle gilt Ziffer I. entsprechend.

III. Verteilung von "VS-Nur für den Dienstgebrauch" eingestuften

Unterlagen

"VS-Nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD) eingestufte Unterlagen

werden verteilt und behandelt gem. Beschluss 5 zum Verfahren i. V.

m. der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages.

118 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen, Beschluss 5 zum

Verfahren wie folgt zu fassen: Beschluss 5 zum Verfahren: Vertei-

lung von A-Drs., Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien

I. Die Ausschussmaterialien werden wie folgt bezeichnet:

- MAT A sind Antworten auf Beschlüsse zur Beweiserhebung;

- MAT B sind Beweismaterialien, die nicht aufgrund eines Beweis-

beschlusses, sondern aufgrund freiwilliger Zusendung eingehen,

- MAT C sind Materialien, die Bezug zum Untersuchungsauftrag

haben, aber nicht die zu untersuchenden Vorgänge dokumentieren,

wie Verwaltungsentscheidungen in vergleichbaren Fällen, allgemei-

ne Dienstanweisungen und ähnliches, die nicht aufgrund von Be-

weisbeschlüssen eingehen.

II. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und

sonstigen Ausschussmaterialien in elektronischer Form

1. Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Aus-

schussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C) werden vom Sek-

retariat grundsätzlich in elektronischer Form verfügbar gemacht -

und zwar - vollständig, soweit Ausschussdrucksachen, Beweisbe-

schlüsse und Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C)

nicht VS-Vertraulich oder höher eingestuft sind, - durch einen Hin-

weis bzw. das Übermittlungsschreiben, soweit Aus-

schussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien

(MAT A, MAT B und MAT C) VS-Vertraulich oder höher einge-

stuft sind.

2. Verfügbar gemacht durch Übermittlung von Daten oder Datenträ-

gern bzw. durch Zugriff auf ein gemeinsames Laufwerk werden

Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Ausschussmateria-

lien (MAT A, MAT B und MAT C) für die

- ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder;

- von den Fraktionen benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

- Beauftragten der Bundesregierung und des Bundesrates.

3. Soweit Unterlagen dem Ausschuss nicht in elektronischer Form

zur Verfügung gestellt werden, besorgt das Sekretariat die Ablich-

tung in elektronischer Form.

III. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und

sonstigen Ausschussmaterialien in gedruckter Form

Von allen Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und Aus-

schussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C) verteilt das Sekre-

tariat je ein gedrucktes Exemplar an die Fraktionen, und zwar

- vollständig, soweit Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und

Ausschussmaterialien (MAT A, MAT B und MAT C) nicht VS-

Vertraulich oder höher eingestuft sind;

- einen Hinweis bzw. das Übermittlungsschreiben, soweit Aus-

schussdrucksachen, Beweisbeschlüsse und Ausschussmaterialien

(MAT A, MAT B und MAT C) VS-Vertraulich oder höher einge-

stuft sind. Auf Wunsch erhält eine Fraktion von Ausschussdrucksa-

chen, Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien (MAT A, MAT

20.04.2012 26.04.2012
Drucksache 17/14600 – 1090 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

B und MAT C) im Umfang von unter 1.000 Seiten ein weiteres

Exemplar.

119 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Dr. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung

1. der Zeitschrift "Der Weisse Wolf", Ausgabe 1/2002, Nr. 18, in

einem Originalexemplar,

2. zu der dieser Ausgabe ggf. bei ihrem Erscheinen vorgenommenen

Auswertung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf diese Auswertung hin ergriffe-

nen Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

des Innern.

20.04.2012 26.04.2012 BfV-8

120 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung

1. von Auflistungen der jeweils in den Jahren des Unter-

suchungszeitraums vom Bundesamt für Verfassungsschutz ausge-

werteten Periodika, die im rechtsextremistischen Umfeld zugeordnet

waren,

2. aller Ausfertigungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz

derjenigen Ausgaben der genannten Periodika, in denen die Stich-

worte "NSU" bzw. "Nationalsozialistischer Untergrund" erwähnt

waren, sowie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf solche Auswertungen hin ergrif-

fenen Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

20.04.2012 26.04.2012 BfV-9

121 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453), insbes. zur Evaluierung der Zusammenarbeit von

Bundes- und Landesbehörden, durch vorrangige Beiziehung

1. der Zeitschrift "Der Weisse Wolf", Ausg. 1/2011, Nr. 18, in einem

Originalexemplar,

2. der zu dieser Ausgabe ggf. bei ihrem Erscheinen vorgenommenen

Auswertung durch die Verfassungsschutzbehörden des Landes so-

wie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf diese Auswertung hin ergriffe-

nen Maßnahmen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

20.04.2012 26.04.2012 BB-2

122 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453), insbes. zur Evaluierung der Zusammenarbeit von

Bundes- und Landesbehörden, durch vorrangige Beiziehung

1. der Zeitschrift "Der weiße Wolf", Ausgabe 1/2002, Nr. 18 in

einem Originalexemplar,

2. der zu dieser Aufgabe ggf. bei ihrem Erscheinen vorgenommenen

Auswertung durch die Verfassungsschutzbehörden des Landes so-

wie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf diese Auswertung hin ergriffe-

nen Maßnahmen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Mecklenburg-Vorpommern bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

20.04.2012 26.04.2012 MV-4

123 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: Mitteilung von Fundstellen, vom

25. April 2012.

24.04.2013

124 Schreiben des Obmanns Clemens Binninger, MdB, an Vorsitzenden,

betreffend: Akten BKA - Nachforderung von zurückgestellten Ak-

tenteilen, vom 25. April 2012.

24.04.2013

125 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an Vorsit-

zenden, hier: Hinweis zum Beauftragten des Freistaats Bayern gem.

Art. 43 Abs. 2 GG, Lothar Köhler, vom 24. April 2012.

26.04.2013

126 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1091 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

an den Vorsitzenden, hier: zu Spur 195, vom 27. April 2012.

127 Antwort des Oberbürgermeisters von Nürnberg, Dr. May, auf das

Schreiben des Vorsitzenden 05.04.2012, betreffend einer Einrich-

tung eines Mahnortes für die Opfer der NSU-Terrorzelle, vom 26.

April 2012.

02.05.2013

128 Antwort des Ersten Bürgermeisters Hamburgs auf das Schreiben des

Vorsitzenden vom 28. März 2012, betreffend der Planung von Ge-

denkorten für die Opfer der sog. Zwickauer Zelle, vom 25. April

2012.

02.05.2013

129 Schreiben von Frau Dr. Högl, MdB, an MR Konrad Schober, Beauf-

tragter des Freistaats Bayern für den 2. UA, hier: Bitte Übermittlung

von Dokumenten, vom 04.05.2012.

07.05.2013

130 Antwort von Herrn MR Schober, Beauftragter des Freistaats Bayern

für den 2. UA, an Frau Dr. Högl, MdB, hier: Information zum Bear-

beitungsstand, vom 05.05.2012.

05.05.2013

131 Schreiben des Thüringer Landtags an den Vorsitzenden, betreffend:

das Teilnahmerecht an Sitzungen und gegenseitige Einsichtnahme in

Protokolle, vom 04. Mai 2012.

08.05.2012

132 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: zu BAO Bosporus, Mordfall Kiesewetter

und Yozgat, vom 09. Mai 2013.

09.05.2012

133 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Handschriftlicher Vermerk Zeuge W.

Geier (Stenografisches Protokoll) der 12. Sitzung sowie Einrichten

eines Dönerstands als Ermittlungsmaßnahme, vom 9. Mai 2012.

09.05.2012

134 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss BW-1 v. 1.3.2012 Be-

weis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Baden-Württemberg vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in BB BW-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zugeordnet werden

bzw. die Befassung damit durch die genannten Behörden, und so-

weit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse BW-1 bis BW-5 im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg

bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

11.05.2012 11.05.2012 BW-6

135 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss BY-1 vom 1.3.2012

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453), insbes. zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz des Freistaates Bayern, des Bayerischen Staatsministe-

riums des Innern sowie der Bayerischen Staatskanzlei vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer
Untergrund“, deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

11.05.2012 11.05.2012 BY-8
Drucksache 17/14600 – 1092 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

(wie in Beweisbeschluss BY-1 vom 1. März 2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-

hörden,

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein,

und soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse BY-1 bis BY-7

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

136 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss HE-1 vom 1.3.2012,

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Hessen, des Hessischen Ministeriums des Innern und

für Sport sowie der Hessischen Staatskanzlei vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in Beweisbeschluss HE-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse HE-1 bis HE-3 im We-

ge des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde.

11.05.2012 11.05.2012 HE-4

137 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss HH-1 vom 1.3.2012,

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Hamburg, der Behörde für Inneres und Sport Hamburg

sowie der Senatskanzlei Hamburg vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in Beweisbeschluss HH-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse HH-1 bis HH-3 im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei Hamburg bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde.

11.05.2012 11.05.2012 HH-4

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1093 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

138 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss MV-1 vom 1.3.2012,

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Ministeriums für Inneres und

Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern, einschließlich der

Landesbehörde für Verfassungsschutz, sowie der Staatskanzlei

Mecklenburg-Vorpommern vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in Beweisbeschluss MV-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse MV-1 bis MV-3 im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei Mecklenburg-

Vorpommern bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

11.05.2012 11.05.2012 MV-5

139 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss NW-1 vom 1.3.2012,

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, des Ministeriums für

Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie

der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vorliegen, soweit

sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in Beweisbeschluss NW-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-

geordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten

Behörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse NW-1, NW-4 und NW-

5 im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

11.05.2012 11.05.2012 NW-6

140 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss SN-1 vom 1.3.2012,

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Sachsen, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern

sowie der Sächsischen Staatskanzlei vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

11.05.2012 11.05.2012 SN-7

Drucksache 17/14600 – 1094 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in Beweisbeschluss SN-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse SN-1, SN-2, SN-5 und

SN-6 im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

141 Es wird ergänzend zu dem Beweisbeschluss TH-3 vom 1.3.2012,

Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) insbes. zur Evaluation bundesrechtlicher Vorschriften,

durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf

andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Thüringen, des Thüringer Innenministerium sowie der

Thüringer Staatskanzlei vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand betreffen und Informationen ent-

halten über Straftaten, die der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund", deren mutmaßlichen Mitgliedern oder Unterstützern

(wie in Beweisbeschluss TH-3 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 8.11.2011, mögen

diese Informationen u. U. auch später gewonnen worden sein, und

soweit

3. die erbetenen Informationen dem Ausschuss nicht bereits geliefert

wurden in Erledigung der Beweisbeschlüsse TH-1 bis TH-3 und TH-

6 und TH-7 im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Thüringer Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

11.05.2012 11.05.2012 TH-8

142 Einladung zur Sitzung des Thüringer Landtags am 21.05.2012

143-

neu

Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und

zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, indem das Bun-

desministerium des Innern ersucht wird, dem Untersuchungsaus-

schuss durch Mitteilung ihrer vollständigen Personalien die Identität

der Person offenzulegen, die dem Bundeskriminalamt (BKA) im

April 2007 die Kopie eines Angebotes aus der Ausgabe des Interna-

tionalen Waffenmagazins 8-9 aus 1993 übermittelt hat, in dem der

schweizerische Waffenhändler Jan Luxik Pistolen des Typs Česká
83, Kal. 7,65 mm, mit Schalldämpfern für 1250 Fr. anbietet (vgl.

den Vermerk BKA SO 15 vom 20.7.2007, Tgb.-Nr. SO 13/04 =

MAT A BY-2-2b, Bl. 159, 160).

21.05.2012 BKA-3

144 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und

zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, indem die Bayeri-

sche Staatskanzlei im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG gebeten wird, bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde anhand ihrer vollständigen Per-

sonalien die Identität des ehem. Mitarbeiters der Schweizer Waffen-

firma Schläfli und Zbinden, Herrn Mayer, der der BAO Bosporus

am 20.7.2006 telefonisch den Hinweis gegeben hat, dass der Waf-

fenhändler Jan Luxik im Jahr 1993 eine Česká 83 mit Schalldämpfer

21.05.2012 BY-9

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1095 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

zum Verkauf angeboten habe (vgl. den Abgabebericht der StA

Nürnberg-Fürth in der Tatserie "Česká" vom 13.1.2012, MAT A
GBA-4/2, Bl. 8 ff., 124 sowie die diesbezügliche Quellenangabe

dort in Fußnote 432: "drei Bände Spurenakten zur Spur Nr. 556"), in

Erfahrung zu bringen und dem Untersuchungsausschuss offenzule-

gen.

145 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und

zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung

der Verfahrensakten (Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichts-

hefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den in der Freien und Hanse-

stadt Hamburg geführten polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen

Ermittlungen (laut MAT A GBA-4/2, Bl. 130 ff.: StA Hamburg,

6600 UJs 6/01 / StA Hamburg 6600 Js 1/07 - Aktenzeichen der

Polizei noch zu benennen, da in MAT A HH-2 nicht angegeben) im

Mordfall Süleyman Tasköprü, soweit der Generalbundesanwalt die

Akten nicht zu seinen aktuellen Ermittlungen herangezogen hat und

sie somit noch der Verfügungsgewalt des Landes unterliegen, inso-

weit als sie die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von

Bund und Ländern betreffen, also im Rahmen der Zusammenarbeit

und den Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also

im Rahmen der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustauschs mit

Stellen des Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfas-

sungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalsamt sowie dem Ge-

neralbundesanwalt - entstanden sind, oder Informationen enthalten,

die aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht werden können, m. d. B.

um zügige Übermittlung im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Se-

natskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg bei der jeweils

zuständigen obersten Landesbehörde.

21.05.2012 HH-5

146 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und

zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung

der Verfahrensakten (Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichts-

hefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den im Land Hessen geführ-

ten polizeilichen (laut Antwort auf Beweisbeschluss HE-2: PP

Nordhessen, ST ST/0403409/06) u. staatsanwaltschaftlichen (laut

Antwort auf Beweisbeschluss HE-2: StA Kassel 8821 UJs

66175/06) Ermittlungen im Mordfall Halit Yozgat soweit der Gene-

ralbundesanwalt die Akten nicht zu seinen aktuellen Ermittlungen

herangezogen hat und sie somit noch der Verfügungsgewalt des

Landes unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit und den

Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also im Rah-

men der Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund

und Ländern betreffen, also im Rahmen der Zusammenarbeit und

des Erkenntnisaustauschs mit Stellen des Bundes - hier vor allem

dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichten-

dienst, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundeskriminalsamt

sowie dem Generalbundesanwalt - entstanden sind, oder In-

formationen enthalten, die aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht

werden können, m. d. B. um zügige Übermittlung im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Hessen bei der jeweils

zuständigen obersten Landesbehörde.

21.05.2012 HE-5

147 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und

zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung

der Verfahrensakten (Sachakten, Handakten, Spurenakten, Berichts-

21.05.2012 NW-7

Drucksache 17/14600 – 1096 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

hefte, Sonderhefte, Vermerke o. ä.) zu den im Land Nordrhein-

Westfalen geführten polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er-

mittlungen

- im Fall des Sprengstoffanschlags vom 19.01.2001 in Köln, Probst-

eigasse (laut Antwort auf Beweisbeschluss NW-2: StA Köln 91 UJs

74/01)

- im Fall des Sprengstoffanschlags vom 09.06.2004 in Köln,

Keupstraße (laut Antwort auf Beweisbeschluss NW-2: StA Köln 121

UJs 160/04)

- im Mordfall Mehmet Kubasik (laut Antwort auf Beweisbeschluss

NW-2: StA Dortmund UJs 660/06)

soweit der Generalbundesanwalt die Akten nicht zu seinen aktuellen

Ermittlungen herangezogen hat und sie somit noch der Verfügungs-

gewalt des Landes unterliegen, insoweit als sie die Zusammenarbeit

und den Erkenntnisaustausch von Bund und Ländern betreffen, also

im Rahmen der Zusammenarbeit und des Erkenntnisaustauschs mit

Stellen des Bundes - hier vor allem dem Bundesamt für Verfas-

sungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt sowie dem Generalbundesan-

walt - entstanden sind, oder Informationen enthalten, die aus heuti-

ger Sicht hätten ausgetauscht werden können, m. d. B. um zügige

Übermittlung im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Lan-

des Nordrhein-Westfalen bei der jeweiligen zuständigen obersten

Landesbehörde.

148 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und

zur Evaluierung bundesrechtlicher Vorschriften -, durch Beiziehung

des der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen

Landtags vorgelegten vorläufigen Schlussberichts des Innern des

Freistaats Sachsen zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-

grund im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

21.05.2012 SN-8

149 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von EKHK Jörg Deisting

als Zeuge.

21.05.2012 Z-14

150 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von KOR Felix Schwarz als

Zeuge.

21.05.2012 Z-15

151 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von LKD Gerald Hoffmann

als Zeuge.

21.05.2012 Z-16

152 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Direktor a. D. Lutz

Irrgang als Zeuge.

21.05.2012 Z-17

153 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident Jörg

Ziercke als Zeuge.

21.05.2012 Z-18

154 Schreiben des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und 22.05.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1097 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Roma an den Vorsitzenden; hier: Falsche Verdächtigung von Sinti

und Roma bei den Ermittlungen zum Polizistenmord in Heilbronn,

vom 16. Mai 2012.

155 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an den Ermittlungs-

beauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg, betr.: Erweiterung des

Auftrags des Ermittlungsbeauftragten auf die Sichtung von Spuren-

akten des Bundeskriminalamts in der Sitzung des Untersuchungs-

ausschusses am 10.05.2012, vom 22. Mai 12.

22.05.2013

156 Schreiben Ermittlungsbeauftragter an den Vorsitzenden, hier: Infor-

mationen zur erbetenen Übersendung von Unterlagen des General-

bundesanwalts an den Untersuchungsausschuss, vom 23. Mai 2012.

23.05.2013

157 Schreiben Ermittlungsbeauftragter Prof. Dr. Heintschel-Heinegg an

den Vorsitzenden, hier: Informationen zu Spurenakten des Bundes-

kriminalamts, vom 31. Mai 2012.

31.05.2013

158 Schreiben der Rechtsanwältin Lunnebach, mit der Bitte um Ein-

sichtnahme in die Protokolle der öffentlichen Sitzungen, v. 6. Juni

2012.

06.06.2013

159 Schreiben (E-Mail) von N. S. und S. H., mit der Bitte um Einsicht-

nahme in die Protokolle der öffentlichen Sitzungen, vom 06. Juni

2012.

06.06.2013

160 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK a.D. Edgar

Mittler als Zeuge.

11.06.2012 14.06.2012 Z-19

161 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK Markus

Weber als Zeuge.

11.06.2012 14.06.2012 Z-20

162 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn Oberstaatsanwalt

a.D. Josef Rainer Wolf als Zeuge.

11.06.2012 14.06.2012 Z-21

163 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KOR Bert

Gricksch als Zeuge.

11.06.2012 14.06.2012 Z-22

164 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Vernehmung von MDgt a. D. Dr.

Hartwig Möller als Zeuge.

11.06.2012 14.06.2012 Z-23

165 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

vorrangige Beiziehung

1. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz,

die sich auf das Sprengstoffattentat vom 19. Januar 2001 in Köln,

den dabei verwendeten Sprengsatz oder etwaige Kontakte zu ande-

ren Behörden in diesem Zusammenhang beziehen,

2. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz,

die sich auf das Nagelbombenattentat vom 9. Juni 2004 in Köln, den

dabei verwendeten Sprengsatz oder etwaige Kontakte zu anderen

Behörden in diesem Zusammenhang beziehen,

3. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz,

die sich auf die im Jahr 2006 erfolgte Zusammenlegung der Abtei-

11.06.2012 14.06.2012 BfV-10
Drucksache 17/14600 – 1098 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

lungen für Rechts- und Linksextremismus im Bundesamt für Verfas-

sungsschutz beziehen, soweit sie nicht nur die verwaltungstechni-

sche Durchführung der Zusammenlegung (z. B. Umsetzung von

Personal, Raumplanung) betreffen,

4. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz

aus dem Zeitraum vom 9. September 2000 bis zum 8. November

2011, die sich beziehen auf den Informationsaustausch im Verfas-

sungsschutzverbund in Form von Tagungen, internen oder externen

Publikationen zu der Frage, ob es in Deutschland rechtsterroristische

Strukturen gibt,

5. sämtlicher Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz

aus dem Zeitraum vom 9. September 2000 bis zum 8. November

2011, die sich auf Kontakte zu anderen Behörden beziehen, im Zu-

sammenhang mit den Straftaten, die dem „Nationalsozialistischen
Untergrund“ zugeordnet werden,
soweit sie noch nicht übermittelt sein sollten, gemäß § 18 PUAG

beim Bundesministerium des Innern mit der Bitte um möglichst

baldige – prioritäre – Übermittlung an den Untersuchungsausschuss,
möglichst bis zum 27. Juni 2012.

166 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen des Bundesministeri-

ums des Innern, die sich auf die im Jahr 2006 erfolgte Zusammenle-

gung der Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus im Bun-

desamt für Verfassungsschutz beziehen, soweit sie nicht nur die

verwaltungstechnische Durchführung der Zusammenlegung (z. B.

Umsetzung von Personal, Raumplanung) betreffen, soweit sie noch

nicht übermittelt sein sollten, gemäß § 18 PUAG beim Bundesminis-

terium des Innern mit der Bitte um möglichst baldige – prioritäre –
Übermittlung an den Untersuchungsausschuss, möglichst bis zum

27. Juni 2012.

11.06.2012 14.06.2012 BMI-6

167 Zwischenbericht der Bund-Länder-Expertenkommission Rechtster-

rorismus (Stand 16. Mai 2012)

14.06.2012

168 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag –
insbesondere zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von Vorschriften

des Bundes – durch vorrangige Beiziehung aller beim Innenministe-
rium des Landes Baden-Württemberg oder seinen nachgeordneten

Behörden vorhandenen, mit Beweisbeschluss BW-4 vom 08.03.2012

angeforderten und im Schreiben des Innenministeriums Baden-

Württemberg vom 25.05.2012 (MAT A BW-4/1) aufgeführten Un-

terlagen zu den nachfolgend bezeichneten Vorgängen:

• Anfrage wegen eines Tatortzeugen mit möglichen Bezügen zu
Nachrichtendiensten (Schreiben des Innenministeriums Baden-

Württemberg vom 25.05.2012, Ziffer I.2.5)

• Anfrage aufgrund Medienberichterstattung zu Zusammenhängen
mit OK oder Terrorismus (Schreiben des Innenministeriums Baden-

Württemberg vom 25.05.2012, Ziffer I.2.8)

• Schriftverkehr zum Informationsaustausch mit Nach-
richtendiensten (Schreiben des Innenministeriums Baden-

Württemberg vom 25.05.2012, Ziffer II.2.3)

soweit diese aufgrund des Beweisbeschlusses BW-4 nicht bereits

übermittelt sind im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium

Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde

mit der Bitte um möglichst baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss.

14.06.2012 14.06.2012 BW-7

169 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

vorrangige Beiziehung sämtlicher Videosequenzen, die im Zusam-

menhang mit dem Nagelbombenattentat vom 9. Juni 2004 in Köln

von den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden zusammenge-

14.06.2012 14.06.2012 NW-8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1099 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

tragen wurden, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Nordrhein-Westfalen bei den zuständigen Landesbehörden,

mit der Bitte um möglichst baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss, möglichst bis zum 27. Juni 2012.

170 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: Informationen zu den Spurenakten und

der polizeilichen Handakte im Mordfall zum Nachteil M. Kubasik,

vom 20.06.2012.

20.06.2012

171 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: Informationen zum Beweisbeschluss HE-

5 und GBA-4, vom 20.06.2012.

20.06.2012

172 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: Informationen zu den Spurenakten im

Fall Köln, Keupstraße (Sprengstoffanschlag am 09.06.2004), vom

20.06.2012.

21.06.2012

173 Schreiben der Vizepräsidentin Petra Pau, MdB, an den Vorsitzen-

den, m. d. B. noch nicht gelieferte Akten zum Beweisbeschluss HE-

4 bei der hessischen Staatskanzlei anzumahnen, vom 22.06.2012.

22.06.2012

174 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: Informationen zu den Spurenakten aus

der EG "Česká", vom 22.06.2012.

22.06.2012

175 Schreiben des Referates ZR 2 - Justitiariat an das Sekretariat des 2.

UA, betr. Veröffentlichung Stenografischer Protokolle im Internet

durch Dritte, vom 21. Juni 2012.

22.06.2012

176 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Direktor beim

BfV a. D. Wolfgang Cremer als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-24

177 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident

Heinz Fromm als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-25

178 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Oberst a. D.

Dieter H. als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-26

179 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KOR Axel

Mögelin als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-27

180 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn EStA Christoph

Meyer als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-28

181 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident Joa-

chim Schmalzl als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-29

182 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK Werner

Jung als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-30

183 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

25.06.2012 28.06.2012 Z-31

Drucksache 17/14600 – 1100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KHK Uwe Deetz

als Zeuge.

184 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn KOK Jens Mer-

ten als Zeuge.

25.06.2012 28.06.2012 Z-32

185 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-
luierung von Vorschriften des Bundes – durch Beiziehung der Ver-
fahrensakten des mit Schreiben des Landeskriminalamtes Sachsen

vom 11.04.2012 (MAT A SN-2/2) auf das in Beweisbeschluss SN-2

vom 01.03.2012 erfolgte Ersuchen hin benannten Verfahrens Az.:

223 Js 2227/07, VG-Nr.: 5106/06/177201 bei der PD Südwestsach-

sen (Vernehmungen wegen Wasserschaden in der Polenzstraße 2 in

Zwickau) im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landesbehörde mit der Bitte um mög-

lichst baldige – prioritäre – Übermittlung an den Untersuchungsaus-
schuss.

25.06.2012 28.06.2012 SN-9

186 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Benennung der Leiter

des oder der für die Fragen

- nachrichtendienstl. Aufgaben in der Schweiz

- Waffenhandel mit Bezug zur Schweiz zuständigen Referats oder

Referate im Bundesnachrichtendienst während der gesamten Zeit

des Untersuchungsauftrages, konkretisierend zu den Angaben zu

Beweisbeschluss BND-1 gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

deskanzleramt mit der Bitte, die Angaben dem 2. Unter-

suchungsausschuss möglichst bis 03.07.2012 zu übermitteln.

25.06.2012 28.06.2012 BND-4

187 Das Bundesministerium des Innern wird ersucht, aus den dem 2.

Untersuchungsausschuss mit der Einstufung "VS-Vertraulich" über-

gebenen Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum

Sprengstoffanschlag Keupstraße die Seiten 16 bis 84 von MAT A

BfV-4 zu A-Drs. 17/20 (Tgb-Nr. 16/12) unter Unkenntlichmachung

von vertraulich zu behandelnden Angaben zumindest auf "VS-NfD"

herabzustufen sind und um deren Behandlung in öffentlicher Sitzung

zu ermöglichen.

25.06.2012

188 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 3.7.2012 27.06.2012

189 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (Bun-

destagsdrucksache Drucksache 17/8453), indem das BMI aufgefor-

dert wird, die Personalien der Personen mitzuteilen, die bei dem BfV

laut Sprechzettel TOP… und diese Personen sodann als Zeugen ver-
nommen werden.

04.07.2012 05.07.2012 BMI-9

190 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1
PUAG gebeten, bis 20. August 2012 für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel seiner

nach-geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeich-

nen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom

Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

04.07.2012 05.07.2012 BK-5

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1101 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

191 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bundesministerium des Innern gemäß §
18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20. August 2012 für den gesamten

Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel

oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner nachge-

ordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom

Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

04.07.2012 05.07.2012 BMI-7

192 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bundesministerium der Verteidigung
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20. August 2012 für den ge-

samten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel seiner nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Be-

schreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf

Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 BMVg-

5

193 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Baden-
Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des

Landes Baden-Württemberg gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen

oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art

der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-

zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-

2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben).

04.07.2012 05.07.2012 BW-8

194 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bayerische Staatsministerium des Innern
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei gebe-

ten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992

bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrich-

tendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaß-

nahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit

Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang stan-

den mit einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 BY-11

195 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu- 04.07.2012 05.07.2012 BE-2

Drucksache 17/14600 – 1102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird die Senatsverwaltung für Inneres und Sport
des Landes Berlin im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei des

Landes Berlin gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeili-

cher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordne-

ten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme

und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im

Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 be-

rücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

196 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium des Innern des Landes Bran-
denburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes

Brandenburg gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeili-

cher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nach-

geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom

Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

04.07.2012 05.07.2012 BB-3

197 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird der Senator für Inneres und Sport der Freien
Hansestadt Bremen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der

Freien Hansestadt Bremen gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen

oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art

der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-

zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-

2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben).

04.07.2012 05.07.2012 HB-2

198 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird die Behörde für Inneres und Sport der Freien
und Hansestadt Hamburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senats-

kanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg gebeten, für den gesam-

ten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit,

Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks

04.07.2012 05.07.2012 HH-6

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1103 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf

Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben).

199 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium des Innern und für Sport des
Landes Hessen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staats-

kanzlei gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom

1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze opera-

tiver nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und

Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-

sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-

nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 HE-6

200 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Mecklenburg-Vorpommern im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gebeten,

für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis

zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichten-

dienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermitt-

lungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behör-

den mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und Benen-

nung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammen-

hang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in

der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden

(MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 MV-6

201 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Niedersachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Niedersachsen gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen

oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art

der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-

zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-

2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben).

04.07.2012 05.07.2012 NI-3

202 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Kommuna-
les des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen gebeten, für den

gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum

04.07.2012 05.07.2012 NW-9
Drucksache 17/14600 – 1104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit,

Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf

Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben).

203 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz gebeten, für den

gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

seiner Dienststellen oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit,

Beschreibung der Art der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf

Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 RP-2

204 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Saarlands im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saar-

lands gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1.

Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operati-

ver nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und

Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-

sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-

nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 SL-2

205 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Staatsministerium des Innern des Frei-
staats Sachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanz-

lei gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom 1. Januar

1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze operativer nach-

richtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher Er-

mittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und

Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-

sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-

nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 SN-10

206 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Sachsen-Anhalt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach

04.07.2012 05.07.2012 ST-2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1105 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Sachsen-Anhalt gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

sämtliche Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen

oder nachgeordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art

der Maßnahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu be-

zeichnen, die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-

2 berücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben).

207 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Schleswig-
Holstein im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes

Schleswig-Holstein gebeten, für den gesamten Untersuchungszeit-

raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche

Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter

polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nach-

geordneten Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit einer der Personen, die vom

Bundeskriminalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 be-

rücksichtigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

04.07.2012 05.07.2012 SH-2

208 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Innenministerium des Freistaats Thürin-
gen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats

Thüringen gebeten, für den gesamten Untersuchungszeitraum vom

1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 sämtliche Einsätze opera-

tiver nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung der Art der Maßnahme und

Benennung ihres Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-

sammenhang standen mit einer der Personen, die vom Bundeskrimi-

nalamt in der Antwort auf Beweisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

04.07.2012 05.07.2012 TH-10

209 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) wird das BMI gemäß § 18

Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20. August 2012 zu Aufbau und Struktur

der Dateien des „Tatmittelmeldedienstes Brand- und Sprengvorrich-
tungen“ und zu den Regelungen für
-- Meldung und Datenerfassung

-- Speicherung und gegebenenfalls Erfassungsfristen und Löschvor-

gaben

-- Zugriffsberechtigungen und Abfragemodalitäten

bezüglich dieser Dateien über die gegebenenfalls bereits übersandten

Akten hinaus in zusammenhängender Darstellung Auskunft zu ge-

ben und dazu

-- bestehende Vorschriften und Anweisungen

-- die Eintragungen zu den Sprengstofftaten, die Uwe Böhnhardt,

Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe einzeln oder gemeinschaftlich

zugeordnet werden,

prioritär vorzulegen und die für diese Dateien im Zeitraum des

04.07.2012 05.07.2012 BMI-8

Drucksache 17/14600 – 1106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Untersuchungsauftrages zuständigen Mitarbeiter (Referatsleiter,

Sachgebietsleiter) des BKA zu benennen.

210 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000-2007 - Mords-

erie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem. Aus-

schussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn Andreas Temme

als Zeuge.

04.07.2012 05.07.2012 Z-34

211 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000-2007 - Mords-

erie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem. Aus-

schussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von NN, Leiter des Referats

Auswertung Proliferation und Waffenhandel im BND als Zeuge.

04.07.2012 05.07.2012 Z-35

212 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerpräsi-

dent Volker Bouffier als Zeuge.

04.07.2012 05.07.2012 Z-36

213 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 9.und 10.07.2012. 04.07.2012

214 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Sichtung von Akten beim LKA Baden-

Württemberg in Stuttgart am 10. und 11. Juli 2012, vom 18. Juli

2012.

18.07.2012

215 Schreiben des Staatssekretärs des Thüringer Innenministeriums an

den Vorsitzenden, betreffend seines Schriftwechsels mit dem Bun-

desministerium der Verteidigung bzw. dem Amt für den Militäri-

schen Abschirmdienst zur Frage der Anonymisierung der Aktenstü-

cke des MAD, vom 12. Juli 2012.

18.07.2012

216 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: zu "Mehrfachtreffern" bei den von der

BAO Bosporus erhobenen Massendaten - Massendatenabglei-

che/Analysen, vom 19. Juli 2013.

19.07.2012

217 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: zu Videoaufnahmen von der Trauerfeier

anlässlich der Beerdigung von Michéle Kiesewetter, vom 24. Juli

2012.

25.07.2012

218 Schreiben der Freien Hansestadt Bremen an den Vorsitzenden, bzgl.

Anfrage vom 19. Juli 2012 betr. Aktenvernichtung mit Bezügen zum

Rechtsextremismus im LfV Bremen, vom 30. Juli 2012.

02.08.2012

219 Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums an den Vorsitzen-

den, hier: Nachlieferung zur A-Drs. 215, vom 03.08.2012.

06.08.2012

220 Schreiben an den Vorsitzenden - Stellungnahme des Bundesbeauf-

tragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter

Schaar, bezüglich der Aktenvernichtung im BfV, vom 1. August

2012.

07.08.2012

221 Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes an den Vorsitzenden,

hier: zur Thematik der Vernichtung von Akten mit Bezügen zum

Rechtsextremismus, vom 30. Juli 2012.

07.08.2012

222 Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums an den Vorsitzen-

den, hier: zur Thematik der Vernichtung von Akten, vom 10. August

2012.

14.08.2012

223 Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin an den

Vorsitzenden, hier: zur Thematik der Vernichtung von Akten, vom

10. August 2012.

16.08.2012

224 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: die Übersendung der Ermittlungsakten

wegen des Mordes an Michèle Kiesewetter (GBA-4), vom 21. Au-

gust 2012.

21.08.2012

225 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg 27.08.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1107 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

an den Vorsitzenden; hier: die Übersendung von Aktenteilen des

GBA sowie des BKA (GBA-4), vom 23. August 2012.

226 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000-2007 - Mords-

erie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gemäß Aus-

schussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn Günter Stengel

als Zeuge.

29.08.2012 11.09.2012 Z-37

227 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstandes, durch das Ersuchen um möglichst zeitnahe

Benennung

1. der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-

Württemberg, die im Jahr 2003 dem früheren Mitarbeiter des LfV

Baden-Württemberg, Herrn Stengel, in dienstlichen Angelegenhei-

ten beraten haben;

2. der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-

Württemberg, die mit der Überprüfung der Angaben von Herrn

Stengel zu früheren Hinweisen im aktuellen Ermittlungsverfahren

befasst waren,

3. der Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg,

die mit der Überprüfung der Angaben von Herrn Stengel zu früheren

Hinweisen im aktuellen Ermittlungsverfahren befasst waren, im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg bei der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde.

29.08.2012 11.09.2012 BW-9

228 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gem.

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstandes, durch das Ersuchen um Benennung

1. der diensthabenden Beamten und Angestellten im Lagezentrum

der Polizei Nordrhein-Westfalen im Zeitraum Mittwoch, 09. Juni

2004, 16.25 Uhr, bis Donnerstag, 10. Juni 2004, 22.35 Uhr;

2. der diensthabenden Beamten und Angestellten in der Abteilung 6

(Verfassungsschutz) des Nordrhein-Westfälischen Innenministeri-

ums im Zeitraum Mittwoch, 09. Juni 2004, 16.25 Uhr, bis Donners-

tag, 10. Juni 2004, 22.35 Uhr soweit sie in dienstlicher Funktion mit

den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Nagelbombenattentat in

der Kölner Keupstraße am Mittwoch, 09. Juni 2004, befasst waren,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei den jeweils zuständigen obersten Landesbehörden.

29.08.2012 11.09.2012 NW-10

229 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Unterrichtung des Ausschusses über die

bisher benannten Materialien, vom 28.08.2012.

28.08.2012

230 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, betreffend die Bitte an den GBA, weitere Ak-

tenteile zu BB GBA-4 zu übersenden, vom 4. September 2012.

04.09.2012

231 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, betreffend die Bitte an den GBA, weitere Ak-

tenteile zu BB GBA-4 (betreffend: den Anschlag in Köln, Az, der

StA. Köln.121 Ujs 160/04) zu übersenden, vom 6. September 2012.

06.09.2012

232 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat des

2. Untersuchungsausschusses, mit der Bitte um Eingrenzung auf

relevante Sach- bzw. Themenkomplexe zu BB BKA-2, vom 3. Sep-

tember 2012.

06.09.2012

Drucksache 17/14600 – 1108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

233 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 10. und 11. Septem-

ber 2012.

07.09.2012

234 Schreiben vom Bundesministerium der Verteidigung an MdB Strö-

bele - hier: Antwort auf die schriftliche Frage vom 24. August 2012,

vom 31. August 2012.

11.09.2012

235 Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Vorhal-

tungen hinsichtlich der Zusammenarbeit des MAD mit dem 2.

Untersuchungsausschuss 17.WP - Stellungnahme, vom 12. Septem-

ber 2012.

12.09.2012

236 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Staatssekretär

Klaus-Dieter Fritsche als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-38

237 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-

rigent Hans-Georg Engelke als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-39

238 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Vizepräsident

Jürgen Maurer als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-40

239 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-

rigent Waldemar Kindler als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-41

240 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbes. zum Komplex "2000 bis 2007 -

Mordserie und weitere Straftaten, intensive Ermittlungen" gemäß

Ausschussbeschluss vom 01.03.2012 zur Gliederung des Untersu-

chungsgegenstands, durch Vernehmung von Herrn EKHK Ernst

Setzer als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-42

241 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) vorbereitet durch das Ersuchen um Benen-

nung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiter

des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die laut Lagedokumentati-

on des Lagezentrums der Polizei Nordrhein-Westfalen (MAT A

NW-6l, Bl. 1 ff., Bl. 7) am 09.06.2004, dem Tag des Sprengstoffan-

schlags in der Keupstraße in Köln, um 19.53 Uhr im Lagezentrum

angerufen und um Herstellung eines Kontakts mit der Verfassungs-

schutzabteilung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-

Westfalen gebeten haben nach § 18 Abs. 1 PUAG durch das Bun-

desamt für Verfassungsschutz.

12.09.2012 13.09.2012 BfV-14

242 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident a. D.

Karl-Heinz Brüsselbach als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-43

243 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ulrich Birken-

heier als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-44

244 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-

rigent Dr. Christof Gramm als Zeuge.

12.09.2012 13.09.2012 Z-45

245 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung

1. sämtlicher Unterlagen, die im Geschäftsbereich des BMVg ent-

standen oder in Gewahrsam genommen worden sind und sich auf die

Wehrdienstzeit des Uwe Mundlos beziehen, insbesondere zu Kon-

takten des MAD zu Uwe Mundlos und sonstigen Erkenntnissen über

Auffälligkeiten während seines Wehrdienstes, sowie

2. alle Vorgänge, die sich auf den Umgang mit diesen Erkenntnissen

im BMVg, seinem Geschäftsbereich sowie innerhalb der Bundesre-

gierung beziehen gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

der Verteidigung.

12.09.2012 13.09.2012 BMVg-

6

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1109 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

246 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung

1. sämtlicher Unterlagen, die im Organisationsbereich des MAD

entstanden sind und sich auf die Wehrdienstzeit des Uwe Mundlos

beziehen, insbesondere zu Kontakten des MAD zu Uwe Mundlos

und sonstigen Erkenntnissen über Auffälligkeiten während seines

Wehrdienstes, sowie

2. alle Vorgänge, die den Umgang mit diesen Erkenntnissen im

Organisationsbereich des MAD betreffen, insbesondere zur Kom-

munikation mit dem BMVg, anderen Bundesbehörden sowie Lan-

desbehörden, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der

Verteidigung.

12.09.2012 13.09.2012 MAD-5

247 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) vorbereitet durch das Ersuchen um Benen-

nung

1. der Personen, die im März 1995 im Organisationsbereich des

Militärischen Abschirmdienstes den Wehrdienstleistenden Uwe

Mundlos befragt haben,

2. der Personen, die ab dem 8. März 2012 im Organisationsbereich

des Militärischen Abschirmdienstes von dem vom Sächsischen Lan-

desamt für Verfassungsschutz übersandten Schreiben des Amts für

den Militärischen Abschirmdienst vom 27. Juni 1995 Kenntnis er-

langt haben sowie,

3. der Personen, die ab dem 12. März 2012 im Bundesministerium

der Verteidigung von dem Umstand Kenntnis erlangt haben, dass

Uwe Mundlos im Jahr 1995 vom Militärischen Abschirmdienst

befragt wurde, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

der Verteidigung.

12.09.2012 13.09.2012 MAD-6

248 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Ak-

ten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die zu dem Verfahren

zum am 21.09.2011 erfolgten Verbot der sogenannten "Hilfsor-

ganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehöri-

ge" im Organisationsbereich des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz vorhanden sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-

terium des Innern.

12.09.2012 13.09.2012 BMI-10

249 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Ak-

ten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die zu dem Verfahren

zum am 21.09.2011 erfolgten Verbot der sogenannten "Hilfsor-

ganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehöri-

ge" im Organisationsbereich des Bundesministeriums des Innern

vorhanden sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

des Innern.

12.09.2012 13.09.2012 BMI-11

250 Ausarbeitung aus dem Wissenschaftlichen Dienst (WD 3) - "Be-

weisbewertung durch den Untersuchungsausschuss - Besteht ein

Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf durch rechtmäßige Ein-

griffe in das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis erlangte Er-

kenntnisse?", vom 6. September 2013.

12.09.2012

251 Schreiben der Obfrau der SPD-Fraktion, MdB Dr. Högl, an den

Vertreter des Generalbundesanwalts im Ausschuss zu der unterblie-

benen Weitergabe von Informationen an den Ausschuss über den

Einsatz von T. S. als Vertrauensperson des LKA Berlin, vom

18. September 2013.

18.09.2012

252 Schreiben des Generalbundesanwalts an Frau Högl, MdB, betreffend

die Anfrage vom 18. September 2012 (A-Drs.251), vom

19.September 2012.

19.09.2012
Drucksache 17/14600 – 1110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

253 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau Margarete Kop-

pers als Zeugin.

21.09.2012

254 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Frank Henkel

als Zeuge.

21.09.2012

255 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Rainer

Griesbaum als Zeuge.

21.09.2012

256 Schreiben der Obfrau der SPD-Fraktion, MdB Dr. Högl, an den

Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, zu der

verspäteten und nicht vollständigen Übergabe der Personalakte

Mundlos, vom 21. September 2012.

21.09.2012

257 Schreiben des Obmann der Fraktion B90/GRÜNE, MdB Wieland,

an das Thüringer Innenministerium, m. d. B. die Aktenlieferung zu

den V-Leuten an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages

zu senden, vom 21. September 2012.

21.09.2012

258 Bericht des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes,

Herr Dr. Maaßen, zum relevanten Aktenaufkommen im Bundesamt

für Verfassungsschutz im Sinne des Untersuchungsauftrages, vom

24. September 2013.

25.09.2012

259 Der Untersuchungsausschuss bittet die Länder Brandenburg … zu
den sämtlich am 05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den

Nummern BB-3 …um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis
zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 BB-4

259 Der UA bittet die Länder … Bremen …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern … HB-
2 …um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 HB-3

259 Der UA bittet die Länder … Mecklenburg-Vorpommern …zu den
sämtlich am 05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den

Nummern MV-6 …um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis
zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 MV-7

259 Der UA bittet die Länder … Rheinland-Pfalz …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern RP-2

…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 RP-3

259 Der UA bittet die Länder … Saarland …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern SL-2

…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 SL-3

259 Der UA bittet die Länder … Sachsen …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern SN-10

…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 SN-11

259 Der UA bittet die Länder … Schleswig-Holstein zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüssen mit den Nummern … SH-2
…um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis zum 10.10.2012.

26.09.2012 27.09.2012 SH-3

260 Es wird - aufbauend auf den Angaben zu Beweisbeschluss BE-2 und

zur Klarstellung und Ergänzung von Beweisbeschluss BE-1 - Be-

weis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (Drucksache

17/84/53), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Da-

teien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger säch-

licher Beweismittel die in der Senatsverwaltung für Inneres und

Sport des Landes Berlin und der Senatsverwaltung für Justiz des

Landes Berlin und in allen nachgeordneten Behörden der genannten

Senatsverwaltung vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungszeitraum betreffen, also Informationen enthal-

ten über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011, und

soweit sie

2. im Rahmen des Untersuchungsgegenstands die folgenden Fragen

betreffen:

26.09.2012 27.09.2012 BE-3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1111 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

- Einsätze operativer nachrichtendienstlicher Mittel oder verdeckter

polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer

der Personen, die vom GBA im aktuellen Ermittlungsverfahren zu

den Tagen der Terrorgruppe NSU als Beschuldigte geführt werden

(soweit noch nicht vorgelegt)

- Erkenntnisse zu der Person, die vom BKA in der Antwort auf Be-

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben) und zu der einer Behörde des Landes Berlin im

Untersuchungszeitraum bekannt wurde, dass sie Informationen zu

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe haben

- Umgang mit Informationen betreffend den Untersuchungszeitraum

auch in der Zeit nach dem 08.11.2011 im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG m. d.

B. um möglichst baldige Vorlage, spätestens bis 10.10.2012 über die

Senatskanzlei des Landes Berlin bei den zuständigen obersten Lan-

desbehörden.

261 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Vernehmung von Herrn Kapitän zur

See Olaf Christmann als Zeuge.

26.09.2012 27.09.2012 Z-46

262 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem

Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Bun-

desamtes für Verfassungsschutz vorliegen, soweit sie den Untersu-

chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) betreffen und dem

Untersuchungsausschuss noch nicht übermittelt sind, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.

27.09.2012 28.09.2012 BfV-15

263 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Ermittlungsverfahren mit

dem Az. 2 BJs 12/92-2, das von der Bundesanwaltschaft bereits im

Jahr 1992 mit Bezug auf die Gründung bzw. die Absicht, einen deut-

schen Ableger der White Knights of the Ku-Klux-Klan zu gründen,

wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, § 129a StGB ge-

führt wurde, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der

Justiz.

27.09.2012 28.09.2012 GBA-10

264 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel die im Organisationsbereich des

BKA vorliegen, und dem UA noch nicht übermittelt sind, und ent-

weder

- das Ermittlungsverfahren mit dem Az. 2 BJs 12/92-2 betreffen, das

von der Bundesanwaltschaft bereits im Jahr 1992 mit Bezug auf die

Gründung bzw. die Absicht, einen deutschen Ableger der White

Knights of the Ku-Klux-Klan zu gründen, wegen Bildung einer

terroristischen Vereinigung, § 129a StGB geführt wurde oder

- Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis

31.12.2004 gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

27.09.2012 28.09.2012 BKA-4

265 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem

Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Lande-

samtes für Verfassungsschutz des Landes Baden-Württemberg und

des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg als der für

27.09.2012 28.09.2012 BW-10

Drucksache 17/14600 – 1112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde

vorliegen, und sie dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermit-

telt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis

zum 31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-

tauscht werden können, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

266 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem

Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Lande-

samtes für Verfassungsschutz des Landes Brandenburg und des

Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg als der für den

Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorlie-

gen, und sie dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermittelt

sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis

zum 31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-

tauscht werden können im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehör-

de.

27.09.2012 28.09.2012 BB-5

267 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem

Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des Lande-

samts für Verfassungsschutzes des Freistaats Sachsen und des In-

nenministeriums des Freistaats Sachsen als der für den Verfassungs-

schutz verantwortlichen obersten Landesbehörde vorliegen, und sie

dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermittelt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis

zum 31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-

tauscht werden können im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Freistaats Sachsen bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

27.09.2012 28.09.2012 SN-12

268 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel mit sachlichem oder personellem

Bezug zum Ku-Klux-Klan, die im Organisationsbereich des LfV des

Freistaats Thüringen und des IM des Freistaats Thüringen als der für

den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten Landesbehörde

vorliegen, und sie dem Untersuchungsausschuss noch nicht übermit-

telt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den Zeitraum vom 01.01.1997 bis

zum 31.12.2004, und soweit sie

27.09.2012 28.09.2012 TH-11

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1113 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

2. die Zusammenarbeit und den Erkenntnisaustausch von Bund und

Ländern betreffen, also Informationen enthalten, die mit Stellen des

Bundes ausgetauscht wurden oder aus heutiger Sicht hätten ausge-

tauscht werden können im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem.

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Freistaats Thüringen bei der zuständigen obersten Landesbehör-

de.

269 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 8. und 9. Oktober

2012.

04.10.2012

270 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Fundstellen zu Ermittlungen gegen die

Brüder Yildirim, vom 4. Oktober 2012.

04.10.2012

271 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Eingabe einer Person, die bei BAO Bos-

porus gearbeitet haben will, vom 2. Oktober 2012.

04.10.2012

272 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat des

2. Untersuchungsausschusses, hier: Bitte um Einvernahme des Zeu-

gen zu den Berichtsinhalten in nichtöffentlicher, geheim eingestufter

Sitzung vorzunehmen, vom 11. Oktober 2012.

11.10.2012

273 Schreiben des Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenmi-

nister und -senatoren der Länder, Herrn Caffier, an den Vorsitzen-

den; hier: "Übersendung von Akten durch das Innenministerium des

Freistaates Thüringen, hier: Weiteres Verfahren"; vom 11. Oktober

2012.

12.10.2012

274 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags (Drucksache 17/8453) durch Beiziehung

1) sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem

Bundesamt für Verfassungsschutz oder dem Bundesministeriums

des Innern, die den Untersuchungsgegenstand betreffen und Aus-

kunft geben können über Verlauf und Ergebnisse einer möglichen

Kooperation des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im

Untersuchungszeitraum mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer

Thomas R., insbes. alle vorgenannten Unterlagen, aus denen sich

Hinweise des Thomas R. oder dahingehender Fragen des BfV zu

Aufenthaltsort und/oder Kontakten der untergetauchten NSU-

Mitglieder ergeben könnten, und

2) die diesbezügliche V-Person-Zahlakte des Bundesamtes für Ver-

fassungsschutz, soweit diese Unterlagen nicht durch bereits zuvor

gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt worden sind

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.

15.10.2012 18.10.2012 BfV-16

275 Es wird Beweis erhoben zu den Abschnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags (Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Bundesamt für

Verfassungsschutz oder dem Bundesministerium des Innern die den

Untersuchungsgegenstand betreffen und Auskunft geben können

über Verlauf und Ergebnisse der vom Bundesamt für Verfassungs-

schutz (BfV) oder unter dessen Mitwirkung im Untersuchungszeit-

raum durchgeführten G10-Maßnahmen, welche sich gegen die mut-

maßlichen NSU-Unterstützer Thomas S. (den späteren V-Mann des

Berliner LKA) und/oder Jan W. richteten und aus denen sich Hin-

weise zu Aufenthaltsort und/oder Kontakten der untergetauchten

NSU-Mitglieder ergeben konnten, soweit diese Unterlagen nicht

durch bereits zuvor gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und

übermittelt worden sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium des Innern.

15.10.2012 18.10.2012 BfV-17

276 Schreiben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die

Informationsfreiheit an den Vorsitzenden, hier: Stellungnahme ge-

16.10.2012

Drucksache 17/14600 – 1114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

genüber Herrn Staatssekretär Fritsche (BMI), vom 16. Oktober

2012.

277 Schreiben des Ermittlungsbeauftragen Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Bitte an den GBA um Übersendung von

Aktenteilen zu GBA-4, vom 17. Oktober 2012.

17.10.2012

278 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesanwalt

Dr. Hans-Jürgen Förster als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 Z-48

279 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Staatssekretär

a. D. August Hanning als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 Z-49

280 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Landesminis-

ter a. D. Fritz Behrens als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 Z-50

281 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesminis-

ter Dr. Wolfgang Schäuble als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 Z-51

282 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Oberstaatsan-

walt beim Bundesgerichtshof Christian Ritscher als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 Z-52

283 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Vorsitzenden

Richter am Bundesgerichtshof a. D. Gerhard Schäfer als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 A-2

284 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesanwalt

beim Bundesgerichtshof a. D. Volkhard Wache als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 A-3

285 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Ministerialdi-

rigent a. D. Gerhard Meiborg als Zeuge.

17.10.2012 18.10.2012 A-4

286 Schreiben des Ermittlungsbeauftragen Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersichten über die vom Ermittlungsbe-

auftragten bis dahin benannten Dokumente und Übersicht über aktu-

alisierte Auswertung der direkt an den Untersuchungsausschuss

übersandten Akten, vom 18. Oktober 2012.

18.10.2012

287 Schreiben des Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenmi-

nister und -senatoren der Länder, Lorenz Caffier, an den Vorsitzen-

den, hier: Übersendung der Akten durch das Innenministerium Thü-

ringen, vom 19. Oktober 2012

19.10.2012

288 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden; hier: Beantwortung der Fragen zu A-Drs. 277

innerhalb der Obleuterunde vom 17.10.2012, vom 22. Oktober 2012.

22.10.2012

289 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Bundesamt für Verfas-

sungsschutz und dem Bundesministerium des Innern, die den Unter-

suchungsgegenstand betreffen und Auskunft geben können über

Carsten S., der früher in Brandenburg als "Grand Dragon" der "Whi-

te Knights of the Ku-Klux-Klan" fungierte und/oder Achim S., der

als Gründer der "European White Knights of the Ku-Klux-Klan" in

Deutschland gilt, soweit diese Unterlagen nicht bereits durch zuvor

gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt worden sind,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.

24.10.2012 25.10.2012 BMI-12

290 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Landesamt für Verfas-

sungsschutz Baden-Württemberg und dem Innenministerium des

24.10.2012 25.10.2012 BW-11

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1115 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Landes Baden-Württemberg, die den Untersuchungsgegenstand

betreffen und Auskunft geben können über Achim S., der als Grün-

der der "European White Knights of the Ku-Klux-Klan" in Deutsch-

land gilt soweit diese Unterlagen nicht bereits durch zuvor gefasste

Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt worden sind, im We-

ge des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Baden-

Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

291 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherte Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Landesamt für Verfas-

sungsschutz des Landes Brandenburg und des Innenministeriums

des Landes Brandenburg als der für den Verfassungsschutz verant-

wortlichen obersten Landesbehörde, die den Untersuchungsgegen-

stand betreffen und Auskunft geben können über Carsten S., der in

Brandenburg früher als "Grand Dragon" der "White Knights of the

Ku-Klux-Klan" fungierte soweit diese Unterlagen nicht bereits durch

zuvor gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt wor-

den sind, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes

Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

24.10.2012 25.10.2012 BB-6

292 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von "Hinweisakten" zur

Sitzung am 8. November 2012 - GBA-4, vom 30. Oktober 2012.

30.10.2012

293 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen: Im Beweisbe-

schluss BB-5 wird unter Ziffer 1. das Datum "01.01.1997 durch das

Datum "01.01.1992" ersetzt.

05.11.2012 08.11.2012 BB-

5neu

294 Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um

Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-

chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-

chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des

Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des

Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-

be wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

- Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des LfV (mit Bezeichnung der jeweiligen Dienst-

stellung)

- Leiter Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonderkommissionen,

die zu Straftaten ermittelt haben, die Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt

oder Uwe Mundlos entweder einzeln oder als "Terrorgruppe NSU"

zugeordnet werden

- für die genannten Ermittlungen jeweils zuständiger Generalstaats-

anwalt

- für die genannten Ermittlungen jeweils sachleitend zuständiger

Staatsanwalt

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Thüringer Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

05.11.2012 08.11.2012 TH-12

295ne

u

Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um

Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-

chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-

chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des

05.11.2012 08.11.2012 BE-4
Drucksache 17/14600 – 1116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des

Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-

be wahrgenommen haben):

- Leitung der Abteilung für Verfassungsschutz

- Stellvertretung der Leitung der Abteilung für Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jeweiligen Dienststellung)

- Präsident oder Leiter des Landeskriminalamtes

- Leiter der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Dienst-

stelle im Landeskriminalamt (mit Bezeichnung der jeweiligen

Dienststellung)

- Leiter der Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonder-

kommissionen, die an Ermittlungen zum Aufenthalt der mit Haftbe-

fehl gesuchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos beteiligt waren

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Berlin bei

der zuständigen obersten Landesbehörde.

296 Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um

Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-

chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-

chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des

Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des

Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-

be wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

- Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jeweiligen Dienststellung)

- Präsident oder Leiter des Landeskriminalamts

- Leiter der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Dienst-

stelle im Landeskriminalamt (mit Bezeichnung der jeweiligen

Dienststellung)

- Leiter der Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonder-

kommissionen, die an Ermittlungen zum Aufenthalt der mit Haftbe-

fehl gesuchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos beteiligt waren

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Branden-

burg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

05.11.2012 08.11.2012 BB-7

297 Es wird die Beweiserhebung zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vorbereitet durch das Ersuchen um

Benennung der Personen, die mit den folgenden für den Untersu-

chungsgegenstand wichtigen Ämtern oder Aufgaben im Untersu-

chungszeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in Teilen des

Untersuchungszeitraums betraut waren (jeweils mit Angaben des

Beginns und des Endes der Zeit, in der sie das Amt oder die Aufga-

be wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

- Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz (mit Be-

zeichnung der jeweiligen Dienststellung)

- Präsident oder Leiter des Landeskriminalamts

- Leiter der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Dienst-

stelle im Landeskriminalamt (mit Bezeichnung der jeweiligen

05.11.2012 08.11.2012 ST-3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1117 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Dienststellung)

- Leiter der Kriminalpolizeidienststelle(n) oder Sonder-

kommissionen, die an Ermittlungen zum Aufenthalt der mit Haftbe-

fehl gesuchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos beteiligt waren

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V.

m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Sachsen-

Anhalt bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

298 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem BfV oder dem BMI, die

den Untersuchungsgegenstand betreffen und Auskunft geben können

- über den in der Presse (Berliner Zeitung, 02.07.2012, "Italiener

gaben Hinweise auf NSU") geschilderten angeblichen Schriftverkehr

zwischen dem italienischen Inlandsgeheimdienst AISI und dem BfV

aus dem Jahr 2003 mit Hinweisen auf die Existenz eines auch in

Deutschland präsenten Netzwerkes militanter europäischer Neonazis

oder über entsprechende Hinweise aus Italien zu anderen Zeitpunk-

ten,

- über die gegebenenfalls erfolgte Bewertung dieses Hinweises und

die hierauf ergriffenen Maßnahmen,

- über - soweit es solche gab - entsprechende Hinweise während des

Untersuchungszeitraums vom 01.01.1992 bis zum 08.11.2011 aus

den Ländern Schweiz, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien,

Niederlande, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Tschechische

Republik, Polen, Ungarn, Serbien, Montenegro, Kroatien, Slowe-

nien, Bulgarien und Griechenland, deren Bewertung und die hierauf

ergriffenen Maßnahmen, soweit diese Unterlagen, nicht bereits

durch zuvor gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen und übermittelt

worden sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

05.11.2012 08.11.2012 BMI-13

299

neu

Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Anforderung v. Akten beim BKA in

Meckenheim - GBA-4, vom 7. November 2012.

07.11.2012

300 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Anforderung von Akten beim BKA -

BKA-2 i. V. m. BMI-1/3, vom 7. November 2012.

07.11.2012

301 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 12. und 13. Novem-

ber 2012

302 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen, die im Geschäftsbe-

reich des Bundesministeriums der Verteidigung entstanden oder in

Gewahrsam genommen worden sind und sich auf die Wehrdienstzeit

der in MAT A BMI-7/1 genannten Personen beziehen, insbes. Un-

terlagen des MAD, Personalakten sowie Unterlagen über Diszipli-

narverfahren, soweit diese nicht bereits an den Ausschuss übermit-

telt worden sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

der Verteidigung.

07.11.2012 08.11.2012 BMVg-

7

303 Es wird ergänzend zu den bereits übersandten Unterlagen (MAT B

BY-2) Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel mit Bezug zur Quelle K. D., die

im Organisationsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz des

Freistaates Bayern und des Ministeriums des Innern des Freistaates

Bayern als der für den Verfassungsschutz verantwortlichen obersten

Landesbehörde vorliegen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die bayeri-

sche Staatskanzlei bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

07.11.2012 08.11.2012 BY-12
Drucksache 17/14600 – 1118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

304 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Erlasse und

Anordnungen des Bundesministeriums des Innern, die laut Darstel-

lung in dem Bericht des "Sonderbeauftragten des Bundesministers

des Innern zur Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundesamt

für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der "Operation Renn-

steig sowie weiterer Aktenvernichtungen nach dem 4. November

2011" den Löschungen personenbezogener Daten bzw. Vernichtun-

gen von Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem

Phänomenbereich Rechtsextremismus nach dem 4.11.2011 zugrunde

lagen, insbes. des in Form einer Sammelanordnung ergangenen

Vernichtungserlasses des Referates "ÖS III 3" des Bundesministeri-

ums des Innern vom 14.11.2011 (Der STERN, Ausgabe 38/2011, S.

49), jeweils im Wortlaut, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium des Innern.

07.11.2012 08.11.2012 BMI-14

305 Der Untersuchungsausschuss bittet den Bundesminister des Innern,

zu dem Ausschuss übermittelten Bericht des MDgt Engelke eine

Ergänzung zu elf Fragstellungen erstellen zu lassen.

07.11.2012 08.11.2012

306 Entwurf des Ermittlungsauftrages für die Ermittlungsbeauftragten

Dr. Schäfer, Herrn Wache und Herrn Hebenstreit.

07.11.2012 08.11.2012

307 Erweiterung des Ermittlungsauftrages für den Ermitt-

lungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg.

07.11.2012 08.11.2012

308 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu GBA-4 vom

BKA, vom 7. November 2012.

09.11.2012

309 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu SN-7 vom

Sächsischen Ministerium des Innern, vom 14. November 2012

14.11.2012

310 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Informationen zu Ringfahndungen (vgl.

A-Drs. 288), vom 16. November 2012.

16.11.2012

311 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu GBA-4 vom

GBA, vom 16. November 2012.

16.11.2012

312 Schreiben der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra

Pau, an den Vorsitzenden, hier: "Operation Rennsteig" - Vernich-

tung von Akten im November 2011; hier: Schriftsatz des BMI vom

15.11.2012, AZ PG NSU 611 104-5/11, ZU MAT B BfV-2/6, vom

20. November 2011.

20.11.2012

313 E-Mail des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Infor-

mationsfreiheit an das Sekretariat, hier: Bitte um Übersendung von

stenografischen Protokollen der Vernehmung von Herrn Fritsche

und Herrn Engelke, vom 20. November 2012.

20.11.2012

314 Schreiben des Bundeskriminalamtes an den Vorsitzenden, mit der

Bitte um Freigabe des Stenografischen Protokolls über die Verneh-

mung des Zeugen Ziercke (21. Sitzung) für eine rechtliche Ausei-

nandersetzung mit der Journalistin Mely Kiyak, vom 02.11.2012.

09.11.2012

315 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu SN-7, vom

21. November 2012.

21.11.2012

316 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu MAT B TH-

3, vom 21. November 2012.

21.11.2012

317 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übersendung von Akten zu BKA-2, vom

22. November 2012.

21.11.2012

318 Anfrage Phoenix, betreffend: Übertragung der Vernehmung von BM

Schäuble im Fernsehen, vom 21. November 2012

28.11.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1119 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

319 Der 2. Untersuchungsausschuss möge beschließen: Im Beweisbe-

schluss BB-7 wird wie folgt geändert und ergänzt:

1. Die ersten drei Spiegelstriche erhalten folgende Fassung:

- Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz

- Ständiger Stellvertreter des Leiters der Abteilung für Verfassungs-

schutz

- Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisations-

einheit in der Abteilung für Verfassungsschutz.

2. Der BB wird um folgenden Absatz ergänzt:

"Name des Mitarbeiters, der im Herbst 1998 die im Schäfer-Bericht

geschilderte Abwägungsentscheidung zwischen dem Quellenschutz

für einen V-Mann und der Aufbereitung von Informationen über den

Aufenthaltsort der gesuchten drei Sprengstofftäter aus Thüringen tat-

sächlich getroffen hat.

28.11.2012 29.11.2012 BB-

7neu

320 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

vorrangige Beiziehung bis zum 10. Dezember 2012

1. des Schriftverkehrs zwischen dem Generalbundesanwalt und dem

Federal Bureau of Investigation (FBI) zu der Frage, ob möglicher-

weise zwei Mitarbeiter des FBI Zeugen des Mordes an Michèle

Kiesewetter wurden, und

2. der in dem Artikel des Magazins der Spiegel, "162 Seiten Hass",

vom 15. Oktober 2012 erwähnten Briefe von oder an Uwe Mundlos

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz.

29.11.2012 GBA-11

321 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 03. und 04. Dezem-

ber 2012.

29.11.2012

322 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Erinnerung an die Aktenlieferung zu

GBA-4, vom 29. November 2012.

29.11.2012

323 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Bitte um Aktenvorlage zu BfV-4, vom

10. Dezember 2012.

10.12.2012

324 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Entwurf eines Beweisbeschlusses mit der

Bitte, ihn zu beschließen, vom 10. Dezember 2012.

10.12.2012 13.12.2012 BY-14

325 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz als

Zeuge. Auf die Verpflichtung zu angemessener Vorbereitung auf die

Aussage wird hingewiesen. Das Thüringer Ministerium der Justiz

wird gebeten, die Akteneinsicht zu unterstützen.

12.12.2012 13.12.2012 Z-54

326 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn KHM Mario Melzer als Zeuge.

12.12.2012 13.12.2012 Z-55

327 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Vizepräsident des LfV Thüringen a. D.

Peter Jörg Nocken als Zeuge.

12.12.2012 13.12.2012 Z-56

328 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Oberstaatsanwalt Ralf Mohrmann als Zeu-

ge.

12.12.2012 13.12.2012 Z-57

329 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Präsident des LKA Thüringen a. D. Egon

Luthardt als Zeuge.

12.12.2012 13.12.2012 Z-58

330 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Präsident des LfV Thüringen a. D. Thomas

Sippel als Zeuge.

12.12.2012 13.12.2012 Z-59

331 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Vernehmung von Herrn Sven Wunderlich als Zeuge.

12.12.2012 13.12.2012 Z-60

332 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung

- einer vollständigen Kopie der auf den 04.02.2009 datierten, mit der

12.12.2012 13.12.2012 GBA-12

Drucksache 17/14600 – 1120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.: 160004/05 3 Kassetten Dik-

tiergerät Sichergestellt am 30.10.2007" versehenen Mp3-CD, auf der

sich eine Wiedergabe der aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses

des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 08.07.2007 (Az. 6199 Js

214018/05 - 931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen

geführten Verfahren gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js 53508/08)

am 30.10.2007 sichergestellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4 erfassten

drei Tonbandkassetten, die im Rahmen dieser Hausdurchsuchung

bei T. Heise sichergestellt wurden und auf denen laut einem von

„TB Molling" erstellten, als Anlage 2 eines Vermerks vom
04.05.2009 (ST 140005/08) erfassten zusammenfassenden Protokoll

unter anderem die Namen „Beate SCHÄFER (phon.) oder
SCHÄDLER (phon.)", „Uwe (oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und
„Udo BÖHMER (phon.)" versehen mit dem Hinweis, die „letztge-
nannten seien verschwunden", erwähnt werden (vgl.

MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-117), befindet sowie,

- sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die da-

rüber hinaus zu dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 bei dem Generalbun-

desanwalt existieren, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministe-

rium der Justiz.

333 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag durch

Beiziehung

- einer vollständigen Kopie der auf den 04.02.2009 datierten, mit der

Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.: 160004/05 3 Kassetten Dik-

tiergerät Sichergestellt am 30.10.2007" versehenen Mp3-CD, auf der

sich eine Wiedergabe der aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses

des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 08.07.2007 (Az. 6199 Js

214018/05 - 931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen

geführten Verfahren gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js

53508/08) am 30.10.2007 sichergestellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4

erfassten drei Tonbandkassetten, die im Rahmen dieser Hausdurch-

suchung bei T. Heise sichergestellt wurden und auf denen laut einem

von „TB Molling" erstellten, als Anlage 2 eines Vermerks vom
04.05.2009 (ST 140005/08) erfassten zusammenfassenden Protokoll

unter anderem die Namen „Beate SCHÄFER (phon.) oder
SCHADLER (phon.)", „Uwe (oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und
„Udo BÖHMER (phon.)" versehen mit dem Hinweis, die „letztge-
nannten seien verschwunden", erwähnt werden (vgl.

MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-117), befindet sowie

- sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die da-

rüber hinaus zu dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 beim BKA existieren,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern.

12.12.2012 13.12.2012 BKA-5

334 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch vorrangige Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesnach-

richtendienst vorhanden sind zu Erkenntnissen über Sachzusam-

menhänge, Organisationsstrukturen und Personen auf dem Gebiet

der internationalen Zusammenarbeit und internationaler Kontakte im

Bereich Rechtsextremismus, soweit diese nicht bereits an den Aus-

schuss übermittelt worden sind, gem. § 18 Abs. PUAG beim Bun-

deskanzleramt.

12.12.2012 13.12.2012 BND-5

335 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Bundestagsdrucksache Drucksache 17/8453), durch

das Ersuchen um Benennung der Personen, die Carsten Szcepanski

("Piato"/"Piatto") im Zeitraum seiner Tätigkeit für den Brandenbur-

ger Verfassungsschutz ganz bzw. zeit- oder vertretungsweise als

12.12.2012 13.12.2012 BB-8

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1121 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Vertrauensperson geführt haben, im Wege der Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde.

336 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Bundestagsdrucksache Drucksache 17/8453), durch

das Ersuchen um Benennung aller Personen, die den in Pressebe-

richten als solchen bezeichneten V-Mann des BfV "Corelli" ggf. im

Zeitraum seiner Tätigkeit für das Bundesamt für Verfassungsschutz

ganz bzw. zeit- oder vertretungsweise als Vertrauensperson geführt

haben, gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch das Bundesministerium des

Innern.

12.12.2012 13.12.2012 BfV-18

337 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453), durch das Ersuchen um Be-

nennung der Person, die angeblich der Anweisung zur am

11.11.2011 erfolgten Vernichtung von Akten zur Operation Renn-

steig im BfV zunächst widersprochen haben soll gem. § 18 Abs. 1

PUAG durch das Bundesministerium des Innern.

12.12.2012 13.12.2012 BfV-19

338 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übermittlung von Akten aus dem Land

Berlin, vom 19. Dezember 2012.

19.12.2012

339 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übermittlung von Akten zu GBA-4, vom

14.01.2013.

14.01.2013

340 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Übermittlung von Akten zu BKA-2, vom

14.01.2013.

14.01.2013

341 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Dr. Schäfer an Vorsitzenden,

hier: Hinweis auf Fundstellen in Tgb-Nr. 75/12 Geheim, vom 15.

Januar 2013.

15.01.2013

342 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung der vom Generalbundes-

anwalt am 8. November 2012 im Verfahren gegen Beate Zschäpe

und andere beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München

eingereichten Anklageschrift einschließlich einer Übersicht über die

Beweismittel gem. §18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art. 44

Abs. 3 GG beim Vorsitzenden des 6. Strafsenats des Oberlandesge-

richts München.

16.01.2013 17.01.2013 BY-15

343 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung eines Gutachtens - um

dessen Erstellung der Ausschuss ersucht - das,

- wie vom Beauftragten des Bundesministeriums des Innern zur

Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundesamt für Verfassungs-

schutz in seinem auf Bitte des Ausschusses gefertigten ergänzenden

Bericht vorgeschlagen,

- auf der Grundlage auch von technischen Maßnahmen, die nur in

Fremdvergabe durchführbar sind,

- alle noch rekonstruierbaren Daten heranzieht, um die Hintergründe

der Aktenvernichtung und die der Anweisung zur Aktenvernichtung

vorangegangenen Telekommunikationskontakte der mit der Akten-

vernichtung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV

weiter aufzuklären,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministeriums des Innern.

16.01.2013 17.01.2013 BMI-15

344 Der 2. UA möge beschließen: Der an Herrn Prof. Dr. von

Heintschel-Heinegg erteilte Ermittlungsauftrag wird erweitert auf

die zu Beweisbeschluss BB-3 vom Land Brandenburg übermittelten

Unterlagen und Daten.

16.01.2013 17.01.2013

345 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Dr. Schäfer an Vorsitzenden,

hier: Hinweis auf Verfasser des Aktenvermerks MAT A TH-3/5,

vom 17. Januar 2013.

17.01.2013

Drucksache 17/14600 – 1122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

346 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-

Heinegg an den Vorsitzenden, hier: Bitte um weitere Aktenlieferung

vom Generalbundesanwalt zu GBA-4, vom 16. Januar 2013.

21.01.2013

347 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-

Heinegg an den Vorsitzenden, hier: Bitte um weitere Aktenlieferung

vom Generalbundesanwalt zu GBA-4, 29. Januar 2013.

29.01.2013

348 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-

Heinegg an den Vorsitzenden , hier: Information zu MAT A SN-1/2,

vom 30. Januar 2013.

30.01.2013

349 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17(8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger Beweismittel zur Person Carsten S. alias "Piato"/"Piatto",

welche im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz des Landes

Brandenburg vorhanden sind, insb. aus dem Ermittlungsverfahren

sowie im Zusammenhang mit der Anordnung und Durchführung von

Strafvollzugsmaßnahmen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staats-

kanzlei des Landes Brandenburg bei den betreffenden Landesbehör-

den.

30.01.2013 31.01.2013 BB-9

350 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Ersuchen um Benennung der beiden

mutmaßlichen Zivilpolizisten mit Schulterholster, die sich laut der

Erklärung des Herrn Ali Demir vom 14.11.2012 (MAT_B_G-1) am

09. Juni 2004 während des Sprengstoffanschlags in der Keupstr. in

Köln bzw. unmittelbar danach auf Höhe der Hausnr. 37, mithin in

nächster Nähe des Anschlagortes, aufgehalten haben sollen (vgl.

dazu auch das Protokoll der Zeugenvernehmung Behrens, 41. Sit-

zung, 22.11.2012, S. 39 f.), im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG möglichst bis zum 12.02.2013

über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zu-

ständigen Landesbehörde.

30.01.2013 31.01.2013 NW-11

351 Es wird zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages (Drucksache

17/8453) Beweis erhoben zu den Themen

- Zusammenarbeit des LfV TH mit anderen Sicherheitsbehörden in

Verfahren wegen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe

- Bedeutung von V-Personen

durch Vernehmung von Herrn LfV-Präsidenten a. D. Dr. Helmut

Roewer als Zeuge.

30.01.2013 31.01.2013 Z-62

352 Es wird zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages (Drucksache

17/8453) Beweis erhoben zu den Themen

- Zusammenarbeit des LfV TH mit anderen Sicherheitsbehörden in

Verfahren wegen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe

- Bedeutung von V-Personen

durch Vernehmung von Herrn Friedrich Karl Schrader als Zeuge.

30.01.2013 31.01.2013 Z-63

353 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK Michael

Brümmendorf als Zeuge.

30.01.2013 31.01.2013 Z-64

354 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau KHK'in Chris-

tiane Beischer-Sacher als Zeugin.

30.01.2013 31.01.2013 Z-65

355 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn N. W.als Zeu-

ge.

30.01.2013 31.01.2013 Z-66

356 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn R. B. als Zeu-

ge.

30.01.2013 31.01.2013 Z-67

357 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn R. G. als Zeu-

30.01.2013 31.01.2013 Z-68
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1123 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

ge.

358 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn D. B. als Zeu-

ge.

30.01.2013 31.01.2013 Z-69

359 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau N. als Zeugin.

30.01.2013 31.01.2013 Z-70

360 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn EKHK Jürgen

Dressler als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 Z-71

361 Schriftliche Fragen im Anschluss an die Sitzung zur Anhörung am

31.01.2013 - Befragung OStA Mohrmann.

31.01.2013 31.01.2012 Z-57/1

362 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden , hier: Information zu BfV-4 und BfV-5 (Tgb-

Nr. 75/13 VS-Vertraulich), vom 19. Februar 2013.

19.02.2013

363 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Benennung - ergän-

zend zu den mit MAT A SN-6/3 bereits übergebenen Unterlagen -

der Person, die in der Zeit nach dem Untertauchen von Böhnhardt,

Mundlos und Zschäpe die Einheit/Dienststelle "Mobiles Einsatz-

kommando" bei der Polizeidirektion Chemnitz geleitet hat bzw. für

die folgenden aus den Akten bekannten Einsätze in Chemnitz ver-

antwortlich war

- 06.05.2000 bis 08.05.2000 Bernhardstraße 11

- 27.09.2000, 20:00 Uhr bis 02.10.2000, 08:56, Berhardstraße 11

- 30.09.2000, 11:50 bis 01.10.2000, 24:00, Observierung Kai S.

- 23.10.2000 zwischen 06.40 und 16:45 Uhr, Observierung Kai S.

im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaates Sachsen bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

20.02.2013 21.02.2013 SN-13

364 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Be-

nennung der Personen, die im Untersuchungszeitraum die Aufgabe

der Leitung der "Fachprüfung für die Beschaffung" wahrgenommen

haben, die im Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesministers

des Innern zur Aufklärung der Aktenvernichtungen im BfV (offene

Fassung, MAT B BfV-2/5) genannt wird gem. § 18 Abs. 1 PUAG

durch das Bundesministerium des Innern.

20.02.2013 21.02.2013 BfV-20

365 Es wird Beweis vorbereitet zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Benennung

- der Person, die in den Jahren 2007 bis 2009 die Aufgabe des Refe-

ratsleiters in dem Referat des BKA wahrgenommen hat, in dem die

"Heise-Bänder" ausgewertet wurden;

- der Person, die innerhalb des zuständigen Referats im BKA die

Aufgabe der Ermittlungsführung für die Auswertung der "Heise-

Bänder" in den Jahren 2007 bis 2009 wahrgenommen hat;

- der Personen, die in der Zeit nach dem 11.04.1998 im BKA mit der

Bearbeitung des Hinweises "Anruf aus Orbe" befasst waren, den das

TLKA mit der Bitte um nähere Feststellungen durch die Schweizer

Bundespolizei an das BKA weitergegeben hatte,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch das Bundesministerium des Innern.

20.02.2013 21.02.2013 BKA-6

366 Es wird die Beweiserhebung vorbereitet zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) durch das Ersuchen um Be-

nennung der Personen, die in den Jahren 1995 bis 2005 die folgen-

den Aufgaben wahrgenommen haben:

- Ergänzend zu den mit MAT A BW-3 mitgeteilten Leitern der im

LfV für Rechtsextremismus zuständigen Abteilungen die Leiter der

für Rechtsextremismus und insbes. Auswertung zuständigen Organi-

sationseinheiten innerhalb der genannten Abteilung

- Leiter der Abteilung Staatsschutz im LKA Baden-Württemberg

20.02.2013 21.02.2013 BW-12
Drucksache 17/14600 – 1124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

- die Leiter der für den Rechtsextremismus zuständigen Organisati-

onseinheiten innerhalb der Abt. Staatsschutz des LKA Baden-

Württemberg

- die Leiter der für den Staatsschutz zuständigen Referate bzw. De-

zernate beim Polizeipräsidium Stuttgart

- die Leiter der für Staatsschutz zuständigen Dienststellen bei den

Polizeidirektionen Ludwigsburg und Heilbronn

im Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

367 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn EKHK Wolf-

gang Jehle als Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-72

368 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Carsten Külbel als

Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-73neu

369 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK Michael

Andrä als Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-74

370 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau MDgt Christine

Hammann als Zeugin.

20.02.2013 21.02.2013 Z-75

371 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Bundesminis-

ter a. D. Otto Schily als Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-76

372 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Joachim

Tüshaus als Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-77

373 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Dr. Olaf

Vahrenhold als Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-78

374 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Reinhard Boos

als Zeuge.

20.02.2013 21.02.2013 Z-79

375 Die Bundesregierung wird gebeten um einen Bericht über die in den

Geschäftsbereichen der Bundesministerien des Innern, der Justiz,

und der Verteidigung sowie des Bundesministeriums für Familie,

Senioren, Frauen und Jugend nach dem 4. November 2011 als Kon-

sequenz aus dem Aufdecken der Terrrorgruppe "NSU" sowie der

nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und Versäumnisse ergrif-

fenen Maßnahmen.

27.02.2013

376 Die Ständige Konferenz der Innenminister und

-senatoren der Länder wird gebeten um eine Aufstellung der von ihr

sowie in den Arbeitskreisen II und IV nach dem 4. November 2011

als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe "NSU" sowie

der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler und Versäumnisse

gefassten Beschlüsse.

27.02.2013

377 Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister wird gebeten

um eine Aufstellung der von ihr und ihren Arbeitskreisen nach dem

4. November 2011 als Konsequenz aus dem Aufdecken der Terror-

gruppe "NSU" sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen Fehler

und Versäumnisse gefassten Beschlüsse.

27.02.2013

378 Schreiben der Verteidiger von Frau Beate Zschäpe an den Untersu-

chungsausschuss; mit dem Antrag, sämtliche Protokolle über die in

öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen erfolgten Zeugenver-

nehmungen des 2. UA des Deutschen Bundestages, im Wege der

Akteneinsicht, zur Verfügung zu stellen, vom 1. März 2013.

01.03.2013

379 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg 06.03.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1125 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

an Vorsitzenden, hier: Information zu Fundstellen zum BB BfV-4

und BfV-5 und Mitteilung, dass um Zusendung um die benannten

Aktenteile gebeten wurde, vom 5. März 2013 (Tgb-Nr. 82/13 VS-

Vertraulich).

380 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an Vorsitzenden, hier: Information zu Fundstellen zum BB BfV-4

und BfV-5 und Mitteilung, dass um Zusendung um die benannten

Aktenteile gebeten wurde, vom 5. März 2013 (Tgb-Nr. 83/13 VS-

Vertraulich).

06.03.2013

381 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an Vorsitzenden, hier: Information zu A-Drs. 309, 310 und 311

(Ringalarmfahndungen), vom 12. März 2013.

12.03.2013

382 Schreiben des Oberlandesgerichtes München an den Vorsitzenden,

hier: Ersuchen um Unterlagenübersendung, vom 06. März 2013.

12.03.2013

383 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an den Vorsitzenden, hier: Information zu BB BfV-4, vom 13. März

2013.

13.03.2013

384 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-Heinegg

an Vorsitzenden, hier: Information zu Beweisbeschluss BB-3, vom

13. März 2013 (Tgb-Nr. 180/13 GEHEIM).

18.03.2013

385 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu den auf den „Telefonlisten des
Mundlos“ genannten Personen aus Baden-Württemberg sowie zu
den Kontakten dieser Personen zur rechtsextremen Szene, vor allem

zu führenden Personen

• von „Blood & Honour“ und von vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos & Treu“ und den sog. „Ham-
merskins“ in Baden-Württemberg
• von „Blood & Honour“ aus anderen Bundesländern,
die für längere Zeit oder dauerhaft aus anderen Bundesländern nach

Baden-Württemberg umgezogen sind oder waren welche im Minis-

terium des Innern des Landes Baden-Württemberg, im LfV Baden-

Württemberg sowie im LKA Baden-Württemberg, beim Polizeiprä-

sidium Stuttgart und bei den Polizeidirektionen Ludwigsburg und

Heilbronn vorhanden sind, im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Baden-Württemberg bei den betreffenden

Landesbehörden. Soweit Unterlagen dazu bereits vorgelegt wurden,

wird gebeten sie im Zusammenhang nochmals vorzulegen. Um Vor-

lage in Teillieferungen und soweit möglich bis 09.04.2013 wird

gebeten.

21.03.2013 21.03.2013 BW-13

386 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu den auf den „Telefonlisten des
Mundlos“ genannten Personen aus Baden-Württemberg sowie zu
den Kontakten dieser Personen zur rechtsextremen Szene, vor allem

zu führenden Personen

• von „Blood & Honour“ und von vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos & Treu“ und den sog. „Ham-
merskins“ in Baden-Württemberg
• von „Blood & Honour“ aus anderen Bundesländern,
die für längere Zeit oder dauerhaft aus anderen Bundesländern nach

Baden-Württemberg umgezogen sind oder waren welche im Ve-

rantwortungsbereich des Generalbundesanwalts vorhanden sind,

soweit sie der Anklage beim 6. Strafsenat des OLG München nicht

beigefügt sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium

21.03.2013 21.03.2013 GBA-13
Drucksache 17/14600 – 1126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

der Justiz. Um Vorlage soweit möglich bis 09.04.2013 wird gebeten.

387 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellen-

meldungen der V-Person des Polizeipräsidiums Dortmund, die im

Jahr 2006 zu Toni Stadler berichtet hat, einschließlich ihrer Quel-

lenmeldungen vom 23.11.2011 und 01.12.2011 (vgl. MAT A NW-

6f, Bl. 190 ff., 193) gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staats-

kanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen Lan-

desbehörde. Soweit Unterlagen dazu bereits mit MAT A NW-6f und

MAT A NW-6g vorgelegt wurden, wird gebeten, sie im Zusammen-

hang nochmals vorzulegen. Um Vorlage in Teillieferungen und

soweit möglich bis 09.04.2013 wird gebeten.

21.03.2013 21.03.2013 NW-12

388 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu dem konkreten Einsatzauftrag

und Einsatzverlauf am 9. Juni 2004 für die beiden Polizisten, die

sich als Hundeführer laut telefonischer Auskunft des Ministeriums

für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen

(MAT A NW-11/1) zum Zeitpunkt des Nagelbombenanschlages in

der Keupstraße in Köln als „normale“ motorisierte Funkstreife in der
Schanzenstraße aufgehalten haben und sich, nachdem um 15.58 Uhr

ein Notruf eingegangen sei, ohne ihre Hunde in die Keupstraße be-

geben und dort Erste Hilfe geleistet haben, einschließlich dem Ein-

satzprotokoll, Einsatzbericht und Protokollen etwaiger interner

(Nach-)Befragungen der beiden Polizisten,

im Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen

bei der zuständigen Landesbehörde bis spätestens 05.04.2013.

21.03.2013 21.03.2013 NW-13

389 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu Anordnung, Anordnungsgrün-

den, genauem Einsatzauftrag, Einsatzmodalitäten und Einsatzverlauf

sämtlicher Hausdurchsuchungen, die am 9. Juni 2004 in Wohnungen

von Anwohnern der Keupstraße in Köln durchgeführt wurden, im

Wege der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.

3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei

der zuständigen Landesbehörde bis spätestens 05.04.2013.

21.03.2013 21.03.2013 NW-14

390 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Ersuchen um Benennung des- bzw.

derjenigen Amtsträger, die laut Brief einer Betroffenen an den

2. Untersuchungsausschuss vom 13.03.2013 am 9. Juni 2004 ange-

ordnet haben, deren Wohnung in der Keupstraße in Köln zu durch-

suchen, wobei von der Polizei zwei Wohnungstüren aufgebrochen

wurden und die Maßnahme nach Angabe der Betroffenen, die sich

zum Zeitpunkt der Durchsuchung zusammen mit ihrem siebenjähri-

gen Sohn in der Wohnung aufhielt und sich während der Durchsu-

chung nicht bewegen durfte, damit begründet worden sei, dass sie

verdächtigt werde, eine Bombe gelegt zu haben, im Wege der Amts-

hilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständigen

Landesbehörde bis spätestens 05.04.2013.

21.03.2013 21.03.2013 NW-15

391 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4,

durch Vernehmung von Herrn RD Gabaldo als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-82

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1127 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

392 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau ORR'in Bettina

Neumann als Zeugin.

21.03.2013 21.03.2013 Z-83

393 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Präsident a. D.

Dr. Helmut Rannacher als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-84

394 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KD Joachim

Rück als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-85

395 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Frau EKHK’in Bau-
mert als Zeugin.

21.03.2013 21.03.2013 Z-86

396 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK P. S. als

Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-87

397 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn DLKA a. D.

Peter Michael Haeberer als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-88

398 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Staatssekretär

Bernd Krömer als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-89

399 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von N. N. als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-90

400 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn KHK Dirk

Spliethoff als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-91

401 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn PHK Peter

Baumeister als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-92

402 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn PK Stefan Voß

als Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-93

403 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Vernehmung von Herrn Gundlach als

Zeuge.

21.03.2013 21.03.2013 Z-94

404 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1
PUAG gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Lis-
te“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrie-
ben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.

14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011

beim Bundesnachrichtendienst als sogenannte „V-Personen“ einge-
setzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 BND-6

405 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bundesministerium des Innern gemäß §
18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob

– und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem
Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er

21.03.2013 21.03.2013 BMI-16

Drucksache 17/14600 – 1128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012,

Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu

Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 bei einer seiner nachgeordneten Behörden als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt war.

406 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bundesministerium der Verteidigung
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu

geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-

nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.

Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 beim Militärischen Abschirmdienst als sogenann-

te „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 MAD-7

407 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Baden-
Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium des

Landes Baden-Württemberg gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft

zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-

nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.

Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Baden-

Württemberg als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 BW-14

408 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Bayerische Staatsministerium des Innern
im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Bayerische Staatskanzlei gebe-

ten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls
wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem
Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben be-

kannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwi-
schenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben)
aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.

14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei

Polizei oder Verfassungsschutz in Bayern als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 BY-16

409 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

21.03.2013 21.03.2013 BE-5

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1129 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

und der Länder – wird die Senatsverwaltung für Inneres und Sport
des Landes Berlin im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei des

Landes Berlin gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob –
und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem
Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er
Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012,

Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu

Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Berlin als sogenannte

„V-Personen“ eingesetzt waren.

410 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium des Innern des Landes Bran-
denburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes

Brandenburg gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob –
und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem
Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er
Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012,

Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu

Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Brandenburg als soge-

nannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 BB-11

411 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird der Senator für Inneres und Sport der Freien
Hansestadt Bremen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der

Freien Hansestadt Bremen gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu

geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-

nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012,

11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner

Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis

zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Bre-

men als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 HB-4

412 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird die Behörde für Inneres und Sport der Freien
und Hansestadt Hamburg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senats-

kanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg gebeten, bis 12. April

2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit

MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen

Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte

21.03.2013 21.03.2013 HH-7

Drucksache 17/14600 – 1130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

„100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18.

Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu

irgendeiner Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungs-

schutz in Hamburg als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

413 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium des Innern und für Sport des
Landes Hessen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Hessische Staats-

kanzlei gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Lis-
te“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrie-
ben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.

14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei

Polizei oder Verfassungsschutz in Hessen als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 HE-7

414 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Mecklenburg-Vorpommern im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gebeten,

bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Aus-
schuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich
sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt wer-
den (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-

Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei

Polizei oder Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern als

sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 MV-8

415 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Niedersachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Niedersachsen gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu

geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-

nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.

Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Nieder-

sachsen als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 NI-4

416 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu- 21.03.2013 21.03.2013 NW-16

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1131 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Kommuna-
les des Landes Nordrhein-Westfalen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen gebeten, bis 12.

April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele
der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen

Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte
„100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18.

Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu

irgendeiner Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungs-

schutz in Nordrhein-Westfalen als sogenannte „V-Personen“ einge-
setzt waren.

417 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz gebeten, bis 12.

April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebenenfalls wie viele
der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit
MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen

Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte
„100’er Liste“, weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA,
VS-Ordner Listen 545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18.

Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu

irgendeiner Zeit während des Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungs-

schutz in Rheinland-Pfalz als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.

21.03.2013 21.03.2013 RP-4

418 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Saarlands im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saar-

lands gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und ge-
gebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf
der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben)
aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.

14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei

Polizei oder Verfassungsschutz im Saarland als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 SL-4

419 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Staatsministerium des Innern des Frei-
staats Sachsen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.

4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanz-

lei gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und gegebe-

21.03.2013 21.03.2013 SN-14

Drucksache 17/14600 – 1132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

nenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand auf der
dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Liste“, zwi-
schenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrieben)
aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.

14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei

Polizei oder Verfassungsschutz in Sachsen als sogenannte „V-Perso-
nen“ eingesetzt waren.

420 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Ministerium für Inneres und Sport des
Landes Sachsen-Anhalt im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Sachsen-Anhalt gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu

geben, ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach
aktuellem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals soge-

nannte „41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.

Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Sachsen-

Anhalt als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 ST-4

421 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Innenministerium des Landes Schleswig-
Holstein im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes

Schleswig-Holstein gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,

ob – und gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter
fortgeschrieben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11.

Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 bei Polizei oder Verfassungsschutz in Schleswig-

Holstein als sogenannte „V-Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 21.03.2013 SH-4

422 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (Drucksache 17/8453) – insbesondere zu Abschnitt
II.4 und zum Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder – wird das Innenministerium des Freistaats Thürin-
gen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats

Thüringen gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum An-

schreiben bekannt gegebenen Liste (damals sogenannte „41’er Lis-
te“, zwischenzeitlich sogenannte „100’er Liste“, weiter fortgeschrie-
ben) aufgeführt werden (BKA, VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr.

14571/9 VS-Vertraulich), zu irgendeiner Zeit während des Untersu-

chungszeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 8. November 2011 bei

21.03.2013 21.03.2013 TH-13

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1133 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Polizei oder Verfassungsschutz in Thüringen als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

423 Schreiben der Verteidiger von Frau Beate Zschäpe an den Vorsit-

zenden, hier: mit der Bitte um Einsicht in die endgültigen Protokol-

le, vom 25. März 2013 (zu A-Drs. 378), vom 25. März 2013.

26.03.2013

424 Abschlussbericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. Heintschel-

Heinegg, mit Schreiben vom 25. März 2013 (Tgb-Nr. 185/13

GEHEIM).

27.03.2013

425 Schreiben vom Oberlandesgericht München an den Vorsitzenden,

hier: Ersuchen um Protokollübersendung vor dem Abschluss der

Beweisaufnahme im Juni, vom 27. März 2013 (vgl. A-Drs. 382 +

432).

04.04.2013

426 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 11. April 2013. 10.04.2013

427 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Ersuchen um möglichst baldige Benennung der

- V-Personen-Führer der V-Personen des BfV mit der vom Ermitt-

lungsbeauftragten des Ausschusses vergebenen Bezeichnung Q2 und

Q3 in den Jahren 1997 bis 2002,

- der Personen, die im BfV für die Auswertung der von den Quellen

Q1, Q2 und Q3 gelieferten Informationen über die rechtsextreme

Szene in Sachsen und Thüringen zuständig waren und gegebenen-

falls Aufträge zur weiteren Aufklärung an die Beschaffung gegeben

haben oder hätten geben können,

- der Personen, die in den Jahren 1998 bis 2002 im BfV für die

Auswertung von Informationen in Bezug auf das untergetauchte

Trio zuständig und gegebenenfalls für die Steuerung von Beschaf-

fungsaufträgen hierzu verantwortlich waren oder gewesen wären,

- der Person, die im BfV dafür verantwortlich war, dass die Informa-

tion über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen das Trio

in die Vorbereitung des Vizepräsidenten des BfV für die nachrich-

tendienstliche Lage am 23. September 2003 aufgenommen wurde

sowie

- der Personen, die im BfV dafür verantwortlich waren, dass Infor-

mationen über das untergetauchte Trio im Jahr 2004 in das BfV-

Spezial Nr. 19 aufgenommen wurden, durch das Bundesministerium

des Innern.

12.04.2013 15.04.2013 BfV-21

428 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen

aus dem BfV, in denen Aufträge der Auswertungseinheiten an die

Beschaffungseinheiten dokumentiert sind, die auf die Gewinnung

von Informationen über das abgetauchte Trio und sein Umfeld durch

vom BfV geführte Quellen (z. B. Lichtbildvorlagen o. ä.) zielten,

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Innern, mit

der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 03.05.2013,

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

12.04.2013 15.04.2013 BfV-22

429 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen

aus dem BfV, in denen Aufträge der Auswertungseinheiten an die

Beschaffungseinheiten dokumentiert sind, die auf die Gewinnung

von sämtlichen Unterlagen aus den Ermittlungsverfahren des GBA

gegen Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf

den ehemaligen V-Mann „Primus“ beziehen, insbesondere des Pro-
tokolls der zweiten Zeugenvernehmung des „Primus“ sowie der
Unterlagen, die Anlass für diese zweite Zeugenvernehmung waren,

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz, mit

der Bitte um

12.04.2013 15.04.2013 GBA-14

Drucksache 17/14600 – 1134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 03.05.2013;

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

430 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen

aus den Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen

Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf Toni

S. beziehen, insbesondere etwaige Befragungsprotokolle, Un-

terlagen, die Anlass für etwaige Zeugenvernehmungen waren, sowie

zusammenfassende Berichte oder Vermerke über den Ermittlungs-

stand, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Jus-

tiz, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 03.05.2013;

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

12.04.2013 15.04.2013 GBA-15

431 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung sämtlicher Unterlagen

aus den Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen

Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf Peter

K. beziehen, insbesondere etwaige Befragungsprotokolle, Un-

terlagen, die Anlass für etwaige Zeugenvernehmungen waren, sowie

zusammenfassende Berichte oder Vermerke über den Ermittlungs-

stand, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Jus-

tiz, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 03.05.2013;

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

12.04.2013 15.04.2013 GBA-16

432 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung folgender Unterlagen

aus dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen

Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a.:

- Ermittlungsbericht zu Enrico T. vom 07.03.2012,

- Sachstandsbericht zu Bernd T. vom 05.07.2012,

- nach der Vollständigkeitserklärung vom 17.01.2013 (BMJ) bezie-

hungsweise 11.01.2013 (GBA) entstandene Unterlagen zum Be-

weisbeschluss GBA-12 („Heise-Bänder“) gemäß § 18 Abs. 1 PUAG
beim Bundesministerium der Justiz, mit der Bitte um Übersendung

an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit bis 17.04.2013.

12.04.2013 15.04.2013 GBA-17

433 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Quellenmeldungen sämt-

licher V-Personen der Abteilung Verfassungsschutz des Ministe-

riums für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen im Zu-

sammenhang mit der Jahresabschlussfeier der freien Kräfte Köln in

der Gaststätte Alt-Gymnich am 06.11.2009 gemäß § 18 Abs. 1

PUAG im Wege der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen Landesbehörde mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 22.04.2013;

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

12.04.2013 15.04.2012 NW-17

434 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

12.04.2013 15.04.2013 BE-6

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1135 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

sonstiger sächlicher Beweismittel, alle Treffberichte und sonstigen

Quellenmeldungen diejenigen V-Personen des LKA Berlin be-

treffend, die vom Staatssekretär für Inneres des Landes Berlin in

seinem Schriftsatz an den Untersuchungsausschuss vom 06.11.2012

auf Seite 2 (MAT A BE-3/3) oben erwähnt werden, zu denen aber

vom Land Berlin noch keine Unterlagen an den Ausschuss überge-

ben sind, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der Amtshilfe gemäß

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Berlin bei der zuständigen Landesbehörde, mit der Bitte

– da die Unterlagen ja vom Land Berlin bereits angeboten wurden –
um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 18.04.2013.

435 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 15. April 2013. 15.04.2013

436 Schreiben vom Oberlandesgericht München an den Vorsitzenden,

hier: Ersuchen um Übersendung der sog. 129er Liste, vom 04. April

2013.

15.04.2013

437 Schreiben des sächsischen Landtages an den Vorsitzenden, hier:

Ersuchen um Protokollübersendung, vom 28. März 2013.

11.04.2013

438 Tätigkeitsbericht der Ermittlungsbeauftragten Dr. Gerhard Schäfer,

Volkhard Wache, Ulrich Hebenstreit, vom 23. April 2013.

23.04.2013

439 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung folgender Unterlagen

aus dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen

Beate Zschäpe, André Eminger, Jan Werner u. a.:

- Vernehmung der Sylvia F., geborene E.,

- Vernehmung des Maik F.

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium der Justiz, mit

der Bitte um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach

Möglichkeit bis 03.05.2013.

24.04.2013 25.04.2013 GBA-18

440 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453),

insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von

Herrn Richard Kaldrack als Zeuge.

24.04.2013 25.04.2013 Z-95

441 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453),

insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von

Herrn Sebastian Egerton als Zeuge.

24.04.2013 25.04.2013 Z-96

442 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453),

insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von

Herrn Bernd Kippenborck als Zeuge.

24.04.2013 25.04.2013 Z-97

443 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453),

insbesondere zu Abschnitt II, Nummer 4, durch Vernehmung von

Herrn R. Gr. als Zeuge.

24.04.2013 25.04.2013 Z-98

444 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern des Landes Ba-

den-Württemberg in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über das Staatsministerium des Landes BW bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 BW-15

445 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT- 24.04.2013 25.04.2013 BY-17

Drucksache 17/14600 – 1136 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern des Freistaates

Bayern in den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992

bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Bayerische Staatskanzlei bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

446 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin in den

während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei

des Landes Berlin bei der zuständigen obersten Landesbehörde, mit

der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 BE-7

447 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg in den wäh-

rend des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Brandenburg bei der zuständigen obersten Landesbehör-

de, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 BB-12

448 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

des Geschäftsbereichs des Senators für Inneres und Sport der Freien

Hansestadt Bremen in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien Hansestadt Bremen bei

der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 HB-5

449 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

des Geschäftsbereichs der Behörde für Inneres und Sport der Freien

und Hansestadt Hamburg in den während des Untersu-

chungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen

24.04.2013 25.04.2013 HH-8

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1137 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der Freien und

Hansestadt Hamburg bei der zuständigen obersten Landesbehörde,

mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

450 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

des Geschäftsbereich des Ministeriums des Inneren und für Sport

des Landes Hessen in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Hessische Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 HE-8

451 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-

Vorpommern in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Mecklenburg-

Vorpommers bei der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der

Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 MV-9

452 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen in

den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis

08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes Niedersachsen bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 NI-5

453 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes

Nordrhein-Westfalen in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen

24.04.2013 25.04.2013 NW-18

Drucksache 17/14600 – 1138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

bei der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

454 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes

Rheinland-Pfalz in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz bei

der zuständigen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 RP-5

455 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

im Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres, Kultur und Euro-

pa des Saarlandes in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Saarlandes bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 SL-5

456 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

im Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Inneren des Frei-

staats Sachsen in den während des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 SN-15

457 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden im Geschäftsbereich des

Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt in

den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis

08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 ST-5

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1139 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

458 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in der Abteilung

für Verfassungsschutz sowie den Behörden des Geschäftsbereichs

des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein in den wäh-

rend des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Schleswig-Holstein bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 SH-5

459 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung der internen Regelungen über Aus-

wahl, Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen in den Behörden

im Geschäftsbereich des Innenministeriums des Freistaates Thürin-

gen in den während des Untersuchungszeitraumes (01.01.1992 bis

08.11.2011) geltenden Fassungen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung bereits übergebener Unterla-

gen.

24.04.2013 25.04.2013 TH-14

460 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellenmeldungen

der V-Person "KROKUS" des Landesamtes für Verfassungsschutz

Baden-Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gem. §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

24.04.2013 25.04.2013 BW-16

461 Vermerk über Telefonat mit dem Bundeskriminalamt, EG "Trio" am

29.04.2013.

29.04.2013

462 Schreiben der Vorsitzenden der Konferenz der Justizministerinnen

und Justizminister an den Vorsitzenden vom 29. April 2013.

29.04.2013

463 Bericht des Bundesministeriums des Innern über die nach dem Auf-

decken des Trios ergriffenen Maßnahmen, mit Schreiben vom 26.

April 2013.

30.04.2013

464 Schreiben der Bundesministerin der Justiz an den Vorsitzenden, mit

Vorschlägen für Konsequenzen nach der Aufdeckung des Trios,

vom 25. April 2013.

30.04.2013

465 E-Mail mit der Bitte von PHOENIX, eine Kamera während der

öffentlichen Sitzung am 16. Mai 2013 im Sitzungssaal aufzustellen.

07.05.2013

466 Einladung Sitzung des Thüringer Landtags am 13. Mai 2013. 10.05.2013

467 Schreiben des MdB Wolff an das Bundesministerium des Innern,

betreffend: Betriebliches Attest für den Zeugen Kippenborck, vom

10. Mai 2013.

10.05.2013

468 Vermerk über Telefonat mit AL’n II BfV, Frau Büddefeld, betref-
fend: Protokoll über kommissarische Vernehmung N. Herabstufung,

vom 13. Mai 2013.

13.05.2013

469 Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453), insbesondere zu Abschnitt III., durch Beiziehung sämtli-

cher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die

10.05.2013 13.05.2013 BKA-7

Drucksache 17/14600 – 1140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

a) die aktuelle Konzeption des BKA für die Aus- und Fortbildung

von Polizeibeamtinnen und -beamten im Bereich politisch motivierte

Kriminalität (Basisausbildung) und politisch motivierte Kriminalität

– rechts (Aufbaulehrgang) betreffen,
b) die aktuelle Konzeption des BKA für die Aus- und Fortbildung

von Polizeibeamtinnen und -beamten im Bereich „interkulturelle
Kompetenz“ betreffen, jeweils insbesondere zu den Ausbildungsin-
halten, beim Bundesministerium des Innern gemäß § 18 Abs. 1

PUAG möglichst bis 15.5.2013.

470 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die

a) das tätig werden des Verbindungsbeamten des Bun-

deskriminalamtes in Bern im Zusammenhang mit der Anfrage des

Thüringer Landeskriminalamtes wegen eines Anrufes aus einer

Telefonzelle in Orbe/Yverdon bzw. Concise (Schweiz) im April

1998 betreffen, insbesondere sämtliche Rückmeldungen von

Schweizer Behörden,

b) den Informationsaustausch zwischen Interpol Bern und dem Bun-

deskriminalamt als nationales Zentralbüro für die Internationale

Kriminalpolizeiliche Organisation (IKPO-Interpol) im Zusammen-

hang mit der Fahndung nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe

betreffen, und die im Organisationsbereich des Bundeskriminalam-

tes im Untersuchungszeitraum (26.1.1998 bis 8.11.2011) vorhanden

waren, soweit sie sich heute noch in behördlichem Gewahrsam be-

finden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

10.05.2013 13.05.2013 BKA-8

471 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch vorrangige Beiziehung der Akten des BKA, die

im Untersuchungszeitraum entstanden sind oder sich auf den Unter-

suchungszeitraum beziehen und nach der dem Ausschuss als MAT

A BMI-1/3 übermittelten Übersicht über Aktenbestände des BKA

innerhalb der „Ablagestruktur ST 13 – 1. und 2. Ebene“ in der Ak-
tenkennziffern-Gruppe „087 000 - 087 399 Organisationen“ unter
der Aktenkennziffer „087 012-05 Die Artgemeinschaft - Germani-
sche Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.

(AGG)“ erfasst sind, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim BMI, mit der
Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 01.06.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung gegebenenfalls bereits über-

gebener Unterlagen.

10.05.2013 13.05.2013 BKA-9

472 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus den Geschäftsbereichen der

Ministerien für Inneres und für Justiz des Landes Rheinland-Pfalz zu

dem oder den gegen André Eminger, Jens T. und andere geführten

Verfahren wegen anlässlich eines Volksfestes in 67304 Kerzenheim

am 26.06.2011 begangener Delikte gemäß § 18 Abs. 1 PUAG im

Wege der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz bei

den zuständigen Landesbehörden mit der Bitte

- um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglich-

keit bis 01.06.2013;

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

10.05.2013 13.05.2013 RP-6

473 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag 10.05.2013 13.05.2013 SN-16

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1141 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus dem Geschäftsbereich des

Ministeriums für Justiz des Freistaates Sachsen zu dem gegen Beate

Zschäpe geführten Verfahren wegen Kinderpornografie im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Sächsische Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde mit der Bitte

- um Übersendung an den Untersuchungsausschuss nach Möglich-

keit bis 01.06.2013;

- nochmalige Übersendung bereits übergebener Aktenteile im Zu-

sammenhang.

474 Es wird ergänzend zum BB BY-14 vom 13.12.2012 Beweis erhoben

zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs. 17/8453) durch Bei-

ziehung von Teilen aus den durch den GBA mit der Anklage gegen

B. Zschäpe, R. Wohlleben und andere dem 6. Strafsenat des OLG

München übermittelten Akten. Das Plenum der 17. WP des Deut-

schen Bundestags hat am 26. Januar 2012 beschlossen, einen zwei-

ten Untersuchungsausschuss einzurichten und ihm unter anderem die

folgenden Aufgaben gestellt:

- Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamtbild verschaffen

zur Terrorgruppe ,,Nationalsozialistischer Untergrund" […];
- Der Untersuchungsausschuss soll dazu klären, welche Informatio-

nen den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden vom 01.01.1992 bis

zum 08.11.2011 zu den Personen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

und Beate Zschäpe, zu den sie unterstützenden Personen und Orga-

nisationen sowie zu den der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund" oder ihren Mitgliedern zugeordneten Straftaten vorla-

gen oder bei sachgerechtem Vorgehen hätten vorliegen müssen, wie

diese Erkenntnisse jeweils in den Behörden bewertet wurden, wie

sie ggf. zum damaligen Zeitpunkt sachgerecht hätten bewertet wer-

den müssen und welche Aktivitäten durch die Behörden hinsichtlich

dieser Person und Straftaten jeweils erfolgten oder bei sachgerech-

tem Vorgehen hätten erfolgen müssen. […]
- Der Untersuchungsausschuss soll insbesondere klären, […] in
welcher Weise Kontakte der Mitglieder der Gruppe, die jetzt als

Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" bekannt ist, zu

rechtsextremen und rechtsextremistischen Personen, Kreisen oder

Organisationen dazu beigetragen haben, ihr terroristisches Handeln

vorzubereiten oder zu fördern; […]
Aufgrund dieses Auftrags werden gem. Art. 44 Abs. 3 GG im Wege

der Rechts- und Amtshilfe vom 6. Strafsenat des OLG München

Aktenteile angefordert, die nach den bisherigen Ergebnissen der

Beweisaufnahme im 2. UA erforderlich sind, um das Gesamtbild zur

Terrorgruppe ,,NSU", ihren Mitgliedern und Taten, ihrem Umfeld

und ihren Unterstützern zu überprüfen: -

- Vernehmungen des Jürgen H. vom 28.02.2012 und 14.03.2012;

- Vernehmung oder Vernehmungen des Thomas R. vom 13.03.2013;

- Vernehmung des André Kapke vom 25.11.2011 – sowie weitere,
falls geführt;

- Vernehmungen des André Eminger vom 06.11.2011 – sowie weite-
re, falls geführt;-

- Vermerk „Telefonat mit Anja S., geb. H.“ vom 29.02.2012; -
- Vernehmung oder Vernehmungen des Maik E. seit dem

08.11.2011; -

- Vernehmung der Susann E. vom 06.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt; -

- abschließender BKA-Sachstandbericht zu Susann E. vom

15.06.2012; -

15.05.2013 16.05.2013 BY-14/1

Drucksache 17/14600 – 1142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

- Vernehmungen der Mandy Struck vom 21.11.2011, 15.12.2011,

16.12.2011 und 14.03.2012; -

- abschließender BKA-Sachstandbericht zu Mandy Struck; -

- Vernehmungen des Carsten Schultze vom 01.02.2012, 02.02.2012,

06.02.2012 und 15.02.2012; -

- Vernehmungen des Max-Florian Burkhardt vom 05.01.2012 und

14.03.2012;

- Vernehmung des Holger Gerlach vom 12.01.2012.

Der Ausschuss dankt dem Generalbundesanwalt für die Bereitschaft,

die Übermittlung organisatorisch abzuwickeln. Der Ausschuss bittet

mit Blick auf die Erstellung des Abschlussberichts und das bevor-

stehende Ende der Wahlperiode um Übermittlung bis zum

31.05.2013.

475 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten, die

den Untersuchungsgegenstand betreffen und die im Organisations-

bereich des Generalbundesanwaltes nach dem 08.11.2011 entstan-

den oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind bzw.

für die der Generalbundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478

StPO nach § 142a, § 120a GVG erlangt hat, unabhängig davon, wo

die Beweismittel körperlich aufbewahrt werden, soweit sie sich

inhaltlich auf den Untersuchungszeitraum (01.01.1992 bis

08.11.2011) beziehen, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Justiz, mit der Maßgabe, dass ergänzend zu den bereits

übergebenen Unterlagen nur solche Dokumente tatsächlich zu über-

mitteln sind, die nicht an das OLG München übersandt wurden und

die wegen ihrer Erforderlichkeit für die Erstellung des Abschlussbe-

richts vom Sekretariat des Ausschusses angefordert werden.

15.05.2013 16.05.2013 GBA-

4neu

476 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Thü-

ringer Justizministeriums vorhanden sind zum Vollzug von Untersu-

chungshaft gegen Uwe Böhnhardt (geboren am 01.10.1977 in Jena)

– insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im Untersuchungs-
zeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Thü-

ringer Staatskanzlei.

15.05.2013 16.05.2013 TH-15

477 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-

nisteriums der Justiz des Landes Baden-Württemberg vorhanden

sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen M.M. F.

(geb. 16.3.1975 in Schlema) – insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-Württemberg.

15.05.2013 16.05.2013 BW-17

478 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des

Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen M. M. F.

(geb. 16.3.1975 in Schlema) – insbesondere der Gefangenenperso-
nalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des

15.05.2013 16.05.2013 SN-17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1143 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats Sachsen.

479 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Nie-

dersächsischen Justizministeriums vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft und freiheitsbeschränkenden Strafvollstre-

ckungsmaßnahmen gegen Thorsten Heise (geboren 23.06.1969 in

Göttingen) – insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im
Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Niedersächsische Staatskanzlei.

15.05.2013 16.05.2013 NI-6

480 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Thü-

ringer Justizministeriums vorhanden sind zum Vollzug von Untersu-

chungshaft und freiheitsbeschränkenden Straf-

vollstreckungsmaßnahmen gegen Thorsten Heise (geboren

23.06.1969 in Göttingen) – insbesondere der Gefangenenpersonalak-
ten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des
Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Thüringer Staatskanzlei.

15.05.2013 16.05.2013 TH-16

481 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des

Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Mirko H.

(geboren 15.10.1975 in Sebnitz) – insbesondere der Gefange-
nenpersonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats

Sachsen.

15.05.2013 16.05.2013 SN-18

482 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des

Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Ralf M.

(geboren 23.08.1971 in Plauen) – insbesondere der Gefangenenper-
sonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege
des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaats Sachsen.

15.05.2013 16.05.2013 SN-19

483 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-

nisteriums der Justiz des Landes Baden-Württemberg vorhanden

sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Torsten O.

(geboren am 13.10.1967 in Heilbronn) – insbesondere der Gefange-
nenpersonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis 2011), im
Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das Staatsministerium Baden-

Württemberg.

15.05.2013 16.05.2013 BW-18

Drucksache 17/14600 – 1144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

484 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des

Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Kay S. (ge-

boren am 13.11.1974 in Crimmitschau) – insbesondere der Ge-
fangenenpersonalakten – im Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Frei-

staats Sachsen.

15.05.2013 16.05.2013 SN-20

485 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-

nisteriums der Justiz des Landes Brandenburg vorhanden sind zum

Vollzug von Untersuchungshaft und freiheitsbeschränkenden Straf-

vollstreckungsmaßnahmen gegen Toni S. (geboren am 21.09.1974 in

Guben) – insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im Untersu-
chungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens um Amts-

hilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg.

15.05.2013 16.05.2013 BB-13

486 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-

nisteriums der Justiz des Landes Brandenburg vorhanden sind zu

staatsanwaltlichen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere zu Haus-

durchsuchungen, Vernehmungen und Freiheitsbeschränkungen,

sowie zum Vollzug von Untersuchungshaft und freiheitsbeschrän-

kenden Strafvollstreckungsmaßnahmen gegen Carsten Szczepanski

(„Piatto“) – insbesondere der Gefangenenpersonalakten – im Unter-
suchungszeitraum (1992 bis 2011), im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes Brandenburg.

15.05.2013 16.05.2013 BB-14

487 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung

1. einer vollständigen Fassung des dem Untersuchungsausschuss

bisher nur in Auszügen vorgelegten Berichts der Bund-Länder-

Projektgruppe „Evaluierung des Definitionssystems PMK“ vom
04.09.2002 (vgl. MAT A IMK-1/5b),

2. des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe PMK-rechts vom

01.02.2010,

3. des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Qualitätskontrolle
PMK“ (Datum unbekannt),
4. der Sonderauswertungen zu PMK-rechts vom 23.03.2011 sowie

ggf. Folgende,

5. der „Trendscoutberichte PMK-rechts“ nach der Ex-
pertenbefragung vom 01.08.2008,

6. der Sofortmaßnahmen in Fällen PMK von länderübergreifender,

bundesweiter und internationaler Bedeutung (Maßnahme 300)

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsitzenden der Ständigen Konfe-

renz der Innenminister und Innensenatoren der Länder (IMK). Der

Ausschuss ersucht zudem, ihm die folgenden Dokumente zur

Kenntnisnahme zur Verfügung zu stellen:

1. Berichte zur „Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität
– Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen, Erhebung
von statistischem Basismaterial vom 02.03.2012 und 24.08.2012

15.05.2013 16.05.2013 IMK-2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1145 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

sowie den diesbezüglichen Beschluss der AG Kripo vom

12./13.09.2012,

2. Beschlussvorschlag des Innenministers des Landes Nordrhein-

Westfalen zur statistischen Erfassung der von extremistischen Per-

sonen begangenen Straftaten der Allgemeinkriminalität (Anpassung

der statistischen Erfassungsgrundlagen) vom 08.11.2012.

488 Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus,

mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 23. Mai

2013.

23.05.2013

489 Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden, vom 28. Mai 2013.

28.05.2013

490 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der

Bitte um Übersendung von Dokumenten zum neu gefassten Beweis-

beschluss GBA-4neu, vom 4. Juni 2013.

04.06.2013

491 Schreiben des BMI an das Sekretariat, betreffend die Vorlage von

Zeugenvernehmungsprotokolle im Wege der Amtshilfe an das OLG

München, vom 31. Mai 2013.

03.06.2013

492 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der

Bitte um Übersendung von weiteren Dokumenten zum neu gefassten

Beweisbeschluss

GBA-4neu, vom 10. Juni 2013.

10.06.2013

493 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Mi-

nisteriums des Innern des Landes Brandenburg vorhanden sind, über

Erkenntnisse zu folgenden Teilnehmern der 20-Jahresfeier der

"Vandalen" am 28.9.2002 in Berlin: Maik E., Hendrik L., Michael

P., B. W. und Peter B.; soweit sie nicht aufgrund früherer Beweisbe-

schlüsse bereits vorgelegt wurden, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Brandenburg mit der Bitte um Vorlage

möglichst bis zum 28.6.2013.

11.06.2013 13.06.2013 BB-15

494 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Geschäftsbereich des Se-

nators für Inneres und Sport des Landes Berlin vorhanden sind, über

Erkenntnisse zu folgenden Teilnehmern der 20-Jahresfeier der

"Vandalen" am 28.9.2002 in Berlin: Maik E., Hendrik L., Michael

P., B. W. und Peter B.; soweit sie nicht aufgrund früherer Beweisbe-

schlüsse bereits vorgelegt wurden, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Senatskanzlei des Landes Berlin mit der Bitte um Vorlage mög-

lichst bis zum 28.6.2013.

11.06.2013 13.06.2013 BE-8

495 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu einem Werbungsvorgang

"Dehli" des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des Freistaates Thüringen mit

der Bitte um Vorlage möglichst bis zum 28.6.2013.

11.06.2013 13.06.2013 TH-17

496 Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453), insbesondere zu Abschnitt III. durch Beiziehung der Be-

richte

1. "Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit / Partner in der

Mitte der Gesellschaft" (Stand: 24.04.2013)

2. "Personal, Aus- und Fortbildung, Akademie für Ver-

11.06.2013 13.06.2013 IMK-3
Drucksache 17/14600 – 1146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

fassungsschutz" (Stand: 22.04.2013)

3. "Standardisierung des VP-Einsatzes und Einrichtung einer zentra-

len VP-Datei -VS-Vertraulich-" (Stand: 25.03.2013)

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsitzenden der Ständigen Konfe-

renz der Innenminister und Innensenatoren der Länder (IMK) mit

der Bitte um Vorlage möglichst bis zum 28.06.2013.

497 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der

Bitte um Übersendung von weiteren Dokumenten zum neu gefassten

Beweisbeschluss GBA-4neu, vom 13. Juni 2013.

13.06.2013

498 Schreiben des Sekretariats an den Generalbundesanwalt mit der

Bitte um Übersendung von weiteren Dokumenten zum neu gefassten

Beweisbeschluss GBA-4neu, vom 21. Juni 2013.

21.06.2013

499 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung einer Aufstellung, aus der

sich ergibt, wie viele "Treffer" jeweils eine Recherche in der vom

BKA geführten Datei "Tatmittelmeldedienst Spreng- und Brandvor-

richtungen" ergeben hätte für die Abfrage von Fällen seit Bestehen

der Datei bis 21.1.2001 sowie bis 9.6.2004, jeweils nach den Kriteri-

en

- (mutmaßlicher) männlicher Täter sowie

- (mutmaßlicher) männlicher Täter in Kombination mit rechtsradika-

ler/ rechtsextremistischer Bekennung oder Zuordnung und zwar

einerseits bei einer Suche in der gesamten Datei, andererseits bei

einer Suche in Verbindung mit funktionsfähigen Sprengstoffvorrich-

tungen als Tatmittel gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium des Innern.

24.06.2013 24.06.2013 BKA-10

500 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu Robin S., der im Briefwechsel

mit Beate Zschäpe steht, gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen Landesbehörde.

24.06.2013 24.06.2013 NW-19

501 Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453), durch Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellen-

meldungen von Sebastian S. gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen Landesbehörde.

24.06.2013 24.06.2013 NW-20

502a Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - AG Kripo,

vom 21. Juni 2013.

25.06.2013

502b Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Kommission

Staatsschutz (KST), vom 21. Juni 2013.

25.06.2013

502c Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Unteraus-

schuss Polizeiliche Informations- und Kommunikationsstrategie und

-technik (UA IuK), vom 21. Juni 2013.

25.06.2013

502d Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und - 25.06.2013

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1147 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Unteraus-

schuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK),

vom 21. Juni 2013.

502e Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Unteraus-

schuss Recht und Verwaltung (RV), vom 21. Juni 2013.

25.06.2013

502f Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Projektlei-

tung Polizeiliche Kriminalitätsprävention (PL PK), vom 21. Juni

2013.

25.06.2013

502g Schreiben der Ständigen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder an den Vorsitzenden; hier: Als Konsequenz

aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie erkennbar gewor-

denen Fehler und Versäumnisse gefassten Beschlüsse - Vorschrif-

tenkommission (VK), vom 21. Juni 2013.

25.06.2013

503 Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen an das

Sekretariat des 2. Untersuchungsausschusses, betreffend: die Rück-

gabe von Akten, vom 21. Juni 2013.

27.06.2013

504 Schreiben des Staatsministeriums des Innern des Freistaates Sachsen

an das Sekretariat, betreffend: die Vorlage des Vernehmungsproto-

kolls Tüshaus im Wege der Amtshilfe an das OLG München, vom

27. Juni 2013.

02.07.2013

505 Schreiben des Rechtsanwalts Khubaib-Ali Mohammed, Vertreter

von G. I. P., an den Vorsitzenden, betreffend: Einsicht in die Proto-

kolle der 74. Sitzung, vom 1. Juni 2013.

02.07.2013

506 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,

betreffend die Vorlage von Zeugenvernehmungsprotokollen im

Wege der Amtshilfe an das OLG München, vom 8. Juli 2013.

11.07.2013

507 Entwurf Feststellungsteil - Stand: 23. Juli 2013. 22.07.2013

508 E-Mail der Amadeu Antonio Stiftung an den Vorsitzenden, betref-

fend: Empfehlungen für NSU-Untersuchungsausschuss aus Gender-

Perspektive, vom 22. Juli 2013.

22.07.2013

509 Schreiben des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg an

den Vorsitzenden, betreffend das Schreiben des Ministeriums vom

20. Juni 2013, vom 15. Juli 2013.

19.07.2013

510 Entwurf Bewertungsteil - Stand: 23.07.2013. 23.07.2013

511 Entwurf Namensliste zum rechtlichen Gehör des Bewertungsteils. 23.07.2013

512 Entwurf Namensliste zum rechtlichen Gehör des Feststellungsteils. 23.07.2013

513 Schreiben des Bundespräsidenten an den Bundestagspräsidenten, mit

der Bitte die Debatte des Abschlussberichtes im Plenum verfolgen

zu dürfen, vom 30. Juli 2013

01.08.2013

514 Stellungnahmen zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von

Herrn David Petereit, Herrn D. F., Herrn J. T., Herrn Christian K.,

Frau Simone O., Herrn Alexander N., Frau Barbara E. und Herrn

Christian Worch

06.08.2013

515 Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an das Sekreta-

riat, hier: Hinweise zu den Entwürfen der feststellenden und bewer-

tenden Berichtsteile, vom 6. August 2013

07.08.2013

516 Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an das Sekreta-

riat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsaus-

schusses, vom 08. August 2013

09.08.2013

517 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das 09.08.2013

Drucksache 17/14600 – 1148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-

chungsausschusses, vom 09. August 2013

518 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,

hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung

zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-

stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 9. August 2013

09.08.2012

519 Stellungnahmen zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx

xxxxx xxxxx, Frau Ursula Müller, Herrn David Petereit, Herrn

Reinhard S., Herrn Henning H., xxx xxxxx xxxxx, Herrn Sven Krü-

ger, Herrn Ralf Wohlleben und Frau Petra S.

09.08.2013

520 Schreiben des Staatsministeriums des Innern des Freistaates Sachsen

an das Sekretariat, hier: Bitte um Freigabe einzelner Passagen im

Abschlussbericht, vom 9. August 2013

09.08.2013

521 Schreiben des Bundeskanzleramts an das Sekretariat, hier: Einge-

stufte Passagen im Abschlussbericht, vom 08. August 2013

09.08.2013

522 Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg an

das Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-

chungsausschusses, vom 07. August 2013

12.08.2013

523 Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg an das Sekre-

tariat, hier: Eingestufte Passagen im Abschlussbericht, vom 08.

August 2013

12.08.2013

524 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

Andreas G., mit Schreiben vom 10. August 2013

12.08.2013

525 Telefax des Bundesministeriums der Justiz an das Sekretariat, hier:

Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschuss, vom

06. August 2013

08.08.2013

526 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx

xxxxx xxxxx, mit Schreiben vom 12. August 2013

12.08.2013

527 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx

xxxxx xxxxx, mit Schreiben vom 08. August 2013

12.08.2013

528 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,

hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung

zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-

stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 13. August 2013

13.08.2013

529 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

Max-Florian B., mit Schreiben vom 12. August 2013

13.08.2013

530 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

Patrick W., mit Schreiben vom 10. August 2013

13.08.2013

531 Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen an das

Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-

chungsausschusses, vom 29. Juli 2013

13.08.2013

532 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von xxx

xxxxx xxxxx, mit Schreiben vom 13. August 2013

14.08.2013

533 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

N. R., mit Schreiben vom 09. August 2013

14.08.2013

534 Schreiben zur Gewährung rechtlichen Gehörs von Frau Antje P.,

vom 14. August 2013

14.08.2013

535 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

KHK J., mit Schreiben vom 14.08.2013

14.08.2013

536 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

Dr. Richard Dewes, mit Schreiben vom 15. August 2013

15.08.2013

537 Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin an das

Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-

chungsausschuss, vom 16. August 2013

16.08.2013

538 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,

hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung

zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-

stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 16. August 2013

16.08.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1149 – Drucksache 17/14600

A-Drs. Zeugen, Gegenstand Eingang
beschlossen

am
BB-Nr.

539 Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Sekretari-

at, hier: Quellenschutzbelange des BfV, vom 16. August 2013

16.08.2013

540 Schreiben der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen an das Sekretariat,

hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-

ses, vom 19. August 2013

19.08.2013

541 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Herrn

Kay Steinicke, mit Schreiben vom 15. August 2013

19.08.2013

542 Schreiben des Bundesministeriums des Innern an das Sekretariat,

hier: Bitte des Zweiten Untersuchungsausschusses um Zustimmung

zur Veröffentlichung von nach Verschlusssachenanweisung einge-

stuften Textpassagen im Abschlussbericht, vom 15. August 2013

15.08.2013

543 Stellungnahme zum Bericht aufgrund rechtlichen Gehörs von Frau

Antje Böhm, hier: Bitte um Fristverlängerung, mit Schreiben vom

15. August 2013

15.08.2013

544 E-Mail des Bundesverteidigungsministeriums an das Sekretariat,

hier: Korrektur einer bereits freigegebenen Textpassage im Ab-

schlussbericht, vom 19. August 2013

19.08.2013

545 E-Mail des Sächsischen Staatsministeriums des Innern an das Sekre-

tariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsaus-

schusses, vom 19. August 2013

19.08.2013

546 Schreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport an

das Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-

chungsausschusses, vom 19. August 2013

19.08.2013

547 Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen an das

Sekretariat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersu-

chungsausschusses, vom 19. August 2013

20.08.2013

548 E-Mail des Bayerischen Verfassungsschutzes an das Sekretariat,

hier: Eingestufte Passagen im Abschlussbericht des Untersuchungs-

ausschusses, vom 16. August 2013

19.08.2013

549 Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an das Sekreta-

riat, hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsaus-

schusses, vom 20. August 2013

20.08.2013

550 Schreiben des Bundesministeriums der Justiz an das Sekretariat,

hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-

ses, vom 20. August 2013

20.08.2013

551 Stellungnahme zum Bericht aufgrund Gewährung rechtlichen Ge-

hörs von Herrn Jörg W., mit Schreiben vom 15. August 2013

20.08.2013

552 Schreiben des Bundesministeriums der Justiz an das Sekretariat,

hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-

ses, vom 20. August 2013

20.08.2013

553 Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg,

hier: Eingestufte Passagen im Bericht des Untersuchungsausschus-

ses, vom 20. August 2013

20.08.2013

554 Stellungnahme zum Bericht aufgrund Gewährung rechtlichen Ge-

hörs von Herrn Achim S., mit Schreiben vom 20. August 2013

20.08.2013

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1151 – Drucksache 17/14600

C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

BfV-1 1 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung der vom Bundesamt für Ver-

fassungsschutz erstellten "Chronologie

der Erkenntnisse und operative Maß-

nahmen nach Abtauchen der Mitglie-

der der terroristischen Vereinigung

"Nationalsozialistischer Untergrund"

(NSU) (1998-2011)" in ihrer aktuellen

Fassung beim Bundesministerium des

Innern.

27.01.2012 MAT A BfV-1

BfV-2 2 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung der

vom Bundesamt für Verfassungs-

schutz erstellten und dem Parlamenta-

rischen Kontrollgremium in einer

Ausfertigung übermittelten "Chrono-

logie der Erkenntnisse u. operative

Maßnahmen nach Abtauchen der

Mitglieder der terroristischen Vereini-

gung "Nationalsozialistischer Unter-

grund" (NSU) (1998-2001)" in der

Fassung vom 12. Dezember 2011 und

vom 06. Januar 2012 und der hierzu

beim Bundesamt für Verfassungs-

schutz und beim Bundesministerium

des Innern seit November 2011 einge-

gangenen Stellungnahmen und Zu-

schriften von Ministerien und sonsti-

gen Behörden der Länder sowie der

Entwürfe der Berichtersteller beim

Bundesministerium des Innern.

09.02.2012 MAT A BfV-

2/1

MAT A BfV-

2/2

MAT A BfV-

2/3

MAT A BfV-

2/4

BMI-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag vorbereitet

durch Beiziehung der Aktenpläne und

Dateiverzeichnisse des Bundesamts

für Verfassungsschutz, des Bundes-

kriminalamts und des Bundesministe-

rium des Innern beim Bundesminis-

terium des Innern, des Bundesnach-

richtendienstes und des Bundeskanz-

leramts beim Bundeskanzleramt, des

Militärischen Abschirmdienstes und

des Bundesministeriums der Verteidi-

gung beim Bundesministerium der

Verteidigung sowie des Generalbun-

desanwalts und des Bundesministeri-

ums der Justiz beim Bundesministeri-

um der Justiz.

09.02.2012 MAT A BMI-1

MAT A BMI-

1/1

MAT A BMI-

1/2

MAT A BMI-

1/3

BK-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam- 09.02.2012 MAT A BK-

Drucksache 17/14600 – 1152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ten Untersuchungsauftrag vorbereitet

durch Beiziehung der Aktenpläne und

Dateiverzeichnisse des Bundesamts

für Verfassungsschutz, des Bundes-

kriminalamts und des Bundesministe-

rium des Innern beim Bundesministe-

rium des Innern, des Bundesnachrich-

tendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des

Militärischen Abschirmdienstes und

des Bundesministeriums der Verteidi-

gung beim Bundesministerium der

Verteidigung sowie des Generalbun-

desanwalts und des Bundesministeri-

ums der Justiz beim Bundesministeri-

um der Justiz.

1/1

MAT A BK-

1/2

MAT A BK-

1/3

BMVg-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag vorbereitet

durch Beiziehung der Aktenpläne und

Dateiverzeichnisse des Bundesamts

für Verfassungsschutz, des Bundes-

kriminalamts und des Bundesministe-

rium des Innern beim Bundesministe-

rium des Innern, des Bundesnachrich-

tendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des

Militärischen Abschirmdienstes und

des Bundesministeriums der Verteidi-

gung beim Bundesministerium der

Verteidigung sowie des Generalbun-

desanwalts und des Bundesministeri-

ums der Justiz beim Bundesministeri-

um der Justiz.

09.02.2012 MAT A

BMVg-1

MAT A

BMVg-1/1

MAT A

BMVg-1/1a

und b

MAT A

BMVg-1/2

BMJ-1 3 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag vorbereitet

durch Beiziehung der Aktenpläne und

Dateiverzeichnisse des Bundesamts

für Verfassungsschutz, des Bundes-

kriminalamts und des Bundesministe-

rium des Innern beim Bundesministe-

rium des Innern, des Bundesnachrich-

tendienstes und des Bundeskanzler-

amts beim Bundeskanzleramt, des

Militärischen Abschirmdienstes und

des Bundesministeriums der Verteidi-

gung beim Bundesministerium der

Verteidigung sowie des Generalbun-

desanwalts und des Bundesministeri-

ums der Justiz beim Bundesministe-

rium der Justiz.

09.02.2012 MAT A BMJ-1

MAT A BMJ-

1/1a

MAT A BMJ-

1/1b

MAT A BMJ-

1/1c

BfV-3 4 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz aus dem

gesamten Untersuchungszeitraum

09.02.2012 MAT A BfV-3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1153 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

(1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen auf

die Struktur der Behörde im Bereich

der Beobachtung des Rechtsextremis-

mus/Rechtsterrorismus gemäß § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

BND-1 5 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundes-

nachrichtendienstes aus dem gesamten

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011), bezogen auf die Struktur

der Behörde im Bereich der Beobach-

tung internationaler Verflechtungen

bzw. Unterstützung des Rechtsextre-

mismus/Rechtsterrorismus in Deutsch-

land gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundeskanzleramt.

09.02.2012 MAT A BND-

1

MAT A BND-

1/1

MAT A BND-

1/2

MAT A BND-

1/3

MAD-1 6 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Militäri-

schen Abschirmdienstes aus dem

gesamten Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011), bezogen auf

die Struktur der Behörde im Bereich

der Beobachtung des Rechtsextremis-

mus/Rechtsterrorismus gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium der

Verteidigung

09.02.2012 MAT A MAD-

1

MAT A MAD-

1/1

MAT A MAD-

1/2

BKA-1 7 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundes-

kriminalamts aus dem gesamten

Untersuchungszeitraum (1.11.1992 bis

8.11.2011), bezogen auf die Struktur

der Behörde im Bereich ihrer gesetzli-

chen Aufgaben im Bezug auf Rechts-

extremismus/Rechtsterrorismus gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium des Innern.

09.02.2012 MAT A BKA-

1

GBA-1 8 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des General-

bundesanwaltes aus dem gesamten

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) , bezogen auf die Struktur

der Behörde im Bereich ihrer gesetzli-

chen Aufgaben im Bezug auf Rechts-

extremismus/Rechtsterrorismus gem.

09.02.2012 MAT A GBA-

1a

MAT A GBA-

1b

Drucksache 17/14600 – 1154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Justiz.

BMI-2 9 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundes-

ministeriums des Innern aus dem ge-

samten Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

09.02.2012 MAT A BMI-2

MAT A BMI-

2/1 a-e

BMJ-2 10 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundes-

ministeriums der Justiz aus dem ge-

samten Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Justiz.

09.02.2012 MAT A BMJ-2

BK-2 11 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung sämtlicher Organigram-

me/Organisationspläne des Bundes-

kanzleramtes aus dem gesamten

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) bezogen auf die Aufgaben

der Behörde im Bereich der Nachrich-

tendienste gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Justiz.

09.02.2012 MAT A BK-2

BT-1 12 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung sämtlicher Protokolle des

Innenausschusses des Deutschen Bun-

destages und sonstiger im Innenaus-

schuss vorhandener Dokumente, so-

weit sie sich auf die im Untersu-

chungsauftrag festgelegten Sachver-

halts beziehen und nach dem 4. No-

vember 2011 entstanden bzw. in Ge-

wahrsam genommen worden sind,

beim Deutschen Bundestag

09.02.2012 MAT A BT-1

MAT A BT-1/1

MAT A BT-1/2

MAT A BT-1/3

MAT A BT-1/4

MAT A BT-1/5

MAT A BT-1/6

MAT A BT-1/7

MAT A BT-1/8

BT-2 13 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung des Protokolls der 106. Sit-

zung des Verteidigungsausschusses

des Deutschen Bundestages am

30.11.2011 und sonstiger im Verteidi-

gungsausschuss vorhandener Doku-

mente, soweit sie sich auf die im

Untersuchungsauftrag festgelegten

Sachverhalte beziehen und nach dem

4.11.2011 entstanden bzw. in Gewahr-

sam genommen worden sind, beim

Deutschen Bundestag.

09.02.2012 MAT A BT-2/1

BMI-3 14 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

09.02.2012 MAT A BMI-3

MAT A BMI-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1155 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher im Bereich des Bundesmi-

nisteriums des Innern vorhandenen

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel

zur Informationsgruppe zur Beobach-

tung und Bekämpfung rechtsextremis-

tischer/-rechtsterroristischer, insbe-

sondere fremdenfeindlicher Gewaltak-

te (IGR) im Zeitraum vom 01. Januar

1992 bis 08. November 2011, soweit

sie den "NSU" und dessen Umfeld

soweit die Organisationen „Anti-
Antifa Ostthüringen“, den „Thüringer
Heimatschutz“, „Blood & Honour
Deutschland“ und andere rechtsextre-
mistische Strukturen betreffen, sowie

ggf. vorhandener Organisationspläne

der IGR gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundesministerium des Innern.

3/01 bis 3/30

IMK-1 15 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher vorhandener Akten, Do-

kumente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Daten und sonsti-

ger sächlicher Beweismittel, die sich

beziehen auf die Tätigkeit der Ständi-

gen Konferenz der Innenminister und -

senatoren der Länder (IMK) im Zeit-

raum vom 1. Januar 1992 bis 8. No-

vember 2011, insbesondere der AKs II

und IV sowie deren entsprechenden

Arbeitsgruppen soweit sie den "NSU"

und dessen Umfeld sowie die Organi-

sationen „Anti-Antifa Ostthüringen“,
den „Thüringer Heimatschutz“,
Deutschland und anderen rechtsextre-

mistische Strukturen betreffen, sowie

ggf. vorhandener Organisationpläne

der IMK, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Vorsitzenden der ständigen Kon-

ferenz der Innenminister und Innense-

natoren der Länder (IMK).

09.02.2012 MAT A IMK-1

MAT A IMK-

1/1

MAT A IMK-

1/2

MAT A IMK-

1/3

MAT A IMK-

1/4a

MAT A IMK-

1/4b

MAT A IMK-

1/4c

MAT A IMK-

1/5

MAT A IMK-

1/5 a bis i

GBA-2 16 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherten Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel zum Prüfvorgang 3 ARP

32/98-2 ("Waffenfunde in Jena") des

Generalbundesanwalts gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium des

Justiz.

MAT A GBA-

2

BMVg-2 17 Es wird Beweis erhoben zu den Ab- 09.02.2012 MAT A
Drucksache 17/14600 – 1156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherten Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die sich beziehen auf

den Diebstahl und Verbleib von

Sprengstoff (ca. 40 kg TNT)

1990/1001 aus dem Munitionsdepot

von NVA/Bundeswehr nahe

Großeutersdorf/Kahla in Thüringen

(Komplexlager 22/Reimagh), und im

Bundesministerium der Verteidigung

oder in dem diesem nachgeordneten

Bereich, insbesondere im Militäri-

schen Abschirmdienst, im Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit

sie sich heute noch in behördlichem

Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium der

Verteidigung.

BMVg-2

TH-1 18 Es wird Beweis erhoben zum Untersu-

chungsauftrag, insbesondere auch zum

Zwecke der Evaluierung der bundes-

gesetzlichen Vorschriften zum Waf-

fenrecht, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherten Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Sicherheitsbehörden und dem

Innenministerium des Freistaats Thü-

ringen vorliegen und die sich mit dem

Erwerb und Besitz von Waffen,

Sprengstoff und Bomben der Mitglie-

der der "NSU" und deren Umfeld seit

dem Jahr 1992 befassen, im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG beim Innenministerium des Frei-

staates Thüringen.

09.02.2012 MAT A TH-1

MAT A TH-

1/01 bis 24

MAT B TH-3

TH-2 19 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass im gestuften Verfahren

1. das Justizministerium des Freistaats

Thüringen darum ersucht wird, sämtli-

che strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren bzw. Strafverfahren, die gegen

Mitglieder des "NSU", Uwe

Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe - einzeln oder gemeinsam im

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2012) durch Behörden im Frei-

staat Thüringen geführt wurden (bei-

spielsweise Az. 114 Js 37149/97, 114

Js 1212/97) konkret mit Aktenzeichen

zu benennen und sodann

09.02.2012 MAT A TH-2

MAT A TH-

2/1 bis 47

MAT A TH-

2/48 bis 67

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1157 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

2. die daraufhin konkretisierten Ver-

fahrensakten (Sachakten, Handakten,

Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke

o. ä. ) soweit diese noch vorhanden

sind, in vollem Umfang im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 1 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG beim Justizministerium des Frei-

staats Thüringen beigezogen werden.

BfV-4 20 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die im Or-

ganisationsbereich des Bundesamtes

für Verfassungsschutz im Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit

sie sich heute noch in behördlichem

Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

09.02.2012 MAT A BfV-4

MAT A BfV-

4.herabgestufte

r Auszug

MAT A BfV-

4/1

MAT A BfV-

4/2

MAT A BfV-

4/3

MAT A BfV-

4/4

MAT A BfV-

4/5

MAT A BfV-

4/6

MAT A BfV-

4/7

MAT A BfV-

4/7Erläuterung

MAT A BfV-

4/8

MAT A BfV-

4/9

MAT A BfV-

4/10

MAT A BfV-

4/10Erläuterun

g

MAT A BfV-

4/11

MAT A BfV-

4/12

MAT A BfV-

4/13

MAT A BfV-

4/14

MAT A BfV-

4/17

MAT A BfV-

4/18

MAT A BfV-

4/19

BfV-5 21 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten des Untersuchungsauftrags

durch Beiziehung sämtlicher Akten,

Dokumente, in Dateien oder auf ande-

re Weise gespeicherter Daten und

09.02.2012 MAT A BfV-5

MAT A BfV-

5/1

MAT A BfV-

5/2

Drucksache 17/14600 – 1158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

sonstiger sächlicher Beweismittel, die

den Untersuchungsgegenstand betref-

fen, und die im Organisationsbereich

des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz nach dem 8.11.2011 entstanden

oder in behördlichen Gewahrsam

genommen worden sind, soweit sie

sich inhaltlich auf den Untersuchungs-

zeitraum 81.1.1992 bis 8.11.2011)

beziehen und soweit sie nicht durch

zuvor gefasste Beweisbeschlüsse be-

reits beigezogen sind, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

MAT A BfV-

5/3

BKA-2 22 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die im Or-

ganisationsbereich des Bundeskrimi-

nalamtes im Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden

waren, soweit sie sich heute noch in

behördlichem Gewahrsam befinden,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern.

09.02.2012 MAT A BKA-

2-1

MAT A BKA-

2/2

MAT A BKA-

2/3

MAT A BKA-

2/4

MAT A BKA-

2/5

MAT A BKA-

2/6

MAT A BKA-

2/7

MAT A BKA-

2/8

MAT A BKA-

2/9

MAT A BKA-

2/10

MAT A BKA-

2/11

MAT A BKA-

2/12

MAT A BKA-

2/13 bis

MAT A BKA-

2/34

MAT A BKA-

2/35 a und b

MAT A BKA-

2/36

MAT A BKA-

2/37-39

MAT A BKA-

2/40

MAT A BKA-

2/41

MAT A BKA-

2/42 a bis e

MAT A BKA-

2/43

MAT A BKA-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1159 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

2/44

MAT A BKA-

2/44 a

bis

MAT A BKA-

2/53

BPol-1 23 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die im Or-

ganisationsbereich der Bundespolizei

(zuvor: Bundesgrenzschutz) im Unter-

suchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit

sie sich heute noch in behördlichem

Gewahrsam befinden, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

09.02.2012 MAT A BPol-

1/1 EA 01 bis

EA 85

MAT A BPol-

1/2 EA 01 bis

EA 19

MAT A BPol-

1/3 a und b

MAT A BPol-

1/4 EA 01 bis

EA 03

MAT A BPol-

1/5

MAT A BPol-

1/6

MAT A BPol-

1/7 EA 01 bis

EA 04

MAT A BPol-

1/8 EA 01 und

EA 02

MAT A BPol-

1/9 a bis f

MAT A BPol-

1/10

MAT A BPol-

1/11

BPol-2 24 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitte I. und II. des Untersuchungs-

auftrags durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand

betreffen, und die im Organisationsbe-

reich der Bundespolizei nach dem

8.11.2011 entstanden oder in behörd-

lichen Gewahrsam genommen worden

sind, soweit sie sich inhaltlich auf den

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

09.02.2012 MAT A BPol-

2/1a bis s

MAT A BPol-

2/2a bis n

MAT A BPol-

2/3a bis x

MAT A BPol-

2/4 a bis h

BMI-4 25 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die unmit-

09.02.2012 MAT A BMI-

4-0030-0055

MAT A BMI-4

Inhaltsver-

zeichnis

MAT A BMI-

4/56

MAT A BMI-
Drucksache 17/14600 – 1160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

telbar im Bundesministerium des

Innern im Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden

waren, soweit sie sich heute noch in

behördlichem Gewahrsam befinden,

und soweit sie nicht durch zuvor ge-

fasste Beweisbeschlüsse bereits beige-

zogen sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium des Innern.

4/57 a bis f

MAT A BMI-

4/58

MAT A BMI-

4/59

MAT A BMI-

4/60

BMI-5 26 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die unmit-

telbar im Bundesministerium des

Innern nach dem 8.11.2011 entstanden

oder in behördlichen Gewahrsam

genommen worden sind (soweit sie

sich inhaltlich auf den Untersuchungs-

zeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)

beziehen, und soweit sie nicht durch

zuvor gefasste Beweisbeschlüsse be-

reits beigezogen sind, gem. § 18 Abs.

1 PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

09.02.2012 MAT A BMI-

5-0034-0092

MAT A BMI 5

Inhaltsver-

zeichnis

MAT A BMI-

5/93

MAT A BMI-

5/94

MAT A BMI-

5/95

MAT A BMI-

5/96

MAT A BMI-

5/97

MAT A BMI-

5/98

GBA-3 27 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die unmit-

telbar im Organisationsbereich des

Generalbundesanwalts im Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit

sie sich heute noch in behördlichem

Gewahrsam befinden und soweit sie

nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-

schlüsse bereits beigezogen sind, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Justiz.

09.02.2012 MAT A GBA-

3

MAT A GBA-

1-44 (44

Ordner)

MAT A GBA-

3/45

MAT A GBA-

3/46

MAT A GBA-

3/47

MAT A GBA-

3/48

MAT A GBA-

3/49

MAT A GBA-

3/50

MAT A GBA-

3/51

MAT A GBA-

3/52

MAT A GBA-

3/57

MAT A GBA-

3/58a I bis 58o

II

MAT A GBA-

3/59a bis f

MAT A GBA-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1161 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

3/60

BMJ-3 28 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die unmit-

telbar im Bundesministerium der Jus-

tiz im Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden

waren, soweit sie sich heute noch in

behördlichem Gewahrsam befinden,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium der Justiz.

09.02.2012 MAT A BMJ-3

MAT A BMJ-

3/1

BMJ-4 29 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die unmit-

telbar im Bundesministerium der Jus-

tiz nach dem 8.11.2011 entstanden

oder in behördlichen Gewahrsam

genommen worden sind, soweit sie

sich inhaltlich auf den Untersuchungs-

zeitraum (1.11.992 bis 8.11.2011)

beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Justiz.

09.02.2012 MAT A BMJ-4

a - c

MAD-2 30 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die im Or-

ganisationsbereich des Militärischen

Abschirmdienstes im Untersuchungs-

zeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)

vorhanden waren, soweit sie sich

heute noch in behördlichem Gewahr-

sam befinden, und soweit sie nicht

durch zuvor gefasste Beweisbeschlüs-

se beigezogen sind, Gem. § 18 As. 1

PUAG beim Bundesministerium der

Verteidigung.

09.02.2012 MAT A MAD-

2

MAT A MAD-

2/1

MAT A MAD-

2/2

MAT A MAD-

2/3

MAT A MAD-

2/4

MAT A MAD-

2/5

MAT A MAD-

2/6

MAT A MAD-

2/7

MAT A MAD-

2/8

MAT A MAD-

2/9

MAT A MAD-

2/10a+b

MAD-3 31 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

09.02.2012 MAT A MAD-

3

MAT A MAD

Drucksache 17/14600 – 1162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die im Or-

ganisationsbereich des Militärischen

Abschirmdienstes nach dem 8.11.2011

entstanden oder in behördlichem Ge-

wahrsam genommen worden sind,

soweit sie sich inhaltlich auf den

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) beziehen und soweit sie

nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-

schlüsse bereits beigezogen sind, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Verteidigung.

3/1

MAT A MAD

3/2

MAT A MAD-

3/3

BMVg-3 32 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die den Untersuchungs-

gegenstand betreffen, und die im Bun-

desministerium der Verteidigung nebst

nachgeordnetem Bereich im Untersu-

chungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) vorhanden waren, soweit

sie sich heute noch in behördlichem

Gewahrsam befinden, und soweit sie

nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-

schlüsse bereits beigezogen sind, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Verteidigung.

09.02.2012 MAT A

BMVg-3

MAT A

BMVg-3/1

MAT A

BMVg-3/2

MAT A

BMVg-3/3

MAT A

BMVg-3/4

MAT A

BMVg-3/5

MAT A

BMVg-3/6

MAT A

BMVg-3/7

MAT A

BMVg-3/8

MAT A

BMVg-3/9

MAT A

BMVg-3/10

MAT A

BMVg-3/11a

und b

MAT A

BMVg-3/12

MAT A

BMVg-3/13

MAT A

BMVg-3/14

MAT A

BMVg-3/15

MAT A

BMVg-3/16

MAT A

BMVg-3/17

MAT A

BMVg-3/18

MAT A

BMVg-3/19
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1163 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

MAT A

BMVg-3/20

BMVg-4 33 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherten Daten und sonstiger sächlicher

Beweismitteln, die den Untersu-

chungsgegenstand betreffen und die

unmittelbar im Bundesministerium der

Verteidigung nach dem 8.11.2011

entstanden oder in behördlichen Ge-

wahrsam genommen worden sind,

soweit sie sich inhaltlich auf den

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) beziehen, und soweit sie

nicht durch zuvor gefasste Beweisbe-

schlüsse bereits beigezogen sind, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Verteidigung.

09.02.2012 MAT A

BMVg-4

BND-2 34 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die den Untersuchungsge-

genstand betreffen, und die im Orga-

nisationsbereich des Bundesnachrich-

tendienstes im Untersuchungszeitraum

(1.1.1992 bis 8.11.2011) vorhanden

waren, soweit sie sich heute noch in

behördlichem Gewahrsam befinden,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

deskanzleramt.

09.02.2012 MAT A BND-

2

MAT A BND-

2/1

MAT A BND-

2/2

MAT A BND-

2/3

BND-3 35 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Dokumente in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand

betreffen, und die im Organisationsbe-

reich des Bundesnachrichtendienstes

nach dem 8.11.2011 entstanden oder

in behördlichen Gewahrsam genom-

men worden sind, soweit sie sich in-

haltlich auf den Untersuchungszeit-

raum (1.1.1992 bis 8.11.2011) bezie-

hen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundeskanzleramt.

09.02.2012 MAT A BND-

3

MAT A BND-

3/1a bis c

MAT A BMD-

3/2

BK-3 36 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Dokumente in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

09.02.2012 MAT A BK-3 a

bis c

MAT A BK-3

d

MAT A BK-

Drucksache 17/14600 – 1164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand

betreffen, und die unmittelbar im

Bundeskanzleramt im Untersuchungs-

zeitraum (1.1.1992 bis 8.11.2011)

vorhanden waren, soweit sie sich

heute noch in behördlichem Gewahr-

sam befinden, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundeskanzleramt.

3/1

BK-4 37 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags durch Beiziehung

sämtlicher Dokumente in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die den Untersuchungsgegenstand

betreffen, und die unmittelbar im

Bundeskanzleramt nach dem

8.11.2011 entstanden oder in behörd-

lichen Gewahrsam genommen worden

sind, soweit sie sich inhaltlich auf den

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) beziehen, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundeskanzleramt.

09.02.2012 MAT A BK-4 a

bis h

MAT A BK-4 i

bis k

MAT A BK-

4/1

S-1 38 Es wird Beweis erhoben zur Einfüh-

rung in die Thematik des Untersu-

chungsauftrags durch Einholung von

Sachverständigengutachten gem. § 28

PUAG zum Thema "Überblick über

die Entwicklung der Architektur und

Arbeitsweise der Sicherheits- und

Ermittlungsbehörden des Bundes und

der Länder bezüglich der Aufklärung

und Bekämpfung der Bedrohung

durch den (gewaltfreien, gewaltbezo-

genen und terroristischen) Rechtsex-

tremismus sowie zur Verhinderung

und Verfolgung von Straftaten mit

derartigem Hintergrund im Verlauf

des Untersuchungszeitraums."

09.02.2012 MAT A S-1

MAT A S-1/1

MAT A S-1/2

S-2 39 Es wird Beweis erhoben zur Einfüh-

rung in die Thematik des Untersu-

chungsauftrags durch Einholung von

Sachverständigengutachten gem. § 28

PUAG zum Thema "Überblick zum

Phänomenbereich Rechtsextremismus

in der Bundesrepublik Deutschland im

Untersuchungszeitraum (1.1.1992 bis

8.11.2011) und zu den Ansätzen, ihn

in den Bereichen Repression, Präven-

tion und Sensibilisierung wirksam zu

bekämpfen."

09.02.2012 MAT A S-2

MAT A S-2/1

MAT A S-2/2

BW-1 41-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtl.

Akten, Dokumente, in Dateien oder

01.03.2012 MAT A BW-1a

bis d

MAT A BW-

1/1

MAT A BW-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1165 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz des

Landes BW und des Ministeriums des

Innern des Landes BW, also der für

den Verfassungsschutz verantwortli-

chen obersten Landesbehörde vorlie-

gen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der GBA unter

den Aktenzeichen 2 BJs 162/11-2

sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2 BJs 6/12

sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs 12/12-2

Ermittlungen führt - oder über weitere

Personen oder über Organisationen

aus ihrem Unterstützerumfeld sowie

über ggf. bestehende Verbindungen zu

rechtsextremen Vereinen oder Organi-

sationen, soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

1/2

MAT A BW-

1/3a bis d

BY-1 42-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbesonde-

re zur Evaluierung bundesrechtlicher

Vorschriften, durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

01.03.2012 MAT B BY-1

MAT A BY-1

MAT A BY-

1/1 a

MAT A BY-

1/1 b

MAT A BY-

Drucksache 17/14600 – 1166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

weismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz des Freistaats Bayern und

des Bayerischen Staatsministeriums

des Innern als der für den Verfas-

sungsschutz verantwortlichen obersten

Landesbehörde des Freistaats Bayern

vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder über ihre
mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insbesondere Uwe Böhnhardt,

Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, André

E., Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Herrmann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B. – also die
Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt – oder
über weitere Personen oder über Or-

ganisationen aus ihrem Unterstützer-

umfeld sowie über gegebenenfalls

bestehende Verbindungen zu rechts-

extremen Vereinen oder Organisatio-

nen.

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011,

und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes –
hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt – aus-
getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Bayerische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

1/2

MAT A BY-

1/3

MAT A BY-

1/4

MAT A 1/5

MAT A BY-

1/6

MAT A BY-

1/7 bis 9

BE-1 43-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

01.03.2012 MAT A BE-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1167 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die in der Senatsverwaltung für Inne-

res und Sport des Landes Berlin und

insb. im Organisationsbereich von

deren Abteilung Verfassungsschutz

vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Senatskanzlei des Landes Berlin bei

der zuständigen obersten Landesbe-

hörde.

BB-1 44-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

01.03.2012 MAT A BB-1

Drucksache 17/14600 – 1168 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

des Brandenburg und des Ministeri-

ums des Innern des Landes Branden-

burg als der für den Verfassungsschutz

verantwortlichen obersten Landesbe-

hörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

HB-1 45-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz der

Freien Hansestadt Bremen und des

01.03.2012 MAT A HB-1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1169 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Senators für Inneres und Sport der

Freien Hansestadt Bremen als der für

den Verfassungsschutz verantwortli-

chen obersten Landesbehörde vorlie-

gen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Senatskanzlei der Freien Hansestadt

Bremen bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

HH-1 46-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz der

Freien und Hansestadt Hamburg und

01.03.2012 MAT A HH-1

Drucksache 17/14600 – 1170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

der Behörde für Inneres und Sport der

Freien und Hansestadt Hamburg als

der für den Verfassungsschutz ver-

antwortlichen obersten Landesbehörde

vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Senatskanzlei der Freien und Hanse-

stadt Hamburg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

HE-1 47-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz des

Landes Hessen und des Ministeriums

01.03.2012 MAT A HE-1

MAT A HE-

1/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1171 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

für Inneres und Sport des Landes

Hessen als der für den Verfassungs-

schutz verantwortlichen obersten Lan-

desbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Hessische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

MV-1 48-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Ministerium für Inneres und

Sport des Landes Mecklenburg-

Vorpommern als der für den Verfas-

sungsschutz verantwortlichen obersten

Landesbehörde des Landes Mecklen-

01.03.2012 MAT A MV-1

MAT A MV-

1/1

Drucksache 17/14600 – 1172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

burg-Vorpommern und insbesondere

im Organisationsbereich von dessen

Abteilung Verfassungsschutz vorlie-

gen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Mecklen-

burg-Vorpommern bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

NI-1 49-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Ministerium für Inneres und

Sport des Landes Niedersachsen als

der für den Verfassungsschutz ver-

antwortlichen obersten Landesbehörde

01.03.2012 MAT A NI-1/1

bis NI-1/13

MAT A NI-

1/14

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1173 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

des Landes Niedersachsen und insbe-

sondere im Organisationsbereich von

dessen Abteilung Verfassungsschutz

vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Niedersach-

sen bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

NW-1 50-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Ministerium für Inneres und

Kommunales des Landes Nordrhein-

Westfalen als der für den Verfas-

sungsschutz verantwortlichen obersten

01.03.2012 MAT A NW-1

MAT A NW-

1/1

MAT A NW-

1/2

MAT A NW-

1/3

Drucksache 17/14600 – 1174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Landesbehörde des Landes Nordrhein-

Westfalen und insbesondere im Orga-

nisationsbereich von dessen Abteilung

Verfassungsschutz vorliegen, soweit

sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen obers-

ten Landesbehörde.

RP-1 51-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Ministerium des Innern, für

Sport und Infrastruktur des Landes

Rheinland-Pfalz als der für den Ver-

01.03.2012 MAT A RP-1

MAT A RP-1a

bis m

MAT A RP-1/2

a bis h

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1175 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

fassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde des Landes

Rheinland-Pfalz und insbesondere im

Organisationsbereich von dessen Ab-

teilung Verfassungsschutz vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Rheinland-

Pfalz bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

SL-1 52-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz des

01.03.2012 MAT A SL-1a-

c

Drucksache 17/14600 – 1176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Saarlands und des Ministerium für

Inneres, Kultur und Europa des Saar-

landes als der für den Verfassungs-

schutz verantwortlichen obersten Lan-

desbehörde vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Saarlands bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

SN-1 53-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz des

Freistaates Sachsen als der für den

Verfassungsschutz verantwortlichen

01.03.2012 MAT A SN-1

MAT A SN-1/1

MAT A SN-1/2

MAT A SN-1/3

MAT A SN-1/4

MAT A SN-1/5

MAT A SN-1/6

a und b

MAT A SN-1/7

MAT A SN-1/8

MAT A SN-1/9

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1177 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

obersten Landesbehörde vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Sächsische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

MAT A SN-

1/10

MAT A SN-

1/11

MAT A SN-

1/12a+b

MAT A SN-

1/13

ST-1 54-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Ministerium für Inneres und

Sport des Landes Sachsen-Anhalt als

der für den Verfassungsschutz ver-

antwortlichen obersten Landesbehörde

des Landes Sachsen-Anhalt und

insbes. im Organisationsbereich von

dessen Abteilung Verfassungsschutz

01.03.2012 MAT A ST-1

MAT A ST-1/1

MAT A ST-1/2

MAT A ST-1/2

MAT A ST-1/3

MAT A ST-1/4

MAT A ST-1/5

MAT A ST-1/6

MAT A ST-1/7

MAT A ST-1/8

MAT A ST-1/9

MAT A ST-

1/10

MAT A ST-

Drucksache 17/14600 – 1178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Sachsen-

Anhalt bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

1/11

MAT A ST-

1/12

MAT A ST-

1/13

MAT A ST-

1/14

MAT A ST-

1/15

MAT A ST-

1/16

MAT A ST-

1/17

MAT A ST-

1/18

MAT A ST-

1/19

MAT A ST-

1/20

MAT A ST-

1/21

SH-1 55-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Innenministerium des Landes

Schleswig-Holstein als der für den

Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde des Landes

Schleswig-Holstein und insbes. im

Organisationsbereich von dessen Ab-

teilung Verfassungsschutz vorliegen,

01.03.2012 MAT A SH-1

MAT A SH-1/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1179 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Schleswig-

Holstein bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

TH-3 56-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zur

Evaluierung bundesrechtlicher Vor-

schriften, durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherte Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die im Organisationsbereich des Lan-

desamtes für Verfassungsschutz des

Freistaates Thüringen und des Innen-

ministeriums des Freistaats Thüringen

als der für den Verfassungsschutz

verantwortlichen obersten Landesbe-

hörde vorliegen, soweit sie

01.03.2012 MAT A TH-3

MAT A TH-

3/1

MAT A TH-

3/2

MAT A TH-

3/3

MAT A TH-

3/4

MAT A TH-

3/5

MAT A TH-

3/5a

MAT A TH-

Drucksache 17/14600 – 1180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen, also Informationen enthalten

über die Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder über ihre

mutmaßlichen Mitglieder oder Unter-

stützer, insb. Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos, Beate Zschäpe, André E.,

Susann E., Pierre J., Jan Botho W.,

Thomas S., Ralf W., Hermann S.,

Holger G., Carsten S., Matthias D.,

Mandy S., Max Florian B.- also die

Personen, gegen die der Generalbun-

desanwalt unter den Aktenzeichen 2

BJs 162/11-2 sowie 2 BJs 2/12-2 bis 2

BJs 6/12 sowie 2 BJs 8/12-2 bis 2 BJs

12/12-2 Ermittlungen führt oder über

weitere Personen oder über Organisa-

tionen aus ihrem Unterstützerumfeld

sowie über ggf. bestehende Verbin-

dungen zu rechtsextremen Vereinen

oder Organisationen, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011, und soweit sie

3. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes -

hier vor allem dem Bundesamt für

Verfassungsschutz, dem Bundesnach-

richtendienst, dem Militärischen Ab-

schirmdienst, dem Bundeskriminalamt

und dem Generalbundesanwalt - aus-

getauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

3/6

MAT A TH-

3/7

MAT A TH-

3/8 a und b

MAT A TH-

3/9 a und b

MAT A TH-

3/10

MAT A TH-

3/11

MAT A TH-

3/12a-c

MAT A TH-

3/13

MAT A TH-

3/14

MAT A TH-

3/14/1 und /2

MAT A TH-

3/15

MAT A TH-

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MAT A TH-

3/EB 01-17

BfV-6 57 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbesonde-

re zu Punkt II. 4., durch Beiziehung

der in der "Dienstvereinbarung Be-

schaffung" (DV-Beschaffung) des

Bundesamtes für Verfassungsschutz

enthaltenen internen Regelungen zum

Einsatz von Vertrauenspersonen in

den während des Untersuchungszeit-

raums 81.1.1992 bis 8.11.2011) gel-

tenden Fassung gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

01.03.2012 MAT A BfV-6

GBA-4 58 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

01.03.2012 MAT A GBA-

4/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1181 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

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Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-

te, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten, die den Untersu-

chungsgegenstand betreffen, und die

im Organisationsbereich des General-

bundesanwalts nach dem 8.11.2011

entstanden oder in behördlichen Ge-

wahrsam genommen worden sind

bzw. für die der Generalbundesanwalt

die Zuständigkeit i.S.v. § 4787 StPO

nach § 142 a, § 120a GVG erlangt hat,

unabhängig davon, wo die Beweismit-

tel körperlich aufbewahrt werden

soweit sie sich inhaltlich auf den

Untersuchungszeitraum 1.1.92-8.11.11

beziehen, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Justiz.

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4/4

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4/4a

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4/4b

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4/4c

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4/6 a bis i

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4/7 a

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4/7 b

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4/8a-c

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4/9

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4/10 a bis d

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4/10 e-neu bis

h-neu

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4/11 a-neu bis

n-neu

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4/12 a und b

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4/14 a bis d

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4/15 a bis v

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4/17a und b

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4/18

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4/22a bis l

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4/23

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Drucksache 17/14600 – 1182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

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Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

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4/24 a bis e

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4/25

bis

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4/40

BW-2 60 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über das Staatsministerium des

Landes Baden-Württemberg gestuften

Verfahren

1. das Justizministerium des Landes

Baden-Württemberg im Wege der

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Baden-

Württemberg wegen Straftaten geführt

wurden, die der Terrorgruppe „Natio-
nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;

b. aus den benannten Strafverfahren

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. das Innenministerium des Landes

Baden-Württemberg im Wege der

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen, die im

Untersuchungszeitraum (01.01.1992

bis 08.11.2011) durch Behörden des

Landes Baden-Württemberg wegen

begangener Taten oder drohender

Gefährdungen durchgeführt wurden,

die der Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

und Beate Zschäpe unter ihrem echten

01.03.2012 MAT A BW-2

MAT A BW-

2/1

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2/2

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2/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1183 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

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Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;

b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind. und sodann

3. die daraufhin konkretisierten Ver-

fahrensakten (Sachakten, Handakten,

Spurenakten, Berichtshefte, Sonder-

hefte, Vermerke o. ä.), die noch vor-

handen sind und der Verfügungsge-

walt der Landesbehörden unterliegen,

insoweit als sie die Zusammenarbeit

und den Erkenntnisaustausch von

Bund und Ländern betreffen, also im

Rahmen der Zusammenarbeit und des

Erkenntnisaustausches mit Stellen des

Bundes – hier vor allem dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz, dem Bun-

desnachrichtendienst, dem Militäri-

schen Abschirmdienst, dem Bundes-

kriminalamt sowie dem Generalbun-

desanwalt – entstanden sind, oder
Informationen enthalten, die aus heu-

tiger Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde

beigezogen werden.

BY-2 61 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über die Bayerischen Staatskanz-

lei im gestuften Verfahren

1. das Bayerische Staatsministerium

der Justiz und für Verbraucherschutz

im Wege der Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.

44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Freistaats Bayern wegen

Straftaten geführt wurden, die der

Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund“ oder ihren vermutlichen
Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren

01.03.2012 MAT A BY-2-

a-I

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a-II

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b-I

MAT A BY-2-

b-II

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2/1

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2/2 - 77 Ordner

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2/2 a bis d

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2/3 a bis f

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2/4 a bis e

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2/5 a bis u

MAT A BY-
Drucksache 17/14600 – 1184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. das Bayerische Staatsministerium

des Innern im Wege der Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-

dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht

wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen,

die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Freistaats Bayern wegen

begangener Taten oder drohender

Gefährdungen durchgeführt wurden,

die der Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

und Beate Zschäpe unter ihrem echten

Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;

b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind; und sodann

3. die daraufhin konkretisierten Ver-

fahrensakten (Sachakten, Handakten,

Spurenakten, Berichtshefte, Sonder-

hefte, Vermerke o. ä.), die noch vor-

handen sind und der Verfügungsge-

walt der Landesbehörden unterliegen,

insoweit als sie die Zusammenarbeit

und den Erkenntnisaustausch von

Bund und Ländern betreffen, also im

Rahmen der Zusammenarbeit und des

Erkenntnisaustausches mit Stellen des

Bundes – hier vor allem dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz, dem Bun-

desnachrichtendienst, dem Militäri-

schen Abschirmdienst, dem Bundes-

kriminalamt sowie dem Generalbun-

desanwalt – entstanden sind, oder
Informationen enthalten, die aus heu-

tiger Sicht hätten ausgetauscht werden

2/6 a bis d

MAT A BY-

2/7

MAT A BY-

2/8

MAT A BY-

2/9 a bis h

MAT A BY

2/10

MAT A BY

2/11

MAT A BY-

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2/12 a

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2/17a-d

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1185 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde

beigezogen werden.

HH-2 62 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über die Senatskanzlei der Freien

und Hansestadt Hamburg

1. die Behörde für Justiz und Gleich-

stellung der Freien und Hansestadt

Hamburg im Wege der Amtshilfe nach

§ 18 Abs. 4 PUAG in Verbindung mit

Art. 44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden der Freien und Hansestadt

Hamburg wegen Straftaten geführt

wurden, die der Terrorgruppe "Natio-

nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;

b. aus den benannten Strafverfahren

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. Die Behörde für Inneres und Sport

der Freien und Hansestadt Hamburg

im Wege der Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.

44 Abs. 3 GG ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen,

die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden der Freien und Hansestadt

Hamburg wegen begangener Taten

oder drohender Gefährdungen durch-

geführt wurden, die der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe unter

ihrem echten Namen oder unter den

von ihnen bekannten Alias-Namen –

01.03.2012 MAT A HH-2

MAT A HH-

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Drucksache 17/14600 – 1186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

zugeordnet werden;

b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind.

HE-2 63 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über die Hessische Staatskanzlei

1. das Hessische Ministerium der

Justiz, für Integration und Europa im

Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG in Verbindung mit Art. 44 Abs.

3 GG ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Hessen wegen

Straftaten geführt wurden, die der

Terrorgruppe "Nationalsozialistischer

Untergrund“ oder ihren vermutlichen
Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. das Hessische Ministerium des

Innern und für Sport im Wege der

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen,

die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Hessen wegen

begangener Taten oder drohender

Gefährdungen durchgeführt wurden,

die der Terrorgruppe „Nationalsozia-
listischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

und Beate Zschäpe unter ihrem echten

01.03.2012 MAT A HE-2
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1187 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;

b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind.

MV-2 64 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über die Staatskanzlei des Landes

Mecklenburg-Vorpommern

1. das Justizministerium des Landes

Mecklenburg-Vorpommern im Wege

der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Mecklenburg-

Vorpommern wegen Straftaten geführt

wurden, die der Terrorgruppe "Natio-

nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;

b. aus den benannten Strafverfahren

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. das Ministerium für Inneres und

Sport des Landes Mecklenburg-

Vorpommern im Wege der Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-

dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht

wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen,

die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Mecklenburg-

Vorpommern wegen begangener Ta-

ten oder drohender Gefährdungen

01.03.2012 MAT A MV-2

MAT A MV-

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Drucksache 17/14600 – 1188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

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Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

durchgeführt wurden, die der Terror-

gruppe „Nationalsozialistischer Un-
tergrund“ oder ihren vermutlichen
Mitgliedern – insbesondere Uwe
Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe unter ihrem echten Namen

oder unter den von ihnen bekannten

Alias-Namen – zugeordnet werden;
b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind.

NW-2 65 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen

1. das Justizministerium des Landes

Nordrhein-Westfalen im Wege der

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Nordrhein-

Westfalen wegen Straftaten geführt

wurden, die der Terrorgruppe "Natio-

nalsozialistischer Untergrund“ oder
ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe – zuge-
ordnet werden;

b. aus den benannten Strafverfahren

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. das Ministerium für Inneres und

Kommunales des Landes Nordrhein-

Westfalen im Wege der Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-

dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht

wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen,

01.03.2012 MAT A NW-2

MAT A NW-

2/1

MAT A NW-

2/2

MAT A NW-

2/3
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1189 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Landes Nordrhein-

Westfalen wegen begangener Taten

oder drohender Gefährdungen durch-

geführt wurden, die der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“
oder ihren vermutlichen Mitgliedern –
insbesondere Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos und Beate Zschäpe unter

ihrem echten Namen oder unter den

von ihnen bekannten Alias-Namen –
zugeordnet werden;

b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind.

SN-2 66 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag dadurch,

dass über die Sächsische Staatskanzlei

1. das Sächsische Staatsministerium

der Justiz und für Europa im Wege der

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG in

Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 GG

ersucht wird,

a. sämtliche Strafverfahren und straf-

rechtlichen Ermittlungsverfahren

konkret mit Aktenzeichen zu benen-

nen, die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Freistaates Sachsen

wegen Straftaten geführt wurden, die

der Terrorgruppe "Nationalsozialisti-

scher Untergrund“ oder ihren vermut-
lichen Mitgliedern – insbesondere
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und

Beate Zschäpe – zugeordnet werden;
b. aus den benannten Strafverfahren

oder strafrechtlichen Ermittlungsver-

fahren diejenigen zu bezeichnen, die

der Generalbundesanwalt nicht zur

weiteren Ermittlung an sich gezogen

hat oder deren Akten ganz oder teil-

weise nicht in die Verfügungsgewalt

des Generalbundesanwaltes überge-

gangen sind.

2. das Sächsische Staatsministerium

des Innern im Wege der Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG in Verbin-

dung mit Art. 44 Abs. 3 GG ersucht

wird,

a. sämtliche polizeilichen Ermitt-

lungsvorgänge und Vorgangsakten zur

01.03.2012 MAT A SN-2

MAT A SN-2/1

MAT A SN 2/2

MAT A SN-2/3

MAT A SN-2/4

a bis l

MAT A SN-2/5

MAT A SN-2/6
Drucksache 17/14600 – 1190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

polizeilichen Gefahrenabwehr konkret

mit Aktenzeichen zu benennen,

die im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) durch

Behörden des Freistaates Sachsen

wegen begangener Taten oder drohen-

der Gefährdungen durchgeführt wur-

den, die der Terrorgruppe „National-
sozialistischer Untergrund“ oder ihren
vermutlichen Mitgliedern – insbeson-
dere Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos

und Beate Zschäpe unter ihrem echten

Namen oder unter den von ihnen be-

kannten Alias-Namen – zugeordnet
werden;

b. aus den benannten polizeilichen

Ermittlungsvorgängen diejenigen zu

bezeichnen, die der Generalbundes-

anwalt nicht zur weiteren Ermittlung

an sich gezogen hat oder deren Akten

ganz oder teilweise nicht in die Verfü-

gungsgewalt des Generalbundesan-

waltes übergegangen sind.

A-1 67-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch An-

hörung der von der Bundesregierung

eingesetzten "Ombudsfrau für die

Opfer und Opferangehörigen der sog.

Zwickauer Zelle" und Vorstandsvor-

sitzenden des Paritätischen Landes-

verbandes Berlin, Frau Prof. Barbara

John; der Expertin der Opferhilfe-

Organisation "Weißer Ring" zu Fragen

des Opferschutzes und der Begleitung

in Strafverfahren Frau Martina Linke;

der Mitarbeiterin der mobilen Opfer-

beratungsstelle "ezra", Frau Christina

Büttner als Auskunftspersonen.

01.03.2012 MAT A A-1

NI-2 68 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsgegenstand da-

durch, dass über die Staatskanzlei des

Landes Niedersachsen im gestuften

Verfahren

1. das Justizministerium des Landes

Niedersachsen ersucht wird, das Ak-

tenzeichen des durch die Staatsanwalt-

schaft Osnabrück geführten strafrecht-

lichen Ermittlungsverfahrens bzw. des

beim Amtsgericht Meppen geführten

Strafverfahrens gegen den Sänger der

rechtsextremistischen Band "Gigi &

Die Brauen Stadtmusikanten", Daniel

Giesen, der auf der CD "Adolf Hitler

lebt" den "Döner-Killer-Song" veröf-

fentlicht hatte, zu benennen und so-

dann

2. die daraufhin konkretisierten Ver-

01.03.2012 MAT A NI-2/1

a-d,

MAT A NI-2/2

bis 4,

MAT A NI-

2/5a bis c

MAT A NI-2/6
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1191 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

fahrensakten (Sachakten, Handakten,

Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerk

o. ä.) in vollem Umfange im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe beim Justiz-

ministerium des Landes Niedersach-

sen beigezogen werden, die Informati-

onen zum Untersuchungsgegenstand

und zum Untersuchungszeitraum ent-

halten.

BW-3 72-

neu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-

luierung bundesrechtlicher Vorschrif-

ten - vorbereitet durch das Ersuchen

um Benennung der Personen, die mit

den folgenden für den Untersuchungs-

gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes f. Verfas-

sungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Heilbronn er-

mittelnden Kriminalpolizeidienststel-

le(n) oder Sonderkommissionen,

- für die genannten Ermittlungen zu-

ständigen Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sach-

leitend zuständiger Staatsanwalt im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über das Staatsministe-

rium Baden-Württemberg bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

08.03.2012 MAT A BW-3

MAT A BW-

3/1

BY-3 73-

neu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-

luierung bundesrechtlicher Vorschrif-

ten - vorbereitet durch das Ersuchen

um Benennung der Personen, die mit

den folgenden für den Untersuchungs-

gegenstand wichtigen Ämtern oder

Aufgaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

08.03.2012 MAT A BY-3

MAT A BY-

3/1

Drucksache 17/14600 – 1192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Ver-

fassungsschutz

-- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung)

-- Leiter der zu den der „Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund“
zugeordneten Morden in Nürnberg

und München ermittelnden Kriminal-

polizeidienststelle(n) oder Sonder-

kommissionen, insbesondere der

„BAO Bosporus“
-- im Rahmen der genannten Ermitt-

lungen tätig gewordene „Profiler“
-- für die genannten Ermittlungen

zuständiger Generalstaatsanwalt

-- für die genannten Ermittlungen

sachleitend zuständiger Staatsanwalt

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs.

3 GG über die Bayerische Staatskanz-

lei bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

HH-3 74-

neu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-

luierung bundesrechtlicher Vorschrif-

ten - vorbereitet durch das Ersuchen

um Benennung der Personen, die mit

den folgenden für den Untersuchungs-

gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes f. Verfas-

sungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Hamburg er-

mittelnden Kriminalpolizeidienststel-

len oder Sonderkommissionen,

- für die genannten Ermittlungen zu-

08.03.2012 MAT A HH-3

MAT A HH-

3/1

MAT A HH-

3/2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1193 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ständiger Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sach-

leitend zuständiger Staatsanwalt im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei

der Freien und Hansestadt Hamburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

HE-3 75-

neu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-

luierung bundesrechtlicher Vorschrif-

ten - vorbereitet durch das Ersuchen

um Benennung der Personen, die mit

den folgenden für den Untersuchungs-

gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes f. Verfas-

sungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Kassel ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststelle(n)

oder Sonderkommissionen

- für die genannten Ermittlungen zu-

ständiger Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sach-

leitend zuständiger Staatsanwalt im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Hessische

Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

08.03.2012 MAT A HE-3

MV-3 76-

neu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-

luierung bundesrechtlicher Vorschrif-

ten - vorbereitet durch das Ersuchen

um Benennung der Personen, die mit

den folgenden für den Untersuchungs-

gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

08.03.2012 MAT A MV-3

MAT A MV-

3/1

Drucksache 17/14600 – 1194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Leiter der für den Verfassungsschutz

zuständigen Abt. in Ministerium für

Inneres und Sport,

- Leiter der für Rechtsextremismus

zuständigen Organisationseinheiten

innerhalb der genannten Abt. (mit

Bezeichnung der jeweiligen Dienst-

stellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Rostock ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststelle(n)

oder Sonderkommissionen

- für die genannten Ermittlungen zu-

ständiger Generalstaatsanwalt,

- für die genannten Ermittlungen sach-

leitend zuständiger Staatsanwalt im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Mecklenburg-

Vorpommern bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

NW-3 77-

neu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag -

insbes. zu Ziffer B.III.1 und zur Eva-

luierung bundesrechtlicher Vorschrif-

ten - vorbereitet durch das Ersuchen

um Benennung der Personen, die mit

den folgenden für den Untersuchungs-

gegenstand wichtigen Ämtern o. Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Leiter der für den Verfassungsschutz

zuständigen Abteilung im Ministerium

für Inneres und Kommunales,

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb der genannten Abteilung

(mit Bezeichnung der jeweiligen

Dienststellung)

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes f. Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Dortmund oder

08.03.2012 MAT A NW-3

MAT A NW-

3/1

MAT A NW-

3/2

MAT A NW-

3/3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1195 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

den Sprengstoffanschlägen in Köln

ermittelnden Kriminalpolizeidienst-

stellen oder Sonderkommissionen,

- für die genannten Ermittlungen zu-

ständiger Generalstaatsanwalt

- für die genannten Ermittlungen sach-

leitend zuständiger Staatsanwalt im

Wege der Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde.

GBA-5 78 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Unter-

lagen des "BAO-Bosporus" zum Kon-

takt mit "Profilern" im Jahr 2006, die

nach Entlassung des damaligen Stell-

vertretenden Leiters der BAO Bospo-

rus, Klaus Mähler, im Tagesspiegel v.

4. Januar 2012 ("Der Verdacht") zu

dem Ergebnis gekommen sein sollen,

dass die Täter der Mordfälle aus der

rechtsextremen Szene kommen könn-

ten, sowie sämtliche in diesem Zu-

sammenhang entstandene Dokumente,

insbes. die hierzu daraufhin erfolgte

Korrespondenz der "BAO Bosporus"

mit Sicherheitsbehörden des Bundes

und der Länder aus den Akten des

"BAO Bosporus" oder des BKA, für

die der Generalbundesanwalt die Zu-

ständigkeit i.S.v. § 478 StPO nach den

§ 142 a, 120a GVG verlangt hat, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Justiz.

08.03.2012 MAT A GBA-

5

MAT A GBA-

5/1

BY-4 79 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Unter-

lagen der "BAO Bosporus" zum Kon-

takt mit "Profilern" im Jahr 2006, die

nach Einlassung des damaligen Stell-

vertretenden Leiters der BAO Bospo-

rus, Klaus Mähler, im TSP vom

4.1.2012 (Der Verdacht) zu dem Er-

gebnis gekommen sein sollen, dass die

Täter der Mordfälle aus der rechtsext-

remen Szene kommen könnten, sowie

sämtlicher in diesem Zusammenhang

entstandenen Dokumente, insb. die

hierzu daraufhin erfolgte Korrespon-

denz der BAO Bosporus mit Sicher-

heitsbehörden des Bundes und der

08.03.2012 MAT A BY-4

Drucksache 17/14600 – 1196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Länder aus den Akten der "BAO Bos-

porus", sofern der GBA die Zustän-

digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den §

142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt

haben sollte, im Wege des Ersuchens

der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Bayerische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

BY-5 80 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Akten,

Dokumente, in Dateien oder auf ande-

re Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlichen Beweismittel,

soweit sie im Organisationsbereich

des Landesamtes für Verfassungs-

schutz des Freistaats Bayern und des

Bayerischen Staatsministeriums des

Innern vorliegen und soweit sie einen

Vorgang aus dem Jahr 2006 betreffen,

wonach durch die "BAO Bosporus"

nach Einlassung des damaligen Stell-

vertretenden Leiters ders BAO Bospo-

rus, Klaus Mähler, im Tagesspiege.

vom 4. Januar 2012 ("Der Verdacht")

eine oder mehrere Aufgaben an das

Landesamt für Verfassungsschutz

gestellt worden sein sollen bezügl.

eines möglichen rechtsextremistischen

Hintergrunds der von der BAO Bospo-

rus untersuchten Mordfälle im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gem. §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.

3 GG über die Bayerische Staatskanz-

lei bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

08.03.2012 MAT A BY-5

MAT A BY-

5/1 a bis f

GBA-6 81 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen

zu Kontakten, insb. zu Auskunftsersu-

chen, der zu den der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Morden oder Spreng-

stoffanschlägen ermittelnden Krimi-

nalpolizeidienststellen oder "Sonder-

kommissionen" mit Nachrichtendiens-

ten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder so-

wie der Unterlagen zu Informationen

von Nachrichtendiensten des Bundes

oder Verfassungsschutzbehörden der

Länder an die ermittelnden Kriminal-

08.03.2012 MAT A GBA-

6

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1197 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

polizeidienststellen oder "Sonder-

kommissionen", insb. auf etwaige

Auskunftsersuchen hin, und ggf. der

zusammenfassenden Darstellungen

von Maßnahmen, die aufgrund sol-

cherart erlangter Informationen von

den ermittelnden

Kriminalspolizeidienststellen oder

"Sonderkommissionen getroffen wur-

den, aus den Akten der ermittelnden

Kriminalpolizeidienststellen oder

"Sonderkommissionen", für die der

Generalbundesanwalt die Zuständig-

keit i.S.v. § 478 StPO nach dne §

142a, 120a GVG erlangt hat, gem. §

18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-

terium der Justiz.

BW-4 82 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehungen sämtlicher Un-

terlagen zu Kontakten, insb. zu Aus-

kunftsersuchen der zu dem der "Ter-

rorgruppe Nationalsozialistischer

Untergrund" zugeordneten Mord in

Heilbronn ermittelnden Kriminalpoli-

zeidienststelle(n) mit Nachrichten-

diensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder,

sowie der Unterlagen zu Informatio-

nen von Nachrichtendiensten des

Bundes oder Verfassungsschutzbehör-

den der Länder an die ermittelnden

Kriminalpolizeidienststelle(n), insb.

auf etwaige Auskunftsersuchen hin

und ggf. der zusammenfassenden

Darstellungen von Maßnahmen, die

aufgrund solcherart erlangter Informa-

tionen von den ermittelnden Krimi-

nalpolizeidienststelle(n) getroffen

wurden, aus den Akten der ermitteln-

den Kriminalpolizeidienststelle(n),

sofern der Generalbundesanwalt die

Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach

den § 142a, 120a GVG hierfür nicht

erlangt haben sollte, im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über das Staatsministerium Ba-

den-Württemberg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

08.03.2012 MAT A BW-4

MAT A BW-

4/1

MAT A BW-

4/2

MAT A BW-

4/3

MAT A BW-

4/4

BY-6 83 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Unter-

08.03.2012 MAT A BY-

6/1

MAT A BY-

6/2

Drucksache 17/14600 – 1198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

lagen zu Kontakten, insb. zu Aus-

kunftsersuchen, der zu dem der "Ter-

rorgruppe Nationalsozialistischer

Untergrund" zugeordneten Morden in

Nürnberg oder München ermittelnden

Kriminalpolizeidienststellen oder

"Sonderkommissionen" mit Nachrich-

tendiensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder,

sowie der Unterlagen zu Informatio-

nen von Nachrichtendiensten des

Bundes oder Verfassungsschutzbehör-

den der Länder an die ermittelnden

Kriminalpolizeidienststellen oder

Sonderkommissionen, insb. auf etwai-

ge Auskunftsersuchen hin, und ggf.

zusammenfassenden Darstellungen

von Maßnahmen die aufgrund sol-

cherart erlangter Informationen von

den ermittelnden Kriminalpolizei-

dienststellen oder "Sonderkommissio-

nen" getroffen wurden, aus den Akten

der ermittelnden Kriminalpolizei-

dienststellen oder "Sonderkommissio-

nen", sofern der Generalbundesanwalt

die Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO

nach den § 142a, 120a GVG hierfür

nicht erlangt haben sollte, im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe nach §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.

3 GG über die Bayerische Staatskanz-

lei bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

NW-4 84 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Unterlagen zu

Kontakten, insb. zu Auskunftsersu-

chen, der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Dortmund oder

den Sprengstoffanschlägen in Köln

ermittelnden Kriminalpolizeidienst-

stellen mit Nachrichtendiensten des

Bundes oder Verfassungsschutzbehör-

den der Länder sowie der Unterlagen

zu Informationen von Nachrichten-

diensten des Bundes oder Verfas-

sungsschutzbehörden der Länder an

die ermittelnden Kriminalpolizei-

dienststellen, insbes. auf etwaige Aus-

kunftsersuchen hin und ggf. zusam-

menfassenden Darstellungen von

Maßnahmen, die aufgrund solcherart

erlangter Informationen von den er-

mittelnden Kriminalpolizeidienststel-

08.03.2012 MAT A NW-4

MAT A NW-

4/1

MAT A NW-

4/2

MAT A NW-

4/3

MAT A NW-

4/4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1199 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

len getroffen wurden, aus den Akten

der ermittelnden Kriminalpolizei-

dienststellen, sofern der Generalbun-

desanwalt die Zuständigkeit i. S. v. §

478 StPO nach den § 142a, 120a GVG

hierfür nicht erlangt haben sollte, im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Nordrhein-Westfalen bei

der zuständigen obersten Landesbe-

hörde.

GBA-7 85 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Unter-

lagen der zu dem der "Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund"

zugeordneten Mord in Heilbronn er-

mittelnden Kriminalpolizeidienststel-

len und Staatsanwaltschaft(en),aus

denen sich ergibt, wann, mit welchen

Inhalten und auf der Grundlage wel-

cher Informationen Sprecher oder

sonstige Personen aus den ermitteln-

den Kriminalpolizeidienststellen und

Staatsanwaltschaften Presseerklärun-

gen, Aufrufe oder sonstige öffentliche

Stellungnahmen abgegeben, erwogen

oder bei übergeordneten Dienststellen

angeregt haben, insb. zum jeweils

aktuellen Stand der Ermittlungen aus

den Akten der ermittelnden Kriminal-

polizeidienststelle(n) und Staatsan-

waltschaft(en), für die der General-

bundesanwalt die Zuständigkeit i. S. v.

§ 478 StPO nach den § 142a, 120a

GVG erlangt hat, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der

Justiz.

08.03.2012 MAT A GBA-

7

BW-5 86 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen

der zu dem der "Terrorgruppe Natio-

nalsozialistischer Untergrund" zu-

geordneten Mord in Heilbronn ermit-

telnden Kriminalpolizeidienststelle(n)

und Staatsanwaltschaft(en) aus denen

sich ergibt, wann, mit welchen Inhal-

ten und auf der Grundlage welcher

Informationen Sprecher oder sonstige

Personen aus den ermittelnden Krimi-

nalpolizeidienststelle(n) und Staats-

anwaltschaft(en) Presseerklärungen,

08.03.2012 MAT A BW-5

MAT A BW-

5/1a bis c

MAT A BW-

5/2

Drucksache 17/14600 – 1200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Aufrufe oder sonstige öffentliche

Stellungnahmen abgegeben, erwogen

oder bei übergeordneten Dienststellen

angeregt haben, insb. zum jeweils

aktuellen Stand der Ermittlungen aus

den Akten der ermittelnden Kriminal-

polizeidienststelle(n) Staatsanwalt-

schaft(en), sofern der Generalbundes-

anwalt die Zuständigkeit i. S. v. § 478

StPO nach den § 142a, 120a GVG

hierfür nicht erlangt haben sollte, im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über das Staatsministe-

rium Baden-Württemberg bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

GBA-8 87 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen

der BAO Bosporus und der zuständi-

gen Staatsanwaltschaften, aus denen

sich ergibt, wann, mit welchen Inhal-

ten und auf der Grundlage welcher

Informationen Sprecher oder sonstige

Personen aus der "BAO Bosporus"

und den zuständigen Staatsanwalt-

schaften bzw. aus den im Jahr 2005

zur "BAO Bosporus" verbundenen

(Sonder-)Ermittlungseinheiten der

Länder oder anderer Stellen Presseer-

klärungen, Aufrufe oder sonstige öff.

Stellungnahmen abgegeben, erwogen

oder über übergeordnete Dienststellen

angeregt haben, insb. zu dem jeweils

aktuellen Stand der Ermittlungen aus

den Akten der "BAO Bosporus" und

der zuständigen Staatsanwaltschaften,

für die der Generalbundesanwalt die

Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach

den § 142a, 120a GVG erlangt hat,

gem. § 18 Abs. 4 PUAG beim Bun-

desministerium der Justiz.

08.03.2012 MAT A GBA-

8

MAT A GBA-

8/1

BY-7 88 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch vor-

rangige Beiziehung sämtl. Unterlagen

der "BAO Bosporus" und der zustän-

digen Staatsanwaltschaften, aus denen

sich ergibt, wann, mit welchen Inhal-

ten und auf der Grundlage welcher

Informationen Sprecher oder sonstige

Personen aus der "BAO Bosporus"

und den zuständigen Staatsanwalt-

schaften bzw. aus den im Jahr 2005

08.03.2012 MAT A BY-7

MAT A BY-

7/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1201 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

zur "BAO Bosporus" verbundenen

(Sonder-)Ermittlungseinheiten der

Länder oder anderer Stellen Presseer-

klärungen, Aufrufe oder sonstige öff.

Stellungnahmen abgegeben, erwogen

oder bei übergeordneten Dienststellen

angeregt haben, insb. zum jeweils

aktuellen Stand der Ermittlungen, aus

den Akten der "BAO Bosporus", so-

fern der Generalbundesanwalt die

Zuständigkeit i. S. v. § 478 StPO nach

den § 142a, 120a GVG hierfür nicht

erlangt haben sollte, im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Bayerische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

GBA-9 89 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Unterlagen der zu

dem der "Terrorgruppe Nationalsozia-

listischer Untergrund" zugeordneten

Mord in Dortmund oder den Spreng-

stoffanschlägen in Köln ermittelnden

Kriminalpolizeidienststellen oder

Staatsanwaltschaften, aus denen sich

ergibt, wann, mit welchen Inhalten

und auf der Grundlage welcher Infor-

mationen Sprecher oder sonstige Per-

sonen aus den ermittelnden Kriminal-

polizeidienststellen und Staatsanwalt-

schaften, Presseerklärungen, Aufrufe

oder sonstige öff. Stellungnahmen

abgegeben, erwogen oder bei überge-

ordneten Dienststellen angeregt haben,

insb. zum jeweils aktuellen Stand der

Ermittlungen, aus den Akten der er-

mittelnden Kriminalpolizeidienststel-

len und Staatsanwaltschaften, für die

der Generalbundesanwalt die Zustän-

digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den §

142a, 120a GVG erlangt hat, gem. §

18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-

terium der Justiz.

08.03.2012 MAT A GBA-

9

NW-5 90 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Unterlagen der zu

dem der "Terrorgruppe Nationalsozia-

listischer Untergrund" zugeordneten

Mord in Dortmund oder den Spreng-

stoffanschlägen in Köln ermittelnden

Kriminalpolizeidienststellen und

08.03.2012 MAT A NW-5

MAT A NW-

5/1

MAT A NW-

5/2

MAT A NW-

5/3 a bis d

MAT A NW-

5/4a und b

Drucksache 17/14600 – 1202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Staatsanwaltschaften, aus denen sich

ergibt, wann, mit welchen Inhalten

und auf der Grundlage welcher Infor-

mationen Sprecher oder sonstige Per-

sonen aus den ermittelnden Kriminal-

polizeidienststellen und Staatsanwalt-

schaften, Presseerklärungen, Aufrufe

oder sonstige öff. Stellungnahmen

abgegeben, erwogen oder bei überge-

ordneten Dienststellen angeregt haben,

insb. zum jeweils aktuellen Stand der

Ermittlungen, aus den Akten der er-

mittelnden Kriminalpolizeidienststel-

len und Staatsanwaltschaften, sofern

der Generalbundesanwalt die Zustän-

digkeit i. S. v. § 478 StPO nach den §

142a, 120a GVG hierfür nicht erlangt

haben sollte, im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen obers-

ten Landesbehörde.

SN-3 91 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Protokolle des

Verfassungs-, Rechts- und Europaaus-

schusses des Sächsischen Landtages -

insb. über dessen Sitzungen vom

11.1.2012, 7.12.2011 und 2.11.2011 -

und sonstiger in diesem Ausschuss

vorhandener Dokumente, soweit sie

sich auf die im Untersuchungsauftrag

festgelegten Sachverhalte beziehen

und nach dem 4. November 2011

entstanden bzw. in Gewahrsam ge-

nommen worden sind, im Wege der

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG beim Sächsi-

schen Landtag.

08.03.2012 MAT A SN-3

MAT A SN-3/1

bis

MAT A SN-3/5

MAT A SN-3/6

MAT A SN-3/7

MAT A SN-3/8

MAT A SN-3/9

SN-4 92 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Protokolle des

Innenausschusses des Sächsischen

Landtags und sonstiger in diesem

Ausschuss vorhandener Dokumente,

soweit sie sich auf die im Untersu-

chungsauftrag festgelegten Sachver-

halte beziehen und nach dem 4. No-

vember 2011 entstanden bzw. in Ge-

wahrsam genommen worden sind, im

Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

08.03.2012 MAT A SN-4

MAT A SN-4/1

bis 12

MAT A SN-

4/13a und b

MAT A SN-

4/14

MAT A SN-

4/15 bis 22

MAT A SN-

4/23

MAT A SN-

4/24

MAT A SN-

4/25

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1203 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

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Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

beim Sächsischen Landtag.

SN-5 93 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung der Antwort des Sächsischen

Staatsministeriums des Innern vom

11.01.2012 auf den Berichtsantrag der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im

Sächsischen Landtag (LT-Drs.

5/7489) "Erkenntnisse und Versäum-

nisse von Polizei, Verfassungsschutz

und Staatsanwaltschaft bezüglich der

"Zwickauer Terrorzelle" aufklären -

rechtsextremistische Straftaten wirk-

sam verhindern!" im Wege der Amts-

hilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Sächsische

Staatskanzlei beim Sächsischen

Staatsministerium des Innern.

08.03.2012 MAT A SN-5

TH-4 94 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Protokolle des

Justiz- und Verfassungsschutzes des

Thüringischen Landtags und sonstiger

in diesem Ausschuss vorhandener

Dokumente, soweit sie sich auf die im

Untersuchungsauftrag festgelegten

Sachverhalte beziehen und nach dem

4. November 2011 entstanden bzw. in

Gewahrsam genommen worden sind,

im Wege der Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG beim Thüringischen Landtag.

08.03.2012 MAT A TH-

4a-g

TH-5 95 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung von

Vorschriften des Bundes - durch Bei-

ziehung sämtlicher Protokolle des

Innenausschusses des Thüringischen

Landtags und sonstiger in diesem

Ausschuss vorhandener Dokumente,

soweit sie sich auf die im Untersu-

chungsauftrag festgelegten Sachver-

halte beziehen und nach dem 4. No-

vember 2011 entstanden bzw. in Ge-

wahrsam genommen worden sind, im

Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG

beim Thüringischen Landtag.

08.03.2012 MAT A TH-

5a-i

P-1 96 Es wird Beweis erhoben zu den Ziffer

B I und B II des Untersuchungsauf-

trags durch das Ersuchen um Heraus-

gabe aller Protokolle von Unterrich-

tungen in der Bundespressekonferenz,

08.03.2012 MAT A P-1

Drucksache 17/14600 – 1204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

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Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

die sich im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) auf den

Untersuchungsgegenstand bezogen,

aller Protokolle von Unterrichtungen

in der Bundespressekonferenz, in

denen seit dem 08.11.2011 über den

Untersuchungsgegenstand im Unter-

suchungszeitraum informiert wurde,

gem. § 29 Abs. 1 PUAG beim Vor-

stand der Bundespressekonferenz.

SN-6 97 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vor-

bereitet durch das Ersuchen um Be-

nennung der Personen, die mit den

folgenden für den Untersuchungsge-

genstand wichtigen Ämtern oder Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angabe des

Beginns und des Endes der Zeit, in der

sie das Amt oder die Aufgabe wahr-

genommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Ver-

fassungsschutz,

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung),

- Leiter der ermittelnden Kriminalpo-

lizeidienststelle(n) sowie Sonder-

kommissionen für die mit Beweisbe-

schluss vom 01.03.2012 - BB SN-2 -

erfragten polizeilichen Ermittlungs-

verfahren des Freistaates Sachsen,

- für die genannten Ermittlungen zu-

ständige Generalstaatsanwaltschaft,

- für die genannten Ermittlungen sach-

leitend zuständiger Staatsanwalt im

Weg des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Sächsische

Staatskanzlei bei der jeweiligen obers-

ten Landesbehörde.

08.03.2012 MAT A SN-6

MAT A SN-6/1

MAT A SN-6/2

MAT A SN-6/3

BfV-7 Es wird Beweis erhoben durch vor-

rangige Beiziehung

1. der vom BfV seit November 2011

zu der NSU und dem engeren Unter-

stützerumfeld erstellten Erkenntniszu-

sammenstellungen sowie

2. der in diese Erkenntniszusammen-

stellungen eingeflossenen Akten gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium des Innern.

08.03.2012 MAT A BfV-7

MAT A BfV-

7/1 bis 7/6

MAT A BfV-

7/7

MAT A BfV-

7/8
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1205 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Z-1 98 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn Ltd. KD

Wolfgang Geier als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-1

Z-2 99 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn KOR a. D.

Klaus Mähler als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-2

Z-3 100 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn EKHK Albert

Vögeler als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-3

Z-4 101 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn ltd. Ober-

staatsanwalt Dr. Walter Kimmel als

Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 26.04.2012 MAT A Z-4

Z-5 102 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn EKHK Ale-

xander Horn als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 10.05.2012 MAT A Z-5

Z-6 103 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn KHK Udo

Haßmann als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 10.05.2012 MAT A Z-6

Z-7 104 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, durch Ver-

22.03.2012 30.03.2012 24.05.2012 MAT A Z-7
Drucksache 17/14600 – 1206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

nehmung von Herrn Präsident a. D.

Dr. Wolfgang Weber als Zeuge.

Z-8 105 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes. zum

Komplex "2000 bis 2007 - Mordserie

und weitere Straftaten, intensive Er-

mittlungen" gem. Ausschussbeschluss

vom 01.03.2012 zur Gliederung des

Untersuchungsgegenstands, durch

Vernehmung von Herrn KD Christian

Hoppe als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 11.05.2012 MAT A Z-8

Z-9 106 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Ministerpräsident

a.D. Dr. Günther Beckstein als Zeuge.

22.03.2012 24.05.2012 MAT A Z-9

Z-10 108 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn LRD Edgar

Hegler als Zeuge.

22.03.2012 30.03.2012 24.05.2012 MAT A Z-10

Z-11 109 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Erster Vizepräsi-

dent des BKA a.D. Bernhard Falk als

Zeuge.

22.03.2012 30.04.2012 14.06.2012 MAT B Z-11

TH-6 110 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbes.

auch zum Zwecke der Evaluierung

von Vorschriften des Bundes und Ziff.

B.III.1., durch Beiziehung des Be-

richts der vom Innenminister des Frei-

staats Thüringen eingesetzten sog.

Schäfer-Kommission nach Übergabe

an die Regierung des Freistaates Thü-

ringen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG bei der

Staatskanzlei des Freistaats Thürin-

gen.

29.03.2012 MAT A TH-6

MAT A TH-

6/1

MAT A TH-

6/2

MAT A TH-

6/3

TH-7 112-

neu

Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung der Ergebnisse der Untersu-

chung beim Thüringer Verfassungs-

schutz- insb. zur Amtsführung des

Präsidenten Helmut Roewer - durch

den ehemaligen Thüringer Staatssek-

retär Karl Heinz Gasser (sog. "Gasser-

Bericht") im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

29.03.2012 MAT A TH-7

MAT A TH-

7/1 bis 3

BfV-8 119 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Dr.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

1. der Zeitschrift "Der Weiße Wolf",

Ausgabe 1/2002, Nr. 18, in einem

26.04.2012 MAT A BfV-8

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1207 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Originalexemplar,

2. zu der dieser Ausgabe ggf. bei ih-

rem Erscheinen vorgenommenen

Auswertung durch das Bundesamt für

Verfassungsschutz sowie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf

diese Auswertung hin ergriffenen

Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium des Innern.

BfV-9 120 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

1. von Auflistungen der jeweils in den

Jahren des Untersuchungszeitraums

vom Bundesamt für Verfassungs-

schutz ausgewerteten Periodika, die

im rechtsextremistischen Umfeld

zugeordnet waren,

2. aller Ausfertigungen des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz derjeni-

gen Ausgaben der genannten Periodi-

ka, in denen die Stichworte "NSU"

bzw. "Nationalsozialistischer Unter-

grund" erwähnt waren, sowie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf

solche Auswertungen hin ergriffenen

Maßnahmen gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium des Innern.

26.04.2012 MAT A BfV-9

BB-2 121 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453), insbes. zur Evaluierung der

Zusammenarbeit von Bundes- und

Landesbehörden, durch Vorrangige

Beiziehung

1. der Zeitschrift "Der Weisse Wolf",

Ausg. 1/2011, Nr. 18, in einem Origi-

nalexemplar,

2. der zu dieser Ausgabe ggf. bei ih-

rem Erscheinen vorgenommenen

Auswertung durch die Verfas-

sungsschutzbehörden des Landes

sowie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf

diese Auswertung hin ergriffenen

Maßnahmen im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

26.04.2012 MAT A BB-2

MV-4 122 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453), insbes. zur Evaluierung der

Zusammenarbeit von Bundes- und

Landesbehörden, durch Vorrangige

Beiziehung

1. der Zeitschrift "Der weiße Wolf",

26.04.2012 MAT A MV-4
Drucksache 17/14600 – 1208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Ausgabe 1/2002, Nr. 18 in einem

Originalexemplar,

2. der zu dieser Aufgabe ggf. bei ih-

rem Erscheinen vorgenommenen

Auswertung durch die Verfas-

sungsschutzbehörden des Landes

sowie

3. aller Unterlagen zu etwaigen auf

diese Auswertung hin ergriffenen

Maßnahmen im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Mecklen-

burg-Vorpommern bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

Z-12 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag, insbesonde-

re zum Komplex „2000 bis 2007 –
Mordserie und weitere Straftaten,

intensive Ermittlungen“ gemäß Aus-
schussbeschluss vom 1. 3. 2012 zur

Gliederung des Untersuchungsgegen-

standes, durch Vernehmung von KHK

Johann-Manfred Pfister als Zeugen.

26.04.2012 30.04.2012 10.05.2012 MAT A Z-12

Z-13 Es wird Beweis erhoben zu der Befas-

sung des Bayerischen Staatsministeri-

ums des Innern mit der BAO Bospo-

rus durch Vernehmung von Herrn KD

Lothar Köhler als Zeuge.

10.05.2012 24.05.2012 MAT A Z-13

BW-6 134 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss BW-1 v. 1.3.2012 Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

insbes. zur Evaluierung bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtl. Akten, Dokumente, in Dateien

oder andere Weise gespeicherter Da-

ten und sonstiger sächlicher Beweis-

mittel, die im Organisationsbereich

des Landesamtes für Verfassungs-

schutz Baden-Württemberg vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in BB BW-1 vom

1.3.2012 spezifiziert) zugeordnet wer-

den bzw. die Befassung damit durch

die genannten Behörden, und soweit

sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

11.05.2012 MAT A BW-6

MAT A BW-

6/1 bis 3

MAT A BW-

6/4
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1209 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse BW-1 bis BW-5 im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gem. §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.

3 GG über das Staatsministerium

Baden-Württemberg bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde.

BY-8 135 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss BY-1 vom 1.3.2012 Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453),

insbes. zur Evaluierung bundesrechtli-

cher Vorschriften durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz des Freistaates Bayern,

des Bayerischen Staatsministeriums

des Innern sowie der Bayerischen

Staatskanzlei vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

„Nationalsozialistischer Untergrund“,
deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

BY-1 vom 1. März 2012 spezifiziert)

zugeordnet werden bzw. die Befas-

sung damit durch die genannten Be-

hörden,

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

sein,

und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse BY-1 bis BY-7

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs.

3 GG über die Bayerische Staatskanz-

lei bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

11.05.2012 MAT A BY-8

MAT A BY-

8/1

HE-4 136 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss HE-1 vom 1.3.2012, Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

11.05.2012 MAT A HE 4

MAT A HE-4

II, III, IV, VI

MAT A HE-

Drucksache 17/14600 – 1210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

insbes. zur Evaluation bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Hessen, des Hessischen

Ministeriums des Innern und für Sport

sowie der Hessischen Staatskanzlei

vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

HE-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-

geordnet werden bzw. die Befassung

damit durch die genannten Behörden,

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse HE-1 bis HE-3 im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Hessische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

4/1

MAT A HE-

4/I-1, II-1, III-

2, IV-1, V-1,

VI-1, VII-1

MAT A HE-

4/VIII

MAT A HE-

4/III-1

MAT A HE-

4/III-1a

HH-4 137 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss HH-1 vom 1.3.2012, Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

insbes. zur Evaluation bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Hamburg, der Behörde

für Inneres und Sport Hamburg sowie

der Senatskanzlei Hamburg vorliegen,

soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

11.05.2012 MAT A HH-4

MAT A HH-

4/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1211 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

HH-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-

geordnet werden bzw. die Befassung

damit durch die genannten Behörden,

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse HH-1 bis HH-3 im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Senatskanzlei Hamburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

MV-5 138 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss MV-1 vom 1.3.2012, Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

insbes. zur Evaluation bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Ministeriums für Inneres und

Sport des Landes Mecklenburg-

Vorpommern, einschließlich der Lan-

desbehörde für Verfassungsschutz,

sowie der Staatskanzlei Mecklenburg-

Vorpommern vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

MV-1 vom 1.3.2012 spezifiziert)

zugeordnet werden bzw. die Befas-

sung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse MV-1 bis MV-3 im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gem. §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.

11.05.2012 MAT A MV-5
Drucksache 17/14600 – 1212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

3 GG über die Staatskanzlei Mecklen-

burg-Vorpommern bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

NW-6 139 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss NW-1 vom 1.3.2012, Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

insbes. zur Evaluation bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz des Landes Nordrhein-

Westfalen, des Ministerium für Inne-

res und Kommunales des Landes

Nordrhein-Westfalen sowie der

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

NW-1 vom 1.3.2012 spezifiziert)

zugeordnet werden bzw. die Befas-

sung damit durch die genannten Be-

hörden, und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse NW-1, NW-4 und NW-5 im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Nordrhein-Westfalen bei

der zuständigen obersten Landesbe-

hörde.

11.05.2012 MAT A NW-6

a bis o

MAT A 6 l

Auszug

angeschwärzt

MAT A NW-

6/1

MAT A NW-

6/2

MAT A NW-

6/3

MAT A NW-

6/4

MAT A NW-

6a/1

SN-7 140 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss SN-1 vom 1.3.2012, Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

insbes. zur Evaluation bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

11.05.2012 MAT A SN-7

MAT A SN-7-

/1

MAT A SN-7/2

a bis e

MAT A SN-7/3

MAT A SN-7/4

a bis h

MAT A SN-7/5

MAT A SN-7/6

MAT A SN-7/7

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1213 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

sungsschutz Sachsen, des Sächsischen

Staatsministeriums des Innern sowie

der Sächsischen Staatskanzlei vorlie-

gen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

SN-1 vom 1.3.2012 spezifiziert) zuge-

ordnet werden bzw. die Befassung

damit durch die genannten Behörden,

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

u. U. auch später gewonnen worden

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse SN-1, SN-2, SN-5 und SN-6

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Sächsische

Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

MAT A SN-7/8

MAT A SN-7/9

MAT A SN-

7/10

MAT A SN-

7/11

MAT A SN-

7/12

MAT A SN-

7/13

MAT A SN-

7/14

MAT A SN-

7/15a und b

MAT A SN-

7/16a-e

MAT A SN-

7/17

MAT A SN-

7/18

MAT A SN-

7/19a-c

TH-8 141 Es wird ergänzend zu dem Beweisbe-

schluss TH-3 vom 1.3.2012, Beweis

erhoben zum gesamten Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453)

insbes. zur Evaluation bundesrechtli-

cher Vorschriften, durch Beiziehung

sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die im Organisationsbe-

reich des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Thüringen, des Thüringer

Innenministerium sowie der Thüringer

Staatskanzlei vorliegen, soweit sie

1. den Untersuchungsgegenstand be-

treffen und Informationen enthalten

über Straftaten, die der Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund",

deren mutmaßlichen Mitgliedern oder

Unterstützern (wie in Beweisbeschluss

TH-3 vom 1.3.2012 spezifiziert) zu-

geordnet werden bzw. die Befassung

damit durch die genannten Behörden,

und soweit sie

2. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum

8.11.2011, mögen diese Informationen

11.05.2012 MAT A TH-8

MAT A TH-

8/1

MAT A TH-

8/2

MAT A TH-

8/3a - h
Drucksache 17/14600 – 1214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

u. U. auch später gewonnen worden

sein, und soweit

3. die erbetenen Informationen dem

Ausschuss nicht bereits geliefert wur-

den in Erledigung der Beweisbe-

schlüsse TH-1 bis TH-3 und TH-6 und

TH-7 im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Thüringer Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

BKA-3 143-

neu

Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften -,

indem das Bundesministerium des

Innern ersucht wird, dem Untersu-

chungsausschuss durch Mitteilung

ihrer vollständigen Personalien die

Identität der Person offenzulegen, die

dem Bundeskriminalamt (BKA) im

April 2007 die Kopie eines Angebotes

aus der Ausgabe des Internationalen

Waffenmagazins 8-9 aus 1993 über-

mittelt hat, in dem der schweizerische

Waffenhändler Jan Luxik Pistolen des

Typs Česká 83, Kal. 7,65 mm, mit
Schalldämpfern für 1250 Fr. anbietet

(vgl. den Vermerk BKA SO 15 vom

20.7.2007, Tgb.-Nr. SO 13/04 = MAT

A BY-2-2b, Bl. 159, 160).

MAT A BKA-

3

BY-9 144 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften -,

indem die Bayerische Staatskanzlei im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG gebeten wird, bei der

zuständigen obersten Landesbehörde

anhand ihrer vollständigen Personalien

die Identität des ehem. Mitarbeiters

der Schweizer Waffenfirma Schläfli

und Zbinden, Herrn Mayer, der der

BAO Bosporus am 20.7.2006 telefo-

nisch den Hinweis gegeben hat, dass

der Waffenhändler Jan Luxik im Jahr

1993 eine Česká 83 mit Schalldämpfer
zum Verkauf angeboten habe (vgl. den

Abgabebericht der StA Nürnberg-

Fürth in der Tatserie "Česká" vom
13.1.2012, MAT A GBA-4/2, Bl. 8 ff.,

124 sowie die diesbezügliche Quel-

lenangabe dort in Fußnote 432: "drei

Bände Spurenakten zur Spur Nr.

MAT A BY-9
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1215 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

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Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

556"), in Erfahrung zu bringen und

dem Untersuchungsausschuss offenzu-

legen.

HH-5 145 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften -,

durch Beiziehung der Verfahrensakten

(Sachakten, Handakten, Spurenakten,

Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke

o. ä.) zu den in der Freien und Hanse-

stadt Hamburg geführten polizeilichen

und staatsanwaltschaftlichen Ermitt-

lungen (laut MAT A GBA-4/2, Bl.

130 ff.: StA Hamburg, 6600 UJs 6/01 /

StA Hamburg 6600 Js 1/07 - Akten-

zeichen der Polizei noch zu benennen,

da in MAT A HH-2 nicht angegeben)

im Mordfall Süleyman Tasköprü,

soweit der Generalbundesanwalt die

Akten nicht zu seinen aktuellen Er-

mittlungen herangezogen hat und sie

somit noch der Verfügungsgewalt des

Landes unterliegen, insoweit als sie

die Zusammenarbeit und den Erkennt-

nisaustausch von Bund und Ländern

betreffen, also im Rahmen der Zu-

sammenarbeit und den Erkenntnisaus-

tausch von Bund und Ländern betref-

fen, also im Rahmen der Zusammen-

arbeit und des Erkenntnisaustauschs

mit Stellen des Bundes - hier vor al-

lem dem Bundesamt für Verfassungs-

schutz, dem Bundesnachrichtendienst,

dem Militärischen Abschirmdienst,

dem Bundeskriminalsamt sowie dem

Generalbundesanwalt - entstanden

sind, oder Informationen enthalten, die

aus heutiger Sicht hätten ausgetauscht

werden können, m. d. B. um zügige

Übermittlung im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Senatskanzlei der Freien und Hanse-

stadt Hamburg bei der jeweils zustän-

digen obersten Landesbehörde.

MAT A HH-5

MAT A HH-

5/1 a bis j

MAT A HH-

5/2

MAT A HH-

5/3

HE-5 146 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften -,

durch Beiziehung der Verfahrensakten

(Sachakten, Handakten, Spurenakten,

Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke

o. ä.) zu den im Land Hessen geführ-

ten polizeilichen (lauz Antwort auf

MAT A HE-5

MAT A HE-5a

bis e

Drucksache 17/14600 – 1216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

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Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Beweisbeschluss HE-2: PP Nordhes-

sen, ST ST/0403409/06) u. staatsan-

waltschaftlichen (laut Antwort auf

Beweisbeschluss HE-2: StA Kassel

8821 UJs 66175/06) Ermittlungen im

Mordfall Halit Yozgat soweit der

Generalbundesanwalt die Akten nicht

zu seinen aktuellen Ermittlungen her-

angezogen hat und sie somit noch der

Verfügungsgewalt des Landes unter-

liegen, insoweit als sie die Zusam-

menarbeit und den Erkenntnisaus-

tausch von Bund und Ländern betref-

fen, also im Rahmen der Zusammen-

arbeit und den Erkenntnisaustausch

von Bund und Ländern betreffen, also

im Rahmen der Zusammenarbeit und

des Erkenntnisaustauschs mit Stellen

des Bundes - hier vor allem dem Bun-

desamt für Verfassungsschutz, dem

Bundesnachrichtendienst, dem Militä-

rischen Abschirmdienst, dem Bundes-

kriminalsamt sowie dem Generalbun-

desanwalt - entstanden sind, oder

Informationen enthalten, die aus heu-

tiger Sicht hätten ausgetauscht werden

können, m. d. B. um zügige Übermitt-

lung im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Hessen bei

der jeweils zuständigen obersten Lan-

desbehörde.

NW-7 147 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften -,

durch Beiziehung der Verfahrensakten

(Sachakten, Handakten, Spurenakten,

Berichtshefte, Sonderhefte, Vermerke

o. ä.) zu den im Land Nordrhein-

Westfalen geführten polizeilichen und

staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen

- im Fall des Sprengstoffanschlags

vom 19.01.2001 in Köln, Probsteigas-

se (laut Antwort auf Beweisbeschluss

NW-2: StA Köln 91 UJs 74/01

- im Fall des Sprengstoffanschlags

vom 09.06.2004 in Köln, Keupstraße

(laut Antwort auf Beweisbeschluss

NW-2: StA Köln 121 UJs 160/04)

- im Mordfall Mehmet Kubasik (laut

Antwort auf Beweisbeschluss NW-2:

StA Dortmund UJs 660/06)

soweit der Generalbundesanwalt die

Akten nicht zu seinen aktuellen Er-

MAT A NW-7

a bis q

MAT A NW-

7/1 a bis c

MAT A NW-

7/2 a und b

MAT A NW-

7/3a und b

MAT A NW-

7/4a und b
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1217 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

mittlungen herangezogen hat und sie

somit noch der Verfügungsgewalt des

Landes unterliegen, insoweit als sie

die Zusammenarbeit und den Erkennt-

nisaustausch von Bund und Ländern

betreffen, also im Rahmen der Zu-

sammenarbeit und des Erkenntnisaus-

tauschs mit Stellen des Bundes - hier

vor allem dem Bundesamt für Verfas-

sungsschutz, dem Bundesnachrichten-

dienst, dem Militärischen Abschirm-

dienst, dem Bundeskriminalamt sowie

dem Generalbundesanwalt - entstan-

den sind, oder Informationen enthal-

ten, die aus heutiger Sicht hätten aus-

getauscht werden können, m. d. B. um

zügige Übermittlung im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der jeweili-

gen zuständigen obersten Landesbe-

hörde.

SN-8 148 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften -,

durch Beiziehung des der Parlamenta-

rischen Kontrollkommission des Säch-

sischen Landtags vorgelegten vorläu-

figen Schlussberichts des Innern des

Freistaats Sachsen zur Terrorgruppe

Nationalsozialistischer Untergrund im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Sächsische

Staatskanzlei bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

MAT A SN-8

Z-14 149 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von EKHK Jörg Deisting als

Zeuge.

29.05.2012 14.06.2012

Z-15 150 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

29.05.2012 14.06.2012 MAT A Z-15
Drucksache 17/14600 – 1218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

mung von KOR Felix Schwarz als

Zeuge.

Z-16 151 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von LKD Gerald Hoffmann als

Zeuge.

31.05.2012 28.06.2012 MAT A Z-16

Z-17 152 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Direktor a. d. Lutz Irrgang als Zeuge.

31.05.2012 11.09.2012 MAT A Z-17

Z-18 153 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Präsident Jörg Ziercke als Zeu-

ge.

29.05.2012 28.06.2012 MAT A Z-18

Z-19 160 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KHK a.D. Edgar

Mittler als Zeuge.

14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012 MAT A Z-19

Z-20 161 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KHK Markus Weber

als Zeuge.

14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012 MAT A Z-20

Z-21 162 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn Oberstaatsanwalt

a.D. Josef Rainer Wolf als Zeuge.

14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012

Z-22 163 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

14.06.2012 14.06.2012 03.07.2012 MAT A Z-22
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1219 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KOR Bert Gricksch

als Zeuge.

Z-23 164 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Vernehmung von

MDgt a.d. Dr. Hartwig Möller als

Zeuge.

14.06.2012 27.09.2012 MAT A Z-23

BfV-10 165 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung

1. sämtlicher Unterlagen des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz, die sich

auf das Sprengstoffattentat vom 19.

Januar 2001 in Köln, den dabei ver-

wendeten Sprengsatz oder etwaige

Kontakte zu anderen Behörden in

diesem Zusammenhang beziehen,

2. sämtlicher Unterlagen des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz, die sich

auf das Nagelbombenattentat vom 9.

Juni 2004 in Köln, den dabei verwen-

deten Sprengsatz oder etwaige Kon-

takte zu anderen Behörden in diesem

Zusammenhang beziehen,

3. sämtlicher Unterlagen des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz, die sich

auf die im Jahr 2006 erfolgte Zusam-

menlegung der Abteilungen für

Rechts- und Linksextremismus im

Bundesamt für Verfassungsschutz

beziehen, soweit sie nicht nur die

verwaltungstechnische Durchführung

der Zusammenlegung (z. B. Umset-

zung von Personal, Raumplanung)

betreffen,

4. sämtlicher Unterlagen des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz aus dem

Zeit-raum vom 9. September 2000 bis

zum 8. November 2011, die sich be-

ziehen auf den Informationsaustausch

im Verfassungsschutzverbund in Form

von Tagungen, internen oder externen

Publikationen zu der Frage, ob es in

Deutschland rechtsterroristische

Strukturen gibt,

5. sämtlicher Unterlagen des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz aus dem

Zeitraum vom 9. September 2000 bis

zum 8. November 2011, die sich auf

Kontakte zu anderen Behörden bezie-

hen, im Zusammenhang mit den Straf-

taten, die dem „Nationalsozialisti-
schen Untergrund“ zugeordnet wer-
den,

soweit sie noch nicht übermittelt sein

14.06.2012 MAT A BfV-

10

MAT A BfV-

10/1

Drucksache 17/14600 – 1220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

sollten, gemäß § 18 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern mit der

Bitte um möglichst baldige – prioritäre
– Übermittlung an den Untersu-
chungsausschuss, möglichst bis zum

27. Juni 2012.

BMI-6 166 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Unter-

lagen des Bundesministeriums des

Innern, die sich auf die im Jahr 2006

erfolgte Zusammenlegung der Abtei-

lungen für Rechts- und Linksextre-

mismus im Bundesamt für Verfas-

sungsschutz beziehen, soweit sie nicht

nur die verwaltungstechnische Durch-

führung der Zusammenlegung (z. B.

Umsetzung von Personal, Raumpla-

nung) betreffen, soweit sie noch nicht

übermittelt sein sollten, gemäß § 18

PUAG beim Bundesministerium des

Innern mit der Bitte um möglichst

baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss, mög-

lichst bis zum 27. Juni 2012.

14.06.2012 MAT A BMI-6

a und b

MAT A BMI-

6/1

BW-7 168 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag – insbeson-
dere zu Ziffer B.III.1 und zur Evaluie-

rung von Vorschriften des Bundes –
durch vorrangige Beiziehung aller

beim Innenministerium des Landes

Baden-Württemberg oder seinen

nachgeordneten Behörden vorhande-

nen, mit Beweisbeschluss BW-4 vom

08.03.2012 angeforderten und im

Schreiben des Innenministeriums

Baden-Württemberg vom 25.05.2012

(MAT A BW-4/1) aufgeführten Unter-

lagen zu den nachfolgend bezeichne-

ten Vorgängen:

• Anfrage wegen eines Tatortzeugen
mit möglichen Bezügen zu Nachrich-

tendiensten (Schreiben des Innenmi-

nisteriums Baden-Württemberg vom

25.05.2012, Ziffer I.2.5)

• Anfrage aufgrund Medienberichter-
stattung zu Zusammenhängen mit OK

oder Terrorismus (Schreiben des In-

nenministeriums Baden-Württemberg

vom 25.05.2012, Ziffer I.2.8)

• Schriftverkehr zum Informationsaus-
tausch mit Nachrichtendiensten

(Schreiben des Innenministeriums

Baden-Württemberg vom 25.05.2012,

Ziffer II.2.3)

soweit diese aufgrund des Beweisbe-

schlusses BW-4 nicht bereits übermit-

14.06.2012 MAT A BW-7

MAT A BW-

7/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1221 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

telt sind im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium Baden-

Württemberg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde mit der Bitte

um möglichst baldige – prioritäre –
Übermittlung an den Untersuchungs-

ausschuss.

NW-8 169 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Video-

sequenzen, die im Zusammenhang mit

dem Nagelbombenattentat vom 9. Juni

2004 in Köln von den nordrhein-

westfälischen Sicherheitsbehörden

zusammengetragen wurden, im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §

18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei den zustän-

digen Landesbehörden, mit der Bitte

um möglichst baldige – prioritäre –
Übermittlung an den Untersuchungs-

ausschuss, möglichst bis zum 27. Juni

2012.

14.06.2012 MAT A NW-8

Z-24 176 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Direktor beim BfV a. D. Wolf-

gang Cremer als Zeuge.

28.06.2012 05.07.2012 MAT A Z-24

Z-25 177 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Präsident Heinz Fromm als

Zeuge.

28.06.2012 05.07.2012 MAT A Z-25

Z-26 178 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Oberst a. D. Dieter H. als Zeu-

ge.

28.06.2012 11.09.2012 MAT A Z-26

Z-27 179 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KOR Axel Mögelin

als Zeuge.

28.06.2012 13.09.2012 MAT A Z-27

Z-28 180 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

28.06.2012 13.09.2012 MAT A Z-28

Drucksache 17/14600 – 1222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn EStA Christoph

Meyer als Zeuge.

Z-29 181 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Präsident Joachim Schmalzl als

Zeuge.

28.06.2012 13.09.2012 MAT A Z-29

Z-30 182 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KHK Werner Jung

als Zeuge.

28.06.2012 27.09.2012 MAT A Z-30

Z-31 183 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KHK Uwe Deetz als

Zeuge.

28.06.2012 27.09.2012 MAT A Z-31

Z-32 184 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn KOK Jens Merten als

Zeuge.

28.06.2012 25.10.2012 MAT A Z-32

MAT A Z-32/1

MAT A Z-32/2

MAT A Z-32/3

SN-9 185 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) – insbesondere zu Ziffer
B.III.1 und zur Evaluierung von Vor-

schriften des Bundes – durch Beizie-
hung der Verfahrensakten des mit

Schreiben des Landeskriminalamtes

Sachsen vom 11.04.2012 (MAT A

SN-2/2)auf das in Beweisbeschluss

SN-2 vom 01.03.2012 erfolgte Ersu-

chen hin benannten Verfahrens Az.:

223 Js 2227/07, VG-Nr.:

5106/06/177201 bei der PD Südwest-

sachsen (Vernehmungen wegen Was-

serschaden in der Polenzstraße 2 in

Zwickau) im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs.

28.06.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1223 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

3 GG über die Sächsische Staatskanz-

lei bei der zuständigen obersten Lan-

desbehörde mit der Bitte um möglichst

baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss.

BND-4 186 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch das Ersuchen um

Benennung der Leiter des oder der für

die Fragen

- nachrichtendienstl. Aufgaben in der

Schweiz

- Waffenhandel mit Bezug zur

Schweizzuständigen Referates oder

Referate im Bundesnachrichtendienst

während der gesamten Zeit des Unter-

suchungsauftrages, konkretisierend zu

den Angaben zu Beweisbeschluss

BND-1 gemäß § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundeskanzleramt mit der Bitte,

die Angaben dem 2. Untersuchungs-

ausschuss möglichst bis 03.07.2012 zu

übermitteln.

28.06.2012 MAT A BND-

4

BfV-11 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung der Unterlagen

des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz

- zu der Operation Rennsteig und

- zum Thüringer Heimatschutz gemäß

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nister des Innern.

28.06.2012 MAT A BfV-

11

MAT A BfV-

11/1, /2

BfV-11/3

BfV-11/4

MAD-4 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung der Unterlagen

des Bundesamtes für Verfassungs-

schutz

- zu der Operation Rennsteig und

- zum Thüringer Heimatschutz gemäß

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nister der Verteidigung.

28.06.2012 MAT A MAD-

4

MAT A MAD-

4/1, 2

BY-10 Der Freistaat Bayern wird im Wege

der Amtshilfe ersucht, alle Unterlagen

- zu der Operation Rennsteig und

- zum Thüringer Heimatschutz priori-

tär vorzulegen.

28.06.2012 MAT A BY-10

MAT A BY-

10/1

MAT A BY-

10/2

MAT A BY-

10/3

TH-9 Der Freistaat Thüringen wird im Wege

der Amtshilfe ersucht, alle Unterlagen

- zu der Operation Rennsteig und

- zum Thüringer Heimatschutz priori-

tär vorzulegen.

28.06.2012 MAT A TH-

9/1 a, b

MAT A TH-

9/2

MAT A TH-

9/3

MAT A TH-

9/4 a, b

MAT A TH-
Drucksache 17/14600 – 1224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

9/5

MAT A TH-

9/6

MAT A TH-

9/7

MAT A TH-

9/8

MAT A TH-

9/9

MAT A TH-

9/10

MAT A TH-

9/10/1

MAT A TH-

9/10/2 a und b

MAT A TH-

9/11 bis 9/31

BfV-12 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung der

Registraturanweisung des BfV vom

9.4.1984 und ggf. der

Registraturanweisung des BfV, die im

Nov. 2011 galt, sowie der Unterlagen

zur Vernichtung der betroffenen Ak-

tenstücke gemäß § 18 PUAG beim

Bundesministerium des Innern mit der

Bitte um möglichst baldige – prioritäre
– Übermittlung an den Untersu-
chungsausschuss.

03.07.2012 MAT A BfV-

12a

MAT A BfV-

12b

BfV-13 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung der dienstlichen

Erklärungen vom 27. und 28.6.2012

des Mitarbeiters des BfV, der im No-

vember 2012 die Vernichtung eines

Teils der Akten über die Operation

Rennsteig angeordnet hat gemäß § 18

PUAG beim Bundesministerium des

Innern mit der Bitte um möglichst

baldige – prioritäre – Übermittlung an
den Untersuchungsausschuss.

03.07.2012 MAT A BfV-

13

Z- 33 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung des

Mitarbeiters des Bundesamtes für

Verfassungsschutz, der im November

2011 die Vernichtung eines Teils der

Akten über die „Operation Rennsteig“
angeordnet hat, als Zeuge.

03.07.2012 05.07.2012 MAT A Z-33/1

BMI-9 189 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Bundes-

tagsdrucksache Drucksache 17/8453),

indem das BMI aufgefordert wird, die

Personalien der Personen mitzuteilen,

die bei dem BfV laut Sprechzettel

TOP… und diese Personen sodann als

05.07.2012 MAT A BMI-9

MAT A BMI-

9/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1225 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Zeugen vernommen werden.

BK-5 190 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1

PUAG gebeten, bis 20. August 2012

für den gesamten Untersuchungszeit-

raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.

November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher

Mittel seiner nach-geordneten Behör-

den mit Laufzeit, Beschreibung der

Art der Maßnahme und Benennung

ihres Zwecks oder Auftrags zu be-

zeichnen, die im Zusammenhang stan-

den mit einer der Personen, die vom

Bundeskriminalamt in der Antwort auf

Beweisbeschluss BKA-2 berücksich-

tigt wurden (MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A BK-5

BMI-7 191 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium des Innern gemäß

§ 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 20.

August 2012 für den gesamten Unter-

suchungszeitraum vom 1. Januar 1992

bis zum 8. November 2011 sämtliche

Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeili-

cher Ermittlungsmaßnahmen seiner

nachgeordneten Behörden mit Lauf-

zeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im

Zusammenhang standen mit einer der

Personen, die vom Bundeskriminalamt

in der Antwort auf Beweisbeschluss

BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT

A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

05.07.2012 MAT A BMI-7

MAT A BMI-

7/1

MAT A BMI-

7/2

BMVg-5 192 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium der Verteidigung

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis

20. August 2012 für den gesamten

Untersuchungszeitraum vom 1. Januar

05.07.2012 MAT A

BMVg-5/1

MAT A

BMVg-5/2

MAT A

BMVg-5/3

MAT A

BMVg-5/4

Drucksache 17/14600 – 1226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

1992 bis zum 8. November 2011 sämt-

liche Einsätze operativer nachrichten-

dienstlicher Mittel seiner nach-

geordneten Behörden mit Laufzeit,

Beschreibung der Art der Maßnahme

und Benennung ihres Zwecks oder

Auftrags zu bezeichnen, die im Zu-

sammenhang standen mit einer der

Personen, die vom Bundeskriminalamt

in der Antwort auf Beweisbeschluss

BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT

A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

BW-8 193 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Baden-

Württemberg im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg gebeten, für den gesam-

ten Untersuchungszeitraum vom 1.

Januar 1992 bis zum 8. November

2011 sämtliche Einsätze operativer

nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungs-

maßnahmen seiner Dienststellen oder

nachgeordneten Behörden mit Lauf-

zeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im

Zusammenhang standen mit einer der

Personen, die vom Bundeskriminalamt

in der Antwort auf Beweisbeschluss

BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT

A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

05.07.2012 MAT A BW-8

MAT A BW-

8/1

MAT A BW-

8/2 a und b

MAT A BW-

8/3

BY-11 194 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bayerische Staatsministerium des

Innern im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Bayerische Staatskanzlei gebeten, für

den gesamten Untersuchungszeitraum

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 sämtliche Einsätze ope-

rativer nachrichtendienstlicher Mittel

oder verdeckter polizeilicher Ermitt-

05.07.2012 MAT A BY-11
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1227 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

lungsmaßnahmen seiner Dienststellen

oder nachgeordneten Behörden mit

Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Be-

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben).

BE-2 195 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird die
Senatsverwaltung für Inneres und

Sport des Landes Berlin im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Senatskanzlei des Landes

Berlin gebeten, für den gesamten

Untersuchungszeitraum vom 1. Januar

1992 bis zum 8. November 2011 sämt-

liche Einsätze operativer nachrichten-

dienstlicher Mittel oder verdeckter

polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

seiner Dienststellen oder nachgeordne-

ten Behörden mit Laufzeit, Beschrei-

bung der Art der Maßnahme und Be-

nennung ihres Zwecks oder Auftrags

zu bezeichnen, die im Zusammenhang

standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-

2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A BE-2

MAT A BE-2/1

MAT A BE-2/1

Ergänzung

BB-3 196 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern des Landes

Brandenburg im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992

bis zum 8. November 2011 sämtliche

Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeili-

cher Ermittlungsmaßnahmen seiner

Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung

05.07.2012 MAT A BB-3a

und b

MAT A BB-

3/1

Drucksache 17/14600 – 1228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

der Art der Maßnahme und Benen-

nung ihres Zwecks oder Auftrags zu

bezeichnen, die im Zusammenhang

standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-

2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

HB-2 197 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird der
Senator für Inneres und Sport der

Freien Hansestadt Bremen im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe nach §

18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Senatskanzlei der Freien

Hansestadt Bremen gebeten, für den

gesamten Untersuchungszeitraum vom

1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 sämtliche Einsätze operativer

nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungs-

maßnahmen seiner Dienststellen oder

nachgeordneten Behörden mit Lauf-

zeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im

Zusammenhang standen mit einer der

Personen, die vom Bundeskriminalamt

in der Antwort auf Beweisbeschluss

BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT

A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

05.07.2012 MAT A HB-2

HH-6 198 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird die
Behörde für Inneres und Sport der

Freien und Hansestadt Hamburg im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der

Freien und Hansestadt Hamburg gebe-

ten, für den gesamten Untersuchungs-

zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher

Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-

stellen oder nachgeordneten Behörden

mit Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres

05.07.2012 MAT A HH-6

MAT A HH-

6/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1229 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Be-

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben).

HE-6 199 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern und für Sport

des Landes Hessen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Hessische Staatskanzlei

gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992

bis zum 8. November 2011 sämtliche

Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeili-

cher Ermittlungsmaßnahmen seiner

Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung

der Art der Maßnahme und Benen-

nung ihres Zwecks oder Auftrags zu

bezeichnen, die im Zusammenhang

standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-

2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A HE-6a

und b

MV-6 200 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Landes Mecklenburg-Vorpommern im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs.

3 GG über die Staatskanzlei des Lan-

des Mecklenburg-Vorpommern gebe-

ten, für den gesamten Untersuchungs-

zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum

8. November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher

Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-

stellen oder nachgeordneten Behörden

mit Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

05.07.2012 MAT A MV-6

Drucksache 17/14600 – 1230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Be-

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben).

NI-3 201 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Landes Niedersachsen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Niedersachsen gebeten, für den ge-

samten Untersuchungszeitraum vom

1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 sämtliche Einsätze operativer

nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungs-

maßnahmen seiner Dienststellen oder

nachgeordneten Behörden mit Lauf-

zeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im

Zusammenhang standen mit einer der

Personen, die vom Bundeskriminalamt

in der Antwort auf Beweisbeschluss

BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT

A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

ben).

05.07.2012 MAT A NI-3a1

MAT A NI-3a2

MAT A NI-3b

NW-9 202 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Kommu-

nales des Landes Nordrhein-Westfalen

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Nordrhein-Westfalen gebeten,

für den gesamten Untersuchungszeit-

raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.

November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher

Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-

stellen oder nachgeordneten Behörden

mit Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit

05.07.2012 MAT A NW-9

MAT A NW-

9/1

MAT A NW-

9/2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1231 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Be-

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben).

RP-2 203 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern, für Sport und

Infrastruktur des Landes Rheinland-

Pfalz im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Rheinland-

Pfalz gebeten, für den gesamten

Untersuchungszeitraum vom 1. Januar

1992 bis zum 8. November 2011 sämt-

liche Einsätze operativer nachrichten-

dienstlicher Mittel oder verdeckter

polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

seiner Dienststellen oder nachgeordne-

ten Behörden mit Laufzeit, Beschrei-

bung der Art der Maßnahme und Be-

nennung ihres Zwecks oder Auftrags

zu bezeichnen, die im Zusammenhang

standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-

2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A RP-2

SL-2 204 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Saarlands im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Saarlands gebeten,

für den gesamten Untersuchungszeit-

raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.

November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher

Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-

stellen oder nachgeordneten Behörden

mit Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Be-

05.07.2012 MAT A SL-2

Drucksache 17/14600 – 1232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben).

SN-10 205 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Staatsministerium des Innern des

Freistaats Sachsen im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Sächsische Staatskanzlei gebeten,

für den gesamten Untersuchungszeit-

raum vom 1. Januar 1992 bis zum 8.

November 2011 sämtliche Einsätze

operativer nachrichtendienstlicher

Mittel oder verdeckter polizeilicher

Ermittlungsmaßnahmen seiner Dienst-

stellen oder nachgeordneten Behörden

mit Laufzeit, Beschreibung der Art der

Maßnahme und Benennung ihres

Zwecks oder Auftrags zu bezeichnen,

die im Zusammenhang standen mit

einer der Personen, die vom Bundes-

kriminalamt in der Antwort auf Be-

weisbeschluss BKA-2 berücksichtigt

wurden (MAT A BKA-2/1, 1. Anlage

zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A SN-10

MAT A SN-

10/1

MAT A SN-

10/2

MAT A SN-

10/3

ST-2 206 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Landes Sachsen-Anhalt im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Sachsen-Anhalt gebeten, für den ge-

samten Untersuchungszeitraum vom

1. Januar 1992 bis zum 8. November

2011 sämtliche Einsätze operativer

nachrichtendienstlicher Mittel oder

verdeckter polizeilicher Ermittlungs-

maßnahmen seiner Dienststellen oder

nachgeordneten Behörden mit Lauf-

zeit, Beschreibung der Art der Maß-

nahme und Benennung ihres Zwecks

oder Auftrags zu bezeichnen, die im

Zusammenhang standen mit einer der

Personen, die vom Bundeskriminalamt

in der Antwort auf Beweisbeschluss

BKA-2 berücksichtigt wurden (MAT

A BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschrei-

05.07.2012 MAT A ST-2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1233 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ben).

SH-2 207 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Schles-

wig-Holstein im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Schleswig-

Holstein gebeten, für den gesamten

Untersuchungszeitraum vom 1. Januar

1992 bis zum 8. November 2011 sämt-

liche Einsätze operativer nachrichten-

dienstlicher Mittel oder verdeckter

polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

seiner Dienststellen oder nachgeordne-

ten Behörden mit Laufzeit, Beschrei-

bung der Art der Maßnahme und Be-

nennung ihres Zwecks oder Auftrags

zu bezeichnen, die im Zusammenhang

standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-

2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A SH-2

TH-10 208 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Freistaats Thü-

ringen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen

gebeten, für den gesamten Untersu-

chungszeitraum vom 1. Januar 1992

bis zum 8. November 2011 sämtliche

Einsätze operativer nachrichtendienst-

licher Mittel oder verdeckter polizeili-

cher Ermittlungsmaßnahmen seiner

Dienststellen oder nachgeordneten

Behörden mit Laufzeit, Beschreibung

der Art der Maßnahme und Benen-

nung ihres Zwecks oder Auftrags zu

bezeichnen, die im Zusammenhang

standen mit einer der Personen, die

vom Bundeskriminalamt in der Ant-

wort auf Beweisbeschluss BKA-2

berücksichtigt wurden (MAT A BKA-

2/1, 1. Anlage zum Anschreiben).

05.07.2012 MAT A TH-10

MAT A TH-

10/1

MAT A TH-

10/2

MAT A TH-

10/3

MAT B TH-3

BMI-8 209 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

05.07.2012 MAT A BMI-8

Drucksache 17/14600 – 1234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

(Drucksache 17/8453) wird das BMI

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis

20. August 2012 zu Aufbau und Struk-

tur der Dateien des „Tatmittelmelde-
dienstes Brand- und Sprengvorrich-

tungen“ und zu den Regelungen für
-- Meldung und Datenerfassung

- - Speicherung und gegebenenfalls

Erfassungsfristen und Löschvorgaben

- - Zugriffsberechtigungen und Abfra-

gemodalitäten

bezüglich dieser Dateien über die

gegebenenfalls bereits übersandten

Akten hinaus in zusammenhängender

Darstellung Auskunft zu geben und

dazu

- - bestehende Vorschriften und An-

weisungen

-- die Eintragungen zu den Spreng-

stofftaten, die Uwe Böhnhardt, Uwe

Mundlos oder Beate Zschäpe einzeln

oder gemeinschaftlich zugeordnet

werden,

prioritär vorzulegen und die für diese

Dateien im Zeitraum des Untersu-

chungsauftrages zuständigen Mitarbei-

ter (Referatsleiter, Sachgebietsleiter)

des BKA zu benennen.

Z-34 210 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000-2007 - Mordserie und weitere

Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn Andreas Temme als

Zeuge.

05.07.2012 11.09.2012 MAT A Z-34

Z-35 211 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000-2007 - Mordserie und weitere

Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von NN, Leiter des Referats

Auswertung Proliferation und Waf-

fenhandel im BND als Zeuge.

05.07.2012 27.09.2012 MAT A Z-35

MAT A Z-35/1

Z-36 212 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Ministerpräsident Volker

Bouffier als Zeuge.

05.07.2012 28.09.2012 MAT A Z-36

Z-37 226 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

11.09.2012 13.09.2012 MAT A Z-37
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1235 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

"2000-2007 - Mordserie und weitere

Straftaten, intensive Ermittlungen"

gemäß Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn Günter Stengel als

Zeuge.

BW-9 227 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstandes, durch das

Ersuchen um möglichst zeitnahe Be-

nennung

1. der Mitarbeiter des Landesamtes für

Verfassungsschutz Baden-

Württemberg, die im Jahr 2003 dem

früheren Mitarbeiter des LfV Baden-

Württemberg, Herrn Stengel, in

dienstlichen Angelegenheiten beraten

haben;

2. der Mitarbeiter des Landesamtes für

Verfassungsschutz Baden-

Württemberg, die mit der Überprüfung

der Angaben von Herrn Stengel zu

früheren Hinweisen im aktuellen Er-

mittlungsverfahren befasst waren,

3. der Mitarbeiter des Landeskriminal-

amtes Baden-Württemberg, die mit

der Überprüfung der Angaben von

Herrn Stengel zu früheren Hinweisen

im aktuellen Ermittlungsverfahren

befasst waren, im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg bei der jeweils zuständi-

gen obersten Landesbehörde.

11.09.2012 MAT A BW-9

MAT A BW-

9/1

NW-10 228 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gem. Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstandes, durch das

Ersuchen um Benennung 1. der

diensthabenden Beamten und Ange-

stellten im Lagezentrum der Polizei

Nordrhein-Westfalen im Zeitraum

Mittwoch, 09. Juni 2004, 16.25 Uhr,

bis Donnerstag, 10. Juni 2004, 22.35

Uhr; 2. der diensthabenden Beamten

und Angestellten in der Abteilung 6

11.09.2012 18.10.2012 MAT A NW-

10
Drucksache 17/14600 – 1236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

(Verfassungsschutz) des Nordrhein-

Westfälischen Innenministeriums im

Zeitraum Mittwoch, 09. Juni 2004,

16.25 Uhr, bis Donnerstag, 10. Juni

2004, 22.35 Uhr soweit sie in dienstli-

cher Funktion mit den Vorgängen im

Zusammenhang mit dem Nagelbom-

benattentat in der Kölner Keupstraße

am Mittwoch, 09. Juni 2004, befasst

waren, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei den jeweils zuständigen

obersten Landesbehörden.

Z-38 236 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Staatssekretär Klaus-Dieter

Fritsche als Zeuge.

13.09.2012 18.10.2012 MAT A Z-38

Z-39 237 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Ministerialdirigent Hans-Georg

Engelke als Zeuge.

13.09.2012

31.01.2013

18.10.2012

01.03.2013

MAT A Z-39

MAT A Z-39/1

MAT A Z-39/2

Z-40 238 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Vizepräsident Jürgen Maurer

als Zeuge.

13.09.2012 25.09.2012 25.10.2012 MAT A Z-40

Z-41 239 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Ministerialdirigent Waldemar

Kindler als Zeuge.

13.09.2012 25.09.2012 25.10.2012 MAT A Z-41

Z-42 240 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbes. zum Komplex

"2000 bis 2007 - Mordserie und weite-

re Straftaten, intensive Ermittlungen"

gemäß Ausschussbeschluss vom

01.03.2012 zur Gliederung des Unter-

suchungsgegenstands, durch Verneh-

mung von Herrn EKHK Ernst Setzer

als Zeuge.

13.09.2012 25.09.2012 25.10.2012 MAT A Z-42

BfV-14 241 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) vorbereitet durch das

Ersuchen um Benennung der Mitar-

beiterin oder des Mitarbeiters bzw. der

Mitarbeiter des Bundesamtes für Ver-

fassungsschutz, die laut Lagedoku-

mentation des Lagezentrums der Poli-

zei Nordrhein-Westfalen (MAT A

NW-6l, Bl. 1ff., Bl. 7) am 09.06.2004,

dem Tag des Sprengstoffanschlags in

der Keupstraße in Köln, um 19.53 Uhr

13.09.2012 MAT A BfV-

14

MAT A BfV-

14/1

MAT A BfV-

14/2

MAT A BfV

14/3

MAT A BfV-

14/4

MAT A BfV-

14/5


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1237 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

im Lagezentrum angerufen und um

Herstellung eines Kontakts mit der

Verfassungsschutzabteilung des In-

nenministeriums des Landes

Nordrhein-Westfalen gebeten haben

nach § 18 Abs. 1 PUAG durch das

Bundesamt für Verfassungsschutz.

Z-43 242 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Präsident a. D. Karl-Heinz

Brüsselbach als Zeuge.

13.09.2012 08.11.2012 MAT A Z-43

Z-44 243 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Ulrich Birkenheier als Zeuge.

13.09.2012

Z-45 244 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Ministerialdirigent Dr. Christof

Gramm als Zeuge.

13.09.2012 08.11.2012 MAT A Z-45

BMVg-6 245 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch vorrangige Bei-

ziehung

1. sämtlicher Unterlagen, die im Ge-

schäftsbereich des BMVg entstanden

oder in Gewahrsam genommen wor-

den sind und sich auf die Wehrdienst-

zeit des Uwe Mundlos beziehen, ins-

besondere zu Kontakten des MAD zu

Uwe Mundlos und sonstigen Erkennt-

nissen über Auffälligkeiten während

seines Wehrdienstes, sowie

2. alle Vorgänge, die sich auf den

Umgang mit diesen Erkenntnissen im

BMVg, seinem Geschäftsbereich

sowie innerhalb der Bundesregierung

beziehen gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Vertei-

digung.

13.09.2012 MAT A

BMVg-6

MAT A

BMVg-6/1

MAT A

BMVg-6/2

MAT A

BMVg-6/3

MAD-5 246 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch vorrangige Bei-

ziehung

1. sämtlicher Unterlagen, die im Or-

ganisationsbereich des MAD entstan-

den sind und sich auf die Wehrdienst-

zeit des Uwe Mundlos beziehen, ins-

besondere zu Kontakten des MAD zu

Uwe Mundlos und sonstigen Erkennt-

nissen über Auffälligkeiten während

seines Wehrdienstes, sowie

2. alle Vorgänge, die den Umgang mit

diesen Erkenntnissen im Organisati-

onsbereich des MAD betreffen, insbe-

sondere zur Kommunikation mit dem

13.09.2012 MAT A MAD-

5

Drucksache 17/14600 – 1238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

BMVg, anderen Bundesbehörden

sowie Landesbehörden, gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Verteidigung.

MAD-6 247 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) vorbereitet durch das

Ersuchen um Benennung

1. der Personen, die im März 1995 im

Organisationsbereich des Militäri-

schen Abschirmdienstes den Wehr-

dienstleistenden Uwe Mundlos befragt

haben,

2. der Personen, die ab dem 8. März

2012 im Organisationsbereich des

Militärischen Abschirmdienstes von

dem vom Sächsischen Landesamt für

Verfassungsschutz übersandten

Schreiben des Amts für den Militäri-

schen Abschirmdienst vom 27. Juni

1995 Kenntnis erlangt haben sowie,

3. der Personen, die ab dem 12. März

2012 im Bundesministerium der Ver-

teidigung von dem Umstand Kenntnis

erlangt haben, dass Uwe Mundlos im

Jahr 1995 vom Militärischen Ab-

schirmdienst befragt wurde, gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Verteidigung.

13.09.2012 MAT A MAD-

6

MAT A MAD-

6/1

MAT A MAD-

6/2

MAT A MAD-

6/3

BMI-10 248 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch vorrangige Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-

te, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die zu dem

Verfahren zum am 21.09.2011 erfolg-

ten Verbot der sogenannten "Hilfsor-

ganisation für nationale politische

Gefangene und deren Angehörige" im

Organisationsbereich des Bundesam-

tes für Verfassungsschutz vorhanden

sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundesministerium des Innern.

13.09.2012 MAT A BMI-

10

MAT A BMI-

10/1 a bis j

MAT A BMI-

11/2

BMI-11 249 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch vorrangige Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-

te, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die zu dem

Verfahren zum am 21.09.2011 erfolg-

ten Verbot der sogenannten "Hilfsor-

ganisation für nationale politische

Gefangene und deren Angehörige" im

Organisationsbereich des Bundesmi-

nisteriums des Innern vorhanden sind,

13.09.2012 MAT A BMI-

11

MAT A BMI-

11/1 a bis j

MAT A BMI-

11/2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1239 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern.

BB-4 259 Der Untersuchungsausschuss bittet die

Länder Brandenburg … zu den sämt-
lich am 05.07.2012 gefassten Beweis-

beschlüssen mit den Nummern BB-3

…um möglichst baldige Vorlage,
spätestens bis zum 10.10.2012.

27.09.2012 siehe BB-3

HB-3 259 Der UA bittet die Länder … Bremen
…zu den sämtlich am 05.07.2012
gefassten Beweisbeschlüssen mit den

Nummern … HB-2 …um möglichst
baldige Vorlage, spätestens bis zum

10.10.2012.

27.09.2012

MV-7 259 Der UA bittet die Länder … Mecklen-
burg-Vorpommern …zu den sämtlich
am 05.07.2012 gefassten Beweisbe-

schlüssen mit den Nummern MV-6

…um möglichst baldige Vorlage,
spätestens bis zum 10.10.2012.

27.09.2012 MAT A RP-3

RP-3 259 Der UA bittet die Länder … Rhein-
land-Pfalz …zu den sämtlich am
05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüs-

sen mit den Nummern RP-2 …um
möglichst baldige Vorlage, spätestens

bis zum 10.10.2012.

27.09.2012 MAT A RP-3

SL-3 259 Der UA bittet die Länder … Saarland
…zu den sämtlich am 05.07.2012
gefassten Beweisbeschlüssen mit den

Nummern SL-2 …um möglichst bal-
dige Vorlage, spätestens bis zum

10.10.2012.

27.09.2012 MAT A SL-3

SN-11 259 Der UA bittet die Länder … Sachsen
…zu den sämtlich am 05.07.2012
gefassten Beweisbeschlüssen mit den

Nummern SN-10 …um möglichst
baldige Vorlage, spätestens bis zum

10.10.2012.

27.09.2012 siehe SN-10

SH-3 259 Der UA bittet die Länder … Schles-
wig-Holstein zu den sämtlich am

05.07.2012 gefassten Beweisbeschlüs-

sen mit den Nummern … SH-2 …um
möglichst baldige Vorlage, spätestens

bis zum 10.10.2012.

27.09.2012 MAT A SH-3

BE-3 260 Es wird - aufbauend auf den Angaben

zu Beweisbeschluss BE-2 und zur

Klarstellung und Ergänzung von Be-

weisbeschluss BE-1 - Beweis erhoben

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/84/53), durch Beizie-

hung sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel die in der Senatsverwal-

tung für Inneres und Sport des Landes

Berlin und der Senatsverwaltung für

Justiz des Landes Berlin und in allen

27.09.2012 MAT A BE-3

MAT A BE-3/1

a bis e

MAT A BE-3/2

bis 3/6

MAT A BE-3/7

a bis ä

MAT A BE-3/8

MAT A BE-

3/9a-i

MAT A BE-

3/10

MAT A BE-


Drucksache 17/14600 – 1240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

nachgeordneten Behörden der genann-

ten Senatsverwaltung vorliegen, so-

weit sie

1. den Untersuchungszeitraum betref-

fen, also Informationen enthalten über

den Zeitraum vom 01.01. 1992 bis

zum 08.11.2011, und soweit sie

2. im Rahmen des Untersuchungsge-

genstand die folgenden Fragen betref-

fen:

- Einsätze operativer nachrichten-

dienstlicher Mittel oder verdeckter

polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

im Zusammenhang mit einer der Per-

sonen, die vom GBA im aktuellen

Ermittlungsverfahren zu den Tagen

der Terrorgruppe NSU als Beschuldig-

te geführt werden (soweit noch nicht

vorgelegt)

- Erkenntnisse zu der Person, die vom

BKA in der Antwort auf Beweisbe-

schluss BKA-2 berücksichtigt wurden

(MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben) und zu denen einer Be-

hörde des Landes Berlin im Untersu-

chungszeitraum bekannt wurde, dass

sie Informationen zu Uwe Böhnhardt,

Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe

haben

- Umgang mit Informationen betref-

fend den Untersuchungszeitraum auch

in der Zeit nach dem 08.11.2011 im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG m. d. B. um möglichst

baldige Vorlage, spätestens bis

10.10.2012 über die Senatskanzlei des

Landes Berlin bei den zuständigen

obersten Landesbehörden.

3/11

MAT A BE-

3/12

MAT A BE-

3/13

MAT A BE-

3/14a-l

MAT A BE-

3/15

MAT A BE-

3/16

MAT A BE-

3/17

MAT A BE-

3/18

MAT A BE-

3/19

Z-46 261 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Vernehmung von

Herrn Kapitän zur See Olaf Christ-

mann als Zeuge.

27.09.2012 08.11.2012 MAT A Z-46

BfV-15 262 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel mit sachlichem oder perso-

nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die

im Organisationsbereich des Bundes-

amtes für Verfassungsschutz vorlie-

gen, soweit sie den Untersuchungs-

zeitraum (01.01.1992 bis 08.11.2011)

betreffen und dem Untersuchungsaus-

28.09.2012 MAT A BfV-

15

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1241 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

schuss noch nicht übermittelt sind,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern.

GBA-10 263 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus dem Ermittlungsverfah-

ren mit dem Akz. 2 BJs 12/92-2, das

von der Bundesanwaltschaft bereits im

Jahr 1992 mit Bezug auf die Grün-

dung bzw. die Absicht, einen deut-

schen Ableger der White Knigts of the

Ku-Klux-Klan zu gründen, wegen

Bildung einer terroristischen Vereini-

gung, § 129a StGB geführt wurde,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium der Justiz.

28.09.2012 MAT A GBA-

10

BKA-4 264 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel die im Organisationsbe-

reich des BKA vorliegen, und dem

UA noch nicht übermittelt sind, und

entweder

- das Ermittlungsverfahren mit dem

Akz. 2 BJs 12/92-2 betreffen, das von

der Bundesanwaltschaft bereits im

Jahr 1992 mit Bezug auf die Grün-

dung bzw. die Absicht, einen deut-

schen Ableger der White Knights of

the Ku-Klux-Klan zu gründen, wegen

Bildung einer terroristischen Vereini-

gung, § 129a StGB geführt wurde oder

- Informationen enthalten über den

Zeitraum vom 01.01.1997 bis

31.12.2004 gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium des Innern.

28.09.2012 MAT A BKA-

4

BW-10 265 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel mit sachlichem oder perso-

nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die

im Organisationsbereich des Lande-

samtes für Verfassungsschutz des

Landes Baden-Württemberg und des

Innenministeriums des Landes Baden-

Württemberg als der für den Verfas-

sungsschutz verantwortlichen obersten

28.09.2012 MAT A BW-

10/1 und 2

Drucksache 17/14600 – 1242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Landesbehörde vorliegen, und sie dem

Untersuchungsausschuss noch nicht

übermittelt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den

Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum

31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes

ausgetauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Baden-

Württemberg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

BB-5 266 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel mit sachlichem oder perso-

nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die

im Organisationsbereich des Lande-

samtes für Verfassungsschutz des

Landes Brandenburg und des Ministe-

rium des Innern des Landes Branden-

burg als der für den Verfassungsschutz

verantwortlichen obersten Landesbe-

hörde vorliegen, und sie dem Untersu-

chungsausschuss noch nicht übermit-

telt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den

Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum

31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes

ausgetauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

28.09.2012 MAT A BB-5

MAT A BB-

5/1

SN-12 267 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel mit sachlichem oder perso-

28.09.2012 MAT A SN-12

MAT A SN-

12/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1243 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die

im Organisationsbereich des LfV des

Freistaats Sachsen und des IM des

Freistaats Sachsen als der für den

Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde vorliegen,

und sie dem Untersuchungsausschuss

noch nicht übermittelt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den

Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum

31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes

ausgetauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Sachsen

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

TH-11 268 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel mit sachlichem oder perso-

nellem Bezug zum Ku Klux Klan, die

im Organisationsbereich des LfV des

Freistaats Thüringen und des IM des

Freistaats Thüringen als der für den

Verfassungsschutz verantwortlichen

obersten Landesbehörde vorliegen,

und sie dem Untersuchungsausschuss

noch nicht übermittelt sind, soweit sie

1. Informationen enthalten über den

Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum

31.12.2004, und soweit sie

2. die Zusammenarbeit und den Er-

kenntnisaustausch von Bund und Län-

dern betreffen, also Informationen

enthalten, die mit Stellen des Bundes

ausgetauscht wurden oder aus heutiger

Sicht hätten ausgetauscht werden

können im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

28.09.2012 MAT A TH-11

MAT A TH-

11/1

MAT A TH-

11/2

BfV-16 274 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags (Drucksache 17/8453)

durch Beiziehung

18.10.2012 MAT A BfV-

16
Drucksache 17/14600 – 1244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

1) sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel aus dem Bundesamt für

Verfassungsschutz oder dem Bundes-

ministeriums des Innern, die den

Untersuchungsgegenstand betreffen

und Auskunft geben können über

Verlauf und Ergebnisse einer mögli-

chen Kooperation des Bundesamtes

für Verfassungsschutz (BfV) im

Untersuchungszeitraum mit dem

mutmaßlichen NSU-Unterstützer

Thomas R., insbes. alle vorgenannten

Unterlagen, aus denen sich Hinweise

des Thomas R. oder dahingehender

Fragen des BfV zu Aufenthaltsort

und/oder Kontakten der untergetauch-

ten NSU-Mitglieder ergeben könnten,

und

2) die diesbezügliche V-Person-

Zahlakte des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz, soweit diese Unterlagen

nicht durch bereits zuvor gefasste

Beweisbeschlüsse beigezogen und

übermittelt worden sind gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

BfV-17 275 Es wird Beweis erhoben zu den Ab-

schnitten I. und II. des Untersu-

chungsauftrags (Drucksache 17/8453)

durch Beiziehung sämtlicher Akten,

Dokumente, in Dateien oder auf ande-

re Weise gespeicherter Daten und

sonstiger sächlicher Beweismittel aus

dem Bundesamt für Verfassungs-

schutz oder dem Bundesministeriums

des Innern die den Untersuchungsge-

genstand betreffen und Auskunft ge-

ben können über Verlauf und Ergeb-

nisse der vom BfV oder unter dessen

Mitwirkung im Untersuchungszeit-

raum durchgeführten G10-

Maßnahmen, welche sich gegen/oder

Jan W. richteten und aus denen sich

Hinweise zu Aufenthaltsort und/oder

Kontakten der untergetauchten NSU-

Mitglieder ergeben konnten, soweit

diese Unterlagen nicht durch bereits

durch zuvor gefasste Beweisbeschlüs-

se beigezogen und übermittelt worden

sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundesministerium des Innern.

18.10.2012 MAT A BfV-

17

Z-47 Benennung des Zeugen zu BB NW-10

> Leitender Kriminaldirektor Peter

Hofmann

11.09.2012 17.10.2012 18.10.2012 MAT A Z-47

Z-48 278 Es wird Beweis erhoben zum gesam- 18.10.2012 22.11.2012 MAT A Z-48
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1245 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Bundesanwalt Dr. Hans-Jürgen

Förster als Zeuge.

Z-49 279 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Staatssekretär a. D. August

Hanning als Zeuge.

18.10.2012 22.11.2012 MAT A Z-49

MAT A Z-49/1

Z-50 280 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Landesminister a. D. Fritz Be-

hrens als Zeuge.

18.10.2012 22.11.2012 MAT A Z-50

Z-51 281 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Bundesminister Dr. Wolfgang

Schäuble als Zeuge.

18.10.2012 30.11.2012 MAT A Z-51/1

MAT A Z-51/1

Z-52 282 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Oberstaatsanwalt beim Bundes-

gerichtshof Christian Ritscher als

Zeuge.

18.10.2012 30.11.2012 MAT A Z-52

A-2 283 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Vorsitzenden Richter am Bun-

desgerichtshof a. D. Gerhard Schäfer

als Zeuge.

18.10.2012

A-3 284 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Bundesanwalt beim Bundesge-

richtshof a. D. Volkhard Wache als

Zeuge.

18.10.2012

A-4 285 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Ministerialdirigent a. D. Ge-

rhard Meiborg als Zeugen.

18.10.2012

BMI-12 289 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherte

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus dem Bundesamt für

Verfassungsschutz und dem Bundes-

ministerium des Innern, die den

Untersuchungsgegenstand betreffen

und Auskunft geben können über

Carsten S., der früher in Brandenburg

als "Grand Dragon" der "White

Knights of the Ku Klux Klan" fungier-

te und/oder Achim S., der als Gründer

25.10.2012 MAT A BMI-

12

Drucksache 17/14600 – 1246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

der "European White Knights of the

Ku Klux Klan" in Deutschland gilt,

soweit diese Unterlagen nicht bereits

durch zuvor gefasste Beweisbeschlüs-

se beigezogen und übermittelt worden

sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundesministerium des Innern.

BW-11 290 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherte

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus dem Landesamt für

Verfassungsschutz Baden-

Württemberg und dem Innenministe-

rium des Landes Baden-Württemberg,

die den Untersuchungsgegenstand

betreffen und Auskunft geben können

über Achim S., der als Gründer der

"European White Knights of the Ku

Klux Klan" in Deutschland gilt soweit

diese Unterlagen nicht bereits durch

zuvor gefasste Beweisbeschlüsse bei-

gezogen und übermittelt worden sind,

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Baden-Württemberg bei

der zuständigen obersten Landesbe-

hörde.

25.10.2012 MAT A BW-

11/1 bis 4

MAT A BW-

11/5

BB-6 291 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherte

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus dem Landesamt für

Verfassungsschutz des Landes Bran-

denburg und des Innenministeriums

des Landes Brandenburg als der für

den Verfassungsschutz verantwortli-

chen obersten Landesbehörde, die den

Untersuchungsgegenstand betreffen

und Auskunft geben können über

Carsten S., der in Brandenburg früher

als "Grand Dragon" der "White

Knights of the Ku Klux Klan" fungier-

te soweit diese Unterlagen nicht be-

reits durch zuvor gefasste Beweisbe-

schlüsse beigezogen und übermittelt

worden sind, im Wege des Ersuchen

um Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG

i. V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde.

25.10.2012 MAT A BB-6

MAT A BB-6a

MAT A BB-

6/1

MAT A BB-

6/2

MAT A BB-

6/3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1247 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Z-53 In der heutigen Sitzung zur Beweis-

aufnahme (37. Sitzung) wird der Mit-

arbeiter des BfV, Ulrich Berzen, in

GEHEIM eingestufter Sitzung zu der

von Abg. Dr. Eva Högl gestellten

Frage als Zeuge einvernommen.

26.10.2012 MAT A Z-53

BB-5neu 293 Der 2. Untersuchungsausschuss möge

beschließen: Im Beweisbeschluss BB-

5 wird unter Ziffer 1. das Datum

"01.01.19972 durch das Datum

"01.01.1992" ersetzt.

08.11.2012 MAT A BB-5

MAT A BB-

5/1

MAT A BB-

5/2

TH-12 294 Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vor-

bereitet durch das Ersuchen um Be-

nennung der Personen, die mit den

folgenden für den Untersuchungsge-

genstand wichtigen Ämtern oder Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angaben

des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe

wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Ver-

fassungsschutz

- Vizepräsident des Landesamtes für

Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des LfV (mit Bezeichnung

der jeweiligen Dienststellung)

- Leiter Kriminalpolizeidienststelle(n)

oder Sonderkommissionen, die zu

Straftaten ermittelt haben, die Beate

Zschäpe, Uwe Böhnhardt oder Uwe

Mundlos entweder einzeln oder als

"Terrorgruppe NSU" zugeordnet wer-

den

- für die genannten Ermittlungen je-

weils zuständiger Generalstaatsanwalt

- für die genannten Ermittlungen je-

weils sachleitend zuständiger Staats-

anwalt im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Thüringer Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

08.11.2012 MAT A TH-12

MAT A TH-

12/1

MAT A TH-

12/2

MAT A TH-

12/3

MAT A TH-

12/4

BE-4 295n

eu

Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vor-

bereitet durch das Ersuchen um Be-

08.11.2012 MAT A BE-4a

und b

MAT A BE-4/1


Drucksache 17/14600 – 1248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

nennung der Personen, die mit den

folgenden für den Untersuchungsge-

genstand wichtigen Ämtern oder Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angaben

des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe

wahrgenommen haben):

- Leitung der Abteilung für Verfas-

sungsschutz

- Stellvertretung der Leitung der Ab-

teilung für Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung)

- Präsident oder Leiter des Landeskri-

minalamtes

- Leiter der für den polizeilichen

Staatsschutz zuständigen Dienststelle

im Landeskriminalamt (mit Bezeich-

nung der jeweiligen Dienststellung)

- Leiter der Kriminalpolizeidienststel-

le(n) oder Sonderkommissionen, die

an Ermittlungen zum Aufenthalt der

mit Haftbefehl gesuchten Böhnhardt,

Zschäpe und Mundlos beteiligt waren

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Berlin bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

BB-7 296 Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vor-

bereitet durch das Ersuchen um Be-

nennung der Personen, die mit den

folgenden für den Untersuchungsge-

genstand wichtigen Ämtern oder Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angaben

des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe

wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamtes für Ver-

fassungsschutz

- Vizepräsident des Landesamt für

Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

08.11.2012 siehe Beweis-

beschluss BB-

7neu (A-Drs.

319)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1249 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

innerhalb des Landesamts für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung)

- Präsident oder Leiter des Landeskri-

minalamts

- Leiter der für den polizeilichen

Staatsschutz zuständigen Dienststelle

im Landeskriminalamt (mit Bezeich-

nung der jeweiligen Dienststellung)

- Leiter der Kriminalpolizeidienststel-

le(n) oder Sonderkommissionen, die

an Ermittlungen zum Aufenthalt der

mit Haftbefehl gesuchten Böhnhardt,

Zschäpe und Mundlos beteiligt waren

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Brandenburg bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

ST-3 297 Es wird die Beweiserhebung zum

gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) - insbes. zu

Ziffer B.III.1 und zur Evaluierung

bundesrechtlicher Vorschriften - vor-

bereitet durch das Ersuchen um Be-

nennung der Personen, die mit den

folgenden für den Untersuchungsge-

genstand wichtigen Ämtern oder Auf-

gaben im Untersuchungszeitraum

(01.01.1992 bis 08.11.2011) oder in

Teilen des Untersuchungszeitraums

betraut waren (jeweils mit Angaben

des Beginns und des Endes der Zeit, in

der sie das Amt oder die Aufgabe

wahrgenommen haben):

- Präsident des Landesamt für Verfas-

sungsschutz

- Vizepräsident des Landesamt für

Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

innerhalb des Landesamt für Verfas-

sungsschutz (mit Bezeichnung der

jeweiligen Dienststellung)

- Präsident oder Leiter des Landeskri-

minalamt

- Leiter der für den polizeilichen

Staatsschutz zuständigen Dienststelle

im Landeskriminalamt (mit Bezeich-

nung der jeweiligen Dienststellung)

- Leiter der Kriminalpolizeidienststel-

le(n) oder Sonderkommissionen, die

an Ermittlungen zum Aufenthalt der

mit Haftbefehl gesuchten Böhnhardt,

Zschäpe und Mundlos beteiligt waren

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

08.11.2012 MAT A ST-3
Drucksache 17/14600 – 1250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Sachsen-Anhalt bei der

zuständigen obersten Landesbehörde.

BMI-13 298 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus dem BfV oder dem

BMI, die den Untersuchungsgegen-

stand betreffen und Auskunft geben

können

- über den in der Presse (Berliner

Zeitung, 02.07.2012, "Italiener gaben

Hinweise auf NSU") geschilderten

angeblichen Schriftverkehr zwischen

dem italienischen Inlandgeheimdienst

AISI und dem BfV aus dem Jahr 2003

mit Hinweisen auf die Existenz eines

auch in Deutschland präsenten Netz-

werkes militanter europäischer Neo-

nazis oder über entsprechende Hin-

weise aus Italien zu anderen Zeitpunk-

ten,

- über die gegebenenfalls erfolgte

Bewertung dieses Hinweises und die

hierauf ergriffenen Maßnahmen,

- über - soweit es solche gab - entspre-

chende Hinweise während des Unter-

suchungszeitraums vom 01.01.1992

bis zum 08.11.2011 aus den Ländern

Schweiz, Schweden, Norwegen, Dä-

nemark, Belgien, Niederlande, Verei-

nigtes Königreich, Frankreich, Tsche-

chische Republik, Polen, Ungarn,

Serbien, Montenegro, Kroatien, Slo-

wenien, Bulgarien und Griechenland,

deren Bewertung und die hierauf er-

griffenen Maßnahmen, soweit diese

Unterlagen, nicht bereits durch zuvor

gefasste Beweisbeschlüsse beigezogen

und übermittelt worden sind gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

08.11.2012 MAT A BMI-

13

BMVg-7 302 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung sämtlicher Unter-

lagen, die im Geschäftsbereich des

Bundesministeriums der Verteidigung

entstanden oder in Gewahrsam ge-

nommen worden sind und sich auf die

Wehrdienstzeit der MAT A BMI-7/1

genannten Personen beziehen, insbes.

Unterlagen des MAD, Personalakten

sowie Unterlagen über Disziplinarver-

fahren, soweit diese nicht bereits an

08.11.2012 MAT A

BMVg-7

MAT A

BMVg-7/1

MAT A

BMVg-7/2

MAT A

BMVg-7/3

MAT A

BMVg-7/4

MAT A

BMVg-7/5

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1251 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

den Ausschuss übermittelt worden

sind gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim

Bundesministerium der Verteidigung.

MAT A

BMVg-7/6

BY-12 303 Es wird ergänzend zu den bereits

übersandten Unterlagen (MAT B BY-

2) Beweis erhoben zum gesamten

Untersuchungsauftrag (Drucksache

17/8453) durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel

mit Bezug zur Quelle K. D., die im

Organisationsbereich des Landesamtes

für Verfassungsschutz des Freistaates

Bayern und des Ministeriums des

Innern des Freistaates Bayern als der

für den Verfassungsschutz verantwort-

lichen obersten Landesbehörde vorlie-

gen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

bayerische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde.

08.11.2012 MAT B BY-3

MAT A BY-12

MAT A BY-

12/1

BMI-14 304 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Erlasse und Anordnungen des

Bundesministeriums des Innern, die

laut Darstellung in dem Bericht des

"Sonderbeauftragten des Bundesmi-

nisters des Innern zur Aufklärung der

Aktenvernichtungen im Bundesamt

für Verfassungsschutz im Zusammen-

hang mit der "Operation Rennsteig

sowie weiterer Aktenvernichtungen

nach dem 4. November 2011" den

Löschungen personenbezogener Daten

bzw. Vernichtungen von Akten des

Bundesamtes für Verfassungsschutz

aus dem Phänomenbereich Rechtsex-

tremismus nach dem 4.11.2011 zu-

grunde lagen, insbes. des in Form

einer Sammelanordnung ergangenen

Vernichtungserlasses des Referates

"ÖS III 3" des Bundesministeriums

des Innern vom 14.11.2011 (Der

STERN, Ausgabe 38/2011, S. 49),

jeweils im Wortlaut, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

08.11.2012 MAT A BMI-

14

BY-13 Es wird Beweis erhoben durch Beizie-

hung der Anklageschrift der vom

Generalbundesanwalt am 8. Novem-

ber 2012 im Verfahren gegen Beate

Zschäpe und andere beim Staats-

schutzsenat des Oberlandesgerichts

München eingereichten Anklage-

08.11.2012 MAT A BY-13

MAT A BY-

13/1

MAT A BY-

13/2

Drucksache 17/14600 – 1252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

schrift einschließlich einer Übersicht

über die Beweismittel beim Präsiden-

ten des Oberlandesgerichts München.

BB-7neu 319 Der 2. Untersuchungsausschuss möge

beschließen: Im Beweisbeschluss BB-

7 wird wie folgt geändert und ergänzt:

1. Die ersten drei Spiegelstriche erhal-

ten folgende Fassung:

- Leiter der Abteilung für Verfas-

sungsschutz

- Ständiger Stellvertreter des Leiters

der Abteilung für Verfassungsschutz

- Leiter der für den Rechtsextremis-

mus zuständigen Organisationseinheit

in der Abteilung für Verfassungs-

schutz.

2. Der BB wird um folgenden Absatz

ergänzt:

"Name des Mitarbeiters, der im Herbst

1998 die im Schäfer-Bericht geschil-

derte Abwägungsentscheidung zwi-

schen dem Quellenschutz für einen V-

Mann und der Aufbereitung von In-

formationen über den Aufenthaltsort

der gesuchten drei Sprengstofftäter

aus Thüringen tatsächliche getroffen

hat.

29.11.2012 MAT A BB-7

MAT A BB-

7/1

MAT A BB-

7/2a+b

MAT A BB-

7/3

GBA-11 320 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch vor-

rangige Beiziehung bis zum 10. De-

zember 2012

1. des Schriftverkehrs zwischen dem

Generalbundesanwalt und dem Fede-

ral Bureau of Investigation (FBI) zu

der Frage, ob möglicherweise zwei

Mitarbeiter des FBI Zeugen des Mor-

des an Michèle Kiesewetter wurden,

und

2. der in dem Artikel des Magazins

der Spiegel, "162 Seiten Hass", vom

15. Oktober 2012 erwähnten Briefe

von oder an Uwe Mundlos gem. § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Justiz.

29.11.2012 MAT A GBA-

11

MAT A GBA-

11/1

BY-14 324 Schreiben des Ermittlungsbeauftragten

an den Vorsitzenden, hier: Entwurf

eines Beweisbeschlusses mit der Bitte,

ihn zu beschließen, vom 10. Dezember

2012

13.12.2012 MAT A BY-14

MAT A BY-

14/1a bis f

MAT A BY-

14/2

MAT A GBA-

4/30

MAT A GBA-

4/31

Z-54 325 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Oberstaatsanwalt

13.12.2012 17.01.2012 MAT A Z-54


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1253 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Gerd Michael Schultz als Zeuge. Auf

die Verpflichtung zu angemessener

Vorbereitung auf die Aussage wird

hingewiesen. Das Thüringer Ministe-

rium der Justiz wird gebeten, die Ak-

teneinsicht zu unterstützen.

Z-55 326 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn KHM Mario

Melzer als Zeuge.

13.12.2012 17.01.2012 MAT A Z-55

Z-56 327 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Vizepräsident des

LfV Thüringen a. D. Peter Jörg No-

cken als Zeuge.

13.12.2012

31.01.2013

17.01.2012

21.01.2013

MAT A Z-56

Z-57 328 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Oberstaatsanwalt

Ralf Mohrmann als Zeuge.

13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-57

Z-58 329 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Präsident des

LKA Thüringen a. D. Egon Luthardt

als Zeuge.

13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-58

Z-59 330 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Präsident des LfV

Thüringen a. D. Thomas Sippel als

Zeugen

13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-59

MAT A Z-59/1

MAT A Z-59/2

Z-60 331 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung von Herrn Sven Wunderlich

als Zeuge.

13.12.2012 31.01.2012 MAT A Z-60

GBA-12 332 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung

- einer vollständigen Kopie der auf

den 04.02.2009 datierten, mit der

Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.:

160004/05 3 Kassetten Diktiergerät

Sichergestellt am 30.10.2007" verse-

henen Mp3-CD, auf der sich eine

Wiedergabe der aufgrund eines

Durchsuchungsbeschlusses des Amts-

gerichts Frankfurt/Main vom

08.07.2007 (Az. 6199 Js 214018/05 -

931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft

Mühlhausen geführten Verfahren

gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js

53508/08) am 30.10.2007 sicherge-

stellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4 er-

fassten drei Tonbandkassetten, die im

Rahmen dieser Hausdurchsuchung bei

T. Heise sichergestellt wurden und auf

denen laut einem von „TB Molling"
erstellten, als Anlage 2 eines Ver-

merks vom 04.05.2009 (ST

13.12.2012 MAT A GBA-

12
Drucksache 17/14600 – 1254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

140005/08) erfassten zusammenfas-

senden Protokoll unter anderem die

Namen „Beate SCHÄFER (phon.)
oder SCHÄDLER (phon.)", „Uwe
(oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und

„Udo BÖHMER (phon.)" versehen
mit dem Hinweis, die „letztgenannten
seien verschwunden", erwähnt werden

(vgl. MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-

117), befindet sowie,

- sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die darüber hinaus zu

dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 bei dem

Generalbundesanwalt existieren, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium der Justiz.

BKA-5 333 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Bei-

ziehung

- einer vollständigen Kopie der auf

den 04.02.2009 datierten, mit der

Aufschrift "Inhalt: Ass. 1.2.4.3.4 Az.:

160004/05 3 Kassetten Diktiergerät

Sichergestellt am 30.10.2007" verse-

henen Mp3-CD, auf der sich eine

Wiedergabe der aufgrund eines

Durchsuchungsbeschlusses des Amts-

gerichts Frankfurt/Main vom

08.07.2007 (Az. 6199 Js 214018/05 -

931 Gs) im von der Staatsanwaltschaft

Mühlhausen geführten Verfahren

gegen Thorsten Heise (Az. 101 Js

53508/08) am 30.10.2007 sicherge-

stellten, als Asservat 1.2.2.4.3.4 er-

fassten drei Tonbandkassetten, die im

Rahmen dieser Hausdurchsuchung bei

T. Heise sichergestellt wurden und auf

denen laut einem von „TB Molling"
erstellten, als Anlage 2 eines Ver-

merks vom 04.05.2009 (ST

140005/08) erfassten zusammenfas-

senden Protokoll unter anderem die

Namen „Beate SCHÄFER (phon.)
oder SCHADLER (phon.)", „Uwe
(oder) Udo MUNDLOS (phon.)" und

„Udo BÖHMER (phon.)" versehen
mit dem Hinweis, die „letztgenannten
seien verschwunden", erwähnt werden

(vgl. MAT_A_BKA_2-46, BI. 113-

117), befindet sowie

- sämtlicher Akten, Dokumente, in

Dateien oder auf andere Weise gespei-

cherter Daten und sonstiger sächlicher

Beweismittel, die darüber hinaus zu

dem Asservat Ass. 1.2.2.4.3.4 beim

13.12.2012 MAT A BKA-

5

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1255 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

BKA existieren, gem. § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium des

Innern.

BND-5 334 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch vorrangige Bei-

ziehung sämtlicher Akten, Dokumen-

te, in Dateien oder auf andere Weise

gespeicherter Daten und sonstiger

sächlicher Beweismittel, die im Bun-

desnachrichtendienst vorhanden sind

zu Erkenntnissen über Sachzusam-

menhänge, Organisationsstrukturen

und Personen auf dem Gebiet der

internationalen Zusammenarbeit und

internationaler Kontakte im Bereich

Rechtsextremismus, soweit diese nicht

bereits an den Ausschuss übermittelt

worden sind, gem. § 18 Abs. PUAG

beim Bundeskanzleramt.

13.12.2012 MAT A BND-

5a+b

BB-8 335 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Bundestagsdrucksache Drucksa-

che 17/8453), durch das Ersuchen um

Benennung der Personen, die Carsten

Szcepanski ("Piato"/"Piatto") im Zeit-

raum seiner Tätigkeit für den Brand-

enburger Verfassungsschutz ganz

bzw. zeit- oder vertretungsweise als

Vertrauensperson geführt haben, im

Wege der Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4

PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Bran-

denburg bei der zuständigen obersten

Landesbehörde.

13.12.2012 MAT A BB-8

BfV-18 336 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Bundestagsdrucksache Drucksa-

che 17/8453), durch das Ersuchen um

Benennung aller Personen, die den in

Presseberichten als solchen bezeichne-

ten V-Mann des BfV "Corelli" ggf. im

Zeitraum seiner Tätigkeit für das Bun-

desamt für Verfassungsschutz ganz

bzw. zeit- oder vertretungsweise als

Vertrauensperson geführt haben, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG durch das Bun-

desministerium des Innern.

13.12.2012 MAT A BfV-

18

MAT A BfV-

18/1

BfV-19 337 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453), durch das

Ersuchen um Benennung der Person,

die angeblich der Anweisung zur am

11.11.2011 erfolgten Vernichtung von

Akten zur Operation Rennsteig im

BfV zunächst widersprochen haben

soll gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch

13.12.2012 MAT A BfV-

19

MAT A BfV-

19/1
Drucksache 17/14600 – 1256 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

das Bundesministerium des Innern.

BY-15 342 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung der

vom Generalbundesanwalt am 8. No-

vember 2012 im Verfahren gegen

Beate Zschäpe und andere beim

Staatsschutzsenat des Oberlandesge-

richts München eingereichten Ankla-

geschrift einschließlich einer Über-

sicht über die Beweismittel gem. §18

Abs. 4 PUAG in Verbindung mit Art.

44 Abs. 3 GG beim Vorsitzenden des

6. Strafsenats des Oberlandesgerichts

München.

17.01.2013 MAT A BY-15

MAT A BY-15

offen

BMI-15 343 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung eines

Gutachtens - um dessen Erstellung der

Ausschuss ersucht - das,

- wie vom Beauftragten des Bundes-

ministeriums des Innern zur Aufklä-

rung der Aktenvernichtungen im Bun-

desamt für Verfassungsschutz in sei-

nem auf Bitte des Ausschusses gefer-

tigten ergänzenden Bericht vorge-

schlagen,

- auf der Grundlage auch von techni-

schen Maßnahmen, die nur in Fremd-

vergabe durchführbar sind,

- alle noch rekonstruierbaren Daten

heranzieht, um die Hintergründe der

Aktenvernichtung und die der Anwei-

sung zur Aktenvernichtung vorange-

gangenen Telekommunikationskon-

takte der mit der Aktenvernichtung

befassten Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter des BfV weiter aufzuklären,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministeriums des Innern.

17.01.2013 MAT A BMI-

15

MAT A BMI-

15/1

Z-61 - Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag durch Ver-

nehmung des ehemaligen Mitarbeiters

des LfV Thüringen Mike Baumbach

als Zeuge.

17.01.2013 31.01.2013 21.02.2013 MAT A Z-61

BB-9 349 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17(8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger Beweismittel zur

Person Carsten S. alias

"Piato"/"Piatto", welche im Ge-

schäftsbereich des Ministeriums der

Justiz des Landes Brandenburg vor-

handen sind, insb. aus dem Ermitt-

lungsverfahren sowie im Zusammen-

31.01.2013 MAT A BB-9

MAT A BB-

9/1 a-k
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1257 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

hang mit der Anordnung und Durch-

führung von Strafvollzugsmaßnahmen

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gem. § 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Brandenburg bei den be-

treffenden Landesbehörden.

NW-11 350 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Ersuchen um

Benennung der beiden mutmaßlichen

Zivilpolizisten mit Schulterholster, die

sich laut der Erklärung es Herrn Ali

Demir vom 14.11.2012 (MAT_B_G-

1) am 09. Juni 2004 während des

Sprengstoffanschlags in der Keupstr.

in Köln bzw. unmittelbar danach auf

Höhe der Hausnr. 37, mithin in nächs-

ter Nähe des Anschlagortes, aufgehal-

ten haben sollen (vgl. dazu auch das

Protokoll der Zeugenvernehmung

Behrens, 41. Sitzung, 22.11.2012, S.

39 f.), im Wege der Amtshilfe gem. §

18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs.

3 GG möglichst bis zum 12.02.2013

über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen Landesbehörde.

31.01.2013 MAT A NW-

11

MAT A NW-

11/1

Z-62 351 Es wird zur Erfüllung des Untersu-

chungsauftrages (Drucksache

17/8453) Beweis erhoben zu den

Themen

- Zusammenarbeit des LfV TH mit

anderen Sicherheitsbehörden in Ver-

fahren wegen Böhnhardt, Mundlos,

Zschäpe

- Bedeutung von V-Personen

durch Vernehmung von Herrn LfV-

Präsidenten a. D. Dr. Helmut Roewer

als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 21.02.2013 MAT A Z-62

MAT A Z-62/1

Z-63 352 Es wird zur Erfüllung des Untersu-

chungsauftrages (Drucksache

17/8453) Beweis erhoben zu den

Themen

- Zusammenarbeit des LfV TH mit

anderen Sicherheitsbehörden in Ver-

fahren wegen Böhnhardt, Mundlos,

Zschäpe

- Bedeutung von V-Personen

durch Vernehmung von Herrn Fried-

rich Karl Schrader als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 21.02.2013 MAT A Z-63

Z-64 353 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn KHK Michael Brümmendorf als

Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 22.02.2013 MAT A Z-64

Z-65 354 Es wird Beweis erhoben zum gesam- 31.01.2013 31.01.2013 22.02.2013 MAT A Z-65
Drucksache 17/14600 – 1258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Frau KHK'in Christiane Beischer-

Sacher als Zeugin.

Z-66 355 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn N. W. als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 28.02.2013 MAT A Z-66

Z-67 356 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn R. B. als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 28.02.2013 MAT A Z-67

Z-68 357 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn R. G. als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 28.02.2013 MAT A Z-68

Z-69 358 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Dietmar Bennet als Zeuge.

31.01.2013 31.01.2013 01.03.2013

Z-70 359 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Frau Margit Nümbrecht als Zeugin.

31.01.2013 31.01.2013 16.04.2013 MAT A Z-70

MAT A Z-70/1

MAT A Z-70/2

MAT A Z-70/3

MAT A Z-70/4

Z-71 360 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) , durch Vernehmung von

Herrn EKHK Jürgen Dressler als Zeu-

gen

31.01.2013 31.01.2013 22.02.2013 MAT A Z-71

Z-57/1 361 Schriftliche Fragen im Anschluss an

die Sitzung zur Anhörung am

31.01.2013 - Befragung OStA Mohr-

mann

31.01.2012 MAT A Z-57/1

SN-13 363 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch das Ersuchen um

Benennung - ergänzend zu den mit

MAT A SN 6/3 bereits übergebenen

Unterlagen - der Person, die in der

Zeit nach dem Untertauchen von

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe die

Einheit/Dienststelle "Mobiles Einsatz-

kommando" bei der Polizeidirektion

Chemnitz geleitet hat bzw. für die

folgenden aus den Akten bekannten

Einsätze in Chemnitz verantwortlich

war

- 06.05.2000 bis 08.05.2000 Bern-

hardstraße 11

- 27.09.2000, 20:00 Uhr bis

02.10.2000, 08:56, Berhardstraße 11

- 30.09.2000, 11:50 bis 01.10.2000,

24:00, Observierung Kai S.

- 23.10.2000 zwischen 06.40 und

16:45 Uhr, Observierung Kai S.

im Wege der Amtshilfe nach § 18

21.02.2013 MAT A SN-13
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1259 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Frei-

staates Sachsen bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

BfV-20 364 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) durch das

Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die im Untersuchungszeitraum

die Aufgabe der Leitung der "Fachprü-

fung für die Beschaffung" wahrge-

nommen haben, die im Bericht des

Sonderbeauftragten des Bundesminis-

ters des Innern zur Aufklärung der

Aktenvernichtungen im BfV (offene

Fassung, MAT B BfV-2/5) genannt

wird gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch

das Bundesministerium des Innern.

21.02.2013 MAT A BfV-

20

BKA-6 365 Es wird Beweis vorbereitet zum ge-

samten Untersuchungsauftrag (Druck-

sache 17/8453) durch das Ersuchen

um Benennung

- der Person, die in den Jahren 2007

bis 2009 die Aufgabe des Referatslei-

ters in dem Referat des BKA wahrge-

nommen hat, in dem die "Heise-

Bänder" ausgewertet wurden;

- der Person, die innerhalb des zustän-

digen Referats im BKA die Aufgabe

der Ermittlungsführung für die Aus-

wertung der "Heise-Bänder" in den

Jahren 2007 bis 2009 wahrgenommen

hat;

- der Personen, die in der Zeit nach

dem 11.04.1998 im BKA mit der

Bearbeitung des Hinweises "Anruf aus

Orbe" befasst waren, den das TLKA

mit der Bitte um nähere Feststellungen

durch die Schweizer Bundespolizei an

das BKA weitergegeben hatte,

gem. § 18 Abs. 1 PUAG durch das

Bundesministerium des Innern.

21.02.2013 MAT A BKA-

6

BW-12 366 Es wird die Beweiserhebung vorberei-

tet zum gesamten Untersuchungsauf-

trag (Drucksache 17/8453) durch das

Ersuchen um Benennung der Perso-

nen, die in Jahren 1995 bis 2005 die

folgenden Aufgaben wahrgenommen

haben:

- Ergänzend zu den mit MAT A BW-3

mitgeteilten Leitern der im LfV für

Rechtsextremismus zuständigen Ab-

teilungen die Leiter der für Rechtsex-

tremismus und insbes. Auswertung

zuständigen Organisationseinheiten

innerhalb der genannten Abteilung

- Leiter der Abteilung Staatsschutz im

21.02.2013 MAT A BW-

12

MAT A BW-

12/1

Drucksache 17/14600 – 1260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

LKA Baden-Württemberg

- die Leiter der für den Rechtsextre-

mismus zuständigen Organisations-

einheiten innerhalb der Abt. Staats-

schutz des LKA Baden-Württemberg

- die Leiter der für den Staatsschutz

zuständigen Referate bzw. Dezernate

beim Polizeipräsidium Stuttgart

- die Leiter der für Staatsschutz zu-

ständigen Dienststellen bei den Poli-

zeidirektionen Ludwigsburg und

Heilbronn

im Wege der Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über das Staatsministerium Ba-

den-Württemberg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde.

Z-72 367 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn EKHK Wolfgang Jehle als

Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 14.03.2013 MAT A Z-72

Z-73neu 368 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Carsten Külbel als Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 14.03.2013 MAT A Z-73

Z-74 369 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn KHK Michael Andrä als Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 14.03.2013 MAT A Z-74

Z-75 370 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Frau MDgt Christine Hammann als

Zeugin.

21.02.2013 28.02.2013 15.03.2013 MAT A Z-75

Z-76 371 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Bundesminister a. D. Otto Schi-

ly als Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 15.03.2013 MAT A Z-76

MAT A Z-76/1

Z-77 372 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Joachim Tüshaus als Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 21.03.2013 MAT A Z-77

Z-78 373 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Dr. Olaf Vahrenhold als Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 21.03.2013 MAT A Z-78

Z-79 374 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Reinhard Boos als Zeuge.

21.02.2013 28.02.2013 21.03.2013 MAT A Z-79

Z-80 - Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Gordian Meyer-Plath als Zeuge.

28.02.2013 15.04.2013 MAT A Z-80

MAT A Z-80/1

BB-10 - Es wird Beweis erhoben zum gesam- 28.02.2013 MAT A BB-10

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1261 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Dokumente und sonstiger Be-

weismittel aus dem Geschäftsbereich

des Ministeriums des Innern des Lan-

des Brandenburg zum Vorgang angeb-

lich im Jahr 1999 erfolgten E-Mail-

Bedrohung des damaligen "Minister

des Innern", die mit der Unterschrift

"National Sozialistische Untergrund-

kämpfer Deutschlands" versehen ge-

wesen sein soll (vgl. MAT A BB-

6/Auszug/Ordner 2/2) beim Ministeri-

ums des Innern des Landes Branden-

burg.

Z-81 - Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn G. B. als Zeuge.

14.03.2013 15.04.2013 MAT A Z-81

BW-13 385 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu den auf den „Telefonlis-
ten des Mundlos“ genannten Personen
aus Baden-Württemberg sowie zu den

Kontakten dieser Personen zur rechts-

extremen Szene, vor allem zu führen-

den Personen

• von „Blood & Honour“ und von
vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos &
Treu“ und den sog. „Hammerskins“ in
Baden-Württemberg

• von „Blood & Honour“ aus anderen
Bundesländern, die für längere Zeit

oder dauerhaft aus anderen Bundes-

ländern nach Baden-Württemberg

umgezogen sind oder waren welche

im Ministerium des Innern des Landes

Baden-Württemberg, im LfV Baden-

Württemberg sowie im LKA Baden-

Württemberg, beim Polizeipräsidium

Stuttgart und bei den Polizeidirektio-

nen Ludwigsburg und Heilbronn vor-

handen sind, im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4

PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes Baden-

Württemberg bei den betreffenden

Landesbehörden. Soweit Unterlagen

dazu bereits vorgelegt wurden, wird

gebeten sie im Zusammenhang noch-

mals vorzulegen. Um Vorlage in Teil-

lieferungen und soweit möglich bis

21.03.2013 MAT A BW-

13a-b
Drucksache 17/14600 – 1262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

09.04.2013 wird gebeten.

GBA-13 386 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu den auf den „Telefonlis-
ten des Mundlos“
genannten Personen aus Baden-

Württemberg sowie zu den Kontakten

dieser Personen zur rechtsextremen

Szene, vor allem zu führenden Perso-

nen

• von „Blood & Honour“ und von
vermutlichen „Blood & Honour“-
Nachfolgestrukturen wie „Furchtlos &
Treu“ und den sog. „Hammerskins“ in
Baden-Württemberg

• von „Blood & Honour“ aus anderen
Bundesländern, die für längere Zeit

oder dauerhaft aus anderen Bundes-

ländern nach Baden-Württemberg

umgezogen sind oder waren welche

im Verantwortungsbereich des Gene-

ralbundesanwalts vorhanden sind,

soweit sie der Anklage beim 6. Straf-

senat des OLG München nicht beige-

fügt sind, gem. § 18 Abs. 1 PUAG

beim Bundesministerium der Justiz.

Um Vorlage soweit möglich bis

09.04.2013 wird gebeten.

21.03.2013 MAT A GBA-

13

MAT A GBA-

13/1

NW-12 387 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu allen Aufträgen und

Quellenmeldungen der V-Person des

Polizeipräsidiums Dortmund, die im

Jahr 2006 zu Toni Stadler berichtet

hat, einschließlich ihrer Quellenmel-

dungen vom 23.11.2011 und

01.12.2011 (vgl. MAT A NW-6f, Bl.

190 ff., 193) gem. § 18 Abs. 1 PUAG

im Wege der Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zu-

ständigen Landesbehörde. Soweit

Unterlagen dazu bereits mit MAT A

NW-6f und MAT A NW-6g vorgelegt

wurden, wird gebeten, sie im Zusam-

menhang nochmals vorzulegen. Um

Vorlage in Teillieferungen und soweit

möglich bis 09.04.2013 wird gebeten.

21.03.2013 MAT A NW-

12

MAT A NW-

12/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1263 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

NW-13 388 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu dem konkreten Einsatz-

auftrag und Einsatzverlauf am 9. Juni

2004 für die beiden Polizisten, die sich

als Hundeführer laut telefonischer

Auskunft des Ministeriums für Inneres

und Kommunales des Landes

Nordrhein-Westfalen (MAT A NW-

11/1) zum Zeitpunkt des Nagelbom-

benanschlages in der Keupstraße in

Köln als „normale“ motorisierte Funk-
streife in der Schanzenstraße aufgehal-

ten haben und sich, nachdem um

15.58 Uhr ein Notruf eingegangen sei,

ohne ihre Hunde in die Keupstraße

begeben und dort Erste Hilfe geleistet

haben, einschließlich dem Einsatzpro-

tokoll, Einsatzbericht und Protokollen

etwaiger interner

(Nach-)Befragungen der beiden Poli-

zisten,

im Wege der Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen Landesbehörde bis spätestens

05.04.2013.

21.03.2013 MAT A NW-

13a und b

NW-14 389 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu Anordnung, Anord-

nungsgründen, genauem Einsatzauf-

trag, Einsatzmodalitäten und Einsatz-

verlauf sämtlicher Hausdurchsuchun-

gen, die am 9. Juni 2004 in Wohnun-

gen von Anwohnern der Keupstraße in

Köln durchgeführt wurden, im Wege

der Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4

PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen Landesbehörde bis spätestens

05.04.2013.

21.03.2013 MAT A NW-

14/1 und 2

NW-15 390 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Ersuchen um

Benennung des- bzw. derjenigen

Amtsträger, die laut Brief einer Be-

troffenen an den 2. Untersuchungsaus-

21.03.2013 MAT A NW-

15

Drucksache 17/14600 – 1264 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

schuss vom 13.03.2013 am 9. Juni

2004 angeordnet haben, deren Woh-

nung in der Keupstraße in Köln zu

durchsuchen, wobei von der Polizei

zwei Wohnungstüren aufgebrochen

wurden und die Maßnahme nach An-

gabe der Betroffenen, die sich zum

Zeitpunkt der Durchsuchung zusam-

men mit ihrem siebenjährigen Sohn in

der Wohnung aufhielt und sich wäh-

rend der Durchsuchung nicht bewegen

durfte, damit begründet worden sei,

dass sie verdächtigt werde, eine Bom-

be gelegt zu haben, im Wege der

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen Lan-

desbehörde bis spätestens 05.04.2013.

Z-82 391 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbesondere zu Ab-

schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-

mung von Herrn RD Gabaldo als

Zeuge.

21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-82

Z-83 392 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Frau ORR'in Bettina Neumann als

Zeugin.

21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-83

Z-84 393 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Präsident a. D. Dr. Helmut

Rannacher als Zeuge.

21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-84

Z-85 394 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn KD Joachim Rück als Zeuge.

21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-85

Z-86 395 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Frau EKHK’in Baumert als Zeugin.

21.03.2013 18.04.2013 MAT A Z-86

Z-87 396 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn KHK Peter Sonnenberg als

Zeuge.

21.03.2013 22.04.2013 MAT A Z-87

MAT A Z-87/1

Z-88 397 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn DLKA a. D. Peter Michael

Haeberer als Zeuge.

21.03.2013 22.04.2013 MAT A Z-88

Z-89 398 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Staatssekretär Bernd Krömer als

21.03.2013 22.04.2013 MAT A Z-89
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1265 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Zeuge.

Z-90 399 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

NN als Zeuge.

21.03.2013

Z-91 400 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn KHK Dirk Spliethoff als Zeuge.

21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-91

Z-92 401 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn PHK Peter Baumeister als Zeu-

ge.

21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-92

Z-93 402 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn PK Stefan Voß als Zeuge.

21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-93

Z-94 403 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Gundlach als Zeuge.

21.03.2013 25.04.2013 MAT A Z-94

MAT A Z-94/1

BND-6 404 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bundeskanzleramt gemäß § 18 Abs. 1

PUAG gebeten, bis 12. April 2013

Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem

Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 beim Bundesnachrich-

tendienst als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.

21.03.2013 MAT A BND-

6

BMI-16 405 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium des Innern gemäß

§ 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis 12.

April 2013 Auskunft zu geben, ob –

21.03.2013 MAT A BMI-

16

Drucksache 17/14600 – 1266 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand

auf der dem Ausschuss mit MAT A

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals

sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt

werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei einer seiner nachgeordneten Be-

hörden als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt war.

MAD-7 406 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bundesministerium der Verteidigung

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG gebeten, bis

12. April 2013 Auskunft zu geben, ob

– und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand

auf der dem Ausschuss mit MAT A

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals

sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt

werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

beim Militärischen Abschirmdienst als

sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.

21.03.2013 MAT A MAD-

7

BW-14 407 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Baden-

Württemberg im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium des Landes Baden-

Württemberg gebeten, bis 12. April

21.03.2013 MAT A BW-

14

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1267 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Perso-
nen, die nach aktuellem Stand auf der

dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Baden-Württemberg

als sogenannte „V-Personen“ einge-
setzt waren.

BY-16 408 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Bayerische Staatsministerium des

Innern im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Bayerische Staatskanzlei gebeten, bis

12. April 2013 Auskunft zu geben, ob

– und gegebenenfalls wie viele der –
Personen, die nach aktuellem Stand

auf der dem Ausschuss mit MAT A

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals

sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt

werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Bayern als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.

21.03.2013 MAT A BY-16

BE-5 409 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird die
Senatsverwaltung für Inneres und

Sport des Landes Berlin im Wege des

21.03.2013 MAT A BE-5

Drucksache 17/14600 – 1268 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Senatskanzlei des Landes

Berlin gebeten, bis 12. April 2013

Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem

Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Berlin als sogenannte

„V-Personen“ eingesetzt waren.

BB-11 410 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern des Landes

Brandenburg im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft

zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit

MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste

(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Brandenburg als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 MAT A BB-11

MAT A BB-

11/1

HB-4 411 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

21.03.2013 MAT A HB-4

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1269 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

des Bundes und der Länder – wird der
Senator für Inneres und Sport der

Freien Hansestadt Bremen im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe nach §

18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Senatskanzlei der Freien

Hansestadt Bremen gebeten, bis 12.

April 2013

Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem

Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Bremen als sogenannte

„V-Personen“ eingesetzt waren.

HH-7 412 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird die
Behörde für Inneres und Sport der

Freien und Hansestadt Hamburg im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Senatskanzlei der

Freien und Hansestadt Hamburg gebe-

ten, bis 12. April 2013 Auskunft zu

geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit

MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste

(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Hamburg als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

21.03.2013 MAT A HH-7

MAT A HH-

7/1
Drucksache 17/14600 – 1270 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

HE-7 413 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern und für Sport

des Landes Hessen im Wege des Er-

suchens um Amtshilfe nach § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Hessische Staatskanzlei gebe-

ten, bis 12. April 2013 Auskunft zu

geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit

MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste

(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Hessen als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.

21.03.2013 MAT A HE-7

MV-8 414 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Landes Mecklenburg-Vorpommern im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Mecklenburg-Vorpommern

gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft

zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit

MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste

(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

21.03.2013 MAT A MV-8

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1271 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Mecklenburg-Vorpommern als soge-

nannte „V-Personen“ eingesetzt wa-
ren.

NI-4 415 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Landes Niedersachsen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Niedersachsen gebeten, bis 12. April

2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Perso-
nen, die nach aktuellem Stand auf der

dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Niedersachsen als

sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.

21.03.2013 MAT A NI-4

NW-16 416 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Kommu-

nales des Landes Nordrhein-Westfalen

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

nach § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Landes Nordrhein-Westfalen gebeten,

bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,

ob – und gegebenenfalls wie viele der
– Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals

sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt

21.03.2013 MAT A NW-

16
Drucksache 17/14600 – 1272 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Nordrhein-Westfalen als sogenannte

„V-Personen“ eingesetzt waren.

RP-4 417 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium des Innern, für Sport und

Infrastruktur des Landes Rheinland-

Pfalz im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Rheinland-

Pfalz gebeten, bis 12. April 2013 Aus-

kunft zu geben, ob – und gegebenen-
falls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem

Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Rheinland-Pfalz als

sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.

21.03.2013 MAT A RP-4

SL-4 418 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Saarlands im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Saarlands gebeten,

bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,

ob – und gegebenenfalls wie viele der
– Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A

21.03.2013 MAT A SL-4

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1273 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals

sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt

werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz im

Saarland als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.

SN-14 419 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Staatsministerium des Innern des

Freistaats Sachsen im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4

PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über

die Sächsische Staatskanzlei gebeten,

bis 12. April 2013 Auskunft zu geben,

ob – und gegebenenfalls wie viele der
– Personen, die nach aktuellem Stand
auf der dem Ausschuss mit MAT A

BKA-2/1, 1. Anlage zum Anschreiben

bekannt gegebenen Liste (damals

sogenannte „41’er Liste“, zwischen-
zeitlich sogenannte „100’er Liste“,
weiter fortgeschrieben) aufgeführt

werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Sachsen als sogenannte „V-Personen“
eingesetzt waren.

21.03.2013 MAT A SN-14

MAT A SN-

14/1

ST-4 420 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Ministerium für Inneres und Sport des

Landes Sachsen-Anhalt im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe nach § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Sachsen-Anhalt gebeten, bis 12. April

21.03.2013 MAT A ST-4

Drucksache 17/14600 – 1274 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

2013 Auskunft zu geben, ob – und
gegebenenfalls wie viele der – Perso-
nen, die nach aktuellem Stand auf der

dem Ausschuss mit MAT A BKA-2/1,

1. Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Sachsen-Anhalt als

sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.

SH-4 421 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Landes Schles-

wig-Holstein im Wege des Ersuchens

um Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Schleswig-

Holstein gebeten, bis 12. April 2013

Auskunft zu geben, ob – und gegebe-
nenfalls wie viele der – Personen, die
nach aktuellem Stand auf der dem

Ausschuss mit MAT A BKA-2/1, 1.

Anlage zum Anschreiben bekannt

gegebenen Liste (damals sogenannte

„41’er Liste“, zwischenzeitlich soge-
nannte „100’er Liste“, weiter fortge-
schrieben) aufgeführt werden (BKA,

VS-Ordner Listen 545/2012, Register

545/2011/TS 131, Stand 18. Oktober

2012, 11. Anlage zu Tgb.-Nr. 14571/9

VS-vertraulich), zu irgendeiner Zeit

während des Untersuchungszeitraums

vom 1. Januar 1992 bis zum 8. No-

vember 2011 bei Polizei oder Verfas-

sungsschutz in Schleswig-Holstein als

sogenannte „V-Personen“ eingesetzt
waren.

21.03.2013 MAT A SH-4

TH-13 422 Zur Vorbereitung der Beweiserhebung

zum gesamten Untersuchungsauftrag

(Drucksache 17/8453) – insbesondere
zu Abschnitt II.4 und zum Zusam-

menwirken der Sicherheitsbehörden

des Bundes und der Länder – wird das
Innenministerium des Freistaats Thü-

21.03.2013 MAT A TH-13

MAT A TH-

13/1

MAT A TH-

13/2

MAT A TH-

13/3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1275 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

ringen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe nach § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen

gebeten, bis 12. April 2013 Auskunft

zu geben, ob – und gegebenenfalls wie
viele der – Personen, die nach aktuel-
lem Stand auf der dem Ausschuss mit

MAT A BKA-2/1, 1. Anlage zum

Anschreiben bekannt gegebenen Liste

(damals sogenannte „41’er Liste“,
zwischenzeitlich sogenannte „100’er
Liste“, weiter fortgeschrieben) aufge-
führt werden (BKA, VS-Ordner Listen

545/2012, Register 545/2011/TS 131,

Stand 18. Oktober 2012, 11. Anlage

zu Tgb.-Nr. 14571/9 VS-vertraulich),

zu irgendeiner Zeit während des

Untersuchungszeitraums vom 1. Janu-

ar 1992 bis zum 8. November 2011

bei Polizei oder Verfassungsschutz in

Thüringen als sogenannte „V-
Personen“ eingesetzt waren.

BfV-21 427 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Ersuchen um mög-

lichst baldige Benennung der

- V-Personen-Führer der V-Personen

des BfV mit der vom Ermittlungsbe-

auftragten des Ausschusses vergebe-

nen Bezeichnung Q2 und Q3 in den

Jahren 1997 bis 2002,

- der Personen, die im BfV für die

Auswertung der von den Quellen Q1,

Q2 und Q3 gelieferten Informationen

über die rechtsextreme Szene in Sach-

sen und Thüringen zuständig waren

und gegebenenfalls Aufträge zur wei-

teren Aufklärung an die Beschaffung

gegeben haben oder hätten geben

können,

- der Personen, die in den Jahren 1998

bis 2002 im BfV für die Auswertung

von Informationen in Bezug auf das

untergetauchte Trio zuständig und

gegebenenfalls für die Steuerung von

Beschaffungsaufträgen hierzu verant-

wortlich waren oder gewesen wären,

- der Person, die im BfV dafür ver-

antwortlich war, dass die Information

über die Einstellung des Ermittlungs-

verfahrens gegen das Trio in die Vor-

bereitung des Vizepräsidenten des

BfV für die nachrichtendienstliche

Lage am 23. September 2003 aufge-

nommen wurde sowie

- der Personen, die im BfV dafür ver-

15.04.2013 16.05.2013 MAT A BfV-

21

MAT A BfV-

21/1

Drucksache 17/14600 – 1276 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

antwortlich waren, dass Informationen

über das untergetauchte Trio im Jahr

2004 in das BfV-Spezial Nr. 19 auf-

genommen wurden, durch das Bun-

desministerium des Innern.

BfV-22 428 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

sämtlicher Unterlagen aus dem BfV,

in denen Aufträge der Auswertungs-

einheiten an die Beschaffungseinhei-

ten dokumentiert sind, die auf die

Gewinnung von Informationen über

das abgetauchte Trio und sein Umfeld

durch vom BfV geführte Quellen (z.

B. Lichtbildvorlagen o. ä.) zielten,

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern, mit der

Bitte um - Übersendung an den Unter-

suchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 03.05.2013,- nochmalige Übersen-

dung bereits übergebener Aktenteile

im Zusammenhang.

15.04.2013 MAT A BfV-

22

MAT A BfV-

22/1

GBA-14 429 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

sämtlicher Unterlagen aus dem BfV,

in denen Aufträge der Auswertungs-

einheiten an die Beschaffungseinhei-

ten dokumentiert sind, die auf die

Gewinnung von sämtlicher Unterlagen

aus den Ermittlungsverfahren des

GBA gegen Beate Zschäpe, Andre

Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf

den ehemaligen V-Mann „Primus“
beziehen, insbesondere des Protokolls

der zweiten Zeugenvernehmung des

„Primus“ sowie der Unterlagen, die
Anlass für diese zweite Zeugenver-

nehmung waren, gemäß § 18 Abs. 1

PUAG beim Bundesministerium der

Justiz, mit der Bitte um- Übersendung

an den Untersuchungsausschuss nach

Möglichkeit bis 03.05.2013; - noch-

malige Übersendung bereits überge-

bener Aktenteile im Zusammenhang.

15.04.2013 MAT A GBA-

14a - e

MAT A GBA-

14/1

GBA-15 430 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

sämtlicher Unterlagen aus den Ermitt-

lungsverfahren des Generalbundesan-

walts gegen Beate Zschäpe, Andre

Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf

Toni S. beziehen, insbesondere etwai-

ge Befragungsprotokolle, Unterlagen,

die Anlass für etwaige Zeugenver-

nehmungen waren, sowie zusammen-

15.04.2013 MAT A GBA-

15a - c

MAT A GBA-

15/1

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1277 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

fassende Berichte oder Vermerke über

den Ermittlungsstand, gemäß § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Justiz, mit der Bitte um- Über-

sendung an den Untersuchungsaus-

schuss nach Möglichkeit bis

03.05.2013;- nochmalige Übersen-

dung bereits übergebener Aktenteile

im Zusammenhang.

GBA-16 431 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

sämtlicher Unterlagen aus den Ermitt-

lungsverfahren des Generalbundesan-

walts gegen Beate Zschäpe, Andre

Eminger, Jan Werner u. a., die sich auf

Peter K. beziehen, insbesondere etwa-

ige Befragungsprotokolle, Unterlagen,

die Anlass für etwaige Zeugenver-

nehmungen waren, sowie zusammen-

fassende Berichte oder Vermerke über

den Ermittlungsstand, gemäß § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Justiz, mit der Bitte um- Über-

sendung an den Untersuchungsaus-

schuss nach Möglichkeit bis

03.05.2013; nochmalige Übersendung

bereits übergebener Aktenteile im

Zusammenhang.

15.04.2013 MAT A GBA-

16

GBA-17 432 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

folgender Unterlagen aus dem Ermitt-

lungsverfahren des Generalbundesan-

walts gegen Beate Zschäpe, Andre

Eminger, Jan Werner u. a.:

- Ermittlungsbericht zu Enrico Tänzer

vom 07.03.2012,

- Sachstandsbericht zu Bernd Tödter

vom 05.07.2012,

- nach der Vollständigkeitserklärung

vom 17.01.2013 (BMJ) beziehungs-

weise 11.01.2013 (GBA) entstandene

Unterlagen zum Beweisbeschluss

GBA-12 („Heise-Bänder“) gemäß §
18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-

terium der Justiz, mit der Bitte um

Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

17.04.2013.

15.04.2013 MAT A GBA-

17

NW-17 433 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu allen Quellenmeldungen

15.04.2012 MAT A NW-

17

Drucksache 17/14600 – 1278 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

sämtlicher V-Personen der Abteilung

Verfassungsschutz des Ministeriums

für Inneres und Kommunales

Nordrhein-Westfalen im Zusammen-

hang mit der Jahresabschlussfeier der

freien Kräfte Köln in der Gaststätte

Alt-Gymnich am 06.11.2009 gemäß §

18 Abs. 1 PUAG im Wege der Amts-

hilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m.

Art. 44 Abs. 3 GG über die Staats-

kanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen Lan-

desbehörde mit der Bitte um- Über-

sendung an den Untersuchungsaus-

schuss nach Möglichkeit bis

22.04.2013;- nochmalige Übersen-

dung bereits übergebener Aktenteile

im Zusammenhang.

BE-6 434 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, alle Treffberichte und

sonstigen Quellenmeldungen diejeni-

gen V-Personen des LKA Berlin be-

treffend, die vom Staatssekretär für

Inneres des Landes Berlin in seinem

Schriftsatz an den Untersuchungsaus-

schuss vom 06.11.2012 auf Seite 2

(MAT A BE-3/3) oben erwähnt wer-

den, zu denen aber vom Land Berlin

noch keine Unterlagen an den Aus-

schuss übergeben sind, gemäß § 18

Abs. 1 PUAG im Wege der Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Berlin bei der zuständigen

Landesbehörde, mit der Bitte – da die
Unterlagen ja vom Land Berlin bereits

angeboten wurden – um Übersendung
an den Untersuchungsausschuss nach

Möglichkeit bis 18.04.2013.

15.04.2013 MAT A BE-6

GBA-18 439 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

folgender Unterlagen aus dem Ermitt-

lungsverfahren des Generalbundesan-

walts gegen Beate Zschäpe, Andre

Eminger, Jan Werner u. a.:

- Vernehmung der Sylvia Fischer,

geborene Endres,

- Vernehmung des Maik Fischer ge-

mäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium der Justiz, mit der

Bitte um Übersendung an den Unter-

25.04.2013 MAT A GBA-

18
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1279 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

suchungsausschuss nach Möglichkeit

bis 03.05.2013.

Z-95 440 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbesondere zu Ab-

schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-

mung von Herrn Richard Kaldrack als

Zeuge.

25.04.2013 13.05.2013 MAT A Z-95

MAT A Z-95/1

MAT A Z-95/2

Z-96 441 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbesondere zu Ab-

schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-

mung von Herrn Sebastian Egerton als

Zeuge.

25.04.2013 13.05.2013 MAT A Z-96

MAT A Z-96/1

Z-97 442 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbesondere zu Ab-

schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-

mung von Herrn Bernd Kippenborck

als Zeuge.

25.04.2013 16.05.2013 MAT A Z-97

MAT A Z-97/1

Z-98 443 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), insbesondere zu Ab-

schnitt II, Nummer 4, durch Verneh-

mung von Herrn Rüdiger Grasser als

Zeuge.

25.04.2013 13.05.2013 MAT A Z-98

MAT A Z-98/1

BW-15 444 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden im Geschäfts-

bereich des Ministeriums des Innern

des Landes Baden-Württemberg in

den während des Untersuchungszeit-

raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über das Staatsministerium des

Landes BW bei der zuständigen obers-

ten Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A BW-

15

BY-17 445 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden im Geschäfts-

bereich des Ministeriums des Innern

des Freistaates Bayern in den während

des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden

25.04.2013 MAT A BY-

17a-b

Drucksache 17/14600 – 1280 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Fassungen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Bayerische Staatskanzlei bei der zu-

ständigen obersten Landesbehörde,

mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

BE-7 446 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs der Senatsverwal-

tung für Inneres und Sport des Landes

Berlin in den während des Untersu-

chungszeitraumes (01.01.1992 bis

08.11.2011) geltenden Fassungen im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei

des Landes Berlin bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte

um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A BE-7

BB-12 447 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs des Ministeriums

des Innern des Landes Brandenburg in

den während des Untersuchungszeit-

raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Brandenburg bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte

um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A BB-12

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1281 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

HB-5 448 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden des Geschäfts-

bereichs des Senators für Inneres und

Sport der Freien Hansestadt Bremen in

den während des Untersuchungszeit-

raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Senatskanzlei der Freien

Hansestadt Bremen bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde, mit der

Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A HB-5

MAT A HB-

5/1 a-c

HH-8 449 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden des Geschäfts-

bereichs der Behörde für Inneres und

Sport der Freien und Hansestadt Ham-

burg in den während des Untersu-

chungszeitraumes (01.01.1992 bis

08.11.2011) geltenden Fassungen im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Senatskanzlei

der Freien und Hansestadt Hamburg

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A HH-8

MAT A HH-

8/1

HE-8 450 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden des Geschäfts-

bereich des Ministeriums des Inneren

und für Sport des Landes Hessen in

den während des Untersuchungszeit-

raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

25.04.2013 MAT A HE-8
Drucksache 17/14600 – 1282 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

GG über die Hessische Staatskanzlei

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

MV-9 451 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs des Ministeriums

für Inneres und Sport des Landes

Mecklenburg-Vorpommers in den

während des Untersuchungszeitrau-

mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-

tenden Fassungen im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes

Mecklenburg-Vorpommers bei der

zuständigen obersten Landesbehörde,

mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A MV-9

NI-5 452 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs des Ministeriums

für Inneres und Sport des Landes

Niedersachsen in den während des

Untersuchungszeitraumes (01.01.1992

bis 08.11.2011) geltenden Fassungen

im Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Niedersachsen bei der

zuständigen obersten Landesbehörde,

mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A NI-5

NW-18 453 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

25.04.2013 MAT A NW-

18

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1283 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs des Ministeriums

für Inneres und Kommunales des

Landes Nordrhein-Westfalen in den

während des Untersuchungszeitrau-

mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-

tenden Fassungen im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes

Nordrhein-Westfalen bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde, mit der

Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

RP-5 454 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs des Ministeriums

des Innern, für Sport und Infrastruktur

des Landes Rheinland-Pfalz in den

während des Untersuchungszeitrau-

mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-

tenden Fassungen im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes

Rheinland-Pfalz bei der zuständigen

obersten Landesbehörde, mit der Bitte

um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A RP-5

a-d

SL-5 455 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden im Geschäfts-

bereich des Ministeriums für Inneres,

Kultur und Europa des Saarlandes in

den während des Untersuchungszeit-

raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des

25.04.2013 MAT A SL-5
Drucksache 17/14600 – 1284 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Saar-

landes bei der zuständigen obersten

Landesbehörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

SN-15 456 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden im Geschäfts-

bereich des Staatsministeriums des

Inneren des Freistaats Sachsen in den

während des Untersuchungszeitrau-

mes (01.01.1992 bis 08.11.2011) gel-

tenden Fassungen im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Sächsische Staatskanzlei bei

der zuständigen obersten Landesbe-

hörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A SN-15

MAT A SN-

15/1

ST-5 457 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden im

Geschäftsbereich des Ministeriums für

Inneres und Sport des Landes Sach-

sen-Anhalt in den während des Unter-

suchungszeitraumes (01.01.1992 bis

08.11.2011) geltenden Fassungen im

Wege des Ersuchens um Amtshilfe

gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art.

44 Abs. 3 GG über die Staatskanzlei

des Landes Sachsen-Anhalt bei der

zuständigen obersten Landesbehörde,

mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A ST-5

SH-5 458 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

25.04.2013 MAT A SH-5

a-b

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1285 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in der Abteilung für Verfas-

sungsschutz sowie den Behörden des

Geschäftsbereichs des Innenministeri-

ums des Landes Schleswig-Holstein in

den während des Untersuchungszeit-

raumes (01.01.1992 bis 08.11.2011)

geltenden Fassungen im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18

Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Schleswig-Holstein bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde, mit der

Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

TH-14 459 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung der inter-

nen Regelungen über Auswahl, Ein-

satz und Führung von Vertrauensper-

sonen in den Behörden im Geschäfts-

bereich des Innenministeriums des

Freistaates Thüringen in den während

des Untersuchungszeitraumes

(01.01.1992 bis 08.11.2011) geltenden

Fassungen im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Thüringen

bei der zuständigen obersten Landes-

behörde, mit der Bitte um

- Übersendung an den Untersuchungs-

ausschuss nach Möglichkeit bis

10.05.2013;

- nochmalige gesonderte Übersendung

bereits übergebener Unterlagen.

25.04.2013 MAT A TH-14

BW-16 460 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel

zu allen Aufträgen und Quellenmel-

dungen der V-Person "KROKUS" des

Landesamtes für Verfassungsschutz

Baden-Württemberg im Wege des

Ersuchens um Amtshilfe gem. § 18

Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Staatskanzlei des Landes

Baden-Württemberg bei der zuständi-

gen obersten Landesbehörde.

25.04.2013 MAT A BW-

16

MAT A BW-

16/1

BKA-7 469 Es wird Beweis erhoben zum Untersu- 13.05.2013 MAT A BKA-

Drucksache 17/14600 – 1286 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453),

insbesondere zu Abschnitt III., durch

Beiziehung sämtlicher Akten, Doku-

mente, in Dateien oder auf andere

Weise gespeicherter Daten und sonsti-

ger sächlicher Beweismittel, die

a) die aktuelle Konzeption des BKA

für die Aus- und Fortbildung von

Polizeibeamtinnen und -beamten im

Bereich politisch motivierte Krimina-

lität (Basisausbildung) und politisch

motivierte Kriminalität – rechts (Auf-
baulehrgang) betreffen,

b) die aktuelle Konzeption des BKA

für die Aus- und Fortbildung von

Polizeibeamtinnen und -beamten im

Bereich „interkulturelle Kompetenz“
betreffen, jeweils insbesondere zu den

Ausbildungsinhalten, beim Bundesmi-

nisterium des Innern gemäß § 18 Abs.

1 PUAG möglichst bis 15.5.2013.

7

BKA-8 470 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch Beiziehung sämtlicher

Akten, Dokumente, in Dateien oder

auf andere Weise gespeicherter Daten

und sonstiger sächlicher Beweismittel,

die

a) das Tätig werden des Verbindungs-

beamten des Bundeskriminalamtes in

Bern im Zusammenhang mit der An-

frage des Thüringer Landeskriminal-

amtes wegen eines Anrufes aus einer

Telefonzelle in Orbe/Yverdon bzw.

Concise (Schweiz) im April 1998

betreffen, insbesondere sämtliche

Rückmeldungen von Schweizer Be-

hörden,

b) den Informationsaustausch zwi-

schen Interpol Bern und dem Bundes-

kriminalamt als nationales Zentralbüro

für die Internationale Kriminalpolizei-

liche Organisation (IKPO-Interpol) im

Zusammenhang mit der Fahndung

nach Mundlos, Böhnhardt und Zschä-

pe betreffen, und die im Organisati-

onsbereich des Bundeskriminalamtes

im Untersuchungszeitraum (26.1.1998

bis 8.11.2011) vorhanden waren, so-

weit sie sich heute noch in behördli-

chem Gewahrsam befinden, gemäß §

18 Abs. 1 PUAG beim Bundesminis-

terium des Innern.

13.05.2013 MAT A BKA-

8

BKA-9 471 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (BT-Drs.

17/8453) durch vorrangige Beiziehung

der Akten des BKA, die im Untersu-

13.05.2013 MAT A BKA-

9

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1287 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

chungszeitraum entstanden sind oder

sich auf den Untersuchungszeitraum

beziehen und nach der dem Ausschuss

als MAT A BMI-1/3 übermittelten

Übersicht über Aktenbestände des

BKA innerhalb der „Ablagestruktur
ST 13 – 1. und 2. Ebene“ in der Ak-
tenkennziffern-Gruppe „087 000 - 087
399 Organisationen“ unter der Akten-
kennziffer „087 012-05 Die Artge-
meinschaft - Germanische Glaubens-

gemeinschaft wesensgemäßer Lebens-

gestaltung e.V. (AGG)“ erfasst sind,
gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim BMI,

mit der Bitte um- Übersendung an den

Untersuchungsausschuss nach Mög-

lichkeit bis 01.06.2013; nochmalige

gesonderte Übersendung gegebenen-

falls bereits übergebener Unterlagen.

RP-6 472 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus den Geschäftsbereichen

der Ministerien für Inneres und für

Justiz des Landes Rheinland-Pfalz zu

dem oder den gegen André Eminger,

Jens Thamm und andere geführten

Verfahren wegen anlässlich eines

Volksfestes in 67304 Kerzenheim am

26.06.2011 begangener Delikte gemäß

§ 18 Abs. 1 PUAG im Wege der

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Rheinland-

Pfalz bei den zuständigen Landesbe-

hörden mit der Bitte um Übersendung

an den Untersuchungsausschuss nach

Möglichkeit bis 01.06.2013; nochma-

lige Übersendung bereits übergebener

Aktenteile im Zusammenhang.

13.05.2013 MAT A RP-6

MAT A RP-

6/1a+b

SN-16 473 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel aus dem Geschäftsbereich

des Ministeriums für Justiz des Frei-

staates Sachsen zu dem gegen Beate

Zschäpe geführten Verfahren wegen

Kinderpornografie im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Sächsische Staatskanzlei bei

13.05.2013 MAT A SN-16

Drucksache 17/14600 – 1288 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

der zuständigen obersten Landesbe-

hörde mit der Bitte- um Übersendung

an den Untersuchungsausschuss nach

Möglichkeit bis 01.06.2013;- nochma-

lige Übersendung bereits übergebener

Aktenteile im Zusammenhang.

BY-14/1 474 Es wird ergänzend zum BB BY-14

vom 13.12.2012 Beweis erhoben zum

gesamten Untersuchungsauftrag (BT-

Drs. 17/8453) durch Beiziehung von

Teilen aus den durch den GBA mit der

Anklage gegen B. Zschäpe, R. Wohl-

leben und andere dem 6. Strafsenat

des OLG München übermittelten

Akten. Das Plenum der 17. WP des

Deutschen Bundestags hat am 26.

Januar 2012 beschlossen, einen zwei-

ten Untersuchungsausschuss einzu-

richten und ihm unter anderem die

folgenden Aufgaben gestellt:

- Der Untersuchungsausschuss soll

sich ein Gesamtbild verschaffen zur

Terrorgruppe ,,Nationalsozialistischer

Untergrund" […];
- Der Untersuchungsausschuss soll

dazu klären, welche Informationen

den Sicherheits- und Ermittlungsbe-

hörden vom 01.01.1992 bis zum

08.11.2011 zu den Personen Uwe

Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate

Zschäpe, zu den sie unterstützenden

Personen und Organisationen sowie zu

den der Terrorgruppe "Nationalsozia-

listischer Untergrund" oder ihren Mit-

gliedern zugeordneten Straftaten vor-

lagen oder bei sachgerechtem Vorge-

hen hätten vorliegen müssen, wie

diese Erkenntnisse jeweils in den

Behörden bewertet wurden, wie sie

ggf. zum damaligen Zeitpunkt sachge-

recht hätten bewertet werden müssen

und welche Aktivitäten durch die

Behörden hinsichtlich dieser Person

und Straftaten jeweils erfolgten oder

bei sachgerechtem Vorgehen hätten

erfolgen müssen. […]
- Der Untersuchungsausschuss soll

insbesondere klären, […] in welcher
Weise Kontakte der Mitglieder der

Gruppe, die jetzt als Terrorgruppe

"Nationalsozialistischer Untergrund"

bekannt ist, zu rechtsextremen und

rechtsextremistischen Personen, Krei-

sen oder Organisationen dazu beige-

tragen haben, ihr terroristisches han-

deln vorzubereiten oder zu fördern;

[…]

16.05.2013 MAT A BY-

14/1-1

MAT A BY-

14/1-2

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1289 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Aufgrund dieses Auftrags werden

gem. Art. 44 Abs. 3 GG im Wege der

Rechts- und Amtshilfe vom 6. Straf-

senat des OLG München Aktenteile

angefordert, die nach den bisherigen

Ergebnissen der Beweisaufnahme im

2. UA erforderlich sind, um das Ge-

samtbild zur Terrorgruppe ,,NSU",

ihren Mitgliedern und Taten, ihrem

Umfeld und ihren Unterstützern zu

überprüfen: -

- Vernehmungen des Jürgen Helbig

vom 28.02.2012 und 14.03.2012;

- Vernehmung oder Vernehmungen

des Thomas Richter vom 13.03.2013;

- Vernehmung des André Kapke vom

25.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt;

- Vernehmungen des Andre Eminger

vom 06.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt;-

- Vermerk „Telefonat mit Anja
Springthorpe, geb. Hartig“ vom
29.02.2012; -

- Vernehmung oder Vernehmungen

des Maik Eminger seit dem

08.11.2011; -

- Vernehmung der Susann Eminger

vom 06.11.2011 – sowie weitere, falls
geführt; -

- abschließender BKA-

Sachstandbericht zu Susann Eminger

vom 15.06.2012; -

- Vernehmungen der Mandy Struck

vom 21.11.2011, 15.12.2011,

16.12.2011 und 14.03.2012; -

- abschließender BKA-

Sachstandbericht zu Mandy Struck; -

- Vernehmungen des Carsten Schultze

vom 01.02.2012, 02.02.2012,

06.02.2012 und 15.02.2012; -

- Vernehmungen des Max-Florian

Burkhardt vom 05.01.2012 und

14.03.2012; - Vernehmung des Holger

Gerlach vom 12.01.2012.

Der Ausschuss dankt dem General-

bundesanwalt für die Bereitschaft, die

Übermittlung organisatorisch abzuwi-

ckeln. Der Ausschuss bittet mit Blick

auf die Erstellung des Abschlussbe-

richts und das bevorstehende Ende der

Wahlperiode um Übermittlung bis

zum 31.05.2013.

GBA-

4neu

475 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

16.05.2013

MAT A GBA-

4/41

MAT A GBA-

4/42
Drucksache 17/14600 – 1290 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten, die den Untersuchungsgegen-

stand betreffen und die im Organisati-

onsbereich des Generalbundesanwal-

tes nach dem 08.11.2011 entstanden

oder in behördlichen Gewahrsam

genommen worden sind bzw. für die

der Generalbundesanwalt die Zustän-

digkeit i. S. v. § 478 StPO nach §

142a, § 120a GVG erlangt hat, unab-

hängig davon, wo die Beweismittel

körperlich aufbewahrt werden, soweit

sie sich inhaltlich auf den Untersu-

chungszeitraum (01.01.1992 bis

08.11.2011) beziehen, gemäß § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um der Justiz, mit der Maßgabe, dass

ergänzend zu den bereits übergebenen

Unterlagen nur solche Dokumente

tatsächlich zu übermitteln sind, die

nicht an das OLG München übersandt

wurden und die wegen ihrer Erforder-

lichkeit für die Erstellung des Ab-

schlussberichts vom Sekretariat des

Ausschusses angefordert werden.

MAT A GBA-

4/43

TH-15 476 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Thüringer Justizministeriums

vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft gegen Uwe

Böhnhardt (geboren am 01.10.1977 in

Jena) – insbesondere der Gefangenen-
personalakten – im Untersuchungs-
zeitraum (1992 bis 2011), im Wege

des Ersuchens um Amtshilfe gemäß §

18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3

GG über die Thüringer Staatskanzlei.

16.05.2013 MAT A TH-15

BW-17 477 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Ministeriums der Justiz des Lan-

des Baden-Württemberg vorhanden

sind zum Vollzug von Untersu-

chungshaft und freiheitsbeschränken-

den Strafvollstreckungsmaßnahmen

gegen Markus Mike Friedel (geb.

16.3.1975 in Schlema) – insbesondere
der Gefangenenpersonalakten – im

16.05.2013 MAT A BW-

17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1291 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Untersuchungszeitraum (1992 bis

2011), im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium Baden-

Württemberg.

SN-17 478 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Staatsministeriums der Justiz und

für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft und freiheitsbe-

schränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Markus Mike Frie-

del (geb. 16.3.1975 in Schlema) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Freistaats

Sachsen.

16.05.2013 MAT A SN-17

a-e

NI-6 479 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Niedersächsischen Justizministe-

riums vorhanden sind zum Vollzug

von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Thorsten Heise

(geboren 23.06.1969 in Göttingen) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Niedersächsische Staatskanz-

lei.

16.05.2013 MAT A NI-6

TH-16 480 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Thüringer Justizministeriums

vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft und freiheitsbe-

16.05.2013 MAT A TH-16

Drucksache 17/14600 – 1292 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

schränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Thorsten Heise

(geboren 23.06.1969 in Göttingen) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Thüringer Staatskanzlei.

SN-18 481 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Staatsministeriums der Justiz und

für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft und freiheitsbe-

schränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Mirko Hesse (ge-

boren 15.10.1975 in Sebnitz) – insbe-
sondere der Gefangenenpersonalakten

– im Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Freistaats Sachsen.

16.05.2013 MAT A SN-

18a bis n

SN-19 482 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Staatsministeriums der Justiz und

für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft und freiheitsbe-

schränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Ralf Marschner

(geboren 23.08.1971 in Plauen) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Freistaats

Sachsen.

16.05.2013 MAT A SN-19

BW-18 483 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

16.05.2013 MAT A BW-

18 a-h
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1293 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

des Ministeriums der Justiz des Lan-

des Baden-Württemberg vorhanden

sind zum Vollzug von Untersu-

chungshaft und freiheitsbeschränken-

den Strafvollstreckungsmaßnahmen

gegen Torsten Ogertschnik (geboren

am 13.10.1967 in Heilbronn) – insbe-
sondere der Gefangenenpersonalakten

– im Untersuchungszeitraum (1992 bis
2011), im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG

i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG über das

Staatsministerium Baden-

Württemberg.

SN-20 484 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Staatsministeriums der Justiz und

für Europa des Freistaats Sachsen

vorhanden sind zum Vollzug von

Untersuchungshaft und freiheitsbe-

schränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Kay Seidel (gebo-

ren am 13.11.1974 in Crimmitschau) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Freistaats

Sachsen.

16.05.2013 MAT A SN-20

a-c

BB-13 485 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Ministeriums der Justiz des Lan-

des Brandenburg vorhanden sind zum

Vollzug von Untersuchungshaft und

freiheitsbeschränkenden Strafvollstre-

ckungsmaßnahmen gegen Toni Stadler

(geboren am 21.09.1974 in Guben) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes

Brandenburg.

16.05.2013 MAT A BB-

13a bis c

BB-14 486 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

16.05.2013 MAT A BB-

14a bis f

Drucksache 17/14600 – 1294 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Ministeriums der Justiz des Lan-

des Brandenburg vorhanden sind zu

staatsanwaltlichen Ermittlungsmaß-

nahmen, insbesondere zu Hausdurch-

suchungen, Vernehmungen und Frei-

heitsbeschränkungen, sowie zum

Vollzug von Untersuchungshaft und

freiheitsbeschränkenden Strafvollstre-

ckungsmaßnahmen gegen Carsten

Szczepanski („Piatto“) – ins-
besondere der Gefangenenpersonalak-

ten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Landes

Brandenburg.

IMK-2 487 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung

1. einer vollständigen Fassung des

dem Untersuchungsausschuss bisher

nur in Auszügen vorgelegten Berichts

der Bund-Länder-Projektgruppe „Eva-
luierung des Definitionssystems

PMK“ vom 04.09.2002 (vgl. MAT A
IMK-1/5b),

2. des Berichts der Bund-Länder-

Arbeitsgruppe PMK-rechts vom

01.02.2010,

3. des Berichts der Bund-Länder-

Arbeitsgruppe „Qualitätskontrolle
PMK“ (Datum unbekannt),
4. der Sonderauswertungen zu PMK-

rechts vom 23.03.2011 sowie ggf.

Folgende,

5. der „Trendscoutberichte PMK-
rechts“ nach der Expertenbefragung
vom 01.08.2008,

6. der Sofortmaßnahmen in Fällen

PMK von länderübergreifender, bun-

desweiter und internationaler Bedeu-

tung (Maßnahme 300)

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Vor-

sitzenden der ständigen Konferenz der

Innenminister und Innensenatoren der

Länder (IMK). Der Ausschuss ersucht

zudem, ihm die folgenden Dokumente

zur Kenntnisnahme zur Verfügung zu

stellen:

1. Berichte zur „Bekämpfung der
Politisch motivierten Kriminalität –

16.05.2013 MAT A IMK-2

MAT A IMK-

2/1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1295 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Überprüfung der statistischen Erfas-

sungsgrundlagen, Erhebung von statis-

tischem Basismaterial vom 02.03.2012

und 24.08.2012 sowie den diesbezüg-

lichen Beschluss der AG Kripo vom

12./13.09.2012,

2. Beschlussvorschlag des Innenminis-

ters des Landes Nordrhein-Westfalen

zur statistischen Erfassung der von

extremistischen Personen begangenen

Straftaten der Allgemeinkriminalität

(Anpassung der statistischen Erfas-

sungsgrundlagen) vom 08.11.2012.

BY-18 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Staatsministeriums der Justiz und

für Verbraucherschutz des Freistaats

Bayern vorhanden sind zum Vollzug

von Untersuchungshaft und freiheits-

beschränkenden Strafvollstreckungs-

maßnahmen gegen Kay Seidel (gebo-

ren am 13.11.1974 in Crimmitschau) –
insbesondere der Gefangenenperso-

nalakten – im Untersuchungszeitraum
(1992 bis 2011), im Wege des Ersu-

chens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs.

4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 GG

über die Staatskanzlei des Freistaats

Bayern.

16.05.2013

BfV-23 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten des Referats im Bundesamt für

Verfassungsschutz mit der damaligen

Bezeichnung 2 II F, die sich auf den

Vorgang „Rohrbombenfunde in Jena“
sowie die Suche nach dem unterge-

tauchten Trio beziehen, gemäß § 18

Abs. 1 PUAG beim Bundesministeri-

um des Innern.

16.05.2013 MAT A BfV-

23

BfV-24 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung der P-

Akte des Verfassers vom „Field Ma-
nual“ mit dem Pseudonym „Max
Hammer“ sowie sämtlicher weiterer in
diesem Zusammenhang stehender

Akten und Dokumente, die Aufschluss

darüber geben, woher das BfV die

Erkenntnisse hatte und wie man die

16.05.2013 MAT A BfV-

24

MAT A BfV-

24/1
Drucksache 17/14600 – 1296 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

Person weiter im Blick gehabt hat,

gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bun-

desministerium des Innern.

BB-15 493 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Ministeriums des Innern des Lan-

des Brandenburg vorhanden sind, über

Erkenntnisse zu folgenden Teilneh-

mern der 20-Jahresfeier der "Vanda-

len" am 28.9.2002 in Berlin: Maik

Eminger, Hendrik Lasch, Michael

Probst, Bendix Wendt und Peter Bin-

der; soweit sie nicht aufgrund früherer

Beweisbeschlüsse bereits vorgelegt

wurden, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Brandenburg

mit der Bitte um Vorlage möglichst

bis zum 28.6.2013.

13.06.2013 MAT A BB-15

MAT A BB-

15/1
MAT A BB-

15/2

MAT A BB-

15/3

BE-8 494 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel, die im Geschäftsbereich

des Senators für Inneres und Sport des

Landes Berlin vorhanden sind, über

Erkenntnisse zu folgenden Teilneh-

mern der 20-Jahresfeier der "Vanda-

len" am 28.9.2002 in Berlin: Maik

Eminger, Hendrik Lasch, Michael

Probst, Bendix Wendt und Peter Bin-

der; soweit sie nicht aufgrund früherer

Beweisbeschlüsse bereits vorgelegt

wurden, im Wege des Ersuchens um

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Senatskanzlei des Landes Berlin mit

der Bitte um Vorlage möglichst bis

zum 28.6.2013.

13.06.2013 MAT A BE-8a

-b
MAT A BE-

8/1a-c

TH-17 495 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu einem Werbungsvor-

gang "Dehli" des Landesamtes für

Verfassungsschutz Thüringen im We-

ge des Ersuchens um Amtshilfe gem.

13.06.2013 MAT A TH-17
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1297 – Drucksache 17/14600

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

§ 18 Abs. 4 PUAG i. V. m. Art. 44

Abs. 3 GG über die Staatskanzlei des

Freistaates Thüringen mit der Bitte um

Vorlage möglichst bis zum 28.6.2013

IMK-3 496 Es wird Beweis erhoben zum Untersu-

chungsauftrag (BT-Drs. 17/8453),

insbesondere zu Abschnitt III. durch

Beiziehung der Berichte

1. "Prävention und Aufklärung der

Öffentlichkeit / Partner in der Mitte

der Gesellschaft" (Stand: 24.04.2013)

2. "Personal, Aus- und Fortbildung,

Akademie für Verfassungsschutz"

(Stand: 22.04.2013)

3. "Standardisierung des VP-Einsatzes

und Einrichtung einer zentralen VP-

Datei -VS-Vertraulich-" (Stand:

25.03.2013)

gem. § 18 Abs. 1 PUAG beim Vorsit-

zenden der ständigen Konferenz der

Innenminister und Innensenatoren der

Länder (IMK) mit der Bitte um Vorla-

ge möglichst bis zum 28.06.2013.

13.06.2013 MAT A IMK-

3a - d

Z-99 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453) durch Vernehmung von

Herrn Rainer Oettinger als Zeugen.

13.06.2013 24.06.2013 MAT A Z-99

MAT A Z-99/1

BKA-10 499 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung einer

Aufstellung, aus der sich ergibt, wie

viele "Treffer" jeweils eine Recherche

in der vom BKA geführten Datei

"Tatmittelmeldedienst Spreng- und

Brandvorrichtungen" ergeben hätte für

die Abfrage von Fällen seit Bestehen

der Datei bis 21.1.2001 sowie bis

9.6.2004, jeweils nach den Kriterien

- (mutmaßlicher) männlicher Täter

sowie

- (mutmaßlicher) männlicher Täter in

Kombination mit rechtsradikaler/

rechtsextremistischer Benennung oder

Zuordnung und zwar einerseits bei

einer Suche in der gesamten Datei,

andererseits bei einer Suche in Ver-

bindung mit funktionsfähigen Spreng-

stoffvorrichtungen als Tatmittel gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesmi-

nisterium des Innern.

24.06.2013 MAT A BKA-

10

NW-19 500 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu Robin S., der im Brief-

24.06.2013 MAT A NW-

19a-c

MAT A NW-

19/1a bis t
MAT A NW-

19/2a bis o

Drucksache 17/14600 – 1298 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

BB-Nr.

zu

A-

Drs.

Inhalt beschlossen

Zeugen Materialien

Schreiben/

Ladung

Termin der

Verneh-

mung

MAT-Nr.

wechsel mit Beate Zschäpe steht, gem.

§ 18 Abs. 1 PUAG im Wege der

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen Lan-

desbehörde.

NW-20 501 Es wird Beweis erhoben zum gesam-

ten Untersuchungsauftrag (Drucksa-

che 17/8453), durch Beiziehung sämt-

licher Akten, Dokumente, in Dateien

oder auf andere Weise gespeicherter

Daten und sonstiger sächlicher Be-

weismittel zu allen Aufträgen und

Quellenmeldungen von Sebastian S.

gem. § 18 Abs. 1 PUAG im Wege der

Amtshilfe gem. § 18 Abs. 4 PUAG i.

V. m. Art. 44 Abs. 3 GG über die

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-

Westfalen bei der zuständigen Lan-

desbehörde.

24.06.2013 MAT A NW-

20

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1299 – Drucksache 17/14600

D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne Beiziehungsbeschluss
zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien)

MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang

MAT B GBA-1 Übersicht zum Stand der übernommenen Ermitt-

lungsverfahren und des Umfangs seiner hierzu

bislang vorhandenen Aktenbestände "NSU" vom

GBA

Bundesministerium der Justiz 20.02.2012

MAT B Z-1 Einschätzung der Einzeltätertheorie Bayerischer Staatsministerium

des Innern

26.04.2012

MAT B BfV-1 Stellungnahme des Bundesamts für Verfassungs-

schutz zum Stenografischen Protokoll der 12 Sit-

zung des 2. UA 17.WP

Bundesministerium des Innern 08.05.2012

MAT B BY-1 Organigramm des Bayerischen Staatsministeriums

des Innern, Stand: 07.02.2011

Bayerischer Staatsminister des

Innern, Joachim Herrmann,

MdL

15.05.2012

MAT B BMI-1 Hinweisgeber, E-Mails an BM Dr. Friedrich Bundesministerium des Innern 31.05.2012

MAT B BfV-2 Bericht des Präsidenten des Bundesamts für Ver-

fassungsschutz

Bundesministerium des Innern 29.06.2012

MAT B BfV-2/1 Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungs-

schutz

Bundesministerium des Innern 04.07.2012

MAT B BfV-2/2 "Operation Rennsteig" - Vernichtung von Akten

im November 2011 - Aktualisierung des Nachbe-

richts

Bundesministerium des Innern 06.07.2012

MAT B BfV-2/3 "Operation Rennsteig" - Vernichtung von Akten

im November 2011 - Aktualisierung des Nachbe-

richts

Bundesministerium des Innern 13.07.2012

MAT B BfV-3 G10-Maßnahme mit der Anordnungsnummer (AO)

774 des Bundesamts für Verfassungsschutz

Bundesministerium des Innern 17.07.2012

MAT B BfV-4 G10-Maßnahmen des Bundesamtes für Verfas-

sungsschutz

Bundesministerium des Innern 17.07.2012

MAT B BfV-5 "Operation Rennsteig" - Einsichtnahme in Akten

des Bundesamts für Verfassungsschutz in den

Räumlichkeiten der BfV-Außenstelle in Berlin-

Treptow während der parlamentarischen Sommer-

pause

Bundesministerium des Innern 27.07.2012

MAT B BfV-6 Grundsatzangelegenheiten der Beschaffung (Ope-

ration Zafira)

Bundesministerium des Innern 02.08.2012

MAT B TH-1 Protokolle der Beweisaufnahmesitzungen des UA

5/1 des Thüringer Landtages

UA 5/1 Thüringer Landtag 23.08.2012

MAT B MAD-1 Bericht des Militärischen Abschirmdienstes "Ak-

tenführung im MAD"

Bundesministerium der Vertei-

digung

13.09.2012

MAT B TH-1/1 Wortprotokoll 5. Sitzung am 23. April 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-1/2 Wortprotokoll 7. Sitzung am 21. Mai 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-1/3 Wortprotokoll 9. Sitzung am 11. Juni 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-1/4 Wortprotokoll 11. Sitzung am 3. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-1/5 Wortprotokoll 12. Sitzung am 9. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-1/6 Wortprotokoll 13. Sitzung am 10. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-1/7 Wortprotokoll 14. Sitzung am 17. Juli 2012 Thüringer Landtag 18.09.2012

MAT B TH-2 Befragungsbericht des MAD Uwe Mundlos Thüringer Landtag 20.09.2012

MAT B BT-1 Disziplinararrest Mundlos Wehrbeauftragter des Deut-

schen Bundestages

21.09.2012

MAT B SH-1 Hinweise auf die terroristische Vereinigung

"NSU", hier: Berichte des Leitenden Oberstaats-

anwalts in Kiel

Justizministerium Schleswig

Holstein

24.09.2012

Drucksache 17/14600 – 1300 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang

MAT B MAD-

1/1

Bericht des Militärischen Abschirmdienstes "Ak-

tenführung im MAD"

Bundesministerium der Vertei-

digung

26.09.2012

MAT B BE-1 Wortprotokoll über die Sondersitzung des Aus-

schusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom

18. September 2012

Abgeordnetenhaus Berlin 27.09.2012

MAT B BMWi-1 Sicherheitsakte zu der Sicherheitsüberprüfung des

Berliner V-Mann S.

Bundesministerium für Wirt-

schaft und Technologie

26.09.2012

MAT B TÜR-1 Untersuchungsbericht der Neonazi-Morde in

Deutschland im Zeitraum 2000 - 2006

Ausschuss der großen Natio-

nalversammlung der Türkei für

die Untersuchung der Men-

schenrechte

01.10.2012

MAT B TH-3 Materialien zu TH-1, TH-3, TH-8, TH-9, TH-10

des Thüringer Innenministeriums, Landeskriminal-

amtes und der Landespolizeidirektion

Thüringer Innenministerium 27.09.2012

MAT B HE-1 Gesprächsvermerk - Ermittlungsverfahren Döner-

morde

Landesvertretung Hessen 28.09.2012

MAT B BfV-2/4 Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesminis-

ters des Innern, Herrn Ministerialdirigenten Engel-

ke, zur "Aufklärung der Aktenvernichtungen im

Bundesamt für Verfassungsschutz"

Bundesministerium des Innern 11.10.2012

MAT B SH-1/1 Hinweise auf die terroristische Vereinigung

"NSU", hier: Weiterer Bericht des Leitenden Ober-

staatsanwalts in Kiel

Ministerium für Justiz, Kultur u

Europa des Landes Schleswig-

Holstein

08.10.2012

MAT B BE-2 Übersendung/Anforderung von Akten, hier: ein-

heitliche Handhabung in der Übersendung von

Akten

Senatsverwaltung für Justiz

und Verbraucherschutz Berlin

05.10.2012

MAT B BfV-2/5 Offener Bericht des Sonderbeauftragten des Bun-

desministers des Innern, Herrn Ministerialdirigen-

ten Engelke, zur "Aufklärung der Aktenvernich-

tungen im Bundesamt für Verfassungsschutz"

Bundesministerium des Innern 16.10.2012

MAT B BY-2 Information des UA über Sachverhalt mit NSU-

Bezug - Stichwort.: Quelle des Landesamts für

Verfassungsschutz BY K. D.

Bayerischer Staatsminister des

Innern, Joachim Herrmann,

MdL

01.10.2012

MAT B BfV-7a

MAT B BfV-7b

Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamts

für Verfassungsschutz und der Landesbehörden für

Verfassungsschutz gem. Beschluss der IMK vom

26.11.1993 (sog. Koordinierungsrichtlinien)

Bundesministerium des Innern 23.10.2012

MAT B BE-3 Stellungnahme des Sonderermittlers der Senats-

verwaltung für Inneres und Sport zu den Vorgän-

gen im Berliner Verfassungsschutz im Juni 2012

Senatsverwaltung für Inneres

und Sport des Landes Berlin

09.11.2012

MAT B BY-2 Berichte eines ehemaligen V-Manns des Bayer.

Landesamt für Verfassungsschutz

Bayerischer Staatsminister des

Innern, Joachim Herrmann,

MdL

05.11.2012

MAT B MAD-2 Prüfung eines möglichen Aufenthalts von MAD-

Angehörigen am 4. November 2011 in Eisenach

Bundesministerium der Vertei-

digung

13.11.2012

MAT B BfV-2/6 Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundes-

amt für Verfassungsschutz

Bundesministerium des Innern 15.11.2012

MAT B BE-4 Wortprotokoll des VSA vom 09. November 2012 Senatsverwaltung für Inneres

und Sport des Landes Berlin

15.11.2012

MAT B MAD-3 Übersendung von "SponDü und Personenauskünf-

ten sowie Gesprächsvermerke"

Bundesministerium der Vertei-

digung

20.11.2012

MAT B G-1 Eidesstattliche Versicherung Ali Demir 22.11.2012

MAT B GBA-2 Vermerk des Generalbundesanwalts beim Bundes-

gerichtshof vom 21. September 2012

Bundesministerium der Justiz 27.11.2012

MAT B BfV-8 Beantwortung der Frage des Abg. Ströbele vom

22.11.2012 zur Fragestunde 28.11.12; hier: Befra-

gung von Uwe Mundlos

Bundesamt für Verfassungs-

schutz

29.11.2012

MAT B BLK-2 2. Zwischenbericht der Bund-Länder Experten- Bundesministerium des Innern 07.12.2012
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1301 – Drucksache 17/14600

MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang

kommission

MAT B BMI-2 Vorlage von Personenakten des MAD an den 2.

UA durch das Bundesministerium der Verteidi-

gung, hier: Zeugenvernehmung MinDirg Gramm

am 29.11.2012

Bundesministerium des Innern 06.12.2012

MAT B NW-1 Beantwortung der Nachfrage von Frau Pau, MdB

in Zusammenhang mit Sprengstoffanschlägen in

Köln im Jahr 1993

Ministerium für Inneres und

Kommunales des Landes NRW

04.12.2012

MAT B BfV-2/7 Ergänzungen des Berichts zur Aufklärung der

Aktenvernichtungen im Bundesamt für Verfas-

sungsschutz im Zusammenhang mit der "Operation

Rennsteig"

Bundesministerium des Innern 12.12.2012

MAT B BfV-2/8 ergänzende Information zum Bericht zur Aufklä-

rung der Aktenvernichtungen im Bundesamt für

Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der

Operation Rennsteig

Bundesministerium des Innern 12.12.2012

MAT B TH-4 Übersendung weiterer Aktenstücke mit Bezug

NSU, hier: Aktenstücke aus dem Jahr 1997

Thüringer Landesamt für Ver-

fassungsschutz

12.12.2012

MAT B TH-5 Prüfbericht der Stabstelle Innenrevision Thüringer Innenministerium 19.12.2012

MAT B BMVg-1 Beantwortung noch offener Fragestellungen Bundesministerium der Vertei-

digung

28.12.2012

MAT B TH-1/8 Wortprotokoll 15. Sitzung am 10. September 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012

MAT B TH-1/9 Wortprotokoll 16. Sitzung am 11. September 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012

MAT B TH-1/10 Wortprotokoll 17. Sitzung am 08. Oktober 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/11 Wortprotokoll 18. Sitzung am 09. Oktober 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/12 Wortprotokoll 20. Sitzung am 12. November 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/13 Wortprotokoll 21. Sitzung am 13. November 2012 Thüringer Landtag 19.12.2012
MAT B TH-1/14 Wortprotokoll 23. Sitzung am 3. Dezember 2012 Thüringer Landtag 09.01.2013
MAT B TH-1/15 Wortprotokoll 24. Sitzung am 4. Dezember 2012 Thüringer Landtag 09.01.2013

MAT B BY-4 4 Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz

an das Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. an

den Generalbundesanwalt

Bayerischer Staatsminister des

Innern, Joachim Herrmann,

MdL

02.01.2013

MAT B TH-6 Anwerbung von Zschäpe? Thüringer Innenministerium 18.01.2013

MAT B TH-7 Suche nach Trio durch BKA-Beamte Thüringer Innenministerium 18.01.2013

MAT B TH-8 Bei Böhnhardt gefundene Kopien von

Beschuldigtenvernehmungen

Thüringer Innenministerium 18.01.2013

MAT B BKA-1 Unterstützung TLKA durch BKA 1998 Bundesministerium des Innern 28.01.2013

MAT B BKA-2 Stellungnahme des BMI zum Sachverhalt der

angeblichen Löschung von Handy-Daten relevan-

ter Personen aus dem NSU-Umfeld

Bundesministerium des Innern 30.01.2013

MAT B TH-6/1 Berichte des Thüringer Landesamts für Verfas-

sungsschutz hinsichtlich der Medienberichterstat-

tung betreffs der angeblichen Überlegungen über

die Anwerbung der Frau Beate Zschäpe

Thüringer Innenministerium 24.01.2013

MAT B D-1 Presseveröffentlichungen in BamS vom

27.01.2012 und Berliner Zeitung vom 28.01.2013,

betreffend den Mandanten Polizeihauptkommissar

Jens Boekhoff

Rechtsanwalt Johannes Eisen-

berg

29.01.2013

MAT B D-1/1 Presseveröffentlichungen in BamS vom

27.01.2012 und Berliner Zeitung vom 28.01.2013,

hier: Kopie der Unterlassungsverfügung gegen

Berliner Zeitung vom LG Berlin

Rechtsanwalt Johannes Eisen-

berg

04.01.2013

MAT B HH-2 Anonymer Hinweis auf evtl. NSU-Kontakt Landesamt für Verfassungs-

schutz des Landes Hamburg

28.01.2013

MAT B TH-9a KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Herbeiführen

einer Sprengstoffexplosion (172 Js 30549/10)

gegen Steffen Richter, David Buresch, Nico Met-

ze, Nico Schneider, Andre Kapke

Thüringer Polizei 05.02.2013

Drucksache 17/14600 – 1302 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang

MAT B TH-9b KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Herbeiführen

einer Sprengstoffexplosion (172 Js 30549/10)

gegen Steffen Richter, David Buresch, Nico Met-

ze, Nico Schneider, Andre Kapke

Thüringer Polizei 05.02.2013

MAT B TH-9c KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Herbeiführen

einer Sprengstoffexplosion (172 Js 30549/10)

gegen Steffen Richter, David Buresch, Nico Met-

ze, Nico Schneider, Andre Kapke

Thüringer Polizei 05.02.2013

MAT B TH-9d KPI Saalfeld: Ermittlungen wegen Vortäuschen

einer Straftat (172 Js 30549/10) gegen Steffen

Richter, David Buresch, Nico Metze, Nico Schnei-

der, Andre Kapke

Thüringer Polizei 05.02.2013

MAT B D-2 Gegendarstellung von Günter Holland zur Aussage

des Zeugen Mario Melzer

Günter Hollandt 07.02.2013

MAT B TH-7/1 Unterstützung TLKA durch BKA 1998/ Auswer-

tung, Garagenliste

Thüringer Innenministerium 13.02.2013

MAT B D-3 Dossier mit den für die Bundesrepublik Deutsch-

land relevanten Empfehlungen aus dem Macpher-

son Bericht (Stephen Lawerence Inquiry)

Büro Verein zur Umsetzung

von Gleichbehandlung e. V.

06.02.2013

MAT B BfV-2/9 Bericht des Sonderbeauftragten des BMI, Engelke,

"Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundes-

amt für Verfassungsschutz"

Bundesministerium des Innern 22.02.2013

MAT B GBA-3 Unterlagen zur Einleitung des Ermittlungsverfah-

rens gegen André K.

Ermittlungsbeauftragter Dr.

Heintschel-Heinegg

25.02.2013

MAT B TH-10 Durchsuchung des BKA am 30.10.2007 in

Fretterode

Thüringer Innenministerium 05.03.2013

MAT B TH-11 Informationsabfluß aus Polizei Thüringen 1997 Thüringer Innenministerium 05.03.2013

MAT B TH-12 Im LKA Thüringen im Jahre 1998 genutzte Text-

verarbeitungs-Software

Thüringer Innenministerium 05.03.2013

MAT B TH-13 Folge der unterbliebenen Übermittlung des Hin-

weises von Thomas S. auf das Trio an TH

Thüringer Innenministerium 07.03.2013

MAT B D-4 Brief Anwohner der Keupstraße Ö. Z. 13.03.2013

MAT B SN-1 Bericht der Expertenkommission über die Arbeits-

abläufe im Landesamts für Verfassungsschutz

Sachsen

Staatsministerium des Innern

des Freistaates Sachsen

18.03.2013

MAT B GBA-4 Ergebnis der Zeugenvernehmung Andreas Rach-

hausen

Generalbundesanwalt 26.03.2013

MAT B TH-15 Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise

Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-15/I Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-15/II Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/III

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/IV

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/V.1

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/V.2

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.1

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.2

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.3

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.4

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1303 – Drucksache 17/14600

MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang

MAT B TH-

15/VI.5

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.6

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.7

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.8

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-

15/VI.9

Ermittlungsverfahren 125 Js 53508/08 Staatsan-

waltschaft Mühlhausen gegen Thorsten Heise
Thüringer Justizministerium 19.03.2013

MAT B TH-11/1 Ermittlungsverfahren 820 Js 20464/96 der Staats-

anwaltschaft Gera (zu MAT B GH-11 zu Prot. 53)

Thüringer Justizministerium 21.03.2013

MAT B

BMFSFJ-1

Bericht der Bundesregierung (zu A-Drs. 375) Bundesministerium für Fami-

lie, Senioren, Frauen und Ju-

gend

27.03.2013

MAT B TH-14 Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe wg.

versuchten Mordes im Zusammenhang mit der

Abgabe von Schüssen im Hauptbahnhof in Erfurt

am 31.12.1996

Thüringer Justizministerium 28.03.2013

MAT B D-1/2 Presseveröffentlichungen in BamS vom

27.01.2012 und Berliner Zeitung vom 28.01.2013,

hier: Kopie der Urteile der Kammergerichte

Rechtsanwalt Johannes Eisen-

berg

09.04.2013

MAT B BE-7 Abschlussbericht zur Aktenrekonstruktion Senatsverwaltung für Inneres

und Sport des Landes Berlin

16.04.2013

MAT B TH-1/16 Wortprotokoll 31. Sitzung am 07. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-

de

23.04.2013

MAT B TH-1/17 Wortprotokoll 31. Sitzung am 07. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-

de

23.04.2013

MAT B TH-1/18 Wortprotokoll 32. Sitzung am 11. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-

de

23.04.2013

MAT B TH-1/19 Wortprotokoll 32. Sitzung am 11. März 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-

de

23.04.2013

MAT B TH-1/20 Wortprotokoll 35. Sitzung am 11. April 2013 Thüringer Landtag, Vorsitzen-

de

25.04.2013

MAT B BfV-9 Präsentation zur Reform im Bundesamt für Verfas-

sungsschutz

Bundesministerium des Innern 08.05.2013

MAT B G-2 Drohbriefe und Anzeigen Ali Demir 29.04.2013

MAT B S-1 Handout zur Sitzung am 16.05.2013 "Strategien

gegen Rechtsextremismus, insbes. Präventions-

maßnahmen"

Dr. des. Britta Schellenberg 15.05.2013

MAT B S-2 Handout Prof. John "Empfehlungen für Initiativen

aus Sicht der Opfer und Hinterbliebenen"

Prof. John 16.05.2013

MAT B TH-

16/1a

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/1b

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/1c

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/1d

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/1e

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/1f

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/1g

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-16/2 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-16/3 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer Thüringer Justizministerium 08.05.2013


Drucksache 17/14600 – 1304 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

MAT B-Nr. Betreff Zuleitende Stelle Eingang

Landesamt für Verfassungsschutz

MAT B TH-16/4 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-16/5 Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/6a

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/6b

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B TH-

16/6c

Verdachtsfälle von Geheimnisverrat im Thüringer

Landesamt für Verfassungsschutz

Thüringer Justizministerium 08.05.2013

MAT B S-1/1 Strategies for Combating Right-Wing Extremism

in Europe

Bertelsmann Stiftung 29.05.2013

MAT B TH-17 Report Mainz - Stellungnahme Thüringer Lande-

samt für Verfassungsschutz und LKA TH

Thüringer Innenministerium 28.05.2013

MAT B RP-1 Vorlage weiterer Akten; hier: "sehr gute Kontakte

zu den beiden toten Männern"

Ministerium für Inneres, für

Sport und Infrastruktur Rhein-

land-Pfalz

19.06.2013

MAT B BY-6 Protokolle der Sitzungen des UA Nr. 1 bis 26 Bayerischer Landtag, Untersu-

chungsausschuss NSU

24.06.2013

MAT B GBA-5 Vermerk des GBA beim BGH v 06. Juni 2013 Bundesministerium der Justiz 26.06.2013

MAT B SN-2 Informationen zur Nachrichtendienstliche Person

(ndP) "Primus“
Staatsministerium des Innern

des Freistaates Sachsen

27.06.2013

MAT B BMI-4 Bericht des Bundesministeriums des Innern über

den Stand der Reform des Bundesamts für Verfas-

sungsschutz

Bundesministerium des Innern 03.07.2013

MAT B BW-1 Liste der abgefragten polizeilichen Systeme - be-

zugnehmend zum Schreiben des 2. UA vom 4. Juli

2013

Innenministerium Baden-

Württemberg

18.07.2013

MAT B SN-3 Beantwortung noch offener Fragestellungen Landesamt für Verfassungs-

schutz Sachsen

22.07.2013

MAT B TH-14/1 Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe wg.

versuchten Mordes im Zusammenhang mit der

Abgabe von Schüssen im Hauptbahnhof in Erfurt

am 31.12.1996

Justizministerium Thüringen 09.08.2013

MAT B SN-3/1 Aktenrecherche Achim Schmid Landesamt für Verfassungs-

schutz Sachsen

14.08.2013
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1305 – Drucksache 17/14600

E. Verzeichnis der Sitzungen

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(Minuten)

Protokoll-

umfang

1 27.01.2012 öffentlich Konstituierung 12 6

2 27.01.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 33 11

3 09.02.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 27 48

4 01.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 19 54

5 08.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung (teilweise Vertraulich) 218 49

6 08.03.2012 öffentlich Anhörung 206 44

7 22.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 19 22

8 22.03.2012 öffentlich Anhörung 356 84

9 29.03.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 55 20

10 29.03.2012 öffentlich Anhörung 221 92

11 26.04.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 126 26

12 26.04.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Ltd. KD Wolfgang Geier

KOR a. D. Klaus Mähler

EKHK Albert Vögeler

655 140

13 10.05.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 222 40

14 10.05.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Ltd. OStA Dr. Walter Kimmel

EKHK Alexander Horn

KHK Udo Haßmann

KHK Manfred Pfister

726 140

15 11.05.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

KD Christian Hoppe, BKA

195 55

16 24.05.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 21 23

17 24.05.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Ltd. RD Edgar H.

Präsident a. D. Dr. Wolfgang Weber

KD Lothar Köhler

Ministerpräsident a. D. Günther
Beckstein

825 192

18 14.06.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 44 27

19 14.06.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Vizepräsident a. D. Bernhard Falk
BKA

KOR Felix Schwarz (LKA Hamburg)

EKHK Jörg Deisting (LKA Mecklen-
burg-Vorpommern)

720 145

20 28.06.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 44 28

21 28.06.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Präsident BKA Jörg Ziercke

LKD beim PP Nordhessen Gerald
Hoffmann

637 147

21a 03.07.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 84 20

22 03.07.2012 öffentlich

nichtöffentlich
Zeugenvernehmung

KHK a. D. Edgar Mittler

614 130

Drucksache 17/14600 – 1306 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(Minuten)

Protokoll-

umfang

KHK Markus Weber

OStA a. D. Josef Rainer Wolf

KOR Bert Gricksch

23 05.07.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 43 38

24 05.07.2012 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

Referatsleiter BfV Lothar Lingen

Erster Direktor beim BND Wolfgang
Cremer

Präsident BfV Heinz Fromm

857 180

25 19.07.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung (teilweise geheim) 188 8

26 11.09.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 218 53

27 11.09.2012 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

Andreas T.

Direktor a. D. LfV Hessen
Lutz Irrgang

582 129

28 13.09.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 128 42

29 13.09.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

KOR Axel Mögelin

Erster StA Christoph Meyer-Manoras

Regierungspräsident Johannes
Schmalzl

Günter S.

765 152

30 27.09.2012

28.09.2012
nichtöffentlich Beratungssitzung 36 33

31 27.09.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

MDg a. D. Dr. Hartwig Möller

KHK Werner Jung

Dr. Dietrich H., Direktor beim BND

474 136

32 28.09.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Ministerpräsident Volker Bouffier

311 84

33 18.10.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 79 29

34 18.10.2012 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

Staatssekretär BMI Klaus-Dieter
Fritsche

LKD Verfassungsschutz Nordrhein-
Westfalen, P. H.

MDg Hans-Georg Engelke

695 150

35 25.10.2012

26.10.2012

nichtöffentlich Beratungssitzung 22 19

36 25.10.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

BKA-Vizepräsident Jürgen Maurer

Landespolizeipräsident Waldemar
Kindler

EKHK Ernst Setzer

758 130

37 26.10.2012 nichtöffent-

lich/GEHEIM
Zeugenvernehmung

MDg Hans-Georg Engelke

227 -

38 08.11.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 63 39

39 08.11.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Oberst a. D. Dieter Huth

Kapitän zur See Olaf Christmann,
MAD

658 119

40 22.11.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 82 17

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1307 – Drucksache 17/14600

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(Minuten)

Protokoll-

umfang

41 22.11.2012 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

Minister a. D. Dr. Fritz Behrens

Bundesanwalt Dr. Hans-Jürgen Förs-
ter

627 200

42 29.11.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 20 12

43 29.11.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Präsident MAD a. D. Karl-Heinz
Brüsselbach

MDg Dr. Christof Gramm, BMVg

KOK Jens Merten

670 163

44 30.11.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Staatssekretär a. D. Dr. August Han-
ning

OStA beim BGH Christian Ritscher

454 113

45 13.12.2012 nichtöffentlich Beratungssitzung 156 73

46 13.12.2012 öffentlich Anhörung 228 53

47 14.12.2012 öffentlich Zeugenvernehmung

Bundesminister Dr. Wolfgang
Schäuble

246 59

48 17.01.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 64 25

49 17.01.2013 öffentlich

nichtöffentlich
Zeugenvernehmung

OStA Gerd Michael Schultz

KHM Mario Melzer

LfV-Vizepräsident a. D. Peter Jörg
Nocken

634 159

50 31.01.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 45 27

51 31.01.2013 öffentlich Zeugenvernehmung

KHK Sven Wunderlich

LKA-Präsident a. D. Egon Luthardt

LfV-Präsident a. D. Thomas Sippel

OStA Ralf Mohrmann

710 181

52 21.02.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 52 30

53 21.02.2013 öffentlich Zeugenvernehmung

LfV-Vizepräsident a. D. Peter Jörg
Nocken

LfV-Präsident a. D. Dr. Helmut
Roewer

Friedrich Karl Schrader

Mike Baumbach

749 199

54 22.02.2013 öffentlich Zeugenvernehmung

EKHK Jürgen Dressler

KHK Michael Brümmendorf

KHK’in Christiane Beischer-Sacher

402 111

55 28.02.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 48 22

56 28.02.2013 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

N. W., LfV Tühringen

R. B., LfV Thüringen

R. G., LfV Brandenburg

628 172

57 01.03.2013 öffentlich Zeugenvernehmung

EKHK Jürgen Dressler

KHK Michael Brümmendorf

MDg Hans-Georg Engelke, BMI

357 62

Drucksache 17/14600 – 1308 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(Minuten)

Protokoll-

umfang

58 14.03.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 40 14

59 14.03.2013 öffentlich

nichtöffentlich
Zeugenvernehmung

EKHK Wolfgang Jehle, LKA Sach-
sen

KHK Carsten Külbel, PD Chemnitz

KHK Michael Andrä, PD Südwest-
sachsen

485 124

60 15.03.2013 öffentlich Zeugenvernehmung

MDg’n Christine Hammann, BMI

Bundesminister a. D. Otto Schily

374 80

61 21.03.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 70 59

62 21.03.2013 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

Joachim Tüshaus, LfV Sachsen

Dr. Olaf Vahrenhold, LfV Sachsen

LfV-Präsident Sachsen a. D. Reinhard
Boos

602 136

63 15.04.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 45 27

64 15.04.2013 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

LfV-Präsident Sachsen, Gordian
Meyer-Plath

G. B., BfV

450 80

16.04.2013 nichtöffentlich Zeugenvernehmung (kommissarisch)

N., BfV

-

65 18.04.2013 öffentlich Zeugenvernehmung

ORR’in Bettina Neumann, LfV Ba-
den-Württemberg

Dr. Helmut Rannacher, LfV Baden-
Württemberg

KD Joachim Rück, LKA Baden-
Württemberg

EKHK’in Angelika Baumert, BKA

530 121

65a 22.04.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 120 12

66 22.04.2013 öffentlich

nichtöffentlich
Zeugenvernehmung

KHK P. S., Berlin

Direktor LKA a. D. Peter-Michael
Haeberer, Berlin

Staatssekretär Bernd Krömer, Berlin

506 129

67 25.04.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 45 35

68 25.04.2013 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

KHK Dirk Spliethoff, LKA
Nordrhein-Westfalen

PK Stefan Voß, PP Köln

PHK Peter Baumeister, PP Köln

KHK Ulrich Gundlach, BKA

RD Gabaldo, BfV

649 143

69 13.05.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 54 14

70 13.05.2013 öffentlich

nichtöffent-

lich/GEHEIM

Zeugenvernehmung

Richard Kaldrack, BfV

Sebastian Egerton, BfV

419 104

71 16.05.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 65 17

72 16.05.2013 öffentlich

nichtöffentlich
Zeugenvernehmung

Bert Kippenborck, BfV

646 133

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1309 – Drucksache 17/14600

Nr. Datum Art Gegenstand
Dauer

(Minuten)

Protokoll-

umfang

Rita Dobersalzka, BfV

Michael Renzewitz

73 13.06.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 133 10

73a 24.06.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 60 15

74 24.06.2013 öffentlich Zeugenvernehmung
Rainer Oettinger

112 29

75 24.07.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung 52 13

76 22.08.2013 nichtöffentlich Beratungssitzung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1311 – Drucksache 17/14600

F. Anlagen

I. Stenographische Protokolle

Protokoll-Nr. 6 Anhörung von Auskunftspersonen: Prof. Barbara John, Martina Linke, Christina Büttner am 8.

März 2012.

Protokoll-Nr. 8 Anhörung von Sachverständigen: Prof. Dr. Richard Stöss, Prof. Dr. Klaus Schroeder, Andrea

Röpke am 22. März 2012.

Protokoll-Nr. 10 Anhörung von Sachverständigen: Prof. Dr. Christoph Gusy, Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange, Prof.

Dr. Heinrich Amadeus Wolff am 29. März 2012.

Protokoll-Nr. 12 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd. KD Wolfgang Geier, KOR a. D. Klaus Mähler, EKHK

Albert Vögeler am 26. April 2012.

Protokoll-Nr. 14 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd Oberstaatsanwalt Dr. Walter Kimmel, EKHK Alexander

Horn, KHK Udo Haßmann, KHK Manfred Pfister am 10. Mai 2012.

Protokoll-Nr. 15 Öffentliche Vernehmung des Zeugen KD Christian Hoppe am 11. Mai 2012.

Protokoll-Nr. 17 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd RD Edgar H., KD Lothar Köhler, Ministerpräsident a.

D. Dr. Günter Beckstein, Präsident a. D. des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Dr.

Wolfgang Weber am 24. Mai 2012.

Protokoll-Nr. 19 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Vizepräsident a. D. des BKA Bernhard Falk, KOR Felix

Schwarz, EKHK Jörg Deisting am 14. Juni 2012.

Protokoll-Nr. 21 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Präsident des BKA Jörg Ziercke, LKD Gerald Hoffmann am

28. Juni 2012.

Protokoll-Nr. 22a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK a. D. Edgar Mittler, KHK Markus Weber, Oberstaats-

anwalt a. D. Josef Rainer Wolf, KOR Bert Gricksch am 3. Juli 2012.

Protokoll-Nr. 22b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK Markus Weber am 3. Juli 2012.

Protokoll-Nr. 24a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz

Fromm, Erster Direktor beim Bundesnachrichtendienst Wolfgang Cremer am 5. Juli 2012.

Protokoll-Nr. 24b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz

Lothar Lingen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm am 5. Juli 2012.

Protokoll-Nr. 27 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Andreas T., Direktor a. D. des Landesamtes für Verfas-

sungsschutz Hessen Lutz Irrgang am 11. September 2012.

Protokoll-Nr. 29a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KOR Axel Mögelin, Erster Staatsanwalt Christoph Meyer-

Manoras, Regierungspräsident Johannes Schmalzl, Günter S. am 13. September 2012.

Protokoll-Nr. 29b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Regierungspräsident Johannes Schmalzl, Günter S. am

13. September 2012.

Protokoll-Nr. 31 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: MDg a. D. Dr. Hartwig Möller, KHK Werner Jung, Dr.

Dietrich H. am 27. September 2012.

Protokoll-Nr. 32 Öffentliche Vernehmung des Zeugen Ministerpräsident Volker Bouffier am 28. September 2012

Protokoll-Nr. 34a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Staatssekretär im BMI Klaus-Dieter Fritsche, MinDirg

Hans-Georg Engelke, Ltd. KD beim Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen P. H. am 18. Okto-

ber 2012.

Protokoll-Nr. 34b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Ltd. KD beim Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen,

P. H. am 18. Oktober 2012.

Protokoll-Nr. 36 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Vizepräsident des BKA, Jürgen Maurer, Landespolizeiprä-

sident Waldemar Kindler, EKHK Ernst Setzer am 25. Oktober 2012.

Protokoll-Nr. 39 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Oberst a. D. Dieter Huth, Kapitän zur See Olaf Christmann,

am 8. November 2012.

Drucksache 17/14600 – 1312 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Protokoll-Nr. 41 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Minister a. D. Dr. Fritz Behrens, MdL, Bundesanwalt Dr.

Hans-Jürgen Förster, am 22. November 2012.

Protokoll-Nr. 43 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Präsident des MAD a. D. Karl-Heinz Brüsselbach, MinDirig

Dr. Christof Gramm, KOK Jens Merten am 29. November 2012.

Protokoll-Nr. 44 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Staatssekretär a. D. Dr. August Hanning, Oberstaatsanwalt

beim BGH Christian Ritscher am 30. November 2012.

Protokoll-Nr. 46 Öffentliche Anhörung: Mitglieder der Schäfer-Kommission: Vorsitzender Richter am BGH a. D.

Dr. Gerhard Schäfer, Bundesanwalt beim BGH a. D. Volkhard Wache, MinDirig Gerhard

Meiborg am 13. Dezember 2012.

Protokoll-Nr. 47 Öffentliche Vernehmung des Zeugen Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble am 14. Dezember

2012.

Protokoll-Nr. 49a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz, KHM Mario Mel-

zer, LfV-Vizepräsident a. D. Peter J. Nocken am 17. Januar 2013.

Protokoll-Nr. 49b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: KHM Mario Melzer, am 17. Januar 2013

Protokoll-Nr. 51 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK Sven Wunderlich, LKA-Präsident a. D. Egon Luthardt,

LfV-Präsident a. D. Thomas Sippel am 31. Januar 2013.

Protokoll-Nr. 53 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: LfV-Vizepräsident a. D. Peter J. Nocken, LfV-Präsident a.

D. Dr. Helmut Roewer, Friedrich-Karl Schrader, Mike Baumbach am 21. Februar 2013.

Protokoll-Nr. 54 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Jürgen Dressler, KHK Michael Brümmendorf,

KHK’in Christiane Beischer-Sacher am 22. Februar 2013.

Protokoll-Nr. 56a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: N. W., LfV Thüringen; R. B., LfV Thüringen am 28. Februar

2013.

Protokoll-Nr. 56a Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: R. G., LfV Brandenburg am 28. Februar 2013.

Protokoll-Nr. 57 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Jürgen Dressler, KHK Michael Brümmendorf,

MinDirg Hans-Georg Engelke, BMI am 1. März 2013.

Protokoll-Nr. 59 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Wolfgang Jehle, EKHK Carsten Külbel, EKHK

Michael Andrä am 14. März 2013.

Protokoll-Nr. 59 Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: EKHK Michael Andrä am 14. März 2013.

Protokoll-Nr. 60 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: MDg’n Christine Hammann, BMI; Bundesminister a. D.
Otto Schily am 15. März 2013.

Protokoll-Nr. 62 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Joachim Tüshaus, LfV Sachsen; Dr. Olaf Vahrenhold, LfV

Sachsen; LfV-Präsident a. D. Reinhard Boos am 21. März 2013.

Protokoll-Nr. 64a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: LfV-Präsident Gordian Meyer- Plath am 15. April 2013.

Protokoll-Nr. 64b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: G. B., BfV am 15. April 2013.

Protokoll-Nr. 65 Öffentliche Vernehmung der Zeugen: ORR’in Bettina Neumann, LfV Baden-Württemberg, Dr.
Helmut Rannacher, LfV Baden-Württemberg, KD Joachim Rück, LKA Baden-Württemberg,

EKHK’in Angelika Baumert, BKA am 18. April 2013.

Protokoll-Nr. 66a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Direktor LKA a. D. Peter-Michael Haeberer, Staatssekretär

Bernd Krömer am 22. April 2013.

Protokoll-Nr. 66b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK P. S. am 22. April 2013

Protokoll-Nr. 68a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: KHK Dirk Spliethoff, LKA Nordrhein-Westfalen, PK Stefan

Voß, PHK Peter Baumeister, KHK Ulrich Gundlach, BKA am 25. April 2013

Protokoll-Nr. 68b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: RD Andreas Gabaldo, BfV am 25. April 2013.

Protokoll-Nr. 70a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Sebastian Egerton, BfV am 13. Mai 2013.

Protokoll-Nr. 70b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Richard Kaldrack, BfV; am 13. Mai 2013.

Protokoll-Nr. 72a Öffentliche Vernehmung der Zeugen: Rita Dobersalzka, BfV; Anhörung von Sachverständigen:

Ltd PD Jürgen Funk, Prof. Barbara John, Britta Schellenberg, Günter Schicht, Bernd Wagner am

16. Mai 2013.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 1313 – Drucksache 17/14600

Protokoll-Nr. 72b Nichtöffentliche Vernehmung der Zeugen: Bert Kippenborck, BfV; Michael Renzewitz, BfV am

16. Mai 2013

Protokoll-Nr. 74 Öffentliche Vernehmung des Zeugen Rainer Oettinger, LfV Baden- Württemberg am 24. Juni

2013.

II. Dokumente

Dokument 1 Bericht des Ermittlungsbeauftragten Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg des

2. Untersuchungsausschusses zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“.

Dokument 2 Tätigkeitsbericht der Ermittlungsbeauftragten Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache, Ulrich He-

benstreit des 2. Untersuchungsausschusses zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“.

Dokument 3 Bericht der Bundesregierung vom 26. April 2013 über die nach dem 4. November 2011 als Kon-

sequenz aus dem Aufdecken der Terrorgruppe NSU sowie der nachfolgend erkennbar gewordenen

Fehler und Versäumnisse ergriffenen Maßnahmen.

Dokument 4 Stellungnahme der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 29. April 2013.

Dokument 5 Stellungnahme der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 28.

Mai 2013.

Dokument 6 Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013.

Dokument 7 Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt – ergriffene und beabsichtigte Maßnahmen des Bun-
desministeriums des Innern.

Dokument 8 Bericht für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages – Thema: Stand der Reform des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz vom 3. Juli 2013.

Dokument 9 Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom

20. Dezember 2011.

Dokument 10 Stellungnahme zum Bericht der Evaluierungsgruppe ARP des Generalbundesanwalts vom

20.12.2011 im Rahmen der Verfolgung der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer
Untergrund NSU)“ Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan.

Dokument 11 Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesministers des Innern: Aufklärung der Aktenvernichtun-

gen im Bundesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der „Operation Rennsteig“ so-
wie weiterer Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011.

Dokument 12 Kontakte von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten zum European White Knights of the

Ku Klux Klan (EWK KKK) – Mögliche rechtsextremistische Aktivitäten innerhalb der Polizei
Baden- Württemberg; Bericht, 20. August 2012, Landespolizeipräsidium.

Dokument 13 Sicherheitsproblem 2002 beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Zusam-

menhang mit dem European White Knights of the Ku Klux Klan (EWK KKK); Bericht,

24. Oktober 2012.

Dokument 14 Stellungnahme des Sonderermittlers der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zu den Vorgän-

gen im Berliner Verfassungsschutz im Juni 2012.

Dokument 15 Abschlussbericht zur Rekonstruktion der vernichteten Akten ,,Rechtextremistische Skinheads”,
,,Blood and Honour” und ,,Landser”, Ausführung für NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes-
tags.

Dokument 16 Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwalt schaften bei der Verfolgung

des „Zwickauer Trios" erstattet von Dr. Gerhard Schäfer, Vorsitzender Richter am Bundesge-
richtshof a. D., Volkhard Wache, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a. D., Gerhard Meiborg,

Leiter der Abteilung Strafvollzug im Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland-

Pfalz im Auftrag des Freistaats Thüringen vertreten durch den Thüringer Innenminister.

Dokument 17 Bericht über die Untersuchung und Evaluierung der Arbeitsabläufe und -strukturen des Landesam-

tes für Verfassungsschutz Sachsen unter besonderer Betrachtung der Ereignisse im Zusammen-

hang mit dem sog. „Nationalsozialistischen Untergrund“ vom 20. Februar 2013, Professor Monika
Harms, Generalbundesanwältin a. D., Franz Josef Heigl, Präsident des Rechnungshofes des Frei-

staates Sachsen a. D., Dr. Helmut Rannacher, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz

Baden-Württemberg a. D., Zeitraum der Erhebung: August 2012 bis Januar 2013.

Drucksache 17/14600 – 1314 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dokument 18 Untersuchungsbericht über in den Medien dargestellte Vorgänge in dem Thüringer Landesamt für

Verfassungsschutz und deren Auswirkung auf die Funktionsweise des Amtes von Dr. Karl Heinz

Gasser.

Dokument 19 Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg zu Carsten S., „Noch ein
V-Mann-Fall“, www.verfassungsschutz.brandenburg.de.

Dokument 20 Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg zu Carsten S., „V-Mann
verurteilt“, www.verfassungsschutz.brandenburg.de.

Dokument 21 Plenarprotokoll über die Debatte zur Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahl-

periode.

Dokument 22 Plenarprotokoll über die Abschlussdebatte zum Bericht des 2. Untersuchungsausschuss der

17. Wahlperiode.
Beschlussempfehlung und Bericht
Beschlussempfehlung
Erster Teil: Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses und Verlauf des Untersuchungsverfahrens
A. Einsetzung des Untersuchungsausschusses
I. Bekanntwerden des Terror-Trios
1. Bankraub von Eisenach und Wohnungsbrand in Zwickau
2. Auffinden der Bekenner-DVD und der Česká 83
3. Spekulationen über Verbindungen des Trios zum Verfassungsschutz

II. Gemeinsame Entschließung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag
III. Diskussion über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
1. Bundesstaatliche Bedenken
2. Begleitung durch eine Bund-Länder-Expertenkommission

IV. Einsetzungsantrag, Debatte und Plenarbeschluss
1. Gemeinsamer Einsetzungsantrag aller Fraktionen
2. Anträge zur Änderung der Anzahl der Ausschussmitglieder
3. Plenardebatte und Einsetzung

V. Konstituierung
1. Mitglieder des Ausschusses
2. Bestimmung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden
3. Benennung der Obleute und der Berichterstatter
4. Benannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
5. Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates
a) Beauftragte der Mitglieder der Bundesregierung
b) Beauftragte der Mitglieder des Bundesrates

6. Ausschusssekretariat
B. Parallele Untersuchungen und Zusammenarbeit
I. Ermittlungen des Generalbundesanwalts und Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht in München
1. Gegenseitige Rücksichtnahme
2. Regelmäßige Unterrichtung
3. Aktenzulieferung aus den laufenden Verfahren
a) Vor Anklageerhebung
b) Nach Anklageerhebung

4. Rücksicht auf das Strafverfahren: Fragenkreise ausgespart
5. Übermittlung der Untersuchungsausschussprotokolle und sonstiger Unterlagen

II. Schäfer-Kommission
1. Einsetzung und Auftrag
2. Ergebnisse der Ermittlungen der Schäfer-Kommission
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages

III. Bund-Länder-Experten-Kommission
1. Einsetzung der Bund-Länder-Kommission
2. Gesetzliche Grundlage und Auftrag
3. Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss
a) Vorabgespräch am 8. März 2012
b) Weitere Berichterstattungen

4. Ergebnis der Arbeit der BLKR

IV. Untersuchungsausschüsse in den Landtagen
1. Thüringen
a) Einsetzung und Auftrag
b) Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages

2. Sachsen
3. Bayern
4. Diskussionen in anderen Ländern
C. Verlauf der Untersuchung
I. Gemeinsames Vorgehen, Einstimmigkeitsprinzip
II. Beschlüsse zum Verfahren
1. Zutrittsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen
2. Verzicht auf die Verlesung von Protokollen und Schriftstücken
3. Verteilung von Verschlusssachen
4. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Sitzungen
5. Verteilung von Ausschussdrucksachen, Beweisbeschlüssen und Ausschussmaterialien
6. Behandlung der Ausschussprotokolle
7. Verpflichtung zur Geheimhaltung
8. Fragerecht bei der Beweiserhebung
9. Behandlung von Beweisanträgen
10. Protokollierung der Ausschusssitzungen

III. Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten und sonstigen Unterlagen
1. Beweisvorbereitung
2. Aktenbeiziehung bei Behörden des Bundes
a) Art und Herkunft des Beweismaterials
b) Akten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
c) Verfügungsbefugnis des Bundes über Akten
d) Vorlage von Akten, die zur Freigabe zugeleitet wurden

3. Beiziehung von Akten bei den Ländern im Wege der Amtshilfe
a) Reichweite der Amtshilfe
b) Art der Beiziehungen
c) Freistaat Thüringen

4. Beiziehung von Akten beim Oberlandesgericht München
5. Geheimschutz
a) Nach der Geheimschutzordnung des Bundestages
b) „Geheimschutzstellenverfahren“
c) „Treptow-Verfahren“
d) Nachträgliche Einstufung

6. Vernichtung von Beweismaterial und Aktenschreddermoratorium

IV. Beweiserhebung durch Anhörung von Sachverständigen und Vernehmung von Zeugen
1. Sitzungstage
2. Strukturierung der Beweisaufnahme
3. Sachverständigenanhörungen
4. Durchführung der Zeugenvernehmungen
a) Die Zeugen
b) Dauer der Anhörungen und Vernehmungen
c) Nicht erschienene Zeugen

5. Vernehmungsgegenüberstellung
6. Schriftliche Befragung von Zeugen
a) Krankheitsbedingt
b) Offen gebliebene Fragen
c) Mangels Zeit

7. Kommissarische Vernehmung
8. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht
9. Rechtlicher Beistand
10. Öffentlichkeit
a) Ausschluss der Öffentlichkeit
b) Keine Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen
c) Twittern aus öffentlicher Sitzung

11. Einsichtsgewährung in Stenografische Protokolle vor Abschluss der Untersuchung
a) Mitglieder des Bundestages
b) Untersuchungsausschüsse der Landtage
c) Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige
d) Bund-Länder-Kommission
e) Bundesdatenschutzbeauftragter
f) Zeuge Luthardt
g) Ermittlungsgruppe „Trio“
h) Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern
i) Wissenschaftliche Zwecke
j) OLG München
V. Teilnahme der Ombudsfrau für die Opfer und deren Angehörige
VI. Einsetzung von Ermittlungsbeauftragten
1. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg
a) Auftrag
aa) Unterlagen des Generalbundesanwalts
bb) Unterlagen des Bundeskriminalamtes und einiger Landeskriminalämter
cc) Akten des LKA Thüringen, der Sächsischen Sicherheitsbehörden sowie der BKA-Abteilung polizeilicher Staatsschutz
dd) Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz
ee) Brandenburger Operativakten

b) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
c) Berichterstattung an den Ausschuss
d) Ergebnis

2. Dr. Gerhard Schäfer, Volkhard Wache, Ulrich Hebenstreit
a) Thüringer Aktenstreit
b) Auftrag und Bestellung
c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
d) Umfang des Aktenmaterials
e) Freigabeverfahren
f) Aktenvorlage und Berichterstattung an den Ausschuss
g) Tätigkeitsbericht

D. Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen, Treffen und Begegnungen
I. Gedenkveranstaltung am Gendarmenmarkt
1. Einladung durch die Staatsspitzen und Schweigeminute
2. Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
3. Rede von Semiya Şimşek
4. Rede von Gamze Kubaşık
5. Rede von İsmail Yozgat

II. Ombudsfrau der Bundesregierung Prof. Barbara John
III. Kontakte mit türkischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern
1. Besuche von Mitgliedern der Großen Türkischen Nationalversammlung
2. Reisen in die Türkei
a) Gespräch mit dem Justizminister, Herrn Sadullah Ergin
b) Gespräch mit dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Herrn Bekir Bozdağ
c) Gespräch mit dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses, Herrn Ayhan Sefer Üstün und weiteren Ausschussmitgliedern
d) Gespräch mit dem Vorsitzenden der deutsch-türkischen Freundschaftsgruppe im türkischen Parlament, Herrn Akif Çağatay Kılıç
e) Gespräch mit dem Stellvertretenden Außenminister, Herrn Botschafter Naci Koru
f) Gespräch mit dem stellvertretenden Präsidenten des Präsidiums des Amtes für im Ausland lebende Türken und verwandte Volksgruppen, Herrn Gürsel Dönmez
IV. Treffen des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden mit den Opfern des Nagelbombenanschlags in Köln
V. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
VI. Treffen mit dem Bundespräsidenten
VII. Treffen mit dem Menschenrechtskommissar des Europarates
VIII. Einladung der Opfer zum Gespräch und zur Teilnahme an der Plenardebatte

E. Berichterstattung an den Deutschen Bundestag
I. Gewährung rechtlichen Gehörs
1. Entscheidung über Gewährung rechtlichen Gehörs
2. Zustellung
3. Rückmeldungen und Stellungnahmen
4. Nachträgliche Veröffentlichung von Textpassagen und von Stellungnahmen

II. Feststellung des Berichts
III. Beratung im Plenum

F. Umgang mit den Akten nach Abschluss der Untersuchung
I. Rückgabe von Beweismaterialien und Protokollen
II. Behandlung der Protokolle und Materialien
Zweiter Teil: Feststellungen zum Sachverhalt
A. Überblick über die dem NSU zugerechneten Straftaten
B. Werdegang des Trios und seine Verankerung in der rechtsextremistischen Szene
I. Werdegang des Trios vor deren Untertauchen
1. Erkenntnisse zu den Personen
a) Uwe Böhnhardt
b) Uwe Mundlos
c) Beate Zschäpe

2. Strafverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
a) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 18. März 1991
b) Uwe Mundlos (und ein weiterer Beschuldigter): gefährliche Körperverletzung am 6. Juni 1991
c) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen am 25. Juli 1991
d) Beate Zschäpe: Diebstahl geringwertiger Sachen im November 1991
e) Uwe Böhnhardt: Fahren ohne Fahrerlaubnis 1992
f) Uwe Böhnhardt (und ein Mittäter): Entwenden von Fahrzeugen 1992
g) Uwe Böhnhardt: Erpressung und gefährliche Körperverletzung 1992/1993
h) Beate Zschäpe: Diebstahl im Jahr 1994
i) Uwe Mundlos u. a.: Volksverhetzung im August 1994
j) Uwe Mundlos: Herstellen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im August 1994
k) Uwe Böhnhardt: „Kreuzverbrennung“, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sommer 1995
l) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das Waffengesetz im September 1995
m) Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, André Kapke: Puppentorso u. a. im April 1996
n) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Holger Gerlach: Illegaler Waffenbesitz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im November 1996
o) Uwe Böhnhardt, André Kapke, Christian K.: Körperverletzung im Dezember 1996
p) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke: Hausfriedensbruch bei der Polizei u. a. im Januar 1997
q) Uwe Böhnhardt: illegaler Waffenbesitz im April 1997
r) Uwe Böhnhardt, André Kapke: Körperverletzung im April 1997

3. Sonstige polizeiliche Erkenntnisse
a) Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und André Kapke: Plakatierung am 3. Mai 1995
b) Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe: Blumenbinde „Heß“ am 23. November 1995
c) Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, André Kapke u. a.: Platzverweis am 9. März 1996
d) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos u. a.: Hausverbot in der Gedenkstätte Buchenwald am 1. November 1996
e) Skinhead-Konzert am 23. November 1996
f) Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Anmeldung zu einer Versammlung am 6. Januar 1997

4. Wehrpflicht von Böhnhardt und Mundlos
a) Uwe Böhnhardt
b) Uwe Mundlos
aa) Personalakte Mundlos
aaa) Erkenntnisse
bbb) Umgang mit Personalakte Mundlos nach dem 4. November 2011

bb) Befragung von Mundlos durch den MAD
aaa) Ablauf der operativen Bearbeitung von Mundlos durch den MAD
„VFDL. HINTERGRUND: JA“
bbb) Gab es mehrere Befragungen von Mundlos durch den MAD?
ccc) Gründe für die späte Befragung von Mundlos durch den MAD
ddd) Inhalt des Befragungsberichtes vom 8./9. März 1995
eee) Bewertung des MAD-Befragungsberichtes: Wollte der MAD Mundlos als Quelle anwerben?
fff) Wer hat die Befragung von Uwe Mundlos durchgeführt? – Erkenntnisgewinnung zum MAD-Vorgang Mundlos
ggg) Umgang mit MAD-Befragungsbericht nach dem 4. November 2011
cc) Bewertung des Umgangs mit Uwe Mundlos bei der Bundeswehr
5. Waren Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe V-Personen des Verfassungsschutzes?
II. Entwicklung der rechtsextremistischen Szene in Thüringen in den 1990er/Anfang der 2000er Jahre
1. „Anti-Antifa Ostthüringen“ und „Thüringer Heimatschutz“
2. „Kameradschaft Eichsfeld“
3. Verankerung des Trios in der rechten Szene

III. Ermittlungsverfahren gegen die rechtsex-tremistische Szene Thüringen
1. Soko „REX“ – EG „TEX“
a) Gründung der Soko „REX“ 1995
b) Auflösung der Soko „REX“ im Februar 1997 – Gründung der EG „TEX“

2. Weitere Dienststellen des LKA Thüringen
a) ZEX
b) Soko „ReGe“

3. Ermittlungen gegen den „Thüringer Heimatschutz“
a) Ermittlungsverfahren der StA Gera gegen Tino Brandt und andere mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung
b) Weitere „Strukturermittlungen“

4. Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen, insbesondere in Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“
5. Gräfenthal-Verfahren

IV. Beobachtung des „Thüringer Heimatschutzes“ durch staatliche Stellen
1. Operation „Rennsteig“
a) Entstehung der Operation „Rennsteig“
b) Gegenstand
c) Durchführung
d) Beteiligung des LfV Bayern
e) Kenntnis der beteiligten Behörden über die Quellen der anderen Behörden bei gemeinsamen Werbungsoperationen?
f) Ergebnis der Operation „Rennsteig“
g) Ende der Operation „Rennsteig“
h) Bewertung der Operation „Rennsteig“ durch die beteiligten Behörden
i) Kenntnisse der Amtsleitung im BfV von der Operation „Rennsteig“

2. Anschlussoperationen

V. Die Ermittlungen im Vorfeld der Durchsuchungen am 26. Januar 1998
1. Die Briefbombenattrappen
a) Thüringer Landeszeitung
b) Stadtverwaltung Jena
c) Polizeidirektion Jena
d) Gang und Ergebnis der Ermittlungen im „Briefbomben-Verfahren“

2. Die Kofferbomben im Jenaer Stadtgebiet
a) Die sog. „Stadion-Bombe“
b) Ermittlungsmaßnahmen nach Auffinden der „Stadion-Bombe“
c) Die sog. „Theater-Bombe“
d) Übereinstimmungen zwischen „Theaterbombe“ und „Stadionbombe“
e) Ermittlungsmaßnahmen zwischen September 1997 und Januar 1998
f) USBV am Magnus-Poser-Denkmal, Nordfriedhof

3. Ermittlungsmaßnahmen des LKA Thüringen zu den USBV, Böhnhardt als möglicher Täter
a) Zuständigkeit der EG „TEX“
b) Hinweise auf mögliche Täter aus dem rechten Spektrum
c) Garage als möglicher Ort, an dem die Bomben gebaut wurden

4. Auffinden der Garagen und Planung der Durchsuchungen
a) Observation von Böhnhardt durch das MEK des LKA Thüringen und weitere Ermittlungsmaßnahmen im Oktober 1997
b) Observation von Böhnhardt durch das LfV Thüringen im November/Dezember 1997
aa) Auftrag bzgl. der Observation des LfV Thüringen durch das LKA Thüringen?
bb) Erkenntnisse durch die Observation des LfV Thüringen
cc) Mitteilung der Ergebnisse der Observation an das LKA Thüringen
aaa) Schreiben des LfV Thüringen vom 8. Januar 1998
bbb) Mündliche Vorabinformation über das Ergebnis der Observationsmaßnahmen
ccc) Einstufung des Schreibens vom 8. Januar 1998 als „VS-Vertraulich“
c) Planung der Durchsuchungen am 26. Januar 1998
aa) Verarbeitung der durch die Observation durch das LfV gewonnenen Erkenntnisse über die Garagen und Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses
bb) Konkrete Vorbereitung der Durchsuchungen
aaa) Erörterung einer möglichen Festnahme der Beschuldigten, insbesondere von Uwe Böhnhardt, im Rahmen der Durchsuchungen und abgesprochene Vorgehensweise für den Fall des Fundes möglicher Beweismittel
bbb) Vorbereitung in sonstiger Hinsicht
(1) Möglichkeit des Auffindens von Sprengstoff
(2) Möglichkeit, dass die Garagen verschlossen sein könnten

ccc) Festlegung eines Termins für die Durchsuchungsmaßnahmen
ddd) Verhinderung des Leiters der EG „TEX“, Dressler, an diesem Tag wegen einer Fortbildungsmaßnahme

5. Durchsuchungen am 26. Januar 1998
a) Ablauf
aa) Durchsuchung Garage Nr. 5, Garagenverein an der Kläranlage e. V.
bb) Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und Nr. 7
cc) Kommunikation zwischen den Durchsuchungsteams
dd) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
aaa) Kontaktaufnahmeversuch durch KK F. mit Staatsanwalt Schultz
bbb) Kontaktaufnahme von KHK L. mit Staatsanwalt Sbick

ee) Zeitpunkt, an dem Uwe Böhnhardt den Ort verließ

b) Mögliche Fehler bei der Durchführung der Durchsuchungen
aa) Auflistung aller Durchsuchungsobjekte in einem Durchsuchungsbeschluss
bb) Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft
cc) Mangelhafte Vorbereitung der Durchsuchungen

c) Verhaftung des Trios am Tag der Durchsuchungen möglich?
aa) Vor dem Auffinden der USBV und der weiteren Beweismittel in der Garage Nr. 5
bb) Nach dem Auffinden der USBV in der Garage Nr. 5

d) Ergebnis der Garagen-Durchsuchungen
aa) Beweismittel, die auf eine Täterschaft des Trios bei den Bombenfunden und den Briefbombenattrappen schließen lassen
aaa) Beweise für die Herstellung der USBVen sowie der Briefbomben in der Garage Nr. 5
bbb) Beweise für die Anwesenheit von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in der Garage Nr. 5

bb) Beweismittel, die auf die Planung weiterer Straftaten schließen lassen – Menge des aufgefundenen Sprengstoffs
cc) Beweismittel, die für die Fahndung nach dem Trio relevant waren

e) Weitere Durchsuchungsmaßnahmen und Ad-hoc-Suchmaßnahmen am 26. Januar 1998

6. Weitere Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Gera und des LKA Thüringen am 26./27./28. Januar 1998 zur Festnahme der Beschuldigten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
a) Anordnung der vorläufigen Festnahme am 26. Januar 1996
b) Ablehnung des Erlasses von Haftbefehlen am 27. Januar 1998
c) Beantragung und Erlass von Haftbefehlen am 28. Januar 1998
C. Rechtsextremismus in Deutschland seit den 90er Jahren und Rolle der Sicherheitsbehörden in Bezug auf Rechtsextremismus
I. Ausprägungen und Verbreitung von Rechtsextremismus
1. Der Begriff des Rechtsextremismus
a) Amtlicher und sozialwissenschaftlicher Rechtsextremismusbegriff
b) Unterscheidung zwischen Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus

2. Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland
a) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Schroeder
b) Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. Stöss
c) Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland

3. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten
a) Täterstruktur, Verortung und Art der Straftaten
b) Grundlage der Berechnung
c) Gewalteskalation Anfang der 90er Jahre
d) Überblick über Anstieg bzw. Rückgang der Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund in den Jahren 1994 bis 2011

4. Überblick über rechtsextremistische Milieus
a) Rechtsextreme
b) Skinheads
c) Neonazis
d) Frauen in der Szene

5. Aktions-, Handlungs- und Organisationsformen
a) Einstieg in die rechtsextremistische Szene
b) Aktionsformen
c) Organisationsformen

6. Strategien der militanten Rechten
a) Finanzierung
b) Vernetzung
c) Bewaffnung

7. Ausstieg

II. Rechtsextremistische Milieus mit Bezügen zum Trio außerhalb Thüringens
1. „Blood & Honour“
a) „Blood & Honour“ International
b) „Blood & Honour Division Deutschland“
c) „Combat 18“ als bewaffneter Arm von „Blood & Honour“
d) Verbindungen zwischen „Blood & Honour” und dem Trio
e) Mögliche Auswirkungen von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ auf die Taten des Trios
f) Verbot der „Blood & Honour Division Deutschland“ und der Jugendorganisation „White Youth“
g) Umgang mit Nachfolgeaktivitäten von „Blood & Honour“
Das BMJ teilte diese Auffassung.
2. „Hammerskins“
a) Zur Struktur und den Leitgedanken der „Hammerskins“ allgemein
b) „Hammerskins“ international
c) „Hammerskins“ in Deutschland
d) Verbindungen zwischen den „Hammerskins“ und dem Trio

3. „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“
a) Allgemeine Informationen zur „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“
b) Verbindungen zum Trio

4. „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“
5. „Ku-Klux-Klan“ (KKK)
a) Zur Entstehung des „KKK international“
b) Entwicklung des „KKK“ in Deutschland
c) Verbindungen zwischen dem „KKK“ und dem Trio
aa) Kreuzverbrennung im Jahr 1995
bb) Verbindungen der Quelle Q1 und eines weiteren Thüringer Mitglieds zum „EWK KKK“ um Achim S.
cc) Achim S. als mutmaßliche Kontaktperson des untergetauchten Trios?

d) Mitgliedschaft von Polizeibeamten des Landes Baden-Württemberg im KKK
e) Rolle des Achim S. im „Ku-Klux-Klan“
f) V-Personen im „EWK KKK“
g) Q1 und der „KKK“
h) Aktivitäten des Carsten Szczepanski im Zusammenhang mit dem „KKK“
i) Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden in Bezug auf den „EWK KKK“
aa) Maßnahme des LfV Sachsen und des BfV
bb) Maßnahme des LfV BW und des BfV
III. Rolle der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bei der Beobachtung der rechtsextremistischen Szene bis zum 4. November 2011
1. Überblick über die Sicherheitsarchitektur
a) Dreigliedrigkeit der Inneren Sicherheit
b) Trennungsgebot
c) Zuständigkeit für die Bekämpfung des Rechtsextremismus
d) Aufsichts- und Kontrollgremien
aa) Kontrolle durch Aufsichtsbehörden
bb) Parlamentarische Kontrolle
2. Ermittlungsbehörden
a) Abgrenzung der Zuständigkeit von GBA und Landesstaatsanwaltschaften
b) Abgrenzung der Aufgaben der Polizeibehörden Bund/Land
aa) Zentralstellenfunktion
bb) Strafverfolgungszuständigkeit
cc) Koordinierung bei der Strafverfolgung
3. Verfassungsschutz
a) Abgrenzung der Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden der Länder und des BfV
aa) Aufgabenverteilung
bb) Zusammenarbeit

b) Grundsätze der V-Personen-Führung
aa) Allgemeines
bb) Rechtlicher Rahmen
cc) Die Fachprüfgruppe
dd) Werbung von V-Leuten
ee) Dauer der V-Mann-Führung durch dieselbe Person
ff) Zahlungen an V-Leute
gg) Zusammenarbeit „Beschaffung“ – „Auswertung“
hh) Straftaten von V-Personen und Teilnahme von Verfassungsschutzmitarbeitern hieran
ii) Folgen für die weitere Tätigkeit als V-Mann aufgrund der Begehung von Straftaten
jj) Verbesserungsvorschläge des Zeugen Gabaldo

c) Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern
d) Organisatorische Änderung im BfV
aa) Organisation der Abteilung II des BfV bis 2006
bb) Zusammenlegung der Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus im BfV (2006)
aaa) Entscheidungsprozess nach Aktenlage
bbb) Motive für die Entscheidung nach Angaben der Zeugen Fromm, Dr. Hanning und Dr. Schäuble
ccc) Bewertung der Entscheidung durch die Zeugen Fromm, Dr. Hanning und Dr. Schäuble

cc) Organisation der Abteilung II des BfV nach 2006
4. Informationsfluss zwischen Verfassungsschutzämtern und Ermittlungsbehörden
a) Grundsätze des Informationsflusses zwischen Verfassungsschutzämtern und Ermittlungsbehörden
aa) Schnittstellenproblem der Behördenkooperation
bb) Rechtliche Grundlagen der Übermittlung von Informationen durch das BfV an Ermittlungsbehörden
cc) Rechtliche Grundlagen der Informationsübermittlung von Landesverfassungsschutzbehörden an Ermittlungsbehörden
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel von Bayern und Thüringen

dd) Übermittlung von Informationen von den Ermittlungsbehörden an die Verfassungsschutzbehörden
aaa) Länderübergreifende Zusammenarbeit
bbb) Innerhalb desselben Bundeslandes am Beispiel Bayerns und Thüringens

ee) Informationelles Trennungsgebot?
aaa) Gutachten von Prof. Wolff
bbb) Entscheidung des BVerfG vom 24. April 2013 zur Antiterrordatei

ff) Quellenschutz
3. Unbeschadet der Berichtspflicht gegenüber der vorgesetzten Stelle werden die mit ‚Quellenschutz‘ gekennzeichneten Meldungen weitergegeben
3.1 innerhalb der jeweiligen Behörde für Verfassungsschutz uneingeschränkt,
3.2 zwischen den Verfassungsschutzbehörden nach den Koordinierungsrichtlinien;
b) Problematisierung der Verfassungsschutz-Quellenführung durch das BKA – Positionspapier des BKA vom 3. Februar 1997
5. Militärischer Abschirmdienst (MAD)
a) Aufgaben des MAD
b) Beziehung zwischen LfV, BfV und MAD

6. Der Bundesnachrichtendienst
a) Aufgaben des BND
b) Aufsicht und parlamentarische Kontrolle
c) Aufbau und Sitz des BND
d) Grundlage und Arbeit des BND
e) Zusammenarbeit mit anderen Behörden

7. Kooperationsformen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder
a) Überblick über Kooperationsformen und Gremien
aa) Innenministerkonferenz (IMK)
bb) Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)
cc) Gemeinsames Internetzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden (GIZ)
dd) Weitere Koordinierungsgremien
ee) Kommunikationsdateien und-datenbanken

b) Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Kooperationsgremien
aa) Trennungsgebot
bb) Erfordernis einer Rechtsgrundlage zur datenschutzrechtlichen Vereinbarkeit
cc) Vorschläge
IV. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch staatliche Stellen seit Anfang der 90er Jahre
1. Einschätzung 1990 bis 2002
a) Verfassungsschutzberichte des BfV 1990 bis 2002
b) Sprechzettel für die PKK-Sitzungen am 29. April und am 27. Mai 1998
c) Einschätzung durch die „Informationsgruppe Rechtsextremismus“ (IGR)
aa) Tätigkeit der IGR
bb) Diskussion in der „Informationsgruppe Rechtsextremismus“ (IGR)
aaa) 18. IGR-Bund-/Ländertagung am 28./29. September 1999
bbb) 19. IGR-Bund-/Ländertagung am 27./28. September 2000
ccc) 20. IGR-Bund-/Ländertagung am 10./11. Januar 2001
ddd) Gründe für unterschiedliche Bewertungen durch BfV und BKA
eee) Bewertung der Arbeit in der IGR

2. Einschätzung nach Verhinderung eines Anschlags durch „Kameradschaft Süd“ 2003
a) Versuchter Anschlag durch „Kameradschaft Süd“ 2003
b) Einschätzung des BfV 2003: Gibt es eine braune RAF?
aa) Antwortschreiben des BfV vom 14. September 2003
bb) Aussage des Zeugen Fritsche vor dem Untersuchungsausschuss
cc) Aussage des Zeugen Fromm vor dem Untersuchungsausschuss
dd) Aussagen der Zeugen Dobersalzka und Egerton vor dem Untersuchungsausschuss
ee) Bewertung der damaligen Einschätzung durch den Zeugen Schily

c) Bewertung der Gefahr des Rechtsterrorismus durch Verfassungsschutzbericht 2003
d) Arbeitstagung der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern am 9. Oktober 2003
e) Einschätzung durch das BKA
f) Bericht des BMI anlässlich der Münchner Vorkommnisse zur Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
g) Schlussfolgerungen der IGR

3. BfV Spezial Rechtsextremismus Nr. 21: Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis 2004
„Rohrbombenfunde in Jena
4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsterrorismus in Verfassungsschutzberichten des BfV 2005 bis 2010
5. Umgang mit Rechtsextremisten in der Bundeswehr
a) Rolle des MAD
b) Werden Rechtsextremisten als Quellen des MAD geführt?
c) Situation in den 90er Jahren
d) Untersuchungsausschuss „Rechtsextremismus in der Bundeswehr“ und anschließende Änderungen im Umgang mit Rechtsextremisten
e) Umgang der Bundeswehr mit Rechtsex-tremisten aus dem Umfeld des Trios
aa) R. M. B.
bb) M. R. D.

D. leistete vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Oktober 1998 seinen Grundwehrdienst als Milan- und Panzerfaustschütze in der 4. Kompanie des Jägerbataillons 371 in Marienberg. Sein Wunsch, nach dem Grundwehrdienst freiwilligen Wehrdienst zu leisten, wurde...
cc) André Eminger
dd) D. F.

D. F. ist der Bruder von Jacqueline Wohlleben und Schwager von Ralf Wohlleben. Von 2005 bis 2007 war er Besitzer eines Lokals in Oberweißbach, in dem am 18. März 2006 eine Veranstaltung der rechten Szene durch Patrick W. angemeldet wurde. Er hatte...
F. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 in der 2. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 231 in Bad Reichenhall.
ee) A. G.

G. wurde am 29. November 1996 mit Wirkung zum 1. Dezember 1996 vom Gefreiten zum Obergefreiten und am 24. März 1997 mit Wirkung zum 1. April 1997 zum Hauptgefreiten befördert. Gleichwohl wurde in G.‘s Dienstzeugnis vermerkt, dass seine Führung ledig...
G. wurde von Seiten der Bundeswehr und des MAD nicht als Extremist erkannt oder ist diesen nicht als solcher durch sein Verhalten aufgefallen. Dafür spricht auch seine 16-monatige Wehrdienstzeit und die Beförderungen.
ff) B. G.

G. war in den Jahren 1997 bis 2000 in der „Kameradschaft Kassel“ aktiv, die von seinem Stiefbruder geleitet wurde. Nach eigenen Angaben war er während seiner Bundeswehrzeit dort nicht mehr tätig, hatte jedoch noch Kontakt zu Personen aus der rechten ...
G. leistete vom 2. Januar 2002 bis zum 31. Oktober 2002 seinen Wehrdienst als Ladeschütze sowie als Wach- und Sicherungssoldat in der 2. Kompanie des Panzerbataillons 64.
gg) M. G.

G. leistete vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 seinen Grundwehrdienst in der Bundeswehr und war als Flieger in der 13. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment 2 eingesetzt. Erkenntnisse des MAD oder des BMVg zu extremistischen Gesinnungen sind nic...
hh) J. H.

H. gab an, das Trio habe sich bereits auf der Stufe von Rechtsterroristen bewegt. Auch er befürworte derartige Aktionen und würde wieder klassische Unterstützerfunktionen leisten.
ii) M. H.

H. leistete seinen Grundwehrdienst vom 1. Januar 1997 bis zum 22. August 1997 in der 3. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 381, als Richtschütze in Bad Frankenhausen und später in der 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 381 als Panzergrenadi...
jj) Dr. Claus Nordbruch
kk) M. P.
ll) David Petereit
mm) T. Ro.
nn) T. R.
oo) H.-J. S.
pp) K. S.
qq) T. S.
rr) Carsten Schultze
ss) S. T.
tt) R. W.
uu) J. W.

W. wurde
„seit ca. 1993 zur Chemnitzer-Skin-Szene“
D. V-Leute und Gewährspersonen
I. V-Mann-Werbung und -Führung des LfV Thüringen
1. Überblick
2. Regelungen der Werbung und Führung von V-Leuten in Thüringen in den 90er-Jahren
3. Arbeitsweise des LfV Thüringen hinsichtlich der V-Mann-Werbung und -Führung
4. Einfluss von Straftaten auf die Eignung als V-Person?
5. Informationsfluss zwischen der StA Gera und Verfassungsschutzbehörden außerhalb der Suche nach dem Trio
6. Die V- und Gewährspersonen des LfV Thüringen im Umfeld des Trios im Einzelnen
a) VM 2045 „Otto“/VM 2150 „Oskar“ (Tino Brandt)
aa) Zur Person
bb) Anwerbung
cc) Einsatzgebiet von Tino Brandt
dd) Erster Abschnitt der Tätigkeit als V-Mann („2045“/„Otto“)
ee) Erste Abschaltung

Das genaue Datum war der 29. Mai 2000.
ff) Reaktivierung von Tino Brandt als VM 2150/„Oskar“
gg) Zweite Abschaltung Tino Brandts
hh) Nachbetreuung Brandts
ii) Bewertung des Informationsgehalts der Meldungen Brandts
jj) Geld und Sachleistungen an Tino Brandt
kk) Ermittlungsverfahren gegen Brandt und eventuelle Einflussnahmen des LfV
aaa) Gräfenthal-Verfahren
bbb) Bedrohung von Polizeibeamten
ccc) „THS“-Verfahren
ddd) Angaben des Tino Brandt gegenüber Thorsten Heise
eee) Verdacht auf Einflussnahme des LfV im Übrigen
fff) Stellungnahmen der Mitarbeiter des LfV Thüringen

ll) Kenntnis des BfV über den Klarnamen der Quelle 2045/2150
mm) Enttarnung Brandts
b) VM 2100 („Riese“/„Hagel“)
c) VM „Küche“
d) „Alex“
e) Gewährsperson „Tristan“
f) VM „Ares“
g) VM „Günther“?
h) Weitere mögliche V-Leute
II. Erkenntnisse und V-Leute des BfV
1. Die Zeitschrift „Der Weisse Wolf“
2. V-Leute des BfV mit möglichen Bezügen zum Trio
a) V-Mann Q1
aa) Kontakt mit Mundlos
bb) Eintragungen in den Kontaktlisten des Mundlos
cc) Aktivitäten von Q1 im Zusammenhang mit dem „KKK“
dd) Einschätzung der Quelle durch das BfV
ee) Vergütung von Q1

b) V-Mann Q2
c) V-Mann Q3
d) Rolle der Fachprüfgruppe bei der V-Mann-Führung
e) War Ralf Wohlleben ein V-Mann?
aa) Dienstliche Erklärung von Dr. Förster vom 17. September 2012
bb) Berichte des BMI vom 5. Oktober 2012 und vom 18. November 2012
cc) Stellungnahme des Freistaates Thüringen vom 16. Oktober 2012
dd) Zeugenaussagen von Dr. Förster
ee) Ergebnis der Überprüfung der 76er-Liste
3. Hinweis des italienischen Geheimdienstes AISI

III. V-Leute des Verfassungsschutzes Brandenburg
1. Der V-Mann „Piatto“ des Verfassungsschutzes Brandenburg
a) Der V-Mann „Piatto“
b) Vorleben des V-Mannes „Piatto“ vor dessen Anwerbung
aa) Verurteilungen vor 1994
bb) „Ku-Klux-Klan“-Verfahren des Generalbundesanwalts
aaa) Tatverdacht
bbb) Kreuzverbrennung in Halbe 1991
ccc) Besitz von Sprengstoff
ddd) Ausgang des Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts

cc) Mordversuch in Wendisch Rietz
dd) Auswirkungen des Mordversuchs auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts

c) Umstände der Verbindungsaufnahme des V-Mannes „Piatto“ zum Verfassungsschutz Brandenburg
aa) Kontaktaufnahme durch Szczepanski aus der Untersuchungshaft heraus
bb) Umfang und Qualität der Quellenmeldungen
cc) Entlohnung des V-Mannes „Piatto“

d) Mögliche Beweggründe des V-Mannes „Piatto“ für eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz
e) Ablauf der Treffen mit „Piatto“
aa) Abholung von „Piatto“ an der JVA an den Tagen seines Freiganges und „Verschaffung von Mobilität“
bb) Ausstattung mit einem Mobiltelefon

f) Bedenken gegen die Anwerbung innerhalb des Verfassungsschutzes Brandenburg, Befragung einer außenstehenden Autoritätsperson durch den Innenminister
g) Erleichterungen bzgl. des Vollzugs der Haftstrafe/Vorzeitige Entlassung aus der Haft
aa) Verdacht der Herstellung rechtsextremistischer Publikationen in der JVA Brandenburg Ende 1996/Anfang 1997 – Maßnahmen bzgl. „Piatto“ in diesem Zusammenhang
aaa) Der Verdacht als solcher
bbb) Mögliche Beteiligung von „Piatto“ an der Herstellung der Publikationen
ccc) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Brandenburg in Bezug auf „Piatto“

bb) Erörterung einer möglichen Haftentlassung nach der Hälfte der Haftzeit (gemäß § 57 Abs. 2 StGB) wegen der Aussage Szczepanskis im sog. Dolgenbrodt-Prozess
aaa) § 57 Abs. 2 Strafgesetzbuch
bbb) Aussage „Piattos“ im Dolgenbrodt-Prozess - Hintergrund
ccc) Entsprechende Zusage?

cc) Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit entsprechend § 57 Abs. 1 StGB
aaa) Voraussetzung einer Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit gem. § 57 Abs. 1 StGB
bbb) Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 1. Dezember 1999
ccc) Mögliche Täuschung der Strafvollstreckungskammer unter Mitwirkung des Verfassungsschutzes?
ddd) Praktikum bei der Firma P. bereits im Jahr 1998?
h) Hinweise von „Piatto“ zum Trio/Artikel im Zine „White Supremacy“ durch eines der Mitglieder des Trios
i) Kontakte von Szczepanski nach Sachsen
j) Weggang von Meyer-Plath Ende Oktober 1998
k) Enttarnung des V-Mannes „Piatto“
l) Änderung der Dienstvorschriften im Hinblick auf Vorstrafen von V-Leuten

2. Gruppierung „Nationalsozialistische Untergrundkämpfer Deutschlands“
3. Toni S.

IV. V-Personen des Landeskriminalamts Berlin
1. VP 562 (Thomas Starke)
a) Persönlicher Hintergrund der VP 562 und Kontakte zu dem Trio
b) Anwerbung als V-Mann im November 2000
aa) Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit der rechtsextremen Band „Landser“
aaa) Das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts
bbb) Ermittlungen gegen Thomas Starke durch die Staatsanwaltschaft Dresden

bb) Anwerbevorgang im Zusammenhang mit der Vernehmung am 14. November 2000
aaa) Anwesenheit eines Beamten des LKA Berlin bei der Vernehmung am 14. November 2000 in Dresden
bbb) Erörterung der Anwerbung innerhalb des LKA Berlin – mögliches Telefonat mit dem Generalbundesanwalt

cc) Bedenken gegen die Anwerbung von Thomas Starke als V-Mann
aaa) Bedenken innerhalb des LKA Berlin
bbb) Bedenken innerhalb des LKA Sachsen
ccc) Mitteilung von beim LKA Sachsen vorliegenden Bedenken an den Generalbundesanwalt/Ausräumen bestehender Bedenken durch den Generalbundesanwalt

dd) Zustimmung respektive Weisung des Staatsschutzes?
ee) Konsequenzen der Anwerbung von Thomas Starke für das „Landser-Verfahren“
ff) Feuerberg-Bericht

c) Hinweis der VP 562 mit Bezug zum Trio vom 13. Februar 2002
aa) Meldung als solche und Ablauf des Treffens
bb) Weitergabe der Meldung durch den VP-Führer
aaa) Aktenlage
bbb) Aussage des VP-Führers vor dem Untersuchungsausschuss
ccc) Aussage des Zeugen Haeberer vor dem Untersuchungsausschuss
ddd) Untersuchung durch OStA Feuerberg
eee) Stellungnahme des LKA Thüringen
fff) Aktenlage in Thüringen
d) Weisungslage bzgl. der Weitergabe von VP-Informationen
e) Weitere Hinweise der VP 562 bzgl. Personen, die einen Bezug zum Trio haben

Meldung vom 9. August 2001:
Meldung vom 5. September 2002:
Meldung vom 27. August 2003:
Meldung vom 20. Dezember 2005:
Zum Server „netzspeicher 24“:
f) Zusammenarbeit des Landes Berlin mit dem Untersuchungsausschuss in Zusammenhang mit der VP 562 – Feuerberg-Gutachten des Landes Berlin
aa) Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses und Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-1 durch das Land Berlin
aaa) Beweisbeschluss BE-1
bbb) Beweisbeschluss BE-2

bb) Kenntniserlangung von der Existenz von VP 562 innerhalb des LKA Berlin und Weitergabe an die Polizeiführung und an den Senator für Inneres und Sport
cc) Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Generalbundesanwalt und der VP 562
dd) Mitteilung des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungsausschusses
ee) Beantwortung des Beweisbeschlusses BE-2 durch das Land Berlin

g) Einsetzung des Sonderermittlers OStA Feuerberg durch den Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin
2. Weitere V-Personen des Landeskriminalamts Berlin
V. Erkenntnisse zu einer V-Person aus Bayern
E. Suche nach dem Trio
I. Wohnungen des Trios nach dem Untertauchen aus heutiger Sicht
II. Maßnahmen des LKA Thüringen und anderer Polizeibehörden bei der Suche nach dem Trio
1. Rolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Fahndung
2. Aufgabenverteilung innerhalb des LKA Thüringen
a) Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung zwischen Januar 1998 und August 2001
aa) Grundsätzliche Aufgaben der Zielfahndungsabteilung
bb) Aufgabenteilung zwischen der Zielfahndungsabteilung und der EG „TEX“
cc) Auslastung der Zielfahndungsabteilung des LKA Thüringen während der Suche nach dem Trio
dd) Versagung personeller Unterstützung der Zielfahndungsabteilung

b) Formale Beauftragung der Zielfahndungsabteilung nach dem 26. Januar 1998?
aa) Beauftragung der Zielfahndungsabteilung mit der Suche nach dem Trio am 29. Januar 1998
bb) Vorliegen eines Zielfahndungsantrags?
aaa) Notwendigkeit eines Zielfahndungsantrags
bbb) Nichtvorliegen eines Zielfahndungsantrags
ccc) Möglicher Hintergrund des Nichtvorliegens eines Zielfahndungsantrags
ddd) Mögliche Folgen des Nichtvorliegens eines Zielfahndungsantrags
c) Beendigung der Tätigkeit der Zielfahndungsabteilung im August 2001

3. Fahndungsmaßnahmen unmittelbar nach dem Abtauchen des Trios im Frühjahr 1998
a) Weitere Durchsuchungen am 26. Januar 1998
b) Absuche weiterer bekannter Anlaufstellen des Trios
c) Fernsehsendung Kripo Live am 22. Februar 1998
aa) Hinweis auf Zimmer von Uwe Mundlos in Ilmenau
bb) Hinweis auf D. F. aus Nürnberg
cc) Hinweis auf Besuche in der JVA Waldheim
dd) Hinweis auf die Gaststätte Zum Höller in Gera
ee) Hinweis auf die Nutzung des PKW von Ralf Wohlleben durch das Trio
ff) Kurzobservationen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung

d) Aufsuchen von Familienangehörigen
aa) 22. Februar 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe
bb) 26. Februar 1998 – Mutter von Uwe Böhnhardt
cc) 18. März 1998 – Großmutter von Beate Zschäpe
aaa) Vermerk vom 19. März 1998 über das Treffen
bbb) Bitte des LfV Thüringen, nicht an Stefan A. heranzutreten
e) Telefonüberwachungsmaßnahmen
f) Hinweis darauf, dass sich Personen in der Wohnung von Beate Zschäpe aufhalten
aa) Hinweis vom 9. März 1998
bb) Hinweis vom 15. März 1998

g) Sonstige Fahndungsmaßnahmen in dieser Phase
aa) Fahndungsausschreibungen
bb) Passsperre
cc) Bankauskünfte
dd) Hinweis auf die Beerdigung des Großvaters von Uwe Böhnhardt
ee) Fahndungsmaßnahmen unter Einbeziehung der Krankenversicherungen
ff) Hinweise auf einen Aufenthalt des Trios im Raum Köln im März und im Mai 1998
gg) Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung
4. Einsatz von Beamten des Bundeskriminalamts bei der EG „TEX“ im Februar 1998
a) Umfang der Tätigkeit
b) Situation bei der Ankunft der BKA-Beamten in Thüringen/Ablauf der Zusammenarbeit/Kein Kontakt zur Zielfahndungsabteilung
c) Sammlung von Informationen im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BKA
d) Unterstützung der Ermittlungen des LKA Thüringen/Keine Nennung der Eigenschaft als BKA-Beamter bei der Abfassung von Vermerken
e) Praktikum der Beamtin Beischer-Sacher beim LKA Thüringen im Frühjahr 1997

5. Die in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Telefon- oder Adresslisten
a) Hintergrund
b) Inhalt der Adress- und Telefonliste
c) Situation bei der EG „TEX“ im LKA Thüringen bei der Ankunft der Beamten Brümmendorf und Beischer-Sacher
d) Auswertung des Asservats, in dem die Telefonliste enthalten war
aa) Konkrete Situation nach dem Auffinden der Liste durch KHK Brümmendorf - Weitergabe der Telefonliste an den Leiter der EG „TEX“, KHK Dressler?
bb) Vermerk vom 19. Februar 1998
cc) Die Abfassung des Vermerks vom 19. Februar 1998
dd) Übergabe des Vermerks vor Abreise am 26. Februar 1998
ee) Benennung des Asservats (23.6 vs. 23 C)
ff) Weitere Asservate aus dem Pappkarton

e) Weitergabe der Telefonliste an die Zielfahndungsabteilung?
f) Auffinden einer weiteren Adress- und Telefonliste im Rahmen der Ermittlungen durch das BKA nach dem 4. November 2011
g) Unterrichtung des Untersuchungsausschusses durch das BKA in diesem Zusammenhang

6. Briefe von Uwe Mundlos an inhaftierte Personen – Asservat 20.B.1 aus der Garage an der Kläranlage
a) Auffindesituation
b) Auswertung des Ordners
c) Inhalt der Briefe
d) Bewertung als mögliche Anlaufpunkte bzgl. der Flucht
e) Fahndungsmaßnahmen, die Bezug zu Thomas Starke und Torsten S. haben

7. Aufsuchen der Eltern von Uwe Mundlos durch Beamte des LKA Thüringen und durch Mitarbeiter des LfV Thüringen im März 1998
a) 6. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos
b) 18. März 1998 – Eltern von Uwe Mundlos – Vermerk vom 19. März 1998
c) Kontakt des LfV Thüringen mit Eltern Mundlos am 11. März 1998 und Observationsmaßnahme
d) Aussagen der Zeugen zu diesem Vorgang
aa) Aussagen zum Besuch des LfV Thüringen bei Familie Mundlos
bb) Aussagen zum Hinweis auf eine Zusammenarbiet des LfV Thüringen mit Beate Zschäpe
8. Anrufe bei Jürgen H. im März/April 1998 – Hinweise auf Aufenthalt in Chemnitz bzw. in der Schweiz
a) Anrufe im April 1998 bei Jürgen H.
b) Anruf aus der Schweiz (Bereich Orbe/Yverdon)
c) Klärung der Identität des Anrufers und weitere Maßnahmen

9. Weitere Fahndungsmaßnahmen des LKA Thüringen zwischen März und Dezember 1998
a) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen im Jahr 1998
aa) Telefonüberwachung bei Jan Werner
aaa) Hinweise auf Beteiligung von Jan Werner
bbb) Überwachung des Festnetzanschlusses der Mutter von Jan Werner
ccc) Überwachung des Mobilfunkanschlusses von Jan Werner

bb) Telefonüberwachung bei Antje und Michael P., Limbach-Oberfrohna
cc) Weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen

b) Observationsmaßnahmen
aa) Observation von Ralf Wohlleben am 22. April 1998 und im August 1998
aaa) 22. April 1998
bbb) August 1998

bb) Künstliche Nachfrage nach dem „Pogromly“-Spiel – Observation von Jürgen H. Anfang August 1998

c) Aufenthaltsermittlungen in Ungarn
d) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika über Sofia
e) Aufsuchen von Ralf Wohlleben und Juliane W. am 2. Juni 1998
f) Weitere Ermittlungsmaßnahmen bis Ende 1998
aa) Einbruch in die Wohnung von Beate Zschäpe
bb) Abarbeitung von Hinweisen
10. Hinweise des V-Mannes Piatto bzgl. des Bestehens von Kontakten mit Jan Werner und Antje P. – Besprechung hierzu in Brandenburg und weitere Maßnahmen
11. Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr des Trios unter Einschaltung von Rechtsanwälten
12. Fahndungsmaßnahmen im Jahr 1999
a) Einzelne Fahndungsmaßnahmen
aa) Abklärung der Anschriften von Thomas Starke, Hendrik L. und Jan Werner in Chemnitz im April 1999
bb) Hinweise im Mai 1999 bzgl. eines Aufenthalts in Rudolstadt
cc) Vernehmung von Jürgen H. in der Kaserne Mellrichstadt, 27. Mai 1999
dd) Anschriftenüberprüfung im November 1999 in Jena

b) Hintergründe für die geringe Fahndungsintensität in diesem Zeitraum

13. Fahndungsmaßnahmen in Zusammenhang mit der Fernsehsendung Kripo Live am 7. Mai 2000
a) Vorbereitung der Ausstrahlung unter Beteiligung anderer Stellen, Hintergrund der Maßnahmen
b) G 10-Maßnahmen
c) Gewonnene Erkenntnisse
aa) Lichtbild einer Person vor dem Gebäude Bernhardstraße 11
bb) Hinweis eines Berliner Polizeibeamten bzgl. des Aufenthalts von Zschäpe und Mundlos in einem Biergarten in Berlin
cc) Weitere Hinweise
dd) Folgen des vor dem Wohnhaus von Mandy Struck aufgenommenen Fotos
14. Observationsmaßnahmen Ende September/Anfang Oktober 2000 in Chemnitz
a) Art und Umfang der Maßnahme
b) Konkreter Ablauf und gewonnene Erkenntnisse
aa) Observation Kai S.
bb) Videoüberwachung Bernhardtstraße 11 durch das MEK Chemnitz

c) Aufnahme von Beate Zschäpe während der Videoüberwachung der Wohnung von Mandy Struck?
d) Parallele Observationsmaßnahmen des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen
e) Überprüfung von Anrufen aus Telefonzellen

15. Maßnahme am 23. Oktober 2000 in Chemnitz
a) Art und Umfang der Maßnahmen
b) Hintergrund der Maßnahmen
c) Bewertung der Fahndungssituation durch die Beteiligten
d) Vorbereitung der Maßnahmen am 23. Oktober 2000
e) Konkreter Ablauf der Maßnahmen
f) Überprüfung des Anrufes aus der Telefonzelle
g) Auswirkungen auf Maßnahmen des LfV Sachsen

16. Weitere Fahndungsmaßnahmen im Zeitraum 2000 bis 21. August 2001
a) Observation in Seelze bei Hannover am 30. September/1. Oktober 2000
b) Aufsuchen von Frauenärzten in Chemnitz
c) Hinweis auf Antreffen von Beate Zschäpe im Zug zwischen Bebra und Eisenach im August 2000
d) Grund dafür, dass es ansonsten nur wenige weitere Maßnahmen gab
e) Beendigung der Zielfahndung im August 2001

17. Fahndungsmaßnahmen August 2001 bis Juli 2003
a) Auswertung der bisherigen Maßnahmen nach Rückgabe der Fahndungsakten an die EG „TEX“
b) Aufforderung zu weiteren Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft im Frühjahr 2002 und Reaktion hierauf.
aa) Auftrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 20. Februar 2002 und Reaktion der Staatsanwaltschaft Gera hierauf
bb) Anregung von erneuten Zielfahndungsmaßnahmen durch das LKA Thüringen im September 2002
aaa) Die Anregung vom 6. September 2002
bbb) Die Reaktion der Staatsanwaltschaft nach der Anregung
c) Intensivierung der Fahndungsmaßnahmen im Jahr 2002
aa) Zeitlicher Ablauf
bb) Überprüfung von Personen
aaa) Jan Werner
bbb) Mandy Struck
ccc) Kai S.
ddd) Daniel H.
eee) Torsten S.
fff) Kay-Norman S.
ggg) Weitere Personen

cc) Nachforschungen bei Behörden und Institutionen
aaa) Ermittlungen bzgl. möglicher Telefonanschlüsse
bbb) Banken und Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung
ccc) Französische Fremdenlegion
ddd) Einschaltung der BKA-Verbindungs-beamten
eee) Bundeswehr
fff) MAD, BfV und BND
ggg) Sonstige Stellen

dd) Hinweise aus der Öffentlichkeit und deren Abarbeitung
aaa) Anonymer Anruf am 25. Juni 2002 und Observation der Eltern von Uwe Böhnhardt zwischen dem 26. und 28. Juni 2002
bbb) Hinweis auf Aufenthalt in Calgary/Kanada im Oktober/ November 2002
ccc) Hinweis auf Aufenthalt von Beate Zschäpe in München
III. Erkenntnisse und Maßnahmen des LfV Thüringen und getroffene Maßnahmen nach dem 26. Januar 1998
1. Aufgaben des LfV Thüringen
2. Organisation des LfV Thüringen in den 1990er Jahren
a) Informationswege im LfV Thüringen in den 1990er Jahren
b) Rechtliche Vorgaben für die „Auswertung“
c) Praxis der Auswertung in der Operation „Drilling“

3. Erteilung eines eigenständigen Suchauftrags an das LfV Thüringen
4. Einschätzung der Gefährlichkeit des Trios durch das LfV Thüringen zum Zeitpunkt des Untertauchens
5. Chronologie der Erkenntnisse des LfV Thüringen
6. Einzelne Maßnahmen des LfV Thüringen
a) Information des BfV und der LfV über das Untertauchen – Übersendung von Fotos des Trios
b) Kenntnis des LfV Thüringen von der in der Garage Nr. 5 aufgefundenen Adress- und Telefonliste
c) Quellenmeldung über das Abschleppen des unfallbeschädigten Fluchtwagens von der BAB A4
d) Observationen mit Amtshilfe des BfV
5. bis 10. Juli 1998:
16. bis 22. März 1999:
17. bis 21. März 1999:
e) Amtshilfe durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz Berlin
f) Geldübergabe an Kapke in Coburg am 5. August 1998
aa) Chronologie der Schäfer-Kommission
aaa) 29. Juli 1998
bbb) 12. August 1998

bb) Ergänzende Angaben des Zeugen Schrader hierzu
cc) Überprüfung eines Fluges nach Südafrika am 10. August 1998

g) Meldungen einer Gewährsperson aus dem Umfeld von Ralf Wohlleben
aa) Die Meldungen als solche
bb) Hinweise zur Identität der Hinweisgeberin

h) Hinweise des Brandenburger V-Mannes Piatto auf das Trio im Zeitraum August bis Oktober 1998
aa) Darstellung im Schäfer-Gutachten
bb) Die Meldungen des V-Mannes Piatto im Einzelnen
aaa) Deckblattmeldung vom 19. August 1998
bbb) Deckblattmeldung vom 9. September 1998:
ccc) Deckblattmeldung vom 16. September 1998
ddd) Deckblattmeldung vom 29. September 1998
eee) Deckblattmeldung vom 13. Oktober 1998

cc) Besprechung in Potsdam bezüglich des weiteren Umgangs mit der Information am 15. oder 16. September 1998
aaa) Anlass und Datum der Besprechung
bbb) Teilnahme von Vertretern des BfV an dem Gespräch
ccc) Inhalt der Besprechung

In dem Vermerk vom 17. September 1998 heißt es hierzu :
dd) Weitergabe der Meldung durch Vertreter des LfV Thüringen an das LKA Thüringen?
ee) Suchmaßnahmen im zeitlichen Zusammenhang mit den Meldungen des V-Mannes Piatto
aaa) Maßnahmen des LKA Thüringen
bbb) Maßnahmen der LfV Thüringen und Sachsen

ff) Weiterer Umgang des LfV Thüringen mit den Quellenmeldungen
gg) Kontakt zwischen dem Mobiltelefon von Jan Werner und einem Mobiltelefon des Landes Brandenburg
aaa) Zeitpunkt der Telefonverbindungen/Zeitpunkt und Inhalt der SMS
„IM US#10 STAND ETWAS ZU B.B!“
„H[?“
„JA!“
„O.K.,DANKE! CS“
„DANKE F“R DEN ANRUF AM MONTAG.“
„HALLO. WAS IST MIT DEN BUMS?“
bbb) Maßnahmen des LKA Thüringen im Hinblick auf die festgestellten Kontakte
ccc) V-Mann Carsten Szepanski des Landes Brandenburg als Kommunikationspartner von Jan Werner
ddd) Kurznachricht vom 25. August 1998 („Was ist mit den Bums“) als Hinweis auf Waffenbeschaffung?
i) Vorläufiger Abschlussvermerk des LfV Thüringen im Fall „Drillinge“ vom 15. Juni 1999
j) Erkenntnisse und Quellenmeldungen zu Geldnöten des Trios und deren Ende
aa) Geldnöte des Trios
bb) Keine Geldsorgen mehr

k) Meldung vom 1. Februar 2000 („Dem Trio geht es gut“)
l) Observation eines Angehörigen der „Kameradschaft Jena“ in Hannover durch das LfV-Niedersachsen in Amtshilfe für das LfV Thüringen
m) Hinweis auf Jürgen H.: Meldung des MAD vom 6. Dezember 1999, die „drei Bombenbastler“ bewegten sich auf der Stufe von Rechtsterroristen
n) Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme bei Wohlleben
o) Kontaktaufnahme des Trios zur Quelle 2045 – Observation von Telefonzellen in Chemnitz
7. Ende der Suchmaßnahmen des LfV Thüringen - Hintergründe
8. Rückkehrverhandlungen des LfV Thüringen mit den Familien des Trios
a) Kontaktaufnahme am 11. März 1998
b) Rückkehrverhandlungen zwischen Oktober 1998 und März 1999
aa) Aussteiger-Gespräche mit der Familie Böhnhardt im Oktober und November 1998
bb) Mitteilung an den Rechtsanwalt im Dezember 1998, dass die Überwachungsmaßnahmen ruhen
cc) Schreiben von Rechtsanwalt Eisenecker für Beate Zschäpe
dd) Gespräch zwischen den Eltern von Uwe Böhnhardt und StA Mohrmann am 29. Februar 1999
ee) Gespräch zwischen dem Vizepräsidenten des LfV Thüringen, Nocken, und der Staatsanwaltschaft Gera
ff) Ende der Rückkehrverhandlungen im März 1999
9. Zusammenarbeit des LfV Thüringen mit dem LKA Thüringen
a) Ansprechpartner für das LfV Thüringen im LKA Thüringen
b) Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
c) In den Akten des LKA Thüringen dokumentierte Informationserlangung durch das LfV Thüringen
d) In den Akten des LfV Thüringen dokumentierte Informationsweitergabe an das LKA Thüringen
e) Diskrepanz der Zeugenaussagen in Bezug auf den Umfang der Informationsweitergabe durch das LfV Thüringen an das LKA Thüringen
f) Sicherheitslage im Innenministerium Thüringen

10. Verdacht der Unterstützung des Trios durch das LfV Thüringen
a) Brief des Leitenden Oberstaatsanwalts in Gera an das LfV im Jahr 1999
b) Vermerk des Zielfahnders Wunderlich vom 14. Februar 2001
aa) Inhalt des Vermerks
bb) Grund für die Erstellung des Vermerks
cc) Hintergrund und Entstehung dieser Vermutung
dd) Aussagen zu Gespräch und Vermerk

c) Weiterverbreitung der im Vermerk niedergelegten Punkte durch den Leiter der Zielfahndungsabteilung
aa) Anfrage der Staatsanwaltschaft Gera beim LKA Thüringen vom 15. November 2001 und Antwort hierauf vom 29. November 2001
bb) Eingang der mitgeteilten Erkenntnisse in den Berichtsvorgang des Thüringischen Justizministeriums

d) Bericht der Staatsanwaltschaft Gera vom 23. Oktober 2002
e) Überprüfung der Vorwürfe in den Jahren 2001 und 2002 durch den damaligen Präsidenten des LfV Thüringen Sippel

11. Verdacht der logistischen Unterstützung des Trios durch die Polizei in Thüringen
a) Untersuchung der fehlgeschlagenen Garagendurchsuchung durch das LfV Thüringen
b) Konkreter Verdacht auf Geheimnisverrat und Kontakte von Thüringer Polizeibeamten zu Rechtsextremisten in den Jahren 1999 und 2000
aa) „Fitnessstudio“
bb) „Stan“
cc) Tod auf Kreta
dd) „Polizist 2“/„K.“
12. Ausübung der Fachaufsicht über das LfV Thüringen
13. Mögliche Abgabe des gesamten Falles durch das LfV Thüringen an das LfV Sachsen
IV. Maßnahmen des LfV Sachsen bei der Suche nach dem Trio
1. Maßnahmen in den Jahren 1998-1999
2. Maßnahmen „Terzett“ bis „Terzett 12“
3. Weitere Maßnahmen
4. Benachrichtigung nach dem G 10-Gesetz
5. Kontakte des LfV Sachsen zu Thomas Starke
6. Aktenfund im LfV Sachsen im Juni 2012
7. Bewertung der Maßnahmen des LfV Sachsen durch sächsische Stellen

V. Tätigkeiten des BfV im Rahmen der Suche nach dem Trio
1. Mitteilungen an das BfV
2. Tätigkeiten des BfV aufgrund der genannten Mitteilungen
a) Bericht in der ND-Lage am 17. Februar 1998
b) Befragung der V-Leute im Februar/März 1998
aa) V-Mann „Q1“
bb) V-Mann „Q2“
cc) V-Mann „Q3“
dd) Sonstige V-Leute
ee) Zusammenfassung der Erkenntnisse

c) Weitere Maßnahmen?
d) Bewertung der Maßnahmen des BfV durch die Referatsleiterin Dobersalzka
VI. Erkenntnisse des MAD zum untergetauchtenTrio
1. Überblick
2. Einzelne Hinweise auf das Trio
a) Lagen dem MAD Hinweise auf eine angeblich geplante Flucht des Trios nach Südafrika vor?
b) Hinweise des MAD auf mögliche Kontaktpersonen des Trios aus einer Erkenntnismitteilung des BfV vom Juli 1999
c) Hinweise aus einer Befragung von Jürgen H. vom August 1999
d) Hinweise auf den Vertrieb des Spiels „Pogromoly“ vom Dezember 1999
e) Hinweise des MAD zum angeblichen „Tod der Bombenbastler auf Kreta“ vom Dezember 1999
f) Hinweise aus einer Befragung des Nico E. durch den MAD im April 2000
g) Bericht des MAD zu einer geplanten Kampagne des „THS“ mit Bezügen zum Trio
h) Hinweis des Tibor R. an den MAD auf Kontaktpersonen zum Trio von Ende 2000
i) Bericht des MAD mit Hinweisen zu Plänen des „THS“ und einer möglichen Beteiligung Böhnhardts und Mundlos
j) Hinweise aus einer Befragung des A. K. vom Oktober 2002

3. Hat sich der MAD gezielt an der Suche nach dem Trio beteiligt?
4. Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden
5. Weitergabe von Hinweisen an Staatsanwaltschaften oder LKA?

VII. Erkenntnisse des BND zum untergetauchten Trio
1. Beteiligung des BND an der Suche nach dem Trio im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abtauchen
2. Informationsaustausch im Verlauf der Suche nach dem Trio
3. Hinweise auf eine Flucht des Trios nach Südafrika
4. Vorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Rechtsextremisten
a) Hinweis des italienischen Geheimdienstes aus 2003
b) Weitere relevante Vorfälle im Ausland

5. Mitglieder des Trios als V-Personen des BND?

VIII. Kenntnisse staatlicher Stellen in Baden-Württemberg zum Verbleib des Trios
1. Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg
a) Kontakte des NSU zu Personen der Garagenlisten aus Baden-Württemberg
aa) Michael E.
bb) Barbara E.
cc) Hans-Joachim S.

b) Weitere Aufenthalte des Trios in Baden-Württemberg nach ihrem Untertauchen
c) Kontakte des Umfeldes des Trios nach Baden-Württemberg
d) Kontakte des Trios zu weiteren Personen aus der rechten Szene in Baden-Württemberg
aa) Sylvia F.
bb) Hinweise auf weitere Kontaktpersonen
2. Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-Württemberg durch das LfV Baden-Württemberg
b) Mangelnder Zugang des LfV Baden-Württemberg zur rechten Szene im Raum Ludwigsburg
c) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zum „Thüringer Heimatschutz“ und zum Trio
d) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu den Personen der Garagenliste und zu weiteren Kontaktpersonen des Trios aus Ludwigsburg
e) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten zwischen Rechtsextremisten aus Baden-Württenberg, Thüringen und Sachsen
f) Kenntnisse des LfV Baden-Württemberg zu Kontakten des Trios nach Baden-Württemberg
g) Hinweisgeber Günter Stengel (Vorgang Erbse)
aa) Sachverhalt
bb) Bewertung des Sachverhaltes durch die Zeugen Dr. Rannacher, Schmalzl und Neumann
cc) Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses
dd) Einsichtnahme in Haftakten
3. Kenntnisse des Staatsschutzes Baden-Württemberg zum Trio, zu seinem Unterstützerumfeld und zu Bezügen des Trios nach Baden-Württemberg
a) Allgemeines zur Beobachtung der rechten Szene in Baden-Württemberg durch den Staatsschutz
b) Kenntnisse des LKA Baden-Württemberg zum Trio und zum Unterstützerumfeld
c) Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu „Blood & Honour“ gewonnene Erkenntnisse

4. Zusammenarbeit zwischen LKA Baden-Württemberg und LfV Baden-Württemberg

IX. Prüfung von § 129a StGB und der Zuständigkeit des GBA
1. Rechtliche Grundlagen
Unter einer Vereinigung i. S. v. § 129a StGB ist
2. Prüfung des § 129a StGB durch die StA Gera
3. Prüfung des § 129a StGB durch den GBA
a) Der ARP-Vorgang
b) Die interne Evaluation des GBA

4. Bewertung im Gutachten der Thüringer Kommission
X. Weitere Tätigkeit der StA Gera nach dem Untertauchen des Trios
1. Keine Hinzuverbindung des Verfahrens wegen Auffindens von Briefbombenattrappen
2. Mögliche verjährungsunterbrechende Maßnahmen
a) Haftbefehlsneufassung vom 23. Juni 1998
b) Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2000
c) Weitere Unterbrechungsmaßnahmen

3. Einstellung des Verfahrens gegen das Trio wegen Verjährung zum 23. Juni 2003
4. Behandlung des Verfahrens gegen die weiteren Beschuldigten

XI. Eintritt der Vollstreckungsverjährung bzgl. Uwe Böhnhardt aus der Verurteilung im Puppentorso-Verfahren im Jahr 2007 – Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls und Suchmaßnahmen
1. Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungsverjährung
2. Möglichkeit eines Haftbefehls während des Strafverfahrens gemäß § 112 StPO
3. Möglichkeit eines Vollstreckungshaftbefehls gemäß § 457 StPO
4. Fahndungsmaßnahmen auf Grundlage des Vollstreckungshaftbefehls nach dem 23. Juni 2003

XII. Erkenntnisse staatlicher Stellen in Sachsen von 2005 bis 2008
1. Polizeiliche Ermittlungen zu einem Wasserschaden in der Polenzstraße 2 in Zwickau am 7. Dezember 2006
2. Operation „Grubenlampe“ des LfV Sachsen
3. Staatsschutz-Erkenntnisse der PD Zwickau

XIII. Erkenntnisse des BKA aus der Sicherstellung von Tonbändern im Jahr 2007
F. Česká–Mordserie
I. Überblick
1. Mord an Enver Şimşek am 9. September 2000
2. Mord an Abdurrahim Özüdoğru am 19. Januar 2001
3. Mord an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001
4. Mord an Habil Kılıç am 29. August 2001
5. Mord an Mehmet Turgut 25. Februar 2004
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler
b) Problem der Identität des Opfers

6. Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005
7. Mord an Theodoros Boulgarides 15. Juni 2005
8. Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler
b) Schweigemarsch in Dortmund

9. Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006
a) Die Tat und das Opfer aus der damaligen Sicht der Ermittler
b) Schweigemarsch in Kassel
II. Ermittlungen bis zum 4. Mord
1. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Enver Şimşek
a) Die Ermittlungen
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes (Hinweis des bayerischen Innenministers Dr. Beckstein)

2. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru
3. Ermittlungen in Hamburg nach dem Mord an Süleyman Taşköprü
a) Ermittlungsansätze
b) An den Ermittlungen beteiligte Einheiten
c) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes

4. Ermittlungen in München nach dem Mord an Habil Kılıç
5. Ermittlungstätigkeiten des BKA und ihre rechtlichen Grundlagen
a) Zentralstelle gemäß § 2 BKAG
b) § 4 BKAG Strafverfolgung
aa) Eigene Ermittlungszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 1 BKAG
bb) Auftragszuständigkeit gemäß § 4 Abs. 2 BKAG

c) Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG

6. Beteiligung des BKA an den Ermittlungen vor Gründung der EG „Česká“

III. Ermittlungen ab dem vierten Mord
1. Einrichtung der Soko „Halbmond“ im Jahr 2001
2. Ermittlungen in Rostock nach dem Mord an Mehmet Turgut
3. Ermittlungen aufgrund des Ermittlungsansatzes Spezialmunition
4. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch das BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2004
a) Entscheidungsprozess und zentrale Besprechungen nach Aktenlage
aa) Arbeitsbesprechung in Rostock am 16. März 2004
bb) Telefonat eines Mitarbeiters des LKA Mecklenburg-Vorpommern mit einem Mitarbeiter des BKA am 31. März 2004
cc) Telefonkonferenz zwischen PP Mittelfranken und Bayerischem Staatsministerium des Innern am 14. April 2004
dd) Besprechung beim BKA in Wiesbaden am 20. April 2004 und Reaktionen der Länder hierauf
ee) Besprechung bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 29. April 2004 und Schreiben des PP Mittelfranken an das Bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellung eines Übernahmeersuchens
ff) Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das BKA um Übernahme ergänzender struktureller Ermittlungen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKAG vom 15. Juni 2004

b) Aussagen der Zeugen

5. Beauftragung mit Strukturermittlungen unter dem Gesichtspunkt des § 129 StGB durch die EG „Česká“ beim BKA am 23.06.2004
a) Ermittlungsschwerpunkt „Organisierte Kriminalität“
b) Prüfung eines rechtsextremistischen Hintergrundes der Taten

6. Ermittlungen in Nürnberg nach dem Mord an İsmail Yaşar
7. Ermittlungen in München nach dem Mord an Theodoros Boulgarides

IV. Ermittlungen nach dem sechsten und siebten Mord
1. Einrichtung der BAO „Bosporus“ und Ermittlungen bis 2006
a) Aufbau der BAO „Bosporus“
Stand Mai 2006 MAT A BY-2/3d, Bl. 15
Stand 1. Juni 2006 MAT A BY-2/3e, Bl. 88
Stand 1. Juli 2007 MAT A BY-2/3e, Bl. 89
b) Beginn der Arbeit der BAO „Bosporus“
c) Prüfung der Zusammenhänge mit dem Kölner Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2004
d) Prüfung einer rechtsextremen Tatmotivation vor 2006
e) Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzämtern vor der 2. OFA 2006
f) München
2. Mitarbeit des BKA in der BAO „Bosporus“ ab Juli 2005
a) Einbindung von Verbindungsbeamten
b) Öffentlichkeitsarbeit

3. EDV-technische Vernetzung der beteiligten Dienststellen
4. Die 1. Operative Fallanalyse Bayern vom 22. August 2005 und die Haltung des BKA dazu
a) 1. Operative Fallanalyse vom 22. August 2005
b) Weitere Überlegungen

5. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Dönerstände
a) in Nürnberg
b) in München

V. Ermittlungen nach den letzten beiden Morden der Česká-Serie
1. Ermittlungen in Dortmund nach dem Mord an Mehmet Kubaşık (BAO „Kiosk“)
a) Die Ermittlungen
b) Hinweise nach dem 4. November 2011 auf das Trio

2. Ermittlungen in Kassel nach dem Mord an Halit Yozgat (MK „Café“)
3. Diskussion um die Übernahme der zentralen Ermittlungsführung durch das BKA im Jahr 2006
a) Zentrale Besprechungen und Vorlagen im Vorfeld der 180. IMK am 4./5. Mai 2006
aa) Besprechung bei der BAO „Bosporus“ am 11. April 2006
bb) ND-Lage am 12. April 2006
cc) Strategiebesprechung vom 19. April 2006
dd) Gespräch des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit den Chefs der Landeskriminalämter Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vom 20. April 2006
ee) Telefonat des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit dem Landespolizeipräsidenten Bayerns am 21. April 2006
ff) Gespräche des Vizepräsidenten und des Präsidenten des Bundeskriminalamtes mit Vertretern des BMI am 20. und 21. April 2006
gg) Vermerk des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 26. April 2006
hh) Haltung der BAO „Bosporus“ im April 2006
ii) Schreiben des Bundeskriminalamtes an das BMI mit der Anregung der Übernahme zentraler Ermittlungen vom 2. Mai 2006
jj) Ministervorlage des BMI vom 3. Mai 2006 – Erhöhung der Belohnung
kk) Einladung des Landespolizeipräsidenten Bayerns vom 2. Mai 2006 zu einer Erörterung am Rande der 180. IMK am 4./5. Mai 2006

b) Aussagen der Zeugen zur Meinungsbildung im Vorfeld der 180. IMK
aa) Argumente des BKA für eine Übernahme der zentralen Ermittlungen nach Aussagen der Zeugen
bb) Argumente der Länder gegen eine zentrale Ermittlungsführung durch das BKA im Jahr 2006 nach Aussagen der Zeugen
cc) Haltung Bayerns zur weiteren Ermittlungsführung in der Česká-Mordserie im Vorfeld der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen
dd) Haltung des Bundesministeriums des Innern zu einer zentralen Ermittlungsführung durch das BKA im Vorfeld der 180. IMK nach Aussagen der Zeugen

c) Die 180. IMK vom 4./5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen
aa) Vereinbarungen auf der IMK
bb) Einrichtung einer Steuerungsgruppe
aaa) Entscheidungsfindung im Rahmen der 180. IMK
(1) Kamingespräch
(2) Besprechung am Rande der IMK

bbb) Bewertung der Entscheidung für eine Steuerungsgruppe durch die Zeugen im Jahr 2006
d) Gespräche im Nachgang zur IMK

4. Überlegungen zu einer Koordinierung bei der Strafverfolgung gemäß § 18 BKAG
5. Konstituierung und Arbeit der Steuerungsgruppe
a) Konstituierung der Steuerungsgruppe am 17./18. Mai 2006
b) Struktur, Aufgaben, Sitzungsrhythmus
c) Tätigkeit der Steuerungsgruppe

6. Errichtung einer Informationssammelstelle in Nürnberg
7. Erhöhung der Auslobungssumme und Beteiligung des BKA
8. Die zweite Operative Fallanalyse Bayern vom 9. Mai 2006, die Haltung des BKA dazu und Schlussfolgerungen daraus
a) Aussagen der zweiten Operativen Fallanalyse
b) Bewertung der zweiten Operativen Fallanalyse durch die Steuerungsgruppe
c) Haltung des BKA zur zweiten Operativen Fallanalyse
aa) Synopse des BKA vom 17. August 2006
bb) Weitere Einschätzung des BKA
cc) Tätigkeiten des BKA mit Blick auf die Einzeltätertheorie

d) OFA-Methodenstreit
e) Die Ermittlungskonzeption aufgrund der 2. Operativen Fallanalyse

„3. Ermittlungskonzept ‚Einzeltäter‘
9. Die Medienstrategie

3. Unterstützung des BKA bei der Erstellung eines einheitlichen bundesweiten Fahndungsplakates in Bezug auf das Layout.
a) Möglicher rechtsextremer Hintergrund der Mordserie nicht Gegenstand der Medienstrategie
b) Bewertung der Medienstrategie durch die Steuerungsgruppe
10. Kritik im Ausschuss an der 2. Operativen Fallanalyse und der Medienstrategie
11. Einflussnahme des damaligen Bayerischen Innenministers Dr. Beckstein?
12. Weitere Operative Fallanalysen
a) Die Operative Fallanalyse Hamburg
b) Die Operative Fallanalyse Baden-Württemberg und daran anschließende Diskussionen
„Ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit
„a) Opferbild
c) Die FBI-Kurzanalyse
d) Vergleichende Operative Fallanalyse Mordserie – Nagelbombenanschlag
13. Ermittlungen nach der 2. OFA – Ermittlungsabschnitt Einzeltäter und Spur 195
a) Gewichtung der Ermittlungsschwerpunkte
b) Spur 195
aa) Beginn

c) Gefährderansprachen
d) Zusammenarbeit mit dem LfV Bayern
aa) Informationsgewinnung der BAO „Bosporus“ beim LfV Bayern von Juli 2006 bis Februar 2007
bb) Die Ermittlungen anhand der vom LfV Bayern übersandten Liste

e) Sonstige Ermittlungen des Unterabschnittes „Serientäter“
f) Abschluss der Spur 195

14. Rasterungen

5.5.1. Hoteldaten Kassel mit Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 445)
5.5.2 Hoteldaten Dortmund Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 453)
5.5.3. Hoteldaten Hamburg Bezug zum Ballungsraum Nürnberg (Spur 603)
15. Weitere Ermittlungsmaßnahmen und Zusammenarbeit mit türkischen Behörden
a) Öffentlichkeitsarbeit
b) Möglicher Zusammenhang der Mordserie mit der Tat in Heilbronn
c) Sonstige Überlegungen zu Ermittlungsansätzen
d) Zusammenarbeit mit türkischen Behörden
aa) Hinweise auf eine Täterschaft der „Türkischen Hizbullah“
bb) Sonstige Kontakte zu türkischen Behörden
16. Ermittlungen in Hamburg (EG „061“) und Zusammenarbeit mit BAO „Bosporus“
a) Ermittlungsstand und Ermittlungsansätze
b) Zusammenarbeit mit LfV Hamburg
c) Einsatz eines Metaphysikers

17. Ermittlungen in Rostock (Soko „Kormoran“) und Zusammenarbeit mit BAO „Bosporus“
18. Überlegungen zu einer Übernahme zentraler Ermittlungen durch das BKA gemäß § 4 BKAG im Jahr 2007
19. Auflösung der EG „Česká“ und Rückzug des BKA aus der Steuerungsgruppe im Mai 2010
20. Überlegungen im Hinblick auf die Ermittlungen in einem möglichen 10. Mordfall
VI. Rückblickende Bewertung der Ermittlungen durch die Beteiligten
1. Organisation der Ermittlungen – Koordinierung der polizeilichen Zusammenarbeit durch eine Steuerungsgruppe
a) Bewertung im Erfahrungsbericht des Leiters der BAO „Bosporus“
b) Bewertung durch andere Mitglieder der Steuerungsgruppe aus den Tatortländern
c) Bewertung durch das BKA
d) Bewertung durch das BMI

2. Gründe für die Nichtaufklärung der Mord-serie
3. Einschätzung eines Handlungsbedarfs beim BKA-Gesetz

VII. Sonderfragen zu den Ermittlungen
1. Waffenspur
a) Feststellung von Tatwaffe und Munition
b) Ermittlungen durch das BKA ab Juni 2004
c) Die Spur Česká mit verlängertem Lauf (Gutachten des BKA vom 22. Mai 2006)
aa) Ergebnis des BKA-Gutachtens
bb) Rechtshilfeersuchen und sonstige Ermittlungen bei der Firma Česká Zbrojovka in Brünn
aaa) Ermittlungen zur Česká mit verlängertem Lauf
bbb) Beschwerdebrief des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an das tschechische Innenministerium

cc) Ermittlungen in die Schweiz ab 2006
aaa) Hinweis von Lothar M. im Jahr 2006

Im Jahr 2007 hat er das belegt […]“
bbb) Ermittlungen in der Schweiz
ccc) BKA-Gutachten vom 11. September 2008
ddd) Spur Anton G.
eee) Dauer der Rechtshilfeersuchen in die Schweiz
d) Zusammenarbeit mit dem BND
2. Durch die Ermittlungen ausgeräumter Verdacht gegen einen Mitarbeiter des LfV Hessen
a) Verdacht der Verstrickung eines Behördenmitarbeiters
aa) Ermittlungen gegen Andreas Temme
bb) Kontakte des Andreas Temme zu seinen V-Personen am Tattag
cc) Bemühungen der Ermittlungsbehörden zur Vernehmung der V-Personen von Andreas Temme
aaa) Rechtliche Grundlagen
(3) Der Empfänger darf die ihm übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt wurden.“
bbb) Nichterteilung einer Aussagegenehmigung für die Vernehmung der von Andreas Temme geführten V-Personen
ccc) Gründe für die Verweigerung der Aussagegenehmigung
dd) Befragung der Vertrauenspersonen durch das LfV Hessen
ee) Sonstige Ermittlungen zu den Vertrauenspersonen
b) Vernehmung des Andreas Temme im Ausschuss
3. Zentrale staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit?
a) Sammelverfahren
Sammelverfahren
b) Zuständigkeit Generalbundesanwaltschaft
aa) Prüfung der Voraussetzungen durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth
bb) Prüfung der Voraussetzungen durch den GBA
cc) Erkenntnisse des Ausschusses
aaa) Fehlinterpretation des Tatmotivs
bbb) Ausreichende Tatsachengrundlage für die Prüfung?

dd) Weitere Prüfung der Übernahme des Verfahrens durch den GBA nach neuem Hinweis

G. Mord an Michèle Kiesewetter und Mordversuch an Martin A.
I. Überblick über Tatgeschehen und Ermittlungen
II. Operative Fallanalysen
III. Handelte es sich um Zufallsopfer?
IV. Suche nach einer unbekannten weiblichen Person (uwP)
V. Tatverdacht gegen Angehörige der Minderheiten Sinti und Roma
VI. Zusammenarbeit mit anderen Behörden
VII. Im Ausschuss beleuchtete mögliche Ermittlungspannen
1. Späte Auswertung von blutigen Taschentüchern
2. Zeugenaussagen von besonderem Interesse
a) Zeugen, die Personen mit Blutflecken an der Kleidung gesehen haben
b) Zeugin, die Schüsse hörte
c) Umgang mit diesen Zeugen

3. Ringfahndung
a) Ablauf Ringalarmfahndung
b) Auswertung der Kontrolllisten
c) Wohnmobil-Mietvertrag

4. Auswertung des E-Mail-Kontos
5. Gutachten zum Schussverlauf
6. Verspätete Auswertung von Videoaufzeichnungen

VIII. Hinweis des Onkels von Michèle Kiesewetter
IX. Angebliche Hinweise der Auskunftsperson und späteren Informantin Krokus an das LfV Baden-Württemberg im Jahre 2007
1. Behauptungen des Herrn Gronbach
2. Umgang mit Quelleneigenschaft von Krokus durch LKA Baden-Württemberg und LfV Baden-Württemberg
3. Tätigkeit der Auskunftsperson/Informantin Krokus für das LfV Baden-Württemberg
4. Hintergrundinformationen zu den von Krokus beobachteten Personen aus rechtsextremistischen Kreisen
5. Ermittlung der Krankenschwester und Bewertung ihrer Aussage
6. Bewertung des Sachverhaltes durch das LKA und das LfV Baden-Württemberg
7. Glaubwürdigkeit des Herrn Gronbach

X. Mitgliedschaft des Gruppenführers von Michèle Kiesewetter im „KKK“
XI. Spekulationen zum Tathergang und hierauf veranlasste Ermittlungen
1. Anfrage des stern vom 28. November 2011 und Antworten
2. Behauptungen des stern-Artikels „Mord unter den Augen des Gesetzes“
3. Erste Reaktionen auf die stern-Veröffentlichung
4. Bericht des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 25. Mai 2012
5. Aussagen der Zeugen Mögelin und Schmalzl
6. Maßnahmen des BKA zur Überprüfung des Sachverhalts
7. Ermittlungen zu einem US-amerikanischen Militärfahrzeug
8. Prüfvorgang des Generalbundesanwaltes – „Angeblicher Aufenthalt des M. K.“ zur Tatzeit in Deutschland
9. Welche Rolle spielte der MAD bei der Aufklärung?
H. Sprengstoffanschläge
I. Sprengfallenanschlag in der Probsteigasse in Köln
1. Tatgeschehen und Ermittlungen der EG „Probst“
a) Überblick über das Tatgeschehen
b) Ablauf der Ermittlungen

2. Ermittlungen im Umfeld der Familie
3. Ermittlungen hinsichtlich eines politischen Hintergrundes
a) Rolle des Staatsschutzes
b) Sprengstoff und Rechtsextremismus
c) Rechtsextremistischer Hintergrund im Fall des Sprengfallenanschlags

4. Zusammenarbeit mit anderen Behörden
a) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler
b) Einbindung des Bundesamts für Verfassungsschutz

5. Abfrage Tatmittelmeldedienst
a) Definition und Zweck
b) Meldung und Datenerfassung im Tatmittelmeldedienst
c) Regelungen für die Speicherungen, Erfassungsfristen und Löschvorgaben
d) Regelungen für Zugriffsberechtigungen und Abfragemodalitäten
e) BKA – Ermittlungen im Fall des Sprengfallenanschlags

6. Damalige Kenntnisse der Ermittler über das Trio
a) Fahndungsplakate nach dem Untertauchen
b) Austauschtreffen der Sprengstoffermittler
c) Eintragungen im Tatmittelmeldedienst

7. Einstellung und Asservatenvernichtung

II. Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln
1. Tatgeschehen und erste Reaktionen
a) Sachstandsbericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom 4. Januar 2012
b) Warum entfiel in den Lagemeldungen des LKA der zunächst enthaltene Hinweis auf einen möglichen terroristischen Anschlag?
aa) Meldungen des LKA: terroristischer Anschlag?
bb) Geschehen im Lagezentrum der Polizei Nordrhein-Westfalen
cc) Aussagen der Zeugen Weber, Wolf, Dr. Behrens

c) Kontaktaufnahme des BfV mit einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen
aa) Lagedokumentation
bb) Aussagen der Zeugen Weber, Hofmann und Dr. Möller
cc) Erkenntnisse des BfV zum Sachverhalt

d) Ausschluss eines rechtsextremistischen Hintergrundes kurz nach der Tat
aa) Öffentliche Äußerungen des damaligen Bundesinnenministers Schily
aaa) Öffentliche Äußerungen und Medienberichterstattung
bbb) Aussagen der Zeugen Schily und Dr. Behrens
ccc) Mögliche Wirkung von Äußerungen eines Ministers

bb) Pressekonferenz zum Einsatz der Polizei am 10. Juni 2004
cc) Pressestatement des BfV am 10. Juni 2004
2. Ermittlungen der Kölner Polizei und des LKA Nordrhein-Westfalen
a) Überblick über den Verlauf der Ermittlungen
b) Vorhandensein von Tätervideos
c) Einbeziehung BKA
aa) Ablehnung des Hilfsangebots der Phänomenbereiche Staatsschutz und Allgemeine und Organisierte Kriminalität am Tattag
bb) Einbeziehung des BKA in anschließende Ermittlungen
aaa) Sprechzettel des BKA für ND-Lagen
3. Beantwortung des Erlasses des BMI vom 10.06.04 durch ST
4. OA (12) hat die Koordination des Vorganges von ST (21) übernommen; ST und ZD bleiben weiterhin eingebunden
5. Informationsgewinnung durch zwei Beamte (OA/ST) am 11.06.04 beim PP Köln mit Unterbreitung des Unterstützungsangebotes OA (12) im Rahmen § 2 III BKAG
6. Kontakt mit dem BfV besteht
7. Sollte auswertbares und qualitativ zu verbesserndes Bildmaterial aus einer in der Straße befindlichen Überwachungskamera gesichert werden können, ist beabsichtigt KI (22) einzubinden“
bbb) Aussagen der Zeugen Maurer und Schily
ccc) Aussagen der Zeugen Weber und Dr. Behrens
d) Tatmittelmeldedienst
e) Ankerpunkt Köln
f) Operative Fallanalysen
aa) Operative Fallanalyse des LKA Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2004
bb) Operative Fallanalyse des BKA vom 21. bis 25. Februar 2005
aaa) Schlussfolgerungen aus der Fallanalyse des BKA
g) Öffentliche Äußerungen der Ermittler zur Tat
aa) Pressetermin am 30. Juli 2004
bb) Öffentliche Äußerungen von OStA Wolf
cc) Öffentliche Äußerungen von KHK Weber

h) Schwerpunkt der Ermittlungen hinsichtlich möglicher Motive der Tat
aa) Aussage des Zeugen Weber
bb) Aussage des Zeugen Wolf
cc) Aussage des Zeugen Spliethoff

i) Hinweise auf einen rechtsextremistischen/ausländerfeindlichen Hintergrund
aa) Aussagen von Tatortzeugen
bb) Flugblatt in Kölner Straßenbahn

j) Konkrete Tatverdächtige mit rechtsextremistischem Hintergrund
k) Umgang mit Opfern
l) Zivilpolizisten am Tatort
m) Einsatz Verdeckter Ermittler
aa) Ziel des Einsatzes
bb) Hinweise während der verdeckten Ermittlungen auf einen rechtsextremistischen Hintergrund des Anschlags

n) Befragung einer Hellseherin
o) Gegenüberstellung: Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse und in der Keupstraße
3. Einbindung des nordrhein-westfälischen Innenministers Dr. Behrens
a) Der Anruf von Minister Dr. Behrens im Lagezentrum

4. Einschätzung der Gefahr des Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus in Nordrhein-Westfalen zur Tatzeit
5. Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen
a) Maßnahmen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen zur Erkenntnisgewinnung und Zusammenarbeit der Kölner Polizei mit dem Verfassungsschutz
b) Kenntnisse des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen vom BfV Spezial Nr. 21
c) Quellenmeldungen des Verfassungsschutzes
d) Kritik am Verfassungsschutz aus den Ermittlungsbehörden

6. Aktivitäten des BfV
a) Erste Reaktionen des BfV zur Unterstützung der Ermittlungen
b) Analyse der Tätervideos
c) Dossier des BfV zum Sprengstoffanschlag vom 9. Juni 2004: „Combat 18“
d) Sprechzettel des BfV für ND-Lage am 5. Oktober 2004

7. In welcher Weise war das BMI in die Ermittlungen eingebunden?
a) Erkenntnisse des BMI zum Nagelbombenanschlag
aa) Erstinformation des BMI durch das LKA Nordrhein-Westfalen und darauf erfolgte Reaktionen
bb) Lageübersicht des BMI vom 10. Juni 2004
cc) Unterrichtung des BMI durch BKA
dd) Ministervorlage vom 11. Juni 2004
ee) Vorbereitung Ministervorlage vom 16. Juni 2004

b) Kontakte zwischen Bundesinnenminister a. D. Schily und dem nordrhein-westfälischen Innenminister a. D. Dr. Behrens
c) Weitere Befassung von Bundesinnenminister Schily mit dem Vorgang
d) Erkundigungen des MAD – Aussage des Zeugen Huth

8. Prüfung einer Verfahrensübernahme durch den GBA
9. Einstellung des Verfahrens
I. Überfälle
I. Überblick
II. Ermittlungsführung
III. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen bei den Raubstraftaten
1. Modus Operandi
2. Fluchtmittel
3. Waffen
4. Besonderheiten bei der Tatbegehung

IV. Erkennen als Tatserie
V. Vermutete Tatmotive
VI. Ermittlungsmaßnahmen
1. Allgemeine Ermittlungsmaßnahmen
2. Auswertung der Bilder von Überwachungskameras
a) Aussehen der Täter
b) Verdacht auf Bundeswehrangehörige als Täter
c) Linkshänder
d) Fahrräder als Fluchtmittel

3. Hinweise aus Zeugenbefragungen
a) Phantombild
b) Anzahl der Täter
c) Angeblicher sächsischer Dialekt der Täter

4. Ringalarmfahndungen
5. Funkzellenabfragen im Tatortbereich
6. Öffentlichkeitsfahndung
7. Auslobung einer Belohnung
8. Veröffentlichung der Serie im LKA-Blatt Sachsen sowie im BKA-Blatt

VII. Operative Fallanalysen
1. Landeskriminalamt Sachsen
2. Landeskriminalamt Thüringen

VIII. Unerkannte Bezüge der Überfallserie zum Trio
1. Keine Berücksichtigung von Beschaffungskriminalität Untergetauchter als mögliches Tatmotiv
2. Linkshänder
3. Flucht auf Fahrrädern
J. Umgang mit Opfern extremistischer Straftaten und deren Angehörigen
I. Die Situation der Opfer und die Folgen rechtsextremistischer Straftaten
1. Rede der Preisträgerin des Genç-Preises 2013, Tülin Özüdoğru
2. Besondere Belastungen der Opfer des NSU und ihrer Angehörigen
a) Notwendigkeit fachgerechter Ermittlungen im Opferumfeld
b) Behandlung der Betroffenen im Ermittlungsverfahren
aa) Die Angehörigen der Mordopfer im Fokus der Ermittlungen
bb) Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und Einsatz Verdeckter Ermittler gegen Angehörige der Mordopfer
cc) Problematische Zeugenvernehmungen
dd) Verdacht gegen das Umfeld der Mordopfer
ee) Reaktionen auf Verdacht der Angehörigen, die Morde seien rassistisch motiviert gewesen
ff) Familien der Opfer der Mordserie und der Sprengstoffanschläge in der Wahrnehmung der Ermittler

c) Erfahrungen der Opfer über die Ermittlungen hinaus

3. Mögliche Schäden der Opfer rassistischer und rechtsextremistischer Taten und deren Angehörigen, insbesondere der Betroffenen der Taten des NSU
4. Umgang mit Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Straftaten im Allgemeinen

II. Möglichkeiten des Ausgleichs der entstandenen Nachteile
1. Opferentschädigungsgesetz
2. Opferfonds für rechtsextremistische Straftaten
3. Weitere Möglichkeiten finanzieller Unterstützung
a) Stiftungen der Länder
b) Spenden für Nebenkläger
III. Beratungs- und Anlaufstellen für die Opfer
1. „Weißer Ring“
2. „ezra“
3. Beratungsangebot in Köln

IV. Schaffung von Orten des Gedenkens für die Opfer, insbesondere für die Opfer des NSU

K. Verdachtsmomente der Verschleierung von Sachverhalten
I. Vernichtung von Akten im BfV nach dem 4. November 2011
1. Öffentliches Bekanntwerden und Unterrichtung des Untersuchungsausschusses
2. Kein Aktenvernichtungsstopp im BfV unmittelbar nach dem 4. November 2011
3. Grundlagen der Arbeitsweise und der Datei- und Aktenführung im BfV
a) Arbeitsweise des BfV
b) Rechtsgrundlagen und Praxis der Datei- und Aktenführung zur Auswertung und Beschaffung
aa) Führung von Dateien
bb) Führung von Akten
cc) G 10-Verfahren und Führung von G 10-Akten
aaa) G 10-Verfahren
bbb) Führung von G 10-Akten
c) Datenlöschung und Aktenvernichtung
aa) Regelung zur Löschung von Daten
bb) Regelungen zur Vernichtung von Akten
aaa) Rechtsauffassung des BfV zur Löschung von Beschaffungsakten
bbb) Rechtsauffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
ccc) Vereinbarung mit dem BfDI

cc) Vernichtung von G 10-Akten

d) Praxis der Aktenvernichtung im Beschaffungsbereich
aa) Richtwert für die Aufbewahrung
bb) Entscheidung über die Aktenvernichtung und Anordnung
cc) Beteiligte Stellen, Vier-Augen-Prinzip und Vernichtungsprotokoll

e) Datenschutzbeauftragter im BfV

4. Die Anordnung aus dem Jahre 2010 und die Aktenvernichtung im Januar 2011
5. Aktenvernichtung am 11. November 2011 und „einige Tage danach“

Es habe sich hierbei gehandelt um
a) Angaben des Referatsleiters Lingen
b) Ablauf der Aktenvernichtungen am 11. November 2011 und „einige Tage danach“

Die Kollegen seien aber ausgebildet, solche Akten zu lesen.
c) Berichterstattung an die Amtsleitung/Kenntnis der Amtsleitung von der Vernichtung
aa) Aussagen der Zeugen
bb) Aktenlage

d) Zusammengefasstes Prüfergebnis des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke
e) Rekonstruktion der Akten

Zur Rekonstruktion im Einzelnen:
1. Durchsicht von Fundstellen innerhalb der Abteilung 2
2. Weitere Durchsicht von Fundstellen außerhalb der Abteilung 2
f) Auswahl der Akten durch den Referatsleiter
aa) Kenntnisse des Referatsleiters aus früherer dienstlicher Befassung
bb) Recherche in der Forschungs- und Werbungsdatei
cc) Nachvollziehung der Suche mit den angegebenen Suchbegriffen über die Forschungs- und Werbungsdatei
dd) Informationsspeicherung in der Forschungs- und Werbungsdatei im Falle eines Zugriffs
ee) Recherche in NADIS?

g) Überprüfung möglicher Vernichtungsmotive
aa) Angst vor der Offenbarung nicht eingehaltener Löschungsfristen?
bb) Vernichtung von Akteninhalten mit NSU-Bezug?
aaa) Mitglieder des Trios als V-Leute oder Forschungs- und Werbungsfälle?
bbb) Kenntnisse des BfV von der Existenz des NSU?

cc) Vernichtung von Akteninhalten, die nichts mit dem NSU zu tun haben, aber gleichzeitig vertuscht werden sollten?
dd) Vernichtung der Existenz der Akten als solche?
ee) Fazit des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke, zum Motiv des Referatsleiters

h) Zusammenwirken des Referatsleiters mit weiteren Beteiligten
aa) Überprüfung der Telefonate des Referatsleiters
bb) Überprüfung des internen E-Mail-Verkehrs des Referatsleiters

6. Unmittelbare Maßnahmen im BfV in Reaktion auf das Bekanntwerden der Aktenvernichtung
a) Information des Bundesministeriums des Innern
b) Rücktritt des Präsidenten Fromm
c) Umsetzung des Referatsleiters Lingen und Disziplinarverfahren gegen diesen
d) Weitere Umsetzungen und Disziplinarverfahren

7. Ermittlungsverfahren
8. Weitere Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011
a) Bekanntwerden weiterer Aktenvernichtungen im BfV
b) Umfang der Aktenvernichtung zwischen dem 4. November 2011 und dem 4. Juli 2012
c) Verlauf der Untersuchung
d) Öffentliche Berichterstattung
e) Ergebnis der Prüfung durch MinDirig Engelke
f) Vernichtung von 26 Anlagenordnern aus dem G 10-Bereich
Ihm scheine durch das Verfahren und die Abläufe plausibel:
aa) Rechtsgrundlage
bb) Querbezüge zum NSU
cc) Im Ausschuss problematisierte Einzelfälle
aaa) AO 774
bbb) AO 775

dd) Zeitabstand zwischen Anordnung und Vernichtung
ee) Vernichtung von Ordnern aus verschiedenen Maßnahmen zum gleichen Zeitpunkt
ff) Möglichkeit der Rekonstruktion von G 10-Anlagenordnern?
g) Vernichtung von Personenakten aus dem Bereich der „Auswertung“
aa) Rechtsgrundlage
bb) Umfang und Rekonstruktion
Die entsprechenden Personen seien nicht mehr aktiv gewesen.
h) Vernichtung von Beschaffungsakten aus dem Bereich Forschung und Werbung

Dabei habe es sich im Einzelnen gehandelt um
Es gebe keine Querverbindungen zum NSU.
i) Vergleich der Aktenvernichtung im Bereich Rechtsextremismus zu Vernichtungen in anderen Phänomenbereichen
9. Empfehlungen des Sonderbeauftragten des BMI, MinDirig Engelke
II. Erkenntnisse über das Aktenmanagement, die Aufbewahrung und die Löschung von Akten beim MAD
1. Aktenführung im MAD
2. Aktenvernichtung im MAD nach dem 4. November 2011
3. Vernichtung der MAD-Akte Mundlos im MAD

III. Aktenvernichtung bei Berliner Behörden
1. Bekanntwerden der Aktenvernichtung
2. Untersuchungen durch OStA Feuerberg hierzu
a) Einsetzung des Sonderermittlers Feuerberg durch den Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin
b) Akten der Gruppe „Landser“
c) Akten aus dem Bereich „Blood & Honour“

3. Rekonstruktion der vernichteten Akten und Information des Untersuchungsausschusses hierüber

IV. Löschung von Handy-Daten durch die Bundespolizei auf Anweisung des BKA
L. Legislative, administrative und organisatorische Maßnahmen nach dem 4. November 2011
I. Maßnahmen des Bundes und der IMK
1. Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutz und zur Kooperation von Bund und Ländern
a) Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR)
b) Rechtsextremismusdatei (RED)
c) Polizeilicher Informations- und Analyseverbund
d) Polizeiliche Personenanfragen über den Gesamtbestand NADIS-neu
e) Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz“

2. Maßnahmen zur besseren Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder
a) Gemeinsame Datei Großschadenslagen (GED) Zwischenlösung
b) Überprüfung der statistischen Erfassungsgrundlagen PMK-rechts
c) Evaluierung des Definitionssystems PMK
d) Bessere Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität - rechts
e) Optimierungsmöglichkeiten der kriminalpolizeilichen Meldedienste im Zusammenhang mit der Erfassung von Spreng- und Brandvorrichtungen (SBV)
f) Waffenregister

3. Verfassungsschutzreform
a) Maßnahmen der Binnenreform im BfV
aa) Bereits umgesetzte Maßnahmen des BfV
bb) Im Rahmen der Binnenreform des BfV angestrebte Maßnahmen
cc) Weitere Maßnahmen im BMI-internen Planungsstadium

b) Arbeitsgruppe der IMK zum Thema „Personal, Aus- und Fortbildung, Akademie für Verfassungsschutz“
c) Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit/Partner in der Mitte der Gesellschaft
d) Internetnutzung durch die Verfassungsschutzbehörden
e) Gremienstruktur
f) Koordinierungsrichtlinie
g) Standardisierung des VP-Einsatzes
h) Vorschläge der IMK zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes vom 23./24. Mai 2013

4. Weitere Maßnahmen
a) Anlaufstellen für Opfer
b) Maßnahmen beim GBA
c) Maßnahmen im Bundeshaushalt
d) Präventionsmaßnahmen
e) Maßnahmen im MAD
f) Maßnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
g) Unterwanderung von Rockergruppierungen durch rechtsextreme Kreise
II. Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus vom 30. April 2013
1. Verfassungsschutz
2. Trennungsgebot
3. Verbesserung der Zusammenarbeit
a) BfV
b) Polizeibehörden
c) Zentrale/dezentrale Ermittlungsführung
d) Übermittlungsvorschriften auf Landes- und Bundesebene
e) Polizeibehörden und Verfassungsschutz
f) Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz
g) Geheimschutz/Verwertbarkeit eingestufter Informationen

4. Verdeckte Informationsgewinnung
5. Generalbundesanwalt
6. Dienst- und Fachaufsicht
7. Aus- und Fortbildung

III. Empfehlungen der Sachverständigen
1. Zur bestehenden Sicherheitsarchitektur
a) Sicherheitsbehörden allgemein
b) Verfassungsschutz
aa) Aufgabe des Verfassungsschutzes
bb) Personal und Ausbildung
cc) Vertrauenspersonen
dd) Zusammenlegung einzelner Verfassungsschutzämter der Länder
ee) Informationsaustausch der Verfassungsschutzbehörden

c) Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz

2. Gesetzesevaluierung
3. G 10-Kommission
4. Aufsicht und Kontrolle
5. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts
6. Datensysteme
7. Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Institutionen
a) Gründung einer Stiftung als zentrale Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt
b) Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle
c) Gründung eines Instituts gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
d) Erweiterung der Opferberatungsstellen
e) Vergabe von Stipendien

8. Verbesserung der Behördenarbeit
a) Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure
b) Transparenz

9. Normensetzung
10. Polizeiarbeit
a) Neudefinition von Straftaten
b) Polizeiausbildung
c) Migranten im Polizeidienst
d) Persönliche Einstellungen Polizeibeamter und Optimierung von Arbeitsweisen
e) Profiling

11. Sonstige Verbesserungsvorschläge
a) Analytik
b) Prävention
c) Archivierung der Dokumente
d) Fachtagungen und Beratungsgremien
Dritter Teil: Gemeinsame Bewertungen
A. Das Scheitern der Ermittlungen zu der Serie schwerer Straftaten
I. Česká-Mordserie
II. Polizistenmord
III. Sprengstoffanschläge
IV. Ermittlungen im Umfeld der Opfer
V. Mangelnde Offenheit für alternative Ermittlungsansätze

B. Eindruck staatlicher Gleichgültigkeit verstärkt Radikalisierung
C. Das Scheitern der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
D. Mangelnde Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes
E. V-Personen-Problematik: Festgestellte Probleme und Auswüchse
F. Umgang mit Akten nach dem 4. November 2011
G. Schlussfolgerungen
I. Empfehlungen für den Bereich der Polizei
II. Empfehlungen für den Bereich der Justiz
III. Empfehlungen für den Bereich der Verfassungsschutzbehörden
IV. Empfehlungen für den Bereich Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden

H. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung

Vierter Teil: Ergänzende Stellungnahmen der Fraktionen
A. CDU/CSU-Fraktion
B. SPD-Fraktion
Einleitung
I. Notwendigkeit des Einzelvotums
II. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Ausschussarbeit
1. Die Gefahren des Rechtsextremismus wurden auf allen Ebenen und über die gesamte Zeit hinweg verkannt und verharmlost
2. Strukturelle rassistische Vorurteile waren eine wesentliche Ursache für die fehlende Offenheit der Ermittlungen zu den Morden und Sprengstoffattentaten des NSU
3. Falsch verstandener Föderalismus hat sich als gravierendes Hemmnis effektiver Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden erwiesen
a) Es hätte eine zentrale polizeiliche Ermittlungsführung mit klaren Weisungsbefugnissen bewirkt werden müssen
b) Sämtliche Ermittlungen hätten in einem staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahren zusammengeführt werden müssen
c) Aus Sorge vor Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt wurden dieser und die Öffentlichkeit nicht sachgerecht informiert

4. Zusammenarbeit und Informationsaustausch haben nicht funktioniert: Abschottung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und fehlende Eigeninitiative haben das Handeln über weite Strecken bestimmt
a) Kein sachgerechter Informationsaustausch innerhalb der Polizei Thüringens
b) Konkurrenzdenken zwischen Verfassungsschutz und Polizei in Thüringen sowie Dilettantismus im Thüringer LfV
c) Unprofessionelle Kooperation zwischen bayerischer Polizei und Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz
d) Defizitäre Zusammenarbeit zwischen Thüringen und Sachsen
e) Unterlassene Informationsweitergabe durch das LKA Berlin
f) Beeinträchtigung der Arbeit des hessischen Polizei durch das LfV Hessen
g) Nur sporadische Einbeziehung des Bundesamtes für Verfassungsschutz

5. Eine Vielzahl handwerklicher Fehler in Justiz, Polizei und Verfassungsschutz taten ihr Übriges
a) Im Bereich der Justiz
b) Im Bereich der Polizei
c) Im Bereich des Verfassungsschutzes

6. Die festgestellten Auswüchse beim Einsatz von V-Personen im Verfassungsschutz müssen zu grundlegenden Reformen führen
7. Gravierende Fehler der Bundesregierung bei der Aufarbeitung der Vorgänge nach dem 4. November 2011 wären vermeidbar gewesen

III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1. Polizei
2. Justiz
3. Verfassungsschutz
a) Grundlegende organisatorische Maßnahmen
b) Stärkung der Zentralstellenfunktion des BfV
aa) Ermöglichung eigener Tätigkeit des BfV in den Ländern bei gewaltbezogenen Tätigkeiten und Bestrebungen
bb) Selbsteintrittsrecht des BfV in Einzelfällen
cc) Es muss eine gesetzliche Pflicht zum Informationsaustausch geben

c) Stärkere Öffnung gegenüber der Gesellschaft
d) Stärkung des Bundesdatenschutzbeauftragten
e) Maßnahmen zum V-Personen-Einsatz
aa) Gesetzliche Verankerung bundesweiter Rahmenbedingungen für die Quellenführung neben internen bundesweiten Standards
bb) Genehmigung der V-Personen-Einsätze im Einzelfall durch die G10-Kommission
cc) Nutzung des BfV als zentrale permanente Koordinierungsstelle
4. Parlamentarische Kontrolle
5. Stärkung der Zivilgesellschaft

IV. Ausblick

C. FDP-Fraktion
I. Geleitwort
II. Einleitung Einzelvoten FDP
III. Aktenvernichtung in den Diensten – Wir können nichts ausschließen
IV. Die Finanzierung und Gestaltung des Lebens in der Illegalität
V. Das Waffenarsenal des Trios
VI. Der NSU im Netzwerk von „Blood & Honour“
VII. Der Einsatz von V-Personen ist richtig, aber nur wenn er reformiert wird
VIII. Umgang mit den Opferfamilien
IX. Baden-Württemberg
X. BAO und Bayern
XI. Anschläge in Köln
XII. Weitere Stärkung des Generalbundesanwalts erforderlich
XIII. Kein Unterlaufen des § 4 BKAG durch informelle Innenministerkonferenz
XIV. Forderungen und Konsequenzen
XV. Anlagen

D. Fraktion DIE LINKE
I. Vorbemerkung
II. Vorwort
III. Einleitung
IV. Bewertungen im Kontext des Feststellungsteils
1. Die Česká-Mordserie
a) Struktureller bzw. institutioneller Rassismus und ethnisierende Zuschreibungen bei den Ermittlungen zur Česká-Mordserie und den Sprengstoffanschlägen in Köln
aa) Exkurs: Was verstehen wir unter strukturellem und institutionellem Rassismus

b) Struktureller und institutioneller Rassismus im Kontext der polizeilichen Ermittlungen
aa) Beispiel Operative Fallanalyse Baden-Württemberg 2007
bb) Ethnisierende Zuschreibungen
cc) Fatales Zusammenspiel: Ethnisierende Zuschreibungen und Wahrnehmungsdefizite bei rechter Gewalt durch die Polizei
dd) Exkurs: Antiziganismus
ee) Bearbeitung der Waffenspur durch das BKA

c) Reibungslose Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden in den Bereichen Organisierte Kriminalität, „Ausländerkriminalität“, PKK und Türkische Hizbullah
d) Fragwürdiger Umgang mit Informanten und V-Leuten im Bereich der „Organisierten Kriminalität“ sowie PKK und Türkische Hizubullah von Polizei und Verfassungsschutzämtern

2. Die Verantwortung der Verfassungsschutzämter im NSU-Komplex
a) Die Verantwortung des BfV
aa) Das BfV und dessen Versagen bei der Bewertung rechtsterroristischer Aktivitäten

b) Extremismusansatz und Frontstellung gegen Linke
c) Die Operation „Rennsteig“
d) Die V-Leute als zentrales Problem im NSU-Komplex
aa) Das V-Leute System im LfV Thüringen vor, während und nach dem Abtauchen des mutmaßlichen NSU-Kerntrios
bb) V-Personen des BfV im Kontext der Suche nach dem mutmaßlichen NSU-Kerntrio
cc) Ein V-Mann des LfV Bayern
dd) Der V-Mann „Piatto“ des LfV Brandenburg
ee) VP 562 des LKA Berlin
ff) Quellenschutz behinderte die polizeiliche Fahndung erheblich

e) Exkurs: Polizisten mit einer Nähe zu Neonazis
f) Ergänzende Feststellungen zum Versagen des LKA Thüringen bei der Fahndung nach dem untergetauchten Trio
aa) Unvollständige Meldung zum Rohrbombenfund in der Garage Nr. 5 am 26. Januar 1998 an den Tatmittelmeldedienst des BKA – Behinderung bei der Suche nach den Tätern des Sprengstoffanschlags in der Keupstraße in Köln
bb) Erste Hinweise auf Zwickau als möglichen Aufenthaltsort der untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ignoriert

g) Kritikwürdiges Verhalten der Länderinnenminister und des BMI angesichts einer Aktenlieferung aus Thüringen im Herbst 2012
V. Rechtliche Würdigung
1. Rechtsverstöße im NSU-Kontext bis zum 4.11.2011 auf unterschiedlichen Ebenen
a) Verstoß der Verfassungsschutzbehörden gegen gesetzliche Übermittlungspflichten
b) Strukturelle Verfassungswidrigkeit des Einsatzes von Vertrauenspersonen
c) Sorgfaltswidrige Führung, Anweisung und Überwachung von V-Leuten sowie Zurechenbarkeit ihres Wissensaufkommens und Verhaltens zum Verfassungsschutz
d) Verstoß gegen wechselseitige Unterrichtungs- und Übermittlungspflichten nach BVerfSchG und MAD-G
e) Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des Bundes nach Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG bei der Ausführung des Bundesverfassungsschutzgesetzes

2. Rechtswidriger Umgang mit Akten zum Rechtsextremismus durch Bundes- und Landesbehörden nach dem 4.11.2011
a) Rechtswidrige Aktenvernichtungen nach dem 4.11.2011 beim BfV und Aufsichtsversäumnisse des BMI insoweit
aa) Keine Gewissheit über fehlende NSU-Bezüge in den nach dem 4.11.2011 beim BfV vernichteten Akten und Vernichtungsmotive
bb) Anlagenordner zu Anträgen auf G 10-Maßnahmen
cc) Beschaffungsakten zur Operation Rennsteig u. a.

b) Vernichtung von Akten beim MAD
c) Vernichtung von Akten bei Berliner Behörden
VI. Schlussfolgerungen und Reformvorschläge der Fraktion DIE LINKE für eine Sicherheitsarchitektur nach der Selbstenttarnung des NSU
1. Vorab: Die Reaktionen und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und verantwortlichen Innenpolitiker seit dem 4.11.2011: Falsche Signale zur falschen Zeit
a) Zentrale Maßnahmen nach dem 4.11.2011
b) Alter Wein in neuen Schläuchen: Kosmetik statt Reformen bei den Verfassungsschutzbehörden
c) Behörden und Innenpolitiker schaffen unumkehrbare Tatsachen und relativieren damit die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses
d) Extremismusdoktrin auch im NSU-Zusammenhang

2. Das bisherige Bundesamt für Verfassungsschutz abschaffen und eine Koordinierungsstelle des Bundes plus Bundesstiftung „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ aufbauen
a) Das BfV in seiner jetzigen Form weicht erheblich von den Vorgaben des Grundgesetzes ab.
b) Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Einstellungen und Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“
c) Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Erforschung und Aufklärung über alle Erscheinungsformen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“
d) Den Beauftragten des Bundes für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BdfI) stärken

3. Eckpunkte zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle der noch existierenden Geheimdienste
a) Grundsatz: Geheime Politikbereiche eingrenzen – öffentliche parlamentarische Kontrolle ausweiten
b) Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) durch einen ständigen Ausschuss für die Kontrolle der Nachrichtendienste (AKrND) ersetzen
c) Informationspflicht der Bundesregierung ausweiten
d) Frage- und Kontrollrechte der Abgeordneten stärken
e) Informationsansprüche der Fachausschüsse und Informationspflichten der Regierung ausweiten

4. Schlussfolgerungen im Bereich der Polizei
a) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle / unabhängige Polizeibeobachtung
b) Erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Polizeiaus- und Fortbildung, beim Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Polizei und der Polizeiforschung
aa) Aus- und Fortbildung verbessern
bb) Interkulturelle Kompetenz
cc) Polizeiforschung intensivieren

c) PMK-Rechts Erfassung reformieren und unabhängiges Monitoring sichern
d) Schutz für Whistleblower

5. Zivilgesellschaft stärken, Flüchtlinge integrieren und schützen
a) Bundesförderung verdoppeln und verstetigen
b) Kompetenzen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft einbeziehen
c) Extremismusklausel ersatzlos abschaffen
d) Kriminalisierung antifaschistischen Engagements beenden
e) Flüchtlinge integrieren statt rassistischer Hetzkampagnen

6. Rechte von MigrantInnen stärken – Ausgrenzung beenden

VII. Epilog

E. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
I. Nach der Untersuchung besteht konkreter Handlungsbedarf
II. Politische Verantwortung wahrnehmen – nach Fehlleistungen persönliche Konsequenzen ziehen
1. Politische und persönliche Verantwortung auf Regierungsebene
2. Gefahr des Rechtsterrorismus über Jahre unterschätzt
3. Falsche Analyse ungeprüft übernommen
4. Stichwortgeber für einseitige Ermittlungen
5. Organisationsverantwortung für versagende Sicherheitsbehörden
6. Akzeptieren nicht überprüfter Behördenauskünfte
7. Kommunikationsblockaden zwischen Polizei und Nachrichtendiensten

III. Empfehlungen für den Bereich der Polizei und Staatsanwaltschaften
1. Gruppenbezogene Vorurteilstrukturen sichtbar machen und bekämpfen
2. Polizeikultur weiter demokratisieren
3. Rechtsmotivierte Gewalt erkennen
4. Transparente Strategieentwicklung gegen Rechtsextremismus
5. Polizei und Zivilgesellschaft
a) Strukturierter Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft
b) Unabhängige Polizeibeschwerdestelle
c) Stärkung der Umsetzung internationaler Vorgaben
IV. Verfassungsschutz: Dem Totalversagen muss der Totalumbau folgen
1. Zäsur: Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und kompletter Neustart
2. Unabhängiges „Institut zur Analyse demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen“
3. Eine neue „Inlandsaufklärung“
4. Beendigung des Einsatzes von V-Leuten in der rechten Szene
5. Externe Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit neu aufstellen
a) Parlamentarische Kontrolle
b) G10-Kommission
c) Unabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder

6. Klare Trennung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Verfassungsschutz und Polizei
7. Informationsaustausch, Datenschutz und das Trennungsgebot

V. Demokratieoffensive und Prävention auf allen Ebenen
1. Jede Bagatellisierung muss ein Ende haben.
2. Aufklärung, Sensibilisierung und politische Bildung ausweiten
3. Förderung der Zivilgesellschaft
a) Weg mit der Extremismusklausel
b) Förderung mit Konzept und Perspektive: Stiftung Demokratieförderung
VI. Fazit:
Fünfter Teil: Stellungnahmen aufgrund Gewährung rechtlichen Gehörs
I. Barbara E.
II. D. F.
III. Sylvia F.
IV. Alexander Gronbach
V. Andreas G.
VI. Henning H.
VII. KHK J.
VIII. Christian K.
IX. Sven Krüger
X. David Petereit
XI. Reinhard S.
XII. Hans-Joachim S.
XIII. Carsten Schultze
XIV. Achim S.
XV. Kay-Norman S.
XVI. J. T.
XVII. Patrick W.
XVIII. Jörg W.
XIX. Christian W.
XX. Ralf Wohlleben

Sechster Teil: Übersichten und Verzeichnisse
A. Abkürzungsverzeichnis
B. Übersicht der Ausschussdrucksachen
C. Übersicht der Beweisbeschlüsse mit Bearbeitungsstand
D. Verzeichnis der Materialien, die dem Untersuchungsausschuss ohne Beiziehungsbeschluss zur Verfügung gestellt wurden (B-Materialien)
E. Verzeichnis der Sitzungen
F. Anlagen
I. Stenographische Protokolle
II. Dokumente

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